^-l^-r^-M ^-^J^^ '^M^ >^^5, •#^':/^.,:-r5.> W-^::-^m^ t.^ 'iy^ SMf:-^''- '^^^z^S^ ARCHIV FUE lATUEGE SCHICHTE. GEGRÜNDET VON A. F. A. WIEGMANN, FORTGESETZT VON W. F. ERICHSON, F. H. TROSCHEL UND E. VON HÄRTENS. HERAUSGEGEBEN Prof. Dr. F. HILGENDORP, GUSTOS DES K. ZOOLOG. MUSEUMS ZU BERLIN. SECHZIGSTER JAHRGANG. I. BAND. Berlin 1894. NICO LAISGHE VERLAGS-BUCHHANDLUNG R. STRICKER. Inhalt des ersten Bandes. Seite Dr. B. Bergh. Eiue neue Gattung von Polyceraden (Greüada). Hierzu Tafel I 1 Georg Duncker. Ueber ein abnormes Exemplar von Aurelia aurita L. Hierzu Tafel I, Fig. 11, 12 7 M. Traustedt und W. Weltner. Bericht über die von Herrn Dr. Sander gesammelten Tunikaten. Hierzu Tafel IT 10 Prof. Dr. A. Nehring. Die Verbreitung des Hamsters (Cricetus vulgaris) in Deutschland. Hierzu Tafel III ... 15 Federico Phüippi. Ein neues Beutelthier Chile's. Hierzu Tafel IV, Fig. 2 33 Dr. B. Ä. Phüippi. Beschreibung einer dritten Beutelmaus. Hierzu Tafel IV, Fig. 1 3G Dr. H. von Jhering. Ueber Binnen - Conchylien der Küstenzone von Rio Grande do Sul 37 Dr. Carl Apstein. Die Salpen der Berliner Zoologischen Sammlung. Hierzu Tafel V 41 H. J. Kolbe. Ein Beitrag zur Kenntniss der faunistischen Verhältnisse des centralafrikanischen Seengebietes 55 Johannes Emil Schmidt. Die Entwicklungsgeschichte und der anatomische Bau der Taenia anatina (Krabbe). Hierzu Tafel VI 65 Dr. Arthur Mueller. Helminthologische Beobachtungen an bekannten und unbekannten Entozoen. Hierzu Tafel VII 113 Dr. Carl Verhoeff. Vergleichende Morphologie des Abdomens der männ- lichen und weiblichen Lampyriden, Canthariden und Malachiiden. Hierzu Tafel Vni— XI 129 Dr.B.A. Phüippi. Callirrhabdos , ein neues Genus der gorgonenartigen Pflauzeuthiere? 211 Dr. B. A. Philippi. Phryniscus Bibron ist nicht Phryniscus Wiegmann. . 214 Lewis Murbach. Beitrage zur Kenntnis der Anatomie und Entwickelung der Nesselorgane der Hydroiden. Hierzu Tafel XII 217 Otto Augstein. Strongylns filaria R. Hierzu Tafel XHI und XIV . . 255 2^113 Eine neue Gattung von Polyceraden (Greilada). Von Dr. R. Bergh, Kopenhagen. Hierzu Tafel I. Farn. Dorididae phauerobrancMatae. Subfam. D. phanerobp. non suetoriae s. Polyeeradae. Greilada, Bgh. Corpus limaciforme, limbus frontalis digitatus ; branchia 6 foliata, foliis branchialibus simpliciter pinnatis; appendices dorsales (extra- branchiales) nullae; rhinoplioria vix retractüia, perfoliata. Lamellae mandibulares fortes, infra (ut supra) coalescentes, processu superiori aliformi. — Radula rbachide nuda; pleuris denti- bus liamatis duobus, interno minore, externo majore, et dentibus externis paucis (2 — 3) instructis. Prostata magna, discreta. Diese neue Gattung, die Greiladen^), stehen den ächten Polyceren (Polycera)") sehr nahe und unterscheiden sich im Aeusseren von denselben durch das absolute Fehlen von Rücken anhängen neben der Kieme. Auch im inneren Baue weichen sie von denselben wenig ab, besonders doch in der Form der Mandibeln, die unten (wie oben) mit einander durch ein cuticulares Zwischenstück verbunden sind. Die Radula ist fast ganz wie bei der Polycera. Die Prostata und die Bewaffnung des unteren Theils des Samenleiters und der Glans penis auch wie bei der Polycera. Von der Gattung ist bisher nur die untenstehende Art aus dem adriatischen Meere bekannt. ^) Greüada, uxor Thoi'finni. Laxdaela-Saga, Hafniae. 1826. p. 9. 2) R. Bergh, Beitr. zu einer Monogr. d. Polyceraden. I. Verh. d. k. k. zool- bot. Ges. in Wien. XXIX. 1879. p. 5-27 (601-623). Arch. f Naturgesch. Jahrg. 1894. Bd. I. H. 1. 1 2 Dr. ß. Bergh. Gr. elegans, Bgh. Color generalis citrinus; clavus rhinophoriorum sicut branchia rosea; margo dorsalis coeruleus; dorsum linea media maculis coeruleis ornatum; latera corporis maculis coeruleis duabus lineis seriatis instructa. Hab. M. adriaticum. Taf. I. Fig. 1—10. Von dieser Thierform hat Prof. Dr. Moebius im Adriatischen Meere bei Rovigno (Istrien) im Frühjahre 1893 mehrere Individuen gefischt, von welchen mir zwei für Bestimmung und genauere Unter- suchung geschickt wurden; das eine war aber eingetrocknet gewesen und, mit Ausnahme des Schlundkopfes, für anatomische Untersuchung unverwendbar. Die Länge der lebenden Individuen soll gegen 9 mm betragen haben. Zwei mitfolgenden, von Meissner nach Originalzeichnungen von Dr. Val. Hacker copirten, farbigen kleinen (22 mm langen) Skizzen geben die Grundfarbe als citronengelb an, dunkler am Stiele der Rhinophorien, ihre Keule sowie die Kieme rosaroth. Am Stirne drei blaue Flecken, von welchen der mediane längHch; die Rückenränder auch blau, sich am Grunde des Schwanzes spitzwinkehg'vereinigend ; median der Rückenlänge noch mehrere blaue Flecken; die Körper- seiten mit zwei Reihen von ähnlichen Flecken. Die in Alkohol bewahrten Individuen betrugen an Länge 8 — 8,5 mm bei einer Höhe bis 2 und einer Breite bis 2,2 mm; die Höhe der Rhinophorien so wie der Kieme 1,2 mm; der Rücken hinter der Kieme 4 mm lang, von welchen die 2, 2 auf den Schwanz (d. h. die Strecke hinter der Eingeweidehöhle) kommen; die Breite des Fusses vorn 1,3 mm, nach hinten verschmälert. — Die Farbe war milchweis; am Stirne jederseits ein kleiner schwarzer Fleck, und median, sich zwischen und hinter den Rhinophorien hinziehend, ein grösserer länglicher, der hinten etwas breiter ist; als Fortsetzung des (weisslichen) Stirnrandes fängt der schwärzliche Rückenrand an, welcher sich hinter der Kiemengegend fortsetzt und etwa am Grunde des Schwanzes sich spitzwinkelig mit dem der anderen Seite vereint. Median am Rücken mehrere schwarze Flecken, die auch hinter der Kieme und median am Schwänze vorkommen, hier von mehr länglicher Form. An den Körperseiten zwei Reihen von meistens ziemlich grossen und länglichen schwarzen Flecken, die obere Reihe setzt sich weiter nach hinten, die untere weiter nach vorne fort, indem sie mit 3 — 4 grösseren Flecken gegen den Stirn- rand hinauf schwingt. Die Rhinophorien und die Kieme mit schwach gelblichem Anflug. Der Fussrand fast kalkweiss. Die Eingeweide schimmerten gelblichweiss hier und da undeut- lich durch; hinten im Genicke die schwarzen Augenpunkte. Die Form schlank, länglich, ein wenig zusammengedrückt. Der Stimrand wenig vortretend, jederseits mit zwei kurzen, kegelförmigen Eine neue Gattung von Polyceraden (Greilada). 3 Höckern (von denen der innere grösser); dieser Rand setzt sich längs der Aussenseite der Rhinopliorien als ein schmaler Rückenrand weiter nach hinten, der Kieme vorbei, fort, wird niedriger, geht schräge nach innen und verbindet sich mit dem der anderen Seite etwa am Gmnde des Schwanzes. Der Rücken ist ganz eben, etwas schmaler als die Körperseiten, von der Gegend der Kieme ab fällt derselbe etwas nach vorne, mehr nach hinten ab; der Rücken des Schwanzes kielförmig. Innen am Grunde der Rhinophorien eine Vertiefung; die Rhinophorien kurzstielig, die Keule kurz-spindel- förmig, mit etwa 15—20 faltenartigen Blättern und kleiner End- papille. Die Kieme mit 6 einfach fiederigen Blättern; die Anal- papille nach hinten im Kiemenkreise, ziemlich niedrig, abgestutzt. Der Oberrand des Aussenmundes vortretend, besonders jederseits etwas lappenartig. Die Körperseiten etwas gewölbt, ganz eben ; vorne an der rechten die Genitalpapille, aus welcher bei dem einen Individuum der Penis fast 0,25 mm hervorragte. Der Fuss vorne ein wenig breiter, im Ganzen schmal; der Vorderrand ein wenig ausgekerbt, mit gerundeten Ecken; die Fussränder sonst wenig vortretend, die Sohle des Schwanzes ganz schmal. Das Centralnervensystem ganz wie bei den Polyceren. Die cerebro-pleuralen Ganglien etwas eiförmig, vorne breiter, die beiden Abtheilungen deuthch unterscheidbar; die pedalen Ganglien ziemlich rundlich. Die Commissuren ziemlich kurz. Die proximalen Riech- knoten abgeplattet-zwiebeiförmig, die distalen rundlich. Die buccalen Ganglien wie gewöhnlich, gastro-oesophagale schienen zu fehlen. Die Augen von etwa 0,08 mm Diam., mit grosser gelblicher Linse, mit nicht sehr reichlichem schwarzem Pigment. Die Ohr blasen etwa so gross wie die Augen, mit gegen 100 rundUchen und ovalen Otokonien von einem Durchmesser von 0,009 mm. Die Blätter der Rhinophorien ohne Spikel. In der Haut nur wenige und sehr zerstreute Spikel, ebenso in der interstitiellen Bindesubstanz. Die Mundröhre ziemlich gross und weit. Der Schlundkopf kurz und gedrungen, von etwa 1,25 mm Länge; die starke Raspel- scheide noch 0,35 mm vortretend; zu jeder Seite derselben unten ein starker, von dem Hinterende der unteren Zungenmuskelmassen ge- bildeter Vorsprung. Die fast vordere Hälfte des Schlundkopfes ist von den starken, gelblichen, in den dickeren Parthien rothbraunen Mandibelplattten eingefasst. Während diese bei den Polyceren geschieden sind, verschmelzen sie gleichsam hier (oben wie) unten. Sie bestehen aus einem Ringe, von dessen Hinterseite in mehr als der oberen Hälfte jederseits ein Flügel nach hinten und oben aufsteigt (Fig. 2). Der Ring ist nach aussen um- geschlagen, unten viel dünner, oben dicker; der dünnere cuticulare Theil verlängert sich nach hinten in einen zungenförmigen kurzen und breiten Fortsatz (Fig. Ic); der dickere Theil besteht aus zwei in der Mittellinie oben vereinigten Hälften, von deren innerem Theile ein starker glattrandiger Schneiderand nach innen 1* 4 Dr. R. Bergh. hervorragt (Fig. 1). Die Flügel sind dünn, oben gerundet (Fig. Ibb, 2 b); an ihrem Grunde ein nicht ganz oberflächlicher Falz (Fig. 2) (für Muskelinsertion) ; oben sind die Flügel durch ein kurzes und nicht recht breites Zwischenstück (Fig. ia, 2 a) mit gerundetem freien Rande vereinigt. Die Aussenseite der Mandibelplatten ist von einem dünnen Muskellager gedeckt; die Innenseite von einem dünnen Epithel bekleidet; die Innenseite begrenzt den vorderen Theil der Mundhöhle. — Die Zunge wie bei den echten Polyceren, stark, etwas abgeplattet, mit breiter Raspelfurche. In der Raspel 7 Zahnplattenreihen, weiter nach hinten (in der Raspelscheide) deren 7 entwickelte und eine unentwickelte; die Gesammtzahl derselben in beiden Individuen somit 15. Die Raspel vorne mit einer, nur die Hälfte derselben an Breite betragenden braungelben, cuticularen Verdickung endigend. Die erste Reihe incomplet und mit stark ab- genutzten Zahnplatten. Zu jeder Seite der nicht schmalen, nackten Rhachis kamen zwei starke Seitenzahnplatten und 2 — 3 Ausseiiplatten in jeder Reihe vor. Die Zahnplatten der Raspel horngelb, die der Raspelscheide gelblich. Die Länge der innersten Seitenplatte betrug etwa 0,20, der äusseren 0,28 mm; die der Aussenplatten 0,14 — 0,08 — 0,06 mm. Die Seitenplatten (Fig. 3) einander ziemlich ähnHch, aus einem langgestreckten Körper bestehend, der vorne fast recht- winkelig in den etwas gebogenen, glattrandigen Haken umbiegt; vom äusseren Rande des Körpers erhebt sich ein starker flügei- förmiger Fortsatz, etwa so hoch wie der Haken. Die innere, kleinere Seitenzahnplatte (Fig. 3b, 4—6) mit kleinerem Haken und kleinerem Flügel, welcher letztere sich an etwa der Mitte der Länge findet. Die äussere, grössere Seitenzahnplatte (Fig. 3aa) mit stärkerem Haken und weiter nach dem anderen Ende gestelltem Flügel. An das Ende dieser letzteren Seitenplatte schliesst sich (Fig. 3) die kurze Schrägreihe von (2 — )3' Aussenplatten an. Die erste (Fig. 3c) der- selben ist die längste, etwas breiter vorne als hinten, von der Grund- platte erhebt sich in der längeren vorderen Strecke ein starker, oben abgeplatteter und nach aussen abfallender Kamm. Die zweite ist etwas kürzer, schwächer und mit weniger hohem und starkem Kamme (Fig. 3d). Eine dünnere und flachere, kammlose dritte Aussenplatte (Fig. 3e) fehlt oft, besonders in der freien Raspel. Die Speicheldrüsen weissHch, neben einander weit nach hinten Hegend; die Ausführungsgänge lang. Die Speiseröhre ziemlich lang, schmal, über die obere Seite der vorderen Genitalmasse verlaufend, nach unten absteigend und ganz unten am Yorderende der hinteren Eingeweidemasse eintretend und sich in die kleine Magenhöhle öffnend. Der ein wenig links im vorderen Drittel die hintere Eingeweidemasse durchbrechende Darm nicht dicker als die Speiseröhre, seinen weiten Bogen über die vordere Eingeweidemasse hinlegend und nach hinten verlaufend in die niedrige Analpapille endigend. Eine neue Gattung von Polyceraden (Greilada). 5 Die hintere Eingeweidemasse (Leber) kurz, kegelförmig, 3 mm lang bei einer Breite vorne von 1,5 mm, weisslich. Die Gallenblase links am Pylorus, birnförmig. Das Pericardium wie bei den Polyceren. Die abgeplattete Bhitdrüse von eckig-rundlichem Umrisse, in den Rändern etwas lappig. — Die Niere wie bei der Polycera. Die Zwitterdrüse gleichsam mit weisslichen Körnern das hintere Ende und die Seitentheile der Leber überziehend; in den Läppchen (von einem Durchmesser bis 0,2 mm) grosse Eierzellen. Der unten neben der Cardia rechts aus dem Vorderende der hinteren Eingeweidemasse hervortretende, dünne, weissliche Zwitterdrüsengang eine kleine, auch weissliche Ampulle bildend. — Die vordere Genital- masse 3 mm lang bei einer Breite bis 2 und einer Dicke bis 1,5 mm betragend. Der männliche Zweig der Ampulle des Zwitterdrüsen- ganges, der Samengang, in dicht an einander liegenden Zickzack- biegungen aufgerollt, die ein gelbliches Knäuel an der inneren Seite der braungrauen, fast wurstförmigen Prostata bilden; dieselbe war etwa 1,5 mm lang. Aus dem vorderen Ende der Prostata geht die Fortsetzung des Samenganges aus, dieselbe hatte eine Länge von etwa 4 mm, war in der längsten Strecke ein wenig dicker als am Grunde und ging ohne Grenze in den Penis über. Die letzte Strecke des Samenganges bis an die Spitze des (Glans-) Penis mit Hakenreihen (Fig. 8) besetzt; diese letzte Strecke von einer Länge von beiläufig 0,55 mm bei einem fast durchgehenden Diam. des Hakenrohres von 0,045 mm. Die Haken von ähnlicher Form wie bei den Euplocamen^), schwach gelblich, von einer Höhe bis etwa 0,009 mm (Fig. 9). Bei einem Individuum ragte, wie erwähnt, die hervorge- streckte Glans (Fig. 7) beiläufig 0,25 mm aus der Genitalöffnung hervor. Die Vorhaut nicht kurz. Die weisse Spermatotheke kugel- förmig, von beiläufig 0,8mm Durchmesser (Fig. 10a), leer; der Aus- führungsgang etwa doppelt so lang wie die Blase, unten weiter (Vagina) (Fig. 10b). Die Spermatocyste (Fig. 10c) kaum Vs der Grösse der Spermatotheke betragend; der Ausführungsgang auch lang. Die Schleimdrüse kaum die Hälfte der ganzen vorderen Genitalmasse betragend; die kleine Eiweissdrüse auch weisslich; der Schleimdrüsengang kurz. 1) Vergl. E. Bergh, Beitr. zu einer Monogr. d. Polyceraden. I. Verh. d. k. k. zool. bot. Ges. in Wien. XXIX. 1879. Taf. XIV, Fig. 1, 2. 6 Dr. R. Bergh. Tafel -Erklärung. Greilada elegans, Bgh. Fig. 1. Mandibelplatten von vorne, mit Cam. lue. gezeichnet (Vergr. 55); a oberes Zwischenstück, bb die flügeiförmigen Fortsätze, c unteres Zwischenstück mit seiner zungenförmigen Verlängerung nach hinten. Mandibelplatten, von der rechten Seite; a, b, c wie in Fig. 1. Stück der rechten Hälfte der Raspel, mit Cam. gezeichnet (Vergr. 350); aa (3) äussere Seitenplatten, b innere Seiten platte; c, d, e erste, zweite und dritte Ausseuplatte. Innere Seitenplatte, vom Rande (Vergr. 350). Aehnliche, von oben (Vergr. 350). Innere Seitenplatte dreier Reihen, in ursprünglicher Lage (Vergr. 350). Ausgestülpte Glans penis (Vergr. 350). Ende des Samenganges (glans) (Vergr. 350). Elemente der Hakenbewaffnung (Vergr. 750). Samenblasen; a Spermatotheke, b vagina; c Spermatocyste. Fig. 2. Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6. Fig. 7. Fig. 8. Fig. 9. Fig. 10. lieber ein abnormes Exemplar von Aurelia aurita L. Von Georg Dunckep, Hamburg. Hierzu Tafel I, Fig. 11, 12. Am 16. August vorigen Jahres (1892) fand icli in unmittelbarer Nähe des Strandes von Kl. Timmendorf an der Neustädter Bucht (Ost-Holstein) zwischen in der Brandung treibenden Massen kurzer, brauner Stücke von Zostera marina eine eigenthümliche Abnormität von Aurelia aurita L. (Fig. 11.) lebend umherschwimmen. Das Thier fühlte sich fester an, als die gewöhnliche Form, mit der es beim ersten Anblick fast gar keine Aehnlichkeit bot. Der Schirm desselben war nämlich über die exumbrellare Seite hinüber geschlagen und dann derart verändert, dass die ursprüngUche Randöffnung nur noch als kleines, bewimpertes Loch von ca. 4 mm Durchmesser erschien. Demnach gUch die Qualle nun einer 8 cm langen Birne, deren spitzes Ende von der eben erwähnten Oefihung gebildet wurde und deren stumpfem Pole die vier am Grunde ver- dickten Arme mit der schräg-kreuzförmigen Mundöffnung zwischen sich aufsassen. Die Subumbrella war zur Aussen-, die Exumbrella zur Innenfläche jenes birnförmigen Körpers geworden, dessen dickste Stelle mit 4,5 cm Durchmesser sich am Ende des ersten Drittels seiner Länge befand. Der eine Arm war bedeutend länger (7 cm)^ als die übrigen drei (ca. 4 cm) ; sie legten sich bei schnellerer Schwimmbewegung des äusserst lebhaft und gesund erscheinenden Thieres dem Schirmteil der Länge nach an. Leider hatte ich zur Zeit dieses Fundes im Badeort keine Gelegenheit, am frischen Thier feinere anatomische, sowie histologische Untersuchungen anzustellen. Ich bewahrte es zunächst in einer mit Sublimat gesättigten wasserhaltigen Mischung von Glyzerin und Alkohol % Jahre lang auf, härtete es später gelegentlich eines längeren Transports in Osmiumsäure und konservierte es in starkem Alkohol. So kann ich jetzt die 8 Randkörper, die sich damals als 3 Georg Duücker. rotlie Pünktchen zeigten, nicht mehr auffinden; die Randfäden sind verschrumpft und zum Theil verloren, die Genitalkrausen und un- verzweigten Radiärkanäle haben ihre kirschrothe Farbe verloren, das ganze Thier ist stark geschrumpft, so dass es jetzt fast rundscheiben- förmig gestaltet ist. Ich zähle 8 unverzweigte und 8 verzweigte Gefässkanäle in alternierender Stellung ;if. am peripheren Ende der ersteren befanden sich die Randkörper, ohne dass ein deutlicher Einschnitt für dieselben erkennbar war. Einen Ringkanal habe ich nicht wahrgenommen. Die Farbe des Thieres war die einer gewöhnlichen Aurelia aurita. Geschlechtsprodukte sind trotz der wohl entwickelten Genitalkrausen nicht mehr auffindbar. Die Schwimmbewegung, die sieh in einem grösseren Gefäss leicht beobachten Hess, fand in der Weise statt, dass die Qualle durch Kontraktion der Längsmuskulatur unter gleichzeitiger Erschlaffung der Ringmuskeln sich voll Wasser sog, wobei sie natürlich an Länge ab-, an Dicke zunahm, und dieses durch die entgegengesetzte Muskel- funktion in kräftigem Stoss aus der Randöffnung am aboralen Pol ausströmen Hess, so dass sie nach Art der Salpen in der Richtung des oralen Pol vorwärts schoss. Diese Art der Bewegung ist, so merkwürdig sie beim ersten Anblick auch erscheint, im Grunde genommen durchaus normal; bei der rudernden Bewegung regulärer Individuen bedeutet die Kontraktion der Längs- (Radiär-)muskeln und die dadurch bedingte Abflachung der Körperscheibe das Aus- legen, die Kontraktion der Ringmuskeln nebst der durch sie bewirkten starken Krümmung des Schirms dagegen den treibenden Stoss, so dass es nur die durch die Körperform gegebene Stossrichtung ist, durch die sich die Bewegung jenes Individuum von der normaler Exemplare unterscheidet. Von wesentlicher Bedeutung scheint mir vielmehr die Art der Abnormität bei der vorliegenden Qualle zu sein. Ursachen monströser Bildungen sind gewöhnlich unvoUständige oder übermässige Ent- wicklung einzelner Organe oder des ganzen Thieres, abnorme Geschlechtsverhältnisse, Rückschlagserscheinungen, ferner bei bi- lateralen Thieren Störungen der Symmetrie, bei radiä^ren solche der normalen Zahlenverhältnisse, wie sie ja auch gerade an AureHa von Ehrenberg 1) u, A, vielfach beobachtet sind; endlich Verletzungen. Demnach pflegen derartige Vorgänge meistens in den durch Onto- und Phylogenie des betr. Organismus vorgezeichneten Bahnen zu ver- laufen. Hier Hegt jedoch eine Missbildung vor, die sich von keiner dieser Ursachen direkt ableiten lässt. Die aus der Ontogenie des Thieres nicht ohne weiteres erklärHche Formveränderung bedingt eine von der seiner normalen Verwandten total abweichende Lebens- weise, welche mit denselben Organen, wie denen normaler Thiere ^) Ehrenberg. Ueber die Acalephen des Meeres und den Organismus der Medusen der Ostsee, p. 199—202: Ueber die Zahlenverhältnisse und Varietäten der Medusa aurita. In: Abb. Berl. Akad. 1835. — Ferner Romanes in Journ. Linn. Soc. 1876 u. 1877; Haeckel, System der Medusen. Ueber ein abnormes Exemplar von A.urelia aurita L. 9 ausgeführt werden muss und auch ausgeführt wird, ein Verhältniss, das sich nur durch Annahme intensiver Anpassungsvorgänge er- klären lässt. Prof. Haeckel, dem das Präparat in Hamburg auf meine Bitte durch Herrn Dr. M. v. Brunn vorgelegt wurde, erklärte sich, wie mir Herr v, Brunn freundlichst mittheilte, die Bildung als so ent- standen, dass die ursprüngHch normale Qualle gelegentlich die in Fig. 12 dargestellte Ermüdungslage eingenommen hätte, sich nicht wieder zurückschlagen konnte und nun zu dieser Form ausgewachsen wäre. Die Eigenthümlichkeit der Aurelia, zu Zeiten diese Lage ein- zunehmen, ist altbekannt; auch ich hatte an der Kieler und Neu- städter Bucht oft Gelegenheit, sie zu beobachten, und zwar besonders häufig an windstillen sonnigen Tagen, wo die Thiere in grossen Schwärmen an der Oberfläche umhertreiben. Viele derselben liegen dann bewegungslos in der oben erwähnten Stellung so, dass ihr Rand bis an die Luftgrenze reicht. Berührt man sie in diesem Zustande, so tauchen die meisten rasch unter, wobei sie ihre gewöhnliche Haltung einnehmen; einzelne aber scheinen bisweilen ihre Stellung nicht mehr ändern zu können und machen ihre Schwimmbewegungen in mehr unserer Abnormität entsprechender Weise. Hiernach Hesse sich die Entstehung der letzteren auf zweierlei Art erklären. Entweder hatte das Thier bereits seine jetzige Grösse annähernd oder vollständig erreicht, als es zur perversen Stellung gelangte, und der Schirmrand wurde nachträghch durch Resorption sehr stark verengert. Dagegen spricht der durchaus regelmässige Randtentakelbesatz der aboralen Oeffiiung und das Fehlen von Faltungen an der Schirmfläche, die hiermit im nothwendigen Zusammenhange ständen. Oder das Thier erlitt die dauernde Um- stülpung in jugendlichem Alter; der Schirm wuchs später normal aus bis auf den Rand, der sich vielleicht sogar noch unerheblich verengerte. Juli 1893. Georg Duncker, Hamburg. Bericht über die von Herrn Dr. Sander gesammelten Tnnicaten. Von M. Traustedt und W. Weltner. Hierzu Tafel II. Die von Herrn Stabsarzt Dr. Sander auf der Reise S. M. S. Prinz Adalbert 1883 — 85 im Atlantischen, Indischen und südlichen Stillen Ocean gesammelten Tunicaten sind theils (die Salpen) in Chromsäure und Osmiumsäure, theils (die Ascidien) in Chromsäure oder in SubHmat und Osmiumsäure abgetödtet worden. Die Erhaltung ist eine gute. Die Bearbeitung des Materials wurde von Herrn M. P. A. Traustedt ausgeführt; er fand sechs Arten von einfachen Ascidien, darunter drei neue, und 5 Arten von Salpen. Eine Bestimmung der zusammengesetzten Ascidien war unthunlich. Die folgende Liste der Sanderschen Tunicaten hat Weltner im Einverständniss mit Herrn Traustedt nach dessen Angaben zusammengestellt, die Diagnosen der 3 neuen Arten sind von Traustedt wörtlich über- nommen. Die Figuren zu diesen Beschreibungen rühren von Weltner her. Ascidiacea. Cynthia sanderi n. sp. Nagasaki 1. 6. 1884. 1 Exempl. — Nr. 382. Yokohama 10. 7. 84. 3 Exempl. — Nr. 383. Styela plicata (Lesueur) Yokohama 10. 7. 84. 12 Exempl. — Nr. 384. Styela longitubis n. sp. Yokohama 10. 7. 84. 1 Exempl. — Nr. 385. Corella japonica Herdm. Yokohama 10. 7 84, 12 Exempl. — Nr. 386. Yokohama 3. 10. 84. 20 Exempl. — Nr. 387. Sansibar 22. 8. 85. 1 Exempl. — Nr. 388. Phallusia longitubis Traust. Sansibar 10. 9. 85. 2 Exempl. — Nr. 389. Phallusia princeps n. sp. Capstadt 22. 10. 85. 6 Exempl. — Nr. 390. M. Traustedt und W. Weltner. H Thaliacea. SaJpa cylindrica Cuv. proles solitaria et gregata. 37« S, 750 51' 0. 31. 3. 84. 10 Exempl. - Nr. 391. Salpa runcinata-fusiformis Cham.-Cuv. pr. sol. et gr. 370 S, 76« 0. 30. 3. 84. 8 Exempl. — Nr. 392. Salpa democratica- mucronata Forsk. pr. sol, et gr. 360S, 12^W. 14.2.84. 30 Exempl. — Nr. 393. Salpa africana-maxima Forsk. pr. sol. 350 23' S, 880 28' W. 31. 12. 84. 1 Exempl. — Nr. 394. Salpa africana-maxima Forsk. pr. sol. et gr. 370 42' S, 830 28' W. 12. 4. 85. 5 Exempl. — Nr. 395. Salpa scutigera-confoederata Cuv. pr. gr. 350 23' S, 88» 28' W. 31. 12. 84. 2 Exempl. ^ Nr. 396. Diagnosen der neuen Arten Yon M. Traustedt. jjCynthia Sanderii nov. sp. Der Körper etwas länger als hoch, zusammengedrückt, mit dem niedrigsten Theile der rechten Seite angewachsen. 83 mm hoch, 90 mm lang; Mund bis Kloakenöffnung 30 mm. Der Mantel ist sehr dick, besonders an der Basis und dem angewachsenem Theile der rechten Seite. Die Oberfläche gerunzelt, bräunlich, zum Theil mit fremden Körperchen inkrustrirt. Die Muskulatur des Körpers recht kräftig, besonders in der Umgegend der Siphonen und an denselben. Die Mund- und Kloakenöffnung sitzen an der Rückenseite, die Kloakenöffnung ungefähr in der Mitte, die Mundöffnung etwas länger (d. h. mehr) nach vorne. Die Siphonen sind geräumig, mittellang, etwas divergirend. Die Tentakeln, ca. 20 an der Zahl, kurz, verzweigt, von 2 — 3 verschiedenen Grössen. Das FHmmerorgan ist gross, etwas breiter als lang, die Öffnung zwischen den tief eingerollten Hörnern ist nach vorne, ein wenig rechts gekehrt. Zona praebranchialis glatt. Der Kiemensack hat sechs schwach gekrümmte Falten an jeder Seite; es finden sich achtzehn bis neunzehn Längsrippen an der freien Oberfläche jeder Falte. Die grössten Felder sind ungefähr 3 mal so breit wie lang, verhältnissmässig klein ; 6 kurze Spirakel in jedem Felde. Die Dorsalleiste ist ziemlich lang und wie gewöhnlich in eine Reihe Papillen aufgelöst. Der Darmkanal bildet eine lange Schlinge an der linken Seite; der Oesophagus und der Magen sind gross und geräumig; der Magen ist mit sehr gelappten Drüsen versehen. Der Anus ist beinahe frei und aufwärts gerichtet, mit 3-4 stumpfen Zähnen am Rande. 12 M. Traustedt und W. Weltner. Die Genitalorgane wie gewöhnlich an beiden Seiten entwickelt (an dieser Species nur schwach)." „Styela longitubis nov. sp. Der Körper ist doppelt so hoch wie lang. Die rechte Seite stark gewölbt; das Thier ist mit beinahe der ganzen linken Seite angewachsen gewesen. IT'^nim lang, ca. 30nim hoch. Der Mund- sipho ca. n^/^mm lang; der Kloakensipho 13mm lang. Der Mantel ist dünn, zähe, lederartig, völlig undurchsichtig, beinahe glatt, mit ganz feinen Sandkörnchen inkrustirt. Die Farbe am Spiritusexemplar hellbräunlich-grau. Die Muskulatur des Körpers sehr schwach entwickelt, gleich- massig auf beiden Seiten vertheilt. Die Muskulatur der Siphonen etwas kräftiger. Die Mund- und Kloakenöffnung sitzen an sehr langen, ziemlich dünnen, stark divergirenden Siphonen; die Kloakenöffnung sitzt etwas niedriger. Die Tentakeln, ca. 50 an der Zahl, von mehreren verschiedenen Grössen ; ausserdem finden sich zwischen diesen noch einige ganz kurze. Das Flimmerorgan ist ziemlich klein, hufeisenförmig, etwas länger als breit. DieOeffnung zwischen den zwei schwach gekrümmten Hörnern ist links gekehrt. Zona praebranchialis glatt. Der Kiemensack hat vier schwach gekrümmte Falten an jeder Seite. (S dünne Längsrippen an der freien Fläche; die Querrippen sind flach, von verschiedener Breite; die Felder sind beinahe quadratisch, jedes mit 4 — 5 ziemlich grossen Spirakeln. Die Dorsalleiste ist lang, seicht, ganzrandig. Der Darmkanal bildet eine S förmige Schlinge an dem niedrigsten Theile der linken Seite, der Oesophagus sehr lang; der Magen wage- recht liegend, gross und deutlich gegen Oesophagus und Mitteldarm abgesetzt. Die vordere Krümmimg des Darmes liegt niedriger als der Anus. Das Rektum steigt senkrecht empor, und der Anus ist trichterförmig, am Rande unregelmässig gelappt. Die Genitalorgane rohrförmig, wie gewöhnlich an beiden Seiten vorhanden," „Phallusia princeps nov. sp. Der Körper ungefähr doppelt so hoch wie lang. Die linke Seite flach, die rechte stark konvex. Der Mantel besonders an der Bauchseite sehr dick und knorpel- artig ; die Oberfläche in der Regel mit fremden Körperchen inkrustirt, sonst glatt. Mit der Basis und einem Theil der linken Seite an- gewachsen. Die Farbe an Spiritusexemplaren heU hornartig, gegen die Oefihungen hin fleischfarbig. Bericht über die von Herrn Dr. Sander gesammelten Tunicaten. 13 Die Mund- und Kloakenöffnungen sitzen einander sehr nahe, ungefähr in der Mitte des Rückens. Die Mundöffnung terminal; die Kloakenöffnung sitzt etwas niedriger und dreht sich ein wenig der rechten Seite an. Die Siphonen sind kurz. Die Muskulatur des Körpers schwach, die der Siphonen dagegen recht kräftig. Die Tentakeln, ca. 40 an der Zahl, ziemlich kurz, von zwei ver- schiedenen Grössen. Zona praebranchialis glatt. Das Flimmerorgan ungefähr doppelt so breit wie lang, die Oeffnung zwischen den tief eingerollten Hörnern nach vorne gekehrt. Der Kiemensack ragt unten etwas über den Magen hinaus und ist hier zugespitzt. Die Längsrippen kräftig; die Querrippen von verschiedener Grösse. An den Kreuzungsstellen der Längs- und Querrippen finden sich kegelförmige, ziemlich grosse Papillen; hier und da sind auch kleinere intermediäre Papillen von derselben Form vorhanden. Die Felder des Kiemensackes ungefähr doppelt so breit wie lang; ca. 10 kleine Spirakel in jedem Felde. Die Dorsalleiste mit glattem ungezähnelten Rande. Der Darmkanal bildet ein beinahe geschlossenes S an der linken Seite. Die vordere Krümmung ist stark nach hinten turnirt. Der Anus liegt niedriger als die obere Krümmung des Darmes." Die Falte im Darme ist sehr gross. Auf den vorliegenden Stücken sind zahlreiche Exemplare und Schalentheile von Baianus tintinnabulum L. eingewachsen. 14 M. Traustedt und W. Weltner. Figurenerklärung. Allgemeine Bezeichnungen, a After. 6 Eingang in die Speiseröhre, k Oeffnung der Kloake. m Magen. 0 Mund. Fig. 1. Cynthia sanderi n. sp. Ein mittelgrosses Exemplar vom Rücken ge- sehen. Die Runzeln des Mantels sind nur zum Theil dargestellt. Vi- Fig. 2. Cynthia sanderi n. sp. Das grösste der vorhandenen Exemplare ohne den Mantel. Yon der linken Seite. Vi- Fig. 3. Cynthia sanderi n. sp. Verdauungsorgan eines anderen Exemplars von der rechten Seite. Auf dem Magen die stark gelappten Drüsen. Vi- Fig. 4. Styela longituhis n. sp. auf einem Zweige. Von der rechten Seite. Vi- Fig. 5. Anatomie desselben Thieres, welches von der Bauchseite geöffnet wurde. Der links liegende Darm jetzt rechts gelegen, t Tentakelkreis, f eine Falte des Kiemensackes ks, oe Speiseröhre, r Enddarm, g Genitalorgan, b Bauchrinne, fl Flimmerorgan. Vi Fig. 6. Phallusia princeps n. sp. Grösstes der vorliegenden Exemplare. Von der Rückenseite. Vi- Fig. 7. Dasselbe Thier ohne den Mantel. Von der linken Seite. Die Windungen des Verdauungskanals treten stark hervor. Vi- Fig. 8. Verdauungskanal desselben Thieres von links. Etwas chematisch. Vi- Die Verbreitung des Hamsters (Cricetus vulgaris) in Deutschland. Von Prof. Dr. A. Nehring" in Berlin. Hierzu Tafel III. Im Zusammenhange mit der Ausarbeitung einer Abhandlung über pleistocäne flamster-Reste aus Mittel- und Westeuropa, welche kürzlich von mir in dem Jahrbuche der k. k. geologischen Reichs- anstalt zu Wien, 1893, Bd. 43, p. 179—198 publiciert worden ist, habe ich mich bemüht, die heutige Verbreitung des gemeinen Hamsters (Cricetus vulgaris) in Deutschland genauer festzustellen. Was ich hierüber in der mir zugänglichen Litteratur fand, schien mir unge- nügendi) und theilweise sogar irreführend 2) zu sein; namentlich gilt dieses von den Angaben der ausländischen Litteratur, wonach es so scheinen muss, als ob der Hamster ein in ganz Deutschland allgemein oder doch sehr weit verbreitetes Thier sei, was doch thatsächlich nicht der Fall ist. Ich bin vor Allem bestrebt gewesen, mir zuverlässige Ori- ginal-Beobachtungen über die Verbreitung des Hamsters in Deutschland verschaffen, indem ich zugleich auch die mir zu- gänghchen Litteratur-Angaben verwerthet habe. Ich bemerke, dass alle diejenigen Beobachter, deren Notizen ich im Nachfolgenden ver- wendet habe, den gemeinen Hamster (Cricetus vulgaris) genau 1) Die Angaben, welche F. Gr. Sulz er in seiner sonst sehr ausführlichen „Naturgeschichte des Hamsters", Göttingen und Gotha 1774, p. 106 ff. über die Verbreitung des Hamsters geliefert hat, sind zwar zutreffend und sorgsam, können aber heute nicht mehr genügen. 2) Siehe z. B. Museum of Animated Nature, London, Bd. I, p. 63. — Verhältmässig reichhaltig, aber zum TheU doch unrichtig sind die Angaben, welche Fitzinger in seiner wissensch.-popul. Naturgeschichte der Säugethiere, Bd. n, Wien 1860, p. 156 gemacht hat. Vergl. auch Fitzinger, Versuch e. natürl. Anordnung d. Nagethiere, Wiener Akad., 1867, p. 42. IQ Prof. Dr. A. Nehring. kennen ; man muss in dieser Beziehung bei dem Sammeln von Notizen sehr vorsichtig sein, weil in manchen Gegenden Deutschlands die Schermaus oder Reutmaus (Arvicola amphibius) von den Landleuten auch mit dem Vulgärnamen: „Hamstermaus" oder kurz „Hamster" bezeichnet wird, wodurch man bei der Einziehung von Erkundigungen leicht irre geführt werden kann. Ich bin mir sehr wohl bewusst, dass meine nachstehenden An- gaben über die Verbreitung des Hamsters in Deutschland noch vielfach lückenhaft und ergänzungsbedürftig sind; trotzdem halte ich sie für werth, pubhciert zu werden, da sie im Vergleich mit den bisher vorliegenden Angaben immerhin einen wesentlichen Fortschritt mit sich bringen und zu weiteren Beobachtungen anregen dürften. Allen denjenigen, welche mich freundlichst durch Mittheilungen unterstützt haben, sage ich hiermit meinen verbindlichsten Dank! Leider sind viele meiner Anfragen unbeantwortet geblieben. Der gemeine Hamster (Cricetus vulgaris Desm. seu frumen- tarius Fall.) ist die grösste und kräftigste Art der Gattung Cricetus. Man hat etwa ein Dutzend Hamster-Arten unterschieden, welche sämmtHch der sog. palaearktischen Region angehören und entweder in den eigentlichen Steppen, oder doch in waldarmen, steppenähnlichen Distrikten hausen. (Siehe meine oben genannte Abhandlung im Jahrb. d. k. k. geolog. Reichsanstalt zu Wien, wo p. 180 — 184 einige kurze Angaben über die geographische Verbreitung der einzelnen Cricetus-Species gegeben sind.) Der gemeine Hamster bildet diejenige Cricetus-Species, welche heutzutage am weitesten nach Westen vorgeschoben ist, wenngleich nicht so weit, wie es einst während eines gewissen Abschnittes der Pleistocän-Periode der Fall war. Der H. führt im Allgemeinen ein streng sesshaftes Leben; er hängt zäh an dem Wohngebiete, welches ihm günstig erscheint, und hat wenig Neigung zu Wanderungen. Obgleich eigentlich zu den Steppen -Nagern gehörig, i) verlangt der gemeine H. doch nicht unbedingt ein ausgeprägtes Steppenklima, wofern nur die Vegetations- und Bodenverhältnisse seinen An- forderungen genügen. Die anderen Hamster- Arten sind in klimatischer Hinsicht empfindlicher; sie finden sich heutzutage nur oder fast nur in dem weiten Gebiete Osteuropas und Central-Asiens, welches unter dem vorwiegenden Einflüsse des Steppenklimas steht. Der gemeinen, bewohnt in Deutschland mit Vorliebe solche Distrikte der Ebene und des Hügellandes, welche waldlos oder waldarm sind, und in denen ein tiefgründiger, lehmig-sandiger oder lössartiger Boden ihm die Anlage undErhaltung seiner unterirdischen Kammern und Gänge gestattet. Am liebsten haust er auf grossen Getreidefeldern, welche ihm annähernd die Lebensbedingungen der freien Steppe bieten. Da ^) Siehe meine Angaben nach Mod. Bogdanow in d. Zeitschr. d. Berl. Gesellsch. f. Erdk., 1890, Bd. 26, p. 341. Die Verbreitung des Hamsters in Deutschland. 17 seine Höhlen und Gänge ziemlich tief hinabreichen, wird er durch den gewöhnlichen Pflug wenig gestört. Seltener als auf oder nahe bei Getreidefeldern findet man ihn auf sonstigen Feldern oder in Gärten. Nach Conrad Gessner kam er einst bei Mühlberg an der Elbe in Weinbergen vor; auch Fitzinger erwähnt sein Vorkommen in Rebenpflanzungen. ^) Feuchte, sumpfige oder den Ueberschwemmungen der Flüsse ausgesetzte Distrikte meidet der H., ebenso Gebirgsgegenden mit felsigem Boden; auch der reine, unfruchtbare Sandboden ist ihm zuwider. Die Nähe des Meeres scheint er gänzlich zu fliehen. — Die Westgrenze des Hamsters in Deutschland fällt ungefähr mit der politischen Westgrenze des deutschen Reiches, sowie auch beinahe mit der Westgrenze der heutigen Verbreitung des H. über- haupt zusammen. Nur in der Gegend von Aachen reicht sein Wohngebiet ein wenig nach Belgien hinein, also über die Grenze Deutschlands hinaus. Siehe Tafel HI. In vielen Werken wird der Rhein als die Westgrenze des H. angegeben^); aber mit Unrecht. Im Bereiche von Elsass-Lothringen bilden die Vogesen die Westgrenze seiner heutigen Verbreitung. In der Umgebung der Stadt Strassburg ist er schon seit langer Zeit als häufig beobachtet worden, so dass die Franzosen ihm u. a. auch den Namen: „marmotte de Strassbourg" beigelegt haben; schon im 16. Jahrhundert wird er als dort vorkommend erwähnt. 3) In der bayrischen Pfalz (Rheinbayern) findet sich der Hamster nach den mir freundlichst übermittelten Angaben des Herrn Stud. agr. W. Huber, '^) eines meiner Zuhörer, in den Bezirken von Pirmasens, Zweibrücken, Homburg und Kusel, doch für gewöhnlich nur in geringer Zahl ; häufiger ist er in der Vorderpfalz, also im östlichen Theile der Rheinpfalz, z. B. bei Ludwigshafen. — Wahrscheinlich kommt er auch in dem Theile des Elsass vor, welcher zwischen der Vorderpfalz und der Gegend von Strassburg sich ausdehnt. In Rheinhessen ist der Hamster nach den Mittheilungen des Herrn Stud. Huber stellenweise recht häufig, so z. B. in den Ge- markungen von Pfeddersheim, Griesheim und Wintersheim. Von der ') Man vergl. auch Sulzer a. a. 0., p. 107, wo es bezweifelt wird, dass der H. dauernd in Weinbergen hause. -) Siehe z. B. Schreber, die Säugethiere, 3. Teil, 1826, p. 698. Schreber- Wagner, die Säugethiere, Supplementband, 3. Abth.. 1843, p. 449. Vergl. auch A. Wagner, die geogr. Verbreitung d. Säugethiere, p. 75. 3) Ch. Gerard, Faune historique des mammiferes sauvages de TAlsace. Colmar 1871, p. 191. — Vergl. auch Vogt-Specht, die Säugethiere in Wort und Bild, München 1883, p. 371. *) Herr Stud. W. Huber hat sich in anerkennenswerthester Weise bemüht, mir genaue Notizen über das Vorkommen des Hamsters in Rheinbayern und Eheinhessen zu verschaffen. — Fitzinger a. a. 0. giebt unrichtigerweise an, dass der H. in der Pfalz fehle. Arch. f. Natm-gesch. Jahrg. 1894. Bd.I. H.l. 2 lg Prof. Dr. A. Nehring. Gemeinde Wintersheim sind in den Jahren 1888—1890 Prämien für 5097 getödtete Hamster gezahlt worden i). Was die linksrheinischen Theile der preussischen Rhein- provinz anbetrifft, so ist er dort, so viel ich weiss, nur sporadisch beobachtet worden. Nach Stud. Huber kommt er in geringer Zahl im Kreise Saarbrücken vor. Ferner soll er zuweilen in der Gegend von Trier beobachtet werden; die mir unterstellte Sammlung besitzt ein Skelet von dort. Blasius erwähnt, dass Albertus Magnus ihn von Bonn und Köln gekannt habe. 2) Nach A. Wagner bewohnt er ferner die Gegend von Aachen. Nach S. Longchamps kommt er in geringer Zahl auch noch in der belgischen Provinz Lüttich zwischen Herve und Limburg vor; ebenso soll er bei Venlo am rechten Ufer der Maas vereinzelt gefunden sein. Der letztere Fundort erscheint nach einer freundlichen Mittheilung des Herrn Dr. A. Jentink, Directors des naturhistorischen Reichs- museums in Leiden, einigermassen zweifelhaft. Jentink schreibt mir über die Frage, ob der Hamster irgendwo im Königreich Holland vorkomme, 3) Folgendes: ,,Man hat früher behauptet, dass Cricetus frumentarius in der Provinz Groningen und bei Venlo in der Prov. Limburg vorkomme; aber man hat aus Groningen kein Exemplar zeigen können, und ich denke an eine Verwechselung mit Arvicola amphibius var. Mit Venlo ist es anders, da die Prov. Limburg geologisch und faunistisch nicht zu Holland gehört; es ist denkbar, dass Cricetus frument. dort vorkommt, aber mir ist auch von dort kein Exemplar bekannt." Aus dem Regierungsbezirke Düsseldorf habe ich nichtf? über das etwaige Vorkommen des Hamsters erfahren. In Westfalen ist er bisher nirgends als einheimisch beobachtet worden. Prof. Landois in Münster, der sich bekanntlich sehr eingehend mit der Fauna Westfalens befasst hat, schreibt mir hierüber: „Wir haben bisher in Westfalen nirgends den Hamster constatiert. Es ist zwar hie und da, z. B. in Brünninghausen bei Dortmund, sowie auch hier in der Stadt Münster selbst, ein Hamster gefangen worden; es sind dieses aber sicher herübergesandte, aus der Gefangenschaft entlaufene Exemplare." In Ostfriesland und in Oldenburg kommt der Hamster nicht vor; auch nicht im Gebiete von Bremen. Dr. 0. Finsch in Delmen- horst, der bekannte Zoologe, schreibt mir: „Was Ihre Anfrage betrifft, so ist mir über das Vorkommen des Hamsters im Bremer und Olden- burger Lande nie etwas bekannt geworden und ich glaube bestimmt, ^) Geuauere Angaben über die von 1840—1890 bei VVintersbeim getödteten Hamster findet man in d. Beilage für Rheinhessen zur Zeitschr. d. Landw. Vereine d. Grossherzogtbums Hessen, 1891, Nr. 1. 2) Blasius, Naturg. d. Säugeth. Deutschlands, p. 308. ^) Fitzinger, Versuch e. nat. Anordnung d. Nageth., 1867, giebt ohne Einschränkung oder Fragezeichen an: „Holland, Venloo." Die Verbreitung- des Hamsters in Deutschland. 19 dass er hier fehlt." Auch in dem kleinen Werke von Wiepken und Greve über die Wirbelthiere Oldenburgs wird der Hamster nicht aufgeführt. In dem östlichen Theile der Provinz Hannover scheint der Hamster nur dasjenige Gebiet zu bewohnen, welches westlich von der Weser und nördlich von der Aller begrenzt wird, ohne dass er aber diese Grenzen thatsächlich erreicht oder ausfüllt. Mein geehrter Freund, der Herr Amtsrath Dr. Struckmann in Hannover, schrieb mir Folgendes: „Soweit ich selbst beobachtet oder aus ganz zuverlässigen Quellen erfahren habe, findet sich der Hamster (Cricetus vulgaris) recht häufig in einem Theile des Kreises Goslar und zwar im früheren Amte Liebenburg, ferner in den Kreisen Hildesheim und Marienburg, sowie in einem Theile des Kreises Hameln und zwar im früheren Amte Lauenstein, weiter sehr häufig im südHchen Theile des Kreises Neustadt und zwar zwischen Wunstorf und Gr. Munzel, auch in dem angrenzenden westHchen Theile des Kreises Linden am Nordfusse des Heisters. Aus den Kreisen Goettingen und Nort- heim ist mir ein Vorkommen des H. nicht bekannt geworden." Mein Bruder Oskar, welcher seit mehr als 20 Jahren ein Rittergut in dem früheren Amte Liebenburg verwaltet, schreibt mir: „Hamster giebt es zwar im alten Amte Liebenburg, aber nicht so massenhaft, wie bei Halberstadt." Auch bei Oelheim unweit Peine kommt der H. hie und da vor; das naturhistorische Museum in Braunschweig hat, wie Herr F. Grabowsky, Assistent an jenem Museum, mir freundlichst mittheilte, im vorigen Jahre durch einen Studirenden der technischen Hoch- schule zu Braunschweig einen Hamster aus Oelheim erhalten. Im Herzogthum Braunschweig ist der H. stellenweise ziem- lich häufig; ich kenne ihn aus den Kreisen Braunschweig, Wolfen- büttel, Helmstedt und Blankenburg auf Grund eigener Beobachtungen, namentHch aus der Umgebung der Städte Helmstedt^), Wolfenbüttel und Schöppenstedt, Nach Erwin Schulze soll er in der näheren Umgebung der Stadt Braunschweig fehlen, doch ist dieses wohl nicht ganz zutreffend ; wie Herr Grabowsky mir mittheilte, ist Herrn Prof. W. Blasius vor einigen Jahren ein Hamster gebracht worden, welcher zwischen dem Wendenthore und dem Schunter-Flüsschen, in der Nähe des Dove-Sees (also an der Nordseite der Stadt Braunschweig) er- schlagen war. Herr Prof. W. Blasius erinnert sich ferner mit Be- stimmtheit, dass der H. vor ca. 25 Jahren bei Sophienthal, etwa 2V2 Stunden nordwesthch von Braunschweig, zahlreich vorkam. Ob der Hamster nach Norden bis zur AJIer vorgedrungen ist, darüber kann ich bisher keine bestimmten Angaben machen. Jeden- ^) Nach den Mittheilungen meines Bruders Robert, herzogl. Braunschw. Oberförsters in Marienthal unweit Helmstedt, scheint der H. in den nördlichen Theilen des Kreises Helmstedt entweder zu fehlen oder selten zu sein. Ich habe ihn auf den Feldern südlich und südöstlich von der Stadt Helmstedt während der fünfziger Jahre häufig beobachtet. 2* 20 Prof- Dr- A. Ne bring. falls fehlt er nördlich von der Aller, in der Lüneburger Heide. Auch in dem Haupttheile der Altmark scheint er zu fehlen; einer meiner Zuhörer, der in der Gegend von Stendal zeitweise als Landwirth thätig war, hat ihn dort niemals beobachtet, auch nicht von ihm gehört. — Dagegen kommt der H. von Neu-Haldensleben ab südHch in der Provinz Sachsen sehr häufig vor. Die mir unterstellte Samm- lung enthält zahlreiche Exemplare aus der Umgebung von Alt- Haldensleben und Hundisburg, welche von Hermann v. Nathusius und anderen Mitgliedern der Famihe Nathusius gesammelt sind. Ich selbst habe den H. häufig in der Magdeburger Börde, namenthch in der Gegend zwischen Hadmersleben und Westeregeln beobachtet. Ich kenne ihn ferner von Magdeburg, Oschersleben, Halberstadt und Aschersleben, wo er besonders häufig ist. Erwin Schulze nennt als Fundorte: Osterwieck, Hornburg, Quedlinburg, Aschersleben, Halle, die Gegend am südlichen Harzrande etc. Ueberhaupt kann man den ganzen mittleren und südHchen Theil der Provinz Sachsen, sowie auch den grösseren Theil des Herzogthums Anhalt als ein bevor- zugtes Wohngebiet des Hamsters bezeichnen. [Siehe Tafel III]. Vergl. auch Sulzer a. a. 0., p. 107. In der Provinz Brandenburg findet sich der H. hauptsächlich in den Districten, welche den von ihm bewohnten Theilen der Prov. Sachsen benachbart sind; doch kommt er weiter verbreitet vor, als man gewöhnhch annimmt. J. H. Schulz erwähnt in seiner „Fauna Marchica", Berlin 1845, p. 35, Exemplare von Jüterbogk und Treuen- brietzen, also aus dem Südwesten der Provinz; Friedel nennt in der 2. Ausgabe seiner „Wirbelthiere der Prov. Brandenburg", Berhn 1886, p. 62, ausserdem noch Luckenwalde, sowie ferner Nauen und die Priegnitz. Ich selbst konnte im vorigen Jahre auf Grund der mündlichen Angaben des Herrn Gustav Stimming zu Brandenburg nach- weisen, dass der H. vor ca. 40 Jahren nahe bei der Stadt Brandenburg und zwar vor dem Krakauer Thore häufig war; derselbe verschwand dann plötzlich ohne ersichtlichen Grund. Seit Kurzem haben sich aber einzelne Paare bei den Dörfern Moser und Grähnert (westlich von Brandenburg) gezeigt i). Nach einer mündlichen Mittheilung des Herrn P. Matschie, Assistent am hiesigen Museum f. Naturkunde, ist der H. schon vor ca. 20 Jahren bei dem Städtchen Ziesar, süd- westlich von der Stadt Brandenburg, vorgekommen. 2) Besonders interessant erscheint mir sein Vorkommen bei Nauen, bei Fehrbellin, in der Priegnitz, sowie bei Templin, Schwedt und Oderberg. Siehe Tafel III. Nach Angabe des Herrn Ludwig, Präparators an der zoolog. Ab- theilung des hiesigen Museums für Naturkunde, findet sich der H. häufig 1) Siehe „Naturwiss. Wochenschrift", 1892, Band VII, p. 355. -) Ziesar liegt übrigens noch in der Provinz Sachsen, sowie auch die vorher genannten Dörfer Moser und Grähnert, letztere allerdings dicht an der Grenze der Prov. Brandenburg. Die Verbreitung des Hamsters in Deutschland. 21 bei Nauen (westlich von Berlin), und zwar links von der alten Berlin- Hamburger Chaussee; Ludwig ist aus Nauen gebürtig und hat ihn hier schon in seiner Jugend (d. h. also vor ca. 40 Jahren) beobachtet. Derselbe kennt ihn ferner von dem Dorfe Brunne bei Fehrbellin und hat mir ein von dort stammendes Exemplar überlassen. Nach einer brieflichen Mittheilung des bekannten Ornithologen Schalow hierselbst kann ich über das Vorkommen in der Priegnitz Folgendes mittheilen: „Von Cricetus vulgaris habe ich (schreibt mir Schalow) lebende Exemplare gesehen und todte in Händen gehabt in der Umgegend der Dörfer Görcke und Granzow, ca. 2 Stunden östlich von der Eisenbahnstation Glöwen.^) Bei Granzow ist der Hamster sehr häufig; zwischen Glöwen und Görcke soll er nach den Mittheilungen der Einwohner nicht vorkommen." Aus dem Nordosten des Regierungsbezirks Potsdam kenne ich nur Templin, Schwedt a. d. Oder, Neuendorf und Lunow (zwischen Angermünde und Oderberg) als Fundorte des H. Bei Templin wurde er durch Herrn Dr. Arthur Krause (hier) festgestellt, sein Vorkommen bei Schwedt ist durch den verstorbenen Prof. Munter (in Greitswald) bezeugt; dasjenige bei Amt Neuendorf und Lunow kenne ich durch Herrn Förster Schulz^) in Breitelege bei Oderberg (Mark). An das Vorkommen bei Templin schliesst sich dasjenige inMecklen- burg-Strelitz an, über welches Herr Gymnasiallehrer Struck in Waren ausführHch berichtet hat. 3) Hiernach kommt der H. in der Gegend von Friedland, also im nordöstlichen Theile des Gross- herzogthums Mecklenburg-Strelitz, vor und zwar südlich von Friedland bei den Orten Lübbersdorf, Hohenstein, Golm und "Weitin. Siehe Tafel HI. Aus den sonstigen Bemerkungen Strucks ergiebt sich, dass der Hamster auch an einigen Punkten Pommerns, nämlich auf dem Arnim'schen Gute Züsedow bei Pasewalk sicher festgestellt und, wie es scheint, sogar bei Demmin beobachtet worden ist.^) Nach einer mündlichen Mittheilung meines verehrten Collegen, des Herrn Forst- meisters Westermeyer, welcher in Pommern gut Bescheid weiss, kommt der H. auch bei Löcknitz, zwischen Pasewalk und Stettin, vor; Herr Westermeyer besitzt ein ausgestopftes Exemplar aus der Gegend von Löcknitz. Hiermit haben wir die nördlichsten Vorposten des H. in Deutsch- land berührt. Andere Fundorte aus Pommern sind mir nicht bekannt geworden ; einige bezügliche Anfragen, welche ich nach Stettin gesandt hatte, sind unbeantwortet geblieben. Nach Angabe des Herrn Stud. ^) Station der Berlin-Hamburger Bahn zwischen Neustadt a. d. Dosse und Wilsnack. -) Herr Schulz war so freundlich, mir einen Hamster von Amt Neuendorf einzusenden. ^) Siehe Arch. d. Ver. d. Freunde d. Naturgesch. in Mecklenburg, 1876, Neubrandenburg 1876, p, 66 u. 67. und ebenda, 1889, p. 103—106. *) Das angebliche Vorkommen bei Demmin scheint mir allerdings einer nochmaligen Prüfung zu bedürfen. 22 Prof. Dr. A. Nehring. agr. Ludwig, eines meiner Zuhörer, welcher längere Zeit als land- wirthschaftl. Beamter in Pommern thätig gewesen ist, kommt der H. weder bei Anclam und Wolgast (Vorpommern), noch auf den Ländereien des Fürsten Bismarck bei Varzin vor^), wie er denn überhaupt in dem grössten Theile der Provinz Pommern völlig zu fehlen scheint. Wenn an manchen Orten dort vom „Hamster" geredet wird, so ver- steht man darunter die Schermaus (Arvicola amphibius), und man muss also bei der Verwerthung von solchen Angaben sehr skeptisch sein! — Auch im Osten der Provinz Brandenburg scheint der H. zu fehlen. Nach meinen Erkundigungen kommt er bei Biesenthal und Eberswalde, also nördlich von Berlin, nicht vor; ebenso wenig bei Neudamm und Berneuchen in der Neumark. Ueljer die Gegend von Frankfurt a. d. 0. bin ich leider ohne Nachricht geblieben. In der Niederlausitz soll er fehlen, sofern meine Erkundigungen zutreffend sind ^). In der Provinz Posen ist der H. bisher nirgends beobachtet worden, soweit meine Kenntniss reicht; auch dem landwirthschaftl. Provinzialverein in Posen, an den ich mich um Auskunft gewendet hatte, ist nichts über sein Vorkommen in jener Provinz bekannt geworden. — In West- und Ostpreussen fehlt der H. ebenfalls vollständig, nach dem übereinstimmenden Zeugnisse mehrerer namhafter Autoren^). Ebenso fehlt er in den russischen Ostsee -Provinzen. Alle die an- geblichen Fälle seines Vorkommens in diesen Gegenden beruhen entweder auf Verwechselungen mit der Schermaus (Arv. amphibius), oder auf sonstigen Irrthümern. Bei Schreber, Die Säugethiere, 3. Theil, 1826, p. 698, liest man in einer Fussnote Folgendes: „Nach Fischer's Naturgeschichte von Lievland S. 60 soll es auch in Lievland Hamster geben, von denen aber gesagt wird, dass sie ihre Höhlen gern unter Baumwurzeln bauen, und gemeiniglich paarweise leben — welches auf den gemeinen Hamster nicht recht passt." Hier handelt es sich gewiss nicht um den richtigen Hamster (Cricetus), sondern um die Schermaus. — Sehr ausführlich hat Oskar von Löwis, der ausgezeichnete Kenner der baltischen Säugethiere, die Frage des Hamster- Vorkommens in den russischen Ostsee-Provinzen behandelt. Siehe „Zool. Garten," Bd. 21, 1880, p. 261 und „Baltische Monats- schrift," Bd. 32, 1885, Heft 4, p. 463 f. Derselbe kommt zu einem völlig negativen Resultate ; ich hebe aus der letztgenannten Zeitschrift ^) Herr Stud. Ludwig war längere Zeit Verwalter beim Fürsten Bismarck in Varzin (Hinterpommern). 2) Nach Fitzinger, a. a. 0., soll der H. im südöstlichen Theile der Mark Brandenburg vorkommen. ^) J. G. Bujack, Fauna Prussica, Königsberg 1837, p. 56, lässt es zweifel- haft, ob der H. in der Provinz Preussen vorkommt ; doch kann man heute sicher behaupten, dass dies nicht der Fall ist. Die Verbreituug des Hamsters in Deutschland. 23 folgende Bemerkungen hervor: „Früher wurde der Hamster, Cricetus frumentarius, in gutem Glauben und in Analogie mit seinem häufigen Vorkommen in Mitteldeutschland, oder auch weil derselbe weiter südlich in Polen und südöstlich in einem Theile des witebskischen Gouvernements schon vorkommen soll, unter den hier (d. h. in den russ. Ostsee-Provinzen) vorhandenen Nagerformen kritiklos vorgeführt und seine Beschreibung aus deutschen Lehrbüchern einfach abge- schrieben, so von J. L. Fischer im vorigen Jahrhundert, von E. W. Drümpelmann und Friebe etc. und in vielen späteren Verzeich- nissen i).''^ .... „Der verstorbene Prof. der Zoologie Dr. Zaddach aus Königsberg sagte mir 1880 auf der Naturforscherversammlung zu Danzig bei Besprechung dieser fälschlichen Hamster-Aufführungen, dass, da der Hamster sowohl in West- als Ostpreussen gänzlich fehle und erst im mittleren Polen gefunden werde, er sicherlich niemals in den (russischen) Ostsee-Provinzen vorgekommen sein könne. Das von A. Lehmann der dorpater Universitätssammlung 1836 übergebene Exemplar ist gewisslich von seinen Reisen aus Südrussland, wo der Hamster „chomjak," als südöstliche schwarze Spielart auch „karbysch" genannt wird, mitgenommen gewesen und wurde im Re- gister durch ein Versehen als livländisches verzeichnet, indem man liest „Livonia 1836." Ehe also verbürgte baltische Hamster gefangen und eingesandt wurden, darf derselbe nicht aufgeführt werden." — Ich erwähne bei dieser Gelegenheit, dass sich in der zoolog. Abtheilung des hiesigen Museums für Naturkunde ein ausgestopfter Hamster befindet, der angeblich aus Parma in Oberitalien stammen soll; auch hier liegt sicher ein Irrthum vor! Entweder handelt es sich um ein lebend nach Parma geschicktes, später aus der Gefangen- schaft entschlüpftes Exemplar, oder es ist vielleicht in dem Inventar ein Schreibfehler passirt und statt Parma etwa Pirna oder dergl. zu lesen. Oberitalien hat zwar während der jüngeren Pleistocänzeit den gemeinen Hamster beherbergt; aber heutzutage ist er dort nirgends einheimisch, wie Herr Dr. Forsyth Major (Florenz) mir auf meine Anfrage ausdrücklich versichert hat. Kehren vnr nach Deutschland zurück! In der Provinz Schlesien scheint der H. in vielen Distrikten vorzukommen, und zwar haupt- sächlich Hnks (westlich) von der Oder. Wie Herr Dr. Peck, der verdienstvolle Vorsteher des Museums der naturforsch. Gesellschaft in Görlitz, mir kürzlich bei einem Besuche jenes Museums mittheilte, findet er sich hie und da in der Oberlausitz ; ein ausgestopftes Exemplar der genannten Sammlung kann als Belag dafür dienen. Nach Angabe des Herrn Jacob, Portiers an der Landwirthschaftl. 1) Auch J. Fr. Brandt hat jene Angaben Fischer's und Drümpelmann's als zuverlässig angesehen oder doch keinen directen Zweifel gegen sie geäussert. Siehe seine Bemerkungen über die Wirbelth. d. nördl. europ. Russl., Petersburg 1856, p. 40. Auch Bujack und Fitzinger nehmen fälschlich an, das der H. in Lievland vorkomme. 24 Prof. Dr. A. N eh ring. Hochscliule zu Berlin, kam der H. ira Anfange der sechziger Jahre häufig bei dem Dorfe Quaritz unweit Gr. Glogau vor. Herr Gnörich, Präparator am hiesigen Museum f. Naturkunde, hat ihn früher in der Gegend von Klettendorf, südwestlich von Breslau, beobachtet. Meine jetzige Dienstmagd, eine Schlesierin, kennt ihn genau aus der Gegend von Weissdorf, Kreis Ohlau; sie hat früher oft beim Aus- graben der Hamster geholfen. Nach Angabe des Herrn Dr. Crampe (in Breslau, früher in Proskau) soll der H. in die Gegend von Proskau (südlich von Oppeln) erst in den siebziger Jahren vorgedrungen sein, während der Ziesel (Spermophilus citillus) dort schon früher oft beobachtet worden ist. Siehe: ,,Der Landwirth", 1892, S. 508. Nach einer Mittheilung des Herrn Stud. agr. Grosskurth kommt der H. in massiger Zahl auf den Feldern bei Ober-Glogau im Neustädter Kreise vor, zugleich mit dem Ziesel, doch so, dass dieser den leichteren, jener den schwereren Boden vorzieht. Siehe Tafel IH. Auf der rechten Seite der Oder scheint der H. in Schlesien nur eine sehr geringe Verbreitung zu haben. Bisher kenne ich ihn nur aus der Gegend von Militsch, nahe der Südgrenze der Provinz Posen, wo ihn Herr Rimane, Diener am hiesigen Museum für Natur- kunde, fi'üher beobachtet hat. Nach einer gefälligen Mittheilung des landwirthschaftHchen Vereins des Kreises Lublinitz kommt der H. dort nicht vor; ebenso fehlt er nach Stud. agr. 0. Wagener in der Gegend von Tarnowitz. Der reichsgräfhch Schaffgotsch'sche Präparator in Warmbrunn, Herr Martini, theilte mir auf Grund langjähriger Erfahrungen mit, dass der Hamster hie und da in den Kreisen Bunzlau, Liegnitz, Striegau und Jauer vorkomme. Herr Martini hat aus diesen Kreisen zuweilen frisch getödtete Hamster zum Ausstopfen erhalten; einer derselben war an den sog, Rehbergen bei Liegnitz erbeutet worden. Im Hirschberger Kreise wird der H. nicht gefunden. Stellenweise und zeitweise scheint übrigens der H. im Kreise Liegnitz ziemlich häufig zu sein; wie Herr Josephi, Hülfsarbeiter am hiesigen Museum f. Naturk., mir freundlichst mittheilte, wurden im Herbst 1881 bei Weissen Leipe, zwischen Maltsch und Striegau, auf einem Gute von 1000 Morgen 86 Hamster gefangen. Ueber das Vorkommen im ,,Fürstenthum Jauer "^ siehe auch Sulzer, a. a. 0., S. 108. Was den östlichen Theil des Königreichs Sachsen an- betrifft, so hat mir Herr Kreissecretär Brugger in Bautzen namens des dortigen landwirthschaftl. Kreisvereins mitgetheilt, dass der H. in der ganzen sächsischen Lausitz vorkomme, aber nicht in solcher Zahl, dass Schädigungen in grösserem Umfange zu melden seien. Auch auf dem Grundstücke der landwirthschaftl. Lehranstalt in Bautzen sind schon mehrfach Hamster ausgegraben worden. Neben ihm findet sich in der sächsischen Lausitz auch der Ziesel (Spermo- philus citillus), doch in geringer Zahl. In den ebenen Distrikten der mittleren und westlichen Theile des Königreichs Sachsen scheint der H, überall vorzu- kommen. Schon Gessner erwähnt, dass er bei Meissen, Leipzig und Die Verbreitung- des Hamsters in Deutschland. 25 Pegau häufig sei. i) lieber Osttliüringen kann ich sehr genaue, auf langjährige Beobachtungen gestützte Angaben meines verehrten Freundes, des Hofraths Prof. Dr. K. Th. Liebe in Gera, mittheilen. Derselbe schreibt mir auf meine Anfrage Folgendes: „Der Hamster ist im Norden von Ostthüringen, bei Zeitz, Meuselwitz, Altenburg etc., also im eigentlichen Osterland, eine gemeine Erscheinung. Weiter südlich, in der Grafschaft Gera, im Neustädter Kreise bis Saalfeld hin ist er vereinzelter, wird nicht zur Landplage, ist aber garnicht selten. Im Nordwesttheile (im Buntsandsteingebiet) ist er seltener als in dem südlich davon gelegenen Neustädter Kreise, wohl nur deshalb, weil er Sandboden nicht liebt. Auf den südlicher gelegenen Waldbergen verschv?indet er und fehlt im südlichen Ostthüringen, wo es ihm auch zu rauh und der Boden zu steinig und flach- gründig ist." In der Gegend zwischen dem Thüringer Walde und dem Harze scheint der H. eine weite Verbreitung zu haben. Allgemein bekannt aus der Litteratur ist sein massenhaftes Vorkommen bei Gotha. Von meinen Zuhörern habe ich noch folgende Notizen erhalten: Herr Stud. agr. Claus hat ihn bei Almenhausen unweit Sondershausen beobachtet, daselbst auch ein schwarzes Exemplar gefangen; Herr Stud. agr. Ludwig kennt ihn von Rossleben, Herr Stud. agr. Wagener aus der Gegend von Weimar. — Nach Erwin Schulze findet er sich häufig am Südrande des Harzes, z. B. noch bei Lauterberg a,. H. Merkwürdig ist es, dass der H. weiter westlich, nämlich im Hessischen und in der Göttinger Gegend zu fehlen scheint. Stud. agr. Hubach hat ihn in der Gegend von Witzenhausen und Cassel nie beobachtet, Stud. agr. Wagener ebenso wenig im Kreise Marburg 2). Stud. agr. Grosskurth, ein geborener Waldecker, der längere Zeit bei Warburg und bei Adelebsen praktisch thätig war, hat den H. . weder in der Gegend zwischen Göttingen und dem Solling, noch in der fruchtbaren Warburger Böhrde, noch im Waldeck'schen beobachtet. Auch in Oberhessen soll er fehlen. — Dagegen kommt er nach Sulzer bei Frankfurt a. M. und in der Wetterau vor, welches Vorkommen sich an das in Rheinhessen anschliesst. Was Bayern anbetrifft, so ist der H. dort nur in einigen wenigen Distrikten festgestellt 3), wenn wir von Rheinbayern (siehe oben p. 17.) absehen. Herr Dr. Fleischmann, Assistent am zoolog. Institute der Univ. Erlangen, theilte mir auf meine Anfrage Folgendes 1) Conr. Gessner, Hist. Animal., Lib. I, Frankfurt 1603, p. 740. -) Nach einer mir nachträglich zugegangenen Mittheilung meines Assistenten, des Herrn Dr. Eörig, kommt der H. jedoch thatsächlich bei Fortbach und Ebsdorf, ca. 2 Stunden südlich von Marburg, vor. ^) Es ist aber unrichtig, wenu Fitzinger a. a. 0. angiebt, dass der H ^,iu Baiern, der Pfalz, Württemberg, den fruchtbaren Rheinländern und im ostlichen Franken gänzlich fehle." 26 Prof. Dr. A. N ehrin g. mit: „Mein alter Freund, Dr Hagen in Nürnberg, kennt nur die Angaben, welche Pfarrer Jäckel im 10. Jahrg. des Correspondenz- blattes des zoolog.-mineral. Vereins in Regensburg p. 73 macht: „„Der getreidereiche Grund um Schweinfurt bis zum Ochsenfurter Gau, übergehend nach Uffenheim, z. Th. auch in der Scheinfeld- Marktbibarter Gegend. Bei Aschaffenburg in geringer Verbreitung. Ausser Dillingen noch in der Flur des Dorfes Waat bei Buchloe, wo ihn die Bauern „Gritschen" (cricetus) nennen."" Das ist Alles, was ich erfahren konnte." Diese Notizen werden noch ergänzt durch Schrank, Fauna Boica, I, p. 77, wonach der Hamster auch in der Gegeud von Würz- burg vorkommt, und für bayrisch Schwaben durch die Angaben des Freiherrn Richard König -Warthausen im „Verzeichniss der Wirbelthiere Oberschwabens", I, Stuttgart 1875, p. 62 f. , wo es heisst: „Im Jahre 1813 soll der H. bei Lauingen und Dillingen in Menge gehaust, bald aber fast völlig vertilgt worden sein; 1853 ver- mehrten sie sich daselbst aber wieder und im Herbst jenes Jahres erhielt Herr Leu in Augsburg ein junges Thier von Schwenningen; derselbe schreibt mir, ihm sei der Hamster aus der Gegend von Lauingen bekannt, von wo er in früheren Jahren einige Exemplare zum Ausstopfen erhalten habe. Der Kgl. Förster Maul half 1842 bei Schrezheim (a. d. Egge, bei Dillingen) mehrere ausgraben. Zwischen Offingen und Ulm kam er auch in den letzten Jahren noch vor; Lehrer Weiner versichert, dass die Hamster zwischen Offingen und Ulm geradezu häufig gewesen sind; Lehrer Kraus von Mörslingen grub selbst mehrere aus; ausserdem wurden sie in den letzten Jahren noch beobachtet bei Nersingen und Strass (beide in der Nähe von Elchingen), bei Bubesheim a. Günz und bei Stein- heim unweit Ulm (Wiedemann)." Sonstige Angaben sind mir aus Bayern nicht bekannt geworden; der H. scheint hier heutzutage auf den Norden^) und den Südwesten beschränkt zu sein. Siehe Tafel IIL In Württemberg ist der H. selten. Abgesehen von der Um- gegend Uhn's, welche oben schon bei Besprechung der Fundorte in der bayrischen Provinz Schwaben und Neuburg berührt wurden, scheint er nur den nordwestlichen und nördlichen Theil Württem- berg's zu bewohnen; namenthch kommt er in der Gegend von Heilbronn vor. Siehe R. König-Warthausen, a. a. 0., p. 62. Nach einer gefälligen Mittheilung des Herrn Dr. J. Vosseier, Assistent am kgl. Naturalienkabinet in Stuttgart, besitzt die Sammlung des Vereins f. vaterländische Naturkunde in Stuttgart Exemplare des H. von Heilbronn, Böckingen, Lauffen a. N. und Mergentheim. 1) Ob er in der sog. fränkischen Schweiz (bayr. Oberfranken), wo ich fossile Reste des H. in grösserer Zahl ausgegraben habe, noch heute vorkommt, konnte ich bisher nicht sicher feststellen. Die Verbreitung des Hamsters in Deutschland 27 Aus Baden habe ich keine genaueren Angaben erhalten; im nördUchen Theile des Grossherzogthums soll der H. hie und da, namenthch bei Heidelberg und Mannheim, i) vorkommen, im südlichen Theile soll er fehlen, so z. B. im Breisgau. Vergl. Schreiber, Freiburg und seine Umgebungen, p. 161. Kurze Zusammenfassung der Beobaclitungen, nebst faunistischen Betrachtungen. Stellen wir hiernach die oben erwähnten Beobachtungen über die Verbreitung des Hamsters nochmals kurz zusammen, so ergiebt sich Folgendes: Der Hamster findet sich im Elsass, Rheinbayern, Rheinhessen, in einzelnen Districten der preussischen Rheinprovinz, in gewissen Gegenden des östlichen Theiles der Provinz Hannover, im grössten Theile des Herzogthums Braunschweig und der Provinz Sachsen, im Herzogth. Anhalt, an manchen Orten der Prov. Branden- burg (Reg.-Bez. Potsdam), an einigen Orten des Grossherzogthums Mecklenburg-Strelitz und des nächstbenachbarten Gebiets der Provinz Pommern, ferner in Schlesien, im Königreich Sachsen, in Thüringen, in einigen Bezirken der Königreiche Bayern und Württemberg, sowie des Grossherzogthums Baden. Siehe Tafel HI. Der Hamster fehlt in Westfalen, in vielen Theilen der preuss, Rheinprovinz, ferner in den westlichen und nördlichen Theilen Hannovers, im Grossherzogthum Oldenburg, in Schleswig-Holstein, sowie in den Gebieten der freien Städte Bremen, Hamburg und Lübeck, im Grossherzogthum Mecklenburg-Schwerin, in der Provinz Pommern (mit Ausnahme einiger Orte im S.W.), im Osten der Prov. Brandenburg (vielleicht mit Ausnahme einiger Orte im S.O.), in den Provinzen Posen, West- und Ostpreussen; auch in den westlichen Gebieten des ehemaligen Fürstenthums Göttingen scheint der H. zu fehlen, ebenso in den angrenzenden Theilen des Reg.