iK-:>%\t W\^' ARCHIT • FÜR NATURGESCHICHTE. GEGRÜNDET VON A. F. A. WIEGMANN, FORTGESETZT VON W. F. ERICHSON. IN VERBINDUNG MIT PROF. Dr. LEUCKART IN GIESSEN UND PROF. Dr. R. WAGNER IN GÖTTINGEN HERAUSGEGEBEN VON Dk. f. h. troschei., PROFESSOR AN DER FRIEDRICH-WILHELMS-UNIVERSITÄT ZU BONN. ACHT UND ZWANZIGSTER JAHRGANG, Erster Band« Mit dreizehn Tafeln. Berlin, NicolaiscRe Verlagsbuchhandlung. (G. Parthey.) 1862. t:xr j-ei^^ajT// T J^. ' F:nT! no7 V?-n»H T^.Hr/T Inhalt des ersten Bandes. Seite Die Rhizocephalen, eine neue Gruppe schmarotzender Kruster. Von Fritz Müller in Desterro. Hierzu Taf. I . . 1 Entoniscus Porcellanae, eine neue Schmarotzerassel. Von d e ra- se Iben. Hierzu Taf. II ....... 10 Ueber ein neues Gürtelthier aus Surinam. Von Prof. Dr. Krauss in Stuttgart. Hierzu Taf. III ..... • 19 Ueber Typhlops flavoterminatus und Herrn Prof. Jan's Icono- graphie descriplive des Ophidiens, als Erwiderung auf dessen Bemerkungen in dem Archiv für Katurgeschichte 1861. p. 7. Von W. Peters in Berlin .... Eine neue Art von Coronella mit Furchenzahn. Von Dr. Al- bert Günther in London ...... Systematische Uebersicht der Familien der Stachelflosser. Von dem selbe n .....♦•• • Eine neue Art von Mormyrus. Von demselben Verzeichniss der auf seiner Reise in Kordamerika beobach- teten Säugelhiere. Vom Prinzen Maximilian zuWied. Schluss. Hierzu Taf. IV— VI Ueber die Verdrängung der naturgeschichtlichen Wissenschaf- ten im Vorbereitungs-Examen der Mediziner auf den Freus- sischen Universitäten. Von Rudolph Wagner in Götlingen 191 Die Verwandlung der Porcellanen. Vorläufige Mittheilung. Von Fritz Müller in Desterro. Hierzu Taf. VII . . .194 Ein Beitrag zur Kenntniss der Tänien. Von Ludwig Stieda aus Dorpal. Hierzu Taf. VIII ...••• Die Larven der Hypodermen, ein Beitrag zur Lösung der Frage, "Wie dieselben unter die Haut ihres Wohnthieres gelangen. Von Friedrich Brauer in Wien .... 210 Ueber die chilenischen Wasserhühner aus der Gattung Fulica Linn. Von Ludw. Landbeck in Santiago 35 48 53 64 65 200 215 IV Inhalt. Seite Kurzer Ueberblick der in der Kieler Bucht von uns beobachte- ten wirbellosen Thiere, als Vorläufer einer Fauna dersel- ben. Von H. Adolph Meyer und Karl Möbius in Hamburg 229 Ueber die Familien der Eryciden und Tortriciden. Von Prof. Jan in Mailand 238 Bemerkungen über Aufenthalt und Grenzen der Thiere in ex- tremen Höhen und Einfluss der Höhe auf den Menschen. Nach den Beobachtungen von Hermann, Adolph und Robert V. Schlagint weit . . . . . 253 Carcinologische Beiträge. Von Dr. Strahl in Berlin. Hierzu Taf. IX. ]. Ueber Cancer Calypso Herbst. 2. Uebcr Cancer Tyche Herbst. 3. Ueber die Stellung der Dana'schen Fa- Or milie Bellidea .. ., 266 Eine neue Art von Spatularia. Von Prof. J. Kaup in Darmstadt. 278 Allgemeine Orismplogie der Ameisen, mit besonderer Berück- sichtigung des Werthes der Classifikationsmerkmalc. Von W. H. Fenger. Hierzu Taf, X— XII ... .282 Bruchstück zur Entwickelungsgeschichte der Maulfüsser. Von Fritz Müller in Desterro. Hierzu Taf. XIII. . . 353 Phaedimus Jagori, ein neuer Goliathide von Luzon. Beschrie- 8' ben von Dr. A. Gerstaecker in Berlin . . . 362 Noch ein Wort über die Capitellen und ihre Stelle im Systeme ij, der Anneliden. Von Prof. Dr. Ed. Grube in Breslau . 366 40 öl) Die Rhizocephaleii^ eine neue Gruppe scbmarotzender Kruster. Von Fritz Müller in Desterro. (Hierzu Taf. I.) Ra thke's Beiträge zur Fauna Norwegens schliessen mit der Beschreibung zweier Tliiere, Peltogaster paguri und car- cini, die mir schon beim Lesen der vortrefflichen Abhandlung als die merkwürdigsten der ganzen reichhaltigen Sammlung erschienen und seitdem einen der ersten Plätze behauptet ha- ben in der Reihe der Thiere , die selbst zu untersuchen mich verlangte. Zu dieser Untersuchung wurde mir kürz- lich Gelegenheit durch die Entdeckung zweier nahe ver- wandten Arten; ihre Ergebnisse waren zum Theil so über- raschend, aus dem Kreise der gewohnten Vorstellungen her- austretend, dass es mir bei deren Mittheilung in der That eine Beruhigung ist, an den europäischen Küsten jene bei- den Verwandten zu wissen und auf sie die Fachgenossen zur Prüfung meiner Angaben verweisen zu können. Der in den Leib des Wirthes eingesenkte Kopf die- ser scheinbaren Würmer treibt pflanzenartig Wurzeln, hohle Röhren, die vielverzweigt dessen Eingeweide umspinnen, und ihre Brut stellt sich in die Mitte zwischen die der Ler- naeen und der Rankenfüsser. Sie bilden also eine neue Abtheilung schmarotzender Kruster, die ich nach jener er- sten Eigenthümlichkeit Rhizocephala nenne. Es steht zu erwarten, dass in diesen Rhizocephalen sich eine reiche Fundgrube neuer Formen eröffnen werde, da jeder der beiden Krebse , die ich bis jetzt in grösserer Zahl unter- Archiv f. Naturg, XXVIII. Jahrg. 1. Bd. 1 2 Müller : suchen konnte, eine Art ernährt. Leider fehlen mir alle liülfsrniltel zur Bestimmung dieser Wohnlhiere; doch wer- den sie spätere Besucher unserer Küste auch ohne weit- läufiorc Beschreibung leicht wiederfinden. Fast unter jedem Steine werden sie eine schwärzlichgrüne, glattscheerige, ungemein flinke Porcellana trefTen, und kaum minder häufig einen kleinen Pagurus, der fast ausschliesslich in den Ge- häusen eines Cerilhium Obdach sucht. Der Schmarotzer der Porcellana maff Lernaeodiscus Porcellanae , der des Einsiedlerkrebses Sacculina piirpurea heissen. Ich beschreibe zunächst die beiden geschlechts- reifen Thiere und dann ihre Larven. Lernaediscus Porcellanae (fig. 1 — 4) findet sich ziem- lich häufig ^), meist einzeln, selten zu zweien, dem Schwänze seines Wirthes an einem der vorderen Ringe angeheftet, und füllt oft vollständig den Raum zwischen Schwanz und Brustschild. Er hat die Gestalt einer fleischigen und blass gelblichfleischfarbenen Scheibe, die bis über lOMm. breit wird, bei etwas geringerer Länge. Vorn und hinten ist die Scheibe tief ausgebuchtet und jederseits in 5 bis 7 Lap- pen getheilt, deren meist verbreitertes Ende häufig wie- der eingebuchtet ist. Auf der Rückenfläche der Scheibe, die dem Schwänze der Porcellana zugekehrt ist, sieht man in der Nähe des Randes oft noch jenen Lappen ähnliche klei- nere Hervorragungen. Auf der Bauchfläche, die sich dem Brustschilde der Porcellana zuwendet , fällt zunächst der Eierstock (fig. 2, b) in die Augen, der fast die ganze Fläche bis an den Ursprung der Randlappen einnimmt, hinten eine breite und seichte Bucht, vorn aber einen schmalen hinter- wärts keulenförmig verbreiterten und ihn zur bis Hälfte theilenden Einschnitt hat. Unter dem Eierstocke (der Bauchfläche näher) liegen nahe dem Vorderrande der Scheibe zwei sehr ansehnliche rundliche oder nierenförmige Drüsen (fig. 2, c) von dem eigenthümlich durchscheinenden Ansehen, das so häufig den Hoden niederer Thiere zukommt; ihre anfangs engen, spä- 1) S. u. den Aufsatz, über Entonisctis. Die Khizocephalen, eine neue Gruppe schmarotzender Kruster. 3 ter erweiterten und dann sehr dünnhäutigen und schwer zu verfolgenden Ausführungsgänge verlaufen an ihrer in- neren Seite nach hinten ; ich verinuthe , dass die am' hin- teren Rande dos Eierstocks in die gleicli zu erwähnende Bruthöhle münden. Gleichfalls unter dem Eierstocke und in ihren Umrissen demselben entsprechend, aber auch des- sen vorderen Einschnitt füllend breitet sich eine zartwan- dige Höhle aus, die eine röthliche durchsichtige Flüssigkeit enthält; dass es eine einzige Höhle ist, wird deutlich, wenn sie sich zusammenzieht; im ausgedehnten Zustande könnte man versucht sein , ein Netzwerk zwischen den einzelnen Eiergruppen sich hinziehender Röhren anzunehmen , die von einer im vorderen Einschnitte des Eierstocks liegenden Blase ausgingen , indem dann über den stärker vorsprin- genden Eiern die Farbe der dünnen Flüssigkeitsschicht fast unmerklich wird und deutlicher nur in den Furchen zwischen ihnen hervortritt. In der hinteren Ausbucht der Scheibe findet sich eine ansehnliche, von gekerbtem Rande umfasste Oeffnung (fig.2,a), durch die man unter abwechselndem Ausdehnen und Zu- sammenziehen des Körpers das Wasser ein- und ausströmen sieht. Sie führt zu einer weiten Bruthöhle , von deren Ausdehnung man sich am leichtesten überzeugt, wenn man sie mittelst einer fein ausgezogenen Glasröhre aufbläst. Man sieht dann, dass sie die ganze Rückenfläche einnimmt, ausgenommen den vorderen Einschnitt des Eierstocks, und sich in die Randlappen erstreckt, die nur Aussackungen derselben sind. Man findet die Bruthöhle meist prall ge- füllt mit Eiern , die namentlich ihrer äusseren Wand an- kleben und alle gleich alt sind. Wenn sie sich der Reife nähern, erscheint der Rand der Scheibe durchsichtiger und endlich Randlappen und Rücken schwarz punktirt durch die Augen der jungen Brut, die gleichzeitig ausschwärmt. Zwei Tage nach dem Ausschwärmen fand ich bei einem Thiere schon wieder frische, in totaler Furchung begriffene Eier (flg. 7) in der Bruthöhle. — Das in die Bruthöhle einströ- mende Wasser dient meines Erachtens nur dem Athmen der Eier, die ziemlich vollständig seinen Zutritt zum Leibe der Mutter hemmen dürften. Auch bei vielen andern Kru- 4 Müller: Stern mag die Befesligung der Eier am mütterlichen^Kör- pcr weniger durch den gewährten Schutz , als durch den steten Wasserwechsel für die Enlwickelung der Brut nö- thig sein; selbst der Reife nahe sind mir vom Leibe der Mutter gelöste Eier von Krabben und Garneelen immer zu Grunde gegangen, während das gefangen gehaltene Weibchen sie sicher ausbrütet. In der vorderen Ausbucht der Scheibe liegt ein ge- wölbtes Chitinschild (fig. 2, s) mit concentrischen Streifen, zwischen denen bräunliche Farbetheilchen abgelagert zu sein pflegen. Aus seiner Mitte entspringt ein kurzer Hals, der die Haut der Porcellana durchbohrt. Innen umgiebt ihn ein starker Chitinring von 0,2 bis 0,3 Mm. Durchmesser, der sich in eine zackige nach oben erweiterte, goldglän- zende Krone fortsetzt. Je nach dem Alter des Thieres ist diese Krone (lig. 2, 3, 4, k) verschieden entwickelt. Sie entsteht durch Chitinisirung der Kopfhaut. Einzelne kleine Chitinplältchen (fig. 3,4, b) trifft man bisweilen noch ober- halb der Krone, die von der weichen Kopfhaut nur wenig überragt wird. — Von der oberen Fläche des Kopfes, an dem ich von Mund, Augen, Fühlern keine Spur fand, ent- springen nun zahlreiche Röhren (fig. 3, 4, w), bis zu 0,15 Mm. weit, die zum Theil, namentlich die äusseren, schon in der Nähe blind enden, zum Theil, sich vielfach verästelnd, be- sonders nach dem Darme der Porcellana sich hinziehen, ihn weithin, selbst bis in die Brust hinein, umspinnen und zu- letzt in blinde Reiferchen auslaufen. Nicht selten sieht man bis über 0,5 Mm. dicke , aus zahlreichen einzelnen Röhren geflochtene Stränge den Weg zum Darme der Porcellana nehmen. Diese Wurzeln, so kann man sie nach Ansehen und Verrichtung nennen , enthalten in ihrer zarten Haut zahlreiche Fetlkügelchen , die sich durch Aveit geringere und dabei gleichförmige Grösse leicht von den Fetttheil- chen im Schwänze des Krebses unterscheiden. Dafür, dass die Wurzeln durch den Hals mit dem wei- len Flüssigkeitsbehälter unter dem Eierstocke in Verbindung stehen , hat man einen sehr einfachen und sicheren Beweis in einem vor Auffindung der Wurzeln mir unerklärlichen Um- stände; wenn man den Kopf des Schmarotzers aus dem Leibe Die Rhizocephalen, eine neue firuppe schmarotzender Kruster. 5 des Wirtlies herauslöst, und bisweilen schon, wenn man den Schwanz der Porcellana vom Bruststücke losreisst, er- folgt ein augenblickliches und höchst augenfälliges Erblas- sen des Lernaeodiscus durch Entleeren jener röthlichen Flüs- sigkeit. Ob die mit blinden Wurzeln beginnende Höhle für die ernährende Flüssigkeit, die man kaum Verdauungs- höhle nennen kann, auch blind endige, muss ich noch un- entschieden lassen, obgleich mir ein öfter gesehener schma- ler Fortsatz nach der Oeffnung der Bruthöhle zu eine Aus- mündung an dieser Stelle wahrscheinlich macht. Nach Männchen des Lernaeodiscus habe ich um so eifriger ausgeschaut, da Rathke in der Bruthhöhle von Peltogaster paguri einen kleinen Krebs, seine Liriope pyg- maea, beobachtet hat; allein bis jetzt ohne Erfolg. In der aus den erwähnten grossen Drüsen gewonnenen Flüssigkeit sehe ich dagegen bewegliche Theilchen, deren Gestalt ge- nau zu erkennen mein Mikroskop nicht ausreicht; nach der Art ihrer Bewegung trage ich kaum Bedenken , die Flüs- sigkeit für Samen zu erklären. Sacculina purpurea (fig. 5 u. 6) , der Schmarotzer un- seres kleinen Einsiedlerkrebses, scheint nicht minder häufig zu sein , als Lernaeodiscus. Nachdem ich einmal auf ihn aufmerksam geworden, konnte ich aus den während einer Ebbe gesammelten Schneckenhäusern über 30 mit ihm be- haftete Paguren herausklopfen. Der Schmarotzer hängt als dicke, schwach gebogene, purpurrothe Wurst, die bis über 6 Mm. lang und halb so dick beobachtet wurde, am An- fange des weichen Hinterleibes und zwar an dessen linker gewölbter Seite , sein etwas dickeres Hinterende mit der Oeffnung der Bruthöhle dem Kopfe des Wirthes und also der Mündung des Schneckenhauses zuwendend. — Der An- heftungspunkt liegt auf der hohlen Seite der Wurst, dem hinteren Ende etwas näher; die Enden erscheinen von oben kuglig abgerundet. Der Gast ist ebenso windschief wie sein Wirth ; wenn man als untere die hohle Fläche nimmt , mit der das Thier festsitzt, und das Hinten durch die Oeffnung der Bruthöhle bestimmt, so ist von den beiden Seiten, die unterhalb durch Darm und Eierstock, auf dem Rücken durch eine seichte e Müller: Furche geschieden sind , hinten die linke, vorn die rechte stärker entwickelt. Vorn ist die Verschiedenheit unbedeu- tend, hinten so stark, dass die OefTnung derßruthöhle ganz nach der rechten Ecke des Hinterrandes gedrängt ist. Diese OelTnung bildet eine kleine Längsspalte, und lässt dieselbe Wasserströmung gewahren , wie bei Lernaeodiscus. Links läuft der hintere Rand meist in eine mehr oder weniger deutliche, scharfe Ecke aus. Der Darm und der darüber liegende Eierstock bilden einen ziemlich schmalen, hinten und vorn verjüngten Streifen , der sich vom Anheftungs- punkte vorwärts fast bis zum Vorderrande, hinterwärts bis zur OefTnung der Bruthöhle erstreckt. — Die ganze übrige Wurst ist Bruthöhle. Die nahende Reife der Eier verräth sich durch blassere, mehr durchscheinende Färbung. Der concentrisch geriefte Schild am Anheftungspunkt ist schwach entwickelt; die goldene Krone im Innern des Wirthes (fig. 6, k) dadurch von der des Lernaeodiscus ver- schieden, dass von dem Ringe einzelne breite Aeste ab- gehen, deren breite Zweige allmählich in die dünnere Kopf- haut verfliessen, während Lernaeodiscus spitze, scharf um- schriebene Zacken hat. Die dem Kopfe entsprossenden Wurzeln erstrecken sich auf der linken Seile des Pagurus nach hinten und bilden zwischen den Leberschläuchen ein dichtes Büschel aus w^enigen Hauptstämmen entspringender Röhren. Man kann aus diesem Büschel ziemlich leicht die es durchsetzenden Leberschläuche hervorziehen und es so vollständig isoliren (fig. 5. B, w). Die Farbe des Wurzelbüschels ist dunkelgrasgrün ; es schimmert deutlich durch die dünne Leibeswandung des Pagurus hindurch. Die Larven der beiden Schmarotzer haben so viel Uebereinstimmendes, dass ich nur die des Lernaeodiscus beschreibe und für die der Sacculina nur auf das von jener Abweichende aufmerksam machen werde. Die Larve von Lernaeodiscus (fig. 8) ist 0,2 Mm, lang, vorn 0,12 Mm. breit und nach hinten anfangs schwach, im letzten Drittel rascher veriünfrt. Am Hinterende träfft •IC ^ sie zwei kurze Spitzen. Der schwach gewölbte Vorder- rand läuft jederseits in ein kurzes an der Spitze etwas nach hinten gebogenes Hörn aus. Den Rücken deckt ein Die Rhizocephalen, eine neue Gruppe schmarotzender Kruster. 7 Schild, das den Körper vorn und seitlich um 0,04 bis 0,05 Mm. überragt; hinten deckt es kaum den Ursprung- der beiden Spitzen und ebenso nur den Anfang der Hörner des Stirn- randes. Auf der Unterfläche liegt in geringer Entfernung vom Vorderrande ein grosses , etwas quergezogenes und vorn meist seicht ausgerandetes schwarzes Auge , von dem sich ein starker Nerv hinterwärts verfolgen lässt, dem aber ein lichtbrechender Körper zu fehlen scheint. Die Borsten zu den Seiten des Auges, auf die M a x Schnitze bei den jungen Rankenfüssern aufmerksam gemacht hat, vermisse ich. Die Ursprungsstelle der drei Fusspaare liegt etwa in der Mitte zwischen Mittellinie und Seitenrand ; das vorderste entspringt dicht hinter dem Auge, das letzte am Ende des zweiten Fünftels der Länge. Das vorderste hat ein dickes cylindrisches Grund-, und ein kurzes Endglied mit zwei längeren Borsten; — das zweite trägt auf dickem Grund- gliede einen längeren äusseren (und vorderen) Ast mit fünf, und einen kürzeren inneren mit drei langen Borsten ; — dass dritte Fusspaar ist bedeutend kürzer und schwächer als das zweite; sein äusserer Ast trägt vier, der innere zwei längere Borsten. Die längeren Aeste sind geringelt, doch nicht deutlich gegliedert. Zwischen dem mittleren Fusspaare entspringt ein drei- eckiger Schnabel mit rückwärtsgerichleter Spitze. Der weite Darm , der den Schnabel noch etwas nach vorn überragt, ist in den ersten Tagen noch dicht mit brauner Dottermasse gefüllt. Hinter dem letzten Fusspaare ist bis- weilen eine leichte Einschnürung des Körpers zu sehen. Die Larve der Sacculina ist verschieden durch ein viel grösseres, die Stirnhörner und Endspitzen weit über- ragendes Rückenschild , durch Mangel des Auges , durch mehr eiförmige Gestalt des Leibes und gerade, schief vor- wärts gerichtete Stirnhörner. Ausserdem fand ich bei ihr die bei Lernaeodiscus vermissten Borsten in der Nähe des Vorderrandes und hinter dem letzten Fusspaare zu jeder Seite des Darmes ein Häufchen bräunlicher undurchsichti- ger Körnchen (Harn ?), von dem ich ebenfalls bei Lernaeo- discus nichts finden kann. 8 AI ü 1 1 e r : Nach den gegebenen Beschreibungen würden sich als bezeichnende Eigenthümlichkeilen der Rhizocephalen , die n die Älitle zwischen Siphonostomen und Rankenfüsser zu stellen sein dürften, fogende hervorheben lassen : Crustacea Rhizocephala. Larve mit drei paar Schwimm- füssen, von denen die beiden hintern zweiästig, mit zwei seitlichen Stirnhörnern, zwei Spitzen am Ende des Leibes und häutigem Rückenschild. Erwachsenes Thier weich- häutig, ungegliedert, ohne Augen, Fühler, Füsse und (?)Mund. Kopf in das Wohnthier eingesenkt, am Grunde zu einem Chitinkranze erhärtet, durch wurzelartige blinde Forlsätze Nahrung aufnehmend. Zwitter mit beweglichen Spermatozoiden (?) , ohne Eiersäcke (wie die Rankenfüs- ser) , mit weiter hinten geöffneter Bruthöhle. Gattungen : 1) Peltogaster Rthk. i). 2) SaccuUna. Körper unsymmetrisch, wurstförmig; Kopf mitten auf der Bauchfläche. — Larve ohne Auge, mit zwei Stirnborsten. 3) Lernaeodiscus. Körper symmetrisch, scheibenför- mig, Kopf am Vorderrande der Scheibe. — Larve mit Auge, ohne Stirnborsten. 1) Nach mehr als 15 Jahren sind mir die Einzelnheiten von Rattike's Beschreibungen zu sehr entschwunden, um diese Gattung charakterisiren oder selbst nur entscheiden zu können, ob nicht Sac- culina damit zu vereinigren sei. Erkläruug der Abbildungen. Taf. L Fig. 1. Lernaeodiscus am Schwänze der Porcellana angeheftet, we- nig vergr. n 2. Ein kleineres Exemplar, V. d. Bauchseite, 15mal vergr. a Oeff- nung der Bruthöhle, b Eierstock, c Hoden (?)• s Chitin- scliild. k Krone. — Der weiche Theil des Kopfes fehlt. Die Rhizocephalen, eine neue Gruppe schmarotzender Krusler. 9 Fig. 3 u. 4. Der innerhalb der Porcellana liegende Theil von Ler- naeodiscus, 25nial vergr. b einzelne Cbitinplällchen. k Krone, w Wurzeln, d Darm der Torcellana. „ 5. Sacculina purpui-ea, 3nial vergr. A von unten. B von der rechten Seite, a, b, k wie in fig. 2. „ 6. Der innerhalb des Pagurus liegende Theil der Sacculina, 15mal vergr. k Krone, w Wurzeln. „ 7. Ei aus der Brutböhle des Lernaeodiscus, in totaler Furchung, 90mal vergr. „ 8. Erster Jugendzustand des Lernaeodiscus, ISOmal vergr. von unten. „ 9. Erster Jugendzustand der Sacculina^ v. oben, ISOmal vergr. Desterro, Ende Juli 1861. Anmerk. des Herausgebers. Der Herr Verf., dem wir schon so werthvolle an der brasilianischen Küste angestellte Beobachtungen verdanken, hat offenbar die neueren Mittheilungen über Peltogaster ct. (dies Archiv XXI. p. 3 5 und XXV. p.232) nicht gekannt; ebenso we- nig die Beobachtungen von Wright und Anderson Wew Phil. Journ. VII. p. 312 , sonst würde er dieselben erwähnt haben. Die Beobachtungen der Letzteren von den sich im Wirthe verästelnden Canälen , werden durch unseren Verf. auf das Vollständigste bestä- tigt. Um durch eine Rückfrage bei der weiten Entfernung des Verf. diese interessante Mittheilung nicht zu verzögern , habe ich sie un- verändert abdrucken lassen. Entoniscus Porcellaiiae^ eine neue Schmarotzerasse]. Von Fritz Müller in Desterro. (Hierzu Taf. U). Als äusserstes Glied in der Reihe der durch Schmarot- zerleben verkümmerten Asseln galt bis jetzt die Gattung- Bopyrus. Weit über diese Grenze hinaus entfernt sich von Lebensweise und Bau der frei lebenden Asseln und von seiner eigenen jugendlichen Gestalt ein Schmarotzer der- selben Porcellana , um deren Darm Lernaeodiscus seine Wurzeln schlingt und in deren Kiemenhöhle, beiläufig be- merkt, nicht selten ein Bopyrus sich ansiedelt. Das Weibchen dieses Schmarotzers liegt in einem dünn- häutigen Schlauche zwischen Leber , Darm und Herz des Wirthes; sein Kopf hat Augen und Fühler verloren und den Magen in sich aufgenommen ; die Brust ist zu einem regungslosen, ungegliederten, mit ungeheueren Brutblätlern besetzten Schlauche geworden ; der lange wurmförmige äusserst beweorliche Hinterleib hat säbelförmige Beine und kuglig über ihn hervorquellend, wie in einem Bruchsacke, liegt am Anfange seines ersten Gliedes das Herz ! Als erster ßinnenassel gab ich dem Thiere den Namen Entoniscus Porcellanae. Das Weibchen (fig. 1) erreicht eine Länge von 10 bis 15 Mm. Der Kopf bildet einen etwa 1 Mm. langen, 1,5 Mm. breiten weisslichen, w^eichen, rundlichen Klumpen. Oberhalb ist er durch eine seichte Längsfurche etwa wie ein Hirn in zwei gewölbte Hälften geschieden , zwischen denen vorn und unten ein kurzer abgerundeter Lappen vor- springt. Etwas vor der Mitte der ziemlich flachen Unter- Müller: Entonisciis Porcellanae, eine neue Schniarotzerassel 11 fläche sieht man als winziore Längsspalte den Mund , und um ihn — wahrscheinlich Andeutungen früher deutlicherer Mundtheile — verschiedene Linien, für die ich, da ich sie im Einzelnen nicht zu deuten weiss , auf die Abbildung (flg. 5) verweise. Die Aehnlichkeit des Kopfes mit einem Hirne wird noch erhöht durch unregelmässige Furchen, die ihn fast wie Hirnwindungen durchziehen. Zerzupft man die äussere Haut , so sieht man , dass sie herrühren von zahlreichen kegelförmigen Blindsäckchen, deren fettreichem Inhalte der Kopf seine weisse Farbe dankt und die den früher als Leber gedeuteten Blindsäckchen am vorderen Theile des Darmes vonBopyrus entsprechen dürften. Von Fühlern und Augen ist bei geschlechtsreifen Weibchen nichts zu finden; bei einem jüngeren sah ich einmal ein paar plumpe kurze Zipfel über dem unpaaren unteren Lappen, die wahrscheinlich Fühlerreste waren. Aufwärts sich biegend bildet der Kopf einen stumpfen Winkel mit der Brust und ist nur unbedeutender Bewegung von oben nach unten fähig. Ganz regungslos scheint das lange schlauchförmige ungegliederte Bruststück zu sein, das Leber und Eierstöcke fast vollständig füllen ; beide fallen durch lebhafte Färbung sofort in die Augen , jene durch ein prachtvolles gesättigtes Orange, diese durch ein röthliches Violett. Die Leber besteht aus zwei auf der Bauchseite dicht aneinander gelagerten etwa 0,2 bis 0,3 Mm. weiten Schläuchen, die 0,5 Mm. vom Hinterende der Brust blind beginnen und sich bis an den Kopf erstrecken. Die Eierstöcke nehmen die Rückenseite ein, über die sie in unreq^elmässio-en Hüijeln hervorrag-en und lassen vorn eben SO viel freien Raum, wie die Leber hinten. Füsse habe ich in der Regel selbst bei Jüngern Weibchen, die wegen der weniger entwickelten Brutblätter leichter darauf zu un- tersuchen sind, völlig vermisst. Einige Male, und nicht gerade bei jüngeren, traf ich einen oder den anderen in Form kurzer, kegelförmig zugespitzter, rückwärtsgekrümm- ter , mit kleinen Borstchen zerstreut besetzter Zipfelchen (lig. 7). Zu ungeheueren, vielgefalteten, gelappten und zer- schlitzten häutigen Lappen sind dagegen die Brutblätter entwickelt. Wo ich sie deutlich zählen konnte, — denn oft 12 Müller: erscheinen sie als eine einzige kaum cntwirrbarc, gewaltige Blätterkrause, — fand ich sechs Paar! Sie sind durchzo- gen von engen bauinförmig verästelten Gängen, in die man bisweilen durch den Druck des Deckglases die Galle aus der zersprengten Leber hineintreiben kann und enthalten äusserst zahlreiche dichtgedrängte Fettkügelchen einge- lagert. Wenn man schon bei Bopyrus verwundert die Eier- menge betrachtet, die sich unter ihrer breit schildförmigen Brust anhäuft, so ist dieselbe bei Entoniscus noch weit er- staunlicher; sie bildet unregelmässig zusammengeballte Haufen, deren Breite oft der Länge der Brust gleichkommt, die sie vorn und hinten bisweilen noch weit überraoren, so dass nicht selten der ganze Körper vollständig in ihnen versteckt ist. Und während Bopyrus , wie andere Asseln, jede Brut erst vollständig sich entwickeln und ausschwär- men lässt, ehe er neue Eier legt, häuft Entoniscus eine ganze Beihe aufeinander folgender Brüten gleichzeitig um sich an , so dnss man Stoff für die ganze Enlwickelungs- geschichte den Brutblättern desselben Thieres entneh- men könnte. Dem Bruststücke folgt ein weit dünnerer höchst be- weglicher, scchsgliedriger Hinterleib, von sehr wechseln- der Länge, bald weit kürzer, bald über anderthalb Mal so lang wie die Brust. Diese Verschiedenheiten der Länge rühren namentlich her von den beiden ersten zu lang-en Cylindern ausgezogenen Bingen. Bei einem Thiere von 14 Mm. Länge finde ich für die Länge des ersten Hin- terleibsringes 2,3; des 2ten 2; des 3ten 1,2; des 4ten 0,32; des 5ten 0,25 und des 6ten 0,38 Mm.; die Dicke war beim ersten Binge 0,25 und beim letzten 0,2 Mm. Die 5 ersten Binge tragen nahe ihrem hinteren Ende ein Paar ungegliederter säbelförmiger borstenloser Füsse: die des dritten Paares sind die längsten und reichen bis zum Ende des vorletzten Ringes. Die Füsse lassen sich nicht nur heben und senken, sondern auch seitlich ausspreiten. Das letzte Glied des Hinterleibes (fig. 6) ist am Ende oben ab- gestutzt und hat unterhalb einen bis zu seiner Mitte rei- chenden Vförinigen Ausschnitt. — An der Bauchfläche des Enloniscus Porcellanae, eine neue Schinarotzerassel. 13 Isten und 2ten Hinterlcibsrinores, und weniger entwickelt an der des 3ten, zieht sich jederseits eine weit vorsprin- gende contractile Hautfalte hin; ihr stark wellig gebogener Rand enthält eine gefässartige Höhlung , die sich in den Rand des entsprechenden Fusses fortsetzt. Am Anfange des ersten Hinterleibsringes trägt dessen Rückenfläche eine bruchsackartige Ausstülpung von etwa 0,5 Mm. Länge und fast gleicher Höhe; darin liegt das ziemlich matt pulsirende Herz. Wenn nun im Baue des Weibchens kaum die Blind- därmchen am Anfange des Verdauungsrohres , die beiden Leberschläuche, und das am Anfange des Hinterleibes lie- gende kurze Herz an Bopyrus erinnern , so tritt die Ver- wandtschaft mit dieser Assel unverkennbar hervor in den Männchen (fig. 2 u. 3), die wie dort fast beständige Be- gleiter des Weibchens, aber viel zwerghafter und daher zwischen den unendlichen Eiermassen leicht zu übersehen sind. In der Regel findet sich nur eines; ein einziges Mal sah ich ihrer zwei auf dem Leibe derselben Dame spazieren gehen. Das Männchen ist gegen 0,8 Mm. lang, kaum 3 — 4mal länger als die eben ausgeschlüpften Jungen; in der Mille der Brust erreicht die Breite fast % der Länge; von da ab ist der Körper schwach nach vorn, stark nach hin- ten verjüngt. Die Brust ist deutlich in 7, der Hinterleib in 6 Ringe geschieden ; die Grenze zwischen Kopf aber und erstem Bruslringe ist nur durch eine tiefe seitliche Ein- schnürung angedeutet. Der Kopf (fig. 8) hat die Gestalt eines Trapezes mit abgerundeten Ecken, dessen Höhe der kürzeren der parallelen Seiten etwa gleich und die Hälfte der längeren hinteren ist. Er trägt ein Paar ungeglieder- ter, platter, viereckiger Fühler; mit der inneren Seite ent- springen sie von der Unterfläche des Kopfes, die vordere schliesst sich dem Stirnrande desselben an, die hintere ist ihr ziemlich gleichlaufend und die äussere richtet sich schief nach hinten und aussen. An der vorderen, stumpfen Ecke sieht eine Gruppe kurzer, einwärts gekrümmter Bor- sten. Augen fehlen oft; sind sie vorhanden, so sind sie vom Kopfe bis fast an den Hinlerrand des damit verschmol- 14 Müller: zenen ersten Bruslringes gerückt. Der Ursprung des drei- eckigen Saugrüssels liegt auf der hinteren Grenze des Ko- pfes ; seine Spitze legt sich zwischen den Ursprung der Fühler. Die sechs vorderen Brustringe tragen nahe dem Rande zu fast sitzenden ungegliederten rundlichen Klumpen ver- kümmerte Füsse (fig. 9) , mit denen nichts desto weniger das Thier sich ziemlich rasch von der Stelle hilft. Der 7. Ring ist fusslos, trägt aber am hinteren Rande jederscits einen warzenförmigen Vorsprung und auf diesem die Ge- schlechtsöifnung. Der hinterwärts stark verjüngte Hinterleib ist ohne Anhänge, wie bei den Männchen zweier anderen hiesigen Bopyriden; der letzte Ring zeichnet sich durch grössere Länge vor den übrigen aus und ist am Ende mit winzigen Dörnchen besetzt. Von innern Theilen fallen zunächst zwei weite, stark bräunlich gefärbte , contractile Leberschläuche auf, die im Isten oder 2ten Hinterlcibsringe blind beginnen und bis zum 2ten ßrustringe sich erstrecken. Zwischen ihnen ver- läuft der Darm. Ueber Darm und Leber lagert sich jedcr- seits ein weiter schlauchförmiger Hode, der von der schon erwähnten Geschlechlsöllnung durch 3 bis 4 Ringe nach vorn sich erstreckt und in der Regel in jedem nach aussen eine seitliche Aussackung hat. — Das Herz sieht man dicht hinter der Leber pulsiren. Ebenso ähnlich, wie die Männchen, sind die Larven (fig. 4) denen von Bopyrus. Der flache asseiförmige Kör- per ist etwa 0,2 Mm. lang und halb so breit ; die grösste Breite fällt auf den 2ten und 3len Brustring, von wo sich der Körper hinterwärts bis auf 0,04, vorwärts bis auf 0,06 Mm., die Breite des fast geradlinigen Slirnrandes, verschmälert. Von der Länge nimmt etwa y^ der Kopf, den Rest nehmen zu gleichen Theilen Brust und Hinterleib ein, von denen jedes deutlich in sechs Ringe geschieden ist. Der Kopf trägt oberhalb nahe der hinteren Ecke zwei rundliche schwarze Augenflecke, wie es scheint, ohne lichtbrechenden Körper, unterhalb zwei kurze dicke zweigliedrige vordere Fühler, die nur mit ihren Endborsten den Kopfrand *über- Entoniscus Porcellanae, eine neue Schniarotzeiassel. 15 ragen, und zwei lange hintere Fühler, die gerade unter den Augen entspringen und bis zum Anlange des Hinlerleibes reichen; sie sind sechsgliedrig; das vorletzte Glied und das letzte borslenförmige sind die längsten. — Im Munde, der nahe dem Hinterrande des Kopfes liegt , konnte ich nur 2 Kiefer unterscheiden. — • Dicht am Vorderrande des Kopfes fällt ein rundlicher, vorn ausgerandeter, aus hellen runden Körnchen gebildeter Fleck in die Augen; er erinnerte mich an den Fleck , den man am Kopfe vieler Amphipoden be- merkt (besonders deutlich bei dem Gammarus ambulans der pommerschen Torfmoore, auch bei Leptocheirus pilo- sus Zadd.). Die fünf vorderen Bruslringe tragen gleichgebildete Füsse, die nahe an deren Rande entspringen; man unter- scheidet an ihnen zwei längere cylindrische Grundglieder, ein kurzes drittes Glied , ein verdicktes eiförmiges Hand- glied von der Länge des I.Grundgliedes und eine schwach- gekrümmte kräftige Klaue, die reichlich halb so lang, wie das Handglied ist. ' — Am sechsten Fusspaare, das dem Rande we- niger nahe entspringt, sind nur drei Glieder zu unterschei- den: ein cylindrisches Grundglied, ein winziges zweites und ein elliptisches Endglied , das 0,04 Mm. lang und halb so breit ist. Dieses Fusspaar pflegt dem Leibe dicht anzulie- gen mit einwärtsgerichtelem Grund- und rückwärts gewand- tem Endgliede. Der Hinterleib trägt zunächst vier Paar Schwimmfüssc mit halbmondförmigem Grundgliede, das etwa in der Mille der gewölbten Seile so angeheftet ist, dass das eine we- nig längere Hörn nach innen und etwas nach hinten, das andere nach vorn und aussen gerichtet ist. Die Entfer- nung der Hörner ist 0,03 Mm. Das äussere Hörn trägt ein lanzettförmiges Endglied, das gerade in den Ausschnitt des Halbmondes passt und an seinem schief abgeschnittenen Ende drei Borsten von etwa doppelter Länge des Gliedes trägt. Bisweilen ist dieses Endglied am vierten Paare merklich kleiner, als an den drei vordem; meist aber sind sie alle gleich. Am inneren Hörne der drei vorderen Grund- glieder steht eine einfache Borste; bald fand ich diese Borsten alle gleich lang, etwas länger als die des End- liß ^ Müller: gliedcs, öfter die 2te und 3te merklich kürzer, die letzte nur Yä der Länge der ersten erreichend. Dem 4. Schwimm- fusspaare fehlt diese Borste. Der 5te Hinterleibsring trägt einen schmalen und kurzen borstenlosen Anhang (fig. 13), der in eine längere innere und kürzere äussere Spitze ge- spalten ist. Endlich zu den Seiten des letzten Hinterleibs- ringes stehen ansehnliche Anhänge mit dickem Grundgliede und zwei schlanken zweigliedrigen Endästen , von denen der äussere unbedeutend länger ist. Das letzte dornförmige Glied dieser Aeste ist gerade ; ein kurzer Dorn lindet sich aussen am Ende des Grundgliedes und des ersten Gliedes der Aeste. DieThierchen kriechen nicht besonders behend, schwim- men aber recht hurtig. Die ruckweise Bewegung, im Ver- eine mit den langbeborsteten Schwimmfüssen und dem durch die seitlichen Anhänge gabiig erscheinenden Schwänze, giebt ihnen dabei eine entfernte Aehnlichkeit mit Cyclops. Das Weibchen des Entoniscus ist im Innern der Por- cellana so gelagert, dass sein Kopf zwischen den Blind- säckchen der Leber verborgen liegt; dann zieht es sich hinterwärts und unterm Herzen bis ans Ende der Kopfbrust; die Brutblätter reichen sogar bisweilen noch ziemlich weit in den Hinterleib hinein. Das ganze Thier, auch Kopf und Mund, ist ziemlich eng umschlossen von einem häutigen Schlauche, der sich nach hinten in einen engeren Ausfüh- rungsgang fortsetzt, und bis auf die Grenze zwischen ßrusl- schild und dem freien Ringe sich verfolgen lässl, der bei den Porcellanen das verkümmerte fünfte Fusspaar trägt. Die- ser umhüllende Schlauch entsteht wahrscheinlich, indem der junge Entoniscus , um ins Innere der Porcellana zu gelan- gen, die weiche Haut jenes Gelenkes nicht durchbricht, son- dern vor sich herstülpt. So könnte man ihn, als in einer Einstülpung der äusseren Haut seines Wirthes lebend, einen äusseren Schmarotzer nennen, wie Bopyrus und andere As- seln, obwohl er zwischen Leber, Darm und Herz sich bettet und von den Windungen der Samengänge umschlungen ist. Nicht selten finden sich 2, einmal traf ich sogar 3 Entoniscus bei derselben Porcellana. Sicher umschlossen von dem umhüllenden Schlauche Entoniscus Porcellanae, eine neue Schmarotzerassel. 17 bedarf das Männchen des Entoniscus nicht die scharfkral- ligen Klammerfüsse der Bopyrusmännchen , und das Weib- chen hat wiederum eine ausreichende Bürgschaft für die eheliche Treue seines Genossen in jenen Klumpfüssen, die ihm einen Ausflug ins freie Meer unmöglich machen. In Bezug auf das Vorkommen habe ich noch eines be- merkenswerthen Umstandes zu gedenken, dass nämlich häufig Lernaeodiscus und Entoniscus bei derselben Porcellana sich finden. Aufmerksam geworden auf dieses Verhältniss und wohl wissend , wie trüglich Schälzungen von Zahlenver- hältnissen ohne wirkliche Zählung sind, habe ich über die Schmarotzer von 1000 vom 4. Juli bis 1. August unter- suchten Porcellanen Buch geführt. Glücklicherweise wurde diese Untersuchung dadurch sehr erleichtert, dass auch En- toniscus von aussen zu erkennen ist, indem bei stark zu- rückgebogenem Schwänze bald die Leber oder die Eier- stöcke, bald die Eier zwischen den Brutblättern , oder selbst die schwarzen Aeugelchen der jungen Brut in dem Gelenke hinter dem Brustschilde durchschimmern. — Es fanden sich Lernaeodiscus 84, Entoniscus bei 49 unter jenen 1000 Porcellanen; danach hätte man bei 49 x 84 unter einer Million, oder bei 4 unter Tausend beide Schmarotzer zugleich finden sollen, während sie 21mal ^) vereinigt vor- kamen, also 5mal häufiger, als die Häufigkeit jeder einzel- nen Art erwarten Hess. — Die Erklärung dieses häufigen gemeinsamen Vorkommens glaube ich darin zu finden, dass Lernaeodiscus ein dichtes Aneinanderschliessen von Schwanz und Brustschild hindert und so dem jungen Entoniscus den Zugang zur Bauchfläche der Porcellana erleichtert. 1) Wobei weder die jüngeren, von aussen nicht erkennbaren Entoniscus mitgezählt wurden, die sich später bei den Lernaeodiscus tragenden Porcellanen fanden, noch auch die mit Entoniscus behaf- teten, die nur noch die goldene Krone abgefallener Lernaeodiscus an sich trugen. Ajrohiv f. Naturg. XXVIII. Jahrg. 1. Bd. 18 Müller: Entoniscus Porcellanae, eine neue Schmarotzerassel. Erklärung der Abbildungen. Taf. II. Fig. 1. Entoniscus Porcellanae, Weibchen, nach Entfernung der Eier aus den Brutblättern, 15mal vergr. e Eierstock, h Herz, 1 Leber. „2. Männchen, bei gleicher Vergrösserung. „ 3. Dasselbe, 90mal vergr. h Hoden, 1 Leber, a Augen. „4. Larve, den Brutblättern des Weibchens entnommen , 180mal vergr. „ 5. Mund des Weibchens und dessen Umgebung, 90mal vergr. „ 6. Letzter Hinterleibsring desselben, 45mal vergr.'*' U'r/.^injllid „ 7. Füsse von der Brust desselben, 90mal vergr. \iunf:U! „ 8. Kopf des Männchens, V. oben; wie alle folgende Figuren, ISOmal vergr. „ 9. Fuss desselben. „10 — 14. Füsse der Larve; fig. 10 vom letzten Brustringe: fig. 11 vom ersten, 12 vom dritten , 13 vom fünften und 14 vom sechsten Hinterleibsringc. Desterro, Anfang August 1861. -11'.) •M hnii Heber ein neues Gürtelthier aus Surinam« Von mit Prof. Dr. Hrauss in Stuttgart. (Hierzu Taf. III.) Das K. Naturalien-Kabinet in Stuttgart hat durch Herrn A. Kapp 1er aus den Urwäldern des Marowiniflusses in Surinam bis jetzt drei Arten von Gürtelthieren erhalten, nämlich Dasypus (Cheloniscus Wgir.) gigas Cuv., Dasypus (Xenurus Wglr.) 12-cinctus Schreb. (D. gymnurus 111.) und den langschwänzigen Tatu, bisher als D. novemcinctus L. bezeichnet. lieber die richtige Bestimmung der beiden ersten Ar- ten , die zu den Seltenheiten jenes Landes gehören , ist kein Zweifel, dagegen befinden sich unter dem langschwän- zigen Gürtelthiere zwei an Grösse verschiedene Thiere. Das kleinere, das nach Kappler's Mittheilungen in Surinam häufig vorkommt, ist der von Burmeister aufgestellte Dasypus Pepa. Burmeister hat nämlich im ersten Bande von d'Alton's und seiner Zeitschrift für Zoologie und im ersten Bande seiner systematischen Uebersicht der Säuge- thiere Brasiliens diese Gürtelthiere (Praopus Burm.) in zwei Arten : in D. Pepa aus Guyana und in D. longicaudus Pr. Max. aus Brasilien getheilt. Das grössere, das immer selten ist, hat schon W. v. Rapp (anatomische Untersu- chungen über die Edentaten , 2. Aufl. 1852. p. 8) als altes Thier von Dasypus (Tatusia Fr. Cuv.) pepa = D. novem- cinctus L. und D. longicaudus Pr. Max. angeführt und von demselben neben den Grössenverhältnissen zuerst die merk- 20 K r a u s s : würdigen klaiionaiiigen Schuppen an clor vonleren Seite der Unterschenkel bekannt gemacht. Ausser diesen und an- dern Eigcnlhüinliclikeiten ist aber der Schädel dieses grös- seren Tatu von dem des Burm e ister'schen Dasypus Pepa und aller mir bekannten Arten so auffallend verschieden, dass es gerechtfertigt ist, eine eigene Art aufzustellen. Ich will dieses Gürtelthier dem Entdecker zu Ehren Dasypus Kapplei^i nennen. Ehe ich aber diese neue Art beschreibe, wird es nöthig sein zur Vergleichung beider Arten eine ausführliche Beschreibung des surinamischen D. Pepa Burm. vorauszuschicken. Zu nachstehender Untersuchung standen mir folgende ausgestopfte Thiere und Schädel , welche ich durch Herrn Kapp 1er aus Surinam erhalten habe, zu Gebote: Von Dasypus Kappleri n. sp. a) ein altes Männchen sammt Schädel aus dem zoologischen Museum in Tübingen, das mir Herr Prof. Dr. Leydig gütigst mitgetheilt hat und in nachstehender Tabelle mit I bezeichnet ist, b) ein altes Weibchen sammt Schädel aus dem hiesigen k. Naturalien- Kabinet (II in der Tabelle) und c) zwei einzelne Schädel von jüngeren Thieren, die gerade im Zahnwechsel sind (III u. IV); Von Dasypus Pepa Burm. a) ein altes Männchen sammt Schädel aus dem k. ISaturalien-Kabinet (V in der Tabelle), b) ein Schädel eines alten Thiers (VI), c) ein Schädel eines jüngeren Thiers im Zahnvvechsel (VII), beide aus dem hie- sigen Kabinet, d) ein Schädel eines alten Thiers, von Hrn. Prof. Dr. Leydig gütigst mitgetheilt (VIII), und e) ein Skelet eines halbgewachsenen Thiers aus dem hiesigen k. Gymnasium (IX) durch die Güte des Hrn. Prof. Dr. Köst- lin erhalten. Dasypus Pepa Burm. Alle grösseren Hornschilder des Kopfes, Panzers und Schwanzes sind gewölbt. Das Auge liegt % der Kopf- länge "") vom hintern Rande des Kopfpanzers entfernt. Der ^) Unter Kopflänge ist hier die gerade Linie von der Schnau- i^^nspilze bis zum hinteren Rande des Kopfpanzers verstanden. Ucber ein neues Gürtelthier aus Surinam. 21 Kopfpanzer endigt zwischen den Ohren mit einer dreieckigen, aus 11 — 12 verschieden gestalteten festen Hornschildern, be- stehenden stumpfen Schneppe , die von den übrigen Kopf- schildern, denen sie an Festigkeit und Aussehen ganz gleich sind , durch eine Querfurche getrennt ist und w^ahrschein- lich einige Beweglichkeit gestattet. Die Schilder auf dem Kopfe sind meist 5-6seitig und werden gegen die Schnauze allmählich kleiner und eiförmig. Die Borsten an der schie- fen Warzenreihe hinter dem Auge sitzen am hintern, die der übrigen Warzen an den Seiten des Kopfes am obern und vordem Bande und sind lang. Die Ohren sind 5 Cm. lang, am Ende stumpf. Der Schulterpanzer ist hinter den Ohren rund ausge- schnitten. Hinter dem vorderen Bande desselben sind drei scharf abgesonderte Beihen, deren grössere Hornschilder auf dem Bücken des Thiers undeutlich dreiseitig, erhaben, hinten abgestutzt und vorn mit 2—3 kleinen Schildern um- geben, an den Seiten aber grösser, flacher und fast vier- seitig sind. Von diesen vordem Beihen bis zur gürtelähn- lichen Beihe am hintern Bande des Schulterpanzers sind die Hornschilder nur etwas grösser als die sie umgebenden Zwischenschilder, sie ordnen sich gegen den seitlichen Band an Grösse zunehmend in 13 — 14 weitere Beihen. Drei grös- sere meist sechsseitige Hornschilder schliessen gewöhnlich ein 4 — 5-seitiges, in der Mitte längsgefurchtes Zwischen- schild ein , und zuweilen ist noch an den Seiten zweier grösserer ein kleines vierseitiges zwischen zwei Zwischen- schilder eingelagert. Die gürtelähnliche Beihe am hintern Bande des Schulterpanzers besteht aus 61 grossen (parabo- lischen nach Burm.) Hornschildern von der Gestalt eines länglichen gleichschenkligen Dreiecks mit convexen Schen- keln , zwischen welchen dreiseitige hinten in eine sehr schmale Spitze ausgehende Zwischenschilder liegen, die auf dem Bücken ebenso lang, an den Seiten aber kürzer sind, als die Hornschilder. Unmittelbar vor einem jeden dieser schmalen Zwischenschilder liegen auf dem Bücken des Pan- zers zwei kleine einander sich berührende Schildchen, da- gegen an den Seiten nur ein grösseres sechsseitiges und eben- falls eines vor jedem parabolischen Hornschilde. 22 K r a »1 s 3 : Die Gürtel, neun an der Zahl*), bestehen jeder aus 58 — 63 grösseren parabolischen Hornschildern, welche auf dem Rücken am ersten Gürtel 0,6 Cm. breit und 1,2 Cm. lang, am letzten Gürtel 0,5 Cm. breit und 0,8 Cm. lang sind , gegen den seillichen Rand etwas länger werden. Die parabolischen Schilder erreichen mit ihrer stumpfen seit- lich etwas geiterbten Spitze nicht ganz den vorderen Gür- telrand, weil die schmalen Zwischcnschilder, welche flach, der Länge nach gefurcht und hinten in eine lange feine Spitze ausgezogen sind, mit ihrem vorderen breiten Ende einander berühren. Die parabolischen Schilder nehmen vom ersten bis zum letzten Gürtel auf dem Rücken an Grösse ab und an Wölbung zu , an den Seiten dagegen sind sie gleichförmiger und flacher, der Randschild ists schmal, länglich. Der Kreuzpanzer ist am vorderen Rande durch eine gürtelähnliche Reihe von Hornschildern eingefasst , die noch kürzer und gewölbter sind , als die des letzten Gür- tels ; sein hinterer Rand ist über dem Schwänze nur seicht ausgeschnitten und geht unter schwacher Wölbung, ohne den Schwanz zu umfassen, in den unteren seitlichen Rand über. Die Randschilder sind am Ausschnitte oberhalb und zur Seite des Schwanzes 4 — 5-seitig , sehr stark gewölbt, gleich gross, aber nicht grösser als die vor ihnen liegen- den Schilder des Kreuzpanzers und nehmen von da an bis zum letzten Rückengürlel sich verflachend eine längliche vierseitige Gestalt an. Die übrigen Schilder des Kreuz- panzers sind auf dem Rücken des Thiers ein wenig grösser als die des Schulterpanzers, drei grössere, die abgerundet Gseitig und gewölbt sind, schliessen ein kleines flaches, in der Mitte gefurchtes, 5 — 6-seitiges Zwischenschild ein. An den Seiten des Kreuzpanzers ordnen sich die grösseren Hornschilder wie ein Schulterpanzer in 15 — 16 Reihen, die nach hinten an Deutlichkeit abnehmen. Der Schwanz ist vor dem ersten Schwanzgürtel mit einer Reihe kleiner Warzen besetzt. Die ersten zwei Drit- tel des Schwanzes sind in 15 Gürtel gelheilt, von welchen *) Auch zwei Fötus haben 0 Gürtel. lieber ein neues Gürtelthier aus Surinam. 9B auf der Oberseile die 2 ersten und kürzesten mit 2, die 9 — 10 folgenden mit 3, die übrigen, die überhaupt weniger scharf abgegrenzt sind, wieder mit 2 Reihen von Hornschil- dern bedeckt sind. Die Schilder der vordersten Reihe der 12 ersten Gürtel sind flach , in der Mitte gewöhnlich mit einer Längsfurche versehen und nehmen vom ersten bis zum zwölften Gürtel nach und nach an Grösse ab, sie ha- ben an den vordem 7 — 8 Gürteln eine fünf-, an den übri- gen eine dreiseitige Gestalt. Die Schilder der übrigen Reihen eines jeden Gürtels sind gewölbt, nach hinten die gegen die Seiten des Schwanzes sogar stumpf gekielt, die der mittleren Reihe haben eine sechsseitige, die der hin- tern Reihe eine fünfseitige Gestalt; die letzteren sind an den ersten 8 Gürteln länger, dann aber ebenso lang wie die Schilder der vorhergehenden Reihe. Auf der Unter- seite des Schwanzes haben auch die 2 ersten Gürtel 3 Rei- hen Hornschilder ; die der ersten Reihe sind dünner, kür- zer als die auf der Oberseite und fehlen schon vom zehnten Gürtel an. Die Hornschilder der 2 übrigen Reihen dage- gen sind unten und an den Seiten der Gürtel sehr stark und gekielt und die Kiele dieser Schilder nehmen so sehr an Schärfe zu, dass der Schwanz vom 10. Gürtel an auf seiner unteren Hälfte sechs Kanten zeigt, gegen die Spitze aber in seinem ganzen Umfange sechskantig wird. Der zweite Gürtel besteht im Umkreise aus 26 , der siebente aus 16, der elfte aus 12 Hornschildern der letzten Reihe. (,rn Auf der Unterseite des Körpers ist die Haut am Rande des Panzers glatt und kahl, in der Mitte mit kleinen, dün- nen, rundlichen Warzen versehen, die in etwa 1 Cm. von einander entfernten Querreihen geordnet und je mit 3 — 7 langen weisslichen Borsten besetzt sind. Ebenso sind die Beine auf ihrer Hinterseite beschaffen, nur sind die War- zen etwas grösser und dichter an einander gereiht. Auf ihrer Vorderseite dagegen sind die Vorderbeine oben kahl, auf dem Fusse mit 10 — 12 Reihen grösserer, 4 — 6-seitiger Hornschilder dicht bedeckt, die Hinterbeine oben mit 6 — 8 Querreihen rundlicher dünner Warzen besetzt, auf dem Fusse mit 4 — 6-seitigen Hornschildern dicht bedeckt. Jede Zehe hat hinter der Kralle ein grosses viereckiges Hornsciiild: •» 24 K r a ti s s : Die grösseren llornschiider an den Seiten des ganzen Panzers, auf der unteren Seite des Schwanzes und vorn und in der Mitte der Vorderfüsse so wie alle Krallen sind weisslicli, der übrige Tlieil des Panzers ist dunkelbraun. Der Kopf ist von dem hinteren Rande der Schneppe bis zur Schnauze 12, der Schulterpanzer in der Mittellinie 8,5, der Gürtelpanzer 10,2, der Kreuzpanzer 13,6 und der Schwanz 39,5 Cm. lang. Die ganze Länge von der Schnau- zenspitze bis zum hinteren Rande des Panzers ist 46 Cm. Dasypus Kappleri n. sp. Die Hornschilder des Kopfs und Panzers sind flach und glatt. Das Auge liegt 2/7 der Kopflänge vom hinteren Rande des Kopfpanzers entfernt. Der Kopfpanzer endigt einen Fingerbreit vor den Ohren mit einem schwach con- vexen Rande, ohne bewegliche Schneppe mit festen Horn- schildern und besteht aus unregelmässig aneinander gefüg- ten, meist 5—6- (selten 3 — 4-) seitigen, ziemlich gleich grossen festen Hornschildern; vor denselben auf der Schnauze liegen noch einige warzenartige Schilder, die nach vorn an Grösse abnehmen. Zwischen dem Kopfpanzer und den Ohren liegen einige Reihen kleiner länglicher lederartiger Warzen. Die Seiten des Kopfes sind ähnlich wie bei D. Pepa, doch nicht so dicht mit platten, vorn gewimperten Warzen besetzt. Die Ohren sind 4 Cm. lang; in der Mitte ziemlich breit, am Ende etwas zugespitzt. Der Schulterpanzer ist hinter den Ohren nicht rund, sondern unter einem spitzen Winkel ausgeschnitten. Die Hornschilder desselben sind am vorderen Rande nicht so scharf in Reihen abgesondert und überhaupt flacher und grösser als bei D. Pepa. Zwischen je zwei grösseren Horn- schildern der ganzen ersten Reihe und zwischen den der 3 — 4 folgenden an den Seiten des Panzers liegt ein 3-sei- tiges Zwischenschildchen, zwischen zwei grösseren Horn- schildern der zweiten bis vierten Reihe auf dem Rücken aber liegen drei kleine unregelmässige Zwischenschilder. Von der fünften Reihe an bis zur hinteren gürtelähnlichen Reihe sind um die grösseren Hornschilder die Zwischenschildchen ebenso geordnet wie bei D. Pepa , aber die letzteren sind lieber ein neues GürteUhier aus Surinam. 25 auf dem Rücken nur wenig kleiner als die ersteren, beide ganz flach. Die grösseren Hornschilder sind oben und an den Seiten des Schullerpanzers ziemlich regelmässig 6-sei- tig, die meist unregelmässig 5-seitigen Zwischenschilder zeigen besonders an den Seiten eine seichte Vertiefung. Die hinterste Reihe am Schulterpanzer besteht aus 73, beim Männchen aus 65 grossen, denen der Gürtel ähnlichen, vorn abgestutzten Hornschildern, zwischen welchen die schmalen Zwischenschilder liegen, die auf dem Rücken länger oder ebenso lang, an den Seiten kürzer sind. Vor jedem grossen Hornschilde liegt auf dem Rücken nur ein breites Schildchen, welches mit dem des nächstliegenden Hornschildes in Be- rührung steht, an den Seiten aber durch ein 6-seitiges Schildchen, das sich vom vorderen Ende des schmalen Zwi- schenschildes absondert, getrennt ist. Der Gürtelpanzer hat 8, beim Männchen nur 7 von vorn nach hinten an Breite abnehmende Gürtel. Diese bestehen je aus 58 — 68 grossen Hornschildern, welche insbesondere auf dem Rücken die Gestalt eines länglichen gleichschen- keligen Dreiecks mit convexen Schenkeln : (Parabelform nach Burm.) ■"■) haben, oben am ersten Gürtel 0,7 Cm. breit und 1,3 bis 1,6 Cm. lang, am letzten 0,7 Cm. breit und 1,0 Cm. lang sind, an den Seiten aber bei 0,8 Breite eine Länge bis zu 2 Cm. erreichen. Die parabolischen Hornschilder, die na- mentlich am Weibchen sehr auffallend sind , nehmen von vorn nach hinten an Grösse ab und reichen mit ihren Spitzen bis zum vorderen Rande des Gürtels ; nur am ach- ten Gürtel des Weibchens erreichen einige der sehr kur- zen, jedoch nur die zwischen dem Rücken und Rande des Panzers liegenden Hornschilder den vorderen Gürtelrand nicht. Die Hornschilder an den Seiten des Panzers haben die Gestalt langgestreckter Dreiecke, deren Schenkel beim Weibchen convex, beim Männchen gerade sind. Die klei- *) Diese Form der Hornschilder ist sehr bezeichnend und fällt bei Vergleichung mit den schmalen eines brasilianischen Gürtelthiers, D. longicaudus Pr. Max., das ich mit kurzem, an der Spitze in einen hornartigen Zapfen endigenden Schwänze ( D. uroceras Lund ) zu vergleichen habe, sogleich in die Augen. 2B r n II s s nercn Zwisrhcnschilder sind ebenfalls mit einer Läng-sfurche versehen , etwas breiter als bei D. Pepa , und endigen in der Mille des letzten Gürtels sogar mit einer abgestutzten Spitze. Der Randscliild des Gürtelpanzers ist schmal und länglich. Der Kreuzpanzer ist verhältnissmassig lang und in der Mitte des hinteren Randes tief halbkreisförmio- auso^eschnit- ten. Der einwärts gebogene Rand umklammert die Seiten des ersten Schwanzrinofes und ist daselbst mit 4 — 5 ffros- sen rundlichen, flachen und hellgefärbten Hornschildern von 0,8 Cm. 'Durchmesser besetzt , an welche sich nach unten und vorn 15 schmale länglich viereckige, nach oben (am Ausschnitte) 15 — 18 halbrunde Randschilder von der Grösse der übrigen Panzerschilder anreihen. Am vorderen Rande des Kreuzpanzers zeigt das Männchen eine Reihe von Horn- schildern, die auf dem Rücken kurz , rundlich und durch breite dreieckige Zwischenschilder von einander getrennt sind, an den Seiten aber allmählich die Gestalt der Horn- schilder der wirklichen Gürtel erhalten; das Weibchen da- gegen hat auf dem Rücken nicht die geringste gürtelähn- liche Absonderung, sondern die erste Reihe besteht, der zweiten des Männchens entsprechend , aus einfachen kur- zen dreieckigen Hornschildern, jedes derselben theilt sich nach den Seiten hin in drei, nämlich in zwei vordere rund- liche und ein hinteres länglich dreiseitiges, und diese ver- einigen sich noch weiter gegen den unteren Rand wieder zu einem einzigen dreiseitigen mit ausgezogener Spitze, das die Gestalt der Zwischenschilder der Gürtel selbst hat. In ähnlicher Weise verändern sich auch die grösseren Horn- schilder des übrigen Theils des Kreuzpanzers. Diese sind auf dem Rücken abgerundet 6-scitig, dunkelbraun und kaum grösser als die Zwischenschilder, nehmen aber gegen den Seitenrand allmählich eine grössere und länglich dreisei- tige, den parabolischen Gürtelschildern ähnliche Gestalt und eine blassgelbc Färbung an und sind, wie am Schulterpan- zer und von gleichgestalteten Zwischenschildern umgeben, in 14 — 16 deutlichen Reihen geordnet. Der Schwanz ist an der Rasis sehr breit, oben vor dem ersten Gürtel nur mit einioen , 5-— 6-seitigen Horn- Ueber ein neues Gürlelthier aus Surinam. 89f schildern besetzt und in dem ersten drei Viertel seiner Länge in 14 — 15 stufenweise und steil abgesetzte Gürtel abgetheilt. Auf der Oberseite des Schwanzes bestehen die Gürtel aus drei Reihen verschieden gestalteter Hornschil- der. Die Hornschilder der vordersten Reihe, die kleinsten von allen, sind dünn, glatt, an den ersten Gürteln 4 — 5-sei- tig, sie werden an den letzten Gürteln allmäiilich kleiner und nehmen zuletzt die Gestalt kleiner Schuppen an. Die Hornschilder der zweiten Reihe haben einen schwachen Längskiel, nehmen nach hinten an Stärke zu und sind auf den sechs ersten Gürteln kurz-, auf den übrigen gestreckt 6-seilig; die der hintersten Reihe endlich sind am stärk- sten, 5-seitig, werden von vorn nach hinten allmählich ge- streckter und haben ebenfalls einen Längskiel, der aber, was diese Art auszeichnet , mit einem dreieckigen Knoten endigt. Dieser Knoten nimmt bis zum 4. und 5. Gürtel an Stärke zu, dann bis zum 10. Gürtel wieder allmählich ab und fehlt auf den übrigen Gürteln gänzlich, wo die Schil- der der zweiten und dritten Reihe gleiche Grösse haben. Die Hornschilder des letzten Schwanzviertels sind 5-seitig, gewölbt, schwach gekielt und nehmen bis zur Spitze rasch an Grösse ab. Anders verhält sich der Schwanz auf sei- ner Unterseite. Hier fehlen die dreieckigen Knoten am Ende der Hornschilder der letzten Reihe ganz , dagegen ist der Längskiel der Schilder der zwei letzten Reihen jedes Gürtels deutlich und nimmt nach und nach so an Schärfe zu, dass der Schwanz von den letzten Gürteln an bis zur Spitze eine sechskantige Gestalt annimmt. Die Hornschilder der ersten Reihe sind sehr klein und nur bis zum 9. Gürtel vorhanden, die 6-seitigen der zweiten Reihe erreichen vom 2. Gürtel an den vorderen Rand, im Lebri- gen haben die Hornschilder der zweiten und dritten Reihe auf der Unterseite eine ähnliche aber gestrecktere Gestalt, als auf der Oberseite und sind flacher und grösser als bei D. Pepa. Die Zahl der Hornschilder der letzten Reihe eines Gürtels ist im Verhältnisse zur Dicke des Schwanzes nicht viel grösser als bei D. Pepa, denn der 2. Gürtel hat 30, der siebente 17, der elfte 12 Hornschilder im ganzen Um- kreise. , / Hiu / < )\)l(. 28 K r a n s s : Auf der Unterseile dos Körpers ist die Haut ähnlich wie bei 1). Pepji, nur etwas sparsamer beschuppt und be- haart, ebenso an den Vorderfüssen. Die Hinterlüsse aber sind, was diese Art besonders auszeichnet, auf der vor- deren Seite des Unterschenkels mit zwei 0"cr- reihen eigenthümlicher krallenartiger, mit dem un- teren Ende frei hervorragender Schilder besetzt; die obere Querreihe besteht aus 5, von welchen die beiden mittleren, die längsten von allen, fast 2 Cm. lang und über Vj Cm. breit , krallenartig und gewölbt, die äusseren kür- zer, flacher und 3-seitig sind ; die 3 — 5 Schilder der unte- ren Ouerreihe sind schief vierseitig, kürzer und flacher als die der oberen Reihe. Diese Schilder sind beim Männchen hellgelb, beim Weibchen hellbraun, die beiden längsten gelblich gefleckt. Unter diesen eigenthümlichen Schildern, die ebenfalls mit langen Borsten besetzt sind , folgen in kurzen Zwischenräumen drei Querreihen mit Warzen. Die Hinterfüsse sind beim Weibchen über der Sohle mit knor- rigen, braunen, beim Männchen mit flachen gelblichen War- zen besetzt. Die Füsse sind auf der Vorderseite mit acht Reihen 4 — 6-seitiger Hornschildern dicht bepanzert. Jede Zehe hat hinter der Kralle ein grosses viereckiges Horn- schild. Die Krallen sind stark, weisslich, die längste des Vorderfusses ist bis 3,2 Cm. lang und an der Basis 0,8 Cm. breit, die des Hinterfusses 2,6 Cm. lang und 1 Cm. breit, Das Männchen hat am rechten Vorderfusse einen Finger breit hinter der äussersten Kralle ein Rudiment einer Kralle von 0,5 Cm. Länge , auf dem linken Vorderfusse scheint es abgebrochen zu sein. Das Weibchen hat zwei lange Zitzen zwischen den Vorderfüssen und zwei etwas vor den Hinterfüssen. Die Farbe ist ähnlich wie bei D. Pepa. Die Länge des Kopfes vom hinteren Rande des Kopf- panzers bis zur Schnauzenspitze ist beim Männchen 13, beim Weibchen 12 Cm., des Schulterpanzers in der Mittel- linie beim Männchen 12, beim Weibchen 12,5, des Gürtel- panzers beim Männchen 7,2, beim Weibchen 10,3, des Kreuz- panzers beim Männchen 18, beim Weibchen 17,2 und des ganzen Schwanzes (vom vorderen Rande des ersten Gürtels Ueber ein neues Gürtelthier aus Surinam. '^ bis zur Spitze) 39 — 42 Cm. Die ganze Länge von der Schnauzenspitze über den Rücken bis an den hinteren Rand des Panzers beträgt beim iVJännchen 53,5, beim Weibchen 56,5 Cm. Schädel. Der Schädel von D. Kappleri (Fig. 1. 2) unterschei- det sich sogleich von dem des D. Pepa (Fig. 3. 4) durch die Grösse, durch einen verhältnissmässig längeren Gesichtslheil, durch die Form der Thränenbeine, durch die Zähne, insbeson- dere aber durch den knöchernen Gaumen, der auf beiden Sei- ten durch senkrecht abwärtsstehende Lamellen begrenzt ist. Die Zwischenkiefer- und Nasenbeine sind bei beiden Arten einander sehr ähnlich, letztere sind am hinteren Ende bald abgestutzt , bald zugespitzt. Auch der kleine Knochen mit seinen breiten Enden, welcher am Eingange der beiden Nasenhöhlen an der Basis des Zwischenkiefer- knochens sitzt, ist bei beiden Arten ähnlich, bei D. Kapp- leri fast noch einmal so gross, über einen Centimeter lang. Das Oberkieferbein reicht bei D. Pepa mit seinem die Slirn- beine berührenden Rand höher hinauf, als bei D. Kappleri, daher der von den Oberkieferbeinen eingeschlossene Theil der Stirnbeine bei D. Pepa schmäler ist als bei D. Kappleri, obgleich der Schnauzentheil bei D. Pepa verhältnissmässig breiter ist als bei der neuen Art. Das Thränenbein ist bei D. Kappleri (Fig. 2) ziemlich regelmässig dreiseitig, mit der mehr oder weniger scharfen Spitze zwischen Stirn- und Oberkieferbein eingekeilt und hat an der den Oberkie- fer berührenden Seite einen geraden Rand, während diese Seite bei D. Pepa (Fig. 4) bauchig und daher auch die vordere Spitze des Thränenbeins breit und abgerundet ist. Die Stirnbeine dachen sich bei D. Kappleri nach vorn etwas flacher ab und sind bei allen , auch bei den Schädeln der Jüngern Thiere vollständig mit einander verwachsen, wäh- rend sie selbst bei den alten D. Pepa noch getrennt sind ^). *■) Die querlaufende Naht zwischen den Stirn- und Scheitel- beinen, auf welche Burmeister (Säugethiere Bras. l. p. 301) eini- gen Werth legt, ist bei D. Kappleri in der Mitte etwas convex nach vorn, bei D. Pepa bald etwas convex, bald ganz gerade, bald sogar ein wenig nach hinten zurückgezogen. 30 . t ii. Krauss: Die innere Augenhöhlenwand ist bei D. Pepa vertieft und oben durch einen hervorragenden Rand des Stirnbeins be- grenzt, bei D. Kappleri dagegen ganz flach. Das Jochbein ist bei D. Pepa kürzer und am oberen Rande tiefer ausge- schnitten als bei der neuen Art. Am meisten verschieden sind die Schädel beider Ar- ten durch die Gaumenbeine. Diese stellen bei D. Kappleri (Fig. 1) eine etwas concave Platte dar, deren äusserer Rand als scharfe Lamelle senkrecht abwärts gebogen ist. Der knöcherne Gaumen erscheint daher , eingefasst auf beiden Seiten durch die 0,7 Cm. hohe, senkrechte äussere Wand des Gaumenbeins wie ausgehöhlt. Die hintere Ecke dieser Wand ist aufgeblasen. Der hintere Rand des knöchernen Gaumens ist gerade abgestutzt und reicht über die Naht, durch welche bei beiden Arten das Keilbein von seinem vorderen lanzettförmigen, zwischen das Pflugscharbein ein- gekeilten Schnabel getrennt ist, so weit zurück, dass sie von unten betrachtet nicht sichtbar ist. Die Choannen sind senkrecht abgeschnitten und stellen durch eine senkrecht aufsteigende dicke Wand eine viereckige OefTnung dar. Diese Wand besteht aus dem aufsteigenden Aste des Gau- menbeins, an dessen hintere Fläche sich das Flügelbein anlegt, welches an den Schädeln der älteren Thiere mit dem Gaumenbeine vollständig verwachsen, dessen Verbin- dungsnaht aber bei dem jüngeren Thiere (IV) noch ange- deutet ist. Wird das Gaumenbein weggenommen, so zeigt sich seine obere Fläche durch eine erhabene Grähte in zwei Theile getheill , der innere Theil bildet die untere Fläche der Nasenhöhle , auf die äussere Fläche setzen sich die sehr erweiterten Zellen des Siebbeins fort. Der hintere aufsteigende Ast , der aus dem Gaumen - und Flügelbeine besteht, legt sich mit schief abgeschnittener Fläche auf einen hervorragenden Rand des Keilbeins an der Stelle an, an welcher von dessen Körper der grosse Flügel abgeht; an der äusseren Seite dieses Randes liegt das eiförmige Loch. Das Labyrinth des Siebbeins ist sehr gross und erstreckt sich von der inneren Fläche des Thränenbeins bis auf die obere des Gaumenbeins und von dem breiten Theile des Oberkieferbeins bis zum vorderen Rande des Keilbeins. Die Ueber ein neues Gürtelthier aus Surinam. 31 Sutiir zwischen Gaumen- und Oberkieferbein ist ausge- zackt und reicht unter ziemlich gerader Linie bis zum äus- sern Rande. Ganz anders verhält es sich bei D. Pepa (Fig. 3), bei welchem der knöcherne Gaumen von einer Seite zur andern convex erscheint, die senkrecht abwärtsstehenden Lamellen des D. Kappleri gänzlich fehlen und das einzelne Gaumen- bein mit leicht gewölbter Fläche schief aufwärts steigt. Der hintere Rand des Gaumenbeins ist in der Mitte ausgebuch- tet, in die Bucht greift das vordere hakenförmige dünne Ende des einwärts gebogenen Flügelbeins, das eine Länge von 1,3 Cm. erreicht, ein und verlängert an beiden Seiten den knöchernen Gaumen nach hinten, während in der Mitte der hintere Rand des Gaumens die Naht, welche das Keil- bein von seinem vorderen Schnabel trennt, nicht erreicht; die Choannen erscheinen dadurch schief nach hinten abge- schnitten. Während bei D. Kappleri das Flügelbein mit dem aufsteigenden Aste des Gaumenbeins verwachsen ist, stellt dasselbe bei D. Pepa einen völlig abgesonderten Knochen dar, welcher sich unten und vorn an das Gaumenbein, oben und hinten an das Keilbein anlegt , ohne dass dieses einen hervorragenden Rand zeigt. Nur an dem Schädel des alten Thiers (VIII) ist dieses Flügelbein mit beiden Kno- chen in einer zwar noch sichtbaren Naht aber fest verbun- den. Der vordere Rand des Gaumenbeins ist an der äus- seren Ecke abgerundet , auch reicht daselbst der Fortsatz des Oberkieferbeins bis zur Mitte des Gaumenbeins zurück. Was nun dasGebiss anbelangt, so haben drei Schä- del von D. Kappleri im Ober- und Unterkiefer jederseits 8 Zähne, der Schädel des ausgestopften alten Weibchens aber im Oberkiefer jederseits nur 7, im Unterkiefer auch 8 Zähne. Die Zähne des Oberkiefers greifen zwischen je zwei des Unterkiefers ein, und so umgekehrt, daher die Kauflächen meistens nach vorn und nach hinten dachförmig abgeschliffen sind. Der erste Zahn des Unterkiefers steht vor dem ersten des Oberkiefers. Die Zähne des Männ- chens, insbesondere die zwei vordersten sind kräftiger als die des Weibchens, bei allen sind die zvvei vordersten von aussen nach innen plattgedrückt, daher länger als breit 82 K r a u s s : und stehen sowohl von einander selbst als von den übri- gen etwas mehr entfernt als diese unter sich; die andern sind rund cylindrisch, im Oberkiefer ziemlich gleich gross, nur der letzte des Männchens , der beim Weibchen ganz fehlt, ist nur halb so gross , im Unterkiefer ist bei beiden der letzte nur wenig kleiner als die übrigen. — Die zwei Schädel der jüngeren Thiere (III und IV), an welchen zum Theil noch die Milchzähne auf den hervorbrechenden blei- benden Zähnen, wie Kappen sitzen, haben im Ober- und Unterkiefer jederseits 8 Zähne, nur am Schädel IV ist vor dem vorderen Zahne rechts im Oberkiefer noch eine kleine Lücke vorhanden, in welcher wahrscheinlich ein neunter Zahn steckte. Die Kaufläche der bleibenden Zähne sind bei den meisten noch nicht abgenutzt, die 2 — 3 vordersten ein-, die übrigen zweihöckerig. Die noch vorhandenen 2 — 3 vordersten Milchzähne sind schmäler und von vorn nach hinten länger als die bleibenden der beiden Schädel der alten Thiere, und wird ein solcher Milchzahn wegge- nommen, so liegt ein kleinerer einspitziger Zahn darunter. An dem Schädel IV sind an den Seiten der hinteren blei- benden Zähne noch die Splitter der Milchzähne vorhanden. Von Dasypus Pepa hat der Schädel des ausgestopften alten Männchens (V) oben rechts 8, links 7, unten jeder- seits 8, der eines alten Männchens (VI) oben jederseits 7, unten 8, der eines jüngeren Thiers (VII) oben und unten jederseits 9, der eines alten Thiers (VIII) oben und unten 8 Zähne. Die Zähne sind kleiner als bei D, Kappleri , die zwei vordersten sind von aussen nach innen etwas zusam- mengedrückt, kleiner als die 4 — 5 folgenden, die rund, cylindrisch und auf ihren Kauflächen dachförmig abge- schliffen sind. Der vorderste steht von den übrigen etwas entfernt, dagegen steht der letzte und achte im Oberkiefer von V und VIII, der neunte in beiden Kiefern von VII sehr dicht an dem vorletzten und ist um vieles kleiner als alle anderen; er fehlt im Oberkiefer des Schädels VI, obgleich er nach der Deutlichkeit der Suturen einem weniger alten Thiere angehörte als VIII. Im Unterkiefer von V, VI und VII ist der letzte und achte wohl etwas kleiner als der vorletzte, aber bei weitem nicht so klein wie der im Ober- Ueber ein neues Gürtelthier aus Surinam. 33 kiefer. Im Schädel VII sind die Kauflächen meist höckerig und noch nicht abgeschliffen, auch sind noch Splitter von den Milchzähnen vorhanden. — Der Schädel des Skelets IX von einem halbgewachsenen Thier hat oben und unten je- derseits 7 kleine fast gleich grosse Milchzähne. Dieses Skelet hat 10 Rücken- und 6 Lendenwirbel, das Kreuz- bein besteht aus 9 und der nicht ganz vollständige Schwanz aus 23 Wirbeln, es fehlen etwa noch 4 — 5. fflaass-Verhältuisse der Schädel von Dasypus Kappleri und Dasypus Pepa. Nach Centimeties Länge von der Spitze der Nasenbeine bis zur Grähte auf der hintern Fläche der llinterhauptsschuppe Grösste Breite des Schä- dels, von einemJoch- bogen zum andein Breite des Schädels an derEinschnüning der Stirnbeine von einer Augenhöhle zur an- dern Länge der Nasenbeine Länge von der Spitze der Nasenbeine bis zum hintern Rande des Thränenbeins Länge des Gaumenbeins Breite des knöchernen Gaumens, hinten L II. III. IV. V. VI. VIL Vlll. $ $ iun. iun. $ adiilt. iun. adutl. 13,5 '') 13,0 12,6 10,5 11,0 10,7 10,5 5,4 5,2 4,8 5,0 4,4 4,7 4,5 4,6 2,7 2,7 2,7 2,6 2,6 2,9 2,6 2,7 5,0 4,3 4,6 4,2 3,5 3,5 3,7 3,9 9,1 8,9 8,6 8,3 6,7 7,1 6,9 6,9 3,0 3,1 3,2 3,0 2,0 2,2 2,2 2,1 2,2 2,3 2,0 2,1 1,6 1,7 1,6 1,5 ( IX. skelet. 8,2 3,3 2,2 2,6 5,0 1,5 1,3 *) Wegen des schadhaften Hinterhauptbeins ist keine genaue Messung möglich , der Schädel II. scheint aber nicht kürzer zu sein als I. Archiv f. Naturg. XXVIII. Jahrg. 1. Bd. 3 34 Krniiss: liebet ein neues (iürteltluer ans Surinam. Erklärung der Abbildungen. Alle Figuren sind in natürlicher Grösse. Taf. 111. Fig. 1. Schädel des Dasypus Kappleri , von der Gaumenfläche ge- sehen. „ 2. Schädel des Dasypus Kappleri^ von der Seite gesehen. „ 3. Schädel des Dasypus PepUf von der Gaumenfläche gesehen. „ 4. Schädel des Dasypus PepUy von der Seite gesehen. lieber Typhlops f layoterminatus und Herrn Prof. Jan's Iconographie descriptive des Ophidiens^ aU Erwiederung auf dessen Bemerkungen in dem Archiv für Naturgeschickte 1861. p. 7. Von W. Peters in Berlin. Typhlops flavoterminatus ist eine durch ihre Färbung und Kopfbeschildung von allen anderen leicht zu unter- scheidende Art. Ich gab von ihr im August 1857 (Monats- berichte der K. Akademie der Wissensch. zu Berlin 1857. p. 402) eine Diagenese, welche sie von allen damals bekann- ten Arten deutlich unterscheidet : „T. corpore versus cau- dam crassiore; naribus inter sculella bina positis; scutello praeoculari scutelium superius tangente , capite caudaque flavidis , corpore reliquo nigro vel brunneo, squamis mar- gine dilutioribus." Es war damals erst eine einzige Art von Typhlops, T. braminus, bekannt, bei der das Praeoculare mit dem Nasale in Verbindung steht, daher wäre dieses Merkmal und die An- gabe eines doppelten Nasale allein hinreichend gewesen, sie von allen anderen Arten zu unterscheiden. Da indess eine andere ebenda aufgestellte Art, Rhino- typhlops albirostris , ebenfalls zwei Nasalia hatte, auch mit ihr durch das grosse Praefrontale und das grosse Suprala- biale primum übereinstimmt , so stellte ich sie mit dieser (1. c. p. 509) in dieselbe Gattung, obgleich diese letztere kein Praeoculare hat, wie bereits aus der Diagnose zu er- sehen ist. Es geschah dieses, weil ich mich scheute, gleich zwei neue Genera mit je einer Species aufzustellen. 36 Peters: Als ich aber eine dritte Art erhielt, welche mit Ty^ phlops flaDoterminatus noch mehr durch die Anwesenheit eines doppelten Praeocularc übereinstimmte und von ihr nur durch die Anwesenheit eines weniger wichtigen Subo- culare unterschied , hielt ich es für gerechtfertigt, diese beiden Arten mit einander zu einer neuen Gattung zu ver- einigen , gab nicht allein von der neuen Art , HeltninthO' phis frontalis , eine Abbildung, sondern hob auch die we- sentlichen Merkmale hervor, welche beide von allen ande- ren bekannten Arten unterscheiden (Monatsbericht u. s. w. 1860. p. 517 u. 518). Ich hob bei dieser Gelegenheit na- mentlich hervor 1) die sehr grosse Ausdehnung des Prae- Irontale ; 2) die Anwesenheit von zwei Praeocularia und 3) dass die äusseren Winkel des Praefrontale (durch die Prae- ocularia superiora) von den Nasofrontalia ausgeschlossen werden. Alles dieses sind so wichtige und wesentliche Merk- male, dass ich kaum jetzt noch andere anzuführen wüsste, um diese ausgezeichnete Art besser zu charakterisiren. Als ich Herrn Prof. Jan's Verlangen, ihm die Schlan- gen des Berliner Museums nach Mailand zu senden , den bestehenden Gesetzen zufolge nicht entsprechen, auch eine solche Versendung von meist unersetzlichen ünica nicht befürworten konnte und derselbe in einem zweiten Briefe hervorhob , dass er besonders bedaure , die von mir dia- gnosticirlen Schlangen nicht genauer zu kennen, weil die- ses leicht zu einer doppelten Namengebung Veranlassung geben könne , sandte ich ihm ausser den meist fertigen Schlangentafeln, welche zu meinem afrikanischen Reise- werke gehören, auch eine unfertige Tafel, welche zu einer in der Königl. Akademie gelesenen Abhandlung gehört, ebenfalls aber noch nicht publicirt ist. Diese Tafel ent- hält, wie man später sehen wird , Detailzeichnungen von fünf Arten, welche von oben nach unten in folgender Reihe auf einander folgen : 1) Onychocephalus bicolor ; 2) Typhlops flavotejinmatus ; 3) Rhinotyphlops albirostris; 4) Stenostoma macrolepis ; 5) Stenostoma fallax. Die Veröffentlichung dieser Abhandlung ist theils durch die Ausführung an- derer Tafeln , theils durch die Absicht , einen vollstän- üeber Typhlops flavoterminalus. 37 dig^eren systematischen Anhang hinzuzufügen, verzögert worden. Wenn Hr. Prof. Jan sich nun bewogen gefunden hat, öffentlich zu erklären , dass ich ihm eine „ganz falsche" Abbildung von Typhlops flavoterminatus zugesandt hätte und meine Beschreibungen ^ungenügend" seien , so dürfte es auch seine Pflicht gewesen sein, diese Behauptungen zu be- gründen. Ich habe aber nun meine Abbildung dieser Art noch einmal mit den Originalen genau verglichen und auch jetzt durchaus nichts daran zu ändern gefunden. Auch die Herren Dr. Haeckel, Sc.hneider, Gerstaecker und Strahl haben sich überzeugt, dass die Form und Begren- zung der Kopfbeschildung ganz so ist, wie sie in den in Rede stehenden Figuren meinen Angaben entsprechend dargestellt ist. I>a ferner dieselbe Art durch Tausch an die Museen zu Paris und Leyden gelangt ist, so findet sich auch dort Gelegenheit, die Richtigkeit meiner Angaben zu controlliren. Zwar stimmen meine Figuren mit denen von Herrn Prof. Jan (Iconographie generale etc. Taf. VI. Fig. 10) so wenig überein, dass man glauben sollte, es handele sich um zwei ganz verschiedene Arten oder es könne eine und dieselbe Art so sehr variiren. Dieses ist jedoch nicht der Fall. Mehrere Exemplare dieser Art, welche ich mit ein- ander verglichen habe , darunter auch das des Hamburcrer Museums , welches von mir bestimmt worden ist und der Jan'schen Abbildung zu Grunde liegt, stimmen in allen Punkten der Beschildung des Kopfes vollkommen mit ein- ander überein. Dass also Herr Prof. Jan, obgleich er eine richtige Beschreibung und Abbildung vor sich hatte, nicht einmal im Stande gewesen ist , richtig zu sehen , ist zwar bekla- genswerth für ihn, aber nicht meine Schuld. Nach der Ankündigung von Herrn J a n's Plan d'une Iconographie descriptive von Ophidiens musste man sehr gespannt sein auf die versprochenen ^vollkommenen Zeich- nungen des Herrn Sordelli,« „die Beschreibungen des Hrn. Jan" und „die bis dahin unerhörten Erleichterungen 38 Peters: in der Bestimmung der Schlangen." Man durfte ein Werk erwarten, welches denen von Savigny und Lyon et in anderen Zweigen der Zoologie an die Seite gestellt zu wer- den verdiente. Da erschienen als erstes Resultat mehrjähriger ophio- logischer Forschungen zwei Bogen : Prodrome d'une Sono- graphie descriptive des Ophidiens, „ein Auszug des noch ungedruckten Textes der Sonographie descriptive." Diese Probe fiel für ein Werk , welches nach der Ankündigung gewissermassen alle bisherigen ophiologischen Werke über- flüssig machen sollte, bekanntlich ziemlich unglücklich aus. Neben sehr dankenswerthen Nachrichten über einige neue Schlangen enthielt diese erste Publikation vielen Stoff zu neuen Verwirrungen. Einige der „lautes plus graves" beeilte sich zwar der Verf. , von verschiedenen Seilen öffentlich und privatim darauf aufmerksam gemacht , zu reclificiren , andere wie z. ß. dass dieselbe Schlange auf p. 7 Rhynchelaps , auf einer anderen desselben Bogens p. 16 Simoselaps genannt wird, blieben unerörtert. Obgleich Hrn. Jan (nach seiner eigenen Angabe) das Pariser Mu- seum ganz zu Gebote stand , so wurde ihm doch selbst nach einer wohlbegründeten kritischen Bemerkung von anderen Seiten nicht klar, dass sein neuer Elaps mvUifascia^ tus nichts anderes als der Elaps decussaius D. B. sei, und Hr. Jan der „mehrere Tausende von Schlangen unter- sucht hat" und für deren genaue Bestimmung den Museen garantirt , kann den Laien, denen in seiner neusten Publikation seine Sonographie descriptive auch besonders empfohlen wird, nur die beruhigende Versicherung geben, dass sein Elaps multifasciatus „peut-etre un jeune individu de VE, semipartitus D. B., dont VE. decussaius est une Va- riete" sei. Elaps lubricus passirt zwei Correctionen , das letzte Mal , um mit Causus und Sepedon zu einer Gattung vereinigt zu werden, wobei sich bereits der Verf. das von ihm neuerdings ausgewählte Motto: „die Behandlung der höheren systematischen Begriffe und ihrer Ausdrücke wird immer mehr Sache der Willkühr und des Geschmacks" an- geeignet zu haben scheint. Endlich in diesem Frühjahre (mit dem Monat Deccm- Ueber Typhlops flavoterininatiis. ^ bei* 1860 bezeichnet) erschien das erste Heft des Werkes, von dem Alle auf dem etwas heikligen Felde der Schlangen- kunde weniger Bewanderten für die Bestimmung dieser Tliiere ihr Heil erwartet hatten : eine Probe der Iconographie des (wirklich vortrefflichen Zeichners) Herrn Sordelli, aber ohne partie descriptive des Herrn Jan. Warum die sehr zweckmässige Herausgabe in Monographien, wie sie in dem Prodrome angekündigt worden, aufgegeben wurde, wie wenigstens aus der fortlaufenden Numerirung der sechs Tafeln hervorzugehen scheint , ist nicht gesagt. Dagegen wird den Subscribenten eine colorirte Doppeltafel als Prämie zugesagt. Die erste Tafel enthält eine Abbildung des Herpeton, um so überflüssiger, als die Abbildung von Schlegel (Abbildungen u. s. w. Taf. 10) gar nichts zu wünschen übrig lässt und diese letztere sogar den Vorzug verdienen möchte, weil sie nach dem Originalexemplare ausgeführt ist. Viel- leicht hat aber Hr. Jan geglaubt, dass dieselbe einen be- sonderen Werlh durch die fünfzehn Zahnstifte erhielte, welche aber nach der neueren Darstellung- in Guerins Ma- gasin und in diesem Archiv (1861. Taf. V), weder der Stel- lung, noch der Form, noch der Zahl (sechszehn) nach nicht einmal ganz richtig gezeichnet sind. Taf. 2 enthält eine, wie aus den unverwachsenen letz- ten Schwanzschildern hervorgeht, junge Boa. Worin die Merkmale der neuen Gattung Acrantophis bestehen, wird verborgen bleiben , so lange der descriptive Theil uy.Q(hTog ist. Taf. 3 stellt Salvadora Grahami und S. BaMi vor. Die erstere ist mir unbekannt, von der zweiten besitzen wir zwar ein Exemplar, welches einige Verschiedenheiten zeigt, die indess individuelle sein können, wesshalb ich mir ohne Vergleichung des Originalexemplars kein Urtheil über diese Figuren erlaube, welche ausserdem zu den allereinfachsten gehören. Taf. 4 enthält eine ganz vortreffliche Zeichnung des bekannten Acrochordus javanicus. Dagegen sind die auf dieser Tafel befindlichen drei Schädelfiguren durchgezeich- nete und verschlechterte Copien der schönen Schlegel'- 40 Peters: sehen Abbildungen Taf. 17. Fig. 12. 13. 14, wovon sich Je- der leicht überzeugen kann, der die Figuren auf einander legt und mit einem natürlichen Schädel vergleicht. Taf. 5 und 6 enthalten Typhhpina. Eine grosse An- zahl der Spccialfiguren, auf die ich mich hier nur einlassen kann, sind so voller Fehler, dass es ganz unmöglich ist, darnach ohne gründliche, nach den Thieren selbst und nicht etwa nach den Abbildungen gemachte Beschreibungen, die betreffenden Arten zu erkennen. Diese Fehler sind zum grossen Theil solche , welche sich schon aus den Figuren selbst nachweisen lassen, in- dem die Detailzeichnungen von einer und derselben Art mit einander in Widerspruch stehen, und welche daher auch selbst Jeder, der nicht die Thiere, welche dargestellt wer- den sollen, zur Hand hat, leicht erkennen wird. Um nicht zu weitläufig zu werden und da es der Sache wegen genügt, werde ich nur einige der Figuren specieller durchgehen, einige andere nur im Vorübergehen erwähnen. Ich bediene mich dabei der Terminologie vonDumeril und Bibron. I. Stenostoma b icolor Taf. V. Fig. 15. a) Hauptsächlich steWidersprüche in den Figuren. 