ARCHIV

FÜR

NATURGESCHICHTE.

GEGRÜNDET VON A. F. A. WIEGMANN,

FORTGESETZT VON

W. F. ERICHS ON UND F. H. TROSCHEL.

HERAUSGEGEBEN

VON

DR. ED. VON MARTENS,

PROFESSOR AN DER FRIEDRICH -WILHELMS -UNIVERSITÄT ZU BERLIN.

FÜNFZIGSTER JAHRGANG.

Erster Band.

Mit 24 Tafeln.

Berlin 1884. Nicolaische Verlags-Buchhandlun

R. Stricker.

Jnhalt des ersten Bandes.

Seite

Zur näheren Kenntniss der Cytheriden, von Dr. Wilh. Müller.

(Hierzu Taf. I u. IL) 1

Longipedina Paguri n. s. Eine Copepode aus den Wohnungen von

Pagurus Bernhardus, von Dr. Wilh. Müller. (Hierzu Taf. HL) 19

Amphisbaena cinerea Vand. und A. Strauchi v. Bedr. Erster Bei- trag zur Kenntniss der Doppelschleichen. Von Dr. J. v. Be- driaga. (Hierzu Taf. IV.) 23

Ueber die Mundwerkzeuge der Schmetterlinge, von P. Kirbach.

(Hierzu Taf. V u. VI.) 78

Schimpanse am Tanganika. Briefliche Mittheilung von Paul Rei- chart 120

Helminthologisches. Von Dr. v. Linst ow in Hameln. (Hierzu

Taf. VII— X.) 125

Beiträge zur Kenntniss des Baues und der Funktionen der Insekten- beine. Von Dr. Fr. Dahl in Kiel. (Hierzu Taf. XI— XIII.) 146

Ueber einige im Wasser lebende Schmetterlingsraupen Brasiliens. Von Dr. Wilh. Müller-Blumenau, Prov. St. Catharina. (Hierzu Taf. XIV.) 194

Nachtrag üher die Funktion der Antennendrüse der Cytheriden. Von

demselben 213

Beschreibung einiger neuen Milben. Von Dr. G. Haller in Zürich.

(Hierzu Taf. XV u. XVI.) 217

Ein Beitrag zur Copepoden- Fauna des adriatischen Meeres. Von

Dr. Lazar Car in Agram. (Hierzu Taf. XVÜ u. XVIII.) . 237

Zur Conchylien- Fauna von China VI. Stück. Von P. Vincenz

Gredler. (Hierzu Taf. XIX.) 257

Ueber die von den Herren Dr. Arthur und Aurel Krause im nörd- lichen Stillen Ocean und Behringsmeer gesammelten freilebenden Copepoden. Von S. A. Poppe in Vegesack. Hierzu Taf. XX bis XXIV.) 281

211 of

Zur näheren Kcnntniss der Cytheriden.

Von

Dr. Willi. Müller.

Tafel I und IL

A. lieber die Geschlechtsorgane der Cytheriden.

1. Weibliche Geschlechtsorgane.

In meiner Dissertation ') glaube ich nachgewiesen zu haben, dass die früher für rudimentäre Schwanzstachel oder für das Aequivalent der Schwanzstacheln der Cypriden gehaltenen An- hänge am hinteren Körperende der weiblichen Cytheriden nicht den Schwanzstacheln, sondern der sogenannten Vagina der Cy- priden entsprechen. Ich wiederhole des Zusammenhangs halber kurz die Gründe für diese Annahme. Bei Cytheridea torosa Jones (in meiner Dissertation als Cythere lutea Müller aufge- führt) rinden wir die Mündung der Receptacula seminis (Fig. 3 G) an der Innenseite der Lobi abdominales (Fig. 3 Vg), wie sie Sars nennt, so dass hier die Uebereinstimmung sofort ins Auge fällt. Abweichend von den meisten Cypriden, übereinstimmend mit Candona, bildet der zur Samenblase führende Schlauch eine Verdickung D (bei Candona mit einer Einschnürung), welche sich der Chitinhaut des Körpers dicht anlegt.

Noch näher scheint sich den Cypriden in der Gestaltung des Receptaculum seminis Cythere viridis Müller anzuschliessen,

1) Beitrag zur Kenntniss der Fortpflanzung und der Geschlechtsver- hältnisse der Ostracoden, Inauguraldissertation, Greifswald 1880; ab- gedruckt in Zeitschrift für die gesammten Naturwissenschaften von Giebel. Bd. VI. 1880. P. 222 f.

Arch. f. Naturgesch. f,. Jahrg. 1. Bd. 1

2 Dr. Wilh. Müller:

da hier die Chitinverdickung fehlt, indessen habe ich von dieser Art zwar zahlreiche jüngere Thiere, doch nur ein geschlechts- reifes Weibchen gefunden, so dass ich hier nicht zu sicheren Resultaten gelangen konnte.

Denken wir uns nun bei Cytheridea torosa das Stück des zur Samenblase führenden Schlauchs, welches zwischen der Vagina und der Verdickung bei D (Fig. 3) liegt, ausgefallen, die Geschlechtsöffnung nach D verlegt, so erhalten wir die Ein- richtung des Receptaculum seminis, wie sie sich gewöhnlich bei den Cytheriden findet. Das Receptaculum seminis besteht hier aus einem kurzen starkwandigen Canal, an welchen sich ein dünnwandiger Schlauch mit der Samenblase anschliesst. Der dickwandige Theil befindet sich seitlich am hinteren Körper- ende und enthält die Geschlechtsöffnung.

Die Zusammengehörigkeit von Vagina und Lobi abdomi- nales unterliegt demnach wohl keinem Zweifel ; besonders evident ist dieselbe, wo die Lobi abdominales, wie die Vagina von Cy- theridea torosa, zwei Borsten tragen, was ziemlich allgemein bei den Cytheriden der Fall ist. Die Constanz in der Zahl der Borsten an der rudimentären Vagina ist auffallend. Erst in neuster Zeit wurde mir eine Species bekannt (Elpidium Bromeliarum Fr. Müller), die 3 Borsten zeigt, doch weist auch hier die An- ordnung auf ursprünglich 2 Borsten hin. (Fig. 6.) Unter den zahlreichen von Sars1) aufgestellten Gattungen finden sich nur 3 (Cytheropteron , Sclerochilus , Pseudocythere) , welche nach Sars mehr als 2 Borsten an den Lobi abdominales tragen. Leider haben mir keine Species dieser Gattungen zur Untersuchung vorgelegen, so kann ich nicht entscheiden, ob Sars vielleicht andere Gebilde mit herein gezogen, oder ob die Anordnung der Borsten auf eine ursprüngliche Zweizahl hinweist; ich möchte in dieser Beziehimg nur die Angabe von Brady erwähnen, dass die mit 5 Borsten versehenen Lobi abdominales von Sclerochilus „bilobed" sind. Für die artenreiche Gattung Cytherura, der Sars Lobi abdominales mit Borsten abspricht, lassen sich zum Theil an früheren Entwickelungsstadien (Cytherura gibba, Fig. 4) oder auch an geschlechtsreifen Thieren (Cytherura nana) Lobi abdominales mit 2 Borsten nachweisen.

1) Oversigt af Norges marine Ostracodcr af G. 0. Sars in Vid. Selskabets Forhandlinger for 1865.

Zur näheren Kenntniss der Cytheriden. 3

An dieser Stelle sei auch ein ähnlicher mit zwei auffallend langen Borsten versehener Anhang erwähnt, der sich am hin- teren Körperende einer Halocypride (Halocypris brevirostris. Dana?) zur Seite oder über der Furcalplatte findet (Fig. 15). Die veränderte Lage Hesse sich mit der Verkürzung der Bauch- seite, welche ein dichtes Zusammendrängen aller Anhänge zur Folge hat, in Zusammenhang bringen.

In so weit, glaube ich, lässt sich ein Vergleich zwischen weiblichen Geschlechtsorganen der Cypriden und Cytheriden wohl durchführen , anders in Bezug auf das gleich zu beschrei- bende Organ der Cytheriden, für das ein Analogon bei den Cypriden nicht so sicher nachweisbar. Ich habe das fragliche Organ zuerst gefunden bei der schon erwähnten Species, Cy- theridea torosa, bei welcher dasselbe in seinen früheren Ent- wickelungsstadien besonders auffällt. Es erscheint bei dieser Species bei einer der letzten Häutungen (drittletzte) zwischen Vagina und letztem Gliedmassenpaar, die wohl auch erst bei dieser Häutung angelegt, resp. ihre definitive Gestalt erhalten, jederseits ein zu einer Spiralwindung zusammengezogener An- hang (Fig. 1, Ap.). Derselbe ist überaus durchsichtig, so dass es ohne Anwendung von Färbemitteln nicht gelingt, seine Form zu erkennen, und ohne direct nachweisbare Structur. An der nächsten Häutung nahe stehenden Individuen zeigt sich in diesem Anhang ein dunkler Streifen, die Anlage des gleich zu erwäh- nenden Canals, sowie eine zellige Structur.

Im folgenden Entwickelungsstadium (Fig. 2) ist der Anhang in seiner ganzen Länge von einem Canal durchbohrt, der sich an der Basis des Anhangs zu einer Chitinkapsel erweitert, von welcher aus der Canal sich in das Innere des Körpers fortsetzt, wo er sich der weiteren Beobachtung entzieht. Vom Recepta- culum seminis ist in dieser Zeit noch nichts zu bemerken.

Mit der nächsten Häutung fällt der äussere Anhang weg (Fig. 3), erhalten bleibt der innere Canal R und die Chitin- kapsel, welche sich als äusserer Anhang (Ap) der Chitinstütze der Vagina C dicht anlegt.

Noch bei zwei weiteren Arten ist es mir gelungen, deut- liche Spuren des gleichen Organs zu finden, welche gleich be- sprochen werden sollen. Bei Cytherura gibba erscheint mit der vorletzten Häutung (Fig. 4) die Vagina vg mit ihren zwei Borsten, indessen noch keinerlei Anlage eines dem beschriebenen

1*

4 Dr. Wilh. Müller:

ähnlichen Organs. Bei der letzten Häutung (Fig. 5) geht die Vagina verloren, die Geschlechtsöffnung erscheint seitlich am hinteren Körporende (G), zugleich erscheint an Stelle der Va- gina ein borstenloser Anhang Ap, der einem überaus feinen, das hintere Körperende in mehrfachen Windungen durchziehenden Canal R zur Ausmündung dient. Beachtung verdienen die Linien, welche an dem Anhang Ap radiär nach der Mündung des Canals verlaufen. Dieselben rühren nicht etwa von Muskel- bündeln her, sondern von Chitinverdickungen (vielleicht auch rinnenartigen Vertiefungen).

Die dritte Art, bei der ich deutliche Spuren des genannten Organs fand, ist Elpidium Bromeliarum. Bei den beiden zuerst genannten Arten war es mir unmöglich, etwas Genaueres über die Endigung des Canals, seine Verbindung mit einem anderen Organ etc. zu erfahren; alle Untersuchungen lieferten nach dieser Richtung hin unbefriedigende Resultate. Etwas, wenn auch nicht eben bedeutend genauere Auskunft giebt uns Elpi- dium. Wir haben hier (Fig. 6) am hinteren Körperende die kleine rudimentäre Vagina Vg, zum Theil verdeckt von dem Anhang Ap, an dessen Aussenseite der Canal R mündet. Wie bei Cytherura gibba finden wir radiär nach der Mündung ver- laufende Linien. (Fig. 7.) Von dem Anhang aus verläuft im Bogen* ein kurzer, leicht sichtbarer Canal, dessen wechselndes Aussehen und Lumen (erst scharf, dann schwach contourirt, gegen das Ende erweitert, dann verengt) aus Fig. 7 ersichtlich. Kurz vor seinem Ende zeigt der Canal 6 aufeinanderfolgende Ringe, von denen sich jeder (einer Perlenkette ähnlich) aus erhabenen Punkten zusammensetzt. Das Ende des Canals legt sich dem verdickten Theil des Receptaculum seminis dicht an, ohne dass eine Verbindung mit demselben (eine Mündung des Canals in das Receptaculum seminis) nachweisbar wäre. Ebenso- wenig finden wir ein anderes Organ in Verbindung mit dem Canal. Die Reste von Gewebe, die man an isolirten Canälen findet, deuten auf eine Drüse, doch lässt sich nichts Derartiges sicher nachweisen.

Noch sei hier Einiges über die Anatomie des Receptaculum seminis erwähnt, das einigermassen abweichend gebaut. Die eigentliche Samenblase S ist sehr lang, birnförmig, allmählich erweitert, und setzt sich direct, ohne zwischen geschalteten Canal mit sehr engem Hals an den verdickten Theil mit der

Zur näheren Kenntniss der Cytheriden. 5

äusseren Mündung an. Der verdickte Theil setzt sich ziemlich weit nach unten fort. Die ungewöhnlich grosse Sarnenblase ist stets ganz mit Samenfäden gefüllt, dadurch leicht nachweisbar (im Gegensatz zu anderen Cytheriden), womit zusammenhängt, dass auch die Hoden ziemlich voluminös und leicht nachweis- bar sind.

Bei den verschiedenen anderen untersuchten Species habe ich nirgends einen Canal entdeckt, welcher als Analogon des hier beschriebenen Organs gelten könnte, wohl aber äussere Anhänge, welche hierher gehören möchten; so bei Cythere ca- stanea einen Anhang zwischen rudimentärer Vagina und letztem Gliedmassenpaar, welcher an die Bildung bei Cytheridea torosa evinnert 5 ähnlich bei anderen wohl noch unbeschriebenen Species der Gattung Cythere. Bei Cytherura nana Sars, nigrescens Baird, euneata Brady (?), zwei vermuthlich noch nicht beschrie- benen Species der Gattung Paradoxostoma Fischer und Cythe- rois virens finden sich am hinteren Körperende kurze Anhänge oder ohrförmige Chitinleisten (Fig. 12 Ap) mit den mehrfach erwähnten radiären Linien, welche Linien mich veranlassen, diese Gebilde hierher zu ziehen. Bisweilen mögen dieselben eine Rolle bei der Begattung spielen (Stützpunkt für den Penis), wofür ihre Nachbarschaft mit der Geschlechtsöffnung spricht.

Jede Spur eines ähnlichen Organs habe ich vermisst bei Xestoleberis nitida Lilljeborg, Loxoconcha rhomboidea Fischer und Cythere viridis Müller, wobei allerdings zu berücksichtigen, dass ein Uebersehen nicht ausgeschlossen, vielmehr leicht möglich.

Was die Function des Organs betrifft, so giebt uns die Anatomie wenig Anhalt für eine Deutung. Das Wahrscheinlichste dürfte sein, dass der Canal einer Drüse als Ausführungsgang dient: berücksichtigen wir indessen, dass bei der Species, die uns mit den besten Aufschluss giebt (Cytheridea torosa), das Organ den Höhepunkt seiner Entwickelung vor der Geschlechts- reife des Thieres erreicht, berücksichtigen wir ferner das be- schränkte Vorkommen desselben, so liegt der Schluss nahe, dass wir es hier mit einer rudimentären Bildung zu thun haben, ohne wesentliche Bedeutung für das Leben des Thieres.

Anhangsweise sei hier noch Einiges erwähnt über das Vor- kommen ähnlicher Reste bei anderen Familien der Ostracoden (Halocypriden, Cypridinen), wobei ich mich leider meist auf die

(3 Dr. Wilh. Müller.

Resultate fremder Untersuchungen berufen muss, da eine Unter- suchung des wenigen mir zur Verfügung stehenden Materials nicht zu befriedigenden Resultaten führte. Für die Halocypriden sei die Angabe von Claus1) erwähnt, dass sich bei den Weib- chen von Conchoecien anscheinend eine doppelte Geschlechts- öfl'nung, resp. eine doppelte Mündung des Receptaculum seminis findet, eine längere und eine zweite kürzere, welche in enger Mündung nach aussen mündet. Claus sagt selbst, dass er sich nicht volle Klarheit über den Sachverhalt habe verschaffen können; ich vermutho, dass einer der beiden Canäle als Ana- logon des hier besprochenen Organs aufzufassen sei. Leider giebt Claus keine Abbildung, was für einen Vergleich sichereren An- halt geben würde.

Von Cypridiua messenensis sagt Claus,2) dass sich zwischen dem letztem Gliedmassenpaar und Schwanzanhang ein paariger Anhang finde, der aus zwei dicht aneinanderliegenden, cylindri- schen Zapfen bestehend, bei jungen Weibchen an eine Extremi- tätensprosse erinnere. Ein vorderer, scharf contourirter, ohrför- miger Anhang soll auf Geschlechtsöffnung, ein hinterer ovaler auf Samenbehälter hinweisen. Nach der gegenseitigen Lage beider Anhänge, besonders aber nach der Zeichnung, die Claus giebt, in welcher der vordere Anhang ganz charakteristisch die bei den Cytheriden mehrfach erwähnten radiären Linien zeigt, wäre ich sehr geneigt, den vorderen Anhang als hierher gehörig anzu- sprechen, die Geschlechtsöffnung am hinteren Anhang zu suchen. Bei einer noch unbeschriebenen Cypridiua von der japanischen Küste, welche ich der Güte des Herrn Dr. Hilgendorf verdanke, findet sich im hintern Körperende ein langer, ziemlich dicker Schlauch, der anscheinend nicht mit der Samenblase in Ver- bindung steht; auch er gehört vielleicht hierher. Leider habe ich seine Mündung nach aussen nicht aufzufinden vermocht.

Von den Cypriden haben mir gegen 20 Species aus 4 Gat- tungen (Cypris Müller, Cypridopsis Brady, Candona Baird, Noto- dromas Lilljeborg oder Cyprois Zenker) meist in grösserer Anzahl zur Untersuchung vorgelegen. Auch würde hier die Untersuchung keine besonderen Schwierigkeiten bieten; doch ist es mir nir- gends gelungen, bei weiblichen Cypriden Spuren eines ähnlichen

1) Claus, Zoologische Studien. Wien 1874. p. 16,

2) Zeit. wis. Zoologie 1865. p. 152.

Zur näheren Kenntniss der Cytheriden. 7

Orgaus zu finden. Es liegt iudesseu nahe, ein bei deu Männ- chen vorkommendes und dort sehr wohl ausgebildetes Organ iu den Kreis unserer Betrachtung zu ziehen: die Schleimdrüse.') Hier eine Analogie behaupten , würde die Annahme involviren, dass Schleimdrüse und rudimentäres Organ der Cytheriden ab- zuleiten sind von einem bei der gemeinsamen Stammform beider Familien (oder der Ostracoden überhaupt) beiden Geschlechtern zukommenden Organ, welches bei dem einen Zweig mit den weibliehen, bei dem anderen mit den männlichen Geschlechts- organen in Beziehung trat, während es umgekehrt beim anderen Geschlecht ganz verloren ging. (Siehe darüber noch unten die Besprechung der männlichen Geschlechtsorgane der Cytheriden.) Prüfen wir den anatomischen Befund, in wie weit er geeignet ist, diese Annahme zu stützen, resp. umzustossen. Die Aus- mündungsstelle imd Lage im Körper ist für beide Organe die gleiche, das Wenige, was von dem Organ bei den Cytheriden nachweisbar, vergleicht sich leicht mit dem Ausführungsgang der Schleimdrüse. Eine Thatsache scheint noch ganz speciell auf eine Zusammengehörigkeit hinzuweisen, die ringförmigen Einschnürungen am Ende des Canals von Elpidium bromeliarum.

*) Es ist von Weissmann (Zoolog. Anzeiger 1880. p. 49) die Be- hauptung aufgestellt worden, dass die vermeintliche Schleimdrüse ein Theil des Ausführungswegs der Geschlechtsproducte, ein Ductus ejaculatorius sei, womit die folgende Annahme als ausgeschlossen zu betrachten wäre. Ich habe schon in einer Schlussbemerkung meiner Dissertation darauf hin- gewiesen, dass der Schein eines Einmündens durch eine Einstülpung des Vas deferens in das aborale Ende der Schleimdrüse hervorgerufen wird, welche Einstülpung auch nur bei einer Species (Notodromas monacha) be- steht. Indessen will ich, um in dieser Richtung jeden Zweifel zu zer- streuen, noch einige Gründe für die Bedeutung des Organs als Drüse an- führen. Wie Weissmann richtig bemerkt, zeigt der das Chitingerüst umgebende durchsichtige Cylinder eine Streifung, weshalb ihn Weissmann aus Muskelmasse bestehen lässt. Woher diese Querstreifung rührt, weiss ich nicht, indessen unterscheidet sie sich sofort von der Querstreifung der Muskelfaser durch grössere Zartheit, engeres Zusammenstehen der Linien. Beim Behandeln mit saurem chroms. Kali verschwindet die Streifung, während sie bei Muskeln deutlicher wird, sie ist überhaupt nur an ganz frischem Material gut sichtbar. Behandelt man das Organ mit Hoffmanns Blau, so zeigt sich die durchsichtige Masse zusammengesetzt aus zahl- reichen radiär angeordneten Schläuchen, was ich besonders schön am Querschnitt einer gefärbten Schleimdrüse sah.

8 Dr. Wilh. Müller:

In früheren Entwickelnngsstadien wird der Theil der Schleimdrüse, welcher später dio Chitinstrahlen und zwischen diesen angeordnet die Drüsenschläuche trägt, ebenfalls von einer Reihe von Ringen gebildet. Dieser letzte geringelte Abschnitt trägt dann noch keine Drüsenschläuche, dagegen wird eine später verschwindende Drüse angedeutet durch zahlreiche ge- stielte Zellen, welche aus dem freien Ende des Schleimdrüsen - canals entspringen. Wir mögen zwischen diesem Befund und den Verhältnissen von Elpidium immerhin eine grosse Aehnlich- keit finden.

Der hier gegebenen Hypothese über die Zusammengehörig- keit von Organen steht die von Zenker1) gegenüber, nach wel- cher (bei den Cypriden) „der Samenschlauch der Eiröhre, die Schleimdrüse der Samentasche und der Penis der Scheide" ent- spricht! Dieser Vergleich ist für die Cypriden allerdings der nächst liegende, hat zunächst dieselbe Wahrscheinlichkeit für sich, wie der hier gegebene. Zenker lässt die Samenblase mit einer 6 8 strahligen Narbe endigen, worin sich allerdings eine Stütze für seine Auffassung finden Hesse, indessen habe ich mich stets vergeblich bemüht diese Narbe aufzufinden. Wir werden bei Besprechung der männlichen Geschlechtsorgane noch einen Grund für die hier gegebene Hypothese kennen lernen, immerhin muss die Frage zur Zeit wohl offen bleiben.

2. Männliche Geschlechtsorgane.

Der Penis der Cytheriden zeigt sich zusammengesetzt aus einer Zahl beweglich verbundener Chitinleisten, daneben finden sich stets Muskelbündel (gewöhnlich 3). Eine Darstellung einer grösseren Zahl von Formen würde für die Specieskenntniss, zum Theil auch zur Charakteristik der Gattungen sehr werth- voll sein, indessen wenig morphologisches Interesse bieten. Wenn es auch gelingt, den Penis von verschiedenen Species einer Gattung oder von Vertretern verwandter Gattungen auf dieselbe Grundform zivrückzufükren, so wird doch der Vergleich unmöglich, wenn wir entfernter stehende Formen in Betracht ziehen. Für das Verständniss der physiologischen Bedeutung der einzelnen Theile scheint die Angabe von Claus2) Berück-

1) Zenker, Monographie der Ostracoden in Wigmanns Arohiv 1854. p. 44.

2) Zeit, wissensch. Zoologie 1873. p. 220.

Zur näheren Kenntnis« der Cytheriden. 9

sichtigung zu verdienen, dass das achte Paar von Gliedmassen (Begattungsglied) nur Hülfsorgan der Begattung, dass das Vas deferens median zwischen beiden auf einer Papille mündet. Vielleicht möchte das auch für manche Cytheriden gelten. Mir gelang es nur in einem Fall den Verlauf des Vas deferens deutlich zu erkennen, und zwar bei dem durch besonders reich- liche Bildung von Samenfäden ausgezeichneten Elpidium bro- meliarum. Hier liegt das Vas deferens, das zum Theil mit zelligen Elementen, welche die Samenfäden begleiten, gefüllt und dadurch leicht sichtbar ist, frei an der Innenseite des Penis, um erst mit dem am Ende aufgesetzten grösseren Chitin- stück E in Verbindung zu treten. Anscheinend mündet das Vas deferens in dasselbe. Mag nun auch in anderen Fällen das Vas deferens schon früher mit dem Penis in Verbindung treten, so spricht doch das beschriebene Verhältniss ebenfalls dagegen, dass wir die Leitungswege in den complicirten Chitin- leisten suchen dürfen.

In dem angeführten Passus aus Zenkers Monographie über die Analogie der männlichen und weiblichen Geschlechtsorgane lässt der genannte Autor sich Penis und Vagina entsprechen. Claus spricht an verschiedenen Stellen die Ansicht aus, dass beide Gebilde aus Gliedmassenpaaren, also doch auch aus gleich- werthigen Gebilden hervorgegangen. Für den Vergleich von männlichen und weiblichen äusseren Geschlechtsorganen liefert das beste Beispiel Elpidium bromeliarum. Bei dieser Species zeigt sich am hinteren Körperende vom Männchen ein nicht mehr zum Penis gehöriger Anhang (Fig. 8, 9, N.). Dieser An- hang trägt 3 Borsten, welche in ihrer Anordnung auffallende Aehnlichkeit zeigen mit denen der rudimentären Vagina, was besonders deutlich beim Vergleich von Fig. 6 und 9. So deut- lich wie hier finde ich freilich einen ähnlichen Anhang hinter dem Penis bei keiner der von mir untersuchten Species wieder, gewöhnlich ist der Anhang mehr oder weniger in den Penis aufgegangen, doch erhalten sich häufig als Rest am hinteren Rand des Penis 2 Borsten, entsprechend der für die Cytheriden meist geltenden Zahl von Borsten an der rudimentären Vagina. (Cy- thereis? angulata Sars, Cythere castanea Sars, Cythere viridis Müller, Paradoxostoma sp. u. a.)

Nehmen wir danach an, dass die Vagina gleichwerthig dem hinteren Theil des Penis, resp. einem hinter dem Penis

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Dr. Willi. Müller:

frei gesonderten Anhang, nicht aber dem Penis selbst, so würde es sich noch fragen, was wir als Aequivalent des Penis anzu- sehen haben. Nach der Lage der einzelnen Theile zu einander kann das nichts Anderes sein, als der äussere Anhang des ru- dimentären Organs. (Ap in Fig. 1, 2, 3, 5, 6, 12.) Schon da- durch, dass dieser Anhang (bisweilen wenigstens im Lauf der Entwickelung) eine beträchtliche Grösse erreicht, passt es besser zum Penis als die constant kleine Vagina (rudimentäre Vagina). lieber das Verhältniss des Vas deferens zum Penis bei den Cypriden wissen wir noch nichts Genaues, das eine aber ist augenscheinlich, dass der Penis den Ausführungsgang der Schleimdrüse aufnimmt. (Siehe in meiner Dissertation die Ab- bildung des Penis von Candona Candida, Tafel I Fig. 10.) So würde die hier aufgestellte Hypothese über die Beziehungen zwischen Vagina, Penis, Anhang des rudimentären Organs etc. sich ergänzen mit der oben gegebenen über Schleimdrüse und rudimentäres Organ der Cytheriden. Fassen wir die hier ent- wickelten Ansichten über Beziehungen zwischen gewissen Theilen der männlichen und weiblichen Geschlechtsorgane der Cypriden und Cytheriden kurz zusammen. Es würden sich entsprechen:

Cypris

Cythere

fem.

mas.

fem.

nias.

Vagina

(Penis, hinterer Theil?)

Vagina oder rudi- mentäre Vagina (lobi abdomina- les)

hinterer Theil des Penis

Penis

Aeusserer An- hang des rudi- mentären Organs

Penis ohne hin- teren Anhang

Schleimdrüse

rudimentäres Organ

Zur näheren Kenntniss der Cytheriden. 11

B. Ueber den paarigen Anhang zwischen dem ersten Schreitbeinpaar der Cytheriden.

An der Innenseite des ersten Schreitbeinpaares, bisweilen nacb hinten gerückt und dem zweiten Schreitbeinpaar genähert, findet sich ein paariger Anhang, der in den meisten Arbeiten über Cytheriden Erwähnung findet, indessen stets irrthümlich beiden Geschlechtern zugeschrieben wird. Derselbe findet sich, was ich schon in meiner Dissertation als Vermuthung aussprach, nur bei den Männchen, den Weibchen fehlt er stets. Ueberhaupt vermisst habe ich denselben nur bei einer Species, Elpidium bromeliarum. Sars und Brady deuten diesen Anhang als den abgegliederten Kautheil der Maxille 2 der Cypriden. Dieser Deutung entsprechen wenig die Vorgänge bei der Entstehung der Maxille 2 aus einem Schreitbeinpaar (normale Entwickelung der Cypriden) und umgekehrt die Umwandlung der Maxilla 2 in ein Greifbein (Entwickelung von Notodromas monacha mas). In beiden Fällen erkennen wir ohne weiteres Kautheil und erstes Glied des Beines als entsprechende Theile, so dass mir die Deutung von Sars ausgeschlossen zu sein scheint. Es kann überhaupt fraglich erscheinen, ob wir den Anhang zum ersten Schreitbeinpaar zu ziehen haben, Maxille und zweites Schreitbein- paar stehen ihm oft ebenso nah. Für seine Beziehung zum ersten Schreitbeinpaar spricht allerdings, dass der Anhang nur bei einem Geschlecht vorkommt, und dass es das fünfte Gliedmassen- paar (erstes Schreitbeinpaar der Cytheriden) ist, welches häufig bei den Cytheriden, constant bei den Cypriden in beiden Ge- schlechtern verschieden gebaut ist.

Die physiologischen Beziehungen des Anhangs zu irgend einer allein oder vorwiegend den Männchen zukommenden Function sind schwer einzusehen. Ist der Anhang auch keineswegs un- beweglich, wie Sars behauptet, so kann er doch kaum als Greiforgan bei der Begattung dienen. In einem Falle war ich in der Lage, den Anhang in Thätigkeit zu sehen, und will ich die betreffende Beobachtung hier wiedergeben; sie wirft leider kein Licht auf die Beziehung des Organs zum Fortpflanzungs- geschäft. Bei einem Paradoxostoma (n. s. ?), dessen durch- sichtige Schalen eine Beobachtung aller Gliedmassen gestattete» sah ich, wie in kurzen Zwischenräumen der sogenannte Kiemen- anhang der Maxille in seinen Schwingungen pausirte, dafür die

12 Dr. Wilh. Müller:

fraglichen Anhänge die Zufuhrung eines Wasserstroms nach den Seiten des Körpers besorgten, indem sie ziemlich energisch nach vorn schlugen. Erwähnt sei noch, dass bei der beobachteten Species die fraglichen Anhänge besonders stark entwickelt sind.

C. Verzeichniss der in der Nord- und Ostsee gefundenen Species.

Ich werde gezwungen sein, in dem folgenden Verzeichniss manche Species als zweifelhaft zu bezeichnen, bei mancher den Speciesnamen überhaupt weg zu lassen. Wer die Schwierig- keiten der Bestimmung von Ostracoden kennt, wird das erklär- lich finden. Zumal da, wo wir uns allein auf die Schalenform verlassen sollen, bleiben zahlreiche Bestimmungen unsicher. So habe ich es auch unterlassen, verschiedene vermuthlich noch unbeschriebenen Species zu beschreiben, einmal, weil schwer nachzukommen, in wie weit sie schon beschrieben, dann aber, weil mir für eine derartige Arbeit eine vollständigere Samm- lung der in der Nord- und Ostsee vorkommenden Arten wün- schenswerth erscheint. In dieser Richtung beschränke ich mich darauf, eine noch unbekannte Gattung, die manches anatomisch Interessante bietet, darzustellen.

Qjthere Müller.

1. Cythere viridis C. F. Müller.

Cythere viridis 0. F. Müller Entomostraca etc. p. 66 (?).

Sars 1. c. p. 30. Brady Monograph of the recent

British Ostracoda (Transact. Linn. Society XXVI).

p. 444. Diese kleine Species findet sich ziemlich häufig in dem sogenannten Wat bei der Insel Sylt, doch fand ich fast nur Larven, fast gar keine geschlechtsreifen Thiere.

2. Cythere castanea Sars.

Cythere castanea Sars 1. c. p. 32. Brady 1. c. p. 398. Selten im Wat bei Sylt.

Ferner habe ich von dieser Gattung gesammelt verschie- dene fragliche Species im Wat bei Sylt, alle selten, und eine aus dem Greifswalder Bodden, auffallend durch die Verschieden-

Zur näheren Kenntniss der Cytheriden. 13

heit der Geschlechter (in meiner Dissertation als Cythere reni- formis Baird aufgeführt).

Cythereis Jones.

3. Cytherek angidata (?) Sars 1. C. p. 40. Sehr selten bei Sylt.

Cytheridea Bosquet.

4. Cytheridea torosa Jones.

Cyprideis torosa Brady Annais and Magaz. of nat.

hist. XIII 1864 p. 62. Sars 1. c. p. 51.

Cytheridea torosa Brady Transactions etc. p. 425.

Cythere lutea W. Müller Beitrag u. s. w. p. 19 folg. Diese Species findet sich stellenweis überaus häufig im Greifswalder Bodden, ist aber schwer aufzufinden, wegen der Aehnlichkeit, die das Thier mit Sandkörnern hat, und wegen des Mangels an Bewegung. Von allen mir lebend zu Gesicht gekommenen Cytheriden ist diese Art die trägste, obgleich ich zahlreiche Thiere wochenlang lebend gehalten habe, so habe ich doch kaum eines sich von der Stelle bewegen sehen. Sie liegen meist am Grund, die Schalen geöffnet, die aus denselben hervorgestreckten Antennen-Beine sind in langsamer Bewegung, welche indessen nicht genügt, das Thier fortzuschieben. Unter diesen Umständen scheint ein selbstständiges Aufsuchen der Nahrung ausgeschlossen, das Thier auf die ihm durch die Bewegung der Kiemenplatte zugeführten und mit dem Kautheil der Maxille (Mandibulartaster) aufgefangenen kleinen Körper angewiesen zu sein.

Loxoconcha Sars.

5. LoxoconcTia rhomboidea Fischer.

Cythere rhomboidea Fischer Abhandl. der Kgl. Bayri- schen Akad. Mathem.-physik. Abth. Bd. 7. p. 656. Cythere viridis Lilljeborg. De crustaceis ex ordinibus tribus p. 168.

Cythere flavida Zenker 1. c. p. 86. W. Müller 1. c. p. 19 f. Die Beschreibung, welche Sars und Brady unter dem glei- chen Namen mit der gleichen Synonymik geben, passen sehr wenig auf die von mir gesammelten Thiere, welche sicher mit

14 Dr. Wilh. Müller:

den von Lilljeborg und Zenker beschriebenen Formen identisch sind. Die beiden letztgenannten Autoren geben indessen der- artige anatomische Merkmale, dass man einen Irrthum für aus- geschlossen halten sollte. So mag die Frage nach den Syno- nymen bei Sars und Brady offen bleiben. Die Species findet sich massig häufig im Greifs walder Bodden.

Xestoleberis Sars.

6. Xestoleberis nitida Lilljeborg.

Cythere nitida Lilljeborg 1. c. p. 169.

Cythere viridis Zenker 1. c. p. 96.

Xestoleberis nitida Sars 1. c. p. 69.

Cythere viridis W. Müller 1. c. p. 19 f. Diese Species findet sich häufig im Greifswalder Bodden; sie verdient Beachtimg wegen eines bisher unbeachtet geblie- benen Gebildes an der inneren Seite der äusseren Schalen- lamelle, nahe hinter dem Auge (Rudiment einer Schalendrüse, Fig. 14a, Sd, und 14b. Dasselbe besteht aus einer winkelig ge- bogenen Leiste, welche von einer feinzelligen Masse umgeben ist. So erscheint das Organ an frisch getödteten Thieren; an in Spiri- tus aufbewahrten Exemplaren hat sich das feinzellige Gewebe zu regelmässig angeordneten Halbkugeln contrahirt. Es ist das das zweite Beispiel eines der Schalendrüse der Branchiopoden analogen Gebildes bei Ostracoden (Cypris fasciata nach Claus).

Cy therm a Sai'S.

7. Citherura gibba 0. F. Müller.

Cythere gibba et gibbera 0. F. Müller 1. c. p. 24. Lilljeborg 1. c. p. 167. Zenker 1. c. p. 84. Cytherura gibba Sars 1. c. p. 70. Brady 1. c. p. 444. Häufig im Greifswalder Bodden.

8. Cytherura euneata Brady (?) 1. C. p. 117. Ziemlich selten in der Nordsee.

9. Cytherura nigrescens Baird.

Cythero nigrescens Baird. British Entomostraca p. 171. Cytherura nigrescens Sars 1. c. p.71. Brady 1. c. p.410. Neben der folgenden Art die häufigste bei Sylt.

10. Cytherura nana Sars 1. C. p. 78.

Die Identificirung der Species mit Cytherura cellulosa Nor- man (Brady 1. c. p. 496) dürfte unrichtig sein.

Zur näheren Kenntniss der Cytheriden. 15

Paradoxostoma Seb. Fischer.

11 12. Von dieser interessanten Gattung habe ich zwei vermuthlich noch unbeschriebene Species in der Nordsee gefun- den; beide waren nicht besonders selten. Hier sei ein Irrthum erwähnt, der sich bei Sars und Brady in der Charakteristik der Gattung findet. Nach beiden Autoren ist der Mandibulartaster sehr lang und dünn, undeutlich gegliedert, die Endplatten der Maxillc sehr eng und zum Theil unvollkommen (was wahr- scheinlich heissen soll, in der Zahl 3 anstatt 4 vorhanden). Nun können wir doch voraussetzen, dass, wenn die Mandibeln von den Lippen gewissermassen umwuchert, ganz in die Mundhöhle eingeschlossen werden, die Mandibulartaster mit eingeschlossen werden. Auch gelang es mir in einem Fall durch Zerreissen des Mundes ein deutliches Rudiment eines Mandibulartasters zu Tage zu fördern. Was Sars und Brady als Mandibulartaster bezeichnen, ist das letzte Glied der sehr frei abgegliederten ersten Platte der Maxille (Fig. 16), welche die Function des Mandibulartasters übernommen hat. Dasselbe erscheint durch seine freie Abgliederung imd durch die langen Borsten beson- ders zum Tasten geeignet, so dass wir hier auf ein gesteigertes Tastvermögen schliessen dürfen, was jedenfalls mit der Art der Ernährung zusammenhängt. Auf diese Weise ist auch die typi- sche Vierzahl der Maxillarplatten wieder hergestellt.

Cytherois. nov. gen.

Die Antennen des ersten Paares lang, sechsgliedrig, spärlich mit Borsten bedeckt, das zweite Glied sehr lang; die Antennen des zweiten Paares 3(4)gliedrig ; die Geissei sehr lang, zweimal gekniet, mit kleiner Giftdrüse, das letzte Glied mit einer sehr stark entwickelten Borste endigend. Der Kautheil der Mandibel lang und schmächtig, ohne Zähne; der Mandibulartaster eben- falls lang und dünn, zweigliedrig, nur das letzte Glied mit Borsten besetzt, Appendix branchialis rudimentär, durch eine lange Borste ersetzt. Maxille von gewöhnlichem Bau mit einer frei geson- derten, geknieten Borste. Mund etwas weiter als gewöhnlich vorragend, Ober- und Unterlippe mit verwachsen, mit Anfängen einer Saugscheibe. Die Schale ist ohne deutliche Structur; die Verbindung beider Schalen wird hergestellt durch zwei Zähne der rechten Schale (am vorderen und hinteren Rand des

16 Dr. Willi. Müller:

Schlosses) und einen dazwischen liegenden schmalen, über- greifenden Rand der linken Schale.

13. Cytheroii virens. n. 8. Fig. 10 13.

Die Schale erscheint von der Seite gesehen ziemlich lang gestreckt, vorn mehr als hintou zugespitzt. Die grüsste Ilöhe, welcho etwas hinter der Mitte liegt, erreicht die halbe Länge nicht. Der untere Schalenrand ist hinton mehr oder weniger nach unten ausgewölbt, der obere glcichmässig gebogen. Die Schale zeigt einen schmalen, durchsichtigen Rand (der Breite dor Verschmelzung von äusserer und innerer Schalenlamello entsprechend), der Rand am vorderen und hinteren Körperende von wenigen Porencanälen durchsetzt, entsprechend die Schale wenig behaart. Von oben gesehen liegt die grösste Breite der Schale, gleich y3 der Länge, in der Mitte; nach vorn und hin- ton ist die Schale gleichmässig zugespitzt, die rechte Schale greift otwas über. Die Farbe der Schale ist an frischen Exem- plaren dunkelgrün, mit dunkleren Partien, das Auge ist deutlich sichtbar. Das zweite Glied der ersten Antenne ist ungefähr so lang, als die vier folgenden zusammen. Antenne, Mandibel und Maxille mit den Charakteren der Gattung. Das hintere Körper- ende (wie überhaupt das ganze Thier) sehr gestreckt, die rudi- mentäre Vagina weit nach hinten gerückt, der Penis massig gross, nahezu ein Dreieck darstellend. Länge der Thieres 0,5 mm. Ich habe diese Species ziemlich häufig bei Sylt ge- funden, sie zeichnet sich vor anderen Cytheriden durch raschere Bewegungen aus.

Ueber die weiblichen Geschlechtsorgane sei noch bemerkt, dass wir die rudimentäre Vagina sehr weit nach hinten gerückt und wenig gut ausgebildet finden, wir erkennen sie nur an den paarigen Borsten wieder. Die Geschlechtsöffnung wird von einer Chitinleiste gestützt, hinter dieser Leiste sehen wir Reste des oben ausführlicher besprochenen Organs.

Die Gattung ist interessant, weil sie sich augenscheinlich der Gattung Paradoxostoma in der Art der Nahrungsaufnahme nähert, allerdings ohne derselben so specifisch angepasst zu sein wie Paradoxostoma. Der vorgestreckte Mundkegel mit den Anfängen einer Saugscheibe an seiner Spitze, die weit ver- wachsenen Lippen, die langgestreckte, zahnlose Mandibel, das sind alles Umstände, die darauf hinweisen, dass vorwiegend flüssige Nahrung aufgenommen wird, der Mund zum Saugen

Zur näheren Kenntniss der Cytheriden. 17

dient, dass feste Nahrung, die erst ein Zerkleinern nöthig macht, nicht verzehrt werden kann. Andere Eigenthünilich- keiten scheinen darauf hinzuweisen, dass diese Art der Nah- rungsaufnahme eine Vermehrung der den Mund umgebenden (speciell beim Fressen dienenden) Tastorgane zur Folge hat. Als solche Eigenthümlichkeiten möchte ich nennen: die Ver- längerung der Antenne 1, welche es möglich macht, dass die Spitze leicht bis in die Mundgegend reicht, die Verlängerung und doppelte Knickung der Geissei der Antenne 2, die Streckung des Mandibulartasters und die Biegung der abgesonderten Borste der Maxille nach vorn. Der sogenannte Kautheil der Maxille zeigt sich nicht auffallend verändert, während bei Paradoxostoma gerade dieser Theil die auffallendsten Veränderungen erfahren hat, zum organischen Tastorgane ausgebildet ist, umgekehrt Antenne 1 und 2 mehr die ursprüngliche Natur als Bewegungs- organe beibehalten haben.

Figurenerklärung.

Die meisten Figuren stellen Profilansichten des hinteren Körperendes dar; da auf diese Weise nicht zu unterscheiden, welche Anhänge paarig, welche unpaar, so sind alle unpaaren Anhänge mit „u" bezeichnet.

Ap Aeusserer Anhang des rudimentären Organs.

C Chitinstütze.

G Geschlechtsöffnung.

Mb Gesonderte Borste der Maxille.

Pz Drittes Schreitbeinpaar.

R Rudimentäres Organ.

Vg Vagina.

Tafel I.

Fig. 1 3. Hinteres Körperende von Cytheridea torosa fem.

die drei letzten Entwickelungsstadien. 1 drittletztes , 2 vor- letztes, 3 letztes Entwickelungsstadium. D Verdickung des Re- ccptaculum seminis.

Fig. 4, 5. Hinteres Körperende von Cyiherura gibba fem. 4 vorletztes, 5 letztes Entwickelungsstadium.

Fig. 6 9. Elpidium Bromeliarum.

6 Hinteres Körperende vom Weibchen. S Samenblase.

7 Rudimentäres Organ, isolirt.

Arch. f. Naturgesch. L. Jahrg. 1. Bd. 2

18 Dr- Wilh. Müller: Zur näheren Kenntniss der Cytherider..

Fig. 8. Penis von innen durch ein Deckgläschen ausgebreitet. E Chitinaufsatz des Penis, N hinter dem Penis befindlicher Anhang, Vd Vas deferens; die radiären Linien bezeichnen den Verlauf von Muskelbündeln.

Fig. 9. Hinteres Kürperende vom Männchen. Pe Penis.

Tafel II. Fig. 10 13. Cytherois virens.

10 Vorderes Körperende. Aii| An.> Antenne 1 und 2, Fl Geissei, Md Mandibel, Pa Mandibulartaster , Br rudimentärer Kiemen- anhang, Os Mundöfmung, Mx Maxille.

1 1 Paariger Anhang vom Männchen.

12 Hinteres Körperende eines Weibchens.

13 Schale von der Seite.

Fig. 14. Xestoleberis nitida, a Obere Schalenhälfte mit Auge Oc und Schalendrüse Sd, b letztere stärker vergrössert.

Fig. 15. Halocypris brevirostris (?); hinteres Körperende vom Weibchen.

Fig. 16. Paradoxostoma; untere Hälfte der Maxille.

Loiigipedina Paguri n. s.

Eine Copepode aus den Wohnungen von Pagurus Bernhardus.

Von

Dr. Wilh. Müller.

Tafel III.

Dieser Copepode gehört der Familie der Harpactiden und der Subfamilie der Longipediinen an, lässt sich aber keiner der bekannten Gattungen einreihen. Ich habe ihm wegen seiner Beziehungen zur Gattimg Longipedia Claus den Gattungsnamen „Loiigipedina", wegen seines Zusammenwohnens mit Pagurus den Speciesnamen „Paguri" gegeben.

Familie: Harpactidae Claus.

Subfamilie: Longipediinae Boeck.

Loiigipedina n. g. Der Körper sehr gestreckt, allmählich verschmälert, das erste Thoracalsegment als schmaler Ring angedeutet; der Kopf mit langem Schnabel; Antenne 1 für einen Harpactiden wohl entwickelt, fünfgliedrig , beim Männchen mit starker Greifhand endigend; Antenne 2 mit dreigliedrigem Haupt- und sechs- gliedrigem, wohl entwickeltem Nebenast. Mandibel und Maxille mit zweiästigem, wohl entwickeltem Taster; vorderer Maxillar- fuss undeutlich dreigliedrig, jedes Glied mit 2 Borsten tragen- den Anhängen; hinterer Maxillarfuss ungegliedert, dicht mit zum Theil gefiederten Borsten besetzt; erstes bis viertes Schwimmfusspaar gleichartig gebaut, alle Aeste dreigliedrig; innerer Ast vom zweiten Schwimmfusspaar beim Männchen zu einem Greiforgan umgebildet; fünftes Fusspaar in beiden Ge- schlechtern gleich, sehr reducirt; 2 Eiersäckchen.

2*

20 Dr. Wilh. Müller:

Tjongipedina Paguri n. s.

Antenne 1 in beiden Geschlechtern fünfgliedrig, gedrungen, mit sehr zahlreichen, zum Theil gefiederten Borsten besetzt; der zweite Anhang des vorderen Maxillarfusses stielformig, fünftes Schwimmfusspaar in beiden Geschlechtern aus einer längeren und 3 kürzeren Borsten bestehend; Abdominalsegmente gleichmässig an Länge abnehmend, beim Weibchen die beiden ersten Segmente verschmolzen (die ursprüngliche Trennung ist in der Anordnung der Muskelfasern sichtbar), männliche und weibliche Geschlechtsöffnung mit 2 stärkeren und 2 schwächeren Borsten, von denen die schwächeren beim Weibchen zur Befesti- gung der Eiersäckchen dienen, innere Furcalborste ungefähr eben so lang als das Abdomen. Augen nicht nachweisbar (siehe unten). Eiersäckchen blau gefärbt.

Länge des Weibchens ohne Furcalborsten 2,7 mm, mit Furcalborsten 4,2 mm, Länge des Männchens ohne Furcalborste 2,3 mm, mit Furcalborsten 3,2 mm. Findet sich in der Nord- see (bei Sylt) in den Wohnungen von Pagurus Bernhardus.

Was die Verwandtschaft des Thieres zu anderen Gattungen betrifft, so nähert sich Longipedina Paguri am meisten der Gattung Longipedia Claus. Sie stimmt in zum Theil auffallen- der Weise mit dieser Gattung überein im Bau der Antenne 2, der Mandibel, Maxille, der Maxillarfüsse und des ersten Schwimmfusspaares , welches letztere in beiden Gattungen den folgenden Fusspaaren ähnlich bleibt (im Gegensatz zur Mehr- zahl der Harpactiden). Das sind meist Gliedmassenpaare, durch deren Gestalt die Subfamilie der Longipediinen oder speciell die Gattung Longipedia wesentlich von den übrigen Harpactiden ab- weicht, die also für die Begründung einer Verwandtschaft in erster Linie in Betracht gezogen werden müssen.

Andererseits unterscheidet sich Longipedina wesentlich von Longipedia durch die Sonderung des ersten Thoracalsegments (wodurch Longipedina wohl überhaupt eine isolirte Stellung unter den Harpactiden einnimmt), durch die Verschmelzung der beiden ersten Abdominalsegmente beim Weibchen, durch die Bildung der Antenne 1 (besonders beim Männchen) und des zweiten Fusspaares, sowie durch die Zahl, der Eiersäckchen, so dass die Aufstellung einer besonderen Gattung wohl berech- tigt erscheinen dürfte.

Longipedina Paguri n. s. 21

Das Thierchen findet sich, wie schon erwähnt, in von Pagurus Bernhardus bewohnten Fusus- und Buccinurugehäusen, und zwar in den letzten Windungen. Bei Sylt, wo ich es zu sammeln Gelegenheit hatte, war es ziemlich häufig, über die Hälfte der von mir geöffneten Gehäuse enthielt Individuen. Unter den von mir sonst an der gleichen Localität gesammelten ziemlich zahlreichen Copepodeu findet sich kein Exemplar der Species, so dass sie sicher nur ausnahmsweise ausserhalb des bezeichneten Fimdorts vorkommen.

Fragen wir uns, in welchem Verhältniss das Thierchen zu dem Pagurus steht, so ist wohl der Gedanke an einen eigent- lichen Parasitismus durch den Bau der Mimdgliedmaassen aus- geschlossen. Vermuthlich zieht dasselbe Vortheil aus den durch den Pagurus hervorgebrachten Strömungen, welche ihm Infuso- rien etc. zuführen. Die Frage, ob es nicht vorwiegend der Schutz ist, den das Thier sucht, Hesse sich entscheiden, wenn man auch zahlreiche unbewohnte Gehäuse zu öffnen Gelegenheit hätte und so entscheiden könnte, ob das Thierchen auch dort vor- kommt. Mir hat diese Gelegenheit gefehlt ; ich erinnere mich kaum je ein nur massig grosses Gehäuse zu Tage gefördert zu haben, welches nicht vom Erbauer oder einem Pagurus bewohnt gewesen wäre, dagegen fand ich häufig Pagurus mit zu kleinem Gehäuse.

Von anatomischen Charakteren weist nur der Mangel an Augen auf die veränderte Lebensweise hin; da indessen Cope- podenaugen an in Spiritus conservirtem Material schwer nach- weisbar, so bedürfen wir überhaupt für diese Angabe eine Bestätigung nach Untersuchungen an frischem Material, die ich zu machen versäumt habe. Mehr als die anatomischen Ver- hältnisse zeigen die Gewohnheiten des Thierchens die Folgen der veränderten Lebensweise. Wenn auch sonst die Harpac- tiden nicht die beweglichsten unter den frei lebenden Copepoden sind, so fällt Longipedina Paguri noch besonders durch Träg- heit auf. In ein Gläschen gebracht sammeln sich die Thiere in einer Ecke, verkriechen sich, wenn möglich, unter Stein- stückchen etc. und verharren dann bewegungslos.

Leider habe ich versäumt die Männchen in dieser Be- ziehung besonders zu beobachten. Sie sind mir vielleicht beim Sammeln in Folge ihrer geringeren Grösse häufig entgangen, wenigstens finden sie sich unter den von mir gesammelten Thieren sehr in der Minderheit (ungefähr 1 auf 20).

22

Dr. Wilh. Müller: Longipedina Paguri n. s.

Hier sei noch ein anderer Gesellschafter von Pagurus er- wähnt, von dem meines Wissens noch unbekannt, dass er sich an der deutschen Küste findet, sowie dass er gelegentlich (?) mit Pagurus zusammen lebt: Alcippe lampas Hancock, ein Cirripede, der sich in die Columella von Fususgehäusen ein- gräbt. Ich habe ihn keineswegs selten gefunden.

Figurenerklärung.

Tafel III. Fig. 1 12. Longipedina Paguri

1. Männchen von der Seite gesehen.

2, 3. Antenne vom Weibchen und Männchen

4. Antenne 2

5. Mandibel

6. Maxille

7. Vorderer Maxillarfuss

8. Hinterer Maxillarfuss

9. 10. Erster und zweiter Schwiramfuss

11. Zweiter Schwimmfuss vom Männchen.

12. Rudimentäres fünftes Fusspaar.

vom Weibchen.

Amphisbaena cinerea Fand, nnd A. Stranchi v. Bedr.

Erster Beitrag zur Kenntniss der Doppelschleichen.

Von

Dr. J. v. Bedriaga.

Hierzu Tafel IV.

Als ich im Jahre 1880 Athen besuchte und die dortige Uni- versitätssammlung, namentlich die Reptilien -Ausbeute Dr. Krü- per's, in Augenschein nahm, fielen mir etliche Doppelschleichen auf, welche aus der Umgebung Smyrna's stammten. Da mir damals in Athen keine literarischen Hilfsmittel zu Gebote stan- den und ich die betreffenden Amphisbaenen behufs Unter- suchung nicht mitnehmen konnte, so blieb mir nichts anderes übrig als die Thiere bis auf weiteres als „A. cinerea" zu be- zeichnen, obschon ich darüber starke Zweifel hegte, dass das Wohngebiet der spanisch - algerischen „cinerea" sich so weit nach Osten erstrecke. Als neuerdings die Amphisbaeniden. Arbeit Strauch 's erschien und in mir das Interesse für die geographische Verbreitung dieser Thiere erweckte, wandte ich micli an die Direktion des Athener Museums mit der Bitte mir etliche Exemplare der Smyrnaer Doppelschleiche tauschweise zu überlassen. Die Vergleichung der fünf aus Athen erhaltenen, gut conservirten Amphisbaenen mit anderen aus Spanien stam- menden Individuen der A. cinerea ergab nun, dass erstere mit der Vandelli 'sehen Art nicht identificirt werden dürfen, son- dern dass sie einer neuen Species angehören.

In beifolgenden Blättern beabsichtige ich die Smyrnaer Am- phisbaena, welche ich zu Ehren Dr. Strauch als „A. Strauchi"

24 Dr> <J« v> Bedriaga:

zu nennen mir erlaube, zu charaktcrisiren. Um Missverständ- nissen vorzubeugen, fuge ick eine kurze Beschreibung der A. cinerea hinzu. Da beide Formen nicht nur in ihren äusseren Merkmalen, sondern auch im Bau des Skelets Unter- schiede aufweisen, so will ich etliche Bemerkungen mit Bezug auf den Schädelbau machen und dabei auch die inneren Weick- thoilo berücksichtigen. Letzteres dürfte nicht unwillkommen sein, denn, so viel ich weiss, existirt, abgesehen von den kleineren Mittheilungen Cuvier's, J. Müller's, Stannius', Gervais' und Peter's, keine Arbeit über die Anatomie der Doppel- schleichen.

Den Herrn Prof. Mitzopoulos, Dr. Krüpor, Parker, Dr. Strauch, Dr. Günther, Prof. Peters und Prof. Boscä, welche diese Arbeit in der einen oder anderen Weise förderten, spreche ich hier meinen besten Dank aus.

Amphisbaena cinerea Vand.1)

Von oben betrachtet erscheint der Kopf an den Seiten gerundet, nach vorn zu sehr allmählich und bogenartig ver- schmälert. Die Schnauze ist kurz, verhältnissmässig breit zu- gerundet und gar nicht oder nur äusserst wenig über den Unterkiefer hervortretend. Folglich sind Ober- und Unterkiefer gleich lang. Die Nasenöffhungen sind verhältnissmässig weit nach oben gerückt. Vorn ist die Rumpfgrenze durch eine Querfurche angegeben; diese Querfurche ist namentlich oben und auf den Seiten deutlich zu sehen. Etwa 3 mm von der eigentlichen Kehle entfernt liegt eine andere bogig verlaufende, wenig hervortretende und nur dadurch auffallende transversale Furche, dass die in dieser Stelle sich befindenden Schilder keine geschlossenen Ringe, sondern nur Ringtheile bilden. Diese Furche will ich als Plica postgularis bezeichnen. Von dieser Querfurche anfangend läuft gegen die Afterquerfurche zu beiderseits je eine Längsfurche. Bei abgemagerten Exemplaren bildet sich an dieser Stelle eine Längsfalte. Nach hinten zu ist der regenwurmartige Rumpf merklich verengt. Der Schwanz kann kurz und stumpf enden oder lang und ziemlich spitz ausgezogen erscheinen. Aus den Worten Sehr eiber 's: „Ist der Schwanz unverletzt, so

1) Vergl. Fig. 1, 2 und 3.

Amphisbaena cinerea Vand. und A. Stvauchi v. Bedr. 2o

endet er in einen ziemlich spitzen Kegel und beträgt etwas über die doppelte Kopflänge und etwa den neunten bis zehnten Theil der ganzen Körperlänge,"1) glaube ich schliessen zu dürfen, dass der Verfasser der Herpetologia europaea die kurz- schwänzigen Amphisbaena cinerea für verletzte Individuen hält, worin er möglicherweise Recht hat. Ich möchte aber hier er- wähnen, dass es mir öfter beim Jagen in Spanien vorgekommen ist, Doppelschleichen mit Gewalt beim Schwänze aus ihren Ver- stecken herauszuholen und dass dabei der Schwanz nie abriss. Die Möglichkeit, dass der Schwanz bei Amphisbaena von an- deren Thieren abgebissen wird und nicht wieder wächst, kann natürlich nicht ausgeschlossen werden. Jedenfalls aber tragen die mit kurzen Schwänzen versehenen Stücke keine Spur von Ver- letzungen. Die mir vorliegenden kurzschwänzigen Amphisbaena cinerea haben 5 bis 7 Schwanzringe und etliche Täfelehen, welche die Schwanzspitze bekleiden. Diese anfangs gegen die Annahme, dass bei Amphisbaena der kurze Schwanz lediglich ein Kennzeichen dessen ist, dass der Schwanz Verletzungen erhalten hat, zeugende Erscheinung fällt aber, sobald wir aus der für den Herpetologen unerschöpflichen Quelle ich meine das grosse Saurier- Werk Leydig's erfahren, „dass bei den Eidechsen gerade in der Gegend des siebenten Wirbels, allwo die Quertheilung der Schwanzwirbel beginnt, am leichtesten der Schwanz abknickt."

Die Körpermaasse in mm ausgedrückt sind folgende:

Totallänge des Körpers 172.

Kopflänge 8.

Kumpflänge 144.

Schwanzlänge 20 resp. 6 bis 7.

Grösster Breitendurchmesser des Kopfes 5.

Pileusbreite 4.

Grösster Umfang des Kopfes 15 16.

Entfernung des Oculare vom Nasenloch nahezu 2.

Grösster Rumpfumfang 18.

Rumpfumfang in der Aftergegend 16.

In Betreff der Beschilderung muss folgendes erwähnt werden. Das vierseitige Rostrale ist nach oben übergewölbt. Mit seiner kürzesten oberen, gerade oder bogig verlaufenden Kante stösst es an das sechsseitige Frontale (= Frontorostrale

l) Herpetologia europaea 1875 S. 334.

20

A.c.

Fig. 1. Amphisbaena cinerea Vand. Kopf von oben, stark vergrössert. Buchstabenbezeichnung dieselbe wie auf Seite 27.

nach Schreiber; Frontonasorostrale nach Strauch). Letzteres ist verhältnissmässig gross und stellt die grösste Pileus- Platte vor; es fügt sich mit seinen längsten und ziemlich gerade ver- laufenden seitlichen Kanten an die Nasolabialschilder (= Na- salia nach Schreiber; Nasorostralia nach Strauch). Die seitlich liegenden hinteren Ränder des Frontalschildes sind be- deutend kürzer als die vorderen; sie berühren die kleinen drei- eckigen pigmentlosen Ocularia. Die unpaare hintere Kante dieses Schildes ist in der Regel an zweien Stellen nach vorn zu leicht eingebogen; in seltenen Fällen verläuft sie in grader Richtung. Indem das erste Nasolabialpaar sich nach oben zu wölbt, trägt es zur Bildung des Pileus bei. Infolgedessen sind auch die Nasenlöcher bei der Betrachtung des Kopfes von oben gut sichtbar und scheinen eher oben als seitlich zu liegen. Mit seinem hinteren, eingebogenen Rande berührt das vierseitige Nasolabiale das erste Oberkieferschild, das seinerseits oben an

Aniphisbaena cinerea Vand. und A. Strauchi v. Bedr.

27

das Oculare und hinten an das kleinere zweite Supralabial- schildchen grenzt. Auf das letztere folgt nun noch ein kleineres accessorisches Supralabiale, das bereits zu den Temporalplatten gehören dürfte. Die übrigen, die Oberseite und die Seiten des Kopfes deckenden Schilder sind: 3 von vorn nach hinten auf- einanderfolgende Paare grösserer, meist viereckiger Parietal- schilder; jederaeits 4 aufeinanderfolgende Scuta postocularia;

. A.c*

Fig. 2. Amphisbaena cinerea Vand. Kopf von der Seite, stark vergrössert.

R. Rostrale; m. Mentale; nl. Nasolabiale; 1,— 2. Supralabialia ; t. Tempo-

ralia; P,— 4. Postocularia ; sl1— 3. Sublabialia.

8 bis 9 (das accessorische Supralabiale mit einbegriffen) mei- stens viereckige Temporalia und endlich 4 auf die Parietalia (P.) folgende Occipitalia (o.). Alle diese Platten, namentlich die hintersten Occipitalia, sind allerdings als „Kopfschilder" klein und zeigen in ihrer Vertheilung eine starke Neigung zur Ringelbildung, wodurch sie an die den Rumpf bekleidenden Täfelchen erinnern; sie müssen aber trotzdem mit besonderen Namen belegt werden, weil sie zur Bepanzerung des Kopfes beitragen. Das ziemlich grosse Mentale ist an seiner freien, am oberen Rande des Unterkiefers liegenden Kante leicht ein- gebuchtet; seitlich ebenfalls. Rückwärts hat es eine breit abge- stutzte Kante, welche an eine Postmentalplatte (= Inframaxillare nach Schreiber; Submentale nach Strauch), deren Gestalt wechselt, grenzt. In den meisten Fällen ist sie länger als sie breit ist, vorn abgestutzt und nach hinten verschmälert; seitlich weist sie zwei lange, grade verlaufende Ränder auf, hinten ist

28

Dr. J. v. Bedriaga:

Fig. 3. Amphisbaena cinerea Vand. Kopf von unten, stark vergvössert. Buchstabenbezeichnung dieselbe wie auf Seite 27.

sie abgerundet oder eckig. Von den drei Unterlippenscbildern ist das vorderste und kleinste dreieckig. Mit seiner vorderen Seite grenzt dieses Schildchen an das Mentale, mit der hinteren an das zunächst liegende grössere, unregelmässig vierseitige zweite Sublabiale. Das dritte unregelmässig fünfseitige Unter- lippenschild stösst an die zweite congenerische Platte und median- wärts an die Kehlschildchen, von denen übrigens die zwei äusser- sten als accessorische Sublabialia gelten könnten. Die Kehle bedecken: 1) eine vorderste aus vier grösseren, länglichen Tafeln bestehende Querreihe; 2) eine zweite aus fünf etwas kleineren Tafeln constituirte transversale Reihe (diese zwei Reihen sind zwischen den Sublabialia eingeschlossen) ; 3) vier auf die zweite Reihe folgende Querserien, von denen jede aus 12 bis 14 läng- lichen Schildchen besteht. Die fünfte Serie ist ziemlich stark gebogen und entspricht dem Collare der Eidechsen; oben geht sie in äusserst kleine, körnerartige Schildchen über, welche in der Nackenfurche zu liegen kommen.

Die Rumpfschilder sind vierseitig, länglich, etwa l1/, mm

Amphisbaena cinerea Vand. und A. Strauchi v. Bedr.

29

lang und etwas weniger als '/, mm breit. Jedes Rumpfringel (am vordersten Rumpftheile) hat oben 14 bis 16 Schildchen, unten 16 bis 19. Rückwärts kann die Zahl nicht bestimmt angegeben werden, weil hier in der Mittelrückenlinie X förmige feine Linien die Schilder zertheilen. Aehnliche lineare X förmige Impressionen sind auch an den seitlichen Längsfurchen vorhanden. Die Schwanzplättchen sind nicht sehr viel schmäler als die- jenigen, welche den Rumpf bekleiden. Letztere scheinen mir etwas länger zu sein als erstere. Bei den langschwänzigen Individuen wird der ziemlich stumpf endende Schwanz an seiner Spitze von einem etwa zuckerhutförmigen Schilde umgeben; bei den mit kurzen Schwänzen versehenen Exemplaren wird die stumpf endende Schwanzspitze von mehreren, verschieden ge- stalteten Täfelchen bekleidet. Vor der Afteröffnung sitzen: erstens sechs, die Analporen tragende Schilder und zweitens zwei grössere, längliche, mittlere und zwei Paar kleinere, seit- lich liegende Täfelchen. Hinten wird die Afteröfihung, welche, nebenbei sei es bemerkt, bogig ist, von zwei breiten und kurzen mittleren und von acht (4 jederseits) kleineren Schildchen be- grenzt. Bei den Männchen ist die Zahl dieser kleinen, seitlich von den zwei grösseren liegenden und die Afteröffnung begren- zenden Schildchen grösser als bei den Weibchen; sie bekleiden nämlich etliche sich hier befindende Fältchen, welche nichts anders als die Umsäumung der Penis -Taschen vorstellen. Die An- oder Abwesenheit dieser Faltenbildungen ist meiner An- sicht nach das einzige Merkmal, nach welchem man das Ge- schlecht bei Amphisbaena cinerea zu erkennen vermag. Aber auch dieses Kennzeichen fällt insofern nicht immer auf, als dio Faltenbildung ausser der Brunstzeit, z. B. im Spätsommer, Herbst und Winter, nahezu unsichtbar ist.

Schuppenformeln und Poren:

Körper- Ringel:

Caudal- Ringel:

Poren :

Fundort:

113

21

3 3

Ciudad-Real.

'

114

20

3 3

*

114

20

3 3

>

Exemplare aus mei-

115

19

3 3

=

{ ner Sammlung.

115

21

3 3

=

116

5

3 3

-

)

30

Dr. J. v. B e d r i a g a :

Körper- Ringel:

Caudal- Ilingel :

j Poren :

Fundort :

116

6

3 3

Ciudad-Real.

116

17

3 3

=

116

21

3 3

■*

117

117 117

V

7 20

? 3 3 3 3

-

Exemplare aus mei- ner Sammlung.

118

23

3 3

n

119

19

3 3

*

119

20

3 3

s

.

?

23

6 (3 + 3 ?)

Sierra - Nevada.

nach B ö 1 1 g e r. ')

?

21

6 (3 +3?)

Schloss Eskorial.

*

?

22

4 (2 + 2 ?)

«

*

115

20

6 (3 + 3?)

Silves.

- 3)

117

19

6 (3 -f 3?)

5

=

119

?

3 3

Tetuan.

; *)

122

23

9 (4 + 5?)

Mogador,Maroceo.

*

125

18

4 (2 + 2?)

Tanger?

nach Dumeril und

?

?

6 (3 + 3 ?)

?

Bibron.4)

115

20

3 3

Spanien.

No. 4025.'

Museum

lach

trauch.

117 120

8 18

3 3 3 3

s

121

19

?

Süd -Spanien.

No. 1320.

123

21

3 3

Lissabon.

No. 1338.

122

8

3 3

Portugal.

Mus. zu Halle.

119

23

3 3

Batna.

No.5360)Petrb. Akad.

121

22

2 2

Badajoz.

No. 5465jSammlung.

117

21

3 3

Coimbra.

Wiener Museum.

118

23

3 3

Spanier.

<=

121

20

3 3

Granada.

Münchener Museum.

121

21

3 3

Spanien.

*

123

20

2 2

Granada.

=

116

22

3 3

Lissabon.

*

*

1) Beitrag zur Kenntniss der Reptilien in: 10. Bericht d. Offen- bacher Ver. f. Naturkunde 1869, S. 50.

2) Zeitschr. f. d. gcs. Naturwiss. Bd. LH (1879). S. 501.

3) Reptilien und Amphibien von Marocco II (1883). S. 17. s. a.

4) Erpetologio generale V. pag. 501.

Amphisbaena cinerea Vand. und A. Strauchi v. Bedr. 31

Die letzten vierzehn Schuppenformeln habe ich mir erlaubt aus einem Briefe des Herrn Akad. Dr. A. Strauch zu ent- nehmen.

Aus der vorstehenden Tabelle folgt nun, dass sowohl die Zahl der Körper- als auch der Schwanzringel bei Amphisbaena cinerea sehr variabel ist. Bei der spanisch - portugiesischen sind als extreme Zahlen der Körperringe 113 und 123 beobachtet worden. Wahrscheinlich bei maroccanischen Stücken haben Dumeril und Bibron sogar 125 Ringel gezählt. Die Bött- ger 'sehen Exemplare aus Tetuan und Mogador haben dagegen nur 119 und 122 Körperringel.

Die höchste Schwanzringelzahl, 23, kann sowohl bei spa- nisch-portugiesischen als auch bei nordafrikanischen Individuen vorkommen. Dagegen kurzschwänzige Amphisbaena cinerea, deren Caudalringelzahl zwischen 5 und 8 schwankt, sind mir nur von der pyrenäischen Halbinsel bekannt.

Die Zahl der Analporen ist entschieden constanter, als diejenige der Ringel. Meistens sind 3 3, selten 2 2 Poren. Die abnorm grosse Zahl 9 (5 4?) kommt in meiner Tabelle nur einmal vor.

Ausserdem sind bei der Vandelli'schen Doppelschleiche 2 bis 3 Afterhalbringel vorhanden.

Von den sieben ziemlich spitz endenden Intermaxillarzähnen ist der mittlere Zahn der längste; die seitlich sitzenden Zähn- chen werden allmählich nach hinten zu kürzer. Jedes obere Maxillarbein trägt vier nach rückwärts immer kürzer werdende Zähne. Der Unterkiefer weist 7 7 Zähne auf. ')

Die Färbung des Körpers ist monoton. Oben wechselt sie vom gelblichen Rosa durch röthliches Grau einerseits bis zum röthlichen Braun, andererseits bis zum Violetroth oder Eisengrau mit einem Stich in's Braune. Die Unterseite des Körpers ist stets heller, meistens gelblich rosa oder graurosa. Alle Körpertäfelchen haben hellgelbe oder hellbraune Umran- dungen. Das Mentale und die seitlichen Längsrumpffurchen erscheinen gleichfalls heller colorirt, als der übrige Körper. In seltenen Fällen kommen stellenweise auf der Oberseite hellgelbe oder grauweisse Flecken vor. Eben gehäutete und junge Indi- viduen haben stets ein helleres Gewand.

1) Vergl. Fig. 5 und 8. Tafel IV

32 Dr. J. v. Bedriaga:

Ueber die Lebensweise im Freien der uns hier interossirenden Doppelschleiche sind wir durch Boscä1) unter- richtet. Prof. Boscä sagt darüber folgendes: „Se trouve sous les pierres fortement adherentes au sol, ordinairement sur les versants en talus exposes au nord, et dans les lieux frais et depourvus de Vegetation. Je ne Tai jamais rencontre hors de ses terriers dans mes expeditions nocturnes. Ses galeries sont semblables ä Celles des grands Lombrics, avec lesquels on peut les confondre au premier coup d'oeil. Ces animaux sont sociables; on en voit quelquefois cinq et plus, d'äges differents, sous la meme pierre; k l'aspect du danger ils se replient ra- pidement vers l'entree du terrier, usant ä cet effet de lern* queue prehensile avec laquelle ils s'accrochent fortement aux angles des pierres. Si les jours, qui ont precede leur capture, ont etc pluvieux, on les voit gras et luisants ; mais apres la secheresse, ils sont maigres et vides et se montrent tres avides d'eau. Malgre les moeurs Souterrains du Blanus, la Constitution geo- logique du sol parait sans influence aucune sur son habitat. Je Tai trouve egalement sur le calcaire (Muro, Vallada); dans l'ardoise (Almadenejos); dans le quarzite (Ciudad-Real); dans les porphyres (Merida); et dans le granite (Magacela). Sa peau se detache d'une seide piece, comme celle des Ophidiens."

Hinzufügen will ich, dass ich bei Alicante die Amphisbaena cinerea auf sandigem Boden, unter Steinen in der Nähe eines Flüsschens im September erbeutet habe.

In der Gefangenschaft kann man die Doppelschleiche sehr lange am Leben erhalten. Etliche von mir aus Alicante nach Heidelberg transportirte Stücke habe ich mehr als ein Jahr in einer mit Erde gefüllten Fischglocke gehalten und habe sie schliesslich tödten müssen, weil Wunden am Unter- kiefer sich zeigten und ich keine beschädigte Exemplare in meiner Sammlung haben wollte. Anfangs, während der kältesten Jahreszeit, kamen meine Amphisbaenen gar nicht zum Vorschein. Wühlte ich die Erde auf, um mich nach ihnen umzusehen, so fand ich sie stets tief in der Erde, in vielfachen Verschlingungen gesellig bei einander vergraben. Erst war die Glocke bis zur

1) Catalogue des Reptiles et Amphibiens de la peninsule iberique et des lies Baleares. Bulletin de la Societe Zoologique de France 1SSO, pag. 270.

Amphisbaena cinerea Vand. und A. Strauchi v. Bedr. 33

Höhe von 10 bis 20 cm mit Erdo gefüllt, nachher aber, als ich die Entdeckung gemacht habe, dass meine Gefangenen die tiefsten Stellen aufsuchten, schüttete ich ihnen ein doppeltes Quantum Erde und Sand hinzu. Alsbald durchwühlten die Thiore die Erde in allen Richtungen und stellten zahlreiche unterirdische Gänge her, welche denjenigen der Regen würmer sehr ähnlich sahen. Dergleichen Labyrinthe im Freien müssen die Doppelschleichen vor ihren Feinden sehr schützen, umso- mehr da diese Thiere mit wunderbarer Geschwindigkeit sich in diesen unterirdischen Galerien bewegen können, während sie sonst recht langsam von der Stelle kommen. Dadurch, dass ich meine Gefangenen eine Zeitlang trocken hielt, gewöhnte ich sie allmählich, ihren Wasserbehälter zum Trinken und zum Baden zu benutzen. Dabei hatte ich Gelegenheit zu beobachten, dass die Feuchtigkeit für ihre Existenz eine unumgängliche Bedingung ist. Im Feuchten, wie Boscä richtig bemerkt, schienen mir meine Amphisbaenen dicker, glänzender und munterer zu werden, als auf trockenem Boden. Gegen Februar fingen die Thierchen an es vorzuziehen, oben unter Steinen zu liegen, obschon die Erde in ihrem Käfig dazumal in der Regel begossen wurde. Nachts wurden sie sehr beweglich, was mich vermuthen Hess, dass sie die Ankunft des Frühjahrs und zugleich Hunger spürten. Vorgehaltene trockene Ameiseneier, Ameisen, Regenwürmer, Fliegen und sonstige Insecten verschmäh- ten sie. Mehlwürmer wurden stets gierig gepackt, doch gleich dar- auf wieder fallen gelassen. Allem Anschein nach behagte den Thieren die Mehlwurmspeise, die Würmer waren ihnen aber zu gross, zu hart und zu beweglich, als dass sie mit ihnen fertig zu werden vermochten. Da kam mir der Gedanke, das Innere der Mehlwürmer herauszuquetschen und meine Amphis- baenen mit demselben zu füttern. Das angestellte Experiment gelang auch vollkommen. Als mir mein Vorrath an Mehlwürmern hier in Nizza wo die Mehlwürmer zum Verdruss der Rep- tilienliebhaber polizeilich verboten sind auszugehen anfing, fügte ich dem Mehlwurmbrei etwas Mehl bei und gewöhnte nach und nach meine Thiere an das in Wasser gerührte Mehl und zwar Mehl von geringer Qualität, denn gute Mehlsorten scheinen ihnen nicht zu munden. Die Fütterung der Doppel- schoichen ist, wie man sieht, nicht schwierig, aber zeitraubend. Frisch erbeutete Individuen nehmen eine Zeitlang keine Nahrung

Arcli. f. Naturgesch. L. Jahrg. 1. Bd. 3

34 ^r- J- v- Bedriaga:

zu sich. Erst, nachdem man zu wiederholten Malen die Schnauze des Amphisbaena in den Brei gesteckt hat und sie zufälliger- weise dabei züngelt, entschliesst sie sich ordentlich zu fressen. Nach der Fütterung hat man darauf zu achten, dass der Brei an der Schnauze nicht haften bleibt. Man wasche und wische die Schnauze sorgfältig ab, sonst verursacht das an die Schild- chen angetrocknete Mehl Wunden, woran die Thiere in der Regel sterben.

Dass die Amphisbaenen, so stumpfsinnig sie auch scheinen, die Fähigkeit besitzen, Erfahrungen zu sammeln, habe ich an einigen Beispielen sehen können. Nach und nach hatten bei- spielsweise meine Gefangenen sich daran gewöhnt, dass ich sie aus ihrem Terrarium holte, um ihnen Futter zu geben und bissen sofort, als ich sie anfasste, nach meinen Fingern, was sie sonst, sogar wenn man sie aus ihren Verstecken im Freien holt, nicht zu thun pflegen. Beim Fangen wehrt sich die Doppelschleiche nur insofern, als sie sich um die Finger wickelt und dabei so viel Kraft anwendet, dass es schwer fällt, die Finger zu befreien ohne das Thier zu verletzen. Ferner habe ich beobachten können, dass die Amphisbaenen sehr bald in ihrem Terrarium ortskundig werden. Sie merken z. B. genau, wo das für sie zum Trinken und zum Baden bestimmte Gefäss steht und wissen auch, dass das betreffende Gefäss Wasser enthält und dass sie den Vorderkörper erst emporheben müssen, um an das Wasser gelangen zu können. Weitere Berichte über die Lebensweise der Doppelschleichen enthält das allen leicht zu- gängliche Thierleben Brehm's (Auflage 1878. III. Abtli. S. 262).

Zum Schluss will ich bemerken, dass Amphisbaena cinerea (nach den halbverdauten Resten zu urtheilen, welche ich in ihrem Darmtractus vorfand) sich im Freien von Myriapoden nährt

Amphisbaena cinerea ist von europäischen Fundorten bis jetzt bekannt aus mehreren Localitäton in Spanien und Portugal. Die genaueren Fundorte sind folgende: Merida, Megacela und Cabeza del Buey in Estremadura (nach Boscä1); Badajoz (nach Strauch2); Las Ilurdes in Leon (Boscä); Eskorial

1) Bulletin de la Soc. zoöl. de France 1880, pag. 270.

2) Melanges biologiques tires du Bull, de l'acad. Impe'r. des scicne. de St. Petersb. 1881. pag. 417.

Amphisbaena cinerea Vand. und A. Strauchi v. Bedr. 35

(Boettger1), Madrid, Ciudad-Real, Fuencaliente , Despoblado de la Carocollera und Almadenijos in Neu - Casillien (Boscä); Cordoba (Ehlers in lit.); Sevilla, Cadix, Beimez, Belalcazar in Andalusien; Granada (Strauch), Minos de Esploradora in der Sierra Nevada am Fuss des Piccacho de Alcozala (Boett- ger); Malaga (Strauch); Muro, Vallada in Valencia (Boscä), Alicanto (v. Bedriaga); Lissabon, Coimbra, Oporto (Strauch); Portalegre in Alemtejo und Siives in Algarve (Boettger2). Für den Norden der pyrenäischen Halbinsel wird die Amphis- baena cinerea weder von Boscä noch von Seoane genannt. Die nördlichsten von ihr bewohnten Punkte scheinen Oporto, Las Hurdas und Eskorial zu sein.3)

Sodann kennt man die in Rede stehende Art von Tanger (Gervais,4) Dumeril und Bibron), von der Route Moga- dor-Marocco, von Tetuan (Boettger5), von Tebessa und von Batna in Algerien (Strauch, Lall erneut6).

Das Vorkommen der Amphisbaena cinerea im östlichen Europa, so z. B. in der Türkei (Constantinopel) und in Grie- chenland (Continentales Griechenland? Museum zu Berlin: No. 6012, nach Dr. Strauch; Cypern nach Unger und Kot- schy und Rhodus nach Erb er) bedarf noch der Bestätigung. Dass A. cinerea in Magnesia, Xanthus und Arsus einheimisch ist, bezweifle ich sehr.

Amphisbaena Strauchi n. sp.

Diese* Art unterscheidet sich von der vorhergehenden haupt- sächlich durch die Gestalt ihres Kopfes und durch die Grösse der Kopfschilder. Ihr Kopf ist nämlich in der Hals- und Wangen- Gegend viel breiter, in der Schnauzengegend aber

1) X. Bericht d. Offenb. Ver. f. Naturkunde in Offenbach a. M 1869. Seite 50.

2) Zeitschr. f. d. ges. Naturwiss. Bd. LH. 1879. S. 501.

3) Vergl. Mapa de las principales exploraciones herpetologicas veri- ficadas en la peninsula Iberica e islas Baleares por E. Bosca in: Ann. de la Soc. Esp. de Hist. Nat. Tomo IV. 1877.

4) Ann. des scienc. nat. novembre 1837 (S. A. p. 4).

5) Vergl. seine Reptilien und Amphibien von Marocco II. 1883.

6) Erpetologie de l'Algerie ou Catalogue synoptique et analytique de reptiles et amphibiens de la colonie. Paris.

3*

30 F>r- tT- v- Bcdriaga:

schmäler als bei Amphisbaena cinerea. Man kann sogar sagen, dass erstere einen ziemlich nach vorn zugespitzt verschmälerten Kopf hat (vergl. Fig. 4). Der Oberkiefer ist länger als der Unterkiefer; infolgedessen ragt die Schnauze weit über den Unterkiefer hervor und der Mundschlitz befindet sich vorn an der unteren Kopfseite (Fig. 6). Während bei der Van- delli'schen Doppelschleiche (bei der Seitonansicht des Kopfes) die Mundspalte in ziemlich gerader Richtung von hinten nach vorn sich hinzieht (eine leichte bogenartige Krümmung der- selben ist nur hinten sichtbar), ist bei Amphisbaena Strauchi eine starke Senkung derselben von hinten nach vorn zu vor- handen (vergl. meine Fig. 5). Bei Amphisbaena cinerea tritt die Parietalgegend polsterartig hervor, was nicht etwa im Schädelbau seinen Grund hat, sondern vielmehr darin, dass die Muskulatur an dieser Stelle stark entwickelt erscheint. Bei meiner neuen Art ist von einer Aufbauchung in der Scheitel- beingegend nichts zu sehen. Vorn stehen die Seitenwandungen des Kopfes nahezu senkrecht und die Nasenlöcher kommen infolgedessen seitlich zu liegen.

Der abgeplattete Rumpf und Schwanz sind breiter als bei der spanischen Doppelschleiche. Ausserdem ist der Kopf bei der Strauchi weniger stark vom Rumpfe gesondert und ihr Schwanz ist kürzer und endet stumpfer als bei der letzteren.

Die ziemlich stumpf endenden Intermaxillarzähne sind weit nach hinten gerückt und zugleich nach innen gerichtet, was bei A. cinerea bekanntlich nicht der Fall ist (vergl. Fig. 6 und auch Fig. 13, welche den Zwischenkiefer bei der spanischen Amphisbaena wiedergibt). Im Ganzen sind 7 Zwischenkiefer- zähno, von denen der mittlere nahezu doppelt so lang ist, als die ihm zunächst seitlich liegenden. Der Oberkiefer hat 3 3 Zähne (bei A. cinerea 4 4!); der Unterkiefer weist 8 8 Zähno auf (bei A. cinerea sind 7 7 Zähne vorhanden !) ').

Unter den Kopfschildern sind zunächst die beiden grössten Schilder, nämlich das Rostrale und Frontalo, zu erwähnen. Das Rüsselschild ist gross, oben abgestutzt und soitlich ein- gebuchtet; es fällt namentlich dadurch auf, dass es sich weit nach unten senkt (vergl. Fig. 5). Das ebenfalls grosso Stirn- schild ist bedeutend grösser als bei Amphisbaena cinerea. Es

1) Vergl. meine Fig. f> und 20.

Amphisbacna cinerea Vand. und A. Strauchi v. Bedr.

37

A.e.

Fig. 4. Amphisbaena Strauchi v. Bedr. Kopf von oben , sehr stark ver- größert. R. Rostralschild. F. Frontalschild. P. Parietalschilder. o. Occi- pitalschilder. nl Nasolabiale. L1, l.2 erstes, zweites Labialschild. Oc. Ocular- schild. P. o.1 u. s. w. erstes u. s. w. Postocularschild. t. Temporalschilder. A. c. Kopfringelschilder. 1. 10. erster Rumpfring.

ist länger als breit, vorn gerundet. Seine zwei rückwärts ge- legenen Ränder sind schwach eingebogen ; seine seitlichen Kanten verlaufen bogenförmig und stossen an die Nasolabialia , an die ersten Supralabialia, die unten eben so breit sind wie die dar- auf folgenden Oberlippenschilder und endlich an die eher vier- eckigen als dreieckigen Ocularia. Oben erscheint das Nasola- biale bedeutend breiter als unten. Da es nur sehr schwach nach oben übergewölbt ist, so trägt es wenig zur Constituirung des Hutes bei. Bei der vorhergehenden Species dagegen sind

38

Dr. J. v. Bedriaga:

dio Nascnlippenscliilder zum Theil auf Kosten dos Frontale entwickelt; sie wölben sich stark nach oben über und kommen somit auch auf der Kopfoberseite des Kopfes zu liegen. Die Vorderränder der Nasolabialia sind bogenförmig und legen sich in die bogenförmigen Ausschnitte an den Hinterrändern des Rostrale. Das erste, zweite und dritte Supralabiale sind im allgemeinen denjenigen bei Amphisbaena cinerea ähnlich.

Fig. 5. Amphisbaena Strauchi v. Bedr. Kopf von der Seite , sehr stark vergrijssert. R. Rostralschild. F. Frontalschild, n. 1. Nasolabiale. A." n. Nasenöfthung. I.1, I.2 erstes, zweites Labialschild, m. Kinnschild, s. 1.', s. I.2 u. s. w. erstes, zweites u. s. w. Unterlippenschild. O.e. Oculare. P. o.1, P. o.2 u. s. w. erstes, zweites Postocularsehild. t. Ternporalschilder. A.c. Kopfringelschilder. 7. 16. erster Kampfring. Die nicht bezeichneten sind Kehlschilder.

Was dio übrigen Kopftäfclchon anbelangt, so muss folgen- des erwähnt werden. Bei der Strauchi scheinen am häufigsten drei relativ kleine Occipitalscbilder (Fig. 4, o.) vorzukommen (bei der cinerea fand ich 4 grössere Occipitalia. Vergl. Fig. 1, o.). Die Zahl der seitlich gelegenen Kinnschilder oder der Pseudo- sublabialia ist bei der Strauchi grösser als bei der cinerea. In der Beschilderung der Kehle kommen bei der ersteren häufig Anomalien vor, jedoch besteht in der Regel die vorderste trans- versale Kehlserie nur aus vier Tafeln. Das Mentale ist klein. Das Postmentale kurz, acht- und neunseitig oder hinten ab- gerundet. Obschon der Kopf vom Rumple gesondert erscheint,

Amphisbaena cinerea Vanol. und A. Strauchi v. Bedr. 39

Fig. 6. Amphisbaena Strauchi v. Bedr, Kopf von unten, sehr stark ver- größert. R. Kostralschiid. m. Kinnschild. P. m, Postmentalschild, n. 1. Nasolabiale. s. I.1 u. s. w. erstes u. s. w, Unterlippenschild. 1 ' u. s, w, erstes u. s. \v< Labialschild. A. c. Kopfringelschilder. Die nicht bezeich- neten Platten sind Kehlschilder.

ist hier keine eigentliche Furche vorhanden ; der Strauchi fehlen auch die kleinen bei A. cinerea beschriebenen, in der Furche sitzenden körnerartigen Schuppen. Sie besitzt vielmehr einen vollständigen Kopfring (vergl. Fig. 5, ac, und Fig. 4, ac).

Die von mir als Postgularfurche bezeichnete lineare Im- pression liegt etwas weiter nach rückwärts, als es bei der spanischen Doppelschleiche der Fall ist. Die Körpertäfelchen sind etwas kürzer und die zwei mittleren und grösseren, an die Afteröffnung grenzenden Täfelchen erscheinen breiter als bei der „cinerea." Bei dieser sind in der Regel jederseits drei Poren- Schilder und drei Poren vorhanden, bei jener tragen

40 Dr. J. v. Bedriaga:

jederseits vier Tafeln je eine Pore. Hinten wird die After- öffnung bei meiner Art vermittelst zahlreicher, seitlich schmaler und in der Mitte unregelmässig gestalteter Tätelchen begrenzt.

Totallänge des Körpers 85 mm

Kopflänge 8% mm

Schwanzlänge " 20 mm

Grösster Kopfdurchmesser 6 mm

Grösster Kopfumfang 18 mm

Grösster Rumpfumfang 23 mm

Schwanzumfang in der Mitte 17 mm

Schwanzumfang am After , 17 % mm

Schuppen form ein:

Afterhalb- ringel :

Schwanz- ringel :

Poren :

No. 1. No. 2. No. 3. No. 4.

112 109 102 112

1

18 18 5 20

4 4 4—4 4 4 4 4

No. 5 besitzt im ganzen 131 Ringel.

Von diesen fünf Exemplaren befinden sich No. 1 und 2 in meiner Sammlung; No. 3 ist von mir skeletirt worden, No. 1 ist dem Zoologischen Museum der Kaiserl. Akademie der Wissen- schaften in St. Petersburg und No. 5 dem British Museum tausch- weise Überlassen worden. Sämmtliche fünf Stücke wurden von Dr. Krüper in der Umgegend Smyrnas gesammelt, wo A. Strauchi nach der grossen Anzahl der im Museum zu Athen autbewahrten Exemplare zu urtheilen sehr gemein sein muss. Aber auch ausserhalb der Umgebung Smyrnas muss sie allgemein im Orient stark verbreitet sein. Ich vcrniuthe, dass diese Art durchweg mit der A. cinerea verwechselt worden ist und dass die „cinerea" der Autoren aus Arsus, Magnesia, Xanthus, Khodus, Cypern und sogar aus Constantinopel und aus Griechenland (?) nichts anders als die Strauchi sein dürfte! Diese Vermuthung wurde bei mir bestärkt durch einen Brief von Direktor Dr. A. Strauch, worin unser Petersburger Ge- lehrte mich auf die „schon auf den ersten Anblick auffallenden Differenzen" zwischen den „asiatischen und europäisch- afrikanischen Doppelschleichen" aufmerksam macht. Dr. Strauch hatte ausserdem die ausserordentliche Güte mir die

Amphisbaena cinerea Vand. und A. Strauchi v. Bedr. 41

Scliilderformeln der von ihm in den verschiedenen Museen unter- suchten europäischen, asiatischen und afrikanischen Amphis- baenen mitzutheilen. Da ich nicht mit Bestimmtheit weiss, ob ich die erhaltene Tabelle in extenso veröffentlichen darf, so will ich mich damit begnügen nur die extremen Ringel- und Poren -Zahlen anzugeben.

Eine im Wiener Museum aufbewahrte Amphisbaena aus Arsus soll 97 Körperringel, 18 Schwanzringel und 2 2 Poren aufweisen.

Ein anderes Stück, das sich in der St. Petersburger Aka- demischen Sammlung befindet und aus Rhodus stammt, hat 120 Körper- imd 21 Caudal- Ringel. Die Porenzahl ist 4 4.

Die niedrigste Porenzahl (2 2) besitzt das Exemplar aus Arsus ; die höchste (5 4) weist ein Stück aus Rhodus auf (No. 2797 in der Akad. St. Petersb. Samml.).

Aus der Tabelle Dr. A. Strauch's ersehe ich ferner, dass die Porenzahl bei den asiatischen Doppelschleichen viel weniger constant ist, als es bei der spanischen der Fall ist. Die Zahlen 2 2, 3 3 und 4 4 kommen öfters vor. Bei der spanisch - portugiesischen Form ist dagegen meistens die Poren -Zahl 3 3 constatirbar. Die summarische Zahl 9 kommt in meiner Tabelle bei A. cinerea nur einmal vor und zwar bei einem Individuum aus Marocco (nach Boettger).

Bemerkungen über den Schädel you A. cinerea und A. Strauchi.

Das Skelet, besonders der Schädel von Amphisbaena und Trogonophis weist so viele Eigenthümlichkeiten auf, dass man wahrlich sich darüber nicht zu wundern braucht, dass Anatome und Systematiker längere Zeit hindurch über die Stelle, welche den Amphisbaeniden im System eingeräumt werden sollte, sich nicht einigen konnten. Bekanntlich wollten einige, so z. B. J. Müller und de Blainville, die Doppelschleichen zu den Schlangen rechnen und zwar als eine zwischen den Tortricina und Uropeltacea eingeschobene Uebergangssection (J. Müller') oder mit den Typhlopina vereinigt als erste Familie der

1) In Tiedcmann's und Treviranus' Zeitschrift f. Physiologie, Bd. IV.