-Bezirks Cassel, sowie in den meisten Gegenden von Bayern und Württemberg. Siehe Tafel HL Die Gründe für diesis eigenthümhche Verbreitung des Hamsters in Deutschland sind offenbar verschiedene. Manche Gegenden sind dem H. zu felsig und gebirgig, manche zu feucht und sumpfig, andere zu dürr und sandig, noch andere wegen zusammenhängender Bewaldung unbewohnbar. Aber es giebt in Deutschland ofienbar auch weite Gebiete, welche an und für sich dem Hamster günstig wären, und in denen er trotzdem fehlt. Hier scheinen mir historische Gründe vorzuliegen, d. h. das Fehlen des Hamsters erklärt sich in vielen Fällen daher, dass derselbe im Verlaufe der faunistischen und floristischen Entwickelung Deutschlands keine Gelegenheit gefunden hat, in die betr. Gebiete vorzudringen. 1) Siehe „Das Grossherzogthum Baden", I., b. die Thierwelt, bearb. v. Nüsslin, Karlsruhe 1883, Sep.-Abdr., p. 5. 28 Prof. Dr. A. N eh ring. Leider sind wir bisher über die Verbreitung des gemeinen Hamsters während der Diluvialzeit (Pleistocänzeit) nur ungenügend orientiert. Ich kenne fossile (diluviale) Reste desselben aus Deutsch- land von Goslar, Westeregeln, Saalfeld in Thüringen, aus bayr. Oberfranken, aus dem Heppenloch bei Gutenberg an d. Alb (Würtem- berg), von Würzburg, von Mosbach bei Wiesbaden^) und von Diez im Lahnthal 2). Besonders interessant erscheint die Thatsache, dass der H. während eines gewissen Abschnittes der Diluvialzeit weiter als heute nach Westen und Südwesten in Europa verbreitet gewesen ist. Ich habe fossile Hamster-Reste bei Schaffhausen nachgewiesen, Forsyth Major in der Nähe von Pisa, H. v. Meyer bei Verona; man kennt solche ferner aus der Auvergne^ von Montmorency bei Paris, sowie aus der Gegend von Dinant sur Meuse in Belgien. (Siehe meine oben citierte Abhandlung über pleistocäne Hamster-Reste.) Neben dem gemeinen Hamster existierte während des betr. Abschnittes der Diluvialperiode in Mitteleuropa und zum Theil auch in Westeuropa eine charakteristische Steppenfauna, welche haupt- sächlich durch Spermophilus rufescens und einige andere Ziesel- Arten, durch Arctomys bobac, Alactaga jaculus, Cricetus phaeus, eine Anzahl Arvicola-Arten, Lagomys pusillus, Antilope saiga, wilde Equiden, Canis corsac, repräsentiert wurde. ^) Die Anwesenheit dieser Steppen- thiere in Mitteleuropa und in gewissen Distrikten Westeuropas deutet mit Bestimmtheit darauf hin, dass damals die Wirkungssphäre des osteuropäischen Steppenklimas sich weit nach Westen erstreckte. Es war dieses die von mir schon oft besprochene diluviale Steppenzeit. [Co rrectur -Zusatz. Wenn Herr Dr. med. E. H. L. Krause in einem so eben (Ende Dezember 1893) erschienenen Aufsatze über „die Steppenfrage" (,, Globus" 1894, Nr. 1) nur die Salzsteppen als Steppen anerkennt und nur die Saiga-Antilope nebst dem Pferde- springer (Alactaga jaculus) als charakteristische Steppenthiere des mitteleuropäischen Löss gelten lässt, so kann ich dem geehrten Autor hierin, sowie in manchen anderen Punkten, nicht beistimmen. Hoffentüch wkd es meine Zeit erlauben, bald auf Krause's Erörte- rungen der „Steppenfrage" zu antworten.] Der gemeine Hamster war ein Mitglied jener Steppenfauna. Dass er damals in Mitteleuropa unter sehr günstigen Lebens- bedingungen hauste, beweist die meistens sehr ansehnliche Grösse seiner Fossilreste. Als später das Klima milder und feuchter wurde ^) Diese Reste stammen aus dem Löss von Mosbach, nicht aus den sog. Mosbacher Sauden, welche unter dem Löss liegen. 2) Siehe meine oben citierte Abhandlung über pleistocäne Hamster-Reste aus Mittel- und Westeuropa, Jahrb. d. geolog. Reichsanstalt in Wien, 1893, 43. Bd., p. 185 ff. ^) Vergl. mein Buch über „Tundren und Steppen der Jetzt- und Vorzeit", Berlin 1890, p. 174 ff., wo auch meine einzelnen bezügl. Abhandlungen angeführt sind. Ferner die zahlreichen Abhandlungen Woldrich's über die diluviale Steppen- fauna Mitteleuropas, sowie diejenigen von K. Th. Liebe, Maska und Kriz. Die Verbreitung des Hamsters in Deutschland. 29 und der Wald wieder mehr und mehr die Herrschaft in Mittel- und Westeuropa gewann, zogen sich die empfindlicheren Arten der erwähnten Steppenfauna nach Osteuropa zurück. Der gemeine Hamster, welcher weniger empfindlich gegen kKmatische Aenderungen war, begnügte sich damit, Ober-Italien und Frankreich zu verlassen, sowie in Belgien ein wenig ostwärts sich zurückzuziehen. Ausserdem darf man annehmen, dass seine Verbreitungsdistrikte in Deutschland während der prähistorischen Waldperiode, als die vielgenannten Urwälder Germaniens eine grosse Ausdehnung erlangt hatten, stark eingeengt worden sind. Dass der Hamster damals nicht vollständig aus Deutschland verschwunden, sondern in geeigneten, waldfreien Distrikten zurück- geblieben ist, dafür sprechen die subfossilen Hamsterreste, welche an manchen Orten gefunden werden. Ich besitze solche Hamster- reste in grosser Zahl aus den Gypsbrüchen von Westeregeln (zwischen Magdeburg und Halberstadt); die Fundumstände und der Erhaltungs- zustand dieser Hamsterreste deuten darauf hin, dass sie einerseits nicht von diluvialem Alter, andrerseits aber auch nicht recent sein können. Die Annahme Hehn's^), dass der Hamster erst „mit der Völker- wanderung oder mit dem Eindringen von Cultur und Strassen in den dunklen Osten Europas in den Gesichtskreis der Culturvölker des Westens getreten sei", ist durchaus unrichtig. Dagegen ist es unzweifelhaft, dass der Hamster im Laufe der historischen Zeit mit der Lichtung der Wälder und der Ausbreitung des Getreidebaus in Deutschland wieder mehr und mehr an Terrain gewonnen hat^); namentlich dürften seine heutigen Wohnbezirke im Norden der Provinz Brandenburg (Priegnitz, Fehrbellin, Nauen etc.), in Mecklen- burg-Strelitz und in den benachbarten Theilen Pommerns als solche Gebiete zu betrachten sein, welche vom H. erst in historischer Zeit, vielleicht erst im Laufe des letzten Jahrhunderts, occupiert sind. Man darf vermuthen, dass er auch in anderen Gegenden gewisse Erweiterungen seines Verbreitungsgebietes vollführt hat. Diejenigen Gebiete Deutschlands, in denen er besonders häufig ist, scheinen im Allgemeinen dieselben zu sein, welche er auch schon während der diluvialen Steppenzeit bewohnt hat, also namentlich die Mitte und der Süden der Provinz Sachsen und die angrenzenden Theile von Thüringen. Hier dürfte er wohl auch während der prähistorischen resp. frühhistorischen Waldperiode geeignete waldfreie Wohnplätze gehabt und inne behalten haben. ^) Vict. Hehn, Culturpflanzen und Haustbiere etc., 3. Aufl., Berlin 1877, p. 409. 2) Grade so, wie es neuerdings in manchen Gegenden Russlands geschehen ist. Vergl meine Abhandlung über die geograph. Verbreitung der Säugethiere im AVolga-Gebiete nach Modest Bogdanow in d. Berl. Zeitschr. f. Erdkunde, 1891, Bd. 26, p. 319. 30 Prof. Dr. A. N eh ring. Betrachten wir zum Schluss noch die Verbreitung des ge- meinen Hamsters überhaupt, so finden wir ihn ausser in Deutsch- land auch in Oesterreich- Ungarn, in Galizien und im südlichen Polen, im mittleren und südlichen Russland i), in Südwest -Sibirien bis zum Ob, namentlich in der Kirgisensteppe , sowie auch in Klein- asien. Deutschland bildet also keineswegs das Hauptwohngebiet des Hamsters (wie manche ältere Autoren anzunehmen scheinen), sondern es bildet nur den westlichen Theil der vom Hamster bewohnten Region^). Sein heutiges Verbreitungscentrum liegt im europäischen Russland, und zwar im dortigen Steppengebiete. Besonders häufig ist er in den Steppenlandschaften an der mittleren Wolga, wo er namentlich die Gou- vernements Kasan, Simbirsk und Saratow bewohnt, soweit dieselben unbewaldet oder der Wälder beraubt worden sind. (Siehe meine Angaben nach Mod. Bogdanow in d. Zeitschr. d, Berl. Ges. f. Erdk., 1891, Bd. 26, p. 319, 330.) Soweit die bis jetzt vorliegenden Beobachtungen reichen, scheint der gemeine Hamster eigentliche Wanderungen nicht auszuführen, sondern nur ganz allmählich, so zu sagen: schrittweise, sein Wohn- gebiet zu erweitern, falls die Lebensbedingungen sich für ihn günstig gestalten. Man darf vermuthen, dass ein Vorrücken desselben in andere Districke, welche bisher noch nicht von ihm bewohnt waren, hauptsächlich in sog, „Hamster-Jahren" stattfindet, d. h. in solchen Jahren, in denen die Vermehrung des Hamsters eine besonders starke ist^). Der Sommer 1879 war u. a. für die Gegend zwischen Had- mersleben und Westeregeln ausserordenthch reich an Hamstern; als ich im Juni jenes Jahres von Hadmersleben nach Westeregeln mar- schierte, um die bei letzterem Orte gelegenen Gypsbrüche zu besuchen, sah ich auf den Feldern nahe dem Wege Hunderte von jungen Hamstern umherlaufen; es war offenbar eine Uebervölkerung ein- getreten, und man konnte sich leicht vorstellen, dass ein Theil der jungen Hamster gezwungen sein würde, auf benachbarten, weniger stark bevölkerten Feldern sich ein günstigeres Unterkommen zu suchen. Solche Situationen mögen oft genug schon vorgekommen sein. Ausserdem darf man annehmen, dass der Hamster gelegentlich auch durch Ueberschwemmungen , sowie durch Verfolgungen von Seiten der Menschen oder gewisser Raubthiere zur Veränderung seines Wohnorts gezwungen wird. *) Der H. fehlt also im nördlichen Russland, in Skandinavien, Dänemark, Gross-Britannien, im eigentlichen Holland, im grössten Theil von Belgien, in Frankreich, Spanien und Portugal, Italien und der Schweiz. Wie weit er in der Balkan-Halbinsel vorkommt, ist mir bisher unbekannt geblieben, 2) Vergl. auch E. F. v. Homeyer's Angaben im „Zoolog. Garten," 1876, p. 248 und Blasius, Säugethiere Deutschlands etc., Braunschweig 1859, p. 308. ^) Fitzinger meint, dass feuchte Jahre der Vermehrung des H. besonders günstig seien; nach meinen Erfahrungen sind es aber gerade im Gegentheü trockne, sonnige Jahre, in denen der H. sich stark vermehrt. Die Verbreitung des Hamsters in Deutscliland. 31 Im Allgemeinen ist er jedoch ein sesshaft lebendes Thier, das an dem ihm günstig erscheinenden Wohnplatze zäh festhält. Die Veränderungen, welche hinsichtlich der geographischen Verbreitung dieser Species im Laufe der Zeiten erfolgt sind, scheinen nur sehr allmählich stattgefunden und lange Zeiträume in Anspruch genommen zu haben, ganz im Gegensatze zu manchen anderen Species, wie z B. Mus decumanus, welche in verhältnissmässig kurzer Zeit ihr Ver- breitungsgebiet bedeutend erweitert haben. Ob der Hamster während der letzten Jahrzehnte sein Wohn- gebiet in Deutschland vergrössert oder eingeschränkt hat, darüber lauten die Ansichten derjenigen Autoren, welche sich über diese Frage überhaupt äussern, verschieden. Es mag wohl die Antwort nicht für alle Gegenden Deutschlands die gleiche sein können. Wie mir scheint, hat der H. in manchen Gegenden sein Wohngebiet er- weitert; in anderen ist dasselbe durch irgend welche Umstände, namentlich durch energische Verfolgungen von Seiten des Menschen, eingeschränkt worden. Es wäre interessant, wenn man in Zukunft genauere Feststellungen über etwaige Veränderungen in der geogra- phischen Verbreitung des Hamsters machen könnte. Ich hoffe, dass meine obigen Angaben, obgleich sie noch in mancher Hinsicht lückenhaft und ergänzungsbedürftig sind, dennoch für Deutschland als Grundlage späterer vergleichender Feststellungen hinsichthch der Ausbreitung oder Verdrängung bezw. Ausrottung jenes merk- würdigen Nagers dienen können. 32 Prof. Dr. A. Nehring. Bemerkung zu der Verbreitungskarte auf Taf. IIL Der Verfasser ist bemüht gewesen, die Verbreitungsgebiete des Hamsters in Deutschland auf Tafel III möglichst genau zur Anschauung zu bringen; doch liess es sich nicht vermeiden, bei Anwendung der Farbe einigermaassen schematisch vorzugehen. Diejenigen Gebiete, in denen der Hamster allgemein oder doch zahlreich verbreitet ist, sind völlig mit Farbe bedeckt worden; diejenigen, in welchen der Hamster eine mehr oder weniger sporadische Verbreitung hat, zeigen nur eine fleckige Anwendung der Farbe. Die äussersten Vorposten im Norden und Süden sind möglichst genau nach der Lage der Fundorte augedeutet worden. — Nach Vollendung der Karte sind dem Verfasser noch die Fundorte Ebsdorf und Fortbach bei Marburg bekannt geworden, welche somit in dem Gebiete des früheren Kurfüistenthums Hessen nachzutragen wären. Wahr- scheinlich werden aus dieser Gegend demnächst noch manche andere Fundorte nachzutragen sein. Ein neues Beutelthier Chile's. Von Pederico Philippi. Hierzu Tafel IV, Fig. 2. In der Zoologia de la Historia fisica i politica de Chile por Claudio Gay part I p. 84 wird ein kleines Thierchen von der Grösse und Gestalt einer Maus beschrieben, die llaca oder comadreja der Chilenen, welches Waterhouse Didelphys elegans genannt hat, nach den ersten Exemplaren, welche durch Darwin nach Europa ge- langten, und die dieser bei Valparaiso fing, während er als Natur- forscher mit Cap. Fitzroy auf dem Beagle reiste. Ich habe auf unserem Gute San Juan, welches bei La Union in der Provinz Valdivia liegt, mehrmals lebende comadrejas gehabt, habe dieselben aber immer für Didelphys elegans gehalten, in der Meinung, es gäbe nur eine Art dieser interessanten Gruppe in Chile. Das hiesige Museum erhielt im vorigem Jahre einige Bälge der comadreja aus Valdivia, welche zum Austausch für Europa bestimmt waren, da aber in der Sammlung kein Exemplar von diesem Fundort vor- handen war, so wurden zwei ausgestopft. Als dieselben in die Sammlung eingestellt wurden, sahen wir zu unserer grossen Ueber- raschung, dass sie von den drei Exemplaren aus dem mittleren Chile vollkommen verschieden waren, und eine neue Art bilden, die ich nach ihrem Vorkommen benenne. Didelphys australls F. Ph. D. vellere brevi, molli; supra fusco-cinerascens , subtus alba, fasciis tribus fusco-cinerascentibus a dorso descendentibus , prima humerali genu attingente, secunda femorali tarsum attingente, tertia intermedia; auribus mediocribus, oculis nigrocinctis , singulo supra albo-maculato, maculis supra nasum confluentibus ; cauda capite et corpore junctis paulo breviore. Habitat in provinciis Valdivia et Llanquihne, et verosimiliter etiam in Araucania. Arch. f. Naturgescli. Jahrg. 1894. Bd. I. H. 1. 3 34 Federico Philip pi: Ein neues Beutelthier Chile's. Dieses Thierclien ist mit kurzen weichen Haaren dicht bedeckt, ist oben braungrau und unten weiss, und vom Rücken gehen drei Binden von braungrauer Farbe herab, die erste auf den Schultern reicht bis zum Knie, die zweite auf dem Schenkel reicht bis zum Fuss, und die dritte, zwischen den anderen gelegene reicht bis zur Mitte der Rippen. Die Ohren sind von massiger Grösse und überragen den Kopf nicht. Die Augen sind schwarz eingefasst, und über jedem ist ein heller Fleck, der über der Nase mit dem gegenüberliegenden zusammenfliesst. Der Schwanz ist etwas kürzer als der Kopf und Körper zusammengenommen, am Grunde sehr dick und dann plötzhch bedeutend dünner, und hat dieselbe Farbe wie der Rücken. Das Thier ist in der Provinz Valdivia nicht selten, befindet sich auch in der Provinz Llanquihue und vielleicht auch in Araucania und wohl auch noch weiter nördhch. Die Färbung und die verhältnissmässig kleinen Ohren unter- scheiden diese Art genügend von D. elegans, auf der beigefügten Abbildung ist der Unterschied der Ohren zu sehen. ^) Die Maasse sind folgende: D. australis F. Ph. D. elegans Waterh. Von der Nase bis zur Schwanzwurzel 0,13 0,113 Länge des Schwanzes 0,11 0,11 Vorderfuss mit dem Nagel 0,01 — Hinterfuss „ „ „ 0,015 — Von der Nase zum Ohr 0,025 0,029 Breite des Ohres 0,012 0,009 Länge „ „ 0,009 0,016 Diese Art Didelphys, in Valdivia monito del monte (Waldäffchen) genannt, lebt im dichten Gebüsch, wo sie mit vieler Behendigkeit umher läuft und klettert, wobei sie von ihrem Kletters chwanz unterstützt wird, der sich um die dünneren Zweige schlingt und so wie eine Hand wirkt. Sie macht ein Nest von dünnen Zweigen, welches innen mit Moos und anderen zarten Pflanzen ausgekleidet ist, und dem der Finken oder ähnlicher Vögel gleicht, aber sie wird wohl auch das Nest eines Vogels nicht verschmähen, wenn sie es leer und passend angelegt findet. Während des Tages sieht man das Thier sehr selten, fast blos dann, wenn es in seinem Neste gestört wird, denn es ist ein nächtliches Thier, wie es ja auch schon die grossen und kugeligen Augen andeuten. Seine Nahrung besteht wahrscheinlich aus Insekten, Larven und Würmern ; gefangen nimmt es Milch und kleine Stückchen Fleisch an. Allein sie ertragen die Gefangenschaft nicht lange, entweder finden sie bald Gelegenheit zu entweichen oder sterben. Eingesperrt rühren sie sich tags über wenig, sobald es aber dunkelt, werden sie lebhaft und durchlaufen den Käfig in allen Richtungen. Man weiss sehr wenig über die Lebensweise und Fortpflanzung; Herr von Lossberg in Valdivia, ^) Der Kopf von D. elegans ist aus The Zoology of the voyage of H. M. Ship Beagle, pars II tab. 31 copirt. Federico Philippi: Ein neues Benteltbier Chile's. 35 welcher dem Museum die beschriebenen Exemplare verschafft hat, und der verschiedene Thiere lebend gehabt hat, theilte mir mit, dass er bis fünf Junge in einem Nest beobachtet hat, was bei der Kleinheit des Thieres nicht verwundern kann , da kleinere Thiere meist sehr fruchtbar sind. Beim Einfangen versuchen diese Thierchen sich zu befreien, aber die verschiedenen male, dass ich solche in der Hand gehabt habe, haben sie niemals versucht zu beissen. Eine llaca, welche ich in einem Kanarienbauer eingesperrt hatte, verschwand nach wenigen Tagen, worauf ich eine Finkenart darin einschloss, und als ich nach einigen Tagen die Beutelmaus hinter einem Möbel ent- deckte und zu dem Finken that, sah ich zu meiner grossen Ueber- raschung, wie sie dem Vogel an die Kehle sprang, diese aufbiss und das Blut sog. War diese That durch den wilden Instinkt ■ des Thierchens hervorgerufen, oder durch den Hunger, der dasselbe arg mitgenommen und abgemagert hatte? In Gay findet sich nach der Beschreibung von D. elegans eine Bemerkung, es gäbe bei Naucagua (in der Nähe von San Fernando und südlich von Santiago) eine andere Art llaca, welche mit dem Namen D. crassicaudatus (I) bezeichnet ist, aber da keine Be- schreibung beigefügt ist, welche es erlaubt, das Thier zu erkennen, so kann der Name nicht in Betracht kommen. Von den beiden Exemplaren des D. australis im Museum ist eines ein Männchen, das andere ein Weibchen, die drei Exemplare von D. elegans sind alle Männchen. Zwischen Männchen und Weibchen von D. austraHs besteht kein anderer Unterschied als die schlankere Schnauze des ersteren; unter den drei Männchen von D. elegans hat eines einen sehr dicken, am Grunde eingeschnürten Schwanz, welches Merkmal mit D. crassicaudatus von Gay über- einstimmen würde, sofern die besagte Anmerkung als Kennzeichen desselben angiebt: ,,sein Schwanz ist recht dick, spindelförmig, wie gestielt an seinem Ursprung" (wörtUche Uebersetzung des Spanischen), allein unser Exemplar hat keinen kahlen Schwanz, wie Gay angiebt, und unterscheidet sich in allem Uebrigen nicht von den anderen Exemplaren, von denen das eine eine etwas andere Färbung hat, welche etwas an die von D. australis erinnert, jedoch hat es die grossen Ohren von D. elegans. Sollte der dicke Schwanz des er- wähnten Individuums nicht vielleicht einem krankhaften Zustand zu- zuschreiben sein? Santiago de Chile, Juli 1893. 3* Beschreibung einer dritten Beutelmaus aus Chile. Von Dr. R. A. P h i 1 i p p i. Hierzu Tafel IV, Fig. 1. Didelphys soricina Pb. D. parva, omnino supra nigrescens, subtus albida, auriculis magnis; caiida corpus aliquantum superante, supra atra subtus Can- dida, basi vellere longo dorsali vestita, deinde sparsim pilosa, pilis ante partem subtus nudam copiosioribus longioribusque. Dimensionen: Länge von der Scbnauzenspitze bis zum Ursprung des Schwanzes 9,8 cm „ des Schwanzes 10,3 „ ,, der Ohren 1,3 „ „ von der Schnauzenspitze bis zum Auge 1,15,, )j 57 55 )? 11 11 Ohr 2,5 „ Abstand der Ohren voneinander 1,3 „ Länge der Hand mit den Krallen 1,4 „ „ des Fusses „ „ „ 2,6 „ Diese kleine Beutelmaus habe ich Anfang dieses Jahres aus Valdivia erhalten. Sie ist sehr leicht von den beiden anderen Arten durch den einfarbigen, dunkel schiefergrauen Pelz der Oberseite, die geringere Grösse und den längeren Schwanz zu unterscheiden. Die Ohren sind im Verhältniss zur Grösse des Kopfes etwas kleiner als bei Didelphys elegans aber grösser als bei D. australis und ganz schwarz. Der Schwanz ist an seinem Grunde fast 1 cm weit mit dem- selben langen Pelz wie der Rücken bekleidet, was sehr auffällt, in seinem weiteren Verlauf ist er oben tief schwarz, unten rein weiss, mit dicht anliegenden Haaren bekleidet, die am Anfang des letzten Fünftels länger werden und abstehen; das letzte Fünftel, welches zum Greifen dient, ist unten kahl; eine Rinne, wie sie D. elegans in diesem Theile des Schwanzes zeigt, ist nicht mit Deutlichkeit zu erkennen. — Der schwarze Streifen, der sich jederseits vom Auge bis zur Schnauzenspitze hinab zieht und der Ring, der das Auge umsäumt, welcher bei so vielen Didelphys -Arten gefunden wird, ist bei unserem Thierchen sehr tief schwarz. Die Schnauzenspitze ist schwarz, während sie bei D. australis weisslich ist. — Der Kopf ist schmaler, und die Ohren stehen daher näher bei einander als bei dieser Art. — Unterseite und Füsse sind weisslich. Das Geschlecht war bei dem Balg nicht angegeben, bei der grossen Analogie aber, welche unsere Art mit D. elegans hat, darf man wohl annehmen, dass die Weibchen einen gespaltenen Beutel haben. Santiago, September 1893. Ueber Binnen- Conchylien der Küstenzone von Rio Grande do Sul. Von Dr. H. von Jhering. Im November 1892 machte ich einen Ausflug an die Küste von Rio Grande do Sul, um, bevor dort das Treiben der Badesaison beginnt, etwas sammeln zu können. Die Küste bot, abgesehen von einigen leider zerbrochenen seltenen Voluten, nichts Neues, da- gegen bot die Binnenfauna einige interessante Neuheiten. Ich hielt mich auf der Chacara meines Freundes H. R. Maerck, an der Bollassa auf, einer Station der zur Küste führenden ca. 20 Kilom. langen Bahn, welche das Seebad Villa Sequeira mit der Stadt Rio Grande verbindet. Diese ganze Gegend ist flach, sandig mit spärlichem Graswuchs, der in stetem Kampfe mit dem Flugsande liegt. Hie und da er- hebt sich aus dem Campe ein Sandhügel von durchschnittlich 6 — 10 m Höhe, dessen Seiten meist steil abfallen und dessen Krone von Dorngebüsch eingenommen ist, unter dem eine Celtisart vor- wiegt, und welches auch mit anderen niedren Bäumen und Sträuchern durchsetzt ist. An manchen Stellen stehen mehrere solcher Hügel zusammen, dann folgen weite Strecken Camp, der hier wohl kaum mehr als 1, höchstens 2 m über dem Meeresspiegel liegt, bis plötzlich wieder ein solcher buschgekrönter Hügel auftaucht. Wind und Regen arbeiten an ihnen , sie ständig verkleinernd und den Sand über den Camp hin tragend. Wo mehrere solche Hügel zu- sammenstehen, bilden sie, wie ich sehen konnte, die QueUe für eine enorme Versandung der Wiesen. Wie sind denn diese Hügel ent- standen? Man könnte an Dünen denken, allein die bieten kaum dem spärhehsten Graswuchs eine passende Unterlage, geschweige denn für Gehölze, in deren Schatten Commelynen, Tradescantien und andere Kräuter gedeihen. 38 Dl". H. von Jheriug. Man wird diese Verhältnisse schwerlicli anders aufklären können, als durch die Annahme, dass einst alle diese jetzt isolirten Hügel zu- sammenhingen uud damals minder hoch lagen als jetzt. Der ganze Charakter der Landschaft muss dann ein etwas anderer gewesen sein, dafür sprechen noch die folgenden Beobachtungen. An einem der Hügel untersuchte ich eine etwas dunklere Erdschicht, die ca. 3 M. über dem Camp, etwa eben so tief unter der Krone des Hügels horizontal hinstrich in 10 — 12 cm Mächtigkeit, und welche zahlreiche kleine Conchylien enthielt. Die gesammelten Arten sind: Succinea Conulus semen lini Pupa Patula. Von diesen war mir nur der Conulus bekannt, eine in feuchten Waldniederungen häufige Species des Staates Rio Grande do Sul. Lebend konnte ich sie nicht finden, überhaupt nichts als eine Succinea. Aehnliche Erdschichten traf ich noch in den anderen Hügeln, dann aber meistens mit zahlreichen Belegstücken der Anwesenheit des Menschen. Stücke von Urnenscherben, Holzkohle, zahlreiche Knochen von Säugethieren, Reste von Fischen und zahlreiche Muscheln und Schnecken des Meeres zeigen hier die Anwesenheit des Menschen an. Ich habe schon früher über ähnliche Hügel nahe bei der Stadt Rio Grande do Sul berichtet (cf. H. v. Jhering. Die Lagoa dos patos. Deutsche Geograph. Blätter. Geograph. Ges. Bremen Bd. VHI 1885 p. 191), Hier wiederholen sich die Verhältnisse. Bei der Zerstörung dieser Hügel durch Regen, Wind u. s. w. werden alle diese Objekte frei, fallen herab und umgeben in Masse die Basis des Hügels. Unter diesen Conchylien traf ich u. A. noch Ampullaria canaliculata Lam., Bulimus (Borus) oblongus Müll, und Bulimus (Borus) latescens King. Letzterer Fund ist von besondrem Intresse, da ja diese Art des La Plata-Gebietes in Rio Grande do Sul bisher noch nicht gefunden wurde. Vielleicht ist sie jetzt erloschen, jedenfalls aber kam sie bei Rio Grande noch bis vor Kurzem vor. Sehr gross ist die Menge der Schalen von Bulimus oblongus, während es mir nicht gelang auch nur eine einzige frische oder lebende Schale dieser Art in der ganzen Gegend aufzutreiben. Diese Beobachtungen beweisen, dass in früherer, vielleicht nur um wenige Jahrhunderte zurückliegender Zeit die Bedingungen für das Gedeihen der Landschnecken nahe der Meeresküste günstigere waren als gegenwärtig. Wir haben uns vorzustellen, dass damals Buschwaldungen, von Sümpfen durchsetzt, reichlicher diese Gegend überzogen, günstige Bedingungen bietend für Landschnecken. Ja es scheint, als ob in Bezug auf letztere eine völlige Umgestalltung ein- getreten sei. In einer Entfernung von 3 — 4 Kilom. von Bollassa liegen einige kleine Gehölze in der Nähe von Sümpfen und deren Abfluss- Ueber ßiuueu-Couchylien der Kiisteuzone von Rio Grande do Sul. 39 wässern, und hier hatte ich gute Ausbeute an Bulimulus papyraceus Mawe und Buliniuhis interpunctus Mart. Dieselben sassen zumeist an der Unterseite der Blätter eines mir als Larangeira do mato bezeichneten Baumes, wie es scheint eines Hex. Dagegen traf ich in den subfossilen alluvialen und in den prähistorischen Schichten nie einen Bulimulus, während ich lebend oder doch recent keine Borus sammelte. In den Sümpfen bei BoUassa sind Ampullaria canaliculata gemein sowie Planorbis peregrinus Orb., Planorbis lugubris Wagn. und Ancy- lus concentricus Orb. An einem aus diesen Sümpfen gezogenen Brette sassen viele Ancylus und interessante Bryozoen und Schwämme, welche dem Berliner Zoologischen Museum zur Bearbeitung zugingen. In grosser Masse traf ich in einem Sumpfe resp. Teiche bei Bollassa PI. lugubris und zwar flache typische Formen und andere, welche dem PI. tenagophilus Orb., sehr nahe kommen. Ich muss hier ganz bestätigen, was zuerst Martens^) über die Variabilität dieser Art mittheilte, jedoch sind an den hier gesammelten Exemplaren schon von Jugend an beide Formen gut scheidbar. ■ In der Camaquamgegend traf ich nur typische Plan, tenagophilus, an der Küste nie, wiewohl ja die dickere resp. höhere var. des lugubris jenem überaus nahe kommt. Diesen PL lugubris erhielt ich auch aus der Lagoa dos passos an der Rio Grandenser Küste, zwischen dem Ocean und der Lagoa marim gelegen. Im Schilf an der Bollassa fing ich auch jene sonderbare von mir am Camaquam gefangene Nacktschnecke, welche Herr Dr. Pelseneer beschreiben will, und von der es mir noch nicht feststeht, ob sie eine Art von Hyalimax ist oder ein gen.^nov. der Succinidae , Homalonyx mit ganz innerer Schale ohne Gew nde. Das Thier ist blass grau und mit schwärzlichen Punkten übersät. Von Interesse scheinen mir diese Beobachtungen vor Allem wegen des Lichtes, das sie auf die frühere Geschichte dieser Gegend werfen. Die Massen von Voluten, Austern und fast allen an der Küste vor- kommenden Schalthieren sind offenbar als Reste von Mahlzeiten anzusehen. An der heutigen unwirthlichen Küste aber ist jede kleine Schiffahrt ein Ding der Unmöglichkeit, so dass selbst an dem reich ausgestatteten Badeetablissement kein Kahn existirt. Nach innen von der Barre aber zumal im nahen Sacco da Mangueira lebt heute keine marine Art mehr, und auch Azara labiata und Solecurtus platensis sind selten. Wenn letztere in den prähistorischen Schichten fehlen und dagegen zwischen Knochen, Scherben, Gehörsteinen von Arius Commersonii, Pogonias chromis, Micropogon undulatus u. a. Fischen diese Unmassen von Konchylien erscheinen, von denen die grösseren zerschlagen sind, so folgt meines Erachtens hieraus, dass selbe als Nahrung dienten, und das war nur möglich, wenn hier ein grosser aber relativ geschützter Meerbusen lag. Sowohl bei Rio Grande wie bei Porto Alegre hat man bei Quaibauten Walfisch- 1) Malakolog. Blätter 1868 p. 187 ff. 40 Dl'- H. von Jhering. knochen gefunden, welche über die einstige weite Ausdehnung des Meeres in das Innere des Staates keinen Zweifel lassen. Zu jener Zeit nun, da die Lagoa dos patos noch dem Ocean zugehörte, muss der Sacco da Mangueira Meerwasser und eine reiche marine Fauna enthalten haben, zugleich aber muss dieser Busen einigermassen geschützt gelegen haben, so dass die Indianer ihn mit Canoes be- fahren und befischen konnten. Die ganze Gegend aber von Rio Grande bis zur Küste, zum Theil vielleicht in Inseln gegliedert, trug reichlich niederen Buschwald, der, wie auch die umgebenden Campos, an Rehen, Stinkthieren , Füchsen u. s. w. ein sehr viel ergiebigeres Jagdfeld repräsentirte, als es heutigen Tages dieses ganze Gebiet ist. Mit der 3— 4m betragenden Hebung des Bodens erfolgt der Rückzug des Meeres, das Verschwinden mariner Weich thiere aus der Lagoa und dem Sacco da Mangueira und die Ueberhandnahme des Sandes an dem neu auftauchenden Boden. Welche Veränderungen Hand in Hand damit die Landschnecken-Fauna erlitt, wurde oben erläutert. Rio Grande do Sul, 21. Nov. 1892. Die Salpen der Berliner Zoologischen Sammlung. Von Dr. Carl Apstein, Kiel. Zoologisches Institut. Hierzu Tafel V. Herr Geheimrat Prof. Möbius hatte die Güte, mir auf meine Bitte das gesammte Material an Salpen zur Untersuchung anzu- vertrauen. Ich spreche ihm auch an dieser Stelle für die Bereit- willigkeit, mit welcher derselbe auf meine Bitte einging, meinen besten Dank aus. Derselbe gebührt auch Herrn Dr. Co Hin, der die beträchtliche Sammlung zusammenstellte. Die Sammlung besteht aus 114 Gläsern (dazu kommen noch 7 Gläschen der Schausammlung), welche nach der Bestimmung 126 Nummern lieferten und 852 Individuen von Salpen enthielten, von denen nur 3 als unbestimmbar sich erwiesen. War schon die Grösse der Sammlung dazu angethan, das Interesse zu erwecken, so geschah dieses in noch viel höherem Maasse dadurch, dass sich in der Sammlung Originale von Chamisso und Meyen befinden. Ferner ist die ganze Salpenausbeute der Gazelle-Expedition (25 Gläschen) vorhanden. Die 849 bestimmten Exemplare verteilen sich auf 12 Arten und 2 Varietäten folgendermaassen: — — zahl der No. Cyclosalpa affinis Cham. ........ » pinnata Forsk Salpa scutigera confoederata Cuv. Forsk. . . » " forma bicaudata (Q.et Gr.) democratica mucronata Forsk » flagellifera (Traust.) runcinata fusiformis Cham. Cuv. . . . » var. echinata (Herdm.) nov. africana masima Forsk cylindrica Cuv. . . ■ » costata Tilesii Q. et C Fall cordiformis zonaria Cuv » hexagona Q,. et G punctata Vogt, Forsk Zahl Davon der Indi- gre- soli- viduen. gate täre. 21 20 1 33 29 4 94 93 1 55 55 — 345 264 81 14 14 58 51 7 71 68 3 44 39 5 21 12 9 10 5 5 60 51 9 9 8 1 14 14 — 849 709 140 126 42 Dl"- Carl Apstein. Salpa (Cyclosalpa) affinis Cham. Die 21 Individuen dieser Salpe sind die Originale von Chamisso und stammen alle von den Sandwichsinseln. Etikette: Sandwichs-Inseln No. 259 Chamisso S. prol sol. 1. No. 260 „ „ „ greg. 20. Salpa (Cyclosalpa) pinnata Forsk. Das grösste Exemplar der gregaten Form (No. 309) erreicht die Länge von 76 mm., ist also noch beträchtlich grösser, als das von Traustedt (8) angegebene Exemplar von 56 mm. Eine Ringkette dieser Art besteht aus 7 Individuen. Etiketten: Canaren No. 261 Chamisso S. 1 greg. 3 sol. „ No. 262 „ „ 6 „ Atlant. Ocean No. 263 Meyen „ 8 „ ? No. 264 v.OlfersO „ 1 „ ? No. 301 „ „ 2 „ ? No. 303 „ „ 2 „ ? ? No. 304 „ „ — „ 1 sol. ? No. 306 „ „ 3 „ ? No. 309 „ „ 3 „ ? ? No. 314 Beske^) „ 2 „ N. Atlant. Ocean No. 318 Rudolphi^) „1 „ Salpa (Pegea) scutigera confoederata Ciiv. Forsk. proles gregata Ich konnte das Original von Salpa ferrvginea Cham, untersuchen und kann die Angabe Traustedts (8), dass fermginea Cham = scutigera confoederata greg. ist, bestätigen. Unter dem Material fand ich einige ganz gewaltige Individuen; das grösste, das 160 mm lang und an der breitesten Stelle 60 mm mass, stammte aus dem Süd Pacifischen Ocean. (No. 396). ^) V. Olfers war General - Consul in Rio de Janeiro, ungefähr um 1820. Er war auch in Neapel. Die Salpen stammen aus dem Mittelmeer oder südl Atlantischen Ocean. Die Notizen über die Sammler sind mir freundlichst vom Berliner Museum mitgeteilt, soweit sie dort vorhanden waren. 2) Beske war Naturalienhändler in Rio de Janeiro. Seine Salpen stammen wohl aus dem südl. Atlant. Ocean. ^) Rudolphi war Direktor des Berliner Anatom. Museums von 1800—25 Er selbst hat wohl nicht marine Tiere gesammelt. Die Salpen der Berliner Zoologischen Sammlung. 43 Etiketten: N. Stiller Ocean No. 288 Chamisso S. 1 greo-. V , 308 V. Olfers S. 56 Kette. S. Atlant. Ocean? , 310 Beske S. 2 •p , 311 V. Olfers S. 13 S. Atlant. Ocean? , 313 Beske S. 8 '^ , 316 „ „ 1 oder sol.? ? , 317 „ „ 1 V , 305 V. Olfers „ 3 350 25' S. 88« 28' W. , 396 Dr. Sanderi) 1 Marquesas- Inseln , 431 Putze S. 8 Kette. proles solitaria Syn: S. quadrata Herdman(4). (Seite 84. Taf 9. Fig 1— 8). Das einzige Exemplar der solitären Form stammt aus Neapel und ist ein 21,5 mm langer und 11 mm hoher Embryo. Ich erkenne in ihm sicher die Salpa quadrata Herdm. wieder (Fig. 2. 3); es ist also Salpa qvadrata nichts weiter als der Embryo der Salpa scnti- gera confoederuta. In dem Materiale der Plankton Expedition (1) fand ich diese Form wieder in den verschiedensten Altersstadien, so dass die Zusammengehörigkeit ganz unzweifelhaft ist. (Siehe 1. Fig. 16) Herdman, der sie im Materiale der Challenger Expedition (4) entdeckte, schreibt über sie später (5): „Salpa quadrata Herdm. appears to be closely related to this species. The single ,, Challenger" specimen (sol. form) had a remarkable club shaped dorsal lamina; but that may be an individual abnormity." Traustedt (9) hielt sie für eine Varietät der scutigera confoederuta. Das vorliegende Exemplar stimmt recht gut mit der Beschreibung und den Figuren Herdman's (4) überein, wie der Vergleich meiner Figur 2 und 3 zeigt, es ist älter als das Exemplar Herdman's, aber bedeutend jünger als das Exemplar, das Traustedt (8 Fig. 26) abbildet. Die Grösse des Exemplares würde auch nicht gegen einen Embryo oder junge solitäre Salpe sprechen, denn oben habe ich ein gregates Individuum von 160 mm Länge namhaft gemacht. Das Exemplar kann erst seit kürzerer Zeit frei geworden sein, da die Placenta (Fig. 2)' noch vorhanden war. Etikette: Neapel No. 268. Zoologische Station 1 sol. Salpa scutigera confoederata forma bicaudata (Quoy et Gaim) (7). Syn: Salpa bicaudata Quoy et Gaim 7. p. 585. Taf. 89. Fig. 1 — 5. ,, scutigera confoederata Herdm. 4 Taf. IX. Fig. 9. Ich glaube, dass diese gregate Salpe nur als eine Form der gregaten Salpa scutigera confoederata aufzufassen ist. Sie unter- scheidet sich von der typischen scutigera confoederata nur durch ^) Dr. Sander sammelte auf der Expedition „Prinz Adalbert". 44 Dr- C. Apstein. zwei Fortsätze, in die das Hinterende ausgezogen ist (Fig. 1 das Hinterende der forma typica, Fig. 4 forma bicaudata). Der eine Fortsatz ist stets lang, der andere kurz, so dass letzterer den Mantel nicht hervorstülpt, wie das der Fall bei dem längeren Fort- satz ist. Bei einer Kette von 26 Individuen (No. 267 Neapel) ist diese Bildung am Hinterende stets in gleicher Weise vorhanden. Bei einem Exemplar aus dem Pacifischen Ocean (No. 435) war auch der zweite Anhang etwas länger, aber abgerissen. Verglichen mit der forma typica fallen diese Anhänge, welche Ausstülpungen der Körperhöhle darstellen, sofort auf. Bisher ist mir nur die gregate Form bekannt, ob auch die solitäre Form Abweichungen von der typischen ScrJpa scutigera confoederata zeigt, kann ich nicht entscheiden, da die Embryonen noch zu klein waren. Die An- ordnung der Individuen zur Kette ist genau so, wie bei Salpa scutigera confoederata: Die Kette ist zweizeihg, die Individuen jeder Zeile sind durch je 2 seitliche Fortsätze (Fig. 4. as) mit einander verbunden, die Individuen beider Zeilen durch je 4 Fortsätze (Fig. 4 as') auf der Bauchseite, 2 vorn, 2 hinten. Die einzelnen Organe zeigen gar keine Abweichungen von den- jenigen der typischen Form. Das Nervensystem mit dem Auge und dessen Pigment (Fig. 5) wie es auch Göppert (3) zeichnet, ist bei beiden Formen vollkommen gleich, dasselbe gilt von allen anderen Organen, so dass ich forma bicaudata nicht als Varität, noch viel ' weniger als eigene Art, sondern nur als eine „forma" betrachten kann. Die Lauge der Individuen schwankt von 30 — 94 mm. Hierher rechne ich auch das Individuum, das Her dm an (4) Tafel 9. Fig. 9 abbildet, ebenso die Exemplare, die Quoy et Gaimard (7) in der Meerenge von Gibraltar fischten, bei letztem Exemplare sind beide Anhänge sehr lang. Etiketten: Neapel No. 267 Zoolog. Station 26 greg. Kette. „ ? No. 432 „ „ 27 „ S. Stiller Ocean No. 435 Sander S. 1 „ W. S. W. Timor No. 462 Prof. Studer. Gazelle Expedition 9. V. 75. llV2"SBr. 1197/ EL. 1 greg. Salpa (Thalia) democratica mucronata. Forsk. ist in zahlreichen typischen Exemplaren vertreten. Etiketten: Nordsee^) No. 273 Fries S. 0 greg. 1 sol. *) Eine Reihe Salpen sind von Fries in der „Nordsee" gesammelt. Leider ist nicht näher angegeben, in welchem Theile. Bisher ist mir nur von Dr. Van- höffen (Siehe 1) bekannt geworden, dass S. dem. mucr. bis in die Nordsee hinein- geht, Vermuthlich sind die von Pries gesammelten Exemplare an d. Norwegischen Küste gefunden. Die Salpen der Berliner Zoologischen Sammlung. 45 Neapel No. 274 P. Mayer S. 2 greg. 2 sol. Nordsee No. 284 Fries S. 1 Vineyard Sound No. 287 U. St. Fish Commis. 6 Cap Hörn? No. 312 Meyen S. 13 Sumatra No. 329 Hellwege S. — ',' 3 sol. 36" SBr. 120 WL. No. 393 Sander S. 7 M 20 „ Palermo No. 420 Dönitz S. 4 >> No. 420 11 n 12 Neapel No. 426 A.Dohrn S. 34 l Kette. Norwegen No. 430 Sars S. 5 Azoren No. 436 Simroth S 1 )) No. 437 55 1 " 1 sol. )5 No. 436 J5 58 )i No. 437 11 19 ',' 2 „ ? No. 442 Prof. Studers) 24 » 23 „ Biscaya Golf. 47030'NBr. 70 WL. No. 443 Prof. 10 Studer sol. 5. ?if7f: 350 SBr. 670 EL. 28. III 75 3 ] ip. No. 452 Prof. Studer 6 sol. 22V2"SBr. 670 EL. 22.1175 No. 457 Prof. Studer 2 greg. 3 sol. Canal-Biscayabiicht. VII 93 No. 471 Dr. Borgert 10 gTeg. 10 soL Neapel No. 360 Zool. Station sol. >i No. 361 Zool. Statior i Kette. Salpa flagelHfera (Traustedt). Syn. : S. democratica mucronata var. flageUifera Traustedt 8. pg. 369. Taf. 1. Fig. 12—13. Traustedt hat diese Art entdeckt, betrachtete dieselbe aber als eine Varietät von Salpa democratica mucronata, gab aber zugleich an (8 pg. 6), dass es sich durch Untersuchung eines reicheren Materials vielleicht herausteilen wird, dass Salpa flageUifera als eigene Art aufzustellen ist. Im Berliner Material war eine Anzahl gut erhaltener Exemplare vorhanden, so dass ich Gelegenheit hatte, diese Salpe genauer untersuchen zu können. Auf Grund derselben muss ich Salpa flageUifera als selbständige Art betrachten. In der Form stimmen meine Exemplare genau mit den Ab- bildungen Traustedt's (Taf. 1. 12 — 13) überein, im einzelnen zeigen sie jedoch von einander, sowie auch von den Exemplaren Traustedt's kleine Abweichungen. So ist von den 6 parallelen Körpermuskeln bei meinen Exemplaren nur der erste auf dem Rücken zusammenhängend, während bei allen Exemplaren der 2. — 6. Muskel einen vollkommenen ä) Die von Studer gesammelten Exemplare stammen alle von der Gazelle Expedition. 46 D»"- C. Apstein. Ring bilden; nur bei einem der 9 Exemplare war der 6. Muskel auf dem Rücken getrennt. Durch diese Anordnung der Muskel erinnert unsere Salpe sehr an die Cydomyarier, mit denen sie aber ihrer Bildung der übrigen Organe wegen nicht zusammenzustellen ist Der Endo styl reicht meist bis zum 5. Muskel, ich fand aber zwei Exemplare, bei denen er bis zum 4. respective 6. Muskel ging. Die Flimmergrube (Fig. 6) stimmt genau mit derjenigen von Salpa democratica mucronata überein, dagegen ist der Nerven- knoten verschieden gebildet (Fig. 1). Er ist ein ovaler Körper mit je einem seitlichen nach vorn vorragenden Anhang. Das Pigment war leider nicht zu erkennen. Die ganze Form weicht aber von dem Nervenknoten der Salpa democratica mucronata (Fig. 8, 9) voll- kommen ab. Letzteren mit dem Augenpigment zeichnen schon Vogt und Yung (11) und Göppert (3. Fig. 10) richtig. Einmal die ganz abweichende Bildung der Muskeln, dann die des Nervenknotens veranlassen mich, Salpa ßagellifera als eigene Art von Salpa democratica mucronata zu trennen. Sie ist aber mit letzterer nahe verwandt, da die Anhänge, Flimmergrube und die Bildung und Lage der Kette bei beiden Arten gleich sind. Ueber die gregate Form vermag ich nichts zu sagen, da die Individuen am Stolo noch ganz jung waren. Traustedt scheint ältere Exemplare gesehen zu haben, da er meint (8 S, 35 (369): „Si ex foetibus prolis solitariae exsectis aestimare licet, nihil a prole gregata typica Salpae democraticae-mucronatae differre videtur."^ Etiketten: Indischer Ocean. 40« 12' SBr. 66 » 43' EL. No. 325. Dr. Naumann S. 8 sol. + 5. Pacifischer „ 27V20SBr. 153« EL. No. 459. Prof. Studer. 1 sol. Salpa runcinata fiisiformis Cham. Cuv. proles gregata. Neben typischen Exemplaren fand ich solche, welche in ihrer Gestalt der Salfa africana maxima sehr ähnlich sind (siehe auch 1), indem der vordere Fortsatz fast ganz fehlt, während am Hinterende der Fortsatz auf ein seitlich befindliches Zäpfchen reduciert ist. Die Untersuchung der Muskulatur (Zusammenstossen des 5. und 6. Muskels an der Seite) lässt aber die Zusammengehörigkeit mit Salpa runcinata fiisiformis erkennen. Etiketten: Nordsee No. 275 Fries S. 1 greg. Messina No. 276 Häckel S. 4 „ Neapel No. 277 Zoolog. Station 3 „ Atl. Ocean ? No. 285 Meyen Sj 3 „ ? No. 315 Beske S. 2 „ Sumatra No. 418 Hellwege S. 1 ,, 370 SBr. 760 EL. No. 392 Sander S. 4 „ Die Salpen der Berliner- Zoologischen Sammhing. 47 Norwegen No. 425 Sars S. 4 „ No. 427 „ ., 4 „ Kette. No. 429 „ „ 4 „ ? Neapel No. 433 ■? 4 „ 11" SBr. 10» EL. No. 439 Prof. Studer S. 1 „ 27V2 0SBr.l53«EL.No. 460 „ „ 14 „ PNBr. I370EL. No. 456 „ „ 2 „(Immgr.) proles solitaria war in typischen Exemplaren vorhanden. Etiketten: Neapel No. 278 Zool. Station 1 sol. Norwegen No. 425 Sars S. 1 sol. No. 429 „ „ 2 „ l^NBr. 1370 EL. No. 456 Prof. Studer 2 „ Salpa runciiiata fusiformis var. echinata (Herdm.) Wie ich an anderer Stelle (1) ausgeführt habe, ist Saljm echinata als Varietät von Salpa runmiata ftisiformis zu betrachten. Her dm an kannte nur die soHtäre Form und diese trug bei seinen Exemplaren keinen Stolo, an dem die Muskulatur der gregaten Form hätte erkannt werden können. Wenn er sagt (5), dass Salpa ecJmiata is „closely allied to hexagona", so glaube ich, dass sie mit hexagona nichts zu thun hat, aber so nahe mit Salpa runcinata fnsiformis verwandt ist, dass sie nur eine Varietät derselben ist. Die s elitäre Form unterscheidet sich nur dadurch, dass bei runci- nata fusiformis der Mantel glatt, bei echinata mit stachligen band- artigen Streifen besetzt ist, die namentlich auf der Verdickung des Mantels über dem Nucleus stark hervortreten. Wie ich in der an- geführten Arbeit gezeigt habe, findet sich bei der solitären Form kein Unterschied in der Muskulatur, indem der 8. und 9, Muskel zum Theil weit von einander getrennt ist, zum Theil sich nähert oder ganz verschmilzt, so dass darin die Uebergänge zwischen Salpa runchiata fusiformis und echinata da sind. Das einzige unter- scheidende Merkmal liegt darin, dass Salpa runcinata fusiformis einen glatten, Salpa echinata einen mit Zacken besetzten Mantel hat. Ich konnte an Stolonenindividuen der Salpa echinata aus dem Material der Plankton-Expedition und des Naturhistorischen Museums zu Hamburg nachweisen, dass sich diese von gleichalterigen Individuen aus dem Stolo der runcinata fusiformis durch nichts unterscheiden. Ich fand aber erwachsene Salpa runcinata fusiformis greg. , welche auf ihrem Mantel auch die eigentümlichen Zacken zeigen, so dass ich annehme, dass dieses die gregate Form der Salpa echinata ist. In dem Material des Berliner Museums befinden sich 71 Exemplare, die ich aus dem genannten Grunde für die gregate Form der Varietät echinata halte. 48 Dr- C. Apstein. Ich konnte auch Salpa aspera Cham, untersuchen, es ist die gregate Form von der Varietät echinata (No. 265). proles solitaria. Etiketten. Curilen No. 265. Chamisso S. 1 sol. 470 34,5' SBr. 65° 46' E. No. 445. Prof Stud. S. 2 „ proles gregata. (?) Curilen No. 265. Chamisso S. 5 greg. 450 SBr. 700 EL. No. 438. Prof. Stud. S. 22 „ 47034,5'SBr. 65H6'EL.No. 444. „ „ „ 33 „ 160 SBr. 117,50 EL No. 465. „ „ „ 8 „ Sollte sich heraustellen, dass die bestachelte Form dennoch nicht zu Var. echinata gehört, so sind letztere 4 Nummern zu Salpa runcinata fusiformis proles gregata zu stellen. Salpa africana maxima Forsk. proles gregata. Von dieser Form liegt mir eine ganze Reihe schön erhaltener Exemplare vor, welche alle die charakteristische Muskulatur zeigen, darunter finden sich Individuen von 10 (No.421) und 11 cm (No. 300) während Traustedt (8) als grösste Länge sogar 15 cm angiebt. Etiketten: Canaren No. 280 Chamisso S. 1 greg. Neapel No. 281 Zool. Station 5 „ „ No. 283 „ „ 1 „ ? No. 300 V. Olfers S. 2 „ Neapel No. 328 Zool. Station 5 „ 370 42' SBr. 820 28' WL. No. 395 Sander S. 1 „ Triest No. 419 Joh. Müller S. 7 „ Palermo No. 421 Dönitz S. 1 „ Triest No. 422 Joh. MüUer S. 6 „ Nizza No. 423 „ „ „ 2 „ Neapel No. 428 A. Dohrn S. 1 „ 110 SBr. 100 EL. No. 441 Prof. Studer S. 7 „ proles solitaria. Syn: Salpa antarctica Meyen (6 pg 416. Taf. 29. Fig. 1). Es ist nicht ganz sicher, ob das von mir untersuchte Exemplar das Original von Meyen Salpa antarctica ist, da auf der Etikette Meyen mit „?" versehen ist. Ich möchte es jedoch glauben und stehe nicht an, Salpa antarctica als Salpa africana maxima prol sol zu be- trachten, da das fraghche Exemplar mit antarctica gut überein- stimmt, soweit die nicht ganz naturgetreue Figur einen Vergleich erlaubt. In der Figur Meyen's (Tafel 29. 1) ist der Körper vom Vorderende bis zum letzten Muskel vom Rücken gezeichnet, der darauf folgende Theil dagegen von der Seite, eine Lage, welche bei einem so grossen Exemplar leicht eintreten konnte. Die Muskel Die Salpen der Berliner Zoologischen Sammlung. 49 hat Meyen nicht ganz sorgfältig gezeichnet, es sind deren 9 (Meyen zeichnet 7), die sich nur auf der Rückenseite finden. Das sogenannte „Ovarium" (Meyen Taf. 29. Fig. 1 h) fand ich auch wieder, es ist ein eigenthümlicher Fortsatz des Mantels in das Innere der Kloake, der an seinem Ende glatt abgeschnitten ist, aber tief gezackte Ränder trägt (Fig. 10). Dieses „ovarium"^ (bei der solitären Form!) ist paarig vorhanden und befindet sich jederseits zwischen Darm und dem 9. Muskel. Es scheint mir, abgesehen von allem anderen, genügend für die Identität meiner Salpe mit antarctica zu sprechen. Alle die genannten Verhältnisse fand ich aber bei der typischen Salpa africana maxima proles solitaria wieder, so bei einem wunder- voll conservirten Exemplar aus der Zoologischen Station in Neapel (No. 282). „Ovarium'' und die Flimmergrube stimmen genau mit den gleichen Organen von antarctica überein. Den eigenthümlichen Fortsatz (ovarium Meyen) fand ich bei mehreren Exemplaren wieder, während er bei einem Exemplar (No. 394) fehlte. Was dieser Fort- satz für eine Bedeutung haben mag, kann ich nicht angeben, er findet sich bei keiner anderen Salpenart. Müller, der in Carus Icones Zootomicae, Salpen Fig. 30, die beste Abbildung unserer Salpe giebt, zeichnet ebenfalls diesen „klauenförmigen Vorsprung". Ebenso zeichnet er schon eine eigenthünüiehe Bildung (Fig. 30x) „Stelle wo der innere Mantel durch den äusseren zur Oberfläche tritt". Ueber die Bedeutung dieses Fortsatzes zwischen dem 6. und 7. Muskel jederseits an der Seite des Rückens sagt er nichts, ebensowenig kann ich eine Erklärung desselben geben. Etiketten: Staaten Island No. 266 Meyen S? 1 sol. Neapel No. 282 Zool. Station 1 „ ? No. 307 V. Olfers 1 „ Neapel No. 327 Zool. Station 1 „ 350 23' SBr. 88^28' WL. No. 394 Sander S. 1 „ Salpa cylindrica Cuv. ?Syn: S. coerulea Quoy et Gaim. (7) Taf. 89. Fig. 20-24. pg. 589. Diese Salpe war in beiden Formen vertreten, zeigte aber nichts besonderes, bis auf die Anordnung der Individuen in der Kette, die bisher noch nicht sicher bekannt war, und die ich daher abbilde (Fig. 11. 12.) Quoy et Gaimard (7) bilden eine Salpe ab und auch deren Kette, ich glaube darin Salpa cylindrica zu erkennen. Die Kette ist zweizeilig, die Individuen beider Zeilen sind um eine halbe Körperlänge gegen einander verschoben. Ausserdem stehen die Individuen etwas geneigt gegen die Längsachse der Kette. Etiketten: 37» SBr. 75° 51' EL. No- 391 Sander S. llgreg. 8 sol. und Ketten. 370 SBr. 760 EL. No. 469 „ „ 1 sol. 360 SBr. 120 WL. No. 470 „ „ 1 greg. Arch. f. Naturgesch. Jahrg. 1894. Bd.l. H.I. 4 50 Dl- C. Apstein. 8alpa punctata. Forsk. Vogt, proles gregata Forsk. Traustedt hat diese Form nach Exemplaren, die er in Neapel (9) untersucht hat, neu beschrieben. Mir lagen auch einige Exemplare vor, darunter eine Kette. Wie bei vielen anderen Salpen zeigen auch die Exemplare dieser Art individuelle Schwankungen in der Bildung der einzelnen Organe. Von den 6 Körpermuskeln stossen die 4 ersten auf dem Rücken an einander, der 1. und 2. sind sogar theilweise verschmolzen, ebenso der 5. mit dem 6. Auf- fällig ist es, dass die Muskulatur unsymmetrisch ist, wie das schon Traustedt erwähnt (9); auf der linken Seite liegen die Muskel viel weiter nach hinten als auf der rechten, was namentlich bei der Betrachtung von der Bauchseite (Fig. 14) deutlich hervortritt. Da wo auf der linken Seite der erste Muskel den Endostyl trifft, liegt auf der rechten schon der 4. Muskel. Der 2. Muskel (Fig. 14) geht von der linken Seite sogar über die Mittellinie des Bauches hinweg, so dass er auf der rechten Seite zwischen dem 5. und 6. Muskel zu sehen ist (Fig. 13. 2'). In der Kette scheinen die Muskel so zu liegen, dass die Individuen einer Zeile unter sich gleich sind, aber zu den Individuen der anliegenden Zeile spiegelbildlich stehen (Fig. 16). Es werden also bei der Hälfte der Exemplare in der Kette die Muskel auf der linken Seite, bei der anderen Hälfte auf der rechten Seite nach hinten gezogen sein. Die Muskulatur um den Mund ist ziemlich verwickelt, dagegen um die Kloakenöffnung einfach (Fig. 13). Der Endostyl geht vom Vorderende bis hinter den 5. Muskel (auf d. rechten Seite) und krümmt sich dann nach der Leibes- höhle zu. Der Nervenknoten ist kugelförmig, das Auge kegelförmig mit ringförmigem Pigment (Fig. 15), Die Kette ist 2 zeilig, die Individuen liegen mit dem Bauch gegeneinander und zwar so, dass die Individuen einer Zeile etwas gegen diejenigen der anderen nach hinten verschoben sind. Der Embryo liegt auf der rechten Seite unter dem 5. Muskel. Etiketten: Neapel No. 286 Zoolog. Station 5 greg. Kette. ? „ No. 434 „ „ 9 „ Salpa (Jasis) costata Tilesii Quoy et Craim. Cuv. Eines der soHtären Individuen trägt einen Stolo, der jedoch noch so jung ist, dass ich nicht die Befestigung der einzelnen In- dividuen in der zukünftigen Kette erkennen kann. Es wäre dieses von Interesse gewesen, wie ich vor kurzem schon nachwies (1) für Die Salpen der Berliner Zoologischen Sammlung. 51 als die gregate Form von Salpa costata Tilesii. Ich glaube aber, dass dieses auch sicher ist, ohne diesen directen Beweis. Etiketten: Südsee No. „ No. „ No. ? No. Atlant. Ocean No. ? No. Messina No. Mauritius No. IPSBr. 100 EL. No. 289 Gedeffroy 290 291 292 Collect. Gerresheim? 1 greg. 293 Simroth S. 302 Olfers S. 323 Häckel S. 324 V. Martens S. 440 Prof. Studer S. 1 sol. 1 greg. 1 „ 1 sol. 1 Salpa (Jasis) cordiformis zonaria. Quoy et Gaim.-Pall. Diese Salpe ist in zahlreichen, gut erhaltenen Exemplaren ver- treten. Bei der gregaten Form verlängert sich der hintere, gewöhnlich kurze Fortsatz zu einem langen, spitzen Anhange. (No. 454.) Bei der s elitären Form fand ich die Muskelbänder nicht so breit wie sie Traustedt (8) zeichnet. Etiketten: Nordsee No. 270 Fries 2 greg. ? No.271 Schröder S. 2 „ ? No. 272 Beske S. 3 „ Stiller Ocean No. 279 Oppermann S. 2 „ Azoren No. 294 Chamisso S. 1 „ Nordsee No. 295 Fries S. 2 sol. Atlant. Acean No. 296 Mechbg S? 1 grg. 190 30' N.Br. 25« 22' W.L. No. 320 Jagor S. 7 „ 370 50' N.Br. 170 30' W.L. No. 326 Prof. Studer S. 1 sol. Island No. 424 ? 1 greg. 34V/S.Br. lOPE.N. No. 447 Prof. Studer 1 sol. mit Stolo. 241/2'' S.Br. I52V2' E.L. No. 448 » 1 greg. 360 s Br. 700 E.L. No. 449 1 „ 20V4'S.Br. 1140 E.L. No.450 5) 4 sol. IQo S.Br. 1240 E.L. No. 453 5> 2 grg. 10 N.Br. 1370 E.L. No. 454 5> 4 grg. 1 sol. 91/2*' S.Br. 155 V E.L. No. 458 5> 1 grg. 4 sol. IIV2' S.Br. 1191/4° E.L. No. 461 „ No. 463 5> 5 grg. 160 S.Br. 117,50 E.L. No. 464 V 3 „ V N.Br. 1380 E.L. No. 466 >5 2 „ VgO N Br. 1440 E.L. No. 467 •n 4 „ 00 14IV4'' E.L. No. 468 5) 5 „ 52 Dl- C- Apstein. Salpa (Jasis) hexagona. Quoy et Gaim. Das eine solitäre Individuum trug einen weit entwickelten Stolo. Derselbe ist wie bei Salpa scutigera confoederata gebildet, geht vom Nucleus ein Stück nach vorn, biegt dann nach hinten um und verläuft auf der linken Seite bis gegen das Hinter- ende der Salpe. Die Individuen sind in zwei Zeilen senkrecht zur Längsachse des Stolo gelagert, und zwar so, dass die Individuen der einen Zeile zwischen denen der andern stehen. Eigentümlich ist der Nervenknoten mit den Augen. Der- selbe ist oval, trägt auf seinem hinteren Teile ein schuhsohlenförmiges Auge, ferner an seinem Vorderende jederseit einen nach dem Rücken erhabenen Wulst, der ebenfalls pigmentirt ist, also je ein Auge tragen wird, so dass im Ganzen wohl 3 Augen vorhanden sind, die von einander getrennt liegen (Fig. 17). Die gregate Form zeigt keine Besonderheiten. Etiketten: P N.Br. 137« E.L. No. 446 Prof. Studer l'sol. No. 455 ,. „ 8 grg. Mit Hilfe vorstehender Sammlung ist es mir gelungen, nach- zuweisen, dass Salpa bicaudata Quoy et Gaim = S. scutigera confoederata forma bicaudata, Salpa quadrata Herdm = S. scutigera confoederata prol sol, Salpa democratica mucronata var flagellifera Traust = Salpa flagellifera (Traust), Salpa aspera Cham ■= Salpa runcinata fusiformis var. echinata (Herdm), Salpa antarctica Meyen = Salpa africana maxima prol, sol, ? Salpa coerulea Quoy et Gaim = Salpa cylindrica Cuv ist. Ueber die geographische Verbreitung der Salpen habe ich vor kurzem (1) berichtet. Zu der Bearbeitung benutzte ich auch das vorliegende Material, so dass ich an dieser Stelle nicht näher auf diesen Punkt eingehen brauchte. Erwähnen will ich nur, dass sich aus dem Material ergeben hat, dass Salpa africana maxima auch im Pacifischen Ocean (Dr. Sander, Prinz Adalbert Expedition. No. 394. 395), dass Salpa runcinata fusiformis var. echinata im Indischen Ocean (Gazelle Expedition) und Salpa flagellifera auch im Pacifischen Ocean (Gazelle Expedition) vorkommt, dass also alle drei ebengenannten Arten resp. Varietäten in allen Oceanen vorhanden sind. Die Salpen der Berliner Zoologischen Sammlung. 53 Litteratur. 1. Ap stein. Geographische Verbreitimg der Salpen nebst Bemerkungen zur Systematik, in Ergebnisse der Plankton-Expedition. Bd. II. Ea. (im Druck) 2. Forskähl. Descriptiones animalium etc. quae in itinere Orientali observavit. Postmortem auctoris edidit C. Niebuhr. Hauniae. 1775. 3. Göppert. Untersuchungen über das Sehorgan der Salpen. In Morpholog. Jahrbuch. Bd. 19. 1893. pg. 250 4. Herdman, Report on the Tunicata of H. M. S. Challenger. Bd. 27. 5. — Revised Classification of the Tunicata. In The Journal of the Linnean Society. London, Zoology, Vol. 23, No. 148, p. 558 bis 652. 1891. 6. Meyen. Beiträge zur Zoologie, gesammelt auf einer Reise um die Erde. 1. Abth. Ueber die Salpen. In Nova Acta Acad. caes. Leop. Carol. natur. curios. Tom 16. 1832. 7. Quoy et Gaimard. Zoologie in Dumont d'Urville Voyage de la corvette l'Astrolabe, execute par l'ordre du roi 4 vol. 1826 bis 1834. Atlas. 8. Traustedt. Bidrag til Kundskab om Salperne in Spolia atlantica. Vidensk. Selsk. Skr. 6. Raekke nat og math. Afd. IL 8. Kopenhagen 1885. 9. — Die Thaliacea der Plankton-Expedition. In Ergebnisse der Plankton-Expedition, Bd. IL Ea. 1 Tafel. 1892 10. Vogt. Recherches sur les animaux inferieurs de la Medi- terranee, second memoire. Sur les Tuniciers nageants de la mer de Nice. In Mem. de ITnstitut national genevois. 1894. IL pag, 1 bis 46. Tab. V— IX. 11. Vogt und Yung. Lehrbuch der practischen vergleichenden Anatomie. Tunicaten. Bd. IL 5. Lief 1890. 54 Dl"- C. Apstein. Erklärung zu Tafel V. In allen Figuren bedentet: a Einströmungsöffnung, kurz Mund genannt, b Ausströmungs- oder Kloakenöffnung, as Anheftungsstelle der Kettenindividuen, e Endostyl. f Flimmergrube, fb Flimmerbogen, g Nervenknoten, ga Pigment des Auges, m, Körpermuskel 1 . . . r Kieme. s Embryo. X Nucleus. Fig. 1. Salpa scutigera confoederata prol. gieg. Hinterende 7i (Plankton- Expedition, No. 172). Fig. 2. prol.sol. ganz jung; von der linken Seite. Vi- (Neapel No.268) Fig. 3. Dasselbe Individuum vom Rücken. Vi- Fig. 4. forma bicaudata; vom Rücken, -/i- ^^' <^i6 Anheftungsstelle auf der Bauchseite, hindurchscheinend (Neapel No. 267). Fig. 5. Nervenknoten und Augenpigment desselben Exemplars. Fig. 6. flagellifera. Kieme mit Flimmerbogen, Flimmerrinne und Nervenknoten, ^o/j. (No. 325) Fig. 7. Nervenknoten. °°/i. Fig. 8. S democratica mucronata prol. sol. Nervenknoten mit Pigment vom Rücken, ^o/^ (No. 471). Fig. 9. Derselbe von der Seite. ^7i- Fig. 10. S. africana maxima prol. sol. Fortsatz des Mantels (Ovarium Meyen). Vi. (No. 266) Fig. 11. S. cylindrica. Kette vom Rücken. Vi (No. 391). Fig. 12. Dieselbe von der Seite. Vi Fig. 13. S. punctata prol. greg.; von der rechten Seite. Vi- P Pigmentzellen (Neapel, No. 286). Fig. 14. Dieselbe vom Bauche gesehan. Vi- Fig. 15. Kieme mit Flimmerrinne, Flimmergrube und Nervenknoten mit Pigment. 27^. Fig. 16. Kette. Vi- Fig. 17. S. hexagona prol. sol. Nervenknoten mit Pigment. ^7i (Mus. Hamburg). Ein Beitrag zur Kenntniss der faunistischen Verhältnisse des eentralafrikanischen Seengebietes. Von H. J. Kolbe. Die faunistischen und zoogeographisehen Verhältnisse des nörd- lichen Theiles des eentralafrikanischen Seengebietes, welche bisher noch ganz unbekannt waren, sind durch Emin Pascha und Stuhl- mann so eingehend erforscht, dass wir uns ein genügendes Bild davon machen können. Das bemerkenswertheste Resultat ist, dass die Fauna des westafrikanischen Waldgebietes sich bis zu den nördlichen Seen Centralafrikas ausdehnt und bis an den Victoriasee reicht. In der folgenden kurzen Skizze erlaube ich mir eine Anzahl Coleopteren- spezies aus den Sammlungen Stuhlmann's anzuführen, um zu zeigen, dass Arten aus Ober- und Nieder-Guinea, von Kamerun und dem Kongobecken bis in das nördhche Seengebiet verbreitet sind. Einen wesentlichen Beitrag zu dieser westlichen Fauna des nördhchen Seengebietes liefern die Bockkäfer (Cerambycidae), die, weil ihre Larven grösstentheils an Holzpflanzen gebunden sind, soweit nach Osten hin verbreitet sind, als die charakteristische Vegetation des westafrikanischen Waldgebietes reicht. Das Vorkommen ist im folgenden bei jeder Art näher angegeben. Tithoes frontalis Har. Lunda und Baluba im Kongobecken; — südl. Albert-Edward-See (Migere, Butumbi). Macrotoma castaneipennis Kolbe im Kongogebiet (Baluba, Lulua) ; — Massogua, nördlich vom Albert-Edward-See. Plocederus chloropterus Chevr. Kamerun; Aschanti, — nördl. Seengebiet (ohne nähere Angabe). Plocederus hasalis Gahan. Gabun, Njam-Njam; — nördl. Seen- gebiet (ohne nähere Angabe). Callichroma cranchi White. Kongobecken; — am Duki-Fluss, südwestlich vom Albert-See. 56 H. J. Kolbe: Ein Beitrag zur Kemitniss der Phrystola hecphora Thoms. Westafrika; — Undussuma, südwestl. vom Albert-See. Phryneta macularis Har. Lunda-Reich (östlich von Angola), Kongo; — nördKches Seengebiet (ohne nähere Angabe). Phryneta aurodncta Guer. Ober-Guinea; — Buessa, südwestl. vom Albert-See. Pachystola fuliginosa Chevr. Senegambien, Togo ; — Duki-Fluss, südwestl. vom Albert-See. Hecyrida ricfolineata Quedf. Baluba-Land im Kongobecken; — Itari, südwestl. vom Victoria-See. Prosopocera ocellata Chevr. Guinea, Kongobecken, Quango; — Buginda, südl. vom Albert-See. Monohammus X-fulvum Bat. Kamerun; — West-Lendu, westl. vom Albert-See. Acridocepthala histriata Chevr. Guinea; — Albert-See. Sternotomis imperialisY. Guinea, Togo, Kamerun, im nordöstlichen Gebiete des Kongobeckens; — West-Lendu, westl. vom Albert-See. Sternotomis aglaura Kolbe, Yaunde im Hinterlande von Kamerun, — Buginda, südl. vom Albert-See, Uganda, nördl. vom Victoria-See. Pinacosterna mechowi Quedf. Kongogebiet (Ibembo), Quango (östlich von Angola); — Ituri, westHch vom Albert-See. Ceroplesis fissa Har. Lunda-Reich, Kongo; — Itimba und Atjangara-Fähre, südlich vom Albert-See; West-Lendu, westl. vom Albert-See; Kafuro, westl. vom Victoria-See. Moeclia adusta Har. Kamerun, Kongo, Lunda-Reich, Lulua (Nebenfluss des Kongo), Baluba, Njam-Njam; — Butalinga, südl. vom Albert-See. Synnupjserlia homeyeri Har. Angola, Kongogebiet; — Undussuma, südwestl. vom Albert-See. Nur wenige Cerambyciden finden sich in Ost- und Südost-Afrika, nämlich : Cymatura miccorea Fairm. im Somali-Lande und Deutsch-Ost- afrika; — bei Buginda, südlich vom Albert-See, und bei LTndussuma, südwestlich vom Albert-See. Ceroplesis irregidaris Har. j\Juansa am Südufer des Victoria- Sees; — östliches Deutsch-Ostafrika. Nitocris nigricornis Oliv. Capland, Natal; — Bukoba, am West- ufer des Victoria-Sees. Wie die Mehrzahl der bekannten Cerambyciden, so weisen auch die waldbewohnenden Passaliden, welche unter der Rinde morscher Bäume leben, auf Westafrika hin, und zwar finden sich Erionomus plam'ceps Eschz. in Guinea, Kamerun, Njam-Njam; — im Urwald an der Atjangara-Fähre, südl. vom Albert-See und am Jturi, westl, von diesem See. faunistischen Verhältnisse des centralafrikani sehen Seengebietes. 57 Pentalobt(s palinii Perch. in Aschanti und Kamerun, am Gabun und Quango, auch am oberen Kongo; — in Uganda, nördlich vom Victoria-See. Pentalobus harhatvs F., fast überall in Westafrika, z. B. in Ober- Guinea, Togo, Kamerun, Njam-Njam, Kongo -Gebiet, Quango; — und auch in Uganda, nördlich vom Victoria- See. Et/melosomus dupHcatus Har. am Quango, im Lunda-Reich und im Gebiet des oberen Kongo (Ibembo); — aber auch an der Ituri- Fähre, westlich vom Albert-See und in Nssangani, nördl. vom Albert- Edward-See. Didimvs pvnctipectm Kaup in Guinea, im Lunda-Reich, am Lubilasch im Gebiet des oberen Kongo; — und im Kibissibili- Walde am Ituri, westlich vom Albert-See. Dasselbe gilt von den, grossentheils an Wald gebundenen Cetoniiden. Plaesiorrhina svhaenea Har. und cincta Oliv., Gna- thocera trivittata Swed. und afzeli Swartz, Evdicella tetraspüota Har. und gralli Buq., Dicranorrhma micans Drury und Gametis sungui- nolenta Burm. finden sich im Seengebiet, gehören aber der west- afi'icanischen Fauna an. Auch Pseudinca^ Incala und Eccoptocnemis sind westafricanische Genera. Anders verhält es sich mit den Mistkäfern (onthophile Lamelli- cornier) ; diese sind meist nicht an das Waldgebiet gebunden, finden hingegen z. Th. einen wesentlichen Verbreitungsfactor durch die Hausthiere, welche die Eingeborenen bei sich halten oder mit sich führen, z. B. Schafe, Ziegen und auch Rindvieh. Hieraus ist wohl das Vorkommen nordostafrikanischer, ost- und südafrikanischer Mistkäferarten im Seengebiet zu erklären. Die dort wohnenden Völker haben mehr Beziehungen zum Nordosten und Osten des Erdtheils, als zu dem Westen. Auch die weite Ausdehnung des Steppengebietes und der Steppencomplexe, die sich bis in die Seen- region erstrecken, und nordwärts die Steppengebiete des Sudan bis Senegambien, sowie südwärts die Steppen südlich vom Urwalde des Kongogebietes, verdienen hinsichtlich der Verbreitung der Mistkäfer im Gefolge der Steppenthiere (Säugethiere) Berücksichtigung. Bemerkenswerth ist in dieser Beziehung die Thatsache, dass von der artenreichen Gattung Onitis, von der 50 Species aus dem äthiopischen Gebiet bekannt sind, sowohl v. Harold als auch Du vi vi er in ihren Abhandlungen über die Coleopteren des Kongo- Gebietes keine Spezies aufführen. Auch Quedenfeldt verzeichnet vom Quango und aus dem Baluba- Lande im Kongobecken keine einzige Art, nur von Malange in Angola zwei Spezies. Stuhlmann hingegen hat aus dem Seengebiet 10 Spezies mitgebracht. Onitis pecuarius Lansb. findet sich im Capland, Cafirarien, Mosambik, am Nyassa-See ; — bei Undussuma, südwestl. vom Albert- See, in Mpororo, südöstl. vom Albert -Edward-See und in Karague, westhch vom Victoria-See. 58 H. J. Kolbe: Ein Beitrag zur Kenntniss der Onitis uncinatus Kl. in Abyssinien, Mosambik, Caffrarien; — in Karague, westlich vom Victoria-See. Copris orphanus Guer. in Sansibar, Abyssinien; — in Karague, westlich vom Victoria-See, bei Undussuma, südwestlich vom Albert- See, und in der Issango-Ebene, nördlich vom Albert-Edward-See. Oniticellus tiasicornis Reiche in Abyssinien, Mosambik, Natal, Angola, Senegambien; — in Karague, westlich vom Victoria-See. Oniticelhis militaris Gast, in Nordost -Afrika , Mosambik, Natal, Capland; — bei Undussuma, südwestlich vom Albert-See. Oniticellus planatus Bob. auf dem Kihmandscharo, am Jipe-See in Deutsch-Ostafrika, in Mosambik, Natal, Capland; — bei Undussuma, südwesthch vom Albert-See und in Karague, zwischen dem Victoria- und. Albert-Edward-See. Orvthophagus picticollis Gerst. auf dem Kilimandscharo; — in Karague, zwischen dem Victoria- und Albert-Edward-See. Heliocopris colossus Bat. (Senegambien) findet sich auch bei Bukoba am Victoria - See , und Diastellopalpus acuminicollis Quedf. ist in Baluba-Land (Kongo-Gebiet) und in Karague, zwischen dem Victoria- und Albert-Edward-See gefunden. Onitis castdnaui Harold, aus Sansibar und Caffrarien bekannt, liegt vor von Kirima, im Nordwesten vom Albert-Edward-See. Nach Stücken, welche angeblich vom Stanley-Pool stammen, zu schliessen, kommt die Art auch am Kongo vor. Von Tenebrioniden finden sich die für Westafrika, z. B. Kongo, Kamerun und Ober-Guinea, charakteristischen Arten Chiro- scelis digitata F. und passaloides Westw. , Prioscelis serrata F. und fabricii Hope, Pezodontus ohsoletits Thoms. und Eupezus hrevicolUs Har. im Seengebiet. Prioscelis serrata ist nach einer Notiz von Stuhlmann im Wabudso- Walde, westlich vom Albert-See (westl. von Wakangu) sehr gemein. Aber auch eine ganze Anzahl neuer Formen wurde von Stuhl- mann im Seengebiet gefunden, die vielleicht jener Gegend theilweise eigenthümlich sein mögen. Recht bemerkenswerth ist ein fremdartiger Carabide von verhältnissmässig grossen Körperdimensionen. Es ist eine neue Gattung, die auf Grund der Gruppenmerkmale zu den Chläniinen gehört, aber unter diesen sich ganz absonderlich ausnimmt. Ich nenne das, gleichsam auf eine fremde Welt der Vergangenheit hinweisende Coleopteron Stuhlmajinium mastodon. Der grosse Kopf ist nach unten gerichtet, der Hinterkopf ist dick und ohne Hals, Von Supraorbitalborsten ist nur eine neben jedem Auge vorhanden. Die Augen sind klein. Die Mandibeln besitzen keine borstentragende Punkte an der Aussenseite. Der Clypeus ist durch eine deutliche eingedrückte Linie von der Stirn getrennt und am Vorderrande mit einem mittleren vorstehenden Zahne versehen. An den Antennen sind die drei ersten Gheder glänzend und ganz glatt. Die Ligula ist stark vorgezogen, vorn verbreitert, an der Vorderseite ausgehöhlt; faunistischen Verhältnisse des centralafrikanischen Seengebietes. 