len VER, RAN ER ch NEN LU) N nei ah N) Te j ‘ ‚. is OHREN) Fu Rt, ‘ r h kıkı iur . A N ec“ DR) ur% SERNETDINNEN I ’ W . vu) h Bu BORN KR BER NEN " N DONE “ (3 5 SC u" a) N ERMN RR, DERART Bi ' VENEN er kn re RERLARENCEE TRENNEN i ES CN uni EN", h DR Hr * I 5 * h r \ I \ b IRLNCH [1 Dr % 1 youth \wriarh Na v ar NAAR AU 3 REN ' “ NONE ECK EN NN) j ec SR TURRRNSK Nee want, % MR Yunesen ’ ” F Li 2 ; 0 " Al Fa ? fr f u ‘ ” | van ER BErRER a “ # \ y ” Pe Se FAIERTDE a Kıbrarp of the Aluseum COMPARATIVE ZOÖLOGY, AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS. Pounded by private subscription, in 1861. Deposited by ALEX. AGASSIZ. No. 388- | | | Nr ERH HLSIEESZ ARCEIB FÜR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE. FORTSETZUNG DES von REIL, REIL v. AUTENRIETH, J. F. MECKEL, JOH. MÜLLER, ° REICHERT vw. DU BOIS-REYMOND HERAUSGEGEBENEN ÄRCHIYES. HERAUSGEGEBEN VON Ds». WILH. HIS uno De WILH. BRAUNE, PROFESSOREN DER ANATOMIE AN DER UNIVERSITÄT LEIPZIG, UND Dz. EMIL DU BOIS-REYMOND, PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN. JAHRGANG 1885. SUPPLEMENT-BAND ZUR PHYSIOLOGISCHEN ABTHEILUNG LEIPZIG, VERLAG VON VEIT & COMP. 1885. ARCHIV A . FÜR PHYSIOLOGIE PHYSIOLOGISCHE ABTHEILUNG DES ARCHIVES FÜR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE. UNTER MITWIRKUNG MEHRERER GELEHRTEN HERAUSGEGEBEN VON Dz. EMIL DU BOIS-REYMOND, PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN, JAHRGANG 1885, SUPPLEMENT-BAND. “MIT 10 ABBILDUNGEN IM TEXT UND 11 TAFELN. LEIPZIG, | VERLAG VON VEIT & COMP. "1885. ’ i Leipzig. igin 32 - »- - ae EB = x Fe N v - & = \ © n NE u r : > 2 ” : z A E S =) = a e en DE : 5 zu Taf. I—V.). Inhalt. ÄLFRED GOLDSCHEIDER, Neue Thatsachen über die Hautsinnesnerven. (Hier- ’ ROBERT TIGERSTEDT, Untersuchungen über die aeanlune: der Moksel. zuckung in ihrer Abhängigkeit von verschiedenen Variabeln. (Hierzu Tat. VI—XI.) . Seite all Neue Thatsachen über die Hautsinnesnerven. Von Dr. Alfred Goldscheider, Assistenzarzt im Bisenbahnregiment. (Hierzu Taf. I—V.) I. Temperatursinn. Während Kälte und Wärme ihrer Natur nach stets als flächenhafte diffuse Gefühle aufgefasst worden sind, hat sich neuerdings ergeben,' dass die Elemente derselben punktförmige Einzelgefühle sind, welche durch sub- jeetiven Conflux ein flächenhaftes Gefühl vortäuschen. Dieselben kommen nur an bestimmten, räumlich getrennten Punkten der Haut zu Stande, während die von solchen Punkten freie Zwischenhaut nicht fähig ist, auf einen Temperaturreiz mit dem charakteristischen Temperaturgefühl zu re- agiren. Eine grundlegende Thatsache ist nun, dass diese Punkte für das Kältegefühl andere sind als für das Wärmegefühl. Diejenigen Punkte der Haut, welche Kälte percipiren, sind nicht fähig auch Wärme zu perci- piren und umgekehrt. Man muss demnach zwei verschiedene Arten von solchen Punkten unterscheiden, welche man füglich als Kältepunkte und Wärmepunkte bezeichnen kann. Der Temperatursinn erscheint hier- ! Ich habe meine Untersuchungen zuerst in den Monatsheften für praktische Dermatologie, 1884, Nr. 7—10 veröffentlicht und bereits dort darauf hingewiesen, dass ch unabhängig von Blix gearbeitet habe, welcher die grundlegenden Thatsachen vor \nir gefunden hat. Ich operirte mit fallenden kalten und warmen Tropfen; hierbei be- inerkte ich, dass die grösseren Furchen der Haut (z. B. in der Hohlhand) keine Tem- ‚yeratur wahrnahmen; um dies genauer festzustellen, benutzte ich punktförmige Tem- ‚eraturreize und nun ergab sich die ganze Reihe der Erscheinungen, wie sie im Fol- enden geschildert werden sollen. Archiv f.A.u. Ph. i885. Physiol. Abthlg. Suppl.-Bd. 1 2 ALFRED GOLDSCHEIDER: nach derartig angelegt, dass seine Grundlage ein System von Sinnespunkten, Temperaturpunkten, welche über die ganze Hautfläche verstreut sind, bildet; der Temperatursinn erscheint ferner geschieden in einen ‚Kältesinn und in einen Wärmesinn und jedem dient eim getrenntes System von Sinnespunkten. Wenn hier von Punkten gesprochen ist, die über die Haut- fläche verstreut sind, so ist dabei natürlich zu erinnern, dass denselben Nervenenden, die in der Haut gelegen sind, entsprechen müssen, deren perceptive Fähigkeit sich als physiologischer Sinnespunkt auf die den Reizungen ausgesetzte äussere Hautfläche projieirt. Um die genannten Punkte aufzufinden, bedarf man punktförmiger Temperaturreize. Ich habe diese für den Kältesinn anfänglich in der Weise hergestellt, dass ich ein feines Pinselchen in Schwefeläther tauchte und hiermit die Haut betupfte; es tritt dann jedesmal ein kleines Tröpfchen Aether aus, welches an gewissen Punkten die Empfindung von Kälte her- vorruft, dazwischen aber sich dem Gefühl nicht bemerkhar macht. Diese Methode hat für sich die Vermeidung jedes Druckes; jedoch ist sie nicht geeignet, um sämmtliche Kältepunkte zu finden, da der Kältereiz nicht stark genug ist. Als passendstes Instrument sowohl für die Aufsuchung der Kälte- wie der Wärmepunkte haben sich mir Messingeylinder bewährt, von ungefähr 1 Dicke und S—9 ®® Länge, welche an dem einem Ende spitz abgedreht sind; die Spitze selbst ist wieder abgerundet und darf weder zu lang sein, da sie sonst zu schnell abkühlt, noch zu kurz, da sonst der Be- rührungspunkt durch den Cylinder dem Auge verdeckt wird. Ich habe zuerst hohle Cylinder angewendet, die mit einem Ebonitpfropfen zu ver- schliessen waren, habe aber dann die soliden für praktischer befunden. Zum“ Aufsuchen von Kältepunkten genügt schon der blosse Cylinder, der jedoch eventuell durch Eintauchen in kaltes Wasser noch abzukühlen ist. Be- hufs Aufsuchens der Wärmepunkte wird der Cylinder über einer Spiritus- flamme erwärmt. Selbstverständlich hat dieser Modus den Nachtheil, dass der Cylinder allmählich abkühlt und so der Wärmereiz kein constanter ist; ein solcher würde sich herstellen lassen mit Verwendung der Elektrieität,! und es ist kein Zweifel, dass ein solches Instrument für gewisse Fragen, namentlich nach der Reizschwelle der Temperaturpunkte, sehr vortheilhaft sein würde — jedoch zur Feststeliung der Wärmepunkte überhaupt genügt der Oylinder vollkommen und hat den Vortheil vollkommener Handlichkeit. Der Messingeylinder ist in einem Ebonitkloben verschiebbar gefasst, welcher‘ ausserdem eine mit dem Cylinder parallel gerichtete, verschiebbare Hülse trägt zur Aufnahme eines Pinsels oder Schreibstiftes, um die Punkte zu bezeichnen. Ich bediene mich vorzugsweise kleiner gespitzter Hölzchen, die ! Etwa nach Art des von Eulenburg neuerdings angegebenen T'hermaesthesio- meters. Vgl. Monatshefte für praktische Dermatolegie. 1885. Bd. IV. Nr. 1. a ) NEUE THATSACHEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERVEN. 3 man sich jederzeit aus Zahnstochern herstellen und wieder neu spitzen kann; ferner der alten Gänsefederposen oder sehr weicher Zeichenfedern, welche senkrecht aufgesetzt werden müssen. Zum Bezeichnen der Punkte kann man die gewöhnliche blaue oder rothe Zeichentinte benutzen; für gewisse Zwecke ist es jedoch erforderlich, zu Anilinfarben zu greifen. Zu beachten ist, dass die zu benutzenden Flüssigkeiten möglichst verdünnt ‚werden müssen, einerseits damit die Punkte möglichst fein ausfallen, an- dererseits weil sich sonst der Schreibstift oder die Feder zu schnell verstopft. Das Aufsuchen und Bezeichnen der Kälte- und Wärmepunkte ist eine sehr einfache Thätiekeit, erfordert jedoch einige Cautelen. Freilich kommen diese erst in Betracht, wenn man sich die Aufgabe setzt, von einer um- grenzten Stelle der Haut alle vorhandenen Kälte- bez. Wärmepunkte zu bestimmen und kenntlich zu machen. Es tritt hier zunächst die Schwierig- ' keit auf, genau den Punkt der Haut mit dem Schreibstift zu treffen, wel- cher unter der Spitze des Cylinders als kalt- oder warmempfindend gefühlt wurde. Ich habe Versuche gemacht mit einem Apparat, bei welchem Cylinder und Schreibstift an einem stehenden Barren befestigt und der- artie nach unten gegen einander geneigt sind, dass sie bei ihrer Verschie- bung abwärts annähernd dieselbe Stelle treffen, jedoch dürfte ein mathe- matisch genaues Zusammentreffen schon wegen der Veränderungen, welche der Schreibstift durch den Gebrauch erleidet, unmöglich sen und zudem ist ein solches Instrument sehr unhandlich und nur für wenige Körper- stellen brauchbar. Die Fertigkeit, denselben Punkt zu treffen, wird nun durch die Uebung eine genügend vollständige; für die Kältepunkte kommt es ausserdem noch zu Statten, dass man bei Bezeichnung des richtigen Punktes mit der flüssigen Farbe ein leichtes Kältegefühl wahrnimmt, das , gewissermaassen zur Controle dient. Ausserdem kann man die Richtiekeit des bezeichneten Punktes durch wiederholte Reizung controliren. Für dicht gelagerte Punkte endlich kann man behufs richtigen Treffens sich der Lupe bedienen. : Ist eine Hautstelle eine gewisse Zeit lang bearbeitet, so findet man keine weiteren Punkte, und die gefundenen geben gar keine oder eine sehr schwache Empfindung. Erst nach einer Ruhepause von kürzerer oder län- gerer Dauer hat sich die Hautstelle so weit erholt, dass man mit dem ‚ Aufsuehen der Punkte fortfahren kann. Die Hautregionen verhalten sich hierin verschieden, auch kommt die Stärke der angewendeten Reize in Be- tracht; überall jedoch gilt es, dass durch das systematische Absuchen einer eircumseripten Stelle die Erregharkeit derselben geschwächt wird. Der Grund hiervon liest ohne Zweifel in der wiederholten Application der Tem- peraturreize. Nähert man sich mit der Cylinderspitze einem Temperaturpunkt, so 1 4 ÄLFRED GOLDSCHEIDER: hat man in den meisten Fällen schon bei der Annäherung an denselben ein unbestimmtes, zunehmendes Temperaturgefühl. Es befindet sich also im Alleemeinen um einen Temperaturpunkt herum eine Zone eines wenige ausgeprägten, schwachen Temperaturgefühls. Dieser Umstand macht sich ° für das Aufsuchen der Punkte insofern geltend, als man hin und wieder leicht einen Punkt der Peripherie dieses Zerstreuungskreises als Temperatur- punkt fixiren kann. Nimmt man nun hinzu, dass häufig der Application eines Temperaturreizes eine sofortige geringe Herabsetzung der Erregbarkeit- in der nächsten Umgebung folgt, besonders wenn die Application auf den- selben Punkt mehrfach hinteremander stattgefunden hat — und man drückt sehr oft bei schwachem Temperaturgefühl mehrere Male auf denselben Punkt, um sich zu überzeugen, ob man ihn wirklich als Temperaturpunkt zu bezeichnen hat —, so leuchtet ein, dass es vorkommen kann, dass die Mitte des Zerstreuungskreises als der wahre Punkt übergangen und statt‘ dessen ein oder mehrere Punkte der Peripherie bezeichnet werden. Es ist daher das Annäherungsgefühl zu unterscheiden von dem Gefühl an dem Temperaturpunkt selbst, d. h. demjenigen Punkte, welcher senkrecht über’ der anzunehmenden Nervenendigung liegt. Anderenfalls würden die fixirten Punkte zwar auch ein ungefähres Bild der Verbreitung der Nervenenden geben, aber doch keine hinreichend correcte Projection der Nervenendigungen auf der Hautoberfläche darstellen. Dieser Fehler macht sich besonders bei stärkeren Temperaturreizen geltend. Endlich ist noch einer in der Natur der Sache liegenden Fehlerquelle zu gedenken; es werden nämlich bei dem systematischen Absuchen einer Stelle. auch wenn man nach einer bestimmten Regel verfährt, z. B. immer in parallelen Linien den Cylinder führt, doch stets eine Anzahl von Punkten übergangen werden; wollte man auch hier einen Apparat anwenden, wel- cher den Cylinder führt, so würde dadurch die Beschwerlichkeit der Unter- suchung ausserordentlich vermehrt werden. Hierzu kommt, dass man wegen der Herabsetzung der Erregbarkeit doch nicht den angefangenen Modus des Absuchens beibehalten kann, sondern bald diesen, bald jenen Bezirk aufnehmen muss. — Es liegt endlich in der Art der Aufsuchung der Punkte noch eine Fehlerquelle, welche kaum umgangen werden zu können scheint. Diese bezieht sich darauf, dass continuirlich-temperatur- empfindliche Stücke der Hautsinnesfläche durch unser Verfahren willkürlich in Punkte aufgelöst werden. Wir können nicht mit Farbstoffen hantiren, welche momentan eintrocknen, weil dieselben auch am Schreibstift zu schnell trocken werden. Nun liest folgende Gefahr vor: Man kommt an einen Kälte empfindlichen Punkt und bezeichnet ihn; um ihn nicht zu verwischen, fährt man nicht continuirlich, sondern in einer, wenn auch noch so kleinen Entfernung fort zu reizen und setzt, wenn nun wieder ii NEUE THATSACHEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERVEN. 5 Kälteempfindung erfolgt, einen anderen Punkt neben den ersten, während doch eben so gut ein Kälte empfindliches Continuum da sein kann. Be- zeiehnet man aber nicht gleich jeden Kälte empfindlichen Punkt, sondern sucht die Ausdehnung des Kälte empfindlichen Stückes festzustellen, so ‚ kann man die Grenzen nicht genau merken. Ebenso wird man, wenn man bei dem Abschreiten in parallelen Linien unmittelbar an einem früher be- zeichneten Punkte wieder Kälteempfindung findet, sehr leicht versucht sein, ohne Weiteres einen neuen Punkt neben jenen zu setzen, so dass also der Zwischenraum ganz unbeachtet bleibt. Ein solches Verfahren wird zahl- reiche Unrichtigkeiten mit sich bringen und man muss «dieselben dadurch wieder hinweezuräumen suchen, dass man später die Zwischenräume zwi- schen den Punkten noch ganz besonders prüft. Hierbei wird man sich der Schwierigkeiten, welche das Annäherungsgefühl macht, in hohem Maasse bewusst. Man wird nicht selten in den engsten Zwischenräumen noch Kälteempfindlichkeit finden, manchmal intensivere als auf den benachbarten Punkten; auch vielfach neben alten Punkten neue, wo vorher keine zu , existiren schienen. Wir kommen auf dieses Verhältniss noch zurück. Es ist übrigens hierbei hervorzuheben, dass wir einen absolut spitzen Tempe- raturreiz nicht anwenden können, derselbe muss immer eine gewisse Aus- dehnung haben. Zu beachten ist noch, dass der Cylinder nicht schief ge- halten werden darf; es kann hierbei vorkommen, dass scheinbar jeder Ein- ‚ druck mit dem Cylinder eine Temperaturempfindung veranlasst, weil näm- lich die Haut sich mit einer gewissen Fläche an den Cylindermantel anlegt. Aus allem diesem folgt, dass man in einer einzigen Sitzung ein wahr- heitsgetreues Bild der Temperaturpunkte einer Hautstelle nicht bekommen kann. Und es ist daher gar nicht zu verwundern, dass man, wenn man mehrfach zu verschiedenen Zeiten von derselben Stelle die Kälte- oder Wärmepunkte aufnimmt, jedesmal ein etwas anderes Bild bekommt. Will man daher eine correcte Aufnahme herstellen, so muss man eine und die- selbe Stelle wo möglich mehrere Tage lang — die Herabsetzung der Er- regbarkeit hält zuweilen erstaunlich lange an, besonders wenn eine stärkere Hyperaemie der Stelle hervorgerufen ist — bearbeiten und controliren und sich zu diesem Zwecke eben dann der Anilinfarben bedienen, da die anderen durch die Hautfeuchtigkeit aufgelöst oder abgerieben werden. Uebrigens aber habe ich die Ueberzeugung gewonnen, dass die an- geführten Fehlerquellen in einem gewissen Umfange gar nicht zu vermeiden sind und halte deshalb ein völlig correctes Bild, d.h. eine absolut genaue Projection der in der Haut gelegenen Nervenendigungen auf die Oberfläche der Haut für unmöglich. Alle die auch mit den grössten Cautelen her- gestellten Zeichnungen der Punkte können der wahren Anordnung der Nervenendigungen nur nahe kommen. Es ist aber auch zweifellos, dass ALFRED GOLDSCHEIDER: (er) dies für die'Sache selbst ganz gleichgültig ist, denn mögen minimale Fehler der Distancen der Punkte auch vorhanden sein, mag einmal von zwei dicht nebeneinander stehenden Punkten einer zu viel oder hier und da einer zu wenig sein — der Typus der Anordnung der Punkte ist mit der ge- übten Methode vollkommen zu eruiren und darzustellen. In den Bereich der angeführten Fehlerquellen fällt auch die Beob- achtung, dass zuweilen auf einem Wärmepunkt der kalte Cylinder als kalt gefühlt wird. Die genauere. Untersuchung mit dem Aetherpinsel ergiebt dann immer, dass niemals direct auf dem Wärme empfindlichen Punkt die Kälte zu spüren ist, sondern dicht daneben. Häufig finden sich einem Wärmepunkt auf verschiedenen Seiten mehrere Kältepunkte unmittelbar angelagert. Die Täuschung war hier gelegen theils in dem, was über das Annäherungsgefühl gesagt worden ist, theils in der relativen Breite der Cylinderspitze. Wenn in dem vorher Gesagten kurzweg angenommen wurde, dass die beschriebenen Punkte den Endigungen der Temperaturnerven entsprechen, so geschah dies, weil im der That keine andere Erklärung für die That- sache dieser Punkte möglich ist. Dieselben sind völlig fixer Natur; hat man ein Punktbild auf die Haut aufgezeichnet, so kann man jederzeit, so lange die Punkte zu sehen sind, wenn man bei abgewandten Augen sich von einer andern Person mit dem Cylinder prüfen lässt, angeben, wann der Cylinder auf einen Punkt kommt. Dass etwa zufällig an diesen Punkten ein stärkerer Druck mit dem Cylinder stattgefunden hätte oder dass eine bessere Wärmeleitung hier vorhanden wäre, diese Annahmen können des- halb gar nicht in Betracht kommen, weil zwischen den Punkten nicht etwa ein schwächeres, sondern überhaupt gar kein Temperaturgefühl wahr- genommen werden kann, selbst nicht flächenhafte Temperaturreize, falls sie so klein sind, dass man damit einen punktfreien Bezirk decken” kann. Endlich habe ich die Punkte aber auch bei mir selbst nachweisen können, nachdem ich das Stratum corneum mittelst Collodium cantharidatum ent- fernt hatte. Es ist also anzunehmen, dass Nervenfasern, welche der Per- ception der Kälte dienen, und solche, welche der Perception der Wärme dienen, kurz: Kälte- und Wärmenerven unter einander gemischt verlaufen und an den Temperaturpunkten ihre Endigungen bez. Endorgane haben. Damit soll nicht gesagt sein, dass einem Temperaturpunkt immer nur ge- rade eine einzige Endigung entspricht, es ist auch denkbar, dass hier ein Complex von Endorganen sich befindet. Das allgemeine Prinzip der Anordnung der Temperaturpunkte ist folgendes!: Dieselben reihen sich in Ketten, Linien, aneinander, welche ! Vergl. hierzu die Abbildungen 1—4, NEUE THATSACHEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERVEN. je meist leicht gekrümmt verlaufen. Dieselben strahlen radienartie von ge- wissen Punkten der Haut aus, welche demgemäss als Ausstrahlungs- punkte oder Temperaturpunkt-Gentren zu bezeichnen sein dürften. Die Ketten «der Kältepunkte fallen im Allgemeinen nicht zusammen mit denen der Wärmepunkte, ihre Ausstrahlungspunkte sind aber ge- meinsam. Häufig sind nun diese Punktlinien nicht vollständig vorhanden, sondern nur durch vereinzelte Punkte angedeutet, zwischen welche sich dann nicht selten Punkte der anderen (Qualität einschieben; auf diese Weise resultiren dann gemischte Punktketten. Dadurch, dass die Linien verschie- dener Rayons zusammentreffen, entstehen mehr oder weniger geschlossene rundlich-eckige, häufig dreieckig-längliche Figuren, deren Peripherie von Punktketten theils der einen, theils der anderen Qualität, theils von ge- mischten Ketten gebildet werden. Auf diese Weise kommt demnach die Erscheinung zu Stande, welche ich in meiner ersten Publication über diesen Gegenstand als Complementirung der Kälte- und Wärmepunkte zu areo- lären Figuren beschrieben hatte. Hier und da bilden die Punktketten eine dichte Masse von Punkten, welche zuweilen gar nicht zu sondern sind, so dass dann in der That eine Temperatur empfindliche Fläche vorzuliegen scheint. Es sei hier gleich gesagt, dass dies für den Kältesinn viel häufiger ist, als für den Wärmesinn. Die Punktketten strahlen meist nicht nach allen Richtungen aus, sondern vorzugsweise senkrecht zur Richtung der Spaltbarkeitsebene und in dieser selbst. Man findet auf diese Weise be- sonders häufig wiederkehrend eine büschelförmige Anordnung der Punkt- ketten. Eine weitere bemerkenswerthe Thatsache ist nun, dass die Aus- strahlungspunkte an den behaarten Hautregionen vorwiegend mit den Härchen zusammenfallen, genauer gesagt, mit den Haarwurzeln oder Haar- papillen. Letzterer Schluss erscheint dadurch gerechtfertigt, dass die Punkt- ketten nicht von demjenigen Punkt ausgehen, wo das Haar zu Tage tritt, sondern bei der meist schrägen Richtung der Haare von einem Punkte, der ungefähr senkrecht über der Haarpapille liegen dürfte. Hier und da kommen jedoch auch in behaarten Gegenden Ausstrahlungspunkte ohne Haar vor. Demgemäss finden sich auch an den Haaren im Allgemeinen immer Temperatur- punkte. Die Bedeutung der Haare oder besser gesagt der Haarstellen für die Temperaturnerven tritt sehr deutlich hervor an manchen Hautregionen von sehr schwacher Temperaturempfindlichkeit. An solchen kommt es nämlich vor, dass nur an den Haaren Temperaturpunkte liegen und sonst weiter keine vorhanden sind. Hieraus geht auf das klarste hervor, dass die Haar- stellen zum mindesten Hauptpunkte für die Vertheilung der Temperatur- nerven sind, und man kann, wenn man selbst an den Haaren keine Tem- peraturpunkte findet, sagen, dass überhaupt keine da sind. Das Verhältniss der an einem Haarpunkt gelegenen Temperaturpunkte - 5 ALFRED GOLDSCHEIDER: ist nach Zahl und Qualität ein sehr verschiedenes.. Es kommt vor, dass hier überhaupt — wie eben gesagt — nur ein einziger Kälte- oder Wärme- punkt zu finden ist; ferner ein Kälte- und ein Wärmepunkt dicht neben- einander; ein Wärmepunkt und zwei Kältepunkte zusammen — das Um- gekehrte wurde nicht beobachtet. Die von einem Haarpunkt ausstrahlenden Ketten sind ebenfalls wieder nach Zahl und Qualität unterschiedlich; es kommt vor, dass nur ein Strahl vorhanden ist; ferner zwei oder mehrere. Im ersten Falle enthält der Strahl gewöhnlich nur Punkte einer Qualität; jedoch kann am Haar, dem Beginn der Kette, ein Punkt der anderen Qualität liegen, also am Haar ein Kältepunkt mit einem Wärmepunktstrahl, oder ein Wärmepunkt mit einem Kältepunktstrahl; in ähnlicher Weise ein Kältepunkt mit mehreren Wärmepunktstrahlen oder ein Wärmepunkt mit mehreren Kältepunktstrahlen. Nicht selten gehört das ganze von einem Haarpunkt ausstrahlende Büschel einer und derselben Qualität an. Auf der anderen Seite findet sich wieder eine scharfe Sonderung der Strahlen, so‘ dass z. B. je ein Kältepunkt- und ein Wärmepunktstrahl von einem Haarpunkt nach verschiedenen Richtungen ausgehen. Die Regel, dass an .den Haaren sich Temperaturpunkte finden, hat übrigens auch Ausnahmen, es giebt Hautstellen, welche vollkommen unempfindlich gegen Temperaturen sind und zugleich behaart; hier entbehren dann die Haare der Temperatur- punkte. — An punktreichen Hautstellen drängen sich naturgemäss an den Haaren die Temperaturpunkte beider Qualitäten im Allgemeinen dicht zu- sammen; meist wiegen in der dem Haar anliegenden Punktgruppe die Kältepunkte vor, seltener die Wärmepunkte. Stets aber kann man die Kälte und Wärme empfindlichen Punkte als nebeneinander geordnet nachweisen. | Aus dieser Darstellung konnte schon -entnommen werden, dass die Kälte- und Wärmepunkte im Einzelnen sich keineswegs in durchaus gleich- mässiger Vertheilung befinden. Es kommen Strahlensysteme vor, wo die Kälte- punkte überwiegen, ja allein vertreten sind, und solche, wo dasselbe mit den Wärmepunkten der Fall ist; letzteres ist jedoch viel seltener als ersteres. Diese Ungleichmässigkeit beschränkt sich jedoch nicht auf die Ausstrahlungs- systeme, sondern erstreckt sich auch auf grössere Gebiete. Es giebt dem- nach grössere Bezirke, in welchen die eine Qualität von Punkten reichlich vertreten ist, die andere so verschwindend, dass etwa nur an den Haaren solche gelegen sind, oder dass überhaupt sich keine vorfinden. Jedoch auch dies Verhältniss kommt fast nur so vor, dass die reichlich vertretene Qualität dem Kältesinn angehört. Wenn ein solches Gebiet als einseitig stark temperaturempfindlich zu bezeichnen sein dürfte, so giebt es andererseits auch einseitig schwach temperaturempfindliche Bezirke: hier ist die eine (Qualität (Kälte) schwach, etwa nur an den Haarpunkten vertreten, die an- _—— NEUE THATSACHEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERVEN. 9 dere gar nicht. Dieses Verhältniss bildet den Uebergang zu der gänzlichen Anaesthesie für Temperaturreize, von welcher bereits die Rede war. Das Bild, welches man sich nach diesen Feststellungen über den ver- muthlichen Nervenverlauf der Temperaturnerven in der Haut machen darf, könnte also folgendermaassen gezeichnet werden: Die Kälte und Wärme- fasern — die Annahme der Trennung auch der Nervenfasern wird später ‚Ihre nähere Begründung finden — steigen vegen die Haare hin in der Haut auf und breiten sich von den Haaren aus radiär- oder büschelartie aus. Sowohl an den Haaren wie an der büschelartigen Ausbreitung bilden sie reizbare Endigungen bez. Endorgane. Ob dies in der Weise geschieht, dass Fasern sich theilen und verästeln oder ob dieselben parallel mit ein- ander verlaufen und nur in verschiedenen Entfernungen von einander ab- biegen, dies bleibt vorläufig der Vorstellung überlassen. Die beiden Nerven- arten verlaufen bis zu den Haaren vorzugsweise, aber nicht immer, ge- mischt und schlagen dann vorwiegend, aber nicht immer, verschiedene ‚, Richtungen ein. Bei der büschelförmigen Anordnung schlagen die Fasern ‚ in der Mehrzahl die durch die locale Spaltbarkeitsebene vorgezeichnete und - ganz besonders eine darauf senkrechte Richtung. An unbehaarten Haut- regionen ist die Vertheilung der Nervenfasern in der Haut eine entspre- ‚ chende. — Dies Verhalten stimmt mit dem überein, was für den Verlauf ‚ der Gefässe und Nerven der Haut durch ganz anders geartete Unter- ‚ suchungen, nämlich durch anatomische, von Tomsa gezeigt worden ist. Tomsa! sagt: „Es combinirt sich in der Spaltbarkeitsrichtung eines Haut- _ stückes am häufigsten auf der einen Seite eine grössere Zahl von Binde- ‚ gewebsbündeln mit stärker geneigter Richtung ihres Verlaufs zur Haut- ‚ oberfläche, und es beeinflusst diese Combination im gespannten Zustande ‚ die Gruppirung des Hautgerüstes ‚und seines Inhaltes derart, dass die ‚ Haare, Drüsen und Kreislaufsebenen gegen den subeutanen Ursprung der ‚ zahlreicheren und geneigteren Hautfasern hinneigen. Haare und ‚ Schweissdrüsen, als Gebilde von linearer Ausdehnung ohne Verästelung, werden in der Spaltbarkeitsebene liegend angetroffen werden müssen, und ‚ die Gefässverästelungen, flächenhaft ausgebreitet, werden zur Spaltbarkeits- | ebene mehr oder minder senkrecht gestellte Cirkulationsebenen bilden, weil | sie der nach Obigem besonders in der Tiefe blättrige Bau der Haut dazu zwingt.“ Wenn man in Rechnung zieht, dass dies Verhältniss nicht in ‚einer absolut mathematischen Regelmässigkeit vorhanden sein wird, so passen in der That unsere Bilder ganz zu der Tomsa’schen Anschauung ‚ und eine Punktkette würde den Durchschnitt der Ebene der Nervenver- ! Beiträge zur Anatomie und Physiologie der menschlichen Haut. Archiv für | | Dermatologie. 1873. Bd.V. 10 ALFRED (GOLDSCHEIDER: ästelung mit der Hautoberfläche darstellen. Hinzufügen müssen wir dann dieser Vorstellung noch, dass die Haare, wie sie ja auch Punkte besonders ausgebildeter Vascularisation darstellen, zu diesen Nervenverästelungsebenen einen Mittelpunkt einnehmen. — Es geht hieraus hervor, wie das Werk- zeug des Temperatursinnes, die Temperatur empfindlichen Nervenendigungen in ihrer Anordnung und Vertheilung von den Wachsthumsgesetzen der Haut influirt werden und somit die Function des Temperatursinnes selbst, das örtliche Wahrnehmen von Kälte- und Wärmereizen abhängig gemacht ist von einem organischen Moment, welches auf einem ganz anderen Ge- biete, als dem der Sinnesthätigkeit gelegen ist. Die Thatsache der Temperaturpunkte hat um so mehr Frappantes, als wir gewöhnt sind, Temperaturen immer durch Application einer Fläche zu messen und Temperaturwahrnehmungen nur als flächenhafte Gefühle zu kennen — wie schon Eingangs erwähnt wurde. Der am wenigsten exten- sive Temperaturreiz, der uns im gewöhnlichen Leben vorkommt, ist wohl der Tropfen. Man ist deshalb begierig, wie die Empfindung eines 'Tempe- raturpunktes beschaffen sein soll. In der That ist dieselbe nicht eigent- lich punktförmig, sondern scheibenartig, wie von einem sehr kleinen - Tropfen, welcher die Haut trifft. Es findet also eine Art von Irradiation des Gefühles statt, dasselbe erscheint extensiver als der Temperaturpunkt ist, bez. der reizbare Endapparat. Dass letzterer im der That in unserem Sinne „punktförmig“ sein muss, geht theils aus der schon erwähnten That- sache hervor, dass nicht selten Kälte- und Wärmepunkte sehr dicht neben- ‘einander liegen, theils aus anderen später mitzutheilenden Beobachtungen. Diese Irradiation ist bei den Wärmepunkten grösser, als bei den Kälte- punkten; sie verhält sich ferner nach den Körperstellen und Hautregionen verschieden. Es hat mir geschienen, dass die Irradiation geringer ist an den Regionen mit ausgebildeterem Ortssinn und an denen mit sehr 'stum- pfem Ortssinn hervorragend bedeutend. Je intensiver endlich die Empfin- dung eines Punktes ist, desto mehr erscheint sie auch punktförmig, die schwach empfindenden Punkte irradiiren am meisten. Ist ein Temperatur- punkt mehrfach gereizt worden, so giebt er eine schwache dumpfe Empfin- dung und diese erscheint uns zugleich viel breiter als bei den ersten Rei- zungen; es ist dabei, als ob sich in der Haut eine unbestimmte diffuse Kühle oder Wärme ausbreite und .dies geht so weit, dass man zuweilen in Zweifel geräth, ob man die Empfindung überhaupt dem punktförmigen Reiz zuschreiben könne. Das Kältegefühl bei Reizung eines Kältepunktes ist ein momentan er- folgendes, aufblitzendes. Das Wärmegefühl bei Reizung eines Wärme- punktes dagegen erfolgt nicht momentan, sondern erscheint anschwellend; NEUE THATSACHEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERVEN. 11 es ist diffuser und gewährt an manchen Körperstellen (Mamillargegend, Unterleib u. a.) den Eindruck, als ob es sich nach der Tiefe hin aus- breite. Die Intensität der Temperaturempfindung eines Temperaturpunktes ist natürlich von der Stärke der Reizung abhängig; sie ist jedoch auch absolut verschieden für die einzelnen Temperaturpunkte. Mit demselben Reizohjeet “erregt giebt der eine Kältepunkt ein sehr kaltes, eisiges Gefühl, der andere nur ein kühles und dazwischen giebt es Abstufungen; entsprechend verhält es sich bei den Wärmepunkten. Die intensiveren Punkte — um die mit intensiverem Gefühl begabten so kurz zu bezeichnen — werden nun auch durch schwächere Reize erregt, als die weniger intensiven. Man findet des- halb z. B. mit einem schwachen Kältereiz nur einen Theil der Kältepunkte, nämlich die intensivsten — worauf oben schon hingedeutet worden ist. Mit stärkeren Kältereizen kann man dann eine grössere Anzahl davon auf- finden und so fort. Ebenso ist es bei dem Wärmesinn. Die schwachen , Punkte geben, mit je stärkeren Reizen sie angegriffen werden, natürlich , ein um so stärkeres Temperaturgefühl; aber nicht so, dass dasselbe bei ‚ einer gewissen Reizstärke nun dieselbe Intensität erreicht, wie bei den ‚ intensiveren Punkten auf schwachen Reiz; vielmehr zeigen sich viele mit einer durchaus schwächeren Empfindungskraft begabt, welche gar nicht bis # zu der Stärke der intensiven Punkte anwachsen kann. Wenn man daher | auch gerade nicht sagen kann, dass die Temperaturpunkte auf verschiedene - Reiztemperaturen gleichsam „abgestimmt“ sind, so ist doch in Bezug auf das Verhältniss von Reizstärke zu Erregungsstärke eine abgestufte Reihe | ‚ vorhanden, derart, dass zwar durch jedes Sinken oder Steigen der Haut- temperatur ein Reiz auf alle Kälte- oder Wärmenerven ausgeübt wird, dass aber bei den in dieser Reihe tiefer stehenden Punkten die Erregung stärker ' sein muss, um als Kälte oder Wärme pereipirt zu werden. Einen Versuch einer Erklärung dieser Verschiedenheiten der Empfindlichkeit und Empfln- dungsstärke werde ich weiter unten machen. Es ist endlich noch zur Beschreibung des Punktgefühles hinzuzufügen, dass dasselbe meist nicht mit dem Aufhören des Reizes momentan erlischt, U sondern eine Nachdauer hat. Es tönt ab und geht in ein unbestimmtes, nicht näher zu beschreibendes Gefühl über. Auch diese Eigenschaft ist nicht über die ganze Haut in gleicher Weise verbreitet, vielmehr giebt es ‚ Hautregionen, wo dieselbe sehr gering, und andere, wo dieselbe ganz auf- fallend hervorragend ist. Der Umstand, dass das Punktgefühl eine aus- | gesprochene Nachdauer hat, ist namentlich für die Theorie des Temperatur- sinns von Wichtigkeit, wie später gezeigt werden wird. — Es sind im Folgenden nun noch eine Reihe sehr bemerkenswerther | Eigenschaften der Temperaturpunkte und -nerven zu schildern. 