ü ►^i ^afe^g^äiSa ^^^i'^a^^^^SM^B B^^^K^^S ^^m^m^ WiSmK/^mm >^^^ ^^^:<^ ARCHIV FÜK NATUKGESCHICHTE GEGRÜNDET VON A. F. A. WIEGMANN, FORTGESETZT VON W. F. ERICHSON. IN VERBINDUNG MIT PROF. DR-LEUCKART IN LEIPZIG HERAUSGEGEBEN Db f. s. troschei., TROFESSOR AN DER FRIEDRIGH-WILHELMS-UNIVERSITÄT ZU BONN. BBEI UND YIEBZiaSTER JAHRGANa. Erster Band. Mit 19 Tafeln. Berlin, Nicolaische Verlags-Buchhandlung. (R. Stricker.) 1877. Inhalt des ersten Bandes. Seite Helminthologica. Von Dr. von Linstow. Hierzu Tafel 1. 1 lieber eine neue Species von Trichosoma R. Von Dr. B. Solger in Halle a. d. S. Hierzu Tafel H 19 Estheria californica Pack. Von Heinrich Lenz in Lübeck. Hierzu Tafel III und IV 24 Beitrag zur Metamorphose der Käfer. Von Forstmeister Th. Beling in Seesen am Harz 41 Nachträgliche Bemerkung über Milben. Von Dr. Kr am er 55 Antennophorus Uhlmanni, ein neuer Gamaside. Von G. Hall er in Zürich. Hierzu Tafel V 57 üeber den Bau des Bojanus'schen Organes der Teichmuschel. Von Dr. H. A. Griesbach. Hierzu Tafel VI und VII. G3 Ueber das Eierlegen einiger Locustiden. Von Dr. Ph. Bertkau in Bonn 108 Beiträge zur Kenntniss der Mauereidechsen. Von Dr. J. von Bedriaga in Heidelberg 113 Die Farbe der Eetina und das Leuchten der Augen. Bemer- kungen von Dr. F. Ley dig 121 Rhabdocidaris recens n. sp. Von Troschel. Hierzu Tafel VIII. 127 Untersuchungen über den Kaumagen der Orthopteren. Von Dr. K. F. Wilde in Leipzig. Hierzu Tafel IX— XI 135 Enthelminthologica. Von Dr. von Linstow in Hameln. Hierzu Tafel XII— XIV 173 üeber Onychodactylus japonicus Bonap. Von Troschel. Hierzu Taf. XV 199 IV Seite Grundzüge zur Systematik der Milben. Von P. Kramer ... 215 Zwei parasitische Milben des Maulwurfs. Von P. Kram er. Hierzu Tafel XVI 248 Nachträgliche Bemerkung über Rhabdocidaris recens: Von Troschel 260 üeber die Nebenorgane des Auges der Reptilien. Von Max Weber in Bonn. Erster Artikel. Die Nebenorgane des Auges der einheimischen Lacertidae. Hierzu Tafel XVII, XVni und XIX 261 üeber den Bau und die Entwickelung der Echiuren. Von R. Greeff, Professor in Marburg 344 Studien über das Milchgebiss und die Zahnhomologien bei den Chiropteren. Von Wilhelm Leche 353 Helminthologica von Dr. von Linstow in Ratzebnrg. Hierzu Tafel I. Freilebende Nematoden. 1 . Tylenchus pillulifer ii. sp. Im Grunde eines kleinen Aquariums sah ich kleine IV2 bis 2 Mm. im Durchmesser grosse Kügelchen sich bilden, die aus Pfianzendetritus bestanden, in dem sich etwa 5 bis 6 kleine Würmer bewegten; dieselben gehören der Gattung Tylenchus an, und ist die Art bisher noch nicht beschrieben worden ; die bis jetzt bekannten Arten dieser Gattungen leben alle nicht im Wasser. Das Männchen ist 0,88 Mm. lang und 0,0082 Mm. breit, der Schwanz misst Ve — V7 der Länge, der Oesophagus Vs— ^'4, die Bursa ist langgestreckt, die beiden Spicula hakenförmig; der fein zugespitzte Schwanz hat am Ende eine Spinndrttse, die Mündung des Excretionsgefässes ist in der Höhe des hin- teren Drittels des Oesophagus; die kleine Mundhöhle ist cylindrisch. Das Weibchen misst 0,54 Mm., und befindet sich die Vulva etwa am hintern Drittel des Körpers ; - der durch dieselbe gebildete vordere Körperabschnitt verhält sich zum hinteren wie 16 : 7. Die Bewegungen des Thieres sind sehr lebhaft und bin ich durch Dava ine M auf das Nicotin aufmerksam 1) Recherches sur l'anguillule du ble uielle pao^. 50. Archiv für Naturg. XXXXIII. Jahrg. 1. Bd. 1 6 V. L in stow: tisch, 0,069 Mm. lang und 0,038 Mm. breit, mit doppelter Schale versehen. Die äussere ist dick, mit kleinen flachen Grübchen dicht besetzt, die innere dünn, an den Polen eine kreisförmige Oeffnung lassend, wie etwa die Tricho- someneier sie haben. 6. Strongylus patens Duj. D uj a rd i n ^) ist der einzige, der diese Art beschrieben hat, doch nicht überall so, wie ich sie gefunden habe. Der Fundort ist das Duodenum von Foetorius erminea. Die jüngste Form ist 0,25 Mm. lang und 0,013 Mm. dick; der Schwanz ist fein zugespitzt, das Kopfende gerade abgestutzt; der Anus liegt 0,033 Mm. vom Schwanzende, Geschlechtsorgane finden sich nicht, Darm und Oesophagus sind nicht erkennbar, letzterer nur am äussersten Kopfende zu unterscheiden; das äussere Ende der Auskleidung des Oesophaguslumens ist chitinisirt und wie ein Bohrstachel vorstreckbar, Eine Häutung tritt ein bei 1,98 Mm. Länge und 0,03 Mm. Breite; nach der Häutung bemerkt man eine Anzahl kleiner Chitinknöpfchen kreisförmig um die Mund- öffnung gestellt. Beim erwachsenen Thier ist die Epidermis am Kopf- ende blasig abgehoben, die Haut hat Längstreifen; das Kopf- ende ist verdünnt. Beim Männchen sind die Girren 0,22 Mm. lang, die Bursa, die 2 grosse Seiten- und einen kleinen Hinterlappen hat, ist mit kleinen glänzenden Pünktchen besetzt; die Hinterrandsrippe ist vierfach gegabelt und sind die 2 dünneren Ausläufer wiederum dichotomisch ; übrigens finden sich 2 Vorder- und 4 Mittelrippen. Das Weibchen ist 8,0 Mm. lang und 0,05 Mm. breit; der Schwanz ist in eine feine Spitze ausgezogen, vor demselben stehen zwei kleine Pa])illen an der Bauchseite (Dujardin findet nur ein(4); der Oesophagus misst 0,49 Mm.; Anus 0,035 Mm. vom Schwänzende. Die Vulva führt senkrecht auf die Längsaxe eines 0,7 Mm. langen Uterus, dessen Enden je einen ventilartigen Abschlus haben; die Vulva liegt nach hinten und theilt den Körper so, dass das Vordertheil sich 1; Ilistoire des Ilelminthes pg. 114. Helminthologica. 7 zum hinteren verhält wie 10:3. Die Eier sind 0,069 Mm. lang und 0,039 Mm. breit. 7. Tricliosoma papülifer n. sp. Das Männchen dieser Art fand ich im Darm von Hirundo urbica. Es misst 21,8 Mm., die Dicke beträgt, 0,078 ; man findet ein Bauchband von V's und ein Rüken- band von Vt Körperdurchmesser, in denen die Stäbchen sehr spärlich stehen. Der Oesophagus verhält sich zur Länge des ganzen Thieres wie 5:11, und die Breite der Zellen des Zellkörpers zu ihrer Länge wie 3:8. Der Cirrus misst 1,38 Mm. und ist die Scheide mit Häkchen besetzt (Echinotheca). Das Hinterleibsende endet mit verjüngter, rundlicher Spitze, seitlich davon steht jederseits eine rundlich nach der Bauchseite vortretende Bursalmem- bran mit hakenförmiger Pulpa, auf deren Vorderrande eine gestielte Papille steht. Die Beschreibung von Du- j ardin 's Trichosoma curvicauda aus Cypselus apus passt auf diese Art nicht; im Wiener Catalog (pag. 73) ist ein Trichosoma aus Hirundo rustica aufgeführt, die mit unserer Art vielleicht identisch ist, aber weder benannt noch be- schrieben ist. 8. Oxyuris JBlattae orientalis Hammerschmidt. Bütschli^ hat den Bau dieser Art auf's genauste beschrieben, die von ihrem Entdecker richtig zu Oxyuris gestellt, von D i e s i n g aber unter Anguillula genommen wurde, worauf Bütschli ihr wieder ihren rechten Platz anwies. Ueber die Entwicklungsgeschichte ist noch nichts Positives bekannt geworden; Leuckart ist der Meinung, dass die Eier von Oxyuris vermicularis ausserhalb des Darmes des Menschen den Embryo entwickeln, und dann ohne Zwischen- wirth unter Entwicklung des Magensaftes die Eihiille verlassen, um sich weiter zu entwickeln ; derselbe -) stellte an sich selbst und mit dreien seiner Schüler den Versuch an, je einige Dutzend Eier mit beweglichen Embryonen 1) Z. f. w. Zool. XXI pag 252—293. 2) Die irien schlich 011 Parasiten pag. 336. 4 V. L i n s t o w: körperchen. Hierauf folgt die Muskelschicht und auf diese ein Endomysium. Meissner ^j beschreibt nur 3 Haut- schichten, eine Epidermis-, (meine Schichte a) eine Corium- (c) und eine aus gekreuzten Fasern bestehende (d). Die letztere erwähnt er (pag. 69) als eine Schicht, die eigent- lich nur als jüngste Lage des Coriums zu betrachten sei, während ich sie als ganz verschieden von derselben ge- funden habe. Zu meiner Freude bin ich in der Lage, zur Entwick- lungsgeschichte dieses vielbesprochenen Thieres einen Beitrag liefern zu können. Während Meissner die em- bryonenhaltigen Eier von Gordius subbifurcus mit Erfolg an Ephemera-Larven verfütterte, ist es mir gelungen, die ein- gekapselten Embryonen von Gordius aquaticus in Limnaeus vulgaris aufzufinden. Auf dem morastigen Boden eines kleinen Baches, der sehr wenig Wasser führt, fand ich etwa hundert Schritt von seiner Einmündung in den See entfernt eine beträcht- liche Anzahl Schnecken, die sich zu ihrem Aufenthalte die wasserarmen Stellen des sumpfigen Bettes ausgesucht hatten, so dass sie frei an der Luft lagen, und nur der Fuss vom Wasser benetzt war; sie erwiesen sich als zu Lim- naeus vulgaris gehörig und enthielten jede eine kleine An- zahl eingekapselter Gordius-Embryonen, von einer grossen hyalinen Kapsel umgeben, deren äusserer Durchmesser 0,075 Mm., der innere 0,043 Mm. beträgt. Während die Kapsel viel dicker ist, als die des M eis s- ner'schen Abbildungen, gleicht das Thier selbst den letz- teren ganz; der Vorderkörper ist verdickt, in demselben sieht man den, von 3 Chitinstäben gestützten Bohrcylinder, und davor die 2 mal G Stacheln, wie Meissner solche gut abbildet. Die Haut ist stark quergeringelt, das Hinter- leibsende trägt 2 Spitzen und im Innern einige kugliche Körper. Hoffentlich werden Fütterungsversuche, mit denen ich beschäftigt bin, den gewünschten Erfolg haben, wenn es gelingt, den rechten Zwischenwirth zu finden, den ich in 1) Z. f. w. Zool. VII, pag. 65. Helminthologica. 5 Schwimmkäfern vermuthe, die von Mollusken leben. Viel- leicht sind die Ephemeralarven gar nicht der naturgemässe Wohnort für die Embryonen von Gordius subbifurcus, wie sie sich auch nicht weiter mit Erfolg verfüttern Hessen. 5. Tropidocerca paradoxa Diesing. Gattungscharakter: Polymyarier, 1 langes, dünnes Spiculum, After terminal, keine Papillen am männlichen Schwanzende. In je einer Höhle des Proventriculums von Mergus albellus fand ich einige Exemplare dieser Art, von denen nur der Kopf sichtbar war nach dem Aufschneiden des Magens, und musste die Wand des Wohnraumes gespalten w^erden, um dem in der Mitte geschwollenen Körper des Insassen den Austritt zu ermöglichen. Der Körper hat eine eigenthümlich gebogene Form, wie die Abbildung zeigt; die Haut ist quergeringelt, das Schwanzende ist stumpf abgerundet; der Anus ist terminal. Das Mundende ist von 6 grossen, kugelförmigen Hervor- raguugen umstellt; eine gerade nach vorn gerichtete findet sich in der Verlängerung der Rückenlinie; etwas weiter nach hinten und nach der Bauchseite zu zwei nach vorn und aussen gerichtete, weiter nach hinten und nach der Bauchseite hin wieder zwei nach aussen und hinten gerichtete, und an der Bauchseite eine nach unten gerichtete; nach innen von jedem dieser Zipfel steht nun wieder eine kleine Hervorragung, die mit einem Dorn bewaffnet ist, und ist die vor dem Bauchzipfel stehende die grösste. Die Dornen haben dieselbe Richtung wie die vor ihr stehende grosse Hervorragung. Hinter der 4. und 5. ist eine rundliche Vorwölbung des Körperparenchyms bemerk- bar. Das Männchen ist 19 Mm. lang, die grösste Breite be- trägt 2 Mm., das äusserste Hinterleibsende ist etwas ver- dickt, wie ein Sondenknopf, die Cloakenöffnung steht ter- minal, der Cirrus ist dünn und sehr lang und am Ende lancettförmig zugespizt, 0,015 Mm. breit und 3,6 Mm. lang. Der Oesophagus misst 6 Mm., Schwanzende stumpf abge- rundet. Das Weibchen ist 29 Mm. lang, grösste Breite 2,6 Mm., der Oesophagus misst 8 Mm. Die Eier sind ellip- 2 V. Linstow: geworden, welches ich in einer Lösung von 1:10 anwende, um die Thiere zu betäuben; die Narcose dauert wohl 10 Minuten lang, während welcher Zeit man nur die glänzenden Körnchen der Darmwand in zuckender Bewegung sieht, eine Aeusserung von fibrillären Muskelzuckungen Es folgen die Beschreibungen zweier neuer Arten, die zugleich auch neue Gattungen repräsentiren; leider konnte ich sie nur in geschlechtlich unentwickelten Formen be- obachten, doch wird man bei einer Betrachtung der Ab- bildungen die Aufstellung der Arten und Gattungen ge- rechtfertigt finden, da die Kopfbildung sich mit keiner bekannten Form vereinigen lässt^ und werden spätere Be- obachtungen die Lücken ausfüllen. 3. 3Iitrej)horos haemispliaericus n. gen. n. sp. Unentwickelte Weibchen, die im Wasser des Ratze- burger See's leben; die Gestalt ist schlank, die Haut ist glatt, die Länge beträgt 0,41 Mm., die Breite 0,016 Mm., der Schwanz misst V?? tler Oesophagus ^Z^, 4 der Körperlänge; die Vulva theilt den Körper so, dass der vordere Körperab- schnitt sich zum hinteren verhält wie 9:8; am Ende des Schwanzes ist eine Spinndrüse ; der Kopf ist halbkugelför- mig und zeigt 2 Reihen Oeffnuugen mit wulstigem Rande, der nach oben in einen kleinen Stiel ausläuft; von solchen Oeffnungen hat die obere Reihe 4, die untere 8. Der Oeso- phagus ist an seinem Hinterende zu einem schwachen Bulbus angeschwollen, der in seinem Innern einen herz- förmigen Chitinkörper zeigt. Durch Nicotin 1 : 10 stirbt das Thier. 3. Acrobelcs cüiaius n. gen. n. sp. Die Gestalt dieses Wurmes ist kurz und gedrungen, die Haut stark quergeringelt, das Mundende ist etwas ver- jüngt und der Schwanz kugelförmig zugespitzt. Die Länge beträgt 0,38 Mm., die Breite 0,033 Mm. Der Oesophagus misst 73)7 der Schwanz ^'s der Körperlänge; die Mund- öffnung ist von 4 langen Borsten umgeben, die im Grunde ziemlich breit sind und in eine feine Spitze auslaufen; ihre Basis ist verdickt und glänzend, und nach Aussen von Helminthologica. ihrer Wurzel stehen 4 viel kleinere, nach vorne etwas ver- jüngte Cylinder, von denn 2 kleine Spitzen tragen. Der Darm ist durch dichtgedrängte, blassbräunliche Körnchen verdunkelt; die bohnenförinige Geschlechtsanlage liegt ziemlich weit hinter der Körpermittc. Die Art findet sich häufig in schwarzer Erde. Parasitische Nematoden. 4. Gordius aquaticus Grube. Lebt im Ratzeburger See nicht selten, ist aber schwer zu erhalten, weil das Thier den Grund des See's zu seinem Aufenthalt wählt. Die Arbeiten von Meissner und Gren- acher haben den Bau dieses merkwürdigen Thieres ziemlich zum Abschluss gebracht, und will ich nur über die feinere Structur der Haut etwas bemerken^ soweit meine Befunde von den früheren Beschreibungen abweichen. Das Weibchen ist 34,3 Mm. lang, das Kopfende ist 0,32 Mm. dick, in der Mitte misst der Körper 0,6 Mm., die Hautfarbe ist schwarz, nur die äusserste Kopfspitze und das 4 Mm. lange Schwanzende sind durchscheinend braun; unmittelbar hinter dem abgerundeten Kopfende mit heller Calotte ist die Färbung intensiver. Schwanz 0,66 Mm. lang mit gerade abgestumpften Ecken. Die Schichten der Haut sind folgende: a) eine feine zart contourirte Cuticula, b) eine dicke, stark contourirte Cutisschicht, c) eine sehr mächtige Geflechtschicht ; dieselbe besteht aus starken elastischen Ringfasern, die geflechtartig von feinen, sich kreuzenden Fasern umsponnen werden, sowie aus feinen, radiär nach der Längsaxe des Thieres ver- laufenden; die letzteren sind, um das Bild nicht zu ver- wirren, in der Zeichnung fortgelassen. d) eine Bandschicht, bestehend aus platten, sich rechtwinklig kreuzenden Bändern, die beim Zerreissen faserige Rissflächen zeigen. e) eine Zellschicht, bestehend aus sechseckigen Zellen mit blassem Kern und granulirtem, dunklem Kern- 8 V. Linstow: ZU verschlucken, worauf nach 2 Wochen der Koth von dreien der Experimentatoren reife Oxyuren enthielt, v. Willemoes-Suhm 0 liält dieselbe Fortpflanzungsweise für wahrscheinlich und fütterte Lacerta muralis mit einer Portion Eier von Oxyuris brevicaudata, worauf sie nach 16 Tagen ausser einem alten Weibchen 5 junge und unreife, 1 Mm. lange Exemplare dieses Wurmes enthielt. Am 23. Mai brachte ich 10 weibliche mit Eiern gefüllte Exemplare von Oxyuris Blattae orientalis auf ein Stückchen ange- feuchtetes Weissbrod und legte dasselbe zwischen 2 gleich grosse Uhrgläser, deren Kand ich mit Papier luftdicht ver- klebte und das Präparat gelegentlich der Sonne aussetzte; am 3. Juni verfütterte ich dasselbe an 3 Periplaneta orien- talis, und fand bei der am 8. Juni vorgenommenen Section bei zweien derselben nichts von Parasiten, bei dem dritten, grössten Exemplare aber hatte ich ein entscheidendes Resultat; es mochte wohl das gewesen sein, welches aus- schliesslich die mit Eiern belegten Stellen des Brodes xer- zehrt hatte; grössere Exemplare von Oxyuris waren nicht im Darm vorhanden, wohl aber eine beträchtliche Menge Eier ohne entwickelten Embryo ; derselbe schien vor der Ausbildung abgestorben zu sein und ausserdem eine an- sehnliche Menge gleich grosser eben ausgeschlüpfter Oxy- uris-Embryonen, die sich lebhaft bewegten. Die Würmchen waren 0,29 Mm. lang und betrug die grösste Breite 0,02; der Oesophagus mass Vs ; der Schwanz Vt der Körper- länge ; ersterer hatte in der Mitte eine spindelförmige, am Ende eine kugelförmige Anschwellung, die einen undeutlichen Zahnapparat enthielt. Eine Geschlcchts- anlage war nicht sichtbar, die Haut war quergeringelt, die Seitenlinien waren sehr deutlich, und lag in der Haut unter diesen jederseits eine Reihe rundlicher, relativ sehr grosser Zellen. Die Eier scheinen zu ihrer Entwicklung einer massigen Feuchtigkeit zu bedürfen, denn ausgetrocknet und in 1) Z. f. w. Zoül. XXI pag 180. 1877 '.0^ L B: Tat I. .Zinsiüw ^t Helminthologica. 9 Ei weiss gelegt gehen sie zu Grunde. Büts chii's *) im Kuh- mist gefundene Nematodenlarve scheint auch eine Oxyuris zu sein. 9. Thysdloptera alata R. Zur Ausfüllung einiger in Schneid er 's kurzer Be- schreibung gelassener Lücken habe ich diese Art einer neuen Untersuchung unterzogen. In Falco nisus fand ich mehrere Exemplare. Die beiden Lippen tragen jede einen pyramidenförmigen Zahn (Aussenzahn) mit eingekerbter Basis und 3 Papillen da- hinter ; die grossen, flügeiförmigen Epidermisauftreibungen, die aus 6 Flächen bestehen und vorne eine grosse, krater- förmige Oeffnung lassen, sind bekannt; nach innen von jeder Lippe befindet sich eine etwas kleinere Vorwölbung, die 3 aus gemeinsamer Basis hervorwachsende stumpfe Zähnchen tragen (Innenzähne). Bei jüngeren Exemplaren fehlt die auffallende Epidermisauftreibung ganz und erinnert der Kopf dann an Fig. 9 Tab. III in Sehn ei der 's Monographie. Wedl's-) Beschreibung und Abbildung ist mir voll- ständig unverständlich; anfangs glaubte ich, er hätte den Mund durch einen durch die Längsaxe verlaufenden Schnitt von links nach rechts in eine gleiche obere und untere Hälfte getheilt (ab. II, Fig. 24), dadurch wären die kegel- förmigen Aussenzähne halbirt und würden als 4 nach vorn gekehrte Stacheln erscheinen {d')\ die 6 kleinen conischen Zähne (h) wären unsere 6 Papillen, die 2 stumpfen Pa- pillen {a) unsere Wülste mit den Innenzähnen. Dieser Er- klärung steht aber entgegen, dass die 2 stumpfen Papillen dann auch mit halbirt sein müssten, und so kann ich denn dieses Autors Darstellung mit dem von mir Gefundenen nicht vereinen. Die von S chn ei d e r ^) vermutheten 2 Papillen 1) Zur Kenntniss der freilebenden Nematoden pag. 23. Tab. 1 Fig. 2. 2) Sitzungsber. d. k. Akad. XIX, pag. 47—48, Tab. II, Fig. 24—25. 3) Monographie der Nematoden pag. 63. 14 V. Linsto w : Bewegung wäre eine solche Einschnürung und Abtheihing undenkbar. Die Keimzellen des Keinistocks haben eine helle Hülimembran und bestehen aus Zelle, Kern und Kernkör- perchen, die 0,029, resp. 0,1 G und 0,0065 Mm. messen. Die Eier sind dünnschalig, iarblos und 0,125 Mra. lang und 0,078 Mra. breit, an einer Seite gcdeckelt, an der andern mit einer geringen Verdickung der Schale und einer kleinen halbkugellörmigen Auflagerung versehen, die wohl nicht eine Micropyde sein kann, weil die Befruchtung schon geschieht, wenn sich der Dotter um die Keimzelle legt. 17. Distomiim Planorhis carinati Philippi. Von Philippi bei Turin gefunden, lebt auch im Ratze- burger See, eingekapselt in Planorbis carinatus in dünn- wandigen, kuglichen Cysten von 0,23 Mm. Durchmesser. Das Thier misst 0,48 Mm.; die Breite 0,28 Mm., der Mundsaugnapt hat 0,12 bis 0,098 und der Bauchsaugnapf 0,16 bis 0,13 Mm. im Durchmesser; sie verhalten sich also wie 3 : 4. Der ganze Körper ist mit Stacheln besetzt, die in regelmässigen Querreihen stehen. Philippi ^) hat in seiner Abbildung den sehr deutlichen Darm nicht mit ge- zeichnet, auf den ich aufmerksam machen möchte, da er sehr entwickelt ist; im Pulsationsschlauch findet sich con- stant eine hyaline Kugel. Cestoden. 18. Tacnia ovolaciniafa. n. sp. aus Hirundo urbica; etwa 60 Mm. lang, grösste Breite 2 Mm.; die letzten Proglottidcn sind ebenso lang wie breit; die Geschlechtsöffnungen stehen abwechselnd, die Girren sind klein, cylindrisch, mit glänzenden, pyramidenförmigen, kleinen Zähnchen besetzt, 0,023 Mm. lang und 0,013 Mm. breit. Die äusserste Eihülle hat jederseits einen langen Ausläufer mit feinem, fadenförmigen Ende, der 0,26 Mm. misst, etwa wie 1) Memoire III pag. 13 Fig. 12—13. Helminthologica. 15 die Eier von Taenia citras sie zeigen. Das Rostelliim hat 38—40 Haken in zwei Reihen von 0,015 resp. 0,018 Mm. Länge. Die Kalkkörperchen sind sehr zahh-eich. Mit einer bekannten Form ist diese Art nicht zu vereinigen; die ähnlichsten sind T. colliculornm Krabbe i), die 23 Haken führt, welche aber grösser und von anderer Form sind, und Taenia parvirostris Krabbe ^) mit 20 — 30 kleineren Haken, die alle von einer und derselben Grösse sind und auch in der Form von unserer Art abweichen. 19. Taenia affinis Krabbe aus Corvus corone, 80 Mm. lang; die letzten Proglottiden sind quadratisch, 3 Mm. lang und breit ; überall finden sich die Kalkkörperchen dicht gedrängt. Die Geschlechtsöff- nungen stehen einseitig, der Cirrus ist kurz, dick und kolben- förmig. Die Eier sind elliptisch, 0,056 lang und 0,046 Mm. breit, die äussere Hülle ist hyalin, die mittlere gekörnelt die innere dick. Der Scolex ist vorne abgerundet, die Saug- näpfe sind gross, ein sogenannter Hals fehlt; die Zahl der Haken beträgt 22, die in 2 Reihen ä 1 1 stehen : die grösseren messen 0,056 Mm., die kleineren 0,049 Mm.; erstere haben einen graden Wurzelast, der nur gegen das Ende hin schwach gebogen ist, bei letzteren ist der ganze Wurzelart gleichmässig gekrümmt. Krabbe 3) beschreibt und zeichnet beide Sorten von Haken als gleichlang. 20. Taenia cyclops n. sp. In Coregonus maraena aus dem Schall- See. Die Tänie ist 25 Mm. lang und 0,27 Mm. breit, überall fast gleich breit, die letzte Proglottide hinten zugespitzt. Die Kalk- körperchen sind klein, ohne concentrische Schichtung; das Kopfende ist abgerundet, die Saugnäpfe sind längsoval, 0,15 Mm. lang und nach hinten zugespitzt, 0,1 Mm. breit; ein fünfter scheitelständiger Saugnapf hat 0,069 Mm. im Durchmesser; Geschlechtsorgane waren noch nicht vor- handen. Taenia longicollis aus verschiedenen zur Familie 1) Bidrag til Kiinelskab om Fuglenes Baendelorme, pag. 82. Tab. IX Fig. 259. 2) ibid., pag. 86, Tab. X Fig. 267. 3) ibid., pag. 82, Tab. IX Fig. 258. 12 V. Linstow: wellig 0,28 Mm. nach hinten und dann wieder nach vorn verlaufen, wo sie sich dem Kopfende bis auf die Entfer- nung von 0,14 Mm. nähern. Die Haut ist regelmässig quergestreift. Die Spicula sind an Länge sehr ungleich; das rechte misst 0,72 Mm., ist dünn und endet in eine angelhakenförmige Spitze; das linke hat die Länge von 0,19 Mm. und ist ziemlich dick und kolbig. Man findet jederseits 4 prä- und 4 postanale Papillen, und dicht vor dem Schwanzende stehen noch 4 kleinere in einer etwas gebogenen Querlinie. Die Pulpa des Schwanzendes endet innerhalb der Cutis. 14. Agamonematoämn Trifonis n. sp. Eine Nematodenlarve, die eingekapselt an der Aussen- seite des Darms von Triton taeniatus lebt. Die Länge be- trägt 3,83 Mm., die Breite 0,11 Mm. Der Oesophagus misst V4,6 der Länge, der Schwanz 1/36,5- Die Haut ist fein quergeringelt, der Schwanz kegelförmig zugespitzt, mit ab- gerundeter Spitze; das Mundende ist ebenfalls abgerundet, wenig ausgezeichnet mit deutlichen, kleinen Papillen^ die nicht zu zählen waren. Der Körper ist nach dem Kopf- ende zu wenig verdünnt und gehört das Thier zu den Polymyariern. 15. Agamonematodum Geotrupis u. sp. In der Leibeshöle, besonders im Fettkörper, von Geotrupes stercorarius. Länge 0^44 Mm., Breite 0,023. Oesophagus V4, Schwanz ^/g der Körperlänge. Das Kopfende ist durch eine Ringfurche abgeschnürt, wodurch ein halb- kugelförmiges Endstück abgetheilt wird; die Darmwand ist mit Fettkügelchen durchsetzt; seitlich am Kopfe in der Haut liegt jederseits eine kleine glänzende Kugel ; am Mund- ende bemerkt man einen Bohrstachel. Die ovale Geschlechts- anlage liegt etwas hinter der Körpermitte; Schwanz fein zugespitzt. Im Tode streckt das Thier sich ganz gerade. Diese Nematodenlarve kann mit den 3 bisher aus Geotrupes stercorarius bekannten Nematoden nicht ver- einigt werden. Isacis ascaris; das Genus Isacis wird Helmiiithologica. 13 oharakterisirt : Os tei'Diinale nodulis tribus cinctum u. s. w., was auf unsere Art nicht passt. Ceplialacantlius triacanthus soll 3 Stacheln am Kopfende und Mastophorus globocau- datus ein kuglich aufgetriebenes Schwanzende haben. Trematoden. IG. Dipilodiscus suhclavaüis Diesing. Walter hat eine genaue Schilderung dieser Art ge- geben, und bin ich bei einer erneuten Untersuchung auf einige kleine Diiferenzen mit dessen Angaben gestossen, die sich besonders auf die Ausführungsgänge des Samens beziehen. Walter giebt nämlich au, der Hoden habe nach vorn einen Ausftihrungsgang, der in den Cirrusbeutel mündet und den Samen zur Begattung dem männlichen Gliede zuführe, sowie einen nach hinten, der zum Keimstock gehen soll, behufs einer directen Selbstbstbefruchtung ohne Copulation. Den letzteren Gang habe ich weder hier noch über- haupt bei irgend einer Trematodenform gesehen, obgleich er oft beschrieben und abgebildet wird und bezweifle ich die Existenz eines solchen durchaus. Der erstere aber ist in anderer Weise vorhanden, denn es entspringen vorn und seitlich zwei Ausmündungsgänge vom Hoden, die bogen- förmig zusammenlaufen und sich in Vs Entfernung vom Cirrusbeutel zu einem vereinen, der dann gradlinig nach vorn läuft. Die Dotterballen haben, wenn sie sich zu einem Ei zusammen thun und eine Keimzelle in sich auf- nehmen, eine selbstständige, sich hin und her wälzende Be- wegung, ebenso wie die Spermatozoen sich selbstständig bewegen, und habe ich mich deutlich davon tiberzeugt, dass die Bewegung nicht von den Muskeln der Uteruswandung herrührt; ohne diesen selbstständigen Bildungstrieb wäre es auch unklar, warum immer dieselbe Menge Dotterkügelchen und immer mit nur einer Keimzelle sich zu einem Ei isolirt und abrundet. Die Dotterfurchung ist auch eine selbst- ständige Bewegung, wenngleich eine langsame, denn ohne 10 V. Li n stow: vor dem Alter sind allerdings vorhanden, und ausserdem zwischen ihnen erne unpare, welche letztere von Schneider sogar als Gattungsmerkmal angegeben wird. Die Girren sind 0,42 Mm. lang; die Eier sind klein und sehr dick- schalig; sie sind 0,046 Mm. lang und 0,027 Mm. breit und machen die Dotterfurchung schon im Uterus durch. 10. Filaria lepioptera Rud. Mol in setzt diese und zahlreiche andere Arten zu Spiroptera ; ich kann mich aber mit Schneider nicht von dem Genusrechte tiberzeugen, auch giebt Molin ') in seinen Monographien keine Unterschiede zwischen diesen seinen beiden Gattungen an, während beide nach ihm einen penis filiformis (?) haben sollen, was doch nicht richtig ist, denn die Arten seiner beiden Gattungen haben alle 2 ungleiche Spicula, die oft sehr kurz und dick sind. Die Art fand ich im Magen von Falco nisus. Das Männchen misstGMm. bei einer Breite von 0,033; der Oesophagus ist 1,8 Mm. lang. Die Haut ist wellig längsgestreift; der Kopf ist ohne Krausen, ohne deutliche Lippen; an der Mitte des Mund- bechers stehen 6 ringförmig gestellte kleine Papillen. Die Girren sind resp. 0,24 und 0,66 Mm. lang, der längere hat eine hakig umgebogene Spitze. Vor der Cloake stehen jederseits 4, dahinter 2 grosse Papillen; dicht vor dem Schwanzende aber finden sich noch jederseits 4 kleine, dicht stehende. Die grossen stehen etwas unsymmetrisch, die linksseitigen sind von einem grossen, runden Hof um- geben. Die Pulpa des Schwanzendes dringt mit einer co- nischen Spitze durch die Cutis hindurch. 11. Filaria tridentata n. sp. Nur Weibchen habe ich von dieser Art gefunden, die im Darm von Colymbus arcticus wohnten. Die Länge be- trägt 16,4 Mm., die Breite 0,22 Mm. Das Kopfende ist ab- gerundet ohne Halskrausen, der Mund mit sehr undeutlichen Ghitinleisten strahlenförmig umgeben; das Schwanzende ist 1) Una monografia del geuere Spiroptera, Sitzungsber. d. k. Akad. 1S50, und Versuch einer Monographie der Filarien. Ibid. 1858. Helminthologica. ll stumpf kegelförmig. Das Vestibulnm misst 0,033 Mm., der Oesophagus 2,4, der Schwanz 0,3 Mm. Der Uterus ist von Eiern strotzend gefüllt, die 0,036 Mm. lang und 0,018 Mm. breit sind. Die Vulva theilt den Körper so, dass der vordere Abschnitt sich zum hinteren verhält wie 54:41. Was die Art kenntlich macht, ist ein nach hinten gerichteter drei- spitziger Chitinzahn, der 0,16 Mm. vom Kopfende an jeder Seitenlinie steht, dessen Form aus der Abbildung ersicht- lich ist; Schneider giebt einen ähnlichen für Filaria laticeps aus Falco lagopus an unter dem Namen Nacken- papille. 12. Filaria tuberculata m. = Spiroptera attenuata Aut. Lebt zwischen den Magenhäuten von Hirundo urbica; die Art ist eine ächte Filaria, da aber Filaria attenuata aus verschiedenen Corvus- Arten schon beschrieben ist, so kann der Name nicht bleiben und habe ich wegen der vorspringenden Papillen am männlichen Schwanzende den obigen gewählt. Das Männchen misst 3,8 Mm., die Breite beträgt 0,12 Mm. Der Mund trägt 2 pyramidenförmige Lippen von der gewöhnlichen Form. Die Halskrausen sind 4 schwach angedeutete, nicht nach vorn zurücklaufende Stränge in den Submedianlinien, das Vestibulum etwas nach hinten tiberragend; letzteres ist 0,098 Mm. lang, dann folgt eine 0,25 Mm. lange Strecke des Oesophagus, der ohne zellige Umhüllungsschicht ist; der Theil mit einem solchen ist 0,53 Mm. lang; die Girren messen 0,098 und resp. 0,13 Mm., und finden sich jederseits 4prä-und 6 postanale stark hervortretende Papillen; die 3 hintersten stehen zu- sammengerückt, die 4. isolirt und die 5. und 6. dicht vor der Cloake. 14. Filaria hamata n. sp. Diese Art lebt im Magen von Falco nisus. Die Länge beträgt 6 Mm., die Breite 0,3 Mm. Das Vestibulum ist 0,18 Mm., der Oesophagus 0,72 Mm. lang. Der Mund hat 2 conische Lippen; es sind Halskrausen vorhanden, die 16 V. Linstow! der Lachse gehörenden Fischen hat zum Unterschied von dieser Art länglichrunde Saugnäpfe, deren längerer Durch- messer rechtwinklig zur Längsaxe des Thieres steht. 21. Taenia glohifera Batsch, im Darm von Buteo vulgaris gefunden; die Beschreibung ist von verschiedenen Beobachtern, am vollständigsten von Dujardin^) gegeben worden, weshalb ich eine neue nicht gebe ; die Art ist aber immer für hakenlos gehalten worden, was sie indessen nicht ist, und hätten wir somit wieder eine Species, die aus der Reihe derer von Diesing als mit einem „Os inerme" bezeichneten zu denen mit einem ,,0s armatum" versehenen übertragen werden muss, wie es mit Taenia tenuicoUis Kud. ; T. leptosoma Dies.; T. nasuta Rud. (= fringillarumRud.), T. vaginataRud. (-= polymorpha R. und Himantopodis Krabbe), T. microps (== Urogalli Krabbe) bereits geschehen ist. Ich erhielt einen vor einer halben Stunde geschossenen Bussard frisch zur Section, in dessen Darm einige grosse Exemplare von Taenia globifera waren, die sich lebhaft bewegten und ein bewaffnetes Rostellujn hatten. Die Ha- ken fallen aber ungemein leicht ab, so dass schon bei der vorgenommenen üeberführung von einem Objectträger auf den andern die meisten derselben abgefallen waren; die Zahl kann ich somit nicht angeben, doch ist die- selbe ansehnlich gross. Sie stehen in 2 Reihen und sind die der beiden Reihen verschieden gross und geformt; die grösseren messen 0,034, die kleineren 0,026 Mm.; der Wur- zelast ist am Ende kolbig verdickt und bei der kleine- ren Form stark nach innen gebogen; der Hebelast ist bedeutend in die Quere verbreitert; die Haken erinnern in Form und Gr(')sse am meisten an T. Leukarti - Krabbe aus Ardea. 22. Taenia macracantJios n. sp. aus Anas clangula. Das Rostellum hat 8 Haken von 0,108 Mm. Länge; der Wurzelast ist in eine dünne, kakeuformig nach 1) 1. c. pag. 594. Helminthologica. 17 innen gebogene Spitze ausgezogen. Der Scolex ist gross, scharf abgesetzt, mit grossen Saugnäpfen. Die Tänie ist noch ganz ohne Entwicklung der Geschlechtsorgane, so dass ich nichts Weiteres angeben kann. Andere Arten mit 8 grossen Haken sind Taenia lanceolata Bloch, T. gracilis Krabbe, T. fasciata Kr., T. fragilis Kr., T. octacantha Kr., der Form der Haken nach hat die Art am meisten Aehnlichkeit mit T. octacantha, die Haken sind aber 3 mal grösser als die von T. octacantha; bei den anderen Arten differirt nicht nur die Grösse, sondern auch die Form wesentlich. Die Haken gehören unter die grössten, die man an Vogeltänien kennt. ^ 23. Taenia serpentulus Schrank aus Picus major. Der Scolex ist fast doppelt so breit wde lang, die Saugnäpfe sehr gross, die Progiottiden kurz und breit; bei denjenigen dicht hinter dem Scolex verhält sich die Länge zur Breite wie 1:12, in den Gliedern, in welchen die Befruchtung stattfindet, wie 1:5V2, in denjenigen mit reifen Eiern wie 1:4. Es findet eine Selbstbegattung der einzelnen Progiottiden statt, die ich an mehren Stellen be- obachtet habe; an dem Vorderrande der Progiottiden stülpt sich ein kugelförmiges Organ vor, aus dem ein stab- förmiger, 0,05 Mm. langer Cirrus hervortritt, der sich vor- wärts biegt und in die dicht vor ihm liegende weibliche Geschlechtsöffnung hineintritt; die Geschlechtsöffnungen ste- hen einseitig. Die Eier sind elliptisch mit 3faeher Eihaut ; die innere, den Embryo umschliessende ist 0,049 Mm. lang und 0,039 Mm. breit. Die Embryonalhaken haben etwas oberhalb der Mitte eine Anschwellung, die gegen die dünnere obere Hälfte scharf abgesetzt ist; sie messen 0,023 Mm. Das Rostellum trägt 10 Haken von 0,026 Mm. Länge, deren Hakenast sehr kurz ist. Die Saugnäpfe haben bei unserer Art einen Durch- messer von 0,12 Mm., bei derselben aus Corvus corone von 0,066 Mm., und verhält sich bei ersterer die Länge des Scolex zur Breite wie 11:18, bei letzterer wie 14:18; ferner ist bei ersterer Form die Gestalt der Haken eine Archiv f. Naturg. XXXXIII. Jahrg. 1. Bd. 2 18 V. L in stow: Helminthologica, etwas schlankere ; doch genügen diese Differenzen nicht zur Aufstellung einer neuen Art und wäre nur der Fundort als neu anzuführen. Erklärung der Abbildungen auf Taf. I. Fig. 1. Tyleiicbus pillulifer. Männchen. Fig, 2. Der Kopf von Mitrephoros haemisphaericus. Fig. 3. Der Kopf von Acrobeles ciliatus. Fig. 4. Querschnitt durch die Haut von Gordius aquaticus. a. Cuticula. e, Zellschicht. b. Cutis. f. Muskeln. c. Geflechtschicht. g. Endomysium. d. Bandschicht. Fig. 5. Bandschicht und Zellschicht der Haut von Gordius aquaticus von der Fläche gesehen. Fig. 6, Embryo von Gordius aquaticus, in Limnaeus vulgaris ein- gekapselt. Fig. 7. Tropidocerca paradoxa in natürlicher Grösse, a. Männchen, b. Weibchen. Fig. 8. Kopf von derselben. Art. Fig. 9. Männliches Hinterleibsende von Strongylus. patens. Fig. 10. Weibliches Hinterleibsende derselben Art von der Seite. Fig. 11. Männliches Hinterleibscnde von Trichosoma papillifer. Fig. 12. Embryo von Oxyuris Blattae orientalis. Fig. 13. Kopf von Physaloptera alata. a. Aussenzahn. Fig. 14. Lippe von der Innenseite desselben Kopfes, a. Aussenzahn. b. Innenzahn. Fig. 15. Männliches Hinterleibsende derselben Art. Fig. 16. Männliches Hinterleibsende von Filaria leptoptera. Fig. 17. Nackenpapille von Filaria tridentata. Fig. 18. Männliches Hiuterleibsende von Filaria tuberculata, Fig. 19- Männliches Hinterleibsende von Filaria hamata. Fig. 20. Kopf von Agamonematodum Geotrupis. Fig. 21.— 25 Tänienhaken. Fig. 21. von Taenia ovolaciniata. „ 22. ,, „ affiuis „ 23. „ „ globifera. „ 24 „ „ macracanthus. „ 25. ,. „ serpentulus. Fig. 26. Kopf von Taenia cyclops. Ratzeburg den 18. Juli 1876. W77. Tat. ff. FiQ. 5 t.-^ Füf.'Z. /^ FijA. Srihja- (h'l. C. F. Schmidt Utk. lieber eine neue Species von Trichosoma R/) Von Dr. B. Solger in Halle a. d. S. Hierzu Tafel II. Bei Untersuchimg des Integuments eines jungen Cro- codilier's (wahrscheinlich Crocodilus acutus), der nach An- gabe des Naturalienhändlers „aus Mexico" stammte, wurde ich auf eine grosse Zahl linienförmiger, geschlängelter Zeichnungen aufmerksam, die auf der Bauchseite des Thieres vom Halse bis auf die Mitte des Schwanzes sich erstreck- ten. Es Hessen sich leicht zwei Typen dieser Figuren er- kennen, von denen jeder in einer besonderen Leibesgegend vorherrschend war, ohne jedoch ausschliesslich dort vorzu- kommen. Die in Fig. 1 mit A bezeichnete Form fand sich hauptsächlich an dem vorderen Leibesabschnitt, die zweite (B) w^ar in der Gegend des Bauches und Schwanzes weit- aus die häufigere. Beiderlei Zeichnungen Hessen sich in der Regel continuirlich durch eine Reihe benachbarter Fel- der des Integuments verfolgen. Die microscopische Untersuchung dieser Figuren, die nach einfachem Abheben der durch die Einwirkung des Weingeistes leicht sich ablösenden Epidermis sofort vor- genommen werden konnte, Hess dieselben als Gänge in dem Gewebe erkennen , von denen die nacli Typus B (Fig. 1) gebauten an manchen Stellen fast vollkommen mit 1) Nach einem in der Schles. Ges. f. vaterl. Cult. am 26. April d. J. gehaltenen Voi'trag-. 20 B. Solger: reifen Neraatoden-Eiern erfüllt waren. Senkrecht durch das in Alcohol gehärtete Corium geführte Schnitte zeigten an der Oberfläche desselben rinnenfijrmige Vertiefungen (Fig. 2a) , die dem Verlauf der Gänge entsprachen. Leider gelang es mir nur in einigen Fällen, aus diesen Gängen den Parasiten, der sie bewohnte, unverletzt zu erhalten; er mochte in geschrumpften und veränderten Resten wahr- scheinlich in weit grösserer Anzahl im Integumente noch vorhanden sein^j. Die geringe Anzahl der mir zu Gebote stehenden Exemplare, sowie der Umstand, dass dieselben lange Zeit der Einwirkung des Weingeistes ausgesetzt waren, machen es erklärlich, dass an dieser Stelle Anga- ben über den feineren Bau des Thieres nicht gegeben wer- den können. Als sicher ermittelt kann Folgendes gelten: Die Länge der Weibchen — männliche Tliiere habe ich nicht gefunden — beträgt 7 — 7.5 Cm. Mit blossem Auge betrachtet erscheint der Wurm bis zur Vulva farb- los, zeigt dann eine schwach gelbliche Färbung , die all- mählich zunehmend gegen das hintere Leibesende hin braunschwarz wird, um am Schwanzende selbst wieder blasser zu werden. Es scheint, als wenn diese Färbung zum grössten Theil auf Rechnung des Darmkanals oder dessen Inhalts zu setzen sei. Die Dicke des Wurmes be- trägt in der Mitte des Leibes 0.10 Mm., unmittelbar hinter der Mundöffnung 0.009 Mm. , am Schwanzende 0.03 Mm. Das Kopfende ist haartörmig dünn, unbe wehrt (Fig. 3A), das Leibesende viel dicker, schief abgestutzt, und in einen 1) Im Darrakanal desselben Wirthes fand sieh eine grosse Menge von Cysten bis zur Grösse eines Stecknadelkopfes, die im Gewebe der Mucosa und Muscularis eingebettet waren. Mein College, Herr Dr. Gabriel, dem ich dieselben vorlegte, theilte mir freundlichst mit, dass der Inhalt derselben aus Massen von deutlich erkennbaren Psorospermien bestehe. Dieselben parasitischen Gebilde kamen auch massenhaft in etwa linsengrossen Cysten vor, welche in den Perito- neal-Lamellen der Umgebung des Magens sassen und unreife Pen- tastomen enthielten, während gleichzeitig ausgebildete Individuen die Lungen desselben Wirthes bewohnten. Psorospermien waren bis jetzt bei Crocodiliern und Reptilien überhaupt noch nicht ge- funden worden. Üeber eine neue Species von Trichosoma R. 21 grösseren (ventralen?) und einen kleineren (dorsalen?) Höcker ausgezogen (Fig. 3B), welch' letzterer wiederum (an einem Exemplar wenigstens deutlich erkennbar) in zwei kleinere Erhabenheiten zerfällt. Zwischen diesen Papillen befindet sich die Afteröffnung, die Vulva (Fig. 4a) etwa 2.5 Cm. vom Kopfende entfernt, also beiläufig an der Grenze des vorderen und mittleren Drittels. Der Ge- nitalschlauch ist dicht mit Eiern auf verschiedener Stufe der Ausbildung angefüllt. Ich muss mich darauf beschrän- ken, hier nur die ausserhalb der Vagina befindlichen zu schildern, Sie messen im Längsdurchmesser 0.063 Mm., bei 0.030 Mm. grösster Breite. Zwei deutlich markirte Hüllen umschliessen ihren Inhalt, eine innere hellbraun tingirte Membran (Fig. 5b) , und eine ihr aufgelagerte Schicht von dunkelbrauner Färbung (Fig. 5a), welche die Eipole frei lässt. An den Ei polen selbst habe ich einige Male deutlich einen halbkugeligen Aufsatz hyaliner Sub- stanz wahrgenommen, wie man ihn an Trichocephalen- Eiern beobachtet. Ich habe es unterlassen, diese Bildung in der Abbildung anzudeuten, da ich sie an der Mehrzahl der Eier vermisste ; an frischen Exemplaren würde sie sich vielleicht constant nachweisen lassen. Von einem Embryo war niemals etwas zu sehen. Nach dem obigen Befunde handelt es sich also hier um eine Species von Trichosoma R., die bisher unbeschrie- ben und unter die bisher bekannten Arten, von denen sie sich durch ihre bedeutende Grösse, ihre Färbung und ihr Wohnthier unterscheidet, nicht unterzubringen sein dürfte. Für diesen Fall möchte ich mir erlauben, für dieselbe den Namen Trichosoma recurvum^) vorzuschlagen, eine Be- nennung, welche auf die in Fig. 2B abgebildeten characte- ristischen Krümmungen des Parasiten und der von ihm gegrabenen Gänge sich bezieht. Auf die Frage, wie diese Trichosomen in ihren gegen- wärtigen Wohnsitz gelangt sind, lässt sich nur mit Ver- muthungen antworten. Wahrscheinlich sind sie aus ande- ren Organen erst in die Haut eingewandert, wie ja der- 1) recurvus geschlängelt. 22 B. Solger: artige Ortsveränderungen bei anderen verwandten Arten vorzukommen pflegen. So „flnden sich, nacli Krabbe, in der Leber von Triton cristatus freie Trichosomen und viele eingekapselte Eierhaufen , während im Darm unreife 0 Trichosomen vorkommen. Auch das Trichosomum splenoe- cum,- aus der Milz der Spitzmäuse und Maulwürfe, dürfte vielleicht vorher im Darme gelebt haben. Indess lässt diese Erscheinung bei den Trichosomen sich vielleicht noch in anderer Weise erklären, nämlich so, dass die Weibchen erst nach der Begattung die Milz aufsuchen, um dort ihre Eier abzulegen " (Schneider, Monogr. d. Nematoden, S. 312 und 313). Man wird wohl auch bei Trichosoma crassicaudatum aus der Harnblase der Ratte eine Einwan- derung vom Darme her annehmen dürfen. So ist es denn nicht unwahrscheinlich, dass auch die in der Haut des Crocodiliers aufgefundenen Parasiten in ihrer Jugend im Darmkanal gelebt haben, und erst später in das Integu- meut eingewandert sind, um nach erlangter Geschlechts- reife abzusterben und die befruchteten Eier bei der Häu- tung des Crocodils in die Aussenwelt gelangen zu lassen. An ein directes Eindringen der Trichosomen von aussen her wird man bei der grossen Resistenz der äusseren Be- deckungen ihres Wohnthiers kaum denken dürfen. Aus dem in Fig. 2 abgebildeten Verhalten des Coriums scheint mir herzorzugehen, dass sie in der letzten Zeit jedenfalls lange an derselben Stelle des Integuments verweilt haben müssen; denn nur so können die beträchtlichen Vertie- iuugen (a) erklärt werden, die einerseits durch Druck des Parasiten, andrerseits durch ungehindertes Weiterwachsen der Umgebung zu Stande gekommen sein mögen. 1) Krabbe's Untersuchungen wurden im Mai und Juni ange- stellt (s. Sitzungsber. d. Acad. zu Wien XXV. Bd. S. 520). Ich selbst habe im Darm zweier Exemplare von Triton cristatus im Monat Juni und in einem im Aquarium gehaltenen Exemplar im Juli geschlechtsreife "Weibchen von Trichosomum tritonis beobachtet, ohne sie in der Leber nachweisen zu können, und schon Duj ar- din gedenkt des Vorkommens reifer Exemplare im Darme von Tri- ton punctatus. Vielleicht sind die in der Leber gefundenen schon im Vorjahre eingewandert. lieber eine neue Species von Tricliosoma R. 23 Schliesslich erfülle ich die angenehme Pflicht, für die werthvolle Unterstützung, die mir von verschiedenen Sei- ten geboten wurde, meinen aufrichtigen Dank auszuspre- chen: vor Allem Herrn Professor A. Schneider, der durch die Feststellung des Genus und durch brieflich mitge- theilte Anhaltspunkte das Zustandekommen dieser kleinen Notiz, deren Mängeln gegenüber ich nachsichtsvolle Kritik zu üben bitte, überhaupt ermöglichte. Nächstdem bin ich den Herren Prof. Hasse, Grube und Herrn Privatdocen- ten Dr. Gabriel, welche dem besprochenen Gegenstande ihr hülfreiches Interesse zuzuwenden die Güte hatten, zu herzlichem Danke verpflichtet, den ich hiermit öffentlich abstatte. Breslau, Juli 1876. Erklärung der Abbildungen. Tafel IL Fig. 1 (von Herrn stud. med. Ifübner gezeichnet). Die beiden Formen A und B der durch den Parasiten verursachten Zeichnungen der Int egumenta] Felder. Die folgenden Figuren sind von mir mit Hülfe des Ober- häuser'schen Zeichenapparats entworfen. Fig. 2. e. tiefe Lage der Epidermis. c. Corium. a. riemenförmige Vertiefungen. v. Querschnitt des fgeschrurapften) Wurms. Fig. 3. (Hartnack Linse 4, ausgezog. Tub., Abstand des Objekts vom Prisma 15 Cm.) A. Kopfende des Wurms. B. Leibesmitte des Wurms. C. Schwanzende des Wurms. Fig. 4. (Hartn. L. 7, eingestoss. Tub., Abstand 5 Cm.) a. Vulva. Fig. 5. (Hartn. L. 7, eingest. Tub., Abstand 25 Cm.) Reifes Ei. ■ •' ■ ( b. Dotterhaut. ;'>ntnr,.v a. aufgelagerte dunklere Schicht. Estheria californica Pack. Von Heinrich Lenz in Lübeck. Hierzu Taf. III u. IV. Vor zwei Jahren entdeckte mein Freund Jakob Bebrens in San Francisco in der Mündung des kleinen californischen Flusses Alameda einen eigenthündichen Pbyllopoden, der dort in grosser Menge vorbanden war. Der auf dem Gebiete der niederen Thiere rühmlichst be- kannte Zoologe Packard jun. erkannte in diesem Thier- chen eine bisher nicht beschriebene Estheria-Species, wel- cher er den Namen E. californica gab. Von dem gesammelten Material erhielt unser Museum im vorigen Jahre eine Anzahl Exemplare mit dem Bemer- ken, „sparsam mit denselben umzugehen", da an dem an- gegebenen Fundort zur Zeit nur noch wenige Exemplare aufzufinden seien. Etwa ein halbes Jahr später erhielt ich die Nach- richt von dem gänzlichen Verschwundensein des interessan- ten Thierchens am genannten Orte \). Es entstand sofort in mir der Wunsch die Thiere mög- lichst bald einer genauen Untersuchung zu unterziehen. Anderweitige dringende Arbeiten haben dies jedoch bisher verhindert und bin ich erst jetzt in der Lage die Ergeb- nisse in Nachstehendem zusammenzustellen. 1) Vergl. die ähnliche Beobachtung über plötzliches Verschwin- den, welche Klunzinger an seiner Esth. gubernator gemacht hat. Zeitschrift f. wiss. Zoologie XIV p. 139 u. 140. Tatm KLat X (jt ^ r r .Uwi.lflitli TafB' H.Lcnxß^ Heinrich Leuz: P^stheria californica Pack. 25 Da voraussichtlich erst wenige, vielleicht noch gar keine weiteren Exemplare nach Deutschland gekommen sind, auch in der europäischen Literatur meines Wissens nichts über die Estheria californica veröffentlicht ist, so mögen diese Mittheilungen , trotz ihrer Unvollständigkeit, welche ihnen schon deshalb ankleben muss, da die Unter- suchung nur an einigen Spiritusexemplaren angestellt, ein tieferes Eindringen in manche anatomische und histologi- sche Verhältnisse nicht gestatteten, für die beschreibende Zoologie immerhin nicht ganz ohne Werth sein. Die ganze mir zugängliche Literatur über Estheria californica besteht in einer vom Autor in: United states geological survey of the territories for 1873; Reports on the zoological collections of Lieut. W. L. Carpenter made in Colorado during the summer of 1873, Washington 1875 p. 618 gegebenen kurzen Diagnose, welche lautet: y,E. californica Pack (8ixth Rep. Peab. Acad. Sc. 1874)1) (Fig. 62) j^ijeii remarkably thin, so that at first sight it would be mistaken for a Limnadia, subtriangular ; umbones very small, situated much nearer than usual to the anterior edge; 18 lines of growth, with very fine gra- nulations between them. Length 0,45 inch. California." Das mir übersandte Material bestand in 25 Exem- plaren, unter welchen sich 1 1 Männchen und 14 Weibchen befanden. Der äussere Umriss der Schalen (Fig. 1) ist ver- schoben eiförmig, mit zwei vorspringenden stumpfen Ecken, eine am Wirbel, die andere am hinteren Ende der Rücken- seite. Der von Packard gebrauchte Ausdruck „subtrian- gular" dürfte weniger gut passen. Die Form der Schale ist im Ganzen constant. Wenn auch einige Exemplare ein wenig schlanker oder breiter , abgerundeter oder ecki- ger sind, so erscheinen diese Abweichungen doch stets nur sehr unbedeutend, wie die folgenden Messungen zei- gen werden, welche an solchen ausgewählten Exemplaren 1) Eine mir leider unzug^änglich gebliebene Schrift. 2) Giebt nur den Umriss und eine Andeutung der Anwachs- streifen. 26 Heinrich Lenz: angestellt wurden, welche in Grösse und Form am ver- schiedensten waren. Das Geschlecht hat auf die Form der Schale keinen Einfluss. d- rf- ö' c/ ? ? $ $ Mm. Mm. Mm. Mm. Mm. Mm. Mm. Mm. Länge 13,5 12,0 12,2 11,5 13,5 13,0 11,0 10,5 Höhe 9,0 8.5 8,5 7,5 9,5 8,8 8,0 7,3 Dicke 3,5 3,3 3,4 3,4 3,7 3,5 3,0 3,0 Bei einem Vergleich mit den Schalen der übrigen be- schriebenen Estheria-Arten fällt sofort das weite Vorwärts- gerücktsein des Wirbels auf. Dieser steht in der Mitte des ersten Schalendrittels, senkrecht über dem vorderen Rande des Schliessmuskels, und bildet hier eine deutlich vorspringende Erhöhung. Während der vordere ßand der Schalen, mit Aus- nahme einer kleinen Erhebung unmittelbar vor dem Wir- bel in einem gleichmässigen Bogen in die Bauchkante übergeht , macht die Eückenkante , nach einer kurzen flachen Einsenkung nochmals eine längere merkliche Er- hebung, senkt sich erst darauf nach unten und bildet am Ende der Rückenkante eine, bei den einzelnen Exem- plaren mehr oder weniger deutlich vortretende, stumpfe Ecke, worauf der Hinterrand, anfangs nur sehr wenig ge- bogen, nach dem unteren Ende hin in einem regelmässi- gen, aber kleineren Bogen, als am Vorderrande, in den nach hinten wenig gebogenen, ventralen Rand übergeht. Die Verwachsung am Rücken erstreckt sich vom Wirbel bis zu der stumpfen Ecke am Ende der Rücken- kante, also den ganzen Rücken der Schale entlang. Die Schalen sind dünn und biegsam; nur gegen den Wirbel hin ein wenig verdickt. Der Wirbel selbst ist intensiv hornfarbig, während die ganze Schale fast farb- los oder nur wenig hornfarbig-gelblich und bei jüngeren Exemplaren so durchscheinend ist, dass man die meisten Körpertheile, die Leibesringe, Rückenanhänge, die einzel- nen Füssc, deutlich unterscheiden kann. Die Anwachsstreifen sind, mit Ausnahme derjenigen der Randpartie, schon mit blossem Auge deutlich wahr- nehmbar. Bei Lupenvergrösserung erscheinen sie als er- Estheria californica Pack. 27 habene Doppelriefen. In der Wirbel- und Mittel-Partie der Scbale liegen sie weit auseinander (bis 0,8 Mm.). In der äussersten Randpartie rücken sie plötzlich dicht an- einander. Am Vorderrande lassen sich die Streifen bis zum Wirbel verfolgen, während sie am Rückenrande nach und nach auf der ganzen Länge auslaufen. Die Zahl der Anwachsstreifen schwankt zwischen 23 und 28. 18 An- wachsstreifen, wiePackard 1. c. zählt, sind mir bei kei- nem meiner Exemplare vorgekommen. Die Ränder sind verdickt und regelmässig gekerbt (Fig. 2). Nur ein ein- ziges Mal glaube ich Ueberreste eines Randbesatzes von Borsten am alleräussersten Anwachsstreifen wahrgenom- men zu haben. Vielleicht also, dass bei ganz jungen Exemplaren zwischen je zwei Einkerbungen des Randes eine Borste sitzt, wie sie bekanntlich bei einigen Species regelmässig vorzukommen pflegen. Bei 50 — 60facher Vergrösserung lässt die Aussen- fläche der Schale reihenförmig geordnete , sternförmige Zeichnungen erkennen, welche bei den jüngsten Anwachs- streifen allmählich verschwinden und einer einfach punkt- förmigen Platz machen. Zwischen diesen beobachtet man hier meist senkrecht zum Rande stehende Streifen. Die letzte Anwachszone ist ohne Struktur (Fig. 4). Bei stär- kerer Vergrösserung bemerkt man regelmässig in den er- wähnten sternförmigen Figuren hellere Punkte, welche bei noch stärkerer Vergrösserung als Ringe erscheinen. Der Zwischenraum zwischen den sternförmigen Figuren ist mit äusserst kleinen dunklen Pünktchen ausgefüllt. Conturen von Epithelialzellen konnte ich nirgends wahrnehmen. Durch Einwirkung von Kalilauge gelingt es leicht die Schale in ihre Blättchen zu zerlegen. Da die Schale sehr dünn, elastisch und durchsichtig ist, so sind auch die eingelagerten Kalkkörperchen nur sehr spärli« h vor- handen. Diese haben eine rundliche Form, und ihre Grösse schwankt zwischen 0,0014 bis 0,0056 Mm. Bei Behand- lung mit Essigsäure habe ich stets die Beobachtung machen müssen, dass ein Theil der einzeln herumschwimmenden amorphen Körnchen der Einwirkung der Säure widerstand. Dieselben mögen aus schwefelsaurem Kalk bestehen. 28 Heinri ch Lenz: Querschnitte der Schale zeigen das bekannte inter- stitielle Bindegewebsgeritst, wie es bei anderen Arten von Grube*) und Claus^) beschrieben worden. Die Dop- pelkegel stehen bei der E. californica jedoch etwas weiter auseinander, wie in den angeführten Zeichnungen darge- stellt, so dass die canalartigen Zwischenräume ein ge- drücktes und seitlich in die Länge gezogenes Profil zeigen. Die Schalendrüse (Fig. 5) weicht, wenn auch im Allgemeinen, wie bei den Estherien überhaupt gebaut, in ihrer Form eigenthümlich ab. Der Schliessmuskel inserirt sich ca. 2 Mm. senkrecht unter dem Schalenwirbel. Der innerste der drei Drüsen- gänge geht von der hinteren Ecke des Schliessmuskels aus und bildet nach oben, nach dem Wirbel zu, einen weit aufsteigenden Bogen, dessen Schenkel einen bedeutenden Sinus zwischen sich lassen. Hierauf legt sich der Bogen dicht an den unteren Rand des Schliessmuskels an, um an dessen hinterer Ecke in den mittleren Bogengang, welcher hier einen kleineren Sinus e zwischen sich lässt, überzugehen. Die Windungen legen sich im weiteren Verlauf dicht an einander. Ob der innere Gang blind endet, oder bei d in den äusseren über- geht, vermochte ich leider nicht zu enträthseln. Auch war es mir , trotz aller darauf verwandten Mühe unmöglich, etwas zur Klärung der auseinander gehenden Ansichten in Betreff des „ Ausführungsganges der Schalendrüse " (Claus 3) resp. des griffeiförmigen Anhanges des zweiten Maxillenpaares (Grube^)) beizutragen. Claus hat wohl Recht, dass hier nur die Untersuchung lebender Exem- plare oder die Entwicklungsgeschichte die Zugehörigkeit des iraglichen Anhängsels entscheiden kann. Die so eben beschriebene eigenthümlicbe Form der Schalendrtise wiederholt sich bei allen untersuchten Exem- 1) Grube in Wiegmann's Arch. 1865 I, pag. 219; Taf. X. Fig. 11. 2) Claus: Ueber den Körperbau einer austral. Limnadia. Zeitschrift f. w. Zool. XXII, p. 357; Taf. XXX, Fig. 7a. 3) 1. c. p. 361 u. 362; Taf. XXX, Fig. 11. 4) Wiegm. Arch. 1865, I, pag. 210 u. 211; Taf. IX, Fig. 7 m. jßstlieria californica t*ack. 29 plaren fast ganz genau, so dass sie als Artmerkmal wohl zu verwerthen sein dürfte. Nicht unbedeutende Partien des mittleren Theiles der Schalen sind oft mit rosettenförmigen, mehr oder weniger dicht gedrängten Kalkablagerungen versehen, welche im durchfallenden Lichte gelblich, im auffallenden weiss er- scheinen (Fig. 6 a, b, c). Die Form des Kopfes ist ebenfalls, namentlich beim Männchen, für unsere Species charakteristisch. Der Kopf ist vom Nacken durch einen, etwas gebogenen und bedeutend nach vorne gerichteten Einschnitt (n, Fig. 7 u. 8), welcher sich dem Ende zu etwas erweitert, getrennt. Der Hinterhauptshöcker geht in eine stumpfe Spitze aus. Der Stirntheil des Kopfes am Vorderrande ein wenig geschweift, nimmt gegen das Doppelauge hin an Dicke zu (Fig. 9), um darauf ebenso allmählich in den schmäleren schnabel- förmigen Theil des Kopfes sich »zu verjüngen. Die Seiten des Kopfes wölben sich und bilden einen schwach erha- benen, nach rückwärts sich abflachenden Wulst oder ab- gerundeten Grat (w). Hinter demselben entsteht somit in der Richtung von etwas oberhalb des Nacken einschnit- tes nach dem Vorderrande der Antennenanheftungsstelle hin, eine flache Vertiefung x. Dieselbe erreicht die An- tennen nicht völlig (Fig. 8), sondern wird vorne durch eine hier verlaufende Chitinleiste z begrenzt, welche am Anfang des Schnabels entspringt und in der Richtung gegen die Mitte der Mandibeln flach verläuft. Der Schnabel st verläuft in den Stirntheil in Form einer rund abgestumpften Spitze y (Fig. 9) , welche seit- lich durch zwei divergirende Chitinleisten v und Vi die Fortsetzung der Leisten zi begrenzt wird. Vorne ist der Schnabel rechtwinklig abgeschnitten und bedeckt beim Männchen noch das erste Geisseiglied der Ruderantennen. Die vordere Ecke t ist fast gar nicht, die hintere weit mehr abgerundet. Der hintere Rand des Schnabels diver- girt mit dem vordem nur wenig. Der Kopf des Weibchens stimmt mit dem des Männchens bis auf den Schnabel, welcher auch hier, wie bei den Estherien -Weibchen überhaupt, spitz endigt und 30 Heinrich Lenz: kürzer ist, als- beim Männclieii, so dass nocli ein Stück des Basaltbeils der Kuderanteunen unbedeckt bleibt (Fig. 10). Unter einer besonderen Erhöhung in der Mitte des Stirntheils sitzt das, aus zwei symmetrischen Hälften be- stehende, Doppelauge. Die Gesammtform ist länglich, der Querdurchmesser etwas grösser , als der Verticaldurch- messer. Eine dünne, fadenförmige Chitinbedeckung trennt beide Augen. Der innere Bau stimmt mit den , für an- dere Arten von Grube, Claus und K 1 u n z i n g e r gegebe- nen Beschreibungen überein. Am Rande des Auges inseriren sich vier breite, und zahlreiche einzelne, verschieden verlaufende Muskelbündel, welche aus äusserst zarten Muskelfasern zusammengesetzt sind und dem Auge im Leben jedenfalls eine mannigfache lebhafte Beweglichkeit gestatten. Die Zahl der Krystall- kegel ist sehr gross. Von Gestalt birntörmig (Fig. 11), sitzen dieselben mit dem spitzen Ende der Pigmentmasse auf Ihre Länge beträgt 0,041 Mm., der grosse Durch- messer 0,0257 Mm. Entgegen den von Claus und Grube an andern Estheria-Species gemachten Beobachtungen muss ich hervorheben, dass die einzelnen Krystallkegel bei der vorliegenden Art nicht aus zwei, sondern aus fünf, radiär gestellten, peripherischen Segmenten ge- bildet werden, welche an den Innern Rändern gekerbt erscheinen und durch eine, aus sehr kleinen kugelf()rmigen Zellen bestehende Kittsubstanz zusammengehalten werden. Anlänglich hielt auch ich die Krystallkegel für zwei- theilig, nur durch eine Längsfurche getheilt. Beim Hin- undherrollen eines solchen Körperchens gewahrte ich je- doch bald, dass diesem nicht so sein könne. Ich fand einzelne so liegen , dass sich zwei Längslinien zeigten (Fig. IIb), welche einen etwas breiteren Platz zwischen sich Hessen, als an den Seiten übrig blieb. Beim Zer- drücken, welches meist leicht gelangt), zerfielen sämmt- liche Körperchen in fünf Stückchen und war jetzt auch das Aussehen, als ob nur eine Theilfurche vorhanden sei, bald erklärlich. Die fünfeckigen Krystallkegel liegen 1) Vergl. Klitns^increr in Zeitschrift f. w. Z. XIV, pag, 160. Estheria californica Pack. 31 meist mit einer Fläche auf, kehren also eine Kante d. h. die Berührungslinie zweier Segmente, nach oben und nur diese allein ist in solcher Lage sichtbar. Die zwei seitlich liegenden Furchen bilden die Umrisscontour; die unten liegenden sind aber, des starken Lichtbrechungsvermögens der Krystallkegel wegen, nicht wahrzunehmen. Jedes fünfseitige Prisma wird das zu Veranschaulichende deut- lich machen können. Es gelang mir auch Querschnitte der Krystallkegel anzufertigen (Fig. lld), welche meine Behauptung bestä- tigten. Ein centrales Stäbchen ist nicht vorhanden. Es wäre in der That merkwürdig, wenn nur bei E. californica solche, aus 5 Segmenten zusammengesetzte, Krystallkegel vorkommen sollten. Klunzinger erwähnt schon 1. c. das Zerfallen der Krystallkegel in einzelne Segmente, ohne jedoch deren Zahl anzugeben. Es war mir daher sehr daran gelegen auch die Augen anderer Estheria-Arten auf die Zusammen- setzung ihrer Krystallkegel zu untersuchen. Leider konnte ich nur einige Exemplare der E. tetracera erlangen *). Die Untersuchung ergab folgendes : Die Krystallkegel haben bei E. tetracera eine etwas schlankere Form, als bei cali- fornic.*; sie laufen am spitzen Ende mehr aus, sind be- deutend kleiner (Länge 0,028 Mm., Dicke 0,0114 Mm.) und scheinen von einer weicheren Beschaffenheit zu sein, als bei ersterer Art. Durch beide Umstände ist die Unter- suchung hier schwieriger, als dort. Es gelang mir daher bei E. tetracera nicht, durch Querschnitte die Zusammen- setzung der Krystallkegel festzustellen. Da ich überdies nur ein paar Exemplare zur Verfügung hatte, so musste ich endlich durch genaues Beobachten der Seitenansicht und Zerdrücken zum Ziele zu kommen suchen. Ich er- reichte dies glücklich und konnte mich auch hier über- zeugen, dass die Kry stallkege 1 nicht aus zwei, son- dern ebenfalls aus fünf Segmenten zusammengesetzt sind. Das einfache Auge (Fig. lOo) liegt etwas weiter l) Ich verdanke dieselben der Güte des Herrn Prof. Grube in Breslau. 32 Heinrich Lenz: nach vorne, als das zusammengesetzte, etwa in der Mitte einer Linie, welche man sich vom vordem Rande des zu- sammengesetzten Auges senkrecht nach unten gezogen denke. Die Form ist fast gleichschenklig dreieckig. Die ziemlich einen rechten Winkel bildende Spitze ist nach unten gekehrt. Die äusseren, nach unten gewandten, Sei- ten sind gerade oder wenig gebogen, die dritte, nach oben gewandte, stets in der Mitte bedeutend eingebogen. Bei auffallendem Lichte zeigt das einfache Auge eine grau-weisse, bei durchfallendem eine braun-schwarze Farbe. Bei stärkerer Vergrösserung zeigt sich der Inhalt als fein- körniges Pigment mit einzelnen helleren unregelmässigen Stellen darin. Von bestimmt gesonderten, lichtbrechenden Elementen vermochte ich nichts wahrzunehmen. Die ersten (oder Fühler-) Antennen (Fig. 12) sind im Allgemeinen, wie bei den übrigen Estheria-Arten den Beschreibungen von Grube, Claus etc. entsprechend gebaut. Man zählt bis 15, mehr oder minder unregel- mässige kegelförmige Erhebungen, von welchen oft 2 und 3 zusammensitzen. Die dazwischenliegenden Einschnitte sind tief, so dass mitunter nur ein kleiner Theil des Ftihler- fadens übrig bleibt. Gegen das Ende pflegt die Gliede- rung deutlicher zu sein, als in der hinteren Hälftcy beim Männchen markirter als beim Weibchen. Die einzelnen Anschwellungen sind mit zahlreichen, lang vorragenden und meist gruppenförmig gestellten Siuuesfäden besetzt (Fig. 1 3). Diese tragen am Ende das bekannte glänzende Körnchen und entspringen aus länglich prismatischen oder becherförmigen, am vordem Ende deutlich ausge- buchteten Nervenstäbchen (Fig. 14). Von der Ausbuchtung erstreckt sich eine flache Rinne nach hinten. Die beiden vorgezogenen Ecken erscheinen hell, stark lichtbrechend, die Vertiei'ung dunkel. Ein zarter Nervenfaden lässt sich in die Antenne verfolgen. Die Nervenstäbchen haben eine Länge von 0,0052 Mm. und einen Durchmesser von 0,0021 Mm. Die vorne daran sitzenden Fäden messen 0,028 Mm. Abweichend von den an anderen Species gemachten Beob- achtungen, habe ich an E. californica gefunden, dass die soeben erwähnten Sinnes or 2: an e in bleich Estheria californica Pack. 33 vollkommener Ausbildung auch an den ersten Antennen der Weibchen auftreten. Die Länge der Antennen beträgt bei den Männchen im Mittel 3,0 Mm., bei den Weibchen 2,8 Mm. Erreichen dort also fast die nämliche Länge und nur ihre Dicke ist etwas geringer. Die zweiten (oder Ruder-) Antennen (Fig. 15 u. 16) bestehen aus einem plattgedrückten, aus 9 einzelnen Ringen zusammengesetzten Basaltheil (Fig. 15). Der erste und letzte Ring sind breiter, als die übrigen; jener zeigt an der Innenseite noch zwei weitere unvollkommene Ringe- lungen, dieser nach vorne eine schwach bogenförmige Er- hebung, welche in der Mitte mit einer kleinen Borste ge- krönt ist. Von den beiden Ruderästen ist der vordere etwas kürzer, als der hintere. Erstcrer besteht aus 14 oder 15, letzterer aus 15 oder IG Gliedern. Die Zahl ist auch bei dieser Species nicht constant. Bei einem grossen Weib- chen zählte ich am vordem iVste 18, am hintern 18 und 20 Glieder. Am vordem Rande sind die Glieder mit borstenartigeu Domen besetzt, welche auf scharf vortreten- den Erhebungen entspringen (Fig. 16). Die hintere Seite ist mit langen, fast bis auf den Grund gefiederten Borsten- haaren besetzt, in welche je eine zarte, chitinisirte Muskel- faser, welche man leicht für streifenartige Verdickungen der äusseren Chitinbedeckung halten kanu^), abzweigt. Diese soeben erwähnten Muskelfasern gehen jedoch nicht schon im vorliergehenden Gliede von dem gemeinschaftli- chen Bündel ab, wie Klunzinger bei E. guberuator^) beobachtet hat, sondern erst am Grunde des betreffenden Gliedes selbst. Die Lippe (Fig. 17, 18 u. 19) ist an der unteren (äusseren) Seite stark kahnartig gewölbt und glatt, in der Mitte ohne vorspringenden Grat. Nach vorne läuft sie in zwei Spitzen a und b (Fig. 17) aus. Die Spitze a ist 1) Klunzino-er: Zeitschrift f. w, Zool. XVII, pag. 144; Taf. XVIf, Fig. 6b. 2) ebendaselbst. Archiv f. Natur". XXXXllI. Jahr«. 1. Bd. 34 Heinrich Lenz : mit zarten Borsten besetzt. Von diesem „Zäpfchen" (Grube) läuit beiderseits ein Chitingrat in etwas geschweifter Form, bald höher, bald niedriger werdend (Fig. 18), schräg nach hinten. Etwa in der Mitte, bei c (Fig. 17) trifft mit die- sen Seitengraten ein Quergrat der oberen (inneren) Seite zusammen (Fig. 19 edf), welcher in der Mitte ein stärker chitinisirtes Zäpfchen d trägt. Die eigentliche Spitze b der Lippe ist stumpf zugespitzt und kürzer als das Zäpf- chen a. Die Seiten sind in der Mitte mit einer starken Ausbuchtung, in welche die Mandibeln eingreifen, ver- sehen. Diese (Fig. 20) haben, von der Seite betrachtet, eine birnförmige Gestalt, sind stark aufgetrieben und von braun -gelber Farbe. Dicht unter dem Nackeneinschnitt befindet sich ein duukelgelber Chitinknoten, an dem die Spitze a der Mandibeln eingelenkt ist. Am untern Ende sind dieselben knieförmig umgebogen in das nochmals ein wenig aufgetriebene, konisch geformte Kaustiick, mit läng- lich-ovaler Kaufläche, welche am Rande mit sehr kurzen Borsten besetzt, in der Mitte mit schräg verlaufenden, 0,004 Mm. von einander entfernten Reihen granulirter Erhebungen versehen ist. Die beiden Maxi 11 en-Paare (Fig. 21 u. 22) sind denen von E. mexicana ^) sehr ähnlich. Das erste, grössere Paar ist vorne ein wenig napfförmig gebogen und mit, dicht vor dem vordem Rande entspringenden, gefiederten Borsten besetzt. Der Schaft trägt kleine konische Höcker. Das zweite Maxillenpaar trägt ebenfalls sehr zarte gefie- derte Borsten. Die Bauch für che ist mit ähnlichen bewimperten Zipfeln, zum Hineinsptilen der Nahrung in den Mund be- setzt, wie sie Klunzinger 1. c. pag. 150 u. 151 beschreibt und auf Taf. XIX, Fig. 17 abbildet. Nach vorne sind die Zwischenräume zwischen den einzelnen Spülzipfeln an bei- den Seiten der Bauchfurche dicht mit langen Wimpern besetzt 2). Der Leib ist bauchwärts gekrümmt und lässt zwi- 1) Claus: Beiträge Fig. 41 b u. c. 2) Vergl. Klunzinger's Fig. 17 r'. Estheria californica Pack. 35 sehen sich und dem Rückenrand der Schale einen nicht unbeträchtlichen Platz frei. Man zählt bei beiden Ge- schlechtern 28 einzelne Ringe, welche nach hinten schmä- ler werden. Beim Männchen gehen die Fetzten 3 Ringe nicht mehr ganz zum Rücken hinauf. Der 26. Ring reicht etwa bis zur Hälfte, der 27. kaum bis Va ^^^^ der letzte, 28., ist nur halb so lang, wie der vorhergehende und trägt keine Füsse (Fig. 7 u. 23). Beim Weibchen habe ich stets nur zwei rudimentäre letzte Ringe finden können und der letzte vollständige ist sehr schmal und daher leicht zu übersehen. Auf der Rückenkante tragen beide Geschlechter an den letzten 16 Leibesringen quergestellte Anhänge, welche mit rückwärts gerichteten Dornen und gefiederten Borsten besetzt sind. An den beiden vordersten Anhängen finden sich nur Borsten, zu denen auf den nächstfolgenden schwache Dornen hinzutreten, welche allmählich an Dicke und Zahl zunehmen und meist schon beim 5. Anhang die Borsten vollständig verdrängt haben. Das Endsegment (Fig. 23) wird in der bekannten Weise durch zwei Chitinblätter gebildet, welche bis zu einer schräg verlaufenden Linie a b verwachsen sind, dann aber sich theilen und in 2 derbe, hornartig nach oben ge- krümmte Spitzen auslaufen. Der obere Rand ist seiner ganzen Länge nach, mit Ausnahme des Endtheils der Hör- ner, mit Dornen besetzt. Diese stehen nicht ganz genau in einer Linie, sondern etwas hin und her; die letzten überdies nicht auf der scharfen Kante des Chitinblattes, sondern etwas tiefer an der äussern Seite, so dass die Kante einen scharfen Grat daneben bildet. Auf dem vor- dem Drittel sind sämmtliche Dornen von gleichmässiger, mittlerer Grösse; auf den letzten zwei Dritteln stehen stets 5 oder mehr grosse kräftige Dornen, zwischen welchen je 6 — 10 kleinere, nur halb so grosse Dornen eingereiht sind. Diese zeigen bei stärkerer Vergrösserung unregelmässige Seitenzähnchen, welche an den grossen Dornen nie zu be- merken sind. Wenn auch bei einzelnen Exemplaren die letzten Dornen wiederum sämmtlich von gleicher Grösse sind, so zeigen doch diejenigen der mittleren Partie stets 3Ö Heinrich Lenz: den eben erwähnten Grössenunterseliied, welcher ein con- stantes Merkmal für diese Art zu bilden scheint. Die Ge- sammtzahl der Dornen beträgt einige VO. An der Trennungsstelle beider Chitinblätter befinden sich zwei lange mit einzelnen Fiederhärchen besetzte, spitz auslaufende Borsten. An der unteren Ecke sind zwei schlanke, ebenfalls nach oben gekrümmte, Haken eingelenkt. Diese tragen an der Innern Seite am Grunde einzelne gefiederte Haare und an der Spitze sehr kurze, erst bei stärkerer Vergrösserung wahrnehmbare, Seitendornen. Beim Weibchen ist das Endsegment und seine Be- zahnung genau wie beim Männchen. Die Zahl der Füsse beträgt beim Männchen und Weibchen 27. Grösse und Ausbildung ihrer Theile neh- men nach hinten ab, lassen jedoch stets den Grundplan wiedererkennen. Die letzten Füsse werden so rudimentär, dass sie das Zählen sehr erschweren. Entsprechen die Füsse in ihrem Bau auch im Allge- meinen denen anderer Arten, so lassen sich doch im Ein- zelnen wiederum manche Eigenthtimlichkeiten nachweisen. An den Greiffüssen (Fig. 24) der Männchen sind die einzelnen Läppchen (wie bei sämmtlichen Füssen) durch tiefe Einschnitte von einander getrennt. Der dritte Fusslappen trägt am Ende ein Polster, w^elches mit einem Schopf platter, lanzettförmiger Borsten besetzt ist. An der innern Seile entspringt ein stumpfer Zapfen (Tasteranhang), welcher an seiner Spitze mit einigen kurzen Haaren be- setzt ist. Der 4. Fusslappen ist ziemlich gleichmässig liakenförmig gekrümmt und am Ende mit kurzen Haaren besetzt. Das 5. bewegliche Hakenglied ist von einer star- ken, dunkelbraun gefärbten Chitiuschale umgeben und so gekrümmt, dass es mit seiner Spitze, welche an der innern Seite abgeplattet und rauh ist, dem Borstenpolster des 3. Fusslappens gegenüberzustehen kommt. Am oberen Ende der Aussenseitc des Hakengliedes befindet sich ein eigentliündich geformter Ausschnitt, welcher zum Theil durch ein dünnes Chitinblatt ausiielilllt wird. Es ist die Estheria californica Pack, 37 Ansatzstelle des Hakens, der durch vier Muskelbündel be- wegt werden kann. Der Maxillaranhang" trägt an seiner innern coneaven Seite eine, bei den ersten beiden Fusspaaren, nach oben gekrümmte, bei den übrigen quer und gerade verlaufende Leiste , welche mit säbelförmig gekrümmten , nach der Spitze zu länger werdenden ßorsten besetzt ist. Auf dem coneaven Rande des Lappens bemerkt man an der Spitze 2 oder 3 kurze Dornen und etwas aufwärts eine lange kräftige Borste, welche, wie diejenigen der übrigen Fussanhänge gebaut ist. Am convexen Rande ist die eine Reihe der Borsten knieförmig gebogen (Fig. 26c), während die andere die gewöhnliche Form zeigt (Fig. 26 a, b). Der vierte Fusslappen ist an allen Füssen, mit Aus- nahme der letzten, sehr lang, dünn, unbehaart und stumpf. Der griifelförmige Anhang nimmt an den mittleren Füssen allmählich an Länge ab und verschwindet vom 20. Fuss- paare ab ganz. Der fünfte Fusslappen zeigt am obern Ende innen und aussen eine Einkerbung, so dass sein unterer Theil deutlich abgesetzt erscheint. Der untere P3ranchialanhang ist von der Länge des fünften Fusslappens und seine un- tere Hälfte mit Borsten besetzt. Der innere Branchialan- hang ist bei den vorderen Füssen kurz und wenig auf- wärts laufend. Bei den mittleren Füssen ist er mehr aus- gezogen und nicht so stumpf, wie bei den vorderen Füssen. Er reicht hier bis über die Mitte des zweiten Fusslappens hinauf. Die letzten Füsse sind verkümmert und in ihrer Form wenig constant. Von den einzelnen Theilen bleibt der untere Branchialanhang am meisten entwickelt (Fig. 25c). Beim Weibchen sind das neunte und zehnte Fuss- paar zum Festhalten der Eier umgew^andelt. Die vorderen Eihalter sind dünne ausgezogen imd reichen mit ihrer Spitze über den Rücken des Thieres hinaus bis an den Rand der Schale. Die hinteren endigen stumpf, sind nur halb so lang und schwach gekrümmt, mit der coneaven Seite nach hinten gewandt. Die oberen Branchialanhärge sind 38 Heinrich Lenz: besonders an den vordem Füssen länger, als beim Männ- chen. Sie halten die Eier von den Seiten, während die Eihalter das Fortgleiten nach hinten verhüten. Der bor- stenlose Griffelanhang des vierten Fusslappens ist auch bei dieser Species beim Weibchen kürzer, als beim Männ- chen. Der Darminhalt bestand aus einer grauen, sandi- gen Thonmasse, in welcher sehr vereinzelt Diatomaceen und Ueberreste von Cladoceren oder ähnlichen kleinen Krebsen zu finden waren. Was die systematische Stellung der E. califor- nica anbetrifft, so dürfte ihr wohl am passendsten ein Platz neben E. melitensis und polita zu geben sein. Der äussere Umriss der Schale weicht allerdings von allen bisher beschriebenen, auch von den eben genannten nächst verwandten Arten, bedeutend ab. In der Struktur der Schale dürfte jedoch, so weit dies aus Baird's Beschrei- bung ^) zu entnehmen ist, melitensis unserer Species am nächsten kommen. Eine merkwürdige Aehnlichkeit im äusseren Umriss zeigt Limnadia antillarum^). Aufzählung derjenigen Estheria- Arten , welche seit Grube's Arbeit in Wiegmann's Archiv XXXI, 1865 neu beschrieben wurden: Estheria californica Pack. E. ClarUi Fach. Sixth Rep. Peab. Acad. Sc. 1874; Annual Rep. of the United states geological and geogra- phica! survey of the territories for 1873. Part. III. Zoo- logy. Washington 1875 p. 619. Fig. 7. „Shell oblong- oval, thin, about two-thirds as broad, as long, with the umbones rather prominent, oblique, situated on the ante- rior fourth of the shell. About 20 lines of growth. Length 0,45 inch. Male shell narrower and with rather more pro- minent umbones, than the female. Animal with 14 joints 1) Proc. of Zool. Soc. 1849 p. 88. 2) Proc. of Zool. Soc. 1852 p. 30; Tab. XXIII, Fig. 1. Estheria californica Pack. 39 in antennal fiagella; each Joint along the middle with 6 or 7 spines above, and 3 or 4 stout hairs beneath; 22 pairs ot" swimming-feet ; telson with 20 pairs of unequal spines; claws of male long and much curved; telson lar- ger, than in the other sex. Ohio, Kentucky, Kansas. May and later." ,,Differs from E. Caldwelli Baird in the flatter shell and smaller umbones, while the interstices between the lines are much less coarsely punctate." E. Morsei Fach. Amer. Journ. Sc. 1871. — Dakota and Jowa. E. Belfragei Fach. Amer. Journ. Sc. 1871. In dem schon mehrfach citirten United states geolog. survey giebt Pac kard eine Abbildung der Schale. Texas. E. Neivcomhii Baird. Proc. of the Zool. Soc. of Lon- don 1866, p. 122; Tab. XII, Fig. 2. — California. Erklärung der Figuren auf Taf. III und IV. Fig. 1. Seitenansicht des ganzen Thieres. Vergrösserung 8^/4. Fig. 2. Rückenansicht ) ,, Fig. S. Vorderansicht | ^^rgrosserung 2./.. Fig. 4. Ein Stück aus der Randpartie der Schale, a b der Rand. Vergrösserung ^"/j. Fig. 5. Die Schalendrüse, a Schliessmuskel, b innerer grosser Sinus, c Uebergang des äussern in den mittlem Drüsen- gang, d blindes (?) Ende des äussern Drüsenganges, e klei- nerer Sinus, f Wirbel der Schale. Vergrösserung ^"/j. Fig. 6. Theile der mittleren Schalenpartie mit rosettenartigen Kalkablagerungen. Vergrösserung ^"/j. Fig. 7. Seitenansicht eines ganzen männlichen Thieres nach Weg- nahme der rechten Schalenhälfte. Vergrösserung ^/j. Fig. 8. Kopf eines Männchens von der Seite, n Nackeneinschnitt, X flache Vertiefung, w wallartige Erhebung, y und z Grate, st Schnabel, M Mandibeln, o einfaches Auge. Vergröspe- rung 8/i. Fig. 9. Kopf eines Männchens von vorne, v v' y Grate, t Schna- bel, Vergrösserung **/i. 40 Heinrich Lenz: Estheria californica Pack. Fig. 10. Kopf eines Weibchens von der Seite. Bedeutung der Buch- staben wie in Fig. 8. Fig. 11. Einzelne Krystallkegel des zusammengesetzten Auges, a und b Seitenansicht, c ein, in die einzelnen- Segmente, zerdrückter Krystallkegel, d Querschnitt. Vergrösserung ^''^/i. Fig. 12, Erste Antenne eines Männchens. Vergrösserung ^%. Fig. 13. Eine einzelne Anschwellung stärker vergrössert, um die gruppenweise Anordnung der Sinnesorgane zu zeigen. Ver- grösserung ^°°/i. Fig. 14. Ein einzelnes Organ. a prismatisch-becherförmiges Ner- venstäbchen, b Sinnesfaden mit dem glänzenden Knöpfchen am Ende , c zarter Nervenfaden, welcher aus dem Innern der Antenne kommt. Vergrösserung ^°°/i. Fig. 15. Basaltheil einer 2. Antenne. Vergrösserung 3%. Fig. 16. Ruderast derselben. Vergrösserung ^^,\. Fig. 17. Seitenansicht der Lippe. > Fig. 18. Ansicht derselben von unten. > Vergrösserung '^/i- Fig. 19. ,, „ ,, oben. ' Fig. 20. Mandibel. Vergrösserung ^^/j. Fig. 21. Erste Maxille. ) ^ .. <,«; Fig. 22. Zweite „ | Vergrosseru.g «/.. Fig. 23. Endsegment von der Seite, a b Linie, bei welcher die beiden Chitinblätter sich trennen. Vergrösserung ^"/i. Fig. 24. Erster Fuss eines Männchens. Vergrösserung ^°/i. Fig. 25. Einige der letzten Füsse. a Vergrösserung ^/j. b/%, c ^°/i- li — 15 die einzehien Läppchen. Fig. 26. Einzelne Haare der Branchialanhäuge. b Borsten der obern, c der untern Reihe der äussern Seite des Maxillar- L üb eck, den 5. August 1876. Beitrag zur Metamorphose der Käfer. Von Forstmeister Th. Beling in Seesen am Harz. 1. Phlaeniiis vestitus Fabr. Larve: Bis 10 Mm. lang, 2,5 Mm. breit, in der Mitte erweitert, nach beiden Leibesenden hin etwas verschmälert, im Umrisse fast elliptisch. Kopf vierseitig, fast quadratisch, hornig, lebhaft gelbbraun, glänzend, mit einzelnen feinen kurzen, steil abstehenden Haaren besetzt, auf der Oberseite von der Mitte des Hinterrandes nach vorn hin bis zur Basis der Mandibeln mit zwei breiten, geschwärzten, zusammen einen nach vorn hin weit geöffneten Winkel bildenden, und einen rundlichen Eindruck einschliessenden Linien. Vorder- rand des Kopfschildes oder die Stirnkante geschwärzt, gerade abgestutzt, mit einigen seichten Längenfurchen. Mandibeln bräunlichgelb, an der Spitze braunroth, schmal, sichelförmig gebogen, nahe oberhalb der Basis an der Innenseite mit einem breiten spitzen Zahne. Augenbeule hinter den Fühlern schwarzbraun, etwas länger als breit, vierseitig, in der Mitte mit einem steifen, gerade abstehen- den Haar. Fühler viergliederig, das erste Glied gelbbraun, lang, cylindrisch, an der Basis schmal schwärzlich, an der Spitze breiter und daselbst nach unten hin verwaschen schwärzlich umsäumt; zweites Glied kürzer und dünner als das erste Glied, schwärzlich, an seiner Spitze etwas keulig verdickt und daselbst gleich dem ersten Gliede mit einigen langen steifen, gespreizt stehenden Haaren besetzt; drittes 42 Th. Beling! Fühlerglied länger als das zweite, aber dünner, gleich dem zweiten schwärzlich gefärbt, etwas bogig nach innen ge- krümmt, an der Aussenseite oberhalb der Mitte mit einen^x kleinen zahnförmigen stumpflichen Höcker und unterhalb dieses Höckers mit einem steifen, auswärts gerichteten Haar; ein ähnliches Haar an der Innenseite des dritten Fühlergliedes nahe unterhalb der Spitze; viertes Fühler- glied kurz, cylindrisch, das kürzeste der vier Glieder, mit dem dritten Fühlergliede unter stumpfem Winkel in der Weise verbunden, dass die mit 3 langen steifen, gespreizt stehenden Haaren besetzte Spitze nach auswärts gerichtet ist. Maxillen ein langer balkenlörmiger lichtbräunlicher, gleich breiter, an der Oberseite mit steifen Haaren besetzter Stamm auf kurzem, geschwärzten Angelgelenk, an der Unterseite mit einzelneu langen steifen Haaren besetzt und an der Spitze mit einem längereu viergliederigen äusseren und einem weit kürzeren zweigliederigen inneren Taster besetzt. Von den vier Gliedern des äusseren Maxillar- Tasters das erste Glied kurz und dick, die folgenden beiden Glieder gleich dem ersten cylindrisch, unter sich von ziem- lich gleicher Länge, aber das dritte merklich dünner als das zweite; das Endglied ganz dünn und kurz, kegelig. Die beiden Glieder des inneren Maxillartasters ziemlich gleich lang, aber das zweite weit dünner als das erste. Lippe vierseitig, nach oben hin etwas erweitert, breiter als lang, an den Seiten mit steifen Wimperhaaren besetzt und an jeder Oberecke mit einem zweigliederigen Taster, dessen erstes Glied plump, nach oben hin verdickt, das zweite weit kürzer und dünner, kegelförmig ist. Zunge ein kurzer, kegeliger, an der Spitze mit einem oder zwei steifen nach vorwärts gerichteten Haaren besetzter Höcker innerhalb der beiden Lippentaster. Thorax an der Ober- seite hornig, schwarz, etwas glänzend. Prothorax vierseitig, an den Seiten schwach gerundet und daselbst mit feinem abgesetzten Rande versehen, nach hinterwärts etwas er- weitert, breiter als lang, am Vorderrande massig gerundet. Meso- und Metathorax unter sich von ziemlich gleicher Länge, aber letzterer merklich breiter, beide an den Seiten gleich dem Prothorax mit feinem abgesetzten Rande. Hinter- Beitrag zur Metamorphose der Käfer. 43 leib neungliederig, die ersten acht Hinterleibsglieder kurz und breit, gleich den Thoraxgliedern an der Oberseite mit schwarzen, den ganzen Rücken einnehmenden, etwas glän- zenden Hornschilden, welche an den Seiten gerundet und mit schart abgesetzten, noch etwas auf die Vorder- und die Hinterseite bogenförmig übergreifenden Rändern versehen und mit einzelnen ganz kurzen, nach rückwärts gerichteten Haaren besetzt sind. An jeder Seite etw^a in der Längen- mitte haben dieselben einen flach trichterförmigen Eindruck und die Eindrücke zusammengenommen bilden eine Längen- reihe an jeder der beiden Rückenseiten. Die Rückenmitte der drei Thorax- und der ersten acht Hinterleibs-Glieder entlang eine schmale Längenfurche. Afterglied schmal und kurz, an der Oberseite mit zwei langen, schwanzförmi- gen, nach hinten hin schräg aufwärts gerichteten, an der Basis geschwärzten, dann schmutzig gelbbraunen und im oberen Theile wieder geschwärzten, nach rückwärts kurz anliegend behaarten und ausserdem mit einzelnen langen, steil abstehenden Haaren besetzten; nicht entschieden ge- gliederten Spitzen ; an der Unterseite des Aftergliedes eine kurze, dicke, schräg nach hinten gerichtete, mit einzelnen steifen Haaren besetzte, an der Spitze geschwärzte After- röhre. Unterseite des Kopfes gleichmässig gelbbraun und wie die Oberseite am Vorderrande schmal geschwärzt. Unterseite des Thorax und des Hinterleibes gelblich weiss. Vorderrand des Prothorax an der Unterseite breit hornig, schwarz, glänzend ; Meso- und Metathorax daselbst in der Mitte des Vorderrandes mit einem schwarzbraunen, läng- lichen Hornfleck. Unterseite eines jeden der ersten sieben Hinterleibsglieder zunächst des Vorderrandes mit einem in die Breite gedehnten, grossen schwarzbraunen elliptischen Hornfleck; hinter demselben vier in Querreihe stehende gleich gefärbte kleinere Flecken, von denen die mittleren beiden vierseitig, etwas breiter als lang, die äusseren beiden unregelmässig vierseitig oder stumpf kegelförmig, mit der Spitze schräg nach vorn gerichtet sind. An der Unter- seite der letzten zwei Leibesglieder nur ein grosser vier- seitiger schwarzbrauner Hornfleck. Zwischen den gedachten Flecken der Bauchseite und den hornigen Rückenschienen 44 Th. Belinfr: jederseits zwei Längenreihen schwarzbrauner, länglicher, calloser Flecke und zwischen der äusseren oder oberen Reihe dieser Flecke und den Rückenschienen die kreis- runden schwarzbraunen glänzenden Stigmen in je einer Längenreihe. Die sämmtlichen Hornflecke der Bauch- seite des Hinterleibes sind mit gelbbraunen, feinen, mit der Spitze theils nach vorwärts theils nach hinterwärts ge- richteten Haaren besetzt. Beine scliwarzbraun, glänzend, mit dicken langen glatten, weit auseinander stehenden Hüften; die übrigen Glieder etwas heller, an der Innen- seite mit einigen theils längeren, theils kürzeren, kamm- förmig gereihet stehenden, steifen Borstenhaaren besetzt. Endglied der Beine gelbbraun mit zwei gleichen, wenig gebogenen langen spitzen Klauen. Die Larve ist ausge- zeichnet durch lebhafte Färbung und insbesondere den intensiv gelbbraunen Kopf. Puppe: Bis 8 Mm. lang und 3,5 Mm. breit, milch- weiss. Prothorax klein, an den Seiten etwas gerundet, an dem gleichfalls gerundeten Hinterrande beiderseits sehr seicht gebuchtet, auf der ganzen Oberseite mit einzelnen kurzen steifen braunen und ausserdem an den fünf ersten Hinterleibsgliedern mit einzelnen langen steil abstehenden braunen Haaren besetzt. Augen gross, braun durchscheinend. Meso- und Metathorax nach hinterwärts erweitert, am Hinterrande gerade. Der neungliederige Hinterleib in der Mitte am breitesten, etwas platt gedrückt; an der scharfen Seitenkante des dritten und vierten Hinterleibsgliedes jeder- seits ein zapfenförmiger, an der Spitze kolbig erweiterter, mit einzelnen kurzen steifen braunen Haaren besetzter wasserheller Auswuchs. Am fünften Hinterleibsringe jeder- seits nur ein kurzer, mit einigen ähnlichen Haaren be- setzter Zapfen. Flügelscheiden bis Ende des fünften Hinterleibsgliedes, Fussscheiden mit den gespreizten Klauen bis Ende des Hinterleibes oder darüber hinaus reichend. Afterglied an der Oberseite mit zwei entfernt stehenden wasserhellen, kegelförmigen, nach hinten gerichteten Zapfen versehen. In der Mitte des Monat August 1876 fand ich Larven und Puppen in der noch feuchten, mit kleinen Steinen Beitrag- zur Metamorphose der Käfer. 45 reichlich vermischten sandigen Schlammerde des Bettes eines während der Sommerdürre versiegten, wenige Meter breiten, einen Garten durchziehenden Baches und vom 21. August an wurden daselbst auch mehre bereits ausgebildete Käfer aufgenommen. Die Dauer der Puppenruhe ist nicht zuverlässig beobachtet; sie scheint sich nur über zwei bis drei Wochen zu erstrecken. 2. Ämara familiaris Duftschm. Larve: Bis 10 Mm. lang 1,6 Mm. breit, in der Mitte erweitert, nach beiden Leibesenden hin merklich ver- schmälert, ziemlich gerundet und nur wenig platt gedrückt. Kopf vierseitig, reichlich doppelt so breit als lang, nach vorn hin wenig verschmälert, an der Oberseite im hinteren Theile dunkel olivenbraun, im vorderen Theile rothbraun. Mandibeln an der Basis dick, gelbbraun, mit massig sichel- förmig gebogener schwarzbrauner Spitze, an der Innenseite etwa in der Mitte mit einem ganz kleinen spitzen Zähnchen und an der Spitze mitunter ganz seicht ausgerandet oder gekerbt. Fühler goldgelb, viergliederig, die ersten drei Glieder walzenförmig, das erste und dritte von gleicher Länge, jedes etwas länger als das zweite^ aber das folgende Glied vom ersten an immer merklich dünner als das vor- hergehende. Viertes Fühlerglied so lang als das dritte, auch wohl etwas länger, aber weit dünner, dem dritten schief nach aussen gerichtet aufgesetzt, an der Spitze mit mehren langen, feinen gespreizten Haaren. Neben diesem vierten Gliede steht am Ende des dritten Gliedes eine kleine kegelförmige Spitze. Die ersten drei Fühlerglieder sind ebenfalls mit einigen langen steifen, steil abstehenden Haaren besetzt. Augenbeule hinter den Fühlern gross, rundlich, geschwärzt. Maxillen mit den Fühlern gleich gefärbt, ein schlanker, schmaler, balkenförmiger Stamm, an der Spitze mit einem längeren viergliederigen äusseren und einem kürzeren zweigliederigen inneren Taster und an der Innen- seite mit langen, gelben Haaren fransenartig besetzt. Von den vier Gliedern des äusseren Maxillar- Tasters ist das erste Glied kurz und dick, das zweite Glied walzenffh'mig, über doppelt so lang wie das erste Glied, aber etwas 46 Th. Beling:: dünner; das dritte Glied ganz kurz, walzig, weit kürzer als das zweite und auch etwas kürzer als das erste Glied; das vierte Glied kurz und dünn, ahlförmig. Von den bei- den Gliedern des inneren Maxillartasters ist das erste Glied länger und weit dicker als das ahlförmige zweite Glied. Lippe vierseitig, nach oben hin erweitert, am Oberrande so breit wie lang, an jeder Ecke mit einem zweigliederigen Taster, dessen erstes Glied walzig und lang, das zweite unter stumpfem Winkel nach innen gerichtet aufgesetzte weit dünner und ahlförmig ist. Zunge ziemlich lang und breit, vierseitig, au der Spitze mit zwei steifen nach oben hin divergirenden Härchen besetzt. Stirnkante innerhalb der Mandibeln mit einer Reihe ganz kurzer brauner un- gleicher, dicht stehender Borstenzähnchen besetzt. Thorax sammt den ersten acht Hinterleibsgliedern auf der Mitte der Oberseite, mit einem schmalen ziemlich tiefen Längenein- drucke. Prothorax gross, vierseitig, olivenbraun, mit schmalem, weitläufig und ziemlich grob längs nadelrissigem Vorder- und Hintersaume. Meso- und Metathorax zu- sammen wenig länger als der Prothorax, auf der Oberseite eines jeden Gliedes mit grossem schildförmigen olivenbraunen Hornfleck, welcher fast die ganze Oberfläche einnimmt und gerundete Hinterecken hat. Der neungliederige Hinterleib vorn dick, nach hinten merklich verschmälert, beziehungs- weise verdünnt, weiss, ein jedes Glied auf der Oberseite mit einem grossen, aschgrau olivenbräunlichen, mit einzelnen längeren und kürzeren, steil abstehenden braunen Haaren besetzten Fleck, dessen Hinterecken gerundet sind, unregel- mässig und flachgrubig vertieft, an jeder Seite unweit des Randes und etwa in der Mitte der Längenerstreckung mit einem grossen seichten rundlichen Eindrucke. Das neunte Hinterleibsglied mit einerlangen walzenförmigen, aschgrauen, in der Mitte helleren, ringsum mit einzelnen steifen braunen, massig langen Haaren besetzten Afterröhre. Zu jeder Seite der letzteren eine lange, dieselbe weit tiberragende, mit langen steil abstehenden Haaren versehene, knotige schwanzförmige Spitze. Seitenstigmen klein, kreistörmig, schwärzlich braun, mit hellerem Kern und dunklerem Rande. Unterhalb dieser Stigmen an jeder Leibesseite zwei Beitrag zur Metamorptose der Käfer. 