59 der obere Vorderrand ist in der Mitte ausgerandet. Das Mentum ist sehr tief viereckig ausgerandet, die Seitenloben sind weit vor- gezogen; in der Mitte der Ausrandung befindet sich ein kurzer stumpfer, an dem Ende ausgerandeter Zahn. Das Mentum ist von der Kehle deutlich abgesetzt. Der innere Maxillarlobus ist sichel- förmig gebogen und zugespitzt. Das letzte Ghed der Maxillarpalpen ist kürzer als das vorletzte; jenes bildet mit diesem kein Knie, sondern steht zu diesem in gerader Linie. Das zweite Palpenglied ist gegen die Spitze hin stark verdickt. Das zweite GHed der Labialpalpen ist innenseits mit zahlreichen Borsten besetzt. Der Prothorax ist länger als breit, schmal, oberseits convex, vor dem Hinterrande abgeflacht, vorn und hinten gleichbreit; die Seiten vor der Mitte schwach gerundet, hinten gerade. Die länglich ovalen Flügeldecken sind vorn und hinten ver- schmälert, der Rücken hoch convex, die Naht erhaben, der vordere Theil niedergedrückt, die Seiten vorn fast kielförmig gerandet. Die Ausrandung nebst der Falte am Aussenrande vor der Spitze der Flügeldecken ist recht deutlich. Der Hinterleib wird von den Flügeldecken ganz bedeckt. An den Beinen sind die verdickten Schenkel, hauptsächlich aber die stark knieförmig gebogenen Mittelschienen bemerkens- werth. Die Unterseite der Schenkel ist mit einer Doppelreihe von Zähnchen ausgerüstet; die Doppelreihe geht an den Vorderschenkeln fast bis zum Grunde, an den Mittelschenkeln bis zur Mitte; an den Hinterschenkeln ist nur das apicale Drittel mit einer Doppelreihe von Zähnchen versehen. Die Mittelschenkel sind keulenförmig, dicker als die übrigen. Die vorderen Schienen sind gerade, die mittleren stark gekrümmt, die hinteren schwach gebogen. Die Mittelhüften stehen zapfenförmig vor. Die Schenkelringe der Hinterbeine sind in einen auffallend langen Fortsatz ausgezogen, der nach hinten zu sehr verdünnt, nahe dem Ende hakenförmig umgebogen und zugespitzt ist. Die Epimeren der Hinterbrust sind deutlich, wie bei den Chläniern, die Mesosternalepimeren schmal. Die Vorderschienen sind im apicalen Drittel schwach ausgerandet. Die Bildung der Ligula, die Zahl der Supraorbitalseten , der kurze Schaft der Antennen, das Fehlen von Chätoporen an der Aussenseite der Mandibeln, die Grösse des Labrum, die drei glatten Grundglieder der Antennen, die schmalen Mesosternalepimeren, die nicht getrennten Hinterhüften, die Bildung des Aussenrandes der Flügeldecken; — alle diese Kennzeichen sprechen für die Zugehörig- keit von Stuhlmannium zu den Chläniinen, denen der Käfer habi- tuell keineswegs ähnlich ist. Die neue Gattung weicht von den eigentlichen Chläniinen durch die Doppelreihe von Zähnchen an der Unterseite der Schenkel ab. 60 H. J. Kolbe: Ein Beitrag zur Kenntniss der Ausser SUihlmannimn giebt es noch ein eigenthümliches Genus in Afrika, R/wpalomelus Boh., welches von dem Autor Boheman zu den Sphodrinen gestellt wurde. Ich finde aber, dass diese Gattung zu den Chläniinen gehört, auf Grund derselben Charaktere, welche eben für Stuhlmannüim angegeben sind. Bhopalomelus hat nur eine entfernte Aehnlichkeit mit den typischen Chläniern; da aber unter diesen eine Anzahl Arten mit sehr schmalem Prothorax und längeren Beinen vorkommt, so sind diese wohl am ersten mit Rhopalomelus zu vergleichen. Stuhlmann hat nun noch einen zweiten eigenartigen Chläniinen mitgebracht, Parachlaenius n. g., der auf den ersten Blick zu den Chläniinen gehört, jedoch noch etwas eigenartig erscheint, aber in allen Charakteren mit diesen übereinstimmt. Diese Gattung ist ein Bindeglied zwischen Rhopa- lomelus und den typischen Chläniinen. RJiopalomelus vermittelt aber zwischen Stuhlmannium und Parachlaenius. Wir können somit durch eine kettenförmige Aufeinanderfolge von StMma7inium, Rho- ]>alomelus, Parachlaenius und den echten Chläniinen die nächste Verwandtschaft jener Gattungen mit dieser Gruppe darthun. Jene unterscheiden sich von diesen folgendermaassen : 1. Schenkel an der Unterseite doppelreihig gezähnelt oder crenulirt: Stuldmannium, Rhopalomelus und Parachlaenius. 2. Schenkel an der Unterseite glatt: Chlaeniinae genuinae. Bei Parachlaenius emini finden wir fast nichts von der ab- sonderlichen Form und Bildung des Körpers und einzelner Theile desselben, wie sie uns bei Stuhlmannium auffallen. Jedoch ver- binden sich mit dem fast normalen Chläniertypus des Parachlaenius einzelne Merkmale, welche zu Rhopalomelus und Stuhlmannium hin- überleiten, namentlich die Crenulirung und feine Zähnelung der Doppelleiste an der Unterseite aller Schenkel, die Krümmung der Mittelschienen, das vorgezogene, am Ende abgestutzte grosse Labium, der kurze Scapus der Antennen, die etwas robuste Körperform. Gegenüber dem lang zugespitzten Lobus der hintersten Trochanteren von Stuhlmannium und Rhopalomelus erscheint derjenige von Para- chlaenius nicht länger als bei anderen Chläniinen. Ueber die Organisation des Parachlaenius emini ist im Einzelnen noch folgendes mitzutheilen. Die Augen sind von gewöhnlicher Grösse, demnach verhältnissmässig viel grösser als bei Stuhlmannium. Die Antennen überragen die Basis der Flügeldecken und sind vom 4. Gliede an braungelb tomentirt. Das Mentum ist tief ausgerandet, die Seitenloben sind einander parallel, die Mitte der Ausrandung ist dreieckig vorgezogen, der Vorsprung an der Spitze abgerundet. Das Labium ist verlängert, am Ende verbreitert, abgestutzt, an der Vorderseite mit zwei Borsten versehen und an der Aussenseite in der Mitte der Länge nach gefurcht. An den Lippentastern ist das 2. Glied innenseitig mit mehreren Borsten besetzt. An den Maxillar- tastern ist das letzte GKed, wie gewöhnlich bei den allermeisten Carabiden, länger als das vorletzte. Das Labrum ist sehr kurz und faunistischen Verhältnisse des centralafrikanischen Seengebietes. gl tief ausgerandet. Auch das von der Stirn durch eine deutliche Naht getrennte Epistom ist vorn ausgerandet; die Vorderecken des Epistoms sind rechtwinklig. Der Hinterkopf ist nicht verdickt. Der Prothorax erscheint beinahe quadratisch, er ist ziemlich flach, die Scheibe beiderseits der Mittelfurche schwach convex, die Seiten etwas gerundet, mit der grösseren Breite vor der Mitte. Die Hinterecken sind rechtwinklig, die Ecken selbst aber rundlich ab- gestumpft; die Seitenränder sind etwas aufgerichtet. Die länglichen Flügeldecken erscheinen massig convex; die feinen Punktstreifen sind eingedrückt, die Zwischenräume schwach convex und etwas grob stichelig punktirt. Die an der Unterseite der Schenkel deutlich hervortretenden beiden Längsleisten sind crenulirt bis schwach gezähnelt; an den JVIittelschenkeln findet sich ausserdem ein etwas grösseres Zähnchen unterseits kurz vor der Spitze, an dessen Stelle an den Hinter- schenkeln sich nur ein kurzer abgerundeter Vorsprung zeigt. Die Vorderschienen sind gekrümmt, der Ausschnitt an der Innenseite reicht fast bis zur Mitte; der obere Sporn dieses bei den allermeisten Carabiden vorhandenen eigenthümlichen Ausschnittes, der als ein Reinigungsappara.t für die Antennen angesehen wird*), ist massig umgeknickt und so lang, dass er die Spitze der Schiene etwas über- ragt. Solchergestalt kann dieser umgeknickte Sporn seinen Zweck, als Halter an dem Reinigungsapparat zu dienen, anscheinend in verbesserter Weise erfüllen. Auch die Mittelschienen sind etwas gekrümmt; bei Stuhlmcmnium ist die Krümmung aber eine viel stärkere. Der Fortsatz des Trochanters der Hinterbeine ist ziemlich lang und gerade, aber nicht in eine Spitze ausgezogen, sondern stumpf- lich zugespitzt. Der Körper ist von schwärzlicher Grundfärbung, glänzend, überall kurz röthlichgelb und nicht dicht behaart; die Seitenränder des Prothorax, das 1. Fühlerglied und die Schenkel sind braun, die Flügeldecken dunkelviolett. Die Länge des Körpers beträgt 27 mm. Das einzige Exemplar (augenscheinHch ein Weibchen, da die Vordertarsen ganz schmal sind) ist gleichfalls einer der schönen Funde des Dr. Stuhlmann. Es wurde am 1. März 1891 bei Kafuro in der Landschaft Karague, welche sich westhch vom Victoria -See ausdehnt, gefunden. Zu Stvhlmannium mastodon ist noch nachzutragen, dass der ganze Körper kohlschwarz und glänzend ist; die Flügeldecken sind an den Seiten weniger glänzend. Am Ende der Schienen, z. Th. auch an deren Innenseite befindet sich ein Besatz von kurzen röth- *) Vergl. H. J. Kolbe, Einführung in die Kenntniss der Insekten. 1893. S. 293. 62 H. J. Kolbe: Eiu Beitrag zur Kenntniss der liehen Borsten. Die Antennen sind vom 4. Gliede an braungelb tomentirt. Die beiden vorliegenden Exemplare mögen weiblichen Geschlechts sein, da die Vordertarsen einfach sind. Es giebt aber unter den grossen Carabiden einige Gattungen, in denen ein Ge- schlechtsunterschied in der Bildung der Tarsen nicht vorhanden ist. Das mag auch bei Stuhlmannium der Fall sein. Da nun ein Unter- schied in der Zahl der Chaetoporen (borstentragende Grübchen) am letzten freien Abdominalsegmente deutlich ausgeprägt ist, so halte ich das eine schmächtigere Stück, an welchem vor dem Hinterrande dieses Segments jederseits 4 bis 5 in einer Reihe stehende Chäto- poren und eine seitwärts und etwas entfernt stehende Chätopore zu erkennen sind, für ein männliches Thier, während bei dem zweiten Stück, welches ich für ein Weibchen halte, jederseits vor dem Hinterrande des Segments nur zwei Chätoporen und eine Anzahl unregelmässig stehender kleiner Punkte vorhanden sind. Dr. Stuhlmann fand diese werthvolle Art, deren Entdeckung den besten Resultaten seiner Forschungsreise anzureihen ist, gleich- falls bei Kafuro in Karague, westlich vom Victoria-See, und zwar das eine Stück ($) am 6., das andere {$) am 28. März 1891. Die Länge der beiden Exemplare beträgt 43 {S) und 46 ($) mm. Der nächste Verwandte von Stuhlmannium, nämlich der Rhopa- lomelus angusticollis Boh. aus Natal, erinnert durch die einfache Form der Elytren mehr an Parachlaenius\ dieselben sind indess noch ziemlich convex, aber nicht so wie bei Stuhlmannium. Der Prothorax des Rhopalomelus ist länglich und schmal, wie bei seinem grossen Verwandten, aber nur wenig convex, wie bei den meisten Chläniinen. Das Labrum ist gleichfalls gross, der Scapus ziemlich kurz. Die Augen sind verhältnissmässig viel grösser als bei Stuhl- mannium, also wie bei Parachlaenius. Dagegen erinnert der Fort- satz der hintersten Trochanteren durch die ausgezogene und etwas gebogene Spitze an die mehr vollendete Ausbildung bei Stuhlmannium. Auch sind die Mittelschienen gekrümmt, aber schwächer. Dagegen ist das letzte Glied der Maxillarpalpen länger als das vorletzte; es sind jedoch die beiden letzten Glieder durch die auffallende Keulenform ausgezeichnet. Absonderlichkeiten in seiner äusseren Organisation theilt Stuhl- mannium mit Hypocephalus armatus Brasiliens. Da solche Ab- sonderlichkeiten mit zunehmender Körpergrösse sich ausbilden, so sehen wir in Rhopalomelus eine Vorstufe zu Stuhlmannium. Bei Stuhlmannium besteht eine Eigenthümhchkeit darin, dass man auf den ersten BHck nicht sagen kann, zu welcher engeren Gruppe der Carabiden diese Gattung gehört. Das gilt auch von Rhopalomelus. Die eben besprochenen Gattungen Stuhlmannium, Rhopalomelus und Parachlaenius gehören nun, wie mitgetheilt, zu den Chläniinen, einer Gruppe der Carabiden, welche von allen Gruppen dieser faunistischeii Verhältnisse des centralafrikaiiischeu Seengebietes. 63 Familie in dem äthiopischen Gebiet am formenreichsten vertreten ist. Zugleich sind die Chläniinen in keinem anderen zoogeographischen Gebiet so reichlich und mannigfaltig vorhanden, wie eben in dem äthioj)ischen. Es sind jetzt 15 Gattungen und etwa 230 Arten dieser Gruppe aus diesem Gebiet bekannt, welche über alle Untergebiete ziemlich gleichmässig verbreitet sind. In dieser Beziehung stehen die Chläniinen zu anderen Carabidengruppen in Gegensatz. So z. B. kommen von der artenreichen Gruppe der Anthiinen nur vereinzelte Arten im westafrikanischen Waldgebiete vor, während die grosse Masse (über 130 Species) sich über Ost- und Südafrika vertheilt. Von den echten Panagäinen leben umgekehrt die allermeisten Arten in Westafrika, während Teflus in Ostafrika sehr überwiegt. Betrachten wir aber die Carabiden des äthiopischen Gebiets im Ganzen, so finden wir, dass die grossen Formen, und zwar in grösserer Zahl, auf Süd- und Ostafrika fallen und namentlich von den Gattungen Scarites, Ilaplotrachelus, Passalidms^ Macromorphus^ Anthia, Baeocßossa , Polyhirma, Tefflvs u. a. gestellt werden. Nur vereinzelte grosse Carabiden konmien im westafrikanischen Unter- gebiet vor, z. B. einzelne Arten von Ochyropiis, Anthia und Scarites. Da die Nahrungsverhältnisse in den grossen Steppengebieten Ost- und Südafrikas ganz andere sind, als in den Walddistrikten West- afrikas, so dürften wir hierin den Grund sehen, aus welchem die grossen Carabiden, welche alle als räuberische Fleischfresser anzusehen sind, zumeist in Ost- und Südafrika so reich vertreten sind. Die grössten Coleopteren des äthiopischen Gebietes überhaupt sind jedoch auf Westafrika (vom Kongo-Gebiet bis einschliesslich Ober- Guinea) beschränkt, sieleben sämmtlich von vegetabilischen Stoffen und gehören zu den Cerambyciden, Lucaniden, Cetoniiden, Dynastiden. Unter den von Stuhlmann im nördlichen Seen-Gebiet aufgefundenen Käfern ist nur ein kleiner Theil der grösseren Formen dieser Famüien vorhanden; gerade die grössten, nämlich Arten von Oma- cantha, Batocera, Mesotopns, (roliathus, Mecynorrliina und Augo- soma fehlen. Wir müssen es weiteren Forschungen überlassen, noch etwa vorhandene Lücken auszufüllen. Die Entwicklungsgeschichte und der anatomische Bau der Taenia anatina (Krabbe). Von Johannes Emil Schmidt. Hierzu Tafel VI. Die Entwicklungsgeschichte der cysticerkoiden Tänien war bis vor kiirzem so gut wie unbekannt. Diese lange Unkenntnis erklärt sich in der Hauptsache wohl aus den mannigfaltigen Schwierigkeiten, welche einer Untersuchung dieses Gegenstandes entgegenstehen. Von dem bei weitem grössten Teile der betreffenden Tänien kennt man ja bis jetzt weder den Zwischenwirt, noch den zugehörigen Cysticer- koiden, geschweige denn die Entwicklung des letzteren. Alles, was wir bis in die neuste Zeit herein von der Entwicklung der Cysticer- koiden wussten und vermuten konnten, basierte in der Hauptsache nur auf einem Analogieschluss , auf dem Vergleich mit der durch Leuckarts Untersuchungen zuerst eingehend bekannt gewordenen Entwicklungsgeschichte der Cysticerken, höchstens noch auf der Kenntnis einiger weniger, aber völlig zusammenhangloser Zwischen- formen, welche der Zufall gerade geboten hatte. Erst neuerdings haben wir, nachdem Melnikoff und Leuckart in der Hundelaus den Cysticerkoiden der Taenia elliptica Batsch (= cucumerina Rudolphi) entdeckt hatten und die Untersuchung für diese Form so- mit wesentlich erleichtert war, durch Grassi und Rovelli^) näheres über den Entwickhmgsverlauf eines Cysticerkoiden, eben der Taenia elliptica, erfahren. Vorliegende Arbeit, die auf den Rat meines hochverehrten Lehrers Prof. Leuckart in dessen Laboratorium unternommen wurde, lehrt uns die Entwicklung einer zweiten, von jener in mehreren Stücken abweichenden Form kennen, die Ent- wicklung der Taenia anatina Krabbe. Schon als ich meine ersten Versuche anstellte, die zum Zwecke hatten, der Entwicklung einer der fünf Tänienformen, welche nach Krabbe 2) bei unsern Hausenten gefunden werden, mit Hilfe des 1) Ricerche Embrioligiche Sui Cestodi. Memoria del Prof. B. Grassi e del Dr. G. Rovelli, Catauia 1892. -) Krabbe, Bidrag til Kundskab ora Fuglenes Baendelorme , Kjobenbavn 1869; Nye Bidrag, 1882. Aich. f. Natuigesch. Jahrg.1894. Bd.L H.2. 5 66 Johannes Emil Schmidt: Die Entwicklungsgeschichte Experiments nachzuspüren, machte mich Herr Geheimrat Leuckart darauf aufmerksam, dass ihm bei seinen Infectionsversuchen einst in Cypris ovata die ausgeschlüpften Embryonen einer dieser Tänien begegnet seien. Obwohl ich nun mit gar verschiedenen Tieren, welche hier nach Mräzeks^) und Hamanns 2) Funden in Frage kommen konnten (Cyclops, Gammarus , Asellus) , meine Experimente anstellte, behielt ich doch ganz besonders die Cypris im Auge, zu- mal auch die Beobachtungen von Mrazek auf dieses Genus mit hinwiesen. Mancher Versuch misslang, wie mich meine späteren Erfahrungen lehrten, wohl deshalb, weil ich nicht die gehörige Menge von Eiern zur Infection verwendet hatte. Die kleineren Cyprisarten, welche man häufig bei uns findet, boten wenig- Aussicht. Bei Cyclops fand ich allerdings einmal den Cysticerkoiden von Taenia gracilis Zeder, welchen Mräzek vor mir ebenfalls bei Cyclops gefunden und ausführlich beschrieben hat, aber die zur Infektion benutzten Würmer lieferten trotzdem ein negatives Resultat Da gelang es mir endhch, in der oben erwähnten Cypris ovata Jur., den Cysticerkoiden von Taenia anatina Krabbe zu züchten, eine Form, welche in ihrem aus- gebildeten Jugendzustande ebenfalls schon von Mräzek 3) beschrieben worden ist. Auch letzterer fand den Cysticerkoiden bei einer Cypris, und zwar bei Cypris compressa Baird u. incongruens Ramd., sodass wir drei Cyprisarten als Finnenträger von Taenia anatina konstatieren können. Bei Cjpris compressa sind von Mräzek ausserdem noch die Cysticerkoiden zweier anderer Ententänien, der Taenia coronula Duj. und T. gracilis Zeder, aufgefunden worden. Bei Cyclops und Gam- marus habe ich immer vergeblich nach der Finne von T. anatina gesucht; es scheint sich also der Parasitismus dieser Art ausschliesslich auf die Gattung Cypris zu beschränken. Bei Cypris ovata gelang die Infektion aber mit unfehlbarer Sicherheit. Während des Sommers ist mir in meinen Zuchten nicht ein einziges Exemplar vorgekommen, das nicht inficiert gewesen wäre — freilich waren es auch immer ganz gehörige Portionen Eier, welche bei dem Experimente zur Ver- wendung gelangten. Die Eier von T. anatina (in Figur 1 abgebildet) sind nach ihrer äussern Form und Grösse bereits durch das Krabbe'sche Sammelwerk bekannt und daselbst in ihrem äussern Umrisse richtig abgebildet^). Der Embryo ist von drei Häuten umgeben. Das ganze Ei ist 0,125—0,175 mm gross und besonders durch seine charakte- ristische Form leicht von den Eiern der übrigen Ententänien zu 1) Mräzek, 1) Die Cysticerkoiden iinserer Süsswassercrustaceen in: Sitz. Ber. Böhm. Ges. Wiss. 1890, 1. Band p. 226—248, in böhm. Sprache. 2) Unter- suchungen über die Entwicklung einiger Vogeltänien, ibid. 1891, 1. Bd. p. 97 bis 131, böhmisch, Auszug französisch. '-) Hamann, Jenaische Zeitschrift f. Naturwissensch. Band XXIV u. XXV, 1890 u. 1891. ^) L. c. Nr. 2 (vom Jahre 1891). *) L c. Tafel VI, Figur 116. uml der anatomische Bau der Taenia anatina (Krabbe). 67 unterscheiden. In Anpassung an die Gestalt der Proglottiden von T. anatina, welche sehr kurz sind, also die Gestalt eines sehr niedrigen Trapezes haben, sind auch die Eier von länglicher Form, länglich- elliptisch, nicht kugelig oder kreisrund im Durchschnitt, wie sonst bei den allermeisten Tänien. Die äussere Eihaut ist sehr dünn, vollständig durchsichtig, spröde und strukturlos, wie bei andern Tänieneiern. Die mittlere der drei Eihäute aber zeigt auf ihrer Obertiäche eine äusserst feine Punktierung, welche sich auf dem optischen Querschnitte durch die Mitte des Eies als eine sehr feine Strichelung erweist und, nach ihren optischen Eigenschaften zu schliessen, von feinen Stäbchen herrührt, welche diese mittlere Membran durchsetzen — ganz analog den Eiern vieler Blasenband- würmer. Im Innern dieser mittleren Haut sind helle, kugelige Zellen sichtbar, zwischen denen kleinere und grössere fettartig glänzende Körnchen und Tröpfchen verstreut liegen. Auch die dritte, innere Membran, welche den Embryo unmittelbar umgiebt, sowie der Embryo selbst enthalten diese stark lichtbrechenden Körner und Tröpfchen. Doch besitzt diese dritte, innere Haut, wie aus der Abbildung Krabbes schon ersichthch, nicht mehr die elliptische Gestalt der beiden äussern Eischalen, sondern verengt sich an der Stelle, wo sie den Embryo überragt, plötzlich nach beiden Seiten. Der Embryo selbst besitzt wieder die länglich -elliptische Form. Seine Länge beträgt etwa den dritten Teil von der Länge des ganzen Eies (0,05 — 0,06 mm); die sechs Embryonalhäkchen sind, Avie auch Krabbe angiebt, 0,010 bis 0,011 mm lang. Manchmal sieht man sie in deutlicher Bewegung. Der Enibryonalkörper besteht, abgesehen von den schon erwähnten fettartig glänzenden Einlagerungen, meist aus einer homogenen Masse ; jedoch kann man bei vielen, wahrscheinlich jüngeren Eiern noch ziemlich deutlich ihre Zusammensetzung aus kugeligen Zellen er- kennen. Die Resistenzfähigkeit der Eier ist ziemlich gross. Nach meinen Beobachtungen können die Eier bis drei Wochen im Wasser liegen, ohne ihre Entwicklungsfähigkeit einzubüssen. Cypris ovata Jur., in welcher in unseim Falle die Eier zur Weiterentwicklung gelangen, ist einer unsrer grössten Muschelkrebse (2,25 — 2,75 mm gross), von dunkel- bis blaugrüner, selten hellgrüner Farbe und, wie schon der Name sagt, von ovaler Gestalt. Sein Aufenthaltsort; schattige Tümpel und Teiche, sowie seine Nahrung, faulende Tier- und Pflanzenstoffe, machen es begreiflich, dass gerade er und seine Verwandten die Zwischenträger für die Parasiten der Enten, und unter ihnen gerade wieder der Ententänien sind. Die Art und Weise und die verschiedenen Möglichkeiten der Infection sind bekannt genug. Dass die Umstände, trotz der von vornherein vielleicht gering erscheinenden Wahrscheinlichkeit, dennoch oft genug eine Infection auch in der freien Natur herbeiführen, beweist das relativ häufige Vorkonmien der T. anatina bei den Enten — und doch werden nicht alle inficierten Cypriden von Enten gefressen 1 Dass übrigens die Verbreitung der Cysticerkoiden in Wirklichkeit nicht so gering ist, wie man gewöhnlich glaubt, beweist u. a. die 5* 68 Johannes Emil Schmidt: Die Entwicklungsgeschichte Thatsache, dass Mrazek in der Umgegend von Piibram unter den dortigen Cyclopskrebsen sogar förmliche Finnenepidemien beobachtet hat: 80 Prozent der von ihm eingefangenen und untersuchten Cyklopen erwiesen sich als inficiert. Meist kommt die T. anatina bei den Enten auch nicht einzeln vor, sondern fast immer in mehreren Ex- emplaren, welche dann zumeist auch auf gleicher oder annähernd gleicher Entwicklungsstufe stehen, was uns wiederum schliessen lässt, dass vielleicht auch schon der Zwischenträger, die Cypris, mehrere Finnen beherbergt und gleichzeitig zur Entwicklung bringt. Dies wird auch durch die Befunde Mräzeks bestätigt, welcher in seinen aus der freien Natur stammenden Cypriden meist mehrere (bis fünf) Cysticerkoiden beisammen fand, noch augenfälliger aber durch meine Experimente. Ich habe fast immer, allerdings nur im Sommer, die Finnen in bedeutender Anzahl gefunden — nur im Winter in ein- zelnen oder wenigen Exemplaren — : in extremen Fällen über dreissig Stück beisammen, gewöhnlich aber zwischen zehn und zwanzig Stück, was in Anbetracht der geringen Grösse des Muschel- krebses doch ganz bedeutende Zahlen sind. Nicht immer befanden sich übrigens die einzelnen Exemplare der in einem Krebs gefundenen Finnen auf gleicher Entwicklungsstufe. Die am weitesten entwickelten, event. reifen Individuen waren ge- wöhnlich freilich in der Mehrzahl, daneben aber fanden sich fast regelmässig noch weniger weit entwickelte, manchmal sogar ganz junge Parasiten, Wenn Grassi und Rovelli für ihre Art (T. elliptica) das Gegentheil behaupten^), so scheint das allerdings gegen meinen Befund zu sprechen, aber es scheint nur so; denn in Wirklichkeit sind auch den italienischen Beobachtern — und das stört die Klar- heit ihrer Abhandlung ungemein — fast bei jedem ihrer „sieben Stadien" Individuen untergelaufen, welche entweder in das vorige oder auch in das spätere Stadium hinübergehören, von ihnen aber über andere Stadien verteilt sind. Mag sich in unserm Falle diese Verschiedenheit der Entwicklunghöhe teilweise auch durch eine etwas verschiedene Zeit der Infektion erklären, so reicht doch diese An- nahme zur Erklärung der beobachteten Thatsachen nicht aus. Auch der grösste zeitliche Abstand, welchen ich auf Grund meiner Ex- perimente zwischen der ersten und letzten Infektion hätte annehmen können, entsprach nicht immer den Abständen, welche sich in der Entwicklungshöhe der Individuen vorfanden. Vielleicht sind es die verschieden günstigen Lagen- und dadurch bedingten verschiedenen Raum- und Ernährungsverhältnisse innerhalb des Wirtsleibes, welche eine verschiedene Schnelligkeit der Entwicklung bedingen. Ebenso mag auch für die Zahl der Finnen, welche der Wirt zur Entwicklung bringt, der Grad seines Wohlbefindens und seiner Wohlgenährtheit bestimmend sein. Dies geht mit Evidenz schon daraus hervor, dass während der kälteren Jahreszeit unter sonst gleichen Verhältnissen durchweg weniger Eier von einem Tiere zur Entwicklung gebracht 1) L. c. p. 23. und der anatomische Bau der Taenia anatina (Krabbe). 69 wurden. Aehnliche Verhältnisse finden wir ja auch bei den Wirten der Blasenbandwürmer. Ein Umstand freilich wird bei diesen warm- blütigen Wirten niemals mit dieser Auffälligkeit zur Beobachtung kommen können, wie hier bei unserm wechselwarmen Krebse, nämhch der ganz evidente Einfluss der Jahreszeit, also der Temperatur. Während sich im Sommer der ganze Wachstumsprocess des Embryos bis zum reifen Cysticerkoiden in zwei Wochen abspielt, verlangte dieser selbe Process während des Spätherbstes über fünf Wochen, also fast das Dreifache der ZeitI Die meisten der inficierten Tiere gingen auch während dieser Zeit, spätestens nach vier Wochen zu Grunde; nur ein einziges Tier konnte ich so lange erhalten, bis es die Finne zur vollständigen Reife entwickelt hatte. Doch hat man noch kein Recht, hieraus zu schliessen, dass die frühzeitig gestorbenen Tiere direkt an dem „Finnenleiden" krepiert seien. Im Gegenteil deuten alle Anzeichen darauf hin, dass die Wirte durch ihre Insassen nicht alLzu stark afficiert werden. Anscheinend befinden sie sich leidHch wohl, wofür ausser ihrer Munterkeit auch der Umstand zu sprechen scheint, dass die Weibchen ihre Eier ganz ungestört zur Reife bringen, was bei Cyclops, wie Mräzek angiebt und was auch ich, allerdings nur auf Grund weniger Beobachtungen, bestätigen kann, nicht der Fall ist. Freilich erklärt sich die Thatsache, dass inficierte weibHche Cyklopen keine Eier haben, wahrscheinhch dadurch, dass bei ihnen, die zum Teil ja noch kleiner sind als unsere Cypris, die Cysticerkoiden gerade an Stelle der Eierstöcke zu liegen kommen. Im übrigen konstatiert auch Mräzek von seinen Cyklopen und Cypriden, dass diese sich ganz wohl befanden und sich lange im Aquarium halten Hessen. Bei unserer Cypris liegen die Finnen meist direkt über dem Darm, unmittelbar unter der Schale, nur von dieser und der Epidermis überdeckt. Natürlich jedoch, dass sich die Cysticerkoiden beim Vorhandensein einer grösseren Anzahl durch die ganze Leibeshöhle verteilen und überall einzwängen. Niemals aber sind sie, wie sich auf Schnitten und beim Freipräparieren zeigt, durch eine vom Wirte aus gebildete Bindegewebshülle umschlossen ; sie liegen stets vollständig frei im Tiere, und zwar, wie bemerkt, in der Rücken- gegend, sodass sie beim Trennen der beiden Schalenhälften meist von selbst herausfallen. Ganz unter den nämHchen äussern Ver- hältnissen hat auch Mräzek seine Cysticerkoiden gefunden. Wie die entwicklungsgeschichtliche Untersuchung naturgemäss fast immer mit der Auffindung und dem Studium des ausgebildeten Tieres beginnt, so wollen wir auch in unserer Darstellung der Entwicklungs- geschichte, des allgemeineren Verständnisses wegen, von der Be- schreibung des reifen Cysticerkoiden ausgehen. Auch historisch haben sich unsere Kenntnisse wie in anderen Fällen, so auch hier, in dieser Weise entwickelt. Hat doch, wie erwähnt, bereits Mräzek den Cysticerkoiden unseres Bandwurms als ausgebildetes Tier gefunden, beschrieben und abgebildet i). Seine Darstellung werden wir daher in folgendem vergleichend heranziehen müssen. 0 L. c. Tafel 2. 70 Johannes Emil Schmidt: Die Entwicklungsgeschichte Der Cysticerkoid von T. anatina gehört zu jenen geschwänzten Formen, deren Zahl besonders durch neuere Funde beträchtlich ver- mehrt ist und deren Aehnlichkeit mit den Cercarien der Trematoden schon oft hervorgehoben worden ist. So wie wir ihn meistens im Körper des Wirtes finden und wie ihn auch Mräzek abgebildet hat, also im vollständig entwickelten Zustande, besteht er aus einem ovalen oder auch elliptischen, nahezu kugeligen „Körper", welcher in sich den Scolex, den „Kopf"^ des Bandwurms samt Hakenkranz und Saugnäpfen, enthält, und aus dem Schwänze, welcher dem Körper ansitzt wie der Stiel dem Apfel. Gleich diesem ist derselbe in eine trichterförmige Vertiefung eingesenkt, durch welche er direkt in das innere Parenchym des Körpers übergeht (Fig. A). Diesem hintern vertieften Ende gegenüber, am vordem Körperpole, befindet sich eine zweite ganz ähnliche Einsenkung, der „Blüte" des Apfels vergleichbar — der Körper sieht unter dem Mikroskop in der That recht apfel- ähnlich aus — eine Grube, welche jeder einigermassen mit den Verhältnissen Vertraute sogleich als die ,, Einstülpungsstelle" deuten wird. Mräzek sagt in seiner ersten Arbeit von dieser Stelle aus- drücklich, dass sich hier der Körper eingestülpt habe, ,,um den Kopf zu bilden." Die Breite des Cysticerkoidenkörpers beträgt 0,19 bis 0,20 mm, seine Länge 0,21 — 0,23 mm, sodass man die Tierchen eben noch mit blossem Auge als feine Körnchen erkennen kann. Der Schwanz ist 3V2— 4Mal länger als der Körper, also 0,70 -0,80 mm lang; das ganze Tier misst demnach etwa 1mm. Mräzek, welcher in den zwei verschiedenen Cyprisarten auch die Finnen von ver- schiedener Grösse fand, giebt für die kleineren 0,25 mm als Durch- messer und für die grösseren sogar 0,40 — 0,43 mm als Länge des Körpers an. Schon diese Abweichungen zeigen deutlich, dass die Grösse des Cysticerkoiden individuell und ausserordentlich variabel ist und namentlich — wie dies noch deutUcher bei den Arten her- vortritt, welche sowohl in den kleinen Cyklopen wie in dem grösseren Gammarus schmarotzen — durch die Grössenverhältnisse des Wirts und die Platzverhältnisse in demselben bedingt wird. Ebenso vari- abel, darum auch nebensächlicher sind einige andere Charaktere, denen Mräzek allerdings durchweg eine grosse Wichtigkeit beüegt, die er mit grösster Peinlichkeit und Ausführlichkeit registriert und denen wir deshalb noch einige Aufmerksamkeit schenken müssen. Die Farbe des Cysticerkoiden, welche in der Regel, von der wasser- hellen, völHg durchsichtigen Cuticula des Körpers abgesehen, gelblich in wechselnden Schattierungen ist, hält er für so wichtig, dass er sie in dem Resume, welches seiner sonst czechisch geschriebenen Ab- handlung beigefügt ist, als wesentliches Artenmerkmal ausführlich beschreibt 1). Es ist klar, dass wir in diesen abweichenden Färbungen ^) L. c. p. 128: La couche peripherique d'ailleui's hyaline (= unsere Cuti- cula) est dans cette espece dune couleur rouge-jaune, de meme comme l'appen- dice caudal. Le corps qui reste outre les quatre ventouses, qui sont d'une couleur brune, est päle-jaunätre. uiitl der anatomische Bau der Taeiiia anatina (Krabbe). 71 (der rotgelben Farbe der Cuticula und des Schwanzes, welcher sonst weisslich aussieht) lediglieh eine zufällige Modification, vielleicht durch die jeweilige Nahrung des Wirtes verursacht, vor uns haben. Nichtsdestoweniger ist Mräzek geneigt, die Farbe nicht blos als wesentlichen Artunterschied zu betrachten, sondern ihr sogar eine ,, phylogenetische Bedeutung" beizumessen. Ebenso sieht er die etwas vieleckige, weniger gerundete Form der Cysticerkoiden von T. coronula als das siclierste Kennzeichen und Unterscheidungsmerkmal dieser Art an, was sie aber scliwerlich ist, da ich auch bei den Cysticer- koiden von T. anatina nicht bloss Formen von verschiedener Rundung (der grösste Durchmesser bald mehr in der Mitte, bald mehr dem hintern Ende zu gelegen), sondern auch entschieden „vieleckige" u. ,,buckHge" Individuen beobachtet habe, deren Gestaltänderung durch Aveiter nichts verursacht war, als durch Konzentrationsänderungen der umgebenden Flüssigkeit (es wurde meist physiologische Kochsalz- lösung verwendet), welche die Cysticerkoiden zu Kontraktionen reizten. Vielleicht sind auch die Formen, denen er als wesentliches Merkmal die Abplattung zuschreibt (deren Querschnitt nicht einen Kreis, sondern eine sehr flache Ellipse bildet — T. fasciata Krabbe), nur als individuelle Abweichungen zu betrachten oder noch wahrscheinlicher durch den Druck des Deckgläschens oder ähnliche Umstände zu er- klären. Auch der Lage und den räumlichen Anforderungen des Kopfes, welcher, wie Mräzek bei andern Cysticerkoiden richtig be- merkte, den Innenraum manchmal vollständig ausfüllt, manchmal auch nicht, so dass innerhalb des Körpers ein freier Spaltraum übrig bleibt, misst unser Autor eine gewisse Bedeutung bei, indem er daran die Vermutung knüpft, dass diejenigen Tiere, deren Kopf den Innen- raum vollständig ausfüllt, älter und weiter entwickelt seien als die andern. Gerade betreffs dieses Punktes werden wir später sehen, wie nebensächhch und zufällig diese Verschiedenheiten und wie völlig irrig besonders diese Deutungsversuche sind. Nur die Entwicklungs- geschichte kann uns zeigen, welche Eigenschaften die wesentlichen und stabilen, welche die nebensächlichen und variabeln sind. Aber die Entwicklungsgeschichte blieb Mräzek unbekannt. Wichtiger für uns, da sie uns Aufschluss über das Wesen des Cysticerkoidenkörpers versprechen, sind die verschiedenen Schichten, aus denen diese tierische Kapsel zusammengesetzt erscheint und welche auch Mräzek ausführhch beschreibt, allerdings ohne sie richtig zu deuten. Soviel haben wir bereits gesehen, dass wir an dem Körper zwei Teile unterscheiden müssen: den Scolex im Innern und die ihn umgebende Cyste. Vier Schichten sind es, welche die Wand derselben bilden. Die äussere ist die schon erwähnte glashelle, völlig durchsichtige und darum fast unsichtbare Cuticula. Sie besitzt eine verhältnismässig ziemlich beträchtliche Dicke (0,007 — 0,008 mm, Mräzek giebt 0,013 mm an), ist aber ohne Porenkanäle. Sie ist dieselbe Schicht, welche Mräzek in seinem bereits angezogenen Resume die ,, peripherische, sonst hyaline" Schicht nennt, welche bei unserer Species aber rotgelb gefärbt sei. Die Deutung als Cuticula, 72 Johannes Emil Schmidt: Die Entwicklungsgeschichte welche sich schon bei von Linstow findet, weist er aber aus- drücklich zurück. Erst die darauf folgende Schicht (Fig. A, Rm.), welche, wie auch Mräzek gesehen hat, eine deutliche radiäre Strichelung zeigt, die sich bei richtiger Einstellung des Tubus über den ganzen Körper des Cysticerkoiden als feine, ringförmige Strichelung verfolgen lässt — sie hält er für die Cuticula. Und eben diese radiäre Strichelung und ringförmige Streifung ist es, auf die er seine Auffassung stützt: sie sind nach ihm die — Porenkanäle der Cuticula, welche reihenweise angeordnet seien. Das ist jedoch unzweifelhaft falsch — Ringmuskelfasern sind es, aus welchen diese zweite Schicht besteht. Ihre Lichtbrechung, welche das glänzende, schillernde Aus- sehen bedingt und welche wir später auch bei andern Muskelbildungen des Cysticerkoiden wiederfinden werden, zeigt das deutlich. Auch V. Linstow habe, wie Mräzek polemisierend bemerkt, Muskelfasern in ihnen vermutet, doch hätten derartige Ringmuskelfasern an dieser Stelle physiologisch gar keinen Sinn. Dass sie aber doch einen Sinn haben, wird uns späterhin einleuchten. Auf diese Ringmuskelschicht folgt nun die dritte Schicht: eine Lage dichten, soliden Parenchyms, aus dicht zusammengedrängten Zellen bestehend, deren Umrisse sich kaum noch erkennen lassen. Dieselbe ist nicht überall von gleicher Dicke — am dicksten gewöhnlich am hintern Ende, wo der Schwanz aus ihr entspringt; nach innen ist sie gewöhnlich von einem dünnen Faserzuge begrenzt (Fig. A, P). Endlich folgt noch als vierte Schicht eine wohlcharakterisierte Lage weniger dichten, lockeren Parenchyms (Fig.A, H), welche besonders dadurch gekennzeichnet ist, dass in ihr eine ziemlich grosse Menge (30—40) Kalkkörperchen (0,005 — 0,009 mm im Durchmesser) regellos verstreut liegen. Auch diese Schicht ist nicht an allen Stellen gleich dick, gewöhnlich wiederum am hintern Ende am dicksten. Dort geht sie nach innen zu in den Scolex über, welcher, in aufrechter, aber meist schräger Haltung, etwas nach links oder rechts geneigt, den Innenraum ganz oder auch nur teilweise ausfüllt, welcher geringfügige Unterschied sich uns später von selbst erklären wird. Er ist also nicht eingestülpt, sondern in normaler, aufrechter Haltung, wie schon aus dem Umstände hervorgeht, dass er sich von unten aus in den Cystenhohlraum erhebt — in derselben Haltung, wie wir sie zuerst von den Cysticerkoiden aus Arion und aus dem Mehlkäfer ^) kennen gelernt haben. Was uns am Scolex zuerst in die Augen fällt, ist der mächtige Hakenkranz, bestehend aus zehn in einfacher Reihe geordneten, wohlgebildeten Haken von verhältnismässig be- deutender Grösse. Sie sind es vor allem, welche uns — wenn es nicht schon die Art der verfütterten Eier selbstverständlich machte — den Cysticerkoiden sofort als zur T. anatina gehörig erkennen lassen 2). Ihre Spitzen sind nach hinten gerichtet, die hintern, längeren Wurzelfortsätze einem gemeinschaftlichen Centrum zugeneigt, wodurch ^) Leuckart, Parasiten des Menschen, p. 419 u. 459, ^) Krahbe, 1. c. Fig. 114, 115. und der anatomische Bau der Taenia anatina (Krabbe). 73 dieser hakentragende Teil des Scolex die Gestalt eines abgestumpften Kegels erhält. Die Form der Haken ist im Krabbe' sehen Werk definitiv niedergelegt. Die Grösse fand ich, übereinstimmend mit Mräzek, 0,065 mm, Krabbe giebt 0,065— 0,072 mm an — möglich, sogar wahrscheinlich, dass die Haken späterhin, in der Ente, noch neue Schichten ansetzen, wie dies auch von andern Bandwürmern, besonders von T. echinococcus ^), bekannt ist. Zu beiden Seiten der Haken liegen zwei dicke, etwa 0,1 mm lange und halb so breite längHch runde Wülste von dunklerer Färbung, welche, wie man bei genauerem Zusehn und richtiger Einstellung erkennt, von einer dunklen, äusserst feinen und dichten, reihigen Punktierung der Ober- fläche hervorgerufen ist. Diese Wülste sind selbstverständlich die Saugnäpfe , natürlich \ier an der Zahl, zwischen denen der haken- tragende Teil des Scolex mitten inne liegt. Sie sind ebenfalls in ihrer gewöhnlichen Haltung, nicht eingestülpt, geradeso wie bei dem Cysticerkoiden aus Arion. Worauf freilich die oben erwähnte feine Zeichnung der Oberfläche, welche auch Mräzek gesehen, aber höchst ungenau abgebildet hat, zurückzuführen ist, lässt sich zunächst, so- lange die Saugnäpfe von den vier beschriebenen, wenn auch ziemlich durchsichtig'en Schichten überdeckt sind, unmöglich entscheiden und ist infolgedessen auch von Mräzek nicht erkannt worden. Ein Gebilde jedoch, welches ebenfalls zum Scolex gehört und sogar einen sehr wesentlichen Teil desselben ausmacht, hat Mräzek überhaupt nicht gesehen oder nicht erkannt: den Rostellarsack (Fig. A, R). Es ist dies um so unbegreiflicher, als Mräzek bei T. fasciata das nämliche Organ in vollster Deutlichkeit gesehen und gezeichnet hat, sich auch in seiner Zeichnung unseres Cysticerkoiden unterhalb des Hakenkranzes insofern eine Andeutung desselben vorfindet, als daselbst das Gewebe stellenweise durch kleine Ringe und Punkte markiert und abgegrenzt ist. Freilich findet sich weder im Texte, noch in der Abbildung selbst ein Hinweis darauf. Eben dieser unterhalb des Hakenkranzes befindliche, durch eine Membran deutlich abgegrenzte, oftmals etwas flach gedrückte Sack, welcher in seinem Innern stark glänzende Tröpfchen und Körnchen (Mräzek s Ringe und Punkte) und auch Zellen enthält, ist der Rostellarsack. Bei T. fasciata, in der Mräzek das Rostellum erkannt hat, erklärte derselbe diese fett- artig glänzenden Körperchen im Innern für eine kleinere Sorte von Kalkkörperchen ; sie sind aber, schon nach ihrer Lichtbrechung, welche genau dieselbe ist wie z. B. die der Radiärstreifen in der Ringmuskelschicht der Cyste, sowie auf Grund verschiedener That- sachen, welche später noch hinzukommen werden, nichts anderes als Plasmakörner, wie wir ähnlichen auch schon im Ei begegnet sind. Auch das Excretionsgefässsystem mit seinen Längskanälen und seinem Verbindungsring lässt sich, wenn auch nicht bei allen Individuen gleich deutlich, bei genauerer Betrachtung im Innern des Scolex erkennen und ist auch von Mräzek abgebildet worden. 1) Leuckart, 1 c. S. 736. 7-4: Johannes Emil Schmidt: Die Entvvicklnngsgeschichte Der Gefässring liegt in der Höhe des Hakenkranzes und umgiebt denselben, so dass der hakentragende Teil des Scolex durch den Gefässring durchgesteckt erscheint (Fig. A, Ex). Natürlich ist infolge- dessen nur die vordere Hälfte des Ringes deutlich sichtbar, die hintere durch die Haken verdeckt, ebenso wie meist auch nur die zwei vordem vom Verbindungsring sich abzweigenden Längsstämme mit grösserer Deutlichkeit zur Beobachtung kommen. Dieselben lassen sich bei den verschiedenen Individuen mehr oder weniger weit verfolgen; sie verlaufen in zwei Windungen nach unten, dem Schwänze zu, und verheren sich dann in der kalkkörperführenden Parenchymschicht, aus welcher sich der Scolex erhebt. Der Schwanz endlich, dessen Länge (0,70—0,80 mm) und Ursprungstelle, die dritte, dichte Parenchymschicht (Fig. A), wir schon kennen, ist im grossen und ganzen von cylindrischer Form. Seine äussern Konturen sind zwar nicht sehr regelmässig, voller Buckel und Einschnürungen, doch besitzt er in ganzer Länge wesentlich immer den gleichen Durchmesser von 0,025 — 0,030 mm. Ausgenommen ist nur die Ursprungsstelle, an der er sich beim Uebertritt in die Vertiefung des Körpers halsartig verengt, und sein Ende, welches häufig etwas knotig verdickt erscheint. Besonders interessant und bedeutungsvoll wird er dem Beschauer dadurch, dass auf seiner Oberfläche fast immer die sechs Embryonalhäkchen, die man mit einigen Bemühungen fast immer in ihrer vollen Zahl nach- weisen kann, sichtbar sind, wie das ja auch von den übrigen ge- schwänzten Formen allgemein bekannt ist. Ihre Lage ist sehr variabel: in den meisten Fällen finden sie sich auf dem hintern Ende des Schwanzes verstreut, gewöhnlich aber noch pa.arweise bei- sammen, öfters auch über seine ganze Länge verteilt, ein Paar vorn, der Ursprungsstelle nahe, das andere im mittleren Teile, das dritte hinten (Fig. B), oder auch zwei Paar hinten, eins vorn u. s. w. ; in einzelnen Fällen fand sich sogar das eine Paar überhaupt nicht mehr auf dem Schwänze, sondern auf dem hintern Teile des Körpers, eine Thatsache, die besonders hervorgehoben werden soll. Fast noch merkwürdiger und, wie wir später einsehen werden, sogar von ausschlag- gebender Bedeutung für die Auffassung der Finnenentwicklung im allgemeinen ist der Umstand, dass das hintere, oft wulstig verdickte Ende des Schwanzes ganz konstant, ohne Ausnahme, eine kurze röhrige Einsenkung zeigt, was noch von keinem der Forscher, welche geschwänzte Cysticerkoiden gesehen und beschrieben haben, bemerkt worden ist, wiewohl mit grösster Wahrscheinlichkeit, ja mit Sicher- heit anzunehmen ist, dass sich diese Erscheinung auch bei den verwandten Cysticerkoiden finden wird. Dass sie bisher übersehen wurde, ist um so leichter erklärlich, als man meist geneigt sein wird, über diesen Schwanzanhang, der nach Aussehen und histologischer Struktur ganz deutlich das Zeichen des Verfalls und der physio- logischen Bedeutungslosigkeit zur Schau trägt, bei der Untersuchung etwas rascher wegzugehen, und sein äusserstes Ende vielleicht gerade am allerwenigsten einer schärferen Untersuchung für wert hält, wie und der aiiatomisclie Bau der Taenia auatina (Krabbe). 75 solche zum Erkennen der fraglichen Einröhrung allerdings nötig ist. Auch ich muss bekennen, dass Herr Geheimrat Leuckart es war, welcher mich zuerst auf das konstante Vorhandensein dieser Ver- tiefung aufmerksam machte. Dass die histologische Struktur dieses Schwanzes sehr wenig markant und sehr veränderlich ist, wurde bereits angedeutet. Das Gewebe, aus welchem er besteht, ist ausser- ordentlich zart, locker und lose. Schon der geringste Druck macht die innern hellen, blasigen, teilweise ziemlich grossen Zellen hervor- treten, in welchem Falle man dann in ihnen mit besonderer Deutlichkeit einen ziemlich grossen, bläschenartigen Kern erkennen kann. Auch fettartig glänzende Tropfen kommen zeitweilig in dem Gewebe vor. Häufig ist der Schwanz auch nicht durchaus solide, sondern im Innern von einem unregelmässigen, bald engeren, bald weiteren, längeren oder kürzeren Hohlraum durchsetzt, welcher selbst wieder stellenweise ein schleimiges Netzwerk oder auch grossblasige Zellen enthält. Nur die peripherische Schicht ist gewöhnlich, doch auch sie nicht immer, etwas solider und kompakter; eine bestimmte histologische Prägung fehlt ihm aber gänzlich, weshalb auch die älteren Angaben über ihn unbestimmt und schwankend sind. Schon durch diese histologische Beschaffenheit kennzeichnet er sich als ein rudimentäres Organ. Auch die Verwendung, welche er bei einigen andern Cysticerkoiden (so namentlich bei dem ältestbekannten Cjsticerkoiden aus Tenebrio mohtor und dem von T. sinuosa aus Gammarus^)) dadurch findet, dass er sich als äusserste Körperhülle rings um den Körper herum legt und so zum Schutze dient, lässt sich bei unserer Form nicht konstatieren. Er liegt im Körper seines Wirtes, wo eben Platz für ihn ist, oft in dessen Eingeweiden ver- strickt. Seine Beweglichkeit hat er noch nicht vollständig ein- gebüsst; man sieht ihn unter dem Mikroskop sich krümmen, zusammen- ziehen und wieder ausstrecken. Weiter lässt sich vorläufig an ihm sowohl, wie auch sonst an dem übrigen Körper nichts Wesentliches entdecken. Erst die Verfolgung der Entwicklungsgeschichte wird zu diesem noch manches hinzufügen, was sich jetzt unserer Auf- merksamkeit begreiflicher Weise noch entzieht und sich auch früheren Beobachtern entzogen hat. Wer dieses sonderbare Ding von einem Tiere zum ersten Male und bloss in dieser Form sieht, dem dürfte es gewiss schwer werden, sich eine richtige Vorstellung darüber zu machen. Sthon um ein gut Teil verständlicher jedoch wird uns Wesen und Bau des Tieres werden, wenn wir es ausgestreckt, in seiner ganzen Länge be- trachten; denn dass der „Kopf" unseres Tieres aus der Körper- wandung heraustreten kann, dass also das Tier in der beschriebenen Form ein in sich eingestülptes Wesen darstellt, ist ja bekannt und wurde auch bereits angedeutet, als wir von der sogenannten „Ein- stülpungsstelle" sprachen. Nicht vielen, welche Cysticerkoiden ge- funden und beschrieben haben, ist es geglückt, die Tiere auch in 1) Nach Hamann, 1. c. Band 24, Tafel 1. 76 Johannes Emil Schmidt: Die Entwicklungsgeschichte dieser Form kennen zu lernen. Auch Mrc4zek fand unsern Cysti- cerkoiden nur in eingezogenem Zustande, woraus es auch begreiflich wird, dass er die innere kalkkörperführende Schicht als eigentliche Cystenwand in Anspruch nehmen konnte. Schon bei meinem ersten Funde war ich so glücklich, Exemplare zu finden, deren Scolex aus der Cyste, wie wir die äussere Umhüllung des Körpers fürder nennen wollen, herausgestreckt war und sich sogar unter meinen Augen in den Körper zurückzog, event. auch wieder ausstreckte. Im ausgestreckten Zustande haben wir an Stelle des früher kugeligen Parasiten ein ausserordentlich schmächtiges, merkwürdiges Wesen vor uns, das fast die doppelte Länge misst, also ziemlich 2 mm lang ist (Fig. B). Beim Anblick desselben wird uns mit einem Male auch klar, wie wir uns das zusammengezogene Thier zu denken haben. Die uns schon bekannte Cyste, welche jetzt leer ist, setzt sich, wie das Leuckart auch von dem hervor- gestreckten Cysticercus arionis zeichnet i), in einen ziemlich (0,18 bis 0,20 mm) langen, cylindrischen Leib fort (0,06 mm im Durchmesser), welcher die uns wohlbekannten Kalkkörperchen enthält und welchen wir, besonders in Rücksicht darauf, dass er den ,,Kopf" trägt, ferner- hin als ,,Hals" bezeichnen wollen. An manchen Individuen kann man deutlich bemerken, dass sich der innere Hohlraum der Cyste in Form eines Spaltes mehr oder weniger tief auch in den ,,Hals" hinein fortsetzt. Weiter nach vorn folgt auf den Hals ein breiterer Abschnitt, welcher an Breite sogar dem ehemaligen ,, Körper", der jetzigen „Cyste" gleich kommt und sich infolgedessen scharf von dem schmäleren, kalkkörperführenden Halse absetzt. Zwei dicke Backen treten nach den Seiten hervor, an deren Form und charakteristischer Oberfläche wir sofort die Saugnäpfe wiedererkennen, und wir sehen jetzt auch, woher die früher bemerkte feine Zeichnung ihrer Ober- fläche rührt. Dieselbe trägt nämlich einen ausserordentlich dichten Besatz mikroskopischer Häkchen, deren Bedeutung im Hinblick auf die Bestimmung der Saugnäpfe ohne weiteres klar ist. Sie sind Kutikularbildungen, wie sie ähnlich ja nicht selten bei den Tänien vorkommen und auch in den grossen Haken des Hakenkranzes ihre Analoga haben. An die Saugnäpfe schliesst sich nun aber nicht un- mittelbar der Hakenkranz an, sondern es folgt erst, ebenfalls durch seine gering6*'e Breite scharf von den Saugnäpfen abgesetzt, ein zweiter, etwas kürzerer halsartiger Abschnitt, der das Rostellum in sich einschliesst und den wir als Nacken oder Hinterkopf bezeichnen wollen, und auf diesen endUch der Hakenteil des Scolex, der ,,Kopf" im engeren Sinne. Wie bei vielen Tänien zeigt derselbe auch hier an seiner Spitze, zwischen den vorderen Enden der Wurzelfortsätze, eine flache Vorwölbung, welche sich, wie man oftmals bemerkt, zurück- ziehen, aber auch noch weiter vorwölben kann, sodass im ersteren Falle zwischen den Haken eine Eintiefung, im letztern eine knopf- artige Erhebung bemerkbar wird. Wir bezeichnen diesen vordersten 1) A. a. 0. S. 459. und der aiiatomiscbe Bau der Taeiiia anatma (Krabbe). 77 Teil des Kopfes mit dem dafür gebräuchlichen Namen als „Scheitel" (Fig. B, S). Da, wo der vordere halsartige Abschnitt zwischen den Saugnäpfen hervortritt, also ein beträchliches Stück noch hinter dem Hakenkranze, liegt der Gefässring des Excretionsapparates, von dem man jetzt noch deutlicher wie vorher die vier Längskanäle sich ab- zweigen sieht (Fig. B, Ex). Während wir dieselben früher aber nur eine kurze Strecke weit verfolgen konnten, sehen wir sie jetzt durch den ganzen Hals sich hindurchschlängeln und sogar in die Cysten- wandung übertreten, wo sie sich am hintern Ende einander nähern und schliesslich verschwinden. Keine Ausmündungsstelle, keine End- blase, die man doch vermuten sollte, lässt sich hier am hintern Ende der Cyste erkennen, wiewohl andere, so Grassi und Rovelli^), solche bei derartigen geschwänzten Formen daselbst gesehen haben wollen. In Wirklichkeit aber ist keine Spur davon vorhanden, und es bleibt uns vorläufig unbekannt, wo und wie der Excretionsapparat unseres Tieres endigt. Auf den Excretionsgefässring folgt weiter nach vorn im Innern des halsartigen Fortsatzes, dessen Länge 0,12 mm beträgt, der Rostellumsack (Fig. B, Rst.), welcher also zwischen und unter dem Hakenkranz gelegen ist und hier beim aus- gestreckten Tiere gewöhnlich auch etwas länger erscheint. Recht schön kann man manchmal bemerken, wie der kontraktile Bulbus sich verlängert und verschmälert, verkürzt und verbreitert und wie dabei sein glänzender Inhalt vor und zurückfliesst. Die äussere Be- grenzung des Sackes ist noch sehr schwach und völlig strukturlos. Ringfasern sind auch bei genauestem Zusehn nicht an ihm bemerkbar, wohl aber im Innern deutHche Längsstränge und, besonders im Grunde des Sackes, neben den schon genannten stark lichtbrechenden Körnchen und Tröpfchen, den Kalkkörperchen Mräzeks, Zellen mit deutlichen Kernen. Um eine richtige Einsicht in den Bau des Rostellums zu gewinnen, wendet man sich am besten zunächst an den ausgebildeten Bandwurm. Bei diesem aber unterscheidet man deutlich zwei Rostellarsäcke, einen vorderen kleineren, welcher inner- und unmittelbar unterhalb des Hakenkranzes gelegen ist, und einen hinteren längeren, welcher als Fortsetzung des Hinterkopfes in Form eines langen muskulösen Schlauches zwischen den Saugnäpfen des Wurmes in den Hals hineinragt und den vordem in sich einschliesst, wie dies ähnlich ja auch bei T. undulata der Nachtigall der Fall ist 2). Der hintere Rostellarsack ist seinem Baue nach, wie wir später noch genauer sehen werden, nur eine Wiederholung des vordem in ver- grössertem Massstabe. Beide Rostellarsäcke erscheinen durch regel- mässig aufeinanderfolgende Einschnürungen ihrer stark muskulösen Wandung, besonders am hintern Ende, in viele ringartige Segmente gegliedert. Im Innern kann man bei genauerm Zusehen schon auf Totalpräparaten (auf Schnitten selbstverständhch in allen Einzelheiten) 1) L. c. p. 18, Tafel 1, Fig. 10, 12. -) Leuckart, 1. c. p. 498, vergl. auch Nitsche, Zeitschr f. wissensch. Zoologie, XXm. Band, p. 190. 78 Johannes Emil Schmidt: Die Entwicklungsgescliichte ziemlich starke Längszü^e, Längsnmskeln erkennen, welche um die ganze Peripherie regelmässig verteilt sind. Das Vorhandensein eines äussern Rostellarsackes bei der ausgebildeten Tänie erklärt uns nun auch in unserm Cysticerkoiden ein Gebilde, dessen Bedeutung ohne den Vergleich mit der Tänie selbst nicht ohne weiteres verständlich wäre. Bei etwas näherer Untersuchung des ausgestreckten Cysticer- koiden fällt uns nämlich im Innern zwischen den Saugnäpfen ein heller, strukturloser bogenförmiger Strang auf (Fig. B, h. R)^), welcher sich, nach dem Grunde zu etwas dicker werdend, von der Grenze zwischen Saugnäpfen und Nacken aus nach hinten ins Innere hinein- biegt und ganz offenbar nichts anderes ist, als der optiche Durch- schnitt eben des hintern Rostellarsackes, welcher ins Innere zwischen die Saugnäpfe hineinhängt. Gelegentlich, besonders in einer Haltung, die wir gleich genauer kennen lernen werden, nämlich wenn der Kopf zwischen die Saugnäpfe zurückgezogen ist, kann man auch sogar innerhalb dieses hinteren, noch ziemlich weiten Rostellumsackes eine fliessende Auf- und i\.bwärtsbewegung weniger in ihm be- findlicher Zellen bemerken, welche zugleich mit den Kontraktions- bewegungen des vordem Rostellums erfolgt. Bedeutung und Wirkungs- art des Rostellums sind durch Leuckart ja längst klar gestellt worden^), sodass es überflüssig ist, an dieser Stelle darauf ein- zugehen. Sechs Abschnitte also sind es, welche wir an unserm aus- gestreckten Cysticerkoiden zu unterscheiden haben: Kopf — worunter wir also bloss den hakentragenden Teil: Haken})olster mit Haken und Scheitel verstehen wollen — Nacken oder Hinterkopf mit Rostellum, Saugnäpfe, Hals, Cyste und Sclnvanz. Die vordem vier Abschnitte, sonst wohl auch im weitern Sinne „Kopf" genannt, wollen wir, der besseren Unterscheidung und Deutlichkeit wegen, in ihrer Gesamtheit als Scolex bezeichnen, sodass wir nun die wichtigsten Termini, scharf begrenzt, beisammen haben. Es wird nun ein Leichtes sein, beide Formen, das ausgestreckte und das eingezogene Tier, aufeinander zurückzuführen und dadurch zugleich ein besseres Verständnis unserer eingekapselten Ausgangs- form zu gewinnen. Schon während der Betrachtung des ausgestreckten Tieres zeigte es sich, dass das, was wir an dem Tiere als die vierte, kalkkörperführende Schicht bezeichnet haben, eigentlich nicht mehr zur Cystenwand gehört (was ja Mräzek ehedem glaubte), sondern dass sie in Wirklichkeit, wie das schon von Leuckart für den Cysticercus limacis richtig erkannt ward, den Hals des Cysticerkoiden darstellt. Ausser ihr findet sich ja doch kein Körpertheil weiter, welcher Kalkkörper enthält. Nur zwischen den Saugnäpfen bemerkt man gelegentlich einige wenige Kalkkörperchen, niemals aber in der ^) Auch bei einzehien eingekapselten Tieren war derselbe sichtbar, siehe Fig. A, h.R. -) Leuckart, 1. c. p. 496 ff. und die daselbst sowie auch von Nitsche (1. c.) citierte Stelle : Leuckart, Blaseubandwürmer, p. 63 Aura. und der anatomische Bau dei' Taenia anatina (Krabbe). 79 leeren Cyste, obgleich diese sonst die übrigen drei Schichten deutlich zeigt. Die dritte, also jetzt innerste, welche wir als eine Schicht festen, kompakten Parenchyms kennen lernten, besteht, wie sich jetzt zeigt, aus einem lockeren Gewebe, welches den peripherischen Teil des Cystenhohlraums bildet, während der centrale Teil entweder von einem grossmaschigen Flechtwerk schleimiger Stränge durchsetzt oder, was auch nicht selten vorkommt, von einer, glänzende Körnchen enthaltenden, Schleimmasse erfüllt wird. Das ursprünglich lockere Cystengevvebe war also durch den Druck des umfänglichen, ein- gezogenen Scolex zusammengepresst worden. Erscheint es doch von vornherein überhaupt kaum glaublich, dass der lange Scolex in der kleinen Kapsel genügend Platz finden könne. Und wir sehen gleich, dass dies überhaupt nur dadurch möglich wird, dass sich der Kopf samt Nacken selbst erst wieder, durch den Gefässring hindurch, zwischen die Saugnäpfe einsenkt. Natürlich bleibt infolgedessen von dem Nacken beim eingekapselten Tiere keine Spur mehr sichtbar, das Rostellum ausgenommen, welches, gewöhnlich etwas verkürzt, direkt über den Hals zu liegen kommt. Dieser selbst, welcher ja den ganzen Scolex als Hohlkugel umhüllt, hat sich nach innen eingeschlagen, wodurch natürlich seine frühere äussere Begrenzung, eine dünne Kutikularschicht, nach innen, die innere nach aussen zu liegen kommt. Dies aber setzt voraus, dass der Hals nicht bloss sehr dehnbar, sondern vor allem im Innern hohl sein muss, welche Vermutung ja auch wirklich durch die bereits erwähnte Beobachtung bestätigt wird, dass sich der Cystenhohlraum beim ausgestreckten Tier als Spalt in den Hals hinein fo]-tsetzt. Jetzt erst können wir uns ein richtiges Bild von der wirklichen Beschaftenheit der erstbeschriebenen Tierform und den ihr zu Grunde liegenden tektonischen Verhältnissen machen. Die Kalkkörperschicht ist die direkte Fortsetzung der parenchymatösen Cystenwand, und zwar als eine Einbiegung oder Einsackung derselben aufzufassen. Histologisch ist sie nur durch den Besitz der Kalkkörper unterschieden; beid'^ bestehen sie ursprünglich aus demselben lockeren, weichen Parenchym. Die eigentliche parenchymatöse Cystenwand biegt sich also am Vorderende, an der „Einstülpungsstelle", bis wohin sie noch von der dicken Kutikula bekleidet ist, nach innen ein und senkt sich als Kalkkörperschicht, fest sich anpressend, — hieraus erklärt sich die dünne Faserlage zwischen beiden Schichten — bis zum Grunde hinab. Am Grunde erhebt sich die Einsackung wieder, die frühere Innenseite natürlich wieder nach aussen kehrend, und führt in die Saugnäpfe über, und an diesen wiederholt sich von ihrem Rande an, welcher gewöhnlich Hppenartig aufgebogen ist und sonach gewissermassen eine zweite Einstülpungsstelle repräsentirt, derselbe Prozess von neuem : die auf die Saugnäpfe folgende Körperwandung, also der Hinterkopf (welcher demnach auch, wie der Hals, hohl, röhrig sein muss), senkt sich daselbst zwischen die Saugnäpfe und erhebt sich wieder ganz wie vorhin, indem er dabei in den aufrechten Kopf übergeht. Und selbst dieser hat, wie mr wissen, an seiner 80 Johannes Emil Schmidt: Die Entwicklungsgeschichte Spitze noch eine Einsenkung, beziehentlich Vorwölbung, welche man den vorgenannten Einsenkungen und Vorwölbungen event. als dritte an die Seite stellen könnte. So sehen wir, dass sich im Innern des Cysticerkoidenkörpers ein und derselbe Einsenkungs- und Erhebungs- prozess zwei, ja dreimal wiederholt. Ein Querschnitt durch die Mitte dieses Körpers müsste uns also fünf, und wenn der Scheitel getroffen ist, sogar sechs konzentrische Ringe zeigen, welche sich auf Schnitten in der That auch vorfinden: von aussen nach innen folgen auf einander die dreischichtige Cystenwand, der Hals, die Saugnäpfe — natürlich der dickste aller Ringe — , die Nackenwand, der Durchschnitt des Hakenkranzes und event. als Centrum eine kleine Scheibe, der Scheitel I Wie aber geht dieser, offenbar ziemlich komplizierte, Ein- ziehungs- und Ausstreckungsprozess vor sich? Er zerfällt augenscheinlich in zwei Akte, der eine die Zurückziehung des Kopfes und Nackens zwischen die Saugnäpfe, der andere die Einziehung des Halses in die Cyste oder beides, beim Ausstrecken, in Um- kehrung. Je nach der zeitlichen Aufeinanderfolge und der Art und Weise des einzelnen Vorganges würde es mehrere Möglichkeiten für den Übergang der einen Form in die andere geben, die wir hier nicht einzeln aufzuzählen brauchen. Sicherlich hat unter den ver- schiedenen Möghchkeiten nur diejenige statt, welche für das Tier die leichteste und bequemste ist und dem Baue des Tieres entspricht. Noch niemand jedoch hat den Verlauf des Prozesses genau beobachtet; aus leicht begreiflichen Gründen musste man sich immer damit begnügen — wie wir das vorläufig ja auch gethan haben — , aus der Beschaffenheit beider Formen vor und nach dem Prozesse, auf den Prozess selbst zu schliessen, und so hat man denn diesen Vorgang, ihn als identisch mit der Einröhrung des Kopfzapfens bei den Blasenwürmern fassend, gewöhnlich als „Einstülpung", „Inva- gination", manchmal auch als „Einsackung" oder „Einkrempelung" bezeichnet, ohne wohl mit diesen Ausdrücken den Hergang in seinen Einzelheiten bestimmt charakterisieren zu wollen. Wie schon er- wähnt, ist mir aber dieser Ausstreckungs- und Einziehungsakt, wie wir jetzt noch allgemein sagen wollen, einige Male deuthch zur Beobachtung gekommen, die Ausstreckung freilich selten, mehrmals jedoch die Einziehung, und sie ist es auch, an welcher uns der komplizierte Vorgang am klarsten werden wird. Die Einziehung beginnt am vordem Körperende mit der Zurückziehung des Kopfes zwischen die Saugnäpfe, dann folgt der- selbe Vorgang weiter hinten am Halse. Der erste Prozess, die Zurückziehung des Kopfes zwischen die Saugnäpfe, geschieht aber, genau genommen, selbst wieder in zwei Stufen. Er erfolgt nämlich in der Weise, dass sich der Vorderkopf erst ein Stück in den Hinter- kopf zurückschiebt, was dadurch bewirkt wird, dass sich der letztere unterhalb des ersteren einfaltet. Darauf wiederholt sich dieselbe Einfaltung in noch umfangreicherer Weise am Grunde des Hinter- und der anatomische Bau der Taenia anatina (Krahbe). 81 kopfes, infolge deren sich dieser samt dem Scheitel zwischen die Saugntäpfe einsenkt. Die vordere Einfaltung wird dabei in die zweite, tiefere mit aufgenommen, gleichsam von ihr verschlungen, sodass nur die eine bereits beim eingekapselten Tiere bemerkte tiefe Falte zwischen den Saugnäpfen übrig bleibt. Das Rostellum ist auf diese Weise vollständig innerhalb der Saugnäpfe zu liegen gekommen und natürlich auch innerhalb des' hintern, weiten und ersichtlich dehnbaren Muskelsackes, in welchem man, wie schon bemerkt, gerade bei dieser Haltung des Tieres das FHessen seines spärlichen Zelleninhalts deutlich erkennen kann. Und die Nackenwand, zwischen den Saug- näpfen in doppelter Lage, besitzt jetzt natürlich nur noch etwa die halbe Länge. Ist dies geschehen, so erfolgt in vollständig gleicher Weise, ebenfalls etagenweise, die Einziehung der hinteren Scolexhälfte in die Cyste: zunächst die Zurückschiebung der Saug- näpfe zwischen die auseinander weichenden elastischen Halswände und nun deren Einfaltung — welche als solche also immer am Grunde des einzufaltenden Stückes beginnt — in die Cyste. Die schon vorher vermuteten zwei Faltungsprozesse zerlegen sich sonach selbst wieder jeder in zwei Vorgänge, sodass wir eigentlich vier Einfaltungen aufeinander folgen sehen, welche allerdings in so rascher Folge und in solcher Glätte verlaufen, dass dieselben, da sie ganz kontinuierlich in einander übergehen, teilweise sogar gleichzeitig geschehen, unter Umständen wie ein einziger zusammenhängender Vorgang erscheinen. Die ganze Einfaltungsbewegung ist dem Zusammenschieben eines viergliedrigen Fernrohrs in seine Hülse (als fünftes GHed) ganz ausserordenthch ähnlich. Auch in den Principien ihres Baues stimmen beide Dinge mit einander sehr überein. Ebenso wie die Glieder des Fernrohrs von der äussern Hülse bis zum Ocular ihrem Zwecke entsprechend stets in einem bestimmten Ver- hältnisse kleiner und enger werden, so nehmen auch die ihnen ent- sprechenden Abschnitte unseres Cysticerkoiden nach dem Scheitel zu in einem durch ihren Bau und physiologischen Zweck bedingten Verhältnisse ab, woraus wir jetzt sogar die Notwendigkeit der früher angegebenen Längenverhältnisse erkennen können. Es ist evident, dass die allmähliche, segmentweise erfolgende Einfaltung eine ganz bedeutende Kraftersparnis für das Tier bedeutet, und dass durch sie die Kraftleistungen gleichmässiger über die einzelnen Körperabschnitte verteilt werden. Vorzugsweise sind es wohl die den ganzen Körper wie die Cyste (nur in schwächerer Ausbildung) umgebenden Ring- fasern, sowie die subkutikularen, radiär gerichteten Spindelzellen, welche auf Querschnitten leicht nachweisbar sind und uns später bei der Entwicklungsgeschichte noch beschäftigen werden, welche durch ihre segmentweise aufeinander folgenden Kontraktionen die Einfaltung bewirken. Der ganze Bewegungsvorgang geschieht mit einer ganz erstaunlichen Leichtigkeit, Ebenmässigkeit und Ruhe. Er ist aber, wie wir gesehen haben, genau genommen keine eigentliche Einstülpung (welche sich ja als eine von der äussersten Spitze ausgehende, immer weiter fortschreitende Eintiefung äussern Aich. f. Natuigesch. Jahrg. 