112 ALFRED GOLDSCHEIDER: Mechanische und elektrische Erregbarkeit der Temperatur- punkte. Es hat sich nämlich zunächst ergeben, dass ar. den Temperaturpunkten durch mechanische Reizung das entsprechende Temperaturgefühl, also bei den Kältepunkten Kältegefühl, bei den Wärmepunkten Wärmegefühl hervorgerufen werden kann. Ich habe dies so vielfältig an mir und Anderen mit Erfolg ausgeführt, auch ist es von mehreren anderen Seiten bestätigt worden, so dass kein Zweifel über die Richtigkeit dieser 'Thatsache be- stehen kann. Freilich wird es nicht Jedem am Anfange gleich gelingen; denn ein punktförmiges Temperaturgefühl ist uns überhaupt etwas Un- sewohntes und daher nicht leicht aufzufassen. Die mechanische Erregung wird in der Weise ausgeführt, dass eine Nadel von Metall oder Glas flach zur Haut gehalten, in leichten Stössen gegen dieselbe bewegt wird. Blosser Druck führt zuweilen auch zum Ziele, ist aber nicht so geeignet wie Stösse. Es empfiehlt sich, zu diesem Versuch Hautstellen auszuwählen, welche ge- spannt werden können, z. B. Finger- und Handrücken, Gelenkgegenden. In der gespannten Haut wirkt die durch den Stoss gesetzte Erschütterung besser auf die Nervenendigung, weil das Unterhautzellgewebe weniger nach- giebig ist. Man ist, wenn man sich selbst beklopft, weniger gut im Stande, das entstehende Temperaturgefühl aufzufassen, als wenn man sich bei abgewandten Augen von einer anderen Person klopfen lässt; letzteres ist daher zu empfehlen. Man bezeichnet eine Anzahl von Punkten und lässt dann die beschriebene Manipulation an sich ausführen. Dies Moment ist wesentlicher als es zunächst den Anschein hat, und so glaublich es mir ist, dass Viele beim ersten Beklopfen der Temperaturpunkte meine Angaben nicht bestätigen werden, so unzweifelhaft ist es mir, dass Alle diese bei der Ausführung mit abgewandten Augen das Gefühl wahrnehmen werden. Man kann hierbei eine Beobachtung machen, welche die oben ausgesprochene Behauptung rechtfertigt, dass die Temperaturpunkte, d. h. die Endapparate in der That punktförmig sind. Der Farbenpunkt nämlich fällt im All- gemeinen viel breiter aus, als die Spitze des zur Erregung benutzten In- strumentes ist. Man kann demnach mit letzterer auf dem Farbenpunkt herumwandern und bemerkt dabei, dass häufig nur an einem bestimmten „Punkt des Punktes“ die Empfindung mit Deutlichkeit zu produciren ist, — anzunehmenderweise also demjenigen, welcher gerade senkrecht über dem Endorgan liegt. Die Wärmepunkte sind meist schwerer zu erregen als die Kältepunkte und es ist auch die Auffassung des punktförmigen Wärmegefühls schwieriger und wird erst durch die Uebung eine sichere. Es beruht dies wohl darauf, dass die Qualität „Kalt“ als solche einen grösseren Eindruck auf das Bewusstsein macht als die Qualität „\Warm“. Es ist klar, dass bei der mechanischen Erregung die Auffassung des Tem- NEUE THATSACHEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERYEN. 13 peraturgefühls gestört wird durch das gleichzeitige Gefühl des Druckes und es ist daher der letztere möglichst schwach zu nehmen, jedoch sind manche Temperaturpunkte durch schwachen Stoss nieht erregbar, speciell erfordern die Wärmepunkte wie schon gesagt meist einen stärkeren Druck. Es em- pfiehlt sich daher die Regel, mit schwächstem Klopfen zu beginnen und dies allmählich stärker werden zu lassen. Uebrigens wird bei intensiveren Punkten, sobald die richtige Stelle getroffen ist, kein Gefühl des Druckes wahrgenommen, sondern lediglich ein Temperaturgefühl. Auch bei mecha- nischer Erregung finden sich Punkte mit schwacher und solche mit inten- siverer Empfindungsstärke. Es kann ebensowohl ein eisiges wie ein kühles, ein brennendes wie ein laues Gefühl erfolgen. Bei Verstärkung des Stosses wird bis zu einem gewissen (Grade Verstärkung der Empfindung wahr- genommen; dann hört das Temperaturgefühl ganz auf, indem es durch das Gefühl des Druckes zurückgedrängt wird. Eine Nachdauer der Empfindung ist bei mechanischer Erregung im Allgemeinen nicht zu beobachten, jedoch kommt sie hier und da vor. — Auf eine Cautele ist noch aufmerksam zu machen: hat man nämlich Temperaturpunkte bestimmt und bezeichnet, so muss man noch eine kurze Zeit lang warten, ehe man die mechanische Erresung vornimmt, da die durch die Reizung herabgesetzte Erregbarkeit auch auf die mechanische Erregung Einfluss übt. Die mechanische Erregung gelingt nicht an allen Temperaturpunkten, jedoch an der überwiegenden Mehrzahl. Wenn in dem Vorhergehenden behauptet wurde, dass das entstehende Temperaturgefühl auf die mechanische Erregung der Nervenenden zurück- zuführen “st, so geschah dies, weil eine andere Erklärung der Erscheinung nicht möglich erscheint. Denn wenn man einwenden wollte, dass bei Be- nutzung der Nadel für die Erregung der Kältepunkte dieselbe lediglich durch ihre Wärme ableitende Eigenschaft den Kältenerven gereizt habe, so ist doch diese Erklärung für die Erregung der Wärmepunkte durch die Nadel hinfällie. Ferner gelingt der Versuch in gleicher Weise, wenn man statt der Nadel ein gespitztes Hölzchen anwendet. Es ist mir auch in unzweifel- hafter Weise gelungen, mit der angewärmten Nadel Kältegefühl zu erzeugen (einige Male auch mit der erhitzten!); hierzu muss man die Haut stark spannen, also z. B. die Rückenfläche der Fingergelenke bei Flexion der Finger benutzen und vor Allem den Punkt ganz genau treffen. In ent- sprechender Weise habe ich mit der abgekühlten Nadel und mit dem nichterwärmten Messingcylinder von den Wärmepunkten Wärmegefühl durch mechanische Reizung erzeugen können. Dass es sich um eine subjective Erscheinung, eine Illusion durch vor-. gefasste Meinung, um ein eingebildetes Gefühl! nicht handelt, dies wird in ! Ich habe einmal einem jungen Mediciner, der nichts von meinen Untersuchungen und dem Gegenstande überhaupt wusste, einige Kältepnnkte auf dem Arm bezeichnet; 14 ALFRED GOLDSCHEIDER: unzweideutiger Weise durch die Methode der Untersuchung bei abgewandten Augen gezeigt. Ob durch die mechanische Erschütterung die vorauszusetzenden End- organe gereizt werden oder die Nervenfasern selbst, ist zunächst nicht zu entscheiden, jedoch dürfte das letztere wahrscheinlicher sein. Wir werden Gelegenheit haben, auf diesen Punkt noch einmal zurückzukommen. Stellt man den Versuch so an, dass man es dem Gehülfen überlässt, bald zwischen den Punkten, bald auf denselben zu klopfen, so wird man ‚sich überzeugen, dass man — es sei denn, dass bei der Bezeichnung Punkte übersehen worden waren — zwischen den Punkten nie ein Temperatur- sefühl wahrnimmt und mit ziemlicher Sicherheit angeben kann, sobald ein Punkt getroffen ist. Man wird hieraus zugleich wieder einen neuen Be- weis dafür entnehmen können, dass wirlich nur an den Temperaturpunkten Endieungen der Temperaturnerven vorhanden sind. Auch mittels des elektrischen Stromes können die Temperatur- punkte erregt werden und zwar mittels des indueirten.! Angesichts der mechanischen Erregbarkeit nimmt die elektrische nicht Wunder. Auch sie ist einfach zu constatiren und es ist nur wieder nöthig, das zu beachten, was schon bei der mechanischen Erregung hervorgehoben wurde, dass es nämlich eine gewisse Uebung erfordert, das entstehende „punktförmige“ Temperaturgefühl als solches aufzufassen, besonders das Wärmegefühl, und dass es nothwendig ist, genau die Stelle des Nervenendes zu treffen. An- derenfalls nämlich fühlt man nur das durch die Reizung der Gefühls- nerven entstehende Prickeln. Um letzteres überhaupt möglichst auszuschalten, muss man die Stromstärke so schwach wie möglich wählen, ungefähr so, dass auf mässig empfindlichen Hautstellen wie z. B. am Arm eben ein leichtes Priekeln entsteht. Als Reizelektrode kann man eine gewöhnliche Stahlnadel benutzen, welche mit der Spitze leicht auf die Haut aufgesetzt wird. Es gilt hier ebenso wie bei der mechanischen Erregung, dass das Temperaturgefühl schärfer aufgefasst wird, wenn man nicht selbst die Nadel führt und nicht das Aufsetzen derselben mit ansieht. Es ist wohl in Ueberemstimmung mit anderen ähnlichen Erscheinungen, dass durch das Mitwirken anderer Sinnesthätigkeiten und das Ablenken der Aufmerksamkeit auf die vorzu- nehmenden Manipulationen, welche zum Theil, nämlich in Bezug auf die Stärke des Druckes und das richtige Treffen des Punktes eine gewisse Mühe erfordern, die Schärfe der Auffassung der entstehenden Empfindungen sodann liess ich ihn die Augen abwenden und betupfte ihn mit einem Zahnstocher. Als ich dabei auf den ersten Kältepunkt kam, rief er: „‚Das wird kalt!“ ! Dies ist auch von Magnus Blix festgestellt worden, der sich über eine mecha- nische Erregbarkeit jedoch nicht äussert. NEUE THATSACHEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERVEN. 15 leidet. Es empfiehlt sich daher wieder, die Augen abzuwenden und von einer anderen Person die Nadelelektrode führen zu lassen; zunächst nach Bezeichnung von Punkten zwischen denselben hindurch und über sie hin- weg, wobei man durch den Gegensatz des prickelnden oder ganz fehlenden sefühles zwischen den Punkten gegen das kühle oder warme auf den- selben sich des letzteren um so schärfer bewusst wird. Bei einiger Uehune ‚ gelingt es auch ohne vorherige Bezeichnung von Punkten solche, d. h. Stellen aufzufinden, wo das Prickeln zurücktritt und ein Temperaturgefühl an dessen Stelle rückt. Die Uebung spielt hierbei eine so bedeutende Rolle, dass einem, wenn man sich mehrere Tage lang wiederholt mit sol- chen Versuchen beschäftigt hat, die Erscheinung als eine höchst simple vorkommt, während ich selbst, wenn ich etwa vier Wochen lang ganz diese Untersuchungen ausgesetzt habe, zuerst Mühe habe, sie wieder an mir selbst zu constatiren. Die verschiedene Intensität der Empfindung, mit welcher die Tempe- raturpunkte begabt sind, äussert sich auch gegenüber der elektrischen Er- resung. An manchen intensiven, besonders Kältepunkten hört das sonst gefühlte Priekeln fast ganz auf und macht einem ziemlich reinen Tempe- raturgefühl Platz. An anderen Punkten tritt das Priekeln nur mehr oder weniger zurück gegen das Temperaturgefühl. Lässt man die Elektrode eine Zeit lang auf dem Punkte ruhen, so tritt durch Ausbreitung des Stromes die Erregung der Gefühlsnerven wieder mehr in den Vordergrund, während das Temperaturgefühl in Folge der Ermüdung des Nerven schwindet. Lässt man den Strom anwachsen, so wird, ebenso wie bei der mechanischen Er- regung, bis zu einem gewissen Grade das Temperaturgefühl stärker, zu- gleich nimmt aber auch die Erregung der umliegenden sensiblen Nerven zu und verdunkelt dann, besonders wenn die Schmerzerenze erreicht wird; die Temperaturempfindung. Wenn man jedoch eine sehr erhebliche Strom- stärke anwendet, so wird das Temperaturgefühl ein so lebhaftes, dass es den unter Umständen nicht unbedeutenden Schmerz übertönt; hierzu frei- lieh ist es geeigneter, eine dem Strom weniger Widerstand bietende Elek- trode zu wählen, etwa das stumpfe Ende der Nadel aufzusetzen. Das Ver- fahren eignet sich besonders zur Elektrisation der Wärmepunkte, welche dabei ein so brennend heisses Gefühl geben, dass über die faktisch produ- eirte Erregung der hier endigenden Wärmenerven kein Zweifel sich mehr aufdrängen kann. Ein nützlicher Wink für die Anstellung des Elektrisa- tionsversuches dürfte es noch sein, dass man möglichst solche Hautregionen wählt, welche bei geringer Druck- und Schmerzempfindlichkeit intensive Temperaturpunkte besitzen, wie Handrücken, Rücken des Vorderarmes, Stirn u.s.w. — Man kann bei dem Elektrisationsversuch mit Benutzung der Nadelelektrode die Temperaturpunkte noch distineter reizen als bei der 16 ALFRED GOLDSCHEIDER : mechanischen Erschütterung, weil jede Verschiebung der Haut und die mit dem Eindruck verbundene Trichterbildung vermieden werden kann. Es ist daher diese Methode ganz besonders geeignet, um sich die Ueberzeugung zu verschaffen, dass von einem und demselben Punkt aus immer nur eine und dieselbe Qualität der Temperaturempfindung, entweder kalt oder warm, auszulösen ist; dass dagegen nicht selten von sehr nahe nebeneinander ge- lesenen‘ Punkten aus entgegengesetzte (Qualitäten durch die elektrische Reizung produeirt werden können. Hierdurch wird das klarste Licht ver- breitet auf diejenigen Fälle, wo bei der Untersuchung mit dem Messing- 3 cylinder Kälte- und Wärmepunkte zusammenzufallen scheinen; es ist hier eben mittelst des adäquaten Reizes nicht möglich, eine genügend distincte Reizung auszuüben. Man könnte bezüglich der Benutzung der Stahlelektrode behufs Er- reeung der Kältepunkte den Einwurf erheben, dass dieselbe auch ohne Elektricität durch das hervorragende Wärmeleitungsvermögen ihres Materials die Kältepunkte reizen könne. In der That ist selbst die Nadelspitze im Stande, auf intensiven Kältepunkten durch blosse Wärmeentziehung ein kühles Gefühl hervorzurufen. Allein man kann sehr deutlich constatiren, dass dasselbe bei dem Durchströmen der Elektrieität sofort stärker wird, und dass es ferner, wenn es nach einer gewissen Dauer der Application der blossen Nadel erloschen ist, sofort beim Schliessen des Stromes von Neuem und stärker angefacht wird.! Dies ist ganz besonders deutlich, wenn man starke Ströme und das stumpfe Nadelende in der oben beschrie- benen Weise benutzt. Es bedürfte kaum noch eines anderen Nachweises, ° dass das elektrische Kältegefühl nicht etwa bloss der Berührung mit der Metallelektrode zu danken ist; jedoch habe ich noch folgendes Verfahren in Anwendung gezogen, welches sich im Grunde nicht wesentlich von dem vorigen unterscheidet: Man betupft eine Anzahl nicht allzu nahe aneinander gelegener Kältepunkte mit einem Brei .aus Eisenfeilspähnen und Wasser in möglichst distincter Weise; dann bepinselt man die Haut mit einer spirituösen Schellacklösung, indem man die Tüpfelchen von Eisenbrei sorg- fältig frei lässt, und packt sodann auf die getrocknete Schellackschicht, den Punkten entsprechend, grössere Massen Eisenbrei, welche dann vermittelst der erst applieirten Häufchen mit den Punkten in Verbindung stehen. Hierbei entsteht ein vorübergehendes Kältegefühl. Man schliesst nun den Strom, indem man die Elektrode in Contact bringt mit den Eisenbrei- ! Blix begegnet diesem Einwurf in folgender Weise: er zerstreut mit dem Pul- verisator Tröpfehen über die Haut und taucht die Elektrode in diese. Jedoch kann diese Methode als besonders exaet nicht gelten, da nur ein kleiner Theil dieser Tröpf- chen zufällig auf Temperaturpunkte fallen wird und bei diesen ferner eine Controlle durch den adäquaten Reiz nicht möglich ist. NEUE THATSACHEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERVEN. 17 massen und hat dann bei gut gelungener Isolirung ein deutliches Kälte- gefühl. Dies Verfahren gelingt nicht jedesmal, weil es nicht immer mög- lich ist, die Häufchen von Eisenbrei genau an den Kältepunkt und mög- lichst wenig über diesen hinaus anzuheften, jedoch da es überhaupt gelingt, so ist damit der Sache Genüge gethan. Im Uebrigen würde ja auch der Einwurf, dass die Metallelektrode an und für sich schon die Kältepunkte erregt, seine Spitze verlieren Angesichts der elektrischen Erregung der "Wärmepunkte mittels derselben Elektrode; es dürfte kaum einen Zweck haben, das, was die Elektrieität gegenüber den Wärmenerven leistet, für die Kältenerven anzuzweifeln. Unter diesen Umständen ist auch kein Grund vorhanden, die Metallelektrode für die Elektrisation der Kältepunkte etwa nicht zu benutzen, wenn die Methode auch als eine von allen Neben- wirkungen reine, im strengsten Sinne exacte, nicht hingestellt werden kann. Anaesthesie der Temperaturpunkte gegen Druck- und Schmerzreize. Eine weitere wichtige Eigenschaft der Temperaturpunkte ist, dass auf ‚ denselben eine schwache Berührung nicht wahrgenommen wird. Man kann, um dies zu prüfen, eine Glasnadel, ein zugespitztes weiches Hölzchen, ‚ ein gespitztes, auf eine Nadel gespiesstes Korkplättchen verwenden. Man ‚ wird sich auf diese Weise bei einem Theile der Temperaturpunkte deutlich ‚ überzeugen, dass vorsichtige Berührungen mit diesen Gegenständen nicht ‚, wahrgenommen werden; hier und da wird man sie auch gegen etwas stär- ‚kere Berührung insensibel finden. Auch diese Beobachtung macht sich ‚leichter blind, denn es ist an und für sich schon schwer und etwas für ‚ uns Ungewohntes, die feinsten Nüancen unserer Hautsinnesempfindungen ‚ aufzufassen. Das Hölzchen oder die Nadel muss hierbei möglichst senk- ‚ recht: gehalten werden, damit ein Anlegen der Hautfläche an dieselbe ver- ‚ mieden wird. — Wenn die Erscheinung auch nicht bei allen Temperatur- punkten zu bestätigen ist, so ist es, bei der Erwägung, dass in der ‚ unmittelbarsten mikroskopischen Nachbarschaft der Endorgane Berührungs- ‚nerven sich finden können, merkwürdig genug, dass diese Beobachtung sich ‚überhaupt machen lässt, und es lässt dies zweifellos den Schluss zu, dass die Temperaturnerven selbst jedenfalls ein Berührungsgefühl nicht geben ' können. — Es ist wohl kaum nöthig darauf aufmerksam zu machen, dass bei dieser Untersuchung die Bezeichnung des Punktes mit Farbe unter- bleiben muss, da die Farbendecke eine gewisse Abschwächung der Sensi- , bilität herbeiführen könnte, vielmehr empfiehlt es sich, die Punkte dadurch zu markiren, dass man sie mit Ringen umgiebt. Auch darf man nicht ‚ die Sensibilitätsprüfung unmittelbar nach dem Aufsuchen der Punkte vor- Archiv f. A. u. Ph. 1835. Physiol. Abthlg. Suppl.-Bd. 2 18 ALFRED GOLDSCHEIDER: nehmen, da durch das Einwirken der Temperaturen für eine gewisse Zeit- dauer die Empfindlichkeit auch gegen Berührung geschwächt wird. Es hat sich ferner gezeigt, dass die Temperaturpunkte auch nicht fähig sind zu einer Schmerzempfindung. Es kann dies festgestellt werden mittelst senkrechten Einstechens von sehr fein gespitzten Nadeln. Man findet, namentlich an Hautregionen mit grober Empfindlichkeit, nicht selten Punkte, wo man beim Einstechen nicht die Empfindung eines schmerz- haften Stiches hat, ja, wo man überhaupt, auch bei tiefem Einstechen, nicht das Geringste fühlt. Zu diesen schmerzlosen Punkten gehören nun auch die Temperaturpunkte. Es ist dabei jedoch wieder von Neuem wie oben hervorzuheben, dass man die Erscheinung der Schmerzlosigkeit bei Nadelstich nicht bei allen Temperaturpunkten feststellen kann, und es hat dies nichts Wunderbares, wenn man die Configuration der sensiblen Nervenenden in der Haut, wobei unmittelbar an diejenigen der Temperatur- nerven solche der Berührungsnerven grenzen können, sich vorstellt. Man findet demgemäss diese Eigenschaft der Temperaturpunkte am wenigsten an Hautregionen, welche durch Schmerzempfindlichkeit hervorragen. — Bei der Analgesie der Temperaturpunkte bestätigt sich übrigens wieder das, was bei der mechanischen und elektrischen Erregbarkeit bereits betont wurde, dass nämlich der wahre anatomische Temperaturpunkt, d. h. der- jenige, welcher die genaue Projection des in der Haut gelegenen empfind- lichen Endapparates auf die Hautoberfläche darstellt, ein sehr distincter Punkt ist, denn man findet häufig den Farbenpunkt nur an einer be- stimmten Stelle schmerzlos, in der übrigen Ausdehnung aber schmerz- empfindend. Diese, in der That „punktförmige“ Analgesie zusammen- genommen mit den Beobachtungen über die distinete Localisation bei der mechanischen und elektrischen Erregung ist wohl em hinreichender Beweis dafür, dass den auf der Hautoberfläche mittelst des adäquaten Reizes ge- fundenen Temperaturpunkten, mit ihren Annäherungszonen und ihrem irra- diirenden Gefühl, relativ eng umgrenzte, für unsere makroskopische Denk- weise echt punktförmige Dinge entsprechen. Selbstredend sind die End- apparate der Temperaturnerven wahrscheinlich noch erheblich kleiner als ein solcher Punkt; der analgetische Punkt bezeichnet ja nicht die Exten- sität des Temperatur empfindlichen Endapparates, sondern lediglich die Grösse der Lücke in der Masse. der schmerzempfindlichen Nervenfasern, Auch gegen den durch faradische Ströme produeirten Schmerz zeigen die Temperaturpunkte dieselbe Eigenschaft. Freilich wirkt der Strom nicht blos in senkrechter Richtung und ist demgemäss auch eine absolute Anal- gesie nicht zu erzielen; jedoch wenn man den Strom so stark macht, dass bei jedem Aufsetzen der Nadelelektrode ein stechender Schmerz entsteht, so wird man eine Stelle des Punktes auffinden können, wo ein ganz deut- NEUE 'ÜTHATSACHEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERVEN. 19 licher Nachlass der Schmerzempfindung eintritt. Ich habe hierbei natürlich auch in Rechnung gezogen, ob nicht die Farbe den Strom abschwäche und gefunden, dass dies bei meinen Farben nicht der Fall ist, während es z.B, bei den gewöhnlichen groben Tuschfarben allerdings stattfindet. Man kann nicht selten die Beobachtung machen, dass bei sehr inten- siven Punkten einerseits die mechanische Erregbarkeit, andererseits die Analgesie in einer grösseren Breite als gewöhnlich nachzuweisen ist. Es "hat mich dies auf den Gedanken geführt, dass den intensiveren Punkten ein grösserer anatomischer Complex von Endapparaten bez. Endigungen entsprechen möchte. Ganz analog verhalten sich nun die Temperaturpunkte gegen den Temperaturschmerz. Es könnte absurd erscheinen, behaupten zu wollen, dass die Temperaturnerven keinen Temperaturschmerz wahrnehmen. — Dennoch stehe ich nicht an, diese Ueberzeugung auszusprechen. Die Unter- suchung, um welche es sich hier handelt, kostet eine gewisse Ueberwin- dung; betrachtet man aber den Schmerz als eine Sinnesempfindung, welche ebenso gut wie jede andere den Anspruch hat, studirt zu werden, so bleibt nichts anderes übrig, als sich ihm zu unterziehen. Ich habe nun gefunden und es immer wieder bestätigen können, dass der durch excessive Hitze verursachte Schmerz an den Temperaturpunkten schwächer wahrgenommen wird als in der Umgebung derselben. Tastet man mit dem stark erhitzten Cylinder die Haut ab, so entsteht bei jedem Aufsetzen desselben ein uner- träglich stechender Schmerz; sobald man auf einen Temperaturpunkt kommt, schwindet der Charakter des Unerträglichen; man hat zwar ebenfalls ein stechendes Gefühl, aber ohne den heftigen Schmerz, man könnte den Cylinder gleichsam auf dem Punkte ruhen lassen; zuweilen vermisst man sogar fast jeden Schmerz. An Wärmepunkten tritt natürlich nebenbei ein brennendheisses Gefühl ein, aber dieses ist eben nur eine hochgradige Wärmequalität, keine Schmerzqualität. — Wenn die Analgesie gegen Tem- peraturschmerz auf der einen Seite in Uebereinstimmung erscheint mit der- jenigen gegen mechanisch erregten Schmerz, so muss man andererseits den Schluss ziehen, dass das, was man als Temperaturschmerz bezeichnet, nicht der Qualität der Temperaturempfindung angehört, sondern ein zusammen- gesetztes ist aus letzterer und Schmerz, welcher durch Erregung der allgemein sensiblen schmerzempfindlichen Nerven, und zwar mittelst der excessiven Temperatur als aligemeinen Nervenreiz produeirt ist. Wohl kann eine Temperaturempfindung Lust und Unlust erwecken, die Wärme kann behaglich und unbequem, die Kühlung angenehm und unangenehm sein; es giebt Körperstellen, wo eine nur mässige Erregung eines Kälte- punktes unbehaglich und die Application einer winzigen Metallfläche höchst unangenehm ist und Reflexbewesungen verursacht — aber dies ist kein 9% 24 20 ALFRED GOLDSCHEIDER: Schmerz, ebensowenig wie ein übler Geruch oder das Gefühl der Blendung Schmerz ist. Ist die Temperatur dagegen so excessiv kalt oder warm, dass sie nicht bloss Unlust, sondern reellen Schmerz verursacht, so wirkt sie eben nicht blos auf die Temperaturnerven als adäquater, sondern auch auf die Gefühlsnerven als allgemeiner Nervenreiz. Nach diesen Beobachtungen ist es wohl gestattet, die Behauptung auf- zustellen, dass die Temperaturpunkte, soweit es bei der Complieirtheit des in der Haut befindlichen Nervengeflechtes möglich ist dies nachzuweisen, Lücken darstellen in dem Berührungs-, Druck- und Schmerzsinn; und dies kann seine Ursache nur darin haben, dass die dem letzteren Sinne dienenden Nerven an jenen Punkten weniger bez. gar nicht vertreten sind und dass die dort befindlichen Temperaturnerven nicht fähig sind, die Empfindungen der Berührung, des Druckes, des Schmerzes zu produeiren. Dieses letztere ist das für uns Interessanteste und lehrt uns, dass die durch ihre besondere Art der Anordnung von den übrigen Hautnerven oben be- reits als gesondert erkannten Kälte- und Wärmenerven nicht etwa allge- mein sensible Hautnerven sind, welche die Kälte- und Wärmeempfindlichkeit als eine besondere Zugabe besitzen, sondern dass sie ganz specifische Sinnesnerven sind, derart, dass die Kältenerven nur die Empfindung Kalt und keine andere, und die Wärmenerven nur die Empfindung Warm ' und keine andere dem Bewusstsein zuleiten oder vielmehr in ihm anregen können. Nachdem diese Eigenschaften der Temperaturpunkte mitgetheilt sind, müssen wir uns noch einmal zu der anatomischen Anordnung derselben wenden. — Es war bereits oben erwähnt, dass man in die Lage kommt, leicht getrennte Punkte an einen Ort zu setzen, wo continuirliche Temperatur- empfindung vorhanden ist, andererseits aber auch hervorgehoben, dass sich Stellen finden, wo eine Trennung in Punkte nicht möglich ist. Speciell wird die Localisation derselben in einer dichten Kette leicht fehlerhaft; prüft man eine solche, ohne Punkte zu setzen, so findet man sie nicht selten in ihrer ganzen Ausdehnung temperaturempfindlich; wie eine schmale kalte oder warme Zone zieht sie sich durch die Sinnesfläche hin. Wenn man eben dieselbe nun mit einem schwächeren Temperaturreiz prüft, z. B. eine an- scheinend continuirliche Kältepunktkette mit dem Aetherpinsel, so findet man nur einzelne mehr oder weniger weit von einander entfernte empfindliche Punkte; mit einem stärkeren Kältereiz deren mehr, während sie mit einem noch stärkeren, wie gesagt, ganz und gar kälteempfindlich erscheint. Es ent- steht nun die Frage: Sind hier einzelne Punkte vorhanden, welche durch das Annäherungsgefühl jedes einzelnen bei einer gewissen Stärke des Reizes mit einander verbunden erscheinen, oder ist ein Continuum da, dessen Empfind- lichkeit aber nicht gleichmässig ausgebildet ist? Es liegt nahe, für diese a j NEUE THATSACHEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERVEN. 21 Frage die mechanische Erregbarkeit, sowie die Analgesie der Temperatur- punkte heranzuziehen. Ich habe bei derartigen Versuchen dann stets ge- funden, dass auch innerhalb der dichtesten Kette, welche bei Reizen von einer gewissen Stärke continuirlich erschien, nur eine Anzahl distincter Punkte mechanisch oder elektrisch erregt Temperaturgefühl gaben. Diese Versuche wurden in der Weise vorgenommen, dass eine andere Person, ‘während ich selbst die Augen abwandte, die vorher aufgezeichnete Kette mechanisch bez. elektrisch prüfte; die empfindenden Punkte wurden be- sonders bezeichnet. Es zeigte sich ferner, dass nicht blos eine bestimmte Anzahl getrennter Punkte erregbar waren, sondern dass auch bei Wieder- holung des Versuches eben dieselben immer wieder angegeben wurden. Meist lagen diese Punkte in einem etwas grösseren Abstande von einander entfernt als gewöhnlich die Punkte einer dicht gedrängten Kette bezeichnet zu werden pflegen. Ausser diesen erregbaren Punkten nun fanden sich bei Prüfung mit der Nadel bez. Nadelelektrode stets eine Anzahl schmerz- hafter Punkte in den Ketten, während eine andere Zahl analgetisch waren; einige Male zeigten sich zwei in ganz naher Distanz von einander befind- liche Kältepunkte durch einen schmerzempfindlichen Punkt getrennt. In analoger Weise wurden Stellen untersucht, welche über eine gewisse Fläche hin eine continuirliche Kälteempfindlichkeit zeigten. Auch an diesen fand sich eine Anzahl von getrennten mechanisch bez. elektrisch erregbaren und ‘ daneben Schmerz empfindende Punkte; ich konnte bis zu 10 mechanisch | erregbaren Punkten in solchen Kältefeldern nachweisen. Man kann nun _ einwenden, dass überhaupt bei vielen Temperaturpunkten die mechanische Erregung nicht gelingt; ich habe mir selbst unter anderem notirt, dass ‚ieh in einer 2wm Jangen Kältepunktlinie keinen einzigen mechanisch erreg- | baren Punkt gefunden habe. Allein der Befund der Schmerz empfindenden ‚ Punkte innerhalb der Kette zeigt doch deutlich, dass dieselbe nicht bloss ‚ Temperaturnerven, sondern auch Lücken derselben enthält, welche mit ‚ sensiblen Fasern gefüllt sind. Es giebt Kältepunktlinien, welche sich auch bei schwachem Reiz, z. B. mit Aetherpinsel, als continuirlich empfindend erweisen. Hier habe ich dann immer sehr viele, zum Theil äusserst dicht hinter einander stehende mechanisch erreebare Punkte gefunden. Es finden sich häufig Stellen, wo zwei Punktketten ziemlich dicht neben einander verlaufen; man kann hier stets constatiren, dass an dem schmalen Zwischen- stück die Schmerzhaftigkeit auf Nadelstiche eine viel grössere ist als inner- halb der Ketten. Wenn ich demnach weder die mechanisch und elektrisch erregbaren Punkte allein, noch die schmerzhaften und analgetischen allein als Beweis betrachten würde, so möchte ich doch aus dem Wechsel der erregbaren und analgetischen Punkte mit schmerzempfindlichen in der Weise, wie er 22 ALFRED GOLDSCHEIDER: sich bei der Untersuchung darstellt, und aus der Thatsache, dass sich dieser Wechsel innerhalb einer Kette oder einer Fläche genau so ver- hält, wie in den Fällen, wo zwischen zwei Ketten ein schmaler Zwischen- raum besteht, schliessen, dass in der That kein Continuum, sondern ge- trennte Punkte da sind, d. h. getrennte Endorgane, Auch bei den Ketten, welche sich bei schwachen Temperaturreizen als continuirlich er- weisen, ist eine Anordnung getrennter Endorgane vorhanden, denn eine schmerzfreie Kette kommt nicht vor. Es ist ja auch sehr einleuchtend, dass die Dichtiekeit der Anordnung dieser anatomischen Gebilde, welche wir als Endapparat voraussetzen müssen, eine sehr verschiedene sein kann; es ist vorstellbar, dass dieselben einander so nahe rücken, dass ihre Tren- nung für den Temperaturreiz durchaus nicht zu erweisen ist. Der mecha- nische resp. elektrische Reiz kann dies in vollkommenerer Weise, weil er einerseits mehr punktförmig, andererseits ausschliesslicher senkrecht wirkt. So kann man ihn überhaupt zur Controle der Temperaturpunkte verwenden und man findet dann nach einer anscheinend sorgfältig gemachten Punkt- aufnahme doch hier und da den mechanisch-erregbaren Punkt nicht zu- sammenfallend mit dem Farbenpunkt, sondern dicht daneben. Specifische Energie der Temperaturnerven. Kehren wir nach diesem Nachtrag zur anatomischen Anordnung der Temperaturpunkte, welcher erst jetzt gegeben werden konnte, weil er die Kenntniss der mechanischen und elektrischen Erregbarkeit, sowie der Anal- gesie voraussetzt, zu den unterbrochenen Betrachtungen zurück. Es war nachgewiesen worden, dass die Kälte- und Wärmenerven specifische Sinnesnerven sind, insofern sie nur Träger einer einzigen Empfindungs- qualität sind. Die mechanische und elektrische Erregbarkeit lehrt nun hierzu noch, dass diese einzige Qualität nicht blos durch den adäquaten Reiz, den Temperaturreiz, sondern auch durch die allgemeinen Nerven- reize hervorgerufen werden kann, welche überhaupt im Stande sind, einen Nerven in Erregung zu versetzen. Es folgt daraus, dass diesen Nerven nur ein Erregungszustand eigen ist, und dass diesem einzigen Er- reguneszustand, gleichviel wie er veranlasst ist, die einzige speci- fische Empfindung folgt. Dies ist nun das, was die Lehre von den specifischen Energien in ihrer modernen, von Helmholtz begründeten Form, für die Sinnesnerven lehrt und von ihnen postulirt. Es war bereits oben die Frage berührt worden, ob bei der mechani- schen und elektrischen Erregung die Endappaärate oder die Nervenenden selbst erregt werden. Diese Frage hat eine gewisse Bedeutung für das (resetz der specifischen Energien. Wenn man annimmt, dass die Nerven- | VE — | | NEUE THATSACHEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERVEN. 8 faser nicht direet durch den allgemeinen Nervenreiz erregt wird, sondern nur vom lindapparat her, so ruht dies auf der Voraussetzung, dass durch den mechanischen und elektrischen Reiz in dem Endapparat ein entspre- chender Vorgang erzeugt ist, wie durch den adäquaten Reiz. Denn der Begriff des Endorgans ist doch der, dass dasselbe durch einen bestimmten, den sogenannten adäquaten Reiz, in einen veränderten Zustand geräth, welcher derartig beschaffen ist, dass er in der Nervenfaser den Nerven- process erzeugt. Diesem Begriff widerspricht es durchaus, dass das End- organ nun durch jeden anderen heiz sollte in denselben Zustand gebracht werden. So wenig ich mir vorstellen kann, dass der mechanische Reiz die Lamellen des Corti’schen Organs in denselben Schwingungszustand ver- setzen kann wie der Ton, so wenig kann ich mir denken, dass der Nadel- stoss in den Endorganen der Kälte- und Wärmenerven dieselbe Verände- rung hervorbringen sollte wie die Temperaturreize. Es liest nahe zu glauben, dass die Endapparate der Kältenerven durch Verdichtung, die der Wärmenerven durch Ausdehnung auf die Nervenfaser wirken und es dürfte doch schwierig sein sich vorzustellen, wie beide entgegengesetzten Vorgänge durch denselben mechanischen Stoss hervorgebracht werden sollten. Da- gegen wissen wir von den motorischen Nerven, dass die Nervenfaser selbst durch mechanische sowohl, wie elektrische und chemische Reize zu erregen ist. Die Irritabilität der Nervenfaser und der Endapparate hat einen gegen- sätzlichen Charakter: erstere ist durch die verschiedensten Reize erreg- bar, letztere sind nur auf einen bestimmten Reiz eingerichtet. Es ist. mir nach dieser Auffassung unvorstellbar, dass die mechanische und elek- trische Reizung vermittelst der Endorgane auf die Temperaturnerven wir-:: ken sollte. ! Zu den Postulaten der Lehre von den specifischen Energien gehört - ‚nun auch, dass der Erresungszustand, auch wenn er durch einen auf den Nervenstamm an irgend einer Stelle des Verlaufs einwirkenden allge- meinen Reiz hervorgebracht ist, das Bewusstsein zu derselben specifischen Empfindung anregen muss. Ueber die elektrische Erregung der Tempe- raturnerven finden sich folgende Angaben, die ich in meiner Dissertation zusammengestellt habe:? Ritter beobachtete (an Volta’scher Säule) wäh- ! Ich habe diesen Punkt deshalb hier besonders hervorgehoben, weil Eulenburg mir gegenüber die entgegengesetzte Auffassung geltend gemacht hat, wonach die all- gemeinen Nervenreize auch auf die Endapparate wirken sollen ( Monatshefte für prak- fische Dermatologie. 