1J Dr. J. v. Bedriaga:

Ophidia (de Blainville1). Manche waren der Ansicht, dass für die Doppelschleichen eine besondere Ordnung der Ophisauria creirt werden müsse (Gray2). Andere behaupteten, dass die Amphisbaeniden der Eidechsenordnung angehörten. So ver- einigte z. B. Owen die in Rede stehenden Thiere mit den Chalcidea und führte dieselben in seiner „Odontography" als Ophisauria (non J. Müller!) an. Dumeril und Bibron glaubten gleichfalls, dass Amphisbaena und Chalcidea nah ver- wandt sind. In ihrer Erpetologie generale t. V, p. 318 finden wir nämlich erstere mit Chirotes, Trogonophis und Lepidosternon als Unterfamilie „Cyclosaures glyptodermes" den „Lezards chal- eidiens" untergeordnet. Nach A. Dumeril3), Fitzinge r4) und Wiegmann5) würden die Doppelschleichen ebenfalls nur eine Saurier - Familie bilden und zwar die Familie der Amphis- baenoidea Fitz, oder der Sauria annulata. Bonapa rte's Ansichten widersprachen sich. Im Jahre 1839 in seiner Ab- handlung über die Amphibia europaea6) fasste er die Amphis- baeniden und Chirotiden als siebente Ordnung seiner Amphibien auf. Etwas später, und zwar im Jahre 1850, soll er aber in der mir leider nicht vorliegenden Schrift „Conspectus System, herpetolog. et amphibiolog." seine Ansichten hierüber insofern geändert haben, als er seine sog. siebente Ordnung zu einer Familie degradirte. Diese Familie galt nun als ein Verbindungs- glied zwischen Ophisauridao und Anguidae. Recentere For- scher betrachten die Doppelschleicheu entweder als eine Saurier- unterordnung7) oder als eino Eidechsenfamilie s).

1) Nouvolles annales du Museum t. IV, p. 30.

2) Catalogue of the Tortoiscs, Crocodilcs and Amphisbacuians in the collection of the British Museum. Im Jahre 1825 soll Gray die Aniphis- baenen mit den Scincoidea und Typhlopina vereinigt haben (naeh Gervais ! ).

;;) Revue et mag. de zool. 1852, No. de septembre. Comptcs rendus Acad. sc. t. XXXV, p. 595.

4) Herpetologia mexicana. Berolini 1843.

5) Neue Classification der Reptilien nach ihren natürlichen Verwandt- schaften. Wien, 1826. In der Systema Rfptilium (1S43 p. 22) worden die Amphisbacnen zu den „Annulata" gestellt.

6) Mem. della Acad. R. dellc scienze di Torino. Serie II, t. II, p. 394, S.

7) Stannius, Handbuch der Zootomie. Aufl. II. S. 6.

8) Schreiber, Herpetologia europaea 1875, S. 624. Strauch, Bemerkungen über die Eidechsenfamilie d. Amphisbaeniden 1. c.

Amphisbaena cinerea Vand. und A. Strauchi v. Bedr. 43

Obgleich es nicht in meiner Intention liegt, die verschiedenen Aeusserungen der Autoren mit Bezug auf die systematische Stel- lung der Amphisbaenen einer Kritik zu unterwerfen, so möchte ich dennoch nicht unerwähnt lassen, dass mir in diesem Falle der Eintheilungsmodus Gray's eher der richtigste zu sein scheint. Denn betrachten wir, wenn auch nur ganz oberfläch- lich, den Schädel einer Doppelschleiche, so fallen uns sofort gewichtige Charaktere auf, welche weder den Schlangen noch den Eidechsen eigen sind, sondern eher unter den Amphibien und sogar unter den Säugethieren angetroffen werden; oder werden wir bei den Amphisbaeniden solcher Merkmale gewahr, welche einerseits nur die Ophidia und andererseits nur die Sauria aufweisen.

Durch die Ossification aller seiner Theile, durch die Ab- wesenheit von Bogen- und Spangenbildungen und durch die Lage und die Constituirung des Gaumendaches (vergl. Fig. 1, 5, 6 und 8) steht der Amphisbaeniden- und speciell der Am- phisbaena - Schädel in grellem Gegensatze zu den Eidechsen und Schlangen.1)

Namentlich bei den Eidechsen bleiben bekanntlich auf- fallende membranöse oder knorpelhäutige Bildungen, so z. B. das Septum interorbitale und etliche Lücken in der Schädel- kapsel ständig. Bei den Schlangen ist allerdings die Ossifica- tion des Schädels insofern als fortgeschritten zu betrachten, als die interorbitalo Scheidewand nicht vorhanden ist und die Schädeldeckknochen, beispielsweise die Parietalia und Fronta- lia, ihre äusseren Ränder nach unten senken und zur Consti- tuirung eines knöchernen, aber unvollkommen mit Knochensub- stanz verschlossenen Gehirnrohres beitragen. Diesen knöchernen Wandungen gesellen sich seitlich knorpelige Theile, wie z. B. die Orbitospheno'i'dea, welche zum Theil die postorbitale Fenestra ausfüllen.

Bei den Doppelschleichen dagegen ist das Choudrocranium nur spurweise vorhanden. Nicht nur tritt hier die Ossification

l) Man vergleiche die in's Einzelne gehenden schönen Abbildungen bei Leydig: Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier. Tübingen, 1872 und bei Parker: On the strueture and development of the skull in Lacertilia (Philos. Transact. of the Roy. Society 1879); On the strueture and development of the skull in the common snake (1. c. 18 78).

44 Dr. J. v. Bedriaga:

in den Vordergrund, sondern der Schädel erhält durch die stellenweise, wie ich es später zeigen werde, doppelt angelegten Wandungen einen bedeutenden Grad von Festigkeit, obgleich die Knochen eine viel zartere Structur haben, als es bei den Eidechsen und Schlangen der Fall ist. Namentlich stellt die Gehirnkapsel ein solides Rohr vor, das zum Theil oben und seitlich vom Scheitelbein, seitlich vorn von Frontalfortsätzen und Orbitoidalplatten und endlich unten vom Basisphenoid formirt wird.

Was den Schädel aber schon beim ersten Anblick von demjenigen der Sauria unterscheidet, ist die Abwesenheit von Bogen- und äusseren Fortsatz - Bildungen. Während bei den letztgenannten der Oberkieferjochbogen mit dem Postfrontale (od. Postorbitale) in Contact tritt und einen Augenhöhlenring construirt, kommt bei den Amphisbaenen keine dergleichen Be- grenzung der Orbita vor; auch fallen die Postfrontalia gänzlich weg. Bei den Ophidia fehlt allerdings das Joch- oder Quadrat- joch-Bein ebenfalls, dennoch ist jener Augenhöhlenring insofern bei den mir vorliegenden Schädeln von Tropidorotus natrix und Coelopeltis lacertina angedeutet, als hier ein Augenhöhlenvor- sprung (darunter ist der vom Scheitelbein nach unten und nach vorn zu gekrümmte Postorbitalknochen gemeint) constatirbar ist. Dieser Versprung setzt sich aber sonst mit keinem anderen Knochen in Vorbindung und vermag infolgedessen weder den Oberkiefer zu fixiren noch seine Freibeweglichkeit zu hindern, wie es bekanntlich bei den Sauria der Fall ist. Bei Heterodon soll dieses bei ihm bogenförmig abwärts und vorwärts ge- krümmte Os postorbitale mit einem abwärts und rückwärts ge- krümmten Fortsatze des Os frontale convergiren und somit den hinteren Schenkel eines unvollkommen geschlossenen unteren Augenhöhlenringes bilden. Bei Amphisbaena und Trogonophis existiren keine Jochbogen und keine Augenhöhlenvorsprünge. Ausserdem können die unansehnlichen Pterygoidea und Palatina nichts oder nur sehr wenig zur Fixation des Oberkiefers bei- tragen und dennoch ist die Verbindung der Maxillarbeino mit den übrigen vorderen Schädelknochen eine sehr innige, ja sogar eine viel festere als bei den Sauria und Ophidia.

Während einerseits bei den Schlangen der Oberkiefer, die Pflugschar- und Gaumen - Beine, die Flügelbeine und das Parasphenoi'deum nahezu alle in verschiedenen Ebenen zu

Amphislmena cinerea Vand. and A. Strauchi v. Bedr. 45

liegen kommen und daher auch meistens in loser Verbindung zu einander stehen und andererseits bei den Eidechsen die, namentlich hinten, mit grösseren Lücken versehene Unterfläche des Schädels sehr weit von dem Schädeldach absteht und die Höhle der Schädelkapsel insofern blossgelegt ist, als hier mem- branöso Wände, Orbitalhöhlen und Schläfengruben vorhanden sind, befindet sich bei den Doppelschleichen das Gaumendach und die Basis des Occipitalsegments beinahe in einer und der- selben Ebene. Letztere haben weder auffallende Hervorragungen, Senkungen noch Lücken und nehmen einerseits an der Consti- tuirung eines vollkommen geschlossenen Gehirncylinders theil, andererseits tragen sie dadurch, dass Palatina, Vomera, Ptery- goidea, Maxiilaria, Intermaxillare und BasisphenoTd incl. Pa- raspheno'i'd sich eng an einander legen und in unverschiebbarer Verbindung befinden zur Bildung einer festen Unterlage für das Gehirnrohr bei.

Die Beschreibung der Detailverhältnisse des Scliädels bei den Amphisbaeniden wird das eben Geschilderte näher be- leuchten und zugleich manche auffallende Uebereinstimmungen mit den geschwänzten Amphibien und Aehnliclikeit mit den Spitzmäusen hervortreten lassen.

In Betreff der Confignration und der Maasse des Schädels verweise ich auf meine Abbildungen 1. 5. G. 8. und 13. und auf die beifolgende Tabelle.

Amphisbaena cinerea:

Grösste Länge des Schädels , 8 mm

Grüsste Breite des Schädels 4 mm

Amphisbaena Strauchi:

Grüsste Länge des Schädels 8'/2 mm

Grüsste Breite des Schädels 4 mm

Am allerwenigsten kann dio Occipitalregion bei Amphis- baena mit derjenigen bei Lacerta verglichen werden, eher ist ein Vergleich mit Ablepharie, Seps und Angius möglich. Mit Ausnahme des durch einen tiefen Einschnitt zweihöckerig er- scheinenden Gelenkkopfes zeigt das Hinterhauptsbein bei der Doppelschleiche keine auffallenden Vorsprünge und Einsenlum- gen. Das Foramen magnum wird unten durch das Basioccipitale, in der Mitte oben durch das nach vorne in einen nahezu hori- zontal liegenden, stäbchenartigen Vorsprung auslaufende Snpra-

46 ^r- v. Bcdriaga:

occipitale und endlich seitlich durch die Exoccipitalia begrenzt. Sowohl die Grenzen der Exoccipitalia als auch der Epioticum-, Opisthoticum - und Prooticum - Zonen sind bei ausgewachsenen Exemplaren verwischt. Dagegen bei jungen und manchmal auch bei halbausgewachsenen Individuen treten die Grenzlinien ziemlich deutlich hervor. Auf Fig. 11. und 12. habe ich ver- sucht die Bestandteile, aus denen die Occipitalregion zusammen- gesetzt erscheint, zu veranschaulichen.

Mit Bezug auf die Regio prootica muss hervorgehoben wer- den, dass die schmalen nach vorn ziemlich spitz auslaufenden paroccipitalen Fortsätze bei Amphisbaena sich nicht nach oben emporheben wie es sonst bei den Sauria der Fall ist (vergl. Fig. 8. und 12.). Erwähnenswerth ist ausserdem der Umstand, dass diese Fortsätze nicht nur am Aufbau des Schädelrohrs partieipiren , sondern dass sie zugleich als seitliche Bestand- teile der äusseren Schädelwandung zu betrachten sind. Eben darin unterscheidet sich der Schädel der Doppelschleiche von demjenigen der Sauria in ganz auffallender Art und Weise; denn bei den letzteren ist eigentlich eine doppelte seitliche Schädelwandung vorhanden: einerseits tragen bekanntlich die paroccipitalen Fortsätze sammt anderen membranösen und knor- peligen Partien zu der Bildung einer inneren Gehirnkapselwand bei (vergl. die Abbildungen bei Leydig und Parker), wäh- rend andererseits andere Knochentafeln (wie z. B. diejenigen, welche sich in der Schläfengegend befinden) die seitliche äussere Wandung constituiren.

Das Basioccipitale hat ebenfalls einige Eigenthümlichkeiton. Rückwärts erscheint es bauchig aufgetrieben und mit äusserst schwach ausgeprägten Vorsprüngen und Vertiefungen versehen. Fig. 5. bo. Nach vorne geht es allmählich in ein überall ziem- lich gleich breites hinteres Keilbein über (Bs), dessen basi- ptcrygoi'dale Flügel (bpg) insofern schwach angedeutet erscheinen, als sie durch keine tiefen Einschnitte vom Körper selbst geson- dert sind. Die Ansatzstelle des kurzen, spitzendenden Para- sphenoideums (Pas) ist meistens deutlich sichtbar. Ein Türken- sattel, wie ihn die übrigen mir bekannten Sauria aufweisen, fehlt bei Amphisbaena; dagegen ist hier eine schwach aus- geprägte Keilbeingrube (x.) vorhanden, welche diejenigen man- cher Amphibien beispielsweise derjenigen bei der Salaraan- drina perspicillata (nach Wieder s heim) ähnlich sieht.

Amphisbaena cinerea Vand. und A. Strauchi v. Bedr. 47

Wie bei den Schlangen so auch bei Amphisbaena, und namentlich bei den ausgewachsenen Stücken, sind gut ossificirtc Alisphenoi'dea wahrnehmbar (Fig. 8. al. s.). Dieselben bethei- ligen sich als Deckplatten am Aufbau des Schädelcavums, indem sie die Lücken zwischen den Paroccipital - Flügeln (pro) und dem Basisphenoi'deum (b. s.) ausfüllen. Dass Gervais1) die Exi- stenz der Alisphenoidea bei Amphisbaena nicht kannte, oder diese Knochenplatten falsch auffasste, beweist mir sein Aus- spruch über das Verhältniss des Felsenbeins zum BasisphenoTd bei der exotischen Amphisbaena fulginosa: „Le sphenoide, lar- gement visible en dessous, y forme une grande surface ä peu pres en fer de lance, tres pointue en avant. Son bord d'arti- culation avec la partie basilairc de l'occipital, qui est aussi son bord posterieur, deerit une courbe, dont la convexite est tournee en arriere; des quatre autres bords du meme os, les deux lateraux sont im peu echancres pour loger les rochers, et les deux autres, qui sont les plus longs, se reunissent anterieure- ment en pointe, suivent le bord interne des pterygoidiens et viennent loger l'angle aigu, qui resulte de leur jonction anterieure, entre les deux pieces pterygoidiennes qui forment le rebord posterieur des arriere - narines. "

Amphisbaena fulginosa habe ich allerdings nicht Gelegen- heit gehabt zu untersuchen, glaube aber bestimmt annehmen zu dürfen, dass die Alisphenoidal - Platten bei allen Doppelschleichen vorhanden sind und am gesprengten Cranium leicht constatirbar sind. Im Capitel über Blanus cinereus (= Amphisbaena cine- rea) erwähnt Gervais gar nichts über die Alisphenoidea, auch finde ich dieselben auf seiner Fig. 5, Tafel XV nicht XIV, wie es Gervais irrthümlicherweise in der Erklärung der Ab- bildungen 1. c. S. 311 angibt , welche die Seitenansicht des Schädels einer spanischen Amphisbaena veranschaulicht, nicht angedeutet. Mit Bezug auf die von Gervais seiner Arbeit beigefügten Bilder muss ich übrigens bemerken, dass dieselben nur die Schädelumrisse und diejenigen Grenzlinien der einzelnen Deckknochen annähernd wiedergeben, welche bei oberflächlicher Betrachtung des Craniums besonders in's Auge fallen.

1) Vergl. dessen ßecherches sur l'oste'ologie de plusieurs especes d'Amphisbenes et remarques sur la Classification de ces rcptiles. Ann, des Scienc. nat. 3e. Serie. Zool. Tome XX, pag. 302.

48 Pi'- J- v. Bsdriaga:

Wie gesagt existiron bei den mir vorliegenden Amphisbae- nidcn keine lange Querbalken, wie wir sie bei den Sanria kennen gelernt haben. Hier werden dieselben durch schwach ausgeprägte Vorsprünge repr äsentirt , welche nach abwärts und sonderbarerweise auch nach vorwärts gerichtet sind und die Quadratbeine tragen, Fig. 12. z.

Die sehr schwach ausgehöhlten Quadratbeine (Fig. 1. 5. 4. und 8. q.) sind mit Bezug auf ihre Configuration denjenigen der Blindschleiche sehr ähnlich und kommen grösstenteils seitlich am Schädel zu liegen. Sie sind fest mit don Vorsprüngen am Hinterhauptbein verbunden und erscheinen an der breiten Basis, welche die Vorsprünge von unten und von den Seiten umgibt, durchbohrt.

Wenn Gervais in seiner soeben citirten Schrift (S. .°>04) sagt: „Entre la mächoire inferieuro et la botte eränienne, on ne voit d'autres os chez les Glyptodermes que l'os carre ou tympanique qui n'est pas mobile comme celui des Sauriens, et cet os ne joue pas comme celui des memes animaux ou des Ophidiens sur un masto'i'dien distinet," so kann ich dem nur insofern beipflichten, als das Squamosum bei A. cinerea und Strauchi kein freiliegendes Knochenstück, sondern eher einen Deckknochen vorstellt. Gervais hat höchstwahrscheinlich das äusserst schmale, längliche, dem Bogengang aufliegende Plätt- chen, das ich für ein Squamosum zu halten geneigt bin, über- sehen (vergl. meine Tafel, Fig. 8. 11. und 12. S.).

Seitlich vom Condylus occipitalis befindet sich auf jedem Exoccipitalo oder, genauer gesagt, an der Grenze des Exocci pitale und des Opisthoticum eine grübchenartige Vertiefung, deren Boden eine Ooffnung hat, welche zum Durchgang des Vagus und Glossnpharyngcus bestimmt ist. Daneben kommt das schwieriger zu findende und wohl zum Austritt des Nervus hypoglossus dienende Loch. In der Nähe dos Foramen ovale und zwar medianwärts und unten an der Grenze des Basi- spheno'ideums befindot sich die Fenestra rotunda. Vorn vom Foramen ovale und bereits in der alisphenoülalen Region sehe ich zwei Oelmungcn, welche dem Nervus facialis und trigeminus zum Austritt dienen dürften. Die zur Aufnahme der Gehör- nervon bestimmten Löcher sind selbstverständlich nur innerlich sichtbar.

Mit. Bezug auf die Gehörknöchelchen hätte ich zu bemerken,

Amphisbaena cinerea Vand. und A. Strauchi v. Bedr. 49

dass dieselben denjenigen bei den Schlangen1) und beim Aga- modon aüguliceps Peters2) sehr ähnlich sehen. Das Apparat besteht nämlich erstens aus einer tellerförmigen grösseren Knochenplatte, die an die vorspringende Umgebung des Fora- men ovale befestigt ist, zweitens aus einer ebenfalls knöchernen Columella, welche mit dem Operculum innigst verbunden ist und aus seiner Mitte entspringt (Fig. 5. y.) und endlich drittens aus einem, wie mir scheint, einzigen stäbchenförmigen Ansatz, der den Hammer repräsentirt.

Die auf der Oberfläche des Craniums ziemlich stark hervor- tretenden Bogengänge haben bei Amphisbaena eine merkwürdige Anordnung. Der vordere halbcirkelförmige Canal nimmt seinen Ursprung hinten, d. h. unweit und seitlich vom Condylus occi- pitalis (vergl. Fig. 11. und 12. a.), begibt sich von da nach oben, der Umrandung des Exoccipitale (e. o.) folgend, und geht auf das Epioticum (e. p.) und Prooticum (pro), die paroccipitalen Fortsätze von der Prootical- Basis trennend (Fig. 12.), über. Somit entsteht ein unweit des Gelenkkopfes anfangender und am Squamosum (Fig. 12. S. Fig. 11. sq.) endender langer Bogengang, welcher, was seine Ausdehnung und Lage anbe- langt, dem vorderen und zugleich dem hinteren Bogengang bei den Schlangen und Eidechsen entspricht (vergl. die Abbildungen bei Parker3).

Lateralwärts, und zwar hinter dem Squamosum also un- gefähr an jener Stelle, wo der vordere Canal a. endigt und vom Schläfenknöchelchen überlagert wird , tritt bei der Doppel- schleiche ein anderer Bogengang zum Vorschein (Fig. 12. c.) er- streckt sich vom Prooticum auf das Opisthoticum (op.) und Exoccipi- tale, in der Nähe des oberen Randes des Foramen ovale passirend, um hinten mit dem vorderen Bogengang a. in Berührung zu kom- men. Dieser Canal c. würde dem äusseren und zum Theil auch dem hinteren Bogengang bei den Sauria und Ophidia entsprechen. Bei Amphisbaena könnte er vielleicht als seitlicher Bogengang bezeichnet werden. Bei oberflächlicher Betrachtung glaubt man

1) Philos. Transact. of the Roy. Society. 1878. Plate XXXI, fig. 4, 5, 7 and 8.

2) Sitzungsber. d. König]. Akad. d. Wiss. zu Berlin 1882. Taf. X, Fig. 9.

3) Philos. Transact. Roy. Soc. 1878, Plate XXIX 4, XXXI 4, 6, XXXIII 2; id. 1879, Plate 41 III. 43 VII, VIII (h. sc, p. sc, a. sc).

Arch. f. Natursresch. L. Jahrg. 1. Bd. 4

50 Dr. J. r. Bedriaga:

nur einen einzigen kreisförmigen Canal vor sich zu haben (Fig. 12.); erst wenn man die Labyrinthgegend näher unter- sucht und dieselbe bei günstiger Beleuchtung vermittelst eines Vergrösserungsglases studirt, nimmt man wahr, dass der kreis- förmige Gang aus zwei Canälen besteht. Der scheinbar kreis- förmige Gang enthält nun einen anderen, ungefähr in diame- traler Richtung angelegten Bogengang (Fig. 11. und 12. bei b.), welcher vorne sich an das Squamosum anlegt. Bei den Schlangen und bei den eidechsenartigen Reptilien habe ich nichts analoges für diesen Canal zu finden vermocht.

Das Scheitelbein ist die grösste Knochenplatte des Schä- dels. Nach hinten erstreckt es sich nahezu bis zu den freien Rändern der Exoccipitalia ; vorne tritt es auf den Vordertheil des Craniums über. Hier ist es verhältnissmässig schmal und weist einen stark ausgezackten Rand auf. Fig. 1. P. Die seitlichen Ränder des Parietale haben einen bogigen Verlauf. Vorn dienen dieselben zur Begrenzung der Orbitalhöhle imd weisen wulstartige Erhabenheiten auf, welche jedoch sehr schwach ausgeprägt erscheinen. Hier wird die Parietalplatte breiter; ihre Randtheile biegen sich stark nach unten um, nehmen beinahe eine verticale Stellung an und kommen in einem gewissen Punkte nahezu mit den PterygoTdea in Be- rührung (vergl. Fig. 8.). Gerade an dieser Stelle erreicht der in Rede stehende Knochen seinen grössten Breitendurchmesser, denn nach rückwärts hört die geschilderte Krümmung allmählich auf und die Parietalränder verlassen nun den Sphenoidalabschnitt des Schädels, um sich an die oberen Kanten der paroccipitalen Fortsätze am Felsenbein anzulegen. Auf der Occipitalregion hinten flacht sich das Parietale ab und scheint dadurch, dass sein Hinterrand in der Mitte einen tiefen Einschnitt erhält, in zwei schuppenartige Seitentheile zu zerfallen, welche zum Theil die Regio prootica überlagern. Diese schuppenartigen Fortsätze, welche sich ihrerseits an ihren Rändern in zwei theilen, können möglicherweise mit jenen Bogenschenkeln, welche bei den Lacer- tiden vom Scheitelbein zu den Querbalken herabsteigen, ver- glichen werden. Die Lücke, welche zwischen diesen Schuppen- fortsätzen zum Vorschein kommt, wird vom Supraoccipitale aus- gefüllt, was auf meinem Bilde 1. S. o. deutlich zu sehen ist. Sowohl diese Figur als auch Fig. 8. p. sind, glaube ich, dazu geeignet eine klare Vorstellung von der Gestalt und der Aus-

Amphisbaena cinerea Vand. und A. Strauchi v. Bedr. 51

dehnung des Scheitelbeins zu geben. Ausserdem fallen bei der Betrachtung dieser Figuren folgende Unebenheiten am Parietale auf: vorne eine rinnenartige Vertiefung, welche sich von einem Rande der Augenhöhle bis zum entgegengesetzten Rand hin- zieht, die ausgezackte Vorderpartie vom übrigen Theil der Platte sondernd und eine merkliche Einschnürung an derselben verursachend; hinten erscheinen die schuppenartigen Fortsätze ebenfalls durch eine lineare Impression von dem leicht auf- gebauchten Parietalkörper abgesondert. Die Fortsätze selbst sind oben schwach ausgehöhlt. Vor dem Supraoccipitale be- findet sich in der Medianlinie des Scheitelbeins ein Vorsprang, welcher zum Ansatz der Muskulatur dient. Die Sutur, welche die Parietalseitenhälften in der Längsmittellinie verbindet, ist nur bei jungen und halbausgewachsenen Individuen wahrnehm- bar. Sonst sind die, die in Rede stehende Platte constituirenden Seitentheile innigst mit einander verbunden und die ursprüng- liche Grenzlinie erscheint nur spurweise als lineare Impression angedeutet.

Die Frontalia (Fig. 15. und 1. f.) sind bedeutend kleiner als das Parietale und gehören eher dem Nasenabschnitt, als dem Cavum cranii an. Vergleicht man dieselben mit dem Stirnbein der Sauria oder Ophidia, so wird man alsbald ein- sehen, dass bei Amphisbaena das Scheitelbein auf Kosten der Frontalia entwickelt erscheint. Von oben betrachtet bieten letztere nichts Bemerkenswerthes. Ihr vorderer und zugleich breitester Rand ist stark ausgeschnitten, wodurch zwei fortsatz- artige Bildungen zu Stande kommen und zwar ein langer, den Oberkiefer berührender Aussenfortsatz (Frontale anterius) und ein zweiter kürzerer, mit dem Intermaxillarbein in Contact tretender Processus (Fig. 1.). Somit ist die Vorderkante des Frontale bei Amphisbaena derjenigen bei den Lacertiden im allgemeinen ähnlich, unterscheidet sich aber von dieser insofern, als bei den Lacertiden der nach aussen liegende Stirnbeinfortsatz mit dem Oberkiefer nicht in Berührung kommt, sondern an das Thränenbein stosst. Der laterale, an das Lacrymale grenzende Rand ist stellenweise leicht eingebogen. Rückwärts werden die Frontalia etwas schmäler und weisen einen sehr stark gezähnten Rand auf, welcher dadurch der Vorderkante des Scheitelbeins ähnlich ist. Die langen Zähnchen des Stirnbeins passen genau

in die Einschnitte des Parietale und umgekehrt, wodurch diese

4*

52 Dr. J. v. Bedriaga:

Knochen so innig und fest an einander verbunden erscheinen, dass es schwer fällt dieselben zu trennen; erst bei längerem Maceriren lösen sich die Frontalia vom Parietalbein ab. In der Medianlinie sind die Frontalia mehrfach fransenartig aus- geschnitten. Fig. 15.

Die Unterflächen der Stirnbeinseitentheile weisen breite Fort- sätze — oder, genauer gesagt, nach unten in transversaler Rich- tung absteigende breite Lamellen auf, welche unter anderem dazu bestimmt sind die Innenwand der Augenhöhle zu bilden1) (vergl. Fig. 15., welche die Unterfläche des Frontale darstellt; bei a. ist die Ansatzstelle der transversalen, nach unten ge- richteten Lamelle angedeutet). Eine Andeutung dieser anfangs senkrecht absteigenden, nachher aber in der Horizontalebene zu liegen kommenden Lamellen2) ist bei den Lacerten und Blindschleichen vorhanden und dienen bei den letzteren „zur Umgreifung des vorderen Theils des Grosshirns und des Riech- kolbens".3) Besonders stark entwickelt treten diese „verticalen Fortsätze" bei den Schlangen auf; hier kommen sie nur seit- lich zu liegen, indem sie schräg von oben und von aussen nach unten und medianwärts sich erstrecken und am Aufbau des Schädelrohres sich sehr wesentlich betheiligen und hierselbst zugleich Boden und Seitenwandung construiren.4) Rathke, wie ich es aus einer Arbeit Wiedersheim's ersehe, glaubte in diesem „seitlichen Schädelbalken" einen dem Orbitosphenoid entsprechenden Knochen zu erblicken, der sich erst nachträglich mit dem Stirnbein in Verbindung setzt, was aber, nach den kürzlich erschienenen musterhaften Untersuchungen Parker's zu urtheilen, nicht der Fall zu sein scheint.

Bei der Doppelschleiche participiren diese vertikalen Frontalfortsätze an der Herstellung des Bodens und ausserdem an derjenigen der Vorderwand der Gehirnkapsel, was auf meinen Figuren 7. und 8. zu sehen ist. Fig. 7. stellt einen

1) Vergl. meine Fig. 8. x.

2) Vergl. meine Fig. 7. (P. f. v.), welche den senkrechten Längs- schnitt durch die Schnauze der Amphisbaena cinerea vorstellt.

3) Vergl. Leydig, Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier, S. 28, Taf. III. Fig. 45. a.

4) Vergl. Parker, On the strueture and development of the skull in the common snake (1. c), Plate 32, fig. 2. f.

Amphisbaena cinerea Vand. und A. Strauchi v. Bedr. 53

der Länge nach gespaltenen Schädel dar und ist dazu geeignet zu zeigen, dass die in Rede stehenden Fortsätze das Cavum cranii von der Nasenregion trennen. Mit den OrbitosphenoTden haben sie ähnlich wie es bei den Schlangen der Fall ist nichts im gemeinen. Als Orbitosphenoidea bin ich geneigt andere, an die eben beschriebenen Frontalfortsätze angrenzende Knochen- plättchen zu betrachten und zwar diejenigen, welche beim Aus- einanderlegen des Amphisbaena- Schädels stets am Para- imd zum Theil auch am Basi - Sphenoi'deum angeheftet bleiben. Die Umrisse dieser Orbitosphenoi'dalplatten kann man sich am besten auf meiner Figur 14. veranschaulichen und mir bliebe nur übrig mit Bezug auf diese Platten, welche mein Interesse in hohem Maasse in Anspruch genommen haben, zu erwähnen, dass die medianen Partien in der Horizontalebene liegen und dass die lateralen, äusseren Ränder sich nach oben biegen, um mit dem Scheitelbein in Contact zu treten. Somit besitzt die Doppel- schleiche besondere gut ossificirte Theile, welche den Boden der Gehirnkapsel wesentlich mitzubilden helfen, während die entsprechenden Partien bei den Sauria knorpelig sind und bei den Ophidia als winzig kleine Blättchen erscheinen, welche zum Theil die postfrontale Fenestra ausfüllen (vergl. die schon öfters citirten Arbeiten Park er' s). Dass der sphenoidale Ab- schnitt bei Amphisbaena an denjenigen vieler geschwänzten Amphibien erinnert, brauche ich kaum hervorheben zu müssen.

Fassen wir das eben Gesagte zusammen, so ergibt sich, dass die umfangreiche Schädelkapsel bei Amphisbaena aus fol- genden Deckknochen zusammengefügt ist.

Das Dach wird grösstentheils gebildet: vom sehr ausge- dehnten Parietale, von einem Theil der Frontalia und von der unpaaren Schuppe des Hinterhauptbeins sammt den ihr an- grenzenden Partien.

An der Bildimg des Bodens nehmen theil: 1) das Basi- occipitale mitsammt dem Basi- und Para - Sphenoidale ; 2) die Orbitosphenoidea (d. h. nur zum Theil!) und partiell auch die oben erwähnten, vom Frontale absteigenden Lamellen.

Seitlich erscheint das Cavum cranii von den Alisphenoidea, von den paroccipitalen Fortsätzen (Felsenbein), von den ab- wärts gekrümmten Rändern des Stirnbeins und auch von den Orbitosphino'i'dea geschlossen.

Endlich erhält die Schädelhöhle vorne eine Wand, welche

54 D*« J. v. Bcdriaga:

von den verticalen, vom Frontale absteigenden Lamellen ge- bildet wird.

Es mag hier am Platze sein auseinanderzusetzen, wo die verschiedenen Gehirnabschnitte zu liegen kommen. Ich will infolgedessen die Beschreibimg der übrig gebliebenen Schädel- knochen auf einen Augenblick unterbrechen, um das Gehirn bei den uns hier interessirenden Doppelschleichen einer flüchtigen Betrachtung zu unterwerfen.

Ich habe schon anlässlich der Schilderung der Detailver- hältnisse des Craniums darauf hingewiesen, dass die Amphis- baeniden eine isolirte Stellung in der Reptilienabtheilung ein- nehmen dürften und dass sie Anknüpfungspunkte an die Amphibien bieten. Betrachtet man das Gehirn einer Amphis- baena cinerea, so nimmt man alsbald wahr, dass bezüglich der Ausdehnung, Differenzirung und Configuration desselben eben- falls gewichtige Eigenthümlichkeiten vorhanden sind, welche bei den Reptilien sonst, so viel ich weiss, nur vorübergehend in ihrer embryonalen Entwickelung auftreten und darauf hindeuten, dass wir in der Doppelschleiche eine in phylogenetischer Be- ziehung alte Reptilienform vor uns haben. Namentlich ist das Mittelhirn der Amphisbaena cinerea auf einer viel tieferen Stufe der Ausbildung stehen geblieben als dasjenige aller mir bisher bekannten Reptilien. Es ist verhältnissmässig klein, einfach und ungetheilt und mit vollkommen glatt beschaffener Ober- fläche versehen; es erinnert also etwa an das Gehirn der un- geschwänzten Batrachier, oder, wie bereits erwähnt, an frühe Entwickelungsstadien dieses Theils des Gehirns bei den Rep- tilien. — Vorn und unmittelbar an das Mittelhirn legt sich das in zwei Hemisphären getheilte und eine grosse Ausdehnung in die Länge zeigende Vorderhirn. Die gleichfalls ansehnlichen Lobi olfactori sind ziemlich scharf vom Vorderhirn abgesetzt. Das Zwischenhirn ist bei oberflächlicher Betrachtung des Gehirns nicht sichtbar; erst wenn man die Hemisphären mit der Pincette auseinanderrückt, tritt dasselbe hervor und erscheint als Fortsetzung des Mittelhirns. Der Hirnschlitz ist vorhanden ; er geht zum Theil auch auf das Zwischenhirn über. Vorn wird der Hirnschlitz von der die Lobi hemisphaerici verbindenden Quercommissur überbrückt. Das kleine unpaare Hinterhirn erscheint als aus einem vorderen, lamellösen und hinten grösseren, blasenartigen Abschnitte bestehend, welcher die Rautengrube

Amphisbaena cinerea Vand. und A. Strauchi v. Bedr. 55

derinaassen verdeckt, dass man am Nachhirn nur eine schwach zu Tage tretende lineare Impression wahrzunehmen im Stande ist.

Die Lobi olfactori ruhen hauptsächlich auf den absteigenden Frontallamellen und werden vom Stirnbein und vom Parietal- rand bedeckt. Vorder-, Zwischen- und Mittelhirn kommen auf das Orbito-, Para- und Basi-Sphenoi'deum zu liegen und werden vom Scheitelbein überlagert. Das Hinterhirn wird, wie ich es schon erwähnt habe, von den angrenzenden Hirnabschnitten verdeckt, während das Nachhirn unter dem Supraoccipitale und auf dem Basioccipitale sich befindet.

Die Schädeldeckknochen sind so dünn und durchsichtig, dass man durch dieselben die einzelnen Gehirnabschnitte deut- lich zu unterscheiden vermag. Zu beiden Seiten des Mittel- hirns und der Medulla oblongata also in der Gehörkapsel- gegend — sieht man ausserdem durch die äussere Bedeckung zwei weisse, ansehnliche, kugelige Gebilde durchschimmern, deren Diameter beinahe die Länge von 1 mm erreicht. Diese Gebilde sind nichts anderes als endolymphatische Säckchen, welche bei Amphisbaena auffallend grosse Dimensionen auf- weisen. Auf meiner Figur 14. ist das links gelegene Säckchen (E. s. rechterseits ist es entfernt worden!) nur 10 Mal ver- grössert dargestellt. Hat man den Parietalrand und die Ex- occipitalia, das Epioticum und das Prooticum entfernt und somit diese Säckchen blossgelegt, so zeigt es sich alsbald, dass dieselben vermittelst der inneren knöchernen Wandungen der Gehörkapsel vollständig vom Cavum cranii abgeschlossen sind und dass jedes Säckchen einen kalkartigen Brei enthält, wel- cher, sobald er der Luft ausgesetzt ist, rasch erhärtet. Unter dem Mikroskope, bei starker Vergrösserung sieht man, dass der Brei aus einer Unmasse Kalkkrystallen besteht. Dieser Otholithenbrei ist, wie ich besonders betonen will, bei den Am- phisbaenen sowohl bei den erwachsenen, als auch bei den jungen Exemplaren stets vorhanden, während bei den Eidechsen, bei Coluber natrix, bei Schildkröten und Scinke (beispielsweise bei Anguis fragilis) die Säckchen nur bei jungen Individuen mit Kalkkrystallen gefüllt sein sollen. An den mir vorliegenden Weingeistexemplaren von Amphisbaena schien mir die, sogar bei frisch getödteten Thieren schwierige Untersuchung dieser Organe geringe Resultate zu versprechen. Dessenungeachtet habe ich zur Selbstbelehrung die Kalksäckchen näher betrachtet

5(5 Dr. J. v. Bedriaga:

und glaube, dase sie sich insofern von denjenigen bei eleu Ascalboten untersclieiden , als sie kein so complicirtes Canal- system aufzuweisen haben.

Ich habe schon aulässlich der Schilderung der Detailver- hältnisse an der gesprengten Gehirnkapsel darauf hingewiesen, dass nur eine Partie der horizontalen Frontalplatte am Aufbau des Cavum cranii theilnimmt, während die andere Partie, und zwar die vordere, der Nasenregion angehört und hier zugleich mit den Nasalbeinen ein doppeltes Dach bildet.

Was die Nasalia anbelangt, so bieten dieselben nichts Er- wähnenswerthes. Ihre vorderen, freiliegenden Kanten sind aus- gerandet; sie constituiren die obere Circumferenz der äusseren Apertura nasalis. Lateralwärts stossen die Kanten an die Oberkieferknochen und medianwärts grenzen sie an das Inter- maxillare, dessen Processus frontalis die Nasenbeine ihrer ganzen Länge nach zu trennen scheint (vergl. Fig. 1, n. n.). Die Unter- flächen der Nasalia sind concav und bilden das Dach der Nasen- höhle. Fig. 6. und 8. n.

Der eben erwähnte Fortsatz am unpaaren Zwischenkiefer hat eine bedeutende Ausdehnung; sein Hinterende kommt zu- weilen in geringer Entfernung von den absteigenden Frontal- lamellen zu liegen. Bei Amphisbaena cinerea ist er an seiner Basis (von oben betrachtet!) breit und erscheint seitlich abge- rundet; nach rückwärts aber wird er schmäler und endigt ziemlich zugespitzt. Bei Amphisbaena Strauchi ist der Pro- cessus frontalis etwas breiter, sogar breiter gegen sein freies Ende hin. Lateralwärts sind seine Ränder schwach ausgerandet, wodurch der Fortsatz in seiner Mitte eingeschnürt erscheint. Fig. 1, im. In der Gestalt des Intermaxillare tritt der speeifische Charakter der A. Strauchi sehr deut- lich ausgeprägt hervor. Während nämlich bei ihr der zahntragende Alveolarfortsatz nahezu horizontal zu liegen kommt und die Zähne nur dann sichtbar sind, wenn man dem Thierchen den Rachen weit aufsperrt, fällt bei der Vandelli'schen Species der Alveolarfortsatz senkrecht ab und der Kieferrand sammt Zähnen kommt bei der Seitenansicht des Kopfes deutlich zum Vorschein, sobald man die Lippenschilder entfernt hat. Bei der kleinasiatischen, neuen Amphisbaena -Art biegt sich auch der Körper des Zwischenkiefers nach unten und der untere Theil der, die äussere und senkrechte Seite bei A. cinerea bildenden

Amphisbaena cinerea Vand. und A. Strauch] v. ßedr. 57

Fläche des Intermaxillare wird bei ihr zur Unterfläche des in Rede stehenden Knochens. Diese Abweichungen sowohl als auch die Umrisse des Zwischenkiefers bei beiden Species sind auf meinen Figuren 5., 8., 6. und 13. sichtbar. Ausserdem zeigt Fig. 5., dass die Zähne bei der spanischen Doppelschleiche eher am äusseren Schnauzenrande sitzen, während bei meiner Species die Zähne in ziemlich grosser Entfernung vom äusseren Schnau- zenspitzenrande sich befinden (vergl. Fig. 13. und 6.). Dass die Zähne ungleich lang sind, habe ich bereits oben erwähnt. Es bliebe mir noch übrig hinzuzufügen, dass letztere einfache Kronen aufweisen. Ein Maxillar - Fortsatz , der jederseits an den Oberkiefer stösst und theilweise die untere Circumferenz der Nasenöffnung bildet und ein Processus palatinus, welcher am Aufbau des Nasenhöhlendaches sich betheiligt, sind vor- handen.

Am Oberkiefer kann man folgende Theile unterscheiden: 1) eine die äussere Wandung des Nasenraums constituirende Platte, welche unten senkrecht zu stehen kommt, oben median- wärts sich umbiegt und nach rückwärts in einen spitz endenden und zum Theil das Lacrymale vom Nasalbein trennenden Fort- satz ausgezogen ist; 2) eine horizontale Platte (Processus pala- tinus ossis maxillaris), welche an den gleichfalls horizontalen Fortsatz am Intermaxillare (Process. palat. oss. intermaxill.) und an das Pflugscharbein stösst und somit an der Bedachung der Mundhöhle partieipirt; 3) ein nach rückwärts gerichteter kurzer Processus legt sich an das Transpalatinnm an, indem er in seine tiefe Aushöhlimg genau hineinpasst. Fig. 5., 8. und 4. a. Die nach hinten schauende Kante des Maxillare grenzt an das Os lacrymale (Fig. 8. 1. c.) und bildet die vordere Umgrenzung der Orbitalhöhle, während der nach vorne von der horizontalen Platte des Oberkiefers entspringende, sich etwas nach oben emporhebende und an den Zwischenkiefergaumenfortsatz stossende Processus zum Theil die untere Umgrenzung des Nasenlabyrin thes constituirt. Das Maxillare weist eine Anzahl von Löchern auf, welche zum Durchtritt von Endästen des Ramus nasalis Trigemini dienen.

Das nahezu dreieckig geformte Thränenbein liegt zwischen Maxillare, Frontale und der vom Frontale absteigenden Lamelle. Unten dient ihm als Stütze die Vomeropalatinplatte. Den so- genannten Ductus lacrimalis habe ich nicht mit Sicherheit finden

58 "''■ J' v. Bedriaga:

können. Nach aussen zu erscheint das Lacrymale gewölbt, nacli innen zu ausgehöhlt. Seine obere Kante überlagert die Lateralränder des Os frontale.

Auf Fig. 17. und 18. ist das Vomeropalatinbein bei Am- phisbaena cinerea dargestellt. Dieser paarige Knochen ähnelt sowohl durch seine Umrisse als auch durch seine Aushöhlungen und Wulstbildungen dem Vomeropalatinum der Lacerten (vergl. Leydig's Saurier -Werk, Taf. III, Fig. 41.); nur sehe ich bei A. cinerea und Strauchi die Grenzlinie zwischen dem Vomer und Palatinum, welche bekanntlich bei den Eidechsen deutlich hervortreten, nicht ausgeprägt.

Vorn stosst das Pflugscharbein an die Processus palatini ossis intermaxillaris und maxillaris. Darauf hin begrenzt es jederseits unter Beihülfe der horizontalen Platte des Maxillare und des Gaumenbeins die Choanen (Fig. 5, Ch.). Die Gaumen- beine weisen hinter den Choanen starke Fortsatzbildungen auf, welche an die Oberkiefer stossen. Die nämlichen Fortsätze dienen als Stützen für das Lacrymale und für die verticalen Platten des Frontale, indem sie nicht nur lateralwärts, sondern auch nach oben hervorragen. Weiter nach hinten legen sich die Gaumenbeine an die Transpalatina und Pterygoi'dea an.

Vergleicht man die zuletzt genannten Knochen mit den gleichen Theilen bei den Sauria, so zeigt sich eine bedeutende Differenz. Bei Amphisbaena nämlich sind keine Gabelungen an den Vorderenden der Flügelbeine vorhanden, sondern es ist nur eine Ausdehnung in die Breite wahrnehmbar, welche den hinteren Theil des Gaumenbeins überlagert (vergl. Fig. 4, bei b.). Die mit den Pterygoidea innigst verbundenen Transpalatina scheinen bei oberflächlicher Betrachtung sich vorn zu gabeln (Fig. 5, t. pa.). Untersucht man aber diese Knochen näher, so constatirt man, dass sie vorn nur tief ausgehöhlt sind, dass die nach rückwärts gerichteten Fortsätze des Maxillare in diesen Aushöhlungen ruhen und dass die Randpartien die Maxiilaria seitlich und oben umklammern (Fig. 4, bei a.). Das Trans- palatinum grenzt, wie gesagt, an das Maxillarbein , Palatinum und Pterygoi'deum , folglich wird bei Amphisbaena eine grosse und für die Sauria so charakteristische ovale Fenestra ver- misst; sie ist hier durch eine kaum sichtbare Oeffnung reprä- sentirt. Fig. 5.

Sämmtliche Knochen, welche ich soeben beschrieben habe,

Amphisbaena cinerea Vand. und A. Strauehi v. Bedr. 59

befinden sich nahezu in einer und derselben Ebene und stellen, so zu sagen, ein Postament für die Gehirnkapsel. Para- und Basi - SphenoTdeum kommen gleichfalls beinahe in der nämlichen Ebene zu liegen und der leere Raum, wie wir ihn zwischen den Pterygoi'dea am macerirten Schädel bei den Sauria kennen gelernt haben, ist bei der Doppelschleiche nicht vorhanden. Eine Columella existirt nicht; sie wäre ja auch hier zwecklos. Das Jugale wird gleichfalls vermisst; folglich sind Schläfen- und Augenhöhlen auch äusserlich nicht gesondert. Der Boden der Postorbitalhöhle wird vom Pterygoi'deum und zum Theil auch vom Palatinum constituirt. BasisphenoTdeum , Parietale und Felsenbein betheiligen sich am Aufbau der übrigen Schläfen- höhlenwandung. An der Constituirung der Orbitalhöhle nehmen zahlreiche Knochen Theil, und zwar unten das Gaumenbein und das Transpalatinum , vorn die aufsteigenden Fortsätze am Vomeropalatinum und die absteigenden Frontallamellen und endlich rückwärts die Orbitosphenoidea. Die Vorderwand der Augenhöhle weist zwei Löcher auf, wovon das eine zum Durch- tritt von Nerven und das andere vielleicht zum Durchgang des Thränenröhrchens dient.

Zum Schluss noch ein paar Worte über den Nasenraum, den Unterkiefer und das Zungenbein. Auf welche Weise sich der Nasenraum von der Mundhöhle und vom Cavum cranii scheidet, habe ich bereits gezeigt. Ich muss hinzufügen, dass diejenige Wand, welche einerseits das Gehirnrohr, andererseits den Nasenraum zum Abschluss bringen, nicht durchweg knöchern ist. Diejenigen Lamellen, welche von der horizontalen Fläche des Stirnbeins absteigen und, wie ich glaube, mit den Wieders- heim'schen „Hackenfortsätzen" bei den Urodelen verglichen sein dürften, stossen in der Medianlinie nicht ihrer ganzen Länge nach aneinander. Es entsteht somit eine Lücke, welche vermittelst einer hyalinknorpeligen Substanz ausgefüllt erscheint (vergl. Fig. 14.). Diese Substanz stellt die Lamina cribrosa vor. Von ihr entspringt nun ein ebenfalls hyalinknorpeliges Septum-nasi, das den Nasenraum der Länge nach in zwei theilt (Fig. 14. s. n., Fig. 7. s. n.). Vorn gesellen sich zu dieser Scheidewand knöcherne Partien, wie z. B. der Processus nasalis ossis intermaxillaris und das sogenannte Septum maxillare (Septo-maxillary Parker). Fig. 7, s. mx. Jede der Seiten- abtheilungen des Nasenraums zerfällt ihrerseits in Abschnitte

(50 Dr« J- v- Bedriaga:

uud zwar in eine Vorhöhle, deren sie begrenzende hyalinknor- pelige Kapsel derjenigen bei den Sauria ähnelt, und in eine innere, umfangreichere Nasenhöhle, welche eine knorpelige, vom Septum nasale entspringende Bekleidung erhält. Ausserdem kann ein dritter Abschnitt unterschieden werden. Die Jacob- son'sehen Organe sind nämlich mittelst eines hyalinknorpeligen Ueborzuges vom Nasenraum abgeschieden. Diese Organe liegen medianwärts auf dem Os vomeris in besonderen Vertiefungen (vergl. Fig. 18. a. und Fig. 14. x.). Vorn grenzen sie an die Vorhöhle und hinten werden sie von einer ziemlich hohen queren Wulstbildung am Os vomeris begrenzt (Fig. 7. x.). Die Mün- dungsstellen dieser Organe liegen vor den Choanen und sind am Gaumen gut sichtbar. Fig. 5. x. Der Olfactorius schwillt in der Nasenhöhle sehr bedeutend auf. Zu meinem Bedauern fehlt es mir an Material, um auf diese eigenthümliche Erschei- nung näher einzugehen.

Bei längerem Maceriren lösen sich Dentale und Coronoi'deum vom hinteren Theile des Unterkiefers ab. Angulare, Surangu- lare und Articulare sind innigst an einander verbunden. Nur die Grenzlinien zwischen den zwei zuletzt genannten Partien habe ich entdecken können. Fig. 20. und 21. Bei Amphis- baena cinerea weist jede Seitenhälfte drei grössere vordere und vier kleinere hintere Zähne auf. Der dritte Zahn, von vorn gerechnet, ist der längste; der vierte und siebente sind die kürzesten Zähne. Amphisbaena Strauchi besitzt jederseits acht Zähne. Die ersten zwei sind beinahe gleich lang; der dritte Zahn ist der längste; der vierte und achte sind die kürzesten Zähne.

Das Skelet der Zunge habe ich auf Fig. 16. wiedergegeben. Es besteht aus einem Körper, welcher vorn in einen dolchartigen Fortsatz (b.) ausgezogen ist und hinten zwei Schenkel abgibt. Diesen Schenkeln sind drei Paar Hörner angefügt. Die freien Ränder der vorderen Hörner a. a. erweitern sich an ihren freien Enden; lateralwärts, ungefähr in der Mitte, haben diese Hörner Andeutungen von hakenartigen Fortsatzbildungen. Die äussersten und längsten Hinterhörner (c. c.) tragen an ihren freien Enden knorpelige Apophysen. Sowohl diese zwei Paare als auch das dritte hintere kürzere Hornpaar d. d. sind mit den hinteren Schenkeln des Körpers verbunden.

Amphisbaena cinerea Vand. und A. Strauchi v. Bedr. (31

Allgemeines über die inneren Weichtheile bei Amphisbaena.

Obschon ich den Weichtheilen bei der Doppelschleiche blos nebenher meine Aufmerksamkeit zugewendet habe, so will ich dennoch einige mir aufgefallenen Eigenthümlichkeiten kurz erwähnen und zugleich eine Erklärung meiner Abbildungen 2. 3. 9. und 19. geben.

Hat man die Amphisbaena von der Bauchseite aufgeschnit- ten, so fällt gleich auf, dass die Harn- und Geschlechtsorgane und der grösste Theil des Rumpfdarmes von jenem räthselhaften und als Fettkörper bezeichneten Gebilde vollkommen verdeckt werden (Fig. 2. Fk.). Dieses weissliche, silberglänzende und aus fetttropfenh altigen Zellen bestehende Gebilde nimmt am Harnblasenstiele seinen Ursprung, ragt von da weit nach vorne zu, indem es die Leberspitze erreicht, oder erstreckt sich sogar darüber und erinnert sowohl durch seine Ausdehnung als auch dadurch, dass es aus zwei breiten, stark geschlängelten, band- artigen Lappen besteht, an die Eileiter mancher Amphibien, bei denen bekanntlich die Oviducte während der Laichzeit derart an Umfang zunehmen, dass sie alle übrigen Organe nahezu ver- decken. Zwischen den beiden erwähnten Fettlappen tritt deut- lich eine Vene (V. um.) hervor, welche den Fettkörper oben an die Leberspitze und unten an die Nierenenden anheftet. Ausser- dem setzt diese Vene vermittelst zahlreicher Seitenäste, welche in sie einmünden und im Fettkörper sich verzweigen, die Längs- lappen selbst in Verbindung.

Am vordersten Rumpftheile fällt ferner die dunkelbraune und hellbraun gerandete, langgestreckte und hinten in zwei ziemlich spitz endende Hauptlappen (h. h'.) getheilte Leber (H.) auf. An jener Stelle, wo die Leber in zwei Haupt- und etliche kleine Nebenlappen sich zu sondern anfängt, befindet sich die deutlich zu Tage tretende grünliche und verhältnissmässig an- sehnliche Gallenblase Ch. Ein Ductus cysticus (D. c.) ist gleich- falls wahrnehmbar ; er geht auf die Unterfläche des linken grossen Leberlappens (h1.) über, indem er sich zum Pfortaderstamme (T. p.) gesellt, und steigt von da immer noch in Begleitung der Vena portae als Lebergallengang zum Pancreas (p.) herab.

Vorn an der Vena cava, hinten linkerseits von der Leber

62 Dr. J. v. Bedriaga:

kommt die Lunge (P.) zum Vorschein. Auf die Leber folgen Darm, Herz und Trachaea.

Das Herz liegt in grosser Entfernung vom Zungenbein- Apparate. Sowohl durch seine langgestreckte Form als auch infolge seines Baues besitzt er grosse Aehulichkeit mit dem Schlangenherzen. Nur insofern scheint mir ein Unterschied vor- handen, als bei Amphisbaena die Herzspitze und die Leber nicht in Contact treten. Bei den Schlangen dagegen pflegt das Ende des Herzbeutels am äusseren serösen Ueberzuge der Leber angewachsen zu sein.

Sowohl ein Theil der Trachaea als auch die Vorhöfe und die aus dem Herzen tretenden Blutgefässe werden von einem grauröthlichen , schwammig aussehenden Körperchen überlagert. Letzteres besteht aus einer unzähligen Anzahl von kugeligen Elementen, wird von Blutgefässen umsponnen und entspricht sowohl in Betreff seines Baues als auch mit Bezug auf seine Lage der Thymus -Drüse bei den Schlangen und Schildkröten.

Der Thymus -Drüse gesellt sich ein anderes milchweisses Gebilde in der Form eines geschlängelten Läppchens, das gleichfalls den vorderen Herzrand, jedoch von unten her über- lagert. Die nähere Untersuchung dieses Gebildes hat ergeben, dass es nichts anderes ist als ein abgelöstes Stück von der oben erwähnten und als „Fettkörper" oder von einigen franzö- sischen Anatomen als „grand epiploon" bezeichneten Fettmasse. Aehnliche Fettanhäufungen sind auch in der Schwanzgegend stets vorhanden.

Obgleich die Thatsache, dass diese fetthaltigen Körper bei den Doppelschleichen, Gymnophiona und Ophidia bald nur in der hinteren Hälfte der Rumpfhöhle auf dem Tractus intestinalis, bald zu den Seiten desselben liegen oder über dem Herzen und in der Caudalregion sich vorfinden und bei den Amphibien als fingerförmige Lappen vorzugsweise den Geschlechtsdrüsen an- geheftet sind oder auch den Bulbus arteriosus überlagern, dar- auf hinweist, dass wir es factisch mit Fettablagerungen zu thun haben, welche auf verschiedenen Stellen auftreten können und von diesen Thieren während ihres Winter- oder Sommerschlafes ver- braucht werden, indem sie dem Blut Nahrung zuführen, so spricht dennoch dagegen jener Umstand, dass bei einer von mir zur Winterzeit getödteten Amphisbaena, welche seit neun Monaten gefastet hat, diese „Fettkörper" ebenso stark entwickelt waren

Amphisbaena cinerea Vand. und A. Strauchi v. Bedr. 63

wie bei denjenigen Individuen, welche ich im Sommer 1878 bei Alicante erbeutete und gleich darauf untersuchte.

Ausserdem möchte ich noch hinzufügen, dass bei Amphis- baena diese Körper insofern von denjenigen, welche bei den Amphibien zunächst den Genitaldrüsen liegen, sich unterschei- den, als bei den letzteren eine gewisse Beziehung der Fett- massen zur sexuellen Thätigkeit, z. B. zur Entwicklung der Eier beim Triton, schon von Finger vermuthet worden ist. Gegen diese Vermuthung spricht allerdings die Thatsache, dass die Amphibien - Larven meistens reichlich mit derartigen Fett- anhäufungen versehen sind, obschon viele dieser Larven erst nach ihrer Metamorphose geschlechtsreif werden. Wie ich weiterhin zu zeigen Gelegenheit haben werde, weisen diejenigen Blutgefässe, welche den Fettkörper der Amphisbaena durch- ziehen, darauf hin, dass letzterer ein Gebilde sui generis ist.

Die Luftröhre der Amphisbaena erinnert an diejenige bei den Schlangen. Sie erreicht nämlich die Länge von 32 mm und sogar von 35 mm, stellt ein gleichmässig cylindrisches Rohr vor und wird aus mehr als fünf Dutzend von discreten, geschlossenen Hyalinknorpelringen componirt. Unter und etwas vor der Herzspitze geht die Trachaea (Fig. 2. t.) in einen ein- zigen Lungensack (P.) über. Weder von einer Spaltung der Luftröhre in zwei Bronchien, noch von einer zweiten rudimen- tären Aussackung ist bei Amphisbaena cinerea und Strauchi eine Spur vorhanden.

Der einfache Lungensack erscheint langgestreckt (etwa 34 mm lang) und dehnt sich, allmählich enger werdend, bis zum Becken. Da Stannius1) von paarigen Lungen bei den Amphisbaenoidea spricht, so vermuthe ich, dass ihm keine speciell circummediterrane Formen vorgelegen haben, denn so- wohl bei beiden hier in Rede stehenden Amphisbaenen - Arten als auch bei Trogonophis Wiegmanni fand ich nur eine Lunge. Diese Eigenthümlichkeit ist insofern von Interesse, als sie bei den Sauria höchst selten constatirt worden ist. Meines Wissens ist nur bei Typhline und Acontias die Lunge unpaar. Unter den Schlangen dagegen sind dergleichen Beispiele zahlreicher; so ist z. B. bei den Typhlopina, Rinophis und Calamarinen die linke Lunge abortiv.

1) Handbuch der Zootomie II. 2. Auflage (1856). S. 205.

64 Dr. J. v Bcdriaga:

Au der Ventralseite der Trachaea, in geringer Entfernung vom Kehlkopf findet sich die paarige Glandula thyreoidea. Sie besteht aus zwei länglichen (ungefähr 2'/2 mm langen), vorn und hinten zugespitzten Seitentheilen. Unter dem Mikroskope schienen mir diese Drüsen aus einem zierlichen milchweissen Gitterwerke zu bestehen, dessen Maschen von gelblichen Oel- tropfen gefüllt waren.

Was den Larynx anbelangt, so bietet die Untersuchung desselben grosse Schwierigkeiten, insbesondere aber bei Am- pliisbaena. Namentlich ist es schwer die vorderen Knorpel- ränder, beispielsweise die etwaigen Fortsätze, bei der Präpara- tion unverletzt zu erhalten. Die von mir beigefügte Skizze IG. stellt den vorderen Theil der Luftröhre und den Kehlkopf der Länge nach aufgeschnitten vor. Aus dieser Figur kann man eine grössere Knorpelplatte, welche ich für die Cartilago cri- coidea (a.) halte, ferner zwei von ihr seitlich gelegene, selbst- ständige, schmale Stellknorpel (c. c.) und endlich zwischen diesen eine Cartilago thyreoidea (b.) unterscheiden. Nicht unerwähnt will ich lassen, dass die als Cart. arytaenoides von mir be- zeichneten Plättchen abgelöste Theile vom ersten Trachaeal- halbringe zu sein scheinen. Die Bestandtheile der Cartilago laryngea, wie sie von Stannius (1. c. S. 205) aufgezählt wor- den sind, konnte ich an den mir vorgelegenen Präparaten nicht constatiren. Stannius sagt nämlich folgendes: „Bei Amphis- baena besteht die Cartilago laryngea in zwei seitlichen Längs- streifen, die an der Ventralseite durch Querstreifen verbunden sind." Ob unter „Querstreifen" die Cartilago cricoi'dea und Cart. thyreoidea zu verstehen sind, bleibt fraglich, weil nach Stannius diese „Querstreifen" nur an der Ventralseite sich vorfinden sollen.

Entfernt man die oben beschriebenen Fettmassen, so kommt das Darmrohr zum Vorschein und man nimmt alsbald wahr, dass die Gliederung des Tractus intestinalis in verschiedene Abschnitte nur schwach ausgeprägt ist, worin Amphisbaena eher den Schlangen als den Sauria ähnlich sieht. Die Trennung des Vorderdarms in Magen und Speiseröhre ist insofern nicht vor- handen, als der gerade verlaufende und wenig erweiterte lang- gestreckte Magenabschnitt allmählich in den Oesophagus über- geht. Die hintere Magenabgrenzung aber ist durch mehrere Kennzeichen angedeutet. Erstens dadurch, dass hier Anhangs-

Amphisbacna cinerea Vand. und A. Strauchi v. Bedr. 65

organe sich vorfinden, so z. B. die Bauchspeicheldrüse (p.), welcher eine unansehnliche, ovale, hellbraune und dunkelbraun pigmentirte Milz (sp.) angeheftet ist. Zweitens ist der Ueber- gang des Magens in's Duodenum durch eine ziemlich stark aus- geprägte Einschnürung des Rohres angegeben, welche, sobald die Speise im Magen verweilt und der Dünndarm leer ist, sehr deutlich zu sehen ist. An dieser Stelle befindet sich eine un- ansehnliche, innere ringförmige Falte, welche bei anderen Sauria gleichfalls constatirt und als Pförtner -Klappe bezeichnet worden ist. Endlich, drittens, ist die Grenze der zwei in Rede stehen- den Darmabschnitte dadurch angezeigt, dass die Magenwandimg undurchsichtig, der mittlere Darm aber dünnwandig ist und man die Texturverhältnisse der Schleimhäute, so z. B. zickzackartige Leisten, durchschimmern sieht. Diese regelmässig angeordneten, der Länge nach verlaufenden 6 bis 7 Faltenbildungen sind weder am vorderen Abschnitte des Darmtractus, noch am Dickdarm vorhanden. Hier werden dieselben durch sehr stark vorspringende, von vorn nach hinten in etwas schräger Richtung gestellte Längsfalten vertreten. Sowohl an der Speiseröhre als auch im Magen sind diese leistenartigen, beim Herunterwürgen der Speise wohl sehr zweckmässigen Bildungen ziemlich regel- mässig angeordnet und man könnte sogar sagen, sobald man den Vorderdarm aufschneidet und flach ausbreitet, dass seine Innenfläche von einem linken und rechten, symmetrisch an- geordneten Leistencomplex besetzt erscheint. Längsfalten im Dünndarm sind bereits Stannius aufgefallen. Dieser Forscher giebt nämlich an, dass die Schleimhaut des Dünndarms sowohl bei Amphisbaena fulginosa als auch bei Lepidosternon microce- phalum netzförmige Vorragungen bildet, von denen zum Theil blattförmige Zotten ausgehen.

Die gleich grossen Geschlechtsdrüsen kommen in der Regel ungefähr 4 cm vom After entfernt asymmetrisch zu liegen, in- dem die rechtseitige Drüse stets weiter vorwärts reicht als die linke. Bei einer frisch getödteten Amphisbaena cinerea stellt der Hode einen 6 mm langen, an beiden Enden abgerundeten und allenthalben ziemlich gleich dicken milchweissen Cylinder vor. Weder waren lineare Impressionen noch die gewundenen Schläuche sichtbar, obgleich die Tunica albuginea durchsichtig sich erwies. Erst nachdem der Hode längere Zeit im Wein-

Arch. f. Naturgesch. L. Jahrg. 1. Bd. 5

GG ^r- J- v- Bedriaga:

geiste gelegen hatte, kamen Drüsenschläuche zum Vorschein; auch änderte sich die äussere Gestalt des Testiculum und wurde bohnenförmig. Dicht am einwärts gekehrten Rande des Hodens (vergl. Fig. 9. h.) befindet sich der etwas längere, schmälere und mit letzterem vermittelst Gängen verbundene Nebenhode (nh.). Diese Gänge sind mit Ausnahme desjenigen, welcher aus dem hinteren Ende des Testiculum entspringt, kurz. Die zierlichen vielfach gewundenen Canälchen des Nebenhodens werden von einigen Venen- und Arteriengefässen durchkreuzt. Derjenige Zweig der Baucharterie, welcher die eigentlichen Hoden- resp. Nebenhoden - Zweige abgibt, legt sich dicht an ein einwärts vom Nebenhoden liegendes und der Vena renalis revehens (Fig. 9. v.) angelöthetes Gebilde, das als Paradidymis bezeichnet worden ist (P.). Dieses ovale, abgeplattete Gebilde ist so innig in die Wandung der rückführenden Vene eingekittet, dass man es, ohne letztere zu beschädigen, nicht abzulösen ver- mag. Die Paradidymis -Aussenhülle ist gelblich und durch- sichtig. Der Inhalt ist kreideweiss, körnerartig und wird beim leisesten Drucke zu Pulver. Dieses Gebilde ist somit dem als „obliterirte Nebenniere" oder als „Parovarium" beim Phyllo- dactylus europaeus1) bezeichneten Körper sehr ähnlich. Nur finde ich in der Paradidymis von Amphisbaena keine Fett- kugeln vor, wie sie beim Phyllodactylus beobachtet worden sind. Gleichfalls habe ich keine Schläuche oder Reste von Schläuchen wahrzunehmen vermocht.

Die Canälchen, welche den Nebenhoden constituiren, gehen nach vorne zu in einen fadenartigen, an seinem Ende mit einer cystenartigen Erweiterung versehenen Anhang über, welcher be- kanntlich als rudimentärer Theil des Müller'schen Ganges be- trachtet wird. Nach hinten gehen die Nebenhoden -Canälchen in eine zierlich und sehr dicht geschlängelte Tube über, welche bedeutend feiner ist, als die sie bis zu den Nieren begleitende Vena renalis revehens. Zu den Nieren angelangt, legt sich der Samengang dem äusseren Nierenrande an.

Bei den von mir untersuchten weiblichen Amphisbaenen waren die asymmetrisch liegenden Ovarien mit Eierchen gefüllt, welche bereits in ihrer Entwickelung vorangeschritten waren. Die Ovarien (vergl. Fig. 2. o.) waren etwa 12 mm lang und

1) Morphol. Jahrbuch Bd. I. S. 513.

Amphisbaena cinerea Vand. und A. Strauchi v. Bedr. 67

2 mm breit1) und stellten nach vorn und hinten zugespitzte und in Kammern gesonderte Säcke vor. Zwei bis drei isolirte, orangengelbe, oder gelblichrothe , fettglänzende Gebilde lagen auf der Oberfläche jedes Ovariums und hoben sich sowohl von dem milchweissen bindegewebigen Stroma als auch von den gelblichen Eiern ab.

Diese fetthaltigen Reste des Wolff'schen Körpers können mit dem Nebeneierstock der Sauria verglichen werden. Fig. 2. e. An einem der Ovarien, und zwar vorzugsweise am linken Eierstock, fehlen sie zuweilen. Dagegen waren bei den von mir untersuchten weiblichen Amphisbaenen andere accessorische und gleichfalls als Reste des Wolffschen Körpers bezeichnete Körper stets vorhanden. Diese Körper entsprechen der Para- didymis der Männchen ; sie sehen grauweiss oder gelbgrau, oval und abgeplattet aus und sind den Venae renales revehentes an- gelöthet (vergl. meine Fig. 2. d. d.). Von der kalkartigen Sub- stanz, wie sie von Wie der sh ei m bei Phyllodactylus europaeus entdeckt worden ist, habe ich bei Amphisbaena keine Spur vor- finden können. Ich glaube, dass das Parovarium bei diesem Thiere gelb gefärbte Fettklümpchen und mit fettigem Inhalte gefüllte Canälchen enthält. Ich hoffe nächstens frisches Material und zwar in genügender Quantität zu erhalten und beabsichtige dann auf diejenigen Punkte, welche ich in diesem Aufsatze nur beiläufig berührt habe, näher einzugehen. Ausserdem gedenke ich die Wirbelsäule, die Rippen, die Muskulatur, die Hautdecke und die Drüsen einer Untersuchung zu unterwerfen. Von den Drüsen dürften besonders diejenigen interessant sein, welche am Oberkiefer zwischen Nasenloch und Auge sich befinden.

An dem 7 bis 8 cm langen Eileiter (ov.) kann man drei Abschnitte unterscheiden, und zwar: 1) einen trichterförmigen, mit einem weiten Schlitz versehenen und in einen langen Halte- band ausgezogenen Vorderabschnitt; 2) einen mittleren und längsten spiralartig gewundenen Abschnitt, und endlich 3) einen

l) Mit Bezug auf Fig. 2. muss erwähnt werden, dass die einzelnen Theile vergrössert sind und dass dieselben aus leicht verständlichen Gründen nicht alle in einer und derselben Grösse wiedergegeben sein konnten. So sind beispielsweise Herz und Gefässe der Klarheit wegen be- deutend mehr vergrössert dai"gestellt , als der Darmtractus, die Leber und die anderen Organe.

68 F>r- J- v- Bedriaga:

hinteren gerade und am äusseren Rande der Niere sich hin- ziehenden Endstück. Die spiralartigen Windungen gehen zum Theil auch auf den Trichter über und selbst der Mündungsrand desselben erscheint zierlich gefaltet. Sowohl Trichter als auch der darauf folgende Abschnitt sind von heller und dünner Be- schaffenheit. Der dem Uterus entsprechende hintere Abschnitt aber ist dickwandig und intensiv gelb. Durch das Mastdarm- ende getrennt treten beide Uteri in die Kloakengrube und ragen hier als ziemlich ansehnliche Papillen empor. Die Mündungen der Uteri befinden sich nicht am äussersten Ende derselben, sondern sind mehr nach vorne zu gerückt und müssen zwischen den Falten, mit denen die medianwärts gekehrten Tubenwan- dungen versehen sind, gesucht werden. Am leichtesten wird man die Mündungen dann auffinden, wenn man das Endstück des Uterus in Querschnitte zerlegt. Ausserdem wird man wahr- nehmen können, dass die einwärts also zur Niere gekehrte Partie der Wandung des Uterus bedeutend dünner ist als die- jenige, welche nach aussen zu liegen kommt. Da die mittleren Abschnitte der Oviducte die Uteri im Durchmesser übertreffen und letztere, ohne sich in die Breite auszudehnen, wohl kaum die Eier aufzunehmen im Staude sein würden, so muss ange- nommen werden, dass eben die erwähnte dünne Partie der Eileiterwandung eine starke Ausdehnungsfähigkeit besitzt. Etwas vor den seitlich gelegenen Oeffnungen der Uteri münden die, mit Bezug auf ihre Dicke recht ansehnlichen Harnleiter (a. a.) in die Oviducte ein. Diese Leiter entspringen aus den äusseren Nierenrändern. Folglich sind die Ham- und Eierleiter -Gänge bei Amphisbaena untereinander vereinigt. Jeder Urogenitalleiter aber mündet getrennt in die Kloakenhöhle ein und ist median- wärts gebogen.1)

Wie Harn- und Spermaleiter zu einander sich verhalten, habe ich leider an dem einzigen von mir untersuchten männ-

1) In meiner Fig. 2. habe ich, um die Vereinigung des Harnleiters mit dem Oviduct und um diejenigen Faltenbildungen, zwischen welchen die Urogenitalmündung sich befindet, andeuten zu können, die Organe aus- einanderlegen , d. h. die Eileiter von den Nierenrändern entfernen müssen. Dabei haben die Harn - Eierleiterenden insofern eine unnatürliche Stellung erhalten, als sie nach aussen gerichtet erscheinen, während dieselben in der Wirklichkeit medianwärts schauen.

Amphisbaena cinerea Vand. und A. Strauchi v. Bedr. 69

liehen Exemplare der Doppelschleiche nicht constatiren können. Jedenfalls sind die Leiter (d. h. der links und rechts gelegene) von einander getrennt und ragen nicht mit ihren Enden in die Kloake empor, wie es bei den Eidechsen der Fall ist. Die Enden müssen tiefer in der dorsalen Kloakenwand und zwar seitlich und unter der Wandung des Mastdarms in besonderen, taschenartigen Vertiefungen sich befinden (vergl. meine Fig. 19.). Die lange, cylinderförmige, vorn abgerundete Blase (Fig. 2. vu. und Fig. 19. vu.) liegt zwischen dem Mastdarme und dem Fettkörper. Mit ihrem Stiele steht sie mit dem Rectum in Ver- bindung; mit dem übrigen Theile ist sie an den Fettkörper angeheftet. Der Harn ist kreideweiss imd zum Theil hart.

Wenn Stannius (op. c. S. 252) angibt, dass bei Amphis- baena die rechte Niere sehr wenig weiter vorwärts als die linke reicht, so kann ich ihm darin nicht beistimmen. Sowohl bei Amphisbaena cinerea als auch bei A. Strauchi sind die Nieren vollkommen symmetrisch und sind insofern denjenigen bei den Sauria ähnlich, als sie im hintersten Rumpftheile sich befinden (Fig. 2. R. R.). Sie sind 9 mm lang und 2l/2 mm breit und tragen bei A. cinerea gar keine Spuren von Lappenbildungen, wie es sonst bei den Eidechsen und beim Seps der Fall ist. Die zu- imd rückführenden Venen und die Arterienstämme ver- ursachen allerdings zahlreiche Impressionen auf der Ober- und Unterfläche der Nieren.

Mit Bezug auf die Vertheilungsweise der Blutgefässe hätte ich Folgendes zu bemerken. Nach Eröffnung des ziemlich festen Pericardium fallen vor allem die Lungenarterie und namentlich die linke Aorta auf, während die Aorta dextra (Fig. 2. und 3. a. o. d.) zum grössten Theil von der letzteren (a. o. s.) verdeckt wird. Der Ursprung beider zuletzt genannten Gefässe ist auf dem Bilde 2. sichtbar. Die anfangs links von der linken Aorta sich befindende Lungenarterie (a. p.) begibt sich alsbald nach rechts und biegt sich darauf hin, und zwar nachdem sie den oberen Rand des rechten Vorhofs (d.) erreicht hat, gegen die Unterfläche des Herzens (Fig. 3.). Hier angelangt, gesellt sie sich zu der Vena pulmonalis (V. p.) und der Trachaea (t.) und mündet endlich in den Lungensack (P.), wo sie sich verzweigt und mit den Ramificationen der Lungenvene sich anastomosirt. Von einer Bifurcation dieser Gefässe ausserhalb der Lunge ist keine Spur vorhanden. Auf eine gewisse Strecke wird die

70 Dr. J. v. Bedriaga:

Lungenarterie von der rechten Aorta begleitet. Anstatt aber zugleich mit der ersteren gegen die Unterfläche des Herzens sich umzubiegen, steigt die Aorta dextra nach oben und gibt eine Carotis primaria (C. pr.) ab, welche alsbald in zwei sekun- däre Carotiden (Ca. d., Ca. s.) sich theilt. Darauf hin bildet die rechte Aorta eine bogenartige Krümmung, entlässt an der aufsteigenden Krümmung dieses Bogens eine ebenfalls in zwei Aeste (Fig. 2. A. v. s., A. v. d.) sich theilende Arteria verte- bralis (A. v.) und biegt sich endlich gegen die Unterfläche des Herzens (Fig. 3. A. o. d.), um mit der linken Aorta (Ao. s.) in Verbindung zu treten. Letztere ist bedeutend kürzer als erstere; sie fängt, wie gesagt, rechts von der rechten Aorta an, geht nachher auf die rechte Seite über, erreicht den vorderen, oberen Rand des Vorhofs, biegt sich gegen die Unterfläche des Herzens, um alsbald die Aorta dextra aufzunehmen und mit dieser die absteigende Aorta (Ao. d. d.) zu bilden. Trachaea und Oesophagus werden von diesen beiden Aorten, so zu sagen, umgürtelt.

Die aus der absteigenden unpaaren Aorta hervortretenden Seitenäste sind zahlreich; die hauptsächlichsten sind: 1) Arteriae intercostales mit ihren Spinalästen; 2) Arteriae hepaticae und kurze Aeste, welche zum Oesophagus sich erstrecken; 3) drei bis vier Eingeweide -Arterien, welche am Dünndarm sich ana- stomosiren und ihrerseits kleinere Mesenterial - Magen - Gefässe und grössere Aeste, welche bis zum Dickdarm reichen, abgeben; 4) Arteriae spermaticae oder Arteriae ovariae; 5) etliche kür- zere Zweige, welche für die Ei- resp. Samen -Leiter bestimmt sind, und endlich 6) 5 bis 7 Arteriae renales, von denen das erste vordere Paar aus ansehnlichen und an den äusseren Rändern der Nieren verlaufenden Gefässen besteht (Fig. 2. A. r.).

Mit einer der Eingeweidearterien stehen zwei (manchmal nur eine) Drüsen in Verbindung. Diese Drüsen treten als äusserst kleine, orangenrothe Knötchen hervor, sobald man das Mesenterium aufspannt; sie erscheinen als wären es Körnchen, die man auf das Bauchfell gestreut hätte. Nimmt man die Loupe zur Hand, so wird man alsbald sehen, dass die Drüsen vermittelst eines besonderen, ziemlich langen Canals mit der Arterie communiciren und dass der Inhalt der Drüsen in letztere übertreten kann. Allem Anscheine nach sind diese Gebilde auf-

Amphisbaena cinerea Vand. und A. Strauchi v. Bedr. 71

fallend grosse lymphatische Behälter, welche ihre Lymphzellen direct in die Blutbahn senden.

Was die oberen Venenstämme (Cava superior sinistra und Cava superior dextra, Fig. 2. und 3. V. c. s. V. c. d.) anbe- langt, so sind sie denjenigen bei den Schlangen im Grossen und Ganzen ähnlich. Aus der Vereinigung der Unterkiefer-, der Gesichts- und Gehirn -Venen hervorgegangen, ziehen sie sich an beiden Seiten der Luft- und Speise -Röhre zum Herzen hinab. Die linke, anfangs unansehnliche, weiter nach hinten aber stämmige Vene macht auf der unteren Seite des Herzens eine starke Biegung und tritt in die rechte Auricula ein (Fig. 3.). Die rechte Cava superior ist bereits an ihrem Ursprünge recht ansehnlich und wird ausserdem durch eine Vertebralis (V. v. Fig. 2.), welche ihrerseits die Intercostal- und Oesophagus- Venen aufnimmt, und zweitens durch einen dem Herzen näher, als die erste liegenden und der Vena azygos posterior analogen Stamm verstärkt.

Die Venen der Extremitäten, des Schultergürtels, des Brust- beins und des Beckens fehlen bei der Amphisbaena selbstver- ständlich. Auf die Vertheilung der Cerebral-, Fascial- und Maxillar-Gefässe bin ich nicht näher eingegangen.

Die untere Hohlvene (Fig. 2. und 3. C. i.) wird in der Nähe der Geschlechtsdrüsen durch den Zusammenfluss von den Venae renales revehentes gebildet. Fig. 2. r. r. Sie nimmt in der Regel sowohl die Venen der rechten, höher gelegenen Geschlechtsdrüse als auch diejenigen des rechten Oviductes auf und steigt zum rechten Leberlappen empor. Hier angelangt, lagert sie sich anfangs an die untere Fläche des Lappens, senkt sich aber alsbald in die Lebersubstanz, um nachher, oberhalb der Gallenblase, wieder zum Vorschein zu kommen.

Präparirt man die Lebergefässe sorgfältig, so wird man wahrnehmen, dass die untere Hohlvene in Verbindung mit etlichen, aus dem linken in den rechten Leberlappen über- tretenden und dem Leber -Pfortadersystem angehörigen Rami- ficationen tritt. Vor ihrem Austritt aus der Leber und zwar an jener Stelle, wo sie oberhalb der Gallenblase in die Leber- substanz sich hineinsenkt, sendet die Vena cava einen stattlichen Seitenast in den linken Leberlappen, der sich mit den Ver- zweigungen des Truncus venae portae an zweien oder mehreren Stellen anastomosirt. Das Pfortadersystem tritt folglich auf

72 Dr. J. v. Bedriaga:

zweierlei Arten in Contact mit der unteren Hohlvene: ein- mal mit der Cava inferior selbst und das andere Mal durch die Vermittelung eines Seitenzweiges dieser Vene.

Von den zwei laugen und stämmigen Venae renales reve- hentes nimmt nur die linke sämmtliche der linken Geschlechts- drüse angehörenden Venen auf, während die rechte, rückfiihrende Vene nur in seltenen Fällen eine, aus dem unteren Ende der rechten Geschlechtsdrüse entspringende Vene empfängt. Da die rechte Genitaldrüse höher als die linke und in der Nähe der unteren Hohlvene sich befindet, so münden die Venen des linken Hodens oder Ovariums direct in letztere ein. Verstärkt durch etliche Ei- oder Samen »Leiter -Venen legen sich die renales revehentes dicht den Ei- resp. Samen -Leitern an und gehen auf die Nieren über, wo sie auf der Unterfläche und zwar in den Längsmittellinien zu liegen kommen. Die Wurzeln dringen in's Innere der Nieren ein und ramificiren sich daselbst. Im hinteren Theile der Nieren findet die Verbindung dieser zwei Gefässe statt. Vergl. meine Fig. 2. r. r.

Die Art und Weise des Verlaufs derjenigen Blutgefässe, welche aus der Vena caudalis entstehen, ist complicirter. Die Schwanzvene (V. c.) entlässt nämlich bei ihrem Eintritt in die Kloakengegend vor allem zwei kurze laterale Aeste z. z., welche beim Männchen sich zu den Ruthen hinziehen.1) Darauf hin theilt sich die Vena caudalis in zwei Aeste, welche zu den Nieren emporsteigen und sich in denselben auflösend die Venae renales advehentes (r. a.) bilden. Vor ihrem Eintritt in die Nieren geben letztere zwei ansehnliche, anfangs seitlich liegende Gefässe ab, und zwar linkerseits eine der Umbelicalvene analoge Vene (V. um.) und rechterseits eine Vene, welche dem Darmcanal entlang sich erstreckt. Erstere kommt zwischen den

1) Auf meinem Bilde 19. habe ich eine der Ruthen im angestülpten und die andere im eingestülpten Zustande dargestellt. Die bei den Eidechsen constatirte Gabelung der Eichel habe ich bei Amphisbaena cinerea nicht vorgefunden. Bei letzterer erscheint die Eichel vom übrigen Theile der Ruthc leicht abgeschürt zu sein. Die zum Abfluss des Samens dienende Rinne ist am Penis selbst nur äusserst schwach angedeutet. Die spiralig aussehende Rinne, wie sie auf meiner Figur dargestellt ist, wird durch die Falten der Hautdecke gebildet, welche am Gipfel des Penis intensiv schwarz colorirt erscheint. Die hervorgestülpte Ruthe ist kurz, verhältnissmässig breit und warzenähnlich.

Amphisbaena cinerea Vand. und A. Strauchi v. Bedr. 73

oben beschriebenen Fettlappen zu liegen und wird sowohl durch seitliche, in den Fettmassen sich befindende Gefässäste als auch durch die im hintersten Rumpftheile in sie einmündende Harn- blasenvene verstärkt. Letztere, d. h. diejenige Vene, welche aus der rechten renalis advehens entspringt, verästelt sich als- bald und geht anfangs in ein Gefässnetz über, das den End- darm umgibt, um nachher in der Gegend des Blindsackes sich wieder in einen Stamm zu sammeln und die Gefässe des Mesenterialnetzes aufzunehmen.

In der Nähe der Bauchspeicheldrüse (Fig. 2. p.) vereinigen sich diese zwei Venen zu einem einzigen Stamme, welcher die Milz-, die Pancreas- und nachher auch die Leber -Venen auf- nimmt und sich mit der unteren Hohlvene anastomosirt.

Fassen wir das eben Gesagte zusammen, so ersehen wir, dass bei Amphisbaena das Blut der Nieren zum grössten Theil vermittelst zweier verschiedener Bahnen d. h. einerseits ver- mittetst dem hinter der Leber liegenden Abschnitte der Cava inferior und andererseits vermittelst der Pfortader dem Herzen zugeführt wird und dass diese zwei Leiter schliesslich in der Leber sich in Verbindung setzen. Von da an übernimmt die untere Hohlvene die Leitimg des venösen Blutes des hinteren Rumpftheiles zum Herzen.

In Betreff des Verlaufs der oberen, der Umbelicalis ana- logen Abdominal- Vene und der unteren, dem Darm-Tractus entlang sich hinziehenden Vene besitzt die Amphisbaena insofern am meisten Aehnlichkeit mit den Ophidia, als beim Python beispielsweise, wie ich es aus einer Abhandlung Jacquart's1) ersehe, die Venen des Darmcanals, der Milz, der Leber und des Fettkörpers („grand epiploon" nach Jacquart) ebenfalls sich zu einem Pfortaderstamme sammeln. Eine, wenn auch nicht wesentliche Differenz besteht darin, dass beim Python die Wurzeln der Vena portae mit der rechten zuführenden Nieren- vene sich anastomosiren. Auch theilt sich beim Python die Fettkörpervene im Körper selbst in zwei Aeste, von denen der eine mit den Wurzeln der Pfortader communicirt. Die Ver- mischung des Inhalts der Fettkörper- resp. Umbelical-Vene mit

1) Memoire sur les organes de la circulation chez le serpent Python in: Ann. scienc. nat. IV se'rie. Zool. Tome IV, pag. 321,

74 Dr. J. v. Bedriaga:

demjenigen der zuführenden Nierenvene geschieht somit bei den Schlangen auf eine indirecte Art und Weise.

Eine Umbelicalvene oder Vena abdominalis anterior, wie sie bei den Doppelschleichen und bei den Schlangen constatirt worden ist, soll auch bei den Eidechsen vorhanden sein. Jourdain (Ann. des scienc. nat. IV e serie. Zool. T. XII. PI. 5.) hat sie bei Lacerta sepium gefunden und auf seiner Tafel abgebildet. Bei dieser Eidechsenart findet (nach Jour- dain) eine Verbindung des Umbelicalgefässes mit der Ischiadica statt. Jourdain fügt hinzu, dass bei der Lacerta die Umbelical- vene durch die Coccygeo - lateralis, durch die Intercosto - spinales und durch die Venen der Hinterextremitäten verstärkt wird und dass sie ausserdem Aeste, welche im Fettkörper sich befinden und auch noch eine „congenerische Vene" in sich aufnimmt. Letztere halte ich für eine Vena vesicalis.

DaLeydig oftmals daraufhingewiesen hat, dass bei Rep- tilien und Amphibien der Bau der inneren Weichtheile von Bedeutung für die Frage nach der Artberechtigung ist, so habe ich die Weichtheile bei den circummediterranen Amphisbaenen verglichen und gefunden, dass dieselben geeignet sind die von mir in diesem Aufsatze vorgeschlagene speeifische Trennung der spanisch - afrikanischen Form von derjenigen Klein -Asiens zu bekräftigen. So ist z. B. bei Amphisbaena Strauchi der Dickdarm länger, als bei der Cinerea. Der Blindsack aber ist bei der letzteren umfangreicher, als bei der ersteren; auch endet er bei jener Art eher spitz, bei dieser Species dagegen stumpf. Während bei A. cinerea gar keine Spur von Pigmentirung weder am Bauchfell, noch an den Organen mit Ausnahme der Leber und Milz sich vorfindet, ist bei A. Strauchi sonderbarerweise nur das rechte Parovarium schwarz pigmentirt. Die äusseren Nierenränder bei der Strauchi zerfallen wie es auch bei Trogonophis Wiegmanni der Fall ist durch scharfe Ein- schnitte in mehrere Lappen. Die Nieren selbst sind kleiner, als bei der spanischen Doppelschleiche. Endlich sind bei meiner neuen Species die Eileiter kürzer und die Geschlechtsdrüsen weiter nach hinten gerückt, als bei der Vandelli'schen Art.

Nizza, im April 1883.

Amphisbaena cinerea Vand. und A. Strauchi v. Bedr. 75

Erklärung der Figuren.

Tafel IV. Alle Figuren sind mit der Loupe gezeichnet.

Fig. 1. Obere Schädelansicht von Amphisbaena cinerea. Starke Ver- grosserung.

A. n. Apertura nasalis; i. m. Intermaxillare ; n. n. Nasalia; m. m. Maxillaria; f. f. Frontalia; 1. c. Lacrymale; Or. Orbital- hohle; t. pa. Transpalatinum ; pg. Pterygoidea; p. Parietale; q. Quadratum; S. Squamosum; S. o. Supraoccipitale; oc. c. Condylus occipitalis.

Fig. 2. Innere Weichtheile von A. cinerea. Geringe und zum Theil (Herz und Gefässe) stärkere Vergrösserung. Ven. Ventriculus; d. rechte Auricula; s. linke Auricula; Ao. d. Aorta dextra; Ao. s. Aorta sinistra; Ao. dd. Absteigende Aorta; C. pr. Carotis primaria; Ca. d. rechte Carotis communis; Ca. s. linke Carotis communis; A. v. d. rechte Arteria vertebralis: A. v. s. linke Arteria vertebralis; A. p. Artei'ia pulmonalis ; A. m. Mesenterial -Arterie; A. r., A. r. Nieren - Arterien ; A. c. Arteria caudalis. V. c. d. rechte obere | V. c. s. linke obere [ Vena cava. C. i. untere j

V. v. Vena vertebralis ; T. p. Truncus venae portae. V. m. Mesenterial - Vene ; r. r., r. r. Venae renales revehentes; r. a., r. a. Venae renales advehentes; V. c. Vena caudalis; V. um. Vena abdominalis anterior (= Vena umbelicalis). t. Trachaea: P. Lunge.

H. Leber; h. rechter Leberlappen; h1. linker Leberlappen; Ch. Gallenblase; De. Gallenblasen- und Gallenblasenleber - Gang; Sp. Milz; p. Pancreas; ,Os. Oesophagus; m. Magen. Id. Dünn- darm; Ic. Blindsack; C. Mastdarm.

0. 0. Ovarien; d. Reste des Wolffschen Körpers (= Parova- rien der Vögel); e. e. Epoophoron (?); Ov. Ov. Eileiter; U. Uterus; b. b. Faltenbildungen am Ende des Urogenitalganges; a. a. Harnleiter; R. R. Nieren; Vu. Harnblase; Fk. Fettkörper.

Fig. 3. Herz von Amphisbaena cinerea von oben gesehen. Starke Ver- grösserung.

Ven. Ventriculus; P. Lungenstück; t. Trachaea; Ao. d. rechte Aorta; Ca. s. linke Carotis communis; Ca. d. rechte Carotis communis; A. v. Arteria vertebrales; A. p. Arteria pulmonalis, V. c. d. rechte obere Vena cava; V. c. s. linke obere V. cava, V. p. Vena pulmonalis; C. i. untere Hohlvene; Ao. dd. Aorta descendens.

76 Dr- J- v. Bedriaga:

Fig. 4. Q. Quadratum; pg. Pterygoidea; t. pa. Transpalatinum; a. Aus- höhlung am Transpalatinum. Starke Vcrgrösscrung.

Fig. 5. Schädel von Amphisbaena cinerea von unten. Starke Vergrössc- rung.

i. m. Zwischenkiefer; V. Os vomeris; pa. Palatinum; m. x. Maxillare; Ch. Choane; t. pa. Transpalatinum ; pg. Pterygoidea; Pa. s. Parasphenoid ; bpg. Basipterygoidal- Flügel; q. Quadra- tum; y. Operculum und Columella; b. s. Basispheno'id; oc. c. Condylus occipitalis.

Fig. 6. Seitliche Ansicht des vorderen Theiles des Schädels von A. Strauchi. Starke Vergrösserung. i. m. Zwischenkiefer; m. x. Oberkiefer; A.n. Nasenhöhle; n. Nasenbein; Lm. Thränenbein ; p. Scheitelbein ; Or. Augenhöhle.

Fig. 7. Senkrechter Längsschnitt durch den Vordertheil des Schädels von A. cinerea (bei starker Vergrösserung!). C. c. Cavum cranii; f. F. Horizontale Frontal - Platte ; p. f. v. Absteigende Frontallamelle; V. Pflugscharbein; S. n. Septum nasale; Im. Intermaxillare; S. m. Knöchernes Zwischenkiefer -Septum; x. Jacob son'sches Organ.

Fig. 8. Seitliche Schädelansicht von A. cinerea bei starker Vergrösse- rung. — Im. Zwischen- und mx. Ober -Kiefer; N. Nasale; f. Frontale; lc. Lacrymale; x. Absteigende Frontallamelle; o. Or- bitosphenoid ; als. Alisphenoidea ; t. pa. Transpalatinum; pg. Pterygoideum; q. Quadratum; s. Squamosum; b. s. Basisphe- noideum; b. o. Basioccipitale ; oc. c. Condylus occipitalis; bg. g. Bogengänge; pro. Paroccipitale Fortsätze; p. Parietale.

Fig. 9. Vorderer Abschnitt der männlichen Generationsorgane von A. cinerea (schematisch und vergrössert). h. Hode; N. h. Neben- hode ; Mg. Fadenartiger Anhang desselben ; S. g. Samengänge ; P. Paradidymis; V. Vena renalis revenens; a. Arterie.

Fig. 10. Knorpel des Kehlkopfes von A. cinerea (scheraatisch und ver- grössert). — a. Cartilago cricoidea; b. Cartilago thyreoidea; c. Cartilagines arytaenoideae. (Der Kehlkopf ist der Länge nach aufgeschnitten und flach ausgebreitet.)

Fig. 11. Grundtheil des Schädels von A. cinerea (von oben gesehen). Starke Vergrösserung. Oc. c. Condylus occipitalis ; S. o. Supraoccipitale ; bs. Basisphenoidale ; x. Keilbeingrube; pa. s. Parasphenoidale ; bpg. Basipterygoidale Fortsätze; eo. Exoccipi- talia (= Occipitalia lateralia); ep. Epioticum; op. Opisthoticum; pro. Paroccipitale Fortsätze (Prooticum); Sq. Squamosum; a. Vorderer (oberer) Bogengang; b. Diametraler Bogengang.

Fig. 12. Derselbe Schädcltheil von der Seite, x. Gelenktheil für das Quadratum; bsph. Basispheno'id; c. Aeusserer oder seitlicher Bogengang.

Amphisbaena cinerea Vand. und A. Strauchi v. Bedr. 77

Fig. 13. Schnauze von A. Strauchi (von unten). Starke Vergrösserung.