1894. Bd, I. H, 2. Q 82 Johannes Emil Schmidt: Die Entwicklungsgeschichte müsste), sondern muss als eine, in unserm Falle mehrfache, Ein- faltung aufgefasst werden. Die Ausstreckung oder Ausfaltung, wie wir jetzt genauer sagen können, erfolgt natürlich ganz nach demselben Mechanismus, nur in umgekehrter Aufeinanderfolge. Den Anfang bildet die Aus- faltung der Halswand, mit welcher zugleich der übrige Scolex aus der Cyste heraustritt — wie er vorhin zugleich mit der Einfaltung der Halswand allmähhch ins Innere sank. Dass bei diesem Austritt die Ringfasern der Cyste durch ihre Kontraktion und den dadurch erfolgenden Druck wesentliche Dienste zu leisten vermögen, ja bei der komplizierten Einschachteluug der übrigen Teile wahrscheinlich ganz unerlässhch sind, ist klar und ihre physiologische Bedeutung hieraus vollkommen begreifhch (vergl. S. 72) i). Wie nun der Scolex sich vorhin vor dem Eintritt in die Cyste erst zwischen die Hals- wand einfaltete, so sehen wir ihn jetzt nach seinem Austritt aus derselben eine Phase durchlaufen, in welcher er manschettenartig von dem oberen Stück des Halses umgeben ist, von welcher Stellung aus alsbald die vollständige Streckung und Ausfaltung beginnt. Der schon vorher neugierig zwischen den Saugnäpfen vorlugende „Kopf" erhebt sich und die beiden Falten glätten sich allmählich. Bei dieser allmählichen Glättung werden, zumal bei halb vollendeter Streckung, an beiden Seiten des Hinterkopfes längliche, oft drei- eckige Spalten sichtbar, welche bei weiterer Glättung der Falten immer enger werden und endlich verschwinden. Offenbar dienen sie dazu, die Einfaltung des Hinterkopfes, dessen centraler Hohl- raum ja durch das in ihn hineinhängende Rostellum zum Teil ganz illusorisch wird, zu erleichtern und auf diese beiden Stellen zu beschränken. So haben wir denn jetzt den Prozess der Ein- und Ausfaltung, sowie das ein- und ausgefaltete Tier in ziemlicher Vollständigkeit kennen und begreifen gelernt. Nur weniges bleibt dem noch hinzu- zufügen. Es wird uns dies Wenige jedoch, dessen Untersuchung hier beim ausgebildeten Tiere vielfach erschwert ist, deuthcher noch bei Verfolgung des Entwicklungsganges, zu dem wir nun über- gehen, entgegentreten. Da wirft sich uns denn, in Verbindung mit den schon bekannten Thatsachen, sofort die eine grosse Frage auf: Welche von den beiden uns bekannten reifen Formen ist der Entwicklung nach die frühere, ursprüngliche? Entwickelt sich der Cysticerkoid eingefaltet, inner- halb der Cyste oder ausgefaltet, ausserhalb derselben? Auf Grund der uns bekannten Entwicklung der Blasenwürmer, der bei den warmblütigen Tieren schmarotzenden Finnen, würden wir unbedingt das erstere, die Entwicklung innerhalb der Cyste als das vorläufig Wahrscheinlichste annehmen müssen. Und diese Auffassung hat auch, vor allem auf Grund der Autorität Leuckarts, welcher eben- 1) Vergl. auch Leuckart, 1. c. p. 448. und der anatomische Bau der Taenia anatina (Krabbe). 83 falls, natürlich mit vollem Rechte, diesen Entwicklungsmodus für den wahrscheinlichsten hielt, bis vor kurzem unter den Zoologen ganz allgemeine Geltung gehabt. Neuerdings jedoch haben zwei Forscher, die schon erwähnten Italiener Grassi und Rovelli^), ge- stützt auf ihre Beobachtungen an dem Cysticerkoiden der T. elliptica, die Behauptung aufgestellt, der Cysticerkoid entwickle sich nicht von vornherein innerhalb einer (aus dem vergrösserten Embryo ent- standenen) Cyste, sondern zöge sich erst auf einem späteren Stadium (= dem sechsten ihrer sieben Stadien) in seinen hintern Abschnitt zurück, worauf dann innerhalb der Cyste die völlige Ausreifung er- folge 2). Beide Ansichten glaubt Mräzek in seiner zweiten Arbeit — in der ersten schloss er sich ja der alten Ansicht an (vergl, S. 70) — auf Grund seiner eigenen und der gleich zu erwähnenden Be- obachtungen Hamanns dadurch vereinigen zu können, dass er, im wesentlichen auf der alten Ansicht beharrend, als wahrscheinlicher annimmt, dass die Einstülpung des vordem in den hintern Teil noch nicht „stabil" sei, dass der Wurm also anfangs ganz nach Belieben „aus- und einkriechen" könne, wie man ähnliche Bewegungen ja auch beim Kopf des Archigetes Sieboldii Lkt, beobachtet habe. Mräzek hatte später nämlich selbst Formen in ausgestreckter Haltung gefunden und darunter sogar solche, welche noch gar nicht völlig ausgebildet waren 3); niemals freilich, das 'sagt er ausdrücklich, waren ihm Exemplare vorgekommen, welche unausgebildet und zu- gleich eingestülpt gewesen wären. Diese jedoch boten ihm Hamanns Funde und Abbildungen'^). Hamann hat freilich die Entwicklung der von ihm ziemlich schematisch abgebildeten Formen durchaus nicht beobachtet, wiewohl er selbst das annimmt; denn die sechs von ihm (in einem Tiere!) gefundenen Formen repräsentieren ganz gemss nicht die „ganze Entwicklungsreihe mit Ausnahme des letzten (!) Stadiums", sondern sind offenbar einander ganz ausserordentKch nahe stehende Stadien gewesen. Dass vollends die Formen zu T. sinuosa gehörten, was er ohne weiteres als feststehend annimmt, ist ebenfalls nicht erwiesen und höchst fraglich. Aus diesen seinen Mitteilungen Folgerungen über die Entwicklungsgeschichte der Cysticerkoiden zu ziehen, scheint mir darum sehr gewagt. — Ich habe nun für unsere T. anatina die Entwicklung von Tag zu Tag in allen ihren Fortschritten, von Anfang bis zu Ende verfolgt und bin zu einem Resultate gelangt. ^) Vergl. ausser dem bereits citierten Werke noch die in deutscher Sprache veröffentlichte vorläufige Mitteilung darüber : Centralbl. f. Bacteriol. u. Parasiten- kunde, V. Band Nr. 11. 2) Eine dritte, von den beiden genannten Modalitäten abweichende Ent- wicklungsweise hat Mecznikoff an einem echinococcusarti gen Cysticerkoiden aus dem Eegenwunn konstatiert — vergl. Leuckart, 1. c. S. 465/66. 3) Von T. fasciata u. gracilis, abgebildet in der zweiten der citierten Ab- handlungen vom Jahre 1891. *) L. c. Band 24, Tafel 1. 6* 84 Johannes Emil Schmidt: Die Entwicklungsgeschichte das mit keiner der angeführten Ansichten völlig übereinstimmt. Nichtsdestoweniger kann ich wohl auf Grund der erwähnten Beob- achtungen mit Recht behaupten, dass das Endresultat, welches sich für unsere Form inbezug auf die vorliegende Frage ergeben hat, ganz unzweifelhaft feststeht, ja dass es nahezu das einzige völlig sichere Ergebnis ist, welches wir über die Frage nach dem Modus der Cysticerkoidenentwicklung bis jetzt besitzen. Werfen wir zunächst, um uns einen allgemeinen Ueberblick zu verschaffen, einen orientierenden Blick über das Ganze der Ent- wicklung! Dieselbe scheidet sich fast von selbst in zwei wohl charakterisierte Epochen, welche beide auch von fast vollkommen gleicher Dauer sind^). Das Tier, welches aus dem sechshakigen Embryo hervorgeht, wächst anfangs nach allen Richtungen hin gleichmässig, besitzt also zuerst im wesentlichen eine kugelige Ge- stalt; auch betreffs des Innern Baues besitzt keine Richtung vor der andern einen Vorzug; es ist anfangs radiär gebaut, wobei wir freilich von der Lage der Embryonalhäkchen, welche natürlich nicht radiär verteilt sind, absehen müssen. Durch diese Gestalt und diese Art des Wachstums ist die erste Entwicklungsepoche unseres Tieres charakterisiert: gerade die Hälfte der ganzen Entwicklungsdauer — im Sommer also sechs bis sieben Tage, im Spätherbst dagegen etwa drei Wochen lang — behält unser Tier diese Kugelform bei. Dann beginnt es auf einmal rapid nach einer Richtung, hauptsächHch an einem Körperpole zu wachsen. Mit dieser Veränderung tritt unser Wurm in seine zweite Entwicklungsperiode, in welcher der frühere radiäre Bau einem seitlich symmetrischen Platz macht. Zugleich mit der Streckung beginnt auch die Differenzierung der Organe im Innern, die während der ersten Epoche kaum angedeutet ist. Daraus ergiebt sich von selbst, dass die Entwicklung des Cysticerkoiden während der ersten Periode wesentlich nur in einem einfachen Wachstum des Embryos besteht. Im Ei hat der- selbe, wie wir wissen, eine flache, elliptische Form mit einem Längen- durchmesser von 0,05—0,06 mm. Der Uebertritt des Parasiten in die Leibeshöhle ist in unserm Falle sehr einfach, wie es bei der geringen Grösse und dem einfachen Baue unseres Zwischenwirts nicht anders zu erwarten ist. Schon einen Tag nach der Fütterung fand ich im Darminhalt des Zwischenwirtes neben Eiern, deren halb- verdaute äussere Schale einen ruhenden Embryo enthielt, zahlreiche freie Embryonen, die ihre charakteristischen Bewegungen machten, wie man solche zuweilen auch schon im Ei wahrnehmen kann. Dieser Befund lässt darauf schliessen, dass es die lösende Wirkung der Verdauungssäfte und die aktive Bewegung des Embryos zugleich ist, welche demselben zur Freiheit verhelfen. Bei der Hakenbewegung ^) Die siehen Stadien, in welchen Grassi u. Rovelli die gesammte Ent- wicklungsgeschichte darstellen, sind völlig willkürlich gewählt, sie waren ihnen ledigUch durch ihr Untersuchungsmaterial gegeben. und der anatomische Bau der Taenia anatina (Krabbe). 85 des Embryos kann man deutlich sehen, dass die zwei seitlichen Paare der Embryonalhäkchen, welche erst mit ihrem untern Ende, dann mit dem obern Teil auseinanderweichen, dazu dienen, den Armen des Schwimmers gleich, den Körpers vorwärts zu drücken, während das mittlere Paar, das sich bekanntlich in medianer Richtung, aber mit den äussern beiden Paaren nicht gleichzeitig bewegt, unterdessen den Körper stützt und vor dem Rückwärtsgleiten sichert. Stets operieren dabei die Haken, deren untere Enden sich bei jedem Paare an ein- ander anlegen, während die Spitzen klaflfen, paarweise in völlig gleichem Sinne und ohne Verrückung ihrer gegenseitigen Lage. Es ist völlig einleuchtend, dass wir es hier mit einer wirklichen, aktiven Ortsbewegung zu thun haben, was Grassi und Rovelli, ohne genügenden Grund, in Abrede stellen i). Ganz besonders kommt dem wandernden Embryo bei der Fortbewegung (im Leibe des Wirts) seine ausserordentliche Kontraktilität zu statten: er verlängert und verschmälert, verkürzt und verbreitert sich während der Haken- bewegungen — ganz wie der kriechende Wurm. Auch vermag sich der Embryonalkörper nach allen Richtungen und an allen Stellen einzuschnüren, ja sogar amöbenartig Fortsätze auszusenden. Seine Gestalt wechselt infolgedessen fortwährend; am häufigsten aber be- obachtet man, dass die Einschnürungen senkrecht zur Bewegungs- richtung, also quer zur Längsachse des Embryos stehen. Der Zellenbau des Körpers ist, wie auch im Ei, anfangs noch sehr un- deutlich. Wie schon früher beschrieben, besteht der Embryonalkörper aus einer feinkörnigen, scheinbar homogenen Protoplasmamasse. Porenkanäle konnte ich, trotz der Angabe von Grassi u. Rovelli, dass sie wenigstens bei absterbenden Tieren an einzeln Stellen sichtbar seien, auch bei grösster Aufmerksamkeit, niemals mit Sicher- heit erkennen, weder jetzt noch in spätem Stadien. Was man leicht dafür hätte ansehen können, eine sehr feine Granulierung an der Innenseite des äusserst dünnen Kutikularüberzugs , rührte wohl von der körnigen Beschaffenheit des Protoplasmas her. Das Auftreten der sogenannten „Sarkodebläschen" besonders beim Absterben des Embryos, welche durch Ausscheidungsprodukte hervorgerufen zu sein scheinen, berechtigt natürlich nicht, auf das Vorhandensein von Porenkanälen zu schliessen, da derartige Erscheinungen auch bei Tieren ohne Porenkanäle, so bei Infusorien, vorkommen. Nachdem nun der Embryo den Darm durchbrochen und sich an den schon früher bezeichneten Stellen, die für seine Ernährung besonders günstig zu sein scheinen, festgesetzt hat, bemerken wir an ihm zunächst keine weiteren Veränderungen als eine verhältnismässig ziemhch beträchtliche Grössenzunahme und einen allmählichen Verlust seiner Beweglichkeit. Seine ursprünglich mehr ovale als kugelige Gestalt behält er noch kurze Zeit bei. Dabei rücken die Hakenpaare (infolge des Wachstums) etwas weiter auseinander; ihre Bewegungen, welche zunächst nach dem Freipräpariren noch zu bemerken sind, 1) L. c. p. 8. 86 Johannes Emil Schmi fit: Die Entwicklungsgeschichte werden matter und seltener, aber die Fähigkeit des Einschnürens besitzt er in gleichem Masse wie früher. Diese letztere behält er überhaupt durch alle Stadien hindurch; ist doch auch die Ein- und Ausfaltung seines Körpers in letzter Instanz nur die Folge der immer mehr und mehr lokalisierten Einschnürungsfähigkeit. Aber schon nach kurzer Zeit lassen sich in der ursprünglich fast homogenen Grundsubstanz des Körpers die Umrisse von Zellen deutlicher unterscheiden. Dieselben werden immer schärfer und ver- ändern dadurch das frühere Aussehen allmählich vollständig. Der Körper ist sehr durchsichtig geworden und sieht jetzt aus wie eine Klüftungskugel. Denn inzwischen ist auch seine ursprünglich ovale Gestalt in die Gestalt einer Kugel übergegangen, und daraus erklärt es sich auch, dass sein Durchmesser, trotz der Grössenzunahme, zunächst nicht grösser ist als der längste Durchmesser der älteren ovalen oder elliptischen, flachen Form (0,05 — 0,06 mm). Das Tier ist jetzt ein Aggregat von hellen, durchsichtigen Zellen mit verhältnismässig grossem, glänzendem und bläschenförmigem Kern und Kernkörperchen. Die Zellen sind von verschiedener Grösse, klein und gross, jedoch lässt sich zunächst noch keine Spur irgend einer Regelmässigkeit der Gruppierung oder Verteilung wahrnehmen. Die grössern Zellen messen etwa 0,01 mm im Durchmesser, der Kern, welcher überaus deutlich ist, 0,004 — 0,005 mm. Manchmal kann man den Kern deutlich in Teilung begriffen sehen, verlängert und in der Mitte ein- geschnürt. Die schon früher erwähnten fettartig glänzenden Mole- kularkörnchen sind in verschiedener Grösse und Menge in die Inter- cellularsubstanz eingelagert. Die Haken, jetzt völHg unbeweglich, liegen noch in der alten Anordnung und am alten Flecke, an dem einen Pole der Kugel. Bei scharfem Zusehn scheint es manchmal, als zögen sich von ihnen aus, und zwar von der Stelle aus, wo der eigentliche Hakenteil, die Kralle, in den Wurzelfortsatz übergeht, beim mittleren Paare aber vom untern Ende aus, feine Faserzüge schräg ins Innere, dort in eine der runden Zellen übergehend. Auch Grassi und Rovelli glauben Aehnliches bemerkt zu haben, allerdings erst auf einem spätem Stadium. Hierdurch würde dann die Annahme gerechtfertigt sein, dass die Bewegung der Embryonalhäkchen nicht passiv, als eine blosse Begleiterscheinung der allgemeinen Kontraktionen des Embryonalkörpers erfolgt, sondern durch die Kontraktionen be- sonderer muskulärer Fasern geregelt wird, eine Annahme, welche auf Grund der Analogie mit den Embryonen der Bothriocephalen, bei denen Leuckart derartige Muskelzüge sah^), und auf Grund der Exaktheit und Bestimmtheit, mit der diese Bewegungen erfolgen, manches für sich hat. Unmittelbar nachdem die Embryonalkugel ihr zellig- blasiges Aussehn angenommen hat, tauchen im Innern derselben an ver- 1) A. a. 0. S. 415. und der anatomische Bau der Taenia anatina (Krabbe). 87 schiedenen Stellen Spalten und Hohlräume auf, welche sich rasch erweitern, zusammentiiessen und zuletzt einen einzigen Hohlraum liefern: unsere anfangs massive Keimkugel ist zu einer Hohl- kugel, zu einer Keimblase geworden. Es ist dies die Form, welche Grassi und Rovelli mit dem Namen „Primitivbläschen" bezeichnen. Dieselben Autoren behaupten aber von ihrer Art, dass der Hohlraum gleich von vornherein eine excentrische Lage habe, dass die Wand also am einen Pole dünn, am gegenüberliegenden dick sei. Für unsere Art trifft dies nicht zu und aller Wahrscheinlichkeit nach wohl auch für die ihrige nicht: entweder hat ihnen an dieser Stelle der Entwicklungsreihe ein Stadium gefehlt oder sie haben, da das allmähliche Werden des Tieres von ihnen gar nicht beobachtet wurde, mehrere verschiedene Stadien in eins zusammengeworfen. Trotzdem dass die Konturen des Hohlraums unregelmässig, voller Ein- und Ausbuchtungen sind, dass also auch die Wände der Hohlkugel un- regelmässig dick sind (Fig. 2), hat doch der Hohlraum im grossen und ganzen eine centrale, keine excentrische Lage. Daran wird auch durch die Thatsache nichts geändert, dass sich die Kugelwand am Hakenpole, direkt unter den Haken, fast regelmässig, jedoch bei den einzelnen Individuen mit verschiedener Deutlichkeit, aufwulstet und infolgedessen mehr oder weniger stark in den Hohlraum vor- springt (Fig. 2), was für den spannenden und der Weiterentwicklung harrenden Beobachter natürlich auffällig genug ist. Von einer den Innenraum erfüllenden Flüssigkeit lässt sich bei der grossen Durch- sichtigkeit desselben zwar direkt nichts bemerken, doch muss man gerade aus optischen Gründen annehmen, dass der Hohlraum von einer farblosen, in der Hauptsache wässrigen Flüssigkeit von gleichem Brechungsexponenten wie das umgebende Medium (physiologische Kochsalzlösung) erfüllt ist. Die Grösse des Tieres hat während der Büdung des centralen Hohlraumes ganz bedeutend und rasch zugenommen; der Durchmesser hat sich verdoppelt und nach vollständiger Aushöhlung sogar verdreifacht (0,18 — 0,20 mm), sodass die Hohlkugel an Grösse jetzt schon der Cyste des ausgebildeten Cysticerkoiden gleichkommt. Diese rapide Grössen- zunahme gerade während der Entstehung des Hohlraums deutet darauf hin, dass derselbe im wesentlichen wohl dem Auseinanderweichen der Kugelwände seine Entstehung, vor allem seine rasche Erweiterung verdankt. Doch legen die anfangs im Innern sichtbaren Querwände und Querpfeiler, durch welche die einzelnen Teilräume, vor ihrem Zusammenfliessen, zuerst noch ge- schieden werden, die Vermutung nahe, dass dabei, wenigstens anfangs, auch eine Verflüssigung centraler Zellen im Spiele ist In diesem Stadium ist es nun auch möglich, die erste Differenzierung des die Hohlkugel zusammensetzenden Grundgewebes zu konstatieren. Man bemerkt, dass die peripherischen Zellen im allgemeinen etwas kleiner sind, während die grösseren, blasenförmigen Zellen mehr nach innen, der Grenze des Hohlraums zu liegen. Am weitesten nach aussen, direkt unter der Kutikula, erkennt man bei genauerer 88 Johannes Emil Schmidt: Die Entwicklungsgeschichte Untersuchung sogar eine Reihe ganz kleiner Zellen, welche so dicht aneinander gedrängt sind, dass man ihre Umrisse viel weniger deutlich als die der übrigen unterscheiden kann (Fig. 2). Nur am Hakenpole lässt sich von dieser Scheidung zwischen grossen und kleinen Zellen nichts bemerken. Diese kleinen, peripherischen Zellen sind es offenbar, von denen ein grosser Teil späterhin die charakte- ristischen subkutikularen Spindelzellen liefert i). Ob in den tiefern Schichten, gegen die Grenze des Hohlraums zu, eine Lage lang- gestreckter, mit ihren spitzen Enden zu einem Ring zusammen- schliessender Zellen, welche also die subkutikulare Muskelschicht vorbereiten würden, als regelmässige Erscheinung auftritt, muss ich dahingestellt sein lassen. Wohl glaubte ich solche in einigen Fällen in äquatorialer wie in meridionaler Richtung unterscheiden zu können, aber in andern habe ich, trotz sorgfältiger Untersuchung, vergeblich darnach gesucht. Die äussere Kutikularschicht , obwohl noch sehr dünn, ist gegen früher etwas stärker geworden. Von Zeit zu Zeit treten auch Kontraktionen auf, welche die kugelige Gestalt mehr oder weniger stark verändern, dieselbe beim Nach- lassen aber wieder herstellen. Dieses Hohlkugelstadium ist unter allen den beschriebenen und noch zu beschreibenden Durchgangsformen von der längsten Dauer. Immer langsam wachsend, verharrt das Tier geraume Zeit in dieser Gestalt. Hat es jedoch die früher angegebene Grösse erreicht — und das geschieht, wie wir wissen, um die Mitte der gesamten Entwicklungszeit — dann beginnt an dem den Haken gegenüber- liegenden Pole in der Richtung nach aussen (oder vorn, wie wir jetzt sagen müssen) auf einmal ein reger Wucherungsprozess. Die Wand verdickt sich infolgedessen an diesem Pole sehr schnell, und jetzt erst erhält der Hohlraum eine excentrische Lage — das Tier ist in die zweite Periode seiner Entwicklung getreten. Der Hohlraum liegt also nunmehr in der hintern Hälfte des jetzt ge- streckten Tieres, und der Hakenpol, den wir früher auf Grund der Bewegungen des Embryos als den vordem anzusehn geneigt gewesen waren, ist zum hintern geworden, als welcher er sich ja auch beim reifen Cysticerkoiden deutlich kennzeichnet. Es hat also (wenn wir die Hohlkugel nicht als ein wirkliches Radiärtier mit Differenzierung der Pole ansehen woUen) eine Umkehrung von vom und hinten stattgefunden. Von jetzt ab folgen die Veränderungen und Bildungen in solcher Raschheit aufeinander, dass wir, der Klarheit wegen und um unnötige Wiederholungen zu vermeiden, gut thun werden, alle die all- gemeineren und für die ganze Weiterentwicklung giltigen Ver- hältnisse im Aussehen und Bau unseres Tieres vorerst zu betrachten, ^) Vergl, hierzu Leuckart, 1. c. p. 433. Die Darstellung, welche hier von der histologischen Differenzierung des jungen Finnenkörpers gegehen wird, bietet auch sonst manche Analogie mit den oben geschilderten Vorgängen. und der anatomische Bau der Taenia anatina (Krabbe). 89 um dann im speciellen der Entstehung der einzelnen charakteristischen Organe unsere Aufmerksamkeit zu schenken. Bei Beginn des Längenwachsthums nimmt das Tier zunächst eine ovale oder auch elliptische Form an (Fig. 3), wie wir sie ähnlich auch von dem gleichen Stadium bei den Blasenwürmern (von T. serrata und saginata^)) kennen. Immer weiter jedoch schreitet das Längenwachstum und Hand in Hand damit die Streckung des Tieres vorwärts. Sehr bald wird es überhaupt unmöglich, noch von einer bestimmten Gestalt des Tieres zu reden. Infolge von Ein- schnürungen an den verschiedensten Stellen des Körpers oder von Kontraktions- und Sft-eckungsbewegungen des ganzen Wurmes, be- sonders aber auch infolge der grossen Veränderlichkeit, welcher die Absetzung des Schwanzes von dem übrigen Körper unterliegt, ändert sich dieselbe fast fortwährend und nimmt mitunter sogar ganz ab- sonderliche Gestalten an. Selbst die gestreckte, längUche Form verschwindet manchmal vollständig, indem sich das Tier, natürhch unter beträchtücher Verbreiterung, zu einem Klumpen zusammen- zieht. Unter Umständen streckt es sich wieder sehr in die Länge — alles Beweis genug, dass auf diesem Zeitpunkt der Entwicklung die Grössenangaben mehr oder weniger illusorisch werden und nur als mittlere Werte Geltung besitzen. Zu Beginn des Längenwachstums, während dessen die Gestalt- veränderungen noch weniger häufig und tiefgreifend sind, beträgt die Länge des Würmchens 0,25—0,30 mm. Natürlich nimmt dieselbe besonders um die Zeit, zu welcher sich der Schwanz abgliedert, ganz beträchtlich zu. Aber es ist ganz auffällig, dass gerade diese Zeit, wie schon angedeutet, bei den einzelnen Individuen eine ausserordentlich verschiedene sein kann, wie überhaupt das Aus- wachsen und die Absetzung des Schwanzes in verschiedener Hinsicht grossen Schwankungen unterworfen ist. So begegnet man Exemplaren, welche schon auf sehr früher Entwicklungsstufe, eben nachdem das Längenwachstum begonnen hat, einen nach hinten sich allmähHch verschmälernden, vom Körper aber noch nicht scharf abgesetzten schwanzartigen Anhang haben, während andere, schon viel weiter entwickelte Formen noch kaum eine Andeutung desselben zeigen. Ebenso haben fast völlig reife Tiere mitunter einen noch ganz kurzen Schwanz, während andere, jüngere, denselben schon fast in seiner spätem Länge besitzen. Die oben erwähnte Einsenkung des hintern Körperendes findet sich jedoch überall, bei jedem Individuum, mag es einen Schwanz haben oder nicht, schon zu Beginn der zweiten Entwicklungsepoche. Sie tritt unmittelbar nach Beginn der Längsstreckung auf, nur dass sie auf diesem Stadium oftmals schwer erkennbar ist. Das vordere Schwanzende hingegen, welches wir beim reifen Tiere in eine Vertiefung des Körpers übergehen, also in den Körper eingezogen sahen, findet sich bei den unreifen 1) Leuckart, 1. c. p.438. 90 Johannes Emil Schmidt: Die Entwicklungsgeschichte Tieren niemals in dieser Form. Niemals, aucli wenn der Schwanz schon recht lang ist, sind Körper und Schwanz scharf abgegrenzt; beide Teile gehen kontinuierlich in einander über, höchstens dass sich an ihrer Grenze eine mehr oder weniger starke Einschnürung findet, welche sie vorübergehend zur schärferen Unterscheidung bringt, auf die Dauer aber nicht bestehen bleibt. Rechnen wir zu dieser späten, endgiltigen Abgiiederung und zu der grossen Variabilität seiner Enstehung nun noch die weitere Thatsache hinzu, dass auch der Körperteil, der Zellencomplex, welcher durch sein Wachstum den Schwanz liefert, ganz ausserordentlich variabel ist — wie sich schon aus der veränderlichen Lage der Embryonalhäkchen, sowie aus dem Umstände, dass auch der Hohlraum der einstigen Hohl- kugel sich öfters in den Schwanz hinein fortsetzt, unwiderleglich ergiebt, — so haben wir Momente genug, um auch hier wieder, wie früher auf Grund seiner histologischen Struktur, den Schwanz für ein stark in der Rückbildung begriffenes Organ erklären zu können, was auch a priori schon als höchst wahrscheinlich anzunehmen war. Auch der Hohlraum der ursprünglichen Hohlkugel unterliegt bei der Weiterentwicklung einigen Veränderungen. Früher im grossen und ganzen kugelig, nimmt derselbe, der allgemeinen Längs- streckung wenigstens teilweise folgend, allmählich ebenfalls eine längliche Form an, indem er sich, schmaler und enger werdend, ein Stück in die vordere Partie des Körpers hineinstreckt und sich dort, einmal mehr, einmal weniger weit von der Spitze, verliert, was uns als ein Beweis dafür gelten kann, dass die starke Zellwucherung am vordem Pole nicht lediglich auf diesen beschränkt bleibt, die seitlichen Partien des Körpers vielmehr gleichfalls mehr oder weniger an dem Längenwachstum teilnehmen. Späterhin wechselt infolge der Abschnürungen und Einschnürungen, der Zusammen- ziehungen und Ausstreckungen die Gestalt des Hohlraums natürhch mannigfach; bald erscheint er kurz, flach gedrückt und breit, bald schmal und lang wie ein grosser Spalt. Manchmal setzt er sich von seiner ursprünghchen Lage aus nur nach vorn fort, manchmal reicht er auch weiter nach hinten in den sich abgliedernden Schwanz hinein, was wiederum auf das Wachstum der hintern Seitenpartien schhessen lässt. Ganz besonders aber erleidet der Hohlraum später- hin noch dadurch eine Veränderung, dass einzelne der ihn um- gebenden grossen Bindegewebszellen, welche, anfangs noch im Ver- bände mit dem übrigen Gewebe, nach dem Innenraume vorragen, sich allmähhch lösen und tiefer in den Hohlraum vortreten, woselbst sie sich fast wie Nervenzellen verästeln, bis sie schliesslich mit diesen Ausläufern, die wieder mit denen benachbarter Zellen in Verbindung treten, den ganzen Hohlraum durchsetzen. Im Innern des Hohlraums entsteht auf diese Weise ein netzartiges, weit- maschiges Füll- oder Stützgewebe, welches denselben nicht mehr als eine einzige grosse Höhle, sondern weit mehr als ein Aggregat von vielen Lücken und Spalträumen erscheinen lässt (Fig. 4), weshalb und der anatomische Bau der Taenia anatina (Krabbe). 91 denn auch Grassi und Rovelli, wohl ihrer Theorie zu Liebe ^), von einem „völligen Verschwinden des Hohlraums" und von einer Erfüllung desselben mit „weichem Parenchym" reden 2). Die Durchsichtigkeit des Gewebes ist jetzt, während der zweiten Entwicklungsepoche, nicht mehr so gross wie während des Hohl- kugelstadiums ; oft nimmt das ganze Tier schon frühe ein gelbhches Aussehen an, sodass sich nur bei genauem Zusehen noch Zell- grenzen erkennen lassen. Sehr bald nach Beginn der zweiten Epoche nimmt man jedoch längs des ganzen Aussenrandes, unmittelbar unter der dünnen Kutikula bläulich glänzende Pünktchen wahr, ähnlich denen, welche wir schon an der Cyste des ausgebildeten Tieres unter ihrer dicken Kutikularschicht gesehen haben, nur sehr viel feiner und schwächer. Bei genauer Untersuchung lässt sich sogar an verschiedenen Stellen von ihnen ausgehend eine analoge, aber feinere Ringstreifung wahrnehmen, welche natürhch ebenfalls von feinen Ringmuskelfasern herrührt, die den ganzen Körper umgeben und an der Cyste später zu stärkerer Ausbildung gelangen. Ob sie ein Ergebnis der Umwandlung eines Teiles jener bei der Hohlkugel bemerkten peripherischen kleinen Zellen sind oder von jenen problematischen langgestreckten und ringförmig zusammen- schliessenden, tiefern Zellen gebildet sind, lässt sich nicht entscheiden. Aber auch auf der ganzen übrigen Oberfläche — und besonders deutlich um den vordem Pol herum — lassen sich, schon auf ziemlich frühen Stadien, derartige glänzende Pünktchen erkennen. An Schnittpräparaten gewinnen wir die Ueberzeugung, dass sie die Ansatzpunkte der radiär nach innen verlaufenden Spindelzellen be- zeichnen, welche sich wie bei andern Finnen, so auch bei der unsrigen konstatieren lassen (Fig. a). Dieselben haben ganz die gleiche Beschaffenheit und Lage, wie wir solche sonst an den für die Cestoden so charakteristischen Spindelzellen beobachten 3), und sind zwischen andern, ebenfalls peripherisch gelegenen kleinen Zellen, aus denen sie offenbar hervorgegangen sind, rings um die ganze Peripherie verteilt. Auch Grassi u. Rovelli deuten sie in ihren freilich recht schematischen Zeichnungen an^). Von Längsfasern konnte ich ebensowenig wie Grassi u. Rovelli eine sichere Spur bemerken. Wohl sieht man, dass unmittelbar unter der dünnen Kutikula die äussere Begrenzung des Gewebes eine dichte, festere Beschaffenheit hat; man glaubt darin auch manchmal wirklich langgestreckte, sehr schmale, nur in der Mitte ein wenig dickere Fasern zu erkennen, aber nur selten und nur an einzelnen Stellen gelingt es, diese dichte Rindenschicht derart aufzulösen, dass man sich mit Sicherheit von dem Vorhandensein derartiger Längsmuskelfasern überzeugen kann. Dass 1) Centralblatt f. Bakt, u. Paras. 5. Band No. 11, p. 7, 8, 15. 2) L. c. (Ricerche embriologiche — ) p. 17. 3) Vergl. Leuckart, 1. c. p. 366. *) L. c. Tafel II, Fig. 2, 3, 8. 92 Johannes Emil Schmidt: Die Entwicklungsgeschichte unser Tier, wie andere Finnen, auch ohne besondere Muskeln der verschiedensten Kontraktionen fähig ist, wissen wir ja — möglich also, dass die Längsfasern und Längsmuskeln erst bei der Tänie zur vollen Ausbildung kommen, wie wir das von den Längsmuskeln des Rostellums späterhin sogar mit Sicherheit konstatieren werden. Wenden wir uns nun der allmählichen Differenzierung und Hervorbildung der übrigen Organe unseres Wurmes zu, einem Vorgang, der, wie wir wissen, zugleich mit der Längsstreckung unseres Tieres beginnt und die zweite Periode wiederum ziemlich scharf von der ersten absetzt. Dasjenige Organ, welches wir zuerst und am frühesten, zugleich mit Beginn des Längenwachstums auftreten sehen, ist das Excretionsgefässsystem. Wenn es anfangs auch keineswegs so deutlich und augenfällig ist wie bei den vollentwickelten Tieren, so lässt es sich doch bei genauerer Untersuchung schon an den jüngsten Streckungsformen, welche, bis auf Spuren der Ringfasern, keine weitere Differenzierung aufweisen und aus einem völlig' gleich- artigen Gewebe zu bestehen scheinen, mit völHger Sicherheit nach- weisen. Wir befinden uns auch hier in vöHiger Uebereinstimmung mit den bei den verwandten Tieren, bei den Blasenwürmern und Trematoden, festgestellten Thatsachen^), nicht aber mit Grassi und Rovelli, welche den Excretionsapparat erst am Ende ihres vierten Stadiums entstehen lassen und seine Ausbildung noch später, in ihrem fünften Stadium zum Abschlüsse bringen. Doch es ist kein Zweifel: schon auf Grassi 's ,, zweitem Stadium" (zum zweiten gehören bei ihnen sowohl das „Primitivbläschen", als auch die jüngeren gestreckten und geschwänzten Formen — auf dem dritten legen sich Rostellum und Saugnäpfe an) sieht man bei unserm Thiere deutliche Längs- kanäle, welche sich in dem manchmal schmaleren, manchmal auch breitern Parenchymstreifen zwischen Hohlraum und Kutikula in un- regelmässigen Windungen hinziehen und sich bei einiger Mühe auch eine gute Strecke weit verfolgen lassen (Fig. 3). An einzelnen Stellen erkennt man sogar, wie die Hauptstämme durch quere und schräge Anastomosen unter sich verbunden sind, sodass die Entscheidung, Avas als Hauptkanal und was als Verbindungsgang anzusehen sei, sehr erschwert ist und ganz in Frage gestellt werden müsste, wenn es nicht an andern Stellen wieder gelänge, den Hauptstamm eine ziemliche Strecke weit mit Evidenz zu erkennen und zu verfolgen. Auch den Verbindungsring, welcher bei den jüngeren Tieren weit vorn, dem vordem Pole nahe gelegen ist und erst später infolge fort- gesetzten Spitzenwachstums etwas weiter nach hinten verschoben wird, kann man bei etlichen Tieren mit Sicherheit nachweisen. Bei manchen freilich lässt sich wohl eine Verbindung der beiderseitigen Stämme, aber nicht die Ringbildung deutlich erkennen, was jedoch angesichts der Schwierigkeit solcher Untersuchung das Vorhandensein desselben nicht ausschHesst. Flimmertrichter mit Flimmerläppchen konnte ich auf den Jüngern Exemplaren dieser zweiten Epoche leider 1) Leuckart, 1. c. p. 436 ff. und der anatomische Bau der Taenia anatiua (Krabbe). 93 nicht entdecken, wohl aber beobachtete ich dieselben, ebenso wie die feine Verästelung der von den Hauptstämmen nach der Aussenfläche des Körpers abgehenden Seitenzweige recht schön auf etwas älteren, weiter differenzierten Stadien. Dass dieselben aber auch schon bei den jüngeren Formen in Verbindung mit den beobachteten Längs- kanälen vorhanden sind, können wir auf Grund der bekannten Ver- hältnisse bei ähnlichen Formen mit Sicherheit annehmen. Wie aber steht es um die Ausmündung der Excretionskanäle? Das ist eine Frage, die ich bei Betrachtung der reifen Cysticerkoiden offen lassen musste und mir auch bei meinen embryologischen Untersuchungen lange Zeit hindurch ein Rätsel geblieben ist. Dass die Excretions- kanäle den engen Hals zwischen Cyste und Schwanz durchsetzen und in den Schwanz übergehen könnten, schien mir von vornherein kaum glaublich. Und dennoch verhält es sich so, wie wir sehen werden. Es war Herr Geheimrat Leuckart, der mir zur Lösung dieses Rätsels verhalf, nachdem er mich schon vorher auf das konstante Vorhandensein der Einstülpung am Schwanzende hingewiesen hatte. Bei Gelegenheit der Untersuchung eines der Jüngern Stadien der zweiten Epoche machte er mich darauf aufmerksam, dass am hintern Ende, direkt vor der hier befindlichen Grube, welche, wie wir wissen, schon früh entsteht, eine rötlich schimmernde Blase liege, welche sich in diese Einfaltungshöhle öffne und in welche die Excretions- kanäle einmündeten. Und wirkUch, es war so (Fig. 3). Sogar die Ausscheidung selbst glaube ich an dieser Stelle beobachtet zu haben, da ich nämlich gerade an dieser Stelle, sonst nirgends am Körper, einige Male tropfenartige Körperchen in der umgebenden Flüssigkeit bemerkte, welche sich vermehrten und im übrigen ganz wie die früher erwähnten ,, Sarkodebläschen" der absterbenden Embryonen aussahen. Allerdings ist das betreffende Gebilde, die längst gesuchte ,, kon- traktile Endblase", nicht leicht und nur bei scharfem Zusehn zu er- blicken, aber evident vorhanden, schon auf einer Entwicklungsstufe, wo das Tier gewöhnlich noch gar keinen Schwanz besitzt. Jetzt konnte es nicht anders sein: bei den geschwänzten Tieren müssen die Längskanäle in den Schwanz übertreten und an seinem äussersten Ende in der „Einröhrung" ausmünden - — und eine Untersuchung älterer und auch reifer Tiere bestätigte diese Schlussfolgerung (Fig. B, Ebl.). Es war nur die starke Verengung und Zusammenschnürung an der Uebergangsstelle des Schwanzes in die Cyste, die uns den weitern Verlauf der Kanäle früher übersehen liess. Grassi und Rovelli betonen in ihrer Arbeit ausdrücklich, dass die Längskanäle nicht in den Schwanz überträten und dass gerade dieser Umstand wohl ,, der Grund seines späteren Abfallens" sei^). Halten wir jedoch unsern Befund mit der Thatsache zusammen, dass auch Mräzek und Hamann bei den von ihnen untersuchten reifen und geschwänzten Cysticerkoiden eine Endblase, wie Grassi und Rovelli sie beschreibt, nicht gefunden haben, so wird es zum mindesten sehr wahrscheinlich, ^) L. c. p. 94 Johannes Emil Schmidt: Die Entwicklungsgeschichte dass auch bei T. elliptica die Verhältnisse in Wirklichkeit anders liegen und dass die von den italienischen Forschern gezeichnete (und vermeintlich auch in ihrer Entwicklung beobachtete) Endblase nichts anderes als die Vertiefung ist, in welche der (leicht sich abtrennende) Schwanz eingesenkt ist. Wie die Endblase und die Excretionskanäle sich entwickeln, habe ich nicht festzustellen vermocht — vielleicht, dass bei dem schönen Materiale, das ich zur Verfügung hatte, wenigstens einige Punkte hätten festgestellt werden können, wenn mir die Beziehung der hintern Einfaltung zu dem Excretionsapparate früher deutlich geworden wäre. Nach der Entstehung des Excretionsapparates wird das Bild, welches uns der Wurm darbietet, ein recht lebensvolles und ab- wechslungreiches, indem von jetzt an die weiteren Veränderungen rasch aufeinanderfolgen. Der Sitz dieser raschen Entwicklungs- vorgänge ist natürlich, wie vorauszusehen, das vordere Körperende des Tieres. Zunächst sind es Kopf und Saugnäpfe, welche ent- stehen, beide fast gleichzeitig, letztere in ihrer Anlage nur wenig nach der des Kopfes. Sehr bald nach Beginn der Längsstreckung unseres Tieres, im Sommer schon am zweiten Tage nach derselben — das Tier hat jetzt im Mittel die Länge von 0,40 — 0,50 mm — , sieht man die vordere Körperspitze sich einranden, anfangs nur seicht, bald aber tiefer (Fig. 4). In der ersten Zeit vermag sich diese ,, Einrandung", welche auf nichts anderm als auf dem uns längst bekannten Ein- faltungsvermögen beruht und genau wie die übrigen Einfaltungen von statten geht, wieder zu glätten, event. auch bloss zu verflachen, um sich dann nach einiger Zeit wieder zu vertiefen. Später jedoch geschieht diese Auf- und Abwärtsbewegung am vordem Körperpole auf eine andere Weise. Bei fortschreitendem Wachstum erhebt sich nämlich der Boden der Einsenkung, also die eigentliche Spitze des Körpers, zu einer Vorwölbung, welche in den durch die Einfaltung entstandenen Hohlraum hineinragt, sich anfangs ebenfalls rasch wieder glätten kann, bald jedoch, nachdem sie ansehnlicher geworden, als ein bleibender Vorsprung zapfenartig in die Einfaltungshöhle vorspringt. Manchmal sieht man auch schon vor der Einfaltung an der vordem Körperspitze einen ebensolchen kleinen Vorsprung (besonders wenn die Tiere eben erst aus dem Zwischenwirt unters Microskop gelangt sind), welcher sich gewöhnlich aber rasch wieder ausgleicht. Diese fortwährenden Auf- und Abwärtsbewegungen sind es, welche die Aufmerksamkeit des Beobachters in Anspruch nehmen. Sie geschehen meist langsam, manchmal aber auch in rascherem Tempo; vollständig ruhig bleibt der Zapfen selten: er tritt nach aussen vor, manchmal bloss ein Stück, manchmal in ganzer Länge, sodass die Einfaltung fast verschwindet — oder er zieht sich weiter zurück und führt seine Oscillationen innerhalb engerer Grenzen aus, sodass er überhaupt nicht nach aussen vortritt. Vollständig wieder verschwinden sah ich ihn auf späteren Stadien niemals. Das sind und der anatomische Bau der Taeuia anatina (Krabbe). 95 wohl dieselben Bewegungen, von denen Mrazek (vergl. S.83) und auch Grassiu. Rovelli^) sagen, dassman sie beim Archigetes SieboldüLkt. beobachtet habe, und auf welche Mrazek seine Ansicht über die ganze Entwicklungsweise der Cysticerkoiden stützt. Die Beziehungen der eben geschilderten Vorgänge zu der Entwicklung des Kopfes sind unverkennbar. Die Einrandung bezeichnet den Anfang der Kopfbildung, ebenso repräsentiert die Einfaltungshöhle die sogenannte „Kopf höhle" der Finnen. Es ergiebt sich also, dass sich auch bei unserer Form der Kopf ,, eingestülpt", gleichsam ,, umgekehrt" ent- wickelt; denn der sich vorwölbende Zapfen ist nichts anderes als der Scheitel des Kopfes. Während der beschriebenen Vorgänge treten jedoch noch andere Modifikationen ein. Schon jetzt macht sich an den äussern Konturen der vordem Zone die späterhin so wesentliche Segmentierung (in Kopf, Nacken und Saugnäpfe nebst dem übrigen Leibe) bemerkbar, und zwar durch das Auftreten von zwei zunächst noch veränderhchen Einschnürungen, die in kurzer Entfernung aufeinander folgen, sodass die durch sie begrenzten Abschnitte dicht hintereinander liegen. Ihnen entsprechen im Innern zwei Paar Spalten, dieselben, welche wir schon früher bei Gelegenheit der allmählichen Ausfaltung des reifen Tieres bemerkten und nichts anderes sind als Intercellularräume, die durch Auseinanderrücken von Zellen schon vor der Einfaltung des Kopfes vorn in dem Gewebe ihren Ursprung nehmen. Auch die Kopfhöhle modifiziert sich etwas. Sie behält nicht die anfänglich vollkommen röhrige oder sackartige Form bei, sondern teilt sich, sobald die Einstülpung etwas tiefer geworden ist, (aber noch bevor die Vorwölbung des Scheitels konstant wird), in zwei Abschnitte, einen vordem und einen hintern, und zwar dadurch, dass sie sich hinter der Mitte, also mehr dem Scheitel zu, infolge einer ringförmigen Vorwölbung der Wand, etwas einengt. Durch diese Ringwulst wird natürlich der Scheitel zum grossen Teil überdeckt (Fig. 4) und schhesslich vollständig überwölbt. Bei den Ein- und Ausschiebungen des Scheitelzapfens verwischt sich freilich dieser Ringwulst manchmal mehr oder weniger; er verschwindet gelegenthch sogar vollständig, aber das Vermögen seiner sofortigen Wiedererzeugung (durch stellenweise Kontraktion der Ringfasern und Spindelzellen) ist immer vorhanden. Während dieser Vorgänge geschieht nun auch die Entwicklung der Haken, nnd zwar in einer Weise, die im wesentlichen mit dem übereinstimmt, was wir in dieser Beziehung von den echten Finnen wissen^). Eben nachdem die Einrandung der Körperspitze begonnen hat und noch nicht zu grösserer Tiefe vorgeschrittsn ist, da erscheint auf der vordem Fläche des Cysticerkoidenkörpers im Umkreise der Grube eine grosse Menge sehr kleiner, schwach gebogener Spitzen, welche ihre Konkavitäten sämtlich nach aussen wenden, aber, soweit sich das bei der grossen Menge entscheiden lässt, nicht in Reihen 1) L. c. (Centralbl. f. B. u. P.) p. 8. 2 Vergl. Leuckart, 1. c. p.437ff., 445/46. 96 Johannes Emil Schmidt: Die Entwicklungsgeschichte angeordnet sind. Bei der weiter fortschreitenden Einfaltung geraten diese Spitzen, obzwar anfangs sämtlich aussen auf der Oberfläche gelegen, zum grossen Teile natürlich in die Kopfhöhle hinein, und zwar grösstenteils wieder in den vordem Abschnitt derselben, über den Ring-wulst. Auf dem Scheitel oder, vor dessen Vorwölbung, auf dem Grunde der Einsenkung, woselbst Grassi u. Rovelli die Spitzen in derselben Menge und gleicher Ausbildung wie vorn fanden i), habe ich nur selten, und dann nur sehr wenige überaus feine Spitzen bemerkt, niemals aber auf dem Ringwulst, wo auch Grassi u. Rovelli sie vermissten. Wahrscheinlich fallen auch die unter- halb desselben befindlichen Spitzen, wenn sie zur Ausbildung gelangen, rascher ab als die übrigen, welche ja bekanntlich ebenfalls nicht lange nach ihrem Entstehen wieder verloren gehen, bis auf die wenigen, in diesem Falle zehn, welche zu den grossen Bandwurm- haken auswachsen. Dieselben hegen, nachdem die übrigen abgefallen sind, in einfacher Reihe und gleichen Abständen von einander un- mittelbar über der Ringwulst, je nach der Weite besonders des untern Teiles der Kopfhöhle, welche je nach der Stellung des Kopf- zapfens verschiedentlich wechselt, etwas über oder unter der Mitte (Fig. 4). Ihre Spitzen, welche den eigentlichen Hakenteil, die Kralle des spätem Hakens repräsentieren, sind nach oben und aussen gekehrt und schieben sich infolge des raschen Wachstums am Grunde immer weiter in dieser Richtung vor. Sie sind hohl, tutenförmig, doch ist eine papillenartige Erhebung oder ein direkter Zusammen- hang mit den kleinen runden Zellen, welche unmittelbar unter ihrem Grunde liegen und bis nahe an die Höhlung heranreichen, nicht nachweisbar. Dass die Haken Kutikularbildungen sind und die Kutikula auch die Innenfläche der Kopfhöhle auskleidet, braucht kaum erwähnt zu werden. Ebenso selbstverständlich ist es, dass beim Vortreten des Scheitels die Haken an die äussere Seitenfläche des Kegels treten und ihre Spitzen dabei allmählich nach unten senken, bis schhesslich die endgültige Form des Kopfes resultiert. Der lange hintere Wurzelfortsatz bildet sich zuletzt. Manchmal, wenn auch selten, findet man Haken von ganz absonderlicher Form. Sie sind fast vollkommen ausgebildet, aber ihre Spitze ist in entgegen- gesetzter Richtung umgebogen. Auch Mräzek hat Tiere mit derartigen Haken gefunden und die Hakenform abgebildet 2), doch kann ich dieselben nicht für normale Bildungen halten, wohl aber als einen Beweis für die grosse Biegsamkeit und anfängliche Weichheit der Hakensubstanz. Aber nicht nur an und auf der Aussenfläche des vordem Körperpols gehen grosse Veränderungen vor sich. Auch im Innern, in dem der Einfaltungsstelle benachbarten Gewebe schreitet die Entwicklung rüstig vorwärts. Gleichzeitig mit der Kopfbildung, sehr bald nach der Entstehung der Kopfhöhle sieht man in den 1) L. c. Tafel I, 11; II, 6, 8. 2) L. c. Nr. 2, Tafel 1. und der anatomische Bau der Taenia anatina (Krabbe). 97 seitlichen Partien des vordem Körperabschnitts die peripherischen Zellen sich strecken nnd radiär, also senkrecht zur Kutikula, sich anordnen. Dicht gedrängt liegen sie pallisadenartig nebeneinander (Fig. 4), Es ist die Anlage der Saugnäpfe, die wir vor uns haben. An derselben beteiligen sich somit nicht bloss die schon früher uns bekannt gewordenen Spindelzellen, sondern auch die zwischen ihnen gelegenen peripherischen, kleinen Zellen. Diese sowohl, wie auch die Spindelzellen strecken sich mehr und mehr (Fig. b) — sie liefern ja späterhin die Radiärmuskeln der Saugnäpfe — und allmählich so stark, dass sich die betreffenden Stellen buckeiförmig nach aussen vorwölben. Die Saugnäpfe entstehen mithin nicht wie bei den Blasenwürmern innerhalb der Kopf höhle, in umgestülpter Lage, sondern ausserhalb und etwas unterhalb derselben gleich in ihrer späteren normalen Haltung, ebenso wie Grassi u. Rovelli dies auch gefunden haben. Nicht so klar ersichtlich wie die Bildung der Saugnäpfe ist die Entstehung des Rostellums, ein Vorgang, der — wie schon die anatomischen Verhältnisse erwarten lassen — vollständig von dem abweicht, was Grassi u. Rovelli bei der T. elliptica darüber an- geben i). Der vordere Rostellumsack erscheint zugleich mit dem Auftreten der zahlreichen Kutikularspitzen auf der vorderen Fläche, also gleich nach Beginn der vordem Einfaltung. Seiner Entstehung scheint, wie dies auch aus seiner Beschaffenheit und Lage begreiflich ist, eine Aushöhlung des ganzen vordem Körperabschnitts vorher- zugehen. An Exemplaren, welche noch keine Einfaltung des vordem Körperendes zeigen, aber unmittelbar davor stehen, sieht man nämlich im Innern oftmals ein deutliches Auf- und Nieder strömen einer glänzenden Körnermasse, der anscheinend auch Zellen bei- gemischt sind, derselben Masse, welche wir früher als Inhalt des Rostellumsackes kennen gelernt haben. Und dieses Strömen ist keineswegs nur auf kurze Strecken beschränkt, sondern lässt sich mitunter durch die ganze vordere Partie des Tieres verfolgen, bis gegen den schon lange bestehenden hintern Hohlraum hin, welchen wir zum Unterschied von dem vordem jetzt den ,, primären" nennen wollen. Es muss sich also der ganze vordere Körperabschnitt aus- gehöhlt haben — was sich auch späterhin völlig bestätigt — und zwar allem Anschein nach dadurch, dass sich die centralen Zellen lockerten und teilweise verflüssigten. Für die spätere Einfaltung der Körper- spitze ist dieser Vorgang von grosser Wichtigkeit, denn ohne ihn würde dieselbe unmögHch sein. Auf ein solches Hohlwerden deuten auch die unregelmässigen Hohlräume hin, welche nach der Ein- stülpung öfters im Innern auftreten und vielmals blasenartig, oft mehrere nebeneinander, mit einer stark lichtbrechenden, rötlich schimmernden Flüssigkeit erfüllt sind. Der vordere RosteUarsack entsteht nun dadurch, dass die unterhalb des Scheitels gelegene Höhlung von Zellen umwachsen wird und den grössten Teil der 1) L. c. p. 13 ff. Arch. f. Naturgescli. Jahrg. 1894. 98 Johannes Emil Schmidt: Die Entwicklungsgeschichte verflüssigten Bindesubstanz in sich einschliesst. Gleichzeitig mit ihm legt sich auch die äussere Bekleidung des Rostellums an, doch tritt die sackartige Beschaffenheit derselben zunächst nicht so auffällig zu Tage wie beim ausgebildeten Tänienkopfe, da sie ja in dieser spätem massiven und engen Form ein Zurückziehen des Kopfes unmöglich machen würde. An lebenden Tieren ist auf den früheren Entwicklungsstufen das Vorhandensein der äussern Rostellumwandung überhaupt kaum zu erkennen und nur auf Schnitten mit Sicherheit zu konstatieren. An solchen ist auch ihre Entstehungsweise deutlich zu erkennen. Die Bildung geht von einem am Grunde des spätem Sackes gelegenen, centralen Zellkomplexe aus (Fig. b), dessen äussere Zellen, sich streckend und aufwärts richtend, mit andern darüber gelegenen in Zusammenhang treten und mit diesen sich zu einem weiten und dehnbaren, unten geschlossenen, nach oben offenen Sacke verbinden, dessen Ränder, wie schon früher bemerkt, an der Grenze zwischen Nacken und Saugnäpfen in die Körperwand übergehen. Dass auch die Entstehungsweise des vordem Rostellumsackes sehr ähnlich ist — nur insofern verschieden, als die Zahl der sich dabei beteiligenden Zellen viel geringer ist — , Hess sich nach den Schnitten mit grösster "Wahrscheinhchkeit vermuten, doch nicht mit absoluter Sicherheit feststellen. Mit der Bildung des vordem Rostellums gehen aber noch zwei weitere Differenzierungen Hand in Hand. Zunächst gewinnt das seitlich von ihm liegende Gewebe allmählich eine ausserordentlich dichte, fast homogene Beschaffenheit, sodass das Rostellum in seiner ganzen Länge wie von dicken Muskelbacken begrenzt erscheint. Man könnte dieselben, wenn man nicht darunter die Saugnäpfe sähe, fast für diese selbst in Anspruch nehmen. An manchen Exemplaren bemerkt man aber schon jetzt, dass diese Masse, obwohl sie sich nur schwer in einzelne Zellenelemente auflösen lässt, in mehrere, allerdings nicht deutlich zu sondernde ringförmige Gruppen zu zerfallen scheint. Auf Längsschnitten wird solches noch deutlicher; man erkennt dann, dass die ganze Masse in drei Paar von Zellgruppen sich auflöst, die (Fig. b) seitlich zur Kopfhöhle oder bei vorgestrecktem Scheitel seitlich vom vordem Rostellum hintereinander liegen, einen etwas schrägen Verlauf einhalten und die optischen Durchschnitte ebensovieler ringförmiger Zellaggregate darstellen. Ein vierter schwächerer Zellring ist in der Mitte dicht unter dem Scheitel, also im Rostellum selbst gelegen. Die innern Grenzen desselben machen sich am lebenden Tiere durch zwei von der Scheitelspitze nach innen in schwachem Bogen auf einander zu- laufende Linien bemerkbar, welche, da sie auch einen Teil der körnigen Protoplasmamasse des Rostellums einschliessen, fast wie die Grenzen eines dritten, vordersten und kleinsten Rostellarsackes aussehen. Diese ringförmigen, hintereinander liegenden Zellaggregate sind es, welche späterhin in dem Tänienkopfe jene ringförmig geordneten, stark ausgebildeten Längsmuskeln des Rostellums liefern. und der anatomische Bau der Taenia anatina (Krabbe). 99 Die zweite Differenzierimg, welche mit der Bildung des Rostellums Hand in Hand geht, ja sogar mit ihr in direkter Verbindung steht, ist die Anlage des Nervensystems. Gleich von vornherein will ich bemerken, dass ich mich betreffs dieses Punktes, bekanntlich des schwierigsten und „kitzlichsten" in der ganzen Cestodenkunde, zu einer Annahme gedrängt sehe, welche in mancher Beziehung ausserhalb des Rahmens der bis jetzt über das Nervensystem der Tänien bekannten Thatsachen steht. Darin stimmen meine Beobachtungen mit den übrigen und mit denen von Grassi u. Rovelli überein, dass das Nervensystem unmittelbar am Grunde des Rostellumsackes gelegen ist, ja sich mit diesem anscheinend sogar im Zusammenhang befindet i). Unsere Tänie aber besitzt zwei Rostellarsäcke — an welchem ist nun das Nervensystem gelegen? Unter dem vordem Rostellarsack sieht man, besonders bei vor- gestrecktem Scheitel, an lebenden Tieren sowohl wie an Schnitt- präparaten kleine runde Zellen mit Kernen, welche ohne eine bestimmte erkennbare Anordnung bei einander liegen, in einigen Fällen aber auch in zwei nebeneinander liegende Gruppen getrennt erschienen (Fig. b). Aber auch am Grunde des hintern Rostellums liegen, wie Fig. b ebenfalls zeigt, unterhalb der den Sack bildenden gestreckten Zellen derartige Zellen, Beide Male scheinen dieselben auch im Zusammenhang mit dem betreffenden Rostellarsack zu stehen, insofern nämlich, als sie vorn wie hinten die untern Zellen eben jenes Zell- komplexes bilden, von welchem, wie erwähnt, die Bildung der Rostellarsäcke ausgeht. Nach den bis jetzt uns bekannten Ver- hältnissen würde man von vornherein nur die unterhalb des äussern Rostellarsackes gelegenen Zellen als die Anlage des Nervensystems annehmen können. Schnitte durch den ausgebildeten Tänienkopf, welchen ich zum Vergleich und zur Entscheidung dieser Frage heranzog, sowie Färbungen desselben mit Methylenblau haben mich jedoch überzeugt, dass ganz entschieden auch die unterhalb des vordem und — das ist das Auffällige — innerhalb des äussern Rostellarsackes gelegene Zellengruppe ein Nervencentrum repräsentiert. Sowohl zu den Seiten des vordem, wie auch am Ende des hintern Sackes findet man nämhch auf Schnitten innerhalb eines blassen, granulösen, manchmal maschigen Protoplasmas eine grosse Zahl sehr dunkel gefärbter Kerne (die Objekte wurden mit Hämatoxylin gefärbt, in Sublimat konserviert). Beide Stellen sind von dem benachbarten Gewebe deutlich unterschieden und in ihrem Aussehen unter sich vollkommen gleich: es bleibt nichts andres übrig — denn auch die Färbungen mit Methylenblau geben dasselbe und zwar ein sehr schlagendes Resultat - , als beide Stellen als Sitz eines Nerven- centrums und beide Zellgruppen als Gruppen von Ganglienzellen anzuerkennen. Formen mit zwei Rostellarsäcken sind bisher auf diese Verhältnisse noch nicht untersucht worden. Dahingegen hat Zschokke bei zwei Arten mit einfachem Rostellum, welche auf- ^) Grassi u. Rovelli, 1. c. p. 19. 100 Johannes Emil Schmidt: Die Entwicklungsgeschichte fälligerweise in ihrem sonstigen anatomischen Bau unserer T. anatina sehr nahe stehen, bei der T. diminuta Rudolphi und T. relicta Zschokke, innerhalb des Rostellums Ganglienzellen zu bemerken geglaubt und bei der T. relicta sogar zwei Kommissuren, eine obere unter der Scheitelspitze und eine untere unterhalb des Rostellums nachgewiesen 1), sodass schon auf Grund dieser Thatsachen die aus- gesprochene Auffassung sehr viel von ihrer anfänglichen Unwahr- scheinlichkeit verliert. Ob man bei dem Cysticerkoiden schon von einem peripherischen Fasersystem reden kann, scheint mir fraglich. Allerdings gerät man manchmal in Versuchung, besonders den unter- halb des vordem Sackes gelegenen Ganglienzellen ein deutliches, verästeltes Fasernetz zuzuschreit)en, das von ihnen ausgehend sowohl nach vorn um den Rostellumbulbus, als auch nach hinten in zwei verzweigte Stränge sich fortsetzt. Doch lässt sich zwischen diesen Zellen und den genannten Fasern niemals ein direkter Zusammenhang konstatieren. Ein derartiges fasriges Strangsystem sieht man auf einem gewissen Stadium, nämlich gleich nach dem Sichtbarwerden des Rostellums, ausserordentlich häufig und mit ausserordentlicher Deutlichkeit. Doch ist es immer nur sichtbar, wenn der Scheitel nach vom gestreckt ist, und es scheint mir darum wahrscheinlicher, dass dieses in der That ausserordentlich nervenähnliche Netzwerk, in dem man hin und wieder auch einige wenige Zellen gewahrt (Fig. b), als eine blosse Ausfüllung der Rüsselhöhle zu betrachten und jenem Netzwerk an die Seite zu stellen ist, welches wir früher als Ausfüllung des primären Hohlraums kennen gelernt haben, zumal auch dieses ganz den nämlichen Typus zur Schau trägt. Im Gegen- satz zu Grassi u. Rovelli, welche bei dem Cysticerkoiden der T. elliptica die vollständige Ausbildung und Verzweigung des Nerven- systems beobachtet nnd abgebildet haben^), können wir deshalb bei unserm Cysticerkoiden nur von einem sehr rudimentären Nerven- system reden, das durch zwei Gruppen von Ganglienzellen unterhalb des vordem und hintern Rostellarsackes repräsentiert ist und auch bei der späteren Ausreifung unseres Tieres kaum weiter sich aus- bildet. So sind wir nun, nachdem wir die einzelnen Organe des reifen Cysticerkoiden sich haben anlegen sehen, soweit gelangt, die völlige Ausreifung des Wurmes, deren einzelne Phasen sich schon jetzt zum grössten Teil voraussehen lassen, verfolgen zu können. So rasch die Anlage aller dieser Gebilde erfolgt und fortschreitet, so rasch, für den Beobachter fast verblüffend rasch, erfolgt auch die vollständige Ausreifung unseres Cysticerkoiden. Dass die Entwicklung bald ein Ende erreicht hat und der Reife entgegenführt, giebt sich am ersten und deutlichsten dadurch kund, dass der Cysticerkoid allmählich seine charakteristische Gestalt anzunehmen beginnt. Natürlich ist es, wie ^) Zschokke, Recherches sur la structure anatomique et histologique des Cestodes, Geneve 1888: p. 67, 82 u. Fig. 28. 2} L c. p. 25, Tafel H, 13; m, 26, 27. und der anatomische Bau der Taenia anatina (Krabbe). 101 wir wohl längst schon erkannt haben, die ausgestreckte, ausgefaltete Form, in die er zunächst übergeht. Und zwar geschieht dieser Ueber- gang weniger durch ein weiter fortschreitendes Längenwachstum, wie man vielleicht glauben könnte — dieses hört im Gegenteil schon vor Ende der Entwicklung fast ganz auf, nur der Schwanz streckt sich noch in die Länge — als vielmehr dadurch, dass sich das Tier, welches sich lange Zeit hindurch noch ganz beliebig zusammenzog und einschnürte, jetzt an ganz bestimmten Stellen kontrahiert und diese Einschnürungen dann immer konstanter beibehält. Aber eben mit dieser Beschränkung der Einschnürungen auf bestimmte Partieen des Körpers und dem Konstantwerden derselben ist stellenweise noch eine Verschmächtigung, ein Längerwerden — ohne eigentliches Wachs- tum — verbunden. Dies tritt mit besonderer Deutlichkeit an dem den Hals liefernden Teile hervor, welcher vorher kaum als ein be- sonderer Körperabschnitt zu erkennnen war, jetzt aber infolge der Einschnürungen an seinen Enden sich nicht nur deutlich von den Saugnäpfen, die sich dann noch stärker hervorwölben, und von der Cyste abhebt, sondern auch bedeutend länger und schmächtiger wird. Dadurch dass sich jetzt auch der Schwanz von dem übrigen Körper schärfer absetzt und zuletzt sogar seine Ansatzstelle ebenfalls ein Stück eingefaltet wird, hebt sich auch die Cyste mit ihrem Hohl- raum als scharf gezeichnetes Glied von dem übrigen Körper ab, und das um so mehr, als Aehnliches auch von dem Hinterkopf gilt. Dass der Hohlraum der Cyste und ebenso seine spaltartige Fortsetzung in den Hals hinein dem alten „primären" Hohlraum entspricht, der schon in der ersten Entwicklungsperiode sich nachweisen liess, braucht kaum erwähnt zu werden. Fast sieht jetzt der Cysticerkoid wie ein völlig reifes Tier aus; denn auch der Kopf nimmt von nun an immer häufiger eine gestreckte Haltung an, sodass er nur noch selten in zurückgezogenem Zustande gefunden wird. Nur die unfertigen Haken, denen noch die Wurzelfortsätze fehlen, sowie die geringe Zalil von Kalkkörperchen, welche jetzt erst, nach der Anlage sämtlicher Organe, sich zu bilden beginnen, verraten noch die Unreife des Tieres. Auch die Kutikula der Cyste ist noch nicht in ihrer spätem Dicke vor- handen, zunächst kaum dicker als an den andern Körperteilen. Die Kalkkörperchen, welche bei der T. elliptica schon im „zweiten Stadium" vor Anlage der Organe sich bilden, entstehen bei unserm Wurme also viel später. Einmal vorhanden, vermehren sie sich aber rasch, bleiben aber gewöhnlich, wie bekannt, auf den Hals beschränkt. Nur selten findet man deren zwischen den Saugnäpfen, noch seltener (von mir nur in einem Falle beobachtet) im Schwänze. Die Saug- näpfe, welche infolge ihrer fortschreitenden Vorwölbung das zwischen ihnen liegende Gewebe natürlich stark gedehnt und ausgehöhlt und dem Hinterkopfe dadurch zugleich die Möghchkeit der Einfaltung geschaffen haben, sie erhalten jetzt auch binnen kurzer Zeit den dichten Besatz von Kutikularhäkchen. Ihre gewölbte Form behalten sie beständig; eine napfartige Einziehung, wie sie Grassi und Rovelli für ihre Form als „Ruhelage" der Saugnäpfe konstatiereuj 102 Johannes Emil Schmidt: Die Entwicklungsgeschichte findet sich bei unserer Finne niemals ; sie würde eine Einfaltung des Küsseis auch unmöglich machen i). Zugleich mit der Entstehung der Kalkkörper und des Häkchenbesatzes auf den Saugnäpfen, hat sich auch der Hakenapparat vollständig ausgebildet. Niemals sieht man nach dessen Entwicklung den Kopf noch in eingefalteter, umgekehrter Lage; er behält von jetzt an die normale, aufrechte Haltung mit den nach hinten gerichteten Hakenspitzen konstant bei, und in dieser Haltung faltet er sich auch ein: der Cysticerkoid faltet sich ein — er ist fertig. Die Einfaltung bildet also, das ist unser Endergebnis, den Schluss des Ganzen. Sie findet während der Entwicklung nicht willkürlich statt, wie Mräzek meint, sie erfolgt auch nicht, wenigstens nicht bei unsrer Form, vor der Ausreifung, welche dann erst im Innern stattfindet, wie Grassi und Rovelli für die T. elliptica an- geben, sondern sie ist das sicherste Zeichen, dass die Entwicklung zu Ende, der Cysticerkoid reif ist. Nur die Ausscheidung der dicken Kutikula findet während und nach der allgemeinen Einfaltung noch statt, gleichsam als eine weitere, zweite Umhüllung und Einkapselung — zum Schutze während der langen Ruhezeit, die des Cysticerkoiden möglicherweise im Leibe des Zwischenwirts harrt. Zwei grosse Abschnitte oder Perioden waren es, welche wir in der Entwicklungsgeschichte des Cysticerkoiden unterschieden hatten: die Epoche des allseitigen Wachstums und die des Längenwachstums. Ein Ueberblick über dieselben und eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse zeigt uns, dass wir innerhalb jeder dieser Epochen wiederum drei Zeitabschnitte und ihnen entsprechend drei Ent- wicklungsstadien unterscheiden müssen: während der ersten Periode 1. den wandernden Embryo, 2. die massive, 3. die hohle Keimkugel, während der zweiten Periode 1. das Stadium, in welchem die Anlage der wichtigsten vegetativen und animalischen Organe geschieht (Ex- cretionsgefässsystem, Ringmuskeln, Spindelzellen), 2. das Stadium, in welchem die Ausbildung speciell des vordem Abschnittes und die Entstehung der spätem Haftorgane erfolgt (Kopf, Saugnäpfe), 3. das Stadium der Ausreifung (Formgebung, Einkapselung). Ausser- dem ergiebt sich, dass wir in der Entwicklungsgeschichte unseres Cysticerkoiden zwei Einfaltungsprozesse unterscheiden müssen, die Einfaltung des vordem Körperendes behufs Bildvmg des Kopfes und die lediglich dem Schutze dienende allgemeine Einfaltung des vordem Körperabschnitts in den hintern, zwei Prozesse, welche also eigentlich gar nichts miteinander zu thun haben, bei den Finnen der Blasen- bandwürmer jedoch in einen Akt zusammenfallen. Inbezug auf die erste Anlage des Kopfes gilt also nach dem gegenwärtigen Stande unserer Kenntnisse für alle Finnen der gleiche Entwicklungsmodus: bei Cysticerken sowohl wie bei Cysticerkoiden ent- ^) Der Cysticerkoid der T. elliptica verhält sich in dieser Beziehung anders, da die Einziehung bei ihm auf eine viel einfachere "Weise, nämlich durch fort- schreitende Vertiefung der Kopfhöhle erfolgt. iiud der anatomische Bau der Taenia anatina (Krabbe). 