1885. IV. Bd. Nr. 1). Dass dieselben auch auf die Endapparate wirken, ist ja unzweifelhaft; es fragt sich nur, ob letztere dabei eine derartige Ver- änderung erleiden, dass diese in der Nervenfaser den Nervenprocess anzuregen im "Stande ist. ” Dehre von den speeifischen Energieen der Sinnesorgame. Berlin 1881. Verlag von August Hirschwald. e 24 ALFRED GOLDSCHEIDER: rend der Schliessung beim aufsteigenden Strom Wärme, beim absteigenden Kälte und nach der Oeffnung Umkehrung dieses Verhältnisses. Du Bois- Reymond fühlte bei einer Zinkkupfersäule von 150 Paaren während der. sanzen Dauer des Stromes ‚„Fluthen von Wärme und Schauer von Kälte“ in den Armen. v. Vintschgau bemerkte bei Galvanisirung der Zunge unter Umständen Gefühle des Warmen und Kühlen. Ich selbst konnte bei Schliessung des Stromes, schon von 12 Elementen an, Wärmegefühl und zwar im Arm der Anode, constatiren, während ich Kälte nicht wahr- nehmen konnte. Es war ganz besonders nach der Angabe von du Bois-Reymond höchst wahrscheinlich, dass durch starke Ströme die Empfindungen von Wärme und Kälte produeirt werden könnten und dass dabei eine directe Wirkung des Stromes auf die fraglichen Temperaturnerven vorläge. Jedoch erschien es mir nothwendig, dass dies in noch deutlicherer Weise nach- gewiesen werden müsste und derart, dass an jedem Nervenstamme, welcher voraussichtlich doch gemischt Gefühlsnerven und Temperaturnerven führte, diese letzteren mit derselben Prägnanz wie die ersteren müssten erregt werden können. Ich benutzte den indueirten Strom, und, um die Nervenstämme mög- lichst für sich treffen zu können, nicht die gewöhnlichen mehr minder breiten Elektroden, sondern eine möglichst kleine und es erwiesen sich mir als vollkommen zweckdienlich einfach die an den Leitungsschnüren zum Ein- schrauben derselben befindlichen Metallstifte mit einer Grundfläche von 0,15—0,2”% Durchmesser. Ich hatte auch nebenbei die Vorstellung, dass es mit einer solchen schmalen Elektrode sich glücklichen Falles ereignen könne, dass etwa ein zusammenliegendes Bündel von Temperaturnerven für sich getroffen würde. Bedient man sich einer solchen Elektrode und wendet schwache, mässige oder auch starke Ströme an, so bekommt man an einem Nervenstamm stets nur das bekannte excentrische, d. h. in der peripherischen Ausbreitung des Nerven gefühlte Prickeln. Erst wenn man Ströme von solcher Stärke anwendet, wie wir sie sonst bei derartigen Unter- suchungen nicht zu gebrauchen pflegen, dass sie nämlich nur noch gerade zu ertragen sind, so gelingt es in der That höchst deutliche excentrische Kälte- und Wärmeempfindungen zu erzeugen. Sobald man sich mit dem Stift einem grösseren sensiblen Nerven- stämmchen nähert, entsteht in der peripherischen Ausbreitung desselben das bekannte Prickeln, welches, wenn der Stift ungefähr direct auf den Nerven drückt, in heftiges Stechen übergeht; zugleich tritt meist ein localer ziehender, oft unerträglicher Schmerz ein. Schiebt man nun’ den Stift vor- sichtig mit der Haut über die Unterlage, d.h. über die unter dem sub- cutanen Gewebe liegenden Weichtheile nach den verschiedensten Richtungen, Se | B | \ | 1 | | N) | NEUE THATSACHEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERVEN. 25 bald mässig, bald tief eindrückend, so findet man eine Stellung des Stiftes heraus, bei welcher deutliche Empfindungen von Kälte und Wärme in der peripherischen Ausbreitung des Nerven entstehen. Die Temperaturempfin- dung nimmt dabei nur selten ein ebenso grosses (rebiet ein wie das prickelnde Gefühl, meist nur einen mehr minder grossen Abschnitt des- selben; nicht selten tritt, sobald der richtige Punkt gefunden ist, das Priekeln und Stechen zurück gegen das Temperaturgefühl. Sehr wichtig ist bei diesen Versuchen, dass man das locale Gefühl an der Aufsatzstelle des Stiftes völlig ignorirt, auch trotz des oft sehr "heftigen Schmerzes, und seine Aufmerksamkeit lediglich auf das excentrische Gefühl richtet. Vor- wiegend und am leichtesten nimmt man excentrische Kälte wahr. Hat man diese Empfindung in einem bestimmten peripherischen Gebiete er- zeugt, so muss man, um in eben demselben Wärmeempfindung zu haben, den Stift wieder in mannigfaltiger Weise sehr langsam verschieben, heben und senken, die Stromstärke variiren; nicht selten erfolgt Wärmegefühl bei noch grösserer Verstärkung des Stromes. Die Temperaturempfindung giebt sich entweder in der Form kalter und warmer Punkte zu erkennen oder als flächenhaftes Temperaturgefühl — ein Zeichen, dass ein srösseres zusammenliegendes Bündel von Temperaturfasern getroffen ist. Die elektrische Erregung der Temperaturnerven ist mir an allen grösseren Nervenstämmen, wo ich sie überhaupt versucht habe, auch ge- lungen, so beim N. ulnaris am Ellbogen, bei dem N. peroneus superficialis an der Dorsalfläche des Fussgelenks, dem N. tibialis unter dem inneren Knöchel. Am bequemsten und relativ am leichtesten ist sie jedoch zu con- statiren an den kleineren Nervenstämmchen; so am Handrücken bei den kleinen Aesten, welche die Finger versorgen; an der Volarfläche des Hand- gelenks; endlich auch höher herauf an der Volarfläche des Vorderarmes in seinem unteren Drittel. Ist nun die Elektrisation der Temperaturnerven überhaupt möglich, so müsste sie in dem ganzen Verlauf eines Nerven- stammes an jedem Punkte desselben nachweisbar sein. Dennoch hat sich mir ergeben, dass man in Wirklichkeit nur von gewissen Stellen aus deut- liche excentrische Temperaturempfindungen bekommt, während von den dazwischenliegenden Abschnitten des Nervenstammes aus diese nicht zu Stande kommen. Es ist wohl möglich, dass hier einerseits Lagerungsver- hältnisse des Nervenstammes überhaupt, andererseits vielleicht solche der in ihnen enthaltenen Temperaturfasern eine Rolle spielen. Bei den Un- bequemlichkeiten, welche diese Art der Untersuchung hat, ist es auch nicht immer leicht, mit Sicherheit ein negatives Urtheil dahin auszusprechen, dass von bestimmten Stellen aus eine Erregung nicht möglich ist. Ferner hat man an manchen Stellen nicht selten ein derartig schwach ausgeprägtes excentrisches Temperaturgefühl, dass man angesichts der gleichzeitig er- 26 ALFRED GOLDSCHEIDER: regten Gefühls- und Schmerzsensationen nicht genau darüber schlüssig werden kann, ob man das Gefühlte wirklich der Temperatursinnqualität zurechnen kann. Diese Umstände mögen es erklären, dass sich mir eine Anzahl von bestimmten Punkten ergeben hat, von denen aus ich mit un- zweifelhafter Deutlichkeit excentrisches Temperaturgefühl wahrgenommen habe. Ich habe diese Punkte — zu denen noch die an Ellbogen und Fuss gefundenen Stellen hinzuzurechnen sind — aufgezeichnet! und bemerke nur — was bei Erwägung der eben angeführten Verhältnisse selbstver- ständlich ist —, dass ich keineswegs diese Punkte als feststehende, auch bei jeder anderen Person geltende und einzige hinstellen will, sondern nur den Beweis zu liefern beabsichtige, dass die in Rede stehende elektrische” Erregung der Temperaturnerven sich in voller Exaetheit und in Ueberein- stimmung mit den anatomischen Verhältnissen nachweisen lässt. Was die letzteren anbetrifft, so habe ich die Versuche keineswegs mit der bewussten Tendenz, die Beziehungen zum anatomischen Nervenverlauf im Detail nach- zuweisen, vorgenommen — habe mir also nicht vorher ein Bild davon ge- macht, was ich an jedem Elektrisationspunkt nach Maassgabe seiner Lage ' zu erwarten hätte —, sondern habe völlig empirisch die Oberfläche abge- sucht, das Wahrgenommene notirt und die Beziehungen zum Nervenverlauf erst bei der Aufzeichnung mir zum Bewusstsein gebracht. Ein Zeugniss’ davon giebt der Umstand, dass von manchen Stellen aus ein jedenfalls unerwartetes Resultat erlangt worden ist, z. B. Fig. IH, Nr. 17—20, wo der Strom von der Dorsalfläche aus den N. medianus getroffen hat. Ich habe nicht von allen diesen Punkten aus Kälte- und Wärmegefühl erzeugen können, sondern nur bei einem Theile derselben, allerdings dem grösseren, beide Sensationen; von anderen nur Kälte; hier und da findet man übrigens auch Stellen, wo nur excentrisches Wärmegefühl produeirt wird. Zuweilen findet man an demselben Punkte, wo heute blos Kälte- gefühl zu produeiren ist, morgen Wärmegefühl sehr deutlich. Häufig wogen Kälte- und Wärmegefühl durcheinander, in einer Art von Wettstreit, wie er auch bei anderen Sinnesempfindungen vorkommt, so dass bald die Kälte- empfindung, bald die Wärmeempfindung die Oberhand hat. Vielfach tritt auch, wie schon oben angedeutet, das Wärmegefühl an die Stelle des Kälte- sefühls, wenn man die Stiftelektrode etwas verschiebt oder tiefer eindrückt. Es ist bei der Beurtheilung dieses Verhältnisses Folgendes zu erwägen: Da zweifellos in einem sensiblen Nervenstamm Kälte- und Wärmenerven zu- sammen verlaufen — sei es, dass sich die Fasern jeder Qualität zu bei- sammenliegenden Bündeln vereinigen, sei es, dass sie untereinander ge- mischt sind —, so müssten bei der Elektrisation des Nervenstammes beide Nervenarten gleichzeitig erregt werden, und man müsste demgemäss an ! Vgl. Taf. V, Fig. 3 und 4, A u, a Et et NEUE THATSACHEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERVEN. 2 dem peripherischen Ausbreitungsgebiet des Nerven gleichzeitig Kälte- und Wärmeempfindung haben. Dass nun das Kältegefühl überwiegt, leichter und häufiger gefühlt wird und das Wärmegefühl nicht selten ganz fehlt, könnte man damit zu erklären versuchen, dass die Kältenerven oberfläch- licher liegen oder dass die Wärmenerven überhaupt schwerer erregbar seien. Für beides liest jedoch sonst gar kein Anhalt vor. Es ist nun schon mehr- ‚ fach darauf hingewiesen worden, dass die Auffassung des Wärmegefühls an sich schwieriger ist als die des Kältegefühls, weil letzteres einfach durch die Qualität der Empfindung als solche einen grösseren Eindruck auf das Bewusstsein macht. Den in Rede stehenden Verhältnissen angepasst heisst dies, dass wenn Kälte- und Wärmenerven sich in einem gleich starken Erregungszustande befinden, der Grad der empfundenen Wärme uns relativ geringer erscheint als derjenige der empfundenen Kälte Hierzu kommt noch der wichtige Umstand, dass die Anzahl der Wärmenerven überhaupt im Allgemeinen erheblich geringer ist als die der Kältenerven — was oben schon bei den Punkten mehrfach angedeutet wurde und später noch aus- führlicher behandelt werden wird. Bedenkt man nun, dass die Seele doch durch keine Erfahrung daran gewöhnt ist, an einer und derselben Stelle der Haut zu gleicher Zeit Kälte und Wärme zu fühlen und dass eine solche gleichzeitige Empfindung wahr- scheinlich überhaupt eine unmögliche Sinnesleistung ist, so nehmen unter Berücksichtigung. der vorher angeführten Momente die Erscheinungen bei der Elektrisation der Temperaturnerven nicht mehr Wunder. Denn wenn nun eine gleichzeitige, anzunehmenderweise gleich starke Erregung von Kälte- und Wärmenerven des gleichen Gebietes dem Sensorium zugeleitet wird, so wird die Kälteempfindung in den Vordergrund treten, weil sie überhaupt einen stärkeren psychischen Eindruck macht, weil die Kältenerven an Zahl überwiegen und weil die Seele nur die eine von beiden Empfin- dungen in einem Moment auffassen kann. Unter günstigeren Umständen fasst das Sensorium zeitweise die Wärmeempfindung schärfer auf und das Kältegefüht tritt zurück; durch diesen Wechsel entsteht der Wettstreit. Wird eine Application der Elektrode gefunden, bei welcher der Strom die 'Wärmenerven besonders günstig trifft oder die Kältenerven besonders un- günstig, so kann dadurch ebenfalls eine bevorzugte Auffassung des Wärme- gefühles bewirkt werden. An manchem kleinen Gebiete halten die Wärme- nerven den Kältenerven das Gleichgewicht; dann wird man Stellen finden, wo das Wärmegefühl bei elektrischer Erregung auffallend in den Vorder- grund tritt. Auch der Umstand, dass man nicht selten an derselben Stelle in der einen Sitzung die eine, in einer anderen die andere Qualität des Temperaturgefühles findet, spricht dafür, dass die psychischen Auffassungs- verhältnisse eine Rolle hierbei spielen. 28 ALFRED GOLDSCHEIDER: Es ist bei der Anstellung und Beurtheilung dieser Versuche noth- wendig die Möglichkeit folgender Sinnestäuschung zu berücksichtigen. Wenn nämlich gerade an der Aufsatzstelle der Elektrode intensivere Temperatur- punkte liegen und also stark erregt werden, wobei sie, wie oben gezeigt, ein lebhaftes locales Temperaturgefühl geben, und zugleich durch Elektrisation des an dieser Stelle verlaufenden Nerven einfach excentrische Sensation der Gefühlsnerven producirt wird, so wäre es denkbar, dass sich beide Gefühle im Bewusstsein mischten zu einer excentrischen Temperaturempfindung, Man findet in der That Stellen, wo dieser angenommene Fall mit der an- genommenen Wirkung auf das Sensorium in der That vorzuliegen scheint und wo man sich zunächst nicht darüber klar wird, ob dies oder wirk- liche Temperaturempfindung vorhanden ist. Um das locale Temperatur- gefühl von dem excentrischen unterscheiden zu können, muss man den Stift an einem Temperaturpunkt leicht aufsetzen und allmählich stärker eindrücken; man merkt es dann, sobald die excentrische Empfindung dazu- tritt und vermag nach einiger Uebung beide scharf zu unterscheiden. Man überzeugt sich dann leicht, dass beide von einander unabhängig sind, dass man von Kältepunkten aus excentrisches Wärmegefühl, und umgekehrt, er- zeugen kann. Für die Anstellung des Versuches möchten noch einige praktische Be- merkungen beachtenswerth sein. Es empfiehlt sich, die Haut etwas an- zufeuchten, bez. den Stift ab und zu einzutauchen. Drückt man den letz- teren etwas in die Haut ein, so ist darauf zu achten, dass er sich nicht mit seiner Fläche in grösserer Ausdehnung anlegt. Man muss den Strom von vornherein so stark machen, dass beim Aufsetzen der Elektrode ein lebhafter Schmerz entsteht. Derselbe wird übrigens nach einiger Zeit der Beschäftigung nicht mehr so stark wahrgenommen. Sobald sich jetzt in der Peripherie ein unbestimmtes Kältegefühl bemerkbar macht, ist der Strom rücksichtslos zu verstärken, bis dasselbe ganz deutlich hervortritt. Dass auch ein‘mechanisch durch Druck auf den Nervenstamm hervor- gerufener Erregungszustand der Temperaturnerven möglich sei und dass er sich ebenfalls in excentrischer Temperaturempfindung kundgeben müsse, kann nach Analogie der elektrischen Erregbarkeit nicht zweifelhaft sein Ich habe nach vielen Versuchen, mich hiervon zu überzeugen, gefunden, dass ein passendes Material, um ohne Erregung erheblichen Schmerzes und. ohne Quetschung auf einen Nervenstamm einen gewissen Druck auszuüben, der Kork ist. Ich habe demgemäss mit einem eingefassten schmalen Kork- cylinder auf die Nervenstämme eingedrückt und in der That an mehreren Stellen ein unzweifelhaftes excentrisches Temperaturgefühl erhalten, wenn dasselbe auch erheblich schwächer ist als bei der Elektrisation. Man muss den Korkeylinder verhältnissmässig tief eindrücken und den Druck eine NEUE THATSACHEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERVEN, 2) Zeit lang wirken lassen, indem man den Öylinder leicht hin- und herschiebt; ist jedoch der Versuch von Erfolg begleitet, so stellt sich meist schon nach ' einigen Secunden Temperaturgefühl ein. Die Stellen, wo mir die mecha- | nische Erregung gelungen ist, sind in den Figuren mit eingezeichnet. _ Ausser an diesen habe ich excentrisches Temperaturgefühl noch produeiren ‚ können durch Druck auf den N. ulnaris. An einer Stelle desselben am - Ellbogen entstand bei Druck schwache Kühle am kleinen Finger; an "einer anderen Stelle schwache aber deutliche Wärme an der ulnaren Fläche des kleinen Fingers, dem Kleinfingerballen und dem Wulst der Hohlhand ' zwischen viertem und fünftem Finger. Beim Verschieben’ des Korkes traten einige kalte Punkte an der Spitze des kleinen Fingers auf. Ferner konnte ' von einer Stelle der Volarfläche des Vorderarmes in der Mittellinie, 14 oberhalb der Handgelenksfurche, bei mässigem Druck schwache Kühle im - Handteller, bei tiefem ausgezeichnete warme Empfindung im Handteller und an der Grenze der Hohlhandwülste wahrgenommen werden; beim Var- schieben des Korkes wanderte letztere deutlich quer über die Hohlhand. Von einer anderen Stelle der Volarfläche aus, 9 oberhalb der genannten ' Furehe, 1% radialwärts von der Mittellinie, Gefühl der Kühle im zweiten ‚ und dritten Finger. | Dass bei dem Eingeschlafensein der Glieder auch excentrische Tempe- - ratursensationen entstehen, ist mir früher schon aufgefallen und seitdem ' ich besonders darauf achte, häufig wieder bestätigt worden. Man hat einer- seits das Gefühl fallender Tropfen, andererseits über eine grössere Fläche hin wogende Temperaturempfindungen.! Ich konnte auch beobachten, dass bei einem unvermutheten Stoss an den N. ulnaris neben dem Schmerz ein schnell vorübergehendes, am Vorderarm herablaufendes Wärmegefühl vor- ' handen war; dies ist mir auch von anderen Seiten bestätigt worden. Auch - kommen zweifellos pathologische Temperatursensationen durch Reizung von Temperaturleitungsbahnen vor. Solche Sensationen sind mir schon sowohl für Wärme wie für Kälte mitgetheilt worden (Gefühl eines nassen Um- ' schlages u. s. w.) und scheinen sich zuweilen auf ganz begrenzte Nerven- gebiete zu beschränken. Ich bin überzeugt, dass nicht alle diese Sensa- tionen durch vasomotorische Veränderungen erklärt werden können — was ‚ durch Messungen der localen Hauttemperatur zu erweisen wäre. Es wäre wünschenswerth, dass von neuropathologischer Seite den Temperatursensa- ı E. H. Weber sagt (Tastsinn und Gemeingefühl, Wagner’s Handwörterbuch der Physiologie. 8. 503): „Bisweilen entsteht auch ein subjectives Gefühl von Wärme in der eingeschlafenen Hand, niemals aber, soviel ich weiss, dass der Kälte,“ Ich möchte hierbei gelegentlich erwähnen, dass ich einmal in der eingeschlafenen Hand eine Art ‚ von Kältehyperaesthesie beobachtet habe: Gegenstände, welche mit der anderen Hand ' nicht wesentlich kalt gefühlt wurden, brachten hier ein deutliches Kältegefühl hervor. 30 ÄLFRED GOLDSCHEIDER: tionen, mit Bezugnahme auf die locale Hauttemperatur, mehr Aufmerksan) keit zugewendet würde. Sowohl gegen die elektrische wie die mechanische Erregung könnte der allgemeine Einwand erhoben werden, dass durch diese Eingriffe eine Veränderung in der Blutvertheilung bewirkt wäre, welche die Empfindung von Warm und Kalt durch wirkliche Veränderung der Hauttemperatur mittelst Anaemie und Hyperaemie zur Folge hätte. Abgesehen nun davon, 1 dass von einem Erblassen oder Erröthen, das bei so starken Temperatur- empfindungen doch sichtbar sein müsste, nichts beobachtet worden ist, so genügt auch schon die Thatsache, dass die Reizstellen und die Ausbreitung des Gefühls mit dem Verlauf der sensiblen Nerven übereinstimmen, um zu zeigen, dass die Gefässnerven bei diesem Versuch nicht in Betracht kommen. Nach diesen Versuchsergebnissen ist also die Behauptung gerechtfer- tiet, dass die Erregung von Temperaturempfindungen durch elektrische und mechanische Reizung der Temperaturnerven in ihrer Continuität, nicht blos an ihren Endigungen, möglich ist. Hiermit ist denn auch Alles erschöpft, was die Lehre von den specifischen Energien von den Sinnesnerven fordert. Der Temperatursinn besitzt nach diesen Ermittelungen einen gesonderten Nervenapparat für sich, und zwar besteht dieser aus besonderen Kälte- nerven und Wärmenerven. Jeder Erregungszustand derselben, mag er durch den adäquaten oder durch einen allgemeinen Nervenreiz veranlasst sein, mag er von den Endorganen oder von einer Reizung in der Conti- nuität des Stammes ausgehen, wird bei jenen als Kälte, bei diesen als Wärme empfunden, und ausser dieser einen Empfindung ist der Tempe- raturnerv einer anderweitigen nicht fähig. Wie man sieht, genügt nach dieser Feststellung der Temperatursinn dem Gesetze der specifischen Energien nicht blos im dem Joh. Müller’- schen Sinne, sondern auch in dem modernen Helmholtz’schen. Um diesen meist wenige gewürdigten Unterschied hier noch einmal zu präci- siren, so hatte Joh. Müller bei der Aufstellung seiner Lehre nur an die Sinnesmodalitäten gedacht. Er wollte damit die herrschende Ansicht zurückweisen, als seien die Sinnesorgane nur „Siebe“, durch welche die äusseren Eigenschaften der materiellen Dinge zu unserem Bewusstsein dringen. Er nahm eine von den Endorganen bis zum Centralorgan sich verbreitende, je specifisch verschiedene Sinnessubstanz an. und lehrte, dass ' Bei Rückenmarkskranken kommen Temperaturparaesthesien vor: Gefühl von Brennen oder von Kälte, das sehr lebhafte Grade erreichen kann. Brown-Sequard schiebt diese Empfindungen zum Theil geradezu auf direete Erregung der die Temperatur- empfindungen leitenden Fasern im Rückenmark. Erb, Krankheiten des Rückenmarks 8. 73. NEUE THATSACHEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERVEN. 31 ' „die Empfindung nicht die Leitung einer (Qualität oder eines Zustandes der äusseren Körper zum Bewusstsein, sondern die Leitung einer (Jualität, eines Zustandes unserer Nerven zum Bewusstsein, veranlasst durch eine äussere Ursache“ sei. Diese Anschauung dehnte Helmholtz auf die - Qualitäten der Sinnesemplindungen aus; einmal indem er jeder Nerven- faser des Corti’schen Organs eine ‚specifische Tonempfindung zuschrieb; 1 dann indem er für die Theorie der Gesichtsempflindungen die Young’sche , Lehre wieder an das Licht zog und Müller’sche Ideen in sie hineinlegte, d.h. für jeden empfindenden Punkt der Netzhaut drei gesonderte Leitungs- ‚ bahnen zum Sensorium postulirte, von denen jeder eine specifische Farben- ‘ empfindung eigen sein sollte. In so glänzender Weise diese Lehre für den , Acusticus bewiesen wurde, so einleuchtend sie für den Opticus erschien, so wenig konnte sie bei anderen Sinnen, wie namentlich dem Geruchssinn und den Haut-Sinnesnerven durchgeführt werden. | Speciell war für den Temperatursinn die Schwierigkeit vorhanden, dass ‚ selbst wenn man besondere Temperaturnerven annahm — für deren Exi- ‘ stenz bis dahin kein weiterer Beweis vorlag als einige pathologische That- sachen von partiellen Empfindungslähmungen! —, in diesen Temperatur- | nerven durch blosse quantitative Veränderung des Reizes, nämlich der Höhe , der einwirkenden Temperaturen, so grundverschiedene Empfindungsquali- täten wie Kälte und Wärme erregt wurden. Es war mit der Annahme eines besonderen Nervenapparates für den Temperatursinn wohl der Mül- ler’schen, aber nicht der Helmholtz’schen Lehre Genüge gethan, man musste vielmehr in diesen Temperaturnerven die Möglichkeit zweier ver- schiedener oder irgendwie entgegengesetzter Erregungszustände annehmen. Dem gegenüber entspricht nun der Temperatursinn nach unseren Ergebnissen in der vollständigsten Weise der Lehre von den specifischen Energien in der Helmholtz’schen Fassung. Durch die Thatsache, dass man diese specifischen Nervenfasern hier getrennt für sich mechanisch und elektrisch erregen und auch in ihrem weiteren Verlauf innerhalb des ge- ‚ mischten Nervenstammes noch als gesondert nachweisen kann, erhebt sich ‘ der Temperatursinn in Bezug auf seine Beweiskraft für die Lehre über die anderen: Sinnesnerven — was er seiner leichteren Zugänglichkeit verdankt. i Dagegen fehlt es für ihn bis jetzt an denjenigen pathologischen Beobach- | U Es ist hier auch eine Arbeit von Adamkiewiez zu erwähnen. Dieser fand, dass, während Tast- und Schmerzempfindlichkeit durch Sinapismen an der Stelle der Reizung erhöht, an der entsprechenden der anderen Seite herabgesetzt werden, ein solcher sinapiscopischer Transfert beim Temperatursinn nicht möglich ist. Er bezeich- net deshalb Tast- und Schmerzempfindlichkeit als eine „bilaterale Function“, diese ist ihm der Ausdruck eines bilateral angelegten Nervenapparates, und deshalb können „die Temperaturnerven mit denen des Schmerzes und des Tastsinnes nicht identifieirt werden.“ Berliner klinische Wochenschrift. Bd. XVII. Nr. 12 u. 13. 32 ALFRED GOLDSCHEIDER: tungen, welche für Gehörs- und Gesichtssinn die Helmholtz’sche Theorie bestätigen (Ausfallen von Tönen, Farbenblindheit);! jedoch erwachsen ihm dafür neue Beweismomente aus den interessanten Verhältnissen seiner topo- graphischen Verbreitung am Körper, auf die wir unten näher einzugehen haben werden. Für die bereits von E. H. Weber betonte Erscheinung, dass der adäquate Reiz auf die Temperaturnervenstämme als solche nicht einwirkt,? sondern eben nur auf die Endapparate, möchte ich hier eine neue Art des Beweises anführen. Ich habe mir an stark Kälte oder Wärme empfind- lichen Stellen kalte bez. warme subcutane Injectionen mit der Pravaz’- schen Spritze gemacht. Man nimmt dabei entweder gar kein oder ein ziemlich undeutliches dumpfes Temperaturgefühl wahr, während ein Tropfen aus dem Inhalt der Spritze auf die Oberfläche der betreffenden Stelle ge- träufelt, ein deutliches Temperaturgefühl giebt. Der Einwand, dass das Temperaturgefühl unterdrückt sein könne durch den bei dem Einspritzen entstehenden Schmerz, erledigt sich dadurch, dass es möglich ist, z. B. an der Dorsalfläche des Vorderarmes, Stellen auszusuchen, an welchen die Injektion so gut wie gar keinen Schmerz verursacht. — Es geht aus diesem leicht nachzumachenden Versuch ganz sicher hervor, dass die im subcutanen Zellgewebe verlaufenden Stämmchen der Temperaturnerven durch den Kälte- bez. Wärmereiz nicht in Erregung versetzt werden. Zugleich übrigens deutet das Versuchsergebniss darauf, dass die Temperatur empfindlichen End- apparate jedenfalls der Oberfläche der Haut näher liegen müssen als dem subeutanen Gewebe. — Es entsteht nun die Frage, wie nach den beschriebenen Thatsachen und den aus ihnen gewonnenen Anschauungen sich eine moderne Theorie des Temperatursinns gestalten muss. Theorie des Temperatursinns. Es sind über den Vorgang, wie die äusseren Temperaturveränderungen auf die Endapparate der Temperaturnerven als Reize wirken, drei ver- schiedene Meinungen aufgestellt worden. E. H. Weber meinte, dass ledig- lieh der Akt des Steigens oder Sinkens der Hauttemperatur von uns als Wärme oder Kälte percipirt würde; Vierordt, dass die Richtung ! Da bis jetzt jedoch von den Neuropathologen noch nie auf die Unterschiedlich- keit von Kälte- und Wärmesinn in anatomischer Hinsicht geachtet worden ist, so dürfte es wohl möglich sein, dass noch Fälle von partieller Lähmung u. s. w. der einen oder der anderen Qualität zur Beobachtung kommen werden. ® Der Tastsinn nnd das Gemeingefühl. R. Wagner’s Handwörterbuch der Physiologie. Dusisien Me NEUE TharsaoHneN ÜBER Din HAUTsInNESNERVEN. BB) des durch die Haut fliessenden Wärmestromes maassgebend sei, derart, dass der nach aussen gerichtete Strom als Kälte, der nach innen gerichtete als Wärme empfunden würde; Hering, dass für die Temperaturempfindung das Ausschlaggebende die wirkliche Höhe der Eigentemperatur des cutanen Nervenapparates sei. — Die Weber’sche Anschauune ist für unsere jetzieen. 1% 5 einig dureh die Existenz der Kälte- und Wärmenerven geschaflenen Verhältnisse oO “die plausibelste.e Kommt irgend ein Object in Berührung mit unserer Temperatur empfindlichen Haut, so kann die Eigentemperatur derselben nur entweder zunehmen oder abnehmen oder gleichbleiben. Man kann sich wohl vorstellen, dass diese beiden entgegengesetzten physikalischen Vorgänge, die Aufnahme und der Verlust von Wärme, je auf eine verschiedene Ner- | venart reizend wirken können, vorausgesetzt, dass diese Nerven mit ent- sprechend adaptirten Endapparaten versehen sind. So wird es leicht ver- ständlich, dass bei einem sich nur quantitativ verändernden Reiz an einer relativ scharfen Grenze die Wirkung auf die eine Nervenart aufhört und auf die andere sich überträgt. Der Vorgang des Sinkens der Hauttempe- ratur oder der Abgabe von Wärme ist demnach als Reiz für die Kälte- nerven, des Steigens der Hauttemperatur oder der Aufnahme von Wärme als Reiz für die Wärmenerven zu betrachten. Damit verliert die absolute Temperatur der Haut an Bedeutung und es fällt die Schwierigkeit fort, welche die local verschiedene Eigentemperatur der Haut für die Theorie der Kälte- und Wärmenerven zunächst zu bieten scheint. Es giebt nicht eine bestimmte Eigentemperatur der Haut, bei welcher beide Nervenarten unerregt wären — Nullpunktstemperatur im Hering’schen Sinne —, wäh- rend alle niedrigeren Eigentemperaturen als Kälte, alle höheren als Wärme wahrgenommen würden. — In welcher Weise die Endapparate derartig adaptirt sein sollen, dass die einen durch Wärmeverlust gereizt werden, durch Wärmeaufnahme aber völlig unberührt bleiben, die anderen ein um- gekehrtes Verhalten zeigen, darüber dürfte es nur nach mikroskopischen Befunden gestattet sein, Auslassungen zu machen, jedoch möchte die Reiz- übertragung wohl im Wesentlichen auf Dichtigkeitsveränderungen beruhen, sei es dass diese direct auf ein Endorgan des Nerven wirken, sei es dass letztere vielleicht mit contractilen Blutgefässen in Verbindung stehen. Jedenfalls erscheint gerade für die Temperaturnerven die Annahme einer sogenannten freien Endigung am wenigsten angepasst; für die diametral entgegengesetzte Art der Reizübertragung müssen nothwendig Endapparate da sein; und auch die einfach celluläre Endigung dünkt mir nicht sehr wahrscheinlich. Hering! hat in seiner Theorie des Temperatursinnes die W eber’sche = Grundzüge einer Theorie des Temperatursinnes. Silzungsberichte der kaiserl. Akademie der Wissenschaften. 1877. Bd. LXXV. III. Abth. S. 101. Archiv f. A, u. Ph. 1835, Physiol. Abthlg. Suppl.-Bd. 3 34 ALFRED (GOLDSCHEIDER: Anschauung als irrig bekämpft; angesichts eines Versuches, den Weber selbst anführt uud allerdings unzutreffend zu erklären versuchte: „Wenn man einen Theil der Haut des Gesichts, z. B. der Stirn, mit enem + 2°R. kalten Metalle einige Zeit, z. B. 30 Secunden, in Berührung bringt und dasselbe dann entfernt, so fühlt man ungefähr 21 Secunden lang die Kälte an jenem Theile der Haut.“ Nach Weber müsste allerdings die erkältete Haut, welche sich ja nun wieder erwärmt, also im Act des Steigens der Temperatur begriffen ist, ein warmes Gefühl geben. Ebenso dauert auch die Wärmeempfindung fort nach Entfernung des Wärmereizes, obwohl die Temperatur der Stelle sinkt. Hering zieht daraus den Schluss, dass die . Weber’sche Anschauung nicht richtig sei und erklärt diesen Weber’schen Versuch dahin, dass die Temperaturempfindung abhänge von der jeweiligen Höhe der Eigentemperatur des nervösen Apparates und dass dieselbe, so lange sie sich unterhalb der von ihm sogenannten Nullpunktstemperatur befinde, als kalt, oberhalb derselben als warm empfunden werde. Unter Nullpunktstemperatur nämlich versteht er diejenige Eigentemperatur der Haut, bei welcher weder warm noch kalt empfunden wird. Die Deutlich- keit der Wärme- oder Kälteempfindung wächst mit dem Abstande der jeweiligen Eigentemperatur von der Nullpunktstemperatur; letztere jedoch ist selbst wieder innerhalb gewisser Grenzen variabel und zwar von den Veränderungen der absoluten Hauttemperatur abhängeie. Indem der ner- vöse Apparat sich den Veränderungen der Hauttemperatur adaptirt, steigt und sinkt der Nullpunkt mit dem Steigen und Sinken der Hauttemperatur, jedoch. viel langsamer. Mit der Adaptation bezeichnet Hering somit einen Vorgang, der sonst als Ermüdung des Nerven aufgefasst zu wer- den pfleet. Erinnert man sich jedoch der oben schon angeführten Beobachtung, dass nach momentaner Berührung eines intensiven Kältepunktes mit dem blossen, nicht abgekühlten Cylinder eine bemerkbare Nachempfindung ein- tritt — wo doch von einer irgend erheblichen objectiven Herabsetzung der Eigentemperatur der Hautstelle nicht die Rede sein kann —, so leuchtet die Nothwendigkeit ein, der Nachempfindung bei den Temperaturnerven eine grössere Bedeutung zuzurechnen, als es von Hering geschehen ist. Die Nachdauer der Erregung ist. sämmtlichen Sinnesnerven in mehr oder weniger ausgedehntem Maasse eigenthümlich, und wenn man erwägt, wie ausserordentlich lange der Erregungszustand der Netzhaut nach einem intensiveren Eindrucke anhält und sich in den Nachbildern documentirt, so dürfte es nichts Gezwungenes haben, den oben angeführten Weber’- schen Versuch durch die lange Nachdauer des Erregungszustandes der Kältenerven zu erklären, besonders in Rücksicht auf die analoge Erschei- nung am einzelnen Temperaturpunkt, welche durch Hering’s Anschauung NEUE THATSACHEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERVEN. 