Fig. 14. stellt den Boden des Schädel- und Nasen -Cavum einer A. ci- nerea vor. Halbschematisch und stark vergrössert. Oc. c. Gelenkkopf; b. s. Basisphenoidale ; E. s. Endolymphatisches Säckchen; rechts bei L. ist dasselbe entfernt; Q. Quadratbein; xx. Keilbeingrube ; p. Paraspheno'ideum ; Os. os. Orbitosphenoidal- Platten; V. p. Vomero-palatinum; P. f. v. Processus verticalis ossis frontis (Absteigende Lamelle vom Stirnbein; letzteres d. h. die horizontale Frontalplatte H. f. p. ist von dem ab- steigenden Blatte abgetrennt dargestellt). S. n. Septum nasale; n. Nasenbein; m. x. Oberkiefer mit seinem horizontalen Fort- satz (das Dach ist hier vollständig abgetragen, um bei x. die Stelle, wo das Jacobson'sche Organ zu liegen kommt, an- deuten zu können, i. m. Zwischenkiefer. Ch. Choane.

Fig. 15. Os Frontale stark vergrössert. Der hintere und der mediane Rand sind ausgezackt; der vordere Rand ausgebuchtet. Bei

a. a. sind die Ansatzstellen der absteigenden Lamelle angegeben. Fig. 16. Zungenbein -Apparat einer A. cinerea. Geringere Vergrösserung.

b. Zungenbein -Körper (Os entoglossum). a. a. Vorderhörner ;

c. c. und c. c. Hinterhörner. Die hakenartigen Bildungen am Vorderhompaare sind angedeutet.

Fig. 17. Os vomero-palatinum von A. cinerea stark vergrössert (von unten).

Fig. 18. Dasselbe von oben.

Fig. 1 9. stellt den hintersten Rumpftheil und die Kloakenhöhle von A. cinerea Q. Geringere Vergrösserung. Halbschematisches Bild. R. R. Nieren; V. u. Harnblase; P. Penis im hervorgestülpten Zustande; auf der entgegengesetzten Seite ist die zweite ein- gestülpte und von der äusseren Haut befreite Ruthe sichtbar. Ic. Aufgeschnittener Mastdarm ; F. p. Femoralporen.

Fig. 20. Unterkiefertheil von A. cinerea stark vergrössert.

Fig. 21. Cr. Coronideum ; Dent. eine Partie des Dentale; Ar. Articulare; S. ag. Surangulare; Ag. Angulare.

Heber die Mund Werkzeuge der

Schmetterlinge.

Von

P. Kirbach

aus Neukirchen.

Tafel V und VI.

Die Insecten, diese an Artenreichthum alle andern Klassen des Thierreiches zusammengenommen übertreffende Abtheilung der Arthropoden, sind in neuerer Zeit vielfach Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen geworden, sodass sich heut- zutage ein Kirby und Spence nicht mehr, wie diese beiden englischen Entomologen es in der Vorrede zu ihrer „Einleitung in die Entomologie" thun, sich gleichsam zu entschuldigen brauchten, dass sie trotz so vieler anderer, offenstehender Wege zur Berühmtheit sich eine Beschäftigung ausgesucht, die all- gemein für läppisch und kindisch gehalten wurde. Namentlich sind bei diesen Untersuchungen die Mundwerkzeuge, diejenigen Theile des Insectenorganismus, die in ihrer Vielgestaltigkeit für den vergleichenden Anatomen wie für den Physiologen gleiches Interesse bieten, Gegenstand besonderer Aufmerksam- keit gewesen, weil gerade sie es sind, die, den verschiedensten Bedingungen der Nahrungsgewinnung adaptirt, der ganzen Klasse ihre dominirende Stellung im grossen Organismus der thierischen Lebewelt sichern. Denn keine andere Klasse besitzt wie die Insecten Mundtheile, die einmal zum Kauen und dann zum Lecken und Saugen in so exquisitem Grade ausgebildet sind, dass fast kein Gegenstand dauerhaft genug ist, um den An- griffen ihrer stahlharten Kiefer zu widerstehen, und kein süsser Saft tief genug verborgen, um ihren Zungen und Rüsseln uner- reichbar zu sein.

P. Kirbach: lieber die Mundwerkzeuge der Schmetterlinge. 79

Am einfachsten gestalten sich die Verhältnisse der Mund- theile bei kauenden Insecten : Eine unpaare, in der Medianlinie gelegene Oberlippe oder labrum oberhalb der Mundöffnung, darunter seitlich derselben die paarigen Oberkiefer oder mandi- bulae, stets nur aus einem einzigen Stücke bestehend, als drittes Glied in der Reihe der Mundtheile unter diesen die ebenfalls paarigen Unterkiefer oder maxillae, aus mehreren Stücken zusammengesetzt und, charakteristisch, je einen mehr- gliedrigen Taster tragend, und endlich als unpaares Schluss- stück des ganzen Kreises an der Unterseite des Mundes die wieder in der Medianlinie gelegene Unterlippe oder labium, gleichfalls aus mehreren Theilen bestehend und mit einem Tastorgane ausgestattet.

Diese typischen Constituenten des Kerfmundes finden sich nun auch bei allen übrigen, den leckenden und saugenden In- secten, nur dass sie da, ihrer veränderten Function als Leck- und Saugorgane entsprechend, modificirt sind, und zwar nicht in so weitgehendem Maasse modificirt, dass es des scharfen Auges und der geistreichen Combination eines Savigny bedurfte, um in all' diesen verschiedenen Organen, der doppelscheidigen Zunge der Biene, dem dolchbewehrten Rüssel der Fliege, dem taschenmesserartig eingeknickten Schnabel der Wanze und dem spiralgewundenen Rüssel der Schmetterlinge jenen typischen Theilen homologe, nur den veränderten Bedingungen angepasste Gebilde zu erkennen.

Während nun frühere Untersucher der Kerfmundtheile , zu Zeiten, wo die technischen Hülfsmittel und namentlich die jetzt so vorzügliche Dienste leistende Methode der Dünnschnitte für derartige Untersuchungen noch völlig unbekannt waren, sich zumeist auf die Darstellung der grösseren, äusserlich wahrnehm- baren Verhältnisse beschränken mussten, sind in den letzten Jahren vielfach Arbeiten auf diesem Gebiete erschienen, die uns auch über den feineren anatomischen und den histo- logischen Bau dieser Organe mehr oder minder vollständigen Aufschluss gebracht haben; als besonders trefflich möchte ich nur die Arbeit des H. Geise an dieser Stelle anführen, die uns über den so complicirten Bau der Rhynchotenmundtheile in ausserordentlich klarer Weise orientirt. Ausser bei den Wan- zen sind auch die Verhältnisse der Mundwerkzeuge bei Fliegen und Hymenopteren unserer Kenntniss erschlossen worden, nur

80 P- Kirbach:

bei den Lepidoptern war man bisher über die Darstellung der äussern Verhältnisse gar nicht oder doch nur wenig hinaus- gekommen. Diese Lücke suchte ich durch genauere Unter- suchungen, die sich namentlich auf den feineren Bau und auf die Verhältnisse der im Kopfe verborgen liegenden Theile der Mundwerkzeuge erstreckten, auszufüllen, Untersuchungen, deren Resultat vorliegende Arbeit ist. Wenngleich sie nun noch keine abschliessende Darstellung der betreffenden Verhältnisse bietet, so, hoffe ich, soll sie doch wenigstens einiges Neue bringen und uns in den Stand setzen, einigermaassen das Ganze der Falter- mundtheile zu überblicken.

Ehe ich jedoch an die eigentliche Ausführung meiner Arbeit gehe, sei es mir gestattet, gleich an dieser Stelle meinem hoch- verehrten Lehrer, Herrn Geheimrath Prof. Dr. R. Leuckart, unter dessen Leitung ich meine Untersuchungen vornahm, meinen aufrichtigsten Dank auszusprechen für die freundliche Unterweisung und die vielfache und reiche Anregung, mit wel- cher er mich bei meiner Arbeit so wesentlich unterstützt und gefördert hat. Gehen wir nach diesen einleitenden Bemerkungen zu unserm Gegenstand selbst über und unterwerfen nun zunächst die äussern Mundtheile einer genaueren Untersuchung.

Der hochgewölbte, verhältnissmässig nicht zu grosse Kopf der Lepidoptern mit seinen beiderseits halbkugelig vorspringenden Augen zeigt uns bei oberflächlicher Betrachtung die allgemein, auch dem Laien bekannten, in dem vordem Rande seiner Unter- seite entspringenden „Hörner", die, mit einem dichten Haar- und Schuppenkleide bedeckt, vertical aufsteigend sich mit ihrem oberen Ende meist etwas nach vorn neigen und die dadurch dem Falterkopfe sein eigenthümliches Aussehen verleihen. Zwischen diesen beiden bebuschten „Hörnern" erkennen wir dann ein etwas heller gefärbt erscheinendes Organ, das, in Spirallinien aufgerollt, uns ein fadenförmiges langes Gebilde repräsentirt , den sog. Rüssel, mit dessen Hilfe die Schmetter- linge Honig und andere süsse Flüssigkeiten aus den Nektarien der Blumenkelche saugen. Weiter zeigt uns eine solche ober- flächlichste Betrachtung nichts. Dass aber auch die Falter in gleicher Weise wie alle andern Insecten ihr vollständiges Mund- besteck, bestehend aus Oberlippe, Ober- und Unterkiefer und der Unterlippe, besitzen, das nachgewiesen zu haben, ist, wie schon oben erwähnt, das grosse Verdienst Savigny's, der in

Ueber die Mundwerkzeuge der Schmetterlinge. 81

seinen „Memoires sur les animaux sans vertebres" von Seite 5 des orsten Theiles an auch am Faltermund die Existenz aller Thoile des typischen Mundapparates der Insecten constatirt. Präpariren wir, um zu diesen versteckten Gebilden zu gelangen, die beiden Hörner hinweg, so entdecken wir Folgendes: Die oft mit einem dichten Haarschopf bekleidete Stirnwand setzt sich in ihrer medianen Partie in eine, nur durch eine schwache Furche geschiedene Chitinplatte von mehr oder minder häutiger Beschaffenheit fort, die Oberlippe oder das Labrum. Ihre Ge- stalt wechselt zwar ausserordentlich, doch herrscht im Allge- meinen eine mehr oder weniger dreieckige Form vor, mit der Basis am Kopfe befestigt und mit ihrem in eine längere oder kürzere Spitze ausgezogenen freien Ende sich über den zwischen den Basaltheilen der Kiefer gelassenen Spalt als Verschluss legend. Einen Längsschnitt durch diese Oberlippe zeigt uns Fig. 10 unter lr. Zuweilen tritt uns das Labrum auch als halbmondförmige Platte entgegen oder, wie bei den Bombyciden mit verkümmerten äussern Mundtheilen, als schmaler häutiger Querstreifen über der Mundöffnung.

Seitlich und etwas unterhalb der Oberlippe treffen wir dann auf die Mandibeln oder Oberkiefer. Sie sind in allen Fällen rudimentär, das heisst nicht im Stande eine erkennbare, für die Nahrungsaufnahme wesentliche Function auszuüben. Aus einem einzigen Stücke bestehend, repräsentiren dieselben kleine konische Chitinzapfen, deren Grösse im Allgemeinen bei Tagfaltern etwas bedeutender zu sein scheint als bei Nacht- faltern. Der Uebersichtsschnitt in Fig. 2 stellt einen solchen Oberkiefer dar unter k,. Bei sehr starker Vergrösserung zeigt uns dieser Schnitt gleichzeitig, dass der Innenraum der Man- dibeln mit nervösen Elementen erfüllt ist, die an die zahlreichen steifen Chitinhaare herantreten, welche die nach der Mittellinie zugekehrte Seite und die Spitze der Oberkiefer besetzen. Die Bewegungsfähigkeit der Oberkiefer scheint vollständig geschwun- den zu sein, wenigstens habe ich keine Muskeln gefunden, die dieselbe bedingen könnten. In Fällen, wo sie noch vorhanden wäre, würde sie doch so beschränkt sein, dass, wie schon Savigny bemerkte, die Kiefer wegen ihrer geringen Grösse nie im Stande sein würden, sich gegenseitig zu berühren.

Während die Beschreibung dieser Theile der Schmetterlings- mundwerkzcuge ihrer einfachen Bildung halber nur wenige Worte

Arch. f. Natmgesch. L. Jahrg. 1. Bd. 6

82 P- Kirbach:

verlangte, wird uns die Betrachtung der beiden noch übrigen, der Maxillen und der Unterlippe länger in Anspruch nehmen, da beide complicirter gestaltet sind.

Unterhalb der Mandibeln liegt in der Medianlinie des Kopfes, so, dass er dio Mundöfrhung vollständig verdeckt, ein anscheinend aus einem Stücke bestehendes langes fadenförmiges Gebilde. In der Ruhe und auch im Tode spiralig aufgerollt, repräsentirt sich derselbe, wenn wir ihn bei dem Versuche ihn gerade zu strecken, etwas stärker drücken und zerren, als aus zwei symmetrisch gebauten, zu beiden Seiten der Mundöffnung inserirten stiletförmigen Theilen bestehend, welche auf ihrer der Mittellinie zugekehrten Seite in ihrer ganzen Länge eine halb- cylindrische Rinne tragend, durch festes Aneinanderlegen dieser beiden Seiten einen geschlossenen Canal bilden, den Saugcanal, wie wir später sehen werden, durch welchen die aufzusaugende Flüssigkeit in den Mund emporsteigt. Ihre Aussenseiten da- gegen sind convex gewölbt, sodass der Rüssel als Ganzes eine nahezu cylindrische Gestalt besitzt, die meist nur wenig auf der Ober- und der Unterseite plattgedrückt erscheint. Wenn nun auch die äussere Erscheinung dieser beiden, den Rüssel zusammensetzenden Halbcylinder in ihrer so eigenthümlichen Gestaltung uns auf den ersten Augenblick nicht klar werden lässt, welche der Constituenten des typischen Insectenmund- besteckes wir eigentlich in ihnen zu suchen haben, so giebt uns doch einmal ihre Insertionsstelle zwischen Oberkiefer und Unter- lippe völlige Gewissheit darüber, dass wir es in ihnen nur mit den modificirten Unterkiefern oder Maxillen zu thun haben können. Ein anderes Criterium dafür, dass der Rüssel der Falter sich aus eigen- thümlich umgestalteten Maxillen zusammensetzt, liefert die von Savigny für alle Schmetterlinge, Macro- und Microlepidoptern, nachgewiesene Existenz von für die Maxillen charakteristischen Tastern. Der massiger ausgebildete basale Theil der Falter- maxille, das Homologon der hier zu einem einzigen mächtigen Stücke verschmolzenen basalen Stücke der Maxillen kauender Kerfe, der sich deutlich gegen den schwächeren , verlängerten Endtheil, der Lade entsprechend, absetzt, trägt an dieser Ueber- gangsstelle oder in deren Nähe, meist an der unteren Seite, je einen kleinen zwei- oder dreigliedrigen Taster, palpus maxillaris (anterior Cuv. oder superior Latreille). Während diese Taster bei Tagfaltern und Eulen nur als winzige aus zwei Gliedern

Ueber die Mund Werkzeuge der Schmetterlinge. 83

bestehende Chitinwärzchen und Zäpfchen erscheinen, die unter den übrigen Mimdwerkzeugen ganz versteckt liegen, treten sie bei andern, namentlich bei den Sesiiden, deutlicher hervor. Aus drei Gliedern setzen sie sich bei denjenigen Schmetterlingen zusammen, die, wie mehrere Motten und Lithosia, beschuppte Rüssel besitzen. Die Angabe, die Berge in seinem „Schmetter- lingsbuch" pag. XI macht, dass einige Mottengattungen Maxillar- taster besitzen, die aus 5 oder 6 Gliedern bestehen, deren zwei letzte sich taschenmesserartig gegen die übrigen einschlagen, kann ich, wenigstens so weit meine jetzigen Erfahrungen reichen, nicht bestätigen. Auch will mir die ganze Angabe aus dem einfachen Grunde zweifelhaft erscheinen, dass bei der vorwiegen- den Ausbildung der Maxillenladen die Taster einen rudimentären Charakter angenommen haben.

Die Länge des Rüssels, um noch einmal auf diesen selbst zurückzukommen, schwankt zwischen ausserordentlich weiten Grenzen. Bei den meisten Sphingiden erreicht oder übertrifft dieselbe gar die Länge des ganzen Körpers, einen mittellangen Rüssel besitzen Tagfalter, Eulen und die meisten Motten, kurz aber sehr kräftig dabei ist derselbe bei Acherontia atropos und bei den Spannern, nur in Form eines schwachen kurzen Fäd- chens ausgebildet erscheint derselbe bei Smerinthus, Cossus und allen den Spinnern, bei denen er nicht, wie in sehr vielen Fällen, völlig rudimentär geworden ist und sich nur noch in Gestalt zweier kleiner warziger Stummel neben dem Munde zeigt. Letzteres ist unter anderm der Fall bei Hepialus, Psyche, Saturnia, Aglia, Bombyx, Telea Polyphemus, Platysamia Cecro- pia, Actias Luna u. s. w.

Natürlich sind in allen Fällen, wo der Rüssel in solcher Weise unvollkommen ausgebildet ist, auch die Maxillartaster verschwunden.

Begnügen wir uns jetzt mit diesen Andeutungen über den Rüssel und gehen, uns seine detaillirte Schilderung für einen späteren Abschnitt reservirend, zur Darstellung der Verhältnisse der Unterlippe oder des Labiums über. Wie die Oberlippe sich mit ihrer häutigen Fortsetzung über den zwischen den Maxillen an ihrer Basis gelassenen Spalt von oben, so legt sich die in Gestalt einer herzförmigen oder dreieckigen Chitinplatte von meist ebenfalls häutiger Beschaffenheit mit ihrer mehr oder minder lang ausgezogenen Spitze von unten her über diesen

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84 P- Kirbach:

Spalt, während ihre breitere Basis nach der Unterseite des Kopfes gelegen ist und die beiden „Hörner" trägt, die uns somit als Unterlippentaster erscheinen, paipi labiales. In Fig. 11 ist die mit 1 bezeichnete Unterlippe nicht soweit nach unten zu dargestellt, dass die beiden Insertionsstellen der Palpen sicht- bar sein könnten. Diese Lippentaster setzen sich mit nur wenigen Ausnahmen aus drei Gliedern zusammen, die in Grösse und Gestalt ausserordentlich wechseln. Während die beiden unteren Glieder im Allgemeinen cylindrisch sind, ist das End- glied bald konisch, bald fadenförmig, bald breitgedrückt, bald knopfartig, aus dem dichten Haar- und Schuppenkleide der beiden ersten Glieder vorragend und selbst beschuppt, oder in demselben vollständig verborgen.

Nach aufwärts oder mehr oder weniger horizontal nach vorn gerichtet, geben die Palpen gleichsam die Scheide des in Spiraltouren aufgerollten Rüssels ab, ihm Stütze und Schutz verleihend. Der Reduction des Rüssels entsprechend sehen wir auch sie reducirt, sodass sie bei vielen Spinnern vollständig versteckt liegen unter dem von der Stirnwand herabhängenden Haarschopf. Ihre Functionslosigkeit bedingt diese Reduction.

Nachdem wir so in Kurzem uns einen Ueberblick über die Gesammtheit der den Lepidoptern zukommenden Mundtheile verschafft haben, wollen wir uns in Folgendem speciell dem Rüssel zuwenden als demjenigen Organ, das allein bei der Nahrungsaufnahme wirksam ist.

Wie schon erwähnt, durch Aneinanderlegen der beiden lang ausgezogenen Maxillen gebildet, repräsentirt der Rüssel ein von der Basis nach der Spitze zu sich schwach verjüngendes, nahezu cylindrisches Organ mit einem centralen Canale, der sich an der Spitze nach aussen öffnet, während sein anderes Ende nach der Mundöffnung hinführt. Die convexe Aussenseite zeigt eigen- thümliche flecken- oder streifenförmige Verdickungen der Chitin- wand, die sich meist durch dunklere Färbung von dem helleren Grunde abheben.

Zuerst von Reaumur erwähnt in seinen „Memoires pour servir a l'histoire des Insectes" und von ihm als äusserer Aus- druck der Zusammensetzung des Rüssels aus unzähligen, hinter- einander liegenden Ringen gedeutet, sind diese Quorstreifen und in Querreihen angeordneten Flecken erst von Gerstfeldt in seiner vergleichenden Darstellung der „Mundtheile der saugenden

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Insecten" als Verdickungen dor Maxillenwand erkannt und ihrer Bedeutung nach richtig gewürdigt worden. Da ganz neuerdings Breitenbach in seinen „Beiträgen zur Kenntniss des Baues der Schmetterlingsrüssel", Jenaische Zeitschr. B. 15, diesen Quer- streifen eine eingehendere Untersuchung gewidmet hat, so werde ich mich bei ihrer Beschreibung auf das Notwendigste be- schränken.

Die Grösse und Gestalt dieser Chitinflecken und Quer- streifen wechselt ebenso wie die Art ihres Vorkommens, indem bald nur Flecken, bald nur grössere Streifen an einem Rüssel auftreten, bald auch beide zugleich, in welchem Falle dann dieselben entweder gesetzmässig miteinander abwechseln oder auch regellos durcheinander stehen. Die Chitinflecken sind meist oblong, in der Nähe der Spitze kleiner als an der Basis, und in Querreihen angeordnet, welche senkrecht oder nur wenig geneigt gegen die Längsaxe der Maxille stehen. An der Spitze ist diese Anordnung dadurch gestört, dass hier Haare und haar- ähuliche, später zu beschreibende Gebilde auftreten, die sich zwischen die einzelnen Flecken einschieben. Nach der Basis zu verschmelzen oft mehrere in einer Reihe nebeneinander liegende Flecken und bilden so Querstreifen von grösserer oder geringerer Länge, die ihre Entstehung aus verschmolzenen Flecken oft noch sehr deutlich durch Einkerbungen ihrer Rän- der dokumentiren. Nur selten erstrecken sich diese Querstreifen über die ganze Aussenfläche der Maxille; meist bestehen sie aus mehreren grösseren Stücken. Vielfach gabeln sich dieselben dichotom, in welchen Fällen sich dann sehr oft noch ein dritter aber selbständiger Streifen zwischen die beiden Gabelzinken einschiebt, eine Erscheinimg, die Gerstfeldt fälschlich für Dreitheilung angesehen. Diese Querstreifen und Flecke setzen sich vielfach in kleine scharfe Dornen fort, die ihre Spitze dem Rüsselende zukehren. Besonders ausgeprägt ist dieses Auftreten von Dornen auf den schwachen Rüsseln von Harpyia furcula und Smerinthus ocellata, bei denen die Streifen nur noch als schwache runzelige Erhebungen der Wandung erscheinen, die in ganzer Länge mit solchen kleinen Dörnchen besetzt sind. Dass bei den ganz stummelförmigen Maxillen der Spinner von eigent- lichen Querstreifen nicht die Rede sein kann, ist wohl selbst- verständlich. Die ganz unregelmässigen Hautrunzeln derselben lassen eine solche Bezeichnung nicht zu. Die Fig. 23 zeigt

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uns auf einem Querschnitt durch den Rüssel von Smer. ocell. die feinen Dörnchen der ganz schwachen Querstreifen. Den gleichen Besatz mit solchen Dörnchen zeigt uns auch, der Längsschnitt durch die Maxille von Platysamia Cecropia in Fig. 26.

Die Bedeutung dieser Querstreifen für den Rüssel geht aus ihrem Auftreten und ihrer Anordnung klar hervor. Als Ver- dickungen der Chitinwand der Maxillen dienen sie, wie die Drahtwindungen in starken Gummiröhren , zur Festigung der- selben, halten die Wölbungen in ihrer Lage, gestatten aber gleichzeitig dadurch, dass sie dünnere Membranen zwischen sich nehmen, bedeutende Biegungen und Krümmungen. Je kräftiger der Rüssel ausgebildet ist, desto stärker sind auch diese Quer- leisten. Die Auflösung in einzelne Flecken ermöglicht natürlich stärkere Krümmungen, deshalb sehen wir dieselbe namentlich in der Nähe der Spitze, die bei den Einrollungen in die Spirale am stärksten betheiligt ist. Schwache Rüssel zeigen die Quer- streifen nur schwach ausgebildet.

Einige Bemerkungen möchte ich noch machen über den histologischen Bau dieser Gebilde. Betrachten wir auf Quer- und Längsschnitten durch den Rüssel die Chitinwände, so tritt uns, wie dies der Querschnitt in Fig. 14 am besten veran- schaulicht, an diesen eine verschiedene Struktur entgegen. Ihre unterste, dem Hohlraum zugekehrte Partie, in der Figur mit Wj bezeichnet, ist deutlich lamellös, aus dünnen durchsichtigen Schichten aufgebaut, während die obere nach aussen gerichtete Lage in eine sonst ähnliche Grundmasse ganz dunkel erschei- nende pyramiden- oder würfelähnliche Chitinkörper eingelagert enthält, w2 in der Figur. Diese in ziemlich regelmässigen Inter- vallen angeordneten Körperchen, die ihre breiteste Fläche immer nach aussen zukehren, bilden dadurch, dass sich diese Aussen- seite stark über das Niveau der Grundmasse emporwölbt, die Chitinflecken der Aussenfläche. Durch sehr dichte Aneinander- lagerung solcher kleiner Pyramiden oder durch Verschmelzung mehrerer derselben entstehen dann die längeren Streifen. So viel über die Aussenfläche der Maxillen selbst. Werfen wir jetzt einen kurzen Blick auf die Anhangsgebilde dieser Aussenfläche, die in Form von Schuppen, eigentlichen und modificirten Haaren entwickelt sind und in der einen oder der andern Gestalt keinem Schmetterlingsrüssel fehlen.

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Wirkliche Schuppen, den Schlippen der Flügel und der übrigen Körpertheile völlig analog, treffen wir auf den Maxillen vieler Motten und einiger Macrolepidoptern, und zwar nur auf der Oberseite und in der Nähe der Basis. Die Lade in ihren mittleren und Endtheilen besitzt nie Schuppen. An ihr treten dagegen, wie auch in den basalen Theilen schuppenloser Maxillen, Haare auf, die, regellos über die ganze Aussenfläche zerstreut, bald dichter, bald dünner stehend, einen längeren oder kürzeren Chitinkegel von sehr geringem Durchmesser dar- stellen, der in der Mitte einer kreisrunden hellen Chitinplatte aufsitzt, deren Ränder wallartig aufgewulstet und dunkler ge- färbt sind. Breitenbach, der sich mit dem Studium dieser Haare sowohl wie der alsbald zu erwähnenden Saftbohrer ein- gehender beschäftigt hat, bezeichnet diesen basalen Ringswall als Cylinder gegenüber dem Haarschaft. Zwei solcher Haare sind in Fig. 14 unter b dargestellt. Neben diesen typischen Haaren, wie wir diese bezeichnen können, treffen wir, jedoch nur an der Spitze der Maxillen und deren nächstliegenden Par- tien, die Maxillenflächen noch mit eigenthümlichen, den Haaren zwar homologen, aber in ihrer Ausbildung wesentlich modificir- ten Gebilden besetzt, den sog. Saftbohrern Breitenbach' s.

Zuerst von Reaumur als feuillets membraneux (1. c. p. 233) beschrieben, sind dieselben von Newport in seinen „Insecten" vol. II richtig als cylindrisehe Körper dargestellt worden. In den letzten Jahren hat ihnen besonders Breitenbach seine Auf- merksamkeit zugewendet, nicht blos in der erwähnten grösseren Arbeit, sondern weiter auch in zwei kleineren Aufsätzen im Archiv für mikrosk. Anat. „Vorläufige Mittheilungen über einige neue Untersuchungen an Schmetterlingsrüsseln" im 14. und „Untersuchungen an Schmetterlingsrüsseln" im 15. Band.

Diejenige Form der Saftbohrer, um zunächst diesen Namen noch beizubehalten, welche den typischen Haarformen am näch- sten steht, treffen wir bei Pieris. Ein nur wenig über das Niveau der Aussenfläche erhabener Cylinder wird von einem kurzen dünnen Schafte überragt. In progressiver Entwickelung tritt dann in andern Fällen der Cylinder immer mehr gegen- über dem Schafte hervor, erhebt sich immer höher, während der Schaft umgekehrt sich reducirt, sodass schliesslich eino Form der Saftbohrer erscheint, bei welcher auf der gewölb- ten Endfläche des cylindrischen oder tonnenartigen basalen

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Stückes als kleines helles Zäpfchen der ursprüngliche Schaft aufsitzt.

Von dieser Form lassen sich alle übrigen mit leichter Mühe ableiten, da meist überall Uebergänge zu abweichenderen Bildungsweisen hinüberführen. Die obere platte Endfläche er- hält einen Kranz winziger aber sehr scharfer Zähne, meist 6 bis 8, Fig. 16 stellt unter t. k. zwei solcher zähnetragen- den Saftbohrer von Vanessa Jo dar oder der Cylinder löst sich in 3 oder 4 übereinander liegende Ringe auf, deren jeder auf seinem nach aussen und oben gekehrten Rande einen glei- chen Zahnkranz trägt. Eine weitere Modification kommt in der Weise zu Stande, dass der Cylinder seine walzige Gestalt ver- liert und sich in 4 resp. 6 senkrecht auf einem Mittelstab stehende Längsplatten auflöst, sodass ein so gestalteter Saft- bohrer von oben gesehen sternförmig erscheint. Um diesen Formenreichthum noch zu vermehren , treten an diesen Längs- platten noch Zahnbildungen in übereinander stehenden Reihen auf. Die Papille, die der Endfläche aufsitzt, kann auch ihren Stand ändern; sie tritt in manchen Fällen nicht mehr an der Spitze, sondern an der Seitenfläche aus dem Cylinder. Als letztes Glied endlich der ganzen Reihe seien noch die Saft- bohrer von Ophideres, Archaea Egybolia und andern Früchte anbohrenden Faltern erwähnt, bei denen die Papille ganz ver- schwunden ist, während der Cylinder stark entwickelt, hakig nach aufwärts gekrümmt und an seinem oberen Ende zugespitzt ist.

Diese Saftbohrer, deren Vorkommen, wie schon erwähnt, auf den termalen Theil der Maxillen beschränkt ist, stehen meist in 2, seltener 3 Reihen angeordnet, deren eine auf der Oberseite parallel dem nach der Mittellinie zugekehrten Rande verläuft, die zweite auf der äusseren Seite in gleicher Richtung sich hinzieht und die dritte, wenn sie überhaupt sich findet, mehr nach der Unterseite zu gelegen ist. Die Zahl der auf einer Maxille auftretenden Saftbohrer schwankt ausserordentlich; in geringer Anzahl und winziger Grösse finden wir sie auf den Maxillenstummeln vieler Spinner, in Fig. 26 mit s ange- deutet — , in grösseren Mengen und in etwas differenter Aus- bildung auf den halbrudimentären Rüsseln von Smerinthus ocel- lata und Harpyia furcula. Gezählt habe ich sie bei Pieris, wo ich 13 fand, bei Arge Galathea, 34, bei Epinephele, 41, und bei Vanessa, 58 auf jeder Maxille.

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Was für eine Function aber haben diese Bildungen? Reaumur, um mit dem ältesten Untersucher zu beginnen, führt in seinen Memoires zwei hierauf bezügliche Ansichten an von früheren Autoren, deren einer die Saftbohrer als Saugwarzen betrachtet, die den Saft der Blumen aufsaugen und in die den Rüssel durchziehenden Canäle überleitet, während der andere dieselben mit den Fingern der Hand vergleicht, vermittels deren der Schmetterling den Honig aus den Blumen herausholt, um ihn dann durch Einrollen des Rüssels nach dem Munde über- zuführen. Newport glaubt sich auf Grund ihres Baues und des Umstandes, dass sie bei jedem Saugacte tief in die Flüssigkeit eingetaucht werden, zu dem Schlüsse berechtigt, die Saftbohrer seien lediglich Tastorgane. Gerstfeldt, der in diesem Punkte noch auf Reaumurs Anschauungen fusst, analogisirt dieselben, da er sie noch als Blättchen und nicht als Cylinder gesehen hat, vollständig mit den Schuppen, die bisweilen auf den oberen basalen Theilen des Rüssels auftreten, und damit auch zugleich den Flügelschuppen. Breitenbach, der übrigens von dem allein richtigen Gesichtspunkt bei Beantwortung dieser Frage nach der physiologischen Bedeutung der Saftbohrer ausgeht, von ihrer genetischen Beziehung zu den Haaren, hat sich durch gewisse Erscheinungen, die er beobachtet, verleiten lassen, diese That- sache später zu vernachlässigen. Während er ganz richtig die eigentlichen Haare als Tastorgane anspricht, wirft er, wie schon der allgemeine Name „Saftbohrer" oder „Opotrypen" sagt, alle modificirten Haare der Rüsselspitze, trotz ihrer bedeutenden Verschiedenheit, zusammen und sieht in allen mechanisch beim Aufreissen pflanzlicher Gewebe thätige Organe. Erst in zweiter Linie gesteht er ihnen eine Vermittlung tastender Empfindungen zu. Mir dagegen scheint eher eine umgekehrte Ansicht die rich- tigere zu sein. Ihre Genese sowie auch ihr feinerer Bau deuten darauf hin, dass wir es in ihnen in erster Linie mit Organen zu thun haben, welche irgend eine Sinnesperception vermitteln, die im vorliegenden Falle wohl keine andere als die des Tast- sinnes sein kann, da der höchstens noch in Frage kommende Geschmackssinn sein percepirendes Organ jedenfalls nicht so äusserlich, sondern in der Mundhöhle haben wird. Dagegen, diese Bildungen als Geschmacksorgane, Schmeckstifte, wie sie Fritz Müller nennt, anzusprechen, dagegen spricht auch die verhältnissmässig doch immer ziemlich starke Chitinmembran,

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welche die Papillen auf der Endfläche umhüllt. So bleibt uns nur die Möglichkeit, Tastorgane in ihnen zu sehen, die erst secundär, überall da, wo ihr Cylinder bezahnt oder mit Längs- platten versehen ist oder überhaupt keine Papille mehr sich findet, gleichzeitig auch eine mechanische Leistimg übernehmen, welche nur in den letztgenannten Fällen die vorherrschende und schliesslich einzige wird. Deshalb möchte ich auch den allgemeinen Namen Saftbohrer aufgeben' und an seine Stelle die Bezeichnung „Tast Zäpfchen" setzen für alle diejenigen, die wegen ihrer mangelhaften Bewaffnung mit Zähnen oder anderen mecha- nisch wirkenden Bildungen nicht im Stande sind, beim Zerreissen der Zellwände wesentliche Dienste zu leisten, während der Name Saftbohrer " nur für die bezahnten Formen beibehalten wird. Also, die Function dieser Organe ist ursprünglich die von Tastorganen, erst in Folge von Anpassungen und dadurch bedingten Modificirungen tritt secundär eine mechanische Lei- stung auf.

An diese Schilderung der äusseren convexen Maxillenwand und ihrer Annexe reihen wir jetzt die der concaven Innenseite, der Seite also, die beim Aneinanderlegen beider Maxillen der entsprechenden Seite der andern zugewandt ist. Wir haben schon bei der allgemeineren Darstellung der Verhältnisse der Maxillen gesehen, dass diese Innenseite von der Basis bis zur Spitze eine halbcylindrische Rinne trägt, die in gleicher Weise wie diese selbst, sich allmählich verjüngt an Breite sowohl wie an Tiefe. Wenn nun beide Kiefer sich aneinander legen, bilden diese beiden Halbrinnen einen allseitig geschlossenen Canal, dessen Verschluss durch weiter unten zu beschreibende Vor- richtungen ein vollständiger, luftdichter wird. Doch fassen wir zunächst die Auskleidung dieses Canals oder der Halbrinne der einen Maxille näher in's Auge.

Auf Querschnitten, wie uns Fig. 14 einen veranschaulicht, erscheint die Wandung der Rinne als eine homogene hellgelb gefärbte Chitinlamelle st. der Figur von überall gleicher Stärke, die an ihrem obern und untern Rande, da, wo sie sich nach aussen umbiegt, die Verschlussapparate trägt. Diese Homogenität der Wand schwindet aber, wenn wir die Rinne von der Fläche betrachten. Da zeigt sich auch die Rinnen- bekleidung in ähnlicher Weise, wie wir dies bei der Aussen- fläche gesehen haben, aus einzelnen dicht aneinander liegenden

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Querstreifen zusammengesetzt, die senkrecht zur Längsaxe der Maxille gelegen, von einem Rande zum andern verlaufen und nur durch schmale dünnere Zwischenlamellen getrennt sind. Vollständig unabhängig von den äusseren Querleisten stehen diese innern Streifen ; im Allgemeinen aber viel dichter anein- ander als jene. Ebenso zeigen sie in ganz ähnlicher Weise Unregelmässigkeiten, wenn auch nicht in so hohem Maasse. Sie stehen fast sämmtlich durch schmale Seitenzweige mit den Nachbarstreifen in Verbindung, gabeln sich auch bisweilen oder sind in der Art unvollständig, dass sie nicht die ganze Rinne umspannen, sondern nur einen Theil derselben, analog den kürzeren Streifen oder Flecken der Aussenfläche. Fig. 17 wird diese Verhältnisse besser veranschaulichen, als eine lange Be- schreibung es zu thun vermöchte.

In ganz gleicher Weise wie die Streifung der Aussenfläche ist auch das Auftreten solcher Querleisten in der Rinnenwand lediglich bedingt durch die Rollbewegungen, die der Falterrüssel vornimmt. Eine homogene Membran von gleicher Dicke würde sich zwar ebenfalls in ihrer gewölbten Spannung zu erhalten im Stande sein, sie würde aber gleichzeitig den Krümmungen beim Einrollen in die Spirallinien einen unüberwindlichen Wider- stand entgegensetzen. Die Querstreifen dagegen besitzen die gleiche stützende Kraft, gestatten aber durch die zwischen- gelagerten dünneren Lamellen eine sehr weitgehende Krüm- mung. In Einklang hiermit steht die Thatsache, dass unvoll- kommen gebildete Rüssel, die sich wenig oder fast gar nicht spiralig aufrollen, diese Querstreifung viel weniger ausgeprägt zeigen. Die Leisten erscheinen nur als schwache unregelmässige Querrunzeln an der verhältnissmässig dünnen Wandung, die in Folge dessen auch nicht mehr regelmässig gewölbt, sondern verzerrt ist, wie dies der in Fig. 23 dargestellte Querschnitt durch die Maxillo von Smerinthus ocellata zeigt.

Bei den ganz rudimentären Maxillen ist natürlich von einer derartigen Rinne keine Spur vorhanden.

Eingelagert in die Wand der Rinne treffen wir ein Organ, das gleichmässig und in gleicher Weise bei allen Rüsseln, auch bei den rudimentären entwickelt ist, den Haaren oder gewissen Formen der Tastzäpfchen ähnliche Chitinbildungen, die ich als „Rinnenstifte" bezeichnen möchte. Von allen bisherigen Unter- suchungen habe ich nur in der Arbeit des Amerikaners Bürge ss

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„The structuro aud action of a butterfly's trunk" auf pag. 316 eine Andeutung gofundon, dass er diese Gebilde bei dem von ihm untersuchten Schmetterling, Danais archippus, gleichfalls gesehen hat. Auch mir waren dieselben anfangs entgangen, bis ich sie bei der genaueren Betrachtung der Kinnenstreifen entdeckte.

Meist mitten in einen Querstreifen , seltoner zwischen zwei angrenzende Streifen eingeschoben, liegt ungefähr in der Mitte zwischen oberem und unterem Rand eine hello kreisrunde oder elliptische Platte, die in ihrem Centrum einen dünnen massig langen Chitincylinder trägt, der seiner Grundfläche senkrecht aufsitzend oder doch nur wenig nach dem oberen Rande zu geneigt, mit seiner stumpfen Spitze ungefähr eine Ebene be- rühren würde, die vom obern zum untern Rand über die Rinne gelegt würde. Fig. 17 sucht von diesem Flächenbilde eines solchen Rinnenstiftes eine ungefähre Anschauung zu geben. Einer der mit st bezeichneten Querstreifen nimmt in seine sehr verbreiterte Mittelpartie die Basis b auf, die somit auf beiden Seiten von schmalen Bogen desselben umfasst wird. Genau dasselbe Verhältniss finden wir auch in Fig. 21. Der Basis auf sitzt dann in beiden Fällen der Stift oder die Papille.

Auf Querschnitten, wie uns Fig. 15 deren einen darstellt, ergiebt sich, dass die helle basale Platte, die von der Fläche gesehen, nur als Platte erscheint, in Wirklichkeit eine konische Durchbruchsstelle des Querstreifens repräsentirt, deren Raum von einem aus dem Innern kommenden Faser- strange erfüllt ist, in der Figur als f angedeutet. Dieser fase- rige Zapfen, der von einer feinen Membran umhüllt ist, trägt nun auf seinem der Rinne zugekehrten Ende den Cylinder, der die äusserste Schicht von c durchbrechend frei in den Canal- raum hineinragt. Auch dieser Cylinder ist chitinös, doch ist seine Membran sehr zart, während sein Inneres die Fortsetzung der Fasern seiner Basis bildet, in denen wir unzweifelhaft Nervenfasern zu sehen haben, obwohl es mir bis jetzt auch noch nicht geglückt ist, dies durch das Vorhandensein eines directen Zusammenhanges mit dem Nervenstrange zu beweisen.

Wie schon vorher erwähnt, finden wir diese eigenthümlichen Stifte in den Rinnenwänden aller Falter, auch bei sehr wenig entwickelten Rüsseln. So können die in Fig. 26 mit s bezeich- neten Gebilde, die ich oben als Tastkörperchen in Anspruch

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genommen habe, ihrem Baue nach auch ganz gut als solche Rinnenstifte angesehen werden, da sie am zahlreichsten auf der der Rinne entsprechenden Region der Maxille sich finden. In normal gebildeten Rüsseln treten sie mit einer gewissen Rogel- mässigkeit in ziemlich gleichen Intervallen von der Basis bis zur äussersten Spitze hin auf. Ihre Zahl richtet sich natürlich nach der Länge des Rüssels, doch schwankt dieselbe auch indi- viduell, wenngleich nur innerhalb enger Grenzen. So zählte ich bei Vanessa Jo in dem einen Falle 26, in einem andern 27 solcher Stifte in einer Maxille, bei Pieris brassicae ebenfalls 26, bei Arge Galathea aber 31. Die eine Maxille einer Tinea, deren Species mir unbekannt ist, enthielt 9, die andere dagegen 11, die Maxille von Harpyia 14 resp. 16 dieser Stifte. Bemerken muss ich hierbei noch nachträglich, dass nur in ganz seltenen Fällen, so wie es Fig. 16 zeigt, die Stifte bei den Maxillen an völlig gleichen Punkten sich inseriren, also auch beide auf ein und demselben Querschnitte erscheinen können. In der weitaus grossen Mehr- zahl der Fälle stehen dieselben nicht so direct einander gegen- über, sondern wechseln in unbestimmten Intervallen ab. Auch diese Rinnenstifte müssen wir gleichwie die Tastzäpfchen als modificirte Haare in Anspruch nehmen. Welche Function aber können wir ihnen wohl zuschreiben? Eine bestimmte Antwort wird sich darauf schwerlich geben lassen; denn wir können Sinnesorgane, die wir bei niederen Thieren finden und für die wir bei uns und den höheren Thieren kein Analogon haben, nur sehr schwer und immer nur vermuthungsweise auf ihre specifischen Functionen erkennen.

Die Thatsache, dass diese Stifte im Innern des geschlossenen Saugcanals stehen, wo sie also nur mit der Luft und mit dem aufgesogenen Fluidum in Contact kommen können, wird uns übrigens gewisse Fingerzeige dafür geben, in welchem Gebiete wohl diese Function zu suchen sein dürfte. Zunächst könnte man eine Geschmacksperception vermuthen. Dagegen aber spricht der Umstand, dass ihre chitinöse Membran eine che- mische Einwirkung der Nahrungsstoffe, wie sie doch bei der Geschmacksvermittelung statthaben muss, unmöglich erscheinen lässt, sowie andererseits die Thatsache, dass, wie wir unten sehen werden, wirkliche Geschmacksorgane sich da, wohin sie gehören, im Munde vorfinden. Eine Geruchsperception, die in gleicher Weise wie der Geschmack chemische Einwirkungen

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voraussetzt, ist aus dem zuerst angeführten Grunde gleichfalls als unmöglich zurückzuweisen. So sehen wir, dass diese Stifte ihrer Chitinbekleidung wegen auf chemische Einwirkungen nicht reagircn können, die auf sie treffenden Bewegungen dürfen also nicht, wie in diesen Fällen, molekulare sein, sondern ein mecha- nischer Act. So kann nur der Tastsinn noch in Betracht kom- men. Da ergiebt sich denn als wahrscheinlichste Function dieser Gebilde einmal die Prüfung der aufzusaugenden Flüssigkeit auf ihre Quantität und dann auch in gewisser Beziehung auf ihre Qualität. Sie bringen es dem Thiere zur Perception, ob über- haupt Flüssigkeit und in welchen Mengen dieselbe im Canal emporsteigt, und andererseits prüfen sie dieselbe auf etwa mit- gerissene kleine Partikelchen der pflanzlichen Gewebe oder sonstige beigemengte feste Substanzen wie kleine Körnchen oder Kryställchen und Aehnliches. Auch eine Prüfung der Flüssig- keit auf ihre Consistenz und Zähigkeit werden sie gestatten, eine Leistung, die für das Thier um so wichtiger ist, als es nach dem Grade der Zähigkeit ein entsprechendes Quantum des Secretes der Speicheldrüsen beizumischen hat.

Aber, fragen wir wohl, in welcher Weise wird denn dieser Canal, von dem eben die Rede war, hergestellt? Schon oben haben wir gesehen, dass durch inniges Aneinanderlegen der beiden Maxillen, so, dass die beiden obern und untern Rinnen- ränder aufeinander stossen, eine durch die ganze Länge des Rüssels verlaufende Röhre von nahezu kreisrundem oder wenig platt gedrücktem Querschnitte gebildet wird, durch welche die flüssige Nahrung nach dem Munde emporgesogen wird. Um nun beide Maxillen in dieser engen Verbindung zu erhalten und den Verschluss des Canals möglichst luftdicht zu machen, ohne dabei die Bewegungsfähigkeit des Rüssels zu hemmen, sind an den beiden Rändern, dem obern und dem untern, die beim Aneinanderlegen, wie oben gesagt wurde, genau auf die ent- sprechende Partie der andern Seite stossen, verschiedene ganz eigenthiimliche Vorrichtungen angebracht. Von allen frühern Untersuchern der Falterrüssel beobachtet und auch allgemein richtig beurtheilt, sind diese Gebilde im Grossen und Ganzen sehr gleichmässig durch alle Familien der Schmetterlinge aus- gebildet, verschieden jedoch nach Ober- und Unterseite. Be- trachten wir zunächst den Verschlussapparat der Oberseite und zwar, um ein concretes Beispiel zu haben, am Rüssel von Pieris

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brassicae. An der homogenen Chitinleiste, die den Uebergang der äussern zu der Rinnenfläche bildet und die daher am weitesten nach der Medianlinie zu vorspringt, die folglich auch derjenige Theil ist, der sich an die andere Maxille anlegt, an dieser Leiste oder Randleiste, wie wir sie nennen wollen, inserirt eine Reihe dicht aneinander stehender dünner Chitinplatten. Diese Platten, die horizontal verlaufen, sind bedeutend länger als breit, wie dies Fig. 22 veranschaulicht, und krümmen sich türkensäbelähnlich nach der Rüsselspitze zu. Auf Querschnitten durch die Maxillen erscheinen sie als scharf zugespitzte dolch- ähnliche helle Fortsätze der Randleiste, in Fig. 14 und 15 mit p bezeichnet. An beiden Maxillen stehen sich die Platten direct gegenüber. Der Verschluss kommt dadurch zu Stande, dass die Platte d der einen Maxille Fig. 22 sich zwischen die beiden Platten a und b der andern einschiebt, somit einen Theil und zwar den Endtheil von a überdeckend, aber selbst in dem entsprechenden Theile von b überdeckt. Das Ganze erscheint dann ähnlich einem Flechtwerk. Durch diese Anordnung wer- den die Spalten zwischen den einzelnen Platten möglichst ver- deckt und die Platten selbst genügend fixirt. Wie fest diese ineinander greifenden Platten die beiden Rüsselhälften zusammen- halten, dies ergiebt sich bei dem Versuche, dieselben zu trennen, es gehört eine verhältnissmässig bedeutende Kraft dazu. Neh- men wir den gleichen Versuch an einem Rüssel von Vanessa vor, so zeigt sich, dass dessen beide Hälften einer solchen Trennung noch grösseren Widerstand leisten. Es rührt dies daher, dass die Randplatten in diesem Falle noch mit einem seitlichen Zahn besetzt sind, der in eine gleiche Bildung der entsprechenden Gegenplatte eingreift.

Doch kehren wir zu unserer Pieris zurück. Was wir über die Ausbildungsweise der Randplatten bemerkt haben, gilt übrigens nur für den basalen und mittleren Theil des Rüssels. Das letzte Achtel ungefähr zeigt uns ein ein wenig abweichen- des Bild. Die Platten werden schmäler, krümmen sich mehr und liegen nicht mehr in der Horizontalebene, sondern richten sich schräg aufwärts. In gleichem Maasse werden auch die Spalten und Lücken zwischen den einzelnen Platten oder viel- mehr Dornen grösser, so dass der Verschluss nicht mehr so dicht sein würde, wenn nicht durch das Auftreten einer zweiten Reihe gleicher Gebilde, die nach aussen zu verläuft, eine Com-

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pensation einträte. Die Dornen dieser äussern Reihe stehen so, dass sie jedesmal die Lücke zwischen zwei Dornen der innern Reihe gerade überspannen. In Fig. 19 habe ich eine Dar- stellung dieser beiden Dornenreihen gegeben, d, bezeichnet die innere, d2 die äussere derselben.

Anders ist der obere Verschluss der Rüsselspitze bei ge- wissen mit Pieris verwandten Formen und bei einigen Pieris- arten selbst, indem hier zwar ebenfalls 2 Reihen Dornen auf- treten, aber Dornen, welche in der innern Reihe wesentlich anders gestaltet sind. Von der Seite betrachtet, scheint, wie dies Fig. 20 darstellt, der Maxille eine kammartig mit Zähnen besetzte ziemlich breite Leiste, v, aufzusitzen, die, wie sich bei genauerer Untersuchung ergiebt, aus eng aneinander liegenden, vertikalen Chitinplatten besteht, welche an der der obern Maxillenwand aufsitzenden Basis bedeutend verbreitert, nach oben zu aber verschmälert sind. Diese obern schmalen Theile erscheinen auf dem Flächenbild als die Zähne, die untern breiten Basen in ihrer dichten Aneinanderlagerung als die zusammen- hängende Leiste. Die Dornen der äussern Reibe sind in gleicher Weise gestaltet und angeordnet wie die in Fig. 19 unter d2 von Pieris brassicae abgebildeten. In Fig. 20 habe ich sie der besseren Uebersichtlichkeit wegen nicht mit dargestellt.

Wie die eigenthümlichen vertikalen Platten der inneren Reihe aber den Verschluss herstellen, dies zeigt uns ein Blick auf einen durch diese Rüsselregion gelegten Querschnitt, deren einen als besonders charakteristisch, weil gleichzeitig mehrere Verhältnisse illustrirend , ich in Fig. 16 gezeichnet habe. Da ergiebt sich denn, dass die beiden eigentlichen Randleisten ein ganzes Stück auseinander gerückt sind. Nicht direkt auf ihnen, sondern auf der ganzen obern Maxillenwand r, sitzen dann die fraglichen Platten auf, in der Figur mit v bezeichnet, von nahezu dreieckiger Form, nur dass die längste nach aussen gewendete Seite meist nicht geradlinig, sondern in sanftem Bogen nach der über der Medianlinie des Rüssels gelegenen Spitze aufsteigt. Diese Spitze selbst ist zu einem Zahn umgebildet, in der Figur z, der in eine entsprechende Vertiefung der gegenüber- stehenden Platte eingefügt ist, so einen ganz festen Verschluss herstellend.

Als etwas differente Form der obern Verschlussplatten möchte ich noch die von Smerinthus ocellata erwähnen, welche

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sich durch ihren mehr cylindrischen Querschnitt und durch ihre grössere Länge auszeichnen.

Eine viel innigere und festere Verbindung als durch die bis jetzt erwähnten Einrichtungen wird durch die an den un- tern Randleisten angebrachten Apparate hergestellt. Zeigten die obern Verschlussvorrichtungen eine Verschiedenheit des Baues je nach den Regionen des Rüssels, so mag hier gleich im Voraus bemerkt werden, dass die untern in der ganzen Länge des Rüssels, mit ganz wenigen Ausnahmen, die gleichen sind. Zunächst wieder von der Fläche gesehen, erscheinen die der untern Randleiste aufsitzenden Bildungen, die den Verschluss zu bewerkstelligen haben, als rechteckige und zwar mit der kürzern Seite der Maxille ansitzende Chitinkörpereken, wie sie in Fig. 18 unter a dargestellt sind. Auf Querschnitten aber durch einen Rüssel sehen wir, dass diese Körperchen, die sich deutlich sowohl gegen die äussere Maxillenwand wie gegen die Querleisten der Rinnenauskleidung absetzen, einen Doppelhaken bilden, dessen Bau am besten aus den Zeichnungen, in Fig. 18 unter b, in Fig. 14 und 15 unter h, ersichtlich ist. Die Ver- bindung dieser Randhaken kommt nun in der Weise zu Stande, dass, wie dies Fig. 16 zu veranschaulichen sucht, der obere Haken der einen Maxille in die Vertiefung der andern eingreift, in seine eigene Vertiefung dagegen den untern Haken dieser aufnimmt. Dass der so hergestellte Verschluss des Canals und die Verbindung beider Maxillen eine sehr innige ist, leuchtet ein.

Eine kleine Abweichung von dieser typischen Form zeigen die Randhaken des Rüssels von Harpyia furcula in der terminalen Region. Dieselben, in Fig. 21 mit h bezeichnet, stehen nicht mehr wie die regelmässig gebildeten senkrecht auf dem Rande, sondern neigen sich unter einem spitzen Winkel dem Rüsselende zu, auch rücken die beiden Haken eines und desselben Körper- chens mehr auseinander, werden dabei schmaler und dornförmig, kurz bieten ein ganz gleiches Bild dar wie die in Fig. 19 dar- gestellte Doppelreihe der obern Verschlussdornen.

Einen ganz von den gewöhnlichen Formen abweichenden Verschluss weist der Rüssel von Smerinthus ocellata auf. indem da ganz gleiche Platten, wie die an dem obern Rande, auch am untern Rande auftreten. Die Verbindung der beiden Rüssel- hälften kann daher auch nur eine sehr lose, der Verschluss des Canals nur ein sehr ungenügender sein.

Arcli. f. Naturgesch. L. Jahrg. 1. Bd. 7

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Ueberblicken wir jetzt noch einmal im Zusammenhange alle Über die äussern Verhältnisse der Maxille gefundenen That- sachen, den Bau der äussern Fläche mit ihren Querleisten, der gleichfalls quergestreiften Rinne und der Vorrichtungen zur Ver- bindung der beiden Maxillen und zum Verschluss des durch ihr Aneinanderlegen geschaffenen Canales, so tritt uns überall das eine Grundprincip entgegen, bei möglichst grosser Festigkeit doch dem Rüssel auch eine ausgedehnte Beweglichkeit zu ver- schaffen, eine Beweglichkeit, die es dem Thiere ermöglicht, das im Grossen und Ganzen doch sehr zarte Organ in Spirallinien aufzurollen und zwischen die schützenden Taster der Unterlippe einzulegen, dasselbe auf diese Weise vor äussern Verletzungen möglichst bewahrend.

Aber wie geht denn diese Einrollung in die Spiraltouren der Ruhelage vor sich, welche Kräfte sind hierbei sowie anderer- seits beim Geradestrecken des Rüssels thätig? Um diese Frage beantworten zu können, müssen wir jetzt das Innere der Maxillen einer Untersuchung unterwerfen.

Ausser bindegewebigen Massen, Bluträumen und der Matrix der Chitinwandungen haben wir im Innenraum der Maxille drei verschiedene Organapparate zu unterscheiden: Tracheen, Ner- ven und Muskeln.

Um mit dem einfachsten zu beginnen, fassen wir zunächst die Trachee in's Auge, welche durch die Maxillen hinzieht. Von fast allen frühern Untersuchern der Faltermundtheile richtig erkannt nur Bur meist er macht eine Ausnahme, in- dem er die Tracheen für diejenigen Canäle hält, durch welche die Nahrung aufgesogen wird , aber nicht genauer beschrieben, bietet uns dieser Luftcanal, der in seiner Beschaffenheit völlig den gleichen Bildungen in den übrigen Körpertheilen gleicht, sehr einfache Verhältnisse dar. Durch eine Durchbruchsstelle der die Maxille vom Kopfe scheidenden Chitinwand tritt das aus dem Tracheengeflecht unterhalb des Schlundes entspringende cylindrische Tracheenrohr in die Maxille über, wie dies Fig. 12 uns zeigt, in welcher die durchbrochene Scheidewand mit a, die Trachee selbst mit tr bezeichnet ist. Aus der gleichen Figur, die einen Längsschnitt durch den basalen Theil der Maxille darstellt, ergiebt sich betreffs des Verlaufes der Luftröhre in der Maxille selbst, dass dieselbe zunächst der Unterseite der Basis folgend mit dieser etwas aufsteigt, dann aber beim

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Uebergange in die Lade diagonal nach der Oberseite sich wendet, um, dieser immer genähert, in sanften Wellenlinien die Maxille bis zu ihrer Spitze zu durchziehen. Von Zeit zu Zeit gehen nun von dieser Hauptröhre ganz feine Seitenäste ab, in Fig. 12 ist ein solcher bei t gezeichnet, die an Nerven und Muskeln herantreten. Durch diese seitlichen Ab- gänge nimmt die Trachee, entsprechend der abnehmenden Stärke der Maxille, auch an Durchmesser ab, bis sie schliesslich in der Nähe der Spitze ihrer geringen Grösse wegen kaum noch wahr- zunehmen ist. Sie endigt, wie dies schon Gerstfeldt richtig angegeben hat, blind und löst sich nicht, wie andere Autoren behauptet haben, in eine grössere Zahl gleich starker Endzweige auf. Auf Querschnitten, um dies noch zu erwähnen, erscheint die Trachee als cylindrischer Canal, der, wie alle Luftgänge der Arthropoden, von einem leicht ausziehbaren Spiralfaden in seiner Spannung erhalten wird. Alle abgebildeten Querschnitte zeigen die Trachee.

Ferner sei noch bemerkt, dass wir eine Trachee, ihrer Natur nach als Organ für den Gasaustausch, auch bei den ganz rudimentären Rüsseln erwarten müssen. Dies hat sich mir auch bei Schnitten durch die Maxillenstummel der mehr- fach erwähnten Spinner bestätigt. So ist in Fig. 26, die Maxille von Platysamia Cecropia darstellend, diese Trachee zu sehen, mit tr bezeichnet.

An die Schilderung der Trachee in den Maxillen reihen wir die des Nerven an. Waren über die Luftcanäle in den Falterrüsseln in fast allen Arbeiten Angaben zu finden, so giebt über den Nerven eigentlich nur Burg es s eine Notiz, aber auch nur eine Notiz. Breitenbach ergeht sich zwar in längerer Auseinandersetzung über den Verlauf des Nerven, er glaubt, einen Hauptstamm annehmen zu müssen, der dem Längsmuskel parallel verläuft, obwohl er überhaupt gar nichts, was einem Nerven ähnlich ist, gesehen hat.

Durch die gleiche Oeffhung, wie die Trachee, tritt, wie das wiederum aus Fig. 12 ersichtlich ist, auch ein Nervenstrang in jede der Maxillen ein, der wie alle an die Mundwerkzeuge tretenden Nerven dem untern Schlundganglion entstammt und zwar, entsprechend der Zweizahl der Maxillen, in zwei ge- trennten Strängen. Durch die ganze Länge der Maxille schliesst

sich nun der Nerv in seinem Verlauf eng an den des Tracheen-

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100 P. Kirbach:

rohres an, geht diesem parallel, doch mehr nach unten und etwas nach aussen zu gewendet, wie das die Querschnitte in Fig. 14, 16 und 23 darstellen. Wie die Trachee, so entsendet auch der Nerv von Zeit zu Zeit in ziemlich regelmässigen Inter- vallen Seitenäste an die Muskeln und den Luftcanal. Diese Seitenzweige erscheinen besonders deutlich auf Querschnitten, auf denen, wie in Fig. 14, neben dem seines bedeutenderen Durchmessers wegen stets leicht als Hauptstamm erkennbaren Strange n, noch mehrere stärkere und schwächere Nebenstränge sichtbar sind, die nach den Muskeln herübergehen. Zwei solcher Nebenstränge sind in der Figur gezeichnet, bei n,. In dieser Weise verläuft der Nerv durch die ganze Maxille, je näher der Spitze, desto schwächer natürlich. Gerade in der Spitze selbst hat er aber noch wichtige Organe zu versorgen, die Tast- zäpfchen und Saftbohrer, die ja allein hier entwickelt sind. Auch nach den Rinnenstiften muss er Seitenäste entsenden.

Als drittes System ausser Trachee und Nerv rinden wir im Innenraum der Maxillen das System der dieselben durch- ziehenden Muskeln, dessen Betrachtung uns wieder etwas länger beschäftigen wird.

Wohl über keinen andern Theil des Lepidopternmund- apparates sind die Angaben der verschiedenen Forscher so differente wie über diesen Gegenstand. Gemäss seiner Ansicht, dass sich der Rüssel aus einer zahllosen Menge hintereinander liegender Ringe zusammensetze, nimmt Reaumur auch eine ent- sprechende Zahl von Ringmuskeln an, die das Einrollen in die Spirale bewirken, während Längsfasern den Rüssel wieder ge- rade strecken sollen. Savigny, der zwar richtig erkannt hat, dass die Zusammensetzung des Rüssels aus Ringen nur eine scheinbare ist, bedingt durch die Querstreifung der Aussenfläche, theilt doch die Ansicht Reaumurs bezüglich der Muskulatur, in- dem er sagt, dass der Rüssel sich vermittels seiner ringförmigen Fasern verlängern, verkürzen oder sich auf sich selbst zusammen- legen könne. Bur meiste r sagt in seinem „Handbuch der En- tomologie" im ersten Bande betreffs unseres Gegenstandes, dass ein doppelter, bandartiger Muskel die Maxillen durchzieht, der den ganzen Innenraum auskleidet und nur für die Trachee Platz lässt. In ganz ähnlicher Weise, wie dieser, redet auch G erst- fei dt von einem doppelten, bandartigen Muskel, einem obern und einem an der Unterseite von der Basis bis zur Spitze ver-

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laufenden. Von ihnen sollen von Zeit zu Zeit Seitenfasern an die Hornleisten der Rüsselwandung abgehen. Beide Muskeln wirken nun derart, dass durch die Contraction des obern der Rüssel gestreckt wird, der in die Spirallage des Ruhezustandes zurückkehrt, sobald diese obern Muskeln zu erschlaffen be- ginnen, indem dann die beiden untern Muskeln, welche durch die Action der obern ausgedehnt waren, in ihren Normalzustand zurückkehren können, so dass diese untern Muskeln lediglich passiv nach Art elastischer Fasern wirken.

Die alten Anschauungen von Ringmuskeln finden wir wie- der von Newport vertreten, der den Rüssel aus einer unend- lichen Zahl kurzer, transversaler Muskelringe zusammengesetzt sein lässt. Aehnlich wie Gerstfeldt, beschreibt Breitenbach die Muskulatur des Falterrüssels; auch er nimmt einen untern Längsmuskel an, von dem aus zahlreiche kleine Muskeln sich abzweigen, um in diagonaler Richtung durch den Rüsselraum aufsteigend sich an der obern Maxillenwand anzuheften. Diese parallel verlaufenden Schrägmuskeln sollen durch ihre Contrac- tion die Spiralrollung bedingen, ihre Erschlaffung den Rüssel sich strecken lassen. Welche Function aber der Längsmuskel selbst versieht, in welcher Weise, ob bei der Streckung oder bei der Rollung, derselbe thätig ist, das giebt Breitenbach nicht an. Im Allgemeinen sind diese Breitenbach'schen An- sichten der Wahrheit sehr nahe gekommen, da er aber immer nur die Maxille in ihrer Totalität, nicht in Schnitten betrachtet hat, sind ihm die Details entgangen. Erst Bürge ss ist es ge- lungen, die fraglichen Verhältnisse annähernd klar zu legen, den Mechanismus der Rüsselbewegungen hat jedoch auch er nicht richtig erkannt.

Sehen wir uns zunächst den basalen Theil der Maxillen auf seine Muskulatur hin an und suchen uns an der Hand von Fig. 12 die Verhältnisse klar zu machen. An der Scheidewand a zwischen Kopf und Maxille inseriren sich eine grosse Zahl starker Muskelfasern, m2, die diagonal durch den Innenraum der Basis aufsteigen und gleichzeitig auch etwas schräg nach aussen sich wenden, um endlich an der Uebergangsstelle der Basis in die Lade der Maxille und zwar an der obern Decke ihre zweite Insertion zu finden. Gleiche Anordnung und glei- chen Verlauf zeigen andere, an der hintersten Innenwand der Basis entspringende Muskeln.

102 P. Kiibach:

In welcher Weise diese basalen Muskeln wirken, ist leicht einzusehen. Ihr diagonaler Verlauf bedingt eine nach drei ver- schiedenen Richtungen sich erstreckende Wirkung, Richtungen, die wir nach dem Gesetz vom Parallelogramm der Kräfte auf constructivem Wege leicht finden können. Einmal, in Folge ihres Verlaufes von der Unter- nach der Oberseite, wird durch ihre Contraction ein Zug auf diese Oberseite ausgeübt. Es wird diese Oberseite selbst und damit natürlich die ganze Maxille in ihrem Ladentheil abwärts gezogen, eine Bewegung ausgeführt, die nach vorhergegangener Einrollung in die Spirale den ganzen Rüssel dichter an die Unterseite des Kopfes und damit tiefer zwischen die stützenden und schützenden Palpen hereinzieht. Umgekehrt wird die Erschlaffung dieser basalen Muskeln wie beim Einrollen in die Ruhelage das letzte, so beim Strecken des Rüssels das erste Moment sein. Der ganze Rüssel schnellt in Folge ihrer Erschlaffung nach aufwärts, tritt aus den Tastern heraus und stellt sich in seinen basalen Theilen in die Horizon- talebene ein.

Dieses Abwärtsziehen der Maxillen und Anlegen an den Kopf ist jedenfalls die wichtigste Leistung der Basalmuskeln, die beiden andern Wirkungen treten dagegen zurück. Dieselben bestehen einmal, entsprechend dem schrägen Verlauf von innen nach aussen, in einem Zug auf die Aussenseite und dann in einem Zug von vorn nach hinten, in Folge ihrer Insertionen an der Hinter- und Vorderwand. Die erstere dieser beiden Contractionswirkungen , der Zug auf die Aussenseite, wird für den Rüssel insofern von Bedeutung sein, als er immer die Maxillen nach der Mittellinie zu, also eine fest an die andere herandrückt. Die andere, der Zug von vorn nach hinten, ist von geringerer Wichtigkeit, sie unterstützt nur die äussern Wandungen der Maxille und zieht das Ganze immer dicht an den Kopf heran und somit auch den Rüsselcanal dicht an die Mundöffnung.

Eine entgegengesetzte Anordnung wie die Muskeln der Basis zeigen uns die der Lade, wie sie in Fig. 13 unter m3 im Gegensatze zu den mit m2 bezeichneten Basalmuskeln dar- gestellt sind. Zwar ebenfalls diagonal den Innenraum der Maxille durchsetzend, inseriren sich diese jedoch an der obern Wandung und gehen dann schräg abwärts in der Richtung nach der Rüsselspitze zur Unterseite, dort ihren zweiten Fixationspunkt

Ueber die Mimdwerkzeuge der Schmetterlinge. 103

findend. Die Länge dieser Muskeln und der dadurch bedingte mehr oder minder steile Verlauf richtet sich nach der Beschaffen- heit des Rüssels, in der Weise, dass die längsten und am kräf- tigsten gebauten, die in der Ruhelage eine oder mehrere volle Spiraltouren bilden, die kürzesten, aber stärksten und gleich- zeitig auch zahlreichsten Ladenmuskeln besitzen, die wegen ihrer Kürze ziemlich steil von oben nach unten gehen. Schwächere und kürzere Maxillen dagegen, wie sie beispiels- weise Harpyia oder Smerinthus besitzen, die nur an ihrer Spitze sich ein wenig krümmen, während ihre obern Regionen ziemlich gerade gestreckt auch in der Ruhe sind, enthalten erstens viel weniger und dann auch schwächere Muskeln, die aber eine be- deutende Länge besitzen, so dass sie auch nur wenig diagonal zu verlaufen scheinen, bei Smerinthus vielmehr den Anblick wahrer Längsmuskeln gewähren.

Auf Querschnitten, um dies noch zu bemerken, erscheinen die einzelnen Muskel, wie dies sich aus Fig. 14 ergiebt, als übereinander liegende punktirte Flächen von rechteckiger oder mehr abgerundeter Form.

Wie die Anordnung dieser Ladenmuskeln die umgekehrte wie bei den Basalmuskeln , so ist natürlich auch ihre Wirkung eine umgekehrte; sahen wir als Häuptleistung der sich con- trahirenden Muskeln der Basis einen Zug nach abwärts, so wird die Contraction der Muskeln der Laden sich hauptsächlich in einem Zuge nach aufwärts äussern, sie streckt den durch elastische Kräfte in die Spirallage eingerollten Rüssel gerade.

Diese meine Ansicht steht in directem Gegensatze zu allen bisher von den verschiedensten Untersuchern aufgestellten. Aber einmal entspricht nur diese Wirkung der Contraction den ana- tomischen Verhältnissen, d. h. der Anordnung der Muskeln. Als zweiter Grund dafür, dass der Rüssel durch Muskelwirkung gestreckt wird, während seine Einrollung in die Spirallage durch elastische Kräfte erfolgt, lässt sich die Thatsache an- führen, dass der Rüssel eben getödteter Schmetterlinge das Bestreben, ihn gestreckt zu erhalten, dadurch vereitelt, dass er bei der geringsten Möglichkeit in seine Spiralen zurückschnellt. Dieses Zurückschnellen würde, wenn es Folge von Muskelwirkung wäre, mit deren Erstarrung aufhören, da dies aber nicht ge- schieht, so müssen elastische Kräfte dies Zurückschnellen ver- anlassen. Auch die Beobachtung, dass die Diagonalmuskeln

104 r- Kirbach:

im Zustande der Einrollung ihre Querstreifung nur sehr undeut- lich zeigen, scheint mir ein Grund zu der Annahme, dass die- selben in diesem Zustande nicht contrahirt sind, die Einrollimg also auch nicht Folge ihrer Contraction sein kann. Dazu kommt, dass der Aufwand an Muskelkraft ein bedeutend grösserer sein muss, wenn der Rüssel durch Muskelcontraction eingerollt und in dieser Lage erhalten werden soll, als dann, wenn die Streckung und das nur sekundenlang dauernde Halten in dieser Lage durch Muskelwirkimg bedingt wird. Wenn die Ruhelage eine Folge der Contraction der fraglichen Muskeln wäre und also bei ihrer langen Dauer eine so grosse Kraftanstrengimg erforderte, dann wäre es eben keine Ruhelage. Eine solche wird überall mehr durch passiv, mechanisch wirkende Kräfte erhalten. So ist auch im vorliegenden Falle das allgemeine Naturgesetz der Sparsam- keit angewendet.

Veranschaulichen wir ims aber an der Hand beifolgenden Schemas die Contractionswirkungen selbst. Auf einen Nerven-

reiz hin wird sich zunächst der der Basis der Maxille am nächsten liegende Muskel BH contrahiren und zwar um das Stück Ba. In Folge dessen wird die untere Wand AB gehoben, so dass B nach a zu liegen kommt. Damit aber wäre gleich- zeitig ausser der Hebung auch eine Contraction dieses Theiles AB verbunden, da die Strecke Aa um ein Entsprechendes kürzer ist als AB. Da nun aber in Folge der Krümmung die untere

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Wand schon sehr stark zusammengepresst ist, so wird diese Contraction nur theilweise möglich sein, sie wird sich nur bis a' erstrecken, so dass in Wirklichkeit jetzt der Punkt B auf a' zu liegen kommt. Diese veränderte Lage von B bedingt natür- lich gleichzeitig auch eine Lagenveränderung der angrenzenden Partie der untern Wand, dieselbe wird nothwendig mit empor- gezogen, so dass C auf die Höhe von C gebracht wird. Da- durch wird es auch der durch die Krümmung stark angespannten und ausgedehnten obern Wand möglich, in ihre normale Lage zurückzukehren, I kommt auf V zu liegen, der Muskel CI also nach C'P. Jetzt tritt in gleicher Weise und in gleichem Maasse wie bei BH eine Contraction von CT ein, deren Resultat das Heben des entsprechenden Stückes der Wand bis nach b ist, so dass C schliesslich auf den Punkt V zu fallen kommt. So- mit ist das ganze Stück der untern Rüsselwand ABC jetzt so- weit gehoben, dass es in die Richtung von Aa'b' fällt, auf diese Weise, wie aus dem Schema ersichtlich, aus ihrer stark ge- krümmten in eine nahezu gestreckte Lage übergegangen ist. Auf ganz gleiche Weise schreitet dann die Contraction weiter fort von Muskel zu Muskel bis zur Spitze, immer Stück für Stück der untern Wandung hebend, bis schliesslich die Streckung bis zur Spitze erfolgt ist.

Ist dann der Saugact vollendet, so beginnt die Erschlaffung der Muskeln in umgekehrter Reihenfolge, von der Spitze nach der Basis zu fortschreitend, die elastischen Fasern der Unter- seite treten in Wirksamkeit und die Einrollung in die Spirale schreitet von der Spitze nach der Basis zu vorwärts, die Ruhe- lage ist hergestellt.

Diese Verhältnisse sind nur scheinbar complicirte, in Wirk- lichkeit können wir uns keine andere Anordnung der Muskulatur denken, die bei gleicher Einfachheit gleich präcis arbeiten würde, entsprechend dem so ganz eigenthümlichen Baue des ganzen Organes.

Nachdem wir die äussern Mundtheile der Falter einer ge- naueren Untersuchung unterzogen haben, bleibt ims noch als Letztes die Schilderung desjenigen Theiles über, der innerhalb des Kopfes gelegen, den Uebergang der äussern, die Nahrung aufnehmenden Apparate in den Oesophagus vermittelt.

Präpariren wir, um zu diesen innern Mundtheilen zu ge- langen, die Scheitel- und Stirndecke des Kopfes hinweg, so er-

10(3 P' Kirbach:

blicken wir, nach Entfernung des dichten Tracheeugeflechtes, im vordem Theile des Kopfes ein mehr oder weniger rundliches oder eiförmiges Gebilde, gewissermaassen einen Sack, der, an der Vorderwand des Kopfes angewachsen, durch mehrere Muskel- bündel, die nach Stirn- und Scheiteldecke verlaufen, in einer schwebenden, nahezu horizontalen Lage erhalten wird. Fig. 1 mag eine weitere Beschreibung dieses Gebildes, das wir aus später zu erörternden Gründen als Schlundkopf bezeichnen wollen, ersetzen, sie stellt dasselbe von oben gesehen dar und zeigt auch die Aufhängemuskeln, wie wir sehen, 5 an der Zahl. Der eine derselben, fm, verläuft unpaar in der Medianlinie des Kopfes schräg nach vorn aufsteigend nach der Stirn, wir wollen ihn Frontalmuskel nennen. In Fig. 2 und 3 erscheint er unter der gleichen Bezeichnung auf Längsschnitten durch den Schlundkopf. Etwas nach hinten entspringen seitlich ein Paar Muskeln Im, die schräg nach vorn und oben ebenfalls an die Stirndecke gehen. Wir wollen sie als Lateralmuskel bezeichnen. Fig. 5 zeigt sie bei Im auf einem Querschnitte durch die andere Hälfte des Schlundkopfes. Ein weiteres Muskelpaar geht von dem hin- tern Theil der Oberseite des Schlundkopfes aufwärts nach dem Scheitel, als Dorsalmuskel mit dm bezeichnet in den verschie- denen Figuren.

Das ganze Organ, die mouth' cavity Burgess', der sie überhaupt zum ersten Male kurz beschreibt, ist, wie sich schon aus der Lage ergiebt, weiter nichts als der erweiterte und seiner Function als Pumpapparat entsprechend modificirte Endtheil des Oesophagus.

Gehen wir jetzt auf seine feinere Anatomie ein. Seine untere Fläche wird durch eine horizontal gelegene etwas nach unten gewölbte Chitinplatte gebildet, von deren Gestalt Fig. 4 ein Bild giebt. Ein wenig länger wie breit, am vordem Rande ziemlich gerade quer abgeschnitten, an den Seiten abgerundet und an ihrem Hinterrande in eine mediane stumpfe Spitze aus- gezogen, ist diese Schlundplatte in der Mittellinie von vorn nach hinten furchenartig vertieft, während die seitlichen Ränder auf- wärts gebogen sind. Zwischen der Mittelfurche nun und den Rändern erhebt sich, ungefähr in der Mitte der Länge der Platte, jederseits ein flach gewölbter Buckel von nahezu kreis- förmigem Umfang, der mit einer grösseren Zahl kleiner heller Punkte, anscheinend Durchbruchsstellen, bedeckt ist und so das

Ueber die Mundwerkzeuge der Schmetterlinge. 107

ungefähre Aussehen eines Siebes zeigt. Diese beiden Buckel, die in der Fig. 4 mit p bezeichnet sind , zeigen sich bei sehr starker Vergrösserung als Papillenf eider, die eine verschiedene Zahl bei Pieris habe ich bis 20 auf jedem der beiden Buckel befindliche Papillen gezählt heller conischer Papillen von sehr geringer Grösse tragen, die durch kleine Oeffnungen in der Platte über diese heraustreten. In Fig. 5 und 6 sind solche Papillen bei p dargestellt. In der ersteren dieser bei- den Figuren erblicken wir, mit g bezeichnet, unterhalb der Schlundplatte starke gangliöse Massen, die einen völligen Belag unter den Papillen bilden.

Eine etwas andere Bildung solcher Papillenfelder zeigt uns Fig. 7, einen Querschnitt durch die Schlundplatte von Saturnia Pyri darstellend. Hier stehen die Papillen nicht auf einer Auf- wölbung der Platte nach oben, sondern vielmehr in einer kessel- artigen Vertiefung. Die Papillen selbst enthalten ein kleines eiförmiges Endkörperchen des an sie herantretenden Nerven, in der Abbildung unter k angedeutet.

Diese anatomischen Befunde lassen wohl keinen Zweifel darüber aufkommen) dass wir es in diesen Papillen mit Or- ganen, die eine Geschmacksperception vermitteln, zu thun haben.

Erwähnen will ich gleich an dieser Stelle noch andere, etwas grössere, aber sonst ganz gleich gebaute Papillen, die zu je zweien in dem hintern Theile der Platte nahe am Aussen- rande liegen; ich habe sie in Fig. 4 und 5, mit pj bezeichnet, dargestellt; in der letzteren Figur zeigt sich gleichzeitig, dass sie auf dem nach aufwärts gerichteten Theile der Platte ge- legen sind.

Welcher Art die ihnen zukommende Function ist, ob in ihnen ebenfalls Geschmacksorgane zu suchen sind, oder ob sie in ähnlicher Weise, wie die Rinnenstifte, über die Füllungs- verhältnisse des Schlundkopfes Bericht zu erstatten haben, das wage ich nicht mit Bestimmtheit zu entscheiden.

Um für die Muskeln, die in dicker Lage und in verschie- dener Anordnung die obere Decke des Schlundkopfes bilden, möglichst feste und ausgedehnte Insertionspunkte zu scharfen, ist die Platte an ihrer Unterseite mit zwei starken Chitincristen ausgestattet, die in schwachem Bogen, nach der Mittellinie zu convergirend , von dem Vorderrande nach den hintern Theilen der Platte verlaufen und bei Betrachtung der Platte von oben

108 P. Kirbach:

als zwei dunkle Streifen erscheinen, wie ich sie in Fig. 4 unter c abgebildet habe. Auch setzen sich diese beiden Cristen, wie dies in der gleichen Figur unter f dargestellt ist, über den Vorderrand der Platte hinaus fort und treten an die Kopfwand, mit der sie fest verwachsen. Auf diese Art wird die Platte in ihrer horizontalen Lage erhalten, auch wenn durch Contraction der Seiten- und Rückenmuskeln ein Zug nach oben ausgeübt wird. Welchen Werth diese Einrichtung für ein exaetes und leichtes Arbeiten des ganzen Apparates besitzt, dies wird sich aus dem Weiteren ergeben.

Vorhin schon ist gelegentlich bemerkt worden, dass die Decke des Schlundkopfes, die sich nach hinten in den Oeso- phagus — o in Fig. 1 fortsetzt, wesentlich aus verschie- denen Muskellagen besteht. Deren Anordnimg werden wir am besten auf Quer- und Längsschnitten durch das ganze Organ erkennen. Zunächst muss vorausgeschickt werden, dass sich über der untern Schlundplatte eine zarte Chitinmembran d in Fig. 5 lose ausspannt, so dass sie von Rand zu Rand gehend in Verbindung mit der Platte einen weiten, aber all- seitig, mit Ausnahme zweier in der Mittellinie vorn und hinten gelegener Oeflhungen, geschlossenen Raum herstellt. An dieser Membran selbst heften sich die fünf verschiedenen Deckenmuskeln an. Ueber sie hin aber verlaufen zwei wesentlich verschiedene Muskelschichten; nur durch ein schwaches Gewebepolster ge- schieden } verläuft auf ihr eine dicke Lage von Längsmuskeln, m, in Fig. 2 und hm in Fig. 5 , die theilweise an der Kopfwand, theilweise an den vordem Partien der Decke selbst entspringend, von vorn nach hinten gehen und da entweder an den obersten Theilen des Oesophagus oder, um den Rand der untern Platte umbiegend, an deren Unterseite ihre zweite Fixation haben. Ueber dieser untern Muskelschicht liegt eine zweite, aus Ring- oder Quermuskeln gebildete, die unter m2 resp. rm in Fig. 2 und 5 dargestellt ist. Ihre Fasern ver- laufen von den nach aussen gekehrten Seiten der Cristen auf- wärts über die Ränder der Platte und die Längsfasern hinweg zu der andern Criste, also senkrecht zur Längsaxe des Schlund- kopfes. Ihro letzten, das heisst am weitesten nach hinten ge- legenen Ringe umspannen, wie dies aus Fig. 8 und 9 ersichtlich, den obersten Thoil des Oesophagus.

Ehe wir die Wirkungsweise dieser beiden Muskelschichten

Ueber die Mundwerkzeuge der Schmetterlinge. 109

erörtern, wollen wir noch die beiden Oeffnungen, die in den Innenraum des Schlundkopfes herein- resp. herausführen, etwas näher in's Auge fassen.

Was zunächst die vordere dieser beiden Oeffnungen an belangt, so sind ihre Verhältnisse etwas complicirter als die der hinteren. Die Schlundplatte setzt sich in Gestalt einer schmalen und flachen Rinne in der Mitte ihres Vorderrandes bis direct an den untern Hand der in der Kopfwand liegenden Mund- öffnung fort, an welcher sich dann unmittelbar die Anfänge 'Jt>r Maxillenrinnen ansetzen. Ueber dieser untern Rinne liegt eine entsprechende, nur natürlich mit ihrer Concavität nach unten gekehrte gleiche Rinne in der von dem Vorderrande der Schlund- platte sich nach der Unterseite der Oberlippe fortziehenden Schlundkopfdecke, wie solche unter g in Fig. 11 dargestellt ist, während die mit fr bezeichnete Rinne der Platte in Fig. 4 zu sehen ist. Da sich der obere Rand der Mundöffnung mit der Oberlippe etwas weiter nach vorn erstreckt als der untere, der den Maxillen zum Ansatz dient (wie sich dies namentlich auf dem in Fig. 3 gezeichneten Längsschnitte durch diese vor- dere Partie des Schlundkopfes deutlich darstellt), so erklärt sich auch die eigenthümliche und auf den ersten Blick räthselhafte Erscheinung in Fig. 11, dass wir oben die Halbrinne der Decke noch wahrnehmen, während unten schon der Maxillencanal c sich findet.

Dieser durch die beiden Rinnen hergestellte Canal, den wir der Kürze halber als Mundcanal bezeichnen wollen, führt also direct aus dem Rüsselcanal in den Binnenraum des Schlund- kopfes über. An seiner Einmündungssteile liegt ein auch von Burgess abgebildeter und beschriebener Apparat, den er oral valve nennt, und von dem er sagt, dass er ein „triangulär muscular Aap" sei, der „serves to close the mouth". Dieser Apparat, von dem Fig. 3 einen sehr stark vergrösserten Längs- schnitt darstellt in Fig. 2 ist derselbe mit k bezeichnet und den wir in der Folge ebenfalls als „Mundklappe" bezeichnen werden, ist ein von einer zarten Chitinmembran umhüllter stark muskulöser Zapfen, der sich von oben her quer vor den Ein- gang in den Mundcanal vorlegt. Fig. 3 zeigt, dass wir zweierlei Muskeln in dieser Mundklappe vorfindeD, einmal die mit lv be- zeichneten vom Clypeus schräg abwärts an die untere Fläche des Zapfens gehenden, und zweitens die mit sm bezeichneten,

110 P- Kirbach:

die von dem vordem Theil dieser untern Fläche diagonal an die obere verlaufen. Die ersteren heben durch ihre Contraction den Zapfen in die Höhe und stellen dadurch eine freie Com- munication zwischen dem Küsselcanal und dem Schlundkopf her, die letztern dagegen pressen denselben gegen die Oeffnung des Mundganges, sperren so den Schlundkopf nach aussen ab.

Entsprechend dieser Eingangspforte hat auch das hintere Ende des geräumigen Schlundkopfes eine Oeffnung, die den Uebergang in den engen Oesophagus vermittelt. Diese hintere Oeffnung bietet jedoch wenig Bemerkenswerthes. Wie schon weiter oben angeführt, setzt sich der mit o in Fig. 4 bezeich- nete Theil der Schlundplatte eine kurze Strecke in den Oeso- phagus fort. In seiuen letzten Ausläufern bildet dieser Fortsatz eigenthümliche , ebenfalls wie die Mundklappe, zum Verschluss der Oeffnung dienende Einrichtungen, Einrichtungen, die im Wesentlichen aus mehreren nebeneinander, wie dies Fig. 9, oder auch hintereinander stehenden, wie dies Fig. 8 darstellt, zahnartigen Erhebungen der untern Chitinwand bestehen. Diese Zähne gestatten zwar einer von dem Schlundkopf nach dem Oesophagus gedrängten Flüssigkeit einen leichten Durchgang, während sie einen umgekehrten Verlauf durch ihr Aufrichten erschweren oder ganz unmöglich machen.

Noch haben wir schliesslich eines Organs Erwähnung zu thun, das zwar eigentlich nicht zu den Mundtheilen selbst ge- hört, das aber doch in so naher Beziehung zur Nahrungsauf- nahme und somit auch zu diesen steht, dass wir es unbedingt hier mit einfügen müssen, ich meine die Ausführungsgänge der Speicheldrüsen.

Jede der beiden symmetrisch im Thorax gelegenen Speichel- drüsen leitet ihr Secret durch einen besondern Ausführungsgang nach dem Kopfe, in welchem diese Canäle, zunächst an der untern Fläche verlaufend und dann nach der Mimdööhung zu aufsteigend, unterhalb des Schlundkopfes sich zu einem unpaaren in der Mittellinie liegenden Ductus ejaculatorius vereinigen. Dieser Endtheil erweitert sich bedeutend gegenüber den andern Theilen, er wird an seiner Unterfläche stark chitinisirt und bildet eine Rinne, in welche sich die obere Hälfte convex nach unten gekrümmt einlegt, so dass das Ganze dann, wie aus dem Quer- schnitte in Fig. G ersichtlich ist, gowissermaassen zwei inein- ander geschachtelte Halbcanäle bildet. Das Lumen des Speichel-

Ueber die Mundwerkzeuge der Schmetterlinge. 111

ganges wird dadurch ein sehr geringes, erscheint nur in Form eines schmalen sichelförmig gebogenen Spaltes zwischen den beiden Chitinlamellen. Die Ausmündung dieses engen Canales, den Fig. 10 längsgeschnitten darstellt, bildet eine trichterförmige Oeffnung am untern Mundrand, unmittelbar unter dem untern Ende des Mundcanales und direct über dem Anfange des Rüssel- canales.

An die Decke dieses Ductus ejaculatorius treten nun seitlich von den beiden Cristen und von der Unterseite der Schlundplatte selbst starke Muskelbündel heran, die sich namentlich in der Mittellinie der Decke ansetzen und die in den hierauf bezüg- lichen Figuren 5, 6 und 10 mit m, angegeben sind. Ihre Con- traction hebt diese Decke und wölbt sie stark nach oben, so dass ein grosser luftverdünnter Raum gebildet wird, in den eine grosse Quantität des Secretes der Drüsen aus den hintern Theilen eindringt. Die Erschlaffung dieser Muskeln lässt dann die Decke des Speichelganges in ihre alte normale Lage inner- halb der Rinne der untern Hälfte zurückgehen, so dass das Speichelsecret diesem Drucke nachgebend nach aussen gespritzt wird und zunächst in den Rüsselcanal eintritt.

Durch diese Einrichtung ist das Thier im Stande, will- kürlich eine bestimmte Menge Drüsensecret der nach dem Munde emporsteigenden Nahrung beizumischen und zwar in der Weise beizumischen, dass dasselbe schon seine Einwirkung be- gonnen hat, wenn das Fluidum zur Prüfung seines Geschmackes an die Papillen des Schlundkopfes herantritt. Gleichzeitig aber scheint mir die Lage der Ausfuhröffnung der Speichelspritze über dem Rüsselcanale darauf hinzudeuten, dass das ausge- spritzte Secret, wenigstens theilweise, dazu bestimmt ist, in diesem Canale abwärts nach der Nahrungsquelle zu fliessen, um dort entweder sehr zähflüssige Substanzen leichtflüssiger zu machen oder feste aufzulösen. Eine hierauf bezügliche Beob- achtung führt schon Reaumur an. Er liess einen Schmetter- ling an einem Stücke festen Zuckers saugen und sah dabei, dass ein Theil der aufgesogenen Nahrung in sehr dünnflüssigem Zu- stande im Rüssel abwärts stieg und der Zucker an den Stellen, welche der Rüssel berührt hatte, erweicht und ein wenig auf- gelöst wurde. Dies hätte aber nicht geschehen können, wenn nicht vom Munde her eine auflösende flüssige Substanz auf den Zucker herabgespritzt worden wäre (1. c. p. 241 f.).

112 P- Kirbach:

So hätten wir denn alle Momente, alle Einrichtungen, die beim Saugacto selbst in Betracht kommen, in ihren Einzelheiten untersucht und deren Function bei diesem Acte der Art kennen gelernt, dass wir uns jetzt an eine Darstellung desselben selbst wagen können.

Zunächst überblicken wir noch einmal den Weg, den die aufzunehmende Nahrung zurückzulegen hat. Der Rüssel, das- jenige Organ, das mit dieser Nahrung zunächst nur in Berührung kommt, besitzt nur einen nach aussen offenen Raum, den cen- tralen Canal. Durch dessen Oeffnung an der Spitze muss also jedenfalls die Flüssigkeit in den Binnenraum selbst eintreten. Dieser führt, wie wir gesehen haben, direct in den Mundcanal über, der seinerseits in den Schlundkopfraum übergeht. Als letzte Strecke bleibt dann noch aus diesem der Eintritt durch die Oeffnung in den Oesophagus und damit den Darm übrig. Die einzige Stelle, an der diese ganze Leitimg durch mangel- haften Verschluss unterbrochen sein könnte, ist die Uebergangs- stelle vom Rüssel zum Munde. Aber wir haben schon bei der Beschreibung der betreffenden Theile hervorgehoben, dass auch hier ein möglichst luftdichter Verschluss geschaffen ist: an der Unterseite des Rüssels durch die Unterlippe, an der obern durch die langgezogene Oberlippe, seitlich durch die feste Verwachsung der Maxillen selbst mit dem Kopfe.

So ist der Weg, den die Nahrung zu passiren hat, gesichert. Der Mechanismus des Saugens selbst ist nun folgender:

Hat der Falter einen Ort gefunden, an dem er Nahrung vermuthet, so prüft er denselben zunächst vermittels der Tast- körperchen des ausgestreckten Rüssels, setzt eventuell, wenn dies nöthig ist, seine Saftbohrer an und taucht dann die Rüssel- spitze in die betreffende Flüssigkeit ein, mischt ihr auch wohl vorher, wenn dieselbe sehr zähe ist oder wenn ein fester Nahrungsstoff aufgenommen werden soll, mit Hülfe der Speichel- spritze eine bestimmte Quantität Secret bei. Jetzt beginnt der Pumpapparat des Schlundkopfes seine Thätigkeit. Stirn-, Seiten- und Rückenmuskeln contrahiren sich und ziehen dadurch die im Ruhezustande der Schlundplatte fast dicht aufliegende Decke des Schlundkopfes in die Höhe, so dass, da die Platte in ihrer horizontalen Lage fest gehalten wird, ein grosser tonnenförmiger Raum geschaffen wird, wie ihn ungefähr Fig. 2 darstellt. Gleichzeitig hat sich der Hebemuskel der Mundklappe mit con-

Ueber die Mundwerkzeuge der Schmetterlinge. 113

trahirt, so dass durch deren Hebung der Mundcanal und damit der Rüsselcanal mit dem fast luftleeren Scblundkopfe in Com- munication tritt. Da die Zähne des Oesophaguseinganges ein Ein- dringen von irgend welchen Stoffen aus dem Darm nicht ge- statten, so ist nur die eine Möglichkeit, diesen luftleeren Raum vom Rüssel her zu füllen. Der Druck der Atmosphäre treibt die Flüssigkeit im Rüsselcanal in die Höhe. Ist nun ein Theil der durch die Rinnenstifte auf Quantität und Qualität geprüften und durch die Speichelspritze mit Speichel imprägnirten Flüssig- keit in den Schlundkopf eingetreten, so beginnen die Decken- muskeln zu erschlaffen, während die Längs- und Quermuskeln sich contrahiren. Die Zusammenziehung dieser letztern beginnt vorn am Mundcanale. In Folge ihres Druckes und in Folge eigener Muskelwirkung legt sich die Mundklappe fest vor den vordem Ausgang. Die Contraction schreitet dann von Quer- muskel zu Quermuskel weiter nach hinten fort, immer die Decke nach der Schlundplatte hinabdrückend. Da ein Ausweichen nach vom nicht möglich ist, so wird die Flüssigkeit nach dem Oeso- phagus zu gedrängt und endlich, wenn die Contraction auch der hintersten Quermuskeln eingetreten, bis auf den letzten Rest in denselben hineingepresst.