47 Längenreihen calloser, hell aschgrauer Hornflecke, von denen die in unterer Reihe länger und schmaler als die in der oberen Reihe stehenden sind. Innerhalb eines jeden dieser callosen Flecke einige (in der Regel zwei) braune, steil abstehende, ungleich lange Haare. Unterseite der ersten 7 Hinterleibssegmente mit einem grossen, hellasch- grauen, kreisabschnittförmigen Fleck im vorderen Theile und hinter demselben mit vier neben einander stehenden, im Umrisse vierseitigen Flecken, von denen die beiden äusseren länger und weniger regelmässig gestaltet sind, als die beiden inneren, w^elche letzteren eine nahezu quadratische Form haben. In dem grossen Vorderrand- flecke stehen 4 steife steil abstehende Haare in Querreihe unmittelbar hinter dem Vorderrande des Gliedes und ein jeder der vier übrigen Flecke trägt ein steifes braunes Haar, also zusammengenommen vier Haare in den kleineren Flecken, welche zusammengenommen gleichfalls eine Querreihe bilden. Der vordere Hornfleck auf der Unter- seite des achten Hinterleibsgliedes ist vierseitig, nahezu quadratisch, die Unterseite des neunten ganz kurzen Hinter- leibsgliedes ist ungefleckt. Beine weiss, Hüften lang und dick, an der Aussenseite mit zwei Längenreihen weit- läuftig gestellter brauner steifer Borstenhaare ; die übrigen Glieder an der Innenseite mit ungleich langen braunen Borstenhaaren in weitläuftiger Stellung reihenförmig besetzt, das letzte Glied in zwei braune, gleiche, massig grosse Klauen endend. An der Aussenseite der Basis jedes Beines zwei schwarze, nach vorwärts gerichtete divergirende breit- basige Zähnchen. Puppe: 5,5 Mm. lang, 2,5 Mm. breit, weiss, glänzend, mit ovalem, nach hinten hin verschmälerten Hinterleibe und mit kurzen feinen hellen Haaren dünn besetzt. Auf der Mitte der Oberseite ein dunkeles, unterbrochenes, ziemlich breites Längenband. Augen als grosse ovale, braune oder schwarzbraune Punkte durchscheinend. Halsschild oder Prothorax vierseitig, fast doppelt so breit als lang, an den Seiten nach vorn hin stark gerundet und verschmälert, nach hinten hin ziemlich gerade. Scheiden der Hinterfüsse mit gespreizten Klauen bis zum Leibesende reichend. 48 Th. Beling: Larven und Puppen in kleiner Anzahl, so wie auch zwei schon ausgebildete Käfer, fand ich am 6. September 1875 am Rande eines kleinen Torfmoores zwischen mit Laubblättern etc. vermischter Abraumerde. Aus Larven, die ich an dem gedachten Tage mit zu Haus nahm und in einem mit Torferde gefüllten Glase unterbrachte, waren am 30. September drei bereits vollständig ausgefärbte Käfer hervorgegangen. Die Puppenruhe hatte demnach keinen- falls länger als drei Wochen gedauert. 3. Xantholimis lenUis Grav. Larve: Bis 9 Mm. lang 1 Mm. breit, abgeplattet, nach hinterwärts etwas verschmälert, mit ziemlich scharf abge- schnürten und an den Abschnürungen gerundeten Hinter- leibsgliedern, lebhaft hellgelb gefärbt. Kopf vierseitig, fast quadratisch, rothbraun. glänzend, hornig, mit ganz abge- rundeten Hinterecken. Mandibeln rothbraun, schmal, lang und spitz, sichelförmig gebogen, zahnlos. Stirnkante schart mit zwei grösseren, nahe bei einander stehenden Zähnen, welche einen ganz kleinen spitzen Zahn zwischen sich haben. Zu beiden Seiten dieser Zahnreihe ein gerundeter lappen- förmiger, mit vier ganz kleinen Zähnchen besetzter Vor- sprung. Ausserdem der Stirnrand mit mehren massig langen, steifen, nach vorwärts gerichteten goldgelben Haaren besetzt. Augenbeule an der Basis der Mandibeln ganz klein, braun. Fühler lang viergliederig, braun; erstes Glied kurz und dick, zweites Glied cylindrisch, an der Spitze etwas ver- dickt, drittes Glied weit dünner und etwas kürzer als das zweite; viertes Glied weit dünner und etwas kürzer als das dritte; zweites und drittes Fühlerglied an der Spitze mit einigen steifen, gespreizt nach vorn hin abstehenden Haaren besetzt und alle Fühlerglieder an der Spitze wasserhell, oder weiss. Mandibeln ein langer balkenförmiger, an der Unterseite mit einigen massig langen steifen abstehen- den Haaren besetzter Stamm auf kurzem Angelgelenk mit langen viergliederigen äusseren und einem kurzen zweigliederigen inneren Taster an der Spitze. Beide Mandibelstämme weit von einander entfernt. Erstes und zweites Glied des viergliederigen äusseren Tasters unter Beitrag zur Metamorphose der Käfer. 49 sich von ziemlich gleicher Läüge und Dicke, stielrund; drittes Glied etwas kürzer und weit dünner als das zweite ; letztes Glied ein kurzes dünnes Spitzchen. Die beiden Glieder des ganz kurzen und dünnen, zweigliederigen Maxillar- tasters von ziemlich gleicher Länge. Lippe schmal 4seitig, an der Spitze erweitert und daselbst mit zwei kurzen kegeligen dreigliederigen Tastern. Zunge ein langgedehntes schmales Spitzchen. Prothorax nach vorn hin verschmälert, im vordersten Theile rothbraun, nach hinten hin verwaschen heller, länger als der Meso- und der Metathorax und fast ebenso lang wie beide zusammen genommen. Letztere beiden unter sich von annähernd gleicher Länge und Breite, etwas breiter als der Prothorax, zunächst des Vor- derrandes und des Hinterrandes mit je einer Querreihe brauner steifer Haare besetzt. Die lebhaft blassgelben Hinterleibsglieder gerundet; mit je zwei Querreihen langer brauner, meist steil abstehender Haare, welche sich auch über die Bauchseite erstrecken. Afterglied an der Ober- seite mit zwei schwanzförmigen, weissen nach hinterwärts gerichteten Spitzen, deren jede aus zwei ziemlich gleich langen Gliedern besteht, von denen das untere dicker als das obere ist; das erste Glied an der Spitze mit einigen langen steifen braunen Haaren besetzt, das zweite mit einem solchen schräg aufgesetzten Haar endend. Afterröhre lang tubulos, abgestumpft kegelig. Den Rücken der Thorax- und der ersten acht Hinterleibsglieder entlang eine Mitten- furche, welche auf dem Prothorax sehr schmal und fein, auf den übrigen Gliedern breit und flach ist. Beine sehr lang, weiss; Hüften dick und lang, kahl; die übrigen Glieder an der Innenseite mit braunen weitläufig stehenden kleinen Dornenzähnen in zwei Reihen kammförmig besetzt, in eine wenig gebogene, braune spitze Klaue endend; alle Bein- glieder an der Spitze schmal braun gerandet. Puppe: 5 Mm. lang, mit untergeschlagenem Kopfe, buckelig hervorgehobener Mittelbrust und kegelig gespitztem Hinterleibe, bräunlichgelb, kahl, wenig glänzend. Hinter- leib 9gliederig, am Hinterrande der einzelnen Glieder schmal braun gesäumt, mit zwei nahe bei einander stehenden braunen haarförmig auslaufenden Spitzen endend. Flügel- scheiden und Fussscheiden am Ende gebräunt, erstere bis Archiv f. Naturg. XXXXIII. Jahrg. 1. Bd. 4 50 Th. Beling: Ende des vierten, letztere bis Ende des fünften Hinter- leibsgliedes reichend. Larven und Puppen fand ich wiederholt in den Mo- naten Juli und August verschiedener Jahre unter der Rinde von Bostrychiden bewohnt gewesener, im Walde auf der Erde gelegener Fichten in schmierig feuchtem Rinden- moder. Die nicht genau beobachtete Puppenruhe scheint etwa zwei bis drei Wochen zu dauern. 4. Äcidota crenafa Fabr. Larve: 6 Mm. lang, 0,7 Mm. breit, scharf gegliedert, schmutzig gelblich, auf dem Rücken etwas dunkler ; der blass- bräunliche hornige Kopf in seiner Färbung wenig von der- jenigen der Thoraxglieder verschieden. Der mit einzelnen hellen Haaren besetzte neungliederige Hinterleib in zwei kleine gebräunte, wenig divergirende Spitzen endend. Beine hell mit kleiner einfacher wenig gebogener Klaue. Puppe: 4 Mm. lang, 1 Mm. breit, weiss ins Gelbliche, nach hinten hin spindelförmig verdünnt, mit einzelnen langen bräunlichen Wimperhaaren besetzt, von denen die seitwärts an je einem Gliede stehenden die relativ längsten sind und welche zusammengenommen vier Längenreihen bilden. Vor der Stirn zwei steife divergirende Borstenhaare und der Hinterleib mit zwei ähnlichen Haaren endend. Die sehr agilen Larven fand ich in einiger Anzahl am 9. April 1870 zusammen mit einer Menge unter der Laubdecke eines alten Buchenbestandes in gedrängter Gesellschaft angetroffenen Larven der Sciara gregaria Bei. Beiderlei Larven wurden mit zu Haus genommen und in einem Gefässe mit Erde und Waldstreulaub unterhalten. Bereits am 17. April waren sämmtliche Sciaren-Larven von den Staphyliniden-Larven vertilgt, worauf sich letzere in die Erde unter der Streulaubschicht zurükzogen, in welcher auch die Verpuppung erfolgte. Zu Ende Mai, nach etwa 14 tägiger Puppenruhe, erschienen einige Käfer. 5. Elodes livida Fabr. Larve: Bis 6 Mm. lang, 1,3 Mm. breit, schmutzig bräunlichgelb, glänzend, an der Ober- wie an der Unter- Beitrag zur Metamorphose der Käfer. 51 Seite mit feinen, hellen abstehenden Haaren dünn besetzt. Kopfschild kurz, breiter als lang, von gleicher Färbung mit dem übrigen Körper, an jeder Seite mit einer grossen schwarzbraunen Augenbeule. In der Mitte der Stirn ein kleiner schwarzbrauner Fleck. Mandibeln massig sichel- förmig gebogen, spitz, an der Basis kräftig, an der Aussen- seite mit einzelnen feinen, steifen Haaren besetzt. Fühler fadenförmig, verhältnissmässig lang, dreigliederig, die ersfen beiden Glieder an der Spitze etwas verdickt ; das zweite Glied etwas kürzer als das erste; drittes Glied wenig länger als das zweite, mit einem aufgesetzten kurzen Spitzchen, welches auch als viertes Glied gedeutet werden kann. Kinn dreiseitig. Maxillen an der Spitze verdickt und an der Innenseite mit zahlreichen, ungleich langen und zumTheil mehrgliederigen Organen besetzt. Prothorax so lang wie Meso- und Methatorax zusammengenommen, nach vorn hin verschmälert. Die unter sich ziemlich gleich langen Meso- und Metathorax-Glieder nach hinten hin etwas erweitert. Hinterleib neungliederig, die Glieder vom ersten bis ein- schliesslich fünften an Breite etwas zunehmend, das sechste und siebente Glied wieder etwas schmaler; das achte Glied nach hinterwärts bedeutend verschmälert und daselbst kaum halb so breit als das vorhergehende Glied, ausgebuchtet; das neunte Hinterleibsglied ganz kurz und schmal, am Ende ausgerandet; die letzten beiden Hinterleibsglieder mit längeren, steifen, nach hinterwärts gerichteten Haaren be- setzt. Beine heller als der übrige Körper gefärbt; Hüften massig lang; Schenkel etwas länger aber wenig dicker als die Schienen, gleich diesen mit einzelnen kurzen steifen Haaren unregelmässig besetzt. Endglieder mit einer ein- fachen, langen, spitzen, massig gebogenen Klaue und an der Innen-Basis der letzteren ein langes , steifes, nach vor- wärts gerichtetes Haar. Puppe: 6 Mm. lang, 2,5 Mm. breit, etwas platt ge- drückt, in der Mitte am breitesten, nach hinten hin zuge- spitzt, milchweisS; fein und ziemlich dicht abstehend weiss behaart, fast tomentos, Halsschild mit 4 langen, steifen, gebräunten, steil abstehenden Borstenhaaren im Viereck, 52 Th. Beling: von denen zwei längere am Vorderrande, zwei etwas kürzere am Hinterrande und letztere in der Weise stehen, dass jedes Haar etwa um ein Drittheil der Halsschild-Hinter- breite von der nächsten Halsschild Hinterecke entfernt ist. Augen als schwarzbraune, glänzende, verhältnissmässig ziemlich grosse Punkte durchscheinend. Die letzten der neun Hinterleibsglieder w^asserhell, durchscheinend, das Leibesende zugespitzt mit zwei kleinen divergirenden Haut- zäptchen endend. Flügelscheiden bis zum vierten, Fuss- scheiden bis zum fünften Hinterleibsgliede reichend. Der Larvenbalg bleibt regelmässig und fest am Leibesende der Puppe hängen. Die Larven und Puppen fand ich unter hoher, in Verwesung begriffener Laubschicht an mehren Wasser- tümpeln in einem Laubholzbestande zunächst des Feld- randes. Die Verpuppung geschieht schon früh im Sommer ; denn bereits am 19. Juni 1875 wurden, zugleich mit wenigen Larven und zahlreichen Puppen schon mehre irisch ausge- kommene Käfer angetroffen. 6. JEros affinis Payk. Larve: Bis 12 Mm. lang, vorn schmal, nach hintenhin erweitert oder verdickt, etwas platt gedrückt, weiss, por- cellanartig -glänzend, mit ganz kleinem, linsenfömigen, gelb- braunen Kopfe. Mandibeln lang und dünn, pfriemenförmig, wenig gebogen, kastanienbraun. Fühler zweigliederig, kurz, erstes Glied dick, plump, weiss, wasserhell; zweites Glied ebenso lang aber weit dünner, gebräunt, an der Spitze ge- rundet, mit einem aufgesetzten ganz kurzen Haar. Maxillen ein kurzer dicker Stamm, mit einem äusseren viergliederigen gebräunten und einem halb so langen inneren zweiglie- derigen, wasserhellen Taster an der Spitze. Lippe kurz, an jeder Oberecke mit einem zweigliederigen kegelig ge- spitzten hellen Taster. Thorax dreigliederig und Hinter- leib neungliederig, ein jedes dieser Glieder an der Ober- seite mit einem grossen vierseitigen rundeckigen, blass olivenbraunen, in der Mitte durch eine feine helle Längs- linie getrennten Hornflecke, welcher am letzten Leibes- gliede am dtinkelsten und dreiseitig, mit abgestumpften Beitrag zur Metamorphose der Käfer. 53 Ecken ist. An jeder Seite des Meso- und Metathorax zwei hinter einander stehende kleine olivenbräunliche rundliche Flecke und an jeder Seite der Hinterleibsglieder ein ähn- licher, aber weit grösserer Fleck. Unterseite der Hinter- leibsglieder mit je einem vierseitigen, stumpfeckigen, gelb- lich braunen Flecke und zu einer jeden Seite dieses Fleckes in ziemlich weiter Entfernung ein kleiner blasserer Fleck. Die sämmtlichen Flecken zusammengenommen bilden 5 Längenreihen an der Bauchseite des Hinterleibes. Afterröhre lang und dick, an der Basis gelblichbraun, an der Spitze weiss. Die ganze Larve ist mit einzelnen kurzen, steil abstehenden, hellen Haaren besetzt, welche namentlich auf den dunkelen callosen Hornflecken stehen. Beine kurz, in eine einfache Klaue endend. Puppe: Bis 8 Mm. lang, am Thorax 2,5 Mm. dick, rein weiss, kahl, etwas glänzend, nach hinten hin kegel- förmig verdünnt. Thorax vierseitig, mit aufgeworfenen Rändern. Augen als braune Punkte durchscheinend. Alterglied am Ende mit zwei kurzen, spitzen nach oben hin gebräunten Hautzähnen und an der Unterseite mit einer dicken zapfen- förmigen, stumpfspitzigen häutigen Hervorragung. Seitenstig- men der Hinterleibsglieder klein, punktförmig, gelblich, un- scheinbar. Flügelscheiden bis Mitte, Fusscheideu bis Ende des vierten Hinterleibsgliedes reichend. Am 23. September 1874 fand ich in einem stark in Ver- moderung begriffenen Fichtenstocke innerhalb eines Nadel- holzbestandes etwa 20 Larven in eng gedrängter Gesell- schaft zusammenlebend. Dieselben wurden mit zu Haus genommen und in einem mit dem Nahrungsmittel, worin sie gefunden worden, angefüllten (Hase unterhalten. Am 8. Mai 1875 wurde die erste Puppe in dem Glase bemerkt, welche sich indessen späterhin durch tieferes Einwühlen in den Holzmulm des Glases weiterer Beobachtung entzog. Eine andere Puppe zeigte sich am 13. Mai am Boden des Glases und aus dieser ging a& 1. Juni, also nach 18 Tagen, der fertige Käfer hervor. Im Ganzen wurden aus den mitgenommenen Larven bis zum 6. Juni 1875 9 Käfer gezüchtet. ~ Zu Anfang Mai 1876 fand ich in einem anderen Fichtenbestande in einem auf der Erde liegenden. 54 Th. Beling: Beitrag zur Metamorphose der Käfer. gleichfalls schon weit in der Vermorschung vorgeschrittenen Fichtenstocke wiederum eine ziemlich reiche Anzahl von Larven, welche sich am 5. Juni sämmtlich verpuppt hatten. Aus den am letztgedachten Tage mitgenommenen Puppen gingen vom 19. bis 23. Juni die Käfer hervor. 7. Eros Aurora Fabr. Puppe: 9 Mm. lang, am Thorax 3 Mm. breit, mit kegelförmig zugespitztem Hinterleibe, blass citronengelb. Prothorax klein, vierseitig, nach hinterwärts erweitert, am Hinterrande in der Mitte seicht ausgebuchtet, ringsum mit etwas aufwärts gebogenem Rande. Mittelleib lang, Hinter- leib neunringelig, scharf eingeschnürt, so dass die einzelnen Glieder, welche von ziemlich gleicher Länge sind, deutlich gesondert erscheinen. Afterglied sehr schmal, in einen stumpf dreizähnigen wasserhellen Zipfel endend und zu jeder Seite dieses Zipfels mit einer am Ende gebräunten, walzenförmigen dünnen Verlängerung, welche ungefähr ebenso lang wie das Afterglied ist. An der Unterseite des Aftergliedes ein schräg nach hinten gerichteter kurzer, an der Spitze wasserheller röhrenfömiger Auswuchs. Eine Puppe fand ich am 27. August 1878 in einem ganz rothfaulen Fichtenstocke innerhalb eines Laubholz- bestandes, aus welcher bei der Aufbewahrung im Hause am 15. September der Käfer hervorging. Seesen, den 24. September 1876. Nachträgliche Bemerkung über Milben. Von Dr. Kramer, Oberlehrer in Schleusingen. Auf Seite 198 des vorigen Jahrgangs dieses Archivs habe ich die Meinung ausgesprochen,, dass Kirchner im Lotos 1863 möglicherweise Dendroptus Kirchneri bereits in Gallen auf Blättern von Prunus Padus gesehen habe, da er die von ihm aus jenen Gallen gezogenen Milben wesentlich verschieden von Phytoptus fand ; und dass Dr. Fr. Thomas mit Unrecht die Richtigkeit der Beobachtungen Kirchners angezweifelt habe. Hierzu habe ich zu bemerken, dass allerdings Herr Dr. Thomas insofern gegen Kirchner im Recht ist, als die Milbe, welche die ,von Kirchner unter- suchten Gallen erzeugt, ein Phytoptus ist, welcher sich nicht im Geringsten von dem Phytoptus in anderen Gallen unterscheidet. Als ich jenen Aufsatz .,Ueber Dendroptus, ein neues Milbengeschlecht" abschloss, war ich noch nicht zu der Erkenntniss gekommen, dass der Dendroptus ein Eindringling ist, welcher die Phytoptus völlig aus den von ihnen erzeugten Wohnstätten verdrängt. Sonach kann Dendroptus nicht als eigentliche Gallmilbe gelten. Zu gleicher Zeit bemerke ich, dass Herr Dr. Thomas den Dendroptus ebenfalls bereits früher oft gesehen hat, wie ich aus einer brieflichen Mittheilung desselben entnehmen, ohne ihm zu- nächst weitere Aufmerksamkeit zu schenken. An diese Bemerkungen schliesse ich noch die Mittheilung einiger Beobachtungen an, welche einiges Interesse in An- 5ü K r a m c r : Nachträgliche Bemerkung über Milben. Spruch zu nehmen geeignet sind. Ausser Dendroptus besitzt auch die von Koch bereits gesehene aber nicht genau beobach- tete Milbe Raphignathus ruberrimus eine ausgezeichnete Lei- bessegnientirung. Es steht also jene Segmentirung nicht so vereinzelt da. Eine zweite Beobachtung betrifft das Spinnver- mögen von Erythraeus jiarietinus. Diese Milbe verfertigt sich, wenn ihr eine Häutung bevorsteht, ein dichtes schnee- weisses rundliL'hes Gewebe, in welchem sie während des Zustandes der Erstarrung, welcher jeder Häutung voran- geht, sicher ruht. Man findet diese kleinen Cocons an Steinen in leichten Vertiefungen derselben oft in grossen Mengen. Wie diese Gewebe gefertigt werden, ist mir un- bekannt geblieben, dagegen ist es durch fortgesetzte Prüfung zur Evidenz erhoben, dass die grossen Gewebe von Tetranychus telarius mittelst der Kiefertaster angefertigt weiden, in deren vorderem Ende eine an der Spitze des letzten Tastcrgliedes sich öffnende Spinndrüse leicht beob- achtet werden kann. Schleusingen den 14. October 1876. J .\ nteiniophonis ühlmanui. Ein neuer Gamaside von G. Haller in Zürich. Hierzu Tafel V. Die eigcntluimiiclie Milbenart, welche dieser flüchtigen Skizze als Gegenstand dient, wurde von Herrn Dr. Uhlmann in Mtinchenbuchsee als Parasit auf Formica nigra gefunden und mir gütigst zur Beschreibung mitgetheilt. Ihr erster Ent- decker, welchem ich übrigens die neue Species in Dankbarkeit für so viele geleistete Dienste widme, gehört zu jener selte- nen Classe von naturwissenschaftlichen Dilettanten ^), welche sammeln nicht um zu haben, sondern um zu kennen. Nach und nach erhielt ich über ein Dutzend Exemplare und konnte mich durch genaue Prüfung und Vergleichung der-, selben überzeugen, einen neuen noch unbeschriebenen Ga- masiden vor mir zu haben. Indem ich nun dessen Be- schreibung, beiläufig gesagt meine erste wissenschaftliche Studie, der Oeffentlichkeit übergebe, bitte ich um geduldige Nachsicht t ür die Fehler und Mängel derselben. Auch will ich gleich Anfangs erwähnen, dass sich unter sämmtlichen Parasiten kein Männchen vorfand und folgende Beschrei- bung also nur nach Weibchen angefertigt werden konnte. ^) Der Name des Herrn Dr. Uhlmann ist übrigens bei den Alterthumsforschern bekannter, da er es ist, welcher die erste wissen- schaftlich untersuchte Pfahlbaustation am Moosseedorfsee ausbeutete. 58 G. Haller: Ferner erhielt ich kein einziges Stück lebend; alle waren entweder in absolutem Alcohool conservirt oder bereits zu Colophoniumpraeparaten verarbeitet. Dieser Umstand erschwerte besonders die Untersuchung der innneren Anatomie. Antennophorus Uhlmanni nov. gen. nov. spec. mihi ist 1,3 Millimeter lang und hinten genau ebenso breit; nach vorn zu dagegen sehr verschmälert. Der Körper gewinnt so die Form eines gleichseitigen Dreieckes mit abgerundeten Ecken. Der Rücken ist leicht gewölbt und tiberragt auf den Seiten den Unterleib schildförmig. Letzterer ist zwar ebenso lang, aber nur etwa ein Drittel so breit, wesshalb auch die Füsse ganz an der Unterseite eingelenkt sind. Wie bei den Gamasiden ist die Haut hart; auf ihrer Oberfläche stehen zahlreiche zerstreute Härchen. Die Farbe der vorliegenden Milbe ist oben ein glänzendes Braun, unten heller, fast weisslich. Der Rückenschild hat einen schmalen, etwas dunkleren marginalen Streifen und inner- halb desselben ein breiteres fast hyalines Band. Auf dem Rücken scheinen bei Manchen ausserdem die grauen Eier und das schwärzliche Excretionssystem durch. Am Unter- leibe sind dagegen einige stärker chitinisirte Stellen durch ihre bräunliche Färbung ausgezeichnet : Erstlich finden wir dicht hinter den Mundtheilen zwischen den Insertionen des zweiten Extremitätenpaares zwei quadratische Felder, auf deren jedem mehrere kleine Härchen stehen. Zweitens ' sehen wir in der Mitte des Unterleibes zwischen den Ein- lenkungsstellen des dritten und vierten Beinpaares die v- f örmige Geschlechtszeichnung, zwischen deren stark und breit chitinisirten Bügeln sich wahrscheinlich die Geschlechts- öffnung findet. Am eigenthümlichsten geformt ist aber eine kegelförmige Zeichnung, welche mit breiter, am Hinterrande vom Anus unterbrochenen und kreisförmigen Basis beginnt und mit schmächtiger Spitze in der Geschlechtszeichnung endet. Auch sie ist von winzigen zerstreuten Härchen dicht besetzt. Ausserdem stehen nur noch einige längere Härchen am Unterleibe etwas nach einwärts vom Hinter- rande; sonst ist die ganze untere Fläche kahl. Die Extre- mitäten und Mundtheile sind dunkler, fast rothbraun gefärbt. Antennophorus ühlmanni. 59 Die Mundtheile sind unten am Vorderrande eingelenlit und nach abwärts gerichtet. Von oben bemerkt man von ihnen nichts, als einen dunklen grossen und ovalen Flecken und die unter dem Rückenschilde vorragenden drei ersten Glieder der Kiefertaster. Die Mundtheile sind mit den- jenigen der Gamasiden verwandt, aber nicht identisch: Eine stumpfe dreieckige Oberlippe bedeckt die freien, fünf- gliederigen und zerstreut behaarten Kiefertaster und die. scheerenförmigen Kieferftihler. Die Scheerenhälften der letz- teren schliessen in ihrer ganzen Länge an einander und sind hier mit stumpfhöckerigen Zähnen besetzt. Der vor- deren Scheerenhälfte scheint (ob gelenkig?) im unteren Drittel ein kleines Chitinstllckchen aufzusitzen, das an seiner inneren Fläche äusserst zart gefiedert ist und auf seiner oberen Spitze einige feine und durchsichtige Chitin- borsten trägt. Alle vier Beinpaare sind sechsgliederig; das vorderste ist zu fühlerartigen Gebilden umgewandelt. Seiner RoUe getreu ist dieses Beinpaar denn auch viel länger und dünner als die übrigen drei. Auf dem stumpfen Endgliede trägt es weder Krallen noch Haftläppchen, sondern längere und kürzere Haare (Tastborsten?). Gewöhnlich ist dasselbe nach vorn und einwärts gebogen. Die übrigen drei Bein- paare sind dicker, kürzer und gleich den Extremitäten eines Hypopus unter den Leib eingezogen. Von oben und ohne Vergrösserung betrachtet gewinnt daher der Parasit mit einem kleinen viereckigen Chelifer mehr Aehnlichkeit als mit einem Gamasiden. Das letzte Glied der wahren Gehwerkzeuge trägt ein von zwei verkümmerten Krallen gestütztes glockenförmiges Haftläppchen, dessen Rand etwas eingeschnitten ist. Alle acht Extremitäten lassen sich durch einen sanften Druck nach auswärts pressen. Man erkennt dann sehr gut ihre gegenseitige Verwandschaft. Das erste Glied gleicht bei allen einem schräge abgestutzten Cylinder, ist bei allen gleich gross und hat an seinem oberen Ende einen Stütz- und Haftapparat für das folgende Glied. Dieser letztere besteht aus einer Reihe kleiner Zähnchen. Die folgenden Glieder sehen sich bei allen Extremitäten ähnlich, verjüngen und verlängeren sich aber nach der Spitze zu 60 G. Haller: bei dem ersten viel rascher als bei den folgenden Paaren. Selbst die Anordnung der Haare ist ziemlich dieselbe ge- blieben, doch sind diejenigen der Gehtitsse kürzer nnd stärker, mehr festen Dornen ähnlich. Das Vorkommen von fühlerähnlichen vorderen Extremitäten innerhalb des Be- reiches der Gamasiden kann uns nicht überraschen. Sehen wir doch in dem angenommenen Vertreter dieser Gruppe, der Käfermilbe, den ersten Schritt zu einer solchen Umbildung gemacht. Schon Duges braucht von dessen langen Vorderbeinen den Ausdruck, „tentaculaires" ^); sie dienten dazu, sagte er, die Mundtheile zu putzen. Sie haben also bereits einen gewissen Grad von Tastsinn er- worben. Sollte dieser nicht allein erhalten, sondern weiter ausgebildet werden, so mussten sie ihrem ursprünglichen Berufe vollständig entfremdet werden. Dies geschah am leichtesten dadurch, dass sie nach vorn und einwärts gebogen und so aus der Fläche der Gehfüsse ge- bracht wurden. Diese Lage begünstigte denn auch das Längenwachsthum derselben, und zugleich wurden mit der Verzichtleistung auf ihren Gebrauch als Gehwerk- zeuge die Haftorgane überflüssig und verschwanden voll- ständig, um den Tastborsten und Haaren Platz zu machen. Die innere Anatomie dieser Milben ist mir nur sehr lückenhaft bekannt geworden, nichts desto weniger theile ich dieses Wenige mit, weil es mit für die Verwandtschaft unserer Milbe mit den Gamasiden spricht: Das centrale Nervensystem besteht aus einem einzigen grossen und rundlichen Nervenknoten, welcher im vorderen Körperdrittel liegt. Augen fehlen ganz. — Der Darmkanal besteht aus einem weiten sackiormigen Magen ohne Blind- säcke, einem kurzen Anfangs- und Enddarme. — Das Ex- cretionssystem besteht aus zwei Schläuchen, welche zu beiden Seiten des Körpers dicht über den Insertionen der Beinpaare liegen und nach hinten convergiren. Hier er- giessen sie ihren aus schwärzlichen Körnchen bestehenden Inhalt in eine gemeinsame Erweiterung, welche über dem ') Annales des scionces naturelles 1 Ser. Tom. 3 pag. 25. Antennophorus Uhlmanni. 61 After liegt. ~ In den beiden Seiten des Körpers finden sicli zwei Malpigbiscbe Kanäle. Sie beginnen mit schwach ampullentormiger Oeffnung in der Höhe des vierten Bein- paares und zeigen eine eigenthtimliche zackige Zeichnung. — Am auffallendsten ist aber das Geschlechtsorgan der Weibchen beschaffen; leider konnte ich mir nicht über alle seine Verhältnisse Aufschluss verschaffen. Gewöhnlich bemerkt man nämlich im lezten Drittel des Hinterleibes zwei grosse, gedrängt ovale Eier, welche mit grauer Farbe selbst durch den Rückenschild hindurchscheinen. Sie entstehen frei im Koperraume und lassen sich leicht isoliren. Ihre Lage ist gewöhnlich eine Längsstellung, dagegen be- merkt man zuweilen dicht vor ihnen ein quer liegendes erst in der Entstehung begriffenes Ei. Man wird kaum irren, wenn man dieses für eine Andeutung einer kreis- förmigen Anordnung der Geschlechtstheile hält. Die hin- teren zwei Eier befinden sich stets schon in einem auf- fallend vorgeschrittenen Stadium der Entwickelung. Einige der oben erwähnten Merkmale scheinen mir wichtig genug, um für diese Art eine neue Gattung zu bilden. Im Systeme erhielte dieselbe ihren Platz wohl am rich- tigsten in der Nähe des Genus Gamasus. Ihre kurze Diagnose lautet etwa so : Körper kurz, gedrungen, vom vorragenden Rücken- schilde bedeckt. Haut derbe, hart. Mundtheile an der Unterseite eingelenkt, nach abwärts ragend. Oberlippe ein- fach, stumpf dreieckig; die freien Kiefertaster fünfgliederig, cylindrisch; die Kieferfühler scheerenförmig. Vordere Scheerenhälfte mit Chitinborsten. Von den vier sechs- gliederigen Beinpaaren das vorderste fühierartig, länger und schmächtiger als die übrigen; das stumpfe Endglied mit Tastborsten besetzt. Die drei hinteren kürzer und dicker; als Gehfüsse von Haftläppchen und verkümmerten Krallen gekrönt. Auf Insekten besonders Formiciden schmarotzend. 62 G. H a 1 1 e r : Antennopborus ühlmanni. Erklärung der Abbildmigen auf Tafel V. Fig. 1. Antennophorus ühlmanni von oben. Bei Hartnack Ocular 4, System 4 gezeichnet und sanft gequetscht. Fig 2. Dasselbe Thier und in derselben Vergrösserung von unten. Das fühlerartige Beinpaar nicht ganz ausgeführt, weil wie in der vorigen Figur. Die chitinisirten Zeichnungen leicht angedeutet. Fig. 3, Die Mundtheile stark gequetscht. Bei Hartnack Ocular 4, System 6 gezeichnet. Fig. 4. Eines der sechs Hinterbeine und Fig. 5. Eines der fühlerartigen Vorderbeine, beide in ihre einzelnen Glieder zerlegt und bei Hartnack Ocular 4, System 7 gezeichnet. mn Tai-.YI. C.F Schmidt iah. .^7^^ ^'^9 Fiq 10 b jm^ 1"" ^ lieber den Bau des Bojanus'schen Organes der Teiclimuschel. Von Dr. Hermann Adolph Griesbach aus Schwartau bei Lübeck. Hierzu Taf. VI und VII. I. Historischer Ueberblick. Die ersten Kenntnisse und Beschreibungen von Mol- lusken datiren aus grauem Alterthume. Schon Aristoteles *), dessen Name bei dem historischen Ueberblick fast in jeder Vorlesung über naturwissenschaftliche Gegenstände er- wähnt wird, unterscheidet — von den Cephalopoden (f-ialaKia) abgesehen, die er für eine eigene Ordnung hielt — Gruppen von Schalthieren: sgzl öe ra uiv /tiovo- ^vga T« öi Sl-d^vQa avTwVj za de OTgofißwöri. Obwohl er nun aber die Cephalopoden mit bewundernswerther Ge- nauigkeit zergliederte, so enthalten seine Mittheilungen doch Nichts über den anatomischen Bau der übrigen Mollusken, namentlich der Muschelthiere. Die letzteren wurden, so viel wir wissen, zuerst von den Engländern Willis und Martin Lister (1670) untersucht, an die sich 1680 Hey de 2) durch eine anatomische Beschreibung: Ana- ^) Aristoteles : De partibus animalium Lib. IV. 7. (Latine inter- pretibus variis. ed. Acad. reg. Borussica) Sunt alia univalvia, alia bivalvia, alia turbinata. 2) A. deHeyde: Anatome Mytuli, Beigice Mossel etc. Amstelo- dami 1683. 64 Dr. Griesbach. tome Mytuli anschloss. Hey de ist auch der erste, der das Bojanus'sche Organ gesehen hat. In seinem Werke bil- det er dasselbe mehrfach ab und beschreibt es als Corpus rugosum, tendinosum. Im Jahre 1752 beschrieb der holländische Arzt und Naturforscher Swammerdam^) die Muscheln, die man in den holländischen süssen Wassern findet. Schon er erkannte die Schwierigkeit, welche die Zergliederung der zwei- schaligen Muscheln bietet. Er fand, wie er selbst schreibt, alle Theile sehr fremd und unbekannt, so dass er sich ge- nöthigt sah, seine Untersuchungen darüber bald einzustellen. Doch hat auch er, als Zweiter, das Bojanus'sche Organ jedenfalls gesehen: „Im Bauche finde ich vier unter- schiedene Theile, als die Leber, das Fett, ein aschgraues Wesen und viele häutige und muskulöse Breiten." Dieses „aschgraue Wesen", welches die „grossen Adern der Kielen umfängt", wird sicher unser Organ gewesen sein. Von dieser Zeit an mehren sich die Schriften über Mollusken. In Neapel arbeitete der Italiener Poli^) ein grosses Werk, in dem eine bedeutende Menge, meistens mariner Formen, ihrem äusseren und inneren Bau nach beschrieben worden sind. Er fand das Bojanus'sche Organ bei zahlreichen Lamellibranchiern und benannte dasselbe bald „viscus testaccum." bald „glandula testacea", endlich „viscus ni- gricans". Gleichzeitig mitPolis Studien im südlichen Italien, wurden im hohen Norden fieissige Beobachtungen über Mollusken angestellt. Der Norweger Rathke^) beschrieb im Jahre 1797 die Anatomie von Anodonta und erkannte dabei das Bojanus'sche Organ zuerst in seiner rich- tigen Funktion ; er war der erste, der dasselbe für eine Niere hielt. Vom Jahre 1804 datirt eine Arbeit über das Nerven- ') Swaramcrdam : Bibel der Natur. I Cl. Pg. 82. 2) Poli: Testacea utriusqiie Siciliae etc. Farm. 1791 — 1827. 3) Rathke, J.: Om Dammuslingen (Mytilus [Anodonta] anatinas) in: Skrivt. naturhist. Selsk. Kiöbenh. ßd. IV. Heft 1. 1797 Pg. 139-179. — Tillaeg. ibid. Heft 2. 1798. Fg. 173-185. lieber den Bau des Bojamis'schen Orgänes der Teichmuschel. 65 System unserer Flussmuschel, verfasst von dem italienischen Forscher Mangili^) und 1814 beschreibt der Engländer Home 2) the digestive organs of the fresh water muscle. Ob ihnen beiden das Bojanus'sche Organ bekannt gewesen ist, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen, in den unten citirten Schriften findet dasselbe keine Erwähnung. Hatten die bis jetzt genannten Werke fast nur dazu beigetragen die äussere Kenntniss der Muschelthiere und die anatomische Beschaffenheit einzelner grösserer, leicht zugänglicher Organe festzustellen, so lenkte man von nun an ein genaueres Augenmerk auf den Gewerbebau derselben. Es geschah dies namentlich und zuerst durch G. Cuvier, dem Begründer der Typenlehre. Dass dabei die einzelnen Organe eine nicht bloss gleichmässige, sondern auch ge- nauere Berücksichtigung fanden, ist selbstverständig. In Betreff des Bojanus'schen Organs — Poli'sviscus nigricans — urtheilte Cuvier^) wie Rathke — „on peut regarder comme appartenant ä l'appareil urinaire, un Organe spongieux et ovulaire, colore en vert, situ6 sous le coeur et dont la cavite s'ouvre, par une petite fente, pres de Torifice de l'ovaire." Ganz anders aber lauteten die Ansichten, die zehn Jahre später Bojanus, Professor der Anatomie zu Wilna über die Bedeutung des fraglichen Organes aussprach und in einem Sendschreiben *) niederlegte, das er in Betreff der Athem- und Kreislaufswerkzeuge der zweischaligen Muschelthiere an Cuvier gerichtet hatte. Cuvier suchte die Respirationsorgane dieser Thiere in den blättrigen Anhängen, welche den Leib derselben zwischen sich nehmen und, wie von ihm durch genaue Untersuchungen nachgewiesen wurde, mit den Blutgefässen in innigem Zusammenhange stehen. Im Gegensatze dazu, 1) G. Maugili: Nuove richerche Zootomiche sopra alcune specie di Conchiglie bivalvi del cittadino Milano 1804. Uebersetzt in: Reil und Autenrieth's Arch, f. Phys. V. 9. 1809. Pg. 213—224. 2) Ever. Home: Lectures on comp. Anat. Vol. 2. 1814. 3) G. Cuvier, Legons d'Anatom. compar. Vol. VII. Pg. 616. 4) L. Bojanus: Sendschreiben an den Herrn Chev. G. de Cuvier Isis 1819. Pg. 42. Archiv f. Naturg. XXXXII. Jahrg. Bd. 2. 5 66 Dr. Griesbach: betraclitete nun Bojanus die Kiemen lediglich als Behälter für die junge Brut (folia prolifera). Den Sitz der Respi- rationsfunetion verlegte er in das von Cuvier als Harnab- sonderungsappart gedeutete dunkle Organ, welches er darauf hin als Lunge in Anspruch nahm. Es heisst an einer Stelle seines Briefes: „Ich halte das unbe- kannte Eingev^eide für eine Lunge, das Fach um dieselbe für einen Lungensack und dessen Oeffnung für ein Athemloch, durch welches das zu athmende Wasser ein- gezogen wird, so dass es die Lunge bespült und entweder aus demselben Athemloch wieder ausgetrieben wird, oder auch vermöge der Gemeinschaft am Oberende des Lungen- faches aus dem der entgegengesetzten Seite ausfliesst.*^ Diese Ansichten, so gänzlich verschieden von denen Cuvier 's, dessen Untersuchungen über Mollusken für unan- tastbar galten, mussten grosses Aufsehen erregen. Und so geschah es; die Beschreibungen des Bojanus lenkten die Aufmerksamkeit zahlreicher Forscher auf sich, und bald führte das fragliche Organ in der Literatur den Namen dessen, der jedenfalls das Verdienst hat, es von Allen zuerst am genauesten und eingehendsten untersucht zu haben. Uebrigens erschienen alsbald nach der Publication des Bojanus'schen Sendschreibens einige Einwendungen dage- gen, besonders von Blainville'), der die Deutung des dunklen Organes als Lunge für unbegründet hält. Von dieser Zeit an — die Arbeit von Unger^) über Anodonta ist mir bis auf den Titel unbekannt geblieben ; ob sie über unser Organ besondere Mittheilungen enthält, muss ich deshalb unentschieden lassen — ist die Funktion des Bojanus'schen Organs Gegenstand eines fortwährenden Streites gewesen. Es hat dasselbe sogar die wunderbarsten Deutungen erfahren. Während Bojanus es, wie gesagt, als Lunge be- 1) Blainville: Journ. de Physique. Aout 1819. abgedr. in: Isis: 1819. Lit. Anzeiger. Nr. LIX. 2) Ungar: De Anodonta anatina. Dissert. Vindobon. 1827. lieber den Bau des Bojanus'schen Organes der Teichmuschel. 67 trachtete, hielt Treviranus *) dasselbe eine Zeit lang für eine Schiwmmblase. In einer Arbeit von Neuwyler ^) über die Generationsorgane der Najaden finden wir dasselbe sogar als Hoden wieder. Van der Hoeven^) vergleicht es den seitlichen Venenanhängen bei Cephalopoden — was in gewisser Beziehung allerdings nicht ganz ungerecht- fertigt sein dürfte. — Baudon *) macht aus ihm eine Schleim- drüse und van Beneden ^) glaubt, dass es ein, dem Herz- beutel und den Luftöffnungen der Insecten analoges Organ sei. — Die grösste Mehrzahl der Zoologen hat sich übrigens der Rathke - Cuvier'schen Ansicht angeschlossen. Sie stützen ihre Annahme theils auf chemische Untersuchungen, nach denen das Bojanus'sche Organ Harnstoff, Harnsäure und Guanin absondern sollte, theils auch — bei negativem Ergebniss derartiger Analysen — auf die Analogie, die es mit den unzweifelhaften Nieren der verwandten Thiere, der Schnecken namentlich, in unverkennbarer Weise besitzt. Andere Forscher glauben durch die negativen Ergebnisse chemischer Untersuchungen berechtigt zu sein, die harnab- sondernde Funktion des Bojanus'schen Organes in Abrede zu stellen, und dasselbe mit Poli als Kalk- oder Schalen- drüse betrachten zu dürfen. Zu den ersteren gehören ausser den schon genannten Forschern zunächst: C. E. von Baer ß) und Jacobson"^), beide auf erfolgreiche chemische Untersuchungen sich stützend. Dann Hess auch Treviranus ^) seine frühere 1) Treviranus : siehe v. Hessling. : Perlmuscheln. Fg. 223. 2) Neuwyler : Neue Denkschriften der allg. Schweiz. Gesellschft. für die gesammt. Naturw. Th. I. 1842 Pg. I. 3) Van der Hoeven: in Meckel's Arch. 1828. Pg. 502. 4) Baudon: Etudes sur les Anodontes de l'Aube in: Rev. et Mag. de Zoolog. Nr. 11. 1853. 5) van ßeneden. in Frorp. N. Not. Nr. 727 (Nr. 1 des 34. Bd.) April 1845 und ebenso in: Bull, de l'Acad. royale de Bruxelles V. XI. P. I 1844. Pg. 382. 6) C. E. von Baer. in Meckei's Arch. 1830 Pg. 319. 7) Jacobson : Ueber die Anwesenheit von Nieren bei Mollusken. Meckel's Arch. Vol. 6. 1820. Pg. 370. 8) Treviranus: in Tiedemann's Zeitschrift f. Physiol. Bd. 1. Pg. 33. 68 Dr. Griesbach: Meinung, nach der das Bojanus'sche Organ eine Schwimm- blase sein sollte, fallen und schloss sich diesen Männern an, ebenso G. Carus^) und Oken. ^). AuchMeckeP) spricht sich in seinem System der ver- gleichenden Anatomie dahin aus: dass das, was von Bo- janus als Lunge angenommen wird, wohl richtiger als Absonderungsorgan anzusehen sei, nicht aber im Sinne Poli's zur Abscheidung von Kalk für den Aufbau der Schale, sondern als Harnausscheidungsapparat. Rieh. 0 w e n ^), Valenciennes ^) und Milne Edwards,^) welcher letzterer aus- führlich auf die Butgefässverzweigungen in dem falten- reichen Organ eingeht, entscheiden sich in demselben Sinne. Auch in den, bis Ende der vierziger Jahre erschienenen, Handbüchern und Compendien, die übrigens manche werth- volle Notizen über unser Organ enthalten, wird dasselbe ebenfalls als Niere gedeutet, so z. B. bei von Siebold, ^) der eine genaue Schilderung des Bojanus'schen Organes giebt und darin Harnstoffe gefunden haben will, bei Frey und Leuckart,^) Troschel und Ruthe, ^) van der Hoeveni*^). — Im Anfang der fünfziger Jahre wird der Streit über die Natur unseres Organes wiederum ein recht lebhafter, aufs Neue angefacht durch Specialuntersuchungen einzelner Forscher. 1) G. Cariis: Lehrbuch der vergl. Zootomie 1834. Bd. II. Pg. 650. 2) Oken: Allg. Naturgesch. 1835. Ed. V. Abthlg. I. Pg. 320. 3) Meckel: System der vergl. Anatomie. Bd. VI. Pg. 58 und Bd. II. Pg. 113. 4) R. Owen: Lect. on the comp. Anat. Pg. 284. 5) Valenciennes : in L' Institut XIII 1845. Pg. 232. 312. ebenso in compt. rend. T. 20 p. 1688. 6) Milne Edwards : Leg. sur la Physiol. et l'Anat. comp. 1848. Vol. III Pg. 118-122, 7) von Siebold und Stannius : Lehrb. d. vergl. Anat. Thl. I Pg. 281 seq. 284. 8) Frey und Leuckart. Lehrb. d. Anat. wirbell. Tbiere 1847. Pg. 489. 9) Troschel und Ruthe: Handb. d. Zoolog. Pg. 570. 10) Van der Hoeven: Handb. d. Zoolog. Pg. 732. lieber den Bau des Bojanus'schen Organes der Teichmuschel. 69 Garner ^), Oskar Schmidt^) und Lacaze-Du- thiers^) versichern, dass ihnen die Darstellung von Harn- stoffen aus den Concrementen des Sackes gelungen sei, während von Gorup-B esanez ^) und Will ^) darin Guanin vermuthen. — Bergmann und Leuckart ^) versuchen den Nach- weis zu liefern, dass das Bojanus'sche Organ morpho- logisch den Harnwerkzeugen der übrigen Mollusken sich gleichstellen lasse; Leydig^) giebt über den mikrosko- pischen Bau desselben werthvolle Notizen. Sie Alle sprechen sich unumwunden dahin aus, dass das fragliche Gebilde als Niere zu deuten sei. Andere dagegen: Keber,^) von Ren garten,^) S c h 1 0 s s b e r g e r lö) — der letztere auf Grund genauer chemischer Untersuchungen der Concremente, die von ihm im Bojanus'schen Organ von Pinna als phosphorsaurer Kalk erkannt wurden — suchten, die Ansicht Pol i 's recht- fertigend, das Bojanus'sche Organ mit der zur Schalen- bildung nothweudigen Kaikauscheidung in nächste Be- ziehung zu bringen. Als die neuesten Untersuchungen über die Anatomie 1) Garner: On the Anat. of the Lamellibr. Conchif. in: Transact. of the Zool. Soc. V. IL Pg. 92. 2) Osk. Schmidt. Handl. der vergl. Anat. 1852 Pg. 279 (Nicht selten strotzt das Nierenparenchym von unregelmässigen Harncon- crementen, die übrigens nie fehlen, und sich in den Epithelialzellen neben den Zellkernen bilden.) 3) Lacaze-Duthiers: Sur l'organ de Bojanus in: Ann. des Sc. nat. IV Ser. Zool. Vol H p. 312 seq. 1855. 4 u. 5). V. Gorup u. Will, in: Gelehrt. Anzg. der bayr. Acad. 1848 Nr. 233 Pg. 825 seq. 828. 6) Bergmann und Leuckart: Vergl. Anat. u. Physiolog. 1852. Pg. 213. 214. 7) Leydig: Histologie 1857 Pg. 467 seq. 469. 8) Keber: Beitrg. zur Anat. u. Physiol. der Weichthiere. Königsbg. 1851. 9) von Rengarten. De Anodontae vasor. Syst. Disst. inaug. 10) Schlossberger: in Müller's Arch. 1856. Pg. 540. 70 Dr. Griesbach: und Histologie unseres Organes sind schliesslich noch die Arbeiten Langer's^ und von Hessling's^) zu nennen, in deren umfangreichen Specialabhandlungen man das Bo- janus'sche Organ eingehend berücksichtigt findet. Beide lassen dasselbe als Niere functioniren, während dagegen die neuesten chemischen Untersuchungen vonVoit^), die jeden- falls die besten und genauesten von allen sind, keine Spur von Harnstoffen aus dem Organ ergeben haben. Die Ungewissheit , die hiernach über die functionelle Bedeutung des Bojanus'schen Organes herrscht und viel- fach auch in der Unsicherheit unserer anatomischen Kennt- nisse — man vergleiche die Darstellungen Keber's, von Rengarten's und von Hess ling's mit einander — ihren Ausdruck findet, wird es rechtfertigen, wenn ich das be- treffende Gebilde hier zum Gegenstande einer neuen und eingehenden Untersuchung mache. Ich habe dieselbe um Weihnacht 1875. auf dem Leipziger zoologischen Institute an Anodonta piscinalis begonnen, und mit Hülfe nament- lich der Schnittmethode, die» bei Mollusken bisher kaum Anwendung gefunden hat, zu einem, wie ich hoffe, mehr- fach befriedigenden Abschluss gebracht. II. Makroskopische Anatomie des Bojanus'schen Organes der Teichmuschel. An dem aus der Schale genommenen Muschelthier — Anodonta piscinalis — sieht man auf beiden Seiten un- mittelbar vor dem hinteren Schliessmuskel den hinteren Ab- schnitt des Bojanus'schen Organes mehr oder weniger halb- kugelförmig gewölbt frei zu Tage treten. Durch die ge- ringste Zerrung wird die zarte Membran, welche diese Wölbung bedeckt, lädirt und nur durch vielfache Uebung kann man beim Lösen des Schliessmuskels, dem das Organ anhaftet; eine Ruptur vermeiden. Auf der Höhe derWöl- 1) Langer. Gefässsyst. der Teichra. Abthlg. II. in: Deuksch. d. Wien Acd. maih. naturw. Cl. Bd. XII 1856 Fg. 35 seq. 2) Th. von Ilessling: Perlmuscheln. Pg. 225 seq. 3) Voitrin Zeitschr. f. wissenschftl. Zool. Bd. 10. 1860 Pg. 475. Ueber den Bau des Bojanus'schen Organes der Teichmuschel. 71 bung, diese also mit ihrem hinteren, nach unten sich senkenden Theile freilassend, sich der Form derselben völlig anpassend, ist der Mantel angewachsen, der sich dann nach vorne, rothbraun gefärbt, fortsetzt und auf diesem Verlaufe von Keber*) „irriger und unnützer Weise für ein besonderes Organ gehalten worden ist'' (v. Hessling). Dass — wie Keber^) erwähnt — ein von dem Bojanus'- schen Organ secernirtes Material zur Bildung der Schale in das Pericardium gelange und von da durch Communi- cationswege in die rothbraun gefärbte Mantelgegend ein- trete, scheint mir sehr hypothetisch; ob aber betreffende Mantelregion vielleicht die Wasseraufnahme in die „nicht geschlossenen Blutwege" des Thieres vermittelt, wie schon L a n g e r 2) vermuthet hat, verdiente gewiss einer genaueren Beachtung. Ich sah bei einer beiläufig angestellten Quecksilber- injection, welche ich von der, vorne im Venensinus ge- legenen Querspalte ausführte, durch die nach von Hess- ling'') venöse Gefässe in den Sinus eintreten, das Queck- silber in geschlossener Bahn, rechts und links, zu dem lateralen Manteltheil abfliessen, wobei es seinen Weg durch jene Region nahm, welche Keb er*) als „Hörn" beschreibt. Ebenso habe ich mich mit absoluter Bestimmtheit davon überzeugt, dass dieser rothbraune Manteltheil, in welchem man auf mikroskopischem Querschnitt ein System vielfach anastomosirender Lücken (Lacunen) sieht, durch mehrere mit blossem Auge sehr wohl sichtbare Oefinungen, mit dem Atrium der betreffenden Seite communicirt, wie dies auch von Langer^) schon beschrieben wurde. Wenn man einen fein ausgezogenen Glastubus durch Einstich in das rothbraune Mantelorgan einführt und Luft durch denselben einbläst, sieht man, wie sich das ganze Centralorgan des Circulationsapparates damit anfüllt. Auch 1) Keber: loc. cit. Pg. 27. 2) Langer: loc. cit. 3) von Hessling. loc. cit. Pg. 215. 4) Keber: loc. cit. Pg. 24. 5) Langer: loc cit. Pg. 5. seq. 10. Abthlg. IT. 72 I^r- Griesbach : hängt die rothbraune Mantelregion vorne an der Austritts- stelle des Darmes aus der Leber durch die bereits von Keber ^) beschriebenen Oeffnungen mit dem Pericardium zusammen, wie dies durch die Injectionsversuche Langer's auf das Evidenteste nachgewiesen ist. Nach allen diesen Thatsachen ist also nicht zu zweifeln, dass zwischen dem Herzräume und dem Pericardium eine Communication be- steht. ,,Die Wasseraufnahme — sagt Langer-) — in das Gefässsystem geschieht bei der Teichmuschel nur in dem rothbraunen Manteltheil. Nur an dieser Stelle kann dasselbe Wasser aufnehmen und Blut, ohne zu bersten, entleeren!'' Nach diesen Bemerkungen über den sogenannten rothbraunen Manteltheil kehre ich wiederum zu dem Bo- janus'schen Organ zurück.' Schneidet man, um nähere Einsicht über die Lagerung desselben zu erlangen, dorsal den Mantel auf, so trifft man zunächst auf das gewöhnlich noch pulsirende Herz ^) mit dem dasselbe durchsetzenden Darm. Der dorsale Theil des Pericardiums ist dem Mantel so innig verwachsen, dass er stets mit diesem entfernt wird ; eine Trennung beider Mem- branen ist ohne vielfache Zerreissung nicht möglich. Auch ist der Zusammenhang dieser Theile auf der halbkugel- förmigen Wölbung des Bojanus'schen Organs ein so inniger, dass man beim Abschneiden derselben stets eine schmale Lamelle stehen lassen muss, wenn man letzteres unverletzt erhalten will. Schneidet man nun vorne beim Austritt aus der Leber und hinten beim Uebergang auf den Muskel den Darm ab und löst die Atrien aus ihrem Zusammenhange mit den benachbarten Geweben (rothbrauner Manteltheil und Vorhöhlenwand), so dass man das ganze Herz, mit allem, was daran hängt, herausnehmen kann, dann erblickt man 1) Keber: loc. cit. Pg. 20. 2) Langer: loc. cit. Pg. 10. 3) Man darf sich übrigens bei der Beurtheilung über die Frische des Muschelthieres nicht lediglich dnrch die Pulsation des Herzens leiten lassen; dieses pulsirt oft noch, wenn schon sämmt- liche andere Organe collabirt sind. ^ lieber den Bau des Bojanus^schen Organes der Teichmuschel 73 das Bojanus'sche Organ M in einer Grösse, welche von der des Thieres abhängig ist. Es besteht aus zwei Schenkeln, welche, mehr oder minder cylinderförmig gestaltet, sich von der Austrittsstelle des Darmes aus der Leber bis an und wenig unter den hinteren Schalensehliessmuskel erstrecken. Zwischen beiden Sclienkeln, die sich auf ihrem Verlaute nach hinten allmählich erweitern, liegt der Venensinus. — Bei Thieren gewöhnlicher Grösse (Länge 80 — 112 Mm. Höhe 50—64 Mm., Breite 28—40 Mm.-Maasse des Thieres mit seiner Schale), beträgt die Länge des Bojanus'schen Organes 30 Mm., die Breite desselben vor dem Venensinus 4—5 Mm., im Venensinus 6—7 Mm. und in der kolbigen Anschwellung 11 — 12 Mm. Nachdem wir uns somit über die Lage, Form und Grösse des Bojanus'schen Organes im Allgemeinen orientirt haben, dürfte es vielleicht passend sein, in kurzen Worten anzugeben, wie man sich bisher den Bau desselben ge- dacht hat. Es ist dies für das Verständniss der Sache unumgänglich nothwendig, und die kurze Einschaltung scheint mir grade an dieser Stelle am passendsten. Bojanus-) lässt das Organ (Lunge) aus zwei läng- lichen, jederseits des Venensinus gelegenen, in sich ge- schlossenen Säcken bestehen. Beide Säcke sind von ein- ander getrennt, stossen aber vorne (Bojanus nennt es oben) mit ihren Wänden an einander und reichen, nach hinten an Ausdehnung zunehmend, bis zum Grunde des Schliessmuskels. Jede Lunge wird noch von einem beson- deren Lungenfache umgeben, zu dem eine Oeffnung führt, das Athemloch, das zwischen Fuss und Kiemen neben der Geschlechtsöffnung gelegen ist. Die Lungenfächer hängen durch eine Queranastomose vorne unter dem Mastdarme zusammen, sind aber hinten von einander geschieden, obwohl sie mit ihren Wänden dicht an einander liegen, und enden vor dem hinteren Schliessmuskel, indem sie sich daselbst etwas ausdehnen. 1) Fig. I. 2) Bojanus: loc. cit. Pg. 47. 74 Dr. Griesbach: Keber *) bestätigt in Allem die Bojauus'schen Be- obachtungen, nennt dessen Lunge aber Höhle, das Lungen- fach Vorhöhle und lässt beide in ganzer Ausdehnung ge- trennt nebeneinander hinziehen. Er beschreibt in dem Höhlensystem Wimperbewegung und bemerkt, wie schon angeführt, dass das Organ in Wahrheit eine Schalendrüse sei. Die späteren Untersucher: Lacaze-Duthiers^) (Mytilus), von Rengarten 3), Langer^) und von Hess- ling^) beschreiben alle einen Zusammenhang der Vorhöhle mit der Höhle, lassen diesen jedoch auf verschiedene Weise zu Stande kommen. Auch geben sie sämmtlich an, dass die beiderseitigen Höhlen mit einander communiciren. Von Rengarten betrachtet das Organ als Schalendrüse, die übrigen als Niere. Um diesen Angaben nun meine eigenen Untersu- chungen anzufügen, wiederhole ich zunächst, dass das Bo- janus'sche Organ aus zwei Schenkeln besteht, die rechts und links vom Venensinus gelegen sind. Betrachten wir nun den Bau eines solchen Schenkels genauer, so bietet sich ein Verhältniss dar, welches, wenn man es genau kennt, einfach erscheint, trotzdem aber Anfangs dem Verständniss grosse Schwierigkeit bereitet. Und das um so mehr, als die makroskopische Betrachtung und die gewöhnliche Präparationsmethode zur rich- tigen Einsicht nicht ausreicht. Erst auf Querschnitten wird man die Lagenverhältnisse der einzelnen Theile und Membranen richtig verstehen lernen. Die grösste Schwie- rigkeit bietet sich in Betreff der hinteren Anschwellung, deren Verhalten auf den ersten Blick geradezu verwirrend erscheint. Aus diesem Grunde wird es am zweckmässigsten sein, mit dem vordersten Abschnitt zu beginnen. Nach Wegnahme des Herzens sieht man vorne, bei- derseits vom abgeschnittenen Darm und unter diesem eine Oeffnung. Es ist diese die Mündung eines ungefähr 2 Mm. 1) Keber: loc. cit. 2) de Lacaze-Duthiers 1. c. i) V. Rengarten. 1. c. 4) Langer. 1. c. 5) V. Hessling. 1. c. Ueber den Bau des Bojanus'schen Organes der Teichrauschel. 75 langen trichterförmigen Ausfithrungsganges, durch welchen die Schenkel des Bojanus'schen Organes je mit dem Peri- cardium communiciren. Ein jeder Schenkel besteht aus zwei Abtheilungen, einer unteren, dem Fuss autliegen- den, der sogenannten Höhle (Bojanus' Lunge) und einer oberen, mehr dorsal gelegenen, der sogenannten Vorhöhle (Bo- janus' Lungenlach). In der schon mehrfach erwähnten, hinteren, halbkugelförmigen Anschwellung gehen beide in einander über. Um die Sache möglichst klar zu machen, denke man sich, dass jeder Schenkel des Bojanus'schen Organs einen cylinderförmigen Schlauch i) darstellt, der am hinteren Schalenschliessmuskel die halbkugelförmige Anschwellung bildet. Diese Anschwellung aber ist nicht etwa eine einfache Erweiterung des Schenkels, sondern rührt davon her, dass der zugleich sich erweiternde Schlauch viermal auf und abwärts gebogen ist und somit vier Win- dungen macht. Was der Schlauch also in gerader Linie an Längenausdehnung einnehmen würde, ist durch die Win- dungen auf einen verhältnissmässig kurzen aber umfang- reicheren Raum reducirt. Es ist dies Verhältniss am ein- fachsten mit dem Verhalten des Darmes zu vergleichen ; der lange Darm hat bei der Ausdehnung in gestrecktem Ver- laufe in der Leibeshöhle nicht Platz ; er passt sich den Raumverhältnissen derselben an, indem er eine Anzahl Windungen macht, deren eine eng an der andern liegt. Nachdem nun der Schlauch die vier Windungen gemacht hat, verläuft derselbe wieder nach vorne^ sich auf sich selbst legend, bis er schliesslich mit einer nachher zu besprechen- den Oeffnung auf der Unterseite des Körpers ausmündet. Jeder Schenkel des Bojanus'schen Organes ist also nur ein einziges röhrenförmigesGebilde. Man hatnun in den bisherigen Schriften — und ich behalte die Ausdrücke bei — den unteren Theil dieses Schlauches bis zu den vier Windungen als Höhle, den rückläufigen, innig auf dieser aufliegenden Theil als Vorhöhle bezeichnet. Wo aber die Höhle aufhört und dieVorhöhle beginnt ist der subjectiven Auffassung eines jeden Beobachters anheimgestellt, der Eine — um nur eine Möglichkeit anzuführen — rechnet vielleicht zwei Windungen 1) Fig. II. 76 Dr. Griesbach: des Schlauches zur Höhle und zwei zur Vorhöhle, während ein Anderer etwa drei, oder gar nur eine derselben der Höhle (respective Vorhöhle) zuschlägt. — Die bisherigen Beobachter haben die Sache in der That complicirter ge- macht, als sie ist. Ein besonderer Uebergangskanal von der Höhle in die Vorhöhle mit muskulöser Klappenvorrich- tung, — wie von Rengar ten^) beschreibt — die nur von der Vorhöhle aus Injectionsmasse durchtreten lassen soll, giebt es in dem gewundenen Theile des Organes nirgends. Man kann sowohl von der gleich zu erwähnenden Vor- höhlenöffnung, als auch von der Pericardialöffnung der Höhle ") den ganzen Schenkel (Höhle und Vorhöhle) injiciren, ohne dass Zerreissungen stattfinden, wobei dann im ersten Falle die Masse bis ins Pericardium tritt, im letzteren dagegen auf der Unterseite aus der Vorhöhlen- öffnung hervorquillt. Ich habe mich von diesen Thatsachen durch einige sechzig Injectionen mit Leim, gefärbter Flüssig- keit und anderen Mitteln =^) auf das Bestimmteste überzeugt. Die Verwachsung der beiden Hälften, der Höhle und Vorhöhle, muss, ebenso wie die der au- und aufeinander- liegenden Windungen voraussichtlicher Weise in einer frühen Entwicklungsperiode stattfinden ; denn nirgends lassen sich in den trennenden Wandungen zwei Membranen mehr un- terscheiden. Es bildet also die obere Höhlenwand durch den ganzen Schlauch hindurch zugleich denBoden, oder, was dasselbe heisst, die untere Wand der Vor höhle. Im schematischen Längsschnitt würde sich dies Verhältniss also folgendermassen gestalten : 1) von Reugarteu. 1. c. pg. 32. 2) Kollmann: Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XXVI Pg. 97: Der "Weg scheint vorzugsweise von dem Herzbeutel nach dem Bojauus'- schen Organ frei zu sein. 3) Sogar durch Quecksilber habe ich gute lujectionspräparate erhalten, wenn auch gewöhnlich nur die Theile, worauf es ankam, gefüllt waren. Dabei habe ich zugleich die Ueberzeugung gewonnen, dass die Wandungen des Bojanus'schen Organes einer ganz ausser- ordentlichen Ausdehnung fähig sind, so dass man dasselbe fast auf sein doppeltes Volumen bringen kann. Ueber den Bau des Bojanus'schen Organes der Teichmuschel. 77 wobei a (die Vorhöhle und h (die Höhle) dann die Wand c gemeinsam haben. Ebenso verwachsen die Windungen fest mit einan- der, so dass, wenn wir uns eine Windung aus einem auf- und absteigenden Theil zu- sammengesetzt denken {d und e\ diese beiden keinen Zwischenraum mehr zwischen sich lassen, also nicht der Art gestaltet sind, dass man, wie in nebenstehender Figur, eine besondere Wand des aufsteigenden {d) und des absteigenden {e) Theiles mit dem Zwischenraum (f) unterscheiden kann, sondern dafür nur eine einzige dünne Membran m auftritt. Im Innern des ganzen Höhlensystems finden sich, wie schon erwähnt, zahl- reiche Falten, die aber keinerlei bestimmte Anordnung zeigen und lediglich zur Vergrösserung der Fläche dienen. Diese Falten sind namentlich in der Höhle ausser- ordentlich zahlreich und es finden sich derer um so mehr dort, je weiter man der kolbigen Anschwellung sich an- nähert, bis sie in den vier Windungen das Maximum ihrer Entwicklung erreichen. Ihr Verhalten ist dabei mannigfaltig : Sie ragen bald frei in den Hohlraum hinein, bald verwachsen sie mit ihren freien Rändern in mehr oder minder labyrinthischer Weise; sie können von der einen oder andern Seite sogar durch das Lumen hindurchgreifen, ^) ohne dass dadurch jedoch der Innenraum des Schlauches jemals ganz unterbrochen würde. In der eigentlichen Vorhöhle sind diese Falten auf schmale Leistchen reducirt, und sehr viel weniger zahlreich, doch nie ganz fehlend. Wände und Falten des Höhlensystems sind Träger eines groben Gefässnetzes, welches durch zwei Keihen seit- licher Oeflfnungen aus dem Venensinus gespeist wird. Die obere Reihe desselben, die von feineren Oeffnungen gebildet 1) Y'ig. 10 a. b. c. 78 Dr. Griesbach: wird, führt in die Vorhöhlenwandung, wogegen die untere Reihe, welche grössere Oeffnungen zeigt, in Aeste führt, welche sich mit unbewaffnetem Auge erkennen lassen und in parallelen Zügen quer über die Höhlenwand laufen, auch vielfach mit einander anastomosiren. Das Nähere über den Gefässapparat findet man bei Langer ^), dessen Angaben ich bestätigt finde. Nach von Hessling^) soll das Bojanus'sche Organ auch einen auffallenden Reichthum an Nerven besitzen, die von Verbindungssträngen des Par anterius et posterius herstammen. In dem ganzen Höhlensystem bemerkt man lebhafte Wimperbewegung, die in den Ausführungsgängen am thä- tigsten erscheint. Auf der unteren Seite des Körpers zwischen Fuss und innerer Kieme ^) mündet die Vorhöhle beiderseits durch die schon von Bo Jan US *) gekannte mit muskulösen Rändern versehene Oeffnungnach aussen. Diese soll nach von R en- garten ^) 8— 10 Contractionen in der Minute machen; Keber und vonHessling erwähnen darüber nichts, auch ich habe diese Contractionen nie beobachten können. Nach vorsichtigem Entfernen der beiden Vorhöhlen- wände der Art, dass die Bojanus'schen Höhlen und der zwischen beiden gelegene, nach vorne sich verschmälernde Venensinus frei zu Tage treten, sieht man letzteren von seinem mittleren Theil bis zu seinem hinteren Ende als offene Rinne. In einer Entfernung von 6 — 7 Mm. von der Austrittsstelle des Darmes aus der Leber tritt dann der Venensinus nach vorne zu mehr in die Tiele; die beiden Bojanus'schen Höhlen nehmen ihn ganz zwischen sich und stossen über ihm aneinander, so dass er hier also verdeckt erscheint. Die Vorhöhlenwände sind lateral in ganzer Aus- dehnung dem rothbraunen Mantel angewachsen; in der 1) Langer 1. c. pag. 2 seq. 10. 2) von Hessliug. 1. c. pg. 223. 3) Fig. G. vhi. 4) liojanus 1. c. pg. 46. 5) von Rengarten 1. c. pg. 31. lieber den Bau des Bojanus'schen Organes der Teichmuschel. 79 Medianlinie sind sie innig mit einander verschmolzen. Sie bilden von der eben nach Maass bezeichneten Stelle bis zum hinteren Schliessmuskel eine, zwischen die Bojanus'- schen Höhlen eingekeilte Scheidewand, die auf dem Quer- schnitte eine mehr oder minder dreieckige Form zeigt und in ganzer Länge von dem schon mehrfach erwähnten, spaltförmigen Venensinus durchzogen ist. Die beistehende schematische Figur repräsentirt einen Querschnitt durch die Anfangsstelle der medianen Scheide- wand. vh. Die Vorhöhlen, s. die medi- ane Scheidewand bei ihrem Be- ginn, mV. die mediane Verwachsung der Vorhöhlenwände, F. der Venen- sinus, /^. die Bojanus'schen Höhlen, f der Fuss, rm. der rothbraune Manteltheil. Nach vorne von der genannten Stelle fällt diese me- diane Scheidewand aus und es fliessen dadurch die beiden Vorhöhlen zu einem gemeinschaftlichen Räume zusammen. Durch ihre mediane Verwachsung wird nun die dorsale Fläche der bei- den Vorhöhlen zu einer horizontalen Platte, die unterhalb des Pericardial- raumes gelegen ist, somit gewisser- massen als untere Pericardialwand sich betrachten lässt. Das Pericardium lässt sich überhaupt nur — wenn auch schwierig und nicht ohne Zerreissungen — in se^'ner oberen Mitte als eine selbstständige Membran herstellen und von dem 'Mantel ablösen. Lateral steht es mit dem rothbraunen Manteltheil, und basal, wie bemerkt, mit der Vorhöhlenwand in innigstem Zusammenhange. Dadurch dass diese Vorhöhlenwand zugleich den Venensinus tiberbrückt, wird der letztere isolirt und von den angrenzenden Organen abgetrennt. Ich habe mich namentlich durch mehrfache Injectionsversuche überzeugt, dass derselbe ohne Communication mit dem Herzbeutel ist, 80 Dr. Griesbach: obwohl von Hess 1 in g 1) ihn nach hinten frei in den- selben hineinmünden lässt. Der nebenstehende schematische Querschnitt versinn- licht die Ueberbrückung und Isolation des Venensinus. Man sieht auf dem Schnitt die Rückziehersehne r,s des Fusses; die Bedeutung der übrigen Buchstaben wie oben. Was nun das Verhalten der beiden Höhlen zu einan- der anbelaugt, so legen sich dieselben vorue, über dem Veuensinus mit ihren Wänden fest aneinander. Durch diesen Umstand haben sich sämmt- liche Beobachter mit Ausnahme B o j a n u s' verleiten lassen, hier eine Communication der Höhlen anzunehmen, welche ich jedoch auf das Bestimmteste als unrichtig verwerfen muss. Durch Untersuchung geeigneter Querschnitte würden sich dieselben sofort selbst von ihrem Irrthume überzeugt haben. Aber auch auf makroskopischem Wege lässt sich, wenngleich mit einiger Schwierigkeit, zeigen, dass die Höhlen gegeneinander abgeschlossen sind. Wenn man nämlich eine derselben von der Pericardialöffnung aus mit Injectionsmasse füllt ; so sieht mau, wenn keine Zerreissung eintritt, nirgends die angewandte Substanz in die Höhle des anderseitigen Schenkels eintreten. Es ist mir sogar einige Male gelungen die beiden Höhlen, nachdem ich sie beide mit Quecksilber gefüllt hatte, mit einer teineu Scheere in der Mittellinie gänzlich von einander zu trennen, so dass jeder Schlauch gesondert lag, und nirgends eine Spur der Injectionsmasse austrat.^) Ein schlagenderer Beweis für den gegenseitigen Ab- schluss der beiden Höhlen kann wohl kaum gedacht werden. Wenn unsere Ansicht von dem Bau und dem Verhalten des Bojanus'schen Apparates übrigens richtig ist, dann muss 1) V. Ilessling: Perlmuscheln pg. 211 2) Fig. IUI. Ueber den Bau des Bojanus'schen Organes der Teiclimuschel. 81 es auch möglich sein, das ganze Organ durch seine beiden Oeffnungen ohne Verletzung zu injiciren. Und in der That lässt sich eine solche Injection auch ausführen. G eschieht dieselbe vom Pericardium aus ^), so füllt sich zunächst die Höhle des betreffenden Schenkels, darauf dringt die Masse, ohne Zerreissung zu bewirken, durch die vier Windungen der kolbigen Anschwellung in die zuge- hörige Vorhöhle und gelangt vorne durch die Communi- cationsöffnung beider Vorhöhlen in die benachbarte. Durch anhaltenden Druck wird auch in diesem Schenkel die Masse durch die entsprechenden Windungen in die Höhle getrieben und fliesst schliesslich durch deren trichterför- migen Ausführungsgang wieder ins Pericardium. Der Weg, den die Injectionsmasse einschlagen würde, wenn man von einer Vorhöhlenöffnung injicirte, ergiebt sich natürlich von selbst. Bei diesen Versuchen muss man übrigens die In- jectionsspritze stets reichlich mit Masse füllen, da ja ein Theil derselben durch die zu passirende Oeffnung — in dem ersten Falle durch die Vorhöhlenöffnung, im andern durch die Pericardialoffnung — ausfliesst. Ferner ist an- zurathen, das zu injicirende Thier in recht warmes Wasser zu legen und den Druck auf den Kolben der Spritze mög- lichst gelinde und gleichmässig auszuführen. Unter diesen Umständen wird die Injection nur selten misslingen. Werfen wir nun einen Rückblick über die aus unsern Beobchtungen resultirenden makroskopischen Verhältnisse des Bojanus'schen Organs, so können wir dieselben mit den präcisen — nur durch einige Aenderungen berich- tigten — Worten von Hessling's folgendermassen zusam- menfassen : Das Bojanus'sche Organ besteht aus zwei Schenkeln (Hälften). Jeder Schenkel stellt einen dtinnhalsigen Schlauch dar, welcher von vorne nach hinten verläuft, vor und etwas unter dem hinteren Schalenschiesser, sein cylindrisches Lumen erweiternd, vier eng an- und aufeinander liegende 1) Fig. III. Archiv f. Naturg. XXXXIII. Jahrg. Bd. 2. 82 Dr. Griesbach: Biegungen macht und, auf sich selbst sich legend, seine Rich- tung wieder nach vorne nimmt ; alsdann mit seiner ganzen Breite über dem vorderen Abschnitt des Venensinus auf den oberen Theil des Schlauches der anderen Seite tiber- geht, der schliesslich in den Herzbeutel einmündet. Jeder Schenkel des Bojanus'schen Organes besteht demnach aus zwei über einander liegenden Theilen eines häutigen Cylinders, bei welchem die untere Wand des oberen Theiles mit der oberen Wand des unteren Theiles verschmilzt; daher scheint beim Einschneiden der oberen Wand des oberen Theiles der untere Theil in dessen Höhle zu liegen. Der obere Theil, die sogenannte Vorhöhle entspricht dem „Lungenfache", der untere, die sogenannte Höhle der „Lunge" des Bojanus. Die beiderseitigen Höhlen des Bojanus'schen Organes stehen nirgends mit einander in directer Comtnunication. Die innere Fläche der Vorhöhle ist ziemlich glatt, die der Höhle hingegen stark gefaltet. Diese Falten, die absondernde Fläche vergrössernd, ragen in unbestimmter Anordnung, meistens etwas schräg von vorne nach hinten in das Lumen der Höhle hinein. Sie können auch halb- mondförmig durch das ganze Lumen durchgreifen, oder mit ihren freien Rändern gegenseitig verwachsen, wie dies auf Querschnitten deutlich ^) ist. Die Innenwand zeigt in ganzer Ausdehnung lebhafte Flimmerbewegung. Die Mündungen beider Theile — Vor- höhle und Höhle — geschieht vorne und zwar — wie ich in Uebereinstimmung mit von Hessling sehe — der Art, dass der obere Theil, die Vorhöhle jedes Schenkels, nach unten und seitwärts durch die schon von Bojanus gekannte Spalte zwischen Fuss und innerer Kieme neben der Oeff- nung der Geschlechtsdrüse — und zwar nach der den Kiemen zugekehrten Seite mündet, dagegen der untere Theil, die Höhle jedes Schenkels nach oben und einwärts in den Pe- ricardialraum sich öffnet. Die beiden Oeffnungen liegen somit rechts und links kreuzweise übereinander. 1) Fig. 10. a. 1. c. lieber den Bau des Bojanus'schen Organes der Teichmuschel. 83 III. Mikroskopische Anatomie des Bojanus'schen Organes. Um eine volle Einsiclit in die Natur des Bojanus'- schen Organes zu erlangen, müssen wir uns natürlich auch mit den histologischen Details derjenigen Theile bekannt machen, deren makroskopische Anatomie wir im Obigen festzustellen versucht haben. Bei der Schwierigkeit, die sich meinen Versuchen, das richtige Verfahren für die histologischen Untersuchungen zu ermitteln, in den Weg stellte, mag es gestattet sein, zuvor eine Darstellung der von mir in Anwendung ge- brachten Methoden und Manipulationen vorauszuschicken. Ich löste vorsichtig bei ganz frischen Thieren das Bojanus'sche Organ aus seinem Zusammenhange mit sämmt- lichen benachbarten Gebilden, legte es auf 24 Stunden in Spiritus von 60^^, und brachte es, nachdem es auf diese Weise einigermassen entwässert war, auf drei bis vier Tage in absoluten Alkohol. Nach dieser Behandlung hatte das Ob- ject scheinbar genügende Härte angenommen. Trotzdem bemühte ich mich vergebens, an solchen Objecten aus freier Hand mit nasser Klinge auch nur einigermassen taugliche mikroskopische Querschnitte zu erhalten. Das faltige Drüsengewebe war nicht hart genug, um der freigeführten Klinge den gehörigen Widerstand entgegenzusetzen. Ich versuchte nun die Härtung mit Müller'scher Lösung, mit chromsaurem Kali und absolutem Alkohol nacheinander, stets aber scheiterten die Schnitte an denselben Uebelständen. Auch die Gefrierungsmethode und das Trockenverfahren ergaben sich als gänzlich un- brauchbar. Ich kenne nur ein einziges Verfahren mikros- kopisch brauchbare Schnitte zu erhalten, und dieses be- steht in der rationellen Verwerthung der Einbettungs- methode : Die in absolutem Alkohol gut gehärteten Objecte werden auf 20—30 Minuten in Terpentinöl gebracht, darauf 8—10 Minuten in ein flüssiges Gemisch von Terpentinöl und Ein- bettungsmasse — Paraffin — gelegt und schliesslich in das 84 Dr. Griesbach: Einbettungsparaffin selbst übertragen, nachdem diesem eine kleine Menge reinen Schweinefettes zugesetzt ist. Dabei ist übrigens genau zu beachten, dass die geschmolzene Einbettungsmasse nicht zu heiss ist, nicht heisser wenigstens, als der eingetauchte Finger es ertragen kann, da sonst die Ge- webe platzen. Nach völligem Erstarren der Masse wird dann das in passende Form geschnittene Object in den Schlitten eines Mikrotoms eingespannt und anderweitig bearbeitet. Auf diesem Wege ist es mir gelungen durch das ganze Organ Total- schnitte von Vi5 — V2oMm. Dicke zu legen. Versuchte ich feiner zu schneiden, so musste ich auf Totalschnitte verzichten, indem die einzelnen Membranen und Gewebe zerrissen. Ueber die gröberen histologischen Verhältnisse konnte ich mich übrigens an den erwähnten Totalschnitten, welche mit Färbungsflüssigkeiten die schönsten Bilder liefern, zur Genüge orientiren. Die feineren Verhältnisse studirte ich an Schnitten, welche ich theilweise durch die einzelnen Membranen des Organes bis zu V40 Mm. legte, oder an solchen, die ich mit freier Hand an den einzelnen, zwischen Hollundermark geklemmten Geweben, erhielt. — Trotz der scheinbaren Einfachheit und Bequem- lichkeit ist übrigens entschieden davon abzurathen, das einzubettende Object vorher in toto zu färben. Nach Be- handlung mit Färbemitteln ist dasselbe zum Einbetten nicht mehr tauglich, so dass es nur schlechte Bilder liefert. Nachdem die von Paraffin durchtränkten Schnitte in Ter- pentinöl — und zwar in einem Uhrschälchen^ da die ansehn- lich grossen Schnitte zur Lösung des Paraffin viel und oft neues Terpentinöl verlangen — ausgelaugt waren, wurden die- selben 12 — 14 Stunden in absoluten Alkohol gebracht, der während dieser Zeit oft erneuert wurde. Nach diesem Verfahren konnte ich mit Glück tingiren und benutzte dazu Picrocarmin und pikrinsaures Hämatoxylin ^). Ersteres liess ich 3 Minuten, letzteres 1 Minute einwirken, entwässerte einige Minuten in absolutem Alkohol und hellte die Schnitte theils mit Kreosot, 1) Ich erlangte dieses Färbemittel durch die Güte des Assis- tenten auf hiesigem Institute, Herrn Dr. Rolph ; es liefert eine schöne Kernfarbung. üeber den Bau des ßojänus* sehen Organes der Teichmuschel. 85 theils mit Nelkenöl auf; alsdann brachte ich sie in Damar- lack oder Balsam. Nach diesen Bemerkungen gehe ich zu dem histolo- gischen Bau unseres Organes selbst über. Betrachten wir zunächst, um uns über die allgemeinen histologischen Ver- hältnisse zu Orientiren, einen Totalschnitt von V20 Mm., wie ihn Fig. VII uns zeigt. (Gezeichnet nach Engelberdt und Hensoldt Obj. 0. Oc. I.) Es repräsentirt die Zeichnung einen Schnitt durch den mittleren Theil des Bojanus'schen Organes, so dass die Vorhöhlenwand den Venensinus überbrückt, und die beider- seitigen Schenkel des Bojanus'schen Organes ohne Com- munication sind. Oberhalb des Fusses, in welchem die Ge- schlechtsorgane und der durchschnittene Darm sichtbar sind, sehen wir auf beiden Seiten die Bojanus'schen Höhlen, in welche, als Einstülpungen der Wand, ungeordnet ein Convolut von Falten hineinragt. Die Wandung dieser Höhlen besteht theils aus parallelen und sich unter spitzem Winkel kreuzenden Bindegewebsfasern, die an den Ausführungsgängen circulär angeordnet sind, theils aus hellem Bindegewebe mit vielen eingestreuten Kernen, die auf Zusatz von Essigsäure deutlich hervortreten. Dasselbe bildet zugleich die Stützsubstanz der von der Wandung in die Höhle hineinragenden Falten ; nirgendsaber — wie auch schon Leydig^) und von Hessling^) an- geben — sieht man Muskeln in das Bindege- webe sich einflechten, ein Umstand, der schon dadurch wahrscheinlich wird, dass man niemals Zusammenziehungen an dem Bojanus'schen Organ wahrnimmt, obwohl solche doch bei Heteropoden 3) und Pteropoden ^) und anderen Schnecken an dem entsprechen- 1) Leydig: Lehrbuch der Histologie pg. 467. 2) von Hessling: Perlmuscheln, pg. 222. — — Histologische Beiträge zur Lehre von der Harnab- sonderung, pg. 7. 3) Leuckart: Zoolog. Untersuchungen Heft III. Giessen 1854. pg. 55. 4) Gegenbaur: Untersuchungen über Pteropoden und Hetero- poden. Leipzig 1855. 86 Dr. Griesbach: den Gebilde deutlich beobachtet worden sind. Bei unseren Muscheln ist die vis a tergo und die Flimmerung aus- reichend, die nachher zu besprechenden Sekrete in Bewegung zu setzen. Die Drtisenfläche in den Höhlen wird von zweierlei Zellformen gebildet. Wir erkennen darin zunächst ein einfaches Cylinder- epithel und sodann kugelige, dünnwandige, glashelle, kern- haltige, in mehreren Schichten liegende Zellen, die in der obersten Lage lebhafte Flimmerbewegung zeigen. Dieselben Zellen sind es, welche zugleich das Geschäft der Excretion übernommen haben. Von diesen beiden Zellformen findet sich die letztere auch auf der, in die Vorhöhle hineinragen- den Seite der Höhlenwandung, nur dass die Zellen hier in weniger Schichten beisammenliegen, und desshalb auch leicht abgestossen werden, so dass man fast glauben könnte eine structurlose Membrana propria zu sehen. Ueber den Höhlen spannt sich, wie wir in Fig. VH sehen und früher bereits hervorgehoben haben, die Vor- höhlenwand aus, eine horizontale Membran, welche seitlich mit dem rothbraunen Manteltheil verwachsen ist, nach oben zugleich den Boden des Pericardialraumes bildet und nach unten zu sich in eine mediane Platte fortsetzt, welche zwischen beiden Höhlen sich einsenkt und den Venensinus ein- schliesst ^). — An dem letzteren gelang es mir weder ein Endothelhäutchen, noch sonst einen Zellenbelag nachzu- weisen; ich kann demnach den Venensinus nur für einen einfachen kanalförmigen Spaltraum in dem hier stark ver- dickten Bindegewebe ansehen. Das die Vorhöhle auskleidende Epithel besteht aus den schon bei der Höhle erwähnten runden Flimmerzellen, während sich nach dem Pericardialraum zu, also an der Aussenfläche der überdachenden Membran ein hohes Cy- linderepithel entwickelt, dessen langgeschwänzte Zellen mit Cuticula, Kern und Kernkörperchen versehen sind. Wim- perbekleidung findet sich hier nicht. 1) Fig. vn. Ueber den Bau des Bojanus'schen Organes der Teichmuschel. 87 Zwischen den beiden genannten Zellschichten besteht die Membran aus dem schon früher beschriebenen Binde- gewebe mit zahlreich eingestreuten Kernen. In der Masse des Bindegewebes erkennt man deutliche Lückenräume *), auf die ich sogleich noch wieder zurückkomme. Dass die Vorhöhlenwand auf beiden Seiten in ihrer ganzen Länge in den rothbraunen Manteltheil übergeht, ist schon mehrfach bemerkt worden. In dem letzteren, nament- lich in dem unteren Abschnitt desselben sieht man auf Querschnitten ^) zahlreiche grössere und kleinere oft mit einander anastomosirende Lückenräume. Mit diesen nun stehen die Atrien, welche ihrer ganzen Länge nach mit der Vorhöhlenwand und dem rothbraunen Manteltheil ver- wachsen sind, durch mehrere Oeffnungen in directer Ver- bindung; auf Querschnitten kann man oftmals deutlich er- kennen, wie eine derartige Oeffnung direct in eine der genannten Lücken sich fortsetzt ^). Wenn nun die Angabe Längeres ^) richtig ist, nach der das Innere des roth- braunen Manteltheils mit dem umgebenden Medium com- municirt, so dürfte es kaum zweifelhaft sein, dass Wasser und Blut in demselben sich mischen, also schon in dem Herzen und dessen Atrien eine gemischte Flüssigkeit ent- halten ist. Die in der Vorhöhlenwand erwähnten Lücken stehen vielleicht gleichfalls in Beziehung zu dieser Ver- mischung von Blut und Wasser; es wird das wenigstens dadurch wahrscheinlich, dass die Vorhöhlenwand, wie wir wissen, in den rothbraunen Manteltheil sich fortsetzt und die Lückenräume gelegentlich auch deutlich Blutkörperchen enthalten. Nicht selten hat es auch den Anschein, als communicirten diese Lücken mit dem Venensinus, der ja selbst nur eine solche Lücke ist. Alle die genannten Gewebelücken sind somit als Bindegewebslacunen im Sinne von Key und Retzius^) 1) Kollmann: Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XXVI. Vorl. Mitthlg. 2) In Fig. 7 nicht, wohl aber in Fig. 14 gezeichnet. 3) Fig. 14. 1. 4) Langer: 1. c. pg. 10. 5) Key und Retzius: Studien in der Anat. des Nerven- und Bindegewebe 1. H. Stockholm Mai 1876. 88 Dr. Griesbach: aufzufassen. Freilich haben diese beiden Forscher bei den Wirbelthieren in solchen Lücken Endothelien nachge- wiesen, die bald in Form von einzelnen isolirbaren Zellen, bald in Form eines sogenannten Endothelhäutchens vor- kommen, während ich in unserem Falle nichts derartiges habe auffinden können. Allein schon Posner i) hat, nach dem Beispiele Flemming's^), der gleichfalls endothellose Bluträume bei Mollusken beobachtete, bemerkt, „dass die Frage nach dem Vorhandensein von Endothel vielfach zu stark betont sei, der Mangel eines solchen müsse für all- gemeine morphologische Gesichtspunkte als völlig irrelevant angesehen werden.^ Uebrigens liegen auch bei Wirbelthieren Beobachtungen^) vor, nach denen z. B. im Hoden die An- fänge der lacunären Lymphbahnen ohne Endothelien sind^). Um über die feinsten histologischen Details Auf- schluss zu gewinnen, muss man sich, wie schon oben be- merkt wurde, solcher Querschitte bedienen, die höchstens V35— V40 Mm. dick sind. Man mazerirt derartige Schnitte am besten 24 Stunden lang in Ueberosmiumsäure (1 : 1000), legt sie dann ebenfalls auf 24 Stunden in essigsaures Kali und zerzupft das Prä- parat in selbiger Flüssigkeit. Auf diese Weise gelang es mir, namentlich die zweierlei Zellformen aus den Falten der Höhle schön zu isoliren. Die Cylinderzellen ^) haben die Länge von 0,0034 Mm. Der Kern, der neben einem deutlichen Nucleolus noch viele, kleine, stark lichtbrechende \ Körperchen führt, ist 0,00125 Mm. lang, und seine grösste Breite beträgt 0,001 Mm. Die Angabe v.Hessling's *5), dass 1) Posner: lieber den Bau der Najadenkieme. Inaug. Dis. pg. 21 abgedr. in Arch. f. mikr. Anat. Tom XI. 1875. 2) Flemming: vergl. Posner pg. 21. 3) V. V. Mihalkovics. Beitr. z. Anat. u. Histol. des Hodens, pg.37. 4) Neuerdings, als schon dieser Aufsatz gedruckt vorlag, er- schien eine Arbeit von Kollmann : lieber Bindesubstanz der Acephalen (Arch. f. mikr. Anat. B. XIII H. 3 1876), die ich dann leider nicht mehr benutzen konnte. Es sei hier nur bemerkt, dass nach K. in den interstitiellen Lücken sich keine Spur von Endothelien oder endotheloiden Zellen findet, — die sogen. Häutchenzelleu haben keinen endotheloiden Charakter. 5) Fig. 8. 6) von Hessling Beitr. z. Lehre von der Harnabsdrg. pg. 7. üeber den Bau des Bojanus*schen Organes der Teichmuschel. 89 diese Cylinderzellen Flimmerung zeigen, kann ich nicht be- stätigen, ich miiss vielmehr mitLeydig^) behaupten, dass nur die oberste Schicht der Sekretionszellen Wimperbesatz trägt. Diese letzteren, die zu mehreren Schichten in den Höhlen übereinander liegen, erscheinen als dünnwandige, kugelige Bläschen, deren Membran (mit Hartnack's Imm. Syst. XI) eine Menge feiner Flimmercilien erkennen lässt. Die Grösse der Zellen differirt zwischen 0,00473 und 0,00559 Mm., die der Cilien zwischen 0,00195 und 0,00273 Mm. Im Innern umschliesst jede Zelle einen excentrisch gele- genen, runden Kern mit Kernkörperchen und ein feinkör- niges Protoplasma, in welchem sich, in verschiedener Menge, Gestalt und Grösse, gelb bis gelbbraun gefärbte Körperchen finden, welche nach Leydig^), jedes noch von einem be- sonderen Sekretbläschen, dass ich jedoch nicht habe wahr- nehmen können, umgeben ist. Diese gelärbten Körperchen nun sind es, welche man als Harnconcremente gedeutet hat. In dem Ausführungsgange der Höhlen ist die Flim- merbewegung sehr lebhaft und durch Cilien hervorge- rufen, die bis 0,00312 und 0,00468 Mm. messen. Die Zellen in den Vorhöhlen des Bojanus'schen Organes haben die gleiche Beschaffenheit, nur dass sie an der unteren Wand weniger ge- schichtet sind, als an der oberen. Dazu kommt, dass die Zellen etwas weniger gross sind, als in den Höhlen, indem sie nur 0,00472 Mm. messen. Ihre Cilien betragen zwischen 0,00195 und 0,00234 Mm. und wachsen in dem Ausführungs- gange bis 0,00429 Mm. Die in den Höhlen vorkommenden Cylinderzellen fehlen den Vorhöhlen gänzlich. Dagegen aber findet man in den kugeligen Zellen neben den Harn- (?) concrementen oft — doch nicht constant — noch weiche, elastische Tröpfchen, die beim zufälligen Zusammenstossen mit einem der Concremente sofort dem Drucke nachgeben und erst beim Nachlassen des letzteren ihre ursprüngliche Gestalt wieder annehmen. Diese Tröpfchen färben sich bei Anwendung von Ueberosmiumsäure intensiv schwarz — ich glaube, dass sie nichts anderes als Fettmoleküle sind. — Es erübrigt jetzt noch das hohe Cylinderepithel zu 1) Leydig 1. c. pg. 468. 2) Leydig. 1. c. pg. 468. 90 Dr. Griesbach: betrachten, welches die Vorhöhlenwand nach dem Peri- cardialraum zu abgrenzt. Zur Isolation dieser Zellen Hess ich die betreffende Membran 48 Stunden in den Mazerationsflüssigkeiten liegen, da ich sie nach kürzerer Zeit immer nur in Bruchstücken lösen konnte. Gelingt es nun die Zellen unversehrt zu isoliren, so findet man sie von der Gestalt wie Fig. 11c sie zeigt. Eine jede besteht aus einem bauchigen Körper und einem langen Schwanz, der grade oder gekrümmt herab- läuft. Aber nur in den seltensten Fällen gelingt es, die Schwänze im Zusammenhange mit ihrem Zellkörper zu isoliren, indem sie gewöhnlich an verschiedenen Stellen abbrechen, wie Fig. 11 a. b. d. es zeigt. Der Zellkörper selbst zeigt eine deutliche, stark lichtbrechende Cuticula, die den Cylinderzellen der Höhle abgeht, und einen mehr weniger ovalen Kern, in welchem sich neben einer Menge kleiner Körperchen noch ein oder zwei Nucleoli befinden. Der Innenraum ist mit leinkörnigem Protoplasma gefüllt. Die totale Länge der Zelle beträgt 0,01118 Mm., die des Kernes 0,00258 Mm. und dessen grösste Breite 0,00129 Mm.* Zum Schluss noch einige Worte über die Ausführungs- öffnungen des Bojanus'schen Apparates. Wir wissen be- reits, dass dieselben rechts wie links nicht in der gleichen Ebene liegen, sondern der Art angeordnet sind, dass die Oeffnung der Höhlen die in den Pericardialraum führt, etwas weiter nach vorne liegt, als die der Vorhöhle, die auf der üntenseite des Muschelleibes gefunden wird. Die Figur 14 versinnlicht diese Situationsverhältnisse. Die trichterförmige Mündung der Höhlen ist nicht getroffen, sondern der Schnitt fällt durch diese selbst unmittelbar hinter der Ausführungsöffnung ; man sieht in der Figur wie die Wandungen der Höhlen wieder etwas von einander weichen. Das Lumen k, bezeichnet den inneren Kiemen- gang, der an der Basis der Kieme hinzieht. Nach von Rengarten ^) besitzen die Wände der Vorhöhlenöffnung eine kräftige Muskulatur, die sowohl eine Contraction als auch Expansion ausführt! Vielleicht wird durch sie dann 1) von Rongarten. 1. c. pg. 31. lieber den Bau des ßojanus'schen Organes der Teichmuschel. 91 die Ausfuhr des dem Wasser beigemiscliten Blutes aus dem Körper geregelt. IV. Betrachtungen über die Physiologie und vergleichende Morphologie des Bojanus'schen Organes. Man hat das Bojanus'sche Organ vielfach einer ein- gehenden chemischen Untersuchung unterworfen, in der Hoffnung möglicherweise dadurch einige Aufschlüsse über seine Funktion zu erhalten. Namentlich hat Prof. Voit ^) in München mehrfach auf chemischem Wege versucht Harnverbindungen darin nachzuweisen. Es sei mir gestattet einige seiner Unter- suchungen hier anzuführen. Das Bojanus'sche Organ von circa 40 Thieren, sorg- fältig herauspräparirt und getrocknet, wurde mit kochendem Kalkwasser übergössen und mit Salpetersäure versetzt, nachdem filtrirt war; eine andere Anzahl trockener Bo- janus'scher Organe ebenso mit siedendem Wasser ausge- zogen,!^ beinahe bis zur Trockene eingedampft und mit Essigsäure versetzt. In beiden Fällen konnte man selbst mit dem Mikroskop keine Krystalle von Harnsäure oder Guanin erkennen. Ein anderes Quantum Bojanus'scher Or- gane wurde mit Kalilauge ausgezogen, die nur einen Theil aufnahm und eine ziemliche Menge erdigen Rückstandes ungelöst Hess. Durch Einleiten von Kohlensäure in die alkalische Lösung bis zur Neutralisation entstand kein Niederschlag (also : keine Harnsäure, kein Guanin, Xanthin oder Hypoxanthin), ebensowenig bei Zusatz von Salmiak (kein Guanin oder Xanthin), durch Essigsäure fielen keine Krystalle, wohl aber ein, aus braunen Flocken bestehender, Niederschlag, von dem in der alkalischen Flüssigkeit ge- lösten Eiweiss (kein Cystin); nach Filtration desselben erhielt man auf Zusatz von Salzsäure ebenfalls keine Fällung (kein Xanthin). Ich selbst habe nach Angaben von Kühne^), die so- 1) Voit: i. c. pg. 477. 2) Kühne: Lehrb. der physiolog. Chemie. Leipzig 1868 pg, 490 seq. 492. 92 Dr. Griesbach: genannte Murexidprobe auf Harnsäure angestellt. Ich dampfte 16 sorgfältig frei präparirte Bojanus'sche Organe von Anodonta piscinalis mit verdünnter Kalilauge auf dem Wasserbade bis nahe zur Trockene ein. Ein wenig von dem so erhaltenen rothbraunen Rückstand wurde mit conc. Salpetersäure versetzt, Hess jedoch keine Spur von Murexid- färbung erkennen, auch dann nicht, wenn ich Ammoniak- dämpfe zuleitete. Ebensowenig gelang diese Prüfung, als ich versuchte die Murexidfarbe zu erhalten, indem ich ein Stückchen des Organes mit conc. Salpetersäure in der Wärme behandelte. Von der Einwirkung chemischer Reagenzien, welche ich einem Stückchen der Bojanus'schen Höhle auf dem Objectträger unter dem Mikroskope zusetzte, kann ich Folgendes mittheilen : Conc. Kali und Natron- lauge lösen die gelbbraunen Concremente mit grosser Schnelligkeit auf; auch in Salpetersäure und conc. Schwefel- säure lösten sie sich, wenn auch langsamer, Essigsäure und Salzsäure dagegen sah ich nicht einwirken. Aus allen diesen Versuchen, namentlich denen des Prof. Voit geht mit absoluter Bestimmtheit hervor, dass in dem Bojanus'schen Organe keine der gewöhnlichen Harnbestandtheile ent- halten sind. Mag nun aber der Stoffwechsel im Körper unserer Anodonta in Zusammenhang mit der minimalen Bewegung und geringen Wärmebildung auch noch so gering sein, Zer- setzungsproducte müssen auftreten; denn jeder thierische Organismus unterliegt nach unserer heutigen Kenntniss einer Zersetzung, in Folge derer die stickstoffhaltigen Sub- stanzen gewöhnlich als Harnstoff oder Harnsäure durch ein besonderes Organ, die Niere, nach aussen geschafft werden. Obwohl nun, wie bemerkt, das Bojanus'sche Organ, welches man fast allgemein als Niere betrachtet, keine dieser Harnverbindungen enthält, so ist damit doch natür- lich nicht bewiesen, dass dasselbe überhaupt keine Niere sei, sondern nur so viel gesagt, dass das etwaige stickstoff- haltige Zersetzungsproduct einstweilen noch unbekannt ist. Dass in unserem Organ eine Abscheidung vor sich geht, daran ist nicht zu zweifeln. Die geschichteten Reihen von Zellen, in denen man zahlreiche Concremente beobachtet. lieber den Bau des Bojanus'schen Organes der Teichmuschel. 