35 nicht erklärt werden kann. Einen deutlichen Beweis für die Fortdauer des Erregungszustandes giebt folgende Erscheinung, die man zuweilen beob- achten kann: Reizt man eine gut "Temperatur - emplindliche Stelle durch einen flächenhaften Kälte- oder Wärmereiz, so kann man, nachdem schon die Nachempfindung abgeblasst ist, durch einen leichten mechanischen Reiz die kalte bez. warme Empfindung zuweilen wieder zurückrufen; derselbe scheint auf den noch bestehenden Erregungszustand verstärkend einzu- wirken. Die Reizung der Temperaturnerven hinterlässt, wie auch bei anderen Sinnesnerven, zugleich mit der Nachdauer des Erregungszustandes eine herabgesetzte Empfindlichkeit für neue Reize. Es ist schon früher mehrfach erwähnt worden, dass durch das Aufsuchen der Kälte- oder Wärmepunkte die Temperaturempfindlichkeit der Stelle herabgesetzt wird. Reizt man einen Kältepunkt wiederholt in kurzen Pausen mittelst des Cylinders, so nimmt er sehr bald diesen Reiz nicht mehr wahr. Ebenso wenn man den Cylinder eine gewisse Zeit lang dauernd mit dem Punkt in Contact lässt. Dasselbe lässt sich an den Wärmepunkten beobachten. Freilich spielt hier auch die objective Veränderung der Eigen- temperatur eine Rolle. Durch die Berührung mit dem Wärme - ent- ziehenden Object sinkt die Eigentemperatur des Kältepunktes und die Tem- peraturdifferenz zwisehen ihm und dem Öylinder wird immer geringer, und \ es liesse sich vielleicht denken, dass der Punkt derartig abgekühlt wird, dass der Cylinder einen merklichen Kältereiz nicht mehr auszuüben im Stande ist, wenn auch die geringfügige Ausdehnung des Punktes sowie die von allen Seiten erfolgende Wärmezufuhr dieser Vorstellung Schwierigkeiten entgesenstellt. Allein wenn man dergestalt versucht, die Anaesthesie des Kältepunktes lediglich dureh die wirkliche Abnahme seiner Eigentemperatur zu erklären, so muss man erwarten, dass derselbe, sobald seine Figentem- peratur wieder zur vorigen Höhe zurückgekehrt ist, wieder in der anfäng- lichen Stärke auf Kältereize reagirt. Dies ist jedoch nicht der Fall, wie man sich sehr einfach überzeugen kann. Zunächst hält schon die Herab- setzung der Erregbarkeit bez. die Anaesthesie des Kältepunktes so lange an, dass es kaum denkbar ist, wie der so beschränkte Ort der Abkühlung nicht längst durch Ersatz aus dem umliegenden Gewebe wieder auf seine alte Eigentemperatur gekommen sein sollte. Man kann jedoch auch ein Uebriges thun und dem Punkte durch Zuführen eines warmen Luftstromes oder Application einer leicht erwärmten Fläche noch schneller zu seiner nor- ‚malen Temperatur verhelfen — dennoch reaeirt er, mit dem alten Kältereiz affieirt, entweder gar nicht oder sehr schwach. Ich habe auch bezüglich dieser Frage folgenden Weg eingeschlagen: Man kühlt einen Kältepunkt bis zum Eintritt der Anaesthesie ab und beachtet, nach welcher Zeit auf 9% o 36 ALFRED GOLDSCHEIDER! einen bestimmten Kältereiz wieder Kälteempfindlichkeit vorhanden ist, in- dem man alle 20—40 Secunden prüft und dabei die betreffende Hautstelle einmal der Luft ausgesetzt hält, das andere Mal in ein wärmeres Medium bringt. Hierbei zeigte sich, dass die Kälteempfindlichkeit im Wesentlichen beim letzteren Modus nicht schneller zurückkehrt als bei ersterem. Wenn man bei solchen Versuchen bald das kalte Medium zuerst in Anwendung zieht, bald das warme, so gewahrt man, dass gewöhnlich bei dem Secundär- versuch die Anaesthesie länger dauert, wenn auch die Kälteempfindlichkeit zu Beginn des Secundärversuchs ebenso stark erschien als beim Primär- versuch. Es geht daraus hervor, dass die Erwärmung einen wesentlichen Einfluss auf die Restitution der Kälteempfindlichkeit nicht hat, dass jeden- falls die letztere nicht mit jener Hand in Hand geht. Vielmehr muss noch ausser der Veränderung der Differenz zwischen Objectstemperatur und Haut- temperatur ein Moment vorhanden sein, welches die herabgesetzte Kälte- empfindlichkeit bedingt, und dies besteht in der essentiellen Ermüdung des Nerven, welche durch die Stärke der Erregung als solche eingetreten ist. Bei dem Secundärversuch zeigt sich diese Ermüdung auch noch darin, dass trotz anfänglicher Reactionsfähigkeit der Reiz auf den schon geschwächten Nerv nachhaltiger wirkt als beim Primärversuch.! Damit soll nicht gesagt sein, dass der objectiven Temperaturveränderung der Haut und damit der nervösen Endapparate und im Zusammenhang damit der verminderten oder vermehrten Temperaturdifferenz zwischen der Temperatur des Reizobjectes und der Eigentemperatur des Endapparates gar keine Bedeutung zukäme. Vielmehr besteht dieses Verhältniss neben der Ermüdung und complieirt sich mit ihr. Wenn der Ablauf der Erregung der Temperaturnerven insoweit in Parallele zu setzen ist mit den Verhältnissen bei anderen Sinnesnerven, so muss nun im Folgenden eines Umstandes gedacht werden, welcher den Temperaturnerven ganz speciell eigen ist und bei ihrer Function eine sehr erhebliche Rolle spielt. Während nämlich bei anderen Sinnesnerven der Reiz nur eine Art von Veränderung hervorbringt, nämlich den Erregungs- zustand, wirkt er auf den Temperaturnerven in doppelter Weise, indem er ihn einmal erregt und zweitens abkühlt oder erwärmt. Diese Veränderung der Eigentemperatur der Nervenfaser wirkt aber, wiewohl sie mit dem Er- regungszustand sonst nichts zu thun hat, auf die Erregbarkeit des Nerven ein. Bei starken Abkühlungen und Erwärmungen ist es ganz sicher, dass sie die Temperaturempfindlichkeit abstumpfen. Auch E. H. Weber? hat ! Dasselbe gilt bei den Wärmenerven. ” Der Tastsinn und das Gemeingefühl. R. Wagner’s Handwörterbuch. — Ein- fluss der Erwärmung und Erkältung der Nerven auf ihr Leitungsvermögen. Archiv für physiologische Anatomie. 8.47. | NEUER THATSACHEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERVEN. 37 beobachtet, dass dies sich so verhält. Wenn es sich wohl auch nicht um ein blosses Leitungsphaenomen handelt, sondern auch um eine verminderte Reizempfänglichkeit der Nervenenden, so kann man doch hier als analoge Erscheinung die bekannte Thatsache heranziehen, dass auch in den moto- rischen Nerven durch starke Abkühlung eine Verlangsamung der Leitung producirt wird. Ich habe auch in der bestimmtesten Weise beobachten können, dass durch starke Abkühlung die mechanische und faradische Kr- regbarkeit der Kältepunkte vollständig aufgehoben werden kann.! Es ist wahrscheinlich, dass diese Herabsetzung der Irritabilität und Leitung nicht blos für die Zeit besteht, während welcher die Veränderung der Eigen- temperatur anhält, sondern auch, bei einem genügenden Grade der Ver- änderung, über diese hinausdauert und allmählich abläuft. Erwärmt man einen Kältepunkt stark, so giebt er, mit dem Gylinder berührt, eine schwächere Kälteempfindung als nach einiger Zeit der Pause. Dies bestätigt sich auch, wenn man nicht den einzelnen Kältepunkt er- wärmt, sondern ein Flächenstück der Haut, entweder durch Contact mit einem erwärmten Object oder durch einen stark erwärmten Luftstrom. Diri- girt man eine Hautstelle in einen sehr erwärmten Luftstrom und applicirt gleichzeitige an einem Theil derselben einen flächenhaften Kältereiz, so wird derselbe schwächer wahrgenommen, als man dieselbe Stelle nach Entfernung des warmen Luftstromes in derselben Weise abkühlt. Dasselbe Verhältniss kann man für die Wärmepunkte und für flächenhafte Wärmereize con- statiren. Sehr bequem lässt sich dies in folgender Weise machen: die beiden Brustwarzen sind gleichmässig und zwar hervorragend wärme- empfindlich. Kühlt man nun die eine derselben ab und applicirt dann denselben Wärmereiz erst auf diese, dann auf die andere so empfindet man ihn an letzterer wärmer. Eine weitere Bestätigung wird diese Erscheinung finden bei später mitzutheilenden Versuchen. Zugleich werden wir dort auf die Frage zurückkommen, ob die beregte Einwirkung nur starken Ab- kühlungen und Erwärmungen oder überhaupt jeder Veränderung der Eigen- temperatur zukommt. Die durch Temperaturveränderungen hervorgebrachte Herabsetzung der Erresbarkeit trifft beide Nervenarten in gleicher Weise. Dadurch treten dieselben trotz ihrer scheinbaren Unabhängigkeit von einander zu einseitigen Temperaturreizen in Beziehung und es wird, wie wir noch näher sehen ! A. Eulenburg giebt an, dass er bei Application von Eis Verminderungen des Raumsinnes sowie der elektrocutanen Sensibilität habe nachweisen können. Lehrbuch der Nervenkrankheiten. 1878, 2. Aufl. S. 84. — Grützner fand, als er den Einfluss der Temperaturveränderungen auf die Nerven studirte, dass Erwärmung und Abkühlung die Erregbarkeit und Leitungsfähigkeit derselben erheblich herabsetzt. Ueber verschie- dene Arten der Nervenerregung. ner Archiv u.s. w. Bd. XVII. z 33 ALFRED GOLDSCHEIDER: werden, etwas Aehnliches erreicht, als was wir sonst einer regulatorischen semeinsamen Einstellung beider zuschreiben würden. Ein Temperaturreiz von einer gewissen Stärke entfaltet also folgende, für neue heize bedeutungsvolle Eiuwirkungen auf die Temperaturnerven: 1) Er verändert die Temperatur der Haut und damit die Grösse der Wärmeaufnahme oder -abgabe gegenüber den späteren Reizen. 2) Er producirt in den gleichsinnigen Nerven einen Erresungszustand, welcher zugleich mit seiner eigenen Nachdauer die Reizempfänglichkeit der- selben herabsetzt. 3) Er verändert mit der Hauttemperatur überhaupt auch speciell diejenige des nervösen Apparates und setzt, wahrscheinlich in gleiehmässiger Weise, die Empfindlichkeit sowohl der gleichsinnigen wie ungleichsinnigen Nerven herab. Es ergiebt sich daraus, dass die ungleichsinnigen Nerven nur durch eine Ur- sache in ihrer Erregbarkeit abgestumpft werden, während für die gleichsinnigen mehrere sich compliciren. Es ist deshalb auch vorauszusetzen, wenn auch noch nicht streng bewiesen, dass Abkühlung stärker herabsetzend auf die Emplindlich- keit der Kältenerven als auf diejenige der Wärmenerven wirkt und umgekehrt. Kehren wir nun zurück zu dem Ausgangspunkte dieser Auseinander- setzungen, nämlich dem Weber’schen Versuch und seiner Erklärung, so würden wir die Frage, wie derselbe sich nach unserem System erklären lässt, dahin zu beantworten haben: die abgekühlte und nun jetzt im lang- samen Erwärmen durch Aufnahme von Blutwärme begriffene Stelle der Stirn empfindet deshalb Kälte, weil einmal der Erregungszustand ihrer Kältenerven noch andauert; ferner weil durch die Herabsetzung ihrer Eigen- temperatur die Reizempfänglichkeit der Wärmenerven derartig verändert ist, dass der relativ geringe Wärmereiz der Blutwärme, trotzdem die Differenz der Temperaturen durch die Abkühlung der Stelle vergrössert ist, nicht hinreicht, um eine Erregung zu produeiren. In dieser Weise erledigt sich der Hering’sche Einwand gegen die Weber’sche Theorie. Es ist nun noch nothwendig, die sogenannten „Con- trasterscheinungen‘“, mit welchen Hering seine Lehre von der Adaptation stützt, von dem Standpunkte der Kälte- und Wärmenerven aus einer Be- trachtung zu unterziehen. Hering! schildert folgende Contrasterscheinungen: „Man bringe eine Flüssigkeit, z. B. das Quecksilber Q auf diejenige Tem- peratur, bei welcher der eingetauchte Finger weder Kälte noch Wärme empfindet. Sodann tauche man denselben Finger in ein Quecksilber @/, welches kälter, z. B. auf Zimmertemperatur ist. Bringt man dann nach etwa 30 Secunden den Finger in das Quecksilber Q zurück, so empfindet man in diesem deutliche Wärme. 'Taucht man den Finger, statt in kühleres, in ein warmes Quecksilber NEUE THATSACHEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERVEN, 39 @, welches z. B. die Bluttemperatur hat, so erscheint nachher demselben Finger das Quecksilber @ deutlich kühl. Diese durch den Contrast ent- standenen Empfindungen der Wärme oder Kälte sind um so lebhafter, je länger man den Finger in dem Quecksilber @ oder @” liess und je mehr die Temperatur des letzteren von der Temperatur des Anfangs weder warm noch kalt erscheinenden @ecksilbers () abweicht. Taucht man die eine Hand in kaltes Wasser (6—10° 0), die andere gleichzeitig in heisses (40—45°) und bringt nach 20—30 Secunden beide Hände in Wasser von 25—27°, so empfindet die eme Hand das Wasser deutlich warm, die andere deutlich kalt.“ Wird in dem ersten Versuch der Finger in das kältere Quecksilber gebracht, so nimmt seine Eigentemperatur ab, zugleich verschiebt sich die Nullpunktstemperatur nach unten, der nervöse Apparat stellt sich auf das kalte Quecksilber ein, so wie er vorher auf die Luft eingestellt war oder auf das temperirte Quecksilber, welches weder warm noch kalt gefühlt wurde. In Folge dessen wird letzteres nachher warm gefühlt, weil seine Temperatur jetzt über der augenblicklichen Nullpunktstemperatur liegt. In analoger Weise erklären sich nach Hering die anderen Versuchsergebnisse. Da es nach den nunmehr bekannten Thatsachen feststehen muss, dass die beiden Qualitäten der Temperaturempfindung auf getrennte Nervenarten vertheilt sind, und wir in Folge hiervon und mit Benutzung anderer That- sachen zu dem Schlusse gekommen sind, dass die Weber’sche Ansicht die richtige sei, so verliert die Adaptation für uns ihre Existenzberechtigung. Denn die Contrasterscheinungen lassen sich nach Weber vollständig und ohne Adaptation erklären, wie Hering selbst andeutet, indem er sagt: „Gerade diese Contrasterscheinungen mochten Weber mit dazu bestimmen, den Act der Temperaturänderung als den wesentlichen Reiz für die Nerven des Temperatursinnes anzusehen.“ Denn wenn die im kalten Quecksilber abgekühlte Hand zurückkehrt in das Quecksilber, welches sie vorher zwar nicht als warm gefühlt hat, weil sie sich in der Luft befunden hatte, welches aber doch in der That wärmer ist als dasjenige, das sie soeben verlassen hat, so wird letzteres der Hand objeetiv Wärme zuführen, die abgekühlte Eigentemperatur der Hand muss steigen und dieses Steigen wird eben nach Weber als Wärme empfunden. Wenn so auf der einen Seite sich die Contrasterscheinungen ohne Adaptation erklären lassen, so hat andererseits die letztere für ein doppeltes System von Temperaturnerven überhaupt keine Pointe — wie Hering selbst auseinandersetzt. Denn er benutzt die Adaptation geradezu, um da- mit gegen die Möglichkeit eines doppelten Nervenapparates zu Felde zu ziehen. Er sagt:! Man müsste „annehmen, dass z. B. die eingetretene. AED. 28: 40 ALFRED (GOLDSCHEIDER: höhere Temperatur nicht blos ein Reiz für den Apparat der Wärmeempfin- dung sei, unter dessen Wirkung derselbe ermüde, sondern dass die höhere Temperatur zugleich die Erregbarkeit des Apparates der Kälteempfindung erhöhe. Und umgekehrt müsste eine Erniedrigung der Hauttemperatur nicht bloss den Apparat der Kälteempfindung erregen und weiterhin seine Erregbarkeit herabsetzen, sondern zugleich auch die Erregbarkeit des auderen Apparates erhöhen. Diese beiden Apparate müssten ferner in so genauer Harmonie arbeiten, dass, wenn der eine bei einer gegebenen Hauttemperatur nicht merklich erregt ist, sich auch der andere jedesmal genau ebenso ver- hält. Dem Nullpunkte der Empfindung müsste also immer in beiden Apparaten genau dieselbe Eigentemperatur entsprechen, und nie dürfte es vorkommen, dass die Erregbarkeitsverhältnisse beider Apparate sich ver- schöben und beide zugleich durch dieselbe Temperatur in merkliche Er- regung versetzt würden.“ Die von Hering hier angeführten Schwierigkeiten sind in der That vorhanden, wenn man die Temperaturempfindung abhängig macht von der jeweiligen Höhe der Eigentemperatur des nervösen Apparates.. Mit der Weber’schen Anschauung jedoch fallen diese gegen ein doppeltes Nerven- system gerichteten Argumente zusammen. Die Temperatur der Haut kann nur entweder constant bleiben oder steigen oder fallen; deshalb können bei einer Aenderung der Hauttemperatur nur entweder die Kältenerven oder die Wärmenerven gereizt werden, während bei einem Constantbleiben der Eigentemperatur eben weder die einen noch die anderen erregt werden können, ganz gleichgültig, wie hoch oder wie niedrig die Eigentemperatur ist. Die Schwierigkeit, dass dem Nullpunkt der Empfindung immer in beiden Apparaten genau dieselbe Eigentemperatur entsprechen müsste, fällt also fort, und ebenso kann es auch nicht vorkommen, dass „beide zugleich durch dieselbe Temperatur in merkliche Erregung versetzt würden.“ Das erste, dass „die höhere Temperatur zugleich die Erregbarkeit des Apparates der Kälteempfindung erhöhen“ müsse, erledigt sich aus der Weber’schen Theorie von selbst. So wenig also von unseren Gesichtspunkten aus diese Einwürfe gegen einen doppelten Nervenapparat stichhaltig erscheinen können, so sehr spre- chen sie gegen die Lehre von der Adaptation, sobald das doppelte Temperaturnervensystem nachgewiesen ist. Es dürfte kaum zweckmässig erscheinen, angesichts der Kälte- und Wärmenerven noch die Adaptation retten zu wollen. Diese Anschauung dürfte noch eine weitere Stütze erhalten durch folgende Versuche: Hält man einen Finger in Wasser von 40°C. und nach ca. 10 Secunden gleichzeitig mit dem entsprechenden der anderen Seite, der sich unterdessen in der Luft befunden hat, in Wasser von 15°C., so NEUE THATSACHEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERVEN. 41 fühlt der erwärmte Finger die Kälte schlechter. — Hält man einen Finger in Wasser von 15°C. und dann gleichzeitig mit dem der anderen Seite in warmes Wasser, so fühlt der abgekühlte Finger die Wärme schlechter. — Hält man einen Finger in kaltes Wasser von 15°C., den entsprechenden der anderen Seite in laues von 32°C. und nach ca. 10 Secunden beide in Wasser von ca. 40°C., so fühlt der im lauen Wasser gewesene Finger die Wärme besser als der abgekühlte. Es ist ohne Weiteres klar, dass sich nach Hering’s Adaptationslehre die Erscheinungen nicht erklären lassen. Vielmehr geht aus ihnen hervor, dass ein im normalen Temperaturgleichgewicht, d. h. innerhalb der ge- wohnten Eigentemperatur befindlicher Finger die Temperaturreize stärker wahrnimmt, als ein bis zu einer gewissen Grenze erwärmter .oder abge- kühlter Finger. Es scheint dies zunächst auch der vorher geltend gemachten Anschauung zu widersprechen, nach welcher die Temperaturempfindung lediglich von dem Act des Steigens oder Sinkens der Eigentemperatur der Haut abhängig ist. Jedoch löst sich dieser Widerspruch, wenn man sich erinnert, dass durch Abkühlung oder Erwärmung die Erregbarkeit beider Nervenarten herabgesetzt wird. Die zuletzt mitgetheilten Versuche bestä- tigen in der vollständigsten Weise diese Thatsache, sowie sie die bereits oben angeführten Versuche, aus welchen die Herabsetzung der Erregbarkeit durch Erwärmung und Abkühlung hervorging, ergänzen. Sie zeigen ferner, wie diese Herabsetzung der Erregbarkeit einen den Contrasterscheinungen entgegen gerichteten Effeet hat. Denn wenn diese darauf beruhten, dass eine abgekühlte Hautstelle eine vermehrte Wärmeempfindlichkeit, eine er- wärmte eine vermehrte Kälteempfindlichkeit besitzt, insofern erstere mehr geneigt ist, Wärme aufzunehmen, die zweite Wärme abzugeben, so wird durch die Herabsetzung der Erregbarkeit diese vermehrte Empfänglichkeit für den entgegengesetzten Temperaturreiz wieder vermindert. W-enn daher im Contrastversuch der abgekühlte Finger ein Medium warm fühlt, wel- ches vor der Abkühlung gar keine Temperaturempfindung bei ihm verur- sacht hatte — weil seine augenblickliche Eigentemperatur steigen muss —, so ist nach den zuletzt beschriebenen Versuchen anzunehmen, dass der abgekühlte Finger die vorhandene Wärmezufuhr zwar als warm, aber als schwächer warm fühlt, als ein Finger von normaler Eigentemperatur eben dieselbe Grösse der Wärmezufuhr wahrnehmen würde Wenn die abgekühlte Hand dasselbe Wasser als warm fühlt, welches die erhitzte als kalt wahrnimmt, so geschieht dies, weil ersterer Wärme zugeführt wird, wodurch die Wärmenerven, und weil letzterer Wärme entzogen wird, wo- durch die Kältenerven gereizt werden. Aber wenn derselbe Wärmezufluss, welcher hier auf die abgekühlte Hand wirkt, auf eine von normaler Tem- peratur wirken würde, so würde derselbe als wärmer wahrgenommen wer- 42 ALFRED GOLDSCHEIDER: den im Vergleich zu der hier statthabenden Wärmeempfindung; und wenn derselbe Wärmeabfluss, der hier sich auf die erhitzte Hand geltend macht, eine solche von normaler Temperatur treffen würde, so würde derselbe als kälter wahrgenommen werden im Vergleich zu der hier statthabenden Kälteempfindung. Dass dies nicht blos Vermuthung ist, sondern sich in der That so verhält, davon kann man sich durch einen einfachen Versuch überzeugen. Wenn man einen Finger in Wasser von 40°C. so lange taucht, bis dasselbe nicht mehr als erheblich warm empfunden wird, und dann in Wasser von 30°C. taucht, so entsteht zwar ein Gefühl der Kühle; dieses ist aber nicht annähernd so stark wie dasjenige, welches entsteht, wenn man den Finger nun von dem 30°C. warmen Wasser in solches von 20°C, bringt. Ebenso erscheint für den in 35°C. gewesenen Finger Wasser von 30°C. weniger kalt als für den im Wasser von 30°C. getauchten solches von 25°C. Da wir das 30°C. warme Wasser als ungefähr der Fingerhaut gleich temperirt ansehen können, so folgt daraus, dass ein gleicher Tem- peraturabstand von dem normal temperirten Finger stärker wahrgenommen wird als von dem erwärmten. — Der letzterwähnte Fall lässt übrigens schliessen, dass nicht blos bei starker Erhitzung die Herabsetzung der Er- regbarkeit Platz greift, sondern schon bei geringer Zunahme der Eigen- temperatur. Jedoch nimmt die Herabsetzung der Erregbarkeit jedenfalls nicht in demselben Verhältniss zu wie die Höhe der Temperatur. Viel- mehr scheint es, dass bei einer gewissen Grenze der Temperaturerhöhung die Herabsetzung der Erregbarkeit eine rapid zunehmende wird. Diese Grenze habe ich an meinen Fingern bei ca. 39°C. gefunden. Wenn ich den Finger in Wasser von 35°C. tauche und sodann in solches von 30° C,, so empfinde ich Kühle; diese wächst bei 36°, 37° bis 39°C. Dann jedoch, bei 40°, tritt eine ganz deutliche Verminderung des Kältegefühles ein, während doch die Differenz der Temperaturen gewachsen ist, und bald hört dann die Fähigkeit der Kälteempfindung ganz auf. Die entsprechende untere Grenze habe ich bei ca. 21°C. gefunden. Das Gesetz von der Herabsetzung der Erreebarkeit arbeitet demnach den Erscheinungen des Contrastes entgegen, welche ohne dasselbe grösser und augenfälliger sein würden. In der That sind sie nämlich ziemlich schwach und man kann sich nicht verhehlen, dass es zu erheblichen Unzuträg- lichkeiten führen würde, wenn sie stärker wären. Bei dem häufigen Wechsel der Aussentemperaturen, welchem unsere unbekleideten Körperstellen unter- liegen,"würde es unser Urtheil nicht wenig: verwirren, wenn die Contrasterschei- nungen in dem Hering’schen Sinne Statt hätten, d. h. wenn sich auf jede neue Aussentemperatur — wenn auch nur innerhalb einer gewissen Grenze — der Sinnesapparat so adaptirte, dass eine folgende Temperaturveränderung in voller Schärfe, wie auf den normal temperirten Apparat, auf ihn einwirkte, NEUE THATSACHEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERVEN. 43 Eine wesentliche Function unseres Temperatursinnes ist die Fähickeit der quantitativen Wahrnehmung von Reiztemperaturen und der Wahr- nehmung der Temperaturunterschiede. Nach der früheren Vorstellung von einem einfachen und gleichmässig verbreiteten Nervenapparat für Wärme und Kälte, konnte es sich bei dieser Function nur um quantitative Unter- schiede der Erregungsstärke handeln, die ebenso wahrgenommen wurden, wie auch bei anderen Sinnesnerven die Unterschiede in der Stärke des Erregungszustandes pereipirt werden. Nun ist jedoch oben bemerkt worden, dass die verschiedenen Temperaturpunkte mit einer verschiedenen, aber für jeden bestimmten Intensität der Empfindung und Reizbarkeit begabt sind. Es ist z. B. bezüglich der Kältepunkte auseinandergesetzt worden, dass es Kältepunkte gebe, welche auf einen gegebenen punktförmigen Reiz stark und schwächer reagiren, dass man mit einem schwachen Kältereiz nur einen Theil der Kältepunkte in Erregung versetzen kaun, mit einem stär- keren Reiz deren mehr, und dass sich dies bei den Wärmepunkten ebenso verhält. Es entsteht also auch die Frage, in welcher Weise sich die, kurz gesagt, verschieden intensiven Punkte an der Wahrnehmung eines be- stimmten Temperaturgrades betheiligen. Wenn ein gegebener flächenhafter Kältereiz eine gewisse Anzahl von Kältepunkten in einer gewissen Stärke erregt, so wird ein stärkerer flächenhafter Kältereiz nicht nur die frühere Anzahl stärker erregen, sondern ausserdem noch eine gewisse andere An- zahl von Punkten dazu erregen, deren Reizbarkeit unterhalb der Grenze des vorigen Kältereizes gelegen ist. Ob dieser Umstand, dass bei dem Wachsen des Temperaturreizes mehr Punkte in die Empfindung treten, für die Intensität der Temperaturempfindung und speciell für die Wahrneh- E mung des Temperaturgrades von Bedeutung ist, muss sehr zweifelhaft er- scheinen. Einerseits nämlich ist es noch sehr fraglich, im welchen Grenzen die Verschiedenheit der Reizschwelle der Temperaturpunkte sich überhaupt bewegt, d. h. ein wie grosses Steigen bez. Sinken der Eigentemperatur der Haut nöthig ist, um die unempfindlichsten Wärme- bez. Kältepunkte noch derart zu erregen, dass sie in die Wahrnehmung treten. Es ist möglich, dass diese Reizschwelle nur in sehr geringen Grenzen varürt, so dass sie schon aus diesem Grunde für die Mehrzahl der Temperaturreize nicht in das Gewicht fällt. Hierüber könnte nur eine genaue Untersuchung der zur Erregung der verschiedenen Punkte nothwendigen Reizstärke Aufschluss geben, welehe ich bis jetzt noch nicht angestellt habe. Andererseits ist es sehr wahrscheinlich, dass für die Stärke, mit welcher ein flächenhafter Temperaturreiz wahrgenommen wird, gar nicht die ganze Summe aller in ıım enthaltenen einzelnen Punktempfindungen in Betracht kommt, sondern dass vielmehr die intensiveren Punktempfindungen in den Vordergrund treten, während die schwächeren für den Totaleindruck wenig ausmachen, 44 ALFRED GOLDSCHEIDER: gleichgültig in welcher Anzahl sie vorhanden sind. Es spricht für dieses Verhalten der Umstand, dass von zwei gleich grossen Flächenstücken, von denen das eine sehr viele schwache, das andere nur einzelne intensive Kältepunkte enthält, das letztere einen Kältereiz jeder beliebigen Stärke stets viel stärker empfindet als das erstere. Es ist daher wohl anzunehmen, dass gegenüber den intensiven Punkten es nicht viel an der Totalempfin- dung ändern wird, ob eine geringere oder grössere Summe von schwachen Punktempfindungen ausserdem vorhanden ist, und dass folglich auch für das Wahrnehmen der Reizstärke, des Temperaturgrades, vorzugsweise der (rad der Erregung der intensiveren Nervenendigungen von Bedeutung ist. Es ist nothwendig, die Vorstellung über die verschieden starken Tem- peraturpunkte noch etwas zu klären. Das Verhältniss ist nämlich nicht etwa derartig, dass die Temperaturpunkte tonleiterartig auf bestimmte Eigentemperaturen abgestimmt sind. Vielmehr wird durch jedes Sinken der Hauttemperatur auf alle Kältenerven, durch jedes Steigen derselben auf alle Wärmenerven ein Reiz ausgeübt; bei einem Theil derselben muss jedoch die Erregung stärker sein, um als Kälte bez. Wärme pereipirt zu werden, als bei anderen. Und zwar muss sie deshalb stärker sein, weil dieselben mit einer schwächeren Empfindungsintensität begabt sind, welche bei einer zu schwachen Erreeung nicht Schwellenwerth gewinnt, um in das Bewusstsein zu treten. Die Momente, welche diese Auffassung unter- stützen, sind folgende: Einmal der Umstand, dass die Empfindung in der That auch bei stärkerer Erregung schwächer ist als bei den leichter reiz- ‚baren Punkten. Ferner, dass dieselben auch bei mechanischer und elek- trischer Erregung eine schwächere Empfindung geben. Endlich die Beob- achtung, dass, wenn die Erregbarkeit der Temperaturnerven durch Abküh- lung bis zur Temperaturanaesthesie herabgesetzt ist, diejenigen Punkte, welche vorher als die reizbarsten und intensivsten markirt waren, auch zuerst ihre Empfindlichkeit wiedergewinnen. Die Wahrnehmung des Temperaturgrades und das Erkennen der Tem- peraturunterschiede ist bekannter Weise am schärfsten in einer gewissen, um die normale Hauttemperatur herum gelegenen Grenze. Es erklärt sich dies wohl zur Genüge aus der Herabsetzung der Nervenerregbarkeit durch die Veränderungen der Eigentemperatur. Es lässt sich leicht einsehen, dass durch eben diese Herabsetzung der Erregbarkeit mit ihrer bekannten doppelten Herleitung, verbunden mit der Nachdauer des Erregungszustandes das Unterscheidungsvermögen für Temperaturunterschiede überhaupt ge- schwächt werden muss. Angenommen, die Erregung liefe momentan ab und der Nerv wäre im Stande, im nächsten Moment wieder einen neuen Reiz ungeschwächt aufzunehmen, so würde das quantitative Unterscheidungs- vermögen lediglich eine centrale Leistung sein; hier aber läuft der Erregungs- NEUE THuATsACHEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERVEN‘: 45 zustand allmählich ab und die Empfindlichkeit für neue Reize ist herab- gesetzt, und es müssen dadurch der centralen Fähigkeit des Unterscheidens Schwierigkeiten bereitet werden. Es erklärt sich vielleicht hieraus, dass in der That das Vermögen, Temperaturunterschiede zu erkennen, im Vergleich zu analogen Leistungen anderer Sinne wenig fein entwickelt ist. Die minutiöseste Leistung überhaupt ist das Unterscheiden der Temperatur- differenz von 0°2°C. Angesichts der mechanischen Erregbarkeit der Temperaturnerven muss man jetzt die Frage aufwerfen, wie sich die gewöhnliche flächenhafte Tem- peraturempfindung zu jener Eigenschaft verhält. Denn nicht nur, dass ein grosser Theil unserer Temperaturreize zugleich mit einem mechanischen Reiz verbunden ist, sondern die Haut, welche die mechanisch erregbaren Temperaturnerven enthält, erleidet ja auch vorzugsweise mechanische Reize, welche Temperaturreize zu gleicher Zeit, wenigstens im eigentlichen Sinne, nicht sind oder sein sollen. Sollten wir nun hier jedesmal Erregung der Temperaturnerven bekommen, so würde das Urtheil über wirkliche Tem- peraturreize getrübt werden. Andererseits dürfte wohl kaum ein Grund sein — da die mechanische Erregbarkeit der Temperaturnerven ausser Zweifel steht —, weshalb nicht auch ein flächenhafter mechanischer Reiz dieselben erregen sollte. Freilich kommt hier in Betracht, dass ein flächenhafter Druck doch nicht so geeignet ist, die in der Haut verlaufenden Temperaturnervenfasern zu erregen, als der punktförmige. Denn der letztere verschiebt den Punkt gegenüber seiner ruhenden Umgebung, während bei den flächenhaften die Umgebung jedes Punktes dieselbe Bewegung mitmacht wie der Punkt selbst; und auch die dabei erfolgende allgemeine Compression des Gewebes dürfte sich auf die Nervenfasern kaum in der Weise geltend machen, wie die isolirte Druckwirkung auf den einzelnen Nerven. Dessen ungeachtet ist es möglich, sich davon zu überzeugen, dass auch der flächenhafte Druck Temperaturempfindungen erzeugt. Man muss zur Ausübung des Druckes ein Object von sehr schlechtem Wärmeleitungsver- mögen benutzen, welches ausserdem die Gefühlsnerven nicht zu stark reizt. Ich kann nach meinen Erfahrungen kleine Pfropfen von nicht zu hartem Kork — welche man zum Gebrauch anstatt des Gummis in einen Per- cussionshammer einziehen kann — empfehlen. Lässt man diesen Kork- hammer leicht auf der Haut ruhen, so fühlt man nur Berührung, keine Temperatur; bei tieferem Eindrücken wandelt sich das Berührungsgefühl in ein sanftes Druckgefühl um, und nun treten mit zunehmendem Drucke deutliche Temperaturempfindungen auf, — meist punktförmige, aufblitzende Kälteempfindungen, seltener Wärmeempfindungen. An manchen Stellen, wo die eine oder andere Nervenart bedeutend vorherrscht, bekommt man 46 ÄLFRED GOLDSCHEIDER: auch flächenhafte kühle oder laue Gefühle. Bei tiefstem Eindruck wird dann nicht selten das Temperaturgefühl ein ganz bestimmt qualificirtes, entweder kaltes oder warmes, je nachdem Kälte- oder Wärmepunkte vor- herrschend sind. Zuweilen tritt während des tieferen Eindrückens ein Wettstreit der Temperaturqualitäten ein. Auch findet man, dass bei mässigem Drucke kühles, bei tiefem dann warmes Gefühl entsteht; umge- kehrt findet es sich zuweilen an Stellen, wo die Wärmepunkte vorherrschen, dass bei leichtem und mittlerem Drucke deutliches Wärmegefühl entsteht und erst bei tiefem einzelne Kältepunkte in die Empfindung treten. Viel- fach tritt erst bei tiefstem Drucke ein Temperaturgefühl auf und an manchen Stellen konnte ich überhaupt kein solches produciren. Dies ist besonders der Fall an den Regionen, welche vorzugsweise zum Tasten benutzt werden. Bei bleibendem Drucke hält die Temperaturempfindung eine Zeit lang an um dann abzunehmen. An besonders geeigneten Stellen hinterlässt sie eine Nachempfindung. Sehr deutlich ist das Kältegefühl beim Druck auf die Stirn. Am Nagelglied der Finger findet man volarwärts blosses Druck- gefühl, dorsalwärts deutliche Kälte. Drückt man den Kork leicht erwärmt gegen die Stirn, so kann man unter Umständen beobachten, wie das erste Wärmegefühl sehr bald einer deutlichen Kühle Platz macht, welche noch nach Entfernung des Druckes nachdauert, obwohl sich der abgenommene Kork noch warm anfühlt. An manchen für Wärmeempfindung besonders geeigneten Stellen ruft kaltes Metall beim tiefen Druck deutliches Wärme- gefühl hervor. Auch bei leichtem Beklopfen der Haut mit dem Korkhammer treten bestimmt qualificirte Temperaturgefühle auf, welche bei stärkerem Beklo- pfen dann deutlicher werden, — ebenfalls theils punktförmige, theils flächen- hafte Empfindungen. Es braucht wohl kaum gesagt zu werden, dass zur Erkennung dieser mechanisch produeirten Temperaturempfindungen ebenfalls eine gewisse Uebung und vielleicht mehr als zu den anderen bisher besprochenen Be- obachtungen nothwendig ist. Man wird die Reizung mittelst Kork viel- leicht häufige vergeblich machen, aber man wird sie zweifellos bestätigen können. Vor Allem ist es nöthig, dass man sich vorher in der Auffassung des mechanisch und elektrisch producirten punktförmigen Temperatur- gefühles genügend geübt habe, denn vorwiegend sind es auch hier punkt- förmige Temperaturempfindungen, welche entstehen. Zunächst möchte sich wohl der Versuch an der Stirn empfehlen. Gegen den Vorwurf einer Selbsttäuschung glaube ich mich dadurch genügend schützen zu können, dass ich auch hier mit Controle gearbeitet habe. Man findet nämlich, wenn man mit dem Korkhammer grössere Gebiete absucht, zuweilen Stellen — wie schon angedeutet —, welche ein hervorragendes Wärmegefühl, NEUE THATSACHEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERVEN. 