Diesem ersten Acte folgt ein gleicher zweiter. Längs- und Quermuskeln erschlaffen, die Deckenmuskeln ziehen sich zu- sammen, das Oesophagusventil schliesst die hintere Oeffnung ab, die Mundklappe macht durch ihr Heben die vordere frei, und ein zweiter Strom Flüssigkeit dringt in den Schlundkopf ein. So folgt ein Act dem andern und zwar arbeitet der ganze Apparat so exact und so schnell, dass ein continuirlicher Strom im Rüsselcanale emporsteigt.

Ist dann die Nahrungsquelle erschöpft oder der Hunger gestillt, so lassen die Diagonalmuskeln der Maxillen in ihrer Spannung nach, das elastische System beginnt zu wirken, der Rüssel rollt sich von der Spitze nach der Basis fortschreitend ein, die Muskeln der Basis contrahiren sich und legen das Ganze in die Scheide der beiden Taster, die wohl dabei, wie ich hier noch bemerken will, auch Putzdienste verrichten mögen, indem ihr Haarbusch etwaige Reste von Flüssigkeit oder am Rüssel hängen gebliebene feste Partikelchen abwischt.

Diese Darstellung des Saugactes, die, weil allein den ana- tomischen Thatsachen entsprechend, die allein richtige, steht im

Arch. f. Naturgesch. L. Jahrg. 1. Bd. 8

114 P. Kirbach:

Widerspruch mit den Ansichten fast aller frühem Untersucher, welche die verschiedensten Probleme zur Losung aufgestellt haben. Während der Eine das Aufsteigen der Flüssigkeit im Rüssel als Capillaritätserscheinung auffasste, suchte der Andere das Princip der Archimedischen Schraube auf diesen Vorgang anzuwenden. Noch andere erklärten das Aufsteigen des Flui- dunis als eine Folge der Contraction der Ringmuskeln des Rüssels oder nahmen die durch Ex- und Inspiration verur- sachten Zusammenziehungen und Ausdehnungen des ganzen Körpers zu Hülfe, ja Burmeister huldigte gar der Ansicht, dass die beiden Tracheen der Maxillen die Nahrungscanäle seien, denen dann natürlich auch ein gabelförmig getheilter Oesophagus entspräche !

Doch genug hiervon! Sehen wir zum Schlüsse noch zu, ob denn der beschriebene Apparat bei allen Faltern in gleicher Ausbildung sich findet, oder ob da auch, wie in Bezug auf die äussern Mundtheile, verschiedene Abweichungen zu constatiren sind. Die Vermuthung, dass sich solche Differenzen finden, hat sich durch directe Untersuchung bestätigt.

Fast gar keine oder doch nur ganz oberflächliche Ab- weichungen im Baue des Pumpapparates zeigen die Falter mit etwas reducirtem, aber nicht völlig geschwundenem Rüssel, wie Smerinthus. Aber auch bei einigen der letzteren, bei denen wir nur stummeiförmige Maxillen treffen, ist der betreffende Apparat in normaler Weise entwickelt, wie bei Bombyx mori und lanestris, nur dass die Muskulatur der Decke etwas schwächer ausgebildet ist. Auch bei den Saturnien, von denen ich Saturnia Pyri, Carpini und Pernyi untersucht habe, konnte ich keine besonderen Verschiedenheiten bemerken, abgesehen von einigen weniger bedeutsamen. So ist bei S. Carpini die Schlundplatte nicht gewölbt, sondern eben, auch sind die Rän- der nicht aufgerichtet. Die Papillen sitzen, wie schon erwähnt, in Gruben. Die Muskeln sind etwas reducirt, auch ist die Spritz- vorrichtung des Speichelganges geschwunden.

Schon weitergehend dagegen sind die Abweichungen im Baue des Schlundkopfes bei der von mir untersuchten Telea Polyphemus. Ueber den stummelartigen Maxillen liegt als halbmondförmiger Spalt, mit der Concavität nach oben ge- richtet, die Mundöffnung. Diese führt dann in den Schlundkopf, der, wie auch in all' den übrigen Fällen, nicht mehr durch die

Ueber die Mundwerkzeuge der Schmetterlinge. 115

Mundklappo geschlossen wird. In dem der Mundöflhung am nächsten liegenden Theile desselben, der ein sehr geringes Lumen besitzt, erblicken wir unten die Schlundplatte, während die Decke durch eine äusserst faltenreiche dünne Chitinlamelle gebildet wird. An diesen vordem Theil setzt sich nach hinten ein mit weiterem Lumen versehener cylindrischer Muskelsack an von ungefähr der doppelten Länge des ersten Abschnittes, so dass der ganze Schlundkopf bei verminderter Breite an Länge bedeutend zugenommen hat. Sein hinteres Ende führt in den Oesophagus. Die Deckenmuskeln sind schwach, dagegen stark die Längs- und namentlich die Quer- und Ringmuskeln entwickelt. Besonders mächtige Ringmuskeln besitzt der vordere Abschnitt.

Liess sich hier eine Zweitheilung des ursprünglich ein- fachen Schlundkopfes constatiren, so finden wir in einzelnen wenigen Fällen auch eine deutlich durchgeführte Dreitheilung. Ein solches Verhältniss zeigt uns zum Beispiel Platysamia Ce- cropia, wovon ich zur bessern Illustrirung einen Längsschnitt in Fig. 25 dargestellt habe. Da erblicken wir denn wieder zunächst die unpaare vordere Abtheilung a mit der Schlund- platte sp als Basis und einer dicken, mit m bezeichneten Ring- muskelschicht als Decke über der von der Oberlippe lr her- kommenden runzeligen dünnen Chitinmembran. Dieser erste Abschnitt setzt sich in einen zweiten, mit b bezeichneten fort, der nach oben stärker gewölbt und nach den beiden Seiten flügeiförmig erweitert, sich nach unten zu durch eine trichter- förmige mit b, bezeichnete Ausbuchtung in den Oesophagus o fort- setzt, während er nach hinten zu in die dritte Abtheilung c übergeht, die, im Querschnitt cylindrisch, etwas schräg auf- wärts steigend, sich durch ein starkes Bündel ihrer Längsmuskeln an der Scheiteldecke des Kopfes anheftet. Dieser letzte Ab- schnitt ist besonders muskulös, ausser den Längsmuskeln finden wir auch noch zahlreiche andere, welche ringförmig verlaufen. Das Gleiche gilt von b, , während b selbst nur einen schwachen Belag von Längsmuskeln besitzt, aber einen mächtigen Muskel m2 nach der Kopfdecke schickt.

Wahrscheinlich werden sich bei weiteren diesbezüglichen Untersuchungen noch ähnliche oder andere Verschiedenheiten herausstellen; ich selbst würde solche angestellt haben, wenn ich über mehr Zeit zu verfügen gehabt hätte, so muss ich die- selben auf später verschieben.

116 P. Kirbach:

Soviel aber hat sich auch schon aus diesen kurzen Be- merkungen ergeben, dass das Grundprincip des Baues des Schlundkopfes in der Form, wie uns dieselbe bei Faltern mit wohl ausgebildeten äussern Mundtheilen entgegentritt, auch in diesen Fällen, bei verkümmertem Rüssel, gewahrt ist, indom wir es auch hier mit einem Muskelsacke zu thun haben, der durch Contraction seiner Quer- imd Längsfasern die in ihn ein- getretene Flüssigkeit in den Oesophagus übertreibt.

Literatur - Verzeichniss.

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Savigny, Memoires sur les animaux sans vertebres. Premier mem. p. 5—18.

Kirby und Spence, Einleitung in die Entomologie. Deutsch von Oken. B. I, p. 434 und B. III, p. 500.

Burmeister, Handbuch der Entomologie. B. I, p. 67 u. 380.

Newport, Insecta. B. II. p. 900 ff.

Gerstfeldt, Ueber die Mundtheile der saugenden Insecten. p. 64 74.

Breitenbach, Vorläufige Mittheilungen über einige neue Untersuchungen an Schmetterlingsrüsseln. Archiv für mikrosk. Anat. B. XIV, p. 308—317.

Untersuchungen an Schmetterlingsrüsseln. Archiv für mikrosk. Anat.

B. XV, p. 8—29.

Beiträge zur Kenntniss des Baues der Schmetterlingsrüssel. Jenaische

Zeitschr. für Naturwissensch. B. XV, p. 151 214. Burgess, The strueture and action of a butterfly's trank. The american

Naturalist, B. XV, p. 313—319. Grabor, Insecten, I. Theil, p. 154 157. Berge, Schmetterlingsbuch, p. XL

Erklärung der Figuren.

Tafel V und VI. Fig. 1. Der Schlundkopf mit seinen Muskeln, von oben gesehen, fm

Stirnmuskel; Im Seitenmuskel; dm llückenmuskel; c Clypeus;

o Oesophagus. Fig. 2. Uebersichtsbild , einen medianen Längsschnitt durch den Kopf

von Vanessa Jo darstellend, og oberes, ug unteres Schlund-

Ueber die Mundwerkzeuge der Schmetterlinge. 117

ganglion; g gangliüse Anschwellung des die Schlundkopfhiuskeln versorgenden Nerven n ; a Innenraum des Schlundkopfes ; p seine untere Platte ; k Mundklappe ; mt Längs-, rn2 Quermuskeln seiner Decke; fm Stirn-, dm Rückenmuskel; o Oesophagus; c Mund- canal; kt Oberkiefer; sp Speichelgang; die untere Partie des Bildes, den Unterkiefer darstellend, ist, um die Ansatzverhältnisse desselben zu zeigen, nicht ganz median. k2 Basis, k'2 Lade des Unterkiefers.

Fig. 3. Medianer Längsschnitt durch die vordere Partie des Schlund- kopfes zur Illustrirung der Mundklappe, a Binnenraum des Schlundkopfes ; mc Mundcanal ; lr Oberlippe ; lv Hebemuskeln der Mundklappen ; sm innere Senkmuskeln derselben; fm Stirn-, m Längsmuskeln der Schlundkopfdecke; sp Schlundplatte.

Fig. 4. Schlundplatte von Vanessa, von der Oberseite gesehen, p Papillenfelder ; pt die beiden grössern Papillen am hintern Rande; c die Criste mit ihrer Fortsetzung f nach der Kopf- wand; o Ansatzstelle des Oesophagus; fr mediane vordere Furche, die untere Rinne des Mundcanals bildend.

Fig. 5. Querschnitt durch die mittlere Partie des Schlundkopfes von Vanessa, sr Binnenraum des Schlundkopfes; p untere Platte mit den hintersten Papillen und mit p1? einer der beiden grossen Randpapillen ; c Criste; g gangliöser Zellenbelag unterhalb der Papillenfelder; sp. Speichelgang; mt seine Muskeln; d gefaltete Deckenmembran; Im die beiden Lateralmuskeln; hm Längs- und rm Quermuskeln.

Fig. 6. Querschnitt durch die Schlundplatte von Vanessa, etwas weiter nach vorn als in Fig. 5 , zur Illustrirung der Speichelspritze. p Papillenfelder; a Einbuchtung zwischen beiden; c Criste; sg Lumen des Speichelganges ; u seine untere concave, o seine obere convexe Hälfte; mt die an der Decke o inserirten Muskeln.

Fig. 7. Querschnitt durch ein grubenförmiges Papillenfeld der Schlund- platte von Saturnia Pyri. k eine einzelne Papille durchschnitten, das Endkölbchen des Nerven zeigend.

Fig. 8. Längsschnitt durch das hintere Ende des Schlundkopfes und den Anfang des Oesophagus von Vanessa, zur Darstellung der Verschlusszähne, sk Schlundkopfraum ; sp dessen untere Platte ; o Oesophagus; z Zähne.

Fig. 9. Dasselbe von Melitaea Cinxia. sk, 6p, o, z wie vorher; m Ringmuskeln.

Fig. 10. Medianer Längsschnitt durch den Kopf von Pieris, die Speichel- spritze längsgeschnitten, sg Lumen des Speichelganges ; e Lumen des Endtheiles mit der trichterförmigen Ausmündung; k Anfang der Maxillenrinne ; lr Oberlippe; sp Schlundplatte; vat Muskeln der Spritze.

118 P. Kirbach:

Fig. 11. Querschnitt durch die Basis der Maxillen von Musia Gamma. 1 Unterlippe; k2 Maxillen; m2 deren Muskeln; c Rüsselcanal; g obere Kinne des Mundganges; mj vorderste Quermuskeln des Schlundkopfes.

Fig. 12. Längsschnitt durch die Maxillenbasis von Vanessa. mt im Kopfe gelegene Muskeln; a und a' Scheidewand zwischen Kopf und Maxille; n Nerv; tr Trachee; t Seitenast derselben; m2 Basal- muskeln; 1 Uebergangsstelle der Basis in die Lade.

Fig. 13. Längsschnitt durch einen Theil der Basis und den obersten Theil der Lade der Maxille desselben Thieres zur Darstellung des Verlaufes der Ladenmuskeln. ni2 Muskeln der Basis; in3 Muskeln der Lade.

Fig. 14. Querschnitt durch dieselbe Maxille in ihrem Ladentheile. st Chitinwand der Rinne ; h untere Verschlusskörper , Randhaken ; p obere Verschlussplatten ; Wj innere Schicht, w2 äussere Schicht der Aussenfläche, letztere mit den eingelagerten Chitinkörperchen und einem Haare b; m Muskeln; n Hauptstrang des Nerven; n, kleinere Seitenäste desselben ; tr Trachee.

Fig. 15. Querschnitt durch die Rinnenwand derselben Maxille zur Ver- anschaulichung des Rinnenstiftes, c Rinnenwand; f Faserstrang s Rinnenstift; p obere, h untere Verschlusseinrichtung.

Fig. 16. Querschnitt durch dieselbe Maxille in der Nähe der Spitze, die verticalen Verschlussplatten der Oberseite zeigend, c Rüssel- canal; s Rinnenstifte; h unterer Verschluss; w Aussenfläche; m Muskeln; n Nerv; tr Trachee; tk Saftbohrer; r oberer Maxillenrand ; v verticale Verschlussplatten; z deren Zahn- verschluss.

Fig. 17. Maxillarrinne von der Fläche gesehen. Die verästelten Quer- streifen derselben sind mit st bezeichnet ; b Basis ; s Schaft des Rinnenstiftes.

Fig. 18. Untere Randhaken, a von der Seite, b von der Fläche gesehen.

Fig. 19. Oberer Verschlussapparat des Rüsselcanales in der Nähe der Spitze eines Rüssels von Pieris brassicae. r oberer Maxillen- rand; dj innere, d2 äussere Dornenreihe.

Fig. 20. Ein Stück des Rüssels von Vanessa in der Nähe der Spitze, die verticalen oberen Verschlussplatten von der Fläche zeigend, c Rüsselcanal; v die als gezähnte Leiste erscheinenden oberen Verschlussplatten.

Fig. 2 1 . Stück der Maxillenrinne von Harpyia furcula aus der Nähe der Spitze, von der Innenfläche gesehen, st Rinnenstift; d obere Vcrschlussdornen ; h dornförmige untere Verschlusshaken.

Fig. 22. Obere Verschlussplatten des Rüssels von IHeris brassicae aus der mittleren Rüsselregion, zur Darstellung der Art und Weise ihres Ineinandergreifens. a, b, c, d, e, f einzelne dieser Platten.

Ueber die Mundwerkzeuge der Schmetterlinge. 119

Fig. 23. Querschnitt durch die Maxille von Smerinthus ocellata. w mit Dornen besetzte Aussenfläche ; v Rinne mit s2, R'innenstift; s, Tastkörperchen ; tr Trachee ; n Nerv ; m Muskeln ; op obere, up untere Verschlussplatten.

Fig. 24. Ein einzelnes Tastkörperchen von Smerinthus ocellata. c Chitin- wall; f Faserstrang mit einer knopfförmigen Erweiterung an seinem obern Ende; s Schaft.

Fig. 25. Längsschnitt durch den Kopf von Platysamia Cecropia. a vor- derer, b mittlerer Abschnitt des Schlundkopfes mit b,, der trichterförmigen Ausbuchtung, die nach dem Oesophagus o führt; c hintere Schlundkopfabtheilung; sp Schlundplatte; m Längs- muskeln; mt, m2 und m3 an die Kopfdecke gehende Muskel- biindel des Schlundkopfes ; lr Oberlippe ; k2 Unterkiefer.

Fig. 26. Längsschnitt durch den Unterkiefer allein von Platysamia Ce- cropia. m Muskeln; tr Trachee; s Tastkörperchen.

Schimpanse am Tanganika.

Briefliche Mittheiluug

von

Paul Reichart.

Mpala, den 10. Juli 1883. Mündung des Sufuko, Westufer des Tanganika.

Den 17. Juni kam ich, von den Gebirgen Marungus her- niedersteigend, bei einem Dorfe, 3 Stunden nördlich von der Mündung des Mungusi (Stanleys Kassonya), am Tanganika an.

Die Berge erheben sich hier höchstens 400 m und bilden ein 6 10 m breites Hochplateau, welches sich nordwestwärts in einem Bogen in's Innere zieht und nördlich von höheren Bergzügen begrenzt ist.

An den nach dem Tanganika abfallenden Abhängen halten sich die Sako in grossen Mengen auf.

Ich blieb hier drei Tage, um den Sako zu jagen und seine Nester in Augenschein zu nehmen.

Denselben Tag noch begab ich mich in Begleitung eines meiner Diener und eines Marungu als Führer in die Berge, doch hatte derselbe eine solche Furcht vor den Affen, dass er mich unter allerhand Vorwänden bestimmte umzukehren, um mir eines der Nester der Sako zu zeigen.

Bald fand sich auch ein einzelnes in einer Entfernung von 500 m von einem Dorfe auf einem dichtbelaubten Baume, dessen Aeste sich fast unmittelbar über der Erde ausbreiteten. Es sah von unten aus wie ein grosser aus Blätterwerk her- gestellter Raubvogelhorst. Es befand sich 3 m über der Erde und hatte einen Durchmesser von 1 1,2 m.

Der Affe hatte sich einen Ast ausgewählt, den er bequem ersteigen konnte und die im Wege stehenden dünnen Zweige

Paul Reichart: Schimpanse am Tanganika. 121

abgeknickt. Das Nest war derart hergestellt, dass das Tbier die beim Erklettern zunächststehenden Zweige zuerst eingeknickt und dann andere zu sich herangezogen und ebenfalls eingeknickt hatte. Andere abgebrochene Zweige habe ich nicht bemerkt. Es schien hauptsächlich darauf anzukommen, eine dichte Unter- lage herzustellen. Nach oben war kein Schutz vorhanden und scheint darauf, wie ich auch späterhin constatiren konnte, weiter keine Rücksicht genommen zu werden, denn bald findet man Nester unter dichtem Laubdache, bald unter freiem Himmel. Das Nest war so fest, dass ich bequem darin sitzen konnte, was auf eine bedeutende Schwere des Thieres schliessen lässt.

Die Sako sitzen, wie aus obigem hervorgeht, in dem Neste und nicht wie der inDuChaillou's Werk abgebildete Troglo- dyles calvus unter demselben. Von einem regelrechten Zu- sammenbinden war keine Spur zu sehen.

Der Sako soll ein Nest nur einmal benutzen, doch glaube ich dies bezweifeln zu müssen, da ich unter den späterhin ge- sehenen Wohnstätten, wenn man so sagen darf, stets nur 2 3 neue Nester mit noch grünem Laube gefunden habe, und die Sako in Heerden von 6 20 Stück zusammen leben. Unter solchen Wohnstätten fand ich z. B. eine von 10 Nestern mit einem frischen, dann eine von etwa 50 Stück mit 2 3 frischen und die hier sich aufhaltende Bande (sie kam mir später zu Gesicht) war etwa 20 Stück stark.

Eine Bande scheint sich lange in einem kleinen Bezirke, stets in der Nähe von Dörfern, aufzuhalten, den sie allein für sich beansprucht. Innerhalb dieses Bezirkes werden die Wohn- stätten oft gewechselt und scheint dabei stets darauf Bedacht genommen zu werden, dass Wasser in der Nähe ist und die Bäume an steilen Abhängen stehen.

Die späterhin beobachteten Nester befanden sich alle 8 10 m über dem Boden und immer auf Bäumen, die nicht über schenkeldick waren. Zuweilen findet man zwei Nester auf einem Baume oder angefangene, wobei wahrscheinlich der als Basis dienende Ast, als zu schwach befunden, mit einem andern vertauscht wurde. Auch sah ich einige kleine Nester.

Leider konnte ich bis jetzt noch keine weitern Nester untersuchen, da sie zu schwer zugänglich waren oder andere Umstände mich daran verhinderten, und muss ich mir dies auf später vorbehalten.

122 Paul Reicharf.

Die wenig ausgetretenen Wege der Thiere finden sich sehr häufig und ziehen sich meist die Abhänge lang. Durch Busch oder Laubwerk führend sind die Gänge etwa 1 m hoch.

Während des zweiten Tages gegen Abend, als ich nach Sako suchend mit meinem Diener und einem Marungu in der Nähe einer Schamba (Feld) ankam, hörte ich das äusserst sonderbare Geschrei der Thiere, welche in der Schamba Mtama raubend uns offenbar bemerkt hatten und wüthend ab- zogen, ohne mir zu Gesicht zu kommen.

Es war ein teuflisch klingender Lärm, wie wenn Männer und Weiber sich boshaft zanken, untermischt mit tiefen Bass- tönen und Stimmen, dem Kindergeschrei täuschend ähnlich. Ich stand still, um dem diabolischen Getöse zuzuhören, welches unwillkürlich die Vorstellung einer wüthend abziehenden heu- lenden Bande Teufel hervorrief.

Den dritten Tag kamen mir die Sako zu Gesicht. Sie sind nach meiner Schätzung etwa 1,3 m hoch, von sehr starkem Bau. Schenkel und Arme scheinen äusserst muskulös, die Brust enorm, die Schultern breit, der Hals sehr kurz, die Arme lang. Das Fell ist langhaarig und glänzend schwarz, das Gesicht, so weit ich es beurtheilen konnte, dunkel violet. Der Schwanz fehlt gänzlich. Sie gehören augenscheinlich zu den Schim- pansen. Ich muss jedoch bemerken, dass ich diese Beobachtung nur ganz flüchtig machen konnte.

Es war eine Bande von etwa 20 Stück, Junge sah ich nicht. Zwei Marungu, welche offenbar selbst die Sako noch nicht recht gesehen, liefen trotz meines Rufens voraus, im Be- wusstsein eines sichern Schutzes, und waren so die Ursache, dass ich keinen der Affen erlegen konnte. Die Bande befand sich in einem Mtamafelde an einem steilen Abhänge und that sich gütlich. Bei unserm Erscheinen entflohen die Sako, einen tiefen Thaleinschnitt passirend, und Hessen es sich in einer gegenüberliegenden Schamba, in Luftlinie höchstens 120 m entfernt, wohl sein, ohne uns weiter zu beachten. Ich war vom anstrengenden Klettern ermüdet und ausserdem aufgeregt ob des seltsamen Wildes, die Büchse zitterte in meiner Hand und ich that einen Fehlschuss. Grosse Aufregung unter der Bande. Zwei der Sako legten beide Arme über den Kopf und Hessen sich den Abhang hinunter kugeln. Andere versteckten sich, Halme zu sich heranziehend, wie Kinder aus einem Ver-

, Schimpanse am Tanganika. 123

stecke hervorlugend. Der grösste Theil jedoch entfloh unbe- holfenen Laufes, den einen Arm etwas nach hinten haltend, mit dem andern nur wenig nachhelfend. Der grösste Theil legte den einen Arm über den Nacken und entfloh in ähnlicher Gangart. Der Kopf war bei allen des kurzen Halses und der nach vorne gebeugten Haltung wegen nicht zu sehen. Die- jenigen, welche den Arm über den Nacken gelegt hatten, sahen aus wie schwarz gekleidete Menschen, welche aus Furcht, etwas an den Kopf geworfen zu bekommen, entfliehen.

Ich schoss noch dreimal ohne zu treffen. Die Bande lief jedoch nach jedem Schusse nur etwa 100 160 Schritte und blieb stehen, sich an einem Baume aufrichtend, um nach mir zu sehen, andere verbargen sich hinter Bäumen. Auf eine Gruppe von drei aufgerichteten Sako schoss ich zweimal und duckten sie sich beim zweiten Schusse wie Menschen, ein ärger- liches Knurren ausstossend. Ausserdem hörte ich nur zweimal leise schreien. Die Scene war so sonderbar, dass ich und meine Begleiter in ein herzliches Lachen ausbrechen mussten. Das Komische der Situation wurde noch dadurch erhöht, dass sich in dem Thaleinschnitte ganz ungenirt eine grosse Bande umhertrieb in ganz bequemer Schussweite und wüthende Ge- sichter schneidend, bald uns," bald die Sako beobachtete.

Nun noch einiges aus Erzählungen von Eingebornen: Vor allen Dingen muss ich erwähnen, dass der Sako von den Ein- gebornen mehr gefürchtet wird als ein Löwe, da er einzelne Menschen unbedingt angreifen soll, besonders wenn sie sich ihm, ohne ihn zu bemerken, nähern. Es wurde zwei Tage vor meiner Ankunft am Tanganika ein Schambabesitzer von einem Sako, welchen er in seinem Felde unerwartet antraf, getödtet, indem ihm der Affe den Kopf auf einem Steine zerschmettert haben soll. Vor einigen Jahren traf ein Sako einen Schwarzen ebenfalls in einem Felde, in der Nähe von Songue (Stanleys Zongwe), packte ihn beim Beine und wollte ihn fortschleifen. Auf sein Geschrei kam Hülfe herbei und gelang es, den Sako zu tödten. Man hackte ihm eine Hand ab und brachte sie dem Häuptlinge. Die Leute wagen es nie eine Sakobande aus ihren Feldern zu vertreiben und lassen sie ruhig gewähren. Wenn in der Nähe eines Weges eine Bande ihre Wohnstätte aufschlägt, so wird der Weg, so lange die Affen da hausen, nicht betreten. Trifft Jemand mit einem Sako zusammen, der

124 Paul Reichart: Schimpanse am Tanganika.

ihn mit über die Stirn gelegtem Arme betrachtet, so muss der Betreffende, wenn er nicht schleunigst bei einem Mfumu (Me- dicinmann) Uganga (Zaubermittel) macht, mit seiner ganzen Familie sterben. Am schlimmsten jedoch ist es, wenn man einen Sako in seinem Neste schlafend antrifft. Nur schleunigste Zuhülfenahme eines Mfumu kann vom gänzlichen Verderben retten. Der Sako ist im Besitze von Zaubermitteln, mittels deren er sich unsichtbar machen kann. Beim Verlassen eines Feldes sollen sie ein höhnisches Geschrei ausstossen. Der Sako soll schlecht klettern und nur ungern einen Baum er- steigen. Abwärts steigen sollen die Affen mit den Füssen nach vorne, die Brust nach oben, einen Arm helfend unter- schieben. Die Jungen tragen sie auf dem Rücken.

Ich habe für lebende oder todte Exemplare viel Zeug ge- boten, doch wurde mein Verlangen stets mit Gelächter beant- wortet und hätte ich ebenso gut den Wunsch äussern können, man solle mir ein lebendes Nilpferd aus dem Tanganika holen.

Ueber die Verbreitung der Sako kann ich nur berichten, dass sie in ganz Marungu auf den Bergabhängen nach dem Tanganika zu bis zum Lufuko (Stanleys Rubuko) vorkommen sollen.

Ich werde mir nun als nächste Aufgabe stellen einen Sako zu erlegen und zu präpariren.

Paul Reichart.

Druck von K. Buchbinder in Neu -Kuppin.

Helniiiitkologisckes.

Von

Dr. v. Linstow

in Hameln.

Tafel VII— X.

1. Ascaris ensicaudata Zed.

Fig. 1—3.

Lippen mit Zahnleisten und Zwischenlippen, welche letz- teren 3/s der Länge der Hauptlippen haben und eine abgerun- det-kegelförmige Gestalt zeigen; die Oberlippe ist etwas breiter als lang, die Basis weniger als halb so breit wie Breite und Länge, sechsseitig; die Pulpa ist cylindrisch und endigt vorn in zwei Lappen, deren jeder zwei rundliche Vorwölbungen und einen nach aussen und hinten verlaufenden, spitz endigenden Ausläufer zeigt; die grossen Papillen sind schräg -oval, oft ist nur eine unsymmetrisch entwickelt. Die Haut besteht aus zwei starken, hyalinen Schichten, von denen die innere etwas mäch- tiger ist, die Seitenfelder sind 0,12 mm breit; der Körper ist nach hinten verschm ächtigt.

Das Männchen ist 28 mm lang und 1,02 mm breit; der

Oesophagus misst j^} der Schwanz y86 der Körperlänge; der Körper ist an der Bauchseite hinter der Cloake plötzlich ver- dünnt; die Cirren sind 0,6 mm lang, sichelförmig gebogen mit zwei breiten Flügeln, die sich im vorderen 2 Fünftel mantel- förmig nach innen schlagen. Auf der verjüngten Schwanzspitze stehen jederseits vier Papillen, die erste und zweite sowie die dritte und vierte je einander genähert, zwischen der ersten und zweiten befindet sich noch eine seitliche; hinter der Cloake

Arcb. f. Naturgesch. L. Jahrg. 1. Bd. 9

126 r)r. v. Linstow:

stehen zwei quer neben einander; dann folgt vor der Cloake eine einfache Reihe, deren Zahl nicht beständig zu sein scheint; ich zähle 13 bis 19. Die Spermatozoon sind 0,023 mm gross, kugelförmig, fein granulirt mit einer hyalinen Hülle.

Das Weibchen ist 58 mm lang und 1,8 mm breit; der conische Schwanz nimmt '/16 der ganzen Länge ein; die Vulva liegt etwas nach vorn von der Kürpermitte; sie theilt den Körper so, dass sich der vordere Abschnitt zum hinteren ver- hält wie 4 : 5. Die Eier sind 0,11 mm lang und 0,085 mm breit und zeigen an der Oberfläche eine hübsche, charakte- ristische, gitterartige Zeichnung.

Ascaris Cornicis Gmel. aus Corvus corone zeigt nun die- selben Grössenverhältnisse, dieselbe Lippenbildung, dieselben Spicula und Papillen, dieselben Eier, dieselbe Hautbildung und ist, wie eine genaue Untersuchung mir zeigte, mit A. ensicau- data identisch.

Von Ascaris crenata Zed. aus Sturnus vulgaris besitze ich zahlreiche Exemplare und habe ich mich von der völligen Identität mit A. ensicaudata überzeugt.

Ascaris heteroura Crepl. aus Charadrius pluvialis zeigt genau dieselbe Lippenbildung, dieselben Papillen des männ- lichen Schwanzendes, dieselben Spicula, dieselbe Lage der Vulva, dieselben Eier, wie auch Dujardin's Beschreibung von A. ensi- caudata mit der vorstehend gegebenen Schilderung in allen Stücken übereinstimmt.

Ascaris semiteres Zed. aus Vanellus cristatus besitze ich nur in unreifen Exemplaren ; die Lippenbildung aber stimmt genau mit A. ensicaudata, und Duj ardin, welcher geschlechts- reife Exemplare untersucht hat, macht es unzweifelhaft, dass auch diese Form mit A. ensicaudata zu vereinigen ist, wie man aus der Grösse und Form der Spicula, der Grösse und der gitterartig gezeichneten Schale der Eier, der Lage der Vulva in seiner Schilderung ') sicher schliessen kann ; ausserdem sagt derselbe: J'en ai trouve plusieurs femelles dans l'intestin du Vanneur ä Toulouse et j'ai pu constater leur parfaite identite avec un exemplaire envoye du Museum de Vienne ä celui de Paris comme trouve dans l'intestin du pluvier dore (Charadrius pluvialis).

1) Histoire des Helminthes pag. 200 201.

Helminthologisches. 127

So hätten sich denn Ascaris ensicaudata, Cornicis, crenata, heteroura und semiteres als identisch erwiesen und würde sicli fragen, welcher Name für die Art zu wählen sei. Cornicis kann wohl ausser Acht gelassen werden, heteroura ist von Creplin gegeben, so dass die 3 anderen die Priorität hätten, welche von Zeder stammen, unter denen also zu wählen wäre, und wird der Name ensicaudata, welcher durch Dujardin und Schneider am genauesten gekennzeichnet ist, den Vorzug verdienen.

Wahrscheinlich gehören auch Ascaris Gallinulae und Philo- melae aus Gallinulae chloropus und Luscinia philomela hierher, deren Untersuchung keine sicheren Resultate geben konnte, da nur Weibchen, von A. Philomelae sogar nur eins, vorhanden waren ; die Lippenbildung aber scheint mit A. ensicaudata über- einzustimmen.1) Die Wohnthiere der so charakterisirten Ascaris ensicaudata wären demnach: Turdus iliacus, Turdus pilaris, Turdus merula, Turdus musicus, Turdus saxatilis, Turdus tor- quatus, Turdus viscivorus, Sturnus vulgaris, Salicaria turdoides, Vanellus cristatus, Vanellus melanogaster, Himantopus melanop- terus, Oedicnemus crepitans, Charadrius pluvialis, Charadrius morinellus, Corvus cornix. Vielleicht gehören auch noch Aegialites hiaticula, Glareola austriaca, Corvus frugilegus, Garrulus glan- darius, Pica caudata hierher, in denen nicht näher studirte Ascaris-Arten gefunden sind.

2. Ascaris (Agamonema) capsularia Dies.

Fig. 4—7. Aussen am Darm von Trutta salar lockenförmig aufgerollt liegt dieser Nematode, und kann ich mich auf meine frühere Beschreibung2) berufen. Auch hier findet man eine Embryonal- und eine Larvenform, erstere gekennzeichnet durch den Bohrzahn am Kopfe, letztere durch die 3 dem Genus Ascaris eigenthüm- lichen Lippen, und sind in beiden keine Geschlechtsorgane entwickelt. In der Embryonalform bereits sieht man durch die Kopfhaut hindurch diese Lippen deutlich durchschimmern.

1) Württemb. natunv. Jahresh. 1879, pag. 321 322, tab. V, fig. 4—5.

2) Dieses Archiv 1878, pag. 236—237, tab. VIII, fig. 23.

9*

128 Dr. v. Linstow:

Die Larvenform ist 30 mm lang und 0,78 mm breit; die Oberlippe ist sechsseitig, Vorderrand und Basis sind schmal; man bemerkt kleine Zwischenlippen; die Hauptlippen Laben keine Zahnleisten, die Pulpa ist im vorderen Drittel verbreitert, vorn und innen mit 3 kleinen Vorsprüngen versehen, und von ihnen seitlich stehen sogenannte Löffel. Der Lippenbildung nach ist es augenscheinlich, dass Ascaris capsularia die Larven- form von Ascaris incurva aus Xiphias gladius ist.

Bei keiner Nematoden - Embryonalform ist der innere Bau wohl so gut zu studiren, wie bei diesen noch mit dem embryo- nalen Bohrzahn versehenen und also den embryonalen gleich zu rechnenden, verhältnissmässig riesigen Formen des Genus Ascaris.

Der Körper besteht nur aus Haut, Muskelschlauch, der durch 2 Seiten- und 2 Rücken- resp. Bauchfelder unterbrochen wird und dem Verdauungstract.

Die Cuticula ist dünn und zeigt auf Querschnitten eine wellige Begrenzung, die Cutis dagegen sehr mächtig. An ihrer Innenseite findet sich eine Faserschicht, von der die Muskulatur entspringt. Diese wird gebildet von langen zu Bündeln ver- einigten Lamellen, und an der Innenhälfte verschmälern sich die Bündel, um sich an eine mit dem Verdauungstract ver- wachsene Bindegewebsschicht zu inseriren, die durch sparsame Kerne gekennzeichnet ist. Die einzelnen Muskellamellen sind durch der Körperperipherie gleichlaufende Linien getheilt, welche die Primitivbündel markiren.

Die Seitenfelder bestehen aus 2 Paar Wülsten, welche die ganze Muskelschicht durchsetzen und somit den Verdauungstract berühren; auf Querschnitten zeigen sie rundliche Körper und scheinen somit aus neben einander gelagerten Cylindern zu- sammengesetzt; sie sind eine Verbreiterung der die Muskulatur umgebenden Faserschicht, mit der sie eine Masse bilden ; Anfangs schmal, werden sie in der hinteren Körperhälfte breiter und nehmen hier schliesslich % der Peripherie ein; sie scheinen elastischer Natur. Die Rücken- und Bauchlinie ist vorn wenig deutlich ; in der hinteren Körperhälfte dagegen erscheint sie ein die Muskulatur durchsetzender Bindegewebskegel, dessen Spitze nach der Aussenseite gerichtet ist. Der ganze Hohlraum des Leibes wird durch einen Verdauungstract ausgefüllt, bestehend aus Oesophagus und Darm und zwischen beiden bemerkt man

Helminthologisches. 129

einen Drüsenkörper, an den sich an der Bauchseite im vorderen Siebentel nach vorn und hinten je ein Drüsenschlauch setzt.

Der Oesophagus ist vorn von verhältnissmässig geringem Durchmesser, etwa dem Drittel des Körperdurchmessers ent- sprechend und sind hier die Muskelschicht und die Seitenfelder dementsprechend mächtiger. Der Oesophagus hat ein drei- schenkliches, nicht klaffendes Lumen, von dem starke muskulöse Scheiben ausgehen, die in der radiären Richtung stehen und die Funktion haben, das Lumen zu öffnen; dazwischen stehen sehr viel feinere Längsmuskeln.

Der Darm ist ähnlich gebaut und hat ein weniger aus- gedehntes, klaffendes dreischenkliches Lumen ; die Längsmuskeln zeigen hier auf Querschnitten ein feines, dunkles Centrum und die einzelnen Bündel der Radiärmuskeln sind durch doppelt contourirte Faserzüge getrennt.

Oesophagus sowohl wie Darm sind von einer starken Faser- schicht umgeben.

Der zwischen Oesophagus und Darm eingelagerte Drüsen- körper hat auf Durchschnitten dasselbe im Tode nicht klaffende Lumen wie der Oesophagus.

Die Drüsenschläuche sind beide von etwa gleichem Caliber; der vordere, an der Bauchseite des Oesophagus liegende, ist nur etwa halb so lang wie der an der Bauchseite von Drüsen- körper und Darm liegende ; beide sind gleich gebaut und zeigen auf Querschnitten ein nicht klaffendes lineares Lumen. Wo der hintere Drüsenschlauch aufhört, erfüllt der Darm die ganze Körperhöhle und von Geschlechtsorganen ist nichts zu bemerken.

Picrocarminsäure färbt die contractilen Muskelelemente hell- roth, den Oesophagus und die Bindegewebselemente hellbraun, den Darm dunkelrothbraun , die Bindegewebskerne roth, den Drüsenkörper und die Drüsenschläuche braun, die Haut und die Faserschicht mit den Seitenfeldern bleiben ganz ungefärbt.

Die Ascaris- Arten mit Drüsenschläuchen oder Blinddärmen, wie sie auch genannt werden, leben alle in Fischfressern; sie sind also im Darm ihrer Wirthe immer von einem sehr fett- reichen Medium umgeben, und da die in der Leber secernirte Galle bei den höheren Thieren die Assimilation des Fettes be- wirkt, so kann man diese Drüsenschläuche vielleicht als leber- artige Organe betrachten.

130 Dr. v. L in stow.

3. Ascaris spiralis Rud.

aus Strix otus. Nicht immer ist die Papillenbildung am männ- lichen Schwanzende so regelmässig, wie ich angegeben habe; so untersuchte ich ein Exemplar, das auf dem kleinen Schwanz- anhange 7 unregelmässig gestellte Papillen zeigt, während auf dem Körper davor ausser der postanalen Doppelpapille jederseits 16 präanale ganz unsymmetrisch in 2 Reihen stehen ; so ist die vorletzte vor dem Anus rechts wieder eine Doppelpapille, links eine einfache.

4. Ascaris adunca Rud.

Fig. 8. aus Alosa vulgaris. Das Männchen hat 2 gleichlange, 1,92 mm messende, vorn etwas verdickte Spicula; das Schwanzende ist 0,14 mm lang; hinter dem Anus stehen jederseits 2, daneben 1 und davor 27 Papillen in einer einfachen Reihe.

Vom Oesophagus geht nach hinten ein 0 ,6 mm langer und 0,036 mm breiter Drüsenschlauch , vom Darm nach vorn ein solcher von 0,41 mm Länge und 0,072 mm Breite bei einem 9 mm langen und 0,4 mm breiten, unreifen Exemplar; ersterer ist farblos, letzterer hat eine gelbe Farbe.

5. Ascaris Aculeati n. sp.

= Agamonenia bicolor Diesing e. p.

= Agamouema papilligeruni Diesing e. p.

Fig. 9—10.

In Kapseln in der Leber ,von Gasterosteus aculeatus lebt eine geschlechtlich unentwickelte Ascaris- Art, theils die Embryo- nal-, theils die Larvenform, die von Ascaris Eperlani verschieden ist. Die Embryonalform ist 1,6 mm lang und 0,096 mm breit,

der Oesophagus misst 3— , der Schwanz -^ der Gesammtlänge; die Cuticula ist am Kopfende sehr breit, dreimal breiter als hinten, hyalin, mit Körnchen durchsetzt; die Cutis ist sehr dick, an den Beugungsstellen mit den bekannten pfeilspitzenartigen Bildungen ; der Darm ist braun pigmentirt, der Bohrzahn stumpf, der Schwanz kegelförmig zugespitzt.

Hclminthologisches. 131

Die Larvenform wird bis 4,9 mm laug und 0,13 mm breit; vom Oesophagus entspringt ein nach hinten verlaufender Driisen-

schlauch von yi0 Körperlänge; der Oesophagus misst rj, der Darm ^ derselben. Die Haut ist sehr dick, eine Gescblechts- anlage nicht sichtbar; das Kopfende ist dreilippig; bei einigen Exemplaren bemerkt man den noch persistirenden embryonalen Bohrzahn und 2 grosse seitliche Papillen, unter der Haut aber die definitive dreilippige Bildung, und tragen die Oberlippe 2, die Unterlippen je 1 kleine gestielte Papille.

Unter Agamonema bicolor Dies, sind mehrere Larvenformen aus Süsswasserfischen zusammengefasst; von Ascaris Esperlani unterscheidet sich diese Art u. A. durch den nach hinten ver- laufenden Drüsenschlauch, da Asc. Eperlani umgekehrt einen solchen nach vorn verlaufenden neben dem Oesophagus besitzt.

6. Heterakis inflexa Rud.

Fig. 11. aus Gallus domesticus. Wegen geringer Differenzen mit Schneiders1) Darstellung ist hier das männliche Schwanzende abgebildet; die schwach gebogenen Spicula messen 1,9 mm; man findet jederseits 10 Papillen, ausserdem eine unpaare am Hinter- rande des Saugnapfes, und zwar 3 präanale, neben dem Anus resp. dahinter auf dem eigentlichen Körper 4, von denen 3 rand- und 1 bauchständig ist, auf dem Schwanzanhang 3, davon 2 rand- imd 1 bauchständig; der Saugnapf hat einen Querdurch- messer von 0;22 mm.

7. Heterakis borealis n. sp.

Fig. 12.

au3 Lagopus mutus. Länge 45 mm, mittlere Breite 1,3 mm; die Spicula sind 3,6 mm lang, das linke ist schwach gekrümmt, das rechte an der Spitze hakenförmig umgebogen. Von dem 0,34 mm im Querdurchmesser grossen Saugnapf gehen radien- förmig breite Strahlen zum Körperrande. Jederseits findet man 10 Papillen, eine neben dem Anus, die eckig vortritt, 2 präanale, davon eine nach innen von ersterer, eine dicht

1) Monographie der Nematoden pag. 70.

132 Dr. v. Linst ow:

hinter und seitlich vom Saugnapf; auf dem Schwanztheil stehen jederseits 7, 3 an der Basis, 4 weiter nach der Spitze; davon sind die 3., 5. und 7. seitlich, die anderen nach der Bauchseite gerichtet.

8. Strongylus paradoxus Mehlis.

Fig. 13.

aus den Bronchien von Sus scrofa. Das Kopfende wurde von den verschiedenen Forschern sehr verschieden beschrieben; so sagt Diesing1) „oris limbo papillis tribus exiguis", Molin2) da- gegen: „os limbo papillis magnis duabus, sphaericis, oppositis", und erst Schneider3) gab richtig an, dass der Mund von 6 Lippen umgeben ist, von denen die seitlichen die grösseren sind.

Die Bursa des männlichen Schwanzendes hat bisher noch keine richtige Darstellung gefunden; Diesing sagt: bursa biloba, lobo singulo quinqueradiato, radiis lateralibus divisis, medio simplici; Molin aber: bursa genitali terminali biloba, lobis quinqueradiatis, radiis bifidis; während Dujardin und Schneider eine Beschreibung ganz unterlassen.

Die Bursa lässt sich nicht ausbreiten und ist, da die sehr massigen Rippen sich mehr oder weniger decken, sehr schwer zu studiren; sie ist zweilappig, jeder Lappen ist durch 4 starke Rippen gestützt, von denen die 2 an der Rückenseite befind- lichen in mehrere rundliche Wülste endigen; der Körper ist in der Mitte in einen rundlichen Vorsprung ausgezogen; an den Enden einiger Rippen bemerkt man deutliche Tastpapillen. Die Cirren sind sehr lang und messen 4,6 mm; sie sind von eigen- thümlicher Construction und die sie bewegenden Muskeln sind deutlich erkennbar. Der Uterus des Weibchens enthält zahl- reiche Eier mit völlig entwickelten Embryonen, die einem hiesigen Fleischbeschauer verdächtig erschienen waren, als er nach Trichinen suchte.

9. Spiroptera Vanelli Rud.

Fig. 14.

lebt zwischen den Magenhäuten von Vanellus cristatus und scheint selten zu sein, da sie nach Rudolphi nicht wieder be-

1) Systema Helminthum II pag. 317.

2) Acrofalli pag. 591 (167).

3) Monographie der Nematoden pag. 144, tab. IX, fig. 13.

Helminthologisches. 133

schrieben ist. Eine feine Querringelung der Cuticula ist durch reihenweise gestellte glänzende Körnchen angedeutet. Der Mund ist zweilippig, mit 2 stumpfen Zähnen, von welchen letzteren jederseits eine kurze Halskrause bogig nach aussen geht; auf jeder Lippe steht eine kleine Papille, dicht dahinter bemerkt man die sehr weit nach vorn gerückte Nackenpapille. Das vorderste Neuntel des Oesophagus zeigt eine deutliche Chitin- röhre, der hintere Theil ist drüsiger Natur, das Ende bildet ein rundlicher, gegen denselben scharf abgesetzter Drüsenkörper. Der Darm ist durch dunkelbraune Körnchen braun gefärbt, der Schwanz ist abgerundet. Die Länge beträgt 5,3 mm; die Breite

0,2 mm; der Oesophagus misst g-g, der Schwanz 73 4 der Ge- sammtlänge.

10. Spiroptera Turdi Molin. = Filaria Turdi m.

Fig. 15—16.

Durch v. Dräsche '), welcher sich der dankenswerten Mühe unterzieht, die Diesing'schen und Molin'schen Nematoden-Typen von neuem sorgfältig zu untersuchen und zu beschreiben, so dass die betreffenden Species jetzt erst mit Sicherheit wiederzuerkennen sind, erfahren wir aus seiner Darstellung des Kopfendes, dass meine Filaria Turdi identisch mit Molins Spiroptera Turdi ist. Bisher ist nur die Larvenform bekannt gewesen, kürzlich aber fand ich zwischen den Magenhäuten von Turdus pilaris ein er- wachsenes Männchen, das hier beschrieben werden soll.

Die Länge beträgt 8,4 mm, die Breite 0,3 mm, die Cuticula ist regelmässig quergeringelt, die Cutis erscheint aus 2 gleich- dicken Schichten zu bestehen; das Kopfende ist ganz anders gebildet als bei der Larve; man findet hier 3 Papillen und von jeder derselben zwei hakenförmig gebogene, nach links und rechts divergirende Leisten abgehen. Die Cirren sind beide 0,2 mm lang, wenig gekrümmt und ist der rechte doppelt so breit wie der linke. Jederseits stehen 13 prä- und 4 postanale Papillen, von welchen letzteren eine seitlich gerichtet ist, während die anderen sich an der Bauchfläche finden, und ausserdem sieht man eine Doppelpapille dicht hinter dem After, zwischen Darm und Oesophagus liegt ein Drüsenkörper von '/54 Körperlänge;

1) Veihandl. d. k. k. zoolog.-botan. Gescllsch. Wien 1883, pag. 206.

134 Dr. v. Linstow:

der Oesophagus misst ^, der Schwanz '/4, derselben. Die Genera Filaria, Spiroptera, Histiocephalus, Displiaragus sind durchaus nicht sicher gekennzeichnet, und da Schneider für Filaria 4 präanale Papillen verlangt, so habe ich die hier be- schriebene Art, bei der sich 13 finden, zu Spiroptera gestellt.

11. Oxyuris stroma 11. sp.

Fig. 17. aus Mus sylvaticus. Das Männchen ist 1,5 mm lang und 0,16 mm breit; das Spiculum misst 0,079 mm; ein accessorisches Stück 0,036 mm; der Oesophagus misst j-5, der Schwanz j^ der Gesammtlänge. Das Spiculum ist gerade, das accessorische Chitinstück zeigt eine hakige Spitze. Hinter der Cloake steht jederseits eine grosse Papille, vor derselben findet man 2 blasige Auftreibungen der Cuticula und vor diesen 3 eigenthümliche, vor- ragende grosse Polster, von denen das vorderste etwa die Körpermitte einnimmt.

Das Weibchen ist 4,6 mm lang und 0,36 mm breit; die Vulva theilt den Körper so, dass der vordere Abschnitt sich

zum hinteren verhält wie 4:11; der Oesophagus misst ^ und der Schwanz '/, der Körperlänge; die Eier sind 0,14 mm lang und 0,043 mm breit. Es findet eine Embryonalentwicklung im Cöcum statt; die geschlechtsreifen Exemplare leben im Aufangstheil des Dünndarms, im Cöcum einer Maus aber fanden sich ausserdem gegen 100 unentwickelte Exemplare, die 0,58 bis 0,64 mm lang und 0,049 0,054 mm breit waren; ihr

Oesophagus mass jr-2, ihr Schwanz j-i der Gesammtlänge. 12. Oxyuris obvelata Brems.

Fig. 18.

aus Arvicola arvalis, im Cöcum.

Die Cuticula ist stark quergeringelt und fein längsgestreift, am Kopfe mehr oder weniger stark blasig aufgetrieben. Das Weibchen (die Beschreibung des Männchens vid. dieses Archiv 1879 pag. 174) ist 4,14 mm lang und 0,42 mm breit; der

Oesophagus misst ,j^, der Schwanz ^ der ganzen Länge; die Vulva theilt den Körper im Verhältniss von 13:57; die Eier

Helminthologisch.es. 135

0,1 mm lang und 0,036 mm breit; der Schwanz ist also erheb- lich länger und die Eier sind kleiner als bei der vorigen Art; die Vulva liegt weiter nach vorn und ist prominent, was bei 0. stroma nicht der Fall ist.

Die Copula scheint, wie Schneider dies von anderen Arten angiebt, sehr früh vollzogen zu werden, denn schon bei 0,36 mm grossen Exemplaren war die Vulva mit einem bräunlichen Kitt verklebt, dem Zeichen der stattgehabten Befruchtung. Die Männchen sind sehr selten und scheinen ein nur kurzes Leben zu führen.

Sehr merkwürdig war eine Pilzwucherung auf der Haut mehrerer Weibchen, die ihren Anfang am Anus nahm und von einem in den Excrementen enthaltenen Pilz herzustammen scheint, der sich auf der Cuticula ansiedelt und ausbreitet. In der Gegend des Anus fand ich ein schon mit blossem Auge sichtbares, sepiabraunes, halbeiförmiges Körperchen, das aus gleichmässigen, feinen, stark lichtbrechenden, dicht gedrängten Kügelchen zusammengesetzt ist; nach hinten verbreitet sich die Wucherung bis zur Schwanzspitze, die dadurch kolbenförmig geworden ist; die Grenzlinien der Hautringelung werden oft von dem Pilz verschont, so dass die Wucherungen ringförmig die Haut umgeben und im Contour kammförmig erscheinen. Die Bildung beginnt bei jungen Exemplaren als feiner, dünner hyaliner Ring in der Aftergegend.

Einen anderen Pilz (Panhistophyton) beobachtete Leuckart ') bei Oxyuiis vermicularis.

13. Trichosoma contortum Crepl.

fand sich lockenförmig aufgerollt im Oesophagus von Lusciola rubecula; der Oesophagus war bei beiden Geschlechtern absolut

gleich lang, beim Männchen nahm er ^, beim Weibchen g-6 der ganzen Körperlänge ein; das Rückenband enthält wenig Stäbchen und ist ^ des Körperdurchmessers, das Bauchband viel und ist rh desselben breit.

Das Männchen ist 11,6 mm lang und 0,095 mm breit, die 0,25 mm lange Cirrnsscheide ist stark bedornt.

Bei den 19,5 mm langen und 0,17 mm breiten Weibchen

1) Menschliche Parasiten II, pag. 305, I, 2. Aufl. pag. 504.

136 Dr. v. L instow:

findet man 0,062 mm lange und 0,029 mm breite Eier, deren äussere Schale mit stark lichtbrechenden Kügelchen besetzt ist. Die Art ist merkwürdig durch die Verschiedenheit ihrer Wohnthicro, in deren Oesophagus meistens unter dem Epithel sie gefunden wird: Lusciola rubecula, Lusciola tithys, Sturuus vulgaris, Corvus cornix, corone, frugilegus, monedula, Butco vulgaris, Aegialites hiaticula, Anas crecca, Larus canus, Larus ridibundus, Uria grylle, Machetes pugnax, Recurvirostra avocetta.

14. Agamonematoduni Gasterostei n. sp.

Fig. 19.

ein nicht selten vorkommender, sehr zarter, geschlechtsloser Nematode im Darm von Gasterosteus aculeatus; er ist schlank und sehr beweglich und verträgt kein Wasser ; das Kopfende ist gerade abgestutzt, das Schwanzende lang zugespitzt ; die Länge beträgt 1,02 mm; die Breite 0,023 mm; der Oesophagus nimmt

^3, der Schwanz j7-7 der Gesammtlänge ein.

15. Aganionematodum Vespillonis m.

Fig. 20.

In einem Exemplar von Necrophorus vespillo, das vor einigen Tagen gestorben und bereits in Fäulniss übergegangen war, fand ich diesen Helminthen wieder; die Länge betrug

1,6 mm, die Breite 0,05 mm; der Oesophagus mass5-y, der gerade , conische, nicht mit einer Leimdrüse am Ende versehene Schwanz ^ der ganzen Länge. Das Kopfende war abgerundet; am Scheitel stand ein helles Kuöpfchen, das den Eingang in den 0,023 mm langen Mundbecher bezeichnete. Der Darm war fein granulirt, das Parenchym war mit grösseren, hyalinen Kügelchen durchsetzt. Längs den Seiten verlief ein Band von

^1 Durchmesser der ganzen Breite, das dunkel und jederseits von einer helleren Linie eingefasst war; Geschlechtsorgane waren noch nicht entwickelt; die Bewegungen waren lebhaft.

Diese Exemplare waren gegen die früher von mir be- schriebene Form etwa um das Fünffache gewachsen; es handelt sich hier offenbar um eine freilebende Art, die den Larven- zustand in dem genannten Wirth verlebt und durch die Fäulniss

Helminthologisches. 137

geschlechtsreif wird, wie wir es von anderen Nematoden aus Schnecken und Würmern kennen.

16. Gordius aquaticus Gmel.

Fig. 21 23.

Eine sichere Art-Diagnose dieses verbreitetsten aller Gordien haben wir erst durch Villot (Monographie des Dragonnaux pag. 49); nach diesem Forscher ist die Cuticula (Epidermis) glatt, der Körper ist mit runden, weisslichen Flecken übersät, das männ- liche Schwanzende ist zweilappig, ohne Chitinkegel und Borsten, hinter der Cloakenöffnung steht eine halbmondförmige Hautfalte. Es ist klar, dass nach dieser Beschreibung, die ich völlig bestätigen kann, Meissner Exemplare von Gordius subbifurcus für Gordius aquaticus gehalten hat, denn das männliche Schwanz- ende, welches er') als zu Gordius aquaticus gehörig abbildet, gehört ganz zweifellos zu G. subbifurcus und ist mit fig. 12 daselbst völlig identisch, welche richtig auf G. subbifurcus be- zogen wird; so stimmt denn auch Meissners Diagnose von G. aquaticus (1. c. pag. 142) mit Villot's nicht überein. Ich erhielt kürzlich ein männliches Exemplar von 366 mm Länge und 0,78 mm Breite, das bei Hamburg in der Elbe gefangen ist, und in allen Punkten die von Villot angegebenen Kennzeichen hat. Durch die Cuticula (Epidermis) hindurch sieht man die sich in Winkeln von 60 resp. 120 ° schneidenden Liniensysteme der tieferen Hautschichten, ausserdem bemerkt man helle, in den- selben Winkeln sich kreuzende breitere Streifen, welche Rhomben abgrenzen, und schliesslich kleine, scharfe, schwarze, unregel- mässig vertheilte, in denselben Winkeln sich schneidende Linien. Die längsovale Cloakenöffnung zeigt einen Kranz von kleinen Papillen am Rande.

Die Embryonalform habe ich sowohl in einem Bache, der in den Ratzeburger fliesst, als auch in einem kleinen Neben- fluss der Weser bei Hameln in Limnaea ovata gefunden, und muss ich sie auf Gordius aquaticus beziehen, weil in diesen Gewässern Gordius aquaticus mehrfach, eine andere Form aber nicht gefunden ist.

Das Thier liegt kugelförmig aufgerollt von einer breiten hyalinen Schicht umgeben in dem Wohnthier; es ist 0,11 mm lang und 0,023 mm breit ; vorn ist der Körper dicker und zeigt

1) Zeitschr. f. wiss. Zoolog. VII, tab. IV, fig. 13.

138 Dr. v. Linstow.

Sägecontouren ; betrachtet man den Kopfzapfen in eingezogenem Zustande, so stehen vorn 6 etwas gekrümmte Stacheln, dahinter folgen 6 kleinere, gerade, mit gespaltenem Wurzelende, dahinter G längere, gerade, und darauf ein 0,023 mm grosser, von 3 Chitinstäbchen gestützter Bohrstachel. Mit Meissner's Schil- derung der Embryonen von Gordius subbifurcus stimmt diese Form also durchaus nicht überein. Mit Villot's Darstellung des Embryo's von Gordius aquaticus (1. c. pl. VII fig. 49) ist die hier geschilderte Form sehr wohl zu vereinigen, nicht aber mit Fig. Gl 62 pl. VIII, die auch auf G. aquaticus bezogen werden, sich von dem Embryo von G. tolosanus fig. 59 aus Cobitis barbatula aber in nichts unterscheiden, weshalb ich glaube, dass das Vorkommen der encystirten Embryonalform G. aquaticus in Cobitis barbatula durch diese Angabe nicht constatirt ist.

Wenn Villot sagt, dass alle Gordius-Embryonen ausser dem Rostellum 3 Stäbchenkränze besitzen, wie die von G. aquaticus sie in der That haben, so sind die Beobachtungen zu einer so allgemeinen Angabe wohl noch nicht ausreichend, und wenn derselbe Forscher von Grube, Leidy und Meissner sagt, ihre Figuren der Gordius-Embryonen seien tres-mediocres, imcompletes et inexactes, und die dritte Stäbchenreihe sei von ihnen über- sehen, so ist wohl noch nicht constatirt, dass bei den von ihnen gezeichneten Formen eine solche überall vorhanden war, und ohne denselben Vorwurf befürchten zu müssen, habe ich in dem mittleren Körpertheil die 8 grossen Drüsen, welche Villot hier angiebt, nicht gezeichnet, weil ich sie nicht gesehen habe. Wir hätten somit zu suchen die Embryonalform von Gordius subbi- furcus in Ephemera- Larven, die von G. grationopolensis in Chironomus, die von G. tolosanus in Cobitis barbatula und die von G. aquaticus in Limnaea ovata. Diese Schnecke würde für die letztere Art als erster Zwischenwirth anzusehen sein, als zweiter, der die grosse Larvenform beherbergt, aber verschiedene Raubkäfer und Fangschrecken, welche die genannten Schnecken leicht erlangen und fressen können, da sie in seichten Gewässern loben und nicht selten auf ausgetrockneten Stellen gefunden werden.

17. Echinorhyiichus Eperlani Rud.

Der Aussenseite des Darms angeheftet findet man in Osmcrus eperlanus zwei Echinorhynchen-Species, Echinorhynchus proteus

Helminthologisches. 1 39

und Eperlani, von denen die erstere viel häufiger im Darm gefunden wird. Dieselbe ist genau bekannt und bat meistens 17 Hakenreihen am Rüssel, übrigens aber keine Bewaffnung; anders der seltnere Ech. Eperlani. Seine Länge beträgt 4'/2 mm, die vorderen 2/s des Körpers sind blasig aufgetrieben und ist der Körper hier 1,32 mm breit; der Rüssel misst 0,24 mm, der cylindrische Hinterleib 0,58 mm; am Rüssel finden sich 20 Hakenreihen, die Calotte am Scheitel ist ohne Haken; der kurze Halstheil zwischen dem Rüssel und der Auftreibung ist ebenfalls unbewaffnet, die letztere aber mit Haken oder Dornen dicht besetzt und ebenso das äusserste Körperende ; Geschlechts- organe sind nicht entwickelt, so dass wir es wohl mit einer Larve zu thun haben.

18. Distomum echiiiatum Zed. = Distomum oxycephalum ßud.

Fig. 24.

Bereits früher') habe ich gezeigt, dass Distomum oxy- cephalum nur ein hakenloses D. echinatum sei, und meinte ich, letzteres möchte die Haken wie die Tänien die ihrigen verlieren. Dem ist nun nicht so, denn die Haken von D. echinatum unter- liegen, wie ich an im Cöcum von Anus boschas dorn, gefundenen Exemplaren fand, einer langsamen Auflösung, in ähnlicher Weise, wie Säugethierzähne cariös werden. Die Substanz an der Basis und an der Spitze schwindet und nun tritt ein allmählicher Zerfall ein, indem die Rindensubstanz immer dünner und lücken- hafter wird und sich in scheibenförmige Lamellen auflöst, bis der ganze Haken geschwunden ist.

19. Distomum heteroporum Duj.

aus Vesperugo pipistrellus. Die Länge beträgt 1 mm; die Breite 0,34 mm; der Mundsaugnapf misst 0,066, der Bauch- saugnapf 0,31 mm; die Eier sind 0,02 mm laug und 0,008 mm breit. Die Dornen der Haut sind ausserordentlich fein und nur am Rande sichtbar.

Eine Art, bei welcher der mit nach vorn gerichteter Oeffnung versehene Bauchsaugnapf etwa 5 mal grösser ist als der Mund-

1) Dieses Archiv 1873, pag. 106.

140

Dr. v. L instow:

saugnapf, haben wir in Dist. heteroporum; die Masse stimmen sehr genau mit denen Dujardin's1), und würde ich die Art nicht erwähnt haben, wenn von Beneden sie nicht leugnete. Derselbe meint2): Que Duj ardin a donne le nom de Distoma heteroporum au Distoma ä oeufs allonges, qui port le nom specifique de D. chilostomum, qu'il doit conserver; qu'il a confondu les trois especes, qui vivent communement ensemble (lima, chilostomum, ascidia). Une partie des Distoma heteroporum de Duj ardin doit se rapporter ä cette espece (D. chilostomum van Ben.). Duj ardin ä neglige d'etudier ces Vers comparativement. Son Distoma heteroporum est evidement le Distoma chilostomum ä oeufs etroits.

Van Beneden hat offenbar D. heteroporum und D. chilosto- mum nicht gesehen; was dieser Forscher unter letzterem Namen beschreibt, ziehe ich zu D. ascidia.

Bei D. chilostomum ist der Körper langgestreckt und hinter dem Mundsaugnapf in einen dünnen Hals ausgezogen ; diese Art habe ich3) früher beschrieben und sind die 4 Formen nicht schwer zu unterscheiden.

Grösse des Bauchsaugnapfes im Verhältniss zum Mundsaugnapf.

Länge und Breite der Eier mm

D. chilostomum

halb so gross; Mundsaugnapf mit 2 Längslippen.

0,031 u. 0,015

D. ascidia

fast gleich gross

0,02 u. 0,011

D. lima

fast gleich gross

D. heteroporum

fünfmal so gross

0,02 u. 0,008.

20. Distomum ascidia van Bened.

Fig. 25.

aus Vesperugo pipistrellus ; Länge 1,18 mm, Breite 0,33 mm, der Mundsaugnapf misst 0,082 mm, der Bauchsaugnapf 0,075 mm.

1) Histoire des Helminthes, pag. 402 403.

2) Mem. Acad. Belg., XL 1873, pag. 25, 27, 28.

3) Dieses Archiv 1878, pag. 225—226, tab. VII, fig. 8.

Helminthologisches. 141

Der Oesophagus ist sehr lang und theilt sich der Darm erst in zwei Schenkel, nachdem er 5/i s der ganzen Körperlänge durch- laufen hat und ist allein hierdurch von D. lima ohne Oesophagus wesentlich unterschieden. Die Dotterstöcke nehmen das vierte Fünftel des Körpers ein und werden durch die stark licht- brechenden Kügelchen des Excretionsapparates leicht verdeckt- Der Grund, weshalb die Art hier angeführt wird, ist die merk- würdige Eigenschaft, welche ich bei keinem anderen Distomum beobachtet habe, dass das Thier im Stande ist, den Mund- saugnapf soweit in den Leib zurückzuziehen, dass er hinter den Bauchsaugnapf zu liegen kommt und in dieser Lage ist die Abbildung entworfen.

21. Distomum globiporum Rud.

Fig. 26.

Die Larve lebt eingekapselt im Fuss von Limnaea ovata; die Kapseln sind nur häutig, ihre Länge beträgt 0,29 mm, die Breite 0,25 mm ; die Länge des Thiers beläuft sich in mittlerer Contraction auf 0,33—0,38 mm, die Breite auf 0,16 0,2 mm, der Mimdsaugnapf misst 0,066 mm, der Bauchsaugnapf 0,098 mm. Die unbedornte Haut ist am vorderen Körpertheil quergefaltet, hinter dem Buchsaugnapfe liegt eine grosse, kugelförmige An- häufung glänzender Kügelchen. Wagener1) giebt an, diese Form frei in der Leber von Limn. stagnalis gefunden zu haben ; vielleicht hat er unbewusst die zarte, membranöse Kapsel bei der Präparation zerstört. Noch ist nicht bekannt, welche Cer- karie auf diese Form zurückzuführen ist, die auch in Succinea Pfeifferi vorkommt.

22. Distomum Gyrini n. sp.

Fig. 27—28.

eingekapselte Larven aus Kaulquappen von Rana temporaria; die kugelförmigen, membranösen Cysten haben einen Durchmesser von 0,25 mm, das Thier selbst ist 0,49 mm lang und 0,3 mm breit; der Mundsaugnapf misst 0,101, der Bauchsaugnapf 0,082 mm. Die Haut ist bewaffnet, der Schlundkopf deutlich, der Darm nicht sichtbar. Der Bauchsaugnapf liegt etwa in der Körper-

1) Natuurkundige Verhandelingen , Haarlem 1857, pag. 103, tab. XXIII, fig. 1.

Arcb. f. Naturgesch. L. Jahrg. 1. Bd. 10

142 Dr. v. L instow:

mitte, hinter demselben bemerkt man die grosse Endblase des Excretionsgefässsystems, in deren Wandung kleine, stark licht- brechende Kügelchen ziemlich regelmässig vertheilt stehen. In einer Cyste fand sich der abgeworfene Cerkarienstachel , der 0,036 mm lang ist und eine Verdickung am vorderen Drittel zeigt. Wahrscheinlich gehört die Form zu Cercaria ornata und Distomum clavigerum.

23. Cercaria Limnaeae ovatae n. sp.

Fig. 29.

In Sporocysten von beträchtlicher Länge sie werden bis 3,2 mm lang und 0,48 mm breit findet sich diese Cerkarie; der Körper, welcher äusserst feine, parallele, sich kreuzende Linien zeigt, in denen Stacheln nicht zu erkennen sind, ist 0,31 mm lang und 0,25 mm breit; der Schwanz hat 0,16 mm Länge und 0,059 mm Breite; der Mundstachel misst 0,029 mm, der Mundsaugnapf 0,1 und der Bauchsaugnapf 0,069 mm, hinter letzterem finden sich 2 helle Blasen. Die Sporocysten ver- mehren sich durch Abschnürung; so fand ich ein so getheiltes Exemplar, das in der einen Hälfte 3, in der anderen 4 Cer- karien enthielt.

24. Cercaria nodulosa m.

Fig. 30—32.

aus Paludina impura. Das Thier ist sehr schwer zu beobachten, weil es lebend in beständiger Bewegung ist, todt aber sofort Sarcodetröpfchen austreten lässt und ganz unkenntlich wird. Der ganze Körper ist fein bedornt, die mittlere Länge beträgt 0,21 mm, die Breite 0,086 mm, der Schwanz ist 0,11 mm lang und 0,017 mm breit, der Mundsaugnapf misst 0,046 mm, der Bauchsaugnapf 0,026 mm, der etwas hinter der Körpermitte liegt. Um den Bauchsaugnapf herum liegen grosse gekernte Drüsen, die ihr Secret, aus dem die dickwandige Kapsel ge- bildet wird, in 4 geschlängelte Gefässe ergiessen, welche neben dem Bohrstachel mit ebensoviel kreisförmigen Oeffnungen nach aussen münden. Am hinteren Ende des Mundsaugnapfes liegen die symmetrischen, getheilten, birnförmigen Organe, welche ich in meiner ersten Beschreibimg1) nicht ganz richtig dargestellt

1) Dieses Archiv 1873, pag. 1 7, tab. I.

Helminthologisches. 143

habe. Das sehr dehnbare Organ, welches alle Formverän- derungen des Körpers mitmacht, besteht aus zweimal zwei mit einander verbundenen, birnförmigen Theilen, von denen Aeste nach vorn abgehen, um hier in einander überzugehen. Die Verbindungsstelle aber liegt in der Körperoberfläche und zwar an der Bauchseite, vor der Spitze des Bohrstachels, wie man es bei der Seitenlage des Thieres sieht, tritt aber nicht, wie man, wenn man das Thier in der Rückenlage untersucht, meinen sollte, an die Basis des Stachels. Nach hinten zu sind die beiden Hälften des Organs durch eine Quercommissur verbunden und stellt es so einen geschlossenen Ring dar, der sich in der weiteren Entwicklung beim Distomum nach aussen stülpt, um den Rand des Mundsaugnapfes zu bilden.

25. Taenia brevis n. sp.

Fig. 33—34.

aus Charadrius pluvialis. Die Tänie ist kurz, aus wenigen Gliedern bestehend und die Entwicklung der Geschlechtsorgane beginnt schon in der 7ten Proglottide; die Länge beträgt 4,2, die grösste Breite 1,6 mm; mehr als 12 Proglottiden werden nicht gefunden ; das Rostellum ist 0,22 mm lang, die Saugnäpfe haben einen Durchmesser von 0,2 mm, die Haken, deren Zahl ich nicht angeben kann, da sie sehr hinfällig sind, messen 0,023 mm. Der Scolex ist queroval, die Kalkkörperchen sind sehr zahlreich. Die Geschlechtsöffnungen stehen regelmässig abwechselnd und zwar sind sie nicht rand-, sondern flächen- ständig; sie münden 0,04 mm vom Rande entfernt in einen kleinen Trichter auf einer halbkugelförmigen Erhabenheit. Die Excretionsgefässe sind sehr starkwandig und stark geschlängelt, ihre Wandungen sind mit stark lichtbrechenden, dicht gedrängten Kernen durchsetzt.

26. Taenia tenuicollis Rud.

Fig. 35.

aus Poetorius putorius. Die Länge der Tänie, welche Dujardin auf 12 21 mm angiebt, erreicht 100 mm, die Breite beträgt hinten V/3 mm, die letzten Proglottiden sind 3'/2 mm lang> die Cirren 0,43 mm. Die dickschaligen Eier sind 0,024 mm lang und 0,023 mm breit. Die Haken stehen in 2 Reihen, die

10*

144 Dr. v. Linstow:

Form ist aber nicht, wie die bisherigen Beschreiber angeben, in beiden Reihen gleich, sondern die der äusseren Reihe messen 0,024, die der inneren 0,021 mm und fehlt bei ersteren an der Innenseite die winklige Einziehung.

Erklärung der Abbildungen.

Fig. 1. Oberlippe von Ascaris ensicaudata.

* 2. Männliches Hinterleibsende derselben Art.

* 3. Ei derselben.

o 4. Oberlippe der Larve von Ascaris capsularia.

* 5. a. Oesophagus, b. Drüsenkörper, c. Darm, d. vorderer, e. hinterer

Drüsenschlauch derselben Art. » 6. Querdurchschnitt durch dieselbe Art. a. Cuticula, b. Cutis, c. Perimysium, d. Muskeln, e. Bindegewebe, f. vorderer Drüsen- schlauch, g. Seitenwülste, h. Hülle des Oesophagus, i. Muskulatur des Oesophagus, k. Rückenlinie.

* 7. Querdurchschnitt durch den Darm derselben Art.

s 8. Männliches Schwanzende von Ascaris adunca von der Seite. => 9. Kopfende der Embryonalform von Ascaris Aculeati von der Seite.

* 10. Kopfende derselben im Uebergange in die Larvenform von der

Bauchseite, a. Embryonaler Bohrzahn, b. embryonale Papillen;

1. durchscheinende Oberlippe, 2. Unterlippe der Larvenferm. « 11. Männliches Schwanzende von Heterakis inflexa. » 12. Männliches Schwanzende von Heterakis borealis. » 13. Männliches Schwanzende von Strongylus paradoxus.

* 14. Kopfende von Spiroptera Vanelli.

* 15. Kopfende und

* 16. Männliches Schwanzende von Spiroptera Turdi.

* 17. Männliches Schwanzende von Oxyuris stroma. a. blasige Auf-

treibungen der Cuticula, b. Polster, c. Papille, d. Spiculum, e. accessorisches Stück.

* 18. Weibliches Schwanzende von Oxyuris obvelata mit Pilz-

wucherungen.

» 19. Kopfende von Agamonematodum Gasterostei.

■» 20. Kopfende von Agamonematodum Vespillonis.

» 21. Embryonalform von Gordius aquaticus.

e 22. Männliches Schwanzende derselben Art.

« 23. Cloakenmündung derselben, stärker vergrössert.

» 24. In der Auflösung begriffene Kopfhaken von Distomum echinatum.

* 25. Distomum ascidia, a. Mund-, b. Bauchsaugnapf.

Helminthologisches. 145

Fig. 26. Larve von Distomum globiporum.

* 27. Distomum Gyrini.

« 28. Cercarienstachel desselben.

* 29. Cercaria Limnaea ovatae mit stärker vergrössertem Stachel.

* 30. Cercaria nodulosa.

* 31. Kopfende derselben von der Seite, a. birnförmiges Organ. » 32. Birnförmige Organe von der Bauchseite.

* 33. Taenia brevis.

* 34. Haken derselben.

* 35. a. grösserer, b. kleinerer Haken von Taenia tenuicollis.

Beiträge zur Kenntniss des Baues und der Funktionen der Insektenbeine.

Von

Dr. Fr. Dahl

in Kiel.

Tafel XI— XIII.

Einleitung.

In der ausserordentlich umfangreichen Literatur über In- sekten finden wir eine Menge von Notizen über die Beine der- selben; denn in fast jeder ausführlichen Beschreibung eines Thieres wird auch der Beine desselben gedacht. Dennoch befindet sich unsere Kenntniss des Insektenbeines noch auf einer recht niedrigen Stufe. Die Gründe dieser eigenthümlichen That- sache sind vielleicht folgende: Einerseits sind die allermeisten Schriften entomologischen Inhaltes rein systematischer Natur. Die Systematiker aber geben meistens nur eine Beschreibung der äussern Theile, die oft auch nur recht oberflächlich ist. Manche benutzen wohl nicht einmal ein Mikroskop dazu. Eigenthümlichkeiten führen sie wohl an, um Familien, Gattungen und Arten zu charakterisiren. Dagegen liegt es ihnen gewöhnlich fern, eine physiologische Erklärung derselben zu geben.

Aber auch diejenigen Entomologen, die sich mit dem ana- tomischen Bau und der Physiologie der Insekten beschäftigten, wandten ihre Aufmerksamkeit stets mehr dem axialen Theile zu, während die Extremitäten oft ganz unberücksichtigt blieben; sei es, dass man sie mit Unrecht für weniger wichtig hielt, oder dass man ihren Bau für zu einfach ansah, um einer näheren Untersuchung werth zu sein. Nur einige wenige Werke giebt

Dr. Fr. Dahl: Beiträge zur Kenntniss des Baues etc. 147

es, welche etwas näher auf diesen Gegenstand eingehen, aber dies mit so wenig Glück, dass mir eine specielle Arbeit über Insektenbeine am Platze schien.

Unberücksichtigt lasse ich Organe, die sich ausser an andern Körpertheilen nur nebenbei auch an den Beinen finden, wie z. B. die chordotonalen Sinnesorgane Grabers (vgl. Archiv für mikroskopische Anatomie. Bd. XX, 1882).

Bei der histologischen Untersuchung der Beine verwendete ich als Färbemittel überall mit dem besten Erfolge die von Grenacher vorgeschlagene Hämatoxylin-Mischung. Die Kern- färbung ist bei den meisten Insekten eine recht gute. Um da- gegen Chitinmassen zu färben benutzte ich in Alkohol lösliches Fuchsin.

Eine kurze geschichtliche Uebersicht der Literatur werde ich den einzelnen Punkten meiner Arbeit vorausschicken, da die meisten Werke und Abhandlungen unsere Kenntniss des Insektenbeines nur in einer ganz bestimmten Richtung förderten. Nur die Werke derjenigen seien hier erwähnt, welche ein Kapitel speciell dem Insektenbeine gewidmet haben und zwar dem innern sowohl als dem äussern Bau derselben.

H. Strauss-Du rekkeim, Considerations generales sur l'anatomie comparee des Animaux Articules. Paris, 1828.

G. Newport, Insects. In Todd's Cyclopaedia. Bd. II, 1839, pag. 931.

H. Burmeister, Handbuch der Entomologie. Berlin, 1832—55, Bd. I, pag. 106 ff, 260 f und 281 f.

V. Grab er, Der Organismus der Insekten. München, 1877, pag. 157 ff.

Was nun schliesslich das von mir verwendete Material anbetrifft, so habe ich mich fast ausschliesslich auf deutsche Insekten beschränkt, weil ich diese allein lebend beobachten konnte, während man bei manchen, allerdings recht eigentüm- lichen, exotischen Formen allein auf die dürftigen Mittheilun- gen über ihre Lebensweise angewiesen ist.

Die Arbeiten wurden im zoologischen Institut hierselbst ausgeführt, wo mir Herr Professor Dr. K. Möbius immer mit seinem Rathe zur Seite stand. Ich benutze die Gelegenheit, um ihm für die vielen Bemühungen, denen er sich meinetwegen immer mit der grössten Bereitwilligheit unterzog, meinen tief- gefühlten Dank auszusprechen.

148 Dr> Fr< Da hl: Beiträge zur Kenntniss des

Allgemeines über den Bau des Insektenbeines.

1. Aeusserer Bau.

Ich hätte es kaum für nöthig gehalten, näher auf die all- gemeine Form der Kerfbeine einzugehen, wenn nicht einer unserer bedeutendsten Entomologen bei Betrachtung dieses Gegenstandes zu ganz eigenthümlichen Resultaten gekommen wäre. Ich meine Grab er, in seiner Schrift „Organismus der Insekten". Es heisst dort pag. 164 folgendermassen: „Be- trachten wir nun die Kerfbeine zunächst als Träger und Stütz- pfeiler des Stammes, so wird man zugeben müssen, dass sie zu diesem Behufe kaum glücklicher organisirt sein könnten. Indem das Körpergewicht von der Hüfte auf den Schenkel, von diesem auf das Schienbein und endlich auf den Fuss übertragen wird, findet jedesmal, da die stabförmigen Beinabschnitte schräg gegeneinander gestellt sind, eine Zerlegung der drückenden Last in zwei Componenten statt, wovon die eine, weil in die Längsaxe des betreffenden Hebels fallend, für das benachbarte Glied verloren geht, so dass schliesslich der Fuss einen verhältnissmässig geringen Druck auszuhalten hat, seine Kraft also für die Vorwärtsbewegung aufsparen kann."

Man kann dem gegenüber zunächst anführen, dass sechs Beine den ganzen Körper tragen müssen, jedes also genau ein Sechstel desselben, mögen sie nun senkrecht oder schräge gestellt sein, d. h. wenn die Last gleichmässig vertheilt wäre, was allerdings nicht genau der Fall ist. Den nahezu sechsten Theil der Last muss jedes Glied tragen und demnach auch das Endglied, wenn dieses allein auftritt, wie es bei vielen Insekten geschieht. Eine allzuschräge Stellung hat sogar zur Folge, dass das Bein dem Zerbrechen in höherem Grade ausgesetzt ist; denn nach bekannten Gesetzen der Physik ist ein Zerbrechen am wenigsten möglich, wenn ein Druck genau in der Längs- richtung auf einen Stab wirkt. Der Fehler, den Grab er in seiner mechanischen Darstellung macht, ist der, dass er die Verlegung des Angriffspunktes einer Kraft mit einer Kraftzerlegung verwechselt.

Ein Vortheil, der durch die schräge Stellung erreicht worden ist, ist ein sehr stabiles Gleichgewicht. Allerdings ist

Baues und der Functionen der Insektenbeine. 149

dasselbe, wie wir es jetzt bei den Insekten vor uns haben, weit stabiler als z. B. bei den Säugethieren. Dies ist aber auch nöthig, weil fast alle Insekten auf Klettern angewiesen sind. Das Klettern besteht überall, um mich eines Turnerausdruckes zu bedienen, mehr oder weniger in einem Hangeln, d. i. das Thier bewegt sich vorwärts, indem es immer gewissermassen an dem Gliede oder den Gliedern hängt, mit welchen es sich angeklammert hat. Bei den wahren Kletterern unter den Säuge- thieren, den Faulthieren und Affen, sind zu diesem Behufe die Gelenke der Beine äusserst excursionsfähig. Einer so voll- kommenen Beweglichkeit treten aber bei den Insekten ver- schiedene Schwierigkeiten entgegen. Einerseits ist bei einem äussern Skelet nicht eine gleiche Excursionsfähigkeit der Gelenke möglich, wie bei einem innern Skelet, und andererseits setzt die Bewegung einen complicirten Muskelbau voraus. Es musste also hier derselbe Zweck durch ein anderes Mittel erreicht werden und das ist die schräge Stellung der Beine. Man kann diesen Bau als eine noch vollkommenere Klettereinrichtung be- zeichnen, als den der genannten Wirbelthiere ; denn dem Insekt ist es vollkommen einerlei, in welcher Richtung es über eine senkrechte Fläche hinläuft, ob mit dem Kopfe nach oben, unten oder seitwärts, es hängt immer an zwei oder drei nach oben gerichteten Beinen und die unteren sowohl als auch die Schienen- enden der nach oben gerichteten Beine müssen besonders nur als Stütze gegen die Fläche dienen.

An dieser Stelle wollen wir uns auch die Frage vorlegen, worin denn die constante Sechszahl der Beine ihren Grund habe. Auch diese Zahl steht mit der Function als Kletterorgan in Beziehung. Einerseits können 6 Beine ziemlich nach allen Richtungen ausgebreitet werden und sie lassen daher die Mög- lichkeit zu, dass der Körper beim Laufen auf einer senkrechten Platte in allen Fällen wenigstens ein Bein in einer fast senk- rechten Lage nach oben hat. Andererseits ist es aber auch wichtig, dass immer wenigstens drei Füsse bei einem solchen Kletterer angeheftet sind. Da die Zahl drei die kleinste ist, welche ein stabiles Gleichgewicht ermöglicht, so ist sechs als Bein- zahl für ein Kletterthier dieser Art das Minimum, das noch voll- kommen den Anforderungen entspricht und desshalb von einer so grossen Thierklasse, wie sie die Insekten bilden, erreicht wird.

Das Fehlen eines der drei Beinpaare ist allerdings nicht

150 Dr. Fr. Dahl: Beiträge zur Kenntniss des

unmöglich. Es zeigen uns das die Tagschmetterlinge, die fast ausschliesslich zu Flugthieren geworden sind und deshalb die Beine nur noch zum Anhängen gebrauchen. Bekanntlich besitzt eine grosse Abtheilung unter ihnen verkümmerte Vorderbeine. Oft sind dieselben sogar soweit reducirt, dass man sie kaum noch unter den Schuppenhaaren des Körpers erkennen kann. Man sieht hier, wie leicht ein Paar durch Nichtgebrauch ver- kümmern kann, da andere Falter, die mit jenen äusserst nahe verwandt sind, vollkommene Beine haben. Sie stehen in ihrer Lebensweise einander sogar so nahe, dass es schwierig wird, zu erkennen, weshalb denn die einen die Vorderbeine besitzen, während sie den andern fehlen. Da das Fehlen beim Männchen anhebt ich erinnere nur an Nemeobius Lucina L. , so kann man vielleicht vermuthen, dass sie bei den andern verwandten Gattungen bei der Brutpflege Verwendung finden. Auch einige Dipteren scheinen ein Paar ihrer Beine fast gar nicht mehr zum Gehen zu gebrauchen. Wenn z. B. Culex pipiens L. sitzt oder geht, so hat sie die Hinterbeine immer in der eigenthümlich erhobenen Lage, welche sie beim Fluge einnehmen und nur bisweilen werden sie beim Laufen noch mit verwendet. Hier würden vielleicht schon die stärkeren Hinterbeine verkümmert sein, wenn nicht dadurch der Schwerpunkt verlegt würde und so weitgreifende Veränderungen in der ganzen Organisation des Thieres nöthig wären. Zum Balanciren sind sie also wohl noch da. Unmöglich ist indessen auch nicht, dass sie als feines Tast- organ fungiren wie die Vorderfüsse der Chironomus- Arten.

Die Zahl der Tarsenglieder wechselt bekanntlich, doch ist ein sehr vorwaltendes Maximum die Zahl fünf. Es sind in dieser Zahl entschieden keine Verwandtschaftsbeziehungen zu suchen, da Abweichungen in nahestehenden Gruppen nicht selten sind. So haben wir unter den Staphylinen sowohl als unter den Pteromalinen Gruppen mit verschiedener Zahl der Tarsenglieder, obwohl sie im Uebrigen doch in eine Familie vereinigt werden müssen. Wir haben also die Zahl fünf wohl als ein äusserst günstiges Maximum anzusehen. Einige Autoren haben aus den fünf Gliedern sechs machen wollen, indem sie die Krallen mit den oft dazwischen befindlichen Haftorganen als besonderes Glied ansahen. Dahinzu müsste man dann wohl die später zu be- trachtende Streckplatte nehmen. Diese Annahme kann auch voll- kommen zugegeben werden, man müsste nur den Begriff eines

Baues und der Functionen der Insektenbeine. 151

Tarsengliedes etwas weiter fassen. Im Ganzen ist es indessen doch vollkommen gleichgültig, ob man sich dieser oder jener Ansicht zuneigt und mit Gründen, die man für die eine oder andere beibringt, ist im Grunde genommen nichts gewonnen. Ge- netisch sind entschieden die Krallen als bewegliche Haare oder Borsten aufzufassen und vielleicht auch die Haftläppchen.

B. Innerer Bau.

Der erste, der bei seinen anatomischen Untersuchungen an Insekten auch den Bau der Beine berücksichtigte, war Strauss- Durckheim (1. c. pag. 105 ff.) Er giebt uns eine Darstellung der Muskulatur, die allerdings, wie es der ziemlich schwierig zu untersuchende Gegenstand, bei den damaligen Hülfsmitteln schon erwarten lässt, etwas fehlerhaft ausfallen musste. Sie ist aber bis heute noch in fast keiner Weise berichtigt worden. Er nimmt einen flexor und extensor der Krallen, der Tarsen, der Schiene und des Trochanters an; ferner einen abductor des Trochanters. Der flexor der Tarsen sollte sich als Sehne am Grunde der Krallen ansetzen und der extensor im Metatarsus. In Betreff der Kritik dieser Darstellung kann ich auf meine eigene Ausführung verweisen.

Newport (1. c. pag. 934) giebt nur das von Strauss Durckheim Gesagte wieder.

Burmeister (1. c. pag. 260 und 281 ff.) geht namentlich etwas näher auf die Gelenkverbindungen ein. Er rechnet zu seinem gynglimus das Hüft-, Trochanter-, Schenkel- und Schienen - gelenk und zu seiner arthrodia das Gelenk des Tarsengliedes, indem er das ganze Ende als Gelenkfläche ansieht. Der Muskel im Trochanter soll nach ihm das Bein heben.

Langer giebt in „den Denkschriften der Academie der Wissenschaften" (Bd. XVIII, Wien, 1860, pag. 99 ff.) eine ein- gehende Darstellung der Gelenke der Arthrozoen. Er erklärt alle Gelenke für Charniere. Bei den Tarsengliedern seien allerdings die Endpunkte der Axe undeutlich. Der Trochanter soll nur Epiphysentheil des Schenkels sein.

Tuffen West meint (Transact. of tho Linn. Soc. of London, 1862. Vol. XXIII, pag. 414 f.), dass die Fäden die an die Haare in den Beinen der Insekten treten, nicht Nerven sondern Muskeln seien. Eine Ansicht, die nur einer aussprechen kann, der so wenig Histologe ist wie er.

152 Dr. Fr. Dahl: Beiträge zur Kenntniss des

Targioni Tozetti (Bullet. Soc. Entom. Ital. T. I, pag. 130) findet in den Schienen von Gyrmus natatur L. nur einen Muskel, den er als extensor deutet.

Liebe (Programm des Gymnasiums zu Chemnitz 1873) giebt eine Darstellung der Gelenke bei den Insekten und geht auch kurz auf die Beingelenke ein.

Grab er (1. c. pag. 151 ff.) scheint selbst das Bein unter- sucht zu haben, schliesst sich aber in Darstellung der Musku- latur eng an Strauss-Durckheim an.

Ich beginne meine Darstellung des Baues mit der der Muskeln und Gelenke und wende mich zunächst den Tarsen- gliedern zu (Fig. 1).

Die Muskulatur im Endtheil des Beines ist bei weitem nicht so complicirt, wie man geglaubt hat, und wie man es auch aus der Zahl der beweglichen Gelenkverbindungen schliessen sollte. Sind doch selbst manche haarförmigen Theile, so namentlich die Schienensporen beweglich eingelenkt. Die Gesammtheit der Tarsenglieder, die meist aus 5 gelenkig verbundenen Stücken, oder wenn man die Krallen einrechnet, aus 6 Stücken besteht, wird nur durch 2 Muskeln in Bewegung gesetzt. Der eine von ihnen greift am Grunde der Krallen an und der zweite am Grunde des ersten Tarsengliedes. Betrachten wir davon zunächst den Krallenbeuger, den wir auch flexor tarsorum ungidumque communis nennen können, mit den zugehörigen Gelenken.

Die Krallen selbst besitzen, jede auf ihrem Wurzelende, ein kleines Grübchen. Mit diesem sind sie je auf einem kleinen Höckerchen der äussern Chitinhülle, unabhängig von einander beweglich, eingelenkt. An ihrer ventralen Seite, basalwärts haben sie einen Vorsprung, der durch eine elastische Haut mit einer medianen Chitinplatte (Fig. 2 st.) der Streck platte, wie ich sie aus gleich zu erörternden Gründen nennen will, in Ver- bindung steht. Die Streckplatte senkt sich in das häutig ge- schlossene Ende des letzten Tarsengliedes ein. An ihrem Grunde ist, etwas beweglich, die Sehne des Krallenbeugers (Fig. 2 s.) angeheftet. Diese Sehne geht durch alle Tarsenglieder (Fig. 1 s.) und tritt in die Schiene über. Die einzelnen Tarsenglieder sind, in einfachster Form, fast walzige Röhren aus fester Chitinmasse, die nach dem Grunde hin enger werden und sich hier mehr oder weniger in das nächstvorhergehende Glied einsenken können. Alle Glieder stehen durch biegsame Gelenkhäute mit einander

Baues und der Functionen der Insektenbeine. 153

in Verbindung. Das engere Ende der Röhre ist aber nicht gerade abgeschnitten, sondern trägt an der dorsalen Seite einen Vorsprung (Fig. 3 z), der namentlich bei schlanken und dünnen Beinen, z. B. denen der Tipuliden, eine bedeutende Länge erreicht. Das Ende dieses Vorsprungs oder Zapfens ist ein wenig nach hinten gebogen und abgerundet. Dem Zapfen ent- sprechend befindet sich in der Nähe des distalen Endes des nächst vorhergehenden Tarsengliedes, im Innern, an der dorsalen Seite ein breiter Ansatz, der eine runde Grube für das Ende des Zapfens trägt. Der Zapfen kann allerdings kürzer werden, indem die ganze Röhre sich tiefer in das vorhergehende Glied einsenkt und oft, z. B. bei manchen Coleopteren sogar etwas halsförmig abgeschnürt ist. Doch ist derselbe auch hier meist als deutlicher Vorsprung sichtbar und scheint von Langer (1. c. pag. 126 und Fig. 38) nur übersehen zu sein. Andererseits kann der Zapfen dadurch kürzer werden, dass das ganze Glied sich verbreitert und verkürzt. Die Spitze des Zapfens ist dann oft abgestutzt und kann sogar ausgerandet sein, wie z. B. bei manchen Orthopteren. Nicht selten kommen bei den einzelnen Gliedern verschiedene Formen der Gelenkverbindung vor (Fig. 3), so ist der Zapfen namentlich am ersten Tarsengliede gewöhnlich sehr kurz und wird dann sogar vom ventralen Theile überragt. Möge der Zapfen aber auch geformt sein wie er wolle, oder selbst fast ganz fehlen, die entsprechende Wirkung zeigt sich immer in derselben Weise und diese ist folgende: Wenn sich der Muskel des Krallenbeugers contrahirt und einen Zug auf die Sehne ausübt, so müssen die Tarsen immer nach unten gebogen werden, weil oben zwei Chitinränder aufeinander stossen und ein weiteres Zurückweichen verhindern.