1) In Fig. a ist der Dorsaltheil des Rostrale um den dritten Theil schmäler als der Ventraltheil desselben Schil- des in Fig. b; dagegen zeigt Fig. g (das flachgelegte Ro- strale) umgekehrt den Dorsaltheil um die Hälfte breiter als den Ventraltheil. 2) In Fig. a liegen jederseits zwischen dem Parietale und dem Rostrale auf jedem Wege oben zwei Schildchen, entweder das Supraorbitale und das Praefrontale oder das Frontale und das Praefrontale; in Fig. f müsste daher je- denfalls noch der ümriss eines Schildchens zwischen dem Rostrale und dem Parietale sichtbar sein, von dem sich aber keine Spur findet, abgesehen davon, dass in der Profilzeich- nung f die Entfernung zwischen dem Parietale und dem Rostrale, da die seitliche Abrundung des Kopfes erst am Ueber Typhlops flavolerminatus. 41 Oculare beginnt, eher grösser sein müsste als in Fig. f, wo die obere Convexität in Abrechnung kommt, während sie in der That aber viel kleiner gezeichnet ist. 3) In Fig. a liegt das Auge und das obere Ende des Ocularschildes beinahe hinter der Mitte der Frontonasale, in Fig. f dagegen unbegreiflicherweise nahe hinter seinem oberen Ende, was, im Voraus gesagt, davon herrührt, dass das Supraoculare in dieser Fig. f ganz vergessen und das Auge daher an eine andere Stelle gerückt ist, wo das Supraoculare sein müsste. 4) In Fig. a ist hinter dem Parietale ein Postparietale gezeichnet, welches ebenso breit und eher noch etwas brei- ter als das Parietale ist, welches auf der Mitte der Rück- seite durch einen wenigstens ebenso grossen Zwischenraum, wie die beiden Parietalia von einander, von dem der ande- ren Seite getrennt wird, und welches ebenso weit, wie das Pa- rietale, mit seinem äusseren Winkel nach aussen reicht; den- noch ist dieses Postparietale in Fig. f ganz unbegreiflicher- weise um ein Drittlheil kürzer gezeichnet als das Parietale, um für ein ziemlich grosses Schild über dem letzten Su- pralabiale Platz zu machen , für welches man nun wieder in Fig. a gar keinen Raum finden kann. b) HauptsächlichsteFehler dieserZeich- nungen nach Vergleichung mit den Originalexemplaren zu Leyden. 1) In Fig. a ist das Frontale zu klein und von dem Parietale kann man bei dieser Ansicht nicht, wie es die Zeichnung zeigt, den äusseren unteren Winkel, noch viel weniger aber das unter und vor demselben hervorkommende vierte Supralabiale sehen , indem das Parietale viel breiter als das Postparietale ist, welches letztere allein bei dieser Ansicht in seiner ganzen Ausdehnung sichtbar ist. 2) Das Rostrale verbreitert sich nicht nach dem Schnau- zenende hin , wie es Fig. a, b und g zeigen , sondern die Seitenränder desselben laufen hier parallel und bieten an der ümbiegungsstelle keinen Vorsprung dar, wie es Fig. g zeigt, sondern sind hier kaum merklich concav. 3) Der Ventraltheil des Rostrale ist auch nicht vorn am breitesten, wie es Fig. b und g zeigen, sondern er ist 42 Peters: hier am schmälsten und wird nach dem Lippenrande hin bis zu einer C-förmio-cn dem Lippenrande parallelen (in der Zeichnung gar nicht angedeuteten) Vertiefung immer breiter. 4) Die Augen liegen entschieden weiter zurück als die Frontonasnlia , während die Zeichnung a sie weiter vorn als das hintere Ende dieser Schilder zeigt, was daher rührt , dass sowohl die Frontonasalia nach aussen hin zu schmal als auch das Frontale und die Supraocularia zu klein gezeichnet sind. 5) In Fig. b erscheint das Mentale durch eine mitt- lere Naht getheilt, was sonst bei keiner einzigen Schlange vorkommt und mir daher auch gleich auffiel , als ich diese Abbildung sah. Eine solche Naht ist aber auch gar nicht vorhanden, sondern das Mentale ist wie bei allen anderen Schlangen einfach, zeifft aber in seiner Mitte eine breite flache Vertiefung, die jedoch mit einer Naht auch gar keine Aehnlichkeit hat, wovon nicht allein ich, sondern auch Hr. Prof. Schlegel durch Betrachtung des Originalexemplars sich überzeugten. IL T. Preissi Taf. V. Fig. 2. In Fig. a wird der innere oder obere Winkel des Oculare von zwei grösseren Schildchen, vorn von dem Supraoculare, hinten von dem noch grösseren Parietale eingeschlossen; wie dieses letztere in Fig. c sich in kleine Schuppen hat auflösen können, ist um so räthselhafter, da eine Querlinie , welche in Fig. a den hinteren Rand der beiden Ocularia trifl't, alle kleineren hinter den beiden Pa- rietalia und dem Interparietale liegenden Schüppchen ab- schneidet. III. Anomalepis mexicanus Taf. VI. Fig. 1. In Fig. a bildet das Oculare nach innen (oder oben) einen stumpfen Winkel, der vorn von dem Supraoculare, hinten von einem Parietale (oder Supraoculare posterius) begrenzt wird. Unerklärlich bleibt daher, wie in Fig. c dieser Winkel des Oculare ganz verschwunden, der obere Rand dieses Schildes ganz gerade ist und dieser gerade lieber Typhlops navolerminatus. 43 Rand von einem das Oculare nach hinten weit überragenden langen Schilde begrenzt wird, von dem in Fig. a keine Spur zu finden ist. Diese beiden sonst sehr einfachen Figuren mit einander in Einklang zu bringen, ist ganz unmöglich. IV. T. Bianconii TaF. VI. Fig. 3. In Fig. a und c ist der Dorsaltheil des Rostrale um die Hälfte breiter als der Ventraltheil desselben in Fig. b und d und der letztere verschmälert sich allmählich nach dem Mundrande hin. Die zu noch grösseremVerständniss hin- zugefügte Fig. g stellt aber rälhselhafter Weise das Ro- strale in ßiscuitform mit gleichbreiten dorsalen und ventra- len Theilen und mittlerer Verschmälerung dar. In Bezug auf die Begrenzung des Oculare gilt dasselbe, was bereits bei T. Preissii gesagt ist. Aehnliche Widersprüche finden sich ohne Aus- nahme bei allen folgenden Figuren. Ich erlaube mir da- her nur noch zu bemerken , dass Cathetorhinus melanoce- phalus sich nicht allein durch seine ganz verschiedene Kopfgestalt von Typhina lineata unterscheidet , sondern die Fig. 8 auch (nach einer gefälligen Mittheilung des Hrn. Prof. Dumeril) das Postoculare viel zu klein darstellt. Da aber eine Vereinigung dieser beiden Arten in eine einzige Gat- tung „nach Willkühr und Geschmack" einem Jeden frei steht, so schliesse ich die Betrachtung der Figuren mit dem V. Typhlops flavoterminatus Taf. VI. Fig. 10. a)HauptsächlichsteWidersprüchederein- zelnen Figuren. 1) In Fig. a bildet das Supraoculare vorn einen stum- pfen Winkel; dasjenige der linken Seite steht gar nicht mit dem Nasofrontale in Verbindung, das der rech- ten Seite berührt es mit der Spitze dieses Win- kels. Es erscheint daher unmöglich, dass es, wie in Fig. f, durch einen breiten Rand mit dem Nasofrontale in Verbindung steht. 2) In Fig. a befindet sich hinter den Nasofronlalia 41 Peters: ein sehr grosses Prae frontale, welches so weit nach hinten reicht, wie die Ocularia; in Fig. f findet man, dass auf dem Scheitel nach dem Naso frontale hin die Schuppen immer kleiner werden und drei bis vier derselben die Stelle des Praefrontale einnehmen. 3) In Fig. b verschmälert sich das Roslrale allmählich nach dem Lippenrande hin ; in Fig. g zeigt der entsprechende Theil einen jederseits convexen Rand. 4) In Fig. a legen sich die Nasofrontalia hinter dem Roslrale breit übereinander; in Fig. f dagegen slossen die hinteren Enden der Nasofrontalia mit dem hinteren Ende des Rostrale in einem Punkte zusammen. b) Hauptsächlichste Fehler n ach Verglei- ch ung mit den 0 rigin a lexem p 1 a r.en. Diese würden sich am leichtesten aus der Vergleichung mit der von mir gegebenen Abbildung ergeben. Da diese indessen später in meiner Abhandlung veröffentlicht werden wird, so will ich Hrn. Jan nicht vorgreifen, falls derselbe etwa die ihm übersandte „falsche" Abbildung mitthei- len will. 1) In Fig. a ist ein Hauptfehler, dass das Praefrontale mit seinen beiden seitlichen Winkeln an die Nasofrontalia stösst, indem es vielmehr jederseits durch den inneren (oder oberen) Winkel des Praeoculare von den Nasofrontalia ausgeschlossen wird. Wenn es daher richtig gezeichnet wäre, so würde der Contour des Praefrontale wie bei Uebnin- thophis frontalis (Monatsberichte der K. Akad. d. Wissensch. zu Berlin 1860. p. 517. Taf. Fig. 1) vorn an vier Schil- der stossen , mit dem Unterschiede, dass die Grenzlinien zwischen Praefrontale und Praeocularia beträchtlich kleiner sind als bei dieser letzteren Art. Dann würden von selbst die Supraocularia, von welchen hier das rechte mit seinem vorderen Winkel , das linke in Fig. f sogar durch einen breiten Rand mit deni Nasofrontale in V« rbindung steht, in die gehörige Entfernung von den Nasofrontalia treten. 2) Sind in derselben Fig. a die Ocularia zu nahe an- einander gerückt und dieselben für diese Ansicht viel zu breit gezeichnet, was zur Folge hat, dass nicht die fünfte, Ueber Typhlops flavoterminatus. 45 sondern fälschlich die v i er te Längsreihe der Körperschup- pen nach vorn hin die Mitte des Oculare trifft. 3) In Fig. f ist ein Suboculare gezeichnet, was gar nicht existirt, indem das Oculare grösser ist und mit sei- nem unteren Winkel zwischen drittes und viertes Suprala- biale hinabgeht. 4) Statt der fünften Schuppenreihe endigt hier sogar die dritte hinter der Mitte der Oculare. 5) Das Praeoculare müsste in dieser Fig. f höher nach oben hinaufsteigen , längs dem Nasofrontale bis über das grosse Praefrontale; statt dessen ist es fälschlich nicht höher gezeichnet als das Oculare und dieses hat nun die Folge gehabt, dass das Praeoculare mit einem breiten Rande den Platz desselben oben hinter dem Nasofrontale einnimmt und das grosse Praefrontale ganz verschwunden ist. 6) Der obere Rand des ersten Supralabiale ist S-för- mig und nicht , wie es fälschlich in Fig. f angegeben ist, C-förmig. 7) In Fig. b ist das Rostrale so gezeichnet als wenn es von vorn nach hinten zu schmäler würde, und in Fig. g hat dieser Theil umgekehrt eine vorn und hinten sich ver- schmälernde bauchige Gestalt. Beides ist jedoch falsch, indem dieser ventrale Theil des Rostrale vielmehr die Ge- stalt einer breiten kurzen Sanduhr hat, indem er vorn und hinten breit, in der Mitte aber eingezogen ist. Dem ent- sprechend ist auch in Fig. g die schmale Stelle des Rostrale fälschlich als am Schnauzenrande liegend angegeben. Als Erläuterung zu den Typhlopinen erschien nun ein bereits lange vorher verkündeter Aufsatz, mit welchem der Jahrgang 1861 des Archivs für Naturgeschichte beginnt. Hr. Jan theilt hierin zunächst, „durch vieljährige Un- tersuchung von Tausenden von Schlangen belehrt," mit, dass „die Berücksichtigung der seitlichen Beschildung des Kopfes** „wesentlich das Bestimmen der Arten erleichtert." Eine gewiss alle Ophiologen höchst überraschende neue Entdeckung! Dann macht er die, den Laien gewiss be- sonders willkommene Bemerkung, dass die Benennung der einzelnen Kopfschilder nach Dumeril und Bibrondas Bestimmen nur erschwere, dass dieses vielmehr leichter 46 Peters: nach naturgetreuen (S ord el 1 i - Jan'schen) Abbildungen geschehen könne. Wir erfahren hieraus also, dass die im Prodrome versprochenen „noch ungedruckten Beschreibun- gen" nicht erscheinen werden und daher der Titel des Jan'schen Werkes nicht Sonographie dcscriptive, sondern Iconogniphic sans descriptions heissen müsste. Was die Terminologie anbelangt, so erlaube ich mir die ganz erge- benste Gegenbemerkung, dass die genauere Unterscheidung und Kenntniss der Typhlopina erst durch die trefflichen ge- nauen Beschreibungen von D u m e r i 1 und B i b r o n möglich geworden ist, und dass die von ihnen vorgeschlagene Ter- minologie wesentlich zum gegenseitigen Verständnisse bei- getragen hat , ich auch keine Erschwerung , sondern eine Erleichterung darin gefunden habe. Ferner hat Hr. Jan die allerdings ganz neue Ent- deckung gemacht , dass sich in dem Nasalschilde der Ty- phlopinen „eine Ritze befinde , welche charakteristisch sei." So nennt er nämlich die Stelle , wo sich das Nasale über das Nasofronlale hinüberlegt. Ohne Herrn Jan's Ent- deckungen auf diesem Felde vorgreifen zu wollen, erlaube ich mir nur Herrn Prof. Jan ganz ergebenst zu bemerken, dass derartige Ritzen auch zwischen den anderen Schup- pen und Schildern befindlich sind, und dass zwischen die- sen und jener zwischen dem Nasale und Nasofrontale gar kein Unterschied besteht , wenn auch diese Schilder zu- weilen über dem Nasenloche mehr oder weniger verwach- sen sind. Dass Dumeril und Bibron gerade bei der Unterscheidung der Arten auf die Begrenzung der Labialia besondere Rücksicht nehmen und dadurch zu ganz densel- ben Merkmalen gelangten, wie Herrn Jan mit seiner Ritze, scheint derselbe bei der „erschwerenden" Nomenklatur die- ses Werkes nicht bemerkt zu haben. Die so charakteristische Lage der Augen bei den ver- schiedenen Gallungen der Typhlopinen erklärt Herr Jan, wahrscheinlich nach Betrachtung seiner „unübertrefflichen" Abbildungen für variabel und wirft dabei Herrn A. Du- meril vor, aus einer Varietät von Typhlpos reticulatus eine neue Art 0 phthalmi dion crassum aufgestellt zu haben, wahrscheinlich weil seine Abbildungen von diesen Ueber Typhlops flavoterminalus. 47 beiden (wie mir noch Hr. A. Dumeril ganz neuerdings schreibt, ganz verschiedenen) Thieren ganz gleich aus- gefallen sind. Wie leicht Hrn. Professor Jan Varietäten findet und wie er sich in seiner Fähigkeit , Schlangen zu bestimmen, überschätzt, davon sind mir auch anderweitig viele Beispiele bekannt. Es möge genügen , einige der- selben anzuführen. So sind von Hrn. Jan im Hamburger Museum Pseudodipsas torquata als Dipsas annulala (NB. ! die erstere hat ungefur ch t e, die zweite gefurchte Oberkieferzähne !), Rhinophis melanogaster als Rh. oxyrhyn^ chus bestimmt, so erklärt er Hrn. Dr. Fischer's Dipsas glohiceps., valida und fasciata aus Westafrika identisch mit Opetiodon cynodon Cuv. aus Java, Taphrometopon lineolatum (das Originalexemplar von Chorisodon sibiricum) im Leydener Museum für vollkommen identisch mit Psammophis elegansl Herrn Prof. Jan's neueste Publikation indem so eben erschienenen 2. Hefte dieses Archivs p. 87 über Homalo- psidae enthält ausser einem neuen Angriffe auf Herrn Dr. Günther wegen der Furchung der Herpetonzähne die Zusammenstellung ei ni g e r Gattungen dieser Familie. Sfe- norhina und Ficimia sind nach Herrn Prof. J a n's systema- itschen Grundsätzen darin aufgenommen , die hieher gehö- rige im Pariser Museum (auch in Berlin) befindliche Gat„ tung Tretanorhinus dagegen daraus verbannt worden. Hr. Prof. Reinhardt erhält eine sanfte Zurechtweisung, dass er Stenorhina zu den Coronellidae und nicht zu den Homalo- psidae gesetzt habe, weil natürlich gar nicht vorausgesetzt werden kann, dass Hr. Jan ungeachtet „seiner unübertreff- lichen Abbildungen," vollkommenen „Beschreibungen," „un- erhörten Erleichterungen zur genaueren Bestimmung der Schlangen," „nach Untersuchung von vielen Tausenden von Exemplaren" und „den Originalexemplaren von vier und dreissig Museen" sich im Irrthume befinden könne, wie es hier doch ganz ohne Zweifel der Fall ist, da Stenorhina weder hinsichlich der Nasenlöcher, noch der Augen irgenrf etwas mit den Homalopsidae zu thun hat. Eine neue Art von Coronella mit Furchenzahn. Von Dr. Albert dünther in London. Coronella brems. Schuppen in 23 Längs r ei lion; Anal-Platte gespalten, acht Oberlippen-Scliilder, wovon der vierte und fünfte ans Auge treten. Oben bräunlich -oliven farbig mit netzförmigen schmalen, schwärzlichen Quer-ßändern; Na- ckenzeichnung wie inC. cucullata; Bauch ein- farbig weiss; der hintere Oberkieferzahn ge- fur c ht. Diese Art zeichnet sich schon auf den ersten Blick durch ihren kurzen Habitus aus, indem bei einer Totallänge von 11 Zoll der Umfang in der Mitte des Rumpfes 15 Li- nien beträgt. Die Bauchschilder sind nicht ganz so zahl- reich (165) als in C. cucullata, aber sehr schmal und breit. Wie in vielen Exemplaren der letztgenannten Art reicht der 6. Oberlippen -Schild mit seiner Spitze unmittelbar an das Occipitale. Die Pupille ist rund. Die meisten Schup- pen haben an ilircr Spitze eine kleine glänzende Grube. Im Uebrigen gleicht die Art der C. cucullata-, die Aufstel- lung einer neuen Art scheint mir aber gerechtfertigt durch den kurzen Habitus, durch den einfarbig weissen Bauch und durch die vermehrte Zahl der Schuppen. C. cucullata hat gewöhnlich nur 19 Schuppen-Reihen, ausnahmsweise 21. Die Art wurde durch Hrn. Lowe auf einer kleinen, namenlosen Insel, vor dem Hafen von Mogadora entdeckt. Günther: Eine neue Art von Coronella mit Furchenzahn. 49 Der Umstand, dass ich wieder eine Schlange mit gefurchtem hinterem Zahne in ein Geschlecht stelle, für welches man den Charakter ungefurchter Zähne vindicirt hat, veranlasst mich, meine Ansicht über den sy- stematisclien VVerth dieses Merkmales vor den Lesern des Archivs auszusprechen. Dass der Furchenzahn ein giftleitendes Organ sei, zu welcher Annahme man sich seit seiner Entdeckung hin- neigte , ist eine reine Hypothese. Es ist nicht erwiesen, dass die Speichelflüssigkeit der Opisthoglyphen andere — giftige oder die Verdauung mehr befördernde — Eigen- schaften besitze , als die der Aglyphodonten. Die Furche ist in vielen Arten so seicht, dass man gar nicht einsehen kann, wie sie die Einleitung des Giftes in die Wunde ver- mitteln könnte. Direkte Beobachtungen an lebenden Ex- emplaren von Schlangen mit Furchenzähnen haben nie eine Vergiftung nachweisen können. Dieser Furchenzahn findet sich bei den verschiedensten Schlangenformen und ist von keinem zweiten Charakter conslant begleitet. Seine Bedeu- tungslosigkeit zur systematischen Begründung von Fami- lien ist desshalb auch von allen thätigen Herpetologen der gegenwärtigen Zeit anerkannt. Ich halte das Vorhandensein dieser Furche jedoch nicht für vollkommen bedeutungslos. Schlangen, bei wel- chen der hintere Zahn des Oberkiefers überhaupt verlän- gert und verstärkt ist, können verhältnissmässig kräftigere Thiere erbeuten und überwältigen. Die Widerstandsfähig- keit dieser hinteren Zähne ist nun durch das Vorhanden- sein einer an der convexen Seite gelegenen Furche ver- stärkt, gerade wie ein röhren- oder kegelförmiger Körper, dessen Oberfläche auf einer Seite rinnenartig eingebuchtet ist, in der Richtung dieser Rinne schwieriger abzuknicken ist, als wenn er eine gleichmässige Abrundung besässe. Aus diesen Gründen finde ich in der An- oder Ab- wesenheit eines längeren hinteren Zahnes nicht bloss eine Berechtigung zur generischen Trennung von Schlangen mit gleichen und ungleichen Zähnen , sondern ich halte diese Trennung sogar durch die Natur selbst geboten; kann aber in der Zugabe einer Furche zu einem verlängerten Archiv f. Naturg. XXVIII. Jahrg. 1. Bd. 4 50 fJ ü n t h e r : Zahne nur eine Modifikation mit ähnliclier Bedeutung sehen, wie wir sie in der getheilten oder ungetheilten Anal-Platte der Schlangen , oder in der An - oder Abwesenheit von Gaumenzähnen neben den Vomer-Zähnen in manchenFischen linden. Es ist sehr natürlich, dass Zoologen, welche sich nicht speciell mit Ophiologie beschäftigen , noch heute geneigt sind, den Principien eines Systems mehr oder weniger voll- ständig zu huldigen, die von einem anscheinend so wichtigen und in der That durcho^reifenden Charakter ^renommen sind. Wer jedoch Gelegenheit hat und sich die Mühe nimmt, die Species, welche zu Coronella gestellt worden sind, zu untersuchen , der muss zugeben, dass C. austriaca, girundica, cucullata und brevis in einer näheren natürlichen Verwandtschaft mit einander stehen , als mit irgend einer der anderen Coronellae, so dass es noch Niemand eingefallen ist, Schlegel einen Vorwurf zu machen, wenn er sie seiner Zeit als eine Art betrachtete: und doch ha- ben zwei davon Furchenzälme ! Man kennt bis jetzt keine vierte Schlange , welche mit Leptodira torquata , annulata und discolor näher verwandt wäre, als diese es unter sich sind, so dass zwei davon bis in die letzte Zeit vom Heraus- geber der ersten Nummer einer „Iconographie generale des Ophidiens" mit einander verwechselt wurden *'^) und doch hat eine einen Furchenzahn und die andere nicht! Aehn- lich verhalten sich Coronella lissidens und C. decorata, Dro- micus lineatus und Tomodon lineatus etc. Demjenigen , der diese Schlangen kennt , muss die Ansicht, dass die An- oder Abwesenheit des Furchenzahns selbst nur eine generische Trennung immer gebiete , sehr bedenklich erscheinen. Wo dieser Charakter von einem anderen begleitet ist — in der Physiognomie , im Habitus, in der Beschuppung, oder wo sich durch ihn zwei geo- graphisch geschiedene Gruppen unterscheiden lassen, be- nutze ich ihn mit Freuden als einen technischen Cha- rakter, wie die gespaltene oder ungespaltene Afterflosse, wie die Kiele der Schuppen , oder wie die neuerlich von } Monatsber. ßerl. Akad. 1860. p. 521, Eine neue Art von Coronella mit Furchenzahn. 51 Reinhardt beschriebenen Gruben; wo aber sich die Trennung zweier höchst ähnlichen Schlangen nur auf .die- sen einen Charakter basiren lässt, verwerfe ich ihn: und Niemand , der sich vor dem Vorwurfe der Pedanterie be- wahren will, wird es wagen, das Verfahren dessen, der mit Vorsicht sich eines solchen Merkmals bedient, ein -unbeffründetes und unwissenschaftliches" zu nennen. Herrn Jan, der sich dieser beiden Ausdrücke gegen mich neuerlich '-*) bediente , sollte es leid tliun , sich in dieser unüberlegten Weise ausgesprochen zu haben. Die- ser Herr, der erst vor vier Jahren (1857), d. h. zu einer Zeit, wo, nach seinen verschiedenen Programmen zu schlies- sen, seine Ansichten über Systematik abgeklärt gewesen sein sollten, einen Bericht über seine nach dem Systeme der französischen Herpetologen geordnete Sammlung ver- öffentlichte , und 1858 sein beabsichtigtes Schlangenwerk unter französischen Auspicien ankündigte: erklärt jetzt, dass er „keineswegs den in der Herpetologie generale auf- gestellten Ansichten huldige", und denuncirt das Verfahren dessen , der ihm auf dem Wege der Weiterentwickelung des früheren deutschen Systems voranging, als unbe- gründet und unwissenschaftlich ! Uebersieht der Verfasser jenes Artikels ganz, dass, wenn er mein Verfahren in der systematischen Anwendung des Zahnsystems verdammt, derselbe Vorwurf vom Standpunkte eines Anhängers des Dumeril -Bibro n'schen Systems ihn selbst treffen muss, wenn er Schlangen mit „rückwärts gefurchten" Zähnen mit anderen, die „ganz glatte" haben, in eine und dieselbe Fa- milie stellt ? zumal da er , wie er selbst gesteht, nicht im Stande sein wird , eine andere gründliche Familienabthei- lung „nur halbwegs zu bewirken", dieses vielmehr „von den Ansichten und vom Auge des Herpetologen abhängig" sein lässt. Noch zwei W^orte zum Schlüsse. Herr Jan hat „zur Steuer wissenschaftlicher Wahrheit" in diesem Archiv (1. c.) eine Abbildung der Zähne von Herpeton gegeben. Er wird indessen gesehen haben, dass dem von mir begangenen ^) Siehe dieses Archiv 1861. p. 52 Günther: Eine neue Art von Coronella mit Furchenzahn. Trrtliumc bereits *) gesteuert wurde und ich wünschte nur, die im Archiv gegebene wahre Abbildung wäre für die in der Iconographie enthaltene Zeichnung, welche auch „mit der grössten wissenschaftlichen Gewissenhaftigkeit" ausgeführt wurde, substituirt. Jeder der diese beiden Ab- bildungen vergleicht, wird sehen, dass die erste nicht von der Art war, um unbedingtes Vertrauen in ihre Richtigkeit einzutlössen , und demjenigen sehr verdächtig erscheinen musste , der nach Autopsie sich davon überzeugt zu haben glaubt , dass jene Zähne furchenlos seien ^^*). Dass ich aber jenen Artikel zur „Discreditirung" von Hrn. Jan's „Ar- beit" geschrieben haben sollte , ist eine ganz ungerecht- fertigte Vermuthung. Wie er seine richtige Beobachtung vertheidigt, so vertheidigte ich meine unrichtige so lange ich sie für richtig hielt. Wenn freilich ein Verfasser, wie Hr. Professor Jan, sich genöthigt findet, auf 32 Seiten Arbeit 8 Seiten „Additions et Corrections" folgen zu las- sen, so kann man es sich wohl erklären, dass er in der Darstellung eines abweichenden Beobachtungs -Resultates das Gespenst der Discreditirung sieht. *) Ann. and Mag. nat. hist. 1861. VIH. p. 266. et ßerl. Monats- Ber. 1861. p. 902. ■""■) Wir überlassen es Hrn. Jan, seinen vielleicht nur in der Hast begangenen Irrthuni, die Bezahnung von Helicops betrefFend, zu berichtigen. Systematische Tebersicht der Familien der Stachel flosser *)• Von Dr. Albert Günther in London. Die folgende Synopsis ist theils in der Absicht zu- sammengestellt, meine Ansichten über die natürliche Ver- wandtschaft dieser Fische kund zu geben , theils um bei der Bestimmung eines Fisches und zur Auffindung der Fa- milie , zu der er gehört , behülflich zu sein. Daher sind technische Charaktere mit künstlichen verbunden , so weit dies für letzteren Zweck erforderlich schien. Die Arten, welche nicht in die Grenzen dieser Charaktere passen, und Ausnahmen von dem allgemeinen Organisationsplane bil- den, sind unter dem Texte angegeben. Diese vorläufige Eintheilung der Acanthopterygier ist hauptsächlich auf den Bau der Flossen begründet. Sie hat zunächst den Zweck als Schlüssel beim Gebrauche der er- sten Abtheilung meines Fischwerkes **) zu dienen, enthält aber noch keineswegs die Durchführung der Principien, welche ich in einem Systeme der Fische überhaupt anzu- wenden hoffe. So bin ich mitBleeker zur Ueberzeugung gelangt, dass die Pharyngognathen als Ordnung fallen müs- sen, und eine grosse Abtheilung derselben mit den Acan- thopterygiern zu verschmelzen ist. Darin liegt der Grund, *) Die Einleitung ist eine briefliche Miltheilung vom Herrn Verf. ein den Herausgeber; die Synopsis selbst ist vom letzteren aus dem Englischen übersetzt. **) Catalogue of the Acanthopterygian Fishes. 3 Bände. London 1859—61. 8. 54 Günther: warum ich meine Ihnen versprochene Arbeit über die Ein- theilung dieser Thiere so lange verschoben habe, und noch länger zu verschieben mich genöthigt sehe. Die erste Division wird seiner Zeit einen grossen Theil der Pharyngognathen mit aufnehmen; durch die Un- tersuchung der Skelette der letzteren , und Vergleichung mit denen der Nicht - Pharyngognathen , bin ich zu aufl'al- lenden Resultaten gelangt , welche mir diesen Charakter mehr und mehr wichtig für die Eintheilung .erscheinen las- sen ; es fehlen mir noch die Skelette einiger Hauptformen, doch will ich schon jetzt aus Analogie schliessen, dass z. B. das von Olistherops ein viel-wirbeliges ist. Die Zahl der Familien dieser Division wird demnach beträchtlich ver- mehrt werden , zumal da die Percidae und w ahrscheinlich auch die Cirrhitidae noch kein natürliches Ganze bilden. Die Familie Cataphracti lasse ich auch fallen. Die knö- cherne Verbindung des Infraorbital - Ringes mit dem Prae- operculum ist nicht von einer solchen Bedeutung, wie der Flossen- und Skelettbau; ich behalte aber den Charakter, um kleinere Familien darauf zu begründen, die verschie- denen Divisionen angehören. Gasterosteus, Agriopus etc. sind von Hause aus keine Catapbrakten, da die Verbindung des Infraorbitalrings und Praeoperculums bei ihnen anato- misch eine andere ist und eine andere Function hat. Für die achte Division werde ich wohl kämpfen müssen; sie hat mir am meisten zu arbeiten gegeben, und ich bin ganz vorbereitet, sie zu vertheidigen , da sie ge- wiss eine natürliche ist. Lange wusste ich nicht was mit den Acronuridae (Acanthurus) anzufangen sei; dem Flos- senbaue nach gehörten sie zu dieser Abtheilung, dem Ha- bitus nach zu der ersten. Als ich aber ihr Skelett unter- suchte, namentlich auch den Schädel), und mir klar wurde, dass ihre Schwanz-Bewaffnung nur eine Modilication der von Caranx ist , blieb mir kein Zweifel mehr über ihre natür- liche Stellung bei den Carangidae. Cyltina, Stromateina, Cottina etc. erhebe ich nun alle zu Familien. Die Discoboli sind von den Gohiesocidae himmelweit verschieden , wie man sich aus meinem Calaloge selbst Systematische Uebersicht der Familien der Stachclflosser. f»5 Überzeugen wird. Die Bauchflossen nehmen bei den letz- teren an der Scheiben-Bildung keinen Antheil. Die Helerolepidina (Hexagraminus, Agrammus etc.) sind gute Blennioiden; ihre oft mehrfache Seitenlinie tritt ge- rade bei manchen echten Blenniidae von denselben Mee- ren auf. Die Vereinigung der Sphyraenidae und Mugilidae in eine Division will mir noch nicht recht gefallen ; ich weiss aber nicht zu helfen; die Differenzen sind nicht von der Art, dass man darauf besondere Abtheilungen gründen könnte, während auf der anderen Seite sie in wesentlichen Punkten übereinstimmen , und die lang-schnauzigen Athe- rinidae eine Art Bindeglied zu machen scheinen. Die Fistularidae sind See-Stichlinge; man vergleiche nur Spinachia mit Fistularia oder besser mit Aulostoma. Pedantische Systematiker werden wohl unzufrieden sein über die Ungleichmässigkeit des Umfanges der Abthei- lungen ; darüber ist natürlich kein Wort zu verlieren. Eine andere Frage aber ist , ob die 16 Divisionen nicht sich in einige weitere höhere Categorien unterbringen lassen. Ich halle das für unnöthig, und vielleicht für unmöglich. I. Eine weiche Rückenflosse und eine After- flosse. After vom Schwänzende entfernt, hinter den Afterflossen, wenn diese vor- handen sind. Erste Division: Acanthopterygii peixiformes. Körper mehr oder weniger comprimirt , hoch oder länglich , nicht langstreckig. Keine vorstehende Afterpa- pille; kein Superbranchial-Organ. Die Rückenflosse oder die Rückenflossen nehmen den grösseren Theil des Rückens ein; der Stacheltheil der Rückenflosse wohl entwickelt, im Allgemeinen mit steifen Dornen, von massiger Ausdehnung, 56 Günther: etwas länger oder ebenso lang wie der weiche Theil ^); der weiche Theil der Afterflosse ähnlich der weichen Rük- kenflosse, von massiger Ausdehnung oder ziemlich kurz 2). Bauchflossen thoracisch, immer vorhanden, mit einem Dorne und fünf oder vier wohl entwickelten Strahlen. I. Bauchflossen 1 . 5, selten 1 . 4j keine Deckelstütze ^). Ein e Seitenlinie. A. Seitenlinie ununterbrochen *) : weder schneidende Zähne , noch Mahlzähne ; keine Bartfäden an der Kehle. Die unteren Brustflossenstrahlen verzweigt. a. Zähne am Gaumen^); verticale Flossen nicht schuppig Percidae. b. Gaumen zahnlos ^) ; Körper länglich, oder, wenn hoch, mit schuppenlosen verticalen Flossen. Pristipomatidae. c. Verticale Flossen beschuppt; Körper hoch, oder, wenn länglich , mit borstenförmigen Zähnen in den Kiefern oder sammetartigen Binden am Gau- men SquamipeuDes. ß. Seitenlinie unterbrochen .... Nandidae. C. Ein Paar beweglicher Bartfäden an der Kehle. llullidae. D. Entweder schneidende Zähne in den Kiefern oder Mahlzähne an den Seiten Sparidae. E. Kielerzähne zu einer schneidenden Lamelle ver- schmolzen Hoplognathidae. F. Die unteren Brustflossenstrahlen nicht verzweigt; weder schneidende Zähne , noch Mahlzähne in den Kiefern CirrMtidae. 1) Rhypticus, Centrarchus sparoides, Hyperoglyphe. 2) Haplodactylus, einige Arten von Chilodacfylus ; lang bei Latris. 3) Mit diesem Namen (englisch bony slay for Ihe operculum) bezeichne ich den Knochen, welcher bei den echten Cataphracti Cuv. vom Suborbitalringe bis zu dem Winkel des Praeoperculum reicht, und als Stütze für den Stachel dient, mit welchem der Winkel bewaff- net ist. 4) Ambassis interrupta, buruensis. 5) Prionodes. 6) Einige Arten von Therapon, Systematische Ucbersicht der Familien der Stachelflosser. 57 II. Eine Deckelstülze für das bewaffnete Praeoperculum, die vom Infraorbitalringe entspringt . . Scorpaeniilae. III. Keine Seitenlinie; Dorntheil der Afterflosse lang. Polycentridae. IV. Bauchflossen mH einem äusseren und inneren Dorne 1.4.1. Teuthididae. Zweite Division : Acanth. beryciformes. Körper comprimirt, länglich oder hoch; Kopf mit gros- sen schleimführenden Höhlen, die nur von dünner Haut be- deckt sind. Bauchflossen thoracisch, mit einem Dorne und mehr als fünf, bei Monocentris mit nur zwei, weichen Strahlen. Nur eine Familie Berycidae. Dritte Division : Acanth. kurtiformes. Nur eine Rückenflosse, viel kürzer als die Afterflosse, welche lang ist. Kein Superbranchial-Organ. Nur eine Familie . Kurtidae '). Vierte Division : Acanth. polynemiformes. Zwei ziemlich kurze Rückenflossen, etwas entfernt von einander; freie Fäden am Schultergürtel unter den Brust- flossen ; Kopf mit wohl entwickeltem Schleimkanal-System. (Ansehen sciaenoidenartig.) Nur eine Familie Polynemidae. Fünfte Division : Acanth. sciaeniformes. Die weiche Rückenflosse ist mehr, meist viel mehr entwickelt als die stachlige, oder als die Afterflosse. Keine Pectoral-Fäden ; Kopf mit wohlentwickeltem Schleimkanal- System. Nur eine Familie Sciaenidae. 7) Diese Familie bildete früher eine Gruppe der Carangidae (Kurtina). 5Q- (j ün th er: „ff Secliste Division: Acanth. xiphiiformes. Der Oberkiefer ist in ein langes keilförmiges Schwert ausgezogen. Nur eine Familie Xiphüdae. Siebente Division : Acanth. trichiuriformes. Körper langstreckig, comprimirt oder bandförmig; Mundspalte gross, mit einigen kräftigen Zähnen in den Kie- fern oder am Gaumen. Der Stacheltheil und weiche Theil der Rückenflosse , so wie die Afterflosse sind fast gleich gross, lang, vielstrahlig, zuweilen in falsche Flossen endi- gend ; Schwanzflosse, wenn vorhanden, gabiig. Nur eine Familie Trichiuridae. Achte Division : Acanth. cotto-scomhriformes ^). Die Dornen mindestens in einer der Flossen entwik- kelt. Die Rückenflossen entweder vereinigt, oder dicht bei einander; die stachlige Rückenflosse, wenn vorhanden, stets kurz, zuweilen in Tentakeln oder in eine Saugscheibe umgewandelt, die w^eiche Rückenflosse stets lang, wenn die stachlige fehlt ^) ; Afterflosse ähnlich entwickelt wie die weiche Rückenflosse, und beide meist viel länger als die stachlige ^^), zuweilen in falschen Flossen endigend. Bauchflossen thoracisch oder jugular , wenn vorhanden, niemals in einen Haftapparat umgewandelt. Keine vorste- hende Afterpapille. I. Eine Rückenflosse, vorn mit mehreren stechenden Stacheln ; ein oder mehrere Knochenstachel an jeder Seite des Schwanzes; Zähne comprimirt, abgestutzt, oder gelappt, eng- in einer einzelnen Reihe . . »-'^ .'"'. Acronuridae. II. Skeleltheile solide; keine Deckelstütze; Zähne konisch oder dreieckig, wenn vorhanden. 8) Die echten Cottoiden gehen allmählich in die eigentlichen Scombroiden über. 9) Aspidophoroides. 10) Einiyc Allen von Agonus. Systematische Uebersichl der Familien der Stachelflosser. 59 A. Der Stacheltheil der Rückenflosse vorhanden , zu- weilen rudimentär. Körper comprimirt, länglich oder hoch. Wirbel 10 . 14 ^^) . . . Carangidae. B. Körper hoch, mit zwei deutlichen Abtheilungen der Rückenflosse. Wirbel 10 + x . 14 + y . Cyttidae. C. Rückenflosse ohne deutlichen Stacheltheil; Kopf und Körper comprimirt. WMrbel 10 + x . 14 + y- a. Gezähnte Fortsätze ragen in den Oesophagus hinein Stromateidae. b. Keine Zähne im Oesophagus . . Coryphaeuidae. D. Zwei Rückenflossen; zuweilen falsche Flossen; Schwanzflosse gabiig. Cycloidschuppen von massi- ger Grösse. Wirbel 10 + x . 14 -|- y ^^j Nomeidae. E. Zwei Rückenflossen; entweder falsche Flossen, oder der Stacheltheil aus freien Dornen bestehend, oder in eine Haftscheibe umgewandelt, oder die Bauch- flossen jugular und vierstrahlig. Schuppen fehlen oder sind sehr klein Scombridae. F. Körper mehr oder weniger langstreckig. Eine stach- lige Rückenflosse oder ein stachliger Theil meist deutlich, die Stacheln durch Haut verbunden; keine falsche Flossen; Schwanzflosse nicht gabiig; Bauch- flossen aus einem Dorne und fünf weichen Strahlen bestehend. Appendices pyloricae fehlen, oder sind in kleiner oder massiger Zahl vorhanden. a. Wirbel 10 oder 10 + x . 14 -f y . Trachinidae. b. Wirbel 10 . 14 lalacanthidae. G. Die stachlige Rückenflosse vorhanden , aus einigen stechenden Stacheln bestehend; Bauchflosse jugular, 1.2 Batrachidae. H. Die stachlige Rückenflosse auf den Kopf vorgerückt, und mehr oder weniger in Tentakel umgewandelt. Pediculati. 11) Zuweilen einer oder zwei mehr oder weniger als vier und zwanzig. 12) l'latyslethus scheint eher zu den Carangidae zu gehören. 60 Günther: III. Eine Dcckelstütze für das bewaffnete Praeoperculuni, die vom Infraorbitalring entspringt. A. Körper nackt oder mit gewöhnlichen Schuppen be- deckt, oder unvollständig gepanzert mit einzelnen Reihen plattenförmiger Schuppen . . . Cottidae. B. Körper vollständig gepanzert mit knöchernen ge- kielten Platten oder Schuppen . . . Cataphracti. IV. Skelett weich . Comephoridae. Neunte Division: Acanth. gobiiformes. Die stachlige Rückenflosse , oder der Stacheltheil der Rückenflosse , ist stets vorhanden ^^) , kurz , entweder aus biegsamen Dornen zusammengesetzt, oder viel weniger entwickelt als der weiche Theil; die weiche Rückenflosse und die weiche Afterflosse von gleicher Ausdehnung. Bauch- flossen thoracisch oder jugular, wenn vorhanden, aus einem Dorne und fünf, selten vier, weichen Strahlen. Eine vor- stehende Afterpapille ^*). I. Analdornen 0 — 2; Bauchflossen. A. Bauchflossen ganz in eine vollkommene dem Bauche anhängende Scheibe umgewandelt . . . Discoboli. B. Bauchflossen mit stets deutlichen Strahlen, zuwei- len zu einer Flosse vereinigt .... Gobiidae. II. Analdornen sechs; keine Bauchflossen . Oxudercidae. Zehnte Division: AcaTith. blennüformes, Körper niedrig, subcylindrisch oder comprimirt, lang- streckig , selten länglich wie in Pataecus. Rückenflosse sehr lang: der Slacheltheil der Rückenflosse, wenn deut- lich, ist sehr lang, ebenso wohl entwickelt wie der weiche, oder viel mehr ^"'') ; zuweilen die ganze Rückenflosse nur aus Dornen bestehend ; Afterflosse mehr oder weniger lang ; Schwanzflosse abgestutzt oder abgerundet, wenn vor- 13) Luciogobius. 14) Astenopteryx. 15) Zoarces. Systematische Uebersidht der Familien der Stachelflosser. 61 banden; Bauchflossen thoracisch oder jugular , wenn vor- handen. I. Körper bandförmig; keine Deckelstütze; Bauchflossen thoracisch, 1.5 Cepolidae. II. Bauchflossen jugular, 1.5 Trichonotidae. III. Eine Deckelstütze, die vom Infraorbitalring entspringt. lleterolepididae. IV. Bauchflossen jugular ^^), aus wenigen Strahlen beste- hend, wenn vorhanden; eine vorstehende Afterpapille; keine Analdornen , oder in sehr geringer Zahl. Blenniiflae. V. Analdornen zahlreich Äcanthocliuidae. VI. Keine Bauchflossen; keine vorstehende Aiterpapille; Körper aallörmig; zahlreiche freie Rückenflossendornen. Mastacembelidae. Elfte Division: Äcanth. inugiliformes. Zwei Rückenflossen, mehr oder weniger von einander entfernt; die vordere entweder kurz, wie die hintere, oder aus schwachen Dornen zusammengesetzt; Bauchflossen wohl entwickelt, 1 . 5, abdominal. I. Bezahnung kräftig; Wirbel 24 ... Sphyraeuidae. II. Bezahnung schwach oder massig kräftig; Wirbel 10 + x . 14 -{- y Ätherinidae. III. Bezahnung schwach; Wirbel 24 ISugilidae. Zwölfte Division: Acanth. gaster o st eiformes. Die stachlige Rückenflosse besteht aus isolirten Dor- nen, wenn vorhanden; die Bauchflossen haben wegen der Verlängerung der Beckenknochen, die an dem Schultergürtel angeheftet sind, eine abdominale Lage. I. Bauchflossen an den Beckenknochen angeheftet, mit einem Dorne und mit einigen rudimentären Strahlen. Gasterosteidae. II. Bauchflossen von dem Beckenknochen entfernt, mit sechs weichen Strahlen Fistularidae. 16) Pseudobiennius ; ?Andamia. 62 Günther: Dreizehnte Division : Acanth. centrisciformes. Zwei Rückenflossen , die stachlige kurz , die weiche und die Afterflosse von massiger Ausdehnung. Bauchflos- sen wirklich abdominal, unvollständig entwickelt. Nur eine Familie . Centriscidae. Vierzehnte Division : Acanth. gobiesociformes. Keine stachlige Rückenflosse; die weiche Rücken- flosse und die Afterflosse kurz, oder von massiger Länge, auf dem Schwänze gelegen; Bauchflossen subjugular, 1 .5(4), mit einem Haftapparat zwischen ihnen oder ganz fehlend. Körper nackt. I. Ein Haftapparat zwischen den Bauchflossen. Gobiesocidae. II. Keine Bauchflossen Psychrolutidae. Fünfzehnte Division : Acanth. channiformes. Körper langstreckig, mit Schuppen von massiger Grösse bedeckt; keine der Flossen mit einem Stachel, Rük- kenflosse und Afterflosse lang. Kein Superbranchial-Organ, nur ein Knochenvorsprung an der inneren Fläche des Os epitympanicum. Nur eine Familie Ophicephalidae. Sechszehnte Division : Acanth. labyrinthibranchii. Körper comprimirt, länglich oder hoch, mit Schuppen von massiger Grösse. Ein Superbranchial - Organ in einer accessorischen Kiemenhöhle, zum Aufbewahren von Wasser. I. Stacheln in der Rücken- und Afterflosse vorhanden, zuweilen in grosser Zahl Labyrinthici. II. Weder in der Rückenflosse noch in der Afterflosse Stacheln Luciocephalidae. II. Rücke n- un d Afterflosse entwickelt. After vor den B auchflossen. Nur eine Familie Aphredoderidae. Sysleinallsche Üebersicht der Familien der Starhelflosser. 63 III. Körper bandförmig, mit d e m Af ter nahe se i- nem Ende; eine kurze Afterflosse hinter dem After; Rückenflosse so lang wie der Körper. Nur eine Familie .... ,s*,;n. . . . Lophotidae. IV. Afterflosse fehlt; Schwanzflosse rudimentär oder nicht in der Längsachse des Fisches. Skelettweich. Nur eine Familie, mit schwacher Bezahnung. Trachypteridae. V. Eine weiche Rückenflosse fehlt', oder ist ganz rudimentär; Bauchflossen abdominal, be- stehen aus einigen ungegliederten und geglie- derten Strahlen. Nur eine Familie Notacanthi. Eine neue Art von Mormyrus. Von Dr. Albert (lUiither. Mormyrus Petersii. Unterlippe in einen langen konischen Zapfen verlängert. D. 27. A. 34. L. lat. 66. Der Charakter, durch welchen sich diese Art vor den bekannten Mormyri auszeichnet, ist so auffallend, dass man sie wohl generisch davon trennen wird , wenn andere ihr verwandte Arten entdeckt werden sollten. Der Zapfen ist biegsam, beinahe halb so lang wie der Kopf. Auf der rech- ten Seite der Kehle befindet sich ein schmaler Schlitz, der in einen bis zur Basis des Zapfens reichenden Kanal führt; dieser Kanal steht in keiner Communication mit der Kie- menhöhle. Die Mundspalte ist wie gewöhnlich sehr klein, und oben wie unten mit einigen kleinen comprimirten, an der Spitze gekerbten Zähnen bewaffnet. Die Schuppen sind vorne ziemlich klein , nehmen aber nach hinten an Grösse etwas zu. Die Basis der Bückenflosse ist etwas kürzer als der Kopf, die der Afterflosse etwas länger. Der Fisch ist dunkelbraun , mit zwei schmalen hellen Querbin- den zwischen dem Anfange und der Mitte der Bücken- und Afterflosse; er ist beinahe sechs Zoll lang und wurde von Old-Calabar (West -Afrika) für das Britische Museum acquirirt. Verzeichuiss der auf seiner Reise in Nordamerika beobachteten Säugethiere. Vom Prinzen Dlaxittiiiian zu Tfied. Fortsetzung. (Hierzu Taf. IV— VI.) Ord, IV. Rodentia. Nager. Diese Ordnung ist bekanntlich in allen Welttheilen eine der reichhaltigsten, und Amerika steht in dieser Hin- sicht den anderen Theilen unserer Erde nicht nach. Baird hat in seinem neuesten Werke wieder viele neue Arten der Nager beschrieben , und gewiss werden in den süd- westlichen Provinzen noch manche andere gefunden, sobald man jene weite Gegenden wird gehörig durchforschen können. Farn. I. Sciurina. Eichhörnchen. Nord-Amerika ist reich an dieser Thierform und be- sitzt sowohl eine gute Anzahl von Arten dieser Familie, als besonders eine überaus grosse Anzahl von Individuen. Das dortige graue Eichhorn ist in manchen Gegenden und in manchen Jahren unendlich zahlreich gewesen, besonders in früheren Zeilen, wo die eingewanderte Bevölkerung die Verminderung dieser Thiere noch nicht in einem so be- deutenden Grade bewirken konnte, als dieses jetzt der Fall ist. Bei der Bebauung des Landes mit Mais sind diese Thiere zur wahren Landplage geworden, und der Pflanzer erklärt ihnen unbarmherzig den Krieg. Für die grossen Waldungen von Nord - Amerika waren diese Thiere recht eigentlich geschaffen; denn die vielen Arten von Wall- Archiv f. Nalurg. XX. VIII. Jahrg. 1. Bd. 5 66 Prinz Maximilian zu W i e d : nuss-Bäumen (luglans) , so wie zahlreiche Eichen- Arten (Quercus), die unzähligen Kastanien-, Buchen-, Tannen - und Fichten- Arten boten ihnen eine unendlich reichhalti- gere Nahrung, als in irgend einem anderen Welttheile. Von diesen Früchten werden diese Thiere sehr l'ett und wohlschmeckend und überall strebt der Pflanzer nach die- sem beliebten Gerichte. Ueber die ungeheuere Vermehrung der Eichhörnchen in Nord - Amerika findet man nähere Nachrichten in den verschiedenen Reisebeschreibungen , so wie beiAudubon, es passen aber diese Nachrichten, der zunehmenden Bevölkerung wegen, grossentheils nicht mehr auf die jetzige Zeit. €enus Sciurus Linn. Eichhorn. Nord-Amerika ist, wie gesagt, höchst reich an diesen Thieren , allein ihre Species sind leider sehr unbestimmt beschrieben und müssen gewiss sehr reducirt werden , da manche Arten variiren, nicht aber alle. 1. S. cinereus Linn. Das graue amerikanische Ei chh orn. Richardson 1. c. I. Audubon 1. c. S. Baird 1. c. I. p. 248. Gestalt und Färbung dieses Thieres sind bekannt, ich will daher nur die Ausmessungen nach frischen Thie- ren geben. Ausmessung eines männlichen Indivi- duums: Ganze Länge 21" 3'"; Länge des Schwanzes 10" 10"'; Länge des Schwanzes ohne die Haarspitzen T" 9"'; Breite des Schwanzes mit seinen lockeren Haaren in der Mitte 3" 3"'; Länge des Kopfes 2" 6"'; Breite des Kopfes auf den Augen 1" 3"'; von der Nase bis zum Auge 1" 1"'; Länge der Augenöffnung öVa"'; Höhe des Ohres an der Kopfseite 10"'; Breite des Ohres in seiner Mitte 6V2'"; Länge des Vorderarmes vom Ellenbogen zum Handgelenke 1" 11'"; Länge der Vorderhand an der Oberseite gemessen 1" 5V2'"? Länge der Hintersohle von der Ferse an (es wird Verzeichniss Nordamerikanischer Säugethiere. 67 immer die längste Zehe mit dem Nagel gemessen) 2" 4'"; Länge des längsten ßarthaares 2" 3'"; Länge der Testikel 1" 3'". ' Innere Th eile: Das männliche Thier trägt in der Ruthe einen kleinen Knochen , bei dem beschriebenen Ex- emplare 4^2 Linien lang, dessen Ausbreitung nach vorn gerichtet ist (siehe die Abbildung Tab. IV. Fig. 1). Die Testikel mit den Nebenhoden sind sehr gross , und er- stere mit schönen concentrisch verlaufenden Blutgefässen. Merkwürdig ist der Apparat der grossen Drüsen am After und den Geschlechtstheilen, von welchen ich noch bei kei- nem Schriftsteller Nachricht fand , und welcher mir auch an anderen Eichhörnchen nicht vorgekommen ist (siehe Taf. IV. Fig. 2). Die Abbildung ist nach einer genauen Skizze gemacht , die in Branntwein conservirten Präparate sind leider zu Grunde gegangen. Varietät: Der bei dieser Thierart gewöhnlich ganz weisse Bauch halte hier (bei einem männlichen Thiere) von der Brust an über seine Mitte hinab zwei parallele, grauröthliche und graugelblich gemischte Längsstreifen, welche sich in der Gegend der Geschlechtstheile vereinigten. Eine andere Varietät: Manche dieser Thiere haben die äussere oder obere Seite des Ohres von der Wurzel bis in die Mitte aufwärts weisslich, zuweilen weiss gefärbt, der übrige Theil des Ohres ist gelblichgrau, oder gelbröthlich gefärbt; der Rücken ist bald mehr, bald we- niger gelbbraun überlaufen; die Grenze der grauen und weissen Farbe an den Seiten des Bauches ist beinahe im- mer gelbbräunlich gefärbt; Testikel weissgrau behaart, oft mit gelbbräunlichen Haarspitzen; Sohlen gewöhnlich dun- kelbraun, oft schwärzlich; Bartborsten gänzlich schwarz; Seiten des Kopfes hell gelblichgrau, Augeneinfassung weiss- lich; Nagezähne orangengelb. Varietät, das schwarze pennsyl van i s ch e Eichhorn: Gestalt wie an S. cinereus. Kopf wie ge- sagt, das Ohr ziemlich schmal und hoch, an seinem Rande ohne übertretende Haare, beinahe nackt, äusserlich nur sparsam und kurz behaart; Bartborsten am Oberkiefer lang; Fusssohlen nackt, an der Vorderhand die zweite Zehe von 68 Prinz Maxim ilian tu Wied: aussen die längste, die innerste (der Zeigefinger) die kür- zeste; Daumenvvarze mit einem kurzen dunkelbraunen Kup- pennagel bedeckt; hinter den vier Zehen stehen drei Bal- len, neben dem Daumen in dem Hlntertheile der Hand zwei Ballen; am Hinterfusse sind die Zehen in demselben Ver- hältnisse wie vorn, aber die äusserste ist die kürzeste und der Daumen ist noch kürzer; hinter den fünf Zehen der Hinterhand stehen vier Ballen , hinter diesen , an der bis zur Ferse nackten Sohle, noch einer an der inneren Seite; alle Nägel der Zehen sind zusammengedrückt und gekrümmt; Schwanz lang und dicht rundum behaart , mit den Haar- spitzen länger als der Körper; dieser ist dick, stark und schwer ; Pelz dicht und zart. Färbung; Iris im Auge dunkelbraun; Nagezähne gelbbraun ; ganzer Körper schwarz ; Bauch blässer , ins Bräunliche ziehend; Seiten des Kopfes und des Leibes fein gelbbraun punktirt und gemischt , indem hier die Haare gelbrothe Spitzen tragen. Seitenhaare des Schwanzes mit bräunlichen Spitzen ; auf die eben beschriebene Art gelb- röthlich gemischt sind die Kehle, Brust und Bauch ; Kopf, Rücken und Beine glänzend schwarz. Ausmessung verglichen mit der des gewöhn- lichen grauen Eichhorns derselben Gegend: Schwarzes Eichhorn. Graues Eichhorn. Ganze Länge 21" 6'" 21" 3'" Länge des Schwanzes . . 11" 6"' 10" 10"' Länge des Schwanzes ohne die Haarspitzen ... 8" 2V2'" 7" 9' Länge des Kopfes ... 2" 6"' 2" 6' Breite zwischen den Ohren — IIV2'" — — Höhe des Ohres oben . . -- 10"' — 10'" Breite des Ohres an der Wurzel — 6'" — 61/2'" Länge der Vorderhand oben 1" 8'" 1" 5V2'" Breite des Kopfes zwischen den Augen , . , , . 1" 3V2'" 1" 3'" )'" Verxeichniss IVordamerikanischer Säugethiere. 69 Schwarzes Eichhorn Graues Eichhorn. Breite des Ohres in der • •> Mitte — öVs'" — 6V2'" Länge der Hinterhand auf der Sohle bis zur Ferse 2" 4V2'" 2" 4"' Breite des Schwanzes in der Mitte(wenn die Haare nicht beigestrichen wer- den) 3" 2V3'" 3" 3'" Dieses schöne schwarze Eichhorn kommt überall in Pennsylvanien vor, und es scheint bloss Varietät des ge- meinen grauen zu sein. Das beschriebene erlegte ich in den grossen Waldungen bei Ebensburgh im Alleghany-Ge- birge. Seine Stimme glich zuweilen etwas der des euro- päischen Eichhorns, sie war schmatzend : „tack! tack! tack!" wie die des grauen Eichhorns. Es hielt sich dieses Thier zwischen umgefallenen Urstämmen im V/alde auf, wo es auf dem Boden im Herbste die abgefallenen Kastanien, Ei- cheln und Wallnüsse aufsuchte. Am Wabasch ist dieses schwarze Eichhorn seltener, Herr Lesueur sah während einer Reihe von Jahren dort nur ein solches Exemplar. Die grauen Eichhörnchen färben sich das Gesicht und selbst die Beine und Seiten des Körpers olivenbraun, wenn sie viele wilde Wallnüsse gefressen haben, deshalb hält man sie alsdann leicht für Varietäten oder verschiedene Species. Sciurus cinereus ist überall in allen waldigen oder mit Waldungen abwechselnden Gegenden von Nord- Amerika gemein und zwar zuweilen in grosser Menge. Es ist ein schnelles schüchternes Thier, kriecht sogleich in Baum- höhlen ein oder verbirgt sich zwischen den Zweigen, seit- dem man sie häufig verfolgt. Oft blickt es dann nur mit dem Kopfe hinter den dicken Aesten hervor. Die Ameri- kaner sind sehr geübt diese Thiere mit ihren langen Büch- sen von hohen Bäumen herab zu schiessen. Die Büchsen schiessen ein nur ganz kleines Blei von der Dicke eines Kirschkernes. Durch die beständigen Nachstellungen sind die Eichhörnchen höchst schüchtern geworden , und ihre Schnelligkeit und Fertigkeit sich zu verbergen, ist bewun- dernswürdig. Selbst auf einem dünnen Baume sind sie 70 Prinz Maximilian zu Wied: augenblicklich verschwunden und unsichtbar, sobald sie den Jäger bemerken, und man kann sie alsdann lange ver- gebens suchen. In Gegenden, w^o man ihnen sehr nach- stellt, kommen sie jetzt beinahe am ganzen Tage nicht zum Vorschein und man kann lange vergebens im Walde umhcrschleichen. — Als dem Mais schädlichen und dabei wohlschmeckenden Thieren, wird ihnen ungemein fleissig nachgestellt. — Ihre Stimme ist verschiedenartig, sie haben einen sanften Pfiff als Lockton, geben aber noch mancher- lei andere Stimmen von sich, die zum Theil sonderbar klingen; das schmatzende tack! tack! tack! habe ich schon früher erwähnt. Sie bauen im Frühjahre ein Nest von Laub und Moos wie unsere Eichhörnchen, wo sie ihre Jun- gen werfen. Für den Winter sammeln sie einen Vorralh von Früchten, woran die dortigen Wälder unendlich viel reicher sind als die europäischen. In manchen Gegenden, z. B. am Wabasch in Indiana, wo dieser Fluss in manchen Jahren grosse Ueberschwemmungen macht, müssen alsdann diese Thiere allein von ihren eingesammelten Vorräthen leben, wie mir die Bewohner der Gegend ebenfalls ver- sicherten. In dieser Zeit kommt alsdann manches Thier ums Leben, selbst Hausthiere, Rindvieh und Schweine. Die Bälge dieser Eichhörnchen, ob sie gleich im Win- ter recht schön sind , werden im Pelzhandel gar nicht beachtet. 2. S. r uflvent er Geof^r, Das rostbräunliche Eichhorn. S. macrourus Say. S. Sayi Audub. 1. c. IL p. 274. Tab. 89. S. Baird L c. I. p. 251. (Sciurus ludovicianus). Dieses Eichhorn hat im Allgemeinen viele Aehnlichkeit mit dem vorhergehenden, so dass mehrere Zoologen das- selbe nur für Varietät desselben nahmen, allein bei genaue- rer Vergleichung zeigen sich constante Abweichungen — S. rufiventer hat stärkere Glieder, etwas breiteres und kür- zeres Ohr, etwas gröberes Haar, besonders am Schwänze, wo dasselbe dichter und härter ist. Verzeichniss Kordamerikanischer Säugethiere. 71 Beschreibung eines männlichen Thieres: Gestalt sehr stark und gedrungen; Kopf sehr dick, rundlich, beinahe gestaltet wie an den Murmelthieren, Backen aufge- blasen und dicht behaart, am Oberkiefer starke Bartborsten; Auge ziemlich klein; Ohren kurz, kaum über die Fläche des Kopfes hinauf reichend , von aussen und innen dicht be- haarl, der Rand mit Haaren besetzt, welche um 2 bis 3 Li- nien übertreten; Arme und Beine sehr stark und musku- lös; Leib sehr dick und corpulent; Vordersohle nackt, die hintere , die Ballen ausgenommen , mit weisslichen Haaren bewachsen ; Schwanz in natürlicher Lage sehr stark und breit, in der Mitte 4 Zoll breit; Testikel kolossal, nach in- nen und hinten nackt, an den übrigen Theilen behaart; Pelz sehr dicht, mit einer starken Grundwolle. Färbung: Nagezähne orangenfarben; Ohren rost- roth ; Seiten des Kopfes, Untertheile desselben und des gan- zen Körpers sehr schön lebhaft hell rostroth , oder feurig rostgelblichroth ; ebenso sind die vier Hände, die innere und hintere Seite der vier Beine gefärbt; obere Theile schwärz- lichgraubraun, alle Haare mit graugelben Spitzen und zwei weissgelblichen Querbinden bezeichnet, die Farbe ist also im Allgemeinen an den Obertheilen gemischt, und ebenso ist die Aussenseite der Glieder und der Obertheil des Kopfes bis zur Nase gefärbt, doch sind auf dem Oberkopfe die Haarspitzen länger und dabei zum Theil kohlschwarz gefärbt, wodurch der Scheitel eine dunklere Farbe erhält; etwa 3 bis 4 Linien weit unter dem Auge stehen schwärz- liche Haare, welche hier zuweilen eine dunklere Linie bilden, nachdem man sie streicht; Bartborsten schwarz; der Schwanz ist an seiner Oberseite mit sehr langen rostrothen Haarspilzen versehen, jedes Haar der Oberseite hat vier rostrothe und drei schwarze Binden , ihre Wurzeln und Spitzen sind rostroth, von oben gesehen ist der Schwanz schwarz und rostroth gemischt, von unten gesehen aber gänzlich rostroth, denn die Haare sind hier ungemischt und nur am Rande dieses schönen Schwanzes läuft rund um ein schwärzlicher Streifen in der Mitte der Haare , die Spitzen aber sind rostroth ; nackte Theile der Testikel schwarzbraun , nach vorn und an den Seiten rostroth be- 73 Prinz M a X i m i 1 i a n z u W i e d : haart; nackte Stellen der Fusssohlen schwärzlich, zuweilen auch nur graubraun, ihre Behaarung- weisslich; an den Hin- terschenkeln und Vorderarmen geht längs der Hand hinab die grau gemischte Behaarung allmählich immer mehr ins Roslrothe über. Ausmessung: Ganze Länge 22" 4'"*); Länge des Schwanzes mit den Haarspitzen (an der Oberseite gemes- sen) 12"; derselbe ohne die Haarspitzen 8" 6V2'"; Länge des Kopfes 2" 8'"; Breite zwischen den Ohren 1" 5V2'"; von der Nasenkuppe zum vorderen Augenwinkel 1" 2'"; Länge der Augenöffnung 5'"; vom hinteren Augenwinkel zur vorderen Ohrbasis 5'"; Höhe des Ohres (an der Kopf- seite gemessen) 7'"; Breite des Ohres in dessen Mitte 6V2'"" längstes Barthaar 2" 9'"; Länge der Vordersohle 1" 8'"; Länge der Hintersohle mit den Klauen 2" 6'"; Breite der Vorderhand am Daumen 6^2 '"^ Breite der Hinterhand über den Zehen 9'"; Länge des längsten Vordernagels 4'"; des längsten Hinternagels 43/4'"; Länge des Testikels 1" 8^/2'"- Innere Theile: Herz von den Seiten etwas zu- sammengedrückt; der leere Magen krumm zusammengelegt ; die Leber dunkelbraunroth, in 7 Lappen getheilt, von wel- chen einer sehr klein ist; die Gallenblase liegt in einem Einschnitte der Leber, ist beinahe rund, ziemlich durch- sichtig und von blass röthlicher Farbe; Milz schmal, lang, glatt, in der Mitte ihrer Länge verschmälert; das Weib- chen hat acht schwärzliche Saugwarzen , zwei inguinale, zwei abdominale und zwei pectorale. In dem Penis des Männchens befindet sich ein kleiner Knochen (siehe Tab. IV. Fig. 3). Dieses schöne starke Eichhorn ist uns zuerst am Wabasch in Indiana vorgekommen, wo es häufig ist, es scheint also östlich das Allegliany- Gebirge nicht zu über- schreiten, wie weit dasselbe am Ohio aufwärts verbrei- tet ist, kann ich nicht angeben. Es ist jedoch immer sel- ener als das graue Eichhorn, auch hält es sich nicht 1) Das grösste Exemplar, welches ich erhielt, mass in der Länge 23" G'", wovon der Schwanz mil den Ilaaispitzen 12" 4" wegnahm. Verzeichniss Nordamerikanischer Säugelhiere. 73 mit den übrigen verwandten Arten zusammen. Varietäten haben wir in dieser Species nicht beobachtet. Im Herbste findet man diese Thiere häufig auf dem Boden der grossen Waldungen, um daselbst die abgefallenen Baumfrüchte auf- zusuchen. Sie legen sich Wintervorräthe an. An den Flussufern halten sie sich besonders gerne auf. Am unte- ren Missouri und am Missisippi scheint diese Art ebenfalls vorzukommen , jedoch am oberen Missouri haben wir sie nicht beobochtet. Man schiesst sie in Amerika ihres Flei- sches wegen , wie die übrigen Eichhörnchen. Gezähmt sind sie unterhaltende schöne Stubenthiere und werden sehr zahm. Audubon's Abbildung (T. II. Tab. 89) ist nur mit- telmässig. In Indiana wird das rostbäuchige Eichhorn gewöhn- lich Fox-Squirrel genannt. 3. S. hudsonius Linn. Das hudsonische Eichhorn. Richardson 1. c. 1. p. 187. Audubon I. c. I. p. 125. Tab. 14. S. Baird 1. c. I. p. 269. Beschreibung eines alten Weibchens: Ge- stalt zierlich und schlank, Schwanz nicht zweizeilig, aber breit und abgeplattet; Kopf wie an unserem deutschen Eichhorn, Slirn breit und sanft gewölbt, Oberkopf flach ; Auge gross, glänzend schwarz; Ohren ziemlich kurz, oben sanft abgerundet und mit glattem Rande , an der äusseren Fläche sehr kurz und fein behaart , von innen sparsamer und mit noch kürzeren Haaren besetzt; Bartborsten am Oberkiefer lang; äussere Vorderzehe die kürzeste, die bei- den mittleren viel länger als die Nebenzehen ; Daumwarze kurz , nach innen gerichtet , mit einem beinahe menschli- chen Kuppennagel; Vorderhand sehr schmal; an dem Hin- terfusse die innere Zehe die kürzeste , die drei mittleren bedeutend länger als die Nebenzehen; Schwanz stark be- haart , am Ende breit und mit langen rundumstehenden Haaren , also nicht zweizeilig : Haar wie am europäischen 74 Prinz Maximilian zu W i e d : Eichhorn; Zitzen 8, zwei an der Brust, vier am Bauche und zwei Inguinalzitzen. Färbung-.- Bartborsten schwarz; Nagezähne gelb; Nasenkuppe, Ober- und Unterlippe und ganze Umgebung des Mundes, untere Backen, so wie das Kinn gelbbraun; Einfassung des Auges, Mitte der Backen, Kehle und alle Untertheile, so wie innere Seite der Vorderbeine weiss, an der Brust gelbbraun überlaufen; Seiten des Kopfes oliven- grau ; Ohren an der äusseren Seite röthlichbraun , an der inneren röthlicholivenfarbig ; alle Oberlheile des Thieres olivengelbbraun und sehr fein und niedlich schwarz mar- morirt , auf Scheitel und Mittelrücken ein wenig dunkler, mehr grauröthlich und am Schulterblatte und der äusseren Seite der Vorderbeine gelblichrostroth; ebenso ist die Fär- bunff an der äusseren Seite der Hinterschenkel an der Grenze der weissen Farbe; an der Seite des Leibes ist die Rük- kenfarbe von der des weissen Bauches durch einen netten schwarzen Längsstreifen geschieden , welcher die Species sehr charakterisirt; Schwanz lebhaft rostroth , die Seiten- haare mit hell gelber Spitze und unterhalb dieser schwarz- braun, wodurch ein gemischtes Ansehen entsteht; Unter- seite des Schwanzes fahl gelblichgrau , mit fahl roströth- lichen Spitzen der Haare und etwas schwarzer Mischung; innere Vorderhand schwarzbraun; die Hintersohle hell fleischbräunlich, in den Vertiefungen weissröthlich. Ausmessung; Ganze Länge 12" 6'" (mit den über- tretenden Haarspitzen des Schwanzes) ; Länge des Schwan- zes 5" 9'"; desselben ohne die Haarspitzen 4" 1'"; Länge des Kopfes 1" 1'"; Breite zwischen den Ohren 11'"; Länge der Bartborsten 1" 10'"; Länge der Vordcrsohle mit dem längsten Nagel 1"; Länge des längsten Vordernagels IVg'"; Länge der Hintersohle bis zur Ferse (mit dem Nagel) 1"8"'; Länge des längsten Hinternagels IVg'" 5 Breite des Schwan- zes an der breitesten Stelle 1" 10'"; Breite des Ohres an der Wurzel 5'"; Höhe des Ohres ßVe'"- Ein starkes männliches Thier: Nicht verschie-^ den von dem Weibchen, der Rücken ein wenig mehr röth- lichbraun, aber die Gestalt ist stärker und gedrungener als am anderen Geschlechte; Kehle, Unterhals und Brust sind Verzeichniss Nordamerikanischcr Säugcthiere. 75 gänzlich weiss. Es scheint, dass die gelbbraune Farbe der weissen Untertheile , welche man nicht selten an diesen Thieren beobachtet, bloss von dem in den Wallnüssen (lu- glans) enthaltenen färbenden Safte herrühre. Man findet die bräunliche Bcschmulzung am stärksten in der Zeil der Reife dieser Früchte. Die Naffezähne waren mehr weiSvS- lieh als am beschriebenen Weibchen. Tcstikel sehr gross und lang, behaart, aber an der unteren Spitze nackt; Zunge wie am europäischen Eichhorn , bei dem beschriebenen Exemplare war sie an der Spitze schwärzlich und rauh, wahrscheinlich von den rauhen Fruchtschalen erzeugt. Ausmessung: Ganze Länge 13" 5'"; Länge des Schwanzes 6" 4'"; Höhe des Ohres an der Kopfseite 7'"; Länge des Schwanzes ohne die Haarspitzen 4" 8'"; (als- dann ist die ganze Länge des Tliieres um 1" 8'" kürzer; Länffe des Hodensackes 1". Dieses niedliche Eichhorn ist vom hohen Norden bis gegen das Alleghany-Gebirge hinab verbreitet, wenigstens scheint es dasselbe nicht zu überschreiten. In Pennsylva- nien ist es sehr zahlreich und man bemerkt es in allen Waldungen. Auf der Insel im Flusse Niagara unmittelbar bei den grossen Fällen habe ich es oftmals beobachtet. In waldigen Gegenden sieht man diese Thierchen häufig in Gesellschaft des gestreiften Erd-Eichhorns an den HoJzzäu- nen (Fences) an den Waldungen und Feldern umherlaufen. Auch auf denLecha- (Lehigh) Inseln bei Bethlehem, etwa eine kleine Tagereise von Philadelphia haben wir dieses Eichhorn oft beobachtet, auf jenen prachtvoll hochbewalde- ten Inseln, von welchen Herr L, Bodner eine so schöne treue Zeichnung entwarf ""*). — In der Lebensart unter- scheiden sich diese Thiere nicht von ihren Gattungsver- wandten. Sie sammeln ebenfalls einen Wintervorrath, er- bauen ein schützendes Nest in den Bäumen, wo sie sich im Winter verbergen und den Eingang verstopfen , wenn das Wetter zu schlecht ist, sonst sieht man sie den ganzen f ;>! ] t'ifl. *) Siehe die erste Tafel meioes Atlasses der Reise io Kord- Amerika, 7(^ Prinz Maximilian zu Wied: « Winter hindurch. Sie sind sclinell und verbergen sich geschickt. Die Ojibuäs nennen die Eichhörnchen im Allgemeinen Ojittamöh (ji französisch). Audubon's Abbildung ist ziemlich kenntlich, allein an den Obertheilen zu einförmig roth angestrichen. 4. S. niger Linn. Das schwarze Eichhorn mit bräunlichem Schwänze. ? Richardson 1. c. I. p. 191. Audubon 1. c. I. p. 201. Tab. 34. Beschreibung eines männlichen Thieres: Gestalt wie am deutschen Eichhorn ; Ohren ziemlich schmal und elliptisch, oben massig abgerundet, wenig behaart und glattrandig, d. h. ohne übertretende Haare am Rande; an der Vordersohle stehen fünf Ballen; an der Hintersohle nur vier hinter den Fingern, ein kleinerer steht weit rück- wärts und hinter diesem ein Busch bräunlichgelber Haare; der Schwanz ist nicht zweizeilig, wie an S. cinereus (No. 1), sondern rundum behaart, länger als der Rumpf, dabei schmä- ler als an No. 1; Bartborsten stark. Färbung: Nagezähne orangengelb ; Barthaare schwarz; das ganze Thier ist kohlschwarz oder dunkel bräunlichschwarz , der Schwanz aber immer etwas mehr ins Bräunliche ziehend, also bräunlichschwarz; Fusssohlen dunkel fleischbraun; Nasenkuppe schwarzbraun; Lippen- ränder ein wenig weisslich, jedoch kaum bemerkbar. Ausmessung: Ganze Länge 18" 11'"; Länge des Schwanzes mit den Haarspitzen 10" 2V2"'; desselben ohne die Haarspitzen 8"; Breite der Stirn auf den Augen 1" 1"'; Höhe des Ohres an der Kopfseite 10"'; Länge der Vorder- sohle 1" 6'"; Länge der Hintersohle bis zur Ferse (mit der längsten Zehe und dem Nagel) 2" 4'"; Länge des Kopfes 2" 6'"; breiteste Stelle des Ohres bVz''- Dieses schöne Eichhorn habe ich auf meinen Reisen in Nord-Amerika bloss nördlich vom Erie-See angetrofl'en, und zwar sehr zahlreich auf den Inseln und den Flussufern des Niagara in der Nähe der grossen Fälle und bis zum Verzeicliniss Noidamerikanischei' Säugethiere. 77 Ontario-See hin. Wahrscheinlich ist es über ganz Canada verbreitet, wo es auch von Rieh ard son erwähnt scheint. Audubon's schwarzes Eichhorn scheint auch das hier erwähnte zu sein , allein alsdann ist dessen Abbildung- zu einförmig- schwarz angestrichen, indem der Schwanz in der Natur ins Bräunliche zieht. Meine Exemplare dieses schwar- zen Eichhorns, welches Baird gar nicht zu erwähnen scheint, habe ich leider sämmtlich verloren. Genus Pteromys €uy. Flughörnchen. Nur eine Art dieser niedlichen Thiere lebt in den von uns bereisten Gegenden von Nord- Amerika, und scheint in allen bewaldeten Gegenden der mittleren Staaten vor- zukommen. P. volucella Linn. Das gemeine nordamerika- nischeFlughörnchen. Audubon und Bachm. 1. c. I. p. 216. Tab. 28. Spencer Baird 1. c. I. p. 286. Beschreibung: Gestalt dem Eichhorn sehr ähn- lich, zierlich; das Auge gross und schwarz; Vorderhand mit vier Fingern und sehr kleiner Daumwarze , die kei- nen Nagel hat. Hinterfuss fünfzehig, die Daumenzehe kür- zer ; Pelz äusserst zart, mäuseartig -weich ; Schwanz nicht vollkommen zweizeilig, aber platt gedrückt; Testikel sehr gross. Färbung: Nagezähne orangengelb; Unterseite des Thieres weiss ; Obertheile fahl röthlichgrau; Rand der Flughaut dunkler grau mit weissem Saume; Rand der Au- genlieder schwärzlich. Ausmessung: Ganze Länge 8" SVx'"? Länge des Schwanzes 3" 7V2'"; Länge des Kopfes 1" 5'"; Breite des Kopfes etwa 11'"; Länge des längsten Barthaares 1" 10'"; Höhe des äusseren Ohres 6'"; Breite des Ohres 5 Vs'"; Länge der Vorderhand TVa'"; Länge der Hintersohle bis zur Ferse 1" IV4'"; Breite des Thieres in seiner Mitte, mit 7s Prinz Maximilian zu Wied: ausgespannter Flughaut etwa 3" 6'"; Länge derTestikelll'^'; Breite des Schwanzes 1" 6'". Dieses Thier ist nicht selten in Pennsylvanien , wo ich sogleich in der Nähe von Bethlehem mehrere Exem- plare erhielt. Auch in Indiana war es nicht selten. Es ist, wenigstens jetzt, ein nächtliches Thier, das sich in hoh- len Bäumen am Tage verborgen hält. Dort bereitet es sich ein Nest, oder eine Unterlage, wo es seine vier bis fünf Junge wirft. Es sammelt einen Wintervorrath von Wallnüssen , Kastanien , Bucheckern , Eicheln u. a. Baum- früchten , ist sehr schnell , klettert höchst geschickt und springt vermöge seiner Flughaut sehr weit, soll sich auch zuweilen einen kleinen Aufschwung geben können. Selbst im Winter sollen sie an warmen Tagen zuweilen zum Vor- schein kommen, doch nur da, wo sie bei ihrer Schüchtern- heit durch Menschen nicht gestört werden. Am oberen Missouri kommt diese Thierart nicht vor , ob sie aber am unteren Theile dieses Stromes und am Missisippi vorkom- me, kann ich nicht sagen, doch muss ich dieses vermu- then. Audubon, der die Lebensweise dieser Thiere aus eigener Ansicht beschreibt, sagt, er habe sie aus dem Staate Missouri erhalten. Er giebt auch eine ganz gute Abbildung dieses Thieres. Im gezähmten Zustande trinkt das fliegende Eichhorn sehr viel, wie wir selbst beobachtet haben. denus Tamias Illis. Eril-Eichhorn. »o Nord - Amerika hat mehrere Arten dieser niedlichen mit schönen Streifen nett bezeichneten Thierchen, und die Zahl ihrer Arten nimmt zu, wenn man sich in westlicher Richtung fortbewegt. Bei genauer Durchforschung und Untersuchung der Thonhügelketten des Westens wird man gewiss noch mehrere Arten von ihnen entdecken. Wir haben gewiss noch mehrere Arten von ihnen gesehen, ohne sie erhalten zu können. Sie scheinen gänzlich geschaffen für jene originellen , sonderbaren Thonhöhenzüge, wo sie in Erdlöchern leben und in den hohen Pappelwaldungen, Verzeichniss Nordamerikanischer Säugethiere. 'TD deren Untergebüsche grossentheils aus hohen Rosensträu- chern bestehen , von deren zahlreichen Früchten sie sich ernähren. Von diesen Hagebutten sammeln sie sich auch Vorräthe. 1. T. Lysteri Rieh. Das gemeine gestreifte Erd -Eich hörn. Richardson 1. c. I. p. 181. Tab. 15. Audubon u. ßachm. 1. c. I. p. 63. Tab. 8. Tamias striatus Sp. Baird 1. c. I. p. 292. Beschreibung: Gestalt ziemlich die des Eichhorns, zierlich ; Ohren massig gross , ebenmässig abgerundet, an der äusseren Seite kurz behaart , allein die Haare treten nicht über den Ohrrand vor; inneres Ohr sparsam behaart; Bartborsten am Ober- und Unterkiefer und über dem Auge ; Schwanz lang und rundum behaart, er ist also nicht zweizeilig; Backentaschen im Munde häutig. Färbung: Rand des Augenliedes und ein kurzer Streifen hinter dem Auge sind schwarzbraun , Augenlied und ein Streifen nach dem Ohre hin, ober- und unterhalb des schwarzen Augenstreifen sind weisslich ; Stirn, Backen und Nase röthlichbraun und schwarz gemischt; Ohren röth- lichbraun ; Oberhals und Oberrücken aschgrau , schwarz und bräunlich gemischt; ganzer Hinterkörper und Hinter- schenkel mit den Hinterbeinen sind rothbraun, ebenso der Schwanz an seiner Unterseite; die Haare an der Schwanz- oberfläche sind an ihrer Wurzel graugelb , in ihrer Mitte schwarzbraun und an ihrer Spitze weisslich; der Mittel- streifen des Rückens ist schwarzbraun, an jeder Seite des- selben liegt ein starker weisslicher Streifen , der oben und unten sehr stark schwarzbraun eingefasst ist; die vier Nagezähne sind gelb. Ausmessung: Ganze Länge 8" 5'"; Länge des Schwanzes mit den Haarspitzen 3" und einige Linien ; Länge des Kopfes bis zum Ende des Ohres 1" 7'"; Länge des Hinterfusses (von der Ferse an mit dem längsten Nagel) 1" 2V3'"; Länge der Testikel 11'". Diese Thiere stehen sowohl, was ihre Gestalt als Le- 80 Prinz M a X i in i 1 i u n z u \V i e d : bensart und Manieren anbelrilTt, gerade in der Mitte zwi- schen den Eichhörnclien und den Mäusen. Sie bewohnen Erd- höhlen, Holz- und Steinhaulen, Steinritzen, Haufen von aufge- schichtetem oder vom Wasser zusammen geschobenem Holze an den Ufern, mit Steinen belegte Dämme und dergleichen Lo- kalitäten, gewöhnlich in grosser Menge. Sie sind in Penn- sylvanien sehr gemein , so waren sie z. B. sehr zahlreich an dem Damme des Mauch-Chunk-Canals, der von diesem Orte bei Bethlehem vorbei in den Delaware geführt ist. Ebenso häufig halten sie sich in ganz Pennsylvanien und anderen Staaten an den Holzzäunen (Fences) auf, mit welchen in Nord-Amerika alle Besitzungen und Felder der Bauern, wegen des Viehes eingezäunt sind. Sie laufen dort ge- schickt und schnell auf den Latten umher, oft in Gesell- schaft anderer Eichhörnchen , und sind überall zahlreich. Sie sind sehr schnell, sitzen beim Fressen wie die Eich- hörnchen aufrecht, klettern auch eben so geschickt. Beim Laufen tragen sie zum Theil den Schwanz hoch aufge- richtet, zum Theil horizontal. Auf Bäume sieht man diese Art nicht steigen, ob ich gleichwohl überzeugt bin , dass sie es können. Auch mit den Schläfern (Myoxus) sind diese Thierchen nahe verwandt und sollten im Systeme ihre na- hen Nachbaren bilden. Sie tragen im Herbste in ihren Backenlaschen eine Menge von Körnerfrüchten ein, um einen Wintervorrath zu bilden. Ich schoss ein solches Thierchen, welches am 1. August seine Backentaschen bis vorn in den Mund mit Weizenkörnern ausgestopft trug, die Körner völlig unversehrt. Am Wabasch, jenseits des Alleghany - Gebirges , ist das gestreifte Erd -Eichhorn sehr selten, mir ist es dort gar nicht vorgekommen; allein Herr Lesueur, der dort viele Jahre gelebt hatte, gab mir eine solche unvollkom- mene Haut des einzigen dieser Thierchen , welches ihm dort vorgekommen war. Es glich in der Färbung dem pennsylvanischen, hatte aber scheinbar einen weit kürze- ren und mehr dünnen Schwanz , es könnte daher viel- leicht eine ähnliche aber verschiedene Species gebildet haben. Verzeichniss Nordamerikanischer Säugethierc. 81 2. T. quadriviitatus Say. Das vier streifige Erd-Eichhorn. Richardson 1. c. I. p. 184. Tab. 16. S. Baird 1. c. p. 299. Beschreibung: Gestalt einer Maus, aber die Hin- lerbeine beinahe doppelt so lang als die vorderen; Kopf etwas dicker und mehr eichhornartig gewölbt, ebenso der Schwanz dem der Eichhörnchen ähnlich. Nasenkuppe vor- tretend, die Unterlippe 4 Linien weit hinter derselben zu- rückstehend, Scheitel und Stirn breit, und bis zur Nase in einem sanften Bogen gewölbt; Auge wie am Eichhorn, mit- telmässig gross und gänzlich schwarz; Ohren mäuseartig, sehr kurz behaart, ziemlich zugespitzt, der Hinterrand sanft ausgeschnitten; Hals sehr kurz; Vorderbeine wie an den Mäusen; zwei mittlere Zehen länger als die nebenstehenden, übrigens einander gleich, so wie die letzteren; Daumwarze klein, mit einem dicken, kurzen, zugespitzten Nagel; Sohle nackt, mit vier im Halbzirkel hinter den Zehen stehenden Ballen; Leib gestreckt; Geschlechtstheile wie an den Mäu- sen; Hinterschenkel stark, Ferse lang, drei mittlere Hin- terzehen schlank, ziemlich gleich lang , die äusserste um ein Gelenk kürzer, der Daumen noch kürzer als diese; alle Zehen haben unter dem Nagel einen vortretenden Ballen; die Nägel sind sanft gewölbt, etwas aufgerichtet wie am Eichhorn, die der Hinterfüsse kleiner als die der Vorder- füsse und die Zehenhaare liegen etwas über sie hinaus; Sohle des Hinterfusses nackt, aber nicht die der Ferse, in der Hand vier Ballen wie an der Vordersohle ; Schwanz lang, aber kürzer als der Rumpf mit dem Kopfe, breit be- haart, aber nicht vollkommen zweizeilig, sondern rundum behaart; Pelz mäuseartig, aber die Haare etwas länger, etwa wie an Sciurus europaeus ; Bartborsten am Oberkiefer etwa bis zum Ohre reichend , es stehen auch noch einige an den Backen. Färbung: Auge schwarz; die Nagezähne gelb; Na- senkuppe vorn blass graugelb behaart; Rand der Ober- und Unterlippe dunkel graubraun ; das Innere der Hände schwärzlichbraun; Bartborsten schwarz; Seiten des Kopfes, Archiv f. Nalurg. XXVIII. Jahrg. 1. Bd. 6 32 Prinz Maximilian zu VV i c d : alle Untertheile, innere und vordere Seile der vier Glieder weisslich; vor dem Auge befindet sich eine graubraune Stelle, von dieser läuft über den Backen unter dem Ohre hin ein olivenbrauner Streiten, ein anderer ähnlicher lasst an jeder Seite die bräunlichoraue, schvvärzlichgemischte Stirn und Scheitel ein ; noch ein anderer Streifen derselben Farbe läuft vom Auge nach der vorderen Ohrwurzel; Hinterkopf hell weisslichgrau, bräunlich gemischt, aber vom Hinter- scheitel läuft ein olivenbrauner Streifen über die Mitte des Rückens bis zum Schwänze hinab , der über den Schulter- blättern in seiner Mitte schwarzbraun ist und sodann auf diese Art fortsetzt, er ist an seinen Seiten olivenbraun; zwei ähnliche Streifen laufen an den Seiten des Rückens hinab, und zwischen ihnen stehen breite weissliche Streifen, die bis ans Ende des Rückens und der Schenkel verlaufen, im Ganzen also fünf schwarzbraune, und vier weissliche Längs- streifen an den Obertheilen ; die Seiten sind fahl rostgelb, nach oben mehr röthlich ; Hinterschenkel aschgrau, bräun- lich gemischt; die vier Beine und Füsse sind weisslich; Schwanzhaare an der Wurzel hell rostgelb, in ihrer Mitte schwärzlich, ihre Spitze ist wieder gelblich , wodurch die- ser Theil an der Oberfläche schwärzlich und rostgelb ge- mischt, an der Unterfläche hell rostgelb, und an jeder Seite hinab von den Spitzen etwas zurückgezogen mit einer schwarzen Linie bezeichnet erscheint; Spitze des Schwan- zes schwärzlich. Ausmessung: Ganze Länge 7" 10'"; Länge des Schwanzes (mit den Haarspitzen) 3" 2'"; ohne die Haar- spitzen 3" 2'"; Länge des Kopfes 1" 4'"; von der Nasen- kuppe bis zum Auge 6'"; Höhe des Ohres 3'"; Breite des Ohres (unten) 3'"; Breite des Scheitels zwischen den Oh- ren V") Länge der Vordersohle 6'"; Länge des längsten Vordernagels IVs'^'j Länge der Hintcrsohle (so weit sie nackt ist) 6V4'"; Länge der Ferse (mit der längsten Zehe und Nagel) V'V/2"' y Länge des längsten Hinternagels lV2'"j Breite des Schwanzes an seiner breitesten Stelle 7'". Dieses niedliche Erd-Eichhorn wurde zuerst von Hrn. T. Say beschrieben, der dasselbe auf der Reise nach den Rocky-Mountains unter Major Long entdeckte. Dort am Verzeichniss Nordamerikanischer Sänjrethiere. 63 oberen Missouri ist es sehr häufig, und ich fand dasselbe zuerst am 26. Juli am rechten JVIissouri-Ufer, doch scheint es nicht weiter abwärts als bis zu den Mandan-Dörfern ver- breitet zu sein. Es lebt dort zahlreich in den höchst ori- ginellen Hügelketten von Thon, Sandstein und Thonschie- fer , so wie in den Thonufern des Missouri, wo es in Lö- chern wohnt oder sich unter Steinhaufen, zusammengeflöss- tem Holze oder in hohlen Stämmen verbirgt. Sie lebten nicht bloss auf dem Boden, sondern bestiegen auch häufig die Gesträuche und selbst Bäume, wenn man sie verfolgte. Sie suchten an den Untergebüschen der Waldungen am Ufer die Beeren und Früchte, besonders der wilden Rosen, die man bei ihnen im Munde fand. Sie fressen auch aller- hand Nüsse , wahrscheinlich auch andere Pflanzentheile, aber die Hagebutten lieben sie ganz besonders.] Sie sind in der Gestalt noch zarter und zierlicher als das pennsylvanische gestreifte Eichhorn, und wenn sie sitzen so rundet sich der Rücken , die Gestalt gleicht alsdann der einer Maus, die Ohren sind angelegt und der Schwanz ausgestreckt, — So rückt alsdann das schnelle muntere Thierchen schussweise fort und giebt eine zwitschernde Stimme von sich wie ein kleiner Vogel , die schnell Avie- derholt wird und am Ende herabsinkt. Im Zorne beisst es um sich und macht alsdann eine kleine schnarrende Stimme. Oft sahen wir diese Thierchen mit Leichtigkeit an den steilen Thonufern des Flusses von oben herablau- fen und in ihre Löcher einkriechen, und ebenso oft sahen wir sie auf den Treibholzstämmen am Ufer umherlaufen und sich zwischen denselben verbergen. Im September und October waren sie besonders mit dem Einsammeln der Rosenfrüchte (Hagebutten) beschäftigt, von welchen sie Wintervorräthe sammeln , da sie dort sehr häufig sind. — Im gezähmten Zustande wird dieses Erd- Eichhorn bald ziemlich zutraulich und lässt sich leicht im Käfig erhalten. Es frass alsdann bald allerhand Beeren, Mais und derglei- chen, so wie Brod und würde ein allerliebstes Stubenthier- chen sein, wenn die Angestellten der Pelzhandel - Com- pagnie industriöse Menschen wären und an dem Trans- port von dergleichen interessanten Gegenständen nur eini- ^ Prinz Maximilian zu Wied: ges Interesse nehmen wollten. Die Anglo -Amerikaner nennen das Erd-Eichhorn Ground-;Squirrel , die Franzosen rEcureuil Suisse. (icnus Sperniophilus Cut. Ziesel. Nord-Amerika hat viele Arten dieser Gattung, beson- ders in den nördlichen Gegenden, und Richardson be- schrieb und bildete etwa 9 Arten meist sehr gut ab. Uns ist in den westlichen Ebenen des Missouri nur eine Art bekannt geworden. Seitdem hat Spencer Baird in sei- nem neuesten Werke 14 Arten dieser Thierchen aufgestellt. S. Hoodii Sab. Der vielstreifige Ziesel. Richardson 1. c. I. p. 177. Tab. 14. S. Baird 1. c. I. p. 316. Audubon 1. c. I. p. 294. Tab. 39. Beschreibung eines männlichen T hie res: Gestalt sehr schlank und gestreckt, mehr den Wieseln als den ächten Murmelthieren ähnlich; Schnauze ein wenig zu- gespitzt, der Oberkiefer weit länger als der untere; Auge gross und schwarz; Ohren sehr kurz, länglich, aufrecht, be- haart, am Vorder- und Hinterrande mit einem kleinen Ausschnitte; Hals kurz; Beine kurz, der Leib lang, schmal, schlank und weich ; Schwanz ziemlich lang , auf den Rük- ken des Thieres aufwärts gelegt, reicht er bis zu den Vor- derbeinen , er ist schmal und etwas abgeplattet^ Vorder- hand mit schmaler benagelter Daumwarze, Mittelfinger der längste , dann folgen der Zeigefinger und der vierte, und sind beinahe gleich lang, der kleine Finger ist kürzer als alle, aber länger als der Daumen; Nägel dieser Zehen zu- gespitzt , sanft gekrümmt , lang und schmal und zusam- mengedrückt; der der Mittelzehe bedeutend länger als die übrigen , dann folgen die des Zeigefingers und des vierten, der des kleinen Fingers ist viel kürzer; die Vor- dcrsohlc hat fünf Ballen, zwei grosse gepaart an der Hand- Verteichniss Kord.nmcrikanischer Säugethiere. 