47 andere, welche ein hervorragendes Kältegefühl erkennen lassen. Umzeich- nete ich solche Stellen und prüfte sie nachher mit dem adäquaten Reiz, d. h. mit dem kalten oder warmen Oylinder, so konnte ich mich über- zeugen, dass dieselben auch dann ein ganz besonderes intensives Wärme- oder Kälteeefühl gaben. Es ist daraus zugleich ersichtlich, dass man in der That durch den flächenhaften Druckreiz den Charakter einer Hautstelle in Bezug auf den Temperatursinn erkennen kann. Wenn wir nun nicht alltäglich diese Temperaturempfindungen bei Druckreizen haben, so liegt dies wohl zunächst daran, dass sie sich eben nieht ohne Weiteres der Auffassung präsentiren, sondern ziemlich schwierig und nur bei darauf concentrirter Aufmerksamkeit wahrzunehmen sind. Sie gehören zu den Empfindungen, welche, wie die Mouches volantes, vorhan- den sind, ohne dass wir uns ihrer für gewöhnlich bewusst werden. Auch sind sie neben der Druckemptindung zu schwach ausgeprägt, um besonders in das Gewicht zu fallen, namentlich da unsere Aufmerksamkeit auf die erstere gerichtet zu sein pfllest. Weiter kommt dazu, dass die alltäglichen Druckreize nach Art des Druckes und Objectmateriales nicht geeienet sind, die begleitende Erregung der Temperaturnerven zum Bewusstsein zu brin- gen. Ist der Gegenstand hart, der Druck schmerzhaft, zu-schnell wachsend, so gelingt es nicht. Ferner haben die drückenden Objecte gewöhnlich die Nebenwirkung, dass sie in merklicher Weise Wärme an die Haut abgeben oder der Haut entziehen und dadurch die Temperaturnerven reizen; die Folge davon ist, dass die etwa gleichzeitig vorhandene mechanische Er- resung der Temperaturnerven nicht zur Geltung kommt. Nachdem wir nun über den Reizvorgang Klarheit gewonnen haben, ' ist es nöthig, noch einmal auf das Verhältniss des Temperatursinns zur Lehre von den specifischen Energien zurückzukommen. Da wir nämlich jeden Erresungszustand der Kältenerven als Kälte, der Wärmenerven als Wärme auffassen, jene aber durch Sinken der Hautwärme, diese durch Steigen derselben erregt werden, so folgt daraus für unsere Auffassung der auf uns wirkenden Aussendinge, dass wir in unserer Empfindung und so- mit auch in unserem Gedächtniss und unserer Vorstellung alle diejenigen Öbjecte, welche der Haut Wärme entziehen, gleichsam mit der Marke „kalt“, diejenigen, welche derselben Wärme zuführen, mit der Marke „warm“ versehen. Erstere sind aber im Allgemeinen solche Objecte — ich glaube hierbei von dem Wärmeleitungsvermögen absehen zu dürfen —, welche niedriger als die augenblickliche Hauttemperatur temperirt sind, letztere solche, welche höher temperirt sind. Wir nennen also das, was unter unserer jedesmalisen Hauttemperatur gelegen ist, kalt; das, was über ihr gelesen ist, warm. Mit anderen Worten: Ausser uns und ausserhalb unseres . Sinmeslebens giebt es kein Kalt und kein Warm. Für die Materie ist die 48 ÄLFRED (GOLDSCHEIDER: Scheidung nicht vorhanden, welche wir mittelst unserer Hauttemperatur und weiterhin unseres doppelten Temperaturnervensystems vornehmen. Die Objecte, welche auf uns wirken, enthalten nur ein Mehr oder Weniger von physikalischer Wärme in sich, aber sie enthalten keine Kälte, keine Wärme in dem gegensätzlichen Sinne unserer Wahrnehmungen und Vorstellungen. — Freilich hat sich wohl, wer darüber nachgedacht hat, auch vor der Kenntniss der Kälte- und Wärmenerven schon gesagt, dass der Begriff Kälte und Wärme lediglich durch unsere Hauttemperatur in die Aussen- welt hineingetragen wird; jedoch nach der früheren Vorstellung von einem einfachen Nervenapparat, der das Sinken der Hauttemperatur als Kälte, das Steigen derselben als Wärme zum Bewusstsein brächte, war doch immerhin noch eine gewisse Verwandtschaft zwischen Kälteempfindung und Temperaturabnahme, Wärmeempfindung und Temperaturzunahme gelassen; wenn derselbe Nervenapparat auf seine Abkühlung mit der Empfinduns kalt und auf seine Erwärmung mit der Empfindung warm reagirt, so war damit doch gewissermaassen eine Art von innerem Zusammenhang zwischen der Empfindung kalt und Wärmeverlust, warm und Wärme- zunahme gegeben. Jetzt aber stellt sich das Verhältniss ganz anders. Mit dem Augen- blick, wo das Endorgan des Kältenerven seine durch die Abkühlung ge- setzte eigene Veränderung in einen Nervenreiz umsetzt, haben wir es nur mit einer centralwärts verlaufenden Nervenerregung zu thun, welche selbst mit dem Vorgange der Abkühlung oder mit physikalischer Wärme über- haupt nicht das Geringste zu thun hat. Ebenso beim Wärmenerven. Ob “ die Veranlassung zu diesem Erresungszustand eine Aenderung der physi- kalischen Wärme, eine Aenderung der Hautwärme gewesen ist, dies ist für den Erregungszustand selbst und erst recht für die centralwärts ausgelöste Empfindung völlig gleichgültig. Unser Gehirn signalisirt dem Bewusst- sein die Frregungszustände unter den sensorischen Unterschiedsmerkmalen kalt und warm; die Seele ist dadurch in den Stand gesetzt, die Er- reeungen der Temperaturnerven zu unterscheiden von solchen anderer Sinne, (des Seh-, Hörnerven u. s. w. und als etwas Besonderes für sich aufzufassen. Eine andere Beziehung als die der Seelenzeichen haben diese Empfin- dungsqualitäten kalt und warm nicht, und mit dem Wesen der physi- kalischen Wärme an sich stehen sie in keiner Art von Relation, ebenso wenig wie etwa die Farben mit der Anzahl der Aetheroscillationen. Ich könnte mir ebensogut vorstellen, dass wir die Abnahme der Hauttemperatur als blau, die Zunahme als roth wahrnähmen. Mit dem doppelten Leitungswege also, der sich in den Kälte- und Wärmenerven präsentirt, ist jede Verwandtschaft der Temperaturempfindungen mit den objectiven Temperaturen aufgehoben und jene lediglich als Lebensäusserungen centraler Ganglienzellen erkannt. ER EN BE Su NEUE THATSACHEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERVEN. 49 Erst mit dieser Darlegung gewinnen wir auch bei den Temperatur- nerven die ideale Höhe des Gesetzes von den specifischen lEinergien. Auch hier wieder schrumpft das bunte Leben und Empfinden, die behagliche Wärme, die fröstelnde Kälte zusammen zu einem Kaleidoskop der Täuschungen und es bleibt übrig die weder warme noch kalte, in Molecularbewerungen undulirende Materie. Es mag hier noch seine Stelle finden, dass ein Aggregiren dieser Qualitäten kalt und warm in der Fimpfindung zu neuen (Qualitäten, wie etwa bei Seh- und Hörnerv, nicht vorkommt; vielmehr scheint es, wie bei der elektrischen Erregung der Nervenstämme angedeutet wurde, dass die eine oder andere Qualität die Oberhand gewinnt, oder dass „Wettstreit“ eintritt. Hiermit dürfte Das, was sich bezüglich der Theorie des Temperatur- Sinnes aus meinen Beobachtungen ergiebt, erledigt sein. Das Gesammtbild des Temperatursinnes dürfte als abgeschlossen zu betrachten sein, erst nachdem die Verhältnisse desselben über die ganze Körperoberfläche hin eine Würdigung erfahren haben. Der Zweck des fol- genden topographischen Abschnittes ist es, dieser Forderung zu genügen. Zunächst mögen die Temperaturpunkte selbst einer topographischen Betrach- tung unterworfen werden. Topographie des Temperatursinnes. Im Allgemeinen überwiegen am ganzen Körper überall die Kälte- punkte. Nur wenn man sehr eng umerenzte Stellen herausnimmt, lässt sich an solchen bisweilen ein Ueberwiesen der Wärmepunkte nachweisen. Dies beruht dann darauf, dass gelegentlich in ein Ausstrahlungscentrum ein Ueberschuss von Wärmefasern eintritt. Eine merkliche oder auch nur ungefähre Gleichheit in der Anzahl beider Arten von Temperaturpunkten an einem grösseren Gebiete ist sehr selten. Ein Beispiel davon bietet das Nagelglied, namentlich in der unteren Hälfte. Das gewöhnliche, gewisser- maassen als normal zu betrachtende ist, dass die Kältepunkte einfach dichter stehen als die Wärmepunkte. Weiterhin nun giebt es Gebiete, welche Kälte- punkte in grosser Anzahl enthalten und der Wärmepunkte gänzlich er- mangeln — einseitig ausgebilder Temperatursinn —, oder wo die Wärmepunkte sehr vereinzelt, etwa nur an den Haarpunkten zu finden sind. Das Gleiche lässt sich von dem Wärmesinn nicht sagen; es kommen freilich auch Stellen vor, wo die Wärmepunkte ganz allein vertreten sind, allein dieselben sind so eng umgrenzt, dass es sich eben nur um die schon berührten Verhältnisse in einem oder mehreren Ausstrahlungssystemen handelt, nicht um den Charakter eines grösseren Gebietes. Die Verhält- Archiv f. A. u. Ph. 1835. Physio]. Abthlg. Suppl.-Bd. 4 50 ALFRED (OLDSCHEIDER: nisse in einem einzelnen herausgerissenen Rayon sind mehr zufällige, wäh- rend der Charakter eines grösseren Gebietes direct von dem localen Nerven- reichthum abhängt; es kann in einem nervenarmen Gebiete gelegentlich auch einmal ein ganzes Bündel von Fasern in ein einziges Ausstrahlungs- system treten. Es giebt also Gebiete, wo Kälte- und Wärmepunkte gleich- mässig vorhanden sind, es giebt solche, wo die ersteren vorherrschen, solche, wo dieselben allein vorhanden sind, aber selten solche, wo die Wärmepunkte vorherrschen und nie solche, wo dieselben allein vorhanden sind. Auch von den Gebieten, wo man von einer annähernd gleichmässigen Anzahl von Kälte- und Wärmepunkten sprechen kann, ist diese nur vor- handen, wenn man die auf den ganzen Umfang vertheilte Summe in das Auge fasst. Sucht man eine in’s Einzelne gehende Gleichmässigkeit, so wird man dieselbe. überhaupt nie finden. Denkt man sich das Gebiet etwa in eine Anzahl sehr kleiner Quadrate getheilt, so wird man niemals in einem derselben, oder vielleicht nur ganz zufällig, ein gleichmässiges Ver- hältniss der Punkte zu einander finden. Dass sich nicht selten in Lücken der Kältepunkte dichtere Massen von Wärmepunkten einschieben, wurde schon erwähnt; aber überhaupt schlagen ja die Ketten der Wärmepunkte vorwiegend eine andere Richtung ein als die der Kältepunkte. Man findet höchst selten einen von beiden Punktarten gleichmässig durchwirkten Faden oder eine derartige Gruppe, sondern die Ketten und Gruppen der einen setzen sich neben die der anderen. Fallen die Ketten zusammen, so ist fast stets die eine Punktart nur in vereinzelten Exemplaren darin vertreten. Eine sehr häufige Anordnung ist auch die, dass sich reine Kältepunktketten in reine Wärmepunktketten fortsetzen und so grössere und kleinere, des Temperatursinnes baare Stellen umschliessen. Im Einzelnen also nirgends ein gleichmässiges Zusammengehen, eine gleichmässige Vermischung der Punkte, sondern ein Nebeneinanderordnen mit dem Charakter der Selb- ständigkeit für jede Nervenart. Es ist gleichsam nirgends gemässigtes Klima, sondern Nord und Süd nebeneinander gestellt. Die Anordnung ist demnach auch nicht eine solche, dass sie den bewussten Zweck durchblieken liesse, jede Stelle der Haut möglichst kälte- und wärmeempfindlich zu machen — was dem Bedürfniss der Zweckmässigkeit entsprechen würde und.was man im Grunde genommen vordem als selbstverständlich voraus- gesetzt hat. Jetzt, nach der Kenntniss der Verbreitungsweise der Tem- peraturnerven, — insofern sich dieselben wenigstens auf der Hautoberfläche ablesen lässt — erscheint die von einander unabhängige Anordnung der Temperaturpunkte naturgemäss, das Schema der Zweckmässigkeit muss hier der Nothwendigkeit der Wachsthumsgesetze der Haut weichen. Die Hautsinnesfläche ist in Bezug auf den Temperatursinn überhaupt keine empfindliche Fläche als solche, sondern nur von einem empfind- - NEUB THATSACHEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERVEN. 51 lichen Netz durchzogen. Dieser Umstand hat zur Folge, dass kleine Flächen- reize in unmittelbarster Nachbarschaft eine sehr verschiedene Anzahl von Punkten treffen müssen und deshalb auch eine sehr verschiedene intensive Temperaturempfindung geben. Dies kann man als Methode benutzen, um die Temperatursinntopographie auf grösseren Gebieten zu studiren. Denn hierzu ist die Aufsuchung der Temperaturpunkte einerseit zu zeitraubend, ja überhaupt unmöglich, weil die Fehlerquellen eine undurchführbar lange Zeit beanspruchen; andererseits gewähren die Punkte bei grösseren Gebieten iı Bezug auf das, worauf es hier ankommt, eine unzureichende Ueber- sichtlichkeit. Es fragt sich nur, von welcher Grösse man die Reizfläche nehmen muss. Ist dieselbe zu gross, so werden fast immer Punkte mit- bedeckt und die gewöhnlichen kleineren punktfreien Räume entgehen völlig der Beobachtung. Ich habe die Fläche von 0.3—0°4°m Durchmesser am geeignetsen gefunden. Man muss sich darüber klar sein, worin der Unter- schied dieser Art von Untersuchung von der Aufsuchung der Punkte be- steht und wie das aufzufassen ist, was man hier findet. Man prüft mit der Reizfläche nicht die Anzahl der Temperaturpunkte, auch nicht den Verlauf der Temperaturnerven direct, sondern lediglich die Empfindlich- keit des Temperatursinnes. Befinden sich auf der Applicationsfläche gar keine Temperaturpunkte, so ist auch die Empfindlichkeit gleich Null; be- finden sich jedoch Punkte auf derselben, so können diese intensiv oder schwach empfindend sein, oder nur ein gewisser Theil intensiv; danach wird sich die Stärke der Temperaturempfindlichkeit bei Flächenapplication ver- schieden gestalten. Dabei wird dann eine Fläche mit wenigen, aber inten- siven. Punkten ein stärkeres Gefühl geben als eine andere mit mehr, aber schwachen Punkten. — Während die punktförmigen Reize uns die Ana- tomie der Temperatursinnesfläche lehrten, gewinnen wir durch die kleinen Flächenreize ein Bild davon, wie diese Sinnesfläche nun funetionirt, in welcher Weise sie durch die in ihr vertheilten Punkte gegen die gewöhnlichen Reize ausgerüstet und reactionsfähie gemacht wird. Es hat sich empfohlen in Bezug auf die Empfindlichkeit der Haut gegen kleine Reizflächen gewisse Classen oder Stufen zu unterscheiden. Wenn auch willkürlich, so ergeben sie sich doch gewissermaassen von selbst. Ich habe demzufolge die gereizten Flächen markirt als „stark, mittel- mässig, schwach empfindlich und unempfindlich.“ Noch mehr Kategorien zu unterscheiden hat deshalb keinen Zweck, weil es im Wesent- lichen hier darauf ankommt, die empfindlicheren Felder gegen die un- empfindlichen oder nahezu unempfindlichen abzugrenzen. Daraus ergiebt sich auch, dass als „schwach“ nur diejenigen Flächen bezeichnet wurden, _ auf denen das Temperaturgefühl nicht überhaupt geringgradig ist, sondern als solches eben nur noch zu erkennen ist. Die mittelmässigen Felder 4* 52 ALFRED GOLDSCHEIDER: sind diejenigen, auf denen ein wohlqualifieirtes ausgeprägtes Temperatur- gefühl zu produeiren ist, während die starken Felder eine hervorragend in- tensive Temperaturempfindung geben. Die Art der Bezeichnung wurde derartig gewählt, dass die starken Felder ausgetuscht, die mittleren schraffirt, die schwachen punktirt und die unempfindlichen freigelassen wurden. Die Herstellung geschah in der Weise, dass auf den bekleideten Körperstellen die Signaturen mit Bismarckbraun aufgetragen wurden. Die Aufnahme wurde je nach der Grösse des Gebietes in 10—30 Sitzungen, auch darüber, bewerkstelligt und dauerte bis zu 5 Tagen und darüber. Die Signaturen wurden wiederholt controllirt und zwar zum Theil bei abgewandten Augen von einer anderen Person. An den unbekleideten Körperstellen wurden die Aufnahmen im Verlaufe je eines halben Tages gemacht und gewöhnlich am nächsten Morgen noch einmal controllirt. — Erst bei wiederholter Con- trolle erlangen die Aufnahmen eine befriedigende Correctheit; es ist leicht einzusehen, dass bei der Absuchung der mit Punkten übersäten Sinnes- fläche in Bezug auf die scharfe Abgrenzung der Felder leicht Fehlerquellen entstehen können. Betrachtet man die solchergestalt gewonnenen topographischen Aufnahmen des Kälte- und Wärmesinnes,! so fällt das bunte Bild, welches die temperaturempfindlichen Felder darbieten, noch mehr auf als bei den Punktbildern. Es ist im Vergleich zu unseren früheren An- schauungen gewiss frappirend, einen derartigen landkartenähnlichen Wechsel innerhalb der Sinnesfläche zu sehen. Auffallend ist vor allen Dingen die Häufigkeit der anaesthetischen Stellen namentlich beim Wärmesinn. Sie sind theils klein, von rundlicher Form, theils mehr minder verbreitert. Die stark empfindlichen Felder setzen sich häufig gegen die anaesthetischen scharf ab; andererseits finden sich auch deutliche Uebergänge von einem anaesthetischen Gebiet bis zu einem stark empfindlichen. Fast überall stehen die wärmeempfindlichen Felder gegen die kälteempfindlichen an Zahl zurück, namentlich die stark empfindlichen. — Die Existenz der kleinen Lücken erklärt sich, wenn man sich des Umstandes erinnert, dass die Ketten der Punkte vielfach rundlich-längliche Felder umschliessen. Neben diesen Lücken finden sich nun auch andere, namentlich beim Wärmesinn, von solcher Ausdehnung, dass man sie nur als derartige auffassen kann, welche der Innervation gänzlich entbehren. Während also die kleineren Lücken durch den divergirenden Verlauf der Nervenfasern veranlasst sind, d.h. durch den Typus der Anordnung als solchen, sind es die grossen durch einen wirklichen Mangel an Nerven. Hat man eine topographische Aufnahme des Kältesinnes auf die Haut ! Vergl. hierzu die Abbildungen 16—20. N“ NEUE THATSACHEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERVEN. 53 aufgezeichnet und prüft dieselbe nun mit Wärmereizen, so findet man, «dass vielfach in Lücken oder schwachen Feldern des ersteren starkes Wärme- gefühl vorhanden ist; andererseits aber auch auf mittelmässig und stark empfindlichen Kältefeldern solches sich vorlindet. Sehr häufig jedoch er- weisen sich die Kältesinnlücken auch für Wärmereize unempfindlich. Man kann sich dieses Verhältniss in der deutlichsten Weise vor Augen führen wenn man von demselben (Gebiete erst eine Aufnahme der einen, dann der anderen Qualität des Temperatursinnes abzeichnet und diese beiden Zeich- nungen dann miteinander vergleicht. Ich habe dies für meine Unter- suchungen immer in der Weise gemacht, dass ich die Zeichnungen, welche ja von vornherein auf durchsichtiges Papier gebracht werden, durch Auf- einanderdecken verglich. Man kann es, ohne Deckung, wenn auch un- bequemer, auch durch Abmessung der Entfernungen oder dursh Einthei- lung in kleinere Abschnitte thun; endlich habe ich auch die Vergleichung im Stereoskop für ausführbar befunden. Man ersieht, wenn man eine solche directe Vergleichung der Kältesinn- und Wärmesinntopographie anstellt, dass ein Theil der Lücken der einen Qualität durch Felder der anderen bedeckt werden; dass ein anderer Theil derselben jedoch beiden Quantitäten gemeinsam ist; endlich kommt es vor, dass eine Lücke der einen Qualität wohl theilweise durch ein Feld der anderen ausgefüllt wird, dass aber ein mehr minder grosser Rest derselben stehen bleibt und also beiden gemein- schaftlich angehört. Während also für die erste Betrachtung die Kältesinntopographie eines Gebietes mit der Wärmesinntopographie desselben gar keine Aehnlichkeit zu haben scheint — ebensowenig wie sie die Punktbilder haben— ergiebt sich hei näherer Vergleichung doch vielfach eine Uebereinstimmung in der Anlage. Denn für etwas Zufälliges kann das Zusammenfallen, oft sehr kleiner Lücken nicht gehalten werden. Dazu kommt nun noch das Ver- halten des Temperatursinnes in dem Umkreis der Lücken. In der Um- gebung dieser gemeinsamen Lücken finden sich nämlich meist von jeder Qualität stark empfindliche Felder und zwar so, dass dieselben für jede Qualität bestimmte Abschnitte einnehmen, während der Rest des Ringes durch schwächere Felder geschlossen wird oder auch offen bleibt. Diese stark empfindlichen Abschnitte nun fallen für die beiden Qualitäten nur zum geringen Theile zusammen; vorwiegend vielmehr sind sie getrennt, liegen von der Lücke aus gesehen nach verschiedenen Richtungen. Hin und wieder findet sich auch eine solche Lücke ganz von stark empfindlichen Feldern einer Qualität, namentlich des Kältesinnes, umgeben. Wir finden in diesem gewissermaassen complementären Verhältniss Das bestätigt, was früher über das Zusammentreten von Kältepunktketten mit Wärmepunkt- ketten zu rundlichen Figuren, welche leere Räume umschliessen, gesagt 54 ALFRED GOLDSCHEIDER. war. Diese sich ergänzenden temperaturempfindlichen Ringe entsprechen also den in einanderlaufenden Punktketten. Betrachtetet man diese topographischen Bilder, ohne sich der Anoril- nung der Punkte zu erinnern, so kann man noch auf eine andere Ver- muthung geführt werden. Diese Lücken nämlich mit den sie umgebenden, sich ergänzenden Ringen machen den Eindruck, als ob die Lücke dem Eintritt eines Nervenstammes in die Haut entspricht, dessen Fasern nun nach allen Richtungen des Umkreises auseinandertreten und zwar derartig, dass die Kältefasern und Wärmefasern nach verschiedenen Richtungen divergiren, — etwa wie die Fasern des Sehnerven von der Papille aus. Ich selbst habe in meiner ersten Publication über diesen Gegenstand gelegent- lich der Anordnung der Punkte eine solche Anschauung vertreten und gemeint, dass der Typus der Anordnung ein areolärer sei, indem von dem centralwärts gelegenen Nervenstämmchen aus die Fasern, wie ein platt- sedrückter Pinsel, nach der Peripherie ausstrahlten. Diese Anschauung ist jedoch unrichtie; die rundlichen Figuren stellen keine Einheit dar, sondern gehören verschiedenen Ausstrahlungsrayons an. Nimmt man von solchen Stellen des topographischen Bildes, welche den netzhauthaltigen Bau vortäuschen, die einzelnen Temperaturpunkte auf, so zeigt sich, dass die letzteren nicht etwa von der Lücke aus divergiren, sondern eben von den bestimmten Ausstrahlungscentren in der früher beschriebenen Weise. Dennoch scheint es, als ob einzelnen von den Lücken doch diese Bedeutung zukomme, dass sie nämlich den Eintritt von Nervenstäm- men bezeichnen. Nicht nur, dass sich zuweilen bei den Punktbildern Ausstrahlungscentren finden, welche selbst keine Punkte enthalten, sondern es zeigen auch manche anästhetischen Lücken der topographischen Auf- nahme, wenn man das Punktbild damit vergleicht, eine Divergenz der Punktketten von der Lücke aus. Es scheinen nach dieser Darlegung demnach die in die Temperatur- sinnesfläche eingestreuten Lücken eine dreifach verschiedene Bedeutung zu haben. Die Mehrzahl sind als eigentliche Lücken der Sinnesfläche nicht zu bezeichnen, denn sie entsprechen den regulären rundlichen Inter- stitien zwischen den Punktketten, welche durch die Anordnung der End- organe naturgemäss bedingt sind; sie imponiren uns nur insofern als Lücken, als wir gewöhnt sind, die unberechtigte Anforderung zu stellen, dass die Haut in ihrer ganzen Fläche temperaturempfindlich sein soll. Ein Theil aber sind wirkliche Lücken in der Sinnesfläche; von diesen entspricht wieder eine Anzahl den Eintrittsstellen grösserer Temperaturnervenstämme in die Haut, während ein anderer Theil durch die Interstitien zwischen verschiedenen Innervationsgebieten bedingt ist. Da der Anordnungstypus der Temperaturpunkte überall derselbe ist NEUE THATSACHEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERVEN. 55 und die Häufigkeit der Punkte sich nicht immer mit ihrer Empfindlichkeit deekt, — wie schon hervorgehoben wurde —, so folgt daraus, dass für das topographische Studium des Temperatursinns am ganzen Körper die Prüfung desselben mittelst kleiner Reizflächen genügend ist und die Auf- nahme der Punkte von jedem Körpertheile entbehrt werden kann. Ja, wir würden mittelst Punktbilder, welchen doch aus oben erörterten Grün- den gewisse räumliche Grenzen gesetzt sind, nicht einmal eine richtige Vorstellung über die topographische Verbreitung des Temperatursinns be- kommen. Es zeigt sich nämlich bei der Untersuchung mit kleinen und grösseren Reizflächen, dass auch innerhalb einer Körperregion topographische Unterschiede in grossem Maassstabe vorhanden sind, noch weit ausgedehn- terer Art, als eben erörtert wurde. Die Ausbildung des Temperatursinnes ist nämlich überall abhängig von dem localen Nervenreichthum. Man kanı fast überall constatiren, dass dort, wo die bekannten, anatomisch be- nannten Hautnerven in die Haut eintreten und sich in derselben zu ver- breiten beginnen, eine lebhaftere Entwickelung des Temperatursinnes Platz greift und nach den Grenzen ihrer Verbreitungsbezirke hin abnimmt, um in den Interstitien zwischen den verschiedenen Innervationsterritorien einer fast völligen Temperaturanaesthesie zu weichen. Es kann deshalb von einem und demselben Körpertheile ein herausgegriffener, selbst grösserer Bezirk sehr wenige, ein anderer sehr viele Temperaturpunkte zeigen — namentlich bei Wärmepunkten ist dies sogar etwas sehr Gewöhnliches. Es ist deshalb für topographische Untersuchungen durchaus nothwendig, nicht einfach bloss die Körpertheile, sondern die Innervationsterritorien der Be- trachtung zu unterziehen — ein Umstand, der mir bis jetzt nicht genügend beachtet worden zu sein scheint und auf den ich übrigens noch zurück- kommen werde. Es empfiehlt sich überhaupt, wenn man Temperaturpunkte, sleichviel zu welchem Zweck, aufsuchen will, vorerst durch Flächenreize möglichst empfindliche Partien auszuwählen, und es möchte dieser Wink speciell für den Fall, dass die Untersuchung der Temperaturpunkte eine klinische Verwerthung gewänne, beachtenswerth sein. Wenn man das topographische Verhalten der Temperaturpunkte in der Weise prüft, dass man Flächenaufnahmen herstellt und von markanten Partien derselben nun Punktbilder aufnimmt, so ergeben sich dabei gewisse topographische Verschiedenheiten, welche folgendermaassen zusammengefasst werden können: Die Kältepunkte stehen an den Kälte empfindlicheren Körperstellen im Grossen und Ganzen auch dichter, in den empfindlichsten am dichtesten. An letzteren finden sich nicht selten derartig dichte Gruppen von Kältepunkten, dass es mittelst des adäquaten Reizes unmöglich er- scheint, dieselben von einander zu sondern, auch wenn man mit der Loupe arbeitet. Jeder Punkt eines solchen Flächenstückes erscheint in gleichem 56 ALFRED GOLDSCHEIDER: Maasse kälteempfindlich. In diesen Anhäufungen ist auch demgemäss ein Ausstrahlungstypus nicht zu erkennen. An den schwach Kälte empfind- lichen Körpertheilen sind auch sehr wenig Kältepunkte vorhanden, und es giebt grosse Gebiete, wo sich nur an den Haaren Kältepunkte finden. Dies ist das Gegenstück zu dem vorigen in Bezug auf den Ausstrahlungstypus, welcher sich hier auf die centralen Punkte redueirt hat. In gleicher Weise zeigen sich auch die Wärmepunkte an den Wärme empfindlichsten Theilen am dichtesten, während sie sich an den schwach Wärme empfindlichen auf die Haarpunkte redueiren und oft auf grossen Strecken nur in dieser Vertheilung zu finden sind. Jedoch stehen die Wärmepunkte nie in unauflösbar dichten Gruppen, sie erreichen nie auch nur annähernd eine derartige Dichtigkeit, wie sie bei Kältepunkten etwas sehr Gewöhnliches ist. — Ausser in ihrer Häufigkeit unterliegen die Tem- peraturpunkte wesentlichen topographischen Verschiedenheiten in Bezug auf ihre Reizbarkeit und auf die Intensität ihrer Empfindung — Dinge, welche, wie wir gesehen haben, Hand in Hand gehen. An den Kälte empfindlichsten Theilen sind demnach die Kältepunkte nicht blos im Allgemeinen dichter, sondern in der Mehrzahl von viel grösserer Intensität der Empfindung. Es giebt Körpertheile, wo diese so gesteigert ist, dass die Reizung eines einzelnen Kältepunktes mit dem blosen Messingeylinder ein höchst unangenehm kaltes Gefühl erzeugt. Als den stärksten Grad der Kälteempfindlichkeit möchte ich übrigens denjenigen bezeichnen, wo das Kältegefühl einen brennenden Charakter hat; daran reihen sich dann die Hautstellen, wo, auch bei einfachem Metallreiz, ein nasskaltes Ge- fühl entsteht; das einfach kalte Gefühl entspricht schon einer viel gerin- geren Empfindlichkeit. Die Dichtigkeitsverhältnisse der Temperaturpunkte zeigen übrigens, dass bei der allbekannten so verschiedenen Temperaturempfindlichkeit der verschiedenen Körpertheile nicht lediglich ihre Gewöhnung in Betracht kommt — wie dies meist angenommen zu werden pflegt —, sondern dass diese Verschiedenheiten durch den Nervenapparat anatomisch begründet sind. Sehr auffallend ist die Abnahme der Temperaturpunkte, sowohl nach Zahl wie nach Intensität, an denjenigen Hautstellen, welche vorzugsweise dem Tastsinn dienen, wie besonders den Fingerbeeren (vgl. Abbildung), den Hohlhandwülsten an den Metacarpo-Phalangealgelenken, dem Daumen- und Kleinfingerballen. Die Abbildungen 5—12 zeigen das Verhalten der Tem- peraturpunkte an verschiedenen Körperregionen. Auf den durch kleine Reizflächen gewonnenen topographischen Auf- nahmen sind in nächster Nachbarschaft die verschiedensten Abstufungen der Temperaturempfindlichkeit neben einander geordnet. Dieselbe Wärme- quelle wird dicht bei einander verschieden warın, dieselbe Kältequelle ver- \ NEUE THATSACHEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERVEN. 57 schieden kalt gefühlt. Man muss sich angesichts dieser Verhältnisse fragen, wie es überhaupt möglich sei, ein bestimmtes Urtheil über den T’emperätur- grad eines Objects zu bekommen. Denn es erscheint wohl als möglich, sich auf die Empfindlichkeit verschiedener Körperregionen empirisch einzu- üben, aber als unmöglich, die Empfindlichkeit jedes kleinsten Bezirkes dem Gedächtniss einzuverleiben. Es ist wohl in diesem Umstande der Grund ‚dafür zu suchen, dass wir zur Messung von Temperaturen eine grössere Fläche zu benutzen pflegen. Wird ein grösseres Gebiet annähernd gleich- zeitig von demselben Temperaturreiz getroffen, so kommt die Summe aller dort producirten Temperaturempfindungen zum Bewusstsein, d. h. die Summe aller dort befindlichen intensiveren Kälte- oder Wärmefelder, während die schwachen ‘Stellen nicht in Betracht kommen und die unempfindlichen nicht stören. Da nun die topographischen Aufnahmen überall eine ähn- liche Veranlagung des Temperatursinnes, überall einen ähnlichen Wechsel von starken, schwachen und unempfindlichen Feldern zeigen, so müsste es bei einem grossen Flächenreiz ganz gleichgültig sein, welche Körperregion er trifft. Hierüber giebt nun der Umstand Aufklärung, dass sich an den verschiedenen Körpertheilen die Empfindungsintensität der Temperaturpunkte selbst in grossem Maassstabe verschieden verhält. Demgemäss sind auch die topographischen Aufnahmen mit kleinen Reizflächen nur auf die Empfind- liehkeitsscala der betreffenden Hautregion berechnet und hergestellt, nicht auf die Scala des ganzen Körpers. Ein Feld, welches am Vorderarn als ein intensivstes Kältefeld bezeichnet wird, würde nicht auch am Ober- schenkel denselben Rang einnehmen; eine Stelle, die am Vorderarm als ein intensivstes Wärmefeld imponirt, würde am Unterleib nicht als solches gelten können. Man wird es hiernach als nothwendig anerkennen, die- jenige Temperaturempfindlichkeit, welche eine beliebige Hautstelle im Ver- gleich zu den nächstbenachbarten besitzt, zu unterscheiden von derjenigen, welche einem Organtheil, einem mehr oder minder ausgedehnten, aber anatomisch irgendwie bestimmten Hautbezirke als gemeinsamer Charakter anhaftet, und ich halte es für zweckmässig, jene als die locale, diese als die regionäre Temperaturempfindlichkeit zu bezeichnen. Die Unterschiede der localen Empfindlichkeit demgemäss werden durch die Grösse der Fläche überbrückt, selbst aber ist der Flächenreiz und demgemäss die Flächen- empfindung den Unterschieden der regionären Empfindlichkeit unter- worfen. | Die Dicke der leitenden Epidermis wurde bisher noch nicht in Betracht gezogen. E. H. Weber hat ihr für die Temperaturempfindlichkeit eine grosse Bedeutung beigemessen.! Er führt z. B. an, dass beim Eintauchen ı E. H. Weber, Der Tastsinn und das Gemeingefühl. S. 552. 58 ÄLFRED GOLDSCHEIDER: der Hand in kaltes Wasser zuerst am Handrücken Kälteempfindung ein- trete, dann, während diese nachlasse, nach 8 Secunden an der Volarfläche der Hand ein wachsendes Kältegefühl sich einstellt. Diese Erscheinung, welche ich bestätigen kann, möchte ich ebenfalls auf die Diekenunterschiede der Epidermis beziehen, wobei ich bezüglich des Nachlassens der Kälte- empfindung am Handrücken noch besonders den Umstand hervorheben möchte, dass an den mit dünnerer Epidermis versehenen Stellen schneller eine Abkühlung der Nerven selbst und damit eine Herabsetzung der Er- reebarkeit eintreten werde. Jedoch dürfte die Dicke der Epidermis im All- gemeinen nicht von zu grossem Einflusse sein. Weber selbst macht schon auf die an eng benachbarten Stellen oft sehr verschiedene Temperatur- empfindlichkeit aufmerksam. Die oben dargestellten Verschiedenheiten der localen Temperaturempfindlichkeit lassen sich offenbar nicht durch den Leitungswiderstand erklären. Die Wirkung des grösseren Leitungswider- standes wird hauptsächlich — besonders bei Anwendung von Metall für den Kältereiz — darin bestehen, dass die Temperaturempfindung später eintritt. Ferner deuten die verschiedene Häufigkeit der Temperaturpunkte und die unzweifelhafte Localisation- des intensivsten Temperaturgefühles an den Endausbreitungen der Nervenstämme darauf hin, dass das Haupt- moment in der Innervation zu suchen ist, und zwar nicht blos für die locale, sondern auch für die regionäre Temperaturempfindlichkeit. Zudem entsprachen die regionären Diekenunterschiede der Epidermis nicht überall denjenigen der Temperaturempfindlichkeit.e An den Augenlidern zwar, welche sich durch Temperaturempfindlichkeit auszeichnen, ist die Epidermis sehr dünn, allein ebenso am Penis, wo die Temperaturempfindlichkeit sehr gering ist. Am Rücken ist sie dicker als an der Vorderseite des Kumpfes, an der Streckseite der Glieder dicker als an der Beugefläche — Unter- schiede, welche für die Temperaturempfindlichkeit im Allgemeinen nicht ebenso vorhanden sind. Bezüglich der Frage, ob die Temperaturempfindlichkeit sich auf beiden Körperhälften topographisch eleich verhalte, habe ich mehrfach topogra- phische Aufnahmen gleichliesender Bezirke beider Hälften gemacht. Es hat sich dabei ergeben, dass die Bilder auf beiden Seiten verschieden aus- sehen. Hin und wieder scheint es, als ob eine Art von complementärem Verhalten bestände, als ob den Lücken der einen Seite Intensitätsfelder der anderen Seite entsprechen. An anderen Stellen jedoch ist dies wieder nicht der Fall, so dass eine derartige Regel entschieden nicht aufgestellt werden kann, diese Vorkommnisse vielmehr als Zufälligkeiten zu deuten sind, wie sie bei dem doch überall ähnlichen Anordnungstypus der Punkte nicht Wunder nehmen können. Es scheint jedoch, dass, wenn auch die Ver- theilung der Nervenfasern beiderseits eine verschiedene, so doch die Summe NEUE THATSACHEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERVEN. 