Auf die Krallen und die Tarsenglieder wirkt allein der Muskel der genannten Sehne. Wenn man trotzdem andere Muskeln gefunden haben will, so hat das darin seinen Grund, weil man einen den Wirbelthieren analogen Bau vermuthete und in Folge dessen wahrscheinlich Theile der Gelenkhaut für Muskeln hielt. Grab er sagt auch geradezu, dass sie sehr schwer zu präpariren seien. Hat man sich übrigens nur von der Form der Gelenke überzeugt, so sieht man sofort ein, dass gar keine Streckmuskeln angreifen können. Wenn unter den vorhandenen Theilen ein Muskel sich befinden sollte, so müsste es eben die

154 Dr. Fr. Dahl: Beiträge zur Kenntniss des

Gelenkhaut sein, welche sich zwischen der Einlenkung der Krallen befindet. Nach der früheren einfachen Präparirmethode konnte man hier wohl zweifelhaft bleiben. Färbt man aber mittlere Längsschnitte der Füsse mit Hämatoxylin, so bekommen die Muskelbündel mit ihrer starken Querstreifung und ihren centralen Kernreihen ein so charakteristisches Aussehen, dass sie mit einer Chitinhaut nicht zu verwechseln sind.

Es drängt sich uns jetzt die Frage auf, wodurch denn alle übrigen Fussmuskeln entbehrlich oder gar überflüssig werden.

Der Beugung der Krallen, um wieder mit diesen zu be- ginnen, setzt sich scheinbar gar keine feste Schranke entgegen, und ihre Excursionsfähigkeit ist auch in der That eine recht bedeutende. Anstatt der gesuchten festen Hemmung finden wir aber eine nachgiebige, die zugleich die Functionen eines Krallenstreckers übernimmt. Es ist dies die schon erwähnte Streck platte (Fig. 2 st.), die wir demnach auch stipes extensor unguium nennen können. Sie bildet eine schmale Chitinplatte, die am distalen Ende meist abgestutzt ist und sich als eine weichere Haut fortsetzt. An den Seiten steht sie hier mit dem ventralen Höcker der Krallen durch eine Gelenkhaut in beweg- licher Verbindung. Am proximalen Ende ist sie dicker, stark gewölbt, gerundet und in der Mitte mit einer Auskerbung ver- sehen, in welcher die Sehne beweglich befestigt ist. Nach der ventralen Seite hin ist sie vollkommen von dem Körper des letzten Tarsengliedes getrennt und steht nur an den Seiten durch eine faltige Haut mit den Seitenwänden des Gliedes in lockerer Verbindung (Fig. 4 g). Wird nun die Sehne durch den Muskel gespannt, so wird diese Platte mit ihrem runden, proximalen Ende in das Innere des letzten Tarsengliedes hineingezogen und zieht die Krallen mit sich nach unten. Da aber die Platte ventralwärts frei ist, und der angrenzende Theil des Gliedes durch eine elastische Haut (Fig. 2e) abgeschlossen ist, so wird dieselbe durch das Eindringen der Platte zurückgedrängt, und die unter der Haut befindliche Blutmasse muss etwas in den Fuss zurückweichen. Hört alsdann der Zug auf, so tritt die zurückgedrängte Blutflüssigkeit wieder vor und treibt, in Verbindimg mit der sich wieder contrahirenden elastischen Haut, die Streckplatte aus dem Innern des Tarsengliedes hervor. Dabei müssen auch die mit der Platte in Verbindung stehenden Krallen zurückgeschoben werden.

Baues und der Functionen der Insektenbeine. 155

Morphologisch ist die Streckplatte nichts Anderes als ein verdicktes Stück der äussern Chitinhülle (Fig. 4), welches von verdünnten, zu Gelenkhaut gewordenen Theilen eingeschlossen ist. Es weist darauf schon die ganze Struktur hin. Die ven- trale Oberfläche zeigt z. B. die schuppenartige Felderung recht deutlich. Die Felder treten hier fast warzig hervor, vielleicht um beim Zurücktreten aus dem Tarsengliede ein Ankleben an die elastische Haut zu verhindern. Ein Querschnitt durch die Platte zeigt ferner dieselbe geschichtete und von feinen dunklen Qnerstreifen durchzogene Struktur. Endlich setzt sich auch die Matrix der Chitinhülle (Fig. 4 m) ohne Unterbrechung über die seitlichen Häute bis auf die dorsale Seite der Platte fort.

Die Streckplatte übt ihre Function aber nur auf die Krallen aus und für die Tarsenglieder ist eine gleiche Einrichtung nicht vorhanden. Hier ist zunächst die Excursionsfähigkeit bei weitem nicht so gross als bei den Krallen, da die Glieder oft ganz in einander geschoben sind und, wo dies nicht der Fall ist, der ventrale Ausschnitt für die Gelenkhaut nur klein ist. Die ein- zelnen Tarsenglieder werden also beim Straffziehen der Sehne nur um ein Geringes vorgebeugt, so dass sie durch die Elasti- cität der Gelenkhäute allein, sobald die Contraction nachgelassen hat, fast vollkommen wieder in ihre frühere Lage gebracht werden können. Wenigstens ist der Fuss nach seinem Auftreten wieder vollkommen gestreckt. Dorsalwärts können die Tarsen- glieder kaum über die gerade Richtung hinausgehen. Wo ein längerer Gelenkzapfen in das vorhergehende Glied eingesenkt ist, verhindert dieser es schon, und wo dies nicht der Fall ist, wird es durch Höcker, die auf der Rückseite der Tarsen gegeneinander stossen (Fig. 3 h), verhindert, wie z. B. bei den meisten Orthopteren.

Die Einlenkungen der Tarsen lassen auch eine geringe Bewegung nach der Seite zu. Es sind überhaupt die Zapfen in den zugehörigen Höhlungen oft wirkliche Orthrodialgelenke, deren Wirkung als Charniergelenk nur darauf beruht, dass nur an der einen Seite ein Muskel vorhanden ist.

Verfolgen wir nun die Sehne, die wir in die Schiene über- treten sahen: Zunächst tritt sie zwischen die Bündel des Schienenmuskels (Fig. 1 1) und scheint mit ihnen ziemlich innig zusammen zu hängen. Doch kommt sie am Grunde der Schiene wieder hervor und tritt nun in den Schenkel über. Erst in der

156 Dr. Fr. Dahl: Beiträge zur Kenntnis.«* des

* Mitte des Schenkels beginnt der Muskel (Fig. 1 f u), der sich nahe am Grunde des Schenkels ansetzt. Wenn auch, wie erwähnt, ein Zusammenhang mit dem Schienenmuskel vorhanden ist, so ist dieser, oben im Schenkel befindliche Muskel doch der eigent- liche Krallen- und Tarsenbeuger. Man kann sich sehr leicht experimentell davon überzeugen, wenn man mit einer Pincette den Schenkel zusammendrückt. Wird der Druck an einer be- stimmten Stelle ausgeführt, so hängt damit stets eine Bewegung der Krallen und Tarsen zusammen. Ueberzeugender aber ist es, wenn man den Muskel selbst freilegt und nun daran zieht. Uebrigens kann man bei grösseren Insekten auch leicht die ganze Sehne von dem Muskel freipräpariren.

Das erste Tarsenglied besitzt einen besonderen Muskel (Fig. 1 f t), der in der Schiene liegt und sich an der Ventralseite ansetzt. Aber auch hier ist nur einer und zwar wieder nur ein Beuger vorhanden. Als Strecker wirkt, ebenso wie bei den andern Tarsengliedern, die Elasticität der Gelenkhäute, doch ist hier meist ein an der Ventralseite etwas in die Schiene vor- ragender, röhrenförmiger Fortsatz vorhanden, durch welchen die Sehne des Krallenbeugers hindurchtritt. Er dürfte vielleicht ähnlich wirken, wie die Streckplatte, wenn auch ungleich schwächer.

Das Gelenk zwischen Schenkel und Schiene ist ein sehr gut ausgebildetes Charniergelenk, das nur Bewegungen in einer Ebene zulässt. Ich verweise in Betreff der genaueren Be- schreibung desselben auf die Arbeit von Langer. Es steht hier die Sehne eines flexor (Fig. 1 f s) mit einem Ventralfortsatz des Schienenendes und die eines extensor (Fig. 1 e s) mit einem Dorsalfortsatz in Verbindung. Der erstere setzt sich an der ventralen, der letztere an der dorsalen Seite des Schenkels an. Der flexor ist immer stärker als der extensor, am mächtigsten aber selbstverständlich in Springbeinen ausgebildet.

Ich komme nun zu der Gelenkverbindung des Schenkels mit dem Trochanter, dessen Bedeutung von den Autoren gänz- lich verkannt worden ist. Wenn Strauss-Durckheim den zu- gehörigen Muskel einen abductor nennt und wenn Burmeister sagt, dass er das Bein hebe, so ist beides je nach den ver- schiedenen Stellungen, welche das Bein bei seiner Bewegung im Hüft-Trochantergelenke einnehmen kann, nicht gerade ganz unrichtig. Das eigentliche Wesen der Wirkung ist aber damit

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nicht ausgedrückt, und ein Irrthum ist es, wenn Grab er meint, dass die Wirkung der des Hüft-Trochantergelenkes gleichkomme und nur shwächer sei. Langer sieht sogar den Trochanter nur als Gelenkstück des Schenkels an. Wenn er auch darin Recht hat, dass die Beweglichkeit nur eine geringe ist, so ist die Bewegung doch eine ganz eigenthümliche und für den Fuss von grosser Bedeutung.

Was zunächst das Gelenk selbst anbetrifft, so ist es nicht ein Charniergelenk, sondern nach der Definition Burmeisters ein Klappengelenk oder eine syndesis, d. h. der Trochanter hängt mit dem Schenkel so zusammen, dass zwei parallele Endränder der Glieder in häutiger Verbindung stehen, von denen die eine straffer ist und als Axe dient. Der Muskel (Fig. 5 pr) greift nicht in einem Punkte an, sondern in grösserer Ausdehnung auf dem vorragenden Schenkelrand und verläuft bis an die entgegen- gesetzte Seite des Trochanters. Seine Richtung ist fast senkrecht zu der Längsaxe des Beines und es ist nichts Geringeres als ein rotator. Von seiner Wirkung kann man sich leicht an einem Hinterbeine eines eben getödteten Procrustes überzeugen. Führt man hier eine Beugung oder Streckung aus, so findet diese immer nur im Hüft - Trochanter- und Schenkel- Schienengelenke statt. Versucht man dagegen zu drehen, so sieht man deutlich die straffe Haut des Gelenkes zwischen Trochanter und Schenkel locker werden. Wenn man das Bein am Körper Hess, so wird man sich leicht überzeugen, dass die geringe Drehung auf die Bewegung des ganzen Beines doch einen recht erheblichen Ein- fluss hat. Besonders wichtig ist sie eben für die Hinterbeine der Carabiden, wo der Schenkelring denn auch einen sehr be- deutenden Umfang angenommen und deshalb schon früh die Frage nach seiner Funktion wach gerufen hat. Die coxa ist nämlich hier plattenförmig, sehr fest eingefügt und lässt nur eine geringe Bewegung zu. Durch die feste Einlenkung wird nun freilich die Bewegung des ganzen Beines sicherer. Aber ein Thier, das in seiner Bewegung ausschliesslich auf den Lauf angewiesen ist, bedarf nicht nur einer sicheren, sondern auch einer ausgedehnten Bewegung der Beine, und diese wird allein durch das Trochanter- gelenk erreicht. Ohne dieses kann hier der Fuss fast nur in einer Ebene bewegt werden.

Ein diesem pronator entsprechender suplnator fehlt aller-

Arch. f. Naturgcsch. L. Jahrg. 1. Bd. 11

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dings. Es functionirt auch hier die Elasticitüt der Gelenkhaut als Muskel.

In der Hüfte befinden sich drei Beuger (Fig. 1 f p) und ein Strecker des Trochanters. Der eine von den Flexoren, der mit den beiden andern an einer gemeinschaftlichen Sehne angreift, geht durch die Oeffnung in den Thorax über und setzt sich an dessen oberer Fläche an.

Einfach ist der allgemeine Verlauf der Nerven und Tracheen. Durch die Hüften tritt ein ziemlich starker Nervenstrang ein (Fig. 6 n) und entsendet in den einzelnen Gliedern an Muskeln und Haare feine Fasern. In der Schiene theilt er sich in zwei Hauptzweige (Fig. 7 n), die parallel bis in das Endglied der Tarsen verlaufen, bis sie sich ganz in Zweige aufgelöst haben. Die Tarsenglieder scheinen besonders zum Tasten zu dienen, denn gerade in ihnen sind die Verzweigungen ganz ausserordentlich zahlreich. Unter vielen Haaren schwellen die Nervenfasern zu dickspindelförmigen Ganglienzellen an, und dies besonders auch in den Tarsengliedern.

Tracheenstämme (Fig. 6 t r) treten zwei in die Hüfte ein. Der kleinere von ihnen löst sich schon im Schenkel in Zweige auf, während der grössere bis in das Endglied der Tarsen verläuft und hier oft noch einen ziemlich bedeutenden Zweig in die Krallen hineinsendet. In den einzelnen Beingliedern schwillt er oft recht bedeutend an, namentlich, wenn es darauf ankommt, einen Luftraum zu erzeugen, wie z. B. bei Gyrinus natator. L.

Das Insektenbein nach seinen speciellen Functionen.

A. Das Bein als Bewegungsorgan.

Die Hauptfunction des Beines ist allerdings die Locomotion, und deshalb konnte es im allgemeinen Theil nur als Bewegungs- organ betrachtet werden. Wenn wir nun im speciellen Theil noch einmal auf diese Function eingehen, so wollen wir hier die speciellen äussern Verhältnisse berücksichtigen und in erster Linie das Medium unterscheiden, in dem sich das Thier bewegt. Das Medium hat nämlich auf die Gestalt der Beine einen ganz erheblichen Einfluss. Wir können im Allgemeinen drei Medien unterscheiden: 1. das gasförmige, 2. das flüssige und 3. das feste. Als in einem festen Medium sich bewegend können wir

Baues und der Functionen der Insektenbeine. 159

alle diejenigen Insekten zusammenfassen , die sich irgendwie verkriechen, sei es nun in der Erde selbst oder nur unter Steinen, Laub etc. Wir werden nämlich sehen, dass die Ein- richtungen dazu in ihrem Princip dieselben sind. Wir beginnen mit dem festen Medium.

1. Die Bewegung in der Erde.

Man denkt hier zunächst an die wirkliche Grabbewegung, und die Grabbeine sind auch entschieden der höchste Grad der Anpassung an das feste Element. Als Prototyp eines Grabbeines kann das Vorderbein von Gryllotalpa gelten. Die Schenkel und besonders die Schienen sind stark flächenförmig erweitert und mit Zähnen versehen. Die Muskeln sind mächtig entwickelt und die Sicherheit in der Bewegung der Schiene gewinnt noch durch einen starken Vorsprung des Schenkels an Vollkommenheit. Die Tarsenglieder aber sind ganz hinter die Schienen zurück- gelegt, da ihre Muskulatur nicht für die Grabbewegungen genügt. Kaum weniger vollkommen entwickelt sind indessen die Grab- beine bei manchen Coleopteren, z. B. bei Clivina fossor L. (Fig. 8). Gerade unter den Käfern kann man eine Verbindungsreihe von dem bestentwickelten Grabbein bis zu den ersten Anfängen auffinden. Zunächst schliessen sich die Mistkäfer an. Bei ihnen finden sich ausserdem an den Hinterschienen eigenthümliche Borstenkränze, die beim Graben zum Zurückschieben der ge- lösten Theilchen dienen. Dem gleichen Zwecke dienen die mit Borsten besetzten Höcker an den Hinterschienen mancher Grab- wespen (Fig. 32).

An die Mistkäfer reihen sich ihre Verwandten, die Mdolon- ilänen an. Obgleich der Maikäfer ein Laubkäfer ist, charak- terisiren ihn seine breiten, mit Ausschnitten oder Zähnen versehenen Vorderschienen doch sofort als Grabkäfer. Die Einrichtung war für ihn nöthig, weil seine Larve in der Erde lebt. Dass das ausgebildete Insekt auch dem Medium, in dem die Larve lebt, angepasst sein muss, wird leicht übersehen, man muss aber zur Erklärung eigenthümlicher Erscheinungen auch dies berücksichtigen. In einem solchen Sinne ist ent- schieden auch der Schienenfortsatz an den Vorderschienen bei einer Dipterengattung, Bi7do} zu erklären. Auch ihre Larve lebt nämlich in der Erde. Ein ganz ähnlicher Fortsatz findet sich an allen Schienen des Palmbohrers , Calandra palmarum L.,

11*

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und zwar können hier die Tarsen vollkommen in einer durch Ilaare gebildeten Rinne verborgen werden, so dass der Käfer sich ausschliesslich mit seinen Schienenenden anstemmt und fortschiebt. Demselben Zwecke wie hier der Fortsatz dienen in andern Fällen die stark entwickelten Schienensporne. Wegen ihrer Beweglichkeit können sie auf jeder Unterlage beide zu- gleich einen Haftpunkt finden. Da sie z. B. bei den Carabiden recht gut entwickelt sind, muss man auch deren Beine als zur Bewegung im festen Medium bestimmt ansehen. Diese Thiere laufen auch in der That nicht nur in vorgefundene Löcher hinein, sondern drängen beim Verkriechen Hindernisse zur Seite. Wenn sie deshalb auch nicht wirklich graben, so wissen sie sich doch mit einer ganz erheblichen Kraft in das feste Medium hiueinzuklemmen. Man fühlt das Vordrängen, wenn man einen Käfer in die Hand nimmt. Beobachtet man ihn, indem man ihn unter ein Glas setzt, so sieht man, dass er beim Verkriechen die Tarsenglieder gar nicht mehr benutzt, sondern sich aus- schliesslich mit den Schienenspornen gegen die Unterlage stemmt.

Man kann behaupten, dass überall da, wo Schienensporne vorkommen, auch mehr oder minder von Grabbeinen in unserm Sinne gesprochen werden kann; denn als Stütze beim Gehen würden sie wohl kaum nöthig sein und könnten überhaupt auch nur bei den Sohlengängern so verwendet werden. Auch die Sporne sind in sehr vielen Fällen nur wegen des Aufenthaltes der Larven in der Erde vorhanden, ja, sie hängen oft nur mit der Verwandlungsart zusammen. So sagt schon Rösel von Rosenhof (Insekten- Belustigungen, Nürnberg 1746, I. pag. 78/.) dass die Nachtschmetterlinge desshalb Schienensporne haben, weil sie sich in einem Cocon verpuppen und sich deshalb nach- her damit anstemmen müssen. Wie sonderbar uns auch auf den ersten Blick diese Erklärung erscheint, so gewinnt sie doch, wenn wir uns der Grabbeine der Maikäfer erinnern, ganz erheblich an Wahrscheinlichkeit. Wir müssen Rösel Recht geben, wenn wir uns bewogen fühlen, seinem Schlusssatzo beizupflichten: „Soviel aber bleibt richtig und gewis, dass die an denen Füssen derer Nacht -Vögel befindlichen Stacheln um eines Endzweckes willen und nicht etwan blos vor die lange Weile vorhanden sind."

Eine zweite, wenn auch weniger wichtige Verwendung finden allerdings die Sporne bei der Reinigung der Füsse. Es wird weiter unten davon die Rode sein.

Baues und der Functionen der Insektenbeine. 161

Man kann aber gegen die versuchte Erklärung der Schienen- sporne anführen, dass einige Insekten, namentlich z. B. die Forß- culiden fast gar keine Sporne besitzen, und sich dennoch gern verkriechen. Zunächst möchte ich dagegen anführen, dass gerade die Ohrwürmer wohl fast ausschliesslich vorhandene Höhlungen benutzen. Ihr ganzer Körper ist aber weiter diesem Zwecke in einem so hohen Grade angepasst, sowohl durch seine Beweglichkeit, als durch seine platte gleichmässige Form, dass diese Vorzüge immerhin bedeutende Mängel zu compensiren vermögen. Beim Kampf ums Dasein wird ja doch stets die Summe der erhaltungsmässigen Eigenschaften einander das Gleichgewicht halten müssen. Lebt doch auch Nepa cinerea L. im Wasser, ohne Schwimmbeine zu haben, weil ihr dafür andere Vortheile zu Gebote stehen, z. B. eine äusserst vollkommene Farbenanpassung.

2. Die Bewegung im Wasser.

Insekten, die auch als Imago im Wasser leben, besitzen wir hier nur aus den Ordnungen der Coleoptoren und Rhynchoten. Die zur Schwimmbewegung umgewandelten Beine sind immer nach demselben Princip gebaut und lassen nicht leicht ein Missverständniss zu. Die ganzen Beine, besonders die Hinter- beine, sind stark plattenförmig erweitert und an den Seiten mit beweglich eingelenkten Haaren versehen. Die Haare sind etwas nach hinten gerichtet und legen sich beim Vorschieben des Beines an die Glieder an, während sie bei der Rückwärts- bewegung durch den Wasserdruck abgespreizt werden. Die Vorderbeine sind meist kurz, mitunter aber ebenfalls breit und dienen dann jedenfalls in erster Linie als Steuerruder. Merk- würdig lang und schlank sind bei Corisa die Mittelbeine. Sie stehen fast senkrecht vom Körper ab und sind mit zwei sehr langen Krallen versehen. Man hat ihnen, und wohl mit Recht, die Function zugeschrieben, den Körper in der Tiefe zwischen Wasserpflanzen zurückzuhalten und ein Auftreiben durch die mitgeführte Luft zu verhindern. Dies geschieht hier demnach gewöhnlich schon ohne Aufwand der Muskelkraft, die ein An- klammern erfordern würde. Einige im Wasser lebende Insekten haben keine Schwimmbeine, wie z. B. unter den Käfern Parmis und unter den Rhynchoten Nepa. Diesen müssen, wie schon

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erwähnt, andero Vortheile zur Verfügung stehen, damit sie mit ihren lebhaften Verwandten coneurriren können.

3. Die Bewegung in der Luft.

Die allermeisten Insekten leben auf Pflanzen etc. frei im Luftraum und wenn sich bei ihnen z. Th. auch, ihrer Ent- wickclung wegen, Einrichtungen zum Graben etc. finden, so walten doch die Anpassungserscheinungen an den gewöhnlichen Aufenthaltsort vor. Bei ihnen müssen wir zunächst die Flächen unterscheiden, auf denen sie sich zu bewegen pflegen, und in dieser Beziehung können wir eine kleine Gruppe von allen andern abtrennen, nämlich die Reihe derjenigen, welche sich auf der Ober- fläche des Wassers bewegen. Die Einrichtungen dazu beruhen auf der Verwendung verschiedener physikalischer Principien: Einerseits sind wirkliche mit Luft gefüllte Hohlräume vorhanden und andererseits kommt der Widerstand, den das Wasser der Befeuchtung trockener und etwas gefetteter Körper entgegen- setzt, zur Anwendung. Das erstere finden wir bei Gyrinus vertreten. In den stark erweiterten Schienen und Tarsen finden sich eben so mächtige Erweiterungen des Tracheenstammes. Die Beine bilden also hier wirkliche Flösse, von denen der Körper getragen wird. Das zweite Princip findet sich in erster Linie bei den Wasserläufern, z. B. Hydrometra und Velia verwendet. Zunächst sind hier die Beine sehr lang, um einerseits ein recht stabiles Gleichgewicht und damit eine gleichmässige Belastung der einzelnen Beine zu bewirken und andererseits einen mög- lichst grossen Theil derselben mit der Wasseroberfläche in Be- rührung zu bringen. An der Unterseite der die Wasserfläche berührenden Tarsenglieder (Fig. 9) befinden sich dichte Haare, die zur Vergrösserung der Berührungsfläche sämmtlich ge- bogen sind.

Dieser Einrichtung bei den Wasserläufern sehr ähnlich ist die bei zwei Dipterengruppen, die man auch fast nur auf der Oberfläche des Wassers findet. Es sind dies einerseits eine grosse Zahl aus der Familie der Dolichopoden und andererseits die Ephydrinen aus der Familie der Musciden. Obgleich sie ver- schiedenen Familien angehören, wird doch der Zweck durch dieselbe Einrichtung erreicht. Es befindet sich nämlich zwischen den beiden, später zu betrachtenden Haftlappen, ein langer,

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unten gefiederter Anhang (Fig. 10), der wohl aus dem Empodium entstanden ist, einer Borste, die sich bei allen Fliegen findet. Die regelmässig gebogenen, unteren Fiedern entprsechen den Haaren der Wasserläufer. Uebrigens dienen die Haftläppchen mit ihrer dichten Behaarung hier jedenfalls genau demselben Zwecke.

Genau dieselbe Einrichtung findet man auch bei anderen Dipteren, die man allerdings in der Regel nicht auf der Ober- fläche des Wassers findet, die aber als Larven im Wasser leben, z. B. bei Ctdex und Chironomus.

Der Kletterfuss. Mussten wir das Insektenbein nach seinem allgemeinen Bau geradezu ein Kletterbein nennen, so werden wir auch überall nach besonderen Klettereinrichtungen, d. h. Vorrichtungen zum Anklammern und Festhalten suchen dürfen. Die Untersuchung ergiebt, dass derartige Einrichtungen nicht nur sehr weit verbreitet, sondern auch äusserst mannigfaltig sind.

Das verbreitetste Kletterorgan sind die Krallen. Mit ihrer scharfen Spitze vermögen dieselben in die kleinsten Vertiefungen einzudringen und einen Halt zu gewinnen. Ihre wechselnde Form zeigt indessen, dass dies nicht die einzige Anwendungs- weise ist. Oft sind sie gespalten und dadurch geeignet, feine Zweige zwischen sich einzuklemmen. Andererseits mögen übri- gens die Gabelungen auch dazu dienen, ein zu tiefes Eindringen in eine weiche Masse zu verhindern. Schliesslich kommen auch in fast allen Insektenordnungen kammförmige Krallen vor, welche jedenfalls sehr gut geeignet sind, zwischen feinen Härchen zu haften.

Eine sehr weite Verbreitung haben neben den Krallen noch besondere Hafteinrichtungen zum Festhalten an glatten Flächen und der Betrachtung dieser Einrichtungen ist der grösste Theil der über Insektenfüsse vorliegenden Aufsätze gewidmet, so dass speciell ihre Behandlung allerdings schon eine recht umfangreiche Literatur aufzuweisen hat. Merkwürdig ist nur, dass der Gegenstand fast ausschliesslich von Engländern be- handelt ist, während man in der deutschen Literatur noch fast garnichts darüber findet, ein Umstand, der erklärlich macht, dass selbst unsere ausführlichsten Lehrbücher der Zoologie nichts oder wenig darüber angeben.

Eine der ausführlichsten und zwar die letzte englische Arbeit ist die von Tuffen West, und ich könnte in Bezug auf

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Literatur einfach auf sein ausführliches Verzeichniss verweisen, wenn ich es nicht vorzöge, ähnlich wie er, kritisch vorzugehen. Ich werde aber zudem den Stoff theilen und zwar so, dass seine Arbeit nebst fast allen andern erst in meinem zweiten Theile zur Sprache kommen werden.

Die erwähnte Fähigkeit der meisten Insekten, nicht nur aii rauhen Wänden, sondern auch an senkrechten Glasscheiben emporklimmen zu können, musste schon früh die Aufmerksamkeit der Beobachter auf sich lenken. Zur Erklärung dieser Thatsache musste man entweder sehr geringe Rauhigkeiten der Glasfläche voraussetzen oder es musste noch eine andere Einrichtung zum Anklammern als die Krallen vorhanden sein. So entdeckte man bei Untersuchung des Fliegenfusses zunächst die Haft- haare, und andererseits fand man, allerdings viel später bei Hymenopteren und Orthopteren Haftflächen. Ich ziehe es vor, mit den Haftflächen zu beginnen und nicht wie frühere Autoren mit den Hafthaaren.

Die Haftflächen kommen bei Orthopteren, Hymenopteren, Neuropteren, Lepidopteren und Rhynchoten vor. Von allen andern unterscheidet sich die Bildung bei den Orthopteren da- durch, dass die Fusssohle selbst in eine haftende Fläche um- gewandelt ist.

Ein Anhaften der Fusssohle an der Glasplatte ist offenbar in doppelter Weise möglich. Die Sohle kann einerseits wie ein Saug- napf wirken und andererseits gewissermassen ankleben. Um auf die erste Möglichkeit zu prüfen, setzte ich eine Lacüstd auf eine Glasplatte und beobachtete nun von der entgegen- gesetzten Seite bei starker Lupenvergrösserung die Stelle, an welcher die Fussfläche das Glas berührte. Bei einer bestimmten Drehung konnte ich die Glasscheibe so einstellen, dass das durch das Fenster einfallende Licht von der unteren Fläche des Glases voll reflectirt wurde. Bei dieser Einstellung konnte ich genau beobachten, wo die Glasplatte von dem Fusse berührt wurde. Ich fand, dass die ganze Sohle die Fläche berührte ; nicht etwa so vollkommen, dass überhaupt keine Stelle unberührt geblieben wäre, aber von einem Saugraum konnte durchaus keine Rede sein ; denn die kleinen unberührten Stellen, nament- lich eine Längsfurche zwischen den beiden Ballen, standen frei mit dem Aussenraum in Zusammenhang.

Bei dem Versuche schien es mir schon als ob die Fuss-

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sohle feucht sei, ich untersuchte deshalb, ob wirklich eine vom Fusse abgesonderte Flüssigkeit auf dem Glase zurückgeblieben sei und fand dies bestätigt. Immer fanden sich an den Stellen, wo ein Fuss die Glasplatte berührt hatte, geringe Spuren einer flüssigen Substanz, die schon mit unbewaffnetem Auge an der glänzenden Glasfläche wahrzunehmen waren, wenn über einer dunklen Fläche das Licht reflectirt wurde, aber nur unter dem Mikroskop als Flüssigkeit erkannt werden konnten. Da die Heuschrecken öfters die Füsse abwechselnd zwischen den Kiefern hindurchziehen, könnte man vermuthen, dass die Flüssigkeit aus dem Munde stammt. Aber die Mundflüssigkeit ist von jener verschieden. Während man dieselbe leicht mit Wasser mischen kann, nimmt die Unterseite der Fusssohle, ebenso wie auch andere Theile der Chitinhülle, gar kein Wasser an. Mit den Kiefern werden vielmehr hier die Füsse nur von Staub gereinigt, wie es unten näher besprochen werden soll. Bei den meisten Insekten, die an glatten Flächen zu laufen vermögen, kommt diese Art der Reinigung nicht vor, da sie z. Th. ja auch nicht einmal Kiefer besitzen.

Der histologische Bau der Sohle wurde zuerst von De witz kurz angegeben. Er spricht von Orthopteren im Allgemeinen und ich weiss deshalb nicht, welches Thier er vor sich hatte. Nach seiner Angabe soll die Sohle aus Röhrchen bestehen, die durch feine Querfasern verbunden sind, und an deren Ende sich je eine einzellige Drüse befinde. Ich kann von diesen Angaben weder die eine noch die andere bestätigen.

Macht man einen senkrechten Schnitt durch die Fusssohle einer Loeasta (Fig. 11), so findet man, dass die Chitinhülle des dorsalen Fusstheils unmittelbar in die der Sohle übergeht. Nur erfahren alle Theile eine eigenthümliche Umwandlung. Der Hauptmasse nach besteht sie hier aus frei und beweglich neben- einander liegenden, biegsamen Stäbchen (nichtRöhren) [Fig. lLs t]. Von den Stäbchen laufen hier und da feine Fasern aus, um sich z. Th. wieder mit demselben Stäbchen zu vereinigen, z. Th. an ein anderes Stäbchen hinüberzutreten. Nahe vor dem unteren Ende lösen sich die Stäbchen gänzlich in Fasern auf, um sich schliesslich noch einmal alle wieder zu einer dünnen, zusammen- hängenden Schicht zu vereinigen (Fig. 11). Auf der Aussen- fläche dieser Schicht sind die Umrisse der schuppenförmigen Erhöhungen, wie sie die Chitinhülle fast überall zeigt, sichtbar.

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Dieselben entsprechen in Zahl den Stäbchen und vereinigen daher wahrscheinlich je die Fasern eines derselben. Ihr Umfang ist natürlich weit grösser wie der der Stäbchen. Auch nach innen sind die Stäbchen zu einer dünnen, lockeren Schicht verbunden. Der Raum zwischen den Stäbchen ist mit einer Flüssigkeit gefüllt. Unter der Stäbchenhülle liegt die Matrix (fig. 11 m), die sich ebenfalls in die der oberen Chitin- hülle fortsetzt. Sie liegt hier aber nicht eng an und besteht nicht aus kurzen Zellen mit eiförmigen Kernen, sondern sie bildet sehr tiefe Falten, die unregelmässig verlaufen, so dass sie in Längs- und Querschnitten gleich stark entwickelt er- scheinen. Sie ist hier ausserdem weit mächtiger entwickelt und von den z. Th. sehr langen Zellkernen quer durchsetzt, während die Zellgrenzen, wie in der übrigen Matrix, undeutlich sind. Vereinzelt schiebt sich in die Falten ein spindelförmiges Zell- complex (gl) ein, an welches ein starker Nervenstrang herantritt. Nach unten geht diese Spindel in drei bis vier Röhren über, die durch die Stäbchenschicht hindurchsetzen und je eine kurze Borste tragen. Der ganze Innenraum des Fusses ist, abgesehen von den Nerven (n), der Trachee (tr) mit ihrer Matrix und der Sehne des Krallenbeugers (fl) mit ihrer Matrix von der Blut- flüssigkeit ausgefüllt, in welcher vereinzelte Blutkörperchen (u) liegen.

Soviel über den histologischen Bau des Fusses; versuchen wir jetzt eine physiologische Erklärung der einzelnen Theile: Die eigenthümliche Umwandlung der Chitinhülle in der Sohle hat entschieden den Zweck, dieselbe sehr beweglich zu machen und so ein festes Anlegen derselben an eine Fläche zu ermög- lichen. Je länger die biegsamen, frei beweglichen Stäbchen sind, um so vollkommener ist die Biegsamkeit der Sohle. Bei Locusta sehen wir sie am höchsten entwickelt. Es ist aber zu ihrer Bildung eine starke Matrix nöthig, die sich, um ihrerseits nicht die Biegsamkeit zu beeinträchtigen, gefaltet hat. Woher aber kommt das Secret der Sohle? Ich glaubte zuerst, dass die spindelförmigen Zellgruppen Drüsen seien, welche einen Aus- luhrungsgang zwischen den Dörnchen hätten. Einerseits aber fand ich in ihrem Querschnitt durchaus kein Lumen, wie man es bei einer mehrzelligen Drüse sonst findet. Andererseits findet sich bei Acridium etc. nur eine Borste vor der Zellgruppe und dieser fehlt jeglicher Ausführungskanal. Schliesslich zeigen die

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spindelförmigen Zellgruppen eine auffallende Uebereinstimmung mit den Ganglien, die sich stellenweis unter den Tasthaaren befinden {gl'). Sie unterscheiden sich allein durch ihre bedeuten- dere Grösse. Aber auch abgesehen vom histologischen Bau wäre es immerhin merkwürdig, dass die einzelnen Drüsenzellen unter dem Einfluss des Willens stehen sollten. Aus diesen Gründen glaubte ich von meiner ersten Ansicht abgehen zu müssen.

Es bleibt uns nun aber nichts übrig, was wir als Drüsen- zellen deuten könnten, abgesehen von den zerstreut in der Matrix sich findenden Zellen, die dem zellig -blasigen Binde- gewebe Leydigs angehören, und die nach der Ansicht des ge- nannten Forschers als Drüsen fungiren (Fr. Leydig, Vom Bau des tiderischen Körpers. Tübingen, 1864, pag. 31).

Diese Zellen (dr) sind aber im Fusse der Orthopteren, na- mentlich in der Matrix der Sohle, keineswegs zahlreich. Es fragt sich indessen, ob denn Drüsen mit grossen Ausführungs- kanälen erforderlich sind, um so minimale Mengen von Feuchtig- keit an die Oberfläche zu schaffen. Ich glaube, dass wir alles damit erklären können, wenn wir annehmen, dass die Sohle von der Blutflüssigkeit durchtränkt wird. Dass die Flüssigkeit, die den Innenraum erfüllt, frei zu Tage tritt, kann kein Bedenken erregen, nachdem Leydig nachgewiesen hat, dass bei manchen Insekten, z. B. Meloe, das Blut sogar in grösseren Mengen hervorquillt (Arch. f. Anat. u. Phys. 1859, pag. 45 w. 72). Auch die Chitinhaut der Tracheenstämme muss entschieden durchtränkt werden, um einen diosmotischen Austausch des Sauerstoffs und der Kohlensäure möglich zu machen. Allerdings ist das Blut mit Wasser mischbar, während es die ausgeschiedene Flüssigkeit nicht ist. In der äusserst dünnen Schicht ist aber jedenfalls leicht das Wasser verdunstet, während die übrigen Bestandteile- des Blutes zurückbleiben. Man könnte freilich annehmen, dass die gefaltete Matrix ihre Function gewechselt habe und ein Secret erzeuge. Sie ist indessen nicht einmal bei allen Orthopteren gefaltet und bei den später zu betrachtenden Hymenopteren etc. ist nichts Entsprechendes vorhanden. Die Durchtränkbarkeit der Sohle ist in der That recht bedeutend. Es genügt schon ein Eintauchen eines Schnittes in Hämatoxylinlösung, um alle Schichten der Sohle vollkommen zu färben. Sind diese aber so leicht für die doch nicht sehr dünnflüssige Farbe durchlässig, wes-

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lialb sollten sie nicht die geringe Menge Flüssigkeit nach aussen durchlassen können? Es genügt vollkommen, dass die Fläche durch die Diosmose etwas feucht erhalten werde, damit sie ebenso wie ein angefeuchtetes Stück Papier fest anklebe. Jede grössere Menge ist nur schädlich und die möglichst kleinste am vorteilhaftesten. Das Haften ist nämlich eine Ad- und Cohäsion*), d. i. der Widerstand, welchen die Flüssigkeitstheilchen ihrem Auseinander- reissen und ihrer Verschiebung entgegensetzen. Es genügt, wenn nur soviel Flüssigkeit vorhanden ist, um die Berührung der äusserst biegsamen Sohle mit der Unterlage vollkommen zu machen; sobald die Flüssigkeitsschicht etwas dicker wird, ist damit schon die Verschiebung der Theilchen erleichtert und das Insekt gleitet hinunter. Man kann dies durch einen Versuch erhärten : Lässt man eine Fliege in eine dünne Oelschicht treten mit Oel ist das Sekret der Füsse mischbar , so ist sie nicht mehr im Stande eine Glasplatte zu erklimmen.

Mit unserer Annahme einer blossen Befeuchtung können wir auch einem öfters gemachten Einwurf begegnen, dass beim längeren Sitzen des Thieres schliesslich soviel Klebstoff aus- fliessen müsse, dass es kleben bleibe.

An dieser Stelle möchte ich doch erwähnen, dass wir es in der Sohle von Locusta mit einer werthvollen Analyse eines sonst schwer zu untersuchenden Gegenstandes, des Chitinintegumentes, zu thun haben. Vielleicht besteht die ganze Hülle nicht, wie man bisher annahm, aus einer festen Platte mit Poren, sondern aus denselben Elementen, die wir hier vor uns haben, nur alles fester verbunden. Die dunklen Striche und Punkte denn nur als solche sind die sogenannten Porenkanäle bisher gesehen worden werden vielleicht durch das Zusammenstossen von drei Stäbchen gebildet. Wären es wirkliche Poren, so könnte man nicht begreifen, wie eine so leichtflüssige Masse, wie es alkoholische Füchsinlösung ist, mehrere Wochen gebrauchen könnte, um in die dichteren Schichten einzudringen.

Schon bei Decticus und namentlich bei Acridhm wird die

*) Zu einer Mittheilung von Simmcrmacher im Zool. Anz. Nr. 165 will ich doch bemerken, dass ich meinen Gegensatz zu Dewitz in diesem Punkte nicht allzusehr betonen möchte. Ich weiche nur in- sofern von ihm ab, als ich der hier zur Wirkung kommenden Flüssigkeit keine sonderlich grosse Cohäsion zuschreibe.

Baues und der Functionen der Insektenbeine. 169

Chitinbiille der Sohle dünner, und die Stäbchen sind weniger beweglich verbunden. Die Matrix bildet hier z. Tb. kaum noch Falten und ist auch kaum stärker entwickelt als die der übrigen Hülle. An diese reihen sich dann die Blattiden an. Hier wird die Sohle schmal und ist nur noch am Ende der Tarsenglieder eine wirkliche Haftfläche.

Ich komme nun zu der zweiten Form der Haftflächen, wie wir sie bei Hymenopteren, Neuropteren, Lepidopteren und Tipuliden finden. Sie bestehen hier aus einem unpaaren Läppchen zwischen den Krallen. Am complicirtesten ist der Bau desselben bei den Hymenopteren. Es wurde hier zuerst von Swammerdamm {Bibd der Natur, deutsche Uehersetzung. Lelpz. 1752, pag. 157) entdeckt, aber in einer eigenthümlichen Weise gedeutet. Er sagt: „Zwischen den Nägeln ist ein sehr weiches, häutiges Wesen, das, wenn es zerdrückt wird, eine helle, durchsichtige Feuchtigkeit ergiesset. Die Bienen können es im Gehen auch auswärts bewegen. Und das thun sie nach meinem Bedünken, wenn sie über die soeben zu- gesponnene Brut oder frisch verfertigte Wachs hinlaufen wollen. Zu der Zeit halten sie dann ihre Nägel ein, so wie etwa die Katzen thun, die mit iemand spielen."

Kirby und Spence (Introduction to Entomology, London, 1817, Bd. II, pg. 331 ff) erkennen dann zuerst darin ein Haftorgan. Doch glauben sie, wie später auch Pokorky (Isis, Jahrg. 1848, pg. 347) und Tuffen West (l. c), dass es ein Saugnapf (sucker) sei Und ebenso H artig (Familien der Blattwespen und Hulzwespen. Berlin, 1837, pag. 113).

Ich machte mit den Haftlappen der Hymenopteren denselben Versuch wie bei Locusta, um zu sehen, ob es Saugnäpfe sein könnten. Als bequemes Object benutzte ich dazu Vespa crabro L. und fand auch hier keine Spur eines luftleeren Raumes.

Der etwas complicirte Bau eines Läppchens ist folgender: Der Ilaum zwischen den Krallen ist unmittelbar zum Haft- läppchen erweitert. Vollkommen ausgebreitet hat es eine fast verkehrt herzförmige Gestalt. Die untere Fläche (Fig. 12) ist, namentlich in ihrem unteren Theile, weich und fast glatt, näher nach der Basis hin dagegen mit kurzen Härchen, oft nur spärlich, besetzt. Dieselben stehen auf kleinen Höckerchen und gehen unmittelbar in diese über, sind also nur als Anhängsel der Hautmasse anzusehen. Weiter nach dem Grunde hin tritt in

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der Mitte eine harte Chitinmasso mit stärkeren, Haaren auf, welche sicli als unmittelbare Fortsetzung der Streckplatte erweist. Die Oberseite (Fig. 13) des Haftläppchens ist nach der Spitze hin ebenfalls weich und entweder mit Haaren bedeckt oder die Haut ist dicht und fein gefaltet (Fig. 14 h). Näher der Wurzel tritt in der Mitte eine feste Chitinplatte (Fig. 13 u. 14 d) auf, die zwischen den Krallenwurzeln liegend, durch eine Gelenkhaut mit dem dorsalen Theil der Chitinhlille des letzten Tarsengliedes in Verbindung steht. Diese Platto trägt meist ein Paar starker Borsten. Im Innern des Haftläppchens befindet sich noch ein Chitinbogen (Fig. 12 u. 14 b), der nahe unter dem Ende der oberen Platte quer durch den ganzen Lappen geht und der jederseits schräg aufwärts bis in die äussersten Ecken desselben verläuft. Dieser Bogen in Verbindung mit der obern Platte bewirkt das Zurückfallen des Haftläppchens. Der elastische Bogen rollt sich im Ruhezustande zusammen und legt die beiden äussern Ecken nach oben aneinander. Dann drückt die obere Platte das Ganze nach unten und legt es vor das Ende des letzten Tarsengliedes. Tritt der Fuss alsdann auf einer glatten Fläche auf, so legen sich die Krallen zurück und das Läppchen kommt mit der Fläche in Berührung. Es wird durch den Druck zunächst vorgeschoben, und erst dann breitet sich auch der Bogen aus; so dass die Haftfläche allmählich von der Mitte bis zum Rande mit der Unterlage in Berührung tritt. Auch diese Art der Ausbreitung spricht schon durchaus gegen die Auffassung als Saugnapf.

Stark entwickelte Drüsenzellen sind auch hier nirgends vor- handen. Der Innenraum des Läppchens wird, wie das Innere grösserer Haare und Borsten, von einer Plasmamasse ausgefüllt, die wohl als Fortsatz mehrerer Zellen der Matrix im Krallen- gliede anzusehen ist. Die Hülle ist weich und sehr biegsam, lässt keine Poren erkennen, wird aber von Farbe leicht durch- drungen. Wir haben hier also entschieden dasselbe Princip der Befeuchtung vor uns, wie bei den Orthopteren. Bei einzelnen Hymenopteren kommt zu dem beschriebenen Haftläppchen oder jndvillus noch eine weitere Hafteinrichtung hinzu. Es sind kleine Läppchen am Ende ^ines jeden Tarsengliedes (Fig. 15 ht). Bei den rompilinen stellen sie sich als ein starker, stachelartiger Körper dar, an dessen Unterseite sich ein gebogenes Haut- läppchen ansetzt. Es ist hier ganz evident nur ein umgewan-

Baues und der Functionen der Insektenbeine. 171

delter Stachel. Beim Niedersetzen des Fusses breitet sich die Haut aus, und eine grössere Fläche tritt mit der Unterlage in Berührung. An derselben Stelle kommen ähnliche Haftläppchen bei fast allen Tenthrediniden vor. Hier sind sie aber nicht so deutlich stachelartig, sondern breiter. Die obere Fläche ist hart chitinös, während die untere weich ist, am Grunde behaart, am Ende dagegen meist kahl und sehr zart, so dass das Ende fast wasserhell erscheint. Auf dem Querschnitt zeigt sich, dass es mit Ausnahme des Grundtheiles nur aus einer Chitinlamelle besteht, die an der Oberseite ziemlich fest ist, nach unten aber weich und locker wird und desshalb hier leicht vom Grunde aus durchtränkt werden kann. Drüsen unter den einzelnen Theilen der Oberfläche sind hier absolut unmöglich.

Die Läppchen haben namentlich nach dem Austrocknen mitunter das Ansehen von Saugnäpfen; doch sind sie es ebenso wenig wie die pulvüli. Mitunter sind sie unten auch an der Spitze mit feinen Härchen besetzt und darin haben wir einen Uebergang zu den Hafthaaren, die wohl eine höhere Stufe der Ausbildung sind.

Dem pidvillus der Hymenopteren ist der der Phryganeen (Fig. 16 h) sehr ähnlich. Auch dort haben wir die obere Druck- platte und den Bogen, Theile, die das Läppchen zusammen- falten. Die ganze Oberfläche ist hier mit schuppenartigen Haaren besetzt. Ausser dem pidvillus sind hier noch zwei Läpp- chen an der Aussenseite der Krallen vorhanden (Fig. 16 b), die auch bei den Lepidopteren eine allgemeine Verbreitung haben. Graber hält sie für Greiforgane und das sind sie entschieden auch, nur dürfte vielleicht ihr Wirken etwas anders sein, als es Grab er angiebt. Nach ihm sollen sie mit den Krallen zu- sammen wie eine Hand Pflanzentheilchen umfassen. Dagegen spricht aber nicht nur die zu unvollkommen ausgebildete Mus- kulatur des Insektenfusses, sondern auch die Form der oft nach unten gebogenen, breiten Läppchen (Fig. 17 b). Ihre Form lässt schliessen, dass sie wie eine Bürste auf der andern so mit ihren dichten Härchen zwischen den Härchen der Pflanzen anhaften.

Der pvlvillus (Fig. 17 h) bei den Lepidopteren ist schon be- deutend einfacher. Die beiden Chitinstäbe zum Zurückrollen fallen aus. Es ist eine hufeisenförmige Masse, die unten kahl und weich ist und sich fest an die Unterlage anlegen kann,

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oben aber dicht mit feinen Haaren versehen. Dieser Theii steht durch den etwas schmaleren Stiel mit dem Fnsse in Verbindung. Die Nebenläppchen (Fig. 17 b) sind hier immer vorhanden und namentlich an der Unterseite dicht behaart. Bei manchen, z. B. den Zygaeniden, sind sie kurz. Dagegen sind bei den Nymjihdiden sogar zwei jederseits vorhanden.

Die einfachste Form des pidvillus treffen wir bei den Tipn- Udcn (Fig. 18 h). Er ist hier mehr vertical ausgedehnt, an den Seiten behaart und an der Spitze nach unten haarlos, sehr zart und deshalb fast wasserhell erscheinend.

Als dritte Form von Haftflächen sind die Haftläppchen der Rhynchoten zu erwähnen. Es sind hier zwei dünne Läppchen unter den Krallen vorhanden. Bei den ApMden sind sie nur undeutlich entwickelt, dagegen sind sie bei manchen Hemipteren fast gelenkartig mit dem untern Vorsprung am Grunde der Krallen verbunden. Bei einigen Käfern, z. B. Dassytes, sind derartige Läppchen gleichzeitig mit Hafthaaren vorhanden.

Haft haare. Ich komme jetzt zu dem Theil der Haft- organo, dem der bei weitem grösste Theil der Schriften und Bemerkungen gewidmet ist, es sind die haarförmigen. Ich habe bereits darauf hingedeutet, dass sich bei den Haftläppchen der Tinihrediden schon Uebergänge zu den Hafthaaren zeigen. Doch waren das immer nur Anhänge der weichen Hülle, ohne die bekannte Einfügung über einem Kanal der Chitinhülle. Die Hafthaare können sowohl durch weitere Ausbildung dieser Haaranhänge, als auch durch Weichwerden der Spitzen ge- wöhnlicher Haare entstehen. Während es in manchen Fällen sehr evident ist, wie sie entstanden sind, wird man in anderen Fällen wohl zweifelhaft bleiben müssen.

Nicht nach ihrer Entstehung, aber nach ihrem Zwecke muss ich in dieser Arbeit vorläufig einen Theil der Hafthaare von der Betrachtung ausschliessen. Eine Trennung, die aller- dings wegen der wenig scharfen Grenzen sehr schwierig durch- zuführen ist, wenn auch immerhin die ausgebildetsten Formen garnicht verwechselt werden können. Ich meine diejenigen Ilafthaare, die zu sexuellen Zwecken dienen. Ihrer Form nach stehen sie z. Th. einander sehr nahe und gehen in der That auch in einander über, d. h. manche Haare dienen wirklich beiden Zwecken. Die weitere Ausbildung ist aber nach dem Zweck verschieden. Während die gewöhnlichen Hafthaarc immer

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schnell müssen wieder gelöst werden können, ist dies bei den sexuellen Haftorganen nicht nöthig, und deshalb können hier andere Mittel benutzt werden, nämlich einerseits wirkliche Saugnäpfe und andererseits ein Klebstoff. Die ausgebildetsten, hierhergehörigen Haare, wie wir sie bei Dytiscus kennen, sind vollkommene Saugnäpfe. Die allermeisten Beobachter haben sich gewiss namentlich durch die deutlichen Saugnäpfe bei jenen Wasserkäfern, und durch die allmählichen Uebergänge verleiten lassen, in allen Haaren Saugnäpfe zu vcrmuthen, welche nur zu klein seien, um mit unsern optischen Hülfsmitteln wahr- genommen werden zu können. Ich werde im nächsten Theile auf die sexuellen Haftorgane zu sprechen kommen und gebe hier zunächst eine kritische Uebersicht der Literatur der ge- wöhnlichen Hafthaare.

Der erste, der über den Gegenstand etwas veröffentlichte, war nach Tuffen West's Angabe Henry Power in seiner Experimental PMlosopliy, London, 1664, und er kam allerdings ohne Mikroskop zu einem Resultat, von dem ich im Grunde genommen wenig abweiche. Nur seine Voraussetzung, dass das Auspressen der Flüssigkeit aus der lockern Masse ein willkür- liches sei, kann ich nicht billigen.

R. Hocke (Micrographia, 1667 pg. 170) nahm alsdann eine smohj sulstance auf der Oberfläche des Glases an, in welcher sich die Insekten mit den Haaren festhalten sollten. Er meint, dass sie sich sonst nicht so schnell würden lösen können. Gegen diesen Einwand kann man erwidern, dass auch ein Stück an- geklebtes Papier schnell und leicht gelöst werden kann, wenn man es an einem Zipfel angreift. Es ist also nur eine andere Bewegung des Fusses beim Aufheben als beim Festhalten nöthig, was absolut nicht undenkbar ist. Die Saugnapftheorie würde durch diesen Einwand schon eher in Schwierigkeiten kommen. Ueber die smoky sulstance, die nur zur Erklärung dieser That- sachen construirt wird, brauche ich wohl kein Wort zu verlieren.

A. van Leeuwenhoek (Arcana naturae deteeta. Lugduni, 1722, pag. 481 f ) war der erste, der Unregelmässigkeiten des Glases selbst annahm, zwischen denen die Haare in ihrer Gesammtheit den ge- nügenden Halt bekommen könnten ; genau so, wie (nach den Aus- führungen späterer Vertreter derselben Ansicht) auch eine Bürste schon beim Andrücken an einen Körper mit geringen Rauhigkeiten haftet. Ausser den Gründen, die von den verschiedenen Autoren

Arch. f. Naturgesch. L. Jahrg. 1. Bd. 12

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dagegen mit Recht geltend gemacht sind, bemerke ich noch, dass man damit absolut nicht das Haften einer Fläche, wie wir es bei den Orthopteren etc. sahen, erklärt hat.

W. Derham (Fhyskotheology, II, 1798,^. 289) zog zuerst den Luftdruck zur Erklärung herbei, setzte also Saugnäpfe voraus, und diese Ansicht hat nach ihm die weiteste Verbreitung gefunden. Dass es Saugnäpfe ohne Muskeln geben kann, was Dewitz in Ab- rede stellen zu müssen glaubt, zeigt uns schon der Vorderfuss des männlichen Dytiscus. Meine Hauptgründe gegen diese Ansicht werde ich indessen hier gleich in toto anführen. Zunächst wäre es sehr unwahrscheinlich, dass wir die Saugnäpfe bei starker mikroskopischer Vergrösserung nicht als solche erkennen könnten. Wir sehen nämlich bei manchen Käfern die Haare an der Spitze wohl erweitert, aber dabei doch vollkommen gerundet, wie sie auch Tuffen West von einigen Thieren zeichnet. Ich verweise nur auf Donacia, wo die Haare gegabelt sind, und jede Zinke für sich verdickt ist, also jede ein Saugnapf sein müsste. Für die Beobachtungen eignen sich am besten die Schienensporne von Tenthredo (Fig. 15 s p) oder noch besser von Cimbex, die auch zu Haftorganen umgewandelt sind, indem sie eine sehr weiche Spitze besitzen. Hier kann man nämlich schon mit guter Lupenvergrösserung deutlich die vollkommene Rundung der Spitze erkennen. Beim Eintrocknen werden sie oft sogar durch Einfallen der Seiten etwas spitz. Sollte diese vollkommene Rundung wirklich als Saugnapf wirken können, so müsste schon in der Mitte des Haares ein Strang vorhanden sein, der bei einer bestimmten Art des Zurückziehens des Fusses, die Mitte des Endes hineinzöge. Ein solcher Strang ist aber nicht vorhanden, es befindet sich vielmehr in der Mitte des Spornes eine Höhlung, wie in den meisten andern Haaren. Als zweiten Gegengrund, der wenigstens auf eine andere Erklärungsweise hindeutet, gebe ich einen leicht auszuführenden Versuch an. Eine Fliege kann eine Glasscheibe, auf der sich nur eine äusserst dünne Wasser- schicht befindet, nicht erklimmen, während eine ebenso dünne Oelschicht es kaum erschwert. Der Grund ist der, dass die ausgeschiedene Feuchtigkeit nicht an Wasser adhärirt, während sie sich mit Oel mischt und deshalb eine Bindung hergestellt wird. Ist die Oelschicht zu dick, so tritt ein anderes, oben (S. 168) erwähntes Ilinderniss ein.

Ein weiterer Gegenbeweis wurde von dem nächsten sorg-

Baues und der Functionen der Insektenbeine. 175

fältigen Beobachter, Blak wall (Transactions of ihe Linn. Soc. of Lond. XVI, 1833, pag. 487 ff) geführt, nämlich mit einer Luft pumpe. Ich habe auch Versuche damit gemacht und bin auch zu gleichen Resultaten gekommen. Ich benutzte zur Untersuchung einen Käfer (Phyllobius argentatus L.) , der ziemlieh langsam und träge ist und deshalb den Versuch so leicht nicht durch Hinunter- laufen vereitelt. Mittelst einer Wasserluftpumpe erreichte ich als Minimum des Druckes 100 mm. Die Thiere wurden zuerst etwas lebhafter, dann aber träger. Es schien ihnen fast Mühe zu machen, die Füsse zu lösen, jedenfalls deshalb, weil sie durch die Luft- verdünnung geschwächt wurden. Schliesslich blieben sie meist still sitzen. Allerdings ist es mir nicht gelungen, durch Luftverdünnung ihren Tod herbeizuführen. Dies scheint indessen auch Black- wall nicht erreicht zu haben. Black wall glaubte, durch diese Versuche bewogen, anfangs, sich der Ansicht einer mechanischen Anheftung zuneigen zu müssen. In einer späteren Arbeit aber (Ann. and Mag. of Nat. H'ist. 1844, XV, pg. 119 f) erklärte er sich für die richtige Ansicht, dass es vielmehr ein Ankleben sei. Er fand nämlich zuerst Spuren einer Flüssigkeit, wenn ein Insekt über eine Glasplatte gelaufen war. Ich habe diese Versuche am besten mit einer grossen Cerambycide, Saperda carcharias L. ausgeführt. Ich Hess das Thier zunächst auf einem trockenen, staubfreien Tuche umherlaufen und Hess es dann die Füsse auf den Objectträger setzen, hielt es aber fest, so dass es An- strengung machte, sich zu befreien und deshalb den Fuss fest an die Glasplatte andrückte. Entfernte ich den Fuss dann, möglichst ohne Reiben auf der Glasfläche und besah die Stelle unter dem Mikroskop, so sah ich sehr deutlich neben einigen Staubtheilchen, die fast nie fehlten, die reihenweis gestellten Tröpfchen (oder vielmehr feuchten Stellen), die von den einzelnen Haaren herrührten. Tuffen West und andere Anhänger der Saugnapftheorie stellen auch das Vorhandensein dieser Flüssig- keit gar nicht in Abrede, sie meinen aber, dass dieselbe nur so wirke, wie das Fett beim Recipienten der Luftpumpe. Tuffen West giebt sogar zu, dass die Menge der Flüssigkeit auch wohl genüge, um das leichte Thier nach dem Auspumpen der Luft noch an der Wand haften zu lassen. Hierin zeigt sich rocht deutlich, dass er nur seine Theorie überall durchführen will, welche er bei den Wasserkäfern anzunehmen sich ge- zwungen glaubt. Wenn wir ihm nun diesen einzigen Boden

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dadurch entziehen, dass wir die Hafthaare nach dem Zwecke unterscheiden, so kann sich wohl kaum noch Jemand veranlasst sehen, seiner Ansicht beizupflichten.

Die Arbeiten, die auf die von Black wall gelieferte folgen, bringen nichts wesentlich Neues. Ich verweise deshalb auf dio Angaben von Tuffen West. Tuffen West selbst lieferte in seiner Abhandlung eine Beschreibung und Abbildung vieler For- men, von Fliegen sowohl wie von Käfern und andern Arthropoden. Alles aber bezieht sich auf Haargebilde. Von Haftflächen ist nirgends weiter die Rede. Nach ihm gab noch Camer ano (Au. dei It. Accad. d. Sei. de Torino XIV, 1879, pag. 1148/.) Beschrei- bungen und Abbildungen von Hafthaaren bei verschiedenen Käfergruppen, ohne die betreffende englische Literatur zu kennen. Auch er ist Anhänger der Saugnapftheorie.

In neuester Zeit hat Dewitz (Sitzungsbericht d. Gesellschaft naturf. Freunde zu Berlin 1882) zwei kleine Abhandlungen veröffent- licht, in denen er als der Erste auf die histologischen Verhältnisse eingeht. Dewitz führte Schnitte durch den Fuss von Telephorus und fand hier über den einzelnen Haaren Drüsen, an welche er je einen Nerv treten sah. Ich finde wohl viele Drüsenzellen mit meist zwei oder drei Kernen (Fig. 19), besonders massen- haft über der Fusssohle der Matrix eingelagert (dr), doch ent- sprechen dieselben keineswegs den einzelnen Haaren, ihr Durch- messer ist schon weit grösser als die Entfernung der Haare von einander. Die Nerven sind namentlich über der Fusssohle sehr zahlreich und vielfach verzweigt, sie treten aber nicht an die Drüsenzellen, sondern immer entweder direct an Haarwurzeln oder an lange, spindelförmige Zellen (Fig. 13 gl), die auch Dewitz beobachtete. Dieselben befinden sich zerstreut an der Sohle, am zahlreichsten aber am Rande und zwar stets unter Haaren, die bis zur Spitze fest und sehr schwer tingirbar sind. Die spindelförmigen Zellen werden also auch hier als Ganglienzellen anzusehen sein. Die Hafthaare selbst findet Dewitz von einem Kanal durchzogen, der nahe vor der Spitze in einer schwer zu erkennenden Oeffnung nach aussen münden soll. Ich finde wohl die Höhlung im Innern, aber eine Aus- mündung zu beobachten ist mir niemals gelungen, auch nach Färbung mit Fuchsin nicht. Bei Saper da, PhylloUus u. A. finde ich die Zahl der der Matrix eingelagerten Drüsen weit geringer. Und in den Haftläppchen der Dipteren, von denen Dewitz

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ausgeht, ohne über ihren histologischen Bau irgend etwas zu sagen, habe ich gar keine Drüsenzellen finden können. Die Haftläppchen scheinen vielmehr nach Art der Haaranhänge oft nur mit einem Fortsatz der Matrix gefüllt zu sein, der sich ganz gleichmässig färbt. Die untere Wandung des Läpp- chens wird von vielen Röhren durchsetzt, die ebenfalls mit der eingeschlossenen Substanz ausgefüllt sind. Ueber den Kanälen stehen die Hafthaare. Die Oberseite der Läppchen wird von dichten, chitinisirten Streifen überzogen, welche dieselben ausgebreitet erhalten, ohne die Biegsamkeit zu beeinträchtigen.

Die Haftläppchen mit Haaren finden sich nur bei den Dipteren und zwar meistens in der Zweizahl. In mehreren Familien ist aber noch ein mittleres mehr oder weniger aus- gebildet oder das mittlere ist allein deutlich ausgebildet. Ausser bei den Käfern finden sich Hafthaare in der Sohle selbst nur noch bei Forficida lind Sialis.

In Betreff der Wirkung der Haare bin ich zu demselben Resultat gekommen, wie bei den Haftflächen. Bei der Be- handlung mit alkoholischer Fuchsinlösung nehmen sie nämlich namentlich in ihrem Endtheil, der keine Höhlung mehr im Innern zeigt, äusserst schnell Farbe auf, wenn die gewöhn- lichen Haare noch keine Spnr einer Färbung zeigen. Diese leichte Durchtränkbarkeit wird auch hier genügen, um das Haar immer feucht zu erhalten, indem die Flüssigkeit durch die Wurzel in den Hohlraum des Haares eintritt. Mit dieser meiner Ansicht stimmt allerdings nicht die Beobachtung von Dewitz überein, dass man bei einer anf einem Objectträger befestigten Fliege die Flüssigkeit aus dem Haare könne hervor- quellen sehen. Ich muss aber gestehen, dass es mir niemals möglich gewesen ist, ein solches Ausströmen wahrzunehmen, und muss es deshalb nach meinen andern Resultaten in Zweifel ziehen.

Ich habe in meiner Darstellung die Hafthaare von den Haftflächen getrennt. Damit will ich aber nicht angedeutet haben, dass ich diese Eintheilung für die genetisch richtigste halte. In genetischer Hinsicht können wir wohl richtiger die Haftläppchen zwischen den Krallen den Hafteinrichtungen an der Sohle des Fusses gegenüberstellen. Es bliebe dann schon von vorn herein Forficula auf der Seite der Orthopteren. Ferner

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stehen entschieden die beiden Läppchen bei den Hemipteren und den Dipteren einander sehr nahe. Bei einer solchen Ein- teilung könnte Tipida den Uebergang von den Dipteren zu den Lepidopteren und Forfiada den Uebergang von den Orthopteren zu den Coleopteren bilden. Ihrer Hafteinrichtung nach könnte man also die Insekten etwa folgendermassen eintheilen:

A. Die Haftorgane an der Fusssohle selbst.

a. Ohne Haft haare Orßioptera 1

( Forficula I

ß. Mit Hafthaaren I Coleoptera

\ Sialis

B. Die Hafteinrichtungen zwischen den Krallen a. Ein ausgezeichneter mittlerer Haftlappen

a. Der mittlere Haftlappen mit Chitinbogen

1. Ausser dem mittleren Haft- lappen noch Nebenlappen . Neuroptera

2. Ohne Nebenlappen. . . . Hymenoptera

b. D. m. H. ohne Chitinbogen . . \ €1H' °p era

\ Tip ida

ß. Kein ausgezeichneter unpaarer Haftlappen. J

a. Die Haftlappen behaart . . . Diptera

b. Die Haftlappen ohne Haare . . Rhynchota.

B. Klamme)'- und Fangorgane. 1. Für den sexuellen Gebrauch.

Die hierher gehörigen Organe würden z. Th. leicht mit anderen Haft- und Fangeinrichtungen verwechselt werden können, wenn sie sich nicht dadurch bestimmt unterschieden, dass sie nur dem männlichen Geschlechte zukommen. Es kommen auch hier verschiedene Principien zur Anwendung, nämlich erstens die Gegenwart eines Klebstoffes, zweitens das Wirken des Luft- druckes und drittens eine rein mechanische Einrichtung zum Festhalten. Da die sexuellen Haftorgane der ersten Reihe mit den im vorhergehenden Theil besprochenen in enger Beziehung stehen, wie es schon oben angedeutet wurde, gehe ich zunächst auf diese ein. Ein sehr gutes Beispiel von einem allmählichen Uebergang zeigen unsere Silpha- Arten. Während bei einigen Arten, z. B. S. airata L. und obscura L. nur beim Männchen

Baues und der Functionen der Insektenbeine. 179

und zwar nur an den Vorderbeinen, Hafthaare vorkommen, sind sie bei anderen z. B. S. sinuata F. in beiden Geschlechtern an den Vorderfüssen vorhanden. Und S. punctata L. unsere einzige Art, die fast ausschliesslich auf Gesträuch lebt, zeigt an allen Füssen, in beiden Geschlechtern fast eine gleich vollkommene Ausbildung derselben. Was nun zunächst die Erzeugung der Flüssigkeit anbetrifft, so ist hier ein wirklich von Drüsen ab- gesonderter Klebstoff verbanden. Es finden sich unter den einzelnen Haaren Drüsen (Fig. 20 dr), deren Secret durch den Kanal der Chitinhülle hindurch in das Haar gelangt. Das Haar hat eine Höhlung, die sich in dem hier meist flächenartig er- weiterten Endtheil allmählich in äusserst feine Röhrchen auf- lösst. Der Endtheil besteht wieder aus einer lockeren Masse, welche äusserst leicht tingirbar ist und von den Röhrchen, die an der Unterfläche ausmünden, durchsetzt wird.

Wenn hier auch Hafthaare sowohl als Saugnäpfe vorkommen, so würde es doch unmöglich sein, wirklich eine Trennung vor- zunehmen. Beide Arten von Organen gehen durchaus in ein- ander über. Einerseits wird nämlich von den Saugnäpfen zugleich auch Klebstoff ausgeschieden, der hier wie das Fett beim Recipienten der Luftpumpe dienen muss. Andererseits aber ist es bei einzelnen Formen, die am Ende erweitert sind, um sich dann in einen dünnen Stiel fortzusetzen, zweifelhaft, ob schon jene Saugnapfwirkung, die allein darin besteht, dass die Mitte zuerst zurückgezogen wird, während die Ränder noch anliegen, eintreten kann oder nicht. So scheint das Hafthaar von Feronia (Fig. 20) schon etwas als Saugnapf wirken zu können, wie es namentlich der Querschnitt (1/ u. b") zeigt. Die Form der Erweiterungen wechselt oft bei sehr nahe verwandten Arten ganz ausserordentlich. Während z. B. die Haftscheibe von DyHscus marginalis L. zwei sehr grosse und daneben viele kleine, runde Saugnäpfo hat, finden sich bei der sehr nahe stehenden D. dimidiata Bergstr. gar keine grossen, sondern nur kleine, von ganz anderer Form.

Die sexuellen Hafthaare finden sich allerdings namentlich bei den Käfern und zwar in mehreren Gruppen. Aber auch bei den Dipteren scheinen sie vorzukommen. So finden sich z. B. an dem stark erweiterten Metatarsusgliede der Vorderbeine von Hüara mehrere dickere Haare, die sehr leicht Farbe auf- nehmen. Auch bei den Arten von Platycheirus scheinen die

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feinen Haare der erweiterten Tarsenglieder so zu wirken. Doch wird in beiden Fällen vielleicht nur das mechanische Festhalten durch einen Klebestoff erleichtert. Organe zum rein mechani- schen Anklammern an das Weibchen sind übrigens auch nicht selten und können an allen Beinen vorkommen. An den Vorder- beinen findet sich z. B. eine Erweiterung bei HydropMus piceus L. Und auch die schaufelformigen Erweiterungen bei mehreren Crabro- Arten muss man wohl hierherziehen. Eine Hafteinrichtung an den Mittelbeinen findet sich z. B. bei Hoplopus spinipes IL Sch.} wo sich drei starke Zähne an dem Schenkel befinden. An den Hinterbeinen haben wir ein Beispiel bei der Gattung Oednniera, wo die Schenkel stark erweitert und die Schienen gekrümmt sind. Man könnte sich leicht versucht fühlen, alle Anhänge und Abweichungen, welche das Männchen vom Weibchen unter- scheiden, für Klammerorgane zu halten. Doch ist das wieder zu weit gegangen. In sehr vielen Fällen wird man es auch mit Unterschieden zu thun haben, die durch geschlechtliche Zuchtwahl entstanden sind. Allerdings ist es merkwürdig, dass die Weibchen Vorliebe für derartige, oft geringfügige An- hänge zeigen sollten. Wenn wir bei den zierlichen Kopf- und Halsschildanhängen, die oft eine sehr complicirte Form zeigen, nothwendig auf Entstehung durch geschlechtliche Zuchtwahl hingewiesen sind, so dürfen wir vielleicht auch hier dieselbe Entstehungsweise annehmen. Ich führe nur einige merkwürdige Beispiele an: Die Mitteltarsen von Anthophora aestivalis Pz. sind bedeutend verlängert und das Endglied stark büschelförmig be- haart. Bei A. retiisa Kirb. ist es ähnlich ; nur sind alle Tarsen- glieder mit langen Franzen versehen. Bei PlatycJieirus sadatus Meig. finden sich unter Anderm an der Basis des Vorderschenkels eigenthümlich gebogene Schöpfe am Ende spatelig verdickter Haare etc.

2. Raubbeine.

Einrichtungen zum Festhalten der Beute finden sich auch mehr oder weniger in fast allen Gruppen, wo es überhaupt Raubinsekten giebt. Es sind fast immer Schiene und Schenkel, welche zu diesem Behufe umgewandelt sind; da sich diese von vorn herein am besten dazu eigneten. Beide stehen ja einer- seits durch ein festes Charniergelenk in Verbindung und anderer-

Baues und der Functionen der Insektenbeine. 181

seits ist doch auch die Muskulatur mehr dazu geeignet. Die Tarsen, die nicht einmal einen Strecker haben, sind dagegen kaum zu verwenden.

Sehr vollkommen ausgebildete Raubbeine, wie sie sich bei Monas religiosa L„ Nepa cinerea L. etc. finden, mussten schon früh als solche erkannt werden. Es ist aber die Verbreitung der Raubbeine eine viel grössere, als man wohl glaubt. So muss man schon voraussetzen, dass namentlich bei denjenigen Raub- insekten, die keine Kiefer zum Festhaltet haben, sich ander- weitige Einrichtungen zum Festhalten finden lassen; und in der That finden wir bei allen Raubinsekton aus diesen Gruppen wenigstens robuste und bestachelte Beine. Bei den Hemipteren finden sich alle möglichen Uebergangsstufen, vom ausgeprägtesten Raubbeine bis zu den ersten Anfängen, die in einigen Dornen der Schienen und Schenkeln bestehen. Starke Bestachelung findet sich auch häufig unter den Dipteren, doch sind wirkliche Raubbeine hier selten. Eine speciell dazu bestimmt Einrichtung finde ich nur bei Dasypogon. Hier bildet ein gebogener Fortsatz der Schiene und der Metatarsus gewissermassen eine Zange.

C. Das Bein als Reinigungsorgan.

Wir kommen nun zu der letzten Function der Beine, die uns noch etwas länger beschäftigen muss, da wir es hier- bei mit weit verbreiteten Einrichtungen zu thun haben, die noch wenig Beachtung gefunden und deshalb in ihrer weniger evident ausgeprägten Form z. Th. zu argen Missdeutungen Veranlassung gegeben haben. Ich erinnere nur daran, dass Landois (Thier stimmen. Freiburg i. B., 1874, pag. 92) die Schienenplatte der Schmetterlinge als Gehörorgan deutete. So leicht man auch diese Theile in Wirkung sehen kann, und so deutlich sie z. Th. schon der Form nach ihren Zweck verrathen, hat man sie doch einzig und allein bei den Hymenopteren richtig gedeutet. Es muss dies um so mehr frappiren, da man doch oft beoachten kann, wie ein Insekt seinen Körper, seine Flügel, Beine und Fühler reinigt. Schon Aristoteles be- schreibt dies (üigl rüv Iviaov fjogiwv IV, 6, 12) mit folgenden Worten: Tovg dt nöSug rovg nqogSlovg (itfeovg ena tovtwv fy«, onwg irteidr] diu ib axlrigötpftaliia tfoat ovx äxqißri rrjv oipiv (XovGiv, nqoGmnxovTa rolg itgoad'foig anoxadaCquiGi OxiXe-

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<Hv ' OTitQ xai (pulvovTai noiovOai al rt fivlat xal zu [ifhTnbdt] töiv Jw'wv ' dtl yuQ £«oxi'£oi/fft ToTg ngoo&Coit; oxikiow.

Rcaumur ( Memoire* pour servir a l'histoire des Insectes, 1 732 42, V, 1, pag. 364 ff.) beschreibt zuerst die Bürsten an dem erweiter- ten Metatarsus der Bienen genau und deutet sie richtig als Organ, das zum Zusammenbürsten der Pollen in die Körbchen der Hinterbeine dient.

Von dem eigenthümlichen Fühlerkamm an den Vorder- schienen giebt zuerst De Geer (Memoires pour servir ä l'histoire des Insectes 1752 76, Tome II) ausführliche Beschreibung und Abbildungen. Er spricht auch die Meinung aus, dass er wohl als Bürste diene; denn er habe die Thiere öfter sich Kopf- und Mundtheile abreiben sehen. Doch, fügt er hinzu, könne es auch zum Ablecken des Blüthenstaubes dienen. Bei den Ameison giebt er wieder Beschreibung und Abbildung, doch meint er, lasse sich der Zweck schwer angeben. Vielleicht diene er zum Sammeln des Saftes, den die Blaatläuse ausscheiden. Vielleicht, fügt er dann auch hier hinzu, dienen sie auch zum Reinigen von Kopf, Mund und Fühlern. Auch die Schienenplatte der Schmetterlinge entdeckte er, ohne über ihren Zweck etwas aussagen zu können.

Ziemlich bestimmt spricht sich Kirby (Monographia apum Angliae. Ipsuich, 1701, /, pag. 97) über den Zweck des Fuss- kammes aus. Er nennt ihn strigilis und sagt darüber: Ms sicut strigüe, (Mennos, ut opinor detergunt insecta Hymenoptera. Die gegen- überliegende Haut am Schienensporn nennt er velum und giebt von allen Theilen Zeichnungen.

Latreille (Histoire naturale des Crustaces et des Insectes 1806—1809 Bd. VIII) war der Entdecker des Ausschnittes an den Vorderschienen mancher Laufkäfer. Doch benutzte er ihn, wie alle folgenden, nur zur Eintheilung und sagt nichts über den Zweck und den Bau.

Ratze bürg (Die Forst- Insekten, III, 1844, pag. 5) fand auch den Fusskamm des Hymenopteren und sucht ihn zu deuten. Nach einer nähern Beschreibung sagt er: „Hiermit kann man die Gewohnheit, die Fühler öfters zwischen den Vorderbeinen zu streichen, recht gut in Verbindung bringen." Bald nachher nennt er die etwas weniger gut ausgebildete Spornhaut bei den Blattwespen unter Anderm eine Spielerei der Natur.

H artig (Die Familien der Blattivespen und Holzwespen. Berlin,

Baues und der Functionen der Insektenbeine. 183

1837, pag. 21) spricht sich zum ersten Male bestimmt über den Zweck des Schienenspornes und des Ausschnittes der Hyme- nopteren aus; er hat die Einrichtuog in Wirkung gesehen.

Speyer (Isis, 1843, 111, pag. 161 f.) giebt eine ausführ- liche Darstellung des Vorkommens der Schienenplatte bei den Schmetterlingen, kann sich aber ihren Zweck nicht erklären.

Perez (Actes Soc. Linn. Bordeaux Vol. 35. Proc. verb. p. XXV11) fand auch, wie ich aus dem Literaturverzeichniss des Zool. Anz. Nr. 136 ersehe, den Schienenkamm der Hyme- nopteren.

Nach dieser kurzen Zusammenstellung der wenigen Notizen über diesen Gegenstand komme ich zu meinen eigenen Beob- achtungen. Ich kann die Bemerkung vorausschicken, dass es wenige Insekten giebt, die gar keine Einrichtungen zum Reinigen haben. Giebt es doch auch fast kein Insekt, dass man nicht einmal seine Flügel, Kopf, Fühler oder doch wenigstens seine Füsse reinigen sähe. Die einfachste Form eines Reinigungs- apparates stellt sich als dichtere, feinere und gleichmässigere Behaarung an einzelnen Theilen der Beine dar, und von dieser einfachsten Form findet man alle Uebergangsstufen bis zu der zierlichen Einrichtung zur Reinigung der Fühler bei den Bienen. Durchschnittlich sind die Vorrichtungen bei denjenigen Insekten am vollkommensten ausgebildet, welche an staubigen Orten leben, und als solche Orte kann man auch besonders die Blüthen mit dem Pollen ansehen.

Einrichtungen zur Reinigung des Thorax und Hinterleibes sind am schönsten bei den Blumenwespen entwickelt. Dieselben müssen hier bei den Weibchen um so vollkommener sein, da von manchen Arten der anhaftende Blüthenstaub zusammen- gekehrt und an bestimmten Orten aufgehoben wird. Der Me- tatarsus und die Schiene sind zu diesem Zwecke dicht mit gleich langen Haaren besetzt, so dass sie den Namen Bürste in erster Linie verdienen. Es ist leicht ersichtlich, dass unter den Bienen die sog. Schienensammler die vollkommensten Bürsten besitzen müssen, da es doch einige Schwierigkeiten machen wird, den Polleu in die Körbchen der Hinterschienen zu bringen. Er- leichtert wird es ihnen dadurch, dass hier auch die Bürstenhaare weich sind und etwas feucht erhalten werden. Doch ist auch bei den übrigen Blumenwespen die Einrichtung immer noch recht vollkommen zu nennen.

184 Dr. Fr. Da hl: Beiträge zur Kenntniss des

An die Bienen schliessen sich unter den Dipteren die SyrpUden an. Auch hier ist der Metatarsus, namentlich der Hinterbeine, oft erweitert und an der Innenseite dicht mit Haaren besetzt. Auch der erweiterte Metatarsus bei den Bor- barinen etc. ist nichts Anderes als eine Bürste. Bei den Fliegen kommen auch die Schienen der Hinterbeine bei der Reinigung in hervorragender Weise in Anwendung, und deshalb sind sie oft stark gebogen und an der Innenseite dicht und kurz behaart. Die Schenkel sind dann meist ebenfalls verdickt. Beides ist besonders bei den SyrpUden der Fall, die von allen Dipteren die fertigsten Flieger sind, bei ihnen wird daher auch Reinlich- keit besonders geboten sein. So sind z. B. bei Syritta pipiens L., welche besonders gut zu rütteln vermag, die angeführten Ein- richtungen im höchsten Grade ausgebildet. Die Schenkel sind hier sogar zum festen Anlegen der Schienen mit Dornen besetzt. Eine etwas dichtere Behaarung findet sich an der Innenseite der Hinterschienen aller Dipteren und Hymenopteren und auch mancher andern Insekten.

Zur Reinigung des Kopfes mit den Augen und Mundtheilen und z. Th. auch den Fühlern werden gewöhnlich die Schienen der Vorderbeine verwendet, und deshalb findet man auch an deren Innenseite fast immer eine sehr dichte und gleichmässige Behaarung, besonders deutlich bei Dipteren, Hymenopteren und Libelluliden. Daneben wird oft auch der Metatarsus verwendet.

Zur Reinigung der Fühler speciell ist meist noch eine be- sondere Einrichtung vorhanden, die bei den verschiedenen Insekten zwar denselben allgemeinen Bau hat, aber im Einzel- nen doch bedeutende Unterschiede zeigt. Wo nur kurze Fühler vorhanden sind, fehlt sie natürlich immer. Am schönsten aus- gebildet ist dieselbe bei den Hymenopteren, und bei diesen ist sie deshalb auch schon längst aufgefallen. An dem Metatarsus der Vorderbeine ist bei der vollkommensten Form, wie sie sich bei den Blumenwespen findet, ein halbkreisförmiger Ausschnitt vorhanden (Fig. 21), der mit einer Reihe eng aneinder stehender, genau gleich langer Kammzinken besetzt ist. Dem Ausschnitt gegenüber steht der Schienensporn, und dieser ist als zweiter Zangenscheukel ausgebildet. Die Innenseite des Spornes trägt eine nach innen halbmondförmig ausgeschnittene Haut, das velum. Die Spitze des Spornes ist etwas zurückgebogen und ermöglicht daher ein leichtes Zwischenscbieben des Fühlers,

Baues und der Functionen der Insektenbeine. 185

obgleich kein Muskel zum Zurückziehen desselben vorhanden ist. Wird nach Einbringen des Fühlers der Metatarsus durch den Tarsenbeuger nach vorn geneigt, so stehen die Ausschnitte genau einander gegenüber und schliessen den Fühler ein, der durch Zurückziehen des Kopfes und Vorschieben des Beines hindurchgezogen wird. Bei grossen Wespen kann man den Vorgang sehr genau mit der Lupe beobachten. Wenn man den Fühler mit etwas Säure oder Nelkenöl betupft oder auch nur borührt, so wird die Bewegung stets wiederholt ausgeführt.

Bei den meisten Ameisen befinden sich auch an dem Aus- schnitt des Spornes anstatt der Haut kammförmig gestellte Borsten (Fig. 22). Es ist dies ebenfalls eine sehr vollkommene Bildung, wie es sich schon von den Ameisen erwarten Hess, da sie viel in Staub und Erde umherlaufen. Bei vielen Hymenop- teren sieht man eine Umwandlung des velum in einen solchen Kamm, indem die Kammzähne nur an der Spitze vorhanden sind, während am Grunde noch eine zusammenhängende Haut existirt. Dies ist z. B. bei den meisten Vespiden, Chrysiden, Crahronen etc. der Fall. Ein Anfang von Kammzinken zeigt sich z. B. bei Campoplex, wo auf der Haut nur schwache Spitzchen stehen. Es kann übrigens auch gleichzeitig mit dem velum ein Kamm vorhanden sein, wie wir es bei vielen Ichneu- monen bemerken, am schönsten bei OpMon, Trogus und andern. Es kann hierbei entweder der Kamm bedeutend vorwalten, wie bei Tryphon und namentlich bei Anomahn oder andererseits kann der Hautsaum stärker sei, wie bei Campoplex. Wir brauchen also nicht anzunehmen, dass der Spornkamm der Formiciden aus einem Hautsaum entstanden ist, sondern er kann direct aii3 Borsten hervorgegangen sein. Bei manchen Hymenopteren fallen velum und Kamm ganz aus. Sehr schwach sind sie schon bei manchen Ichneumonen ausgebildet, z. B. bei Cryptus. Bei den Pteromalinen ist meist nur noch der Sporn gebogen und innen etwas länger beborstet und bei Ahia und Hylotoma findet sich allein noch die etwas stärkere Beborstung.

Die Abstufungen finden sich in derselben Weise auch am Ausschnitt des Metatarsus: Während er bei den Apiden, so namentlich bei Nomada (Fig. 22) vollkommen halbkreisförmig und äusserst regelmässig mit Kammzinken besetzt ist, ver- schwindet er bei manchen Tenth-ediden vollkommen. Schon bei einigen Blumenwespen wird der Ausschnitt flacher, dann folgen

186 Dp» Fr- Dahl: Beiträge zur Kenntniss des

die übrigen Aculeaten. Bei den Ichneumonen ist er z. Th. schon recht flach; bei Cynips (Fig. 23) ist er fast gar nicht mehr vor- handen und nur noch durch zerstreut stehende stumpfe Borsten an- gedeutet. Bei den Blattwespen, die ja auch ihrer Lebensweise gemäss wenig mit Staub in Berührung kommen, ist er nur noch im Genus Macrophya deutlich erkennbar, während er bei den andern fast unmerklich ist (Fig. 15), namentlich da, wo auch die Spornhaut fehlt.

Der Einrichtung bei den Hymenopteren kommt diejenige der Lepidopteren (Fig. 24) am nächsten. Sie unterscheidet sich besonders dadurch, dass der Sporn hier in die Mitte der Schiene gerückt ist. Man hat ihm hier deshalb einen besonderen Namen, Schienenplatte, gegeben. Die Schienenplatte fehlt bei den meisten Tagfaltern mit stärker geknöpften Fühlern und ist bei manchen Nachtfaltern mit stark gekämmten Fühlern rudi- mentär geworden. Abgesehen davon, dass es bei beiden fast unmöglich wäre, die Fühler durch eine enge Oeffnung zu ziehen, muss man jedenfalls auch annehmen, dass die Erweiterungen der Fühler einen anderweitigen Schutz für diejenigen Organe gewähren, welche die besondere Einrichtung zum Reinigen nothwendig machen, ich meine das höchst wahrscheinlich am Fühler sich findende Geruchsorgan. Der Form nach ist der Sporn dem der Ameisen ziemlich ähnlich. Er trägt keine eigentlichen Schuppen, ist aber dicht mit schuppenartigen Hervorragungen und kurzen Stacheln der Chitinhülle selbst be- deckt. Am innern, der Schiene zugewendeten Rande, werden die Stacheln länger und namentlich steht unmittelbar am Rande eine dichte Reihe von längern Borsten. Bei SpUngiden (Fig. 25) und Noctuinen haben diese auch die eigenthümliche Abstumpfung, die sie bei den Formiciden zeigen. Das Ende des Spornes ist ebenfalls meist ein wenig zurückgebogen. Auf demselben liegt ge- wöhnlich ein dichtes Büschel von langen, haarförmigen Schuppen (Fig. 24 s), das entschieden mit als Feder zum Andrücken dient. Einen starken Nervenast, wie ihn Landois angiebt, konnte ich nicht in den Sporn eintreten sehen. Es wäre sonst ja nicht geradezu unmöglich, wenn auch sehr unwahrscheinlich, dass sich in dem Schienensporn auch chordontonale Organe be- finden. Auch Grab er erwähnt sie hier nicht, scheint sie hier also auch nicht gefunden zu haben. Dem Sporn gegenüber befindet sich auch hier eine leichte Ausbuchtung, die aber nicht

Baues und der Functionen der Insektenboine. 187

am Metatarsus, sondern wegen der veränderten Stellung des Spornes an der Schiene selbst liegt.

Bei den Neuropteren, z. B. den Phryganeen, die doch auch frei vorragende, fadenförmige Fühler besitzen, finde ich keine analoge Einrichtung an den Vorderbeinen. Sie dürfte hier aber auch wohl kaum erforderlich sein, da diese Thiere doch an feuchten, staubfreien Orten leben.

Eine ähnliche Einrichtung, wie bei den Lepidopteren findet sich bei einer Käfergruppe, den CaraMden (Fig. 26). Es ist hier bekanntlich ein Ausschnitt an den Vorderschienen vor- handen, der längst bei Bestimmung der Käfer berücksichtigt wird, den aber meines Wissens noch Keiner zu erklären ver- sucht hat. Auch hier kann man sich , wie bei den Hymenopteren und Lepidopteren leicht überzeugen, dass die Fühler beim Reinigen durch den Ausschnitt hindurchgezogen werden. Der eine Sporn ist auch hier allerdings von der Spitze der Schiene zurückgetreten, er scheint indessen, obgleich er unter dem Ausschnitt steht, wenig an der Bildung Theil zu nehmen. Der Einschnitt ist immer etwas schräge, so dass er bei senkrechter Ansicht des Beines nicht als ein Kreisabschnitt erscheint. Auf dem scharfen Rande zieht sich eine dichte, kammartige Reihe von etwas stumpfen Borsten hin, die sich bis ans Schienenende fortsetzt und hier quer über den untern Rand verläuft. Dem Ausschnitt gegenüber stehen eine oder zwei feine, lange Borsten (Fig. 26 b). Sie sind doppelt gebogen und zwar so, dass die untere Biegung den Ausschnitt zu einem fast vollkommenen Kreise ergänzt, das obere Ende aber abwärts gerichtet ist. Beim Einbringen der Fühler schiebt sich dieser zunächst unter das abstehende Ende, drängt die Borste zur Seite und wird nun der Länge nach durch den Ausschnitt ge- zogen. Am vollkommensten schliesst sich der Kreis bei Bem- hidium. Es sind hier vor dem oberen Ende noch einige gebogene Borsten vorhanden (Fig. 27 r), die ein Hineingleiten des Fühlers in den Einschnitt nicht hindern, ein Austreten aber unmöglich machen. Bei den Carabiden kann man ein allmähliches Aufrücken des unteren Spornes und damit des Ausschnittes nach der Spitzo verfolgen und sieht nun den Ausschnitt zu einem Spalt werden, der an der Unterseite des Schienenendes fast in der Längs- richtung des Fusses liegt. Notiophüw (Fig. 28) bildet ungefähr

188 r>r. Fr. Dahl: Beiträge zur Kenntnis9 des

eine mittlere Uebergangsstufe. Bei Carabm stehen schon beide Sporne am Ende. Die Reinigung durch den Spalt geschieht in der Weise, dass der Fuss auf den Fühler gesetzt und dann der letztere hervorgezogen wird.

Eine ganz andere Einrichtung finden wir bei den Kurz- fliiglern. Hier wird der Fühler beim Reinigen durch die Knie- beuge gezogen, nachdem der Fuss darüber gestellt ist und wieder den Boden berührt. Am vollkommensten ausgebildet ist dio Einrichtung bei LaihroUum (Fig. 29). Auch hier findet sich an den Vorderschienen ein Ausschnitt, aber näher der Wurzel. Er läuft von der Wurzel aus schräge nach aussen, ist aber nicht nur mit einer Dornreihe, sondern mit vier regelmässigen und ein oder zwei unregelmässigen versehen, so dass das Ganze einer Kartätsche nicht unähnlich ist. Diesem Ausschnitt gegen- über befindet sich am Schenkel gleichfalls eine Ausbuchtung, an dessen oberer Seite auch eine kurze Reihe von Borsten steht.

Schon bei der mit Lathrobium nahe verwandten Gattung Cryptobhim fällt die Dornenreihe an der Ausbuchtung des Schen- kels weg und der Ausschnitt der Schiene ist viel flacher. Bei den allermeisten Gattungen fehlt aber der Ausschnitt am Schenkel ganz und auch der Ausschnitt der Schienen mit den Kammreihen verliert sich mehr und mehr. Bei Paederus ist noch der Ausschnitt sowohl als die Kammreihen erkennbar, bei Philonthus ist nur noch eine Reihe deutlich, während der übrige Theil der innern Schienenseite dicht beborstet ist. Bei Stenus schliesslich und vielen andern finden sich überhaupt nur noch dichtstehende Haarborsten auf der Innenseite.

Die Carabiden und Staphylinen sind die einzigen Käfergruppen, bei denen ich besondere Einrichtungen zur Reinigung der Fühler fand. Es dürften dies aber auch die einzigen sein, bei denen sie wirklich nothwendig sind. Die allermeisten Käfer schützen ihre Fühler dadurch vor Staub, dass sie sie in eine besondere Grube oder doch unter den Rand des Halsschildes und Kopf- schildes legen und die übrigen, wie z. B. die Bockkäfer, leben meist auf Laub, wo sie der Reinigungsorgane noch weniger bedürfen.

Auch bei allen Orthopteren findet man keine Organe speciell für dio Reinigung der Fühler. Es kann dies um so mehr auffallen, da einige fast nur an staubigen Orten leben und dabei vorstehende Fühler haben, wie z. B. Forficula. Wie

Baues und der Functionen der Insektenbeine. ISO

man sich aber leicht Überzeugen kann, tritt liier ein anderes Mittel ein. Dio Fühler werden nämlich, wie bei den Myriopoden mit den Kiefern gereinigt und mit den Vorderfüssen nur herunter- gebogen.

Für den Rüssel ist nur sehr selten eine besondere Ein richtung zur Reinigung vorhanden. Bei den Fliegen mit vor- stehendem Rüssel muss die dicht behaarte innere Seite der Schienen, die zur Reinigung des Kopfes überhaupt dient, diese Function mit übernehmen. Bei den allermeisten Hemipteren dient ausserdem eine Stachelreihe am Endo der Schienen dazu. Nur bei einer Wanzengattung, Näbis, die besonders zwischen Laub und Pflanzen an der Erde lebt, ist eine vollkommenere Einrichtung vorhanden. Ausser den kammförmigen , dickeren Zinken vor dem Ende der Schiene ist hier am Ende der Innen- seite ein Fortsatz vorhanden (Fig. 30 u. 31), der mit äusserst dichten und feinen Härchen besetzt ist. Will dass Thier damit seinen Rüssel reinigen, so hebt es die beiden Vorderbeine, nimmt das obere Ende des Rüssels zwischen die Bürsten und streicht nun mit beiden zugleich hinunter. Auch die Fühler werden in der gleichen Weise behandelt.