93 der ganze Bau des Organes, das drüsenartig faltige Gewebe, die lebhafte durch das ganze Höhlensystem verbreitete Flimmerung, alles das weist auf Abscheidungstunction hin. Da wir nun aber auf directem Wege keine bestimmte Auskunft .über die physiologische Bedeutung des Boja- nus'schen Organes erhalten, dürften wir eine solche mög- licher Weise dadurch gewinnen, dass wir die Frage auf- werfen, ob dasselbe nicht anderen, genauer bekannten Ge- bilden verwandter Thiergruppen an die Seite zu stellen sei. Es sei mir daher gestattet auf die Verwandtschafts - beziehungen unseres Organes einzugehen. Zunächst schicke ich die Bemerkung voraus, dags das Bojanus'sche Organ in der Gruppe der Lamellibran- chiaten eine weite Verbreitung hat, obwohl es bei den einzelnen Arten mancherlei Abweichungen zeigt. Am ge- ringsten vielleicht bei Unio, bei dem es kaum irgendwie von Anodonta verschieden ist. In dem gewundenen Theile des Organes hat von Rengarten ^) allerdings muskulöse Klappen beschrieben, doch wurde diese Angabe schon durch von Hessling") berichtigt, denselben Forscher, der auch der Annahme einer Communication zwischen den beiden Bojanus'schen Höhlen zuerst entgegentrat. Aber schon bei Mytilus weicht das Bojanus'sche Or- gan in seinem Baue wesentlich von dem bisher beschrie- benen ab. Wir besitzen darüber eine umfangreiche Arbeit von Lacaze-Duthiers^) und aus neuester Zeit werth- volle Notizen von Sabatiers^), in welchen derselbe gradezu sagt: „Le Corps deBojanus est loin de presenter la dispo- sition, qu'on lui reconnait chez la plupart des Mollusques lameUibranches." Derselbe unterscheidet darin zwei Theile: partie autonome et partie dependant des grosses veines. Diese partie autonome ist die vordere und erstreckt sich 1) von Rengarten. 1. c. 2) von Hessling. Perlmuscheln. 3) de Lacaze-Duthiers. 1. c. 4) Sabatiers: in Compt. rend. 1874. pg. 582 u. 583. 94 Dr. Griesbach: bis auf die seitlichen Theile der Leber, in die Furche, welche das Organ von der Kiemenbasis trennt; sie wird von einer Menge vertikaler, membranöser Falten, welche eine braungrüne Farbe haben, gebildet. Diese Falten um- schliessen Höhlen, qui viennent s'aboucher successivement par leurs extremit^s superieures dans un canal collecteur, dessen Durchmesser von vorne nach hinten zunimmt, und welcher einwärts vom zuführenden Kiemengefäss liegt. Der andere oben erwähnte Theil des Organes hängt mit den Wänden des Herzohres der veine afferente oblique und der veine longitudinale posterieure zusammen. Der Peri- cardialraum setzt sich nach unten in einen Ausführungs- gang (couloir) fort^ welcher gelegen ist au-devant de la veine afferente oblique avec le canal collecteur du corps de Bojanus. Zwischen dem couloir und dem canal collecteur be- findet sich eine enge und schräge Oeffnung, welche den Durchgang von Flüssigkeit aus dem couloir in den canal erlaubt, umgekehrt aber das Rtickfliessen schwierig macht. Die Flüssigkeit, welche so das Bojanus'sche Organ durch- fliesst, entledigt sich gewisser Bestandtheile, welche sie im Pericardium, couloir und canal collecteur empfangen hat. Dieser letztere communicirt mit der Aussenwelt durch eine sehr enge Oeffnung, welche auf der Spitze einer sehr kleinen, hinter den Papillen des organes reproducteurs gelegenen Erhebung sich befindet. Die Entdeckung dieser Oeffnung verdankt man den Untersuchungen vonLacaze- Duthiers. Der canal collecteur bojanien empfängt zum Theil das Blut aus den Venen de la bosse de Polichinelle und stösst hernach mit einer grossen hinteren Mantelvene zu- sammen, welche als Ableitungskanal liir das Blut dient, quirevient du manteau aux 6poques, oü la circulation pall^ale est tres-abondante, c'est-ä-dire pendant la periode de la reproduction. Ich will hier nicht näher auf eine Vergleichung mit dem Verhalten unserer Anodonta eingehen, darf aber wohl kurz darauf hindeuten, dass die erste der Sabathier 'sehen Abtheilungen unserer Höhle, die zweite aber der Vorhöhle lieber den Bau des Bojanus'schen Organes der Teichmuschel. 95 entspricht, das Bojanus'sche Organ also auch bei Mytilus auf eine kanalförmige Verbindung zwischen dem Pericar- dium und der Aussenfläche des Körpers sich zurück- führen lässt. Wie bei Mytilus die Bildung der einzelnen Abschnitte, so zeigt in anderen Fällen auch das Verhalten der Aus- führungsgänge gewisse Besonderheiten. Es münden nämlich die Harnorgane nicht immer neben den Geschlechtsorganen aus, — dieser Fall findet sich nur bei Anodonta, Unio, Mytilus, Chama, Pectunculus, Cardita, Cardium und Mactra — sondern entweder durch eine, den beiden gemeinsame Oeffnung (Pinna und Area), oder es münden die Geschlechtsorgane in die Harnorgaue ein, so dass dann die Trennung beider Organe am unvoll- kommensten ist — Pecten, Lima, Spondylus. — Freilich ist hierbei zu bemerken, dass die betreffenden Angaben der einzelnen Forscher sehr differiren ^). Bei Pinna no- bilis schildert von Siebold 2) das Verhalten folgender- massen : Es ragen auf der vorderen Fläche der breiten Rückenwandung, etwas oberhalb des hinteren grossen Schliessmuskels, zwei, von wulstigen Lippen eingefasste Mündungen hervor, welche in einen sehr weiten, dünn- halsigen Sack führen, dessen Wandungen nur in seinem unteren Ende, in der Nähe des grossen Schliessmuskels, auf eine gewisse Strecke beschränkt einen drüsigen Bau besitzen; dicht hinter den äusseren Mündungen erblickt man innerhalb der beiden Säcke die Geschlechtsöffnung. Bei Aspergillum vaginiferum liegen zwischen Herz und Mastdarm dreieckige Gebilde, die in ihrem Bau auf- fallend an die Nieren der Gasteropoden erinnern, doch ist man über diese Gebilde noch nicht im Klaren; Prof. S. F. Leuckart^) deutete dieselben als die Leber des Thieres. 1) Garner: 1. c. pg. 92. von Siebold und Stannius: 1. c. pg. 282. Bronn: pg. 386 in Klassen und Ordg. des Thierreiches. 2) von Siebold: 1. c. pg. 282. Poli: 1. c. Tab. 37 Fig. 2. D. 3) S. F. Leuckart: Neue wirbellose Thiere des rothen Meeres, pg. 46. 96 Dr. Griesbach: BeiTeredo^) soll das Bojanus'sche Organ bald gänz- lich fehlen, bald durch einen schwärzlichen Beleg reprä- sentirt sein, welcher die Vorhöhle des Herzens überzieht und aus Zellen voll dunkler Moleküle (harnsaurem Am- moniak?) besteht, eine Bildung, wozu der Uebergang bei Ostrea^) zu finden wäre, wo das genannte Organ nur noch als Anhang des Vorhofes erscheint. Nach diesen Bemerkungen sehen wir uns nun nach einem Analogon unseres Organes in der Classe der Cepha- lophoren um. In der Nähe des Herzens finden wir bei diesen sehr allgemein einen mehr weniger gestreckten Sack mit spongiösen Wandungen und von dunkler Farbe, — ein Gebilde, das überall als Niere gedeutet wird und trotz seiner asymetrischen Bildung, dem Bojanus' sehen Organ der Lamellibranchiaten an die Seite gestellt werden muss, da es bei den Wasserschnecken z. B. meist die gleichen Beziehungen zu dem Herzbeutel darbietet. Die ersten genaueren Mittheilungen hierüber erhielten wir durch Leuckart und Gegenbaur, die beide, von ein- ander unabhängig arbeitend, zu den gleichen Resultaten gelangten, jedenfalls ein schöner Beweis für die Genauig- keit ihrer Beobachtungen. Bei Heteropoden (Firoloiden) hat zuerst Prof. Leuck- art^) den Zusammenhang der Niere mit dem Herzbeutel nachgewiesen; die mit Muskulatur versehenen Nieren- wandungen sollen durch rhytmische Contractionen Wasser von aussen her in den Pericardialraum pumpen; doch in der Niere schon findet Mischung von Blut und Wasser statt. Harnverbindungen hat man übrigens auch nicht mit Sicher- heit nachweisen können. 1) Quatrefages: Ann. des Sc. nat. 1848 IX. 1849 XI. 1850 XIII. — L'Institut. 1848 XVI. 1849 XVII. Quairafages glaubt hier das Bojanus'sche Organ in einem braunen sehr zarten Zellgewebe zu erkennen, welches das Rectum von allen Seiten umgiebt und etwas unterhalb desselben rechts und links von einem wandungslosen Längscanale (Vene?) durchzogen wird. Vergl. zugl. Frey und Leuckart. 1. c. 2) Bronn 1. c. pg. 388. 3) Rud. Leuckart: 1. c. pg. 55. Ueber den Bau des Bojanus'sclien Organes der Teichmuschel. 97 Sehr übereinstimmend lauten die Angaben G e gen- bau r's*) der seine Untersuchungen auch auf die Ptero- poden erstreckte und bei diesen dieselben Ausmündungen — in den Herzbeutel und das umgebende Wasser — auf- fand. In Betreff des feineren Baues freilich zeigten die betreffenden Gebilde in der Gruppe der Pteropoden zweierlei Form. Der eine Typus ist bei den Hyaleaceen repräsentirt, bei denen man in dem Excretionsorgan ein maschiges mit körnigen Molekülen imprägnirtes Gewebe erkennt, welches sich eng an die Beschaffenheit der Niere bei den Land- schnecken anschliesst, während der zweite Typus, der die Cymbulieen und Clioideen umfasst, einen einfachen dünn- wandigen Schlauch ohne Maschengewebe und abgelagerte Körnchen aufzeigt. Aehnliches kennt man von manchen Nudibranchiaten z. B. Polycera und Phyllirhoe -), bei welcher letzteren die Niere gleichfalls in den Pericardial- raum einmündet. Ich möchte hier noch auf das eigenthümliche Ver- halten der Niere eines Vertreters der marinen Nackt- schnecken, Tethys^), welche erst in der allerneusten Zeit genauer bekannt geworden ist, aufmerksam machen. von Jhering's Beobachtungen sind kurz folgende: Die Niere wird hier durch eine baumförmig verzweigte Drüse repräsentirt, deren verästelte Schläuche die be- nachbarten Organe umspinnen. Die äussere Oeffnung ihres Ausführungsganges — des Ureter's — liegt etwas hinter dem After, auf der Papille, welche auf ihrer Spitze die Analöffnung trägt. Der Ureter ist ein ziemlich weites Rohr, dessen Wandungen zum Theil noch drüsiger Natur sind. Er spaltet sich nach kurzem Verlaufe in 2 Aeste; der eine von ihnen senkt sich in die Tiefe, der andere zerzweigt sich an den oberen Eingeweidepartien. Zwischen 1) Gegenbaur. Untersuchungen über Pteropoden u. Heteropoden Leipzig 1855 pg. 23. 50. 71. 86. 192. 2) H. Müller und C. Gegenbaur : Zeitschr. f. wies. Zool. Tom. V 1854. Leuckart: Arch. f. Naturg. 1853 Tbl. I. pg. 249. 3) H. von Jhering: Tethys. Ein Beitrag zur Phylogenie der Gasterop. abgedr. im Morphol. Jahrb. 2. 1876. Archiv f. Naturg. XXXXUI. Jahrg. 2. Bd. 7 98 Dr. Griesbach : > dem Ureter, ungefähr in der Mitte zwischen seiner Mündung und der Gabelung, spannt sich nun ein rundlicher drüsiger Trichter aus, der mit dem Pericardialraum in Zusammen- hang steht und erst neuster Zeit durch von Ihering be- schrieben ist. Mittelst dieses Trichters communicirt also auch hier das Pericardium mit der Niere, doch kann der Zusammenhang nach Belieben des Thieres durch einen Sphincter, der an der Pericardialöffnung sich findet, aufge- hoben werden. Aller Vermuthung nach wird auch hier durch den Ureter Wasser in die Niere und zugleich durch den Trichter in den Pericardialraum eingeführt, wie das von Trinchese ^) bei einer andern Nudibranchiate, Ercolania, direct beobachtet ist! Dieselbe besitzt neben dem in der Medianlinie gelegenen After eine Oeflfnung, die in das End- stück der Niere (Hydrocardium. Tr.) führt. Man sieht die Oeffnung ^j, wie bei den Heteropoden, von Zeit zu Zeit sich öffnen und wieder schliessen. Beim Oeffnen erweitert sich nun das Hydrocardium, beim Schliessen contrahirt sich dasselbe, indem gleichzeitig die Kiemen, von dem in sie eindringenden Wasser, an- schwellen. V. I beringt) bemerkt, dass das eingeführte Wasser nicht nur zur Verdünnung des Blutes, sondern zugleich einer inneren Respiration diene. Es ist in der That wunderbar, dass hier die Niere, deren Funktion im schärfsten Contrast zu der eines Respi- rationsorganes steht, als ein Hülfswerkzeug beim Athmen 1) Trinchese: Annali del Museo civico distoria naturale. Genova: Aprile 1872 Vol. II pg. 86—132. 2) Trinchese. 1. c. pg. 105: A sinistro del tubo anale vi e Torifizio per il quäle l'acqua penetra dell' interno dell' idrocardio (Tav. VII. Fig. 6, e.) esso ha una forma conica o d'imbuto. Questo orifici si apre e si chiude di tratto in tratto senga ritmo ben determinato. Quando esso e aperto, l'idrocardio si dilato; quando si chiude, l'idrocardio sicontrae e nel tempo stesso le branchie sigonifranco. Questo fatto indica chevi e una coinmunicazione diretta fra questi ultirai o rgani e l'idrocardio, per cui l'acqua da questo aspirata passa nelle cavitü branchiali. 3) von Ihering 1. c. pg. 50. lieber den Bau des Bojanus'schen Organe s der Teichmuschel. 99 mitwirkt. Sie steht in diesem Falle also in Beziehung zu dreierlei Funktionen — zur Excretion, Respiration und Circulation — in der That eine sehr eigenthümliche Er- scheinung. Hier dürfte wohl die Niere der Landgas tropoden einer Erwähnung verdienen. Sie repräsentirt eine im Grunde der Athemhöhle gelegene, beträchtliche Drüsenmasse, die eine mannigfaltige Auslegung erfahren hat ^), bis Jacobson die- selbe als eine wirkliche Niere erkannte. Obwohl dieses Ge- bilde keinerlei Zusammenhang mit dem Herzbeutel besitzt, am hinteren Ende vielmehr blind endigt, dürfte es doch nach Lage und Bau — es besitzt sogar den Blätterbau des Bojanus'schen Organs — ganz unverkennbar dem letzte- ren als homolog zur Seite gestellt werden. Für die richtige Deutung des letzteren aber ist dieser Umstand um so wichtiger, als die in den Drüsenzellen hier gebildeten Concremente von allen Forschern als echte Harn- concremente anerkannt sind. Aber nicht nur die Classe der Cephalophoren, sondern auch die der Cephalopoden zeigt uns ein Gebilde, welches dem Bojanus'schen Organ verglichen werden darf — und wiederum ist es hier ein evidentes Harnwerkzeug. Es sind die zuerst von Mayer ^j und Savi ^) als Nieren gedeuteten sogenannten Venenanhänge mit dem sie um- hüllenden Sack — Gebilde, deren Funktion übrigens erst durch die Untersuchungen von Harless^), der in ihren Sekreten harnsaure Verbindungen nachwies, ausser Zweifel gestellt ist. Eine genaue anatomische Beschreibung dieser Gebilde, würde da sie zur Genüge bekannt ist, hier zweck- los erscheinen; aber interessant dürfte es sein, die Ana- 1) Sie ist Swammerdam's sacculus calcareus, Poli's glandula Testacea, Cuvier's organ de la viscosite und Quoy und Gaymard's Organ de pourpre. 2) Mayer: Anal. f. vergl. Anatom. H. I pg. 34. 3) Savi: Atti de la terza riunivue degli scienziati tenuta. Firenze 1841 p. 396 (Isis 1843 pg. 417). 4) Harless: Wiegmanu's Arch. Jahrg. XFII 1847 Bd. I. pg. 1. seq. 8. 100 Dr. Griesbach: logien derselben in Lage und Bau mit den oben betrachte- ten Harnorganen kurz hervorzuheben. Bei den Dibranchiaten bilden die sogenannten Venen- anhänge rundliche, gestielte, vielfach an ihrer Oberfläche gefaltete, oft drüsig und schwammige (Sepia) Massen und Zotten, deren Mündung in die Vene sichtbar wird, wenn man diese aufschneidet. Sie sind sammt den Venen, aus denen sie ausgestülpt erscheinen auf jeder Seite des Herzens von einem dünnhäutigen, weiten Sack ein- geschlossen, der vorne mit einem meistens auf einer Papille befindlichen Loche in die Mantelhöhle ausmündet. Es ist dieser Sack^) der Vorhöhle des Bojanus'schen Or- ganes zu vergleichen, in ihm flottiren die Venenanhänge im Wasser, das zu- und abgeführt werden kann 2). Diese letz- teren sind — wie wir es ähnlich auch bei dem Bojanus'- schen Organ kennen gelernt haben — an ihrer Aussen- fläche mit einer mehrfachen Lage rundlicher oder läng- licher Zellen bekleidet, die in einem sogenannten Sekret- bläschen ein gelbes oder violettes Concrement absondern, in dem Harless Harnsäure nachwies, wiederum ein Merk- mal, durch welches die Funktion dieser Organe ausser Zweifel gestellt wird. Eine directe Communicatixjn mit den blutführenden Räumen ist ebenso wenig, wie bei den Landschnecken gekannt. Auch bei den Tetrabranchiaten (Nautiliden) sind die Harnapparate dickwandige, drüsige Ausstülpungen der Vena cava und ihrer Aeste, umgeben von einem ovalen Sack, der mit seiner hinteren Wand der Athemhöhle an- liegt und in diese sich öffnet, dadurch der Niere mancher Prosobranchiaten zu vergleichen ist. Aber es stülpen sich aus den Venen nahe derselben Stelle auch noch andere Gebilde aus, grosse Büschel länglicher Papillen oder Zotten, die wie die Venenanhänge der Dibranchiaten mit einer mehrfachen Schicht runder Zellen überzogen sind, und 1) Mayer in Bonn sprach die Venenanhänge als Nieren, die sie umgebenden, in die Mantelhöhle sich öffnenden Säcke als Harn- blasen an. 2) Kollmann in Zeitschr. f. wiss. Zoolog. Bd. XXVI pg. 102. üeber den Bau des Bojanus'schen Orgarnes der Teichmuschel. 101 in den Pericardialraum hineinragen, wie die Höhle des Bojanus'schen Organes der Lamellibranchier. Doch ist es bis jetzt noch nicht gelungen, in diesen vermeint- lichen Nieren der Nautiliden Harnverbindungen nach- zuweisen ^). Selbst unter den bis auf die neuste Zeit zu den Mollusken gerechneten Brachiopoden dürfte ein Analogon des Bojanus'- schen Organes zu finden sein und zwar in Gestalt zweier (selten vier), mit drüsigen Wandungen versehener Kanäle, die trichterförmig mit freier Oeffnung in der Leibeshöhle beginnend, auf beiden Seiten des Darmes verlaufen und seitlich vom Munde ausmünden. Ihre functionelle Bedeu- tung ist freilich sehr unklar. Man hat sie bald als Ovi- ducte, bald auch (Owen % Vogt^)) als Herzen in Anspruch genommen. Hankock^), einer der besten und neusten Untersucher der Brachiopoden, bemerkt in dieser Beziehung (bei Ligula): „Es werden diese Organe von den Eiern, die dabei eine äussere Hülle erhalten, passirt; vielleicht, da ihre Ränder wulstig und faltig sind, mag man auch eine Nierenfunction in ihnen vermuthen, welche Vermuthung Huxley^) zuerst aussprach. Mag dies nun aber sein, wie es wolle, in erster Linie scheinen sie für die Fort- leitung der Eier da zu sein und daher ist ihre Function als Oviducte augenscheinlich anzunehmen." Im Gegensatz zu Hankock scheint Sempera) die betreffenden Organe wieder als herzartige Gebilde zu deu- ten, obwohl er daran keine Contractionen bemerkte, sondern nur zeitweise eine schwache Bewegung an den trichter- fömigen Enden, die von einem muskulösen Bande herrührt, das, vom Darme breit entspringend, sich mit spitzem Ende theils an das eigentliche sogenannte Herz, theils an dessen 1) Blasius. W. vergl. Bronn 1. c. pg. 1391. 2j Ann. des sc. uat. 3 Ser. tom. III. 1845. (R. Owen.) 3) Vogt: in Denkschr. d. schw. Gesellsch. d. ges. Naturw. Bd. VII 1842. 4) Hankock: in Philos. Transact: 1858. 5) Huxley. Ann. Mag. of nat. hist. 1854, 6) Semper. Zeitschr. f. a. Zoolog. Bd. II 4862, pg. 102. 102 Dr. Griesbach: Trichter ansetzt. Jedenfalls bedarf es noch eingehenderer Untersuchungen, ehe man im Stande sein wird Bestimmtes über die Funktion dieses Organes aussagen zu können, zumal die Ansichten Sem per 's das Organ und seine Funktion nur noch dunkler gemacht haben. Wie die Seitentrichter der Brachiopoden, so zeigen auch die röhrenförmigen, sogenannten Segmentalorgane der Anneliden in mehrfacher Beziehung eine Aehnlichkeit mit dem Bojanus'schen Organ. Bei den Chaetopoden beginnen diese Organe bekannt- lich mit freier Mündung, oft mittels eines Wimpertrichters in der Leibeshöhle. Sie besitzen ein Drüsenepithel auf ihrer Wandung und münden nach mehrfach geschlängeltem und gewundenem Verlaufe, rechts und links von den Segmenten durch einen seitlichen Porus nach Aussen. NachEh.lers *) sollen die- selben bei marinen Borstenwürmern u. a. m. als Ei- res- pective Samenleiter fungiren und die in der Leibeshöhle freigewordenen Geschlechtsproducte nach Aussen schaffen, eine Behauptung, der auch Claparede auf Grund seiner Untersuchungen beipflichtete. Aul die Aehnlichkeit, die sich hiernach mit den Seitentrichtern der Brachiopoden herausstellt, brauche ich kaum aufmerksam zu machen. Ebenso übergehe ich manche andere Gebilde, die bei den niedren Thieren mit dem Bo- janus'schen Organ parallelisirt werden könnten — es sind fast überall solche, die gewöhnlich als Harnapparate ge- deutet werden — und wende mich zum Schluss meiner Dar- stellung noch einmal an unsre Anodonta. Wir haben gesehen, dass bei zahlreichen Mollusken Wasser von Aussen her in die Niere eintritt und mit dem Blut sich vermischt, um dann aufs Neue durch den Körper zu circuliren. Nur bei den Acephalen ist diese Be- obachtung nicht gelungen. Darf man trotzdem für das Bojanus'sche Organ, dem zwar unverkennbar jene Nieren analog sind, das gleiche 1) Ehlers: die Borstenwürmer I. u. II. Abthlg. Leipzig 1864 und 68. Ueber den Bau des Bojanus'schen Organes der Teichmuschel. 103 Verhalten ann^ehmen ? So plausibel dieses vielleicht scheinen würde, kann ich doch mein Bedenken dagegen nicht unter- drücken. Es dünkt mir sogar unwahrscheinlich, dass Wasser überhaupt von Aussen her durch die Vorhöhlenöffnung in das Höhlensystem des Bojanus'schen Organes eindringt i), um sich daselbst mit Blut zu vermischen 2). Die aus dem Körper abgeschiedenen stickstoffhaltigen Zersetzungsproducte würden ja in diesem Falle gar nicht, oder nur unvollständig nach Aussen entleert, sondern viel- mehr mit dem einströmenden Wasser, welches dem Blute 1) Kollmann (Zeitschr. f. w. Zool. XXVI. Bd. pg. 101.) sagt allerdings : „Unio und Anodonta haben die Fähigkeit, den Hohlraum des Bo- janus'schen Organes, in welchem die gefässtragenden Falten flot- tiren, willkürlich mit Wasser durch das Athemloch zu füllen." Dagegen möchte ich zuoleich eine mir sehr erfreuliche Stelle aus Leydig's Histologie pg. 470 anführen: „Es ist noch nicht mit Bestimmtheit festgestellt (es handelt sich dabei um Acephalen) ob das Wasser in der Niere zunächst von Aussen eingeströmt ist, oder ob nicht vielmehr, was mir rich- tiger scheint, und sich eher mit den bekannteren Verhältnissen bei Wirbelthieren verknüpfen Hesse, durch die Niere das verbrauchte Wasser-Blut allein ausströmt. Das Einlassen des frischen Wassers in die Körperbluträume muss alsdann durch die Porenkanäle der Haut erfolgen." 2) Trotzdem dass Kollmann die Füllung des Bojanus'schen Organes mit Wasser durch das Athemloch annimmt, heisst es an einer andern Stelle des 1. c. pg. 97 : „Ich glaube also nicht, dass Wasser von dem, Bojanus'schen Organ aus in das Blutgefässsystem übergeht, die Wasser- aufnahme geschieht vielmehr bei Anodonta ebenso wie hei Unio und der von Agassiz (Ueber das Wassergefässsystem der Mollusken. Dieselbe Zeitschr. Bd. VII pg. 176) an der amerikanischen Küste untersuchten Maetra solidissima, ferner bei Pecten. Mytilus, Spondylus gaedr. und Pinna durch Oeffnungen an der Kante des Fusses. Solche Oeffnungen existiren. freilich se^ir schwer erkennbar, mehrere bei Anodonta." etc. Aber zu welchem Zweck befindet sich denn überhaupt Wasser in dem Höhlensystem des Boj. Org., wenn es doch nicht in die Blutbahnen des Körpers eindringt? 104 Dr. Grieabach: neue Nahrungsstoffe zuführen soll, aufs Neue in den Körperkreislauf getrieben — was Sem per auch wirklich i) beobachtet haben will(!). Es liegt dieser Umstand auf der Hand — und doch ist er kaum erwähnt, geschweige denn erörtert worden. Es wäre ja übrigens die Möglichkeit denkbar, dass die abgeschiedenen Harn(?) -Stoffe durch das, in ausserordent- licher Menge, eintretende Wasser, so sehr verdünnt würden, dass sie unbeschadet der Existenz des Thieres fortwährend mit dem ernährenden Wasser-Blutstrom durch den Körper circulirten. Es wäre vielleicht auch ferner annehmbar, dass bevor die Wasseraufnahme in das Höhlensystem durch die betreffende Oeffnung geschieht, erst die stickstofifhal- tigen Zersetzungsproducte nach Aussen geschafft würden, da sie ja specifisch schwerer sind, als Wasser und die Aufnahme des letzteren so lange unterbleiben könnte. Aber ist es denn nicht viel einfacher, die Wasseraufnahme in den Körper und dessen Ernährungsflüssigkeit, wie es bei manchen Lamellibranchiaten in der That beobachtet ist, an anderen günstigeren Körperstellen geschehen zu lassen und das Bojanus'sche Organ lediglich auf die excretorische Funktion zu beschränken? Jedenfalls möchte ich in dieser Beziehung betonen, dass, von einigen trügerischen, absolut nichts beweisenden Versuchen vonRengarten's^) abgesehen, eine Wasser- aufnahme durch Hülfe des Boj anus'schen Or- 1) Ich möchte hier folgenden Ausspruch Semperas anführen. Zoolog. Aphorm. Zeitschr. f. w. Zool. 1872 V 22 pg. 317. Er spricht von dem Excretionsorgan eines Räderthieres, das eine un- verkennbare Analogie mit dem Boj anus'schen Organ hat: „Dann ist auch das sogen. Excretionsorgan kein solches, wenigstens nicht aus- schliesslich und damit würde ich das Organ in physiologischer Be- ziehung, innig an die Niere der Mollusken, d. h. der im Wasser lebenden, anschliessen, bei welchen durch dieselbe ja zweifellos Wasseraufnahme in das Blut vermittelt wird. Nach meinen eigenen Beobachtungen aber gelangt bei Mollusken nicht bloss Wasser so in das Blut, sondern auch das Product des drüsigen Theiles der Niere selbst" (!) etc. etc. 2) von Reugarten, 1. c. pg. 31. lieber den Bau des Bojanus'schen Organes der Teichrauschel. 105 ganes niemals beobachtet ist, während solche am rothbraunen Manteltheil und am Fuss jeden Augenblick constatirt werden kann *). Mir scheint somit die Oeffnung in der Vorhöhle des Bojanus'schen Organes keine Aus- und Einfuhröffnung zu sein, sondern nur das erstere ; ihre muskulösen Wände sind dazu da, das Wasser am Eintreten zu verhindern und die Ausfuhr der Zersetzungsproducte, damit zugleich die Ent- leerung der auf anderen Wegen mit Wasser gemischten Blutmenge zu regeln. Das von von Rengarten 2) beobachtete Oeffnen und Schliessen des ;,Athemloches" ist ja durchaus nicht un- möglich; aber es ist meiner Ansicht nach unrichtig ge- deutet. Ich wiederhole nochmals, dass die Wasserauf- nahme bei unserem Thier vornehmlich am Fusse und am rothbraunen Manteltheil stattfindet, mit dessen Lacunen einerseits die Atrien, andrerseits der Pericardialraum com- municiren, so dass in beiden Wasser mit Blut sich mischen kann. Leipzig am 17. Juli 1876. 1) Langer lässt die Wasseraufnahme nur am rothbraunen Manteltheil vor sich gehen, der Fuss ist nach ihm nicht daran be- theiligt; Kollmann (1. c.) fand 6— 8 feine kaum IMm. lange Spalten in der Mitte der Fusskannte für die Wasseraufnahme. Vergl. auch Keber, 1. c. 2) von Rengarten 1. c. pg. 31. Erklärung der Abbildnngen. Die gleichen Buchstaben gelten für alle Figuren. Tafel VI. Fig. 1. Anodonta piscinalis, nach Entfernung der Schale von der Rückenseite, Dorsaler Manteltheil und Herz sammt Darm entfernt, um die Lage des Bojanus'schen Organes zu zeigen, a. der aus der Leber tretende Mastdarm abgeschnitten. 106 Dr. Griesbach: b. Bojanus'sches Organ c. dessen kolbige Anschwellung am hinteren Schließs- muskel (d) V. der Venensinus l.m. lateraler ^lanteltheil k. Kiemen. r. f. Rückziehersehne des Fusses. Fig. 2.*) Der linke Schenkel des Bojanus'schen Organes mit rother Leimmasse von der Pericardialöffnung aus injicirt, um die vier Windungen in der kolbigen Anschwellung zu zeigen. Die Vorhöhle (vh) ist geöffnet, 1. deren Communicationsöffuung mit dem benachbarten Schenkel. 2. ,,das Athemloch.'" Fig. 3. Das Bojanus'sche Organ von der Pericardialöffnung aus in- jicirt, um den Nichtzusammenhang der (h) Höhlen zu zeigen. Die beiden Figuren „zu Fig. 3" stellen die rothe Injectionsmasse von oben und unten gesehen vor, wie sie aus der aufgeschnittenem Vorhöhle herausgenommen ist. 1. Die Injectionsmasse von oben, 2, dieselbe von unten gesehen. Fig. 4. Die Bojanus'schen Höhlen von der Pericardialöffnung aus mit Quecksilber injicirt, und in der Mitte auseinanderge- schnitten, um ihren Xichtzusammenhang zu zeigen. Fig. 5. Die Bojanus'schen Höhlen aufgeschnitten, um die Falten im Innern zu zeigen. Fig. 6. Das Muscheithier von der Veutralseite gesehen, um die Vorhöhlenöffnung (vh.) zu zeigen, t. Die Tentakeln. %%, Genitalöffnung. Tafel Vn. Fig. 7. Totalquerschnitt durch das Thier, ungefähr in der Mitte des Bojanus'schen Organes geführt. dm. dorsale Verwachsung des Mantels, p. Fericardialraum. hl. Herzlumen. a. Atrien. r 0. Rothbraunes Mantelorgan. g. Geschlechtsorgane. d. Darmlumen. *) Für die sehr anschauliche Darstellung dieses Schenkels des Bojanus'schen Organes diente mir Langer's Fig. (Langer. 1. c. Abthlg. II. Taf. I.) Ueber den Bau des Bojanus'schen Organes der Teichmuschel. 107 g,, Durchschnittene Gefässe. n. Durchschnittener Nerv. V w. Vorhöhlenwand. Fig. 8. Eine in Ueberosmiumsäure (1:1000) und essigs. Kali isolirte Epithclzelle aus der Höhle des Bojanus'schen Organes. (Gez. nach Hartn. Imm. IX). Fig. 9. Kugelige Wimperzellen aus der Höhle des Bojanus'schen Organes (Gez. mit Hartn. Imm. XI.) h. c. Harn(?)-concremente. Fig. 10. a Die drüsigen Falten, in die Höhle des Bojanus'schen Or- ganes hineinragend. Fig. 10. b Eine solche Falte durchgreifend. Fig. 10. c Zwei derselben, am freien Rande mit einander verwachsen. Fig. 11. Cylinderepithelzellen aus der Yerhöhlenwand isolirt in Ueberosmiumsäure und essigs. Kali. a. b. d. die Zellen an verschiedenen Stellen zerbrochen, c. eine unversehrte Zelle. Gez. mit Hartn. Imm. IX.) Fig. 12. In derselben Weise isolirte, kugelige Flimmerzelleu aus der Vorhöhle (Gez. mit Hartn. Imm. XI.) P'ig. 13. Querschnitt durch die Wand der Vorhöhle, um dieBindege- webslacunen (1) zu zeigen. (Gez. mit Engeil, & Hens. Syst. IV.) pe. das dem Pericardialraum zugekehrte Cylinderepithel. b. Bindewebe mit zahlreichen Kernen, z. die, die Wand nach Innen begrenzenden Lagen der Flimmerzellen. Fig. li. Totalquerschnitt durch das ganze Thier, in der Gegend der Ausführungsöffnungen des Bojanus'schen Organes geführt (Gez mit Engel!, und Hens. Syst. 0.) k, Innerer Kiemengang. Ueber das Eierlegen einiger Locnstiden. Von Dr. Ph. Bertkau in Bonn. An den letzten Ringen des Hinterleibes sehr vieler Insekten' finden sich Anhänge, die in besondere Beziehung zur Geschlechtsthätigkeit treten, indem dieselben dem Männchen das Festhalten des Weibchens während der Be- gattung erleichtern und beim Weibchen einen Weg für die austretenden Eier abgeben. In ganz besonders ausgeprägter Bildung treten diese Anhänge bei den Weibchen der In- sekten auf, die ihre Eier in fremde Körper ablegen, wie es z. B. bei einer grossen Zahl von Hymenopteren der Fall ist. Unter den Orthopteren sind es besonders die Locustiden, deren Weibchen mit stark entwickelter L e g e - scheide ausgerüstet und daran kenntlich sind. Auffallend mag es hierbei erscheinen, dass man von der Art des Eier- legens, von den Gegenständen oder Organismen, denen die Eier einverleibt werden, lange nichts genaueres wusste. Burmeister 0 scheint nicht mehr bekannt gewesen zu sein, als was RoeseP) über das Eierlegen des Decticus verrucivorus sagt; Fischer von Freiburg bemerkt in in seinem grossen Orthopterenwerke ^) : Ova ovipositoris ope ab aliis in terra, ... ab aliis verisimiliter in aliis planta- 1) Handbuch der Entomologie II. p. 6 ff. 2) Insektenbeluatigungen. II p. 54 ff. tab. VUI. 3) Orthoptera Europaea. p. 196. Dr. ßertkau: üeber das Eierlegen einiger Locustiden. 109 rum partibus deponuntur und fügt dann die Beobachtung von Heyden's^) hinzu, der aus den Gallen von Cynips Quercus (Teras Htg., Andricus Htg.) terminalis junge Larven von Meconema varium erzogen habe; das Eierlegen selbst scheint er nicht beobachtet zu haben. Hagen 2) iheilt mit, dass eine Amerikanische, nicht näher bestimmte Art ^), ihre Eier in die Zweige der Baumwollenstaude und Brombeer- sträucher, andere Arten in die Zweige anderer Pflanzen ablege und eine in eine Tannenzapfenähnliche Galle*). S. H. Scudder^) erinnert daran, dass Conocephalus ensiger seinen Ovipositor zwischen die Wurzelblätter und in den Halm einer Andropogonart einzwenge. Leydig^) „beobachtete bei Völs in Südtirol ein Weibchen (von Odon- tura serricauda), welches damit beschäftigt war, seinen Lege- säbel in die Ritze eines verwitterten Pfostens am Weg- geländer einzusenken." Krauss"^) endlich berichtet ganz dasselbe von 0. albo-vittata, die er zu wiederholten Malen mit stark gekrümmtem Körper antraf, so dass die Lege- scheide fast unter die Brust und in senkrechter Richtung nach unten kommt. In dieser Stellung wurde sie in die feinsten Ritzen alter Zäune eingesenkt, um darin die Eier abzusetzen. Dass dieselben wirklich in's Holz kamen, zeigte sich beim Zerschneiden desselben, wodurch sie theils einzeln, theils in Reihen leicht bloss zu legen waren. Derselbe konnte 0. serricauda F. und camptoxypha Fieb. im Ter- 1) Ibidem, p. 241. 2) Proceed. Boston Societ. XI. p. 434. 3) Sie wird mit dem Katy-did der Amerikaner verglichen und von Scudder für ein unbeschriebenes Xiphidium gehalten. 4) Da es im Text ausdrücklich heisst: zwischen die Schup- pen der Galle, so ist damit auf eine unserer C. fecundatrix ähn- liche Galle hingewiesen. Leider ist mir kein Verzeichniss von ame- rikanischen Gallen zur Hand, um mit einiger Wahrscheinlichkeit auf eine bestimmte Art hinweisen zu können. 5) Proceed. Boston Society. XI. p. 435. 6) Jahreshefte des Vereins für vaterländische Naturkunde in Württemberg, 27. Jahrg. 1871 p. 261. 7) Verhandlungen der k. k. zoologisch-botanischen Gesell- schaft in Wien XXIII. Bd. p. 18. 110 Dr. Bertkau: rariuin beim Eierlegen in ähnlicher Stellung beobachten, wie die 0. albo-vittata annahm. Sie setzten ihre Eier aber in der Erde ab i). Vorstehende Bemerkungen erschöpfen das, was ich in der mir zugänglichen Literatur über den vorliegenden Ge- genstand gefunden habe. Ich gebe daher eine Beobachtung wieder, die einen kleinen Beitrag zu der Lebensweise dieser in mannigfacher Beziehung interessanten Thiere liefert. Bereits Anfangs November vorigen Jahres (1875) fand ich an einer Ulme eine Meconema varium $ sitzen, die mit ihrem Ovipositor fest in die Binde eingeklemmt war, so dass ich sofort auf die Vermuthung kam, diese Art lege ihre Eier zwischen die Rindenspalten unserer Bäume. Doch Hess sich ein Ei nicht auffinden, und die späte Jahreszeit schnitt weitere Beobachtungen ab. Um so aufmerksamer war ich in diesem Sommer auf das erste Auftreten dieser bei Bonn sehr häufigen Art. Die ersten Exemplare zeigten sich am 5. August ; es waren Männchen, die an (den dem „Hofgarten" benachbarten) Gebäuden Sassen. Allmälich wurden sie seltener und waren vom 20. an verschwunden. Jetzt erst begannen sich Weibchen zu zeigen, und es ist demnach anzunehmen, dass jene Männchen die Begattung bereits vollzogen und nun ihren gewohnten Aufenthaltsort auf den Bäumen verlassen hatten ; ebenso die Weibchen zum Zwecke des Eierlegens. Bald fand ich auch einzelne der letzteren in der mir vom vorigen Jahr her bekannten Stellung: sie hatten ihre Legescheide in tangentialer Richtung in die rissige Borke einer Ulme oder Rosskastanie eingeklemmt, und zwar so fest, dass man, ohne ihren Leib zu zerreissen, sie nicht befreien konnte; noch weniger vermochten sie dies selbst in kurzer 1) Ob es auf einem Versehen oder einer mündlichen Infor- mation beruht, dass Kraus die oben citirte Beobachtung Leydigs^ an 0. albo-vittata Statt finden lässt, kann ich nicht entscheiden. Anhangsweise sei hier auch an die Beobachtung von Ed. Perris (Annal. de la Soc. Ent. de France. IV. ser. IX. p. 453) und Lucas (ebenda Bullet. V. ser. p. XXVI) erinnert, wonach eine Gryelide Oecanthus pellucens ihre Eier in Pflanzenstengel (hauptsächlich in Centaurea nigra nach Perris, Callura vulgaris nach Lucas) ablege. lieber das Eierlegen einiger Locustiden. 111 Zeit. Ich sprengte daher das Stück Rinde ab, und es mag als Beweis dienen, wie fest der Ovipositor haftete, dass das Thier noch eine ganze Stunde nachher das Rindenstück mitschleppte ; ich spaltete es daher durch und legte so den Ovipositor bloss. Derselbe trug nun am Ende ein Ei, das erst ein wenig aus der Legescheide hervorragte. Dasselbe ist nicht cylindrisch, sondern etwas abgeplattet und seine Schale feinpunktirt ; die Stellen, an denen es noch zwischen der Legescheide stak, sind glatt und geben ein getreues Abbild der inneren Skulptur derselben. Denselben Fund konnte ich nun zu wiederholten Malen machen, und immer fand sich das Ei an derselben Stelle, hatte also schon fast die ganze Legescheide passirt. Ebenso fand ich, aber allerdings nur ein Mal, eine Odontura punctatissima (Barbitistes autumnalis Burm.), die in der- selben Weise in der Rinde einer Rosskastanie feststak ^), und auch hier fand sich das bei dieser Art sehr flache, fast zweischneidige Ei, schon ganz am Ende der Lege- scheide. Der Umstand, dass in den zahlreichen (ungefähr 10) Fällen das Ei immer an derselben Stelle des Ovipositors angetroffen wurde, lässt schliessen, dass gerade zum Pas- siren der letzten Strecke des Ovipositors die meiste Zeit erfordert wird. Da ich übrigens nie ein schon abgelegtes Ei fand, so ist es wohl sicher, dass wenigstens Meconema varium an derselben Stelle nur e i n Ei ablegt, verschieden hierin von Decticus verrucivorus, wie die häufig copirte Abbildung Roesels zeigt, verschieden auch von einer Locusta viridissima, die in meinem Zimmer in einer Nacht einen grossen Eiersegen zwischen die Vorhänge und auf den Fussboden ausgeschüttet hatte. Diese Vermuthung wurde durch den anatomischen Befund bestätigt, der nur 6 — 7 legereife Eier in den 12— löEiröhren jederseits sehen Hess, während die anderen Eier noch weit von dem Reifezustand 1) Von dieser Art ist demnach auch sicher, dass sie ihre Eier in altes Holz legt. Die oben angeführte Beobachtung von Krauss erklärt sich vielleicht so, dass die genannten Arten im Terrarium nur aus Mangel an geeignetem Material ihre Eier in der Erde ver- senkten. 112 Dr. Bertkau: Üeber das Eierlegen einiger Locustiden. entfernt waren. Die Eierstockseier sind übrigens bei Meconema varium cylindrisch und werden erst beim Passieren der Lege- scheide abgeplattet. Dagegen sind die reifen Eier von Odontura punctatissima schon eben so flach wie nachher. Die Meconema wird sehr oft ein Opfer ihrer mütter- lichen Pflichterfüllung, indem sie, unfähig zu fliehen und auch durch keinen Panzer geschützt, sich widerstandlos ihren Feinden ergeben muss. So fand ich meistens neben den Flügeln und sonstigen Resten einer Meconema, wenn dieselben an einem Baume vorkommen, bei genauerem Zu- sehen die Legeröhre daneben in der Rinde stecken, ein nicht misszuverstehender Erklärer des Vorganges, der hier Statt gefunden. Wie Prof. v. Leydig übrigens die Güte hatte mir mündlich mitzutheilen, wird Locusta caudata ebenfalls oft auf dieselbe Weise hülflos angetroffen. Merk- würdigerweise meidet sie zur Eierablage die festgetretenen Wege nicht und ist nun auch ausser Stande rasch loszu- kommen. So wird sie sowohl von den des Weges daher- kommenden unbeachtet zertreten, als auch eine leichte Beute des Sammlers und auch gewiss manchen Vogels und Insekten fressenden Säugethiers. Der Vortheil, den die Eier und vielleicht auch noch ausgeschlüpften Jungen von dem geschützten Aufenthalts- orte ziehen, muss eben ein sehr bedeutender sein, da die Ermöglichung desselben der Mutter sehr oft das Leben kostet, noch ehe sie ihren ganzen Vorrath an Eiern, noch ehe sie vielleicht ein Ei abgesetzt hat. Beiträge zur Kenntniss der Mauereidechsen. Von Dr. J. von Bedriaga in Heidelberg. Angeregt durch die Aeusserungen über meine Hypothese von der Entstehung der Farben bei den Eidechsen, unter- nahm ich im letzten Frühjahre eine Reise nach Italien und Sicilien, um daselbst Beobachtungen über die Lacerten anzustellen. Mein Augenmerk war vorzüglich auf die Mauerei- dechsen gerichtet, weil letztere eben durch ihre verschie- denen Farben und Schattirungen vielfache Uebergänge bieten, und meine Hoffnung, in Sicilien besonders interes- sante Varietäten der L. muralis aufzufinden, wurde nicht getäuscht. Eines der Resultate meiner Beobachtungen wird nachstehende Arbeit bebandeln. Die an mich von Prof. Eimer in der Nachschrift zu seiner Abhandlang über Lacerta coerulea gerichtete Frage: ., warum die deutsche Mauereidechse speciell braun gefärbt ist und um so heller wird, je mehr man nach dem Süden kommt?" schien mir, bezüglich Italiens, trotz meiner Vermuthung des Gegentheils, nicht ganz unmotivirt. Werfen wir einen Blick in die so umfangreiche her- petologische Literatur, so ersehen wir, dass thatsächlich nirgends erwähnt worden ist, dass eine braungefärbte muralis in Sicilien oder Süd-Italien nachgewiesen wurde ^). 1) Zwar nennt Eimer (Vergl. seine zoologischen Studien auf Capri n S. 28) als Grundfarbe der L. maculata (L. muralis neapoli- Archiv f. Naturg. XXXXIII. Jahrg. Bd. 1. 8 114 von Bedriaga: Ich selbst, trotz meiner imermtidlicbeu früheren zoologi- schen Excursionen in Italien, hatte noch nie eine braune Mauereidechse im südlichen Theile der Halbinsel getroffen, bis ich endlich im verflossenen Frühjahre das Vorkommen derselben für Sicilien nachzuweisen Gelegenheit hatte und die Vermuthung, dass sie durch ganz Italien verbreitet sei, aussprechen konnte. Unweit von Messina nämlich, dicht am Meere, fing ich unter den Blättern einer Aloe eine braun gefärbte Mauereidechse, welche meine Aufmerksamkeit durch ihre ausserordentliche Grösse auf sich zog. Ich constatirte so- gleich, dass meine Gefangene eine Varietät der Lacerta muralis neapolitana sei, da ihre Kennzeichen, was die Grösse, Körpergestalt, Beschuppung und Zeichnung betrifft, durchaus sich mit denen der letzteren als identisch her- ausstellten ^). tana mihi) unter anderen Tinten die braune. Eine Mauereidechse mit dieser Charakteristik ist mir allerdings aus Capri unbekannt, dennoch würde es mich freuen, wenn Eimers Angabe sich bestä- tigen würde, aus Gründen, welche sich aus dieser Abhandlung er- geben. Ich muss aber leider die Behauptung Eimers bezweifeln, und zwar aus ganz einfachem Grunde. Hat ja doch Prof. Eimer in seintr polemischen Schrift die Behauptung aufgestellt, dass die Muralis nur speciell in Deutschland braun gefärbt sei und im Süden durch eine lichtere, durch die grüne nämlich, reprä- sentirt werde. Oder geschah dies nur damals; nur der Widerle- gung meiner Hypothese halber? 1) Es hat Prof. Eimer in seiner Schrift über L. coerulea (L. faraglionicnsis mihi) das Chaos der verschiedenen Mauereidechsen in eine übersichtliche Ordnung aufzulösen versucht, indem er dieselben in pyramidocephale und platycephale scheidet. Zu den ersteren zählt er die Faraglioni-Eidechse, L. neopolitana und tiliguerta, zu den letzteren die Bewohnerin von Genua und L. muralis Laur. — Dass die pyra- midale Kopfform ein Merkmal der L. muralis neapolitana sein kann, und dass darnach dieselbe zu den pyramidocephalen Eidechsen ein- quartirt wird, ist eine gewagte Behauptung. Meiner Erfahrung nach kommt die plattgedrückte Form des Kopfes der neapolitanischen Mauereidechse ebenso zu wie die pyramidale. Uebrigens meint es auch, wie ich aus S. 24 und 36 seiner Schrift ersehe, Prof. Eimer mit der Eintheiluug nicht ernst, denn er widerspricht sich ja vollstän- dig. — Unsere Lacerta viridiocellata stammt jedenfalls von einer platycephaleu neapolitanischen Mauereidechse ab. Beiträge zur Kenntniss der Mauereidechsen. 115 Obgleich die morphologische Identität unserer neuen Eidechse mit der schon aus eingehenden Beschreibungen bekannten neapolitanischen muralis für uns von ausseror- dentlichem Interesse ist, insofern sie uns bei der genetischen Ableitung der ersteren von der letzteren sich behülflich erweisen wird, will ich doch, um eine Widerholung zu vermeiden, von einer Aufzählung ihrer Kennzeichen ab- sehen, und gehe sogleich auf die Beschreibung ihres Far- benkleides über. Die Grundfarbe des Kückens unseres Thierchens ist braun, und zwar etwas lichter an dem vorderen Abschnitte des Rückens, dunkler aber gegen die Schwanzwurzel und die Seiten zu. An der Mittellinie des Rückens zieht sich eine schwarze Fleckenbinde hin und verliert sich in der Schwanzwurzel. Diese Fleckenbinde besteht aus von einander getrennten grösseren Makeln. Eine jede dieser Makeln ist in ihrer Mitte sattelartig eingeschnürt. Diese Einschnürungen deuten möglicherweise auf zwei ursprünglich parallele und nachträglich in Contact getretene Fleckenbinden. Parallel mit der eben erwähnten Mittelbinde laufen jederseits schwarze Binden, welche wiederum durch einzelne nach- einander gereihte Makeln repräsentirt werden, nur mit dem Unterschiede, dass sie weniger nebeneinander gedrängt liegen und somit die braune Grundfarbe schärfer hervortreten las- sen. Aus jeder Makel dieser Seitenbinden entspringen breite schwarze Streifen, welche sich nach den Flanken, also nach unten zu, etwas seitwärts nach vorne gerichtet, hinziehen. Bei näherer Untersuchung ergibt sich, dass diese nach den Flanken zu verlaufenden Streifen ursprüng- lich nicht etwa mit den Makeln der Seitenlinien in Zu- sammenhang waren, sondern vielmehr erst nachträglich durch Ausdehnung in die Länge mit den Seitenlinien zu- sammengeflossen sind. — Die Makeln der Rückenbinde sind anfangs, also am Kopfe, ähnlich wie die Seitenbinden am Anfange ihres Verlaufes in der Schläfengegend, ver- hältnissmässig nur schw^ach angedeutet, werden aber nach und nach ausgeprägter in Tinte und Grösse. Ueberhaupt ist die schwarze Zeichnung unserer Eidechse eine regel- mässige zu nennen, was wir auch sonst vielfach bei der 116 Von Bedriaga : Lacerta muralis neapolitana beobachtet haben. Die Ober- seite des Kopfes ist dunkelbraun. Wangen und Unterkiefer sind weisslich, mit einer Tendenz zu blaugrau. Die Farbe des Bauches ist weisslich, ohne jegliche dunkle Pigmen- tirung, also wiederum eine vollkommene Uebereinstimmung mit der neapolitanischen Mauereidecbse. Die erste longi- tudinale Bauchschilderreihe ist hellgrün gefärbt. — Die oberen Flächen der Extremitätenpaare sind auf braunem Grunde spärlich schwarz gestreift und punctirt. Etwa ober- halb der Wurzeln der Vorderextremitätenpaare befindet sich jederseits ein Ocellus, der schon seiner Zeit bei muralis neapolitana und L. faraglioniensis beschrieben wurde, nur mit dem Unterschiede, dass derselbe hier hellgrün erscheint, während die Augenflecken bei der neapolitanischen Mauer- eidechse blau und bei der Lacerta faraglioniensis dunkel- grün colorirt sind. Dies Merkmal unserer neuen Eidechse bestimmt mich, sie mit dem Namen Lacerta viridiocellata zu belegen. Das Farbenkleid der viridiocellata besteht somit aus den Tinten der muralis neapolitana und der Faraglione- Eidechse, indem nämlich die braune Farbe, welche die Seitenregionen der L. muralis aus Neapel einnimmt, sich bei unserer Grünäugigen über den Rücken zieht und das Grüne der ersteren verdrängt. Die blaue Farbe der Ocelli dagegen, jener primitive, von mir hervorgehobene und nach- träglich von Eimer wiederholte Zustand im Colorite der Augenflecken, welchen wir bei der L. muralis neapol. wahr- genommen haben, verschwindet, um ins Grüne überzugehen und in Folge dessen eine directe Beziehung zum Farben- kleide der L. faraglioniensis zu erleichtern. Die Wechselbeziehung zwischen blauer und grüner Farbe bei L. neapolitana und L. viridiocellata, wie sie aus dem eben Angeführten folgt, ist eine vollständig-e, und eine sehr wichtige Thatsache. Als bedeutungsvoll habe ich die Wechselbeziehung überhaupt in meiner früheren Schrift über die Entstehung der Farben bei den Eidechsen be- zeichnet, und bemerkenswerth nennt mit Recht sie auch Eimer in seiner später erschienenen Abhandlung über Lacerta coerulea (L. faraglioniensis mihi). Beiträge zur Kenntniss der Mauereidechsen. 117 Vor zwei Jahren waren wir aber in der Lage, jene Wechselbeziehung nur bei zwei Mauereidechsen constatiren zu können: bei der neapolitanischen und faraglionischen ; jetzt bestätigt unsere Behauptung eine dritte neuentdeckte Form. Von einer vollständigen Wechselbeziehung der ge- nannten Farben konnte früher nicht die Rede sein, und dies entweder aus Mangel an Material oder in Folge der Ungenauigkeit bei der Behandlung dieser Eidechsen. In meiner früheren flüchtigen Beschreibung der Fara- glioni-Eidechse bezeichnete ich die Färbung des Bauches als meerblau, und dies war allerdings der Fall bei dem mir damals zu Gebote stehenden jungen, 7 Zoll langen, Exemplare. Bei den erwachsenen, in deren Besitz ich nachträglich kam. erwies sich die Diagnose als mangelhaft. Die erste longitudinale Bauchschilderreihe nämlich war bei diesen indigo, in schwarz übergehend, gefärbt; ja ich be- sitze sogar noch jetzt ein ausserordentlich schönes, 25 Cm. langes, Männchen, dessen erste longitudinale Bauchschilder- reihe schwarz gefärbt ist. Dieses Exemplar unterscheidet sich, ausser seiner Länge und Stärke, von den übrigen dadurch, dass es acht Reihen von Bauchschildern und nur eine schwache Andeutung von Augenflecken hat. — Eine Erwähnung der Nichttibereinstimmung in dem Colorite der ersten Bauchschilderreihe mit den tibrigen finde ich in den bisherigen, sonst auf das Einzelne eingehenden, Beschrei- bungen der Lacerta faraglioniensis nicht. Ebenso wenig finde ich erwähnt, dass die Mittellinie des Bauches bei derselben Eidechse eine lichtere oder hellblaue, in's Grüne übergehende Färbung zeigt. Wollten wir eine vollständige Wechselbeziehung der zwei Farben der grünen und schwarzen Mauereidechse, respective eine Identität im Colorite der Ocelli mit den Flanken bei Lacerta faraglioniensis, aufstellen, so müssten wir ausschliesslich erwachsene Faraglioni-Eidechsen zur Untersuchung benützen; denn nur dann werden wir im Stande sein, das Auftreten der schwarzen Tinte bei der ersten longitudinalen Bauchschilderreihe, sowie ein Schwin- den des grünen Augenflecks, wahrzunehmen. Um die Con- tinuität in der Entstehung der Färbung bei den drei uns 118 von Bedriaga: interessirenden Mauereidechsen bildlich darzustellen, ich dieselbe durch folgende Tabelle erläutern: will Grundfarbe des Rückens. Farbe der Ocelli. Farbe der Iten longitiidinalen Bauchschil der reihe. Bei L. muralis neapolitana mihi: grün (Seiten braun). | blau. | blau. Bei L. viridiocellata mihi: braun. [ hellgrün. ] hellgrün. schwarz. Bei L. faraglioniensis mihi : a) dunkelgrün oder 1 a) indigo, in schwarz b) Schwinden des übergehend, oder Augenflecks. j b) schwarz. Wie aus dieser Uebersicht hervorgeht, steht die Fär- bung der Ocelli und der ersten longitudinalen Bauchschil- derreihe in innigem Zusammenhange mit der Farbe des Rückens. Daher: die stufenweise Veränderung der Grund- farbe geht Hand in Hand mit der Aenderung im Colorite der Ocelli und der ersten Reihe der Bauchschilder, und zwar in progressiver Weise von der neapolitanischen Mauer- eidechse an. Sehr erwähnenswerth ist in dieser Hinsicht der ron Eimer aufgestellte Fall des Zusammenhanges, in welchem das Colorit der Augenflecken zu dem der Flanken steht. „Lacerta modesta" (= L. muralis neapol. mihi, ohne Strei- fung und Zeichnung) heisst es auf S. 26 der öfters citirten Schrift, „besitzt ein nur rudimentäres Augenfleck". Ebenso fehlen die blauen Flecken der Flanken. Nachdem ich hiermit zu beweisen gesucht habe, dass die Lacerta viridiocellata von L. muralis neapolitana ab- stamme, ähnlich wie es seiner Zeit für die Faraglione- Eidechse nachgewiesen worden, entsteht die Frage, ob wir die neue Lacerta als eine Zwischenform der neapolita- nischen i^nd der taraglionischen Eidechse ansehen können und somit factisch die braune Farbe als Uebergangstinte von der grünen zur schwarzen annehmen müssen, oder ob nicht vielleicht die viridiocellata und die faraglioniensis Beiträge zur Kenntniss der Mauereidechsen. 119 selbständige, divergente Zweige bilden und nur ihres mo- nophyletischen Ursprungs halber unter sich in Zusammen- hang stehen. Um diese Fragen entscheiden zu können, muss ich einstweilen auf die Ableitung der Faraglione-Eidechse von der neapolitanischen Form eingehen. Wie bekannt, tritt die L. neapolitana nach Eimer in vier Varietäten auf, und zwar in L. elegans, welche in der Färbung des Rückens eine Neigung zum Bläulichen zeigen soll (?), in L. maculata, welche dieser Tendenz entbehrt, und endlich in zwei anderen (striata und modesta). — Lacerta faraglioniensis wird in den meisten Fällen, wie es sich aus der Abhandlung von Eimer ergibt, ihrer Fär- bung wegen von L. elegans abgeleitet, dagegen ihrer mor- phologischen Eigenschaften halber von der maculata (Vergl. Zoolog. Studien auf Capri II, S. 10 u. 36). Da ich auf die morphologischen Thatsachen ein höheres Gewicht lege, als auf jene Tendenz zur blauen Tinte, so will ich mit Eimer eher annehmen, dass die Faraglione-Eidechse von Lacerta maculata abstamme, und mich damit begnügen, die Eidechse vom Faraglioni-Felsen nur von einer Varietät der L. muralis neapol. abzuleiten. Die Grundfarbe der L. maculata ist, wie Eimer (Vergl. S. 28) sagt, auf dem vorderen Abschnitte des Rückens grün (von grasgrün bis olivengrün) oder voll- ständig braun. Braun ist sie ausserdem stets gegen die Schwanzwurzel zu und an den Flanken. — Hinzufügen will ich noch zur Charakteristik der Lacerta muralis nea- politana, dass die braune Tinte überhaupt die Seitenregionen des Körpers einnimmt. Aus allen diesen Combinationen folgt selbstverständ- lich, dass die braune Färbung eine Vorstufe zur schwarzen ist, dass ferner die Faraglioni-Eidechse von einer braunen Mauereidechse abstammt, und letztere endlich in der La- certa viridiocellata repräsentirt ist. Es wurde neuerdings die Aeusserung gethan, dass man in vielen Fällen die verschiedenen Tinten der La- certen nur als Farbenstufen bezeichnen könne. Bewiesen wurde ferner, dass die Färbung sich so entwickle, dass 120 von Bedriagau Beiträge zur Kenntniss der Mauereidechsen- die Verdunkelung der Haut so zu sagen der Endpunkt im Farbenentstehungsprocesse sei, und die Ausbildung eines in gewissem Maasse constanten Farbenkleides in innigem Zusammenhange mit der Aussenwelt stehe. Trotzdem die Sonnenstrahlung als Ursache jener Far- benentwicklung, jener Thätigkeit des Farbstoffes bezeichnet und auch angenommen wurde, fühlte man sich dennoch bewogen, eine Farbenanpassungsfähigkeit den Lacerten zu- zuschreiben und diese auf Schritt und Tritt durchzuführen. In meiner Erwiderung an Prof. Eimer war ich be- müht, diese Behauptung zu bestreiten und ihre gänzliche Unhaltbarkeit, was die neapolitanische, faraglionische, Zaun- und Smaragdeidechse und andere Arten betrifft, zu bewei- sen. Endlich bin ich im Stande, die Farbenanpassung zum sandigen Boden auch bei unseren neuen grünäugigen Ei- dechsen zu leugnen und ihr Farbenkleid als Kesultat der intensiven Strahlen zu bezeichnen. Die Farbe der Retina und das Leuchten der Augen. Bemerkungen von Dr. F. Leydig. Der Monatsbericht der Akademie der Wissenschaften zu Berlin vom 23. Nov. 1876 bringt eine die Anatomie und Physiologie der Retina betreffende Mittheilung von Seite Prof. Boll's in Rom. Der Genannte macht aufmerksam, dass die Stäbchenschicht der Retina in physiologisch frischem Zustande eine purpurrothe Färbung an sich habe und glaubt zugleich aussprechen zu können^ dass ganz zweifellos keiner der zahlreichen Histologen, welche sich mit der Untersuchung der Stäbchen und Zapfen der Retina abgegeben, von dieser Farbe etwas gesehen habe; allen sei übereinstimmend die höchst merkwürdige Eigenschaft der lebenden Retina ent- gangen und sie solle hier zum ersten Male beschrieben werden. Diese „überraschende und überaus interessante Ent- deckung", wie sie unterdessen von Anderen genannt wurde, ist nicht neu: ich habe auf die eigenthümlich rothe Farbe der lebenden Retina seit Langem und an verschiedenen Stellen hingewiesen. Zuerst erwähnte ich in den Beobachtungen über den Fisch Cobitis ^) nebenher, dass „die Retinastäbchen mancher Reptilien (Frosch, Landsalmander ) einen röthlichen Schimmer" besitzen. 1) Archiv f. Anat. u. Phys. 1853, S. 8. 122 Leydig: Zwei Jahre darauf, mit Studien über das Auge der Arthropoden beschäftigt ^), verglich ich die Elemente, welche man bis dorthin „Nerveniasern" nannte, den Stäbchen im Auge der Wirbelthiere und zog zur Stütze dieser Deutung auch die Wahrnehmung heran, dass die Substanz fraglicher Anschwellungen das Licht ebenso breche, wie die Stäbchen im Auge niederer Wirbelthiere und auch „die rosenrothe Färbung sei dieselbe, wie man sie an den Stäbchen z. B. des Landsalamanders, Frosches sieht". Waren diese Angaben etwas versteckt, so erschienen sie mehr ins Helle gerückt in dem Lehrbuche der Histologie 2), wo ich im Abschnitt über die Retina Folgendes bemerke: „Die Stäbchen der Amphibien (Rana, Pelobates z. B.) haben, wenn sie in grösserer Anzahl beisammen liegen, einen ro- senrothen, bei manchen Fischen (z. B. Cobitis fossilis) einen gelblichen Schimmer. Die frische Retinades Frosches z. B. zeigt schon dem freien Auge einen lebhaft rothen Atlasschiller." Und noch einmal^) komme ich auf diese Färbung zurück dort, wo von der Netzhaut der Arthropoden die Rede ist. Endlich habe ich mich in noch bestimmterer Weise über den Gegenstand ausgesprochen in der Schrift: Das Auge der Gliederthiere ; neue Untersuchungen zur Kenntniss dieses Organs^). Dort heisst es Seite 23: „Bekannt mit den Stäbchen der Wirbelthiere musste mir die grosse Aehn- lichkeit, welche in den allgemeinen Eigenschaften der Con- sistenz, Lichtbrechung und Farbe zwischen den „Nervenfa- sern" im Auge der Arthropoden und jenen der Stäbchenschicht im Auge der höheren Thiere herrscht, auffallen. Ich habe längstund wie ich glaube zuerst ^) daraufhingewiesen, dass die Stäbchen der Amphibien z. B. von Rana, Pelobates, Sala- mandra, wenn sie in grösserer Anzahl beisammen liegen, einen rosenrothen Schimmer haben. Die frische Retina 1) Archiv f. Auat. uud Phys. 1855, S. 414. 2) Frankfurt, 1857, S. 238. ^ 3) a. a. 0. S. 250. 4) Tübingen, 1864. 5) Archiv f. Anat. und Phys. 1853, S. 8, dann in m. Histol. 238. Die Farbe der Retina und das Leuchten der Augen. 123 des Frosches zeigt schon dem freien Auge einen lebhaften r 0 1 h e n Atlasschimmer. Ganz dieselbe eigenthümliche rosenrothe Färbung sah ich an der oben erwähnten Anschwellung der Nervenfaser im frischen Auge des Fluss- krebses etc." Sonach ist zweifellos, dass das gedachte Phänomen von mir zuerst wahrgenommen und angezeigt wurde. Und ich habe bereits damals dieses eigenthümliche Rosenroth der Retina zur Erklärung einer physiologischen Erschei- nung benutzt. In der letztgenannten Abhandlung nämlich bringe ich auch das leuchtendeAuge gewisser Insecten zur Sprache. Es hatte schon in der Mitte des vorigen Jahrhunderts Rösel bezüglich des Windigschwärmers (Sphinx convolvuli) er- wähnt, dass dessen Augen „feuerfarben" seien, womit viel- leicht bereits dasselbe gemeint ist, was sein Schwieger- sohn Kleemann, der Fortsetzer der „Insectenbelustigun- gen", deutlicher dahin ausdrückt, die Augen dieses Falters „leuchten wie glühende Kohlen". Ebenso sagt Bork hau- sen, der Herausgeber der „Europäischen Schmetterlinge", im Jahre 1789 von unserm Sphinx : „Die Augen sind sehr gross und leuchten bei Nacht wie glühende Kohlen". Auch in Italien war in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts das leuchtende Insectenauge Gegenstand be- sonderer Aufmerksamkeit gewesen, wie man aus der zu- sätzlichen Bemerkung sieht, welche Spallanzani dem Werke Bonne t's: Betrachtung über die Natur, beifügt^). Sie verdient der Vergessenheit entrissen zu werden, wess- halb sie vollständig hier wiedergegeben sein mag. Es heisst dort: „Aber das Betrachtungswürdigste in diesen beiden klei- nen Halbkugeln (der Augen nämlich) ist dies, dass man in ihnen bei vielen Schmetterlingen zween sehr schöne und vortreffliche Phosphoros findet, die folgende Eigen- schattenhaben: 1. Man kann sie sowohl bei Tage wie bei Licht gewahr werden, so lange der Schmetterling munter und frisch ist, widrigenfalls zeigen sie sich nur bei Lichte, 1) Uebersetzung von Titius, Leipzig 1774. 124 Leydig: Ist der Schmetterling sehr matt, so muss man wohl gar die Hand vors Licht halten, um den Phosphorus zu sehen. ~ Sie übertreffen die beccarischen Phosphoros und andere, hierinn sehr, als welche meist nur im Finstern ge- sehen werden können. 2. Das Licht dieses Phosphors hat so ziemlich das Licht einer blasgliihenden Kohle. 3. Der Phosphorus erscheint nur im Auge der lebenden Schmet- terlinge; wenigstens hat man unter so vielen todten, die man untersuchet, nur bey einem einzigen ein Anzeichen davon gefunden: vielleicht ein Beweis, dass dieser noch nicht ganz todt gewesen. 4. Nicht alle Augen der Schmet- terlinge, so viel man bisher entdeckt hat, sind phosphorisch; sondern nur diejenigen, deren Augen, gegen andre gehal- ten, gross, hervorragend und nur von einer ins Schwarze fallenden Farbe sind. Diese gesammten Beobachtungen über die phosphorescirenden Augen der Schmetterlinge sind mir von der Marchese Olympia Agnelli Sessi, Signora di Nolo, einer Dame von grossem Verstände und vortreff- licher Naturkenntniss, mitgetheilt worden. Nachdem sie solchergestalt die Augen der Schmetterlinge in einen Phos- phoros verwandelt, so beschäftiget sie sich anizt damit, die Augen sehr vieler anderer Insecten zu betrachten. Von den artigen und wichtigen Entdeckungen dieser > erleuchte- ten Dame hat vielleicht ein neuer Zweig der Optik seine Vollkommenheit zu erwarten." So weit Spallanzani. In unserem Jahrhundert gedenkt der Herpetolog Wa- gler i) gelegentlich, dass die Augen von Noctua psi „ein blasses Licht ausstrahlen"; er stellt aber die Erscheinung ungehörig zusammen mit dem Leuchten der Lampyris, der Scolopendra electrica etc. Zufolge der Untersuchungen, welche ich seiner Zeit über den Bau des Auges der Arthropoden im Allgemeinen und über das Auge des Windigschwärmers im Besonderen angestellt, hat man dreierlei Arten des Leuchtens zu unter- scheiden. Erstens ein solches, welches hervorgerufen wird durch ein Tapetalpigment und die metallisch glänzenden Farben gibt; dann ein anderes, welches durch den Luft- 1) System der Amphibien. 1830, S. 233, Anmerkung. Die Farbe der Retina und das Leuchten der Augen. 125 gehalt dichtester Tracheenbüschel erzeugt wird und eben- falls em S i Ib e r w e i s s liefert; endlich drittens ein Leuchten in Roth — „wie glühende Kohlen" — welches bewirkt wird durch die Rosafarbe der Nervenstäbe. Die Einzelheiten im Bau des Auges, auf welchen diese Unterscheidung beruht, sind in meinen im Laufe gegen- wärtigen Aufsatzes mehrfach erwähnten Arbeiten enthalten. Gedachte Verschiedenheiten im leuchtenden Insectenauge scheint, wenigstens theilweise, die obige italienische Na- turforscherin auch bemerkt und den Berichterstatter Sp al- lanzani zur Aufstellung mehrerer Arten von „Phosphorus" veranlasst zu haben. Nach mir hat noch Max Schnitze das leuchtende Insectenauge geprüft und die Erfunde in der schönen zu Ehren seines Vaters erschienenen Gratulationsschrift ^) nie- dergelegt. Er theilt unter Anderem mit, dass bei bestimm- ter Methode der Untersuchung in „allen Nachtschmetter- lingen" das Leuchten erscheine. Indem er jedoch beifügt, es geschehe dies mit dem Unterschiede, dass das reflec- tirte Licht bei dem einen mehr roth, bei dem andren weiss oder gelb war, muss ich annehmen, dass er das vom Ta- petalpigment und den Tracheenbüscheln herrührende Leuch- ten mit jenem, welches die rothen Nervenstäbe erzeugen, zusammen wirft. Als Endergebniss meint Max Schnitze die Erklärung geben zu können, dass das Leuchten des Auges auf die Plättchenstructur der Sehstäbe zurückzu- führen sei. Dass ich diese Ansicht nicht entfernt theile, geht aus Voranstehendem hervor. Für das Leuchten im Auge der Wirbelthiere liegen wohl die Verhältnisse im Wesentlichen nicht anders als bei den Arthropoden. Auch dort hat man auseinander zu halten : 1) Das Leuchten, welches hervorgerufen wird durch die Structur des Tapetums; dieses liefert die metallisch glänzenden Farben von Weiss, Perlmutter, goldenen, grü- nen, blauen Schiller. 1) Untersuchungen über die zusammengesetzten Augen der Krebse undlnsecten. Zur Feier des 50jährigen Doctorjubiläums von C. A. Sigmund Schnitze. Bonn, 1868. 126 Leydig: Die Farbe der Retina und das Leuchten der Augen. 2. Das Leuchten in Roth, welches auch hier zu einem „brennend Roth" sich steigern kann. Man hat bisher das- selbe einzig und allein von den Blutgefässen und ihrem Inhalt abgeleitet. Bedenkt man aber, dass im roth leuch- tenden Auge der Insecten keine Blutgefässe und kein rothes Blut sich befindet, so wird man wohl annehmen dürfen, dass auch bei Wirbelthieren dem Roth der Retinastäbchen der Hauptantheil an dieser Art des Leuchtens zukommt. Immerhin müssen noch andere Umstände und Verhält- nisse des feineren Baues mitwirken, um das „rothe" Leuch- ten zu Wege zu bringen. Denn wir sehen, dass sowohl bei Arthropoden, als auch bei Wirbelthieren die Stäbchen- schicht zwar die rosenrothe Farbe aufzeigen kann, ohne dass das Auge leuchtet. Und ich möchte auch noch in dieser Beziehung auf meine Erfahrungen an dem Sphinx con- volvuli zurückweisen, dessen Augen bei dem einen Indivi- duum leuchteten, während bei einem andren, obschon unter gleichen Verhältnissen, das Leuchtphänomen nicht eintrat; und selbst ein und dasselbe Thier bot einen Wech- sel in dieser Erscheinung dar. In der mehrfach erwähnten Schrift über das Auge der Gliederthiere habe ich die Erörterung über das Leuchten des Insectenauges mit dem Wunsche geschlossen, es möchten die Mittheilungen das Interesse eines Anderen erwecken, welcher im Stande wäre, die Frage einer Lösung näher zu führen. Es scheint, als ob jetzt der Zeitpunkt hiefür gekommen wäre. Bonn, 0. März 1877. IS'/h TaflW m^M. ^. 7« m '^ 10 r F Sdnmr^fbtJi Rhabdocidaris receiis n. sp, Von Troscliel. Hierzu Tafel VIII. Bisher war unter den Cidariden keine einzige Form der gegenwärtigen Erdepoche bekannt, deren Höcker ge- kerbt wären ; wogegen die fossilen Arten so häufig mit gekerbten Höckern versehen sind. Desor hatte auf die- sen Unterschied in der Gattung Cidaris s. str. keinen Werth zu generischer Trennung gelegt, dagegen hatte er durch diesen Umstand die Gattungen Rhabdocidaris und Leiocidaris unterschieden. So eben erhielt ich von Herrn Gustav Schneider in Basel einen Seeigel aus der Familie der Cidariden von Siugapore, der sofort meine besondere Aufmerksamkeit da- durch erregte, dass er gekerbte Höcker besitzt. Er ist meines Wissens der erste, welcher dieses Merkmal seiner älteren fossilen Verwandten an sich trägt. Es ist ja eine bekannte Thatsache, dass sich hier und da von einst zahlreich verbreiteten Thiergruppen der Vorzeit, die ihre Existenz bereits zu Ende geführt zu haben scheinen, die man für ausgestorben, oder dem Aussterben nahe glaubt, einige wenige Reste des einstigen Glanzes noch jetzt lebend finden. So die Brachiopoden unter den Mollusken, die Lepidosteus und Polypterus unter den Fi- schen. Ja, es werden zuweilen lebende Formen aufge- 128 Troschel: funden von Gattungen und Familien, die man wirklich für ausgestorben gehalten hat. Ich erinnere nur an den Ceratodus, dessen Entdeckung in Queensland so viel Auf- sehen erregt hat. Es darf wohl auch als eine interessante Thatsache be- zeichnet werden, dass sich nun auch ein lebender Seeigel aus der Cidaridenfamilie mit gekerbten Höckern gefunden hat, den ich im Folgenden beschreiben will. Um zunächst die Gattung zu bestimmen, zog ich, da die Revision of the Echini von Alexander Agassiz sich nur mit Arten der Jetztzeit beschäftigt, und da ja alle recenten Cidariden ohne Ausnahme glatte Höcker besitzen, Desor's Synopsis des Echinides fossiles zu Rathe. Die einzigen Gattungen, an welche man hier denken kann, sind Cidaris und Rhabdocidaris. Desor sagt 1. c. p. 2, dass diese beiden Gattungen fossile und lebende Arten enthalten; er scheint dieses aber zu widerrufen, indem er p. 39 in Note 4 sagt: unter den lebenden Arten könnte man Cidaris tribuloides und imperalis in diese Gat- tung (Rhabdocidaris) bringen, wenn ihre Höcker nicht voll- kommen glatt wären. Es gibt also keine lebende Rhab- docidaris, wenn als wesentlicher Charakter für dieselbe die gekerbten Höcker gelten. So ist es also auch erklär- licb, dass in Alex. Agassiz Revision of the Echini die Gattung Rhabdocidaris nicht figurirt. Fragen wir nach den sonstigen Differenzen zwischen Cidaris und Rhabdo- cidaris, so legt Desor den Schwerpunkt auf die Beschaf- fenheit der Porenzonen, die bei Rhabdocidaris gerade, weniger geschlängelt sein sollen, und in denen die Poren der einzelnen Paare entfernter und durch eine kleine horizontale Furche verbunden sein sollen; auch sollen die Höcker grob crenu- lirt sein. Wenn man für die systematische Zoologie vor allen Dingen und in erster Reihe eine scharfe Diagnose fordern muss, und dies scheint mir ganz unabweisbar, weil man ohne sie in völlige Unsicherheit, ja in Verzweiflung gerätb, so muss ich die glatten oder gekerbten Höcker für einen sehr schätzbaren Charakter halten. Die gekerbten oder glatten Höcker lassen nicht im Stich, wenn man einigerniassen wobl erhaltene Exemplare vor sich hat. Bei Ilhabdocidaris recens n. sp. 12Ö recenten Exemplaren wird man dieses Merkmal immer mit Sicherheit erkennen können; bei fossilen vielleicht nicht, und dann lässt sich mit den Stücken überhaupt nicht viel machen, worauf denn auch wenig ankommt. Sollten le- bende Stücke so abgerieben sein, dass man nicht mehr sehen kann, ob die Höcker crenulirt waren oder nicht, dann sind sie auch nicht mehr werth in einer Sammlung aufbewahrt zu werden. Wenn Desor die Trennung der Cidaris mit gekerb- ten Höckern von denen mit glatten Höckern in seiner Synopsis des Echinides fossiles p. 3 Note, aufgiebt, weil ihm Arten der jüngeren Formationen, Neocom, Kreide u. s. w. mit gekerbten, andere mit glatten Höckern bekannt gewor- den sind, so scheint mir dieser Grund unzureichend. Warum sollen nicht beide Gattungen in einer und dersel- ben Formation neben einander vorkommen können? Ja der Seeigel, der zu diesen Zeilen die Veranlassung gege- ben hat, und den ich sogleich näher beschreiben werde, giebt uns den Beweis, dass sogar unter den Arten der ge- genwärtigen Erdepoche wenigstens eine vorkommt, die gekerbte Höcker hat. Wer wollte aber wohl daraus den Schluss ziehen, dass diese Beschaffenheit der Höcker ein werthloses Merkmal bilden müsse! Ich würde es für zweckmässig halten, wenn die Gat- tung Cidaris wieder in ihre beiden Bestandtheile zerlegt würde. Das ist jedoch nicht mein gegenwärtiger Zweck. Die fast geraden Porenzonen, die Furchen, welche die beiden zusammengehörigen Poren verbinden, die ge- kerbten Höcker und deren kleinere Warze weisen unserer Art von Singapore ihre Stellung in der Gattung Rhabdoci- daris Desor an, und A. Agassiz that Eecht, als er die verwandten Arten mit glatten Höckern in der Gattung Phyllacanthus Brandt vereinigte, und so die Trennung aufrecht erhält, die ich auch innerhalb Cidaris wünschen muss. Es drängt sich noch die Frage auf, ob nicht etwa unser Seeigel eine neue Gattung zu bilden verdiente, da er das Eigenthümliche hat, dass seine Höcker nicht rundum, sondern nur an der oberen Hälfte crenulirt sind. Ich stehe indessen davon ab, weil ich finde, dass bei den mir vor- Archiv f. Natiirg. XXXXIII. Jahrg. Bil. 1. 9 130 Troschel: liegeüden fossilen Arten, Rhabdocidaris maximus und no- bilis, ebenfalls ein Unterschied in der Kerbung des oberen Theiles von der des unteren hervortritt. Sie sind zwar in beiden rundum gekerbt, aber die oberen Kerben sind viel kräftiger und grösser, als die unteren. So beschreibe ich denn diese Art als Rhabdocidaris recens n. sp. Die Schale ist rund, oben und unten gleichmässig abgeplattet, ihre Höhe verhält sich zum Durchmesser etwa wie 2 : 3. Das Periproct ist von zahlreichen kleinen Plat- ten bedeckt, die vom Rande aus nach dem After allmäh- lich kleiner werden, so dass der After selbst von kleinen Papillen umgeben erscheint. Die kleinsten dieser Platten tra- gen ein einziges winziges Höckerchen, die grösseren drei bis tünf solche. Am Rande des Periprocts liegt jedesmal eine Platte den Ocularplatten gegenüber, und die vordere drängt sich zwischen die Madreporenplatte und die linke Genitalplatte des vorderen Paares, wodurch das Periproct ein fast birnförmiges Ansehn bekommt. Die Genitalplatten berühren sich nicht, sie sind eben durch die Ocularplatten und die an sie anstossenden Periproctplatten getrennt. Sie sind mit zahlreichen kleinen Stachelhöckerchen besetzt. Die Genitalöffnung liegt nahe dem Aussenrande der Platten, ihre Entfernung vom Aussenrande ist kaum so gross wie der Durchmesser der runden Genitalöffnung. Seltsam ist es, dass nur vier Genitalplatten vorhanden sind. Die hin- tere unpaarige ist verkümmert, was ich für eine Monstro- sität halte. Da ich nur ein einziges Exemplar besitze, so muss dies vorläufig dahin gestellt bleiben. Die Ocular- platten sind herzförmig. Sie haben zwei nach innen con- vergirende Seitenränder. Der kleine Innenrand, welcher sich an die entsprechende Periproctplatte anfügt, ist ab- gestutzt, der grosse Aussenrand ist in der Mitte tief aus- gebuchtet und in der Bucht, ganz am Rande liegt die Ocularöffnung. So ist es bei den drei vorderen Ocular- platten. Die rechte hintere Ocularplatte ist ebenso voll- ständig ausgebildet, die linke dagegen ist mit der ne- ben ihr liegenden linken Genitalplatte des hinteren Paares Rhabdocidaris receüs n. sp. 131 verschmolzen, hat aber deutlich die Augenöffnuug. Die Ocularplatteu sind ebenso wie die Genitalplatten mit Hök- kerchen besetzt. Die Ambulacra erstrecken sich fast gerade, wenig wellig, von den Ocularplatten nach dem Peristom, und setzen sich^ wie bei allen Cidariden auf dem Peristom fort bis an den Mund. Die Poren der einzelnen Paare sind durch eine Furche verbunden, oder liegen vielmehr beide in einer Furche. Die Leistchen, welche diese Furchen trenneaa, erheben sich innen zu einem kleinen Höckerchen, wodurch die beiden senkrechten Höckerreihen der schma- len Ambulacralfelder gebildet werden, und zwischen ihnen stehen dann noch zwei Reihen viel kleinerer HöckerchenJ Diese sind auch zahlreicher, und stehn meist alternirend mit den Höckerchen der äusseren Reihen. Alle Höcker- chen der Ambulacralfelder sind undurchbohrt. Die der äusseren Reihen treten, da die Felder nach oben und unten spitz zulaufen, hier näher aneinander, so dass die der inneren Reihe von etwa dem 12. Plättchen an nur eine Reihe bilden, und zwischen den letzten 5 bis 6 Plättchen gänzlich fehleu. Die Interambulacralfelder sind fast dreimal so breit wie die Ambulacralfelder, wenn die Ambulacra selbst den Ambulacralfeldern zugerechnet werden. Die Inter- ambulacralfelder werden aus zwei Reihen alternirend ge- stellter Platten gebildet, von denen jede einen grossen durchbohrten Höcker trägt. Das hintere Ambulacralfeld macht hiervon eine Ausnahme, wovon sogleich die Rede sein wird. , nu In den vier paarigen Interambulacralfeldern sind je" 1{3 Platten enthalten, so dass auf eine Reihe acht, auf die andere sieben Platten kommen. In den beiden vorderen Interambulacralplatten sind alle grossen Stachelhöcker durch- bohrt, in den beiden hinteren ist der Höcker der obersten Platte undurchbohrt. Diese beiden Höcker sowohl, wie auch die obersten der linken Reihen in den vorderen Inter- ambulacralfeldern sind glatt, nicht gekerbt. Die übrigen Höcker an der Oberseite des Thieres sind an ihrer oberen Hälfte grob crenulirt. Ich zähle 10 bis 12 Crenulirungen. 1(3^ Troschel: Nach unten werden die Crenulirungen weniger deutlich, sind jedoch am Umfange der Schale noch bemerklich, auf der Mundseite sind die Höcker völlig glatt. Da das hintere Interambulacralfeld eine auffallende und seltsame Abweichung zeigt, bedarf es einer besondern Beschreibung. Sie hängt offenbar mit der Verkümmerung der hinteren Genitalplatte zusammen. Da mir nur ein ein- ziges Exemplar vorliegt, lässt sich nicht entscheiden, ob es eine individuelle Monstrosität ist. Dies ist mir nicht un- wahrscheinlich. Oben am Periproct liegen hier zwei kleine fast gleich grosse Platten mit undurchbohrten und glatten Höckern neben einander, dann folgen in einer senkrechten Reihe drei Platten, welche die ganze Breite des Feldes einnehmen, von denen die unterste an der Peripherie liegt mit durchbohrten Höckern, und nun folgen alternirend rechts vier und links drei Platten. Mit der Crenulirung verhält es sich ebenso wie in den übrigen Interambulacralfeldern. Ueber das Peristom wüsste ich nichts von den übrigen Cidariden Abweichendes zu sagen. Was die Stacheln betrifft, so sind dieselben an den verschiedenen grossen Höckern sehr verschieden. Die ober- sten zunächst dem Periproct stehenden sind lang phriem- förmig und spitz, nicht mit Stachelchen besetzt. Darauf folgen in jeder senkrechten Reihe die längsten Stacheln, länger als der Durchmesser der Schale. Ihre Basis ent- spricht den Höckern ; wo diese gekerbt sind, da ist es auch die Basis der Stacheln. Sie sind cylindrisch und von neun oder zehn Wirtein von Stachelchen besetzt, deren oberster an der abgestutzten Spitze der Stacheln angebracht ist. Der untere Theil der Stacheln ist etwas abgeflacht, und hat weniger Stachelchen. Es lassen sich meist deutlich die beiden seitlichen Reihen von Stachelchen unterscheiden zwischen denen oberhalb meist zwei, zuweilen drei Stachel- chen in jedem Wirtel stehen, die Unterseite ist oft erst gegen das Ende mit ein oder zwei Stachelchen in jedem Wirtel versehen. Das Ende selbst ist abgestutzt, oder viel- mehr in Folge des vorragenden letzten Wirteis napfförmig oder becherförmig ausgehöhlt, und zwar, da die oberen Stachelchen länger sind als die unteren, nimmt der Napf Rhabdocidaris recens n, sp. 133 eine schiefe Stellung. Sie haben einige Aehnlichkeit mit denen von Goniocidaris tubaria. Solcher Stacheln stehen in jeder senkrechten Reihe drei, die von oben nach unten an Länge abnehmen. Sie sind übrigens mit Granulation bedeckt, die sich an den Stellen zwischen den Wirtein zu Längsreihen ordnet, aber auch auf die Stachelohen sich erstreckt. Die Stacheln auf der Unterseite des Seeigels sind viel kürzer als die oben beschriebenen. Sie sind zweikantig, etwas deprimirt und an jeder Seitenkante mit einer Reihe grober spitzer Höcker besetzt, ihre beiden ge- wölbten Flächen sind mit Längsreihen grober Granula be- setzt, unter denen sich fünf Hauptreihen unterscheiden lassen, zwischen denen sich hier und da Reihen feinerer Granula einschieben. Zuweilen ist diese Granulation auf den End- theil des Stachels beschränkt. Am Ende sind alle diese Stacheln abgestutzt, und durch den vorspringenden Rand der Granula-Reihen napfförmig. Die dem Peristom nächst- liegenden Stacheln sind die kürzesten und am meisten de- primirten. Ausserdem ist die ganze Schale, auch auf dem Periproct und auf dem Peristom mit kleinen platten, ge- streiften, abgerundeten oder zugespitzten Stacheln bedeckt, die auf kleinen undurchbohrten Höckerchen stehn. Sie sind alle klein und von sehr verschiedener Grösse. Die Farbe dieses Seeigels ist graugelblich mit einem Stich ins Grüne. Die grossen Stacheln haben eine ziegel- rothe sehr fein gestreifte Basis, ihr stachliger Theil ist grünlichgelb mit dunkel rothbraunen Ringeln, welche den Raum zwischen den Wirtein einnehmen. Den platten Stacheln auf der Bauchseite fehlen die dunkeln Ringel. Die zahl- reichen kleinen Stachelchen, welche über alle Theile des Thieres verbreitet sind, sind violett oder grün ; oft in der unteren Hälfte violett, in den Endhälften grün. Die durch- bohrten Warzen der Höcker sind hell ziegelroth. Maasse. Durchmesser der Schale 31 Mm. Höhe derselben . * 20 „ Länge der obersten Stacheln 14 „ Längste Stacheln 34 „ .J.^ Troschel; Rhabdocidaris recens n. sp. Länge der Iblgenden .\;'iijli;j' . . 29 Mm. Länge der dritten stachligen Stacheln' . • v . . 19 ^ Die grössten Stacheln der Miindseite . . . 12—14 ,, Länge der nächst dem Periproct stehenden Stacheln 5 — 6 „ Durchmesser des Peristoms . 10 „ Durchmesser des Periprocts .ii iö-^ff^, Breite der Ambulacralfelder an der Peripherie . 4 „ Breite der Interambulacralfelder an der Peripherie 16 „ Breitedeshinteren (monströsen ?) Ambulacralfeldes 9 „. Vaterland Singapore. Nur ein Exemplar in demNa- liji'historischen Museum zu Bonn. Erklärung der Abbildungen. Tafel Vm. ; . .! j Rhabdocidaris recens n. sp. Fig. 1. Das Periproct mit den Genital- und OculaiMtlaLicn. Fig. 2. Die oberen Platten aus dem hinteren luterHmbulaeralfelde. Fig. 3. Ein Höcker von einer luterambulacralplattc. Fig. 4. Ein Stachel aus dem obersten Kreise der diirchbohrien Höcker, [rioioöl: , , ;■ Fig. 5. Ein Stachpl, aus derselben Gegend, an dem schon die Bil- dung der Stachelchen beginnt. Fig. 6. Einer der grössten Stacheln aus dem zweiten Kreise. Fig. 7. Ein Stachel aus dem folgenden Kreise. Fig. 7a. Das Eüde eines solchen Stachels von oben gesehen. Fig. 8. Das ol)ere Ende eines solchen Stachels, vergrössert. Fig. 9. Ein Stachel von der Unterseite. Fig. 10. Derselbe vergrössert. Fig. 11. Ein Stachel ganz aus der Nähe des Peristoms. /sn. TrdK CFSchmrltlitl 1817 Tai'.X. C F Sclivadt ht'h IS'/'J TafXr. r F .Umul/ hl/, Untersuchungen über den Kaumagen der Orthopteren. Von Dr. Karl Friedrich Wilde Oberlehrer in Leipzig. Hierzu Tafel JX— XL Historische Uebersicht. Die rapide Verbreitung der sogenannten Wanderheu- schrecke und die in demselben Verhältnisse wachsende Gefahr, welche die Vermehrung dieser gefrässigen Insekten für die Landwirthschalt im Gefolge hat, Hess den Gedan- ken näher rücken, den anatomischen Bau der Verdauungs- organe, insbesondere des Kaumagens der Orthopteren einer genaueren Untersuchung zu unterziehen, als dies bis jetzt der Fall war. Auf diese Lücke durch meinen hochver- ehrten Lehrer, Herrn Geh. Hofrath Professor Dr. Rudolf Leuckart, aufmerksam gemacht, unternahm ich es, die Kaumägen der nachgenannten Orthopteren sowohl in Be- zug auf deren morphologische und histologische Verhält- nisse, als auch in Bezug auf die mit dem Wechsel der äussern Körperbedeckung verbundene Häutung des Oeso- phagus und Kaumagens zum Gegenstand meiner Studien zu machen. Ich begann mit den Acridiern, ging dann über zu den Blattinen, Locustinen und Achetinen. Schon Swammerdamm^) kannte den Magen der 1) Bibel der Natur. Leipzig 1752. pag. 9L 136 Dr. Wilde: Heuschrecken. Er unterscheidet einen dreifachen Magen und meint, derselbe stimme mit dem Magen der wieder- käuenden Thiere völlig überein. Insbesondere sei der- jenige Theil des Magens, den man das Buch nennt, an den Heuschrecken mehr als zu kenntlich. Er zweifelt daher nicht, dass die Heuschrecken wiederkäuen, ja er glaubt so- gar, solches gesehen zu haben. — Dass diese Annahme auf Wahrheit beruhe, hat bereits Meckel^) angezweifelt. Cuvier^) ist ebenfalls der Ansicht, als seien die Or- thopteren in Bezug auf ihren zusammengesetzten Magen unter den Insekten dasselbe, was die Wiederkäuer unter den Vierfüssern sind. Auch er unterscheidet drei Mägen. Einen ersten häutigen Magen, der bei den meisten eine blosse Erweiterung der Speiseröhre und inwendig der Länge nach gefaltet sei. Dies ist der Kropf. Sodann spricht er von einem zweiten, muskulösen Magen. Derselbe sei klein und ziemlich rund, mit sehr dicken, fleischigen Wänden ver- sehen und an seiner Innnenfläche besetzt mit Schuppen oder Zähnen. Als dritten Magen bezeichnet er die Blind- därme des Chylusmagens. Nähere Kenntniss über den Bau des Kaumagens der Orthopteren erhalten wir erst durch ßamdohr^). Er nennt den Kaumagen „Faltenmagen" und giebt an, dass derselbe bei Blatta orientalis L. (Periplaneta Burm.) glocken- förmige Gestalt annimmt, indem am vorderen Ende ein fleischiger Rand aufgeworfen ist. Die äussere Haut besteht nach demselben Autor aus ringförmigen, neben einander zur Quere liegenden Muskeln, welche keinen Zusammen- hang mit der Speiseröhrenhaut haben. Die innere Haut ist dünner, etwas durchsichtig und eine Fortsetzung der Speiseröhrenhaut. Ihr liegen sechs grosse, hohe und schmale, verschiedentlich gestaltete Zähne auf. Zwischen diesen be- merkte Ramdohr Schwielen, bestehend aus einer Vereini- 1) Anmerkungen zur Uebersctzung der Vorlesungen über ver- gleichende Anatomie von Cuvier. Bd. III. pap-. 689. 2) Vorlesungen über vergleichende Anatomie. Bd. III. p. 689. 3) Abhandlung über die Verdauungswerkzeuge der Insekten. Halle 1811. pag. 70 ff. Untersuchungen über den Kaumagen der Orthopteren, 137 gaing linienförmiger, der Länge nach parallel neben ein- ander verlaufender Hornnadeln. Der Faltenmagen von Locusta viridissima, so bemerkt Ramdohr weiter, ist eiförmig, nach hinten zugespitzt und steckt mit seiner Spitze in dem Chylusmagen. Seine äussere Haut ist die Fortsetzung der Speiseröhrenhaut. Innerlich besteht er aus sechs Schwielen und ebenso vielen Rinnen. Die ersteren sind mit zwölf bis fünfzehn gleich breiten, gewölbten; von einander gleichweit abstehenden, hornartigen Streifen zur Quere belegt, während die letzteren mit zwei Reihen kurzer, abgerundeter, gegen einander stehender Zähnchen versehen sind, von denen ein jedes einem der querliegenden Hornstreifen gegenüber liegt, so dass eben so viele Paare von Zähnchen, als Hornstreifen vorhanden sind. Die Schwielen erstrecken sich bis in die Speiseröhre, sind aber hier, statt mit Hornstreifen besetzt, nur von fleischiger Beschaffenheit. In dem Faltenmagen von Gryllus campestris L. (Acheta Fabr.) erkannte Ramdohr ebenfalls 6 Schwielen und eine gleiche Anzahl von Rinnen, welche in longitudi- naler Richtung verlaufen. Auf den Schwielen sah er „vier- zähnige" Hornblättchen in drei Reihen, von denen ein jedes auf einer fleischigen Erhabenheit stehe. In jeder der Reihen zählte er zehn, folglich im ganzen Faltenmagen 180 solcher Hornblättchen. In der Rinne läuft eine einfache Hornnadel durch die ganze Länge des Kaumagens hin. Hier- auf beschränken sich die Angaben Ramdohrs, denn ausser Forficula auricularia, die systematisch etwas ferner steht, wurden keine Orthopteren weiter von demselben untersucht. Nach ihm ist Leon Dufour^) der erste, welcher, gestützt auf die Ramdohr 'sehen Untersuchungen, die Kau- mägen der Orthopteren beschreibt. Er lässt die Bezeichnung „Faltenmagen" fallen und nennt den betreffenden Abschnitt „Kaumagen". Im Ganzen fügt er den Ramdohr 'sehen Ergebnissen wesentlich Neues nicht hinzu, doch untersuchte er — und das ist ausser Mar cell de Serres^) meines 1) Recherches sur les Orthopteres etc. Paris 1834. p. 296. 2) Observations aur les Insectes consider. comme ruminans. Paris 1813. 138 Dr. Wilde: Wissens noch von Niemand geschehen — auch den Kau- magen der Acridier. Die Ansicht dieses letzteren For- schers, nach welcher die Acridier einen wirklichen Kau- magen besitzen sollen, bezeichnet er als irrig, ohne jedoch uns eine nähere Kenntniss über den Bau dieses Darmab- schnittes der Acridier zu vermitteln. Interessant sind seine Angaben über die Zähne im Kaumagen von Acheta cam- pestris. Von ihnen sagt er, sie seien sämmtlich unter ein- ander verschieden; manche wären wie Lanzetten, andere wie gebogene Messer, noch andere wie Sägen etc. Zum ersten Male erfahren wir von Leon Dufour auch etwas Näheres über den Kaumagen von Gryllotalpa vulgaris. Derselbe ist ausgestattet mit sechs Leisten. Jede derselben ist zusammengesetzt aus einer Anzahl von Zähnen, welche in fünf Serien angeordnet sind und eine variabele Gestalt besitzen. Einige sind hakenförmig, die andern haben einen gezackten Rand u. s. w. Die von der mittleren Serie sind fast viereckig. Auch die Längsleisten, welche Ansatzpunkte der die Zähne in Bewegung setzenden Mus- keln bilden, kannte Leon Dufour. An der vordem Oeff- nung des Kaumagens beschreibt derselbe eine Klappe, welche gebildet wird durch Zusammentreffen sechs kleiner Tuberkeln, die sich von den Leisten abgetrennt haben. Auch am hintern Ende des Kaumagens befindet sich nach seinen Angaben eine Klappe interessanter Natur. . Unter den neueren Autoren sind es besonders Basch i) und Graber 2), welche Beiträge zur Kenntniss des Kau- magens der Orthopteren liefern. Auf diese Arbeiten komme ich bei Besprechung des Kaumagens von Blatta orientalis und Decticus zurück. Bau des Kaiimagens. a. Acridier. Die Acridier entbehren eines eigentlichen Kaumagens. 1) Clntersuchungcn über das chylopoetische und iiropoetiöche System der Blatta orientalis. Wien 1858. Sitzungsber. math. Cl. Bd. 33. 2) Zur nähern Kenntniss des Proventriculus und der Appeu- dices ventriculares bei den Grillen und Laubheuschrecken. Wien 1869. Sitzungsber. math. Cl. Bd. 59 I. pag. 29—46. Untersuchungen über den Kaumagen der Orthopteren. 