103 steht der Kopf in einer Einstülpung „gleichsam umgekehrt". Inbezug auf die Entwicklung des übrigen Körpers mit Einschluss der Saug- näpfe und des Halses, weichen jedoch beide Gruppen, soweit wir von ihnen sichere Kunde haben, von einander ab: bei den einen, den Cysticerken, entwickeln sich die letzteren wie der Scheitelteil des Kopfes ebenfalls in eingestülpter Lage innerhalb der ,, Schwanzblase", bei den andern, den zwei in dieser Beziehung bis jetzt allein be- kannten Cysticerkoiden, jedoch ausserhalb der „Cyste" in normaler Haltung. Innerhalb dieser Cysticerkoiden selbst können wir aber schon jetzt zwei verschiedene Typen unterscheiden, als deren Re- praesentanten wir eben die T. elliptica und die T. anatina ansehen müssen: die T. elhptica als Typus für gewisse, wahrscheinlich kurz- rüsselige cysticerkoide Tänien, deren Saugnäpfe sich schon früh in die Kopfhöhle einsenken, sodass die Haltung derselben die Ver- hältnisse der echten Finnen wiederholt — die T. anatina, der Re- präsentant gewisser langrüsseliger und langhalsiger Formen, deren Kopf nach der Einfaltung aufrecht und in gewöhnlicher Haltung in der Cyste gelegen ist. Dies das vorläufige Ergebnis und der vor- läufige Stand unserer Kenntnisse. Ob es auch noch andere „Typen" giebt, ob sich der Scolex auch innerhalb der Cyste und sogar in aufrechter Haltung entwickeln kann, wie dies Grassi und Rovelli für die T. murina und Hamann für seine noch unbestimmte Form, allerdings beide nur auf Grund wenig abgerundeter und wenig sicherer Beobachtungen, behaupten — wer weiss es? Bei der augenscheinlich ganz ausserordentlichen Mannigfaltigkeit der Formen und bei den ungeahnten, überraschenden Resultaten, die wir schon jetzt gewonnen haben, würde es gewagt sein, schon jetzt auf diese Fragen Antwort zu geben und die gewonnenen Resultate ohne weiteres zu verall- gemeinern. Anders in vergleichend - anatomischer Beziehung. Schon jetzt können wir, auf Grund der Entdeckung der Endblase des Excretions- gefässsystems in der Schwanzspitze durch Leuckart, wohl mit Sicherheit behaupten, dass der Schwanz der Cysticerkoiden, welcher ja aus den verschiedensten Gründen ohnehin schon als in Rückbildung begriffen angesehen werden muss, bei den Cysticerken in die Bildung der ,, Schwanzblase" eingeht, dass mithin auch die ,, Cyste" der Cysticerkoiden der „Schwanz"blase der Cysticerken morphologisch nicht in jeder Hinsicht gleichwertig ist, was ja auch schon aus der Kopfbildung hervorgeht. Von einem ,, Verlorengehen" des Schwanzes, welche Möglichkeit ja früher noch offen stand und auch von Grassi und Rovelli 1) noch erwogen wird, kann streng genommen (vom morphologischen Standpunkte aus) keine Rede mehr sein. Noch helleres Licht über das Wesen der Schwanzblase wie überhaupt des Finnenleibes verbreitet die Thatsache, dass beide Pole der Schwanz- blase, unserer hohlen Keimkugel, anfänglich offenbar gleichwertig und gleich entwicklungsfähig sind: eine Vergleichung der Cysticerken 1) L. c. (Centralblatt f. B. u. Pkde.) p. U. 104 Johannes Emil Schmidt: Die Entwicklungsgeschichte und des Cysticerkoiden aus Arion^) mit den bekannten geschwänzten Cysticerkoiden ergiebt ohne weiteres, dass jeder der beiden Pole die Produktion des Kopfes übernehmen kann — ein Umstand, der uns auch das Verständnis der merkwürdigen Coenurus- und Echinococcus- formen etwas näher rückt. Ob freiHch bei den gewöhnlichen ein- köpfigen Finnen auch andere, seitliche Stellen der Hohlblase diese Fähigkeit besitzen (das Vermögen einer derartigen Einfaltung besitzen sie ja, wie wir aus der Kontraktionsfähigkeit unserer Form gesehen haben), darüber fehlen sichere Angaben noch, wenn auch einige Beobachtungen darauf hinzuweisen scheinen^). — Für weitergehende Kombinationen halte ich die Zeit noch nicht für gekommen — auch die spekulativen Betrachtungen Grassjs und Rovellis erweisen sich in mehrfacher Hinsicht als übereilt und ungenügend begründet. Die Vorgänge nach dem Uebertritt des Cysticerkoiden in den Darm der Ente sind von mir nicht experimentell verfolgt worden. Eine darauf gerichtete Untersuchung würde in ihren Haupt- ergebnissen doch nur eine Bestätigung dessen bringen, was wir bei ähnlichen Experimenten schon längst in Erfahrung gebracht haben 3), und dessen, was wir bereits geeigneten Orts aus dem Vergleich der Finne mit der Tänie selbst erschliessen konnten (vergl. hierzu S. 73, 77, 98, 100). Dass aber die Weiterentwicklung unseres Cysticerkoiden im Darm der Ente zu dem als T. anatina Krabbe bekannten Bandwurm wirklich erfolgt, darüber ist kaum ein Zweifel gestattet. Dass übrigens der Scolex, welcher ja allein in die Bildung des Bandwurmes eingeht, nach seinem Uebertritt in den Entendarm noch beträchtlich wächst, zeigen mit grösster Deutlichkeit seine späteren Dimensionen: Breite des Kopfes 0,14 — 0,15 mm, Länge des vordem Rostellarsackes 0,16 mm, Länge des hintern bei ge- wöhnlicher Streckung 0,50 mm, grösste Breite zwischen den (im Tode eingestülpten) Saugnäpfen: 0,55 — 0,60mm. Ganz besonders ist es demnach das hintere Rostellum, welches wächst und sich bedeutend verlängert, gleichzeitig aber auch, da es sich der Ein- faltung des Rüssels nicht mehr anzuquemen braucht, etwas verengt. Dass die Muskulatur der Rostellen, sowie das Nervensystem erst in der Ente zur vollen Ausbildung gelangen, wissen wir schon (s, Seite 98 u. 100). Das Hakenpolster verwächst dabei zu einer geschlossenen Scheiteldecke. „Durch Verlängerung und Gliederung des Halsteils" ^) entwickelt sich schliesslich ein Bandwurm, dessen Länge nach den Exemplaren, die mir und Krabbe zu Gesicht gekommen sind, bis 20 cm, nach Exemplaren, die Krabbe in Gurlts Sammlung fand^), sogar bis 1) Vergl. hierzu Leuckart, 1. c. p. 457 Anm., 592 u. 826. -) Leuckart, 1. c. p. 592. 3) Leuckart, I.e. p. 482 ff. *) Leuckart, 1. c. p. 485 Anmerkung. 'S) Krabbe, 1. c. m. 43. und der anatomische Bau der Taeuia anatina (Krabbe). 105 30 cm beträgt und dessen Breite 2 — 3 mm erreicht. Die Zahl seiner Glieder, welche sich wegen der bedeutenden Kürze derselben in den vordem Partien nur schätzen lässt, mag nach den ungefähren Zählungen, die ich an verschiedenen Exemplaren vorgenommen habe, bei den längsten Tieren wohl 2000 und darüber betragen. Das von mir auf Schnitten untersuchte Exemplar hatte bei einer Länge von 7 cm etwa 650 Glieder, war also noch ziemlich jung. Vorn ist der Wurm fadendünn, ganz allmählich aber nimmt er an Breite zu und erreicht seine grösste Breite, etwa 0,5—1 cm vor dem Ende. Dieselbe betrug bei dem oben erwähnten jungen Exemplar 1,4 mm, die mittleren Glieder waren 1 — 1,2 mm breit, aber nur 0,10 — 0,11 mm lang, also gerade zehnmal breiter als lang. Nur nach hinten nimmt die Länge der GHeder etwas zu, aber auch dort beträgt sie nur den fünften bis sechsten Teil ihrer Breite. Die T. anatina gehört also zu den ausgeprägt kurzgliedrigen Formen. Die Geschlechtsöffnungen sind einseitig. Die volle Geschlechtsreife oder, was dasselbe heisst, der Beginn der Begattung trat bei dem untersuchten Tiere um das 490. Glied ein; etwa 70 GHeder später sah man den Uterus sich füllen. Das Wachstum des Wurms, welcher am häufigsten den hintern Teil des Dünndarms bewohnt, scheint sehr rasch zu erfolgen — ganz kleine Exemplare findet man höchst selten und die voll- ständig „reifen", näinlich trächtigen Tiere, wie früher erwähnt, verhältnissmässig häufig. Die folgenden Blätter sollen als Beitrag zu der noch so wenig bekannten Anatomie der cysticerkoiden Tänien, den anatomischen Bau der Taenia anatina in knapper Form zur Darstellung bringen, da dessen Kenntnis im Interesse einer künftigen rationellen Systematik und als Ergänzung zu vorHegender Entwicklungsgeschichte immerhin erwünscht sein möchte. Gliederform und anatomischer Bau stehen in Wechselwirkung zu einander — wie bei den menschlichen Tänien, so auch hier: die Kurzgliedrigkeit ist es, welche dem innern Bau der T. anatina das Gepräge giebt. Dies spricht sich zunächst aus in der Thatsache, dass die einzelnen Organe der T. anatina nicht, wie bei den lang- gliedrigen Tänien, der Länge nach von vorn nach hinten auf ein- ander folgen, sondern in der Hauptsache von oben nach unten ge- lagert sind, dass ihr längster Durchmesser also nicht longitudinal, sondern dorsoventral verläuft, sodass die Organe in den einzelnen Gliedern mehr zu stehen als zu liegen scheinen. In Wechselwirkung damit steht der weitere Umstand, dass die Glieder verhältnismässig höher, resp. dicker sind, als sonst bei den Bandwürmern — ihre Dicke beträgt die Hälfte ihrer Breite! Infolgedessen tritt auch der bandartige Charakter unseres „Band"wurms viel weniger scharf hervor, als etwa bei den meisten übrigen Ententänien (T. sinuosa, gracilis, malleus) mit Ausnahme von T. coronula. Was sich bei den langgliedrigen Bandwürmern, etwa den bekannteren menschlichen Tänien, am übersichtlichsten auf horizontalen Längsschnitten (Flächen- schnitten) beobachten und darstellen lässt, wird bei unserer T. anatina 106 Johannes Emil Schmidt: Die Entwicklungsgeschichte somit am besten auf Querschnitten untersucht und veranschaulicht, wie Fig. C beweist. Nur was zum genaueren Verständnis und zur Ergänzung dieser Figur C dient, soll in folgendem hervorgehoben werden. Wie sonst, sind auch bei unserer Art die weiblichen Keimdrüsen, Ovarium (Fig. C, Ov.) und Dotterstock (Dst.), dem Prinzipe nach aus Schläuchen zusammengesetzt, nur dass diese, eben eine Folge der Kurzgliedrigkeit, vom Bauche nach dem Rücken, dorsoventral verlaufen. Die Drüsen selbst jedoch folgen in der Längsrichtung aufeinander: der Dotter- stock, dessen tubuläre Natur weniger scharf hervortritt, liegt hinter dem Ovarium, dem hintern Gliedrande angenähert, wird aber von dem ziemUch umfangreichen Ovarium, dessen Schläuche, acht in der Regel, halbkreisförmig vor ihm liegen und nach dem Bauche zu konvergierend zusammenstrahlen, an beiden Seiten umfasst, wie Fig. C zeigt. Natürlich befindet sich, dieser allgemeinen Lagerung gemäss, auch der Ausführungsgang des Dotterstocks (Dg.) nicht ganz auf gleichem Querschnitte mit dem des Ovariums (Fig.), sondern, in gleicher Höhe mit demselben, hinter ihm. Die Ver- bindung der weiblichen Organe ist dem Principe nach ganz dieselbe, wie wir sie zuerst durch Leuckart für die Blasenbandwürmer kennen gelernt haben, nur dass der sogenannte „Befruchtungskanal" (Bk.), also die Fortsetzung des mächtigen Receptaculum seminis in unserm Falle eine verhältnismässig ganz ausserordentliche Länge hat, indem er an der Stelle, wo er in eine schwache Erweiterung seines Lumens den Eiergang aufnimmt, nach oben umbiegt und erst nach mehrfachen Schlängelungen in die Schalendrüse (Schdr.) einmündet. Auch der Ausführungsgang der Schalendrüse (Af.), welcher die be- fruchteten Eier dem Uterus (Ut.) zuführt, mündet bei unserer Form erst nach mehrfachen, ja noch bedeutenderen, auf- und absteigenden Windungen, welche auf der Zeichnung nur angedeutet werden konnten, nach vorn in den Uterus, welcher sich, ebenfalls in An- passung an die kurzen, hohen Glieder, als ein in querer Richtung verlaufender, nach oben und unten ausbiegender weiter Kanal oder Sack erweist^). Sämtliche Verbindungskanäle sind verhältnismässig deutlich zu erkennen und scharf umrissen; ihr Querdurchmesser beträgt durchschnitthch 0,007 mm. Die Schalendrüse, welche auch hier in anatomischer Hinsicht das Centrum des ganzen komplizierten Apparates bildet, ist von annähernd kugeliger Gestalt (Durchmesser 0,05 — 0,06 mm) und besteht aus kleinen, sich nur schwach färbenden Kernzellen, welche dicht um den sehr engen Innenraum gruppiert sind — alles von den übrigen Tänien her bekannte Verhältnisse. ^) Dass das Ovarium selbst späterhin als Uterus fungiere und der Aus- führungsgang der Schalendrüse wieder ins Ovarium zurückführe, was neuer- dings Diamare [Le funzioni dellovario nella Davainea Tetragoua Molin, Nota di Vincenzo Diamare, Napoli 1893] von einer Hühnertäuie beschreibt und für viele Vogeltänien als giltig annimmt — findet auf die T. anatina keine Anwendung. und der anatomische Bau der Taenia anatina (Krabbe). 107 Die Eier, welche anfangs den Dotterzellen fast gleich sind, später aber besonders in ihrer Grösse sehr differieren (Eier: 0,006 mm, Dotterzellen: 0,003 mm), lassen Kern und Kernkörperchen erkennen. Von den den Uterus füllenden Eiern sind sie bei oberflächlichem Zusehn kaum zu unterscheiden; doch kann man bei schärferer Untersuchung in den Uteruseiern deutlich mehrere Kerne mit Kern- körperchen erkennen — sie sind, trotz ihrer fast gleichbleibenden Grösse, in reger Teilung begriffen. Auch erwiesen sie sich, ebenso wie die Schalendrüse und ihr Ausführungsgang, für Färbungsmittel (Boraxkarmin) schwerer empfänghch. Bei der Ueberblickung der männlichen Organe ist zunächst die Dreizahl der Hoden bemerkenswert, ein Merkmal, welche unsere Tänie bekannthch mit vielen andern Vogeltänien gemein hat^). Ihre Lage ist auf der Zeichnung ersichtlich; der auf der rechten Seite gelegene Hoden (H.) befindet sich, da der Geschlechtsporus ganz regelmässig etwas vor der Mitte des Gliedes gelegen ist, hinter der männlichen Samenblase. Auffallenderweise persistieren die Hoden ausserordentlich lange; selbst auf Schnitten, die ich durch ältere Glieder legte, als das von mir untersuchte Exemplar sie auf- wies, waren die Hoden noch in voller Grösse vorhanden. Das Vas deferens (V. d.), welches ohne weitere Schlängelungen direkt nach der Geschlechtsöffnung zu verläuft, erweitert sich vor seinem Ueber- tritt in den Cirrusbeutel (Cb.) zu einer ziemlich weiten und etwas gewundenen Samenblase (Sbl.); Prostatadrüsen sind nicht vorhanden. Eine besondere Auszeichnung unserer Tänie ist der inwendig mit sehr feinen Spitzen besetzte, kurze Präputialsack (Ps.), welcher innerhalb des Cirrusbeutels dicht hinter dem ebenfalls mit solchen Spitzchen inwendig besetzten Endstück des Samenleiters, dem sogen. Cirrus (C), gelegen ist und sich wie dieser bei der Begattung nach aussen vorstülpt — er vermittelt offenbar die Ueberführung des Cirrus und des Samens nach der Vagina 2). Die Weite des stark muskelwandigen Cirrus ist ungefähr gleich der ihm sehr ähnlichen Vagina oder nur wenig geringer (0,003 — 0,004 mm). Dem bleibt noch hinzuzufügen, dass die sonst bei den Tänien vorhandene, am hintern Gliedrande gelegene, weite Queranastomose zwischen den beiden Längskanälen (Lk.) bei unserer Form fehlt, offenbar infolge der starken Verkürzung der Glieder; nur eine schwache Ausbuchtung des weiten Längskanals zeigt sich an ihrer Stelle; hingegen ist das zweite engere Paar der Längskanäle durch die ganze Gliederkette hindurch vorhanden. Ihre Lage zu einander, ferner auch die Ver- teilung der starken Längsmuskelbündel ist auf der Zeichnung er- sichthch (Lm.). ^) Auch noch ein anderer Entenbandwurm, die T. gracilis, gehört zu dieser Gruppe. 2) Auch bei der bereits erwähnten T. gracüis der Ente ist er vorhanden, sogar in noch stärkerer Ausbildung. 108 Johannes Emil Schmidt: Die Entwicklungsgeschichte Was über den histologischen Bau der einzelnen Organe zu sagen wäre, betrifft Verhältnisse, wie solche sich im wesentlichen auch bei den übrigen, bekannten Formen finden. Und eben aus dem Umstände, dass sie in der Hauptsache typischer Natur und in- folgedessen auch bekannter sind, lässt sich wohl das Recht ableiten, dass sie in vorliegender Darstellung nicht mit gleicher Ausführlich- keit behandelt und im folgenden nur noch die für die T. anatina im besonderen charakteristischen und von den übrigen Tänien weniger bekannten Verhältnisse hervorgehoben werden. Zwei Punkte er- scheinen in dieser Beziehung besonders interessant und erwähnens- wert, das Nervensystem und die Muskulatur betreffend. — Wie auf der Zeichnung zu sehen, finden sich bei der T. anatina etwa auf der Grenze zwischen Rinden- und Mittelschicht, in unmittelbarer Nähe der starken Längsmuskelzüge grosse, multipolare Zellen mit grossem, hellschimmerndem Kern, dunklem Kernkörperchen und fein granulösem, hüllenlosem Protoplasma. Sie sind nicht regelmässig verteilt, aber ziemlich zahlreich, und ihre Ausläufer, gewöhnUch drei, richten sich konstant den Längsmuskeln zu, mit denen sie in Verbindung treten. Ihr Aussehen V) und diese ihre Beziehung zur Längsmuskulatur lässt es kaum zweifelhaft erscheinen, dass wir es hier mit Ganglienzellen (Gz.) zu thun haben, analog denen, welche im Körperparenchym der Trematoden nachgewiesen worden 2), bei den Cestoden aber noch nicht beobachtet sind, wenn nicht, was nach dem Wortlaute der Beschreibung sehr wahrscheinlich ist, jene multipolaren Zellen auf sie gedeutet werden müssen, welche Schiefer- decker im Bindegewebe der grossen Tänien auffand und auch Leuckart (1. c. p. 356) erwähnt. Einen Zusammenhang mit den von den zwei Hauptstämmen sich abzweigenden Nebennerven konnte ich freilich nicht erkennen, nach verschiedenen Wahrnehmungen jedoch als wahrscheinlich vermuten; sicher ist, dass auch in den Längsnerven- stämmen selbst und in ihrer unmittelbaren Nähe ähnliche Zellen vorhanden sind, nur, besonders in den Längsstämmen, sehr viel kleiner als die genannten. — Betreffs der Muskulatur muss ich die Beobachtung Ferdinand Schmidts 3) bestätigen, welcher, nach dem Vorgange von Pintner und Hamann, das Vorhandensein von Myoblasten auch in der Cestodenmuskulatur behauptet. Auch bei der T. anatina habe ich, besonders schön in jüngeren GHedern, die Sagittal-(Dorsoventral)- muskelfasern in der Form von einfachen, sehr lang ausgezogenen, spindelförmigen Zellen mit Kernen beobachten können. Selbst an den Quer- und Längsmuskeln konnte ich, wenn auch nur an einzelnen ^) Niemic bildet in seinen „Untersuchungen über das Nervensystem der Cestoden" aus dem Nervencentrum der Ligula eine Zelle ab, welche denen unserer T. anatina vollständig gleicht (Tafel II, 2). -) Leuckart, 1. c , 2. Abteilung (Trematoden) p. 25, 26, ^) Beiträge zur Kenntnis der Entwicklung der Geschlechtsorgane einiger Cestoden, Zeitschr. f. wisssch. Zoologie, ßd. 46, 1888. und der anatomische Bau der Taenia anatina (Krabbe). 109 Stellen, das Vorhandensein kernhaltiger Myoblasten in Gestalt von Ausbuchtungen an der Muskelfaser konstatieren. Ausser den Längs-, Quer- und Sagittalmuskeln waren bei meiner Tänie in der Rinden- schicht, zwischen der Subcuticula und der starken Längsmuskulatur, auch schräg in der Horizontalebene nach rechts und links verlaufende Faserzüge bemerkbar, welche einander rechtwinklig kreuzten, aber nur eine dünne, gitterartige Lage bildeten und nicht zu grösseren Bündeln vereinigt waren. — Die T. anatina in die Reihe der übrigen bekannten cysticerkoiden Tänien einzughedern, ist bei dem gegenwärtigen Stande unserer Kenntnisse noch kaum möglich. — Jeder, der sich mit dem vor- liegenden Gebiet beschäftigt hat, weiss und fühlt es, wie vieles, vieles darin noch seiner Bearbeitung und Aufklärung harrt. Gerade an- gesichts dieser Thatsache aber erachte ich es als eine um so dringendere Pflicht, hier am Schlüsse Herrn Geheimrat Leuckart, dem wir ja die Erschliessung und Urbarmachung dieses Gebiets überhaupt verdanken und der sowohl für die vorliegende Arbeit wie für alle weiteren Forschungen die Grundlage geschaffen hat, meinen wärmsten Dank auszusprechen — für die überaus freundliche Unter- stützung, welche er mir bei Anfertigung dieser Arbeit nach jeder Beziehung hin zuteil werden Hess, wie auch sonst für die reiche Anregung, welche ich durch ihn erfahren habe. ilO Johannes Emil Schmidt: Die Entwicklungsgeschichte Tafelerklärung. Fig. A: Cysticerkoid innerhalb der Cyste: Rm. Ringmuskelschicht, P. (dritte) Parenchymschicht, H. vierte Schicht (=Hals), h. R. hinterer Rostellar- sack, R. Rostellum, Ex. Excretionsgefässsystem, Cu. Kutikula. Fig. B: Ausgestreckter Cysticerkoid: S. Scheitel, R. Rostellum, Ex. Excretions- gefässs., h. R. hinterer Rost., Ebl. Endblase. Fig. C: Anatomie der Tänie, im Querschnitt dargestellt: H. Hoden, V. d. Vas deferens, Bk. Befruchtungskanal, Ut. Uterus, Lm. Längsmuskeln, Sbl. Samenblase (männl). Gz. Ganglienzellen, Ps. Präputialsack, C. Cirrus, Cb. Cirrusbeutel , Lk. Läugskanäle, R. sem. Recept. semin., Ov. Ovarium, Eig. Eiergang, Dst. Dotterstock, Dg. Dottergang, Schdr. Schalendrüse, Af. Ausführungsg. d. Schalendrüse. Fig. 1 : Ei von Taenia anatina. Fig. 2: Hohlkugelstadium. Fig. 3: Erstes Streckungsstadium: Ebl. Endblase. Fig. 4: Stadium nach Anlage des Kopfes und der Sauguäpfe: Kh. Kopfhöhle, Qusp. Querspalte (= Nackenhöhle), Sn. Anlage der Saugnäpfe, S. Vor- gewölbter Scheitel (mit Rostellumanlage). Fig. a: Jüngeres Stadium der zweiten Entwicklungsperiode im Querschnitt. Fig. b: Längsschnitt durch den vordem Abschnitt eines spätem Stadiums der zweiten Entwicklungsperiode: Ns. Nervensyst. und der anatomische Bau der Taenia anatina (Krabbe). Hl Inhaltsübersicht. Seite A. Die Entwicklung des Cystieerkoiden. I. Die äussern Bedingungen u.Umstände d. Entwicklung. 65-69 a. Die Aufsuchung des Zwischenwirtes 65—66 b. Die Eier von T. anatina 66—67 c. Der Zwischenwirt u. seine Infektion 67 — 68 d. Der Einfluss äusserer Bedingungen auf die Eut- wicklungsdauer u. Zahl d. Finnen 68—69 II. Beschreibung des reifen Cystieerkoiden 69 — 82 a. des eingekapselten Tieres 70 — 75 b. des ausgestreckten Tieres 75—78 c. Vergleichung und Übergang beider Foimen in einander (Einfaltungsprozess) 78—82 III. Entwicklungsgeschichte 82—104 a. Vorbemerkungen: Bisheriger Stand der Frage . 82—83 Überblick 84 b. Die erste Entwicklungsperiode 84—88 1. Der Embryo 84—85 2. Die massive Keimkugel 85—86 3. Die Hohlkugel 86-88 c. Die zweite Entwicklungsperiode 88—102 1. Die allgemeineren Verhältnisse (Körperform, Schwanz, Hohlraum, Riugmuskeln, Spindelzellen) 88—91 2. Die Differenzierung der übrigen Organe . . . 91—100 Excretionsgefässsystem 92—94 Kopf mit Rostellum 94-98 Nervensystem 99—100 3. Die Ausreifung des Cystieerkoiden 100—102 d. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen . . 102—104 112 Johannes Emil Schmidt. Seite B. Die Taenie. 1. Die Vorgänge nach dem Übertritt des Cysticerkoideu in die Ente u. die äussere Form der Taenie 104—105 II. Der anatomische Bau der T. anatina 105 — 109 a. Princip der Anordnung der Organe 105—106 b. Die weiblichen Organe 106—107 c. Die männlichen Organe 107—108 d. Histologisches 108—109 Helmintliologisclie Beobachtungen an bekannten und unbekannten Entozoen, Von Dr. Arthur Mueller in München. Hierzu Tafel VII. 1. Filaria gastrophila n. sp.'? 2. Strongyluris brevicaudata n. sp. 3. Trichocephalus affinis Rud. 4. Trichocephalus unguiculatus Rud. 5. Liorhynchus vulpis Duj. -9. Helminthen von Exocoetus sp. (?). 6. Echinorhynchus pristis Rud. 7. Echinorhynchus annulatus Moliu, 8. Monostoma filum Duj. 9. Monostoma filicoUe Rud. 10. Distoma militare Rud. 11. Distoma segmentatum n. sp. Erklärung der Abbildungen. 1. Filaria (Spii'Optera) gastrophila noY. sp. (?) (Fig. 1). Im Februar 1890 kam durch Zufall ein interessantes Präparat, welches schon mehrere Jahre in Spiritus aufbewahrt worden war, in meinen Besitz. Es war der Magen einer Katze, welche, da ihr zuletzt jede Nahrungsaufnahme unmöglich geworden war, an Hunger zu Grunde gegangen war. Während die Innen- und Aussenfläche der Magenwandung nichts Pathologisches erkennen Hessen, zeigte sich an der Cardia ein dichtes Knäuel ineinander verschlungener Würmer, welche mit den vorderen Körperenden im untersten Theile des Oesophagus und der Cardia befestigt waren, während die anderen Enden spiraüg- geroUt, 2 — 3 Ctm. lang, frei in den Magen hineinragten. Zwischen den Würmern, etwa in der Mitte des Knäuels, beiand sich noch ein Arch. f. Naturgesch. Jahrg. 1894. Bd. I. H. 2. 8 114 Dr. Arthur Mi;eller: Helmintbologische Beobachtungen kleines Büschel schwarzer Mäusehaare. Der Oesophagus, welcher etwa 1 Ctm. von der Cardia quer durchschnitten war, zeigte sich auf seinem Querschnitte völlig ausgefüllt von den Querschnitten der Wurmleiber, doch war auch hier das Haarbüschel, welches den Verschluss vervollständigte, zu bemerken. Die Durchlässigkeit für feste und wahrscheinlich auch für flüssige Nahrung muss durch die Ansammlung der Würmer aufgehoben worden sein. Bei dem Versuche, einzelne Würmer vom Magen aus loszulösen, zeigte es sich, dass sich dieselben mit dem Kopfende durch die Schleimhaut des Magens und Oesophagus so durchgebohrt hatten, dass sie in einiger Entfernung vom Mundende durch ein schmales Schleimhaut- band befestigt waren. Nur wenige hatten ihre Befestigung in der Magenwand, in geringer Entfernung von der Cardia, die meisten Würmer erstreckten sich in den Oesophagus hinein. Die Zahl der Würmer betrug etwa 40 Stück. Filaria gastrophila nov. sp.(?) Männchen. Weibchen Körperlänge 27,0'" 26,0-37,0" Körperdicke 0,8'" 0,6-0,1 Länge des Oesophagus 8,5'" 6,0—10,0" Länge der Spicula 0,56'" u. 0,6" Entfernung der männlichen Genitalöffnung vom hinteren Leibesende 0,37'" Entfernung der Vulva vom Kopfende — 12,0—17,0" Entfernung des weibl. Afters vom Leibesende . . — 0,5—0,6" Durchmesser der Eier (im Uterus) — 0,05—0,03' Die Würmer, durch den langen Aufenthalt in Spiritus gebräunt, sind drehrund, der Körper gleichmässig dick, das Kopfende all- mählich etwas verdünnt. Das Schwanzende des Männchens ist etwas verdickt und ventralwärts eingerollt, mit bursaartiger Seiten- membran versehen. Das Schwanzende des Weibchens endet in eine stumpfe Spitze. Die Cuticula ist von massiger Dicke und fein quergeringelt. Etwa 3'" vom Kopfende, an welcher Stelle dasselbe hakenförmig um- gebogen ist, befindet sich an der concaven Seite der Krümmung eine Einschnürung, ähnlich einem Widerhaken, welche die Befestigung des Wurmes in der Schleimhautöse vermittelt. Der Mund ist von zwei Lippen und 4 zwischen denselben stehenden Papillen umgeben. Die Pulpa der Lippen zeigte bei einigen Exemplaren drei feine papillenartige Fortsätze, von denen der mittlere kürzer und dicker war, als die seitlichen. Der Oesophagus, aus kurzen polyedrischen Zellen gebildet, ist von bedeutender Länge, fast ein Drittheil der Körperlänge einnehmend. An seinem vorderen Ende zeigen sich Längsfurchen, welche nach hinten allmähhch verschwinden. Das an bekannten und unbekannten Entozoen. 115 hintere Ende ist ohne Verdickung in den aus kleinen Zellen mit polyedrischen Oberflächencontour gebildeten. Darm eingesenkt. Hinter der Mitte, bei jungen Exemplaren fast genau in der Mitte des Körpers, befindet sich die weibliche Geschlechtsöffnung. Die Cuticula ist an dieser Stelle verdickt und bildet eine kurze, der äusseren Leibeswand anliegende, nach dem hinteren Leibesende zu geöffnete Röhre, in welche sich die einfache Vagina einsenkt. Letztere ist häufig strotzend mit Eiern gefüllt. Von ihr aus gehen nach beiden Körperenden zu die Uteri ab, welche ebenfalls mit Eiern gefüllt sind. An den elUptischen Eiern lässt sich noch keine Furchung wahr- nehmen und sind die Umrisse derselben nur in dem der Vagina benachbarten Theile der Uteri und in der Vagina selbst deutlich erkennbar. Das hintere Leibesende der Weibchen verschmälert sieh hinter dem After in eine kurze, stumpfe Spitze. Das Männchen, welches durch das IV2 — 2 mal spiralig auf- gerollte hintere Leibesende leicht kenntlich ist, ist kleiner als die Weibchen. Das hintere Leibesende ist etwas verdickt und endet hinter der Cloake in eine kurze, gekrümmte Spitze. Es lassen sich 4 Paar präanale Papillen und 4 postanale unterscheiden, welche in der bursaartigen Seitenmembran liegen. Die präanalen und das erste postanale Paar enden mit breiten Knöpfen, das zweite und dritte postanale Paar liegen dicht neben- einander, nahe dem Körperende, dicht vor welchem die eine un- paarige Papille steht. Da die Würmer durch den Alkohol gehärtet sich nicht aufrollen Hessen und bei jedem Versuche sie zu strecken zerbrachen, konnte das Leibesende nur in Seitenansicht untersucht werden. Die Cloake mündet in einem lippenartig vorspringenden Wulste, 2 mm von der Schwanzspitze entfernt. Die Spicula sind gebogene Chitinlamellen von ungleicher Breite und Länge. Das breitere und längere Spiculum trägt gitterförmige Zeichnung und umschliesst das kürzere, schmälere, welches vor der Spitze lanzettförmig verbreitert ist, wie eine Halbrinne. Die 4 präanalen Papillenpaare und die ungleichen Spicula lassen den Wurm als der Gattung Filaria (Schneider) angehörig erkennen. In seinem Compendium sowohl, wie im Nachtrage dazu, führt V. Linst ow unter den Parasiten von Felis catus Schreb. und Felis domestica Briss. weder eine Filaria, noch eine Spiroptera an. In Bezug auf den Wohnort würde am nächsten stehen Filaria sangni- nolenta Rud. aus Knoten in der Schleimhaut des Oesophagus und des Magens von Canis vulpis, Canis lupus und Canis familiaris. Schneider (Monog. d. Nemat. p. 100) findet bei F. sanguinolenta nur 2 postanale Papillenpaare und bildet den Kopf anders ab, als er bei unserer Art erscheint, auch findet er die Vagina, welche ähnlich gebildet zu sein scheint, nur 5'" vom Kopfende entfernt. Duj ardin (Histoire des Helm., p. 88) beschreibt ausser anderen 116 Dr. Arthur Mu eller: Helmin thologische Beobachtungen Abweichungen die Spiciila, von denen das eine 2'" lang ist, als von völlig verschiedener Form. Es scheint also eine noch nicht bekannte Art zu sein. 2. Strongyluris brevicaudata nov. sp. aus Agama colonum (Fig. 2). In einer an der Westküste Afrikas sehr verbreiteten Eidechsenart (Agama colonum) sowie einer derselben sehr nahe- stehenden Form, fand ich einen Wurm, welcher einerseits in Habitus und Bau des Oesophagus Oxyuris und Leptodera nahesteht, im Bau der Bursa jedoch an Strongylus erinnert und welcher in den bekannten Gattungen nicht untergebracht werden zu können scheint. Maasse: Körperlänge ^ bis T", $ bis 12'", Breite bis 0,8'". Oesophaguslänge 1,8 — 2,0"', Breite 0,057"', vorderer Oesophagus- abschnitt 0,3'" lang. Bulbus d. Oesophagus 0,3'" breit, Bulbus d. Darmes 0,5"' breit. Bursalänge 0,08'", Breite 0,64'", Saugnapf 0,17'" breit, 0,08"' hoch. Spicula 1,6'" lang, 0,042"' breit. Schwanzspitze des Männchens 0,027'" lang. Vulva wenig hinter der Mitte, After von Schwanzspitze 0,3"' entfernt. Eier 0,07'" lang, 0,05'" breit. Schale 0,007"' dick. Körperform ähnlich Oxyuris, Kopf und Schwanzende ver- schmälert. Die Cutis ist glatt, spärlich geringelt. Die Mundöffnung ist sehr klein und scheint von kleinen Lippen umgeben zu sein. Der Oesophagus besteht aus einem vorderen, kurzen, sehr dünnen Abschnitt, dem Vestibulum, welches keine Zähne trägt und einem langen, etwas dickeren hinteren Theile, welcher in einen Bulbus übergeht, in welchem sich kein deutlicher Zahnapparat befindet. Der Darmkanal beginnt mit einer bulbusartigen Anschwellung. Derselbe ist dunkel pigmentirt und geht die polyedrische Begrenzung der Zellen an der Oberfläche des Darmes vor der Einmündung in die Cloake in elliptische oder spindelförmige Formen über. Die sehr kurze Schwanzspitze des Männchens ist nicht in die Bursa einbezogen und liegt letztere unterhalb der Schwanzspitze. Die Bursa ist kurz, an der Bauchseite offen und wird getragen von 6 Paar Papillen oder plumpen Rippen, welche in je zwei kleine Knöpfchen auslaufen. Diese scheinen die feine Mündung von Canälen zu tragen, so dass man an Drüsenmündungen denken muss. Die Papillen selbst sind bisweilen gestreckt, öfter besonders ober- halb der Basis aufgetrieben, und scheinen daher contractu zu sein. Dicht unterhalb der Schwanzspitze bemerkt man bei aus- gebreiteter Bursa eine dorsal- und ventralwärts in zwei Arme ge- theilte Spange, wie es scheint, einen chitinösen Stützapparat, wie er auch ähnlich bei Strongyliden vorkommt. Wäre die Bildung an bekannten und unbekannten Entozoen. 117 ebenfalls eine Rippe, so würde sie der Hinterrippe der Strongyliden entsprechen und die Aehnlichkeit in der Bursabildung erhöhen. Ventralwärts von der Cloakenmündung befindet sich ein grosses, kegelförmiges, napfförmiges Organ. Die Aussenwände desselben sind von einer dicken Chitinlamelle gebildet, innerhalb welcher ebenso, wie auf dem Grunde, eine dicke Muskelschicht liegt. In der Mitte ist eine kreisrunde Einsenkung. Es scheint daher dieses Organ ein Saugnapf zu sein. Die gleich langen, dünnen Spicula scheinen bei Flächenansicht aus einer Mittelrippe und aus von Stäbchen getragenen Seiten- lamellen zu bestehen. An abgebrochenen Enden kann man jedoch sehen, dass der Durchschnitt kreisrund ist und dass die Cirrhen aus einem cylindrischen, granulirten, centralen Markstrang bestehen, um welchen rosettenartig, keulige, abgerundet endende Stäbchen an- geordnet sind. Dementsprechend findet man bei guter Beleuchtung die cylindrische Oberfläche der Cirrhen mit polyedrischer Zeichnung versehen. Die Basis der Cirrhen ist leicht kolbig verdickt, die Spitze leicht gebogen. Die Marksubstanz endet etwas verbreitert vor der Spitze. Der Hoden ist einfach, feinkörnig und verläuft in seinem vorderen dünnen Ende vielfach geschlängelt bis fast zum Bulbus des Darmes. Das Weibchen ist etwas kräftiger gebaut, als das Männchen. Die Vulva ragt nicht hervor; in einer Einsenkung der Cutis hegt ein, wie es scheint, hohler Zapfen, welcher dem Saugnapfe zur An- heftung zu dienen scheint. An diese Einsenkung schHesst sich ein kurzer Schlauch von dem zwei den Cirrhen an Länge entsprechende Vaginae abgehen. Die zahlreichen Eier sind oval, von dicker, heller Schale um- geben und enthalten Furchungskugeln oder die erste unentwickelte Anlage des Embryos, welcher hufförmig gekrümmt ist. Von den nahestehenden Gattungen Pelodera und Leptodera unterscheidet sich unser Wurm dadurch, dass bei Pelodera die Vulva fehlt, der Oesophagus zwei Anschwellungen besitzt und der Darm aus zwei Reihen sechseckiger Zellen zusammengesetzt ist. Von Lepto- dera unterscheidet er sich durch die hier ebenso wie bei Pelodera beschaffene Bildung des Darmes. Ausser diesem Unterschiede wäre es mögHch, da Schneider hier Thiere vereinigt, welche in der Form der Bursa, Zahl, Stellung der Papillen, Vorhandensein und Fehlen eines Vestibulum Oesophagi, und Vorhandensein oder Fehlen des Zahnapparates im Bulbus Oesophagi, sehr diiferiren und theils in diesen Organen unserem Wurme ähnhch gebaut sind, theils nicht, denselben hier einzufügen. 118 Dl'. Arthur Mu eller: Helminthologische Beobachtungen 3. Tricliocephalus afflnis, Rud. (Fig. 3). Diesing (Syst. Helminth II p. 290) beschreibt das männliche Geschlechtsorgan: bursa longa cylindrica muricata, apice truncata, vagina penis tubnlosa antice dilatata. Dujardin (Hist. nat. p. 39) Spicule pointu long de 6,75'", large de 0,025'", elargi jusqu'ä 0,038"' par une lame diaphane, gaine tubuleuse, cylindrique, longue de 1,55'" large de 0,07'" toute heris- see de petites epines, ou lames triangulaires , couchees en arriere longues de 0,005'". Schneider (Monogr. d. Nemat. p. 171, Taf. XIII Fig. 6.) „Stacheln d. Scheide spitz, an der Geschlechtsöffaung in grösseren Abständen stehend und grösser, als weiter nach hinten. Die innere Höhle des Spiculum reicht fast bis zur Spitze. Die Chitinmasse des Rohres zeigt feine Querstriche." Auf der Abbildung reichen dementsprechend die Stacheln bis zu dem äussersten Ende der nicht verbreiterten Scheide. Bei einem (? Exemplar aus Cervus capreolus fand ich das Spiculum h'" lang 0,027'" breit, die Scheide 2,4'" lang cylindrisch und, während dieselbe der Beschreibung Dujardins bis auf ihr hinterstes Ende voll- ständig entspricht, ist dieses verbreitet und unbestachelt , an der Basis eingefaltet, so dass die Länge von 0,034'" offenbar nicht der voUen Länge dieses becherförmigen Endstückes entspricht. 4. Trichocephaliis unguiculatus R. (Fig. 4) aus Lepus timidus. Schneider [Monographie d. Nematoden pag. 172, Taf. XIII Fig. 8] sagt über Trichocephalus unguiculatus nur „Scheide glatt, Spiculum sehr dünn und spitz" und bildet dementsprechend an dem Körper- ende des Wurmes nur einen dünnen unregehnässig ausgebuchteten Schlauch ab, in dessen Anfangstheil das dünne spitze Spiculum hineinragt. Dujardin (Histoire p. 37) giebt d. Spiculum 0,01'" breit, 1,87"' (?)lang an. Die Scheide durchsichtig, sehr schmal 1,55'" lang 0,017'" breit etwas spindelförmig verbreitert zu 0,042'" und gegen das Ende mit sehr kleinen Punkten bestreut. Diesing schreibt (Syst. II p. 291): bursa longissima apice dila- tata truncata parce echinata. Vagina penis tubulosa apice attenuata. Rudolphi Entoz. Synops. p. 226: Genitale masculum vagina lon- gissima filiformis apice truncata ex quo styli pars brevissima emergit. In einem Hasen fand ich ein Exemplar, welches der Beschreibung Dujardin's am besten entspricht. Das Spiculum ist indessen 7"' lang, die Scheide ähnlich Schneiders Abbildung, 0,32"' lang und und 0,03'" breit, also im Vergleiche zu Dujardins Angabe zu kurz und dick, daher wohl nicht völlig gestreckt. An ihrem Ende trägt sie einen deutlich abgesetzten hyalinen nach hinten erweiterten Becher von 0,1'" Länge und 0,05'" Breite an der Mündung, welcher an bekainiteii und unbekannten Entozoen. 119 mit äusserst feinen punktförmigen Stacheln dicht besetzt ist. In ihn ragt die Cirrhusscheide ein Stück hinein. Der Cirrhus selbst ist in die Scheide zurückgezogen. 5. Liorhynchus vulpis Duj. In einer Abhandlung über ,,Die Nematoden der Säugethierlungen und die Lungenwurmkrankheit" (Deutsche Zeitsch. f. Thiermed. und vergi. Path. XV. Bd. p. 261 — 321) habe ich als Lungenparasiten des Fuchses nur Crenosoma semiarmatum Mol. u. Trichosoma aerophilum Creplin, als Parasiten der Hundelunge die zweifelhafte Art Strongylus canis bronchialis Osler und eine ohne Namen von Dr. C. Rabe beschriebene Art angeführt. Da V. Linstow in seinem Compendium p. 46 als Synonym für Crenosoma semiarmatum Mol.den Liorhynchus vulpis Dujardin (Histoire naturelle des Helminthes p. 283) angiebt und mir dieses Werk damals nicht zugänglich war, übersah ich, dass der Rabe'sche Wurm offen- bar mit dem Liorhynchus vulpis Duj. identisch ist. Die fernrohrartige Beschaffenheit des Kopfabschnittes und die beiden Organe neben dem Oesophagus, welche Dujardin mit den Lemnisken der Echinorhynchen vergleicht, lassen den Wurm von Crenosoma leicht unterscheiden, mit welcher Form er nur ringförmige Verdickungen oder Falten der Haut gemeinsam hat, welche nach Duj. in der Zahl 16 — 20 vorhanden sind, während Rabe nicht an- giebt, wie viele es sind, und wie weit dieselben sich nach hinten er- strecken. Rabe giebt auch die Beschreibung des Männchens, welches Dujardin nicht beobachtete. Es wäre also Liorhynchus vulpis Duj beizubehalteten und Fuchs und Hund als Wohnthiere zu betrachten. 6—9. Helmintlien von Exocoetus. Im Juni 1890 bekam ich in der Nähe der canarischen Inseln eine Anzahl frischer Exemplare von fliegenden Fischen zur Unter- suchung, welche zwei Arten (sp.V) der Gattung Exocoetus angehörten. Die Untersuchung auf Helminthen ergab im Darme ein Mono- stomum und zwei Echinorhynchen, zwischen den Hautplatten der Flugflossen ein Monostomum. v. Linstow führt in seinem Compendium p. 235 unter No. 1320, Exocoetus exsiliens Gm. als Parasiten auf: Monostomum filum Duj. Hepar et cav. oculorum, Scolex Exocoet. exsil. und Scolex sp. ? Wagener. Es sind demnach ausser dem Mono- stomum filum die gefundenen Würmer noch nicht als in den FKeg- fischen vorkommend bekannt. 120 Dr. Arthur Mn eller: Helmhitliologische Beobachtungen 6. Echinorhynchus pristis Rud. (Fig. 5) aus Exocoetus evolans und exsiliens (?) Darm. Von ähnlichen Formen, mit bewaffnetem Körper und einer grossen Zahl 30 — 60 Querreihen von Rüsselhaken kommen in Betracht : E. pristis, Rud. lateralis Mol. und Nardoi Mol. E. lateralis und Nardoi haben einen kurzen nackten Hals, E. pristis hat keinen Hals. E. Nardoi hat einen spindelförmigen, in der Mitte verbreiterten Rüssel, E. lateralis einen keulig am Ende ver- dickten und gebogenen Rüssel und zeichnet sich durch 4 Stachel- reihen vor dem abgestumpften Körperende aus. Pristis hat einen cyhndrischen, am Ende kaum verdickten Rüssel mit 30 — 40 Haken- reihen, lieber die Körperstacheln sagt Rudolphi: parte antica tres lineas longa seriebus aculeorum fortium (crassorum) et sanguine- orum obliquis, remotis, duodecim armata; apice caudali obtuso. Die von mir in Exocoetus evolans und exsihens gefundenen Formen unterscheiden sich etwas von der für pristis gegebenen Be- schreibung und haben Aehnlichkeit mit dem von Natterer in Cory- phaena hippuris gefundenen Echinorhynchus, welchen Dujardin^) wegen geringerer Grösse, und relativ grösserer Länge des Rüssels 3,37'" bei 15'" Körperlänge, für verschieden von pristis hält. Von den Körperstacheln des Echinorh.sp. Natterer sagt Dujardin: aiguillons forte diaphanes triangulaires , avec une nervure medine comme des feuilles de mousse. Die Maasse der in Exocoetus gefundenen Exem- plare sind folgende: Körperlänge des Männchens 4,7'" — 5,5'", Breite 0,4"'; Länge des Weibchens 10,0'"— 11,0'"; Länge des Rüssels bis 1,8"'; Ver- hältnis der Körperlänge zur Dicke 15 — 25:1; Rüsselhaken schlank 32 Längsreihen 40 — 50 Querreihen; Hakenlänge 0,066'", Dicke nach der Krümmung 0,006'". Kein Hals. Die Körperstacheln stehen in bis 18 Querreihen und 10 Längsreihen, sind 0,083'" lang und in der Mitte 0,033'" breit. Sie erstrecken sich auf etwa 2,5'" Länge. Die Eier sind 0,023'" lang und 0,017"' breit. Der Körper des Männchens ist hufeisenförmig gebogen, das Leibesende des Weibchens ist spiralig aufgerollt. Die Haut ist, besonders beim Weibchen, im hinteren Theile des Leibes quergeringelt, wie segmentirt. Die Stacheln des Körpers sind von dreieckig- flaschenförmiger Gestalt mit flaschenförmiger Pulpa, welche letztere auf ihrer Ober- fläche fein gestrichelt, wie behaart erscheint. Die Stacheln stehen in weiten Abständen von einander in Quincunxstellung und werden nach dem Schwanzende zu kleiner und seltener. Offenbar sind die- selben sehr hinfällig und nur die ersten Querreihen pflegen vollzählig zu sein, während die letzten Reihen oft ganz fehlen. Bis zum Be- 1) Duj. Syst. p. 535. an bekannten und unbekannten Entozoen. 121 reiche der 5. bis 6. Querreihe lässt sich das vordere Körperende mit dem Rüssel gemeinsam einstülpen und ersetzt so gleichsam einen Hals. Die männliche Geschlechtsöffnung ist ein von wulstigen Lippen umgebener von dem Leibesende nach der Bauchseite verlaufender Spalt. Von einem glockenförmigen hervorstülpbaren Organ ist nichts zu finden. Die Vulva des Weibchens ist bauchständig, und von einem wulstigen Ringe umgeben, welcher an seiner hinteren Peripherie eine über die Genitalöffnung gekrümmte fingerförmige Papille trägt, welche dem Männchen vielleicht zur Fixierung dient. Vor der Geschlechts- öffhung ist der Körper etwas verbreitert. Die Eier sind stumpf-oval und besitzen eine einfache dicke Schale von brauner Farbe, sie sind 0,03'" lang uud 0,02'" breit. Erst eine grössere Anzahl von Befunden und genauere Beschreibung derselben wird feststellen lassen, ob es sich um mehrere ähnliche Arten, oder nur um Varietäten einer Art handelt. 7. Echinorhynchus annulatus Molin. (Fig. 6). Denkschr. der kaiserl. Academie Wien. 29. p. 267 . Im Darme von Exocoetus evolans (?) fand ich ein Exemplar von E. annulatus Mol. Der Beschreibung Molin' s habe ich nur hinzu- zufügen, das die Rüsselhaken zweierlei Form besitzen. Die unteren Reihen sind schlanker und haben eine kurze, knopfförmige Wurzel, welche in ein Nussgelenk passt, welch Letzteres durch eine Ver- dickung einer zwischen den Stacheln dünnen Chitinlamelle ge- bildet wird. Die Stacheln, welche der Spitze näher stehen, haben einen wenig gebogenen Wurzelast, welcher mit dem Haken fast gleiche Länge hat. Der Rüssel hat 32 Längs- und 15 Querreihen von Haken. Der erste Stachelring des Körpers wird von in 10 — 12 Querreihen und 50 Längsreihen geordneten schmalen Schuppenstacheln mit Mittelrippe gebildet, welche durch breite Zwischenräume getrennt sind und in Quincunxstellung stehen. Es spricht dies dafür das dieser Theil des Körpers eingestülpt werden kann. Die 12 Querreihen und 60 — 70 Längsreihen von Schuppenstacheln auf dem zweiten ver- dickten Ringe entspringen von fünfseitigen aneinander grenzenden Chitinfeldern der Cutis und greifen dieselben dachziegelförmig über- einander. Die Schuppenstacheln sind von ähnlicher Form, aber mit viel breiterer Basis als die des erstes Ringes. 8. Monostoma fllum, Dujardin (Fig. 7). Histoire des Helminth. p. 362. Dujardin beschreibt nach einem schon macerirten Exemplare aus dem Darme von Scomber scombrus ein Monostoma, welches sich durch fadenförmige Gestalt mit sehr grossem Saugnapfe auszeichnet: 122 Dr. Arthur Mueller: Helminthologische Beobachtungen termine en avant pas une large Ouvertüre oii ventouse cupuliforme. Seitdem wurde dieser Wurm nur von Wagener in Cysten der Orbita und der Leber von Exocoetus exiliens wiedergefunden. Die Identität dieses Befundes mit dem Dujardin's bezweifelt schon Diesing^). Im Darme von Exocoetus exiliens und evolans (?) fand ich zwei unreife Exemplare und 4 Kopfstücke von zwei reifen Exemplaren eines Wurmes, welcher mit Dujardin's Monostoma filum identisch sein dürfte, obgleich die Maasse nicht völlig stimmen. Länge (der unreifen Exemplare) 10 — 13'". Breite 0,6 — 0,7'", Saugnapf 0,4 — 0,5'", Länge des Oesophagus 0,4 — 0,5'", Länge des verdickten vorderen Körperabschnittes 2,3—2,7'", EierO,02 -0,03'" lang und 0,014—0,02'" breit. Der Körper ist cylindrisch, der vordere, sowie der hintere Ab- schnitt dicker und ist der vordere, Abschnitt gegen den mittleren, halsartigen Abschnitt ziemlich scharf abgesetzt, während dieser Hals nach hinten allmähHch, entsprechend dem Auftreten der Uterus- schlingen, anschwillt. Der grosse Saugnapf liegt am vorderen Körperende schief zur Längachse des Körpers und scheinen in den Grund seiner dreieckigen Höhlung nach vorne der Oesophagus, in der Mitte die Genitalgänge auszumünden, was wohl auch Dujardin mit dem Ausdrucke: „Ouver- türe ou ventouse cupuliforme" hat bezeichnen woUen. Ein Cirrhus wurde nicht gefunden. Der Oesophagus besitzt keinen Bulbus, ist dünn und theilt sich spitzwinklich in zwei dünne pigmentirte Darmblindsäcke, welche sich bis nahe an das Körperende verfolgen lassen. Bei den unreifen Exemplaren beginnen die Schlingen des Eierganges etwa in der Körpermitte und sind im Beginne an den Seiten am deutlichsten, was mit Dujardins Angabe: „oviducte formant deux cordons sinueux" übereinstimmt. Nach hinten zu werden die Schlingen knäuelförmig gehäuft und in dem kleineren Exemplare fanden sich vor dem Körperende zwei grössere und ein kleinerer runder Körper, welcher die Hoden und das Ovar sein mögen. In den beiden Kopfstücken waren die Eier- gänge bis zur Mitte der Saugnäpfe mit reifen braunen stumpf ovoiden Eiern prall gefüllt. Von den „tubercule rond situe en dessous. pres de l'extremite caudale" Dujardin's konnte ich nichts bemerken, das- selbe könnte wohl eine hervortretende Uterusschlinge oder ein Hoden, der die Haut des macerirten Thieres ausbuchtete, gewesen sein. Dünne verschlungene pigmentirte Gänge im Endabschnitte möchte ich für Dotterstöcke halten. ^) Nachtrag zur Revision der Myzhelminthen pag 427. bekaunteii und unbekannten Entozoen. 123 9. Monostoma fllicolle Rud. (?) Fig. 8. Von ähnlichen Arten kommen in Betracht Monostoma fiUcolle Rud. und Mon. tenuicoUe Rud. Rud. Synops. p. 85, 346, 347, No. 18, 17. Rudolphi giebt als Unterschied des fiUcolle vom tenuicolle an: porus apicis tenioris obscurus coUum longissimum." Die auf die Windungen des Uterus basirten Unterschiede dürften nicht wesentlich sein. In der Abbildung, welche Rudolphi von M. tenuicolle giebt, erscheint dasselbe relativ viel kürzer und plumper, als unsere Art und steht in der Form zwischen filum Duj. und filicoUe Rud. Monostoma filicolle Rud. Länge 10 — 20'", Dicke des Kopfendes 0,2'", dickste Stelle alter Exemplare 2,0'", Länge des Saugnapfes 0,05—0,07'", Länge des Bulbus Oesophagi 0,03—0,037'", Länge des Oesophagus 0,27—0,37'", Entfernung der GenitalöfPnungen vom Munde 0,067'", respective 0,083'". Der Körper des jungen Thieres ist fadenförmig, nach hinten etwas verschmälert, bei den älteren Thieren ist das hinterste Viertel des Körpers, bisweilen auch ein etwas grösserer Theil durch grosse Eiermassen stark aufgetrieben und röthchbraun bis schwarzbraun gefärbt. Das Leibesende nimmt an dieser Auftreibung nur wenig Theil und setzt sich als kurze Spitze von dem verdickten End- abschnitte ab. An der Spitze dieses kleinen Kegels liegt der Porus excretorius. Auf der sonst glatten Haut liegen kleinste kugelige stark lichtbrechende Gebilde, oft zu vier Stück rosettenartig vereinigt, welche im Vereine mit den braunen Eiern eine dunkele Färbung bewirken. Ob dieselben dem Körper des Thieres angehören oder ob sie krystallinische oder pflanzhche Auflagerungen sind, kann ich nicht entscheiden. Der Mundsaugnapf ist sehr klein — Rudolphi sagt „obscurus" und endständig. An ihn schliesst sich ein glockenförmiger Bulbus Oesophagi oder Pharynx von gleicher Grösse, und von diesem geht der sehr dünne Oesophagus aus, welcher sich bald in zwei dickere Darmsäcke gabelt. Wie weit dieselben sich erstrecken, konnte nicht verfolgt werden, doch scheinen sie bis weit in den hinteren Abschnitt zu reichen. Die Genitalöffnungen liegen dicht hintereinander in der Höhe des Bulbus Oesophagi. Die Ausführungsgänge der Geschlechtsdrüsen laufen zunächst neben dem Oesophagus, alsdann neben oder zwischen den Darmschenkeln. Der Eiergang ist meist kurz geschlängelt und oft bis an die Mündung mit einzelnen Eiern oder auch grossen Eiermassen gefüllt. In dem hinteren, dickeren Körperabschnitte knäuelt sich der Eiergang in dicke Schhngen auf, welche alle anderen Organe verdecken und nur die äusserste Spitze des Körpers welche höchstens eine dünnere Schlinge enthält, frei lassen. 124 Dr. Arthur Mueller: Helminthologische Beobachtungen In dem hinteren Körperabschnitt konnten an den Seiten neben den Uterusschlingen einzelne kleine Dotterstöcke bemerkt werden. Hoden konnten in dem Convolute der Uterusschlingen nicht ent- deckt werden, ebensowenig das Ovarium oder die Schalendrüse. Bei einigen Exemplaren befanden sich dicht vor der Bifurcation des Oesophagus je 2 0,026 — 0,036'" dicke, kleine, undeutliche, kugelige Gebilde jederseits, die bisweilen verschmelzen. Da das Vas deferens sich an ihnen vorbei verfolgen lässt, können es die Hoden nicht sein. Die Eier sind 0,028—0,03'" lang und 0,018—0,023'" breit, dunkelbraun, stumpf-elliptisch. Die Schale ist 0,003'" dick und besteht aus drei Schichten, einer dunkleren inneren, einer hellen mittleren und einer glasartigen äusseren Schicht. Ich fand diesen Wurm, der seit Rudolphi nicht wieder beobachtet worden zu sein scheint, zahlreich in den Flugflossen von Exocoetus evolans(?) und exihens(?) längs der Flossenstrahlen aufgeknäuelt zwischen den beiden Lamellen der Flossen als langgestreckte, gelbliche bis schwärzliche Verdickungen. Rudolphi fand den Wurm bei Brama Rayi. Diesing betrachtet das Monostoma filicolle als identisch mit Distomum Okenii KöUiker, dem getrenntes Geschlecht beigelegt wird, welche Annahme später mit Bezug auf von Beneden widerrufen wird. Ich habe einen Saugnapf, ausser dem winzigen Mundnapfe, welcher die Spitze des Körpers einnimmt, bei meinen Exemplaren nicht finden können und halte die dünnen Exemplare, welche von Beneden bei Distom. Okenii Köll. für Männchen, respective Zwitter mit verkümmerten weiblichen Organen hält, für unreife Thiere. Es ist also entweder die Art Monost. fiHcolle Rud. aufrecht zu erhalten, oder, wenn Rudolphi's Art aus Brama Rayi mit Distomum Okenii Köll. identisch ist, der vorbeschriebene Wurm eine neue Art. 10. Distoma (Echinostoma) militare Rud. (Fig. 9). Diesing: Syst. Helminth. L p. 384. v. Linstow: Arch. f. Naturg. 1873, p. 106, Larve. Synonym: uncinatum Crepl.? Habitaculum nov. Rallus aquaticus. Länge 6,75—11,25'". Breite 0,56—1,0'". Körper abgeflacht, linear, hinten stumpf abgerundet oder abgestutzt, die Cutis bis- weilen in grösseren Abständen leicht eingeschnürt, wie segmentiert. Der Kopf ist rundlich bis queroval, mit 39 graden Stacheln versehen, welche in zwei Reihen gestellt und von verschiedener Grösse sind. Die kleinen Stacheln messen 0,043'", die grösseren 0,055 — 0,066"'. Fünf jederseits sind von den anderen etwas getrennt in einer Gruppe angeordnet. Der Mundnapf elliptisch, 0,13'" breit, am vorderen Ende der durch die Stachelwulste gebildeten Grube liegend, bisweilen die vorderste Körperspitze bildend, so dass der Kopf stumpf-herzförmig an bekannten und unbekannten Entozoen. 125 erscheint. Mit ihm direkt zusammenhängend findet sich der 0,14'" lange kräftige Bulbus ösophagi. Der Oesophagus selbst ist, dem kurzen gedrungenen Halse entsprechend, kurz, die Gabelung befindet sich, wie bei allen Echinostomen vor den Genitalmündungen, zwischen OS und acetabulum. Der Hals ist kurz, hoch, vorn verschmälert, auf der Unterseite concav, nach dem grossen Bauchnapfe zu verbreitert. An den Rändern des Halses stehen wenige Reihen sehr hinfälliger 0,02'" langer, nach hinten gerichteter Stacheln. Der Saugnapf ist sehr gross, 0,6'" im Durchmesser, nach der Bauchseite hervorragend, vor ihm befinden sich die Genitalöfi"nungen. Der Cirrhusbeutel liegt dorsalwärts nach vorn vom Bauchnapfe und ist 0,5'" lang. Die Dotterstöcke liegen in den Seiten des Körpers, vom Schwanzende bis zum Bauchnapfe. Der Dottergang liegt etwa in der Körpermitte, vor ihm das Ovar und die Schlingen des Uterus, hinter ihm hintereinander die grossen elliptischen bis abgestumpft -rechteckigen Hoden. Die Eier sind 0,1 — 0,103'" lang. Das Schwanzende ist abgestutz oder stumpf abgerundet und trägt in der Mitte die Oefihung des porus secretorius und eine ovale Blase, sowie die Enden der Darmschenkel. Die Stacheln des Halses sind oft abgefallen und, weil nur in wenigen Reihen längs des Randes vorhanden, oft schwer zu sehen. Distomum uncinatum Cepl. dürfte mit militare identisch sein. 11. Distoma (EcMno Stoma) segmentatum sp. nov. Habitaculum: Vidua paradisea. Africa. Intest, tenue. Länge bis 2,25'". Der Körper wird gebildet aus einem vom Rücken oder Bauche aus gesehen, kurz herzförmigen Kopfe, auf dessen Bauchseite nach hinten zu sich die wulstigen Ränder jeder- seits kissenartig verbreiten und fast die Mittellinie erreichen. Der Aussenrand dieser Wülste ist mit einer Doppelreihe verschieden grosser gerader Stacheln besetzt. Auf den Kissen steht, von den Saumreihen getrennt, jederseits eine Gruppe von 5 Stück grosser Stacheln von 0,6'" Länge und einer kleinen von 0,35'" Länge. Die grösseren Stacheln der Doppelreihe messen 0,053 — 0,057'" die kleineren 0,037'" an Länge. Im ganzen finden sich 36 (38?) Stück Stacheln. Die ersten 4 Stacheln von den Seitengruppen an gezählt, scheinen jederseits in einfacher Reihe zu stehen und sind gleich gross. Der Mundnapf liegt auf der Unterseite der Kopfspitze. Die Mundööhung ist fast kreisrund, nach hinten etwas spitz ausgezogen, der Mundnapf 0,07'" breit. An den Kopf schliesst sich ein cylindrischer Hals, welcher sehr dehnbar ist. Derselbe ist dicht mit schuppenartigen, dreieckigen Stacheln von 0,013'" Länge bedeckt, welche auf der Seitenfalte, welche durch die Aushöhlung des Halses auf der Bauchseite gebildet wird, besonders stark hervorspringen. 126 Dr. Arthur Mueller: Helminthologische Beobachtungen An den Hals schliesst sicli der grosse Bauchnapf an, welclier 0,3'" im Durchmesser hat und auf der Bauchseite mit runder Oeffnung mündet. In der Höhe des Bauchnapfes beginnt, zuerst an der Rückenfläche über demselben, alsdann auch bald an der Bauch- fläche, eine Segmentirung der Cuticula hervorzutreten und mit der deutlichen Ausbildung derselben schliesst sich die Gruppirung der Stacheln den Rändern der Cuticularringe an. Am eigentlichen Körper, woselbst die Ringe über einauder greifen, wie die Glieder eines Insektenkörpers, sind dieselben nur an den Rändern mit feinen Stacheln besetzt. Die Glieder sind an der breitesten Stelle des Körpers 0,037'" lang. Hinter dem grossen Bauchnapfe folgt mit einem dünnen sehr dehnbaren Theile beginnend, der flaschenförmige, gegliederte Körper. Gegen das hintere Körper- ende zu, setzen sich die Gheder weniger scharf von einander ab und hört die Bestachelung allmählich kleiner werdend schliesslich ganz auf. An den gegliederten Körper schliesst sich ein 0;2"' langer elliptischer Anhang an, welcher an seinem Ende die kreisförmige Mündung des Excretionsorganes trägt und die Enden der beiden Blinddarmschenkel enthält. An den Mundnapf schliesst sich fast direct, nur durch ein höchstens 0,002'" langes Zwischenstück getrennt, der 0,06'" lange, schmale Bulbus ösophagi an und auf diesem folgt ein sehr dünner Oesophagus, dessen Länge mit der Contraction des Halstheiles wechselt und welcher sich dicht vor dem Bauchnapfe in zwei dünne Blinddärme gabelt. Etwa in der Mitte des spindelförmigen Theiles des Körpers hegt der Vereinigungsgang der Dotterstöcke, welche Letztere die Seiten des Körpers vom Schwanzanhange bis zur vorderen Ver- schmälerung des Körpers einnehmen. Hinter dem Dottergange liegen die beiden grossen Hoden dicht hinter einander. In gleicher Höhe mit dem ductus vitelligerus liegt ein kleineres, querovales Organ, welches ich für die vesicula seminalis inferior halte und vor dieser, deuthch begrenzt, die Schalendrüse mit dem ersten geformten Ei. Undeutlicher ist ein grosszelhges, leicht ge- lapptes Organ vor dem Dottergang, das Ovarium. Die dünnschaligen Eier sind 0,1'" lang und 0,06 — 0,07'" breit, elliptisch. An einem Pole ist die Eischale etwas verdickt. Ich fand 7 — 12 Eier in einem Thiere, welche in dem wenig gewundenen Uterus zwischen Schalen- drüse und Acetabulum Hegen. Der Cirrhusbeutel und die Vesicula spermatica superior liegen dorsalwärts und nach vorn von dem Bauchnapfe und mündet die männhche Genitalöffnung vor der weiblichen, dicht vor dem Bauch- napfe an der ausgehöhlten Bauchseite des Halses. Ein hervorragender Cirrhus wurde nicht gefunden. Zur Benennung schlage ich nicht den auffallenden Schwanz- anhang vor, sowohl weil der Name caudatum schon durch v. Linstow vergeben wurde, als auch, weil dieser Anhang offenbar leicht ab- an bekannten und unbekannten Entozoen. 127 gestossen werden kann und einigen Exemplaren fehlte. Auch bei dem Distomum caudatum v. Linstow (Arch. für Naturg. 1873 p. 103) = leptostomum Olsson (K. svenska vetensk. Acad. Handl. Band X. 1. Stockholm 1875) aus Erinaceus europaeus ist der Anhang offenbar nur bei lebenden Thieren oder in einem gewissen Alter deutUch sichtbar. Bei etwa 60 in Alkohol conservirten Exemplaren und einem lebend beobachteten einzelnen Stücke konnte ich ihn nicht finden und auch Olsson beobachtete ihn nicht. Dagegen konnte ich bei mehreren Exemplaren den 0,05'" langen kegelförmigen glatten Cirrhus, dicht hinter welchem die von einem kurzen, ringartigen Wulste umgebene Vulva liegt, hervorgestreckt finden. Da der Name caudatum auf ein nicht immer vorhandenes oder deutliches Organ basirt ist, würde der indifferentere Name Olsson's: leptostomum vorzuziehen sein. 128 Dr- Arthur Mueller. Erklärung der Abbildungen. Fig. 1. Filaria gastrophila nov. sp.? A. Kopfende. B. Vereinigungsstelle von Oesophagus und Darm. C. Mündung des weiblichen Geschlechtskanales. a. Vulva, b. Vagina, c. Uterus, d. Darm. D. weibliches Hinterleibsende. a. Anus. E. männliches Hinterleibsende : a. Hoden, b. Darm. c. Spicula. F. weiblicher "Wurm in natürlicher Grösse. ■ Fig. 2. Strongyluris brevicaudata. nov. sp. A. männliches Leibesende von der Seite: a. Hoden, b. Darm. c. Spicula. d. Saugnapf. B. dasselbe von der Bauchseite c. Spicula d. Bauchnapf. C. Spiculum a. Spitze b. Querschnitt c. Wurzel. D. weibliches Leibesende. E. Weibchen in natürlicher Grösse. Fig. 3. Cirrhusende von Trichocephalus affinis Rud. Fig. 4. Männliches Leibesende von Trichocephalus unguiculatus Rud. Fig. 5. Echinorhynchus pristis Rud. a. Rüsselhaken b. Schuppenstachel des Körpers c. männliches Hinterleibsende von der Bauchseite d. von der Seite e. weibliches Leibesende von der Bauchseite. Fig. 6. Echinorhynchus annulatus Mol. a. vorderer Rüsselhaken b. hinterer Rüsselhaken c. Stück aus dem vorderen Stachelringe d. aus dem hinteren Stachelringe. Fig. 7. MonoStoma filum Duj. Fig. 8. MonoStoma filicolle Rud. a. unreifer b. reifer Wurm in natürlicher Grösse c. Kopfende von der Fläche d. von der Seite. Fig. 9. Distoma (Echinostoma) militare Rud. Kopf. Fig. 10. Distoma (Echinostoma) segmentatum nov. sp. A. ganzer Wurm in natürlicher Haltung von der Seite (nach einer Photographie), a. Mund- napf b. Bulbus des Ösophagus c. Teilungsstelle des Ösophagus d. Cirr- husbeutel e. ßauchnapf f. Schalendrüse mit einem Ei g. Eierstock h. Vesicula seminal. inferior, i. Dottergang k. Hoden 1. Dotterstöcke m. Blinddarmenden n. Mündung des Excretionssystems. B. Kopf von der Bauchseite. Vergleichende Morphologie des Abdomens der männlichen und weiblichen Lampyriden, Canthariden u. Malachiiden, untersucht auf Grund der Abdominalsegmente, Copulationsorgane, Legeapparate und Dorsaldrüsen. Ein Beitrag zur Kenntniss der Phylogenie der Coleopteren. Vou Carl Vephoeff, Dr. phil. Bonn a. Rh. Hierzu Tafel VIII— XI. I. Yorbemerkungen. In „vergleichenden Untersuchungen über die Abdominalsegmente und Copulationsorgane der männlichen Coleoptera" und „vergleich. Untersuch, über d. Abdomin.-Segm. und Legeapparate der vi^eibhchen Coleoptera" 1) habe ich versucht, an der Hand von 17 besonders wichtigen Familien eine allgemeine Uebersicht über das Ab- domen der Coleopteren vorzuführen. — Es waren nun besonders meine einerseits an Rhynchoten, andererseits an der Coleopteren- gruppe der Eleutherosiphona m. gewonnenen neuen Gesichts- punkte und Resultate, welche mich bestimmten, jene Coleopteren- Familien in einzelnen Arbeiten noch genauer abzuhandeln, um eine genügende Basis zu schaffen für ein fernes aber trotzdem nicht unerreichbares Ziel, die Schaffung eines natürlicheren und zwar mögHchst natürhchen Systemes der Insekten-Klasse Coleoptera, mit besonderer Berücksichtigung der Ordnungen, Familien und Unterfamilien. — Die männlichen Elateriden wurden bereits abgehandelt, 2) die Coccinelliden, Silphiden und Carabiden habe ich unter Händen. Die Coccinelliden erregten mein Interesse besonders durch ihren so ganz eigenartigen Copulationsapparat. (Vergl.auch: Deutsche entomol.Zeitschr. 1894; über den Copulations- apparat männlicher Coleopteren.). 1) Deutsche entomol. Zeitschr. Berlin 1893. Heft 1 und 2. -) Zoologischer Anzeiger 1894, No. 443. Aich. f. Naturgesch. Jahrg. 1894. Bd. I. H. 2. 9 130 Dl'- Carl Verhoeff: Vergleichende Morphologie des Abdomens Die Malacodermen nahm ich jetzt mit besonderem Interesse in Angriff, weil sie mir durch ältere und neuere Untersuchungen als eine der ursprünglichsten und darum auch für das Verständniss der ganzen Klasse wichtigsten Coleopteren-Gruppen bekannt waren. — ■ Ob es mir möglich sein wird, das ganze, grosse Heer der Coleo- pteren in der Weise, wie es mit den hier besprochenen FamiHen geschieht, durchzuarbeiten, das vermag ich auch bei dem besten Willen nicht zu sagen. Jedenfalls darf ich mit den Resultaten dieser Untersuchungen zufrieden sein und mich darum trösten, nicht umsonst mich bemüht zu haben. Ich hoffe, dass in dieser Bahn andere Forscher mitschreiten und mitarbeiten werden i). Ich will gleich bemerken, dass es in meiner Absicht liegt, später auch die Thorakalsegmente ebenso durchzustudieren, wie nun die Abdomirialsegmente, um auch daraus Stützen für ein natürliches System zu gewinnen. Es sei auch noch auf meinen Aufsatz „Zur vergleichenden Morphologie des Abdomens weiblicher Coleopteren^)^' hingewiesen, da derselbe eine wichtige Verbesserung meiner früheren Darlegungen enthält. Wir werden sehen, dass mit dieser Verbesserung auch vorliegende Untersuchungen vollkommen harmoniren. Diese Arbeit dürfte zur Genüge den Unterschied zeigen, welcher besteht zwischen einer allgemeinen, die Coleopteren im Ganzen be- handelnden Arbeit über das Abdomen (wie die oben angeführte) und einer solchen, welche (wie die vorliegende) eine einzelne Ordnung derselben (oder zwei) zum Gegenstande hat. Jeder Vorurteilsfreie wird nun nicht verkennen, dass gerade für die verschiedenen Spezialarbeiten, obwohl sie weniger leicht einen Detailfehler enthalten werden als eine allgemeine Arbeit, doch erst durch Vermittelung der allgemeinen Vorarbeit die leitenden Gesichtspunkte geschaffen werden, welche uns befähigen, eine Spezialarbeit über das spezielle Gebiet zu erheben und zu einem Gliede einer ein Ganzes ausmachenden Kette zu gestalten. Die Vorarbeit musste erst lehren, dass die Malacodermen einfache Coleopteren seien und dann konnte ich mich an dieselben heran- begeben und sie genauer durcharbeiten, um noch weitere Aufschlüsse über ihre niedere Organisation und ihre verwandschaftKchen Be- ziehungen zu anderen Coleopteren-Gruppen zu erhalten. — Wie ich schon früher nachgewiesen habe, besteht das Abdomen der Coleopteren bei sehr vielen Formen in beiden Geschlechtern noch aus 10 Segmenten. Die 10. und 1. V. fehlen aber in beiden Geschlechtern bis auf ganz minimale Reste immer. Je mehr sich nun eine Gattung von dem ursprünglichen Vorkommniss von 10 gut ausgebildeten D. (1. — 10.) und 8 gut ausgebildeten V. (2. — 9.) ent- fernt hat, um so jünger ist eine solche Gattung. Diejenigen ^) Etwas hat sich diese Hoffnung auch schon erfüllt. ^) Deutsche entom. Zeitschr. 1894. d. mämilichen n. weiblichen Lairipyriclen, Cantharitlen u. Malachiideii. 131 Segmentplatten, Avelche besonders häufig in Wegfall kommen können, sind die 2. V. 9. D. imd 10. D. Aber auch die 8. V. und 9. V. können einem Schwund anheimfallen. Dagegen ist es mir bei Coleopteren noch nie vorgekommen, dass eine der folgenden Platten verschwände: 1. D.^ — 8. D. (incl.j und 3. V.— 7. V. (incL). Schon aus meinen früheren Mitteilungen kann man ersehen, dass verschiedene der den 3 letzten Segmenten angehörigen Platten entweder sehr eigenartige, von der Plattenform sich oft sehr weit entfernende Umbildungen erfahren können, oder dass sie an ihrem Vorderende ins Körperinnere ragende, mehr weniger lange Muskel- stangen abgehen lassen. Alle diese Bildungon, welche von dem ursprünglichen, einfachen Bau des Abdomens, in dem es sich nur um typische Segmentplatten handelt, mehr oder weniger abweichen, geben uns einen Anhalt, um zu bestimmen, wie weit die betreffenden einzelnen Gattungen vom Bau des Urkäfers abgewichen sind; kurz sie sind eine vorzügliche Handhabe zur Bestimmung der phylo- genetischen Stellung der einzelnen Käfergattungen. Aber auch die Platten der übrigen Segmente sind in dieser Hinsicht nicht bedeutungslos, denn die 2. und 3. können am Baue eines Ventralphragmas gegen die Coxa HI teilnehmen und dabei kommt die 2. V. häufig mehr weniger in Wegfall. Ferner zeigen die 3. — 6. V. bei höheren Gruppen das Bestreben mit einander fest zu verkitten und dadurch ein Ventralbecken zu bilden. Sehr häufig sind die Fälle von Zweiteiligkeit irgend einer Platte. So ist z. B. die 9. V. der weiblichen Coleopteren nie anders als zwei- teilig anzutreffen, besonders häufig auch die 9. D. desselben Ge- schlechtes, aber keineswegs immer. Die 9. V. der Weibchen tragen, mit seltenen Ausnahmen, (Dytiscinae) einen Stylus, welcher gelenkig inserirt ist. Bei der Ordnung der Caraboidea sind die Styli fast immer in Grab klauen metamorphosiert. Ovipositoren fehlen den $ Coleopteren, nur bei Dytiscus und Malthinus konnte ich Beste nachweisen. Die Parameren, welche die Homologa der Ovipositores posteriores vorstellen und einem ventralen Gliedmaassenpaar ent- sprechen, (wie die 4 Paare der Mundteile und die Antennen) fehlen bei Coleopteren (soweit bekannt) nie, sind aber in vielen Fällen einer Reduction anheimgefallen, ja man kann sagen, dass bei mehreren Ordnungen der Coleopteren (z. B. den Caraboidea und der Fam. der Chrysomeliden) geradezu eine Tendenz zum Auf- geben der Parameren herrscht. Aber es kommt, wie gesagt, nie zu deren völligem Schwunde. Mit der 10. V. fehlen den männlichen sowohl wie weiblichen Coleopteren Cerci und Terminalschuppe immer. Stigmen kommen im einfachsten Falle am 1. — 8. Abdominal- segmente vor und liegen meist in der Pleurenhaut. Ueber Pleuren- platten und Dorsaldrüsen werde ich im Folgenden nähere Mitteilung machen. 