Da dio Hafthäute der Füsse stets feucht erhalten werden, sind sie natürlich der Beschmutzung durch Staub besonders ausgesetzt, zumal bei den Thieren, welche Hafthaare besitzen. Die Einrichtung kann also dem Thier nur dann von Nutzen sein, wenn es im Stande ist, den Staub wieder zu entfernen. Trotzdem findet sich in einigen Fällen, z. B. bei Locusta, Nichts, was auf eine solche Function hindeutet. Gleichwohl weiss sie den Staub recht gut zu entfernen. Beobachtet man diese Heuschrecke, wenn sie an einer Glasscheibe empor steigt, so sieht man, dass sie von Zeit zu Zeit inne hält und nach- einander alle Füsse, auch die Hinterfüsse, an den Mund bringt um sie mit den Kiefern vom anhaftenden Staube zu befreien. Die Hymenopteren reinigen nur die Vorderfüsse mit den Kiefern, während zur Säuberung der Mittel- und Hinterfüsse die Schienen- sporne dieser Beine dienen, welche häufig an der Innenseite gezähnt sind, und bei Insekten, dio sich meist im Staube auf- halten, wie manche Pompüinen, sogar schön gekämmt sind (Fig. .32).

Die übrigen Insekten scheinen sämmtlich auch die Vorder- beine nicht mit dem Munde zu reinigen. Bei allen mit saugen- den Mundtheilen ist dies ja auch nicht wohl möglich.

Arcli. f. Natui'gcsch. L. Jahrg. 1. Bd. 13

190 rh'- Fr. Dahl: Beitrüge zur Kenntniss des

Die Hemipteren besitzen am Ende der Seidenen eine Reihe dicht stehender Borsten, über dio die Füsso wechselweise hinweg- gezogen werden. Aehnlicho Einrichtungen finden sich bei Küfern, z. B. manchen Chrysomelinen. Das mit Kammzähnen besetzte Schienenendo verbreitert sich hier bisweilen sogar etwas, so namentlich bei Gonioctena, einer Gattung, die sogar ihren Namen von dem Fusskamme erhalten hat. Bei den Rüsselküfern ist ein vollkommener Kranz von Borsten vor- handen. Vielo Käfer, so namentlich die meisten Chrysomelinen, zeigen, wie auch die Dipteren, an den Seiten der Schienen, nahe vor dem Endo eine dichte Behaarung. Auch unter dieser Be- haarung kann ein Höcker vorkommen, wie er sich an den Mittelschienen, z. B. von Astynomus und namentlich von Lamia findet. Bei Clivina scheint sogar ein Ausschnitt am Metatarsus der Vorderbeine zu demselben Zwecke vorhanden zu sein.

Wir haben versucht, uns den Bau des Insektenbeines durch Betrachtung seiner verschiedenen Functionen zu erklären. Wenn uns dies auch im Allgemeinen wohl annähernd gelingen konnte, so bleiben doch immer rüthselhafte Eigentümlichkeiten übrig, die dem Organismus eher zum Schaden als zum Vortheil zu gereichen scheinen. Einige der theilweise recht sonderbaren Bildungen lassen sich entschieden auf Mimicry zurückführen. Dahin ge- hören z. B. die stark flächenhaft ausgebildeten Beine mancher exotischer Orthopteren. Sie dienen dazu, das ganze Thier ge- wissen lappigen Blattgcbilden nur noch ähnlicher zu machen. Bei anderen Thieren, welche kleinen Aesten oder Zweigen gleichen, wie z. B. Phasma, stellen die Beine die Seitenäste dar. Ebenso unterliegt es keinem Zweifel, dass unser Berytus tijmlarvis L. mit seinen langen, am Ende der einzelnen Glieder verdickten Beinen Aehren der Rispengräser nachahmt, auf denen man ihn meistens findet. Schwieriger wird dio Beurtheilung mancher Formen, bei denen gleichzeitig mit der Umbildung durch Mimicry Factoren auftreten, welche jener theils entgegen- wirken, theils sie in bestimmter Weise modiliciron. Dies ist z. B. bei den schon oben (S. 39) besprochenen Syrphiden der Fall. Bekanntlich ahmen dieselben fast sämmtlich Wespen, Bienen oder Hummeln nach. Diese Nachahmung beschränkt sich aber nicht auf Form und Farbe des trunkalen Körpertheils, sondern erstreckt sich auch auf die Beine. Nun sind aber die Beine der Blumenwespen besonders robust und stark behaart,

Baues und der Functionen der Insektenbeine 19i

einestheils, weil sie die Bürsten tragen, die zum Zusammenkehren des Blumenstaubes dienen und andererseits, weil die Staubbehälter sich oft auch auf den Beinen selbst befinden. Wir können also erwarten, dass auch die Beine dieser Fliegen stark verdickt sein werden, so stark, dass man ihre Form aus ihrer Funktion als Reinigungsorgan allein keineswegs erklären kann.

In ähnlicher Weise dürften vielleicht auch die langen, leicht zerbrechlichen Beine der Tipuliden durch gleichzeitiges Ein- wirken verschiedener Factoren entstanden sein.

Manche Bildungen bleiben aber von allen diesen Gesichts- punkten aus betrachtet vollkommen räthselhaft, wenn man nicht den Insekten eine besondere Vorliebe für bestimmte Formen vindiciren will.

So wüsste ich mir manche Anhänge, z. B. die hübsche Be- fiederung der Mittel- und Hinterbeine von Empis pennipes und die gleiche Befiederung am Mittelmetatarsus von Dolickopus plumipes, ferner die messerförmige Gestalt der Beinglieder von Plotycnemis pennipes Fall, und zahlreiche ähnliche Bildungen nicht anders zu erklären.

Erklärung der Tafeln.

Schematischer Längsschnitt durch ein Vorderbein von Telepliorus lividus L. kr, Kralle; s, Sehne des Krallenbeugers (/. «.); /• '■■> Tarsenbeuger ; /. s., Schienenbeuger; e. s. Schienenstrecker, pr., Schenkeldreher; e. p., Trochanterstrecker ; /. p., Trochanterbeuger. Mittlerer Längsschnitt durch das Ende des letzten Tarsengliedes von Locusta cantans Charp. st., Streckplatte ; s., Sehne des Krallenbeugcrs ; e., elastische Chitinhaut.

Theil der drei letzten Tarsenglieder von Telepliorus im Längsschnitt (schem.). s. , Sehne des Krallenbeugers; z., Gelenkzapfen des vor- letzten Gliedes : h. , hemmender Rand für das letzte Glied. (Die folgenden Fig. von demselben Thier.)

Querschnitt durch das letzte Tarsenglied, nahe vor dem distalen Ende ; st., Streckplatte ; e., elastische Chitinhaut ; ff., häutiger Fortsatz der Streckplatte ; tu., zurückgetretene Matrix von y. und st. Querschnitt durch den Trochanter mit dem proximalen Ende des Schenkels (seh), tr., Tracheenstämme; n. , Fussnerv; pr., Schenkel- dreher.

Hüfte nebst Trochanter des ersten Beinpaares im Längsschnitt, tr.,

13*

192 Dr. Fr. Dahl: Beitrage zur Kcnntniss des

Tracheenstiimme ; n., Nervenzweig; e. p. , Trochanterstrecker; /'. />., Trochanterbeuger; ;>r., Schcnkeldreher; eh., Endigung eines Nerven in ein chordotonales Organ.

7. Querschnitt durch die Schiene nahe vor dem distalen Ende. tr. Tracheenstamm; n., Nervenzweige; /. /. , Tarsenheuger ; s. , Sehne des Krallenbeugers ; x. , eigenthümlich faltiges Organ in der Schiene.

8. Vorderfuss von Clivina fossor L.

9. Letztes Tarsenglied von Hydrometra lacustris L.

10. Fussende von Scatetta aestuans Hai.

11. Querschnitt des Fusses von Locusta cantans Charp. st., Stäbchen- schicht der Sohle ; m. , Matrix derselben ; m * , Matrix der übrigen Chitinhülle; gl., Ganglien der Sohle; gl', Ganglien unter einem Tast- haar; dt:, Theile des zellig-blasigen Bindegewebes ; «., Nervenstränge; tr., Tracheenstrang; jl., Sehne des Krallenbeugers.

12. Fassende von Tenthredo instabilis Klug, von der Unterseite; st., Streck- platte; kr., Kralle; h., Haftläppchen; />, Chitinbogen in demselben.

13. Dasselbe von oben, d., Chitinplatte.

14. Fussende von Vespa crabro L. im Längsschnitt, st., Streckplatte; //., Haftläppchen; b., Chitinbogen; d., Chitinplatte.

15. Vordertarsen von Tenthredo aueupariae Klug, kr., Kralle; h., Haft- läppchen; ///., Haftläppchen am Ende der Tarsenglieder; sp., Schienen- sporne.

16. Seitenansicht eines Fussendes von Limnophilus vibex. Carl. kr., Krallen; lt., Haftläppchen; d., Chitinstab; b., Nebenläppehen (das vordere entfernt).

17. Fussende von Vieris aurora L. A. Seitenansicht, B. Ansicht von oben, kr., Krallen; lt., Haftläppchen; b., Nebenläppchen.

18. Fussende von Pachyrhina pratensis L. kr., Krallen; //., Haftläppchen. A. von der Seite, B. von oben.

19. Theil eines Querschnittes durch das hintere Ende eines Fassgliedes von Telephon»» lividus L. eh., Chitinhülle; m., Matrix derselben; dr. , Zellen des zellig-blasigen Bindegewebes; gl., Ganglien; th., Tast- haare ; hh., Hafthaare (an dieser Stelle spitz auslaufend).

20. Theil der Sohle eines Vorderfusses von Feronia vulgaris L., mit den sexuellen Hafthaaren des tf. Aus dem durchschnittenen Haar a sieht man die Klebflüssigkcit austreten (die in der gezeichneten Weise bei einem meiner Schnitte beim Austreten gefärbt und so an mehreren Haaren erhalten ist); b' und b" Hafthaarc, deren untere Haftfläche durch- schnitten ist); ß, ein sie ausgebreitet erhaltender Chitinstrang; d., ein vollständiges Ilafthaar; c, Chitinhülle mit den Drüsengängen ; dr., Theile der Drüsen.

21. Reinigungsorgan von Nomada Marshamella. Kirb. str., Metatarsus- ausschnitt ; s/> , Schienenspom ; c, Haut an demselben.

Baues und der Functionen der Insektenbeine. 193

22. Fuss von Myrmica laevinodis Nyl. str., Ausschnitt des Metatarsus ; sp., Schienensporn; kr., Krallen; L, Haftliippehen.

23. Metatarsus von Cynips radicis F. sp., Schienensporn.

24. Schiene von Opisthograptis cratacgata L. sp. , Schienenplatte; s., Schuppenbüschel.

25. Schienenplatte von Sphinx ligustri L.

26. Vorderbein von Harpalus rußbarbis F. spx und sp2 , oberer und unterer Schienensporn; b. , zwei Borsten vor dem Schienenausschnitt.

27. Ende der Vorderschienen von Bembidium quadrigidtatum F. spx und sp2, unterer und oberer Schienensporn; b., eine Borste vor dem Aus- schnitt; r., einige gekrümmte Borsten am Ende des Ausschnittes.

28. Ende der Vorderschienen von Noiiophilus palustris Duft.

29. Vorderbein von Lathrobium brunnipes. F.

30. Vorderfuss von Nabis ferus L.

31. Schienenende von demselben Fuss. k., Kammreihe; 6., Bürste.

32. Ende der Hinterschiene von Priocnemis fuscus F.

33. Fuss von Phyllobius argentatus L.

Heber einige im Wasser lebende Schinetterliiigsraupeii Brasiliens.

Von

Dr. Wilh. Müller-Blumenau

Prov. St. Catharina.*)

Tafel XIV.

Unter den bis jetzt bekannten Schmetterlingsraupen, welche im Wasser leben, befindet sich nur eine Art, welche durch Kiemen athmet, Paraponyx stratiotata Lin., dieselbe unterscheidet sich indessen wesentlich, was Auatomio der Kiemen und be- sonders was Lebensweise anbetrifft, von der hier näher zu besprechenden Species Catadysta pyropalis Gn., während die der gleichen Gattung angehörende, gleichfalls als Raupe das Wasser bewohnende Catadysta lemnata Lin. überhaupt nicht durch Kiemen athmet, auch sonst ganz andere Gewohnheiten zeigt. Gleiches lässt sich von den andern Arten mit ähnlicher Lebensweise aus den Gattungen Hydrocampa, Palustra, Phüampdus sagen. So mag eine Besprechung der hier (im Itajahy und seinen Zuflüssen) vorkommenden Arten von im Wasser lebenden Schmetterlings- raupon gerechtfertigt erscheinen; ich hoffe die Eigenthümlichkeit der Gewohnheiten, welche eine der Species hat, das Licht,

*) Die Anregung zur näheren Untersuchung der Erscheinungen, welche im Folgenden beschrieben sind, verdanke ich meinem Bruder Fritz Müller, dessen reiche Erfahrung dem Verfasser bei Anfertigung vor- liegender Arbeit in den verschiedensten Richtungen zu Gute gekommen ist.

Dr. Willi. Müller-Blumen an: Ueber einige im ete. pJ5

welches die bei ihr beobachteten Erscheinungen auf dunkle Punkte in der Lebensgeschichte der europäischen Arten zu werfen geeignet ist, wird die zum Theil weit ins Einzelne gehende Beschreibung nicht überflüssig erscheinen lassen.

Ich beginne mit der Species, welche sich einerseits, da sie häufig ist und in der Gefangenschaft ausdauert, gut zum Object einer Untersuchung eignet, und welche andererseits die eigen- thümlichsten Lebenserscheinungen zeigt.

Cataclysta pyropalis Gh.*)

Die Raupe. Taf. XIV, Fig. 1, 3.

Die Raupe erreicht eine Länge von 1,4 cm. Der Körper ist etwas flach gedrückt (Höhe zur Breite pp 2:3), womit in Zusammenhang steht, dass der Kopf horizontal nach vorn ge- richtet ist. Nach hinten ist der Körper verschmälert. Eigen- tümlich ist die Vortheilung des Pigments, während die Ober- seite blass, gar nicht oder wenig pigmentirt ist, die innern Organe durchscheinen lässt, erscheint dio Unterseite ebenso wie dio Kiemen oft stark pigmentirt, gleichmässig hell grau-braun bis schwarz gefärbt. Die Kiemen, welche allein den Gasaustausch vermitteln, finden sich als unverästelte, schlauchförmige Anhänge

*) Guente. Deltoideae et Pyralidae 1854. ji. 265.

Herr Prof. 0. Berg in Buenos Aires hatte die Güte die Species zu bestimmen; ich bin ihm dafür, sowie für Mittheilungen über Lebensweise europäischer Wasserzünsler zu grossem Dauk verpflichtet.

Einer späteren Mittheilung von Herrn Prof. Berg entnehme ich Folgen- des: Auf Grund eines nachträglich übersandten Exemplares hält es Herr Berg für nothwendig, diese und die später zu erwähnenden Species zur Gattung Parapoynx zu stellen, weil die Raupen durch Kiemen athmen und die fertigen Schmetterlinge Nebenaugen haben ; da eine diesbezügliche Mittheilung noch nicht veröffentlicht, die Species bis jetzt in der Literatur als Glieder der Gattung Cataclysta gehen, habe ich sie auch unter diesem Namen an- geführt. Die Vermuthung, dass die zwei nacheinander gesandten Exem- plare, ein Männchen und ein Weibchen, beide der Species C. annulalin angehören, ihre Unterschiede als seeundäre Geschlechtsmerkmale aufzufassen (wonach dann unsere Species als C annulalis zu führen wäre), bestätigt sich nicht, da beide Exemplare aus Puppen, welche verschiedenen Species angehören, gezogen.

19G Dr. Willi. M ii 11 er -Bl umeaau: lieber einige im

an 2 3 Thoracal und allen Abdomiualsegmenteu. Ihre Länge, die sehr variabel, gleicht gewöhnlich der Breite des Körpers, übertrifft sie bisweilen; die grössto beobachtete Länge war 3 mm. Was ihre Anordnung betrifft, so unterscheiden wir eine obere und eine untere Gruppe. Die obere Gruppe findet sich da, wo sich der Rücken in einer schwachen Kante gegen die Seiten absetzt, und zwar ineist (bei allen typisch gebildeten Segmenten, 1. 8. Abds.) dem vorderen Rand des Segments ge- nähert. Die untere Gruppe liegt am Rand der Bauchplatte. Bei jeder der Gruppen sind, soweit die Kiemen in der Mehrzahl vorhanden, dieselben in einer horizontalen Reihe augeordnet. An den einzelnen Segmenten sind gewöhnlich folgende Kiemen- schläuche: 2. Thoracals. oben 2, unten 0; 3. Thos. oben 1, unten 0; 1.— 8. Abds. oben 1, unten 3; 9. Abds. oben (?) 2.

Nocli seien einige häufige Variationen in der Zahl der Kiemen erwähnt, sie treten z. Th. nur wenig seltener auf, als die hier gegebenen Zahlen: 2. Ths. oben 2; 1. 8. Abds. oben 2, unten 4; bei einem besonders reich mit Kiemenschläuchen ausgestatteten Individuum fanden sich an einzelnen Segmenten oben 4. unten 6, wobei aber zu bemerken, dass ein Theil der Kiemenschläuche sich durch geringere Länge und Dicke, spär- lichere Tracheenverzweigung und Mangel an Pigment von den normal gebildeten unterschieden, sich als abnorme (auf Rück- schlag zurückzuführende?) Bildung charakterisirten. In diesen, wie in andern Fällen, war die Zahl der Kiemen auf beiden Seiten der Segmente keineswegs gleich; ein Individuum mit ganz symmetrischer Anordnung der Kiemen dürfte zu den Seltenheiten gehören. Auch geringere Anzahl von Kiemen- schläuchen findet sich bisweilen, doch ist Vermehrung häufiger als Verminderung.

Tracheensystem.*) Die Stigmen sind sämmtlich ge- schlossen (Ausuahmo siehe unten), trotzdem aber zum grössten Theil leicht aufzufinden. Das erste Thoracalstigma (gewöhnlich Prothoracalstigma) an der Bauchseite an der Grenze von Pro- und Mesothorax gelegen (Fig. 3 St,) und dio Stigmen des 1 8. Abdominalsegments (Fig. ISt), dio sich etwas schräg hinter und unter der oberen Kiomengruppe finden, markiren sich durch

*) Vergl. für das Folgende besonders Palme'n, zur Morphologie des Tracheensyslems. Hehingfors 1877.

Wasser lebende Schmetterlingsraupen Brasiliens. 197

einen schwarzen, ovalen Punkt. Schwieriger aufzufinden ist ein zweites Thoracalstigma, es liegt an der Grenze von Meso und Metathorax, ebenfalls auf der Bauchseite (s. Fig. 3 St»). Aeusserlich niarkirt sich dasselbe gar nicht, es ist nur mit Hülfe des überaus durchsichtigen und schwer aufzufindenden Stigmenastes oder an abgeworfenen Häuten zu entdecken. Weitere Stigmen, speciell Thoracalstigmen , offene oder geschlossene, habe ich nicht entdecken können uud, glaube ich, existiren auch nicht (vgl. Palmen 1. c. p. 90 f, wo den Schmetterlingsraupen drei Thoracalstigmen zugeschrieben werden). Ich würde auf das negative Resultat, auf das nicht Auffinden hin, diese Behauptung nicht wagen ich habe lange Zeit an der Existenz eines zweiten Thoracalstigmas gezweifelt, habe es lango Zeit über- sehen — , indessen erscheint mir aus gleich zu erwähnenden Gründen die Existenz von nur zwei Thoracalstigmen wahr- scheinlich.

Die Stigmenäste (Fig. 3,4.R.st.) erscheinen bei jüngeren Kaupen, ganz wie es Palmen für andere durch Tracheenkiemen athmende Insectenlarven beschreibt, als vollständig verklebte sehr durchsichtige Strängo, die sich mit breiter Basis an die Längsstämme ansetzen. Anders nach der letzten Häutung, wir können jetzt sehr wohl die Wände des Stigmenastes erkennen (ausgenommen beim zweiten Thoracalstigma), derselbo erscheint wegsam, indessen nicht mit Luft gefüllt, an seiner Verbindung mit dem Längsstamm findet sich ein wohl entwickelter Ver- schlussapparat. — Was die weitere Verzweigung des Tracheen- systems betrifft, so ist dieselbe ziemlich spärlich. Von den stark entwickelten Längsstämmen gehen in jedem Segment ab: 1. an der Einmündungsstelle des Stigmenastes ein schwächerer oberer Kiemenast für die obere Kiemengruppe Fig. 4R br,, ein unterer stärkerer Kiemenast für die untere Kiemongruppe R br2 beide geben schwache Aeste an das umgebende Ge- webe ab , ein Eingeweideast R i (fehlt in verschiedenen Segmenten) und ein schwacher Ast für das umgebende Gewebo R c, ; 2. unterhalb dieser Stelle ein Querast R tr, mit dem gegenüberliegenden stark anastomosirend , das Ganglion ver- sorgend; 3. etwa in der Mitte zwischen zwei Stigmen ein Hautast R c2. An der Einmündungsstelle der beiden letzten Stigmenäste bildet der Längsstamm eine blasige Erweiterung, von der die sub 1 genannten Aeste abgehen. Vor dem ersten

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Thoracal- und hinter dem letzten Abdominalstigma löst sich der Längsstamm in eine Zahl gleichwertiger Aeste auf. Etwas hinter dem Qncrast ungefähr auf Vo des Wegs zwischen zwei Stigmen iindet sich an den Längsstämmen eine Stelle, an der das Spiralband aufhört; an seine Stelle tritt eine Gruppe von punktförmigen Chitinverdickungen (Fig. 3,4 T, Fig. 5). Häufig ist deutlich zu sehen, dass diese Gruppe durch Auflösung von zwei Spiralbändern entstanden ist. Es liegt nah, diese Stellen mit der Zerreissung der Längs- stämmo bei der Häutung in Zusammenhang zu bringen, an- zunehmen, dass an dieser Stelle das Zerreissen erfolgt. Unter- sucht man an abgestreiften Häuten die einem Stigmenast an- hängenden Stücke vom Längsstamm, so zeigt sicli einmal an dem Ende desselben die oben beschriebene Structur, sowie auch, dass die Stücke in dem durch die Lage des Punktes geforderten Verhältniss stehen (1:5). Nun folgt aus der Be- deutimg von Stigmenast und Stigma für die Häutung und aus der Beziehung dieses Punktes zu derselben, dass zwischen jo zwei Stigmenästen sich ein solcher Punkt befinden muss, wäh- rend vor dem ersten und hinter dem letzten Stigma kein solcher Punkt zu existiren braucht. Wir köunen umgekehrt erwarten, dass jeder solcher Punkt von zwei Stigmenästen eingeschlossen ist, und danach diese Punkte, welche nicht leicht zu übersehen, mindestens leichter aufzufinden sind als die Stigmenästo, als Leiter beim Aufsuchen von Stigmen und Stigmenästen benutzen. Solche Punkte finden sich nun: im Mesothorax (zwischen 1. 2. Thoracalstigma), im Metathorax (zwischen 2. Thoracal und 1. Ab- dominalstigma), im 1.— -7. Abdominalsegment (zwischen 1. und 2., 2. und 3. 7. und 8. Abdominalstigma) und es liegt in dieser An- ordnung der Trennungspunkte eine Bestätigung der vorhin über die Zahl und Lage der Stigmen gemachton Angaben. Ent- scheidend in dieser Frage muss eine Untersuchung der ab- gestreiften Häute sein, indessen sind die Häute dieser kleinen Räupchcn wenig zur Untersuchung geeignet, die geringe Grösse erschwert ein Ausbreiten, während die anhängenden, dunkel gefärbton Kiemenschläuche das Bild sehr vorwirren, das Suchen nach Tracheen schwierig macheu. So vordienen die positiven, die Angaben bestätigenden Resultate der Untersuchung vielleicht Beachtung, während ein negatives Resultat wcrthlos.

Indessen handelt es sich bei dieser Untersuchung doch nicht

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etwa um die Feststellung einer anatomischen Einzelheit für diese Species, sondern einfach um dio Frage: Wie viel Tkora- calstigmen besitzen dio Schmetterliugsraupen? So können wir nicht nur, wir müsson sogar andere Species in den Kreis unserer Betrachtung ziehen. Ich habe untersucht, was mir gerade zu- gänglich; neben verschiedenen unbekannten Species Bombyx Mori und Caligo Inachis, welche letztere Species mit ihren 15 cm langen Raupen ein ausgezeichnetes Untersuch ungsobjeet ab- giebt. Bei allen fand sich hinter dem sogenannten Pro- thoracalstigma ein einziges geschlossenes, und zwar an der Grenze von Meso- und Metathorax, ausser diesen beiden Thoracalstigmen keines. Unter diesen Verhältnissen mögen wir leicht einsehen, wie es kommt, dass die Cataclysta das erste Thoracalstigma und dio Abdommalstigmen, wenn auch ge- schlossen, so doch durch Pigmentanhäumng leicht sichtbar, während das zweite Thoracalstigma der Pigmentauhäufiing ent- behrt; der Verschluss des zweiten Thoracalstigmas ist jedenfalls eine viel ältere Einrichtung, bereits der gemeinsamen Stammform der Schmetterlinge angehörend, wahrscheinlich noch älter, während der Verschluss der übrigen Stigmen während des Larvenlebens verhältnissmässig neuen Datums ist.

Noch bleibt die Frage offen, wie wir denn diese zwei Thoracalstigmen bezeichnen sollen. Bekanntlich besitzt der fertige Schmetterling ebenfalls zwei Thoracalstigmen, gewöhnlich als Meso- und Mctathoracalstigma bezeichnet. Die einfachste und wohl einzig mögliche Deutung ist die, dass diese beiden Stigmen aus den zwei Thoracalstigmen der Raupe hervorgehen. Auch haben dieselben, soweit ich aus dem mir zur Untersuchung vorliegenden Material ersehen kann, beim Schmetterling eine ganz entsprechende Lage wie bei der Raupe, das hintere zwischen Meso- und Metathorax, das vordere zwischen Pro- und Mesothorax. (Für das erste Stigma ist hierbei zu berücksich- tigen, dass bei der Umwandlung der Raupe in den Schmetterling ein Theil des Prothorax in den Mesothorax aufgehen dürfte.) Dann erscheint es aber gefordert, bei Schmetterling und Raupe die Thoracalstigmen in gleicher Weise zu bezeichnen. Beim Schmetterling können wir über dio Zugehörigkeit der Thoracal- stigmen zu dem einen oder anderen Segment in Zweifel sein, bei der Raupe erscheint, wenigstens für das erste Stigma, ein Zweifel ausgeschlossen. Dabei bleibt aber die Möglichkeit einer

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nachträglichen Verschiebung zu berücksichtigen; bei den Schmetterlingsraupen sehen wir das Stigma bald am hintern Band, bald in der Mitte des Prothorax liegen, also immerhin nur in den Grenzen eines Segmentes verschoben. Dass indessen dio Verschiebung über die Grenzen eines Segments hinausgehen kann, dafür scheinen mir dio Käfer den Beweis zu liefern, bei deren Larven von den zwei Thoracalstigmen (ein offenes, ein geschlossenes) das erste, oifene bald am Pro-, bald am Meso- thorax liegt, wobei es wohl keinem Zweifel unterliegt, dass wir es, trotz der verschiedenen Lage, mit homologen Bildungen zu thun haben. (Ich bin leider nicht im Stande, die Gattungen anzugeben, denen die untersuchten Käferlarven angehören.) Vermutlilich haben wir es mit einem ursprünglich auf der Grenze von Pro- und Mesothorax gelegenen Stigma zu thun, welches sich bei den Käfern nach vorn oder hinten, bei den Schmetter- lingen ausschliesslich nach vorn verschob. Nehmen wir diese Deutung an, so können wir uns der von Palmen für die Ame- tabola vorgeschlagenen Bezeichnung „Meso- und Metathoracal- stigma" anschliessen. Eine Entscheidung kann hier nur auf der Basis oines umfangreicheren Materials gegeben werden, als es mir zu Gebote steht.

Kehren wir nach dieser Abschweifung zu unserer Species zurück.

Die Puppe. Fig. 2 a. b. Ihre Gestalt ist aus Fig. 2 ersichtlich. Bemerkenswerth erscheint, dass die Verklebung der Flügel und Gliedmaassen mit dem Abdomen auf der Unterseite eine wenig feste ist. Fanden wir die Raupe unten pigmontirt, oben blass, so herrscht hier das umgekehrte Verhältniss, die Puppe ist unten blass, oben pigmentirt. Obgleich sich, wie an den Exuvien nachweisbar, die Kiemen mit häuten, so ist es mir doch nicht gelungen, an der Puppo Spuren derselben zu entdecken. Von den Stigmen sind zwei Paare, die des zweiten und dritten Abdominal- segmontes offen (Fig. 2St.o.), sie ragen kegelförmig hervor, dienon allein dem Gasaustausch, die dahinter liegenden Stigmen bildon einen schmalen Spalt, der geschlossen; sie sind leicht nachweisbar. Von don droi orsten Stigmenpaaron , den zwei Thoracalstigmen und dem ersten Abdominalstigma, ist keines

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äusserlich sichtbar, da sie anter den Flügeln oder verklebten Gliedmaassen verborgen liegen. Um sie nachzuweisen, muss man die Puppe der Länge nach spalten, durch Druck eines Deckgläschens ausbreiten. Da sich dabei stets die übereinander liegenden nicht fest verklebten Häute etwas verschieben, so ist es nicht möglich, den Punkt der äusseren Puppenhaut genau zu markiren, uuter dem das Stigma liegt, und macht die Bezeich- nung der Punkte in Fig. 2 (St,, St2, St) keinen Anspruch aut grosse Genauigkeit. Abweichend von der Mehrzahl der Schmetterlinge verhält sich hier nur das erste Thoracalstigma, das, sonst dorsal, an der Grenze von Pro- und Mesothorax ge- legen, offen und äusserlich wohl sichtbar ist. Seine Verschiebung nach unten dürfte eine Folge der entsprechenden Veränderung in der Lage bei der Raupe sein, welche Veränderung dort von physiologischer Bedeutung (siehe unten).

Der Stigmenast der fünf letzten Stigmen ist stark verkürzt, so dass das geschlossene Stigma dem Längsstamm dicht anzu- liegen scheint, der Stigmenast erst an den Exuvien sichtbar wird. Uebrigcns lassen sich am Tracheensystem unschwer die- selben Thoile wieder erkennen, die wir bei der Raupe fanden. Die Kiemenäste tragen noch die Reste der Kiementracheen, welche zu unbedeutenden Höckern zusammengeschrumpft sind, während die bei der Raupe schwachen Nebenäste eine bedeu- tende Ausbildung erfahren haben. Die Trennungspunkte der Längsstämme zwischen zwei Stigmen sind noch sichtbar, doch weniger deutlich. Eine Veränderung, die währond der Puppon- zeit eintritt, ist die Rückbildung der dem letzten Stigma an- gehörenden Trachoonäste, welche mit der Verkürzung der letzten Segmente im Zusammenhang steht. Bisweilen lassen sich diese Tracheen an älteren Puppen als schwarze, strukturlose Masse nachweisen. An der abgeworfenen Puppenhaut ist das letzte Stigma zwar nachweisbar, doch haften ihm keine Tracheen mehr an.

f^ebensiveise der Iiaitpe. Die Raupe findet sich üboraus häufig, soweit meine Beob- achtungen reichen, in den Monaten Juli September, vermuthlich indessen auch während des übrigen Jahres, und zwar auf Steinen, wo sie unter einem selbstgcfertigten Gospinnst lebt. Sie wählt fast ausschliesslich solche Steine, welche von einer

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dünnen Scliicht von einzelligen Algen, Diatomeen etc. überzogen sind, während ihr die mit Conferven und Podostcmeon bedeckten Steine nicht oder nur ausnahmsweise zum Aufenthaltsort dienen. Uebrigens ist sie keineswegs besonders wählerisch in Bezug auf ihre Wohnung; man findet sie ebensowohl an von rasch fliessendem Wasser bespülten Steinen (wenn sie sich auch nicht in so heftige Strömungen wagt, wie sie die Larven der Blepka- roceriden lieben), wie in nahezu ruhendem Wasser, häufiger in letzterem. Dort sind sie bisweilen so häufig, dass von den den Grund bedeckenden Steinen jeder je nach seiner Grösse ein oder mehrere Raupen oder Puppengehäuse trägt. An einer be- sonders reich besetzten Steinplatte fanden sich auf einer Fläche von 1500 Gera über 80 Puppengehäuse.

Die Decke, unter der diese Raupe lebt, besteht aus einem zartwandigen, aber dichten Gespinnst. Von unregelmässiger Ge- stalt, bedeckt es eine Fläche von 1,5 10 Qcm. Sein Rand ist, mit Ausnahme woniger Lücken, fest mit dem Stein verbunden, und zwar ist dies die einzige Verbindung des Gespinnstes mit dem Stein. So entsteht eine flache Kammer, auf der einen Seite durch den Stein, auf der andern durch das Gespinnst ge- schlossen. In dieser Kammer lebt das Thier, welches seine Wohnung unter normalen Verhältnissen erst als Schmetterling verlässt. Die Lücken am Rand des Gespinnstes dienen nicht etwa, wie man erwarten könnte, der Raupe als Thür, durch die sie ausgeht, um Nahrung zu suchen, auch nicht als Weg für einen Wasserstrom, welcher die Athmung erhält, sondern allein zur Entleerung des Kothes. So ist das Thier für seine Nahrung allein auf das angewiesen, was sich ihm innerhalb seiner Kammer bietet, und das ist weiter nichts als die den Stein bedeckenden Diatomeen und andern einzelligen Algen, und in der That bestellt der Darminhalt meist zur Hälfte, häufig zum grössten Theil aus Diatomeenschaalen, während die anderen Algen soweit zerstört werden, dass sie sich nicht mehr nach- weisen lassen. Diese niedern Organismen müssen sich inner- halb der Kammer soweit vermehren, dass sie dauernd für das Nahrungsbodürfniss des Thieres ausreichen, welches im Fall von Nahrungsmangel seine Kammer vergrössert. Auf eine solche gelegentliche Erweiterung der Kammer weist die sehr verschie- dene Grösse derselbon hin, indessen habe ich an Thieren in kleiner Kammer, die ich wochenlang lebend gehalten habe, eine

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derartige Erweiterung nicht direct bcobaclitet oder ans der Gestaltveränderung crschliessen können. Bcachtenswerth ist die Lage des Thieres in seiner Kammer; dasselbe kehrt fast aus- nabmslos dem Stein den Rücken zu, kriecht am Gespinnst umher. In den sehr zahlreichen von mir geöffneten Kammern habe ich nur zweimal lebende Thiere in umgekehrter Lage gefunden, beim Sterben scheinen sie gewöhnlich diese Stellung einzunehmen ; mau kann daran unter den im Zimmer gehaltenen Raupen meist leicht die gestorbenen erkennen. Vermuthlich siedeln sich die zur Nahrung dienenden Algen etc. auf dem Gespinnst an, werden dort abgesucht. Indessen ist es auch möglich, dass die Raupe, am Gespinnst sitzend, den Stein absuchen kann, was ihr die eigenthümlich gerade nach vorn gerichteten Mandibcln vielleicht ermöglichen. Directe Beobachtungen sind bei der geringen Durchsichtigkeit des Gespinnstes unmöglich.

Mit der Stellung der Raupe steht augenscheinlich ihre eigentümliche Färbung (Rücken blass, Bauch dunkel) in Zu- sammenhang. Es ist nicht ausgeschlossen, dass diese Färbung zum Schutz (z. B. gegen eine Fliege aus der Gruppe der Tachi- narier, der sie häufig zum Opfer fällt) dient; doch dürfte das Gospinnst die Raupe insoweit sichtbar machen, dass eine Schutz- färbung nichts hülfe. Näher liegt es, die dunkle Färbung der Bauchseite aufzufassen als Erbthcil einer frei lebenden Stamm- form, bei der, wio wir unten sehen werden, vermuthlich der ganze Körper gleichmässig dunkel pigmentirt war, die blasse Färbung der Rückonseite zurückzuführen auf eine mangelhafte Ausbildung des Pigments, verursacht durch den Maugel an Beleuchtung.

Es wurde bereits oben gesagt, dass die Athmung nicht etwa durch frisch in die Kammer strömendes Wasser unterhalten wird, wenigstens habe ich mich stets vergeblich bemüht, der- artige Strömungen nachzuweisen. Dieselben sind durch die Beschaffenheit der Kammer, durch die rings um die Raupe dem Stein anliegenden Wände, ausgeschlossen; der Gasaustausch findet jedenfalls durch das Gespinnst statt.

Ich habe nicht genau feststellen können, wie viel Zeit die Raupe braucht, bis sie zur Verpuppung reif ist, indessen scheint dieselbe beträchtlich, was bei der spärlichen Nahrung nicht anders zu erwarten ; überhaupt nimmt die gesammto Entwicklung eine lange Zeit für sich in Anspruch.

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Bevor wir zur Beschreibung der Art und Weiso übergehen, in welcher die Raupe das Puppengehäuse anlegt, wollen wir dioses selbst ansehen.

Das Puppengeliäuse. Fig. 6—9.

Im Gegensatz zur Raupenwohnung zeigt das Gespinnst der Puppe eine gewisse Regelmässigkcit in seiner Gestalt; es ist stets länglich (Länge zur Breite meist 2:1), auch seine Grösse ist nicht solchen Schwankungen unterworfen (Länge 1 3, Breite 0,7 1,7 cm); seine Wandung ist dicker, ebenfalls am Rand fest mit dem Stein verbunden und bis auf drei oder vier Löcher von 1 mm Durchmesser, welche sich in der Nähe der beiden Enden (Fig. 6, 7o) befinden, fest geschlossen. Die Mitte des Gehäuses erhebt sich über die Fläche des Steins, was, wie schon von aussen zu bemerken, durch meist vier, bisweilen drei, fünf oder sechs zu beiden Seiten der Längsachse (p. p. grössten Durchmessers) angebrachte Stützen (Fig. 6, 7, 9 P.) bewirkt wird. Vor diesen Stützen findet sich ein schmaler, erhabener Streifen von der Gestalt eines Kreisbogens, welcher 3 mm lang (Fig. 6, 7 Th.). Was aber besonders in die Augen fällt, die Puppe auf grössoro Entfernung sichtbar macht, ist die eigen- tümliche Zeichnung des Gehäuses; wir sehen da auf dunklem Grund zwei hello Flecke, welche don grösseren Theil des Ge- spinnstes einnehmen (Fig. 6 L.). Wenn auch unregelmässig und von wechselnder Gestalt, zeigen sie doch insofern Regel- mässigkeit, als sie sich immer von zwei Punkten aus, welche zwischen den Stützen liegen, strahlig verbreiten. Ocfters ver- schmelzen die beiden Centren; die Stützen liegen stets ausser- halb der weissen Flecke. Schon äusserlich mögen wir erkennen, dass dieso Zeichnung von luftführenden Räumen herrührt.

Trennen wir nun das Gehäuse vorsichtig in seinem ganzen Umfang vom Stein, so finden wir, dass es ausser durch seinen Rand durch die erwähnten Stützen mit dem Stein verbunden ist. Lösen wir diese, die mit breiter Basis (1 1,5 mm) dem Stein aufsitzen, ebenfalls ab, so können wir nun das Gehäuse umdrohen, seinen Inhalt untersuchen. Wir bemerken jetzt zu- nächst wieder die gleiche Zeichnung des Gehäuses, zum Theil bedeckt durch die Puppe, ferner die Stützen P, die ziemlich solid, eine Länge von 2 mm erreichen , zwischen ihnen das innere

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Puppengespinnst mit der deutlich erkennbaren uns die Rauch- seite zukehrenden Puppe, nach vorn scharf mit dem oben erwähnten Kreisbogen (Th) abschneidend, nach hinten, wo wir die Raupenexuvien (Fig. 8 E x) als dunkle Masse bemerken, loser aufliegend. Versuchen wir das innere Puppengespinnst abzulösen, so finden wir von vorn (von der Seite des Kreis^ bogens Th) Widerstand, es haftet hier sehr fest, anders von den anderen Seiten. Dort ist es mit dem Rücken angeklebt, an den Seiten durch Fäden befestigt, doch mögen wir es leicht, ohne Gespinnst oder Puppe zu verletzen, trennen, so dass es nur noch an dem Kreisbogen, und zwar dort in ganzer Rreite festhaftet. Drehen wir jetzt die Puppe, den Kreisbogen gewisser- massen als Axe benutzend, um, so dass die Puppe auf die Rauchseite zu liegen kommt, so bemerken wir (Fig. 8) ungefähr in der Mitte zwei helle, undurchsichtige Flecken (L), die in der Mitte durch einen durchsichtigen, dunkleren Streifen getrennt, sich vom Rücken auf die Seiten erstrecken. Sie rühren von Luft her, die dort eingesponnen ist, und haben den oben be- zeichneten Centren der äusseren luftführenden Canäle dicht angelegen. Oeffnen wir das innere Gespinnst, so finden wir unter den undurchsichtigen Flecken die offenen Stigmen. Zur Veranschaulichung dieser Verhältnisse mag der in Fig. 9 ge- gebene, schematisch gezeichnete Durchschnitt dienen, welcher senkrecht zur Längsachse durch das dritte Abdominalstigma geführt gedacht ist.

Welchen Zwecken dienen die einzelnen Theile dieses eigen- thümlichen Puppengehäuses? Zunächst dient das ganze Gespinnst der Puppe als Schutz; die Stützen zu beiden Seiten der Puppe schaffen einen Platz, wo der Druck, bewirkt durch die Spannung des äusseren Gespinnstes oder durch das strömende Wasser, nicht empfunden wird. Die Löcher am Rand des Gespinnstes dienen zunächst der Kothentleerung während der Verpuppung, vielleicht auch für diese Zeit, wo das Thier noch durch Kiemen athmet, wo aber, in Folge der Verdickung des Gespinnstes ein Gasaustausch durch dasselbe erschwert, andererseits das Athembedürfniss der Raupe ein grösseres (siehe unten), dem Wasserwechsel. Für die Zeit des Pnppenlebens haben die Löcher keinerlei Redeutung. Der Kreisbogen stellt die Thür dar, durch die dereinst der fertige Schmetterling das Gehäuse verlässt. Was wir als gebogene Linie sehen, ist eine dünne

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Stelle, bei clor Verdickung des übrigen Gespinnstes ausgespart, durch Bearbeitung mit den Kiefern noch loser gemacht. Das innere Gespinnst ist in der Weise befestigt, dass die Oberseite dicht hinter, die Unterseite dicht vor der betreffenden Linie mit dem äusseren Gespinnst' innig verbunden ist, also dort offen ist, respective als einzigen Verschluss nach aussen die dünne, leicht zerreissende Stelle des äusseren Gespinnstes hat.

Nun zur Bedeutung der luftführenden Räume! Eine Be- ziehung derselben zur Athmung ist wohl nach ihrer Lage un- zweifelhaft; wir sehen die offenen Stigmen bedeckt von den luftführenden Räumen des inneren Gespinnstes, diesen wieder sich die Centren der äusseren Luftcanäle anschliessen. Auch können wir wohl kaum in Zweifel über die Art dieser Beziehung sein. Die luftführenden Räume vermitteln den Gasaustausch, ermöglichen der Puppe das Athmen unter Wasser. So eigen- tümlich es klingt, wir haben es hier mit einem die Athmung vermittelnden Apparat zu thun, der sich über den Umfang des Thieres hinaus erstreckt; derselbe würde sich in der Art des Functionirens am engsten den Tracheenkiemen anschliessen.

Ein Beweis für die Richtigkeit dieser Auffassung scheint mir einmal in der ganzen Zusammenstellung des Apparates selbst zu liegen, der keine andere Deutung zulässt, dann aber auch in dem Fehlen anderer die Athmung unter Wasser ermög- lichenden Einrichtungen (eine einfache Hautathmung dürfte hier, wo jeder Zufluss von frischem Wasser durch eine doppelte Hülle unmöglich gemacht, ausgeschlossen sein). Dass die Puppe sehr wohl Luft athmen kann, beweisen mir die zur Zucht von Schmetterlingen gesammelten Individuen, welche aus ihrer Hülle herausgeschält, nach wochenlanger Aufbewahrung in feuchter Luft ausschlüpften.*)

Nachdem wir das Puppengehäuse und die Bedeutung seiner einzelnen Theile kennen gelernt, kehren wir zur Raupe zurück, um dieselbe bei der Anfertigung des Puppengehäuses zu beob- achten. Die äussere Decke der Puppe bildet stets einen Theil des ursprünglichen Raupengespinnstes. Die Raupe beginnt

*) Der Mittheilung von Herrn Prof. Berg entnehme ich die Angabe, dass Parapoynx stratiotata nach de Geer und Andern ein Puppengespinnst au9 weisser Seide, mit grau überzogen, fertigt; sollte es sich hier nicht ebenfalls um luftführende Räume handeln?

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damit, einen Theil des Raupengespinnstes zu verdicken, wobei von vorn herein die zukünftige Tbür ausgespart wird, dann verbindet sie die Ränder dos verdickten Theiles mit dem Stein (ein Tbeil des Randes fallt stets mit dem des Raupengespinnstes zusammen) , es folgt die Anlage der Stützen ; daun , von der Pe- ripherie nach dem Centrum fortschreitend, die Anlage der Luft- räume, weiter lässt sich der Vorgang nicht verfolgen. Die letztgenannte Arbeit, die Anlage der Lufträume, verdient in ihren Einzelheiten noch etwas ausführlicher besprochen zu werden. Leider gelingt es selten, die Raupe dabei zu beob- achten; obgleich sich die Raupen, wenn man ihnen täglich frisches Wasser giebt, wochenlang in der Gefangenschaft erhalten lassen, bringt man sie doch kaum bis zur Verpuppung. Zweimal nur habe ich Raupen, die Lufträume anlegten, unter den Händen gehabt, beide waren, als ich sie sammelte, bereits mit der Verdickung der Wand beschäftigt. Vorausgeschickt sei noch, dass es die Durchsichtigkeit des Gespinnstes sehr erhöht, die Beobachtung bequemer imd sicherer macht, wenn man die obere Hälfte der Wand (das alte Raupengespinnst) von der unteren (der nachträglichen Verdickung) trennt und ablöst, was bei einiger Vorsicht mit Hilfe von Nadeln gelingt. Die Raupe lässt sich dadurch nicht in ihrer Arbeit stören.

Als meine Beobachtung anfing, war ein grosser Theil der Lufträume schon angelegt, die Raupe war eben damit beschäftigt, einen Canal an seinem centralen Ende zu überspinnen. Nach- dem derselbe vollendet, zog sie sich in die Mitte des Gehäuses zurück und schied dort im Verlauf weniger (2 3) Minuten eine Luftblase aus, die sie zwischen dem ersten Beinpaar und dem Kopf fest hielt. Mit dieser Luftblase verschwand sie in der Tiefe, um an einer andern Stelle wieder zu erscheinen, wo sie nach einigem Suchen sich für einen der angefangenen Canäle entschied. Dort setzte sie am centralen Ende des Canals die Luftblase ab, die nun als heller Kreis von 0,5 bis 0,75 mm Durchmesser erschien, und begann darauf die Luftblase von der peripheren Seite her zu überspinnen. Emsig mit dem Kopf über dieselbe hin und herfahrend, befestigte sie Fäden zu beiden Seiten derselben, presste so einen Theil in einen flachen Gang, der sich dem älteren direct anschloss, drängte den Rest nach dem Centrum zu, um ihn im weiteren Verlauf ebenfalls zu überspinnen. Man konnte anfangs sehr wohl den bereits über-

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sponnouen Theil, der sich, in Folge der dichten Anlagerung an die Wand, scharf als blassgelber Streifen markirte, von dem weniger deutlich als blassgraue Blase erkennbaren Rest unter- scheiden (Fig. 7. 8). Im Verlauf von 15—20 Minuten war der Rest verschwunden, die ganze Blase verarbeitet, das heisst in einen flachen Raum vertheilt, der eine ungefähr acht mal (im allgemeinen 4 8 mal) so grosse Fläche bedeckte. Der Canal war überall geschlossen, nur an seinem centralen Ende für die Anfügung eines neuen Theiles offen. Nun begann die Aus- scheidung einer neuen Blase, welche an einer andern Stelle an- gefügt wurde. Nach ungefähr dreistündiger Arbeit, durch welche den alten Räumen acht neue angefügt waren (Fig. 7. 1 8, 8 in Arbeit), trat eine Ruhepause ein. Ich öffnete die Kammer und nahm das Thier heraus, wobei sich zeigte, dass ihm an der Basis des Kopfes noch Luft adhärirte, was die Beobachtung bestätigt, dass die Luftblasen zwischen Kopf und erstem Bein- paar gehalten werden.

Offen bleibt die Frage, wo die Luft ausgeschieden wird? doch liegt es nahe, das erste Stigma als den Ort zu bezeichnen. Sein Ast ist, wie oben gesagt, sehr wohl wegsam, mit einem wohl ausgebildeten Verschlussapparat versehen, der freilich auch den andern Stigmenästen nicht fehlt. Für die Annahme würde sprechen, dass in einem Fall bei der Luftausscheidung zuerst zwei kleine weisse Punkte hinter dem Kopf sichtbar wurden. Mit dieser Bedeutung des ersten Thoracalstigmas dürfte auch seine ventrale Lage, die für Schmetterlingsraupen abnorm, in Zusammenhang setzen.

Bisweilen führt die Raupe in der Pause zwischen dem Ein - spinnen zweier Blasen rythmische Contractionen, verbunden mit einem nach unten Schlagen des Hinterleibs, aus, sie mögen dazu dieuen, die Luft herauszupressen. Wahrscheinlicher ist mir, dass sie einen der Athmung dienenden Wasserstrom herstellen, respective das Wasser in der Kammer erneuern sollen. Be- denken wir, dass einerseits, da noch freie Luft abzuscheiden, das Athmuugsbedürfniss ein grösseres, andererseits, da das Ge- webe verdickt, der Gasaustausch durch letzteres ein unvollkom- menerer ist, so mögen wir die Notwendigkeit einer periodischen Erneuerung des Wassers wohl einsehen. In einem genauer beobachteten Fall konnte ich während der Contractionen keine Vergrösserung der Luftblase constatiren, dieselbe hatte vorher

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bereits ihren gewöhnlichen Umfang. Uebrigens kann ein solcher Wasserwechsel augenscheinlich erst bewirkt werden, nachdem der Umfang »der Kammer verringert, durch die Errichtung der Stützen ein nach oben durch straffe Wände begrenzter Raum geschaffen ist, bleibt also für die eigentliche Raupenzeit aus- geschlossen.

Einige andere Arten von Schmetterlingsraupen derselben Gattung.

Wie Eingangs erwähnt, finden sich noch mehrere Arten von Schmetterlingsraupen, die auf das Leben im Wasser an- gewiesen, augenscheinlich nahe Verwandte der hier besprochenen Species darstellen. Sie sind alle weniger häufig, zum Theil recht selten; so ist es mir auch nicht gelungen, zu allen die Schmetterlinge zu erhalten. Ich kann nicht einmal genau an- geben, wie gross die Zahl der Arten ist, da eine Unterscheidung derselben nach wenigen Exemplaren mit Rücksicht auf die Ver- änderungen, denen der Raupenkörper unterworfen, kaum durch- zuführen. Ich glaube fünf Arten unterscheiden zu können, die indessen in Bau und Färbung so weit übereinstimmen, dass wir sie zusammen besprechen können.

Die grösste der Raupen erreicht eine Länge von 2,7 cm, die Grösse der andern schwankt zwischen 1 und 2 cm. Alle sind cylindrisch, nicht abgeplattet, sind mit Ausnahme von zwei Arten, von denen die eine gelbe Querbinden auf dem Rücken, die andere (Cataclysta annutalis Gn.f) helle Punkte an den ge- schlossenen Abdominalstigmen (von dort unter der Haut befind- licher Luft herrührend) zeigt, gleichmässig schwarz oder dunkel- braun gefärbt, welche Farbe sie zwischen dunkelgrün, fast schwarz gefärbten Podostemeen gut verbirgt. Die Kiemen- schläuche sind stets unverzweigt, sie erreichen nie die relative Länge wie bei Cataclysta pyropalisj sind aber stets zahlreicher. Bei aller Verschiedenheit in der Zahl und relativen Länge zeigen sie eine grosse Constanz in der Anordnung. Wir haben stets drei Gruppen zu unterscheiden, welche sich in der in Fig. 10 gezeichneten Weise an den Seiten jedes typisch gebil- deten Segments um das Stigma ordnen: Zwei mit grösserer vertikaler Ausdehnung am vorderen und hinteren Rand des Segments, eine mit horizontaler Ausdehnung unter beiden. Das

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Stigma ist der vorderen Gruppe genähert. Diese Gruppen lassen sich bei allen Arten am 1. 8. Abdominalsegmeut nach- weisen, am 2. und 3. Thoracal- und 9. Abdominalsogment pflegt eine der Gruppen zu fehlen. Am 2. und 3. Thoracal-, 1. und 2. Abdominalsegment tritt bei verschiedenen Arten noch eine kleine, vontralwärts gerückte Gruppe auf, die als Abkömmliug der unteren Gruppe aufzufassen.

Die Tracheen zeigten bei zwei darauf untersuchten Arten die oben für Cataclysta pyropedis beschriebene Verzweigung, nur diente der in der Mitte zwischen zwei Stigmen abgehende Hautast ßc2 hier fast ausschliesslich zur Verbindung mit der hinteren Kiemengruppe.

Die zugehörigen Puppen zeigten, soweit sie mir bekannt gewordon sind, sämmtlich die gleiche Lage und Gestalt der offenen Stigmen, wie auch eine ähuliche Färbung, wenn auch der Gegensatz zwischen heller Bauch- und dunkler Rückenseite weniger scharf ausgesprochen war.

Was dio Lebensweise der Raupen anbetrifft, so nähren sie sich sämmtlich von Podostomeen, zwischen denen die meisten frei umherkriechen; nur ein oder zwei Arten, darunter Cataclysta annidalis, welche die Podostemoen dort aufsuchen, wo sie nur spärlich dio Steine überziehen, findet man bisweilen in roh aus Sand oder Podostemoenstückchen gefertigten, lang gestreckten Gehäusen, indessen eben so oft frei. In einem Fall war ein Theil des Gehäuses aus reinem Gespinnst gefertigt.

Mehr als die Raupen nähern sich die Puppen in ihrer Lebensweise der oben besprochenen Art. Alle hierher gehörigen Puppen, die ich fand, waren mit Ausnahme eines Individuums, das sein Gohäuse in einem Wald von Podostemeen durch Zu- sammenkleben verschiedener Stengel gebildet hatte, an Steine augeklebt. Das Gehäuse besteht wieder aus einer inneren Hülle, die an der Rückenseite einen einzigen, beide Stigmenpaare be- deckenden Luftraum hat, und einem äusseren, tonnenförmigen Gespinnst, das die innere Kammer ziemlich eng umschliesst. Das äussere Gespinnst enthält ebenfalls Lufträume, die sich dem des inneren Gespinnstes anschliessen, es ist äusserlich mit Stein- chen oder Podostemeenstücken bedeckt. Diese Bedeckung schliesst. oinen Gasaustausch an der äusseren Fläche dos Gehäuses aus, derselbe inuss an der Innenseite stattfinden. So sehen wir auch das Gehäuse von einigen (6 10) grösseren Löchern, bis 2 mm

Wasser lebende Schmettcrlingsraupen Brasiliens. 211

im Durchmesser, durchsetzt, welche einen Wechsel des Wassers gestatten. Unter diesen Umständen ist es gleichgiltig, wo sich das lufthaltige Gespinnst befindet, und so braucht es uns nicht zu überraschen, dass dasselbe bisweilen auf der Unterlage, auf dem Stein, dem das Gehäuso angeheftet, angebracht ist.

Eine ähnliche Verbindung, wie wir sie bei Cataclysta pyro- palis an der dem Schmetterlinge offen gehaltenen Thür fanden, fehlt; beide sind nur verklebt.

Obgleich mir von diesen Species nur bei einer der Schmetter- ling bekannt geworden ist, so zwoifie ich doch nicht, mit Rück- sicht auf die Aehnlichkeit der Larven, besondors der Puppen, dass die sämmtlichen Species derselben Gattung zuzurechnen, als nahe Verwandte zu betrachten sind. Die gemeinsame Stamm- form dürfte als Raupe in ihren Lebensgewohnheiten, wie auch in ihren anatomischen Verhältnissen, den fünf frei lebenden Species viel näher gestanden haben, als der zuerst beschriebenen, in geschlossener Kammer lebenden. Mit Bezug auf die Gewohn- heiten wird das Niemand bezweifeln, da wir uns die Ausbildung derselben kaum anders denken können als vermittelt durch ähnliche, wie sie noch heute die frei lebenden Arten zeigen. Daraus würde aber auch das Gleiche für die anatomischen Verhältnisse folgen, da die Punkte, in denen sich die Anatomie der Raupe von Cataclysta pyropalis von den anderen Species unterscheidet, meist in engem Zusammenhang stehen mit dem Leben in einer flachen Kammer. Als solche Punkte seien noch genannt: die flach gedrückte Gestalt des Körpers und mit ihr in Zusammenhang stehend die Richtung des Kopfes nach vorn, die einseitige Vertheilung des Pigments und die Anordnung der Kiemen, welche bei gleicher Gruppirung (abgesehen von Fehlen der hinteren Gruppe) vorwiegend in horizontaler, nicht in hori- zontaler und verticalor Richtung, wie bei den anderen Species, ausgebreitet sind.

212 T>r. Wilh. Müll er- Blumen au: Ueber einige etc.

Figurenerklärung zu Tafel XIV.

Br I) Kiemenbasis.

E x Raupenhaut.

e äusseres, i inneres Puppengespinnst.

L Luftführender Raum.

O. OclVnung am Rand des Ptippengespinnstes.

P. Stützen desselben.

R br,, br2 oberer, unterer Kiemenenast.

Rc,, c2 erster, zweiter Hautast.

R i Eingeweideast.

R 1 Längsstamm.

R st Stigmenast.

R tr Querast.

St Stigma.

St,, St2 erstes, zweites Thoracalstigma.

T Trennungsstelle der Längsstämme.

Th Thür des Puppengehäuses.

Fig. 1 9 von Cataclysta pyropatis, 10 von Cataclysta sp.

Fig. 1. Raupe (8 fach vergrössert).

Fig. 2 a. Puppe (16 fach vergrössert); 2b, letztes Segment von oben

gesehen. Fig. 3. Kopf und Thorax der Raupe von unten gesehen, die Tracheen- verzweigung zeigend (24 fach vergr.). Fig. 4. Tracheen des 4. Abdominalsegments (70 fach vergr.). Fig. 5. Trennungstelle (stärker vergrössert). Fig. 6. Puppengehäuse von oben (i mal vergrössert1). Fig. 7. Unvollendetes Puppengehänse (2 mal vergr.). 1 8 sind die

nach der Reihenfolge der Zahlen angelegten Lufträume, 8

in Arbeit. Fig. 8. Puppe im inneren Gespinnst, vom Rücken gesehen (4 fach

vergrössert). Fig. 9. Schematischer Durchschnitt eines Puppengehäuses (4 fach

vergrössert). Fig. 10. Abdominalsegment von Cataclysta sp, von der Seite, die

Kiemen angedeutet.

Nachtrug

über die Function der Antennendrüse der Cythcriden.

In den letzten Monaten hatte ich Gelegenheit, die oben mehrfach erwähnte Spocies, Elpidium Bromeliarum Fr. Müller, selbst in ihrer Heimath (der Urwald Brasiliens, wo sie zwischen den Blättern von Bromelien lebt) zu sammeln, und wurde dabei folgende interessante Erscheinung beobachtet: In einer Sammel- flasche gehalten, kletterten die Thiere in grosser Anzahl an den Wänden des Gefässes in die Höhe; erschütterte man das Glas massig, so fiel der grösste Theil zu Boden, ein Theil blieb aber an den Wänden haften. Neigte man das Glas, so sah man einzelne sich von der Glasfläche entfernen, als wollten sie zu Boden sinken, in der Entfernung von wenigen mm aber hängen bleiben, dort anscheinend frei schwebend verweilen. Diese und ähnliche Beobachtungen Hessen es unzweifelhaft er- scheinen, dass das Thier irgend ein klebriges Secret abscheidet (spinnt), sich so festheftet, da übrigens die spitzen Krallen, mit denen die einzelnen Gliedmassen enden, für eine derartige Be- wegung durchaus ungeeignet erscheinen.

Um die Erscheinung näher zu untersuchen, wurde folgendes Vorfahren eingeschlagen: Ein Individuum wird mit einem Tropfen Wasser auf einen Objectträger gebracht, dann der Objectträger umgedreht. Nachdem man das Thier kurze Zeit in dieser Stellung hat verharren lassen (um ihm Zeit zu geben, seine Fäden festzukleben), legt man den Objectträger vorsichtig auf ein bis zum Rand mit Wasser gefülltes Glasschälchen, so dass das Wasser an der Oberfläche überall dem Objectträger adhärirt. Es können dann bezüglich des Elpidiums verschiedene Fälle eintreten: 1) das Thier fällt zu Boden, das dürfte der häufigste Fall sein; 2) das Thier bleibt bewegungslos an der Glasplatte

214 Nachtrag über die Function der

haften, wobei das vordere Körperende der Glasplatte genähert ist; 3) das Thier kriecht nach kurzem Besinnen an der Unter- seite der Glasplatte weiter; 4) das Thier lässt sich langsam, gleichmässig oder ruckweise zu Boden sinken (der seltenste Fall).

Für uns von besonderem Interesse und von Werth für die Beantwortung der Fragen: Spinnt da3 Thier? Welches sind die Spinnorgane? ist der dritte Fall, der eine nähere Besprechung erfahren soll. Behufs genauerer Besprechung können wir das Thier (bei schwächerer Vergrösserung) mit dem Mikroskop an- sehen; wir können bei pp. 50facher Vergrösserung sehr wohl die Bewegung der einzelnen Gliedmassen verfolgen, indessen wird es schwer halten, aus dem gebotenen Bild, aus dem Gewirr anscheinend planlos sich durcheinander schiebender Gliedmassen irgend welche Antwort auf die gestellten Fragen herauszulosen. So erscheint es praktischer, zuerst eine andere Untersuchung vorzunehmen, uns nach gesponnenen Fäden, der Art ihrer An- heftung etc., umzusehen, die hier gewonnenen Resultate als Führer bei der Beobachtung der Gliedmassen zu benutzen.

Um hier zum Ziele zu gelangen, habe ich auf der Oberseite des Objectträgers den Weg, welchen das Elpidium auf der Unterseite machte, durch schwarze Punkte markirt, konnte so bequem nachträglich Theile des Wegs in das Gesichtsfeld bringen, mit allen mir zu Gebote stehenden Vergrösserungen auf hinterlassene Spuren untersuchen. Das Resultat war ein verschiedenes; oft konnte ich bei 150- oder selbst 300facher Vergrösserung (Seibert Syst. IV u. V) nur mit Anstrengung schwache Fäden entdecken, bisweilen waren dieselben bei 70- oder 45facher Vergrösserung ohne Mühe aufzufinden, was jeden- falls mit der verschiedenen Füllung der fraglichen Drüse zu- sammenhängt. In einem Falle liess sich ohne Mühe das Ge- spinnst 20 mm weit verfolgen, und entsprach der so gefundene Weg genau dem durch Punkte auf der Unterseite markirten, so dass der Gedanke, wir möchten es mit einem anderweitig ent- standenem Gebilde zu thun haben, ausgeschlossen ist.

Wie sich ferner zeigt, besteht das Gespinnst aus zwei neben- einander herlaufenden Fäden, von denen jeder abwechselnd nahezu gerade (bis 0,9 mm) und hakig gebogen erscheint. Beide Fäden entfernen sich von einander bis auf einen Abstand von 0,4 mm, nähern sich dann, um sich eventuell zu kreuzen. Beides wechselt regelmässig ab und zwar in der Weise, dass Punkte der grössten

Antennendrüsc der Cytheriden. 215

Entfernung (resp. Annäherung) in einen Abstand von 0,9—1,4 mm einander folgen. Obgleich das Bild durch die Schlingen und Haken, welche beide Fäden bilden, verwischt wird, so wird man doch diese allgemeinen Züge wiedererkennen; sie treten deut- licher bei der Betrachtung einer längeren Wegstrecke hervor.

Die Frage: spinnt das Thier? müssen wir nach dieser Beobachtung unzweifelhaft mit „ja" beantworten. Auf die zweite Frage: wo sitzt, resp. wo mündet die Spinndrüse? muss die Antwort lauten: an der Spitze eines Antennen- oder Bein- paares; kein anderer Anhang besitzt eine hinreichende freie Bewegung, um ähnliche Figuren zu zeichnen. Von den ge- nannten Anhängen besitzt nur einziges Paar einen Drüsengang, welcher an einer Spitze ausmündet, das zweite Antennenpaar. Wie bekannt, liegt bei sämmtlichen Cytheriden an der Basis dieses Gliedmassenpaares eine Drüse, deren Ausfuhrungsgang sich leicht in die sogenannte Geissei der Antenne verfolgen lässt, an der Spitze derselben mündet. Die Geissei ist eine am Ende des ersten Gliedes entspringende, gekniete Borste, welche an Länge dem Rest der Antenne meist gleichkommt, sie bisweilen überragt. Die bisherige Deutung des Organs (Gift- drüse, Zenker) muss als eine nur provisorische bezeichnet werden, da keinerlei directe Beobachtung vorliegt, um dieselbe zu recht- fertigen, vielmehr die Lebensweise der Cytheriden gegen dieselbe spricht. Andererseits lassen die anatomischen Verhältnisse des betreffenden Organs, vor allem die Zartheit der Geissei, welche ein Stechen mit derselben unmöglich machen dürfte, eine solche Annahme unwahrscheinlich erscheinen, während der zähe, faden- ziehende Inhalt der Drüse wohl zu der gegebenen Deutung passt.

Um Sicherheit zu gewinnen, dürfte es als das Nächstliegende erscheinen, die Bewegung der zweiten Antenne (bei Fall drei) mit der Form angehefteter Fäden zu vergleichen, indessen ist es mir nicht gelungen, diesen Vergleich durchzuführen. Das Hin- und Herschwanken des Thieres macht denselben unmöglich, da so ge- wissermassen ein beständiges Wechseln des Hintergrundes, auf den wir die Bewegung beziehen möchten, bewirkt wird ; doch lassen sich andere Beobachtungen anführen, die einen hinreichenden Beweis liefern. Zunächst zwei, die wenigstens auf die zweite Antenne als Organ zum Anheften hinweisen: Hängt das Thier am Glas, so ist stets, wie schon erwähnt, das vordere Körperende dem Glas am meisten genähert, das Thier hängt schräg, die

'216 Nachtrag über die Function der Antennendrüse der Cytheridcn.

Bauchseite dem Glas zugekehrt; kriecht das Thier, so schwankt es unregelrnässig hin und her, dabei ist aber stets die Mund- gegend, in welcher, wie wir sehen werden, eine der beiden An- tennen fixirt ist, das Centrum, um welches das Thier sich dreht.

Die Beobachtung der Art und Weise, in welcher sich die Geissei der zweiten Antenne bewegt, wird erschwert durch einen Umstand, welcher andererseits wieder den stärksten Beweis für die aufgestellte Behauptung enthält: Die Geissei folgt nicht oder nur schwierig den Bewegungen der Antenne. Soll die Geissei nach vorn entfernt werden, so schlägt die Antenne gegen sie, indessen sind gewöhnlich zwei Schläge nöthig, um die Bewegung der Geissei zu vollenden, wobei die Antenne über die ursprüng- lich vor ihr liegende Geissei herauszufahren pflegt. Für das Zurückziehen, bei welchem die Geissei nachgezogen, nicht ge- schoben wird, sind gewöhnlich vier oder fünf Schwingungen der Antenne nöthig. (Die lebhaftere Bewegung der Antenne dient vielleicht zugleich dazu, die Entleerung der an ihrer Basis befindlichen Drüse zu befördern.) Beim Vorwärtsschieben und Zurückziehen der Geissei haftet die Spitze derselben stets an der Glasplatte, was von keinem anderen Körperanhang gilt. Man kann dies nicht sehen, ohne zur Ueberzeugung zu kommen, dass es die Geissei ist, welche die Fäden zieht.

Noch sei im Allgemeinen über die] Bewegung gesagt, dass, während die eine Geissei eine Excursion nach vorn macht, die andere in der Mundgegend fixirt bleibt, die Rückkehr der ersten erwartend. Das Fortschreiten geschieht, wie schon aus dem Vorhergehenden ersichtlich, nicht etwa in der Weise, dass eine Geissei nach vorn geschoben und fixirt, der Körper nachgezogen wird (wenn auch vielleicht diese Art der Bewegung bisweilen vorkommt), vielmehr wird die Geissei zurückgezogen, während der Körper zugleich sich vorwärts bewegt. Dem zweiten An- tennenpaare gegenüber ist der Antheil, den die übrigen Glied- massen am Fortschreiten nehmen, gering. Die Schreitbeinpaare suchen einen Halt an den angeklebten Fäden, schieben nach, scheinen indessen oft ihre Stütze zu verlieren. Das erste Antennenpaar ist allerdings in Bewegung, dürfte aber die Glas- platte überhaupt nicht erreichen.

Drmk von E. Buchbinder in Neu-Kuppin.

Beschreibung einiger neuen Milben.

Von

Dr. G. Haller

in Zürich.

Hierzu Taf. XV und XVI.

I. Amerikanische Arten.

Die Acarinologie liegt noch so sehr in ihren ersten Anfangen, dass der auf diesem interessanten Gebiete thätige Zoologe immer wieder auf neue, noch unbeschriebene Formen stösst und bei jeder allgemeinen Arbeit zuerst genöthigt ist, die einzelnen Bausteine bekannt zu machen. Dieses wird auch heute meine Aufgabe sein, wenn ich, fern von jeder Artenmacherei , einige neue oder ungenügend bekannte Formen schildere, welche zum grössten Theile das Material zu meinen am anderen Orte veröffentlichten Studien über Segmentation und Mundtheile der Milben abgaben. Einige weitere neue Arten nehmen desshalb unser Interesse in Anspruch, weil sie nebst den früher von mir beschriebenen Federmilben zu den ersten ausführlicher be- sprochenen amerikanischen Arten gehören. Ich verdanke die- selbe der Güte des Herrn Dr. Blankenhorn, Prof. extraord. in Karlsruhe, welcher überhaupt zur Kenntniss der kleinsten Thierwelt höchst Schätzbares beigetragen hat. Auch Herr Dr. Stoll aus Hier hat eine Anzahl Milbenformen aus Guatemala mitgebracht, mit deren Publikation er soeben beschäftigt ist.

A. Acaroi'na atraclieata.

Aus dieser ersten Unterklasse nimmt uns heute einzig die Gattung Tyroglyphus durch zwei neue amerikanische Formen in Anspruch. Die erste derselben verdient überdiess unser Interesse

Arch. f. Naturg-esch. L. Jahrg. 1. Bd. 15

218 Dr. G. II aller:

wegen der interessanten Bildung des dritten Beinpaares, denn wir finden auch hier das bei den Analgiden angedeutete Gesetz wieder vor, dass sich bei kräftiger Entwicklung des dritten oder vierten oder beider hinteren Beinpaare des Männchens eine auf- fallende Zurücksetzung des entsprechenden oder der entsprechen- den Extremitätenpaare des Weibchens zeigt.

Aus Amerika ist bisher nur ein einziger Tyroglyphus be- kannt. Riley hat denselben unter dem Namen Phylloxera Mite oder Tyroglyphus phylloxerae als Feind der Reblaus beschrieben und abgebildet. Die beiden nachfolgenden Arten sind mit dieser Form nicht identisch, leben aber gleich ihr auf dem Weinstocke. Anhangsweise mag daher erwähnt werden, dass von Rondani auch eine europäische Art unter dem Namen Acarus Planchonii als phyxollerafeindlich beschrieben worden ist. Nach meinen Erfahrungen lege ich diesen Milben als Feinden der Phylloxera keine Bedeutung mehr bei. Anders verhält es sich freilich mit den Gamasiden, welche wie nunmehr von Michael be- wiesen — wahre Raubthiere sind und sich von ihren kleineren Genossen nähren.

1. Tyroglyphus crassipes N. £)>. (Taf. XV Fig. 1).

Von mittlerer Grösse und normaler Gestalt. Beim Männchen das dritte Fusspaar stark verdickt (uns Fig. B), fast zweimal so dick als die vorderen, diese bei beiden Geschlechtern dünner als die hinteren nach dem Ende hin verjüngt, ohno ächte Kralle, dagegen das letzte Glied krallenförmig gestaltet. An der Beugefläche des vierten Fusspaares des Männchens zwei ovale haftnapfartige Chitinbildungen (Fig. 1 c) hinten und vorne oberhalb dieser letzteren zwei starke auf ungleicher Höhe stehende Dornborsten. Alle rigiden Borsten der Extremitäten von gewöhnlicher Länge, aber überaus kräftig. Beim Weibchen das dritte Beinpaar kürzer und schwächer als die übrigen. Das Männchen 0,6 mm, das Weibchen 0,8 bis fast 1 mm lang. Heimath: Amerika.

Durch das verdickte dritte Beinpaar des Männchens unter- scheidet sich diese Art von allen bisher bekannten Tyroglyphus- Formen. Die eigenthümlichen haftnapfartigen Bildungen des letzten Beinpaares, sicherlich nur einfache Chitinverdickungen, hat unsere Art mit der Käsemilbe (Tyroglyphus siro Latr.) gemein. Robin hat diesolben bereits erkannt und abgebildet.

Beschreibung einiger neuen Milben. 219

Auffallend ist bei dieser Art die sehr geringe Zahl von Männchen unter sehr vielen Weibchen, welche ich zur Untersuchung hatte.

2. Tyroglyphm curtus N. Sp. (Taf. XV Fig. 7).

Männchen und Weibchen etwa von gleicher Grösse und übereinstimmend gestaltet, auch ohne sexuellen Unterschied in der Entwicklung der Beinpaare. Körper ausserordentlich ge- drungen, kaum zwei Mal so lang als breit, sehr dick, leicht deprimirt, nach hinten kaum merklich verjüngt; Abdomen fast rechteckig mit zugerundeten Winkeln und leicht alisgebuchtetem Hintcrraude; Cephalothorax überaus kurz, sehr breit zugespitzt. Epistom stark entwickelt, als kreisrunde Kaputzo die Mundtheile von oben vollkommen verbergend. Die Vorderbeine namentlich beim Männchen kürzer und dicker als die hinteren. Ihre Be- waffnung mit Borsten einfach aber kräftig. Länge 0,40 bis 0,45, bei einer Breite von 0,20 bis 0,25 mm. Heimath: Amerika.

Auch diese Art scheint ziemlich charakteristisch zu sein und unterscheidet sich von allen mir bekannten durch die ganz merkwürdig gedrungene Körpergestalt. Ich besass zur Unter- suchung derselben 9 Individuen, unter welchen beide Geschlechter vertreten waren.

B. Acaroinea tracheata.

Auch die Anzahl der bis jetzt aus Amerika beschriebenen tracheenbesitzenden Milben reducirt sich auf sehr wenige und diese sind meistens nur parasitische Jugendstadien von im er- wachsenen Zustande freilebenden Formen. Es war daher sicher- lich nicht ohne Interesse, einige weitere Formen kennen zu lernen, welche meistens den Oribatiden angehören. Eine einzige Art entspricht den oben genannten parasitischen Jugendstadien und ist identisch mit unserem europäischen Rhyncholophus rhopalocerus Koch.

Ordnung der Oribatiden. Da sämmtliche nachstehend als neu beschriebenen Formen auf dem Weinstocke aufgefunden worden sind, ist es von einigem Interesse, darauf hinzuweisen, welche Rolle man diesen kleinen Thierchen zugeschrieben hat. Wie nämlich allbekannt, hat Riley in seinen verdienstvollen Studien über die Reblaus- krankheit eine lebende Oribatide als Feind der Phylloxera

15*

220 Dr- G- Haller:

beschrieben und Hoplophora aretata genannt. Gleich der vor- erwähnten Beobachtung des zuverlässigen amerikanischen Ento- mologen ist auch diese Mittheilung vielfach in Zweifel gezogen. Dieselbo scheint dennoch Einiges für sich zu haben. Wenigstens werden in der Litteratur noch mehr einschlagende Fälle er- wähnt. Ashmead beobachtete auf Orangenbäumen in Gesell- schaft der von Packard Aspidiotus citricola genannten Schildlaus sehr häufig eiue hellgelb gefärbte Milbe, deren Abdomen oben einen fleischrothen Längsstreifen besitzt und sich vermuthlich von den Eiern der genannten Schildlaus ernährt. Noch jüngere Thiere sind hell fleischroth. Es ist wahrscheinlich, dass diese Acarus Gloverii genannte Milbe, welche auch von Glover als in Florida weit verbreitet erwähnt wird, nur die Jugendform der Oribatide ist, auf welche sich die zweite Beobachtung bezieht. Ashmead beschrieb nämlich schon früher eine unter den Orangenläusen vorkommende glänzend schwarz gefärbte Milbe unter dem Namen Oribates aspidioti. Er giebt weiter an, dass dieselbe sich schon den von Packard als Nothrus oviformis beschriebenen Thierchen nähere, aber leicht an den beiden eiförmigen Fortsätzen in der Mittellinie des behaarten Abdomens kenntlich sei. Nach Ashmeads Aussage ernähren sich ohne Zweifel auch die erwachsenen Thiere von den Schildläusen.

Auch in der klassischen Monographie Nicole t 's findet sich eine Stelle, welche wenigstens für die Wahrscheinlichkeit dieser Beobachtungen spricht. Indem sich der unübertroffene Acarino- loge augenscheinlich auf eigene Erfahrungen stützt, sagt er da- selbst: „Quoique les matieres contenues dans les intestins des Oribatides indiquent une nourriture vegetale, ces animaux atta- quent quelquefois les Acariens ä teguments mous, lorsque captifs, il's n'ont plus les matieres qui leur servent habituelle- ment de nourriture; du reste ils ne deviennent jamais parasite, quelleque soit l'epoque de leur developpement, et ne causent aueun dommage soit ä l'homme, soit aux produits de son In- dustrie." Füge ich diesen Zeugnissen verschiedener Beobachter endlich bei, dass ich wiederholt beobachtete, wie in Gefangenschaft gehaltene Oribatiden Blattläuse angriffen und auffrassen, erwähne ich endlich, dass ich unter angefressenen Häuten von Psylla mali oftmals eine kleine Oribatide fand, so scheint die Mittheilung Riley's denn doch nicht ganz alle Begründung zu entbehren. Gehen wir nun aber zur Beschreibung der neuen Formen über.

Beschreibung einiger neuen Milben. 221

Gattung Oribata Latreille 1". Dachförmige Anhänge mit dem Cephalothorax in ihrer ganzen Länge verwachsen.

Oribata simplex N. Sp.

Körper birnförinig, hell rostgelb. Abdomen fast kugelig, jedoch mit sehr bemerkbaren Seitenecken, auf der Rückenfläche jederseits mit drei Reihen langer und hackig gebogener, leicht- körniger Borsten, deren erste hart am Rande, die übrigen paralell demselben verlaufen. Seitliche flügeiförmige Anhänge kurz, nach unten merklich verlängert und leicht zugerundet, nach vorne hin quer abgestutzt, das Vorderende des Abdomens kaum überragend. Cephalothorax kurz und breit, nach vorne zugerundet. Tectiformer Anhang mit dem Cephalothorax gänzlich verschmolzen, seine zwei seitlichen Flügel in der Mitte am breitesten, nach vorne und nach hinten sich allmälich verjüngend, ihr freier Rand leicht zugerundet; sie tragen am Vorderrande je eine lange, nach vorne gerichtete und leicht gekörnte Borste. In der Mitte des Seitenrandes des Kopfbrustabschnittes jederseits eine ähnliche Borste, auch die weit nach vorne verlegten Scheitel- borsten sind lang und leicht körnig. Stigmalhaare kurz, nach vorne gerichtet, wenig gebogen, mit dünnem Stiele und plötzlich zu einem Kolben anschwellenden Vorderende. Beine kurz und dünn, da3 vorletzte Glied der beiden ersten Paare am Vorder- ende nach aussen mit leichtem Höcker, welcher eine längere Borste trägt. Tarsus in eine starke mittlere und zwei sehr schwache seitliche Krallen endend. Gesammtlänge 0,44 mm, grösste Breite 0,24 mm. Heimath: Amerika.

Diese in ihren Körperformen sehr einfache Milbe ist vor allen andern Arten dieser Gattung deutlich gekennzeichnet durch die vorne abgestutzten Seitenanhänge des Abdomens und die Borstenreihen auf der Rückenfläche des Abdomens. Ich bekam von ihr nur wenige Exemplare zur Untersuchung.

Oribata monodactyla mihi (Taf. XV Fig. 3). Körper gestreckt birnförmig gelbbraun. Abdomen länglich oval, sehr regelmässig, weniger gewölbt als bei den nächst ver- wandten Arten, durchaus ohne Haare oder Borsten ; Seitenflügel

222 Dr. G. II all er:

lang aber schmal, vorne abgestutzt. Cephalothorax lang, stark zu- gespitzt ; tectiformer Anhang mit ihm verschmolzen und nur wenig kürzer, seitliche Flügel desselben nach vorne in eine düune Spitze auslaufend, nach hinten stark verbreitert; Hinterende schräge ab- gestutzt, Vorderende ohne terminales Haar, Scheitelborste kurz, einfach und leicht nach aus- und rückwärts gebogen. Stigmal- haare überaus lang, am Ende leicht verdickt, nach vorne davon mit sehr kurzen, distanten Fiederspitzchen besetzt und stets schräge nach hinten und aussen gerichtet, kaum merklich ge- krümmt. Coxa und Trochanter aller Beinpaare sehr stark zu- sammengedrückt und verbreitert. Femur sehr kurz ; Trochanter und Tibia zusammen einen gestreckten, spindelförmigen Abschnitt bildend. Trochanter in seiner ganzen Länge an der Innenseite durch eine schmale Chitinleiste gesäumt, welche in der Mitte am breitesten ist, nach den beiden Enden hin sich allmählich ver- jüngt, deren Aussenrand leicht zugerundet ist. Tarsus scheinbar einkrallig, nur die Mittelkralle stark, die beiden seitlichen auf schwache Härchen reducirt. Länge 0,39, Breite 0,19 mm. Hei- math: Amerika.

Diese Art steht der gewönlichen Oribata femorata, welche ich ebenfalls als amerikanische Art kennen gelernt habe, sehr nahe, unterscheidet sich aber von ihr durch die langen eigen- thümlichen Stigmalhaare , die eben beschriebenen Verhältnisse der Extremitäten etc. Ich untersuchte von dieser gut gekenn- zeichneten Art von allen amerikanischen Oribatiden die meisten Exemplare.

B. Tectiformer Anhang mit dem Cephalothorax nur an seiner Basis verschmolzen, diesen gänzlich bedeckend, ja denselben nach vorne und seitwärts überragend.

Oribata americana mihi (Taf. XV Fig. 4).

Körper gedrungen oiförmig, rostbraun und glänzend. Ab- domen fast kugelig, an der Rückenfläche mit zwei von dem Seitenrande entfernten Reihen sehr distanter langer, einfacher und stark gekrümmter Borsten. Flügelförmige Anhänge des Abdomens lang und breit, nach vorne hin das Ende des Hinter- leibes merklich überragend und quer abgestutzt.

Die beiden an der Basis zusammenhängenden, vorne durch eine schmale Incisur getrennten am Aussenrande und namentlich an dessen vorderen Aussenecken lang und dicht gezackten

Beschreibung einiger neuen Milben. 223

Seitenflügel des Tectums bilden zusammen eine in der Mitte firstformig gegiebelte, nach beiden Seiten hin stark abschüssige, an ihrem freien Vorderrande ausgeblichtete Ebene, welche bei- nahe den ganzen Cephalothorax bedeckt; nur die Spitze des letzteren tritt in der Ausbuchtung des vorderen Randes des Tectums zu Tage, dagegen überragen die freien äusseren Ecken des letzteren den Cephalothorax bedeutend. Nahe dem Innen- Avinkel dieses durchsichtigen und blass gelblichen Tectums steht zu beiden Seiten des Cephalothorax ein dickes, keulenartiges und rauhkörniges Haar. Die Scheitelhaare lang und einfach, den Cephalothorax nach vorne bedeutend überragend. Stigmalhaare von gewöhnlicher Länge und nur wenig verdickt, nach vor- wärts gerichtet und nach einwärts geneigt. Extremitäten kurz und dick, neben einfachen Börstchen mit kurzen dicken und rauhkörnigen Haargebilden besetzt, welche auf kleinen Chitin- höckerchen inserirt sind. Gesammtlänge 0,39, grösste Breite 0,23 mm. Heimath Amerika.

Diese Form steht besonders in Beziehung auf die Gestalt ihrer tectiformen Anhänge Oribata nitens sehr nahe, unterscheidet sich aber von ihr durch die ganze Summe ihrer übrigen Merk- male ebenso sehr auch von allen anderen bisher bekannten Formen. Obwohl ich nur wenige Exemplare zur Untersuchung hatte, so zögerte ich daher dennoch nicht, dieselbe als neu zu be- schreiben.

C. Tectiforme Anhänge mit dem Cephalothorax nur an ihrer Basis verwachsen, und diesen nur zum Theil bedockend; die Seitenflügel zu breiten mehr oder weniger vertikalen, nach vorne zugespitzten Lamellen entwickelt.

Oribata Rileyi mihi (Taf. XV Fig. 5). Körper dunkelbraun, gedrungen birnförmig, grösste Breite noch nach hinten vom Beginne der hinteren Hälfte des Ab- domens, von hier aus nach vorne hin merklich zugespitzt, nach hinten breit zugerundet. Abdomen birnförmig, am Hinterrande mit mittlerem sehr kleinem halbmondfürmigem Ausschnitte, in welchem ein von unten hervortretender Hügel sichtbar wird. Flügeiförmige Seitenanhänge sehr lang und schmal, sehr weit nach hinten beginnend und das Abdomen noch um ein Merk- liches überragend; nach vorne quer abgestutzt, durch eine gleich lange Chitinbrücke mit einander verbunden. Abdomen

22 1 Dr. G. Halle*:

an der Rückenflächo jederseits mit einer einzigen lioihe sehr kurzer und kleiner rauhkörnigcr Borstchen, ein ähnliches längeres jederseits in dem Winkel zwischen den Zähnchen, welche den Ausschnitt des Hinterrandes begrenzen, und dem in diesen vor- springenden Höcker.

Cephalothorax lang und schmal, stark zugespitzt. Seitliche Flügel des Tectums in der Länge wohl entwickelt, dagegen ziemlich schmal, mit verdickten Rändern, nach vorne zugerundet, der freie Innenwinkel quer abgestutzt, um eine einfache, wenig- lange Borste aufzunehmen. Scheitelhaare einfach, gleich den Stigmalhaaren ziemlich kurz, letztere nach dem Ende hin stark keulig anschwellend, mit dickem Stiele. Beinchen kurz und dick, ausser mit einfachen Borstchen noch mit kurzen, dicken und säbelförmig gekrümmten Haargebilden bewaffnet. Tarsus mit sehr grosser, leicht geschwärzter sichelförmiger Hauptkralle, die seitlichen vollkommen rudimentär, an ihrer Stelle einfache, leicht gekrümmte Borstchen.

Der Panzer dieser Art ist überaus stark chitinisirt, was namentlich in einer leichten, kaum bemerkbaren Assymmetrie zu Tage tritt. Der Körper wird von aussen durch eine zarte farblose und durchsichtige Haut überzogen, welche im Präparate stets mehr oder weniger absteht, und sehr dicht stehende grobe Granulation zeigt. Gesammtlänge 0,50, Breite 0,36 mm.

Diese Art, welche ich dem rühmlichst bekannten Staats- entomologen Riley in Anerkennung seiner zahlreichen Ver- dienste um die oenologische Entomologie widme, ist in mehr- iächer Beziehung eine überaus scharf gekennzeichnete und merkwürdige. Ich trage daher durchaus kein Bedenken, ihre Beschreibung zu publiciren, obwohl ich von ihr nur ein einziges Exemplar zu untersuchen Gelegenheit hatte.

Eremaeus Koch. Generamerkmale. Palpen fadenförmig, letztes Glied länger als das vorhergehende und nach oben ausgerandet. Unter- lippe breiter als lang, quer-spindelförmig und fast die ganze Mundöffnung verschliessend. Maxillen sehr kurz, breit und nicht zugespitzt. Mandibeln kurz mit dicken und an der Innenseite dreihöckigeren Fingern. Beine mit sehr kurzem Tarsus und längerer Tibia, in drei Krallen auslaufend, deren mittlere sehr gross, die seitlichen dagegen sehr klein sind.

Beschreibung einiger neuen Milben. 225

Ereraaeus leporosus (Taf. XV Fig. 6).

Abdomen im Umrisse fast vollkommen kreisrund, nur nach vorne mit fehlendem, kleinem Kreisabschnitte, welchem der Cephalothorax angepasst ist. Vorne zu jeder Seite des Cephalo- thorax ist das Abdomen leicht comprimirt. Auf der Rücken- fläche stehen auf jeder Seite vier Reihen kurzer und einfacher Haare.

Cephalothorax sehr lang und schmal, stark zugespitzt, etwas hinter der Mitte durch eine schmale Querbrücke verbundene Chitinstücke, welche nach vorne jedes eine kurze Borste trägt. Sie geben sich in unzweideutiger Weise als Rudimente der seit- lichen flügeiförmigen Anhänge des Tectums der Oribatiden etc. zu erkennen. Von diesen aus zieht auf jeder Seite des Cephalo- thorax und dessen Seitenrand sehr genähert eine nach auswärts leicht gekrümmte Leiste, nach hinten, bis etwa zum Ende des ersten Drittels des Kopfbruststückes, hier beginnt eine gehäuse- artige Bildung, welche nur gegen die Mitte hin offen, auf den übrigen Seiten aber mit der Rückendecke verwachsen ist. Der freie Zwischenraum zwischen den beiden ebenfalls aus dem Tectum hervorgegangenen Bildungen kommt etwa ihrer eigenen Breite gleich. Sie erstrecken sich bis etwa zum Beginne des letzten Drittels des Cephalothorax, wo eine starke, namentlich auf dessen Seiten bemerkbare Einschnürung denselben in zwei hinter einander liegende Abschnitte zerlegt. Hinter dieser Ein- schnürung liegen zwei nahe auf einander folgende, in der Mitte unterbrochene und mit der offenen Seite nach hinten V-förmige Leisten, deren erste flacher ist als die zweite. Den Abschluss dieser sonderbaren Bildungen, deren Bedeutung vollständig räthselhaft ist, machen zwei ganz am hinteren Rande des Kopf- bruststückes gelegene, und der Mittellinie sehr genäherte rund- liche knopfförmige Erhabenheiten, auf gleicher Höhe mit ihnen liegen ganz dem Seitenrande genähert die Stigmata. Wir treffen je ein kurzes Börstchen am Vorderende der flügeiförmigen Chitinstückchen, ein gleiches nach auswärts von ihnen am Seitenrande des Cephalothorax ; die Stigmalhaare sind sehr lang, einfach borstenförmig und an ihrem Vorderrande mit kleinen Fiederspitzchen besetzt.

Die Beine sind massig lang und leicht verdickt. Sämmt- liche Extremitäten zeigen eine gleichmässige Ausrüstung mit

226 Dr. G. Ilallcr:

einfachen Boraten, welche gegen die Spitze hin an Länge zunehmen. Der Tarsus ist deutlich einkrallig. Färbung dunkelbraun. Kör- per und Extremitäten erscheinen durch vorstehende cylindrische Wärzchen dicht und grob gekörnt. Gesammlänge 0,32, Länge des Abdomens 0,30, grösste Breite 0,35 mm. Heimath: Amerika. Diese Art, von welcher ich sechs Exemplare zur Ansicht erhielt, zeichnet sich in mehrfacher Beziehung vor allen anderen Eremaeus-Formen aus. Auch stimmt dieselbe mit keiner der vorhandenen Gattungen so recht überein. Indessen scheint sie doch diesem Genus anzugehören, wie man aus der voran- gegebenen Diagnose erkennen mag.

II. Europäische Arten.

In seiner prachtvollen Monographie der englischen Oribatiden beschreibt und bildet der Londoner. Staatsanwalt Michael einige in höchst merkwürdiger Weise ausgestattete Larvenformen ab, welche förmlich unter Kränzen breiter blattförmiger Haare verschwinden. Leider ist es mir bis jetzt trotz angestrengtosten Suchens noch nicht gelungen, diese interessanten Formen auch bei uns in Deutschland oder in der Schweiz aufzufinden. Es muss das einem glücklichen Zufall anheimgestellt werden. Da- gegen sind blätterförmige Ilaargebilde bei den Milben im Ganzen durchaus nicht selten und wird mir die Aufgabe in vorliegendem Aufsatze, zwei derartigo neue Formen aus Deutschland und der Schweiz zu besprechen. Ihnen schliesst sich eine dritte neue Art mit sonderbarer Tegumentbildung an.

Damaeus craterifer mihi (Taf. XVI Fig. 1 4).

Cephalothorax einfach zugespitzt, Spitze leicht zugerundet, nach vorne und hinten vom Stigma je ein starker, leicht nach vorne gokrümmter spitzer Höcker. Stigmalborste kurz und dick einfach, wagerecht nach auswärts gestreckt. Abdomen vollständig kugelig, am Aussonrande nahe dem Hinterende in weitem Abstände jederseits zwei schwache gekrümmte Härchen.

Palpus maxillaris (Fig. 2 Taf. II) mit sehr umfangreichem zweiten Gliede, welches an Masse alle anderen übertrifft, dem an Länge höchstens das letzte Glied gleichkommt. Dieses schlank und gestreckt, in der Mitte kaum merklich verbreitert, hier auch mit langer und kräftiger, auf einem Höckerchen

Beschreibung einiger neuen Milben. 227

inserirten Borste an der Streckungsfläche , sein Ende in zwei verschieden lange stachelartige Anhänge auslaufend. Glied zwei an der Beugefläche mit zwei, Glied drei und vier je mit einer langen rigiden Borste. Sämmtliche Extremitäten sehr lang und entsprechend schlank. Am Vorderfusse das zweitletzte Glied nach auswärts mit einem stark vortretenden zugerundeten und nach vorwärts gerichteten Höcker, auf welchem eine lange rigide Borste steht (Fig. 3). Sämmtliche Beine mit einem aus langem dünnem Stiele stark verdickten und keulenförmigen ersten Gliede; ihrer ganzen Länge nach mit distanten kurzen nach vorne ge- richteten einfachen Börstchen besetzt.

Farbe dunkelbraun bis schwarz, gehört zu den mittelgrossen Damaeus- Arten. Heimath: Nizza und Marseille.

Vorstehend beschriebene Art wurde von mir in mehreren Exemplaren in Olivengärten bei Nizza gefunden und mir auch späterhin nebst anderen Milben von Dr. Vayssiöre aus Marseille mitgetheilt.