85 Wurzel und drei im halben Monde gestellt hinter den Wur- zeln der Zehen, eine jede Zehe hat ausserdem unmittelbar hinter dem Nagel noch einen Ballen an ihrer Sohle; Ver- hältniss der Zehen des Hinterfusses wie das des vorderen, allein die Mittelzehe ist im Verhältnisse nicht so lang, die Nägel sind dicker und weit kurzer; an der Sohle stehen vier Ballen hinter den Zehen im Halbkreise; Geschlechts- theile wie an den Ratten; Testikel unter der Haut verbor- gen; Haar an den Obertheilen glatt und kurz, besonders ist dieses aber an den üntertheilen der Fall, wo dasselbe noch mehr glatt anliegend und glänzend ist. Färbung: Alle Untertheile des Thieres sind blass grauffelb, die Haare an der Wurzel dunkelgrau; Obertheile schwärzlichbraun mit etwa zehn schönen , zwei bis zwei und eine halbe Linien breiten, regelmässigen fahl graugelb- lichen Längsstreifen, wovon vier hinter den Ohren am Hin- terkopfe beginnen und bis ans Ende des Körpers verlau- fen, wo sie sich an den Schenkeln in Flecken auflösen; in den Seiten sind die Streifen undeutlich und es werden ihrer daher bald mehr, bald weniger gezählt, sechs von ihnen ste- hen aber recht nett in dem schwarzbraunen Grunde da, und zwischen ihnen in der Grundfarbe steht jedesmal eine zier- liche Längsreihe von runden Perlflecken von der Farbe der Streifen; Oberkopf schwarzbraun mit kleinen gelblichen Fleckchen; Einfassung des Auges wie der Bauch; Seite des Kopfes grau und gelblich gemischt. Hinterschenkel ge- fleckt; Schwanz an der Oberseile schwärzlichbraun, mit zwei netten , gelblichen , spitzwinklig zusammenlaufenden Streifen, auf seiner Wurzel gelblich quergefleckt; Nage- zähne gelb. Ausmessung: Ganze Länge 10" 6'"; Länge des Schwanzes (mit den Haarspitzen) 3" 10'"; ohne dieselben 3" 31/2"'; Länge des Kopfes etwa 1" 8"'; der Oberkiefer tritt über den unteren vor um 5"'; Länge von der Nasenkuppe bis zum vorderen Augenwinkel 8"'; Länge der Augenöff"- nung 5"'; Höhe des Ohres an der Kopfseile beinahe 2"'; Länge der V^ordersohle mit dem längsten Nagel 10"'; Länge des längsten Vordernagels 3'" ; Länge der Hintersohle 1" 4'"; Länge des längsten Hinlernagels l^V". 86 Prinz Mfiximilian zu Wied: '•/Innere Theile: Dieses Thier hat wenig- geräumig-e Backentaschen , sie öffnen sich hinter dem Mundwinkel im Munde und erstrecken sich etwa bis geg-en das Ohr; ihre innere Fläche ist glatt und unbehaart; die Leber ist in fünf Lappen getheilt, von welchen zwei gross sind ; Magen zusammengekrümmt, am vorderen Ende an der Cardia ver- dickt; ein Weiler Blinddarm, weit vom Magen entfernt, der sich zu beiden Seiten des Darms ausbreitet, aber bei wei- tem nicht so voluminös als an dem nachfolgenden Prairie- Dog; dieser Blinddarm ist so gross als der Magen, beinahe zwei Zoll lang, nur nicht völlig so dick. Das niedliche Thierchen dieser Beschreibung lebt in den ebenen Prairies des oberen Missouri und wir fanden es zuerst in der Nähe von Fort Union bei den Assiniboins, ob es gleich viel weiter östlich verbreitet sein soll. Bei den Mandan-Dörfern kommt es vor, ob aber bei Fort Pierre am Teton-Biver, also noch mehr östlich, kann ich nicht sa- gen, doch vermuthe ich dieses. Westlich bis zu den Bocky- Mounlains sind sie überall verbreitet. >! fc^h Dieses Thier hat vollkommen die Lebensart und Ma- nieren des europäischen Ziesels und ist schnell und ge- wandt. Man sieht es nicht selten bei Tage in der Prairie laufen, wo sie sehr zahlreich sind. Im Monat October be- merkt man sie nur noch einzeln , und im November haben sie sich gänzlich zum Winterschlafe zurückgezogen. Erst im Monat April kommen sie wieder zum Vorschein und suchen die Sonne an warmen Tagen, wo auch schon die Paarzeit eintritt. Die männlichen Thiere hatten nun schon sehr angeschwollene Testikel , von der kolossalen Länge von 1" 1'" dick am Leibe vorliegend, und um V3 über den Schenkel parallel hinaus tretend. .u^» Die Anglo-Amerikaner nennen diesen Ziesel „Ground- Squirrel", die französischen Canadier „l'Ecureuil-Suisse"; die Mand - Indianer kennen ihn unter der Benennung „Ma- schirönika" ; die Mönnitarri's „Dähksassi" (sassi kürzer als die erste Silbe); die Ojibuä's „Akuan-guiss^; die Assini- boin's ..Ifi'inkana." Eine Abbildung des gestreiften Ziesels finden wir in Fr. Cuvier's und Geoffroy's grosser Naturgeschichte i Verzeichniss Nordamerikanischer Säugelhiere. 87 der Säugethierc unter dem Namen ßpermophile raye, auch hat Richardson eine sehr gute Figur gegeben, so wie Audubon. « . ^ Genus Cy nomys Ruf. H u n d e - M a u s. li'iil'i-iirf Wenn gleich die Unterschiede dieser Thiere von den Murmelthieren nur unbedeutend sind, so kann man sie, streng genommen , dennoch als verschiedene Gattung auf- stellen , und es hängt dieses lediglich von der indivi- duellen Ansicht der Zoologen ab. Spencer Baird hat in seinem neuesten Werke die Abweichungen der Schädel beider Thiere nachgewiesen , und ich möchte die nachfol- genden Züge zur Unterscheidung beider, Gattungen fest- halten: ' : 1) Die Kauflächen der Backenzähne des Unterkiefers zeigen bei Cynomys eine kleine Abweichung von Arctomys, indem bei ihnen die Höcker so gestellt sind, dass sie vier regelmässige schief von hinten nach vorn und von aussen nach innen gerichtete , nur in ihrer Mitte ein wenig ver- tiefte Querleisten bilden, wie meine Abbildung des Unter- kiefers *"") zeigt. Bei Warmota scheinen die letzten und vordersten Höcker der aneinander stossenden Zähne beinahe ein Andreaskreuz zu bilden. 2) Mag die Gestalt und Bildung des Schädels mit in Betrachtung gezogen werden, wie sie Baird genau ange- geben hat. 3) Cynomys trägt an der kleinen Daumwarze einen entschiedenen Krallen - und nicht Kuppennagel , wie man ihn an Arctomys marmota und monax findet, und der Na- gel des MitleKingers der Vorderhand ist bei Cynomys sehr viel länger und stärker als bei den Murmelthieren. Auf die übrigen von Baird angegebenen Verschiedenheiten, z. B. die mehr runde Gestalt des Kopfes, die Kürze des Schwanzes würde ich kein Gewicht legen, da im Uebrigen Cynomys sich in den Körperformen nicht bedeutend von -) Siehe T;tf. IV. Fig. 9 n. 10 von ohen und von der Seite jiesehen. 88 Prfnz Maximilian zu VV i e d : den ächten Murmelthieren unterscheidet. Baird hat noch eine zweite Art aufgeführt. C. ludoticianus Raf. Die Prairie-Hundemaus. Richardson 1. c. p. 154. Audubon (Spermophilus) II. p. 319. Tab. 99. S. Baird (Cynomys) I. c. 1. p. 331. Tab. 47. Beschreibung" eines männlichen Thieres frisch nach dem Leben: Im Allgemeinen der Habitus der Murmelthiere, ist aber etwas mehr schlank, höher auf den Beinen und hat kleineren , etwas schlankeren Kopf; von oben gesehen sind die Backen dieses Thieres weit über die Stirn hinaustretend , diese sind also dick und der Scheitel schmäler als an Arctomys monax; Augen mittel- mässig gross; die Ohren äusserst klein, ihr Rand kaum ein Paar Linien breit, an der äusseren und inneren Seite kurz behaart; Schnauze kurz, ziemlich zugespitzt, die Na- senkuppe etwas breit und gänzlich mit feinen kurzen Haa- ren bedeckt; Bartborsten an den Seiten der Nase lang, an den Augenbraunen und Backen stehen auch welche; Hals kurz und ziemlich dünn; Vorderbeine schlank; der Daumen kurz mit einem Klauennagel und einem starken doppelten Ballen darunter; Mittelfinger der längste, dann folgt in der Länge der Zeigefinger, dann der vierte, zuletzt der kleine Finger, der dem Daumen gegenüber steht, aber viel länger ist. Nägel stark, lang, zugespitzt, sanft gekrümmt, ein we- nig zusammengedrückt; Hinterschcnkel schlank; der Hin- terfuss gebildet wie der vordere; der Zeigefinger und der vierte sind hier gleich lang, der Daumen länger als an der Vorderhand; an der Vordersohle steht neben dem dop- pelten Ballen des Daumens noch ein starker, etwas kleine- rer Ballen und drei andere im Halbkreise hinter den vier Zehen; Hintersohle mit vier Ballen, im Halbzirkel hinter den fünf Zehen stehend; die Sohle ist in der Hauptsache nackt , allein an ihrer Mitte steht ein kleiner, nach vorn flach aufliegender Zopf von Haaren; Schwanz massig lang behaart, massig lang , kaum etwas platt gedrückt zu nen- nen, streckt man das Hinterbein aus, so reicht die Schwanz- spilze etwa bis an die Wurzel des Daumens ; Teslikel vor- Verzeichniss Nordamerikanischer Säugethiere. 89 borgen; die männliche Ruthe ist äusserlich ein kleiner, stumpfer, kurzer, etwas nackter Kegel; Haar an den Ober- theilen dicht, ziemlich kurz, nicht sehr sanft anzufühlen, an den Untertheilen fest anliegend, glatt und glänzend. Färbung: Das Auge ist dunkel , die Iris dunkel; Bartborsten schwarz; das ganze Thierchen hat an den Obertheilen eine fahlröthliche, weisslich bespitzte Farbe, auf dem Hinterrücken mit schwarzen Haarspitzen gemischt, und an diesen Theilen ist die Färbung Felis canadensis ähnlich; Seiten wie der Rücken, die Haarspitzen weisslich; Vorderbeine an ihrer ganzen äusseren Seite hell rostroth ; an den Hinterbeinen die Unterschenkel oder Schienbeine hell gelblich und die Füsse gelblichweiss; Kopf fahl gelb- lich mit schwärzlichen Haarspitzen , über der Nasenkuppe steht ein schwarzbrauner Fleck; Backen stark schwarz- braun gemischt und bespilzt , welches sich scharf gegen die hell gelbe ungemischte Farbe der Seiten des Oberkie- fers, den weisslichen Unterkiefer und die eben so gefärbte Kehle absetzt; Bauch und innere Seite der Glieder blass gelblich; Brust und Unterhals hell roströthlich; Schwanz rostgelblich, an der Spitze schwärzlich; Nagezähne gelb; Nägel der Zehen schwarzbraun mit weisslichen Spitzen; Vor- dersohle dunkelbraun , die hinteren mehr dunkelgrau. Ausmessung: Ganze Länge 14" 2'"; Länge des Schwanzes mit den Haarspitzen 3" 6'"; Länge des Schwan- zes ohne dieselben 2" 9V2'"; Länge des Kopfes 2" 8'"; Höhe des Ohres an der breitesten Stelle 2'"; Länge von der Nasenspitze zum vorderen Augenwinkel 1" V2'"j Länge der Barthaare 1" 8'"; Länge der AugenöfFnung SVg'" ; vom hinteren Augenwinkel zur vorderen Ohrbasis SVs'"; Länge der nackten Vordersohle 1" 5'"; Länge des längsten Vor- dernagels 52/3'"; Länge der Hintersohle bis zur Ferse mit dem Mitlelnagcl 2" 1'"; Länge des längsten Hinternagels 3V3'"; Höhe des Thierchens vorn bei ausgestrecktem Arm und Zehen 5" 3'"; Höhe hinten auf dieselbe Art gemessen etwa 6" 3'". Innere Thcile: Backentaschen klein und wenig tief; der Magen hat eine Einschnürung und war gewöhn- lich mit Gras- und Pdanzennahrung vollgepfropft, auch be- 9Ö l'rini M n \ i ni i ] i n n zu Wied: fanden sich lange dünne Würmer darin; die Leber ist in 7 Lappen getheilt ; Milz sehr lang und schmal; ein grosser kolossaler Blinddarm , weit grösser als der Magen , über- haupt ist der ganze Darmapparat, das Colon sehr gross und weit. Ganzer Körper des Thieres mit einem sehr stren- gen und unangenehmen Gerüche. Ein anderes Männchen: Ganze Länge 15" 7"'; Länge des SchAvanzes mit den Haarspitzen 3" 10'"; derselbe ohne die Haarspilzen 2" IOV2'"; Länge des Kopfes 2" 10"'; Breite desselben zwischen den Ohren 1" 2V2'"; Länge der Vordersohle 1" 6V2'"; Länge der Hintersohle bis zur Ferse 2" 4^2'"? ^^^ längste Vordernagel 6"'; der längste Hinler- nagel 5'". Ein weibliches Thier: Ganze Länge 13" 10'". Die Weibchen scheinen nie so stark zu werden als die Männchen. Man hat in sehr vielen Reisebeschreibungen über das westliche Nord-Amerika Nachrichten von diesen Thieren ge- geben, die aber meist sehr oberflächlich, unrichtig und selbst albern waren, bis T. Say eine bessere, der Wahrheit ange- messene Beschreibung von ihnen gab. Die Amerikaner nen- nen dieses Thier Prairie-Dog oder Barking- Squirrel, also Prairie- aber nicht Wiesenhund, oder bellendes Eichhorn, beides gänzlich unpassende Benennungen, indem die Stimme durchaus keine Aehnlichkeit mit dem Bellen des Hun- des hat. Man muss den Missouri schon weit aufwärts verfol- gen, bis man die ersten Spuren dieser Thiere trifft, und wir erhielten nicht eher Nachricht von ihrem Vorkommen, als bis wir den l'Eau qui court und den Punea- River am südlichen Ufer erreicht hatten. Am Saskutschawan (Riviere du Pas) findet man sie noch bei dem Fort des prairies, so wie am Red -River an der Grenze von Canada, und west- lich sind sie bis zu den Rocky -Mountains verbreitet. In Texas sollen sie auch vorkommen, doch kann man bei der südlichen Verbreitung der Species nicht genau urtheilen, wenn man die Exemplare nicht vergleichen kann. Sie sind harmlose niedliche Thiere , höchst gesell- schaftlich , legen ihre Höhlen oder Baue in der ebenen ^ Verzeichniss ^^ovdamerikanischer Säiigethierc. 91 Prairie gesellschaftlich an, oft in grosser Anzahl und in geringer Entfernung von einander, welches die Amerikaner ein Dorf der Prairie -Dogs zu nennen pflegen. Man sagt, dass oft Hunderte und Tausende von Bauen zu einem sol- chen Dorfe gehören , was aber wohl übertrieben ist. Ihre Höhlen oder Röhren sind etwa vier bis fünf Zoll weit und zwanzig bis dreissig Schritte , auch öfter mehr von einan- der entfernt. Sic zeigen an ihrer Mündung einen flachen, festgetretenen und nackten Ertlaufwurf und führen anfäng- lich in senkrechter, bald aber in mehr schiefer oder hori- zontaler Richtung hinab. Zwischen diesen verschiedenen Bauen treten sie das Gras mehr oder weniger nieder, beis- sen auch die Pflanzen ab, so dass man diese sogenann- ten Dörfer schon aus der Ferne als einen weisslichen Fleck in der grünen Prairie bemerkt. Sie lieben mancherlei Pflanzen vorzüglich, darunter nennt man besonders die Cri- staria coccinea, mit ihren schönen hell zinnoberrothen Blu- men, die wir auch wirklich häufig sehr von ihnen abge- weidet gefunden haben. Sie halten einen Winterschlaf und tragen einen Vorrath von Kräutern und Wurzeln in ihre Baue ein. Unter diesen Pflanzen sollen sich beson- ders manche wohlriechende Arten befinden und die Prairie- Jäger behaupten , ein solches Dorf verbreite daher öfters einen gewissen Wohlgeruch, wovon wir aber kein Beispiel bemerkt haben. In ihren Röhren werfen sie vier, fünf bis sechs Junge. Man sieht diese Thierchen., wenn die Gegend nicht beunruhigt ist , häufig auf den flachen Hü- geln vor ihren Löchern sitzen, und sie lassen bei dem An- blicke eines fremdartigen Gegenstandes ihre — nicht bel- lende — sondern fein und kurz quickende Stimme mehr- mals hinter einander hören , wobei sie mit dem Schwänz- chen schnellen, und kommt man ihnen dann näher, so fah- ren sie plötzlich in ihr Loch hinunter. Alsdann dauert es oft ziemlich lange bis sie wieder zum Vorschein kommen. Die Jäger stellen oder setzen sich an das Loch, um sie zu erwarten. Gewöhnlich werden sie von den Amerikanern mit ihren langen Büchsen und zwar gerade auf den Kopf ge- schossen , da dieser Theil gewöhnlich zuerst hervorblickt. Auf diese Art waren die ersten Exemplare unbrauchbar 92 Prinz Maximilian zu Wicd: gemacht, die wir erhielten ; wir stellten uns aber bald selbst an und schössen mit Schrot sechs bis acht solcher Thier- chen ohne grosse Mühe , wenn man sich nur ein wenig verbergen konnte, oder regungslos auf dem Boden sass, bis das Thier ein wenig vertraut geworden war. — Neu- gierig sind sie, daher kommen sie immer wieder, wenn sie auch etwas bemerkt haben. Getödtet sind diese Thiere sehr bald dick aufgetrieben, wegen des grossen Umfanges ihrer Gedärme und des Colons, so wie wegen der Älenge ihrer Pflanzennahrung. Ungeachtet ihres unangenehmen Geruches werden sie dennoch von den Amerikanern und Canadiern gern geges- sen. Am Ende des Monats Juli waren die geschossenen Exemplare inwendig ganz mit weissem Fette verwachsen, selbst am Hinterleibe und in den Seiten. Die Erd-Eule (Urucurea) oder Coquimbo-Eule, wel- che die verlassenen Höhlen der Murmellhiere bewohnen soll, haben wir an einigen Stellen zwar in der Prairie an- getroffen aber nicht erlegen können. Das Fell des Prairie-Dog hat keinen Werlh, das Haar ist kurz und schlecht , die Indianer bereiten daraus zum Theil ihre Tabacksbeutel, die aber weder schön noch dauer- haft sind. Sehr komisch ist die Beschreibung, welche Bracken- ridge von diesen Thieren giebt. Er nennt den Kopf „clumsy," findet überhaupt die Bildung höchst sonderbar und merkwürdig, die Stimme nennt er ein Bellen, wie das eines kleinen Hundes u. s. w. — Audubon giebt weit- läuftige Nachrichten von unserem Thierchen , allein seine Abbildung (Tab. 99) ist schlecht, viel zu gelbbraun illumi- nirt und zu schwarz schallirt, auch ist der Schwanz an der Spitze zu stark schwarz angegeben. Die Ojibuä's nennen den Prairie- Dog Tschähgunäh-uäschisch. „ Mandan's Schopkä. „ Mönnilarri's Sichpä (deutsch) oder Sihchpä. „ Dacota's Pispihsa. Verzeichnis» Nordamerikanischer Säugethiere. 93 Genus Arctomys Schreb. üurmelthier. Amerika besitzt mehrere Arten aus dieser Gattung, welche Richardson meistens beschrieben hat. Spen- cer Baird in seinem neuen Werke führt vier Arten von Murmelthieren auf, von welchen vielleicht die eine noch zu reduciren , oder doch anders zu benennen ist ; denn Arctomys pruinosus scheint, wenigstens die von Lich- tenstein so benannte Species, mit monax identisch, und nur Varietät desselben zu sein. Wir haben auf unserer Reise nur eine Art der äch- ten iMurmelthiere kennen gelernt, welche, was die äussere Gestalt und Bildung anbelangt, vollkommen mit dem euro- päischen Alpenmurmelthier übereinstimmt. Sie variirt etwas in der Färbung und man hat daher unbezweifelt mehrere Arten aus dieser einen gebildet. Nur Vergleichung der Exemplare , ihrer Schädel und übrigen anatomischen Ver- hältnisse, wird diese Confusion aufklären, daher sind ge- naue , in die kleinsten Verhältnisse eingehende Beschrei- bungen von den reisenden Zoologen zu fordern und ober- flächliche Notizen haben keinen Werth. Spencr Baird hat auch über diese Thiere werlh- volle Notizen gegeben und seine Schädel-Abbildungen er- läutern seinen Text ganz vorzüglich. Ich habe dessen Tafeln nicht einzeln citirt , weil man von dem Verfasser selbst in seinen Beschreibungen darauf hingewiesen wird. A, monax Linn. Das pennsylvanische Murmelt hier. Richardson 1. c. I. p. 153. Audubon 1. c. 1. p. 16. Tab. 2. S. Baird 1. c. p. 339. Beschreibung eines weiblichen Thieres: Ein dickes stark gedrungenes Thier; der Kopf auf der Oberseite flach und gänzlich gebildet wie an Marmota; Auge ziemlich klein; Bartborsten über demselben und an beiden Kiefern; Ohren abgerundet, glattrandig, kurz , inwendig 9i Prinz Maxim ilinn zu Wied: sparsam bcliaart ; Leib g-estrcckt, breit und platt; Schwanz nicht halb so lang als der Körper, stark und dicht be- haart; Vorderbeine stark, kurz und sehr muskulös; Vor- derhand breit und stark; Daumwarze sehr klein mit einem sehr unbedeutenden flachen Kuppennagel versehen; der Millelünger ist der längste , der dritte etwas kürzer, dann folgt der Zeigefinger, zuletzt in der Länge der kleine"^); Nägel stark und sanft gekrümmt, massig zugespitzt; in der Vorderhand stehen vorn drei Ballen , dahinter zwei weil grössere. Hinterbeine sehr fleischig und muskulös , das Schienbein iiat förmliche VV^aden ; Daumen der Hinterhand mit einem Klauennagel, der aber bedeutend kürzer ist als die übrigen; Verhältniss der Finger wie am Vorderfusse, die Hinternägel weit kürzer als die vorderen; hinter den Hinterzehen stehen auf der Sohle vier Ballen , dahinter zwei kleinere, niedrige und mehr weiche; Geschlechtstheile behaart kurz vor dem Schwänze ; Haar des Hinterbauches, der inneren Schenkel und inneren Arme sparsam , so dass man die Haut stark durchblicken sieht, übrigens ist der Körper dicht und stark behaart, am Grunde mit einer dich- ten Wolle, dazwischen mit einzelnen längeren Stachelhaa- ren; Stirn , oberes Gesicht und Hände kurz und glatt mit harten Haaren besetzt. Färbung: Die vier Nagezähne an ihrer äusseren Fläche weiss (bei Marmota gelb); Auge, Nasenkuppe und Nägel bräunlichschwarz glänzend, über und unter dem Au- genliede ein weisslicher Flecken ; über der Nase auf schwarz- braunem Grunde ein noch schwärzerer hufeisenförmiger Fleck, der aber nicht immer vorhanden ist; Seiten der Nase und des Halses, so wie die Backen weisslichgrau, alle Haare sind hier weissgrau und haben in der Mitte eine schwarzbraune Binde. Haare des Vorderkörpers an der Wurzel weissgrau , d^nn schwarzbraun und an der Spitze weisslich , wodurch ein gemischtes , so zu sagen bereiftes Ansehen entsteht; die hinlere Hälfte des Körpers fällt mehr *) Bei (itMii Alpcnmiirmellliieie scheint die äussere Zehe etwas läiifjer, die A'iigel starker zu sein, doch ist der Unterschied nicht bedeutend. Verzeichniss Nordanierikanischer Säuge thiere. 95 ins Schwarzbräunliche und ist nur weisslich punktirl, weil hier die Haare an ihrer Wurzel fahl rölhlich, dann schwarz- braun sind und ihre weissliche Spitze nur kurz ist; Schwanz schwarzbraun mit rostgelblichen Haarspitzen; Vorderbeine mit sehr starken rostrothen Haarspitzen, wodurch diese Theile ein rostrothes Ansehen erhalten ; die vier Hände sind schwarz und glänzend; Ohren dunkel röthlichgrau ; Bauch rostroth und schwärzlich gemisclit. Ausmessung: Ganze Länge 21" 4'"; Länge des Schwanzes mit den Haarspitzen 6" 10'"; Länge des Ko- pfes 3" 7—8"'; Breite des Kopfes vor den Ohren 2" 7'"; Höhe des Ohres 8'"; Breite des Ohres 11'"; das längste ßarthaar misst 2" 2'"; Länge der Vorderhand auf der Sohle 2" 1'"; Breite der Vorderhand hinter den Fingern 11'"; Länge der Hintersohle bis zur Ferse 3"; Breite der Hin- terhand oberhalb der Finger 1" 1'"; Länge des längsten Vordernagels 5"'; Länge des längsten Hinternagels 3'". Ich habe später bedeutend grössere Exemplare erhallen, leider aber die Ausmessungen verloren. Innere Theile: Im Februar fand ich diese Thiere sehr fett, das Netz besonders war sehr stark schneeweiss mit Fett durchwachsen , auch 'zwischen den Muskeln der Schenkel und der Haut. Am 13. März erhielt ich ein sehr starkes Weibchen, welches vier noch nicht völlig ausge- bildete etwa 1" 11'" lange Junge bei sich trug. Ihr Kopf und Körper waren sehr glatt, dick und plump, rundlich, aber ziemlich ausgebildet, der Schwanz lag fest zwischen den Hinterschenkeln angelegt , die Zehen waren ziemlich ausgebildet, der Mund ein wenig geöffnet und die Zunge etwas hervortretend, die Augen schimmerten nur sehr blass bläulich durch die Haut. Die Gestalt der Jungen gleicht der eines Hippopotamus. Varietäten: Diese Thiere kommen zuweilen mit weisslichem oder weissgrauem Unterleibe vor , ein solches erhielt ich am unteren Missouri , das sich aber übrigens durchaus nicht von dem beschriebenen unterschied. Ge- wöhnlich haben diese Thiere einen rothbraunen Bauch und Unterlheile. An den Schenkeln und Vorderbeinen solcher Exemplare bemerkt man alsdann öfters etwas von der roth- 96 Prinz Maximilian zuWicd: braunen Mischung. Die graubäuchigen Individuen schei- nen diejenigen zu sein, welche man pruinosus genannt hat, die aber wohl ohne Zweifel nicht von monax verschie- den sind. Dieses grosse starke Murmelthier, von den Anglo- Amerikanern Ground - Hog , Erdschwein oder Wood-Chick genannt, kommt in allen von uns in Nord-Amerika berei- sten Gegenden vor, nur nicht am oberen Missouri, wie ich alle Ursache zu vermuthen habe. Es lebt über alle mitt- leren Staaten verbreitet und bei Audubon kann man weitläultigere Nachrichten über seine Lebensart finden. In der Hauptsache stimmt diese überein mit der des Alpen- murmelthieres, nur dass es nicht die Höhen sucht, sondern in allen ebenen Gegenden gefunden wird. Ich erhielt es sowohl östlich bei Boston und Philadelphia, als auch west- lich vom Alleghany- Gebirge in Indiana und Illinois. Am Wabasch erhielt ich sehr starke Exemplare , da sie bedeu- tend stärker werden als das Alpenmurmellhier. Sie wa- ren gewöhnlich von der Varieiät mit rostrothem Bauche, doch gab es auch welche, die an diesem Theile nur grau gefärbt waren, und sie scheinen diejenigen zu sein, die man pruinosus genannt hat. Da diese Thiere in der Farbe etwas variiren, so hat dieses ohne Zweifel Anlass zur Aufstel- lung mehrerer Arten gegeben, die nur auf eine zu reduci- ren sind. In der Gestalt gleichen sie sehr dem Alpenmur- mellhier. Sie leben in tiefen, oft weit verzweigten selbst gegrabenen Bauen , in welche sie in ihren nicht sehr ge- räumigen Backentaschen Vorräthe von mancherlei Früchten, Kräutern und Körnern eintragen. Im Herbste verkriechen sie sich bei den ersten kalten Nächten und kommen im Frühjahre wieder hervor. In diesen Bauen wirft das Weibchen auch seine 3 bis 5 Junge, von welchen ich weiter oben geredet habe. Am 7. März fanden wir in den grossen Waldungen bei New-Harmony am Wabasch in den Niederungen, wel- che öfters von dem Flusse überschwemmt werden , zwei solcher Thiere zufällig über der Erde. Das eine erreichte glücklich seine Röhre , allein das andere wurde von der- selben abgeschnitten, erkletterte in der Eile einen Busch- baum und wurde von demselben herabgeschossen. Der , Verzeichniss Nordamerikanischer Säugethiere. W Bau lag gewiss nicht viel über dem Wasser erhoben, doch befand er sich vielleicht in einer solchen Höhe , dass ihn die gewöhnlichen Ueberschwemmungen nicht erreichen konnten. Er war an der Seite einer kleinen muldenförmi- gen Vertiefung oder Thälchen eingegraben, welches nicht mehr als zehn Fuss Tiefe halte. Man bemerkte mehrere Eingänge, zum Theil unter Baumwurzeln und umgefallenen Stämmen, welche das Nachgraben erschwerten, gerade wie bei unseren Fuchs- und Dachsbauen im Walde. Wir Hes- sen am folgenden Tage nachgraben, fanden mehrere diver- girende Röhren und Canäle und, wie es schien, bald auch eine grössere Kammer , allein die Hauptgänge lagen einige Fuss tief in einer Sandschicht und nach bedeutenden An- strengungen stellte man die Arbeit wieder ein. Man fängt diese Thiere bei Nacht mit Hunden, die sie bis zur Röhre verfolgen , wo man sie nachher ausgräbt. Für Dachshunde sind die Röhren zum Theil zu eng, doch hätte man diese nützlichen Hunde auch wohl gebrauchen können, sie sind aber sehr seilen in Amerika. Vergleicht man den Schädel des Monax mit dem des europäischen Murmellhieres , so findet man eine zwar un- bedeutende, aber dennoch verschiedene Bildung der Zahn- höcker; im Oberkiefer haben die Kauflächen der Zähne keine bedeutende Abweichung bei beiden Thieren, allein im Unterkiefer hat jeder Zahn an der inneren Seite bei Marmota zwei erhöhte Knöpfe oder Randerhöhungen, bei Monax nur eine, indem die hintere Randerhöhung niedri- ger, also weniger in die Augen fallend ist, ein zwar nur sehr kleiner Unterschied; der Jochbogen hat bei einem Exemplare des Monax einen etwas stärker abwärts treten- den Winkel in seiner Mille als an Marmota, sonst bemerke ich keine bedeutenden Unterschiede. Herr Professor Valenciennes in Paris hat die Güte gehabt , meine Arctomys monax mit den verwandten Thieren des Pariser Museums zu vergleichen, in Folge des- sen der gelehrte Zoologe die Wahrscheinlichkeit gewann, dass Monax Cuv. , so wie pruinosus Licht, und empetra zu ein und derselben Species gehören und nur Varietäten oder Altersverschiedenheiten sind. AjtcMt f. Naturg. XXVUI. Jahrg. 1. Bd. 7 96 . > : liilPrinz M a xi mi 1 ia n z u Wie d: ' Fam. 2. Bipoda. Springer. Nur eine Arf dieser Familie ist uns in Nord-Amerika vorgekommen , welche ich leider zu früh verlor , um sie genau bestimmen zu können. H'm'>\l({\ti:tmi , > ■ "iH o'iH »iH i , ^jeiiiig 'jaculus Wagl. Springmaus. '"^ -«joil "»17/ ^1'. J. labradorius Sab. Die nordamerikanische il'jij« i)ißd ^ii'Mii Springmaus. ov»i _(^/ Richardson 1. c. I. p. 141. Tab. 8. (Meriones). Audubon und Bachmann 1. c. II. p. 251. Tab. 8^^ *My. '^jf (Meriones). j,:, Sp. Baird 1. c. I. p. 430. y.it] if.)(, Mir selbst ist dieses Thier im vollkommenen Zustande nicht vorgekommen, und ich kann daher keine Beschreibung desselben geben, allein ich erhielt von Herrn Thomas Say zu New-Harmony am Wabasch das vollständige Skelet eines solchen in jener Gegend erhaltenen Thierchens, das also noch westlich vom Alleghany-Gebirge gefunden wird, Leider gieng dieses Präparat verloren und ich kann nun nichts weiter über diesen Gegenstand hinzufügen.* ; ',,,\>A Herr Spencer Baird belehrt uns, dass er dte ver- schiedenen Exemplare dieser Thiere, welche er aus den verschiedenen Provinzen des Landes erhielt, sämmtlich nur für ein und dieselbe Species halte, er führt daher auch nur diese eine Art für das Genus Jaculus auf. i'jnhl. Farn. 3. Gunicularia. Wnrfmäuse. Die westlichen Prairies von Nord -Amerika haben in den dort sogenannten Golfers oder Gophers (Ascomys, Geo- mys, Diplostoma, Oryctomys, PseudoStoma) zahlreiche Ver- treter der osteuropäischen und ostasiatischen "Wühlmäuse (Spalax, Aspalax, EUobhis etc.) und geben jenen Gegenden in dieser Hinsicht nichts nach. Schon sobald man den Missi- VerzeicÜniss Nordamerikanischer Säugethiere. 99 ^pp Überschreitet, findet man diese Thiere in den Prairies von St. Louis. "'*'* Die Kenntniss dieser nicht immer leicht zu erhalten- den unterirdischen Thiere Hess bis jetzt immer noch sehr viel zu wünschen übrig-, jedoch Spencer Baird hat seit- dem die beste Uebersicht und Vergleichung von ihnen mit guten Abbildungen der Schädel und Köpfe nach dem Le- ben gegeben, indem er an 18 Arten zu dieser Familie ge- höriger Thiere, in dem Sinne, wie ich sie hier mit Wag- ner annehme, aufführt. In den Prairies des oberen Mis- souri sind mir zwei hierher gehörige Thiere vorgekom- men, die ich leider zum Theil nur in verstümmeltem Zu- stande erhielt, und man sieht hiernach ein, wie schwer es oft dem Reisenden fällt, sich gute Exemplare zu verschaf- fen. Daher sind auch alle hieher gehörigen Beiträge von Nutzen , wenn man nur genau beschreibt und richtig be- obachtet, thhi^ .fl.nii^of^ Genus Geomys Raf. Goffer. "'^'* Ich kann nachfolgend nur ein grosses, aber verstüm- meltes Exemplar dieser Thiere beschreiben , dem man die Haut abgezogen und diese ausgestopft halte, ohne den Schä- del darin zu belassen. Genau kann also dieses Exemplar nicht mehr bestimmt werden, dasselbe scheint aber unbe- zweifelt zu der nachfolgenden Species zu gehören , die schon bei St. Louis am Missisippi vorkommt, also auch in den Prairies des mittleren Missourilaufes vorkommen wird. G. bursarius Shaw. Der weiss füssige Goffer. Richardson 1. c. L p. 203. Audubon und Bachm. L p. 332. Tab. 44. Pseudost. bursarius Say. Longs exped. Sp. Baird 1. c. L p. 372. Beschreibung eines verstümmelten Exe m- plares, dem der Schädel und der Unterkiefer fehlt; Gestalt im Allgemeinen die aller verwandten Wurf- mäuse; der Körper dick, walzenförmig und maulwurfsartig. 100 Prinz Maximilian zu Wied: der Schwanz ziemlich kurz, äusseres Ohr klein, ein kaum bemerkbares Hauträndchen ; Backentaschen sehr gross, ihre OefTnung beinahe horizontal , hinter dem Mundwinkel be- ginnend und bis gegen die Brust ausgedehnt, wie sie Baird beschreibt, ebenso die Füsse ; Vorderlüsse stark und gross, mit starken gewölbten, etwas zusammengedrück- ten, zugespitzten Grabeklauen; die dritte Zehe von aussen ist bei weitem die stärkste und ihre Klaue ist kolossal, dann folgt in der Länge die zweite Zehe von aussen , mit etwa halb so langem INagel , dann die innerste mit noch kürzerer Klaue, die äusserste ist ganz klein und steht weit zurück, etwa gegenüber der ganz kleinen Daumwarze, de- ren Nagel sehr unbedeutend ist ; die Hinterbeine sind zart und schlank , mit leinen glatten Haaren bedeckt, der Fuss klein und zart, die Zehen ganz wie an den ächten Mäu- sen, mit kurzen ziemlich abgestumpften Nägeln; die drei mittleren Zehen sind hier ziemlich gleich lang, die äussere sehr kurz und die Daumwarze mit kleinem Nagel steht noch weiter zurück als die äussere Zehe. Das Haar des ganzen Thieres an allen Obertheilen ist dicht und anliegend , dabei schön glänzend , aber an den Untertheilen weniger. Färbung: Alle Obertheile und Seiten des Thieres haben ein schönes ziemlich dunkeles röthliches Braun , an den Untertheilen mehr fahl graubräunlich ; die vier Füsse sind weiss, der Schwanz ebenfalls in seiner Mitte. Klauen blass weisslichhornfarben; am Kinne scheint ein weisser Fleck gestanden zu haben , ebenso ist die Unterseite des Kopfes. Ausmessung nach dem ausgestopften Thiere: Länge des Rumpfes (das Thier ohne den Schwanz) etwa 10"*, Länge des Schwanzes etwa 3"; Länge der läng- sten Grabeklaue des Vorderfusses etwa 18%'" Dieses Exemplar war in der Prairie bei Cantonnement Leavenworth am Missouri gefangen worden , und ich ver- muthe , dass es zu derselben Art gehört , die man auch schon bei St. Louis findet. Auch bei Vincennes am Wa- basch soll sie vorkommen. Am oberen Missouri hat man mir von ganz ähnlichen dort gefangenen Thieren erzählt, Yerzeichniss Nordameriknnischer Säugethiere. 101 ich hatte aber nicht das Glück ein solches dort zu erhalten. Say erzählt, dass auf seiner Reise nach den Rocky-Moun- tains , die Pferde oft Gefahr liefen , in die unterirdischen Gänge dieser Wühlmäuse einzubrechen. Genus Tomomys. Sandmaus. Die Aufstellung dieses Genus war angefochten wor- den, allein eine gewichtige Stimme der Zoologie hat sich seitdem für dieselbe vernehmen lassen, indem Herr Staats- rath Brandt zu St. Petersburg ihr das Wort redete und in seiner vortrefflichen Abhandlung über den Schädelbau der Nager *) eine vergleichende Beschreibung des Schädels dieser Thiere gab. Ich würde die Reihe der von mir für Nord-Amerika zu erwähnenden Nagethiere nach der von dem gelehrten Verfasser angegebenen Verwandtschaft geordnet haben, wenn mein Manuskript nicht schon zu weit vorge- rückt gewesen wäre. Spencer Baird hat ebenfalls durch die Verglei- chung eines reichhaltigen Materials, die Kennzeichen un- seres Genus vervollständigen und vermehren können , ich miiss daher auf des letzteren vorzügliches Werk, so wie aufBrandt's erwähnte Abhandlung verweisen und wie- derhole die generischen Charaktere hier nicht. T. rufescens. Die röthliche Sandmaus. S. Nova Acta Acad. C. L. Carol. XIX. i. 1839. 383. Wiegmann's Archiv 1841. II. 43. Spencer Baird 1. c. I. p. 397. Beschreibung: Gestalt maulwurfsartig, langge- streckt walzenförmig, nach dem Tode breit auseinanderge- hend, der Kopf etwas abgeplattet, etwas mehr als ein Vier- theil der Länge des Thieres haltend, wenn man den Schwanz *) S. Memoires de l'Acad. de St. Petersbourg G.Serie, Sc. Na- tur. T. VU. p. 77 und Folge. 102 Prinz Maximilion zu Wied:. «brechnet. Er ist breiter als der Körper , die Schnauze abg-erundet, d. h. ziemlich stumpf; Nasenkuppe an der Ober- seite behaart, nach vorn nackt, durch eine perpendiculäre Furche getheilt; die runden kleinen Nasenlöcher öffnen sich an den Seiten; Lippen bis in die schmale Mundöffnung be- haart; die Unterlippe ist dick; Spitzen der Vorderzähne bei geschlossenem Munde sichtbar; ßartborsten am Ober- kiefer massig lang, fein, mit ihren Spitzen rückwärts ge- krümmt; Auge klein, schwarzbraun, die Oeffnung elliptisch, dasselbe steht weiter von der Nase entfernt als vom Ohre, dabei hoch am Kopfe ; Ohröffnung beinahe frei , bloss mit einem Haulrande umgeben, der nach hinten eine kurze ab- gerundete Spitze bildet , daher ist die Figur des äusseren Ohres ein wenig dreieckig; an jeder Seite befindet sich neben dem Mundwinkel die weite Oeffnung einer grossen äusseren Backentasche, welche eine beinahe horizontal ge- richtete behaarte Haulfalte bildet; der vordere Anfang die- ser Oeffnung steht 5^2 Linien von dem Nasenloche entfernt, aber etwas tiefer, und die ganze Spalte hat eine Länge von 1" 1'"; ihr Anfang befindet sich weit vor dem Auge, das Ende steht unter dem Ohre; diese kolossalen Backentaschen laufen noch über das Schulterblatt hinweg und sind inner- lich und äusserlich dicht behaart, jedoch ist die innere Be- haarung feiner und mehr zart, als der äussere Körperpelz ; betrachtet man das Thier von der Unterseite, so zeigen sich die hinteren Enden der Backentaschenöffnung (quer über die Kehle hinweg gemessen) 1" IV2'" ^on einander entfernt. Der Gaumen ist mit leicht erhabenen Querleistan be- setzt, die zwischen den Backenzähnen spitzige Winkel bil- den; Zunge glatt, mit der Loupe besehen zeigt sie höchst feine Papillen und nur an ihrem Vordertheile stehen einige grössere vertheilt. '.-r',... 1 ,'./i ... "' '"2 4'' — "4' _, -■•i^Gebiss: Vorderzähne—; Backenzähne 7 r. Voft 2 ' 4 — 4 ■• i ' • ' 1 Ja derzähne im Oberkiefer zwei; kürzer als die unteren, breir, mit quer abgestutzter, scharfer, nach hinten ausgeschnitte- ner Schneide; sie sind glatt und ihnen fehlt die Längsfurche an der Vorderfläche, dagegen findet sich nahe am inneren Verzeichniss Nordamerikanischer Säugethiere. 103 Rande der Vorderfläche bloss ein seichter, senkrecht über' dieselben hinablaufender Eindruck ""*). Im Unterkiefer zwei Schneidezähne, schmäler als die oberen, ihre Schneide^ wie dort, aber etwas mehr abgerundet oder nageiförmig-, nach hinten mit langem Ausschnitte , sie sind ebenfalls glatt. Backenzähne : Im Oberkiefer an jeder Seite vier, sie sind rückwärts strebende Cylinder, ohne getheilte oder eigentliche Wurzeln, ihre Mahlfläche discoidisch, glatt und ohne Zacken, bloss mit gleichem, rundum erhöhten Rande, welcher in der Mitte der Fläche verläuft; von oben gesehen bildet diese Scheibe oder ihr Rand eine elliptische Figur, der längste Durchmesser quergestellt, und das äussere Ende mehr zugespitzt als das innere; der erste oder vorderste Zahn erscheint doppelt, durch eine tiefe senkrechte Sei- lenfurche , oder aus zwei Cylindern zusammengesetzt, von welchen der vordere kleiner ist als der hintere, wie dies auch S a y von seinem Pseudostoma angiebt. Im Unterkiefer sind die Backenzähne wie oben, sie streben aber rückwärts und die spitzigen Winkel ihrer Mahlflächen stehen nach innen und nicht nach aussen ge- richtet. -n:j Vorderbeine sehr kurz, der Arm breit und muskulös; Fusse ziemlich schmal, fünfzehig; die Mittelzehe ist die längste, ihr Nagel sehr gross , sanft gekrümmt, zugespitzt, an den Seiten sanft convex, an seiner Sohle abgeplattet und scharfkantig, also eine ächte Grabeklaue; Zeigefinger nächst jenem der längste, allein die Klaue weit kürzer, dann folgt in der Länge der dritte Finger, die Klaue etwas länger als am Zeigefinger, der vierte Finger mit seiner Klaueist viel kleiner; Daumen sehr klein, an der inneren Seite des Fusses weit zurück stehend , seine Klaue sehr klein und zugespitzt; Sohle weichhäutig, unter dem Zeigefinger quergefurcht , unter der Mitte der Hand ohne Ballen, nur unter der Handwurzel steht ein dicker, auf seiner Mitte !(i'>üiofi *) Dieses Gebiss hat die grösste Aehnlfchkeit mit der Beschrei- bung, welche Eydoux und Gervais von Oryctomys Bottae geben; nur kann ich die Mahlflächen der Backenzähne nicht netzförmig nennen. '.■[:-l\/ ' Länge der ausgestreckten Bart- borslen 11'"; Entfernung von der Nasenkuppe zum Auge 9V2'"; Länge der AugenölTnung IV4'"; Länge vom hinteren Augenwinkel zur vorderen Ohrbasis ÖV^'"; Längendurch- messer des Ohres 3'"; Höhe des äusseren Ohres (am Hin- terrande gemessen) IVs'"? ßreilo des Kopfes zwischen den Ohren 9V2'"j Länge des Kopfes 1" 8'"; Länge des oberen Schneidezahnes 2^2'" j Länge des unteren 5%'"; Länge der Vordersohle 1"; Länge des längsten Vordernagels in der Sehne gemessen öVg'"; Länge der Hintersohle (von der Ferse bis zur längsten Klauenspitze) 1" V5'" ; Länge der längsten Hinterklaue 2"; Breite des Vorderfusses4"'; Breite des Hinterfusses 4%'"- Innere Theile: Der Kopf ist ziemlich klein, der Schädel etwas schmal und abgeplattet, nur die dicke, weite, lockere Haut mit den dicken Backentaschen macht ihn gross; der Schädel ist übrigens ziemlich wie am Murmel- thiere gebildet, der Jochbogen weit auswärts geschweifl, ganz, rundlichdünn, in seiner Mitte sanft abwärts gebogen; Augenhöhle höchst flach, dabei ziemlich nach oben gerich- tet; Oberfläche des Schädels beinahe gänzlich flach und horizontal; der Processus condyloideus des Unterkiefers fehlt beinahe ganz, dagegen befinden sich an seiner Stelle zwei seilliche Ausbreitungen, von welchen die untere hori- zontal etwas verlängert und mit scharfem Rande versehen ist, ohne Zweifel zur Anheftung starker Muskeln der ßak- 106 "' Prinz Maximilian zu AVied: kentasche. Brandt hat eine ganz ähnliche Bildung am Schädel von Tomomys bulbivorus *) abgebildet. Hinter dem runden mäuseartigen Auge liegt unmittelbar eine starke weissliche, längliche Drüse, von SVj Linien Länge **^). Die Wühlmaus dieser Beschreibung ist zahlreich in den Prairies des oberen Missourilaufes und kommt bis zu den Rocky-Mountains vor, ich kann aber nicht sagen, miu wert si^e südlich oder nördlich verbreitet ist. Man soll weÜ grössere Exemplare dieser Thiere dort finden, als das be- schriebene war, jedoch hatten alle, die wir sahen, etwa die- selbe Grösse. Sie lebt das ganze Jahr, wie der Maulwurf, unter der Erde, gräbt auch daselbst weitläuftige, winklige Gänge und wirft Haufen auf, die aber mehr flach sind , als die von Tafpa europaea. Ist das Wetter warm und windstill, so kommen sie oft an die Oberfläche. Sie sollen in der Erde viele Junge werfen , welche sie auf ihren unterirdischen Zügen umher tragen , indem sie sich an die Zitzen der Mutter festsaugen. Auf diese Art lödtet man diese Thiere über Erde zuweilen mit ihrer Nachkommenschaft. Die^ Füchse, Wölfe, Wiesel, Klapper- u. a. Schlangen sind ihre Feinde und vermindern ihre Anzahl. Wir tödtelen einst eine grosse Klapperschlange , der man ein halb verdautes Thier dieser Art aus dem Magen zog. Diese Mäuse sind übrigens zornige und bissige Geschöpfe. W^enn der Bär sie zufällig überrascht, so fliehen sie nicht, sondern setzen sich , aufgerichtet dem ungleichen Kampfe aus. Auch an den Menschen sollen sie öfters in die Höhe springen um zu beissen, wenn man ihren Jungen zu nahe kommt. ' ' Die Ang^lo- Amerikaner kennen alle diese unteiifdf- sehen Wühlmäuse unter der Benennung Gopher oder Gof- fefK' Bei den Mandan - Indianern wird die beschriebene Art „Machtöhpka'' (ach guttural) genannt; bei den Mönnitarri's iufif liiHi« «i »iiXO*^^ ')ilH(i; iVj^lO il'»l i*Ti't-' '■ : 'r'-ioxi-iOfi ■:.'',]> v'-;- f ., , .. .■ ■■{ M.ht . .*) S. Brandt 1. c. Tab. V. Fig. 1, 6 u. 8. "["'Hl '•>'>: '^ V (■ r,' , ' ff\ , **) Da ich die in Branntwein befindlichen Exemplare veiloren li'at'e, so kann diese Beschreibung der inneren Thiilc nicht vervoll- ständigt weiden. 'If r>A-vM -JinM'.il-,. '.10 M Verzeichniss Nordamerikanischer Säugethiere. 10t „Kippapülidi" (di leise und kurz); bei den Arikkara's „Dji- pärmas" (j franz. as beinahe wie es), iii sil» > ■^ülii) -Ju! US Ingpenceir Baird ^iebt unter der Rubrik dieser Spe^ cies eine Besclireibung des Thiores , die nicht ganz mit meinen Beobachtungen übereinstimmt. So nennt der ge- lehrte Verlasser z. B. die Backentaschen klein, da sie doch bis über die Schultern ausgedehnt sind, den Schädel un- proportionirt gross , die Färbung wird etwas verschieden angegeben. "^^ A \*iiii iiJii ii/^ — • Farn. 4. Murina. Mäuse. Es giebt in Nord-Amerika viele Arten aus dieser Fa- milie, doch sind uns nur wenige derselben vorgekommen. Die europäischen Arten haben sich nun ebenfalls schon dort verbreitet, wie man bei Audubon und Spencer Baird nachlesen kann. .„ / Genus Aus Linn. Haus. -nir rt'>il IqoH JM. decumanus Fall. Die Wanderratte. Die gemeine Wanderratte, so wie die schwarze Ratte (Mus Raltus L.) sind durch europäische Schiffe nach Ame- rika gebracht worden und haben sich dort weit verbreitet: Mus Rattus haben wir nicht zu sehen bekommen, dagegen desto häufiger die Wanderratte. Zur Zeit unserer Anwe- senheit waren diese Thiere westlich am Missouri bis Fort Clarke bei den Mandan-Dörlern vorgerückt, wo wir wäh- rend des Winters viele von ihnen an sonnigen Tagen von den Dächern der Gebäude herabschössen, deren Maisvorrä-r then sie fleissig nachstellten. üeber diesen Gegenstand siehe die Beschreibung meiner Reise den Missouri aufwärts, Ausmessung einer solchen zuFort Clarke erlegten weiblichen Ratte: Ganze Länge 16" 9'"; Län^e des Schwanzes 6" 11'"; Länge des Kopfes 1"11V2"'; im December hatte die Ratte sechs stark entwickelte Zitzen, iwei pectorale, zwei abdominale und zwei inguinale. 108 Prinz Maximilian zu >Yied: Bei den Mandan's heisst die europäische Ratte „Mih- tick-chtä" (die grosse Maus); und bei den Mönnitarris ^Ahta-hichtia" (ti starker Nachdruck, ti und a gelrennt zu sprechen). Genus Hesperomys Waterh. Waldmaus. Spencer Baird führt für diese Gattung 15 Arten aus Nord-Amerika auf, von welchen wir nur zwei kennen gelernt haben; dagegen habe ich eine Maus in Indiana ge- funden, deren Züge von jenen der von Baird beschrie- benen Arten abzuweichen scheinen. 1. U. /ewcopMS Raf. Die wei ssb äu c hige amerika- nische Waldmaus. Richardson 1. c. p. 142. Audubon u. Bachm. I. p. 300. Tab. 46. Sp. Baird. 1. p. 459. Beschreibung: Gestalt und Farbe sehr ähnlich un- serer grossen Waldmaus (Mus sylvaticus L.), aber der Kopf scheinbar dicker und der Schwanz kürzer, auch scheint der letztere etwas mehr behaart zu sein. Kopf gross und auf dem Nackenrücken ein wenig gewölbt, besonders weil hier lange Haare stehen ; Augen vortretend und schwarz; Schnauze an der Seite ein wenig aufgetrieben; Bartborsten am Ober- kiefer sehr lang; Unterkiefer sehr kurz, weit hinter die Nasenkuppe zurückgezogen ; Ohren ziemlich gross, breit, nackt, etwas seitwärts abstehend; Füsschen sehr zierlich und zart, mit sehr kleinen, schwachen Nägeln, daher passt der deutsche Name Scheermaus, wie es scheint, nicht auf dieses Thier; Schwanz wie an sylvaticus, aber bedeutend kürzer als der Körper; vier Inguinalzitzen und scheinbar zwei an der Brust. Färbung: Obertheile gelblichgraubraun, über der Mitte des Rückens hinab ein wenig dunkler oder mehr schwärzlich melirt , die Seiten mehr gelblich- oder röth- lichbraun ; Seiten des Unterkiefers, Vorder-, Hinter- und Veizeichniss Nordamerikanischer Säugelhiere. 109 innerer Theil der Schenkel, so wie alle Untertheile des Thieres sind schön rein und nett weiss; die nur fein und seidenartig behaarten Füsschen sind weisslich, dabei durch- scheinend fleischroth; Schwanz an der Oberseite graubraun, an der unteren grau ; Nase zu beiden Seiten bräunlichgrau; obere Bartborsten schwärzlich, die unteren weiss; Ohren grau, in ihrer xMltte röthlichgrau. Ausmessung: Länge 6"1V2'"; Länge des Schwan- zes 2" 8V2'"; Länge des Kopfes 1" 2%"'; von der Nasen- kuppe zum Auge öVe'"; Länge der Bartborsten 1" 2V3'"; Höhe des Ohres an der Kopfseite 6'"; Breite des Ohres 41/2'"? die Nasenkuppe tritt über den Unterkiefer vor um 3'"; Länge der Vorderhand auf der Oberseite SVs'"^ Länge der Hintersohle von der Ferse an SVs'"- Männliches Thier: Wie das Weibchen ; etwa zwei Linien vor dem After steht die Ruthe, nur wenig als ein Knöpfchen vortretend; Testikel unter der Haut verborgen. Ausmessung: Ganze Länge 6" 4'"; Länge des Kopfes 1" IV2'"; Länge des Schwanzes 2"10V2'"; von der Nasenspitze bis zum Auge 6'"; vom vorderen Augenwin- kel zur vorderen Ohrbasis 5%'"; Höhe des äusseren Oh- res 6'"; Breite des Ohres in der Mitte seiner Höhe 4'"; Länge der längsten Barthaare 1" 1'"; Länge der Vorder- sohle 4'"; Länge der Hintersohle bis zur Ferse 8V2'" 5 Länge der längsten Vorderzehe 2V5'"; Länge der längsten Hin- terzehe 4'"; Länge der Vorderhand an der Oberfläche ge- messen (so weit sie sich beim Auftreten umbiegt) 4V4'"; ffo' "fffogf'ffnill Diese schöne Maus scheint bis in den Norden und über den grössten Theil des nördlichen Amerikas verbreitet zu sein. Am Wabasch in Indiana und Hlinois , so wie am Oljio ist sie nicht selten und vertritt daselbst unsere eu- ropäische, ihr in der Hauptsache sehr ähnliche Waldmaus (Mus sylvaticus Linn.). Am oberen Missouri kommt sie bis zu den Rocky- Mountains vor, ob jenseits ist mir nicht bekannt. -i.MiiAn jenem Flusse und anderen Orten nennt man sie Meadöw-Mouso (Wiesenmaus). Sie lebt in Wäldern, Pflan- zungen und Feldern, so wie besonders in Ufern und klei- nen Gebüschen der Prairies, wo man in den westlichen Gegenden diese Thiere überall im Winter im Schnee spürte, und wo ihnen, gerade wie bei uns, die kleinen Raubthiere, als Füchse, Wiesel, Wölfe eifrig nachstellen. Schon in den Prairies am Nischnebottoneh erhielt ich diese Maus und noch weiter aufwärts am Missouri fanden wir sie an verschiedenen Stellen. Eine alte und eine junge Maus dieser Art tödtete man in einem alten Baum-Stamme, wo sie ohne Zweifel genistet hatte. Auf einer Missouri-Insel jenseits der Bijoux-Hills schoss man eine solche von einem Baume herab, an welchen sie, wie die Haselmäuse, umher- klettern. Diese Maus war an den Seiten des Rückens viel stärker rostroth gefärbt , als die früher erhaltenen. Bei den Mandaa- Dörfern spürte man sie häufig im Schnee an Verzeichniss NordanieriUanischer Säugethiere. 111 den Ufern und Gebüschen , gerade wie unsere Feldmäuse, und wir stellten ihnen Fallen, um zu sehen, welche Art.en von Mäusen wir kennen lernen würden. Ihre vier Fusstritte (Fährten) standen gewöhnlich im Schnee gepaart neben einander, auf nachstehende Art: •./. — Unsere Mäusefal- len wurden während der Nacht häufig von den Prairiewöl- fen oder Füchsen hinweggetragen, ohne Zweifel w^enn sich eine Maus darin gefangen hatte, und wir mussten dann oft weit der Wolfsspur folgen , um die leere Falle wieder zu finden. Nur diese einzige Art der Mäuse wurde übrigens in jenen Gegenden von uns gefangen. .iii Im Winter legen diese Thiere Vorräthe an, wie man sagt. Als sich Herr T. Say am Missouri befand, hatte ein solches Thier in einem seiner Stiefel seinen Wintervorralh aufgehäuft. Audubon, bei dem man über diese Species weit- läuftige Nachrichten findet, bildet sie ganz gut ab, nur zu klein zusammengezogen, die Illumination ist gut. Spencer Baird giebt weitere Vergleichungen und fügt hinzu, De Selys Mus novae boracensis sei eine gute Beschreibung unserer Maus. ib »fn^vni!' ni!/l [ Jim ; ? 2. U. indianus Wied. Die W aba sch-Waldmaus. Diagnose: Gestalt der Hausmaus; Farbe dunkel graubraun , an den Untertheilen heller ; Ohren nackt und ziemlich gross; Schwanz ziemlich nackt, etwas weniges kürzer als dfr übrige Rumpf. ,.; Diese Art hat viele Aehnlichkeit in der Gestalt mit der europäischen Hausmaus , allein diese letztere scheint etwas dickeren Kopf zu haben. Von H. leucopus unter- scheidet sie sich durch bedeutend kleineren Kopf, länge- ren Körper und Schwanz , so wie gänzlich verschiedene Färbung. ;, .Beschreibung: Gestalt unserer Hausmaus; Ohren gross, völlig nackt, an der Spitze abgerundet, oft mit einer oder zwei sehr kleinen Ausrandungcn an dieser Stelle; an seinem vorderen Rande ist das Ohr eingerollt, oder ein- geklappt; Oberkiefer weit über den unteren vortretend; 112 Prinz Maximili an zu Wied: Nasenkuppe an der Oberfläche behaart, an der Vorderseite nackt; Auge länglich und ziemlich gross; Bartborslen am Oberkiefer lang , zurückgelegt , die längsten erreichen die Mitte des Ohres. Gebiss. Oberkiefer: Nagezähne an der Vorderseite orangengelb; Backenzähne 4.4, der hinterste der kleinste, sie haben an der inneren Seite an ihrem Rande zwei Hök- ker, dann hinler diesen eine Längsfurche und an der Aus- senseite einige wenig erhöhte Schwielen; Unterkiefer: 4 .4, der hinterste der kleinste , sie haben alle auf ihrer Mille hinab eine Längsfurche. Der Hals ist kurz, die Füsschen sehr zart und zier- lich; äussere Zehe die kürzeste, Zeigefinger etwas länger, Mittelfinger der längste, der vierte beinahe ebenso lang; Daumwarze kurz, mit kurzem, stumpfen Nagel, im Inneren -der Vorderhand stehen drei Ballen im Dreiecke; am Hinter- fusse ist der Daumen länger und mit einem Klauennagel ; drei mittlere Zehen bei weitem die längsten, beinahe gleich lang, die äusserste etwas länger als der Daumen; in der Hintersohle stehen zwei Ballen gepaart hinter den drei Mittelfingern, drei andere stehen weiter zurück; alle vier Füsschen sind mit kleinen, zarten Haaren bedeckt, die Fin- ger beinahe nackt; Schwanz kürzer als der Rumpf, er ist so lang wie die Entfernung vom Auge bis zur Schwanz- wurzel, ist also um Vg der Rumpflänge kürzer als diese letztere; er ist vollkommen gebildet wie an Mus musculus, mit hautschuppigen Ringen und rundum mit einzelnen Haa- ren besetzt, die aus den Fugen entspringen und gewöhn- lich so lang sind, dass sie über zwei Ringe hinwegreichen ; Pelz gebildet wie an M. musculus. Färbung: Nasenkuppe fleischroth ; Nagezähne gelb, das ganze Thier hat eine dunkel bräunlichgraue F'arbe, am Bauche und den Untertheilen heller oder fahl gelblich- grau , an den Obertheilen dunkel graubraun , indem die Haarwurzeln aschgrau und die Spitzen olivenbraun gefärbt sind; Ohren röthlichgrau , an der inneren Fläche heller; Füsse fleischröthlich. Ausmessung: Ganze Länge 6" 2^/2'"; Länge des Schwanzes 2" 11'"; Länge des Kopfes 9V3'"; von der Na- Verzeichniss Nordamerikanischer Säugethiere. 113 senkuppe zum vorderen Augenwinkel ^/^"\ Länge des Auges IV4'"; vom hinteren Augenwinkel bis zur vorderen Ohrbasis 3'"; Höhe des äusseren Ohres an der Kopfseite 4V2"'j Breite des Ohres in seiner Mitte SVg'"; Länge der längsten Barthaare OVg"'; Länge der Vordersohlc SVa^'J Länge der Hintersohle bis zur Ferse T^/s'". Diese Maus findet sich in den Feldern, rauhen Dorn- hecken, Ufern und Gebüschen bei New-Harmony am Wa- basch in Indiana. Im Monat Januar fanden wir ihre Spuren im Schnee, und zwar gepaart abgedrückt, stellten Fallen mit gebratenem Speck und fingen diese Mäuse. Sie haben viele Aehnlichkeit mit der europäischen Hausmaus, von welcher sie aber bei genauer Vergleichung doch sehr we- sentlich verschieden sind. — Sic brachten den Winter bei Eis und Schnee in den Maisfeidern zu, von deren Früchten sie sich nähren. Die Hausmaus würde in dieser Jahreszeit die menschlichen Wohnungen gesucht haben. In den Häu- sern zu New - Harmony erhielt ich bloss Hesperomys leu- copus, dagegen in den Feldern die eben beschriebene Spe- cies, die eine wahre Feld- und Waldmaus zu sein scheint. Ich muss aber doch noch bemerken, dass man später auch solche Mäuse in den Gebäuden fing, und dass Herr T. Say dieselben für Mus musculus hielt, mit welchem wir sie aber damals nicht vergleichen konnten. Mit den von Spencer Baird beschriebenen Arten von Hesperomys scheint sie mir nicht vollkommen überein zu stimmen. 3. H. leucogaster W. Die weissbäuchige Wald maus. Hypudaeus leucogaster Wied. Beschreibung der Reise in Nord-Amerika IL p. 99. Audubon und Bachm. (Mus missuriensis) IL p. 237. Tab. C. Sp. Baird I. p. 480. Beschreibung: Gestalt gedrungen und stark, Kopf etwas dick , Ohren ziemlich kurz *) , Schwanz kurz , der *) Den Umriss des Kopfes der beschriebenen Maus nach dem Leben siehe Tab. lY. Fig. 8. Archiv f. Naturg. XX VIII. Jahrg. 1. Bd. 8 114 Prinz Maximilian zu Wied: Kopf etwa % der Länge des ganzen Körpers (ohne den Schwanz) ausmachend; die Unterlippe SVg"' hinter die Spitze des Oberkiefers zurückgezogen; Oberlippe durch eine kleine Furche getheilt; Kopf auf dem Scheitel breit und flach, in einer sanft gewölbten Linie nach der Nasen- kuppe hinabfallend; Nasenkuppe ein wenig vortretend; Auge ziemlich gross, glänzend schwarz ; die starken ßart- borsten an der Seite der Schnauze etwa 1" lang, abstehend und mit ihren Spitzen vorwärts gekrümmt; Ohren ziemlich klein , steigen nicht über die Horizontalfläche der Scheitel- haare hinauf, ziemlich eiförmig, unten ein wenig breiter und an ihrer Spitze abgerundet , am Hinterrande mit einer sehr seichten Ausrandung, der Vorderrand ein wenig rück- wärts umgelegt, an der Wurzel etwas nackt, gegen den Rand hin mit kurzen , glatt anliegenden Haaren besetzt, welche nicht über denselben vortreten ; Leib dick und ge- drungen; Vorderbeine stark und kurz, der Arm fleischig und stark, wie die Schulter, die Hand breit und kurz; Daumwarze klein, mit einem kurzen stumpfen Kuppenna- gel ; Mittelzehe ein wenig länger als die Nebenzehen, der vierte Finger etwas länger als der Zeigefinger, der kleine noch etwas kürzer als der letztere ; Sohle der Vorderhand mit drei kurzen hohen Ballen neben einander besetzt, hin- ter welchen zwei ganz ähnliche stehen , und es beflndet sich neben den beiden hinteren nach innen der kleine Daumenballen; Nägel lang, schlank zugespitzt, sanft ge- krümmt , am Mittelfinger bei weitem am längsten ; Hinter- fuss mehr verlängert als der vordere , aber mit denselben Verhältnissen der Zehen; hinter jedem Nagel an der Ze- hensohle befindet sich eine ballenartige Erhöhung, übrigens an ihrer Unterseite mit Querfurchen parallel besetzt; der Daumen des Hinterfusses hat mehr Länge und Freiheit als der des Vorderfusses und trägt einen kleinen etwas zuge- spitzten Klauennagel; Nägel der Hinterzehen überhaupt kürzer als die der vorderen; hinter den Zehen stehen an der Hintersohle drei Ballen im Halbkreise, indem die bei- den hinteren der Vorderhand hier fehlen, dagegen bemerkt man an der Wurzel des Daumens eine kleine Verdickung der Sohle; Oberseite der Hände und Füsse, so wie die Fersen- Verzeichnis» Pfordameiikanischcr Säugethiere. 115 sohle der Hinterbeine leicht und glatt anliegend seidenartig behaart, die Fusssohle nackt, mit zarter fleischrother Haut; Schwanz kurz, er reicht bei ausgestreckten Hinterbeinen noch nicht bis zur Wurzel der Hinterzehen, nimmt von der Wurzel zur Spitze allmählich an Dicke ab, ist massig zu- gespitzt, dicht mäuseartig behaart, die Haare an der Ober- seite länger als an der unteren; Rückenhaar des Thieres etwa 3 Linien lang, am Bauche etwas über 2 Linien, auf dem Scheitel ist es länger, dicht gedrängt und über 3 Li- nien lang. 2 Gebiss: Vorderzähne—, die unteren lang, etwas zu- gespitzt, mit sehr langem Ausschnitte an der inneren Fläche, von den Seiten etwas zusammengedrückt ; die oberen kurz, stark, an der Schneide nach ihrer Vereinigung hin ein we- 3 . 3 nig ausgerandet; Backenzähne 5 — ^; von den oberen ist der vorderste der grössle , der hinterste ist klein und seine Mahlfläche nach hinten ein wenig zugespitzt; die Mahlflächen aller dieser Zähne haben rundum auf jeder Seite ein Paar Höcker und Furchen, dabei einen erhöhten, ein- und ausspringenden Rand und in der Mitte ihrer Fläche, zwischen den Rändern und Erhöhungen befinden sich Ver- tiefungen; der hinterste Backenzahn hat in der Mitte sei- ner Mahlfläche eine kesselartige Vertiefung *). Färbung: Obere Bartborsten schwarz, die unteren oder tiefer stehenden weisslich; Nasenkuppe, Lippenrand und Fusssohle fleischroth; Seiten der Nase, Rand der Ober- lippe, Unterkiefer, Kinn und Kehle, Vorderbeine innen und aussen bis gegen die Mitte des Schulterblattes, innere und vordere Seite der ganzen Hinterbeine, so wie alle übrigen Unterthcile schön rein weiss, und diese Farbe steigt bis in die Mitte der Seiten hinauf und deckt auch die Unterseite ^■) Ich habe leider im ersten Augenblicke die Wurzeln dieser Zähne nicht untersucht und das Exemplar ging verloren. Dem äus- seren Habitus zu Folge gehört diese Alaus eher zu Hypudaeus als zu Hesperomys; allein da Sp. Baird sie in letzteres Genus setzt, so muss er doch wohl dio Zahnwurzeln untersucht haben, und ich bin ihm daher gefolgt, versehe die Art aber mit einem ?. Ijk^ frinz Maximilian zu Wied: des Schwanzes; alle Obertheile des Thieres sind röthlich- grau, in den Seiten mehr röthlich , auf dem Rücken mehr grau; die Haare sind daselbst grau und an den Spitzen röthlich und in den Seilen sind diese röthlichen Haarspitzen länger, daher herrscht hier die röthliche Farbe etwas vor; Schwanz auf der Oberseite wie der Rücken ; an der vor- deren Ohrbasis beündet sich ein kleiner weisser Fleck, die etwas ^ verlängerten Haare sind hier weiss; das Ohr selbst ist wenigstens etwas behaart , dunkelgrau, an seinen nack- ten Theilen fleischroth. Ausmessung: Ganze Länge 4" 10'"; Länge des Kopfes 1" IV2'"; Länge des Schwanzes 1" IVa'"» ^on der Nasenspitze zum vorderen Augenwinkel 5'"; von da zur Ohrwurzel 3'"; Höhe des Ohres an der Scheitelseite 3V4'"; Breite des Scheitels zwischen den Ohren 7'"; Breite des Ohres an der breitesten Stelle 22/3'"; Länge der Vorder- handsohle mit dem Nagel 5'"; Länge des längsten Vorder- nagels IV3'"; Länge der Fersensohle mit dem Nagel 8V2'"5 Länge des längsten Hinternagels V2'"; Länge der Augen- önnung2V8'"; Umfang des Kopfes vor den Ohren etwa 2" 2'"; Umfang des Leibes in der Mitte 2" 8'" ; in der Dünnung 2" 1'". Innere Theile: Das Auge ist stark und ganz ku- gelförmig; Backentaschen fehlen; Zunge länglich, glatt, vorn mit einer kleinen Längsfurche, überall mit höchst fei- nen, kaum sichtbaren Papillen bedeckt, auf ihrem Hinter- theile steht eine gewölbte, wahrscheinlich drüsige Er- höhung; Rachen und Gaumen mit starken, erhöhten Quer- leisten bezeichnet, die in ihrer Mitte ausgerandet sind; Magen zusammengekrümmt, mit zerbissenen Pflanzentheilen angefüllt, am Pylorus setzt sich der Darm erweitert fort; scheinbar kein Blinddarm; Rectum dünn, glatt und rund; Leber in sechs Lappen getheilt; Nieren gross und ziem- lich bohnenförmig; Herz 4V5 Linien lang; Testikel zu bei- den Seiten, gross, sie sitzen etwas hinter der kleinen dün- nen und zugespitzten Ruthe. Diese Maus kommt häufig in den Prairies des oberen Missouri vor und zieht sich im Winter in die indianischen Dörfer und Hütten, wo sie die Wärme sucht und den Vor- räthen aller Art nachstellt. Verzeichniss Nordamerikanischer Säugethiere, 117 Die Mandan - Indianer kennen sie unter dem Namen „Mihtickä", ihrer allgemeinen Benennung für alle Arten -der kleineren Mäuse, und bei den Mönnitarris ist derselbe „Ehtaho" (eh stark, taho leise und kurz; bei den Arikka- ra's „Sähkeh.« Ich erhielt nur ein einziges Exemplar die- ser Species, deren Stellung im Systeme leider unbestimmt war, da ich , wie gesagt, die Zahnwurzeln nicht untersu- chen konnte. Da S. Baird diesen Theil wohl untersucht haben wird , so bin ich ihm gefolgt; allein in der Gestalt weicht diese Maus, wie gesagt, von Hesperomys bedeu- tend ab. Spencer ßaird citirl zu seiner Beschreibung un- serer Maus Audubon's Abbildung (T. II. Tab. C) , die auch wohl hieher zu beziehen sein dürfte , allein sie ist auf jeden Fall schlecht gezeichnet , die Färbung viel zu roth, überhaupt verfehlt. i^uff/ Audubon hat diese Maus lange nach mir kennen gelernt, meine Beschreibung aber ohne Zweifel übersehen. Er erhielt sie bei Fort Union, sie ist demnach ohne Zwei- fel bis zu den Rocky-Mountains, und vielleicht noch weiter verbreitet. Clenus Neotoma Say. Bilchratte. Diese von Say aufgestellte Gattung hat Richardson genauer beschrieben , man hatte aber eine Art derselben, N. Drummondii , für den Missouri noch nicht beobachtet. Leider waren die Exemplare , welche ich dort erhielt, sämmtlich etwas verstümmelt , ich kann daher nur eine ziemlich unvollkommene Beschreibung geben. 1. N. floridana Say. Die gemeine Bilchratte^^/ Say and Ord J. A. N. Sc. Philad. IV. 346. Audubon 1. c. I. p. 33. Tab. 4. Sp. Baird 1. c. I. p. 486. Die grosse Waldratte dieser Beschreibung habe ich im vollkommen frischen Zustande nicht erhalten , aber sie gesehen und am unteren Missouri bei den Pflanzern Klagen 118 Prinz Maximilian zu Wied: Über ihren Schaden gehört. Sie zieht sich nämlich in die Scheunen und Vorrathshäuser und bringt daselbst Schaden, wie alle Raltenarten. ? 2. A'. Drummondii Rieh. Drummond's Bilchratte. Richardson 1. c. I. p. 137. Sp. Baird 1. c. I. p. 499. (Neotoma cinerea). Beschreibung eines auf Cedar-Island er- legten weibliche n Thieres : Gestalt und Farbe etwa von Mus decumanus, allein der Schwanz kürzer und weit stärker behaart, der Kopf scheinbar etwas kleiner; er ist länglich, ziemlich gestreckt, mit langen, starken Bartbor- sten an jeder Seite der Nase und des Oberkiefers; Augen- Öffnung etwas länglich ; Ohren massig gross, ziemlich eiför- mig, oben an der Spitze abgerundet, nackt, aussen an ihrer Wurzelhälfte behaart; Beine kurz und stark, Schenkel stark und breit, Leib dick und gestreckt, wie an der Ratte; Vor- derfuss mit kurzem, kurz benagelten Daumen; Zehen zart, die äusserste die kürzeste; hinter den Fingern stehen auf der Vordersohle drei Ballen, hinter diesen zwei grössere; Hinterfuss bedeutend stärker als der vordere, der Daumen am kürzesten, mit einem gekrümmten Krallennagel verse- hen; die kleine Zehe ist länger, die übrigen noch länger, die dritte von innen (also der Mittelfinger) die längste ; Nägel aller Zehen vorn und hinten etwas durch die Haare verborgen; vier sichtbare Inguinalzitzen stark entwickelt, da das Thier vier Junge in einem hohlen Baume verbor- gen hatte , die man ebenfalls fand. Schwanz bedeutend kürzer als der Körper und dabei weit stärker behaart als an Mus Rattus , so dass man die Haut kaum hindurch se- hen kann, die Spitze der Schwanzhaut war zufällig abge- rissen, hier ohne Zweifel mit verlängertem Haarbusche wie an Myoxus nitela. Das Gebiss des Thieres kam überein mit dem von Harlan *) abgebildeten, mit dem kleinen Unterschiede, dass der hintere Backenzahn des Unterkiefers auf seiner Mahlfläche zwei gleichgeformte Rundungen bildete, wo in ') S. 3Iedical and physic^l Rcscaiches p, 53. Verzeichniss Nordamerikanischer Sängelhiere, 119 Harlan's Figur noch ein kleiner Einschnitt angegeben ist, welcher, wie gesagt, meinem Thiere fehlt. Die Nagezähne sind gross und gelb gefärbt. Färbung: Etwa wie an unserer Wanderratte. Alle unteren Theile mit der inneren und hinteren Seite der Glie- der und den ganzen Füssen sind weiss , die Wurzeln der Haare an den Untertheilen aschgrau; Sohle fleischroth; Obertheile des Thieres röthlichaschgrau , der Rücken bei- nahe grau, in den Seiten hell röthlichgrau, zuweilen fahl röthlich, ebenso die Seiten des Kopfes; Barthaare schwärz- lich mit weissen Spitzen; Schwanz an der Oberseite röth- lichgrau, an seiner unteren weiss. Ausmessung: Ganze Länge 11" 11'"; Länge des Schwanzes etwa 4" 10 bis 11"' (die Spitze kann , da die Haut fehlte, noch um einige Linien länger gewesen sein); Länge des Kopfes 2"; Höhe des äusseren Ohres (oben am Kopfe gemessen) 7'"; Länge der Vordersohle 8'"; Länge der Hintersohle von der Ferse an 1" 4%'''; das längste Barthaar hielt 2" 6'" in der Länge. Dieses weibliche Thier wurde auf Cedar - Island im Missouri in einer alten hohlen Ceder (Juniperus bermudiana) erschlagen und leider am Schwänze beschädigt. Es hatte sein Nest im Monat Mai in dem hohlen Baume gemacht, in welchem sich vier noch blinde Junge befanden. Sie wa- ren 4" 10'" lang, oben dunkel aschgrau, unten weiss, mit kurzen sehr glänzenden Haaren bedeckt, der Kopf sehr dick , die Ohren noch klein , die Nagezähne waren schon vorhanden. Dies ist ohne Zweifel die Waldratte, von welcher Le- wis und Clarke reden*). Ein anderes, am 24.0ctober bei Fort Union erhaltenes Exemplar: Der Schwanz war hier voll- ständig, länger und durchaus stark behaart, etwa wie an Myoxus glis, also gerade so wie ihn Richardson abge- bildet hat. Der Kopf des Thieres war gewaltsam zerstört, daher die Ausmessung nicht vollständig genommen werden konnte. ■) Siehe deren Reise (englische Ausgabe) Vol. I. p. 8. 120 Prinz Maximilian zu Wied: Ausmessung einiger Theile des Thieres: Länge von der vorderen Ohrbasis bis zum Schwanzende 13" 4'"; Länge des Schwanzes mit den Haarspilzen 7" 1'"; desselben ohne die Haarspitzen 6" 4'"; Breite des Schwan- zes an der breitesten Stelle 10'"; Höhe des Ohres (an der Kopfseite) 9"'; Breite des Ohres SVj'"; Länge der Vordcr- sohle mit dem Nagel 10"'; Länge der Hintersohle 1" 71/2'"- Dieses Exemplar erhielt ich bei Fort Union in einem jenseits des Flusses gelegenen Gebüsche; man findet dieses Thier aber auch am Yellow-Stoneflusse und in der ganzen Umgegend, ohne Zweifel bis zu den Rocky-Mountains und jenseits. Das zuletzt beschriebene Thier stimmt in der Beschrei- bung ziemlich mit Richardson's Neotoma Drummondii überein, wenn man die Ohren ausnimmt, die jener gelehrte Reisende als behaart angiebt. Bei dem früher beschriebe- nen Thiere war der Schwanz kürzer behaart und trug am Ende nur einen verlängerten und verdickten Haarbusch, wie an Myoxus nitela ; es fragt sich daher, ob beide Thiere identisch sind, oder nicht vielleicht verschiedenen Species angehören? da Spencer Baird deren mehrere aufführt. Ich muss das Gegentheil vermuthen, kann jedoch nicht mit Gewissheit entscheiden. Das zuerst beschriebene Thier würde ich für N. floridana gehalten haben , wenn dieses nicht bedeutend abwiche , indem es einen sehr viel länge- ren, kurz behaarten Schwanz und am Körper eine mehr dunkelbraune Färbung zeigt. Die von Baird beschriebenen Arten haben zum Theil viele Aehnlichkeit , ich kann sie aber nicht vergleichen, um ihre feineren Unterscheidungszüge aufzusuchen. Ich halte mein Thier für Spencer ßaird's N. cinerea, oder Drummon- dii Richardson. Das von mir hier beschriebene Thier hat die Lebens- art aller Rattenarten, besonders der Waldratten, und wird von den Mönnitarri- Indianern „Aihta-hitia" (ti und a ge- lrennt, i mit starkem Accent) genannt. Verzeichniss Kordamerikanischer Säugethiere. 121 deous Fiber Cut. 91oschusratte. F. zibethicus Linn. Die gemeine Moschusratte. Richards. I. p. 115. Audubon I. p. 108. Tab. 13. S. Baird I. p. 561. Beschreibung: Ein dickes abgerundetes Thier. Der Kopf ist dick, oben abgeplattet, die dicke Schnauze abge- rundet, beinahe gestaltet wie am Biber , allein die Ohren weit länger; Auge klein, seine Oeffnung rund, es steht hoch oben am Kopfe; Nasenkuppe breit, ihr oberer und vorderer Theil behaart; Nasenloch an der Seite geöffnet, sein vorderer Rand und der Raum zwischen beiden Oeff- nungen sind unbehaart ; am Oberkiefer sehr lange Bari- borsten, kürzere stehen am Kinne ; Ohren breit und abge- rundet, dicht und lang behaart, die Haare des Vorderrandes zum Theil über 5'" lang; Gebiss bekannt, die Nagezähne breit, stark, die oberen sind in der Mitte der Schneide etwas ausgerandet oder aiisgeschliffen ; Zunge länglich, vorn abgerundet , mit kleinen , etwas rauh anzufühlenden Papillen besetzt; Vorderbeine kurz und stark, die Arme dick, der Fuss fünffingerig, wovon der Daumen eine kurze, be- nagelte Warze ist; äusserer Finger der kürzeste, Zeige- finger ein wenig länger, Mittelfinger der längste; alle haben starke, zugespitzte, massig gekrümmte, unten ausgehöhlte Nägel ; in der Vorderhand stehen hinten zwei starke, w eiss- liche Ballen neben einander, wovon der äussere mehr zu- gespitzt ist, vor diesen bemerkt man hinler den Fingern noch drei sehr kleine Ballen; Hinterfüsse gross und plump, von der Ferse an sehr lang und beinahe nackt , nur mit kleinen kurzen Haaren besetzt, welche die Haut nicht ver- bergen; innere Hinterzehe die kürzeste, dann folgt in der Länge die äussersle, die zweite und dritte von aussen sind gleich lang und die längsten ; Hinternägel ziemlich gerade zugespitzt, zusammengedrückt; die ganze Fusssohle bis zur Ferse mit einer glatten, feinen, schwärzlichen Haut be- deckt, allein die ganze Sohle zeigt von der Ferse an an jeder Seite des Fusscs eine Einfassung von steifen, dicht gestell- 122 Prinz Maxim i 1 i an zu Wi ed : ten , steifen borslenarligen Haaren und dieser steife Haar- saum befindet sich auch an jeder Seite der Zehen ; ausser- dem zeigt die Hintersohle oberhalb der vier- äusseren Ze- hen drei kleine glatle, schwarze Ballen im Dreieck gestellt, und etwas weiter zurück hinter dem Daumen noch einen kleineren, und hinter diesem, noch weiter rückwärts einen länglichen Ballen , der grösser ist als alle vorhergehenden der Hintersohle; alle Zehen am Vorder- und Hinterfusse ha- ben in ihren Winkeln eine höchst kurze Spannhaut, welche man kaum bemerkt; Schwanz lang, aber kürzer als der Körper, an den Seiten zusammengedrückt, oben und unten kantig, an den Seiten sanft gewölbt , im Durchmesser also etwa von dieser Gestalt Q ; er ist mit schmalen häutigen Querringen bezeichnet, die wie bei den Mäusen aus Haut- schuppen zusammengesetzt sind und mit einzelnen, kurzen, dazwischen stehenden Haaren ; an der Wurzel ist der Schwanz etwas mehr rundlich, am Ende zugespitzt, wo eine kleine Haarspitze übertritt, sein letztes Viertheil hat eine sanfte Krümmung abwärts; Geschlechtstheile nicht weit vom Schwänze entfernt, einen starken Moschusgeruch ausstossend. Pelz des ganzen Thieres höchst dicht und weich, eine dichte W^olle , mit schönen, glänzenden länge- ren Haaren darin , welche am Bauche kurz , am Rücken über einen Zoll lang sind. Färbung: Obertheile dunkelbraun, so ist die Grund- wolle, welche überall durchblickt; Stachelhaar am Rücken schwarzbraun , sie färben den Oberkörper auf diese Art, aber die hellere Grundwolle unterbricht überall diese Farbe; Seiten und Untertheile dunkel graubraun. Ausmessung: Ganze Länge 21" 5'"; Länge des ■ Schwanzes 9" 1'"; Länge des Kopfes 2" 10'"; Länge des I Auges 2"'; Höhe der Augenöffnung IV2"'; Höhe des Ohres \ am Kopfe mit den Haarspitzen 11"'; Länge der Vorderhand auf der Sohle 14'"; Länge des ganzen Hinterfusses (von der Ferse zur längsten Nagelspitze) 3" 1'"; Breite der Vorderhand über den Fingern 6'"; Breite der Hinterhand eben daselbst 1'"; Länge des längsten Vordernagels 4'"; Länge des längsten Hinternagels 5'"; Höhe des Schwanzes an der Wurzel 6"'; desselben in der Mitte 6V2'"; Quer- Verzeichniss Kordamerikanisrher Säugethiere. 123 durchmcsser des Schwanzes an der Wurzel 6'" ; desselben in der Mitte ^^/2**\ Länge der längsten Bartborsten 2" 10'''. Innere Theile: Das Herz ist nicht gross; Lunge in 5 Lappen getheilt; Magen häutig, ohne Unterschied mit grünem Futter voll gepfropft ; Colon breit und gross, quer überliegend; drei verschiedene Ooffnungen für die Scheide, den After und den Harnweg; Moschusgeruch der After drü- sen sehr stark. Dieses weibliche Individuum wurde am 9. August in dem Bache Monocusa bei Bethlehem in Pennsylvanien ge- fangen. Ein grosses männliches T hier, am 5. Ja- nuar am Wabasch erhalten: Gestalt und Färbung wie früher beschrieben: Geschlechtstheile äusserlich etwa wie bei den Mäusen. Ausmessung: Ganze Länge 22" 4'" ; Länge des Schwanges 10" *) ; Länge des Kopfes 2" 8'"; Länge von der Nasenspitze bis zum vorderen Augenwinkel 1" 2%'"; Länge der Augenölfnung 2V4'" ■'>'^*') ; Länge vom hinteren Augenwinkel zur vorderen Ohrbasis 1" 2'"; Breite des Ohres an der Wurzel etwa TV2'"; Höhe des Ohres (mit sei- nen Randhaaren gemessen) 10 bis 11'"; Breite des Schwan- zes in der Mitte 41/2'" 5 Höhe desselben in der Mitte lOi/j'"? Breite desselben an der Wurzel 6'"; Länge der Vorder- sohle 1" 4V8'"J Länge des längsten Vorderfingers (Mittel- finger) ÖVe'" j Länge des längsten Vordernagels 41/2'"? Länge der Hintersohle bis zur Ferse 3"; längste Hinterzehe (Mit- telzehe) 9'"; längster Hinternagel 5V5'"; Umfang des Ko- pfes auf den Ohren etwa 6" 4'"; Umfang des Leibes hinter den Vorderbeinen 9" 6'"; Umfang desselben vor den Hin- terschenkeln 11" 2'"; Gewicht 3 amerikanische Pfund. Innere Theile: Penis des Männchens ohne Kno- *) Da sich bei diesem Thiere der Schwanz nicht wohl auf- wärts Liegen lässt, so wurde seine Länge vom hinteren Rande der Afleröffnung gemessen und mit der kleinen Ilaarspilze an seinem Ende. **) Harlan sagt die Augen seien gross, allein es ist gerade umgekehrt, wie auch Spencer Baird bestätigt, der überhaupt eine recht gute Beschreibung der iMoschusralte gegeben hat. 124 Prinz MaximilianzuWied: chen; Testikel zu den Seiten liegend; die Moschusdrüsen sind beinahe 6 Linien lang und ungemein stark riechend *) ; Magen zusammengekrümmt, darin ein klein gekauter weiss- licher Brei , ohne Zweifel von Maiskörnern , ein ähnlicher dunkel schiefergrauer , wahrscheinlich von Früchten, und ein grüner von Blättern, aber keine Spur von Fischen, so fanden wir diese Magen beständig. Varietäten: Eine rolhbraune Moschusratte hatte alle Obertheile glänzend röthlichbraun ; Vordertheil des Ko- pfes bis gegen die Stirn mehr schwärzlichbraun ; obere Nagezähne orangengelb, die unteren heller gelb; Beine, so weit sie kurz behaart sind, dunkel graubraun, die Klauen an ihrer Wurzel roth durchscheinend; Unterseite des Ko- pfes und Halses bis zu den Vorderbeinen weisslichgrau- braun , die übrigen Untertheile hell röthlichgraubraun. Ausmessung: Länge 21" 1'"; Länge des Schwan- zes 9"; er ist nackt (d. h. von dem Pelze des Rumpfes entblösst) auf 8" 4V2'"; Länge des Kopfes etwa d*' 0'"; Breite des Schwanzes an der breitesten Stelle 9'"; Länge des längsten Vordernagels 41/2'" j des längsten Hinterna- gels 4%'". Eine dunkelbraune Varietät: Obertheile schwärzlichbraun, die Wolle am Grunde dunkelaschgrau, dann graubraun, die langen Haare röthlichbraun mit star- ken schwarzbraunen Spitzen; Seiten graubraun , hier und da röthlich gemischt; untere Theile fahl graubraun, die Haarspitzen röthlichbraun. — Solche schwarzbraune Mo- schusratten sind gewöhnlich die kleineren, vielleicht ist daher die dunkle Färbung die der jüngeren Thiere. Audubon schildert sehr weitläuiig die Lebensart und die Natur der Moschusratte und man liest bei ihm, dass dieses Thier über beinahe ganz Nord -Amerika verbreitet ist. In manchen Jahren waren diese Nager so ausseror- dentlich zahlreich , dass gewisse Werke über jenes Land interessante Zusammenstellungen der ungeheueren Zahl die- ser Felle gaben, welche in einem Jahre an die Pelzhandel- Compagnien abgeliefert wurden. Der Preis eines solchen *) Hierüber siehe Harlan u. a. SchriflsleHer. Verzeichniss Nordanierikanischer Säugethiere. 125 Fellchens war zur Zeit unserer Anwesenheit in Amerika etwa 25 Cents oder % Dollar. — jNoch jetzt ist die Mo- schusratte selbst in bewohnten Gegenden nicht selten, in vielen Provinzen noch sehr häufig-, selbst in dem stark bewohnten Pennsylvanien. In der Stadt Philadelphia sollen sie an den Quays und Wehren noch häufig vorkommen, so dass sie ganze Ufer untergraben. Am Ohio, Wabasch, Mis- sisippi und St. Petersflusse werden sie überall gefunden, besonders zahlreich auch am oberen Missouri an kleinen Gewässern, Teichen, Seen und Lachen. Zwischen dem Missouri und dem Yellow - Stone in dem Winkel beider Flüsse in der Nähe von Fort Union, liegt ein See, wo man Alle Arten von Wasser- und Sumpfvögeln jagt, hier sollen auch diese Nager sehr häufig sein. Die Jäger brachten von dort täglich ganze Haufen dieser Thiere , 15 bis 20 Stück mit zurück. Je grösser ihre Anzahl in einem Jahre ist, desto mehr variiren sie in der Farbe, wie die Mäuse, bald sind sie mehr dunkel , bald mehr hell oder röthlich gefärbt, bald mehr blass oder fahl. Nach Richardson sollen sie im Norden schwarz und weissbunt vorkommen, wovon uns indessen kein Beispiel vorgekommen ist. In Jahren, wo sie sehr häufig sind, sollen sie zuweilen in Masse ausgewandert sein , wie andere Arten der Nager, besonders die Lemminge. Bekanntlich bauen die Moschusratten kegelförmige, etwa drei Fuss hohe Nester oder Haufen von Binsen, in welchen sie ihr eigentliches Lager oder Nest anbringen, und zu welchem sie einen Eingang unter dem Wasser ha- ben. Diese Wohnungen befinden sich in Teichen oder seichten Gewässern und es befand sich eine solche in der Nähe des Fox-River in Indiana. In dieser Hinsicht, so wie in einigen anderen Zügen, haben diese Thiere einige Aehnlichkeit mit dem Biber. Bei Bethlehem in Pennsylvanien sahen wir die Moschus- ratte mit grünem Futter im Munde abwechselnd hin und her nach ihren Jungen schwimmen. Capt. Franklin sagt "^j, wenn diese Gewässer gänz- *) Siehe dessen erste Reise p. 91 der englischen Originalausgabe. 