132 Dr. Carl Verhoeff: Vergleichende Morphologie des Abdomens Die Malacodermata wurden bisher als eine der vielen Coleopterenfamilien gefasst, die auch heute noch eine lange unübersichtliche Eeihe darstellen. Es sind bisher nur ganz wenige Versuche gemacht, diese vielen Familien zu natürlichen Ordnungen zu gruppiren (Schioedte, Roger, Preller, Imhoff u. a.). Die ungeheure Formenfülle gestaltet diese Aufgabe zu einer überaus schwierigen. Mit besonderem Erfolg hat Schioedte^) gearbeitet, indem er die Larven studirte. Lindemann^) hat seine vortrefflichen Unter- suchungen am Thorax der Coleopteren leider nicht weiter an be- sonderen FamiKen durchgeführt und auch 1. c. kommt er in Bezug auf natürliche Systematik nicht über Andeutungen hinaus. Aber diese Andeutungen waren vorzügKche und hätten von andern Zoologen verwertet werden sollen. Leider scheint fast Niemand seine Arbeit studirt zu haben. Thatsache ist, dass, [wenn wir von Ganglbauers Caraboidea etwa absehen] heute eine noch schlimmere Uebersichtslosigkeit im Reiche der Coleopteren herrscht als ehedem. Man nehme z, B. den „Catalogus Coleopterorum Europae et Caucasi" oder den „Redtenbacher" (Fauna Austriaca) in die Hand. Beide Werke glänzen durch einen „Bandwurm" von Familien. Wie trefflich ist dagegen Imhoff s „Versuch einer Einführung in das Studium der Coleopteren"! Ein solches, wirklich gediegenes Buch aber wird nicht benutzt, ein Umstand, der sich ja schon aus dem Mangel weiterer Auflagen ergiebt. Freilich ist von phylogenetischen Gesichtspunkten auch in Imhoffs Werk nichts zu spüren, was aber in der Zeit (185-6) seine genügende Erklärung findet. Phylogenetische Gesichtspunkte fehlen ja auch noch in Ganglbauers Arbeit 3) und doch wird ohne diese ein genügendes morphologisches und darum auch systematisches Verständniss der Coleopteren ganz gewisslich niemals erreicht werden. Kolbe*) benutzt allerdings phjdogenetische Gesichtspunkte, aber ihnen fehlt jegliche Begründung und darum sind es Gebäude ohne Fundamente. Wirklich begründete phylogenetische Darlegungen gab uns dagegen Roger ^), aber leider sind diese seine vortrefflichen Anfänge noch wenig weiter ausgebaut worden. — Da ich mich bereits mit Mundteilen, Flügeln, Thorax und Abdomen der Coleopteren be- schäftigt habe, so darf ich behaupten, dass alle diese Organgruppen phylogenetisch verwertbar sind, aber ich muss hinzufügen, das Abdomen ist in dieser Beziehung die wichtigste Organgruppe, schon deshalb weil es bei jeder Form auf zweierlei Weise aus- ^) De Eleutheratorum Metamorphosi. -) Ueber den Bau des Skelettes der Coleopteren. Das Skelett der Brust. 1865, ^) Die Käfer von Mitteleuropa. Bd. I. Caraboidea, *) Natürliches System der caniivoren Coleoptera. Berlin 1880. ^) Das Flügelgeäder der Käfer. Erlangen 1875. d. mcännlichen u. weiblichen Lampyriden, Canthariden u. Malachiiden. 133 gebildet wurde. Deshalb aber dürfen die andern Körperregionen nicht vernachlässigt werden, vielmehr ist es sehr geboten, auch Mundteile (wie überhaupt den ganzen Kopf) Thorax und Extremitäten im äusseren und inneren Baue zu studiren. Indem ich in dieser Arbeit meine Untersuchungen am Abdomen der Malacodermen vorlege, hoffe ich ein Schärflein zur Erkenntniss der Anatomie und Phylogenie der Coleopteren beizutragen. Es wird hierdurch meine schon a. a. 0. ausgesprochene Ansicht bestätigt, dass diese Gruppe in dem bisher gefassten Rahmen nicht bestehen bleiben kann. Es wurden Repräsentanten folgender Gattungen studirt: 1. Lygistopterus. 2. Eros. 3. Homalisus. 4. Lampyris (Lamprorhiza). 5. Luciola. 6. Phosphaenus. 7. Drilus. 8. Cantharis. 9. Rhagonycha. 10. Malthodes. 11. Malthinus. 12. Malachius. 13. Axinotarsus. 14. Anthocomus. 15. Ebaeus. 16. Charopus. 17. Dasytes. 18. Danacaea. 19. Dolichosoma. 20. Psilothrix. Ich lasse mm zunächst meine Beobachtungen über den Bau der einzelnen angeführten Gattungen folgen: n. Spezieller Teil. Lygistopterus. c^sanguineus: AUe Segmentplatten sind dunkelbraun pigmentirt, wobei zwischen D. und V. nur ein geringer Unterschied besteht. Vordere und mittlere V. um Vs breiter als die entsprechenden D. Am 8. S.i) sind beide Platten fast gleich breit. Am Hinterrande der 8. V. befindet sich eine bogenförmige Ausbuchtung des mittleren Drittels. Die 9. D., welche fast so lang ist wie die 8 D., erscheint 2 lappig (nicht 2 teilig), indem sowohl der Vorder- wie Hinterrand breit ausgeschnitten ist. (Fig. 2.) Im Ausschnitt des Hinterrandes sitzt die relativ grosse, etwas rundliche 10. D., grösser als jeder der beiden Lappen der 9. D. Am meisten weicht von den übrigen Platten die 9. V. ab (Fig. 2.), da sie am Vorderende sich allmähhg verschmälert und in einen Fortsatz ausläuft, dessen Ränder wulstige Chitinspangen aufweisen. An letztere heftet sich jederseits eine andere Spange an, welche von den Vorderecken der 9. D. nach ^) S. = Segment. Betreffs der übrigen Abkürzungen vergl. man die Tafel- erklärungen. 134 Df- Carl Verhoeff: Vergleichenrle Morphologie des Abdomens unten und vorne abläuft. Der Fortsatz der 9. V. ist ein Mittel- ding zwischen einem Spiculum gastrale^) und einem Bogen. Er ist vorzustellen als ein Bogen, welcher von den Seiten stark zusammengedrückt worden ist. Das Hinterende der 9. V. schlägt sich nach vorne um und bildet über der 9. V. eine scharf abgesetzte Duplicatur-Platte (Fig. 3. Dp), welche hier besonders gut entwickelt ist. Diese Platte hat eine an einen Anker erinnernde Form, wobei das abgerundete Ende nach vorn gerichtet ist. Die Anker-Dupli- catur liegt zwischen den Fortsatz - Spangen der 9. V., sodass die Punkte ßß (Fig. 3) sich an die Punkte aa (Fig. 2) anheften und Punkt d' über / lagert. Der Spiess e ist also nach hinten gerichtet. Die grossen Stigmata des 1. S. lagern neben der 1. D. Vom 2. — 8. S. finden wir die eigentlichen (physiologischen) Abdominal- stigmen in den Ventralplatten und zwar in dem Seitenrande der nach oben umgebogenen Seitenstreifen. (Andeutung falscher Pleuren.) Sie sind, wie fast immer, bedeutend kleiner als das St. des 1. S. Echte Pleurenplatten fehlen. (Allerdings sind die V. am Kande nach oben umgebogen, aber ohne Randschärfung.) — Auf- fallend längere Borsten kommen nur an den hinteren Aussenecken der 9. D. und am Endrande der 10. D. vor. (An letzterer wurden sie in der Zeichnung weggelassen.) Dorsaldrüsen und Drüsen- porenplatten, welche wir im Folgenden noch kennen lernen werden, fehlen hier. Ich will nun auf eigenthümhche und oft sehr hübsche Partien in den Segmentplatten aufmerksam machen, welche ich kurz Mosaik- felder nenne: In Fig. 1 (unter Mo.) ist ein solches Feld abgebildet. Man beobachtet helle, dicht aneinander gedrängte Räume, welche an Pflanzengewebe erinnern. Durch mehr weniger kräftige, chitinige Grenzbälkchen sind sie von einander getrennt. Da die Mosaikfeld- zellen im Innern heUer, in ihren Grenzbälkchen dunkler zu sein pflegen als das umliegende Feld der Segmentplatten, so treten sie scharf hervor und man kann sie als Gruppen schon mit der Lupe wahrnehmen. Bei 200 fach. Vergröss. und genauer Einstellung kann man sich übrigens überzeugen, dass auch das umliegende Feld der Platten zellige Struktur zeigt. Nur ist dieselbe, im Vergleich zu den Mosaikfeldern, sehr schwach. Eine derartige zellige Struktur des Chitinskelettes ist ja sehr verbreitet und schon lange bekannt 2). Die zellige Struktur rührt nicht von Zellen selbst her, sondern stellt Eindrücke der EpidermiszeUen ins Skelett vor. Ueber die Zellen, welche unter den Mosaikfeldern lagern, hoffe ich in einer spätereji Arbeit über Drüsen bei Coleopteren mich zu verbreiten. Hier 1) cf. Zoolog. Anzeiger No. 432. 1893. „Giebt es flu die Laminae basales der Coleopteren Homologa bei Hymenopteren". — -) cf. z. B. Fr. Leydig, 1855. Archiv für Anatomie und Physiologie, „Zum feineren Baue der Arthropoden." S. 379 „Polygonal-zellige Struktur" bei Asellus aquaticus. — (1. inäuiilichen u, weiblichen Lampyriden, Canthariden u. Malacliiideii. 135 soll auf die Lage, Menge und Verteilung der Mosaikfelder hingewiesen werden, Sie machen übrigens den gleichen Eindruck, einerlei ob man sie von oben oder unten betrachtet. Auf dem meisten D. fand ich 3 Paare von Mosaikfeldern. Eines, welches jederseits meist 25 — 30 Zellen enthält und seine Längsachse mit der Körperlängsachse gleichgerichtet hat, wobei in der Breite 2 — 4 (5) Zellen (oft polygonal) lagern (Fig. 1 Mo.) findet man jeder- seits ungefähr in der Mitte zwischen Mediane und Seitenrand, jedoch der Mediane etwas näher und auch ungefähr in der Mitte zwischen Vorder- und Hinterrand, doch dem Vorderrande etwas näher. Ich nenne es das Paar der inneren Mosaikfelder. Man beobachtet es auf der 2.-7. D. Es fehlt auf der L, 8., 9. und 10. D. Das 2. Paar von Mosaikfeldern i) lagert ausserhalb der vorigen, ungefähr in der Mitte zwischen demselben und dem Aussenrande, doch dem inneren Mos. etwas näher, auch mehr nach dem Vorderrande zu. Diese äusseren Mos. stehen quer nach aussen und enthalten nur 10 — 20 Zellen. Sie kommen auf der 3., 4., 5., 6. D. vor, fehlen aber auf den 6 übrigen. Das 3. Paar endlich, das ich wegen seiner Lage am Vorder- rande der Platten, das Paar der vorderen Mosaikfelder nenne, ist das grösste und zieht sich daselbst in langen Querhaufen hin, welche in der Mitte zwischen sich einen Zwischenraum lassen, noch nicht gleich der Breite eines jeden von ihnen. Die Tiefe dieser langen Querhaufen beträgt 3—4 Zellen. Die vorderen Mos. kommen an der 2. — 8. D. vor, sind an der 8. aber kleiner als an den übrigen Platten. Also vordere Mosaikfelder an der 2. — 8. D. innere „ „ „ 2. — 7. D. äussere „ ,, „ 3. — 6. D. An den Ventralplatten fehlen die äusseren und inneren Felder, nur am Vorderrande sind solche bemerkbar. An der 2. V. ziehen sich Mosaikzellen in langem Bande am Vorderrande hin. An der 3. — 7. V. liegt jederseits, nicht sehr weit von den Seiten- ecken eine tiefe, rundliche Grube, deren Grundwandung em Mos. bildet. Am Vorderrande der 8. V. fehlen die Gruben und es werden überhaupt nur noch wenige Mosaikzellen wahrgenommen. Der 9. V. fehlen solche vollständig. Die 1. und 10. V. fehlen. Die 2. V. ist von typischer Bildung, so lang und so breit als die übrigen, aber am Vorderrande breit ausgebuchtet. Alle S. sind frei gegen einander beweglich, daher fehlt ein Ventralbecken, ebenso fehlt ein Ventralphragma. Die Beborstung der V. ist reichlicher als die der D. — Copulationsorgane: An der Ba.^) (Fig. 3) bemerkt man jederseits ein Hörn, wodurch die Verbindung mit den Pa. hergestellt wird. In der Mediane liegt eine dunkle Naht. Im Uebrigen ist die Ba. ^) M. oder Mos. = Mosaikfelder. -) cf. Abkürzungen am Scliluss. 136 Dr. Carl Verhoeff: Vergleichende Morphologie des Abdomens schön hell chitinbraun. Die Pa. dagegen sind völligschwarz pigmentirt, mit Ausnahme der Endsäume, welche hell durchscheinen und zahl- reiche Grübchen, offenbar Sinnesgruben, tragen. In der Mediane sind die Pa. mit einander verwachsen, sodass sie sich nicht gegen einander bewegen können. Auch eine Verwachsungsnaht habe ich nicht beobachtet, nur einen dunkeln Schatten jederseits der Mediane. Sie sind sehr plump, kurz, gedrungen, zusammen fast quadratisch. Wegen ihrer Undufch sichtigkeit kann ich die Art der Befestigung des P. nicht genau angeben. Das wü^d sich aber bei einer Reihe weiterer Formen schon herausstellen. Der P. ist eigenthümlich da- durch, dass der d. ej. weit vor der Spitze mündet. Die letzten 2/5 des P. bilden einen vom d. je. nicht mehr durchsetzten, geschlossenen, fingerartigen Kegel, welcher in situ über die Pa. hinausragt und von den Poren zahlreicher Hautdrüsen durchbohrt wird. Der P. ist schön chitinhellbraun und verbreitert sich allmählig gegen seine Basis. Etwas über der Mitte mündet der d. ej. nach aussen und man sieht den mit zahlreichen, spitzen und dreieckigen, horngelben Zähnchen besetzten Präputialsack i) durchschimmern. P.-Schenkel habe ich nicht beobachtet. Die Ba. liegt natürlich vor den Pa., aber ich kann sie weder als ventral noch als dorsal bezeichnen. — $ sanguineus. Für die 7 ersten S. gilt das beim ^ Gesagte. Auch die Mosaikfelder treten in derselben Weise auf. Die 8. D. und V. aber, welche beim ^ 4-eckig erscheinen und doppelt so breit als lang sind, haben hier beim $ eine fast halbkreisförmige Gestalt, indem der Diameter den Vorderrand vorstellt. Die 8. V. ist auch hier am Hinterrande ausgebuchtet, aber sehr viel tiefer als beim <^. Am Vorderrande setzt sich (Fig. 1) ein die Platte an Länge fast um das Doppelte übertreffendes Spiculum ventrale an, welches jedoch keine continuirliche Fortsetzung des Vorderrandes mehr bildet, sondern sich gegen dieselbe bereits ganz selbständig darstellt. Es gabelt sich vor der 8. V. mit 2 kleinen Armen, welche in der durchsichtigen Verbindungshaut endigen. Es ist schwarz pigmentirt und erscheint nur an beiden Enden aufgehellt. Seine Länge (2,3 mm) harmonirt mit derjenigen den Legeröhre (3 mm). — Die 9. und 10. D. fehlen. Die Legeröhre, welche man in Fig. 1 in vollkommen vor- gestülptem Zustande sieht, erscheint hier als eine sehr ausgeprägte Bildung. An derselben haben wir 3 Abschnitte zu unterscheiden: 1. Die Vorderröhre, vom Hinterrande der 8. V. (x) bis R, 2. Die Hinterröhre, von R bis t, 3. Den Plattenabschnitt, von t bis Sty. — R. ist eine ringförmige Einschnürung, die Ringfalte. Die vor derselben liegende Vorderröhre kann ihre Wandung einstülpen, wie der Augenträger einer Pulmonate. Die Hinterröhre, welche hinter der Ringfalte liegt, bedarf keiner Einstülpung, denn durch die Ein- ^) cf. Deutsche entomolog. Zeitschr. 1894. „Ueber die Copulat.-Org. männlicher Coleopteren, eine Antwort an die Herren Schwarz und Weise." d. männlichen u. weiblichen Larapyrideu, Canthariden u. Malacliiiden. 137 stülpung der Vorderröhre wird die Ringfalte nicht nur bis zum Punkte X gebracht, sondern um ebenso viel vor x, als R. hinter x liegt. Da nun die Vorderröhre noch etwas länger ist als die Hinter- röhre, so gelangt bei der Einstülpung der Punkt t noch vor x. Somit kommt durch Einstülpung und völHge Umstülpung der Lege- röhre die ganze Legeröhre im Körper zur Bergung. — Im Linern der Legeröhre treffen wir 2 lange und kräftige Chitinspangen, welche ich Radii nenne, (jr Fig. 1) und welche den die Rückziehung der Legeröhre bewirkenden Muskeln zum Ansatz dienen. [Auf die physiologische Seite des Legeapparates kann ich in dieser Arbeit näher nicht eingehen.] Die Radii ragen vorne noch ein gutes Stück aus der Legeröhre hervor und verbreitern sich am Ende merklich. Auch vor der Gegend der Ringfalte besitzen sie eine kleine Er- weiterung. Am Hinterende berühren die Radii jederseits einen Chitinbalken (t), mit dem sie artikuliren, und diese Chitinbalken hegen am Vorderende des Plattenabschnittes. Sie springen innen in einen dünneren Zapfen vor. Die Legeröhre ist nun bemerkenswertherweise in ihrer ganzen Länge, von x — t, d. h. also, soweit sie beim Ausstülpen mit der Aussenluft in Berührung kommt, mit einer zierlichen Struktur ver- sehen, welche eine etwas unregelmässige, schildpattartige Felderung vorstellt. In Fig. 1 sind nebenan links 3 Partieen aus der Haut der Legeröhre stark vergrössert dargestellt, a, ß und / sind in gleicher Höhe mit den Stellen der Legeröhre gezeichnet, denen sie angehören. Daraus ergiebt sich also, dass in der Vorderröhre die Skulptur mehr rundlich (/), in der Hinterröhre mehr längHch (a) sind. Es muss aber hervorgehoben werden, dass zwischen beiden Skulpturen keine scharfe Grenze besteht; vielmehr sind auch im vorderen Theile der Hinterröhre noch rundliche Felder vorherrschend und erst ganz allmählich nehmen nach hinten zu die Felder eine längUchere Form an. Die Felder selbst erscheinen auffallend scharf begrenzt, was daher kommt, dass sie selbst eine braune, die Zwischenräume aber eine hellgraugelbe Farbe haben, auch sind sie etwas emporgewölbt. Jedes Feld dürfte einer EpidermiszeUe seinen Ursprung verdanken. Was nun die Felder der Gruppe ß betrifft, welche Poren enthalten, so sei bemerkt, dass sie auf der Vorder- röhre gänzlich fehlen. Sie beginnen aber schon am Vorderende der Hinterröhre in zerstreuter Anordnung. Besonders zahlreiche Poren tragen die Felder in der Region vor dem Anus (A). Hinter demselben ist wieder nichts von Poren zu sehen. Diese selbst sind offenbar Sinnesgniben. Sie haben, wie auch die Basalgruben der Tastborsten, von denen nur wenige kurze ausserhalb der After- region stehen, eine doppelte Ringeontour, während Drüsenporen das nicht zeigen, vielmehr eine einfache Contur, von welcher aus- gehend in die Tiefe man meist noch ein Stück des Ausführungs- ganges bemerken kann. Der Plattenabschnitt besitzt jederseits in einem länglichen, scharf begrenzten Theile eine dunkelbraune Farbe und ermangelt vollständig der Felderstruktur. Schon da- 138 Dl'- Carl Verhoeff: ■Vergleicheiule Morphologie des Abdomens durch erkennt man diese paarigen Theile als etwas Besonderes. Da wir nun aus anderen Untersuchungen wissen, dass die 9. V. paarig, d. h. zweiteiKg auftritt und die Vaginalmündung flankirt, dass sie ferner die Styli trägt, so erkennen wir auch hier leicht, dass die der Felderstruktur entbehrenden Endplatten der Legeröhre die zweitheilige 9. V. sind, um so mehr, da sie auch am Ende in Gelenk- gruben Styli trägt und zwischen den Enden die Vagina mündet. Diese Mündung selbst und die in der Mitte zwischen den Hälften der 9. V. Hegende Partie der Legeröhrenhaut trägt übrigens auch noch Felderstruktur. Aber Sinnesporen bemerkte ich dort nicht. Die 9. V. ist in ihrer vorderen Hälfte mit zerstreuten Sinnesgruben, in ihrer Endhälfte besonders mit Tastborsten besetzt. Letztere sind besonders kräftig auf den Styli ausgebildet, an deren Grund aber sitzen auch einzelne Sinnesgruben. Aus dem im Vorigen Gesagten gelangen wir zu der Erkenntniss, dass die ganze Vorder- und Hinterröhre des Legeapparates als eine sehr differencirte und vor allen Dingen eine ganz enorm in die Länge vergrösserte Zwischenhaut zwischen dem 8. und 9. S. anzusehen ist. — Es muss noch hervorgehoben werden, dass die Radii nirgends an der Wandung des Legeröhrenschlauches Antheil haben, sondern ganz im Innern der Legeröhre lagern. Auf ihre vergleich.-morphol. Bedeutung komme ich hernach zurück. — Eros. (? Aurora. Alle Segmentplatten sind schön braun pigmentirt, wesentlich heller als bei Lygist. Indessen sind D. und V. ziemlich gleich intensiv gefärbt. Die 8. V. ist am Hinterrande breit und ziemlich tief ausgebuchtet, die 8. D. erscheint zugerundet. 9. und 10. D. und 9. V. erinnern sehr an diejenigen von Lyg., doch ist der Bogenfortsatz (Fig. 5) etwas länger als bei jenen (wurde aber in der Fig. etwas zu kurz gezeichnet). Die 9. D. ist am Hinterrande weniger tief ausgebuchtet, am Vorderrande fast gar nicht, daher sie denn auch keinen 2 lappigen Eindruck macht. Fort- satzspangen sind wie bei Lyg. vorhanden und fügen sich auch in entsprechender Weise an den Bogenfortsatz an. Die Duplicatur der 9. V. ist in ihrem stärkeren Plattentheil hinten auch abgerundet, aber sie entbehrt des Fortsatzes £, wie er bei Lyg. vorkommt. — Die 1. und 10. V. fehlen. Die 7. V. ist gut ausgebildet wie bei Lyg. Dorsaldrüsen und Drüsenporenplatten fehlen auch hier. Die 8 Stigmenpaare liegen ganz in der Pleurenhaut, in welcher keine Pleurenplatten vorkommen. Die Seiten der V. schlagen sich nur wenig nach oben um. Besonders kräftige Borsten stehen am Endrande der 9. V., ebenso an der 9. und 10. D., doch an letzteren weniger stark als bei Lyg. (1. mäunlichen u. weiblichen Lanii»yritleii, Cantliariden u. Malachiideii. 139 Die Mosaikfelder kommen auch hier vor, sind aber im Ganzen undeutlicher als bei Lyg. Sie fehlen wieder vollständig auf der 1,, 9. und 10. D. und 9. V. Die vorderen Mos. sind an der 2. — 7. D. angeordnet wie bei Lyg., nur sind die Grenzbälkchen etwas blasser. An der 8. D. ist nur noch wenig davon bemerkbar. Die inneren M. stehen, auch ganz wie bei Lyg., auf der 2. — -7. D. und fehlen auf der 8. D., doch sind sie in der Längsrichtung hin in 2 — 4 getrennte Häuflein aufgelöst. An der 7., 6. und 5. D. sieht man am Hinterrande eines jeden Häufleins einen gebogenen, vorn concaven Wulst von dunkler Farbe als Grenze. An den vorderen Plattten geht das mehr und mehr verloren. Die äusseren M. stimmen mit denen von Lyg. überein, nur sind sie etwas blasser. Neu ist gegenüber Lyg., dass auch noch hintere M. vorkommen. Diese enthalten recht zahlreiche Zellen und liegen in einem unregel- mässigen Längshaufen hinter den äusseren M. Sie sind von allen am blassesten und kommen an der 2.-7. D. vor, wobei sie nach hinten kleiner (aber nicht undeutlicher) werden. An den V. finden sich die M. auch hier nur in eiaem Paare vor und zwar am Vorderrande. Sie liegen aber nicht in so tiefen Gruben wie bei Lyg., doch zieht sich eine kleine Gruppe von Zellen quer nach aussen und hinten wie ein Ast ab und zwar auf der 3. — 6. V. Die Mos. kommen auch noch an der 7. und 8. V. vor, aber sie eimangeln des Astes. Die Copulationsorgane (Fig. 4) stimmen im Wesentlichsten mit denen von Lyg. überein, nur sind die Pa. nicht fest an einander gewachsen. Die Ba. ist derjenigen von Lyg. sehr ähnHch, besitzt auch am Ende 2 Hörner. Die Pa. aber sind viel schlanker als bei Lyg., endigen nicht wie dort breit und abgestumpft, sondern in einem kurzen, daumenartigen Fortsatz, der mit Sinnesgrübchen besetzt ist, wie das P.-Ende mit Drüsenporen. Auch hier liegt die Mündung des d. ej. weit vor der P. -Spitze. Die Ba. liegt vor den Pa., aber man kann sie weder als dorsal noch als ventral bezeichnen. $ Aurora. Die Platten sind schwarzbraun pigmentirt, wie bei Lyg. Die 7 ersten S. stimmen sonst mit denen des S überein, doch sind die abgehenden Aeste an den Mos. der 3. — 6. V. deutlicher ausgegrägt als beim r. Carl Verhoeff. Fig. 83. Die 8. V. mit einer Pleure PI. und dem Stigma. Fig. 84. Ein Paramerenfinger stärker vergröss. Fig. 86. Die 4 letzten Abdominalsegm. und die Cop.-Org. von oben. Letztere sind vorgestossen. Fig. 87. Die 9. und 10. D. von unten ges. Fig. 88. Cantharis violacea (J. Seitenansicht des Abdomens, x = rudimentäres Bläschen. Bl. = 6 deut- liche blasenartige Ausstülpungen. Fig. 89 und 90. Rhagonycha pallida ^. Fig. 89. Ende der Paramerenkapsel und ausgestülpter Pr. Fig. 90«. Wellige Struktur des Pr. Fig. 90 ß. Einige Stacheln aus den Stachelgi-uppen des Pr. Callirrhabdos, ein neues Genus der gorgonenartigen Pflanzenthiere? Von Dr. R. A. Philipp! (Santiago). Von Herrn Doktor Karl Martin in Puerto Montt, dem unser Museum schon so manche werthvolle Bereicherung verdankt, habe ich kürzhch ein sehr interessantes neues Geschlecht der Pflanzenthiere erhalten, welches an der Ostküste des südhchen Theiles der Insel Chiloe gefischt worden war. Auf einem schwarzen Rollstein, der in nicht sehr bedeutender Meerestiefe gelegen hat, sitzen zwei ruthenförmige 80 cm lange, wenig über 2 mm dicke, biegsame Gebilde auf, die genau wie eine Schnur milchweisser, cannelirter Perlen aussehn; eine dritte war auf dem Transport abgebrochen, was die Struktur der Gebilde deuthch zu erkennen erlaubte. Sie sind mit einer dünnen, weissen, kalkigen, 10 mm im Durchmesser habenden Basis fest aufgewachsen, und haben, genau wie die Gorgonien, im Innern eine hornartige, biegsame Achse; die Perlen, deren Höhe im unteren Theil etwas weniger beträgt als ihre Dicke, während sie im oberen Theil, wo weniger Cannelirungen sind, die Dicke übertrifft, bestehen aus kohlensaurem Kalk, der in einem thierischen Gewebe reichhch abgelagert ist, aber doch wenig Festigkeit besitzt. Sie stehen dicht an einander, und zeigen im unteren Theil 9 bis 11 Cannehrungen, im oberen weniger; man sieht hier an mehreren Perlen, wie sich neue Cannelirungen von unten her einschieben. Siehe Fig. 1 e der beigefügten Abbildungen. Jede Cannehrung ist wahrscheinlich die Wohnung eines Thieres, das man nach der Aehnhchkeit des Gebildes für einen achtarmigen Polypen halten möchte. Diese Wohnungen sind wie man im Querschnitt oder richtiger im Querbruch deutlich erkennen kann, seitlich voll- ständig mit einander verschmolzen, denn man kann keine Trennungs- linie erkennen, nur ihr oberster Theil, der rundlich vorspringt, ist frei. Sie lösen sich leicht von der hornigen Achse ab, lassen sich aber, wie schon bemerkt, nicht ohne zu zerbrechen von ihren Nach- barzellen trennen. Die Höhlung ist ziemlich geräumig, die Oeffnung, aus welcher das Thier heraustritt, ist aber nicht zu erkennen. Noch ist zu bemerken, dass die Oberfläche der Zellen oder Cannehrungen ganz glatt und glänzend ist. Das beschädigte Exemplar gibt uns Auskunft über das Wachs- thum des ganzen. Wir sehen, dass die Achse am Ende haarförmig wird, und dass sie dort nur von wenigen, sechs oder vier Zellen, umgeben ist, die unten in einen dünnen, hier nicht canneKrten Ring verschmolzen sind, in dem Maass also, als durch Einschiebung neuer Zellen die off'enbar aus dem gemeinsamen Ring entspringen, die Dicke des Gesammtkörpers wächst, wächst auch die Dicke der homartigen Achse. Das Einschieben neuer Polypenzellen erreicht 14* 212 Dr. R. A. Philippi. frt aber rasch seine Grenze; denn die untersten Perlen der Ruthe sind nicht dicker als die übrigen. Suchen wir nun, welche Stellung im System der Callirrhabdos zukommt, so scheint auf den ersten Anblick kein Zweifel zu bleiben, dass sie zu den Gorgonien gebracht werden muss, aber in dieser Famile eine sehr eigenthümliche Stellung einnimmt, da sie in sehr wesentlichen Merkmalen mit dem freien, nicht festgewachsenen, und deshalb zu der Abtheilung der Seefedern oder Pennatuliden ge- rechneten Genus Virgularia, wenigstens mit V. juncea übereinkommt. Unter der Abtheilung Gor- gonellaceae finden wir in M. Edwards Histoire naturelle des Coralliaires tom. I p. 183 und 212 das Genus Juncella auf- geführt, das sich von den übrigen Gattungen durch „tiges droites, , en baguettes, simples ou ä peine divisees" auszeichnet, und so könnte man versucht sein, un- sere Callirrhabdos für eine Art Juncella zu halten. Allein die Gorgonellaceen sollen eine „axis sclerobasique sublithoide, contenant beaucoup de carbo- nate de chaux, de fagon ä faire effervescensce avecl'acide chlor- hydrique" haben, und unsere Art hat eine durchaus horn- artige Achse, die mit Salz- säure betupft nicht die aller- geringste Spur von Brausen zeigt, und unter den ächten Gorgoniaceen mit hornartig er 1. CallirrhaMos chUensis. ^^^«^ ^'^\ f i^^^".' ^'^ ^^^* « Die Spitze der Ruthe, b ein Stück des f^^^ verästelt waren (eme unteren Theiles natürlicher Grösse, c ein J unceüa kann sie auch deshalb Stück des unteren Theiles, d ein einzelner nicht sein, weil bei diesem Ge- Ring im oberen Theüe; man sieht eine schlecht die Wohnungen der Zelle, die sich zwischen den anderen ein- piriyplnpri PolvrtPTi Hip «jao- schiebt, e Querschnitt der Ruthe, c, d einzelnen ^olypen die sog. und e vergrössert. Kelcne zerstreut sitzen). 2. Tirgularia juncea nach ßlainville; beide Nun betrachte man die Figuren sind vergrössert. p^g^ren 2, getreue Copien aus dem Atlas zu Blainvüle's „Manuel d'Actionologie" Tafel LXXXX fig.3. 6 u. c, welche Stücke von Virgularia jnncoides vorstellen. Wir sehen hier, dass die Polypenzellen genau wie bei Callirrhabdos zusammen gestellt sind, und auch dieselbe cylindrische, der Achse genau vor- liegende Gestalt haben, aber die Ringe, bestehend aus einer grösseren Anzahl von Zellen, sind nicht geschlossen, sondern hinten durch Callirrhabdos, ein neues Genus der gorgonenartigen Pflanzenthiere? 213 ein freies, schlangenförmiges Band getrennt. Was Blainville im Text S. 514 sagt, hat nicht die geringste Beziehung auf die Ab- bildung, von der jede Erklärung fehlt, auch was im oben erwähnten Werk von Milne Edwards p. 213 über V. juncea gesagt wird, ist höchst dürftig; er beschränkt sich nämlich auf folgende Worte: „pinnules tres courtes et ne constituant sur les echantillons desseches que des bourrelets transversaux." (Er citirt den Text von Blainville, aber nicht die Figur). Ich glaube kaum, dass jemand, der die Blainville'sche Abbildung betrachtet, darin angetrocknete Fiedern finden wird, die Abbildung müsste dann ganz und gar missrathen sein. Eine etwas ausführhchere Nachricht lesen wir in der zweiten, von Deshayes und Milne Edwards besorgten Ausgabe von Lamarck's Histoire naturelle des animaux sans vertebres tome II p. 648: „la Virgulaire joncoide . . . cette tige est garnie dans les trois quarts de sa longueur de rides transversees , tres nombreuses, en demi- anneaux, serres contre le rachis, et qui paraissent disposees sur deux rangees longitudinales. [Die Abbildung zeigt entschieden nur eine Reihe und Ringe, die drei Viertel eines Kreises bilden]. Ces rides noduleuses en leur bord [in der Abbildung sind sie der ganzen Länge nach gefaltet] sont des pinnules polypiferes, tres petites et embrassantes." Bei Lamarck ist als Vaterland l'Ocean europeen etc. angegeben, ]\ülne Edwards, der mit Cuvier annimmt, die Penna- tula juncea Esper oder Virgularia juncea Lamarck sei identisch mit Lamarcks Pennatula australis, citirt unter andern Rumph herb. Amboin. VI p. 256, wo blos gesagt wird, die „sagitta marina" (d. h. die Virgularia juncea) als Produkt von Würmern, gehöre nicht in das Buch. Was soll ein solches Citatü Etwas ausführlicher handelt Rumph davon in der Amboin-Raritätkamer, aber man er- fährt doch auch gar nichts von der Struktur. Wie dem auch sei, so kann unsere Art nicht mit einer Virgularia zusammengestellt werden, da dieses Geschlecht nicht festgewachsen, sondern frei ist, und eine fast steinige Achse hat. Nun entsteht aber eine grosse Schwierigkeit. Ich kann keine Oeffnung an den Zellen ent- decken, und eine solche müssten sie doch haben, wenn sie einem Thier zur Wohnung gedient hätten. Nachschrift. Einem Briefe des Herrn Dr. K. Martin vom April 1894 entnehme ich noch Folgendes: „Dr. Mathias Juraszek, jetzt Stadtarzt in Castro (Insel Chiloe), augenblicklich hier auf Ur- laub, besitzt das andere Gorgoniden-Exemplar. Auf einem Steine haben sich gegen 40 solcher Fäden festgesetzt. Er will es dem Museum schicken und erzählte mir, es existire noch ein drittes Exemplar, das ein Geistlicher an sich genommen habe. Die 3 Expl. seien zwischen der Nordspitze der Insel Cancahua und der Nord- küste der grossen Insel Chiloe aus 60 Faden Tiefe mit der Angel (?) hervorgeholt worden." Zusatz des Herausgebers. Im Habitus besitzt die oben be- schriebene Form grosse Aehnlichkeit mit der Primnoella magel- haensica Studer. F. Hf. PhryniscuS Bibron ist nicht Phryniscus Wiegmann. Vou Dr. R. A. Philippi. Herr Philibert Germain, welcher jetzt dem Museum von Santiago aggregirt ist, ist vor wenigen Tagen von der „hacienda S. Ignacio de Sanehue" zurückgekehrt, wo er über zwei Monate ge- sammelt hat. Diese hacienda liegt mitten im Araukanerland , und erstreckt sich viele Meilen lang am Ufer des Flusses Renaico ent- lang bis zu dessen Quelle in der hohen Cordilliere. Seine Ausbeute ist sehr beträchtlich, namentlich an Käfern, und enthält viel neue Arten, wie nicht anders zu erwarten war. Er fand auch drei un- beschriebene Batrachier, einen wunderschönen Bufo, kohlschwarz mit brennend rothen Zeichnungen auf dem Rücken, einen Cystignathus mit einer weissen Längslinie auf dem Rücken, und einen Phryniscus. Bei Untersuchung dieses letzteren Thieres habe ich mich nicht be- gnügt die Histoire naturelle des Reptiles von Dumeril u. Bibron nachzusehn, sondern ich bin auf die Quelle, auf Wiegmann, zurück- gegangen, da ich schon oft gefunden habe, dass die Quelle das reinste Wasser liefert, und das von ihr abgeleitete Wasser oft recht trübe ist. Dies ist auch bei Phryniscus der Fall. Wiegmann, der dieses Geschlecht aufgestellt hat (Nov. Acta Leopold. 1834 tom. 17 I p. 264 1)) sagt: „die gesammte Körperform ganz wie bei Bufo^); wie bei diesem die Kiefer zahnlos und die Zunge eiförmig, nur mit ihrer vorderen Spitze festgewachsen, übrigens völKg frei. Auch Ohrdrüsen sind vorhanden, aber nur klein. Vorder- und Hinterfüsse fünfzehig [dass die Vordenfüsse fünfzehig sind, ist wohl ein Irrthimi und ein sehr sonderbarer]; die Zehen der Hinterfüsse durch kurze Bindehäute geheftet. — Die Gattung steht ^) In Meyers Beiträgen zur Zoologie aus den Verhandlungen der Kais. Leopold. Caroliniscben Akad. Band XVI Theil 1 besonders abgedruckt, steht die Beschreibung des Genus Phryniscus S. 514. Sollte die Angabe tom. 17 nicht ein Irrthum sein? -) In der dritten Auflage von Leunis Naturgesch. heisst es I p. 618: Gesammtaussehen froschartig. Dr. R. A. Philippi. 215 hierdurch dem Bombinator nahe, allein dieser hat Zähne im Ober- kiefer, und eine völlig festgewachsene Zunge." Andere generische Kennzeichen sind nicht angegeben, in der Artbeschreibung aber heisst es: „von einem Paukenfelle findet sich dagegen natürlich keine Spur." Er kommt wieder auf die Ohrdrüsen zurück. „Die Ohrdrüsen sind, wie bei Bufo, vorhanden, aber klein i-undlich. Die einzige Art stammt von den „Hochebenen des süd- lichen Peru." Im Werk von Dumeril und Bibron heisst es dagegen tome VIII S. 722 „Pas de parotides", und weiterhin: „Rien ne distingue le genre Phrynisque de celui des Crapauds, que les deux caracteres negatifs suivants: absence complete des parotides et non ap- parence de la membrane tympanale au travers de la peau." Als Vaterland der von Wiegmann beschriebenen Art, Phr. nigricans, wird nicht die Hochebene Perus, sondern Montevideo angegeben, wo das Thierchen nach Bell (Zoologie of the Voyage of the Beagle Part V Reptiles S. 50) alle Tage unter einer brennenden Sonne über den glühenden und losen Sand kriechend gesehn werden kann. Die Fundorte des Phryniscus nigricans Wiegm. und Phr. nigri- cans Bell und Bibron sind so weit von einander entfernt, und das Klima so wie die physische Beschaffenheit des Bodens sind so ver- schieden, dass man von vorn herein erwarten darf, es sind zwei verschiedene Thiere. Vergleicht man nun die Beschreibung beider, so wird das zur Gewissheit. Wiegmann sagt: „Die Farbe des Rückens ist ein schwärzliches Olivengrün; die der Bauchseite schwärzlich; die Aftergegend ist hell fleischfarbig, welche Farbe sich streifenartig am Oberschenkel zum Knie, am Unterschenkel zum Hackengelenk, am Oberarm zum Ellenbogengelenke hinzieht, und besonders an den genannten Gelenken, so wie an den Zehen und Sohlenballen ins Auge fällt." Es ist klar, dass diese fleischfarbige Zeichnung sich auf die Unterseite des Körpers bezieht. Bell dagegen: „Die Farbe ist tintenschwarz, mit Ausnahme der Hand- und Fuss- teller, einer breiten Querbinde über den hinteren Theil des Bauches, zwei kleinere nahe der Mitte, und bei einigen Individuen ein paar kleine zerstreute Flecke, die vom intensivsten Zinnoberroth sind." — Wiegmann fährt fort: „die Haut des ganzen Körpers ist mit kleinen rundlichen Kömern übersät; ausserdem finden sich rundliche, eben- falls gekörnte Warzen auf der Rückenseite eingestreut, in deren Mitte eine glatte, convex rundliche, rosenrothe Pustel liegt." BeU spricht garnicht von der Beschaffenheit der Rückenhaut, ausser, dass er in der latein sehen Diagnose sagt: „corpore granuloso, scabriusculo", hier hilft uns aber Bibron, der ja dasselbe Thier von Montevideo in von Darwin gesammelten Exemplaren beschrieben hat. Er sagt S. 724 „La peau de toutes les parties superieures, sans exception, est finement granuleuse et semee de petites verrues coniques, sur- montees chacune d'une petite epine; ces epines sont plus fortes sur les cuisses et sous les tarses que partout aiUeurs." Ich brauche 216 Dr. R. A. Philippi. wohl niclit besonders darauf aufmerksam zu machen, dass diese Beschreibung; der Oberfläche der Haut sehr verschieden von der Wiegmannschen ist. (Wenn Bibron die Bauchseite weisslich, blanc carne, gefleckt nennt, so kommt dies unstreitig daher, dass seine Exemplare viel später untersucht sind, als die von Bell, und durch ein längeres Liegen in Spiritus die brennend zinnoberrothe Farbe abgeblasst war). Ich glaube den Beweis geliefert zu haben, dass BeU und Bibron für Phryniscus nigricans Wiegmann eine ganz andere Kröte genommen haben, und dass diese Bewohnerin der Küste von Montevideo identisch mit Chaunus formosus Tschudi ist, siehe Bibron p. 723 und Bell p. 50. Es muss ihr also der Name Phr. formosus bleiben, wenn anders eine Ohrdrüse vorhanden ist, die nach Wiegmann dem Genus Phryniscus zukommen muss. Santiago 25. März 1894. Zusatz des Herausgebers. Auch in Boulenger's Cat. Batr, sah, 2. Ed. 1882 p. 150, werden Phr. nigr. Wiegmann u. Phr. nigr. Dum. et Bibr. als synonym aufgeführt. F. Hf. Beiträge zur Kenntnis der Anatomie und Entwickelung der Nesselorgane der Hydroiden. Von LeTA^ls Murbaeh. Hierzu Tafel XII. Die vorliegende Arbeit wurde im Dezember 1892 im Labo- ratorium des Herrn Geh. -Rat Prof. Leuckart angefangen. Sie wurde dadurch angeregt, dass mir bei Gelegenheit anderer Unter- suchungen mehrere bis jetzt unbekannte Entwickelungsstadien der Nesselorgane aufstiessen, über die ich in einer vorläufigen Mit- teilung i) berichtete. Meine Aufmerksamkeit war zwar im Anfang nur auf die Entwickelung der Nesselorgane gerichtet; allein da sich mir bei diesen Untersuchungen auch betreffs der Anatomie einige neue Gesichtspunkte darboten , halte ich es nicht für unzweckmässig, der Darstellung meiner Beobachtungen über die Entwickelung einige Angaben über die Anatomie derselben vorausgehen zu lassen. Betreffs der Methoden der Untersuchung habe ich nichts be- sonderes zu bemerken. Neben dem Studium von Paraffinschnitten, teilweise auch von Celloidinschnitten an konserviert vorliegenden Objekten wurden besonders Zupf- und Klopfpräparate hergestellt. Frisches Material stand mir nur von Hydra 2) zur Verfügung. Das Spiritusmaterial bestand aus Hydroiden, Medusen und Sipho- nophoren. ^ Ein Teil der letzteren war mir von Herrn Prof. Dr. Chun gütigst zur Verfügung gestellt worden, wofür ich nicht unterlassen will, demselben an dieser Stelle meinen besten Dank auszusprechen. Vor allem aber möchte ich meinem hochverehrten Lehrer Herrn Geh.-Rat Prof. Leuckart für die grosse Freundlichkeit und die er- 1) Zool. Anz. No. 419, 1893. -) Im Texte sind die Speciesnamen weggelassen, da die liier beschriebenen Verhältnisse bei den verschiedenen Species nicht abweichen. Die benutzten Species sind aber in der Tafelerklärung augegeben. Arch. f. Natm-gesch. Jahrg. 1894. Bd.I. H.3. 14 a 218 Lewis Murbacli: Beiträge zur Kenntnis der Anatomie munternde Teilnahme, mit der er jederzeit meine Studien unter- stützte, meinen aufrichtigen Dank entgegenbringen. Was die Anordnung des Stoffes in der folgenden Darstellung anlangt, so hielt ich es für zweckdienlich, sowohl bei der Be- sprechung der Anatomie der Nesselorgane, wie auch bei den An- gaben über die Entwickelung der in Frage stehenden Organe zuerst eine kurze Zusammenstellung des bereits Bekannten zu geben und daran das von mir neu Beobachtete anzuschliessen. Die Litteratur über die Nesselorgane der Coelenteraten, welche seit ihrer Entdeckung das wissenschaftliche Interesse vielfach in Anspruch genommen haben, ist alhnälig zu einer solchen Höhe an- gewachsen, dass es fast unmöglich ist, dieselbe lückenlos heran- zuziehen. Ich begnüge mich deshalb damit, nur die mir wichtig erscheinenden Arbeiten namhaft zu machen. Sollte auch von diesen noch die eine oder andere unberücksichtigt geblieben sein, so möge das in der Reichhaltigkeit der Auswahl eine Entschuldigung finden, oder auch darin, dass die betreffenden Arbeiten mir nicht zugänglich Anatomie. 1. Litteratur. Den Abbildungen und dem Texte nach zu urteilen, hat schon Trembley (42), der Entdecker der Süsswasserpolypen, die Nessel- kapseln an der Oberfläsche der Fangarme von Hydra gesehen. Er bemerkt in seinen Memoires pour l'histoire des polypes: La superfice d'un bras qui, lors qu'il est contracte, parait tres chagrinee par-tout, tres garnie de petits grains, change conti- nueUement, ä mesure qu'il s'etend, et plus sensiblement pres de l'extremite du bras qu'ä son origine . . . Quand le bras est parvenu a un certain degre d'extension, sa superficie n'est plus que par- semee de boutons, qui, continuant a s'eloigner les uns des autres au moyen de l'extension du bras, se trouvent enfin ranges ä la file, et separes par un fil transparent. „Ces boutons se forment par la reunion de plusieurs grains." Es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass Trembley bereits die Cnidocile oder haarförmigen Fortsätze bei Hydra wahrgenommen hat, denn er sagt weiter unten in seinem Werke: „Les especes de poils, dessines dans les Fig. 3 et 4 de la PL V. se remarquent dans un bras de Polype etendu, lorsqu'on l'expose ä une forte lentille du microscope. Ils paraissent transparents." und Entwickelung der Nesselorgaue der Hydroiden. 219 Als selbständige Gebilde wurden die Nesselorgane zuerst wohl von R. Wagner*) erkannt, obwohl Agassiz (1) diese Entdeckung Clark zuschreibt. Wagner, der die Nesselorgane (bei Actinien) bereits im Jahre 1836 aufgefunden hatte, hielt sie anfangs für Sper- matozoen; drei Jahre später aber überzeugte er sich von ihrer nesselnden Wirkung und erkannte damit ihre wahre Natur. Einer eingehenden Untersuchung wurden sie kurz darauf von Er dl (17) unterworfen. Derselbe beschreibt sie (bei Actinien) als häutige mit einer wasserklaren Flüssigkeit gefüllte und daher prall gespannte Cylinder, die schon bei leisem Irritieren, bei Compression u. a. einen Faden nach aussen hervortreten lassen. Seine weiteren Angaben, dass die ausgetretenen Fäden eine schlängelnde Bewegung zeigten, dürften auf deren oft wellenförmige Krümmungen zurückzuführen sein. Endlich konstatierte derselbe Autor das Kleben und nesselnde Brennen der betreffenden Organe. Ueber die pfeilspitzartig zu- sammengelegten Widerhaken in den Nesselorganen hatte Er dl jedoch die irrtümliche Ansicht, dass dieselben nach dem Heraus- stülpen wieder zurückgezogen werden könnten. Diesen beiden Autoren schloss sich der Zeit nach an Chorda (6), der die Nessel- organe für Tastorgane hielt. V. Siebold fasst in seinem Lehrbuch der vgl. Anatomie unsere Organe als Nessel-, Angel- oder Giftorgane zusammen und spricht von ihrem glashellen Aussehen und ihrer häutigen Natur. Er erwähnt auch, dass der Faden zunächst im Innern aufgeknäuelt sei. Auch dass derselbe hohl ist, also eine Röhre oder ein Schlauch, hat er erkannt; ferner spricht er von der Ausstülpung wenigstens eines Teils dieses Fadens. Endlich war er der erste, welcher erkannte, dass die in Frage stehenden Organe nur einmal benutzt werden können. Gegenbaur (18) beschreibt die Nesselorgane der Siphono- phoren als cylindrische Körper, die aus einer „äusseren Zellmembran" bestehen, „deren Form von einem dicht anliegenden blassen Bläschen wiederholt wird." In diesem eingekapselten Bläschen liegt nach ihm der Nesselfaden. In einer Anmerkung fügt er jedoch hinzu: „Da man bei der geschlossenen Nesselzelle den Faden deutlich innerhalb des eingesclilossenen Bläschens liegen sieht, so entsteht mit den Verhältnissen, wie sie nach der Explosion der Zellen sich kundgeben, ein Widerspruch, der nur durch die Annahme, dass das innere Bläschen vom zusammengewickelten Faden ein- gestülpt werde, gelöst werden kann. Auf diese Art würde dann der Faden doch ausserhalb des Bläschens liegen". Man sieht hieraus, dass Gegenbaur mit seinen Beobachtungen selbst nicht recht in's Reine kommen konnte. Grundlegend für die Anatomie und Physiologie der Nessel- kapsehi wurde die Arbeit von Möbius (33). Es möge mir ge- 1) Archiv für Naturgeschichte 1841. T. 1, S. 42 (über mutmassliche Nessel- organe). 14a* 220 Lewis Murbach: Beiträge zur Kenntnis der Anatomie stattet sein, auf die Hauptresiütate der Untersuchungen dieses Gelehrten (über den Bau, Mechanismus und die Entwickelung der Nesselkapseln) etwas genauer einzugehen und daran zugleich die Resultate späterer Forscher, die sich mit denselben Organen beschäftigten, anzuschliessen. Moebius beschreibt die Nesselkapseln als walzenförmige, eirunde oder kugelrunde Bläschen in der Haut der Polypen und Quallen, besonders reichlich vorhanden an ihren Fangarmen. Die walzen- förmigen sind am proximalen Ende verjüngt, aber distal wärts hals- artig ausgezogen. Die verschiedene Brechungsfähigkeit der die Kapsel ein- schliessenden, sowie der von ihr eingeschlossenen Masse lassen nach Mob ins die Kapselwand einschichtig erscheinen. Im Gegensatz zu diesen Angaben von Mob ins ist von den späteren Autoren Jickeli (26) der erste, der die Existenz einer doppelten Wand andeutete. Schneider (37) schildert dann später bei Hydra eine äussere und eine innere Kapselwand. Bei dieser Gelegenheit soll auch erwähnt werden , dass Leuckart, Chun, Claus u. a. in ihren Arbeiten über die Sipho- nophoren einen Deckel als Bestandteil der Kapselwand erwähnen. Nach diesen Autoren sitzen die grossen Nesselkapseln der Nessel- bänder dieser Tiere mit ihrer Mündung auf einem Deckel, der eben so gross wie der Entladungspol der Kapsel ist und auf seiner freien Seite kegelförmig sich zuspitzt. Derselbe springt mittelst eines Ge- lenkes auf der convexen Seite der etwas gebogenen Kapsel auf. Vermittelst der Kegelspitze des Deckels inseriert sich der ganze Apparat auf dem Rande der Nesselbänder. Ehe der Faden entladen werden kann, muss sich aber die Kapsel von dem Deckel abheben. Die innere Masse der Kapsel ist nach der Ansicht von Möbius eine wasserhelle Flüssigkeit, in der die schlauchförmigen Gebilde schweben. Dieser Ansicht haben sich auch alle späteren Autoren angeschlossen. Was die Natur dieser Kapseln betrifft, so giebt Möbius an, dass sie gegen Süsswasser, sowie gegen verschiedene Säuren sehr widerstandsfähig seien. Während er sie mit einer Sekretzelle ver- gleicht, lassen Chun (11) Bedot (3) und Schneider (37) dieselben aus einer Sekretmasse entstehen, und Leuckart (29) und Chun (11) äussern sich dahin, dass die Kapseln chitiniger Natur seien oder wenigstens dieser sehr nahe stehen. Alle Autoren mit Möbius sind aber darin einig, dass die Kapsel elastisch ist. Neuerdings jedoch schreibt ihr Schneider (38) bei den Siphonophoren selb- ständige Contractilität zu. Der Schlauch besteht nach Möbius' Darstellung seiner Haupt- sache nach aus: a) einer weiten geraden Röhre (dem Achsenkörper) ; diese geht über in b) eine schmale lange Röhre, die sich in der Kapsel um erstere herum lagert. und Entwickelung der Nesselorgaue der Hydroideu. 221 Um dem Druck der Kapsel, die elastisch ist, das Gleichgewicht zu halten, lässt Möbius auch das Lumen des eingestülpten Schlauches von Flüssigkeit erfüllt sein. Dieser Punkt ist, so weit ich sehen kann, später nie wieder hervorgehoben werden. Der weite gerade Abschnitt (Achsenkörper) ist nach Möbius ungefähr IV2 mal so lang und V3 — V2 mal so breit als die Kapsel. Während die erste kurze Strecke dieses Achsenkörpers völlig glatt und unbehaart erscheint, ist die übrige Strecke, wie unser Autor hervorhebt, mit drei spiralig verlaufenden Reihen starker, recht- winkhg abstehender Haare besetzt. Bei Hydra sah Möbius an dem mittleren Teile des Achsenkörpers drei Dornen (Widerhaken). Diese wurden auch von Er dl, Siebold u. a. beobachtet. Aehnlich haben die späteren Autoren diese Verhältnisse geschildert. Möbius fand ferner, dass der Achsenkörper vor der Entladung zweimal so in sich eingestülpt ist, dass er drei in einander liegende Röhren darstellt; von diesen nimmt die äusserste etwa Vs der Strecke von dem Hals der Kapsel bis zur Basis derselben ein, während die innerste Röhre von hier aus in die schmale eng ge- wundene Röhre übergeht. Diese ist ebenfalls mit 3 losen Spii'alen feiner Härchen besetzt. Diese Haarreihen fanden in der Litteratur ihre erste Erwähnung durch Gegenbaur. F. E. Schulze, um das hier zu erwähnen, beschreibt keine auf dem Endfaden des Nesselschlauches von Cordylophora. Möbius hebt auch besonders noch hervor, dass der Schlauch keine stechende Spitze besitzt, also zum Eindringen in andere Körper nicht befähigt ist. Schneider (37) nimmt dagegen an, dass der Schlauch an der Spitze offen sei. — Möbius beschreibt diesen dünnen Abschnitt des Schlauches als 14 mal so lang als die Kapsel selbst, in welcher er entweder zu einem unentwirrbaren Knäuel zu- sammengelegt sei oder auch in engen Windungen oder lockerer Spirale um den weiten Teil des Achsenkörpers herumgewunden. Für Hydra bestätigen die Ansichten von Möbius über die Nesselschläuche im all- gemeinen Jickeli (25), Nussbaum (34) imd Schneider (37), für die Siphonophoren Claus (12), Bedot (3) und Chun (8). Jedoch findet man über die 3 in einander gestülpten Röhren, welche Möbius eingehend beschreibt, bei allen diesen Autoren nichts erwähnt. Dass die Nesselkapsel in einer Zelle eingeschlossen ist, hat zuerst Leydig (32) erkannt. Seine Beobachtungen wurden von Claus (12), Möbius (33), F. E. Schulze (39), AHman (2), Kleinen- berg, sowie den späteren Autoren bestätigt. Die einfachste Art dieser Zellen ist stiellos, wie verschiedene Autoren hervorheben. Diese Art findet sich nach ihnen besonders häufig in den Nessel- bändern und Körperflächen der Siphonophoren. Das Protoplasma mit dem zugehörigen Kern wurde bei den Kapseln in Nesselbändern zuerst von Chun (11) nachgewiesen. Möbius und Kleinenberg (29) haben Ausläufer der Nessel- zellen gezeichnet, ja Möbius beobachtete sogar, „dass die Zell- 222 Lewis Murbach: Beiträge zui- Kenntnis der Anatomie masse amöbenartig ihre Form veränderte, während er sie zeichnete." Kleinenberg hielt diese Gebilde für Fetzen der heraus- gerissenen Nesselzelle. Wirkliche Fortsätze der Nesselzelle wurden zuerst erkannt vor F. E. Schulze. Dieser fand sie in Gestalt von Ausläufern an der Basis der Nesselzelle, nach unten hin sich ver- jüngend, um dann am anderen Ende wieder ein wenig anzuschwellen. Eine bestimmte Ansicht über die Natur dieser Gebilde äusserten jedoch erst die Gebrüder Hertwig (24). Sie hielten sie bei den Medusen für Nervenausläufer. Bewogen durch die Insertion dieser Ausläufer auf der subepithelen Stützlamelle hielten Claus (13) und dann Hamann (23) die fraglichen Gebilde für stielartige Stütz- fasern. Später erklärte sie Claus dann für muskulös. Andere Autoren haben wieder hervorgehoben, dass diese Stiele mit den sub- epithelen Muskelorganen zusammenhängen. Vielleicht wurden sie hierzu dadurch veranlasst, dass bei verschiedenen Gruppen von Tieren diese Gebilde sich verschieden tief inserieren. Die oben erwähnten Ansichten über die Natur unserer Gebilde wurden jedoch allmählich durch eine andere verdrängt. Claus hatte schon, wie oben erwähnt, die Stiele für muskulös erklärt. Auch Chun (7) hielt sie für homolog mit den Ausläufern der Klebzellen der Ctenophoren, die er als Spiralmuskeln nachgewiesen hatte. In dieser Ansicht wurde er noch bestärkt, als er an den Stielen (Fortsätzen) und Kapselumhüllungen der grossen und kleinen Nesselzellen bei Physalia derbe Querstreifungen auffand, welche er auf quergestreifte Muskeln zurückführen zu müssen glaubte. Diese Ansicht fand allgemeinen Beifall. Jickeli (26) wies dann auch noch bei Hydroiden verkürzte Nesselzellenausläufer nach und ausserdem noch wellenförmig zusammengezogene. Eine weitere Bestätigung von Chun 's Entdeckung von Querstreifen fand endlich Bedot (4) in den Stielen der NesselzeUen von Velella. Korotneff (27), der die Nesselzelle als eine Muskelzelle in Anspruch nahm, bezweifelte jedoch die Chun 'sehen Auffassungen eines quergestreiften Muskels, da nach seiner Ansicht die Ausläufer einer Muskelzelle nie quergestreift seien. Was den Kern der Nesselzellen betrifft, so lassen sich unsere Autoren durchweg nur darauf ein, über seine Lage in der Zelle und sein Aussehen zu berichten. Man findet ihn gewöhnlich unter der Basis oder an der Seite der Nesselkapsel. Ein anderer wichtiger Bestandteil der Nesselzelle, die haar- oder stiftförmigen Erhebungen sind schon von Trembley (42), Ehrenberg (15), Leydig (33) u. a. gesehen worden, doch war es das Verdienst F. E. Schulze's (39) die Zugehörigkeit dieser Gebilde zu der Nesselzelle zu erkennen. Nach ihm ragen die- selben vom Plasma der Nesselzelle etwas seitlich von dem Ent- ladungspol der Kapsel hervor, durchbohren die darüber liegende Epithelzelle und gelangen so nach aussen. Eine mehr komplizierte Form, bei der das Cnidocil selbst in einem röhrigen Fortsatz des Zellplasma enthalten ist, fand Jickeli (25) später bei einer ein- und Entwickelung der Nesselorgane der Hydroiden. 223 gehenden Untersuchung von Hydra. Durch diese Röhre gelangt das basale Ende des Cnidocils bis beinahe auf die Kapselwand. Besonders lange hakenförmige Cnidocile fand Chun bei manchen Monophyiden. Nach seinen Angaben fehlen die Cnidocile aber alle- mal, wenn die Nesselzellen stiellos sind. Bevor man die Natur der Nesselzelle kannte, suchte man die Ursache der Ausstülpung des Schlauches in dem besser bekannten Teile des Nesselapparates, der Nesselkapsel selbst. Mehrere Autoren nahmen zur Entladung der Nesselkapseln inneren Druck an, indem sie eine physikalische Veränderung der in der Kapsel enthaltenen Flüssigkeit nachzuweisen suchten. Andere schrieben die Entladung einem Drucke der die Kapsel umgebenden Gewebe zu. Möbius (31), F. E. Schulze (39) und später Nussbaum (34) sahen die Elasticität der im Wachstum gespannt gewordenen Kapsel als die Hauptursache der Entladung an. Zufälliges Entladen, glaubte Möbius, werde durch die Härchen auf dem Schlauche verhindert. Er vergass aber wohl dabei, dass nicht alle Schläuche mit diesen Haaren versehen sind. Die drei zuletzt genannten Autoren waren aber von der Notwendigkeit irgend eines Anstosses oder Druckes überzeugt. Diesen Anstoss glaubte Möbius in der Kontraktion der umgebenden Zellen gefunden zu haben. Schulze lässt ihn von aussen durch das Cnidocil übermitteln, während Nussbaum ihn durch die muskulöse Kapselumhüllung auf die Kapsel selbst über- tragen lässt. Bei den Nesselkapseln der Nesselbänder von Siphonophoren, wo Schneider (38) keine Plasmaumhüllung nachweisen konnte, obgleich schon vor ihm Chun eine solche für Monophyiden (11) nachgewiesen, nahm er dann an, dass die Kapsel selbst kontraktil sein müsse. Bis zu der Zeit, wo Schulze den Nachweis der Zugehörigkeit des Cnidocils zu den Nesselzellen lieferte, wurde allgemein eine Massenentladung der Nesselkapseln angenommen. Schulze (39) überzeugte sich jedoch, dass die Entladung immer eine locale sei und gründete darauf die Ansicht, dass der erste Anstoss von einem Druck auf das Härchen (Cnidocil) ausgehen müsse (mechanische Erklärung). Im Gegensatz zu Schulze stimmen viele der späteren Autoren mit Jickeli (28), Chun (8), Nussbaum (34), Schneider (37) überein, und schreiben dem Cnidocil die Uebertragung des Reizes auf das kontraktile Plasma der Kapselumhüllung zu (physio- logische Erklärung). Neben dieser Funktion glaubte Chun (11) den von ihm bei Monophyiden gefundenen, stark krummen Cnidocilen noch eine ankernde Funktion zum Festhalten der Beute beilegen zu sollen. Sobald die muskulöse Natur der Stiele und Kapselumhüllung einigermassen sicher gestellt war, nahm man bald allgemein an, dass die Nesselzellen bei der Entladung das Haupt- moment abgeben. Die Hauptvertreter dieser Ansicht waren Claus, 224 Lewis Murbach: Beiträge zur Kenntnis der Anatomie Jickeli, Bedot, Schneider (dieser jedoch nahm die Kapseln der Nesselbänder hiervon aus) und Chun. Als Beispiel, wie man sich die Entladung dachte, lasse ich hier Chun 's Auffassung folgen. In erster Linie kommen hierbei die kontraktilen Fasern der Kapsel- umhüllung in Betracht mit ihrem Druck auf die Kapsel. Dann ziehen die Stiele durch ihre Kontraktion die Nesselkapseln gegen die unterliegenden Gewebe und vergrössern so den Druck auf die Kapsel. Chun (7) beobachtete bei Physalia subepitheliale Ganglien und glaubte, sie ständen in Beziehung zu einer Massenentladung der Nesselkapseln. Später haben namentlich Jickeli (25) und Schneider (37) und noch später wieder Chun (11) es, wenn nicht sicher gestellt, so doch wenigstens sehr wahrscheinlich gemacht, dass ein coor- dinierendes Nervensystem von Ganglien und Fasern zu einer effekt- vollen Massenentladung der Kapseln bei Hydi'oiden in Beziehung stehe. Darüber, wie der Nesselapparat (Kapsel und Faden) funktioniert, haben wir ziemhch verschiedene Meinungen. Nach der Angabe bei Mob ins glaubten emige Autoren an eine Einbohrung des Fadens (Schlauches), welche Ansicht aber von anderen widerlegt wurde. Erdl (17), V. Siebold (Vergl. Anatomie 1848), Möbius (33) und neuerdings Nussbaum (34), Schneider (37), Chun (9) lassen den Schlauch dem Beuteobjekt durch Kleben sich anheften. Dies wird, nach Möbius, noch begünstigt durch die grosse Reibungsfläche, welche durch die Härchen gebildet wird. Jickeli (25) lässt das Beutetier bespickt erscheinen, und mit Nussbaum (34) und Chun (9) lässt er das Sekret der Kapsel durch Zerreissen der Spitze des Fadens nach aussen treten, während es bei Schneider (37) durch eine Oeffnung am Ende des Schlauches sich ergiesst. Was die Verwendung der Kapseln in dem Haushalte dieser Tiere betrifft, so stimmen alle Autoren, so weit ich ihre Arbeiten einsehen konnte, darin überein, dass dieselben zum Beuteerwerb und zur Verteidigung dienen. Möbius und einige andere wollen noch, dass diese Kapseln in ihrer Funktion als Kleb- und Haftorgane den Polypen als Lokomotionsmittel dienen. Bei der Fortbewegung dieser Tiere werden dann die Kapseln durch den klebenden Schlauch herausgezogen. Derselbe Autor berichtet, dass die Actinien aus den ver- brauchten Nesselkapseln sich eine Körperumhüllung bilden. Früher war auch die Ansicht verbreitet, dass die zahllosen mit der Beute verschluckten Nesselkapseln die Verdauung beförderten. 2. Eigene Beobachtungen. Nachdem ich in dem vorhergehenden Kapitel versucht habe, einen historischen Ueberblick über die Arbeiten zu geben, welche die Nesselorgane zum Gegenstand hatten, sowie über die Resultate der Untersuchungen der verschiedenen Autoren auf diesem Gebiete, schliesse ich minmehr meine eigenen Beobachtungen über die in und Entwickelung- der Nesselorgaue der Hydroiden. 225 Frage stehenden Organe an. Dieselben beziehen sich in der Haupt- sache auf die grösseren Formen der Nesselorgane. Abgesehen davon, dass bei diesen die Verhältnisse des Baues leichter zu er- kennen sind, scheinen die kleineren Formen auch nicht wesentlich von ihnen verschieden zu sein, so dass sie ohne Schaden unbe- rücksichtigt bleiben und von der Betrachtung ausgeschlossen werden dürfen. Um zunächst in meiner Schilderung mit der Kapsel anzu- fangen, so kann ich die Behauptungen Gegenbaur's, Jickeli's und Schneider's von einer doppelwandigen Kapsel nur be- stätigen. Es lässt sich bei allen von mir untersuchten Kapseln ein inneres zartes Bläschen konstatieren, welches sich beinahe untrennbar dem äusseren dickeren anlegt. Das letztere besitzt an einem Pol, dem Entladimgspol , eine Oeffnung oder Mündung. Der Schlauch setzt sich an das innere Bläschen gerade unter der Mündung des äusseren so an, dass es sich von dem letzteren ein wenig abhebt und damit eine günstige Stelle bietet, einen Teil des inneren Bläschens zu Gesicht zu bekommen. Eine weit kräftigere Bestätigung dafür, dass wirklich zwei Bläschen vorhanden sind, dürfte aus dem verschiedenen Ursprung derselben, wie später bei Gelegenheit der Entwickelungsgeschichte gezeigt werden wird, abzuleiten sein. Der Form nach unterschied schon Möbius, a) walzenförmige (cylindrische), b) eirunde und c) kugelrunde Kapseln. Unter eine von diesen drei Kategorieen konnte auch ich alle von mir beobachteten Nesselkapseln bringen. Doch scheint mir das Charak- teristische nicht so sehr in der Form der Kapsel, als in dem Bau des Schlauches zu liegen. Es laufen nämlich ganz allgemein den erwähnten 3 Kapsel- formen auch 3 verschiedene Nesselschlaucharten parallel. Die ein- fachste Form dieser Schläuche findet sich in den kugelrunden Kapseln (Fig. 5. A, B, C.); sie kommt aber auch in den kleinen cylindrischen Kapseln der Nesselknöpfe der Siphonophoren vor. Der Schlauch setzt sich hier (als Beispiel dient der Nesselschlauch von Physalia, Fig, 5. A, B, C.), direkt an das innere Bläschen an und ist von hier aus bis ans Ende allmählig verjüngt. Unter starker Vergrösserimg sieht man, dass sein gewundenes Aussehen sich auf 3 spiralig verlaufende Erhebungen, die mit feinen Härchen besetzt sind, zurückführen lässt. Nur in der letzten kurzen Strecke un- mittelbar vor der Kapsel ist der Schlauch um etwa Härchenlänge frei von Haaren. Die etwas komplizierte zweite Art der Schläuche kommt vor bei den ovalen Kapseln von (Fig. 3, 4, 6) Hydra, Velella und manchen Siphonophoren^). Der Schlauch besteht hier aus 3 Ab- ^) Sogar in den ovalen Nesselkapseln von Microstomura sp. ? habe ich diese Schläuche beobachtet. Von ihrer Grösse abgesehen, konnte man sie von denen der Hydra nicht unterscheiden. Aich. f. Naturgesch. Jahrg. 1894. Bd. I. H. 3. 15 226 Lewis Murbach: Beiträge zur Kenntnis der Anatomie schnitten, a) einem Basalabschnitt (Fig. 7b.) mit weitem Lumen, b) einem konischen Zwischenstück (co) und c) einem geisseiförmigen Endabschnitt (S). Der Basalabschnitt ist etwa ^/^ so lang wie die Kapsel und an seiner Basis etwas dünner als die Mündung der äusseren Kapsel- wand, aus der er hervorragt. Von hier aus verjüngt er sich bis auf das konische Zwischenstück. Da , wo Basalabschnitt und Zwischenstück zusammenkommen, stehen 3 kräftige Widerhaken (Fig. 7w.) von beinahe derselben Länge wie der Basalabschnitt. Das Zwischenstück ist immer mit kleinen Spitzen oder Dornen be- setzt, welche nach dem Endabschnitt zu an Grösse abnehmen. Der geisseiförmige Endabschnitt dürfte dem Schlauch ein- fachster Art (a) entsprechen. Er ist jedoch zarter und nicht immer von den spiralig verlaufenden Erhebungen besetzt. Ebensowenig wie es Schulze bei Chordylophora, ist es mir bei Hydra gelungen, dieselben nachzuweisen. Die dritte, komplizierteste Art des Nesselschlauches findet sich besonders gut bei den Siphonophoren ausgebildet. Die zugehörige Kapsel ist lang cylindrisch (Fig. L A, B. u. IL) oder spindeKörmig. Man kann auch hier wieder die drei Schlauchabschnitte w^ie bei der zweiten Art deutlich unterscheiden. Der Basalabschnitt aber ist hier verhältnissmässig schlanker, nimmt aber auch hier etwa "Vi tler Länge der Kapsel ein. Die halbe Länge dieses Abschnitts ist kahl (Fig. 2, B.) , der übrige Teil bis an das Zwischenstück dagegen dicht mit langen Dornen besetzt. Im Gegensatz zu Möbius finde ich aber, dass diese Dornen rechtwinklig oder schräg nach hinten (d. h. der Kapsel) zu von der Röhre abstehen (Fig. 2. W). Die Dornen sind nie länger als die kahle Strecke des Basalabschnittes. Das konische Zwischenstück ist auch oft mit Härchen besetzt. Es ist im Wesent- lichen von dem der oben beschriebenen zweiten Art der Nessel- schläuche wenig verschieden. Der dünne Endabschnitt weicht eben- falls nicht in seiner Form von dem der zweiten Art ab, abgesehen davon, dass er nicht ganz so dünn und immer mit den spiralig ver- laufenden Erhebungen besetzt ist, die allerdings nach der Spitze zu sehr schwer zu sehen sind. Im Gegensatz zu Schneider muss ich noch betonen, dass ich in keinem Falle an der Spitze des Schlauches eine Öffnung nachweisen konnte. Ich finde den Schlauch vollkommen abgeschlossen. Was nun die Verhältnisse des Schlauches im eingestülpten Zustande (wie er normal in der Kapsel liegt) betrifft, so konnte ich die Schilderungen von Möbius hierüber mit meinen Beobachtungen nicht in Einklang bringen i). Es ist jedoch möglich, dass diese ^) Abgesehen davon, dass (wie später gezeigt wird) der Endabschnitt des Schlauches in dem Zwischenstück liegt und dieses wiederum in dem unteren Ende des Basalabschnittes steckt. und Entwickelung der Nesselorgane der Hydroiden. 227 Verhältnisse bei den Actinien andere sind. Da, wo der Basal- absclinitt (Achsenkörper) länger ist als die Kapsel, mag seine An- sicht immerhin Geltung haben. Eine dreifach in einander liegende Röhre finde ich nur, wenn der Schlauch schon teilweise ausgestülpt ist (Fig. 4 a), also dann, wenn das konische Zwischenstück schon gegen die Mündung der Kapsel hinaufrückte, und den geisseiförmigen Endabschnitt nach sich gezogen hat. Im normalen Zustande aber ist der Basal- abschnitt seiner ganzen Länge nach in die Kapsel zurückgestülpt. (Fig. 1 u. 3). Im andern Falle müssten ja auch die Dornen oder Widerhaken schon zur Kapsel herausragen. Diese ragen aber überall von der bedornten Hälfte resp. von der Basis des konischen Zwischenstückes ab nach oben in das Lumen des eingestülpten Basalabschnittes hinein und legen sich zu einer Spitze (Dolch bei Nussbaum) zusammen (Fig. 1. A. B). Dass diese Spitze (Dolch) bei dfen unentladenen Nesselkapseln der grossen Siphonophoren die Länge der ganzen Kapseln hat, rührt nicht etwa daher, dass die Dornen hier dieselbe Länge wie die Kapsel haben, denn sie sind in Wirklichkeit nur etwa halb so lang, sondern daher, dass sie sich zu einer grösseren Spitze zu- sammen gelegt haben, wie man sich leicht bei der künstlichen Ausstülpung überzeugen kann. Unter dieser Spitze (Dolch) oder den zusammengelegten Dornen sitzt nun das konische Zwischen- stück (Fig. 1. A. B. 3. ev.) in dem unteren Teile der Kapsel, mit seiner Spitze nach dem Entladungspol gerichtet, genau wie nach der Ausstülpung. Das konische Zwischenstück ist nicht eingestülpt. In dasselbe ist nun aber der dünne Endabschnitt des Schlauches nach unten in das Innere der Kapsel eingestülpt, wo er sich in LängsscMingen und in Querwindungen um den Basalteil herumlegt (Fig. I. A. B), bei ovalen und runden Kapseln hauptsächhch in Querwindungen (Fig. 5). Bei den kugeligen Kapseln, wo kein weiterer Basalabschnitt vorhanden ist, ist der ganze Schlauch in die Kapsel eingestülpt; er geht direkt von der Mündung oben in Spiraltouren an den Seiten der Kapsel entlang nach dem Boden zu. Das abweichende Verhalten des Schlauches bei der Einstülpung lässt sich wohl auf das Fehlen des Basalabschnittes und Zwischenstückes zurück- führen. Ich werde jedoch auf diese Verhältnisse später bei der Ent- wickelungsgeschichte zurückkommen und wende mich jetzt zur Be- sprechung der Nesselzelle. Zu dem, was darüber in dem histo- rischen lieber blick bereits gesagt wurde und als gesichert erschien, habe ich im allgemeinen wenig hinzuzufügen. Den Zellkern konnte ich immer in einer mehr oder weniger reduzierten Masse von Protoplasma nachweisen. Stiellose, ein- fache Nesselzellen habe ich bei Velella und namentlich auch in den Nesselbändern der Siphonophoren beobachtet. Alles, was 15* 228 Lewis Murbach: Beiträge zur Kemituis der Anatomie darüber von früheren Autoren angeführt wurde, kann ich be- stätigen. Nur betreffs der gestielten Nesselzellen habe ich einige er- gänzende Bemerkungen zu machen. Seit Chun's Arbeit über die Nesselorgane hat man wohl allgemein angenommen, dass die Quer- streifungen an den Stielen bei Physalia auf quergestreifte Muskeln zurückzuführen seien. Dem glaube ich widersprechen zu müssen. Ich fand nämlich bei den kleinen Stielen von Physalia bei genauem Einstellen auf diese sogenannten Querstreifungen, dass dieselben unter dem Mikroskop sich scheinbar hin und her be- wegten, genau so, wie man es bei Einstellung auf verschiedene Ebenen einer horizontal liegenden Spirale sehen würde. In den aus maceriertem Material von mir hergestellten Klopfpräparaten be- merkte ich mm, dass dort, wo die Hülle der Stiele etwas zersetzt war, kurze Strecken einer feinen Spirale sich zeigten. Fig. 5 A stellt diese Spirale dar nach *einem Macerationspräparat. Sie er- scheint hier etwas lockerer als im normalen Zustande, wo sie eng und fest gewunden ist. Bei den grossen Nesselorganen von Physalia ist das Ver- hältnis insofern ein anderes, als der kurze dicke Stiel eher eine granulöse Masse Protoplasma darstellt, in der ähnliche spiralige Gebilde vorkommen, die aber verhältnismässig sehr klein sind und den Nachweis erschweren. Sie sind blos auf der Peripherie des Stieles zu sehen und scheinen sich um das untere runde Basal- ende desselben herum zu legen. Bei hoher Einstellung geben dann die vielen parallel laufenden Spiralgebilde auf der Oberfläche des Stieles den Anschein eines grossen quergestreiften Muskels. Stellt man aber auf die Mitte des Stieles ein, so sieht man blos noch an den Rändern diese Erscheinung. Hier ist auch die Kapsel von dicht gedrängten, meridional verlaufenden Fasern umstrickt (Fig. 5D), die nach unten in die Spiralfasern der Stiele überzugehen scheinen (Fig. 5. B). Diese Fasern sind eigentümlich geknickt (Fig. 5) oder wellig gebogen, lassen aber Nichts von einer wirklichen Querstreifung erkennen. Aehnliche spiralförmige Gebilde fand ich auch in den Nessel- zellen bei Velella (Fig. 3. A. B.), wo seiner Zeit Bedot ebenfalls quergestreifte Muskeln gefunden zu haben glaubte. Die Gebilde befinden sich hier in der Anhäufung des Proto- plasma, das die Kapselumhüllung bildet; in einigen Fällen ragten sie auch eine kurze Strecke in den Stiel hinein. Eine Verbindung dieser spiraligen Gebilde mit dem von Bedot im unteren Teile der Stiele gefundenen Faden konnte ich jedoch nicht nachweisen. Sie erschienen mir als feine Stäbchen (Fig. 3. B.), die eine enge Zickzackreihe bilden, so dass sie sich fast zu be- rühren scheinen. Bei Einstellung auf diese Reihen glaubt man zu beobachten, dass sie sich hin und her bewegen, ganz wie das bei PhysaHa beschrieben wurde. Diese Erscheinung lässt sich aber und Entwickeliuig der Nesselorgane der Hydroiden. 