Was dieselbe vor allen anderen Arten dieses Genus und vor allen bisher bekannten Milben überhaupt unterscheidet, ist das stets vorhandene in höchst auffallender Weise angeordnete, massenhafte Tegument, welches wohl von der Milbe selbst ab- gesondert wird (Fig. 1), demselben gilt der Name der neuen Art. Diese bisher bei Milben wohl noch gänzlich unbekannte Absonderung ist es wohl werth, dass wir ausführlicher darauf eintreten.

Bei der vorliegenden Art tritt dasselbe stets in der Gestalt eines polygonalen und daher durchscheinenden Fachwerkes von wachs- oder kalkartigem Aussehen und schmutzig weisser Farbe auf, wesshaib es sich von dem dunkeln Panzer sehr stark ab- hebt und schon von blossem Auge bemerkt werden kann. Gegen die Einwirkung chemischer Reagentien erweist sich dasselbe ähnlich dem Chitine als völlig unangreifbar, höchstens last sich bei Anwendung von Essigsäure ein kaum merkliches Aufbrausen wahrnehmen, ohne dass der kunstvolle Bau irgendwie verändert oder gar zerstört würde.

Seine gruppenweise Anordnung entspricht den beiden Haupt- abschnitten des Milbenkörpers. Zunächst baut sich nämlich auf dem Cephalothorax eine vierseitige, ungefähr in halber Höhe ab- gestutzte Pyramide auf, deren Mitte trichterförmig vertieft ist. Ihre Basis dehnt sich über den ganzen Kopfbrustabschnitt aus,

228 P.r. G. Baller;

ihre Höhe entspricht ungefähr der Länge desselben. In der Mitte des kugelrunden Abdomens erhebt sich sodann ebenfalls auf der Riickenfläche das Tegument in der Gestalt eines voll- ständig einem Miniaturkrater vergleichbaren Kegels, welches an Umfang und Höhe die Bildung des Cephalothorax wenigstens um iya mal übertrifft. In ihrer ganzen Peripherie sendet die- selbe eine grosse Anzahl dünner Verbindungsstränge über den von ihr unbedeckt gelassenen Theil des Rückens nach dem Seitenrande des Körpers hin, um welchen sich dieses Tegument ebenfalls in charakteristischer Weise anhäuft. Zunächst tritt dasselbe nämlich zwischen Cephalothorax und Abdomen als schmaler wulstartiger Saum zu Tage und verbreitet sich von hier aus nach dem Körperrande hin, wesentlich um denselben in der Gestalt flacher Fortsätze zu überragen. Von hier ziehen sich längs der Vorderhälfte nur ganz schmale, nach hinten zu immer breiter werdende Säume nach dem hinteren Ende des Abdomens, welche sich endlich dermassen verbreitern, dass sie nach hinten zu in der Gestalt flacher zugespitzter und in der Mitte verbundener Flügel über den Körperrand hervortreten (Fig. 1). Die zwei kleinen Endborsten des Abdomens durchs dringen diesen breiten Saum, überragen ihn aber nur wenig.

Beim Anblick dieser wunderbaren Bildungen fragt man sich selbstverständlich sofort nach deren Entstehung. Bietet es doch einen gar merkwürdigen Anblick, das mikroskopische Thierchen unter der scheinbaren Last dieser Vulkane aus Fachwerk eiuher- ziehen zu sehen. Sind es Bildungen, welche das ausgewachsene Thier nach Art der Larven von Nothrus und anderen Oribatideu zu seinem Schutze aufgehäuft hat? Haben wir es hier mit anorganischen Massen zu thun, welche bei dem frei im Moose und Abfalle der Olivenbäume herumschweifenden Thierchen haften geblieben sind? Zu welchem Zwecke endlich schleppt der kleine Damaeus stets und überall diese Anhänge mit sich umher? Auf die beiden ersten Fragen haben wohl die vorhin mitgetheilten durch mikrochemische und mikroskopische Analyse erreichten Resultate genügenden Aufschluss gegeben. In der That trifft weder das Eine noch das Andere zu, am ersten nähert sich dieses Tegument den blattförmigen Anhängen mancher verwandten Arten. Es ist eine Absonderung aus ganz minimen, wurmförmigen Zellen, welche äusserst zahlreich in dem Unterhaut- zellgewebe des Damaeus craterifer eingebettet sind und deren

Beschreibung einiger neuen Milben. 229

Oeffnungen gleich ebenso zahlreichen Poren den harten Chitin- panzer durchbrechen. Ihr weiterer Bau Hesse sich nur durch stärkere Vergrößerungen untersuchen, welche mir nicht zu Ge- bote stehen. Nach Zertrümmerung des Chitinpanzers am lebenden Thiere in Glycerin erhielt ich bei Combination von Oc. 4 Syst 7 eines kleinen Hartnackschen Mikroskopes das in Fig. 5 wieder- gegebene Bild. Einige andere Milben sondern ebenfalls derartiges Tegument, wenn auch nicht in solcher eigenthümlichen Anord- nung ab, ich nenne als Beispiel die Larve der von mir be- schriebenen Uropoda clavus, welche nach Kr am er einen derartig gebildeten hyalinen Rand hat. Es wäre von Interesse zu constatiren, ob sich diese drüsenartigen Zellen ebenfalls vor- finden. Eine ähnliche Beobachtung ist von mir über das Deckelchen auf der obersten Windung des treppenartigen Auf- baues der Rückenfläche von Nothrus theleproctus Koch schon früher und am anderen Orte mitgetheilt worden. Welchem Zwecke übrigens die merkwürdigen Bildungen bei Damaeus craterifer dienen, ist nicht leicht ersichtlich.

Michaelin paradoxa. Nov. Gen. nov. Spec. (Taf. XVI Fig. 5 8). Von Prof. extraord. Blankenhorn in Karlsruhe wurde mir bei Anlass der Untersuchungen mikroskopischer die Rebe be- wohnender Thiere in ganz wenigen Exemplaren eine Milbe von beträchtlicher Körpergrösse mitgetheilt, welche so merkwürdigo Verhältnisse darbietet, dass sie unbedingt einem neuen Genus mit dieser einzigen noch unbeschriebenen Art entspricht, welche ich dem Engländer Michael in Anerkennung seiner grossartigen Verdienste speziell um die Käfermilben und im Allgemeinen auch für die gesammte Acarinologie widme. Was die Stellung unseres Thieres im Systeme anbelangt, so gehört dasselbe un- bedingt zu den Oribatiden und zwar in die Nähe von Hoplophora. Die ausführliche Beschreibung der merkwürdigen Milbe ist zu- nächst folgende:

Von sehr beträchtlicher Körpergrösse (über 1 mm) und ge- strecktem Bau, etwas mehr als zweimal so lang als breit. Körper nahezu cylinderisch , nach vorne stark, nach hinten schwächer zugespitzt. Cephalothorax ohne deutlich bemerkbare Abschnürung in das Abdomen übergehend, mit ihm in seiner ganzen Breite verwachsen und dorsal- wie ventralwärts nur durch eine Quorfurche von ihm geschieden. Nach vorne hin spitzt

230 Dr. G. Hall er:

sich der Kopfbrustabschnitt allmählich zu und endet mit abge- rundeter Spitze, Basis auf der Rückenfläche nach hinten zu kaum merklich verbreitert, mit der Basis des Abdomens falz- fürmig articulirend, an der Bauchfläche in der Mitte ausgerandet, mit dem Vorderende des Hinterleibes durch eine weiche Haut verbunden. Es scheint daher den beiden Kürperabschnitten unter sich eine beschränkte Beweglichkeit gestattet. Cephalo- thorax an seinen Seitenrändern auf der Dorsalfläche mit zwei gleich grossen halbmondförmigen, mit der offenen Seite nach auswärts gewendeten Ausbuchtungen, welche durch eine bis an den Seiten- rand tretende vorspringende Ecke getrennt werden, die ein winziges stark gewölbtes Auge trägt (Fig. G). Die vordere dieser Ausbuchtungen nach einwärts von einer schmalen Leiste gesäumt. Stigmata sehr klein, tief becherförmig, weit nach der Rückenfläche hinauf verschoben, Stigmalborste sehr lang, seit- wärts abstehend, am Ende nicht verdickt, mit feiner einseitiger Befiederung. Zwei Paare blattförmiger Scheitelhaare von nor- maler Länge oder nur wenig länger als die übrigen Körperhaare, erstes Paar nahe dem vorderen Thoracalende gerade nach vor- wärts gerichtet, zweites Paar nach aussen und hinten vom ersten wagerecht nach seitwärts gerichtet. In der hinteren Hälfte und einwärts von den Stigmen vier weitere in zwei Reihen stehende Blattgebilde. An der Ventralfläche nahe dem Hinterrande vier in einer Querreihe stehende kleinere Blattgebilde.

Abdomen nahezu cylindrisch, am Vorderrande abgestutzt und leicht ausgebuchtet, nach hinten stumpf zugespitzt. Mitte der Dorsalfläche unbewehrt, seitwärts von derselben drei dem Seiten- rande genäherte einfache Längsreihen blattförmiger Haare. An der Ventralfläche (Fig. 5) fallen uns zunächst die mächtigen Hinterleibsöffnungen in die Augen, deren vordere als Genital- öffnung, deren hintere als After zu beanspruchen ist. Sie er- strecken sich von hart dem Hinterleibsrande an bis weit über die Hälfte desselben nach vorne und nehmen hier die Mitte der Ventralfläche vollständig für sich in Beschlag. An Breite stehen sich beide gleich, an Länge übertrifft die auffallend mächtige Analöffnung die vordere wenigstens um l1/, mal. Gegen sich und die übrige Bauchfläche werden diese beiden Fenster durch oinen schmalen zugerundeten Rahmen abgegrenzt. Die vordere Oeffnung ist nur wenig länger als breit und wird durch zwei ungefähr rechteckige nach der Mitte hin kaum merklich auf-

Beschreibung einiger neuen Milben. 231

gebauchte Chitinladen geschlossen. Nahe der inneren Spalte bemerken wir auf einer jeden derselben eine einfache Reihe dicht gedrängter Blattgebilde von sehr geringer Grösse. Von Genitalpapillen und Ovipositor konnte ich nichts wahrnehmen, da mir die neue Art nur in Danerpräparaten eingeschlossen vorlag. Das hintere weitaus längere Foramen ist ungefähr zwei mal so lang als breit und wird ebenfalls von zwei rechteckigen Chitin- laden geschlossen, deren Innenränder aber stark aufsteigen und den mittleren Spalt in eine lang gestreckte lanzettliche vulva- artige Erhebung einschliessen, deren hinteres Ende als feine Spitzen den hinteren Körperrand überragt. Auf den Chitinladen vier Paaro stark distanter und gestreckter grosser blattförmiger Ilaargebilde, welche ziemlich in einer Reihe stehen, nur das zweite tritt kaum merklich nach innen und inserirt daher auf der vulvaartigen Erhabenheit, das letzte Paar steht nur wenig vom Hinterrande entfernt und ist steif nach hinten gerichtet. Zu beiden Seiten von diesen Fenstern stehen gegen den Seiten- rand zu zwei einfache Reihen von je fünf oder sechs massig grossen Blattgebilden. Auch ziehen sich nahe dem Vorderrande, sowie zwischen einem jeden Beinpaare eine einfache Querreihe von je vier kleineren Blattgebilden hin. Endlich muss noch zweier Borstengebilden der ventralen Fläche des Abdomens ge- dacht werden, welche constant eine abweichende Form zeigen. Das erste erscheint stark verlängert und in eine feine Spitze ausgezogen, in den sogenannten Schulterecken dem hinteren äusseren Paare der Schulterborsten der Dermaleichiden ent- sprechend. Das zweite steht nahe dem Abdominalende ganz aussen am Rande und ist zugleich verkürzt und verbreitert, am freien Ende ungleichseitig ausgeschnitten.

Das Trugköpfchen, dessen vordere Spitze dem vorerwähnten zugerundeten Ende des Cophalothorax entspricht, zeichnet sich durch seine sehr bedeutende Grösse aus. Sein Epistom bedeckt die Mundtheiie in der Gestalt eines nach vorne zugerundeten Helmes (Fig. 7) von oben nicht nur vollständig, sondern ragt nach vorne und seitwärts noch wesentlich hinaus. Den Abschluss nach unten hin bildet allermindestens zu zwei Dritteln eine wohl entwickelte Unterlippe, deren hinterer Rand in der Mitte nach hinten stark verbreitert ist. Auch der vordere zieht sich in eine mittlere Spitze aus, zu deren beiden Seiten in der Ge- stalt einfacher stark gekrümmter Häckchen die sehr kleinen

232 I>. G. Ilaller:

Lippontaster stellen. In der Mitte theilt ein weit klaffender bis etwa zur Hälfte eindringender Spalt die leicht gewölbte Fläche, welche eine Querreihe von vier lanzettlichen Haaren trägt, in zwei gleiche Hälften. Am Vorderrande bemerken wir endlich eine Reihe von drei kleinen der Mittellinie genäherten Zähnchen. Die Mandibeln sind ungemein stark entwickelt, im Ganzen eher schlank, im Grundrisse (Fig. 8) einem sehr lang gestreckten Drei- ecke zu vergleichen, dessen kleinste, schräge von aussen und oben nach innen und unten abfallende Seite nach hinten ge- richtet ist. Die Scheerenfinger sind ebenfalls sehr kräftig ent- wickelt und ungefähr so lang wie der massive Körper. An ihrer inneren Fläche bemerken wir drei kräftige Höcker. Das zweite Kieferpaar erfreut sich gleichfalls einer sehr auffallenden Entwicklung. Seine pars veromaxillaris tritt als kräftige schräge nach innen gestellte und nur wenig gelappte brecheisenförmige Fortsätze hinter der Unterlippe hervor (Fig. 7), welche an ihrem äusseren oberen Rande einen kurzen glashellen Stift tragen. Die Pars pseudolabialis tritt dagegen nur in den hinteren Seiten- winkeln der Unterlippe als länglich recheckige Laden mit vorderem zugerundeten Ende zu Tage. Der Palpus maxillaris ist klein, kaum halb so lang als die Scheerenfinger der Man- dibeln, aber sehr kräftig; seine Gestalt muss etwa als verkehrt keulenförmig (Fig. 8) bezeichnet werden. Das erste eiförmigo und mit einer einzelnen Borste bewaffnete Glied ist stark ver- dickt und etwa so lang als die beiden folgenden zusammen, von welchen nur das dritte hart am oberen Rande zwei lange Borsten trägt. Um so reichlicher sind damit das vierte und das kleinste zipfelförinige fünfte Glied ausgerüstet, und trägt das letztere unter anderen eine in eigentümlicher Weise nach einwärts abstehende rigide Borste. Das dritte und weitaus kleinste stabförmige Kieferpaar endlich ist sehr verkümmert und treten nur dessen äusserste Spitzen als sehr kloine Stifte hinter den gekrümmten Lippentastern hervor.

Ganz auffallende Verhältnisse zeigen endlich die vier ver- hältnissmässig kurzen Fusspaare, indem zunächst die beiden ersten der becherförmigen Epimeren entbehren und dadurch an die Hoplophoriden erinnern, das dritte und vierte Fusspaar aber je durch eine quer verlaufende Chitinleiste unter sich verbunden sind. Das erste Glied ist stets sehr kurz und ringförmig. Das zwoite dagegen stark compress, beinahe so lang als die drei

Beschreibung einiger neuen Milben. 233

folgenden zusammen und namentlich gegen das Ende hin fast plattenartig verbreitert, drei und vier sind sehr kurz, unter sich ziemlich gleich und kaum halb so breit als das Ende des vor- hergehenden. Glied fünf endlich ist doppelt so lang als das vorhergehende, aber mit ihm von gleicher Breite und verjüngt sich gegen das Ende hin kaum merklich. Durch ein falsches sechstes Glied geht dasselbe in eine überaus lange, einfache und sehr kräftige sichelförmige Kralle über (Fig. 5). Die zwei Vorderbeinpaare sind stets etwas länger als die hinteren und es zeigen, wenigstens im Präparate, die vier Extremitäten be- treffend Krümmung und Richtung stets die in unserer Fig. 5 wiedergegebene Anordnung. Sehr charakteristisch ist auch ihre Ausrüstung mit Borstengebilden. Mit Ausnahme des fünften Gliedes, welches ihrer völlig entbehrt und an ihrer Stelle ein- fache lange Borsten trägt, sind sämmtliche Glieder mit weit distanten kleinen Blattgebilden besetzt. Nur eines derselben, nahe dem Aussenende des zweiten Gliedes gelegen, erreicht an jedem der abdominalen Extremitäten eine bedeutendere Länge als die anderen und zieht sich in eine lange Spitze aus. An den Vorderfüssen beobachtete ich dieses abweichende Verhalten nicht (Fig. 5).

Werfen wir nun noch einen kurzen Blick auf die eigen- thümlichen blattförmigen Bildungen selbst, um hierauf die für die Gattung und die Art gültigen Merkmale aufzustellen. Was zunächst ihre Natur anbetrifft, so hat Michael schon mit Recht darauf verwiesen, dass sie morphologisch und physiologisch mit den einfachen Borsten zusammenfallen, welche man bei weitaus der Mehrzahl der übrigen Milben über die Körperfläche zerstreut findet. In der That beobachtet man denn auch, dass sie gleich jenen aus einfachen Haarporen entspringen. Ihre Gestalt ist sehr verschieden, bei Michaelia paradoxa einfach lanzettförmig oder lassen sich wenigstens aus dieser Grundform ableiten, bei der nachfolgend zu beschreibenden Cheyletia laureata Nov. Spec. mehr fächerförmig, bei anderen wieder fast kreisförmig, stets aber lassen sie einen einzigen Mittelstreifen, wie bei Michaelia oder eine Reihe feiner Streifen, wie bei der nachfolgenden Art, unterscheiden, welche dann, wie die Stäbe eines Fächers, nach der Pore hin zusammentreten. In einem Falle beobachtete Michael auch ein gittorförmiges Maschenwerk. Der Mittel- streifen oder die zahlreicheren Streifen dienen nun gowisser-

Arch. f. Naturgesch. L. Jahrg. 1. Bd. 16

2,34 Dr. G. Hall er:

massen als Rippe, wenn der Ausdruck erlaubt ist, um welches sicli die farblose, wasserhelle und durchsichtige Substanz der blattförmigen Bildung in der Flächenentwicklung anschliesst. Bei ihrer Verbreitung über die ganze Körperoberfläche wäre es wohl etwas gewagt, diese Borsten als Sinnesorgane anzusprechen; welche Bedeutung ihnen aber sonst zukommen mag, vermögen wir zur Zeit noch nich anzugeben.

Was nun die abgekürzten Beschreibungen der neuen Gattung und Art anbelangt, so wäre dieselbe wohl folgende:

Michaelia Nov. Gen.

Körpergestalt ungefähr cylindrisch, nach vorne stark, nach hinten weniger zugespitzt. Ohne deutliche Incisive zwischen Cephalothorax und Abdomen, nur mit einfacher Grenzfurche. Stigmata sehr klein, weit auf die Rückenfläche verschoben; Tectum rudimentär. Augen vorhanden. Anal- und Genital- öffnung hart aneinanderstossend, dem Hinterrande genähert, sehr gross. Epistom von oben die Mundtheile vollständig bedeckend, die überaus grosse Unterlippe schliesst nach unten das Came- rostora zum grossen Theile ab, ihre Taster klein und hacken- förniig; die beiden ersten Kieferpaare sehr kräftig entwickelt, Maxillarpalpen umgekehrt keulenförmig, drittes Kieferpaar sehr klein. Extremitäten kurz, die beiden vorderen Paare der Epimeralbecher entbehrend; das zweite Glied sehr lang, stark zusammengepresst und namentlich gegen das Ende hin ver- breitert; letztes Glied mit einer eiufachen, überaus starken, sichelförmigen Kralle bewaffnet. Ueber den ganzen Körper und die Extremitäten zerstreute blattförmige Haargebilde von verschiedener Länge.

Einzigo Art:

Michaelia paradoxa Nov. Spoc. Von sehr beträchtlicher Grosso und hellbrauner Farbe. Heimath: Deutschland, wo sie als seltene Erscheinung an faulen Robenwurzeln gefunden wird.

Cheylotia lauroata Nov. Spec. (Taf. XVI Fig. 9).

Noch kleiner als Choyletus eruditus und von sehr ge- drungenem Baue. Cephalothorax auffallend kurz, am Vorder- eudo nach beiden Seiten hin leicht abschüssig, am Seitenrande

Beschreibung einiger neuen Milben. 235

nahe dem Vorderende ein Paar stark gewölbte Augen. Abdomen nahezu quadratisch. Mundtheile kurz und gedrungen, Pseudo- capitulum daher fast kugelig mit sehr kurzer vorderer Spitze. Das zweite fast kugelig angeschwollene Glied der Maxillarpalpon bedeckt das erste ringförmige an seiner Basis fast vollständig, drei und vier nur undeutlich getrennt, vier am Ende mit mäch- tigem Doppelhacken, das fünfte mit zwei gefiederten starken und gekrümmten Borsten. Körper längs des ganzen Seitenrandes und auf der Rückenfläche mit einfachen Reihen grosser fächer- förmiger Haare besetzt, deren schon oben gedacht worden ist. Die zwei grössten Paare stehen am Vorderende des Kopf brüst' abschnittes neben und über den Mundtheilen. Extremitäten mit distanten ähnlichen, aber viel kleineren Gebilden besetzt. Das letzte Glied trägt sie ebenfalls, besitzt aber ausserdem neben den sehr kloinen Krallen einige einfache Börstehen.

Unter allen Cleyletus- Arten nähert sich unsere neue Art am Meisten dem Cheyletus ornatus Canestrini und Berlese, mit welchem er durch den Besitz der sonderbaren Haargebilde übereinstimmt, entfernt sich aber von ihm wieder durch den sehr gedrungenen fast rechteckigen Körper.

Diese interessante Art diente mir nebst Cheyletus eruditus Koch zu meinen Studien über die Mundtheile dieses Typus, welcher mit Recht ein eigentümlicher genannt werden kann. Ich erkannte dabei, dass die bislang als dreigliederig beschriebenen Maxillarpalpen gleich denjenigen aller anderen Tracheenmilben fünf Glieder besitzen, was vielleicht zur Erläuterung des Ver- ständnisses des oben Beschriebenen beizufügen nicht über- flüssig ist.

IG*

236 Dr. G. Haller: Beschreibung einiger neuen Milben.

Erklärung der Tafeln.

Die Combinationen beziehen sich auf ein kleines Hartnack'ches Mikroskop bei eingestossenem Tubus; die Zeichnungen sind mit Hülfe einer Kammer von Nach et direkt nach dem Mikroskope entworfen worden.

Tafel XV. Fig. 1. A. erstes B. drittes C. Spitze des vierten Fusspaares von Tyro- glyphus crassipes mihi Oc. 5 Syst. 6. = 2. Allgemeine Körperumrisse von Tyrogl. curtus mihi Oc. 3 Syst. 4.

- 3. Allgem. Körperumrisse von Oribata monodaetyla mihi Oc. 4 Syst. 6. » 4. Cephalothorax mit Tectal anhängen von Oribata americana mihi

Oc. 4 Syst. 6.

* 5. Allgem. Körperumrisse von Oribata Rileyi mihi Oc. 4 Syst. 6.

* 6. Dasselbe von Eremaeus leporosus mihi Oc. 4 Syst. 6.

Tafel XVI. Fig. 1. Damaeus craterifer Nov. Spec. von der Rückenfläche bei auf- fallendem Lichte Oc. 3 Syst. 4.

- 2. Isolirter Maxillarj alpus derselben Art Oc. 4 Syst. 7. = 3. Erste Extremität der nämlichen Art Oc. 3 Syst. 7.

= 4. Die das Tegument absondernden wurmförmigen Zellen der Matrix Oc. 5 Syst. 7.

- 5. Michaelia paradoxa Nov. Spec. von der Bauchfläche Oc. 4 Syst. G. s 6. Dieselbe von der Rückenfläche ohne Extremitäten Oc. 3 Syst. 4.

- 7. Mundapparat ohne erstes Kieferpaar von der Bauchflächc Oc. 3

Syst. 7. = 8. Isolirter Maxillarpalpus und Mandibeln der nämlichen Art Oc. 4

Syst. 7. = 9. Vorderes Körperende von Cheylctus laureatus Nov. Spec. von der

Bauchfläche Oc. 3 Syst. 6.

Ein Beitrag zur Cupepodeii- Fauna des adriatischen Meeres.

Von

Dr. Lazar Car

in Agram.

Hierzu Taf. XVII.

Vorbemerkung.

Zur vorliegenden Arbeit veranlasste mich eine kleine Samm- lung verschiedener Seethiere, welche ich im Monate August 1883 an der k. k. zoologischsen Station in Triest für das croatische National-Museum einsammelte.

Nachdem die Copepoden der Adria noch zu keiner umfassen- deren Bearbeitung Veranlassung gegeben haben, so empfiiehlt sich diese Crustaceen-Ordnung in erster Reihe unserer Aufmerk- samkeit. Dass die vorliegende Aufzeichnung einiger Copepoden nur als ein sehr kleiner Beitrag zur adriatischen Copepoden- Fauna anzusehen ist, geht zur Genüge aus dem Umstände hervor, indem ich das Material hauptsächlich nur aus Triest bezog, wobei das in jeder Beziehung viel reichere Dalmatien unberücksichtigt blieb. Bios eine einzige Art wurde hier aus Lesina angeführt, und diese ist eine der schönsten Peltidien, welche bereits durch Haller aus Messina bekannt gemacht wurde.

Ich habe nicht unterlassen, auch der Lebensweise dieser Thiere Rechnung zu tragen; es soll daher bei jeder Art speciell bemerkt werden, ob sie pelagisch oder litoral gefischt wurde.

Als Basis dieser Arbeit diente mir das grosse Werk von Claus „Die frei-lebenden Copepoden", welches man mit Recht

238 Dr. Lazar Car:

als Fundameiitalwerk für diese Thiergruppe betraclitet. Auch sein Werk „Die Copepoden-Fauna von Nizza" verdient volle Berücksichtigimg. Ebenso wurden Claus's spätere kleinere Schriften*), in welchen gerade über die Copepoden des adria- tischen Meeres verhandelt wird, beigezogen. Es schliesst sich somit meine Arbeit an jene des Prof. Claus und erweitert die Kenntniss der Copepoden nur insofern, indem sie das Gebiet des Mittelmeeres noch specieller, in beschränkterer Umgrenzung das adriatische Meer in's Auge fasst.

Schliesslich fühle ich mich veranlasst, dem k. k. Ministerium für Cultus und Unterricht in Wien, als auch dem Director der k. k. zoologischen Station in Triest, Herrn Hofrath Prof. Dr. Claus, für den in der Station mir gütigst bewilligten Platz, meinen innigsten Dank hiermit auszusprechen.

Agram, den 25. December 1883.

Verzeichniss sämmtlicher, bisher Ton mir im adria- tischen Meere gefundenen Copepoden.

Farn. Calanidae:

1. Eucalanus mastigophorus,

2. Paracalanus parvus,

3. Dias longiremis,

4. Temora armata,

5. Centropages typicus,

6. Centropages hamatus,

7. Calanella mediterranea. Farn. Cyclopldae:

8. Oithona spinifrons,

9. Oithona similis. Pam. Harjpactidae:

10. Euterpe gracilis,

11. Stenhelia ima,

12. Mesochra Lilljeborgii,

*) Neue Beiträge zur Kenntniss der Copepoden, unter besonderer Berücksichtigung der Triester Fauna. Tom. III Heft 3. Wien 1S81.

Ueber die Gattungen Temora und Temorella LXXXIII. Bd. d. Sitzb. d. k. Ak. d. Wiss. Wien 1881.

Ein Beitrag zur Copepoden-Fauna d. adriat. Meeres. 239

13. Mesochra adriatica n. sp.,

14. Laophonte pilosa n. sp.,

15. Dactylopus Störmii,

16. Dactylopus simils,

17. Dactylopus porreticus,

18. Thalestris pectiuimaua n. sp.,

19. Idya fureata. Farn. Peltididae:

20. Zausoscidium Folii. Fam. Corycaeidae:

21. Corycaeus anglicus,

22. Antaria mediterranea,

23. Saphirina sp.?

Eucalauus mastigophorus Claus 1881. Calanus mastigophorus, Claus. Die frei lebenden Copepoden

p. 173 Taf. 27 Fig. 5—8 (1863). Die Copepoden-Fauna von Nizza, p. 10 Taf. I Fig. 1

Taf. V Fig. 20, 21 (1866).

Eucalauus mastigophorus, Claus. Arbeiten aus d. zool. Institute der Univers. Wien. Tom IU Heft III p. 14 Taf. 2 Fig. 10—16 (1881). Von Claus in Messina, Nizza und Triest gefunden. Ich fand Männchen uud Weibchen.

Pelag. Triest.

Paracalanus parvus Claus 1881.

Calanus parvus, Claus. Die frei -lebenden Copepoden. p. 173

Taf. 26 Fig. 10—14, Taf. 27 Fig. 1—4 (1863).

Paracalanus parvus, Claus. Arbeiten aus d. zool. Institut der

Univers. Wien. Tom III Heft IH p. 15 Taf. HI Fig. 1

bis 16 (1881).

Bekannt aus der Nord- See (Helgoland) und Adria, zählt zu

den häufigsten Copepoden, und überhaupt häufigsten pelagischen

Thierchen in Triest. Ich fand Männchen und Weibchen.

Pelag. Triest.

340 Dr. Lazar Car:

Dias longiremis Lilljeborg 1853. Dias longiremis, Lilljeborg. De crustaeeis ex ordinibus tribus.

p. 181 tab. XXIV figs. 1—13 (1853). Claus. Die frei-lebenden Copepoden. p. 193 Taf. XXXIII

Fig. 6—14, Taf. III Fig. 1, 2 (1863). Die Copepoden-Fauna von Nizza, p. 13 Taf. I Fig. 12

und 12 (1866). Boeck. 0 versigt over de ved Norges Copepoder. p. 12

(1864). Brady. Nat. Hist. Trans. Northumberland and Durham.

Vol. I p. 35 pl. I fig. 14, pl. II figs. 11—18 (1865). Calanus euchaeta, Lubbock. Ann. and Mag. Nat. Hist. Series 2

vol. XX p. 401 pl. X figs. 1—6 (1857). Dias longiremis, Brady. A Monograph of tbe Britiscb Copepoda.

Vol. I p. 51 pl. V figs. 1—14 (1878). Diese sehr verbreitete Art kommt in der Nord-See und im Mittelmeere, pelagisch, litoral und im brakischen Wasser vor. Ich fand beide Geschlechter in offener See, wie auch litoral, zwischen Amphipoden und Algen.

Pelag. und litoral Triest.

Temora armata Claus 1863. Tetnora armata, Claus. Die frei-lebenden Copepoden. pag. 195

Taf. 34 Fig. 12, 13 (1863). Die Copepoden-Fauna von Nizza, pag. 11 Taf. I

Fig. 10 (1866). Ueber die Gattungen Temora und Temorella. LXXXI1I.

Bd. d. Sitzb. d. k. Ak. d. Wiss. Wien. Taf. I Fig. 1—7

(1881). Von dieser Art erhielt ich Weibchen und Männchen; von letzteren nur junge Individuen. Bei diesen jungen Männchen beobachtete ich das fünfte Fusspaar, und konnte bestätigen, dass es genau der Abbildung von Claus (Ueber Temora und Temorella) Fig. 5 entspricht. Noch will ich hinzufügen, dass diese Männchen nur ein viergliedriges Abdomen haben, wie es von Claus für T. finmarchica angegeben ist. Die Zähne am 17., 18. und 19. Antennengliede waren noch sehr klein und kaum zu beobachten. Bekannt von Nizza, Messina und Triest durch Claus.

Pelag. Triest.

Ein Beitrag zur Copepodeu-Fauna d. adriat. Meeres. 241

Centropages typicus Kröyer 1849. Centropages typicus, Kroyer. Nat. Tidskr. anden Raekkes andet

Bind. Side 588 (1849). Boeck. Oversigt over de ved Norges Kyster iagttagne

Copepoder. p. 19 (1864). Ichtyopkorba denticomis, Claus. Die frei-lebenden Copepoden.

p. 199 pl. XXXV Fig. 1, 3—9 (1863). Brady. Nat. Hist. Trans. N. & D. Vol. 1 p. 40 pl. IV

figs. 1—6 (1864). Claus. Die Copepoden-Fauna von Nizza, p. 11 Taf. I

Fig. 11 (1866). Centropages typicus, Brady. A Monograpk of the Brit. Copepoda.

Vol. I p. 65 pl. VIII Figs. 1—10 (1878). Diese bisher aus Nizza im Mittelmeere bekannte Art fand ich (durch Männchen und Weibchen vertreten) auch in Triest; bildet somit einen Zuwachs für die Fauna des adriatischen Meeres.

Pelag. Triest.

Centropages hamatus Lilljeborg 1853. Ichtyophorba hamata, Lilljeborg. De crustaceis etc. p. 185

T. XXI Fig. 1—5, 7—9, T. XXII Fig. 9-12 (1853). Brady. Nat. Hist. Trans. N. & D. Vol. I p. 39 pl. IV

figs. 7—10 (1865). angustata, Claus. Die frei-lebenden Copepoden. p. 199

Taf. XXXV Fig. 2, 10-12 (1863). Diaptomus Bateanus, Lubbock. Aun. and Mag. Nat. Hist. (2nd ser.).

Vol. XX p. 404 pl. XI figs. 1—3 (1857). Centropages hamatus, Boeck. Oversigt Copepoder. p. 20 (1864). Brady. A Monograph of the Brit. Copepoda. Vol. I p. 67

pl. VIII figs. 11—13 (1878). Diese nordische Art ist zugleich eine der häufigsten in Triest, wo ich Männchen und Weibchen in grosser Zahl traf.

Pelag. Triest.

Calanella mediterranea? Claus 1863. Calanella mediterranea, Claus. Die frei -lebenden Copepoden. pag. 176 Taf. XXVIII Fig. 6—11 (1863).

242 Dr Lazar Car:

Calanella mediterranea, Claus. Die Copepodcn-Fauna vou Nizza, pag. 9 Taf. V Fig. 22 (1866). Von dieser Art erhielt ich ein Larvenstadium, welches genau jenem von Claus abgebildeten entspricht. In diesem Larven- stadium konnte ich es noch nicht von der C. Jiyalina mit Sicher- heit unterscheiden.

Pelag. Triest.

Oithona spinirostris Claus 1863. Oithona spinirostris, Claus. Die frei-lebenden Copepoden. p. 105 Taf. XI Fig. 4—9 (1863).

Die Copepoden-Fauna von Nizza, p. 14 (1866).

An meinen Exemplaren reichten die vorderen Antennen blos bis zur Mitte des Abdomens; ich fand sie stets 11-gliedrig, und an ihrem Innenrande mit einer Reihe von kleinen Zähnchen besetzt. Messina, Nizza.

Pelag. Triest.

Oithona similis Claus 1866.

Oithona similis, Claus. Die Copepoden-Fauna von Nizza, p. 14 (1866). Diese Nizzaer Form, von deren Selbständigkeit ich übrigens nicht überzeugt bin, kommt etwas seltener als die vorige Art vor.

Pelag. Triest.

Euterpe gracilis Claus 1863. Euterpe gracilis, Claus. Die frei-lebenden Copepoden. p. 110 Taf. 14 Fig. 1—13 (1863).

Die Copepoden-Fauna von Nizza, p. 22 (1866).

Brady. A Monograph of the Brit. Copepoda. Vol. II

p. 22 pl. XL figs. 1—16 (1880). Dieso zierliche aus der Nord-See und Nizza bekannte Art fand ich auch in Triest, und zwar männliche und weibliche Thiere.

Pelag. Triest.

Stenhelia ima Brady 1880. Canthocamptus imus, Brady. Nat. Hist. Trans. Northumbcrland

and Durham. Vol. IV p. 436 pl. XIX figs. 1-5 (1872). Stenhelia ima, Brady. A Monograph of the Brit. Copepoda.

Vol. II p. 35 pl. 43 figs. 1-14 (1880).

Ein Beitrag zur Copepoden-Fuuna d. adriat. Meeres. 24o

Sollte diese Art Canthocamptus rostratus, Claus entsprechen, so ist sie schon in Messina beobachtet. Die vorgefundenen Exemplare entsprechen genau der Beschreibung von Sterihdia ima, Brady, weshalb ich sie auch so benenne. Ich fand sie litoral.

Litoral Triest.

Genus Mesochra, Boeck 1864.

Mesochra, Boeck. Oversigt Norges Copepoder. p. 51 (1864). Paratachidius, Brady and Robertson. Ann. and Mag. Nat. Hist.

ser. IV vol. XII p. 131 pl. VIII figs. 8-16 (1873). Mesochra, Brady. A Monograph of the Brit. Copepoda. Vol. II p. 62 (1880)

Das Genus Mesochra wurde zuerst von Boeck 1864 aufgestellt. Brady und Robertson stellten später die Gattung Paratachidius auf, und beschreiben eine Art, Paratachidius gracilis. Brady er- kannte darauf, dass Paratachidius gracilis mit Mesochra Lilljeborgii Boeck identisch ist, und gab dieser Gattung abermals den Namen Mesochra, beschreibt wieder Mesochra Lilljeborgii, und eine neue Art, Mesochra Robertsoni Brady. Nachdem aber Brady und Robertson das Genus Paratachidius mit 7 Antennengliedern charakterisirten, so musste Brady auch die Diagnose des Genus Paratachidius ändern.

Brady giebt für Mesochra folgende Diagnose: Erstes Paar von Antennen 7- oder 8gliedrig, Innenast vom zweiten Paare klein, 1- oder 2gliedrig. Das erste Glied gewöhnlich verlängert, das zweite und dritte verschmolzen; der äussere Ast kürzer, 3gliedrig, der innere Ast des zweiten, dritten und vierten Paares 2gliedrig, kurz.

Mesochra Lilljeborgii, Boeck 1864. Taf. XVII Fig. 1—3. Mesochra Lilljeborgii, Boeck (1864). Paratachidius gracilis, Brady and Robertson (1873). Mesochra Lilljeborgii, Brady (1880).

Rostrum von der Stirn abgesetzt, bis zur Hälfte des zweiten Antennengliedes reichend. Die Ränder der vier hintoren Ab- dominalsegmente mit einer Spitzenreihe besetzt. Die vorderen Antennen 7gliedrig, mit einem Cuticularanhang am vierten Gliede. Die hinteren Antennen 2gliedrig, mit lgliedrigem Nebenaste am ersten Gliede. Maxillarfüsse schlank mit langen dünnen

244 Dr« Lazar Cur:

Haken. Das erste Glied des Iuneuastes am ersten Fusspaar lang, länger als der ganze äussere Ast, und am inneren Rande mit Ilaaren besetzt und einer Borste, welche dem Ende genähert ist. Die Stelle, an welcher diese Borste vorkommt, scheint sehr zu variiren. Brady und Robertson zeichnen sie ziemlich nahe am Ende, später zeichnet sie Brady mehr der Mitte genähert. Ich fand sie an jener Stelle, an welcher sie Brady und Ro- bertson zuerst angeben. Das zweite Glied des Innenastes (entsprechend dem 2. und 3. Gliede) viel kürzer und mit zwei Borsten endigend. Die drei Glieder des Aussenastes mit apicalen Dornen, das letzte noch mit drei langen geniculirenden Borsten. Das innere Glied des fünften Fusspaares breit, mit sechs Borsten, das äussere viereckig, mit fünf Borsten besetzt. Die innere Endborste so lang als das Abdomen, die äussere fast um die Hälfte kürzer.

Brady fand diese Art im Brakwasser und zwar im Teiche bei Westport (Mayo), ferner in einem Teiche oberhalb der Fluthmarke und in den Gräben nahe von Clifden (Galway), in Gesellschaft mit Utricularia minor. Auch in den Brakwasser- Teichen bei Pensarm, Merionetshire wurde sie beobachtet.

Ich war nicht wenig überrascht, dieselbe Art in Triest pelagisch aufzufinden. Sie zeigt wohl geringe Abweichungen von der typischen Form, der Mesochra Lilljeborgii, muss jedoch mit ihr identificirt werden, weil ich das erste Fusspaar genau beobachten konnte.

•Pelag. Triest.

Mesochra adriatica n. sp. Taf. XVII Fig. 4-. So benenne ich eine zweite Form dieser Gattung, welche sich von der soeben beschriebenen Art M. Lilljeborgii dadurch unterscheidet, weil ihr das Rostrum mangelt, und weil die Insertion der Borste am inneren Aste des ersten Gliedes etwas abweicht. Was die Gestalt und Grösse der Thiere anlangt, gilt dasselbe, was für die vorige Art gesagt wurde.

Pelag. Triest.

Genus Laophonte, Philippi 1840. Laophonte, Philippi. Archiv für Naturgeschichte (1840). Cleta, Claus. Die frei-lebenden Copepoden (1863).

Ein Beitrag zur Copepoden-Fauna d. adriat. Meeres. 245

Asellopsis, Brady and Robertson. Ann. and Mag. Nat. Hist.

(1873. Laophonte, Brady. A Monograph of the Brit. Copepoda. Vol. II (1880). Nach Brady lautet die Diagnose des Genus wie folgt: Körper lang gestreckt, schlank, der hintere Rand der Segmente mit Zähnchen oder Borsten besetzt. Die vorderen Antennen 4- bis 8gliedrig; Nebenast der hinteren Antennen lgliedrig. Mandibularpalpus klein, 1- oder ägliedrig. Maxillen scharf zu- gespitzt und mit ausgebildetem Palpus versehen. Das erste Paar der Maxillarfüsse mit drei oder vier marginalen, Borsten tragenden, Fingern; das zweite eine Greif band. Das erste Fuss- paar gestreckt, schmal; der äussere Ast von der halben Länge des inneren, mit zwei oder drei Gliedern, am Ende mit Borsten besetzt; der Innenast verlängert, 2gliedrig. Das erste Glied sehr lang, das zweite kurz mit einer langen beweglichen End- klaue versehen. Bei dem zweiten, dritten und vierten Fusspaare besteht der Aussenast aus drei, der Innenast aus zwei Gliedern. Das fünfte Fusspaar mit breitem basalen Gliede und rundlichem zweiten Gliede. Beim Männchen ist das fünfte Fusspaar be- deutend schmächtiger.

Laophonte pilosa n. sp.

Taf. XVII Fig. 5 15.

Körper gestreckt, subsigmoid, duchgehends mit sehr kurzen, feinen Härchen bewachsen. Das erste Thoracalsegmcnt mit dem Kopfe verwachsen, die folgenden kantig, d.h. seitlich gesehen bilden sie am Rücken Ecken. Diese Kanten sind mit kleinen Zähnchen besetzt. An den Abdominal-Segmenten rücken die Kanten gegen den hinteren Rand der Segmente und sind weniger hervorragend, jedoch auch mit Borsten besetzt. Das Abdomen vollzählig. Das Rostrum sehr kurz, trägt am Ende zwei kleine Härchen. Die vorderen Antennen 7- oder 8gliedrig. Ich fand nämlich am selben Thiere eine Antenne 7gliedrig; bei der anderen aber das letzte, lange Glied in 2 Hälften getheilt. Man sieht daher, welches Ge- wicht man an die Zahl der Antennenglieder zu legen hat. Bei Männchen lassen sich nur 6 Glieder gut unterscheiden, da das vierte und fünfte Glied verschmolzen und sehr aufgetrieben ist. Die Antenne endigt beim Männchen mit einem Haken und ist viel kräftiger als boim Weibchen ; das aufgetrieben Glied ist am

246 Dr- Lazar Car:

unteren Rande fein gezähnt. Die hinteren Antennen bestellen aus zwei Gliedern, und endigen mit drei geniculirenden, längeren, und mit drei einfacken Borsten. Am ersten Gliede ist der rudi- mentäre Nobenast eigentlich nur auf eine kleine Warze mit wenigen Härchen reducirt. Die Verkümmerung des Nebenastes ist hier sehr interessant, und dürfte eher eine sekundäre Ver- kümmerung, als einen noch nicht ausgebildeten Nebenast vor- stellen. Das zweite Antennenpaar ist bei beiden Geschlechtern gleich. Mandibeln und Maxillen mit Egliedrigem Palpus; die Mandibeln mit kürzeren, kräftigeren, die Maxillen mit längeren, dünneren Zähnen versehen. Das erste Maxillarfusspaar aus drei fingerförmigen, am Ende Borsten tragenden, Zapfen be- stehend. Die zweiton Maxillarfüsse länglich oval, mit einigen Zähnchen am Innenrande und einer kräftigen Klaue versehen.

Das erste Fusspaar mit grossem Innenaste und kleinerem Sgliedrigen Aussenaste. Das erste Glied des inneren Astes sehr lang mit kurzen Borsten am Innenrande und längeren Haaren am Aussenrande; das zweite Glied kurz, mit einigen nach Innen gerichteten Borsten, und grosser, kräftiger Endklaue am Ende. Der äussere, bedeutend kleinere Ast 3gliedrig, am letzten Gliede zwei geniculirende und zwei einfache Borsten tragend. Beim zweiten, dritten und vierten Fusspaare ist der äussere Ast 3gliedrig, der innere 2gliedrig. Am Aussenrande trägt der äussere, längere Ast starke Dornen und Borsten, der innere aber am Endgliede lange fiederformige Borsten. Das fünfte Fusspaar besteht beim Weibchen aus zwei lamellösen Gliedern; das erste basale, trianguläre, mit fünf befiederten randständigen Borsten, das zweite ovale Glied mit sechs ebensolchen Borsten besetzt. Ausserdom ist der Rand beider Lamellen sehr behaart. Beim Männchen ist dasselbe Fusspaar viel schmächtiger. Am Hinter- rande des ersten Abdominalsegmentes kommt dem Männchen noch jederseits ein Dorn zu. Die Furca trägt eine lange (länger als das Abdomen), etwas gebogene innere Endborsto und eine um die Hälfte kürzere äussere Endborste; überdies noch zwei kurze Borsten.

Bei dieser Art sind zwei Merkmale besonders hervorzu- heben: Erstens ist mir von keinem anderen Copepoden bekannt, dass sein ganzer Körper derartig behaart wäre, wie beim vor- liegenden Thiore. Die Haare sind äusserst kurz und lassen sich nur am Rande beobachton. Dioso Behaarung würde sich

Ein Beitrag zur Copepoden-Fauna d. adriat. Meeres. 247

schwerlich für ein pelagisches Thier eignen, und ich will hier betonen, dass diese Art nie pelagisch, sondern stets litoral vor- kommt. Zweitens ist auch der Mangel des Nebenastes im Genus Laophonte zu berücksichtigen.

Diese Art fand ich litoral in Triest und zwar in mehreren, sowohl weiblichen als männlichen Exemplaren.

Litoral Triest.

Dactylopus Strömii Baird 1850. Canthocamptus Strömii, Baird. Brit. Entom. p. 208 pl. XXVI

fig. 3 (1850).

Mag. Zool. and Botany (1837).

Nauplius Strömii, Philippi. Archiv für Naturgeschichte, p. 69

(1843). Dactylopus Strömii, Claus. Die frei-lebenden Copepoden. p, 12G

Taf. XVI Fig. 1-6 (1863). Brady. A Monograph of the Brit. Copepoda. Vol. II

p. 111 pl. LV fig. 1—13 (1880). Da ich nicht geneigt bin (wie Brady), diese Art mit der von Claus beschriebenen D. cinetus, welche in Nizza vorkommt, zu identificiren, so bezeichne ich diese als eine für das Mittel- meer und die Fauna Adrias neue Art.

Litoral Triest.

Dactylopus similis Claus 1866.

Dactylopus similis, Claus. Die Copepoden-Fauna von Nizza.

p. 25 Taf. II Fig. 29 und 30 (1866). Brady. A Monograph of the Brit. Copepoda. Vol. II

p. 110 pl. LV figs. 14—16 (1880). Diese aus Norden und Nizza bekannte Art fand ich auch in Triest. Litoral Triest.

Dactylopus porrectus? Claus 1853. Dactylopus porrectus, Claus. Die frei -lebenden Copepoden. p. 126 Taf. XVI Fig. 16 (1863). Diese Art, von welcher ich ein Männchen erhielt, konnte wegen der kurzen, nur von einer Abbildung begleiteten Be- schreibung von Claus von D. Strömii nicht mit Sicherheit unter- scheiden. Claus kennt sie nur aus Helgoland.

Litoral Triest.

248 Dr. Lazar Car:

Genus Thalestris Claus 1863.

Thalestris, Clau8. Die frei-lebenden Copepoden. p. 128 (1863).

Clans stellt dieses Genus auf, welches er und später Brady mit folgenden Merkmalen charakterisiren : Körper schlank gestreckt oder breit und abgeplattet. Die vorderen Antennen 9gliedrig (zuweilen 8- oder 6gliedrig, Boeck). Innenast der hinteren Antennen 2- oder .Sgliedrig. Mandibularpalpus gross, 2 ästig; der innere Ast gewöhnlich der grösste. Die Maxillen mit zahlreichen Zähnen versehen; Palpus gross, sein terminales Glied gewöhnlich mit einer Klaue versehen; lateraler Thcil zu- weilen auf einige Borsten reducirt.

Das erste Paar der Maxillarfüsse endigt mit einer starken Klaue. Das zweite Paar bildet eine Greifhand. Beide Acste des ersten Fusspaares starke Greiforgane mit terminalen Klauen und Sgliedrig; das erste Glied des inneren Astes verlängert, das zweite und dritte sehr kurz; vom äusseren Aste das erste und dritte Glied kurz, das mittlere ziemlich verlängert.

Das zweite, dritte und vierte Fusspaar besitzt an beiden Aesten drei Glieder zum Schwimmen eingerichtet, ausser des zweiten Paares beim Männchen, wo dem inneren Aste das dritte Glied fehlt oder doch sehr reducirt und mit zwei oder drei starken Borsten besetzt ist. Das fünfte Fusspaar 2ästig, lamellös, beim Männchen beide Aeste kleiner. Ein Eiersäckchen.

Thalestris pectinimana n. sp. Taf. XVin Fig. 1—8. Körper lang gestreckt, mit wenig verschmälertem, aufwärts gekrümmtem Abdomen. Rostrum, von der Stirn nicht abgesetzt, reicht bis zur Hälfte des zweiten Antennengliedes. Die vorderen Antennen Sgliedrig, das zweite Glied das längste, die folgenden allmälich kleiner, zugespitzt, mit langen Haaren bewachsen. Die Antennen des zweiten Paares 2gliedrig, mit starken, ge- krümmten Borsten am Ende und 2gliedrigem Nebenaste. Man- dibularpalpus 2 ästig. Die oberen Maxillarfüsse mit Haken ver- schen. Die Handhabe der unteren Maxillarfüsse oval, am inneren Rande mit einer Borstenreihe, am Aussenrande mit zwei Haken vorsehen. Vom ersten Haken am Aussenrande geht über die Aussonflächc eine Reihe von Borsten quer zur Mitte des Innen- randes. An der Innenfläche ein kleiner Haken. Die Klaue stark

Ein Beitrag zur Copepoden-Fauna d. adriat. Meeres. 249

und wenig gekrümmt. Das erste Fusspaar mit langen dünnen Aosten. Der innere Ast länger, mit sehr langem ersten Gliedo, und kurzem, verschmolzenem zweiten und dritten Gliede. Die zwei Haken am Endgliede sind charakteristisch; sie sind gezähnt, jedoch nicht am inneren Rande, sondern seitlich. Die Zähne sind nicht spitzig, sondern abgerundet, und bilden seitlich eine Reihe von Stäben so, dass es zur Bildung eines Kammes kommt. Diese Kämme finden sich sowohl am grösseren, als auch am kleineren Haken vor. Der äussere Ast etwas kürzer, mit langem mittleren, und kürzerem ersten und dritten Gliede. Das erste Glied am distalen Ende mit einem Dorne versehen. Die Handhabe des äusseren Astes mit einer stärkeren, einer schwächeren und längeren Borste und zwei gleichen kamm- förmigen Haken versehen. Diese letzteren bilden vollständige zierliche Kämme.

Die Füsse der folgenden drei Paare 2 ästig, beide Aesto 3gliedrig; die Glieder lang gestreckt und stark bedornt. Das fünfte Fusspaar beim Weibchen 2 ästig, die Aeste blattförmig mit langen randständigen Borsten. Das Weibchen trägt ein grosses Eiersäckchen. Sämmtliche Abdominalsegmente mit einer Spitzenreihe besetzt und breiten Chitinleisten eingefasst. Die innere Endborste der Furcalglieder länger als das Abdomen.

Leider blieb mir das Männchen unbekannt, da ich im Ganzen blos ein Weibchen erhielt. Es konnte daher nicht ent- schieden werden, ob beim Männchen das dritte Fusspaar ähnlich wie beim Canthocamptus umgebildet sei.

Pelag. Triest.

Genus Idya Philippi 1843.

Canthocamptus, Baird.

Cyclopsina, M. Edwards.

Nauplius, Philippi.

Canthocarpus, Baird.

Tisbe, Lilljeborg.

Tisbe, Claus.

Idya, Brady. Brady bildete für Idya und Scutellidium eine neue Sub- familie, welche sich dadurch vor anderon, der Farn, der Harpac- tiden untergeordneten Subfamilien, auszeichnet indem ihre vor- deren Maxillarfüsse eine kleine Hand mit einer Klaue bilden.

Archiv f. Naturgesch. L. Jahrg. 1. Bd. 17

250 Dr. Lazar Car:

Die vorderen Antennen 7- oder 8gliedrig, verlängert; die unteren 3gliedrig mit 4gliedrigem Nebenast. Mandibeln lang, bezalmt; Palpus 2 ästig. Maxillen mit einigen schmalen Zähnen besetzt; Palpus ausgebildet. Die ersten und zweiten Maxillar- fiisse ähnlich, mit Haken versehen. Der innere Ast des ersten Fusspaares 2gliedrig, hakig; der äussere kurz, 3gliedrig. Die folgenden Fusspaare mit 3gliedrigen Aesten. Das fünfte Fuss- paar schmal, verlängert und aus zwei Gliedern bestehend, das erste sehr kurz, das zweite lang, mit Borsten besetzt.

Idya furcata Baird.

Taf. XVIII Fig. 9, 10. Cyclopsina furcatus, Milne Edwards. Hist. Nat. Crust. III

p. 429 (1834). Cyclops furcatus, Baird. Mag. Zool. and Bot. I p. 330 tab. IX

figs. 26—28 (1837). Nauplius furcatus, Philippi. Wiegmann's Archiv, p. 69 (1843). Idya barbigera? Philippi. Wiegmann's Archiv (1843). Canthocamptus furcatus, Baird. Brit. Entom. p. 210 tab. XXV

figs. 1, 2, tab. XXX figs. 4—6 (1850). Tisbe furcata, Lilljeborg. De Crustaceis ex ordinibus tribus.

tab. XXV figs. 1—5, 11, 12, 17 (1853). Claus. Die frei-lebendeu Copepoden. p. 1,15 Taf. XV

Fig. 1—10 (1863). Die Copepoden -Fauna von Nizza, p. 21 Taf. IV

Fig. 16, 17 (1866). Tisbe erisifera, Fischer. Abhandl. d. kön. Bayer. Acad. B. VIII

p. 668 Taf. III Fig. 67—70 (1860). Idya furcata, Brady. A Monograph of the Brit. Copepoda.

Vol. II p. 172 pl LXVII figs. 1—11 (1880). Diese sowohl in der Nord-See, als auch im Mittelmeere sehr verbreitete Art kommt auch in Triest ohne merkliche Aenderungen vor. Mit der Beschreibung von Brady stimmt sie völlig überein. Ich will sie daher nicht nochmals eingehend beschreiben, sondern nur auf meine Abbildung hinweisen, welcher ich folgendes hinzufügen möchte : Das Männchen hat am inneren Aste am ersten Gliede des zweiten Fusspaares eine sehr starke befiederte Borste, welche bis zum Ende des dritten Gliedes reicht, und klauenartig gebogen ist.

Pelag. Triest.

Ein Beitrag zur Copepoden-Fauna d. adriat. Meeres. 251

Zausoscidium Folii Haller 1879.

Zausoscidium Folii, Haller. Zoologischer Anzeiger. II. Jahrg.

No. 25 p. 179 (1879). Beschreibung einiger neuen Peltidien. Archiv für

Naturgeschichte. 46. Jahrg. I. Bd. p. 68 Taf. V Fig. I, II, 4

(1880). Diese schöne und eigenthümliche Peltidienart, welche Ha 11 er aus Messina beschreibt und abbildet, fand Prof. Brusina auch in Lesina litoral. Haller stellt für diese Art eine neue Sub- genus, Zausoscidium, und zwar insofern mit Recht, da sie von der Diagnose des Oniscidium, welchem sie sonst beizuzählen wäre, in der Hinsicht abweicht, dass beim Zausoscidium auch der Innenast des ersten Fusspaares mit einer Klaue endigt; und folglich wie der Aussenast zum Greiforgane umgestaltet ist. Beim Oniscidium ist dies nur am äusseren Aste der Fall. Wenn man jedoch bedenkt, dass sich eine Borste von einer Klaue doch nur quantitativ unterscheidet, so wird man den Zusammen- hang dieser beiden Subgenera um so mehr einsehen.

Meine Exemplare entsprechen vollständig der Beschreibung und Abbildung von Haller. Auch die angegebene Färbung im lebenden Zustande mangelte ihnen nicht. Ich erachte daher eine eingehende Beschreibung und Zeichnung dieser Art als über- flüssig und begnüge mich mit dem Constatiren der Hai ler 'sehen Art und ihres Vorkommens in der Adria.

Litoral Lesina.

Corycaeus anglicus Lubbock 1857.

Corycaeus anglicus, Lubbock. Ann. and Mag. Nat. Hist. 2nd ser.

vol. XX pl. XI figs. 14—17 (1857). Trans. Linn. Soc. Vol.XXIII p. 182 pl. XXIX figs. 10, 11

(1860). Corycaeus germanus, Leuckart. Carcinologisches, Archiv für

Naturgeschichte. Taf. VI Fig. 9 (1859). Thorell. Bidrag tili Kännedomen om Krustaceer. Taf. XI,

XII Fig. 17 (1859). Claus. Die frei - lebenden Copepoden. p. 126 Taf. IX

Fig. 1—11, XXIV Fig. 5, 6, XXVIII Fig. 1—4 (1863).

17*

252 Dr. Lazar Car:

Corycaous gormanus, Brady. A Monograph of the Brit. Copepoda.

Vol. III p. 34 pl. LXXXI figs. 16-19, pl. LXXXIII

fig3. 11—15, pl. LXXXIV figs. 10—14 (1880).

Ich fand viele Exemplare dieser Art, sowohl weibliche als

auch männliche. Claus sagt nichts über die Fundstelle. Man

kennt sio aus der Nord-See.

Pelag. Triest.

Antaria mediterranea Claus 1863. Antaria mediterranea, Claus. Die frei - lebenden Copepoden. p. 159 Taf. XXX Fig. 1—7 (1863).

Die Copepoden-Fauna von Nizza, p. 18 (1866).

Diese mediterrane Art, welche durch Claus von Nizza und Messina bekannt wurde, fand ich in mehreren Exemplaren in Triest, und so wird ihr Vorkommen auch im adriatischen Meere constatirt.

Pelag. Triest.

Ge?ius Saphirina Thompson 1829. Saphiriua, Thompson. Zoological rosearces (1829).

Claus. Zur Kenntniss der Entomostraken (1860). Die frei-lebenden Copepoden (1863).

Die Copepoden-Fauna von Nizza (1866).

Haeckel. Beiträge zur Kenntniss der Corycaeiden. Jonaischo

Zeitschrift für Medicin und Naturwissenschaft. Bd. I p. 99

(1864). Thompson war es zuerst, der eine genaue Beschreibung der Gattung Saphirina lieferte. Darum wurde auch der von ihm eingeführte Name beibehalten, obwohl diese Thierchen schon vor ihm einigermassen bekannt waren. Diese in hohem Grade transparenten Thierchen eignen sich vortrefflich zu ana- tomischen und histologischen Untersuchungen, und wurden daher auch zu diesen Zwecken von Dana1), Gegenbaur2), Claus3), Haeckel') u. A. eingehend untersucht.

!) Dana. The Crustacea of United States.

^ Gegenbaur. Organisation von Phyllosoma und Saphirina. Miiller's Archiv 1858.

^ Claus. Die frei-lebenden Copepoden 1863. ') Ihvcckol. Jenaische Zeitschrift 1864.

Ein Beitrag zur Copepoden-Fauna d. adriat. Meeres. 253

Der Körper zeichnet sich durch starke Abplattung und Durchsichtigkeit aus. Die vorderen Antennen 5gliedrig; die hinteren 4gliedrig, mit Haken versehen. Mandibeln bilden ge- krümmte Haken, die Maxillen sind mit Zähnen besetzte? Platten. Die Maxillarfusspaare 2gliedrig und mit Haken en- digend. Die Schwimmfüsse mit zwei 3gliedrigen Ruderästen. Das fünfte Fusspaar mit Borsten besetzte cylindrische Stummeln. Die Furcalglieder mit vier Borsten besetzte Lamellen.

Saphirina sp.? Taf. XVin Fig. 11 14.

Wiewohl ich einsehe, dass es unberechtigt wäre, eine neue Art auf Grund dieses Jugendstadiums aufzustellen, so kann ich doch nicht unterlassen, dasselbe, so wie es ist, hier zu be- schreiben. — Ich fühle mich dazu um so mehr berechtigt, weil es sehr wahrscheinlich ist, dass sie doch eine neue Art vorstellt, oder wenn nicht, so wird sie doch zur Kenntniss der später festgestellten Art auch etwas beitragen.

Körper abgeplattet, länglich oval, mit verschmälertem Ab- domen. Die Zahl der deutlich unterschiedenen Abschnitte be- schränkt sich (sammt Furcallamellen) auf 9. Am Kopf bruststäck lässt sich jedoch noch eine schwache Grenzlinie zwischen erston Thoracalsegment und Kopf unterscheiden. So wäre der Thorax vollzählig, das Abdomen dagegen auf drei Segmente reducirt. Die Segmente sind in schwache flügeiförmige Fortsätze (die morphologischen Aequivalente der zweiklappigen Schalen) aus- gezogen; das letzte Segment hat keine Fortsätze.

Die vorderen Antennen ögliedrig, mit verlängertem zweiten Gliede und am Ende mit Borsten besetzt. Die Antennen des zweiten Paares Klammerantennen viel stärker, 4gliedrig. Die ersten zwei Glieder stärker, das zweite grösser als di© beiden letzten, welche überdies auch etwas schmächtiger sind; die Klaue kurz. Die Mandibeln einfach hakenförmig, Maxillen mit Zähnen besetzt und die beiden Maxillarfusspaare in Haken ausgezogen. Unterhalb der Maxillarfüsse Hess sich eine un- merkliche, markirte Stelle wahrnehmen, welche wohl die Grenze zwischen Kopf und dem ersten Brustsegmente andeuten dürfte. Zu dieser Auffassung führt mich auch der Umstand, dass sich ja auch sonst, wenn auch schwach, die Grenze des ersten Thoracalsegmentes erhalten hat.

254 Dr. Lasar Car:

Die beiden Aeste der vier Paare von Ruderftissen sind nicht 3gliedrig, wenigstens diejenigen am dritten Fusso nicht, welchen ich genau beobachtete und auch durch Camera ab- gebildet habe. Ich konnte an jedem der Aeste nur zwei Glieder unterscheiden. Das fünfte Fusspaar ist sehr klein, mit schwachen Haaren besetzt. Die lamellösen Furcalglieder oval, mit zwei lateralen und zwei apicalen Borsten besetzt; am unteren Innen- raude ein schwacher zahnartiger Ausschnitt.

Die Cornealinsen zusammenstossend, gross, fast die ganze Stirnfläche einnehmend. Dieses Merkmal unterscheidet sie scharf von anderen nahe verwandten Arten. Der Pigmentkörper der Augen lauggestreckt, dunkelblau. Die Krystallkugeln gross, zwischen ihnen (etwas unterhalb) liegt das mediane, unpaare, Augenbläschen.

Der durchsichtige Körper liess die Muskeln sehr gut ver- folgen. Ich konnte die sich allmälich verjüngenden Längsmuskeln, welche sich beiderseits der Medianlinie bis zu den Furcallamellen hinziehen, gut verfolgen. Im Cephalothorax entspringen sie an verschiedenen Stellen, convergiren dann allmälich, bis sie zuletzt ein Muskelbündel bilden und sich im Abdomen der Medianlinie nähern. Von diesen Längszügen fielen mir besonders einzelne Muskeln zwischen Kopf und dem ersten Brustsegmento auf. Diese können kaum als functionirende gedacht werden, nachdem das erste Brustsegment mit dem Kopfe ohne Gelenk verschmolzen ist. Sie scheinen mir vielmehr anzudeuten, dass jene Ver- schmelzung erst sekimdär zu Stande gebracht worden ist, und jene Muskeln daher als rudimentäre Gebilde anzusehen sind. Die Muskelbündel der Extremitäten convergiren gegen die Gliedmassen, entspringen aber mit breiten Insertionsflächen am Rücken. Es wäre noch zu erwähnen, dass zwischen den Augen, an den Cornealinsen, zwei grosse Kugeln liegen, deren Bedeutung ich aber nicht könne.

Pelajr. Triest.

Ein Beitrag zur Copepoden-Fauna d. adriat. Meeres. 255

Erklärung der Tafeln.

Tafel XVII.

Fig. I. Mesochra Lilljeborgii, Weibchen, vergrössert.

» 2. Erster Fuss desselben,

s 3. Fünfter Fuss desselben,

s 4. Erster Fuss von Mesochra adrialica.

« 5. Laophonte pilosa, Weibchen, vergrössert.

s 6. Antenne derselben,

s 7. Mandibel.

* 8. Maxille.

« 9. Erste Antenne des Männchens, stark vergrössert.

s 10. Erster Maxillarfuss.

= 11. Zweiter Maxillarfuss des Weibchens.

s 12. Zweiter Maxillarfuss des Männchens.

* 13. Zweite Antenne. » 14. Erster Fuss.

s 15. Zweiter Fuss.

a) Aussenast.

b) Innenast.

* 16. Fünfter Fuss des Weibchens.

Tafel XVHI..

Fig. 1. Thalestris pectinimana, Weibchen, vergrössert.

* 2. Rostrum mit der vorderen Antenne. = 3. Hintere Antenne.

« 4. Zweiter Maxillarfuss von aussen.

a 5. Zweiter Maxillarfuss von innen.

=. 6. Innerer Ast des ersten Fusspaares.

<■ 7. Aeusserer Ast des ersten Fusspaares.

* 8. Fünftes Fusspaar des Weibchens.

« 9. Idya furcata, Männchen, vergrössert.

* 10. Zweites Fusspaar desselben.

* 11. Saphirina sp., Weibchen, vergrössert.

* 12. Die Antennen, stark vergrössert.

256 Dr. Lazar C;ir: Ein Beitrag zur Copepodcn-Fauna etc.

Fig. 13. Mundtheilc, stark vergrüssert.

a) Mandibeln.

b) Maxillen.

c) Erstes Maxillarfusspaar.

d) Zweites Maxillarfusspaar.

e) Markirte Stelle. * 14. Dritter Fuss rechts.

a) Aeusser Ast.

b) Iunerer Ast.

Anmerkung. Sämmtliche Figuren wurden durch das Zeichenprisma ge- zeichnet. Der ganze Körper wurde überall 105 . vergrüssert, die einzelnen Theile aber stets noch stärker. Die Abbildungen wurden jedoch später an den Tafeln verkleinert. Zur Zeichnung diente das Mikroskop von Zeiss, Stativ I, mit dem Abee'schen Be- leuchtungs-Apparat.

Zur Conchylicii-Fauna von China.

VI. Stück,

Von

P. Vinceiiz Grcdler.

Mit Taf. XIX.

In diesem sechsten spicilegium auf dem Felde der Mol- luskenfauna des innern mittlem China kommen abermals, wie in den frühern Beiträgen (m. vergl. Jahrb. d. deutsch, malak. Ges. zu Frankfurt), eine kleine Anzahl neuer Funde, sowie neue Fundorte alter, wenngleich erst in den letztern Jahren bekannt- gegebener Arten, deren Verbreitungsrayon und verschiedene Formen noch lange nicht genugsam constatirt, zur öffentlichen Mittheilung.

Auch diese Funde verdankt der Verfasser grösstentheils der unermüdlichen Thätigkeit seines Mitbruders und Missionärs P. Kaspar Fuchs, der weder gefährliche und beschwerliche Reisen, um in eigener Person zu sammeln, noch Geldopfer scheut, um da und dort sammeln zu lassen. Eine Excursion, die er selbst nach dem berühmten Berge Nan-jo unternahm und dem Verfasser in einem längern Schreiben vom 9. Juni 1884 schildert, können wir uns ob des geographisch-ethnographischen Inhaltes wegen nicht versagen, im Auszuge unter Strich wieder- zugeben.*) Unser Sammelbericht ergeht sich demnach auch

*) „Ich komme vom Nan-jo, welcher nach chinesischer Messung 9730 Tschang (Fuss) Höhe und 800 Li (chinesische Meilen) im Umfange haben soll, in Wahrheit aber höchstens 200 Li im Umfange und kaum die Höhe unsers Patscherkofels (7000') bei Innsbruck hat. Er ist einer der fünf berühmten Berge Chinas, auf dessen höchsten Punkt eine 4 5' breite Steintreppe führt und welche eigentlich das einzig Nennenswerthe

258 P- Vincenz Gredler:

diesmal in geographischen Angaben der von verschiedenen Fund- orten eingebrachten Land- und Süsswasser - Mollusken nebst

des Berges ausmacht. Er besteht ausschliesslich aus Granit und ist wohl gerade deshalb so enorm schneckenarm. Bis über die halbe Höhe ziehen sich die Reisfelder hinauf und weiter oben, wie auch auf dem Gipfel bauen die Bonzen oder Buddha-Mönche Gemüse, darunter europäische Erd- äpfel, wofür der Boden ausserordentlich geeignet ist. Der Berg hat seine Bedeutung nur der Heiligthümer wegen, zu denen Pilger aus fast allen Provinzen, besonders im achten Monat, hinströmen und den Berg meistens auf den Knien besteigen. Der Berg ist 100 Li von Hen-tschou-fu ent- fernt, im Gebiete der Stadt Hen - san - schien. Von Zeit zu Zeit gelangt man zu einem Götzentempel, welcher von einem oder zwei Bonzen besorgt wird und gewöhnlich ziemlich verlottert aussieht. Nur jener auf halber Höhe, der von fünf Tau-sii (Lehrern der Vernunft, nicht Buddha-Bonzen) versehen wird, ist stattlich anzusehen und hat auch ein ziemlich weit- läufiges Herbergehaus in Verbindung. In diesem Tempel befinden sich nebst vielen andern Götzen die Geister der fünf grossen Berge, von denen jener des Pe-jo (nördl. Berg) die Mitte, den vornehmsten Platz, einnimmt. Rechts neben ihm der Nan-jo. Alle fünf sind gleich gross und gleich gestaltet, aus Holz hölzern gearbeitet und vergoldet. Die fünf Tau-sii, arme und wenig gebildete Leute, welche höchstens ein wenig lesen und schreiben können und jedenfalls nichts von einer Vernunftlehre wissen, haben keine Verbindung mit den andern Bonzen und völlig andere Ein- richtungen, wenn sie auch im Grunde von den Anschauungen der Buddhi- sten wenig abweichen und nur noch superstitiöser sind. Sie führen ein sehr strenges Leben in lebenslänglicher Abstinenz, Fasten und langen un- fruchtbaren Betrachtungen, und hoffen nach diesem Leben im Westen als Götzen wiedergeboren zu werden und als solche hohe Ehren und tausendfaches Glück zu geniessen. In dem eigentlichen Kloster auf der Höhe des Berges, welches aus Granitquadem erbaut und mit Eisenplatten gedeckt ist, leben ein Dutzend solcher Mönche, andere obliegen in Höhlen ihren Beschauungen. Wir wurden vom Hospitarius in die Aula geführt und dort mit Reis und Gemüse tractirt, das mit dem gebräuchlichen Tschin- oder Za-Oel bereitet war. Diese Bonzen gebrauchen nie Schweinefett, trinken auch nie Wein irgendwelcher Art oder Namens. Am Fusse des Berges liegt der Markt Nan-jo, welcher den neuerbauten kaiserlichen Opferungstempel enthält. Der Kaiser sendet nämlich (jährlich?) Bevoll- mächtigte hieher, die in seinem Namen dem Geiste opfern. In diesem Tempel, welcher aus mehreren durch Höfe getrennten Theilen besteht, befindet sich der Sohn des Berggeistes, während der Alte auf dem Berge thront. Der ganze Bau ist ausserordentlich prachtvoll, und das ganze Reich musste zur Bestreitung der Kosten beisteuern. Jeder Dachziegel des Hauptgebäudes kostete einen Thaler. Die Säulenzahl soll über 90 be-

Zur Conchylien-Fauna von China. 259

gelegenheitlichen Bemerkungen, denen am Schlüsse die Be- schreibungen von Novitäten folgen. Davon liegen die meisten Gebiete, wie: Shang-in-shien, Sian-tan, Hen-kiou-fu, Hen-tschou- fu, Nan-jo, Li-uan in der Provinz Hunan. Anderes stammt fast ohne Zweifel aus Pa-tong in Süd -Hupe und zwar aus der Hand des P. Lorenz, Bruders des Kaspar Fuchs; weniges aus Schensi und Kuang-shi.

A. Neue Funde und Fundorte.

I. Aus der Provinz Hunan.

a. Von Hen-tschou-fu. Um die Mauern der Stadt findet sich völlig egal wie bei Pao - tschin - fu und in reichlicher Anzahl Stenogyra (Euspiraxis) mira Gdlr., selten St. erecta Bens.; des- gleichen Pupa (Ennea) strophiodes Gdlr., die nunmehr P. Ka- spar hier und bei Jen-tschou auch lebend aufgefunden. Das frische Gehäuse ist, wie wir vermutheten, nur wenig horngelb- lich, beinahe farblos. Ferner Cyclophorus Martensianus Moll, in etwas kleiner Form, sowie Alycaeus Rathouisianus Heude, besonders zahlreich am Hügel hinter der katholischen Missions- kirche. Die vielen mitgetheilten Exemplare messen meist 4'/3 bis 4'/2 (statt 4) mm, und hätten somit eher Berechtigung zur Abtrennung von dem kleineren, etwas feiner rippenstreifigen AI. Nipponensis Reinh.*) Auch ein einzelnes Stück von Helix (Aegista) chinensis Pfr.

tragen und sind aus Holz oder einem Granitmonolithen fein gearbeitet, die Holzarbeiten sämmtlich ausserordentlich zart geschnitten und alles von Gold strotzend. Dennoch ist der Gesammteindruck durchaus nicht der grossartige unserer Bauart: er ist nicht geistig erhebend. Ueberdies steht im Markte noch die grosse Pagode, welche das eigentliche Heiligthum des Volkes ist und wohin viele Tausende pilgern, denen es zu beschwerlich, den Berg zu erklettern." Ich übergehe hier die Insulten und Lebens- gefahren, welche „der europäische Teufel" auf der Rückreise zu be- stehen hatte.

*) Wenn von Möllendorff (Jahrb. 1882, S. 346) unsern „Alycaeus nipponensis" von Lien-tschou auf seinen AI. latecostatus zu deuten sich versucht fühlt, so können wir versichern (naeh Vergleichung von Origi- nalien des letztern aus der Hand des Autors), dass P. Fuchs aus Kuang-

260 P- Vinccnz Gredlcr:

b. Von Shang-in-shiensiUllichvonHen-tschou-fu: Helix sub- similis Desh., H. finibriosa Hart, und emoriens Gdlr. ; Buliminus Ilunancola Gdlr. und subniinutus Iloudo; Stenogyra pellita Gdlr., häufig; Hyalina Colomboliana Ileude. Pupina ephippium Gdlr., Cyclotus Hunanus Gdlr., Moussonia Paxillus Gdlr. var. (nova) lissa m. eine nur durch das glatte (anstatt rippenstroilige) Gehäuse characterisirte Form. Von Wassermollusken: Ausser den weit verbreiteten und längst bekannten Arten Limnaea striatula Bens, und Bythinia striatula Bens, die Novitäten By- thinia misolla, Segmentina suc ein ea, ausser ein paar Formen von Melania cancellata Bens.*) auch Melania praonotata Gdlr. n. sp. Höchst wahrscheinlich stammen auch von hier zwei der Sendung ohne Notiz beigelegene, etwas schlanke

tung dasselbe Thier übermittelte, welches er min reichlich in Hunan auf- gefunden. Den Möllendorff'schen AI. latecostatus möchten wir ungleich lieber auf seinen horizontal ausgelegten äussern Mundsaum, die kürzere Nahtrühre etc. als auf die Costulirung hin aecreditiren , die überhaupt sehr veränderlich auf demselben Umgang bald wirklich distant, bald so dicht und fein wie bei der Hunan'schen Form. Wie nahe sich Ra- thouisianus, Nipponensis , latecostatus stehen, und wie klein darum mein ursprünglicher Irrthum war : das Eine verbleichte Exemplar aus Kuang-tung auf AI. Nipponensis zu deuten, mag daraus entnommen werden, dass Dr. Reinhardt, dem ich letzten Sommer „AI. Rathouisianus" zur Ver- gleichung mit seinem Nipponensis zugehen Hess, denselben für identisch mit seiner Art erklärte.

Desgleichen ist Ennea microstoma Moll, ein halbsogvosscr Zwerge unserer strophiodes ; übrigens in Nichts und weniger verschieden als E. lar- vula Heude.

*) Gross wio ihre Verbreitung ist der Formenkreis der Melania cancel- lata und würde dies erst eine Anzahl von Abbildungen augenfällig darthun. Allein selbst Dr. Brot, dem ich einige extreme Varietäten mittheilte, ver- mochte davon keine eigentliche andere species abzutrennen. Fast übertrifft sie noch die Wechselbälge unserer europäischen M. Holandri. Am va- riabelsten ist zumal der letzte Umgang, indess die Mündung sich ziemlich constant verbleibt. So trägt derselbe (gleich den andern Umgängen) starke Querrippen bis an den Mundsaum , oder sie verschmälern sich in dem Grade, als ihre Zahl nach unten zunimmt. Desgleichen drängen sich die 3 5 Längs kiele an der Basis zusammen, oder breiten sich in weitern Distanzen aus; fehlen bei sehr kleinen Individuen auch gänzlich. Die Streifung quer oder netzförmig oder auch in kleine Längsrippen aus- gebildet, wobei die Querrippen mehr oder weniger gekerbt erscheinen.

Zur Conchylien-Fauna von China. 261

Exemplare der Oncomelania Hnpensis Gdlr.*), die somit auch ihr Vorkommen in Hunan constatiren.

c. Von Hen-kiou-fu, 30 Li von Hen-tshou-fu entfernt, schickte P. Kaspar ein: Helix similaris Fer., H. Fortunei Pfr., H. fim- briosa Mart und H. pyrrhozona Phil. Das Thier der letztern scheint besondere Lebensfähigkeit zu haben nach Art der Xerophilen und langt fast immer lebend an. Ferner Pupa Hunana Gdlr., P. (Ennea) strophiodes Gdlr. und larvula Heude. Endlich die TVassermollu-ken: Paludina chinensis Gray und angularis Müll. Beide ungewöhnlich dickschalig und gros-, sowie Melania tumida Gdlr. n. sp. Um

d. Sian-tan, wo P. Fuchs zufolge seiner beiden letzten Schreiben vom 2. und 12. August 1884 seinen gegenwärtigen Auf- enthalt genommen zu haben scheint, sammelte er an den Stadt- mauern: H. pyrrhozona Phil, in ziemlich kleinen Dimensionen, aber zahlreich, H. Touranensis Soul.? soweit sich die Exemplare bestimmen lassen, H. similaris, H. initialis Heude nebst der grossem Varietät Helix aecrescens Heude, und die neue H. squa- mulina m,: Macrochlamys („Heücarion") Sinensis Heude, Hya- lina Colombeliana Heude; Buliminus Hunancola Gdlr. (die grössere, narbige Varietät: Stenogyra (Opeas) pellita Gdlr. und subula Pfr.; Clausilia aculus Bens., schmächtig, mit verwitterter Epi- dermis, so dass auch frische Stücke grau aussehen; endlich

Die Gesammtform, in der Regel schlank gethürmt, geht über in eine conische (im Nordflusse der Provinz Kuang-tung zumal}, wodurch der Breitendurch- messer von 5 9 mm differirt. Die Färbung blass horngelb und einfarbig, oder satt horngelb , mit einem breitem bräunlichrothen Längsbande am untern, sowie einem schmalen hellem am obern Rande der Windungen, oder endlich zimmetbraun einfarbig (im Xordflusse}.

*) Dr. 0. Böttger Neues Jahrb. f. Mineralogie etc. 1SS4. Bd. II) glaubt das genus Oncomelania der fossilen Gattung Prososthenia Neumavr einverleiben und zufolge des von mir bekannt gemachten melania-ähnlichen Deckeli einer eigenen neuen Familie zuweisen zn sollen. Ich zweifle, ob Dr. Böttger Oncomelania in natura kennt. Ich vermag jedoch nicht , auch nur testaeeologisch Böttger's Ansicht so leichterdings zu theilen. Der cerithiden-artige Nackenwulst wird bei Oncomelania nicht wie bei der (verwandtesten} Prososthenia Schwartzi Neum. (oder gar Touraoueri Neum.) durch Vervielfältigung des Mundsaumes gebildet; One. theilt weder die höchst eigentümliche Insertion einer Prososthenia, noch den hohen freien Verbindungswulst auf der Mündungswand u. s. w.

262 P- Vincenz Gredler:

eine Limnaea (in einem abgestorbenen Exemplar), welche an Grösse unserer truncatula, in der Gestalt mehr einer .peregra ähnelt. Hoffentlich bringt eine nächste Sendung ein reichlicheres Material und die Frage zum Austrag.

e. Von Nan-jo*). Eine Macrochlamis in 2 Exemplaren (wovon jedoch 1 nicht völlig erwachsen, das andere am Mund- saum lädirt ist). Verwandt mit M. cineta Moll, aus Hainan; hat jedoch 1 Umgang weniger, ihre Umgänge wachsen rascher an und ist namentlich der letzte bedeutend breiter, unterhalb auch gewölbter, wodurch auch die (schiefer gestellte) Mündung höher und grösser wird; der Basalrand etwas breiter über die Perforation gelegt und die Streifung des Gehäuses insofern kräf- tiger, als einzelne Streifen es sind. Höchst wahrscheinlich haben wir's mit „Helicarion (?) sinense Heude" (PI. XI. fig. 4) zu thun, das die Mitte hält zwischen Macrochlamis cineta Mölldff. und Vitrina (Macrochlamis) Davidi Desh., und welches mittler- weile auch bei Sian-tan (Fuchs) aufgefunden worden ist. Heude bezeichnet diese Art als sehr selten. Ferner Helix chinensis Pfr., similaris Fer., Fortunei Pfr.**), Gerlachi Mart. nebst ihrer Varietät (?) abrupta Mart., beide von etwas blasserer Fär- bung als in Kuang-tung. Wir haben aber zweifellos die ächte Aegista Gerlachi vorliegend und nicht laciniata Heude, die enger genabelt und um den Nabel stumpfer gekielt zu sein scheint; ob = trichotropis Pfr.? H. Gerlachi erstreckt sich demnach weit nach Norden. Von Nan-jo stammt gleichfalls die grosse Clausilia paeifica Gdlr. n. sp. sammt der schlanken Varietät und dem Blendling; Cyclotus Hunanus Gdlr.; Cyclophorus Mar-

*) Eine bedeutendere Ausbeute mag P. Kaspar dahier gemacht haben. Allein, da die Schächtelchen, welche Material von Nan-jo, und andere daneben, welche solches von Hcn - tschou - fu enthielten, zerbrochen anlangten, so vermag ich nur wenige Arten (die obigen) mit Sicherheit von diesem Fundorte anzugeben.

**) Wenn Professor v. Martens (Preuss. Exped. n. Ost-Asien, S. 44) nach Ex. von London in ihr nur eine linksgewundene grosse similaris zu erblicken glaubt, so spricht dagegen nicht blos die mitunter 25 mm betragende Grösse, die Körnelung der Epidermis, der weitere Nabel, der wenngleich stumpfe Kiel, sondern auch der Umstand, dass sie nicht eine linksgewundene Seltenheit, wie etwa eine H. pomatia sini- strorsa, da uns von Nan-jo wie von Ilen-kiou-fu eine grössere Stück-Zahl zuging

Zur Conchylien-Fauna von China. 263

tensianus Moll. Succinea oblonga Drap. = rubella Heude*) ; Limnaea striatula Bens. u. a.

Endlich erhielt ich aus Hunan ohne nähere Angabe eine Hyalina, vorerst nur in Einem Exemplar, welche von der euro- päischen H. crystallina Müll, sich kaum, es wäre denn durch den merklich breitern letzten Umgang, unterscheidet.

II. Aus der Provinz Hupe?

Verfasser nahm im V. Stücke (Jahrb. d. D. M. Ges. 1884 S. 155 ff.) bei der Frage nach der Heimath der Clausilia prae- celsa Anlass von einer Sendung zu sprechen, die ohne jegliche Notiz angelangt, und aus diesem Grunde bisher zur Seite ge- legt worden war. Nunmehr stellt sich aber mit ziemlicher Sicherheit heraus, dass selbe von P. Lorenz Fuchs, Bruder des P. Kaspar, herstamme, und zwar aus Pa-tung (Pa-tong), einer Gebirgsgegend im südlichen Hupe, an der Grenze der Provinz Su-tschuan und des Flusses Jang-tsi-kiang, woselbst P. Lorenz als Missionär stationirt und die Heimath der mitangelangten Clausilia Filippina und Helix Filippina Heude ist. Damit ist aber auch der Fundort der Clausilia praecelsa m. endgiltig begründet und, da auch ein unerwachsenes Exemplar der riesigen Claus. For- tunei Pfr. der Sendung beilag, anzunehmen, dass die dortige Gegend 3 der grössten chinesischen Schliessschnecken birgt, sowie manches andere ( denn P. Lorenz hat sich bisher mit Auffindung von Conchylien nicht gleich seinem Bruder befasst ), das wir nachstehend mit einigen Bemerkungen verzeichnen:

Helix (Plectotropis) Aubryana Heude. In mehrern über- einstimmenden Exemplaren. Hei. (Pleetotropis) subsimilis De3h., ebenfalls zahlreich; spärlicher die var. („Helix") Filippina Heude. Eine sehr zweifelhafte Art diese Filippina, da die Auf- windung der Umgänge sowie die Breite des unterseitigen weissen Bandes um den Nabel bei H. subsimilis gar veränderlich. Wenn schon die rechtsgewundene H. Aubryana eine fast bedenkliche Art bildet, die aber wenigstens durch den zurückgeschlagenen

*) Hazay, dem ich auf Verlangen Exemplare zur Einsicht sandte, trägt kein Bedenken, die chinesische Art mit der europäischen zu iden- tificiren und Succinea oblonga als kosmopolitisch zu erklären (i. lit.).

264 P. Vincenz Gredlcr:

Mundsaum und schwachen Kiel sich unterscheidet, so können wir in Filippina nur eine flache Varietät der H. subsimilis er- blicken, — zumal uns aus Shang-in-shien Uebergänge vor- liegen. — Ebensowenig ist zu zweifeln, dass Ancey's (dem unsors Wissens Heude's Werk damals noch nicht vorgelegen) Helix subchristinae (Le Naturaliste 1882, p. 44) identisch ist mit II. Filippina Heude. Welche Publication aber die Priorität hat? Heude's wohl, dessen Werk das Datum: 1. März 1882 trägt, indess Ancey's H. subchristinae 1. c. No. G erschien.

Wenn jedoch Ancey (1. c.) Helix subsimilis Desh. für iden- tisch erklärt mit H. christinae II. Ad., ungeachtet nicht un- bedeutende Unterschiede zwischen beiden bestehen und Deshayes auf diese hinweist (Bull. Mus. d'hist. nat. IX), so ist Ancey's Urtheil als unrichtig und absprecherisch , sowie Deshayes zu tadeln, dass dieser H. christinae var. carinifera Adams („mi- nor, anfractu ultimo carinato, umbilico minore") ignorirt, die völlig auf seine subsimilis passt. Zugegeben jedoch, dass var. carinifera Ad. ■=■ subsimilis Desh., so bleibt doch die Frage offen: ob diese Form als blosse Varietät aufzufassen sei? die typische H. christinae weicht nicht blos durch den Mangel des Kiels, durch bedeutendere Grösse u. s. w., sondern zumal von unsern Exemplaren aus Hupe auch durch die scheckige Färbung bedeutend ab und erinnert diesbezüglich durch das peripherische braune und weissberaudete Band und die lichtem und abwechselnd dunklern Querflecken an die Färbung mancher II. colubrina Jan. Die verwickelte Nomenclatur dieses Formen- kreises stellt sich demnach etwa so: Helix christinae H. Ad.

= = a. var. (?) carinifera II. Ad. = subsimilis

Desh.

s = b. var. Filippina Heude = subchristinae

Ancey. oder vielleicht richtiger:

1. Helix christinae H. Ad.

2. = subsimilis Desh. = Christinae var. carinifera

H. Ad.

a. var. Filippina Iloudo = subchristinae Anc. Ferner enthielt dieselbe Sendung noch die unvermeidliche Helix similaris Fer., II. Fuchsi Grodl., II. Houaiensis Cross. (= Yan- taiensis Cr., obstrueta Heude) mit var. Möltneri Gredl., H. ini-

Zur Conchylien-Fauna von China. 265

tialis Hondo? Dio Exemplare lassen keino genaue Bestimmung zu, da sie sämmtlich sehr verbleicht, jedoch sind sie kleiner, enger genabelt, das Gewinde niedriger, die Umgänge platter und gekielter, die Mündung etwas anders, der Mundsaum weniger gelippt als beim Typus. H. buliminoides Heude. Hyalina Colombeliana Heude. Buliminus Cantori Phil. var. corpulen- tus m. dieselbe Abänderung, deren wir bereits im V. Stücke (Jahrb. 1884, S. 137) gedachten und welcher wir nunmehr um ihrer Spiralstreifung auf allen Umgängen sowohl, als um der gedrun- genen Gestalt willen den Character (und Namen) einer Varietät beimessen*); Bul. hunancola Gredl. Fuchsianus Heude, sehr schön gefleckt; Bul. Laurentianus Gredl. nov. spec. (vergl. Be- schreibung und Abbildung). Stenogyra (Opeas) aretispira Gredl. nov. spec. ; Zua Davidis Ancey liegt mir in 10 übereinstimmen- den Stücken aus Pa-tong vor. Sie erinnert sehr an unsere allverbreitete europäische Zua lubrica Brug. Allein indess sie durch ihre schmalen Verhältnisse dio Tracht der kleinern Varie- tät lubricella theilt, übertrifft sie an Höhe doch Z. lubrica. Dio andern blos graduellen Unterschiede sind folgende: Indess der Spindelrand der lubrica (in der Seitenansicht) oberhalb einge- bogen, an der Basis vortretend, legt sich selbe bei Z. Davidis unterhalb zurück, die Columella dagegen ist bei der chinesischen Art in der Mündung besehen oberhalb und an der Basis buchtiger und stimmt diesbezüglich besser auf Z. nitens Kokeil, bildet das Pendant zu dieser, wie lubricella zu lubrica. Die Verbindungsschwiele auf der Mündungswand, besonders an der Insertion des äussern Mundsaumes, sowie der Columellarrand ist bei Z. Davidis bedeutend mehr, der äussere Mundsaum weniger verdickt, als bei den europäischen Formen. Endlich ist die Streifung etwas ausgesprochener. Zua Davidis ist eigene, wenngleich kaum eine s. g. gute Art. Und obgleich meine

*) Ancey, dem ich Exemplare mittheiltc, glaubt Bul. obesus Heude daran zu erkennen; ich vermisse bei diesem aber die Angabe der Spiral- streifen , welche in Verbindung mit den Querstreifen der Sculptur unserer Varietät fast ein gekörntes Ansehen geben ; desgleichen scheint obesus weniger gewölbte Umgänge („sutura superficiali juneti") und eine ge- ringere Grösse (17 : 20* mni) zu besitzen. Von Bul. Cantori var. octona Anc. soll er hauptsächlich durch den erweiterten Mundsaum abweichen. (Ancey i. Iit.)

Arch. f. Naturgesch. L. Jahrg. 2. Bd. 18

266 P- Vincenz Gredler:

Exemplaro 7 (statt 8) mm in der Höhe, 2 (statt 23/4) in der Breite und 6'/2 (statt 6) Umgänge messen, erklärte sie Ancey (i. lit.) dennoch den seinen „omnino conform". Von Clausilien enthält die Sendung, ausser den bereits erwähnten praecelsa, Filippina und Fortunei auch schlanke aculus Bens, nicht ohne Papillenspuren; endlich Cyclophorus Martensianus Moll, (klein), Cyclotus hunanus m. und Moussonia Paxillus m.

III. Aus dem Hoang-ho-Gebiete in der nördlichen Provinz Sehen -si erhielt ich durch P. Kasp. Fuchs folgende 4 Helices:

1. Helix Buvigneri Desh., Richthofeni Mart. Eine Art, die seit ihrer Publication 1873 schon eine ziemliche Lite- ratur aufweist, aber trotzdem nicht genugsam bekannt ist. Wenigstens scheinen Deshayes wie von Martens nur verbleichte Exemplare, wo sie Xerophilen - Colorit hat, vor sich gehabt zu haben, was Beschreibung und Abbildung beider („alba, opaca" Desh.) darthut. Von dem peripherischen (bald schmälern bald breitern) braunen Bande bekam nur von Martens eine Spur zu sehen („interdum fascia peripherica subdiaphana obsolescente ornatus"). Martens erkannte seine Art an einem mitgetheilten frischen Exemplar selbst nicht wieder. Dass jedoch dies niedliche Schneckchen in frischem Zustande, in welchem es viel- leicht selten getroffen wird, durchscheinend, stark glänzend, gelblich weiss und gebändert ist, ward bisher nie constatirt. Die Diagnose bedarf daher einer diesbezüglichen Correctur. Auf die veränderliche Grösse wies Hr. von Möllendorff hin und unterschied eine kleine Form von 8 statt 10 mm ( wir be- sitzen aus Tsi-nan-fu auch Exemplare von 7 mm ), welche auch habituell abweicht, als var. Kalganensis (vergl. „Zur Binnenmolluskenfauna von Nordchina"). Ich erhielt aber vom Hoang-ho-Gebiete nicht blos den Typus, und zwar in ein paar frischen und mehreren verwitterten Stücken, und ebenerwähnte kleine Varietät, sondern auch eine ungleich auffallendere Va- rietät, die ich ungeachtet ihrer enormen Grösse von 14 mm und der zwei bräunlichen Bänder, von denen das eine über, das andere unter der Peripherie gelegen, welche inmitten als woissliches Band gleicher Breite die letzte Windung umgürtet, von der Art nicht zu trennen vermag. Dennoch muss ich ge-

Zur Conchylien-Fauna von China. 267

stehen, dass mir ihre Zugehörigkeit nicht völlig zweifellos, und sie möglicherweise wie var. Kalganensis zu Buvigneri, als ausser- ordentlich kleine Varietät richtiger zu bizona zu stellen ist. Ich bezeichne sie als var. Schensiaca.