126 Prinz Maximilian zu Wied: lieh gefrören , so frässen sich diese Thiere untereinander auf. Auf dem Eise lialten sie sich gewöhnlich ein Loch, welches sie ausna^on, und über solchen OefPnungen sollen sie gewöhnlich kleine Erdhaufen anbringen. — Um das Thier zu tödten, stechen die Pelzjäger mit einem spitzigen eisernen Bolzen in die Nester , indem sie wissen , wo das Thier seinen Sitz hat. Man fängt sie auch in Fallen, gräbt sie aus und schiesst sie mit der Flinte. Im Frühjahre ist der Moschusgeruch dieses Thieres sehr stark, besonders im Februar. Sie sind beissige Thiere , greifen den Menschen an, der sich ihren Jungen nähert , und springen zuweilen hoch an ihm in die Höhe, um zu beissen. Bei den Ojibuäs heisst die Moschusratte „Waschäsk"; bei den Krih's (Crees) ebenfalls; bei den Osagen (Wasaji) „Täh-si"; bei den Assiniboins „Sihntebä" (e halb ausge- sprochen); bei den Mönnitarris „Zih- zirrükka" (starker Accent auf zih). Genus Hypudaeus 111. Feldmaus. Nur zwei Arten aus dieser Gattung sind uns vorge- kommen , und von beiden kann ich heute keine Verglei- chung vornehmen, da die Exemplare verloren gingen. H. riparius Ord. Die pennsylvanische Feldmaus. Arvicola pennsylvanica Ord. Audub. III. p.302. S. Baird I. p. 522. Ich hielt dieses Thier anfänglich für Arvicola xantho- gnatha, allein S. B air d will diese Species in seinem Werke nicht anerkennen. Die hier erwähnte Maus ist gemein in Pennsylvanien , ich erhielt aber nur ein Exemplar dersel- ben, das ich in der Eile nicht beschreiben konnte und wie- der verlor. Man nennt sie in ihrem Vaterlande Meadow- Mouse (Wiesenmaus). Verzeichniss IVordamerikanischer Säugethiere. 127 Genus Perognathus. Taschenmaus. Da diese Gattung nun schon bekannt und durch Spen- cer Baird mit mehreren neuen Arten vermehrt worden ist, so werden die generischen Cliaraktere hier nicht wie- derholt werden. Ich werde mich also auf die genaue Be- schreibung der einzigen mir vorgekommenen Species be- schränken. P. fasciatus. Die Taschenmaus mit röthlichen S eiten. Acta Acad. C. L. C. Nat. Cur. T. XIX. p. 1. Audubon 1. c. III. p. 341. S. Baird 1. c. I. p. 420. Beschreibung: Der Kopf ist breit, die Schnauze ein wenig abgerundet, der Oberkopf oder Scheitel erhaben und von da zur Schnauze in einer ziemlich geraden Linie abfallend; Nasenkuppe nach vorn nackt, an ihrer Ober- seite behaart, von einer kleinen Furche senkrecht getheilt; Mund weit hinter die Nasenkuppe zurückgezogen; die Kehle stark eingezogen oder wie eingeschnürt; Auge ziemlich gross, schwarz, die Oeffnung elliptisch und an beiden En- den etwas zugespitzt; äusseres Ohr eiförmig, kurz, nicht die Höhe des Kopfes erreichend , etwas seitwärts liegend, seine Längenaxe bei dem todten Thiere ein wenig hori- zontal nach hinten gerichtet , also weniger senkrecht als gewöhnlich bei den Mäusen; das Ohr ist übrigens inwen- dig beinahe nackt , mit glattem Hautrande muschelförmig concav ; unter seinem äusseren Rande stehen an der inne- ren Seite einzelne anliegende Haare; der Ohrrand tritt an der äusseren dem Kopfe zugewendeten Seite kaum über den Pelz hervor , ist also beinahe angeheftet und behaart wie der Kopf. Schnauze und Lippen fein behaart, die Haut scheint röthlich zwischen den Haaren hindurch ; Spitzen der unteren Schneidezähne bei geschlossenem Munde im- mer etwas sichtbar: Seiten- und Obertheil der Schnauze über und neben der Nase mit zarten weissen und schwarz- braunen Bartborsten besetzt ; an jeder Seite des Unterkie- 128 Prinz Maximilian zu Wied: fers befindet sich eine lialbinondförmige , beinahe 5 Linien lange Längsspalle , welche der Eingang zu der grossen Backentasche ist. Diese Taschen lassen sich leicht umkeh- ren , und bilden in diesem Zustande an jeder Seite einen breiten, platten, beinahe durchsichtigen Hautflügel ^) ; sie sind an ihrer inneren Fläche mit feinen, kurzen, weissen Haaren besetzt, 7 Linien lang oder tief und 5% Linien breit, und dehnen sich gegen das Schulterblatt aus; der Gaumen ist an jeder Seite mit kurzen, erhabenen Querlei- sten bezeichnet, die in ihrer Mitte unterbrochen sind. 2 4.4 G e b i s s; Vorderzähne — : Backenzähne :; — ,. — 2 ' 4.4 Schneidezähne: oben und unten zwei, die oberen lang, kegelförmig zulaufend, von den Seiten zusammengedrückt, die scharfe Schneide abgestutzt; an der Vorderfläche des Zahnes läuft eine tiefe , starke Längsfurche hinab, welche an der Schneide (scalprum) einen kleinen Ausschnitt oder Ausrandung verursacht; diese Furche steht nicht auf der Mitte des Zahnes, sondern ein wenig entfernt von der äus- seren Kante der Vorderflächen. Backenzähne: an jeder Seite oben und unten vier; die oberen nehmen nach hin- ten an Grösse ab , die beiden vorderen sind einander an Grösse etwa gleich, der letzte oder hinterste der kleinste; sie haben auf ihrer Mahlfläche sämmllich abegrundete Ke- gelspitzen oder Höcker, der erste vier, wovon einer vorn, und hinter demselben drei in einer Querreihe stehen; die beiden nachfolgenden Zähne tragen ein jeder sechs Spit- zen, die in zwei, durch eine geradlinige Furche getrennten Querreihen, immer zu dreien neben einander stehen ; der letzte oder hinterste Zahn hat wieder vier oder fünf Höcker. — Im Unterkiefer sind die Kegelspitzen stark. Der vorderste kleine Zahn hat deren fünf, die beiden nächst- folgenden grössten jeder sechs , der hinterste oder letzte ist kleiner und hat , wie es scheint, zwei Spitzen weniger als die mittleren Zähne; Wurzeln der Backenzähne sehr kurz und scheinen kranzförmig rund um den äusseren Rand *) Siehe die Gestalt der umgestülpten Backentascben Taf. IV. Fig. 6 u. 7. Verzeichniss Nordamerikanischer Säugelhiere. 129 ZU Stehen, in der Mitte der Unterfläche des Zahnes aber eine kleine Höhlung zu bilden. Die Vorderbeine des Tiiieres sind sehr kurz, die Füss- chen klein, höchst zart und schmal, mit vier Zehen und einer kleinen Daumwarze, welche einen JNagel trägt; Mit- telfinger der längste, der Zeige- und vierte Finger beinahe gleich lang, der kleine ist kürzer, alle mit starken, zusam- mengedrückten, sanft gewölbten, zugespitzten Nägeln be- setzt, welche auf % ihrer Länge von den Zchenhaaren be- deckt werden; Sohlen nackt; hinter jedem Finger steht ein Ballen; zwei andere neben einander unter der Hinterhand ; Hinterbeine gebildet wie an der Hausmaus, die Schenkel stark, der Fuss mit vier Zehen und einer benagelten Daum- warze, die etwas weniges weiter zurücksteht, als der kleine, ebenfalls sehr kurze Finger; Mitlelzehe die längste, die Nebenzehen einander beinahe gleich, der vierte Finger scheint kaum merklich länger als der Zeigefinger; auch hier steht hinter jeder Zehe ein Ballen, zwei andere klei- nere warzenartige Hornballen stehen neben einander in der Höhe der Daumwarze; Nägel der Hinterzehen denen der vorderen ähnlich, allein etwas kleiner und mehr gestreckt. Schwanz etwas kürzer als der Rumpf (mit dem Kopfe), rund, mit schuppigen Hautringen umgeben, welche durch die ziemlich starke, steife Behaarung hindurch blicken; Körper mit sehr glatt aufliegenden, zarten, glänzenden Haa- ren dicht bedeckt. Einige Lücken dieser Beschreibung in Betreff der Zunge, der Geschlechts- und inneren Theile sind durch den Verlust eines Theiles meiner Sammlung verursacht worden. Färbung: Nase und Lippen fleischroth durch die weissliche Behaarung hindurch schimmernd, ebenso die vier Beine vom Schenkel an abwärts; alle Untertheile des Kör- pers sind schön rein weiss; Obertheile bräunlicholivengrau, die Haare an der Wurzel olivengrau, an der Spitze gelb- lich oder schwärzlich, daher das Thier ein gemischtes An- sehen von Schwärzlich und Gelbröthlich hat, oder gestri- chelt ist; ebenso sind die Seiten des Kopfes; Umgebung des Auges und oberer Ohrrand mehr fahl röthlichgelb; die Arohiv f. Naturg. XXVIII. Jahrg. 1. Bd. 9 130 Prinz Maximilian zu Wied: weisse Farbe des Unterleibes läuft bis über die Vorder- schenkel hinauf und die Seiten des Bauches sind ebenso gefärbt, allein längs der ganzen Seiten des Thieres von der Nase bis über den hinteren Schenkel und bis zur Ferse hinab wird die Rückenfarbe von den weissen Theilen durch einen niedlichen, fahl gelbröthlichen oder hell rostrothen Uebergangsstreifen oder eine solche Einfassung getrennt; Schwanz durchscheinend röthlichgrau, auf der Oberseite mehr grau, auf der unteren mehr weisslich gefärbt. Ausmessung: Ganze Länge 4" 8V2'"5 Länge des Schwanzes mit den Haarspilzen 2" 1'" ; die Haarspitzen tre- ten etwa 1'" lang über die Schwanzspilze vor; Länge des Kopfes 11'"; Breite des Kopfes zwischen den Ohren 5%'"; von der Naseiikuppe zum vorderen Augenwinkel 4y5"'; Länge der Augenöifnung 1V2'"> vom hinteren Augenwinkel zur Spitze des Ohres 5%'"; Länge des äusseren Ohres 2'''/^"\ Absland des oberen Ohrrandes vom Kopfe IV9'"; Länge der Bartborsten 10 bis 11"'; der Mund ist hinter die Na- senkuppe zurückgezogen um 3 V3'"; Höhe des ganzen Thie- res am Vordergeslell mit ausgestreckten Beinen und Hand V* 2'"; Höhe des Hinlergestelles auf dieselbe Art 1" 6'"; Länge des Hinterfusses von der Ferse an 8"'; Länge der vorderen Mitlelzehe 2'"; Länge der hinteren Miltelzehe (mit dem Nagel) 2V5'"; Länge des längsten Vordernagels V5'" i des längsten Hinternagels Vj'". Ein anderes Exemplar war etwas grösser, es hielt in der Totallänge 4" 10"'. Diese niedliche Maus lebt in den Gebüschen an den Ufern des oberen Missouri und wurde von uns zuerst in der Gegend der Vereinigung des Ycllow-Stone-Flusses mit dem Missouri beobachtet. Sie soll auch in den Gebüschen in der Nähe der Mandan-Dörfer Mih-tutta-hangkusch und Ruhpläre vorkommen, ist also ohne Zweifel über alle die westlichen Prairies bis zu den Rocky-Mountains hin ver- breitet. In den Gebüschen bei Fort Union muss sie häufig sein, da die indianischen Kinder sogleich mehrere dersel- ben einbrachten. Sie wohnt in der Erde, gleich unseren Waldmäusen, unter alten Stöcken, Wurzeln, Steinen, wo sie Vorräihe verschiedener Sämereien einträgt. Ihre gros- Verzeichniss Noidamerikanischer Säugethiere. 131 sen Backentaschen fand ich mit den kleinen Sämereien von Gräsern angefülU, auch vielleicht anderer Pflanzen, vi^elche sie Tür ihren Wintervorrath sammelt. Dieses Thier scheint seine Taschen leicht umkehren zu können, um sie zu ent- leeren, da sie sich sehr leicht in eine solche Lage bring-en lassen. Ob diese Maus auch in der offenen Prairie gefun- den werde, oder bloss in den Gebüschen, kann ich nicht sagen, doch glaube ich das letztere. Nahrung und Fort- pflanzung scheinen mit denen der Mäuse übereinzustimmen. Diese Maus ist nahe verwandt mit Fr. Cuvier's Sac- comys anthophilus^ doch ist das Gebiss zum Theil verschie- den. Die von mir im 19. Bande der Schriften der Kaiser!. Leop. Carol. Akad. der Naturf. gegebene Abbildung ver- danke ich der Güte des Herrn Frederic Cuvier, der sie noch kurz vor seinem leider so früh erfolgten Tode von dem berühmten Werner in Paris nach meinem Exemplare halte ausführen lassen. Herr Spencer Baird beschreibt für diese Species eine Maus aus der Gegend von Cihuahua in Mexico nach einem präparirten Exemplare, die aber in der Grösse sehr bedeutend von der meinigen verschieden ist, auch wird der Bau des Ohres anders angegeben, und ich muss daher ver- mutlien, dass sie zu einer anderen Species gehöre, worü- ber nur die nähere Vergleichung entscheiden wird. Baird beschreibt übrigens schon sechs Arten dieses neuen Genus, ein Beweis, dass dasselbe zahlreich an Arten und selbst weil verbreitet ist. Farn. 5. Gastorina. Biber. Genus Castor Linn. Biber. Die Biber bilden bekanntlich eine der interessantesten Thiero^atlunorcn und zeio;en in den verschiedenen Welflhei- len grosse Aehnlichkeit unter einander. Die Frage, ob der europäische und amerikanische Biber zu ein und derselben Species zu zählen seien, war bis jetzt noch immer nicht 188 Prinz Maximilian zu Wied: vollsländig beantwortet. Um so mehr habe ich es zu be- dauern, dass wir alle die interessanten, sich auf diese PVage beziehenden Materialien unserer dort gemachten SammUing verloren, sowohl Branntwein-Präparate, als colossale Schä- del und schriftliche Notizen, weshalb ich denn auch nur sehr wenig Aulklärung in dieser Angelegenheit geben kann. Schon Fr. Cuvier fand an den Schädeln der Biber beider Welltheiie bedeutende Abweichungen und diese wur- den neuerdings von Brandt*) bestätigt und noch gründ- licher und genauer angegeben, so dass es wohl unbedingt gerechtfertigt erscheint, wenn man beide Thiere als beson- dere Species betrachtet. Im Aeusseren gleichen sie sich sehr, doch würden hier gewiss die vergleichenden Aus- messungen von entscheidender Wichtigkeit gewesen sein, so wie die anatomische Untersuchung der inneren Theile, allein es sollte dieses andern Beobachtern vorbehalten blei- ben. Die vortreffliche Abhandlung von Brandt und Ratze- burg über den Biber'""-*) ist für die europäische Art ganz erschöpfend, um so interessanter würde es sein, wenn nun die Vergleichung geliefert würde. Ich werde in den nach- folgenden Zeilen meine Notizen über den amerikanischen Biber mittheilen, wie ich sie niederschrieb, und keine Rück- sicht auf jene Abhandlung von Brandt und Ratze bürg nehmen, da ich sie erst später erhielt. 1. C. americanus Fr. Cuv. Der amerikanische Biber. Richardson 1. c. I. p. 105. Audubon und Bachmann I. c. I. p. 347. Tab. 46. Spencer Baird 1. c. I. p. 355. Die Aehnlichkeit des amerikanischen Bibers mit dem europäischen ist, wie gesagt, sehr gross, selbst in der Fär- *) S. Memoiies de l'Acad. Imp. de St. Petersb. 1. cit. p. 67 und 77. *') S. Brandt und Ratzeburg medizinische Zoologie. Bd. I. p. 12 u. Folge. Verzeichniss Nordamerikanischer Säugethiere. 138 bung scheint kein bedeutender Unterscliied statt zu finden. Man bemerkt in Amerika dunkle, mehr schvvärzlichbraune, mehr röthiiche und mehr graubraune Exemplare, auch sciiön weiss gefleckte, wie ich deren mehrere sah. Die aus dem Norden kommenden Felle schienen aber meist dunkler ge- färbt als die vom Missouri, und dieselbe Beobachtung kann man auch an anderen Pelztliieren machen, wie es scheint, z. B. an Fischottern, Mardern u. s. w. Dass in jenen weit kälteren Gegenden die Pelze der Thiere weit schöner be- haart seien, kann man sich denken. Die Grundwolle ist dort viel dichter und stärker und das obere längere Haar dunkler und von schönerem Glänze. Der Biber des Mis- souri hat die Farbe des europäischen, er ist oft ziemlich hellbraun. Die weiss gefleckten Exemplare zeigten silber- glänzende irreguläre, weisse, bald kleinere, bald grössere Flecken, und wir haben sehr schöne Thiere dieser Art ge- sehen, die auch nicht sehr seilen waren. Ebenso giebt es daselbst auch gänzlich weisse oder gelblichweisse Indivi- duen, deren Felle jedoch nicht theuerer verkauft werden als die gewöhnlichen. Man soll solche gelblichweisse Biber besonders an einigen Nebenflüssen des Yellovv-Stone (La Roche Jaunej finden. Ein einziges Stück des amerikanischen Bibers, wel- ches ich noch besitze, ist ein vollständiger Schwanz des- selben, von 8 Zoll 8 Linien Länge, während ein europäischer Biber, bei einer Totallänge von 2 Fuss 9 Zoll, einen etwa 9 Zoll 9 Linien langen Schwanz trägt, von welchem etwa noch ein Zoll breit von den Haaren des Körpers bedeckt wird. Vergleicht man diese beiden Schwänze miteinander, so haben sie eine bedeutend abweichende Gestalt, indem der europäische weit schmäler und im Verhältnisse mehr gestreckt ist, wie nachfolgende Ausmessung zeigt: Europäischer Biberschwanz. Amerikanischer Biberschwanz. Länge 9" 4'". Länge 9" — Breite in der Mitle . 4" 4'". Breite in der Mitte . 5" 7'" Breite an der Wurzel 3" 6'". Breite an der Wurzel 3" 7'" Breite zwei Zoll ober- Breite zwei Zoll ober- halb der Spitze . . 3" 2'". halb der Spilze . . 4" — Aus diesen angegebenen Maassen erhellt, dass der Schwanz 184 Prinz Maximilian rn Wicd: des europäischen Bibers weit schmäler und weni^rer rund grstHltel ist, also nn seinen Seiten mehr parallel läuft, auch ist der amerlkanisehe unten an seinem Ende in der Milte zugespitzt, \vo der erstere sich mehr abgestumpft zeijjt. In den Bedeckunsjen diese s Thächse leben, auch selbst starke Stämme mit ihrem scharfen Gebisse fällen, theils um sie zu ihren Bauten zu gebrauchen und anderentheils, um zu den Aesten zu gelangen. — An solchen Stellen findet der Naturfreund und Beobachter die Spuren des merkwürdigen Kunstlriebes oder Instinkts, welcher diese harmlosen und von den habsüchtigen Menschen leider auf das grausamste verfolgten Thiere auszeichnet. In Europa ist nun der Biber bis auf wenige Stellen, wo man sie schützt, beinahe gänzlich ausgerottet, in Nord- Amerika in weiten Gegenden ebenfalls, doch giebl es da- selbst auch noch weite Landstriche, wo er noch ziemlich häufig ist. Bei der methodisch betriebenen Nachstellung der Biber nimmt ihre Anzahl jährlich ab und der Augen- blick ist nicht mehr fern, wo die Pelzhandel-Compagnien ihre Geschäfte gänzlich werden einstellen müssen. Die Biber bewohnten früher in grosser Menge die Flüsse und Seen ''*) Siehe den ümriss der Gestalt dieses amerikanischen Biber- schwanzes Tab. IV. flg. 11. Verzeichniss Nordamerikanischer Säogethiere. 135 des inneren Nord-Ainerika's. Richardson und andere Schriftsteller, besonders auch A u d u b o n , haben über diesen Gegenstand schon Vieles gesagt, doch bei dem letzteren findet man auch viele fabelhafte Erzählungen von diesen Thieren aufgenommen. Ueber die grosse Anzahl der Biberfelle, welche die englischen und amerikanischen Pelzhandel-Com- pagnien ausführten, findet man daselbst interessante aber zugleich traurige Kachrichten, welche ich hier nicht wie- derholen werde. Den hohen Norden von Amerika beuteten in dieser Hinsicht bekanntlich die englische Hudsons-Bay- Company und die North -West-Company aus, deren Ange- stellte sich untereinander förmlich bekriegten, bis sich beide Gesellschaften endlich vereinigten. An diese schloss sich südlich die American-Fur-Company an, welche nach und nach eine noch weitere Ausbreitung gewann, und alle ar- beiten gemeinschaftlich an dem nahe vorher zu sehenden Ruin dieser merkwürdigen Thierart. Schon haben sie weite Gegenden aufgeben müssen, wo der Ertrag nicht mehr lu- craliv war. Am unteren Theil des Missouri-Laufes ist der Biber jetzt schon sehr selten geworden, ja vermuthlich gänzlich ausgerottet. Die ersten Spuren dieser Thiere, ab- genagte Stämme, fanden wir bei unserer Reise flussaulwärts in der Gegend des Sioux-River und des Vermillon , den ersten Biberbau hingegen in der Nähe der Mündung des While-Stone-River'^). Von Fort Union aufwärts bis Fort M'kenzie zählten wir 27 Biberbaue im Flusse, und in der Gegend der Arikkara-Dörfer Höhka-Wirält und Achlärahä scheinen sie noch am zahlreichsten zu sein, ohne Zweilei, weil diese Indianer, in Folge ihrer Misshelligkeiten mit den Weissen, ihre Dörfer schon seit Jahren verlassen und mit Sack und Pack nach den Grenzen von Neu-Mexico ausge- wandert waren. Ihre besten Geschälte macht jetzt noch die Pelzhandel-Compagnie in den entferntesten Gegenden, wo die Weissen noch nicht lange Fuss gelasst haben und sie strebt desshalb danach, das Netz ihrer Handelsposten mmer weiter auszudehnen. Der Kunsttrieb des Bibers ist bekannt und gewiss in- *) S. die Beschreibung meiner Reise Bd. I. p. 423. 136 Prinz Maximilian zu Wied: teressnnt, allein man hat diesen mechanischen Instinkt weit uhertriehen un«l diesen Thieren Verslandesäusserungen zu- geschrieben, welche die Naiur allein dem Menschen ver- liehen hat. Wir haben nicht sell)st Gelegenheit gehabt grosse ßiberbaue und ihre so viel besprochenen Dämme zu sehen, sondern nur die am Missouri noch heut zu Tajjc nicht sel- ten vorkommenden ßeaver-Lodges (Biberhüllen), welche stets am Uferrande, aber dennoch immer im Wasser gelegen sind. Sie bestehen in einem 4 bis 6 Fuss hohen Reisig- haufen, der oben abgerundet ist, zum Theil durch einen kleinen Erd- und Holzdamm mit dem Ufer in Verbindung steht und in dem sich die Kammer der Thiere befindet. Ein eigentlicher Schutzdamtn, um das Wasser abzudämmen und aufzustauen, kant» in einem rcissenden Flusse nicht statt- linden und wird nur in Landseen und seichten Flussarmen angelegt. — Die Bewohner haben zu diesen Bauen ihren Eingang unter dem Wasser. Es soll aber hier am Mis- souri ebenfalls Biber geben, welche nur in üferröhren oder Erdbauen, wie die Dachse, wohnen, und in welchen sie zuweilen mehrere Kammern anlegen. Auch zu diesen Woh- nungen soll sich der Eingang unter Wasser befinden, aber bald aufwärts steigen, so dass die Bewohner nie vom Was- ser vertrieben werden können. Bei den Flussbauten der Biber bringen diese Thiere eine Menge von Zweigen, Aeste, Holzstücke, Steine, Knochen, ja selbst zuweilen die alten, in den Prairien in Menge umherliegenden Bisonschädel zu- sammen, besonders wenn sie Dämme errichten, welche eine bedeutende Festigkeit haben müssen. — In diesen nach ihrem Gefallen hinter den Dämmen anorestauten W^assern erbauen sie alsdann ihre zuweilen 20 bis 30 Fuss im Durch- messer haltende Hütte, welche ein bedeutend geräumiges Haus ist. Capt. Cartwright*) giebt eine vortreffliche Nachricht von der Lebensweise der Biber, die in allen Punkten mit den von uns gemachten Erfahrungen über diesen Gegenstand übereinstimmt. Die einzige Abweichung hierbei ist, dass mir die Biberjäger immer versicherten, es ) S. Capt. Cartwrigfit Tagebuch »eines langjährigen Aufent- haltes an der Küste Labrador (1772). Verzeichniss ?fordanierikani8cher Säugethiere. 137 befänden sich mehrere Kammern in einem Baue; allein auch dieser Nachricht widerspricht Cartwright, und er wird ohne Zweifel die Wahrheit sagen, denn er setzt hinzu „es würden zuweilen zwei Baue aufeinander gesetzt und dieses verleite die Jäger, zwei Kammern anzunehmen'**). Um die Dämme zu erbauen bedienen sich die Biber des Mau- les, der Hände und des Schwanzes, sie tragen die Mate- rialien im Munde, schieben die Erde mit der Brust und den Vorderfüssen und schlagen sie mit den Händen und dem Schwänze platt. Mit einer Bürde schwimmen sie leicht und schnell, und das Holz und die übrigen Materialien verfilzen und verarbeiten sie so fest, dass es den Jägern grosse Mühe macht, eine solche Hütte zu durchbrechen, und selbst star- ker Strom und Eisgang kann ihnen nicht viel Schaden zu- fügen. Man eröffnet die Biberbaue an der Oberfläche und be- dient sich dazu starker eiserner Instrumente, scharfer Aexte, Hacken, Hauen und langer Dorne. Mir ist es nicht gelun- gen einer solchen Demolirung beizuwohnen, um das Innere der Hütte untersuchen zu können, man wollte jene Biber- baue schonen, in den grossen Gebäuden sollen zuweilen 15 bis 20 Thiere beieinander wohnen, mehrere Generatio- nen vereint. Die Kammern sind mit Gras und Heu ausge- füttert, wo die Bewohner warm liegen. Wollen die Biber in ihr Haus einkriechen, so tauchen sie unter und suchen den Eingang von unten, deren sie gewöhnlich mehrere ha- ben. Wenn sie Zweige für ihre Nahrung haben wollen, so eilen sie der Weidendickung zu, beissen einzelne Ruthen ab, ziehen sie mit den Zähnen aus dem Schlüsse der Dik- kung heraus und legen sie regelmässig auf einen Haufen zusammen, und sobald sie einen Bündel von der Dicke eines Armes zusammengeschnitten haben, fassen sie ihn mit den Armen und tragen ihn neben den Bau, wo er bis zu vorkommender Gelegenheit liegen bleibt. Will der Biber *) Es sind mir selbst in Deutschland noch ganz ähnliche grosse Bauten der Biber beliannt. Oberforstmeister v. JMcyringk hat einen solchen von der Elbe beschrieben und ein anderer befand sich auf den Gütern des Generals v. Jagow bei Magdeburg u. s. vv. 138 Prinz Maximilian in Wied: später fressen, so taucht er hinab, schneidet eine Ruthc von dem grünen Zweigvorralhe ab, zieht diese in den Ein- gang seiner Röhre und frisst die Rinde an dieser Stelle. Das Fressen geht höchst schnell von stalten, wie ich mich an lebenden gezähmten Bibern selbst überzeugt und mit Be- wunderung ongestaunt habe. Sie nehmen die Zweige hori- zontal in beide Hände und drehen sie stets mit merkwür- diger Geschwindigkeit um, indem die Zähne ebenso schnell nagen, wobei im Augenblicke ein langes Reis seiner gan- zen Rinde beraubt wird. Da wo das Eis zwischen dem Ausgange und der Hütte bis auf den Grund gefriert, machen die Biber nach verschiedenen Richtungen Canäle unter dem Eise, indem sie die Erde heraus arbeiten, und durch diese von dem Wasser erfüllten Gänge gehen sie ab und zu nach ihrem Baue. Das Eis durciinagcn sie nach Bedürfniss. Findet der Jäger die Biber nicht in ihrer Wohnung, so sucht man jene Gänge auf und schlägt das Eis über ihnen entzwei. Hier liegen alsdann die geängstigten Thiere unbeweglich still, dicht aufeinander gedrängt, man hebt sie an einem Hinterbeine auf und wirft sie auf das Eis, da sie langsame und schwerfällige Thiere sind. Um sie zu tödten wirft man sie auf den Rücken und giebt ihnen einen Schlag auf die Brust. Verwundet oder geängstigt beisst sich der Biber oft unter Wasser an einer Wurzel oder einem Stücke Holz fest und die stärksten Männer sollen dann nicht im Stande sein, ihn loszureissen. Man soll öfter träge oder schwäch- liche Biber finden, welche keinen Zweigvorrath (apat) für den Winter sammeln; diese nagen alsdann im Winter ein Loch durch das oft 4 bis 5 Fuss dicke Eis, gehen durch dasselbe ein und aus und suchen ihre Nahrung in den be- nachbarl(;n Weiden- und Pappelgebüschen. Diejenigen Bi- ber, welche einen Wintervorrath sammeln, kommen nicht über das Eis herauf, sie cirkuliren durch ihre früher er- wähnten Canäle unter Wasser und man bekommt sie im Winter nicht zu sehen. Sehr häufig haben wir an den Ufern des Missouri die Zerstörungen beobachtet, welche diese Thiere in den Ufer- waldungen anrichten, und welche der Forstmann bei uns Verzeichniss IVordamerikanischer Säogcthiere. 139 nicht approbiren würde. Grosse Pappeln von IVg ^^ss im Durchmesser waren rundum durchnag^t, bis sie fallen muss- len, und so lagen sie an einigen Stellen kreuz und quer durcheinander. Die Biber leben im Monogamie und pflanzen sich erst im dritten Jahre fort. Die Jungen, deren man zwei bis drei, zuweilen sogar bis zu sieben oder acht finden soll, sind im zweiten Jahre gepaart beieinander und sie er- bauen sich nun zum Theil ihre besondere Hotte. Im drit- ten Jahre werfen sie alsdann Junge, anlänglich weniger, all- mählich aber mehrere. Im Februar, März, April und Mai ist die Ranzzeit dieser Thiere. Sie sind unter sich immer auf- merksam auf ihre Feinde, dabei schüchtern und sobald sie etwas Fremdartiges vernehmen, geben sie mit ihrem flachen Schwänze einen Schlag auf das Wasser, Avelcher einen lau- ten Knall hervorbringt. Das Leben der Biberjäger ist voll von Entbehrungen und Gefahren, hat jedoch für den kräftigen unternehmen- den Schlag jener Abenteurer sehr viel Anziehendes. Von den Indianern, auf deren Gebiet sie die Jagd betreiben, werden sie mindestens ausgeplündert oder misshandelt; es giebt aber mehrere Nationen, unter ihnen besonders die Blackfeet-lndianer, welche solchen Trappern nie das Leben schenken und alljährlich werden mehrere von ihnen getöd- tet. Oft ereignen sich zwischen den Indianern und den Jägern bedeutende Gefechte. Oefters gehen die Trapper truppweise aus, oft auch nur allein. Im letzteren Falle zie- hen sie mit einem Reit- und einem Packpferde aus, wel- ches ihr Gepäcke und die eisernen Fallen trägt. Sie über- nachten unter freiem Himmel und ihre Büchse versorgt sie mit Fleisch. Die zum Biberfange ungünstige Jahreszeit bringen sie auf den Handelspöisten derCompagnie hin, von welcher sie gewöhnlich alle ihre Bedürfnisse auf Abrech- nung gegen die zu erbeutenden Biberfelle nehmen. Die Hauptzeiten für diese Jagd sind Frühling und Herbst, weil im Sommer das Fell an Güte abnimmt, was im Norden nicht der Fall sein soll. Das Pfund Biberfell galt zur Zeit unse- rer Anwesenheit etwa zwei bis drei Dollar, ein grosses Bi- berfell wiegt aber zwei bis drei Pfund. Das Gewicht eines 140 Pri nf. Maximilian zu W i e d : starken Bibers soll öfters über 60 Pfund erreichen. Bei Opposilion verscliiodener Pelzhändler wird der Preis dieser Felle oft sehr in die Höhe getrieben, wie dies u. a. im Winter 1833 — 34 der Fall war, wo man das Pfund mit zehn bis zwölf Dollar bezahlte. Junjr oingefangcn wird der Biber sehr zahm, wie wir an mehreren Thioren dieser Art zu beobachten Gelegenheit fanden. Zu Fort Union befand sich ein altes Thier dieser Art, welches so gross wie ein zweijähriges Schwein, gewiss über 4 Fuss lang, aber vollkommen blind war. — Es war sehr zahm und ging ungehindert im ganzen Hause herum. Alle ihm unbekannten Personen suchte es zu beissen, wehrte sich gegen sie und gab laute, sonderbare Stimmen von sich; dagegen war es gegen bekannte Personen sehr zutraulich. Die Klauen an den Zehen waren ihm überaus lanof und krumm seitwärts hinausg^ewachsen und es kratzte sich häufig damit. Sein Fressen war interessant zu beob- achten, wie weiter oben beschrieben. In der Buhe lag es platt auf dem Bauche, w obei man nichts von den vier Bei- nen sah. Zum Fressen sass er aufrecht wie ein Eichhörn- chen. Uebrigens sind alle Bewegungen dieser Thiere lang- sam, nur beim Schwimmen nicht. Das Fleisch des Bibers ist sehr zart und wohlschmek- kend, wir haben dasselbe immer sehr gern gegessen, auch bestätigt dieses Capt. Cartwright, der ihm den ersten Bang unter allem Wildpret im Norden von Amerika ein- räumt. Der Schwanz des Bibers wird als eine Delikatesse betrachtet; wir haben ihm aber keinen Geschmack abge- winnen können. An Fabeln und Erdichtungen über die Natur eines so originellen Thieres konnte es wohl nicht fehlen und man erzählt eine Menge von albernen Geschichten von der Klug- heit und dem Menschenverstände desselben. In der Le- bensgeschichle des Capt. Bonneville*) findet man u.a. gesagt, der Biber lasse die ihm von den Trappern geleg- ten Tellereisen (Steel-Trapps) losschlagen, indem er sie mit *) S. Advenlures of Capt. Bonne ville by AV as h i ng t o n I r vi n g. Paris 1837. Verzeichniss Nordamerikanischer Säugelhiere. 141 einer Ruthe oder einem Stocke absichtlich berühre u. s.w., Sagen, welche Capt. CartYrright schon hinlänglich wi- derlegt hat*). Der Biber trägt in seinen verschiedenen Altersperio- den bei den Pelzhändlern verschiedene Benennungen. Ei- nen alten Biber nennen sie einen Plus (Plüh) , die Ojibuäs „ketschih-apü-menikue^ (e nur halb auszusprechen) ; einen dreijährigen Biber nennen die Indianer „Pättamiek" ; im zweiten Jahre heisst er „Opüiauä", woraus dann die Jäger gewölinlich „Pou" machen, oder im französisch-canadischen patois „unpou". Im ersten Jahre heisst der Biber bei den Ojibuäs „Ha-uä-na-schin" (in d. die Nase wie i), bei den Canadiern und anderen Biberjägern aber im jugendlichen Alter „Aouäla". Bei den Ojibuäs ist der allge- meine Name des Bibers . . Amick. Bei den Ohto's 1 „ „ Ayowä's \ . . . Rauä. ij „ Missouri's \ „ .. Omäha's Jabä (J französ., bä kurz). „ „ Wasaji's (Osagen) . . Tschähbä. -„'• „ Dacota's (nach Long) . Chäpä. ■\ "'^. Assiniboin's .... Tsäpo (e nur halb). „ „ Mandan's Uärapä oder Wärapä. „ „ Mönnitarri's .... Wirapa. „ „ Crow's Birepä (e kurz). ,, „ Arikkara's .... Tschittuch (uch guttural) -, Grossentres des prai- ries Häbass (a beinahe wie ä, dabei kurz). '^ „ ,. Kutanä's Sinna. Flat-Heads .... Skalö. Blackfeet Kehstake (e ganz ausge- sprochen). r> r) Capt. Carlwright Vol. II. p. 261. 142 Frinz Maximilian zu Wied: Farn. 6. Daplicidentata. Doppelzähne r. Genus Lepus Liuu. Hase. Die amerikanischen Zoologen haben seit einiger Zeit eine Menge von Hasenarten unterschieden, von welchen wir indessen nur drei kennen gelernt haben. Leidep. sind selbst von diesen letzteren beinahe alle Materialien verlo- ren gegangen und ich kann nur einige in der Kürze aufge- zeichnete Notizen mittheilen, welche keinen Anspruch auf Vollständigkeit machen. 1. h. americanus Erxl. Der pennsylvanische Hase. Richardson 1. c. I. p. 217. Audubon und Bachm. I. p. 93. Tab. 11. 12. Sp. Baird 1. c. I. p. 579. Beschreibung: Ein kleiner Hase von der Gestalt und Grösse unseres wilden Kaninchens. Er ist ziemlich schlank, der Kopf ziemlich klein, ein wenig zugespitzt; Ohren so lang wie der Kopf von der Nasenkuppe zur vor- deren Ohrbasis; Auge massig gross; Bartborsten am Ober- kiefer, ein Paar ähnliche oberhalb des Auges; Sohlen und Zehen wie an unserem Hasen; dabei dicht behaart. Färbung: Kinn, Kehle und Brust sind weiss; Stirn rothbraun und schwarz gemischt; Backen röthlich und grau gemischt; Unterhals röthlichbraun ; Vorderbeine von aussen rostrolh, an ihrer inneren Seite gclblichweiss; Nacken, Oberseite des Halses und hinterer Rand der Schenkel rost- roth, dabei nur mit Wolle bedeckt, alle übrigen Obertheile sind röthlichbraun und schwarz gemischt, die Haare (Wolle) an der Wurzel grau, dann mit einer schwarzbraunen Binde, und hierauf mit einer rothbraunen und zuletzt mit schwar- zer Spitze; Schwanz an seiner Unterfläche weiss, an der oberen röthlichbraun, oder vielmehr rotiibraun mit schwärz- lich gemischt; Hinterbeine hell rostroth. Ausmessung: Ganze Länge 16" 5'"; Länge des Schwanzes 2" 6'"; Länge des Kopfes 3"; Länge des aus- Verzeichniss Nordainerikariischer Säugethiere. 143 seren Ohres an der Kopfseite 2" 8'"; Breite des Ohres an der breitsten Stelle 1" 1V2'"> Länge des VorderCusses auf der Sohle 1" 6'"; Länge der Hintersohle bis zur Ferse 3" 4V2'"- Ein anderes weibliches Exemplar: Ganze Länge 17"; Länge des Schwanzes mit den Haarspilzen 2" 5'"; es ist viel, wenn ein solcher Hase fünf Pfund wiegt. Diesen kleinen Hasen haben wir überall in Pennsylva- nien, Indiana und dem Alleghany-Gebirge gefunden und er scheint östlich und nördlich überall verbreitet zu sein. Er lebt wie unser Hase immer über Erde, macht also nicht, wie die Kaninchen, mit denen er übrigens viel Aehnlich- keit hat, Baue oder Röhren unter der Erde. Die Amerika- ner benennen ihn Rabbit (Kaninchen). Man findet sie in Wäldern und Feldern, wo Hecken, Raine oder kleine Ge- büsche ihnen Schutz gewähren, selbst unter Steinhaufen, alten Baumstöcken und Wurzeln verbergen sie sich. Auf diese Weise haben wir sie oft in den Gärten, nahe bei den Wohnungen in offenen Ortschaften gesehen. In New-Har- mony fanden wir einen solchen Hasen nahe bei dem Orte unter einem Steinhaufen, erhielten ihn aber nicht. Als man am folgenden Tage dieselbe Stelle wieder untersuchte, fand man an der des Hasen einen Mink, der ihn vielleicht ge- fressen hatte. An solchen Orten werfen diese Hasen ihre 4 bis 8 Jungen, wie man sagt. In der Flucht sind diese kleinen Thicre sehr schnell und sie schnellen im Sprunge mit dem Hinterkörper und dem Schwänze sehr stark in die Höhe, wodurch man alsdann recht deutlich die weissen Hin- tertheile bemerkt. Das Fleisch dieses Hasen ist schlecht und wird nicht gesucht, dennoch sind diese Thiere nirgends so häufig wie der europäische Hase, sondern werden immer nur einzeln und zufällig angetroffen. Der Balg wird von den Hutma- chern benutzt, man bezahlt aber nur zwei Cents für das Stück. Im Norden sollen diese Thiere im Winter weiss wer- den, wie man sagt. Bei den Ojibuäs heisst der Hase „Uaböhs"; bei den Wasaji (Osagen) „Manschtin-schinga" (an franz., erstes in 144 Prins Maximilian zu Wied: wie i durch die Nase); bei den Mandan's „Mähchtikä-; bei den Mönnitarri's „Ilitach-Schüpischa". ? 2. L. sylcalicus ßaclini. Der kleine Missouri- hase. Audubon und Bachmann 1. c. I. p. 173. Tab. 22. Spencer Baird 1. c. 1. p.597. Rabbit am Missouri. Beschreibung- eines weiblichen Hasen: Ge- stalt wie am vorhergehenden Hasen, allein die Ohren l)e- deufend kürzer und der Schwanz länger; Auge gross; Oh- ren sehr kurz und breit, etwa halb so breit als hoch, bedeutend kürzer als der Kopf, oben an der Spitze breit ab- gerundet; Kopf schmal; die Bartborsten sehr lang; Schwanz massig lang, tief angesetzt; Hinterbeine sehr lang und stark, die vorderen sehr kurz ; Ohren beinahe nackt. Färbung: Iris im Auge kaffeebraun; Obertheile des Thiercs dunkel schwärzlichgraubraun mit fahl gelblichbrau- nen Haarspitzen ; in den Seiten ist die Grundfarbe mehr fahl bräunlichgrau, mit blass gelblichen Haarspilzen ; Un- terhals rölhlichgraubraun mit röthlichgelben Haarspitzen; Vorderbeine mehr fahl rothbraun ; Ohren sparsam grau- braun behaart, am oberen und vorderen Rande an der Kopf- seite etwas schwärzlich bezeichnet; inneres Ohr weisslich ; Nacken und Oberhals auf ihrer Mitte rölhlichzimmctbraun ; Kopf wie der Rücken mit hellen Haarspitzen ; Umgebung des Auges weisslich; Nase ein wenig mehr röthlich; Hin- terbeine über dem Fersengelenke etwas rölhlichbraun; übri- gens blassgraugelblich ; innere Seite der Schenkel weiss, ebenso die Unterseite des Schwanzes, dessen Oberfläche schwärzlichgrau gefärbt ist. Vorderseite der Hinterbeine weiss. Ausmessung: Ganze Länge 16^^ 6^'^; Länge des Schwanzes 3" 3'"; Länge des Kopfes 3" 3'"; Höhe des Oh- res 2" IV3'"; Breite des Ohres an der breitesten Stelle 1" IV2'"; Länge von der Nasenspitze zum vorderen Augen- winkel 1" 9'" ; Länge der Augenöffnung 6V2'" ; vom hinte- ren Augenwinkel zur vorderen Ohrbasis 11'"; Länge des Verzeichniss Nordamerikanischer Säugethiere. \4Sf Vorderbeines vom Ellenbogen an 4" 41/2'"; Länge des Hin- lerbeines vom Knie bis zur Fussspitze 7"2V2'"; Länge der Vordersohle 1" 4^2'"; Länge der Hintersohle 3" 9'". Vergleichende Ausmessung des L. americ anu s und sylvaticus. Lepiis americanvs. Lepus sylvaticus. Ganze Länge . . . 16" 1'" L. d. Schwanzes . 2" 6"' L. d. Kopfes . . . 3" Höhe des Ohres . 2" 8"' Breite d. Ohres (an der breitesten Stelle) .... 1" IV2'" L. d. Vordersohle . 1" 6"' L. d. Hintersohle . 3" 41/2'" 16" 6"' 3" 3"' 3" 3"' 2 IV3'" Ganze Länge . . L. d. Schwanzes L. d. Kopfes . . Höhe des Ohres Breite d. Ohres (an der breitesten Stelle) 1" 11/2'" L. d. Vordersohle . 1" QVj"' L. d. Hintersohle . 3" 9"' I n ner e Th e i le : Im Leibe fand man bei dem be- schriebenen weiblichen Hasen sechs Junge. Dieser Hase scheint am Missouri den americanus zu ersetzen, mit welchem er auf den ersten Anblick viel Aehn- lichkeit zeigt. — Er ist in den Gebüschen und Uferwaldun- gen am Missouri nicht selten. — Die Exemplare sämmtlich verloren, sowie ein Theil der Notizen. Audubon's Ab- bildungen der beiden beschriebenen Hasenarten sind seflr oberflächlich und schlecht illuminirt. 3. L. campestris Bachm. Der grosse Hase des obe- ren Missouri. Prairiehase. Lepus Townsendi Audub. et Bachm. 1. c. L p. 25. Tab. HL Lepus campestris Bachm. et Baird I. c. L p. 585. Lepus virginianus s. m. Reisebeschr. Bd. L p. 508. Beschreibung eines starken männlichen, am 19. November bei Fort Clarke bei den Man- dan-Dörfern erlegten Hasen: Gestalt wie an Lepus timidus Linn.; Sohlen und Bürste wie dort bürstenartio- niit ausserordentlich dichtem Pelze bedeckt; Kopf ziemlich klein Arohiv für Naturg. XXVIII. Jahrg. l.Bd. 10 146 Prinz Maximilian zu Wicd: und schmal ; Schwanz gross, bogig- aufwärts gekrümmt, mit sehr dichter und langer Wolle bedeckt. Färbung: Das ganze Thier ist schneeweiss, biosauf dem Mittelrückcn stehen noch etwas graue Sommerhaare und über den Schulterblättern noch ein Fleck, dessen Haare an der Wurzel grau, dann bräunlichgclb, und an der Spitze schwarzbraun gefärbt sind. Stirn hell graubraun mit weiss- lichen Haarspifzen; Ohren an der Kopfseite weiss, ihre Spitzen schwarz, der Vorderrand aussen graubraun, mit weisslichen Haarspitzen; inneres Ohr graubräunlichgelblich, an den Rändern weisslich ; vom Ohre nach dem Auge und über dem letzteren hinweg befindet sich ein weisser Strei- fen; unterer Theil des Vorderfusscs auf der Oberseile gelb- roth. Dieser Hase war beinahe ausgefärbt. Ausmessung: Ganze Länge 23" 6'"; Länge des Schwanzes von der Einlenkung am Rücken gemessen 5" 4'"; Länge desselben ohne die Haarspitzen 3" 6'"; Länge des Kopfes 3" 11'"; Breite des Kopfes zwischen den Augen 2" 1"'; Höhe des Ohres (an der Scheitelseite gemessen) 4" 6"'; Breite des Ohres an der breitesten Stelle 1" 8"'; Länge der Bartborsten 4"; Länge des Vorderbeines vom Ellenbogen bis zur Spitze 6" 9%"'; Länge des längsten Vordernagels 6V2'"; l^änge der Ferse 5" 6"'; Länge des läpgsten Hinternagels 6V3'"; Umfang des Thieres am Brust- kasten 13" 5"'; Umfang in der Dünnung 9" 3"'; Länge von der Nasenspitze bis zur Spitze des ausgestreckten Hinter- beines 2' 5" 9"'. Innere Theile: Zunge glatt, nur mit höchst feinen, zarten Papillen besetzt, auf ihrem oberen hinteren Theile ein flacher erhöhter Aufsatz, ohne Zweifel drüsiger Natur, dessen Rand mit dem der Zunge ziemlich parallel läuft; Schädel nach hinten, hinter den Augenhöhlen auf der Ober- fläche schnell und stark abfallend; Nieren rundlich, massig gross; Magen gross und dick, darin ein Brei von zerkau- tem Grase und Baumrinden; Leber in fünf Lappen getheilt, von denen vier gross sind und der fünfte sehr klein ist; Colon niedlich gefaltet, wie gezähnt an den Seiten. Ein vollkommen ausgefärbter Winterhase weiblichen Geschlechts, am 12. December bei Verzeichniss Nordamerikanischer Säugethiere. 147 Fort Clarke erlegt. Färbung: Gänzlich schnee- weiss; Iris im Auge gelblicligraubraun, nach der Pupille hin dunkler; Nasenspitze, Seiten der Oberlippe neben der Hasenscharte bis zum Mundwinkel, Oberfläche des Vorder- fusses, äusserer Rand des Vorderarmes (doch letzterer nur sehr blass) schön gelbroth oder Kafl'ee mit Milch ; auf dem llinterfusse läuft über jede Zehe hinab ein solcher gelbro- ther Streifen; dichter Sohlenpelz fahl graubräunlich, wie am deutschen Hasen; Stirn gelb gemischt; Ohren auf der Vorderkante und dem äusseren Theile der Aussenseite gelb- roth, Spitze des Ohres schwarz; die nach dem Scheitel hin gekehrte Ohrseite ist weiss, bloss der Vorderrand dieses Theiles an dieser Seile ist gelb; Nagezähne gelblich, aber eine hellere Linie läuft über die beiden oberen derselben hinab ; die vorderen der kürzeren Barthaare sind in ihrer Mitte schwarz, an Wurzel und Spitze gelblich, die hinteren langen Bartborsten weiss, es stehen auch noch einige über dem Auge. Ausmessung: Ganze Länge 23" 6'"; Länge des Schwanzes mit den Haarspitzen 5" 4'"; desselben ohne die Haarspilzen 3" 6'"; Länge des Kopfes 4" 3'"; Breite des Kopfes oberhalb der Augen 1" 1'"; Höhe des äussseren Ohres (auf der Scheitelseite) 4" 11'"; Breite des Ohres 1" 8"'; Umfang hinter den Vorderbeinen 13"; in der Dünnung 11" 5"'; Länge des Vorderarmes 4" 5"'; Länge der Vorder- sohle bis zum Handgelenke 2" IOV2"'; Länge des Schien- beines 5" 7—8"'; Länge der Hinlersohle 5" 5'"; Länge des Vordernagels 4V2'"; Länge des Hinternagels 6'"; Länge der längslen Bartborsten 4"; von der Nase zum vorderen Au- genwinkel 2" 2^/2'"; Länge der Augenöffnung TVg'". Ein dritter weiblicher, im Monat März bei Fort Union erlegter Hase: Die Ohren waren hier an der Vorderseite nur wenig graubraun und nicht so gelb- roth, wie früher beschrieben, die Ohrspitzen waren schwarz; Seiten des Kopfes weiss. Innere Theile: Der Magen zusammengekrümmt, 3" 8"' lang; Leber in fünf Haupllappen gelheill, welche noch mehrere kleine Einschnitte zeigen; am Uterus noch keine Befruchtung bemerkbar; ein langer Blinddarm, an 148 Prinz Maximilian zu Wied: dessen Ende harte Losung (faeces) fest eing-edrückt waren. Ein männlicher Hase, mit denn vorherge- henden an einem Tage erlegt: Ganze Länge 25"; Länge des Schwanzes mit den Haarspitzen 5" 9'"; dessel- ben ohne die Haarspitzen 4"; Länge des Kopfes 4"; Höhe des Ohres 4" IOV2'"; Länge der Hintersohle 5" 9'"; Länge des längsten Vordernagels 6'"; Länge des Hinternagels 7'". Innere Theile: Leber auch hierin fünf Lappen getheilt, übrigens die meisten Eingeweide vom Schusse zerstört; Testikel jetzt im Monat März stark angeschwollen. Weiblicher Hase im Sommerhaar,am7. Juli erlegt: Sehr schlecht und sparsam behaart, denn an den Obertheilen fehlten die längeren Haare und die Haut blickte überall hervor: Kopf klein, die Iris gelblichbraun; die Be- schreibung ist leider mit den Exemplaren verloren gegan- gen, doch ist die Farbe mehr oder weniger graubraun, an einigen Stellen weisslich; an den grauen Stellen sind die Haare graubraun, mit gelblichen und schwarzbraunen Rin- gen, wenigstens zum Theil. Die erwähnte Häsin hatte vier Junge im Leibe. Audubon hat diesen Hasen (T. I. Tab. 3) recht schön abgebildet. Der Hase dieser Beschreibung kommt am ganzen obe- ren Missouri bis zu den Rocky-Mountains vor und wir schössen den ersten am 7. Juli, welches auf seine Verbrei- tung flussabwärts schliessen lässt. Er ist in allen Prairies nicht selten, doch nirgends häufig, und hält sich gern in den Artemisia-Gebüschen auf, sitzt aber ebenso gern in der offenen Prairie ohne Schutz und an völlig nackten Hü- geln. Er macht ein Lager gerade wie unser europäischer Hase, in welchem er mit dem Hinterleibe etwas vertieft ein- geschoben ist, auch legt er alsdann die Ohren ebenso fest an. Er sitzt gern in Löchern, Furchen, an Ufern, wo er Schutz vor dem rauhen Winde findet. Treibt man ihn auf, so hüpft er, schnellt mit dem weissen Schwänze und macht dann gewöhnlich ein Männchen, wie man zu sagen pflegt, um sich umzusehen. Im Winter bei Schnee, weil er die- selbe Farbe hat, ist er nicht leicht zu finden und zu er- kennen, liegt aber kein Schnee, so bemerkt man das weisse Verzeichniss Nordamerikanischer Säugethiere. 149 Thier leicht, doch hielt man sie alsdann öfters für daselbst liegende ßisonschädel , deren es überall in den Prairies giebt. — Bei den Mandan-Dörfern, wo man sie auch in den Maispflanzungen fand, waren sie Mitte November schon bei- nahe ganz weiss, nur zeigten sich noch einige graue Flek- ken am Kopfe. Diese Hasen werfen zwei bis fünf Junge, jedoch meistens zwei, wie die Jäger behaupten. Feinde haben diese Thiere sehr viele, jedoch der ge- fährlichste ist immer der Mensch, besonders der Europäer mit seiner Doppelflinte. Wenn es kürzlich geschneit hat, so laufen diese Hasen nicht gern umher, daher spürt man sie alsdann am ersten Tage gewöhnlich nicht, gerade wie bei uns in Europa. Absprünge und zuweilen sehr weite, macht auch dieser Hase von der Fährte ab, wenn er sich in sein Lager setzen will. Gefangen schreit er laut und kläglich. Sein Fleisch, im Frühjahr ziemlich mager, ist dennoch zarter als das des europäischen Hasen und daher ein ganz gutes Essen. Bei den Ojibuäs heisst dieser Hase Maskuttäh-Wabohs. (von „Maskuttäh«, Prairie, und „Wabohs", Hase.) Bei den Dacota's Mostintscha. „ „ Mandan's Mähchtikä. „ „ Mönnitarri's .... Ihtacki. „ Wasaji's Manschtin-Shäh (an franz., in wie i in der Nase). „ Olos Misch- tsching -gä (zusam- gesprochen). „ „ Arikkara's .... Wadüch (Deutsch). j? » Genus Erethizon Fr. Cut. Borstenschwein. Nur eine Species dieser Gattung war früher aus Nord- Amerika bekannt, bis Brandt eine zweite aus Californien unterschied, von welcher Sp. Baird vermuthet, dass sie den bekannten Ursen am oberen Missouri vertrete. Ich würde über diese Frage haben entscheiden können , wenn 150 Prinz Maximilian zu Wied: ich nicht die Exemplare und Notizen aus jenen Gegenden über das Stachelscliwcin sämmtlich verloren hätte. Ich kann nur nachfolgende unbestimmte Notiz geben. Das Borstenschwein vom oberen Missouri ist ein son- derbares Geschöpf mit kurzem runden Kopfe, kleinem Auge und langem borstenartigem Haar, unter welchem die kur- zen, höchst scharf zugespitzten Stacheln verborgen sind, die aber durchblicken. Diese Stacheln sind schön rein weiss gefärbt und haben eine schwarze Spitze. Ich kann leider nicht untersuchen, ob das von uns gesehene Thier zu E. dorsatus oder epixanthus Brandt gehörte. Ich erhielt zwei Exemplare dieses originellen Thieres, die wir in den Artemisia- oder strauchartigen Wermuth- Gebüschen des oberen Missouri zufälliof antrafen. Am 21. Juli Abends fingen wir das eine dieser Thiere. Als man ihm zu nahe kam sträubte es die langen Haare vorwärts und bog seinen Kopf unterwärts, um ihn zu verstecken, indem es sich dabei im Kreise herum drehte. Wollte man es angreifen, so kugelte es sich mit dem Vorderkörper zu- sammen und war alsdann, wegen seiner äusserst scharfen, leise in der Haut befestigten Stacheln nicht zu berühren. Kam man ihm sehr nahe, so rüttelte es den Schwanz hin und her und rollte sich zusammen. Es ist ein langsames, unbeholfenes Thier und kann seinen Feinden durch die Flucht nicht entgehen. Man soll es meistens auf Bäumen linden, von deren Rinden sie leben, besonders von der der Ulmen (Ulmus). Eine Stimme soll man von ihnen nie ver- nehmen. Sie werfen zwei Junge, und die Indianer glau- ben die sonderbare Fabel, dass das weibliche Thier keine Zilzen habe, daher seine Jungen nicht säuge, die Mutter treibe diese letzteren von sich und diese ernährten sich so- gleich von den Rinden der Bäume und der Zweige. Die Haut dieses Thieres ist ausserordentlich weich, dünn und zerbrechlich, in manchen Jahreszeiten höchst fett, und die Stacheln sind ihr dergestalt lose eingepflanzt, dass man sie augenblicklich in den Händen schmerzhaft befestigt findet. Das Fleisch wird von den Jägern und Indianern sehr gerne gegessen, die Stacheln aber machen bekanntlich, mit schönen lebhaften Farbestoffen gefärbt, ein wichtiges Verzeichniss Nordamerikanischer Säugethiere. 151 Material des indischen Putzes aus, indenn man die ledernen Auzüge auf künstliche und oft wirklich höchst zierliche und geschmackvolle Art damit stickt, worin die indianischen Weiber eine grosse Fertigkeit besitzen. Sie spalten näm- lich diese etwa einen Zoll langen Stacheln der Länge nach, färben sie und befestigen sie in den schönsten Arabesken und Farben-Abstufungen auf den Lederanzügen. Bei den Mönnitarri's trägt das Stachelschwein des obe- ren Missouri die Benennung „Apäh-dii". Herr Ba d m er hat den Kopf des hier erwähnten Thie- res sehr treu im Umrisse nach dem Leben skizzirt. Ord. lY. Riiminantia. Wiederkäuer. Farn. 1. Gervina. Hirsche. Genus Cerrus Linn. Hirsch. Vier Arten von Hirschen sind uns auf der Reise im nördlichen Amerika vorgekommen, noch mehrere andere sollen in den südlichen und südwestlichen Staaten gefun- den werden. Auch im NorSen existiren bekanntlich noch mehrere, welche ich aber in der Natur nicht habe beob- achten können. So viel ist gewiss, dass in der neueren Zeit die Zahl der Hirscharten für Nord-Amerika sehr ver- mehrt worden ist. Herr Spencer Baird zählt ihrer 9 Arten auf. A. Hirsche mit rund en äs t ig e n Sta ngen. 1. C. canadensis Erxl. Der Elk- oder canadische Hirsch. Richardson 1. c. L p. 251. Audub. et Bachm. H. p. 84. Tab. 62. Spencer Baird 1. c. L p. 638. Dieser grösste prachtvolle Hirsch von Nord-Amerika 152 Prinz Maximilian xu Wied: befindet sich jetzt häufig- lebend in den europäischen Me- nagerien und zooloirischen Gärten, er ist daher seit Kurzem den Zoolooren sehr bekannt geworden. Der Irrthum ist nun längst abf^estreift, als sei diese Thierart identisch mit dem europäischen Hirsch, mit dem sie allerdings sehr viel Aehnlirhkeit, doch aber auch wieder manche Abweichun- gen zeigt. Er ist bedeutend grösser, hat schwerere Kno- chen, breiteren und stärkeren Huf, kürzeren Hais und Schwanz, dabei ist die Farbe etwas abweichend und das übrigens sehr ähnliche colossale Geweih in den Spitzen der Kronen gewöhnlich mehr dichotom als bei Cervus elaphus. Der canadische Hirsch hat im Sommer eine mehr dun- kelbraune Farbe, selbst sein Kopf ist auf diese Art gefärbt und nicht an den Seiten aschgrau, wie an elaphus. Im Winter gleichen sich beide Arten mehr in der Farbe und sogar der hell roslrothe schmal dreieckige Fleck auf dem Hinterrücken, welcher den Schwanz mit einschliesst, kommt bei beiden Thieren sehr gleichartig vor. Im Herbst hat der canadische Hirsch eine schöne, fahl graugelbliche Fär- bung, wobei die schwarzbraunen Extremitäten schön ab- stechen, denn der Hals und vier Glieder sind von dieser Farbe. Beschreibung eines alten, sehr starken Hirsches von ungerade zwanzig Enden, am 19. September am oberen Missouri erlegt: Gestalt schon beschrieben. Färbung: Umgebung des Auges und inneres Ohr gelblichfahl; der übrige Kopf, Vorderhals, Bauch und die vier Beine schwarzbraun; Hinterschenkel graubräunlich überlaufen, Hinterseite der Schenkel an der äusseren Kante (das Schild in der deutschen Jägersprache) schwarzbraun eingefasst, d. h. ein schwarzbrauner Streifen trennt die hin- tere Farbe der Schenkel von der Farbe der Seiten des Thieres; der übrige Leib des Hirsches hat eine schöne fahl gelbröthlichc, öfters hell gelblichweisse Färbung, mit Aus- nahme des erwähnten hell rostrothen Dreieckes auf dem Hinterrücken, welches den Schwanz, wie am europäischen Hirsche, mit einschliesst; am Hinlerbeine befindet sich an der äusseren Seite des Fersenknochen ein hellrostrother Verzeichniss Nordamerikanischer Säugethiere. 153 Haarbüschel oder Bürste; die Hufe (Schalen) sind an ihrer Vorderseite oben öfters rothbraun eingefasst; die Eckzähne (Haken) sind bei diesem Hirsche weit grösser und breiter als am europäischen, sie fehlen auch dem weiblichen Thiere nicht, doch sind sie kleiner als an dem männlichen. In der Brunftzeit bemerkt man bei vielen dieser Thiere schon eine Mischung von bläulichgrau, welches durch das Hervorkommen der Winterhaare verursacht wird. Der hier beschriebene sehr starke Hirsch hatte kein Feist (Fett) mehr bei sich, allein er war gross und colossal wie ein Ochse mit ausserordentlich starkem Geweih von ungerade zwan- zig Enden. Ausmessung: Ganze Länge (mit ausgestrecktem Kopfe und Halse in horizontaler Richtung) von der Nasen- spitze bis ans Schwanzende 7' 9" 6'"; Länge des Schwan- zes mit den Haarspitzen 7": Länge des Kopfes 1' 10" 7'"; Länge des Halses 2'; Höhe des Vordergestelles 4' 11" 6'"; Höhe des Hintergestelles 4' 9" 6'"; Breite der Brust V 5"; Breite des Vorderfusses (quer über die Sohle gemessen) 3" 10"'; Breite der Hinterfährte 3" 3"'; Länge von der hinteren Ohrwurzel bis an das Vorderblatt (also Länge des Halses) 2'; Länge vom Ende der Hinterschenkel (Keulen) bis auf den Brustknopf 4' 6"; Länge des Armknochens von seinem hinteren Knopfe bis ans Knie 1' 5" 2"'. — Höhe des Geweihes von der Rose (dem knotigen Kranze auf dem Rosenstocke) bis zur höchsten Spitze (in der geraden Linie oder Sehne gemessen) 4' 1"; Länge derselben Stange (nach der Krümmung gemessen) 4' 7" 11"'; Umfang der Stange über dem Eissprössel (dem zweiten Ende von unten) 7" 10'"; Gewicht der an den Rosen abgesägten beiden Stangen 26 Pfund. Siehe die Abbildung dieses Geweihes Tab. V. fig. 1. Ausmessung des Kopfes eines alten weib- lichen Thieres dieser Art: Ganze Länge 18"; Höhe des Ohres 7" 4'" : Breite des Ohres (an der breitesten Stelle) etwa 3"; Länge von der Nasenspitze zum vorderen Augenwinkel 10" 6'"; Länge der AugenöfTnung 1" 2'"; Länge des sinus lacrimalis 2"; Breite der Nasenkuppe (un- terhalb der Nasenlöcher) 3" 3'"; Breite des Kopfes zwi- schen den Augen etwa 5" 8'". 154 Prinz Maximilian zu Wied: Färbung des Kopfes an einem am 10. Juni erlegten Schmalspiesser (zweijährigem Hirsch): Stirn und Nasenrücken dunkler braun als der übrige Kopf, allein etwas heller als die Stirn bei C. elaphus zu sein pflegt; Ohren scliwärzliclibraun, ebenso ein Fleck am Mund- winkel, der jedoch wenig abgesetzt ist, und ein Längsstrei- fen über die Unterlippe hin, welche letzlere zu beiden Sei- ten eine fahl graubraune Farbe zeigt; ganze übrige Färbung des Kopfes ziemlich dunkelbraun; das innere Ohr fahl grau- braun. — Die Spiesse waren noch beharrt wie der Kopf, die Nasenkuppe nackt, feucht und schwärzlich gefärbt. Die Bildung des Kopfes ist in der Hauptsache vollkommen wie am europäischen Hirsche. Ausmessung des Kopfes: Länge 16" 8'"; Höhe der mit Bast bedeckten Spiesse 4" 5'". Die Grösse des alten Thieres ist die eines starken Hir- sches von 14 Enden bei uns, der Spiesser wie ein guter Hirsch von 10 Enden. Die alten Hirsche sind sehr stark und prachtvoll und mit ihrem colossalen Geweihe höchst majestätisch. Am Muscle-Shell-River fand Major Mitchell, mein Reisegefährte, jetzt Superintendent of Indian Aifairs zu St. Louis am Mississippi, ein solches Geweih, das auf die Kronen gestellt, 5 Fuss 4 Zoll in der Länge hielt. Diese Geweihe haben übrigens Zahl und Stellung der En- den, und die Abweichungen derselben, gerade wie am eu- ropäischen Hirsche, nur findet man selten eigentliche Kron- gehörne unter ihnen, sondern sie sind an ihrem oberen Ende mehr dichotom, jedoch mit sehr langen starken En- den besetzt, auch sind die Augensprossen häufig mehr ge- rade oder selbst etwas abwärts gerichtet. Lewis und Clarke*) geben die Höhe eines solchen Hirsches auf den Vorderblättern, oder das Vordergeslell desselben auf 5 Fuss 3 Zoll Höhe (englisches Maass) an , welches mit meiner obigen Angabe übereinstimmt. Das Huf des Hirsches ist, wie gesagt, breiter als das an C. elaphus und für den deutschen hirschgerechten Jäger kann man die Bemerkung machen, dass die Fährte in der Breite gerade das Mittel *) Siehe deren Reise Vol. L p. 27. Verzeichniss Nordamerikniiischcr Säu^ethicrc. 155 hält zwischen der des europäischen Elennhirsches (C. alces Linn.) und der des alten Elennthiercs aus Preussen, wovon Hartig*) die Umrisse geg-eben hat. \ Das Kalb oderjungeThier, im Monat Juni erlegt, 4 bis 6 Wochen alt: Gestall vollkommen die eines europäischen Hirschkalbes, die Läufe vielleicht etwas dicker, das ganze Thier etwas grösser und mehr dunkel- braun, die weissen Flecken schon etwas erloschen. Der canadische Hirsch ist über den grössten Theil von Nord-Amerika verbreitet gewesen, an vielen Stellen nun aber schon vollkommen ausgerottet. Ueber seine ehema- lige Verbreitung geben Audubon, Wa gner u. A. Nach- richt, ich kann also dorthin verweisen. In den meisten Ge- genden der Staaten New- York und Pennsylvanien findet man diese prachtvolle Hirschart schon nicht mehr wild, doch kamen sie in einigen sehr bewaldeten Gegenden zur Zeit unserer Anwesenheit noch vor, z. B. in Lycoming-County, wohin noch Jagdliebhaber sich begaben, um dergleichen Hirsche zu erlegen, und wir haben von dorther noch sehr starke Geweihe gesehen. Auch am unteren Missouri-Laufe sind sie selbst schon gänzlich verschwunden, am oberen dagegen waren sie zu unserer Zeit noch häufig, wir muss- ten aber schon sehr weit aufwärts reisen, bis wir die er- sten dieser Hirsche zu sehen bekamen. Dort oben haben wir sie in den Jahren 1833—34 oft in grosser Anzahl ge- sehen, besonders an ruhigen Stellen, und alsdann zu allen Zeiten des Tages. Sie bewohnen die Wälder und Gebüsche am Missouri, die Uferwaldungen, und treten in die grüne Prairie zur Aessung hinaus, sobald die Gegend ruhig ist. Im Mai und Juni sahen wir alsdann die alten Thiere mit ihren Kälbern zu vier, fünf bis zehn beisammen. Die star- ken Hirsche gehen, zu Rudeln oder Trupps vereint, von den weiblichen und jungen Thieren getrennt umher, gerade wie bei unserem europäischen Hirsche, und sie suchen erst in der Brunftzeit die Thiere auf. Ueberhaupt haben beide verwandte Hirscharten ganze dieselben Naturzüge und Le- bensart. Sie brunften zu derselben Zeit im September und *) S. Hartig im 1. Jahrg. Heft 4 seines Archives. 156 Prinz Maximilian zu Wied: Oclober, sie setzen ihre Jungen zu derselben Zeil, werfen ihr Geweihe in demselben Monat ab, setzen es zur selben Zeil wieder auf, fegen oder schlagen und setzen auf dem Hinterrücken und im Leibe das Feist (Fett) ganz zu der- selben Zeil an. Die Spiesser und geringen Hirsche halten sich zu den weiblichen Rudeln oder bilden wieder kleine Gesellschaften unter sich. Man bemerkt oft zahlreiche Ru- del, deren Staub wir in der Prairie aufsteigen sahen , wie von den Bisonheerden. Ueberall liegen in der Ebene die abgeworfenen Geweihe dieser Hirsche umher, an den Stan- gen in den Pappelwaldungen fand man, wo sie geschlagen oder den Bast vom Geweihe abgerieben halten und ihre oft tief ausgetretenen Pfade (Wechsel) führten nach dem Flusse, den sie zum Trinken aufsuchen, auch um sich in dessen Wasser zu kühlen. In der Brunftzeit, im September, nehmen die starken Hirsche Besitz von den Rudeln und ihre höchst originelle Stimme wird alsdann überall am Missouri vernommen. Sie ist ein feiner, hoher, aufwärtssleigender Tonlauf, gleich dem eines Flageolels, ein aufsteigender Pfiff, der alsdann von der Höhe zur Tiefe mit einem starken Basstone plötz- lich herabfällt. Oft glaubten wir bei unserer Fahrt den Missouri hinab im Mondschein im September und October das Pfeifen der Indianer zu hören und es waren immer diese Hirsche, welche uns täuschten. Zu der Grösse des Thieres passt allerdings der feine hohe Puff nicht und man würde denselben hier nicht suchen. Die Hirsche kämpfen alsdann heftig und schlagen ihre Nebenbuhler ab, die ge- ringen Hirsche müssen sich in der Entfernung halten. Wie bei uns kann man alsdann auch diese Hirsche locken, wenn man ihre Stimme, oder die des Thieres nachahmt, oder zu- letzt Reiser knickt. Das Thier setzt Ende Mai oder Anfang Juni ein Kalb, zuweilen, doch seltener, zwei. Diese Kälber kann man leicht aufziehen und man lindet sie in den Vereinigten Staaten hier und da im gezähmten Zustande; allein wie bei allen ähnlichen Thieren werden die Hirsche bei vorrückendem Aller immer bösartig und alsdann gefährlich, wovon ich zu Economy am Ohio und zu Mauch-Chunk in Pennsylvanien Verzeichniss Nordamerikanischer Säugethiere. 157 Beispiele fand, indem man solche Hirsche dort hatte todt- schiessen müssen, weil sie zu böse wurden. Wir sahen sie noch ausgestopft. Es ist unbegreiflich, wie man den beschriebenen Hirsch mit dem europäischen hat verwechseln können, wenn man beide in der Natur gesehen hatte; dennoch ist es gegrün- det, dass beide sehr nahe verwandt sind. — Sabine war noch nicht gewiss, ob Cervus canadensis und Wapiti eine und dieselbe Species bilden, worüber jedoch jetzt kein Zwei- fel mehr besteht. Der Name Wapiti sollte übrigens durch- aus gestrichen werden, da er selbst in Amerika nirgends bekannt ist, als vielleicht bei einer kleinen indianischen Nation im Norden. Vollkommen gute Abbildungen dieser Hirschart sind mir nicht bekannt, ausser denen der jüngeren Thierc, wel- che die Herren Fr. Cu vi er und Geo ff roy in ihrer gros- sen Naturgeschichte der Säugthiere (T. I) gegeben haben. Die Färbung scheint indessen auch hier etwas zu gelbroth angegeben zu sein. Richardson bildet unseren Hirsch nicht ab, aber Audubon's Figur des männlichen Thieres ist gut, die des weiblichen hingegen weniger. Spencer B a i r d hat eine Stange eines jungen Hirsches abgebildet und anf meiner beifolgenden fünften Tafel habe ich das oben beschriebene Geweih eines starken Hirsches von 20 Enden, Fig. 1, abbilden lassen. Bei den verschiedenen Nationen von Nord-Amerika trägt der grosse Hirsch folgende Benennungen : Bei den Ojibuäs im Allgemei- nen Omaschköhs. Der männliche Hirsch . Ayähbä-Omaschköhs. Der weibliche Hirsch . Onijähn-Omaschköhs. Das Kalb Umanischähs-Omaschköhs. Bei den Krih's (Crees) . . . Uähwaschkehsch. „ „ Saüki's (Säki's) . . Mäschauäh. n „ Omäha's On-pah (on französisch). „ „ Ohto's Hö-ma (ma kurz) so heisst der männliche Hirsch. „ „ Musquake ^^Foxes) . Maschauawe (e kurz, das ganze zusammengespr.). 158 Prinr Maximilian zu Wied: Bei den Assiniboin's .... Upan (an französisch). Der Hirsch Aechähka. Das Thier Upän. „ „ Mandan's Umpa oder Oinpa (wie im Französischen). Der Hirsch Ümpa-Berockä. Das Thier Ompa-Mihkasch. „ „ Crow's Hschirikasi (erstes i kaum hörbar). „ ^ Grosvenlres des prai- ries Uosseh. „ „ Wasaji's (Osagen) . . Opan (französisch). Der Hirsch Opän-tanga oder Hächaga (an franz., ch guttural). Das Tliier Opän-minga (letztes Wort ganz deutsch gesproch.) Das Kalb . . . . . Opän-schinga (letztes Wort ganz deutsch). „ „ Arikkara's . . . . üä. Der Hirsch Uä-nuküss. Das Thier Uauahta-esch. y) r, Kutanä's Keskässe (sk mit einem ei- genen Zungenschnalzc). y, „ ßlackfeet Purnokäh-stomick. yt „ Flat-Heads .... Chton-Skutsiss (ch guttural, das Ganze undeutlich und leise gesprochen). Die Anglo-Amerikaner nennen diesen Hirsch bekannt- lich Elk und man könnte diesen Ausdruck mit dem deut- schen „Elk" oder „Elch" verwechseln, welchen das Elenn- thier in Preussen trägt, allein dieses wird in Amerika Moose-Deer genannt. 2. C. virginianus Gmel. Der virginische Hirsch. Audubon und Bachm. II. p. 220. Tab. 81. T. 111. 136. Spencer Baird 1. c. I. p. 643. Beschreibung eines weiblichen Thieres (Schmallhieres), im Monat November am Wa- Verzeichniss Nordamerikanischer Säugetbiere. 159 basch erleg-t: Gestalt zierlich und schlank, der Schwanz lang und mit langen dichten Haaren besetzt, beinahe bis zur Ferse herabhängend; Kopf ziemlich klein, das Ohr massig lang; die Eckzähne fehlen, welche bei dem canadischen Hirsche vorkommen; vier Inguinalzitzen; die Zunge ist glatt; Afterhufe massig zugespitzt. Färbung: Alle oberen Theile des Thieres sind grau- braun, etwa von der Farbe unseres Rehes im Winter, un- ten am Rande der Seiten mehr ins Röthliche ziehend , am Rücken mehr schwärzlich gemischt; Beine und Schenkel gelbröthlichbraun, ohne schwärzliche Beimischung; Haare über der Spaltung der Hufe (Schalen) und ein Fleck an jeder Seite an den Afterhufen weiss ; Haarbüsche (scopae) an der äusseren Seite der Ferse weiss, ein jeder von ihnen ist seiner Länge nach mit einer offenen Stelle versehen, welche unbehaart ist; ausser diesen Haarbüscheln steht an der inneren Seite des oberen Fersengelenkes noch ein an- derer dicker Büschel von gelbröthlichen Haaren; Stirn und Nasenrücken des Thieres sind stark schwärzlichgraubraun gemischt; die Ohren an der äusseren Seite dunkel grau- braun, an Rand und Spitze schwärzlich, inwendig weisslich und in der Mitte nur sparsam behaart; ein Fleck aussen am unteren Ohrwinkel, Unterseite des Kopfes, Hinterseite der Vorderschenkel, Bauch, innere und Vorderseite der Hin- terschenkel, sowie die Unterfläche des lang und dicht be- haarten Schwanzes sind rein weiss; Oberseite des Schwan- zes röthlichbraun, nach der Spitze hin aschgrau, die weissen Unterhaare treten aber als Endspitze über; die Nasenkuppe ist nackt, feucht und röthlichgrau gefärbt; hinter dein Na- senloche steht an der Lippe ein dunkel schwärzliclibrauner Fleck, ein ähnlicher dem ersteren gegenüber am Unterkie- fer; hinter dem oberen dunklen Flecken bemerkt man einen hellröthlichen; Spitze des Unterkiefers gelblichweiss; die Hufe (Schalen) sind schwarz. Ausmessung: Ganze Länge 4' 4" 5'"; Länge des Schwanzes 9" 10'"; Länge des Kopfes 8" 8'"; Länge von der Nasenspitze zum Auge 5" 8"'; Länge der Augenöff- nung 10'"; Höhe des Ohres 5" 3'"; Breite des Ohres 2" 7'"; Höhe des Vordergestelles auf den Schultern bis zur 160 Prinz Maximilian zu Wied: ausgestreckten Hufspitze 2' 3" 6'"; Höhe des Hintergestel- les über den Hfiftcn 2' 6" 4"'; Länge der Vorderhufe längs ihrer Spalte gemessen 14"',' Länge der Hinterhufe 15'"; Länffe des Halses vorn Olire bis zum Schulterblatte 10" 6'". Das alte weibliche Thier ist bedeutend stärker als das beschriebene zweijährige. Ein männlicher Hirsch von mittlererStärke zuderselbenZeit und an demselben Orte erlegt. Da diese Hirschart sehr bekannt, vielfältig abgebildet und beschrieben ist, so wird hier eine Beschreibung des Hir- sches nicht nöthig sein. Fr. Cuvier hat ihn im Som- merhaare, A u d u b 0 n (Tab. 139) im Winterhaare abgebil- det. Ein starkes Geweih habe ich abbilden lassen (Tab. V. Fig. 3 von vorne und von der Seite gesehen), welches sich in meiner zoologischen Sammlung befindet. Ich gebe nach- folgend die Ausmessung des oben erwähnten Hirsches. Ausmessung: Ganze Länge 5'8"y2'"^ Länge des Schwanzes mit den Haarspitzen 11" 8'"; Länge des Kopfes 12" 5'"; Länge von der Nasenspitze bis zum Auge 6'' 2%''' ', Länge der AugenöfTnung 1" 2V2'"; Höhe des Ohres 6"; Breite des Ohres 2" 8V2'"j Höhe des Gehörns vom Rosen- slocke perpendikulär aufwärts gemessen 12" 5"'; Weiteab- stand des Gehörns oben 15" 5"'; Länge einer jeden Stange an ihrer Hinlerseile längs der Krümmung gemessen V 7" 9"'; Zahl der Enden an der rechten Stange vier und ein Knopf, an der linken vier; Höhe des Vordergestelles 3' 1" 8V2"'; Höhe des Hintergestelles 3' 3" 6"'; Länge der Vor- derhufe (längs der Spaltung) 1" 6"' ; der Hinterhufe 1" 6"'; Länge des Halses vom Ohre zum Schulterblatte 11" 6"'; Umfang des Halses an der dicksten Stelle 2' 2" 10"'; die- ser Theil war dick, weil jetzt die Brunftzeit dieses Wild- prets ist; Breite des Halses von der Seite gesehen 9" 6'". Dem Hirsche fehlen ebenfalls die Eckzähne (Haken oder Steine), sein Kopf sieht in der Brunftzeit klein gegen den Hals aus, da dieser angeschwollen ist. An dem ge- messenen Hirsche war die Farbe etwa wie an dem beschrie- benen Thiere, nur fehlten ihm die weissen Flecken am Ge- äfter des Vorderfusses, die jedoch an den Hinterfüssen vorhanden waren und es gewöhnlich an allen vier Füssen Verzeichniss Kordamerikanischer Säugethiere. 161 sind; der Schwanz ist sehr dicht und lang behaart und wird häufig aufgerichtet getragen, besonders wenn diese Thiere in der Flucht sind. In den Nasenlöchern dieser Hirschart fand Herr Lesueur eine kleine OeiTnung, wel- che aufwärts zu einem besonderen Sacke oder Höhlung führte, deren Nutzen noch unbekannt ist, vielleicht zur Verstärkung des Geruches dient. Ich weiss nicht, dass diese Einrichtung von irgend einem Analomen erwähnt sei; die Urinblase, aufgeblasen, ist birnförmig und mit höchst regelmässigen, zierlichen Muskelstreifen zu ihrer Comprimi- rung umgeben. Im Sommerhaare ist dieser Hirsch sehr schön rein gelbroth gefärbt, und ich will hier diese Färbung nach einem Spiesser (im zweiten Jahre) angeben : an der Spitze des Oberkiefers, sowie an jeder Seite der Unterlippe befin- det sich ein weisser Fleck; der Nasenrücken ist dunkler grau, der ganze Körper schön lebhaft rothbraun, ins Gelb- liche ziehend, an dem Bauche und der inneren Seite der Glieder blässer; über den Hufen befand sich nichts Weis- ses, dagegen ist der Schwanz unten und an den Seiten weiss, auf seinem Rücken ein wenig schwärzlich gefärbt. Das Kalb ist sehr zierlich weiss gefleckt auf rothbraunem Grunde, dabei mit schwarzbraunem Rückenstreifen, ebenso zierlich wie das Kalb des bengalischen oder Axis-Hirsches. Audubon hat (Tab. 81) ein solches abgebildet. Die Geweihe dieser Hirsche gleichen sich gewöhnlich sehr, doch variiren sie ein wenig in der Stellung und der Zahl der Enden. Das stärkste, welches ich besitze und habe abbilden lassen, hat etwa folgende Ausmessung : Höhe vom Rosenstock« gerade aufwärts 15"; Länge der Augen- sprossen 3" 3'"; Länge an der Rückseite nach der Krüm- mung gemessen 1' 5" 10'"; Dicke der Stange im Umfange (oberhalb der Rose) 4" 6'". — Ich habe aber weit stärkere Geweihe dieser Art gesehen. Der virginische Hirsch hat in mancher Hinsicht einige Aehnlichkeit mit unserem Dammhirsche, doch erreicht er eine weit bedeutendere Grösse; denn ich habe solche Hir- sche gesehen, besonders in der Brunft, die an Stolz dem Edelhirsche nicht viel nachgeben. Sie sind höchst flüchtig, ArcWv für Naturg. XXVIII. Jahrg. l.Bd. 11 162 Prinz Maximilian zu VV i e d : trnoren den Kopf hoch, den Schwanz gerade auFg-erichtet, wo man sie alsdann an diesen weissen Fahnen in der Dik- kuno- des Waldes von Ferne erkennt. Da die weissen Un- terhaare dieses Schwanzes sehr lang sind, so fallen sie als- dann etwas rückwärts und geben dadurch diesem Theile beinahe d^is Ansehen eines Fuchsschwanzes. Der dicke Hals ist hoch ausgestreckt und der Vorderfuss ebenfalls, was dem Thiere ein sehr stolzes Ansehen giebt. Dieser schöne Hirsch ist über alle Waldungen von Nord-Amerika verbreitet und war ehemals ausserordentlich häufig. Richardson führt ihn für die Pelzgegenden nicht auf, er soll aber in Canada vorkommen und westlich ist er bis zu den Rocky-Mountains ausgebreitet. In stark be- wohnten Gegenden sind sie jetzt meistens schon ausgerot- tet, doch trafen wir sie in vielen Gegenden noch an, z, B. häufig im Alleghany-Gebirge, wo an den Wohnungen der einzelnen Pflanzer im dichten Walde oft ganze Haufen von Geweihen dieser Thiere zu sehen waren. In Indiana bei New-Harmony und auch in Pennsylvanien kommen sie an vielen Orten noch vor. Auch am Columbia westlich von dem Gebirge soll man sie noch finden. Am Missouri ist diese Art das zahlreichste Wildpret und wir schössen sie in Menge. — Ihr Wildpret ist zart und wohlschmeckend. Sie leben in Polygamie und brunften zu derselben Zeil wie unsere Hirsche, setzen auch ihre Kälber, gewöhnlich eins, zuweilen zwei, zu derselben Zeit, ja ich sah zu New- York ein solches Thier mit drei Kälbern. In einem Thier- gartcn zu Mauch-Chunk in Pennsylvanien hatten die Hir- sche im Monat September noch den Bast an ihren Gewei- hen, abwerfen thun sie im März und schlagen oder fegen Ende Juli und August, also gerade wie unsere Hirsche. Sie verfärben sich im October wie unsere Rehe und neh- men alsdann die orraue Winterfarbe und weit dichteres längeres Haar an. Die Brunftzeit ist im September und Oc- tober. Alsdann schreit oder brummt dieser Hirsch eben- falls, scharrt mit dem Fusse und fordert den Gegner heraus. Sie kämpfen heftig und der Fall kommt bei dem sonderbar vorwärts gebogenen Geweihe nicht selten vor, dass sie sich mit demselben verfangen oder dergestalt verwickeln, dass Verzeichniss Nordainerikanischer Säugethiere. 163 beide Kämpfer im Walde verhungert gefunden werden. Dergleichen Beispiele kamen mir öfters vor, und ich be- sitze ein Paar solche noch ineinander verwickelte Geweihe. Der eine Hirsch war todt, der andere lebte noch und die- ser Kampf ereignete sich bei Evansville; ein anderes Bei- spiel erwähnt Major Long in seiner zweiten Reise. Am oberen Missouri bemerkten wir dieses Wildpret gewöhnlicli in kleinen Rudeln von 8 bis 10 Stück, wo man sie in den dichten Weiden- und Pappelgebüschen stehen sah. Be- merkten sie dann die Fremden, so hoben sie den Schwanz auf und setzten flüchtig davon. Das Wildpret dieses Hirsches ist zwar gut essbar, allein nicht so zart als dasjenige unseres Rehes, dagegen zarter und besser als das des unten nachfolgenden schwarz- schwänzigen Hirsches. Die Haut giebt das bekannte bei uns beliebte amerikanische Wildleder. Die südwestlich und östlich lebenden Indianerstämme haben schon beinahe kei- nen anderen Handelsartikel mehr für die Pelzhandel-Com- pagnie, als dergleichen Hirschhäute, sie nehmen aber über- all auch schon sehr an Anzahl ab. In der Brunft haben die Hirsche einen starken Geruch und sind dann weniger gut zu essen. Folgende Namen trägt diese Hirschart bei einigen in- dianischen Nationen : Bei den Ojibuäs Uauäschkess. „ „ Otos Tahg-tsche oder bloss Thä. „ „ Omäha's „ „ „ „ „ „ Assiniboin's .... Tähchtinjah. „ „ Mandan's Mähmanakuh. „ „ Mönnitarri's .... Sih-tatacke (e ganz). Das ist der allgemeine Name. Der Hirsch Sih-tatacke-kihrape. Das Thier Sih-tatacke-michka (ich deutsch, mit der Zun- spitze). ^ „ Arikkara's .... Nochnunähts (noch kaum hörbar). 164 Prinz Maximilian zu Wied: Bei den Grosventres des prai- riüs Lasikge (g deutsch, c nur halb). „ „ Kutanä's Zupka(u zwischen u und o). 3. C. macrotis Say. Der seh war z seh wänzige Hirsch. T. Say Exped. of Major Long II. p. 98. Richardson 1. c. I. p. 254. Audubon und Bachm. IL p. 206. Tab. 78. Dieser Hirsch hat im Allgemeinen viel Aehnlichkeit mit Nro. 2, unterscheidet sich aber auf den ersten Anblick durch seinen kleinen kurz behaarten Schwanz, der am Ende eine kleine schwarze Quaste trägt, durch die weit längeren Ohren und ein verschieden gebildetes Geweih. Beschreibung eines drei- bis vierjähri- gen Hirsches. Grösse etwa die eines G. elaphus von acht Enden, auch das Geweih etwa so stark. Der Kopf hat die Gestalt etwa wie am virginischen Hirsche, allein der Nasenrücken scheint ein wenig mehr gewölbt zu sein. Auge mit einem starken sinus lacrimalis; Ohren sehr gross und breit; Gestell des Thieres hinten bedeutend höher als vorne, die Beine und Füsse etwa wie am virginischen Hir- sche, allein die letzteren stärker, die Afterklauen weil grös- ser, auseinanderstehend und sehr stark ; Schwanz dünn, unten und an den Seiten beinahe nackt, auf der Oberseite kurz behaart, an der Spitze ein steifer Haarbüschel; Scro- tum klein und mit kurzen Haaren bedeckt, die Brunftruthe lang und cylindrisch, mit der Spitze ein wenig herabhän- gend; das Haar auf dem Leibe ist hart und nicht gedrängt gestellt; Geweih in diesem Alter etwa gestellt wie an C. elaphus, die Augensprossen kleiner und etwas mehr auf- steigend, später nimmt es eine andere Gestalt an, wie die beigegebenen Zeichnungen zeigen. An dem beschriebenen Exemplare war die Augen- sprossc, wie gesagt, klein, kurz, etwas aufwärts gerichtet und mehr nach innen gestellt als am Edelhirsche, also mehr Verzeichniss Nordamerikanischer Säugethiere. 165 wie bei dem virginischen; nach diesem Ende folgt ein sehr langes, ziemlich bogig aufwärts gerichtetes Ende (Eisspros- se]) und oben am Ende der Stange eine Gabel. Färbung: Der ganze Körper ist höchst fahl gelblich gefärbt, unter dem Vorderleibe mehr graubraun, unter dem Bauche gelblich weiss; innere Seite der vier Glieder weiss- lich; Slirne gelblichgrau, der übrige Kopf weisslich, und der Hals graugelb wie die Slirne; Ohren an ihrer äusseren Seite graugelb, nach den Spitzen hinauf ein wenig dunk- ler; Schwanz wie der Leib, aber etwas mit Grau gemischt, der kleine steife Haarbüschel am Ende schwarz. Ausmessung: Ganze Länge von der Nase bis zur Schwanzspitze 5' 9" 8'"; Länge des Schwanzes mit den Haarspitzen (auf der Oberseite gemessen) 10" 8'"; dessel- ben ohne die Haarspitzen 6"; Länge des Kopfes 12" 8"'; Höhe des Ohres (an der Kopfseile) 8" 7"'; Breite des Oh- res (an der breitesten Stelle) 3" 2"'; Höhe des Vorderge- stelles (Fuss ausgestreckt) 2' 9"; Höhe des Hintergestelles (ebenso gemessen) 4' 3". EinSchmalthier (zweijähriges weibliches Thier): Ohren sehr gross und lang, an ihren Spitzen dun- kel grau gefärbt; Gestalt zierlich; Schwanz gebildet wie am beschriebenen Hirsche. Farbe ganz wie oben beschrie- ben, allein beinahe noch reiner hell gelb ; vier Inguinal- Zitzen. Ein Kalb, am 25. Juli erlegt: Kopf und Haupt- färbung wie an dem Schmalthiere, der Leib fahl gelbröth- lich, mit vielen weissen Flecken ; Schwanz wie an den älteren Thieren. Beschreibung des abgebildeten Gewei- hes eines starken Hirsches dieser Art (Tab. IlL Fig. 2 u. 2) : Höhe der längsten Stange von a bis a 16" 2'"; Länge von der Haupttheilung der Stange in b bis zur Rose a 7" 8V2"'; Länge der aufgerichteten Augensprosse c 2" 8"'; Breite der Rose in a. a 2"; am unteren Theile des Geweihes bis zu über den Augensprossen befinden sich viele Perlen, übrigens ist die Oberfläche dieses Gehörns gänzlich glatt. Der schwarzschwänzige oder langöhrige Hirsch lebt 166 Prinz Maximilian zu Wied: Überall am oberen Missouri und seinen Nebenflüssen, bis zu den Rorky-Mountains bin, und soll aucb jenseit am Colum- bia vorkommen. JVördlieh findet man ibn am Rcd-River, ohne Zweifel auch am Saskatschawan, und nach der Aus- sage einiger Pelzjäger soll er auch am Lake Superior vor- kommen, was aber wohl eine Verwechselung zu sein scheint. Richardson hat ihn im Norden nicht gefunden, sondern nur Felle gesehen; diese Hirschart ist daher nördlich und östlich nicht weit verbreitet, sondern mehr westlich und südlich einheimisch. Dieser Hirsch wird grösser und stärker als der vir- ginische und hält das Mittel zwischen Nro. 1 und 2 mei- ner Beschreibung. Er ist höchst charakteristisch und mit den beiden eben genannten gar nicht zu verwechseln. Es scheint, dass man dieselbe Thierart zuweilen unter dem Namen Mule-Deer und Blacktailed-Deer verwechselt habe; allein diese beiden Benennungen beziehen sich auf ein und dieselbe Species, deren beide hervortretendste Charakter- züge sie hervorheben. In den Monaten Juni und Juli fanden wir die Geweihe dieser Hirsche mit Bast (behaarter Haut) bedeckt, welche sie Ende Juli und August abfegen oder abreiben, und sie werfen im März ihr Geweih ab. Im Monat September treten diese Thiere in die Brunft. Alsdann soll der Hirsch einen eigenthümlichen, unangenehmen Geruch von sich ge- ben, wie alle eigentlichen Hirsche. Nach Aussage der Jäger soll der schwarzschwänzige Hirsch schwerer sein und nicht so leicht und schnell lau- fen als der virginische, er hüpft auch nicht auf diese Art, wie jener, wenn er anfängt flüchtig zu werden. Er soll nicht schneller laufen als eine Bisonkuh, trägt alsdann auch nicht den Schwanz hoch, sondern lässt ihn gerade herab- hängen. Die weiblichen Thiere setzen gewöhnlich ein Kalb, zuweilen doch auch zwei. Sie halten sich in den Gebüschen und Uferwaldungen des Missouri und seiner Nebenflüsse gemeinschaftlich mit den übrigen Hirscharten auf. Man jagt und benutzt sie auch auf dieselbe Weise, allein ihr Wildpret ist grobfaserig und weniger schmack- haft als das des virginischen Hirsches. 55 55 55 Vereeichnis.« Noidamerlkanischer Säugelhiere. 