59 ungefähr gleich ist und «dass-ebenso das Verhältniss von Kälte- zu Wärme- nerven auf beiden Seiten ein etwa entsprechendes ist. Auf einzelne beson- dere Differenzen werden wir noch zurückkommen. Es ist auch dem ent- ‚sprechend im Allgemeinen die regionäre Empfindlichkeit beiderseits gleich. In Uebereinstimmung hiermit steht es, dass auch die Punktbilder entspre- ‚ ehender begrenzter Stellen beider Seiten nicht übereinstimmen; es wurden zu den vergleichenden Untersuchungen der Punkte die Rückenfläche der Nagelphalanx, der Fingergelenke und ähnliche genau bestimmbare Stellen _ benutzt. | Zur Untersuchung der regionären Empfindlichkeit wählt man besser eine grössere Fläche, als sie zur Untersuchung der localen verwendet wurde. Ich habe die Grundfläche eines Oylinders benutzt, welcher 1 ©" Dieken- durchmesser hat. Diese Reizfläche wird, indem man den Cylinder sanft ' aufsetzt und nach dem Abheben fortschreitend immer neben die alte Stelle ‚setzt, über die betreffende Region hinbewegt. Es kommt dabei für die Beurtheilung der Temperaturempfindlichkeit ‚sehr zu Statten, wenn man dieselbe jederzeit mit bestimmten fixen Wer- then vergleichen kann. Als solche präsentirt sich naturgemäss die Tem- ' peraturempfindlichkeit derjenigen Körperstellen, welche das Maximum von ‚ Temperaturempfindlichkeit am ganzen Körper besitzen. Wir werden dem- nach eine Kälteempfindune vergleichen mit derjenigen Kälteempfindung, welche uns auf denselben Reiz hin einer der Kälte empfindlichsten Theile / des ganzen Körpers giebt, und entsprechend eine Wärmeempfindung. Wir , werden dadurch in die Lage gesetzt, einer jeden Region eine ungefähre ‚Stelle in Bezug auf ihren Temperatursinn zuzuweisen. Nebenbei hat dies Verfahren den Vortheil, dass sich der Umstand des Nichteonstantbleibens ‚ des Temperaturreizes weniger störend geltend macht. Eine eigentliche Scala ' der regionären Temperaturempfindlichkeit aufzustellen, erscheint mir nicht durchführbar, weil die Verhältnisse auch innerhalb der anatomisch be- ‚ stimmten Körperabschnitte zu mannisfaltis sind. Eher wäre es möglich \ eine solche Scala zu construiren, wenn man sich lediglich an die Inner- , vationsterritorien hielte; man würde dann ohne Zweifel’nachweisen können, ‚ dass gewisse Hautnervenstämme mehr Temperaturnerven führen als gewisse ‚ andere. Es sei hier nur bemerkt, dass sich mir als die Temperatur empfind- ‚ lichsten Theile Brustwarze und Augenlid und am wenigsten Temperatur ' empfindlich die Kopfhaut erwiesen haben. Jedoch möchte es von einigem Interesse sein, eine kurze Notiz darüber zu geben, welche Entwickelung der Temperatursinnesapparat in den ein- zelnen Körperresionen gefunden hat, namentlich mit Rücksicht auf das gegenseitige Verhältniss von Kälte- zu Wärmesinn. Die im Folgenden ge- machten Angaben sind der Untersuchung am eigenen Körper entnommen 60 ALFRED GOLDSCHEIDER: und die von besonderer Wichtigkeit erscheinenden bei anderen Personen verglichen worden. Kältesinn. Wärmesinn. Kopfhaut. Im Ganzen wenig entwickelt. Ueberhaupt nur an wenigen ı Mässig in den Gebieten des N. fron- | Stellen und zwar den Gebieten der talis, Auriculo-Temporalis, Ocei- | nebenstehenden Nerven vorhanden, pitalis major. Stirn. Intensiv, besonders an den seit- Mässig, an den seitlichen Partien lichen Partien. besser. Augenlider. Sehr intensiv. Sehr intensiv. Wange. In ihrem mittleren Theil mässig. Im Allgemeinen wie Kältesinn. . Nach dem Unterkiefer und dem | Mitte der Wange mässig; nach Ohr zu ziemlich intensiv, ebenso | hinten, unten und dem Mundwinkel in der Fossa canina, nach dem | zu stärker, noch mehr nach dem Mundwinkel und dem Auge zu. Auge zu und in der Fossa canina, Jochbogen (beimir)rechtsschwach, Auch die Wärmeempfindlichkeit links mässig. Ebenso ist der mitt- | ist (bei mir) in der Wangenmitte | lere Wangentheil (bei mir) rechts | und am Jochbogen linkerseits stär- schwächer als links. ker als rechts. Schläfe. Ziemlich intensiv, oberer Theil Rechterseits (bei mir) untere | mehr wie unterer. Behaarte Schläfe | Hälfte mässig, obere stark wärme- mässig. empfindlich. Linkerseits die untere Hälfte stärker als die entsprechenderechts, obere Hälfte jedoch schwächer. [ I Nase. Ziemlich imtensiv,aberschwächer | Nasenrücken-und Flügelschwach, als die angrenzenden Partien. | jedoch der linke Flügel stärker als Mittellinie am schwächsten. Beide | der rechte. Der abfallende Theil Nasenflügel gleichmässig. des Nasenrückens intensiv. Ohrmuschel. Sehr mässig, nach dem Gehör- Im Allgemeinen schwach. Hin- gang zu intensiv. tere Fläche des Ohrläppchens und oberer Theil der kahnförmigen Haube stärker. Ebenso nach dem Gehörgang zu. Lippe. Rother Lippensaum mässig, üb- Rother Lippensaum schwach. rige Lippenhaut stark. Haut der Unterlippe mässig. Haut der Oberlippe schwächer. Kinn. Ziemlich intensiv, nach den Mund- Mässig, nach den Mundwinkeln winkeln zu noch stärker. zu intensiv. Hals. Vorn in der Mittellinie schwach, Ebenso wie Kältesinn. seitlich mässig, nach hinten zu intensiver. Brust. Sternum mässig. Sonst meist Sternum schwach. Mamillar- intensiv. Mamillargegend sehr in- | gegend sehrintensiv. Sonst mässig, tensiv. schwächer als am Bauch. I r | E Bauch. | ] I —— Rücken. NEUE THATSACHEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERVEN. Kältesinn. Sehr intensiv, besonders nach den Leistengegenden zu. Umbilical- gegend schwächer. Ueberall sehr intensiv. HFossa supraspinata schwächer. Mittlerer, dem Rückgrat entsprechender Theil ebenfalls schwächer. Ziemlich intensiv, medianwärts 61 Wärmesinn. Ebenso wie Kältesinn. Umbili- calgegend nahezu anaestethisch. Grösstentheils ziemlich intensiv. Dem hückgrat entsprechend schwächer. Ebenso wie Kältesinn. Kniescheibe. | | Gesäss. am stärksten. Oberarm. Sehr intensiv, Achselhöhle nur Mässig, an manchen Gebieten mässig. intensiv, relativ am stärksten an der äusseren Fläche. Achselhöhle schwach. Unterarm. In der Nähe des Ellbogengelenks In der Nähe des Ellbogens ziem- sehr intensiv, nach der Hand zu | lich intensiv; ebenfalls nach der abnehmend. Haut über dem Ole- | Hand zu abnehmend. Beuge- und eranon fast anaesthetisch. Streckfläche schwächer als Radial- und Ulnarfläche. Haut über dem Oleeranon anaesthetisch. Hand. Am Handrücken die hintere In allen Stücken entsprechend Hälfte bedeutend schwächer als | dem Kältesinn. die vordere, und zwar am Radial- und Ulnarrande wieder etwas stär- ker als in der rein dorsalen Fläche. In der vorderen Hälfte in den Spatiis interosseis intensiver als auf den Knochen. Fingerrücken schwächer als Handrücken, die Kälteempfindlichkeit nimmt nach dem Nagelglied zu progressiv ab. Dorsalläche der Gelenke sehr schwach. Handteller mässig, sonst fast überall an der Volarflächeschwach. Daumenballen stärker als Klein- fingerballen. Volarfläche der Na- gelglieder am schwächsten, II. Phalanx stärker, I. Phalanx zu- weilen wieder schwächer; in der Regel ist die Volarfläche der Phalangen centralwärts empfind- licher als nach der Peripherie. ı Oberschenkel. Vordere und innere Fläche sehr Vordere und innere Fläche intensiv, bis auf die Interstitien | streckenweise mässig, meist zwischen den Nerventerritorien. | schwach. Aeussere und hintere Aeussere und hintere Flächemässig, | Fläche schwächer, besonders äusse- äussere jedoch nach der Hüfte zu re. An der hinteren Seite verein- intensiv. zelte mässige Felder. Mässig. Fast anaesthetisch. 62 ALFRED GOLDSCHEIDER: TEE | Kältesinn. Wärmesinn. Unterschenkel. Im Allgemeinen intensiv. An Im Allgemeinen schwach. Ein- der Wade etwas stärker als an | zelne mässige Partien, besonde der vorderen und äusseren Fläche | nach oben zu. Merkbarer Unter- schied zwischen Wade und ande- ren Flächen nicht vorhanden. Fuss. Fussrücken im mittleren Theil Mittlerer Theil schwach, nach mässig, jedoch nach dem äusseren | vorn und rach dem Fussgelenk zu und inneren Fussrande zu stärker. | etwas stärker, ebenso an äusseren Nach dem Fussgelenk zu intensiv; | Fussrande. ebenso nach den Zehen zu, und zwar besonders in den Spatiis interosseis. An der Rückentläche 1 des Nagel-und Mittelgliedes mässige Zehen schwach, mit demselben Empfindlichkeit, erstes Glied stär- | Unterschiede wie beim Kältesinn, ker. Grosse Zehe schwächer als die vier anderen. Sohlenfläche ziemlich intensiv, Mittlerer Theil der Sohlenfläche besonders nach dem inneren Fuss- | mässig, sonst ebenso wie beim rande zu. Vorderer Theil und | Kältesinn. Ferse schwach. An der Plantar- fläche der Zehen schwach, erstes Glied stärker als Mittel-und Nagel- glied. Schleim- häute. Auge. Der Kältesinn dehnt sich an der äusseren Fläche der Augenlider bis an die Cilien aus, am stärksten am äusseren und inneren Winkel, sowie an der Caruneula lacrimalis. Mit dem Beginne der Conjunctiva hört er auf. Ehenso wie beim Kältesinn. Nasenhöhle. An der Nasenscheidewand geht die Kälteempfindlichkeit 1-3emhoch (bei mir); vorn 1:Oem hoch. Auf den anderen Seiten scheint sie mit Beginn der Schleimhaut aufzuhören. Nur an der äusseren Fläche vor- handen. ——e Mundhöhle. Unterlippe. Oberlippe. Unteres Zahn- fleisch. Innere Fläche der Unterlippe kälteempfindlich bis auf die mitt- lere Partie, am stärksten nach den Mundwinkeln zu. An der Um- schlagsstelle gegen das Zahnfleisch hört der Kältesinn auf. Stärker kälteempfindlich als Un- terlippe. Nuran den zwischen den Zähnen befindlichen Dreiecken vorhanden. Am linken ersten Backenzahn und rechten Augenzahn auch der un- tere Theil des Zahnfleisches kälte- empfindlich. Die hintere Fläche desZahnfleisches ebenfalls nach dem oberen Rande zu kälteempfindlich. Nnr nach den Mundwinkeln zu, jedoch äusserstschwach, entwickelt Ebenso wie Unterlippe. Keine Wärmeem Bänden z vor handen. | | ‚noch die erstere an Ausdehnung und Stärke übertrifft. NEUE THATSACHEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERVEN. 63 Kältesinn. Wärmesinn. Oberes Zahn- Nicht kälteempfindlich, bis auf Keine Wärmeempfindliehkeit vor- fleisch. den dem beiderseitigen Augenzahn | handen. entsprechenden Theil des Zahn- fleisches. Hintere Fläche kälte- empfindlich. Backen- Kälteempfindlichkeit vorhanden, Sehr schwach entwickelter Wär- N oonbant, welche nach hinten zu abnimmt. | mesinn. ' Boden der Sehr schwach entwickelter Kälte- Keine Wärmeempfindlichkeit vor- Mundhöhle. sinn, handen. Zunge. Untere Fläche und besonders Aeusserst schwach und undeut- Spitze stark. Rückenfläche lich. schwächer, nach hinten zu wieder etwas zunehmend. Gaumen. Mitte mässig, nach beiden Seiten | Wärmeempfindlichkeit nicht vor- ziemlich intensiv. Nach hinten zu | handen. schwächer; schliesslich kommt ein | unbestimmtes Gefühl zu Stande. Zu einer allgemein gültigen Feststellung der Temperatursinns-Topo- - graphie würde eine viel grössere Anzahl vergleichender Prüfungen an anderen Personen nothwendig sein. Jedoch habe ich die hauptsächlichsten _ Unterschiede bis jetzt überall bestätigt gefunden. Die von mir angestellten ' Prüfungen genügen aber vollständig, um einigen allgemeinen Sätzen als Schlussfolgerungen Raum zu geben. Es hat sich nämlich zunächst ergeben — was früher schon angedeutet wurde —, dass der Wärmesinn überall intensiv und extensiv ge- Es giebt keine Region, wo Dies Verhält- Je höher rtinger angelegt ist als der Kältesinn. der Wärmesinn stärker entwickelt wäre als der Kältesinn. niss gilt sowohl für bekleidete wie für unbekleidete Hauttheile. ‚in einer Resion die Wärmeempfindlichkeit entwickelt ist, desto höher auch die Kälteempfindlichkeit, und zwar in dem Sinne, dass letztere dabei immer Jedoch gilt dieser ' Satz nicht auch umgekehrt, denn es giebt Regionen, wo die Kälteempfind- ‚liehkeit eine ziemlich ausgebildete ist, während die Wärmeempfindlichkeit ‚ sehr schwach ist oder ganz fehlt. Bei einem mässig entwickelten Wärme- sinn wird man schon immer einen ziemlich starken Kältesinn, bei einem stark entwickelten Wärmesinn einen höchst intensiven Kältesinn finden. Wenn wir nun fragen, wodurch die regionären Unterschiede der Tem- _ peraturempfindlichkeit bedingt seien, so deuten die Erscheinungen darauf, ' dass hierbei das wesentlichste Moment der unmittelbare Nervenreichthum "selbst, die Innervation mit Kältenerven und Wärmenerven, ist. ‚ Dies wird nämlich dadurch bewiesen, dass — wie bereits kurz angedeutet ‚ worden ist — überall die räumliche Ausbreitung sowohl, wie die Abstu- 64 ALFRED GOLDSCHEIDER: fungen der Intensität der Temperaturempfindlichkeit innerhalb einer Körper- region in directer Abhängigkeit sich zeigt von der anatomischen Verbrei- tung der Hautnerven. Im. Kleinen sehen wir dies an den Verhältnissen des Hand- und Fussrückens. Diejenigen Theile der Hautfläche, welche den Zwischenknochenräumen entsprechen, sind hier sowohl wie da ungleich empfindlicher gegen Kälte- und Wärmereize als die den Phalangen ent- sprechenden Theile; es dürfte aber kaum ein Zweifel sein, dass die erst- genannten Hautabschnitte reicher an sensiblen Nerven sind als letztere. Dasselbe kann man an der Brust nachweisen, wo die über der Mittellinie der Rippen gelegenen Hauttheile deutlich an Temperaturempfindlichkeit hinter den angrenzenden Intercostalräumen zurückstehen. So zeigt die Haut über dem Olecranon, über dem Processus styloideus radü, über dem äusseren und inneren Malleolus eine bedeutend geringere Temperatur- empfindlichkeit als die nächste Umgebung, welche an Gefässen und Nerven reicher ist als die dicht auf den Knochen lagernden Theile. Aber auch m grossem Maassstabe lässt sich der behauptete Zusammenhang erweisen. Vortrefflich zeiet ihn die Haut der Kopfschwarte, wo das Temperaturgefühl genau an die Endausbreitungen des N. auriculo-temporalis, N. frontalis und N. oceipitalis major sich hält. Wenn man mit einem flächenhaften Tem- peraturreiz, etwa der Grundfläche des Messingeylinders, die Kopfhaut ab- schreitet, wird man sich mit Leichtigkeit hiervon überzeugen. Ich habe sowohl Leute mit starkem Haarwuchs wie Kahlköpfige hierauf geprüft und bei beiden Kategorien dasselbe gefunden. Ganz besonders deutlich geht dies Verhältniss hervor, wenn man Wärmereize anwendet, weil der extensiv beschränktere Wärmesinn eine schärfere Sonderung der anatomischen Rayons gestattet als der Kältesinn. — Im Gesicht ist die markanteste Partie für den Temperatursinn, namentlich den Wärmesinn, diejenige Gegend, welche die reiche Endverästelung des N. infraorbitalis, den soge- nannten Pes anserinus minor, in sich aufnimmt. — Auch am Halse kann man die Beziehungen des Temperatursinns, namentlich des Wärmesinns, zu den Territorien der Hautnerven erweisen. An der Brust ist das Zuneh- men der Kälte- und Wärmeempfindlichkeit an den Eintrittsstellen der Nn. cutanei pectoris anteriores sehr deutlich. — An der vorderen Fläche des Oberschenkels grenzen sich die Gebiete des N. cutaneus femor. ant. ext., des N. cutan. femor. med., des N. cutan. femor. int. und auch des N. ileo- inguinalis bei Prüfung mit flächenhaften Temperaturreizen von einander ab.! — Am Unterschenkel sind die zwischen den Bezirken des N. cutan. femor. poster., N. cutan. surae. int., ext., medius, N. suralis und N. saphen. major befindlichen Innervationslücken für den Temperatursinn genau nach- 2 Veersl. Tarav, Bic-alau22: NEUE THATSACHEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERVEN. 65 weisbar. — Am Fussrücken ist der mittlere Theil, wo die Nervenstämme verlaufen, am wenigsten temperaturempfindlich, während nach vorn, wo die Eindausbreitung dieser Stämme beginnt, sowie nach dem Gelenk zu, wohin die Endigungen des N. saphenus maj., des N. cutan. surae ext. et med. noch reichen, die Empfindlichkeit eine beträchtliche ist. — Auch am Vorder- arm endlich kann man die Nerventerritorien als temperaturempfindliche "Gebiete mit genügender Deutlichkeit von einander sondern. Die Abhängiekeit des Temperatursinnes von den anatomischen Ver- breitungsbezirken der sensiblen Nerven erklärt es auch, dass derselbe in der vorderen und hinteren Commissur des Körpers besonders gering aus- gebildet ist. E. H. Weber hat auf diese Erscheinung zuerst aufmerksam gemacht, ohne sie zu erklären. Er sagt:! „Die Haut der mittleren, beide Seitenhälften scheidenden Ebene des Gesichts, der Brust, des Bauches und des Rückens ist mit einer geringeren Empfindlichkeit für Temperaturver- änderungen ausgestattet als die Theile, welche mehr seitwärts liegen.“ Es liest ja nun in der Natur der Sache und wird durch die anatomischen Verhältnisse durchaus bestätigt, dass das bilateral angelegte Nervensystem - gerade die Region der Commissuren am stiefmütterlichsten versorgt. Wie sich im Kleinsten gezeigt hat, dass nur der Punkt der Haut temperaturempfindlich ist, welcher eine Endigung eines Temperaturnerven enthält, so hat es sich auch jetzt im Grossen erwiesen, dass nur dort Temperaturreize wahrgenommen werden, wo ‘sich ein Temperaturnerven führender sensibler Nervenstamm in der Haut ausbreitet. — Man kann dabei an manchen Nerventerritorien auch sehr deutlich die Wahrnehmung machen, dass die räumliche Ausdehnung eines solchen verschiedene Ab- stufungen der Ausbildung des Temperatursinns zeigt und dass speciell nach den Grenzen desselben eine Abnahme der Temperaturempfindlichkeit her- vortritt. Das Verhältniss des Wärmesinns zum Kältesinn nun ist in den einzelnen. Nerventerritorien ein entsprechendes wie am ganzen Körper über- haupt, insofern derselbe niemals eine dem Kältesinn gleiche räumliche Aus- dehnung zeigt. Die kälteempfindlichen Fasern eines Nervenstammes_ be- decken stets einen grösseren Flächenraum als die wärmeempfindlichen. Wie sollte man dies anders erklären, als dass die letzteren in erheblich geringerer Anzahl überhaupt vorhanden sind? Ich kann mir bei dieser Gelegenheit die Bemerkung nicht ersparen, dass dieses Handinhandgehen des Temperatursinns mit der Nervenanatomie, verbunden ausserdem mit dem Nachweis des gesonderten Kälte- und Wärmesinns, wohl auch der Aufmerksamkeit der Neuropathologen werth sein möchte und der klinischen Prüfung des Temperatursinns mehr Exact- ı Der Tastsinn und das Gemeingefühl. S. 555. Archiv f. A. u. Ph. 1885. Physiol. Abthlg. Suppl.-Bd. 5 66 ALFRED (GOLDSCHEIDER: heit verleihen und dadurch zugleich mehr Liebe erwecken dürfte, als sie bisher besessen hat. Was kann nun, nachdem die Verhältnisse innerhalb einer Region auseinandergesetzt sind, näher liegen, als die Annahme, dass auch die regio- nären Unterschiede der Temperaturempfindlichkeit in der Hauptsache auf der verschiedenen Menge der Temperaturnerven beruhen? Es erfährt diese Annahme eine bedeutende Stütze dadurch, dass an den temperaturempfind- lichen Regionen sich auch mehr Temperaturpunkte, d. h. Temperaturnerven- endigungen finden — sowie die auf unsere topographischen Beobachtungen hin aufgestellte Behauptung, dass es in jedem Bezirk weniger Wärme- als Kältenerven gebe, darin ihre Stütze findet, dass es in der That im All- semeinen fast überall weniger Wärme- als Kältepunkte giebt. Es scheint aus dem Verhältniss zur topographischen Schmerzempfind- lichkeit,! dass der Reichthum an Temperaturnerven im Allgemeinen Hand in Hand gehe mit dem Nervenreichthum überhaupt; jedoch ist ein ge- wisses reciprokes Verhältniss zu denjenigen Nerven, welche dem Druck- und Ortssinn dienen, ersichtlich. Von zwei Hautstellen, welche gleich viel sensible Nerven enthalten, wird diejenige, welche mehr Tastnerven besitzt, weniger Temperaturnerven haben. Hand, Zunge sind ausserordentlich wenig temperaturempfindlich im Vergleich zu gewissen anderen Regionen. An den Extremitäten nimmt der Temperatursinn im Allgemeinen nach dem humpf hin zu, während die Tastempfindlichkeit nach der Peripherie hin wächst. Nun sprechen vielfache Erfahrungen dafür, dass-der Gewöhnung bei der Temperaturempfindlichkeit eine erhebliche Bedeutung zukommt. Unsere Körpertheile sind in verschiedenem Grade an den Wechsel der Tempera- "turen gewöhnt und wir können die Gewöhnung derselben verändern. Es braucht wohl nur an das Barfussgehen, die Gewöhnung an mangelnde Kopfbedeckung, an blossen Hals, an offene Brust, an nackte Kniee erinnert zu werden. Man wird vielleicht schon die Bemerkung gemacht haben, dass dem Unterschiede zwischen bekleideten und unbekleideten Körpertheilen in Bezug namentlich auf Kältereize zu wenige Rechnung getragen worden sei. Die Reizschwelle für Kältereize liegt an den bekleideten Theilen natur- eemäss höher; hält man die Hand an die blosse Brust, so hat man an letzterer ein kühles Gefühl. Ein und derselbe Kältereiz bewirkt auf einer bekleideten Körperstelle eine stärkere Abkühlung in der Zeiteinheit und damit stärkere Reizung der Kältenerven. Man muss daher, wenn man die Kälteempfindlichkeit mit derjenigen der unbekleideten Theile vergleicht, von der Intensität der Empfindung einen gewissen Theil abziehen, welcher ! Vergl. Gefühlssinn. NEUE THATsAcHEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERVEN. 67 der höheren Reizschwelle entspricht. Das Verhältniss des Wärmesinns zum Kältesinn ist demnach an den bekleideten Theilen ein etwas anderes als an den unbekleideten. Der Abstand nämlich zwischen der Kälteempfind- liehkeit und der Wärmeempfindlichkeit an einer und derselben Stelle ist an den bekleideten Theilen im Allgemeinen grösser als an den unbeklei- deten. Angenommen, eine bekleidete und eine unbekleidete Hautstelle ‚ hätten gleich viel Kälte- und Wärmenerven, so wird die bekleidete bei gleicher Wärmeempfindlichkeit eine grössere Kälteempfindlichkeit besitzen; ja es wäre möglich, dass sie auch bei einer geringeren Anzahl von Kälte- und demzufolge auch Wärmenerven noch eine grössere Kälteempfindlichkeit besässe als die unbekleidete und dabei eine geringere Wärmeempfindlich- keit. Dazu muss nun noch beitragen, dass die Reizschwelle für den Wärme- sinn an den unbekleideten Theilen tiefer liest. Jedoch kommt letzteres Verhältniss für die Beobachtungen, auf welche sich die obigen topographi- schen Angaben stützen weniger in Betracht, weil dabei nicht die Wärme- empfindlichkeit an sich, sondern die Fähigkeit einer Hautstelle, überhaupt ein gesättigtes ausgeprägtes Wärmegefühl zu empfinden, und sei es erst bei Reizstärken, die an die Schmerzgrenze stiessen, in’s Auge gefasst wurde. Eine erhebliche Kälteempfindlichkeit mit schwacher Wärmeempfindlichkeit kann daher bei bedeckten Körpertheilen kaum auffallen. Ist die Wärme- empfindlichkeit intensiv, so muss nothwendig die Kälteempfindlichkeit äusserst intensiv sein. Ist eine bekleidete Körperstelle schwach .kälteempfindlich, so muss eine bedeutende Nervenarmuth vorliegen und ist eine Wärme- empfindlichkeit überhaupt kaum zu erwarten. Die Vergleichung von Fuss und Hand bietet ein Beispiel für das eben Gesagte. Es ist wohl kaum zweifelhaft, dass der Fuss-oder genauer die Fussoberfläche nervenärmer ist als die Handoberfläche. Dennoch ist er vielfach stärker kälteempfindlich; aber er ist weit schwächer wärmeempfindlich als die Hand. Wenn demnach der Gewöhnung der bekleideten Theile an eine höhere Hauttemperatur ein gewisser Einfluss allerdings beizumessen ist, so dürfte dieser jedoch nicht so beträchtlich sein, wie es scheint. Keineswegs kommt die scheinbar viel erheblichere Kälteempfindlichkeit der bekleideten Theile lediglich auf diesen Umstand. Von den Theilen, welche wir für gewöhnlich unbedeckt tragen, zeigt die Hand schon deshalb eine geringere Kälteempfind- lichkeit, weil sie mehr Tastfasern enthält. Das Gesicht dagegen ist vielfach derartig kälteempfindlich, dass es den bedeckten Theilen nichts nachgiebt. Auch hält die stärkere Kälteempfindlichkeit mancher bekleideten Theile bei Entblössung länger an als dies bei einer direeten Abhängigkeit von der Eigentemperatur der Stelle der Fall sein dürfte. Nimmt man endlich hin- zu, dass gerade von den bedeckten Körpertheilen viele eine ausserordentlich grosse Menge von Kältepunkten enthalten, so möchte es gerechtfertigt er- 5* 68 ALFRED GOLDSCHEIDER: scheinen, den Einfluss der Reizschwelle als einen sehr geringfügigen und den Nervenreichthum als das Hauptmoment zu bezeichnen. Wird ein sonst bekleideter Theil angefangen dauernd entblösst getragen zu werden, so wird die Eigentemperatur desselben auf einen niedrigeren (rad eingestellt, und es ist wohl anzunehmen, dass dabei nicht eine dauernde Kältereizung statt haben wird, sondern dass hier in der That eine Art Adaptation des Temperaturnervenapparates an den veränderten Nullpunkt mit der Zeit eintreten wird. Jedoch möchte ich auch hierbei wieder der Veränderung der Reizschwelle keinen allzu grossen Einfluss beimessen. Hauptsächlich nämlich spielt wohl dabei der Umstand eine Rolle, dass das Sensorium daran gewöhnt wird, nun diese Stelle kalt zu empfinden. Zwei gleich starke Sinnesempfindungen können ohne Zweifel sehr verschiedene psychische Bewegungen hervorrufen und es kommt unter anderem auch dabei das Moment des Ungewohnten oder Gewohnten in Frage. An einem Körpertheil, welcher Kältereizen sehr selten ausgesetzt ist, wird eine Kälte- empfindung caet. par. einen viel stärkeren Eindruck auf das Sensorium machen als eine gleichstarke — in ihrem sinnlichen Inhalt — Empfindung an einem Körpertheile, welcher oft Gelegenheit hat, sie an sich produecirt zu sehen. Quantitative Unterschiedsempfindlichkeit. Eine wesentliche Funetion des Temperatursinns besteht darin, die Stärke der Temperaturreize zu unterscheiden. Es fragt sich nun, einmal, ob diese Fähigkeit ebenfalls topographische Unterschiede zeigt, und weiter, ob dieselben entsprechend sind den vorher angeführten topographi- schen Verschiedenheiten in der Ausbildung des Temperatursinns. Eulenburg! hat neuerdings die Unterschiedsempfindlichkeit des Kälte- und Wärmesinns topographisch eingehender geprüft. Es haben sich in der That nicht nur ziemlich weitgehende Verschiedenheiten derselben — von 0.2—1-.1° & — gefunden, was ja auch früher schon festgestellt worden ist, sondern vor Allem auch, dass das Unterscheidungsvermögen durchaus nicht der absoluten Empfindlichkeit und Empfindungsstärke parallel geht. So werden an der Mammillargegend mit dem Kältesinn nur 0-8°, mit dem Wärmesinn 0-6° unterschieden, dagegen an der Volarfläche des Nagelgliedes mit ersterem 0-2—0-3°, mit letzterem 0-.4°%, — während doch die Inten- sität sowohl der Kälte- wie der Wärmeempfindlichkeit dort eine ungleich viel grössere ist, als an der Nagelphalanx, wo ja auch. die Temperaturpunkte ' Zur Temperatursinnsmessung. Monatshefte für praktische Dermatologie. 1885. Nr. 1. Zur Methodik der Sensibilitätsprüfungen, besonders der Temperatursinns- prüfung. Zeitschrift für klinische Mediein. Bd. IX. Hit. 2. NEUE THATSACHEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERVEN. 69 in geringer Zahl vorhanden sind. Ich erkläre mir die Angaben der von Eulenburg aufgestellten Tabelle in folgender Weise: Das eine Moment für die Unterschiedsempfindlichkeit giebt in der That die regionäre Stärke der Temperaturempfindung, also der Reichthum am Temperaturnerven ab. Das andere und hauptsächliche jedoch ist in der regionären Uebung zu suchen, — und zwar der Uebung in doppelter Beziehung: einmal insofern ‚als die bekleideten Körpertheile durchgehends ein gröberes Unterscheidungs- vermögen zeigen als die unbekleideten; und zweitens, insofern ein gewisser Parallalismus mit dem taetilen Ortssinn unverkennbar ist. Während die absolute Temperaturempfindlichkeit im Allgemeinen von der Peripherie nach dem Rumpf hin zunimmt, wächst die Unterschiedsempfindlichkeit gegen die Peripherie, sowie der Ortssinn. An den oberen Extremitäten ist dies nach der Eulenburg’schen Tabelle ziemlich deutlich. Das gröbere Unter- scheidungsvermögen der bekleideten Theile erklärt sich dadurch, dass die- selben viel seltener dem Wechsel der Aussentemperaturen ausgesetzt sind, als die unbekleideten und deshalb ungeübter sind, die Nuancen dieses Wechsels aufzufassen. Es spielt hierbei vielleicht noch eine Rolle, dass bei Untersuchung an bekleideten Körpertheilen schon durch die Entblössung allein eine Herabsetzung der Erregbarkeit hervorgerufen wird. Das Moment der functionellen Verknüpfung mit dem Tastsinn ist so mächtig, dass es Theile, welche einen weit geringeren Reichthum an Temperaturnerven be- sitzen als gewisse andere, obwohl die Unterschiedsempfindlichkeit eben auch von der Innervationsgrösse abhängt, doch zu einer höheren Unterschieds- empfindlichkeit befähigt. So möchte es sich erklären, dass die Unterschieds- empfindlichkeit vom Rumpf zu den Fingerspitzen zunimmt, während andrer- seits Stirn und andere Gesichtstheile, welche dieselbe in einer den Fingern entsprechenden Schärfe besitzen, durch Reichthum an Nerven Das ersetzen, was die Finger voraushaben durch Uebung, und vor dem Rumpf sich aus- zeichnen, weil sie durch ihre Nacktheit dem Wechsel der Temperaturen ausgesetzt sind. An den unteren Extremitäten ist das eben entwickelte Verhältniss weniger deutlich zu ersehen, was sich wohl theils daraus erklärt, dass dieselben in toto bekleidet sind und theils daraus, dass der Fuss relativ noch weniger Temperaturnerven zu enthalten scheint als die Hand. Jedoch, wenn die Unterschiedsempfindlichkeit am Fuss auch nicht unter 0-5° her- untergeht und an den Zehen sogar nur 0-6—0.7° beträgt, entsprechend den Werthen vom mittleren und unteren Theil des Oberschenkels, so er- scheinen diese Werthe doch noch hoch, wenn man die am Fuss im Vergleich zum Oberschenkel viel geringere absolute Empfindlichkeit für Temperaturen in Rechnung zieht; es ist deshalb auch hier das Moment der gemeinsamen regionären Ausbildung mit dem Tastsinn zu erkennen. Dieser Zusammenhang scheint durch die functionelle Verknüpfung 70 ALFRED GOLDSCHEIDER: bedingt. Man sollte zwar meinen, dass quantitative Temperaturunterschiede mit den örtlichen nichts zu thun haben, dass vielmehr hier das Unter- scheidungsvermögen für Druckunterschiede in Betracht kommen muss. Dieses zeigt nun bekanntlich ebenfalls topographische Abstufungen, welche an diejenigen des Ortssinnes sich anlehnen, wenn sie auch nicht so aus- gesprochen sind wie bei dem letzteren (Vgl. E.H. Weber).! Es lässt sich daher wohl vermuthen, mit Berücksichtigung der getrennten Centralisation der den verschiedenen Körpertheilen angehörenden Nerven, dass diejenigen Gehirntheile, welche für den Tast- und Drucksinn ein feineres Unter- scheidungsvermögen erworben haben, dies ebenso auch für den Temperatur- sinn besitzen. Temperaturortssinn, An die quantitative Unterschiedsempfindlichkeit schliesst sich natur- gemäss die Frage nach den Ortsunterscheidenden Fähigkeiten des Temperatursinnes an. Ueber den Wärmeortssinn hat Kauber? Unter- suchungen gemacht und eine kurze Mittheilung veröffentlicht. Er benutzte strahlende Wärme, indem er erwärmte Metallkugeln in Bohrlöcher von Holzplatten legte, welche auf die. Haut applieirt wurden. Er fand dabei die Wärmeortssinnkreise entsprechend den Druckortssinnkreisen; nur zu- weilen waren sie etwas grösser. Der Kälteortssinn wurde nicht untersucht, was bei der früheren Anschauung von der Einheit des Temperatursinns nicht Wunder nehmen kann. Die oben hervorgehobenen topographischen Ver- hältnisse des Wärmesinns im Besonderen, seine Abhängigkeit von .den Nerventerritorien nnd die relative Seltenheit gut wärmeempfindlicher Gebiete zeigen jedoch, dass eine derartige Untersuchung mit Fehlerquellen behaftet sein muss, welche in der anatomischen Anordnung der Temperatur- nerven begründet sind. — Angesichts nun der Existenz der Temperatur- punkte und ihrer Auffassung als Endpunkte der Temperaturnervenfasern sowie der Möglichkeit, durch die Temperaturpunkte sich jederzeit ein Abbild der Nervenvertheilung in der Haut herstellen zu können, wirft sich von selbst die Frage auf, ob man nicht den Ortssinn, d. h. die Fähigkeit zwei Nervenerregungen local zu unterscheiden, an den Punkten selbst prüfen könne. Ich habe dies in folgender Weise ausgeführt: Zwei Messingeylinder, 1 Nicht günstig dieser Auffassung sind Eulenburg’s Messungsresultate des Drucksinns. Vergl. Lehrbuch der Nervenkrankheiten. Berlin 1878. 2. Aufl. 1. Theil. S. 22. Die Unterschiede sind überhaupt so gering, dass sich eine eigentliche Scala kaum aufstellen lässt. — Sollte nicht die so verschiedene Nachgiebigkeit der unter der Haut liegenden Theile von sehr erheblichem Einfluss sein? ® Ueber den Wärmeortssinn. Centralblatt für die medieinischen Wissenschaften. 1869. Nr. 24. wen; NEUE THATSACHEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERVEN. 