2. Helix pyrrhozona Phil. Normal.

3. Helix Houaiensis Crosse. Ebenfalls die typische Form, nur ziemlich gross. Endlich

4. Helix bizona Gredler, nov. spec. = Schensiensis Hilber ex parte?

B. Beschreibung der Novitäten.

1. Helix bizona Gredler.

Testa anguste perforata, subglobosa, confertim fortiusque oblique striata, nitidula, solidiuscula, cinereo - albida aut isa- bellina, fusco - bifasciata ; spira subdepresso - conoidea ; anfractus 51/«,, angusti, convexi, lente crescentes, sutura profunda se- juncti, ultimus amplus (multo altior), infra convexus, haud de- flexus; apertura obliqua, subdiagonalis, lunato-orbicularis; peri- stoma expansum, intus labro crasso ornatum, margo columellaris supra magis repansus, perforationem partim obtegens.

Alt. 10 mm] lat. 18 mm.

Ich erinnere mich keiner Art, womit diese Novität nur verglichen werden könnte; jedoch besitzt sie ungefähr die Um- risse einer H. tetrazona Jan. Ihre Verwandten werden auch zunächst in ihrer Heimath zu suchen sein. Und in der That dürfte H. billiana Heude einerseits, ungeachtet der viel be- deutendem Dimensionen und des dreifachen Bandes, andrer- seits und zwar mittels des Bindegliedes der var. Schensiaca m. die kaum halbsogrosse Hei. Buvigneri Desh., mit der sie den breiten und dicken Lippenbeschlag, die bauchige Gewölbtheit der Unterseite u. a., nicht jedoch die starke Erweiterung des letzten Umganges gegen den Mundsaum zu oder die excentrische Nabelstellung etc. gemein hat, ihre weitabstehenden Flanken bilden. Speziell von H. Buvigneri v. Schensiaca unterscheidet sich bizona ausser durch Grösse, durch viel distantere Lage der Bänder, andere Färbung, markirtero Streifung. Hinsichtlich der Färbung liegen 2 Nuancen vor: eine fast graulichweisse mit vorzüglich an der Unterseite parallel der Streifung und gegen den Nabel convergirenden , dunklem Querbändern, und eine

18*

268 p- Vinccnz Grcdler:

auch innenseitig und selbst au der Lippe isabellfarbige, indess die Längsbänder bei der einen wie bei der andern Form blass- bräunlicb, das obere Baud gerade über die Mitte der Oberseite bis zu den Einbrioualumgäugcn hinauf, das untere unterhalb der Peripherie, beide jedoch nicht bis an den Mundsaum hin verlaufen. Die Streifung, nach unten allmählig stärker, ist nicht sehr regelmässig, namentlich unterseitig, wo auch eine rudimentäre Spiralstroifung wahrzunehmen ist. Der breite, vom Mundsaumo weit zurükstehende Lippenwulst bildet an der In- sertion des Oberrandes eine etwas abgesetzte und vortretende Beule; die Mündungswand weist keine Spur auch nur eines „sehr dünnen Callus", ist aber fein chagrinartig ; der Nabel, von dem hier plötzlich und ohrartig zurückgelegten Spindel- rande halb verdeckt, scheint länglich rund zu sein.

Unsere Art stimmt, die bedeutendere Grösse abgerechnet, auf die „niedrige Form" von H. Schensiensis Hilber, wie selbe der Autor im I. Th. seiner „Recenten und im Löss ge- fundenen Landschnecken aus China" (Sitzber. d. kaiä. Acad. d. Wissensch. 1882, Dec.-Heft) Taf. I, Fig. 11 abbildet; unser* Erachtens möchte jedoch diese gebänderte und niedrigere Form mit jener von Fig. 12 schwerlich identisch sein; daher erlaubten wir uns erstere unter dem Namen bizona abzutrennen. Schade, dass Herrn Hilber nur Löss -Exemplare vorlagen und domnach seine Beschreibung zu kurz gehalten ist.

2. Helix squamulina Gredler.

Testa parvula, globoso-conoidea, apice obtuso, medioeriter quasi anguste umbilicata, umbilico pervio, tenuis, fusco-cornea, squamulis filaribus supra infraque seriatim confertis granulata, striatula, levissime serieeo-nitens; anfr. 5%, convexiusculi, lente crescentes, sutura sat profunda sojuneti, ultimus obtuse angu- latus, angulo nudo, vix descendens; apertura lunato - subeircu- laris, diagonalis, ampla; peristoma tenue, parum expansum, ad umbilicum latius reflexiusculum , margo columellaris subrectus, marginibus conniventibus.

Alt. 5; lat. 7 7% mm.

Diese ob ihrer Kleinheit gar niedliche Fruticicola reiht sich durch Behaarung und Form einer kleinen Gruppe chine- sischer Arten ein, womit uns P. Heude zuerst bekannt gemacht:

Zur Conchylien-Fauna von China. 269

einer H. squamosella, thoracica, lepidostola, barbosella etc., er- reicht jedoch bei weitem nicht die Dimensionen der genannten, oder auch nur einer, übrigens kaum verwandten europäischen H. hispida. Von H. semihispida Anc. aus Inkiapo unterscheidet sie sich unter anderem durch höheres Gewinde, engern Nabel und weitere Mündung. Das kuglige Gehäuse erhebt sich zu einem niedrig krciselförmigen Gewinde mit stumpflicher Wirbel- spitze und ist allenthalben mit kurzen, schüppchenartigen Här- chen in streifenartigen Querreihen übersponnen, schief begehen wie gekörnelt, beinahe glanzlos, bräunlich hornfarben. Die 5 '/2 Umgänge ziemlich convex, gleichmässig langsam zunehmend, der letzte an der Peripherie stumpfeckig, auf der Ecke unbe- haart und glänzend, unterhalb gedrückt gewölbt, zum Nabel rasch abstürzend. Mündung fast kreisrund, mondförmig ausge- schnitten; der Mundsaum einfach, sehr wenig ausgebreitet; der Columellarrand beinahe gerade, oberhalb verbreitert und mehr ausgeschlagen, den Nabel jedoch wenig überdeckend.

Nach 6 Stücken, von denen jedoch nur 2 erwachsen und frisch, beschrieben. Um die Stadtmauer von Sian-tan in der Provinz Hunan aufgefunden von P. K. Fuchs.

3. Bulimimis Ixmrentiamis Gredler. Taf. 19. Fig. 1.

Tcsta rimata, elongata, cylindrica, spira apice attenuata, striatula, nitida, pallide cornea, translucida; anfractus 10 bis lO'/aj inferiores plauuli, lente crescentes, ultimus penultimo paulo angustior, quartana partem testae aequans; apertura ex- igua, ovata, parum obliqua; peristoma album, incrassatum, re- floxiusculum, marginibus basi convergentibus, callo mediocri in angulo parietali externo fortiori, dentiformi junctis, colu- mellaris rectus, ad dextram vergens, externus prominulus.

Alt. 25; lat. (penult. anfr.) 5 mm.

Aus der Gruppo des für so viele chinesische Arten typi- schen, vielgestaltigen B. Cantori Phil, und (unter den mir be- kannten Arten Chinas) einem viel grössern B. Davidi Desh. oder noch mehr der kleinern B. pallens Heud. vergleichbar; allein viel strenger cylindrisch und schmäler als diese beiden; viel- leicht keine „gute Art", aber besser als die eben erwähnten. Das Gehäuse tief geritzt, lang gestreckt, vollkommen cylindrisch,

270 p- Vincenz Gredler:

erst die obersten Umgänge zu einem stumpfen Kegel verengt, blass hornfärben, leicht und sehr schief vertical-gestreift, selbst auf dem Nacken der Basis ohne Spur einer Spiralstreifung, glänzend. Umgänge 10 10 '/2, die letzten beinahe eben und durch oino oberflächliche Naht getrennt, sehr allmählich an Höhe zunehmend, ohne Spur einer basalen schwachen Ecke (wie bei pallens), der letzte kaum den vierten Theil der Gesammthöhc einnehmend und merklich schmäler als der vorletzte. Die kleine Mündung eiförmig, nur wenig schief; der Mundsaum mit schmaler Lippe besetzt, ausgebreitet, kurz zuriickgebogen; der Ausscn- rand an der Insertion rasch, doch gerundet hereingezogen und mit einem Parietalhöckerchen in Contact; der Columellarrand kurz, schief zum Aussenrand geneigt, beinahe gerade, oberhalb durch eine massige Schwiele mit diesem verbunden.

Variirt auch etwas plumper, ohne den cylindrischen Habi- tus zu ändern.

Aus Pa-tong in Süd-Hupe von P. Lorenz Fuchs in wenigen Exemplaren mitgetheilt und dem Sammler zu Ehren benannt.

#. Hapalus Böttyeri Gredler. Taf. 19. Fig. 2.

Testa parvula, imperforata, elongato-ovalis, tenuis, pellu- eida, nitidissima, dilute striatula, cereo - albida , apice obtuso; anfr. 7, rapide crescentes, valde convexi, ultimus ceterorum altitudine subaequalis; apertura magna, ovato - pyriformis , per- pendicularis, columella torta, ad sinulum basalem recedens; peristoma rectum, margo columellaris brevissimus, ad inser- tionem reflexus, externus protractus, utrisque callo tenuissimo junetis.

Alt. 9; lat. 4 mm', alt. apert. 4 mm.

Eine kleine Art von sehr ausgesprochenen Gattungscharac- teren und fast der Typus Hap. Grataloupi Pfr. aus den Philip- pinen en miniature, welche an eine oder andere grössere Zua Europas gemahnt, durch die grosse Gewölbtheit ihrer Umgänge aber wie von Zua, so von andern Arten ihrer Gattung ( es hatten uns deren sieben zum Vergleiche vorgelegen ) abweicht. Die Gattung, die gewöhnlich bei Buliminus steht, ist nach Dr. Böttger, nach dessen gefeierten Namen ich mir erlaube diese Novität zu benennen, „richtiger zu den Stenogyren zu

Zur Conchylien-Fauna von China. 271

stellen" (i. lit.), wie das auch Fr. Paetel in seinem neuen Ca- taloge gethan. H. Böttgeri ist unregehnässig, oberflächlich und weitläufig gestreift, obgleich nicht hyalin doch durchsichtig und stark glänzend; die Embrionalwindung sehr klein und niedrig, kaum werth, gezählt zu werden, alle folgenden rasch zunehmend, so dass das Gehäuse eine gedrungene Spindel- oder verlängerte Eiform erhält. Mit Berücksichtigung der Gattungs- charactere dürfte darum die Diagnose und Abbildung genügen, um diese chinesische Art unter den wenigen ihrer Gattung, welche meist grösser, schlanker, gestreifter u. s. w. sind, sicher zu erkennen.

Bei Li-uan in der Provinz Hunan von P. K. Fuchs ent- deckt. Wie's scheint sehr selten.

5. Stenogyra (Opeas) Hananensis Gradier. Taf. 19. Fig. 3.

Testa turrito-cylindrica, subperforata, obtuse et minus re- gulariter striata, nitida, pellucida, albido-cornea; anfr. 9'/2 10 convexiusculi, sutura impressa juncti, sensim accrescentes, ulti- mus mediocris; apertura tetragono-ovata, columella quasi recta, torta, ad basim anguste arcuata non subtruncata, margo colu- mellaris reflexus, liber (non adnatus).

Alt. 15 16 mm\ lat. 3'/2 mm. Anfr. penult. 2, ult. 3 mm alt.

Erinnert auf den ersten oberflächlichen Anblick an eine un- ausgebildete St. nutans Gdlr. (Jahrb. d. d. mal. Ges. VIII 1881, Taf. 1., Fig. 4) wird jedoch von Dr. Böttger, dem ich gelegen- heitlich einer Musterung des chinesischen Stenogyren- Materials v. Möllendorff's Exemplare dieser und der folgenden Art mit- theilte, in die Verwandtschaft der noch so grossen sumatra- nischen laxispira Mart. verwiesen. Von St. nutans durch ge- ringere Grösse, den nicht erweiterten letzten Umgang und die senkrechte Axe verschieden ; durch die cylindrische Gestalt sowie durch Grösse, worin diese Art nur von nutans übertroffen wird, unter den chinesischen Opeas-Arten characterisirt*). (Man vergl.

*) Bei der völligen Gleichartigkeit des allgemeinen Baues der Ste- nogyren, die aller Beschreibung, ja selbst der genauesten Abbildung trotzt, sind es schliesslich nur die gegenseitigen Beziehungen ihrer Dimensions-

272 P. Vincenz Gredler:

uucli Boschreibung und Abbildung der folgenden nahe vorwand- ten Art.)

Ohne nähere Details aus Hunan durch P. K. Fuchs in 2 Exemplaren übermittelt.

C. Stenogyra (Opeas) Kuangsiensis Gredler. Taf. 19. Fig. 4.

Stenog. Hunanensi simillima, gracilior, elongato-turrita, for- tius (imprimis ad suturam magis declivem et impressam) regu- lariterque striata, nitida, cereo-albida ; anfr. 82/3 planiusculi, ad suturam aliquantulum gradati, regulariter crescentes, ultimus vix ampliatus; apertura angusta, elongato-ovata, subperpendicu- laris; columella arcuatim ad basim convergens, vix truncata, margo peristomatis externus pone medium rectus, inflexiusculus.

Alt. 14; lat. 3 mm.

Es ist dies die Art, deren der Verfasser bereits im „V. Stücke" (Jahrb. d. d. mal. Ges. 1884, S. 140) Erwähnung machte, die auch Dr. Böttger (i. lit.) als nov. spec. bestätigt und in nächste Beziehung zu einer „unbeschriebenen Art von der Prinzen-Insel Westafrikas" bringt. Unter den Opeas-Arten des innern China steht sie dem voranstehenden Op. Hunanus so nahe, dass nur ein Vergleich die beiden Arten unterscheiden lässt. Vorerst fällt die schlankere Gestalt, die geringere Breite besonders der obern und mittlem Umgänge in die Augen, erstere ist auch weniger conisch-gethürmt, mehr spindelförmig als bei Hunanus;

Verhältnisse der Höhe und Breite der Gehäuse überhaupt , der Höhe der Windungen insbesondere, in Verbindung mit der Zahl der Um- gänge, wodurch es kommt, dass Arten mit ungleich wenigem Umgängen gleichwohl dieselbe oder noch bedeutendere Höhe und Breite erreichen, als dichter gewundene Species. Oder wie Dr. Böttger, nachdem ich mir diese Anschauung gerade bei den hier abgebildeten Arten zur Begel ge- macht, in einem Briefe mir mittheilt: „In der Entwirrung dieses Sub- uHner - Wechsel, opfes hat es rieht kräftiger Aiheit bedurft, und habe ich mich als eines Hilfsmittels zweier Formeln bedient, die ich Ncbenformel / Länge \ /Breite X Umgangszalil\ . , , 0.

VBrelteV und Hauptformel { Länge ) Senannt habe- Sie er"

leichtern die Arbeit bei Formen, die nicht in Abbildungen zugänglich sind, und zeigen sich, wenn sie auf 6 10 ausgewachsene Stücke basirt werden, recht wohl verwendbar."

Zur Conchylieu-Fauna von China. 273

die Umgänge flacher und die Naht weniger eingezogen, gleich- wohl erscheinen die Umgänge unmittelbar unter dieser abge- stufter, dichter und zumal an der Naht marcanter gestreift. Völlig anders sieht die kleine Mündung aus, da die Spindel stark ausgebuchtet zum Unterrand überneigt. Endlich erreicht die in Rede stehende Art nicht die Höhe und Breite der Hu- nanensis, und besitzt einen Umgang (82/3) weniger.

Aus dem nordöstlichen Gebiete der Provinz Kuang-si mit- gebracht von einem chinesischen Sammler des P. K. Fuchs.

7. Stenogyra (Ctyeas) aretispirä Gredler. Taf. 19. Fig. 5.

Testa parva, subperforata, subulata, densissime filari-stria- tula, serieeo-nitens, albida (?); anfractus 10, convexiusculi, sensim aecrescentes, latitudinis altitudine duplo majoris, ultimus ponultimo subaequalis; apertura tetragono-ovata, bumilis; colu- mella paululum arcuata, margo columellaris anguste expansus, haud adnatus.

Alt. 9; lat. 2'/3 mm.

Eine kleine und schlanke, pfriemonförmig gethürmte Art, die zumal durch die dichte Aufwindung ihrer 10 Umgänge und die niedrige Mündung, welche kaum höher als der vorletzte Umgang characterisirt ist. Die feine, nadelrissige und fädliche Streifung, welche sie mit mehrern chinesischen Arten theilt, schwächt ihren Glanz und lässt die Epidermis seidenartig er- scheinen. Die Umgänge nehmen regelmässig, an Höhe unbe- deutend zu und sind massig gewölbt. Die Form der Mündimg ist dieselbe wie von St. Hunanensis : ins Viereck gezogen; jedoch ist die Columella bogiger, ihr Rand schmal und weniger ausgelegt. Von drei vorliegenden Stücken ist nur Eines ziemlich frisch, darum die Färbung nicht mit völliger Sicherheit an- zugeben.

Aus Pa-tung ohne weitere Angaben erhalten (P. Lor. Fuchs).

8. Clausula {Pliaedusa) Semprinii Gh'edler.

Taf. 19. Fig. 6.

Testa dextrorsa, vix rimata, ventricoso - clavata , fusiformis, spira protraeta, solida, dense striata, striis undatis, nitidiuscula,

274 P. Vincenz Gredler:

fusco-rufa aut cerasina, apice albido, sutura glauca; anfractus 15 16, convexi, sensim accrescentes; apertura verticalis, lato pyriformis, violaceo-fusca, lamella supera marginalis, iufera paulum recedens, humilis, plica subcolumellaris ad marginern peristomatis interiorem protracta, spiralis lamellae superae ad- nata, principalis loDga cum 5 parallelis lunaribus inferioribus; peristoma album, continuum et solutum, expansum, aliquantulum labiatum.

Alt. 30—32; lat. 62/3 mm.

Bei der völlig gleichen kirschrothen Farbe erscheint diese Art auf den ersten Anblick mit folgender (pacifica) allzu ver- wandt, weniger bei genauerem Vergleiche, da Semprinii regel- mässig rechtsgewunden, weniger spindel- als keulenförmig und, obgleich um 6 mm höher und um 4 Umgänge reicher, doch nicht so dick ist wie pacifica; die Spitze ausgezogener, die abge- brochene und geschlängelte Streifung etwas markirter, der Mundsaum reiner weiss, aus-, aber nicht zurückgeschlagen und angepresst, die Lamellen subtiler, die Subcolumellare mehr vor- tretend ; die 5 untern Gaumenfalten sind ziemlich kurz, parallel und nahe gelagert, einzelne etwas mondförmig gebogen, zu- sammen eine Mondfalte repräsentirend, und zeigen sich constant in Zahl und Form. Sie erinnert einigermassen, um an ein bekanntes Bild anzuspielen, an riesige Formen der europäi- schen Cl. ventricosa, ist jedoch am gerundeten Nacken ohne Kammspur.

Ich beehre mich, diese ansehnliche und kräftige Art, die mir in einem Dutzend Exemplaren vorliegt, im Einvernehmen mit P. K. Fuchs seinem Chef Monsignor Semprini zuzutaufen, dessen Verdienste um die Kenntniss der Mollusken Chinas be- reits P. Heude gewürdigt.

Fundort: Jen -tscheu, ein Marktflecken bei Shang-in- shien im Distrikte von Hen - tschou - fu , über 100 Li von letzterer Stadt entfernt.

9. Clausula {Phaedwa) pacifica Gredler.

Taf. 19. Fig. 7.

Testa imperforata, ventricosa, fusiformis, solida, obsolete striata, nitidula, rufo-fusca; anfractus 11, parum convexi; aper- tura ampla, late ovalis, subverticalis, lamellis fortioribus, supera

Zur Couchylien- Fauna von China. 275

marginalis, infera immersa, plica subcolumellaris huic approxi- mata nee longius porreeta, spiralis lamellae parietali juneta, priucipalis haud longe distans a margine, cum 5 6 palatalibus loco lunellae; peristoma continuum, vix solutum, omnino re- floxum et collari appreßso simile, labiosum, albidum.

Alt. 26—27; lat. 7 mm, var. 30 mm.

Gleichfalls nach einem Dutzend vorgelegener Stücke be- schrieben. Wir haben diese Art bereits mit voriger, ihrer nächsten Verwandten, als deren normale, d. h. 1 inks gewun- den e Form sie erscheinen könnte, vergleichsweise characteri- sirt. Habituell oder in ihren allgemeinen Umrissen gemahnt sie nicht weniger an Cl. Elisabethae Mölldff und Magnaciana Heude ( von dieser zunächst durch Grösse, weitläufigere Streifung, mehr vortretende Subcolumellare, mehrere Gaumenfalten, zurück- gostülpten Mundsaum etc. unterschieden ), sowie an eine 3. hunanesische Art, die eine nächste Serie bringen wird, an Cl. Bosniensis Zel. oder selbst an gewisse plumpere Formen von dacica Friv. (aus Steiermark) und itala Mart. (forma vi- centina); ist jedoch ungleich grösser und festschaliger, satter in der Färbung als die genannten. Der letzte Umgang verjüngt sich nach der Basis zu nicht in dem Grade wie bei Semprinii und ist darum die Mündung weiter. Der kragenartig zurück- gestülpte Mundsaum bildet wohl ein sicheres characteristicum derselben. Die vorgelegenen Exemplare stimmen unbedeu- tende Schwankungen der Grösse abgerechnet genau zu- sammen. Jedoch erhielten wir ebenfalls von Nan-jo-san ein einzelnes Stück, das schlanker und 30 mm Höhe misst, und 3 vollkommen albme Individuen, die von der Art im Uebrigen nicht abweichen. Fundort: Nan-jo in der Provinz Hunan.

10. Planorbis {Segmentina) sueeineus Gredler.

Testa complanata, late umbilicata, subtus plana, solidula, pellucida, striatula, nitidissima, succinea; sutura partim fla- vescens ; spira medio coneava, plana aut convexiuscula ; an- fractus 4 5 visibiles, densius latiusve contorti, convexi, ulti- mus major, seorsum obtuse carinatus, infra planiusculus et magis striatus, intus lamellis parum aut non ornatus; apertura maxime obliqua, compresso-cordata; peristoma acutum, margo superior arcuatim, inferior medio tantum porrectus.

276 P- Vincenz Gredler:

Diam. 8; alt. 1 '/a mm-

Gehäuse uhrglasförmig gewölbt, im Mittelpunkt seicht aus- gehöhlt oder beinahe eben, unterhalb flacher, ziemlich weit genabelt, mit stumpfem Kielrande, nicht gerade dünnschalig, durchscheinend, fein gestreift, stark glänzend, bernsteinfarbig. Umgänge 4 5 sichtbar, je nachdem sie dichter oder weit- läufiger aufgewunden und im letztern Falle den Durchmesser des letzten Umganges an Breite übertreffend; die Concameration wenig ausgeprägt oder im letzten Umgange fehlend, kaum durch- scheinend. Mündung sehr schief, durch den vorletzten Um- gang schief herzförmig ausgeschnitten. Mundsaum einfach und scharf, tief innen am weit vorgezogenen Oberrande (wo- durch die peripherische Kielstelle wie ausgeschnitten erscheint) etwas wulstartig belegt und daselbst innerlich bläulich, äusser- lich heller gelb; der Unterrand nur in der Mitte etwas vor- tretend.

Gleich unserer Segmentina nitida in Aufwindung der Um- gänge oder Tiefiegung des Wirbels veränderlich und auch nahe an S. nitida var. distinguenda Gredler (vergl. Tirols Land- und Süsswasser-Conchylien II. Th. S. 2 und 3), die später Westerlund abermals als S. Clessini beschrieb, herantretend ist jedoch die chinesische Art durch bedeutendere Dimensionen, namentlich durch ungleich weitern Nabel, stumpfern Kielrand, den Mangel der Wachsthumsansätze und nicht selten auch der Lamellen wohl unterschieden. Sofern aber letztere, wenn vor- handen, viel schwächer ausgeprägt sind als bei der europäischen nitida, bildet S. succinea ein Bindeglied zwischen dieser und S. complanata Drap. Naht und Nabel sind meist mit Eier- chen (?) besetzt.

Ich konnte bisher 12 übereinstimmende, durch P. K. Fuchs eingesendete Individuen vergleichen, die aus Shang-in-shien, südlich von Hen-tschou-fu, stammen.

11. Bytlänia misella Gredler.

Taf. 19. Fig. 8.

Testa minuta, subperforata, ovato-conica, tenuis, transverse densius et Iovissime striatula, nitida, pallide flavescens aut ferruginea; anfractus 6 regulariter crescentos, convexi, BUtura modiocri sejuncti, ultimus non nimis ampliatus ; apertura ovalis,

Zur Conchylicn- Fauna von China. 277

quasi verticalis, supra band rotundata sed marginibus distanti- bus callo forti junctis; peristoma simplex, vix ad perforationem brevisso expansum, fusculum. Operculum centro impresso, parum concavum aut gyratum.

Alt. 6-6%; lat. 3% mm.

Es dürfte mit der Schablone einer Beschreibung dieser durch kein besonderes Merkmal ausgezeichneten Art kaum eine bestimmte Vorstellung zu erzielen sein, eher aber durch Vergleich mit bekannten und zugleich naheverwandten Arten. Diese chinesische Novität tritt an B. Boissieri Charp. und noch näher an gewisse kleine Formen der B. Troscheli Paasch heran, wie uns z. B. aus kleinen Wiesengräben nächst Riesenthal un- weit Berlin vorliegen; jedoch entbehrt unsere Art der Spiral- streifen der beiden europäischen, ist auch etwas feiner als erstere und ungleich dichter als letztere vertical gestreift; ihre letzten Umgänge sind weder so sehr erweitert, noch so rund, wodurch auch ihr Habitus weniger conisch sich gestaltet, ihre Naht nicht so tief eingezogen und die Wölbung der Um- gänge nicht so sehr convex; das Gehäuse dünner, blässer; die Mündung weniger gerundet (oben stumpfspitzig), perpendiculärer, als bei den verglichenen Arten. Wie die spärlichen Jahres- anwüchse ist auch der Mundsaum bräunlich, wodurch sie an glatte Formen der B. striatula Bens, erinnert.

Es wurden mir durch K. Fuchs 10 Stücke aus Shang- in-shien mitgetheilt.

12. Melania twnida Gredler.

Taf. 19. Fig. 9.

Testa turrito-fusiformis, solida, costis fortissimis tranversis, nodiformibus, versus suturam inferiorem partim evanescentibus ornata, lutea, nigro - induta , nitidula, dense sed irregulariter striata, nonnunquam paucis striis spiralibus fortioribus intextis; anfractus 6 (supremis deperditis et corrosis), rite aecrescentes, parum convexi, sutura profunda sejuneti, ultimus % superans, multo magis striatus, ad basin circumcostatus , costis perpen- dicularibus obtusis, sed spiralibus tribus inferioribus robustis, quarta minus elevata; apertura subverticalis, elongato - ovata, violaceo - cinerea , costis albide pellucidis; peristoma rectum, acutum; margine dextro subexcavato, basali expansiusculo,

278 P. Vincenz Gredler:

parum incrassato, angulo levi sejuncto a columellari leviter excavato.

Alt. 30—32; lat. 10 mm.

Unwillkürlich auf den ersten Eindruck an eine riesige Melanopsis costata (vom See Genesareth) erinnernd, reiht sich diese Melania in Wirklichkeit der Untergattung Sermyla IL und A. Adams ein und ihrer Landsmännin M. cancellata Bens. an. Die Sculptur dieser plumpen Art wenigstens hat in der Haupt- sache dieselbe Anlage wie jene von M. cancellata; allein trotz der früher erwähnten Veränderlichkeit dieser letztern wird sich Niemand beifallen lassen, beide zu identificiren. Die Quer- rippen sind zwar in gleicher Anzahl (meist 10 auf jedem Um- gange) vorhanden, allein wie der Durchmesser des Gehäuses doppelt so breit, unregelmässiger, stumpfer und an der obern Naht (wenigstens der letzteren Windungen) erhabener als nach unten. Auf dem letzten Umgange sind sie nur zu kurzen Naht- beulen verflacht; dafür laufen hier die 4 Längsrippen in weiten Distanzen in der Regel bis zu 3/-< des yie^ höheren letzten Um- ganges hinauf. Die Zahl der Umgänge scheint bei M. tumida eine geringere zu sein: unsere Exemplare, deren feine Spitzo durchaus abgestossen, zählen nur 6 vorhandene, wenig gewölbte Umgänge; trotzdem beträgt die Höhe 32 mm. Die Gesammt- gestalt ist nicht gethürmt wie bei cancellata, sondern spindel- förmig; die Mündung nur ähnlich, da die Spindel weniger gerundet und weniger bogig, zurück-, der Basalrand weniger gerundet oder lappig vorgezogen, und auch der Aussenrand geradliniger (weniger ausgerandet) , als dies bei M. cancellata der Fall. Die Färbung der Mündung stahlblau und nur die Längsrippen weisslicher durchscheinend, die des Gehäuses eben- falls dunkler, und auf den abgeriebenen Querrippen bräun- lich hornfarben, sonst beinahe schwarzbraun.

Zur Beschreibung hatten mir 8 durchaus frische, erwachsene und übereinstimmende Exemplare von Hen-kiou-fu (K. Fuchs) vorgelegen.

13. Melania praenotata Gredler.

Taf. 19. Fig. 10.

Tosta turrita, gracilis, solidula, transversim dense et in-

aequaliter striata, olivaceo - fusca, nigredine (muscinis?) coporta,

nitidula; spira decollata, apice eroso, sutura impressa; anfract.

Zur Conchylien-Fauna von China. 279

9 (?) quorum 3—4 in speciminibus adultis deficiunt, versus suturam inferiorem convexiusculi, supra plane appressi, non- nunquam fasciis duabus fuscis costulisque interruptis et indistin- ctis spiralibus obsolete notati; ultimus parum ampliatus; aper- tura parvula, pyriformis, supra corupressa, intus albido-cinerea; peristoma acutum, margine basali vix retracto, rotundato, dextro infra producto, sup'ra leviter exsecto, columellari bre- viter reflexo, curvato, callo griseo cum margine dextro plus minusve juncto.

Alt. 22—26; Lat. 8 mm] alt. apert. 8—9 mm. Eine schwer festzustellende Form, die auch Hrn. Dr. Brot, dem ich sie zur Begutachtung mittheilte, unbekannt. Er äussert sich in einem Schreiben vom 5. September folgenderweise: „Diese Exemplare nähern sich am meisten der M. Hongkongi- ensis Desh. var. lissa. Allein diese letztere Art hat kein so hohes Gewinde, die Mündung höher und die Basis weniger breit. M. Sinensis Rv. hat dieselbe Form der Mündung, scheint aber weniger schmal gethürmt und mehr bauchig; über- dies sind Ihre Exemplare stärker und regelmässiger gestreift in der Richtung der Naht (längsgestreift??). Die Verwandt- schaft ist jedoch sehr nahe. Ihre Art wäre folglich charakte- risirt durch die verlängerte (schlanke) Gestalt und den Mangel regelmässiger Streifen: sie zeigt nicht hohe unregelmässige Linien, weniger erhaben sowohl an der Basis als an dem übrigen Gehäuse." (Mir nicht völlig verständlich.)

Nach eigenem Vergleiche mit einem Exemplar von M. Sinensis, welches ich der Güte meines Freundes Paetel ver- danke, steht mir fest, dass sie mit Sinensis nicht zu identifi- ciren ist. Der letzte Umgang weicht an Breite beinahe um die Hälfte ab (8 Mm. gegen 14); unserer Art fehlen die fast rippen- artigen vielen Spiralstreifen auf dem letzten Umgange und der wenngleich nur angedeutete Kiel über die Mitte desselben, wie sie Sinensis hat, beinahe gänzlich; die Färbung ist lichter, die Mündung an der Basis gerundeter und die Ränder durch eine Schwiele auf der Mündungswand verbunden. Die einzelnen Umgänge bei Sinensis oberhalb concav, unterhalb convex zeigen diese Verhältnisse an unserer Art nur unmerklich. Alte Individuen tragen einen kaum zu entfernenden Conferven-Beschlag und zeigen nach dessen Entfernung auf jeder Windung 2 dunk- lere, wenig ausgesprochene Längsbänder auf olivengrünem Grunde,

280 P- Vincenz Gredlcr: Zur Conchylien-Fauna von China.

Ob sich nun auf Grund weiterer Studien diese Melania ak Art, wie ich glaube, oder nur als blosse Varietät herausstelle, so möge ihr der (einstweilen provisorisch gegebene Samrnlungs-) Name praonotata definitiv verbleiben.

In einer erklecklichen Anzahl erwachsener und vieler junger Individuen aus Shang-in-shien durch P. K. Fuchs er- halten. —

Ueber die von den Herren Dr. Arthur und Aurel

Krause im nördlichen Stillen Ocean und Behrings-

meer gesammelten freilebenden Copepoden.

Von

S. A. Poppe

in Vegesack.

Tafel 20—24.

Auf Veranlassung der Geographischen Gesellschaft in Bre- men unternahmen die Herren Dr. Arthur und Aurel Krause im Sommer des Jahres 1881 eine Reise von San Francisko nach dem Behringsmeer und der Tschuktschen - Halbinsel , um natur- wissenschaftliche und ethnographische Gegenstände zu sammeln. Die von denselben mittels eines Schwebnetzes im nördlichen Stillen Ocean sowie im Behringsmeer gesammelten und in Spi- ritus conservirten freilebenden Copepoden wurden mir von Herrn Dr. W. Spengel, Director der städtischen Sammlungen für Natur- geschichte in Bremen, zur Bearbeitung übergeben, welche Auf- gabe ich nachstehend zu lösen versucht habe. Dieselbe war keine ganz leichte, einmal, weil einige der Copepoden beim Fange oder durch den Wellenschlag so beschädigt waren, dass ich nur durch Zerlegen einer grösseren Anzahl von Exemplaren ein richtiges Bild von ihrer Gestaltung gewinnen konnte und andere derartig mit Algen etc. incrustirt waren, dass die ein- zelnen Theile sich nur mit Mühe erkennen Hessen, dann aber besonders, weil die Beschreibungen und Abbildungen der ver- wandten Arten, die zum Vergleich herangezogen werden mussten. mich oft im Stich Hessen.

Die gesammelten Copepoden gehören sämmtlich schon be- kannten Gattungen an, stammen aber aus einem Gebiet, das

Arch. f. Naturgesch. L. Jahrg. 1. Bd. 19

282 S. A. Poppe: Ueber die von den Herren Dr. Arthur und

so viel ich weiss, bisher noch nicht nach Copepoden durchforscht worden ist. Sie sind alle pelagisch und ^gehören zu den Fami- lien der Calaniden (Gattung Calanus, Leach = Cetochilus R. de Vauzenie) der Peltidien (Gattung Zaus, Goodsir und Scutel- lklium, Claus) und Harpacticiden (Gattung Harpacticus, Milue Edwards). Die Calanus-Art ist bereits von Kröyer beschrieben worden , dagegen habe ich die Arten der Gattungen Zaus und Scutellidium mit keiner der bekannten Arten vereinigen können und dieselben daher zu Ehren der Sammler nach diesen be- nannt. Die Harpacticus - Art zeigte mit der von Giesbrecht in der Kieler Föhrde gefundenen und als chelifer 0. F. Müller bezeichneten Art grosse Uebereinstimmung , wich jedoch in einigen Punkten ab, was mich veranlasst hat, sie als eine Varietät derselben zu bezeichnen.

Den Herren R. Friedländer & Sohn in Berlin, die die grosse Freundlickheit hatten, mir die werthvolle und seltene Voyage en Scaudinavie zur Ansicht zukommen zu lassen, sage ich auch an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank.

Beschreibung der Arten.

Familie Calanidae.

Calanus cristatus, Kr.

(Taf. XX Fig. 1—6.)

Calanus cristatus Kröyer, Karcinologiske Bidrag. I Slaegten

Calanus, Leach. Naturhistorisk Tidskrift. Ny Raekke

2det Binds 5te Haefte. Kopenhagen. 1848. pag. 546.

Abbildungen dazu in Voyage en Scandinavie Laponie etc.

PI. 41 Fig. 6a— 6i.

Das Weibchen (Taf. XX Fig. 1) erreicht ohne die Furcal-

borsten eine Länge von 9 mm. Der Körper ist langgestreckt

und in der Mitte des Cephalothorax am breitesten: 2,5 mm.

Die Stirn trägt einen Kamm und setzt sich nach der Bauch-

soito hin in ein mit zwei langen, schmalen Zacken versehenes

Rostrum fort. Der Kopf ist vom Thorax durch eine Quercon-

tour geschieden, in deren Mitte sich eine knopfartigo Verdickung

beündet, und ist so lang wie die 3 folgenden Thoracalsegmonto

zusammengenommen. Diese nehmen allmälich an Länge und

Breito ab und das Vte derselben ist am unteren Rando stark

Aurel Krause im nordl. Stillen Ocean u. Behringsmeer etc. 283

concav und an den Seiten abgerundet. Das Abdomen (Taf. XX Fig. 3) besteht aus 4 Segmenten und der Furca und ist, ohne die Endborsten, etwa so lang wie die 3 letzten Thoracalsegmente zusammengenommen. Sein erstes Segment ist oberhalb der Mitte eingeschnürt und etwas kürzer als das zweite; das dritte misst zwei Drittel des zweiten, das vierte ist etwas kürzer als das dritte, die Furcalglieder sind so lang wie das vierte.*) Von den 4 gefiederten Endborsten der Furca ist die zweitinnere die längste, etwas länger als das Abdomen. Die äussere Seitenborste ist etwa halb so lang und an der Mitte der Aussenkante inserirt. Die innere Seitenborste ist so lang wie die Furca, gekrümmt und gefiedert und unmittelbar über der ersten Endborste inserirt. Der Innenrand der Furcal- glieder ist mit feinen Haaren besetzt.

Die vorderen Antennen (Taf. XX Fig. 2) sind 25 - glie- derig, doch ist Glied VIII von IX nur unvollkommen getrennt. Sie reichen noch über die Furcalglieder hinaus. Ihre Segmente sind im ersten Drittel kurz und verhältnissmässig breit und werden dann allmälich länger und schmäler. Ihre relative Länge zeigt folgendes Schema: I 1 II 1 III ] IV 1 V [ VI 1 VII | VIII | IX [X | XI l XII | XIII | XIV| XV 22 | 31 | 15 | 15 | 17 | 17 | 17 | 25 | 21 | 23 | 25 j 28 | 29 | 31

xvi l xvii | xvni ] xix l xx | xxi | xxii | xxm | xxiv | xxv

30 | 31 | 31 | 34 | 30 | 26 | 23 | 19 | 15 23~

Der Aussenrand ist mit Borsten und blassen Anhängen ver- sehen, die bei den mir vorliegenden Exemplaren leider sehr schlecht erhalten sind, so dass ich über Zahl und Stellung der- selben an den einzelnen Gliedern keine genaueren Angaben machen kann. Am XVIII. und XXI. Gliede habe ich längere Borsten am Ende bemerkt; das XXII. Glied trägt am unteren Ende des Aussenrandes 2 kurze Borsten, am Innenrande eine. Das XXIII. Glied ist am unteren Ende des Innenrandes mit einer sehr starken befiederten Borste versehen, die etwa so laug ist wie die 5 vorhergehenden Segmente zusammengenommen.

*) Kröyer drückt das Verhältniss durch die Zahlen 3 + 6-f4 + 3-|-3 aus, was hinsichtlich des I. Abdominalsegments mit meiner Angabe nicht übereinzustimmen scheint. Aus seiner Abbildung (I. c. PI. 41 Fig. 6 k.) geht jedoch deutlich hervor, dass er das erste Segment von der Ein- schnürung an gemessen bat.

19*

284 S. A. Poppe: Ueber die von den Herren Dr. Arthur und

Auch das folgende XXIV. Glied trägt in der Mitte des Innen- randes eine solche befiederte Borste; das XXV. endlich im letzten Drittel des Aussenrandes eine kurze und am Ende 5 längere, wie es scheint unbefiederte Borsten.

Die hinteren Antennen haben am ersten sehr kurzen Basale eine kräftig befiederte Borste, am zweiten auf einem Vorsprunge 2 längere Fiederborsten. Das erste Glied des Hauptastes ist verlängert, etwa doppelt so lang als das End- glied, und gegen sein Ende hin mit einer Borste, ihr gegenüber mit feinen Haaren besetzt. Das Endglied trägt an seiner Spitze 7 Borsten von verschiedener Länge, von denen nur eine in ihrem ersten Viertel an einer Seite mit Fiedern besetzt ist. Der Vorsprung unterhalb der Spitze ist mit 8 Borsten verschie- dener Länge besetzt, an denen ich keine Befiederung bemerkt habe. Der Nebenast ist kürzer als der Hauptast und besteht aus 7 Gliedern, von denen die beiden ersten und das letzte die längsten sind, während die 4 mittleren sehr kurz sind. Die 6 ersten Glieder tragen 7, das Endglied trägt 4 befiederte Borsten.

Der Kautheil derMandibeln hat einen 3 - spitzigen Zahn- fortsatz, der durch eine Lücke von den übrigen kräftig ent- wickelten Zähnen getrennt ist. Die Zahnreihe wird durch einen befiederten Borstenanhang abgeschlossen. Der Mandi- bularpalpus trägt an seinem Basale an der dem Kautheil zu- gewandten Seite in der Mitte eine befiederte Borste und weiter nach dem Ende hin 3 längere befiederte Borsten. Sein 2 -glie- deriger Hauptast ist am unteren Gliede erweitert und trägt daselbst 4 befiederte Borsten, während sein Endglied mit 9 Borsten versehen ist. Der Nebenast ist von gleicher Länge, 5 -gliederig, und trägt an der Kante 4 schwach befiederte, am Ende 2 mit kurzen kräftigen Fiedern versehene Borsten.

Die Maxillen sind vollständig entwickelt; an ihrem Basal - gliede ist die Lade mit kräftigen Zähnen und einigen kleinen Borsten besetzt. Neben dieser steht am Innenrande ein mit 4 zum Theil befiederten Borsten besetzter Anhang, an der Aussenseite ein halbkreisförmiger Lappen, der 7 grosse und 2 kloine dicht befiederte Borsten trägt. Der Taster trägt an seiner Basis an der Vorderseite einen mit 4 Fiederborsten be- setzten cylindrischen Anhang, am Aussenrande einen mit 10 langen Fiederborsten, von denen die mittleren die längsten

Aurel Krause im nördl. Stillen Ocean u. Behringsmeer etc. 285

sind, besetzten Nebenast (Fächer), an dessen Basis eine kleine Fiederborste inserirt ist. Der Hauptast überragt etwas den Nebenast und zerfällt durch 3 Einschnürungen in 4 Abschnitte, die am Innenrande beborstet sind. Der erste, längste trägt 4 befiederte Borsten, der zweite 3 befiederte und eine unbefie- derte, der dritte 2 befiederte und 2 unbefiederte, der kleine deutlich abgeschiedene Endabschnitt 7 nach dem Aussenrande hin an Länge zunehmende grösstentheils befiederte Borsten; die letzte derselben ist an der Aussenseite allein kräftig befiedert.

Der obere Kieferfuss ist undeutlich in 3 Segmente ge- theilt. An seinem unteren Rande sind 5 warzenartige Vor- sprünge zu erkennen, die ebenso wie das Endsegment mit langen Fiederborsten, im Ganzen 24, besetzt sind.

Der untere Kieferfuss, mehr als doppelt so lang wie der obere, besteht aus 3 Abschnitten, von denen die beiden ersten eingliederig sind, während der Endabschnitt aus 5 Seg- menten zusammengesetzt ist. Der erste Abschnitt hat an der Innenseite 3 Hervorragungen, von denen die unterste mit 2 sehr langen Fiederborsten, die mittlere mit 2 eben solchen und einer kurzen, die dritte mit 4 kleinen Fiederborsten besetzt ist. Der zweite Abschnitt trägt am Innenrande in der Mitte 3 längere Fiederborsten. Am ersten Gliede des Endabschnittes befindet sich am Innenrande im ersten Drittel eine Einschnürung, durch welche zwei Vorsprünge entstehen, deren erster mit 2 befiederten Borsten besetzt ist; der zweite trägt 3 einseitig bis zur Hälfte ihrer Länge befiederte Borsten. Das zweite Glied hat an sei- nem Ende 2 solcher und eine beiderseits befiederte, das dritte und vierte je 2 beiderseits befiederte, das fünfte 3 beiderseits befiederte Borsten. Am Aussenrande des vierten und fünften Gliedes sind ausserdem noch 2 kleine Fiederborsten inserirt.

Die 4 ersten Schwimm füsse haben 3 -gliederige Aeste, beim fünften (Taf. XX Fig. 6) sind dieselben zweigliederig. Das erste Paar (Taf. XX Fig. 5) ist am schwächsten entwickelt und trägt am Aussenrande des Aussenastes schwache, spitz aus- gezogene Dornen, während dieselben an den anderen Füssen (Taf. XX Fig. 4) kräftig entwickelt und etwas gekrümmt sind und jederseits von einem Zahne begleitet werden. Bei den 4 ersten Füssen reicht der Innenast etwas über das zweite Glied des Aussenastes hinaus. Beim ersten Fusse ist der Aussenast schwach entwickelt, bei den folgenden ist er fast

286 Si A. Poppe: Ueber die von den Herren Dr. Arthur und

doppelt so breit wie der Innenast und trügt an seiner Spitze eine an der Aussenkante mit einer blassen Schneide versehene, etwas gekrümmte Borste, die nur beim ersten Fusse an der Innenkante mit Borsten versehen ist. Sein letztes Glied ist so lang wie die beiden vorhergehenden zusammengenommen und bei den 4 ersten Füssen an der Aussenkante mit 2, beim fünften Fusse mit 3 Dornen versehen. Das erste Basale der 4 ersten Füsse trägt am Innenrande eine Fiederborste, beim fünften Fusse fehlt dieselbe. Das zweite Basale ist nur am ersten Fusse am Innenrande mit einer Fiederborste besehen. Die Fiederborsten sind auf folgende Weise vertheilt:

Ai

issenast

Innenast.

I.

Segm.

II.

Segm.

III

. Segm.

I.

Segm.

n.

Segm.

III

. Segm.

I. Paar

1

1

4

1

2

6

II. Paar

1

1

5

1

2

8

III. Paar

1

1

5

1

2

8

IV. Paar

1

1

5

l

2

7

V. Paar

0

5

1

7

Es ist kein Eiersack vorhanden.

Fundort: Behringsmeer nördlich vom Akutan- Pass in 20 Faden Tiefe am 29. Juli und in 70 Faden Ticfo am 30. Juli.

Bemerkungen. Es waren nur Weibchen vorhanden, bei denen die Borsten sowie die Anhänge der Antennen sehr be- schädigt waren, so dass ich nur durch Zerlegen einer grossen Anzahl von Exemplaren über die Beborstung klar werden konnte. Vielleicht sind daher die Anhänge der vorderen An- tenne nicht richtig dargestellt. Hinsichtlich der Gattungs- bezeichnung schliesse ich mich der Ansicht Boeck's an, nacli der Gunner's Monoculus Finmarchicus , für den Leach die Gat- tung Calanus aufstellte, mit Roussel de Vauzöme's Cetochilus zusammenfällt.

Familie Peltididae.

Zaus Aurelii nov. sp.

(Taf. XX Fig. 7 9, Taf. XXI Fig. 5—15.)

Die Kürperform ist länglich-oval; das Weibchen (Taf. XX Fig. 7) ist verliältnissmässig breiter als das Männchen (Taf. XX Fig. 8). Der Cephalothorax ist bei beiden Geschlechtern an den Seiten mit haarförmigen Cuticularanhängen besetzt. Der

Äurel Krause im nördl. Stillen Ocean n. Behringsmeer etc. 287

Panzer hat keine Porenkanäle. Das Rostrum ist breit, vom abgestumpft und mit 2 kleinen Borsten besetzt.

Die Länge des Weibchens (Taf. XX Fig. 7) beträgt, ohne die Furcalborsten, 0,9 mm, seine grösste Breite am unteren Rande des Kopfbruststücks 0,53 mm. Sein erstes Cephalo- thoraxsegment ist eben so lang wie die vier folgenden zu- sammengenommen. Das Abdomen hat die Länge des ersten Cephalothoraxsegments. Die innere Furcalborste ist 0,41 mm, die äussere 0,28 mm lang.

Die vordere Antenne des Weibchens (Taf. XX Fig. 9) ist 0,26 mm lang und besteht aus neun beborsteten Gliedern, deren Längenverhältniss sich durch die Zahlen 8, 13, 14, 9, 4, 4, 2, 2, 2 ausdrücken lässt. Das vierte Glied trägt einen blassen Anhang an seiner Spitze uud auch das neunte ist mit einem solchen versehen.

Die hintere Antenne (Taf. XXI Fig. 6) ist zweigliederig, das Endglied ist mit drei für die Gattung Zaus charakteristi- schen bürstenartigen und vier knieförmig gebogenen Borsten besetzt. Der Nebenast ist zweigliederig und trägt am ersten Gliede zwei, am Endgliede drei befiederte Borsten, von denen eine mit einer längeren Fieder versehen ist, und eine kleinere nackte. An der entgegengesetzten Seite ist das Endglied mit einer befiederten Borste versehen.

Die Mandibeln (Taf. XXI Fig. 8) sind lang gestreckt und am Kautheil mit kleinen Zähnchen und einer befiederten Borste versehen ; der Palpus trägt drei kleine Borsten und zwei nach hinten gerichtete Aeste, die mit einer Reihe von Borsten versehen sind.

Die Maxillen (Taf. XXI Fig. 7) bestehen aus einem mit vielen Zähnen versehenen Kautheil, der zwei Borsten trägt, und einem viertheiligen Taster. Die drei dem Kautheil zu- nächst liegenden Abschnitte sind nach vorn, der vierte dagegen ist nach hinten gerichtet. Der erste Abschnitt trägt zwei längere und einige kürzere, der zweite vier längere und eine kurze Borste; der dritte drei, der vierte vier Borsten; die beidon letzten Abschnitte sind am Rande mit Fiederborsten versehen.

Die oberen Kieferfüsse (Taf. XXI Fig. 9) zerfallen in vier Abschnitte. Der Endabschnitt besteht in einer Kralle, die na ihrer Basis mehrere Borsten trägt; die drei anderen Ab-

288 S. A. Poppe: Ueber die von den Herren Dr. Arthur und

schnitte sind mit je drei zum Theil befiederten und gekrümm- ten Borsten besetzt.

Die unteren Kieferfüsse (Taf. XXI Fig. 10) tragen auf langem Stiele eine mit kurzem Haken versehene Klaue.

Die Füsse des ersten Paares (Taf. XXI Fig. 13) sind Greiffüsse, bestehen aus zwei mit einander verwachsenen Basal- gliedern, die an der Aussenseite mit feinen Haaren und einer befiederten Borste versehen sind, und zwei Aesten, einem kür- zeren inneren und einem äusseren fast doppelt so langen. Beide Aeste sind dreigliederig. Das erste Glied des kürzeren Innen- astes ist etwa so lang wie die Basalglieder zusammengenommen, trägt an seiner Basis sowie etwas unterhalb des Endes am Innenrande je eine befiederte Borste und ist an beiden Seiten mit Borsten besetzt. Das zweite krallenartig nach aussen ge- bogene Glied ist sehr kurz und mit einigen Dornen besetzt, das dritte etwas grössere Endglied trägt einen bedornten und einen nackten Haken sowie am Aussenrande an der Basis einen mit Dornen versehenen zapfenartigen Vorsprung. Das erste Glied des Aussenastes ragt etwas über das des Iunenastes hin- aus und ist am Aussenrande mit Borsten und etwas unterhalb seines Endes mit einer Fiederborste besetzt. Sein zweites etwas kürzeres Glied trägt am Aussenrande, etwa im zweiten Drittel, eine Borste und am Innenrande am Ende eine eben- solche befiederte. Das kurze krallenartige Endglied trägt vier von innen nach aussen an Grösse abnehmende bedornte Haken und eine feine unbefiederte Borste.

Die Schwimm füsse des zweiten (Taf. XXI Fig. 12) dritten und vierten Paares bestehen aus je zwei Basalgliedern, einem kurzen ersten, das am Aussenrande mit kurzen Dornen besetzt ist, und einem langgestreckten zweiten, das am Aussenrande oine befiederte Borste sowie einige Dornen trägt, und aus zwei dreigliederigen Aesten. Der Aussenast überragt beim zweiten Paar an Länge etwas den Innenast, beim dritten Paar schon mehr und am meisten beim vierten. Sein erstes Glied ist bei allen drei Paaren aussen mit Dornen und einer unbefiederten, innen mit einer befiederten Borste besetzt. Sein zweites Glied trägt aussen Dornen und die charakteristische bürstenartige, innen eine befiederte Borste. Sein Endglied ist bei allen drei Paaren aussen mit Dornen und drei bürstenartigen Borsten, am Ende mit zwei nach aussen weit, nach innen eng befiederten

Aurel Krause im nordl. Stillen Ocean u. Behringsmeer etc. 289

langen Borsten, am Innenrande beim zweiten Paar mit zwei, beim dritten und vierten mit drei langen Fiederborsten ver- seben. Der Innenast trägt bei allen Paaren am ersten Gliede einen Dornenbesatz, aussen eine lange Fiederborste, am zweiten Gliede beim zweiten Paar aussen Dornen, innen zwei lange Fiederborsten, beim dritten und vierten Paar aussen Dornen, innen nur eine lange Fiederborste. Das Endglied ist beim zweiten Paar aussen mit Dornen, innen mit zwei langen Fieder- borsten, am Ende mit zwei langen innen eng, aussen weit be- fiederten Borsten und einem langen nackten Dorn versehen; beim dritten und vierten Paar stehen dagegen anstatt der zwei langen Fiederborsten drei solche am Innenrande.

Das fünfte Fusspaar (Taf. XXI Fig. 15) des Weibchens ist zweigliederig und besteht aus einem breiten und kurzen Basalgliede, das aussen eine befiederte Borste, innen vier Bor- sten trägt. Von letzteren sind die beiden innersten sehr kurz und unbefiedert, die dritte ist viermal so lang und befiedert, die vierte um ein Viertel kürzer als diese und ebenfalls be- fiedert. Zwischen der zweiten und dritten Borste ist das Glied mit feinen Haaren besetzt. Das Endglied ist lang gestreckt, rechteckig, seine Breite verhält sich zur Länge etwa wie 1 : 3. Es ist an den Seiten behaart und trägt fünf Borsten, von denen die drei ersten (vom Innenrande an gerechnet) befiedert sind; die dritte ist die kürzeste, die vierte ist etwas länger, dann folgt die erste, die zweite und schliesslich die fünfte. Zwischen der ersten und zweiten ist noch ein kleiner Dorn inserirt.

Die beiden ersten Segmente des Abdomens des Weib- chens (Taf. XXI Fig. 5) sind verschmolzen (doch ist die Ver- bindungslinie als Chitinleiste sichtbar) nach aussen stark con- vex und am Rande mit feinen Borsten besetzt. Das dritte und vierte Segment hat fast gerade Seitenkanten, das fünfte dagegen mit den Furcalgliedern ist in einem stumpfen Winkel nach aussen gerichtet. Beim Abdomen des Männchens sind die bei= den ersten Segmente nicht verschmolzen und nur wenig convex nach aussen.

Die Länge des Männchens (Taf. XX Fig. 8) beträgt ohne die Furcalborten 0,7 mm, seine grösste Breite am unteren Ende des Thorax 0,36 mm. Das Abdomen ist kürzer als das erste Cephalothoraxsegment; die inneren und äusseren Schwanzborsten sind von derselben Länge wie beim Weibchen.

290 S. A. Poppe: Ueber die von den Herren Dr. Arthur und

Die vorderen Antennen des Männchens (Taf. XXI Fig. 11) sind zu Greiforganen umgewandelt und bestellen aus sechs, be- sonders an der Aussenseite mit nackten Borsten versehenen Gliedern. Das fünfte Glied ist stark aufgetrieben und trägt einen blassen Anhang, ebenso das letzte aus mehreren Gliedern zu einem Haken verschmolzene.

Das fünfte Fusspaar des Männchens (Taf. XXI Fig. 14) besteht aus einer sehr schmalen Basalplatte am Aussenrande, die mit einer Borste und kleinen Haaren versehen ist, und einem Endgliede, das dem des Weibchens ähnlich, jedoch gedrungener ist. Dasselbe trägt in seiner ersten Hälfte nach dem Aussen- rande hin zwei einander parallele Reihen kleiner Dornen, und ist am Aussen- und Innenrande bewimpert und mit fünf grösseren Borsten versehen. Die erste derselben (vom Innenrande an ge- rechnet) ist nackt, die drei folgenden sind befiedert, die fünfte ist wieder nackt. Die erste, dritte und vierte sind von gleicher Länge, die zweite ist um die Hälfte und die fünfte noch länger.

Das Weibchen trägt einen Eiersack, der weit über das Ende der Furca hinausragt.

Fundort: Im Stillen Ocean auf 55° 56' N. Br. und 154° 7' W. L. an der Meeresoberfläche auf Tangen (Laminaria und Macrocystis) am 6. Juli 1881.

Bemerkungen. Von der Gattung Zaus sind bisher zwei Arten, Z. spinatus Goods. und Z. ovalis Goods., beschrieben worden, die beide bei Helgoland und an der englischen Küste vorkommen, und von Buchholz auch an der Küste von Ost- Grönland gesammelt worden sind. Während der Challenger- Expedition ist eine Zaus -Art in Balfour-Bay (Kerguelen) ge- fangen worden, die von Brady (Report on the Copepoda obtained by H. M. S. Challenger pag. 102 PI. XL Fig. 12—16, PI. XLI Fig. 13 17) mit Zaus spinatus identificirt wird, obschon sie nach den daselbst gegebenen Abbildungen in der Körpergestalt, der Bildung der hinteren Antennen, des ersten und fünften Fasspaars des Weibchens von dem Z. spinatus, wie Brady ihn in seiner Monographie (Monograph of the free and semi-parasitic Copepoda of the British Islands Vol. II pag. 154 PI. LXVI Fig. 1—9) beschrieben und abgebildet hat, verschieden zu sein scheint. Es ist mir leider nicht gelungen, mir die beiden Species zu genauerer Untersuchung zu verschaffen , so dass ich beim Vergleich der vorliegenden mit den beiden erwähnten

Aurel Krause im nördl. Stillen Occan u. Behringsmeer etc. 291

Arten mir auf die Beschreibungen und Abbildungen von Claus und Brady angewiesen war. Der Grösse nach steht die vor- liegende Art in der Mitte zwischen spinatus (5/8 mm) und ovalis (l'/2 13/4 mm) und ähnelt in der Körperform am meisten dem ersteren, wie ihn Claus (Freil. Copepoden Taf. XXII Fig. 25) abbildet, dessen Zeichnung mit der Brady's (Monograph PI. 66 Fig. 1) hinsichtlich des Abdomens sehr wenig übereinstimmt. Sie unterscheidet sich von Zaus spinatus Claus durch den Neben- ast der hinteren Antennen, der hier 4 Seitenborsten hat, den Stiel der unteren Kieferfüsse, der hier sehr lang ist, und die Gestalt des ersten und fünften Fusspaars. Mit Zaus spinatus Brady (Monograph) stimmt sie in der Gestalt des ersten Fusspaars, das von dem der Challenger-Copepoden wieder sehr verschieden ist, ziemlich überein. Der Nebenast der hinteren Antennen (Monograph, PI. 66 Fig. 3) trägt vier Borsten, bei dem Exem- plar der Challenger-Expedition (PI. XLI Fig. 14) sechs Borsten in Uebereinstimmung mit Z. Aurelii. Der untere Kieserfuss mit zwei (Monograph PI. 66 Fig. 6) respective drei Krallen (Cop. Chall. PI. XLI Fig. 16) stimmt ebenfalls nicht mit dem der vorliegenden Art überein, eben so wenig der fünfte Fuss des Weibchens weder in Gestalt noch Beborstung. Auch hier ist wieder die Abbildung der Monographie (PI. 66 Fig. 9) von der der Challenger-Expedition (PI. XLI Fig. 15) ganz verschieden. Die von Brady an letztgenanntem Orte (PI. XL Fig. 12) dar- gestellte Mandibel stammt sicher nicht von einem Zaus; wahr- scheinlich liegt hier ein Druckfehler vor. Von Z. ovalis Claus (Goodsiri, Brady) unterscheidet sich Z. Aurelii durch die Gestalt des Körpers und der Abdominalsegmente, des ersten Fusspaars, die Länge der Furcalborsten und die Gestalt des fünften Fuss- paars.

Scutellidium Arthuri nov. sp.

(Taf. XXI Fig. 1-4, Taf. XXII Fig. 1 12.)

Der Körper ist zusammengedrückt, oval, vollständig ge- gliedert und läuft vorn in ein fast rechtwinklig abgeschnittenes Rostrum aus, das ein wenig abgerundet und mit feinen Haaren besetzt ist. Beim Abdomen des Weibchens (Taf. XXII Fig. 4) ist das erste mit dem zweiten Gliede verwachsen, das dritte und vierte sind von gleicher Länge, das fünfte ist bedeutend verkürzt. Die Grösse des Weibchens (Taf. XXI Fig. 1), ex-

292 S. A. Poppe: Ueber die von den Herren Dr. Arthur und

clusive Furcalborston , beträgt 1,3 mm, seine grösste Breite 0,71 mm. Sein erstes Cephalothoraxsegment ist so lang wie die folgenden zusammengenommen; das Abdomen ist kürzer als das erste Cephalothoraxsegment. Die inneren Schwanz- borsten sind so lang wie das Abdomen und die 4 letzten Co- phalothoraxsegmente zusammengenommen, die äusseren sind etwa halb so lang.

Die vorderen Antennen des Weibchens (Taf. XXI Fig. 2) sind neungliederig und 0,3 mm. lang; ihre Glieder stehen in folgendem Längenverhältniss : 15, 25, 16, 8, 4, 2, 2, 5, 9. Das erste ist mit feinen Haaren besetzt, die folgenden tragen nackte Borsten, von denen einige geknöpft sind, was, so- viel ich weiss, bisher bei Copepoden noch nicht beobachtet worden ist. Das dritte Glied trägt wie das neunte einen blassen Anhang.

Die hinteren Antennen (Taf. XXII Fig. 5) sind drei- gliederig , die einzelnen Glieder fast von gleicher Länge. Das erste derselben trägt einen viergliederigen Nebenast, dessen erstes und viertes Glied gleich lang, während die mittleren sehr kurz sind. Er ist mit sechs zum Theil befiederten Borsten be- setzt. An der gegenüberliegenden Seite trägt das erste Glied eine befiederte Borste. Das Endglied ist am Aussenrande mit zwei Reihen kleiner Dornen, am Innenrande mit feinen Haaren besetzt; am Ende trägt es eine bürstenförmige kurze und sechs knieförmig gebogene Borsten.

Die Mandibeln (Taf. XXII Fig. 1) tragen an ihrem Kau- theil einen oberen kräftigen Zahn, darauf folgt eine Reihe klei- nerer und den Schluss macht eine feine befiederte Borste. Der Palpus zerfällt in drei Theile, von denen der nach vorn ge- richtete mit zwei sehr kräftigen, stark befiederten Borsten be- setzt ist. Der darauf folgende trägt in seinem unteren Theile eine kräftige befiederte und zwei dünne nackte, am Ende sechs befiederte Borsten. Der dritte nach hinten gerichtete Theil ist mit sechs, nach dem Ende zu an Länge zunehmenden, fächer- artig angeordneten Fiedorborsten besetzt.

Die Maxillen (Taf. XXII Fig. 3) tragen an ihrem Kau- theil oine Reihe feiner Zähne sowie zwei Borsten, und sind mit einem oberen und einem unteron Taster vorsehen. Der obere zerfällt in drei Abschnitte, deren jeder mit drei zum Theil be- fiederten Borsten besetzt ist. Der untere trägt zwei sehr lange, stark befiederte, nach unten gebogene Borsten.

Aurel Krause im nürdl. Stillen Ocean u. Behringsmeer etc. 293

Die oberen Maxillarfüsse (Taf. XXII Fig. 6) bestehen aus einem nach oben verschmälerten Grund- und einem haken- förmigen Endgliede, das an seiner Basis eine einseitig befiederte und zwei kleine nackte Borsten trägt.

Die unteren Maxillarfüsse (Taf. XXII Fig. 2) sind ähnlich wie die oberen gestaltet, nur kräftiger, und tragen an ihrer Basis eine sehr kräftige, dicht befiederte Borste und fünf etwas gekrümmte Dornen. Neben der Endklaue stehen eine kleine und zwei grössere nackte Borsten.

Das erste Fusspaar (Taf. XXII Fig. 7) besteht aus zwei dreigliederigen Aesten, von denen jeder ein Greiforgan ist. Der innere Ast ist bedeutend stärker entwickelt als der äussere, und ist niedriger inserirt als dieser. Sein Basalglied ist im unteren Theile stark aufgetrieben und am Innenrande mit einer langen, über das Ende hinausragenden, dicht befiederten Borste versehen und von seiner Basis an bis zu dieser mit feinen Haaren besetzt. Sein Mittelglied trägt am Innenrande eine kleine befiederte Borste, am Aussenrande Haarbesatz. Das sehr kurze Endglied ist mit zwei Borsten, die feinstreifige Haut- lappen tragen, sowie mit einer feinen befiederten Borste besetzt. Die beiden ersten Glieder des Aussenastes sind von gleicher Länge; das erste ist am Aussenrande bewimpert und trägt da- selbst am Ende eine befiederte Borste; das zweite ist in der Mitte des Innenrandes mit einer sehr langen, dicht befiederten Borste versehen; das kurze dritte trägt an seiner Basis am Innenrande eine feine lange befiederte Borste, an der Spitze eine stärkere eben solche und vier vom Ende nach der Basis zu an Grösse abnehmende Lappenborsten.

Die Schwimmfüsse (Taf. XXII Fig. 8, 9, 10) haben sämmtlich dreigliederige Aeste. Beim zweiten (Fig. 8) und dritten Paar (Fig. 9) ist der innere Ast länger als der äussere, beim vierten Paar (Fig. 10) ist der innere bedeutend kürzer und schmaler. Das zweite Paar (Fig. 8) ist durch die Breite der Glieder seines Iunenastes ausgezeichnet. Dieselben tragen an der Aussenseite, anstatt der Dornen der anderen Fusspaare, feinen Haarbesatz und sind ausserdem durch ungewöhnlich lange, dicht befiederte Borsten ausgezeichnet. Das erste Glied trägt von diesen eine, das zweite zwei, das dritte fünf an Grösse nach dem Aussenrande hin abnehmende. Auch der Aussenast ist von dem der andern Fusspaare verschieden. Sein erstes

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Glied trägt, übereinstimmend mit dem der anderen, am Aussen- rande Dornenbesatz, an der Spitze einen kräftigen Dorn, an der Innenseite eine befiederte Borste. Das zweite hingegen ist anstatt der Dornen am Aussenrando mit feinen Haaren, an der Spitze mit einem kräftigen Dom und zwei Nebendornen, am Inuenrando mit einer Fiederborste besetzt. Das Endglied trägt aussen in der ersten Hälfte Wimperbesatz , darauf folgen drei an Grösse zunehmende Dornen, deren letzter stark befiedert ist, mit kleinen Nebendornen und zwei nach aussen bedornte, nach innen befiederte Endborsten und am Iunenrande zwei lange Fiederborsten. Die Füsse des dritten und vierten Paares (Taf. XXII Fig. 9 und 10) sind hinsichtlich der Bedornung respective der Behaarung der Aussenseite der Aeste einander gleich. Bei beiden tragen die ersten und zweiten Glieder des Aussenastes aussen kräftige Dornen und am Ende einen grösseren Dorn, innen eine befiederte Borste; die dritten am Aussenrande drei grössere Dornen und eine Reihe kleiner Nebendornen, zwei nach aussen bedornte, nach innen befiederte Endborsten und an der Innen- seite drei lange befiederte Borsten. Die ersten Glieder des Innenastes sind bei beiden Paaren an der Aussenseite mit feinen Haaren, an der Innenseite mit einer befiederten Borste besetzt; die zweiten Glieder tragen aussen Dornenbesatz, innen zwei befiederte Borsten; die Endglieder innen kleine Dornen, am Ende einen grösseren Dorn und zwei befiederte Endborsten, sowie beim dritten Paar drei, beim vierten zwei Seitenborsten am Innenrande. Der innere Ast ist beim dritten Paar grösser, beim vierten kleiner als der äussere.

Das fünfte Fusspaar des Weibchens (Taf. XXII Fig. 11) ist zweigliedrig; das etwas kürzere Basalglied ist tief gespalten und an den Seitenrändern mit Haaren besetzt; die Ränder der Spalte tragen kleine Dornen. An der Aussenkante stehen drei verschieden lange nackte Borsten, an der Innenkante eine Borste. Das länglich-ovale Endglied trägt am Aussenrande kleine Dornen, am Ende drei längere und am Innenrande eine kürzere und eine lange Borste, sowie feinen Haarbesatz. Unterhalb der In- scrtionsstellcn der beiden Borsten des Innenrandes stehen je zwei Dornen.

Die Länge des Männchens (Taf. XXI Fig. 4), ohne die Furcalborsten, beträgt 1 mm, seine grösste Breite 0,63 mm. Sein Abdomen ist kürzer als das erste Cephalotlioraxsegment ;

Aurel Krause im nördl. Stillen Ocean u. Behringsnieer etc. 295

die beiden ersten Segmente sind vollkommen getrennt, das fünfte Segment ist auch hier das kürzeste.

Die vorderen Antennen des Männchens (Taf. XXI Fig. 3) sind in Greiforgane umgewandelt, siebengliederig und 0,35 mm lang. Ihr erstes Glied ist kurz und am Aussenrande mit Dornen besetzt; das zweite Glied ist sehr lang gestreckt und trägt am Aussenrande eine Anzahl Borsten, von denen mehrere, wie beim Weibchen, geknöpft sind. Das dritte sehr verkürzte Glied ist reich mit Borsten besetzt, das vierte ist verschmälert, aber länger gestreckt, mit einem starken Muskel versehen und trägt einen blassen Anhang, der weit über das Endglied hinausragt und zwei lange Borsten. Das fünfte Glied ist noch schmaler, halb so lang wie das vierte und bildet mit dem sechsten ein Gelenk. Das sechste ist etwa doppelt so lang wie das fünfte, nach aussen gebogen und am Ende mit einer langen Borste be- setzt. Das nach dem Ende hin etwas verschmälerte siebente Glied ist ebenfalls etwas nach aussen gebogen und endigt an der Aussenkante mit einem kleinen Zapfen. Es trägt einen blassen Anhang und zwei lange Borsten.

Das fünfte Fusspaar des Männchens (Taf. XXII Fig. 12) ist, wie' das des Weibchens, zweigliederig, doch ist hier das Basalglied nicht so tief eingeschnitten. Dasselbe ist am Aussen- rande mit feinen Dornen und einer Borste besetzt, und trägt an der Innenkante zwei kleine nackte Borsten. Das Endglied ver- läuft an der Innenseite fast gerade und trägt an der convexen Aussenseite, am Ende des ersten Drittels, einen Besatz kurzer Borsten sowie eine lange Fiederborste, im letzten Drittel einen Besatz kurzer Dornen, zwei kürzere und eine doppelt so lange befiederte Borste.

Die Farbe des Thieres ist hellgelb. Das Weibchen trägt einen blau gefärbten Eiersack, der über die Furca hinausragt. Fundort: Zusammen mit Zaus Aurelii auf Tangen im Stillen Ocean 55° 56' N. Br. 154° V W. L.

Bemerkungen. Die vorstehend beschriebene Art steht dem Scutellidium tisboides Claus (cf. Claus, Copepoden- Fauna von Nizza pag. 20 Taf. IV) aus dem Mittelmeer sehr nahe, unterscheidet sich aber von demselben durch die bedeutendere Grösse, durch die Bildung des fünften Fusspaares des Weib- chens, dessen Endlamelle bei S. tisboides nur vier Borsten trägt und wie eine Bürste mit Reihen von dicht stellenden borsteu-

296 S. A. Poppe: Ueber die von den Herren Dr. Arthur und

artigen Spitzen besetzt ist, während dieselbe bei S. Arthuri fünf Borsten trägt und, abgesehen von einigen wenigen Dornen, eine glatte Oberfläche hat. Auch das Längenverhältniss der Glieder der vorderen Antennen des Weibchens unserer Art scheint von dem bei S. tisboides verschieden zu sein. Leider ist es mir nicht gelungen, mir das Sc. tisboides aus dem Mittel- meer zu verschaffen, so dass ich diejenigen Theile, die Claus nicht beschrieben und abgebildet hat, vor Allem das fünfte Fusspaar des Männchens, dessen Gestalt auch für diese Gattung ein gutes Speciesmerkmal zu sein scheint, mit denen der vor- liegenden Art nicht habe vergleichen können. Das von Czer- niavski (Materialia ad zoographiam ponticam comparatam pag. 50) erwähnte Scutellidium zu tisboides Claus gehört, möchte ich be- zweifeln, weil derselbe angiebt: lamina exterior pedum 5ti paris armatura setarum Variante. Die von Brady an der eng- lischen Küste gefundene und als Sc. tisboides bezeichnete Art (cf. Brady, Non-parasitic marine Copepoda of the North-East Coast of England. PI. XIX Fig. G— 10 und Monograph Vol. II pag. 175 bis 177 PI. 68) ist in der Bildung des fünften Fusspaares des Weibchens (das übrigens in der ersten Arbeit anders als in der Monographie dargestellt ist) sowie des ersten Paares, dessen innerer Zweig kürzer als der äussere sein soll, sowohl von Sc. tisboides Cl. als auch von vorliegender Art verschieden, so dass ich es nicht damit zu identificiren vermag.

Familie Harpacticidae. Harpacticus chelifer 0. F. Müll. Var. arcticus mihi. Taf. XXni. Fig. 1, 2, 4—7. Taf. XXIV. Fig. 1—7, 9, 10. Die Länge des Weibchens wie des Männchens, excl. Furcal- borsten, beträgt 1,5mm. Die innere längste Furcalborsto ist 0,9 mm lang. Der Körper ist am unteren Rande des Thorax am breite sten, und verschmälert sich ganz allmälich nach der Furca hin. Das Abdomen ist halb so lang wie der Vorderkörper, und be- steht beim Weibchen (Taf. XXIII Fig. 1), bei dem die beiden ersten Segmente verschmolzen sind, aus 4 Segmenten und der Furca, beim Männchen (Taf. XXIII Fig. 5) aus fünf Segmenten und dor Furca. Das erste (Doppelsegment) beim Weibchen ist doppelt so lang wie das zweite, das dritte ist kürzer als dieses

Aurel Krause im nördl. Stillen Ocean u. Behringsmeer etc. 297

und das vierte ist wieder kürzer als das dritte. Das erste Segment trägt an den Seiten an der Verschmelzungsstelle und an den unteren Kanten feinen Dornenbesatz ; beim zweiten Seg- ment erstreckt sich derselbe über den ganzen unteren Rand, beim dritten fehlt er ganz und das vierte hat ihn wieder nur an den Kanten. Das erste Segment des männlichen Abdomens (Taf. XXIII Fig. 5) hat in der Mitte der Seiten und an den unteren Ecken Dornenbesatz, zu dem sich am letzten Orte noch eine feine Borste gesellt. Das zweite und dritte Segment hat an den Kanten und an dem ganzen Rande der Unterseite diesen Besatz, am vierten fehlt er, am fünften ist er wieder vorhanden. Die Furcalglieder sind etwas länger als breit, schräg abgestutzt und am unteren Rande mit Dornen besetzt. Im zweiten Drittel am Aussenrande steht zwischen kleinen Dornen eine kurze Borste, eben solche an den Aussenecken zusammen mit einer längeren. Die Innenecken tragen ebenfalls eine solche Borste. Auf der Dorsalseite der Furcalglieder, etwas unterhalb der Mitte, stehen zwei lange Borsten, von denen die äussere so lang wie das Abdomen und das letzte Thoracalsegment zu- sammengenommen, die innere nicht ganz doppelt so lang ist.

Die vorderen Antennen des Weibchens (Taf. XXIII Fig. 2) bestehen aus neun Gliedern, die nach dem Ende zu allmälich an Breite abnehmen. Das Längenverhältniss der- selben ist durch folgende Zahlen ausgedrückt: 15, 15, 14, 11, 7, 6, 4, 2, 3. Das vierte Glied trägt einen langen blassen Anhang, und auch das neunte ist mit einem solchen versehen. Alle Glieder tragen nackte Borsten, und das erste hat am Aussenrande Dornenbesatz.

Die vorderen Antennen des Männchens (Taf. XXIII Fig. 4) sind zu Greiforganen umgewandelt und bestehen aus 7 Gliedern. Das sechste (dem vierten der weiblichen Antenne entsprechend) ist stark aufgetrieben und trägt einen langen blassen Anhang, ein eben solcher kürzerer steht am Grunde der Kralle. Die einzelnen Glieder sind auch hier mit nackten Bor- sten versehen, die sich besonders zahlreich in zwei Gruppen am dritten Gliede und der Basis des vierten befinden.

. Die hinteren Antennen (Taf. XXIII Fig. 6) sind zwei- gliederig und tragen an dem grösseren ersten Gliede, in der Mitte, einen zweigliederigen Nebenast, ihm gegenüber einige eine Borsten, und weiter dem Ende zu eine längere Fieder -

Arch. f. Naturgesch. I,. Jahrg. 1. Bd. 20

298 S. A. Poppe: Ueber die von den Herren Dr. Arthur und

börste. Das erste Glied des Nobenastes ist mit zwei, das Endglied mit drei befiederten Borsten und zwei Dornen ver- sehen; die äusserste und längste dieser drei Borsten trägt in der Mitte eine besonders lange Fieder. Das zweite Glied der Antenne ist nach dem Ende hin erweitert und mit fünf, an Grösse verschiedenen, geknieten Borsten sowie drei befiederten, verschieden langen Dornen besetzt.

Die Mandibeln (Taf. XXIV Fig. 10) haben einen kräftig entwickelten Kautheil, der mit einer Menge in zwei Gruppen angeordneter Zähne und einer einseitig befiederten Borste be- setzt ist. Der Palpus trägt an dem nach vorn gerichteten Aste vier kleine, und an den beiden nach hinten gerichteten Aesten eine grössere Anzahl längerer Borsten.

Die Maxillen (Taf. XXIV Fig. 7) tragen am Kautheil vier Paar scheerenartige Dornen und seitlich eine kurze be- fiederte Borste, sowie in der Mitte des Gliedes zwei längere Fiederborsten. Ihr Palpus ist viertheilig, und zwar sind die drei ersten Theile nach vorn, der vierte nach hinten gerichtet. Sämmtliche vier Abschnitte sind mit zum Theil befiederten Borsten besetzt.

Die oberen Kieferfüsse (Taf. XXIV Fig. 9) tragen vier Fortsätze, von denen der äusserste einen langen Haken mit Borstenbesatz trägt, während die drei anderen mit je zwei befiederten Borsten und einer nackten Borste besetzt sind.

Die unteren Kieferfüsse (Taf. XXIV Fig. 4) tragen auf dreigliederigem Stiele ein kräftiges ovales Mittelstück, das an seinem Ende mit einem starken Haken versehen ist und an seiner concaven Seite mit einem Besatz feiner Borsten und diesen gegenüber mit einer Leiste versehen ist, an die der Haken sich anlegt; dieser trägt an seiner Basis zwei Borsten. Der Stiel hat ein kurzes, breites Basalglied, auf welches ein sehr langes nach dem Ende hin sich verschmälerndes Mittel- stück folgt, das an seinem Ende mit einem feinen Dornenbesatz und einer befiederten Borste versehen ist.

Die ersten Füsse (Taf. XXIII Fig. 7) sind Greiffüsse und haben zwei lang gestreckte Basalglieder, von denen das erste am Aussenrand länger, das zweite daselbst kürzer als am Innenrand ist. Das erste trängt innen feine, aussen stärkere Dornen; das zweite innen feine Dornen und daselbst am Ende eine befiederte Borste, aussen eine befiederte Borste und eine

Aurcl Krause im nürdl. Stillen Occan u. Behricgsmeer etc. 299

Reihe kleiner Dornen. Der äussere Ast ist der längere und besteht aus drei Gliedern, von denen das erste etwas länger als das zweite und fast doppelt so breit ist, während das End- glied sehr klein ist. Das erste Glied ist längs des Aussenrandes mit zwei Reihen kleiner und grosser Dornen besetzt und trägt am Ende eine befiederte Borste. Das zweite Glied trägt am Aussenrande etwa in der Mitte und am Ende des Innenrandes je eine kleine Borste. Das sehr kurze Endglied ist mit vier gekerbten Haken und einer feiner Borste besetzt. Der eben- falls dreigliederige Innenast ragt etwas über das erste Glied des Aussenastes hinaus. Sein erstes Glied ist am Innen- und Aussenrande mit Dornen besetzt und trägt am Ende de3 ersteren eine befiederte Borste. Die beiden folgenden Glieder sind sehr kurz und von gleicher Länge ; das zweite trägt am Aussenrande einen Besatz kleiner Dornen, am Innenrande eine kleine Borste; das dritte am Ende einen gekerbten und einen ungekerbten Haken sowie eine Borste.

Die Schwimm füsse des zweiten, dritten und vierten Paares des Weibchens haben verkürzte Basalglieder, von denen das erste am Aussenrande Dornenbesatz, das zweite eben solchen und dazu noch eine Borste trägt, die beim zweiten Paar stark und befiedert, beim dritten und vierten dünn und nackt ist. Beide Aeste der Schwimmfüsse sind dreigliederig, der innere ist schwächer entwickelt als der äussere und er- streckt sich beim zweiten und dritten Paar bis zur Mitte des Endgliedes, beim vierten bis zum Ende des zweiten Gliedes desselben. Die Aussenäste tragen am Aussenrande kurze starke Dornen und dazu noch am Ende des ersten und zweiten Glie- des einen langen Dorn, am dritten drei lange Dornen. Am Innenrande steht bei allen Paaren am ersten und zweiten Gliede eine Fiederborste. Die Endglieder tragen am Ende eine Säge- borste, die an der Aussenseite mit Sägezähnen, an der Innen- seite mit Fiedern besetzt ist, und am Innenrande beim zweiten Paar drei, beim dritten und vierten Paar vier Fiederborsten, von denen die letzte nach aussen spärlich, nach innen dicht mit Fiedern besetzt ist. Die Innenäste der drei Paare tragen an allen drei Gliedern am Aussenrande Dornenbesatz und das End- glied hat ausserdem noch einen längeren Dom. An ihrem Innenrande steht beim ersten Gliede eine befiederte Borste, das zweite Glied trägt beim zweiten Paare zwei Fiederborsten,

20*

300 St A. Poppe: Ueber die von den Herren Dr. Arthur und

beim dritten und vierten eine; das Endglied beim zweiten und vierten vier, beim dritten fünf Fiederborsten.

Die Schwimm füsse des Männchens (Taf. XXIV Fig. 1, 2, 3) weichen von denen des Weibchens bedeutend ab. Beim zweiten Paar gleicht der äussere Ast dem des Weibchens, doch ist der innere ganz verschieden gebildet. Sein erstes Glied ist länger gestreckt, das zweite läuft am Aussenrande in einen langen, spitzen Fortsatz aus, der das Endglied überragt, und trägt am Ende des Innenrandes eine sehr lange befiederte Borste. Das Endglied ist reducirt und mit drei langen befiederten Borsten und einer kurzen, unbe- fiederten besetzt, ausserdem trägt dasselbe drei Reihen kleiner Dornen. Das dritte Paar (Taf. XXIV Fig. 2) ist in seinem Innenaste dem des Weibchens sehr ähnlich, nur sind die Glie- der etwas breiter und das zweite Glied trägt am Ende eine Reihe Dornen, das Endglied drei Reihen solcher. Der Aussen- ast weicht dadurch ab, dass seine Glieder bedeutend verbreitert und aufgetrieben und die langen Dornen sehr verstärkt, da- gegen die Fiederborsten am Innenrande viel kürzer und dünner sind. Auch das vierte Fusspaar des Männchens (Taf. XXIV Fig. 3) zeichnet sich am Aussenast durch die Verbreiterung der Glieder und die Verstärkung der grossen Dornen aus, doch sind hier die langen Fiederborsten am Innenrande nicht schwächer als dort. Auch der Innenast ist ähnlich gestaltet, doch trägt das zweite und dritte Glied auch hier den er- wähnten Dornenbesatz, der dem Weibchen fehlt.

Das fünfte Fusspaar des Weibchens (Taf. XXIV Fig. 5) hat ein nach innen kräftig entwickeltes abgerundetes Basalglied, das mit vier kurz befiederten Borsten besetzt ist. Die beiden inneren sind die kürzesten und gleich lang, die vierte ist um die Hälfte länger, die dritte doppelt so lang. Zwischen der er- sten und zweiten und dieser und der dritten stehen kleine Dornen, zwischen der dritten und vierten fehlen sie, finden sich aber wieder zwischen der vierten und der Insertionsstelle des Endgliedes. Am abgerundeten Aussenrande des Basalgliedes steht zwischen Dornen eine nackte Borste. Das Endsegment ist oval, nach dem Ende hin verschmälert, von der Länge des Basalgliedes, an seiner breitesten Stelle gleich y3 der Breite des Basalgliedes und mit fünf schwach befiederten Borsten be- setzt. Die zweitinnere ist die längste, darauf folgt die erste

Aurel Krause im nordl. Stillen Ocean u. BehriDgsmeer etc. 301

und die übrigen sind gleich lang. Am Innenrande trägt das End- glied bis zur ersten Borste drei Gruppen feiner Dornen, ebenso stehen zwischen den Borsten und am Aussenrande feine Dornen.

Das fünfte Fusspaar des Männchens (Taf. XXIV Fig. 6) hat ein verkümmertes Basalglied, bei dem nur der Aussentheil dem des Weibchens gleich ist. Auch sein Endglied ist ver- schmälert und seine Innenkante verläuft mehr gerade. Die Bedornung und Beborstung ist dieselbe wie beim Weibchen, doch ist hier nur die zweitinnere Borste befiedert, während die anderen nackt sind.

Das Weibchen trägt nur einen Eiersack.

Fundort: Im Stillen Ocean am 23. Juli 1881 auf 53° 21' N. Br. und 166° 47' W. L. sowie am 28. Juli 1881 im Behringsmeer nördlich vom Akutan -Pass an schwimmenden Tangen in grosser Menge gesammelt. Das Glas, in dem die Thiere vom ersten Fundort sich befanden, enthielt eine Menge Diatomeen, die mir von befreundeter Seite als Licmophora kam- tschatica Grün., Fragilaria islandica Grün., und lapponica Grün, und Gomphonema kamtschaticum Grün, bestimmt wurden und dem Harpacticus als Nahrung gedient haben dürften.

Bemerkungen. Giesbrecht hat sich in seiner gründlichen von schönen Abbildungen begleiteten Arbeit über die Copepoden der Kieler Föhrde der Mühe unterzogen, die verschiedenen Harpacticus - Formen zu vergleichen. Ich darf mich daher darauf beschränken, unten noch einmal aus der obigen Be- schreibung hervorzuheben, worin sich die vorliegende Form von der am besten beschriebenen Kieler unterscheidet. Vorher möchte ich nur noch die Annahme Giesbrecht's, dass Claus bei seinem Harpacticus chelifer fälschlich die vordere Antenne des Weibchens als achtgliederig angiebt, berichtigen. Ich habe durch meinen Freund Herrn F. Könike in Bremen einige Co- pepoden von Helgoland erhalten, unter denen sich der Hapa- cticus chelifer Claus mit achtgliederiger Antenne befindet. Ich habe dieselbe (Taf. XXIH Fig. 3) abgebildet und bemerke dazu noch, dass sich der blasse Anhang bei derselben am fünften Gliede befindet. Der fünfte Fuss des Weibchens, den ich Taf. XXIV Fig. 8 abgebildet habe, hat ein bedeutend schmä- leres Basalglied als die vorliegende und die Kieler Form, das am Innenrande drei von innen nach aussen an Grösse zuneh- mende kurz befiederte Borsten trägt, Das Endglied ist breiter;

302 S. A. Poppe: Ucber die von den Herren Dr. Arthur und

an seiner breitesten Stelle 2/3 der Breite des Basalgliedes aus- machend, mit fünf nackten Borsten besetzt, von denen die bei- den innersten bedeutend dünner als die übrigen sind. Die Ränder des Endgliedes sind stark chitinsirt. Das sind Unter- schiede, die uns wohl berechtigen, den Harpacticus chelifer Clans von dem der anderen Autoren zu trennen, zumal bei Helgoland auch die Art mit neungliederiger Antenne vorkommt, die ich wegen Mangel an ausreichendem Material nicht genauer habe untersuchen können. Ich schlage daher für den H. che- lifer Claus den Namen helgolandicus vor.

Unser Harpacticus chelifer var. areticus unterscheidet sich von der Kieler Form in folgenden Punkten: Er ist mehr als doppelt so gross. Bei der weiblichen vorderen Antenne ist am neunten, bei der männlichen am Grunde der Kralle ein blasser Anhang vorhanden. Am Mittelstück des unteren Kieferfusses ist nur eine Reihe feiner Borsten vorhanden, der Haken trägt hier zwei Borsten und das Mittelglied des Stieles hat Dornen- besatz. Das erste Fusspaar ist hinsichtlich seiner Gliederung und der Gestalt der Haken von der Kieler Form verschieden. Die Schwimmfüsse des Männchens sind stärker bedornt, beson- ders an den Endgliedern des Innenastes und die Füsse des fünften Paares sind anders geformt und ihre Borsten weichen in Gestalt und Befiederung ab. Endlich ist das zweite Abdo- minalsegment des Weibchens, das bei der Kieler Form nur an den Seiten kurze Dornenreihen trägt, an der ganzen Unterseite bedornt.

Erklärung der Tafeln.

Sämmtliche Zeichnungen sind mit der Camera lucida angefertigt.

Tafel XX. Fig. 1. Calanus cristatus, Kröyer, $. ,2/i. Um die Hälfte verkleinert. « 2. Vordere Antenne von Cal. cristatus Kr. Q */j. Um die Hälfte verkleinert.

3. Abdomen von Cal. cristatus Kr. $. '"%.

4. Schwimmfuss des dritten Paares von Cal. cristatus Kr. Q x/v

* 5. Schwimmfuss des ersten Paares von Cal. cristatus Kr. Q ■%. » 6. Schwimmfuss des fünften Paares von Cal. cristatus Kr. $ "%. 7. Zaus Aurelü nov. sp. $ "/j. Um die Hälfte verkleinert.

* 8. Zaus Aurelü nov. sp. cT n/t. Um die Hälfte verkleinert. » 9. Vordere Antenne von Zaus Aurelü nov. sp. $ xo/i.

Aurel Krause im nördl. Stillen Ocean u. Behringsmeer etc. 303

Tafel XXI.

Fig. 1. Scutellidium Arthuri nov. sp. 2 w/x. Um die Hälfte verkleinert,

s 2. Vordere Antenne von Scutellidium Arthuri nov. sp. 2 ^/j.

5 3. Vordere Antenne von Scutellidium Arthuri nov. sp. cf ^/j.

5 4. Scutellidium Arthuri nov. sp. cT w/v

s 5. Abdomen von Zaus Aurelii nov. sp. 2 Dorsalseite ^/j. Um die

Hälfte verkleinert.

= 6. Hintere Antenne von Zaus Aurelii nov. sp. 2 2Cßj\-

' 7. Maxille von Zaus Aurelii nov. sp. 2 ^A*

« 8. Mandibel von Zaus Aurelii nov. sp. 2 ?00/i.

= 9. Oberer Kieferfuss von Zaus Aurelii nov. sp. 2 3°°^-

s 10. Unterer Kieferfuss von Zaus Aurelii nov. sp. 2 2ß0/i-

« 11. Vordere Antenne von Zaus Aurelii nov. sp. cT ^/i-

«12. Schwimmfuss des zweiten Paares von Zaus Aurelii nov. sp. c^ m]v

- 13. Fuss des ersten Paares von Zaus Aurelii nov. sp. ^/V

- 14. Fuss des fünften Paares des cf von Zaus Aurelii nov. sp. ^/f o 15. Fuss des fünften Paares des 2 von Zaus Aurelii nov. sp. Vßll.

Tafel XXII.

s 1. Mandibel von Scutellidium Arthuri nov. sp. 2 ^/j.

s 2. Untere Maxillarfüsse von Scutellidium Arthuri nov. sp. 2 ^/j.

« 3. Maxille von Scutellidium Arthuri nov. sp. 2 300/1.

s 4. Abdomen von Scutellidium Arthuri nov. sp. 2 Dorsalansicht ^/j.

Um die Hälfte verkleinert,

s 5. Hintere Antenne von Scutellidium Arthuri nov. sp. 2 ^/^

s 6. Oberer Kieferfuss von Scutellidium Arthuri nov. sp. 2 30%.

« 7. Fuss des ersten Paares von Scutellidium Arthuri nov. sp. 2 m/i.

* 8. Fuss des zweiten Paares von Scutellidium Arthuri nov. sp. 2 ^sa/i.

« 9. Fuss des dritten Paares von Scutellidium Arthuri nov. sp. 2 VS°I\'

s 10. Fuss des vierten Paares von Scutellidium Arthuri nov. sp. 2 ^/i-

11. Fuss des fünften Paares des 2 von Scutellidium Arthuri nov.

sp. *% = 12. Fuss des fünften Paares des cT von Scutellidium Arthuri nov.

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Tafel XXHI. s 1. Harpacticus chelifer var. arcticus 2 w/f Auf 2/3 verkleinert « 2. Vordere Antenne von H. chelifer var. arcticus 2 m/v

3. s s * H. helgolandicus 2 ^/i-

s 4. s « s H. chelifer var. arcticus tf aa)/1.

s 5. Abdomen von H. chelifer var. arcticus cf m/i- Um die Hälfte

verkleinert. = 6. Hintere Antenne von H. chelifer var. arcticus 2 m/f s 7. Fuss des ersten Paares von H. chelifer var. arcticus cT ^i-

304 S. A. Poppe : Ueber von Dr. Arthur und A. Krause ges. Copepoden.

Tafel XXIV. Fig. 1. Fuss des zweiten Paares von H. chelifer var. arcticus tf 220/1. « 2. Fuss des dritten" Paares von H. chelifer var. arcticus cf w/t. »3. « s vierten * * » « * * cT ®°/v

e 4. Unterer Maxillarfuss von H. chelifer var. arcticus ^ ^/j. s 5. Fuss des fünften Paares des £ von H. chelifer var. arcticus mlv

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9 10. Mandibel von H. chelifer var. arcticus 2 ^A.

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