167 Bei den verschiedenen indianischen Nationen hat der schwarzschwänzige Hirsch beinahe ausschliesslich Benen- nungen, welche sich auf diesen seinen hervortretendsten Zug beziehen, wie folgt : Bei den Ojibuä's Machkadeh- Uanösch (der schwarze Schwanz) „ „ Mönnitarri's .... Sih-schüpischä (d. schwarze Schwanz). „ „ Crow's Sih-tschüpitä (dieselbe Be- deutung). „ „ Mandan's Schümpsi. „ „ Grosventres des prai- ries Bühe-ih. Kutanä's oder Kutne- hä's Aknesnink (s wie schw.). „ Flat-Heads .... Zinechkohch (ch kurz und guttural, 0 voll, das Ganze undeutlich). „ „ Arikkara's .... Tahkatitt. Bei den verschiedenen Schriftstellern findet man über die hier beschriebene Hirschart nur wenig brauchbare No- tizen, ein jeder genaue Beitrag über diesen Gegenstand hat daher Werth. Leider sind die besten Stücke meiner Sammlung verloren gegangen. Von guten Abbildungen dieser Thierart existirt bis jetzt nur eine und dieses ist Audubon's Darstellung eines weiblichen Thieres (Bd. IL Tab. 78). Hier ist der charakteristische Schwanz sehr treu dargestellt und man kann ihn nach dieser Figur vollkom- men kennen lernen. Nicht so gut ist der Kopf an dieser Zeichnung dargestellt, dem man die Zeichnung des Herrn Bodmer in der Beschreibung meiner Reise in Nord-Ame- rika *) vorziehen möge. Die Farbe des Thieres zeigt die citirte Audubon'sche Abbildung ganz gut. Der von dem- selben Zeichner (auf seiner 106. Tafel Band III) abgebil- dete Cervus Richardsoni scheint auch auf den hier be- schriebenen Hirsch bezogen werden zu können, wenigstens *) Band II. p. 5. 168 Prinz Maximilian zu Wied: hat die Abbildung grosse Aehnlichkeit mit dem schwarz- schvvänzigen Hirsche des oberen Missouri. Richardson's Abbildung hat keinen Werth. Die Ge- stalt des Thieres ist daselbst zwar ziemlich gut, allein die Beine scheinen zu schlank, die Ohren zu kurz und breit, der Schwanz viel zu dick und buschig. Der letztere ist hier gänzlich unrichtig abgebildet, wie man aus der Ver- gleichung mit Audubon's Tab. 78 ersehen wird. Spencer Baird redet von seinem Cervus leucurus als sei er am Missouri einheimisch ; allein ich habe dort nie von einer fünften daselbst vorkommenden Hirschart re- den gehört, kenne sie also auch nicht, lieber den Punkt der stärkeren Hufe bei Cervus macrotis, welchen jener Zoo- loge hervorhebt, indem er sagt: „er habe zwischen virgi- nianus und macrotis in dieser Hinsicht keinen bedeutenden Unterschied gefunden" kann ich leider keine weitere Auf- klärung geben, da meine Notizen gerade diesen Punkt mit Stillschweigen übergehen, und die Exemplare verloren gin- gen. Was ich davon sagte, war nach der einstimmigen Aussage der Prairiejäger niedergeschrieben. Baird's ge- naue Vergleichung und Abbildung der Füsse kann nicht bestritten werden, wenn er den ächten, von mir beschrie- benen macrotis des S a y vor Augen hatte, was man doch vermuthen muss, und so könnte denn die Schwerfälligkeit des Ganges bei diesem Hirsche weniger in seinen Hufen als in dem übrigen Gebäude des Thieres liegen. Wenn wir aber auch diesen Punkt der schwereren Hufe gänzlich unbeachtet lassen, und also in dieser Hinsicht B aird's Ta- feln XXIIl und XXIV volle Gerechtigkeit widerfahren las- sen, so sind die beiden Züge der Länge der Ohren und der Bildung des Schwanzes ganz allein schon hinlänglich zur vollen Begründung der Species. Baird's Unterneh- men, die Hufe der Hirscharten genau abbilden zu lassen, sollte aber immer bei diesen Thieren nachgeahmt werden. Verzeichniss Nordamerikanischer Säugethiere. 1^9 B. Hirsche mit schauf eiförmigem Geweih. 4. C. alces americanus. Das amerikanische Elenn. Richardson 1. c. I. p. 233. Audub. et Bachm. II. p. 179. Tab. 76. Spencer Baird 1. c. I. p. 631. Obgleich ich nur theilweise diese Hirschart am Mis- souri selbst gesehen habe, so kommt sie doch in gewissen Gegenden, besonders in der Nähe des Milk-River oberhalb Fort Union und an anderen Orlen zuweilen vor, und es wurden dort während unserer Anwesenheit ein Paar sol- cher Thiere erlegt, von welchen ich mehrere frisch abge- löste Theile zu sehen bekam. Die Jäger brachten mir den Kopf eines weiblichen Thieres, dessen Barigehänge bedeu- tend länger und stärker zu sein schien, als an dem euro- päischen Elenn in diesem Alter. Dieses erregte in mir schon damals den Gedanken, beide Thierarten dürften wohl verschieden, dennoch aber höchst nahe verwandte Species sein. Eine ganze Haut, welche ich später von dem cana- dischen Elenn oder Moose erhielt, schien mir nicht wesent- lich verschieden von dem verwandten europäischen Elenn zu sein. Am Missouri ist diese Thierart schon oft erlegt wor- den und man soll nicht hoch aufwärts am Milk-River und den anderen Tributarien des Missouri in jener Gegend zu gehen haben, um sie zu finden. An dem erhaltenen weiblichen Kopfe schienen mir folgende Unterschiede von dem europäischen vorzukommen: die Nase war weniger gelblich gefärbt, die Ohren waren sehr breit, dabei von Farbe graulichbraun, auch scheinbar etwas kürzer, dagegen war der herabhängende Bart länger und stärker, als ich ihn am europäischen Elenn je gese- hen habe. Die Ojibuä's nennen das Elenn (Moose-Deer) .... Mons (französ. alle Buch- slaben gehörlV „ Assiniboins Tab. 170 Prinz Maxim i I i a n z u Wi ed : Die Mandan's Pahchub-Pläpta. „ Blackfect Sikitisuh. „ Arikkara's Wah-siichärut (ach gultu- .i..n)l ral). „ Mönnitarri's Apalapä. Farn. 2. Gavicornia. Hohlhörner. Genus Antilocapra Ord. Gabel-Antilope. Man hat für dieses Genus als Hauptcharakterzug die gabelförmige Theilung der Hörner angenommen und diese sieht auch allerdings in der zahlreichen Familie der Anti- lopen als einzig da. Der zweite unterscheidende Zug liegt in dem Mangel der Afterklauen, welche manchmal gänzlich, öfters auch nur zur Hälfte fehlen. Beide genannten Kenn- zeichen sind aber nicht ganz untrüglich, indem man von diesen Thieren findet, welchen die Gabelung der Hörner fehlt, und die meisten von ihnen haben einen Afterhuf, nur zuweilen fehlen beide. 1. A. americana Ord. Die Frairie-Antilope oder Ca b ri. Richardson 1. c. 1. p. 261. Tab. 21. Audubon und Bachm. IL p. 193. Tab. 77. Spencer Baird I, c. I. p. 666. Beschreibung eines starken Bockes: Ge- slalt antilopenartig, schlank, die Beine hoch, der Hals lang, Kopf schlank und etwas zugespitzt, die Hörner gerade auf- gerichtet, der Schwanz kurz, beide Geschlechter meist ge- hörnt, doch die des weiblichen Thieres nur klein und öfters gänzlich fehlend. Der Kopf ist schafartig gebildet, etwas zugespitzt, in der Augengegend breit, die Stirn etwas concav; das Auge steht hoch, hat keinen Sinus lacrimalis, sein vorderes Ende steht höher als das hintere; Augenlieder mit starken steifen Verzeichniss Nordamerikanischer Säiigetbiere. 171 Wimpern besetzt, welche 6 bis 7 Linien lang- sind; die das Auffe nmorebenden Knochen treten von allen Seiten vor und beschützen dasselbe; Ohr ziemlich lang-, schmal zu- gespitzt, äusserst kurz und glatt behaart; Nase etwa gebil- det wie am Schafe, ihre Kuppe behaart; die Nasenlöcher stehen nahe beisammen , nähern sich einander an ihrem Vordertheile und divergiren am hinteren Ende; ihre Ein- fassung ist nackt, sowie ein schmaler Streifen der Nasen- kuppe , der senkrecht sich zwischen ihrem Vordertheile zeigt; ßaird hat diesen Theil, sowie die Fährte des Thie- res abgebildet. Die Zunge ist mit feinen Papillen besetzt, aber dennoch etwas rauh anzufühlen; einen Zoll hoch über den Augen entspringen die Hörner; sie sind gerade auf- gerichtet, ein wenig sanft auswärts gebogen, haben eine starke, oft abwärts gekrümmte Hakenspitze, und an der Mitte ihrer Vorderseite ein starkes, stark zusammengedrück- tes, breites Ende, welches 2V2 ^oll lang, und an seiner Wurzel beinahe 2 Zoll breit ist; die Basis der Hörner ist eingeschnürt und an ihrer unteren Hälfte bis zu dem Ende oder dem vorderen Auswüchse öfters aufwärts zusammen- gedrückt, so dass sie nach vorne eine scharfe Kante zeigen; sie sind etwas rauh und an ihrem unteren Theile zuweilen mit einzelnen kleinen Haaren besetzt; bei vielen Böcken fehlt das vordere Ende, bei jungen Böcken immer, gewöhn- lich ist dasselbe aber vorhanden; die Haare des Scheitels und Kopfes decken die Wurzeln der Hörner rundum ziem- lich weit aufwärts, und der obere Theil der Hörner, von der Gabel aufwärts ist mit leichten Längsfurchen bezeich- net; öfters variiren diese Hörner etwas in ihrer Gestalt, doch sind die Abweichungen gewöhnlich nicht bedeutend; bei einigen Böcken sind selbst die Spitzen der Hörner etwas zusammengedrückt; auf dem Occiput, hinter den Hörnern des Thieres bilden die langen Haare einen Wirbel, d. h. eine scharfe Kante, gleich einer über einen Zoll hohen auf- gerichteten Mähne, indem sie gegeneinander anstreben, und von jedem Hörne aus läuft ein ähnlicher Wirbel oder Haar- kante nach der Mitte des Occiputs hin, wo sie sich beide vereinigen, um jenen Mittelkamm zu bilden; der Hals ist lang, stark, ziemlich dick und muskulös, dabei mit ziem- 172 Prinr iMaximilian tu Wied: lieh langen, sehr dichten Haaren besetzt; der Schwanz des Tliieres ist kurz, schmal, zugespitzt und an seiner Unter- fläche gänzlich nackt; Beine zierlich und schlank, Hufe zu- gespitzt und wie am Schafe gebildet; nur eine Af'terklaue ist vorhanden, welche an der inneren Seite steht, die äus- sere fehlt gänzlich, aber man bemerkt an ihrer Stelle unter der Haut einen kleinen, runden, sehnigen, ziemlich weichen Callus; Teslikel gebildet wie am Rehbocke, dabei behaart; Haar des ganzen Thieres spröde, lang und hart, dabei dicht, wie am Aluflon, aber ohne Grundwolle, dabei nicht sehr fest in der Haut sitzend; an den Hinterbacken ist es länger als am übrigen Körper und sehr dicht; ein Streifen zwischen den Hinterschenkeln vom After abwärts ist unbe- hehaarl; unter dem grossen schwarzbraunen Flecke an den Endflügeln des Unterkiefers liegt eine grosse, weit ausge- dehnte Parotisdrüse. — Die Haare an dieser Stelle, sowie am übrigen Kopfe sind hart, dicht, zum Theil etwas glän- zend und fest aufliegend ; das Haar ist auf dem Nasen- rücken am kürzesten, ebenso an den Ohren, der Umgebung der Augen und den Lippen. Ausmessung: Ganze Länge mit ausgestrecktem Halse, Kopf und Schwanz 4' 10" 8'"; Länge des Schwan- zes (vom Rücken aufrecht gestellt gemessen) 7" 3'"; Länge des Kopfes 11" 4"'; Höhe des Vordergeslelles bis zu den gestreckten Hufspitzen ungefähr 2' 6" 10"'; Höhe des Hin- tergestelles (ebenso) 3' 1"; Höhe der Hörner (in gerader Linie gemessen) 8" 8"'; Länge des Vorderhufes 1" 6"'; Länge des Hinterhufes 1" 3"'. Ausmessung des Kopfes eines anderen Bockes: Länge von der Nasenspitze zum vorderen Au- genwinkel 7" 8"'; Länge der Augenöffnung 1" 3"'; Länge des Nasenloches 1" 3"'; Länge der MundölTnung vom Mund- winkel bis zur Spitze 3" 2"'; Länge vom hinteren Augen- winkel bis zur Spitze des Ohres 7"; Höhe des Hornes von der äusseren Basis bis zu seinem höchsten Theile etwa 8" 3"'; Länge des Horns von seiner inneren Basis bis zu der herabgekrümmten Spitze 7" 2"'; Breite des Horns an seiner Basis 1"!'"; Durchmesser der Basib von vorne nach hinten 2" 3"'; Breite des Ohres an der breitesten Stelle Verzeichniss Nordamerikinnischer Säugelhiere. 178 1" 10'",- Breite des Kopfes von Auge zu Auge 5" 4'"; Breite zwischen den Hörnern 2" 6'"; Länge des Ohres un- gefähr 6". Ein stärkeres Gehörn eines Bockes mass in gerader Linie seiner Höhe 10". Färbung: Rand der Augen, Lippen und Nasenlöcher schwarzbraun und nackt. Augenwimpern schwarz, Stirn und Umgebung der Augen fahl gelbröthlich (Kaffee mit Milch), ebenso ein Streif von der hinteren Hornbasis zwi- schen Auge und Ohr herab ; Seiten des Kopfes weisslich, ebenso ein etwa fingerbreiter Rand der Oberlippe, sowie die ganze Unterlippe und Unterseite des Kopfes in ihrer Mitte; diese Unterseite ist an ihren Seitentheilen hell gelb- röthlich; Nasenrücken dunkel röthlichbraun und diese Zeich- nung bildet einen grossen dunkelbraunen Fleck, der zu beiden Seiten bis gegen die weisse Einfassung des Ober- kiefers herabsteigt und diese durch nette Abgrenzung hebt, auch die Nasenlöcher einschliesst; ein ähnlicher dunkel- brauner oder schwarzbrauner Fleck von 3V2 bis 4 Zoll Länge steht hinter den Endflügeln des Unterkiefers, über dem Kehlkopfe, und der hellrothe Streifen, der zwischen Auge und Ohr herabkonimt, triiTt seine obere Spitze; oft ist auch der Streifen vom Hörne abwärts nach dem schwarzen Halsfleck hell gelbroth; Stirn weisslich und gelblichbraun gemischt; Gegend hinter den Hörnern sowie der ganze Hin- terkopf sind weisslich, allein die hervortretenden Haarkan- ten oder Wirbel hell gelbroth; Ohren aussen hell fahl gelb- roth, nach ihrer Spitze hin mehr dunkel und ins Graue ziehend; inneres Ohr weiss, ebenso dessen Wurzel nach vorne und oben, wo sich ein grosser weisser Fleck befin- det; der dunkle Nasensattel ist an seinem oberen Theile mit weisslichen Haaren gemischt, sendet aber einen dun- kelbraunen Streifen nach jedem Hörne hinauf; über jedem Auge steht über dessen Vorderende unter dem Hörne ein kleiner schwarzer Fleck im weisslichen Grunde; Farbe aller Obertheile des Thieres grauröthlichfahl, gelbbräunlich ge- mischt; alle Unterlheile, Schenkel nach hinten und innere Seite der Glieder sind weiss; Haare an der Seite des Hal- ses und hinter dem Kopf an ihrem Wurzeltheile weiss; 174 Prinz Maximilian zu Wied: Gehörn schwärzlichbniun, die obere Hakenspilze gewöhn- lich weisslichhornfarben ; an der Vorderseite des Halses unter der Kehle steht häufig- ein weisslicher Fleck, unter diesem eine rölhliche Querbinde und darunter wieder weiss, doch fehlen diese Flecken zuweilen. Hufe schwarz. Weibliches Thier: Gehörnt, aber die Hörncr sind immer nur sehr klein, etwa 2 bis 3 Zoll lang, oft aber auch gänzlich fehlend, woher denn die Sage kommt, das Weib- chen sei ungehörnt. In den übrigen Theilen des Körpers ist es von dem Bocke nicht verschieden, nur immer klei- ner und schwächer. Ausmessung des Kopfes einer erwachse- nen weiblichen Cabri: Länge von der Nasenspitze zu dem Hörne 8"; Länge des Hornes 1" 2'", es ist mit der Spitze etwas rückwärts und einwärts gebogen; Länge des Ohres 5" 6'"; Breite von einem Hörne zu dem anderen (von Mitte zu Mitte) 3". — Die Färbung wie am Bocke, nur soll der schwarzbraune Fleck an den Seiten der Kehle hier fehlen, was ich übrigens in meinen Notizen nicht ange- merkt finde. Das junge Thier hat die Farbe der alten und ist ungefleckt, dabei sehr niedlich. Die Prairie-Antilope oder Cabri ist über einen gros- sen Theil des nördlichen, besonders den nordwestlichen Theil von Nord-Amerika verbreitet. Nach Norden geht sie bis zum 53. Grad bei Fort des Prairies am Saskatschawan und wird westlich jenseit der Rocky-Mountains gefunden, in Oregon, Mexico, Californien und Texas. Am Red-River oder an der Grenze von Canada soll sie auch noch leben. Sie halten sich im Sommer einzeln oder in kleinen Gesell- schaften und familienweise in den weiten Prairies auf, die ihren Bewegungen weiten Raum gestatten. Die alten Böcke gehen mehr für sich zu einigen wenigen beieinander oder auch ganz allein. Im Herbst und Winter vereinigen sie sich zu zahlreichen Rudeln und man sieht alsdann 30, 40 bis zu 100 und mehr bei einander. Sie ziehen sich als- dann mehr aus der Ebene fort, wo die kalten Winde sie belästigen, auch später der tiefe Schnee ihnen das Auf- decken ihrer Nahrung nicht erlaubt. Alsdann suchen sie Verzeichniss Nordamerikanischer Säugethiere. 175 die Hügelketten und ihre Schluchten, wo sie an geschütz- ten warmen Abhängen ihre Nahrung finden. — Von d.en Prairies bei den Mandan-Dörfern sagten uns schon Lewis und Clarke, dass sich diese Thiere im Winter nach den Black-Hills zögen, welches sehr richtig ist. Zu Fort Union sah man zuweilen während des ganzen Winters diese Thiere, jedoch nur in geringer Anzahl. Ihre Stimme ist ein lautes zischendes Pfeifen durch die Nase, nach Art dessen der Gemsen. Sie sind unbezweifelt die schnellsten Thiere der Prairie und machen weite Sprünge, wenn sie flüchtig werden. Zu Fort Clarke sieht man sie gewöhnlich im Monat April von ihren Wintersländen zurückkehren, alsdann kommen sie rudelweise an und setzen durch den Missouri, um ihre Som- merweideplätze wieder aufzusuchen. Ihre Brunftzeit ist im September. Der Bock soll dann häufig seine Stimme hören lassen und da er in Polygamie lebt, so sieht man ihn alsdann sein Rudel zusammenhalten und zusammentreiben, dasselbe umschwärmen und nach Gefallen umher treiben. Im Mai gewöhnlich wirft die Ziege ihr Junges, zuweilen, doch sel- tener, auch zwei. Die Mutter vertheidigt ihr Kitzchen sehr tapfer gegen die Feinde und soll zuweilen selbst den Wolf abschlagen, besonders wenn mehrere Antilopen beieinander sind. Bei Sioux-Agency fanden wir Ende April ein sol- ches junges Thierchen in der Prairie, das sich nieder- drückte, als man ihm nahe kam. Leider konnte man es nicht mitnehmen, da man zu Pferde war. Man hat es schon öfters versucht diese jungen Thiere aufzuziehen, allein sie starben gewöhnlich nach 14 Tagen. Man hatte aber immer versäumt ihnen eine Ziege zur Ernährerin zu geben, wel- ches bei verwandten Thieren immer der sicherste Weg ist. Townsend erzählt von einem solchen jungen Thiere, welches glücklich aufgezogen worden war. — Wenn die Mutter nach der Nahrung ausgeht, so lässt sie in der ersten Periode ihr Junges zurück, welches sich dann ganz ruhig verhält, gerade wie dieses bei unseren Hirscharten der Fall ist. Man jagt die Antilopen nur im Nothfalle, wenn man kein Bisonfleisch haben kann, und schiesst sie dann mit der Büchse, indem man sie hinter Hügeln, Steinköpfen oder Ge- 17G Prinz Maximilian zu VV i e d : buschen beschleicht, worüber schon Say und Audubon die nöthigen weitläuligen Nachrichten gegeben haben. Mit einem recht raschen Plerde soll man sie zuweilen einge- holt haben, wenn man die Vcriolgung lange genug fortsetzt, denn sie stehen zuweilen still, besonders wenn sie Hügel erreichen, oder kommen, wie man zu sagen pflegt, aus dem Sprunge, wo dann die erste Gelegenheit zum Schusse benutzt werden muss. In der Beschreibung meiner Reise habe ich die verschiedenen Arten der Jagd angegeben, welche die Indianer bei diesen Thieren anwenden. Das Fleisch der Cabri ist ziemlich wohlschmeckend und hat uns sehr häufig zur Nahrung gedient. Die Haut giebt ein leichtes, aber wenig dauerhaftes Leder, welches die India- ner zu ihren, wenn sie neu sind, sehr hübschen und nett weisslichgelben Lederhemden benutzen. Die von Richardson gegebene Abbildung der Prai- rie-Antilope ist gut, auch die von Au d üb on, wo man die Färbung sieht, besonders befindet sich auf jener Tafel ein solches Thier von vorne gesehen, das sehr treu ist.- — Was die Farben anbelangt, so hat sie der übrigens sehr ge- schickte und fleissige Maler an dieser Zeichnung ein wenig zu scharf gegeneinander abgesetzt. Spencer Baird hat die Nasenkuppe des Thieres abgebildet, sowie den Huf von der Unterseite. Die Benennungen einiger indianischen Nationen für die Antilope sind folgende : Die Ojibuäs nennen sie . . . Apista-tigüss (ta und ti sehr 1-^ kurz). „ Krih's (Crees) .... Apestat-jehkus (e halb, j franz., kus leise und ohne Nachdruck). Dacöta's Tatöga od.Tat6kana(o voll). „ Assiniboin's Tatöga (o voll). „ Mandan's Koka (der allgem. Name). Der Bock Kock-Berockä. Wenn die Antilope ge- I '!t hörnt ist .... Kokästu. „ Mönnitarri's Ohchi-Kihdapi (ch guttural, dapi kurz). Verzeichniss Nordamerikanischer Säugethiere. 177 Die Crow's Ohchkä (ch guttur.). „ Arikkara's Arikatock (och guttur.). Der Bock Arikatoch. Die Ziege Askahi-hani-sapält. Das Kitzchen .... Achkäh-nihän. „ Blackfeet Aiiokähs. „ Kutanä's oder Kutnehä's . Nestükp. Genus Oris Linn. Schaf. Die verschiedenen Arten der wilden Schafe sind für Europa und Nord-Amerika ziemlich festgestellt, weniger für Asien, wo es mehre Arten derselben giebt; dennoch hat mir ein der Gebirge ziemlich kundiger Jäger versichert, es gebe in Nord-Amerika oberhalb des Fort des Prairies in den Gebirgen des Saskatschawan noch eine zweite Art von wilden Schafen, welche mit Wolle, wie linser zahmes Schaf bedeckt sei, und sehr grosse, dicke, gewundene Hörner trage, deren Spitzen beinahe die Augen des Thieres er- reichten, und welche doppelt gewunden seien, also etwa wie am spanischen Widder. Die Farbe des Thieres sei weisslich. Ein gewisser Monteur soll einen ganzen Kopf dieser Schaf-Art nach dem Forte gebracht haben. Für die Wahrheit dieser Aussage kann ich jedoch nicht bürgen. 1. 0. montana Cuv. Das nord-am erikanische Berg-Schaf, Bighorn. Richardson I. cit. I. p. 271. Tab. 23. Audubon et Bachm. II. p. 163. Tab. 73. Spencer Baird 1. cit. I. p. 673. Bighorn der Anglo-Amerikaner. La Grosse-Corne der Canadier. Beschreibung eines starken weiblichen Thieres: Stark, gedrungen und muskulös, von der Grösse und ziemlich von der Bildung der Stein-Ziege (Capra ibex). Archiv für Naturg. XXVllI. Jahrg. 1. ßd, 12 178 Prinz Maximilian zn Wied: Der Kopf hnt vollkommen die Gestalt wie an dem eben ge- nannten verwandten Thiere^^), er ist gross, der Nasenrücken völlig gerade, die Unterlippe ein wenig über die obere vor- tretend "*'■*) ; das Auge ist ziemlich gross; vor demselben, aber etwas davon abgesondert, steht der Sinus lacrimalis; die Ohren sind klein und kurz; die Hörner mehr schaf- als ziegenartig, sie sind gestellt wie an der Stein-Ziege, sind aber mehr platt gedrückt und mit Querrunzeln besetzt, sanft bogenförmig rückwärts und mit den Spitzen ein wenig auswärts gebogen, aber nicht zugespitzt , sondern sanft abgerundet; der Hals ist dick, der Rücken breit^ der Schwanz kurz und schmal; Schenkel sehr fleischig und muskulös, dick, gebildet wie am Steinbocke ; Beine ebenfalls stark und gedrungen, die Hufe sehr kurz und vorne ziemlich senk- recht abgeschnitten ; Afterhufe breit und stumpf, hinten mit einer Querleiste; Brust breit und stark; After und Ge- schlechlstheile nahe bei einander; zwei Inguinalzitzen; Haar des Thieres kurz, ziemlich hart, kürzer als an der Antilope, also etwa -wie am europäischen Steinbocke, an der hintern Seite der Schenkel ganz kurz, auf der Stirn beün- det sich ein Haarwirbel. Färbung: Die Farbe des Thieres ist schmutzig grau- braun, wie am Steinbocke, die Rückenlinie ein wenig dunkler; Bauch, innere und Hinterseite der Beine weiss, ebenso die ganze Hinterseite der Hinlerschenkel und diese Farbe tritt IV2 Hände hoch über den Schwanz auf den Rücken hinauf; Vorderseite der Beine mehr schwärzlich graubraun als der Rücken, also etwa wie der Rückenstreifen ; Kopf hell asch- grau oder weisslich grau, unter dem Kinne weiss und an dem Kehlkopfe steht ein weisser Fleck auf graubraunem Grunde: Ohr gefärbt wie der Kopf, allein anseinerinneren Seile weisslich; Schwanz graubraun. Ausmessung des Kopfes: Ganze Länge 10" *) Die Abbildung des Kopfes des weiblichen Ovis montana siehe nach Herrn Bodmers Skizze in Schinz Monographien der Säugethiere (Monoorraphie der Schafe Tab. 3). • m, **) Die Nasenkuppe und die Unterseite des Fusses hat Spencer Baifd abgebildet. ' '^^ Verzeichniss Nordamerikanischer Säugethiere, 179 4 bis 5'"; Breite von einem Auge zu dem anderen (quer über die Stirn) 5" 4'"; Länge des Horns in gerader Linie 6"; Breite des Horns an seiner Basis 1" 7"'; die übrigen Maasse des Tliieres sind verloren. Der Bock: Ist weit stärker, grösser, gedrungener und kräftiger gebaut als das Schaf; seine Hörner sind oft colossal, seitwärts gekrümmt und die Spitze wieder nach vorne gerichtet; sie sollen zuweilen an 40 Pfund wiegen können. Alte Böcke sind mehr hell grau gefärbt, oft bei- nahe weisslich. Im Herbste und Winter hat das Bio--Horn eine graubraune melirtc Farbe, aber der Hinter-Rücken und die Einfassung der Schenkel bleiben immer rein weiss: über den weissen Hinter-Rücken zieht ein dunkel grau- brauner Strich bis zu dem ebenfalls dunkel graubraunen Schwänze. Da ich den Bock nicht vollkommen beschreiben kann, so will ich doch die Abbildung und Ausmessung eines star- ken männlichen Schädels dieser Art geben, welchen ich noch besitze, und der ein höchst characteristisches Stück ist. Siehe Tafel VI Fig. 1 denselben von vorne, Fig. 2 von der Seite. Ausmessung dieses Schädels: John Richardson hat in der Zoology der Reise des Schiffes Herald*-) das ganze Skelet eines männlichen Schafes dieser Art beschrie- ben und abgebildet, welches aber bei weitem nicht so alt war, als der von mir hier erwähnte Kopf. Dagegen hatte das von Dr. Richardson in der Fauna bor. americana ge- messene alte Thier beinahe dieselben Dimensionen, wie der hier von mir abgebildete Kopf. Ausmessung: Länge des Kopfes vom Hinterhaupte bis zur Spitze des Ober- kiefers 11" 6'" Breite des Kopfes oberhalb der Augenhöhlen 6" 4 — 5'" Breite des Oberkiefers an der Spitze der Nasenbeine 2" 4—6'" Länge der Nasenbeine 4" 1' /// *) Siehe The Zoology of the voyage of H. U. S. Herald, p. 87. Tab. I. 2 444 2 7444 180 Prinz Maximilian zu Wied: Breite der vereinten Nasenbeine .... 2" V" y, eines jeden einzelnen 1" y. Höhe des Schädels mit geschlossenen Kie- fern vor den Augenhöhlen . . 5" 6 Höhendiirchmcsser der Augenhöhle ... 1" 10 Läno-endurchmesser derselben 1" 11'" Anfang der Hornbasis über dem Rande der Orbita — 9V; Umfang des Horns an der Wurzel . . . 13" 4'" „ desselben in seiner Mitte .... 11" 4'" Entfernung der Spitzen beider Hörner von einander 21" 5'" Länge des Horns nach der Krümmung auf der äussern Seite gemessen . . 2' 2" Länge desselben längs der Krümmung der unteren Kante gemessen ... V 5" 7' Der Jochbogen ist sehr kurz, etwas auswärts gewölbt, in seiner Mitte etwa 3 Linien breit, in der Zoologie des Herald ist er mehr gerade abgebildet; der processus con- dyloideus des Unterkiefers ist sehr kurz, etwa 5 Linien lang, der coronoideus ist um beinahe zwei Zoll länger, gekrümmt, abgeplattet und am Ende breiter und abgestumpft; die Stirn ist sanft concav ; die hintere Wand des Schädels nach dem cirkelrunden foramen magnum hinab ziemlich senkrecht, dabei sanft concav. Zwischen den Hörnern ver- läuft eine rundlich erhöhte Leiste. Die Hörner sind rundlich dreieckig, die Hinter- oder Grundfläche des Dreiecks etwas abgerundet, die Spitze des Dreiecks nach oben und ein wenig abgerundet; an der Wurzel hat das Hörn überall Querfurchen, von welchen die der Wurzel genäherten an der Oberkante die tiefsten sind ; an dem Spitzendrittheile des Horns befinden sich an der äusseren Kante deutliche Knoten, von welchen Leisten rund um verlaufen, aber nie ist die Spitze aufwärts gebogen, wie dieses auch Baird sehr richtig bemerkt. — Die Farbe der Hörner ist gelblich graubraun; Baird hat die Hörner des Bockes und des Schafes dieser Art (p. 675 und 677) sehr gut abgebildet. Das Bergschaf ist bekanntlich über die westlichen und Verzeichniss Nordanierikanischer Säugethiere. 181 südwestlichen Gegenden von Nordamerika in allen Höhen- Zügen zahlreich verbreitet, worüber man bei Richardson, Audubon, Spencer Baird u. a. weitläufige Nachrichten fin- det. Am obern Missouri, in den Rocky-Mountains und jen- seit derselben kommt es überall vor, wo Berg- und Höhen- Züge das Land durchsetzen, und man sieht diese Thiere an den steilen Ufern des Missouri öfters in zahlreichen Ru- deln. Die ersten dieser Thiere, welche wir antrafen, zeig- ten sich in der Nähe von Lewis und Clarke's sogenannten White-Earth-River am 4. August*). Zwei weibliche Thiere und ein Bock standen an der Spitze eines hohen Ufers und betrachteten ruhig das pochende Dampfschiff. — Auch am Yellow-Stone Flusse sind sie sehr häufig und man bemerkt daselbst Rudel von 50, 80 und mehren Thieren. Die alten starken Böcke sind gewöhnlich nicht bei solchen Gesell- schaften, sondern sie stehen zu dreien, vieren, sechsen und selbst mehren für sich allein, suchen jedoch die Weibchen sobald die Brunftzeit heran nahet. Ihre Farbe ist oft sehr weisslich oder weissgrau, woran man die alten Böcke mit ihren grossen Hörnern von Ferne erkennt. Hire Lebensart ist beinahe vollkommen die der Steinböcke. Sie flüchten auf steile Höhen, sobald sie etwas Fremdartiges gewahren, kommen übrigens, wenn die Gegend ruhig ist, auf die Wiesenstellen und Grasplätze in den Schluchten und an den Ufern der Flüsse herab, um zu grasen. In den son- derbaren Gestalten der Sandstein-Hügelketten sahen wir sie oft in den unteren Regionen in grosser Anzahl. Sie werfen ein, seltener zwei Junge, welche schwer zu erhalten sind. Herr M'kenzie versprach seinen Jägern ein gutes Pferd, wenn sie ihm ein solches Thierchen verschaffen würden, erhielt aber bis damals noch keines derselben. Im Springen und Klettern sind diese Thiere Meister, wie die Steinböcke und Gemsen. Ihre Haut wird von den Indianern zu ihren netten Lederhemden sehr gesucht, gerade wie bei der Antilope oder Cabri. Das Leder derselben hat auch dieselben Ei- *) Siehe die Beschreibung meiner Reise über diesen Gegenstand an mehren Stellen. 182 Prinz Maximilian zu Wied: gcnschalten und ist nicht sehr dauerhaft und stark. Das Fleisch wird gefressen; doch hat dieses Thier einen schaf- artigen, bei dem Bocke in der Brunft sehr strengen Geruch, weshalb wir dasselbe nicht liebten. Bei verschiedenen indianischen Nationen kennt man diese Thiere unter den nachfolgenden Benennungen: Bei den Ojibuäs Älanastahnis (2. und 3. a zwischen a und o gespr., voll, s ganz gehört). „ „ Dacöta's Kihskä. „ „ Assiniboin's .... Hähktschischka. „ ,, Mandan's Ahs-chtä oder Ans-chtä (ch guttur, man spricht aus wie Ahsäch-tä). „ „ Mönnitarri's .... Ansechtia (an franz., ich deutsch guttur., i und a getrennt, i Accent). „ „ Grosventres desprai- ries Hotteh. „ „ Kutanä's .... Kuisskussä (kus kurz). „ „ Crows ..... Ichpöa-tassa (alles zusam- mengespr. guttural, tassa leise, a nur halb). „ „ Arikkara's .... Arikiissu. Richardson hat das männliche Bergschaf sehr gut abge- bildet, weniger gut, wie es mir scheint, ist Audubon's Abbil- dung, wo das männliche Thier viel zu dunkelbraun illuminirt ist. Die Farbe ist in der Natur mehr graubraun, und bei dem alten hier dargestellten Bocke weissgrau. — Den Kopf des weiblichen Thieres hat Schinz nach einer Zeichnung des Herrn C. Bodmer gegeben. Genus Capra Liun. Ziege. Nur eine Art aus dieser Gattung ist für Amerika bis jetzt bekannt, wovon Richardson die, wie mir scheint, beste Verzeichniss Nordamerikanischer Säugethiere. 183 Abbildung gegeben hat. Ich habe von diesem Thiere nur ein Fell gesehen, aber vicllältig Nachricht davon erhalfen. fl'Jfll) Ti' 1. C. americana Rieh. Die amerikanische Berg- Ziege. Richardson 1. c. I. p. 268. Tab. 22. Audubon und Bachm. III. p. 128. Tab. 128. Aploccros montanus Baird 1. c. I. p. 671. Diese schöne Bergziege, von welcher ich zu St. Louis eine sehr grosse, vollständige Haut sah, welche aber leider durchaus nicht feil w^ar, hat, wie es mir schien, grosse Aehnlichkeit mit der Angoraziege, obgleich ich sie nur flüch- tig untersuchen konnte. Spencer Baird ist der Ansicht, dass dieses Thier zu den Antilopen zuzählen sei, ich kann dieses aber dem äusseren Anscheine zu Folge nicht unterschrei- ben, und es scheint mir zweckmässig, Richardson zu folgen, bis dieses Thier anatomisch untersucht sein wird, wo man seine wahre Verwandtschaft besser wird beurtlieilen können. Da ich leider die Rocky Mountains nicht völlig erreichte, so habe ich dieses interessante Thier nicht in der Freiheit beobachten können, aber viel von ihnen gehört. Sie leben besonders in dem Theile des Gebirges, welcher von den Kutanä-Indianern bewohnt wird und an den Quellen des Columbia-Flusses. Mehre Expeditionen wurden zur Zeit meiner Anwesenheit dorthin ausgesendet, um diese weisse Ziege zu bekommen, allein sie missriethen und man bekam keine Felle. Die Canadier nennen dieses Thier Nane. Genus Bos Linn. Ochse. 1. B, americanus Gniel. Der Bison. Richardson 1. c. 1. p. 279. Audubon und Bachm. 1. c. II. p. 32. Tab. 56. 57. Spencer Baird 1. c. I. p. 682. Es würde Wiederholung sein, wenn ich von dieser interessanten, aber bekannten Thierart eine weitläufige ße- 134 Prinz Maximilian zu Wied: schreibung^ geben wollte, doch sind einzelne Punkte in der Geschichte und selbst in der Beschreibung des amerikani- schen Bison, welche bis jetzt übersehen, oder doch nicht gehörig hervorgehoben worden sind. Der Bison bildet bekanntlich eine characteristische, von allen übrigen wilden Ochsenarten verschiedene Species. Sein Kopf ist sehr gross, die Stirn sehr breit, im Verhält- niss weit grösser, wie es scheint, als am europäischen Auerochsen. Der Kopf wird stets sehr tief getragen, da- bei ist der Hals sehr kurz, der Widerrist sehr hoch er- haben und gewölbt, der Vorderleib colossal und breit, das Hintergestell dagegen verhältnissmässig sehr schmal und schwach, der Schwanz ziemlich kurz, glatt und kurz be- haart, am Ende mit einer dickeren Haarquaste versehen. Eben so characteristisch ist die Behaarung dieses Thieres, die während der Sommermonate beinahe der eines gescho- renen Pudels gleicht. Kopf, Hals, Schultern, Vorderleib und Vorderschenkel sind bis auf die Höhe des Rückens mit längeren Haaren bedeckt und die längere Behaarung endigt scharf abgesetzt hinter den Vorderblättern und Schultern. Der ganze übrige Körper, Mittel- und Hintertheil, ist mit sehr kurzen, dichten Haaren besetzt. Stirn und Oberkopf tragen sehr lange, schlichte 12 bis 16 Zoll lange Haare, und ebenso sind sie an den Vorderbeinen, wo sie bis auf die Mitte der Schienbeine herabhängen. Kopf, Hals und das lange Haar der Brust und Vorderbeine sind kohlschwarz, die Schultern und Vorderblätler gelblichbraun, zuweilen mehr oder weniger dunkel oder heller, jedoch selten, der ganze übrige kurz behaarte Hinterleib ist schwarzbraun. Die sanft bogig aus- und aufwärts gekrümmten Hörner ^'j sind kurz *) Townsend (siehe Sportingexcurs. to the Rocky Mo unt.) nennt diese Ilöiner ,, colossal", allein dieser Ausdruck ist ganz unpassend, da sie durchaus nicht gross sind, sondern immer weit kürzer als die eines gewöhnlichen deutschen Ochsen. Eben so unrichtig ist es, wenn man sagt (siehe Major Long's exped. to St. Peters River Y. IIp.25), die Runzeln dieser Hörner zeigten die Zahl der Jahre des Thieres an. Es ist dies ebenso unrichtig, als wenn man das Alter der Klapper- schlange nach der Zahl ihrer Schwanzklapperringe bestimmen wollte» I Verzeichniss Nordamerikanischer Säugethiere. 185 und dick, dabei immer gänzlich schwarz von Farbe. Die Aus- messungen und genauere Beschreibung habe ich leider mit mancherlei Präparaten von dieser Thierart verloren. Im Winter ist das Haar des Bison am Hinterleib eben- falls länger, dabei mit dichter Grundwolle, und die Behaa- rung des Vorderleibes ist alsdann weniger abgesetzt und unterschieden von der des Vorderkörpers. Die Kuh zeigt nie die regelmässige Verlängerung der Haare des Vorder- theiles, wie der Stier, auch sind ihre Haare am Kopf nur unregelmässig buschig und struppig, aber nie lang herab- hängend, und die langen Haare der Stirn und der Vorder- beine fehlen gänzlich, dabei ist sie bedeutend kleiner. Audubon giebt auf seiner 57. Tafel (des 23. Bandes) die Abbildung einer sitzenden Bisonkuh mit ihrem Kalbe, die ganz gut ist; dagegen ist seine Abbildung des Stiers (Tab. 56) sehr schlecht. Der Stier hat an jeder Seite seiner Brunftruthe ein Kennzeichen, welches ich in keiner Beschreibung angemerkt linde, nämlich zwei gepaarte Zitzen dicht neben einander, deren Gestalt länglichschmal und zugespitzt ist. Die Fährte oder Spur des Bison-Stieres ist colossal und sehr abgerundet, w oran das Ersteigen der hohen Ufer- berge am Missouri Ursache ist; sie misst in der Breite we- nigstens 5 Zoll 1 Linie und ist 5 Zoll 4 Linien lang; die Afterhufe sind kurz, breit und etwas dreieckig, dabei aus- einanderstehend; das Vorderbein ist sehr dick, vom Knie abwärts kurz behaart, die lang herabhängenden Haare des Vorderschenkels sind am Knie immer abgenutzt und abge- schliffen. Man hat von dieser Thierart weisse und weiss gefleckte Varietäten, doch sind dieselben nicht häufig. Von einer Rasse mit seidenartig glänzenden feinen Haaren, welche im Sonnenschein wie Biberhaar glänzen und schillern sollen, wurde mir häufig erzählt, doch habe ich sie nicht selbst gesehen. Missgeburten mit zwei Köpfen, oder mit mehren Bei- nen und dergleichen Defecten, will man öfters unter diesen Thieren beobachtet haben. Man hat mir sogar von einer erwachsenen zweiköpfigen Bisonkuh erzählt, 186 Prin« Maximilian zu Wied: welche geschossen worden sein soll, ohne Zweifel eine Jäger-Fabel. Ehemals war der Bison oder BufTaloe der Amerikaner über den grösslon Theil von Nord-Amerika verbreitet; diese nützliche, harmlose Thierarl ist aber gegenwärtig in allen östlichen Staaten ausgerottet und ihre Ueberreste sind so weit westlich hinausgeschoben, dass man jenseit des Mis- sisippi den Missouri schon sehr weit aufwärts reisen muss, bevor mann ein einziges dieser Thiere erwarten kann. Wir erreichten, den Missouri aufwärts verfolgend, die ersten frischen Spuren von ihnen in der Gegend von Cedar-lsland, etwa 1100 Miles vom 31issisippi entfernt. Hier waren sie indessen noch selten und sie nahmen nicht eher an Anzahl zu, bis man den Teton-River passirt hatte. Recht zahlreich fanden wir sie erst, als wir etwa 8 Tagereisen aufwärts von Fort Union zurückgelegt hatten. Gegenwärtig hat man sie schon über die Rocky Mountains getrieben, wohin sie sich vor den weissen Jägern geflüchtet haben sollen, wie man sagt. Ueber den gegenwärtigen Aufenthalt der Rison- ten geben Major Long in seiner Reise nach dem St. Peters- River (V. II. p. 25), so wie Audubon und Spencer Baird Nachricht, ich darf also dorthin verweisen. Die Nachstel- lungen sind überall so stark, dass diese Thiere auf eine reissende Weise abnehmen. Die Heerden der ßisonten weiden zum Theil in grosser Anzahl in jenen ausgedehnten Prairies und man erstaunt zu- weilen über ihre Menge, wenn man von der Kuppe eines Hügels in die Ferne blickt, wo man grössere und kleinere Trupps von ihnen über die ganze Ebene verbreitet sieht, zwischen wel- chen sich dann wieder einzelne zerstreute Thiere in bedeu- tender Anzahl zeigen. Solche Anhäufungen der Bisonten zeigen alsdann an, dass die Indianer sich nicht in der Nähe befinden, die ihnen beständig nachstellen. Ausser der Brunftzeit, die im Monat Juli eintritt, halten sich die Stiere in kleineren Gesellschaften vereint, von den Kühen und Kälbern getrennt, alsdann aber suchen sie die letzteren auf und sind in 8 bis 10 Tagen, wie man versichert, schon schlecht an Wildpret, nehmen dann aber auch bald den strengen, unangenehmen Geruch an, der alsdann das Fleisch Verzeichniss WoidameriUanischer Säugcthiere. 187 der männlichen Thicre verleidet, welches ohnehin hart und weniger beliebt ist als das der Kühe. Alsdann vernimmt man die lautröchelnd brummende Stimme des Stiers in allen Heerden. Die Kuh wirft gewöhnlich ein Kalb, und zwar im April oder Mai, doch zuweilen auch zwei. — Diese haben eine hell röthliclibraune Farbe und man kann sie leicht aufziehen. Wenn man sie haben will, so reitet man den Kühen in der Prairie nach, fängt alsdann leicht das Kalb, welches anfänglich stössig ist und ausschlägt, bald aber, da es sich von der Mutter verlassen sieht, den Pferden nachläuft und sehr schnell zahm wird. Im Sommer leben die Bisonten in den weiten Ebenen und Hügeln zerstreut, im Winter hingegen suchen sie die Gebüsche und Walddistricte, und man findet sie alsdann oft in Mencre in den Ufer-Gebüschen und auf bewaldeten Inseln des Missouri, aus welchen sie oft bei den kalten Schnee- Stürmen kaum zu vertreiben sind. Im Sommer suchen sie täglich die Flüsse auf um zu trinken, und die Heerden treten alsdann tiefe Pfade oder Wechsel aus, welche sie gewöhn- lich einzuhalten pflegen. Sie lieben überhaupt sehr das Wasser um sich zu kühlen, und es kostet ihnen wenig den starken Missouri heerdenweise zu durchschwimmen und zu durchsetzen oder zu durchwaten, wobei ihrer manchmal viele im Schlamme der Sandbänke (Quicksands) versinken, die alsdann oft die Beute der Indianer, der Wölfe, Bären und Füchse werden. Jun^e Thiere ertrinken und treiben den Fluss öfters hinab. lieber die endlosen Nachstellungen, denen diese Thier- art ausgesetzt ist, sowohl von den Weissen als den India- nern, habe ich in der Beschreibung meiner Reise geredet. Das Fleisch der Kühe ist sehr wohlschmeckend, besonders liebt man den hump (den erhöhten mit Fett durchwachse- nen Schulterhöcker), die Zunge und die schweren vortreff- lichen Markknochen. Ihre Haut giebt einen gesuchten Handelsartikel und daher sind die unter diesen Thieren an- gerichteten Niederlagen meistens nur dem weiblichen Ge- schlechte zugedacht. — Der Stier wird, wenn er alt ist, nur in der Noth geschossen, da sein Fleisch hart und zum 188 Prinz Maximilian eu Wied Theil übelriechend, die Haut aber von zu dickem Leder ist. Oft schiessen die Prairie-Jäger diese Thiere bloss ihrer wohl- schmeckenden Zungen wegen und lassen (ünlzig, oft mehr gelödtete Thiere dieser Art unangetastet verfaulen, oder als Beute für die Haubthiere liegen. — Dem Indianer ist das ungeborne Bisonkalb ein grosser Leckerbissen. Die Pelzhandel -Compagnie sendet alljährlich etwa 48,000 bis 50,000 Bisonkuh-Felle nach Sl. Louis und das Stück wird zu 4 Dollars (10 Fl.) verkauft. Gezähmt ist der Bison zur Arbeit bei weitem nicht so brauchbar, als unser Ochse, doch soll man Bastarde von ihnen gezogen haben, d. h. vom Hausstier und der Bisonkuh, welche sehr stark und tapfer waren und alle anderen Stiere abschlugen. Ein recht grosser starker Hausstier soll aber einen Bison- stier besiegt haben. Die Benennungen, welche diese Thierart bei einigen indianischen Nationen trägt, sind die nachfolgenden : ei den Musquake (Foxes) . . Moskutak-Nallusuä (a am Ende kurzj d. h. Prairie- Rindvieh, vonnallusuä das europ. Rindvieh. 5> 55 Säukis (Säki's) . . . Nannosö. » 55 Ojibuä's . Pischikke (allgem.Name). Der Stier . . . . Ayähbä-Pischikke. Die Kuh .... . Onijähn-Pischikke. Das Kalb . . . . Pischikkins (ins beinahe wie ihs d. d. Nase). 55 55 Krihs (Crees) . . . . Mostüss (allgem. Name). Der Stier . . . . Japöh-Moslüss. Die Kuh .... . Onintchäh-Oniuack. 55 55 Wasaji (Osagen) Der Stier . . . . Tschetoga. Die Kuh ... . . Tsclieh. Das Kalb . . . . Tscheh-Schinga. 55 55 Otos . Tjä (j französisch). 55 55 Omähas . Teh oder Täh 55 55 Dacotäs Der Stier . . . . Tatänka. Vereeichniss Nordamerikanischer Säugethiere. 189 Die Kuh . . • • Ptäh. Das Kalb . . . Pläh-Sidja (j französisch). Allgemeiner Name . Ptäh. Bei den Assiniboin's . Tatänga. V T) Mandan's . . . Der Stier . . * • Plihn oderPtehndä (allgem. Name). Berockä. Die Kuh . . . . Ptihndä oder Ptehnde. Das Kalb . . , . Nähka. 7) » Mönnitarri's Der Stier . . • • Witä. Kihrapi (pi kurz). Die Kuh . . • Uichtia (ich Zungen-Spitze, i und a getrennt). Das Kalb . . . Nahksihdi. » f) Pähni's . . . , . Tarahäh. » r) Arikkara's Der Stier . . Hoh-Küss. Die Kuh . . , , Watahesch. JJ 1) Grosventres des p rairies Der Stier . . • • Enahkiä (e kaum gehört, kiä wie kie kurz u. nur halb). Die Kuh . . . Büh. 7f f) Chayennes Der Stier . . • Hottue (u und e getrennt). Die Kuh . . . Issiwöhn. Das Kalb . . . Wohksä (sa kurz). 7) T) Blackfeet . Der Stier Stoinick. » 71 Katanä's . . . • Jiämmo (erstes i wenig ge- hört). f) » Flat-Heads . . Zotünn (weich und leise, undeutlich, das o voll). Erkläruns der Abbildungen. Taf. IV. Fig. 1. Penisknochen von Sclurus cinereus. „ 2. Drüsen am After desselben Eichhorns. „ 3. Penisknochen von Sciiirus rufiventer. 190 Prinz Maximilian eu Wied: Nordamerik. Säugethiere. Fig. 4. Penisknochen von Hesperomys leucopus. „ 5. Penisknochen von Tonioinys rufescens. „ 5. Perognalhus fasciatus von unten mit umgekehrten Backen- taschen. „ 7. Derselbe von der Seite gesehen, die ßackentaschen ebenfalls herausgeslülpt. „ 8. Kopfumriss von Hesperomys leucogaster. „ 9. und 10, Unterkiefer von Cynomys ludovicianus. „ 11. Umriss des amerikanischen Biberschwanzes. Taf. V. Fig. 1. Geweih des Cervus canadensis von ungerade zwanzig Enden. „ 2. 2. Geweih des Cervus macrotis von vorn und von der Seite gesehen. „ 3. 3. Geweih des Cervus virginianus, ebenfalls von vorne und von der Seite gesehen. Taf. VI. Fig. 1. Kopf des männlichen Ovis montana von vorn gesehen. „ 2. Derselbe Kopf von der Seite gesehen. Heber die Verdrängung der natiirgesehiclitlicheii Wis- senschaften im Vorbereitungs-Examen der Mediziner auf den Preussischen Universitäten von Rudolph Wagner in Göttinffen. Die ausführliche Besprechung der Gedächtnissrede auf Johannes Müller von Du Bois Reymond am Schlüsse meines diesjährigen Jahresberichts führt mich auf ein Kapitel, das ich unter besonderer Ueberschrift hier unserem Archive einverleibe. In Preussen, dessen Universitäten nach den Freiheits- kriegen mit jenen musterhaften Verbesserungen und mit der Beschaffung reicherer Sammlungen und Bildungs-Anstalten für die Naturwissenschaften vorangingen, war bisher eine vorbereitende Prüfung für die Mediziner in den letzgenann- ten Fächern eingerichtet. Im vorigen Jahre ist an deren Stelle ein Tentamen physicum getreten, in welchem Ana- tomie und Physiologie neben Physik und Chemie die Prü- fungsgegcnslände bilden, während Botanik und Zoologie plötzlich ausgeschlossen sind. Ich will hier nicht untersuchen, bin auch zu wenig unterrichtet, inwieweit die mehrfach gehörten Klagen über unzweckmässige Einrichtung des früheren sogenannten phi- losophischen Examens in Preussen gegründet sind, in wie ferne auch der Unterricht in den beiden genannten Fächern vielleicht zu sehr und ausschliesslich auf die systematischen Theile gerichtet war. So viel ist gewiss, dass man an anderen Orten, z. B. in Giessen, in Leipzig, wo man die bisherige preussische Einrichtung einführte, die günstigsten Folgen davon gesehen hat. Aber es ist unverkennbar, dass diese neue Verordnung den unheilvollsten Einfluss auf das Studium der gesammten Naturgeschichte schon jetzt hat und weiter noch haben muss. Durch das Hinauswerfen dieser Fächer hat man dieselben für bedeutungslos für den Mediziner erklärt und man gräbt dadurch deren ganzer Cultur in Deutschland die Wurzel ab. 192 Rudolph Wagner: Diess ist die Folge der auf der einen Seite sicher ge- botenen und sehr heilsamen Accenluirung der matliemalisch- physikalischen Wissenschaften. Dieselben sind für die Fort- schritte der Physiologie und Medizin unentbehrlich ; aber ohne Hereinziehung der Zoologie und Botanik, unter wel- cher freilich keine blosse Specicskränierei verstanden werden darf (bei welchem Ausdrucke ich die Systematik in beiden Wissenschaften in vollen Ehren gehalten wissen will) wird jene Richtung vollkommen einseitig und muss allmählich eben so hemmend für den ächten Fortschritt der Physiologie und Medizin wirken, wie ihre Vernachlässigung. Ein einfacher Blick a\if meinen diesjährigen und den vorigen Jahresbericht mag genügen um zu zeigen, welche wichtige, für die allgemeine wie für die spezielle Bildung des Arztes nothwendige Kapitel, mit denen sich unsre heu- tige Schulphysiologie gar nicht mehr beschäftigt, hier zur Sprache kamen. Es sind darunter geradezu fundamentale Fragen für die gesammte Hygiene, für die Erblichkeit, Ent- stehung und Verbreitung der Krankheiten und Krankheits- Anlagen, begriffen. Eine einseitige rein physikalische Betrachtung des menschlichen Organismus zieht ganz ab von dem geneti- schen und historischen Zusammenhang des Menschenge- schlechts mit den übrigen Gliedern des Haushalts auf dem Erdball, mit den Bodenverhältnissen, der Pflege der Cuitur- pflanzen und Hausthiere, deren Verwendung zur Nahrung, zu den socialen und geschichtlichen Bildungsverhältnissen, den Entwickelungsbedingungen der Völker, der grossen Verkettung der merkwürdigsten Erscheinungen des Men- schengeschlechts in seiner räumlichen und zeitlichen Ver- breitung. Dadurch wird die atomistische Zersplitterung, die von allen allgemeinen Gesichtspunkten sich lösende Mikrologie, gefördert. Die gründliche Bearbeitung von Spezialitäten hat ihre grosse Bedeutung nirgends mehr, als in den Naturwissenschaften, sie darf aber nicht in eine völ- lige Ablösung von aller allgemeinen Bildung ausarten. Indem auf diese Weise den jungen Aerzten eines Staates von 18 Millionen Einwohnern das Studium grosser Wissenschaftszweige als bedeutungslos hingestellt wird, Verdrängung d. naturgesch. Wissensch. etc. 193 entzieht man diesen unmittelbar Kräfte, welche bisher so vortheilhaft auf die Ausbildung dieser Wissenschaften selbst gewirkt haben. Anatomie und Physiologie sind ganz un- entbehrliche Hülfswissenschaften, ja Grundlagen der Zoologie. Die bedeutendsten Zoologen der Gegenwart und Vergangen- heit sind Männer, welche sich meistens als Acrzte, um ein sicheres Brodfach hinter sich zu haben, ausgebildet haben und in der Schule die Kenntnisse jener Hülfswissenschaften erwarben. Durch jene Verordnung wird für die Zukunft ein unberechenbarer Nachtheil geschaffen. Es wird die Aus- bildung solcher Männer seltener werden. Die gegenseitige Unterslützuno- der Naturgreschichte und Medizin wird einen gefährlichen Stoss erhalten. Es wird diess eine Rückwir- kung auf die ganze Vielseitigkeit und Universalität des deutschen Geistes haben. Die Naturwissenschaft und die geschichtlichen Forschungen, die Wissenschaften des Geistes, werden zum Schaden allgemeiner Cultur noch mehr ausein- andergehen, ja sich wechselseitig ignoriren und noch mehr befehden. Die grössten und anziehendsten Fragen, mit deren Lösungsversuchen, auch wenn sie niemals gelingen sollten, sich die Welt immer beschäftigen wird, werden nur um so gleichgültiger oder einseitiger gerade von denen be- handelt werden, welche zu ihrer Prüfung berufen sind. So werden nachtheilige Einflüsse auf das höhere Geistesleben erfolgen, das aus der Biologie stets neue Anschauungen schöpft. Das einfachste Nachdenken wird lehren, ohne dass ich auf spezielle Nachweisungen eingehe, dass diese Verord- nung nach allen Seiten hin, schon durch das schlimme Bei- spiel, nachtheilig auf das Studium der organischen Natur- wissenschaften wirken, dass, wenn dieselbe nicht aufgehoben oder modiüzirt wird, die unheilvollsten Folgen für die Fort- schritte der gesammten organischen Naturlehre eintreten müssen, deren Cultur uns in meinen vorzugsweise für das deutsche Publikum bestimmten Jahresberichten beschäftigt, was mir ein Recht giebt, die Sache auf eine entschiedene Weise, wenn auch am ungewöhnlichen Orte, zur Sprache zu bringen. Archiv für Naturg. XXVIII. Jahrg. l.Bd. 13 Die Verwandlung der Porcellanen. Vorläufige Millheilung. Von Fritz Müller in Deslerro. (Hierzu Taf. VII.) Seit zwei Jahren kenne ich eine Zoea, die sich durch den Mangel des Rückenstachels und durch ungemeine Länge des gerade vorgestreckten Stirnhorns vor ihren Verwand- ten auszeichnet; doch erst vor wenigen Monaten erkannte ich in ihr den Sprössiing derselben Porcellana, deren son- derbare Schmarotzer ich in meinen letzten Aufsätzen den Lesern des Archivs vorführte. Inzwischen fand ich Gelegen- heil, die junge Brut von noch zwei anderen Porcellaniden zu untersuchen. Die eine ist eine kleinere Porcellana mit fast kreisrundem Rückenschilde, die sich selten an Felswän- den zwischen Polypen und Moosthieren findet; — die andere (Fig. 1 — 3) hält sich schmarotzend auf einigen Arten after- loser Seeslerne auf und unterscheidet sich im ganzen Aus- sehen, in den Scheeren , und besonders durch die Kürze der äusseren Fühler so sehr von den eigentlichen Porcella- nen, dass ich sie als Vertreter einer eigenen Gattung an- sehe und Porcellina stelHcola nenne ^'^). Da diese Porcellana-Larvcn in allen wesentlichen Ver- hältnissen mit der Zoeaform der jungen Krabben überein- stimmen, verspare ich ihre ausführliche Beschreibung für *) Koch merkwürdiger durch ihre Lebensweise ist eine andere Porcellana (P. Creplinii n. sp.), die sich paarweise in der Röhre des Ohaetopterus pergamentaceus aufhält. Müller: Die Verwandlung der Porcellanen. 195 eine grössere Arbeit über die Jugendzustände der Krabben, zu der ich seit läng-erer Zeit StoIT sammle und beschränke mich für jetzt auf eine übersichtliche Schilderung- ihres Baues. Der Rückenschild ist von eiförmigem Umrisse und deckt nicht nur oben und seitlich den vorderen ungeglie- derten Körpertheil, sondern auch die ersten freien Ringe des Hinterleibes. Gerade vorgestreckt entspringt seinem Vorderrande ein Stachel oder Hörn, das die Länge des Schildes bis über 5mal (bei der kleineren Porceliana 8mal) übertrifft. Zwei ähnliche Stacheln erstrecken sich vom Hinterrande des Schildes gleichlaufend (bei Porcellina bis- weilen auseinanderweichend) gerade nach hinten; bei der kleineren Porcellana (Fig. 10), wo sie nur 2/3 der Länge des Schildes erreichen, ist ihre Spitze leicht abwärts ge- bogen und nahe ihrem Ursprünge tragen sie einen ansehn- lichen schief nach unten und vorn gerichteten Dorn; bei der gemeinen Porcellana sind sie unten mit einer ganzen Reihe kleiner Dornen weitläufig besetzt und übertreffen schon die Länge des Schildes, dessen mehr als dreifache Länge sie bei Porcellina erreichen. So ist bei dieser letz- ten Art der Schild der eben ausgeschlüpften Jungen mit seinen Fortsätzen doppelt so lang, als der der Mutter. Ausser diesem wunderlichen Rückenschilde ist nur noch die Bildung des zu einer Flosse verbreiterten letz- ten Ringes auffallend von anderen jungen Krabben ver- schieden. Es ist bekannt, dass der letzte Ring der Krab- benlarven jederseits in ein oft sehr ansehnliches Hörn sich auszieht, und dass in der mittleren Bucht zwischen diesen Hörnern jederseits drei kurze gefiederte Borsten zu stehen pflegen. Bei den Porcellanen sind die seitlichen Hörner durch unbedeutende Stacheln vertreten, und der mittlere Theil springt zwischen ihnen so weit vor, dass der ganze Schwanz ungefähr die Gestalt einer Raute annimmt. Be- sonders langgezogen, über doppelt so lang als breit, ist derselbe bei Porcellina. An jeder der beiden hinteren Seiten der Raute stehen 5 lange gefiederte Borsten. (Eine Mittelform, näher jedoch den Porcellanen sich anschliessend, bildet der Schwanz der jungen Paguren.J 196 Müller: In allein Uebrigen , dem Baue der Augen, Fühler, Mundtheile und Füsse, so wie der inneren Tlieile, stimmen die jungen Porcellanen vollständig mit den jungen Krabben überein und zeigen keine grössere Verschiedenheit von ihnen, als sie selbst oder jene unter sich. Hier wie dort sind die vorderen Fühler (Fig. 5, a) ungegliedert und haben einen starken Nervenknoten in der Nähe ihrer Spitze, von der ausser einigen winzigen Borstchen zwei (bei Porcellina drei) längere eigenlhümliche Fäden entspringen. Sie sind von gleichmässiger Dicke, oder seltener schwach verjüngt, enden abgerundet und unterscheiden sich ausserdem durch sehr zarte Umrisse und matte Trübung von anderen Borsten. Dieselben Fäden kehren übrigens wieder auch an den vorderen Fühlern der jungen Bopyriden (besonders deutlich bei Eutonitaes Can~ crorum n. sp.) und Rankenfüssern, bei welchen letzteren sie einzeln auf einem winzigen Grundgliede dicht neben dem Auge entspringen. Die hinteren Fühler (Fig. 5, b) zeigen bei Porcellina slellicola schon grosse Aehnlichkeit mit denen des erwach- senen Thieres (Fig. 2) ; dasselbe aufgetriebene Grundglied mit der bekannten Oeffnung des noch immer streitigen Sinnesorganes, dasselbe spitzig dreieckige zweite Glied, von dem aussen und oben hier eine mehrgliedrige Geissei, dort ein einfacher stachelförmiger Fortsatz entspringt. Die- selben Stücke in ganz ähnlicher Gestalt finden sich auch bei den anderen Arten *). Die Mundtheile (Fig. 5) bestehen aus einer höchst ansehnlichen Oberlippe (c), zwei starken, scharf gezähnten, wie es scheint, tasterlosen Oberkiefern (d), einer zweithei- ligen Unterlippe (e) und zwei Paaren Unterkiefer (f, g). Der vordere Unterkiefer (Fig. 8) ist in drei, der hintere (Fig. 9) in fünf mit starken , zum Theil gezähnten oder gefiederten Borsten bewehrte Blätter gespalten, und letzterer trägt nräch aussen noch eine grössere häutige Platte , die *) Bei der Zoea einer 4(leinen Xantho erreichen die äusseren Fühler (Fig. 11) die Länge des Slirnhorns und die spätere Geissei ist von fast verschwindender Kleinheit. Die Verwandlung der Porcellanen. 197 nach hinten in einen fingerförmig-en Fortsatz ausläuft, der Fortsatz trä^t eine, die Platte selbst vorn und am Rande sechs gefiederte Borsten. Diese Platte ist aufwärts gebo- gen und zwischen Leib und Rückenschild in beständiger Bewegung. Die beiden Schwimmfusspaare bestehen aus einem starken cylindrischen Grundgliede und je zwei Endästen, der innere Ast, den das Thier vorwärts zu strecken liebt, hat vier, der äussere, der nach aussen und oben geschla- gen zu werden pflegt, zwei weniger deutlich geschiedene Glieder. Am Ende des äusseren Astes stehen vier längere Fiederborsten, eine einzelne Fiederborste am Ende des 3ten Gliedes am inneren Aste des letzten Paares, einfache Bor- sten am Grundgliede und an allen Gliedern des inne- ren Astes. Hinter dem Ursprung der Schwimmfüsse beginnt der sechsgliedrige anhangslose Hinterleib, der oben etwas hinter der Mitte des Rückenschildes von diesem sich loslöst. Der Magen ist etwas erweitert, und zeigt schon (wenigstens bei Porcellina) mit Borsten besetzte Längs- leisten; neben ihm liegen jederseits zwei vorwärts und zwei rückwärts gerichtete Leberblindsäcke; der Darm ver- läuft gerade und öffnet sich etwas vor der Mitte des Schwanzringes. Das Herz, am Hinterende der Brust gelegen (bei jungen Krabben unter dem Ursprünge des Rückenstachels), scheint schon ganz wie beim erwachsenen Thiere gebaut zu sein und dieselben Gefässe abzugeben. Das vordere unpaare Gefäss lässt sich leicht bis fast zur Spitze des Stirnhorns verfolgen, dessen oberer Wand es anliegt. Blut- körperchen sind in den ersten Tagen äusserst sparsam (was indessen nicht für alle Zoea gilt). In jedem Hinterleibsringe liegt ein ansehnlicher Ner- venknoten, der durch zwei getrennte Stränge mit seinen Nachbarn in Verbindung tritt; im vorderen Theile des Thieres konnte ich das Nervensystem im Zusammenhange noch nicht mit rechter Schärfe erkennen. Wenn es leicht ist, in reichlicher Zahl sich die frü- hesten Zustände der verschiedensten Kruslenthierc zu ver- 198 Müller: schaiTen , so ist es um so schwieriger, über ihre späteren Schicksale Aufschluss zu erhallen. Obschon die Porcelianen zu den allgemeinsten Kruslern gehören , fand ich erst ein einziges Mal (im December vorigen Jahres) eine ältere Larve (Fig. 6, 7). An der Stelle, \vo ich sie fing, lebt weder Porcellina slellicola, noch Porcellana Creplinii; die Larven aber der gemeinen und der kleineren Porcellana sind schon durch die hinleren Forlsälze des Rückenschildes auf den ersten Blick zu unterscheiden und so kann diese Larve unbedenklich der ersteren Art zugetheilt werden, von deren frühester Form sie nur durch 12 (statt 10) Borsten des Schwanzringes und durch die Anwesenheit je eines Paares kurzer ungegliederter Anhänge an den vier vorhergehenden Ringen verschieden ist. Diese eine Larve war zum Glück ungemein lehrreich dadurch, dass sie, der Häutung nahe, schon die neuen Glieder mit verschiedener Deutlichkeit innerhalb der alten wahrnehmen Hess. Die neuen äusseren Fühler hallen eine vielgliedrige Geissei, Füsse mit grossen Scheeren und andere nicht voll- sländig zu entwirrende Gliedmassen waren hinter den Schwimmfüssen angelegt, so wie innerhalb des Schwanz- ringes eine fächerförmige Endflosse (Fig. 7). Wenn somit die Larve selbst sich eng an den frühe- sten Jugendzustand anschliesst , so dürfte das aus der nächsten Häutung hervorgehende Thier kaum noch wesent- lich von der erwachsenen Porcellana verschieden sein. So weil meine zu vorläufiger Miltheilung geeigneten Beobachtungen. Ihr Ergebniss fasse ich in einige kurze Sätze zusammen : Die Zoeaform der Krabben entbehrt vollständig der fünf eigentlichen Fusspaare und selbst der sie tragenden Ringe. Die Schwimmfüsse der Zoea werden zu Kieferfüssen der Krabbe. Die Porcelianen sind Krabben, die auf der Slufe der Megalops stehen geblieben sind ^'). ^) Auch bei Aiilne Edwards sieben bekanntlich Megalops und Porcellana in derselben Familie. Die Verwandlung der Porcellanen. 199 Erklärung der Abbildungen. Fig. 1. P orcellina stellicola n. g. et n. sp. 5mal vergr. 2. Aeussere Fühler derselben, 25nial vergr. 3. Fünftes Fusspaar des Männchens derselben, 45mal vergr. 4. Jüngste Zoeaform derselben, v. oben, 15mal vergr. 5. Kopftheil derselben, v. unten, 90nial vergr. a vordere, b hintere Fühler, c Oberlippe, d Oberkiefer, c Unterlippe, f erstes, g zweites Paar der Unterkiefer. 6. Aeltere Zoeaform der (in Santa Catharina) gemeinen Porcellana, 6mal vergr. 7. Schwanzende derselben (45mal vergr.). Im Innern sieht man die fächerförmige Schwanzflosse des nächstfolgenden Zustandes angelegt. 8. Erster und 9. Zweiter Unterkiefer der jüngsten Zoeaform der gemeinen Porcellana. 10. Hintere Fortsätze des Rückenschildes von der jüngsten Zoeaform einer kleineren Porcellana. 11. Aeussere Fühler der jüngsten Zoeaform einer kleinen Xantho. g Geissei. Desterro, Anfangs November 1861. Ein Beitrag zur Keuutniss der Tänien. Von Luduig Stieda aus Dorpat. (Hierzu Taf. YIII). Aus den so zahlreichen die Gruppe der Taenioiden bildenden Cestoden sind bisher fast nur die ßlasenband- würmer einer besonderen Untersuchung in Bezug auf die Geschlechtsorgane unterworfen worden, während die ande- ren Tänien wenig Berücksichtigung gefunden haben. Es bieten aber die einzelnen Formen — wie bereits die von Pagenstecher^) gelieferte Beschreibung der Geschlechts- organe der Taenia microsoma gelehrt hat — sehr eigen- thümliche und in vielen Stücken von der bei den Blasen- bandwürmern gefundenen Anlage der Geschlechtsorgane abweichende Bildungen, welche insofern an Wichtigkeit gewinnen, als es scheint , dass sich gerade auf die ver- schiedene Bildung der Geschlechtsorgane eine sichere und naturgcmässe Eintheilung der unzähligen Taenioiden wird begründen lassen, als bisher es möglich war. Desshalb hoffe ich, dass vorliegende geringe Mittheilung, in der ich eine Beschreibung der Geschlechtsorgane einiger, zum Theil wenig, zum Theil gar nicht gekannter Tänien versucht habe, nicht ganz ohne Interesse sein wird. Im Dünndarme der Feldmaus (Hypudaeus arvalis) findet sich häufig ein ansehnlicher Bandwurm , den ich nach der ^•■) 1* ag e ns tech er , Beitrag zur Kenntniss der Geschlechls- organe der Tänien in Kölliker's ii. v. Siebold's Zeitschrift für wis- senschaftliclic Zoologie Bd. IX. ]^-b2'd. Stieda: Ein Beitrag zur Kenntniss der Tänien. 201 von Dujardin gegebenen Charakteristik *) mit besonde- rer Berücksichtigung des Fundortes für die Taenia ompha- lodes Hermann halten muss. Diese Tänie ist 120 — 160 Mm. lang; der Kopf ist viereckig*, misst 1,5 — 2,5 Mm. und ist deutlich vom Band- wurmkörper abgesetzt, besitzt weder einen Rüssel noch Hakenkränze, sondern nur vier runde, 0,35 Mm. im Durch- messer haltende Saugnäpfe. Der sogenannte Halstheil, an welchem man auch mit Hülfe des Mikroskopes keine Glieder erkennt, ist 1,5 — 2,5 Mm. lang und 1 Mm. breit. Die nun folgenden deutlich erkennbaren Glieder nehmen schnell an Breite zu, so dass in einer Entfernung von 25 — 35 Mm. vom Kopfe die Glieder schon 4 — 5 Mm. breit sind. Diese Breite behalten die Glieder jedoch nicht bei, sondern verschmä- lern sich in dem untersten Theile des Wurmes bis auf 3 Mm. Die Länge der Glieder nimmt am Kopfe sehr allmählich, aber stelig zu; die breitesten Glieder besitzen eine Länge von 1/2 — 1 Mm., so dass sie etwa fünfmal so breit als lang sind, die letzten Glieder sind etwa 2 Mm. lang. Dieser Kürze der Glieder wegen hat die Tänie in ihrem oberen Theile ein sehr fein gestreiftes Aussehen, während erst im unteren Theile mit dem Längerwerden der Glieder auch die den Bandwürmern im Allgemeinen mehr oder weniger eigen- thümliche Zackenform sich darbietet. Die Geschlechtsöff- nungcn linden sich nicht stets auf einer und derselben Seite, sondern in unregelmässigen Abschnitten bald auf der einen, bald auf der anderen Seite. Die Zahl der die Tänie for- menden Glieder lässt sich durch direkte Zählung, welche an dem dem Kopfe zunächst liegenden Theile mittelst des Mikroskopes vorgenommen werden muss, auf 250 — 300 be- stimmen. Einen vollkommen ausgebildeten Fruchthälter mit deutlich erkennbaren Eiern zeigen die ersten Glieder des dritten Hunderts ; vollkommen entwickelte Embryonen linden sich etwa 25 Glieder später. An den dem Kopfe zunächst liegenden 40 — 50 Gliedern erkennt man noch keine ausgebildeten Geschlechtsorgane, *) Dujardin, llistoire naturelle des llclminthes. Paris 1845- pag. 578. 202 Stieda: wohl aber in der Partie eines jeden Gliedes, in welcher die Geschlechtsorgane entstehen sollen, eine stärkere Zel- lenanhäulung. Diese differenzirt sich allmählich in der Weise, dass sich ein in der Mittellinie des Gliedes gelege- ner rundlicher Maulen, aus welchem die weiblichen keim- bereilenden Organe sich herausbilden, abgrenzt: einerseits von einer an dem Seitenrande des Gliedes zur Entwicke- lung der Hoden bestimmten Masse und andererseits von einer am entgegengesetzten Rande des Gliedes gelagerten kleinen und länglichen Zellenmasse, welche den keimlei- tenden Organen zur Entwickelung dient. In den folgenden Gliedern (40 — 80), welche nament- lich in der Breite zunehmen, entwickeln sich hier zuerst die Hoden. Aus der Masse, welche an der dem Genital- porus entgegengesetzten Seite beündlich ist , bildet sich nämlich eine grosse Gruppe kleiner 0,035 — 0,056 Mm. im Durchmesser haltender rundlicher Körperchen (Fig. I u. UaJ, welche allmählich an Grösse und an Zahl zunehmend, bald die eine Hälfte des Gliedes einnehmen. Diese Körperchen erscheinen zuerst feinkörnig, später blass und durchsichtig und repräsentiren die bekannten Hodenbläschen oder Hodenschläuche der Tänien. Querschnitte lassen er- kennen, dass diese Hodenbläschen von einer feinen struk- turlosen Membran umschlossen im Innern eine noch zellige Masse enthalten, während am Rande schon die feinen, zar- ten, sehr langen Samenfäden aufgerollt sich vorlinden. Bis- weilen ist man im Stande, einen feinen Auslührungsgang an diesen Körperchen zu erkennen. Zugleich hat sich auf der den Hoden entgegengesetzten Seite des Gliedes aus der hier befindlichen Zellenanhäufung eine längliche Blase (Fig. I f) gebildet, welche 0,210 Mm. lang und an der breitesten Stelle 0,070 Mm. breit ist. Es ist der Cirrus- beutel, welcher an seinem der Mittellinie des Gliedes zugewandten Ende etwas zugespitzt ist, mit dem anderen abgerundeten an den Genitalporus anstösst. Er enthält den 0,056 Mm. langen und 0,014 Mm. breiten Penis oder Lem- niscus. Dieser setzt sich in das Vas deferens fort, welches ohne Schlingen zu bilden hinter dem Cirrusbeutel verschwindet. Auf günstigen Querschnitten lässt es sich |£in Beitrag zur Kenntniss der Tänien. 203 jedoch bis über die Mittellinie des Gliedes hinaus verfolgen. Einen Zusammenhang mit den oben beschriebenen feinen Ausführungsgängen der Hoden habe ich niemals gesehen. In den folgenden Gliedern (80—100) treten, bei noch weilerer Grössenzunahme der Hodenbläschen und des Cir- rusbeutels, auch die weiblichen Organe entgegen (Fig. 1). Während bisher zwischen Hoden und Cirrusbeutel sich nur ein undeutlich begrenztes Organ von unbestimmtem Aus- sehen wahrnehmen Hess, lassen sich jetzt zwei deutlich in Form und Inhalt von einander getrennte Organe unter- scheiden. Am unteren Rande eines jeden Gliedes befindet sich ein elliptischer mit seiner Längsaxe im Breitendurch- messer des Gliedes gelagerter Körper, der Keimstock (Fig.Iu. IIc), der 0,0280— 0,0350 Mm. lang und 0,210 Mm. breit ist und mit einem feingekörnten Inhalte erfüllt erscheint. Wach unten zu ist der Keimstock ziemlich scharf abgegrenzt, während nach oben zu die Grenzen sich nicht so deutlich ausprägen, weil die Dotterstöcke sich dar- über lagern. Diese nehmen den Zwischenraum zwischen dem Keimslocke und dem oberen Rande des Gliedes ein, sich nach rechts und links ausbreitend, und stellen sich als aus einer Menge grösserer und kleinerer Blinddärme zu- sammengesetzt dar, die zur Mittellinie des Gliedes hin sich zu vereinigen scheinen (Fig. I u. IIb). Sie haben, wie man beim Zerzupfen und noch deutlicher auf Querschnitten sieht, einen grobkörnigen Inhalt, der aus einer Menge das Licht stark brechender, homogener sehr kleiner Körperchen besteht. — Am unteren Rande des Cirrusbeutels liegt ein mehr oder weniger deutlich hervortretender Kanal (Fig. I u. H e), der an seiner in den Porus genitalis einmündenden Oefinung etwas erweitert ist. Dieser an der Mündung 0,021 Mm., späternur 0,007— 0,014 Mm. breiter Kanal stellt die Vagina dar. Dicht hinter dem der Mittellinie des Gliedes zugewandten Ende des Cirrusbeutels schwillt dieser Kanal plötzlich zu der bedeutenden Anschwellung von 0,070 Mm. an (Fig. I, II d); die Grenzen dieser Anschwellung entziehen sich in der Nähe des Keimstockes und der Dot- terstöcke der Wahrnehmung, so dass es scheint, als ob die Anschwellung sich zwischen jene Organe hineinschöbe. 204 Stieda: Einen Zusammenhang zwischen der Anschwellung des Va- ginalkanals und den keimbereitenden Organen habe ich nicht ermitteln können. Der Inhalt dieser Anschwellung besieht, wie man sich leicht überzeugen kann, aus Samen- fäden , so dass man es hiernach nur mit einer zu beson- derer Ausdehnung gelangten Samentasche der Vagina oder einem Receptaculum seminis zu thun hat. Während nun das Receptaculum seminis sich durch vermehrte Aufnahme von Samen stärker füllt und der Keim- stock nebst den Dotterstöcken sich mehr und mehr ausdeh- nen, treten die Hoden eine rückschreitende Metamorphose ein und verschwinden allmählich (Fig. II). Mit dem löOsten Gliede etwa tritt die erste Andeutung des Fruchthälters oder Uterus auf (Fig. II). Nicht allein am oberen Rande, sondern auch an den beiden seitlichen Rän- dern des Gliedes erscheint der Uterus als ein mit Ausstül- pungen versehener Hohlraum im Körperparenchym angefüllt mit einer dem Inhalte der Dotterstöcke gleichenden Masse. Die folgenden Glieder bieten die verschiedenen Entwicke- lungsstufen des Uterus dar, während die anderen Organe allmählich verschwinden. Gegen das Ende des 2ten Hun- derts der Glieder, an welchen sich der Fruchthälter in seiner Ausbildung darstellt, sind von den übrigen Organen nur der Cirrusbeutel und Vaginalkanal nebst dem Recepta- culum seminis erhalten (Fig. III); letztere Organe sind ganz an den unteren Rand des Gliedes gedrängt worden und haben an Ausdehnung bedeutend abgenommen. Charakte- ristisch ist die Form des Uterus, indem der Hauptstamm desselben, entsprechend der kurzen aber breiten Form der Proglottiden, der Quere nach verläuft, während die seitlichen Aeste oder die einzelnen Ausstülpungen der Länge des Gliedes entsprechend gestellt sind. Da die Entwickelung der Eier nicht ausreichend von mir erforscht worden ist, so füge ich nur Einiges über die in den letzten Proglottiden gefundenen reifen Eier hinzu. Dieselben (Fig. IV) erscheinen glatt, vollständig rund, sind 0,035 — 0,420 Mm. im Durchmesser, sie besitzen zwei Hül- len, von denen die äussere 0,0035 Mm. dick ein geschich- tetes Ansehen darbietet, während die andere dem Embryo, Ein Beitrag zur Kenntniss der Tänien. 205 an welchem die Embryonalhäkchen kaum sichtbar sind, eng anliegend, sehr fein und strukturlos erscheint. Es fand sich bisweilen, doch nur selten, im Dünn- därme der Feldmaus noch eine andere Tänie, welche ich hier noch anführe, weil dieselbe in Bezug auf den Genilal- apparat vollständig mit der Taenia omphalodes überein- stimmt. Ganz genaue Angaben über Länge, Grösse dieser Tänie zu machen, bin ich nicht im Stande, da die mir zu Gesicht gekommenen Exemplare niemals ganz vollständig, namentlich nicht in Besitz von ausgebildeten reiten Pro- glottiden waren. Ich erwähne nur, dass diese Tänie in Bezug auf den Kopf und den oberen Theil ganz der Taenia omphalodes gleicht, jedoch von etwas geringeren Dimen- sionen ist, im unteren Theile sich aber dadurch auszeich- net, dass die Glieder, während dieselben schmäler werden, sich bedeutend verlängern, so dass die letzten Glieder dreimal so lang als breit sind und seitlich etwas zusam- mengedrückt erscheinen. Ich halte diese Tänie für iden- tisch mit der Taenia pusilla Goeze , die freilich bisher nur als bei den Hausmäusen und Ratten vorkommend erwähnt wird, deren Beschreibung aber auch recht gut auf die hier vorliegende Tänie passt. Im Dünndarme der Spitzmäuse (Sorex araneus) habe ich zwei sowohl durch Grösse, als auch durch Form der Haken deutlich von einander unterschiedene Tänien angetroffen, die jedoch mit der von Dujardin^*") gelieferten Charak- teristik einiger von ihm in den Spitzmäusen gefundenen Tänien nicht übereinstimmen. Ich halte dieselben daher für bisher unbekannt gebliebene Formen. Die eine dieser beiden Tänien, die sich sehr häufig zu 10 — 20 fast in jeder Spitzmaus vorfindet und die ich als Taenia uncinata bezeichnen will, ist 10 — 15 Mm. lang. Der Kopf ist 0,280 Mm. breit, hat vier 0,056 Mm. im Durch- messer haltende Saugnäpfe und einen kurzen Rüssel, der einen einfachen aus 14 — 18 Haken bestehenden Kranz trägt. Der Kopf geht unmittelbar in den nur wenig schmäleren Hals, der keine Gliederung zeigt, über. Die Zahl der *) Dujardi n 1. c. p. 562. 206 S t i e d a : zählbaren Glieder beträgt etwa 120. Die an den Halstheil sich anschliessenden Glieder sind 0,182 Mm. breit und nehmen weiter sowohl an Breite als an Länge zu, so dass die letzten Glieder etwa 0,560 Mm. breit und 0,210 Mm. lang sind. Die GeschlechtsöfTnungen befinden sich alle auf einer Seite des Wurmes, je in derMilte des Gliedes. Die Ilaken haben eine sehr charakteristische Form : sie sind sehr (Fig. VII, a) stark gekrümmt und besitzen eine ziem- lich feine Spitze. Die äusserste Spitze des Hakens ist am äussersten Ende des Wurzelfortsatzes 0,0175 Mm., vom Ende des Zahnfortsatzes nur 0,0035 Mm. entfernt; die beiden Fortsätze stehen 0,0140 Mm. von einander. Die verschiedenen Entwickclungsstufen der Geschlechts- organe, wie sie sich in den verschiedenen Gliedern dar- stellen, sind bei dieser Tänie nicht so gut zu beobachten, als es bei der Taenia omphalodes möglich war. Es ergiebt sich nur, dass auch hier in jedem Gliede, besonders an drei Stellen, die Entwickelung beginnt. Die eine befindet sich am oberen Rande eines jedes Gliedes, hier bilden sich der Cirrusbeutel und die Vagina, wogegen aus zwei in der Mitte des Gliedes gelegenen Zellenhaufen sich die keim- bereitenden Organe herausbilden. An einem geschlechtsreifen Gliede (Fig. V) fällt vor allem ein in der Mitte des Gliedes gelagertes Organ auf, welches der Form nach mit einer Retorte verglichen wer- den kann. Das zum Rande des Gliedes hingewandte Rohr derselben (Fig. Ve) mündet in den Genitalporus ein, wäh- rend der Kolben (Fig. Vd) fast den unteren Rand des Gliedes berührt und hier von zwei anderen Organen um- geben wird. Der Durchmesser des Rohres beträgt an der äusseren Mündung 0,0070 Mm., erweitert sich bis auf 0,0105 Mm.; der Durchmesser des Kolbens ist 0,035-0,52 Mm. Der Inhalt besteht, wie man sich leicht überzeugt, aus Samenfäden. Unter oder über dem Rohre, oft völlig durch dasselbe verdeckt, befindet sich eine kleine, 0,042 Mm. lange und 0,0105 Mm. breite, nach beiden Enden zugespitzte Blase (Fig. V f), die oberhalb der Einmündung des Rohres in den Genitalporus ausläuft. Es ist dieses der Cirrus- beutel, welcher den kleinen, selten hervorgestülpten Penis Ein Beitrag zurKenntniss der Tänien. 207 enthält; nach hinten geht der Penis in das Vas defe- rens über, welches auch hier keine Schlingen zeigt, sondern vom retortenförmigen Organ bedeckt, verschwindet. Dieses ret ortenförmige Organ findet sich, wenngleich nicht stets, von derselben Ausdehnung und Form auch bei anderen Bandwürmern und ist früheren Forschern nicht unbekannt geblieben, hat aber meist eine nicht richtige Deutung erfahren. Von Dujardin ist dasselbe, wie aus der Beschreibung und Abbildung der von ihm beobachteten Tänien ^') der Spitzmäuse (Taenia pistillum, T. tiara, T. scalaris und T. murina) hervorgeht, für den in den Cirrus- beutel einmündenden Hoden gehalten worden — eine An- sicht, welche auch in jüngster Zeit Wei nl a nd *^) für das nämliche Organ der Taenia flavopunctata ausgesprochen hat. Dagegen hat Herr Prof. Leuckart, wie ich aus münd- lichen Mittheilungen weiss, bereits vor längerer Zeit bei der Taenia nana das entsprechende Organ als den Vagi- nalkanal mit sehr stark erweitertem Receptaculum seminis erkannt. Nach der oben gegebenen Beschreibung bedarf es keiner weiteren Auseinandersetzung, um auch hier bei der Taenia uncinata mit Sicherheit in jenem Organe die Vagina und das sich daraus hervorbildende Recepta- culum seminis zu erkennen, welches diese Gruppe der Tänioiden ganz besonders von denBlasenbandwürmern unter- scheidet. An dem dem unteren Rande des Gliedes genäher- ten Theile des Receptaculum liegt der elliptische 0,025 Mm. lange und 0,014 Mm. breite mit feinkörnigem Inhalte an- gefüllte Keim stock (Fig. Vc), zu beiden Seiten die grobkörnig aussehenden Dotterstöcke (Fig. V b). Einen Zusammenhang zwischen Keimstock, Dotterstöcken und Re- ceptaculum seminis konnte ich nicht finden. Der noch übrige Raum des Gliedes wird von 3 — 5 hellen durchsich- tigen Hodenbläschen, welche rund sind und 0,035 Mm. im Durchmesser haben, eingenommen. ") Dujardin 1. c. p. 562 ff. '^) Beschreibung zweier neuer Tänioiden des 3IenschcQ. Jea^ 1861. S. 9. 208 Stieda: An den die nächstfolgenden Enlwickclungsslufen dar- bietenden Gliedern sind alle Organe bis auf den Cirrusbeutel und das Receptaculum seminis, welches deutlich zum un- teren Rande des Gliedes hin eine kanalförmige Forlsetzung hat, verschwunden; dagegen tritt alsbald der Uterus mit seinen Eiern auf. Er bietet jedoch hier nicht wie bei an- deren Tänien die oftmals schon mit einem Stamme und Nebonästen verglichene charakteristische Form, sondern bildet nur einen mit dicht neben einander liegenden Eiern erfüllten Schlauch, der das ganze Glied einnimmt. Jedes Glied enthält etwa 100 bis 150 Eier. Die vollkommen aus- gebildeten Eier (Fig. VII) sind elliptisch, 0,0560 Mm. lang und 0,0455 Mm. breit und zeigen drei Eihüllen, von denen die äusserste glatt und durchsichtig ist, die mittelste sehr dünne sich leicht faltet, die innerste dem Embryo eng an- liegende 0,0035 Mm. dick ist. Der Durchmesser des sechs- hakigen Embryos beträgt 0,0315 Mm., die deutlich sicht- baren Embryonalhäkchen sind 0,0105 Mm. lang. Die zweite in der Spitzmaus angetroffene Tänie, die ich der gabelförmigen Form ihrer Haken wegen Taenia fur- cata nennen will, ist sehr selten. Ihre Länge beträgt g — 10 Mm.; der runde vom Halstheile deutlich abgesetzte Kopf ist 0,151 Mm. in der Breite, besitzt vier Saugnäpfe und einen kurzen Rüssel, der mit einem durch 22 — 28 Ha- ken gebildeten Hakenkranz versehen ist. Der Halstheil ist 0,210 Mm. breit. Die Breite der Glieder nimmt allmählich mit der Länge zu, so dass die breitesten Glieder 0,56 Mm. breit und 0,21 Mm. lang sind; die letzten Glieder, aus denen die Eier schon entfernt sind, zeigen kleinere Dimen- sionen; sie sind 0,280 Mm. breit und 0,105 Mm. lang. Die Zahl der deutlich zählbaren Glieder ist 100. Die Genital- öfTnungen sind alle auf einer Seite. Die Haken zeichnen sich durch einen langen und dün- nen Wurzelfortsatz aus, der sich deutlich vom eigentlichen Hakenfortsatz abgrenzt. Die Entfernung des Wurzelfort- satzes von der Hakenspitze beträgt 0,0240 Mm.; die Haken- spitze ist vom Zahnfortsatze 0,005 Mm. entfernt, die beiden Fortsätze von einander 0,0210 Mm. In Bezug auf die Geschlechtsorgane und die Eier habe Ein Beilrag zur Kenntniss der Tiinien. 209 ich Nichts hinzuzufügen, da Alles bei der Taenia unciata gesagte auch für diese Täuie gilt. Ich halle es für eine angenehme Pflicht, auch hier Herrn Prof. Leuckart meinen Dank auszusprechen, nicht allein für die Bereitwilligkeit, mit welcher er mir die zu meinen Untersuchungen nothvvendigen Hülfsmittcl des zoo- logischen Institutes zu Giessen zu Gebote stellte, sondern auch für die freundliche und anregende Theilnahme, welche er meinen Arbeiten schenkte. Giessen, Ende November 1861. Erklärung der Abbildungen. Fig. I— IV gehören der Taenia omphalodes an. Fig. I. Glied mit entwickeltem Geschlechts-Apparat. a. Hodenbläschen. b. Dotterslock. c. Keimstock. d. Receplaculum seminis. e. Vagina. f. Cirrusbeutel mit Penis. * Fig. 11. Bezeichnung wie bei Fig. I. g. Uterus. Fig in stellt ein Glied mit vollkommen ausgebildetem Ulerns dar. Bezeichnung wie oben. Fig. IV. Eier der Taenia omphalodes. a. Embryo. b. Aeussere Eihülle. Fig. V. Glied der Taenia uncinata. a — f. Wie in Fig. I. Fig. VI. a. Haken der Taenia uncinata. b. Haken der Taenia furcata. Fig. VII. Eier der Taenia furcata. a. Aeussere, b. mittlere, c. innere Hülle. Archiv f. isaturg. XXVIIL Jakrg. 