229 auch hier wieder auf eine feine Spirale zurückführen (Fig. 7. A. B. C). Meine Beobachtungen wurden an Klopfpräparaten ge- macht. Fig. 7. A. B. C. stellen Präparate dar, bei denen der Stiel so zerriss, dass die darunter liegende Spirale bloss gelegt wurde i). Diese Spiralen sind aber so fein, und der Stiel an der be- treffenden Stelle so dick, dass ich, gestützt auf Einzelfälle, in denen ich neben einander liegende Querstreifungen beobachtete, auch hier das Vorhandensein von mehreren Spiralen, ähnlich wie in den grossen Stielen der Physalia, vermute. Ich halte hiernach den Schluss für gerechtfertigt, dass die Querstreifungen in den Stielen der Nesselorgane von Physalia und Velella nicht auf einer Querstreifung von Fasern beruhen, sondern auf Spiralgebilde zurückzuführen sind. Wenn nun übrigens einige Autoren daraus, dass sie die Stiele (Ausläufer, Fortsätze) der Nesselkapseln bis auf die Stützlamelle hinziehen, ja sogar an diese sich inserieren lassen, den Schluss ziehen, dass denselben eine muskulöse Natur nicht zukomme, so liegt dazu nach meiner Ansicht kein genügender Grund vor. Ebensowenig ändert der Nachweis von der spiraligen Natur der vermeintlichen Querstreifungen, den ich beigebracht zu haben glaube, etwas an der Auffassung der muskulösen Natur des betreffenden Gebildes die auch ich aufrecht halte. Nach meinem Dafürhalten wird diese aber jetzt auf eine rationellere Basis gestellt. Denn wenn es auch nicht befremdet, in den Hauptteilen des Körpers der Cnidarier quergestreifte Muskeln zu finden, so möchte man doch W'ohl eher geneigt sein, in den einzelligen Nessel- organen statt der quergestreiften Muskeln glatte kontraktile Fasern, wenn auch vielleicht hoch differenzierte oder gar spiralig zusammen- gelegte, anzunehmen. Gestützt wird diese Ansicht auch noch durch die spiraligen Ausläufer der Klebzellen bei den Ctenophoren, die von Chun (7) als Muskeln nachgewiesen sind und mit den als muskulös auf- gefassten Ausläufern der Cnidarier in eine Reihe gestellt werden. Für diese Homologie wäre der Nachweis einer spiraligen Bildung statt einer Querstreifung erst recht bedeutend. Jickeli hat ebenfalls wellenförmige Verkürzungen nachgewiesen, die er mit den zusammen- gezogenen Stielen der Vorticellen vergHch. Schhesslich hat Leuckart^) schon im Jahre 1853 zickzack- artige Kontraktionen der glatten Fasern in den Stämmen mancher Siphonophoren gesehen. Wahrscheinlich liegt hier eine ähnliche Kontraktion vor, wie wir sie schon seit lange in den Stielen der Vorticellen kennen. ) Die Figui-en sind mit der Camera gezeichnet ohne nachherige Ver- ang. 2) Litt. 31. 230 Lewis Murbach: Beiträge zur Kenntnis der Anatomie Wo die Fasern sich Zickzack förmig zusammenziehen, wird die VorsteUung insofern anders, als man wohl annehmen miiss, dass die kontraktile Substanz in kurzen Abschnitten mit nicht kontraktilen Stützpunkten oder Anhaltspunkten abwechselt. Eine noch höhere Differenzierung würden dann auch die Fasern der Kapselumhüllung von Physalia zeigen. In beiden Fällen handelt es sich nicht so sehr um eine vor- teilhaftere Kontraktion, als vielmehr darum, nachzuweisen, dass die spiraligen Muskeln, als den ursprünglicheren, der Vorzug gebührt vor den quergestreiften. Betreffs der Entladung der Nesselkapseln schliesse ich mich der von Chun u. a. vertretenen Ansicht über Entladung durch Muskel druck an, wie dieses für die höheren Nesseltiere nach- wiesen ist. Über die Wirkungsweise des Schlauches herrschten bis dahin zwei Ansichten. Einmal nahm man an, dass der Schlauch sich in fremde Objekte einbohre, das andere Mal, dass er sich infolge seiner klebrigen Natur denselben bloss anhefte. In beiden Fällen setzte man voraus, dass das giftig wirkende Sekret ausschliesslich in der Kapsel enthalten sei und aus derselben entweder durch eine natürliche Öffnung oder durch eine künstliche nach aussen gelange. Mir scheint es nun wahrscheinlicher anzunehmen, dass das in dem eingestülpten Schlauchlumen enthaltene Sekret, welches beim Ausstülpen nach aussen kommt, sowohl klebrige wie auch giftige Eigenschaften hat, das in der Kapsel enthaltene Sekret dagegen weder giftig noch klebrig ist, sondern nur dazu dient, hydrostatisch zu wirken. Für diese Auffassung dürfte auch der Umstand sprechen, dass erstens keine Einrichtung zur Ergiessung des Sekrets an der Spitze des Schlauches zu konstatieren ist, und zweitens ganz entladene Schläuche noch sehr oft ein völlig intaktes Aussehen besitzen. Nach dem, was ich im Vorstehenden zu schildern suchte, können wir uns nunmehr von den Nesselorganen der Polypen etwa folgendes Bild machen. Sie sind einzellige Organe mit offensiver und defensiver Funktion. Jedes Organ besteht aus drei Teilen a) einem Gebilde, das die Aktion eines giftigwirkenden Sekrets befördert ; b) einem Muskel, der diese Waffe in Thätigkeit setzt, und c) einem den Muskel übertragenden (vielleicht auch selbst Druck ausübenden) Sinneshärchen, zu welchem sich tiefer in den Geweben vielleicht noch koordinierende (nervöse) Elemente imd Entwickelung dei- Nesaelorgaue der Hydroiden. 231 Entwickeliing. 1. Geschichtlicher Ueberblick. Leuckart (31) war wohl der erste, der in der Entwickelung begriffene Nesselkapseln beobachtete. Er sagt: „Die Bildung der Angelorgane geschieht bereits sehr früh. Die ersten Rudimente derselben . . . sind helle aber gleich anfangs ziemlich scharf be- grenzte Körner (die kloinen?) oder Stäbchen, die durch fortdauerndes Wachstum allmählich ihre spätere Grösse und Bildung annehmen". Etwas später hat Leydig (32) und dann Schulze (39) ihre Ent- stehung in Zellen behauptet. Auch Pagen Stecher (35) schildert kurz die Entwickelung der Kapseln in gewissen Mutterzellen, sagt aber nichts von der Entwickelung des Schlauches. Bis auf Moebius' Schrift, die im Jahre 1866 erschien, beziehen sich die Angaben über Entwickelung der Nesselorgane hauptsächlich auf die Entstehung der Kapseln im Innern von Zellen, aber das Aussehen der sich entwickelnden Kapseln selbst giebt nur Leuckart genauer an. Die Beobachtungen von Moebius (33) die im übrigen auch recht kurz gefasst sind, wurden fast 20 Jahre hindurch nicht wesentlich ergänzt Moebius bemerkt: „Was über die Entwickelung der Nessel- kapseln geschrieben ist, bezieht sich hauptsächhch auf spätere Ent- wickelungsstadien derselben." Er selbst lässt die Kapseln aus Sub- epithelzellen „von Kugel- oder Eiform" entstehen, „welche aus einer körnigen Flüssigkeit bestehen, in der einer oder mehrere Körner durch bedeutendere Grösse hervorstechen". Weiter unten erwähnt Möbius auch amöbenartige Gestaltveränderungen dieser Zellen. Den Kern hat er nicht speziell erwähnt. Dass auch Allman (2) denKern nicht mit der Kapselentwickelung in Beziehung brachte, ja vielleicht gar nicht erkannte, geht aus seiner Zeichnung und Beschreibung hervor. Er sagt: „A portion of certain ectodermal generating cells becomes differentiated as a spherical or oval mass which may be seen to occupy a vacuole . . . and in which one or more nuclei are usually apparent. This little mass is to become developed into the thread cell". F. E. Schulze (40) hat dann später im Gegensatz zu Eimer (16) besonders hervorgehoben, dass die Nesselkapsel sich nicht aus dem Kern ihrer Zelle, sondern neben diesem im Protoplasma bildet, weil noch nach der Entwickelung ein Kern vorhanden sei. Nach dem Vorgang von Kleinenberg (29) nennt man nun ganz allgemein bei Hydroiden die Subepithelzellen , die unter dem Ectoderm liegen, Interstitiellzellen. Auch Hamann (23) hebt diese als Bildnerinnen der Nesselkapseln hervor und schliesst aus der Anwesenheit des Kernes neben der Kapsel, dass sich die Kapsel bloss aus dem Plasma gebildet habe. Dass die Interstitiellzellen auf den Tentakeln von Hydra fehlen und daher auch Entwickelungsstadien der Nesselkapseln dort nicht 232 Lewis Murbach: Beiträge zur Kenntnis der Anatomie vorhanden sind, hat Nussbaum (34) besonders betont. Es entsteht nach demselben in jeder Nesselzelle nur einmal eine Kapsel. Auch die späteren Autoren lassen sämmtlich die Nesselapparate in Inter- stitiellzellen oder aus diesen gleichwertigen Zellen entstehen. Ueber die Teilung dieser Zellen haben namentlich Nussbaum (34) und Schneider (37) Beobachtungen gemacht. Beide halten die am gewöhnlichsten vorkommende Teilung für eine mitotische, jedoch beziehen sich Nussbaum's Zeichnungen dieser Mitose auf dasOvarium. Er vermutet aber auch das Vorkommen von amitotischer Teilung. Die ersten definitiven Angaben über die Entstehung der Kapsel in einer Zelle hat Möbius gemacht. Er sagt: „Die ersten Spuren der Nesselkapsel sind Verdichtungen in Form einer Krümmung, welche der äusseren Grenze der Zelle parallel läuft." . . . „Diese wird die konkave Seite der Nesselkapsel. Während ihrer Entwickelung liegt die Kapsel gebogen mit ihren beiden Enden einander genähert, streckt sich aber mit Abschluss ihrer Entwickelung in ihrer nachgiebigen Zellenmasse." Möbius beobachtete ferner amöbenartige Gestaltsveränderungen der Zelle. Die Entwickelung des Schlauches verlegte Möbius in das Innere der Kapsel. Den Achsenkörper konnte er zuerst sehen, dann den gewundenen Abschnitt. Obgleich diese Beobachtungen über die Ent- wickelung an einer Actinie gemacht wurden, fand Möbius dieselben für Hydra bestätigt, abgesehen davon, dass bei dieser die Kapseln von Anfang an oval waren. Allman (2) lässt die Kapsel aus einer Masse (Plasma), die in einer Vacuole in der Nesselzelle liegt, entstehen. Von einem Kern sagt er nichts. Eimer (16) hat spindelförmige Nesselbildungszellen mit kon- zentrischen Streifungen im Innern eines Schwammes gesehen, die er als schiffförmig beschreibt. Ich erwähne dieses hier, obgleich wir später sehen Averden, dass seine Beobachtung sich auf Schlauchent- wickelung bezog, was er aber nicht erkannte. Die Gebrüder Hertwig (24) beobachteten im Nesselwulst von Carmarina hastata Nesselbildungszellen, die eigentümhch in Lamellen geschichtet waren. Auch diese Erscheinung lässt sich auf den sich entwickelnden Schlauch zurückführen, was jedoch von den genannten Autoren nicht richtig erkannt wurde. Alle, die bis dahin über Entwickelung von Kapsel imd Schlauch sich ausgesprochen haben, betonten eine intrakapsulare Entwickelung des Schlauches. Jickeli (25) dagegen machte völlig abweichende Beobachtungen. Ueber die Entwickelung der Kapsel bringt er nichts Neues, für den Schlauch aber konnte er eine wenigstens teilweise Entwickelung ausserhalb der Kapsel nachweisen. NatürHch musste er nun eine nachträgliche Einstülpung annehmen, wie er solche denn auch beobachten, aber nicht erklären konnte. Diese Befunde stellte er dann den Beobachtungen Bütschli's (5) über die Schläuche der Polkörperchen (Nesselkapseln) von Psorospermien an die Seite. und Entwickelung- der Nes.selorgane der Hydroiden. 233 Eine Bestätigung fanden die Beobachtungen Jickeli's über extrakapsuläre Schlauclientwickelung durch Nussbaum (34), der in einer eingehenden Arbeit über Hydra die Resultate seiner Unter- suchungen niederlegte. Die Kapsel lässt auch er aus einem Bläschen (in der Zelle ?) entstehen. Seine Ansichten über Entwickelung von Kapsel und Schlauch fasst er zusammen in den Worten: „Es (das Bläschen) streckt sich, spitzt sich vorn zu und verlängert sich an diesem Pol zu einer Röhre, die in vielen Windungen um die übrigen Teile des Bläschens herum geschlungen oder nach vorn zu einem Convolut zusammengedroht daliegt." Er bemerkt, dass allgemein der m der Entwickelung begriffene Schlauch gegen die Stützlamelle ge- richtet ist, und will die Einstülpung des Schlauches in die Kapsel so bewerkstelHgt wissen, dass diese von den darüber liegenden Geweben gegen die Stützlamelle gedrückt wird. Unser Autor ist auch der erste, welcher bemerkt, dass die Kapsel nach abgeschlossener Entwickelung sich in der Zelle um 1800 drehe. Der nächste Autor, der spezielle Angaben über die Entwickelung unserer Organe macht, ist Bedot (4). Derselbe lässt einen Protoplasmazapfen (Nematoblast) an behebiger Stelle in eine Vacuole in der Nesselbildungszelle hinein wachsen. Der Raum zwischen dem Zapfen und der Vacuole wird von einer hellen Masse erfüllt, die später der Kapsel den Ursprung giebt. Durch Ein Wucherung eines Kanals durch den Hals hindurch in den Plasmazapfen entsteht der Schlauch, also wieder im Innern der Kapsel, Die Entstehung der Widerhaken des Schlauches glaubte Bedot aus kugeligen Gebilden in der Kapsel beobachtet zu haben. Zoja (44) schliesst sich betreffs der extrakapsulären Entwickelung des Schlauches an Jickeli und Nussbaum an. Dagegen behauptet Chun (11) in seiner neuen Monographie über die Siphonophoren immer noch eine Entwickelung des Schlauches innerhalb der Kapsel. Trotzdem aber stimmt er nicht etwa mit Bedot oderSchneider überein, die nur denSchlauch aus demPlasma- zapfen in der Vacuole entstehen lassen, sondern er glaubt, beide, Kapsel und Schlauch, aus diesem Cnidoblasten, wie er auch genannt worden ist, entstehen lassen zu müssen. Chun bildet auch im Text ovale Zellen mit konzentrischen Streifungen, wie sie früher schon gesehen wurden, ab und hält diese für konzentrische Verdickungsstreifen in der Wandung der Nessel- zelle. Die Entladungsöffnung der Kapsel verlegt er in das Ende des Cnidoblasten gegenüber seiner Verbindungsstelle mit dem Plasma der Zelle, wahrscheinlich, weil er die Umdrehung der Kapsel in der Zelle nicht beobachtet hatte. Die mannigfaltigen Formen der Nessel- bildungszellen in den basalen Nesselpolstern der Fresspolypen der Siphonophoren sind nach seiner Ansicht in der Entwickelung stehen gebliebene NesselzeUen und somit ungünstige Untersuchungsobjekte. 234 Lewis Murbach: Beiträge zur Kenntnis der Anatomie Während Schneider (37) über die Entstehung des Schlauches früher entgegengesetzter Ansicht war, hat er sich jetzt (38) in seiner neuesten Arbeit auf die Seite Jickeli 's und Nussbaum's gestellt, nimmt also nunmehr auch eine Entwickelung des Schlauches ausserhalb der Kapsel an. Nach ihm entsteht die Kapsel als eine Vacuole von einer Membran umgrenzt; diese ist mit Sekret erfüllt. Der Schlauch entsteht auf der Kap sei Oberfläche (der Membran). Die Wider- haken nehmen in dem (eingestülpten?) Schlauchlumen ihren Ursprung, lieber die Bildung der Widerhaken sowie die der Kapsel weiss er jedoch Bestimmtes nicht anzugeben. Gelegentlich beobachtete Schneider auch ein Verdrängen des Sekrets im Schlauche, einen Vorgang, von dem er vermuthet, dass er mit dem Einstülpen des Schlauches in Causalnexus stehe. Der Schlauch wird von der Spitze aus eingestülpt. Angaben über die Entwickelung der muskulösen Aus- läufer (Stiele) habe ich nur bei Jickeli (25) gefunden. Derselbe zeichnet Fig. 19, Taf. XVII, Anhänge, die er für die ersten Anlagen der Muskelstiele hält. Es sind stumpfe kurze Fortsätze an der Basis der Nesselzelle, lieber die Entwickelung des Cnidocils weiss er nichts zu berichten. Nach Nussbaum (34) u. Chun (11) entsteht das Cnidocil erst, wenn das Nesselorgan die Oberfläche erreicht hat. Bei den übrigen Autoren fehlen die Angaben hierüber gänzlich. Alle Autoren lassen die Nesselbildungszellen bei den Hydroiden aus InterstitiellzeUen oder ihresgleichen im Ectoderm entstehen. Nach Angaben von Jickeli, Schulze und Nussbaum sollen sich aber Nesselkapseln bei Hydren auch im Entoderm finden, obwohl Entwickelungsstadien daselbst nicht beobachtet wurden. Hierzu noch die Bemerkung, dass diese Nesselkapseln bei Velella trotz ihrer subentodermalen Lage nach Häckel (22) undBedot (3) ectodermalen Ursprunges sind. Neuerdings will Davenport (14) bei Schnecken (Aeolis) die Entwickelungsstadien der Nesselkapseln auch im Ento- derm beobachtet haben. Die Beobachtungen von Schneider freilich (über Hydra) , die dabei angezogen werden , sind von ihrem Autor selbst inzwischen wieder zurückgenommen. Schon die älteren Autoren, Leuckart, Gegenbaur, Claus haben beobachtet, dass die verbrauchten Nesselknöpfe auf dem Fangfaden der Siphonophoren von der AnsatzsteUe der Fangfäden aus durch Vorschub ersetzt werden. Ebenso werden mehrfach auch die Nesselpolster oder Nesselwülste bei anderen Coelenteraten als die Bildungs- und Vorratstellen von Nesselorganen in Anspruch ge- nommen. So z. B. von den Gebrüdern Hertwig bei Carmarina (24). Bei den Hydroidpolypen beschreibt Jickeli förmliche Magazine von Nesselkapseln. Sie finden sich stets an proximalen Körperteilen, während die Nesselkapseln selbst distalwärts verbraucht werden. Aus seinen Bemerkungen ist zu erschhessen, dass Jickeli für letztere und Eutwickelung der Nesselorgaiie der Hydroiden. 235 eine Art Wanderung annimmt. Noch bestimmter lauten die Angaben von Bedot (3) in Betreff der Velella, die überall in den Lücken der Stützlamelle Nesselzellen aufweist, welche einem grossen Nessel- polster entstammten, das unter der sogenannten Leber und dem Ectoderm auf der Oralfläche aufliegt. Diese Masse von Nesselzellen beschreibt er als „le heu de formation des nematocystes et comme un reservoir charge de fournir de cellules urticantes les parties ex- ternes de l'animal." Ebenso schloss Nussbaum (34) in Anbetracht des Umstandes, dass es auf den Armen von Hydra keine Entwickelungsstadien von Nesselzellen giebt, auf eine Art Vorschub von dem Magenabschnitt her, wo die betreffenden Gebilde in grosser Zahl vorkommen. Dabei wird die Vermutung ausgesprochen, dass die spiralige Drehung der Arme diese Wanderung unterstütze. Auch Schneider sieht sich in seiner neuesten Veröffentlichung (38) durch die topologischen Beziehungen zwischen der Verbrauchs- stätte und dem Bildungsherde der Nesselkapseln bei den Siphono- phoren veranlasst, eine derartige Wanderung anzunehmen, obwohl er sie durch directe Beobachtung nachzuweisen ausser Stande war (auch die oben citirten Angaben Bedot 's nicht). Andererseits darf übrigens nicht unerwähnt bleiben, dass Chun neuerdings (11) ein Ueberwandern fertiger Nesselzellen von gewissen Bildungsherden auf ihre Verbrauchsstätten in keinem Falle mit Sicherheit nachzuweisen vermochte. Wenn wir in Kürze hiernach zusammen fassen, was die voranstehende historische Uebersicht uns lehrt, so ist vor Allem die Thatsache zu constatieren , dass der Nesselapparat nach sämthchen Autoren ectodermalen Ursprungs ist. Nachdem einmal festgestellt war (Leydig), dass die Kapseln je ihren Ursprmig in einer Zelle nahmen, entstand dann die Frage nach den Be- ziehungen derselben zum Kerne. Sie wurde dadurch entschieden, dass man (Schulze) den Kern noch in der ausgebildeten Nesselzelle vorfand. Dafür aber glaubte man die Eutwickelung der Nesselkapsel lange Zeit mit dem Plasma der Zelle in Zusammenhang bringen zu müssen. Man nahm ein sekreterfülltes Bläschen oder eine Vacuole als erste Anlage der Nesselkapsel, und liess in diese dann eine Protoplasmamasse (Zapfen) hineinwachsen. Aus diesem sollte nun nach den Einen blos der Schlauch entstehen, während die Kapsel ihren Ursprimg in dem die Protoplasmamasse umgebenden Sekret nehme, während Andere (Chun) dagegen sowohl Kapsel wie Schlauch daraus hervorgehen Hessen. Während von beiden Seiten der Ursprung des Schlauches in das Lmere der Kapsel verlegt wurde , behaupten endlich Jickeli, Nussbaum, Zoja und Schneider, dass letzterer ausserhalb der Kapsel, auf der Kapsel- wand sich entwickele. Letztere Auffassung macht natürlich eine nachträgliche Einstülpung des Schlauches notwendig. Eine genügende Erklärung der Einstülpung fehlt bei sämthchen Autoren. Schliesslich wird von mancher Seite noch eine Wanderung der Nesselorgane 236 Lewis Murbach: Beiträge zur Kenutiiis der Anatomie von ihrem Bildungsorte an den Ort der Verwendung statuiert, ein Verhalten, was aber nur durch eine Beobachtung (Bedot) ge- stützt ist. 2, Eigene Beobachtungen. Wie schon früher kurz angedeutet, stiess ich bei Gelegenheit einer anderen Untersuchung in den interstitiellen Zellen der Hydra wiederholt auf kleine glänzende Stäbchen, die in der Zelle dicht neben dem Kern lagen und an einem Ende das Aussehen eines Schraubengewindes darboten (Fig. 15 b). Da ich über diese Einlagerungen in der Litteratur keinen be- friedigenden Aufschluss bekommen konnte und dieselben nach ge- nauer Untersuchung auf Entwickelungsstadien der Nesselorgane zurückführen zu müssen glaubte, nahm ich mir vor, die Ent- wickelung der Nesselorgane überhaupt einer eingehenden Unter- suchung zu unterziehen, einer Untersuchung, deren Resultate ich nun im Folgenden mitteile. Zugleich hoffte ich, auf diese Weise vielleicht neue Beiträge zur Frage über die Entwickelung des Schlauches an diesen Organen liefern zu können, worüber die Meinungen ja immer noch stark aus einander gehen. Die Nesselorgane entstehen in Zellen, welche von den inter- stitiellen Zellen, die auch den Geschlechtszellen den Ursprung geben, nicht zu unterscheiden sind. Sie sind bei allen Cnidariern zu finden und bilden manchmal eine lokal begrenzte, subepitheliale Lage (d. h. sie bilden eine eigentliche Gewebelage). Ein sehr grosser Kern wird von einer verhältnissmässig geringen Masse (körnigen) Protoplasma umschlossen (Fig. 10). In dem sehr hellen Kern markieren sich jedoch durch ihr stärkeres Licht- brechungsvermögen ein oder zwei Kernkörperchen, von denen das eine grösser ist als das andere. In der letzten Teilung be- griffene Kerne weisen jedoch deren oft blos eines auf. Ferner zeigt das Protoplasma des Kernes eine fein granulierte Stniktur. Das umgebende Plasma sieht dann mehr homogen aus, kann aber auch gröbere Körnchen (Nährstoff?) enthalten. In manchen Fällen (Hydra) bildete das Plasma einen so dünnen Belag, dass ich es nur schwer nachweisen konnte. Die interstitiellen Zellen sind zu allen Jahreszeiten in stetem Wuchern begriffen. Hin und wieder beobachtete ich auch in den Nesselbildungszellen (Physalia) eine Umlagerung und Umgestaltung des Chromatins des Kernes in Knäuelform und in Schleifen, die die eintretende mitotische Teilung ankündigten i) (Fig. 8 a. b). Die grobkörnigen Teile verschwinden mit dem Auftreten des Faden- knäuels. Dabei wird auch das Kernkörperchen in Mitleidenschaft gezogen, jedoch nicht immer sofort. Entschieden mitotische Teilungs- stadien konnte ich übrigens auch an anderen Stellen beobachten ^) Die betr. Zellen stammten hier aus einer Gruppe Nesselbildungszellen, von denen einige bereits die ersten Anlagen der Kapsel aufwiesen. und Entwickelung der Nesselorgane der Hydroiden. 237 (Fig. 9), vornehmlich da, wo sich dem Anscheine nach später das Ei anlegte. Diese Wucherungen müssen dazu bestimmt sein, einen grossen Verbrauch zu ersetzen. Sie geschehen wie bei der Erzeugung der Geschlechtszellen, so auch bei der Knospung ^) und ferner bei der Regeneration der äusseren Gewebelage, wenn Teile davon verloren gehen oder verbraucht werden. Hauptsächlich aber dienen sie wohl zur Bildung von Nesselorganen. Denn der Verbrauch für Regeneration im engeren Sinne ist beim normalen Tier nicht so gross, und die Bildung von Geschlechtszellen geht nicht zu allen Jahreszeiten vor sich. Sehr oft liegen diese Nesselbildungszellen in Gruppen zusammen (Fig. 10. 11), in denen die späteren Umwandlungsprodukte dann auch so ziemlich die gleiche Entwickelungsstufe einhalten. Dieser Umstand hat zu der Vermutung Anlass gegeben, dass die Zellen einer solchen Gruppe einer gemeinschaftlichen Mutterzelle ^) entstammten. Man findet aber auch in ein und derselben Gruppe Beispiele von ver- schieden weit entwickelten Nesselorganen. In solch einer Gruppe eben sich teilender Zellen, die deutlich Nesselorgane bilden werden, konnte ich nie Mitose nachweisen, wohl aber fand ich diese nicht selten in mehr vereinzelten Zellen. Obschon die Befunde anderer Forscher dem widersprechen ■ — blos Nussbaum entscheidet sich mit einiger Wahrscheinlichkeit für Ami- tose — konnte ich meinerseits, wie gesagt, in den betreffenden Zellgruppen immer nur eine direkte Teilung konstatieren. Da ich diese häufig auch in anderen Zellen fand, dürfte eine Beschreibung des Teilungsvorganges hier am Platze sein. Zuvor aber sei beiläufig erwähnt, dass diese Teilung, da sie die letzte ist, welche die betreffenden Zellen durchlaufen, den Resultaten der neuesten Forschung über Kernteilung^) durchaus nicht wider- spricht. Im Muskelepithel habe ich dieselbe nicht nachweisen können, wohl aber ist sie im Entoderm mir öfter begegnet. Nach meinen Beobachtungen dürfte die amitotische Teilung folgendermassen vor sich gehen. Das Chromatin verbindet sich mit den Kernkörperchen zu einem Ganzen oder es sondert sich in dem Kern in ziemlich gleich- massig grosse Granula. •) Hiermit soll nicht gesagt sein, dass die Knospen aus einzelneu Inter- stitiellzellen ihren Ursprung nehmen und das Entoderm dabei gar nicht beteiligt ist, wie es neuerdings Albert Laug (lieber die Knospung bei Hydra etc. Zeitschr. für Wiss. Zool. Bd. 54. Heft 1. 2, 1892) behauptet hat. Meine vorläufigen Beobachtungen lassen mir immer noch die bisherige Ansicht (mit einigen Mo- difikationen) als richtig erscheinen. '2) Schon früher beobachtet von Nussbaum. ■') vide Litteratur 36, 43, 45. 238 Lewis Miirbach: Beiträge zur Kenntnis der Anatomie Im ersten Falle zielit das Körperchen sicli in die Länge und schnürt sich in der Mitte hanteiförmig ein. Im andern Falle, wo aus dem Chromatin mehrere Granula sich gebildet haben, ordnen diese sich in der Mitte des Kernes in zwei Gruppen, die sich ein- ander gegenüber stellen. Von nun an sind die Veränderungen beide Male die gleichen. Die beiden Massen der Hantel sowie die beiden Gruppen der Granula trennen sich in zwei Hälften, die beinahe gleich sind. Der Kern fangt an sich zu strecken, sobald die Hantelform sichtbar wird oder die Granula sich gruppieren, schnürt darauf sich ein bildet durch Trennung und Abrundung zwei neue (Tochter-) Kerne, von denen jeder durch die Teilung ungefähr die Hälfte des Chromatins erhalten hat. Mit der Teilung des Kernes Hand in Hand geht auch die Teilung des Plasmas. Hanteiförmige oder eben sich abschnürende Kernkörperchen finden sich nicht gerade sehr häufig. Viel öfter begegnet man dem etwas länglich ausgezogenen Kernkörperchen oder den schon abge- schnürten beiden Hälften, die noch die Spitzen einander zukehren. Dieses Stadium darf aber nicht mit solchen verwechselt werden, in denen der Kern zwar auch zwei Nucleolen enthält, aber Nucleolen von ungleicher Grösse, die sonst aber noch keinerlei Anzeichen einer Teilung zeigen. Das spärliche Vorkommen der zuerst beschriebenen Stadien (Hantelform) kann übrigens ebensowenig befremden, wie der Mangel anderer, die sonst bei der Mitose auftreten. In unsern Fällen handelt es sich um schnell verlaufende Vorgänge, denen gegenüber solche, die von längerer Dauer sind, weit häufiger zur Beobachtung kommen. Ich habe diese Teilung als eine direkte oder amitotische be- zeichnet. Wenn man allerdings unter mitotischer Teilung nur diejenige versteht, bei der die Kernsubstanz (Chromatin) in zwei gleiche Hälften sich sondert, so könnte auch die eben be- schriebene Teilung als eine Art Mitose gelten. Sieht man aber den Fadenknäuel, die Schleifen, die Spindel als wichtige Kriterien der Mitose an, dann haben wir in unserem Falle nichts als eine amitotische Kernteilung. Die erste Anlage der Nesselkapsel (Kapselkeim, K. k. in allen Figuren) beobachtete ich als ein kleines längliches (manchmal auch beinahe kugeliges) hellglänzendes Körperchen im Innern nicht des Zellenplasma, sondern des Kernes, beinahe unmittelbar neben dem Kernkörperchen, von demselben durch seine mehr homogene (nicht granulöse) Beschaffenheit unterschieden i) (Fig. 10a). In einigen Fällen schien dieser kleine Kapselkeim sich eben erst in Form eines Stäbchens von dem Kernkörperchen abgehoben zu haben (Fig. 10b, e, h und Fig. IIa), aber noch neben demselben ^) Die Kapselkeime zeichnen sich im allgemeinen auch durch stärkere Tinktionsfähigkeit vor den Kernkörperchen aus. und Entwickeluiig der Nesselorgane der Hydroiden. 239 zu liegen. Wo sich von anfang an mehrere Kernkörperchen gebildet hatten (Fig. 10c, d) fand ich später blos ein Kernkörperchen und daneben das längliche Stäbchen. Allmählich kommt nun der Kapselkeim aus der Tiefe des Kernes an die Peripherie zu liegen (Fig. 10a, d u. IIb u. 17b), ohne dass zunächst an ihm eine auffallende Grössenveränderung zu beobachten wäre. Einmal freilich habe ich ihn schon jetzt von einer beträchtlichen Grösse, ähnlich der seiner definitiven Form, vor- gefunden (Fig. 10g, a). Auf der Peripherie angelangt, ist die Masse bereits unverkennbar die junge Kapsel. Man ist somit zu dem Schlüsse berechtigt, dass die erste Anlage der Nesselkapsel aus dem Kern stammt und durch eine Art Teilung ensteht, bei der aber nur ein verhältnissmässig kleiner Teil der Kernsubstanz Verwendung findet. Sobald der Kapselkeim an die Oberfläche des Kernes aufgerückt ist, bildet sich um denselben ein heller Hof entweder bloS an der inneren Seite (Fig. 10g, e, lld) oder fast im ganzen Umfange. Oft jedoch verweilt er längere Zeit im Plasma der Zelle, ehe sich der helle Hof um ihn bildet. Immer aber steht der Kapselkeim da, wo er sich von dem Kern abgehoben hat, mit dem Plasma der Zelle in direkter Ver- bindung. Diesen hellen Hof oder Sekretraum, wie er von den älteren Autoren auch genannt worden ist, nahm man bis dahin für die erste Anlage der Kapsel an. Verleitet wurde man zu dieser Annahme jedenfalls durch die Häufigkeit der Fälle, in denen der kleine Kapsel- keim beinahe ganz von dem hellen Hofe umgeben war. Ich meiner- seits aber habe nie einen Sekretraum ohne Kapselkeim auf- finden können, wohl aber junge Kapselkeime, die noch nicht von einem hellen Hofe umgeben waren (Fig. 10, IIb, 12 a, 13). Dieses helle Aussehen des Hofes ist jedenfalls darauf zurück zu führen, dass das Protoplasma durch das Wachstum der jungen Kapsel dünnflüssiger geworden ist, denn mit dem Grösser- werden des Hofes wird das ursprünglich dickflüssige Protoplasma allmähhch auf eine sehr dünne Hülle (Plasmabelag) reduciert. Der dünne Plasmamantel ist an der Stelle, wo er den Kern birgt, be- deutend dicker als sonst, ja sogar dicker als nötig scheint, um blos den Kern zu beherbergen (Fig. IG u. 18e). Es ist dies die Stelle, wo der Hals der jungen Kapsel dem Protoplasma anliegt, und von wo aus sich auch der Schlauch des Nesselapparates ausbildet (Fig. 11, e, d u. 12). Der Hals der Kapsel wird allmählig etwas länger, bis man schliesslich in ihm den Basalteil des Schlauches erkennt. Und endlich sieht man, wie eine fadenförmige Fortsetzung des Halses, durch stärkere Lichtbrechungsfähigkeit auffallend, in den Plasmabelag hineinwächst und eine Windung nach der anderen um den Kern herum legt: es ist der Schlauch der Kapsel, den man darin vor sich 240 Lewis Muibach: Beiträge zur Kenutnis der Anatomie hat. Der Basalteil desselben liegt in der äussersten Spirale, während das innerste, wachsende Ende den Kern umfasst. Wir können also in der Bildung des Schlauches mehrere Stadien unterscheiden, deren Dauer wesentlich von einander abweicht. Das früheste Stadium, in dem die ersten Anlagen des Schlauches sichtbar werden, kann im Ganzen nur selten beobachtet werden; die Bildung geht anscheinend sehr schnell vor sich und entzieht sich so in den meisten FäUen der Beobachtung. Die darauf zunächst folgenden Stadien der Entwickelung , in denen sich der Schlauch bereits in 3 oder mehr (bis 6) Windungen um den Kern herum gelegt hat, können sehr häufig beobachtet werden (Fig. 16). Dann aber wird es schwieriger , die weitere Entwickelung , das Wachsen des Schlauches, genauer zu verfolgen, da letzterer in den meisten Fällen bereits eingestülpt in der Kapsel liegt (Fig. 20). Die Schläuche sind dann nicht blos viel länger und dünner, sondern auch fester als in dem Stadium vor der Einstülpung. Es entsteht nun die Frage ob a) etwa der vor der Einstülpung an seinem äussersten Ende noch ziemlich dick aussehende Schlauch sich bei der weiteren Ausbildung in die Länge streckt, oder ob b) die feinsten jüngsten Spiraltouren sich so wenig vom Plasma abheben, dass sie unsichtbar bleiben, oder ob c) diese weiteren, letzten Stadien so schnell vor sich gehen, dass es schwer hält, dieselben zur Be- obachtung zu bekommen. Ich möchte ein Zusammenwirken von b und c für das Wahrscheinlichere halten. Da der Schlauch vor seiner Einstülpimg bis in das letzte Stadium, das ich beobachten konnte, noch eine gewisse embrj^onale Unfertig- keit aufweist, indem weder die Spiralerhebungen (Härchen) des End- abschnittes, noch deutliche Widerhaken nachzuweisen sind, so darf man wohl annehmen, dass er von einer Art Ueberzug oder Bildungs- matrix umhüllt ist. Diese würde sich dann nach seiner Einstülpung ablösen, so dass der Schlauch dann in seiner definitiven Form er- scheint. Kapselkeim und Schlauch sind jetzt vollkommen ausgebildet. Der Kapselkeim wird zur dünnen Innenwand der doppelwandigen Kapsel und der Schlauch ist eingestülpt, während die Masse, die den hellen Hof um die innere Kapselwand (Kapselkeim) bildete, sehr rasch kleiner wird, sich verdichtet und schhesslich die dickere äussere Wand der Kapsel darstellt. Der kontraktile Plasmabelag der Zelle folgt der Kapsel und schhesst sich eng an diese an. Wenn wir seiner Zeit in dem anatomischen Teil drei Arten der Nesselapparate unterschieden, so geschah dieses zunächst mit Rück- sicht auf ihre Beschaffenheit. Es findet diese Einteilung aber auch in der Entwickelung eine Stütze. Die allgemeinen Züge der Ent- wickelung sind freilich für alle Formen die gleichen. Aber daneben finden sich gewisse Eigenthümlichkeiten, die eine jede derselben auszeichnet. Ich beginne bei der Darstellung derselben, wie in dem und Entwickelung der Nesselorgane der Hydi'oiden. 241 anatomischen Teile, mit dem einfachsten Nesselapparat, wie wir ihn bei Physalia und anderen finden. Der längliche Kapselkeim wächst hier anfänglich verhältnis- mässig langsam (Fig. 11), nimmt aber mit zunehmender Grösse eine immer mehr rundliche Form an. Sobald der verlängerte Schlauch und der sehr früh gross gewordene helle Hof es erlauben, finden wir die junge Kapsel etwas entfernt vom Zellkern (Fig. 16 a, b). Der Kern liegt aber immer in der dickeren Masse des Proto- plasmabelages, wo er von dem wachsenden Ende des Schlauches eng umfasst ist, und weist stets ein Kernkörperchen auf. Vor der Einstülpung des Schlauches konnte ich nie mehr als 6 Spiraltouren beobachten, während ich in der ausgebildeten Kapsel deren wenigstens zweünal so viele vorfand. Spiraltouren und Kapsel- keim liegen nicht in derselben Ebene, doch liegen die Windungen des Schlauches gewöhnlich seitlich neben der ovalen Nesselzelle. Ein Bild für die noch nicht ganz abgeschlossene Einstülpung des Schlauches bildet Fig. 5B. Ich konnte diesen Fall mehrfach beobachten. Beobachtungen an Hydra, marinen Hydrozoen und Velella, bei denen durchweg komplizierte Schläuche mit Widerhaken in den ovalen Kapseln vorkommen, lehren, dass der Entwicklungsgang bei ihnen allen derselbe ist (Fig. 10, 12, 14, 15). Der Kapselkeim ist hier mehr länglich und nicht so grobkörnig, wie bei Physalia. Der helle Hof ist stets verhältnismässig klein. Der Basalteil des werdenden Schlauches ist von Anfang an weit, und die Widerhaken entwickeln sich spät als nach hinten gerichtete Fortsätze. Die Zahl der Spiraltouren ist IV2 oder zwei. Dieselben liegen in einer Ebene mit dem Kapselkeim und dem Zellkern; die Ebene durchschneidet die Mitte der Zelle. Besonders in den späteren Stadien liegt der Kern dem Basalteile des Schlauches sehr nahe. Ohne dass man inzwischen mehr Spiraltouren beobachten kann, ist der Schlauch in späteren Stadien teilweise schon eingestülpt (Fig. 14, 20) Bei der Entwickelung der dritten mehr komplizierten Nessel- apparate aus Nesselbändern von Physophora und Agalma weist der Kapselkeim gewöhnlich schon früh eine längliche und etwas ge- bogene Form auf (Fig. 17, 18c). Er ist hier wieder sehr grob- körnig und Hegt in einem mittelmässig grossen hellen Hofe. Der Schlauch zeigt nie viele Windungen (1 — 4). Der Kern nimmt anfangs die konkave Seite des Kapselkeimes ein, scheint aber später mehr an dem Basalteil des Schlauches zu liegen. In der Einstülpung begriffene Schläuche habe ich nicht beobachten können. Bei der zuerst beschriebenen Art der Nesselapparate war kein Basalabschnitt des Schlauches vorhanden, bei der zweiten und dritten Art kamen Basalabschnitte mit Widerhaken und Dornen vor. Ganz abgesehen von der verschiedenen Form des Nesselkapsel- keimes, liegt der Hauptunterschied der drei Arten in der Form des Schlauches und in seinen primitiven Lagebeziehungen zu dem Zell- Aicli. f. Naturgesch. Jahrg. 1894. Bd. I. H. 3. 16 242 Lewis Murbach: Beiträge zur Kenntnis der Anatomie kern. Aus dem letzteren Umstand glaube ich noch einen wichtigeren allgemeinen Schluss ableiten zu können. In den zuletzt beschriebenen Fällen konstatierten wir die pro- ximale Lage des Kernes zu dem Basalabschnitt des Schlauches, bei allen 3 Arten aber die unmittelbare Gegenwart des Kernes an dem wachsenden Schlauchende. Hierin liegt nach meiner Ansicht eine Bestätigung der schon von anderen Autoren ^) behaupteten That- sache, dass die Bildungsthätigkeit der Zelle von der Lage des Kernes in derselben abhängt. Die Angaben früherer Autoren über Einstülpung des Schlauches beziehen sich nie auf die erste Ursache dieser Er- scheinung. Sie beschränken sich durchweg auf die die Einstülpung unterstützenden Momente. Zu diesem ganz eigenartigen Vorgang möchte ich mir nun erlauben, folgende Bemerkungen als Versuch einer Erklärung zu machen. Ich nehme an, dass mit dem Abschluss der Bildung der inneren Kapselwand und des Schlauches eine chemische Veränderung im Plasma der Nesselzelle vor sich geht. Es wird der „hellen Masse" (d.h. jener, die die innere Kapsel umgiebt, also den früher besprochenen hellen Hof bildet) Wasser entzogen und die Folge davon ist, dass diese sich verdichtet. Das Wasser, welches auf diese Weise der äusseren Kapselwand entzogen wurde, wird nun aus dem Inhalte der inneren Kapsel ersetzt. Durch diesen Wasserverlust im Innern der Kapsel muss der Druck auf das Aeussere der Kapsel zunehmen. Die Kapsel, nunmehr aus doppelter Hülle bestehend, wird so fest, dass sie dem Drucke von aussen gar nicht oder sehr wenig nachgiebt, wie man auch aus ihrer Form erschliessen kann 2). Der Schlauch dagegen stellt eine dünnere nach- giebigere Stelle dar und zwar ist die Spitze des Schlauches am dünnsten. An dieser Stelle wird nun dem Drucke nachgegeben, und eine rasche Einstülpung vom Ende des Schlauches aus ist davon die natürliche Folge. Von der Spitze an wird der Schlauch durch den „negativen Druck" förmlich eingesogen (Fig. 14b, 20). Diese Einstülpung (Einkrempelung) erfolgt sehr rasch bis an die Widerhaken, wo solche vorhanden. Durch die Einkrempelung ver- anlasst, legen diese ihre Spitzen nach oben zusammen (Fig. 14b) und senken sich so herunter in die Röhre. Da die Uebergangsstelle des Zwischenstückes in den Basalabschnitt gewöhnhch am dünnsten ist, so krempelt sich der Basalteil des Schlauches so ein, dass die zusammengelegten Widerhaken mit der Spitze nach aussen in sein Inneres eingezogen werden. Man kann sich diesen Vorgang dadurch veranschaulichen, dass man sich eine feine Dolchspitze auf der Fingerspitze eines Handschuhes befestigt denkt. Krempelt man nun den Finger des Handschuhes ein, so kommt die Dolchspitze in das 1) cf. Litt 21 u. 28. ') Nur Kapseln mit bereits eingestülptem Faden wurden zuweilen mit zu- sammengefallener und gerunzelter Wand gefunden. und Eutwickeluüg der Nesselorgane der Hydroiden. 243 Innere des eingekrempelten Fingers zu liegen, der eingekrempelte Finger selbst liegt aber im Innern (der Hand) des Handschuhes, welches dann etwa der Kapsel entsprechen würde. Wenn die Widerhaken bis gegen die Basis der Kapsel hinunter reichen, dann folgt aus der anatomischen Sachlage, dass normaler Weise blos ein kurzer Abschnitt der dünnen Röhre in dem Hohl- raum unter den zusammengelegten Widerhaken liegt (Fig. 1, 2) Von der Spitze dieses kurzen Abschnittes geht der dünne Schlauch- abschnitt nach der Basis der Kapsel zurück, um von da aus in vielen Windungen sich aufzurollen. Da der Schlauch sich in einer spiraligen Lage entwickelte, eine derartige Anordnung im Kapsel- raum aber auch für das spätere Hervorschnellen von Nutzen ist, wird man sich die spiralige Anlage im Innern der Kapsel leicht er- klären können. Bei der Ausstülpung würde dieser ganze Vorgang sich dann gerade in umgekehrter Reihenfolge abwickeln. In der That hatte ich bei einer durch Druck sich langsam entladenden Kapsel Gelegen- heit das letztere zu beobachten (Fig. 2, 5). Als für alle Fälle geltend ist noch hinzufügen, dass der ein- stülpende Druck von aussen das sich einkrempelnde Lumen des Schlauches stets mit der umgebenden Masse gefüllt erhält. Um die Hauptzüge der Einstülpung sich zu veranschaulichen, denke man sich etwa folgenden Apparat. Eine ziemlich resistente Kapsel aus einem Material, das hohe osmotische Fähigkeit besitzt, trägt an dem Halse eine dünne Röhre (Schlauch), deren Wand allmählich nach der Spitze zu dünner wird und sich verjüngt. Das Ganze aber ist mit Wasser gefüllt. Kapsel und Röhre werden nun in einer starken Eiweisslösung oder sonst einer osmotischen Druck produzirenden Flüssigkeit unterge- taucht. Sobald die Exosmose vor sich geht, wird der äussere Druck auf die Kapsel und den Schlauch gesteigert, und da die Kapselwand nicht nachgeben kann, so wird die sehr zarte Röhre, von ihrer dünnsten Stelle aus anfangend, eingestülpt werden. Da der Druck blos mittelst der umgebenden Flüssigkeit wirken kann, so wird selbst- verständlich das sich einstülpende Lumen der Röhre von der um- gebenden Flüssigkeit erfüllt sein. Gerade dieser letztere Umstand, der seit Möbius' Arbeit nicht wieder hervorgehoben worden ist, scheint mir sehr wichtig. Während nun aber Möbius diese Flüssig- keit blos zur Erhöhung der Adhäsion des ausgestülpten Schlauches verwendet haben will, glaube ich, dass diese Flüssigkeit das giftig wirkende Sekret ist, während der Kapselinhalt nur dazu bestimmt ist, hydrostatisch zu wirken (cf. anatomischer Teil). Bis nach der Einstülpung hegt nun die Kapsel mit dem Ein- stülpungs- oder Entladungspol dem Kern der grösseren Protoplasma- masse der Zelle zugewendet, im entladungsfähigen Zustande aber ist der Entladungspol von dem Kern abgewendet (Fig. 5B. 20). 16* 244 Lewis Murbach: Beiträge zur Kenntnis der Anatomie Dieser dickere Teil des Plasmabelags mit Kern wird zum Basal- teil der Nesselzelle und ist gewöhnlich der Stützlamelle zugewendet (Fig. 5e u. 14). Folglich muss die Kapsel nach ihrer Ausbildung eine Rotation von 180 Grad durchmachen, um in die richtige Stellung zu kommen. In manchen Fällen ist aber der Kern schon an der Seite der Kapsel, dann genügt eine Drehung von 90 Grad. Nur bei Hydra hat Nuss- baum diese Umdrehung beobachtet; ich konnte sie nicht nur hier, sondern auch bei Physalia feststellen. Was ist nun der Zweck und die Bedeutung einer solchen Drehung? Das Natürlichste ist wohl, dass die Kapsel sich auf diese Weise in die richtige Lage für die Entladung setzt. Denn der Schlauch konnte ja nicht gut durch den dicken Teil des Plasma- belages, wo der Kern sitzt, entladen werden. Ob dann auch der Kern aufs Neue an eine Stelle tritt, wo seine Thätigkeit verlangt wird, und ob dieser Vorgang mit der Bildung der später zu be- sprechenden Fortsätze (Stiele) in Beziehung steht, kann erst nach weiteren Beobachtungen festgestellt werden, zu denen ich später Gelegenheit zu finden hoffe. Ueber die Entwickelung der Muskelstiele ist wenig zu sagen. An den soeben zur Ausbildung gelangten Nesselapparaten kann man noch nicht von einem Ausläufer oder Stiel sprechen; man er- kennt hier nur eine massenhafte Anhäufung von Plasma, die den Kern birgt. Der übrige Teil des Kapselbehälters ist gewöhnlich auf eine dünnere Membran reduziert, die später bei der Entladung des Schlauches durchbohrt ist (Fig. 5 D). Meine Untersuchungen über die Entwickelung der Stiele sind im Ganzen ebenso resultatlos verlaufen, wie seiner Zeit die Untersuchungen Jickeli's. Einen kleinen Plasmafortsatz (Fig. 21), der in der Richtung des späteren Stieles hinzieht, kann man als erste Andeutung desselben ansehen. Bei VeleUa (Fig. 22 a) habe ich auch weiter vorgerückte Stadien gefunden, in denen der Fortsatz eine bedeutendere Länge er- reicht hatte und unzweifelhaft schon den späteren Stiel repräsentierte, auch manchmal ein stark tingirbares Granulum in sich einschloss. Stadien, wie ich sie in Fig. 22b, e abgebildet habe, würden dann direkt auf die ausgebildeten Stiele führen. Von diesen halte ich e für das jüngere Stadium, weil dort noch kein Cnidocil vorhanden ist, und b für das ältere; auch hier sieht man an dem unteren Ende die hellglänzende Masse. Es ist möglich, dass das stark sich fingierende Körperchen Beziehung zu den An- schwellungen hat, die man im Basalteil der Stiele von Velella vorfindet. Noch eine Beobachtung will ich hier erwähnen, die, obgleich ich sie nicht verwerten kann, von Interesse sein dürfte. Es ist dies eine sich entwickelnde Nesselkapsel mit Schlauch (bei Velella) in einer Nesselzelle, deren Stiel schon die langgestreckte schlanke Form und die derbe Beschaffenheit des spätem Apparates besitzt (Fig. 27.). Anfangs glaubte ich einen Fall vor mir zu haben, wo nach Verlust der ersten Nesselkapsel eine zweite sich bildete. In und Eutwickelung der Nesselorgaue der Hydroideii. 245 Ermangelung weiterer Beobaclitungen muss ich es aber dahingestellt sein lassen, ob diese Annahme die richtige war. Nachdem wir hiermit die Entwickelung der Nesselorgaue bis zimi Abschluss geschildert haben, bleibt noch übrig, die Frage zu erörtern, auf welche Weise diese Organe von dem Entwickelungs- ort an die Stätte ihres Verbrauches gelangen, an einen Ort, der in vielen Fällen eine nicht unbeträchtliche Strecke von ersterem ent- fernt ist. Die Frage ist zwar schon viel angeregt worden, aber eine befriedigende Beantwortung hat sie bis dahin nicht gefunden. Zwei Antworten liegen auf der Hand. Entweder werden die Nesselorgane auf natürliche Weise durch das Wachstum der Gewebe vorgeschoben, oder sie werden durch ein aktives Wandern an ihre Verbrauchsstätte befördert. Bei den Polypen findet im allgemeinen ein grösserer Verbrauch von Nesselorganen auf den Tentakeln statt als irgendwo anders. Nun bilden sich diese Organe aber nicht etwa auf letzteren, sondern im Ectoderm des Körpers, vorzüghch in der Nähe der Tentakelzone, wo ansehnliche Massen von Nesselbildungszellen liegen und förm- liche Vorrathskammem darstellen. Da es mir zunächst sehr unwahr- scheinlich schien, dass so hoch differenzierte Zellen, wie die Nessel- organe es sind, aktive Wanderungen durchmachen könnten, suchte ich nach Merkmalen eines Vorschubs durch Wachstum der Gewebe, wie es ja auch schon die älteren Autoren^) bei den Fangfäden der Siphonophoren beobachtet hatten. Allein ich konnte bei Hydra dafür keine Stütze finden. Hie und da bemerkte ich aber in den Tentakeln bei Hydra Nesselorgane parallel zur Oberfläche, und dieses schien auf eine active Wanderung hinzudeuten. Später fand ich auch in der früheren Litteratur Zeichnungen, die bei nahe verwandten Formen ganz deutlich das gleiche Verhalten zeigten. So kann man u. a. in den sehr sorgfältig ausgeführten Zeichnungen Schulz e's (40) die Richtung der Nesselzellenwanderung beobachten, wenngleich im Texte selbst darüber Nichts bemerkt ist. Auch in den Zeichnungen der Gebrüder Hertwig (24) Taf. V. sieht man Nesselzellen, die auf der Wanderung vom Nesselwulst auf die Tentakel begriffen sind (Fig. 26 bei Carma- rina hastata). Eine weitere auffallende Beobachtung benahm mir den letzten dweffel an einer Wanderung dieser Organe; sie brachte mich über Ziese Erscheinung völlig in's Klare. Bei Velella^) fand ich nämlich nicht blos ein grosses Nessel- lager unter der sogenannten Leber, sondern auch überall zwischen deren röhrigen Fortsetzungen Nesselorgane in den verschiedensten Entwickelungszuständen. In der Velellascheibe haben wir, von unten nach oben gedacht, zuerst Ectoderm (Ec), dann eine dicke faserige 1) cf. Litt. 31 u. 38. 2) Fig. 26, Taf. II. 246 Lewis Murbach: Beiträge zur Kenntnis der Anatomie Stützlamelle m, eine Lage Entoderm und endlicli das oben erwähnte mächtige Nessellager (n. p.). Wie eine solche Masse von Nesselorganen zur Verwertung ge- langen sollte, da sie, ganz abgesehen von Ectoderm und Entoderm, durch eine dicke Stützlamelle begrenzt war, schien so lange un- begreiflich, bis meine Aufmerksamkeit auf letztere selbst (Fig. 23. 24m) gerichtet wurde. Jetzt aber fand ich in derselben hie und da kanalartige Lücken (Fig. 26 e), die alsbald näheren Aufschluss gaben. Auf Serienschnitten konnte ich nun nachweisen, dass diese Kanäle schräg durch die Stützlamelle hindurch aus der Tiefe bis in das Ectoderm der unteren Fläche der Velellascheibe führten. Ge- legentlich traf ich dabei den schrägen Kanal in seiner ganzen Länge (Fig. 23 u. 24 e), und da stiess ich nun auf die überzeugendsten Zeichen einer Wanderung ; denn der Kanal enthielt mehrfach Nessel- organe (Fig. 23, 24), die auf dem Wege von dem Magazin nach dem Ectoderm waren. ^) Ich konnte sogar noch mehr beobachten, denn die betreffenden Gebilde waren nicht etwa regellos angeordnet, sondern immer mit dem Basalteil (Plasma und Kern) in der Richtung ihrer Wanderung gestellt (Fig.23,24). Auf all den vielen Schnitten, die ich untersuchte, konnte ich immer die Einhaltung dieser Lage feststellen. Da aber Nesselorgane im Ectoderm der unteren Seite der Velellascheibe im allgemeinen nicht sehr häufig vorkommen, konnte ich hoffen, in der Nähe der Verbrauchsstätten (der Geschlechts- polypen u. Tentakeln) dieselben noch häufiger anzutreffen. Und auch dieses bestätigte sich vollständig. An der Basis der Polypen waren sowohl die Kanäle häufiger, als anderswo (Fig. 25, 26), wie auch die Nesselorgane in grosser Menge vorhanden. Sogar in den Lücken konnte ich sie schaarenweise (Fig. 25 e. no) auffinden, im Begriff an den Polypen herabzusteigen. Die Zellkörper selbst scheinen sie dabei nicht zu durchsetzen, wohl aber zwischen den Ecto- dermzellen dahin zu kriechen. Ihre Bewegung w^ird wahrscheinlich durch Kontraktionen in den nächstliegenden Zellen befördert. Wo die Durchbruchstelle in geringer Entfernung von dem Polypen ist, da sieht man die Nesselorgane longitudinal unter dem Ectoderm hin- ziehen. Beiläufig mag dabei übrigens erwähnt sein, dass diese Nesselorgane oft das Cnidocil schon aufweisen, bevor sie an die Oberfläche gekommen sind (Fig. 23. no.). Bei den nesselbandtragenden Siphonophoren sind die Ver- hältnisse insofern andere, als die Kapseln sich in dem Nesselband entwickeln und nach Abschluss der Entwickelung des Nesselknopfes unmöglich von anderer Stelle einwandern können. Hier hätten wir also doch einen Fall, wo für die verbrauchten Nesselkapseln durch einen Nachschub Ersatz geleistet wird, welcher ^) Erst nachdem meine Beobachtungen soweit gediehen waren, kam mir Bedot's (3) Schrift zu Gesicht, und hier fand ich, dass diese Beobachtung schon vor mir gemacht war. Bedot giebt jedoch nicht an, wie die Nessel- organe nach dem Ectoderm bewegt werden. und Entwickeluiig der Nesselorgaiie der Hydroiden. 247 auf dem natürlichen Wachstum der Gewebe beruht. Allerdings finden sich zahlreiche Entwickelungsstadien aller Art auch auf dem Basal- abschnitt des Polypen, aber die Fangfäden oder Tentakeln sind ja nichts als Ausstülpungen dieses Basalteils der Polypen. Bei den Hydroiden darf man wohl mit Recht annehmen, dass die Nesselorgane sich in mehr proximal gelegenen Regionen des Körpers bilden, aber durch aktive Wanderung oder auch durch Vorschub infolge Wachstums nach mehr distalen Teilen des Körpers gebracht werden, um dort ihre Funktion zu erfüllen und dabei verbraucht zu werden. Dass ziemlich einfache Zellen — Eier — der Hydroiden im Ecto- derm und im Entoderm hin und her wandern, ja sogar durch die Stützlamelle hindurchpassieren, ist zwar längst durch andere Arbeiten ') bekannt, bei so hoch differencierten Zellen aber, wie unsere Nessel- organe es sind, spricht eine derartige Wanderung für eine Selb- ständigkeit, die ein hohes Interesse beanspruchen dürfte. Um meine Befunde zum Schluss noch einmal kurz zusammen zu fassen, so besteht die Nesselkapsel zunächst aus einem sehr zarten Bläschen, das von einer sehr festen äusseren Wand umschlossen ist. Während das Bläschen von dem Kern aus seinen Ursprung nimmt, rührt die äussere Wand von der Masse her, die während der Entwickelung des Bläschens um dasselbe herum ausgeschieden wurde. Der Schlauch büdet sich als Fortsetzung des Bläschens aus dem Protoplasma der Zelle um den Kern herum. Diese Entstehungs- weise bedingt seine spiralige Aufrollung in der Kapsel. Die Wasserentziehung aus der das Bläschen umgebenden Masse erzeugt osmotischen Druck nach dem Innern des Bläschens und ist als die Ursache der Einstülpung des Schlauches anzusehen. Die wichtigsten Teile des Nesselapparates der Hydro- iden, Bläschen und Schlauch, sind Gebilde, die durch Wachstum in der Zelle entstanden, und nicht etwa Aus- scheidungsprodukte derselben. Nachtrag. Während eines kurzen Aufenthaltes an der Zoologischen Station zu Neapel benutzte ich einen Teil meiner Zeit, die im vorigen Jahre an konserviertem Materiale gewonnenen Resultate an lebenden Objekten zu kontrolieren. Als Tinctionsmittel wurde Methylenblau mit gutem Erfolg benutzt. ^) Weismann, Die Entstehung der Sexualzellen bei Hydromedusen. 248 Lewis Murbach: Beiträge zur Kenntnis der Anatomie An Siphonoplioren und Medusen (Carmarina) liess sich die oben geschilderte Entwickelung der Nesselorgane vollständig bestätigen. Da ich früher keine Gelegenheit hatte, Actinien zu berück- sichtigen, so nahm ich zuerst diese vor. — An Gewebeteilen, die dem äusseren Rande des Körpers unterhalb der Tentakel einer Anemone sulcata entnommen wurden, konnte ich Nesselorgane, in verschiedenen Entwickelungsstadien begriffen, auffinden. Die frühesten Stadien, die bei dieser vorläufigen Beobachtung festgestellt werden konnten, betrafen junge Kapseln, die hufeisenförmig zu- sammengekrümmt in der Nesselzelle lagen und den Kern gewöhnlich im Bogen einschlössen. In älteren Stadien war die Kapsel mehr gestreckt und man konnte den Schlauch als Fortsetzung der Kapsel, um den Kern herum 1) in vielen Windungen verfolgen. Die Windungen sind locker und liegen nicht in einer Ebene. Es scheint somit auch hier derselbe Entwickelungsgang der Nesselorgane, wie solcher für die Hydroiden be- schrieben wurde, stattzufinden. Betreffs der Wanderung der Nesselorgane wurden (bis jetzt) an lebendem Material drei Beobachtungen gemacht. Bei der ersten wurde ein Hydranth von Pennaria Cavohnii unter dem Deckglas durch Klopfen so weit zertrümmert, dass die Zellen ziemlich isoliert waren. Sehr viele von den Nesselzellen waren verletzt. In einer, die noch intakt schien, konnte ich Formveränderungen des Plasma feststellen. Sie waren träge und nicht umfangreich. Vorwärtsbewegung konnte nicht beobachtet werden. Eine Täuschung durch passive Lagen- veränderung war durch gleichzeitige Beobachtung eines fixen Punktes (der Widerhaken) in der Nesselkapsel ausgeschlossen. Die zweiten und dritten Beobachtungen geschahen ebenfalls an Pennaria C. Die eine gab ein kleines, jedoch sicheres Resultat (Vergl. Holzschnitt). Ein Nesselorgan, das lokale Wanderungen zu machen schien, wurde während 26 Minuten beobachtet und zu Intervallen von 4 — 9 Minuten mit der Camera lucida skizziert, wobei die gleichfalls ge- zeichneten Kuppen der EctodermzeUen als Anhaltspunkte dienen. Es ergab sich dabei, dass die Nesselzelle unter fortwährenden Form- veränderungen anderthalb Zellen, eine Strecke, die ungefähr ihrem Längsdurchmesser gleichkam, durchsetzte. Die Bewegung war mit dem Basalteil der Zelle voran auf einen Tentakel hin gerichtet. Bei einer Skizze (b) konnte ich die Umrisse der ZeUe nicht deutlich genug sehen, sie zu zeichnen. In zwei anderen (a u. f) war der Kern nicht sichtbar. An einem anderen Tage wurden verschiedene Nesselzellen, die parallel zur Oberfläche lagen, an einem frisch abgeschnittenen Hydranthen beobachtet. Einige schienen sich gar nicht zu bewegen, während andere dies sehr langsam thaten. Eine, deren Bewegung sofort in's Auge fiel, wurde längere Zeit verfolgt (ihre Lage war 1) Aber nicht um die Kapsel wie Schneider (vide lit.) meint. uiui Entwickeluug der Nesselorgaue der Hydroiden. 249 ungünstig zum Zeiclmen). Sie lag parallel zur Oberfläche und in einer Entfernung, die ihren Längsdurchmesser ungefähr drei Mal übertraf, hinter einem geknöpften Tentakel, der direkt unter dem Rüssel stand. Die Bewegung geschah in der Richtung des Tentakels, die 9 min. 7 min. Widerhaken waren dabei nach hinten gerichtet. In ca. 15 Minuten hatte sie die Tentakelbasis erreicht — und dabei sich 2 Mal beinahe aufrecht gestellt. Der Hydranth selbst war inzwischen nahezu ab- gestorben. Nach einer langsamen Umdrehung (180*') ging die Zelle 250 Lewis Miirbach: Beiträge zur Kenntnis der Anatomie in beinahe entgegengesetzter Richtung durch eine Strecke, die un- gefähr 1 V2 Mal die ihres Längsdurchmessers war, und stockte dann völlig. Die Bewegung von der Basis des Tentakels bis dahin nahm wiederum 15 Minuten in Anspruch. Es sind das Thatsachen, die meine früheren Schlüsse voll- kommen zu bestätigen geeignet sein dürften. Napoli, den 31. Mai 1894. Litteratur- Verzeichnis. 1. Agassiz, L. Contributions to the Natural History of the U. S. A. Vol. III. 1860. 2. AUman, Geo. A Monograph of Gymnoblastic Hydroids. 1871. 3. Bedot, M. Recherches sur l'organ central et le Systeme vas- culair des Velelles. Recueil zool. suisse. Tom. I. 1884. 4. — Recherches sur les cellules urticantes. Ibid. Tom. 4. 1888. 5. Bütschli, 0. Beiträge zur Kenntnis der Fischpsorospermien. Zschr. f. Wiss. Zool. Bd. 35. 1881. 6. Chorda, Nova Acta Physico-Medica. T. XVIII. 1839 (nach Erdl). 7. Chun, Carl. Die Greifzellen der Rippenquallen. Zool. Anz. I" 1878. 8. — Die Natur- und Wirkungsweise der Nesselzellen bei Coe- lenteraten, Zool. Anz. 4. 1881. 9. — Die mikroskopischen Waffen der Coelenteraten. Zschr. Humboldt. Bd. I. 10. — Die Canarischen Siphonophoren 1. Stephanophyes superba, in Abhdlg. der Senkenber- gischen Nat. Ges. 1891. 11. — 2. Monophyiden, ebenda 1893. 12. Claus, C. Physophora hydrostatica. Zschr. f. wiss. Zool. Bd. 10. 1860. 13. — Haiistemma tergestinum. Arb. a. d. Zool. Inst, zu Wien. 1878. 14. Davenport. On the development of Cerata in Aeolis. Bull. of the Mus. of Comp. Zool. Harvard Coli. Cambridge. Vol. 24. No. 6. 1893. 15. Ehrenberg. Abh. der Berliner Akademie aus d. Jahre 1835 bis 36 (nach v. Siebold). und Entwickeluiig der Nesselorgane der Hydroiden. 251 16. Eimer, Th. Nesselzellen und Samen bei Seeschwämmen. Archiv für Mikr. Anat. Bd. 8. 1892. 17. Erdl, P. Ueber Organisation der Fangarme der Polypen. Muellers Arch. 1841. 18. Gegenbaur, C. Beiträge zur näheren Kenntnis der Siphono- phoren. Zschr. f. w.'^Zool. Bd. 5. 1854. 19. Gosse, British Sea Anemones (nach Möbius). 20. Greef , Rieh. Protohydra Leuckartii. Zschr. f. Zool. Bd. XX. 1870. 21. Haberlandt. Ueber Beziehungen zwischen Lage und P\inktion des Zellkernes bei den Pflanzen. 1887. 22. Haeckel, E. Report Challenger, Siphonophora. 1888. 23. Hamann , 0. Der Organismus der Hydroid- Polypen I. Jen. Zschr. f. Nat. Bd. XV. N. F. VIII. 1882 und IL ebenda. 24. Hertwig, 0. u. R. Das Nervensystem und die Sinnesorgane der Medusen. 1878. 25. Jickeli, C. Ueber den histol. Bau von Eudendrium racemosum und Hydra. Morph. Jahrb. Bd. 8. 1882. 26. — II. Bau der Hydroid-Polypen. 27. Korotneff , A. Zur Histologie der Siphonophora. Mitteil. a. d. Zool. Stat. Neapel Bd. 9. 1886. 28. Korscheit, E. Beiträge zur Morph, u. Physiol. des Zellkernes. Zool. Jahrb. Bd. 4. 1889. 29. Kleinenberg, U. Hydra, eine anatomisch - entwickelungs- geschichtliche Untersuchung. 1872. 30. Lendenfeld, R. v. Ueber Wehrpolypen und Nesselzellen. Zsch. f. Zool. Bd. 38. 31. Leuckart, R. Zool. Untersuchungen I. Die Siphonophoren. 1853. 32. Leydig, F. Bemerkungen über den Bau der Hydra. Mueller's Archiv. 1854. 33. Möbius, C. Ueber den Bau, Mechanismus und die Entwicklung der Nesselkapseln. Abh. d. naturwiss. Vereins zu Hamburg. 1866. 34. Nussbaum, M. Ueber die Teilbarkeit d. leb. Materie. H. Archiv f. microsp. Anat. Bd. 27. 1887. 35. Pagenstecher, A. Zur näheren Kenntnis der Vellelliden-Form Rataria. Zschr. f. w. Zool. Bd. XII. 1862. 36 von Rath, 0. Ueber die Bedeutung der amitotischen Kern- teilung im Hoden. Zool. Anz. Bd. 14. 1891. 252 Lewis Murbach: Beiträge zur Kenntnis der Anatomie 37. Schneider, C. K. Histologie von Hydra fiisca mit besonderer Rücksicht auf das Nervensystem der Hydroidpolypen. Archiv f.Mic.Anat. Bd. 35. 1890. 38. — Einige histologische Befunde an Coelenteraten. Jen. Zschr. f. Nat. Bd. 27. N. F. 20. 1892. 39. Schulze, F. E. lieber den Bau und die Entwickelung von Cordylophora lacustris. 1871. 40. — Ueber den Bau und die Entwickelung von Syncoryne Sarsii. 1873. 41. — Spongicola fistularis. Archiv f. Mic. u. Anat. Bd. XHI. 1877. 42. Trembley, A. Memoire pour servir a l'histoire d'un genre de polypes d'eau douce. 1744. 43. Ziegler, H. E. Die biologische Bedeutung der amitot. Kern- teilung im Tierreich. Biol. Centralblatt. Bd. H. 1891. 44. Zoja, Raff. Alcune ricerche morfologiche e fisiologiche suU' Hydra. BoUet. Scientif. Anno XII. 1890. 45. — Amitosis or Direct Nuclear Division. Jour. Roy. Micr. Soc. Pt. 1. Febr. 1892. (Benutzte Lehrbücher und allgemeine Werke über Cnidarier sind nicht besonders verzeichnet.) und Entwickelung der Nesselorgane der Hydroideu. 