139 Der ganze Oesophagus bez. Kropl tritt in den Dienst des- selben. War es mir schon bei den im zeitigen Frühjahr häufig vorkommenden Arten von Tetrix nicht möglich, einen Kaumagen im strengen Sinne des Wortes nachzuweisen, so sollte die Abwesenheit eines solchen bei den Acridiern durch Untersuchungen an der Wanderheuschrecke, Oedipoda cine- iVascens ^), volle Bestätigung finden. Ich habe den canalis intestinalis dieser letzteren dicht hinter dem Mundkau- apparat abgetrennt und dabei die Ueberzeugung gewonnen, dass derselbe mit einer engen, sehr kurzen Röhre beginnt, die sich dann plötzlich zu einem sehr ansehnlichen Kröpfe erweitert und eine Anzahl fast halbkreisförmiger Falten zeigt, welche mit einer grossen Anzahl ansehnlicher, solider Stachelhaare besetzt sind. Diese Falten nehmen etwa das ei'ste Drittel des Oeso})hagus für sich in Anspruch und (Sind unstreitig bei dem Kauakt betheiligt. Allerdings hat ^er Kropf als Kaumagen einen nur sehr geringen Tritu- raiionswerth. Dass er desselben jedoch nicht ganz entbehrt, beweist die Untersuchung des Speisebreies. Bei dem Ein- tritt in den Kropf sind die Pflanzenfasern nur ganz grob -gekaut, während beim Uebertritt in den Chylusmagen zwar nicht alle, aber doch die in der Nähe der Wandungen des Kropfes gelegenen, mit den Stachelhaaren also in unmittel- ,bare Berührung kommenden Fasern, eine merkliche Zer- kleinerung erfahren haben, 'fii lar.hiUnnivui irrü 'i')ii>A Auf diesen Kropf folgt sodann ein Stück 'des Oeso- phagus mit sehr kleinen Falten. Sie erscheinen als blosse Skulpturen und geben dieser Stelle fasti ein mosaikartiges Aussehen. Es fehlt ihnen auch der: reiche Stiichel- oder Haarbesatz, wie er sich im vorderen Theile des Kropfes vorfindet; nur hie und da werden einige kleine Stachel- haare dem Auge sichtbar. In dem letzten Drittel ; der Speiseröhre treten regel- mässig veirlaufende Längsfalten auf, deren Firsten in ziem- iich gleichen Abständen Stachelhaare tragen, ebenfalls von 1) Oedipoda ciucrascens und migratoria unterscheiden sich prinzipiell nicht von einander, und möchte ich sie deshalb als eine Spezies auffassen. 140 Dr. Wilde: geringer Grösse, zu zweien hinter einander stehend (cfr. Figur l). An der Uebergangsstelle des Oesophagus in den Chylusmagen befinden sieh 6 cigenthiiniliche grosse Falten mit dazwischen gelegenen kleineren (clr. Figur 2), deren Cuticula ziemlich dick und bis auf die kleineren Falten und die zwischen diesen gelegenen Vertiefungen mit sehr kleinen, vollständig homogenen, glashellen Chitinhaaren besetzt ist. Diese Stelle repräsentirt unstreitig morphologisch das- jenige Gebilde, welches wir sonst als Kaumagen zu be- zeichnen pflegen. Aber die Funktion der Kauung ist, so- weit sie überhaupt dem Darmkanal zukommt, im vorderen Theile des Oesophagus lokalisirt. Damit stimmt auch die Thatsache (iberein, dass die Stärke der Ringmuskeln, welche die Speiseröhre im ersten Drittel des Kropfes um- geben, die Ringmuskulatur des Oesophagus der übrigen von mir untersuchten Orthopteren um ein Bedeutendes übertrifft. Der Kropf hat eben den Kaumagen zu erset^n. Auf das Muskelgewebe des Oesophagus folgt nach Innen sodann eine wenig entwickelte Bindesubstanz, die membrana propria, welche in zahlreichen Falten — ich zählte im hintern Theile des Oesophagus einige sechzig — , in das Innere der Speiseröhre vorspringt und dazu bestimmt ist, Trägerin einer Epithellage zu werden, welche aus Zellen mit pigmentirtem Inhalte besteht. Dieses Epithel ist dazu bestimmt, die auf ihr lagernde Chitinmembran als Cuticula abzuscheiden. Diese Cuticula ist von vielen Au- toren lange Zeit in ihrer wahren Natur, als das Abschei- dungsprodukt unter ihr gelegener Zellen, verkannt worden. So beschreibt Ramdohr*) diese innere Haut in dem Magen von Locusta viridissima als pergamentartig, , nicht in Muskeln trennbar". Bisweilen sei sie dünn und durch- sichtig, bisweilen stärker und selbst etwas steif, besetzt mit starken Pünktchen oder kurzen steifen Härchen. Meck el hält die Tunica intima tiir ein Pflasterepithel, das oft aus zackig in einandergreifenden Zellen bestehe. Menzel '-) 1) a. a. 0. pag. 13. 2) Die Chitingebilde im Thierkreisc der Arthropoden. Zürich 1855. Untersuchungen über den Kaumagen der Orthopteren. 141 hält sie für ein sehr oft aus Zellen zusammengesetztes Epithel, die eigentliche Epidermis. Auch v. Siebold ^) ist derselben Ansicht und meint, sie sei aus Zellen zu- sammengesetzt, welche durch Chitinsubstanz eine sehr feste Beschaffenheit erhalten hätten. Anders dagegen urtheilt Leuckart^). Er erkannte die Intima als eine sehr zarte, durchsichtige, überall strukturlose Haut, die gleich den äussera Bedeckungen des Insektes aus Chitin bestehe. Nach ihm beschreibt auch Leydig^) dieselbe als eine homogene, strukturlose Membran und tritt entschieden der Ansicht entgegen, als sei sie ein Epithel. Diese Cuticula ist, wie überall, so auch bei Oedipoda eine anfangs sehr dünne, vollkommen homogene, hyaline Membran, welche fast durchweg von gleicher Stärke und mit Zähnchen be- setzt ist. Erst später nimmt sie durch Einwirkung der Luft die charakteristischen Eigenschaften des Chitins an und erscheint meist gelb, mitunter sogar braun. Sie be- steht keineswegs aus Zellen, zu welcher Auffassung viel- fach die polygonalen Zeichnungen auf der dem Epithel zu- gekehrten Seite Veranlassung gegeben haben; diese be- zeichnen vielmehr die Bezirke, welche auf Rechnung der einzelnen unter ihr gelegenen Epithelzellen zu stellen sind, während sie selbst einzig und allein das Abscheidungspro- dukt subcuticularer Zellen ist. b. Blattinen. Der Kaumagen von Blatta orientalis schliesst sich an den durch einfache Erweiterung des Oesophagus gebildeten Kropf an. Er ist, äusserlich betrachtet, konisch eiförmig, au seinem vorderen Ende scharf von dem Kröpfe geschie- den, am hintern Ende dagegen in eine lange Spitze ausge- zogen, welche beinahe ihrer ganzen Länge nach in den Anfangstheil des Chylusmagens eingestülpt ist. Er be- ringförmigen, nach LeonDufour polster- 1) Lehrbuch der vergleichenden Anatomie. BerHn 1847. 2) Frey und Leuckart, Lehrbuch der Zootomie der wirbel- losen Thiere. Leipzig 1847. pag. 61. 3j Lehrbuch der Histologie, pag. 334. 142 Dr. Wildes: fOf^u rr'>-oDnrf'>rjp."i ' oder kissenartigeu Verdickung. Schneidet man den Käü^ magen der Länge nach auf und lässt man ihn alsdann 24 Stunden in verdünntem Alkohol liegen, so kann man die Chitinschicht bequem abheben. Breitet man diese in die Fläche aus, so erkennt man, dass sie aus 6 radiär in das Innere des Kaumagenlumens vorspringenden Zähnen besteht, von denen gewöhnlich einige raubvogelschnabelartig ge- bogen sind und die in Figur 4 wiedergegebene Form haben. Bei verschiedenen Blattinen zeigen diese Zähne sogar in ihrer Mitte eine deutliche Einschnürung. Die übrigen da- gegen erscheinen, als wären sie umgedreht, mit den schnabel- artigen Vorsprüngen, der sogenannten schwarzen Spitze (Leon Dufour), nach unten gerichtet, während das andere Ende gegen den Anfang des Kaumagens hin so verläuft, dass es nur wenig oder gar nicht in das Innere des Kau- magens vorspringt. Auch Moravitz^) erwähnt bereits, dass er nicht im Stande war, bei allen grossen geschnäbel- ten Zähnen die Haken am oberen Ende nachzuweisen. Im Allgemeinen muss ich bemerken, dass die Zähne sammt und sonders in ihrer Form mehr oder minder von einander abweichen. Sämmtliche Zähne sitzen mit ihrer breiten Basis der Innenwand des Kaumagens auf. Jeder von ihnen ruht auf einem besonderen Felde. Die Oberfläche der Zähne be- schreibt Basch als glatt, während die Innenseite lauter polygonale Felder zeige. Ich kajm; das erster e nicht in allen Fällen bestätigen, da ich auch Zähne mit entschieden rauher Oberfläche gefunden habe. Die polygonalen Felder rühren, wie bereits erwähnt, von den darunter gelegenen Zellen her und stellen gleichsam einen Abdruck der Zellen- oberfläche dar. j^ Zwischen den Zähnen liegen eine Anzahl Falten, von Moravitz „Latten" (assercula) bezeichnet, welche eine Annäherung resp. Entfernung der Zähne an- und vonein- ander ermöglichen. Basch führt in seiner Arbeit anfangs 12 Leisten oder Falten an, obwohl er gleich darauf 13 auf- zählt, die beigefügte Figur dagegen nur 11 aufweist. Er 1) Quaedam ad anatomiam Blattae Germauicae pertinentia, Dorpat 1853. Untersuchungen über den Kaumagen der Orthopteren. 14^ sagt: „lü der Mitte eines jeden Zwischenraumes befindet sich eine grosse, breite Leiste, die so lang als der Zahn selbst ist und in ein abgerundetes, löffeiförmiges Ende aus- geht. Zu beiden Seiten befinden sich 5 kleinere, die mit ihren Enden sich der erwähnten grossen Leiste zuneigen. Ausserdem laufen noch zu beiden Seiten des Zahnes Längs- leisten herab, die mit demselben convergiren". Auf Grund sorgfältig ausgeführter Serienschnitte bin ich in der Lage- Folgendes zu constatiren. Auf allen Querschnitten traten mir zwischen je zwei Zähnen zunächst 3 Hauptfalten ent- gegen (cfr. Fig. 5). Zwischen diesen 3 Falten oderLeisteil liegt je eine kleinere Leiste, bei verschiedenen Individuen kommen indess auch zwei derselben vor, doch ist dies seltener der Fall. Die Längsleisten, welche nun noch ausserdem zu beiden Seiten des Zahnes herablaufen sollen, sind von Basch vollständig als zwischen den Zähnen ge- legene Längsfalten verkannt worden. Begnügt man sich mit einer blossen Flächenansicht der Chitingebilde des Kau- magens, — die Querschnittmethode war zu der Zeit, als Basch seine Untersuchungen machte, noch nicht bekannt, und ist ihm daher ein Vorwurf nicht zu machen — so kommt man allerdings leicht zu der Meinung, man habe in diesen Leisten gleichfalls abgetrennte, isolirte Falten vor sich. Ein Blick auf einen Querschnitt belehrt uns jedoch eines anderen (cfr. Fig. 5). Was Basch für Längsfalten hielt, das sind seitliche Vorspränge der grossen Zähne, wie wir sie auch später bei Locusta wiederfinden werden. Leon Dufour erwähnt 5 Hauptfalten, von denen ich zwei eben- falls auf Rechnung eines jeden Zahnes stellen muss, wäh- rend die 3 übrigen von ihm richtig als Falten erkannt wurden. Bei einem jungen, 15 Mm. langen Thiere, erkannte ich auch nur 3 Falten und zwischen diesen keine kleineren. Alle drei Leisten sind nicht regelmässig gewölbt, sondern ihre Firsten zeigen hie und da longitudinal ver- laufende rinnenartige Vertiefungen, und dieser Umstand mag Basch verleitet haben, eine grössere Anzahl Falteny als thatsächlich vorhanden, anzunehmen. Die Leisten sind nach demselben Autor durchweg an ihrer äussern Ober- fläche mit Schüppchen besetzt, nach Moravitz gekörnelt, 144 Dr. Wilde: und nur die Hauptfalte trägt an ihrem hintern Ende Här- chen. Ich muss auch dies als den thatsächlichen Verhält- nissen nicht entsprechend bezeichnen. Die sämmtlichen Leisten sind mit einem continuirlichen Haarbesatz über- zogen; Schuppen bemerkte ich nirgends. An das hintere Ende der Zähne schliessen sich zwei Reihen von , Taschen*' an. Leon Dufour beschreibt nur eine Reihe. Er be- zeichnet sie, und dieser Ansicht schliesse ich mich nach genauer Untersuchung rückhaltlos an, als sternförmig an- geordnete Hervorragungen. Würde ich schon für die Her- vorragungen erster Reihe nicht den Namen „Taschen^ ge- wählt haben, so verdienen die der zweiten Reihe unstreitig diese Bezeichnung gar nicht. Unter Taschen verstehe ich Einstülpungen, versehen mit einer Oeffnung und einem deutlichen Lumen. Auf allen Schnitten, die ich gemacht habe — und es sind das Längs- und Querschnitte — fand ich nicht in einem einzigen Falle ein Taschenlumen oder eine Oeffnung. Nur das will ich hervorheben, dass die Hervorragungen, von der Fläche gesehen, allerdings mit- unter wie eine im Aufblühen begriff'ene Knospe erscheinen. Die „Taschen" der zweiten Reihe sind auf ihrer Spitze vollkommen gewölbt. Beide Reihen sind Einstülpungen der Innern Magenhaut, besetzt mit einer dünneu Cuticula und braunen Härchen. Uebrigens stehen die Einstülpungen zweiter Reihe nicht isolirt, sondern bilden den Anfang zu den 6 Hauptleisten in demjenigen Theile des Kaumagens (cfr. Fig. 6), der in den Chylusmagen eingestülpt ist, wäh- rend die mittlere Hauptfalte zwischen den Zähnen hinter ihrem löffeiförmigen Ende sich wieder als Längsfalte erhebt und je eine der 6 Nebenfalten bildet, welche bis an das Ende des Kaumagens neben den 6 Hauptfalten verlaufen (cfr. dieselbe Figur), so dass das Ende des Kaumagens 12 Falten aufweist. Leon Dufour erkannte deren nur sechs. Auch den Bau der „Taschen" der ersten Reihe näher kennen zu lernen, gelang mir. Ich führte Längsschnitte durch einen Kaumagen von Blatta orientalis aus, ohne ihn aufgeschnitten und ausgebreitet zu haben, und da kam ich zu folgendem interessanten Resultat : Die „Taschen" zeigen auf demjenigen Theile, welcher dem Innern des Kaumagens Untersuchunjren über den Kaumagen der Orthopteren. 145 zugewendet ist, wellenförmige Vertiefungen und Erhöhungen, in welche entsprechende Vertiefungen und Erhöhungen der gegenüber liegenden Taschen so eingreifen, wie Zähne zweier gegenüberstehender Kiefer. Derjenige Theil der Tasche, welcher dem jedesmaligen vor ihm gelegenen Zahne am nächsten liegt, springt häufig zungenartig in das Innere des Kaumagens vor, die Zähne noch massig überragend. Hierdurch wird ein Verschluss des Kaumagens nach hinten herbeigeführt, der durch Contraktion der Ringmuskulatur vollkommen erreicht wird. Dieser Verschluss wird da- durch erhöht, dass die der Cuticula aufsitzenden Härchen absolut keinen Chymus in das Ende des Kaumagens über- treten lassen (cfr. Figur 7). Auf die Chitinschicht des Kaumagens folgt, von innen nach aussen gehend, eine stark entwickelte Subcuticular- schicht — Chitinogenschicht, Matrix. — Sie ist das Mutter- gewebe der Cuticula, und wie die Zähne und Falten des Kaumagens eine Fortsetzung des cuticularen Ueberzuges des Oesophagus sind, so ist sie eine Fortsetzung der Chi- tinogenschicht dieses letzteren Darmabschnittes. Basch trennt sie in eine doppelte Schicht, in eine der membrana propria aufliegende und eine unmittelbar unter der Chitin- substanz gelegene. Nach seiner Auffassung besteht die erstere aus Zellen, welche sehr nahe aneinander liegen und mit einander verschmolzen sind, während die zweite aus mehrfach über- und nebeneinander gelagerten Zellen zusammengesetzt sein soll, die sich „ebenfalls" (!) nicht einander berühren, sondern Zwischenräume zurücklassen, die von Bindesubstanz ausgefüllt werden. Auch diese An- schauung kann ich nicht theilen. Ich erkannte überall nur eine einzige, sehr stark entwickelte Zellenschicht, be- stehend aus deutlich ausgeprägten Cylinderzellen mit deut- lichem Nucleus. Dieses Epithel ruht durchweg auf einem grosszelligen Bindegewebe, bestehend aus Zellen mit deut- lichen Kernen und Kernkörperchen. Ohne Zweifel hielt Basch diese Zellkerne mit ihren Nucleoli für Zellen, wie er ähnliche in dem Epithel des in den Chylusmagen ein- gestülpten Theiles des Kaumagens gesehen haben will und die er als Zellen mit körnigem Inhalte beschreibt. Die Archiv f. Nahirg. XXXXIII. Jahrg. Bd. 1. 10 146 Dr. Wilde: Zellwände und die die Zellwände verklebende Intercellu- larsubstanz hielt er für eine vollständig homogene, struk- turlose, hyaline Membran, die membrana propria, die sich zwischen die Zellen dieser zweiten Schicht einschieben soll, und so kam er auf den Gedanken, es verhalte sich die zweite Zellenschicht zur ersten, wie die Malpighische Schicht zur Epidermis. Die erste — nach meiner Auf- fassung die einzige — epitheliale Zellenschicht besteht nicht, wie Basch behauptet, aus unter sich verschmolzenen Zellen, da man überall die Zellmembranen deutlich erkennen kann. Um mich genau zu überzeugen, versuchte ich, einige Zellen dieser Epithelialbekleidung in 72^/0 Kalilösung zu isoliren, und es gelang mir das Experiment vollständig. Ebenso gewiss ist, dass die membrana propria Baschii nicht als strukturlose, homogene Membran vorhanden, son- dern durch ein zellig blasiges Gewebe mit deutlichen Zell- kernen und Kernkörperchen vertreten ist, wie es Chun^) in seiner Arbeit über die Rectal drüsen der Insekten für eine in mancher Beziehung ähnliche Bildung bereits nach- gewiesen hat. Ich wandte bei meinen Untersuchungen Hämatoxylin als Farbmittel an und es hat mir dieses vor allen andern weitaus die besten Dienste geleistet. Auf mit Hämatoxylin gefärbten Schnitten erkannte ich überall die Bindegewebs- zellen mit ihren Nuclei und Nucleoli, so dass kein Zweifel bestehen kann, dass wir es in der sogenannten membrana propria mit einem Bindegewebe von ganz bestimmter Struk- tur zu thun haben. Nur möchte ich hierbei noch erwähnen, dass bei Objekten, welche in Chromsäure gehärtet sind, sich Hämatoxylin nicht immer als Farbmittel empfiehlt, denn erstens färbt Hämatoxylin nicht immer durch und zweitens lässt bei mangelhafter Auswaschung des Objektes die zurückgebliebene Chromsäure das Bild etwas erblassen. Weiter nach aussen folgt auf die membrana propria die Muskelschicht. Sie repräsentirt ein sehr dichtes Mus- kelgewebe, das namentlich im obern Theile des Kaumagens 1) lieber den Bau, die Entwicklung und physiologische Be- deutung der Rectaldrüsen bei den Insekten. Frankfurt a. M. 1875. Untersuchungen über den Ka innagen der Orthopteren. 147 beträchtliche Dimensionen annimmt und durchweg aus quer- gestreiften Muskelfasern besteht. Diese Ringmuskulatur in Verbindung mit einer ausserhalb derselben gelegenen Längs - muskelfaserschicht befähigen den Darm zu kräftigen peri- staltischen Bewegungen. Die Ringmuskelfasern erkannte Basch richtig als vollkommen kreisförmig und in sich abgeschlossen. An der Innenfläche dagegen sollen nach seinen Angaben ganze Faserzüge sich ablösen, bogenförmig krümmen und je zwei mit einander convergirend an den KSeiten der Basis der Zahnwülste und zwar an die mem- brana propria mit stumpfen Enden inseriren. Diese Muskeln fasst er als Radialmuskeln auf und bezeichnet sie auch als solche. Ich muss gestehen, dass es mir weder auf den gemachten Quer- noch Längsschnitten möglich gewesen ist, sie zu erkennen. Muskeln mit deutlicher Querstreifung habe ich allerdings auf Längsschnitten gesehen, aber am Eingang des Kaumagens, an der üebergangsstelle des Oesophagus in den Proventrikulus. Sie haben die Aufgabe, den Kaumagen zu öffnen. '"'^ ^'^' Von den „Radialmuskeln" weiter iiach innen gelegen soll nach demselben Autor noch eine dritte Muskellage, öine Längsmuskelfaserschicht vorkommen. Basch sagt: „Dieselbe bildet eine im Allgemeinen weniger dicke Schicht, doch gehen von ihr mehrere Muskeln ab, und zwar ent- springen am hinteren Ende der Kaumagenwand 6 Muskeln, die von unten und hinten nach vorn und oben verlaufen und sich an die vordere obere Wand der Zahnwulst in- seriren. Etwas tiefer, aber noch an derselben Stelle (f), entspringen ausserdem 6 Muskeln, die bogenförmig ge- krümmt, mit ihrer Concavität nach aussen und der Con- vexität nach innen verlaufen und sich an die vordere Wand der Taschenwülste ebenfalls an die membrana propria mit stumpfen Enden inseriren." Nach den Untersuchungen, die ich hierüber angestellt habe, gestalten sich die Ver- hältnisse, wie folgt: Eine besondere Längsmuskelfaser- schicht in dem Sinne, wie Basch sie beschreibt, existirt nicht und ebenso wenig eine von dieser getrennte, bogen- förmige Schicht. Beide vermeintlichen Schichten sind viel- mehr eine einzige, die sich etwa in der Mitte der ü;rossen 148 Dr. Wilde: Zähne inserirt und von da aus bogenförmig nach dem vor- deren Ende der „Taschen" hinzieht, woselbst sie sich an die Cuticula anheftet. Dieser Muskelstrang gabelt sich beim Eintritt in den Taschenwulst, und von den beiden Strängen inserirt sich der eine an das obere, der andere an das untere Ende desselben (cfr. Fig. 7). Diese Mus- keln, welche, wie alle Insektenmuskeln, quergestreift sind, haben einen für den Kauakt wichtigen physiologischen Werth. Basch nimmt richtig an, dass die Kingmuskel- fasern durch Zusammenziehung das Lumen des Kaumagens verengern; zugleich aber sollen durch Contraktion der in die Taschen und Zähne eintretenden Muskeln die Taschen sich den Zähnen so annähern, dass dadurch das hintere Ende des Kaumagens verschlossen wird. Auf diese Weise werde, so meint Basch weiter, ein Effekt erzielt, wie er ähnlich sich beim Kauen mittelst der Kiefer vollzieht. Vergegenwärtigt man sich, dass die Zähne von ganz ver- schiedener Form sind, dass in jedem Kaumagen Zähne vorkommen, die am oberen Magenmund ganz flach sind und deren hakenförmig gebogener Schnabel sich an dem hintern, den Taschen zugekehrten Ende befindet, so ist ein solcher Kauakt wohl schwerlich denkbar. Vor allem aber kann eine Contraktion der um die stumpfe Ecke der Zähne herumziehenden Muskelzüge (cfr. Fig. 7), die also unter einem stumpfen Winkel wirken, unmöglich einen Verschluss des Kaumagens zur Folge haben. Ich behaupte im Gegen- theil, dass sie Retraktoren repräsentiren, also die Taschen, die sehr spärlicher Ringmuskulatur aufsitzen, nach voll- endetem Kauakt zurückziehen, um auf diese Weise die während der Trituration unterbrochene Communikation zwischen Kaumagen und Chylusmagen wieder herzustellen. Ueber die Struktur des vom Kaumagen ausgehenden und in den Chylusmagen eingestülpten Theiles des Pro- ventrikulus sagt Basch: „Es fehlt die äusserste, nämlich die Muskellage, und es sind demnach nur folgende Schichten vorhanden : Eine strukturlose membrana propria als äusserste Begrenzung, ferner eine Zellenschicht und eine Chitin- membran". Ich bemerkte auf allen Schnitten eine Längsmuskel- Untersuchungen über den Kauraagen der Orthopteren. 149 faserschicht, eine dünne, doch überall deutlich ausgeprägte Ringmuskulatur, auf dieser aufsitzend Bindegewebe und dann ein Cylinderepithel mit Cuticula. Durch die grossen Falten, also senkrecht auf der Ringmuskulatur sitzend, zieht ein Radialmuskel, der dazu bestimmt ist, den Kau- magen zu öffnen, um die Speise in den Chylusmagen über- treten zu lassen. Werfen wir einen vergleichenden Rückblick auf den Bau des Kaumagens der Acridier und Blattinen, so fällt uns allerdings die überaus grosse Lücke zwischen beiden auf. Wir erkennen bei Blatta eine Gliederung der Speise- röhre in zwei Stücke, in den Oesophagus bez. Kropf im engern Sinne und den Kaumagen. Bei den Acridiern kommt es zu einer solchen Gliederung nicht, doch haben wir morphologisch, wie bereits hervorgehoben, den Kau- magen ebenfalls in dem Abschnitte des Oesophagus zu suchen, der vor dem Chylusmagen liegt, nur ist bei ihnen die Arbeitstheilung weniger weit durchgeführt, als bei den Blattinen. c. Locustinen. «. Locusta viridissima. Während bei Blatta orientalis der Kaumagen als ein in sich abgeschlossener Theil des Darmrohres erscheint, getrennt von dem Kröpfe, nimmt der Kaumagen der Lo- custinen seinen Anfang im Kröpfe, so dass Kropf und Kaumagen hier schwer zu trennen sind. Untersucht man den Oesophagus unmittelbar hinter den Kiefern, so erkennt man auf dem Querschnitte unregelmässige Faltungen, welche Wellenberge und Wellenthäler darstellen. Diese Einstül- pungen sind mitunter von beträchtlicher Länge. Einzelne erreichen sogar die centrale Axe des Oesophagus. Jede derselben wird gebildet aus einer sehr wenig entwickelten Bindegewebsleiste, einem darauf ruhenden Epithel und einer chagrinirten Cuticula, besetzt mit soliden, stachel- artigen Haaren. In demjenigen Theile der Speiseröhre, welche man als Kropf bezeichnet, ordnen sich die zahl- reichen, zottenartigen Vorsprünge zunächst in 6 Hauptlängs- 150 Dr. Wilde: falten an. Diese sind anfangs sehr flach, erheben sieh aber allmählich immer mehr und mehr und an derUebergangs- stelle in den Kaumagen springen sie so bedeutend in das Lumen des Kropfes vor, dass bei einer Contraktion der Ringmuskulatur durch sie ein vollständiger Verschluss des Kaumagens erzielt wird. Diese Stelle kann man in ge- wisser Beziehung als ein Analogon des Magenmundes hö- herer Thiere betrachten. Parallel den 6 Hanptfalten laufen je zwei kleinere Falten; es sind dieselben, welche wir im Kaumagen selbst wiederfinden und die dort dazu bestimmt sind, die neben den grossen Zähnen gelegenen kleineren zu tragen. Während, wie bereits hervorgehoben, die membrana propria im vorderen Theile des Oesophagus nur eine sehr geringe Entwicklung zeigt, gelangt sie gegen das Ende des Kropfes hin zu bedeutender Differenzirung. Auch die subcuticularen Zellen entfalten sich beträchtlich und ent- wickeln sich zu einer Massenhaftigkeit, wie wir sie kaum im eigentlichen Kaumagen wiederfinden (cfr. Figur 12). Begreiflich hiernach, dass auch das Absonderungsprodukt ein anderes, stärkeres ist, als im Anfangstheile der Speise- röhre. Die Haare sind ausserordentlich zahlreich vorhan- den, so dass sie die Falten filzartig überziehen. Auf den 6 Hauptfalten erheben sich bereits eine Anzahl zahnartiger Vorsprünge (7) in regelmässigen Abständen, mit stachel- artigen, soliden Haaren oder Dornen auf ihren Spitzen. Sie stimmen mit den Stacheln der grossen Zähne im Kau- magen vollständig überein. Die Seitenränder tragen ge- wöhnliche Chitinhaare. Diese sowohl, als auch die stachel- artigen Haare erkannte Ramdohr nicht. Er bemerkt nur, dass sich die „Schwielen" — als solche bezeichnet er die zähnetragenden Falten des Kaumagens — bis in die Speise- röhre erstrecken und hier, statt mit Hornstreifen besetzt, „von fleischiger Natur" sind. Der eigentliche Kaumagen der Locustinen ist eiförn^ig, nach hinten zugespitzt und mit der Spitze in den Chylus- magen eingesenkt. Er beginnt mit dem Magenmunde, der den Zweck hat, während der Trituration den Kaumagen nach vorn abzuschliessen, um so den Zutritt neuer Speise, Untersuchungen über den Kaumagen der Orthopteren. 151 sowie das Regurgitiren zu verhindern. Ich habe den Bau des Kaumag^ns sowohl auf Flächenbildern, als auch auf Quer- und Längsschnitten studirt und bin dabei zu nach- stehendem Resultat gekommen. Breitet man den Kaumagen einer erwachsenen Lo- custa viridissima flächenhaft aus, so erkennt man zunächst 6 radiär gestellte, durch den ganzen Kaumagen verlaufende Längsleisten. Jede derselben trägt in ihrer ganzen Aus- dehnung eine sehr dicke Chitinschicht. Auf dem Quer- schnitte haben diese Leisten die in Figur 9c angegebene Gestalt. Sie ruhen aut einer bindegewebigen Längsfalte, welche mit ihrem basalen Theile der Muskulatur fest auf- sitzt. Dieses Bindegewebe ist der Träger eines Epithels, bestehend aus spindel- oder cylinderförmigen Zellen, dem Muttergewebe der Cuticula. Zwischen den radiären 6 Längs- falten befinden sich 6 Interradien (cfr. dieselbe Figur). Jeder derselben besteht aus 3 Längsreihen schuppenförmig hinter einander gelegener Zähne (15), von denen die der mittleren Reihe eine gewaltige Grösse haben und beinahe die Mitte des Kaumagenvakuums erreichen, während die rechts und links an der Basis der grossen Zähne gelegenen unverhältnissmässig klein sind. Schon im Anfangstheile des Kaumagens sind sämmtliche Zähne sehr gross und er- reichen, ähnlich wie bei Gryllus dom. fcfr. Fig. 20), etwa auf der Grenze des ersten Drittels des Kaumagens — 4., 5. Zahn — ihre grösste Entwicklung. Von da an nehmen sie an Grösse allmählich ab und gegen das Ende des Kau- magens werden sie so kurz und schmal, dass zwischen dem grossen Zahne und den seitlichen kleinen Zähnen jedes Interradius klaffende Zwischenräume entstehen. Die Spitzen der grossen Zähne stumpfen sich nach und nach immer mehr ab, an ihre Stelle treten sattelförmige Ver- tiefungen, bis auch diese schliesslich verschwinden und damit die letzte Spur der Zähne. Noch eine andere, bisher ganz übersehene Eigen- thümlichkeit ist hier zu erwähnen; sie betrifft die Verbin- dung des Triturationsapparates mit der Muskulatur des Kaumagens. Während die bindegewebige Grundlage der Waffen bei Blatta orientalis durchgehends der Ringmusku- 152 Dr. Wilde: latur aufsitzt (clr. Fig. 5), habe ich zunächst aul Quer- schnitten von Locustinen und — um einmal vorzugreifen — Achetinen die Ueberzeugung gewonnen, dass nur die 6 Längs- falten, als Angriffspunkte der Muskeln, mit dieser in inniger Verbindung stehen, die Interradien dagegen sich mehr oder minder weit von dem Boden der Muskulatur abheben oder dieser lose aufliegen. Diese Thatsachen lassen sich auf doppelte Weise erklären ; einmal durch die Annahme, dass das Bindegewebe dem Muskelgewebe aufliegt, ohne eine Continuität mit demselben einzugehen, oder durch die Ver- muthung, dass sich dasselbe durch Behandlung mit Rea- gentien gewaltsam von der Muskulatur abgetrennt hat. Die erste Annahme scheint mir indess um deswillen die allein zulässige, weil sich ja sonst auch die Längsleisten bisweilen hätten mit abheben können, was jedoch nie der Fall ist. Ist die erste Annahme richtig, liegt das Bindegewebe also der Muskulatur lose auf, so ist der Hohlraum zwischen beiden nur ein ideeller, und es repräsentiren beide Gewebe an der Berübrungsstelle Verhältnisse, wie die congruenten Ge- lenkflächen der höheren Thiere. In letzter Instanz dürfte dadurch auch eine freiere Beweglichkeit der Zähne er- möglicht und ein grösserer Kaueffekt erzielt werden. Die Entwicklung dieses sonderbaren Apparates, so- weit dieselbe in die nachembryonale Lebensperiode hinein- reicht, untersuchte ich vorzugsweise an Locusta viridissima, da Eier von den übrigen Orthopteren, die ich zur Ent- wicklung hätte bringen können, nicht zu beschaffen waren. Bei dem Ausschlüpfen aus dem Ei ist Locusta viridissima 5—6 Mm. lang. Die Zähne der mittleren Reihe sind be- reits weit ausgebildet und haben die in Figur 10 wieder- gegebene Form. Eine besondere membrana propria ist noch nicht zu erkennen, dagegen möchte ich die vorhan- denen, sehr grossen, rundlichen Zellen (cfr. dieselbe Fig.), welche noch keine epitheliale Anordnung zeigen, als Epi- thel plus Bindesubstanz auflassen. Die Cuticula ist natürlich ebenfalls noch wenig diffe- renzirt und präsentirt sich als eine sehr dünne, glashelle, vollkommen homogene Membran. Sie ist auf ihrer ganzen Oberfläche vollständig glatt und haarlos und ihr Tritu- Untersuchungen über den Kaumagen der Orthopteren. 153 rationswerth daher ein noch sehr geringer. Eine durch die ganze Länge des Kaumagens ziehende radiäre Leiste, wie sie später gefunden wird, ist noch nicht vorhanden, ebenso fehlen die rechts und links neben den grossen Zähnen ge- legenen kleineren. Die Zwischenräume — „Rinnen" fRam- dohr) — zwischen den grossen Zähnen werden ausgefüllt durch eine sehr flache Falte, die ebenfalls mit einer sehr dünnen Chitinschicht bekleidet ist. Diese Längsfalte ist es, welche sich bis zur nächsten Häutung, der ersten im nachembryonalen Leben, in die beiden rechts und links von den mittleren gelegenen, reihenweise angeordneten kleinen Zähne und in die continuirlich durch den Kau- magen verlaufende Längsfalte differenzirt. Sie ruht mit breiter Basis auf der noch sehr wenig entwickelten, wenige Faserzüge zeigenden Ringmuskulatur. Diese letztere ist natürlich auch hier quergestreift und lässt die sehr grossen Zellkerne deutlich erkennen, was auf späteren Larvensta- dien nicht in dem Grade mehr der Fall ist. Die folgenden Larven, welche ich einer Untersuchung unterzog, waren etwa 4 Wochen alt. Es waren sämmtlich Thiere, welche die erste Häutung hinter sich hatten und eine Länge von etwa 8—9 Mm. besassen. Bei ihnen ist der Kaumagen beträchtlich weiter entwickelt. Die Falte zwischen den grossen Zähnen zeigt eine Differenzirung in 3 Stücke, in die Längsleiste und die beiden rechts und links von ihr gelegenen Falten, welche letztere bereits in einzelne Zähne segmentirt sind (cfr. Figur 11). Das Mutter- gewebe der Cuticula besteht auch hier noch aus Zellen von mehr oder minder rundlicher Form und sehr grossen Zell- kernen. Zu einer Differenzirung in Bindesubstanz und Epithel scheint es auch hier noch nicht zu kommen. Die Cuticula dagegen hat beträchtlich an Dickenwachsthum zugenommen, ist zwar ebenfalls, wie auf der vorigen Ent- wicklungsstufe, wasserhell, trägt aber in ihrer ganzen Aus- dehnung borstenartige, solide Haare, die an ihrer Basis beträchtlich stärker sind und darum von mir die Bezeich- nung Stachelhaare erhalten haben. Auch die Ringmusku- latur ist stärker geworden und lässt noch immer die Zell- kerne deutlich erkennen. 154 Dr. Wilde: Das dritte Larvenstadium, welchem die Thiere von etwa 12 — 15 Mm. Länge entsprechen, weist wiederum einen wesentlichen Fortschritt aut. Die Zähne der mittleren Serie eines jeden der 6 Tnterradien haben ihre definitive Gestalt erreicht. Die Bindesubstanz ist weit beträchtlicher ent- wickelt und tritt als selbständiges Gewebe auf. Das Epi- thel besteht an einzelnen Stellen, wie z. B. in den Längs- falten, aus langgezogenen, spindelförmigen Zellen, die sich immer mehr zu einem aus dicht neben einander gelegenen Zellen bestehenden Cylinderepithel anordnen. Die Zell- kerne erscheinen nicht mehr rund, sondern sind in die Länge gezogen. Die Cuticula hat die charakteristische gelblich-braune Farbe des Chitins angenommen und trägt auf ihrer gesammten Oberfläche, namentlich aber auf den Spitzen der grossen Zähne, dicht neben einander stehende, solide Stachelhaare, während die Seitenränder und kleinen Zähne zum ersten Male mit einem sehr dichten, aus dünnen, aber ebenfalls soliden Haaren bestehenden Haarsaum be- setzt sind. Der übrige Theil der Oberfläche der Chitin- schicht — und das gilt für alle späteren Entwicklungs- stadien allgemein — , ist durchweg mit Stachelhaaren ver- sehen, so dass sie einem Reibeisen nicht unähnlich ist. Auch die Längsleiste ist von einer dicken Cuticula über- zogen. Diese erscheint bei allen Larven dieses Entwick- lungsstadiums chagrinirt. Während des vierten Stadiums, also nach der dritten Häutung, sind die Thiere etwa 20 Mm. lang. Der Kau- magen hat einen beträchtlichen Durchmesser. Sämmtliche Zähne und Leisten haben ihre definitive Gestalt angenom- men. Das Bindegewebe hat eine dem Flächen wachsth um parallelgehende weitere Differenzirung erfahren. Die Epi- thelzellen sind beträchtlich in die Länge gezogen. Die Cuticula zeigt stärkere Borsten und Stachelhaare. Auf dieses Stadium folgt das fünfte und letzte, das des erwachsenen Thieres. Der Kaumagen lässt äusserlich schon deutlich seine innere Struktur erkennen. Alle Zähne haben an Grösse wiederum bedeutend zugenommen. Die Cuticula ist sehr dick und dunkelbraun. Die Stacheln der üntersQchuDgen über den Kaumagen der Orthopteren. 15.5 grossen Zähne haben sämmtlich einen grösseren Dicken- durchmesser. Den Kaumagen dieser ausgewachsenen Form unter- suchte ich ausser auf Querschnitten auch auf Längsschnitten. Die grossen Zähne der mittleren Serie jedes Interradius, welche ein einziges System repräsentiren, stehen, den Quer- schnitten nach zu urtheilen, senkrecht auf der Längsachse. Auf Längsschnitten jedoch findet man, dass alle diese Zähne an ihrer Spitze eine Neigung von etwa 45*^ nach dem Chylusmagen zu haben (cfr. Fig. 8 b). Dasselbe gilt auch für die rechts und links von der grossen Serie ge- legenen kleineren. Diese letzteren bestehen aus Zähnen, welche, im Profil gesehen, die in Fig. 8 a wiedergegebene Gestalt haben. Auf dicken Quer- und Längsschnitten er- kennt man ferner, dass die kleinen Zähne auf der dem grossen Zahne zugekehrten Seite eine muldenförmige Ver^ tiefung haben, welche mit höckerartigen Yorsprüngen be- setzt ist. Jede dieser Vertiefungen nimmt während des Kauaktes eine der seitlich vorspringenden Spitzen der grossen Zähne auf, so dass beide wie Mahlzähne gegen- einanderwirken, wodurch ein Kauakt in aller Form zu Stande kommt. Die Neigung der Spitzen sämmtlicher Zähne nach dem Ende des Kaumagens zu ist für den Weg, den die Speise zu nehmen hat, von grosser Bedeutung; wir erkennen daraus, dass sie nicht bloss einen Triturations- werth haben, sondern dass sie gleichzeitig dazu bestimmit sind, eine Regurgitation des Chymus zu verhindern. Unter dem allgemeinen Muskeldrucke würde begreiflicher Weise eine Ausweichuug der Speise nach verschiedenen Rich- tungen hin erfolgen, durch diese Richtung der Zahnspitzen, welchen sonach eine ähnliche Aufgabe, wie den Klappen im Herzen zufällt, wird dem Transport der Nahrung eine ganz bestimmte Richtung angewiesen. Am hintern Ende des Kaumagens ist ein Klappenverschluss um deswillen nicht nöthig, damit die gekaute Speise ungehindert in den Chylusmagen übertreten kann. ,1 Decticus verrucivorus L. Diese Gattung ist die gefrässigste in der Familie der 156 Dr. Wilde: Locustinen. In der Get'angeDSchaft fressen sich die Thiere untereinander auf, was übrigens auch hervorragende Exem- plare von Locusta viridissima thun. Brachte ich zwei zusammen, so begann, auch wenn sie von gleicher Grösse waren, alsbald ein Kampf auf Tod und Leben. Der Sieger frass dem Besiegten regelmässig die Eingeweide aus, ein Beweis, wie sehr diese Thiere an animalische Kost gewöhnt sind. Es muss auf der Hand liegen, dass bei einer solchen Gefrässigkeit der Kaumagen zu einer ausserordentlichen Entwicklung gelangt. Ich untersuchte nur ausgewachsene Decticiden und muss mich daher auf eine Beschreibung dieses Entwicklungsstadiums beschränken. Auf dem Flächenbilde erkennt man zunächst, dass der Kaumagen noch weiter in den Kropf zurückgreift, als das bei Locusta der Fall ist. Erheben sich bei dieser auf den 6 Hauptfalten des Kropfes 7 zahnartige Vorsprünge, so kommen bei Decticus deren 8 und 9 vor, ja ich zählte sogar in einem Falle 12. Es documentirt dies zur Gentige, dass bei Decticus der Kropf mehr noch als bei Locusta an der Trituration theilnimmt. Die ersten 4 beziehentlich 5 oder 8 dieser Vorsprünge sind scharf zugespitzt. Die Spitzen sind dem Kaumagen zugekehrt und mit soliden Stachelhaaren versehen. Die letzten 4 dagegen erscheinen abgerundet. Ihnen fehlen die Stachelhaare, dafür aber sind sie mit dünnen Haaren in so beträchtlicher Anzahl besetzt, dass diese einem pelzartigen üeberzuge vergleichbar werden. Dass gerade diese letzten 4 zahnartigen Gebilde abge- rundet und nicht mit Stachelhaaren besetzt sind, entspricht dem Umstände, dass sie die Bestimmung haben, den Kau- magen gegen den Oesophagus hin abzuschliessen, also den Magenmund zu bilden, welche Abschliessung nicht in dem Grade erfolgen würde, wären die Vorsprünge mit mehr oder minder weit in das Innere des Oesophagus vorsprin- genden Stachelhaaren besetzt. Obwohl der ausgewachsene Decticus die Grösse einer ausgewachsenen Locusta wenig oder gar nicht überschreitet, so tibersteigt doch der Durchmesser seines Kaumagens den Durchmesser des Kaumagens bei der letzteren um mehr als das Doppelte. Auch die Muskulatur ist in demselben Untersuchungen über den Kaumagen der Orthopteren. 157 Verhältnisse entwickelt, woraus hervorgeht, dass der Kau- magen mehr zu leisten berufen ist, als bei Locusta. Die Membrana propria ist beträchtlich weiter ausgebildet. Die Cuticula ist fast schwarzbraun. Die Stachelhaare stehen zwar an Länge hinter denen der Locusta zurück, sind aber von um so grösserem Dickendurchmesser. Gegen das Ende des Kaumagens verschwinden die Stachelhaare immer mehr und mehr und an ihre Stelle tritt, analog den Verhältnissen im Oesophagus, ein dichter Haarbesatz. Während die ra- dialen Längsleisten im vorderen Dritttheil des Kaumagens sehr klein sind und kaum die halbe Höhe der seitlichen Zähne erreichen, erheben sie sich weiter nach hinten so bedeutend, dass sie an Länge fast die kleinen Zähne über- treffen. Gegen das Ende des Kaumagens flachen sie sich, wie bei allen von mir untersuchten Orthopteren, in der Weise ab, dass die äussersten resp. hintersten Enden sich zwar mit ihren Seitenrändern unter einem spitzen Winkel berühren, aber keineswegs zu den von Graber *) be- schriebenen ei- oder kugelförmigen Anschwellungen ver- schmelzen. Derselbe Autor führt auch an, dass die Wandungen des Kaumagens der Grillen und Laubheuschrecken nur aus 2 Membranen bestünden, nämlich aus Chitin- und Muskel- haut. Diesen Angaben gegenüber will ich nur hervorheben, dass bereits Ramdohr 3 Schichten in der Wandung des Kaumagens nachgewiesen hat, nämlich eine äussere, eine innere und zwischen beiden die „flockige" Schicht. y. Meconema varium. Diese Gattung tritt erst gegen Anfang des Sommers auf. Das einzelne Thier wird kaum halb so gross, als Locusta viridissima und Decticus. Die Körperlänge beträgt 17—18 Mm. Trotzdem haben diese Thiere einen ausser- ordentlich ausgebildeten Kaumagen. Zwar stimmt derselbe überall mit dem Kaumagen von Locusta überein, jedoch \) a. a. 0. pag. 45. Fig. la. 158 Dr. Wilde: fiel mir auf, dass die Stachelhaare ungewöhnlich ausge- bildet und unverhältuissmässig gross sind, obwohl der Durchmesser des Kaumagens und die Länge der einzelnen Zähne bei einer Locusta von gleicher Grösse die doppelte Grösse haben. Aus diesem Umstände kann man wohl mit Recht schliessen, dass die betreifenden Thiere trotz ihrer Kleinheit eine grosse Gefrässigkeit besitzen. Vergleichen wir den Kaumagen der Blattinen mit dem Kaumagen der Locustinen, so tritt uns zunächst das Ge- meinsame entgegen, dass beide mit 6 grossen und zwischen je zwei derselben mit 3 kleineren Längsfalten ausgestattet sind. Während die grossen Falten bei den Locustinen in eine grössere Anzahl ungleicher Segmente zerfallen, welche Einrichtung eine grössere und freiere Vei-schiebung der einzelnen über einander gelegenen Abschnitte des Kau- magens erlaubt, treffen wir bei den Blattinen nur zwei, und rechnen wir die „Taschen" zweiter Reihe mit hinzu, drei solcher Gliederungen. Von den drei kleineren Längs- falten sind bei den Locustinen zwei ebenfalls segmentirt, die dritte, mittlere, nicht. Bei Blatta sind allerdings alle drei Leisten nicht segmentirt, doch haben die grossen Zähne der Blattinen in Folge der seitlichen Vorsprüuge (cfr. Fig. 5) sehr grosse Aehulichkeit mit den grossen Zähnen der Locustinen. Denkt man sich die grossen Zähne der Blattinen segmentirt, so hat man dieselben Verhältnisse, wie bei den Locustinen. Dass die taschenartigen Vor- sprünge eine von den grossen Zähnen der Locustinen sehr verschiedene Form haben, involvirt keineswegs eine grössere Abweichung, um so weniger, als die letzten Zähne im Kau- magen der Locustinen und Achetinen, unter sich verglichen, ebenfalls grosse Abweichungen von den vorhergehenden Zähnen zeigen und kaum als Zähne desselben Kaumagens wieder zu erkennen sind (cfr. Fig. 16). Darin aber stim- men alle Kaumagen der Locustinen und Blattinen überein, dass die Falten des in den Chylusmagen eingestülpten Theiles nicht segmentirt sind. Für mich resultirt aus diesen Betrachtungen, dass der gesammte Bau des Kaumagens der Blattinen prinzipiell nicht verschieden ist von dem Bau des Kaumagens der Locustinen. Untersuchungen über den Kaumagen der Orthopteren. 159 d. Achetinen. a. Gryllus domesticus L. (Acheta Fabr.) Der Kaumagen der Achetinen nimmt, wie der der Lo- custinen, seinen Anfang im Oesophagus. Letzterer weicht in seinem Bau etwas von dem Oesophagus der Locustineu ab. Während der Kropf dieser sich trichterförmig gegen den Anfang des Kaumagens hin verengert, dann aber plötz- lich sich zum Kaumagen erweitert, ist bei den Achetinen der Kropf durch einen sehr engen Kanal, der den Magen- mund bildet, scharf von dem Kaumagen geschieden. Dieser enge Kanal zeigt in seinem Innern einen wesentlich an- dern Bau, als der Kropf. Während dieser, wie der vor ihm gelegene Theil des Oesophagus, zahlreiche faltenartige Vorsprünge in das Innere — ich zählte auf verschiedenen Querschnitten 26, 29, 46 — aufweist, von denen meist zwei verschieden weit in das Oesophaguslumen vorspringen, in einigen Fällen sogar weit über die Mitte des Lumens hinaus sich erstrecken, finden wir in dem letztern, nach Analogie des Oesophagus der Locustinen, 6 Längsfalten, die ihrer- seits wiederum zahnartige Vorsprünge tragen. Diese letz- teren besitzen jedoch in keinem Falle eine stachelartige Bekleidung, sie sind vielmehr abgerundet und mit einem nur spärlichen Haarsaum versehen. Daraus geht hervor, dass der Oesophagus resp. Kropf der Achetinen weniger an der Trituration theilnimmt, als der der Locustinen und immer weiter von den Verhältnissen der Acridier sich ent- fernt. Er dient zum Aufspeichern der Nahrung. Durch- gehends vermisst man jedoch die beiden zwischen den 6 Hauptfalten gelegenen kleineren Falten. Alle Quer- schnitte weisen nur 6 Falten auf. Die Cuticula ist dünn und chagriuirt, indem die Haare, die bei den Locustinen eine bedeutende Länge erreichen, bei Gryllus domesticus und campestris fast ganz verschwunden sind. Um so in- tensivere Wirkung erzielt jedoch der Kaumagen selbst, der zwar im Princip ebenfalls mit denen der Locustinen übereinstimmt, dessen einzelne Zähne aber weit compli- cirter sind. Der Kaumagen zeigt wiederum sechs radiär ange- 160 Dr. Wilde: ordnete Längsleisten und zwischen diesen 6 Interradien, von denen ein jeder 15 hinter einander angeordnete, auf dem Flächenbilde schuppenförmig über einander liegende Zahnsysteme aufweist (cfr. Fig. 21). Jedes derselben ist zusammengesetzt aus 3 Zähnen, einem mittleren grossen und zwei seitlich gelegenen kleineren. Während die beiden letzteren nur wenig von den entsprechenden Zähnen im Kaumagen der Locustinen abweichen, ist die Gestalt der grossen Zähne wesentlich verschieden. Die grossen Zähne des ersten Zahnsystems haben keine Spitzen, sondern sind abgestumpft. Die übrigen, mit Ausnahme der letzten, be- stehen aus drei Stücken, einem centralen und zweien seit- lichen, welche sich V-förmig an das centrale Stück an- schliessen. Diese- letzteren sind linsenförmig gewölbt und nur mit sehr schmaler Fläche an das centrale Stück ange- wachsen, weshalb man auch auf Querschnitten immer zwei bogenförmig nach unten convergirende Contouren bemerkt (cfr. Fig. 21c). Diese Theilstücke des grossen Zahnes tragen auf ihrer Firste einen schopfförmigen Haarbüschel, bestehend aus sehr langen und steifen Chitinhaaren. Von ausserordentlich complicirtem Bau ist das centrale Stück der grossen Zähne. Es trägt 5 nach innen hervorragende Zapfen, einen mittleren von pj^amidaler Form, besetzt mit dornenartigen, stumpfen Haaren und vier seitlich gelegene, die eine mahlzahnartige Bildung haben (cfr. Fig. 15 u. 21). Jeder dieser Mahlzähne wirkt bei der Trituratiou gegen den entsprechenden Zahn der gegenüberliegenden Serie, genau wie die Mahlzähne im Kiefer höherer Thiere. Durch diese Einrichtung gewinnt der Zahnapparat einen besonders hohen Triturationswerth. Die Zähne der beiden übrigen Serien eines Interra- diums sind wesentlich gedrungener, als die der Locustinen und haben, im Profil gesehen, die in Figur 13 wiederge- gebene Form. Der obere, den Längsleisteu zugekehrte Theil dieser Zähne, besitzt ebenfalls eine Kaufiäche, welche gegen die Kaufläche des gegenüberliegenden kleinen Zahnes wirkt. Am Eingänge in den Kaumagen sind die Längs- leisten ausserordentlich klein und niedrig, dafür aber um so breiter. Gegen die Mitte des Kaumagens erheben sie tintersnchungen über den Kaumagen der Orthopteren. 161 sich um das Doppelte und erreichen die halbe Höhe der seitlichen Zähne. Auf der dem Innern des Kaumagens zugewendeten Oberfläche besitzen sie eine rinnenartige Ver- tiefung. Gegen das Ende des Kaumagens werden sämmt- liche Zähne schmäler und länger. Das pyramidale mittlere Stück jedes grossen Zahnes trägt weit mehr stachelartige Vorsprünge, als im vorderen Theile des Kaumagens. In einem Falle bemerkte ich sogar eine Spaltung in zwei Spitzen. Die mahlzahnartigen Erhabenheiten der grossen Zähne rücken immer mehr nach oben, bis sie schliesslich ganz verschwinden. Im hintern Theile des Kaumagens werden die Spitzen der Zähne immer länger, sie entbehren der plattenartig aufliegenden Chitinschicht und tragen statt deren Haare. Da ihre Länge so beträchtlich ist, dass sie bis über die centrale Achse hinaus in den Kaumagen vor- springen, so schieben sie sich mit ihren Spitzen zwischen die gegenüberliegenden Zähne. Ihre Gestalt ist fast spiess- förraig und erinnert lebhaft an die der grossen Zähne im Kaumagen der Locustinen um so mehr, als sie rechts und links, wie diese, seitliche Vorsprünge tragen. Die Längs- leisten sind verschwunden und es sind nur noch die Zähne der beiden seitlichen Serien in rudimentärer Form vor- handen. Das Ende des Kaumagens steckt ebenfalls, wie bei den Locustinen, im Anfangstheil des Chylusmagens und ergiesst seinen Inhalt in diesen letzteren. Dieser Zahnapparat wird getragen von einer sehr dicken, aus zahlreichen Faserzügen bestehenden Ringmus- kulatur, ebenfalls mit deutlicher Querstreifung. Die Längs- leisten sitzen, wie bei den Locustinen, der Ringmuskulatur auf. Rechts und links von ihnen heftet sich das Stützge- webe der verschiedenen Zahnserien an. Es ist auch hier, wie bei allen Orthopteren, ein elastisches, zellig blasiges Bindegewebe. Dieser membrana propria sitzt ebenfalls ein Cylinderepithel auf und auf diesem lagert, als Ausschei- dungsprodukt desselben, eine bald mehr, bald minder dicke Schicht, die Cuticula, deren Oberfläche sehr verschieden beschaffen ist. Bald ist sie vollständig glatt, so z. B. auf den pyramidalen Spitzen der grossen Zähne, den mahl- zahnartigen Vorsprüngen; bald gestreift, wie auf den seit- Archiv für Naturg. XXXXIII, Jahrg. 1 BU. 11 162 Dr. Wilde: liehen Theilstücken der grösseren Zähne; bald mit Haaren besetzt, wie an den Seiten der kleineren Zähne; endlich auch chagrinirt, so auf der Kaufiäehe der radialen Längs- leisten. Alle Zähne sind namentlich an ihrer Spitze nach hinten gerichtet. ß. Gryllus campestris (Acheta Fabr.). Der Kaumagen von Gryllus campestris stimmt in allen Theilen mit dem Kaumagen von Gryllus domesticus über- ein. Beide Kaumägen sind durchzogen von Tracheen. Sie treten schon im Oesophagus auf und verlaufen im Kau- magen an der Basis der grossen Zähne (cfr. Fig. 21) und zwar an der Stelle, wo das Bindegewebe sich bogenförmig nach innen biegt, um die Zahnpapillen zu bilden. Es ist mir nicht möglich gewesen, ausser diesen zwei Haupt- stämmen auch seitliche Verzweigungen nachzuweisen, doch zweifle ich nicht daran, dass die Verhältnisse denen bei Gryllotalpa analog sind. Im Oesophagus von Blatta er- kannte ich ebenfalls Tracheen, zwischen Muskulatur und Bindegewebe gelegen. Dagegen hat es mir bei den Lo- custinen nicht gelingen wollen, mit Sicherheit Tracheen im Kaumagen nachzuweisen. Obwohl ich an derselben Stelle, wie bei den Achetinen, rechts und links an der Basis der grossen Zähne, je einen Kanal gewahrte, der auf allen Querschnitten wiederkehrte, also sich durch den ganzen Kaumagen erstreckt, habe ich vergebens gesucht, darinnen die charakteristische Ringclung der Tracheen nachzuweisen. Trotzdem bin ich jedoch überzeugt, dass sie nichts anderes, als Tracheen darstellen. y. Gryllotalpa vulgaris Latr. Der Kaumagen von Gryllotalpa vulgaris erreicht von allen Orthopteren, die ich in den Bereich meiner Unter- suchungen zog, die bei weitem grösste Ausbildung und Zusammensetzung. Er repräsentirt einen ganz gewaltigen Apparat, welcher der Gefrässigkeit dieser Thiere vollkom- men parallel geht. Auch hier nimmt derselbe, wie bei Gryllus domesticus und campestris, seineu Anfang in dem- Untersuchungen über den Kaumagen der Orthopteren. 163 jenigen Theile des Oesophagus, der zwischen Kropf und Kaumagen gelegen ist. Dieses Theilstüek des Oesophagus bildet ebenfalls wie bei Grjilus, eine kurze, sehr enge Röhre und stimmt seiner innern Struktur nach vollkommen mit dem entsprechenden Stück der beiden erwähnten Spe- cies überein. Bei der Untersuchung dieses Theiles des Oesophagus fielen mir die grossen Tracheenstämme auf, die ich schon oben erwähnte. Auf allen Querschnitten zählte ich deren 6 Paare. Sie haben ein sehr beträchtliches Lumen und sind anfangs an der Aussenwand paarweise derart ange- ordnet, dass sie der Basis einer jeden der innern 6 Längs- falten gegenüber liegen. Weiter nach dem Kaumagen zu durchsetzen sie die Muskulatur, so dass sie der Innenwand derselben aufliegen und schliesslich in die Basis derjenigen Falten eindringen, welche die mittlere Zahnserie tragen. Um jedoch nicht vorzugreifen, werde ich später über ihren weiteren Verlauf Ausführlicheres berichten. Der Kaumagenmund, der hier in höherem Grade als bei allen übrigen Orthopteren die Eigenschaften eines sol- chen besitzt, wird gebildet durch 6 Paar hinter einander gelegene, zahnartige Vorsprünge, von denen die ersteren bez. vorderen kleiner sind, als die darauf iolgenden hin- teren resp. inneren. Sie haben die Aufgabe, die Speise zurückzuhalten. Auf ihn folgt der Kaumagen, der nur graduell von dem Kaumagen der beiden vorigen Species verschieden ist. Wir finden wiederum die 6 radiär ge- stellten Längsleisten und zwischen ihnen 6 Interradien, von denen jeder wieder 3 Serien Zähne enthält, eine mitt- lere und zwei mit derselben V-förmig convergirende seit- liche Reihen. Jede Serie besteht aus 16 hinter einander gelegenen Zähnen, welche in der Form insgesammt mehr oder weniger von den Zähnen im Kaumagen von Gryllus campestris und domesticus abweichen. Die Zähne der bei- den seitlichen Serien eines jeden Interradius sind lang und schlank und besitzen keine eigentlichen Kauflächen, was doch bei den entsprechenden Zähnen der übrigen Ache- tinen der Fall ist (cfr. Fig. 17 u. 22). Ich kann ihnen daher diesen gegenüber nur einen sekundären Werth bei- i64 Dr. Wilde: messen. Während bei Gryllus campestris und domesticus die Cbitinschiebt dieser Zäbne mebr glatt und mit stacbel- artigen Erbabenbeiten verseben ist, berrscbt bei Gryllotalpa der Haarbesatz vor. Die mittleren grossen Zäbne weieben ebenfalls merklieb in ibrem Bau ab. Sie sind zwar aueb aus 3 Tbeilstücken zusammengesetzt, jedoeb mit dem Un- terscbiede, dass die beiden seitlicben eine innigere Ver- wacbsung mit dem centralen Stück eingeben. Wenn man den Querscbnitten nacb urtbeilt, so könnte es erscheinen, als bätte das centrale Stück eine ausserordentlich abwei- chende Gestalt von jenem bei Gryllus domesticus und cam- pestris. Studirt man dagegen den Kaumagen auf Längs- schnitten, so gewinnt man die Ueberzeugung, dass die mittleren Zäbne nur wenig von den entsprechenden Ge- bilden der Grylliden abweichen. Das centrale Stück ist zwar weniger von pyramidaler Gestalt, sondern erscheint knieförmig geknickt (cfr. Fig. 18); auch vermissen wir an demselben die dornenartigen Vorsprünge, aber wir haben dafür rechts und links nach vorn vorspringende Kauflächen, welche den Zahn auf dem Querschnitte sattelförmig aus- gebucbtet erscheinen lassen. Diese Kauflächen wirken wie zwei Mahlzäbne gegen entsprechende Kauflächen der grossen Zähne des anliegenden Interradius (cfr. Fig. 22), was man auf gut gehärteten Präparaten, auf denen sich die Ring- muskulatur sehr contrabirt hat, deutlich erkennen kann. Zu beiden Seiten dieses centralen Stückes bemerkt man zwei kauzabnartige Bildungen, wie wir sie in ähnlicher Gestalt schon bei Gryllus domesticus und campestris kennen gelernt haben (cfr. Fig. 22). Auf den Längsschnitten haben sie die in Figur 19 wiedergegebene Form. Die seitlichen Tbeilstücke, welche die Basis der grossen Zähne verstärken, tragen auf ibrem oberen Tbeile ebenfalls einen Haarschopf. Unbegreiflich erscheint es solchen Thatsacben gegenüber, wenn Plateau^), wohl wissend, dass er sieb im Gegen- satz zu allen übrigen Ortbopterologen befindet, dennoch dem Kaumagen jeden Triturationswerth abspricht und den- selben zu einem blossen Filtrirapparat degradirt. 1) Recherches sur les phenomenfH (\e la dipfeation chez les Insectes. Gant, 1874. p. 72. Untersuchungen über den Kaumagen der Orthopteren. 165 Die histologischen Verhältnisse zeigen eine vollkom- mene Analogie mit den übrigen Achetinen. Eine sehr dicke Ringmuskulatur trägt auch hier ein stark entwickeltes Bindegewebe. Diesem liegt auf seiner ganzen Oberfläche ein Cylinderepithel auf. Die Cuticula ist ausserordentlich dick und von schwarzbrauner Farbe. Sie ist sehr hart und trägt namentlich an den Seiten, wo sie die Contouren der Kauzähne bildet, zahlreiche Haare. Von besonderem Interesse jedoch sind die Tracheen und ihre Verästelungen. Im Oesophagus lernten wir sie bereits kennen. Beim Eintritt in den Kaumagen trennen sich die beiden Stämme der sechs Tracheenpaare und treten, sich vielfach verästelnd und wieder anastomosirend, in den Interradius ein. Hier kann man überall die beiden Haupttracheenstämme verfolgen (cfr. Fig. 22), welche sich wie Meridiane, jedoch ebenfalls unter vielfacher Theilung, durch den eiförmigen Kaumagen hindurchziehen. Am Ende des Kaumagens treten sie aus dem Interradius heraus, mit einander convergirend. An jedem Zahne zweigt sich ein kleiner Tracheenast ab und tritt, innerhalb des Bindege- webes sich wieder in zahlreiche Aestchen spaltend, in diesen ein. Obwohl ich diese letzteren nur bis zur Mitte der Zähne verfolgt habe, zweifle ich keineswegs daran, dass auch die äussersten Spitzen von Tracheen durchzogen sind. Dass ich die Verhältnisse nur bei Gryllotalpa hin- reichend erschliessen konnte, hat seinen Grund darin, dass hier der Kaumagen zu einer bisher nicht gekannten Ent- wicklung gelangt. Das Ende des Kaumagens von Gryllotalpa vulgaris stimmt im Wesentlichen mit dem entsprechenden Stück des Kaumagens der übrigen Achetinen überein. Nur darin weicht es von diesem ab, dass sich die Längsleisten bis an das letzte Zahnsystem der 6 Interradien erstrecken. Die Häutung. Der Häutung der äusseren Körperbedeckung geht in allen Fällen eine Häutung des Kaumagens und Oesophagus voraus. Die Vorgänge bei der ersteren habe ich mikro- 166 Dr. Wilde: skopisch nicht verfolgt. Da jedoch meine Wahrnehmungen theiiweise eine Ergänzung der Beobachtungen Ratze- burg'sO sind, welcher nicht alle Entwicklungsstadien eines und desselben Thieres verfolgte, so mögen sie hier eine Stelle finden. Während ich bei Gryllus campestris und domesticus, sowie bei Gryllotalpa die Häutung nur in je einem Falle beobachtete, gelang es mir, bei Oedipoda und Locusta sämmtliche Häutungen makroskopisch zu verfolgen. Von Oedipoda brachte ich Eier selbst künstlich zur Entwick- lung, von Locusta aber sammelte ich junge Larven im Freien beim Ausschlüpfen aus dem Ei. Ich habe von bei- den Species einzelne Exemplare bis zur vollsten Entwick- lung gezüchtet und die 4 Häutungen an mehreren Exem- plaren beobachtet. Beim Verlassen des Eies sind die Lärv- chen vollständig flügellos und etwa 6 Mm. gross. Nach ungefähr 4 Wochen häuten sie sich das erste Mal und ihre Länge beträgt dann ungefähr 8—9 Mm. Nach der zweiten Häutung, die ebenfalls etwa 4 Wochen später eintritt, be- sitzen die Larven ganz kleine Flügelstummel in Form sehr winziger Läppchen, Die einzelnen Larven haben auch auf dieser Stufe der Entwicklung ungleiche Grösse. Im Ganzen entsprechen die Thiere von 11 — 13 Mm. Länge diesem Stadium. Von jetzt an eilt Oedipoda der Locusta in Bezug auf die Grössenverhältnisse immer etwas voraus. Durch die 3. Häutung werden die Thiere etwa 20 Mm. lang. Die Flügel erreichen die volle Länge des Abdomens. Nach der 4. Häutung hat das Thier seine definitive Gestalt an- genommen und ist etwa 30 — 32 Mm. lang. Durch die jedesmalige Häutung wird die Ernährung des Thieres für die ganze Dauer dieses Prozesses gestört, was eine vollständige Entleerung des Darmkanales zur Folge hat. Während dieser Periode wird das Thier ruhig, es verkriecht sich und liegt fast regungslos da. Dasselbe constatirt auch Rengger^) von der Raupe der Sphinx 1) Die Forstinsekten. Bd. III. p. 263. 2) Physiologische Untersuchungen über die thicrische Haus- haltung der Insekten. Tübingen 1817. S. 51. Untersuchungen über den Kaumagen der Orthopteren. 167 Euphorbiae vor deren Häutung. Ausser der Athmung, welche an der Hebung und Senkung der Leibeswand erkennbar ist, bemerkt man kein äusseres Lebenszeichen. Die Spren- gung der Leibeswand beobachtete ich nicht, doch habe ich Ursache, zu vermuthen, dass sie an der Brust erfolgt, wäh- rend sie nach Rengger bei Sphinx Euphorbiae dicht hinter dem Kopfe vor sich geht. Plötzlich fand ich dann das Thier an irgend einem Gegenstande, einem Grashalme, Blatte, auch an der über dem Cylinder *) ausgespannten Gaze mit den langen Hinterbeinen angehäkelt, die alte Körperhaut wie ein Kleid ausziehend. Andere frassen die geborstene, alte Chitinhaut ab. Ob diese jedoch den Darm- traktus passirt, was wahrscheinlich ist, kann ich nicht mit Bestimmtheit nachweisen. Diesem Wechsel der äusseren Körperbedeckung geht eine Häutung des Kaumagens, sowie des Oesophagus un- mittelbar voran, während nach Braun 2) die Bildung der neuen Cuticula im Darmkanal des Krebses sehr spät nach dem Wechsel des Panzers erfolgt. Sobald sich an einem der Thiere, welche auf ein und demselben Entwicklungs- stadium standen, die Häutung vollzogen hatte, war auch jedes Mal schon die alte Cuticula des Oesophagus und Kaumagens verschwunden. Untersuchte ich aber dieje- nigen Thiere, welche eben im Begriff standen, sich zu häuten, so fand ich in allen Fällen die alte Chitinschicht des Oesophagus und Kaumagens, getrennt von ihrer Un- terlage, der bereits schon vorhandenen neuen Cuticula auf- liegen. Schneidet man den Kaiimagen der Länge nach auf, so kann man die alte Cuticula ohne Mühe unverletzt herausnehmen, ein Beweis, dass sie in toto abgelöst wird. Ueber die histologischen Vorgänge bei der Häutung der Thiere im Allgemeinen liegen meines Wissens ausser 1) Ich züchtete die Thiere in grossen Glascy lindern, 2) Ueber die histologischen Vorgänge bei der Häutung von Astacus fluviatilis. In Arbeiten a. d- zool.-zoot. Institut in Würzburg. 1675. Band II. pag. 120—161. 168 Dr. Wilde: Cartier's *j, Braun und Kerbert^) mikroskopische Be- obachtungen nicht vor. Bei den Reptilien sowohl, als auch bei dem Flusskrebse wird die Häutung durch Absonderung kleiner Cuticularhärchen eingeleitet, welche später wieder zu Grunde gehen. Ausgenommen davon sind bei den Rep- tilien nur einige Stellen des Körpers, so z. B. die Unter- seite der Schuppen, die Kapselhaut des Auges ; beim Krebse die facettirte Cornea, die Augenstiele und Innern Lamellen der Panzerduplicatur über der Kiemenhöhle. Braun ist geneigt, die soliden Haare und deren Modificationen im Oesophagus und Kaumagen des Flusskrebses den Cuticu- larhärchen des Panzers desselben Thieres gleichzusetzen. Ich möchte dies wenigstens in Bezug auf die Orthopteren nicht behaupten, da die Haare namentlich im Kröpfe von Oedi- • poda, aber auch der übrigen Orthopteren, nicht blosse Skulpturverzierungen sind, wofür Braun die analogen Bil- dungen beim Flusskrebse hält, sondern daneben einen ent- schiedenen Triturationswerth besitzen. Wollten wir ihnen in physiologischer Beziehung eine gleiche Bedeutung wie den Cuticularhärchen im Sinne Braun 's zuschreiben, dann müssten wir schliesslich die Funktion aller neuen cuticu- laren Bildungen des Darmkanales darin suchen, die mecha- nische Ablösung der alten Cuticula zu bewirken. Dass sie bei Abwerfung der alten Cuticula mit thätig sind, ist ja ersichtlich, nur ist diese Aufgabe eine rein sekundäre. Ich beobachtete die Häutungs vorgänge an drei Orthopteren - species, an Locusta viridissima, Decticus verrucivorus und Gryllus campestris, in eklatantester Weise, weil durch die eigenthümliche innere Struktur des Kaumagens begünstigt, an der letzteren. Im Voraus will ich bemerken, dass alle Haare und haarartigen Bildungen im Oesophagus und Kaumagen der Orthopteren ihre Entstehung nicht in Zell- tuben nehmen, wie das meistens bei dem Krebse der Fall ist, sie sind vielmehr solid und entstehen dadurch, dass 1) Studien über den feineren Bau der Haut der Reptilien. II. Ibidem pag. 239—259. 2) lieber die Haut der Reptilien und anderer Wirbelthiere. Arch. für rnikroskop. Anatomie. Bd. XIII. Untersuch ungeu über den Kaumagen der Orthopteren. 169 sie sofort als Haare beziehentlich Dornen auf den Chitin- zellen sich bilden, wie die Aufsätze auf den Flamraenzellen der Seepferdchen *). In keinem Falle wird die Häutung dadurch einge- leitet, dass sich, ähnlich wie bei dem Flusskrebse und den Reptilien, 2 — 5 solide Borsten auf einer Zelle bilden,' wel- chen die Aufgabe zufällt, die alte Cuticula abzulösen. Diese hebt sich vielmehr gleichzeitig an allen Stellen in der Weise ab, dass die darunter entstehende neue Cuticula als solche, gleichgültig ob in Form von Haaren oder platten- ähnlichen, haarlosen Chitinbildungen, die alte Cuticula vor sich hertreibt (cfr. Fig. 23). Sobald die alte Cuticula ab- gestreift ist, ist auch die neue schon vollkommen ausge- bildet darunter vorhanden. Sie ist zwar noch vollständig hyalin und erinnert deshalb an die Cuticula im Kaumagen eben aus dem Ei geschlüpfter Orthopteren, doch nimmt sie schon nach wenigen Tagen, wahrscheinlich durch Einwir- kung der Luft, die in sehr feinen Tracheenstämmen bis unter die Epithellage zieht, die charakteristische gelbbraune Farbe des Chitins an. Die Sekretion der neuen Cuticula muss ungemein schnell erfolgen. Jedenfalls nimmt sie nicht mehr als einen, höchstens zwei Tage in Anspruch. Auch bei Locusta viridissima und Decticus verruci- vorus erfolgt die Absonderung der feinen Chitinhaare, so- wie deren Modificationen gleichzeitig. Bei Absprengung der alten Cuticula wirken unstreitig mehrere Faktoren zusammen. Der wichtigste von allen ist wohl ohne Zweifel in der Art des Wachsthums der Zähne und der damit nothwendig verbundenen Vergrösse- rung der Fläche derselben zu suchen. Wüchsen die Zähne nur in die Länge, dann könnte eine Verschmelzung der alten Cuticula mit der neuen erfolgen, ohne dass sich eine Abstossung der ersteren nothwendig machte; so aber wachsen dieselben im Kubus, während die Chitinschicht unverändert bleibt. Erreichen nun die unter dem Chitin 1) F. E. Schulze, Ueber cuticulare Bildung und Verhornung von Epithelzellen bei den Wirbelthieren. M. Schultz e's Archiv Band V. pag. 263 flf. 170 Dr. Wilde: gelegenen Zellengevvebe eine solche Ausdehnung, dass sie unter der alten Cuticula nicht mehr Platz haben, so muss entweder eine Faltenbildung der subcuticularen Gewebe eintreten oder, da dies nicht der Fall ist, die Cuticular- schicht abgesprengt werden. In diesem Augenblicke er- folgt aber auch die Sekretion des Chitins, das, der ver- grösserten Fläche der subcuticularen Gewebe entsprechend, ebenfalls flächenhafter erscheint, so dass die alte Cuticula in allen Theilen kleiner ist, als die neue. Die Chitinsub- stanz erhärtet sofort nach dem Austritt aus den Chitino- genzellen mehr oder minder und wird so geschickt,, die alte, gesprengte Cuticula mit Leichtigkeit abzuheben. Erklärung der Abbildungen auf Tafel IX XL Tafel IX. Fig. 1. Theilstück eines Querschnittes durch das letzte Drittel des Oesophagus resp. Kropfes von Oedipoda cinerascens. a Cuticula, b pigmentirtes Cylindcrepithel, c Ringmuskulatur, Fig. 2. Zwei grosse Falten aus dem Oesophagus desselben Thieres an der Uebergangsstelle in den Chylusraagen. Von der Fläche. Fig. 3. Querschnitt durch diesen Theil des Oesophagus. a grosse Falte, b dazwischen gelegene kleinere Falten, c Ringmuskulatur, d pigmentirtes Epithel, e Cuticula. Fig. 4. Zahn aus dem Kaumagon von Blatta orientalis. a grosse j) Tasche o, b kleine »Tasche«. Fig. 5. Theilstück eines Qaerschnittes durch die Zähne desselben Kaumagens. a Zahn, b dazwischen gelegene Falten. Untersuchungen über den Kaumagen der Orthopteren. 171 Fig. 6. Querschnitt durch den Theil des Kaumagens von Blatta Orientalis, der in den Ohylusmageu eingestülpt ist. a Hauptfalteu, b Nebenfalten. Fig. 7. Unteres Theilstück eines Längsschnittes durch den Kau- magen von Blatta orientalis. a Ringmuskulatur, b Zahn, c grosse »Tasche«, d Längsmuskulatur mit der Gabehing innerhalb der »Tasche«. e Cuticula, f Bindegewebe, g Cylinderepithel, h zungenartiger Vorsprung, i gegenüberliegender Zahn. Fig. 8a. Theilstück eines Längsschnittes durch den Kaumagen von Locusta viridissima, mit den seitlichen Zähnen eines In- terradius. Fig. 8b. Desgleichen mit dem centralen Stück des grossen Zahnes und abgetrennter Ringmuskulatur. Fig. 9. Querschnitt durch den Kaumagen von Locusta viridissima. a Zahn der mittleren Serie eines Interradius, b Zahn einer der seitlichen Serien, c Längsleiste, d Hohlraum zwischen Muskulatur und Bindegewebe. Tafel X. Fig. 10. Theilstück eines Querschnittes durch den Kaumagen einer eben aus dem Ei geschlüpften Locusta viridissima. a Zahn der mittleren Serie des späteren Interradius, b Längsfalte, c anliegende Zähne. Fig. 11. Locusta viridissima, 8 Mm. lang. Querschnitt. a Grosser Zahn, b seitlicher, kleiner Zahn, c Längsleiste, d Ringmuskulatur, e Cuticula. Fig. 12. Querschnitt durch denjenigen Theil des Oesophagus von Locusta vir., der unmittelbar vor dem Kaumagen liegt» a Cuticula, b Chitinogenzellen, c Bindegewebe, d Ringmuskulatur. 172 Dr. Wilde: Untersuchungen üb. d. Kaumagen d. Orthopteren. Fig. 13. Theilstück eines Längsschnittes durch den Kaumagen von Gryllus domesticus, mit den Zähnen der seitlichen Serien. a Muskulatur, b Kauzähne. Fig. 14. Längsschnitt durch den Kaumagen von Gryllus domesticus, mit dem centralen Stück der grossen Zähne. Fi^. 15. Desgleichen durch den Kaumagen derselben Species, mit den beiden kauzahnartigen Vorsprüngen, einem grösseren und einem kleineren. Fig. 16. Querschnitt durch den hinteren Theil des Kaumagens von Gryllus domesticus. Fig. 17. Kauzähne der seitlichen Zahnsej'ie aus dem Kaumagen von Gryllotalpa vulgaris. Längsschnitt. ' Tafel XI. P^ig. 18. Das centrale Stück der grossen Zähne von Gryllotalpa vul- garis. Längsschnitt. Fig. 19. Kau- oder mahlzahnartigc Vorsprünge aus demselben Kau- magen. Längsschnitt. Fig. 20. Längschnitt durch die ganze Länge des Kaumageus von Gryllus domesticus. Fig. 21. Theilstück eines Querschnittes durch den Kaumagen von Gryllus domesticus. a Centrales Stück des grossen Zahnes, b grosser mahlzahnartiger Vorsprung, c seitliches Theilstück des grossen Zahnes, d Zahn der seitlichen Serie, e Kaufläche desselben, f Längsleiste, g Tracheen. Fig. 22. Theilstück eines Querschnittes durch den Kaumageu von Gryllotalpa vulgaris. a Tracheen. Fig. 23. Kaumagen von Gryllus cnmpestris in der Häutung. 1877. Täf.XD. Liih. InsUtuUWilh.Greve, Berl 1877. 7MJIIC. J^'^ y? ^-.^wm^ <0: i ti, -H 18. /•V~-^ CL d X-. •'ff ..-"Ä 'äx ^ m ji § H ü il i ^ ^■^ 19. /7. „Ä^:¥^ Lith InsütutvWilh.Greve.Berlm W77. Taf.Jfi: 21. zz. 23. Z7. 2"/. 30. Z5. «\1 26. ^ Z8. 29. Litti fns Ututv Wilh. Greve, Berlin. Enthelminthologica. Von Dr. von Liustow in Hameln. Hierzu Tafel XII— XIV. 1. Taenia acanthorhyncha Wedl. Im Darm von Podiceps minor bei Hagenau im Elsass gefunden. Die Form der Haken ist von WedP) und Krabbe 2) etwas anders gegeben, als ich sie gefunden habe; sie sind 0,021 mm. lang und ihre Zahl beträgt 14. Ein Wurzelast fehlt und an der untersten Stelle der Haken findet sich jederseits eine kleine dreieckige Spitze. Die kleinen Häkchen am Rostellum unterhalb des Haken- kranzes sind dreispitzig, sie messen 0,003 mm. und ist ihre Form aus der Abbildung ersichtlich. 2. Filaria Turdi n. sp. Zwischen den Magenhäuten von Turdus iliacus fand ich bei Ratzeburg in grosser Menge eine geschlechtlich unentwickelte Filaria, die im Begriff war, ihre Larven- haut abzustreifen. Das Thier ist 3,8 mm. lang und 0,12 mm. breit, dunkelgelb von Farbe, der Darm schwärzlich; der 1) Sitzungsber. d. k. Akad. XVIII, pag. 14-15, lab. IX, fig. 19—22. 2) Bidrag til kundskab om Fuglenes Baendelorme, pag. 304, tab. VII, fig. 170-171. 174 Dr. von L in stow: Oesophagus misst Vs, der Schwanz V21 der Körperlänge; letzterer ist kegelförmig mit abgerundeter Spitze, ersterer kurz vor seinem Ende eingeschnürt, so dass ein länglich- runder Endtheil entsteht, wie die meisten freilebenden Nema- toden ihn haben ; derselbe hat keinen Zahnapparat ; die Haut ist fein quergeringelt, die Muskulatur gehört zu der der Polymyarier. Der Kopf der Larve ist vorn abgerundet, seitlich mit 2 kleinen Hervorragungen. 3. Filaria ohvelafa Creplin. = Cosmocephalus dlatus Molin, = Histioccphalns spiralis Diesing. Lebt im Oesophagus von Totanus fuscus. Warum Diesing den guten Creplin'schen Namen und Molin wieder den Diesing'schen abgeändert hat, ist nicht abzusehen. Der Körper ist in der Mitte verdickt, nach den Enden zu stark verdünnt. Das Kopfende ist stumpf-conisch zugespitzt, dorsal und ventral steht je eine kuglige, hyaline Lippe und seitlich je eine ähnliche, kleinere, etwas weiter nach vorn gerückt. In jeder der Submedianlinien bemerkt man eine Papille. Starke Halskrausen, die um die Dorsal- und Ventrallippe eine Schlinge machen ; um den vorderen Theil des muskulösen Oesophagus legt sich ein dicker Nerven- ring; seitlich davon steht jederseits eine dornförmige Nackenpapille , an die vom Nervenring aus eine Nerven- faser tritt. Das Männchen ist 5,7 mm. lang und 0,24 mm. breit; der Oesophagus hat eine Länge von 0,54 mm., dessen vorderer, dünner Theil von 0,24 mm.; der Schwanz misst V21 der Körperlänge, die Halskrausen biegen 0,26 mm. vom Kopfende um, die vordere Knickung liegt 0,072 mm. von demselben ; vor der Cloake stehen jederseits 4, hinter der- selben jederseits 5 Papillen in einer Reihe, ausserdem noch 2 zwischen dem letzten Paar. Die Girren sind sehr verschieden, der rechte misst 0,13, der linke 0,42 mm. ; die Bursa ist massig breit; zwischen der 4. und 5. Papille ist ein grösserer Zwischenraum. Enthelminthologica. 175 Das Weibchen ist 9,77 mm. lang und 0,41 mm. breit; der Oesaphagus bat eine Totallänge von 0,9 mm., sein vorderer dünner Tbeil misst 0,38 mm. ; der Schwanz misst V45 der Körperlänge, die Halskrausen sind 0,44 mm. lang und 0,11 mm. vom Kopfende eingeknickt. Es enthält eine höchst ansehnliche Zahl elliptischer, dickschaliger Eier, die 0,026 mm. lang und 0,021 mm. breit sind; am Schwanz- ende steht ein eigenthümliches, becherförmiges Organ, das von Dujardin^) bereits erwähnt wird. Die Vulva liegt etwas vor der Körpermitte, der durch sie gebildete vordere Theil verhält sich zum hinteren wie 3:4. 4. Filaria tridentata m. Das zu dem von mir 2) im Darm von Colymbus arctieus gefundene Weibchen dieser Art gehörige Männchen fand ich im Oesophagus von Larus ridibundus. Die Haut ist undeutlich quergeringelt, Halskrausen fin- den sich nicht ; die Nackenpapille ist genau dieselbe, wie sie beim Weibchen beschrieben und abgebildet wurde ; sie liegt 0,2 mm. vom Kopfende entfernt. Das Männchen ist 5,5 mm. lang und 0,13 mm. breit. Der vordere nicht muskulöse Theil des Oesophagus misst 0,14 mm.; der ganze Oesophagus 0,62 mm., = Va ^^i' Körperlänge, der Schwanz ist V32 derselben lang. Der Mund hat 2 kurze, kegelförmige Lippen. Das rechte Spiculum ist an der Wurzel blasig aufgetrieben, es misst 0,11mm., das linke 0,4 mm.; beide haben an ihrer Wurzel einen Musculus retractor und protractor; das kleinere rechte scheint die Aufgabe zu haben, die Vulva zu eröff- nen, worauf das zweite , dünnere eindringt und mit ihm zugleich der Same einfliesst, letzteres folgt im Verlaufe ganz dem Vas deferens. Die Bursa ist ziemlich breit; vor der Cloake stehen jederseits 4, dahinter 5 Papillen in einer Reihe, die nach der Cloake zu stark nach innen gebogen ist, ausserdem finden sich 2 zwischen den beiden 1) Histoire des Helmiuthes pag. 101. 2) Dieses Archiv 1877, pag. 10—11, tab. I, tig-. 17. 176 Dr. von Linstow: hintersten. Zwischen der 2. luid 3. Papille ist ein grösse- rer Zwischenraum. 5. Filaria Strigis n. sp. = Trichina affinis Wedl e. p. Von den 7 als Trichina beschriebenen Species gehört nur Tr. spiralis in diese Gattung, die anderen (Trichina affinis Wedl, agilissima Molin (= Lacertae Diesing), Anguil- lae Bowman, circumflexa Polonio, Cyprinorum Diesing, microscopica Polonio) sind Nematodenlarven verschiedener Gattungen. Wedl's Art affinis umfasst ihrerseits wieder verschiedene Species; sie wurde in Felis, Canis, Meles, Talpa, Larus, Buteo, Grus gefunden. Die aus Grus (und Ciconia) habe ich bereits als Filaria Gruis beschrieben. Filaria Strigis lebt in Kapseln an der äusseren Darm- wand von Strix otus. Sie ist eine Larvenform, die sehr an Fil. Gruis erinnert; die Länge beträgt 1,3 mm., die Breite 0,085 mm. Das Vestibulum misst 0,075 mm., der vordere dünne Theil des Oesophagus 0,12 mm.; der ganze Oesophagus 0,65, der Schwanz 0,043 mm. Die Länge des Oesophagus verhält sich zu der des ganzen Thieres wie 22 : 49. Der Mund fuhrt ebenfalls 2 conische Zähne wie Fil. Gruis; letztere Art ist mehr als doppelt so gross wie diese, die Knöpfchen am Schwanzende sind bei dieser Species dagegen viel grösser und stehen viel weniger dicht als bei Fil. Gruis. Eine Filaria ist die Art zwei- fellos, und da der Name Filaria affinis bereits anderweit vergeben ist, so habe ich den obigen gewählt. 6. Trichosoma contortum Creplin. Im Oesophagus von Corvus corone, Larus ridibundus, Sturnus vulgaris, Anas crecca gefunden, bei letzteren bei- den frei, bei ersteren beiden unter dem Epithel. Am Wachsthum nimmt fast nur der hinter der Vulva gelegene Körper Theil, in dem die Fortpflunzungsorgane sich ent- wickeln, wie dasselbe bei Trichodes crassicauda der Fall ist. Bei einem geschlechtlich noch nicht entwickelten 1G,G mm. langen Weibchen verhielt sich der Körpertheil Enthelmintliologica. 177 vor der Vulva zu dem hinteren wie 4 : 6, bei einem geschlechtsreifen 26 mm. langen wie 4:17. Die Eier sind wenig constant in ihrer Grösse; die Breite schwankt zwischen 0,026 und 0,036 mm., die Länge zwi- schen 0,052 und 0,069 mm., ähnlich wie bei Trichodes crassicauda. 7. Trichosoma resectum Duj. aus Corvus glandarius. Als Altersmetamorphose findet man statt der Stachelbänder eine dunkel rothbraune Pigmenti- rung der Zellen, aus denen jene bestehen, so dass die Thiere statt der Stacheln 3 dunkle, sehr scharf markirte Längsstreifen, einen schmalen Bauch- und 2 breitere Seiten - streifen zeigen, was ihnen ein sehr eigenthtimliches Anse- hen giebt. 8. Trichosoma obtusum Rud. Im Oesophagus von Strix otus fand sich ein 13,5 mm. langes Exemplar, ohne Geschlechtsentwicklung, das im Begriif war die Larvenhaut abzustreifen. Die innere Aus- kleidung des Rectum wird mit abgestossen und finden sich noch kleine Stachelbänder; die Länge des Oesophagus beträgt V* der Körperlänge. 9. Trichosoma pachy derma n. sp. Im Oesophagus vonPodiceps minor, bei Hagenau, lockenförmig aufgerollt, wie Trichosoma contortum. Die Haut ist sehr stark , ein Rtickenband von der Breite 5 : 7 und ein Bauchband von 1 : 10 zum Körperdurchmesser fin- det sich, letzteres zeigt wenig Stäbchen; die beiden Drüsen am Ende des Oesophagus sind gelblich. Das Männchen ist 12 mm. lang und 0,096 mm. breit; der Oesophagus misst Vs der Körperlänge, die Cirrus- scheide ist bedornt (Echinotheca). Das Weibchen ist 19 mm. lang und 0,16 mm. breit; der Oesophagus ist V5 der Körperlänge gross, die glatt- schaligen Eier sind 0,052 mm. laug und 0,023 mm, breit. Archiv f. Naturg. XXXXIII. Jahrg. Bd. 1. 12 178 Dr. von Linstow: Die Unterschiede von Tr. contortum ergeben sich aus Eberth's Beschreibung dieser Art leicht. 10. Trichosoma hreve n. sp. Diese sehr zarte und feine Art lebt bei Ratzeburg im Darm von Totanus fuscus, und habe ich nur Weibchen gefunden. Die Länge beträgt 6,7 mm., die Breite 0,072 mm. Es finden sich Seitenbänder von 7 : 22 Breite zum Körper- durchmessev, in denen die Stacheln sehr spärlich stehen. Die Vulva liegt 0,08 mm. unterhalb des Endes des Oeso- phagus; die Zellen im letzteren sind sehr kurz, ihre Länge verhält sich zur Breite wie 3 : 8. Der Oesophagus misst 2/5 der Körperlänge; die Eier sind 0,049 mm. lang und 0,026 mm. breit. 11. Dispharagus denudatus Duj. Unter dem Namen Cucullanus pachystomus beschrieb ich ^) eine im Darm von Bliccopsis abramorutilus H. (so muss es statt Bliccopsis rutiloides heissen) gefundene Art, von der ich irrthümlich angab, dass das Männchen 2 gleich- lange Spicula besitze, während wiederholte Untersuchun- gen ergaben, dass dieselben ungleich sind. Damit ist aber augenscheinlich geworden, dass die Art mit Dujardins^) Dispharagus denudatus aus Cyprinus erytrophthalmus iden- tisch ist. Bei Cucullanus kann die Art also nicht stehen bleiben, mit Filaria ist sie wegen der 8 präanalen Papillen nicht zu vereinigen, und dürfte es am zweckmässigsten sein, ihr ftir's erste den alten Namen zu lassen. In Squa- lius cephalus gefundene Männchen haben links 8, rechts 7 präanale Papillen, ausserdem steht noch weit zur Seite gerlickt, zwischen 2. und 3. präanaler Papille \ofn Anus ab gezählt, je eine. Das rechte Spiculum ist 0,066, das linke 0,3 mm. lang. Das erwachsene Männchen ist 5 mm. lang, und 0,11 mm. breit. Das erwachsene Weibchen misst 1) Dieses Archiv 1873, pag. 296—267, tab. XIII, fig. 3—4. 2) lliatoire den Helmintlies, pag. 81, pl. 3, fig. G. Entheiminthologica. l'?9 6 mm. und ist 0,26 mm. breit. Der erste Theil des Oeso- phagus ist 0,3, der ganze 3,4, der Schwanz 0,17 mm. lang; 0,25 mm. vom Kopfende ist die Excretiönsgefässmündung, die Vulva theilt den Körper so, dass der durch sie gebil- dete Körperabschnitt sich zum hinteren verhält wie 5 : 2. Die dickschaligen Eier sind 0,02 mm. breit und 0,039 mm. lang. Am Innenrande des vorderen Umfanges der becher- förmigen Mundhöhle stehen 12 kleine Chitinstäbchen in der Längsaxe des Körpers. 12. Ascaris Vimbae n. sp. Eine Ascarislarve, die in der Darmwand und der Leber von Abramis vimba (aus der Weser bei Hameln) lebt. Die Länge beträgt 1 mm., die Breite 0,052 mm. Der Oesophagus misst Ve, der Schwanz Vi 7 der Körper- läuge; dieser ist kegelförmig, mit gerundeter Spitze; die Umgebung des Anus ist stark gewulstet, die Haut schwach geringelt, die Seitenmembranen sehr stark entwickelt. Der Mund hat drei rundliche Lippen, von denen die beiden dorso-lateralen symmetrisch sind, während die grössere ventrale an ihrer Innenseite einen spitzen Bohr- zahn führt. Die in unseren Batrachiern lebenden drei Arten, Nematoxys ornatus und commutatus, sowie Oxysoma bre- vicaudatum gleichen sich scheinbar in ihren Weibchen sehr, von ersteren beiden giebt Schneider an, dass man sie gar nicht unterscheiden könne; die 3 Arten sind, obgleich die Männchen sich auf den ersten Blick unter- scheiden, viel verwechselt worden, und ist die ältere Lite- ratur zum Theil unerklärbar; besonders die Literatur, die Diesing unter Ascaris acuminata aufführt, bezieht sich wohl auf alle drei Arten. 13 Oxysoma hrevicauäatmn Zed. ' Heterahis brevicaudata Dujardin. Hist. des Helm, pag. 228 tab. V fig. E. Schneider, Monogr. d. Nemat. pag. 114—115. tab. XL fig. 1 a— b. 180 I^r. von Linstow: Aus dem Darm von Anguis fragilis. Schneider tadelt Dujardin wegen seiner Ungeuauigkeit, der aber die Papil- len des männlicbeu Scliwauzeudes richtiger gezählt hat, als ersterer. Es finden sich jederseit 16 Papillen, 10 prä-, 3 post- anale und 3 neben der Cloake ; die Girren sind ungemein lang, sie messen über die Hälfte (Vi i) der Körperlänge; das accessorische Chitinsttick ist sichelförmig und 0,085 mm. laug. Das Weibchen hat keine Papillen, der Schwanz von V28 Körperlänge, ist an der Bauchseite nach der Spitze zu dicht hinter dem Anus plötzlich stark verjüngt; das Oesophaguslumen ist stark chitinisirt, der Bulbus ist gross, 77 des Körperdurchmessers breit, die Ventilzähne in dem- selben sind stark entwickelt; am Anfange des Oesophagus steht ein 0,059 mm. langes Vestibulum, das bei Nematoxys fehlt. Die Muskelzellen sind 0,92 mm. lang und 0,058 mm. breit. 14. Nematoxys commutatus Rud. Schneider, Monogr. d.Nemat.pag. 113,tab. XII,fig.2. Ascaris acuminata Aut. e. p. Ascaris brevicaudata Aut. e. p. Die Girren sind 0,25 mm. lang, das accessorische Stück ist länglich rund, am oberen Drittel etwas seitlich einge- zogen. Die Schwanzspitze hat jederseits 9 knotig vor- tretende Papillen, ausserdem seitlich von der Gloake 2 und hinter derselben eine Papille. Das Weibchen zeigt am ganzen Körper unregelmässig gestellte Papillen, der Schwanz misst V9 der Körperlänge ; das Oesophaguslumen ist stark chitinisirt, der Bulbus ist gross, Vö des Körperdurchmessers breit, die Ventilzähne sind sehr gross und stark ausgeprägt. Ausser den auf den Körper zerstreuten Papillen sind auf der Bauchseite jederseits in einer Reihe 3 postanale Papillen constant, welche die Stelle einnehmen etwa wie bei den Männchen. Vor dem Anus findet sich ein querliegender Wulst. An den Muskelzellen von Nematoxys commutatus und ornatus habe ich keinen Unterschied finden können ; sie sind durchschnittlich (),« mm. laug und 0,058 mm. breit; Enthelminthologica. 181 Schneider, der hier den einzigen Unterschied zwischen bei- den Arten gefunden hat, macht denselben bei der Artbe- schreibung nicht namhaft. 15. Nematoxys ornatus Duj. Schneider, Monogr. d. Nemat. pag. 112—113, tab. XII, fig. 5. Oxyuris ornata Dujardin, Hist. nat. des Helm. pag. 144, tab. 5, fig. g. Oxyuris ornata Walter, Z. f. wiss. Zool. VIII, pag. 163, tab. V— VI; IX, pag, 485, tab. XIV. An postanalen Papillen finllen sich 7 bauchständige, 2 seitliche und 7 rückenständige. Die 10 Chitinapparate, die in 2 Reihen vor der Cloake stehen, sind augenschein- lich keine Saugwerkzeuge, sondern Stützen für die Schei- den der durchtretenden Nerven; sie bestehen aus einem grösseren, vorderen und einem kleineren, hinteren Theil; ersterer zeigt eine Röhre, durch die der Nerv tritt ; übrigens ist der ganze Körper mit Papillen besetzt; das äusserste Schwanzende ist fein zugespitzt. Das accessorische Stück ist sichelförmig und grösser als die feinen, stäbchenför- migen Girren. Das Weibchen zeigt Papillen am ganzen Körper; der Oesophagus misst Vo der Körperlänge; das Oesophagus- lumen ist wenig chitinisirt, der Bulbus ist klein, von '/s Körperdurchmesser; die Ventilzähne sind schwach ent- wickelt, oft kaum bemerkbar. Das Schwanzende hat eine lange, pfriemenförmige Spitze, die in der Mitte abgeschnürt ist; an der Einschnürungsstelle durchbohren zwei Kanäle seitlich nach hinten gerichtet die Haut. Die Papillen, welche sich so zahlreich bei den Nema- toden, besonders bei den Männchen in der Umgebung der Geschlechtsöffnung finden, sind augenscheinlich die End- punkte für Tastnerven ; oft sieht man den Nervenfaden hineintreten. Da die Thiere im Finstern leben, so können sie nur durch den Tastsinn die Weibchen und deren Geschlechts- öffnung auffinden. 182 Dr. vou Li 11 stow: 16. Bactylogyrns malleus n. sp. An den Kiemen von Barbus fluviatilis aus der Weser bei Hameln. Länge 0,66 mm., Breite 0,12 mm. Der Kopf ist in 2 Zipfel gespalten und jederseits münden in dieselben die Ausführungsgänge von Leimdrüsen; legt man das Thier in Wasser, so quillt das Secret in kugligen Tröpfchen her- vor, die stark lichtbrechend sind. Die 4 Ocellen befinden sich an der gewöhnlichen Stelle, etwa in der Höhe des Schlundkopfes, dann folgt weiter nach hinten die spindel- tbrmige Vesicula seminalis superior, an deren hinterem Ende sich der hakenförmige Cirrus befindet; dicht bei demselben bemerkt man die weibliche Geschlechtsöffnung, deren Mündung von einem complicirten Chitinapparat unterstützt wird, der schwer zu beschreiben ist, und aus der Abbildung zu ersehen ist. Weiter nach hinten, unge- fähr in der Mitte des Körpers, bemerkt man die zum weiblichen Geschlechtsapparat gehörige, mehr rundliche Vesicula seminalis inferior, an deren vorderem, den Geschlechtsöffnungen zugekehrten Ende wiederum ein sehr auffallender, hohler Chitinhaken steht. Derselbe ist wie ein Hahn eines Fasses gebogen, vorn rundlich und geschlossen, aber mit einer seitlichen, ovalen Oeffnung, an der zum Verschluss ein bewegliches Chitinplättchen angebracht ist. Ich halte diesen zweiten Bauchhaken für einen Ventilapparat, der das Zurückströmen des Samens verhindern soll, also für ein Analogon des von mir beschriebenen sanduhr- förmigen Körpers in Taenia depressa. Die Schwanzscheibe trägt 2 grosse Haken von 0,059 mm. Länge, zwischen ihnen ist ein 0,043 mm. breites Verbindungsglied, die 14 kleinen Randhaken messen 0,031 mm. und sind am letzten Drittel plötzlich verjüngt; ausserdem liegt über dem genannten Verbindungsglied, mehr nach der Rückenseite zu, ein 0,034 mm. breites und 0,023 mm. langes X-förmiges Chitinstückchen, das zu Muskel- ansätzen dienen dürfte. 17. Dadylogyrus Dujardmmms Dies. Die von mir unter diesem Namen beschriebene Form Enthelminthologica. 183 gehört zu Dactylogyrus crucifer Wagner, und ist die Art Dujardinianus wohl kaum aufrecht zu erhalten. 18. Distomiim macrophallos m. lebt auch im Darm von Totanus fuscus. 19. Distomum spinulosum Rud. aus dem Darm von Totanus fuscus. Die vorderen 2 Drittheile des Körpers sind mit starken, zerstreut liegenden Stacheln bewehrt. Der Umkreis des Mundsaugnapfes trägt 22 gleich grosse Stacheln, die 0,029 mm. lang sind. Der Mundsaugnapf hat einen Durchmesser von 0,056 mm., der Bauchsaugnapf von 0,21 mm.; letzterer steht etwas vor der Körpermitte. Die Darmschenkel reichen ganz bis an's Körperende. Die Länge des Thieres beträgt 3 mm., die Breite 0,4 mm. Die grossen wenig zahlreichen Eier sind 0,088 mm. lang und 0,059 mm. breit. 20. Distomum baculus Dies. aus dem Darm von Mergus albellus. Die Form erinnert an Distomum recurvatum m., ist aber gerade gestreckt; der Körper ist ohne Stacheln, der Umkreis des Mundsaug- napfes ist mit 45 Stacheln bewaffnet ; an den beiden Enden der Stachelreihen stehen jederseits 4 grössere, die 0,039 mm. messen ; die Reihe selbst ist eine doppelte, in der vorderen stehen 18 kleinere Stacheln von 0,023 mm. Länge und mit ihnen abwechselnd dahinter 19 grössere, die 0,033 mm. lang sind. Der Mundsaugnapf hat einen Durchmesser von 0,082 mm., der Bauch saugnapf, der wenig vor der Körper- mitte steht, ist kuglig aufgetrieben und misst 0,25 mm. Das ganze Thier nimmt von vorn nach hinten stetig an Breite zu; es ist 1,74 mm. lang, hinten 0,36 mm. breit und noch nicht geschlechtlich entwickelt. 21. Distomum eurystomiim n. sp. aus dem Darm Ton Anas clangula. Die Zahl derDistomen, die cylindrisch und ohne Stachelbewaffnung sind und bei 184 Dr. von Linstow: denen der Mundsaugnapf grösser als der Bauchsaugnapf ist, ist eine sehr kleine und Di e s in g^ führt deren nur 8 auf. Bei der gefundenen Form sind erst die männlichen Geschlechtsorgane vollkommen entwickelt; die Länge beträgt 0,7, die Breite 0,29 mm. Der Mundsaugnapf ist auffallend gross und misst 0,2 mm., der Bauchsaugnapf 0,1 mm.; letztererliegt etwas vor der Körpermitte. Rechts neben letzterem liegt der Cirrusbeutel und biegt halbmond- förmig um denselben nach vorn um; unmittelbar dahinter, ebenfalls nach rechts gerückt, liegt der Keimstock; die Hoden finden sich im hintersten Theile des Körpers, schräg neben einander, der rechte zuhinterst. Die Dotter- stöcke nehmen die Seitenwände ein, und zwar von der Schwanzspitze bis in die Gegend des Hinterrandes des Mundsaugnapfes. 