1. Bd. 14 Die Larven der Hypodermen, ein Beitrag" zur Lösung der Frage , wie dieselben unter die Haut ihres Wohnthieres gelangen. Von Friedrich Brauer in Wien. Im vorigen Jahrgange Ihres Archivs hat Herr Prof. R. Leuckart einen sehr interessanten Aufsatz über die Larvcnzustände der Museiden veröffentlicht, welcher mich veranlasst, Ihnen nachstehende Beobachtung zu übersenden, mit der Bitte, dieselbe in Ihrer geschätzten Zeitschrift aufnehmen zu wollen. Ich habe im August 1860 in der k. k. zoologisch-bo- tanischen Gesellschaft meine Beobachtungen über das Häuten der Hypodermen-Larven veröffentlicht und war sehr freudig überrascht, als ich später Prof. Leuckart's Beobachtun- gen über die Larven der Museiden las, da sie in allen Punkten meine Beobachtungen bestätigten, so wie auch mich in meinen dort ausgesprochenen Vermuthungen bestärkten. Da Prof. Leuckart meine Beobachtung nicht kannte, so ist dieses gleiche Resultat für die Larven verschiedener Museiden sehr wichtig und ich will hier zugleich versuchen ein Bild zu geben, in wie weit die Verschiedenheit der jungen Museiden-Larven von den erwachsenen für die Sy- stematik maassgebend sein kann. Bei Oestriden vermuthete schon Neuman Häutungen, und zwar wurde er, wie später Joly, durch die Verschie- denheit der jungen Gast rus-Larven von den erwach- senen zu diesem Schlüsse gebracht. Gesehen hat weder Joly noch sein Vorgänger eine solche Häutung. Dass Brauer: Die Larven der Hypoderinen. 211 sich die Pupiparen häuten, hatLeuckart gesehen und bei den Hypod er men -Larve n konnte ich dieses sicher konstatiren (siehe d. Verhandl. d. k. k. zool.-bot. Geseil- schaft zu Wien 1860. p. 652), ebenso wie die grosse Ver- schiedenheit der Larven in diesen Häutungen, was früher Joly fürGastrus-, später L euckart für Musca vomitoria und caesarea nachwies. Obwohl die Beobachtungen von Joly und Leuckart gewiss höchst interessant sind, so gewinnen dieselben doch noch mehr, wenn man der Ur- sache dieser Verschiedenheit nachforscht. Bei einer wäh- rend ihres ganzen Wachsthums, vom Ausschlüpfen aus dem Ei bis zur Verpuppung, stets gleich lebenden Larve ist es schwer einen solchen Grund aufzufinden; anders ist diess bei Oestriden -Larven , die zuerst an den Platz hin wandern müssen, an welchem sie zur Reife kommen kön- nen. Die Oestriden zerfallen in dieser Hinsicht in zwei Gruppen und zwar in Eierlegende und Madengebärende. Zu ersteren gehören die Gattungen Gastrus und Hypoderma, zu letzteren die Gattungen Cephalomyia und Cephenomyia. Bei den ersteren Gattungen ist es die Larve, welcher es obliegt in den Magen oder unter die Haut zu gelangen, da die Eier von der Imago an Haare abgelegt werden, wie diess für Gastrus erwiesen, für Hypoderma, wenn die Form der Eier einen Schluss erlaubt, zu vermuthen ist; bei Ce- phenomyia und Cephalomyia spritzt das fliegende Weibchen die Maden in die Nase der Wohnthiere. Die grösste Ver- schiedenheit (und zwar in wesentlichen Punkten) der neu- gebornen Larven von den erwachsenen findet sich , wie wohl leicht begreiflich, bei jenen Larven, welche eine grössere Wanderung zu machen haben, d. h. also bei den Gastrus- und Hypodermen-Larven. Das Schwinden von jederart Bewegungsorganen oder Bohrwerkzeugen bei parasitischen Thieren, wenn sie den Ort ihrer Bestimmung erreicht haben, ihr, wie man sagt, Zurücksinken auf eine tiefere Stufe ist durch viele Beob- achtungen bestätigt, wenn es auch nicht für alle Fälle zu- trifft. Bekannt sind gewiss allen Entomologen die Beob- achtungen an Meloe-Larven und jene an Sitaris von Favre. Ich erwähne die letztere Beobachtung nicht nur um einen 212 Brauer: speciollcn Fall aus der KInsse der Insekten anzuführen, sondern auch weil Joly die Meinung aussprach den Oeslri- den käme eine IJyperinelainorphose zu, wie dies bei Sitaris beobachtet wurde. — Zu dieser Annahme fühle ich mich nicht veranlasst, als sich alle Veränderungen der Larven hier durch die Lebensweise bedingt erklären lassen. — Ich lasse hier eine kurze Beschreibung der iiypodermen- Larven in den drei Häutungen folgen, ohne jedoch eine ausführliche Beschreibung derselben geben zu wollen, welche ich mir für die Monographie der Oestriden vor- beJialte. Die Beobachtung wurde an zahlreichen Individuen von Larven der Hypoderma Diana m. aus der Haut des Rehs gemacht. Erstes Stadium. (Dauer unbekannt, doch wahrschein- lich sehr lange , da die Fliege im Mai erscheint und ihre Flugzeit nur wenige Tage dauert, so dass alle Individuen, wie es bei Ephemeren der Fall ist, auf wenige Tage be- schränkt, zugleich schwärmen, während die Larve noch im Februar in diesem Stadium angetrofTen wird. Ende Januar und Anfang Februar lassen sich als Uebergang zum zweiten Stadium betrachten.) Die Larve wächst in diesem Stadium bis zu 6V2 Linien, bleibt aber fast cylindrisch und wird kaum 1 Linie breit. Vorderes Ende abgerundet, hinteres dem vorderen Ende gleich oder die letzten drei Ringe schwanzartig verdünnt, was von der Willkür der Larve abhängt. Mundtheile sehr klein, erst bei 20maliger Ver- grösserung deutlich sichtbar. MundöOnung trichterförmig, oben ragt ein gerader Spiess heraus , der auf einem im Schlünde verborgenen queren Chilinbalken ruht, von wel- chem letzteren jederseils ein Chilinbogen nach hinten geht und sich in eine schaufelförmige Chitinplalte erweitert, wie diess fast bei allen Fliegenmaden vorkommt. Die Schaufelplatten liegen zu beiden Seiten des Schlundes und ihre Fläche steht vertikal. JNeben dem zuerst erwähnten Spiess liegen zwei Ha- ken (einer jederseits), welche rechtwinklig gebogen sind und deren freie Spitze nach aussen und abwärts sieht. Sie können so bewegt werden, dass sie mit dem Spiess in der Die Larven der Hypodermen. 213 Mitte eine Spitze bilden, werden dann ihre Spitzen nach aus- und rückwärts, vom mittleren Spiess abgebogen , so ist es klar, dass die Larve sich vorschiebt und indem sie Gegenstände ansticht, sich in dieselben leicht einbohrt. — Vorderstigmen ziemlicli gross. Sie liegen oben jederseils am zweite Ringe, sind rund und am inneren Rande von einer halbmondförmigen Chitinleiste gesäumt. Hinlerstig- men zwei unregelmässige, poröse, kleine schwarze Chitin- platten bildend. Der letzte Ring trägt um die Stigmen herum zahlreiche runde kleine Chitinplatten, wodurch er ein punklirtes Aussehen erhält. Die Larve ist 11-ringelig, erscheint nackt , nur in der trichterförmigen Grube des Mundes und am Rande der Unterlippe stehen mikroskopische Dornen. Zweites Stadium. (Dauer sehr kurze Zeit, höchstens 1 Monat. Diese Form erscheint Ende Januar bis Mitte Februar, mit der ersten und dritten Form meist zugleich.) Larve anfangs kürzer als im ersten Stadium, dafür aber breiter. Sie wächst von 5 bis zu 7 Linien und ist leicht an den schwarzen Flecken an der Unterseite zu erkennen, die sich bei geringer Vergrösserung als dicht in Gruppen beisammen stehende schwarze Dornen erweisen. Oben ist die Larve mit Ausnahme der drei ersten Ringe ganz nackt. Mundtheile eine V-förmige Grube bildend , deren Ränder von rauhen dicken Chitinleislen seitlich und unten begrenzt werden, welche unten fest verbunden sind und nach innen und hinten in die erwähnten Chitinschaufeln und zahlreiche Fäden ausstrahlen, welche den Schlund zwischen sich fas- sen. Der Spiess und die Haken fehlen. Vorstigmen beob- achtete ich noch nicht. Hinterstigmen nierenförmig jeder- seils eine sehr grobzellige (nicht im histologischen Sinne) Platte bildend. Form der ganzen Larve sehr veränderlich, besonders oft das hintere Ende sehr verdünnt, schwanzartig ausgestreckt. Drittes Stadium. (Dauer vom Februar bis April.) Mund eine trichterförmige Grube mit häutigen Rändern, in der Grube ein kleiner Hornring, dem sich unmittelbar die Spei- seröhre anschliesst, welche gleich darauf über ein ovales Loch in einem Chitinrahmen läuft, von welchem die Chi- 214 Brauer: Die Larven der Hypodermen. linschaufeln ausstrahlen, lieber der Mundgrube zwei Horn- nnge als riidimenläre Fühler. Vorderstigmen sehr klein, am Hinterrande des ersten Ringes über der Deckelfurche. Hintersligmen nierenförmig fast glatt, flach, radiär gefurcht. (Siehe d. Verh. d. k.k. zoolog.-bot. Gesellsch. 1858. p. 407.) Es geht hieraus hervor, dass sich die jungen Larven in die Haut einbohren können und später ihre Mundtheile einer rückschreitenden Metamorphose unterliegen, die sich auch durch die verkümmerten Mundtheile der Fliege kund giebt. Ebenso sieht man aber, dass selbst sonst so wich- tige Organe für die Systematik wie die Mundtheile, ihren Werth verlieren können, und ihre Entwickelung in engem Verbände mit der Lebensweise des Thieres steht. Ferner ersieht man, dass Veränderungen der Mundtheile sehr ver- schiedener Art vorkommen können, ohne durch Parasitismus bedingt zu sein, wie diess bei den Larven von Musca vo- mitoria und M. caesarea nach Leuckart der Fall ist, und andererseits ein wahres parasitisches Leben keine Verän- derungen der Mundtheile bewirkt, wenn die Verhältnisse für den Parasiten von Anfang bis zu Ende gleich blieben, wie dicss bei den Cephenomyien -Larven der Fall ist, wo die iun^en Larven von den erwachsenen nur in unwesenl- liehen Punkten verschieden sind. So interessant daher alle diese Beobachtungen für die Biologie der Larven sind, so unwesentlich sind sie für die Systematik, da so nahe ver- wandte Thiere, wie die Cephenomyien und Hypodermen unnatürlich weit getrennt, so weit verschiedene Insekten wie Musca vomitoria und Hypoderma auffallend nahe ge- rückt würden. Dass übrigens die Mundtheile der Larven von im Systeme mit Recht sehr nahe stehenden Fliegen sehr ver- schieden sein können, hat Dufour bei den Laphrien-Lar- ven gezeigt. Eine genauere Auseinandersetzung dieser Beobachtung behalte ich mir für meine Oestridenmonographie vor. Wien, den 5. Februar 1862. OK- lieber die chilenischen Wasserhühner ans der Gattung Fulica Linn. Von Ludw. Landbeck in Santiago. Obgleich die Wasserhühner der oben genannten Gat- tung in ganz Chile , so weit es Wasser und Sümpfe giebt, zu den gemeinsten und unter dem allgemeinen Namen „Tagua" bekanntesten Vögeln gehören, so waren dieselben doch bis heute nicht gehörig nach den Arten gesondert und gekannt. Da diese Vögel als Wildpret häufig zu Markte gebracht werden, so wäre es leicht gewesen, dieselben mit aller Gemächlichkeit im Trockenen zu studiren, und es scheint, dass gerade dieser Umstand, nämlich die Alltäg- lichkeit ihres Vorkommens, deren näheres Studium verhin- dert hat, wozu freilich auch noch der Umstand kommt, dass die Wasserhühner nach Alter und wohl auch nach Jahres- zeit und Zufälligkeiten in einer Menge auffallender Abän- derungen vorkommen, welche leicht irre führen können, wenn man nicht bestimmte charakteristische Kennzeichen im. Auge behält. Herr Gay beschreibt im ersten Bande seiner Natur- geschichte von Chile eine von King in Magellan gefun- dene und im Journ. zool. T. IV. p. 95 beschriebene Art unter dem Namen Fulica chloropoides , und in den Nach- trägen zum 8. Bande seiner Zoologie eine von ihm selbst aufgefundene Art unter dem Namen Fulica chilensis. Es geht jedoch aus der Beschreibung der letzteren hervor, dass er sie mit der ersteren verwechselte. Endlich führt er noch eine Diagnose von einer von Vi ei Hot F. armil- 216 L a n d I) c c k : lata gehcisscncn Art an, an deren Existenz Hr. Gay aber selbst zweifelt. Die Beschreibungen sind etwas flüclilig und ungenau, und es ist hier wie last bei nllcn Bcsciireibungen von Gay nicht möglich mit vollkommener Sicherheit darnach zu bestimmen. Hr. V. Tschudi in seinen Untersuchungen über die Fauna Peruana beschreibt als peruanischen Vogel eine Fulica ardesiaca (wohl identisch mit F. americana ?) und bemerkt dabei, dass derselbe an der ganzen Westküste und somit auch in Chile vorkommt. Ehe wir zur kritischen Beleuchtung und Vergleichung der erwähnten Arten und zur Bcsclircibung einer von uns in Chile aufgefundenen übergehen, sciiicken wir einige Be- merkuno-en über die Gatlungr im Allgemeinen und über de- ren Auftreten in Chile insbesondere voraus, um bei der Beschreibung der einzelnen Arten Wiederholungen zu vermeiden. Die Galtung Fulica gehört in die Klasse der rallen- artigen Vögel (Rallidae) und ist am nächsten verwandt mit den Gattungen Porphyria und Gallinula, welche beide sich hauptsächlich durch den Mangel belappter Zehen unterschei- den. Sie sind charaklerisirt durch einen starken, an der Spitze kaum etwas abwärts gebogenen konischen seitwärts zusammengedrückten Schnabel, dessen Rücken sich als Wachshaut, Schneppe, oder wie man die häutige Stirnzierde nennen will , weit über die Stirn, bei manchen bis über den Scheitel verlängert. Da diese Verlängerung gewöhnlich ziemlich über dem Schädel erhaben und mit lebhaften Farben, weiss, gelb oder roth geschmückt ist, so gereicht sie dem Vogel zu besonderer auffallender Zierde und ist weithin sichtbar. Die Nasenlöcher liegen seitwärts fast in der Mitte des Schnabels und bilden eine schmale, etwas schräg stehende, durch eine weiche Haut bedeckte Ritze. Die Augen sind eher klein als gross, im Allgemeinen braunroth. Die Füsse sind gross, die Tarsen, wie bei den Steissfüssen, seitlich comprimirt, die Zehen lang und an den Seiten mit Haullappen besetzt, was sie sowohl im Gehen auf Wasser- pflanzen, als auch im Schwimmen und Tauchen unterstützt. Der Körper ist gedrungen, dick und rund, die Flügel hohl Ueber die chilenischen Wasserhühner. 217 und abgerundet, erreichen nicht die Schwanzspitze, und lassen kein grosses Flugvermögen vermulhen, der Schwanz kurz abgerundet. Die Befiederung ist reich , die Federn locker zerschlissen und von derselben Struktur wie bei der ganzen Classe. Die Hauptfarbe sämmtlicher ächten Fulicaarten ist am Kopfe ein Samnictscliwarz , an den übrigen Körperlheilen ein dichteres Schiefer- oder Schwarzgrau, bei einigen Arten mit etwas Bronzeglanz auf Rücken und Flügeln, die Unterschwanzdeckfedern schwarz und weiss. — In ihrem Be- tragen haben die Wasserhühner wirklich so viel hühnerar- tiges, dass ihr Name gerechtfertigt ist. Sie gackern und schreien fast ohne Uoterbrechung und da, wo viele beisam- men sind, giebt es auch oft Streitigkeiten, die nur mit der Flucht der besiegten Partei endigen. Im Allgemeinen leben sie in grossen und kleinen Seen, Sümpfen und Flüssen, wenn sie langsam fliessen oder sogenannte Allwasser haben und mit Schilf, Binsen u. s. w. an den Ufern oder auf Inseln bewachsen sind. In diesen Lokalitäten treiben sie sich den ganzen Tag gackernd, schreiend, einander neckend, doch im Ganzen friedlich mit einander lebend und nur in der Paarungszeit kämpfend herum und brüten auch daselbst. Im Süden von Chile scheinen Fulica chilensis und chloro- poides nur Strichvögel zu sein, wenigstens verlassen sie im Winter die Seen und streichen längs den beschilften Fluss- ufern, im Norden ist dies nicht der Fall, indem die Seen ihre Beschaffenheit nicht so sehr ändern, wie dies in Folge der regenreichen südlichen Winter der Fall ist. In der Provinz Valdivia brüten die Wasserhühner auch später als im Norden, und gewöhnlich erst, wenn die Seen mit neuem Schilfe und Binsen bewachsen sind. Im Nestbau stimmen alle Wasserhühner miteinander überein; sie machen ein IV2 — 2' breites plumpes, unkünsiliches, ziemlich plattes schwimmendes Nest aus dürren Binsenstücken ins Rohr oder Binsendickicht, befestigen dasselbe an einigen Halmen, doch so, dass es mit dem Wasser steigen und sich senken kann, legen von 3 — 15, in Chile gewöhnlich 8 bis 10 strohgelb- grünliche, dunkelbraungesprenkelte Eier, welche so gut wie Hühnereier schmecken ; die kleinen Jungen sind mit 218 Landbeck: kohlschwarzen Flaumfedern bedeckt und sehen sehr son- derbar aus. Da sie nicht scheu, sondern sogar zutraulich sind, ist ihre Erlegung sehr leicht, auch ihr Fang nicht schwierig, ebenso wenig ihre Angewöhnung in der Gefan- genschaft, wo sie bald so zahm werden wie Haushühner. Ihr Fleisch hat zwar einen etwas schlämmernden Ge- schmack, ist aber, gut zubereitet, besonders wenn die Haut abgezogen wird, kein schlechtes Wildpret. Die verschiedenen chilenischen Wasserhühner sind in der ganzen Republik verbreitet, an manchen Orten sehr zahlreich auf den Seen der mittleren Provinzen ungemein häufig; auf der Lagune in Perral bei Cartagena, 1/2 Legua von der Meeresküste, ist wohl ein Achtel der ganzen Was- serfläche mit Wasserhühnern bedeckt, so dass manche Stelle derselben ganz schwarz gefleckt erscheint. Trotz dieser grossen Anzahl werden die Wasserhühner nicht schädlich , da sie sich von Gegensländen ernähren, welche der Mensch sonst nicht benutzen kann, nämlich von Wassergräsern, Conferven, kleinen Wasserschnecken, Wür- mern, Insekten u. s. w., welche Gegenstände man im Ma- gen der Geschossenen als grünen Brei vermischt findet. Gezähmt fressen sie alles, was vom Tische kommt, Fleisch, ßrod, gesottene Eier, auch gequellten Waizen. Um für immer Verwechselungen der chilenischen Arten zu verhüten, folgen die genauen Beschreibungen derselben zuerst einzeln und dann unter sich verglichen. 1. Fulica choropoides King. Artkennzeichen: Stirnschneppe gewölbt, an der Spitze abgerundet, nicht lang, gelb. Beschreibung: Alter Vogel. Ganze Länge 1'2"3'"; Schnabel bis zur Stirn 1" 2'"; bis ans Ende der Stirnschneppe 1" 6'"; Schwanz 2"; Breite 2'; Flügel vom Bug bis zur Spitze 6" 9'"; Schienbein ß"; Ferse 1" 10'"; Mittelzehe 2" 10'"; äussere Zehe 2" 4"'; innere 2" 3"'; Hinterzehe sammt Nagel 1"2"'. Schnabel entweder rein hell schwefelgelb und ganz ohne lieber die chilenischen Wasserhühner. 219 irgend welche Fleckung oder auch schwefelgelb, 1'" vor der Spitze mit einem 2'" langen braunrolhen Fleck auf dem Rücken des Oberschnabels (diese rothen Flecken variiren ziemlich); Schneppe rund, ziemlich aufgetrieben, schön cilronen- bis orangegelb; Unterschnabel ungefleckt; Iris braunroth, Tarsen hellolivengrün, an sämmtlichen Gelenken grau, Nägel grauschwarz. Schwanz und Flugeispilzen fast gleich lang, doch finden in diesem Verhältnisse Abweichun- gen statt. Vorderrand des Flügels und eine ganz schmale Kante der ersten Schwungfeder, ein Fleck an der Spitze der breiten Fahne von 6 Schwungfedern zweiter Ordnung, die seitlichen Unterschwanzdeckfedern rein weiss. Kopf, obere Hälfte des Halses, die Schäfte aller grösseren Federn, der Schwanz, ein Mittelstreif der Unterschwanzdeckfedern sammelschwarz; der übrige Körper schieferschwarz, am Unterhals , Brust, Rücken, Bürzel und Oberschwanzdeck- federn am dunkelsten, unter den Flügeln und am Bauche am hellsten. Am 12. April 1861 enhielten wir aus der Gegend von Santiago ein auffallend kleines Exemplar, ein Weibchen im Uebergangskleide vom Jugcndkleide ins ausgefärbte : Ganze Länge 1" 9'"; Schnabel von der Spitze bis ans Ende der Schneppe 1" 3'", Schnabel von der Spitze bis zur Mundspalte 1"1"'; Schwanz 1" 6'"; Breite 1' 9" 3'"; Flügel 5" 6'"; Schienbein 3"; Tarse 2"; Aussenzehe 2" 2'"; Mittelzehe 2" 6'"; Innenzehe 2" 1'"; Hinterzehe 1". Die Flügelspitzen endigten 1" 3'" vor der Schwanz- spitze. Spilzenhälfte des Schnabels olivengrün, der übrige Theil des Unterschnabels orangegelb. Stirnschneppe klein, gewölbt, rund endigend, orangegelb, Iris braunroth. Füsse olivengrasgrün, an den Gelenken, Lappenrändern, Sohlen und Nägeln aschgrau. Vorderrand des Flügels, der ersten Daumen- und der ersten Schwungfeder, die breite Spitze von 8 der letzten Schwungfedern, die seitlichen Unter- schwanzdeckfedern weiss; Kopf und Hals kohlschwarz mit grünlichem Seidenglanz, Oberrücken, Schullern und Un- terseite hellschiefergrau, am Unterhals und Oberbrust mit fahlbraunen Rändern, Unterrücken und Schwanz schwarz mit braungrünlichem Schimmer, Flügel braunschwarzgrau. 220 L a n d b e c k : Bei Vögeln im Neslkleide ist der Schnabel mehr oli- vengrün, die Schncppc sehr klein und hellgelb, das Gefieder kürzer und mit mehr olivengraugrünem Anfluge. Wir besitzen ein Wasserhuhn aus Peru, aus der Ge- gend von Arica. Es soll jedoch nach der brieflichen Be- merkung des Sammlers nicht häufig daselbst vorkommen. Dieses Wasserhuhn hat so grosse Aehnlichkeit mit einem Jüngern Vogel des eben beschriebenen, dass wir keinen Anstand nehmen, es dieser Art beizuzählen, wodurch sein Verbreitungsbezirk allerdings eine grosse Ausdehnung von Süden nach Korden erhielte, da es auch in Magellan, Val- divia, Santiago vorkommt. V. T s c h u d i in seinen Untersuchungen über die Fauna von Peru, beschreibt unter dem Namen „Fulica ardesiaca" ein vermeintlich neues Wasserhuhn , ebenfalls aus Peru, welches an der ganzen Westküste, also auch in Chile ge- funden werden soll, und welches wir geneigt sind, für identisch mit dem vorhin erwähnten, aus der Gegend von Arica herstammenden und somit auch mit unserem F. chlo- ropoides zu halten, obgleich einige Abweichungen zu be- merken sind. V. Tschudi 1. c. sagt: „Kopf und Hals sind schwärzlich ; der Bücken und die obern Schwanzdecken grau, besonders auf dem hinteren Theile stark ins Olivengrüne spielend. Die Brust ist schie- fergrau, mit undeutlichen hellem Querstreifen überzogen. Die Flügelfedern sind matlschwarz, mit weissem Saume am äusseren Fahnenbarte. Die obern Flügeldecken sind theil- weise weiss, die untern schmutzig weiss. Bauch, Hinterbrusl, Weichen und Schienen braungrau, mit heilern Nuancen. Die untere Seite des Schwanzes ist blendend weiss, Stirnhöcker hellgelb ; Schnabel röthlichgelb, an der Spitze hornfarben; Tarsen schwarz; Nägel schwarzbraun. Iris gelblichbraun. Ganze Länge l'i" 6'"; Schnabel 2"; Flügel 8"6'"; Tarse 2"7,5'"j Verhällniss der Tarse zum Flügel 1 : 3,1. Eine ähnliche aber kleinere Species von Fulica wurde von Wag 1er aus Mexiko beschrieben. Die F. ardesiaca findet sich fast an der ganzen Westküste von Süd-Amerika und zwar in allen Klimaten an der Küste des stillen Oceans bis zu 14000' über dem Meere. Besonders häufig ist sie an der Lagune von lieber die chilenischen Wasserhühner. 221 Junin. Die Indianer schlagen sie dort mit Stöcken todt, trocknen ihr wohlschmeckendes Fleisch als Mundvorrath auf ihren Reisen- [11 den Körperverhällnissen sowohl, als in der Fär- bung weicht das eben beschriebene Wasserhuhn von un- serem Vogel ab, allein dessenungeachtet ist es möglich, dass es identisch mit demselben ist, denn 1) gehört das aus Arica stammende unstreitig zu F. chloropoides; 2) kön- nen die beschriebenen weissen Federspitzen Ueberreste des Winterkleides sein, und 3) sind die Füsse jedenfalls nach einem getrockneten Exemplare und die Augen aus dem Gedächtnisse oder nach einem jungen Vogel beschrieben, da die alten Vögel sämmtlicher bis jetzt bekannten Arten braunrothe Iris haben. (Nach einer Bemerkung von Reichenbach soll F. ardesiaca ebenfalls identisch mit F. americana Gm. sein.) 2. Fulica chilensis Gay. Art ke nn zei chen : Schnabel dick, gerade, die Stirnschneppe sehr gross, breit, aber spitzig endigend, in der Mitte vertieft, goldgelb mit rothem Rande. Beschreibung: Sehr alter Vogel. Im März 1861 erlegt. Länge 1' 3" 6'"; Schnabel bis zur Oeffnung 1" 4'"; Schnabel bis zur Stirn 1" IV2'"; Schnabelspitze bis zur Schneppenspitze 2" 1"'; Breite der Schneppe am breitesten Theile 9'"; Breite der ausgebreiteten Flügel 2" 1'"; Flügel vom Bug bis zur Spitze 7" 3'"; Schienbein 4"; nackte Stelle desselben 10'"; Tarsus 2" 6'"; Aussenzehe 3"; Mittelzehe 3" 9'"; Innen- zehe 2" 9'"; Hinterzehe 1" 3'"; Schwanz 1" 9'". Schnabel und Stirnschneppe sind schön schwefelgelb, letztere am Aussenrande mennigroth eingefasst, der Schna- belrücken endigt an der Stirn am Anfange der Schneppe in einen gegen die Stirn quer abgeschnittenen dunkelblut- rothen Fleck, welcher über die ganze Länge der Nasen- löcher sich erstreckt und am Anfange derselben in einer 222 Landbeck: Gabel zu beiden Seiten niedergeht; vor der Spitze ist der Schnabelrücken schön lichtrolh angeflogen. An der Wurzel des Oberschnabels geht vor der Schneppe beginnend ein dunkelrother Fleck quer bis zur Schnabelöffnung; am Un- terrande der Wurzel des Unterschnabels befindet sich ein ähnlicher Fleck mit rechtwinkliger Ecke nach vorne. Die Form der Schneppe ist breit oval, stark zugespitzt, in der Mitte vertieft, gleichsam hohl muschelförmig mit aufgewor- fenen Rändern. Die Schneppe sitzt nicht unmittelbar auf dem Schädclknochen, sondern auf einem gegen deren Spitze höher werdenden Fettwulste, dessen höchster Punkt 8'" erreicht; wodurch die Schneppe mit dem Schnabelrücken einen stumpfen Winkel bildet. Die Nasenlöcher sind 4'" lang, lanzettförmig, an der Spitze gegen die Stirn sich ver- engend und etwas aufwärts gebogen, Iris braunroth. — Die Grundfarbe des Fusses ist ein helles Grüngelb, welche Farbe aber nur in den Falten und Vertiefungen sichtbar ist, denn der nackte Theil des Schienbeins und der Tarsus sind krebs- oder corallenroth , oben fast blutroth, die Rückseite des Fersenglenkes bläulich, die Vorderseite mehr gelb, ein schmaler Streif an der Rückseite des Tarsus grün- lichgelb, die grossen Schilder auf den Zehen hochorange- gelb, die klein geschilderten Ränder gelblichblau ; die Sohlen aschgrau mit gelbem Schimmer, die Nägel horngrau. Kopf und die Hälfte des Halses lang- und weichbe- fiedert, tief sammetschwarz, der ganze übrige Körper schön schieferschwarz, auf dem Rücken mehr ins Blaugrau über- gehend, am Bauche mehr aschgrau mit weissen Federspitzen. Unterschwanzdeckfedern, der ganze Flügelrand so wie die Aussenfahne sämmtlicher grossen Randfedern schneeweiss, Schwanzfedern schwarz, Flügelfedern grauschwarz; Ge- wicht 2 Pfund 6 Loth. Bei jungen Vögeln ist die Stirnschneppe kleiner und nicht so hübsch gefärbt, und der nackte Theil der Füsse hat nicht die schöne rothe Farbe, sondern ist mehr roth- gelb und olivengrün. Zwischen Männchen und Weibchen ist äusserlich kein Unterschied zu bemerken. lieber die chilenischen Wasserhühner. 223 3. Fiilica rufifrons Ph. et Landb. Artkennzeichen: Die Stirnschneppe lang, schmal, lanzettförmig-, blut- roth, die Aussenfahne der ersten Schwungfedern ohne Weiss. Beschreibung: Aller Vogel: Länge 1' 3" 6'"; Schnabel von der Spitze bis zur Oeffnung 1" 3'"; Schnabelspitze bis zur Spitze der Schneppe 2" 2'"; Schwanz 2" 6'"; Breite 1' 10" 3'"; Flügel 6" 6'"; Schienbein 3" 9'"; Tarsus 2" 1'"; Aussen- zehe 2" 6'"; Mittelzehe 3" 5'"; Innenzehe 2" 6'"; Hinter- zehe 1"2'"; Breite der Stirnschneppe 5'". Der Flügel endigt 2" vor der Schwanzspitze; Schnabel schön citronengelb , an der Wurzel mit einem 2'" breiten blutrothen Querbande; 2'" hinter der Spitze des Oberschna- bels beginnt ein dunkelröthlicher Anflug, welcher über dem ersten Drittel der Nasenlöcher intensiv dunkelblutroth wird und sich in dieser Farbe über die ganze lanzettförmige Stirnschneppe ausdehnt; die weiche Nasendecke ist rein citronengelb. Die hintere Spitze der Schneppe erhebt sich 3'" über den Schädelknochen und hat eine Fettunterlage. Iris graulichrothbraun. DerFuss ist hellgelbgrün, an sämmt- lichen Gelenken und Sohlen bleigrau; ein Band über dem Fersengelenke schön gelb, nach hinten mit röthlichem An- fluge; die Nägel hornschwarz. Die Kopf- und Halsbefie- derung etwas steif, weniger weich und nicht so sammet- artig wie bei den anderen Arten , kurz und kohlschwarz, der übrige Körper schieferschwarz, auf Kücken, Schultern, letzten Schwungfedern, Unterrücken, Bürzel und Ober- schwanzdeckfedern umberbraun überlaufen, Brust und Bauch dunkelaschgrau, letzterer mit langen weissen Federspitzen, wodurch dieser Theil beim frisch vermauserten Vogel fast ganz weiss erscheint. Flügel grau-, Schwanz braunschwarz, die seitlichen Unterschwanzdeckfedern schneeweiss, die mitt- leren kürzeren kohlschwarz , Unterflügeldeckfedern grau- schwarz. Vorderrand des Flügels weiss, aber die schma- len Fahnen der ersten Daumen- und Schwung- federn ohne alles Weiss, höchstens ist das Weiss be^ 224 L a n d 1) e c k : einigen Exemplaren durch ein schmales Rändchen ange- deutet. Bei jungen Vögeln ist die Stirnschneppe klein, schmal, aber äusserst spitzig, Schnabel und dieselbe grünlich, die Farben des Gefieders schmutzig graubraun und olivengrau, der Fuss dunkelolivengrün. ?ergloichung der charakteristischen Interscheidungsmerkmaie der chilenischen Wasserhühner. 1. Fulica chloropoides King. Schnabel schwach, fast gerade, Oberschnabel auf der Spitzenhälfte wenig abwärts gebogen , seitwärts ziemlich stark comprimirt. Stirnschneppe gewölbt, ovalrund mit sehr stumpfer Spitze, welche jedoch gewöhnlich abgerun- det ist, beide hellcitronen- bis pomeranzengelb, ersterer zuweilen rothgefleckt. Die Schneppe bildet mit dem Schna- belrücken einen stumpfen Winkel. Die Eckbefiederung an beiden Seiten des Oberschnabels sehr stumpfwinklig aus- laufend. Zehennägel ziemlich kurz, die einzelnen Tafeln auf den Fusslappen sind durch feine weisse Linien ange- zeigt; diejenigen erster Grösse sind unter sich beinahe gleich lang, weshalb ihr Ende fast eine gerade Linie bil- det. Fuss olivengrün, ohne Roth. Yorderrand des Flügels, ein Rand der schmalen Fahne der ersten Daumen- und Schwungfedern weiss. 2. F. chilensis Gay. Schnabel robust , im Verhältnisse breiter als beim Vorigen ; Unterschnabel gegen die Wurgel etwas ausge- schnitten, der ganze Schnabel etwas abwärts gebogen. Die Schneppe gross, breit und hoch, ovril, an der Spitze rosenblattförmig endigend, in der Mitte gewöhnlich flach muschellormig vertieft, greift mit zwei dreieckigen Armen in die Seiten des Oberschnabels herein ('nn anderen Arten bemerkt man nicht einmal eine Andeutung dieser Bildung); lieber die chilenischen Wasserhühner. 225 Schnabelrücken und Schneppe einen stumpfen Winkel bil- dend, Seitenbefiederung des Oberschnabels endigt rund. Schnabel gelb und roth gefleckt, Schneppe hochgelb, ge- wöhnlich am Rande roth eingefasst. Fuss stark, Nägel lang und stark; die einzelnen Tafeln der Fusslappen sind mas- siver als beim vorigen und durch aufl'allend aufgeworfene Endränder unterschieden. Die Längslinien zwischen den Tafeln erster und zweiter Grösse sind mehr gebogen als beim vorigen. Der Fuss mit olivengelber Grundfarbe grösstentheils krebs- oder korallenroth. Die weisse Rand- einfassung der Flügel so ziemlich wie beim vorigen. 3. F. rußfrons Ph. et Ldb. Schnabel seitwärts schwach zusammengedrückt, schlank, im Verhältnisse schwächer als bei der vorigen Art, nach vorn sich regelmässig zuspitzend, sanft abwärts gebogen. Stirnschneppe und Schnabelrücken verlaufen in einer fast ganz geraden Linie, wodurch der Scheitel sehr flach er- scheint. Erstere ist lanzettförmig, schmal in einer scharfen Spitze endigend, fest und glänzend. Schnabel gelb, an der Wurzel roth. Schnabelrücken vom Anfange der Nasen- löcher an, so wie die ganze Stirnschneppe blutroth. Sei- tenbefiederung des Oberschnabels recht-, fast spitzwinkelig (bei F. chloropoides stumfwinkelig, bei F. chilensis rund). Täfelung der Fusslappen von den vorigen Arten bedeutend abweichend, indem z. B. auf den Innenlappen der Mittel- zehen nach der ersten Reihe grosser Tafeln zwei fast gleich grosse Reihen kleinerer Tafeln folgen, während bei den vorigen nur eine solche Reihe mittelgrosser Tafeln vorhanden ist, zudem verlaufen die Abtheilungs-Längslinien fast gerade (bei den anderen mehr oder weniger im Halb- kreise) und die Lappen selbst sind schmäler und an den Gelenken nur seicht ausgeschnitten, während sie bei den vorigen rund und tief ausgeschnitten sind. Fuss mehr oli- venbraungrau als grün, wie bei F. chloropoides. — Weder Daumen- noch Schwungfedern haben weisse Ränder an der Aussenfahne. Diese eben ausführlich dargestellten ünterscheidungs- Archiv f. Naturg. XXVIIL Jahrg. 1. Bd. 15 226 Landbeck: merkmale, festgestellt nach alten ausgefärbten, vollständi- gen Exemplaren der drei chilenischen Arten sind so auf- fallend, dass bei genauer Beachtung derselben künftighin eine Verwechselung der hiesigen Wasserhühner fast un- möglich erscheint, und es zeigt insbesondere die zuletzt beschriebene neue Art so viel Charakteristisches, dass deren spezifische Verschiedenheit Jedem auf den ersten Blick unzweifelhaft erscheinen muss. Da wir im Besitze der Eier von sämmtlichen drei Arten uns belinden , so dürfte es von Interesse sein, die- selben unter sich zu vergleichen, da sie fast ebenso grosse Verschiedenheiten zeigen, wie die Vögel selbst. Daher hier ihre Beschreibung: 1. F. chilensis Gay. Länge 2" 3'"; Breite 1" 6'". Es ist regelmässig eiför- mig; Schale etwas rauh und grobkörnig; hellolivenbräun- lich mit zweierlei dunklern Flecken und Punkten. Eine Anzahl meist grösserer ovalrunder Fleckchen in der Grösse von Mohn - bis Hanfsamenkörnern scheint in die Schale einge- beizt und zum Theil etwas verblichen, von Farbe bläulich- braun; eine grosse Anzahl chokoladefarbiger Punkte, Pünkt- chen und Flecken aber erscheint wie auf die Schale aufgespritzt. Die Schale hat wenig Glanz. 2. F. rufifrons Ph. et Ldb. Länge 2" 2'"; Breite 1" 41/2'"- Es ist schlanker oder gestreckter als das vorige, hat feinere Schale, ziemlich viel Glanz, olivengrünliche Grundfarbe, dieselben Flecken, Schmifze und Punkte, aber im Allgemeinen sind dieselben mehr von gleicher Grösse, etwa wie ein grosser Fliegen- schmilz, und diese Punkte am stumpfen Ende des Eies mehr gehäuft. Ist mit dem vorigen nicht leicht zu ver- wechseln. Ueber die chilenischen Wasserhühner. 227 3. F. chloropoides King. Läng-e 1" 10'" bis 2"; Breite 1"3— 4'". Es ist sonach in der Regel etwas kleiner als die beiden vorigen. Die Schale hat wenig Glanz und ein etwas kalkiges Aussehen. Die Grundfarbe ist bedeutend lichter als bei den vorigen, ei- gentlich leichenfarbig (lividus). Die braunen Fleckchen sind gewöhnlich weit kleiner, aber auch weit zahlreicher als bei den vorigen. Einige Exemplare haben eine Menge runder Fleckchen von der Grösse der Mohnkörner, andere aber sind so fein getüpfelt als ob sie mit Sand bestreut wären. Zum Schlüsse erwähnen wir noch einer kollossalen Taguas, welche, von S oul eye t in Peru entdeckt, vielleicht auch auf den Andenseen des nördlichen Chile gefunden wird. Diese Art erreicht fast die Grösse der Hausgans und ist in den Sammlungen noch sehr selten. Das Museum in Santiago besitzt ein Exemplar desselben aus den hohen Cordilleren von Peru. J. J. V. Tschudi in seinen Untersuchungen über die Fauna von Peru sagt unter anderem von derselben : „Wir beobachteten zum erstenmale die F. gigantea im Juni 1840 im kleinen See „„Ascacocha"" (die stinkende Laguna), in den Altos von Huaihuai. Der uns begleitende Indianer bemerkte, dass diese Vögel nicht fliegen können, und in der That haben wir sie, trotz des anhaltenden Schiessens nie sich ihrer Flügel bedienen gesehen. Dem sie verfolgen- den Hunde entzogen sie sich durch sehr behendes Unter- tauchen. Nach Angabe der Indianer soll das Weibchen die Jungen in der ersten Zeit auf dem Rücken herumtragen; es legt auf den Felsen in den Lagunen drei Eier." „Diese Species ist in Peru sehr selten; während un- serer vielen Reisen haben wir sie nur zweimal gesehen. Die Indianer nennen sie (wie auch die übrigen Arten von Fulica) „Anashsinqui," was „Bohnen-Nase" heisst. Zum Beweise, wie vorsichtig man sein müsse, wenn man aus einzelnen Thatsachen oder einseitigen Beobachtun- gen allgemeine Schlüsse ziehen will, wie es hier Herr v. 228 Landbeck: Ueber die chilenischen Wasserhühner. Tschudi in Beziehung- auf das seltene Vorkommen des erwähnten Wasserhuhns in Peru gethan hat, theilen wir einen Auszug aus einem Briefe des verstorbenen A. Fro- been in Arica an Landbeck vom 30. Januar 1855 mit: „Auf den Cordilleren- Lagunen fand ich eine grosse präclitige (Fulica-) Art, schwarz mit gelbem Schilde, ro- then Läufen, gelappt und langen Krallen. Der Ton dieses Vogels gleicht dem Lachen eines Menschen. Ich fand sie zu Hunderten des Morgens beinahe vor Kälte erstarrt auf dem Eise (etwa 16,000 Fuss hoch) und in dieser Lage blieben sie, bis die Sonne hoch kam und die Lagune auf- thaute und ihnen somit der Weg gebahnt wurde, ihr Futter zu suchen." Santiago, im August 1861. Kurzer lleberblick der in der Kieler Bucht Ton uns beobachteten wirbellosen Thiere^ als Vorläufer einer Fauna derselben. Von U. Adolph Hey er und Karl IHöbius in Hamburg. Die Kieler Bucht ist ein schmaler, 2 Meilen langer Busen der Ostsee , der von Nordost nach Südwest in den nördlichsten Theil Holsteins eindringt. Er öffnet sich eine Meile weit bei Bülk, das an seinem äussersten Nordpunkte liegt, verengt sich bis auf ungefähr 3600 Fuss bei der kleinen Festung Friedrichsort, südsüdwestlich von Bülk und erweitert sich dann wieder nach der Mündung des Eider- kanales zu bis über V4 Meile, worauf er sich am äussersten Ende des Badeortes Düsternbrook wiederum verschmälert, bis er endlich südwestlich hinter Kiel in eine schmale und seichte Spitze ausläuft. Seine beiden Ufer schliessen theilweise mit schönen Buchen bewaldete Hügel ein, welche an vielen Stellen die Wasserfläche vor der Gewalt des Windes schützen, so dass bei Stürmen eigentlich nur in den ausserhalb Friedrichsort gelegenen Theil desselben die hohen und langen Wogen der See hereindringen. Ausser dem Eiderkanale auf der Westseite bringt nur noch die Schwentine, ein kleiner holsteinischer Fluss, der Düsternbrook gegenüber auf der Ostseite mündet, eine be- merkcnswerthe Menge süssen Wassers in die Bucht. Die Tiefe derselben beträgt in der Mitte vom Kieler Hafen an bis hinaus in den offenen Theil nach den Anga- 230 Meyer und Möbius: ben der Seekarten gewöhnlich 7 — 9 Faden; nur an wenigen Stellen sind 10 — 20 Faden verzeichnet. Dem Ufer näher ist der Wasserstand bei ruhigem Wetter meistens 4 — 6 Fa- den, dann steigt der Boden gewöhnlich rasch bis zu ge- ringer Tiefe an, so dass die Böte ohne Steg fast nirgends landen können. An diesen seichten Ufern wächst reichlich zu beiden Seilen des Busens S eegra s, Zostera marina, und wuchert an manchen Stellen so üppig, dass es die Strandbewohner, bis ans Knie im Wasser stehend, mit Sensen abmähen und am Strande zum Verkaufe trocknen. Auf den Steinen, die überall in der Bucht zerstreuet liegen oder zum Schutze von Rheden , Uferbauten oder Badeslellen aufgeschichtet worden sind, hat sich Tang (Fucus vesiculosus und we- niger häufig serratus) angesiedelt, von welchem bei starken Südwestwinden, die das Wasser aus der Bucht hinauswe- hen, oft grössere Strecken trocken liegen. Auf tieferen sandigen Stellen finden sich stellenweise Ceramien und Polysiphonien in Massen; auf mehr schlammigem Grunde Furcellaria fastigiata und dem Strande nahe mischt sich mit Seegras Chorda filum hier und da. Im Frühjahre wu- chert an vielen Stellen des flachen Strandes Ulva Lactuca. Dies sind diejenigen Pflanzen des Busens, welche den anderen gegenüber vorherrschen, und welche deshalb auch für das unmittelbar oder mittelbar von ihnen abhängige Thierleben eine hohe Bedeutung haben. Die tiefe innere Mulde des Busens ist mit dunk- lem Moder angefüllt, der viele verfaulte organische Slofl'e enthält , die Schwefelwasserstoff" aushauchen, wenn sie an die Oberfläche gehoben werden. Aber dennoch hat er, wie die mit lebenden Pflanzen bewachsenen Theile, Ihieri- sche Bewohner. An der Oberfläche haben wir vom Juli bis in den Oktober hinein bei Düsternbrook und im Kieler Hafen See- leuchten beobachtet, das hauptsächlich von Infusorien (be- sonders Peridinien) hervorgebracht wird. Den grössten Theil des Jahres treiben zwei Arten Quallen, Medusa aurita L. und Cyanaea capillata Bast, zahl- reich im Wasser hin. Jene verschwindet im Spätsommer Kurzer Ueberb. d. in d. Kieler Bucht beobacht. wirb. Thiere. 231 mehr als diese, von welcher uns am 14. December noch viele Exemplare mit weissen Embryonalmassen besetzt, begegneten. Aus den Polypenformen derselben, die wir an jenem Datum mit nach Hamburg nahmen, entwickelten sich 6 Tage nachher in unseren hier gehaltenen Aquarien junge Quallen. Im Frühling erscheint die zierliche Sarsia tubulosa Sars auf kurze Zeit in so grosser Menge, dass das Wasser an der Oberfläche, nach dem Ausdrucke unseres Boolfüh- rers , davon „ganz haarig^ wird. Sie entwickelte sich auch aus ihrer Polypenform (Syncoryne Sarsii Loven) im Aquarium. Auf einem grossen Fischkasten, der tief eingetaucht im äusseren Theile des Hafens zwei Monate lang gelegen hatte, wucherte im November Eudendrium rameum in üp- pigen Büscheln, zwischen welchen zahlreiche Aeolidien herum krochen. Dieser Polyp wohnt auch mit Syncoryne Sarsii und Campanularia geniculata Ell. auf Muschelpfählen, auf den Bäumen, welche zur Anzucht der Miessmuscheln in den Boden gesteckt werden. Auf Fucus und Zostera marina trifft man Büschel der hübschen Clava mullicornis Forsk. und Gruppen von Dyna- mena pumila L., Campanularia volubilisL. und die Polypen- formen der bei den oben ancjeführlen Medusen an. Mit Nassa reticulata zogen wir in der inneren und äusseren Ablhei- lung der Bucht eine Hydractinia v. Ben., welche stets auf der Schale jener Schnecke schmarotzt, mit derselben im Aquarium vortrefflich fortlebt und Medusenformen aus Knospen bildet, aus der Tiefe. Auch Actinien sind vorhanden. Auf den Muschelpfäh- len lebt Aclinia plumosa Gm. häufig und auf tiefliegenden Steinen sitzt Bunodes crassicornis. Beide Arten haben sich viele Monate in unseren Aquarien gehalten. Individuen der ersteren Art schufen sich daselbst eine zahlreiche Nachkommenschaft durch Ablösung kleiner Stückchen ihres Fussrandes (bis zu 0,5 Mm. Durchmesser), auf deren Gipfel sich Arme entwickelten, die Anfangs nur durch Vergrösse- rung wahrzunehmen waren. Nirgends in der Bucht kann man das Schleppnets Meyer und Möbi us : auswerfen oder den Kätscher über das Seegras ziehen, ohne Mengen von Asteracanthion rubens L. zu fangen. Am häufigsten ist die breitarmige, dunkelviolelte Varietät; sel- tener, und zwar in grösserer Tiefe, die schmalarniige reihe und graubraune Abänderung. In tiefen schlammigen Stel- len hält sich Ophiolepis ciliata massenweis verborgen. Im äusseren Theile der Bucht wurden zwei junge Exemplare eines Seeigels gefangen, über deren Species wir noch nicht sicher sind. Würmer sind reichlich vertreten. An Seegrasblätlern und Muschelpfählen wimmelt es von Polynoe cirrata Müll, in verschiedenen Farbenvarietäten und Grössen. Dieser Wurm leuchtet prächtig mit zwei Reihen hellblauer Punkte an den Seiten des Körpers, sobald er berührt wird. An denselben Oertern leben auch zwei Arten Terebellen ; die kleinere davon ist fast auf jedem Seegrasblatt in zarten mit Schlamm belegten Schleimröhren anzutreffen. Im Aquarium sucht sie gern die Lichtseite auf und verkittet, wenn sie keinen Schlamm erlangen kann, hier auch Sandkörnchen zu einer neuen Röhre. Mit dieser Terebelle bemerkt man auf Seegras aus grösseren Tiefen in ähnlichen, nur etwas grösseren Schlamm- röhren Nereis Dumerilii Aud. et Ed. Wo viel abgestorbe- nes Seegras liegt, halten sich Nereis diversicolor Müll, und Scoloplos armiger Müll, häufig auf. Nereis pelagica L. kommt auf Muschelpfählen in grossen Exemplaren vor. Die Schalen von Mytilus edulis und Balanen sind oft mit den Röhren einer kleinen Leucodore besetzt. Hetcronereis fuciola Oersd., Nephthys borealis Oersd. und Phyllodoce mucosa Oersd. haben wir bis jetzt nur ver- einzelt an tiefen Stellen angetroffen. Der Blasentanor ist zuweilen über und über von den Kalkröhren der kleinen Scrpula spirorbis L. weiss punktirt. Auf sandigem Grunde leben in tieferem Wasser Amphitrile auricoma Müll. , in seichterem Arenicola pisca- torumL. in grosser Menge und im Schlammgrunde mehrere Arien Nemertinen und Planaricn. In Ilöhluno-en faulen Holzes, das in der Tiefe liegt, hallen sich zusammenge- knäuelte Gruppen einer Oncholaimus-Spccies auf. In tiefen Kurzer Ueberb. d. in d. Kieler Bucht beobacht. wirb. Thiere. 233 schlammigen Stellen enldeckfen \vir auch Priapulus cauda- tus Lm., Ilalicryptus spiniilosus v. Sieb, und noch einen drillen Wurm mit ausstülpbarem Rüssel. Von Crustaceen kommt im flachen Wasser Carcinus Maenas Bast, häufig- vor. Palaemon squilla L. füllt im Sommer die Bucht in Millionen an, während Crangon vul- garis Fab. hier lang-e nicht so zahlreich als in der Nordsee lebt. Streift man im Sommer den Kätscher nahe am Strande, durch das frische Seegras, so wimmelt es in demselben von Grammarus locusla Moni. undSabinei Leach, Mysls spinulosus Lch., Idothea tricuspidata Desm. und zwei Amphitoe-Arten in allen Grössen. AufFucusund an Steinen trifl't man zwei Arten Jaera und ein Sphaeroma in jeder Jahreszeit. In den Bruthöhlen der Medusa aurita ist Hyperia La- treillei Guer. nicht selten. Leptomera pedata Müll, und Capreila linearis übst, wurden in vielen Exemplaren auf Spongien, Tangen und Seegras sitzend gefunden und Coro- phium longicorne Fab. am Strande gesammelt. In der tiefen schlammführenden Mittelrinne ist eine Diastylis-Art nicht selten, welche sich im Aquarium mit aufgehobenem Abdo- men schnell in den Schlamm- und Sandgrund eingräbt. Balanen leben in kleinen Gesellschaften auf Miessmuscheln, Steinen und Holz in allen Theilen der Bucht. Lernaeonema monillaris Edw. und Anchorella uncinata Müll, haben wir von ihren Wirthen abgesucht. Die kleinen Crustaceen konnten wir bis jetzt noch wenig beachten, obgleich uns öfter verschiedene Gattungen von Entomostraceen begegneten. Von Pycnogoniden trafen wir bei ßülk auf einer häufig an Fucus wachsenden Spongia ein Nymphon an und zwischen faulenden Substanzen am Boden des Aquariums sahen wir eine kleine Milbe (Halacarus Goose sp.) herumkriechen. An Mollusken ist die Kieler Bucht reicher, als ge- meiniglich die Ostsee überhaupt gehalten wird. E. Boll führt (im Archiv des Vereins d. Freunde d. Naturgesch. in Mecklenburg 1847) nur 7 marine Conchiferen und 5 marine Cephalophoren an, während wir bis jetzt 13 Con- chiferen, 28 Cephalophoren und mehrere Tunicalen beob- achtet haben. 234 Meyer und Möbius: Auf Seegras ist Mempranipora Flemingii ßusk ge- mein. Auf Fusus antiqiuis beobaclilcten wir Uebergänge von einer Bowerbankia und auf Fucus kleine ßüscliel von Crisia geniculala Edw. und cburnea L. Die Aliessmuschel- pfälile sind fleckenweis dicht mit der grossen Ascidia ca- nina Müll, beselzt, die das Wasser weit von sich spritzt, wenn sie in die Luft gebracht wird. Auf Seegras lebt häufig in mehreren Faden Tiefe eine sehr durchsichtige Art, welche wahrscheinlich mit Ascidia scabra und aspersa Müll, identisch ist. Auf einem rolhbraunen Tang (Furcellaria fastigiata), auf Fucus serratus und vesiculosus sitzt die kleine, eiför- mige rolhe Cynthia rustica Müll, oft in Gruppen. Die gemeinste Muschel ist Mytilus edulis L., welche Steine, Tange, Badeschiffe und Hafenpfähle in dichten Bar- ten überzieht. Gegessen werden nur die von den Muschel- pfählen in der kalten Jahreszeit abgepflückten ausgewach- senen Exemplare. Die am Boden lebenden sollen einen moderigen Beigeschmack haben, Im seichten Wasser mit Sandgrund sind Mya arena- ria L., Teilina solidula Pult, und Cardium edule L. häufig; Scrobicularia piperata Gm. , Syndosmya alba Wood, Solen pellucidus Penn., Corbula nucleus Lm., Cyprina islandica L. Cardium fasciatum Mont. , Astarie arclica Gray und Cre- nella discors leben an tiefen Stellen in verschiedenen Thei- len der Bucht. Teredo navalis L. arbeitet in den Muschel- pfählen und im Holzwerke des Hafens, während die Miess- muschel draussen ihren Byssus spinnt. Im äusseren Theile der Bucht sahen wir Chiton cinereus L. auf Littorina littorea L. sitzen, die mit der langgestreckten Rissoa labiosa Mont. (membranacea Ad.J zu den gemeinsten Schnecken der Bucht in der oberen Region gehört. Zwei andere kleinere Arten, Rissoa incon- spicua Aid. und Rissoa ulvae Penn, leben gesellig an Steinen und Pflanzen im flachen Sirandwasser. Neben ihnen findet man Littorina tenebrosa Mont. Eine dritte Littorina, nämlich littoralis L. (= obtusata L.) kriecht manchmal zahlreich auf Fucus serratus. Auf Ulven und Seegras wohnen Lacuna vincta Mont. (Var. quadrifasciata) und La- Kurzer Ueberb. d. in d. Kieler Bucht beobacht. wirb. Thiere. 235 cuna pallidula Da Costa. Zwischen Ceramien im äusseren sandigen Theile der Bucht fanden wir das zierliche Ceri- thium reliculatum Da Costa. Nassa reticulata L. kommt In tiefen Stellen durch das ganze Gebiet vor und ist stets mit Hydraclinien besetzt. In grösseren Tiefen lebt Buccinum undatum L. und Fucus antiquus L. Die Grenzen der Regionen des Seegrases und des Moders sind der Lieblingsaufenlhalt der hübschen Akera bullata Müll., die sich hier ausserordentlich stark vermehrt und auch in Aquarien, deren Boden mit Schlamm und einigem Seegras bedeckt ist, leicht gehalten werden kann. Im Juni hängen so viele von ihren federkieldicken Eierschnüren an den Pflanzen, dass man zuweilen ganze Hände voll aus dem Grundnetze sammeln kann. Die ihr nahe stehende Philine aperta L. liebt liefen Schlammgrund; zwei andere kleine Thiere aus der Familie der BuUiden, nämlich Cylichna truncata Mont. und Amphisphyra hyalina Turt. fanden wir bis jetzt nur vereinzelt auf Sandgrund im äusseren Theile der Bucht. Die kleine Limapontia nigra Johnst. trafen wir auf Zostera marina in einige Faden Tiefe an und einmal auch eine ziemlich grosse tief sammetartig braunschwarze Ely- sia Risse, deren Rücken und halbkreisförmige, hinten stumpf verschmolzene Mantellappen mit melallischglänzenden Punk- ten übersäet sind , weiche bei den Bewegungen in rolhen, grünen und blauen Farben spielen. Von Gymnobranchiaten sammelten wir auf Zostera ma- rina und auf Muschelpfählen häufig eine schöne Aeolis, die sehr lange Vorderfühler und dichte lange Rückenpapillen in Büscheln trägt. Dieselbe stimmt am meisten mit der bei Aid er und Hankock von Aeolis Drummondii Thomps. gegebenen Beschreibung überein, so dass wir sie mit der- selben für identisch halten, obwohl einige Differenzen vor- handen sind, die sich auf die Verschiedenheit der Lebens- bedingungen für die Britischen und Kieler Individuen erklären mögen. Mit den übrigen genauer untersuchten Gymnobranchiaten verhält es sich ähnlich, nämlich mit Aeo- lis rufibranchialis Johnst., welche kürzere Fühler, einen gestreckteren Körper und eine ganz andere Zunge als A. Drummondii besitzt. Diese Arten leben fast überall unter- 236 Meyer und Möbius: mischt neben einander. Nicht weit von der Mündung der Schwenline entdeckten wir die schöne Aeolis alba Aid. et }fank. neben A. Driimmondii. Aeolis exigua kommt auf Cernmien, auf Eiidondrium rameum und Campanularien vor. Wir haben einige Exemplare derselben Monate lang im Aquarium gehallen, wo sie bedeutend wuchsen und zuletzt Eier in Bändern legten, während sie jung nur kleine nie- renförmige Kapseln erzeugten. Einmal fanden wir eine kleine Embletonia, deren Species wir noch nicht festsetzen konnten. Aus der Gattung Doris haben wir zwei Arten von Seegras und Tang gesammelt, die eine ist Doris muricata Müll., mit keulenförmigen, durch Kalknadeln rauhen War- zen, die andere D. pilosa Müll., mit weichen kegelförmigen Papillen. Die letztere kommt in einer gelben und einer braunen Varietät vor. Auf Muschelpfählen ist Dendronotus arborescens Müll, häufig, und auf grünen Tangen und See- gras lebt in der ganzen Bucht eine Polycera nicht selten, die wir bis jetzt mit keiner beschriebenen Art identificiren konnten. Von den meisten dieser Schnecken fanden wir vom Mai bis Anfang Winters Eier und sahen von vielen solche auch im Aquarium legen. Dieser Blick auf die Evertebraten der Kieler Bucht macht keinen Anspruch darauf, der Vollständigkeit nahe gekommen zu sein; denn wir wollten nur anführen, was wir, um eine völlig sichere Basis für eine Fauna zu ge- winnen, bis jetzt selbst beobachteten, und veröffentlichen schon diese Skizze, um zu zeigen, dass die Ostsee viel mehr Thierformen erzeugt als bisher angenommen wurde. Ausserdem wollen wir damit die Freunde der einheimischen marinen Thierwelt auf eine Fundstätte aufmerksam machen, die zu jeder Jahreszeit, selbst vom Innern Deutschlands aus leicht zu erreichen und für die Belebung der See- aquarien auszubeuten ist. Als wir uns im Sommer 1859 in Düslernbrook bei Kiel aufhielten, fischten wir die häufigeren Bewohner der Bucht zur Belebung unserer Aquarien. Der Plan , eine Fauna dieses kleinen Ostseebusens zu bearbeiten, wurde erst im Jahre 1860 gefasst. Wir reisen von Zeit zu Zeit, jeden Kurzer Ueberb. d. in d. Kieler Bucht beobacht. wirb. Thiere. 237 Monat wenigstens einmal, nach Kiel , sammeln mit dem Kätscher und Grundnetz an der Oberfläche und in der Tiefe, durchsuchen im Winter den Besatz der aufgezogenen Mu- schelpfähle und bringen in Gläsern und Zinkbüchsen un- seren Fang grösslentheils lebend nach Hamburg, wo wir die verschiedenen Thiere in grössere und kleinere Aqua- rien vertheilen, um sie längere Zeit zu Untersuchungen zu erhalten, denen wir unserer Berufsbeschäftigungen hal- ber nur Mussestunden widmen können. Von Ostern 1860 bis zum Sommer 1861 nahm Herr Dr. E. Graeffe aus Zürich, der jetzt auf den Samoi- Inseln lebt, sammelnd, beobachtend und bestimmend an diesen Vorarbeiten Thcil. Haben sich dieselben bis jetzt eingehender auch nur auf die Gymnobranchiaten unseres beschränkten Gebietes er- strecken können, so eröffnen sie doch schon interessante Blicke auf den Einfluss, welchen die Eigenthümlichkeiten der Ostsee auf das thierische Leben ausüben, so dass wir hoffen dürfen, aus unseren speciellen Untersuchungen einst auch Folgerungen zur Beleuchtung wichtiger allgemeiner Fragen der Zoologie ziehen zu können. Um ein möglichst vollständiges Bild unserer Thiere zu geben, beabsichtigen wir ausser diagnostischen und anatomischen Eigenthümlichkeiten hauptsächlich auch bio- logische Beobachtungen mitzutheilen und werden die Be- schreibungen derselben mit colorirten, nach dem Leben entworfenen Abbildungen begleiten, deren Ausführung wir besondere Sorgfall zuwenden, da von vielen Seethieren immer noch lebenswahre Darstellungen fehlen, obwohl sol- che gerade hier um so wichtiger sind, je schwieriger sich die Lebensformen und Farben in Sammlungen conserviren lassen. lieber die Familien der Eryciden nnd Tortriciden. Von Professor Jan in Maihind. Es ist eine augenfällige unbestreitbare Tlialsache, dass die physischen sowohl als die psychischen Aehnlichkeilen oder Verwandtschaften der Thierarten im Allgemeinen und in jeder Klasse derselben insbesondere, so vielfältig sind, dass, so zu sagen, jede Art in näherer oder entfernterer Verbindun(r mit den anderen steht, und oft mit mehreren Arten eine gleich nahe Verwandtschaft beurkundet; dass daher, vorausgeselzt, es wären uns alle gegenwärtig den Erdkreis bewohnende Thierarten bekannt, man dieselbe nur wie die Orte auf der Landkarle zusammenstellen möchte, um eine halbwegs natürliche Anordnung derselben zu er- kennen. Dieser dadurch gewährte Ueberblick ihrer Verwandt- schaften müsste auf Beobachtungen fussen, die aber ausser dem Bereiche unseres Könnens liegen. Das einzig wahre Natursystem aber, nach welchem das Thierrcich geregelt ist, mit unserem Verstände zu be- greifen , müssten wir fähig sein, das Schema einer Mappe zu entwerfen, in welcher nach ihren Afüniläten alle Arten der Thiere, welche die Erde in den verschiedenen geolo- gischen Epochen bewohnten, in chronologischer Ordnung eingezeichnet wären. Dies wäre der Entwurf des Schö- pfungsplanes des Thierreichs, den aber ein für unser gei- stiges Auge undurchdringlicher Schleier deckt, den kein menchliches Wissen je heben wird. Es bleibt daher in Jan: Ueber die Familien der Eryciden und Tortriciden. 239 der wissenschaftlichen Systematik die allein erreichbare und vorzugliche Aufgabe, die Thiore der anerkannten verschie- denen Klassen in lineare Reihenfolg-cn zu stellen, in wel- chen die nächst verwandten Arten bei einander stehen, und diesem Grundsätze gemäss dieselbe in Gallungen, Familien und Ordnungen unterzubringen. Eine solche Zusammenstellung, wenn auch auf gründ- liche Beobachtungen gestützt und mit dem grössten Scharf- sinne entworfen, wird doch immer nur einen relativen Werth haben und grösstenlheils von der verschiedenen Beobachtungsgabe und den Ansichten des damit sich be- schäftigenden Naturfo-rschers abhängen, und daher stets mehr oder minder künstlich sein. Die systematische Anordnung der Schlangen aberbietet, bei der mangelhaften Kenntniss der Arten, in jeder Rück- sicht viel grössere Schwierigkeiten als die der anderen Wirbellhiere. Wagler in seinem „Natürlichen Systeme der Amphi- bien. München 1830 p. 265" betrachtet die Schlangen als einer einzigen Familie angehörig, und nachdem er Jeden Versuch als vereitelt erklärt, in dieselbe nach dem Zahn- baue Zünfte oder Gruppen zu errichten," bemerkt er, „dass nichts anderes übrig bleibe, als im Allgemeinen die vor- züglichsten Eigenthümlichkeilen ihres Körpers und ihrer Lebensweise zusammenzufassen, vergleichend gegen einan- der zu halten und sie hiernach in gewisse Haufen oder Gruppen zu bringen. Aber auch diese Gruppen lassen sich durch keinen allen ihren Gliedern adhärirenden Charakter bezeichnen und festsetzen, denn überall zeigen sich Ueber- gangsstufen in ihren Formen, die die Bestimmung , ob diese Schlange zu dieser oder jener Gruppe gehöre, durch- aus unmöglich machen" und zieht hieraus den obigen Schluss : „dass diese Thicre nur eine einzige Familie bilden, deren Glieder sich sämmllich innig berühren und eine un- unterbrochene Kette bilden." Wagler vertheilt im erwähnten Werke, viele neue Gattungen schaffend, die Schlangen in 7 Gruppen. Schlegel in seinem „Essai," das in den Händen aller Herpetologen ist, bringt dieselben in 8 Familien unter, 240 J a n : WO dieselben soviel als möglich der Physiognomie, das ist dem Habitus nach nalürlich gruppirt sind. So wichtig auch für die Schlangcnkunde „DumeriTs und Bibron's Erpetologie generale- ist, und wie sehr auch deren auf den Zahnbau gegründetes System das Be- stimmen der Arten erleichtert, so werden doch dadurch die Familienbande der Verwandtschaften zu sehr zerrissen. Eigentlich liegen die Hauptunterschiede der Zähne des Oberkiefers darin , dass solche entweder solid oder innen hohl sind , die letzteren sind wahre Giftzähne, die ersteren sind entweder ganz glatt, oder mit einer Furche versehen, die wahrscheinlich die vermehrte Absonderung des Speichels erleichtert, oder auch für den Abfluss irgend einer anderen vielleicht auch manchen Thieren verderbli- chen oder tödtlichen Flüssigkeit dienen mag. Die soliden gefurchten Zähne stehen immer gegen das Ende des Oberkieferbeins, und es sind der festsitzen- den nie mehr als 3, meist 2, gewöhnlich sind dieselben etwas entfernt gestellt von den anderen Zähnen. In dieser Rücksicht theile ich die Schlangen in Toxicodonta, Aglyphodonta und Glyphodonta. Zuweilen beobachtet man auch an den hohlen Zähnen, die stets vorwärts liegen, eine äussere Furche, welche die zur Aufnahme und Ausfluss des Giftes bestimmten beiden Oeffnungen des Zahnes äusserlich verbindet. Wenn gleich manche Schlangenarten an dem Giftzahne, ausser dem inneren Kanäle, auch diese Furche zeigen, so bemerkte ich doch anch bei jungen Zähnen mancher Art diese Furche, welche bei älteren nach Consolidirung der äusseren Zahnsubstanz ganz verschwindet. Von den mir bis zum Jahre 1858 bekannten Giftschlan- gen (Toxicodonta), habe ich in G u e r i n - M e n e v i 1 1 e's Re- vue et Magasin de Zoologie ein Verzeichniss der Arten geliefert, welchem ich nun das der anderen Aglyphodonta und Glyphodonta folgen lasse. Diese habe ich nach den von Schlegel in seinem Essai entwickelten Ansichten mit solchen Modifikationen, welche dem jetzigen Standpunkte der Ophiologie mir ent- sprechend schien, in Gruppen geordnet. lieber die Familien d. Eryciden und Tortriciden. 241 Bei dieser Gruppirung benutzte ich auch vorzüglich das bis jetzt umfassendste herpetologische Werk Duin-e- ril's und Bibrons, indem ich die Gattungen der Arten, welche gefurchte und ungefurchte Zähne haben, wenn solche im Habitus sonst übereinstimmen, parallel in dieselbe Gruppe stellte. Nach diesem meinem Versuche einer systematischen Anordnung der mir bekannten Arten folgen den Typhlopi- den die Pseudotyphlopiden (Uropeltacea J. Müll.), dann die Eryciden und Tortriciden, welche ich in eine Familie ver- einige. Mit dieser 3ten Familie der Schlangen beginne ich nun die für das Archiv bestimmte Aufzählung der Arten. Die Eryciden, welche die Iste Gruppe der Familie bilden, sind in zwei Sectionen vertheilt, die erste enthält Schlangen, welche die alte, die zweite die, welche die neue Welt bewohnen, und die sich auch ausser dem so ver- schiedenen Vaterlande, durch andere wesentliche Kenn- zeichen von einander unterscheiden. In der zweiten Gruppe stehen die Tortriciden, deren Hauptrepräsentant die in allen Sammlungen befindliche Tortrixscytale ist, welche denTyphlopiden und Uropeltaoeen, durch das in einem Schildchen liegende Auge nahe steht, zu dieser Gruppe gehört noch Gylindrophis und Xenopel- tis, dieses letzte Glied der dritten Familie stimmt mit dem ersten derselben Plastoseryx in der obern Kopfbeschildung, dem Spitzern Schwänze und den zweizeiligen Schwanz- schildern überein. So bewährt sich schon bei dieser kleinen Familie die von Wag 1er oben erwähnte Unmöglichkeit hinsichtlich der richtigen Einreihung einer Schlange in die eine oder andere Gruppe. Dies voraus bemerkt, gehe ich zur Aufzählung der Arten über, welche alle mit den charakteristischen Details für die „Sonographie des Ophidiens" abgebildet und von mir neu beschrieben wurden. Ausser dem Vaterlande ist bei jeder Art das Museum erwähnt , in welchem sich die abgebildete Schlange be- findet. Da am häufigsten das Mailänder und Pariser Museum Archiv für Naturg. XXVIII. Jahrg. l.Bd. 16 242 Jan: citirt werden, so wird der Kürze wegen das erstere bloss mit M., das zweite mit P. bezeichnet. Wo bei einer Art der Name des Autors nicht ange- führt, ist solche von mir benannt. Ist der Name des Autors in Klammern eingeschlossen, so bedeutet dies, dass derselbe die Art in eine andere Gat- tung stellte. Dritte Familie. Erste Gruppe. Erycid en. A. Mit elliptisch vertikaler Pupille des Auges. Ers te S ection. a. Schilder auf dem Kopfe. f Körper-Schuppen glatt. '^'* Regelmässig gelagerte obere Kopfschilder. a. Doppelte Schwanzschilder (12 — 13) (scutella). I. Plastoseryx. 1. Bronni (Heidelberger) Amerika. ß. Einfache Schwanzschilder (scuta). II. Pseiidoeryx. 1. Botlae (Blainv.) (P.) Californien. ■^^■•"" Unregelmässig gelagerte obere Kopfschilder (16-17). III. Wenonia Baird et Girard. 1. plumbea B. G. (M. Washington) Nord -Amerika (Puget-Sound). ff Körper-Schuppen mit drei Kielen. IV. Platygaster. 1. multicarinatus Peron (P.) Port Jackson. Zweite Section. b. Schuppen auf dem Kopf. V. Eryx Oppei. Dum. Bibr. Vol. VI. p.454. Ueber die Familien der Eryciden und Tortriciden. 243 1. Johnii (Russ). (M.P.) Dekan, Bengalen ^^^). 2. jaculus (L.) (M.) Cairo. 3. thcbaicus GeofF. St. Hil. (M.) Aogypten. Var. senaariensis (M.) Senaar. 4. conicus (Schneid.) (M. P. Genf, Stuttgart). Mala- bar, Pondichery. Zweite Gruppe. Tortriciden. B. Runde Pupille. a. Nasenschilder einfach *""''*). Schwanzschilder einfach. '"* Augfe in einem Schilde. VI. Tortrix Opp. (Dum. Bibr. VI. p. 584). 1. scytale fL.) (31.) Guyana. -«-"- Auge frei. VII. Cijlindrophis Wagl., D. B. VI. 590. ' 1. rufa (Laur.) (M,) Java. 2. melanota (Boie) (M.) Celebes. 3. maculata (L.) (M. Bonn) Ceylon. b. Nasenschilder doppelt, Schwanzschilder doppelt. Schi. Ess. T. II. p. 21. D. B. VII. p. 28. VIII. XenopelHs Reinw. 1. unicolor Reinw. (M.) Java. luven. : X. leucephala Reinw. (M. Leyden) Java. *) Wenn bei derselben Art mehrere Museen citirt sind, so zeigt dieses an, dass mehrere von solchen mitgetheilten Exemplaren abgebildet wurden, in derselben Reihenfolge steht die Angabe des Vaterlandes, z. B. Dekan ist das des Mailänder, Bengalen das vom Pariser Mu- seum mitgetheilten Exemplars. ^") Das IVasal benenne ich einfach, wenn das Nasenloch in einem einzigen Schildchen liegt, zusammengesetzt, wenn solches zwischen mehreren Schildern liegt, daher doppelt zwischen 2, dreifach zwi- schen 3 u.s. w. Diese Schildchen sind zuweilen auch zum Theil mit einander verwachsen. 244 Jan: Erste Gruppe. Längsschuppenreihe nicht weniger als 30, nicht mehr als 70. I. Plastoseryx Bronni. Diese ausgezeichnete neue Art fand ich in der mir von Prof. Bronn freundlichst mitgetheilton Sciilangensammlung des Heidelberger Uni- versitäls- Museums; sie wurde, wie er mir schrieb, durch Dr. Eich 1er im Jahr 1859 von einem SchifTskapitän angekauft mit anderen Schlangen, die meist südamerikani- sche sind, ohne nähere Bezeichnung des Vaterlandes der- selben. Als Vorläufer der Abbildung in meiner Iconographie mag eine Beschreibung derselben hier Platz finden, und zwar beginne ich dieselbe mit der Aufzählung der Merk- male, die besonders in der Kopfbeschildung zu finden sind, ich unterlasse jedoch als zwecklos, die Formen dieser Schilder, von denen nur ein naturtreues Abbild eine klare überschauliche Ansicht geben kann , ausführlich zu be- schreiben. Wie ich schon in früheren Schriften bemerkte , dass ich für die Charakteristik der Art mein besonderes Augen- merk auf die seitliche ßeschildung des Kopfes richte, so beginne ich die Beschreibung damit. Das Nasal ist klein und doppelt , es fehlt ein eigent- liches Frenal , das Prareocular ist sehr schmal und biegt sich etwas über das Auge, den grossen Zwischenraum vom Nasal zum Praeocular füllt das Praefrontal aus. Ober dem Auge schliesst sich vorne das Supraocular an das Praeocu- lar und rückwärts an das obere Postocular, deren zwei vorhanden sind, ein grösseres Schildchen als jedes derselben liegt unter dem Auge, (Subocular), sowohl dasPrae- als untere Postocular berührend, so zwar, dass das Auge von einem aus fünf Schildchen gebildeten Ring eingeschlossen ist, daher auch kein Lippenschild das Auge berührt. Die Stellung dieser Labiale, deren 10 die obere und 12 die un- tere Lippe bilden, ist folgende: das erste Labial reicht bis zum Nasenloche, das zweite berührt den übrigen hinteren Theil des Nasal und das Praefrontal, das dritte bloss das lieber die Familien der Eryciden und Tortriciden. 245 Praefrontal, das vierte das Praeociilar und mit hinterem Winkel das Subociilar , das fünfte dieses unter dem Auge liegende Scliildchen ganz allein, oder auch eine Temporal- Schuppe, das sechste im ersten Falle dasselbe und die Temporal-Schuppen, das siebente bis zehnte berühren bloss diese zahlreichen Schuppen. Von den oberen Lippenschildern ist das zweite das längste und steht in gleicher Höhe mit dem vierten. Der obere Theil des Kopfes hat viele Aehnlichkeit mit dem von Xenopcltis, wie bei diesem sind 12 Schilder vor- handen, die ebenso gelagert sind. Die untere Seite des Kopfes ist überall sehr abwei- chend von der anderer Erycinen, man bemerkt zwei lange untere Zwischenkieferschilder (interinframaxillar, die ich terminologischer Kürze wegen als inframaxillar bezeichne) ; an die äussere Seite jedes dieser Schildchen legt sich dann ein schmales fast eben so langes Schildchen oder Schuppe an, was ich auf diese Weise gestellt bei keiner anderen Schlange noch wahrnahm, die Inframaxillar stehen in Be- rührung mit dem ersten und zweiten, das bemerkte äussere Schildchen, das sich leistenartig an die Inframaxillar anlegt, mit dem dritten unteren Labiale in Berührung. Eine nalurtreue Abbildung würde die vorgesagte Be- schreibung grösstentheils entbehrlich machen , höchstens könnte solche als Fingerzeig dienen, wohin die Aufmerk- samkeit des Auges beim Vergleichen und Bestimmen der Schlange hauptsächlich zu lenken ist. Nach meinen Beobachtungen ist diese wechselseitige Stellung der Kopfschilder höchst constant, und die dem Anscheine nach unbedeutendsten Abweichungen von der- selben, bei sonstiger normalen Bildung der Kopfschildcr, erleichtert meist das Erkennen auch anderer specifischer Unterschiede. Nach dieser kleinen Abweichung füge ich nur noch einiges in Bezug des mir bekannten einzigen Exemplars von Plasloseryx bei. Was die Farbe desselben betrifft, die der Weingeist, in dem es aufbewahrt, wohl vielleicht vetändert haben mag, 246 Jan: SO ist dasselbe oben rothbraiin, mit zerstreuten kleinen weisslichen Makeln, unten schrnulzifr weiss. Bis weit über die Mitte des Körpers bemerkt man 33 Längsschuppenreihen, am hinteren Theile desselben bis zum After, wo die Fussrudimente stark vorstehen, 28, an der Wurzel des Schwanzes sind 15 — 13, in der Mitte des- selben 8, an der Spitze 5. Alle die Schuppen sind unge- kielt, die äusserste Reihe derselben etwas grösser als die anderen. Nach 9 Gularschuppen folgen 242 Bauchschilder, das Anal ist getheilt, Schwanzschilder, die zweizeilig, sind 45 in jeder Zeile. Totallänge der Schlange 72", Schwanz 9". II. Pseudoeryx Bottae. Diese von B 1 a i n v i 1 1 e in Nouv. Annal. du Museum 1835. T. IV. p. 289 kurz beschrie- bene Schlange, von welcher derselbe auch eine Abbildung giebt pl. 26. fig. 1, die leider nicht naturgetreu ist, erhielt ich mit gewohnter Liberalität von Prof. Dumeril milge- theilt, dieselbe ist in der Erpetologie generale übergangen worden. Nach Gray's Catalogue of Snakes 1849. p. 113 soll sich auch ein Exemplar in der Sammlung des British Museums beiinden, er führt solches unter dem Namen Cha- rina Bottae auf. Ich habe dasselbe dort nicht gesehen, aber Gray's Beschreibung verglichen mit dem Originalexemplare lässt mich vermulhen, dass sie eine ganz verschiedene Art sein müsse. Diesen Vergleich kann jeder anstellen, sobald in der Sonographie die Abbildung des von Botta in Cali- fornien entdeckten Originalexemplars erscheinen wird. Vorläufig nur einige Bemerkungen über dasselbe ; was die seitliche Kopfbeschildung betrilFt, so hat dieselbe 10 obere und 11 untere Lippenschilder (ij) , ein doppeltes Nasal, ein Frenal, ein grosses Prae- und 3 Postocular, ein kleines fast fünfeckiges Supraocular. Die Stellung der oberen Lippenschilder gegen die mit denselben in Berührung kommenden Schildchen ist fol- gende : Das Isle Labial geht über das Nasenloch, das 2te berührt Nasal und Frenal, das 3le Frenal und Praeocular, das 4te das Praeocular und Auge, das 6te das Auge und I lieber die Familien der Eryciden und Tortrieiden. 247 unterste Postociilar, das 6le dieses letztere und die Tem- poralschuppen, das 7te bis lOte inclusive bloss die Tem- poralschuppen. Längsschuppenreihen sind 39, am hinter- sten Theile des Körpers bis vor den After 27, Mitte des Schwanzes 19. Nach vielen Gularschuppen zählt man 202 Bauchschilder, Anal einfach, Schwanzschilder einfach, bei- läufig 30. — Totallänge 57"; Kopf 1" 8'"; Schwanz 6". Ich muss dabei bemerken, dass der Kopf wohl gut conservirt ist, aber der Körper fehlt, daher ich das Maass nach der Haut nur anzeigen konnte, auch ist der Schwanz an der Spitze ein wenig beschädigt. Farbe oben braun und unten mehr rothbraun. III. We7ionia phimbea. Im Catalogue of North-Ame- rican Reptiles in the Museum of the Smithsonian Institution by Baird and Girard 1853 sind zwei Arten der Gattung Wenonia p. 139, 140, W. plumbea und W. isabella beschrie- ben, bloss die erste Art ist mir durch Zusendung eines Exemplars derselben von Dr. Baird, welches daher als Typus derselben gelten kann, bekannt. Was die Zähne betrifft , so sind im Oberkiefer 14 gegen hinten an Grösse allmählich abnehmend, Palatinalzähne 2 und 5 sehr kleine Pterygoidalzähne, im Unterkiefer 9. — Es mangeln die Zähne im Zwischenkieferbein; auch bei den anderen zwei Gattun- gen der ersten Section scheinen, nach den mitgetheillcn Exemplaren zu urtheilen, die Zähne am Zwischenkieferbein zu fehlen, wenn solche nicht ausgefallen sind, dadurch ist auch die erste von der zweiten Section in dieser Gruppe verschieden. Das Exemplar im Mailänder Museum hat auf beiden Seiten des Kopfes eine etwas abnorme Beschildung, auf der linken sind 10, auf der rechten 11 Supralabial (B. und G. geben 9 an), das Auge selbst ist von einem Ringe von Schildchen umgeben, und zwar auf der rechten Seite schliessen 7, auf der linken 4 dasselbe ein, und nur auf der rechten Seite berührt das fünfte Labial ein weniff das Auge. IV. Platygaster multicarinatus (Peron). Erpetol. gener. Vol. VI. p. 497. TortiixpseudoeryxSchleg. Abbild. Amphib. p. 112. pl.34. Was die zwfeile Section der Gruppe betrilTt, welche 248 Jan: bloss die Gattung Eryx begreift, so sind die Arten der- selben, obgleich sie sich sehr ähnlich sehen, doch schon bloss aus der Inspizirung des Rostrals zu erkennen, da solches bei jeder Art verschieden gestaltet ist, ich verweise auf die Abbildung derselben, da es nicht wohl thunlich ist davon eine klare Beschreibung zu geben. Obwohl oben auf dem Kopfe ausser den zwei kleinen Schildchen, welche zwischen dem Nasal liegen (Internasal) bloss Schuppen vorhanden sind und seitwärts man ebenfalls nur Schuppen sieht, mit Ausnahme der Labialschilder und des Nasal, so fand ich doch bei vielen Exemplaren der- selben Art auch irgend eine Beständin;keit in der seitlichen Beschuppung , die das Erkennen der Art erleichtert. Das Auge ist von 9 bis 12 nur ausnahmsweise von 13 Schup- pen umgeben , so wie auch nur ausnahmsweise eine oder zwei dieser Ringschuppen unmittelbar das in gerader Rich- tung unter dem Auge liegende Labial berührten, nämlich das 5te oder 6te, wenigstens findet man 11 Supralabial. Das Iste und 2te berühren das Nasenschild, welches zwei- oder dreifach ist, bei Eryx Johnii fand ich es stets doppelt, bei E. jaculus hingegen dreifach, nur abnorm zweifach. Drei- fach ebenfalls bei E. thebaicus, abnorm sogar vierfach. Bei E. conicus dreifach und abnorm doppelt. Wenn man die Schuppen zählt, die zwischen dem Nasal und dem Augenringe liegen, so findet man zwei der- selben bei Eryx Johnii. Eryx jaculus und E. thebaicus, die im ganzen Habitus sehr ähnlich, kann man gewöhnlich auch schon dadurch unterscheiden, dass zwei bis drei Schup- pen nur vom Nasal zum Augenringe in gerader Richtung liegen, während bei E. thebaicus 4 — 5. Bei E. conicus fand ich nie 2, wohl aber 3 — 5. Diese praktischen Beobachtungen, wenn dieselben gleich höchst unbedeutend erscheinen, haben mir doch beim Be- stimmen der Eryxarten geholfen, und so gebe ich dieselben ohne einen besonderen Werth darauf zu legen, als einen kleinen Beitrag zu den in anderen Werken nachzusehenden langen Beschreibungen der verschiedenen Eryxarten. Ueber die Familien der Eryciden und Tortriciden. 249 Zweite Gruppe. Längsschuppenreihen nicht wenig-er als 15, nicht mehr als 21. Die zu dieser Gruppe gehörigen Gattungen und Arten sind sowohl in Schlegel's Essai als Dum. ßibr. Erpe- tologie aufgeführt, ich füge deren Beschreibungen nur einiges Wenige, besonders in Berücksichtigung der Lippen- stellung hinzu. Torlrix scytale , Labiale oben 5, unten 6, das erste der oberen Labiale geht bis zu Ende des Nasal, welches einfach ist, bei dem weit hinten liegenden Nasenloch zeigt sich eine gegen innen gekehrte Ritze , dasselbe ist fünf- seitig und die hinterste Seite davon sehr schmal, das 2te Labial berührt bloss diese schmale Seite, und dass grosse Schild (Frontonasal), das sich zu den Lippen herunterzieht zwischen dem Nasal 'und dem Ocular oder Auo-enschild: das 3te Labial dieses Frontonasal und das Augenschild, das 4te dieses und das einzelne Temporal, das 5te dies allein. — Schuppenreihen 21. CyUndrophis. Das Colorit abgerechnet, unterscheidet sich in der seitlichen Beschildung des Kopfes C. rufa von C. melanota, die erstere hat 6, die letztere 5 obere Labiale. Schlegel betrachtet letztere und wohl mit Recht als Lo- kalvarietät, dieselbe Cyl. rufa var. celebensis benennend. Verschieden von diesen Arten ist C. maculatus, besonders hierdurch, dass sein Frontalschild eine von den zwei Arten sehr abweichende Gestalt hat, es ist schmal und klein, während es bei jenem gross und an der Basis besonders sehr breit ist. Was die seitliche Beschildung betrifft, so fehlen allen drei Arten das Frenal und Praeocular, alle haben bloss ein Postocular. Die Lippenstellung mit Inbegriff des 5ten Labial ist bei allen drei Arten ebenfalls ganz gleich, nämlich das Isle Labial schliesst sich an die Seite des unteren Winkels des Nasal an, die daran stossende rückwärtige Seite, welche höher liegt, steht mit dem 2ten Labial in Berührung, eben SO wie das rraelronlal, 3te mit Praefrontal und Auge, 4le 250 Jan : Auge, Postocular und Temporal, 5te berührt allein das Tem- poral, lieber die Lippenstcllung jeder der drei Arten ist nur beizufügen, dass C. rufa, welche 6 obere Labiale hat, wodurch der Mundwinkel mehr rückwärts liegend statt einem einzelnen Temporal, wie die zwei anderen Arten, 3 = 1/2 hat, und das 6te Labial berührt davon sowohl das vorne lie- gende, als auch das untere der 2ten Reihe. Schuppenreihen bei C. rufa und C. melanotus 19, bei C. maculata 21. Xenopeltis hat Labial %, oben 12 Kopfschilder und 15 Längs-Schuppenreihen. Seitliche Beschildung des Kopfes : kein Prae- aber zwei Postocular, wovon das obere viel grösser als das untere, weit über dasselbe vorsteht, daher die hinter demselben befindlichen Temporal sehr schief gestellt sind. Das kleine doppelte Nasal steht mit einem grossen Schilde in Berüh- rung, welches Frenal und Praeocular vertrilt und das ich der Kürze wegen als Praeocular bei der folgenden Lippen- stellung erwähne. Das Iste Labial schliesst sich an die vorderen zwei Winkel des Nasal an, das 2te geht über das Nasalloch, sich an den hinteren unteren Winkel des Nasal anschliessend, das 3te berührt die untere Seite des Nasal und des Prae- ocular an den vorderen beiden Winkeln desselben, das 4te das Praeocular und Auge, das 5te das Auge und mit dem hinteren Winkel des unteren Postocular, das 6ste das Postocular und das untere Temporal in erster Reihe, das 7te dies und das hinter demselben liegende Temporal, das 8le letzteres allein. Oppel in seinem Prodrom der Naturgeschichte der Reptilien, München 1811 , bemerkt S. 52 zur Definition der Schuppen und Schilder der Schlangen : „Schilder (scuta) sind jene, die sich fast durchaus durch ihre Grösse auszeichnen und gewöl nlich den Unter- leib und mehr oder weniger den Kopf bedecken. Auch diese bleiben sich, vorzüglich am Kopfe bis aufs klein- ste Eckchen beständig. Ich halte in Paris Gelegen- heit, sehr junge und ganz ausgewachsene vielfältig zu Ueber die Familien der Eryciden und Torliiciden. 251 vergleichen, fand sie aber an allen Individuen der- selben Art beständig-.