253 Erklärung der Abbildungen. Allgemeine Bezeichnungen. Cn = Cuidocil. Co = Zwischenstück des Schlauches. Dk = Deckel. Ec = Ectoderm. En = Entoderm. H = Hof (heller) um den Kapselkeim K = Kapsel. Kk = Kapselkeim. m = Stützlamelle. n = Nucleus. No = Nesselorgan. P = Centralpolyp. p = Geschlechtspolyp. S = Schlauch. Sp = Spiralmuskel d. Nesselkapselstiele. St = Stiele der Nesselorgane. W = Widerhaken. w = kleine Widerhaken. Fig. 1. Physophora hydrostastica. A. Nesselkapsel. B. Nesselorgan aus der Tasterspitze, -^^o/i- C. Querschnitt von B. Fig. 2. Eine ehen durch Druck auf das Deckglas entladene Nesselkapsel aus dem Nesselband. Dk =; der aufgesprungene Deckel, welcher noch an der Kapsel hängt. Fig. 3. Velella spirans. A u. B = zwei Formender grossen Nesselkapsel- stiele mit Spirale (Sp) versehen. C u. D = Seiten- und Queransicht derselben (kleineren) Kapsel. Fig. 4. a := eine grössere, b = eine kleinere Kapsel im Ausstülpen begriffen. Fig. 5. Physalia utriculus. A. Kleines Nesselorgan mit durch Reagentien etwas ausgedehnter Spirale (Sp) sowie teilweise abgehobenem Plasma- behälter. B. grosses Nesselorgan, noch in der Entwickelung begriffen. Faden nicht vollkommen eingestülpt und die Kapsel noch nicht richtig gedreht. C. Querschnitt von Fangfäden kleiner und grosser Kapseln im Gewebe darstellend. D. Kapselbehälter von oben gesehen. Fig. 6. Velella spirans. Grössere u. kleinere Nesselorgane. Fig. 7. Nesselkapsel schematisiert von Velella und Hydra zur Anschauung des ausgestülpten Schlauches mit äusserer Kapselwaud. A. B. C. Herauspräparirte Spirale der Muskelstile, genau mit der Ca- mera gezeichnet und ohne nachherige Verbesserung mit Ausnahme der einen der zwei Linien der Spirale. Fig. 8. Physalia utriculus. Interstiellzellen mit angehender Mitose. Fig. 9. Hydra fusca. Institiellzellen mit angehender Mitose. Fig. 10. Interstitiellzellen und Kapselkeime in verschiedenen Stufen der Ent- wickelung. Fig. 11. Physalia utriculus. Kajiselkeime in verschiedenen Stufen der Entwickelung. a = eine eben erkennbare Nesselbildungszelle. Fig. 12. Velella spirans. Ein frühes und ein ziemlich spätes Entwickelungs- stadium der Nesselorgane, a = noch kein Hof vorhanden, b = ein bedeutender Hof sichtbar. Fig. 13. Agalma Sarsii. Junger Kapselkeim ohne Hof. 254 Lewis Murbach. Fig. 14. Hydra grisea. Kapselkeime, a = Schlauchbildung, b = ein bis auf die Widerhaken eingestülpter Schlauch. Kapsel noch nicht um- gedreht. Fig. 15. Hydra grisea. a) ein vorgerücktes Stadium der Schlauchbildung, b) eigentümlich quergerunzelte Erscheinung (Einstülpungsstadien?) der kleinen Kapseln. Fig. 16. Physalia utriculus. a und b = Modifikationen der Schlauchbildung, welche aber nicht bedeutende Abweichungen sind. Fig. 17. Agalma Sarsii. Drei Stadien der Entwickelung in zusammen- hängenden Zellen, a) einfache Zelle, b) Kapselkeira auf der Peripherie des Kernes, c) vorgerückteres Stadium mit Anlage des Schlauches. Fig. 18. Physophora hydrostatica. Drei Entwickelungsstadien der Nessel- kapselu. a, b, c vom Fangfaden; d vom Taster. Fig. 19. Velella Spirans. Aeltere Entwickelungsstadien. Fig. 20. Hydra fusca. Ein eben sich ausbildender Schlauch und ein schon teilweise eingestülpter Schlauch. Fig. 21. Velella spirans. Muskelfortsatz oder Stielbildiang, sehr frühes Stadium. Fig. 22. Reihenfolge a, c, b. Muskelfortsatz oder Stielbildung. Fig. 24 u. 23. Velella spirans. Schnitt durch einen Teil der Scheibe (26) des Tieres, Nesselorgane auf der Wanderschaft durch die Stützlamelle aufweisend. Fig. 25. Velella spirans. Schnitt durch Scheibe und Geschlechtspolyp, die Anhäufung der Nesselkapseln an der Basis des Polypen zeigend, sowie die brüchige, lockerfaserige Stützlamelle. Fig. 26. Schnitt durch die Scheibe und den Centralpolypen , um den Nessel- vorrat zu zeigen und zur Orientierung. Fig. 27. Gestielte Nesselzelle mit sich entwickelndem Nesselapparat. Anmerk. Sämtliche Figuren sind — nach einem Seibert' sehen Instrumente (Apochromat) — mit der Camera lucida vorgezeichnet. Strongylus fllaria R. Von Otto Aug-stein. Königl. Preuss. Kreisthierarzt zu Labiau. Hierzu Tafel XIII und XIV. Seitdem durch die bahnbrechenden Untersuchungen von Schneider (18, 19 u.23) und Leuckart ("24) der allgemeine Character des anatomischen Baues und der Entwickelungsgeschichte der Nematoden in so ausgezeichneter und bis auf den heutigen Tag mustergültiger Weise klargelegt wurde, hat es nicht an zahl- reichen Forschern gefehlt, die es sich zur Aufgabe stellten, den einen oder anderen Vertreter dieser Würmerklasse ein- gehender zu Studiren, um seine specielle histologische Einrichtung sowohl, als auch die Art und die Bedingungen seiner Entwickelung bis ins kleinste Detail zu ergründen. Wenn dabei auch, zufolge der für eine derartige Untersuchung durchaus ungünstigen Ver- hältnisse, in entwich elungsgeschichtlicher Beziehung nur wenig Neues und im Grossen und Ganzen relativ Unvollständiges gebracht werden konnte, so haben doch die histologischen Untersuchungen so nennenswerthe Resultate gezeitigt, dass sie zu immer neuen Forschungen anregten, und so besitzen wir denn in der heutigen Litteratur schon eine recht ansehnliche Summe von Monographieen, die uns nicht nur einen immer tieferen Einblick in die Histologie und Ontogenie dieser interessanten Thiere gewähren, sondern die auch immer wieder zeigen, wie scharf schon die oben erwähnten ersten Untersucher beobachtet, und wie richtig sie, trotz der damals noch verhältnissmässig unvollständigen technischen Hülfsmittel, ihre mikroskopischen Bilder beurtheilt haben. Wenn ich hier erwähne, dass neben anderen: Trichina spiralis (20), Pseudalius ovis pulmonalis (30), Allantonema mirabile (34), Ascaris megalocephala (31, 40, 45 u. 46), Ascaris lumbricoides (31 u. 40), Strongylus paradoxus (36 u. 47), Strongylus micrurus (41), Strongylus convolutus (48) und Bradynema rigidum (49) einer eingehenden Bearbeitung gewürdigt wurden, so geschieht es deshalb, um hen^orzuheben , dass es, wie ja naturgemäss zu erwarten war, 256 Otto Augstein: vorzugsweise solche Vertreter der Nematoden waren, welche dank ihres häufigen Vorkommens ihren Forschern ein reichliches Unter- suchungsmaterial zur Verfügung stellten. Unter solchen Umständen erscheint es etwas überraschend, dass gerade einer der häufigsten Strongyliden , der in Schaflungen schmarotzende Strongylus filaria, welcher noch obenein wegen seiner ansehnlichen Grösse ein nicht gerade unbequemes Forschungsobject darstellt, bisher etwas stiefmütterlich behandelt wurde, und ich entschloss mich daher, auf diese Thatsache von meinem hoch- verehrten Lehrer, Herrn Geheimrath Dr. Leuckart aufmerksam gemacht, um so lieber diesem Parasiten meine besondere Auf- merksamkeit zuzuwenden, weil er gerade in thierärztHchen Kreisen wegen der oft recht bedeutenden Schädigungen, die er in Schaf- haltungen anzurichten im Stande ist, von jeher ein lebhaftes Interesse erweckte. In der mir zugänglich gewesenen Litteratur — ich benutzte die Bibliothek der Universität Leipzig und diejenige der Berliner Thier- ärztlichen Hochschule und wurde in liebenswürdigster Weise durch die Herren Geheimrath Dr. Leuckart und Hofrath Dr. Zürn, welche mir einschlägige Werke aus ihrer eigenen Büchersammlung freundlichst überliessen, unterstützt — fand ich den Strongylus filaria zum ersten Male von Daubenton (1 p. 269) erwähnt. Derselbe beobachtete im Jahre 1768 in der ßourgogne eine „mörderische Schafseuche", bei welcher er fadendicke, drei bis vier Zoll lange Würmer in den Luftröhren bezw. in deren Aesten fand. Dass dieser Fund thatsächlich Strongylus filaria betraf, ist von Rudolphi (2, vol. IL p. 220) bestätigt worden. Letztgenannter grosser Entozoenkenner hat die gleichen Würmer des öfteren im Berliner zootomischen Theater bei Professor Sick gesehen, und er erzählt (2, vol. I p. 454), dass ihm auch der Londoner Professor Flormann übereinstimmende, den Bronchien des Schafes entnommene Strongyliden unter dem Namen „zusammengerollte — contortiplicati — " übersandt habe. In seiner Enumeratio Specierum (2, vol IL p. 219) stellt er die fraglichen Thiere unter die „Strongyliden mit nacktem Munde" und giebt von ihnen folgende Beschreibung: „Vermes unum ad tres cum dimidio pollices longi, filiformes, flavescentes. Caput obtusum, subtruncatum , continuum. Corpus utrinque, praesertim antice, parum tamen attenuatum. Bursa maris Integra, compressa, in apicem obliquum excurrens; extus convexa, radiata, patellam referens; filium genitale longum emittens. Cauda feminae acuta, fere subulata, vulva ab ejusdem apice haud longe distante. Ova elHptica satis magna, minora tamen quam in specie praecedente, an immatura? Strongyli bronchiales prolem vivam fovent." Rudolphi war es auch, welcher unseren Wurm mit dem Namen „Strongylus filaria" belegte, imd zwar will er diesen Namen Strongylus filaria R. 257 deshalb gewählt haben, weil die Weibchen eine grosse Aehnlichkeit mit den Filarien hätten. Die Einzelheiten der Rudolphi'schen Beschreibung werden 1817 von Veith (3, p. 430) bestätigt; im Uebrigen lässt derselbe unser Thier, wie überhaupt alle Eingeweidewürmer, in Uebereinstimmung mit der damals herrschenden Ansicht nicht von aussen in seinen Wirth gelangen, sondern sich in diesem „im Konflicte besonderer Umstände von selbst" erzeugen. Auch bei Waldinger (4, p, 50), von Am-Pach (5, p. 215) und Peterka (9, p. 43) finden wir dieselbe irrthümliche Ansicht ver- treten, und sagt Letzterer z. B. wörtlich: ,y.Die Lungenwurmkrankheit der Schafe besteht in einer langsam fortschreitenden Entzündung des Bronchialsystems mit starker Schaumsecretion und Ausschwitzung von eiterähnlichem, die innere Fläche der Lungenröhrenzweige bekleidendem, sehr zähem und cohärentem Schleim, wodurch eine Menge Ento- zoen regelmässig gebildet wird." Im Uebrigen beschäftigen sich diese Autoren, ebenso wie Tausch (11, p. 373), welcher im Jahre 1837 in der Gegend von Halle eine an „wurmiger Lungenseuche" leidende Lämmerheerde mit Erfolg behandelte, vorzugsweise mit den Krankheitserscheinungen der Wurmpneumonie und mit dem gegen dieselbe einzuschlagenden Heil- verfahren, ohne über den Bau der Würmer selbst etwas Neues zu bringen. Ueberhaupt entwickelt sich die Kenntniss vom anatomischen Baue des Strongylus filaria nur sehr langsam. Die im Jahre 1824 erschienenen Abbildungen von Bremser (8, Tab. HI, Fig. 26 — 31) enthalten keinen weiteren Fortschritt, als dass sie die Rudolphi'schen Angaben sehr schön veranschaulichen. 1831 erkannte Mehlis (10, pag. 84), dass das Spiculum der Männchen — ■ er nannte es noch Penis — doppelt sei, und 1851 machte Diesing (13, p. 315), welcher übrigens die männliche Bursa mit 10, theils zwei- theils dreigeth eilten Stäbchen ausgestattet sein liess, zum ersten Male auf den Grössenunterschied zwischen Männchen und Weibchen auf- merksam. Nach diesen Forschern scheint es erst wieder 1866 Schneider (23, p. 146) gewesen zu sein, welcher auf Grund selbstständiger Untersuchungen im Stande war, in der Beschreibung unseres Wurms über die Angaben Rudolphi's hinauszugehen. Er sah schon die Längskanten der ■ Haut imd erkannte sehr richtig, dass die von Rudolphi als Vulva beschriebene Oeffnung der After sei, dass die Geschlechtsöffnung dagegen weiter nach vorn — 30 mm vom Schwanz- ende entfernt — U^gSj ^^nd dass die Eierstöcke symmetrisch nach hinten und vorne verlaufen. Er fand die Spicula dick, kurz und dimkelbraun und zerlegte die Rudolphi'schen Bursalstäbchen in drei mit Einkerbungen versehene Hinterrippen, zwei Mittelrippen und vier Vorderrippen. Arch.f.Naturgesch. Jahrg. 1894. Bd. I. H. 3. 17 258 Otto Augstein: In Leuckarts: „Menschliche Parasiten 1866 — 1876" ist, der Bestimmung dieses Werkes entsprechend, unseres ausschliesslich auf Thieren schmarotzenden Wurmes nur vorübergehend Erwähnung gethan, trotzdem erweitert dasselbe (dessen erste Lieferung übrigens gleichzeitig mit Schneiders Monographie erschien,) die früheren Angaben über Strongjdus filaria durch die Abbildung der reifen Samenelemente (24, p. 38) und durch die bildliche Wiedergabe und Beschreibung der Embryonen (24, p. 106), welche, 0,54 mm lang, ein stumpfes Schwanzende und einen knopfartig vorspringenden Mundzapfen besitzen sollen, an dessen Basis die Chitinhaut ein Paar kleiner Verdickungen erkennen lässt. Die Spicula sind 1881 von Nörner (27, No. 1) einer eingehenden Untersuchung unterworfen worden, und werden von demselben als 0,432 nam lange, aus gefächertem Gewebe gebildete, röhrenförmige Organe angesprochen, welche an Stelle der bei anderen Strongyliden vorhandenen W^iderhaken eine bedeutende Anschwellung kurz vor der vorn abgerundeten Spitze besitzen, und die an ihrem oberen Ende 0,072 mm, in der Mitte 0,065 mm, an der Anschwellung 0,102 mm und an der Spitze 0,025 mm dick sind. Etwas befremdend ist seine Behauptung, dass die Spicula des in den Rehlungen schmarotzenden Strongylus filaria zwar ebenfalls aus gefächertem Gewebe beständen, aber sich von denjenigen ihres in Schaflungen lebenden Verwandten nicht nur durch geringere Grösse, sondern auch durch das Fehlen einer Anschwellung aus- zeichneten. Die Schilderung unseres Wurmes durch Perron cito (28, p. 371) ist nicht allein sehr unvollständig, sondern sie enthält auch die falsche Behauptung, dass sich vor der männlichen Bursa eine starke An- schwellung des Körpers befinde, in deren Mitte der After gelegen sei, dagegen bringt die in demselben Jahre erschienene Characteristik von Zürn (29, p. 254) eine vervollständigte Beschreibung der Bursa — von ihm Schwanzbeutel genannt — und ihrer Rippen: „Von letzteren seien im Prinzip 14 vorhanden, nämlich zwei Hinterrippen, deren jede am Ende drei Spitzen trägt, so dass man von jederseits be- findlichen drei Hinterrippen sprechen könnte, ferner auf jeder Seite zwei, einem gemeinschaftlichen Stamme aufsitzende Mittelrippen und endlich jederseits zwei getrennte Vorderrippen." Sehr eingehend hat sich dann 1883 Koch (30, p. 22) mit dem Strongylus filaria beschäftigt. Er spricht von einer muskulösen Haut, von einem 1 ,5 mm langen Oesophagus, den er allerdings, wie auch alle späteren Autoren, fälschlich, aber, wie ich später zeigen werde, mit einer gewissen, seiner Untersuchungsw^eise ent- sprechenden Berechtigung, mit einem glockenförmigen, 0,1 mm langen Ansätze in den Darmanfang hineinragen lässt, — von einem einfachen, den ganzen Leib durchlaufenden Darm und von vorgetriebenen lippenartigen Wülsten, welche die Vulva bilden. Die ovalen, Jappen- förmigen Anhänge der Spicula (Nörner's Anschwellungen) lässt er Strongylus fiJaria R. 259 dadurch entstanden sein, dass die sonst gleich einem Blatte ein- gerollten Gebilde an diesen Stellen nicht eingebogen seien. In den 0,1 mm langen und 0,06 mm breiten, ovalen Eiern sah er die aus- gebildeten Embryonen lebhafte, schlangenartige Bewegungen aus- führen, so dass er zu der Uel)erzeugung kam, die jungen Thiere müssten, um frei zu werden, mit grosser Gewalt die durchsichtigen Eihüllen sprengen. In der Beschreibung der Embryonen selbst wiederholt Koch im Grossen und Ganzen Leuckart's Angaben. Railliet (Elements de Zoologie 1886, p. 334) hebt hervor, dass der Geschlechtsapparat beim Männchen aus einer einfachen, hinter dem Darmanfange beginnenden Hodenröhre bestehe, welche sich, ohne bemerkenswerthe Ausbuchtimgen zu bilden, bis zum hintersten Körperende erstrecke, und dass die weiblichen Geschlechtsorgane von zwei symmetrischen Eiröhren repräsentirt würden, die je vorn und hinten eine Schlinge bildeten, hinter derselben zu langen, taschenartigen Fruchthältern sich erweiterten und sich dann wieder verengerten, um gemeinschaftlich eine kurze, zweihörnige Vagina dar- zustellen. Seine Zeichnungen sind zu schematisch gehalten, als dass sie den natürlichen Verhältnissen in jeder Beziehung hinreichende Rechnung trügen. Diese anatomische Schilderung erweiterte 1889 Müller (38, p. 40) dahin, dass der Darm aus polyedrischen Zellen mit verschieden grossen Kernen bestehe, dass derselbe beim Männchen kurz vor der Schwanzspitze das Vas deferens aufnehme und in einer Aus- buchtung seiner Wandung die Spicula enthalte. Die besten und vollständigsten, immerhin aber auch nur nach Uebersichtspräparaten angefertigten Abbildungen fand ich endlich bei Cooper Curtice (39, p. 201). Sie geben fast alle durch die früheren Forscher eruirten Thatsachen wieder und bringen als Neues zwei einzellige Halsdrüsen, eine Einschnürung an den Uebergangs- stellen der Vagina in die resp. Uteri und die Verbindung des hinteren Eileiters mit dem zugehörigen Uterus kurz nach seiner am Schwänze belegenen Umschlagstelle. Bezüglich des Wohnsitzes geht aus der mir bekannten Litteratur hervor, dass sich der Strongylus filaria als Lieblingswirth das Haus- schaf (Ovis aries) aussucht, und in diesem ist er auch von den ersten Beobachtern (Daubenton, Sick, Flormann und Rudolphi) gefunden worden. Rudolphi wusste aber schon, dass unser Wurm auch bei Ovis animon — dem ArgaU der Mongolen — schmarotzt (6, p. 33). Auch bei der Antilope hat er ihn bereits gesehen, hielt ihn hier aber für eine besondere Species, die er Strongylus Dorcadis (G, p. 37) nannte, ein Irrthum aufweichen erst 1851 Diesing (13, p. 37) aufmerksam machte. Als weitere Wohnthiere unserer Schmarotzer werden noch in Anspruch genommen; von Davaine (21) das Kameel, das Dromedar und die Ziege, von Leuckart (24, p. 106) das Reh und das Damm- 17* 260 Otto Augstein: wild, von Bonnet (38, p. 29) die Gemse und von Kitt (42, p. 475) der Edelhirsch. Von den Organen des Wirths sind es fast nur die Luftröhre und die Lungen, in den fragl. Nematode sich aufhält, und nur die Angabe von Parsons (15, p. 685), dass er bei seinen Sectionen oft nicht nur die Bronchien der mit Blutungen durchsetzten Lungen mit Strongylus filaria vollgepfropft fand, sondern dieselben Würmer auch im Kehlkopfe, in den Nasenhöhlen, im Schlundkopfe und selbst im Darme antraf, und diejenige von Crisp (22, p. 53), dass er in an Lungenwurmseuche eingegangenen Lämmern unser Thier bezw. dessen Eier sowohl in den Bronchialverzweigungen, als auch im Darme constatiren konnte: lassen — vorausgesetzt, dass genannte Forscher sich nicht durch andere zufällig anwesende Schmarotzer täuschen Hessen — darauf schliessen, dass ausnahmsweise und unter besonderen Bedingungen die durch den Exspirationsstrom bis zum Rachen heraufbeförderten Parasiten durch einen Schluckact dem Darmtractus übermittelt werden können. In den Lungen sind es wieder hauptsächlich die Bronchien, welche als Aufenthaltsort benutzt werden, doch äussert sich schon 1887 Bewly (35, p. 374), welcher des öfteren in Knötchen, die er als aus drei concentrisch angeordneten Schichten von characteristischer histologischer Einrichtung bestehend beschreibt, abgestorbene 15 bis 17 mm lange Exemplare von Strongylus filaria fand, dahin, dass zwar unser Wurm gewöhnhch in der Luftröhre bezw. in deren Verzweigungen lebe und hier zur vollen Reife sich entwickele, dass er aber auch ausnahmsweise, und zwar dann in der Jugendform, sich in das Lungengewebe hinein verirre und dort innerhalb eines durch seinen Reiz sich bildenden Knötchens absterbe. Damit im Einklänge steht auch die ältere Notiz Leuckart's (24, p. 108), dass in einer Schaf lunge eine Anzahl tuberkelartiger Knötchen je einen 12 mm langen Rundwurm enthalten hätten, „der allem Anscheine nach Strongylus filaria gewesen sei", und auch ich konnte in mehreren Schaf lungen vereinzelte, kaum erbsengrosse, meist schon verkalkte Knötchen nachweisen, in deren bröckeligem Centrum ich Wurm- fragmente fand, deren Form- und Grössenverhältnisse mich lebhaft an junge Exemplare meines Parasiten erinnerten. Die durch Strongylus filaria bedingten Gesundheitsstörungen imd pathologischen Veränderungen nehmen in der Litteratur einen so breiten Raum ein, dass es zu weit führen würde, wenn sie hier eingefügt werden sollten; ich möchte daher nm- auf die in dieser Hinsicht das Beste bringenden Arbeiten von Cooper Curtice (39, p. 203) und Friedberger - Fröhner (43, p. 239) hinweisen und kurz hervorheben, dass, wenn ich auch bei den Hunderten der von mir durchforschten faden wurmkranken Lungen jene pathologisch- anatomischen Angaben im Uebrigen bestätigt fand, es mir doch unmöglich bHeb, Bronchiectasieen nachzuweisen, die fast jeder Schriftsteller als characteristisches Folgeleiden der Lungenwurm- krankheit hingestellt hat. Strongylus filaria R. 261 Die wichtige Frage, ob die von ihren Wirthen ausgehusteten Embryonen ein freilebendes Stadium durchlaufen, oder ob sie sich eines Zwischenwirthes bedienen, um in jenen Zustand zu gelangen, der sie befähigt, wieder in die Schafslungen gebracht, sich zur vollen Geschlechtsreife zu entwickeln, konnte ich um so weniger zur Ent- scheidung bringen, als meine Untersuchungen im Winter statthatten, zu einer Zeit also, wo die als Zwischen wirthe in Frage kommenden Thiere (Insecten, Regenwürmer, Schnecken) im Winterschlafe lagen. Immerhin glaube ich aber, mich für die letztere Annahme entscheiden zu dürfen, schon weil gegen das freie Leben die Leuckart'schen Untersuchungen (24, p. 107) streiten. Dieser Forscher, welcher ausser mit anderen Strongyliden auch mit Strongylus filaria ent- wickekmgsgeschichthch experimentirte, konnte zwar die Embryonen in feuchter Erde wochenlang am Leben erhalten, und er beobachtete sogar — meist in der zweiten Woche — eine Häutung, die das frühere Mundknötchen reduciren und den Schwanz eine spitzere Form gewinnen liess, aber seine Thiere starben fast immer während der Häutung oder doch bald nach derselben, und der Versuch mit solchen in der Häutung begriffenen W^ürmchen Lämmer zu inficiren, misslang ebenso, wie die Uebertragung des mit Embryonen reichlich durchsetzten Bronchialschleimes, obgleich solche Infectionsversuche zu den verschiedensten Jahreszeiten angestellt wurden. Für die Annahme eines zur Entwickelung unseres Wurmes nothwendigen Zwischen wirthes aber, für die sich übrigens auch Leuckart auf Gnmd seiner negativen Untersuchungsresultate entschieden hat, sind leider positive Beweise bisher nicht erbracht worden (cfr. Railliet p. 336 u. A.), und auch die im Jahre 1875 von Cobbold aufgestellte Behauptung, dass die Brut von Strongylus micrurus passiv in den Darm von Regenwürmern übertragen würde, um hier ihre für die vollständige Ausbildung in den Rinderlungen nothwendigen Ent- wickelungsphasen zu durchlaufen — eine Behauptung, die, wenn sie richtig wäre, bei der Uebereinstimmung des anatomischen Baues, der Lebensweise und der pathogenen Wirkung des Strong. micrm-us mit unserem Nematoden (cfr. 41) auch für die Benutzung eines Zwischenwirthes seitens des Strong. filar. sprechen würde — kann nicht als entscheidend gelten, weil die im Jahre 1879 (26, p. 336) bekannt gegebenen Experimente Cobbold's von späteren Beobachtern (z. B. Ströse 41) hinsichtlich ihrer Beweiskraft wohl mit Recht in Zweifel gezogen worden sind. Was nun endlich die Häufigkeit des Vorkommens von Strongylus filaria betrifft, so dürfte uns aus wirthschaftlichen Gründen hier vorzüglich sein Schmarotz erthum bei Schafen interessiren, leider aber stammen die diesbezüglichen litterarischen Veröffent- lichungen fast ausschliesslich aus Gegenden, in denen unser Parasit zu Heerdekrankheiten Veranlassung gegeben hatte und müssen daher auch von diesem Standpunkte aus beurtheilt werden. So berichtet z. B. Parsons (15, p. 685), dass 1855 in einer lungenwurmkranken Heerde (die Stückzahl ist nicht angegeben) im Juni und Juli an 262 Otto Angstein: jedem Morgen 8 — 10 Lämmer todt und mehrere sterbend gefunden wurden; Carnet (25) giebt an, dass an der marokkanischen Grenze die Hälfte aller vorhandenen Schafe der Lungenwurmseuche zum Opfer fiel, und Wernicke (37) erzählt, dass in Buenos Ayres während der Jahre 1883 — 1886 sogar mehr als ^4 des gesammten Schafbestandes — viele Millionen — derselben Krankheit erlag. Eine etwas tiefere Einsicht in die wirthschaftliche Bedeutung des Strongylus filaria liefert uns die Angabe Ger lach 's (14, p. 293), da sie als Facit aus einer vieljährigen Beobachtung gezogen ist. Nach ihr gingen in einem Gute, wo die Lungenwürmer alljährlich vorkamen, durch dieselben in den günstigen Jahren V« — ^/bi in den ungünstigen V2 — Vs sämmtHcher Lämmer verloren. Den besten, leider aber auch den einzigen Anhalt für die Be- urtheilung des procentualen Vorkommens von Strongylus filaria unter normalen Verhältnissen, boten mir die Berliner Schlachthausberichte. Nach ihnen sind in Berlin in den Jahren 1883 — 1888 insgesammt 1675 Schafe lungenwurmkrank befunden worden, und wenn man berücksichtigt, dass die hier zur Schlachtung kommenden Thiere von den Metzgern ohne Wahl aus den verschiedensten Gegenden Deutsch- lands zusammengekauft werden, so darf man wohl aus der Thatsache, dass z. B. im Geschäftsjahre 1887/88 von 275 049 geschlachteten Schafen 788 mit Lungenstrongyhden behaftet waren, nicht ohne Berechtigung den Schluss ziehen, dass etwa 3 pro mille des deutschen Schafbestandes an Strongylus filaria leidet. Bevor ich die Besprechung meiner Litteraturstudien beende, sei es mir noch gestattet darauf hinzuweisen, dass der Name unseres Parasiten wiederholt irrthümlich für andere Würmer in Anspruch genommen wurde. So beschreibt z. B. Bojanus (7, p. 177 u. Tab. III, Fig. 28—33) den Strongylus micrurus unter der Bezeichnung Strongylus filaria. Ranke (17, p. 456) behandelt unter gleichem Namen einen Wurm, der, wie Text nnd Abbildungen zweifellos erkennen lassen, der Pseudalius ovis pulmonalis Koch (Pseudalius capillaris Müller) ist, und auch die von demselben Autor auf Strongylus filaria bezogene Arbeit von Padley und Sandie (12, p. 102) beschäftigt sich ausschliesslich mit Pseudalius ovis s. capillaris. Vorstehender Litteraturzusammenstellung gemäss war also bis zum Beginne meiner Arbeit nicht allein der innere Bau des Strongylus filaria noch vollständig unbekannt, sondern es Hess auch die äussere Beschreibung — schon meine ersten Uebersichtspräparate über- zeugten mich davon — noch Manches zu wünschen übrig, und ich war daher Herrn Geheimrath Dr. Leuckart für seinen Hinweis auf diesen Wurm um so dankbarer, als mir solcherweise von vorne- herein interessante Untersuchungsresultate gesichert waren. , Die für meine Studien nothwendigen Strongyliden sammelte ich in den Monaten August, September und Oktober v. J. am BerKner Strongylns filaria R. 263 Schlachthofe, imd war es nicht sowohl der hier ständig grosse Auf- trieb von Schafen, und der am dortigen Schlachthause geübte muster- gültige Untersuchungsmodns, als besonders die liebenswürdige Hülfe der dort beschäftigten Thierärzte, wodurch ich in den Stand gesetzt wurde, in jener kurzen Zeit ein ansehnliches und ausreichendes Untersuchungsmaterial zusammen zu bringen. Diesen Herren fühle ich mich daher zu besonderem Danke verpflichtet. Meine Arbeit selbst begann ich Mitte Oktober 1803 im zoolo- gischen Laboratorium der Universität Leipzig, und nur die mir jeder- zeit bewiesene freundliche Antheilnahme und die stets bereitwilligst und in uneigennützigster Weise ertheilten Rathschläge meines hoch- verehrten Lehrers, des Herrn Geheimrath Prof. Dr. Leuckart, ermöglichten es mir, dieselbe der Hauptsache nach in einem Semester zum Abschluss zu bringen; es ist mir daher Bedürfniss dem genannten Herrn auch an dieser Stelle meinen ehrerbietigsten Dank darzubringen. Das für die Schnittserien bestimmte Material hatte ich theils in gesättigter schw^ach-alkoholischer Sublimatlösung, theils in Mayer'scher Pikrinsalpetersäure (100 cbcm kaltgesättigte wässerige Pikrinlösung -f- 2 cbcm officinelle Salpetersäure) und theils in Perenyi'scher Chromsalpetersäure (4 cbcm 10 7o Salpetersäure -^ 3 cbcm Alkohol + 3 cbcm 0,5 7o Chromsäure) fixirt, wonach ich es durch je 24 stündigen Aufenthalt in 50 «/o, 60 %, 70 % und 80 % Alkohol erhärtete, um es bis zum Gebrauche in 90 % Alkohol auf- zuheben. Dabei habe ich die Erfahrung gemacht, dass sich die in Pikrinsalpetersäure fixirten Strongyliden am besten halten; noch heute, also nach reichlich 7 Monaten sind sie rund und prall, wie wenn sie soeben den Bronchien entnommen wären, während die nach den beiden anderen Methoden fixirten Thiere im Laufe der Zeit ihr schönes Aussehen mehr oder weniger verloren haben. Eine ansehnliche Summe von Würmern brachte ich aber auch aus den Bronchien direct in eine Mischung von 2 Theilen Glycerin und 3Theilen 70% Alkohol, welcher einige Tropfen Essigsäure zugesetzt waren. Hierdurch gelang es mir ein schön aufgehelltes und die frischen Thiere fast vollständig ersetzendes Material an der Hand zu haben, das mir jederzeit gestattete, die durch Quer- oder Längs- schnitte gewonnenen Bilder mit Uebersichtspräparaten in Vergleich zu stellen. Gefärbt habe ich sowohl stück- als auch schnittweise. Während zur Gewinnung einer allgemeinen Uebersicht die erstere Methode, für die ich bei mit Sublimat oder Pikrinsalpetersäure fixirten Thieren Hämatoxilin oder Boraxkarmin, bei mit Chromsalpetersäure fixirten aber nur Hämatoxilin anzuwenden empfehle, ausreicht, ist für die Beurtheilung des feineren histologischen Baues, insbesondere für die Untersuchung der Epithel- sowie der Ei- und Samenzellen die Schnittfärbung um so weniger zu umgehen, als unser Nematode wegen seines immerhin kleinen Querschnittes oft 1000 fache Ver- grösserung erheischt, ein Umstand, der es bisweilen wünschenswerth macht, dass bestimmte Gewebe besonders, oder wenigstens Vorzugs- 264 Otto Augstein: weise tingirt werden. Im Allgemeinen erhielt ich recht gute und schön differenzirte Farbenwirkungen, wenn ich die Schnitte der mit Boraxkarmin durchgefärbten Würmer für 6 — 8 Minuten in eine sehr schwache wässerige Hämatoxilinlösung brachte — diese Methode lieferte bei der Untersuchung der Samenbildung vorzügliche Kern- theilungsfiguren — , oder wenn die Schnitte der mit Hämatoxilin durchgefärbten Würmer 24 Stunden lang in wässeriger Eosinlösung weilten. •Um beim Einbetten in Paraffin Schrumpfungen zu vermeiden, die ja, wie schon frühere Beobachter hervorgehoben haben, ge- wöhnlich bei der Ueberführung aus dem absoluten Alkohol in die mit Paraffin mischbare Flüssigkeit stattfinden, kommt es nicht so- wohl darauf an, letztere — ich benutzte meist Benzol — dem absoluten Alkohol tropfenweise zuzusetzen, bis dieser fast ganz verdrängt ist, sondern es ist vor Allem unbedingt nothwendig, die Würmer vorher in ganz kurze, höchstens 74 c^^i lange Stücke zu schneiden. Die Cuticula unserer Thiere ist eben den mit dem Reagenswechsel ver- bundenen Dilfusionsströmungen so hinderlich, dass diese fast nur an den Schnittstellen statthaben; sind nun die Wurmstücke lang, so legen sich, wahrscheinlich weil der Alkohol schneller entweicht, als das Benzol eindringen kann, an den von den Schnittstellen weit ab gelegenen Parthien die Körperdecken derart auf die gleichfalls zusammenfallenden Eingeweide, dass bei Querschnitten ein Körper- lumen nicht mehr zu erkennen ist. Erst seitdem ich sehr kurze Stückchen einbettete, gelang es mir durchweg kreisrunde, un- geschrumpfte Querschnitte zu erhalten. Bei diesem Modus muss man aber bei der Orientirung sehr vorsichtig sein, weil wegen der äusserlich gleichmässigen Körperform leicht das vordere Ende eines Wurmstückchens mit dem hinteren verwechselt werden kann; ich legte, um solche Verwechselung zu vermeiden, meine Objecte in mit Rillen versehene Glasblöcke, an denen für das vordere Ende Marken angebracht waren und führte nun statt der einzelnen Wurmstückchen die Glasblöcke durch die ganze Reagentienstufenleiter bis ins flüssige Paraffin. Die Schnitte, Längsschnitte sowohl wie Querschnitte wurden 10, 7V2 u. 5 II dick gemacht; dünnere Schnitte anzufertigen empfiehlt sich nicht, da sie undeutliche Bilder liefern. Dass von jedem Geschlechtsvertreter mehrere vollständige Serien angefertigt werden mussten, liegt auf der Hand, da ja durch das zum Einbetten noth- wendige Zerschneiden der Würmer in jeder Serie Lücken nicht zu vermeiden waren. Indem ich mich nun dem Resultate meiner eigenen Unter- suchungen zuwende, muss ich vorausschicken, dass, wo ich in meinen Ausführungen positive Längenangaben gemacht habe, diese zwar durch jedesmalige gewissenhafte Messungen eruirt wurden, aber tür die allgemeine Beurtheilung unserer Thiere in vielen Fällen Strongylus filaria R. 265 deshalb nur einen bedingten Werth besitzen, weil ja, wie wir später sehen werden, nicht nur Männchen und Weibchen in ihren Grössen- verhältnissen sehr von einander abweichen, sondern auch beide Geschlechter für sich in ihren ausgewachsenen Vortretern Exemplare von sehr verschiedener Länge besitzen. Trotzdem glaubte ich die Längenmaasse einfügen zu müssen, weil sie mir als Corrigens für die Verzerrung der räumlichen Verhältnisse — welche ja bei schematischen Abbildungen, deren auch ich mich zur Erläuterung meines Textes bedienen musste, nicht zu vermeiden ist, — unbedingt nothwendig erschienen. Im Uebrigen dürften sie auch deshalb im Allgemeinen den natürlichen Verhältnissen entsprechen, weil sie sich in ihrer Hauptsache auf das vordere und hintere Körperende be- ziehen, und diese Leibesabschnitte wohl mit dem Eintritt der Geschlechtsreife als ausgewachsen zu betrachten sind, denn ich habe mich durch vergleichende Messungen überzeugen können, dass, wo bei geschlechtsreifen Thieren derselben Geschlechtsgattung das eine grösser war, als das andere, diese Grössenzunahme fast aus- schiesslich auf den die Geschlechtsorgane beherbergenden mittleren Körpertheil anzurechnen war, wie das übrigens auch für andere Nematoden schon längst bekannt ist. I. Allgemeines. Die geschlechtliche Form des Strongylus filaria hält sich mit Vorliebe in den mittelgrossen und kleinen Bronchien auf, wird aber auch an jeder anderen Stelle der Luftwege, vom Kehlkopfe herab bis zu den kleinsten Bronchiolen, angetroffen. Hier erregt sie, je nach der Menge ihres Vorkommens und der Dauer ihres Aufent- haltes, eine Schwellung, sowie hämorrhagische und eitrige Ent- zündung der Bronchialschleimhaut — verminöse Bronchitis — , die ihrerseits zur Atelectase oder Hepatisation verschieden grosser, um- schriebener Lungenabschnitte führen kann — verminöse Pneumonie — , und sie ist im Stande, sowohl durch Verlegung grösserer Bronchial- äste unter den Erscheinungen der Erstickung, als auch durch Lungen- phthise, und dann unter dem Bilde einer schleichenden Anämie, zum Tode ihres Wirths Veranlassung zu geben. In den von ihr heimgesuchten Schaflungen findet man die Würmer am besten, wenn man etwa in der Mitte ihres oberen, abgerundeten Randes vorsichtig bis auf den hier fast parallel zum Lungenrande verlaufenden Haupt- bronchialzug einschneidet und event. letzteren ein wenig nach vorn und hinten hin verfolgt. Der Strongylus filaria ist ein schlanker Wurm von zart weisser bis röthlich gelber Farbe, dessen männliche und weibliche Geschlechts- organe nach Nematodenart auf verschiedene Individuen vertheüt sind. Dabei sind, dem allgemeinen Nematodencharacter entsprechend, die Männchen im Grossen und Ganzer kleiner, schlanker und agiler als die Weibchen. Für die Geschlechtsbestimmung aber sind diese 266 Otto Augstein: Grössenverhältnisse um so schwieriger zu verwerthen, als sie, je nach dem Alter und vielleicht auch nach den Nahrungsbedingungen, ausserordentlich schwanken, denn während ich die unter günstigen Bedingungen bis zu 89 mm Körperlänge heranwachsenden Weibchen schon bei einer Länge von 50 mm ausgesprochen geschlechtsreif fand, traf ich unter den Männchen Exemplare an, die die erstaunliche Grösse von 64 mm besassen, eine Grösse, die das von früheren Beobachtern angegebene Durchschnittsmaass — 25 bis 30 mm — um mehr als das Doppelte überragte. Dafür ist aber die äussere Körper form bei beiden Geschlechtern so ausserordenthch verschieden, dass es keine Schwierigkeit macht, diese schon mit unbewaffnetem Auge auseinander zu halten. Nur die vorderen Leibesenden zeigen nämlich äusserlich eine übereinstimmende Beschaffenheit, und zwar dadurch, dass die drehrunden und in der Hauptmasse cylinder- förmigen Körper sich etwa zwischen dem ersten und zweiten Viertel ganz allmählich zu verschmächtigen beginnen und zu einer schlanken, an ihrem abgestumpften Ende die Mundöffnung tragenden Spitze ausziehen. Die hinteren Leibesenden dagegen sind bei beiden Geschlechtern durchaus verschieden gebaut. Beim Männchen präsentirt sich die hier sitzende, den verwandten Nematoden eigen- thümhche Bursa mit den gedrungenen, durch das hinterste Leibes- ende hindurchschimmernden und als dunkelbrauner Fleck in die Erscheinung tretenden Spicula dem blossen Auge als ein etwas plumper Körperabschluss, wohingegen beim Weibchen auch das hintere Leibesende in eine zierhche Spitze ausläuft, eine Spitze, welche wegen ihrer Schärfe und ihrer kurzen, konischen Form es ermöglicht, sie von dem schlankeren, weniger spitzigen Kopfende leicht zu unterscheiden. Da ausserdem auch die Vulva des Weibchens schon dem unbewaffneten Auge als eine etwas hinter der Körpermitte belegene kleine Hervorragung entgegentritt, so gehngt es dem aufmerksamen Untersucher stets, auf den ersten Blick das Geschlecht seiner Exemplare zu bestimmen. Beide Geschlechter entbehren nicht nur der Segmentirung ihres Körpers, sondern auch jeghcher Haftwerkzeuge — es sei denn, dass man die später zu beschreibenden Längskanten als solche in Anspruch nehmen wollte — , ihr langgesreckter Leib findet eben vermöge seiner Biegsamkeit und Elastizität an den Bronchialwänden eine hin- reichende Bemhrungsfläche, um dem verhältnissmässig geringen Andränge der ein- und ausströmenden Athmungsluft genügenden Widerstand bieten zu können. Die Bewegungen werden schlängelnd und, besonders beim Weibchen, mit geringer Energie ausgeführt. Dabei liegen die Thiere gewöhnlich auf einer Seite und biegen den Körper hauptsächlich von der Bauch- nach der Eückenfläche, eine Erscheinung, die nach den Bemerkungen Leuckarts (24, p. 13) dadurch erklärt wird, dass die den Hautmuskelschlauch unter- brechenden Seitenfelder ein Seitwärtskrümmen erschweren. Stroiigylus filaria R. 267 Die äussere Hülle des Strongylus filaria wird von einer derben, elastischen und farblosen Cuticula gebildet, die sich an den natürlichen Körperöffnungen in die hier mündenden Organe um- schlägt und diese eine unter Umständen recht ansehnliche Strecke weit auskleidet. Unter der Cuticula, und mit dieser durch die Subcuticula ver- bunden, liegt der Hautmuskel schlauch, welcher, durch die ansehnlichen Seitenlinien und durch die nur sehr schwach in die Erscheinung tretenden Medianlinien unterbrochen, in Gestalt von 4 breiten, aber wenig dicken Bandstreifen in der ganzen Länge des Thieres hinzieht. Der somit aus zwei Schichten — nämlich aussen die Cuticula und innen die Muskulatur mit den Längslinien — bestehende Körper- schlauch umschliesst nun eine geräumige Leibeshöhle, w^elche nicht nur sämmtliche Eingeweide in sich aufnimmt, sondern auch das Blut imserer Thiere enthält. Es ist dies eine farblose Flüssigkeit, in welcher reichlich körperliche Elemente suspendirt sind. Die Blutkörperchen präsentiren sich als scharf conturirte, stark licht- brechende, homogene Körnchen mit einem Durchmesser von 1,5 bis 8 //, die sich meist traubenartig aneinanderlagern. Der Zusammen- halt solcher Trauben ist aber nur ein sehr lockerer, denn der leiseste äussere Druck — also auch schon die einfache Contraction des Hautmuskelschlauches — lässt sie zerschellen, worauf sich ihre Bestandtheile an anderen Körperstellen wieder zu traubigen Conglomeraten zusammenballen. Da solcher Weise den Blutkörperchen Gelegenheit gegeben ist, bald die äussere Darmfläche zu berühren, bald an jedes andere Organ, sowie an jede Stelle der inneren Leibeswandfläche sich anzulegen, so muss ihnen eine hervorragende Mitwirkung an den Stoffwechselvorgängen vindicirt werden. Nicht unwahrscheinKch ist es, dass ihnen dabei, ebenso wie bei den höheren Thieren, hauptsächlich die Vermittelung des Gasaustausches obliegt, denn der vorzugsweise Aufenthalt im freien Räume der luftführenden Bronchien, und das frühzeitige Absterben der in das Lungengewebe hinein verirrten Exemplare sprechen zur Genüge für ein ausser- ordentliches Sauerstoffbedürfniss unserer Parasiten*). *) Bunge kommt auf Grund seiner schönen Versuche über das Sauerstoif- bedürfniss der Darmparasiten (Zeitschr. f. physiol. Chemie v. Hoppe-Seyler, Bd. VIII 1883/84 p. 48-59), durch welche er nachwies, dass z. B. der im Katzendünndarm schmarotzende Ascaris mystax, selbst wenn man ihm mit allen Hülfsmitteln der modernen Chemie imd Physik möglichst sämratlichen Sauerstoff entzieht, noch 5 mal 24 Stunden leben kann, zu der Ueberzeugung , dass die Quelle der Muskelkraft hauptsächlich in der lebendigen Kraft zu suchen sei, welche bei den Spaltungsprozessen der aufgenommenen Nahrung frei werde, und dass der von aussen aufgenommene Sauerstoff bei den betr. Würmern vor- herrschend nur zur Erhaltung der Körperwärme benutzt werde. 268 Otto Augstein: Von den Eingeweiden durchzieht der Verdauungstractiis als ein mehr oder minder plattgedrücktes und kaum von der Geraden abweichendes, schlauchförmiges Gebilde die ganze Länge des Thieres. Er beginnt am Kopfende mit einer kurzen — beim ? 21,5 (i^ beim c^ 19,5 // langen — trichterförmigen Mundhöhle, die in den — beim $ 1,5 mm, beim S 1,1 mm langen — mit einer Radiärmuskulatur aus- gestatteten Oesophagus führt, der seinerseits etwa auf der Grenze zwischen dem ersten und zweiten Dritttheil seiner Länge — beim $ 525 (i^ beim (J 414 // vom Kopfende entfernt — von Schhmdringe umfasst wird und sich gegen den Chylusdarm scharf absetzt. Dieser Letztere stellt eine aus vollsaftigen, mit ausserordentlich grossen Kernen ausgestatteten Epithelzellen gebildete Röhre dar, die dem Drucke des mächtig entwickelten Geschlechtsapparates nachgebend, die verschiedensten Querschnitte besitzt und am hinteren Ende in die trompetenartige Erweiterung einer röhrenförmigen Einstülpung der äusseren Cuticula einmündet. Das eb ener wähnte , chintinöse Gebilde, welches man mit seiner Umhüllung bei anderen Nematoden nicht ohne Grund als Mastdarm bezeichnet hat, ist in dorsoventraler Richtung abgeplattet. Beim Weibchen 160 ^m lang, mündet es, ca. 475 fi vor der Schwanzspitze, an der Bauchfläche nach aussen, nachdem das hinterste Ende seiner dorsalen Wand einem fächer- förmigen Muskel Ansatz gewährt hat, welcher zur Oeifnung des Afters dienen dürfte. Beim Männchen nimmt die anale Cuticulareinstülpung mit ihrer trompeten artigen Erweiterung noch den Ausführungsgang der Geschlechtsröhre auf. Dann läuft sie als ebenfalls von der Bauch- nach der Rückenfläche abgeplattete, röhrenförmige Kloake 162 // weit nach hinten und schHesst hier in einer dorsalen Aus- buchtung die Spicula ein. Sie mündet endlich mit einem 80 // langen Endstücke, das weit genug ist, um den an ihren breitesten Stellen je 95 n dicken Spicula einen bequemen Durchgang zu ge- statten, im Grunde der Bursa an jener Stelle des Körpers, wo dieser sich fingerartig in die Bursalrippen auflöst. Der Geschlechtsapparat im engeren Sinne präsentirt sich beün Männchen, wie bei den Nematoden gewöhnlich, als ein einfacher Schlauch, welcher, etwa 4,3 mm hinter dem vorderen Körperende blind beginnend, in ziemlich gerader Richtung und höchstens 2 — 3 mal um den Darm sich windend, nach der trompetenartigen Kloakenerweiterung hinzieht und je nach der Beschaffenheit seiner Wand und vorzüglich seines Inhaltes in Hoden, Samenleiter, Samentasche und Ductus ejaculatorius geschieden werden muss. Demgemäss muss unser Strongylns filaria, da er dauernd durch die immer- hin etwas kühle Inspirationshift einem Wärmeverluste ausgesetzt ist, für die Erhaltung seiner Eigenwärme mehr Sauerstoff verwenden, als solche Parasiten, welche (wie z. B. Ascaris mystax) wegen ihres Aufenthaltes in dem stets gleichmässig hoch temperirten Innenraurae warmblütiger Thiere eigentlich keine Körperwärme zu entwickeln brauchen. Strongylus filaria R. 269 Beim Weibchen sind die Geschlechtsorgane derart angeordnet, dass zwei diirchschnitthch 80 — 95 (i dicke Röhren mit ihren 24 (i Durch- messerbesitzenden blinden Enden etwas vor der Vulva um ein Geringes über einandergreifen und, nach vorn und hinten divergirend, in der Längsrichtung des Thieres als Eierstöcke hinlaufen, um 4,()75 mm hinter dem Uebergange des Oesophagus in den Darm, bezw. 1,085 mm vor der Afteröffnung, durch Gewinnung eines eigenthümlichen, mächtigen Epithelbelages je einen Abschnitt zu bilden, der als Schalen drüse functioniren dürfte. Dieser Röhrentheil zieht zu- nächst vorn sowohl wie hinten noch etwa 338 (i weit in der Ver- längerung seines Eierstockes nach dem zugehörigen Körperende hin, schlägt sich dann hufeisenförmig um und bildet, nachdem er etwa 825 (i weit nach der Körpermitte zurückgelaufen ist, je eine blindsackartige Ausbuchtung, das Receptaculum seminis. Aus diesen Samenbehältern gehen die weiten, bis 255 (i Durch- messer gewinnenden Uteri hervor, welche in gerader Richtung nach der Körpermitte hinziehen und gegen die Enden der hier belegenen unpaaren, schlauchförmigen, 850 // langen Vagina durch muttermundartige Verschlussvorrichtungen abgesetzt sind. Die Vagina endlich mündet durch einen von zwei wulstigen Lippen begrenzten, zur Längsaxe des Körpers quer gestellten Spalt, die Vulva, nach aussen und zwar an einer Stelle der Bauch- fläche, die gewöhnlich im fünften Achtel der Körperlänge be- legen ist, hier aber keine ganz bestimmte Stellung innehält, denn einmal fand ich bei einem 60 mm langen Weibchen die Geschechts- öffnung 37 mm hinter der Mundöffnung, während sie ein anderes Mal bei einem 62 mm langen weiblichen Thiere nur 35 mm vom Kopfende entfernt lag. Durch Muskelfasern, die von der ventralen Vaginal wand ausgehen und fächerartig in die wulstigen Lippen ein- strahlen, kann die Vulva willkürlich geöffnet werden, während ihr Verschluss, ebenso wie derjenige des weiblichen Afters, durch die Elastizität der sich hier 100 (.i weit in das Scheideninnere hinein- ziehenden Chitinauskleidung erzeugt wird. Ausser diesen Organen finden sich, wie bei andern Strongyliden, in weiblichen sowohl wie in männlichen Würmern an dem Kopf- ende ein Paar ansehnlich entwickelter Hals drüsen, deren spindel- förmige, dunkele, mit einem hellen, bläschenförmigen Kerne ver- sehene Körper beim $ 850 // lang und 136 // breit, beim ^ 630 [i lang und 100 ii breit sind, etwa 1,5 mm hinter dem Uebergange des Oesophagus in den Darm liegen und mit ihren durchschnittlich 50 ^ breiten Ausführungsgängen bis zu dem beim $ 730 ^w, beim $ 600 [i hinter dem Kopfende befindlichen Excretionsporus hinlaufen. Der Strongylus filaria ist ovipar. Ueber diesen Punkt haben nach der früheren Litteratur bisher meist falsche Vorstellungen geherrscht. Während Rudolphi, Schneider, Zürn, Koch und Bewly unseren Wurm als vivipar hinstellen, erklärt ihn Perroncito und Cooper Curtice für ovovivipar und Müller sagt sehr vorsichtig, er sei 270 Otto Augstein: mcht durchaus vivipar (38, p. 41). Nm- Lenckart (24, p. 106) äusserst sich sehr richtig, dass die Jungen zwar bereits vollkommen entwickelt, aber immer noch mit der Eischale geboren werden. Jene vorerwähnten irrthümhchen , oder doch wenigstens unklaren Ansichten dürften wohl zum grössten Theile darauf zurückzuführen sein, dass die darauf gerichteten Untersuchungen nur sehr selten an den noch lebenswarmen Thieren gemacht wurden, sondern erst dann stattfanden, wenn entweder die Würmer für sich, oder diese mit den sie beherbergenden Limgen schon mehrere Tage aus ihrem Träger (Schaf) entfernt waren. In solchen Fällen, in denen ich die exenterirten fadenwurmkranken Lungen 4 — 5 Tage lang an einem kühlen Orte aufbewahrt hatte, fand auch ich in den zwar noch lebenden, aber bereits sehr schwachen, dem Tode nahen, weiblichen Exemplaren die hinteren Enden der Uteri, und vor AUem die Vagina, mit sehr agilen, schalenlosen Embryonen bevölkert, aber ich möchte diese Erscheinung darauf zurückführen, dass die längere Abkühlung der an Körperwärme gewöhnten Würmer und die schädliche Einwirkung der bekanntlich bald nach der Exenteration der Lungen beginnenden Fäulniss unsere Nematodenmütter derart schwächen, dass sie nicht mehr im Stande sind, willkürlich die Vulva zu öffnen und den für die Geburt reifen Inhalt heraus- zupressen, denn nie konnte ich bei den vielen Hunderten von trächtigen Exemplaren, die ich entweder unmittelbar nach der Schlachtung ihrer Wirthe untersuchte, oder zu dieser Zeit durch Einlegen in eine Fixation sflüssigkeit abtötete, freie Embryonen im mütterlichen Körper nachweisen, obschon der diesen umhüllende Bronchialschleim zahlreiche, den Eihüllen entschüpfte Würmchen enthielt. Was endlich die Nahrung des Strongylus filaria betrifft, so glaube ich, dass unser Thier ausschliesslich von den dmxh seinen Reiz desquamirten Bronchialepithelien lebt, denn ich fand nicht nur seinen Darm mit zahlreichen, den Bronchialepithelkernen gleichenden Körnchen angefüllt, sondern ich konnte auch in den vorderen Ab- schnitten desselben stets einen diese Körnchen umgebenden, proto- plasmatischen Hof nachweisen und traf auch im Darmanfange wiederholt noch vollständig unveränderte Epithelzellen an. II. Specielles. a. CuHcula. Als ein glasheller und überall durchsichtiger, elastischer Schlauch überzieht die Cuticula die ganze äussere Leibesfläche unserer Würmer und schlägt sich, wie bereits erwähnt, in die Mundhöhle, den Porus excretorius, die Vulva, den weiblichen After und die männhche Kloake hinein, nicht nur, um die an diesen Stellen mündenden Organe eine Strecke weit mit einer, äusseren Einwirkungen besser Strongylns filaria R. 271 Stand haltenden, derben Auskleidimg zu versehen, sondern auch, um geeignetenfalls — so in besonders auffäUiger Weise im Oesophagus, an der Vulva und am weiblichen After — vermöge ihrer elastischen Spannung einen natürlichen Verschluss der betreffenden Aus- mündungen zu bewirken. Im Allgemeinen besitzt die Cuticula eine gleichmässige, durch- schnittlich 1,5 — 2 // betragende Dicke; nur gegen das hintere Leibes- ende der Weibchen erreicht sie die ansehnliche Wandstärke von 11 jM (Fig. 16 u. 17, C). Auf Querschnitten lässt sie in ihren dickeren Parthien drei concentrisch angeordnete Schichten erkennen (Fig. 18, C), die aber wenig scharf von einander abgesetzt sind. Die innerste, nur eine dünne Lamelle darstellende Schicht zeigt durch ihre sich stark tingirende, dunkelkörnige Beschaffenheit eine auffallende Ueber- einstünmung mit der später zu beschreibenden Subcuticula, hebt sich aber von dieser beim Abreissen der Cuticula (Fig. 18, a) mit so grosser Regelmässigkeit ab, dass sie der letzteren zugerechnet werden muss. Ihr liegt eine, sie an Stärke um das drei- bis vier- fache übertreffende, ebenfalls gekörnte, aber viel hellere Schicht auf, die sich in nicht ganz regelmässigen Abständen buckelartig erhebt, und so jene Längskanten bildet, welche, auf der Körpermitte etwa 15 — 20 // von einander entfernt liegend, in der ganzen Länge des Strongylns filaria parallel hinziehen und nur an den zugespitzten Körperenden convergiren. Diese mittlere Cuticularzone wird endlich peripherisch von einer wieder nur flachen Schicht bedeckt, welche sich durch ihr ausserordentlich helles, fast glänzendes Aussehen auszeichnet, und in sofern an der Bildung der Längskanten Antheil nimmt, als sie die Thäler sowohl als die leistenförmigen Vors]3rünge der mittleren Zone mit einem überall gleich dicken Ueberzuge versieht. h u. c. Subcuticula und Längslinien. Die Subcuticula (Fig. 28, Sc) zieht als eine nur schwach ent- wickelte, kaum Vs (^ dicke Körnerlage unter der Cuticula hin und darf, schon wegen ihrer Uebereinstimmung mit der tiefsten Cuticular- schicht, als deren Matrix angesprochen werden. In ihrem lockeren, körnigen Gefüge sucht man, wenigstens dort, wo sie die Cuticula mit der Muskulatur verbindet, vergebens nach Kernen, wie über- haupt eine ihr eigenthümliche Strukturirung nicht ermittelt werden kann. Am vorderen Leibesende, wo, wie wir später sehen werden, die Körper-Muskulatur an das obere Schlundende tritt, erlangt die Subcuticula eine mächtige Entwickelung (Fig. 3 u. 4, Sc). Indem sie dabei an ihrer Aussenfläche sechs in die Längsrichtung des Körpers gestellte, rillenartige Einsenkungen gewinnt (Fig. 3), greift sie, von der ihr eng anliegenden Cuticula bedeckt, in Gestalt von sechs hakenförmig gekrümmten Wülsten über die Mundhöhle (Fig. 1 u. 2, Lw), dieser einen ovalen Zugang freilassend (Fig. 2, Mo). Ob die bei Querschnitten in den Lippenwülsten kurz vor der Mundöffnung sichtbaren dunklen, nicht scharf umschriebenen Flecke 272 Otto Augstein: (Fig. 2) nervöse Tastapparate darstellen, oder ob sie als kernartige Bildungen aufzufassen sind, ist mir nicht klar geworden. Mit Bestimmtlieit möchte ich aber zwei am Schwanzende des Weibchens angebrachte, eigenthümliche Subcuticularbildungen als Tastorgane in Anspruch nehmen. Es sind dieses nämlich zwei etwa 0,2 mm vor der Schwanzspitze einander nicht genau gegen- überstehende, kegelförmige Gebilde (Fig. 17, Pp), die sich von den hier mächtig entwickelten Seitenfeldern mit einer 14 // breiten Basis erheben, etwa 7 — 8 ^ weit in die Cuticula hineinragen, also die Oberfläche der letzteren, die hier ja 11 (i dick ist, nicht ganz er- reichen und besonders in ihrem Centrum eine eigenthümliche Streifung, sowie eine leichte Einkerbung ihrer Kuppe besitzen. Sie sind als von der lebenden Subcuticularmasse ausgehende Wucherungen zu betrachten, welche der freien Körperoberfläche zustreben, und müssen, wenn es mir auch nicht gelang eine sie versorgende Nerven- faser aufzufinden, jenen Papülen an die Seite gestellt werden, welche des öfteren bei grösseren Nematoden (z. B. von Rohde [45, p. 42] bei Ascaris) beschrieben wurden. Ob diese beiden seitlichen Schwanz- papillen die einzigen bei Strongylus filaria vorkommenden sind, bleibt noch zu ergründen; bisweilen glaubte ich bei Uebersichtsbildern noch jederseits 2 bis 3 ähnliche, aber viel kleinere Bildungen zu erkennen, diese entzogen sich jedoch wegen ihrer Kleinheit einer ControUe durch Querschnittuntersuchung. Nach Nematodenart bildet auch bei unserem Thiere die Subcuticula vier in das Körperlumen hineinragende Längswülste, die, wenn man die der- Länge nach aufgeschlitzte und flächenhaft ausgebreitete Körperdecke von der inneren Seite betrachtet, ebenso viele hohlrinnenartige, breite Streifen begrenzen, in denen die Körpermuskulatur gelegen ist. Von diesen Wülsten, die althergebrachter Weise als Längs- linien bezeichnet werden, besitzen immer die einander diametral gegenüberliegenden je einen in Form und Grössenverhältnissen über- einstimmenden Querschnitt. Die in der Medianebene des Körpers gelegenen zwei Wülste, die Bauch- und die Rückenlinie (Fig. 18, Ml), sind nur sehr schmal, höchstens 9 ^ breit, während die zwei anderen, welche die Seiten- flächen unseres Wurmes einnehmen — die sogen. Seitenfelder (Fig. 18, Sf) — , gewöhnlich das 10 fache dieser Breite besitzen. Ihre Tiefe schwankt, je nachdem ihr Dickenwachsthum durch die Ausbildung der Eingeweide beeinflusst ist und beträgt z. B. beim Weibchen in der Körpermitte, wo neben dem Darm die prall mit Geschlechtsproducten gefüllten Geschlechts röhren das Körper- lumen vollständig in Anspruch nehmen, nur etwa 2 //, während sie weiter nach vorn und hinten, wo der Geschlechtsapparat weniger Platz erfordert, bis 10 // erreicht. Im vordersten Leibesabschnitt, wo noch keine Geschlechtsorgane vorhanden sind, werden die Längslinien sogar bis 20 [i dick. Beim Männchen, das übrigens im Strongylus iilaria R. 273 Allgemeinen mehr Platz in seiner Leibeshöhle besitzt, als das Weibchen, sind sie verhältnissmässig dicker, durchschnittlich 21,6 //. Die Medianlinien lassen wegen der Kleinheit unseres Objectes keine andere Eigenthümlichkeit erkennen, als dass die körnige Struktur der Subcuticula, aus der sie hervorgegangen sind, in ihnen eine mehr faserige Beschaffenheit angenommen hat. Die Seitenfelder dagegen zeigen auf Querschnitten einen sehr characteristischen Bau. Gegen den freien Raum der Leibeshöhle von einer ausserordentlich dünnen, keine besondere Struktur be- sitzenden Membran überzogen, die wohl als — vielleicht chitinöse — Ausscheidung der von ihr eingeschlossenen Körnermasse auf- gefasst werden darf, besitzt jedes Seitenfeld folgende Einrichtung: Peripherisch liegt eine, wegen ihrer grösseren und dichter ge- lagerten Kömer ausserordentlich dunkel erscheinende Zone, die in der Mitte ein 8 [j, weites, scharf abgesetztes, ovales Lumen in sich ein- schliesst (Fig. 18, SG). Es ist Letzteres das Seitengefäss, das stets in seinem Inneren eine geronnene Excretionsflüssigkeit erkennen lässt. Jederseits neben diesem Seitengefässe und centralwärts von der stark tingirten Zone, treten von Zeit zu Zeit hellere Flecke auf, in deren Centrum je ein 8 — 10 ,w grosser, ovaler Kern mit ein bis zwei grossen Kernkörperchen liegt (Fig. 18, K). In der centralen, mit einer etwas feineren Körnung ausgestatteten Parthie des Seiten- feldes endhch, und von dieser wiederum durch einen scharfen, ge- wöhnlich kreisnmden Contur abgesetzt, liegt auf gleichem Radius mit dem Seitengefässe ein 9 // dicker Strang, den ich deshalb als Nervenbahn ansprechen möchte, weil er in der mannigfachsten Weise verflochtene Längsfasern enthält, so dass sein Querschnitt eine bald marmorirte, bald auch unregelmässig gestreifte oder regelmässig kreuzförmige Zeichnung aufweist (Fig. 18, N Str). Er tritt erst etwas hinter dem später zu erwähnenden Seitenganghon deutlich in die Erscheinung — ein Umstand, der noch besonders dafür spricht, dass er sich aus der Zusammenlagerung von dem Letzteren entstammenden Nervenfasern gebildet hat, — und lässt sich in ziemlich gleichmässiger Stärke bis gegen das Schwanzende hin verfolgen. Das in der peripherischen Zone verlaufende Excretionsgefäss zieht zwar etwas weiter nach hinten, als der Nervenstrang, erreicht aber auch seinerseits nicht das hinterste Köi'perende unserer Thiere. Beim Weibchen, dessen Schnittserie man von hinten nach vorne untersucht, tritt es, vielleicht weil es vorher zu klein und unauffällig war, erst dort deutlich hervor, wo etwa die hufeisen- förmige Knickung der hinteren Schalendrüse sich befindet. Hier liegt es noch in der centralen Zone seines Seitenfeldes (Fig. 14, SG), sehr bald aber rückt es gegen die Aussenfläche desselben vor und läuft dann, immer diese peripherische Lage einhaltend, nach vorne, bis es etwa auf der Grenze des zweiten und letzten Oesophagus- dritttheils in stumpfem Winkel aus dem Seitenfelde heraus und in die Leibeshöhle hinein abbiegt und hier, zwischen Oesophagus und Arch. f. Natuigesch. Jahrg. 1894. Bd. I. H. 3. 18 274 Otto Augstein: Körpermnsknlatur hindurcli, der Bauclilinie zustrebt, um in letzterer, zusammen mit dem Excretionsgefässe der anderen Seite, 700 (i hinter dem Kopfende derart nach aussen zu münden, dass die Richtung des Mündungsrolires mit der Bauchlinie einen nach hinten offenen Winkel von etwa SO*' bildet (Fig. 1, Pe). Der ca. 70 [i lange ge- meinschaftliche Ausführungsgang beider Seitengefässe ist, ebenso wie der weibliche Mastdarm und die männhche Kloake, von der Bauch- nach der Rückenfiäche des Wurmkörpers zusammengedrückt, so dass die Porusmündung eine ovale Oeffnung darstellt, deren kürzester, 2—3 // betragender Durchmesser in die Längsaxe, ihr längster, 14 (i grosser Durchmesser aber quer zur Längsrichtung des Körpers gestellt ist (Fig. 7, Pe). Auch beim Männchen, dessen Porus excretorius ca. 550 // hinter dem Kopfende liegt, reicht das Seitengefäss nicht bis zum hinteren Leibesende, sondern verschwindet zusammen mit dem Seitenfelde ungefähr 0,75 mm vor der Kloakenmündung. In die stumpfwinkelige Abbiegung, in welcher der longitudinale Verlauf des hinteren Seitengefässes in seine diagonale, dem Porus zustrebende Richtung übergeht, mündet aber bei beiden Geschlechtern noch ein anderes, vom Kopfende herkommendes Gefäss, das, den vorderen Enden der Seitenfelder angehörig, sich bis über den Nervenring hinaus deutlich verfolgen lässt (Fig. 1, SG). Demnach wird also das ganze Excretionsgefässsystem aus vier in den Seiten- feldern belegenen Gefässen gebildet, von denen jederseits ein kleineres, dem Kopfende angehöriges und ein grösseres, vom Schwanzende kommendes sich — beim $ 500 ^, beim S 400 ,w vor dem hinteren Pharyngealen de — vereinigen, wonach sie mit dem gemeinschaftlichen Stamme in diagonaler Richtung zur Bauchlinie hinlaufen, um zu- sammen mit dem Stamme der anderen Seite durch den Porus excretorius auszumünden. Die Seitenfelder selbst erstrecken sich nach Abgabe der diagonal gestellten' Gefässstämme, immer spitzer werdend, nach vorn, schliessen, wie wir später sehen werden, 525 // vor dem weibhchen und 414 //' vor dem männlichen Kopfende, eigenthümliche, dem Centralnerven- system zugehörige Elemente in sich ein, und verschmelzen schliesslich, ebenso wie die vorderen Enden der Medianlinien, mit den ebenfalls der Subcuticula entstammenden sechs Lippenwülsten (Fig. 3 u. 4, Sc). Auffallend ist bei unseren Thieren, und zwar besonders bei den Weibchen, die Bildung der hinteren Seitenfeldenden, die ich um so mehr hier betonen muss, als ich eine ähnliche Einrichtung noch bei keinem anderen Nematoden beschrieben gefunden habe. Da wo bereits die Anfänge der Excretionsgefässe erkennbar sind, also etwa beim Beginne der hinteren Schalendrüse, treten nämlich in jedem Felde neben dem Gefässe noch andere scharf um- schriebene Lücken in der körnigen Substanz auf. Erst sind es ge- wöhnlich zwei, die seitlich von dem Gefässe eine ziemlich symmetrische Lage haben (Fig. 14, L). Später wächst ihre Anzahl; sie gewinnen dabei auch eine so unregelmässige Form und Anordnung, dass das Strongylus filaria ß. 275 sich nimmehr immer tiefei' in die Leibeshöhle hineinwölbende Seitenfeld wie von einem ganzen Lückensysteme aufgetrieben er- scheint (Fig. 15, L). Zugleich geht die körnige Struktur des Seiten- feldes in ein immer deutlicher werdendes Faserwerk über, welches für jenes Lückensystem als Stützgerüst dient und die nunmehr in durchaus unregelmässiger Anordnung auftretenden grossen Kerne (Fig. 15, K) in ihrer Lage erhält. In solcher Weise sind die Seitenfelder bereits in der Höhe des Afters zu zwei stattlichen ■ — hier bis 32,5 ji tiefen — schwamm- artigen Wülsten herangewachsen. Sie füllen hinter genannter Oeffnung fast das ganze Lumen des sich hier schnell zuspitzenden Leibes, lassen jedoch noch einen eben genügenden Raum für die hinter der Mastdarmmündung der Bauchlinie aufliegende Analdrüse übrig (Fig. 16 u. 17). Ob dieses merkwürdige Lückensystem als Zuleitungsorgan für die dann doch wohl als secretorisch zu bezeichnenden Seitenfelder angesprochen werden darf, oder ob ihm selbst eine di'üsige Funktion zuerkannt werden muss, wage ich nicht zu entscheiden, will hier jedoch einfügen, dass Leuckart (24, p. 20) kanalartige Bildungen, die er neben dem Seitengefässe in den vorderen Abschnitten der Seitenfelder von Sklerostomum hypostomum und Dochmius fand, als Drüsenschläuche in Anspruch genommen hat. Zwar scheinen auch die beiden etwas vor der Analdrüsenmitte in je einer scharf begrenzten Lücke ihres Seitenfeldes sitzenden grossen Zellen, welche mit ihren kugeligen, leicht granulirten, 16 /^ grossen Zellenleibern je einen 7,5 // grossen, bläschenförmigen, mit zwei Kernkörperchen ausgestatteten, hellen Kern umschliessen und eine auffallende Aehnlichkeit mit den später zu beschreibenden, allerdüigs etwas grösseren Endzellen der Geschlechtsröhren zeigen (Fig 16, Z), die Annahme einer drüsigen Verrichtung zu rechtfertigen, doch würde es solcher Annahme nicht entgegenstehen, wenn man die oben- erwähnten Seitenfeldlücken auch als Zuleitungsorgan für diese Drüsen- zellen in Anspruch nehmen wollte. Ein Analogon für das in Frage stehende Lückensystem konnte ich auch beim Männchen von Strongylus filaria nachweisen, hier ist es jedoch nur verhältnissmässig kümmerlich ausgebildet. Etwa 0,35 mm vor dem hinteren Ende des Seitenfeldes nämlich, etwa dort, wo sich die Retractoren der Spicula an letzteres anheften, weichen auch hier die Körnermassen, unregelmässige Lückenräume zwischen sich lassend, auseinander. Sie nehmen dabei eine deutlich faserige Anordnung an und dringen da, wo das Lückensystem am stärksten entwickelt ist, 29 (j tief in das Körperlumen hinein, indem sie einen wappenformähnlichen Querschnitt aufweisen. Es sind also, wenn man so sagen darf, die hinteren Enden der männlichen Seiten- felder zu kolbigen, ein schwamm artiges Gefüge besitzenden An- schwellungen aufgebläht. 18* 276 Otto Augstein: (l, Körper niuskulafur. Auf der Subcuticula flach ausgebreitet und seitlich durch die wulstartigen Seiten- bezw. Medianlinien begrenzt, zieht die Muskulatur in Gestalt von vier nebeneinander herablaufenden, langgestreckten Muskelfeldern vom Kopfe bis zum Schwanzende hin. In der Leibes- mitte erreichen diese Muskelfelder je eine Breite von etwa 245 ,w und sind, da hier die Seitenhnien etwa 68 fj breit sind, die Median- linien aber nur 8 (z messen, derart gelagert, dass zwei von ihnen der Bauchfläche, und die beiden anderen der Rückenfläche zuge- hören. Es entspricht diese Anordnung des Muskelapparates der ausserordentlich einfachen Locomotion des Strongylus filaria, die ja, wie wir gesehen haben, hauptsächlich durch ein Krümmen des Leibes von der Bauch- nach der Rückenfläche bewerkstelHgt wird. Abgrenzungen von einzelnen Muskelzellen, in die jedes Muskel- feld zerfiele, können weder auf Querschnitten, noch an der flächen- haft ausgebreiteten Leibeswand nachgewiesen werden, trotzdem aber muss aus den zahlreich vorhandenen Muskelkernen auf einen zelligen Aufbau der bandartigen Felder geschlossen werden, wenn anders die Angaben Schneider's (23, p. 202) und Leuckart's (24, p. 35), dass jeder Kern einer Muskelzelle entspräche, Geltung behalten sollen. Die Bildungszellen sind dann aber im vorliegenden Falle der- art mit einander verschmolzen, dass ihre gegenseitigen Abgrenzungen nicht mehr nachweisbar sind. Unter dieser Voraussetzung besteht jedes Muskelfeld unseres Parasiten, wie das auch bei den verwandten Formen der Fall ist, aus zwei in der Längsrichtung des Körpers neben einander herlaufenden Zellenreihen, denn die ausserordentlich grossen, bis 22 // Durchmesser erreichenden und ein bis zwei etwa 5 fi grosse Kernkörperchen enthaltenden Muskelkerne sind für jedes Feld zu einer Doppelreihe angeordnet. In histologischer Beziehung ist die Muskulatur, wiederum wie bei vielen anderen Strongyliden , nach dem platymyaren Typus (19, p. 227) gebaut, d. h. sie lässt eine die contractilen Elemente enthaltende Rindenschicht, die in ihrer ganzen Ausdehnung der inneren Fläche der Leibes wand (Subcuticula) aufliegt, und eine dieser polsterartig aufsitzende, in die Leibeshöhle hinein vorquellende Marksubstanz unterscheiden. Die Rindenparthie muss wieder in zwei verschiedene Substanzen zerlegt werden, nämlich einerseits in die eigentlich contractilen Elemente, welche als radiär gestellte, bis 13 , und App. V zum 2. ann. report (= Tryon, Coleopt. u. Rbopaloc. New Guinea). II. Niehtperiodisehe Schriften. 0. Tascbenberg, Repetitorium der medicinischen Hülfswiss., rV. Zoologie. Breslau, Preuss & Jürgen. K. Lumboltz, Unter Menschenfressern. Eine vierjährige Reise in Austraben. Deutsche Uebers. 107 Abb. 8^. Hamburg, Verlags- buchh. u. Druck., A.-G. 1892. J, C, Vogt, Die Menschwerdung. Die Entwicklung des Menschen aus der Hauptreihe der Primaten. 1892. 8". Leipzig. Ernst Wiest. Otto Kunze, Revisio generum plantarum vascul. omnium. 1891. 8«. (Einleitung.) J. Loeb, Unters, zur phys. Morphol. d. Thiere. IL Organ- bildung u. Wachsthum. Würzburg, G. Hertz. 1892. 8". Hesse, Hypogaea, Lief. 4 — 6 (=L Schluss). Halle a. S. L. Hofstetter. 0. Vonhof, Bienenmass oder: Die Descendenzlehre ist ein falscher Schluss. 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Bemerkung: Btichersendungen für das „Archiv für Naturgeschichte" können an die Nicolaische Verlags-Buchhandlung, Berlin C, Brüderstr. 13, geschickt werden. Ai-chiv r. X'cifurgesch. 1Ö9+. Tal'. 1. IirA.A/ef-?iüa. 1 lü.R.Bergh.Greilada. 11 42,G.Dunrl ■■Sj i Ba. Ic. I Au/.:: iVA-Me^^n Lit/imsz BerüuiS. C.\'cr]ioeff.v\bd()inpii dei- Lampyriden, Caiilharirlen u.Malachiiden. .\iclnv i;X;iluf(i(>s(h.l8yi Taf. X. AA ^y . -'- " n.r , /•■:li J^ ijO. ° ■© .^ wa ^ ^ ^^ ^^::' .^.-* 'V-/ 1/ A^ /<'/' 4 ^^ \\| ^' « /•■■'>, -s. / Im -1 /> ,^' Mei^rv.LithJnst BerUr^i. CVerhocIT, Abdomen der Larapyriden, CanÜiaxiden u.Malachiiden Archiv r. \'iilnr(i<>si'li.iaJ)4. Turxi. ^ I 1 pM #r^^*-^^/-)a '' St. iL.. 77. SU d. flu / „ M Mofn.. Lahmst. BerlmS. CAerhoeff, Abdomen der Lampyridert. Caiitliariden u.Ma] achiiden. NaUirqfSch.IKM. f.l e:® ^'fe^ -^%z ¥".^.. "CS, hvX^ oo '^ . - ^. Murliüil.,.\,.,ss<.|ui'.THiic ,kM- Hvdr-oii ArcliivrN'ulMrijcsih.lim t-uf.S. i ft>j Aiu|sli'in .Sli-uiu)\ i: (, ■Slroii.jylus ril.n-iil H MHI \i IKM I IHHAKY IlllllllilÜlilll UH lööF D Wm^^^ >^%. "^yr: .^-.::j^-;^ ^<:m