7 “ welche die Spitzen nicht in der Verlängerung der Axe, sondern an einer Seite in der Verlängerung des Cylindermantels haben, sind durch ein Charnier von Ebonit verbunden. An einer Stelle der Haut wird eine Anzahl von Kälte- oder Wärmepunktem»bezeichnet; sodann, nachdem die Stelle ausgeruht ist, von einer anderen Person, wo möglich unter Abwendung oder Schliessung der Augen des Untersuchten, die Cylinderspitzen gleichzeitig auf je zwei Punkte leise aufgesetzt. Die Cylinder werden gleichmässig erwärmt oder abgekühlt. Es wurde entweder von kleinen Distancen begonnen und zu orösseren fortgeschritten oder umgekehrt. Die Entfernung der Oylinder- spitzen oder der Punkte kann leicht gemessen werden." Wegen der schnell eintretenden Ermüdung der Stelle ist es gut, in dem zu untersuchenden Gebiete gleich eine gewisse Anzahl von getrennt liegenden Punkteomplexen zu bezeichnen. Man muss zur Prüfung möglichst nur die intensiveren Temperaturpunkte auswählen. Schwierigkeiten bereitet bei einer derartigen Benutzung der geleiteten Wärme die gleichzeitige mechanische Reizung der Drucknerven. Jedoch tritt bei zartem und genauem Aufsetzen der Spitzen das Druckgefühl be- deutend zurück, während das Temperaturgefühl lebhaft in die Empfindung tritt. Es ist deshalb nothwendig, dieses gleichsam aufblitzende Temperatur- gefühl im Augenblicke des Entstehens scharf aufzufassen; beim Abwarten wird es undeutlicher und macht zugleich dem Druckgefühl mehr Platz. Fühlt man zwei Eindrücke gleichzeitig, so ist nicht immer zu entscheiden, ob wirklich beide Temperaturgefühle sind. Für die. Kältepunkte speeiell kann man sich noch eines Verfahrens bedienen, welches die Druckempfindung fast ganz ausschliesst. Man steckt auf jede Spitze eines Zirkels ein feines Pinselchen, taucht dieselben in Schwefeläther und berührt hiermit je zwei Kältepunkte. Hierbei müssen diese auch vorher mit dem Aetherpinsel aufgesucht werden, da der Aether- pinsel einen relativ schwachen Kältereiz darstellt und nicht zur Erregung eines jeden mittelst des Cylinders gefundenen Punktes hinreicht. Ich habe bei dieser Art der Untersuchung in der That unter Um- ständen das Gefühl zweier, räumlich getrennter, gleichzeitiger punktförmiger Temperaturempfindungen gehabt. Dieselben erschienen zum Theil von gleicher Stärke, zum Theil — und zwar war dies häufiger — von un- gleicher. Man möge die in der folgenden Tabelle gemachten Angaben nicht für subjeetive Täuschungen ansehen. Ich habe nur die unzweifelhaften Resultate als solche berücksichtigt und die Untersuchungen in äusserst zahlreichen Wiederholungen zu verschiedensten Zeiten, mit langen Zwischen- pausen, angestellt. Es wurden ferner fast stets Vexierversuche eingeschoben, ! Für feinere Distancen bei dem Kälteortssinn wurde auch ein Metallzirkel mit abgerundeten Spitzen verwendet, 02 ALFRED GOLDSCHEIDER: in der Art, dass nur eine Cylinderspitze an einen Temperaturpunkt, die andere auf die punktfreie Haut aufgesetzt wurde. Als ein beweisendes Moment möchte ich noch den Umstand ansehen, dass nicht selten unter vielen vergeblich geprüften ein bestimmtes Punktpaar mit grosser Constanz immer wieder — bei abgewendeten Augen — doppelt gefühlt wurde. Ueb- rigens habe ich einzelne der Distancewerthe bei gelegentlichen Prüfungen an anderen Personen bestätigen können. Die in der Tabelle angegebenen Werthe stellen nicht mittlere Werthe dar, sondern Minimalwerthe; es wurden von einem grösseren Punktcomplex nur immer ein oder einige wenige Punktpaare in diesen Entfernungen als doppelt empfunden. Die Entfernung ist nach Millimetern angegeben. Kältepunkte | Wärmepunkte STIENS a ae 0-8 4—5 Wangen RER 0.8 3 Kinn ZUR SAHIESE 0-8 4 Brusten. ARE ET 2 4—5 Bauch Panama 1—2 4—6 Rücken . . er 1.5—2 4—6 Oberarm (Beugefläche) 1-5 2—3 Oberarm (Streckfläche) . 2 2— 8 Vorderarm (Beugefläche) 2 2 Vorderarm (Streckfläche) 3 3 Hohlbanda una Rene 0-8 2 Handrücken . ok: 2—3 3—4 Oberschenkel . . . . 2—3 3—4 Unterschenkel . . . . 2—9 3—4 Muss za a ne | a Es geht aus dieser Tabelle hervor, dass man die Temperaturpunkte ‘ unter Umständen in erstaunlich geringen Abständen doppelt fühlen kann; jedoch bezieht sich diese Eigenschaft immer nur auf einzelne Punktpaare und zwar nur solche, welche mit hervorragender Empfindlichkeit ausgestattet sind, ohne dass wieder alle der letzteren Art dieselbe besitzen. Diese Beobachtungen sprechen gegen die Anschauung, dass es etwa Temperaturortssinneskreise gebe von bestimmten Umfängen, wie dies in Anlehnung an die E. H. Weber’sche Lehre von den Empfindungskreisen im Allgemeinen angenommen zu werden pflegt. Vielmehr, wenn wir die Punkte als Endigungen von Nervenfasern ansehen, liest es sehr nahe zu glauben, dass die doppelt empfundenen Punkte zwei verschiedenen Nerven- fasern angehören und dass die Erregungen dieser getrennt wahrgenommen NEUE THATSACHEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERVEN. 73 werden, deshalb, weil sie Empfindungen von einer gewissen hierzu nöthigen Intensität produciren. Da zwischen. den doppelt empfundenen Punkten vielfach keine anderweitigen 'Temperaturpunkte eingelagert sind, so muss man schliessen, dass auch die Erregungen von unmittelbar benach- barten Nervenfasern doppelt empfunden werden können. Dieser Umstand steht in direktem Gegensatz zu den Anschauungen E. H. Weber’s, welcher ‚ausdrücklich betonte, dass zwei benachbarte anatomische Empflindungs- kreise, deren jeder von je einer Nervenfaser versorgt sein sollte, noch keine Doppelempfindung geben könnten. ‚Weiter ist aus der Tabelle ersichtlich, dass die Wärmepunkte durch- schnittlich in grössern Minimaldistancen doppelt gefühlt werden als die Kältepunkte. Es muss noch hinzugesetzt werden, dass die Doppelwahr- nehmung der Wärmepunkte eine viel unsichere ist als die der Kältepunkte und an nur mässig oder schwach wärmeempfindlichen Regionen über- haupt nicht zu Stande kommt; so blieb zum Beispiel die Untersuchung am Fuss trotz häufiger Versuche ohne Resultat. — Die Ursache der grösseren Minimaldistancen scheint in mehreren Umständen zu liegen. Zunächst ‚ stehen die Wärmepunkte in relativ grösseren Abständen von einander, es ist deshalb auch anzunehmen, dass die Wärmenervenfasern in grösseren Abständen von einander verlaufen als die Kältenervenfasern, und es wird in Folge dessen eine grössere Distance der Reizobjekte nothwendig sein, um gleichzeitig zwei verschiedene Fasern zu treffen. Ausserdem ist die Wärme- empfindung als solche nicht so geeignet zur scharfen Localisation, weil sie nicht so prägnant in das Bewusstsein tritt, wie die Kälteempfindung. End- lieh ist, wie schon erwähnt, die Irradiation des Punktgefühles bei den Wärmepunkten grösser als bei den Kältepunkten. Das gegenseitige räumliche Lageverhältniss der doppelt empfundenen Punkte wird für gewöhnlich nicht richtig oder überhaupt als solches nicht empfunden. Man fühlt meist nur, dass überhaupt eine Distance zwischen den beiden Temperaturempfindungen vorhanden ist. Dabei wird nun durch- gehends diese Distance zu weit geschätzt, und zwar sehr bedeutend zu weit. Der Grund hiervon dürfte darin zu suchen sein, dass ein Doppelt- wahrnehmen nach unseren Erfahrungen nur bei viel grösseren Abständen der Reizobjecte stattfindet. 5 An den Werthen der Tabelle muss nothwendig auffallen, einerseits, dass sich dieselben so sehr wenig von einander unterscheiden, während wir beim Ortssinn die grössten topographischen Unterschiede zu erwarten pflegen, und andererseits, dass dieselben keine eigentliche Regel, keine unseren ge- wohnten Vorstellungen und Erfahrungen adäquate Scala erkennen lassen. — Hierzu muss nun Folgendes bemerkt werden. Zunächst sind die ge- fundenen Distancen nicht Mittelwerthe, sondern Minimalwerthe, wie 74 ALFRED GOLDSCHEIDER: schon hervorgehoben, und es ist durchaus nach Lage der Verhältnisse nieht zu erwarten, dass diese beiden in einem genau übereinstimmenden Verhält- niss stehen. Es ist sehr leicht möglich, dass eine Untersuchung, welche die Eruirung der mittleren Entfernung der doppeltempfundenen Punkte zum Vorwurf hätte (übrigens ein derartig schwieriges Unternehmen, dass ich es für unausführbar halte), eine unseren Wünschen mehr entsprechende Scala ergeben würde. Auch die Untersuchung der Minimaldistancen hat mit so viel Schwierigkeiten und vor Allem Ungenauigkeiten zu kämpfen, dass ich weit entfernt bin, meinen Werthen eine allgemeine Gültigkeit bei- zumessen. Wenn ich auch nieht glaube, dass ich zu kleine Distancen an- gegeben habe, so ist es doch sehr möglich, dass sie hier und da zu gross sind, dass mir also die eigentlichen Minimaldistancen stellenweise entgangen sind. Wer diese Versuche nachmacht, muss zugeben, dass dies sehr leicht geschehen kann. Ich würde mich durchaus nicht wundern, wenn ein anderer Untersucher zu einer anderen Tabelle gelangen würde und em dritter wieder zu einer anderen. Es war mir bei den Versuchen haupt- sächlich darum zu thun, die örtliche Unterscheidungsfähigkeit der Tempe- raturpunkte bis zu ihren extremsten Leistungen zu verfolgen, daher habe ich die minimalen Maasse notirt, welche mir begegneten, und die anderen nicht beachtet — auch wenn diese minimalen Maasse noch so selten vor- kamen. Ebensowenig bin ich einer Abrundung in der vorhin gedachten Weise nachgegangen, um etwa ein irgendwie befriedigendes oder mit ge- wissen Theorien übereinstimmendes Resultat zu erlangen, sondern gebe meine Aufzeichnungen so, wie sie sich vorfinden, und ohne Tendenz. Es fragt sich nun aber, ob überhaupt eine derartige Scala, wie sie etwa für den tactilen Ortssinn in den Zirkelabständen bekannt ist, in ana- loger Weise für die locale Unterschiedsempfindlichkeit der Temperaturpunkte zu erwarten ist. Wahrscheinlich nämlich complieiren sich hier zwei Mo- mente: Einmal ist anzunehmen, dass der regionäre Nervenreichthum, wel- cher sich in der Dichtigkeit der Temperaturpunkte äussert, von Bedeutung ist; und weiter, dass der Temperaturortssinn doch wohl nicht ganz unab- hängig vom Druckortssinn sich verhalten dürfte, vielmehr durch die func- tionelle Verknüpfung mit ihm dem gemeinsamen Gesetze der Uebung „unterliegt. Beide Momente müssen sich aber vielfach in ihrer Wirkung durchkreuzen, denn die vorwiegend ortsempfindlichen Theile sind ärmer, die mit stumpferem Ortssinn ausgestatteten reicher an Temperaturnerven. Es werden daher bei der Topographie des Temperaturortssinns nicht die- jenigen Theile obenan stehen, welche den feinsten Druckortssinn, und auch nicht die, welche die grösste Temperaturempfindlichkeit besitzen, sondern solche, welche von beiden Eigenschaften einen möglichst grossen Theil ge- mischt enthalten. Wenn man mit dieser Schlussfolgerung nun die Tabelle, nn nn NEUE THATSACHEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERVEN. 75 und zwar die des Kältesinns, vergleicht, so kann man bei aller Vorsicht der Interpretation doch zum mindesten eine Andeutung des entwickelten Gesetzes darin finden. Die ortsunterscheidenden Fähigkeiten der 'Temperaturpunkte gehen nach den angegebenen Entfernungen weit über die Grenzen der sogenannten Zweckmässigkeit hinaus, ja, sie sind von dieser Anschauungsweise aus über- ‘haupt nicht zu verstehen. Denn der Temperaturortssinn als solcher über- haupt wird von uns nur selten und in stumpfester Weise benöthiet und ist von verschwindend geringer Bedeutung neben der quantitativen Unterschiedsempfindlichkeit; zumal aber stellt er in der angegebenen Fein- heit gewissermaassen eine Luxuseinrichtung dar. Man sollte sogar meinen, dass diese Eigenschaften der Temperaturpunkte für die Auffassung der flächenhaften Temperaturreize sich störend geltend machen müssen; wes- halb tritt uns nicht bei einem Flächenreiz eine Summe von Punktempfin- dungen, etwa wie bei der Formication, in das Bewusstsein? Dies erklärt sich hinlänglich aus dem Umstande, dass die in so nahen Distancen zu unterscheidenden Punkte in der bedeutenden Minderzahl sind. Wenn wir an einer Stelle eine Anzahl von Punkten hätten, unter denen jeder einzelne von jedem einzelnen anderen bei gleichzeitiger Reizung unter- schieden werden könnte,.so wäre kein Grund vorhanden, warum wir nicht bei der Application eines Flächenreizes das Gefühl einer Anzahl neben einander bestehender Punkte haben sollten. Nun liegen aber die Verhält- nisse so, dass etwa Punkt « vom Punkt 5, aber nicht von c, d, e u. 8. w. unterschieden werden kann. Wird diese ganze Summe von Punkten gleichzeitig erregt, so müssen demnach eine gewisse Zahl getrennter Em- pfindungen in das Bewusstsein treten und nebenher, diese umgebend und sich zwischen sie einmischend, eine viel grössere Anzahl von mit einander verschmelzenden Empfindungen. Der Effect muss demnach sein eine flächen- hafte Empfindung, innerhalb deren einzelne Punkte oder Partien stärker hervortreten. So ist es aber auch in der That, wie man sich jederzeit bei aufmerksamer Selbstbeobachtung überzeugen kann. — Aber es scheint sogar, dass die subtilen ortsunterscheidenden Fähigkeiten der Temperaturpunkte eine intesrirende Bedeutung für das Zustandekommen der Temperatur- flächen-Empfindung haben. Denn wenn auf der einen Seite bei absolutem Unterscheidungsvermögen jedes Punktpaares ein.der Formication ähnliches Gefühl entstehen müsste, so würde andererseits bei gänzlich mangelndem Ortssinn der Punkte ebenso wenig ein Flächengefühl produeirt werden kön- nen, wenn man nicht annehmen will, dass dasselbe überhaupt erst durch Zu- hülfenahme anderer Sinne, des Gefühls- und Gesichtssinnes, zu Stande komme. Wie die Verhältnisse aber liegen, so ist es plausibel anzunehmen, dass die- jenigen Punkte, welche die Schwelle der Doppelempfindung nicht erreichen, 76 ALFRED GOLDSCHEIDER: zwar unter der Form eines einfachen Eindrucks wahrgenommen werden, aber eines in die Breite gezogenen; denn innerhalb des einfachen Eindrucks wirkt die anatomische Geschiedenheit der centralen Zellen noch fort. Letztere muss, wie schon oben angedeutet, das wesentliche Moment bei der localen Unterscheidung darstellen.‘ Die Thatsachen des Ortssinnes der Temperatur- punkte vertragen sich nicht mit der Theorie der „Localzeichen“; man kann nicht annehmen, dass alle diese doppelt empfundenen Punkte durch ver- schiedene Färbungen ihrer Qualität auf das Sensorium wirken und dadurch ihre Unterscheidung ermöglichen sollen. Man muss nothwendig das Haupt- gewicht auf die anatomische Geschiedenheit der Nervenfasern und centralen Endigungen derselben legen. Wie nun hierzu das „räumliche“ Moment sich verhält, ob es unmittelbar vorhanden ist oder mittelst der blossen Möglichkeit, zwei Erregungen in der Zeiteinheit zu unterscheiden, erworben wird, ist eine Frage, welche sich zwar hier anschliesst, die aber weiter zu verfolgen hier nicht durchaus nothwendig ist. Ich möchte schliesslich nur noch darauf hinweisen, dass man in der Natur des flächenhaften Temperaturgefühls eine Erklärung finden kann für die Irradiation der Temperaturpunkte Denn nachdem nun einmal die Einzelempfindungen dieser sich zu einer flächenhaften Empfindung ver- einigt haben, ist es leicht verständlich, dass dieselben, isolirt erregt, in der gewohnten Form, also als kleine Flächenstücke in die Wahrnehmung treten. II. Gefühlssinn. Druckpunkte. Der in der vorstehenden Abhandlung dargebrachte Beweis für die Existenz eines eigenen gesonderten Nervenapparates für den Temperatursinn führt unmittelbar zu der Folgerung, dass sich für die anderen mit der Haut wahrzunehmenden Sinnesqualitäten in entsprechender Weise ebenfalls ein gesonderter Nervenapparat müsse nachweisen lassen. Da nach der Analogie des Temperatursinns die Voraussetzung berechtigt ist, dass auch die Nerven der anderen „Qualitäten an bestimmten Punkten der Haut endigen, so würde sich zunächst die Aufgabe stellen, auch die denselben angehörenden Endigungspunkte der Nerven an der Hautoberfläche aufzu- suchen. Freilich weist schon die alltägliche Erfahrung darauf hin, dass hier die Verhältnisse wesentlich anders liegen. Wenn wir über punktförmige Tem- peraturreize im Allgemeinen keine Erfahrung hatten, so haben wir sie hin- NEUE TiATSACHEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERVEN. 77 gegen für punktförmige Druck- und Schmerzreize. Wir wissen, dass an jedem einzelnen Punkte der Haut Druck sowohl wie Schmerz wahrgenom- men wird. Dennoch existiren auch im Gefühlssinnesfelde gewisse Sinnes- punkte mit derartigen Eigenschaften, dass wir zu der nothwendigen An- nahme besonderer specilischer Nerven gelangen, welche an denselben endigen. Dies lässt sich in der einfachsten Weise feststellen; jedoch eilt Das, was ‚ bei den Temperatursinnuntersuchungen bereits hervorgehoben wurde, in noch erhöhtem Maasse bei dem Gefühlssinn, dass es sich nämlich um (Qualitäten handelt, welche nicht so in die Augen springend sind, wie die- jenigen anderer Sinne, und an deren Auffassung und Sonderung man sich daher erst gewöhnen muss. Setzt man eine Nadelspitze so leicht wie möglich auf die Haut auf, derart, dass man sie gewissermaassen nur auf der Haut ruhen lässt, ohne einen Druck auszuüben, und führt dieselbe, aufsetzend und abhebend, Punkt für Punkt über die Haut hin, so macht man die Wahrnehmung, dass die Berührung nur an gewissen Punkten gefühlt wird. Man muss zum ersten Versuch nicht die empfindlichsten Hautregionen wählen, sondern solche von mittlerer Empfindlichkeit, etwa die Beugefläche des Vorderarms. Zwischen diesen Punkten nimmt man die Nadel erst wahr, wenn man einen stär- keren Druck ausübt. So leicht man den Einwurf machen kann, dass dieses Verfahren ein unsicheres sei, insofern man an jenen Punkten vielleicht zu- fällig stärker gedrückt habe, so sehr überzeugt man sich einerseits, dass man in der That im Stande ist, die Nadel mit ziemlich gleichbleibendem Drucke aufzusetzen, und andererseits, dass man stets an denselben Punkten wieder die Berührung wahrnimmt und dazwischen nicht, und zwar auch, wenn man bei Abwendung der eigenen Augen von einer anderen Person die Nadel führen lässt. Es ist hierdurch ausser allen Zweifel gestellt, dass es Punkte auf der Hautoberfläche giebt, welche einen schwachen Druckreiz eher wahrnehmen als andere. — Damit ist zunächst nun weiter nichts ge- sagt, als dass die Haut nicht an allen Stellen eleichmässig druckempfind- lich ist, sondern einzelne eine hervorragende Empfindlichkeit besitzen, und man könnte dies sehr einfach erklären durch einen local geringeren Wider- stand der Epidermis oder durch eine locale Anhäufung von Nerven. Hier muss ich nun auf die Uebung in der Auffassung der Haut- empfindungen verweisen und betonen, dass das Folgende vielleicht von Manchem zuerst nicht bestätigt, nach einer wiederholten Selbstbeobachtung jedoch als zweifellos und sehr einfach wahrnehmbar zugegeben werden wird. An diesen empfindlichsten Punkten ist nämlich das Gefühl ein qualitativ anderes als es zwischen ihnen, selbst bei stärkerem Drucke, ist. Wäh- rend letzteres stets dumpf und matt ist, präsentirt sich das erstere bei schwächster Berührung als ein zartes, dabei lebhaftes, häufig etwas kitzeln- 78 ALFRED GOLDSCHEIDER: des Gefühl, ungefähr so, wie es entsteht, wenn man eines der Härchen auf der Haut bewegt; bei etwas stärkerem Drucke jedoch gewinnt es eine sanz charakteristische Qualität, es ist, als ob an dem Punkte sich in der Haut ein Widerstand befindet, welcher dem Druckreiz entgegenarbeitet, als ob ein kleines hartes Korn dort läge und in die Haut hineingedrückt würde. Ich habe zur Beschreibung dieser Empfindung keinen anderen Ausdruck finden können als den des „körnigen“ Gefühls. Hat man das- selbe erst einige Male deutlich wahrgenommen, so wird man sich auch „leicht überzeugen, dass es keinem dieser empfindlichsten Punkte fehlt und (dass es zwischen ihnen nie zu produciren ist. Dieses körnige Gefühl ist nun thatsächlich kein neues, sondern einfach das specifische Druck- gefühl in punktförmiger Gestalt. Man nimmt an demselben jedes Wachsen und Abnehmen des Nadeldruckes in den feinsten Abstufungen wahr und man überzeugt sich, dass dies dasselbe Gefühl ist, welches wir haben, wenn ein schwerer Gegenstand einen flächenhaften Druck auf die Haut aus- übt und welches man beobachtet, sobald man die Stärke des ausgeübten Druckes, sein Zunehmen und Abnehmen, seine Unterschiede schätzen will. Man hat bisher unter einem Druckgefühl sich nie etwas punktförmiges vorgestellt, ebensowenig wie beim Temperaturgefühl; man hat angenommen, dass beim Druckgefühl immer eine Fläche betheiligt sei und dass ein punktförmiger Druck immer ein stechendes Gefühl hervorbringen müsse. Allein da das körnige Gefühl in der That ein wohl qualifieirtes Druck- gefühl ist, so müssen wir uns an die Vorstellung gewöhnen, dass eine noch so fein gespitzte Nadel an gewissen Punkten der Haut ein Gefühl «des Druckes hervorbringt, während sie zwischen ihnen eine stechende Empfin- dung producirt. Bei einer gewissen Grenze des Druckes geht das Druck- sefühl dann allerdings auch in ein schmerzhaftes über; jedoch auch dieses kann man in seiner Qualität noch von dem zwischen den Punkten ent- stehenden unterscheiden, denn während letzteres eine matte inhaltlose, stechende Empfindung ist, stellt sich das erstere als en kräftiges, schmerzhaft drückendes, quetschendes Gefühl dar — wieder als ob ein hartes Korn tief in die Haut eindränge; zudem ist jenes auch bei an- dauerndem Drucke schnell vorübergehend, dieses bleibend. Diese Eigenschaften berechtigen uns, die gedachten Punkte nicht bloss als hervorragend empfindliche aufzufassen, sondern als etwas Specifisches von der übrigen Hautsinnesfläche abzusondern und sie als „Druckpunkte“ zu specialisiren. Magnus Blix! hat diese Punkte zuerst aufgefunden und als „Druck- ! Experimentelle Beiträge zur Lösung der Frage über die speeifische Energie der Hautnerven. Upsala läkarefören. föorhandl. XVII. 7 och S. Referat in Schmidt’s Jahrbücher. Bd. 198. NEUR THATSACHEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERVEN. 79 punkte“ bezeichnet; auch hat er durch sorgfältige Messungen die Druck- stärke festgestellt, welche zu ihrer Erregung nothwendig ist und welche erhebliche topographische Unterschiede zeigt. Jedoch hat er diese Punkte nur als hervorragend empfindliche beschrieben und nicht als Träger einer speeifischen Gefühlsqualität aufgefasst, wenigstens dies nirgends ausgespro- chen. Ueber ihre weiteren, in Folgendem zu beschreibenden Eigenschaften hat er keine Angaben gemacht. Die Methode, die Druckpunkte aufzusuchen, ist im Vorhergehenden schon angedeutet. Man kann sich einfach einer Nadel bedienen und sowohl einer fein gespitzten wie einer etwas stumpferen; jedoch halte ich letzteres für zweckmässiger und weniger zeitraubend. Dasselbe leistet auch ein ge- spitztes Hölzehen. Noch besser als mit diesen harten Werkzeugen gelingt die Aufsuchung der Druckpunkte mittels Kork. Man spiesst ein zugespitztes Blättchen von gutem, nicht brüchigem Kork auf eine Nadel. Um den Druck möglichst gleichmässig zu machen, habe ich das Korkblättchen noch an einer Spiralfeder befestigt. Das Instrument, dessen ich mich bediene, ist: daher folgendermaassen construirt: Ein kurzer Messingcylinder trägt eine 3m lange Spiralfeder von Messingdraht, an deren Ende eine kurze enge Hülse aufgelöthet ist. In letztere kann man leicht ein spitzes Hölzchen, auf welches ein Korkblättchen gespiesst ist, einführen, oder eine Nadel mit Wachs befestigen. Der Cylinder ist verschiebbar in einem Ebonitkloben sefasst, welcher ausserdem eine verschiebbare Hülse zur Aufnahme einer Schreibfeder oder eines Schreibstiftes trägt. Die Spirale darf nicht zu schwach sein, da sie sonst zittert. Durch die Einfügung der Spirale wird verhindert, dass sich die Schwankungen des Händedruckes auf das Reiz- object übertragen, und es ist anzunehmen, dass dasselbe mit ziemlich con- stanter Druckstärke auf die Haut aufgesetzt wird. — Während für die Mehrzahl der Hautregionen Kork zur Aufsuchung der Druckpunkte sich bewährt, giebt es solche mit derartig stumpfer Sensibilität, dass man nur mit der Nadel zum Ziele kommt. Andererseits ist der Kork für manche Stellen noch zu grob, z. B. für die Finger an ihrer Volarfläche. Hier habe ich mich einer passend zugeschnittenen Federfahne bedient, welche nur das Unvollkommene hat, dass sie sich nicht ganz sicher handhaben lässt. Die Bezeichnung der Punkte geschieht in entsprechender Weise, wie bei den Temperaturpunkten, muss jedoch, da die Druckpunkte im Allge- meinen viel dichter liegen, noch sorgfältiger und nöthigen Falles mit der Loupe ausgeführt werden; auch ist auf möglichste Verdünnung der Farb- stoffe zu achten. Man muss bei der Bestimmung der Druckpunkte eben- falls systematisch zu Werke gehen und ein circumseriptes Gebiet nach einer gewissen Kegel absuchen. Hat man an einem Bezirk eine gewisse Anzahl von Druckpunkten 80 ALFRED GOLDSCHEIDER: mittelst eines minimalen Druckreizes aufgefunden, so kann man sicher sein, dass dies nicht sämmtliche existirende sind. Denn auch die Druckpunkte sind nicht gleichmässig erregbar und viele bedürfen eines stärkeren Reizes, Wenn nun nicht bereits hervorgehoben wäre, dass die Druckpunkte nicht lediglich hervorragend empfindliche Punkte sind, sondern ein specifisches Gefühl geben, so könnte man jetzt sagen, dass diese erst durch stärkere Reize erreebaren Druckpunkte eigentlich gar keine Druckpunkte seien. Durch das specifische körnige Druckgefühl aber charakterisiren sich die- selben als Das, was sie sind. Man findet demgemäss, wenn man den minimalen Reiz etwas verstärkt, nun noch Druckpunkte, wo man vorher keine gefunden hat. Ein sehr häufiges Vorkommen ist, dass man mittels des schwachen Reizes ausser deutlichen Druckpunkten solche Punkte findet, welche ein unsicheres, nicht deutlich zu erkennendes Gefühl geben, das sich bei nun erfolgender etwas stärkerer Reizung dann als veritables Druck- gefühl herausstellt. In dieser Weise präsentiren sich gewöhnlich die schwerer erregbaren Druckpunkte. Schon bei der Annäherung an einen Druckpunkt, besonders wenn die- selben nicht besonders dicht stehen, kann man ein undeutlich beginnendes und dann deutlicher und stärker werdendes Gefühl häufig bemerken; es gilt deshalb hier dieselbe Cautele, welche schon bei den Temperaturpunkten hervorgehoben wurde, nämlich sich durch dieses Annäherungsgefühl nicht täuschen zu lassen und nicht an der Peripherie gleichsam des Zerstreuungs- kreises einen Punkt einzuzeichnen. Man kann, sobald man das specifische Druckgefühl mit genügender Sicherheit erkannt hat, auch mittelst Stiche die Druckpunkte aufsuchen. An diesen geht das sonst gefühlte scharfe stechende Gefühl über in einen intensiven schmerzhaften Druck, ähnlich dem neuralgischen Schmerz. Be- sonders geeignet habe ich hierzu die Seitenfläche der Finger gefunden. Auch bei diesem Verfahren bemerkt man deutlich das Annäherungsgefühl. Auch im Uebrigen sind alle Cautelen, welche bei den Temperatur- punkten erwähnt wurden, bei der sonst sehr einfachen Untersuchungs- methode zu beachten. Speciell wird ebenfalls die Erregbarkeit der Druck- nerven durch das andauernde Betupfen der Haut herabgesetzt, und es ist nothwendig, soll die Aufnahme mögliehst vollständig sein, mehrfach Ruhe- pausen zu machen oder sie in mehreren Sitzungen anzufertigen. Hierin verhalten sich die Hautstellen übrigens verschieden und namentlich an Regionen mit stumpfer Sensibilität ist die Herabsetzung derselben eine im die Augen fallende und störende. Aber auch an sehr empfindlichen Haut- partien kann man die Wahrnehmung machen, wie anfänglich die Druck- punkte ungemein dicht aufeinander folgen, während im Verlaufe der Unter- suchung die Zahl derselben abnimmt, um nach einer Pause sich wieder zu N#UE THATSACHEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERVEN. s1 vermehren. Diese Herabsetzung der Sensibilität, verbunden mit dem Um- stande, dass es trotz strengster Regel des Absuchens nieht möglich ist, alle Punkte der Haut zu reizen, sondern dass eine grosse Anzahl übergangen werden, namentlich auch die allernächste Umgebung eines schon bezeich- neten Punktes häufig ausgelassen wird, erklären es hinlänglich, dass man auch von dem kleinsten Bezirk niemals in einer Sitzung ein correctes ‚Bild bekommt. Man kann sich hiervon in der einfachsten Weise über- zeugen. Bestimmt man an einer Hautstelle in einer Sitzung die Druck- punkte, zeiehnet sie durch und löscht sie auf der Haut aus, am nächsten Tage ebenso und so mehrere Male, so sieht jedes Bild anders aus. Ver- gleicht man dieselben genauer, so findet sich, dass eine gewisse Anzahl von Punkten in je zwei Bildern nach ihrer Lage übereinstimmen, andere nicht, dass aber die Zeichnungen zusammengenommen einen bestimmten Typus der Anordnung der Punkte erkennen lassen, welcher auf den ein- zelnen Bildern unvollständig vorhanden ist. Will man daher correctere Bilder herstellen, so sind mehrere Sitzungen erforderlich unter Anwendung von Anilinfarbstoffen, welche eine gewisse Zeit lang sich auf der Haut er- halten. Dennoch halte ich es auch bei Anwendung aller Cautelen und mit Aufwand der grösstmöglichen Sorgfalt doch nicht für möglich, ein absolut correctes Bild, d. h. eine genaueste Projection der in der Haut be- findliehen Endigungen der Drucknerven auf die Hautoberfläche herzustellen, und zwar hier noch weniger als bei den Temperaturpunkten, weil die ‚Druckpunkte im Allgemeinen ungleich dichter stehen als jene. Bei sehr sensiblen Hautregionen kommt noch dazu, dass die Farbenpunkte, selbst wenn sie so fein wie nur möglich hergestellt werden, doch für diese Ver- hältnisse immer noch zu breit sind, um die feinsten Anordnungen der Punkte erkennen zu lassen. Es eilt auch von den Druckpunkten, dass sie mit einer verschiedenen Intensität der Empfindung begabt sind. Es giebt Druckpunkte, welche ein so lebhaftes Gefühl geben, dass man thatsächlich meint, doch wohl zu- fällig stärker geklopft zu haben, und solche, welche ein ganz dumpfes, eben noch als Druckgefühl zu qualifieirendes Gefühl geben. Zwischen diesen beiden Grenzen kommen die mannigfaltigsten Abstufungen vor. Je- doch soll damit nicht gesagt sein, dass an einer und derselben Stelle sich so viel verschiedene Arten finden, sondern die überhaupt am Körper vor- kommenden Druckpunkte zeigen in Summa diese Stufenleiter, und es giebt Körpergegenden, wo das Punktgefühl überall mehr oder weniger dumpf, und andere, wo es überall mehr oder weniger lebhaft ist. Ein dumpf empfindender Druckpunkt giebt auch bei stärkster Reizung nie ein den lebhaften Druckpunkten gleichkommendes Gefühl, und die lebhaften sind Archiv f. A. u. Ph. 1885. Physiol. Abthlg. Suppl.-Bd. 6 s2 ÄLFRED GOLDSCHEIDER: . zugleich die am leichtesten zu reizenden. Die Verhältnisse der Druck- punkte sind also vielfach denen der Temperaturpunkte ähnlich. An sehr empfindlichen Hautregionen übrigens nimmt man auch sehr schwache Berührung fast überall wahr; jedoch präsentirt sich das Punkt- gefühl auch hier durch seine mern Lebhaftigkeit und Schärfe, während an den anderen Stellen die Berührung matt erscheint. Der Gefühlseindruck der Druckpunkte ist kein eigentlich punktför- miger. Wenn man auch nicht sagen kann, dass er flächenhaft irradiirt wie bei den Temperaturpunkten, so ist er doch breiter als z. B. die stechende Empfindung, welche in der That als punktförmig zu bezeichnen ist. Man könnte das Druckpunktgefühl vielleicht als ein dem punktförmigen nahe- kommendes, aber volleres Gefühl bezeichnen. An manchen Körpergegenden, wie Rücken, Oberschenkel, zeichnen sich viele Druckpunkte durch eine besonders lebhafte Nachempfindung aus, welche das Auffassen neuer Punktgefühle stört. Am geringsten schien mir die Nachdauer an denjenigen Stellen zu sein, welche vorzugsweise zum Tasten gebraucht werden. Die Druckpunkte erweisen sich auch gegen minimale Reize mit dem indueirten Strom als die empfindlichsten. Es tritt an ihnen ein prickelndes Gefühl ein bei einer Stromstärke, welche zwischen ihnen keine Empfin- dung hervorruft. Macht man den Strom etwas stärker, so fühlt man zwi- schen den Punkten nur ein unbestimmtes Ziehen oder Stechen, auf den- selben ein kräftiges Prickeln. Bei diesen Versuchen empfiehlt sich als’ Elektrode eine Nadel. Ich habe, einerseits um mich zu überzeugen, dass die Druckpunkte anatomisch unveränderlich bestimmt sind, andererseits um ihre Unabhängig- keit von der Epidermis darzuthun, dieselben an einer Hautstelle bestimmt und abgezeichnet, dann die Hornschicht durch Collodium cantharidatum " entfernt und nach genügender Abtrocknung der zu Tage liegenden Stachel- schicht wieder die Druckpunkte bestimmt und abgezeichnet. Es resultirte im Grossen und Ganzen ein ungefähr entsprechendes Bild, welches — wenn man die Fehlerquellen überhaupt und ganz besonders in diesem Falle bei der Bestimmung und Aufzeichung auf wunder, immer noch feucht wer- dender Haut in Rechnung zieht — gewiss zur Genüge zeigt, dass den Druckpunkten fixe in der Cutis liegende Nervenendigungen zu Grunde liegen müssen.! Die Anordnung der Druckpunkte ist eine dem Typus der An- 3 ordnung der Temperaturpunkte entsprechende.” Wir finden, dass die Druck- ı Vergl. Abbildung 25. ® Vergl. hierzu die Abbildungen 21—24. NEUE THATSACHEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERVEN. 33 punkte sich zu mehr oder weniger diehten Ketten, die jedoch zuweilen nur angedeutet vorhanden sind, zusammenordnen, und dass diese Ketten von gewissen Punkten aus nach mehreren Richtungen ausstrahlen. Diese Aus- strahlungscentren fallen, wie auf den Abbildungen zu ersehen ist, in sehr deutlicher Weise mit den Haarpunkten zusammen oder genauer — wie bei den Temperaturpunkten — mit den Haarpapillen. Auch auf den unbe- “ haarten Hautreeionen herrscht derselbe Typus der Anordnung und auch hier fallen die Ausstrahlungscentren mit denjenigen der Temperaturpunkte zusammen. An den behaarten Theilen findet man him und wieder freie Ausstrahlungspunkte ohne Haar. Viel auffallender als bei den Temperatur- punkten sind hier die an den Haaren und sonstigen Ausstrahlungscentren liegenden Anhäufungen von Druckpunkten. Die Punktketten verlaufen vorwiegend senkrecht oder parallel zur Haarrichtung. Jedoch ist dies nicht gerade als eine Regel zu betrachten, man findet nicht selten bedeutende Abweichungen hiervon. Die Ausstrahlungssysteme sind in sehr verschiedener Vollständigkeit entwickelt. Man sieht solche, wo von einem dichten centralen Complex nach den verschiedensten Richtungen dicht bestellte Ketten abzweigen und solche, wo ein Punktcomplex ganz fehlt und nur eine oder zwei spärlich besetzte Ketten abstrahlen. Endlich können die Ketten auf nur einige angedeutete Punkte einschrumpfen und auch schliesslich ganz fehlen, so dass, wie auch bei den Temperaturpunkten, eine inselförmige Localisation der Druckpunkte an den Haaren bez. reducirten Ausstrahlungscentren übrig bleibt. Auch bei den Druckpunkten treten die Punktketten benachbarter Rayons gewöhnlich zusammen und bilden rundliche, längliche oder spitz- winkelige Figuren. Die Druckpunktketten schlagen vorwiegend eine andere Richtung ein als die der Wärme- und Kältepunkte, seltener dieselbe. Im Allgemeinen ist die Dichtiekeit der Druckpunkte eine ungleich grössere als die der Tem- peraturpunkte. Jedoch giebt es Hautstellen, wo sie von diesen übertroffen © werden. Auch bilden sie, wie schon erwähnt, Anhäufungen und zwar so diehte, dass die Möglichkeit sie zu sondern aufhört.