« Ohne diese durch Beobachtung und Erfahrung aner- kannte Beständigkeit der Kopfschildcr, abgerechnet die Ano- malien, welche sich bei gehöriger Routine leicht erkennen lassen, wäre das Bestimmen der Schlangen platterdings un- möglich, und das kleinste Eckchen, welches in nor- maler Form di-e gegenseitige Lage der Schilder verändert, besonders in der seitlichen Beschildung, ist für die Artun- terscheidung wichtig , so z. B. kann irgend ein Labial, nehmen wir an das 6te, das Postocular berühren, aber nicht das nächstliegende Temporalschild, während bei einem an- deren Individuum, dem Anscheine nach zu derselben Art gehörig, mit dem 6ten Labial das Postocular und Temporal in Berührung stehen, so kann man annehmen, so anschei- nend höchst unbedeutend diese Verschiedenheit der wech- selseitigen Stellung ist, dass sich, wenn man beide Schlan- gen genauer untersucht, auch noch andere und meist spezifische Unterschiede finden werden. Wenn ich daher etwas genauer die Lippenstellung angab bei den verschiedenen Arten der zweiten Familie, so geschah es bloss, um das Auge des Beobachters hier- auf zu lenken, in der sicheren Ueberzeugung, dass dadurch das Bestimmen mancher Schlange erleichtert wird. Eine naturtreue Abbildung bis aufs kleinste Eckchen würde diese Erklärung grösstentheils überflüssig machen. Es war die Aufgabe, welche ich mir setzte, eine solche von allen mir bekannten Schlangen zu liefern, und so ent- schloss ich mich zur Herausgabe der „Ic ono gr a p h ie d es Oph i dien s," als ich vergeblich oft nach Beschrei- bungen die Schlangen zu beslimmen suchte, und bei dem Mangel von guten Abbildungen so oft in Zweifel über die Richtiorkeit meiner Bestimmung- blieb. Beim Vergleiche der in der Iconographie gelieferten Abbildungen mit den Schlangen selbst, mögen die Natur- forscher entscheiden, in wieferne die Ausführung der mir gestellten Aufgabe entspricht. Kleider machen Leute ist ein altbekanntes Sprüchwort, welches man richtiger auf die Schlange und deren Haut 252 Jan: Ueber die Familien d. Eryciden und Torlriciden. anwenden könnte, da man wohl meist, wenn die Schlange sich gehäutet, aus dem abgelegten Kleide, welches der natürliche Abdruck derselben ist, die Art ebenso gut er- kennen kann, von welcher es herstammt, als wenn die Haut selbst noch den Körper derselben umhüllt. Bloss in der Beschildung und Beschuppung sind die vorzüglichsten charakteristischen Merkmale der Schlangen- arten aufzufinden; wenn auch bei manchen Gattungen, wo sich keine wesentliche Unterschiede der Haut der zu den- selben gehörigen Arten auffinden lassen , selbst auch die regelmässige Vertheilung des Colorits von untergeordneter Wichtigkeit bei Bestimmung der Arten sein kann, wie z. B. bei Elaps. Bemerkungen über Aufenthalt und Grenzen der Tkiere in extremen Höhen und Einfluss der Höhe auf den Menschen. Nach den Beobachtungen von Hermann^ Adolph und Robert v. Schlagiutweit *). Die folgenden Notizen sind ein Auszug aus unserem 2ten Bande der Results of a scientific mission to India and High Asia, welcher die „Höhenbeslimmungen" (3,495 Punkte) enthält. Wir haben dort auch versucht einige allgemeine Resultate über die Höhengrenzen des organischen Lebens vergleichend zusammenzustellen. Das untersuchte Terrain bot Gelegenheit zur Beobach- tung der extremsten Verhältnisse, und zwar in einem Ge- birgslande, welches, die Grenze des tropischen und ge- mässigten Klimas bildend, an beiden Antheil hat. Auch der Umstand, dass hier die grössten Erhebungen der Erde und die grösste Massenanhäufung von Ge- birgsketten, Thälern und Plateaux sich vereinen, war für vergleichende Untersuchungen sehr vortheilhaft. Wie glaubten diese einerseits für uns günstigen Um- stände besonders erwähnen zu müssen, da andererseits der "■) Bemerkung für die Transscription indischer Namen: Die Vo- cale und Diphthongen lauten wie im Deutschen. Consonanten wie im Deutschen mit folgenden Modifikationen : ch = tsch im Deutschen, 3= ch im Englischen; j = dsch im Deutschen, = j im Englischen; sh = seh; V = w in Wald. ' bezeichnet die Silbe, welche den Ton hat. 254 Gebrüder v. Schlagint weit: Gegenstand, über den wir uns zu berichten erlauben, nicht vermeiden lässt manches zu berühren, was allerdings we- niger unmittelbar mit den gewöhnlichen Objekten zoologi- scher Forschungen zusammenhängt. Wir haben auch einige analoge Daten aus den Anden und den Alpen zur Vergleichung beigefügt. Für Amerika haben wir die Angaben aus Humboldt's Schriften ent- nommen; in den Alpen hatten Hermann und Adolph bereits früher Beobachtungen angestellt ""). Alle Höhenangaben sind in englischen Füssen. A. llühengrenzen der Thiere. Affen scheinen im Himälaya bis zu Höhen über 11,000 Fuss vorzukommen; am höchsten unter ihnen Sem- nopilhecus schistaceus Hodgs. Man hat sie in Gärhväl und Simla wiederholt bei 11,000 Fuss gesehen, selbst zuweilen im Winter. In Indien kömmt diese Affenart nicht vor, aber eine andere, Macacus Rhesus Audeb. ist sowohl in ßengäl und Assäm, als auch im Himälaya heimisch, wo sie noch bei 8,000 Fuss beobachtet wurde. In Tibet, und noch weiter nördlich, hat man bis jetzt noch keine Affen ge- funden. Tigf er -"-"') sieht man im Himälaya noch bei 11,000 Fuss; sie fehlen aber in Tibet und im Kuenlüen. Verschiedene Arten von Leoparden trifft man im Himälaya selbst noch bei 13,000 Fuss; am Kidarkänta (12,430 Fuss) ist im Okto- ber eines unserer Schafe von einem solchen Thiere fort- genommen worden. In West - Tibet sah man sie noch in Höhen von 14,000 Fuss. '"") Unteisuchungen über die phys. Geographie und Geologie der Alpen, Vol. I. 1850. Vol. II. 1854. Vergl, auch Auszüge daraus in den betreuenden Jahrjängen dieses Archivs. **) Der Löwe, obwohl oft in der Mythologie Hochasiens er- wähnt, scheint in historischer Zeit nur in Kashmir vorgekommen zu sein. Eine interessante Abhandlung über seine Verbreitungssphäre in Asien ist in Ritter's Erdkunde enthalten. lieber Aufenthalt und Grenzen der Thiere ct. 255 Die Hauskatze ist über ganz Tibet verbreitet*"). Hunde sind die beständigen Begleiter der tibetanischen Hirten und folgen ihnen selbst über Pässe von 18,000 Fuss scheinbar ohne irgendwie vom verdünnten Luftdrucke zu leiden. Auch verschiedene Arten wilder Hunde kommen in grossen Höhen vor. Auf Jakale stiessen wir im Karakorüm noch in Höhen von 16,000 bis 17,000 Fuss. Hodgson erwähnt zwei Species von Füchsen, die in Ost-Tibet vorkommen. Wölfe kennt man im Himälaya nicht, aber sie kommen in Tibet vor; wir selbst haben in der Nähe des Karako- rüm-Passes bei 18,300 Fuss Thierspuren gesehen, von denen unsere Leute mit Bestimmtheit glaubten, dass sie von Wölfen herrührten. - Verschiedene Arten von grossen wilden Schafen und Steinböcken gedeihen zugleich mit dem Kiang und dem wilden Yak in sehr grossen Höhen. Man findet sie, oft in zahlreichen Heerden , in den Hochebenen zwischen dem Karakorüm und dem Kuenlüen (16,000 bis 17000 Fuss), und mehr als einmal haben wir solche Heerden Schultere- hänge in Höhen von mehr als 19,000 Fuss durchziehen sehen; sie hatten demnach die Grenze, selbst die extreme, des Graswuchses bedeutend überschritten *»""*). In Beziehung auf kleinere Säugethiere erwähnen wir, dass man einigen Arten von Fledermäusen im Himälaya bis zu 9,000 Fuss begegnet, und dass der tibetanische Hase noch in Höhen über 18,000 Fuss geschossen worden ist. Besonders häufio- fanden wir ihn längs der Route von Ladäk nach Turkistän. '•■) Tschudi erwähnt, dass in den Andes in Höhen über 12,800 Fuss weder Katzen, noch die zarten Racen von Hunden leben können. Sie sterben gewöhnlich schon nach wenigen Tagen, unter schrecklichen Zuckungen. **) Unter den Hausthieren gehen nicht nur Schafe, Ziegen, zahme Yaks, Pferde und Hunde als Begleiter des Menschen über die höchsien Pässe, sondern sogar das zweihöckerige Kameel, das mit Erfolg als Lastthier in diesen Höhen benutzt wird. Es war uns nicht besonders schwierig, zwei dieser Kameele unbeladen selbst über die viel steileren Pässe des Himälaya zu bringen. 256 Gebrüder v. Schlagintweit: Dass Zugv ög el Über dem Himälaya wegziehen, wie diess manche Arten über die Alpen thun, ist nicht beliannt. Raubvögel, Geier und Adler, fliegen am höchsten; sie erheben sich selbst bis 22,000 und 23,000 Fuss. Ihnen reiht sich die tibetanische Krähe an. Wir erlebten selbst den merkwürdigen Fall , dass einige dieser Vögel sechs Tage lang unseren Lagern folgten, von 16,000 bis 22,000 Fuss, da sie dort stets etwas Nahrung zurückgelassen fanden. Ueberraschcnd war uns auch, Tauben im Karakorüm in unerwartet grossen Höhen zu finden, besonders in der Nähe von Murgäi, wo andere Vögel fast gänzlich fehlten. Das Huhn ist innerhalb der letzten Jahro mit sehr gutem Er- folge von Guläb Singh in Bälti, Ladäk und Nübra einge- führt worden. Fische haben auch wir, ähnlich wie andere tibeta- nische Reisende in einigen der kleineren Flüsse bei 15,000 Fuss angetroffen. In den Alpen kommen sie noch bei 7,000 Fuss vor, aber nicht höher; in den Seen am St. Bernhard (8,114 Fuss) gedeihen weder Forellen noch andere einge- setzte Fische. \ox\ den Reptilien^'''') findet man Schlangen und Eidech- sen vereinzelt noch bei 15,200 Fuss; in den Alpen gehen Schlangen *"""') bis 6000 Fuss, in den Pyrenäen bis 7,000 Fuss. Schlangen und Eidechsen scheinen im Himälaya höher hin- aufzugehen, als Batrachier, wie dies auch in den Alpen der Fall ist. Man hat den Salamander in grösseren Höhen gefunden, als den Alpenfrosch, ja Zootoca pyrrhogastra aus- nahmsweise selbst bei 9,700 Fuss (am ümbrail). Im Himälaya nimmt mit der Höhe rasch die Zahl der Species von Schlangen und Fröschen ab, aber für Eidech- *) Vergleiche Dr. Günther's Abhandlung in den Proc. Zool. Sog. London 18G0. Dr. Günther halte die Güte, die von uns mit- gebrachte Sammlung der Reptilien zu uniersuchen (im Ganzen 118 Exenjplare) unter denen sich zwei neue Genera und neun neue Spe- cies befanden. "■^') Es scheint fast zufällig zu sein, dass man, wie Dr. Gün- ther a. a. 0. erwähnt, in den Anden bis jetzt noch keine Schlange über 7,500 Fuss Höhe gefunden hat. lieber Aufenthalt und Grenzen der Thiere ct. 257 sen ändert sie sich fast gar nicht zwischen 1,000 und 15,000 Fuss. Schmetterlinge sahen wir im Himälaya bei 13,000 Fuss, in Tibet und Turkistän selbst bei 16,000 Fuss. Kä^ fer reichen wahrscheinlich noch hinauf bis zu den höchsten Rasenbildungen, ähnlich wie auch in den Alpen. Die obere Grenze der Mosquiios ist bei etwa 8,500 Fuss ; kleinere, aber ebenfalls sehr unangenehme Fliegen linden sich im östlichen Himälaya während der Regenzeit bis 13,000 Fuss. Aelinlich wie die Firne der Alpen sind auch jene Hoch- asiens Ott mit einer grossen Anzahl von Insekten bedeckt, welche der aufsteigende Luftstrom heraufbrachte. Das Vorkommen von Infusorien scheint auch im Himälaya so wenig von der Höhe begrenzt zu sein, wie in den Alpen. Kleine Proben für das Mikroskop, die wir von der Oberfläche der Felsen von Ibi Gämin-Pass abkratzten (20,459 Fuss) enthalten, wie Prof. Ehrenberg zeigte ^^), Infusorien in grosser Anzahl und Mannigfaltigkeit. Es fan- den sich 12 neue Species, und viele der Thierchen hatten eine auffallende Aehnlichkeit der Form, selbst Ucberein- stimmung einzelner Theile mit jenen aus Materialien, welche wir früher am Monte Rosa gesammelt hatten. Die allgemeinen Verhältnisse der Ernährung und des Klimas in den verschiedenen, hier berührten Höhenzonen dürften in Kürze genügend durch einige Angaben über Pflanzengrenzen und Schneelinie charaklerisirt werden. Bäume reichen im Himälaya sehr allgemein bis 11,800 Fuss, und etwas tiefer findet man auch ausgedehnte Waldungen. In West -Tibet haben wir nirgends einen eigentli- chen Wald angetroffen. Aprikosen - Räume , Weiden und Pappeln werden häufig in grosser Anzahl gehegt, selbst noch in Mängnang (13,457 Fuss) sahen wir grosse Pappeln; sie ^) Abhandliins[en der Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1858. S. 429 bis 456. Archiv f. Naturg. XXVIII. Jahrg. 1. Bd. 17 2B8 Gebrüder v. Schlagintweit: werden aber von den Lamas sorgfältitrst gepflegt und all- gemein als Gegenstände besonderer Verehrung betrachtet. Im Kuenlüen fanden wir Bäume auf der Nordseite der Gebirgskette nur bis 9,100 Fuss; auf der Südseite fehlten sie gänzlich, da die Höhen, selbst der tiefsten Thalsolilen, zu bedeutend waren. In den Andes ist die Baumgrenze bei 12,130 Fuss, in den Alpen im Mittel bei 6,400 Fuss, ausnahmsweise bei 7,000 Fuss. Getr eidecult uren fallen im Allgemeinen mit den höchsten ständig bewohnten Orten zusammen, aber die äusserste Grenze des Anbaues ist doch etwas tiefer, als die höchsten Orte. Im Himälaya reicht der Getreidebau nicht über 11,800 Fuss, in Tibet ist seine Grenze bei 14,700 Fuss, in den Andes erreicht er die Höhe von 11,800 Fuss, in den Alpen ein Mittel von 5,000 Fuss. Als extreme Höhen sind die Culturen bei Findelen zu nennen (6,630 Fuss). Die mittlere Grenze des Graswuchses ist im Hi- mälaya bei 15,400 Fuss, in Tibet, wo sie nahezu mit den höchsten Weideplätzen zusammenfällt, bei 16,500 Fuss. Die grosse Trockenheit des Klimas scheint das isolirte Auftre- ten von Rasenbildungen in noch grösseren Höhen zu be- schränken. Im Kuenlüen findet man Graswuchs noch bei 14,800 Fuss. Sträucher finden sich im Himälaya noch bei 15,200 Fuss, in Tibet bei 17,000 Fuss, (sogar als extremste Grenze am Gunshankär bei 17,313 Fuss), in den Plaleaux, nördlich vom Karakorüm bei 16,900 Fuss. Besonders auffallend ist, dass im Karakorüm kolzbildende Gewächse häufig an Orten wachsen, an welchen sie die Grasgrenze bedeutend über- schreiten, an solchen, wo ungeachtet der verhältnissmässig geringen Höhe Graswuchs durch die sandige Beschaffenheit des Bodens und die Trockenheit ausgeschlossen ist. Wir bemerkten dieses besonders am Vohäb-Chilgäne- Plateau (16,419 Fuss) und in Bashmalgün (14,207 Fuss). Im Kuenlüen gehen Sträucher auf der Südseite bis 14,000 Fuss, auf der Nordseite nur bis 11,500 Fuss. Sie bleiben hier ungewöhnlich weit unter der Grenze der Grasvegetation zurück. Als Mittel für beide Abhänge neh- men wir 12,700 Fuss an. Ueber Aufenthalt und Grenzen der Thiere ct. 259 In den Andes fand man Gesträuche noch bei 13,420 Fuss, in den Alpen ist ihre obere Grenze bei 8,100 Fuss, obwohl sie vereinzelt noch weit höher vorkommen, wie z. B. am Lyskamme, bei 11,164 Fuss. Die äusserste Phanerog amengrenze trafen wir in Tibet, an den nordöstlichen Abhängen des Ibi Gämin Passes, in einer Höhe von 19,809 Fuss ; ihnen folgten Pflan- zen am Gunshankär bei 19,237 Fuss. Im Himälaya wuchsen einige Pflanzen in der Nähe des Jänti Passes bei 17,500 Fuss. In den Andes hat Oberst Hall die höchsten phanerogami- schen Pflanzen in den Umgebungen des Chimborazo bei 15,769 Fuss gefunden. In den Alpen hatten wir die extrem- sten Phanerogamen an den Abhängen der Vincentpyramide bei 12,540 Fuss getroff'en. Die Mittel für die Schneegrenze sind: Fuss A. Im Himälaya. Südlicher (indischer) Abhang 16,200 Nördlicher (tibetanischer) Abhang 17,400 B. Im Karakorüm. Südlicher tibetanischer) Abhang 19,400 Nördlicher (gegen die Plaleaux von Turkistän) 18,600 C. Im Kuenlüen. Südlicher Abhang .... 15,800 Nördlicher (gegen die Ebenen von Turkistän) 15,100 In den Andes sind die Schneegrenzen nach Humboldt und P e n 1 1 a n d : Oestliche Andes von Bolivia 15,900 Westliche Andes von Bolivia 18,.500 Andes von Quito 15,700 Für die Alpen hatten wir folgende Werthe er- halten : Nördliche Abhänge 8,900 Südliche Abhänge 9,200 Extreme an der Montblanc- und Monte-Rosa- Gruppe . . '. 9,800 200 G'ebrübcr v. S chlag in twei t: B. Eiufluss der Höhe auf den Menschen. Als Grenzen für den Aufenlhall der Menschen nennen wir das Kloster Hanlc 15,117 Fiiss und die kleinen Dörfer Chüshul 14,406 Fuss, Panainik 14,146 Fuss. Aber die höchsten uns bekannten Hirtenplätze, die (in Zelten, nicht Alpenliütten) nur für wenige Monate bewohnt werden, liegen noch weit höher, sie reichen bis 16,500 Fuss, aber für kür- zere Perioden, selbst für 10 bis 12 Tage kann diese Höhe l)cdeutend überschritten werden, zwar nicht, ohne mehr- faches Unwohlsein zur Folge zu haben, aber doch ohne anhaltenden Einfluss auf die Gesundheit. Als wir die I r Ibi Gämin Gletscher -Gruppe untersuchten, lagerten und schliefen wir in Begleitung von acht Leuten vom 13. bis 23. August 1855 in ungewöhnlich grossen Höhen. Wäh- rend dieser zehn Tage war unser niedrigstes Lager bei 16,642 Fuss, unser höchstes bei 19,326 Fuss (dies war die grösste Höhe, in welcher wir eine Nacht zubrachten) ; zwei waren über 18,300 Fuss, und die übrigen zwischen 17,000 und 18,000 Fuss. Ueberdies waren wir bedeutenden kör- perlichen Anstrengungen während dieser zehn Tage aus- gesetzt; einmal passirten wir einen Pass von 20,459 Fuss, und drei Tage früher erstiegen wir am Ibi Gämin Gipfel 22,259 Fnss. Dies ist, so wiel wir wissen, die grösste, bis jetzt an Bergen erreichte Höhe; aber — wir versäumen nicht darauf aufmerksam zu machen — niedri- ger als jene, welche man in Luftballons erreichte ^'). An den Ausläufern des Sässar Gipfels kamen wir am 3. Au- gust 1856 bis zu 20,120 Fuss ; Dr. James G. Gerard hat bereits im Jahre 1821 (?) (31. August) in der Nähe des Porgyäl oder Tazhigäng einen Punkt von 20,400 Fuss Höhe bestiegen. Die Offiziere der trigonometrischen Ver- ^^) In Ballons ist man bereits etwas über 23,000 Fuss hoch ge- stiegen. Gay Lussac kam am 16. Sept. 1804 23,020 Fuss hoch; ihm folgten später Bixio und Barral, und innerhalb der letzten acht Jahre mehrere Luftschillfahrlen in England, bei denen unter Leitung eines Conntes der Uoyal Society eine Ueihe wissenschaftlicher Beob- achtungen gemacht wurde. lieber Aufenthalt und Grenzen der Thiere ct. 261 messung Indiens haben innerhalb der letzten zwei Jahre einen 19,979 Fuss hohen Punkt zweimal bestiegen, uild einmal einen anderen von 19,958 Fuss. Ein trigonometri- sches Signal wurde sogar 21,480 Fuss über der JVleeres- flärhe errichtet. In den Andes erreichte Humboldt am 23. Juni 1802 am Chimborazo die Höhe von 19,286 Fuss, bis dahin die bei weitem grösste erstiegene Höhe; später, am 16. December 1831, kam Boussingault, ebenfalls am Chimborazo, bis zu 19,695 Fuss. Bei allen diesen hohen Bergbesteigungen zeigte sich auf's Entschiedenste der Einfluss der Höhe, zunächst in der Abnahme der Temperatur und des Luftdruckes. Die Kälte in grossen Höhen des Himälaya ist zwar nicht viel bedeutender, als in den höchsten Theilen der Alpen; aber die Abnahme des Luftdruckes ist in direktem Verhältnisse zu der erstiegenen Höhe. Auch anderen Modifikationen der Atmosphäre begegnen wir, in Beziehung auf absolute Feuchtigkeit, 'chemische Zusammensetzung der Luft, Elek- tricität; aber ihre Veränderungen sind so gering, dass sie nur durch Beobachtung mit Instrumenten wahrnehmbar sind, und sich nicht direkt dem Menschen fühlbar machen. Obwohl die äusserste Grenze der Luftschicht aus opti- schen Verhältnissen annähernd zu 70 bis 80 engl. Meilen angenommen wird, so muss der Luftdruck doch bereits bei 10 oder 13 Meilen Entfernung von der Oberfläche äusserst gering sein. Schon bei 22,200 Fuss, wo das Barometer 13,364 engl. Zolle zeigte, hatte wir drei Fünftel des Ge- wichts der Atmosphäre unter uns. In einer Höhe von etwa 18,600 Fuss hat man die Hälfte des Luftdrucks. Die Grenze, in welcher die Verdünnung der Luft dem Menschen unmöglich macht zu leben, wird man immer nur annähernd bestimmen können, da sie abhängt von seiner individuellen Constitution, und von dem Einflüsse, den ein längerer Aufenthalt in grossen Höhen auf ihn übte. Auch der Grad der Bewegung der Atmosphäre (die Intensität des Windes) ist von grosser Wichtigkeit. Wir hatten oft Ge- legenheit uns zu überzeugen, wie sehr, bis zu einem ge- wissen Grade , allmähliclics Gewöhnen mildernd einwirkt. 262 Gebrüder v. Schlagintweil: Anfangs litten wir ziemlich viel beim Uebergange über Pässe von 17,500 bis 18,000 Fuss; später, nachdem wir einige Tage in grossen Höhen zugebracht hatten, empfan- den wir selbst bei 19,000 Fuss nur geringe, rasch vor- übergehende Beschwerden, obwohl es wahrscheinlich ist, dass ein längerer Aufenthalt in solchen Erhebungen von bleibenden nachtheiligen Folgen für die Gesundheit gewe- sen wäre. Der Einfluss der Höhe ist verschieden bei verschie- denen Menschen; Gesundheit und Rüstigkeit vermindert im Allgemeinen seine Wirkung. Die verschiedenen Racen scheinen ihm fast gleichmässig ausgesetzt zu sein; die Tibetaner, die doch gewöhnt sind, in beträchtlichen Höhen zu leben, klagten ebenso wie wir, wie die Turkistänis und die Indier. Erst bei 16,500 Fuss fängt der verminderte Luftdruck an bemerkbar zu werden, also \n einer Höhe, die mit jener der höchsten Weideplätze fast zusammenfällt. Von Hauslhieren scheinen besonders Pferde und Kameele von der Verdünnung der Luft zu leiden; wir konnten aber dies erst in Höhen über 17,500 Fuss beobachten. Die Beschwerden, welche die Höhe bedingt, sind : Kopfweh , Schwierigkeit zu athmen, Reizung der Lungen, zuweilen selbst Blutspucken, Appetitlosigkeit und allge- meine Abgespanntheit und Apathie. Ueberraschend ist, dass diese unangenehmen Symptome fast augenblicklich verschwinden , sobald man wieder in tiefere Regionen herabsteigt. Kälte steigert den Grad der oben angeführten Leiden nicht wesentlich, aber Wind ganz entschieden. Da wir diese Eigenthümlichkeit von anderen Reisenden nie erwähnt fanden, so waren wir darauf, sobald wir sie bemerkten, besonders aufmerksam. Wiederholt ereignete es sich, be- sonders in den hohen Plateauregioncn des Karakorüm, dass unsere Begleiter sowohl, als wir selbst, Nachts gleichzeitig erwachten , auch wenn wir in Zelten schliefen , also in einer wenigstens theilweise geschützten Lage. Die einzige Ursache war, dass ein Wind, bisweilen nicht einmal heftig, sich erhoben hatte. Wenn wir Beobachtungen machten, halten wir zuweilen während 36 Stunden keine körperlich lieber Aufenthalt und Grenzen der Thiere ct. 263 sehr ermüdenden Arbeilen, unsere Leute noch weniger ; wir alle befanden uns in bester Stimmung; aber auch an solchen Tagen kam es vor, dass uns des Abends eine lebhafte Brise alle unwohl machte. Selbst die Hauptmahlzeit des Abends wurde dann nicht genossen, sogar das Kochen derselben aufgegeben. Am nächsten Morgen, bei Windstille, war der Appetit um so lebhafter. Ueberhaupt fühlten wir uns alle im Allgemeinen am Morgen wohler als am Abend, was ebenfalls mit dem Zustande der Atmosphäre im Zusammen- hange zu stehen scheint, da wir vor 9 Uhr Morgens selten Wind beobachteten. Körperliche Anstrengung vermehrt den Einfluss des verdünnten Luftdrucks in einer Weise, die überraschend ist. Bei dem Uebergange über hohe Pässe oder bei Berg- besteigungen kam es oft so weit, das selbst das Sprechen beschwerlich wurde und fühlbar ermüdete. Fast gleich- zeilig mit der allgemeinen Muskelschwäche tritt jene Apathie ein, die sich rasch bis zu völliger Gleichgültigkeit gegen Gefahr oder die Möglichkeit sie zu vermeiden steigert. Wiederholt sanken unsere Begleiter — die uns eigentlich als Führer hätten dienen sollen — auf den tiefen Schnee und erklärten hier sterben zu wollen; nur mit Anwendung von Gewalt gelang es uns, obwohl wir uns nicht minder niedergeschlagen gestimmt fühlten, sie zum Aufstehen und Weitergehen zu bewegen. Zum Schlüsse reihen wir eine tabellarische Uebersichl an, in welcher wir versuchten, einige der wesentlichsten hypsometrischen Daten vergleichend zusammenzustellen. Unter den so mannigfachen Gegenständen der physikalischen Geographie, die wir Gelegenheit hatten zu beobachten, wurden hier nur jene ausgewählt, welche besonders cha- rakterisch für allgemeine Höhen-Verhältnisse sind. 264 Gebrüder v. Schlagintweit: Tabelle der wichtigsten hypsometrischei verglichen mit dei Höchste, ständig be- wohnte Orte „ Sommerdörfer „ Weideplätze Plaleaux „ Pässe „ Gipfel Mittlere Höhe der Schneegrenze Tiefe Gletscher- enden Grenze des Getreide- baues „ der Bäume „ der Sträucher Höchste phanerog. Pflanzen an den Abhängen von Name Höhe "^Für die Höhen von llndien und Ceylon [noch nicht durch das >Klima beschränkt. iDodabetta Observa- 1 torium 8,640 ^Utakamand 7,490 3Iahabaleshvar 4,500 Sigur 7,204 Dodabetta 8,640 Bis jetzt ist auf den 'höchsten Gipfeln in Indien und Ceylon nie ein Schneefall Ibeobachtet worden. [Für die Höhen von Indien und Ceylon noch nicht durch das Klima begrenzt. Name Darche Kidarnath Ramchak Höhe 11,746 Name Hanle 11,794 Nörbu 14,395 Larsa Höhe 15,117 15,946 16,349 Kommen nicht vor. Dapsang 17,500 (Höchster-See : Tso-Gyagär 15693) ibi Gämin Pass 20,459 Gaurisankar 29,002 Nördl. Abdachung 17,400 Südl. Abdachung 16,200 Chaia 10,520 Tsöji 10,967 i 11,800 11,800 11,200 Janti-Pass 17,500 Mustagh 19,019 Däpsang-Gipfel 28,278 1' Nördl. Abdachung 18,600 Südl. Abdachung 19,400 Bepho 9,876 Tami Chüet 10,460 14,700 Mittel ) 13,400 1 17,000 Ibi Gamin Pass 19,809 Grösste erstiegene Höhen: 1) Die Brüder v. Schlagintweit Dr. J. G. Gerard 20,400 Fuss. 2) In den Andcs : Boussingault lieber Aufenthalt und Grenzen der Thiere ct. 265 Verhältnisse Indiens und Hochasiens Andes und den Alpen. Hueiilüen. Alpen. Name Büshia Höhe 9,310 An nördl.Ab-( 10,200 hängen des \ Elchi Passes (■ 13,000 Elchi Pass 17.379 Wahrscheinlich nicht über 22,000 Nördl. Abdachung 15,100 Südl. Abdachung 15,800 Grosse Gletscher, aber die tiefsten nicht bekannt. Mittel 9,700 9,100 12,700 Käme Höhe Cerro dePasco 14,098 Polosi 13,665 Titicaca 12,843 (Hier ist der höchste See) Alto de Toledo 15,590 Lagunillas 15,590 Aconcagua 23,004 Andes v. Quito 15,700 „ „ West- Bolivia 18,500 „ „ Ost- ßolivia 15,900 Gletscher fehlen. Mittel 11,800 12,130 13,420 Chimborazo 15,769 Name Juf St. Bernhard Findelen Fluhalpe Höhe 7,172 8,114 7,192 8,468 Schvveizerplaux 1,460 Weissthor 11,871 St. Theodule 11,001 Montblanc 15,784 Nördl. Abdachung ,900 Südl. Abdachung 9,200 Extreme am Montblanc u. Monte-Rosa 9,800 Unt. Grindelwald 3,290 Mehr, andere 5,000 Mittel 5,000 6,500 8,000 Vincentpyramide 12,540 22,259 Fuss ; Indische Vermessung errichtet ein Signal bei 21 ,480 Fuss ; 19,695 Fuss; A. v. Humboldt 19,286 Fuss. Carcinologische Beiträge. Von Dr. Strahl in Berlin. (Hierzu Taf. IX.) 1. lieber Cancer Calypso Herbst. Milne Edwards (bist. nal. des Crust. I. p. 422) ist geneigt den C. Calypso Herbst zur Gattung RüppeHia zu ziehen. Er hat damit eben nicht sehr fehl gegriffen, in besonderer Erwägung, dass ihm nur die nicht sehr gelun- gene Herbst'sche Abbildung, die näheres Detail nicht giebt, zu Gebote stand. Der C. Calypso Herbst gehört zur Gattung Pilumnoides Dana. Er gehört jedenfalls zuDana's Familie der Eriphi- den, denn das Palatum oder Spatium praelabiale ist deut- lich durch eine Längsleisle getheilt. Das erste Glied der äusseren Antenne erreicht ferner die Stirn nicht und die Augenhöhle ist an der inneren Seite nicht durch die An- fügung des Pterygostomium an die Stirn geschlossen, wie bei den Eriphinen, sondern hier ist ein geöffneter Spalt, wie bei den Ozinen. Die Scheeren sind r.icht gelöffelt. Die hiesige zoologische Sammlung besitzt zwei Original- Exemplare von Herbst. Das eine misst IOV2 P^r. Linien in der Breite, das andere nur 6. Leider sind beides weib- liche Exemplare und es lässt sich demnach vom männlichen Abdomen Nichts aussagen. Bei Cancer Calypso Herbst geht der vordere Seitenrand in den hinteren nicht zugerundet über, sondern es bilden beide mit einander einen Winkel, Strahl: Carcinolo{!^ische Beiträge. 267 auch sind die Zähne des Seitenrandes nicht zurückgebogen wie bei Pilumnoides perlatns Edw. et Lucas. Es ist mithin C. Calypso H. eine andere Species als Pilumnoides perlatus Edw. et Lucas und es ist der Priorität gemäss die Gattung Calypso Herst, aufzunehmen, dafür aber Pilumnoides Edw. et Lucas einzuziehen. Die Gattung Calypso umfasst demnach drei Species, und zwar Calypso Herbstii (Cancer Calypso Herbst), Calypso pilumnoides (Pilumnoides perlatus Edw. et Lucas) und Calypso Danai Kinahan. Der Körper des C. Calypso ist nicht flach gedrückt, sondern dick, ähnlich wie Actaea , daher denn auch die Stirn vorn sehr geneigt ist; der vordere Seitenrand, gleich lang mit dem hinteren, ist mit vier spitzen nach vorn ge- richteten Zähnen besetzt, deren vorderster durch leichte Buchtung in den äusseren Augenhöhlenzahn übergeht; die- ser ist von dem oberen Augenhöhlenrande durch einen scharfen Einschnitt gelrennt. Der obere Augenhöhlenrand trägt abermals noch einen Einschnilt. Die Stirn ist durch eine mediane Furche in zwei Lappen getheilt, welche in ihrer Nähe am meisten hervorragen; seitlich ist noch ein kleinerer Zahn, der durch einen Einschnitt vom oberen Augenhöhlenrande getrennt ist. Die Oberfläche des Rücken- schildes ist in der grösseren vorderen Hälfte in Felder getheilt, wie dies viele aus der Familie der Chlorodinen zeigen. Diese Felder, ebenso wie die Seitenzähne, der obere Augenhöhlenrand und die Stirnlappen sind deutlich periförmig granulirt. Der untere Augenhöhlenrand ist geperlt, leicht nach hinten gebogen, scharf, fast im rechten Winkel, gegen den äusseren Augenhöhlenzahn abgesetzt. Die äussere Antenne hat das erste Glied kurz, fast gerade, nur wenig nach aus- sen schief, stösst genau an den kleineren äusseren Stirn- zahn; das zweite Glied liegt in der hinter jenem befindli- chen Incisur und erfüllt fast den Hiatus orbitalis internus. Das zweite Glied der inneren Antenne liegt, wenn einge- schlagen, schief quer. Die Kaufüsse zeigen nichts Besonderes; das dritte Glied trägt das vierte am vorderen Winkel des inneren Randes in einem besonders dafür angelegten Einschnitt; der vor^ 268 Strahl: dere Rand dieses Gliedes ist ganzrandi^ und fast ganz gerade, nur ganz leicht nacii einwärts gebuchtet und somit im Ganzen parallel dem hinteren Rande desselben Gliedes. Die vier liinteren Gangfüsse sind seitlich zusammen- gedrückt, aber ihr oberer Rand ohne Leiste und vielmehr abgerundet ; ihre seillichen Flächen sind glatt. Sie sind alle fast gleich lang. Das dritte und vierte Glied sind am oberen Rande leicht behaart, und scheinen so wie der Tarsus mit dichtem Pflaum bedeckt zu sein. An den Schee- renfüssen sind Manus und Carpus mit Ausnahme der Aus- senfläche glatt, diese allein mit zugespitzten hellen Körnern bedeckt. Auf der Hand stehen diese Körner fast in Längs- reihen und sind am stärksten auf dem oberen Rande, der zugeschärft ist, während der Unterrand fast glatt und zuge- rundet ist. Auf dem Carpus stehen die Körner eher in Quer- reihen. Der bewegliche Finger ist dunkel gefärbt, zeigt auf der oberen Kante mehrere Reihen Körner, die von der Wurzel nach der Spitze desselben hin allmählich flacher und klei- ner werden. Die Finger sind gezähnelt. Die Hände sind ungleich; beim grössern Exemplare ist die rechte Hand grös- ser, beim kleineren hingegen die linke. Wie man aus der Abbildung ersieht, ist das erste Glied des Abdomens auflallend lang. Ob das grössere Ex- emplar schon geschlechtsreif, muss dahin gestellt bleiben. lieber die Färbung der Schale lässt sich nichts an- geben, da beide Exemplare wohl ganz verblichen sind. Im Allgemeinen sehen sie rostbraun aus und die Körner sind ziemlich lichtweiss. Das Vaterland ist wahrscheinlich Trankebar. Erklärung der Abbildungen. Fig. 1. Calypso Herbslii von oben und hinten gesehen. „ 2. Die Stirn desselben, von oben und vorn gesehen ; ein halb- mal vergrössert. „ 3. Fühlergegend und Episloinium; Önial vergrössert. „ 4. Ein äusserer Kaufuss, doppelt vergrössert. „ 5. Aussenseite der rechten Scheere, doppelt vergrössert. „ 6. Das Abdomen, 3mal vergrössert. Carcinologische Beitrage. 269 2. Ueber Cancer Tyche Herbst. Nach der von Dana gegebenen Diagnose ist C. Tyche eine Halimede de Haan. Die noch von Herbst herrühren- den Exemplare der hiesigen zoologischen Sammlung messen 3 — 5 Linien im grösslen Breitendurchmesser, während de Haan von der von ihm abgebildeten Halimede fragifer 8 Linien als Maass angiebt. Die mir vorliegenden Exem- plare weichen von de Haan's Species nur unwesentlich ab. Das Rückenschild ist nicht so warzig, sondern mehr glatt, namentlich in der vorderen Hälfte; wo de Haan auf der hinteren Hälfte ebenfalls Warzen abbildet, zeigen die Her b st'schen Exemplare nur Granula. Das geringere Maass der Herbst'schen Exemplare führt schon zu der Vermu- thung, als seien es jüngere Thiere und diese wird noch dadurch bestätigt, dass einige derselben den vorderen Sei- tenrand des Cephalothorax mit drei Spinen bewaffnet zei- gen. Aus diesen Spinen entstehen durch allmähliche Ab- reibung jene eigenthümlichen Warzen, welche de Haan abbildet und Herbst beschreibt. Die vier Herbst'schen Exemplare zeigen die allmählichen Uebergänge und gewäh- ren so die Ueberzeugung , dass auch die Warzen auf der Hand und dem Carpus dieselbe Bewandtniss haben. De Haan hat ausser der Ansicht von oben nur noch eine Scheere abgebildet; ich erlaube mir daher zur Ergänzung eine untere Ansicht abzubilden, welche nicht nur die Regio antennaris, sondern auch noch die äusseren Kaufüsse zeigt. An letzteren sieht man den vorderen Rand des dritten Gliedes deutlich eingebuchtet, wodurch eine permanente Oeffnung des ausführenden Kanals der Kiemenhöhle herge- stellt wird. Das Spatium praelabiale trägt zur Bildung die- ses Kanals eine ziemlich deutliche Leiste, die aber nicht bis an den Rand des Epistomium vordringt. Der Name Tyche, der nun eigentlich für diese Gat- tung einzuführen wäre, ist leider schon anderweitig (von Bell für eine Gattung der üxyrhynchen) verbraucht, dess- halb behalten wir den de Haan'schen Gattungsnamen Ha- limede bei, nennen aber die Species mit dem Herbst'- schen Namen Tyche. 270 S t r H h 1 : Die vorhandenen Exemplare sind alle männlichen Ge- schlechts und stammen aus Ostindien, lieber Geschlechts- reife fehlen die Angraben und es bleibt bei der Kleinheit der Thiere die Vermuthung offen, als seien es jugendliche Thiere. Der Chlorodius fragifer Adams et White (Voy. of Sa- ninrang p. 4. tab. XI. fig. 2) ist aller Wahrscheinlichkeit nach hiermit identisch. Die Abbildung zeigt zugespitzte Scheerenüngcr statt gelöffelter, es ist mithin der Charakter als Chlorodius vollständig verfehlt. Die Bestimmung als Chlorodius ist nach Milne Edwards gemacht und diese ist freilich nicht sehr scharf. Die wenigen Worte des Textes und die Abbildungen gestatten eine nähere Einsicht nicht. Die natürliche Grösse des Thiers ist laut beigegebener Maasse 5 paris. Linien, welche ebenfalls zu Gunsten der Identität spricht. Den diagnostischen Charakter der Gattung Chlorodius hat Dana viel präciser gefasst als Milne Edwards, der das Verhallen des ersten Gliedes der äusseren Antenne nicht in Betracht zieht. Auch in Beziehung auf die äus- seren Kieferfüsse ist M.Edwards im Irrthum. In seinem Tableau verlangt er von Chlorodius, dass der vordere Rand des dritten Gliedes derselben gerade sei; in der Auseinan- dersetzung aber der Species sagt er von Chi. longimanus: „Une echancrure arrondie au milieu du bord anterieur du troisieme article des pates-mächoires externes." Und dies ist gerade der allgemeine Gattungscharakter. 3. Ueber die Stellung der Dana'schen Familie Bei lidea. Die Abiheilung der Anomoura, wie sie Milne Ed- wards aufgestellt, hat D a n a nicht genügt. Denn einmal hat er zu ihr noch die Galateiden gestellt, die Milne Ed- wards unter die Macrouren gewiesen hatte, und zum an- deren hat er die Familie der Bellidea hineingezogen, welche Milne Edwards als eine besondere Gruppe zwischen den üxystomen und den Anomouren betrachtet wissen wollte. Carcinologische Beiträge. 271 Die Familie derBellidea umfasst die beiden Gattungen Bellia Edvv. und Corystoides Edw. et Lucas, beide mit eigenthüm- lichem Verhalten der äusseren Fühler. Bellia besitzt näm- lich nach Milne Edwards Beschreibung, ganz so wie Acanthocyclus Lucas, vom äusseren Fühler nur das erste Glied oder article basilaire, wie es Milne Edwards nennt (Annal. des sc. nat. (3.) IX. p. 192). An diesem Orte sagt er auch, dass Corystoides sich ebenso verhalte und weist die in dem Reisewerke von d'Orbigny gege- bene Erklärung zurück, dass dem Corystoides die inneren Fühler fehlen die äusseren aber vorhanden seien. Die be- treffende Stelle lautet: c'est ä tort que, dans les caracleres assignes ä ce genre par M. Lucas, on ä considerc les appendices fronleaux comme etant des antennes externes: leur denomination comme antennes externes (muss wohl heissen internes) ne souffre aucune incertitude ä raison de leur Position et des deux filets qui les terminent. Die beiden verschiedenartigen Geissein, die Lucas beschreibt und abbildet, verdächtigen allerdings die Deutung als äus- serer Fühler, noch mehr aber die Lage, und ins Besondere darum, weil, so weit ich nach der Abbildung zu beurthci- len vermag, diese Fühler nicht mit ihrem Contour an das Operculum stossen, wie es doch die äussern Fühler müss- ten, vielmehr sich noch Epistomium dazwischen befindet, was nur für innere Fühler passt. Die Frage, ob sich innere oder äussere Fühler finden, wird sich aber definitiv ent- scheiden, wenn in dem ersten Gliede derselben sich Appa- rate finden, die in letzter Zeit für die Gehörorgane bean- sprucht worden sind. Vorbehaltlich dieser Entscheidung, deren Ausfall ich nur im Sinne Milne Edwards erwarte, behaupte auch ich, dass dem Corystoides die äusseren Fühler fehlen , er dagegen nur innere besitze und berege gelegentlich , wie unwahrscheinlich es demnach sei, dass der äussere Fühler mit dem Gehörsinne in engerer Bezie- hung stehe, wenn seine Organisation sich bis auf das Vor- handensein eines einzigen Gliedes (Bellia *) reduciren und er sogar ganz fehlen kann (Corystoides). ■") Ueber das Verhalten bei der Gattung Acanthocyclus gele- gentlich der Veröffentlichung einer neuen Species derselben. 272 Strahl: Als wichligsten Grund für die Annahme, dass dem Corystoides der äussere Fühler gänzlich mangle, halte ich vorläufig das Verhalten des Fühlers zum Operculum, denn weitergehende Untersuchungen über den äusseren Fühler leiten mich darauf, einen innigen Zusammenhang zwischen diesem Theile und dem äusseren Fühler aufzustellen. Bei den eigentlichen Macrouren ist nämlich der drei- gliedrige Fühler, dem weiter die mehr- oder wenigerglie- drige Geissei aufgesetzt ist, an das Epistomium vermittelst eines besonderen Gelenkstücks aufgehängt. Dies Gelenk- stück bildet einen halben Ring, trägt immer das Tuberculum auditivum und ist in Letzterem von dem Ausführungs- gange der Succow'schen Drüse durchbohrt; an dieses erst ist der Fühler mit seinem Nebenorgan , der Fühlerdeck- schuppe, eingelenkt. Die Gelenkbildung zwischen den ein- zelnen Fühlergliedern ist eine eigenthümliche und ihre Betrachtung lehrt sogleich in scharfer Weise, ob etwas wirkliches Fühlerglied oder Geissei ist. Ich kann hier nicht ausführlicher darauf eingehen und begnüge mich einstweilen damit zu erwähnen, dass nach diesen Ergeb- nissen z. B. der äussere Fühler von Scyllarus dreigliedrig und nicht viergliedrig ist, dass das als viertes Glied be- trachtete Stück die Geissei ist, welche hier nur aus einem einzigen Stück besteht. Dies Verhalten der Geissei trennt die Scyllariden scharf von den Palinuriden , während sie gemeinsam den Eryoniden gegenüber keine Deckschuppe besitzen, was freilich bei den Galateiden auch der Fall ist; allein letztere müssen davon getrennt bleiben, weil ihr Arlikulalions- oder Aufhängestück des äusseren Fühlers isolirt ist (wie bei den eigentlichen Astaciden und den Ca- riden), während es bei den Scyllariden, Palinuriden und Eryoniden (?) mit dem Epistomium zu einem Stücke ver- schmolzen ist. Die Scyllariden, Palinuriden und Eryoniden haben also den gemeinsamen Charakter der Verschmel- zung zweier, bei den Makruren sonst getrennt bleibender, Skeletstücke, des Epistomiums und des Aufhängestücks, welches Milne Edwards auch article basilaire nennt; es beschreiben hier die Carcinologen gemeinhin ein grosses Epistomium, ohne zu erwägen, dass sonst nie das Tuber- Carcinologische Beiträge. 273 culum auditivum im Epistomium , sondern immer im Auf- hängestücke des äusseren Fühlers liegt. Die Annahme dpr Verschmelzung genannter Stücke erleichtert jedenfalls di& Vorstellung der Bildung der betreffenden Theile im Ver- hältnisse zu der sonst bei den Makruren herrschenden An- ordnung. Es ist ja auch möglich, dass das Aufhängestück hier gänzlich ausfällt und nur die Ausmündung der Suc- cow'schen Drüse in das Epistomium hineinfällt. Welche der beiden Anschauungen die richtige ist, kann nur aus der Entwickelunffso-eschichle entnommen werden. An die Galateiden reihen sich aber zunächst die Pa- guriden, Aeglea und die Porcellanen, Albunea mit Hippa und Remipes an, welche alle ein isolirles Artikulationsstück des äusseren Fühlers haben, das hier, mit Ausnahme der Paguriden , niemals auch nur eine Spur von Deckschuppe (ecaille) trägt. In der angegebenen Reihe verliert das Abdomen allmählich alle Appendices, schliesslich die Cau- dales. Das Abdomen hat somit die Form angenommen, in der es bei den Brachyuren auftritt und schon bei dem Rest von Milne Edwards Anomuren sich findet. Müssen von diesem Reste nun dieRaniniden als gesonderte Gruppe getrennt werden, weil sie Leucosier in Betreff der Orga- nisation ihres Athemapparates repräsentiren, so verlangt doch auch Lithodes eine gesonderte Stellung , weil sie einen Rest von Deckschuppe hat, der anscheinend bisher übersehen worden ist. MilneEdwards sagt, das zweite Glied des Fühlers • habe einen Dorn ; doch dies bedornte Glied gehört gar nicht zum eigentlichen Stiele des Fühlers, sondern zum Schuppenapparate. Denn was Milne Ed- wards hier das erste Glied des Fühlers nennt, ist nur das Aufhängestück für denselben, weil es das Tuberculum au- ditivum trägt und in diesem von dem Ausführungsgange der Succow'schen Drüse durchbohrt ist, ich nenne dies Slüch intercalare. Es folgt hierauf bei sehr vielen Makru- ren ein Glied, das der gemeinschaftliche Träger-der Schuppe und des Fühlers ist, ich nenne es Armiger; es trägt aussen die Schuppe, innen den Fühler und hat oft aussen einen Stachel, z. B. beim Hummer. Etliche Makruren verlieren die Schuppe und der Armiger bleibt ; so ist es bei den zu Arcliiv für Naturg. XXVIII. Jahrg. l.Bd. 18 274 Strahl: den Thalassinen gehörigen Calocaris, Callianassa, Thalassina und ualirsciicinlich auch bei Axius und Glaucolhoe. Li- thüdes zeigt nun ganz dieselbe Organisation, die Schuppe ist verschwunden aber der Armiger ist noch vorhanden und trägt den dreigliedrigen Fühler. Ich gebe hier eine Abbildung des vorderen Theils einer Lithodes arctica Lmk. von unten gesehen. Es bedeutet ai = antenna interna, ae = antcnna ex- terna , welche ausser der Geis- selaus drei cylin- drischen Gliedern besteht; neben dem ersten ist d = der Armiger, beide gemeinschaftlich in b, dem Intercalare, eingelenkt, welches letztere nach der Medianlinie des Thiers hin das durchbohrte Tuberculum trägt. Die nächste Figur zeigt dasselbe Präparat in ande- rer Stellung, um die Lage des Aufhängestücks zu den be- nachbarten Thei- len zu zeigen; zur Vermehrung der Deutlichkeit ist rechterseifs in das durchbohrte Tympanum eine Borsteeingeführt. Alle nun noch übrig bleibenden Genera von M. Ed wards'Ano- muren hat Dana in die Familie der Dromidea vereinigt und zu ihnen Latreillia gezogen wegen der erst in neuerer Zeit ent- deckten Lage der weiblichen Geschlechtsöffnung. Für Carcinologische Beitrüge. 275 die Stellung, die Dana der Latreillia angewiesen und gegen ihre bisherige Aulnaliine unter die Oxyrhynchen lässt sich ferner noch anführen, dass sie, wie de Haan von seiner Latreillia valida abbildet, kein Operculum, son- dern ein durchbohrtes Tuberculum hat, mithin ein AuChän- gesfück wie die Makruren besitzt, an welches nur der Fühler und keine Deckschuppe eingelenkt ist. Bei Dromia ist das Aufhängestück schon ziemlich klein, die Durchboh- rung in Form eines Schlitzes, welcher anscheinend nur mit Haaren besetzt und wohl nur von einer geringen Tympa- nalmembran geschlossen ist; auch hier fehlt jegliche Spur einer Deckschuppe. Immer haben aber diese Dromiden noch zwei makru- rale Charaktere bewahrt : das Tuberculum und die Lage der Vulva. Das Genus Grapsus, sonst als durchaus brachyural betrachtet, weist einen makruralen Charakter auf, das durchbohrte Tuberculum. Diese Organisation verlangt eine Trennung von den Gattungen, mit denen es bisher die Car- cinologen vereinigt haben. Es bildet mithin die Gattung Grapsus, noch näher als die Dromiden , eine Vermittelung von den Makruren zu den Brachyuren, und müsste mit gleichem Rechte wie die Bellidea unter die Anomuren auf- genommen werden. Denn die Bellidea haben nur die ma- krurale Vulva, w^enigstens wird dies von i3cllia angegeben, von Corystoides fehlt die Angabe. Dana's Bellidea stehen also gleichwerthig neben Grapsus, in BetrefT des äusseren Fühlers verhalten sie sich aber entschieden wie Brachyu- ren, denn sie haben kein Tuberculum^ sondern ein Oper- culum, zeigen aber an diesem Fühler eine so charakteristi- sche Anomalie, die sie scharf von den übrigen trennt. Aus den vorhergehenden Betrachtungen über die ein- zelnen Familien der Anomuren geht hervor, dass ihre Trennung von den Makruren ziemlich künstlich ist und durchaus nicht auf strickte Charaktere gegründet ist. Das Verhalten ihres äusseren Fühlers schliesst sie jedenfalls eng an die Makruren, indem sich ja auch hier alle die Varialionen seiner Organisodon finden, die bei den Makru- ren auftreten. Die Paguriden haben einen vollständigen Deckschuppenapparat wie die Cariden; die Lithodiden be- 276 Strahl: sitzen "von diesem Apparate nur den Armiger wie einig-e Thalassinen; die übrigen Anomuren sind ohne Deckschup- penapparat wie die Scyllaridcn und Palinuriden. Ich ent- nehme hieraus den Grund die Anomuren mit den Makru- ren als tuberkulare Dekapoden zu vereinigen. Ich ziehe natürlich zu dieser Abtheilung die Gattung Grapsus und stelle sie den übrigen operkularen Dekapoden gegenüber. Die ßcllidea müssen nun von den tuberkularen Deka- poden, unter welche sie Dana gestellt hatte, zu den oper- kularen hinüberwandern. Im Uebrigen ist von den tuber- kularen Dekapoden zu den operkularen nur ein Schritt. Denken wir uns nämlich den Schlitz im Tuberculum eines Grapsus oder einer Dromia nach der Medianseile herausge- führt, so dass hier der peripherische Rand vollständig ge- trennt ist, so haben wir das Operculum der Brachyuren in seiner ganzen Gestaltung. Es hat überdies vollständig die Funktion des Tuberculum in Betreff des Verhältnisses zur Succow'schen Drüse. Denn dies Operculum hat keines- wegs eine dem Steigbügel im Gehörorgane der höheren Thiere vergleichbare Construktion; es ist vielmehr eine Klappe, die nach aussen am Pterygostom eingelenkt ist und nach der Medianlinie des Thiers hin gelüftet werden kann, die Eröffnung und Schliessung ist der Willkür unterwor- fen und besitzt zu diesem Behufe das Operculum an seinem hinteren Rande ein in das Innere des Thieres hinaufstei- gendes Manubrium, an welches sich die betreffenden Mus- kulaturen ansetzen. In beistehender Abbildung sieht man ^ die innere Seite des Operculums der rechten <=2SlS^^ Seite einer Maia squinado. o ist die Gelenkfläche, die beweglich durch chitinhäutige Verbindung angeheftet ; von n bis o über s geht der innere, vordere freie Rand ; b ist das Manubrium, an dessen oberem Knopfe ein Schliess- muskel und sein Antagonist sich anheften; a ist ein kleiner Fortsatz, an welchen sich die Chitinhaut anheftet, welche den Raum zwischen a und s schliesst, bei s ist die Stelle, die ohne Chitinhautverbindung die freie Ausführungsöffnung von unten halb umfasst. Bei Carcinus maenas so wie bei Platycarcinus pagurus habe ich diesen Bau ausführlich un- Carcinologische Beiträge. 277 tersuchl und auch hier gefunden, dass man hier in ein Reservoir gelangt, analog der Gehörblase bei Astacus etc., das ebenfalls vor dem Magen liegt und mit einem drüsigen gelbgrünlich gefärbten Organ zusammenhängt, welches das apfelgrüne Organ ist. In den Monatsberichten der Berl. Akad. vom J. 1861. p. 713 und 1004 habe ich, auf die Eintheilung der Deka- poden in tuberkulare und operkulare fussend, eine weitere Eintheilung der operkularen auf anatomischer Grundlage versucht. Dort erhalten die Bellidea als Orbata wegen der Obsolescenz des äusseren Fühlers ihre feste Stellung; ich habe ihnen desshalb auch Acanthocyclus zugetheilt und sehe nun noch, dass Stimpson's Onychomorpha (Proceed. of acad. of nat. sc. Philad. 1858. p. 161) ebenfalls dahin gehört. Berlin, den 17. Februar 1862. nsMw Eiue neue Art von Spatularia. Von Professor J. Kaup in Darmstadt. Vor etwa 64 Jahren lernten wir aus den Nebenflüssen des Mississippi die Spatularia folium kennen und glaubten seit dieser Reihe von Jahren, dass sie die einzige Reprä- sentantin ihres Genus und beschränkt auf Amerika sei. Man wird daher nicht wenig überrascht sein, zu er- fahren, dass auch in der alten Welt und zwar aus dem nördlichen reichen japanischen Meere eine zweite Art auf- gefunden ist, die sich sehr wesentlich von Sp. folium un- terscheidet. Wegen der Schmalheit der seitlichen Ausbrei- tung des Schnabels habe ich sie Spatularia (Polyodon) angustifoliutn genannt. Die grösste Breite des blattähnlichen Schnabels verhält sich zur Länge des Schnabels vom vorderen Nasenloche bis zur Spitze wie 1 : 10V2^ während der viel breitere Schnabel bei Sp. folium sich wie 1 : 4^^ verhält. Bei Sp. folium geht die Verbreitung bis fast zum vorderen Nasenloche, bei Sp. angustifolium ist sie am vorderen Drittel nur eine Hautfalte und verbreitet sich erst am zweiten Drittel ; bei Sp. folium ist das Ende des Schnabels breit, wie bei un- serer Löffelente, während es bei der neuen Art sich ver- engt und eine sehr schmale stumpfe Spitze bildet. Bei der neuen Art sind die Sterne aus feinen Gräten gebildet, die die Seitenblätter des Schnabels bedecken, viel weniger zahlreich und geringer entwickelt. Kaup: Eine neue Art von Spatularia. 279 Mein Exemplar aus dem Hamburger Museum hat eine Länge von 1080 Mm., während ein grosses Exemplar von Sp. folium derselben Sammlung nur eine Länge von 554 Mm. besitzt. Wir haben es daher leider mit einem alten Fisch bei Sp. angustifolium zu thun und die Vergleichung würde viel lohnender sein, wenn meine beiden Exemplare von glei- chem Alter und gleicher Grösse wären. So zeigt Sp. folium an den Kiemenbögen die oberen knöcheren Strahlen dicht und lang wie die Fahne einer Feder^ während sie bei Sp. angustifolium kürzer, breiter, stumpfer und weiter auseinander stehend sind. Bei Sp. folium sind diese Strahlen nicht zu zählen , während sie bei Sp. angustifolium zählbar sich zeigen. Nur junge Exemplare von Sp. angustifolium können den Nachweis liefern, ob die knöcherne Siebstrahlen einer Metamorphose im Alter unterworfen sind oder nicht. Bei Sp. angustifolium ist der Oberkiefer über dem Mundwinkel, der Operkelknochen , ein grosser Knochen vor dem Anfange der Anal und die oberen Randschuppen des Schwanzes blasig- aufgetrieben. Bei Chonerhinus (Telraodon naritus Rieh.) Bleeker, Drepane punctatus (Harpochirus Cantorj, Platax arlhriticus und bei Pagellus lithognathus Cuv. Val. finden sich ähnliche Auftreibungen der Knochen bei alten Individuen, die ich mit Cantor für krankhafte Erscheinungen (Hypertrophie) halte und ihnen desshalb nicht den geringsten specifischen Werth beilege. Diese Krankheit scheint nur in den Mee- ren von Asien und Afrika vorzukommen. Das Japanische Meer ist erschlossen und wir können bald auch jüngere Individuen erwarten. Dann wird sich eine ausführlichere Beschreibung mit Abbildungen geben lassen. Nach den abnorm entwickelten Kiemen mit ungeheu- rer weit geöffneter Spalte giebt Spatularia sich als die Repräsentantin des Respirationsfisches zu erkennen und zieht die Störe und Chimären zu sich herauf in die zweite Familie der Selacier. Diese Familie hat einen wenn auch sehr unvollkom- menen Kiemcndeckcl für die Athmungsorgane und eine 280 K a u p : Schwimmblase. Meine zweite Familie der Selacier ist identisch mit Cuvier's Sturioncs, die ich gerne nach dem Typus der ganzen Familie Spalularidae benennen möchte. Diese zweite Familie Spatularidae enthält die Sub- familien : I. fehlte II. Spatularinae, III. Accipenserinae, IV. fehlt, V. Chimaerinao. Die Spatularinae sind die Respirationsfische, die Ac- cipenserinae die Knochenfische und die Chimaerinae mit ihren unzähligen Schleimporen die Haut- oder Geschlechts- fische ihrer Familie. Die Spatularinae und Accipenserinae haben das Spritzloch und den heterocerken Schwanz *) der meisten Haien, welche beiden Charaktere an den leben- den Chimären nicht zu finden sind. Zu den Accipenserinae gehört noch ein nicht näher bestimmtes fossiles Genus Chondrosteus Ag. und zu den Chimaerinae viele Genera der Urwelt, die jedoch nicht alle tief begründet sind. Manche dieser Genera werden bei näherer Kenntniss der Gebisse reducirt werden. Obgleich ich glaube, dass Spatularia mit ihrer Clupea- ähnlichen Entwickelung der Kiemen und dem langen Haut- lappen des unvollkommenen Operkeldeckels in die zweite Familie der Selacier gehört, so glaube ich doch nicht, dass Spatularia der eigentliche Typus des Respirationsfisches ist und glaube eher, dass sie in ihrer Familie als Genus den dritten Rang einnimmt. Spatularia kann desshalb für ihre Unterfamilie nur annähernd als die Grundform betrachtet werden. Das zweite Genus der zweiten Unterfamilie wäre eigentlich der Urtypus der Familie Spatularidae. Ueberhaupt lassen sich nur annähernd der Wahrheil die fünf Typen der Selacier andeuten: *) Nennt man alle Fischschwänze heterocerlt, bei denen die Caudalwirbel bis an das oder gegen das Ende der Caudal reichen, gleichviel, ob der untere Lappen der Caudal ausgebildet ist oder nicht, so ist auch Chimaera wie Trygon etc. helerocerk. Der Sta- chel derTrygon ist nichts weiter, als die freigewordenen verschmol- zenen Randschuppen der oberen Schwanzhälfte der Ganoiden. Eine neue Art von Spatularia. 281 So giebt Amia mit seinen Zellen der Schwimmblase allen Ganoiden den ersten Rang als erste und oberste Un- terfamilie, obgleich auf keinen Fall Amia als erstes Glied der ersten Unterfamilie zu betrachten ist. Eins der Genera der Cephalaspidae ist der Repräsen- tant des Knochensystems und diese rein urweltliche Fa- milie muss demnach als dritte betrachtet werden. Betrachten wir die vorigen Familien und die noch übrige fünfte Familie Petromyzontidae^ so ist es klar, dass die Plagiostomi Cuv. das Bauch-, Schwanz- und Magen- thier mit der möglichst grössten Zahl von Zähnen, die meist alle schneidend sind, vorstellen. Ich nenne diese Familie Carcharidae. Die Rajanae betrachte ich als die tiefstehendste Unterfamilie und zerfalle sie in die Sectio- nen: I. Myliobateae, II. Squatinae, III. Pristiae, IV. Torpe- diae und V. Rajae. Alle diese Sectionen zerfallen in Genera, von denen viele leider als Typen von Familien betrachtet werden, in- dem man einseitigen Kennzeichen einen zu hohen Werth beilegt, statt die Totalform im Auge zu behalten. Obgleich ich fest überzeugt bin, dass bei den Selaciern nur die fünf Haupttypen der Thierwelt wie der Fischwelt auftreten, und desshalb nur fünf grosse Sectionen in dieser Ordnung exi- stiren können, so bin ich schon längst von dem Glauben zurückgekommen, dass auch in den kleineren Abtheilungen die Zahl Fünf die herrschende sei. Darmstadt, den 20. Februar 1862. fhv Allgeniciue Orismologie der Ameisen^ mit besouderer Berücksichtiguug des Werthes der Classificatious- merkmale. Von W. H. Fenger in Bonn. (Hierzu Taf. X— XII). Der Körper der Ameisen ist, wie derjenige der In- sekten überhaupt, von einer erhärteten Hülle, dem soge- nannten Hautskelete, umschlossen, dessen Bestimmung sowohl den Schutz der inneren Theile des Organismus, als besonders auch die Anheflung und Stütze der Muskeln in sich vereinigt. Dieses Hautskelet besteht aus C hitine, einer stickstoffhaltigen Masse, welche in Aetzkali unlöslich ist und eine äussere^ so wie eine innere Schichtung er- kennen lässt. Die äussere Schicht ist aus flachen, kern- losen, dicht neben einander gelagerten Zellen von sechs- eckiger Gestalt zusammengesetzt (Taf. XL Fig. 32 a. Fig. 33 a). Auf diese äussere Schicht, die sogenannte Epidermis, lagert sich von Innen her eine Chilinmasse auf, welche über und neben einander liegende Fasern erkennen lässt, wesshalb man auf Intercellulargänge und Porenkanäle in dem Hautskelete schliessen kann. Die Chitinmasse, welche also das Hautskelet der Ameisen bildet, besitzt bei dem völlig ausgebildeten Insekt eine hornarlige Beschaffenheit und zeigt sowohl bei den verschiedenen Ameisengattungen, als auch bei ein und demselben Thiere an den verschiedenen Körperstellen eine sehr verschiedene Dicke und Härte. Es giebt Ameisen Fenger: Allgemeine Orismologie der Ameisen. 283 (Formica ligrniperda) , deren Hautskelet eine solche Festig- keit erlangt hat, dass es völlig spröde erscheint, und dass man einen ganz namhaften Druck des Messers anwenden muss, um dasselbe zu spalten, während das Skelet anderer Ameisen (Formica flava) eine lederartige BeschafTenheit zeigt und dem anatomischen Messer so wenig Widerstand entgegensetzt, dass es mit geringer Mühe zerschnitten werden kann. Die letztere Consistenz des Hautskeletes ist den mei- sten Ameisen eigen, während jene harte, spröde Hornbil- dung unter den Formiciden äusserst selten vorgefunden wird und bei den Myrmiciden trotz ihres häufigeren Auf- tretens dennoch nicht als die gewöhnliche anzusehen sein möchte. Selbst bei ein und demselben Thiere ist die Härte des Skeletes, wie gesagt, an den verschiedenen Körpertheilen eine sehr verschiedene. Durchgängig findet man, dass der Kopf, so wie besonders der Thorax der Ameisen, eine grössere Härte besitzen, als der Hinterleib, was wohl darin hauptsächlich seinen Grund haben mag, dass diese Theile des Körpers sowohl die meisten und wichtigsten Muskeln enthalten, welche einen ihrer Stärke entsprechend festen Anheftungspunkt besitzen müssen, als auch darin, dass sie die Hauptstütze des vorzugsweise in die Länge ausgedehn- ten Körpers bilden. In dem Larven- und selbst noch in dem Puppenzustande ist die Chitinmasse bei allen Ameisen weich und biegsam, und sie erlangt ihre eigenthümliche Härte erst nach und nach, wenn das Thier sich frei an der Luft bewegen kann. Auch die Färbung des Skeletes ist in jenen Zuständen ganz verschieden von derjenigen des Imago. In dieser Beziehung haben alle Ameisen, wie ver- schieden sie auch später gefärbt sein mögen, das gemein, dass sie im Larven- und Puppenzustande eine weissgelb- liche Farbe zeio^en. Die Farbe der erwachsenen Ameisen ist je nach den verschiedenen Arten eine überaus mannigfaltige; sie kann aus dem blassesten Gelb in's Graue und Schwarze, und aus dem lichtesten Roth durch alle Nuancen bis in's tiefste Braun übergehen. Zuweilen ist sie mit einem ganz cha- 284 Fenger: rakteristischen Glänze verbunden, der oft dem schönsten Metallglanze nicht nachstehen dürfte. Dieser Glanz, >vel- chen man bei einzelnen Ameisenspecies vorfindet , kann entweder dem Chitinskelete selber angehören, oder er wird durch die Behaarung des Körpers hervorgerufen. (Ersle- res z. B. bei Hypoclinea Frauenfeldii Mayr; letzteres z. B. bei Formica cinerea Mayr, wo der ganze Körper dicht mit kurzen, anliegenden, seidenschimmernden Härchen bedeckt isl.j Ueberhaupt findet man nie , dass der Körper der Ameisen ganz nackt ist, sondern stets ist derselbe mehr oder weniger, theils mit kurzer, anliegender Pubescenz versehen (Formica rufa Nyl.), theils ganz dicht mit abste- henden, langen Borsten besetzt (Formica truncicola Nyl.), theils ist die Pubescenz mit solchen Borsten untermengt (Formica aethiops Ltr.). Diese verschiedene, bei ein und derselben Species con- stante Art der Behaarung, so wie der Glanz des Skeletes oder der Pubescenz bilden ein vortreffliches Unterscheidungs- merkmal der verschiedenen Arten, wie solches auch bisher in den Schriften über die Classification der Ameisen, beson- ders in der ausgezeichneten Abhandlung von Dr. Mayr*) Berücksichtigung gefunden hat. Genannter Abhandlung ge- bührt entschieden das grosse Verdienst eines ersten und wirklich im Allgemeinen gelungenen Versuches einer ge- nauen Determination und strengen Classifikation der euro- päischen Ameisen. Wiewohl jedoch durch sie die gren- zenlose Verwirrung, welche auf diesem so interessanten Gebiete der Entomologie bisher herrschte, grösstentheils beseitigt worden ist, so muss man doch gestehen, dass der Verfasser besonders bei der Classification der Formiciden noch zu viel Gewicht auf die Körperfarbe gelegt hat. Die Farbe bildet einestheils kein so sehr conslantes Merkmal, dass sie in ihrer Eigenthümlichkeit allen Individuen einer und derselben Species völlig gemein wäre, anderentheils sind die Uebergänge derselben bei verschiedenen Species so zahlreich, dass sie als strenges Unterscheidungsmerkmal *) Formicina austriaca, in den Verhandlun«^en des zoologisch- botanischen Vereins in Wien. Bd. V. Jahr 18Ö5. Allgemeine Orisniologie der Ameisen. 285 von keinem besonderen Werthe sein kann. Wir wollen nicht einmal berücksichtigen, dass Individuen, welche noch nicht lange ihre Puppenhülle verlassen haben , eine ganz abweichende Färbung von den älteren Thieren derselben Art zeigen, wodurch schon mancher Irrthum entstanden ist, sondern nur auf die vielen Fälle aulmerksam machen, wo selbst ältere Individuen ein und derselben Species unter sich ganz verschiedene Färbungen zeigen , die bald der einen, bald der anderen fremden Species mehr oder weni- ger nahe kommen, oder völlig gleichen (Formica lateralis Oliv. etc.). Diejenigen Arten, welche sich hauptsächlich nur durch die Färbung von einander unterscheiden, sollte man füglich als Varietäten betrachten. Wegen dieser so grossen Inconstanz der Körperfär- bung werde ich dieselbe in Folgendem ganz unberücksich- tigt lassen, und mich nur an die Bildung und Form der Organe, so wie an die Schraffirung und äussere Bekleidung der Körpertheile halten. Was vorerst noch die Grösse des Körpers bei den Ameisen anbelangt, so ist dieselbe im Allgemeinen nicht sehr bedeutend. Sie variirt fast stets bei den verschiedenen Ge- schlechtern einer und derselben Species. JVIan unterscheidet nämlich, um dieses gleich zu erwähnen, bei den Ameisen eine dreifache Geschlechtsbildung der Individuen, ein völlig aus- gebildetes männliches, ein völlig entwickeltes weibliches und ein unentwickeltes, verkümmertes weibliches Geschlecht; er- stere sind die Männchen (^) der Colonie, die zweiten sind die Weibchen ($) , letztere die sogenannten Ge- schlechtslosen (2), welche sich in einer europäischen Ameisengattung sogar wieder in zwei verschieden gebildete Individuen spalten, in eigentliche Geschlechtslose und so- genannte Soldaten. Letztere muss man als anomale Bildungen der Ersteren betrachten. Auf diese drei Ge- schlechter, wenn man sie so nennen darf, werden wir noch oft zurückkommen; einstweilen bemerken wir nur, dass man in Bezug auf die Körperausdehnung die grösslen In- dividuen unter den Formiciden findet, wo z. B. das 2 von Formica ligniperda Nyl. eine Grösse von 14 Mm., das $ von 18 Mm., das ö^ von 12 Mm. erreichen kann. Dieselbe Un- 286 F e n g e r : terfamilie besitzt auch die kleinsten, bis jetzt bekannten Ameisen, nämlich Tapinoma pygmaeiim Ltr. , von denen das 2 ""r IV3 Mm.? das ^ 3 Mm., das criV2Mm. gross angelroiren wird. Die Länge der Myrniicidenneulra liegt z\vischen 2 und 9 Mm.; letzlere Grösse wird jedoch nur sehr selten erreicht, während auch ein Fall vorkommt, wo sie nur IV2 Mm. beträgt (Monomorium minulum Mayr.); die Grosse der $ liegt zwischen 2 — 14 Mm. (letztere Zahl nur bei Atta capitata Ltr.), diejenige der ^ zwischen 2 — 10 Mm. (letztere Zahl nur bei Atta capitata Ltr.). Die 2 der Poneriden erreichen eine Länge von 2% — 3 Mm., die $ derselben von 3V2 — 4 Mm. und die ^ von 2% — 3 Mm. Schon aus diesen übersichtlichen Angaben erhellt, dass man bei den Ameisen fast allgemein die ^ als die grössten Individuen einer Colonie annehmen darf; die , während an den Seiten eine deutliche Streifung auftritt (Myrmica rubida Ltr.) , welche sich übrigens auch über die ganze Fläche des Schildchens ausdehnen kann (Myr- mica laevinodis Nyl.). Was die Behaarung des Schildchens anbetrifft, so findet man selten auf seiner mittleren Fläche Borsten, deren Auftreten beschränkt sich vielmehr meistens auf den Rand, während das Schildchen wohl seiner ganzen Ausdehnung nach mit kurzen Härchen besetzt sein kann, wiewohl auch diese gewöhnlich nur sehr spärlich vertreten sind (Taf. X. Fig. 21a). Das Schildchen kann mit Rücksicht auf seinen Glanz und seine Schraffirung recht gut als Unterscheidungsmerkmal der Species angewandt werden. An der Grenze zwischen dem eigentlichen Mesonotum und dem Schildchen ist das erste, oder obere Flügelpaar eingelenkt; das zweite, oder untere Flügelpaar ist dem Hinterschildchen angefügt. Während das Prosternum das erste Paar Beine trägt, ist an dem Mesosternum das zweite und an dem Metaster- num das dritte Paar eingefügt. Den Beinen sowohl wie den Flügeln wollen wir jedoch eine besondere Betrachtung zukommen lassen und vorerst, um besser im Zusammenhange zu bleiben, das Metanotum besprechen. Der Mctathorax ist mit seiner vorderen Fläche dem Mesothorax unmittelbar angefügt, während er mit seinem 320 Fonger: hinteren Theile die Brust abschliesst. In Bezug auf die Classifikation bildet er den wichtigsten Theil der Brust und verdient desshalb eine ganz besondere Beachtung. Das Metanolum kann mit dem Mesonotum entweder in derselben Ebne liegen (zuweilen bei der Galt. Formica L. z. B. Form. ligniperda Taf. X. Fig. 14, g; dann bei der Gatt. Ponora Ltr.), oder es kann im Vergleiche zu diesem eine tiefere Stellung einnehmen. Letzteres ist gewöhnlich bei den Ameisen der Fall (Taf. X. Fig. 15, e ; Fig. 16 c; Fig. 20a); selten liegt es höher als das Mesonotum, und in dieser Lage erlangt es oft eine ganz hervortretende Aus- bildung, so dass es die Gestalt eines abgerundeten, stumpfen Kegels annimmt, der an Höhe das Pro- und Mesonotum weit überragt (^ der Gatt, Polyergus Ltr.). Wegen der Wichtigkeit, welche das Metanotum in Bezug auf die Classifikation besitzt, unterscheidet man an demselben verschiedene Theile , welche mit besonderen Namen belegt sind. Zunächst dem Mesonotum der J, resp. dem Hinterschildchen des ^ und des ^, liegt der soge- nannte Basal theil des Melanotums (Taf. X. Fig. 14, g; Fig. 16, c; Fig. 17, e; Fig. 18a, f ) ; an seiner hinleren Grenze senkt sich dieser Theil in schiefer Richtung nach abwärts und diese abschüssige Fläche des Melanotums nennt man den abschüssigen Theil (Taf. X. Fig.l4, h; Fig. 16, d; Fig. 17, f; Fig. 18a, h). Genannte beiden Haupllheile des Melanotums werden jederseils von den sogenannten Seitenflächen begrenzt (Taf. X. Fig.l4, i : Fig.l7, h etc.). An der Grenze dieser Seilenflächen und des abschüssigen Theiles ragen sehr oft bei den Ameisen entweder Do rnen oder Zähne hervor, die eine sehr verschiedene Länge und Dicke besitzen (Taf. X. Fig. 18a, ii; Fig. 18c ; Fig. 20a, ii ; Fig. 20b), und im Falle sie unentwickelt geblieben sind, niedrige Höcker darstellen. Diese Auswüchse bilden ein sehr wichtiges Kennzeichen der Gattungen, und wir werden sie desshalb später noch specieller betrachten. Wenn wir aber davon sprachen, dass das Metanotum eine verschiedene Höhenlage zum Mesonotum einnehmen könne, so meinen wir hiermit natürlich, das Höhenver- hältniss des Basaltheils zu dem Mesonotum. AlIgemeiDe Orismologie der Ameisen. 321 So wie man bei der Classikation mit Recht einen grossen Werth auf dieses Höhenverhältniss legt, ebenso wichtig erscheint die Lage und Länge des Basallheiles zu dem abschüssigen Theile. Beide Theile des Metanolums können ohne deutliche Grenze in einander übergehen, wo- bei sie zusammen entweder eine bogenförmig gewölbte, hinten abwärts geneigte Fläche bilden (Taf. X. Fig. 14; Fig. 15), oder in derselben Ebene liegen, die jedoch fast nie horizontal ist, sondern sich meistens nach dem Hin- terleibe zu senkt. In letzterem Falle kann also keine Un- terscheidung beider Theile mehr stattfinden, sondern man betrachtet das Ganze nunmehr als abschüssigfe Fläche mit fehlendem Basaltheile fg der Gatt. Oecophthora Heer). Bei dieser Bildung trägt also der Metathorax zur Länge der Brust oben nichts mehr bei. Das entgegengesetzte Ver- hältniss kommt ebenfalls unter den Ameisen vor, wo also der Metathorax die Länge der Brust um seine eigene Länge vermehrt und eine fast horizontale abschüssige Fläche auf- tritt, natürlich ebenfalls mit fehlendem Basaltheile ($ der Gatt. Leptothorax Mayr). Diesen unmerklichen Uebergang des Basaltheiles in den abschüssigen Theil findet man bei den Alyrmiciden stets; jedoch kann man hier den Basaltheil von dem Vor- derende des Metanotums bis zum Anfange der Dornen oder Zähne rechnen, während von da ab der abschüssige Theil beginnt. Sehr oft bildet bei den 5 der Basaltheil mit dem ab- schüssigen Theile ein-en scharfen Winkel, der entweder stumpf (Formica sanguinea Taf. X. Fig. 16), oder annährend ein Rechter ist (Formica nigra Ltr. ; ferner bei der Gatt. Ponera Ltr., bei Formica marginata Ltr., Form. latera- lis Ol. etc.). Nie wird, so viel ich weiss, der Winkel zwischen beiden Theilen des Metanotums zu einem spitzen; seine äusserste Grenze ist der Rechte. Ausser dieser Art des Zusammentreffens hat man für die Classifikation noch das gegenseitige Längenverhältniss des Basal- und abschüssigen Theiles in Betracht zuziehen. Unter der Formiciden ist der Basaltheil gewöhnlich kürzer als der abschüssige Theil (J von Formica rufa Nyl. Taf. X. Archiv f. Naturg. XXVIII. Jahrg. 1. Bd. 21 322 Fenger: Fig. 15; Formica flava Taf. X. Fig. 17); es können jedoch beide Theile auch gleich lang sein (^ von Formica ligni- perda Nyl. Taf. X. Fig. 14 ; Formica sanguinea Ltr. Taf. X. Fig. 16). Zuweilen wird dieses Längenverhältniss von grösster Wichtigkeit, so dass es fast das einzige und hauptsächlichste Unterscheidungsmerkmal gewisser Species bildet (z. B. zwischen Formica polyctena Schenk und For- mica rufa Nyl.). Seltener findet man, dass der Basaltheil länger ist als der abschüssige Theil (Formica fuscipes Mayr ^). Bei Myrmiciden fällt der Charakter, der in dem Längenverhältnisse des Basaltheiles zum abschüssigen Theile beruht, weg, insofern man annehmen kann, dass hier beide Theile ziemlich gleich lang sind; es treten aber in dieser Sublamilie der Ameisen andere Gebilde an dem Metanotum auf, welche ebenfalls wichtige Unterscheidungsmerkmale der Species abgeben, denen wir sogleich eine genauere Be- trachtung schenken wollen. Die Basalfläche ist meistens gewölbt (wie man aus den Figuren ersehen kann) ; zuweilen ist sie auch flach (For- mica ligniperda Nyl. Taf. X. Fig- 14; $ von Formica san- guinea Ltr. Taf. X. Fig. 16). Bei Formica sanguinea Ltr. fand ich in der Mitte des Basaltheiles ein deutlich sicht- bares Grübchen Taf. X. Fig. 16, c •») ; ausser diesem Falle zeigt der Basaltheil meines Wissens keine besonderen Eigen- thümlichkeiten; meistens erscheint er gerunzelt, wie die Seiten des Thorax, und nur sehr selten ist er glatt und glänzend (Formicoxenus nitidulus Nyl. j). Glanz und Glätte treten weit häufiger auf der abschüs- sigen Fläche auf; unter den Formiciden scheint dies aller- dings weniger der Fall zu sein (ausser den $ und ^ ver- schiedener Species); jedoch findet man z.B. bei den ^ von Formica nigra Ltr. die Mitte der abschüssigen Fläche glatt und glänzend, während der Rand derselben , gleich dem übrigen Thorax, mit dichter Pubescens bedeckt ist. Weil häuhger, ja fast allgemein beobachtet man diese Erschei- nung bei den Myrmiciden (jedoch auch hier besitzt z. B. *) Was ich in den Schriften von Dr. Förster und Dr. Mayr nicht angegeben finde. Allgemeine Orismologie der Ameisen. 323 Tetramorium caespitum Ltr. eine quergestreifte abschüs- sige Fläche). Der Methathorax der Foriniciden zeigt meistens keine besonderen Auswüchse; nur bei den $ und ^ der Galt. Hypoclinea Forst, treten zahnartige Bildungen an demsel- ben auf. Solche Auswüchse entspringen stets an der Grenze des abschüssigen Theiles und der Seitenflächen und stellen entweder mehr oder weniger lange, spitze Dornen oder stumpfe Zähne oder Höcker dar. Wenn man das Auftreten dieser verschiedenen Aus- wüchse an dem Metathorax bei den einzelnen Ameisenspe- cies verfolgt *"'), so kommt man zu dem bemerkenswerthen Resultate, dass die meisten Gattungen der Myrmiciden Dornen besitzen, wenige Zähne und ebenso wenige Höcker, oder einen unbewehrten Thorax; dass ferner die Dornen nur bei den J und $, nie bei den ^ vorkommen. Die ^ *) Um einen üeberblick über diese merkwürdigen Auswüchse des Metathorax zu gewinnen, lassen wir folgende Zusammenstellung folgen : a) Dornen treten auf : 1) bei den ^ und $ der Gatt. Myrmica Ltr. Mayr (ausser Myrm. rubidn Ltr.) 2) bei den ^ und $ der Galt, Myrmeeina Curt. 3) „ „ „ „ „ „ „ Tetramorium IMayr. 4) „ „ „ „ „ „ „ Leptothorax Mayr. 5) „ „ „ „ „ » „ Aphaenogaster Mayr. 6) „ „ „ „ „ „ „ Crematogasler Lund. b) Zähne treten auf bei den ^ der Gattungen, wo die ^ und $ Dornen besitzen (selten bei der Gatt. Leptothorax Mayr), so wie 1) bei den ^ und $ der Gatt. Formicoxenus 3Iayr. 2) bei den ^, $ und bei den Soldaten der Gatt. Oecophthora Heer. 3) bei den ^, ^ und ^T der Gatt. Atta Fabr. (meist). c) Höcker treten auf, ausser bei den ,^ letztgenannter Gattungen wo Zähne vorkommen, noch 1) bei den ^ und $ von Myrmica rubida Ltr. 2) beim <-^ der Gatt. Leptothorax (meistens), 3) beim $ der Galt. Diplorhoptrum 3Iayr. d) Ein unbewehrter Thorax findet sich 1) bei dem (^^ von 3Iyrmica rubida Ltr. 2) bei den ^ und ^T ^^^' ^^^*' Diplorhoptrum Mayr. 8) bei der Gatt. Mouomorium Mayr. 324 Fenger: derjenigen Gallungcn, bei denen die J und $ Dornen be- sitzen, haben Zähne, d. h. verkürzte, stumpfe Dornen (aus- ser der Galt. Leptolhorax Mayr) ; haben die J und $ Zähne an dem Mctanotum, so besitzen die ^ blosse Höcker und, wo blosse Höcker bei den J und $ vorkommen, findet man bei den ^ einen unbewehrten Thorax. Diese merkwürdige, constante Unterordnung der ver- schiedenen Geschlechter bei den Ameisen, auf welche man bisher noch wenig oder gar nicht aufmerksam gemacht hat, auf die wir aber früher schon bei der Zahnbildunjj hing-e- wiesen haben und die hier in der Bewehrung des Meta- notums von Neuem hervortritt, hängt meiner Meinung nach jedenfalls innig mit der Lebensbestimmung des Individuums zusammen. Zu bemerken ist noch , dass die abschüssige Fläche des Metanotums zwischen diesen Auswüchsen stets mehr oder weniger ausgehöhlt erscheint ; über den Zweck dieser Aushöhlung, deren Erklärung man bisher ebenfalls unbe- rücksichtigt gelassen hat, werden wir später Näheres angeben. Die Seitenflächen des Metathorax sind in Rücksicht auf die Classifikation von keiner besonderen Bedeutung; sie besitzen stets dieselbe Schraffirung und Behaarung, wie der übrige Thorax. Bei den Myrmiciden bemerkt man sehr häufiff an dem hinteren Ende der Seitenflächen des Meta- thorax eine schwache bogenförmige Aufbiegung (Taf. X. Fig. 18a, k), welche ich bei Myrmica rugulosa Nyl. ziemlich bedeutend vorgefunden habe (Taf. X. Fig.2üa, b, Fig. 20b, c). Ob diese Aufbiegung einigen Werlh für die Classifikation besitzt, kann ich einstweilen noch nicht bestimmen. Die Stigmen (stigmala), oder Ausführungsgänge der Tracheen liegen für den Thorax an dem Meso- und Meta- thorax. Ist die Brust zwischen Meso- und Metathorax nicht eingeschnürt, so liegt das Stigma mehr oder weniger tief unterhalb der Oberfläche des Rückens an der Grenzlinie zwischen beiden genannten ßrustabschnitlen (Taf X. Fig. 14, k') ; das zweite Stigma liegt sodann an den Seiten des Metathorax , tiefer als das erste und ebenfalls an einer schwach eingedrückten Linie. Ist hingegen der Thorax I Allgemeine Orismologie der Ameisen. 325 zwischen Meso- und Metathorax stark eingeschnürt, so habe ich das erste Stigma beiderseits hoch an dem oberen Ende dieser eingeschnürten Stelle bemerkt, wo es mir als ein kleines rundliches Knöpfchen erschien (Taf. X. Fig. 15, d ; Fig. 17, c). Das zweite Stigmenpaar befindet sich in die- sem Falle an derselben Stelle, wie vorher, wenn der ab- schüssige Theil des Metathorax nicht abgeflacht ist, Taf. X. Fig. 15, d) ; ist lelzterer aber abgeflacht, so bemerkte ich das zweite Stigmenpaar auf der abschüssigen Fläche in der Nähe der Seitenrandes derselben (Taf. X. Fig. 17, g). Bei den Myrmiciden scheint das zweite Stigmenpaar stets an der Seite des Metathorax kurz vor der Basis der Dornen zu liegen (Taf. X. Fig. 18a; Fig. 20a). Ein solches Stigma habe ich vergrössert dargestellt Taf. X. Fig. 20c, wo b ein kugeUormig gewölbter Ring ist und a die mittlere spaltenförmige Athemöfl'nung. Dass diese bei der Classifikation bisher unbeachtet gelassene Lage der Stigmen in dieser Beziehung einigen Werth hat, glaube ich nicht. Die Betrachtung des Thorax müssen wir nun noch durch diejenige der Beine und der Flügel vervollständigen. Die Beine der Ameisen (Taf. XII. Fig. 35a, 35b) sind, wie wir bereits wissen, an den Bauchringen des Thorax eingelenkt und sie bestehen aus der Hüfte (coxa) , dem Schenkelringe (trochanter), dem Schenkel (femur), dem Schienbeine (tibia) und dem fünfgl iede ri gen Fusse nebst dem Fussballen (pulvillus). Die Hüfte (Taf. XII. Fig. 35a, 35b, a) ist stets kegel- förmig und stark entwickelt, meistens massig lang, oft kurz. Der Schenkelring (Fig. 35, b) ist kürzer als die Hüfte und ebenfalls konisch gestaltet; seine äussere Fläche ist stärker gewölbt, als die innere, welche der Brust zuge- kehrt ist. Der Schenkel (Fig. 35, c) bildet den kräftigsten und längsten Theil des Beines ; in der Mitte ist er verdickt und und an beiden Enden zugespitzt; an seiner Innenseite ist er ebenfall weniger stark gewölbt, als an der äusseren, ja meistens noch etwas ausgehöhlt. Das Schienbein (Fig. 35, d) ist stets an den beiden 326 F e n g e r : ersten Beinpaaren, welche man die Vorder- und Mittel- beine nennt, etwas kürzer als der Schenkel; an dem letz- ten Beinpaare hat es gleiche Länge mit demselben; an seinem Vorderende ist es stets zugespitzt, an dem hinte- ren verdickt und schief abgeschnitten. An der äusseren Hälfte dieser schiefen Endfläche setzen sich die Fussfrlie- der an, während an der inneren Hälfte sich ein anderes, eigenthümliches Organ (Fig. 35«, e; Fig. 35b, p) vorfindet, welches wir sogleich näher besprechen werden. Die Zahl der Fussglieder beträgt bei den Ameisen stets 5; von denselben ist das erste so lang wie alle übri- gen zusammengenommen; die folgenden nehmen gewöhn- lich regelmässig an Länge ab. AufTaf. XII. Fig. 35 a, b ha- ben wir einen aussergewöhnlichen Fall vor uns; hier ist nämlich das vierte Fussglied auffallend klein und kurz, während das fünfte Glied fast so gross ist , wie die drei vorhergehenden zusammengenommen; zugleich erscheint es verbreitert und abgeplattet *"). Dieser abnorme Bau der Fussglieder kann die Myrmica rugulosa Nyl. von den ihr sehr nahe verwandten Arten bestimmt unterscheiden. Zu- gleich ist dieser Fall, der sich sicherlich unter den Amei- sen wiederholt, ein Gegenbeweis für die Becauptung von Dr. Mayr, dass die Beine der Ameisen gar keinen diag- nostischen Werth hätten *«""'), wesshalb er sie bei seiner Determination ganz unberücksichtigt gelassen hat. Der Ballen ist dem äusseren Ende des letzten Fuss- gliedes eingefügt (Taf. XII. Fig. 35a, 1 ; Fig. 35b, k ; der- selbe für sich dargestellt Fig. 37). Er besteht aus einem kurzen dünnen Stiele (Fig. 37, c), welcher (bei a) zu dem eigentlichen Ballen anschwillt. Dieser angeschwollene Theil zeigt eine rauhe, warzige Oberfläche, ist kugelig und besitzt vorne noch einen kleinen Ansatz (b). Seitlich von diesem Ballen entspringen an dessen Basis zwei Krallen (Fig.37 m,m), welche bei allen Ameisen vorkommen, stets gekrümmt und "■') Was Dr. Förster (Ilymenopterologische Studien, 1. Heft p. 63 Myrmica chtndeslina) und Dr. Mayr (Formicina austriaca in den Yerh. d. zoolog.-bol. Vereins in Wien. Bd. V. 1855. p. 405) überse- hen haben. **) Ebendaselbst p. 298. Allgemeine Orismologie der Ameisen. 327 mehr oder weniger stark entwickelt sind; sonst aber zei- gen sie nirgendwo wesentliche Verschiedenheiten, so dass sie bei der Determination von keinem Werthe sind. Ver- möge dieses Ballens und seiner Krallen können die Amei- sen sich an glatten Gegenständen festhallen und dieselben ersteigen. Um den Ballen herum, so wie an den Fussgliedern überhaupt, treten bei den Ameisen stets zahlreiche, lange, kräftige Borsten auf, während die übrigen Theile des Bei- nes bei den verschiedenen Species eine sehr verschiedene Behaarung zeigen oder fast ganz nackt sind (^ von For- mica ligniperda Nyl.). Eine eigenthümliche, sehr seltene Behaarung zeigen die Beine des c^ von Myrmica rugulosa Nyl. (Taf. XII. Fig 35a und 35l>), in sofern dieselben ohne Fubescenz ziemlich dicht mit feinen, sehr langen , fast senkrecht abstehenden Borsten besetzt sind. Die Behaarung der Beine ist ebenfalls sehr oft bei der Unterscheidung der Species von Wichtigkeit. Was das bereits früher angedeutete eigenthümliche Organ (Taf. Xil. Fig. 35a, e; Fig. 35b, p, ferner für sich dargestellt Fig. 36a und 36b) anbetrifft, so ist dasselbe, wie man aus den Figuren schon ersehen kann, an dem ersten Beinpaare anders gebaut (Taf. XII. Fig. 35a, e; Fig. 36a), als an den übrigen Beinen (Fig. 35b und Fig. 36b). An dem ersten Beinpaare besteht dasselbe aus einem etwas gebo- genen, starken, fast durchsichtig hornigen Längsbalken, der an seiner Innenseite, die dem ersten Fussgliede zugekehrt ist, mit vielen dicht neben einander gestellten, langen und spitzen Zähnen (h) besetzt ist. Letztere beginnen klein an der Spitze des Balkens, werden von da ab stets grös- ser, wobei sie eine regelmässige, genau nach der Biegung des Balkens zugeschnittene Begrenzung zeigen; nie ist das oberste Ende des Balkens mit Zähnen besetzt. Die Bedeutung dieses merkwürdigen Organes ist bis- her von den Entomologen nicht genau erkannt worden. De Geer, einer der ältesten Schriftsteller über die Amei- sen, welcher manches Bemerkenswerthe über diese Insekten berichtet und der auch Abbildungen von dem in Rede ste- henden Organe giebt, glaubt, dass es als Bürste zum Zu- 328 F e n g e r : sainineiiregen des von den Blattläusen abgesonderten Ho- niglliaucs diene "^"), welchen bekanntlich einzelne Spccies der Ameisen sehr begierig aulsuchen , was die Ameisen- schriftsteller schon seit den ältesten Zeiten beobachtet haben. Auf D e Gcer berufen sich die anderen, später lebenden Schriftsteller und unter diesen auch Brandt und Ratzeburg -"-"), Unter den Schriftstellern der neuesten Zeit ist keine Rede, so viel ich weiss, von der Bedeutung- dieses Organes. Schon die Stelluno- des in Rede stehenden Org-anes an dem Schienbeine zeugt gegen die bis jetzt angenommene Bedeutung desselben. Stets ist es nämlich fast senkrecht gegen den Boden gerichtet und nicht etwa horizontal zu demselben, wesshalb es zum Zusammenfegen von Honigthau durchaus nicht geeignet ist. Wollte das Insekt trotzdem dieses Organ zu bekanntem Zwecke benutzen, so müsste es seine Beine in eine ganz unnatürliche Stellung versetzen; aber wenn alle Theile des Organismus die grösste Zweck- mässigkeit in ihrer Einrichtung und Anordnung bekunden, so darf man bei diesem Organe allein keine Unzweckmäs- sigkeit annehmen. Denn, wenn man nur die Winzigkeit dieses Organes berücksichtigt, kann man sich schwerlich mit der bis jetzt angenommenen Meinung über den Zweck desselben einver- standen erklären. Wenn überhaupt die Ameisen mit ihren Füssen den Honigthau zusammenlegen sollten, was ich, trotz aller Auf- merksamkeit, nie beobachtet habe und durchaus nicht glau- ben kann, so können die fast dicht mit Borsten besetzten, langen Fussglieder für sich allein schon diesen Zweck besser erlüllen, als jenes winzige Nebenorgan. INiemand hat aber auch, so viel ich weiss, das Zusam- menfegen von Honigthau bei den Ameisen wirklich beob- achtet; vielmehr ist diese dem Organe beigelegte Bedeutung eine muthmassliche. Die Beobachtung aber ist die einzige *) Abhandlungen zur Gesctiichte der Insekten. Bd. II. 2ler Theil p.311. **) Medizinische Zoologie Bd. II. Allgemeine ürisniologie der Ameisen. 