22, Distomum ferruginosum n. sp. aus dem Darm von Barbus fluviatilis bei Hameln. Jung farblos, erwachsen mit rostrothem Pigment dicht durchsetzt; der ganze Körper hat einen gleichmässigen, starken Stachel- besatz. Die Länge beträgt 1,25 mm., die Breite 0,52 mm. Der Mundsaugnapf misst 0,21, der Bauchsaiignapf 0,25 mm., Zuhinterst im Körper liegt der grosse Keimstock. Davor neben einander beide Hoden, über die quer der Dotter- ausmündungsgang sich hinzieht; die Dotterstöcke sind wenig ausgedehnt, sie liegen im 3. Viertel des Seiten- randes beiderseits. Der Schlundkopf ist sehr stark. Der Darm gabelt sich dicht vor dem Bauchsaugnapf, die Schenkel desselben reichen bis zur Mitte des Keimstocks. Links vom Bauchsaugnapf liegen die Ausmündungen der Geschlechtsorgane; im eingezogenen Zustande gleichen sie 2 eiförmigen Körpern mit einer strahligen Zeichnung im Innern, die durch mit den Spitzen zusammenliegende Stacheln hervorgerufen wird, nach aussen die weibliche Oeffnung; vorgestülpt ist letztere kugelförmig, das männ- liche Organ gleicht dem Cirrus vieler Vogeltänien, und 1) Systema Helminthum I., pag. 374—376. Enthelminthologica. 185 beide sind mit grossen Stacheln besetzt; die 0,023 mm. langen und 0,015 mm. breiten Eier führen an dem der Deckelseite entgegengesetzten Ende einen kleinen Haken. Eingekapselte Trematodenlarven. 23, Monostomum Viviparae n. sp. aus Vivipara vera (Paludina vivipara), in kugligen sehr starken, doppelwandigen Kapseln ; man findet Mundsaug- napf und Schlundkopf, dahinter einen querverlaufenden Gefässstrang, der 3 parallele Aeste nach hinten schickt, deren beide seitliche nach hinten anschwellen ; vorn geben sie jeder einen kurzen, blinden Seitenast ab. 24. Distomum Phryganeae n. sp. In ziemlich dünnwandigen, kugligen Kapseln von 0,26 mm. Durchmesser, in der Leibeshöhle der Larve von Phryganea grandis gefunden. Der Körper ist ganz mit Stacheln besetzt; der Mundsaugnapf hat 0,072 mm. im Durchmesser, der Bauchsaugnapf 0,098 mm. Die in Phry- ganiden gefundene Larve von Distomum retusum kann diese Form nicht sein, da bei diesem Distomum der Mundsaug- napf doppelt so gross wie der Bauchsaugnapf ist. 25. Distomum Bufonis n. sp. Aussen am Darm von Bufo vulgaris eingekapselt; Länge 0,9 mm., Breite 0,06 mm. ; Gestalt sehr gedrungen, keine Geschlechtsorgane, Mundsaugnapf 0,138 mm., Bauch- saugnapf 0,164 mm. gross. 26.. Distomum agamos m. auch in der Leibeshöhle von Asellus aquaticus gefunden, hier jedoch ohne Eierbildung; die Kapseln haben einen Durchmesser von 0,48 mm. ; sie sind kuglig und dünn- wandig; Mundsaugnapf 0,15 mm., Bauchsaugnapf 0,26 mm. 27. Distomum Bliccae n. sp. Eingekapselt in den Muskeln von Blicca bjoerkna. Die nicht dickwandigen, kugligen Kapseln haben einen 186 Dr. von L in stow: Durchmesser von 0/24 mm. Das Distomum ist mit teitien Stacheln besetzt; der Mundsaugnapf misst 0,033 mm., der Bauchsaugnapf 0,046 mm. 28. Distomum Viviparae fasciatae n. sp. In kugligen Kapseln aus Vivipara fasciata (Paludina achatina), die eine innere, dünnwandige, vom Parasiten und eine äussere, sehr dickwandige vom Wirth exsudirte Schicht haben ; letztere zeigt einen Durchmesser von 0,29 mm. Der ganze Körper ist dicht mit feinen Stacheln besetzt; der Mundsaugnapf misst 0,029 mm., der Bauch- saugnapf 0,036 mm. 29. Distomum Palaemonis n. sp. Aus Palaemon serratus. Die Kapsel ist kuglig und membranös, mit einem Durchmesser von 0,38 mm. Der Insasse ist 0,72 mm. lang und 0,41 mm. breit; der Mund- saugnapf misst 0,14, der Bauchsaugnapf 0,2 mm. Beide Hoden sind deutlich entwickelt, die Darmschenkel reichen fast bis an's hintere Körperende. 30. Distomum Gammari n. sp. Aus Garamarus pulex vom Ratzeburger See. Die Kapseln sind kuglig, massig dickwandig, von 0,38 mm. Durchmesser. Der Mundsaugnapf misst 0,18 mm., der Bauchsaugnapf 0,079 mm.; die Dotterstöcke und Hoden sind schon sichtbar. 31. Distomum. Viper ae n. sp. In dünnrandigen, eiförmigen Kapseln aus der Leibes- höhle von Vipera berus, deren Länge 0,9 mm. und die Breite 0,66 mm. beträgt. Das Thier ist langgestreckt mit kleinen Saugnäpfen, es ist 0,54 mm. lang und 0,22 mm. breit. Der Mundsaug- napf misst 0,072 mm., der in der Mitte des Körpers lie- gende Bauchsaugnapf 0,059 mm. Enthelminthologica. 187 32. Distomum Planorbis cornel n. sp. aus Planorbis corneus. Gestalt gestreckt eiförmig, vorn dicker, Schlundkopf sehr stark ausgebildet, die Darm- schenkel reichen bis zu V4 der Länge, zwischen ihnen liegt ein gestreckt-eiförmiger Körper mit dem längeren Durchmesser in der Längsachse des Thieres. Das Thier ist 0,78 mm. lang und 0,23 mm. breit. Mund- und Bauch- saugnapf gleich gross mit einem Durchmesser von 0,013 mm., letzterer ist sehr prominent und schräg nach vorn gerichtet. Zur Artenkenntniss, Anatomie und Entwicke- lungsgeschichte des Genus Holostomum. 33. Holostomum sphaerula Duj. aus dem Darm von Corvus corone. Länge 2,5 mm., Breite 1,2 mm. Der Vorderkörper ist kugelförmig, etwas kürzer als der hintere Theil, vorn gerade abgestutzt und mit rund- lichen Vorsprtingen. Die Dotterstöcke reichen bis in die hintere Hälfte des vorderen Körpertheils, die Eier sind 0,11 mm. lang und 0,072 mm. breit; der Mundsaugnapf misst 0,28 mm., der Bauchsaugnapf 0,38 mm. 35. Holostomum cornu Nitzsch. Aus dem Darm von Ardea cinerea. Ich besitze nur unreife Exemplare, die 4 mm. lang und 1 mm. breit sind; der hintere Körpertheil ist 3mal länger und etwas schmä- ler als der vordere und reichen die Dotterstöcke nicht bis in den letzteren. 34. Holostomum variabile Nitzsch. Aus dem Darm von Strix flammea. Der vordere Körpertheil ist halb so lang als der hintere, die Dotterstöcke reichen in ersterem bis weit nach vorn, Mundsaugnapf 0,11 mm., Bauchsaugnapf 0,23 mm. Die Eier sind 0,14 mm. lang und 0,072 mm. breit. Das Thier misst 2,5 mm. und hat einen Durchmesser von 0,6 mm. 36. Holostomum rotundatum n. sp. Aus dem Darm von Lanius collurio; gleicht an Grösse und Gestalt dem Holostomum sphaerula, der Vorderrand ist aber ohne rundliche Vorsprünge und ist das Verhältniss 188 Dr. von Linslow: der Durchmesser des Ä[iind- und Sauirnapfes bei Hol. sph. wie 3:4, bei Hol. rotund. wie 4:5. Die Läuire beträgt •J.l mm., die Breite 1,2 mm. Die Dotterstöcke reichen bis weit in den Vordertheil hinein: der Mundsauirnapt" hat einen Durchmesser von 0,24. der Bauchsaugnapf von 0,3 mm. Die Eier sind 0,14 mm. lang und 0,069 mm. breit. 37. Hölosimnum gracile Duj. Aus dem Darm von Mergus merganser und albellus. Der Einschnitt zwischen vorderem und hinterem Körper- theile ist tief, ersterer ist 0,9 mm. lang und 0.6G mm. breit, letzterer 1,4 mm. lang und 0,54 mm. breit. Der vordere Körpertheil ist ganz ohne Dotterstock und daher hell ge- larbt, der Darm ist dunkel pigmentirt. Mundsaugnapl" 0,13 mm., Bauchsaugnapf 0,2 mm. Die Eier sind 0,11 mm. lang und 0.067 mm. breit. 38. Holost tmium errat icNm Duj. Aus dem Darm von Colvmbus arcticus und Mergus merganser. Länge 3 mm , vorderer Körpertheil relativ sehr gross, meist länger als der hintere Abschnitt, er misst 1,16 mm. und ist 0,6 mm. breit und ist nach hinten zu kuglig aufgetrieben. Der hintere Abschnitt ist anlangs bedeutend schmaler als' der vordere, und verdickt sich nach hinten zu allmählich, wo er 0,46 mm. breit wird: seine Länge beträgt 1,4 mm. Der Mundsaugnapf misst 0,072 mm. im Durchmesser, der ßauchsaugnapf 0,08 umi. Links und rechts von ersterem treten ohrtormig 2 Spitzen vor, in denen die Reservoirs der Leimdrüsen liegen, die in 6 Längsreihen im Vorderkörper sich hinziehen. Hinter den ohrtormigen Vorsprüngen verbreitert sich der Körper plötz- lich. Die Dotterstöcke treten in mehreren parallelen Längssträngen in den vorderen Körper hinein und umgehen bogenförmig einen kugligen Körper, von dem weiter unten die Rede sein wird. Die Eier sind 0,11mm. lang und 0,066 mm. breit. 39. Holostomum cornucopiae Molin. .\us dem Darm von ^trix otus, bei Hameln gefunden. Eine grosse Art von 6 mm. Länge und 2 mm. Breite. Der Enthelminthologica. * 189 Mundsaugnapf misst 0,2 mm., der Bauchsaugnapf 0,32 mm. ; beide haben eoncentrischc Ringe von feinen Zähnchen. Seitlich neben ersterem stehen 2 grosse, ovale, scharf mar- kirte Körper von gelber Farbe, die 0,48 mm. lang und 0,18 mm. breit sind. Die Darmschenkel reichen bis au das Hinterende des Körpers; das Kopfende hat 5 rund- liche, lappige Vorsprlinge, die aufgerichtet werden können, 2 in der Mittellinie verwachsene Kückenlappeu, 2 Seiteu- lappen und einen Bauchlappen, an dessen Innenseite der Mundsaugnaj)f steht. Die Muskulatur dieser Lappen ist eine sehr kräftige, und das ganze bildet einen sehr ener- gisch wirkenden Saugapparat, mit dessen Hülfe das Thier sich so fest an die Darmwand seines Trägers saugt, dass man es mit demselben Kraftaufwand von derselben los- reissen muss, wie etwa einen Echinorrh} nchus oder Heterakis foveolata etc. An der Stelle, wo es sass, sieht man eine kleine papillenartige Verwölbung der Darmhaut, in deren Mitte ein blutiger Punkt ist, wo offenbar die Zähncheu des Mundsaugnapfes sich eingebohrt und letzteres Blut gesogen hat, wie auch die Darmschenkel von Blut erfüllt sind. Am Schwanzende ist ein ausstülpbares, sich dann nach der Bauchfiäche krümmendes Organ, von elastischen Kingfasern gestützt, die Ausmündungsstelle der Geschlechts- organe. Die gedeckelten Eier sind 0,12 mm. lang und 0,085 mm. breit. Das Genus Holostomum ist bisher von den Helmin- thologen sehr stiefmütterlich behandelt worden ; der innere Bau ist schwer zu verstehen, und es finden sich keine Kör- per, wie Haken, etc., die man nach Anzahl, Form und Grösse unterscheiden könnte, so dass die Artunterscheiduug auf grosse Schwierigkeiten stösst. Der Körper ist durch eine ringförmige Einschnürung in 2 Hälften getheilt, deren vordere die Saugnäpfe trägt. Das Vorderende kommt in 2 verschiedenen Formen vor; entweder besteht ein Kopfzapfen, der seitlich vom Mund- saugnapf 2 oh r förmige Vorsprünge zeigt, in dem je ein länglich-runder Körper liegt, welcher die Reservoirs von Leimdrüsen darstellt, die in traubenf()rmigen Längsreihen im vorderen Körperabschuitt liegen, ähnlich wie es beim 190 Dr. von L instowt Genus Dactylogyrus und Gyrodactylus beobachtet ist; die Haut über ihnen ist von parallelen Ausmtindungsgängen dicht durchsetzt. Unmittelbar auf den Mundsaugnapf folgt ein länglichrunder Sehlundkopf, aus dem in spitzem Winkel 2 Darmschenkel sich abzweigen, die bis an's hintere Lei- besende reichen. Bei den Distomen theilt sich der Darm meistens erst dicht vor dem Bauchsaugnapf Der Bauch- saugnapf pflegt grösser zu sein als der Mundsaugnapf. Der hintere Körpertheil ist bei erwachsenen Exemplaren der grössere, während er bei jungen einen kleinen schwanz- ähnlichen Anfang des vorderen bildet. — Bei der anderen Form ist das Körperende vorn gerade abgestutzt, von einem ringförmigen Saum umgeben, der 5 solcher rundlicher, lappiger Vorsprünge einschliesst, wie sie bei Holostomum cornucopiae geschildert wurden. Bei den hierher gehöri- gen Formen liegen zur Seite von Mundsaug^iapf und Schlundkopf 2 grosse, ovale, meist gelbe Körper, die keine Funktion zu haben scheinen, und auf die ich noch später zurückkomme. Dicht hinter dem Bauchsaugnapfe nun liegt ein grosser, rundlicher Körper, stets viel grösser als der Bauchsaugnapf, welcher ebenfalls nicht zu funktioniren scheint, und dessen Bedeutung auch weiter unten bespro- chen werden soll. Die Geschlechtsorgane sind denen der Distomen ganz analog gebildet, nur dass die Ausmündungsgänge am Schwanzende liegen. In der Mitte des Hinterkörpers liegen die beiden grossen Hoden hintereinander, hinter ihnen die Vesicula seminalis superior, die hier inferior heissen müsste, doch möge auf Rücksicht auf Uebereinstimmung mit den Distomen diese Bezeichnung beibehalten werden. Zu hin- terst im Körper liegt ein grosses ein- und ausstülpbares Organ, von abgestumpft-kegelförmiger Gestalt, in das neben- einander die männlichen und weiblichen Geschlechtspro- ducte ausmünden ; einen Cirrus habe ich nirgends gesehen. Vor dem vordersten Hoden liegt der Keimstock, der nach der Bauchseite zu seinen Ausführungsgang hat, dicht da- neben liegt die Vesicula seminalis inferior (hier superior); der Dotterstock ist sehr ausgedehnt und liegt längs der ganzen Kückeuseite; sein Ausmüuduugsgaug tritt zwischen Enthelrainthologica, 191 beiden Hoden hindurch, wendet sich dann nach vorn, und vereint sich mit dem Ausführuugsgange des Keimstocks, nachdem er zuvor einen Ast rückwärts und nach der Bauch- seite zu abgegeben hat, die in's Freie mündet und überflüs- sige Dottersubstanz abzuführen hat. (Laurer'scher Kanal.) Der Eiergang entspringt von dem oben erwähnten Yer- einigungspunkt von Keimstocli und Dotterstock; er wendet sich erst nach vorn bis an die Grenze des vorderen Körper- abschnitts, biegt dann nach hinten zurück, verläuft dicht an der Rückenfläche und mündet an der Spitze des Ge- schlechtskegels, neben der männlichen Geschlechtsöffuung. Die Eier sind stets gross und sehr wenig zahlreich. lieber Diplostomum und Tetracotyle. 40. Diplostomum Putorii n. sp. Im Darm von Foetorius putorius sowie aussen am Oesophagus eingekapselt lebt diese Form, an ersterem Fund- orte wohl auf der Einwanderung begriffen. Die Länge be- trägt 0,42 mm., die Breite 0,29 mm.; sie erinnert sehr an die Diplostomen aus Fischaugen; die Körperform ist kegel- förmig mit abgerundeter Basis. Der Mundsaugnapf misst 0,03 mm., der Bauchsaugnapf 0,039 mm., dicht hinter letzterem liegt ein grosser, kugliger Körper von 0,066 mm. Dureh- messer, der eine rhombische Mündung nach der Bauchfläche hat. Das ganze Körperparenchym ist von doppelt con- tourirten Kalkkörperchen dicht durchsetzt. Die Kapseln sind langgestreckt -elliptisch, sehr dickwandig, 1,08 mm. lang und 0,54 mm. breit. 41. Tetracotyle Soricis n. sp. In Sorex vulgaris gefunden, in sehr langgestreckten, ungemein starkwandigen Kapseln, die überall im Binde- gewebe eingebettet liegen. Die Kapseln sind doppelt, die innere Schicht ist con- centrisch geschichtet, die äussere ist 1,2 mm. lang und 0,54 mm. breit. Der Mundsaugnapf misst 0,066 mm., der Bauchsaugnapf 0,11 mm. und gleicht die Form übrigens so ganz der folgenden Art, dass ich sie nur daher nicht ver- eine, weil die Wirthe so heterogene sind. 192 Dr. von Linstow: 42. Tetracotyle Colubri n. sp. Im Unterhautzellgewebe von Coluber natrix und Vipera berus, in sehr langgestreckten und sehr dickwandigen Kap- seln von 1,02 mm. Länge und 0,58 mm. Breite. Das Thier ist 0,54 mm. lang und 0,3 mm. breit ; auf der Haut stehen einzelne, grosse Stacheln mit breiter Basis; das Kopfende ist grade abgestutzt, dahinter ist eine ringförmige Einschnü- rung. Der Mundsaugnapf misst 0,078 mm., der Bauchsaug- napf 0,12 mm. ; neben ersterem stehen 2 seitliche sogenannte accessorische Sauggruben. Dicht hinter dem Bauchsaug- napf findet sich ein grosser kugliger Körper mit einer quergestellten Mündung nach der Bauchfläche. 43. Tetracotyle Percae fluviatilis Moulinie. Moulinie, Mem. pag. 230—234, tab. VIII. flg. 11—14. Im Peritoneum von Perca fluviatilis. Die Kapseln sind kuglig, dünnwandig, von 0,66 mm. Durchmesser. Das Thier ist in der Kapsel kuglig, ausserhalb derselben cylindrisch mit gerundeten Endflächen, 0,68 mm. lang und 0,32 mm. breit; der Mundsaugnapf misst 0,065 mm., der Bauchsaugnapf 0,095 mm. Die accessorisehen sog. Saug- gruben sind sehr gross. Die Längsmuskeln sind deutlich sichtbar. Hinter dem Bauchsaugnapf steht ein querovaler Körper mit einer Mündung nach der Bauchfläche und drei Vorsprüngen nach vorn, von denen die beiden seitlichen die Darmschenkel aufnehmen. 44. Tetracotyle ovata n. sp. Aus Blicca bjoerkna eingekapselt am Darm, Osmerus eperlanus eingekapselt am Peritoneum, Acerina cernua ein- gekapselt am Darm- und Peritoneum, und aus Abramis brama frei im Darm in der Kapsel; an letzterem Orte wahrscheinlich von einem verschlungenen Fisch herrührend, der bereits verdaut war. Die Kapsel ist dünnwandig, durchschnittlich von 1 mm. Durchmesser. Der Insasse ist 0,84 mm. lang und 0,57 mm. breit, oval. Der Muudsaugnapf misst 0,098 bis 0,13 mm. Der Bauchsaugnapf 0,16— 0,21 mm. Beide Saug- uäpfe haben couceutrische Reihen kleiner Zähucheu. Hinter Enthelrainthologica. 193 dem Bauchsaiignapf steht ein grosser, halbkiigliger Körper, in welcheui ein elliptischer, quergestellter Hohlraum sich befindet, in dessen beide Endpunkte die Darmschenkel mün- den und der eine rundliche Mündung nach der Bauch- seite zu hat. Die sogen, accessorischen Sauggruben sind längsoval. Von Tetracotyle echinata Diesing^) ist diese Form hinlänglich verschieden, wie ein Bild auf die betreffenden Abbildungen zeigt; so fehlt hier z. B. der schwanzähnliche Anhang. 45. Tetracotyle typica Dies (e. p.) de Philippi, Mem. Acad. Tur. 2 ser. XV, pag. 22 et 30, tab. II, fig. 20 und 25, de Philippi, Mem. Acad. Tur. 2 ser. XVIII, pag. 15—21, 32, tab. III, fig. 24—31, Tetracotyle Lymnaei Pagenstecher, Tremadoten, p. 32, tab. II, fig. 15—18. Aus Planorbis corneus. Die Kapsel ist ziemlich dick- wandig, oval, 0,197 mm. lang und 0,148 mm. breit. Das Thier selbst misst 0,38 mm. in der Länge und ist 0,34 mm. breit. Der Mundsaugnapf ist 0,059 mm. und der Bauchsaugnapf 0,79 mm. gross; diese Form ist mehr als doppelt so klein wie die vorige. Was Diesing2) unter Tetracotyle typica vereinigt. Formen, die in Redien, Mollusken, Fischen und Vögeln leben, ist entschieden nicht nur eine Art; ich habe daher den Namen für die Form aus Mollusken gelassen, ohne be- hau))ten zu wollen, dass nicht auch in diesen noch ver- schiedene Species vorkommen. Die wahren Wohnthiere sind gewiss die Mollusken, und dass sich die Tetracotylen auch gelegentlich in die dieselben bewohnenden Keini- schläuche, Bporencysten und Redien einbohren, ist wohl nur zufällig. 1) Pagenstftcher Z. f. wisseiisch. Zool. IX. pag. 101—105, tab. VIII, fig, 6-8. 2) Revision cIpi- Myzbelrainthou, pag. 366—367. Archiv f. Naluvg. XXXXIIT. JaLiv. Bd. 1. 13 194 Dr. von Tjinstow: 46. Tetracotyle crystallina Rud. Distomum crystallinum Rud. e. p. Synopsis, pag. 100 et 380. Distomum crystallhium Pagenstecher, Trematoden, pag. 39, tab. IV, fig. 6. Rudolph! beschreibt unter dem Namen Distomum cry- stallinum eingeka])selte Trematoden aus Rana temporaria und esculenta und aus Vipera berus, aber auch ein ge- schlechtsreifes Distomum aus der Gallenblase von Rana temporaria, für welches der Name Distomum crystallinum bleiben muss. Ich habe Tetracotyle crystallina im IMuskel von Rana temporaria eingekapselt gefunden, das mit Pagen- stecher's Beschreibung und Abbildung stimmt, auf dessen Angaben ich daher verweisen kann. Das Genus Tetracotyle wird gebildet von eingekap- selten Trematodenlarven , welche einen kleineren Mund- und einen grösseren Bauchsaugnapf zeigen, die mitunter mit concentrisch gestellten kleinen Stacheln versehen sind. Neben ersterem stehen 2 sogenannte accessorische Saug- gruben, die aber keine sind, denn es fehlt ihnen die cha- rakteristische Muskulatur derselben; ~sie haben eine Oeff- nung nach Aussen und es münden in sie je ein grosser Drüsenstrang, offenbar Leimdrüsen, deren Ausmündungs- gänge von diesen beiden Körpern gebildet werden. Bei Tetracotyle und Diplostomum liegt hinter dem Bauchsaugnapf ein sehr auffallender, runder Körper mit einer Mündung nach der Bauchfläche, in welchen die Darm- schenkel münden, und schlage ich für denselben den Namen Larvenanus vor ; ein Saugnapf ist auch dieser Körper nicht, weil ihm die hierzu erforderliche Muskulatur und Structur fehlt. Ausser den oben angeführten, zu Tetracotyle und Di- plostouumi gehörigen Formen zeigen diesen grossen Körper : Diplostomum volvens v. Nordmann, Diplostomum cuticola Diesing, Diplostomum auriflavum Molin, Tetracotyle echi- nata Diesing, Tetracotyle Foetorii m. Eine ringförmige Abschnürung des Körpers, wodurch derselbe in 2 Hälften getheilt wird, zeigen die Arten Tetra- cotyle Soricis, Tetracotyle Colubri, Tetracotyle echinata, Enthelminthologica. 195 Tetracotyle Foetorii, Tetracotyle typica^), Diplostomum cuticola, Diplostomum auriflavum und Diplostomum grande ^). Es kann nach Vorstehendem nicht mehr zweifelhaft sein, dass die Genera Tetracotyle und Diplostomum den Larvenzustand von Holostomum darstellen. Bei denjenigen Formen mit flachem Kopfende persistiren die Leimdrüsen, bei denen mit rundem, gelapptem Kopfende degeneriren sie zu 2 structur- und functionslosen Körpern; die Func- tion des LaiTcnanus ist aber stets auf die Larvenperiode beschränkt ; bei den Holostomen liegt er als grosser, dunkler, nicht functionirender Körper hinter dem Bauchsaugnapfe und die Darmschenkel wachsen an ihm vorbei bis an's Hinterende des Körpers. Diplostomum cuticola verräth sich noch zum Ueber- fluss als Holostomum-Larve durch einen solchen ein- und ausstülpbaren, kegelförmigen Körper am Schwanzende wie ihn das Genus Holostomum zeigt. Diplostomum cuticola und brevicaudatum werden übrigens von v. Nordmann, Gescheidt, Duj ardin, Creplin und Waidenburg geradezu als Holostomen angeführt, und letz- terer^) beschreibt ausserdem eine im Muskel von Cyprinus- und Leuciscus- Arten, u. A. auch von Abramis brama und Leuciscus erythrophthalmus eingekapselte Holostomen-Larve unter dem Namen Holostomum musculicola, die er mit den beiden eben genannten Arten zusammenstellt. Diplostomum volvens und auriflavum zeigen genau die Leimdrtisen-Re- servoirs wie z. B. Holostomum erraticum. Die g-^schlechtsreifen Holostomen wohnen im Darm von Vögeln, und zwar von solchen, die von animalischer Nahrung leben; es sind die Gattungen: Falco, Strix, Corvus, Lanius, Charadrius, Ardea, Scolopax, Anas, Colymbus, Podi- ceps, Larus, Sterna. Die Eier von Holostomum cornucopiae entwickeln im Wasser einen tetracotyle-artigen Embryo; dieselben zeigen Anfangs eine ansehnliche Menge grosser, hyaliner Dotter- 1) de Filippi 1. c. fig. 28. 2) Diesing, System a Helmonthum I, pag. 307. 3) De strnctara et origine nystidum verminosarum. Berolini 1860, pag. 9-12. 190 Ör. von Linstow: Zellen, welche einen Kern mit Kernkörperchen enthalten; der Kern zeigt eine grosse Anzahl Körnchen, die sich in einer beständigen, zitternden Molekularbewegung befinden; ausserdem zeigt jedes Ei eine grosse, blasse Zelle, ohne Kern, die wir Keimzelle nennen wollen. Schon 2 Tage nach dem Einlegen der Eier in's Wasser tritt eine zweite kleinere ähnliche Zelle auf, die sich an die Keimzelle legt ; am 4. Tage bemerkt man schon eine Anlagerung von 4 — 6 solcher Zellen, und könnte man an eine Dotterfurchung den- ken, während im Gegentheil die Embryonalbildung durch Anlagerung an die Keimzelle geschieht; am 23. Tage sind die Kerne und Kernkörperchen verschwunden, so dass der länglich-runde Embryonalkörper nur von hyalinen Dotter kugeln umgeben ist; am 35. Tage ist der Embryo ent- wickelt, nur einzelne Dotterkugeln sind unverwerthet ge- blieben. Er trägt ein Flimmerkleid und zwei Augenflecke, die an die des Embryo von Distomum hepaticum erinnern, und kann wohl für eine junge Tetracotyle gehalten wer- den, wie die Abbildung zeigt. Am 50. Tage etwa begin- nen die Embryonen auszuschlüpfen und schwimmen lebhaft im Wasser umher. Sowie der Eideckel abgehoben ist und der Embryo vom Wasser berührt wird, beginnt die Be- wegung des Flimmerkleides. Beim schnellen Schwimmen rotiren sie, wie manche Distomum-Embryonen, von rechts nach links um ihre Längsachse, beim langsamen aber schwimmen sie so, dass die Augenflecke nach oben sehen. Die Gestalt ist wechselnd, meistens eine birnförmige ; , der Muudsaugnapf kann vor- und zurückgezogen werden. Die Flimmerhaare lassen den vordersten Körpertheil frei, und dieser kann bis zu ihrer Grenzlinie eingestülpt werden, so dass eine trichterförmige Einbuchtung entsteht. Im Innern des Körpers bemerkt man an einzelnen Stellen nach vorn gerichtete Flimmerläppchen in den Circulationsgefässen, wie z. B. Distomum tereticolle sie zeigt. Die Länge des Thieres beträgt durchschnittlich 0,18, die Breite 0,6G mm., doch ist die Gestalt eine stets wechselnde und die Beobach- tung eine sehr schwere, da das Thier lebend nie ruht und immer tastend nach einem Medium sucht, in das es ein- dringen will, im Moment des Todes aber, der nach einigen Enthelminthologica, 197 Stunden des rastlosen Umherschwimmens erfolgt, sofort seine Structur ändert, und gleich Sarcodetröpfchen aus- treten lässt. Die Aehnlichkeit mit Tetracotyle ist, wenn man sich die Augenflecke und das Flimmerkleid fortdenkt, auffal- lend genug. Was die Art der Entwickelung betrifft, so steht das Genus Holostomum in der Mitte zwischen Distomum, Mono- stomum und Amphistomum einerseits, bei denen die Em- bryonen sich erst in Keimschläuche resp. Redien oder Spo- rocysten verwandeln, und zwischen Gyrodactylus, Dacty- logyrus, Diplozoon, Tetraonchus und Polystomum anderer- seits, wo der Embryo schon dem Mutterthiere gleicht und ohne Veränderung zu einem solchen wird, während der Embryo von Holostomum einen eingekapselten Larvenzustand durchmacht, der unter den Namen Diplostomum und Tetra- cotyle beschrieben wird. Erklärung der Abbildungen. Tafel XIT. Fig. 1. Haken von Tacnia acanthorhyncha. Fig. 2. Haken vom Rostellumhalse ders. Art. Fig. o Laivenkopf von Filaria Turdi. Fig, 4-6. Filaria obvelata. 4 Kopf, 5 männliches, H wciUiches Schwanzende. Fig. 7. Männliches Schwanzende von Filaria tridentata. Fig. 8. Kopf von Ascaris Vimbae (Larve). Fig. 9. Männliches Schwanzende von Oxysoma brevicaudatum. Fig. 10. » » » Nematoxys commutatus. Fig. 11. « » » Nematoxys ornatus. Fig. 12—13. Dactylogyrns mailcus. 12 Geschlechtsöffnungen. a Vcsi- cula serainalis superior, b Cirrns, d weibliche GeschJechts- öfFnnng, d Vesicula seminalis inferior, e Ventilapparat, f Oeft'nnng desselben, g Verschliissdeckel. Fig. 13. Haken der Schwanzscheibe a die grossen, b deren Ver- bindnngsglied, c Kaudhaken, d Chitin-Stück an der ßücken- fläche. Tafel XIII. Fig. 14. Kopf von Distomum spinulosum. Fig. 15. Kopf von Distomum baculus. 198 Dr. von Linstow: Enthelmiuthologica. Fig. 16. Mostoraum Viviparae. Fig. 17. Holostomnm gracile, a Kopflappen mit Mundsaugnapf, b Seiten-, c Rückenlappen, d gelber eiförmiger Körper, e Bauchsaugnapf, f kugliger Körper hinter demselben , g Hoden, h Vesicula seminalis superior, i Geschlechtskegel, k Keimstock, 1 Dotterstock, m Vesicula seminalis inferior, n Eidotter, n Laurer'scher Kanal. Fig. 18. Kopfende von Holostomum erraticum. a Leimdrüsen, b deren Reservoirs, c Ausmündungsgänge, Fig. 19. Junges Holostomum erraticum. Fig. 20. Kopfende von Holostomum cornucopiae, a Rücken-, b Sei- ten-, c Kopflappen, d gelber eiförmiger Körper. Tafel XIV. Fig. 21. Diplostomum Putorii. Fig. 22. Tetracotyle Colubri. Fig. 23. Tetracotyle Percae fluviatilis. Fig. 24. Tetracotyle ovata. Fig. 25—27. Distomum ferruginosum, 25 die Geschlechtsöffnungen eingezogen, 26 vorgestülpt, a weibliche, b männliche. 27 ein Ei. Fig. 28. Schwanzspitze von Filaria Strigis. Fig. 29. Ei mit Embryo von Holostomum cornucopiae. Fig. 30. Schwimmender Embryo von Holostomum cornucopiae. /,97a Tdf.JV. i^ \ 12. a 11. -Yii K V 10. 1f. -^ ^•'f^Mi^" m f4i ^^9 w\ ■^ 13. Litk Ins Litutv/Wilh. Greve, Berlin lieber Onychodactylus japonicus Bonap. Von Troschel. Hierzu Tafel XV. Einer der merkwürdigsten Salamander ist der Ony- chodactyliis japonicus, der in Japan lebt, und von dem Schlegel in v. Siebold's Fauna japonica, Reptilia p. 123 unter dem Namen Salamandra unguiculata eine gute Be- schreibung und auf pl. V, Fig. 1—6 vollkommen kenntliche Abbildungei) gegeben hat. Den hauptsächlichsten Charakter für diese Art bilden die Krallen, welche die sämmtlichen Zehen an Vorder- und Hinterfüssen bewaffnen, wodurch sie sich von allen Urodelen auszeichnet; und sie würden allein genügen diese Art zu erkennen, wenn es nicht auch krallen- lose Individuen gäbe. Ich finde nämlich, dass die erwachse- nen Weibchen keine Krallen besitzen. Das Naturhistorische Museum zu Bonn ist durch den Herrn Generalarzt Mohnike in den Besitz einer grössern An- zahl von Exemplaren dieser Species gekommen, und da ich finde, dass die Beschreibung von Schlegel einer Vervollstän- digung bedarf, so wird es nicht überflüssig sein, von Neuem auf diesen, wie es scheint noch in den Europäischen Museen seltenen Salamander die Aufmerksamkeit zu lenken. AVas die Synonymie betrifft, so citirt Schlegel a. a. 0. Houttuyn, Acta Vlissing. iX. 1782, p. 329, pl. 9, fig. 3, der ihn Salamandra japonica nannte, und Thunberg Nova acta Acad. Stockholm. VIII. 1787, p. 116, pl. 4, fig. 1 als La- certa japonica. Diese beiden Citate zieht A. Dumeril in der Erpetologie generale IX, p. 116 in Zweifel und glaubt, 200 Troschcl: dass sich beide auf Platydactylus vittatus Cuv. beziehen. Leider habe ich keine Gelegenheit diese beiden Quellen nachzusehen, und kann also auch diese Frage nicht ent- scheiden. Da jedoch Dumeril sagt, dies sei dasselbe Thier, welches Gnielin in Linne's Systeraa naturae p. 1070, Nr. 70, beschrieben hat, so spricht dies gegen die Dumerirsche Auffassung. Die Gmelin'sche Diagnose lautet : cauda tereti longa, pedibus unguiculatis, palmis tetradactylis, dorso vit- tato, und er fügt dem als Beschreibung hinzu: corpus livi- dum, subtus flavum, taenia dentata lata, lutea, ab occipite ad caudae apicem producta, oculi exigui, palpebris magnis asperis, ungues nigri, cauda apice subcompressa. Die vier- zehigen Vorderfüsse sprechen entschieden gegen einen Platydactylus, alles andere passt gut auf unsern Salamander, auch das Vaterland Japan. Wenn also Gmelin dasselbe Thier gemeint hat, dann gehört doch wohl auch Houttuyn und Thunberg hierher. Shaw General-Zoology III. 1802, p. 248, hat die Gmelin'sche Diagnose wörtlich abgedruckt und die beigefügte Beschreibung ins Englische übersetzt, ohne nur ein Wort weiter hinzuzufügen. Wenn Dumeril also Shaw als unzweifelhaftes Synonym hierherzieht, dann hätte Gmelin es mit grösserem Rechte verdient, da er der eigentliche Autor, Shaw nur der Wiederholer ist. Dumeril und Bibron geben folgende Gattungs - Diag- nose: „Langue arrondie, entiere, libre seulement sur les bords; palais garni de dents formant une serie continue sinueuse en travers en forme d'M. majuscule, ä angles ar- rondis; peau lisse, poreuse, mais non tuberculeuse; une pa- rotide peu saillante de chaque cote, comme separee en deux parties inegales par une ligne enfoncee partant de la commissurc de la bouche ; queue arrondie, tres-longue, mais comprimce dans son quart terminal; les doigts librcs, de- gag^s, termines gen(^ralement par une tache noire, simulant tout-a-fait en dessus la forme d'un ongle." Hierzu habe ich nur zu bemerken, dass die M- förmig gebogene Zahn- reihe am Gaumen nur den erwachsenen Individuen zu- kommt ; bei den noch mit Kiemen versehenen Larven bildet dieselbe einen mit den Kieferzähnen parallelen einfachen Bogen. Ferner, dass die schwarzen Flecke am Ende der ODychoJactylus japonicus Boriap. 201 Finger nicht blos Krallen simiüiren, sondern wirklich Kral-' len yind, die nur den erwachsenen Weibchen fehlen. Schlegel giebt an, dass die Finger in gewissen Epochen des Jahres oder des Lebens mit Krallen bewaffnet seien. Ich bin durch die zahlreichen mir vorliegenden Exemplare zu der Gewdssheit gekommen, dass die erwachsenen Männ- chen die Krallen besitzen, dass sie den erwachsenen Weib- chen fehlen, dass aber die Larven in beiden Geschlechtern mit Krallen an allen Zehen versehen sind. Schlegel ist daher im Irrthum, wenn er im weiteren Verlaufe seiner Beschreibung p. 124 ausspricht, alle Finger hätten in bei- den Geschlechtern zur Fortpflanzungszeit schwarze hakige Anhänge, die man Nägeln vergleichen könne und deren Substanz eine grosse Analogie mit den Sepienschnäbeln zu haben scheine. Von den übrigen Schriftstellern, welche unser Thier erwähnt haben, lässt sich wohl annehmen, dass sie es nicht selbst gesehen, sondern nur nach den vorhandenen Schilde- rungen aufgenommen haben. Die Synomie würde wohl ziemlich vollständig die fol- gende sein. Onychodactyhis japonicus. 1782. Salamandra japonica Houttuyn. iVcta Vlissing. IX. p. 329 pl. IX, fig. 3. 1787. Thunberg. Nova Acta Akad. Stockholm VIIL p. 116. pl. 4. fig. 1. 1788. Lacerta japonica Linn. Gmel. Systema naturae p. 1076. Nr. 70. 1802. Shaw, General-Zoology 111. p. 248. 1833. Salamanclra unguiciäata Schlegel Fauna japo- nica p. 123. pl. 5. fig. 1-6. 1838. OnycJiodachjhis Scläeyelii Tschudi Classif. der Batrachier p. 57 und 92. Nr. 4. 1839. Onychoclactyhts japonicus Bonaparte Fauna ita- lica p. 11. fol. 131*. Nr. 5. 1841. Onycopus Skholdii Dumeril et Bibron Erpeto- logie generale VIII. p. 4. 1850. OnycJiodacUjlus japonicus Catalogue of the spe- cimens of Amphibia in the British Museum Part. IL p. 33. 202 Troschel: 1854. Onychodactylus ScJüegelii Dumeril et Bibron Er- pdtologie generale IX, p. 114. 1856. Oiiychodadylus japonicus Hallo wellProceed. Acad. Philadelphia VIII. p. 11. Blosses Citat; bildet mit Amby- stoma die Familie Ambystomidae. 1858. Onychodactyltis SchlegeUi Hallo well Journal Acad. of Philadelphia HI. p. 356. Die Beschreibung ist aus Du- meril und Bibron entnommen. 1858. Onychoäactylus Gray Annais nat. bist. I. p. 354. Hier ist nur die Gattung genannt, zur Tribus A. Ambysto- mina in der Familie Plethodontidae gezählt. 1858. OnycJwdactylus japonicus Gvay Froceed, zool. soc. of London p. 144; Annais nat. bist. IL p. 300. Hier in die Familie Plethodontidae gestellt. 1859. Onychodactylus Cope Proceed. Acad. Philadel- phia p. 123 wird hier der Gruppe Ambystominae zugezählt. 1870. Onychodactylus japonicus Strauch, Kevision der Salamandriden-Gattungen p. 60. mem. de l'acad. de St. Pe- tersbourg Tom. XVI. Nr. 4. Hiernach wird der Gattungsname Onychodactylus, den Tschudi 1838 einführte, die Berechtigung haben, und die Rechte der Priorität werden dem Speciesnamen japonicus gebühren. Das Thier muss also Onychodactylus japonicus genannt werden. Diejenigen, welche den Autor hinzufügen, welcher zuerst den Speciesnamen gegeben hat, müssen Houttuyn beisetzen, diejenigen, welche dem Autor die Ehre gönnen, welcher das Thier zuerst mit Gattungs- und Spe- ciesnamen so genannt hat, wie es bleibend zu nennen ist, in unserem Falle Onychodactylus japonicus, haben Bonaparte als Gewährsmann beizusetzen. Ich halte das Letztere für richtig und zweckmässig. Ich gehe nun zur Beschreibung der beiden Geschlech- ter im erwachsenen und im Larvenzustande über. 1. Das erwachsene Männchen. Das grösste meiner Exemplare ist 162 mm. lang; die Entfernung der Schnauzenspitze bis zu den Vorderbeinen beträgt 22 mm., bis zu den Hinterbeinen 62 mm., bis zur Aftercjffnung 72 mm., und die Entfernung von da bis zur Schwauzspitzc misst 00 mm. Oriychodactyhis japonicus Bonap. 203 Der Kopf (Fig. 5) ist flach, vorn abgerundet, mit vor- • gequollenen Augen, deren etwas concaver Zwischenraum etwa 3 mm. breit ist, und mit glatter Haut bedeckt. Ober- halb geht der Kopf ohne aufl'allende Grenze in den Hals über, unten und seitlich dagegen ist er durch eine scharfe Falte abgegrenzt. Die horizontale Mundspalte reicht bis zur Hälfte der Kopflänge, wenn man diese bis zur Hals- falte annimmt, und erstreckt sich bis hinter das Auge. Der Raum zwischen der Mundspalte und der Halsfalte wird von einer Parotide eingenommen, die durch eine senkrechte Furche in einen vorderen kleineren, und einen hinteren grösseren Theil gesondert ist. Das obere Augenlied ist dick und kann das ganze Auge, auch das untere dünne Augenlied vollkommen bedecken und schützen, wenn es sich herabsenkt. Die Pupille ist rund. Tn der Mitte zwischen dem Auge und der Schnauzenspitze liegt das kleine runde Nasenloch. Der Rumpf ist cylindrisch. Auf seinem Rücken zieht sich eine flache Furche hin, welche bis auf den Anfang des Schwanzes reicht. An den Seiten zwischen den Vorder- und Hintergliedmassen liegen 13 oder 14 senkrechte Fal- ten, die sich auch über die Bauchfläche fortsetzen, um sich mit denen der andern Seite zu vereinigen; freilich als viel weniger deutliche feine Linien. Ja diese Linien der Bauch- seite sind viel zahlreicher, indem sich zwischen je zwei seitlichen Falten noch zwei solcher Linien hinzufügen. Diese Linien werden deutlicher, wenn man das Thier aus dem Weingeist nimmt, und es ein wenig abtrocknen lässt. Die Vordergliedmassen sind schlank und enden in vier Zehen, die alle mit den schwarzen Krallen besetzt sind. Die Zehen nehmen von der ersten bis dritten an Länge zu, die vierte ist wieder kürzer, etwa von Länge der ersten. Die Hintergliedmassen sind viel kräftiger als die vor- deren, und der Fuss ist breit, indem sich am Aussenrande eine wulstige scharfrandige Erweiterung anlegt, die nur die letzte Phalange der Aussenzehe frei lässt. Die untere Fläche des Fusses ist durch eingedrückte Linien in zahl- reiche kleine Polster getheilt, ohne eigentliche Höcker zu bilden. Die Zehen (Fig. 9) sind gespreizt und ohne Schwimm- 204 T r o s c h e 1 : häute; sie nehmen von der ersten bis dritten an Länge zu, die vierte ist kaum länger als die dritte, die fünfte hi wieder kürzer, so lang wie die zweite. Auch alle Zehen der Hinterfüsse tragen die schwarzen Krallen, welche an die obere Hälfte des Nagelgliedes angefügt sind, nach hin- ten ziemlich spitz zulaufen, und mit der gebogenen Spitze sich am freien Vorderende herabbeugen. Der Schwanz ist länger als der übrige Körper. Er beginnt cylindrisch, wird aber bald comprimirt und wird hinten dreimal so hoch wie breit. In seiner hinteren Hälfte wird er auch oberhalb ziemlich scharfkantig. Auf der Unter- seite zieht sich eine longitudinale Furche hin, an deren vorderem Anfange die Afteröffnung liegt. Die äussere Be- schaffenheit der letzteren (Fig. 1) ist ganz besonders ge- eignet das männliche Geschlecht von dem weiblichen zu unterscheiden, sowohl bei den erwachsenen Thieren wie bei den Larven. Bei den erwachsenen Männchen, die wir ja hier zunächst besprechen, ist diese Oeffnung vorn von zwei geradlinigen leistenförmigen Wülsten begrenzt, die von der Mittellinie ausgehend nach hinten divergiren. Ihnen ent- sprechen zwei ähnliche kleinere Wülste am Hinterrande, so dass die Oeffnung selbst die Schenkel eines Winkels darstellt, welcher die Längsfurche vorn begrenzt, und mit ihr das Ansehen eines Pfeiles hervorbringt. Die ganze un- tere Partie des Schwanzes, an welcher diese Oeffnung an- gebracht ist, befindet sich bei meinen Exemplaren in auf- getriebenem Zustande, was wohl dahin gedeutet werden kann, dass sich diese Männchen in der Fortpflanzungs- periode befanden. Dass diese Exemplare wirklich die Männchen sind, davon überzeugte mich der Inhalt der Hoden. Derselbe besteht aus Schläuchen, die mit unend- lich zahlreichen eigenthümlich gewundenen kleinen Locken, eine unregelmässigc Spirale von wenig mehr als eine Windung darstellend, vollgestopft sind. Diese Locken sind aus fadenförmigen Spermatozoiden zusammengesetzt. (Fig. 12.) lieber das Innere des Mundes ist noch zu bemerken, dass die Kiclcrzähne einen dem Schnauzenrande parallelen Bogen einnehmen; die Zähne am Gaumen bilden eine Onychodactylus japonicus Bonap. 205 M förmige Figur zwischen den kleinen runden Choanen, wie es Dumeril und Bibron beschreiben^ oder besser sie stehen in zwei nach vorn convexen Bogen, die sich in der Mitte vereinigen. Die Lage dieser Zähne in Bezug auf die Choanen ist nicht überall gleich; zuweilen liegen die vor- dersten Zähnchen in der Linie, welche die Vorderränder der Choanen mit einander verbindet, wie in unserer Fig. 6, zuweilen ragt das M aber auch nicht unbeträchtlich vor den Choanen hervor. Dies darf wohl nicht auffallen, wenn man bedenkt, wie bedeutende Veränderungen diese Zähne eingehen, um sich von der Stellung bei den Larven in die- jenige der erwachsenen Thiere umzuändern, was nothwen- dig mit einer wesentlichen Umgestaltung der Schädeltheile während der Metamorphose zusammenhängen muss. Die Zähne des Unterkiefers stehen in einem Bogen parallel dem Rande desselben. Die Zunge ist rundlich, etwas länger als breit, der Länge nach in der Mitte angewachsen, mit freien Rändern. Auf ihrer Oberfläche ist sie mit feinen Papillen besetzt, welche die Neigung haben sich in Längsreihen zu ordnen. Die Haut ist überall ziemlich dicht mit punktförmigen Vertiefungen versehen, die auf der Rückenseite deutlicher sind als auf der Bauchseite. Die Farbe der Spiritusexemplare ist am Rücken dunkel- grau, fast schwarz, auf der Bauchseite gelblich. Längs dem Rücken zieht sich eine breite gelbe Binde hin mit zahl- reichen Vorsprüngen nach beiden Seiten. Am Nacken theilt sich diese Binde in zwei Aeste, die nach dem Hinter- rande des Auges verlaufen. Die Oberseite der Gliedmassen ist mit undeutlichen gelben Fleckchen versehen. . 2. Das erwachsene Weibchen. Da selbstverständlich zwischen dem Männchen und Weibchen in vielen Punkten Uebereinstimmung besteht, so werden bei der Beschreibung des Weibchens nur dieje- nigen Eigenthümlichkeiten hervorzuheben sein, in denen eine Abweichung statt findet. Es scheint fast, als wenn die Weibchen im Allgemei- nen etwas kleiner wäreu, denn mein grösstes Exemplar 206 Troschel: ist nur 148 mm. lang, und mehrere sind noch viel kleiner, das kleinste nur 97 mm. Die Entfernung der Schnauzen- spitze bis zu den Vorderbeinen beträgt bei dem grössten 22 mm., bis zu den Hinterbeinen 55 mm., bis zur Geschlechts- öfFnung 73 mm., und die Entfernung von da bis zur Schwanz- spitze misst 75 mm. Die Verhältnisse sind also sehr ähn- lich, wie beim männlichen Geschlechte, nur dass der Schwanz ungefähr der Rumpflänge gleich kommt. Beim Männchen finde ich ihn immer länger als den Rumpf, von der Schnauzen- spitze, bis zum Anfang der Afteröffnung, und von da zur Schwanzspitze gemessen; beim grössten Exemplar um 18 mm., beim kleinsten um 6 mm., wo die Schwanzspitze etwas verletzt ist, also nicht genau gemessen werden kann. Bei dem Weibchen übertrifft er beim grössten Exemplar den Rumpf nur um 2 mm., bei andern sind beide Entfernungen völlig gleich, bei noch andern ist sogar der Schwanz etwas kürzer. Am Kopfe wttsste ich keinen wesentlichen Unterschied hervorzuheben. Die Drüse am Vorderende des Kopfes (glande rostrale), die sich zwischen den Zwischenkiefern einschiebt, finde ich der Beschreibung von Schlegel ent- sprechend. Der Rumpf ist vielleicht bei Weibchen von derselben Grösse, um einiges länger als beim Männchen, doch mag dies auch individuell sein. Die senkrechten Falten an den Seiten sind vorhanden. Die Vordergliedmassen gleichen ganz denen des Männ- chen, ihre vier Zehen stehen auch in demselben Verhältnisse zu einander, aber ihnen fehlen die Krallen vollständig bei allen Exemplaren, und ihre Spitzen sind so zierlich abgerundet, dass nirgends eine Spur von einer früher daran angehefteten Kralle sichtbar ist. Die Hintergliedmassen (Fig. 2 und 11), sind viel schlanker als beim Männchen, und namentlich fehlt die wulstige Erweiterung am Aussenrande. Die Fussfläche und die Zehen stimmen ganz mit denen des Männchen überein, nur dass auch hier die Krallen gänzlich fehlen wie au den Vorderfüssen. Der Schwanz ist, wie bereits oben erwähnt, kürzer als beim Männchen, etwa von Länge des übrigen Körpers, sonst gleichen sich auch hierin beide Geschlechter. Am Anfange des Schwanzes auf der Unterseite liegt auch hier Onychodactylns japonicus Bonap. 207 die Afteröffnung (Fig. 2). Sie ist eine einfache Längsspalte, von etwas wulstigen Kändern umgeben. Bei kleineren Exemplaren, die nicht in der Fortpflanzungsperiode gefan- gen zu sein scheinen, ist diese Längsspalte ganz einfach, bei grösseren ist die Umgegend mehr geschwollen, und man bemerkt zuweilen gegen die Mitte der KSpalte jeder- seits eine kleine QuerMte, die sich ein wenig nach hinten richtet (Fig. 3). Es scheint, dass diese Exemplare in der Hochzeitsperiode getödtet sind. Das Ende der Kloake ist im Innern mit sehr hohen Falten versehen, die sich bis an die äussere Afteröffnung erstrecken, und es ist erklärlich, dass wenn durch eine Aufwulstung von innen die Afterspalte gehoben wird und ihre Ränder sich von einander entfernen, die grösste dieser Falten sichtbar werden und scheinbar nach aussen treten muss. Uebrigeus habe ich mich durch den Inhalt der Eierstöcke überzeugt, dass dies wirklich Weibchen sind. Die Stellung der Zähne ist dieselbe wie beim Männ- chen, die Kieferzähne stehen oben und unten in einem Bogen parallel dem Kieferrande, die Gaumenzähne bilden zwischen den Choanen das M. Bei genauerer Betrachtung unter dem Mikroskop bemerke ich, dass die Kieferzähne nicht in einer einzigen Reihe stehen, sondern einen unre- gelmässig geordneten Zug bilden. (Fig. 1 3.) Die einzelnen Zähnchen sind abgerundet oder spitzig, sehr klein. Im Unterkiefer könnte man sie eher für einreihig nehmen, aber wie Fig. 14 zeigt stehn sie in zwei dicht neben ein- ander gedrängten Reihen alternirend, und es finden sich w^ohl einzelne Zähnchen ausserhalb dieses Zuges. Diese letzteren sind zweispitzig. Die Zähne des Unterkiefers sind grösser und höher als die des Zwischenkiefers, ihr Durchmesser ist ungefähr 0,13 Mm. Die Zunge ist gebildet wie beim Männchen. (Fig. 8.) Dasselbe gilt von der Beschaffenheit der Haut, und in der Färbung wüsste ich auch keine Differerenz anzugeben. In dem Magen eines Weibchens fanden sich die Ueberreste eines Onisciden, und der Stachel eines bienen- artigen Insectes, was auf den Aufenthalt auf dem Lande schliessen lässt. 208 Troschel: 3. Die männliche Larve. Die vorliegenden männlichen Larven, cl. h. männliche Individuen, welche noch die Kiemen tragen (jüngere Larven, die noch nicht die entwickelten Beinpaare besässen, befin- den sich nicht in der Sammlung), sind viel kleiner als die erwachsenen Männchen. Das kleinste Exemplar ist 64 mm., das grösste 87 mm. lang. Die Entfernung der Schnauzen- spitze von den Vorderbeinen beträgt bei denselben beiden Individuen 12 und 14 mm., von den Hinterbeinen 31 und 38 nmi., von der Afteröffuung 35 und 43 mm., und von da bis zur Schwanzspitze 31 und 43 mm. Es scheint danach als ob der Schwanz verhältnissmässig mit dem Alter zunähme, da er bei den kleineren Exemplaren entschieden kürzer ist als bei den grösseren. Dies stimmt ja auch mit der Thatsache überein, dass bei den Erwachsenen der Schwanz länger ist als der RumpL Am Kopfe sind zwischen dem Larvenzustande und dem Erwachsenen grosse Veränderungen vorgegangen. Er ist bei den Larven vorn etw^as breiter abgerundet, und die Nasenlöcher liegen näher dem Rande als dem Auge. Die Augen sind nicht vorgequollen und ihr Zwischenraum ist nicht concav. Von den oberen Augenliedern ist noch nichts zu bemerken, das untere ist nur durch eine unbe- deutende Hautfalte angedeutet. Die Falte unter dem Halse ist sehr tief und verbindet die beiden Kiemenöff- nungen mit einander, sodass diese letzteren durch keinen Isthmus getrennt sind. Der Mund ist oben und unten mit Aveichen Li])pen umgeben, die besonders an den Seiten stark entwickelt sind. Die Mundsi)alte reicht nur bis unter die Mitte des Auges, weil sich dort die Oberlippe mit der unteren vereinigt. Die Parotiden sind noch weniger deutlich. Seitlich am Halse schmücken die Kiemen das Thier. Wenn Schlegel angiebt, es seien drei Kiemenbogen vor- banden, von denen nur die beiden ersten Kiemen tragen, so beruht dies auf einem Irrthum, da in Wirklichkeit vier Kiemenbogen vorhanden sind, von denen die drei ersten mit Kirmen besetzt sind. Wenn man das Thier aus dem Onychodactylus japonicus ßonap. 2Ö9 Weingeist nimmt, legen sich die Kiemen ziemlich fest an einander, und dadurch ist diese kleine Missdeutung leicht zu erklären. Jeder dieser vier Kiemenbogen trägt in ganzer Länge eine grosse dünne Hautfalte, die im unteren Theile ganzrandig ist, im oberen Theile treten bei den drei ersten zahlreiche fadenartige Verlängerungen in einer Reihe stehend hervor; die vierte hat solche Fäden nicht. Der erste Kiemenbogen bildet zugleich die äussere Haut, die man bei den Fischen Membrana branchiostega nennen würde, dass sie aber wirklich von einem Kiemen- bogen gestützt wird, ergiebt sich, abgesehen von ihren Kiemenfäden selbst, durch das Vorhandensein der Dornen an der concaven Seite, deren fünf vorhanden sind. Am zweiten und dritten Kiemenbogen stehen zwei Reihen sol- cher kleiner Dornen, und zwar an jedem in der vorderen Reihe vier, in der hintern fünf; der vierte Kiemenbogen trägt nur drei Dornen, und hinter ihm ist keine Spalte. Der Rumpf ist bei unseren Larven schon ganz so beschaf- fen, wie bei den erwachsenen Thieren, auch die 13 senkrechten Falten sind bereits deutlich vorhanden. Die Gliedmassen mit ihren Zehen sind vollständig ausgebildet, unterscheiden sich aber durch eine häutige Membran, welche die obere Kante vom Grunde bis auf die äussere Zehe säumt. Auch die Krallen sind überall vorhanden, und an den meisten Exemplaren schwarz ; nur bei dem kleinsten sind sie weiss gefärbt. Das Ver- hältniss der Länge der Zehen entspricht ganz dem der erwachsenen Thiere. Die wulstige Erweiterung am Aussen- rande, welche die Hintergliedmassen der erwachsenen Männ- chen auszeichnet, ist bei den Larven noch nicht ausgebildet. Der Schwanz, welcher wie bereits oben bemerkt kürzer ist als der Rumpf, und höchstens bei dem grössten Exemplar die Länge des Rumpfes erreicht, ist oberhalb in ganzer Länge, unterhalb etwa von der Mitte mit einer Membran versehen, die den Schwanz höher und mehr comprimirt erscheinen lässt. Sowohl diese Membranen des Schwanzes, wie die an der oberen Seite der Glied- massen sind also als Larven-Attribute zu bezeichnen. Die Afteröffnung, die ja zugleich Geschlechtsöffuung ist, zeich- Avchiv für Naturg. XXXXIII. Jahrg. 1. Bd. 14 210 Troschel: net sich auch bei den männlichen Larven vor den weib- lichen aus. Die Partie, in welcher die Afteröffnung liegt, ist von einem Wulst umgeben. Darin (Fig. 4) zeichnet sich eine rhombische Figur aus, deren vordere Seiten geradlinig, die hinteren eingebogen sind und in der Mitte liegt die runde Oeffnung. Was die Zähne betrifft (Fig. 7), so stehen die Zähne des Oberkiefers wie bei den Erwachsenen in einem Bogen parallel dem Rande. Die Gaumenzähne zeigen aber keine Aehnlichkeit mit der M-fönnigen Gestalt der Erwachsenen; vielmehr bilden auch sie einen mit dem Rande parallelen Bogen, der sich von einer Choane zur anderen erstreckt. Die Zähne des Unterkiefers stehen in einem Bogen parallel dem Rande desselben. Es mtisste auffallen, wenn die ausserordentliche Ver- schiedenheit der Gaumenzähne bei den Larven und bei den Erwachsenen nicht auch bei anderen Urodelen vor- kommen sollte. Da mir nicht gerade Larven von unseren einheimischen Salamandern und Tritonen zur Vergleichung zu Gebote standen, zog ich die neueren Werke über diese Thiergruppe zu Rathe, um mich darüber zu belehren, fand aber durch die so ausgezeichneten Arbeiten von Leydig*) und von Wiedersheim^) nicht die gewünschte Aufklärung. Beide haben dem Gebiss der Larven keine Beachtung geschenkt. Nur bei Fatio^) finde ich Andeutungen über Verschiedenheiten des Gebisses der Larven, die mich ver- muthen lassen, dass es eine allgemeine Eigenthtnnlichkeit sei, dass die Urodelen mit dem Abwerfen der Kiemen eine tief greifende Veränderung ihrer Lebensweise eingehen^ die ihnen auch ein anderes Gebiss nöthig macht. So sagt er p. 492 von Salamandra maculosa nach der Beschreibung des Gebisses der Erwachsenen: Chez la larve: deux larges 1) Leydig, Ueber die Molche (Salamandrina) der württem- bergischen Fauna. Archiv für Naturgeschichte 1867 I, p. IGo. 2) Wiedersheim, Salamandrina perspicillata und Gootriton fuflcns, Versuch einer vergleichenden Anatomie der Salamandrinen mit besonderer Berücksichtigung der Skelet-Verhältnisse, Genua 1875. 3) Fatio, Faune des Vertebres de la Suisse. Vol. III. Onychodactylus japonicus Bonap. 211 groupes en croissant, disposes sur les faces laterales et anterieures du palais, en majeure partie en avant des orifices nasaux, et rarement parfaitement reunis et arrondis en arriere. Ferner heisst es p. 499 von Salamandra atra : Cette dentition de Fadulte est, il est vrai, comme chez la larve de la Salamandre tachetee, precedee cliez le foetus, tres jeune encore, par deux groupes en croissant, formant un arc parallele au maxillaire, et en grande partie anterieurs aux orifices nasaux; mais les deux branches laterales de cet arc sont ici generalement reunies sur le centre. Toute- fois, ce Systeme dentaire primordial est dejä remplace par les lignes palatines divergentes de l'individu parfait, chez la jeune Salamandre noire, avant quelle ait termine son deve- loppement interne et lorsqu'elle porte encore d'assez grands rameaux branchiaux. Ebenso heisst es pag. 510 für die Gattung Triton im Allgemeinen, das Gebiss der Erwach- senen sei precedee, chez la larve branchiee, par deux groupes anterieurs, obliques, lateraux, et constamment largement separes, wozu denn auch eine Abbildung gege- ben ist. Auf dieses Verhalten ist denn auch bei einzel- nen Arten wieder hingewiesen, z. B. bei Triton alpestris p. 542, bei Triton lobatus p. 559, bei Triton palmatus p. 571. Es scheint danach, als ob die Abänderung des Gebis- ses nach den verschiedenen Lebensperioden eine ziemlich allgemeine sei, und als ob die Gaumenzähne vor dem Abwerfen der Kiemen einen Bogen im vorderen Theil bildeten, der freilich häufig in der Mitte nicht geschlossen ist. Es muss als eine Bestätigung der Allgemeinheit die- ses Satzes gelten, dass die Gattung Siredon eine ganz andere Stellung der Gaumenzähne hat, als die Gattung Ambystoma, obgleich doch, wie allgemein bekannt, sie sich unter gewissen Umständen in Ambystoma umwandelt. Schon Fatio hat 1. c. p. 475 kurz darauf hingewiesen. Der Bogen der Gaumenzähne von Siredon, wie bei Dumeril und Bibron Erpetologie generale pl. 95, fig. P abgebildet, hat viel Aehnlichkeit mit den Larven unseres Onychodactylus, während die Gaumenzähne von Ambystoma ib. pl. 101, fig. 6 völlig anders sind, eine geschwungene Querlinie hinter den Choanen darstellend. Auch bei den Gattungen, 212 l'roschel: welche, soweit bis jetzt bekannt, die Kiemen zeitlebens behalten, wie Menopoma, Menobranchus, Proteus, Amphimna, entsprechen die Gaumenzähne dem Larvenzustande unseres Onychodactylus, wie im Allgemeinen den Salamandriden, indem sie einen Bogen vor den Choanen, mehr oder weniger parallel den Kieferzähnen bilden. Somit kann die Differenz zwischen dem Gebiss der Larven und Erwachsenen bei Onychodactylus nicht mehr auffallen, sie ist eben etwas den Urodelen gemeinschaftliches. Die Zunge ist wie bei den Alten gebildet. Die Haut ist glatt und hat die punktförmigen Ver- tiefungen der Erwachsenen noch nicht. Die Farbe weicht in sofern von den alten Exem- plaren ab, als die schwärzliche Partie des Rückens aus zahlreichen dunklen Flecken besteht, die noch nicht so verschmolzen sind, und daher dem Thiere ein geflecktes Ansehen geben. Auch sind die dunklen Flecken, welche sich später vereinigen sollen, noch aus ausserordentlich zahlreichen sehr feinen schwarzen Punkten zusammen- gesetzt. Im Uebrigen ist die zackige gelbe Binde des Rückens bereits angedeutet. 4. Die weibliche Larve. Die weiblichen Larven liegen in grösserer Anzahl vor als die männlichen Larven und sind mit diesen wieder zahlreicher gesammelt als die erwachsenen Thiere, unter denen wieder die Weibchen zahlreicher sind als die Männ- chen. Wenn auch nicht gerade mit Sicherheit, so lässt sich doch als wahrscheinlich daraus auf die Häufigkeit des Vorkom- mens ein Schluss ziehen. Die Grösse der vorliegenden Exemplare ist nicht sehr verschieden. Die grössten sind 87 mm. lang, das kleinste Exemplar 68 mm., während die meisten dem grössten Exemplare sehr nahe kommen. Die Entfernung der Schnau- zens])itze von den Vorderbeinen beträgt bei den beiden erwähnten Exemplaren, dem kleinsten und gi'össten, die überdies mit der kleinsten und grössten männlichen Larve sehr nahe übereinkommen, 12 und 14 nmi., von den Hinter- beinen 32 und 39 mm., von der Afteröftnung 3ß und 45 mm. Onychodactylus japonicus Bonap, 213 und von da bis zur Schwanzspitze 32 und 42 mm. Es kommt also auf dieselben Verhältnisse wie bei den männ- lichen Larven hinaus, wenn man berücksichtigt, dass ja kleine individuelle Abweichungen überall gefunden werden. Auch im Uebrigen wüsste ich zwischen den männli- chen und weiblichen Larven keine wesentliche Abweichung hervorzuheben, Kopf, Augen, Naslöcher, Kiemen, Gebiss sind ebenso gebildet wie bei den Männchen, und wie es so eben beschrieben worden ist. Die Gliedmassen haben in ganzer Länge der Oberseite dieselbe Hautfalte, sie haben dieselben Zehen nach Zahl und nach Verhältniss der Länge, auch sind: sämmtliche vorliegende Exemplare an allen Zehen mit den schwarzen l&rallen versehen wie die männlichen Larven. Da diese Krallen, wie oben mitge- theilt, sämmtlichen erwachsenen Weibchen fehlen, so darf man wohl annehmen, dass dieselben gleichzeitig oder nahezu gleichzeitig mit den Kiemen abgelegt werden. Auch der Schwanz hat dieselben Membranen wie die männlichen Larven. So kann ich mich einer näheren Beschreibung dieser einzelnen Theile enthalten. Trotz dieser Uebereinstimmung unterscheiden sich die weiblichen Larven doch leicht und sicher durch die Afteröffnung, die bereits wie bei den erwachsenen Weib- chen aus einer einfachen Längsspalte besteht. Was endlich die Färbung betrifft, so sind die dunklen Partien kräftiger ausgedrückt, als bei den männlichen Lar- ven, und geben daher ein bunteres deutlicher geflecktes Ansehen. Ich hatte eigentlich die Absicht, auch noch Notizen über die Organe, welche die Leibeshöhle erfüllen, sowie über die Skelettheile zu geben. Dazu wäre aber eine ein- gehende Vergleichung mit den bekannteren Salamandrinen erforderlich gewesen, und in diesem Umstände liegt die Ursache der Verzögerung dieser Mittheilung. Das Natur- historische Museum besitzt die Onychodactylus japonicus bereits seit dem Jahre 1875, und ich legte dieselben bereits am 8. November 1875 in einer Sitzung der Niederrheini- schen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde vor. (Vergl. Sitzungsberichte der Niederrh. Ges. 1875 p. 292). Vor 214 Troschel: Onychodaolylus japonicus Bonap. einigen Tagen ersuchte mich Herr Professor Wiedersheim in Freibnrg i. B. um Mittheilung einiger Exemplare, die er zu einer grösseren Arbeit über das Kopfskelet der Uro- delen benutzen möchte. Dieser Gelehrte hat bereits so schöne Arbeiten über die Salamandrinen geliefert, dass ich glaube, es geschehe der Wissenschaft ein grosser Dienst, wenn ich ihm, der schon so tief in die Erkenntniss der Salaman- drinen eingedrungen ist, die weitergehende Untersuchung dieser merkwürdigen Gattung überlasse, und — mir dadurch die Zeit für andere Untersuchungen, die mir näher liegen, erspare. Erklärung der Abbildungen. Tafel XV. Ouychodactyliis japonicus Bonap, Fig. 1. Afteröffnung des erwachsenen Männchens. Fig. 2. x\ftcröffnung des erwachsenen Weibchens. Fig. 3. Dieselbe, etwas weiter geöffnet. Fig. 4. Aftcröffnuug der männlichen Larve. Fig. 5. Kopf des erwachsenen Männchens, von der Seite gesehen. Fig. 6. Gaumen des erwachsenen Männchens. Fig. 7. Gaumen der männlichen Larve. Fig. 8. Zunge eines erwachsenen Weibchens. Fig. 9. Rechter Hinterfass eines erwachsenen Männchens. Fig. 10. Eine Zehe desselben, von der Seite gesehen. Fig. 11. Linker Hinterfuss eines erwachsenen Weibchens. Fig. 12. Spermatozoen-Büschel eines erwachsenen Männchens. Fig. 13. Zwischenkiefer-Zähne eines erwachsenen Weibchens. Fig. 14. Unterkiefer-Zähne eines erwachsenen Weibchens. Grundzüge zur Systematik der Milben. Von P. Krämer in Schleusingen. E. Claparecle stellte in der Einleitung zu seinen gehaltvollen Studien an Acariden eine Behandlung der grossen Ordnung der Milben auch in systematischer Bezie- hung in Aussicht; es konnte ihm nicht entgehen, wie chaotisch unsere Kenntniss dieser merkwürdigen Thiere in zoologischer Hinsicht immer noch war. Leider war es ihm nicht vergönnt, sein Versprechen einzulösen, auch scheint die gewiss grosse Fülle von Material zu einer systematischen Darstellung der Ordnung der Milben, die sich in seinem Nachlass befindet, nicht zugänglich gemacht zu werden. Wir stehen daher annähernd noch auf demselben Punkte als im Jahre 1868. Es giebt keine umfassendere Bearbeitung der ganzen Ordnung, welche genauere Kennt- niss verbreitet, als die Koch'sche, und selbst die Darstel- lungen einzelner Gruppen sind immer noch so lückenhaft, so wenig von einem die ganze Ordnung beherrschenden Standpunkt aus unternommen, dass die Forschung hier ein fast völlig unbebautes Feld inmitten einer reich cultivirten Gegend vorfindet. Eine Ausnahme davon machen allein dieje- nigen Abtheilungen, die für die Medizin von Interesse sind. Hier haben sich ausgezeichnete Kräfte vereinigt, um eine Vollständigkeit der Kenntniss auszubilden, die man den übrigen Gruppen der Milben nur von Herzen wünschen 216 P- Kramer: kann. Es verband sich medizinisches und zoologisches Interesse, um die Kratz- und Räudemilben genau kennen zu lernen, ein Interesse, welches zunächst an das den Men- schen plagende Epizoon anknüpfte und dann mehr und mehr die andere Thiere angreifenden verwandten Milben in den Kreis der Betrachtung zog. Ein ähnliches Interesse liess die Zecke zu einem in Betreff der zoologischen Kenntniss- nahme bevorzugten Geschöpfe werden. Es versteht sich von selbst, dass die systematischen Arbeiten von Nicolet zu den mustergültigen gerechnet werden müssen. Sie sind aber auch in der That die ein- zigen, die Anspruch auf eine annähernd vollständige Behand- lung des gewählten Gegenstandes machen. Die eingehenden Arbeiten von Robin und Fumouze schliessen sich ihnen an, doch haben sie schon mehr den Charakter von Mono- graphien, wie er in den Aufsätzen von Pagenstecher am deutlichsten hervortritt. Die genannten Schriftsteller reprä- sentiren die Elite der Milbenforscher und ihnen schliessen sich die Bearbeiter der Kratz- und Räudemilben an, aber auch sie haben das Gesammtgebiet im Grunde nur gestreift. Den ersten Versuch, eine systematische Uebersicht des gesammten Materials zu geben, hat C. v. Hey den im Jahre 1826 gemacht. Er muss nach unserer jetzigen Kennt- niss als verunglückt angesehen werden. Unbenutzbar ist das von ihm in der Isis abgedruckte Schema auch schon für seine Zeitgenossen gewesen, da die Charakteristiken ungemein unbestimmt abgefasst sind. Ihm folgte Duges, welcher die jetzt noch allerwärts in den Lehrbüchern aufgezählten kanonischen Familien schuf. Koch hat hiergegen nicht aufkommen können, obgleich seine Anordnung in der That, meiner Ueberzeugung nach, der Wahrheit näher kam, als die des französischen Akademikers. Der letzte Versuch ist wohl von P.Gervais gemacht eine Syste- matik der Acariden herzustellen. Seine umfangreiche Arbeit in Walkenacrs Histoire naturelle des Insectes apteres, weil alles bisher Gebotene ohne jede Kritik aufnehmend, ist nichts als eine Nomenclatur, noch weniger zu gebrau- chen als die vielen Quellen, welche er hat zusammen- flicssen lassen. Gnmdzügc zur Systematik der Milben. 217 Ich fithre an einem andern Ort genauer aus, worin das Unzureichende aller bisherigen Aufstellungen zu suchen ist und beschränke mich für den mir zunächst vorliegen- den Zweck auf den Himveis, dass es in der That unmög- lich ist, nach Duges oder Koch oder Gervais oder Heyden die Milben zu bestimmen, ja selbst über die Stellung der Gattungen zu einander zur Klarheit zu kommen. Diese Unmöglichkeit wird von jedem sofort empfunden, sobald er eine der vielen Unterfamilien zum Gegenstand einer genaueren Untersuchung macht; ein Labyrinth öifnet seine Thore, sobald man in die Acaridensystematik eintritt. Da bietet sich als Ariadnefaden eine Bemerkung Claparede's, deren wesentlicher Inhalt mir, ehe ich sie las, durch anhaltende Beschäftigung mit den Milben, schon in sei- ner fundamentalen AVichtigkeit bekannt wurde, die mich aber nun, wo ich sie las, in meiner Ansicht bestärkte, obwohl Claparede selbst auf seine Aeusserung^ mit vollem Bewusst- sein kein Gewicht legt. Man muss dieAthmung als ober- stes Unterscheidungsmerkmal zu Grunde legen. Dies that in gewissem Sinne schon E. Claparede, wenn auch nicht mit dem Bewusstsein, eine systematische That vollzogen zu haben, indem er die Hoplophoren als Bindeglied für die durch Tracheen athmenden und die tracheenlosen Milben ansah. Es ist längst schon durch Special-Untersuchungen bekannt gew^orden, dass die Tracheenmilben als Larven noch kein Tracheensystem besitzen. So hat Pagenstecher es von Ixodes und Trombidium nachgewiesen, so kann man es leicht bei Gamasiden beobachten. Die Gattung Tarsonemus giebt ein schönes Beispiel dafür. Kurz, wo man bis jetzt hingesehen hat, treten die Tracheen erst verhältnissmässig spät in dem Milben- Individuum auf. Sollte man nicht grade auf diese Erscheinung ein Hauptgewicht legen dürfen? Es scheint mir natürlich, einem Organ, welches erst bei vollständig oder nahezu vollständig erwachsenen Milben auftritt, die Bedeutung beizulegen, die es für die Systematik der Milben künftig bekommen soll. Allerdings beschränken sich meine Beobachtungen leider nur auf einheimische Milben. Die ungezählte Schaar der in den fremden Continenten hausenden Stammverwandten mag 218 l^ Kramer: daher leicht anomale Verhältnisse bieten. So lange aber noch nicht ein gnädiger Zufall einem reisenden Natur- forscher spezielles Interesse für Acariden schenkt, oder die Reichthümer ferner Zonen in unsere Museen ausgiesst, müssen wir uns an den bescheidenen Formen unserer Gegenden genügen lassen. Die Milben zerfallen in die zwei grossen Hauptab- theilungen : L Acarina tracheata: Milben, welche im erwachsenen Zustande Tracheen in irgend einem Stadium der Ausbil- dung fähren. IL Acarina atracheata: Milben, welche auch im erwachsenen Zustande niemals eine Spur von Tracheen führen. Ich begränze das Gebiet der ersten Abtheilung zunächst am besten dadurch, dass ich die Milben, welche zur zweiten Hauptabtheilung gehören, mit Aufführung der Gattungsnamen ausschliesse. Es gehören zur zweiten Abtheilung die Gattungen der ächten Acariden, also : Glyciphagus, Tyroglyphus, Rhizoglyphus , Dermaleichus, Myocoptes, Listrophorus. Ferner rechnen dahin die Gattun- gen Histiostoma, Phytoptus, Demodex und die Familie der Sarcoptidae mit allen von Fttrstenberg und anderen aufge- stellten Gattungen. Dem Kenner entgeht auch nicht einen Augenblick, dass der geringere Theil des Milbenheeres zur zweiten Hauptabtheilung gezogen werden muss. Die innere Anord- nung dieser Abtheilung bietet nicht unerhebliche Schwierig- keiten. Ich lasse sie hier auf sich beruhen, eine künftige Behandlung wird sie zum Gegenstand nehmen. Ist einmal das Tracheensystem derart in den Vorder- grund geschoben, dass nach ihm sich die Milbenschaaren sondern sollen, so halte ich die Aufmerksamkeit noch län- ger bei diesem System fest. Man beobachtet leicht eine höchst charakteristische Anordnung der Luftlöcher bei den Gattungen, welche die erste Ilauptabth eilung bilden. Diese Anordnung der Stigmata muss es sein, welche zur weiteren Unterscheidung führt. Es giebt vier verschiedene Stellungen, welche die Luftlöcher, deren Zahl stets zwei beträgt, einnelimcn können: 1) beide Gruiidzügc zur Systematik der Milben. 219 Oeffnimgen stehen dicht neben einander vorn an den Wur- zeln der Kieferftihler; 2) die weit von einander getrennten Luftlöcher stehen au? dem thoraxähnlichen vorderen Leibes- theil; 3) die Luftlöcher befinden sich an den Hinterleibs- seiten zwischen dem dritten und vierten Hüftenpaar oder in der Gegend des vierten Hüftenpaars und besitzen einen nach vorn sich hinziehenden Hautkanal; 4) die Luftlöcher stehen hinter den Hüften des vierten Paares und sind becherförmig vertieft. Mit diesen Unterabtheilungen sind alle Hauptformen erschöpft, ich bringe daher zunächst die Unterfamilien in Verbindung mit der Anordnung der Luftlöcher. Die erste grosse Abtheilung umfasst ausser anderen die bisherigen Trombididen und Hydrachniden. Ich fasse sie alle zusammen unter dem Namen Prostigmata. Durch die zweite Anordnung sind die Oribaticlae charakterisirt, durch die dritte die Gamasidae, durch die vierte die Ixodidae. Zu den Tracheenmilben gehören nun noch zwei Gattungen, Tarsonemus Canestrini^) (Dendroptus Kramer), und die von E. Claparede genauer untersuchte Myohia. Beide Gattungen sind den eben genannten Familien gleich- werthig. Tarsonemus trägt seine Stigmata an dem Seiten- rand des ersten von den fünf Hinterleibssegmenten. Myobia trägt sie zwischen den beiden vorderen Füssen, wo sie durch einen erheblichen Zwischenraum von einander getrennt zu finden sind. Bei dieser Eintheilung mache ich auf etwas Bemerkens- werthes aufmerksam. Die Familie der Gamasiden ist seit- 1) Als dieser Aufsatz bereits abgesendet war, wurde mir durch eine briefliche Mittheilung des Herrn Canestrini in Padua, welcher in demselben Jahr 1876 die von mir Dendroptus genannte Milbe unter dem Namen Tarsonemus beschrieben hatte, die Frage vorge- legt, welcher von uns beiden seine Arbeit früher veröffentlicht habe. Diese Frage beantwortet sich dahin, dass Herr Canestrini das Vor- recht behalten muss, die neue Gattung unter dem von ihm gege- benen Namen Tarsonemus in dem System aufgeführt zu sehen. Es mussten daher in dem gegenwärtigen Aufsatz überall an Stelle der Bezeichnungen Dendroptus und Dendroptidae die andern Tarsonemus und Tarsonemidae treten. 220 P. Kram er: dem sie aufgestellt .wurde, wohl von jedem Beobachter für eine sehr natürliche gehalten worden. Die dahin gehö- rigen Thiere sind durch soviel geraeinsame Merkmale, die zugleich ebensoviel Unterscheidungsmerkmale gegen andere Familien abgeben, verbunden, dass sie sich mit Individuen anderer Familien beim besten Willen nicht verwechseln lassen. Es reicht daher hin, eine so in sich abgerundete Gruppe durch ein einziges bedeutsames Kennzeichen zu charakterisiren. ^ Dasselbe gilt von den Oribatiden, welche eine nicht minder charakteristische Milbenfamilie abgeben. Dass sich die charakteristische Form auch auf die Tra- cheenanlage erstreckt, unterstützt daher die systematische Gruppirung, welche ein wichtiges Organ herausgreift um dadurch den durchgehenden Unterschied gegen andere Familien anzudeuten. Die Ixodiden sind stets für eine besondere Milbenform gehalten und ihre eigenthümliche Organisation wird durch die besondere Lage und Form der Tracheenöffnungen zur Genüge gekennzeichnet. Die Trom- bididen und Hydrachniden dagegen sind bisher stets ein Asyl für unbestimmbare Milben gewesen, ein rechtes Beispiel für unnatürliche Gruppen. Sie verschwinden bei der beschrie- benen Sonderung und werden auch weiterhin nicht wieder als Sammelnamen auftauchen. Es finden also unter der ersten Hauptabtheilung fol- gende sechs Familien Platz: 1) Prostigmata. 2) Oribatidae. 3) Gamasidae. 4) Ixodidae. 5) Tarsonemidae. 6) Myohiidae. Es soll die spezielle Aufgabe dieses Aufsatzes sein, die erste dieser Familien genauer zu betrachten, ihre Unterfarailien und die zugehörigen Gattungen zu charak- terisiren. Um diese erste Familie, welche alle bisherigen Trom- bididen, Hydrachniden, Bdelliden und Cheyletiden in sich be- fasst, weiter zu gruppiren, reicht die Ausbildung des Tracheen- systems nicht aus. Es soll auch mittelst dieses Organs nicht ein leerer Schematismus getrieben werden. Die bis- her aufgestellten Gruppen zeigen auch in allen übrigen Leibesverhältnissen eine so durchgreifende Verschiedenheit/ von einander, dass die Beobachtung eines einzigen charakte- Grundzüge zur Systematik der Milben. 221 ristisch gebildeten Organs ausreichte, um den Unterschied im Systeme auszudrücken.' Um die Milben mit vorn gelege- nen Stigmen scharf zu sondern, muss der ganze Organismus und namentlich die Ausbildung der Mundtheile massgebend sein. Die letzteren sind auch bisher von den Systematikern nicht vernachlässigt worden, es ist aber auf eine bestimmte Form so wenig Werth gelegt, dass es z. B. bei Claus in der Charakteristik der Hydrachniden, allerdings ganz rich- tig, heisst: Kieferfühler meist klauenförmig ; wer aber die Milbe grade fing, von welcher die ganze Familie ihren Na- men herleitete, der fand stechborstenartige Kieferfühler. Wenn in demselben Handbuche der Zoologie sich unter der Charakteristik der Trombididen findet, Kieferfühler meist klauenförmig, so ist dieses völlig richtig, aber un- benutzbar, denn man findet unter den Thieren, welche bisher zu den Trombididen gerechnet wurden, nicht wenige, und darunter die grössten, mit stechborstenartigen Kieferfühlern, andere mit scheereuformigeu ; woran soll man aber bei die- sen erkennen, dass sie zu den Trombididen gehören? Die Beispiele werden genügen, um zu beweisen, wie vollständig unmöglich die Aufrechterhaltung der bisher beibehaltenen Familien der Trombididen und Hydrachniden ist. Es scheint mir ein Hauptverdienst des vielverkannten Koch zu sein, dass er mit richtigem Blick gerade diese Familien auflöste und mehrere daraus schuf, wenn auch nicht ausreichend begründete; er durchbrach doch wenigstens den Bann, der seit Duges auf der Milbologie gelegen hatte-. An Stelle der bisher üblichen beiden Familien der Trombididen und Hydrachniden bin ich gesonnen, zwölf neue zu setzen, und dieses zu begründen ist die ganz spe- cielle Aufgabe, die mir noch zu lösen erübrigt. Gelingt sie, so werden im Ganzen, mit den Bdellidae und Cheyle- tidae 14 Unterfamilien die grosse Familie der Prostig- matia bilden. Nehme ich die bisherige Familie der Trombididen zu- erst vor, so könnte man zweifelhaft sein, welchem Organ des Mundapparats man den Vorzug geben soll. Kiefertaster sowohl als Kieferfiihler zeigen eine merkwürdige Vielge- staltigkeit. So ist bekanntlich bei der Gattung Trombidium 222 P- Krämer: das fünfte Kiefertasterglied an der Basis des vierten Gliedes eingelenkt, so dass es nur einen mehr oder weniger keulen- förmigen Anbang dieses vorletzten Gliedes darstellt. Bei Tetranycbus ist diese eigenthümlicbe Bildung schon nicht mehr deutlich, ja man möchte hier wohl von bereits regel- mässig gebauten Kiefertastern reden. Es ist das vorletzte Glied der Taster aber noch in eine ansehnliche schwach- hakenförmig gekrümmte Kralle ausgezogen, wie es bei der Gattung Trombidium ebenfalls gefunden wird. Bei Ery- thraeus, einer von allen Autoren zu den Trombididen ge- zogenen Gattung, ist von beiden Eigenthümlichkeiten keine Andeutung mehr zu finden. Die Glieder der Kiefertaster sind eins wie das andere cylindrisch geformt und das fol- gende sitzt jedesmal der vorderen Endfläche des vorher- gehenden auf. Ebenso gebildet sind die Taster bei der allein von Duges beobachteten Gattung Pachygnathus. Bei der sehr eigenthümlichen Gattung Raphignathus ist die Tasterbildung in keiner Weise auffallend, dagegen zeigt Rhyncholophus und Smaridia wieder in diesem Punkte eine auffallende Verwandtschaft mit Trombidium, ebenso wie Megamerus. So charakteristisch daher auch für einige Gattungen die Art der Einlenkung des letzten Kiefertaster- gliedes ist, so kann diese doch in keinem Falle zur Fa- miliencharakteristik herangezogen werden und am aller- wenigsten in einer Form wie Claus es thut, bei welchem die Kiefertaster der Trombididen mit einer Klaue neben einem lappenförmigen Anhang endigen. Also die Kiefertaster geben kein scharf definirbares Kennzeichen ab, wollte man die Trombididae in altem Sinne beibehalten. Ja wollte man nur auf die Anzahl der Glieder Gewicht legen, so wäre wieder eine Gruppe mit fünfgliedrigen Kiefertasten gegenüberzustellen einer andern mit viergliedrigen. Zu jener ersten würden die Gattungen Trombidium, Rhyncho- lophus, Smaridia etc., zu dieser letzteren beispielsweise Tetranycbus und Bryobia gezählt werden müssen. Auf die blosse Anzahl der Glieder eines einzigen Mundorgans wage ich aber nicht die Sonderung in Unterfamilien zu stützen, ein solches Vorgehen würde den Vorwurf kleinlicher IJnter- schiedsmacherei mit Recht auf sich laden. Grundzüge zur Systematik der Milben. 223 Geht die systematisclie Gruppinmg auf Grund der eigenthümliclien Gestaltung der Kiefertaster niclit an, so wären vielleicht die Kieferfühler heranzuziehen, um aus den bisherigen wenig gut definirten Trombididen eine besser umschriebene Familie zu machen, doch auch hier ist die Mühe eine vergebliche. Man muss sich wundern, dass es immer noch in Lehrbüchern der Zoologie ungenirt heisst: Kieferfühler meist klauenförmig und doch haben Smaridia^ Rhyncholophus , Tetranychus, Bryobia, und andere höchst ausgezeichnete Milbengattungen, welche jeder unweigerlich zu den Trombididen alten Datums stellt, stechborstenartige Kieferfühler, gar nicht zu reden von den scheerenförmigen Kieferfühlern von Megamerus und Pachygnathus. Allerdings muss man sich ja wohl die Ansicht bilden, dass die man- nigfaltigen Formen der Kieferfühlerbildung, wie man sie bei Milben überhaupt findet, durch Umbildung aus irgend einer Grundform entstanden sein werden und es ist nicht schwer, in der scheerenförmigen Form die klauenförmige wiederzuerkennen. Schwieriger wird es schon bei Gattungen wie Rhyncholophus und ähnlichen die ersten Glieder der Fühler zu entdecken, wenn sie überhaupt noch vorhanden sind. Es gilt ja. aber bei Beurtheilung der nun einmal vor- handenen Gestalten nicht, darüber zu grübeln, wie sie etwa möglicherweise genealogisch zusammenhängen, das führt, wenn überhaupt zu irgend einem Ziele, doch nur zu einer sehr subjectiven Ansicht, sondern es gilt, die nun einmal vorhandenen sehr auffallenden Unterschiede in der Ausbil- dung gleichwerthiger Organe zu einem Gesammtbilde, einer möglichst genau erkennbaren Charakterisirung zusammen- zufassen. Und aus diesem Gesichtspunkt ist es ganz un- möglich Milben mit stechenden, hakenförmigen und schee- renförmigen Kieferfühlern unter die eine Gesammtrubrik Trombididen zu setzen. So wenig, wie jedes Mundorgan einzeln für sich aus- reicht, um eine scharfe Charakterisirung der Familie der Trombididen zu ermöglichen, so wenig sind andere von den bei den Autoren namhaft gemachten Eigenthümlich- keiten im Stande, ein gemeinsames Merkmal aller hierher gerechneten Milben abzugeben. Wenn Gerstäcker die Beine 224 P. Kramer: plump findet, so protestirt die Gattung Rhyncholophus leb- haft dagegen. Sie findet mit vollem Rechte ihre Beine schlank und lang, sowie die Gattung Erythraeus, welche zwar dickere Füsse besitzt als Rhyncholophus, aber sie sind lang und nicht im entferntesten plump. Was die Augen betrifi't, so sind sie ja bei den bisher zu den Trombididen gezählten Milben stets vorhanden, es ist aber doch eine sehr aufi'allende Bildung, die sich bei der Gattung Trombidium im Gegensatz zu allen übrigen Milben entwickelt hat, indem sich hier die Augen auf be- weglichen Stielchen finden, eine Anordnung wie sie sogar in der ganzen Ordnung der Arachniden nicht wieder vor- kommt. Es würde daher schwer sein, auf die Ausbildung der Augen eine Familiengemeinschaft mit zu begründen, zumal wenn es sich herausstellt, dass es auch augenlose Milben giebt, die den Trombididen nahe stehen. So bleibt denn nichts anders übrig, als die bisher, wie die soeben beendete Darlegung zeigt, gänzlich kritik- lose Zusammenstellung einer Anzahl von Milbengattungen, der man den Gesammtnamen Trombididae gab, aufzulösen. Wird aber überhaupt einmal an dieser lange conservirten Familie gerüttelt, so fällt sie auch gleich- in eine grössere Anzahl einzelner Stücke auseinander, die allerdings gewisse Familienähnlichkeiten zeigen mögen, die aber im Uebrigen nur durch das eine klar und bestimmt in Worte zu brin- gende Merkmal mit einander verbunden erscheinen, dass die Luftlöcher vorn über der Mundöffnung dicht bei ein- ander liegen. Dieses Merkmal haben sie aber mit andern bisher nicht zu einem und demselben Familienverbande ge- zählten Milben, z. B. den Bdelliden, gemein, und diese alle treten daher mit jenen sofort in nähere Beziehung. Die Unterfamilien, welche aus dem bisherigen Verbände der Trombididae heraustreten und als erste Gruppe die Familie der Prostigmatia bilden helfen, sind folgende: Die Trombididae (engern Sinnes), Rhyncholophidae, Tetrany- chidae, Erythraeidae, Raphignathidae, Tydidae, Megame- ridae, Pachygnathidae. In dieser Aufstellung ist keineswegs für jede Gattung eine Uuterfamilie i'cmacht. Schon von den bisher bekannt Grundzüge zur Systematik der Milben. 225 gewordenen Gattungen umfasst die Unterfamilie der Rhyn- cholophidae zwei, nämlich Rhyncholoplius und Smaridia; die Unterfamilie der Tetranychidae ebenfalls zwei, nämlich Tetranychus und Bryobia. Andere Unterfamilien dagegen sind allerdings auf nur eine einzige Gattung gegründet. Es ist hier der Ort dabei einen Augenblick zu verweilen. Die Trennung in Unterfamilien und Familien ist zunächst immer eine willkührliche, in gewissem Betracht künstliche, und soll nur dazu dienen, diejenigen Gattungen, welche wirklich in der Bildung der, wie es uns vorkommt, zum Lebensbetrieb nothwendigsten Organe eine begrifflich darstellbare Ueber- einstimmung aufzuweisen haben, zunächst durch dieses lose Band der Familienzusammengehörigkeit zusammenzufassen. Ein Anspruch, durch die Aufstellung solcher Unterfamilien oder Familien über die wirkliche Verwandtschaft nach genealogischem Gesichtspunkte etwas ausgemacht zu haben, wird nicht erhoben, da man sich der Ueberzeugung nicht gänzlich verschliessen darf, dass durch mannichfache Um- wege, und selbst von verschiedenen Ausgangspunkten her eine und dieselbe Organausbildung Platz greifen kann. Nun ist es namentlich die so überaus eigenartige und merkwür- dige Bildung der Mundtheile in den Gattungen Tetranychus und Bryobia gewesen, welche zuerst und gebieterisch die Ab- trennung dieser beiden Gattungen von den übrigen Trombidi- den forderte. Es stellte sich die Nothwendigkeit heraus, diese beiden Gattungen, die mit den andern kaum etwas gemein hatten, noch besonders zusammenzufassen, was aber nur durch ihre Unterstellung unter eine neu zu bildende Unter- familie anging. War für diese beiden Gattungen einmal eine Unterfamilie nöthig geworden, so führte eine genauere Beach- tung der verschiedenen Organe bei den anderen Gattungen von selbst auf andere Unterfamilien und da bei den Milben in stärker ausgesprochenem Masse als bei manchen anderen Thiergruppen die Zwischenformen zwischen den sehr charak- teristisch gebildeten Gattungen fehlen, so konnte es nicht umgangen werden, dass auch , Unterfamilien mit nur einer einzigen Gattung sich einstellten. Zu bemerken ist hierbei noch, dass in den ausländischen Gebieten sich wohl noch manche Gattungen für die jetzt noch wenig umfassenden Archiv 1. Nat.urg. XXXXMf. Talir«. Bd. 1. 15 226 P- Kramer: Unterfamilien finden werden. Es würden wahrscheinlich schon die allerdings nur dürftigen Vorräthe unserer Mu- seen hierfür manche Bestätigung bringen. Ich gehe nun auf die nähere Charakterisirung der einzelnen aufgestellten Unterfamilien ein. I. Trombididae (engeren Sinnes): Milben mit Augen. Kiefertaster fünfgliedrig, das fünfte Glied keulen- förmig, an der Basis des vierten eingelenkt. Kie- fertaster klauenförmig; Grangfüsse mit Haftlappen zwischen den Krallen. Die hierhergehörige Gattung Trombidium hat bisher den Familientypus für die alte Familie der Trombididae ab- gegeben, und hatte auch mehr Recht dazu als andere, da sie mehr in die Augen fällt als irgend eine Gattung der auf dem Lande lebenden Familien. Sie diene jetzt als Repräsentant dieser ersten Unterfamilie. Bei ihr combinirt sich die unregelmässige Kiefertasterbildung mit der bei vielen Milben vorkommenden klauenförmigen Kieferfühler- bildung. Diese letztere findet sich bei der überwiegenden Anzahl der das süsse Wasser bewohnenden Gattungen. Da es nun unmöglich geworden ist, nach der Lebensweise in oder ausserhalb des Wassers Familienunterscheidungen auf- zustellen, nachdem Brady durch seine merkwürdigen Ver- öffentlichungen in dem Proc. Zool. Society 1875 Nr. XX uns mit meeresbewohnenden Milben aus mehreren bisher nur auf dem Lande gefundenen Familien bekannt gemacht hatte, so würde nach der bisherigen Charakteristik kaum ein Unterschied zwischen vielen Hydrachniden und Trombididen alter Benennung zu entdecken sein. Nach der oben ausge- führten Charakteristik ist eine Verwechslung mit irgend einer andern Milbengruppe unmöglich. Am liebsten hätte ich die gestielten Augen mit in die Familiencharakteristik aufgenommen. Ich fand aber vor Kurzem eine Milbe, welche in allen übrigen Merkmalen so völlig mit denen der Gattung Trombidium übereinstimmte, dass ich die Mei- nung fasste, man dürfe auf die Augenbildung ein so emi- nentes Gewicht nicht legen. Es würden die Augen dem- nach nur Gattungsmerkmale bei den Trombididen abgeben, so dass mau Trombididen mit gestielten Augen und mit Grundzüge zur Systematik der Milben. 227 in der Körperliaut eingebetteten Augen unterscheiden müsste. Es gehören daher zwei Gattungen zu der Unterfamilie der Trombididae : 1) die Gattung Trombidium Latr.: Augen gestielt; K()rperhaut durch dichtgestellte kurze an der Spitze ver- dickte Haarborsten samnitartig; 2) die Gattung Ottonia nov. gen. Augen in die Körper- haut eingebettet, auf dem Vorderrücken zwischen zwei langen Haarborsten liegend. Der Körper deutlich zwischen den mittleren Beinpaaren eingeschnürt, Haarborsten glatt. n. Rhyncholophidae : Milben mit Augen. KieJer- taster fünfgliedrig, das fünfte Glied keulen- oder blattförmig, an der Basis des vierten Gliedes eingelenkt. Kieferfühler gerade, stechborstenför- mig, eingliedrig; Füsse mit Haftlappen zwischen den Krallen. Es ist nicht allein die ganz besondere Mundbildung, w^elche die hierher gehörigen Milben von der vorhergehen- den Gruppe unterscheidet, sondern auch das völlig andere Naturell der Mitglieder der Hauptgattung. Die ächten Trom- bididen sind langsame Thiere, wahrscheinlich pflanzen- fressend, oder wenigstens nicht von selbstgefangener Beute lebend. Die Rhyncholophiden sind zum Theil mächtige Läufer. Wie wenig allerdings im Ganzen auf das Naturell zu geben ist, zeigt doch auch wieder die Gattung Smaridia, die ich hierher ziehen muss, und die langsamen Schrittes unter den Steinen, deren feuchte Seiten sie gern betreten, hinziehen. Die charakteristischen Kennzeichen der Rhyncho- lophiden liegen in der Mundhöhlenbildung und der Ausbil- dung der Kieferfühler. Die Mundhöhle ist lang röhren- förmig, vorn mit einer mehr oder weniger feinen Oeffnung. Durch diese Oeffnung treten die ganz geraden langgestreck- ten und scharf zugespitzten Kieferfühler durch. Diese Kieferfühler zeigen sich durchaus eingliedrig. Es gelingt nicht, in irgend einer der im Innern der Mundhöhle vor- handenen Chitinleisten den Rest eines verkümmerten ersten Gliedes zu entdecken, obwohl sich genau die Ansatzstellen der den Stachel bewegenden Muskeln auffinden lassen. Der Stachel selber ist allem Anschein nach das enorm ge- 228 P- Krämer:' streckte Endglied, er besteht aus zwei von einander in ge- wisser Weise gesonderten Abtheilimgen, aber auch diese Abtheilungen etwa als Repräsentanten des ersten und zwei- ten Fühlergliedes zu machen, will nicht recht glücken. Als charakteristisch führe ich noch an den merkwürdigen Ver- lauf der Tracheenhauptstämrae. Sie gehen von den Luft- löchern als ziemlich starke Kanäle nach hinten, biegen sich aber dann nach unten, treten zwischen den beiden Kiefer- fühlern durch und wenden sich dann nach vorn, um immer mehr sich verengernd fast in die äusserste Spitze des Rüs- sels vorzudringen. Dort verästeln sie sich, und die ein- zelnen Tracheenfäden nehmen nun ihren Weg wieder zu- rück in den Körper. Zu den Rhyncholophiden rechne ich drei Gattungen, von denen zwei älteren Datums sind, eine ist neu und von mir hinzugefügt. Die beiden älteren Gattungen sind Rhyn- cholophus Duges und Smaridia Latr. Die dritte nenne ich Bitteria nov. gen. Als Unterscheidungsmerkmale bieten sich von selbst die Haare auf der Körperhaut und die eigenthündichen Leckflächen an der Spitze des Schnabels, welche der einen Gattung zu ihrem Namen verholfen haben. 1) Gattung Ryncholo2)hus : Haare auf der Körperhaut glatt, borstenförmig. Am Rüsselende eine grosse Leck- scheibe. Beine sehr lang, viel länger als der rundliche Leib. 2) Gattung Ritteria: Haare auf der Körperhaut glatt, borstenförmig. Am Rüsselende keine Leckscheibe. Die Beine massig lang, kaum länger als der walzenförmige Leib. 3) Gattung Smaridia : Haare auf der Körperhaut kurz kolbig, wieder mit kleinen Haarspitzen besetzt. Die Schul- ter stark seitlich vorgezogen, die Kopfröhre etwas zurück- ziehbar. in. Tetranychidae: Milben mit Augen; Kiefertaster viergliedrig, das vorletzte Glied mit stark vorge- zogener Kralle. Ki^ferfühler zweigliedrig, die er- sten Glieder verschmolzen und zu einem stumpfen fleischigen Zapfen umgebildet, aus welchem die zu langen gebogenen Stechborsten umgebildeten zweiten Glieder hervortreten. Gangfüsse,- zwi- Grimdzügo zur Systematik der Milben. 229 sehen den Krallen mit Haftlappen, welche Klebe- haare tragen. Die Tetranychiden bilden offenbar die merkwürdigste Gruppe unter den früher zu den Trombididen gerechneten Milben. Es häufen sich gerade bei ihnen Eigenthümlich- keiten, welche sonst bei den Milben kaum noch gefunden werden. Das Hauptinteresse nimmt zunächst die Umbil- dung der Kiefertaster zu dem sehr in die Augen fallenden Fleischkegel am vorderen Leibesende in Anspruch. Bei Tetranychus ist diese Bildung allbekannt. Die Gattung Bryobia, welche mit Tetranychus zusammenzustellen ist, besitzt ihn ebenfalls in ausgezeichneter Weise. Diese von Koch entdeckte und seitdem wohl nicht wieder genau an- gesehene oder überhaupt nicht wieder beobachtete Gattung wurde von ihrem Entdecker unter eine ganz andere Ab- theilung gebracht als die so ganz nahe verwandte Gattung Tetranychus, ein Beispiel wieder von der im einzelnen oft irrthümlichen Anordnung der Gattungen im Koch'schen Sy- stem. Jener kegelförmige Zapfen zeigt bei genauer Be- trachtung zwei vollständig symmetrische Hälften. Das zierliche Chitingerüste, welches sich an ihm bemerken lässt, lässt die Einlenkungsstellen der bauchig aufgedunsenen und mit ihren zugewendeten Seitenflächen verschmolzenen Glieder mit dem Rumpfe deutlich erkennen. Zwischen bei- den Hälften und zwar noch in dem Gebiet, welches zum Rumpfe zu rechnen ist, ausserhalb des Chitinleistenringes, befinden sich die Luftlöcher, also an einer durchaus nor- malen Stelle. Die zweiten Glieder der Kieferfühler sind sehr lang gestreckt, aber nicht gerade, sondern s- förmig gekrümmt. Mit ihrem vordem Abschnitt laufen sie in der röhrenförmig* ausgeschnittenen Unterlippe, an deren Basis die gedrungenen Kiefertaster eingelenkt sind. Diese sind nur viergliedrig, wenigstens gelang es mir nicht, ein fünf- tes Glied zu bemerken. Das vordere Ende erinnert in sei- ner Bildung noch an die Form der Trombidiumtaster, doch ist das letzte Glied nicht eigentlich an der Basis des vor- letzten eingelenkt, vielmehr zeigt sich nur der äussere Seitenrand des vorletzten Gliedes in eine starke Kralle aus- gezogen. Charakteristisch ist für die Gattung Tetranychus 230 P- Kram er: die AusbilfUmg einer vollständigen iSpinndrüse in den vor- deren Tastergliedern, mit einem leinen röhrenförmigen Ausmündimgsgang am vorderen Ende des letzten Gliedes. Für die andere Gattung ist besonders cliarakteristiscli das bewegliche äussere Ende der Luftröhren. Die Stigmen be- finden sieh nämlich je auf einem durch leicht bemerkliche Muskeln bewegten Stiel, der einige Aehnlichkeit mit den Luftlöchern der Mtickenpuppen besitzt. Die Luftröhren- hörnchen sind unter einem dachförmigen Vor Sprung des Vorderrückens verborgen. Die beiden Gattungen sind fol- gendermassen charakterisirt : 1) Tetranychus Leon Dufour. Kiefertaster viergliedrig ; das dritte Glied mit einer starken Kralle, an deren Basis das vierte kurze Glied eingelenkt ist. Das vordere Ende des vierten Gliedes mit einem Zäpfchen, welches das Aus- sehen eines rudimentären fünften Gliedes besitzt. In dieses Zäpfchen mündet ein im Kiefertaster befindliches Spinn- organ. Füsse mit Haftlappen zwischen den Krallen, daran vier Klebehaare. 2) Bryobia Koch. Kiefertaster viergliedrig. Das dritte Glied mit einer starken Kralle versehen, an deren Basis das kolbenförmige letzte Glied eingelenkt ist. Der vordere Rückenrand in eine dachförmige Platte vorge- zogen, ^an deren vier Zipfeln je ein blattförmiges Haar steht. Die Luftlöcher auf beweglichen Stielchen. Füsse mit Haftklappen zwischen den Krallen, daran viele Klebehaare. IV. Erythraeidae. Milben mit Augen. Kiefer- taster viergliedrig, (fünfgliedrig?) das letzte Glied lang, walzenförmig, am vorderen Ende des drit- ten eingefügt. Kieferftihler klauenföriiiig, Klaue sehr klein. Füsse lang. Diese Unterfamilie ist für die allbekannte, mit blitz- artiger Schnelligkeit forteilende und dann in ihrem Laufe plötzlich wieder anhaltende kleine rothe sogenannte Glücks- spinne gebildet. Die Gattung Erythraeus, bisher von allen Milbenbeobachtern ohne Bedenken zu den Trombididen gestellt, hat mit der Gattung Trombidium in keinem Punkte Berührung. Man könnte ebenso gut ein Bdella zu den Grundzüge zur Systematik der Milben. 231 Trombididen zählen. Der kleine runde Leib ist in keinem Verhältniss zu den enorm ausgebildeten, von Haaren star- renden Füssen. Besonders in das Gewicht fallend ist aber die Ausbildung" der Mundtheile, indem hier die Combina- tion sich vorfindet : regelmässige Kiefertaster, klauenf örmige Kieferfiihler. Allerdings sind die Kieferfühler auch eigen- artig ausgebildet, indem das erste Glied, an der Basis stark, sich immer mehr zuspitzt, um endlich an dem ganz dünn gewordenen vorderen Ende die kaum noch ein Glied repräsentirende Kralle zu tragen. Die Thiere sind auf den Raub angewiesen, wie man es dann und wann zu beob- achten Gelegenheit hat. Die einzige Gattung Erythraeus Latr. wird durch die Familien-Charakteristik ausreichend gekennzeichnet. V. RhapMgnathidae. Milben mit Augen; der gepanzerte Leib ist in drei deutliche Segmente zerfallen; Kiefertaster regelmässig gebildet, Kieferfühler klauenförmig. Die hierher gehörigen sehr kleinen und langsamen Milben von prächtig hellrother Färbung sind von Koch zuerst gesehen. Ich folge also dabei der Benennung, die Koch gab, und muss gestehen, dass ich in der Koch'schen Abbildung und Beschreibung nichts von dem Rhaphi- gnathus Duges wiederfinden kann. Das auffallendste und in der That auch hfjchst charakteristische Merkmal, was diese Milbe vor allen übrigen näher stehenden Milben- Gattungen auf das schärfste abtrennt, ist die merkwür- dige Zerlegung des Leibes in drei vollständig ausgebil- dete, durch rund um den Leib verlaufende Einschnitte abgetrennte Segmente. Es sind diese Einschnitte nicht^ wie die gewöhnlich bei vielen Gattungen vorkommende Trennungslinie zwischen dem dritten und zweiten Fusspaar nur seichte Einschnürungen, sondern der harte Panzer der Haut ist durch tiefgehende Einschnitte in drei gesonderte Ringe getheilt. Hierauf gründe ich die Berechtigung diese Milben den Erythraeiden, mit denen sie, der Mundbil- dung nach, am meisten verglichen werden können, gegen- überzustellen. Auch ist das ganze Betragen, die Haarbil- dung, Fussbildung u. s. w. so verschieden, wenn auch 232 P- Kr am er: nicht sofort auf einen einfachen und die Unterschiede klar legenden Ausdruck zu bringen, dass es wohl Keinem in den Sinn kommen würde, diese Gattung Rhaphignathus mit Erythraeus in eine engere Familienverwandtschaft zu bringen. Die Gattung Rhaphignathus besitzt als Charakteristik die der Unterfamilien. VI. Tydidae. Milben ohne Augen. Kiefertaster viergliedrig. Die vorderen Glieder nach unten umgeschlagen. Kieferfühler klauenförmig. Die Körperhaare perlschnurförmig. Die hierher gehörigen, winzigen und bisher nur von Koch einer Beachtung gewürdigten Milben zeigen mehr- fache Eigenthümlichkeiten, die sie von den bisher behan- delten zu entfernen scheinen. Indess wird sich bei näherer Betrachtung und der Beachtung des wohl ausgebildeten Tra- cheensystems ihre Stellung unter den genannten Unterfami- lien wohl begründen lassen. Zunächst ist es die eigen- thümliche Form der Rückenhaare, w^elche sich sonst bei Milben nicht wieder vorfindet, welche in's Gewicht fällt. Ich nenne die Haare perlschnurförmig, eine Benennung die noch am ehesten die Bildung durch einen bekannteren Ver- gleich nahe bringt. Die Haare sehen aus wie eine sehr schmale und gedrungene winzige Weizenähre und stehen nur sparsam auf der Rückenfläche und den Gliedern. Die Taster sind sehr klein, das letzte Glied ist lang, an der Spitze mit längeren Borsten ausgerüstet und unter rechtem Winkel gegen das erste nach unten gebogen. Das zweite kurze Glied ist ebenfalls nach unten gerichtet. Durch diese eigenthümliche Lage der vorderen Tasterglieder bekommt die Mundgegend, von der Seite her betrachtet, ein ganz besonderes Ansehen, zumal die Mundpartic wie ein kurzer stark verjüngter Kegel nach vorn vorsteht. In diesem Kegel bilden die beiden zweigliedrigen und mit schmächtiger Kralle versehenen Kieferfühler die obere Abtheilung, die Lippenröhre die untere. Da l)eide Abtheilungen meist dicht aufeinander liegen, so bemerkt man überhaupt erst beim Zerdrücken des Schnabels, dass Kieferfühler vorhanden sind. Die Füsse sind nicht besonders verlängert. Charakteristisch an ihnen namentlich dem vorderen Paar ist, dass das letzte Glied Grundzüge zur Systematik der Milben. 233 in der vorderen Hälfte verdünnt erscheint. In der Mitte des oberen Randes, da wo die dicke Hinterhälfte zur dünnen vorderen herabfällt, stehen meist mehrere besonders ansehn- liche perlschnurförmige Haarborsten. Die Krallen schliessen einen wohl ausgebildeten Haftlappen ein. Die einzige Gattung, welche bisher zu dieser Unterfamilie Veranlassung gegeben hat, ist Tydeus, Koch. Die Thierchen bevölkern Heu- und Strohböden in ungeheuren Schaaren und sind äusserst behende. Vn. Megameridae. Milben mit Augen. Das letzte Glied der Kiefertaster keulenförmig, an der Basis des vorletzten eingelenkt. Kiefer- fühler scheerenförmig. Mit den hierher gehörigen Milben nähert man sich offenbar wieder, mehr dem Typus der ächten Trombididen. Die unregelmässig gebauten Kiefertaster erinnern vollstän- dig an die gleiche Bildung bei jenen und den Rhyncho- lophiden. Die scheerenförmig ausgebildeten Kieferfühler dagegen lassen eine Zusammenstellung mit jenen Milben nicht zu. Die Megameriden sind ihrem ganzen Habitus nach, durch die scharfe Abschnürung des Yorderleibes von dem Hinterleibe, durch die ungleiche Ausbildung der Füsse, indem die Hinterbeine oft stark angeschw^ollen erscheinen, auch sonst abgesehen von den Scheerenfühlern so eigen- thümlich gebildet, dass sie sich eben nur durch die unre- gelmässige Bildung der Kiefertaster an einige Gattungen der alten Familie der Trombididen anschliessen. Die Thiere sind nicht gerade klein, aber durch eine so ausserordentlich grosse Zartheit ausgezeichnet, dass sie selten unverletzt von dem Stein, auf welchem sie hin und her eilten, auf den Objekt- träger gebracht werden können, sie erinnern in diesem Punkte ganz an die Tydidae, welche auch der Beobachtung durch ihre ganz ausserordentliche Zartheit grössere Schwierig- keiten entgegensetzen als andere Milben. Koch unterscheidet die Gattungen Scyphius, Penthaleus und Eupodes. Sämmt- liche drei Gattungen sind aber völlig identisch mit der einzigen bereits von Duges gegründeten Gattung Mega- merus, deren Charakteristik mit der der Unterfamilie zusammenfällt. 234 P. Krämer: VIII. Pachygnathidae. Milben mit Augen. Die Kiefertaster gewöhnlich gebildet, die Kiefer- fühler scheerenförmig. Diese Unterfamilie ist ebenfalls auch nur für eine einzige Gattung gegründet. Duges beobachtete sie und seit der Zeit hat man sie nie wieder gesehen. Die Beschrei- bung und Zeichnung, die er von ihr giebt, reichen aber völlig hin um die ganz eigenthümliche Gestalt stets wieder zu vergegenwärtigen. Bei dieser Gattung begegnen wir wieder einer neuen Combination der Mundtheile, indem gewöhnlich gebildete Kiefertaster mit scheerenförmig gebil- deten Kieferfühlern zusammentreten. Duges erwähnt frei- lich das Tracheensystem gar nicht, in sofern bleibt die Stellung der Gattung Pachygnathus immer noch so lange zweifelhaft, als es noch nicht gelungen ist, über die Aus- mündungsart der Tracheen die entscheidende Beobachtung zu machen. Zu einer Einordnung derselben an dieser Stelle gab die im allgemeinen an Trombidium erinnernde Gestalt Veranlassung. Ob indess diese Stellung wird bei- behalten werden können ist schon nach den Beobachtungen von Seemilben, welche Brady und Hodge zu Pachygnathus stellt, nicht sehr wahrscheinlich. Zwischen dem Pachy- gnathus, welchen Duges in den Annales des sciences abbildet und dem Pachygnathus sculptus Brady ist auch in keinem einzigen Punkte eine Aehnlichkeit aufzufinden. Die bisher erwähnten Unterfamilien sind sämmtlich aus der alten Familie der Trombididen entstanden. Ein gleiches Bedürfniss nach klaren Definitionen führt nun darauf, die an Gattungen zahlreicheren sogenannten Hydrach- niden ebenfalls völlig aufzulösen und mehrere Unterfami- lien an ihre Stelle zu setzen. Koch ist mir bereits in die- sem Punkte mit gutem Beispiel vorangegangen. Er sah die unnatürliche Zusammenstellung der Gattungen Limnochares und Hydrachna mit Atax und ähnlichen und sondert sie nebst den von ihm entdeckten Verwandten aus, so dass er drei Gruppen bekam, die Hygrobatides, Hydrachnides und Sumpf- milben. Es will mir so scheinen, als wenn er nur die zufälligen Fundorte als Maassstab der Eintheilung genommen hat, da er die Hygrobatides und Hydrachnides auch Flussmilben Grundzüge zur Systematik der Milben. 235 und Weiherniilben nennt. Es braucht wohl nicht erwähnt zu werden, dass diese Grunde der Eintheilung völlig hin- fällig sind. An Stelle der drei von Koch angenommenen Untertamilien setze ich vier an, welche sämmtliche bisher unter die Hydrachniden begriffenen Gattungen umfassen. Ehe ich sie aufzähle und im Einzelnen charakterisire, muss ich aber die Gründe entwickeln, welche mit Nothwendig- keit auf eine Auflösung der alten Wassermilbenfamilie führen. Die Charakteristik, wie sie von Gerstäcker in seinem Handbuch der Zoologie erwähnt wird, passt auf Erythraeus so gut wie auf eine Hydrachna. Das einzige, was den Unterschied abgiebt, und nicht direkt erwähnt ist, sondern nur im Namen liegt, ist die Lebensweise. Es ist durchaus nicht allgemein, dass die Wassermilben gewim- perte, d. h. doch mit Schwimmborsten versehene Ftisse haben, es giebt eine Anzahl Gattungen und in andern Gattungen eine Anzahl Arten, welche der Schwimmhaare völlig entbehren. Die erwähnte starke Entwicklung der Hüfttheile ist bei Limnochares, Eylais und Hydrachna ganz und gar nicht zu finden, vielmehr besitzen die er- sten beiden Gattungen ganz rudimentäre Hüfttheile. Dass die ersten Kiefertaster, d. h. die Kiefertaster kurz sind, findet sich nur bei einigen, wie etwa bei Arrenurus, im Allgemeinen sind sie durchaus in der bei Milben gewöhnlichen Längenausbildung vorhanden. Die Beine sind im Allgemeinen nicht von vorn nach hinten allmählig länger werdend, vielmehr finden sich Gattungen wieAtax, wo das erste Fusspaar das längste ist. Die von Gerstäcker gegebene Charakteristik ist aber inmierhin noch besser als die von Claus aufgeführte, wel- che eben gar nichts sagt. Auch ist es schier unmöglich, Formen, die so w^eit auseinander gehen, wie Atax, Eylais, Hydrachna und Limnochares unter eine Ueberschrift zu bringen. Die Unterfamilien, welche nun kurz charakterisirt wer- den sollen, sind dieHydrachnidae,Hygrobatidae,Eylaidae und Limnocharidae. Die nahe Beo-ührung mancher Gattungen der Süsswassermilben mit dieser oder jener Gattung der Land- milben, wie man sie z. B. zwischen Erythraeus und der Mehr- 236 P- Krämer: zahl der Hydrachniden früherer Bezeichnung unzweifelhaft aufweisen kann, muss auch schon dahin führen, diese das süsse Wasser bewohnenden Thiere nicht blos um ihrer Lebens- weise willen von den Landmilben abzutrennen und in eine ganz neue Familie zu verweisen ; zeigt doch schon, wie ich hier an dieser Stelle von neuem betone, das Auffinden von Gamasiden und anderen Milben in der Tiefe der See darauf hin, dass die Lebensweise eine so wichtige Rolle in der Systematik nicht spielen darf. Wer wollte es rechtfertigen, wenn man die Spinnengattung Argyroneta in eine andere Familie als Drassus bringen wollte? Dadurch, dass die alten Hydrachniden eingehen und die unter diese Familie gerechneten Milben sich in kleinere Gruppen sondern, ist es viel eher möglich diese an andere der bereits erwähnten anzureihen und so eine Aufzählung der Gattun- gen herzustellen, bei der der natürlichen Verwandtschaft etwas mehr Rechnung getragen werden kann. IX. Hydrachnidae (eng. Sinnes): Kieferfühler ein- gliedrig, stechborstenartig, in dem Canal, welcher durch die schnabelartig verlängerte Unterlippe gebildet wird, laufend. Kiefertaster fünfgliedrig. Die Augen beiderseits am Vorderrücken als stark- gewölbte Punkte hervortretend. An den drei hin- teren Fusspaaren zahlreiche Schwimmhaare. Neben der Geschlechtsöffnung dicht gedrängte Haft- näpfe. Süsswasserbewohner. Sehr charakteristisch ist für diese Unterfamilie, die zunächst nur die einzige Gattung Hydrachna umfasst, die Mundbildung, so dass sie sich von allen der mannigfach gestalteten rothen Wassermilben sofort auffallend unter- scheidet. Es lässt sich auch von den Landmilben keine einzige Gattung aufweisen, welche eine so lang vorge- streckte Unterlippe besitzt. Es entsteht dadurch ein säbel- förmig nach unten gekrümmter Kanal, in welchem die langgezogenen Stechborsten, die umgebildeten Kieferfühler laufen. Durch diesen, zu einem direkten Angriff' gegen andere Wasserbewohner höchst geeigneten Mundtheil nähert sich die Milbe den Gattungen Rhyncholophus, Smaridia und Ritteria. Bei diesen ist aber die Mundöffhung winzig, Grundzüge zur Systematik der Milben. 237 an der Spitze eines röhrenförmigen Schnabels gelegen, in welchen die langgestreckten Kieferfithler laufen. Hier bei Hydrachna ist der Unterlippenkanal oben in seiner ganzen Länge offen, eine Bildung, welche an Erythraeus und an- dere Landmilben erinnert. Ein weiteres sehr charakteristi- sches Merkmal ist die Ausbildung gewölbter Hornhäute für die seitenständigen Augen. Dergleichen findet sich nur noch bei wenigen Süsswasserbewohnern und unter den Landbewohnern, soviel bis jetzt bekannt ist, allein bei der Gattung Trombidium. Die Kiefertaster tragen am vierten Gliede seitlich einen ziemlich ansehnlichen krallenförmigen Fortsatz, so dass man einen Anklang an die unregelmässige Tasterbildung der Rhyncholophiden und anderer Land- milben darin entdecken kann. Wenn es demnach immer- hin gestattet wäre, wenn auch nur vergleichsweise, aus den bisher erwähnten Merkmalen die Hydrachniden den Rhyn- cholophiden anzureihen, so treten in den gedrängten Saugnäpfen auf der Bauchseite und den sehr ausgebildeten Schwimmborsten an den hinteren Füssen andere Kennzei- chen auf, welche die in Rede stehenden Milben von allen bisher betrachteten Landmilben weit entfernen. Auch ist die weit nach vorn gertickte Stellung aller vier Fusspaare nicht im Einklang mit den bei den Landmilben beobach- teten Verhältnissen, wo auch von oben her angesehen die Ftisse sehr deutlich in zwei durch einen weiteren Zwischen- raum getrennte Gruppen gesondert erscheinen. So kommt eine Reihe von Merkmalen zusammen, welche es angezeigt erscheinen lassen, die Gattung Hydrachna, deren Charakteri- stik die oben angeführte ist, als besondere Unterfamilie aufzu- führen, eine Ansicht, die auch noch durch die besonders gear- tete Metamorphose, welche die jungen Thiere durchzumachen haben, gestützt wird. X. Hygrobatidae. Kieferfühler deutlich zwei- gliedrig, letztes Glied klauenförmig; Kiefertaster fünf gliedrig. Augen ohne besondere Hornhaut, neben der Geschlechtsöffnung Haftnäpfe. Süss- wasserbewohner. Für die Hauptschaar aller wasserlebigen Milben wähle ich den von Koch bereits für dieselbe Milbeugruppe erfun- 238 P. Krämer: denen Namen. Allerdings kann ich eine Gattung* Hygro- bates nicht mehr anerkennen, wie ich bereits in einer früheren Arbeit über Wassermilben ausführte. Insofern ist die Familie von einer eingezogenen Gattung benannt, ein Uebelstand, der dadurch aufgewogen wird, dass ich nicht nöthig hatte, eine» neuen Namen für eine bereits einmal von einem andern Beobachter zu einer Gruppe vereinigte Anzahl Milbengattungen zu finden. Elf Gattun- gen sind es, welche die Haupt-Unterfamilie bilden. Aller- dings muss ich selber gestehen, dass man auf dem ein- mal eingeschlagenen Wege weitergehend, vielleicht die Gat- tung Arrenurus noch wieder von den übrigen abtrennen könnte. Ich habe es nicht gethan, weil es schwer halten würde, für alle Arten der genannten Gattung eine von der Nesaea- Charakteristik gehörig scharf zu unterscheidende Zusammen- fassung aller Kennzeichen zu finden. Allen Gattungen der Unterfamilie als besonders wichtiges Merkmal gemeinsam ist die Trombidium-artige Ausbildung der Kieferfühler. Durch diese kennzeichnen sich die Hygrobatiden als Süss- w^asser-Trombidien, zumal bei einigen auch noch die unre- gelmässige Bildung der Kiefertaster hinzukommt. Unter- schieden sind sie von den eigentlichen Trombidien durch das constante Auftreten von Haftnäpfen neben der Geschlechts- öffnung, die in mannigfacher Ausbildung der Anzahl und Grösse nach doch stets vorhanden sind, wenn sie auch nicht sofort in der etwa panzerartigen Körperhaut in's Auge fallen. Es sind die Hygrobatiden auch durcli die sehr eigenthümlich entwickelten Hautdrüsen von sämmtli- chen landbewohnenden Milben unterschieden. Die Hydra- chnideu, Eylaiden und Limnochariden entbehren der Haut- drüsen nicht, aber ihre Oeffnungen sind nicht so Avie bei den Hygrobatiden auf der Haarplatte angebracht. Die Ausrü- stung der Füsse mit Hchwimmborsten ist eine zwar weit verbreitete aber keine regelmässige Erscheinung, ich habe es daher vermieden, dieselbe in die Familiencharakteristik mit aufzunehmen. Ehe ich auf die hierher gehörigen Gattungen speziell eingehe, schicke ich eine Tabelle voraus, nach welcher sie leicht bestimmt werden können. Diese Tabelle ist insofern Grundzüge zur Systematik der Milben. 239 vollständiger als die vor einiger Zeit in dieser Zeitschrift veröffentlichte, als einige neue Gattungen hinzugetreten sind, sie ist aber auch weniger vollständig als die damals zusam- mengeJasste Gruppe von Gattungen, da ich die den übri- gen fremdartige Gattung Eylais aussondern musste. 1) Das fünfte Kiefertasterglied ist gegen einen spitzeren oder stumpferen Fortsatz des vierten Gliedes beweg- lich, also nicht an dem äussersten Ende des vierten Gliedes eingelenkt 2 Das fünfte Kiefertasterglied ist am vorderen Ende des vierten Gliedes eingelenkt 3 2) Die Glieder der Kiefertaster sehr schlank Dix^lodontiis. Die Glieder der Kiefertaster sehr gedrungen, dick. Arrenurns. 3) Das vierte Fusspaar besitzt deutliche, grosse gekrümmte Krallen 4 Das vierte Fusspaar besitzt keine Krallen . . 9 4) Die Haut des Mittelrückens panzerartig erhärtet 5 Die Haut des Mittelrückens immer weich ... 6 5) Kleine Geschlechtsnäpfe in je einer Querreihe zur Seite der Geschlechtsöffnung Ättirus. Drei grosse Geschlechtsnäpfe auf jeder Seite der Geschlechtsöffnung, ganz am hinteren Leibesende. Axona. 6) Das zw^eite Glied an den Füssen des ersten Paares mit grossen Höckern, in welche ein schwertförmiges Haar seitlich eingelenkt ist Ätax. Das zweite Glied an den Füssen des ersten Paares ohne Höcker, alle Haarporen ringwallartig umrandet 7 7) Die Geschlechtsnäpfe stehen auf der Innern Fläche der Geschlechtsöffnungsklappe .... SpercJion, Die Geschlechtsnäpfe stehen auf einer schmalen Leiste rings um die Geschlechtsöffnung .... Midea. Die Geschlechtsnäpfe stehen neben der Geschlechts- öffnung in der Leibeshaut 8 *8) Männchen am Hinterrande des Hinterleibes mit dün- nem schnabelförmigen Fortsatz. Weibchen am vier- ten Tasterglied mit vielen Haaren ausser den drei Höckerborsten Ilydrochoreutes. 240 P- Kram er: Männchen mit abgerundetem Hinterleib; Weibchen am vierten Tastergliede nur mit den drei Höcker- borsten Nesaea. 9) Das letzte Fussglied des vierten Fusses trägt an der Spitze eine sehr lange und starke Schwimmborste, daneben noch eine kurze gehederte. Leibes^orm lang oval Oxus. Das letzte Fussglied des vierten Fusses einfach zuge- spitzt oder mit Spuren von Krallen in Form kleiner Spitzen. Leibesform kugelförmig . . . Lmmesia. Zur genaueren Vergleichung mögen folgende Charak- teristiken für die noch nicht beschriebenen Gattungen dienen. Gattung SpercJion n. g. Der die Taster und die Mundöifnung tragende Leibesabschnitt ist sehr beweglich an den Rumpf angefügt; er ist verlängert und bekommt dadurch einen etwas schnabelartigen Charakter. Die Kie- fertaster besitzen ein dickes zweites Glied, die vorderen Glieder sind schmächtig und das vierte lang gestreckt. Die Kieferfühler haben ein sehr langes erstes Glied, an dessen vorderem Ende das stark hakenförmig gekrümmte und kurze zweite Glied sitzt. Die Geschlechtsnäpfe auf der inneren Fläche der die Geschlechtsöffnung bedecken- den Klappen. Gattung Hydrochoreutes Koch. Mundtheile völlig mit denen von Nesaea übereinstimmend, mit der einzigen Aus- nahme, dass das vierte Glied der Kiefertaster stark behaart erscheint. Beine lang, das drittletzte Glied der Füsse des vierten Paares beim Männchen mit eigenthümlichen langen geweihartigen Endborsten. Am Hinterleibsrande bei dem Männchen ein aus mehreren Theilen bestehender schmaler und langer Schnabelfortsatz. Die Gattung wurde bereits von Koch aufgestellt, welcher nach seiner Weise gleich eine Anzahl Arten dazu bildete. Die Gattung OxuSy n. gen. Körper lang oval, dop- pelt so lang als breit. Die Füsse sämmtlieh ganz vorn eingelenkt, die Httftplatten zu einer einzigen, zwei Drittel des Bauches bedeckenden PUitte verschmolzen, welche vorn jederseits in vier sehr hingen Vorsprüngen heraustritt. Grundzüge zur Systematik der Milben. 241 All! diesen sind die Füsse eingelenkt. Die Krallen fehlen an dem letzten Fusspaar, dalür sitzt am Ende der Ftisse dieses Paares je eine sehr lange Schwimmborste. Die Gattung Oxiis, zu welcher ich nur eine einzige Art bis jetzt habe auffinden können, ist von allen das süsse Wasser bewohnenden Milben durch die ganz ausserordent- lich langgestreckte Leibesform ausgezeichnet. Auch sonst finden sich so viel eigenthtimliche Bildungen, dass sie ein ganz besonders ausgezeichnetes Glied der Unterfamilie der Hygrobatiden bildet, zu welcher sie wegen der Mund- theile, der Geschlechtsnäpfe neben der Geschlechtsöffnung und der Drtisenporen auf der Haut gehört. Wegen der andern Gattungen verweise ich auf die im Jahrgang 1875 dieses Archivs niedergelegte Charak- teristik. Es ist mir auch bis auf diesen Tag noch nicht geglückt, die von Duges gegründete Gattung Diplodontus und die von Bruzelius aufgestellte Gattung Midea durch eigene Beobachtung kennen zu lernen, so dass auf die von diesen Beobachtern aufgestellte Charakteristik zurückzu- gehen ist. XL Eylai'dae. Kiefertaster fünf gliedrig, regel- mässig. Kieferfühler verkümmert, aus zwei Häk- chen bestehend, welche durch eine winzige Oeff- nung der Unterseite der Lippenplatte treten. Geschlechtsnäpfe fehlen. Das vierte Fu'sspaar ohne Schwimmborsten. Auf den ersten Blick sind die Milben der, Gattung Eylais, für welche allein die Unterfamilie aufgestellt ist, mit den grossen rothen Repräsentanten der Gattungen Limne- sia und Nesaea leicht zu verwechseln. Es ist die Unbeweg- lichkeit des hinteren Fusspaares beim Schwimmen zunächst das einzige sofort in's Auge fallende Unterscheidungsmerk- mal. Bei genauerer Vergleichung machen sich aber als- bald so durchgreifende Unterschiede bemerklich, dass schon Koch die Gattung von Nesaea trennte. Warum er sie mit Limnesia und Hydrachna in eine Familie, die Hydrachniden, brachte, ist nicht zu erkennen. Von Limnesia ist sie durch dieselben Merkmale getrennt, wie von Nesaea, da Limnesia und Nesaea eng verwandte Gattungen sind. Archiv f. Naturg. XXXXIII. Jahrg. Bd. 1. 16 242 I*- Kr am er: Von Hydraclina ist sie dagegen, wie bereits aus der Ver- gleiehung der oben gegebenen Charakteristik für die Unter- faniilie der Hydracliniden erhellt, durch so viele Merkmale getrennt als es Glieder und Organe giebt. Am auffallendsten ist die Gruppe der Mundwerkzeuge gebildet. Man bemerkt auf der Unterseite der Lippen- platte eine durch sehr zierliche Strichelchen eingefasste kreisförmige Oeffnung, welche allenfalls an die tiefe Bucht in der Lippenplatte bei den Hygrobatiden erinnert, nur muss man sich diese Bucht vorn noch völlig geschlossen den- ken. Diese kreisförmige Oeffnung, deren Einfassung einen ziemlich ansehnlichen Durchmesser besitzt, ist selber äusserst klein und erlaubt eben noch den vordersten Spitzen der beiden klauenförmigen Endglieder der Kieferfiihler den Durchtritt. Man kann bei der Rückenlage des lebenden Thieres' und passend angebrachter Beleuchtung das Spiel dieser Spitzen mittelst des Microskops gut beobachten und bemerkt, dass sie mit ihren seitlichen Rändern an ein- ander gepresst werden, so dass die vermuthlich vegetabi- lische Nahrung wohl abgerupft wird um dann in die win- zige Mundöffnung hinein gezogen zu werden. Von einem Stammgliede der Kieferfühler habe ich nichts entdecken können, es findet sich nur ein complicirter Leistenapparat im Innern des Schnabels, der durch die Hälfte der Lippen und Kiefertasterplatte gebildet wird. Schon durch diese sehr eigenthümlichen Verhältnisse der Mundtheile wird es unmöglich, die Gattung Eylais mit den zu den Hygroba- tiden gezählten Gattungen zu einem engerenFamilienverbande zu vereinigen. Dazu kommt aber nun noch der völlige Mangel der Geschlechtsnäpfe, die äusserst geringe Ausbil- dung der Hüftplatten, der ganz abnorme Mangel der Schwimm- borsten gerade am vierten Fusspaar und endlich die von jenen Gattungen sehr verschiedene Ausbildung der Haut- drüsen. Alles dieses berechtigt bei sonst im Allgemeinen und bei einfacher Beobachtung des schwimmenden Thieres sicherlich vorhandene Aehnlichkeit der KörpeiTcrhältnisse und -Umrisse zur Aufstellung dieser besonderen Unterfamilie. Xn. Limnocharidae. Kieferfühler und Unter- lippe zu einem festen Kopfstück verwachsen, wel- Gnmdzüge zur Systematik der Milben. 243 ches vorn eine kreisförmige Oeffnung besitzt. Kiefertaster fünfgliedrig, regelmässig. Die Augen auf einer mittleren Hauterhärtung des Vor- derrückens nahe bei einander. Füsse sämmtlich ohne Schwimmborsten, neben der Geschlechtsöff- nung keine Geschlechtsnäpfe. Bewohner des süssen Wassers. Koch trennte die Gattung Limnochares Latr. bereits von den übrigen Stisswassermilben ab und vereinigte sie mit den drei andern Gattungen Thyas, Smaris, Alycus zu der Familie der Sumpfmilben. Der deutsche Name ist passend gewählt, wenigstens für Limnochares, — die drei andern vermochte ich bis jetzt noch nicht ausfindig zu machen, — denn die grossen langsamen Thiere, welche zu dieser Gattung gehören, wühlen in dem sclilammigen Boden aller Teiche mit Vorliebe und kommen selten in's klare Wasser, da sie nicht schwimmen können. Ihre Mundwerk- zeuge sind zu einer ganz wunderbaren Bildung verschmol- zen. War schon bei den Tetranychiden eine sehr auffällige, von der bei den Milben üblichen Form der Kieferfühler sehr abweichende Bildung der ersten Glieder zu bemerken, eine Bildung, die bisher nicht erkannt wurde, so ist die bei den Limnochares auftretende noch viel abnormer. Man bemerkt nämlich hier einen allseitig durch harte Chitinhaut gebildeten Rüssel, welcher mit leichter Krümmung sich in seinem vorderen Theile nach unten wandet und dort in einer grossen kreisförmi- gen Oeffnung ausmündet. Durch diese Oeffnung treten die klauenförmigen Endglieder der Kieferfühler, als verhältniss- mässig kleine Haken durch. Bei genauerer Beobachtung ergiebt sich, dass zunächst die ersten Glieder der Kiefertaster zu fehlen scheinen. Die Haken sind am obern Rande der kreis- förmigen Oeffnung eingelenkt. Es gelingt aber mit leichtem Drucke der Präparirnadel die obere Decke jenes Mund- rüssels in seiner ganzen Länge loszutrennen. An diesem sitzen aber jene Haken fest und es zeigt sich somit, dass die ersten Glieder der Kieferfühler in ihrer ganzen Ausdehnung mit der Unterlippe, wenn auch nur massig fest, verwachsen sind um jenen allseitig geschlossenen harten Mundrüssel zu bilden, welcher die Gattung Limnochares auszeichnet. Eine so 244 P. Kramer: eigenartige Bildung der Mundtheile würde allein schon hin- reichen, um für Limnochares eine besondere Unterfamilie aufzustellen. Hierzu kommt aber nun noch der Mangel aller Geschlechtsnäpfe, die völlige Weichheit der Körper- haut, welche so wenig die inneren Theile zusammen zu halten vermag, dass die Milbe, aus dem Wasser genommen, in einen unförmlichen Klumpen auseinanderfliesst, welchem jede Bewegung unmöglich wird. Endlich ist der Mangel aller Schwimmhaare nicht minder charakteristisch, so wie die äusserst geringe Ausbildung der vier Hüftplatten. Die Entwicklung besonderer Hornhäute hat die Milbe mit Eylais und Hydrachna gemeinsam, es ist aber dies der einzige Punkt, in welchem eine Art Verwandtschaft mit jener andern Süsswassermilbe zu Tage tritt. Xni. Bdellidae: Kiefertaster fünfgliedrig, re- gelmässig. Kieferfühler zweigliedrig, das erste Glied in der Richtung von oben nach unten abge- plattet und der mehr oder weniger schnabelartig verlängerten Unterlippe aufliegend, lang, das zweite Glied klauenförmig, der schnabelartige Kopftheil durch eine umlaufende Spur von dem Rumpfe abgeschnürt. In einem früheren Bande dieses Archivs habe ich auf eine merkwürdige Ausbildung des vorderen Speiseröhren- endes bei der Gattung Bdella aufmerksam gemacht. Es findet sich nämlich bei dieser Gattung eine rüsselartige Verlängerung der Speiseröhre in dem geräumigen Halb- kanal, welche durch die Lippenplatten gebildet wird. Eine solche Bildung wäre nun ja mehr wie irgend etwas an- ders geeignet in die Charakteristik einer Unterfamilie der Bdelliden aufgenommen zu werden. Es gelang mir indess bis jetzt noch nicht, bei den Gattungen, die ich geneigt bin unter diesen Familiennamen einzuordnen, eine ent- sprechende Bildung aufzufinden. Die Thierchen sind zu- meist so klein und zart, dass eine Zerlegung der Mund- theile sich nur unter besonders günstigen Umständen aus- führen lässt. Ich habe daher zunächst das Hauptgewicht auf die abgeplatteten und den ganzen schnabelförmig ge- stalteten Kopfabschnitt von oben her bedeckenden Kiefer- Grundzüge zur Systematik der Milben. 245 fiihler gelegt. Seitlich abgeplattete Kieferfühler findet man vielfach bei den Milben, so ist das erste Glied der klauen- förmigen Kieferftihler stets in dieser Art plattgedrückt, auch die seheerenförmigen Kieferfühler der Orbatiden und Tyroglyphusartigen Milben sind seitlich stark zusammen- gedrückt. Im Gegensatze hierzu sind die flachen Kiefer- fühler nur den Bdelliden eigen. Das kleine zweite Glied ist öfters gegen einen mehr oder weniger entwickelten spitzen Fortsatz des ersten Gliedes beweglich, doch ist die Ausbildung einer wahren Zange nur in einigen wenigen Fällen wahrzunehmen. Die Kiefertaster sind regelmässig gebildet und fünfgliedrig. Die zu dieser Unterfamilie gehörigen Gattungen sind Bdella, Scirus und Linopodes. Sie sind sämmtlich alt, letztere ist aber bisher niemals zu den Bdelliden gezogen. Vielmehr hat Koch sie zu den Eupodiden gezählt, eine Familie, welche aus sehr mannichfachen Elementen zusam- mengesetzt ist, da sie neben Tydeus und Eupodes auch noch Bryobia enthält. Bdella Latr. Die Kiefertaster fühlhornartig, das letzte Glied breit endigend, mit zwei verlängerten Borsten an der Spitze. Zwei Augen seitlich am Vorderrücken, die Schultern stark seitlich vorgezogen. Scirus Herm. Die Kiefertaster fühlhornartig, das letzte Glied scharf zugespitzt, ohne Haarborsten an der Spitze. Auf dem Vorderrücken zwei Paare sehr langer Borsten und zwei Augen, weit von einander getrennt. Die Schul- tern stark seitlich vorgezogen. Linopodes Koch. Die vorderen Füsse ausserordent- lich verlängert. Körper oval, neben der Geschlechtsöffnung jederseits Geschlechtsnäpfe. XIV. Cheyletidae. Kiefertaster zu Greif armen um- geformt, welche am letzten und vorletzten Glied lange, gekrümmte, daneben auch kammartig ge- zähnte Haken und Borsten besitzen. Kieferfühler stechborstenartig, in einem konisch geformten Kopfschnabel verborgen. Die Schulterecken sind stark seitlich vorgezogen. Die einzige Gattung Cheyletus, welche bisher in zwei 246 * P- Kramer: sehr schöllen Arten bekannt ist, zu welchen neuerdings Mr. Brady eine dri-tte das Meer bewohnende Art hinzuge- fügt hat, ist oftmals mit den Bdelliden vereinigt worden. Dieses ist aber ganz unzulässig, wie ich an dem vorhin angegebenen Orte genauer ausgeführt habe. Im allgemei- nen hat, obenhin betrachtet, die Cheyletusgestalt Aehnlich- keit mit der mancher Bdelliden, aber die Stechborstennatur der Kieferfühler entfernt sie eben so sehr von den Bdel- liden wie die ganz eigenartig ausgebildeten Kiefertaster, welche hier ihre Tastnatur eigentlich völlig eingebüsst haben, während gerade die Tastfunktion dieser Organe bei den Bdelliden durchaus in den Vordergrund getreten zu sein scheint. Der Kopfkegel der Cheyletus-Arten ist auf völlig andere Weise gebaut als der Schnabel der Bdelliden, auch ist die Anordnung der Kiefertasterplatten eine völlig ver- schiedene von der der Bdelliden. Die Füsse sind Lauf- füsse wie die der Bdelliden mit gut ausgebildeten Krallen und zwischenstehenden Haftlappen. Die Reihe der Unterfamilien, welche zu der grossen Familie der Prostigmatia gezählt werden müssen, ist ab- geschlossen. Sie umfassen im Ganzen 30 Gattungen, welche wohl von einander unterschieden sind; ja sogar unter sich zum Theil so wenig Berührungspunkte haben, dass für die Acarina es schwerer halten wird, als für manche andere Gruppe der Gliederthiere, die wirkliche Verwandtschaft der einzelnen Gattungen untereinander zu ahnen. Die For- men sind durch keine Zwischenstufen mit einander ver- bunden, .man sieht die Resultate eines sehr divergent ge- richteten Entwicklungsprozesses vor sich ohne die Stationen bestimmen zu können, die derselbe durchlaufen hat. Noch auffallender tritt dies zu Tage bei dem Rest der Acarina tracheata und bei den Acarina atracheata, deren Besprechung für eine andere Gelegenheit aufgespart bleiben muss. Zum Schluss lasse ich eine analytische Tabelle sämmtlicher vierzehn Unterfamilien folgen; Familie Prostigmatia. 1) Kieferfühler stechend 2 Kieferfühler klauenförmig 5 Kieferfühler scheerenförmig 11 Gruudzüge zur Systematik der Milben. 247 2) Mit Geschlechtsnäpfen neben der Geschlechtsöffniing in beiden Geschlechtern Hydrachnidae. Ohne Geschlechtsnäpfe neben der Geschlechtsöffnung 3 3) Vorletztes Kiefertasterglied in eine massig lange Kralle ausgezogen 4 Vorletztes und letztes Kiefertasterglied je in eine sehr lange und scharfe Kralle ausgezogen . Cheyleüdae. 4) Die Stechborsten der Kieferfühler stark doppelt ge- krümmt Tetranychidae, Die Stechborsten der Kieferfühler ganz gerade RhyncJiolophidae. 5) Mit Geschlechtsnäpfen neben der Geschlechtsöffnung in beiden Geschlechtern Hyfjrohatidae. Ohne Geschlechtsnäpfe neben der Geschlechtsöffnung 6 6) Körperhaut gepanzert, in drei deutliche Ringe ge- theilt Raphignathidae. Körperhaut weich, keine Segmente zeigend . . 7 7) Ohne Augen Tydidae. Mit Augen , 8 8) Letztes Kiefertasterglied an der Basis des vorletzten Gliedes eingelenkt . . ^ TromUdidae. Letztes Kiefertasterglied am Eride des vorletzten Glie- des eingelenkt 9 9) Landbewohner, Augen weit getrennt . Erythraeidae. Süsswasserbewohner, die Augen eng aneinanderge- drückt 10 10) Alle Füsse ohne Schwimmhaare . . Limnocharidae. Nur das vierte Fusspaar ohne Schwimmhaare Eyldidae. 11) Vorletztes Kiefertasterglied in eine Kralle ausgezogen^ letztes Glied seitlich am vorletzten eingelenkt. Megameridae. Vorletztes Glied der Kiefertaster nicht in eine Kralle ausgezogen, letztes Glied am Ende des vorletzten ein- gelenkt 12 12) Kieferftihler gedrungen, Mundöffnung nicht schnabel- artig verlängert Pachygnathidae. Kieferfühler langgestreckt, platt; Mundöffnung schna- belartig verlängert Bdellidae. Zwei parasitische Milben des Maulwurfs. Von P. Kramer in Schleasinirei]. Hierzu Tafel XVI. Die parasitischen Milben der Säugethiere sind, abge- sehen von den Kratz- und Räudemilben, weit weniger be- kannt, als die auf Vögeln schmarotzenden, deren Naturge- schichte durch die treffliche Monographie der Gattung Dermaleichus von R. Buchholz wenigstens einigermassen aufgehellt ist. Man wird überall, wo man ein Pelzthier untersucht, auf neue Formen stossen ; so bemerkt E. Clapa- rede auf der Hausmaus zwei merkwürdige Milben, beide ausgezeichnet durch eigenthümliche Mittel der Befestigung. Auf dem gewöhnlichen Maulwurf leben wieder andere, nicht minder merkwürdige, ihrerseits ausgestattet mit ganz anders gearteten Anheftungsmitteln. Die eine dieser Milben ist dem von Dujardin zwar nicht beschriebenen, wohl aber abgebildeten Hypopus arvi- colae durchaus ähnlich; doch ist im Allgemeinen die An- ordnung der Gliedmaassen und aller in die Augen fallenden Theile der Bauchseite so verschieden von der Figur, welche Dujardin gibt (Ann. des Scienc. nat. 3. Ser. Bot. Tome 1 2. PL II. Fig. 15), dass ich nicht wage, das von mir auf dem Maulwurf gefundene Thier mit dem von Dujardin auf Arvi- cola subterranea entdeckten zu identificiren. Jedenfalls hat Dujardin die Verhältnisse seiner Milbe sorgfältig copirt, Taf. JYI. litilnsütutTWUh SrevE, Berlin. P, Kr am er: Zwei parasitische Milben des Maulwurfs. 249 SO dass keine Veranlassung vorliegt, die Abweichungen der Zeichnung von den Formen der Maulwurfsmilbe auf Rech- nung des Beobachters der Milbe von Arvicola zu setzen. Auch lässt sich vermuthen, dass die Milbenarten derselben Gattung, wenn sie auf verschiedenen Pelzthieren wohnen, ihrer Form nach verschieden sein werden, wofür z. B. die Gattung Dermaleichus ein so ausgezeichnetes Beispiel bietet. Ich werde somit die auf dem Maulwurf lebende Milbe als verschieden von der auf Arvicola subterranea lebenden an- sehen können. Dujardin hat, wie bereits gesagt, die von ihm beobachtete Milbe unter die Gattung Hypopus gestellt. Es ist bekannt, dass die Beobachtungen von Claparede, die Berechtigung einer selbstständigen Gattung Hypopus ver- nichteten. Es wird sich nun zeigen, dass die jenem Hypopus arvicolae so nahe stehende Milbe, so wie dieser Hypopus selbst, von den eigentlichen Hypopus-Formen dadurch auf sehr ausg6zeichnete Weise abweiche, dass am Hinterleibs- ende auf der Bauchseite ein kräftiger Zangenapparat an- gebracht ist, mit welchem sie sich an den Haaren ihrer Wohnthiere festhalten können. Durch diese auffallende Bildung und durch die eigenthtimliche Formation des Mund- abschnitts halte ich mich befugt, für diese beiden Milben einen provisorischen Gattungsnamen aufzustellen. Da die Maulwurfsmilbe eine vollständig ausgebildete Geschlechts- öffnung mit Haftnäpfen (w^elche durchaus verschieden sind von den Haftnäpfen am hinteren Leibesende von Hypopus Dugesii und andern) besitzt, so liegt auch die Vermuthung nahe, dass man es hier wirklich mit einer selbstständigen Milbenform und nicht mit einer Zwischenform des Tyro- glyphus-Typus zu thun hat. Es wird sich also auch aus diesem Grunde rechtfertigen lassen, für diese Milbe einen besonderen Gattungsnamen aufzustellen, der sie sogleich von den ächten Hypopus unterscheide, welche nicht als selbstständige Milben anzusehen sind. Ich nenne die Gat- tung Lahidophorus und die Art, welche nun beschrieben werden soll LahidopJiorus Talpae nov. sp. Der Körper ist von blass gelblich weisser Farbe, ab- geplattet, zwischen dem zweiten und dritten Fusspaar am breitesten, nach vorn zu ziemlich stark zugespitzt, nach 250 P. Kr am er: hinten mehr breit abgerumlet. Der Rücken int durch ein den Leib völlig bedeckendes Rückenschild geschützt, wel- ches deutlich in drei Theile zerfällt. Die erste Trennungs- linie zieht zwischen dem zweiten und dritten Fusspaar über dem Rücken, und trennt ein vorderes Schild ab, welches eine flach dreieckige Gestalt besitzt. An der vorderen Spitze befinden sich die zwei für die Milben überhaupt charakteristischen nach vorn gerichteten Borsten; sie sind kurz, aber von allen Borsten der Oberseite doch noch am meisten in die Augen fallend. Hinter den Füssen des vierten Paares zieht sich die zweite Trennungslinie in einen nach vorn gezogenen Winkel über den Rücken. Durch sie wird das mittlere Schild von dem letzten merkwürdig ausgestatteten Rückentheil getrennt. Auf dem mittleren Schild befinden sich die Porenöffnungen für die beiden Seitentaschen, wie man sie bei den Tyroglyphusarten findet, dicht neben dieser je eine winzige Borste, auf der Mittel- bahn des Schildes zwei Paare kleiner Borsten und an den vorderen Seitenrandenden je eine etwas ansehnlichere Borste. Der hintere Rückenabschnitt wird von mehreren Schildern bedeckt, welche in der Abbildung, Taf. XVI, Fig. 2, deut- lich zu sehen sind. Da hier die Stelle ist, wo sich die starken, die Haltezange bewegenden Muskeln, ansetzen, so begegnet man den mannigfachsten Bildern, je nachdem die Muskeln mehr oder weniger durchsichtig oder lichtbrechend sind. Zunächst dem hinteren Rande des mittleren Rücken- schildabschnitts sind zwei längliche Schilder (Fig. 2 a) an- gelagert, auf ihnen jederseits ein kleines Haar mit unver- hältnissmässig grosser Haarpore. Nach aussen folgt eine sehr kleine schmale Platte (Fig. 2, b), Avelche ebenfalls eine Haarborste trägt, die über den Seitenrand des Thieres hinaus sichtbar ist, nach hinten folgt eine mehrfach ausge- schnittene Platte (Fig. 2 c), welche in ihren nach hinten gehenden Aesten die Pore zu der kräftigen Borste am Hinterende des Thieres trägt. Besonders lichtbrechend er- scheinen folgende Theile : der Zwischenraum zwischen den beiden länglichen Platten (Fig. 2 a) und der Zwischenraum zwischen dem Hinterrande der Platten a und den seitlichen Aesten der Platten b, sowie der Raum zwischen den Platten b. Zwei parasitische Milben des Maulwurfs. 251 Ebenfalls stark lichtbrechend wscheint ein Miiskelstrang, welcher sich von der einspringenden Winkel spitze des hin- teren Mittelschildrandes nach vorn zu streckt (Fig. 2, d). Auf der Unterseite ist die Platte, welche nach vorn zu zwischen den beiden Vorderftissen »liegt, bemerkenswerth. Sie ist vorn breit abgestumpft, seicht ausgerandet und trägt vier lange Borsten. Bei Hypopus findet sich an die- ser Stelle der merkwürdige bewegliche bauchstielähnliche Apparat, welcher den Mund zu vertreten scheint. Die hier beschriebene Platte entbehrt aller Beweglichkeit, sie ist die untere Wandung einer umfänglichen Höhle, welche von oben her durch die stumpfe Spitze des vorderen dreiecki- gen Rttckenschildabschnitts eingeschlossen wird. In dieser Höhle ist nichts zu bemerken und doch muss man in die- ser Gegend die Mundöffnung mit den Mundgliedmassen vermuthen. Den Mundstachel kann doch diese breite mit vier weichen Borsten versehene Platte nicht vorstellen? Ich bin ausser Stande über die Bedeutung dieser Platte und über dies Verhältniss derselben zum Munde etwas haltbares vorzutragen. Die Stützplatten und -Leisten der vierFüsse sind wohl ausgebildet (Fig. 1). Die der beiden vordem Füsse treten in der Mitte zusammen und bilden eine kurze nach hinten ziehende Leiste. Besonders bemer- kenswerth erscheinen die Hüftplatten der vierten Füsse gebildet, indem hier die Platte durch eine grosse ovale Oeflfnung durchbrochen erscheint. Es scheint als wären die Platten sämmtlicher Füsse der einen Seite nach der Mittellinie des Bauches zu durch eine gemeinsame Grenz- linie abgegränzt, wenigstens kann die Linie x, Fig. 1 nur so gedeutet werden. Zwischen den Platten der vierten Füsse findet sich die umfangreiche Geschlechtsöffnung ein- gelagert, auf deren Deckplatten sich jederseits zwei ovale Figuren finden, welche jedenfalls als Haftnäpfe anzuspre- chen sind. Dicht an die Geschlechtsöffnung schliesst sich nach hinten der Haftapparat an, bestehend in einem zangen- artigen Greifapparat. Die Greifränder sind deutlich und zierlich gefurcht. Vergleicht man an der Hand der so eben gegebenen Beschreibung die von Duj ardin entworfene Zeichnung der 252 P. Kramer: Bauchseite seines Hypopus arvicolae, so fällt zunächst in die Augen, dass die eigenthümliche Platte zwischen den vordem Füssen in keiner Weise angedeutet wird. Ein so ausgezeichnetes Gebilde, welches noch dazu durch die vier starken Endborsten besonders auffällig gemacht wird, konnte Dujardin nicht entgehen und müsste bei der Grösse der ge- gebenen Abbildung schon ziemliche Dimensionen besitzen. An ihrer Stelle findet sich bei Dujardin ein stumpfer Fortsatz mit zwei kurzen Borsten dargestellt. Schon aus dem Mangel dieser Vorderplatte also Hesse es sich rechtfertigen, den Hypopus arvicolae speziell von der Maulwurfsmilbe zu tren- nen. Unterstützt wird diese Trennung noch durch den vollständig andersgearteten, wenn auch der Beschreibung wenig zugänglichen Verlauf der Fussstützleisten und durch die Lage der Geschlechtsöffnung, welche nicht, wie es Du- jardin gezeichnet hat, am hintern Ende des zum vierten Fusspaare gehörigen Stabgerüstes beginnt, sondern bereits am Ende des zum dritten Fusspaare gehörigen, so dass sie nach hinten in gleicher Linie mit dem zum vierten Fuss- paare gehörigen Stabgerüste endigt. Ein sehr deutliches Criterium zur Bestimmung des Hypopus arvicolae hätte eine Rückenansicht abgegeben, doch wird eine solche von Du- jardin nicht vorgelegt. Ich gehe weiter zur Beschreibung der Gliedmassen. Die vier Füsse unserer Milbe sind im Allgemeinen ganz gleichmässig gebaut. Jeder Fuss besteht aus fünf Gliedern, und zwar einem kurzen gedrungenen Hüftgliede, an wel- ches sich vier in der Länge wenig unterschiedene Glieder anschliessen. Die Glieder der beiden hinteren Fusspaare sind schmächtiger und gestreckter als die der beiden vor- dem Fusspaare. Um so verschiedener ist die Endigung der Füsse. Die beiden vorderen Paare besitzen ungeheure Krallen, jeder Fuss eine einzige. Ausser dieser Kralle trägt das Endglied noch vier lange, die Kralle überragende Haarborsten, neben einigen kurzen, schwer zu zählenden. Am Endglied des dritten Fusses bemerkt man die kurze Kralle nur bei aufmerksamer Betrachtung unter dem Bündel der Endhaare, in welchem sich wieder vier durch ihre be- sondere Länge auszeichnen. Das vierte Fusspaar endlich Zwei parasitische Milben des Maulwurfs. 253 hat seine Kralle dem Anschein nach völlig eingebüsst. Man bemerkt an dem Oliede im Ganzen fünf besonders in die Aug-en fallende Haare, von denen mindestens drei sehr lang sind, so dass sie wie eine Peitschenschnur von dem Thiere beim Gehen nachgeschleift werden (Fig. 3). Zwischen diesen langen Haaren steht an der Spitze des Gliedes noch ein ganz kurzes, etwas hakenförmig umgebogenes und ein anderes lanzenspitzenfönniges und ganz blasses Haar, so blass, dass es nur bei andauerndem Hinsehen bestimmt unterschieden wird. Ist eins von diesen beiden letztern Haaren vielleicht die umgewandelte Kralle? In der Aus- bildung namentlich des letzten Fusspaares kann man etwas Hypopusartiges entdecken, da bei Repräsentanten dieser Htilfsgattung die Kralle an den hinteren Füssen öfters (wenn nicht durchgehend) sehr reducirt oder gänzlich ab- handen gekommen ist. Ein weiteres Anzeichen, dass die in Rede stehende Mill)e mit Hypopus mancherlei Beziehun- gen hat, suche ich in der eigenthümlichen Stellung, welche sie den hinteren Füssen in solchen Momenten gibt, wo sie durch einen unvorhergesehenen Stoss erschreckt die Glied- massen an sich zieht. Alsdann liegen die hintern Füsse mit der Spitze nach vorn sehend genau so wie Hypopus Dugesii die Hinterfüsse trägt, wenn er andern Thieren an- sitzt. Wenn so mancherlei vorgebracht werden kann, wo- durch eine gewisse Beziehung der Milbe zu Hypopus an den Tag gelegt wird, so ist auf der andern Seite, wie schon Dujardin bemerkt, zu vielerlei an ihr zu beobachten, wodurch diese Beziehung wieder in Frage gestellt wird. Es scheint mir daher geboten, vorläufig für dieselbe die neue Gattung Lahidophorus aufrecht erhalten zu müssen. Während ich die im vorigen beschriebene Milbe in grossen Massen auf dem Maulwurf antraf, vermochte ich von der nun zu beschreibenden nur ein einziges Exemplar aufzufinden. Es zeigte dieses eine ganz merkwürdige Milbe. Höchst wunderbar überhaupt ist die so völlige Verschie- denheit in der Organisation der bis jetzt bekannt gewor- denen parasitischen Milben der Pelzthiere. Wer den Listro- phorus, mit Myobia mit Myocoptes mit Lahidophorus und mit der neuen hier beschriebenen Milbe vergleicht, der 254 P- Kramer: wird erstaunen über die so ganz eigenartigen und charakte- ristischen Gestalten. Zugleich sind es auch gerade diese Milben, welche der systematischen Betrachtung nicht uner- hebliche Schwierigkeiten in den Weg legen. Claparede stellt für seine Myobia die Forderung, eine selbstständige Unterfamilie für sie zu gründen, und er hat Recht damit. Listrophorus reiht sich nur schwer anderen Milben wie Dermaleichus etc. an; von Myocoptes ist es ganz schw^er die verwandtschaftlichen Beziehungen festzustellen, und auch bei Labidophorus konnten sie nur unbestinnnt angedeutet werden. Bei der nun zu betrachtenden, der ich den Namen Fygmephorus sxnnosus nov. sp. gebe, ist man, wie sich aus der nachfolgenden Darstellung ergeben wird, in ähnlicher Lage. Das wunderbarste bei allen die- sen Erfahrungen nun scheint mir die Wahrnehmung zu sein, dass eine jede dieser parasitischen Milben eine voll- ständig fertig ausgeprägte Gestalt hat, oder mit anderen Wor- ten, dass die Form nicht mehr als eine Uebergangsform, als eine noch in der Veränderung begriffene, angesehen wer- den kann. Wir finden also hier überall fertig gewordene Entwickelungen und es ist bemerkenswerth, dass wir gerade mit unseren Beobachtungen immer zu einer solchen Zeit einsetzen müssen, die hinter der Veränderungsperiode liegt, wenn es eine solche überhaupt gegeben hat. Und darin finde ich das vor allem Interessante bei den parasitischen Milben, was sie allerdings mit unzähligen anderen Geschöpfen theilen, dass sie Organismen mit abgeschlossener Entwick- lung sind, und solche passen nicht in die Darwin'sche Theorie. Unsere Milbe macht beim ersten Anblick einen sehr besonderen Eindruck. (Fig. 4.) Die beiden vorderen Füsse sind vorn mächtig verdickt und strecken sieh wie zwei Fäuste nach vorn. So beginne ich denn die genauere Beschreibung mit den Füssen. Die drei hinteren Fusspaare sind unter sich im Allgemeinen gleichartig gebaut, fiinfgliedrig und je mit zwei sehr starken Krallen bewehrt. Die letzten Glieder spitzen sich nach vorn lang zu und zeigen daher eine langgezogene kegelfiirmige Gestalt. Das letzte Fusspaar besitzt weniger umfangreiche Krallen als die beiden mittleren Paare und nur einen sehr Zwei parasitische Milben des Maulwurfs. 255 kleinen Haftlappen. Ganz ausserordentlich grosse und gekrümmte Krallen zeichnen die mittleren Fusspaare aus. Der Haftlappen ist ein mächtiger Stiel mit kopfförmigem Ende. Bei dem einen Exemplar, welches mir von der Milbe vorlag, versäumte ich, sofort den feineren Bau des höchst merkwürdig aussehenden Haftlappens zu erforschen und kann nur soviel sagen, dass ich noch nie einen so auffallend gebildeten und so mächtig entwickelten Haft- lappen bei irgend einer von den vielen mir vor die Augen gekommenen Milben beobachtet habe. Das kopf- förmige Ende desselben ist eine tief ausgehöhlte Glocke und wohl noch besonders beweglich und in den dünnen Stiel zurückziehbar. (Fig. 9.) Die Füsse des ersten Fuss- paares sind, soweit die möglichst eindringenden Beobach- tungen es zu erkennen zuliessen, nur viergliedrig. Die drei ersten Glieder sind gewöhnlich gebaut, schlank und walzenförmig. Das vierte Glied dagegen ist kolbenförmig aufgetrieben, und stark verlängert. An seiner äusseren Fläche (Fig. 5 stellt den rechten Fuss von unten her gesehen dar) befindet sich die tiefe Grube für die einzige ganz ungeheure Kralle, welche nach innen zu beweglich ist und dort gegen einen, wie die Kralle, blassen zapfen- förmigen Fortsatz schlägt. Ist die Kralle eingekrümmt, so wird durch ihren Haken und diesen zapfenartigen Fort- satz ein allseitig abgeschlossenes Loch begränzt. Schlägt die Kralle mit ihrem Haken um ein Maulwurfshaar, so wird dieses durch dieselbe und den Zapfen gefangen und gehalten. Wir haben hier einen Haftapparat, der voll- ständig mit dem bei Myobia gefundenen übereinstimmt, und wie verschieden ist sonst Myobia von Pygmephorus. Ausser mit diesen eigenthümlichen Vorrichtungen, ein Maulwurfshaar festzuhalten, ist das Glied noch mit einem sonderbaren Fortsatz geschmückt, in welchem man zum Theil wohl eigenthtimlich verlängerte Borstenzapfeu erkennen kann. (Fig. 6.) Es lässt sich dieses Anhangs- gebilde nicht anschaulich beschreiben und ich verweise daher auf die Abbildung. Was die Maasse der Theile dieses vorderen Fusspaares betrifft, so gebe ich folgende Reihe von Werthen, welche für das beobachtete Exemplar 256 P. Kramer: von 0,125 mm. Länge gelten. Die Dicke des zweiten und dritten Gliedes beträgt 0,021 mm. Die des vierten Gliedes 0,05 mm. Die Länge des zweiten und dritten Gliedes beträgt 0,06 und 0,015 mm. Die des dritten Gliedes 0,066 mm. Die Kralle am vorderen Ende des Fusses hat 0,009 mm. Dicke und 0,045 mm. Länge und diese nicht etwa längs der Krümmung gerechnet, sondern in der Durch- messer-Richtung. Die auch sonst schon ansehnlichen Kral- len der übrigen Füsse besitzen nicht den vierten Theil der Dicke. Die Wölbungen des letzten Gliedes an den vorderen Füssen tragen starke und zum Theil sehr gekrümmte Haare, auch sieht man hier zahlreiche Porencanäle die Haut durchsetzen. Von den Füssen gehe ich sogleich auf die Beschrei- bung der Mundtheile. Es lassen sich keine Taster erken- nen und auch die Mandibeln sind in einer Weise reducirt, wie man es nur selten findet. Ebenso ist die Anordnung der Mundorgane, die noch vorhanden sind, derart, dass eine Vergleichung mit andern Milben sich schwer ausfüh- ren lässt. Es endet nämlich der thoraxförmige Theil, an welchem die beiden vorderen Fusspaare angeheftet sind, vorn in einer engen kreisförmigen Oeffnung, und in diese Oefinung ist beweglich eingelassen ein zapfen- förmiges Organ (Fig. 7 und 8), an dessen vorderem Ende man im Innern zwei Systeme von Chitinleisten bemerkt. Jedes dieser Systeme hängt vermuthlich mit einer der beiden sehr scharfen Spitzen zusammen, in welchen ich die Kieferfühler zu erkennen glaube. Es liegt somit ein stechendes Mundorgan vor, wie es auch der Lebensweise auf einem andern Thiere ganz angemessen erscheinen wird, aber es entzieht sich die beschriebene Bildung jeder Ver- gleichung mit andern Mundformen unter den Milben. Einen einziehbaren Zapfen, an dessen vorderem Ende die Mundöifnung sitzt, giebt es sonst nirgends. Es gelang mir nicht, die Kieferfühler bis ins Innere des Zapfens zu verfolgen, auch die wirkliche Mundöffnung nicht aufzu- finden; sie iiniss aber am vorderen Ende des Zapfens befindlich sein, wenn jene Spitzen als Kieferfühler zu Zwei parasitische Milben des Maulwurfs. 257 deuten sind. Sollte nun etwa zur Bildung des Zapfens das Kiefertasterpaar derart mit beigetragen haben, dass es einen Theil der Wandung bilden half? Zu erkennen ist davon nichts mehr. So stimmt denn also auch in dem Mangel an Kiefertastern unsere Milbe mit der vorhin schon einmal zum Vergleich herangezogenen Myobia überein, bei welcher sich, wenn allerdings auch in einem ganz andern Grade der Ausbildung, ein System von Chitinstäben als Stütze für die Stechborsten vorfindet. Trotz alledem und selbst mit Berücksichtigung des den beiden Milben eignen sehr ausgebildeten Tracheensystems, wage ich nicht die vorliegende Milbe mit Myobia auch nur in eine entfernte Beziehung zu bringen. Dazu ist doch die allgemeine Gestalt und auch die Ausbildung der drei letzten Fuss- paare zu sehr verschieden. Das so eben erwähnte Tra- cheensystem ist deutlich und aus zahlreichen Tracheen- fäden bestehend, welche nach vorn in zwei Hauptäste zusammen laufen. Ihre OefFnungen zu finden gelang aus Mangel an Beobachtungsmaterial nicht. Wenn aber ein Schluss erlaubt ist, so nehme ich die beiden zapfenförmi- gen Keulchen, welche hinter den Füssen des ersten Fuss- paares stehen und genau mit den Schwingkölbchen der Dipteren in der Gestalt übereinstimmen, als Oeffnungen der Tracheen in Anspruch. Sie schienen eine Oeffnung an ihrem breiten Ende zu besitzen und sind etwa in der Rich- tung der Tracheenstämme, so weit ich sie verfolgt habe, eingesenkt. Doch muss hier eine weitere Beobachtung die wirklichen Verhältnisse erst noch aufklären. Die Hautbedeckung ist durchaus panzerartig und nähert also die Milbe den einzigen allseitig bepanzerten Milben, den Oribatiden. Der Leib selbst ist völlig flach und besitzt eine breite, hinten kantig abgestufte Form. Rech- net man den Mundzapfen mit, so zerfällt er in vier deutlich von einander gesonderte Abschnitte. Erstens: der Mund- zapfen, zweitens: die ringartige Abtheilung, welche das erste und zweite Fusspaar trägt; drittens: der Ring, welcher das dritte und wahrscheinlich auch das vierte Fusspaar trägt; viertens: der eigentliche Hinterleib. Die Grenzlinie zwischen dem Mundzapfen und dem Archiv f. Naturg. XXXXIII. Jahrg. Bd. 1. 17 258 P- Kramer: ersten Ringe ist sehr deutlich, wie vorhin besprochen. Die Grenzlinie zwischen dem ersten und zweiten Körper- ringe ist ebenfalls oben sowohl wie unten deutlich und gut zu verfolgen. Die Grenzlinie zwischen dem zweiten und dritten Ringe, also zwischen dem dritten und vierten Leibesabschnitt ist nur auf der Rückfläche erkennbar, dort aber sehr in die Augen fallend, da sie durch stark chiti- nisirte Grenzlinien der Panzerplatten gebildet wird. Die hinteren Seitenecken des dritten Leibesabschnitts sind in einem starken nach hinten gerichteten und sich dem Leibes- seitenrand eng anlegenden Stachel ausgezogen. Ein eben- solcher findet sich in der vorderen Hälfte des Seitenrandes am vierten Leibesabschnitt. Die Oberfläche des zweiten Leibesabschnittes trägt zwei starke Haarborsten und die beiden Kölbchen; die Oberfläche des dritten Abschnittes trägt vier starke Borsten und die des vierten Abschnittes sechs, von denen vier am hinteren Leibesende stehen, zwei auf der Fläche des Abschnitts. Neben dem äussersten Paar der am hinteren Ende aufgestellten Borsten findet sich noch je eine kleinere Borste. Auf der Unterseite (Fig. 10), sind deutliche Hüftplatten am vierten und dritten Fuss- paare nicht in der allgemein verhärteten Körperbedeckung zu erkennen, doch deutet die Anordnung der vorhandenen Leisten darauf hin, dass die Hüftplatten sich allseitig berühren und die untere Leibesbedeckung bilden. Die Hüftplatten des zweiten Fusspaares sind sehr deutlich; sie berühren einander und bilden mit den Platten des ersten Paares zusammen die Unterseite des zweiten Leibes- abschnittes. Die ganze Panzerfläche auf der Ober- und Unterseite ist mit feinen Porenöffnungen dicht besetzt. Die Afteröffnung steht dicht am hinteren Leibesende. Zwei parasitische Milben des Maulwurfs. 259 Erklärung der Figuren. Tafel XVI. Fig. 1. Labidophorus Talpae von unten. Fig-. 2. Hinteres Rückenschild von demselben. Fig. 3. Ende des vierten Fusses von demselben, Fig. 4. Pygmephorus spinosus von oben. Fig. 5. Linke Kralle von unten. Fig. 6. Dieselbe von oben. Fig. 7. Das Kopfende von P. spinosus. Fig. 8. Der Mundzapfen, eingezogen. Fig. 9. Eine Kralle mit Haftlappen vom zweiten Fusspaar. Fig. 10. Unterseite von Pygm. spinosus Nachträgliche Bemerkung über Rhabdocidaris recens (p. 127). Von Tro schal. Eben, nachdem Text und Tafel zu meiner Beschrei- bung des in der Ueberschrift genannten Seeigels fertigge- stellt sind, fällt mir wieder der Aufsatz von P .de Loriol „Description de trois especes d'Echinides appartenant ä la famille des Cidaridees" in die Hände, welcher in den Memoires de la Societe des sc. nat. de Neuchatel T. V. 1873 erschienen war. Verf. beschreibt darin, begleitet von einer prächtigen Abbildung, eine lebende Rhabdocidaris,. die er mit Lamarck's Cidaris bispinosa für identisch hält. Diese Art stammt wahrscheinlich von Neuholland. Die Stacheln dieser Rhabdocidaris bispinosa Loi\ sind ausserordentlich ähnlich denen meiner Rhabdocidaris recens, und ich sehe mich daher veranlasst, beide Arten von Neuem zu vergleichen. Das Resultat ist, dass ich sie doch für verschieden halten muss. Einmal giebt Herr de Loriol ausdrücklich an, dass die Höcker glatt sind ; es ist nicht anzunehmen, dass der so sorgfältige Beobachter die Kerben übersehen haben sollte. Ferner tragen die Ambulacralfelder unserer Art nur vier Höckerreihen, wogegen Rh. bispinosa deren sechs besitzt. Herr de Loriol stellt seine Art gleichfalls in die Gat- tung Rhabdocidaris. Er legt daher offenbar keinen Werth darauf, ob die grossen Höcker gekerbt oder glatt sind. Rh. recens mag einen Uebergang darstellen, indem bei ihr die Höcker nur an der oberen Hälfte crenulirt sind, manche Höcker an der unteren Seite des Thieres wirklich glatt. Immerhin kann ich mich nicht entschliessen, die- sen Charakter der Gattung Rhabdocidaris aufzugeben, und meine, die Kerbung der Höcker sei ein zuverlässigerer Charakter als die Furchen zwischen den Poren der Ambu- lakren. Ist dies richtig, dann gehört Rh. bispinosa Lor. nicht zu Rhabdocidaris, und unsere Rh. recens bliebe die einzige bisher bekannte Art dieser Gattung. Ob die Loriol'sche Art wirklich die Lamarck'sche bispi- nosa ist, lasse ich unentschieden, nach der Abbildung, wel- che de Loriol von den Stacheln aus der Lamarck'schen Sammlung pl. V. Fig. 8 giebt, ist mir nicht überzeugend, zumal unsere Art auch ähnliche Stacheln hat, und doch ver- schieden ist. AI. Agassiz bildet aus Cidarites bispinosa Lam. seine Gattung Stephanocidaris. /S?7. Taf.XV/r. Maj. Weber del. bui ste] „D, la j M6] ers( prä' mit Art ausi und zu verg die so sollt vier tung dara Rh. ihr man glatt sen und Chai lakn nicht einzi nosa che ( Sami zuma schie Lam. Ilth InalilutrVfilh Eri™ Bn-Mn. rig.1l. y aS» • ^-=»: ; if i/l LitKhsWUt v.Wilh. (Jrm, Beriin Ueber die Nebenorgane des Auges der Reptilien, Von Max Weber in Bonn. Erster Artikel. Die Nebeuorgane des Auges der einheimischen Lacertidae. Hierzu Tafel XVII, XVIII und XIX. Die in den nachfolgenden Blättern mitgetheilten Unter- suchungen zerfallen der Natur des untersuchten Objectes gemäss in zwei Abtheilungen. In der ersten derselben werde ich die Organe, die der Bewegung des Auges vorstehen, mit gleichzeitiger Berücksichtigung des Nerven- apparates derselben schildern. Die zweite Abtheilung wird die Schutzorgane des Auges behandeln, wobei das untere und obere Augenlid, die Nickhaut und die in der Augenhöhle gelagerten Drüsen sowie die Innervation dieser Gebilde einer näheren Besprechung unterzogen werden sollen. Anschliessend an diese gewonnene anatomische Basis werde ich versuchen eine Deutung der Lidbewegung zu geben. Da es mir bei Inangriffnahme der vorliegenden Arbeit wesentlich darum zu thun war, die bisheran noch nicht oder nur unvollständig aufgeklärten Verhältnisse dieser wenig untersuchten Hülfs- und Schutzorgane des Auges wenigstens einigermassen aufzudecken, so möge man hierin eine Begründung dafür finden, dass ich über die Drüsen flüchtiger weggehe. Der Thränenwege jedoch werde ich zum Schlüsse in ausführlicherer Weise Erwähnung thun. 262 Max Weber: Erster Abschnitt. Die Bewegungsorgane des Auges. Ehe ich dazu tibergehe, die in der Augenhöhle gele- genen Gebilde zu beschreiben, möchte ich Einiges über die Gestalt und die Wandungen der Höhle selbst voraus- schicken, um auf diese Weise eine sichere Basis — nament- lich bezüglich der Nomenclatur — für das topographische Verhalten der später zu betrachtenden Weichtheile zu gewinnen. 1. Die Augenhöhle. Die Augenhöhle unseres einheimischen Genus Lacerta, in der Mitte der Seitenfläche des Kopfes gelegen, zeigt nicht die bei den höheren Wirbelthieren vorherrschende Gestalt eines Kegels oder einer Pyramide in liegender Stellung, deren Basis die Oeffnung der Augenhöhle, deren Spitze das Foramen opticum darstellt, sondern hat mehr die Form eines Ovoids, dessen Längsachse horizontal liegt, jedoch mit einer geringen Neigung nach hinten und oben. Die Achse der Augenhöhle d. h. die Linie, welche das Foramen opticum mit dem Mittelpunkte der Augen- höhlen-Basis verbindet, geht nach vorn und etwas nach oben. Am Grunde zeigt die Augenhöhle eine ausgedehnte verticale Begrenzungsfläche gegen die gleiche Höhle der anderen Kopfseite. Es ist dies das häutig-knorpelige S e p - tum interorbitale, das, in der Medianlinie des Körpers gelegen, den hinteren, occipitosphenoidalen Schädel-Al^- schnitt mit dem vorderen verbindet. Seine untere der Rachenhöhle zugekehrte Begrenzung erhält es durch einen rundlichen KnorpeHaden, der zufolge Leydigs*) Nachweis durch eine Verschmelzung zweier Knorpelfäden, die rechts und links von langen Stacheln des sog. vorderen Keilbeines ihren Ursprung nehmen, entstan- den ist. Nach vorn und aufwärts verlaufend endigt er im ethmoidalen Theil des vorderen Kopf-Abschnittes. 1) Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier, 1872, pag. 50. Uebcr die Nebenorgano des Auges der Reptilien. 263 Die genannten vereinigten Knorpelläden, nach Leydig die ursprünglichen sog. Schädelbalken, erheben sich zu einer verticalen Knorpelplatte, die dem Septum interorbitale eingelagert ist. Die Scheidewand selbst entwickelt sich in ihrer ganzen Breite aus der häutigen vorderen Begren- zungswand der Schädelkapsel; bildet oben, in Verbindung mit den frontalia principalia(Cuvier), eine häutig geschlos- sene Rinne, den Leitungscanal für die nervi olfactorii, und setzt sich in das Septum narium fort. Dass dieselbe nur zum Theil häutig ist, geht schon aus der Erwähnung jener Knor- pelplatte, die sich aus dem Knorpelfaden entwickelt, hervor. Von complicirter Configuration, Hesse sich diese Platte noch am ehesten einem Viereck vergleichen, von dem jedoch nur die untere und die vordere, bogig gekrümmte Seite unversehrt erhalten ist, während die obere und hin- tere tief eingebuchtet sich darstellt. Die vordere, bogig gekrümmte Seite lagert sich zwi- schen die frontalia (orbitalia) anteriora. Die obere und die hintere Seite ist fast bis zur Mitte ausgebuchtet, und zwar zeigt die hintere Seite sogar zwei tiefe Einbuchtungen. Diese Verhältnisse habe ich auf Tafel I Fig. 1 dargestellt, wobei bemerkt sei, dass dieselbe zunächst nur die Form der Knorpelplatte, von Lacerta viridis vorführt, in ihrer Grundform aber auch für die übrigen einheimischen Lacer- ten Gültigkeit hat. Kleinere Abweichungen zeigen sich namentlich in der Gestaltung zweier nach hinten gerich- teter Fortsätze der Knorpelplatte, die durch die oben erwähnte Einbuchtung der oberen und hinteren Seite her- vorgerufen sind. Diese Fortsätze treten mit dem oberen und unteren Ende eines hinter dem Foramen opticum gelegenen Knochen- stabes und somit mit der vorderen Wand der Schädel- kapsel in Verbindung. Was nun die functionelle Bedeutung der Knorpel- platte anlangt, so haben wir in derselben nicht nur eine Verstärkung des Septum interorbitale in seiner Eigenschaft als Scheidewand, sondern auch ein tragendes und schützen- des System für den Canal der Riechnerven und die vordere Wand der Hirnhöhle; endlich werden wir in 264 Max Weber: ihr eine feste Basis für den Ursprung der Augenmus- keln kennen lernen. — Kurz sei hier noch erwähnt, dass auch die Knorpelplatte ihrerseits wieder eine Verstärkung erfährt durch inselweise auftretende Verkalkungen. Diese „Ossificationen" waren schon den älteren Zergliede- rem bekannt; nach Leydig*) sind es keine eigentlichen Verknöcherungen, sondern Ablagerungen von Kalkkrümel in der Intercellularsub stanz des Knorpels. Ich sehe die- selben bei Lacerta ocellata, weniger bei L. viridis, bei unseren übrigen Eidechsen vermisse ich sie. Während nun am macerirten Schädel das eigentliche Septum inter orbitale 2) sich als Grund der Augenhöhle darbietet, möchte ich dem gegenüber denselben noch eine Strecke weit in die seitliche Schläfengrube (Huxley^) und zwar bis zur Columella ausgedehnt wissen. Dass bis zu letztgenanntem Punkte die Augenhöhle auszudehnen ist, wird dadurch erwiesen, dass einzelne Augen- muskeln unter der Columella ihren Ursprung nehmen und die Augenmuskelnerven, die ja wohl stets im Bereich der Au- genhöhle die Schädelhöhle verlassen, in dem Raum zwischen dem Interorbitalseptum und der Columella zu Tage treten. Den einzigen Zweifel an dieser von mir gegebenen Deutung, ob nämlich diese Partie bis zur Columella nicht etwa als hintere Wand der Augenhöhle, wenigstens als ein Theil derselben, aufzufassen sei, glaube ich bei Besprechung dieser in Frage gezogenen Wand abschwächen zu können. Wir hätten somit noch die vordere Begrenzung derSqhädel kapsei der Besprechung zu unterwerfen. Die- selbe erhebt sich, sanft nach hinten und aussen ansteigend, aus der Ebene der interorbitalen Scheidewand und spannt 1) Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier 1872 pag. 51. 2) Als solches betrachte ich nur die verticale Wand zwischen dem Frontale ant. und dem Palatinum einer- und dem Foramen opticum andererseits ; nicht aber, wie es von Manchen geschieht, auch noch die vordere Begrenzung (orbito- und praesphenoidalen Theil) der Schädelhöhle, welche die Hemisphären mit den Riechlappen und die Lobi optici nach unten und vorn abschliesst. 3) Handbuch der Anatomie der Wirbelthiere, übersetzt von Ratzel, 1873. pag. 188. Ueber die Nebenorgane des Auges der Reptilien. 265 sich, als häutige Wand zwischen den frontalia anteriora et posterira oben und dem Praesphenoid unten, aus. Nach vorn läuft sie in den mehrerwähnten Canal der Olfactorii aus und heftet sich hinten an das Felsenbein (Cuvier, Leydig)^. Wie schon gesagt ist sie von häutiger Natur, jedoch sind ihr discrete 0 ssificationen eingelagert. So findet sich constant hinter dem Foramen opticum ein keulenför- miger Knochenstab (Fig. 1. o sp. i), von dem ich schon meldete, dass seine beiden Enden mit den Fortsätzen der interorbitalen Knorpelplatte in Verbindung ständen. Eine zweite knöcherne Solidification (Fig. 1. o. sp. 2), der ersteren angelagert, findet sich minder beständig. Dieselbe ver- läuft schräg vom postfrontalen Fortsatz des Parietale zur Columella und stellt somit, im Verein mit den beiden unteren Dritteln dieser Knochensäule, die Grenze des Grun- des der Augenhöhle gegen deren hintere Wand dar. Diese und die vorhin erwähnte Verknöcherung sind wohl die „Y förmigen Leisten" deren Stannius am glei- chen Orte Erwähnung thut; ihre Beschreibung passt nicht genau auf unsere Eidechsen und gilt wohl für einen andern Saurier, wie diese Verstärkungen der Schädelwand denn überhaupt weiter verbreitet zu sein scheinen So fand ich sie unter anderen bei Psammosaurus griseus. Stannius sieht in diesen Verknöcherungen eine Vertretung des Os sphenoideum anter ius. Hiermit habe ich schon einer Betrachtung vorge- griffen, der wir uns jetzt zuwenden wollen, nämlich der morphologischen Deutung des Septum interorbitale und der ihm benachbarten vorderen Begrenzung der Hirn- höhle, mit besonderer Berücksichtigung der derselben eingelagerten Verknöcherungen. Cuvier^) sieht in den verschiedenen „Ossifications- Punkten" innerhalb des Septum interorbitale Theile, die 1) Nach Stannius (Handbuch derZootomie II, 2. 1856): „Squama temporalis"; nach Köstlin (Bau des knöchernen Kopfes der Wirbel- thiere, 1844): „hinterer Schläfenflügel^' . 2) Recherches sur les osseraens fossiles. 266 Max Weber: dem Ethmoid zuzurechnen sind. Weiter sagt er: ^,La paroi laterale et anterieure du cräne, depuis le rocher jusqu'ä la cloison interorhitaire, est membraneuse et contient seule- ment de chaque cote un os diversement configure selon les especes, qui represente Taile temporale et l'aile orbitaire." In ähnlichem Sinne spricht sich Köstlin^) aus, jedoch thut er einen Schritt zurück, wenn er in den Verknöche- rungen nur Ueberreste eines vorderen Schläfenfltigels erkennt und die Orbitalflügel immer im verknöcherten Zustande fehlen lässt. Bei Hallmann-) findet sich die gleiche Auffassung bezüglich des Orbitosphenoid; nach ihm fehlt es auch den Vögeln. Unter den älteren Forschern, die zur Abgabe eines Urtheils besonders berechtigt sind, sei noch Stannius befragt. Dieser^) fasst den häutig perennirenden seitlichen und vorderen Abschnitt der Schädelkapsel als „das vordere Keilbeinsegment und das Ethmoidalsegment repräsentirend'* auf. Dass er demgemäss einzelne Solidificationen hinter dem Foramen opticum als Vertreter eines os sphenoideum anterius ansehe, wurde schon gemeldet. Von einem Orbi- tosphenoid sagt er nichts; die Knorpelplatte der interor- bitalen Scheidewand bezeichnet er aber als Cartilago eth- moidalis, womit er derselben ihre morphologische Stellung deutlich anweist. Am ausführlichsten hat Leydig'*) in Rede stehende Theile behandelt und namentlich die Deutung der sphenoi- dalen Theile in genauer Weise festgesetzt. — Nach ihm ist die lange Knochenspitze, die sich vom Basisphenoid ent- wickelt und fein auslaufend, zwischen den beiden Knorpel- fäden gelagert die untere Grenze des Septum interorbitale darstellt, ein Praesphenoid, während Hall mann sie als Deichsel des hinteren Keilbeinkörpers bezeichnet und Stannius dieselbe zum „os sphenoideum basilare'' rechnet. In den mehrfach erwähnten Verknöcherungen hinter dem 1) Bau des knöchernen Kopfes der Wirbelthiere §§ 64 und 65. 2) Vergleichende Osteologie des Schläfenbeins. Hannover 1837. 3) Handbuch der Zootoraie § 23. 4) Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier. 1872. pag. 41 und 51. Ueber die Nebenoi'gane des Auges der Reptilien. 267 Foramen opticum erkannte Leydig ferner zuerst „eine etwelche Vertretung des Orbitosphenoid". Es ist einleuchtend, dass sich in diesem grösstentheils membranösen Gebilde keine scharfe Grenze zwischen Prae- sphenoid, Orbitosphenoid und den, dem Ethmoid zuzurech- nenden Theilen, ziehen lässt; für unseren gegenwärtigen Zweck gentigt es — und mehr wird sich überhaupt wohl nicht erreichen lassen — nachgewiesen zu haben, dass inte- grirende Theile des Wirbelthier- Schädels auch hier in ungezwungener Weise räumlich sich nachweisen lassen. Gegenüber der von Leuckart^) ganz neuerlichst gegebenen Deutung des Septum interorbitale als mit ein- ander verwachsener vorderer Keilbeinfltigel, möchte ich in obschwebender Frage folgende Auffassung für die am mei- sten ansprechende halten. Die vordere häutige Begren- zung der Hirnhöhle, die sich nach oben in den Canal für die nn. olfactorii fortsetzt, ist einem Orbitosphe- noid gleich zu setzen und enthält Ueberreste dieses Kno- chens in Form von Verknöcherungen hinter dem Foramen opticum. Nach unten steht dasselbe in Verbindung mit einem Praesphenoid, welches eine Fortsetzung des Basi- sphenoid darstellt und ohne Grenze in das eigentliche Sep- tum interorbitale übergeht. In letzterem ist im Uebrigen ein Ethmoid zu suchen. Wenden wir uns nun zu den Seiten Wandungen der Augenhöhle. Da ist zunächst zu bemerken, dass wir nur in bedingter Weise von einem Boden (Pavimentum) der Augenhöhle sprechen dürfen, da das, Avas man als solchen bezeichnen muss, nur zum Theil direct die, den Bulbus und dessen zugehörige Weichtheile einschliessende Höhle nach unten abgrenzt. Dass hierbei ein Muskel zu Hülfe gezogen wird, wer- den wir unten bei Betrachtung der Lider sehen. Der knö- cherne Boden der Augenhöhle nun hat eine schräg nach unten und hinten gerichtete abschüssige Lage; nach vorn 1) Organologie des Auges, in Graefe und Saemisch. Handbuch der gesammten Augenheilkunde. 2. Band. 1. Hälfte. 1875. 268 Max Weber: geht er ohne Grenze allmählich in die vordere (innere) Orbitalwand über, während er sich nach hinten in die seitliche Schläfengrube öffnet. Die Constituenten dieser stärksten Wand der Orbita sind folgende: In erster Linie medianwärts das Palatinum, welchem sich nach hinten die breite, vordere Schaufel des Ptery- goid ansetzt. In Verbindung mit einem lateralen Fortsatz dieser Schaufel steht das Transversum, welches den Boden lateral gegen die seitliche Schläfengrube abschliesst. Den der Gesichtsfläche zugekehrten Rand bildet der transverso- jugale Fortsatz des Maxillare, welches durch seine Verbin- dung mit dem Palatinum einestheils, mit dem Transver- sum andereutheils, das zwischen diesen genannten Knochen liegende suborbitale Loch, welches häutig geschlossen ist, lateral abgrenzt. Was die nach vorn und oben ausgeschweifte Nasen- wand der Augenhöhle anbelangt, so lässt sich, da sich dieselbe bei unseren verschiedenen einheimischen Arten nicht ganz gleich verhält, nur so viel sagen, dass im All- gemeinen zu ihrer Bildung folgende Knochen beitragen. Den unteren inneren Winkel der Orbita bildet der emporstre- bende Theil des Palatinum, das durch seine Anlagerung an das Praefrontale und Maxillare superius auch den vor- deren Winkel bildet. Ersteres ist zusammen mit dem Fron- tale principale das Constituens der vorderen Wand ^). — Stets sich verschmälernd geht dieselbe in die Decke der Augenhöhle über, welche nach vorn durch eben jenes genannte Frontale principale, nach hinten durch das daran sich anlagernde Frontale (orbitale) posterius 2) ihren Abschluss 1) Die Gründe, wegen derer hier das Lacrymale, welches der Beschreibung anderer Autoren zufolge ganz wesentlich zur Bildung der Nasenwand der Augenhöhle beiträgt, mit Stillschweigen über- gangen ist, werde ich alsbald unten auseinandersetzen. 2) Hier mag eine Berichtigung ihre Stelle finden. Sie betrifft die Erklärung der Fig. 1 in E. Clasons Arbeit: „Die Morphologie des Gehörorgans der Eidechsen'', in: Anatom. Studien herausgeg. von C. Hasse, 2. Heft 1871. Diese Figur stellt einen, für die durch- aus nicht leichte Deutung der Kopfknochen der Saurier, ungenügend präparirten Schädel von L. viridis vor, an welchem die Verkalkun- gen in der Haut der Schläfengegend, die sich der Knochenkruste üeber die Nebenorgane des Auges der Reptilien. 269 findet. Diese schmale Wand erleidet eine bedeutende Ver- breiterung durch eine Anzahl discreter Ossa supraorbi- talia, an welche sich continuirlich das obere Lid anschliesst. Da sie den Bewegungen desselben unterwor- fen sind und auch sonst als demselben zugehörig sich ausweisen, so wird ihre Betrachtung mit der des oberen Lides zusammenfallen. Es bleibt uns nun noch die Besprechung der Schlä- fenwand der Augenhöhle übrig. Von Belang ist es hier- bei zunächst hervorzuheben, dass der äussere Augenhöh- lenring vollkommen geschlossen ist; und zwar wird im Bereich der hinteren Orbitalwand der Rand der Augen- höhle durch den frontalen Fortsatz des Jugale, der sich dem Postfrontale anlegt, dargestellt. Diese dünne Knochen- brücke, die sich nicht einmal bei allen Saurier als ganz verknöchert darstellt, scheint dem Beobachter bei flüchti- gerer Betrachtung der einzige Ueberrest einer Schläfen- wand zu sein. Näheres Zusehen wird uns aber belehren, dass wir auch noch medial gelegene Rudimente dieser Wandung, ohne zu künstlicher Deutung unsere Zufluch:^ zu nehmen, nachweisen können. Bereits oben betonte ich die Schwierigkeit, eine Grenze zwischen dem Grunde der Augenhöhle und deren Schlä- fenwand — wenigstens einer Vertretung derselben — zu ziehen. Ich dehnte den Grund bis zur Columella aus und gab genauer an, dass derselbe wohl durch eine kleine Solidification (Fig. 1 o. sp.2) und die beiden unteren Drittel der Columella abgegrenzt werde. Wenn ich demgemäss in der Columella eine etwelche Vertretung einer hinteren Orbitalwand sehe, so ist es einleuchtend, dass diesem Stand- punkt eine physiologische Auffassung zu Grunde liegt. Die functionelle Bedeutung der Columella aber ist jeden- falls nicht zu unterschätzen, wenn man bedenkt, dass sie des Jugale ansetzen (Yergl. Leydig: Deutsche Saurier pag. 47) als Postfrontaie gedeutet wird und der unklare Knochen 1, der zufolge seiner hohen Lage am ehesten ein Postfrontale darstellen könnte, als jugale bezeichnet ist. Auch die Deutung des Praefrontale ist nicht richtig, indem die hierfür gewählte Bezeichnung auf die Lamina superciliaris hinweist. 270 Max Weber: die zarten, unter ihr entspringenden Augenmuskeln und den Nervus abducens, der ebenfalls in ihrem Bereich die Schädelhöhle verlässt, gegen die verhältnissmässig gewal- tige Kaumuskulatur deckt. Von Interesse war es mir, dass auch Köstlin'), gestützt auf vergleichend osteologische Gründe, in der Colu- mella eine Vertretung der hinteren Wand sieht. Im Uebrigen fehlt, wie bei den meisten Wirbelthieren, nach hinten ein knöcherner Abschluss der Augenhöhle, sodass dieselbe, wie Leuckart^) hervorhebt, gewisser- maassen nur einen vertieften vorderen Abschnitt der Schläfengrube darstellt. Da ich oben bei Beschreibung der Nasenwand der Augenhöhle den Gang der Untersuchung nicht unterbrechen wollte, so sei es mir hier gestattet, auf das, was ich dort schon andeutungsweise angemerkt habe, etwas näher einzugehen. Eine Vergleichung meiner Darstellung der Nasen- wand der Augenhöhle mit dem, was von anderen Autoren über die Deutung der Knochen, welche dieselbe zusammen- setzen, beigebracht ist, wird alsbald eine erhebliche Diffe- renz und zwar bezüglich der Deutung des Lacrymale und Frontale anterius augenscheinlich machen. Vorläufig erlaube ich mir daher schon mitzutheilen, dass für unsere einheimischen Lacerten diese beiden Kno- chen verwechselt worden sind; oder richtiger gesagt, dass man das eigentliche Thränenbein ganz übersehen und als Thränenbein bei unseren Sauriern bisheran einen Kno- chen beschrieben hat, der in der That das eigentliche Frontale anterius ist. Da nun die Autoren ein solches ebenfalls anführen, so ergiebt sich hieraus, dass sie das- selbe in zwei Stücke zerlegen, etwas, was bei genauester 1) Köstlin, Bau des knöchernen Kopfes in den 4 Klassen der Wirbelthiere, 1844, pag. 267. 2) Leuckart, Organologie des Auges in Graefe und Saemisch. Handbuch der Augenheilkunde. Bd. II. 1875, pag. 164. Ueber die Nebenorgane des Auges der Reptilien. 271 Maceration und Prüfung der isolirten Knochen nicht Stich hält. Nach meiner Untersuchung vielmehr giebt es Ein Praefrontale, welches in seiner ganzen Breite die Nasen- wand der Orbita vorwiegend bildet und an seinem lateralen Rande einen Ausschnitt zeigt. Derselbe umfasst ungefähr einen Halbkreis und vervollständigt sich dadurch zu einem das Thränenloch umgebenden Ringe — dem Anfang des knöchernen Thränennasenganges — , dass er mit einem gleichen Ausschnitt, der sich an einem kleinen, schmalen aber ziemlich langen Knochenblatte befindet, zusammentritt. Genanntes Knochenblatt, welches sich, den Proc. maxillaris des Jugale fortsetzend dem Maxillare sup. und Praefron- tale eng anlegt und — je nach derSpecies — ganz oder nur z. Th. an der Gesichtsfläche sich zeigt, ist nun das Lacrymale. Die Beweise hierfür werde ich an einer anderen Stelle demnächst beizubringen mir erlauben, da es hier zu weit abführen würde namentlich auch die Ver- schiedenheiten bei den verschiedenen Species der Saurier auf diesen Punkt durchzugehen. 2, Die Augenniuskelii. Die Augenmuskeln der Saurier, ins Besondere unse- rer einheimischen, scheinen bisheran noch keiner näheren Untersuchung unterzogen worden zu sein, wenigstens lassen die vorliegenden Angaben, die zum Theil unvollständig, zum Theil unrichtig sind, darauf schliessen. Die älteren Forscher, wie Cuvier, bringen nur Eini- ges über die Augenmuskeln der Schildkröte und des Cro- codils bei ; und obschon sie manches, selbst über die feine- ren Verhältnisse z. B. des Bewegungsapparates der Nick- haut bei Frosch und Kröte, zu sagen wissen, übergehen sie die Saurier mit Stillschweigen. Auch D u m e r i 1 und B i b r o n ^), die doch dem Bau des Sehorgans mehrere Blätter widmen, thun kaum der Augenmuskeln Erwähnung. 1) Erpetologie generale. Paris 1834. Tome 1 et 2. 272 Max Weber: Nicht viel mehr ist von Wagner^) zu sagen, der nichts anderes, als das Vorhandensein von vier geraden und zwei schiefen Augenmuskeln bei den beschuppten Amphibien zu constatiren weiss. Der erste, der uns eine genauere Einsicht in den Bau des Bewegungsapparates des Bulbus der kionokranen Saurier verschaffte, ist St an nius^), jedoch sind seine, nur das Oberflächlichste berührenden Ergebnisse durch Studium exotischer Saurier gewonnen und lassen uns über Ursprung, Ansatz und Gestalt der Muskeln völlig in Unkenntniss. Erwähne ich an dieser Stelle auch Fischer^), so geschieht es weil er bei seinen Studien über die Kopf- nerven nicht umhin konnte auch die Augenmuskeln, wenn auch nur als nebensächliche Endapparate der Nerven, in den Kreis seiner Betrachtung zu ziehen. Da seine Anga- ben diesbezüglich auch für Lacerta ocellata Gültigkeit haben sollen, ist seine werthvolle Arbeit ebenfalls bezüg- lich dieses Punktes für uns von Interesse. Das neueste Werk, zugleich das erste, welches uns ein Gesammtbild entrollt sowohl über den anatomischen Bau als auch über die Lebensverhältnisse unserer einhei- mischen Saurier, womit uns Leydig beschenkte, giebt uns auch nur kurze Notizen über den Bewegungsapparat des Auges. Leydig^) erkannte zwar die vier mm. recti und die zwei mm. obliqui, bezüglich „der kleinen Muskeln aber, die noch an der hinteren Fläche des Augapfels vor- kommen", kam er zu keinem endgültigen Abschluss. Soweit mir demgemäss die ältere und neuere Litera- tur bekannt geworden ist, lässt sich unsere gegenwärtige Kenntniss von den Augenmuskeln der Saurier dahin fest- stellen, dass sich vier mm. recti und zwei mm. obliqui vorfinden. Ueber eine Muskulatur zur Rückwärtsbewegung 1) Lehrbuch der vergl. Anatomie 1834—1835, §303 — 804 und Lehrbuch der Zootomie 1843, pag. 173. 2) Handbuch der Zootomie 1856, pag. 171. 3) Gehirnuerven der Saurier, in : Abhandlungen aus dem Gebiete der Naturwissenschaft, herausgegeben vom naturwissenschaftlichen Verein in Hamburg 1852. IL 2. Abtheilung, pag. 109 ff. 4) Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier 1872, pag. 82. Üeber die Nebenorgane des Auges der Reptilien. 273 des Auges gehen schon die im geringen Maasse vorlie- genden Angaben ans einander. An keinem Orte besitzen wir ferner strenger anatomische Nachrichten über den Ursprung und Ansatz dieser Muskeln. Die einzige genau- ere Kenntniss, die wir besitzen, ist die der Innervation besagter Theile, die wir der inhaltreichen Untersuchung Fischers verdanken. Ich unterscheide nun sieben eigentliche Augenmus- keln, und zwar zwei Musculi obliqui, vier Musculi recti und einen Musculus retractor oculi. Ausser- dem befindet sich noch in der Augenhöhle, und zwar in engster Verbindung mit dem Bulbus, ein Bewegungsapparat für die Nickhaut. Auf die Construction und Function des- selben werde ich aber erst später — obschon er in nahe Beziehung zum m. retractor oculi zu bringen ist — bei Besprechung der Nickhaut näher eingehen. Hier nun möge die gesonderte Beschreibung der Muskeln folgen. 