829 und wahre Quelle der Wahrheit auf dem Gebiete der Na- turwissenschaften und durcli die Beobachtung-, welche ich sowohl täglich an meinen in künsilichen Beiiällern aufge- hobenen, als auch in der Natur lebenden Ameisen gemacht habp, hat sich mir die wahre und einzige Bedeutung dieses Organes ergeben. Dieses Organ ist nämlich, in einem Worte gesagt, nur ein Kamm für die Antennen und l^alpcn der Ameise. Die Ameise stellt sich, wenn sie nicht arbeitet, fast jeden Au- genblick auf ihre Hinterfüsse, richtet den Kopf etwas empor, streckt die Fühler oder Fressspitzen aus und zieht diesel- ben zwischen dem ersten Fussgliede und jenem Kamme, wie ich ihn wohl nicht unzweckmässig nenne, hindurch; hierauf bringt sie diesen Theil des Beines an den Mund, um denselben entweder zu befeuchten (was ich wohl nicht glaube), oder zu reinigen und kämmt sodann von Neuem ihre Fühler. Der Kamm dient also als Mittel zur Verschönerung der Fühler und Palpen; aber er scheint mir nicht allein hierzu bestimmt zu sein, sondern er hat auch jedenfalls den Zweck, die schmarotzenden Milben, welche ich haupt- sächlich und oft zahlreich an den Fühlern und Fressspitzen vorgefunden habe, zu entfernen. Wenn wir nunmehr die Construklion dieses bisher so räthselhaften Organes genauer betrachten, so werden wir die schönste Zweckmässigkeit in seiner Einrichtung erken- nen. Die Zähne sind fein, ziemlich lang, stehen dicht neben einander, so dass sie den feinen Härchen der Fühler und Palpen ganz anpassend sind. Dann ist das erste Fuss- glied an seiner Innenseite, diesen Zähnen gegenüber, der Biegung des Kammes entsprechend ausgehöhlt (Taf. XII. Fig. 36aj und an der Stelle dieser Aushöhlung mit einer doppelten Reihe feiner Zähnchen besetzt, so zwar, dass die Zähne des Kammes zwischen letztere eingeschoben wer- den, wenn sich das erste Fussglied gegen den Kamm hin bewegt. An demjenigen Theile des ersten Fussgliedes, der dem oberen, zahnlosen Ende des Kammes gegenübersteht, befinden sich ebenfalls keine Zähne, so dass der Balken des Kammes sich an dieser Stelle dicht gegen das, erste 330 F e n g e r : Fussglicd anlegen kann, während die Zähne beider Theile sich in einander schieben. An den Miltel- und Hinlerbeinen ist dieses Organ etwas anders gebaut (Taf. XII. Fig. 36b); stets ist der Längs- balken desselben gerade, und seine Zähne sind meistens unentwickelt und kaum sichtbar. Auch hier ist die Innen- seite des ersten Fussgliedes mit einer doppelten Zahnreihe besetzt; jedoch sind die Zähne nicht so regelmässig und fein, wie am ersten Fusspaare. Keinesfalls hat dieses Organ der hinteren Beine die Bestimmung, die Fühler zu kämmen; denn einestheils kann das Insekt dasselbe nicht so weit nach vorne strecken, dass es die Fühler erreichte; ande- rentheils wäre es neben jenem Organe der Vorderbeine ein sehr überflüssiger Theil des Organismus; ich vermuthe hingegen, dass es zur gegenseitigen Reinigung der Füsse dient. Der Körper der Ameise ist gleichsam in einem Horn- panzer eingeschlossen ; er kann sich also weder seitlich noch nach unten biegen, so dass die Ameise sich etwa mit dem Munde reinigen könnte, und da dieselbe dennoch trotz ihrer fast unausgesetzten* Erdarbeiten, stets rein vorgefun- den wird, so wird sie doch wahrscheinlich ein besonderes Organ zur Reinigung ihrer Füsse besitzen, als welches das in Rede stehende sowohl in Bezug auf Stellung als Con- struklion sehr passend ist. Wir wenden uns nunmehr zur Betrachtung der Flü- gel, welche ebenfalls zu dem Mesothorax gehören. Nur die cT und $ besitzen bei den Ameisen Flügel, während die 2 stets ungeflügelt sind. Jedes geflügelte Individuum hat zwei Paar Flügel, ein oberes, grösseres und ein unteres, kleineres Paar, oder zwei Vorder- und zwei Hinter- flügel. Die Flügel der Ameisen, wie der Insekten über- haupt sind eigentlich Duplicaluren des Hautskeletes, von Blulkanälen und Tracheen durchzogen ^'). Sie bestehen aus der Flügel würzet (Taf. XU. Fig. 38a, b bei r (hier *) Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der wirbellosen Thiere v. C. Th. v. Siebold, Professor zu Freiburg. Berlin 1848. p. 564. Allgemeine Orismologie der Ameisen. 331 weggelassen), der eigentlichen Flügelmembran und den Rippen. Die Flügelwurzel bildet eine feste, hornartige Masse am vordersten Ende des Flügels, zu welcher die Rippen des Flügels gleichsam verschmelzen, und an welche sich nach dem Innern des Körpers hin schnenartige Fortsätze ansetzen. An Letztere inseriren sich die vom mittle- ren und hinteren ßrustsegrnente herkommenden Muskeln der Flügel (zwei Streck- und mehrere kleine Beugemus- keln). Sie ist ohne irgend welche Bedeutung für die Clas- siiikation. Ebenso hat die eigentliche Flügelmembran in dieser Beziehung sehr wenig Werth; sie ist dünn, durchsichtig, häutig und ihrer ganzen Ausdehnung nach mit sehr feinen, anliegenden kleinen Härchen besetzt, die aus unzähligen kleinen Grübchen entspringen. Man kann an ihr weder eine zeliige, noch sonst irgend welche Struktur erkennen; grösstentheils ist sie wasserhell und zuweilen von der Flügelwurzel bis zur Haltte des Flügels bräunlich oder bräunlichgelb getrübt. Völlig klare, wasserhelle oder milch- weisse Flügel ohne jede Trübung sind bei den Ameisen selten (Formica nigra Ltr., Poncra contracta Ltr., Lepto- thorax acervorum Nyl. etc.) und bilden eben desswegen ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal verwandter Species, bei denen dieselben vorkommen. An dem oberen Rande der Flügel, besonders an der hinteren Hälfte des Unterrandes sind die Härchen länger, als auf der Oberfläciie der Membran. An den Vorderflügeln ist die vordere und untere Randhällte stets ohne jede Be- haarung. Den wichtigsten Theil der Flügel, durch welchen dieselben erst zu _einem und zwar dem besten Gattungs- merkmale werden, sind die Rippen oder Adern. Diese stellen hohle, meistens bräunlichgclb gefärbte (selten farb- lose) (Leptothorax acervorum Nyl.) Kanäle dar, welche die Membran des Flügels durchziehen, an ihrem Ursprünge ziemlich weit sind und gegen das Ende hin haarfein wer- den. Die Rippen sind bei den Ameisen auf verschiedene Weise vertheilt und eben durch diese mannigfaltige An- 332 F e n g e r : Ordnung werden die Flügel zu jenem tretriichen Unter- scheidungsmerkmale. Man hat desshalb den einzelnen Rip- pen, so wie den von ihnen abgegrenzten Theilen der Flügelmembran, besondere Namen beigelegt. Ich glaube, mjin unterscheidet am besten 5 Ilauptgruppen *); diese sind: 1. Die Costa marginalis (Tat". XII. Fig. 38a, 1); sie verläuft am äusseren Rande des Flügels von der Flügel- vvurzel bis zur Flügelspitze. 2. Die Costa scapularis (Fig. 38a, 2), welche an der Flügelwurzel der ersten Rippe sehr nahe liegt, sich dann bogenförmig von derselben entfernt, sich ihr ungefähr in der Hälfte des Flügels wieder nähert, hier meistens durch einen kleinen Zweig mit ihr in Verbindung tritt, sich dann wiederum boofenförmiof oder mehr winkelior von ihr entfernt und zuletzt gegen das hintere Ende des Flügels hin völlig mit ihr verschmilzt. 3. Die Costa externo - media ( Fig. 38a, 3 ) verläuft etwa durch die 3Iitte der Flügelbreite, spaltet sicli vor der Längenmitte des Flügels in zwei Zweige, von denen der eine nach oben geht, um sich mit der Costa scapularis zu verbinden, während der andere sich nach unten gegen die Einschnürungsstelle des Unterrandes hinwendet. Ersterer Zweig, der sich gewöhnlich in der Mitte winkelich biegt (Fig. 38a, 4), heisst Costa basalis, letzterer Costa transversa- media und er entsendet häufio- kurz vor seinem Ende noch einen Nebenzweig, dem, so viel ich weiss, bisher kein be- sonderer Name beigelegt ist (Fig. 38a, 9). 4. Die Costa cubitalis (Fig. 38a, 5j , welche aus der Mitte der Costa basalis entspringt und gegen das Ende des Flügels hinläuft; hinter der Mitte des Flügels theilt sich dieselbe ebenfalls in zwei Zweige, von denen der eine nach oben geht und sich meistens mit der Costa marginalis vor der hinteren Spitze des Flügels verbindet; man nennt diesen Zweig (Fig. 38a, 7) den äusseren Cubitalast; der andere Zweig wendet sich an seinem Ursprünge mehr *) Dr Mayr und Andere unterscheiden deren vier (Formicina austriaca in d. Verh. d. zoolog.-botan. Vereins in Wien. Bd.V. Jahrg. 1855. p.295. Allgemeine Orismologie der Ameisen. !S33 nach unten und verläuft sodann in der Mitte der Flügel- breite, ohne jedoch den äussersten Rand des Flügels zu erreichen (Fig. 38a, 8); derselbe heisst inn er er Cubi- tal a s t. Die Costa cubitalis hat eine zweifache Verbindung mit den benachbarten Rippen; kurz nach ihrem Ursprünge aus der Costa basalis tritt sie durch eine Zwischenrippe mit. der Costa transvcrso-media in Verbindung ; man nennt diese Zwischenrippe die Costa recurrens (Fig. 38a, 10). Vor der Theilunofsslelle steht ferner die Costa cubitalis durch eine Rippe mit der Costa scapularis in Verbindung (Fig. 38a, 6); diese Rippe nennt Dr. Mayr die Costa transversa. Die Costa cubitalis kann sich auf dreifache Weise theilen^*). Sie theilt sich entweder hinter der Einmün- dungsslelle der Costa transversa (Fig. 38«, 8), oder kurz vor der Costa transversa (Taf. XII. Fig. 39a)5 oder endlich gleich an ihrem Ursprünge aus der Costa basalis (Taf. XII. Fig. 40a). In dem letzteren Falle ist der äussere Cubitalast an seinem Anfange nicht ausgeprägt, während er kurz vor der Costa transversa, so wie hinter derselben deutlich her- vortritt; der innere Cubitalast hingegen ist in seinem ganzen Verlaufe deutlich sichtbar. In dem ersten Theilungsfalle (Taf. XII. Fig. 38a) ver- bindet sich die Costa transversa mit dem eigentlichen Cu- bitalaste selbst; in dem zweiten Falle verbindet sie sich entweder nur mit dem äusseren Cubitalaste, oder, indem sie in derselben Richtung weiter geht, mit beiden Cubital- ästen (Taf. XII. Fig. 39a, 39b). Im dritten Theilungsfalle verbindet sich die Costa transversa ebenfalls mit beiden Cubitalästen (Taf. XII. Fig. 40a). Wegen dieser verschiedenen Theilung der Costa cu- bitalis und ihrer mehrfachen Verbindungsart mit der Costa transversa, bildet diese Rippe bei der Classifikation der Ameisen den wichtigsten Theil des Flügels. *) Dr. Mayr unterscheidet eine vierfache Theilung (Formicina austriaca in d. Verh. d. zool.-botan. Ver. V. in Wien, Bd. Jahrg. 1855. p.296). Wir haben seinen zweiten und dritten Theilungsfall zusam- mengefasst. 384 Fenger: 5. Die Costa Inferno -media (Taf. XH. Fig. 38a, 11), welche von der Flügelwurzel gegen die Einschnürungs- stelle des unteren Randes hinläuft. In ihrer Mitte verbin- det sie sich mit der Costa externo-media durch eine Zwi- schenrippe (Fig. 38a, 12), der meines Wissens bis jetzt kein besonderer Name zuerkannt ist. Aus Gründen, die später ersichtlich sein werden, glaube ich sie nicht unpassend Costa separans zu nennen. Durch diese Rippe wird nun die Flügelmembran in verschiedene Felder oder Zellen getheilt, denen man ebenfalls besondere Namen beigelegt hat. Man unterscheidet nämlich : 1. Die Cellula scapularis (Schulterzelle), welche be- grenzt wird von der Costa marginalis und dem ersten freien Theile der Costa scapularis; sie liegt zunächst der Flügelwurzel (Fig. 38a, a). 2. Das Stigma (Randmal) (Fig. 38a, b), welches be- grenzt wird von der Costa marginalis und dem zweiten freien Theile der Costa scapularis ; es ist hornig verdickt und meist anders gefärbt, als die übrige Flügelmembran; gewöhnlich zeigt es eine bräunlichgelbe Färbung. 3. Die Cellula externo-media (äussere Mittelzelle Fig. 38a, cj, sie wird umschlossen von dem ersten freien Theile der Costa scapularis, von der Costa externo-media, so wie von der Costa basalis. 4. Cellula cubitalis - clausa (geschlossene Cubitalzelle Fig. 38a, d); sie wird abgegrenzt von dem mittleren Theile der Costa scapularis, der oberen Hälfte der Costa basalis, der eigentlichen Costa cubitalis und der Costa transversa. Tritt jedoch hier der Fall ein, wo sich die Costa cu- bitalis schon vor der Einmündungstelle der Costa transversa theilt und wo letztere sich mit beiden Cubitalästen ver- bindet, so entsteht eine zweite geschlossene Cubitalzelle, welche umgrenzt wird von den beiden Cubitalästen und von der Costa transversa. Tritt dagegen der Fall ein, wo sich die Costa cubitalis an ihrem Ursprünge aus der Costa basalis spaltet, so ent- steht eine grosse Cubitalzelle, welche umschlossen wird von dem mittleren Theile der Costa scapularis, dem oberen Allgemeine Orismologie der Ameisen. Theilc der Costa basalis, dem inneren Cubitalaste und der Costa transversa. Ausserdem wird sie durch den hinteren Theil des äusseren Cubitalasles, der bis zur Mitte in die Zelle hineinragt, in zwei unvollkommen geschiedene Hälften getheilt (Taf. XII. Fig. 40a). 5. Die Cellula radialis (Radialzelle Taf. XII. Fig. 38a, f) wird begrenzt von der Costa marginalis, der Costa trans- versa und dem äusseren Cubitalaste. In Fig. 38 ist dieselbe geschlossen ; meistens hingegen ist sie otJen , indem der äussere Cubitalast den hinteren Rand des Flügels nicht erreicht (Taf. XII. Fig. 40a). 6. Die Celliäa cubitalis aperta (offene Cubitalzelle Fig. 38a, e) wird umschlossen von dem äusseren und inne- ren Cubitalaste, während sie nach der Spitze des Flügels hin geöffnet ist. 7. Die Cellula discoidalis-aperta (offene Discoidalzelle Fig. 38a, g); sie wird begrenzt von der eigentlichen Costa cubitalis, dem inneren Cubitalaste, der Costa recurrens und einem Theile der Costa transverso-media, während sie nach unten und hinten geöffnet ist. 8. Die Cellula discoidalis - clausa (geschlossene Dis- coidalzelle Fig. 38a, i), welche begrenzt wird von dem vordersten Theile der Costa cubitalis, dem untersten Theile der Costa basalis, dem vordersten Theile der Costa trans- verso-media und der Costa recurrens. 9. Die Cellula interno-media apicalis (Fig. 38a, k) ; sie wird begrenzt von dem letzten Theile der Costa externo- media, der Costa separans und von dem letzten Theile der Costa interna-media, während sie hinten offen ist. 10. Die Cellula int er no - media basalis (Fig. 38a, m) wird begrenzt von dem vorderen Theile der Costa externo- media, dem vorderen Theile der Costa interno-media, der Costa separans, während sie nach vorne durch die Flügel- wurzel geschlossen ist. Die Cellula interno-media apicalis und basalis bilden zusammen die Cellula interno media '^^). *) In der Trennung dieser Cellula interno-media in jene bei- den Hälften Gndet der Name „Costa separans" seine Bedeutung. 3S6 A inb Fenger: Zuweilen kommt es vor, dass einzelne Rippen stellen- weise nicht ganz ausgeprägt sind, so ist es z. ß. der Fall bei Myrmica laevinodis (Taf. XII. Fig. 40a), wo der Anfang der Costa externo-niedia, das Ende der Costa interno-media, so wie der Costa Iransverso- media, ferner das Ende der Cubilaläste nicht ausgeprägt erscheinen; jedoch selbst in solchen Fällen kann man deutlich in der Flügelmembran durch eine bräunlichgclbe Trübung die Richtung der zu ergänzenden Theile verfolgen. Die H in ter flüge 1 , welche stets kleiner sind als die Vorderflügel, werden an dem Hintcrschildchen einge- lenkt. Ihre Wurzel ist dieselbe wie am ersten Flügelpaare; die Membran weicht nur in der Form von derjenigen der Vorderflügel ab , in sofern der obere Rand concav ist (Taf. XII. Fig. 38b; Fig. 40b), während der unter eine con- vexe ßeo;renzunff bildet und in seiner Mitte keine Einbie- gung besitzt. Die Rippenvertheilung hingegen ist eine andere. Man findet nämlich hier vier Hauptrippen: 1. Die Costa scapularis (Taf. XII. Fig. 38b, 2). Die- selbe ist dicker als an den Vorderflügeln, läuft mit dem äusseren Flügelrande, an dem die Costa marginalis fehlt, anfangs parallel, geht sodann in der Mitte des Flügels in denselben über und läuft sofort his zur Flügelspitze. 2. Die Costa externo-media (Taf. XII. Fig. 38b, 3) zieht sich anfangs durch die Mitte der Flügelbreile hin, theilt sich dann vor der Längenmitte des Flügels in zwei Zweige, von denen der eine, entsprechend der Costa basalis der Vorderflügel, nach oben geht (Fig. 38b, 4), der andere nach unten; letzterer entspricht der Costa transverso- media (Fig. 38b, 9). Zwischen der Costa basalis des Vorder- und Hinderflügels besteht der Unterschied , dass bei letzterem die erste Hälfte derselben stets länger ist als die zweite. 3. Die Costa cubitalis (Fig. 38b, 5) entspringt als gerade Rippe aus der Winkelspilze der Costa basalis ^). r;-jl>*i(.l ; V *) Dr. Mayr nimmt keine Costa cubitalis an, sondern sagt, dass die Costa externo-media sich in zwei Aeste theile, von denen der obere Ast gegen die Costa scapularis hinlaufe und ein Querästchea zu derselben sende (Formicina austriaca in d. Verb. d. zoolog.-botan. Allgemeine Orismologie der Ameisen, 337 4. Die Costa interno -media (Fltr. 38b, 11), welche dem äusseren Flügclrande parallel läuft. Auch hier ist die Co^ta separans (Fig-. 38b, 12) vorhanden. Wie an den Vorderflüg-eln, so findet man auch an den Hinlerflügeln oft einzelne Theile der Rippen nicht ausge- prägt; dies ist z. B. der Fall beiMyrmica laevinodis Taf. XII. Fig. 40b), wo das Ende d^r Costa scapularis, das Ende der Costa cubitalis, der Costa transverso-media, der Costa in- terno-media und der Anfang der Costa externo-media nicht ausgeprägt sind. Die Rippenvertheilung der Hinterflügel ist bei den verschiedenen Ameisengattungen im Ganzen dieselbe. Viel- leicht Hessen sich dennoch durch die verschiedene Ent- wickelung der Costa basalis und der Costa cubitalis Spe- ciesunterschiede feststellen. Genaueres kann ich jedoch hierüber nicht angeben. Es bleibt also die Rippenvertheilung der Vorderflügel Hauptcharakteristik der Gattungen *). Die Flügel der Ameisenweibchen brechen an ihrem Grunde sehr leicht ab. Nachdem die geschlechtlichen Ameisen sich in der Luft begattet haben, entledigt sich Yer. in Wien ßd. V. 1855. p. 297). Besser scheint mir unsere Erklä- rung zu sein. *■) In wie fern man die Rippenvertheilung der Flügel zur Galtungscharakteristik benutzt, lasst sich aus folgender Zusammen- stellung übersehen : Fig. 38« stellt den Vorderflügel von Formica nigra dar; dieselbe Rip- penvertheilung kommt vor bei den Gattungen Formica, Ta- pinoma, Polyergus, Tetramorium, Strongylognathus und Le- ptothorax. „ 39* stellt den Vorderflügel von Diplorhoptrum fugax dar; die- selbe Form findet man bei den (iattungen Myrmecina, Diplorhoptrum, Crematogaster. „ 39l> stellt den Vorderflügel von Atta siibterranea dar; als Form für die Gattungen llypoclinea, Touera, Oecophthora und Atta. „ 40a stellt den Vorderflügel vonMyrmica ruginodis dar; als Form der Gatt. Myrmira. „ 38b stellt den Hinterflügel von Formica flava dar; Fig. 40*» den Hinterflügel von Myrmica laevinodis. ArcWr für Naturg. XXVIII. Jahrg. l.Bd. 22 338 F e n g e r : (las $ entweder selbst seiner Flügel durch vertrackte Be- wegungen, welche es mit denselben anstellt, oder sie wer- den ihm von den 2 abgekneipt. Hierauf gründet es seine Colonie durch Eierlegen. Vor dem Schwärmen behält es stets seine Flügel bei, wesshalb man zu dieser Zeit immer geflügelte $ in den Colonien antrefl"en kann, während diese nachher selten gefunden werden. Häulig hingegen kommen auch noch später geflügelte ), welche mehr häutig als hornig zu sein scheint; in die Membran derselben inseriren sich am hinteren Rande ziem- lich lange Borsten (c), die meist an ihrer Spitze haken- förmig gekrümmt sind und in einem Kranze geordnet stehen. In Fig. 391) habe ich die Röhre plattgedrückt dargestellt und man ersieht aus derselben, dass die Borsten tief in die Röhrenmembran eindringen ; an diesen Theil der Röh- renmembran, in welcher also die Wurzeln der Borsten lie- gen, schliesst sich ohne Weiteres eine zellige Schicht an, die eine Erweiterung der engen Röhre bildet und eine hellere Farbe und weichere Beschaffenheit, als die Hinter- leibssegmente , zeigt (Fig. 31b> b). Dieser ganze Apparat kann zwischen die letzten Hinterleibssegmente eingezogen und aus denselben vorgestreckt werden. Mehr entwickelt sind die äusseren Geschlechtstheile bei den $ (Taf. XI. Fig. 32a u. 32b); erstere Figur stellt die Röhre so dar, wie sie sich im natürlichen Zustande an dem Hinterleibsende des j vorfindet. Man sieht, dass auch hier die Röhre in Borsten endet, welche bedeutend kürzer sind als bei den $, und deren Wurzeln tief in die Röhren- membran eingesenkt erscheinen. An der Stelle, wo die Borsten aus der Röhre hervortreten (Fig. 32b, f), bemerkt man einen dunkel gefärbten Ring; durch diesen hindurch setzen sich die Borsten fort, bis sie vor einem zweiten, etwas breiten Ringe (Fig. 32b, d) enden. Hinter diesem zweiten Ringe beginnt nun die heller gefärbte, zarte Zel- lenschicht (Fig. 32b, b), welche wir ebenfalls bei den Ar- beitern vorgefunden haben. Schon diese äusseren Theile der Geschlechtsorgane beweisen die nahe Verwandtschaft der 5 und ^; bei bei- den findet man nur den Unterschied, dass die Röhre des $ weiter und länger ist und eine zweifache Gliederung zeigt, während diejenige der 5 eng, kurz und eingliederig ist. Allgemeine Orismologie der Ameisen. 349 Es liegt Tiiclil in unserer Aufgabe, speciell auch auf die inneren Theile der Geschlechtsorgane bei den Ameisen einzugehen ; nur möge noch darauf aufmerksam gemacht werden, dass dieselben beim $ hauptsächlich aus zwei, an den Seiten des Hinterleibes liegenden Eierstöcken be- stehen, welche aus mehr oder weniger zahlreichen, stets mehrfächerigen, oben blind endenden, an der Spitze mit einander verschlungenen Eierstock röhren zusammen- gesetzt sind, die von einem dichten Tracheennetze um- sponnen werden. Dieselben münden in die sogenannten Tuben (Eileiter). Ausserdem findet man noch das sog. Receptaculum seminis, ein kleines, seitlich angebrachtes Bläschen, welches zur Aufbewahrung des Samens dient, und die Bursa copulatrix (ßegattungstasche), die bei der Begattung den Penis so wie oft Samenmasse in sich auf- nimmt. Aehnliche, sehr unentwickelt gebliebene Organe findet man in dem Hinterleibe der J; die Vergleichung derselben mit den inneren Geschlechtstheilen des $ beweist ebenfalls, dass die ^ von Natur 5 vorstellen, deren Geschlechtsorgane nicht zur vollen Entwickelung gelangt sind ^^). Die äussern Theile der männlichen Geschlechts- organe sind meistens kräftig entwickelt (Taf. XI. Fig. 33 und 33b), ragen stets mehr oder weniger aus dem Hinter- leibe hervor (wie Fig. 33a zeigt, wo d das letzte Hinter- leibssegment und a b c die Geschlechtstheile bedeuten), sind nach unten gekrümmt und bestehen aus mehreren Theilen: 1) Aus den halbkreisförmigen Platten (Fig. 33b, d d), welche beiderseits liegen. 2) Aus den zwei Penice lli (Fig. 33b, aa), welche bei- derseits an dem oberen Ende dieser Platten hervor- ragen, eine konische Gestalt haben und mit ziemlich langen Borsten besetzt sind, die aus punktförmigen Vertiefungen hervorzukommen scheinen. 3) Aus drei verschiedenen Klappenpaaren. '•') Vergleiche weiter Leon Dufour, Rechercbcs sur les Or- tbopteres p. 406. 350 F e n g e r : a) einem äusseren Paare, Vag'tnae exlernae; b) einem mittleren Paare, Vaginae intermediae; c) einem inneren Paare Vaginae internae. Letzteres Klappenpaar, welches Fig. Sb^- für sich dar- gestellt ist, bildet eine vorne fast dreieckig ausgeschlitzte Röhre; auf der unteren Seite dieser Röhre liegen die Klap- pen über einander, während sie mir an der Oberseite mit einander verwachsen zu sein scheinen (Fig. 33b*). Diese harten, hornigen äusseren Theile der Geschlechts- organe bieten bei den verschiedenen Species bestimmte Formverschiedenheiten dar. Desshalb weisst schon v. Sie- bold darauf hin, dass die äusseren Geschlechlstheile bei den Insekten überhaupt vermöge ihrer verschiedenen For- menverhältnisse ein treffliches Unterscheidungsmittel der Species abgeben können *"""). Diese Angabe habe ich, so- weit meine Untersuchungen reichen, bei den Ameisen be- stätigt gefunden und v. Siebold scheint völlig Recht zu haben, wenn er behauptet, dass selbst sehr verwandle In- sektenarten keine Rastarde erzeugen können, weil die äusseren männlichen Regattungsorgane einer Species durch ihre Form und Ausbildung nur für die weibliche Geschlechts- öffnung der Individuen, welche derselben Species zugezählt werden, anpassend sind. tu "^) Ueber die inneren männlichen Geschlechtsorgane vergleiche manf^eon Dufour, Recherches sur les Orthopteres p. 399. pl. 3 — 10. ^"^) V. Siebold: Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der wirbellosen Thiere, p. 660. Anmerk. ?. Erklärung der Abbildungen. Taf. X. Fig. 1. Der Kopf von Forniica lignipcrda von oben gesehen. „ 2. Kopf von Form, rufa 5 ^'^n oben gesehen. „ 3. Kopf von Form, sangiiinea ^ von oben. „ 4. Kopf von Myrmica laevinodis ^ von oben. „ 5. Kopf von Myrm. nigiilosa ^ von oben. „ 6. Kopf von Formica llava ^^ von oben. „ 7. Kopf von Formica iignipcrda ^ von unten. „ 8*. Der Oberkiefer von Formica ligniperda ^ von unten. „ 8^, Derselbe von oben gesehen. i Allcfemeine Orismologie der Ameisen. 351 Fig. 9. Oberkiefer von Formica flava ^ von oben. „ 10a. Derselbe von dem (-^ mit zwei Ziihnen. „ lOb. Derselbe von dem (^ mit einem Zahne. „ 11. Innere 3Iundtheile von Formica ligniperda ^. „ 12. Unterkiefer von Form, lignip. ^. „ 13. Unterlippe von Form, lignip. ^. „ 14. Thorax von Formica lignip. ^. „ 15. Thorax von Formica riifa ^. ,, 16. Thorax von Formica sanguinea ^. „ 17. Thorax von Formica flava ^. „ ]8a. Thorax von Myrmica laevinodis ^. „ 18b. Prothorax von Myrmica laevin. ^. „ 18c. Metathorax von Myrmyca laevin. ^. „ 19. Prothorax von Myrmica laevin. (^. „ 20a. Thorax von Myrmica rugulosa ^. „ 20b. Metathorax von Myrmica rugulosa ^. „ 20c. Stigma. „ 21a. Thorax von Formica nigra $ von oben. „ 21b. Prothorax von Formica nigra $ von den Seite. Taf. XI. Fig. 22a. Hinterleibssehuppe von Form, lignip.^; kleineres Individuum. „ 22b. Dieselbe von der Seite gesehen. „ 22c. Hinterleibssehuppe von Formica lignip. ^ ; grösseres In- dividuum. „ 23. Hinterleibssehuppe von Formica rufa ^. „ 24a. Hinterleibssehuppe von Form, sanguinea ^. „ 24b. Etwas anders gestaltete Schuppe von Form, sanguinea ^. „ 24«. Hinterleibssehuppe von Form, sanguinea $. y, 25a. Schuppe von Formica flava ^. „ 25b. Dieselbe von einem anderen Individuum derselben Species, etwas anders gestaltet. „ 25c. Schuppe von Formica flava $. „ 25^. Dieselbe von Formica flava (^. r, 26a. Schuppe von Formica nigra ^. „ 26b. Dieselbe von Form, nigra $. „ 27. Hinterleibsstielchen von Myrmica laevinodis ^. „ 28. Hinterleib von Formica ligniperda ^. „ 29. Derselbe von Myrmica rugulosa ^. „ 30. Derselbe von Formica rufa $ von dem Bauche gesehen. „ 31a. Aeussere Geschlechtstheile von Formica flava ^ in natürli- cher Lage. r> 31^. Dieselben plattgedrückt. 352 Fenger: Allgemeine Oiismologie der Ameisen. Fig. 32«. Die äusseren Geschlechlslheile von Formica ligniperda $ in natürlicher Lage. „ 32b. Dieselben plattgedrückt. „ 33*. Aeiissere Gcschlechtstheile von Formica flava (^ in natürli- cher Lage. „ 33b' Dieselben plattgedrückt. Taf. XII. Fig. 34». Fühler von Myrmica rugulosa J. „ 34*». Dieselben von Myrm. rugulosa <^. „ 35*. Vorderbein von Myrm. rugulosa (^. „ 35b. Eines der beiden hinteren Beine derselben Species f^. „ 36*. Kamm nebst dem ersten Fussgliede an den Vorderbeinen von Myrmica rugulosa ^. „ 36^. Kamm nebst dem ersten Fussgliede an den hinteren Beinen von derselben Species. „ 37. Fussballen eines Ameisenbeines. „ 38*. Vorderflügel von Formica flava. „ 38b. Hinterflügel derselben Species. M 39*. Vorderflügel von Diplorhoptrum fugax (nach Mayr). „ 39b. Vorderflügel von Atta subterranea (nach Mayr). „ 40*. Vorderflügel von Myrmica laevinodis. „ 40b. Hinterflügel von derselben Species. Briiehstück zur Entwickelungsgeschichte der Naiilfüsscr. Von Fritz flüller in Desterro. (Hierzu Taf. XIII). Seit lange kennt man unter dem Namen Zoea Jugend- zustände der Krabben und Einsiedlerkrebse, die sich be- sonders durch den Mangel der zehn Füsse auszeichnen, denen die erwachsenen Thiere den Namen der Decapoden verdanken. Denen der Krabben aufs Engste sich anschlies- sende Zoeaformen beschrieb ich kürzlich von den Porzel- lankrebsen. Aber auch bei gewissen Garneelen und Maul- füssern kommen, wie ich seitdem fand, ähnliche Zustände vor. üeber die Verwandlungsgeschichte der ersteren, die bald, wie bei Rankenfüssern und Wurzelkrebsen (Rhizoce- phalen), mit monoculusartigen Formen anheJ)t, um durch sehr eigenthümliche Zoea- und Mysis- ähnliche Zustände hindurchzugehen, bald mit Zoeaformen beginnt, die in Bau und Art der Bewegung denen der Einsiedlerkrebse ähneln, während bei wieder anderen bekanntlich kaum von einer Verwandlung die Rede sein kann, — hoffe ich in Kurzem eine einigermassen vollständige Uebersicht geben zu können ; bei letzteren habe ich fürs Erste keine Aussicht zu neuen Beobachtungen und theile daher mit, was ich über die ein- zige bis jetzt gefundene Larve aufgezeichnet habe. Das 3,25 Mm. lange Thierchen (Fig. 1) hat im Allge- meinen die Gestalt und hat auch in vollem Masse die glas- Arch. für Naturg. XXVIII. Jahrg. 1. Bd. 23 354 Müller: helle Durchsichtigkeit einer Alima. Die Körperringe sind fast in gleicher Zahl, wie bei erwachsenen Maulfüssern vorhanden ; denn nur der sechste und siebente Hinterleibs- ring sind noch nicht von einander geschieden; aber wie bei den Zoea der Krabben und Porzellankrebse fehlen noch spurlos die Anhänge der sechs hinteren ßrustringe ^^), und die Seitenblätter der Schwanzflosse "-'"'). Das Schild, das die drei hintersten Brustringe un- bedeckt lässt, ist flach, fast gar nicht seitlich herabgebogen. Sein hinterer Theil hat ungefähr die Gestalt einer sog. Seemaus, also eines Vierecks, dessen Ecken in vor- und hinterwärts gerichtete Spitzen ausgezogen, dessen Vorder- und Hinterrand gleich breit (etwa 2/3 der Länge), und des- sen Seiten sanft gewölbt sind. Der Hinterrand ist in der Mitte, so weit er dem Körper aufliegt, ausgebuchtet. Die ^■) Der überaus gezwungenen Auffassung, die die Brust der Krnsler, wie die der Insekten, auf drei Ringe beschränken will, habe ich mich nie befreunden können. Sie wird, scheint mir, durch die Enlwickelungsgeschichte der einer Verwandlung unterliegenden Krebse widerlegt, während die altherkömmliche augenfällige Grenzlinie zwi- schen Brust und Hinterleib dadurch bestätigt wird. Kur die Rück- sicht auf die Insekten konnte von dieser ab und zu jener neuen künstlichen Demarcationslinie hinführen. Wenn nun aber überhaupt Kruster in ihren Körperabschnitten mit Sicherheit den Insekten ver- gleichbar sind, so sind es gewisse Zoeaformen (z. B. von Pagurus) mit drei Paar Mundtheilen, drei Paar Füssen und anhangslosem Hin- terleibe. Diese drei Fnsspaare werden nun allerdings, wie jene Auflassung will, zu Kieferfüssen des Krebses, aber die fünf eigent- lichen F'usspaare^desselben entstehen nicht etwa aus dem Hinterleibe der Zoea, während hinten ein neues „Postabdomen" hervorsprosst, — sondern sie entstehen vor dem Hinterleibe und häufig gleichzeitig und in gleicher Form mit dem dritten Paare der Kieferfüsse. Sie sind als ein den Insekten ganz fehlender Zuwachs zur Brust zu be- trachten, und es wiederholt sich hier noch einmal der Vorgang, dass nach dem Auftreten neuer hinlerer Füsse die vorderen ihrer ursprüng- lichen Verrichtung untreu und zu Fühlern oder Fresswerkzeugen werden. ^'0 Die beiden letzten Ilinterleibsringe, die meist so auffallend von den vorhergehenden abweichen, denselben unter eigenem Namen, als Schwanz, entgegenzustellen, lässt sich ebenfalls aus der Ent- wickelungsgeschichte der Genannten rechtfertigen. Bruchstück zur EnlW'icUelunffsjTeschichte der Maulfüsser. 355 'o o vorderen Ecken liegen über dem Urspriino-e der hinteren Fühler; zwischen ihnen setzt sich das Schild nach vorne fort, rasch sich verjungend und in eine Spitze auslaufend, die den Körper um etwa Vg seiner Länge überragt. Die Längre des vom Schilde bedeckten vorderen verhält sich zu der des hinteren unbedeckten Körpertheiles etwa wie 3 : 5. Der vorderste, Augen und Fühler tragende Abschnitt des Körpers (Fig. 2), der fast ganz von einer ansehnlichen Nervenmasse gefüllt ist, bildet ein 0,28 Mm. langes, hinten ebenso, vorn halb so breites Viereck, in dessen Mitte auf der Unterseite ein kurzer vorwärts gerichter Dorn steht. Von seinen vorderen Ecken entspringen die Augen , deren äusserste Wölbungen, wenn sie gerade seitwärts gerichtet, 0,5 Mm. von einander entfernt sind ; V3 dieser Entfernung kommt auf den Stirnrand und die schlanken Grundglieder der Stiele. Das Endglied des Augenslieles bildet einen schiefen Kegel, dessen vorderer Rand etwa Vg des hinteren misst; letzterem kommt der Durchmesser der Grundfläche etwa gleich, über welche sich das eigentliche Auge wölbt. Unter dem Stirnrande sieht man in der Mitte eines halbkreisförmigen Vorsprunges ein kleines schwarzes un- paares Auge, welches vielleicht daraufhindeutet, dass auch hier die Entwickelung mit einäugigen Zuständen beginnt. Etwas näher den Augen als den hinteren Fühlern entspringen vom Rande des Körpers die vorderen Füh- ler; die auf dreigliedrigem Stiele einen zweigliedrigen oberen und inneren ungegliederten unteren Ast tragen und etwa V5 der Körperlänge erreichen. Von den drei Gliedern des Stieles ist das mittlere halb so lang als jedes der bei- den anderen; die beiden ersten sind walzenförmig, das dritte nach oben verdickt. Der obere Ast ist schlank, von der Länge des Stiels und trägt eine lange Rorste am Ende des ersten, zwei am Ende des kurzen zweiten Gliedes. Der untere Ast ist kegelförmig zugespitzt, kürzer, aber weit dicker als der obere, mit langer Endborste; er trägt (Fig. 3) etwa in der Mitte seiner oberen Fläche sechs dünne, wal- zenförmige Fäden oder „Stäbchen" mit abgerundeter Spitze und sehr zarten Umrissen. Die drei oberen sind etwa 356 Müller: 0,2 Mm. lang ; die drei unteren erreichen nur V3 dieser Länge. In Bezug auf diese „Stäbchen" an den inneren Fühlern der Kruster sei mir eine kleine Abschwei- fung gestattet. Es scheinen diese Gebilde, auf die man in neuerer Zeit bei niederen Kruslern von mehreren Seiten aufmerksam geworden ist *) sehr allgemein in der ganzen Klasse vorbreitet zu sein. Ich fand sie bei verschiedenen Copepoden, bei den Larven von Balanen und Rhizocepha- len, bei jungen Bopyrus bei Tanais u. a. Isopoden, bei Caprella, bei vielen Gammarinen, bei Hyperia, bei Cuma und Bodotria und bei allen stielaugigen Krebsen, die ich darauf untersuchte. Ich vermisste sie nur bei einigen Schmarotzern (Bopyrus, Cymothoa) und landbewohnenden Krustern (Ligia, Orchestia). Von zwei hiesigen Arten der letztgenannten Gattung fehlen sie der einen, während die andere sie besitzt **). Ihre Zahl und Anordnung, ihre *■) Sc hö dl er sah sie 1846 bei Acanthocercus, Leydig 1851 bei Branchipus, später bei Polyphemus u. a. Daphniden, Max Schultze 1852 bei Balanenlarven. Auch „eigenthümliche, schotenförmige, ge- stielte Anhängsel" (Fig. 12), die mir 1846 am dritten und den fol- genden Geisselgliedern der inneren Fühler des Sphäroma der Ostsee auffielen, dürften trotz der abweichenden Gestalt hierher gehören. '•■*) Zusatz von M. Schultze: Ausführlicher noch- als an den Fritz Müller bekannten Stellen sind die in Rede stehenden Ge- bilde geschildert von de la Valette in seiner Inauguraldisserl. de Gammaro puteano 1857, von Leydig Naturgeschichte der Daphni- den 1860. p. 42 — 46 und am genauesten von demselben in dem Archiv für Anatomie und Physiologie 1860. „Ueber Geruchs- und Gehöror- gane der Krebse und Insekten" p. 281 (T. Leydig kommt wie Fritz Müller zu dem Schlüsse, dass die Gebilde aller 'Wahrscheinlichkeit nach Geruchsorgane seien. Was aber als das eigentlich Charak- teristische für die als Geruchsorgane zu deutenden Anhänge zu gel- ten habe, gehl auch aus Leydig's Darstellung noch nicht hervor, doch dürfte vorläufig, abgesehen von ihrem Sitze an den Antennen (bei den Krebsen am inneren Fühlerpaare), ihrem IS'ervenreichthume und einer gewissen Zartheit der äusseren Haut die stumpf geen- digte Spitze und der Anschein einer OefTnung an derselben als charakteristisch gelten. Hiernach würden die zuerst von mir bei Ba- lanenlarven beschriebenen neben dem Auge entspringenden bor- Bruchstück zur Entwickelungsgeschichte der Maulfüsser. 357 Grösse und Form unterliegt vielfacher Verschiedenheit. Ein einziges Stäbchen fand ich an der Spitze der Fühler bei mehreren Isopoden (Fig. 15), mitten am Fühler bei einem Copepoden (Fig. 18j; einen Fächer von etwa zehn Stäbchen bei jungen Bopyrus (Fig. 13). Bei Isopoden, Caprcllen, Amphipoden pflegen sie zu einem oder zweien an der Spitze und auf der unteren Seite der Geisseiglieder zu stehen, bald aller, bald mit Ausnahme der unteren (Fig 14, 17). Bei Squilla, wo der äussere Ast der inneren Fühler sich nochmals spaltet, fand ich sie zu drei am Ende der 14 letzten Glieder des kürzeren 42-gliedrigen Zweiges. Bei den Decapoden scheinen sie meist den Anfang der Geissei einzunehmen und das Ende frei zu lassen. So bei Mysis, wo sie bei einer Art (Fig. 10) sich auf einem eigenen Vorsprung zusammendrängen. So auch bei Krab- ben, Porcellanen und Paguren (Fig. 8), wo sie in grösster Zahl und ansehnlichster Grösse (bis 1 Mm. lang) vorkom- men und in einer oder mehreren Querreihen die dicken kurzen Glieder des einen aus verdickter Basis rasch ver- jüngten Fühlerastes besetzt halten. Wo die vorderen Fühler noch als Füsse dienen, fehlen die Stäbchen, wie bei Garneelenlarven ^'"), oder entspringen vom Körper selbst, wie bei den Larven der Balanen und Rhizocephalen. Die Gestalt der Stäbchen ist in der Regel einfach walzenförmig; unten zwiebeiförmig angeschwollen und hier mit derberer Hülle versehen fand ich sie bei Squilla (Fig. 11), bei einer kleinen Garneele (Hippolyte? Fig. 9) und bei Ocypoda. Das Ende ist meist halbkuglig abgerun- det und zeigt bisweilen einen kleinen stärker lichtbrechen- den Fleck. Bei der erwähnten Garneele (Fig. 9a) war dem abgerundeten Ende ein kurzes, zartes Spitzchen aufgesetzt. Bisweilen sind sie nach dem Ende zu verjüngt; so fand stenartigen Fühler (siehe Zeitschr. f. wiss. Zoologie Bd. IV. 1852. p. 191), welche spätere Beobachter übersahen, Fritz Müller aber wiederfand und mit zu den Geruchsorganen rechnet, eher Tastor- ganc sein. *) Die Fühler der Garneelen sind umgewandelte Schwimmfüsse; schwerlich aber umgekehrt die Ruderfüsse der Daphnien ^umgeformte Antennen.'^ 358 Müller: ich sie bei Pagurus; hier, wie bei Krabben und Porcellanen, sind sie durch zarte Ringfurchen in kürzere oder längere Glieder getheilt und kegelförmig zugespitzt. Bei grösseren Stäbchen erscheint der Inhalt bisweilen zart längsgestreift, oder man sieht längsgeordnete feinste Körnchen. Welches ist nun wohl die Verrichtung dieser stäb- chentragenden Fühlergeissein? Will man nicht an einen uns Landbewohnern ganz fehlenden Sinn denken, — und dafür Hesse sich allerdings die Verkümmerung der inneren Fühler bei landbewohnenden Krustern, bei Asseln, bei Orchestia, bei Ocypoda "") anführen — so wird man kaum umhin könne'n, sie als G er uchs Werkzeuge zu deuten Zum Betasten fester Körper sind sie bei den Krabben, wo ihr Stäbchenbesalz gerade am reichsten entwickelt ist, un- tauglich wegen ihrer Lage, ihrer geringen Länge und selbst wohl wegen jener so zarten, leichtverletzlichen Anhänge. Be- wegungen des Wassers wahrzunehmen, wozu ebenfalls schon ihre Kürze sie wenig passend erscheinen lässt, hindert sie eine lebhafte vom Munde aus bei ihnen vorüberziehende Strö- mung. In einer solchen vom Munde wegführenden Strö- mung wird man ebenfalls kein Geschmackswerkzeug suchen wollen. Es bleibt so von unsern fünf Sinnen nur der Ge- ruch übrig. Derselbe kann Thieren nicht fehlen, die sich durch stark riechende Köder anlocken lassen. Sieht man nun, wie die inneren Fühler der Krabben, Porcellanen, Pagu- ren, in fast ununterbrochener Bewegung sind, in kurzen, raschen Schlägen mit ihrem Stäbchenbüschel das Wasser gleichsam durchfühlend, das in beständigem Strome bei ihnen vorüberzieht, so darf man sie wohl für ebenso geeignet zu Wahrnehmung von Gerüchen halten , wie die bisher als Geruchswerkzeuge gedeuteten Theile im Grund- gliede der äusseren oder inneren Fühler hierzu ungeeignet erscheinen, da ihnen das unerlässlichste Erforderniss eines Geruchwerkzeuges, leichter und freier Zutritt des Wassers, abgeht *^^). ^) Auch bei Gelasimus finde ich die Stäbchen ungewöhnlich zart und kurz. ^") Wenn Leydig (Histologie S. 280) mit Recht Bedenken tiägt, l Bruchstück zur Entwickelungsgeschichte der Maulfüsser. 359 Ich kehre zurück zu unserer Larve. Die hinteren Fühler entspringen ebenfalls vom Rande des Körpers an den hinteren Ecken des erwähnten, Augen und Fühler tragenden Vierecks; kaum kürzer als die vorderen bestehen sie aus einem zweigliedrigen Stiele und einem gegen das abgerundete Ende etwas verbreiter- ten und mit Borsten besetzten blattförmigen Endgliede, das dem Stiele an Länge gleichkommt und in der Ruhe hinter- wärts gerichtet ist. Die gegliederte Geissei der erwach- senen Maulfüsser vermisse ich. Der Mund liegt in der Mitte zwischen den vier seit- lichen Ecken des Schildes; vor ihm eine ansehnliche helm- förmige Oberlippe; zu seinen Seiten die anscheinend tasterlosen Oberkiefer (Fig. 4), mit je drei spitzen Zäh- nen bewaffnet, die nach hinten an Länge zunehmen und an ihrem vorderen Rande wieder fein gezähnelt sind. Dann folgen zwei Paar schwach entwickelter Unterkie- fer; der vordere (Fig. 5) hat zwei mit je drei dornar- tigen Borsten bewaffnete Aesle und einen winzigen Taster; der hintere (Fig. 6) ist ein ganz ungegliedertes längli- ches Stummelchen mit einigen Borstchen am Ende. Das nächstfolgende Fusspaar ist dünn, schlank, fünf- gliedcrig, und reicht zu den Seiten des Mundes nach vorn bis fast zum Ursprünge der hinteren Fühler ; seine beiden letzten kurzen Glieder pflegen einwärts und rückwärts ge- richtet zu sein. Dicht dahinter entspringen die ansehnlichen Raub- füsse. Das Thierchen liebt sie, während es senkrecht im Wasser schwebt, weit ausgespreizt zu tragen (Fig. 1). Dann reicht das Grundglied quer nach aussen bis zum Rande des Schildes ; das zweite und dritte bilden einen gegen das Ende schwach verdickten, 1 Mm. langen Stiel, der schief nach oben gerichtet bis zur Höhe der Augen reicht; das vierte Glied ist kurz und undeutlich geschie- eine Höhlung, in der sich „allerlei Detritus" anzuhäufen pflegt, ohne Weiteres als „Ührhöhle" anzuerkennen, so dürfte dieser wenig zu- gängliche Raum mit seiner Ansammlung verwesender Slolfe gewiss noch weniger sich als „Nasenhöhle" empfehlen. 360 Müller: den und verbindet den Stiel mit dem wagerecht nach aus- sen gerichteten, 1 Mm. langem Handgliede, das schwach keulenförmig verdickt ist und am geraden Innenrande einen längeren und . eine Reihe ganz kurzer Dornen trägt. Die Klaue endlich ist schwach gekrümmt, ungezähnt und hat etwa Vg der Länge des Handgliedes. Am Grunde der Raub- füsse bemerkt man einen kleinen rundlichen, blatt- oder blasenf'örmiofen Anhangf. Hinter den Raublüssen folgen sechs anhangslose Ringe; die drei vorderen, noch vom Schilde bedeckt, aber nicht mit ihm verwachsen, nehmen nach hinten an Länge zu und verhalten sich etwa wie 2:3:4; zusammen sind sie halb so lang als die drei hinteren, die unter einander gleich sind. Die sechs Ringe zusammen sind 0,75 Mm. lang; ihre Breite beträgt 0,2 Mm. Um die Hälfte breiter, an den Gelenken etwas einge- schnürt und an den hinteren Ecken mit je einem kurzen Dorne bewehrt, erscheinen die folgenden fünf Ringe, die zusammen reichlich % der Körperlänge ausmachen. Die vier vorderen von diesen fünf Ringen tragen Schwimm- füsse (Fig. 7), die alle in gleicher Weise gebildet sind; ein 0,3 Mm. lariges, kräftiges, am Ende etwas verbreiter- tes Grundglied trägt zwei etwa halb so lange mit Borsten besetzte Endblätter, von denen das innere gegen das Ende seines Innenrandes einen kleinen fingerförmigen Fortsalz hat. Kiemen fehlen noch vollständior. Der Schwanz endlich, aus einem einzigen Stücke bestehend, bildet ein ansehnliches, viereckiges Blatt von etwa 1/5 der Körperlänge und kaum minderer Breite; seine Seitenränder sind sanft gewölbt, sein Hinterrand seicht ausgebuchtet; 16 winzige Zähnchen stehen in dieser Aus- bucht, ein etwas längeres an jeder Hinlerecke und sechs an jedem Seilenrande. Der einzige Maulfüsser, den ich hier kenne, ist eine Squilla, wenig oder nicht verschieden von Squ. Mantis. Ihm wird wahrscheinlich die eben beschriebene Larve zu- gehören. Junge Squillen derselben Art von etwa 10 Mm. Länge, gleichen schon ganz den Erwachsenen bis auf die geringere Zahl der Fühlerglieder, der Zähne an den Raub- I Bruchstück zur Entwickelungsgeschichte der Maulfüsser. 361 füssen, der Kiemenfäden u. dergl. — Sie hatten noch die glashelle Durchsichtigkeit unserer Larve und besassen, wie diese, ein unpaares Auge. Erklärung der Abbildungen. Fig. 1. Zoeaform "") eines Maulfüssers aus dem Meere von Santa Catharina, lömal vergr. „ 2 — 7. Einzelne Theile desselben, stärker (SOmal) vergr. „ 2. Vorderster Theil des Körpers, v. u. „ 3. Vordere Fühler, v. d. Seite. „ 4. Oberkiefer. „ 5. Vorderer Unterkiefer. „ 6. Hinterer Unterkiefer. „ 7. Die beiden letzten Ringe der Brust und der erste des Hin- terleibs mit einem seiner Schwiramfüsse. „ 8 — 18. Stäbchen von den inneren Fühlern verschiedener Kruster ; 90mal vergr. (mit Ausnahme von Fig. 10, 12 u. 16). s Stamm, a äusserer, i innerer Ast des Fühlers, v Blutgefäss. „ 8. Von einem kleinen Pagurus. 8«. Die Spitze eines der Stäbchen. „ 9. Von einer kleinen Garneele (Hippolyte ?). 9a. Die Spitze stärker vergr. „ 10. Von 3Iysis (45mal vergr.). „ 11. Von Squilla. „ 12. Von dem Sphäioma der Ostsee (Vergrösserung unbestimmt). „ 13. Von einem jungen Bopyrus. „ 14. 15. Von zwei verschiedenen Tanaisarten. „ 16. Von Caprella (180mal vergr.). g Ganglion (?) „ 17. Von Gammarus. „ 18. Von einem Copepoden. Desterro, im Januar 1862. *) Ich möchte den Namen Zoea auf alle Krebslarven ausdeh- nen, die 2 Paar Fühler, 3 Paar Mundtheile und 2 bis 3 Paar Füssc an der Brust besitzen, aber noch der 5 bis 6 letzten Paare der Brust- füsse entbehren. Phacdimiis Jagori^ ein neuer Goliathide von Luzon. Beschrieben von Dr. A. Gerstaecker in Berlin. Die sehr in die Augen fallenden Unterschiede dieser neuen, nur im männlichen Geschlechte vorlieg-enden Art von Phaedimus Cumingii Waterh., Westw^. bestehen in Fol- gendem: Der Kopf ist rein metallisch grün, das Kopfhorn um die Hälfte kürzer als bei Ph. Cumingii, auf der Vor- derseite dicht und gleichmässig fein ciselirt, daselbst ohne Höcker und Kiel, sondern vollständig flach, an der Basis mehr denn halb so breit als an der tief ausgeschnittenen, zweilappigen Spitze; die seitlichen Kopfleisten senken sich von hinten nach vorn gegen den Seitenrand des Clypeus herab, in welchen sie allmählich übergehen; der Scheitel ist nicht tief grubig, sondern seicht muschlig sculpirt. Das Halsschild, im Profile gesehen, ist von der Basis aus nicht blasig aufgetrieben, sondern nur schwach gewölbt und nach vorn hin deutlich abschüssig, daher ouch das Thorax- horn vom Kopfe nicht durch eine liefe Lücke getrennt ist, sondern dem Scheitel fast unmittelbar aufliegt; letzteres ist zugleich sehr viel kleiner und schujaler als bei Ph. Cumingii, seitlich stark zusammengedrückt und daher stumpf gekielt, an 'der Unterscile ohne zaiinförmige Erweiterung, sondern gerade abgeschnitten. Die ganze Oberfläche des llalsschildes ist gleichmässig dicht und fein ciselirt, daher Gerstaecker: Phaedimus Jagori. 363 nirgends polirt, sondern überall matt seidenartig glänzend, nur der ziemlich stark verdickte Seitenrand glatt; die ganze Scheibe und der Seitenrand metallisch grün, zwei Längs- binden innerhalb desselben rothgelb, indessen vor der Mitte durch einen grünen Randfleck unvollständig unter- brochen. Die ßrustseiten aller drei Thoraxringe sind gleich- falls rothgelb, aber mit deutlichem, grünem Metallschinimer Übergossen ; die eingerissenen Linien auf den Seiten des Prothorax sind zahlreicher und dichter als bei Ph. Cumingii. Das Schildchen ist seicht lederartig gerunzelt, rolhgelb mit grünen Rändern. Die Flügeldecken sind an der Basis etwas breiter als bei Ph. Cumingii, ihre Schulterecken stärker heraustretend und der hintere Theil daher mehr verengt erscheinend ; ihre Oberfläche ist durch gleichmässige und feine Ciselirung matt, lässt ausserdem ziemlich regelmässige Längsreihen feiner Punkte, ferner eine sehr schwache Längs- rippe in der Mitte zwischen Naht und Seilenrand, endlich auch eine seichte Vertiefung in der Schildchengegend er- kennen, auf welche zwei leichte Querbeulen folgen. Ihre Färbung ist goldgelb mit leichtem grünen Metallschimmer, die Naht, der Seitenrand und eine von der Schulter- bis zur Spitzenbeule verlaufende, scharf abgegränzte, gerade Längsbinde lebhaft metallisch grün. Das Pygidium ist rost- rot!), leicht metallisch schimmernd, sehr viel dichter und seichter querriefig als bei Ph. Cumingii. Auf der Unter- seite ist das Sternum, die Hinterhüften und das Abdomen metallisch grün; die Behaarung ist hier sehr viel dichter und stärker als bei der bekannten Art, so dass mit Aus- nahme der nackten ßrustmitte überall die Grundfarbe sowohl als die dichte, querriefige Stulptur fast ganz verdeckt wird. Sie zeigt dieselbe greise Farbe wie bei Ph. Cumingii, nur ein dieser Art ganz fehlender dichter Busch aufrechter Haare auf der Mitte des fünften Hinterleibsringes ist ziem- lich lebhaft gelb. Die Beine sind in allen Theilen kräfti- ger gebaut, besonders in den Schienen, von denen zugleich die beiden hinteren Paare merklich länger sind; die Vor- derhüften sind hell rostroth mit grünem Schimmer, die Kniee so wie die Schienen an der Ausscnseite bis über die Mitte hinaus intensiv metallisch grün, im Uebrigen rothgelb. 364 Gerstaecker: An den Mittel- und Hinterschienen ist die rothgelbe Haar- bürste nicht auf die kleine untere Hälfte und auf die In- nenkante beschränkt, sondern sie dehnt sich in starker Fülle auf die ganze Innenseite und fast bis zum Kniege- lenke aus. Die Schiendornen und die ganzen Tarsen mit Einschluss der grossen Fussklauen sind einfarbig metallisch grün, nur ihre ßedornung und die Afterklaue rostroth. Ein von Herrn Dr. F. Ja gor an das Berliner Museum aus Luzon gesandtes Männchen misst von der Spitze des Kopfhornes bis zum Hinterrande des Pygulium 9V4 Lin. Durch diese Art erhält die Gattung Phaedimus Waterh. Weslw., deren Berechtigung man in Zweifel gezogen und die man als Untergattung mit Mycteristes hat verbinden wollen, einen Zuwachs, welcher ihre Gattungsrechte ausser allen Zweifel stellt. Der Gesammthabitus, die Nacktheit der Körperoberfläche, die kräftige Bildung der Beine, der Man- srel der Zähne an den Vorderschienen des Männchens u. s. w. schliessen beide Arten eng aneinander und zugleich von Mycteristes aus. Die Hauptunterschiede beider Arten lassen. sich folgendermassen gegenüberstellen: ^^ 1) Phaedius Cumingii. Westwood, Arcan. entom. I. p. 5. pl. I. fig. 1. 2. Waterhouse, Transact. entom. soc. IV. p. 36 f. Phaed. cornu capitis antrorsum tuberculato, basi for- tiler attenualo, apice truncato : thorace inflato, disco lae- vigato, toto metallico-viridi, lucido, cornu a capite dislante, subtus dentato -producto: scutello laevi, cupreometallico: elytris irregulariter cicatricoso-punctatis, regione scutellari laevi, abdomine parce piloso: coxis anticis viridi-metallicis, tibiis ferrugineis, viridi-resplendentibus, posleriorum scopa fulva angusta, vix ad medium usque adscendente: tarsis cum unguiculis ferrugineis, articulis singulis apice viridi- metallicis. 2) Phaedimus Jagori Gerst. Phaed. cornu capitis antrorsum deplanato, basi parum attenualo, apice bifido : thorace parum convexo, antrorsum declivi, ubique subtiliter coriacco, subopaco, viridi, vilta I Phaedimus Jagori. 365 utrinque crocea subinterrupta: cornu thoracico capili in- cumbente, subtus truncato: scutello subliliter coriaceo, flavo, viridi-marginato: elytris ubique subtiliter coriaceis, serialim punctulatis, flavescenti - aiireis, sutura, margine viltaquc laterali viridibus: abdomine densissime piloso, segmento qiiinlo scopa pilorum flavescentiuni vestito; coxis anticis ferrugineis, tibiis extus ultra medium usque larsis- que totis cum unguiculis viridi-metallicis : tibiarum poste- riorum scopa fulva lalissima, ad basin fere usque ad- scendente. Noch ein Wort über die C<^|Htelleii und ihre Stelle im Systeme der Anneliden. Von Prof. Dr. Ed. Grube in Breslau. Durch die Mittheilungen, welche Herr Professor van Beneden 1) über die Gattung Capitella Blainv. (Lumbri- conais Oersd.), speciell über C. capitata (Lumbricus capi- tatus Fabr.), veröffentlicht hat, ist unsere Kenntniss von diesen sehr eigenthümlichen Anneliden aufs wesentlichste gefördert worden. Diese Mittheilungen vervollständigen nicht bloss, was A. S. Oersted^) und Leuckart^) über ihren äusseren Bau und die Beschaffenheit des Darni- kanals ermittelt hatten , sondern umfassen auch die ge- sammte übrige Organisation, die Geschlechtsverhältnisse, auf deren Abweichung von den Lumbrici schon Leu ck art hingewiesen, und die Entwickclungsgeschichte, und geben Resultate, die durch unabhängig angestellte Untersuchungen bestätigt werden. Als ich 1856 nach Kopenhagen kam, legte mir nämlich Oersted eine Reihe die Anatomie der Capitellen betreffender Zeichnungen vor, und forderte mich auf, mich während meines Aufenthalts von den mancherlei Eigenthümlichkeiten zu überzeugen, die ihm im Verfolge 1) Histoire naturelle du genre Capitella Bull, de TAcad. royale de Belgiques 2. ser. III. Nr. 9. 10. (1857). 2) Conspectus generum specierumque Naiduin. Kroyer Tidsskr. IV. 1842. p. 128. pl.III. Fig. 6, 10, 11. 3) Beiträge zur Kenntniss wirbellos. Thiere (1847) p. 151 und Archiv für Naturgeschichte Jahrg. XV. (1849) I. p. 163. Grube: Noch ein Wort üb. d. Capitellen u. s. w. 367 seiner Beobachtungen aufgeslossen waren und unter denen ihm das Vorhandensein zahlreicher, bestimmt geformter vcrhältnissmässig grosser rother Körperchen in der Lei- beshöble, das ungemeine stellenweise eintretende Aufblä- hen des Leibes und der gänzliche Mangel an Blutgefässen am meisten aufgefallen war. Auch hatte er Männchen und Weibchen nach äusserem und innerem Baue unterscheiden gelernt, und glaubte den vordersten Theil des Nervensy- stems erkannt zu haben. Das Vorkommen dieser Anneli- den in dem grossen Kanäle von Kopenhagen setzte mich in den Stand, in den wenigen Tagen meines Aufenthalts, diese so höchst interessanten Beobachtungen an einer Reihe von Exemplaren zu wiederholen ; allein obwohl wir da- mals — es war in den letzten Tagen des Juli — in man- chen Weichen noch Eier antrafen, gelang es doch nicht in den Hoden der Männchen Spermatozoon zu finden, die Oersted mehr spindelförmig als van Beneden mit spitzerem Vorderende und kürzerem Endfaden abgebildet hatte. Dass ich damals der Aufforderung Oersted's, diese Beobachtungen bekannt zu machen, nicht entsprach, lag zum Theil an dem Mangel eines Mikrometers — denn es schien mir nothwendig, auch den Durchmesser jener in der Leibeshöhle fluctuirenden Körperchen anzugeben. — Eine zweite unabhängige Bestätigung der va n Ben e deut- schen Untersuchungen ist vor Kurzem durch Claparede *) erfolgt, der, ohne von ihnen zu wissen, dieselbe Species auf den Hebriden beobachtet hatte, aber ebenso wenig als ich die Geschlechtsverhältnisse einer vollständigen Prüfung unterziehen konnte. Was nun das Fluidum der Leibeshöhle und jene ro- then so massenhaft in ihm enthaltenen Körperchen betrift't, so erklärt sich auch Claparede für die Analogie des- selben mit der Blutflüssififkeit. Van Beneden bezeichnet sie als globules und nennt ihre Form tenticulaire; ich über- zeugte mich beim Ausflicssen derselben aus einer Wunde der Leibeswand , dass sie scheibenförmig kreisrund sind. 1) Meraoires de la societe de phys. et d'hist. nat. de Geneve 1861. p. 110. pl. 1. 368 Grube: indem sie dem Beobachter bald ihre breite Fläche, bald ihren Rand zeigen; auch Claparede nennt sie disques, und ich möchte sogar glauben, dass sie biconcav wie die Blutkörperchen der Säugthiere sind: dass sie einen wirk- lichen Kern enthalten, wie vanBeneden und Claparede angeben, dessen konnten Prof. Reichert und ich sich nicht vergewissern; was man dafür halten konnte, schien nur zufällig anzuhaften und eines der Körperchen zu sein, die auch sonst noch frei in der Leibeshöhle vorkommen; auch wollte es durchaus nicht gelingen, durch Anwendung von Essigsäure einen Nucleus deutlicher zur Anschauung zu bringen. Die Wirkung dieses Mittels bestand darin, dass die Scheibchen kaum etwas kleiner wurden, und während ihr Aussenrand gleichmässig kreisrund bleibt, ihr Inneres wie zerknittert oder granulirt erscheint — man konnte winzige scharf umschriebene Körnchen darin unterscheiden. In Aether werden sie entschieden unregelmässiger und Rand und Inneres setzen sich schärfer gegen einander ab. Doch muss ich bemerken, dass ich dieses alles nur an solchen Capitellen beobachtet habe, welche mir durch die Güte des Herrn Prof. van Beneden nach Breslau zu- geschickt waren, und die von der Decemberwitterung be- günstigt zwar noch lebend ankamen, aber zum kleinsten Theile lebensfrisch aussahen , dennoch zeigten auch die zerrissenen oder halbtodten kein wesentlich verschiedenes Verhalten in jener Beziehung. Den Durchmesser der Kör- perchen giebt Claparede auf 0,010 Mill. (d. h. 0,005 Lin. rhein.) an, ich fand ihn grösser 0,006 bis 0,008 Lin., oder etwa ^ der Länge der kürzeren Hakenborsten: nach meiner Erinnerung zeigten die in Kopenhagen beobachteten ein ähnliches Grössenverhältniss, obwohl sie mir damals wegen der Kleinheit der Thiere , die ich vor mir hatte — sie massen meist nur 5 Linien — ungemein gross vorkamen. Die Körperchen strömten mit der Flüssigkeit der Leibes- höhle aus einem Segment in das andere ober- und unter- halb der Ligamente oder Dissepmente, wie sie van Beneden nennt, welche den weiteren Theil des verdauenden Kanals an die Leibeswand befestigen. Dieser nahm den bei wei- tem längsten Theil des Körpers ein und erstreckte sich Noch ein Wort üb. d.Capitell, u. ihre Stelle im Systeme etc. 369 bei einem Exemplare von 33 Segmenten, wie die meisten von mir in Kopenhagen untersuchten waren, durch 16 der- selben, gegen die Mitte langsam an Weite zunehmend. Der etwa halb so dünne Oesophagus pflegte in der Ruhe, in der er 1 oder 2 Biegungen macht, bis in das 9te Segment zu reichen, das Ende des Darmkanals, das wiederum be- deutend dünner wird und sich in kurze Windungen legte, 4 bis 9 Segmente zu durchziehen, doch nahm ich schon in der hintersten Partie der weiteren Abtheilung des verdauen- den Kanals Excrementballen wahr. In dem äusserst engen, in der Ruhe linearen Lumen des sehr muskulösen Oeso- phagus bemerkte ich wiederholt Flimmerbewegung. Die Hakenborsten zu 4 bis 5, an den hintersten Segmenten zu 2 bis 1 stehend, wurden, so viel ich gese- hen, in derselben Weise wie die Haarborsten bewegt, in- dem sich an das frei in die Bauchhöhle ragende Ende des Bündelchens von der Wandung her einzelne Muskelslränge setzten. Mitunter nur waren in einem der Haarborsten-| bündel, die bloss an den ersten 7 (oder 8 van Beneden) Segmenten vorkommen und ebenfalls 4 bis 5 Borsten ent- hielten, einzelne Haar- durch Hakenborsten ersetzt und zwar nur in dem 1., 2. oder 3. hintersten derselben; van Be- neden giebt dies als Regel an. Oersted machte mich auf einen von ihm entdeckten platten ziemlich ovalen und wie in zwei Zipfel auslaufenden Körper aufmerksam, der über der Mundhöhle lag und in dem er die obere Gan- glienmasse eines Nervenmundringes zu sehen glaubte: ich halte diese Deutung für um so weniger unwahrscheinlich, als sich auf jedem der beiden Zipfel ein scharf umschrie- bener schwarzer Punkt befand, der ganz nach einem Au- genpunkt aussieht. Auch Claparede gedenkt dieser Punkte, setzt aber hinzu, dass er nicht darin habe eine Linse nachweisen können. Eier, die ich in einem Exemplare in Kopenhagen beob- achtete, befanden sich weder in paarweise liegenden sich mit den Segmenten wiederholenden Säckchen, noch in der Leibeshöhle, in welche sie nach van Beneden aus die-, sen gelangen sollen, sondern in zwei zur Seite dos Darm- kanals gelegenen zartwandigen Schläuchen, welche im 12. Archiv f. Naturg. XXVIII. Jahrg. 1. Bd. 24 370 Grobe» Segment anfingen und bis zum 17ten reichten, und deren Durchmesser nicht viel grösser als ein Eichen war. D'Udekem^) in seiner „Classification" spricht eben- falls nur von zwei Ovarien. Auch in einem der Ostender Exemplare, die mir Herr Prof. van Beneden im März zugestellt hatte, fand ich Eier, sie hatten 0,05 Lin., ihr Keimbläschen 0,0015 Lin. im Durchmesser, lieber die harn- absondernden Organe, die nach d'Udekem in fast allen Körpersegmenten liegen sollen, kann ich keine eigene Er- fahrungen beibringen. Die merkwürdigen ankerförmigcn Gregarinen, welche Oersted in dem Darme seiner Capitellen entdeckt hatte, sind auch von V an B ened en, Leuckart, Claparede und mir gefunden. Die Abbildung von Claparede zeigt eine ganz entwickelte Form derselben , in welcher der Nucleus bloss durch den hellen Fleck in dem vordersten Körperdritttheil angedeutet ist, in jüngeren Thieren, deren Leib noch nicht so viele grünliche Masse erfüllt, tritt dieser Nucleus sehr viel deutlicher hervor, er ist bald mehr kreisrund, bald oval, enthält einen Nucleolus und liegt fast immer an derselben Stelle, mitunter mehr nach vorn, zwi- schen der Basis der Ankerarme. Wie der Mittelkörper an Länofe zunimmt und schlanker wird, wachsen auch diese Arme erst allmählich aus, sie sind anfangs ganz kurz, wie zwei blosse Zacken und wagerecht fortgestreckt, und in noch jüngeren Zuständen, wenn die Länge des Körpers noch kaum V4 des erwachsenen Thieres beträgt, sieht man keine Spur von ihnen, und die Form desselben ist dann einem nach hinten stark verlängerten Rhombus mit abge- rundeten Ecken vergleichbar. Diese ganze Reihe von Ver- änderungen, von denen ich nur einzelne gesehen, hat Oersted beobachtet. Die nächste Frage, die sich mir aufdrängt, ist, ob jene in Kopenhagen beobachteten und die bei Ostende, auf 1) Mcmoires de l'Acad. royale des sciences des lettres et des beaux arts de Belgique XXXI. 1859. p. 25. 2) Mem. de la soc. de phys. et d'hist. nal. de Geneve pl, 1. Fig. 15. Noch ein Wort üb. d. Capitell. u. ihre Stelle im Systeme etc. 371 Helgoland und auf den Hebridcn gefundenen Capitellen mit dem von Fabricius beschriebenen Lumbricus capilatus einerlei Art angehören. Die Grössenunterschiede geschlechts- reifer Individuen sind sehr beträchtlich: während Oersted die Länge seiner Lumbriconais marina auf 10 bis 12 Linien angiebt, ich sogar Männchen von nur 5 Linien in Händen hatte, fand van Beneden die Männchen 24— -27 Linien, die Weibchen bis 4 Zoll lang und Claparede mitunter noch etwas längere, Leuckart sogar bis 7 Zoll lange Exem- plare! Fabricius Bezeichnung „longitudine Lumbrici ter- restris" beweist, wenn auch nach seiner Angabe die grönländischen Thiere dieser Art keine so ansehnliche Grösse als die norwegischen erreichen, (unter denen er einen fusslangen erwähnt), jedenfalls, dass seine Exemplare zu den ansehnlicheren gehörten. Die grönländischen Ca- pitellen, die ich besitze, haben eine Dicke von 1,3 Linie und eine Läng-e von mehr als 2 Zoll. Ebenso schwankt die Zahl der Segmente, der Grösse entsprechend, von 33 und 45 (bei den kleinen Kopenhagenern) bis 60 und 82; bei allen von van Beneden, Oersted und mir unter- suchten Männchen ist es das 8te und 9te Segment, an welchen die eigenthümlichen grossen gekrümmten Bauch- borsten vorkommen ^) und das 9te, in welchem die Ge- schechtsöffnung und der Hoden liegt. In der Zahl der Borsten herrscht eine merkliche Verschiedenheit: van Be- neden giebt 8 als die Normalzahl sowohl in den Bündeln der Haar- als in den Querreihen der Hakenborsten an, ich zählte an den Kopenhagener Exemplaren von beiden nie mehr als 4 bis 5, dagegen in mehreren belgischen 12, in den Grönländischen 12 oder mehr Haarborsten und weit mehr als 12, ja bis gegen 30 Hakenborsten, von denen freilich die der Mittellinie des Bauches am nächsten ste- henden kaum zu unterscheiden waren, während sie in der 1) Bei van Beneden scheint die Angabe des 9ten und lOlen Segments (p. 17) ein blosser Druckfehler, da seine Zeichnung das 8te und 9te als die betreffenden darstellt. Bei einem grönländischen Exemplar finde ich merkwürdiger Weise diese Borsten nicht an der Bauch-, sondern an der Rückenseite! 372 Grube: entg-eorennresetzten Richtung- merklich an Länge zunehmen. Da nun die kleinste Zahl der Borsten gerade den kleinsten Exemplaren zukommt, so liegt die Annahme nahe, dass dieselbe mit dem Wachsthume zunimmt, und ich sehe in diesen Abweichungen ebensowenig wie in den früher be- sprochenen eine Nöthigung zur Annahme zweier Arten, glaube vielmehr, dass die Capitellen der Ostsee, wie manche andere Thiere, die sie mit der Nordsee gemein hat, keine so grossen Dimensionen wie dort erreichen. Ich muss ferner darauf hinweisen, dass zwar D al y el l's Lumbricus coplitatus ^) nicht hieher gehört, wohl aber der von Johns ton beschriebene Lumbricus capitaius, dessen Länge 3 bis 6 Zoll beträgt ^), dieselbe Species ist, und dass er auch seinen früheren L. littoralis^), welchen er „aculeis uniserialibus" charakterisirt halte, damit vereinigt. Dass er für das Blut, dessen sehr unregelmässiges Hin- und Her- fliessen und grümliche Massen ihm auch aufgefallen waren, zwei zwischen Darm und Leibeswand gelegene Seitenge- fässe annimmt, lässt sich, wenn er nicht anhaltend beob- achtet hat, wohl entschuldigen. Er sagt selbst, dass die Bewegung desselben von den ßev/egungen des Körpers und der Ausdehuung seiner Segmente abzuhängen scheine. Das Synonym von Lumbricus fragilis Müll., in dem jetzt ein Scoloplos erkannt ist, wird von ihm nur als fraglich cilirt. Unsere Annelide wird ferner von Fabricius als einerlei mit Olaffsen's L. littoralis minor aus Island angesehen. Doch schliesst die Verbreitung der Capitelta capitata auch noch nicht mit den isländischen und englischen Küsten ab, tritt vielmehr im adrialischen Meere wieder auf, denn der Lumbricus canalium, dessen Nardo vorübergehend als eines Bewohners einiger weniger tiefen und weniger befahrenen Kanäle Venedigs gedenkt ^) ist, wie ich mich durch die Untersuchung der von ihm selbst empfangenen Weingeist- 1) The powers of IheCicnlor Vol. IL 1853. pl. XVIL Fig. 8. 9. 2) Loudon Magazin of nat. liist. Vol. VllL 1855. p. 258. 3) Zoolog. Journal III. 1827. p. 328. 4) ProspeUo della Fauna marina volgare del Veneto estuario 1847. p.ll. Noch ein Wort üb, d. Capitell. u. ihre Stelle im Systeme etc. 373 exemplare überzeugt habe, ebenfalls keine andere Annölide als unsere Capitella ; ob sie auch an den französischen Küsten vorkommt, ist bisher nicht ermittelt. Die Entscheidung über die Stelle, welche die Gattung Capitella im Systeme einnehmen soll, scheint Herrn Dr. Claparede durch die Erörterungen, mit welchen van Beneden seine Mittheilungen schliesst, noch nicht erle- digt, und ich bin derselben Ansicht. VanBeneden kommt zu dem Resultat, dass die Capitellen diöcische Lumbrici- nen seien; alles was man zu Gunsten der Annahme, dass sie zu den Polychaeten gehörten, anführen könne, beschränke sich zuletzt auf die Art der Entwickelung, auf die Form der Embryonen, die mit kugligem Körper, mit zwei Augen und zwei Wimperbüschelchen neben denselben zur Welt kommen und dann eine Metamorphose durchmachen, indem zu dem Wimperkranz vor den Augen, der an jenen ßüschel- chen entstände, noch ein hinterer Wimperkranz trete, und die zwischen beiden gelegene Körperpartie sich strecke und in Ringe theile: die Abwesenheit von Gefässen und die Vertheilung der männlichen und weiblichen Geschlechts- organe auf zwei Individuen sei nicht von solcher Bedeu- tung, um darauf ein grosses Gewicht zu legen. Was aber spricht nun positiv dafür, die Capitellen zu den Lumbrici- nen zu rechnen, und in welcher Bedeutung ist dieser Name genommen? Er entspricht nicht der Familie, die ich unter diesem Namen aufgestellt, da van Beneden auch die Tubifex(Saenuris),Enchylraeen und Chaetogaster dazu zieht, sondern entspricht vielmehr d'Udekem's Unterordnung der Agemmes, die den Gegensatz zu seinen Gemmipares (den Naiden) bildet. Da nun die Lumbricinen im Sinne d'Udekem's lauter Anneliden mit Reihen von einzeln oder paarweise stehenden wenig vorragenden Hakenborsten um- fassen, so würde sich Capitella weniger an sie als an Tu- bifex anschliessen, eine Gattung, von deren 6 Arten 3 im Meere vorkommen, während dies Verhältniss bei den Lum- brici sich für die Meerbewohner viel ungünstiger gestaltet. Die Organisation der Agemmes spricht sich neben dem Vorkommen von Haken-, selten auch Haarborsten, vorzüglich in der Concentration der Genitalien auf gewisse beschränkte 374 G I u b e : Regionen des Körpers, in der Zwitterbildung und in dem Aultreten der sogenannten sc h I e i f en form ige n Or- gane aus, wogegen äussere Respirationsorgane (mit Aus- nahme von Alma niloüca) niemals erscheinen. Wenn also die Capitellen, wie van Beneden annimmt, Lumbrici auf einer niedrigen Stufe der Ausbildung der Organisation sind, so zeigt sich diese Abschwächung des Typus in dem Schwin- den der Blutgefässe und der einfacheren Anordnung der Genitalien. Als etwas Neues kommen die grossen gekrümm- ten Borsten an der Mündung des Hodens hinzu, die An- ordnung der Borsten in den seitlichen Reihen, das gelrennte Geschlecht, die abweichende Bildung der Eier und die Metamorphose der Jungen, doch muss man freilich hinzu setzen, dass man die Jugendzuslände der marinen Formen der Agemmes nicht kennt, und ob diese eine Metamorphose durchlaufen, dürfte ebenso wenig voraus zu sagen möglich sein, als man dies beim Hummer hätte vermuthen können, der seinen nächsten Verwandten am Flusskrebs hat und doch einer anderen Entwickelung folgt. Wenn man sich nun zu den Polychaeten wendete, fiele es schwerer, unter ihnen Formen zu linden, an die sich die Capitellen anreihen Hessen? Ich gestehe, dass, so sehr ich durch die ersten Miltheilungen Oersted's^) und bevor ich diese Thiere selber gesehen, ihm zu folgen und sie unter die Naiden aufzunehmen bestimmt ward -), ich nachher Bedenken trug, ihnen diese Stellung zu las- sen, und beim ersten Anblicke eines grösseren Weingeist- exemplars weder mehr an JVaiden noch an andere Oligo- chaelen dachte. Bei diesem Exemplare waren die Segmente verhältnissmässig merklich länger, in der vorderen, nur mit Haarbürsten versehenen Partie des Körpers halb so lang, in der hinteren Hakenborsten tragenden 1^201»! so lang als breit, überdies die Hakenborsten zu wahren Kämm- chen gruppirt und in deutliche Wülste eingesetzt! Dies war auch Claparede aufgefallen und für ihn so massgebend, 1) A, S. Oersted Conspectus generiim specierumque Kaidum ISalurhist. Tidskr. IV. 1842. p. lol. 2) (irube Familien der Anneliden 1851. p. 104. Koch ein Wort üb. d. Capitell. ii. ihre Stelle im Systeme etc. 375 dass er die Capitcllen den Maldanien annäherte ^),die zwar nach Cu vi er's und Milne Edwards Ansicht neben den Lumbricinen stehen, aber schon von Savigny und Lamarck, denen ich beipflichtete, neben die Arenicolen und Terebellen gestellt wurden. Ich für mein Theil wurde noch lebhafter an die Gattung Dasybranchus (frü- her Dasymallus -) und an Notomastus ^) erinnert. Wenn van Ben eden nur annimmt, dass die Ausbildung der Or- ganisation bei den Lumbricinen sinken und das Gefässsy- stem schwinden kann, so findet dasselbe bei den Polychaeten entschieden statt. Was zunächst die Athmungsorgane an- langt, so bemerken wir in der Gattung Eunice neben Arten mit sehr entwickelten Kiemen wie E. gigantea und E, Ha- rassii^ andere mit sehr verkümmerten, wie E, siciliensis und in der Gattung Lumbricoiiereis i. w. S. neben Arten mit sehr einfachen Kiemen, andere ganz ohne Kiemen. Das- selbe gilt von den Glyceren. Wie neben den Polychaeten mit überall hin verzweigtem Gefässsystem, andere auftreten, bei denen es nur theilweise entwickelt ist, und wieder andere, bei denen es gänzlich fehlt, bei denen dagegen die in der Flüssigkeit der Leibeshöhle enthaltenen Körperchen zahlreicher und ausgebildeter erscheinen, das hat schon Quatrefages durch Beispiele erläutert^). Ich habe bis- her an den Dasybranchen weder im lebenden Zustande noch an einem Weingeistexemplare Blutgefässe erkennen können, ihre Kiemen scheinen sich ähnlich wie bei den Glyceren zu verhalten, indem sie eine Aussackung der Leibeshöhle bilden, und wenn sie sich ausdehnen, deren Fluidum auf- nehmen. Wie die Glyceren neben anderen mit gefässlüh- renden Kiemen versehenen Polychaeten stehen, so stelle ich die Dasybranchen neben die Arenicolen hin. Die No- tomasten aber stimmen so sehr mit den Dasybranchen 1) Memoires de la soc, de phys. et d'hist. naf. de Geneve 1861 p. 110. 2) Archiv für Katurgesch. XII. 1846. Bd. I. p. 166. Tab. V. Fig. 3. 3) Sars Fann. litt. Korveg. II. p. 11. Tab. II. Fig. 8— 17. 4) Anna!, des sciences nat. Troisieme Serie. Zoolog. Tora. XIV. p. 268. 294. 296. ..y 376 Grube: uberein, dass sie wesentlich bloss der Mangel der Kiemen unterscheidet. Auch bei ihnen habe ich bisher keine Blut- gefässe wahrgenommen, wohl aber sah ich an einem le- benden Exemplare sich deutlich eine rothe Flüssigkeit zwischen Darm und Leibeswand bewegen, deren Anhäufung die Segmente anschwellen machte , und die fast ganz aus kreisrunden Körperchen von 0,006 Lin. Durchmesser bestand; in einem .Weingeistexemplare, dem die hintere Hälfte fehlte, fand ich ganze Ballen von anscheinend ähnlichen Körperchen in der Leibeshöhle. In Betreff des verdauenden Kanals gilt für beide Gattungen dasselbe : er beginnt mit einem ziemlich kur- zen ausstülpbaren, von Pro- und Retractoren umfassten Pha- rynx, der sich ausstülpen kann, also einen Rüssel bildet; dann folgt ein enges Rohr (Oesophagus oder Magen?), wo etwa der Borstenwechsel eintritt, geht dieses Rohr in einen von Dissepimenten umfassten Darm über, dessen vorderer Theil in den untersuchten Weingeistexemplaren nicht weiter als jener und enger als der hintere, gewöhnlich mit vielen Excrementen gefüllt ist. Der deutlich doppelle Nerven- strang mit auseinanderstehenden Anschwellungen zeigt die grösste Aehnlichkeit mit Lumbricus ^), die Anordnung der Muskulatur mit Arenicola. Ich muss ferner daran erinnern, dass bei beiden Gat- tungen die Borsten jederseits in zwei Zeilen gruppirt sind, dass in den vorderen Segmenten nur Haarborsten, in den übrigen, weit zahlreicheren nur Hakenborsten vorkommen, jene stehen in ganz kurzen Querreihen hinter ebenso schma- len niedrigen Wülsten, diese in Kämmchen auf Wülsten. Es verdient Beachtung, dass der vorragende Theil der bei- derlei Borsten gesäumt ist "), eine Eigenthümlichkeit, die bei den Haarborsten der Polychaelen häufig, bei den Haken- borsten im Ganzen sehr selten vorkommt; (so bei mehreren Gattungen der Euniceen und an einzelnen Segmenten bei Leucodore und Colobranchus unter den Ariciaden) unter den Oligochaeten mir aber noch nie begegnet ist. 1) Vgl. Cuvier Regne anim. Annelid. p. 1*. Fig. 2. 2) van Beneden 1. c. pl. 1. Fig. 8. 9. Claparede 1. c. pl. 1. Fig. 12. Noch ein Wort üb. d. Capitell. u. ihre Stelle im Systeme etc. 377 Kehren wir nun wieder zu den Capitellen zurück, so wiederholt sich, abgesehen von den Genitalien und den sonstigen Geschlechtsverhällnissen, über die ich für Dasy- branchus und Nolomaslus nichts niittheilen kann, alles, was ich so eben auseinandergesetzt habe, und es dürfte, wenn es sich um Gattungscharaktere handelt, schwierig sein anzugeben, wodurch sich überhaupt noch die Notoma- sten von den Capitellen unterscheiden. Ja es kann sogar fraglich erscheinen, ob Dasybranchus und Notomaslus ge- nerisch zu trennen sind, denn wenn es sich bestätigt, dass einigen Glyceren die Kiemen fehlen, die Gegenwart dieser Organe hier also keinen Gattungscharakter abgiebt, so könnte man dasselbe für Dasybranchus geltend machen. Bei beiden rücken die oberen Kämmchen der Hakenborsten im Anfange der hinteren Leibesabtheilung ganz auf den Rücken und sind viel schmäler als die unteren, wodurch Notomaslus grössere Aehnlichkeil mit Dasybranchus als mit Capitella gewinnt, auch ist nur bei jenen beiden ein Rüssel (ein ausstülpbarer Pharynx) beobachtet, doch muss ich, nach dem, was ich bei der Anatomie einer Capitella gesehen, vermuthen, dass bei ihnen ebenfalls der Anfang des ver- dauenden Kanals umgestülpt werden kann. Den Appareil secrelaire renal, den d'üdekem bei Capitella angiebt, habe ich bisher bei Dasybranchus und Notomastus nicht finden können, indessen waren die von mir untersuchten Exem- plare nicht die besten: es wäre sehr wichtig bei wieder- holten Untersuchungen darauf zu achten. Bisher nur bei den Capitellen beobachtet, sind die ansehnlichen gekrümmten Borsten, welche vor und hinter der Genitalöflfnung der Männchen in einer Querreihe auf- treten und mit den Spitzen gegeneinander gerichtet sind, und die man vielleicht als eine Umwandelung der an den betreffenden Segmenten fehlenden Kämmchen der kleinen gesäumten Hakenborsten ansehen kann. Aber kennen wir bereits die Männchen der Dasybranchus und Notomaslus? Vielleicht besitzen sie eine ähnliche Auszeichnung. Je- denfalls erinnern jene Organe an die beiden starken ha- kenförmigen Borsten (Spicula), die an der Bauchseite der Thalassemen^ Echiuren und Bonellien so ins Auge fallen 378 Grube: IVoch ein Wort üb. d. Capitellen ii. ihre Stelle etc. und ebenfalls vor der paarigen und unpaarigen GenitalöfT- nung dieser Thiere ihre Stelle haben. Bei den Echiuren soll auch noch ein hinteres Paar in der Haut versteckt sein ^). Die schärfere Abgrenzung oder theilvreise Verschmelzung der Gattungen Dasybranchus, Notornastus und Capitella muss noch weiteren genaueren Untersuchungen vorbehalten blei- ben, das aber glaube ich nachgewiesen zu haben, dass diese drei in einer engen Verbindung stehen, und einer Familie zugezählt werden müssen, den Capitellaceen, die sich nach meiner Ansicht so zu den Arenicolen verhalten, wie die Gephyreen ohne Gefässe mit höher entwickelter Flüssigkeit der Leibeshöhle zu den Gephyreen mit Gefässen. Die Ent- wickelung der Capitellen, über die wir van Beneden so interessante Aufschlüsse verdanken und die mit den Are- nicolen 2) so grosse Aehnlichkeit hat, die Form der Eier, das getrennte Geschlecht, — i dies alles passt vortrefflich zu dem, was in der Abtheilung der Polychaeten Regel ist, es wird Ausnahme, wenn man die Capitellaceen zu den Oli- gochaeten rechnet, dasselbe gilt von dem Fehlen des Ge- fässsystems, dasselbe von der Gestalt der Borsten und ihrer Einfügung in Wülste. '^'^^'* In Bezug auf die Unterschiede zwischen Dasybranchus und Notornastus, die Sars neben dem Vorkommen und Fehlen der Kiemen hervorhebt, will ich nur noch bemer- ken, dass bei wohlerhaltenen kleineren Weingeistexempla- ren von Dasybranchus caducus, das zweiringelige der Segmente deutlich hervortritt, und dass der Rüssel eines solchen Exemplars weniger schuppig als mit Papillchen besetzt erscheint. 1) M. Müller Observat. analom. de verniib. quibusd. marin. 1843. p. 11. 2) iM. Schultze: üeber die Entwickelung von Arenicola pis- catorum. Halle 1856. V2Ul»'.ßill( '^•' Bonn, Di-uck von Carl Georgi. 1862 Taf f. Lliiller del . C.F. Schmidt. litK. \m Tafll % r -%" y ^ c T.Müller del C.F. SclimidtUtlv. J862. Taf. m >-y' uiüio^r. V. Schlotterbek Gedr V. XusLner. 1862 Tal-.1\' ^ S. ^ il Cl''.?ichimdtlilk. 18G2. Taf.TII. It. Hller de CT Scltmidtlitli 1862. Taf.Vill. j>9j«'^^^ -.-^ *'^ ^ tfj • V' •<^?*«» -4-*^ ^ -^^ 2^ -i«^ -i Autor de CT Schmidt] 1861 'af.IX. /%. 3. ■ ^/. '^ \ Fi^J. ^/f. I'i^A. (hh/fibo Iferbstü , Str. Halim/^de Ti/cJu'^ De Waaii . Jferhst. ■Strahl ad nat. del. Gl'. Sr.hmidt liüi. . Fen^er^ez. CF.Sofimidniih 18 G2. Itß-£^6 Taf:IL. H.F';!n^rge2 C. I- '.chiiiifl 18G2. Taf:5I[. H.Fenöei Aez. C.F.5chiniiiHiJ J -/^^2 Trr/AW. ?. Müller clcl F. Schmidt lith ^^^f ""^Jr^^W^^^ ^ " ^^w*-^ i^^ m,! ^^. '"^ . 'm ■^/•..^^-f^ »M^EkS^^ ■^ Mn^ fö<^ ■>^N^=i^%^ r:^^*~^'^-