1. M. redus externus (Fig. 2. re. Fig. 3. r e.) Ein schmaler, verhältnissmässig kurzer aber massig starker Muskel, der in zwei Portionen entspringt. Die bei weitem stärkste derselben vom Knorpelfaden, den wir oben als untere Begrenzung des Septum interorbitale ken- nen gelernt haben. (Fig. 1. rci; auf dieser Figur sind die Ursprungstellen der Muskel durch rothe Linien angedeutet.) Die andere sehr schmächtige Portion entspringt oberhalb der ersteren vom Septum interorbitale, dort wo dieses in die vordere Begrenzung der Hirnhöhle übergeht, gleich unter dem Rest des Orbitosphenoid (Fig. 1. r e 2). Sie legt sich sofort an die andere Portion. Beider Fasern lau- fen alsdann schräg nach oben, über den Ursprung des m. rectus inferior wegziehend, und tiberdecken den distalen Theil des m. retractor oculi. Ein wenig bogenförmig nach innen gekrümmt, schmiegt sich der Muskel dem Bulbus an und verdeckt den lateralen Rand des m. bursalis^) und die in denselben eindringende Nickhautsehne. Er setzt sich am Aequator des Bulbus an. 1) In diesem musc. bursalis werden wir später den Muskel kennen lernen, der die Nickhaut über das Auge zieht. Archiv für Naturg. XXXXIII. Jahrg. 1. Bd. 18 274 Max Weber: Seine Wirkung ist eine nach aussen und ein wenig nach hinten und unten ziehende. 2. M. Rectus internus (Fig. Sri). Dieser platte, hautartige, sehr breit viereckige Muskel entspringt von der ganzen Breite des Septum interorbitale (Fig. 1 m i). Seine nach dem Foramen opticum zu concave Ursprungslinie steht zur Längsachse des Körpers senkrecht. Sie beginnt am oberen, sichelförmigen Fortsatz der Cartilago ethmoidalis, gleich vor dem Foramen opticum und endigt am „Knorpelfaden" des interorbitalen Septum, so dass seine ventralsten Fasern die des Muse, rectus internus, nahe ihrem Ursprung, kreuzen. Der Muskel verläuft, allmählich schmäler werdend, zum Bulbus, an welchem er sich, un- gefähr in der Mitte zwischen dessen Aequator und der Eintrittsstelle des Opticus, anheftet. Seine ventralen Fa- sern werden von dem medialen, nach oben concaven Rande der glandula Harderi (Fig. 2. gl. h) überdeckt. Sein dor- saler Rand kreuzt sich mit dem M. obliquus inferior und ziehen über ihn weg: 1. Die Nickhaut-Sehne. 2. Der nervus trochlearis. 3. Der nervus nasalis (ramus IL nervi trigemini). Es ist sofort in die Augen springend, dass er durch seine Contraction das Auge medianwärts rotirt. Gleich- zeitig ist seine auffallend weit nach hinten gerückte An- heftung an den Bulbus von dem Gesichtspunkte aus ver- ständlich, dass durch diese Verkürzung des Hebelarmes einer sonst übermächtig antagonistischen Wirkung gegen- über dem M. rectus externus vorgebeugt ist. 3. M. rectus mferior (Fig. 2.rinf.'Fig. 3.rinf.). Eine kräftige Muskelmasse von Gestalt eines Dreieckes, dessen breite Basis den Ansatz, dessen Spitze den Ursprung des Muskels darstellt. Er nimmt seinen Ursprung (Fig. l.rinf.) vom Knorpelstiel der Scheidewand der Augenhöhle und dehnt denselben nach aufwärts bis zur kleinen Portion des M. rectus externus aus. Sein proximales Ende ist vom unteren Rande des M. retractor oculi und vom M. rectus externus überdeckt. Seine Insertion geschieht am Aequator des Auges und zwar so, dass seine Ansatzlinie Üeber die Nebenorgane des Auges der Keptilien. 275 eine gekrümmte ist, die von unten und innen nach aussen und oben verläuft. Demgemäss bedeckt ein Tbeil seiner Fasern, der vordem Fläche des Auges sich anheftend, einige Knochen des Skleroticalringes, während die anderen, jenseits des Aequators auf der Hinterfläche des Auges vom distalen Ende des M. obliquus inferior überdeckt sind. Die Wirkung dieses Muskels wird wohl eine vor- nehmlich nach unten ziehende sein mit gleichzeitiger ge- ringer Torsion des Auges von Innen nach Aussen um seine Achse. 4. M. rectus superior (Fig. 2. r s — Fig. 3.rs). Dieser kräftige Muskel hat, abgesehen von seiner etwas grösseren Länge, dieselbe Gestalt, wie der eben beschrie- bene. Er entspringt (Fig. 1. rs) oberhalb des Entstehungs- ortes des M. rectus inferior und externus von dem Punkte, wo der untere Fortsatz der Cartilago ethmoidalis sich an das untere Ende des Orbitosphenoid anlehnt. Sein proximales Ende wird bedeckt vom M. bursalis und M. retractor oculi, während er selbst über die laterale Seite des Opticus wegzieht, begleitet von der als Retractor fun- girenden Portion des m. bursalis. Mit einer viel breitern Basis, als der M. rectus inferior sie besitzt, inserirt er an der oberen Peripherie des Bulbus neben dem M. obli- quus superior. Beider Fasern treffen in einem rechten Win- kel auf einander, und werden die medialen des M. obli- quus superior von denen des M. rectus superior über- deckt. Dieser Muskel, der durch seinen breiteren Ansatz eine weit stärkere Wirkung als s^in Antagonist erzielen wird, rollt das Auge nach oben und wird dasselbe hierbei wohl gleichzeitig ein wenig von Aussen nach Innen um die Blicklinie bewegen. 5. M. ohliquus inferior (Fig. 2. o i Fig. 3. o i). Sehr langer Muskel von der Gestalt eines schmalen, langge- streckten Parallelogrammes. Derselbe nimmt seinen Ur- sprung von der Cartilago ethmoidalis, wo diese sich an die Knochen der vorderen Orbitalwand anschliesst; um den Ort noch genauer anzugeben: an der Naht des Prae- frontale und Palatinum. Ein Theil seiner Fasern entspringt noch vom letztgenannten Knochen (Fig. 1. o i). Was sei- 27C) Max Weber: nen Verlauf anbelangt, so biegt er sich um den Bulbus lierum und berührt, an die Aussenfläche desselben getreten, die nach oben gewandte Kante der glandula Harderi (cfr. Fig. 2. gl h). Alsdann zieht er an der Aussenfläche des Auges schräg nach hinten und oben um sich am Aequator des Auges anzuheften. Seine schräg verlaufenden Fasern, welche mit denen des M. rectus inferior einen rechten Winkel bilden, überdecken mit ihrem distalen Ende die untere Hälfte der Insertion des ebengenannten Muskels. Die Wirkung des M. obliquus inferior wird der Art sein, dass er den Bulbus um die Blicklinie rotirt. Sein Verlauf wird es einleuchtend machen, dass er hierbei noch den Blick nach unten und vorn richtet. 6. M. obliqims superior (Fig. 3. o s). Ein langer Muskel, dessen mittlere Portion durch Ueber- einanderlagerung und Kreuzung der Fasern schmaler er- scheint, als die breiteBasis und Insertion. Durch diesen Faser- verlauf gewinnt der Muskel in der Mitte an Dicke was er an Breite verliert. Er nimmt seinen ausgedehnten Ursprung (Fig. Los) von der Cartilago ethmoidalis, indem derselbe vorn an der Nasenwand der Augenhöhle über der Ursprungs- stelle des M. obliquus inferior beginnt und sich fast bis zur Mitte der Cartilago ausdehnt. Hierbei bildet der Verlauf der Ursprungslinie mit der Längslinie des Körpers einen nach unten und hinten geöffneten kleinen spitzen Winkel. Die Eigenthümlichkeit des Faserverlaufes wurde schon eben flüchtig berührt. Die der Orbitalwand zunächst liegenden Fasern schlagen sich nämlich über die, in gerader Linie zum Bulbus ziehenden unteren Fasern weg, um sich me- dianwärts von diesen letzteren am Auge anzuheften. Dass diese medial ansetzenden Fasern vom distalen Ende des M. rectus superior bedeckt werden, hob ich schon bei Bespre- chung dieses Muskels hervor. Zum Schluss sei noch auf das gegenseitige Ver- hältniss der antagonistischen Muskelpaare: des M. obliquus inferior und rectus inferior einerseits und des M. obliquus superior und rectus su})erior andererseits, aufmerksam ge- macht. Das genannte untere Muskelpaar ist zunächst weit schwächer als das obere; dies gilt ganz besonders für die lieber die Nebenorgaue des Auges der Reptilien. 277 beiden MM. obliqui. Denn während der M. obliquus in- ferior der schwächste Augenmuskel ist, wird der obliquus superior an Stärke wohl von keinem derselben übertroffen. Weniger gross ist der Unterschied der beiden MM. recti. Bezüglich der Function tritt uns der M. obliquus su- perior als ein starker Auswärtsroller entgegen. Ob er bei seinem eigenthümlichen Faserverlauf im Verein mit dem M. rectus inferior den Blick nach unten richten kann, wie uns diese combinirte Bewegung vom menschlichen Auge bekannt ist, wage ich nicht zu entscheiden. Dass jedoch, ebenso wie beim Menschen so auch bei den Sauriern, der untere gerade und der obere schiefe Augenmuskel den Blick nach unten, der obere gerade und der untere schiefe zusammen den Blick nach oben richten, scheint mir wahr- scheinlich, da wohl keiner dieser Muskeln diese Bewe- gung allein ausführen kann und an eine combinirte Be- wegung der beiden Constituenten des oberen oder des un- teren Muskelpaares, wegen des rechtwinkligen Verlaufes der Fasern genannter Constituenten gegen einander nicht zu denken ist. Doch will und kann ich, wie gesagt, hier keinen end- gültigen Entscheid abgeben, dieser kann erst durch Stu- dium an grossen Sauriern gewonnen werden. J. M. retractor oculi (Fig. 2. m r Fig. 3. m r). Dieser lange, schwache Muskel entspringt mit dem Mus- culus bursalis in der Grube, welche gebildet wird durch das Pterygoid und die nach aussen und unten geschwungene Flä- che des Processus pterygoideus ossis sphenoidei und nach Aussen durch das untere Ende der Columella ihren Ab- schluss findet (Fig. l.mr). Beide Muskeln ziehen vereinigt nach vorn und überlagern hierbei den Ursprung des M. rectus inferior und rectus superior. Der M. retractor oculi als der untere wird an seiner dorsalen Seite vom M. bursalis bedeckt und liegt in der Nähe des Bulbus ge- kommen unter dem M. rectus externus. Auf seinem wei- teren Verlauf erreicht der M. retractnr den Opticus kurz vor seiner Einsenkung in die Sklera. An dessen untere Seite gelagert erreicht er den Bulbus, auf welchem seine Fasern sich breit -fächerförmig ausdehnen und die läng- 278 Max Weber: steil derselben fast die Insertion des m. i»ectus internus erreichen ^). Bei seiner Contr actio n wird der M. retractor oculi den Augapfel nach hinten ziehen; zufolge seines beschränk- ten Ansatzes aber vorwiegend nur die, der Nasengegend zugewandte Partie des Bulbus. Diese Rückwärtsbewegung nun wird vervollständigt durch einen zweiten Retractor, der, wie ich vorgreifend bemerken will, durch einen Theil der Fasern des Nickhautmuskels (M. bursalis) dargestellt Avird. Dieselben zweigen sich nämlich von genanntem Muskel ab und setzen sich fächerförmig auf den Theil der Hinterfläche des Bulbus, welcher der Schläfe zugekehrt ist, an, während der eigentliche M. retractor oculi jenseits des Opticus sich anheftet. Ein Blick auf Figur 3. b r wird die Lagerung dieser eigenthümlichen Muskelportion versiimlichen. Später erst bei Besprechung der Nickhaut werde ich das Nähere über diese autfallende, bisheran noch ganz unbekannte Bildung angeben. Nach gewonnener Kenntniss der Wandungen der Augen- höhle und der hauptsächlichsten in derselben gelagerten Muskeln, erlaube ich mir noch Einiges bezüglich deren Lagerung hier mitzutheilen. Wie bei den höheren Wirbel- thieren finden wir auch hier die Anordnung der Augen- muskeln so, dass je zwei einander gegenüberliegen und dass diese das Auge um je eine Aehre bewegen. Da die Saurier nun zwei Paar MM. recti und ein Paar MM. obli- qui haben, deren Constituenten als Antagonisten aufzufassen sind, so ist mithin das Auge um drei Achsen beweglich. Wenn sich zu dieser beim Menschen geläufigen Bewegung bei den Sauriern noch eine hiiizugesellt, welche das Seh- organ nach rückwärts bewegt, so findet diese ihr weit ver- breitetes Analogon in der Reihe der Wirbelthiere, erleidet jedoch bei unseren Thieren, durch Zuhülfenahme des Nick- hautapparates, eine eigenthümliche Modification. 1) Die Angabe Frickcr's (Diss. inaug. de ociilo rcptiliiim Tnbingae 1827. pracs. Rapp.) : „Apud lacertas praeter quatuor rec- tos modo dno cxstant obliqui. ueque vero miisculus choanoides", be- darf hiernach wohl keiner weiteren Iiirörteraug. Ucber die Nebeuorgaue des Auges der Reptilien. 279 Wiess ich eben auf die Uebereinstimmung der An- ordnung der Augenmuskeln mit dem Befund bei höheren Wirbelthieren hin, so galt dies nur für ihre gegenseitige Lagerung bezüglich ihrer Ansatzpunkte. Ganz verschieden aber gestaltet sich das Verhältniss, wenn wir ihre Ur- sprünge ins Auge fassen. Im Allgemeinen entspringen die MM. recti im Umkreis des Opticus und stellen somit einen Kegel dar, in dessen Wandung Streifen fehlen von der Breite, um wie viel die einzelnen, ihn bildenden Muskeln von einander entfernt sind. Dies ist bei unsern Lacertidae nicht der Fall. Hier sehen wir nur den M. rectus in- ternus im Bereich des opticus entspringen, und ein Blick auf Fig. 1 überzeugt uns, dass die drei übrigen recti tief unter dem opticus entstehen. Der Versuch dieser drei, einen Trichter zu bilden, wird verhindert durch den von Aussen eindringenden M. bursalis und retractor oculi, ähn- lich wie uns Ecker dies vom Frosch berichtet*). Von dem Gesichtspunkte ausgehend, dass dieses eigen- thümliche Verhalten vorwiegend durch Divergenz der Augen- und Orbitalachse bedingt ist, bleibt es auffallend, dass trotz dieser Divergenz, die bei den Fischen, und zwar in ganz ausnehmender Weise bei den Selachiern, bekannt ist, hier ein geschlossener Trichter der mm. recti zur Ausbil- dung kommt 2). Allerdings wird dies nur erzielt durch eine ausserordentliche Ausdehnung des m. rectus internus in die Länge, die bei den Sauriern in Folge der Breite dieses Muskels nicht möglich war. Im Gegentheil fällt hier der Längenunterschied zu Gunsten des m. rectus externus aus, trotzdem der Ursprung der mm. recti so weit vom Foramen opticum entfernt ist. Dies vom allgemeinen Befunde bei den Wirbelthieren so abweichende Verhalten wurde nur dadurch ermöglicht, dass der Ursprung des M. rectus in- ternus bedeutend von dem des M. rect. externus getrennt ist. Eine weitere Verkürzung gegenüber dem M. rectus externus erfuhr der M. rectus internus dadurch, dass er 1) Anatomie des Frosches. 1864. pag. 67. 2) Leuckart: Organologie des Auges, in: Graefe und Sämisch; Handbuch der Augenheilkunde. II, 1. Hälfte 1875. pag. 267. 280 Max Weber: nicht am Aequator des Auges seine Insertion hat, sondern weit hinter demselben auf der Hinterfläche des Bulbus, während sein Antagonist in gewohnter Weise am Augen- Aequator sich anheftet. Was den Orbitalraum anbelangt, so ist derselbe fast als fettlos zu 'bezeichnen. Die spärlichen Fett-Zellen, deren man hier und da ansichtig wird und die auch Ley- digO erwähnt, gehören wohl stets zum unteren Lid. Die Muskeln liegen den Wandungen der Orbita genau an und da sie gedrängt an einander lagern, eine Lagerung, die dadurch noch besser erzielt wurde, dass sie meist mit schmaler Basis entspringen, um stark verbreitet zu inse- riren, so bleibt nur ein geringer Raum zwischen ihnen übrig. Selbiger ist von einem äusserst zarten, grossma- schigen Bindegewebe ausgefüllt, welches sich unter dem Mikroskop als lymphoid ausweist. Dasselbe umhüllt zu- gleich die Muskel nach aussen gegen die Orbitalwandung und steht mit einem derbem Stratum in Verbindung, wel- ches dem Bulbus aufliegend, namentlich in dessen, vor den Muskeln gelegenen Partie unter der Conjunctiva sclero- ticae bis zum Hornhautrande hin sich zeigt. Zum Theil dürfte dieses, wohl mehr physiologisch als morphologisch einer Capsula seu Fascia Tenoni verglichen werden. Dass das eben beschriebene grossmaschige Bindegewebe auch die AVandung eines, die ganze Augenhöhle ausfüllenden venösen Sinus darstellt, der die Rolle des mangelnden Fettpolsters übernimmt, werde ich bei Beschreibung des unteren Lides, mit welchem derselbe in Verbindung steht, des Näheren ausführen. 3. Die Augeiiuiiiskeliierveii. Seit dem Erscheinen der ausgezeichnet genauen Un- tersuchungen Fischer's^) aus dem Jahre 1852, über die Kopfnerven der Saurier, hat sich kein Forscher mehr einem gleichen Studium zugewandt. 1) Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier 1872. pag. 83. 2) Die Gehirnnerven der Saurier, in : Abhandlungen aus dem Gebiete der Naturwissenschaften, herausgeg. von dem naturwissen- schaftlichen Verein in Hamburg. Hamburg 1852. Ueber die Nebenorgane des Auges der Reptilien. 281 Dies wird für mich der Grund sein, hier eine aus- führliche Beschreibung der AugenmuskelneiTen zu geben; besonders da es mir durch gnauere Feststellung der Augen- muskeln ermöglicht ist, einiges Neue über den Verlauf die- ser Nerven beizubringen. Mein Bestreben endlich, das topographische Verhalten der Weichtheile innerhalb der Augenhöhle klar zu legen, mag es entschuldigen, dass ich auch den, innerhalb der Augenhöhle verlaufenden Theil des ersten Astes des Trigeminus besprechen werde. I. Der Nervus oculmiotorius. Was zunächst diesen Nerven angeht, dessen Ausbrei- tung uns Fischer von Varanus Bengalensis beschreibt, so finde ich seinen Verlauf bei unseren einheimischen Eidech- sen folgendermaassen. Derselbe tritt kurz hinter dem Ursprung der benach- bart entspringenden geraden Augenmuskeln (rectus ext., sup. und inf.), also durch die häutige vordere Begrenzung der Hirnhöhle, in die Orbita. Dem häutigen Grunde derselben anliegend, ist sein Stamm überdeckt von dem M. bursalis und retractor oculi in erster und dem M. rectus externus in zweiter Lage; nicht aber — ^venigstens bei Lacerta — läuft er wie Fischer schreibt „über dem M. rectus exter- nus unter dem M. suspensorius ^) nach vorn" ; was dadurch doppelt unrichtig wird, dass der M. retractor oculi (M. sus- pensorius) ja, wie wir oben sahen, unter dem M. rectus externus liegt. Er entsendet sofort einen starken Zweig (Fig. 4 : III, i) ^), der nach kurzem horizontalen Verlauf auf die Mitte der dem Bulbus zugewandten Seite des M. rectus superior trifft und Behufs Innervation desselben, in meh- rere feine Zweige aufgelöst, in demselben sich verliert. Als zweiten Ast entsendet er den ziemlichen starken ramus ciliaris (III, 2) auf welchen ich gleich bei Besprechung des ramus ciliaris nervi trigemini zurückkommen werde. Dicht neben dem ramus ciliaris entspringt dem oculimotorius ein feines Nervenreis (III, 3), welches auch Fischer un- 1) Der m. suspensorius ist identisch mit dem m. retractor. 2) Die den Nervenästen beigeschriebenen römischen Zahlen be- ziehen sich auf das Nervenschema in Fig. 4. 282 Max Weber: bekannt geblieben ist. In geradem Verlauf dringt dasselbe in die dem Bulbus zugewandte Fläche des M. rectus in- ferior und ist mithin ein Gehülfe des nachfolgenden Haupt- astes, der diesen Muskel versorgt. Auf seinem weiteren Verlaufe nämlich in die Nähe des Knorpelstabes des Sep- tum interorbitale angekommen, theilt sich der Oculimoto- rius, dem Ursprungstheil des M. rectus inferior aufliegend (vergl. auch Fig. 2. III, 4. III, 5. III, 6), in drei Aeste. Der erste (III, 4) senkt sich, nachdem er eine kleine Strecke weit am unteren äusseren Rande des M. rectus inferior herauf- gelaufen ist, in dessen Aussenfläche. Der zweite Ast (III, 4) endigt in dem M. obliquus inferior. Auf dem Wege zu diesem (vergl. Fig. 2. III, 5) zieht er zunächst längs dem unteren Rande des M. rectus inferior her; alsdann liegt er der oberen Kante der Glandula Harderi (Fig. 4. gl h) an. Der Endast III. 6 des Oculimotorius schlägt sich am Vorder- rande des M. rectus inferior bogenförmig auf das Septum interorbitale um. Nach kurzem Verlaufe auf demselben dringt es in den M. rectus internus nahe dessen Ursprung. IL Der Nervus trocJdearis. Derselbe tritt durch ein besonderes Loch in der häu- tigen Schädelwand, gleich hinter dem, als Ueberrest des Orbitosphenoid gedeuteten, Knochenstabe in die Augen- höhle \). Er verläuft längs dem Septum interorbitale zum M. obliquus superior. Auf diesem Wege wird er zunächst kurz nach seinem Eintritt in die Augenhöhle von dem M. rectus superior überdeckt. Am vorderen Rande desselben trifft er mit dem nervus nasalis rami trigemini zusammen, mit welchem er, ihn tiberlagernd, gemeinschaftlich nach vorn zieht. Nachdem über beide die Nickhaut-Sehne, die sich am Frontale anterius anheftet, weggezogen ist, liegen sie zwischen dem Bulbus und dem M. obliquus superior, in dessen Fleisch der Trochlearis eindringt, während der Nervus nasalis seinen Weg zur Nasenhöhle fortsetzt. Aus dieser Darstellung ergibt sich eine völlige üeber- einstimmung mit dem, was uns Fischer über den Troch- learis mittheilt. 1) Vergl. Fig. 1. IV. ima Fig. 2. IV. Uebor die Nebeuorganc dos Auges der Reptilien. 283 III. Der Nervus ahducens. Bezüglich dieses Nerven kann ich einiges Neue vor- legen. Dieser feine Nerv tritt innerhalb der Grube, 'deren ich bei Beschreibung des Ursprunges des M. retractor oculi Erwähnung that (vergl. Fig. l.VI) aus der Schädelhöhle und senkt sich sofort in das Fleisch des ebengenannten Muskels. In diesem verläuft er bis zu dessen Mitte, um alsdann denselben an seinem oberen Rande zu durchbohren. Ganz oberflächlich gelagert zieht er nun zwischen dem M. retractor oculi und dem M. bursalis, deren Fasern so dicht nebeneinander verlaufen, dass sie bei flüchtiger Betrachtung den Eindruck eines Muskels machen, nach vorn zum m. rectus externus und verbreitet sich nahe dessen Ursprung in demselben. Vor seinem Austritt aus dem M. retractor schickt er eine Anzahl feinster Fädchen (vergl. Fig. 4. VI) ab, welche diesen und den Nickhautmuskel innerviren. Man wird derselben leicht ansichtig, wenn man die ge- nannten Muskeln mit Erhaltung des darin verlaufenden Stückes des Abducens etwas maceriren lässt und dann, ein wenig zerfasert, unter das Mikroskop bringt. Eines dieser feinen Reiserchen (Fig. 4. VI a) lässt sich stets ein gutes Stück weit in der Längsachse des M. bursalis herauf- präpariren. Somit versorgt der n. abducens den M. retractor oculi und den Muskel für die Nickhaut. — Wenn Fischer^) schreibt: „Es ist mir nicht geglückt, die Nerven für die Muskeln der Nickhaut aufzufinden. Ebensowenig konnte ich den Verbindungszweig des Aducens zum N. vidianus (unserem N. palatinus) finden, der nach Vogt's Angaben bei Chelonia, Lacerta, Monitor und Anderen existiren soll"; so muss ich bezüglich des Letzteren dasselbe von mir aussagen, bezüglich des Erster en aber Fischer dahin berichtigen, dass er den Nerven für den Nickhautmuskel schon kannte, jedoch nicht den Muskel, wenigstens bei Lacerta ~ und für diese (L. ocellata) soll ja seine Dar- 1) Die Gehirnnerven der Saurier. Hamburg 1852. pag. 117. Anmerkung 2. 284 Max Weber: Stellung auch Gültigkeit haben; denn ob der M. bursalis überhaupt oder in der Form, wie ich ihn später von La- certa beschreiben werde, auch bei anderen Sauriern sich vorfindet, kann ich bis zur Stunde nicht entscheiden, da ich nur unsere einheimischen untersuchte. Dass dem je- doch für einen grossen Theil der Saurier so sei, lässt sich wohl mit einer an Gewissheit streifend^en Wahrscheinlich- keit annehmen. IV. Der Ramus ophtlidlmicus des Trigeminus. Es ist bekannt, dass dieser erste Ast des Trigeminus ein, vom gemeinschaftlichen Ganglion des zweiten und dritten Astes getrenntes Ganglion hat. Der Ort, wo der- selbe die Hirnhöhle verlässt, ist von Fischer^) mitge- theilt und von mir auf Figur 1. V, i dargestellt wor- den. Der Stamm theilt sich bei unseren einheimischen Sauriern sofort in den ramus frontalis und nasalis (vergl. Fig. 2 Via und Vib und Fig. 4 Va und b). Der erstere biegt nach aufwärts und verläuft in die Stirngegend. Da ich keine Abweichung von Fischer's klarer Darstellung be- merke, will ich bezüglich der weiteren Ausbreitung des Nerven auf diese hinweisen. Der ramus nasalis zieht an- fangs längs dem oberen Rande des m. bursalis hin, später aber wird er von diesem Muskel überdeckt. Er nimmt nun zusammen mit der Sehne der Nickhaut seinen Weg zwischen dem Bulbus und dem M. rectus superior^). Ist er über dem letzteren weggezogen, so trifft er auf den Nervus trochlearis, über deren gemeinschaftlichen weiteren Verlauf ich schon oben berichtete, als vom M. trochlearis die Rede war. Hier sei nur noch angemerkt, dass der Ramus nasalis sich schliesslich medianwärts vom Praefon- tale in die Nasenhöhle senkt. Zum Schlüsse sei es mir noch gestattet kurze Mitthei- lung zu machen über das Ganglion ciliare. Dasselbe er- scheint als eine längliche Anschwellung im Stamme des 1) 1. c. pag. 118. 2) Nicht aber „tritt er'', wie Fischer pag. 120 schreibt „dem Pathcticns dicht anliegend, über den Opticus und unter den m. obliquus superior fort nach vorn'-. Ueber die Nebenorgane des Auges der Reptilien. 285 zweiten Astes (Fig. 4. III, 2) des Oculimotorius , dessen relative Stärke ich oben schon hervorhob. Mit Rücksicht auf Leydig's^j Beobachtung des Ganglion ciliare von Anguis, welches er als aus drei Abtheilungen bestehend beschreibt, ,,wovon die grösste etwa fünfzig Ganglienkugeln zählen mochte, die kleineren bestanden aus etwa vierzig solcher Elemente", sei die eiförmige Gestalt und grössere Zahl der Ganglienkugeln bei Lacerta hervorgehoben. Auch sehe ich diese Elemente stets sparsamer werdend bis fast zum Eintritt in die Sklera dem Nervus ciliaris eingebettet. Genannter Nerv tritt mir auch plexusartig vor Augen, indem feinste Aestchen ihn verlassen, um nach kurzem, mit dem Stamme parallelen Verlauf, sich demselben wieder ein- zusenken. Was nun die Radix sensitiva, die auch hier den Na- men „longa" beanspruchen kann, betrifft, so tritt diese als ein äusserst zartes Zweigchen des Ramus nasalis (vergl. Fig. 4 V, c) zur Mitte des Ganglion ciliare. Einer Badix sympatliica wurde ich nicht ansichtig. Zweiter Abschnitt. Die Schutzorgane des Auges. P»ei der Mittheilung über diese Gebilde wird es meine Aufgabe sein, die drei Augenlider gesondert vorzuführen. Anschliessend an die Kenntnissnahme vom Bau derselben werde ich deren Innervation und Bewegung besprechen und zum Schlüsse mit kurzen Worten der, in der Orbita ge- legenen Drüsen Erwähnung thun, ausführlicher jedoch mich über die Ableitungswege der Thränen verbreiten. I. Die Augenlider. Bei so sehr zu Tage liegenden Gebilden, wie es die Lider sind, wird es uns nicht Wunder nehmen, dass schon die älteren Beobachter Manches über dieselben mitzutheilen wussten. Cuvier, Wagner und Andere führen uns schon verschiedene Formen derselben vor. Auf den ganzen Reich- 1) Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier. 1872. pag, 75. 286 « Max Weber: thum derselben, wie er sieh bei den Reptilien in so über- raschender Weise zeigt, hinzuweisen, war aber den spä- teren Zergliederern tiberlassen und hat namentlich die syste- matische Zoologie ihr Augenmerk auf dieselben gerichtet. War somit auch schon Manches über die Muskulatur und andere gröbere Verhältnisse der Lider aufgeschlossen worden, so blieb doch unseren Tagen die Einsicht in den histologischen Bau derselben aufbewahrt. Und zwar war Leydig der erste und bis heran wohl der einzige, der hierbei unser Führer war. Es konnte nun nicht in dem Plane seines Werkes über die deutschen Saurier liegen, eine vollkommene abgeschlossene Darstellung der Lider zu geben. Mein Wunsch wäre es dieselbe zu vervollständi- gen und ein möglichst genaues Gesammtbild dieser Organe auf den nachfolgenden Blättern zu entwerfen. A. Das untere Lid. Bei unseren einheimischen Lacerteu ist das untere Lid ein elliptisches Gebilde von grosser Beweglichkeit, dessen Längsachse etwas schräg zu der des Körpers steht. Bei der nachfolgenden Beschreibung desselben gehen wir von der Betrachtung aus, dass die Lider als Haut- duplicaturen aufzufassen sind, deren dem Bulbus zuge- wandter Faltentheil zu einer Schleimhaut (Schleim- hautplatte) umgewandelt ist und im Verein mit dem äusseren Faltentheil (C u t i s p 1 a 1 1 e) einen Hohlraum um- schliesst, der Lidmuskeln und andere Gebilde beherbergt. Somit haben wir drei Abtheilungen einer gesonderten Betrachtung zu unterziehen. 1. Die Cutisplatte. Gemäss einer in der Anatomie des Menschen gebräuch- lichen Nomenclatur unterscheide ich auch bei den Lacerten den U drücken und den Lidrand, der eine vordere und hintere Lidkante aufweist. Was den Lidrücken betrifft, so ist derselbe, ent- sprechend der Falteubilduug, welche er beim Oeffueu des lieber die Nebenorgane des Auges der Reptilien. 287 Auges erleiden muss, von dem übrigen Körper-Integument, aus welchem er sich am unteren Augenhöhlenrande ent- wickelt, zunächst demselben, nur durch etwas feinere und zartere Beschaffenheit unterschieden. Die Schuppen und Schilder der Hautdecke nämlich, welche nur eine minder feine Beweglichkeit zulassen würden, haben insofern eine Abänderung erlitten, als sie auf kleine Warzen reducirt sind. Dies gilt namentlich auch für den inneren und äusseren Augenwinkel. In der Mitte des Lidrückens bemerkt man eine farb- lose etwas unter dem Niveau der Lidfläche liegende ellip- tische Stelle, die nicht einmal die feine Warzenbildung des übrigen Lides zeigt, indem diese durch polyedrische, flache, helle, nach dem Centrum zu an Grösse zunehmende Platten vertreten ist. Durch diese Beschaffenheit, nament- lich aber dadurch, dass diese flach ausgedehnten Platten nur durch schwache Contouren von ihren Nachbaren abge- setzt sind, erlangt diese Stelle, die der Lage des Tarsal- knorpels in der Conjunctiva entspricht, einen gewissen Grad der Durchsichtigkeit. Auf diese Verhältnisse hat Leydig*) besonders auf- merksam gemacht, und den Thatbestand, dass die Cornea bei geschlossenem Lide in den schüsselartig ausgehöhlten pelluciden Tarsus, über welchem die Cutisplatte hell ist, passt, als Uebergang zu den brillenähnlichen Partieen im untere Lide mancher Scinke ausgelegt; eine Betrachtung, der man sich um so weniger entziehen kann, wenn man der Zwischenstufen dieser Bildung in der Reihe der Sau- rier sich erinnert. Hervorgehoben mag noch werden, dass wir in Uebereinstimmung mit der betonten Durchsichtigkeit des Lides nur eine geringe Pigmententwickelung in dem äusseren Faltentheile kennen lernen werden und zwar ganz besonders auf dem Lidrücken, der nur vereinzelte Chro- matophoren zeigt. Was nun den histologischen Bau des Lidrückens anbe- langt, so sei zunächst die Oberhaut in's Auge gefasst. 1) Leydig: Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier, 1872, pag. 80. 288 Max Weber: Diese besteht aus einer tiefsten Lage von Cylinder- zellen, die tiberdeckt sind von einer mehrreihigen Schicht kubischer nach oben zu platter werdender Zellen. Ueber Alles hinweg zieht eine homogene Haut „Cuticula"*), die dadurch, dass sie sich aufschnitten meist abhebt und dem Beschauer ihre Innenseite zuwendet, eine deutliche Leistenbildung zeigt, welche dort, wo sie auf Platten und Warzen lagerte, eine Zeichnung concentrischer Kreise auf- weist, (ctr. Fig. 5 c.) Von der geringen Pigmententwicklung auf dem Lid- rücken war schon die Rede; dass dies für die Epidermis ganz besonders gilt, ist natürlich, da das Pigment hier stets sparsam auftritt. Die Lederhaut ist entsprechend der allgemein zarten Beschaffenheit der Lider, eine wenig mächtige Schicht, an der sich jedoch unschwer die drei Lagen, welche Ley dig-) als die Lederhaut der Reptilien aufbauend beschreibt, wieder erkennen lassen. Die zarte äussere Grenzschicht, welche die Epi- dermiszellen stützt, ist auch hier der vorwiegende Träger des Pigmentes, wie das Vorhandensein der Chromatophoren zeigt. Gerade aber hierfür galt es, wenn gemeldet wurde, dass die Pigmententwickelung eine auffallend geringe sei und zwar besonders an der durchsichtigen Stelle. An dieser fehlt auch das Pigment von gelblichem Farbenton ^), obwohl es sonst in dünnen Schichten im Lide sich zeigt. Die mittlere Lage der Lederhaut, welche von senkrechten, die beiden Grenzschichten verbindenden Septis 1) Leydig: Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier, 1872, pag. 4. Ueber die allg. Bedeckungen der Amphibien. Arch. f. niikr. Anat. Bd. XII, pag. 14, vergl. ferner: Die äusseren Bedeckungen der Reptilien und Amphibien. Arch. f. mikr. Anatomie, Bd. IX. 7G1. 2) Leydig: Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier, 1872, pag. 5. 3) Vergl. die eben citirten Abhandlungen Leydig's und dessen: Ueber Organe eines sechsten Sinnes, Nov. Acta Acad. Leop. Caes, Car. 1868, pag. 74. Ueber die Nebenorgane des Au^es der Reptilien. 289 durchsetzt wird, ist zwar zart angelegt, unterscheidet sich aher nicht von dem gleichen Gebilde anderer Körperstellen, Die innere Grenzschicht endlich treffen wir in der eigenthümlichen Weise modificirt, wie Leydig*) dies zuerst bei Lacerta ocellata bemerkt und auch durch Wort und Bild für das Lid unserer einheimischen Lacerten hevorhob. Diese Lage weitet sich nämlich zu grossma- schigen Lymphräumen aus, die dadurch, dass sie mit glei- chen Gebilden der entsprechenden Lage des subconjuncti- valen Corium zusammenfliessen, einen grossen Lymphraum bilden, eben jenen von den beiden Faltentheilen des Lides umschlossenen Innenraum, der wegen seiner enormen Ent- wicklung und sonstigen Eigenthümlichkeiten eine geson- derte Berücksichtigung verdient. Hier nun mögen einige Worte über den Lidrand die Betrachtung der Cutisplatte beschliessen. Derselbe ist verhältnissmässig breit und zeigt eine abgerundete vordere und hintere Lidkante, welche letztere eine besonders starke Ausbildung der Epidermis besitzt, wie sie sich wohl stets an den Stellen findet, die einem häufig wiederkehrenden Drucke ausgesetzt sind. Die Lederhaut ist nicht sonderlich verdickt, lässt sich aber noch bis zum oberen Rande des Tarsus, also noch ein gutes Stück an dem inneren Falten- theile hin verfolgen. Erwähnung verdient, dass sich am Lidraude eine starke Entwickelung der Pigmeutzellen vorfindet. Diesel- ben bilden hier eine continuirliche Lage, die schon dem blossen Auge den Lidrand schwarz gefärbt erscheinen las- sen, wodurch derselbe scharf gegen die im Allgemeinen belle Farbe des übrigen Lides absticht. 2. Die Schleimhautplatte. Die Betrachtung derselben wird uns auch für die Saurier die Richtigkeit bestätigen, dass die Lider durch- aus als Hautduplicaturen aufzufassen sind, wobei sich wie 1) Leydig: Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier. 1872, pag. 8 und 80. Archiv f. Naturg. XXXXIII. Jahrg. Bd. 1. 19 290 Max Weber: Stets bei Einsttilpimgen der Epidermis in eine Körper- höhle, dieselbe in eine Schleimhaut umgewandelt hat. Bei der Frage nach der Art dieser Umwandlung werden wir im Gegensatz zum Menschen, dieselbe als eine plötzlich vor sich gehende ansehen müssen. Denn während beim Menschen, wie bekannt, der Uebergang des Epithels der Lidkante in das eigentliche Conjunctiva-Epithel ein ganz allmählicher ist, indem die oberflächlichen Epidermiszellen ihre platte Gestalt gradatim gegen eine cylindrische um- tauschen und die cylindrischen Zellen des Rete Malpighii die tiefe Schicht der rundlichen Conjunctiva-Zellen dar- stellen*), tritt bei unseren Thieren gleich unter der Lid- kante plötzlich eine Einbuchtung auf, die mit Becherzellen gefüllt ist. Dies auf dem Querschnitt erlangte Bild ist der Ausdruck eines Halbcanales, den man bei Flächenan- sicht parallel mit der inneren Lidkante gleich unter der- selben durch das Lid verlaufen sieht und dessen Belag mit Becherzellen sich an dieser isolirten Stelle höchst son- derlich ausnimmt. Unter ihm ziehen die kubischen Zellen des Rete Malpighii weiter, sodass sich die eben namhaft gemachten Becherzellen als umgewandelte oberflächliche Epidermis- zellen ausweisen. Unschwer ist es sich vorzustellen, dass diese Umwandlung dadurch möglich wurde, dass diese Zellen innerhalb der Einbuchtung vor jedem Drucke bewahrt waren. Man wird zu dieser Auffassung um so geneigter sein, wenn man den darauf folgenden Zellenbe- lag des tarsalen Theiles der Conjunctiva näher betrachtet. Dieser besteht nämlich aus zwei Schichten polyedrischer, heller, kernhaltiger Zellen (cfr. Fig. 10 a), die straff über den Tarsus wegziehen und in ihrem äusserst platten Wesen die Abzeichen des beständigen Druckes an sich tragen im Gegensatz zu den räumlich wenig beengten Schleimzellen, von denen wir oben Kenntniss nahmen. 1) Man vergl. Waldeyer: Mikr. Anat. der Cornea, Sklera, Lider und Conjnnotiva in Graefe und Saemisch: Handbuch der Augen- heilkunde. Bd. 1, 1874, pag. 239. Ueber die Nebenorgane des Auges der Reptilien. 291 In Einklang* hiermit ist es denn auch, dass am unte- ren Kande des Tarsus, der etwas nach aussen gebogen und dem Bulbus weniger eng anliegend somit einem gerin- geren Druck ausgesetzt ist, zunächst ganz sparsam wieder Becherzellen auftreten, um später auf dem orbitalen Theil der Conjunctiva den einzigen zelligen Belag darzustellen. Was diesen Theil anbelangt, so besitzt er eine grös- sere Ausdehnung in der Verticale als der tarsale Theil der Conjunctiva und zeigt ein welliges Wesen. Das, was man beim Menschen als corpus papilläre der Tarsal-Conjunctiva kennt, findet sich mithin bei den Sauriern nicht; etwas demselben functionell — mag man dies nun in einer btirstenartig wirkenden Reinigungs- Vorrichtung oder nur in einer Vermehrung der Oberfläche der Schleimhaut suchen — Gleichwerthiges bietet das wellige Wesen der Conjunctiva, hervorgebracht durch flache Einbuchtungen des orbitalen Theiles derselben. Auch dürfte der oben beschriebene Halbcanal am Beginn der Schleimhautplatte hierher zu ziehen sein, da er sowohl Fremdkörper leicht von der Cornea wegwischen, als auch zugleich mit dem einhüllenden und fortsptilenden Secret versehen kann. Erkannten wir in der Schleimhaut der Conjunctiva eine modifieirte Epidermis, so wird nun das Aequivalent der Lederhaut zu untersuchen sein. Unter den wesentlichen Veränderungen, welche die- selbe erlitten hat, ist zunächst der Tarsus zu nennen, da bis zu diesem der bindegewebige Theil der Schleimhaut- platte eine unveränderte Fortsetzung des Corium von der Cutisplatte darstellt. Ueber den gröberen und feineren Bau des Tarsus will ich auf Leydigi) verweisen, der sich über denselben ausführlich verbreitet hat und will meinerseits nur die Frage nach der Deutung desselben dahin zu beantworten suchen, dass er wohl als eine faserig-knorpelige Verdich- 1) Leydig: Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier, 1872, pag. 80 und Lehrbuch der Histologie pag. 24B. 292 Max Weber: tuDg der mittleren Schicht des Corium aufzufassen sei. Das nach Innen von ihm gelegene Gewebe entspricht genau der inneren Grenzschicht der Lederhaut der Cutisplatte ; es ist — was übrigens schon oben angemerkt wurde — ebenso wie dort grossmaschig aufgelöst und von äusserst zarten glatten Muskeln durchwebt. Die äussere Grenzschicht des Corium dagegen, wenig- stens ein Aequivalent derselben möchte ich in der Schicht, welche das Epithel trägt und, das eigentliche Knorpelgewebe nach Aussen überdeckend, sich als „heller Saum von demselben abgrenzt, etwa in der Art wie die Hornhaut auf ihrer Hinterfläche die Descemet'sche Haut erzeugt" (Ley- dig), sehen. Man würde diese Schicht, die vermöge ihrer äusserst feinen Faserung einen homogenen Eindruck macht, tunica conjunctivae propria nennen können, wobei aber nichts gewonnen ist. Bezüglich ihrer möchte ich nun im Sinne meiner Aus- legung noch Folgendes anführen. Bei genauester Betrach- tung gewahrt man, dass nach Entfernung des Conjunctiva- Epithels dieser helle Saum nicht gerade gerandet ist, viel- mehr ein äusserst feinzackiges unebenes Wesen erkennen lässt, wodurch der Gedanke wach gerufen wird, es möge dies der Ausdruck „feiner Leistchen" sein, wie sie von der Oberfläche der Lederhaut der Amphibien und Repti- lien jüngst von Leydig^) beschrieben worden sind. Weiter sei beigebracht, dass die mittlere Lage des Corium überhaupt Neigung zu Verdichtungen zeigt, wie wir dies später an den Hautknochen des oberen Lides, welche Verkalkungen der mittleren Lage sind, kennen lernen werden 2). 1) Leydig: Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. Arch. f. mikr. Anat. Bd. XII, pag. 31. 2) Diesbezüglich vergleiche man; Leydig: Die in Deutschland lebenden Arten d. Saurier 1872, pag. 48. Auch für die Knochen- bildung in der Geckotidenhaut scheint dies zu gelten, die nach Car- tier: Studien über d. fein. Bau d. Haut bei den Reptilien in Sem- pers: Arbeiten aus dem zool.-zoot. Institut, Bd. I, pag. 94 in der Lederhaut unter der pigmentirten Zone statt hat. Leydig (Allg. lieber die Nebenorgane des Auges der Reptilien. 293 Zu Gunsten der vorgebrachten Ansicht spricht auch das Auftreten der Chromatophoren in dem Gewebe auf der Innenseite des Tarsus, wodurch dasselbe als innere Grenz- schicht — die stets bevorzugte Trägerin des Pigmentes und der Gelasse — charakterisirt wird. Von dort nun, wo der Tarsus mit nach innen geschwungenem Rande (cfr. Fig. 5) aufhört, wird das aus Be- cherzellen gebildete Epithel-Stratum der orbitalen Conjunc- tiva von einer äusserst zarten Bindegewebslage getragen, in welcher man die äussere Grenzschicht und die mittlere Lage der Lederhaut erblicken kann; wogegen man sich die innere Grenzschicht als in ein weites Balkenwerk für einen venösen Sinus eingegangen sich vorstellen darf. Genanntes Balkenwerk tritt uns in Form von Lymph- scheiden, deren Inhalt wir später kennen lernen werden, entgegen; diese spannen sich von Stelle zu Stelle zwi- schen der inneren Wand des Blutsinus und der äusseren, welche durch die Conjunctiva dargestellt wird, aus und bedingen an ihrer Anheftungsstelle eine Einziehung der Oberfläche der Conjunctiva und somit jenes wellige Wesen derselben, welches oben bereits angemerkt wurde. Diese Einziehungen, die sich auf dem Querschnitt präsentiren, sind demgemäss nicht der Ausdruck Halbcanal-artiger Bil- dungen, die sich durch die Breite des Lides hinziehen etwa in der Art wie die Vertiefung, die uns am Anfang der Schleimhautplatte entgegentrat. 3. Der Binnenraum zwischen den beiden Faltentheilen des unteren Lides^). Die gesonderte Betrachtung des zwischen den beiden Faltentheilen des Lides gelegenen Raumes, welche hier an dritter Stelle folgen soll, mag vielleicht auf den ersten Blick den Eindruck einer allzu künstlichen Trennung Bedeckungen d, Amphibien. Arch. f. mikr. Anat. Bd. XII, pag. 75), der näher darüber berichtet, findet auch bei den Amphibien die Kalkablagerung in der Grundmasse der Lederhaut, jedoch näher der oberen Grenzschicht: ebendaselbst pag. 74. 1) Man vcrgl. Fig. 5, 7 und 11. 294 Max Wober: machen. Das thatsächliche Vorhandensein eines relativ sehr grossen Hohh'aumes jedoch, der schon dem blossen Auge als eine grosse Lücke zwischen der Cutis- und Schleimhautplatte des querdurchschnittenen Lides auffällt, sowie endlich die Keihe der eigenthümlichsten histologi- schen Verhältnisse, die sich hier zusammengehäuft findet, möge, namentlich auch aus practischen Gründen, eine solche gesonderte Betrachtung berechtigt erscheinen lassen. Während beim Menschen die Conjunctiva sich in der Nähe des Orbitalrandes umschlägt, um auf den Bulbus überzugehen und demgemäss eine gleiche verticale Aus- dehnung mit der Cutisplatte hat, gilt dies für unsere Lacerten ganz und gar nicht. Es wurde vielmehr schon hervorgehoben, dass der Tarsaltheil der Conjunctiva klei- ner sei als der Orbitaltheil. Da mm das Ende des Tarsus bei geschlossenem Lide dem unteren Orbitalrand fast gegenüber liegt, so tibertrifft mithin der innere Faltentheil des Lides den äusseren fast um das Doppelte. Der in Frage stehende Hohlraum liegt demgemäss nur zum Theil zwischen den beiden Faltentheilen des Lides. Für diesen Theil desselben aber ist es erlaubt, ihn dadurch entstanden sich zu denken, dass die innere Grenzschicht des Corium beider Platten sich zu einem grossmaschigen Netze ausgeweitet hat. Zum anderen Theile befindet sich der Hohlraum zwischen dem Orbital-Theil der Conjunctiva und dem knö- chernen unteren Augenhöhlenrande und verliert sich ohne Grenze in das sub- und retrobulbäre Gewebe. Somit ist eigentlich nur der erstere Theil des Hohlraumes dem Lide in strengerem Sinne zuzuzählen. Hierzu kommt noch, dass beide Theile des Binnenraumes durch einen querge- streiften Lidmuskel von einander getrennt sind und auch ihrem Inhalte nach sich verschieden verhalten. Der im Faltenwinkel gelegene Hohlraum nämlich ist ein Lymphraum, wie dies LeydigO zuerst anzeigte. 1) Lcydig: Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier, 1872, pag. 80 und 9. lieber die Nebenorgarie des Auges der Reptilien. 295 Das Balkenwerk desselben: die innere Grenzschicht der Lßder- haut, lässt sich noch leicht an einem äusserst zarten, hier und da durch das Lid gestrickten areolären Bindegewebsnetz erkennen, das aber sehr zurücktritt gegen gröbere, gröss- tentheils verzweigte Bindegewebsbalken , welche sich zwi- schen den Wänden des Binnenraumes ausspannen und nach Art der Lymphscheiden die Leitungscanäle mannig- facher, histologisch sehr dififerenter Gebilde sind. Der zweite Abschnitt des Hohlraumes dagegen, der von dem eben beschriebenen durch einen quergestreiften Muskel getrennt ist und durch diesen und den orbitalen Theil der Conjunctiva seine äussere Abgrenzung erfährt, ist ein venöser Blutraum, der die ganze Orbita ausfüllt, ganz besonders aber am Lide, wo er räumlich wenig beschränkt ist, durch seine Ausdehnung auffällt. Die Darlegung seiner Verhältnisse wird klarer werden nach Kenntnissnahme des Muskels des unteren Lides, der daher zunächst besprochen sei. a. Musculus depressor palpehrae inferioris ^). An dem unteren Rand des Tarsus, zum Theil aber auch an das Bindegewebe, welches diesem aufliegt und sich netzartig durch das Augenlid ausspannt, setzt sich ein quergestreifter Muskel an. Nach Wegnahme des unteren Augenhöhlenrandes tritt derselbe dem Beobachter in Gestalt einer Membran entgegen, die den unteren Theil des Augapfels umhüllt. Seinen Ursprung nimmt er von dem unteren Rande des Septum interorbitale und zwar in der ganzen Breite des- selben ; um es genauer anzugeben, von dem hinteren unte- ren Winkel der Nasenwand, dem Palatinum, dem Prae- sphenoid, weiter vom Pterygoid und dem unteren Rande der Fascie, welche sich zwischen der Augenhöhle und den Kaumuskeln ausdehnt. So schiebt sich der Muskel in der ganzen Breite der Augenhöhle, auch noch ein wenig nach aufwärts dem Bulbus sich anlegend zwischen diesen und den Grund der Augenhöhle. 1) Man vergl. Fig. 5, 7 und 11 md. 296 Max Weber: Dieser Muskel ist ohne Zweifel derselbe, den Fi scher ^ 4ils Musculus adductor maxillae snperioris bezeichnet. Da ihm „nur der innere Anheftungspunkt dieses bei allen Sauriern und Crocodilen ausgebildeten Muskels deutlich geworden'^, „es ihm aber nicht möglich war seinen äusse- ren Anheftungspunkt aufzufinden", so deutet er ihn, wohl in dem Glauben, dass er an die obere Kinnlade sich anhefte, als Heranzieher derselben. Er stellt ihn demgemäss mit einem Gaumenmuskel der Schlangen in Parallele, der, nach J. Müllers Beschrei- bung, sich zwischen dem oberen Kieferapparat und der Basis Granu anheftet und erblickt namentlich in der glei- chen Innervation eine Stütze hierfür. Weiterhin hält Fischer 2) seinen Muse, adductor maxillae sup. „ohne Zweifel" für- identisch mit einem Mus- kel bei Emys europaea, den Bojanus^) folgendermaassen namhaft macht: „Palpebralis, orbicularis musculi palpebra- rum loco ; neque vero in orbem circumductus. Ab inscrip- tione tendinea utrumque oculi canthum tenente oriundum, ob pallorem tarnen parum notabile Stratum musculosum, juxta palpebrarum longitudinem porrectum; in superiore palpebra vix aliquantum conspicuum, apertius inferiore, ibique bulbo subductum." Aus dieser nicht ganz klaren Beschreibung geht jedenfalls hervor, dass der Muskel nicht an die Maxilla sup. ansetzt, sondern ein ächter Lid- muskel ist. Da er jedoch nach Bo janus am inneren und äusseren Canthus entspringt und demgemäss, „juxta longi- tudinem palpebrae porrectum", eine Art circulären Mus- kels darstellt, dabei aber unter den Bulbus erstreckt ist, so ist es unklar, wie er aufzufassen sei. Wahrscheinlich haben wir es aber nicht mit dem zu thun, was uns Blain- ville^) von den Lidern der Chelonier mittheilt, nämlich mit „un muscle orbiculaire forme de deux parties, une superieure et Tautre inferieur". 1) Fischer: Gehirnnervender Saurier. Hamburg 1852, pag. 119. 2) Ebendaselbst. 3) Bojanus: Anatomia testudinis europaea. Vilnae 1819. 4) Blainvillc: De l'organisation des animaux. 1822, tome I, pag. 412. üeber die Nebenorgaue des Auges der Reptilien. 297 Dem sei nun, wie ihm wolle; jedenfalls kann unser in Frage stehender Muskel zu Folge seines Faserverlaufes und seines Ansatzes zunächst nur das untere Lid herab- ziehen, unmöglich aber, wie Fischer glaubt, den Unter- kiefer adduciren, an welchem er sich gar nicht inserirt. Da nun Fischer^) selbst diese Adduction bei Sauriern, Crocodilen und Cheloniern wenig plausibel vorkam, so lässt er den Muskel bei seiner Contraction den Augapfel in die Höhe drängen. Bezüglich dieser Ansicht sei daran erinnert, dass ich bei Besprechung des Bodens der Augenhöhle sagte: „dass das, was man als solchen bezeichnen muss, nur z. Th. direct die, den Bulbus und dessen zugehörige Weichtheile ein- schliessende Höhle nach unten abgrenzt^'; auch wurde dort darauf hingedeutet, dass hierbei ein Muskel zu Hülfe ge- zogen werde. Hiermit war der M. depressor palp. inf. ge- meint. Jetzt sei auf das Verhalten bei den Fröschen hin- gewiesen, denen ja ein knöcherner Boden der Augenhöhle fehlt und wo „nur Weichtheile die Mund- und Augenhöhle trennen, unter diesen der hautartige den Bulbus tragende Muse, levator bulbi" ^). Ich glaube, dass man bei Betrach- tung der Fig. 7.md unschwer eine gewisse Analogie des Muse, depressor palp. inf. mit dem Muse, levator bulbi der Frösche erkennen wird. Gleich unserem Muskel bildet er ein hautartiges Stratum, welches in der ganzen Breite der Orbita von der Scheidewand der Augenhöhlen, sowie zum Theil noch von der äusseren und inneren Begrenzungswand derselben entspringend unter dem Bulbus her, alsdann nach aufwärts zieht, um aber im Gegensatz zu den Sauriern am Oberkiefer sich anzusetzen. Doch verdient dem gegenüber ganz besonders hervorgehoben zu werden, dass „einzelne Faserbündel sich vom Muskel ablösen, als ein besonderer Muskel, welcher an das untere Lid tritt und den man als Depressor palpebrae inferioris bezeichnen kann"^). Während also bei den Fröschen zwei Muskeln für die 1) Fischer: Gehirnnerven der Saurier 1852. pag. 119. Anm, 2) Ecker: Anatomie des Frosches. 3) Ebendaselbst. 298 Max Weber: zwiefache Function: Tragen des Bulbus und Herabziehen des unteren Lides, gesondert auftreten, sind bei den Sau- riern beide Functionen in einem Muskel vereinigt, was um so eher möglich war, als an die Function des Tragens des Bulbus durch theilweise Ausbildung eines knöchernen Augen- höhlenbodens, der den Fröschen ganz fehlt, geringere An- forderungen gestellt werden. Dies geschieht aber ganz be- sonders an die eigentliche Erhebung des Bulbus, die bei den Sauriern gering, aber durchaus vorhanden, bei den Fröschen eine ganz auffallend starke ist. So laut ich nun auch die Analogie dieser beiden Mus- keln, die um so interessanter ist, als im Uebrigen die Nebenorgane des Auges der Frösche und Eidechsen recht weit auseinandergehen, betonen möchte, so ist doch an- dererseits unser gegenwärtiger Muskel immerhin ganz vor- wiegend ein Lidmuskel, den ich demgemäss als Muse, de- pressor palpebrae inferioris bezeiche. In diesem Sinne ist er auch schon von Stannius*) aufgefasst worden und Leydig^) meldet vom Tarsalknor- pel, dass „an seinem unteren Rande ein quergestreifter Muskel sich ansetzt, der das untere Lid herabzieht". b. Der venöse Sinus in der Orhita und dem unteren Lide. Hebt man an einer Lacerta, nach Wegnahme des un- teren Orbitalringes, den Muse, depressor palp. inf. auf, so bemerkt man unter demselben eine geronnene Blutmasse. Näheres Zusehen belehrt, dass sich dieselbe zwischen dem M. depressor und der Conjuuctiva bis zum Tarsus nach aufwärts erstreckt, gegen den Bulbus hin nur von der Con- juuctiva bedeckt. Gleichzeitig sieht man, wie sich die- selbe nach abwärts unter dem Auge zwischen den Augen- muskeln vorfindet, ja dass dieselbe im ganzen Bereich der Orbita zwischen deren Wänden, dem Bulbus und den Augen- muskeln — wenn auch zum Theil in dünner Lage — jeden freien Raum ausfüllt. 1) Stannius: Handbuch der Zootomie, Th. II. 1856. pag. 170. 2) Leydig: Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier 1872. pag. 80. üeber die Nebenorgane des Auges der Reptilien. 299 Dass man es hier nun mit einem grossen venösen Sinus zu thun habe, wurde mir noch deutlicher durch In- jectionen mit gefärbter Leimmasse von der vena jugu- laris aus. Es zeigte sich hierbei, wie auch bei der natürlichen Füllung des Sinus mit geronnenem Blute, dass derselbe, vom Tarsus an zunehmend bis in die Gegend des Mm. rec- tus und obliquus inferior am meisten zu fassen vermöge (cfr. Fig. 7). Die beiden Wände diesel Theiles des Blut- raumes : der Orbitaltheil der Conjunctiva und der Muse, de- pressor palp. inf. — wobei es wohl kaum nöthig ist zu bemerken, dass dies nicht die eigentlichen Wandungen des Sinus sind, sondern selbige durch ein zart- genetztes lym- phatisches Gewebe, welches genannten Theilen aufliegt, dargestellt werden — sind durch brückenartige, verzweigte Bindegewebsbalken verbunden, die sich unter dem Mikro- skop als Lymphscheiden ausweisen und in dem genannten, wandständigen lymphoiden Gewebe wurzeln. Den Inhalt dieser Scheiden werden wir später als Nerven kennen lernen, die auf diesem Wege zur Conjunc- tiva ziehen. Hier sei nur auf Fig. 1 1 hingewiesen, in wel- cher ich versucht habe das doppelt-contourirte, mit einem zum Theil weiten Caliber versehene Balkenwerk darzustellen, wie dasselbe sich namentlich in der Gegend der Augen- winkel findet, an welchem Orte es an das enge Netz der Lymphscheiden erinnert, das uns Leydig^) von dem Schwammkörper des Balges der Tasthaare dargestellt hat. Es wurde schon mitgetheilt, dass der Sinus sich von diesem ausgedehntesten, im Lide gelegenen Theile aus weiter unter und hinter das Auge ausdehnt; endlich wurde schon bei Besprechung der Orbita des retrobulbären Gewebes als eines lymphatischen gedacht, welches ebenfalls im Znsam- menhang mit dem unteren Lide steht. Bezüglich der Be- grenzung des Sinus im Ganzen betrachtet, sei noch ange- merkt, dass er sich genau auf den Umfang der Orbita be- schränkt. Soweit diese durch knöcherne Theile abgeschlos- 1) Leydig: Ueber die äusseren Bedeckungen der Säugethiere. Arch. f. Anat. u. Physiologie 1859. pag. 716. 300 Max Weber: sen ist, ist es auch der Blutraum; dies geschieht jedoch unten am Boden der Augenhöhle durch den M. depressor palp. inf., hinten durch das Septum interorbitale und nach der Schläfenseite zu durch die Fascie, welche sich zwischen den Augapfel und die Kaumuskeln einschiebt. Dieser so wohl abgeschlossene orbitale Sinus scheint seinen Abfluss durch einen Canal zu nehmen, der am unteren äusseren Augenwinkel nach der Columella zu zieht. Injectionen mit einer gefärbten Leimmasse, die ich an einigen grossen, lebend erhaltenen dalmatinischen Exem- plaren von Lacerta viridis, von der vena jugularis aus machen konnte, belehrten mich nicht nur, dass besagter Canal in einen zweiten Canal tiberführe, sondern auch, dass am Kopfe der Saurier ein ganzes System gleichartiger Blut- räume, die unter einander in Communication stehen, vor- komme. So zeigte sich ausser dem genannten, unter der Colu- mella gelegenen Sinus ein weiterer oben am Schädeldache, der sich in ziemlicher Breite fast bis zum Foramen mag- num erstreckt. Auch dieser steht mit dem die Orbita aus- füllenden in Verbindung. Endlich seien hier noch Bil- dungen angezogen, deren Leydig^) Erwähnung thut und die allem Anscheine nach auch hierher gehören. Ich meine die Bluträume, die genannter Forscher aus der äusseren Nase und der Gegend des Jacobson'schen Organs beschreibt. Das was er betreffs des letzteren Punktes meldet, weist auf eine Bekanntschaft mit dem orbitalen Sinus hin, der dem- gemäss auch mit diesen Bluträumen in Verbindung steht. Fragen wir nach der functionellen Bedeutung des Sinus, so wird auf Grund der vorangegangenen Be- schreibung der Schluss wohl gestattet sein, dass, wie be- reits oben vermuthet wurde, der Sinus als Repräsentant des fehlenden Fettpolsters der Augenhöhle zu betrachten sei. Als von der Orbita die Rede war, zeigte ich das Feh- len von Fett in derselben an, welches, wie bekannt, wohl stets bei Säugethieren vorhanden ist und gleichermassen 1) Leydig: Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier. 1872. pag. 92, 98, 99. TJeber die Nebenorgane des Auges der Reptilien. 301 die Pfanne für die arthrodische Bewegung des Bulbus dar- stellt. Dass dasselbe bei den Vögeln sehr zurücktritt, ja zuweilen — wie ich mich selbst überzeugte — ganz feh- len kann, wird uns bei der äusserst geringen Bewegung des Vogelauges, die durch eine um so grössere Beweglich- keit des Halses compensirt wird, nicht Wunder nehmen. Bei den uns vorliegenden Thieren aber ist die Bewegung des Auges eine weit lebhaftere, wie schon aus den relativ stärkeren Augenmuskeln gegenüber denen der Vögel her- vorgeht. Da liegt es nun nahe den Mangel eines Fettpolsters durch einen — um es roh auszudrücken — um das Auge herumziehenden, mit Blut gefüllten Sack ausgeglichen sich zu denken. Um diesen Befund weniger auffallend zu machen, sei daran erinnert, dass bei den Selachiern nach Leydig^) das Fettpolster durch ein „gallertartiges Bindegewebe, welches den Augapfel umgibt", vertreten ist. Auch fand Trappt) bei Anguilla fluv., Gadus Iota, Esox, Cyprinus, Clupea etc., „saccum serosum circa oculum exstantem, ad mobilitatem oculi spectantem", von dem er sagt, dass er das Fettpolster anderer Thiere verträte. Ehe wir das untere Lid verlassen, müsste noch die Betrachtung des im Faltenwinkel des Lides gelegenen Hohl- raumes, also des eigentlichen „Binnenraumes", der von dem soeben sammt seinem Inhalt beschriebenen durch den Muse, depressor palp. inf. getrennt ist, folgen. Mannigfach je- doch wurde seiner schon als eines Lymphraumes gedacht, der durch Verschmelzung der inneren Grenzschicht der Cutis- und Schleimhautplatte entstanden sei. Auch er besitzt am unteren Theil des Tarsus (cfr. Fig. 5. v) sinuös erweiterte Venen, desgleichen auch Lymph- scheiden jedoch weit sparsamer als wir sie eben vorfan- 1) Leydig: Lehrbuch der Histologie. 1857. pag. 245. 2) Trapp: Symbolae ad anatom. et physiol, organorura bulbum adjuvantium etc. Diss. inaug. Turici 1836. pag. 11. 302 Max Weber: den. Dieselben bergen vereinzelt elastische Fasern, die sich somit zwischen den beiden Faltentheilen ausspannen, ganz besonders aber sind sie die Leitimgswege eines glat- ten Lidmuskels, über welchen ich mich, da er allen dreien Augenlidern angehört, später im Zusammenhang verbreiten werde. Zum Schlüsse sei noch des Vorkommens eigenthtim- licher Zellen gedacht, die sich an den Lymphscheiden namentlich, doch auch durch den ganzen Lymphraum hin oberflächlich in den Wänden gelegen vorfinden. Leydig^ erwähnt sie ebenfalls von den bindegewebigen Balken, welche den Lyraphraum durchsetzen; nach ihm „zeigen dieselben an der Aussenfläche rundliche Kerne, welche wohl einer Art Epithel angehören". Zu einer Klarheit über gegenwärtige Zellen bin ich nicht gelangt. Sie sind meist grösser als die Blutkörperchen desselben Thieres und haben einen körnigen Inhalt, innerhalb dessen sich dann und wann ein kernartiges Gebilde zu differenziren scheint. Wahrscheinlich sind sie zusammenzustellen mit Zellen, wel- che ferner nach oben genanntem Beobachter sich an der Wand der Lymphräume unter der Haut der Amphibien wahrnehmen lassen. Letztere sind „vereinzelte grössere Zellen, welche von körniger Natur und vielgestaltig sind — Wanderzellen der Autoren"-). Mit dieser Auffassung stände in Einklang, dass ich die Zahl dieser Zellen bei verschiedeneu Thieren recht verschieden fand, was wohl mit dem jeweiligen Zustande der Ernährung in Zusammenhang zu bringen ist. B. Das obere Lid. Während wir in dem unteren Lide ein Gebilde mit mannigfachen Vorrichtungen zur Unterstützung der Beweg- lichkeit desselben und des Schutzes für das Auge kennen lernten, tritt uns das obere Lid als eine einfache Falte 1) Leydipf: Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier. 1872. pag. 80. 2) Leydig: lieber die allg. Bedeckungen der Amphibien im Arch. f. mikr. Anat, Bd. XII. pag. 109. lieber die Nebenorgane des Auges der Reptilien. 303 der Haut entgegen, die auf den ersten Blick klein und un- bedeutend von dem oberen, durch die Superciliarknochen erweiterten Augenliöhleurande herabhängt und, wie schon von älteren Beobachtern stets für die Mehrzahl der Amphi- bien und Repilien betont wird, wenig Beweglichkeit zeigt. Welcher Art diese Bewegung sei, werde ich später im Zusammenhang mit derjenigen der übrigen Lider aus- einanderzusetzen mir erlauben. An dieser Stelle sei nur hervorgehoben, dass die Superciliar -Knochen an derselben sich betheiligen. — Ihre enge anatomische Beziehung zum Lide, welches sie stützen, brachte denn auchLeydig*) zu der Ansicht, dass „sie wohl dem Knorpel des oberen Lides beim Menschen einigermassen zu vergleichen seien". Dies zugegeben müssen wir sie folgerichtig auch dem Lide zu- zählen und selbiges bis zum oberen Augenhöhlenrande aus- dehnen. Meiner Ansicht diesbezüglich habe ich wohl ge- nügenden Ausdruck dadurch verliehen, dass ich die Lamina superciliaris nicht bei Besprechung der Orbita, sondern erst im Zusammenhang mit dem oberen Lide abhandele. Auch wüsste ich nicht, was man dagegen einwenden wollte, physiologisch sowohl wie morphologisch die Lamina super- ciliaris als zum oberen Lide gehörig zu betrachten. In physiologischer Hinsicht nämlich verleiht sie dem Augapfel Schutz in einer Weise, wie es nur das als Augendeckel wirkende Lid thun kann; auch betheiligt sie sich an der Bewegung der Lider. Vom morphologischen Standpunkt aus ist daran zu erinnern, dass der Mehrzahl der Saurier eine knöcherne Lamina superciliaris fehlt; hier zieht einfach eine Decke, die sich nicht von der allgemeinen Körperbedeckung unter- scheidet und die sich am oberen Orbitalrand anheftet, au Stelle unserer Lamina über den oberen Theil des Augap- fels weg. Die Hautfalte, die wie bei unseren Eidechsen vor dem Auge herabhängend zunächst nur allein an ein Lid denken lässt, steht hier wie dort mit dem fraglichen Theil in untrennbarer Continuität. 1) Leydig: Die in Deutschland lebenden Arten der Saurierj 1872, pag. 79. * 304 Max Weber: Dass bei den Amphibien, soweit sie ein oberes Lid haben, ganz gleiche Verhältnisse vorliegen sei noch ange- merkt, da es für den vorwiegend am menschlichen Körper geübten Formensinn immer etwas Widerstrebendes hat ein Lid in horizontaler Lagerung sich vorzustellen. Auf Grund des Vorgebrachten glaube ich die den obe- ren Theil des Bulbus bedeckende Partie, welche .sich bei unseren einheimischen Sauriern durch discrete Knochen- tafeln charakterisirt, bei anderen dagegen ganz oder zum grössten Theil häutig sich vorfindet, dem oberen Lide bei- zählen zu dürfen. Sie soll daher in der nachfolgenden Beschreibung ebenfalls berücksichtigt sein. Ich beginne dieselbe, wie es auch bezüglich des unteren Lides geschah, mit: 1. Die Cutisplatte. Die Betrachtung des äusseren Faltentheiles des Lides sei mit dem Befunde am macerirten Schädel eingeleitet. An demselben zeigt sich nämlich die Lamina superciliaris in Gestalt einer Ellipse, die aus mehreren Reihen in Grösse und Gestalt sehr verschiedener Knochenplatten zusammen- gesetzt ist*). Die erste Reihe, bei weitem die breiteste, setzt sich an den oberen Augenhöhlenrand an und zwar vom Praefrontale, wo sich zu diesem Behufe eine Knochen- leiste vorfindet, bis zum Postfrontale. Sie besteht aus vier discreten Knochentafeln: zwei mittleren grossen, vier- eckigen, die mit breiter Basis aneinanderlagern und an den entgegengesetzten Seiten mit je einer kleineren drei- bis vieleckigen in Verbindung stehen. An diese Reihe schliesst sich eine zweite an, welche den Uebergang zu dem häutigen Theil des Lides schon dadurch macht, dass die langgestreckten schmalen Knochenstücke derselben eine nach abwärts gerichtete Stellung einnehmen und somit in einem Winkel zu der oberen Reihe stehen. Die Lamina superciliaris ist als Ganzes Charnier- artig an den Augenhöhlenrand befestigt, sodass ihr eine, 1) cfr. Leydig: Die in Deutachland lebenden Arten der Saurier, 1872, Taf. I., Fi^. 15 und 18. Taf. II, Fi^. 23 u. 24. Üeber die Nebenorgaiie des Auges der Reptilien. 305 weDn auch sehr wenig ausgiebige Bewegung von oben nach unten gestattet ist. Was den histologischen Bau angeht, (Fig. G. 1 s) so hat sich Leydig^) schon über denselben verbreitet, doch sei hier nochmals betont — wie dies schon geschah als von dem Tarsus die Rede war — dass auch an dieser Stelle die mittlere Lage des Corium die Verdichtung, dies- mal in Form von Knochenbildung, erlitten hat. Beide Grenzschichten schicken bindegewebige Zapfen in die Knochenmasse (cfr. Fig. 6 v), welche auf diese Weise mit Blutgefässen versorgt wird, denen sie ihre Sculptur verdankt. Ueber den Knochentafeln liegt die obere Grenzschicht der Lederhaut, die reich mit Pigment versehen in gewohn- ter Weise von der Epidermis überdeckt ist. Die untere Grenzschicht ist wieder zu der bekannten lymphdrüsigen Masse umgewandelt. Wenden wir uns nun zu dem frei vor dem Auge herabhängenden Theile des Lides, den wir im Gegensatz zu dem eben beschriebenen als den „häutigen" bezeichnen können. (Vergl. Fig. 6.) — Die Kleinheit desselben ist bereits hervorgehoben worden. Seine Gestalt ist eine ovale, jedoch gewahrt man dies erst, wenn man eigens darauf ausgeht, indem nämlich der geschwungene Lidrand direct die Lamina superciliaris der Art berührt, dass vom Lid- rücken nichts zu sehen ist. Dies beruht darauf, dass von der äussei-sten Reihe der Kuochentafeln der Superciliar- Platte aus, die Fortsetzung des Lides ganz nach einwärts gelagert ist und erst der Lidrand wieder unter derselben hervortritt. Der histologische Bau der Cutispiatte dieses freien Theiles des Lides bietet nichts w^esentlich abweichendes von dem des unteren Lides, wie ein Blick auf Fig. 6 darthun wird. Der Reichthum des Pigmentes, des dunkelen sowohl wie auch des orangefarbigen (Fig. 6. o), wird ebenso, wie die Breite und eigenthümliche Configuration des Lidrandes, sofort auffallen. Auch die innere Grenzschicht zeigt ein glei- ches Verhalten, wie es für das untere Lid angemerkt wurde. 1) Ebendaselbst pag. 8 und 47. Archiv für Naturg. XXXXIII. Jahrg. 1. Bd. 20 306 Max Weber: 2. Die Schleimhautplatte. Da nur der „häutige", frei vor dem Auge herabhän- gende Theil des oberen Lides einen inneren Faltentheil besitzt^), so ist hiermit gleichzeitig die Ausdehnung der Conjunctiva palpebralis angegeben ; dieselbe erstreckt sich also von der inneren Lidkante bis zum äusseren Rande der lamina superciliaris. Möchte auch dieses Verhalten in der Ansicht bestär- ken, dass nur der „häutige", freie Theil des Lides als einziger Repräsentant des oberen Lides aufzufassen sei, — eine Ansicht die oben schon erörtert wurde — so kann man dem gegenüber sich doch leicht vorstellen, dass bei Bildung des Lides nur ein kleiner äusserer Bruchtheil dessen, was ich als solches aufgefasst wissen möchte, eingestülpt und zur gegenwärtigen Schleimhautplatte wurde. Selbige 2J unterscheidet sich nun von dem gleichen Gebilde des unteren Lides wesentlich dadurch, dass ihr ein Knorpel mangelt. — Ihr epithelialer Belag besteht durch- weg aus Becherzellen, die sich an der inneren Lidkante allmählich aus den oberflächlichen Epidermiszellen umbil- den. Die Conjunctiva beginnt auch hier mit einer Ein- buchtung, welcher sich andere von gleicher Art aber ver- schiedener Tiefe anreihen. Der bindegewebige Theil der Conjunctiva ist auch hier eine directe Fortsetzung der Lederhaut der Cutisplatte, die jedoch der Art verändert ist, dass sich die drei bekann- ten Lagen nicht mehr erkennen lassen. Gleich unter dem epithelialen Belag der Conjunctiva liegt ein heller Saum, der wohl ein Homologon der Epithel- tragenden Schicht des Tarsus und somit der oberen Grenz- schicht ist. Die mittlere Lage und die untere Grenzschicht der Lederhaut wäre demnach in der wenig mächtigen netzi- gen Bindegewebsschicht zu suchen, welche sich mi^ der unteren Grenzschicht der Cutisplatte durch Lymphscheiden verbindet; denn auch im oberen Lide findet sich im Fal- tenwinkel desselben ein Binnenraum. 1) Man vergl. Fig. 7, welche einen Durchschnitt durch die Augenhöhle darstellt und Fig. G. 2) Man vergl. Fig. 6. C.E. Ueber die Nebenorgane des Auges der Reptilien 307 Unterhalb des Fornix endlich verschmilzt das Gewebe beider Faltentheile — vom äusseren, den hier ja die lamina superciliaris darstellt, also nur die innere Grenzschicht — , um sich continuirlich in das lymphoide Gewebe, das den Bulbus umgiebt, fortzusetzen. Dass der bindegewebige Theil der Conjunctiva von einem glatten Muskel durchzo- gen ist, der sich auch hier im Lide weiter verbreitet, wird später erörtert werden. 3. Der Binnenraum zwischen den beiden Faltentheilen des oberen Lides. Es braucht wohl kaum gesagt zu werden, dass dieser ganz ähnliche aber weit einfachere Verhältnisse, als im unteren Lide zeigt. Ueber Grösse und Gestalt des Hohlraumes im Falten - Winkel des oberen Lides dürften wohl Fig. 6 und 7 ein genügendes Bild entwerfen. Derselbe wird ebenfalls von Bindegewebs-Balken durchzogen, welche nach Art der Lymphscheiden die Leitungswege abgeben für elastische Fasern, vereinzelt auch für Nerven, namentlich aber für eine glatte Muskulatur. Zum Schlüsse sei noch ganz besonders darauf hinge- wiesen, dass ein quergestreifter Muskel irgend welcher Art im oberen Lide fehlt. Es ist dies um so mehr zu betonen, als das Vorhandensein eines solchen behauptet worden ist. So schreibt Stannius^) ganz allgemein : „Von den Wandun- gen der Orbita gehen M. M. palpebralis superior und inferior aus, welche zwischen die Häute der beiden Augenlider treten." Bei unseren einheimischen Lacerten gilt dies jedenfalls nur für das untere Lid, dessen Muskel ich als Musculus depressor palpebrae inferioris^) beschrieb. Da Stannius letztge- nannten Muskel in einer Anmerkung näher anführt, ist es um so bedauerlicher und in gewisser Beziehung um so auffallender, dass das Gleiche nicht auch für den oberen Lidmuskel geschieht. 1) Stannius: Handbuch dar Zootomie. 1856. Th.II, pag. 170. 2) Diese Bezeichnung, nicht aber die von Stannius gebrauchte: M. palpebralis inferior wurde gewählt, weil wir gewohnt sind unter letzterer einen circulären Lidmuskel zu verstehen. 308 Max Weber: Wenn Gegenbaur^) schreibt: „Für die beiden hori- zontalen Augenlider wie itir die Nickhaut (der Reptilien und Vögel) besteht ein Muskelapparat . . . ", und Huxley 2) die Sauropsida in der Regel einen M. palpebralis besitzen lässt,der am oberen Lid als Elevator wirkt; so möchte ich dies für einen allzu verallgemeinerten Befund bei den Vögeln halten, indem ich glaube, dass ein M. levator palpebrae superioris, wie bei den Lacerten, so auch bei den übrigen Sauriern fehlt. — C. Die Nickhaut. Das sog. dritte Lid der Eidechsen scheint von jeher die Untersucher dieser Thiergruppe interessirt zu haben, wenn immer es erlaubt ist nach den zahlreichen vorliegen- den Angaben über dasselbe diesbezügliche Schlüsse zu zie- hen. Da ferner Leydig^) genaue Mittheilung über den feineren Bau dieses Gebildes gemacht hat, will ich mich, um nicht Bekanntes zu wiederholen, sogleich zum Bewe- gungsapparat der Nickhaut wenden. Während der Apparat in seinem Principe schon von Stannius*) und dann von Huxley^) in Kurzem für die Saurier richtig beschrieben worden ist, gebe ich hier zum ersten Male eine ausführliche Beschreibung desselben. Beson- ders fehlte eine solche für unsere einheimischen Eidechsen, für welche ich einige bisher übersehene Besonderheiten nam- haft machen kann. Leydig und Trappt), von denen erste- rer nur nebenbei, letzterer aber in der Absicht einer genauen Erforschung die genannten Thiere auf den gleichen Punkt un- tersuchten, erkannten den Apparat nur zum Theil. — Die be- stimmte Beschreibung bei Stannius und Huxley weist daraufhin, dass sie entweder unsere einheimischen Lacerten nicht untersuchten, oder aber, geschah dies doch, ihn auch 1) Gegenbaur: Grundriss der vcrgl. Anatomie 1874, pag. 556. 2) Huxley: Ilaridbuch der Anatomie der "Wirbelthiero, übersetzt von Ratzel, 1873, pag. 261. 3) Leydig: Die deutschen Saurier 1872, pag. 81. 4) Stannius: Handbuch der Zootomie, Th. II, 1856, pag. 171. 5) Huxley: Handbuch der Anatomie der Wirbelthiere, über- setzt von Ratzel 1873, pag. 261. 6) Trapp: Symbolae ad anatom. et physiol. organorum bulbum adjuvautium. Diss. inaug. Turici 1886. pag. 22. lieber die Ncbe.norgauu des Auges der Reptilien. 309 nicht völlig erkannt haben. Dass Fischer*) in der Deu- tung der Nickhautmuskulatur auf irriger Bahn war, wurde schon bei Besprechung der Augenmuskelnerven erwähnt. Was endlich die Darstellung bei Fricker^) anlangt, so hat schon Trappt) darauf aufmerksam gemacht, dass sie wahrscheinlich vom Crocodil genommen sei, obwohl sie allgemein für die „Reptilien'^ gelten soll. Für die Saurier trifft sie wenigstens gar nicht zu. Dass er unse- ren Muskel nicht kannte, ist um so ersichtlicher als er nicht einmal den M. retractor gefunden hat, da nach ihm: „apud lacertas praeter quatuor rectos duo modo exstant obliqui, neque vero musculus choanoides" (i. e. musculus retractor). Der Bewegungsapparat besteht nun aus einer Sehne, die sich einerseits am unteren Winkel der Nick- haut, andererseits an der Nasenwand der Augenhöhle anheftet und einem Muskel, der mit dieser Sehne in Ver- bindung steht. Dieser Muskel, den wir nach Stannius Vorgang Muse, bursalis nennen wollen, entspringt in der Grube^ die wir als Ursprungsstelle des M. retractor oculi kennen lernten, und zwar dorsal über demselben (cfr. Fig. 1. mb). Als kräftige platte Muskelmasse (cfr. Fig. 2 und Fig. 3. m b) zieht er nach vorn, neben dem M. retractor oculi verlau- fend. Sobald er den Bulbus erreicht hat biegen sich seine Bündel um und erzeugen auf diese Weise eine Schlinge, durch welche die Nickhaut-Sehne tritt*). Dies letztere Verhalten ist von Leydig bereits richtig hervorgehoben worden, obwohl er glaubte es mit einem dem M. quadratus der Vögel gleichen Muskel zu thun zu haben. Diese dür- fen jedoch nur in Hinsicht der Function mit einander ver- glichen werden, da der M. bursalis der Lacerten von der Augenhöhlen wand kommt, nicht aber dem Bulbus anhaftet, 1) Fischer: Die Gehirnnerven der Saurier in: Abhandlungen aus dem Gebiete der Naturwissenschaften, herausgeg. von d. naturwiss. Verein in Hamburg. Hamburg 1852. 2) Fricker: Diss. inaug. de oculo reptilium. Tubingae 1827, pag. 12. 3) Trapp: 1. c. pag. 22. 4) Man vcrgl. Fig. 8, wo der M. bursalis isolirt dargestellt ist. 310 Max Weber: ebenso wie die Nickhaut-Sehne dem mit einer langen Sehne endigenden M. pyramidalis der Vögel functionell an die Seite gestellt werden kann. Es verdient nun die Umbiegung der Fasern des M. bursalis um so mehr Beachtung als Stannius' und Hux- ley's Beschreibung des Canales, durch den die Nickhaut- Sehne tritt, eine andere ist. Stannius lässt nämlich die Fasern des M. bursalis an einer häutigen Röhre endigen; Huxley setzt anderen Stelle ein faseriges Blatt, durch welches die Sehne zieht. Bei welchen Sauriern dieses Verhalten gefunden ist, sagen beide Forscher nicht; vermuthlich waren es grössere aus- ländische Thiere. Da ich dergleichen nicht untersuchte, kann ich a priori ihre Angabe nicht in Zweifel ziehen ; um so weniger als ein gleiches Verhalten vom M. quadratus der Vögel bekannt ist. Sollte sich jedoch wie bei unseren Sauriern, so auch bei anderen eine schlingenförmige Umbiegung der Muskelfasern herausstellen, so fände die Angabe der genannten Autoren von einer häutigen Röhre oder einem faserigen Blatte darin ihre Erklärung, dass in der That innerhalb der Muskel- schlinge, gerade dort, wo die Sehne ihren stärksten Druck ausübt, ein bindegewebiges Polster sich vorfindet. Ehe wir den Nick haut- Apparat verlassen, liegt uns noch die Vorführung eines, wie mir scheint, höchst bemer- kenswerthen Faserbündels, das sich vom M. bursalis los- löst, ob. Desselben geschah schon früher bei Besprechung des M. retractor oculi Erwähnung, indem an genanntem Orte ausgeführt wurde, dass der M. retractor nur einseitig wirken könne; wobei aber zugleich bemerkt wurde, dass diese einseitige Wirkung ausgeglichen werde durch eine Portion des M. bursalis. Ihr Verhalten, welches ich in Fig. 8 p r dargestellt habe, ist nun der Art , dass sich von der Innenfläche des M. bursalis allmählich eine Anzahl von Fasern stärker abhebt und dort, wo die Fasern des Nickhautmuskels sich zur Schlinge umbiegen, zu einem Bündel vereinigt von demselben loslöst. Nach ungefährer Schätzung dürfte die Stärke desselben einem Dritttheil des M. bursalis gleich kommen. Diese Muskelportion wird nun Üeber die Nebenorgane des Auges der Reptilien. 311 dadurch zu einem Retractor oculi , dass sie nach aufwärts über die Nickhaut-Sehne zieht und am Bulbus sich fest- heftet, lieber die Insertion wird Fig 2 und 3 b r die beste Auskunft geben ; man sieht dort, dass sie sich zwischen dem Rectus externus und superior befindet, jedoch nicht in gleicher Peripherie mit diesen, also nicht am Aequator des Augapfels, sondern an der Hinterfläche des Bulbus, näher dem Opticus sich ansetzt. Betrachtet man den Augapfel von hinten, so wird die dadurch gewonnene Ansicht, die ich in Fig. 3 nachge- bildet habe, keinen Zweifel aufkommen lassen, dass unser gegenwärtiges Muskelbündel einzig nur den M. retractor oculi bei dem Zurückziehen des Auges synergisch unter- stützen kann. Um endlich der etwaigen Ansicht entgegen zu treten, als sei die beschriebene Muskelportion ein selbstständiger Retractor, sei nochmals betont, dass der M. bursalis es ist, der sich ganz allmählich in diese zwei Portionen zerlegt, ähnlich etwa wie es von den Streckern und Beugern der Finger und Zehen bekannt ist. Nachträglich sei es mir noch gestattet, mit einigen Worten der einzigen genaueren Mittheilung über den Bewe- gungsapparat der Nickhaut bei Lacerta agilis zu gedenken. Dieselbe findet sich in Trapp's schöner Dissertion ^) über die Nebenorgane des Auges und lautet : „Ab orbitae parte adversa et superiori tendo supra nervum opticum porrigi- tur, atque in musculi striam incidit, quae ^) in fundo orbitae eodem, quo ceteri musculi, modo insertus, a Sclerotica incipit etc." Ich führe diese Stelle hier an, weil die Un- klarheit in der Darstellung eines Muskels, der in der Orbita entspringt, am Bulbus ansetzt und dabei eine „stria" bildet, daher rührt, dass der Verfasser das als Retractor fungi- rende Muskelbtindel des M. bursalis nicht richtig erkannt hat. Die hieraus resultirenden Widersprüche, sowohl im Text als auch in der Fig. 20, sind bei dieser Unkenntniss leicht erklärlich. 1) Trapp: Symbolae ad anat. et physiol. organorum bulbum ad- juvantium et praecipue membranae nictitantis. Diss.inaug.Turici 1836. 2) Mass wohl „qni" heissen. 312 Max Weber: Was endlich die Nickhaut-Sehne angeht, so heftet sich diese an das Frontale principale und zwar an den Theil desselben, welcher sich an der Bildung der vorderen Augenhöhlenwand betheiligt. Von hier gelangt sie zwi- schen dem M. obliquus superior und dem rectus internus hindurch an den Bulbus und zieht, diesem angelagert, unter den rectus superior hin, worauf sie die Schlinge des M. bursalis erreicht. Während sie bisheran eine fadenför- mige Gestalt hatte, schwillt sie bei ihrem Eintritt in den Muskelcanal bedeutend an, um bald nach ihrem Austritt aus demselben ihre frühere Gestalt wieder anzunehmen. Dass sie endlich bei ihrem Uebergang in den unteren vorderen Zipfel der Nickhaut „die strangartige Beschaffen- heit aufgiebt und unter Verbreiterung zu einer Art Hohl- kehle sich gestaltet'', hat Ley dig^ bereits hervorgehoben. Die Sehne umgreift somit fast drei Viertel des Bulbus von hinten nach vorn, wobei sie über dem Opticus gelagert ist und ihre tiefste Stelle beim Durchtritt durch den Mus-, kelcanal erreicht, lieber die Art der Bewegung der Nick- haut einiges im Zusammenhang mit derjenigen der hori- zontalen Lider mitzutheilen, werde ich mir vorbehalten. Ueber die Innervation des Nickhaut-Muskels habe ich dem, was im Laufe der Untersuchung des Nervus abdu- cens als auf diese bezüglich sich herausstellte, nichts bei- zufügen. Ich hob damals hervor, dass der genannte Nerv, bevor er aus dem Fleische des M. retractor oculi heraus- trete, den M. bursalis durch einige feine Reiser innervire. Nach Kenntnissnahme des ganzen Apparates der Nick- haut dürfte es vielleicht nicht unpassend erscheinen, die Frage aufzuwerfen, wie der M. bursalis aufzufassen sei; eine Frage, bei deren Beantwortung nicht nur das Für und Wider einer etwaigen Analogie entweder mit dem M. qua- dratus oder mit dem M. pyramidalis der Vögel und man- cher Reptilien abzuwägen, sondern — wie ich schon jetzt ausdrücklich bemerken will — auch die Betrachtung ins Auge zu fassen ist, ob nicht in dem M. bursalis ein modi- ?) Leydig: Die iu Deutschland lebenden Arten der Saurier, 1872, pag. 82. Ueber die Ncbcuorgane des Auges der Reptilien. 313 ficirter Retractor erblickt werden kann. Die Frage in ihrer ersten Form: ob M. quadratus oder pyramidalis, ist schon von Trappt gestellt und dahin entschieden worden, dass er den M. bursalis für einen M. quadratus hält. Sein Grund : „quum supra eodem quo quadratus loco a Sclerotica initium capiat et striam constituat^^ ist natürlich für uns, nach Kenntnissnahme des an die Sclerotica sich ansetzen- den Muskesbündels des M. bursalis, ganz hinfällig. Ich meinerseits würde die Frage in dieser gegen- wärtigen Form nur dahin beantworten können, dass vom Gesichtspunkte der Function aus überhaupt von einer Wahl zwischen dem M. quadratus und pyramidalis nicht die Rede sein kann, da der M. bursalis beider Function: ein- mal die Sehne zu spannen (M. pyramidalis), und zum andern Male sie in bestimmter Richtung zu leiten (M. quadratus), in sich vereinigt. Morphologisch allerdings könnte bei die- ser Art der Fragestellung der M. bursalis nur dem M. quadratus verglichen werden, obwohl hierfür nur das frei- lich auifallende Verhalten eines Muskels spräche, der eine Schlinge bildet, durch welche eine Sehne tritt, im Uebrigen aber in allen Stücken von M. quadratus abweicht.— Da wäre namentlich an die Abtrennung des M. bursalis vom Bulbus zu erinnern, während beim Crocodil und ein- zelnen Cheloniern (Chelydra und Chelonia) die Muskeln, die functionell dem M. quadratus und pyramidalis gleich- kommen, auch morphologisch, wenn auch plumper gebil- det und in etwa modificirt, denselben durch ihren Ursprung vom Bulbus entsprechen. Und wenn H u x 1 e y 2) in gewis- sem Sinne den M. bursalis der Saurier als analog neben dem M. quadratus der Vögel ~ den er auch M. bursalis nennt ^) — setzt, so scheint mir dies für unsere eiuheimi- 1) Trapp: Symbolae ad anatom. et physiolog. organorum bul- bum adjuvantium, Diss. inaug, Turci 1836, pag. 22. 2) Huxley: Handbuch der Anatomie der Wirbelthiere, über- setzt von Ratzel 1873, pag. 262. 3) Ich möchte vorschlagen den zur Nickhaut in Beziehung stehenden Schlingenrauskel nur dann » M. quadratus « zu nennen, wenn er vom Bulbus entspringt; anderenfalls aber, wenn dies von 314 Max Weber: sehen Laeerten nieht gerechtfertigt, da sich der M. bursa- lis, ausser durch das bereits oben Angeführte, ganz wesent- lich durch seine Portio retrahens — die Huxley allerdings nicht kennt — unterscheidet. Gerade diese aber veranlasst mich zu der Erwägung, ob nicht der M. bursalis ein modificirter M. retractor sei. Die Innervation kann uns hierüber keinen Entscheid geben, da sowohl der M. retractor als auch die M. M. pyra- midalis und quadratus durch den N. abducens innervirt werden. Nicht aber ist der gleiche Ursprung und Verlauf des M. bursalis und M. retractor oculi der Saurier aus dem Auge zu lassen, und es sei im Anschlüsse hieran auf die beiden M. M. retractores bei Testudo europaea, die so nahe neben einander verlaufen, dass Bojanus^ sie als fasciculus externus und internus unterscheidet, hin- gewiesen. Ersterer wird vom N. abducens auf seinem Wege zum M. rectus externus durchbohrt; desgleichen wird auch bei Lacerta der M. retractor oculi (äusserer Fascikel) vom N. abducens durchbohrt. Weiter sei abermals in Erinnerung gebracht, dass wir oben bei Gelegenheit der Augenmuskeln nur einen M. retractor oculi kennen lernten, dessen einseitige Wirkung durch die Portio retrahens des M. bursalis compensirt werde. Es dürfte nun gerade diese Combination, dass ein Theil des M. bursalis als retractor wirkt, darauf hinweisen, dass wohl mit einigem Recht der ganze M. bursalis als ursprünglicher M. retractor und speciell der als Nickhaut- muskel wirkende Theil eigentlich nur als Leiter der Nickhaut aufzufassen ist ; um so eher, als nicht in Abrede gestellt werden kann, dass bei Contraction des M. bursalis der Bulbus, wenn auch einseitig, retrahirt wird. Die Retraction des Bulbus aber wird ihrerseits, bei der Lage der denselben umspannenden Nickhaut- Sehne, gleichzeitig bis zu einem gewissen Grade eine Verschie- bung der Nickhaut hervorrufen, indem dieser naturgemäss der Orbita geschieht, ihn durch die Benennung »M. bursalis« von ersterem zu unterscheiden. 1) Bojanus: Anatomia Testudinis curopaeae. Vilnae 1819. üeber die Nebenorgane des Auges der Reptilien. 315 eine grössere Excursion gestattet ist, als dem, nur in engen Grenzen beweglichen Bulbus. Gewinnt somit die als Schiingenmuskel fungirende Partie mehr das Wesen eines vorwiegend leitenden Appa- rates, so ist doch andererseits nicht aus dem Auge zu ver- lieren, dass die genannte Partie auch ihrerseits direct auf die Sehne und damit auf die Nickhaut heranziehend wirkt. Unsere eben geführte Deduction ging daher von einem einseitigen Gesichtspunkt aus, sie sollte auch nur deutlich machen, dass bei Contraction des M. bursalis eine Ein- wirkung auf die Nickhaut, ohne gleichzeitige Retraction des Augapfels Seitens desselben Muskels, gar nicht zu denken ist. Dies möchte wohl nicht am wenigsten für die Berech- tigung der Erwägung sprechen, ob nicht etwa der M. bur- salis der Saurier als M. retractor aufzufassen sei, dessen eine Portion diesen Charakter noch behalten, während die andere zu einem M. bursalis sich umgewandelt hat. D. Der glatte Lidmuskel. Da dieser Muskel allen dreien Lidern gleichmässig angehört, dürfte hier erst, nach Betrachtung derselben, der Ort sein auf dies bereits mehr erwähnte Gebilde näher einzugehen. Dasselbe wurde von Leydig entdeckt; und da ich seiner Mittheilung nur noch wenige ergänzende Angaben beizufügen habe, so will ich diese vollständig anführen. Sie lautet^): „Die glatte Muskulatur durchzieht die ganze Bindehaut des Auges und scheint theilweise sogar in die erwähnten, die Lymphräume durchsetzenden Balken einzu- treten. Weiteres Nachforschen belehrt, dass man es eigent- lich mit einem grossen glatten Muskel von hautartiger Ausbreitung zu thun habe, der rings um das Auge ent- springend die Richtung gegen die Lider nimmt. Beson- ders stark ist der Muskel am vorderen Augenwinkel; hier unterscheidet man leicht neben dem oberen schiefen Augen- 1) Leydig: Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier, 1872, pag. 81. 316 Max Weber: muskel, schon an der Farbe, einen glatten Muskel, welcher von der knorpeligen Augenscheidewand kommt und sich von dem M. obliquus superior gegen das obere Lid, die Nickhaut und Härder' sehe Drüse verliert; auch von unten her strebt eine stärkere Portion dieser glatten Muskulatur gegen das dritte Lid^^ Hier möchte ich kurz das Ergänzende meiner Unter- suchungen anreihen. Im unteren Lide zeigt sich die glatte Muskulatur^), über dem M. depressor palpebrae inferioris gelagert, zuerst am Boden der Mundhöhle in der Nähe des Jugale; den genannten Muskel überdeckend, zieht sie nach aufwärts und theilt sich in der Gegend des unteren Randes des Tarsus (cfr. Fig. 5). Mehr nach den Augenwinkeln zu, in den Theilen des Lides, die seitlich vom Tarsus liegen, geschieht diese Theilung nicht allzu fern vom Augenhöh- lenrand. Ein Theil der Fasern zieht nun längs der Con- junctiva — bezüglich der Stelle, wo der Tarsus liegt, längs diesem — nach aufwärts. Dieselben bilden eine dünne continuirliche Schicht, welche dem Gewebe, das die innere Begrenzung (untere Grenzlage) der Schleimhautplatte bildet, eingelagert ist. Der andere Theil der Fasern tritt durch die Lymph- scheiden auf die Cutisplatte des Lides über, und zeigen sich diese hier ebenfalls in die untere Grenzlage der Leder- haut eingewebt. Für die glatte Muskulatur im oberen Lide gilt eigentlich dasselbe, wie für die des unteren Lides. Sie nimmt auch hier ihren Ursprung aus dem reticulären Gewebe, welches sich zwischen dem Bulbus und der Lamina superciliaris ausspannt; vornehmlich der letzteren haftet sie ziemlich fest an. Die Schleimhautplatte, und zwar deren innerster Lage eingebettet, ziehen ihre Fasern nach vorn, wo sie sich allmählich gegen den Lidrand hin verlieren. Ein Theil derselben tritt aber dort, wo die Conjunctiva sich auf die Sklera umschlägt in die wenig zahlreichen Lymphschei- 1) Man vcrgl. Fig. 7, wo die glatte Muskulatur durch grüne Färbung näher angedeutet ist. lieber die Nebenorgane des Auges der Reptilien. 317 den ein. Ihren Verlauf auf der Cutisplatte konnte ich nicht verfolgen, wie denn überhaupt diese glatte Muskulatur äusserst zartfaserig ist. Dass es schwer hält den Verlauf des glatten Muskels innerhalb der beiden genannten Lider systematisch klar zu legen, wird einleuchten, wenn man sich das verzweigte Wesen der Lymphscheiden vergegenwärtigt, die nur zum Theil in mehr weniger geradem Verlauf zwischen den bei- den Faltentheilen sich ausspannen. Unter obwaltenden Umständen wird es nicht Wunder nehmen, dass die glatte Muskulatur auf der Cutisplatte durchweg keinen ganz gleichsinnigen Fasernverlauf hat. Anders verhält es sich mit dem glatten Muskel, der in die Nickhaut eindringt ; besonders mächtig, wie schon Leydig hervorhebt, zieht er nur in radiärer Richtung über die Härder 'sehe Drüse, soweit diese in den Bereich der Nickhaut kommt, weg. Am gegenüberliegenden Augenwinkel dagegen zeigt er sich nur schwach entwickelt. In dünner Lage treten seine Fasern in dem oberen Theil der Fascie, die sich zwischen Augapfel und Kaumuskulatur einschiebt, auf. In stärkerer Lage begegnen uns dann wieder die Muskelfasern in der Nähe der Thränendrüse ebenso, wie auch nach dem unteren Lide hin. Es bedarf wohl kaum einer Erwähnung, dass die gesonderte Aufführung der glatten Muskulatur von den vor- genannten Stellen, nicht einer gleichen Sonderung derselben in einzelne Theile entspricht; dieselbe bildet vielmehr eine „hautartige Ausbreitung". Und wenn wir dieselbe auch als eine continuirlich zusammenhängende bezeichnen müs- sen, so ist doch andererseits nochmals zu betonen, dass der Faserverlauf durchaus kein gleichsinniger ist. Dement- sprechend kann auch nun die Function nicht in dem Sinne eine gleichsinnige sein, wie es für die Bewegung des Lides — etwa zum Schliessen desselben nach Art eines M. orbicularis — nöthig wäre. Ich muss mich daher, nach- dem ich lange nach einer anderen Erklärung gesucht habe, zu der von Leydig*) gegebenen bekennen, um so 1) Leydig: Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier, 1872, pag. 81. Anmerk. 1. 318 Max Weber: mehr als ich glaube, dieselbe mit gutem Grunde etwas weiter auffassen und ihr einen neuen Gesichtspunkt hinzu- fügen zu dürfen. Leydig nämlich schreibt: „Obige glatte Muskulatur hat aber wohl nichts mit der Bewegung der Lider zu thun; vielmehr spielen alle, oberes, unteres und drittes am lebenden Thier so rasch, wie es nur durch quergestreifte Muskeln geschehen kann. Es scheint die glatte Muskulatur der Bindehaut des Auges hauptsächlich auf die Entleerung der Drüsensecrete berechnet zu sein.'* Dem möchte ich nun noch beifügen — und ich glaube ein Blick auf Fig. 7 wird es nicht unwahrscheinlicher machen — , dass der Verlauf auf beiden Lidplatten sowie durch die verzweigten Lymphscheiden, den glatten Muskel befähigen die weiten Lymphräume innerhalb der Lider zu entleeren und durch pumpende Wirkung überhaupt einer Stagnation im Bereiche derselben vorzubeugen. Auf diese Weise würde der glatte Muskel, der schon durch den gekreuzten Verlauf seiner Fasern den Gedanken an eine ihm mögliche Veränderung der Lage der Lider ausschliesst i), einer Erklärung zugänglich. E. Nerven der Lider. Die Innervation der Lider und der Conjunctiva pal- pebralis geschieht durch deii zweiten Ast des Trigeminus, der zusammen mit dem dritten Aste ein gemeinschaftli- ches Ganglion ausserhalb der Schädelhöhle hat. Die ersten Nachrichten über diese Nerven verdanken wir Fisch er^;, und gilt für sie, was ich seiner Zeit bezüglich der Nerven der Augenmuskeln anmerkte, dass sie nämlich seit diesen ausgezeichneten Mittheilungen keiner neuen Untersuchung unterworfen worden sind. Es dürfte somit vielleicht nicht unpassend erscheinen kurz zu schildern, welcher Art der Ver- lauf des zweiten Astes des Trigeminus bei Lacertaist, vor allem da ich bezüglich dieses Thieres die Fischer 'sehen Angaben in manchen Punkten erweitern kann. 1) Ganz abgesehen davon, dass wir nach unseren vorläufigen physiologischen Kenntnissen gar nicht berechtigt sind, einem glatten Muskel „so rasche" Bewegungen, wie dies Leydig auch hervor- hebt, zuzuschreiben. 2) Fischer: Die Gehirnnerven der Saurier. Hamburg 1852. üeber die Nebenorgene des Auges der Reptilien. 319 Genannter Ast ^) zieht über die Kaumuskeln weg zur Augenhöhle und theilt sich, sobald er den Rand des M. tem- poralis erreicht hat, in zwei Aeste. Der eine (N. inf ra or- bital is) derselben, und zwar der bei weitem stärkste, setzt seinen Verlauf zur Augenhöhle in gerader Richtung fort und durchbohrt, nachdem er dieselbe erreicht hat, den Muse, depressor palpebrae inferioris. Zwischen dem Bul- bus und dem Muskel, demselben eng anliegend, zieht er nach vorn, durchbohrt in der Nähe des vorderen Augen- winkels den Muskel nochmals und dringt in das Foramen palatinum^) ein. Von hier aus setzt er als N. dentalis (seu N. alveolaris sup.) seinen Weg im Knochenkanal des Oberkiefers weiter fort, von Stelle zu Stelle Aeste an die Zähne und die äussere Haut der Gesichtsfläche abgebend ; diese letzteren treten durch die feinen Löcher oberhalb der Zähne durch die Knochenwand des Oberkiefers nach Aussen. Die Verbindungszweige des zweiten Astes des Trige- minus zum ram. palatinus nervi facialis (Fischer) erblicke ich ebenfalls bei unseren Lacerten in Gestalt von 1—2 (?) feinen Reiserchen, die den N. infraorbitalis , während der- selbe noch innerhalb des M. depressor palp. inf. verläuft, verlassen. Von Belang ist es mir besonders hervorzuheben, dass der N. infraorbitalis, sobald er in die Augenhöhle getreten ist, stets in nächster Nachbarschaft mit der Arteria infra- orbitalis nach vorn zieht, ein Verhältniss welches ich in Fig. 9 dargestellt habe. Auf die feinen Reiserchen, welche ich dort von dem Nerven zur Arterie ziehend abgebildet habe, werde ich, da es Verbindungs-Aeste zum Drüsenaste sind, bei letzterem ausführlicher zurückkommen. Der zweite Zweig unseres Astes des Trigeminus, im Verhältnisse zum N. infraorbitalis der dorsale, verdient, trotz- dem er der schwächere ist, unsere ganz besondere Aufmerksam- keit, da er aus seinem Stamme die Aeste an die Lider und den Drüsenast, die Fischer zuerst namhaft gemacht hat, entlässt. 1) Man vergl. Fig. 9. * 2) Nicht aber „nähert er sich", nachdem er den Muskel zum 2. Mal durchbohrt hat, sofort „von innen her dem Oberkiefer- knochen", wie Fischer pag. 129 schreibt. 320 Max Weber: Aeste an das obere und untere Lid. Was Fischer in Betreff dieser mittheilt, bezieht sich auf einige grössere ausländische Saurier; die Ergebnisse meiner Unter- suchung der einheimischen Lacerten sind folgende. Wie schon gesagt ist es der dorsale Ast des zweiten Astes des Trigeminus, mit dem wir uns hier beschäftigen müssen. Die- ser theilt sich alsbald in zwei nahezu gleich starke Zweige, von denen der dorsale nach oben zum hinteren Augenw^in- kel verläuft, während der ventrale in ziemlich horizontaler Richtung dem unteren Lide zustrebt (cfr. Fig. 9). Der dorsale Ast geht nun, ohne sich weiter zu ver- zweigen, unter die zarte Haut des äusseren Augenwinkels. Erst im Bereiche der glandula lacrymalis zertheilt er sich in verschiedene Reiser. Eins, vielleicht auch einige der- selben von äusserster Feinheit treten in diese Drüse selbst ein. Dieser Fund mag vielleicht dadurch s^on grösserem Inter- esse sein, dass Fischer nichts dergleichen erwähnt, wie mir denn überhaupt keine Angabe über die Innervation der Thränendrüse bei den Sauriern bekannt geworden ist. Der eigentliche Stamm dieses Nerven, jedenfalls das stärkste der Reiser, dringt in das obere Lid, woselbst er sich noch weiter zertheilt. Auf Querschnitten des Lides sieht man da und dort in der Cutisplatte ein Nerveu- stämmchen. In der Nähe der Lamina superciliaris gewahrt man endlich einen stärkeren Nerven, der durch die Lymph- scheiden, die sich zwischen der Cutis- und Schleimhaut- platte des Lides ausspannen, Aeste zur Conjunctiva abzu- geben scheint. Von dem Aste, den ich auf Fig. 9. 3 dargestellt habe, möchte ich glauben, dass es der ramus recurrens ad nervum facialem sei. Die schöne Entdeckung dieses Ner- ven, die von Bendz^) bei Chelonia mydas gemacht wurde und auf eine Anfangsbildung des pes anserinus minor hin- weist, wurde von Fischer bei allen von ihm untersuchten Sauriern bestätigt. Fassen wir nun den ventralen Ast ins Auge so finden 1)-Bendz: Bidrag- til deu sammenligneude Anatomie af Nerv.* Glossopharyng., "Vagus, Acnes. Willisii og Hypoglossus. Kjöben- havn 1843. Üeber die Nebenorgane des Auges der Reptilien. 32l wir seine Verhältnisse im Einklang mit den uns von Fischer gemachten Angaben über diesen Nerv beilguana tuberculata; doch kann ich denselben noch einiges Genauere beifügen. Sobald der Nerv nämlich in den Umfang der Augenhöhle eingetreten ist, trifft er auf die oben bereits erwähnte Arteria infraorbitalis i), wo er den Drüsenzweig, den ich gleich ausführlich behandeln werde, abgibt. Der Stamm selbst aber zieht im unteren Lide weiter, nur wenig über dem unteren Augenhöhlenring gelagert. Von hier aus schickt er mannigfache Aeste an die Haut des oberen Lides, wie man auf Querschnitten desselben sieht. Der „Drüsenzweig" des zweiten Astes des Trigeminus. „So möchte" Fischer^) „einen sehr beständigen aber äusserst feinen Nerven nennen, der, wenigstens zuweilen, eine deutliche gangliöse Natur hat, und immer die Conjunctiva und die Härder 'sehe Drüse mit Fäden versorgt." Seit Fischer dies im Jahre 1852 niederschrieb hat sich Niemand die Mühe genommen die- sen interessanten Nerven weiter, namentlich mikroskopisch, zu untersuchen. Ich werde demselben daher eine besondere Berücksichtigung schenken, namentlich mit Rücksicht darauf, dass sein Verhalten bei Lacerta, worüber Fischer nichts sagt und ohne mikroskopische Untersuchung auch nichts sagen konnte, ein ganz besonderes zu sein scheint. Entfernt man den unteren Orbitalrand so bemerkt man durch den offen zu Tage liegenden M. depressor palp. inf. den nervus und die mit demselben verlaufende arteria infraorbitalis durchschimmern. Hat man diese nach Weg- nahme des Muskels frei gelegt, so sieht man bei aufmerk- samer Betrachtung (vergl. Fig. 9 a und g), wie die Arterie und der Nerv von Stelle zu Stelle durch feinste Fädchen verbunden sind. Gleichzeitig gewahrt man, dass, nach möglichster Entfernung des Blutcoagulum im venösen Sinus, auf welchem beide so fest aufliegen, dass sie in genanntem Coagulum einen tiefen Eindruck zurücklassen, ein Zug 1) Dieselbe entspricht der art. alveolaris sup. bei Corti: De systemate vasorum Psaramosauri grisei. Vindobonae 1847. 2) Fischer: Kopfnerven der Saurier 1852, pag. 125. Archiv f. Naturg. XXXXIII. Jahrg. 1. Bd. 21 322 Max Weber: an der Arterie nach unten ausgeübt, eine Unzahl feinster Fädchen, die von der Arterie zum darunter liegenden For- nix Conjunctivae hinübertreten, ausgespannt werden. Dieses vorläufig unklare Verhalten weist sich unter dem Mikroskope dahin aus, dass mit der Arterie, ihr eng anliegend, ein Nerv nach vorn verläuft, der sich von dem ventralen Zweige (Fig. 9 b) des dorsalen Theilungsastes des zweiten Astes des Trigeminus ablöst, und zwar genau dort, wo dieser in seinem Verlaufe zum unteren Lide die art. infraorbitalis kreuzt. Unser, der genannten Arterie anliegender Nerv (Fig. 9 g) nun gibt beständig netzartig unter einander verbundene Reiser ab, die durch den Blut- raum hin zur Conjunctiva ziehen. Die Art und Weise wie dies geschieht, nämlich durch die mehrerwähnten Lymphscheiden, die sich zwischen Conjunctiva und Muskel ausspannen, wird aus Fig. 1 1 deutlich werden. Es sind dies spärlich verzweigte, der Hauptsache nach aber strangartig sich ausspannende Canäle, die sich aus dem lymphoiden Gewebe, welches als Fortsetzung des retrorbulbären Gewe- bes den ganzen Sinus auskleidet, entwickeln. Im Uebri- gen erinnern *sie an die „bindegewebigen Balken, welche den die Oberlippendrüse umgebenden Lymphraum durch- setzen" und von Leydig^) bei Schlangen bekannt ge- macht worden sind; nur ist hier bei Lacerta alles kräfti- ger ausgebildet. Der Verlust, den unser die Conjunctiva innervirender Nerv durch Abgabe so zahlreicher Aeste beständig erlei- det, wird ebenso beständig durch Zweige, die von Stelle zu Stelle aus dem N. infraorbitalis in denselben hinüber- treten, gedeckt. Eben diese Zweige sind es, die mich oben veranlassten zu sagen, dass die Arteria und der N. infraorbitalis durch feinste Fädchen verbunden seien. Dass wir es hier in derThat mit dem von Fischer entdeckten „Drüsenzweig" zu thun haben, ist wohl nicht mehr fraglich; denn auch unser Nerv versorgt die Con- junctiva und die Harder'sche Drüse. Auch sein eigen- 1) Leydig: Ueber die Kopfdrüsen einheimischer Ophidier. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 9, Fig. 21 uud 22. Ueber die Nebenorgane des Auges der Reptilien. 323 thümlicher Verlauf, der nur dem bewaffneten Auge ersicht- lich ist, spricht nicht hiergegen. Im Gegentheil bemerken wir gerade bei dieser Art des Sehens eine neue Eigen- thümlichkeit, die mit dem interessanten Funde Fischer's^) bei Salvator Merianae übereinstimmt. Hier ist nämlich der Drüsenzweig durch eine gangliöse Natur ausgezeichnet, „indem er aus einer grossen Zahl zwar äusserst kleiner, aber schon durch eine starke Loupe wahrnehmbarer Ganglien besteht, welche von hinten nach vorn einander in gerader Linie folgend, durch feine Fäden mit einander verbunden sind und sich fast wie eine Schnur Perlen ausnehmen". Dass nun nicht nur „der Nerv, wenigstens zuweilen, eine deutliche gangliöse Natur hat", wie Fischer schreibt, sondern dass ihm dieselbe wohl überall zukomme, auch da, wo er keine perlschnurartige Bildung wie bei Salvator Merianae zeigt, möchte ich auf Grund meiner Untersuchung unserer einheimischen Eidechsen vermuthen, indem hier der „Drüsenzweig" mit Ganglienzellen vollgepfropft ist,* ohne dass sich dies durch Anschwellungen verräth. Von weitreichenderem Interesse scheint es mir aber zu sein, dass auch im ganzen Verlaufe dem N. infraorbi- talis selbst Ganglienzellen eingestreut sind; bald einzeln, bald nesterweise, ganz besonders dort wo Aeste von ihm abgehen. Sollte dies nicht ebenfalls ein Streiflicht werfen auf die noch immer strittige Natur der Ganglien (Ganglion Bochdaleki) im Ramus supramaxillaris nervi trigemini? F. Bewegung der Lider. Wenn ich hier zum ersten Mal versuche eine Beschrei- bung der Art der Bewegung der Lider bei den Sauriern zu geben, so muss sich diese auf die Nickhaut und die beiden horizontalen Lider erstrecken. Was die Nickhaut angeht, so sei über deren Bewe- gung angemerkt, dass sie unabhängig von derjenigen der beiden andern Lider vor sich geht. Bei unseren Lacer- ten kann sie vom inneren Augenwinkel her, über das 1) Fischer: Die Gehirnnerven der Saurier, 1852. pa^. 126. 324 Max Weber: ganze Auge bis zum äusseren Augenwinkel vorgezogen werden. Ruft man sicli ins Gedäcbtniss zurück, dass die Nickliaut wesentlich eine Falte der Conjunctiva ist, so wird sofort die grosse Bedeutung des spangenartigen Knor- pelstreifens, den uns Leydig^) von der Nickhaut beschrie- ben hat, einleuchten, um so mehr als die Zuglinie, die wir uns, von der Sehne ausgehend in deren Richtung verlän- gert denken, auf der Mitte dieser Spange senkrecht steht. Dieselbe wird somit die Nickhaut, die sonst wohl beim Zuge durch die Sehne in deren Richtung in zahlreiche Falten sich zusammenlegen würde, gespannt erhalten. Die Art, wie die Bewegung zu Stande kommt, bedarf wohl, nach Auseinandersetzung des leicht verständlichen Apparates hierzu, keiner weiteren Worte. Die Schnellig- keit der Bewegung entspricht der quergestreiften Natur genannter Muskulatur. Wie bei den Vögeln, schnellt auch hier beim Nachlassen der Muskelwirkung, die das dritte Lid über das Auge zog, dasselbe durch seine Elasticität in seine g'ewöhnliche Lage: den inneren Augenwinkel zurück. Unverhältnissmässig schwieriger liegen die Verhält- nisse, wenn wir uns die Bewegung des oberen und unte- ren Lides aus dem anatomischen Befunde erklären wollen. Leicht verständlich wäre allerdings die Bewegung, wenn jene Forscher, die einen complicirten Muskelapparat von dieser Stelle angeben, im Rechte wären. Dem ist jedoch für unsere hieländischen Saurier nicht so. Vielmehr — und es möge mir gestattet sein dies hier nochmals zu wieder- holen— findet sich mit Ausnahme jenes von Leydig ent- deckten glatten Muskels, welchem wir nach dem Vorgange des genannten Forschers keinen Einfluss auf die Lid-Be- wegung zuschreiben können, nur ein Muskel in dem ganzen Lidapparat. Ich bezeichnete denselben, der von querge- streifter Natur ist, als Muse, depressor palpebrae inferioris. Von einem Muse, levator des unteren oder oberen Lides aber wurde ebensowenig wie von einem Muse. 1) Leydig: Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier. 1872, pag. 81. ÜGber die Nebenorgane des Auges der Reptilien, 325 depressor des letzteren oder gar von einem circulären Muse, orbicularis palpebrarum etwas bemerkt. Befinde ich mich somit in Widerspruch mit einer Reihe von Autoren, die, der eine diesen der andere jenen, der von mir als fehlend bezeichneten Muskeln anführen, und die meinem Dafürhalten nach von den Crocodilen, Schildkröten, zum Theil gar von den Vögeln auf unsere Thiere übertragen worden sind (oder sollten sich diese von ausländischen Verwandten so sehr unterscheiden?), so glaube ich dennoch darlegen zu können, dass dieser sparsam eingerichtete Muskelappa- rat vollkommen ausreicht, um die Bewegungen, wie sie die Lider bei Lacerta ausführen, zu erzielen. Mit Bezug auf diese Bewegungen wurde bereits früher von mir, gegensätzlich zum oberen Lide hervorgehoben, dass das untere Lid ein höchst bewegliches Organ sei. Dies konnte denn bei einem so sehr zu Tage liegenden Gebilde auch den älteren Forschern nicht entgehen. Sie sowohl, wie auch die neueren Untersucher, bezeichnen das untere Lid als das vorzüglich bewegliche und sagen von ihm aus, dass es beim Lidschluss emporsteige ; mit welcher Notiz aber die Berichte über die Lidbewegung erschöpft sind. Und in der That wird das Schliessen der Augen da- durch bewerkstelligt, dass das untere Lid ganz emporsteigt und das Auge bedeckt, während das obere Lid kaum merklich herabsinkt. Was überhaupt die Bewegung des oberen Lides angeht, so kann diese von zweierlei Art sein. Einmal, und dies ist die hauptsächlichste Bewegung desselben, kann die lamina superciliaris, die ich ja zum oberen Lide rechne, sich in ihrem charnierartigen Gelenk am oberen Orbitalrande von oben nach unten bewegen , während der „häutige" Theil des Lides, der senkrecht vor dem Auge herabhängt, im Uebrigen in seiner Lage zur lamina super- ciliaris verbleibend, ihrer Bewegung folgt. Zum anderen Mal senkt sich bloss der häutige Theil ohne Mitbetheili- gung der Brauenplatte. Diese Bewegung, die, wie wir gleich sehen werden , nicht häufig auftritt, ist noch dazu mehr eine Entfaltung als eigentliche Senkung des Lides. Zur näheren Erklärung sei bemerkt, dass gewöhnlich 326 Max Weber: die Superciliarplatte in sanfter Wölbung die Ebene der Stirnfläche tiberragt. Diese Wölbung verschwindet, um in die gleiche Ebene zu treten, d. h. das Lid senkt sich, bei starker Retraction des Bulbus. Weit weniger wird die geschilderte Lageveränderung eingeleitet bei forcirtem Blick nach unten. Während naturgemäss der häutige, senkrecht gestellte Theil des oberen Lides diese Bewegungen, ohne seine Lage zur Brauenplatte zu verändern, mitmacht, entfaltet er bei letztgenannter Blickrichtung seine immerhin schmale Fläche. Der Lidrücken nämlich, von dem ich bereits angab, dass er durch Einfaltung nach Innen unter der lamina superci- liaris verborgen sei, tritt ganz hervor; eine Art der Bewe- gung, die mit einer Senkung des Lides eigentlich nichts zu thun hat, sondern gebunden ist an diejenige der Augen. Hiermit im Einklang tritt bei Bewegung der Blickachse nach oben der gegensätzliche Zustand der Entfaltung des Lides ein; dasselbe wird möglichst verschmälert, sodass nur der Lidrand und die Brauenplatte hervorsieht. Es zeigen sich nun sowohl diese Bewegungen als auch die der lamina superciliaris in engster Verbindung mit dem anatomischen Befunde, der ebenfalls ausweist, dass das obere Lid nahezu in ganzer Ausdehnung mit dem Bulbus eng verbunden ist. Dieses folgt mithin den Bewe- gungen des Augapfels, soweit sie im Stande sind auf das obere Lid einen Zug auszuüben; Verhältnisse, wie sie uns bei Amphibien, auch wohl bei Selachiern begegnen. Dürfte so die Betheiligung des oberen Lides an der Lidbewegung klar gelegt sein, so liegt nun die Frage vor: wie kommt die Bewegung des unteren Lides, welches sich, trotzdem es nur einen Muse, depressor besitzt, über das ganze Auge emporhebt, zu Stande? Meine Antwort auf diese Frage würde dahin lauten, dass bei offenem Auge der Muse, depressor in beständiger Contraction sei. Will das Thier das Auge schliessen, das untere Lid mithin in die Höhe steigen lassen, so erschlafft der Muskel und das Lid steigt in die Höhe. Welcher Art aber sind die Kräfte, die dies bewirken, vermöge derer das Lid, ohne Hülfe von Muskelarbeit, die Schwerkraft überwindet? lieber die Nebenorgane des Auges der Reptilien. 327 Zur Beantwortung dieser Hauptfrage möchte ich nun drei zum Emporheben des Lides synergisch wirkende Fac- toren zu Hülfe ziehen. 1. Vom meisten Belang zur Erzielung der fraglichen Wirkung scheint mir noch der Ausläufer des orbitalen Sinus, der sich, von bedeutender Mächtigkeit, in das untere Lid bis zum Tarsus erstreckt, zu sein. — Bei Contractioji des Muse, depressor muss das Blut, durch das herabstei- gende und sich in seinem orbitalen Theil zusammenfal- tende Lid nach unten und den Seiten zu, aus demselben entweichen. Nichts ist nun wohl einfacher, als sich vor- zustellen, wie das Blut bei nachlassender Contraction mit grosser Kraft in das verlassene, nun wieder zugängliche Bett zurückströmt. In den Raum zwischen der stark zusammengefalteten Conjunctiva und dem erschlafften Mus- kel eindringend, der über sich den Tarsalknorpel hat, wird man seinem Andränge allein schon die Fähigkeit zuschrei- ben dürfen, das Lid emporzuheben. 2. Eben diese Faltung der Conjunctiva sowohl wie die Einstülpungen der äusseren Lidplatte bei geöffnetem Augenlid, die bei der Ausdehnung der vielfach gefalteten Theile eine bedeutende Tendenz haben müssen sich wieder zu entfalten, möchte ich noch besonders betonen. Um so mehr als die Elasticität all dieser Gewebe, die sich im geschilderten Zustand befinden, eine neue Kraftquelle ist, die im Verein mit den nach Ausgleichung strebenden Fal- ten des Lides sofort bei nachlassender Contraction des Muse, depressor ihre Spannkraft in Bewegung des Lides nach oben umsetzen werde. 3. Möchte ich zu bedenken geben, ob nicht bei Em- porschnellen des unteren Lides an einen ähnlichen Vorgang gedacht werden kann, wie wir ihn von der Bewegung der Nickhaut der Säuger kennen. Hier wird ja bei Retraction des Auges durch den M. suspensorius oculi (seu retractor) der in der Nickhaut befindliche Knorpel zwischen Innen- wand der Orbita und Augapfel eingeklemmt. Dem mit der Retraction des Auges zunehmenden Drucke weicht er nun durch Vorschnellen aus. An etwas ähnliches wenn auch in einzelnen Punkten abweichendes könnte man nun 328 Max Weber: vielleicht auch hier denken. Bei offenem Lide ist der Lidknorpel zwischen Augapfel und Jugale eingeklemmt. Seinem Streben, die Lage vor der Cornea einzunehmen, wird er nun sofort beim Nachlassen der Contraction des Muse, depressor Folge leisten, was ihm um so leichter werden dürfte als im Moment des Lidschlusses das Auge, wie ich zu sehen glaube, retrahirt wird, so dass der gekrümmte Knorpel leicht an dem Augapfel vorbeischnellen kann. Diese drei Kräfte, die bei nachlassender Contraction des Herabziehers des unteren Lides gleichzeitig wirken müssen, um so mehr als sie zum Theil in einem gegen- seitigen Abhängigkeits-Verhältniss zu einander stehen, dürften wohl vollkommen ausreichend sein, um ein so zar- tes Gebilde, welchem durch seine Natur und seine örtliche Beziehung zu den Nachbar-Organen eine Lageveränderung so leicht gemacht ist, der Schwere entgegen zu heben. II. Die Drüsen der Augenhöhle. Wie bekannt finden sich zwei Arten von Drüsen in der Augenhöhle unserer Lacerten: die eigentliche Thrä- nendrüse, glandula lacrymalis, und die Nickhautdrüse, glan- dula Harderi. lieber beide Drüsen hat sich Leydig^) in reichhaltigster Weise verbreitet ; mir bleibt daher, will ich nicht Bekanntes wiederholen, nur noch die Besprechung zweier bisher noch nicht berücksichtigter Punkte, die in gegenwärtigen Abschnitt gehören, übrig. Der eine betrifft die Innervation der Drüsen. Diesbezüglich merkte ich schon an, dass in die glandula lacrymalis eins vielleicht auch einige feine Reiser (Fig. 9. 2) eindringen, die aus dem Zweige (Fig. 9. c) des zweiten Trigeminus-Astes an das obere Lid stammen. Was ferner die Innervation der glandula Harderi angeht, so hatte ich schon Gelegenheit zn melden, dass ich mich hierin Eis eher 2) anschliessen könne, wenn er 1) Leydig: Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier. 1872 pag. 82 und: lieber die Kopfdrüsen einheimischer Ophidier. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 9, pag. 644 fif. 2) Fischer: Die Gehirnnerven der Saurier. Hamburg 1852, pag. 125. üeber die Nebenorgane des Auges der ReptiRea.^ 329 angebe, dass dies durch seinen „Drüsenzweig" geschehe. Da dieser (Fig. 9^. g) ein Zweig des Astes (b) für das untere Lid ist, so geschieht die Innervation beider Drüsen durch den zweiten Ast des Trigeminus und zwar durch dessen dorsalen Ast, der, wie wir ja früher sahen, sich alsbald in je einen Zweig für das obere und untere Lid theilt. Der zweite Punkt, der eine genauere Besprechung erheischt, betrifft die Thränenwege unserer Lacerten, über die bisher noch jede genauere Einsicht fehlt. Die Schilderung derselben will ich mit Anführung dessen, was bezüglich ihrer in der Literatur niedergelegt ist, beginnen. Eine Untersuchung etwa in der Art wie Cloquet sie über die Thränenwege der Schlangen gepflogen hat, fehlt gänzlich. Bei Cuvier, Meckel, Wagner findet sich keine Andeutung des in Frage stehenden Apparates für keinen der Saurier, und so dürfte vielleicht die erste hierher gehörige Erwähnung bei Blainville*) geschehen. Die- selbe, von der es mehr als fraglich ist, ob sie sich auf das Genus Lacerta bezieht, lautet: „J'ai rarement vu d'une maniere certaine les pores lacrymaux, mais j'ai toujours trouve que le trou de Tos unguis contenait un large canal qui s'ouvrait quelquefois d'une maniere evidente dans la cavite nasal". Eine reichhaltige Ergänzung hierzu erfahren wir durch Stannius^) nicht, wenn er vom Thränenapparat sagt: „Eine Oeffnung im os lacrymale führt in einen weiten, auswendig vom knorpeligen Nasengerüst gelegenen, vom Oberkiefer begrenzten Thränencanal, der an der Aussen- wand des hinteren Nasenganges, nahe seiner Communica- tion mit dem Rachen, ausmündet". Diesen aphoristischen Berichten gegenüber, die nament- lich gar nichts von den Puncta lacrymalia und deren Fort- setzung melden, begrüssen wir gerade über diesen Punkt 1) Blainville; De l'organisation des animaux 1822. pag. 418. 2) Stannius: Handbuch der Zootomie. 2. Th. 1856, pag. 171. 330 Max Weber: bei Leydig*) die ersten Angaben. Nach ihm: „sind Thränenröhrchen am inneren Augenwinkel zugegen. Man wird ihrer am besten gewahr, indem man die Nickhaut scharf ausschneidet; dadurch wird die Lichtung der nahe beisammenstehenden Röhrchen offen gelegt und die nähere Prüfung ergibt, dass sie mit demselben an Becherzellen reichen Epithel ausgekleidet sind, wie es die Conjunctiva besitzt. Die Röhrchen werden von Blutgefässen umzogen; eine Borste in das Lumen der Thränencanäle eingeführt, gelangt in die Nasenhöhle." Die Lücke über die Mündung der Thränenröhrchen etwa in einen Thränensack, endlich die des Thränennasen- ganges ist seither nicht ausgefüllt worden; denn Leuckart^) constatirt nur, nach Auseinandersetzung der Thränenwege bei den Vögeln: „ Aehnlich verhält es sich mit den Reptilien". Auch Solger^), der bei seiner Untersuchung der Nasenwandung der Reptilien kurz auf den Thränencanal zu sprechen kommt, berichtet nur von einer Nasenmündung desselben bei Pseudopus, Chamaeleo und Tropidurus. Mit Rücksicht auf diese dürftigen Mittheilungen, von denen eigentlich nur die von Leydig gegebene für uns von Bedeutung ist, werde ich meine Ergebnisse etwas ausführlicher darlegen. Dieselben sind — und es dürfte schwer halten auf anderem Wege zu einer genauen Einsicht zu gelangen — da- durch gewonnen, dass ich ganz nach der Methode Kleinen- bergs, die uns Born^) liir unsere Zwecke specialisirt angegeben hat, verfuhr und den Kopf von Lacerta agilis und muralis in Schnittserien zerlegte. Was zunächst die Eingänge in die beiden Thränen- canälchen, also das was man bei höheren Thieren Puncta lacrymalia nennt, anbelangt, so ist hervorzuheben, dass 1) Leydig: Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier, 1872, pag. 83. 2) Leuckart: Organologie des Auges in: Graefe und Sae- misch: Handbuch der Augenheilkunde. Bd. II. 1875, pag. 279. 3) Solger: Beiträge zur Kenntniss der Nasenwandung etc. Morphol. Jahrbuch Bd. I, 1876, pag. 482. 4) Born: Ueber die Nasenhöhlen und den Thränennasengang der Amphibien. Morpholog. Jahrbuch Bd. II, pag. 580 fif. Ueber die Nebenorgane des Auges der Reptilien. 331 dieselben ähnliche Verhältnisse wie die der Vögel darbieten. Es sind nämlich ebenfalls spaltförmige Oeffnungen, die sich am besten mit der einer schräg geschnittenen Federspule vergleichen lassen. Die Fig. 12 wird ferner darthun, dass sie auch in der Lage mit denen der Vögel übereinstimmen: beide liegen dicht neben einander am inneren Augenwinkel, doch so, dass das untere schon im unteren Lide sich befindet. Von Belang für den leichten Einfluss der Thränenfeuchtigkeit und daher wohl der Erwähnung werth mag es sein, dass beide rinnenförmig anfangen, der Art, dass in der inneren Lidkante für jedes der Thränenröhrchen, nament- lich aber für das untere ein halbkreisförmiger Ausschnitt sich vorfindet. Aus dem Mitgetheilten geht wohl hervor, dass die Bezeichnung Punctum lacrymale, soll sie wenig- stens eine Vorstellung von der Form des Beginnes der Thränancanälchen geben, für unsere Thiere nicht passt. Die genannten Rinnen führen in zwei Hohlgänge: Canaliculi lacrymales, die dicht nebeneinander in fast horizontaler, nur wenig schräg nach unten gehen- der Richtung vom inneren Augenwinkel her zum Foramen lacrymale verlaufen. Sie liegen in der Schleimhautplatte des Lides und geht das Epithel der Conjunctiva continuir- lich in Form von Becherzellen in dieselben hinein. Beide Röhrchen, die auch weiterhin übereinander gelagert bleiben, sind durch eine dicke Bindegewebsschicht getrennt, die, da dieselben allmählich convergirend verlaufen, dement- sprechend an Mächtigkeit abnimmt. So wird diese Schicht, während sie anfangs die Breite eines Thränenröhrchens hatte, immer schmaler, bis zuletzt nur noch die beider- seitige Epithel-Auskleidung die Thränenröhrchen scheidet. Auch diese schwindet endlich: die beiden Canäle haben sich zu einem vereinigt. Die Lichtung beider Thränenröhrchen scheint keine ganz gleiche zu sein, auf allen Querschnitten sehe ich näm- lich, dass das obere stets um ein Gutes weiter ist als das untere. Mag dies nun auch zum Theil der Ausdruck des wahren Zustandes sein, so glaube ich doch andererseits, dass dies ganz wesentlich der Art des Verlaufes des oberen Thränenröhrchens in Anrechnung zu bringen ist. Diese 332 Max Weber: allmähliche Convergenz nämlich, die von beiden schon ausgesagt wurde, kommt vorzugsweise durch den schrägen, nach abwärts gerichteten Verlauf des oberen Thränen- röhrchens zu Stande, während das untere in mehr horizon- taler Richtung zum Foramen lacrymale eilt. Auf dem Querschnitt wird daher ein grösseres Stück des ersteren getroffen werden und dem Beobachter das an und für sich schon weitere Caliber noch weiter erscheinen lassen. Oben wurde schon gemeldet, dass das Resultat der Convergenz beider Canaliculi das endliche Aufgehen in einen einzigen Hohlgang sei. Da seine Weite derjenigen der beiden Thränenröhrchen zusammen genommen entspricht, deren directe Fortsetzung er bildet, so fehlt uns die Berech- tigung von einem Saccus lacrymalis zu sprechen. Wir haben es vielmehr mit einem einfachen ductus naso-lacry- malis zu thun, der nebenbei schon durch seine Kürze eine Trennung in einen Saccus und einen ductus unmöglich macht, da anderenfalls der Saccus dem ductus und umge- kehrt nichts mehr übrig lassen würde. Diese mehrer- wähnte Vereinigung beider Thränenröhrchen geschieht nun sobald dieselben in das For amen lacrymale eingetreten sind. Dasselbe wird gebildet nach aussen vom Lacrymale i), nach Innen vom Praefrontale ; beide haben nämlich einen halbkreisförmigen Ausschnitt, der sich mit dem des angela- gerten Knochens zu einem ovalen Loche vereinigt. Von hier an haben wir den ductus nasolacrymalis zu rechnen. Seine knöcherne Wandung beginnt also mit dem Praefrontale und Lacrymale. Letzteres wird allmäh- lich von der senkrecht aufsteigenden Platte des Oberkie- fers, welcher sich das Lacrymale anlehnt, vertreten, sodass der Oberkiefer weiter nach vorn die laterale Wand des Thränencanals bildet. Das Frontale anter. grenzte ur- sprünglich den Canal nach unten, oben und medianwärts ab, da es sich jedoch von unten her nach der Nasenhöhle zu verschmälert, und dem entsprechend den Canal bald 1) Auf diese, von der bisherigen Deutung abweichende Auf- fassung des lacrymale und frontale ant. wurde schon oben aufmerk- sam gemacht und auf eine demnächstige nähere Darlegung verwiesen. lieber die Nebenorgane des Auges der Reptilien. 333 nur noch oben überdeckt, so wird seine Stelle durch einen Theil des Nasenknorpels verfangen. Dieser Knorpel, der vor der Mündung des Canals dessen obere, untere und mediale Wand darstellt, verdient wohl in seinem Verlaufe eine nähere Berücksichtigung; auch wird bei der Kennt- nissnahme, wie er sich auf den Serienschnitten von der Augenhöhle an darthut, der Weg, den der Thränencanal nimmt, am deutlichsten werden. So Ige r^) hat darauf aufmerksam gemacht, „dass ein knorpeliger Fortsatz" der Nasenkapsel, die sich an der Bildung der Wand des Thränencanals betheiligt, „am Boden der Orbita, bald frei zu Tage liegend, bald von Knochen mehr oder weniger umschlossen, noch über den Anfang des Canals sich hinauserstreckt". Ich kann mit seiner Beschreibung übereinstimmen und nur noch hervorheben, dass „der Anfang, der über den Thränencanal sich hinauserstreckt" mit diesem zunächst nicht zusammenhängt; es zeigt sich vielmehr (ich unter- suchte L. muralis und agilis) die erste Spur dieses Knor- pels in der Orbita am Foramen palatinum. Die beigege- bene schematische Fig. 13 gibt uns ein Bild, wenn auch nicht gerade von dem ersten Anfang des Knorpels K, so doch ganz aus dessen Nähe. Hier ist es nun nöthig ein- zufügen, dass die Arteria und der Nervus infraorbitalis, nachdem sie durch das Foramen palatinum hindurchgetreten sind, nicht sofort in den geschlossenen Oberkiefercanal eintreten, sondern dazwischen eine Strecke weit in einem Ausschnitt der Gaumenplatte des Oberkiefers nach vorn ziehen, der oben zum Theil von einem zungenförmigen Fortsatz des Palatinum überdeckt ist. Die Lücke aber, die hier bleibt, ist ausgefüllt von dem Knorpel K, wie Fig. 13 zeigt. In dem Maasse wie dieser Oberkieferfortsatz des Palatinum in der Richtung nach vorn an Breite abnimmt, wächst der Knorpel, der, da sich während dessen der Nerv und die Arterie in den ringsgeschlossenen Oberkiefercanal begeben haben, seine Rolle als Ueberdachung dieser Weich- lySolger: Beiträge zur Kenntniss der Nasenwandung der Reptilien etc. Morphol. Jahrbuch Bd. I, pag. 482. 334 Max Weber: theile aufgegeben hat, statt dessen aber den Thränencanal, der sich gleich nach seinem Durchtritt durch das Thränen- loch etwas gesenkt hat, nach unten abgrenzt. So liegt also dieser Canal zwischen der Gesichtsplatte des Oberkiefers, dem Lacrymale und dem Frontale anterius, die ihn lateral, medial und oben umgeben; sein Boden aber wird von dem Knorpel gebildet. Ich bemerkte schon oben, dass der Theil des Praefrontale, der sich an der Bildung des Foramen lacrymale betheiligt, sich fortsatzartig ^) in die Nasenhöhle erstrecke; derselbe verschmälert sich von unten her je weiter wir nach vorn gehen und bildet bald allein noch die obere Bedeckung des Thränencanals. In dem Maasse, wie dies geschieht, hat der Knorpel, der bisher nur den Boden des Canals abgab, sich vergrössert und Bethei- ligung an der Bildung der medialen Wand gewonnen. Ein Schnitt in dieser Gegend geführt bringt uns ein Bild, wie Fig. 14 zeigt, zur Ansicht. Wir sehen den Thränencanal T lateral vom senkrechten Fortsatz des Oberkiefers, dem sich nur noch ein kleiner Ueberrest des Lacrymale oben anlehnt, abgegrenzt. An dieses schliesst sich das Praefron- tale an, von welchem nunmehr bloss ein kleiner Fortsatz an der Bildung der medialen Wand sich betheiligt. Diese wird hauptsächlich durch den Knorpel dargestellt, der auch unten mit der Gaumenplatte des Oberkiefers zusammen den Ab- schluss macht. Einige Schnitte weiter nach vorn sehen wir nichts mehr von einem Lacrymale ebensowenig wie von dem Praefrontale ; der Knorpel hat sich an dem senkrechten Fortsatz des Oberkiefers angelegt und umschliesst mit die- sem und dem Gaumenfortsatz des genannten Knochens allein den Thränencanal. Ehe wir nun zusehen, wie sich auf unseren weiteren Schnitten der Thränencanal verhält, ist es nöthig auf zwei Fortsätze des Knorpels aufmerksam zu machen, die in Fig. 14 mit a und b bezeichnet sind. Der Höcker a ist nämlich das am meisten nach hinten liegende Ende der Muschel. Verfolgen wir denselben weiter 1) Ich brauche hier wohl kaum besonders zu bemerken, dass alle diese Verhältnisse winzig klein sind, handelt es sich doch bei dem Thränencanal nur um die Länge einiger Millimeter. Ueber die Nebenorg-ane des Auges der Reptilien. 335 nach vorn, so sehen wir, wie der Fortsatz, der sich auf Fig. 14 noch an das Praefrontale anlehnt, schalenförmig dem jetzt senkrecht aufsteigenden Fortsatz des Oberkiefers anliegt und der Höcker a sich nach der Medianlinie zu der Muschel erhoben hat. Die aufeinanderfolgenden Schnitte weisen ferner auf das Deutlichste aus, dass der Fortsatz b nach vorn zu an Ausdehnung »ach der Medianlinie hin gewinnt, und mit dem Gaumenfortsatz des Oberkiefers eine an Tiefe zuneh- mende Rinne darstellt. Die Oeffnung derselben schaut nach den Choanen — denn in deren Bereich befinden wir uns jetzt — während ihr blindes Ende dem Boden des Thränencanals zugewandt ist; im Uebrigen ist sie mit Epithel ausgekleidet, welches Becherzellen aufweist und sich von dem benachbarten Epithel des Nasenraumes nicht unterscheidet. Was nun das Wichtigste für uns ist, die Verände- rungen, deren diese Rinne und der Thränencanal in ihrer Beziehung zu einander unterliegen, von dem Zustande, wie ich ihn in Fig. 14 bis zu dem in Fig. 15 vor Augen geführt habe, so lassen sich diese folgendermaassen angeben. Der knorpelige Theil, der mit dem Gaumenfortsatz des Oberkie- fers zusammen den Boden des Thränencanals ausmachte und diesen von dem blinden Ende der Rinne trennte, schwindet mit zunehmender Ausbildung der Muschel — also je mehr wir uns der Mitte der Choanen von hinten her nähern — mehr und mehr, sodass zuletzt nur noch die beiderseitige Epithellage Thränennasengang und Rinne scheidet. Haben wir endlich die Gegend vor uns, die Fig. 15 darstellt, so sehen wir unterhalb der Muschel überhaupt nichts mehr von dem lateralen Nasenknorpel; die dorsale Wand der Rinne ist nur noch eine Duplicatur des Epithels, welcher der stützende Knorpel fehlt. Sie selbst aber steht in offener Verbindung mit dem Thränennasengang. Hier haben wir also dessen Mün düng in die Choanen, und zwar in deren Mitte, vor uns. Indem nun näher den Nasen- löchern zu, der Knorpelstiel der Muschel, welcher dem Oberkiefer anliegt weiter und weiter nach dessen Gaumen- fortsatz herabrückt, wird hiermit zugleich die Lichtung des 336 Max Weber: Thränencaüals immer mehr herabgedrückt, der Art, dass ein Schnitt durch den Kopf am vorderen Ende der Choanen von demselben nichts mehr ausweist. Die Ausmtindung geschieht mithin ungefähr in der Mitte der Choanen, durch eine Rinne, die sich nach der Rachenhöhle hin öffnet. Bei Lac. viridis und ocellata findet sich die Mündung an gleicher Stelle, wie mich eine in die Thränenröhrchen eingeführte Borste belehrte. Dass diese zunächst nicht an den Choanen sondern erst kurz vordem Jacobson 'sehen Organ in der Rachenhöhle zu Tage tritt, ist klar, wenn man bedenkt, dass sie, einmal durch die Choanen gelangt, ihre schräge Führungslinie in der Fortsetzung der Rinne zwischen dem stets nach vorn zu schmaler werdenden Gaumenfortsatz des Oberkiefers und dem Vomer beibehält und demgemäss erst am genannten Orte zu Tage tritt; jedoch kann man sie aus dieser Furche leicht bis zu den Choanen herausziehen. Der Thränenuasengang ist ebenso wie die Thränenröhr- chen von Becherzellen ausgekleidet und seine häutige Wand hier und da von sinuös ausgeweitetem Gewebe umgeben, wel- ches an Bluträume in kleinstem Maassstabe denken lässt. Erklärung der Abbildungen. Tafel XVI. Fig. 1. Seitenansicht des Schädels von Lacerta viridis zur Demonstration der Augenhöhle, des Ursprungs der Augenmuskeln und des Austrittes der Augenmuskelnerven. Das Jugale ist durch- sichtig gehalten; der knorpelige Theil des Septum interorbitale ist durch blaue, die Muskeln durch rothe, die Nerven durch gelbe Farbe ausgezeichnet. m. s. J- f. a. Maxillare superius. Jugale. Frontale anterius. 1. Lacrymale. Palatinum. f. pr. f. p. p. t. Frontale principale (Cuvier). Frontale posterius. Pterygoid. , Ueber die Nebenorgane Ast zum M. rectus inferior. III, 4. ventraler ) III, 5. Ast zum M. obliquus inferior. III, 6. Ast zum M. rectus externus. IV, Trochlearis. V, 1. Erster Ast des Trigeminus. V, a. Ramus frontalis. V, b. Ramus nasalis. V, c. Ramus ciliaris, der sich in das Ganglion ciliare einsenkt. VI. Abducens. VI, a. Aeste, die sich im M. bursalis und retractor oculi ver- breiten. Tafel XV IL Fig. 5. Schnitt durch das untere Lid von L. agilis. Das ganze Lid ist im Verhältniss zur Vergrösserung (800 : 1) etwafi verkürzt gehalten. c. Cuticula der Epidermis, e. Epidermis. c. o. Corium. C. E. Epithel der Conjunetiva. T. Tarsus. b. Becherzellen der Conjunetiva. a. Dergleichen Zellen in einem Halbcanal oberhalb des Tarsus. Ueber die Nebenorgane des Auges der Reptilien. 339 F. Fornix Conjunctivae. V. Sinuös erweiterte Venen. V. s. Partien des Sinus orbitalis, die sich in das untere Lid erstrecken, s. Septa, lymphscheidiger Natur, die sich durch den Sinus ausspannen (cfr. Fig. 11). n, i. Nervus infraorbitalis. a. i. Arteria infraorbitalis. n. g. „Drüsenast" (Fischer). m. d. Musculus depressor palpebrae inferioris. n. p. Bamus palpebralis aus dem 2. Ast des Trigeminus. L. Lymphscheiden, g. glatter Muskel. g. 1. Derselbe in der Cutisplatte, j. Contour des Jugale. Fig. 6. Schnitt durch das obere Lid von L. viridis. Es ist der „häutige" Theil des Lides, der senkrecht vor dem Auge herab- hängt, dargestellt. Man sieht den vertieften Lidrücken überragt von der Fortsetzung der Lamina superciliaris , von welcher in 1. s. ein TheiJ sichtbar wird; auch tritt der stark verbreiterte und aus- gebuchtete Lidrand charakteristisch hervor. 0. Orangefarbiges Pigment (Leydig). V. Bindegewebige Stränge, welche Blutgefässe führen und in den äussersten Superciliarknochen 1. s. eindringen ; derselbe liegt in der mittleren Lage der Lederhaut, c. o. 2. Untere Grenzschicht der Lederhaut. Die übrigen Bezeichnungen wie in Fig. 5. Fig. 7. Querschnitt durch die Augenhöhle der Lacerta agilis, der den Bulbus in der Mittellinie trifft; zur Demonstration des topographischen Verhaltens der in derselben gelegenen Weichtheile. Die blaue Farbe dient zur Versinnlichung des venösen Sinus orbitalis. Die quergestreifte Muskulatur ist roth, die glatte grün gehalten. Der Conjunctivalsack ist durch einen dunklen Contour kenntlich gemacht. J. Jugale. P. S. Praesphenoid, ein Knorpelstab, der eine Stütze abgibt für die C. l. Cartilago interorbitalis. F. P. Frontale principale. B. 0. Bulbus olfactorius. P. H. Gaumendecke (häutig), gl. H. Glandula Harderi. 1. s. Lamina superciliaris. T. Tarsus. 0. 1. r. i. 0. s. t. n. i. D. c. n. P- n. X. P- Fi b. P- r. t. 340 Max Weber: m. (1. Musculus depressor palpebrae inferioris, der am Septum interorbitale entspringt und am Tarsus (Tj sich ansetzt. Muse, obliquus inferior. Muse, rectus internus. Muse, obliquus superior. Nickhautsehne, die man einmal unter der Conjunctiva, das andere Mal zwischen dem M. rectus internus, M. obliquus superior und dem Bulbus sieht. Nervus infraorbitalis. Drüsenast (Fischer). Aeste des Trigeminus an die Lider. Nervus opticus. Ort wo die Lamina superciliaris am oberen Augenhöhlen- rande gelenkt. Fig. 8. Der Musculus bursalis der Lacerten. Dessen portio bursalis. Dessen portio retrahens. Die Nickhautsehne, die durch den Muskelcanal durch- tritt. Die Pfeile deuten die Richtung des Verlaufes der Sehne zur Nickhaut an. Fig. 9. Verlauf des zweiten Astes des Trigeminus bei L. viridis; Ansicht halb von unten. Das untere Lid, das Jochbein und die Sei- tenbedeckung des Kopfes ist entfernt. Ggl. Ganglion des 2. und 3. Astes des Trigeminus, welches ausserhalb der Schädelhöhle liegt. T.2 Stamm des zweiten Astes des Trigeminus. T.3 Stamm des dritten Astes. a. Nervus infraorbitalis; tritt als N. dentalis superior in das Foramen palatinum. Dem Bulbus angelagert gibt er beständig feine Aeste ab an den Drüsenast. d. Verbindungszweig des N. infraorbitalis zum Eamus pala- tinus nervi facialis, b. Ast des T.2 an das untere Lid (abgeschnitten); derselbe gibt an seiner Kreuzungsstelle mit der Arteria infra- orbitalis den Drüsenzweig ab. g. Drüsenzweig, der die Arteria infraorbitalis überlagert und beständig feinste Aeste an die Conjunctiva abgibt. 0. Ast des T.2 au das obere Lid. 1. Zweig desselben, der in das obere Lid geht. 2. Zweig zur Thränendrüse. 3. Ramus recurrens ad nervum facialera (Ben dz)? o. i. Musculus obliquus inferior. r. i. „ rectus inferior, r. e. „ rectus externus. üeber die Nebenorgane des Auges der Reptilien. 341 Fig. 10. Conjunctiva-Epithel von Lacerta rauralis. a. Zweischichtiges Plattenepithel der Conjunctiva tarsalis. b. Becherzellcn der Conjunctiva orbitalis. c. Isolirte Becherzellen. Tafel XVIII. Fig. II. Balkenwerk (Lymphscheiden) des venösen Sinus im unteren Augenlide der Lacerta viridis, nahe dem inneren Augenwinkel. C. Conjunctiva. m. d. Musculus depressor palpebrae inferioris. a. i. Arteria infraorbitalis. n. g. „Drüsenast" dessen Zweige durch die Lymphscheiden zur Conjunctiva ziehen, n. c. Verbindungszweige zwischen dem Drüsenast und dem Nerv, infraorbitalis- ^ e. Einzelne elastische Fasern. Fig. 12. Ansicht der Thränenröhrchen bei Lac. viridis. Das obere und untere Lid ist gelöst und nach der Nase zu zurück- geschlagen. N. Nickhaut. p. Falte der Conjunctiva. a. Puncta lacrymalia. b. Canaliculi lacrymales. P.l Oberes Lid. P.2 Unteres Lid. T. Tarsus. Fig. 13.*). Senkrechter Schnitt durch den Kopf der Lacerta muralis. T. Thränenröhrchen im inneren Augenwinkel getroffen. M. Maxillare superius. K. Knorpelfortsatz. Z. Zahn. N. Nervus infraorbitalis. P. L. Palatinum; Beginn der Vertiefung des Gaumens die nach vorn zu den Choanen führt. S. Nasenscheidewand. Fig. 14. Ein gleicher Schnitt, etwas weiter nach vorn aus- geführt kurz hinter dem Eintritt des Thränencanals T in das Fora- men lacrymale. *) In den halbschematischen Figg. 13, 14, 15 sind die Epithelien schraffirt, die Knorpel punktirt, die Knochen matt gehalten. Die Pfeile deuten die Oeffnung nach der Mundhöhle an. 342 Max Weber: lieber die Nebeuorgane des Auges der Reptilien. P. Frontale anterius. L. Lacrymale. M. Maxillare superius. , K. Knorpel mit dem Höcker a: dem Anfang der Nasen- muschel und dem Fortsatz b. — Der Pfeil zeigt die Oeffnung zu den Choanon biu an. Flg. 15. Ein gleicher Schnitt im ersten Drittel der Choanen. T. Thränencanal nach den Choanen ausmündend. Ch. Choane. M. Maxillare sup., welches allein die laterale Wand des Thränencanals bildet. C. Muschel. N. Canalis supramaxillaris. lieber den Bau und die Entwickelung der Echiuren^). Von R. €}reeff, Professor in Marburg. Im Jahre 1874 habe ich, hauptsächlich gestützt auf die Zergliederung des Echiurus Pallasii der Nordsee, sowie des an den kanarischen Inseln von mir aufgefundenen Thalassema Baronii einige Organisationsverhältnisse der Echiuren mitge- theilt 2). Ich habe seitdem die Untersuchung dieser interes- santen Thiergruppe fortgesetzt und den genannten Echiurus Pallasii, namentlich aber auch die Bonellia viridis des Mittel- meeres einer erneuten Prüfung unterworfen. Auf diesem Wege ist eine ausführliche monographische Bearbeitung der Echiuren entstanden, aus welcher ich vor ihrer demnächstigen Veröffentlichung hier einige Ergebnisse mittheilen will, namentlich solche, die eine Ergänzung oder Aenderung der- jenigen meiner früheren Abhandlung bilden. Haut und Muskulatur. Die äussere Haut und Muskulatur der Echiuren sind innig mit einander verwachsen und bilden den die Leibeshöhle 1) Aus den Sitzungsberichten der Gesellschaft zur Beförderung der gesammten Naturwissenschaften zu Marburg ;No. 4, 1877, S. 18 (Sitzung vom 4. Mai 1877). 2) Sitzungsberichte der Ges. zu Marburg 1874. Nro. 2. S. 21 (Sitzung vom 25. Febr.). 344 R. Grecff: iimschliessenden Ilautmiiskelschlaueli. Der Bau dieses Schlauches zeigt bei diesen Thieren eine im Allgemeinen grosse Uebcreinstimmung. Er besteht aus drei der eigent- lichen Haut angeliörigen Schichten und diese sind: 1) eine äussere Cuticula, 2) eine Cylinder-Epithelschicht und 3) e i n e B i n d e g e w e b s s c h i c h t, die an gewissen Stellen noch andere Organe und Gewebe aufnimmt, wie Drüsen, Pig- ment, Blutgetiisse, Nerven und deren Endigungen in Tastpa- pillen, die namentlich bei Echiurus Pallasii als kleine weisse Knötchen auf der Oberfläche hervortreten und sich hier in mehr oder minder regelmässige Querreihen um den Körper gruppiren. Man sieht unter günstigen Umständen deutlich die Nerven aus dem Innern des Körpers und direkt aus dem Bauchnervenstrang hervortreten, die Muskulatur durch- setzen und in diesen Papillen sich in ein mit Zellen durchsetztes Fasernetz auflösen. Die feinen äusseren Fasern scheinen in die nach innen gerichteten fadentormigen Enden der Cylinder-Epithelien überzugehen. Diese Haut-Nervenpapil- len waren früher von mir mit den Hautdrüsen zusammenge- stellt worden, sie sind aber wohl von ihnen zu unterscheiden. Kürzlich sind diese Hautpapillen auch von Salensky beob- achtet worden und in seiner interessanten Abhandlung über die Metamorphose des Echiurus ^ ebenfalls für Tastpapillen gehalten worden. Zu den Hautgebilden gehören auch die Borsten, von denen zwei hakenförmig gekrümmte, am Vorderkörper in der Nähe der Geschlechtsöffnungen liegende, allen Echiuren zukommen, zu welchen bei der Gattung Echiurus noch zwei hintere Kränze von graden, stiletlormigen Borsten treten. Bei Echiurus Pallasii enthält der vordere Borstenkranz 8, der hintere 7 Borsten, beide bilden indessen keine vollständige in gleichen Abständen der Borsten gestellte Kreise, sondern über den Rücken verlaufende nach unten offne Bogen. Die auf die äussere Haut folgende und mit ihr ver- wachsene Muskulatur besteht aus drei Schichten, nämlich einer äusseren und inneren Ring- und einer zwischen beiden 1) Morphologisches Jahrbuch von Gegenbaur, 2. Jahrgang. S. 326. 1 Ueber den Bau und die Euiwickeluug der Echiuren. 345 liegenden Längs - Faserschicht. Die Letztere ist in der Regel die mächtigste, sie tibertrifft die meist schmalen Kreisfaser- schichten um das Doppelte oder mehrfache. In allen Fällen bestehen die Muskeln aus lang ausgezogenen, spindelförmigen Fasern, die sich bei genauerer Prüfung als von einer ge- meinschaftlichen Hülle umgebene Bündel von feinen, um eine mittlere körnige Achse gestellte Primitivfibrillen er- weisen. Nervensystem. Das centrale Nervensystem der Echiuren besteht, wie bereits in meiner früheren Mittheilung beschrieben, aus zwei unmittelbar in einander übergehenden und in ihrem Baue durchaus ähnlichen Theilen, dem einfachen cylindrischen Bauchstrang des Körpers und dem ebenfalls einfachen weiten Nervenring des Rüssels. Der Bauchstrang ist zusammen- gesetzt aus einer, vorwiegend Zellen enthaltenden, äusseren Schicht und einer in ein Bindegewebsgerüst eingebetteten, in verschiedenen Zügen verlaufenden inneren Faserschicht. Bei Echiurus Pallasii geht das Bindegewebsgerüst aus starken Strängen hervor, die von der äusseren Bindegewebsscheide des Nervensystems in dieses in mehr oder minder regelmäs- sigen Abständen eintreten; hierdurch gewährt der Bauch- strang bei seiner Betrachtung in gewissen Lagen zuweilen den Eindruck einer Segmentirung. Der ebenfalls schon früher beschriebene Centralkanal des Nervensystems scheint an seiner Innenfläche mit kleinen Zellen ausgekleidet und mit einer klaren Flüssigkeit erfüllt zu sein. Ueber dem Bauchnervenstrang liegen zwei Gefässe, das eine, ihn nach oben direkt umhüllend (Nervengefäss), steht mit der Leibeshöhle in Verbindung oder kann vielmehr als ein kanalartiger Theil derselben angesehen werden. Das andere liegt gerade über dem Nervengefäss und ist der mediane Bauchstamm des Blutgefässsystemes. Blutgefässsystem. Das Blutgefässsystem der Echiuren besteht aus zwei Hauptblutbahnen, einem Rücken- oder Darmgefäss 346 R. Grecff: und einem Bauchgefäss. Das Rtickengefäss verläuft inner- halb der Bauchhöhle unmittelbar neben dem Darm, das Bauch- gefäss in medianer Längsrichtung auf der Innenfläche der Bauchseite gerade über dem Bauchnervenstrang resp. dem denselben nach oben umhüllenden bereits erwähnten Nerven- gefäss. Das Rückengefäss zeigt bei allen Echiuren an sei- nem vorderen Theil eine h e r z a r t i g e E r w e i t e r u u g, aus wel- cher die in der dorsalen Wandung verlaufende einfache Rü s s e 1- arterie hervorgeht. An dem schaufeiförmigen Ende des Rüs- sels (Echiurus, Thalassema) oder an dem Beginn der beiden Rüsselarme (Bonellia) theilt sich diese Arterie in zwei Aeste, die nach rechts und links dem vorderen Rande des Rüssels folgen und dann umbiegend an den ganzen Seitenrändern nach hinten laufen, wo sie sich vereinigen, um in den Bauch- gefässstamm überzugehen i). Ausser im Rüssel findet aber noch eine zweifache Verbindung der beiden Blutbahnen inner- halb der Leibeshöhle Statt, nämlich erstens durch einen star- ken Verbindungsast in dem vorderen Theil der Leibeshöhle und zweitens durch direktes in einander Uebergehen der bei- den Gefässstämme in dem hinteren Körperende. Sodann aber communicirt das Blutgefässsystem auf der Spitze des Rüssels noch mit der Leibes- höhle. An Querschnitten durch den Rüssel sieht man con- stant an den Rändern desselben statt eines Gefässlumens deren zwei dicht neben einander liegen, von denen in der Regel das eine etwas weiter als das andere ist. Das engere ist ein Blutgefäss, das mit dem der anderen Seite sich vereinigend in denBauchgefässstamm übergeht, das andere ist ein Leibeshöh- lenkanal, der ebenfalls mit dem andern Seitenkanal sich vereinigt und in das mit der Leibeshöhle in Verbindung stehende Nervengefäss des Bauchstranges mündet. Während die mediane Rüsselarterie einfach und unverzweigt ist, geben die Randnerven sehr zahlreiche Seitenzweige ab, die sich unter der concaven Innenfläche des Rüssels zu einem dichten sinuösen Gefässnetz ausbreiten. Die weite Leibeshöhle der Echiuren ist im Leben 1) Ueber die spczisUere Anordnung der einzelnen Theile des Blutgcfässsystems siehe meine frühere Mittheilung a. a- 0. lieber den Bau und die Entwickehmg der Echiuren, 347 mit einer klaren zuweilen leicht gelblich gefärbten Flüssig- keit erfüllt; dieselbe besteht aus Seewasser, das durch die beiden in die Leibeshöhle hineinragenden und auf ihrer Oberfläche mit zahkeichen offnen Wimpertrichtern besetzten Schläuche von aussen eingeführt wird und massenhaften Blut- oder Lymphkörperchen. Als besondere Kieme kann die wimpernde Innenfläche des Rüssels angesehen werden. Fortpflanzungs Organe. Echiurus und Thalassema sind sicher getrennten Geschlechts. Die Geschlechtsorgane zeigen nach Form und Lage eine grosse Uebereinstimmung sowohl in beiden Geschlechtern als dei den verschiedenen Arten. Es sind cylindrische, weit sackförmige oft mehrmals eingeschnürte Schläuche, die in dem Vorderkörper neben dem Bauchner- venstrang befestigt sind und frei in die Leibeshöhle hinein- ragen. Ihre Zahl ist bei den einzelnen Arten nicht constant, bald sind zwei (Echiurus Pallasii) oder mehrere Paare von Hoden und Ovarien vorhanden, die kurz hinter den beiden vorderen Hakenborsten beiderseits symmetrisch neben dem medianen Bauchstrang liegen. Ihrer inneren Lage resp. Befestigung und ihrer Zahl entsprechend, münden sie bauch- wärts'nach aussen. Ueber das Ovarium von Bonellia viridis. Verschieden von Echiurus und Thalassema sind die Geschlechtsorgane der Bonellia. Bei dieser ist nur ein einziger zwischen den Darmwindungen liegender langer, sackförmiger Geschlechtsschlauch vorhanden, der im Uebri- gen in der Lagel und * Ausmündung mit den Schläuchen von Echiurus und Thalassema übereinstimmt. Aber dieser Schlauch trägt nahe an seiner Ausmündung einen gegen die Leibeshöhle gerichteten offnen und mit der Schlauch- höhle communicirenden Trichter und ist stets n ur mit Eiern erfüllt. Die letzteren werden auch nicht in dem Schlauche selbst erzeugt, sondern in einem von Lacaze- Duthiers entdeckten besonderen Ovarium, das im hinteren Körperende auf dem Bauchnervenstrange liegt. Von hier aus gelangen 348 K Greeff: die Eier wahrscheinlich in die Leibeshöhle und werden von dem offnen Trichter des Geschlechtsschlauches (analog der Uterusglocke der Echinorhynchen) aufgenommen und in diesen und dann durch die Geschlechtsöffnung nach aussen geführt. lieber die von Kowalewsky als Männchen der Bonellia beschriebenen Turbellarien. Trotz vielfacher Untersuchung sind bisher hei Bonellia viridis immer nur weibliche Geschlechtsorgane aufgefunden worden, nämlich das oben erwähnte Ovarium und der mit reifen Eiern meist strotzend erfüllte Uterus. Im Jahre 1870 fand Kowalewsky') in dem Uterus der Bonellia und zwar zwischen dem Trichter und der Ausftihrungsöffnung Planarien-ähnliche Schmarotzer, die ausschliesslich männ- liche Keimstoffe enthielten und die er desshalb für die Männchen der Bonellia hält. Später wurde diese Beobach- tung bei einer anderen Gelegenheit durch denselben Forscher wiederholt und aufs Neue die Ueberzeugung des merkwür- digen Geschlechts-Dimorphismus gewonnen. Ich kann mei- nerseits durch mehrfache Untersuchungen diese Beobachtung als solche, abgesehen von ihrer Deutung, vollkommen be- stätigen. Fast immer finden sich in dem Geschlechtsschlauch der Bonellia und zwar an den von Kowalewsky bezeich- neten Stellen kleine Turbellarien-artige Schmarotzer, meist drei oder zwei, und zwar immer nur geschlechtsreife Männchen 2). Sie sind ca. 0,5 Mm. lang und auf der Ober- fläche gleichmässig mit feinen Wimpern bekleidet. Man erkennt in ihnen deutlich einen Darmkanal, der an dem 1) Das Planarien-artige Männchen von Bonellia viridis, in den russisch geschriebenen Schriften der natnrforschenden Gesellsch. in Kiew Vol. 1 p. 101—109; nach Leuckart's Bericht über d. Leist. in der Naturg. der niederen Thiere während der Jahre 1870 und 71 (Troschel's Archiv 37 B. S. 408), ferner in Zeitschr. für w. Zool. XXII. S. 284. 2) Ich bemerke indessen ausdrücklich, dass ich nicht bei allen Bonellien diese Schmarotzer angetroffen habe. Bei einigen und zwar auch bei solchen, deren Uterus mit reifen Eiern erfüllt war, konnte ich sie trotz sorgfältigen Nachsuchens nicht finden. üeber den Bau und die Entwickelung der Echiuren. 349 Vorderkörper bauchwärts mit einer rundlichen Mundöffnung beginnt und sich mit kurzen seitlichen Aussackungen bis in das Hinterende erstreckt. Neben ihm liegt ein mit SpermatozoTden erfüllter Schlauch, der nach vorne in einen ziemlich engen über den Mund hinauslaufenden und auf dem Vorderende des Körpers nach aussen mündenden Kanal ausgeht. Bei Druck sieht man die Spermatozoiden aus dem Schlauch in den Kanal und durch diesen an der bezeichneten Oeffnung nach aussen treten. Die Spermato- zoiden bewegen sich lebhaft und bestehen aus einem ziem- lich langen stäbchenförmigen, und nach vorne etwas zuge- spitzten Köpfchen und einem sehr feinen, langen Faden. Im Uebrigen stimmen diese merkwürdigen Schmarotzer in ihrer wurmförmigen etwas platten Körperform, ihrem Bau und ihren Bewegungen mit den Turbellarien im Allgemeinen und unter diesen am Meisten mit den Planarien tiberein. Sie lassen sich leicht aus ihrem Wohnorte entfernen und leben im Seewasser unverändert weiter. Ich habe sie mehrere Tage in einem Uhrschälchen lebend erhalten. Sind diese Wesen nun wirklich die Träger der männlichen Zeugungsstoffe der Bonellien resp. die von den Weibchen so grundverschiedenen Männchen? Ohne Zweifel ist solche Deutung zunächst dadurch veranlasst worden, dass bisher männliche Bonellien oder männliche Geschlechts- organe derselben nicht aufgefunden worden sind. Ausser- dem spricht für diese Deutung das merkwürdige ausschliess- liche Vorkommen jener Wesen in dem Ausführungsgange der Eier der Bonellia und drittens die ebenfalls sehr auf- fallende Thatsache, dass in ihnen bisher bloss männliche Zeugungsstoffe gefunden worden sind. Aber genügen diese Beobachtungen allein zur Annahme eines so aussergewöhn- lichen, in der That überaus seltsamen Naturspieles, dem kaum etwas Aehnliches zur Seite gestellt werden kann? Müssen wir nicht weitere Beweisgründe, namentlich den Nachweis eines genetischen Zusammenhangs der Turbella- rien und der Bonellia, der Entstehung der Einen aus der Anderen und andrerseits der wirklichen Bedeutung der Turbellarien als Männchen der Bonellia, d. h. der Befruch- tungsfähigkeit .ihrer Spermatozoiden auf die Eier der 350 R. Greeff: Bonellia fordern? Von allem diesem aber ist bisher nichts bekannt geworden. Muss nicht ferner das ausserordent- lich geringe Samen - Quantum dieser wenigen und kleinen Turbellarien den mächtigen Eiermassen der Bonellia gegen- über auffallen? Ausserdem aber habe ich, und auch das scheint mir beachtenswerth, in der Leibeshöhle des Echiurus Pallasii ebenfalls schmarotzende Turbellarien gefunden, die aber mit den Geschlechtsfunktionen dieses Thieres sicher nichts zu thun haben, denn einerseits sind von E. Pallasii die männlichen und weiblichen Individuen und die Form ihrer Geschlechtsorgane und Geschlechtsprodukte mit Sicherheit beobachtet und andrerseits fand ich die Tur- bellarien sowohl in den männlichen als weiblichen Echiuren. Es handelt sich somit hier lediglich um einen allerdings seltenen Parasitismus i). Natürlich ist hierdurch keines weges die Möglichkeit, dass den parasitischen Turbellarien der Bo- nellia dennoch eine andere und zwar die vonKowalewsky behauptete Bedeutung zukomme, ausgeschlossen. Allein es scheint mir unter den obwaltenden Umständen gerecht- fertigt vor vollständiger Annahme der Kowalewsky'schen Auffassung weitere Beobachtungen über diesen interessanten Gegenstand abzuwarten, namentlich in der oben angedeu- teten Richtung geführte Beweise, dass die Turbellarien wirklich von den Bonellien abstammen und dass die Eier der Letzteren von dem Samen Jener befruchtet werden. Ueber die Entwickelung der Echiuren. Schmarda machte in seiner verdienstlichen Arbeit 1) Ausserdem findet sich in den Hodenschläuchen des Echiurus Pallasii zuweilen ein Distomum und in dem Darmkanal desselben Thieres zu gewissen Jahreszeiten in ungeheurer Menge eine verhält- nissmässig grosse und sehr merkwürdige Gregarine, die ich Grega- rinaEchiuri nennen will. Dieselbe besteht aus zwei mit ihrer Basis an einander gelegten ungefähr halbkugeligen Scheiben, die auf ihrer Oberfläche zahlreiche konische Fortsätze tragen, von denen die die beiden Pole einnehmenden die grössten sind. Der Innenraum ist mit vielen grossen und kleinen Blasenräumen und feinkörnigem Protoplasma erfüllt, das unter der Haut eine deutliche Längsstreifung zeigt. Jede Hälfte enthält einen grossen Kern mit Kernkörper, Ueber den Bau und die Entwickelung der Echiuren. 351 über die Bonellia viridis^) die ersten Mittheilungen über die Entwickeluiig der Echiuren. Aber ich muss glauben, dass seine Angaben über die Embryonalstadien der Bonellia aus irrthümlicher Beobachtung hervorgegangen sind. Genau in derselben Weise, wie sie Seh mar da beschreibt und abbildet, habe auch ich diese Stadien gesehen, aber mich überzeugt, dass es nichts als abgestorbene Eier sind, deren Dotter in eigenthümlicher Weise zerfallen ist, und die durch Ausdehnung an Durchmesser gewonnen haben. Kowalewsky gelang es durch künstliche Befruchtung die Larve einer Thalassema zu beobachten 2), die nach ihm die Form der sogenannten Loven'schen Larve annimmt. Einen dieses Ergebniss bestätigenden und auch im Ueb- rigen sehr interessante weitere Beobachtungen bietenden Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der Echiuren verdanken wir Sälen sky^), der in Neapel die Larven eines Echiurus fand und deren Metamorphose beobachtete. Ich habe diese pelagischen Echiuren-Larven aus dem Golf von Neapel eben- falls untersucht und kann im Allgemeinen die Ergebnisse Sälen sky's bestätigen, in einigen Punkten, namentlich rücksichtlich der Bildung des Darmkanals, der Muskulatur und des Nervensystems, die der späteren ausführlicheren Arbeit vorbehalten bleiben, erweitern. Ausserdem habe ich mich bemüht, die Entwicklung des Echiurus Pallasii der Nordsee durch künstliche Befruchtung kennen zu lernen. Aber trotz vieler Zeit und Mühe, die ich in den letzten Jahren wiederholt mit reichem Material hierauf verwandt habe, ist der Erfolg ein geringer geblieben. Die Befruch- tungsversuche, so oft und so vielfach modificirt sie auch vorgenommen wurden, schlugen fast immer fehl, ohne dass ich irgend einen Grund des Misslingens anzugeben wüsste. Nur ein paarmal trat eine Durchfurchung des Dotters bis zur Bildung der Maulbeerform ein. Ueber diese hinaus habe ich die Entwicklung nicht beobachten können. 1) Zur Naturgeschichte der Adria. Denkschr. der Ak. d. Wissen- schaften in Wien. 1852 S. 117. 2) a. a. 0. 3) Morphol. Jahrb. II S. 326 352 R. Greeff: üeber den Bau und die Entwickelung der Ecbiuren- Ueber die Verwandtschaft der Echiuren mit den Echin odermen. Eine nähere Verwandtschaft der Echiuren mit den Echinodermen (Holothurien), wie sie so vielfach behauptet oder vermuthet worden ist, ist meiner Meinung nach nicht vorhanden. Sie lässt sich weder durch die bisher bekannten Thatsachen der Entwickelung noch des Baues der ausge- bildeten Echiuren in irgend einer Weise begründen. Die Larven zeigen den bekannten Loven'schen Typus der Anneliden-Larven und haben eine zum Theil ganz andere Organisation als die Echinodermen-Larven. Niemals kommt bei den Echiuren eine radiäre Entfaltung des Körpers in irgend einer Weise zum Ausdruck, es findet sich bei ihnen keine Spur des für die Echinodermen so charakteristischen und in ihren Larven so früh angelegten ambulacralen Wassergefässsystems. Auch der Hautmuskelschlauch der Echiuren hat einen ganz anderen Bau, abgesehen davon, dass in ihm sowohl, wie im ganzen Körper jedwede Kalk- ablagerungen fehlen. Ebenso -zeigen die übrigen Organsy- steme, wie das Blutgefässsystem und Nervensystem beider Thiergruppen eine im Allgemeinen andere Anordnung und anderen Bau. Eine gewisse äussere Uebereinstimmung in Lage und Form bieten die beiden Wimperschläuche des Enddarms der Echiuren mit den Wasserlungen der Holo- thurien, und auf diese Aehnlichkeit hat auch immer wieder die Ansicht von der Verwandtschaft der beiden Thiergruppen hauptsächlich gefusst. Aber die Schläucbe der Echiuren stehen durch ihre Wimpertrichter stets in offner Commu- nication mit der Leibeshöhle, sie dienen offenbar zur Ein- und Ausführung von Wasser für die Leibeshöhle, unter Umständen vielleicht auch zur Aus- oder Einführung der Geschlechtsprodukte. Sie lassen sich somit weit eher mit den sogenannten Segmental- oder den Excretions-Orga- nen der Anneliden vergleichen als mit den Kiemen der Holothurien, von denen sie ausserdem durch ihren Bau wesentlich abweichen; selbst mit den Wimpertrichtern der Synapten können sie meiner Meinung nach nicht homolo- gisirt werden. Studien über das Milcligebiss und die ZaLnliomologien bei den Chiropteren^). Von Wilhelm Leche. Wenn es anerkannt werden muss, class bis jetzt wohl nicht einmal die Vorarbeiten zu einer vergleichenden Odontographie vorliegen, so dürfte eine der wesentlichsten Ursachen hierzu in unserer noch sehr lückenhaften Keunt- niss über das morphologische Verhältniss der ersten zur zweiten Dentition, des s. g. Milchgebisses zum bleibenden Gebisse, bei den Säugethieren zu suchen sein. Die Schwie- rigkeit brauchbares und genügendes Untersuchungs-Material anzuschaffen erklärt es, wesshalb über das Milchgebiss sonst genau untersuchter KSäugethiergruppen noch sehr schwankende und nur vereinzelte Beobachtungen gemacht worden sind. Dies gilt vor Allem von den Chiropteren, einer Ord- nung, welche sowohl durch ihren Formenreichthum wie durch ihre isolirte Stellung im System das lebhafte Inter- esse des Morphologen in Anspruch nehmen dürfte. Die bisherigen Beobachtungen beschränken sich mit wenigen Ausnahmen darauf die Zahl und Form der gefundenen Milchzähne zu beschreiben; die wichtige Frage nach dem Verhältnisse dieser zum bleibenden Gebiss ist somit mei- stens gänzlich unberücksichtigt geblieben. 1) Im Auszuge mitgetheilt aus , »Studier öfver Mjölkdentitionen och tändernas homologier hos Chiroptera. Akademisk afhandling af Wilhelm Leche. Lund 1876" Lunds Unwersitets Arsskrift. Tom. XII. vom Verfasser. Archiv f. Naturg. XXXXIII. Jahrg. 1. Bd. 23 354 Wilhelm Leche: Der Verfasser hat in der oben angeführten Arbeit das während längerer Zeit gesammelte Material an Embryonen und Jungen von Fledermäusen dazu benutzt um einen Bei- trag zur Kemitniss des Milchgebisses, dessen Verhalten zum bleibenden Gebiss und im Zusammenhange hiermit eine Darstellung der Homologien des Zahnsystems dieser Thiere zu geben. Für die Beobachtungen über das Milchgebiss lagen folgende Arten vor: Vespertilio murinus. Schreb. „ Daubentonii. Leisl. Vesperugo Nathusii. Keys/ Blas. „ noctula Schreb. Vesperus serotinus. Schreb. „ borealis. Nilss. „ (Histiotus) velatus. Geoffr. Plecotus auritus. Lin. Sturnira lilium. Geoffr. Rhinolophus hipposideros. Bechst. Die Untersuchungen über die Zahnhomologien sind zum grossen Theil mit Benutzung der reichen Sammlungen des zoologischen Museums in Kopenhagen gemacht worden. Was zunächst die Zahl der Milchzähne betrifft, so ist diese bei allen Vespertiliones ^) die gleiche: i. d. ^ — ^ \ i 2 2 c. d. T— r m. d. ^\ der Verf. weist nach, wie die von Lilljeborg bei V. borealis und von Tauber bei Histiotus velatus angegebene geringere Anzahl der Milchbackzähne darauf beruht, dass die von den genannten Forschern un- tersuchten Exemplare schon m. d. 2 ausgestossen hatten. 2 2 1 l Das Milchgebiss bei Sturnira ist: i. d. ^ ^ c. d. . _ 2 2 m. d. o _ o • ^^^ Rhinolophus hat der Verf. (mit Sicher- heit) nur das Vorkommen folgender Milchzähne constatiren 1) Die systematische Eintheilung ist die von Peters 1865 auf- gestellte. Monatsboriehte der k. Akad. d. Wissensch. zu Berlin pag-.25G. Studieu über das Milchgebiss etc. bei den ( -hiropteren. 355 können: c. d. — ^ — m. d. ^-^^j da die vorliegenden Exemplare nicht in einem für Feststellung des Milclige- bisses geeigneten Alter waren. Bei Rhinoloplius durcli- brechen die Milchzähne das Zahnfleisch niemals, sondern unterliegen noch vor der Geburt einer gänzlichen Resorption. Der Zahnwechsel ist somit bei dieser Form vollkommen intrauterin, während er in Betreff der meisten Milchzähne der übrigen Arten extrauterin ist. Was die übrigen Arten (Vespertiliones und Sturnina) betrifft, so sitzen die Milchzähne in mehr oder weniger deutlichen Alveolen am äusseren Kieferrande, ausserhalb und hinter den entsprechenden bleibenden Zähnen. Das Zahnfleisch dient den Milchzähnen stets als eine starke Stütze. Die bleibenden Zähne wachsen somit innerhalb und vor ihren resp. Milchzähnen empor, und auf einer gewissen Entwicklungsstufe findet man fast sämmtliche Milchzähne ausserhalb der beinahe vollständig ausgebildeten bleibenden Zähne in den Kiefern. Bei fast entwickelten Individuen kann man somit bis 50 Zähne und darüber fin- den, wie schon Rousseau bei V. murinus beobachtet hat. Diese eigenthtimliche Erscheinung, wovon es bei keinem der übrigen Säuger eine vollkommene Analogie gibt, wird nur möglich durch die geringe Grösse und einfache Form der Milchzähne. Nicht allein ihrer Anzahl, sondern auch ihrer Form nach herrscht bei den Milchzähnen der Chiropteren die grösste Uebereinstimmung, und zwar nicht nur bei den ver- schiedenen Arten und Gattungen, sondern auch unter sich lassen sich keine irgendwie erhebliche Unterschiede nach- weisen. Sie sind schmal, der Länge nach ausgezogen, die Grenze zwischen Krone, welche stets mit Schmelz bekleidet ist, und Wurzel ist nie durch einen schärferen Absatz an- gedeutet. Die Krone zeigt stets eine mehr oder weniger deutlich ausgesprochene Dreitheilung, doch können die beiden äusseren Lippen rudimentär sein (so m. d. 2 mancher Vespertiliones; bei Sturnira herrscht die einspitzige Milch- zahnform vor). Die Spitzen der Zahnkronen sind haken- förmig nach innen und hinten gerichtet. Die Wurzel, 356 Wilhelm Leche: welche stets den bedeutendsten Theil der ganzen Länge des Zahnes einnimmt, ist einfach, mit Ausnahme des obern m. d. 2 bei PL auritus, welcher Zahn zwei Wurzeln besitzt. Bemerkenswerth ist noch, dass bei Sturnira i. d. 2. und m. d. 1 vollkommen rudimentär und mit unbewaffnetem Auge nicht wahrnehmbar sind. • Vergleioiit man das erste und zweite Gebiss bei den Chiropteren mit einander, so ergibt sich aus dem ganz verschiedenen Grad der Differenzirung, aus den verschie- denen Entwicklungsstufen, auf denen bei diesen Thieren das Milchgebiss und das bleibende Gebiss stehen, ein we- sentlicher Unterschied. Bei — man kann sagen — allen übrigen Säugethieren, deren Milchgebiss bisher bekannt ist, findet sich wenigstens der allgemeine Charakter des ersten Gebisses auch im zweiten wieder. Nicht so bei den Chiropteren: Milchzähne und bleibende Zähne sind typisch verschieden. Denn mit Hinsicht auf das bleibende Gebiss sind sämmtliche Chiropteren entschieden den heterodonten Säugethieren zuzurechnen, während sie dagegen durch das Milchgebiss dem homodonten Ty- pus am nächsten stehen, da sich, wie oben angedeutet, in dem Milchgebiss kein scharfer Unterschied, keine Diffe- renzirung in Schneide- Eck- und Backzähnen aus- spricht. x4.ber auch bei den verschiedenen Arten spricht sich, wie schon gesagt, die grösste Uebereinstimmung in Zahl und Beschaffenheit des Milchgebisses aus, wie verschieden auch das bleibende Gebiss sein mag. Ein näherer Zusammenhang zwisöfcen den beiden Gebissen wird in einigen Fällen durch die gleiche Zahl der Schneidezähne angedeutet (Vesperti- 2 2 2 2\ liones: i. und i. d. ,, — ^; Sturnira: i. und i. d. ^j« Haben dagegen, wie oft der Fall ist, die bleibenden Schneidezähne einen höheren Grad der Differenzirung erreicht, so verschwindet die Uebereinstimmung mit den Milchschneidezähnen: Dysopes hat i. - — ^ dagegen i. d. 2 2 o~__7q (nach Peters), somit stimmt das Milchgebiss hier mit dem der Vespertiliones tiberein. Desmodus hat nach Ger- Studien über das Milchgcbiss etc. bei deu Chiropteren, 357 vais 4 obere einspitzige i. d. (also mit Sturnia überein- stimmend), während im bleibenden Gebiss zwei grosse, höchst eigenthümlich entwickelte obere Schneidezähne, welche nicht die entfernteste Aehnlichkeit mit einem der i. d. haben, vorkommen. Desmodus verhält sich somit in dieser Beziehung innerhalb der Ordnung der Fleder- mäuse, wie Chiromys zu den übrigen Prosimii. Irgend eine Funktion kann den Milchzähnen der Fledermäuse nicht zuzuschreiben sein; bei Rhinolophus werden sie, wie bemerkt, schon vor der Geburt resorbirt; viele der- selben durchbrechen bei anderen Formen niemals das Zahnfleisch. Die Milchzähne der Fledermäuse sind so- mit jedenfalls rudimentäre Organe, und in dem Zu- stande, wie sie jetzt vorliegen, dürften sie als Rückbil- dungen, verursacht durch Nichtgebrauch, anzusehen sein. Die nahe Uebereinstimmung in Form und Anzahl weist auf eine gemeinsame Urform hin. Wenden wir uns zur Beantwortung der Frage, von welchen der bleibenden Zähne die Milchzähne ersetzt wer- den, so ist diese, was Schneide- und Eckzähne betrifft, leicht erledigt, da diese bei den bisher untersuchten Arten — mit Ausnahme von Dysopes und Desmodus — im Milch- wie im bleib. Gebiss in derselben Anzahl vorkommen. Etwas komplizirter wird die Frage nach dem Ver- hältniss zwischen den Backzähnen der zwei Gebisse; da das Milchgebiss der Chiropteren nur ungenügend bekannt ist, so darf es nicht auffallen, dass bei verschie- denen Verfassern die Grenze zwischen Praemolaren und Molaren verschieden angegeben wird. Den Untersuchun- gen des Verfassers über diesen Punkt entnehmen wir fol- gendes. Wenn wir von Vespertilio ausgehen, welche Gat- tung zu den Formen gehört, die die grösste Anzahl bleib. Backzähne haben, welche normal bei den Fledermäusen vorkommen, so ist zu bemerken, dass m. d. 1 hinter dem zweiten und m. d. 2 hinter dem dritten bleib. Backzahne steht. Die drei vordersten Backzähne sind somit Praemo- 3 3 laren und die Backzahnformel : pm. ;^ m. -x* Dem ersten Praemolar fehlt jedoch ein entsprechender Milchzahn, 358 Wilhelm Leche: Pm. 1 erreicht nun seine volle Entwickelimg früher als die andern Praemolaren , ungefähr gleichzeitig mit dem ersten Molar. Es stimmt Vespertilio in dieser Beziehung 4 vollkommen mit den Seehunden ^) und den mit -. Praemo- 4 laren versehenen Raubthieren überein, da sich bei diesen pm. 1, welcher keinen Vorgänger im Milchgebiss hat, ebenfalls früher entwickelt als die übrigen Praemolaren. Dieser Unterschied in der Entwicklung kann somit als charakteristisch für pm. 1 angesehen werden, sobald ihm ein Vorgänger im ersten Gebiss fehlt. In besonders auf- fälliger Weise tritt dieser Unterschied in der Entwicklung der Praemolaren bei den Beutelthieren auf, bei denen sich der Praemolar (pm. 3), welcher allein einen Vorgänger im ersten Gebiss hat, stets später als pm. l und 2 entwickelt 2). Ebenso wie bei Vespertilio verhalten sich auch die untern Milchbackzähne (bei Plecotus auritus) zu den Praemolaren. Bei denjenigen Formen, welche 5 bleibende Back- zähne jederseits haben (Vesperugo, der Unterkiefer bei Vesperus und der Oberkiefer bei PI. auritus), stimmt nicht nur der 2. bleib. Backzahn in seinem ganzen Habitus mit dem 3. (pm. 3) bei Vespertilio überein, sondern m. d. 2 steht auch hier unmittelbar hinter ihm. Also ist der 2. bleib. Backzahn bei den erstgenannten Arten homolog mit pm. 3 bei Vespertilio. Betrachten wir den ersten Backzahn der mit fünf bleibenden Backzähnen versehenen Formen, so findet man, dass dessen Entwicklungsart vollkommen mit der von pm. 1 bei Vespertilio übereinstimmt, und dass ausserdem die Zahnhöhle von m. d. l nie unmittelbar hinter diesem ersten Backzahn anliegt, sondern stets deutlich geschie- den von ihm sich viel näher dem vorderen Rande des 2. bleiben- den Backzahns (pm. 3) befindet. Deshalb dürfte dieser erste bleib. Backzahn bei den mit fünf Backzähnen versehenen For- men homolog mit pm. 1 bei Vespertilio sein, wogegen der kleine pm. 2 des Vespertilio bei Vesperugo etc. ganz fehlt ; also hat m. d. 1 bei den mit fünf bleib. Backzähnen versehenen Formen 1) Vergleiche Reiuhardt (Vidensk. Meddelel. fra Naturh. Foren. i. Kjöbhvn. 1864). 2) Vergl. Flower (Philosoph. Tratisact. 1868). Studien über das Milchgebiss etc. bei den Chiropteren. 359 keinen entsprechenden Praemolaren im bleibenden Gebiss. Auch Sturnira stimmt in dieser Beziehung vollkommen mit Vesperugo tiberein. Bei Vesperus ist im Oberkiefer nur ein Praemolar vorhanden, der pm. 3 bei den übrigen For- men entspricht, so dass auch hier m. d. 1 einen Nachfolger im bleibenden Gebiss entbehrt. Also beruht die verschiedene Anzahl der Backzähne bei Vespertiliones ausschliesslich auf der Variation der Praemolaren, während die Zahl der Molaren jederseits nie drei übersteigt — somit ganz wie bei den übrigen placenta- len ßäugethieren mit alleiniger Ausnahme von Otocyon Licht. Aber die Verminderung in der Anzahl der Praemolaren wird in erster Instanz von dem Wegfall des pm. 2 bedingt, und nicht wie man nach der Owen' sehen Theorie anneh- men könnte, durch den Verlust von pm. 1. Die folgende Tabelle gibt eine Uebersicht der Ho- mologien : ,, ,.,. 3 /pm. 1 +2 + 3\ Vespertilio:pm.3 y^--^-^-^^^). Plecotus:pm. | (g; J :^2 + sK 3 /m. 1 + 2 + T^\ ., 2 /pm. 1 + 3\ 1 "^' 3 \m. 1 + 2 -^ 3/ Vesperugo:pm.-^J-^^| Vesperus: pm. | (^|^} ) Das Resultat betreffend die Homologien der Praemo- laren, welches die Beobachtungen der Verhältnisse während der Entwicklung des Individuums ergeben, findet nun ihre vollste Bestätigung durch den Gang der Reduktion der Prämolaren innerhalb der Artenserie der Vespertiliones. Es ist eine für alle Chiropteren — von Pteropus, welcher in vielfacher Hinsicht von dem eigentlichen Chi- ropterentypus abweicht, wird abgesehen — geltende Regel, dass die Reduktion der Backzähne, indem sie sich nur als weniger hohe Entwicklung oder als Verminderung der Zahl äussert, stets zuerst im Oberkiefer auftritt. Bei den übrigen Säugethieren (mit Ausnahme der Mehrzahl der Carnivora) findet sich die grössere Anzahl Backzähne 360 Wilhelm Leche: stets im Oberkiefer, wenn Ober- und Unterkiefer eine Ver- schiedenbeit in der Anzahl zeigen. Wendet man sieb zunächst zu den Vespertiliones mit - Backzäbnen, so findet man, dass pm. 2 mit ganz wenigen Ausnahmen (wie bei den aberranten Nyctiellus lepidus Gerv. und Spectrellum macrourum Gerv., wo pm. 2 entweder gleich pm. 1 oder etwas grösser als dieser ist) der am we- nigsten entwickelte von den Prämolaren ist. Von den Arten mit am höchsten entwickelten pm. 2 kann man die gradweise Reduktion dieses Zahnes bis zu einem Stadium verfolgen, wo er nicht nur im höchsten Maasse rudimentär, sondern auch ganz aus der Zahnreihe herausgedrängt ist. Von besonderem Interesse ist die Variation in dieser Be- ziehung bei solchen Arten, welche einander im Uebrigen äusserst nahe stehen — ja bei solchen gilt oft die ver- schiedene Entwicklung des pm. 2 als das wesentlichste Merkmal der Art (V. caliginosus, Tom. — V. adversus, Pet. — V. adversus var. amboinensis). Dass individuelle Variati- onen in dieser Richtung vorkommen, bezeugt Fatio mit Büzug auf V. mystaciuus. Dass auch bei einigen andern Säugethieren die Reduktion in der Backzahnreihe durch Verlust einer der mittleren Backzähne entsteht, hat Flower^) bei den Dasyuridae gezeigt. 5 Bei Vespertiliones mit - Backzähnen lässt sich die Re- duktion des 1. oberen Backzahns pm. 1 Schritt für Schritt verfolgen. Unter den europäischen Vesperugo-Formen bil- den die nahe verwandten V. Nathusii — pipistrellus — Kuhlii — maurus, ferner V. Leisleri — noctula Serien, welche diese Reduktion illustriren können. Interessante individu- elle Variationen werden von Fatio bei V. pipistrellus und von Peters bei V. Kuhlii augeführt. Dass bei älteren In- dividuen pm. 1 sogar auszufallen pflegt ist bei V. KuhlU, abramus etc. beobachtet worden. Dass Variabilität ein charakteristisches Merkmal der rudimentären Organe ist, wird allgemein zugegeben. Aber obgleich hier die Reduk- 2) Joiirn, of Anatomy 1869. Studien über das Milchgebiss etc. bei den Chiropteren. 361 tion eine Vereinfachung bewirkt, so dürfte sie doch gleich- zeitig einen höheren (Jrad von DifFerenzirung herbeiführen, da durch sie Organe entfernt werden, die funktionslos geworden sind. Der untere pm, 1 wird niemals in dem Grade redu- cirt, wie der obere. ifsi bei Molossi, Brachyura, Mormopes, Vampyri und Megadermata weder Milchbackzähne bisher beobachtet sind, noch mehr als zwei Praemolaren im Oberkiefer vorkommen, so lässt sich nicht direkt nachweisen, dass der vorderste Praemolar dem pm. 1 der Vespertiliones homolog, dagegen macht der Umstand, dass dieser Zahn ganz denselben Mo- difikationen unterworfen ist wie pm. 1 der vorigen Familie dieses sehr wahrscheinlich. Die Praemolaren des Unter- kiefers lassen sich bei diesen Formen dagegen mit Sicher- heit mit denen der Vespertiliones homologisiren, und zei- gen ganz dasselbe Verhalten mit Bezug auf die Reduktion. Bei einigen hierher gehörigen Formen mit 5 Backzähnen im Unterkiefer wird selbst der untere pm. 1 rudimentär (Noctilio). Ganz abweichend von allen übrigen Chiropteren verhält sich die Gattung Nycterisl- Backzähne i dadurch^ dass der 2. untere Praemolar dieselben gradweisen Modifi- kationen innerhalb dieser Gattung von einer normalen Entwicklung bis zur gänzlichen Verkümmerung durchläuft, denen bei den übrigen pm. 1 unterworfen ist. Auch bei Rhinolophus geht die Reduktion der unteren Backzahnreihe vor sich wie bei Vespertiliones; so führt Peters an, dass der untere pm. 1 des Rhinolophus Bonap. bei Phyllorhina Bonap. fehlt. Aber nicht nur bei einem Vergleiche der Artenreihe der Gattung Rhinolo- phus kann man die allmähliche Reduction dieses Zahnes wahrnehmen, sondern auch während der Entwicklung des Individuums ist pm. 2 im Unterkiefer einer solchen regressiven Metamorphose unterworfen, wie der Verf. bei Rhinolophus hipposideros beobachtet hat. Die Familie Glossophaga weicht nicht allein durch den ganzen Charakter ihres Zahnsystems von den übrigen ab, sondern auch darin, dass die Verminderung in der An- Archiv f. Natiirg. XXXXIII. Jahrg. Bd. 1. 23* 362 Wilhelm Leche: zahl der Backzähne durch den Verlust von pm. 1 hervor- gerufen wird. An einem Unterkiefer von Anura ecaudata de Sauss., im Kopenhagener Museum befindlich, sind einer- seits 7 Backzähne : 3 pm. + 4 m. beobachtet, also dieselbe Anzahl Molaren, welche nur bei den Beutelthieren normal vorkommt. Der überzählige Zahn gehört demselben Typus wie die übrigen Molaren an. Während bei allen bisher erwähnten Fledermäusen die Modifikationen in der Backzahnreihe von Variationen der Praemolaren bedingt werden, so greift die Reduktion bei der Familie Stenodermata ausschliesslich die hinteren Molaren an, während die Praemolaren nicht reducirt wer- 5 4 4 den. Die Zahl der Backzähne bei diesen ist -^j -= oder - — 5 5 4 somit kann hier eine niedrigere Anzahl als bei anderen 4 Fledermäusen auftreten, wo nie weniger als - vorkommen Die Reduction der Molaren lässt sich übrigens Schritt für Schritt verfolgen, und auch hier befindet sich, wie obige Formeln zeigen, bei Verschiedenheit stets die grössere Anzahl Backzähne im Oberkiefer. Bei einigen hierher gehörigen Gattungen lässt sich die Reduktion auch in der verschiedenen Zahl der Wurzeln nachweisen. Bei Pygo- derma hat die Reduktion ihren Höhepunkt erreicht, da nicht nur m. 3 in beiden Kiefern fehlt, sondern sogar m. 2 so wenig entwickelt ist, dass er die grösste Aehnlichkeit mit m. 3 bei z. B. Sturnira lilium zeigt. Was die Praemolaren bei Stenodermata betrifft, so ist schon früher bemerkt worden, dass sie dieselbe Entwick- lungsart wie pm. 1 und 3 bei Vesperugo zeigen, und dass die beiden Milchbackzähne dieselbe Stellung zu den Prae- molaren einnehmen, wie bei der letztgenannten Gattung; also sind die beiden Praemolaren bei Sturnira homolog mit pm. 1 und 3 bei Vespertiliones ; und was von Sturnira in dieser Beziehung gilt, dürfte mit vollster Berechtigung auch auf die übrigen Stenodermata erstreckt werden. Zu beachten ist, dass je mehr die Molaren reducirt sind, desto stärker sind die Praemolaren entwickelt, wenn auch die Variationen der letzteren nie erheblich sind; man vergleiche Brachyphylla Studien über das Milchgebif^s etc. bei den Chiropteren. 363 und Pygoderma. Legt man aber zu diesem Umstände noch die von vorne nach hinten ausgezogene Form und den schneidenden Aussenrand, wodurch sich die Praemolaren der Stenodermata auszeichnen, so wird das gewöhnlich als abnorm bezeichnete Zahnsystem einer anderen Familie, Desmodi, verständlich als ableitbar von dem des Stenoder- mentypus durch Reduktion der Molaren unter gleichzeiti- ger stärkerer Entwicklung und Differenzirung der Praemo- laren. Was die übrigen Organisationsverhältnisse betrifft, so wird allgemein anerkannt, dass diese beiden Familien sich sehr nahe stehen. Mit Owen und der Mehrzahl an- derer Verfasser anzunehmen, dass Desmodi der Praemolaren ganz entbehre, dürfte schon aus dem Grunde bedenklich sein, dass dann der Gattung Diphylla — obgleich die Back- zahnreihe in toto an Zahl verloren — 4 untere Praemolaren zukämen, eine Anzahl, die bei keiner anderen Chiropter- form angetroffen wird. Nachfolgende Zahnformeln dürfte den allmählichen Gang der Reduktion der Molaren bei Stenodermata — Desmodi am übersichtlichsten wiedergeben: 3 Brachyphylla ] m. - (normal entwickelter m. 3). Sturnira etc. Artibeus 3 m. ^ (rudimentärer m. 3). m. 2 3 \ 2 2 Chiroderma ) pm. - m. - (normal entwickelter m. 2). Pygoderma Diphylla m. - (rudimentärer m. 2). 1 ^•2 Desmodus m. - Wie schon erwähnt, stimmen die Milchschneidezähne bei Sturnira und Desmodus überein, obgleich die bleib. Schneidezähne bei beiden Formen in verschiedener Anzahl vorhanden sind. Doch ist auch im bleib. Gebiss der Zu- sammenhang deutlich : bei Stenodermata sind stets die bei- 364 Wilhelm Leche: Studien üb. d.Milchgebiss etc. b.d.Chiropteren. den mittleren Schneidezähne im Zwischenkiefer viel stärker entwickelt als die äusseren. Bei Desmodus ist diese DifFe- renzirung dahin fortgefithrt, dass die mittleren sich enorm entwickelt haben, während die äusseren gleichzeitig* immer mehr rückgebildet und schliesslich verloren gegangen sind. Desmodi stehen also in dieser Hinsicht in derselben Bezie- hung zu den Stenodermata, wie Nycticeina Gerv. zu Ves- pertilionina Gerv. Die zweilappige Form der unteren Schneide- zähne der Desmodi findet sich auch bei vielen Stenodermata (Stenoderma lineatum, Chiroderma, Ametrida etc.) wieder. Uuiversitäts-Buchdruckcrci von Carl Georgi in Bonn. MBL WHOI LIBRARY UH löPU ^^-