- Jedoch sind diese Complexe, welche zumeist den Centren der Ausstrahlungssysteme entspre- chen, nie räumlich derartig ausgedehnt, wie wir es z. B. bei den Kälte- punkten gefunden haben. Dafür giebt es Hautregionen, nämlich an den Fingerbeeren, wo die Druckpunkte durchgängig so dicht stehen, dass eine Sonderung oder Bezeichnung, wenn nicht ihre Erreebarkeit etwas herab- gesetzt ist, überhaupt an dem ganzen Theil nicht durchführbar ist. Prüft man Druckpunkte mit dem kalten oder warmen Messingeylinder, so fallen einzelne scheinbar mit Temperaturpunkten zusammen. Vielfach 6* 34 ALFRED (GOLDSCHEIDER: ist aber die minimale Distanz zwischen Temperatur und Druckpunkt deut- lich nachweisbar. Das scheinbare Zusammenfallen kann kaum Wunder nehmen, da der Cylinder doch immerhin nicht punktförmig, sondern anf eine, wenn auch noch so kleine Fläche wirkt. Es kommen hier und da Strecken vor, welche der Druckpunkte ent- behren, allein dieselben sind ziemlich beschränkt an Ausdehnung. Derartig weite punktfreie Flächen, wie wir sie beim Temperatursinn kennen gelernt haben, kommen beim Drucksinn nicht vor. Die Anlage der Druckpunkte und Temperaturpunkte dürfte auch ein allgemein anatomisches Interesse haben, insofern sie uns in den Stand setzt, den Nervenverlauf der sensiblen Hautnerven in einer Weise zu studiren, wie sie uns sonst nicht gerade ge- boten ist. Da die Druckpunkte rundlich-läneliche punktfreie Räume zwischen sich lassen, so ist die Möglichkeit gegeben, auch gegenüber flächenhaften Druckreizen die Punkte mit der punktfreien Haut zu vergleichen. Man kann mittels eines sehr kleinen Korkeylinders oder auch eines Stecknadel- kopfes einen Druck auf eine punktfreie Hautfläche üben, und ebenso auf eine Anhäufung von Druckpunkten oder auch nur auf einzelne oder einen einzigen. Auch hierbei entsteht bei ersterem ein dumpfes mattes Gefühl; vor Allem kann man die Stärke des Druckes nicht wahrnehmen, bis das Ge- fühl bei zunehmendem Druck mehr stechend wird. Auf den Druckpunkten dagegen hat man ein regelrechtes Gefühl des Druckes und nimmt jede geringste Veränderung der Druckstärke wahr. Ortssinn der Druckpunkte. Sind die Druckpunkte als die Träger des speecifischen Druckgefühles erkannt, so schliesst sich sofort die Frage daran, ob dieselben auch mit der dem Druckgefühl anhaftenden Ortsempfindung etwas zu thun haben, und es präsentirt sich hier dieselbe Art der Prüfung, welche bei den Tem- peraturpunkten vorgenommen worden ist, nur dass dieselbe hier weit ein- facher und sicherer auszuführen ist. Man bezeichnet an einer Stelle eine Anzahl von Druckpunkten und lässt am besten von einem Gehülfen, bei Abwendung der eigenen Augen, die Spitzen eines Tasterzirkels gleichzeitig auf je zwei Druckpunkte setzen. Während man sonst die Aufsatzenden des Tasterzirkels eine gewisse Breite haben lässt, müssen sie für unseren Zweck fein gespitzt sein, — denn man muss sich immer vergegenwärtigen, dass die feinste Spitze, welche einen Druckpunkt trifft, doch immer nur eine Druckempfindung auslösen kann. NEUE THATSACHEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERVEN. s5 Es handelt sich bei diesen Versuchen um so kleine Entfernungen, dass der Tasterzirkel darauf eingerichtet sein muss, dass die Nadeln bis auf 0,1 mm einander genähert werden können und dass die Entfernung derselben auch bis auf Zehntelmillimeter abgelesen werden kann.' Die Prüfungen wurden demgemäss in folgender Weise angestellt: Bin Gehülfe setzt die beiden Spitzen nach freier Wahl bald auf punktfreie Räume, bald so, dass die eine Spitze einen Druckpunkt, die andere den punktfreien Raum trifft, bald so, dass beide Spitzen je einen Druckpunkt treffen. Nach jedent Aufsetzen wird angegeben, ob doppelt oder einfach gefühlt wird. Ich habe Doppelempfindungen stets nur auf Druckpunkten gehabt. Diese Untersuchungen sind ausserordentlich einfach und von einer frappanten Sicherheit und ich habe dieselben bei allen Personen mit Er- folg vornehmen können, bei denen ich es überhaupt versucht habe. Auf die angegebene Weise habe ich nun die verschiedenen Körper- theile an mir selbst untersuchen lassen und zwar auf die Minimaldistance, in welcher zwei Druckpunkte bei gleichzeitiger Reizung als doppelt gefühlt werden können. Ich habe dabei den Weg verfolgt, dass ich entweder, so- bald bei einer bestimmten Distance die Doppelempfindung mehrfach ein- getreten war, dieselbe verringerte und so weiter bis zu einer unteren Grenze drang, oder, nachdem ich in Analogie anderer Messungen schon in’s Un- sefähre eine Vermuthung über die Minimaldistance aufstellen konnte, unter- halb derselben anfing und nach vergeblichen Versuchen, die Distance all- mählich bis zu der richtigen Grenze vergrösserte. Bei weitem die meisten Körpertheile wurden zu sehr verschiedenen Zeiten und zum Theil in grossen zeitlichen Zwischenräumen wiederholt gemessen, wobei auch oft die Resul- tate, jedoch nur um kleine Werthe, differirten. Die beim Anfange dieser Untersuchungen gefundenen Werthe stellten sich übrigens bei den späteren Untersuchungen meist als zu gross heraus. — Auch hier gelten, wie bei den Temperaturpunkten, die gefundenen Minimaldistancen immer nur für eine gewisse relativ geringe Zahl unter der auf einer Stelle vorhandenen Summe von Punkten; es ist somit nicht eigentlich der durchschnitt- liche Ortssinn, der mittlere Werth der localen Unterschiedsempfindlich- keit gemessen, sondern derjenige Werth, welcher die überhaupt extremste Grenze der Unterscheidungsfähigkeit darstellt. Es wurde hierbei die Beobachtung gemacht, dass die zur Doppel- empfindung nothwendige Distance viel kleiner war bei Punkten, welche verschiedenen Ketten, als solchen, die derselben Kette angehörten; ferner, dass die innerhalb einer Kette oder in der Verlängerung derselben auf- ! Ein solches Instrament hat mir Hr. Paul Dörffel in Berlin angefertigt. 56 ALFRED GOLDSCHEIDER: gesetzten Spitzen häufig bei einer ganz bestimmten Stellung in auffallend geringen Distancen als doppelt wahrgenommen wurden, nämlich wenn die eine Spitze auf den Ausstrahlungspunkt oder in der Verlängerung der Kette über den Ausstrahlungspunkt hinaus oder auf den an der Ecke gelegenen Punkt rückte Mit ganz besonderer Deutlichkeit und in äusserst kleinen Distaneen wurden namentlich diejenigen Punkte doppelt wahrgenommen, welche in der Nähe des Ausstrahlungscentrums liegend zwei verschiedenen Ketten angehörten. — Diejenigen Punktpaare, welche überhaupt als doppelt wahrgenommen und dementsprechend angegeben worden waren, wurden bei Fortsetzung der Prüfung mit grosser Constanz immer wieder als doppelt gefühlt. — Diese Wahrnehmungen konnten so oft wiederholt gemacht werden, dass ich mich berechtigt fühle, sie nicht für etwas Zufälliges zu halten. Es kam an manchen Stellen vor, dass unter der ganzen Menge von Punkten die gefundene Minimaldistance immer nur an einem bestimmten Punktpaare zur Doppelempfindung Anlass gab und dass dieses letztere den eben beschriebenen Verhältnissen entsprach. Ich glaube aus diesen Be- obachtungen den Schluss ziehen zu dürfen, dass die Punktketten ausstrah- lenden, sich verästelnden Nervenfasern entsprechen und dass unter Um- ständen eine Kette ganz oder grösstentheils den Ramificationsbezirk einer einzigen Faser oder wenigstens von Fasern, welche in besonders engem anatomischen und functionellen Complex stehen, darstellen kann, während man bei verschiedenen Ketten sicher ist, zwei verschiedene Nervenfasern zu reizen. Weiter aber, dass die gleichzeitige Reizung zweier Nervenfasern unter Umständen zur Doppelempfindung genügt, gleichgültig wie weit die Reize auf der Hautfläche von einander entfernt sind. Sobald die Doppelempfindung der Punkte deutlich in das Bewusstsein tritt, so ist damit in der Mehrzahl gleichzeitig ein ziemlich zutreflendes Wahrnehmen des gegenseitigen Lageverhältnisses damit verbunden. Man fühlt, ob die Punkte in der Längsrichtung des Körpers oder der Glieder, in der Queraxe oder schräg nach der einen oder anderen Richtung stehen. — Feiner ist die schon bei dem Ortssinn der Temperaturpunkte erwähnte Erscheinung auch bei den Druckpunkten vorhanden, dass nämlich die Ent- fernung derselben durchgehends ganz erheblich zu weit geschätzt wird; man ist geradezu erstaunt, wenn man die wirkliche Distance der Zirkelspitzen mit derjenigen vergleicht wie sie nach dem bei abgewandten Augen ge- machten Eindruck vorhanden zu sein schien. | Die Distanceminima welche ich bei meinen Messungen fesstellen konnte, sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt. Auf die aus derselben her- vorgehenden topographischen Unterschiede werde ich später noch zurück- kommen. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal hervorheben, dass, wenn noch irgend etwas an der Existenz der Druckpunkte zweifelhaft sein könnte, NEUE THATSACHEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERVEN. 87 die mit exacter Schärfe anzustellenden Beobachtungen über den Ortssinn derselben diese Zweifel beheben müssen. ; Millimeter Millimeter Rücken 4—6 Hohlhandwülste an den Brust . 0-8 Fingergelenken . 0.3 Bauch 1-5—2 Dorsallläche der Meta- Stirn . 0.5—10 carpo - Phalangeal - Ge- Kopfhaut 1--1.4 lenke Ze 20:9 Wange 04—0-.6 I. und II. Phalange volar 0°2—0.4 Nase 0-3 I. und II. Phalange dorsal 0-4—0-8 Kinn . ne .. 023 Nagelglied volar 0-1 Oberarm, Beugelläche 0°6—0:8 Nagelglied dorsal . 2 0.5 Unterarm, Beugefläche . 05 Schwimmhaut zwischen Unterarm, Strecklläche . 1:0 den Fingern 0.9 Handrücken 0-.5—0.6 Oberschenkel 3.0 Handteller 0-.1—0.5 Unterschenkel . 0.8—2-0 Daumenballen . 0-.2—0-3 Fussrücken . 0.8—1-0 Kleinfingerballen 0.1—0.2 Fusssohle 0-.8—1-0 Schmerzpunkte. Man begegnet, wenn man mit der Nadel die Haut abtastet, nicht selten Punkten, welche auf einen sehr schwachen Nadelreiz mit einer auf- fallend feinstechenden, bei etwas stärkerem Druck laneinirenden, hervor- ragend schmerzhaften Empfindung reagiren, wo andere Hautstellen nichts fühlen oder wenigstens nicht annähernd einen Schmerz wahrnehmen. Man kann an diesen Punkten auch mittels schwacher faradischer Ströme diese besondere Schmerzempfindlichkeit nachweisen. Namentlich finden sich die- selben in den grossen und kleinen Furchen der Haut — wo gerade das specifische Druckgefühl fehlt. Ich hatte sie in meiner früheren Publication als Schmerzpunkte bezeichnet, bemerke jedoch ausdrücklich, dass dieser Name nicht involviren sollte, dass diese Punkte etwas Specifisches seien; ich bin weit davon entfernt, zu glauben, dass dieselben in irgend einer besonderen Beziehung zum Schmerzsinn stehen. Ich hatte früher geglaubt, dass dieselben eine den Druckpunkten ähnliche Anordnung haben. Die Zeichnungen wurden in der Weise hergestellt, dass eine circumscripte Haut- stelle mit schwächsten Nadelreizen abgesucht wurde und diejenigen Punkte, an welchen mir das beschriebene Gefühl auffiel, bezeichnet wurden. Diese Bilder zeigten einen Typus der Anordnung, welcher dem der Druckpunkte 38 ALFRED GOLDSCHEIDER: ähnlich war. Jedoch bin ich später zu der Ueberzeugung gekommen, dass die Bestimmung: dieser Punkte derartig mit Fehlerquellen behaftet ist, dass es unvorsichtig wäre, irgend welche Sätze auf Grund derselben aufzustellen. Nur soviel glaube ich behaupten zu können, dass es solche Punkte giebt, welche bei auffallend schwachen Reizen eine Schmerzempfindlichkeit zeigen. Theorie des Gefühlssinnes. Wenn im Folgenden versucht werden soll, eine Theorie des Ge- fühlssinnes der Haut aufzustellen, so möchte ich die Vorbemerkung machen, dass dieselbe nicht eine erschöpfende 'Theorie des gesammten Ge- fühlssinnes sein soll, sondern nur eine Darstellung derjenigen Auflassung über den Gefühlssinn, welche zunächst aus der Thatsache der Druckpunkte und ihren Eigenschaften, sowie aus einigen weiteren damit in Zusammen- hang stehenden Beobachtungen unmittelbar gefulgert werden muss. Die durch den — allgemein gesagt — Gefühlsnervenapparat der Haut vermittelten Empfindungsqualitäten sind: “ Berührungsgefühl, Druckgefühl, Schmerzgefühl, Kitzelgefühl. Ob ausser dem letzteren noch ein davon zu unterscheidendes speci- fisches Juckgefühl existirt, lasse ich dahingestellt. Ich habe mich bis jetzt nicht davon überzeugen können, sondern glaube, dass das sogenannte Jucken nur ein besonders andauerndes Kitzelgefühl- ist. Stellen wir die an den Druckpunkten entstehenden Gefühlsqualitäten noch einmal denjenigen der dazwischen liegenden Hautstellen gegenüber, so haben wir bei jenen einmal die gesteigerte Berührungsempfindlichkeit, welche sich in dem auf schwächste Reize erfolgenden zarten Berührungs- sefühle kundgiebt. Dieses geht, wie es denn nichts anderes ist als ein äusserst schwaches Druckgefühl, bei stärkeren Reizen in die specifische Druckempfindung über, um sich schliesslich zu einem schmerzhaft drückenden Gefühl zu steigern. An den punktfreien Hautstellen wird erst bei relativ stärkeren punktförmigen Berührungsreizen ein Berührungsgefühl hervorgebracht; dasselbe ist nicht scharf und distinet ausgeprägt wie bei den Druckpunkten, sondern stumpf, pelzig, unbestimmt. Es geht bei Ver- stärkung des Reizes über in ein stechendes oder besser stichähnliches, aber nicht schmerzhaftes Gefühl, d.h. in eine Empfindung, welche punktförmig, dabei dünn und matt in ihrer Ausdruck ist und — wenn sie auch quan- titative Unterschiede in sich wohl erkennen lässt, doch ein unmittelbares, NEUE THATSACHEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERVEN. sg objeetivirendes Wahrnehmen der aufgewendeten Druckstärke nicht gestattet. Dieses Gefühl geht weiterhin über in ein schmerzhaft stechendes, welches durehdringend, laneinirend ist, meist im Moment des Entstehens am stärk- sten ist, um schnell zu erlöschen, trotz Fortdauer des Reizes, im Allgemeinen einen schwächeren Eindruck auf das Sensorium ausübt als die schmerzhafte Erregung eines Druckpunktes, welche letztere sich noch dadurch vor jener auszeichnet, dass sie nicht schnell vorübergeht, sondern so lange andauert als der Reiz und sich meist noch steigert oder steigern lässt. Der Schmerz der Druckpunkte ist bei starkem Druck viel empfindlicher als zwischen ihnen, er irradürt häufige und kaun unerträglich werden. Diese Charakteristik ist natürlich Punkten entnommen, welche in ihrer Qualität besonders ausdrucksvoll sind. Es giebt, wie schon erwähnt, hier Abstufungen, und man findet solche, welche einen derartig scharfen Unter- schied gegen ihre Umgebung nicht erkennen lassen. Dessen ungeachtet erwächst aus den beschriebenen Verhältnissen die nothwendige Folgerung, für die Druckpunkte gesonderte Nervenfasern anzunehmen. Mage man sich eine Einrichtung der etwa hier liegenden Endapparate denken, wie man will, man kann auf keine Weise die Erscheinung, dass das Punkt- sefühl von einer anderen Qualität ist, durch irgend welche Endapparate erklären. Auch die Annahme, dass die gewöhnlichen sensiblen Nerven an den Punkten etwa in besonderer Dichtigkeit liegen, kann die Qualität des Druckgefühles nicht erklären. Ich schliesse daher aus den mitgetheilten Thatsachen, dass es in der Haut neben den Temperaturnerven noch zwei gesonderte Arten von sensiblen Nerven giebt: die eine von diesen stellt die allgemein verbreiteten Gefühlsnerven dar, welche im Allgemeinen jeden Punkt der Haut befähigen, mechanische Reize von einer gewissen Stärke überhaupt wahrzunehmen. Die andere Art wird gebildet von den speci- fischen Drucknerven, welche befähigt sind, einerseits hervorragend feine heize, andererseits die Abstufung der Reizstärke wahrzunehmen, endlich mit einem eminenten Ortssinn ausgestattet sind. Diese specifischen Druck- nerven bilden ein eigenes System von Nerven und treten mit den Tempe- raturnerven zusammen in die Hautsinnesfläche ein, indem die Fasern ge- meinschaftlich an gewissen Stellen der Haut, besonders den Haarinsertionen, aufsteigen und sich von hier aus radienförmig in die Fläche ausbreiten. Das System der Gefühlsnerven scheint die Haut allseitig, ohne bestimmt erkennbaren Typus der Verzweigung, zu durchziehen und macht im All- gemeinen jeden Pumkt der Haut zu emem fühlenden. Das System der Drucknerven dient dagegen einer specifischen Sinnesthätigkeit, welche ihren besonderen Wirkungskreis hat, nämlich das Ressort der Tast-, Druck-, Ortswahrnehmungen. Es ergiebt sich hieraus, dass die Gefühlsnerven mehr die Function haben, unsere Haut selbst uns fühlen zu lassen, die Druck- 90 ALFRED (OLDSCHEIDER: nerven mehr die Aussenobjecte zu fühlen; und so würden die ersteren mehr als Träger des sogenannten Gemeingefühls zu betrachten sein, wäh- rend die Erregungen der letzteren mehr zur Objeetivirung geeignet sind. Sowohl an den Druckpunkten wie an der punktfreien Haut. wird bei einer gewissen Grenze der heizstärke das Gefühl ein schmerzhaftes, und da der Schmerz doch eine neue Qualität darstellt, so tritt uns die Frage entgegen, wie sich die Schmerzqualität zu den Gefühls- und Druck- nerven bez. zu den von ihnen geleiteten Empfindungsqualitäten verhält. — Fasst man den Schmerz als eine eigene Qualität auf, so müsste man ihm auch eigene Nerven einräumen, Schmerznerven. Die Frage nach den Schmerznerven hat bis jetzt immer noch nicht erledigt werden können; man steht wohl grösstentheils auf dem Standpunkt der Schiff’schen Ver- suche, welcher durch Durchschneidung der grauen Substanz Analgesie herbeigeführt zu haben beschrieb. Man müsste sich dann, nach dem Vor- sange Funke’s, Wundt’s und Anderer, die Vorstellung machen, dass die sensible Faser nach ihrem Eintritt in das Rückenmark sich in zwei Wege gabelt, von denen der eine durch die graue Substanz geht, mehr Leitungs- widerstände bietet und daher nur bei starken Erregungen passirbar ist, der andere durch die Hinterstränge führt. Da die spezifische Energie nicht eine Eigenschaft der Leitungswege, sondern der centralen Apparate ist, so müsste man weiter annehmen, dass die getrennten Leitungsbahnen auch getrennte centrale Endigungen haben, derart, dass die eine bei jeder Er- regung die Gefühls- bez. Druckqualität giebt, die andere Schmerzqualität. Man wird demnach auch auf diesem Wege auf die Annahme spezifischer Schmerzapparate, centraler Schmerzzellen geführt; und die Trennung der Leitungsbahnen kann danach nur die Bedeutung haben, dass eine Sonderung der Erregungen nach ihrer Intensität stattfindet, so dass den Schmerzzellen auch wirklich nur die starken Erregungen zugeführt werden. — Dass man überhaupt getrennte Leitungsbahnen annehmen muss und nicht Druck und Schmerz in einem und demselben Wege leiten lässt, wird veranlasst durch die Erscheinungen der Analgesie Denn wenn an einer Stelle der Haut Gefühlssensationen wahrgenommen werden, aber kein Schmerz, so kann man nieht annehmen, dass hier die Empfindlichkeit für schwache Erregungs- zustände erhalten, für starke aufgehoben sei. Es ist dies zwar geschehen; man kann sich auch wohl vorstellen, dass eine centrale Ganglienzelle der- artig verändert werden könne, dass sie wohl in einen schwachen, aber nicht in einen stärkeren Erregungszustand verfallen könne; jedoch ist es paradox, dass sie bei einer derartigen Schwächung ihrer Empfindlichkeit durch die schwächsten Reize überhaupt weiter könne errest werden; dies muss man aber bei der gedachten Erklärungsart voraussetzen. — Wenn daher der Schmerz eine neue Qualität sein soll, so kann man die Erscheinung NEUE THATSACHEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERVEN. 9] der Analgesie nicht anders auslegen, als indem man entweder eine Spaltung der Leitungsbahnen und centralen Endigungen oder von vornherein besondere Schmerznerven annimmt. Letztere Annahme nun hat es mit der Schwierig- keit zu thun, dass man an jedem Punkt der Haut und auch an den Druckpunkten eine doppelte Innervation voraussetzen müsste. Ferner sprich dagegen, dass wir an manchen Körpertheilen Schmerzen nur empfinden bei krankhaften Veränderungen, z BD. in der Zahnpulpa, in dem serösen Häuten u. s w. Es müssten danach die hier gelegenen Schmerznerven im Allgemeinen in völlig unthätigem Zustande verharren und nur zu dem Zwecke da sein, um bei einzelnen Unglücklichen zu einer gewissen Zeit des Lebens in Thätiekeit zu treten. Was nun die oben beschriebenen Schmerzpunkte betrifft, so ist dort schon hervorgehoben, dass denselben eine besondere Beziehung zum Schmerzsion und speciell zu etwaigen ge- sonderten Schmerznerven nicht zukommen kann. Vielmehr dürften die- selben einfach Endigungen der Gefühlsnerven darstellen, welche in besonders exponirter Lage äusseren heizungen gegenüber sich befinden, so dass schon ‚ein schwächerer Reiz bei ihnen einen Erregungszustand herbeiführt, wie an den übrigen Stellen ein stärkerer. Neigt man sich nun zu der Ansicht, dass der Schmerz keine neue Qualität sei, sondern nur die stärkste Form der den Gefühls- und Druck- nerven sonst eigenen Qualitäten, so fiele damit die Nothwendigkeit einer getrennten centralen Endieung fort, man müsste es jedoch auf irgend eine - Weise plausibel zu machen suchen, dass die eine Bahn, die durch die Hinterstränge, lediglich für schwache, die andere durch die graue Substanz ledielich für starke Reize passirbar sei — wie dies Wundt versucht hat. Die Lehre von den specifischen Energien verlangt es in der That nicht, dass man den Schmerz als eine differente Qualität hinstellen müsste, be- sonders da er, wenn er nicht sehr intensiv ist, doch immer gewisse ver- wandtschaftliche Beziehungen zur Berührungs- und Druckqualität zeigt. Ich sehe daher keine andere Möglichkeit, als den zur Zeit wohl meist vertretenen Standpunkt von der Gabelung der Leitungsbahnen festzuhalten, mit dem Zusatz, dass die gemeinsame centrale Endigung mir wahrschein- licher ist als die Speeifieität centraler Schmerzzellen. Danach wäre die Anschauung über die qualitativen Leistungen der Hautsinnesnerven in folgender Weise zu formuliren: Der Gefühlsnerv giebt, im Erregung versetzt, jene schon öfter beschriebene matte stichartige Empfindung, zu welcher sich bei einer gewissen Stärke der Erregung ein stichartiges laneinirendes Schmerzgefühl gesellt. Der Drucknerv giebt . ! Dies Argument spricht allerdings auch gegen die specifischen centralen Endigungen schmerzleitender Fasern überhaupt. 92 ALFRED (GOLDSCHEIDER: Druckempfindunge, d. h. eine etwas verbreiterte, vollere, körnige, feiner Abstufungen fähige Empfindungsqualität, zu welcher sich bei einer gewissen Erregungsstärke ein ziehendes, drückendes, quetschendes, in Vergleich zu dem der Gefühlsnerven im Allgemeinen intensiveres und nachhaltigeres Schmerzgefühl gesellt. Beide Arten von Nerven empfinden nun schwache Erregungszustände zugleich als Kitzel, und es erübrigt daher, dieser Qualität nach näher zu treten. Das Kitzelgefühl ist dem Experiment schwer zugänglich und ich muss mich begnügen, über dasselbe meine eigene Ansicht hier darzustellen, welche ich zwar nicht geradezu beweisen kann, welche jedoch durch einige Beobachtungen für mich einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit hat. Wir erzeugen überall den Kitzel durch die schwächsten mechanischen Reize. Er wird nicht etwa durch irgend eine bestimmte Art von Beweg- ungen hervorgebracht, sondern jede einfache mechanische Reizung erzeugt ihn, vorausgesetzt nur, dass sie schwach genug ist. Es ist demnach der Kitzel als eine specifische Empfin dungsqualität irgend eines Nerven- apparates anzusehen, welche in Folge Reizung desselben durch schwächste mechanische Reize producirt wird. Es fragt sich nun, ob dieser Nerven- apparat derselbe ist wie der für die Berührungs- und Druckempfindung und in welchem Verhältniss die letzteren zum Kitzelgefühl stehen. — Das Kitzelgefühl entsteht nun im Allgemeinen stets gleichzeitig mit Berührungs- und Druckgefühl, namentlich aber begleitet es das schwache Berührungs- und Druckgefühl, während es, wenn letzteres stärker ist, zurücktritt. Dies verhält sich jedoch topographisch verschieden. An Regionen mit schwachem Kitzelgefühl ist dasselbe nur bei schwächster Berührung vorhanden; an solchen mit starkentwickelter Kitzelempfindlichkeit ist es selbst noch bei derben mechanischen Reizungen, die sich bereits der Schmerzgrenze nähern, zu bemerken. Angenommen, es gäbe besondere specifische Kitzelnerven, so wäre nicht einzusehen, warum der Kitzel nicht mit der Stärke der Er- regung wachsen sollte, wie es bei allen Sinnesempfindungen der Fall ist. Dies Argument möchte wohl genügen, um wenigstens den Versuch zu rechtfertigen, eine Vorstellung durchzuführen, nach welcher das Kitzelgefühl ein Product desselben Nervenapparates sein soll, welcher uns die Berühr- ungs- und Druckempfindung zuleitet. Da nach dem Gesetze der specifischen Energien nur quantitative, nicht qualitative Verschiedenheiten des nervösen Erregungszustandes angenommen werden können, so muss diese Vorstellung damit beginnen, dass die specifische Empfindung der sensiblen Nerten nicht die blose Berührungs- und Druckempfindung ist, sondern diese mit Kitzel vereinigt, in der Weise, dass dieselbe gleichsam in der Färbung NEUE THATSACHEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERVEN. Pe _ u des Kitzels wahrgenommen wird, „wie man mit den Sehnerven stets ein Objeet mit einer Farbe versehen wahrnimmt. Diese Färbung des Kitzels tritt am deutlichsten hervor, wenn die Berührungs- bez. Druck- empfindung mit ihrem Empfindungsinhalt am schwächsten in das Bewusst- sein tritt; je mehr dieser letztere in den Vordergrund tritt, desto mehr nimmt darunter die Färbung des Kitzels ab. — Hiernach ist also Kitzel nicht eine neben der Druckqualität bestehende andere Qualität, sondern innig mit ihr verbunden, — eben wie die Farbe mit der Gesichtsempfin- dung und zwar derart, dass er um so intensiver wahrgenommen wird, je weni- ger der eigentliche Inhalt der Druckempfindung auf die Seele wirkt. Es giebt mehrfache Erscheinungen, welche für diese Auffassung sprechen. Sehr häufig entsteht heftiger Kitzel aus inneren in der Haut gelegenen Ursachen, welche auf die Nervenenden wirken, Hyperämie, Exsudat u. s. w. Hierbei ist die Berührungs- oder Druckempfindung meistens Null, während die Kitzelempfindung sehr stark hervortritt, — Applieirt man auf die Haut einen stärkeren mechanischen Reiz, indem man mit einer Nadel oder einem Hölzehen einsticht, so ist unmittelbar darauf in einem gewissen Umkreis die Haut unfähig Kitzel wahrzunehmen. Umgekehrt, streicht man leise über eine Stelle, so dass ein nachdauerndes Kitzelgefühl entsteht, und reizt nun in der angegebenen Weise einen Punkt, so ist in demselben Moment das Kitzelgefühl verschwunden. — Nach mehrfacher Kitzelerregung ist eine Stelle wohl noch fähig, Berührung wahrzunehmen, aber nicht Kitzel. — Eine Stelle, welche längere Zeit bedeckt gehalten ist, so dass die sen- siblen Nerven keine Reizung erfahren haben, wie sie sie sonst durch Frie- tion, Luftzug u. s. w. fortwährend erfahren, ist empfindlicher gegen Kitzel. Brillentragende Menschen haben die Neigung, beim Abnehmen der Brille die Augenlider zu reiben. — Die Empfindlichkeit für Kitzel ist topographisch verschieden — worauf wir noch zurückkommen. Es ist nun merkwürdig, dass Körperstellen, deren Haut an starke Druckreize gewöhnt ist, wie 2. B. das Gesäss, gerade hervorragend empfindlich für Kitzel sind, während andere, deren Nerven vorzugsweise auf schwache Reize eingerichtet sind, wenig Kitzel wahrnehmen, wie die Finger und Tastballen. Die Nerven der Gefässhaut sind an starke Erregungen gewöhnt, oder besser, das Sen- sorium ist an ihre starken Erresungen gewöhnt und nimmt sie nicht mehr in der ihnen eigentlich zukommenden Empfindungsstärke wahr. Werden diese Nerven jetzt einmal durch schwache Reize erreet, so tritt die Kitzel- empfindung äusserst lebhaft in das Bewusstsein, weil die Druckempfindung als solehe inhaltlich zurücktritt im Folge der Gewöhnung an stärkere Druck- reize. Die Tastnerven der Finger dagegen sind an schwache Erregungen gewöhnt und das Sensorium hat schon bei ihren schwachen Erregungen ausgesprochene Empfindungen des Druckes. Deshalb wird bei diesen die 94 ALFRED GOLDSCHEIDER: Färbung des Kitzels auch den schwächsten Reizen gegenüber weniger zur Geltung kommen. Der Kitzel ist hiernach innig mit der Druckempfindung verknüpft: je mehr aber gewissermaasen die Contouren der letzteren hervortreten, desto- mehr tritt die Färbung des Bildes zurück. Einen inneren Zusammenhang in diesen Vorgang kann man in folgender Weise zu bringen versuchen; Kitzel gehört zu denjenigen Gefühlen, welche nicht objectivirt zu werden pflegen. Und zwar wird dies ohne Zweifel verhindert hauptsächlich dureh die Stärke des psychischen Eindrucks, welchen die Empfindung hervorruft. Denn sie macht unter Umständen einen dem Schmerz ähnlichen heftigen Eindruck, ruft die gewaltigsten Reflexbewegungen hervor und stört das bewusste Denken. Man könnte sich nun vorstellen, dass die Empfindung des Kitzels überhaupt stets mit der des Druckes verbunden sei. Wir würden dann nie in die Lage kommen, diese beiden für getrennte Em- pfindungen zu halten, wie wir es jetzt thun. Es würde jedoch die unzweck- mässige Folge entstehen, dass wir das Druckgefühl nie objectiviren könnten. Da nun das Objectivirtwerden eine allgemeine Eigenschaft aller derjenigen Sinnesempfindungen ist, welche durch Bewegungen merkbar verändert werden, so ist zu Gunsten dieses allgemeinen Gesetzes die Objectivirungs- fähigkeit für die Druckgefühle doch erreicht worden, indem zunächst an den Stellen, welehe hauptsächlich zur Wahrnehmung und Schätzung der Druckwirkungen verwendet werden, eine Abstumpfung gesen den psychischen Eindruck des begleitenden Kitzelgefühls sich entwickelt hat und so ein Verdrängen desselben durch die Objeetivirung des Druckgefühles stattge- funden hat. Hieraus ist, im Zusammenhang damit, dass für die schwächsten Druckreize naturgemäss die Objectivirung weniger geübt worden ist — ausser eben an den Tastflächen — der Zustand resultirt, dass der Kitzel um so mehr zurücktritt, je schärfer die Erreeung der Drucknerven objecti- virt wird. In Bezug auf die Erscheinung, dass ein stärkerer Hautreiz die Kitzel- empfindlichkeit auf einen gewissen Umkreis hin aufhebt, möchte ich noch hervorheben, dass man sich dies nieht durch Veränderungen der Haut selbst erklären kann, sondern lediglich so, dass eine centrale Erregung von Gang- lienzellen oder Leitungsbahnen von einer gewissen nachdauernden Wirkung gesetzt ist, welche, wie stärkere Druckempfindungen, das Eintreten der Kitzelempfindung über die Bewusstseinsschwelle verhindert. Ich denke mir in analoger Weise die Wirkung des Kratzens beim Jucken. Wenn es auch nahe liest, anzunehmen, dass die Gewohnheit des Kratzens sich aus der bewussten Absicht entwickelt habe, irgend welche an der Haut befindliche kleine Fremdkörper hinwegzuräumen, so ist doch unverständlich, weshalb wir auch dann, wenn solche nicht vorhanden sind, kratzen und NkuE TnAtTsacHhEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERVEN. 115) weiter, weshalb wir uns nicht begnügen, einfach den Fremdkörper, im Falle dass einer da ist, aus dem Wege zu räumen, sondern, nachdem dies ge- schehen, die Kratzbewegungen noch fortsetzen. Endlich kratzen wir auch, wenn wir überzeugt sind, dass eine innere nicht hinwegzuräumende Ursache das Jueken hervorbringt, z. B. bei heilenden Geschwüren, und zwar nicht einmal an der Stelle des Juckgefühls, sondern im Umkreise, da wir sehr wohl die Erfahrung gemacht haben, dass dies auf eine gewisse Eintfernung noch wirksam ist zur Unterdrückung des Kitzels. Ich glaube demnach, dass die Wirkung des Kratzens darin besteht, dass ein stärkerer Erregungs- zustand der Drucknerven produeirt wird, welcher den schwächeren, die Kitzelempfindung hervorbringenden unterdrückt. Hierauf deutet es auch, dass das Kratzen bis zu einer gewissen Sättigung fortgesetzt zu werden pflegt, nämlich bis der Erregungszustand eine zur Unterdrückung des Kitzels genügende Stärke erreicht hat. Dass das Kitzelgefühl sowohl den Berührungs- wie den Drucknerven angehört, geht daraus hervor, dass einerseits an den Druckpunkten dasselbe sogar für gewöhnlich besonders stark und durch die schwächsten Reize zu erzielen ist, und dass es andererseits auch an druckpunktlosen Stellen, z. B. jungen Narben, sehr ausgeprägt vorhanden ist. Die über die Ortsempfindung der Druckpunkte mitgetheilten Beobach- tungen lassen sich kaum vereinigen mit der Theorie der „Localzeichen“, in der Form, wie dieselbe heute vorgetragen wird. Denn mag man auch annehmen, dass diese Localzeichen nicht peripherischen Ursprunges sind, sondern centralen, in der Weise, dass den räumlich getrennten Nerven gewisse unterschiedliche qualitative Merkmale der speeifischen Empfindung anhaften, welche eine Unterscheidung in der Zeiteinheit ermöglichen, so ist es doch kaum vorstellbar, dass die unzähligen unterscheidungsfähigen Druckpunktpaare durch derartige qualitative Färbungen differenzirt sein sollten. Auch ist es kaum denkbar, dass die sehr häufige unmittelbare Wahrnehmung des ungefähren Lagerungsverhältnisses der Druckpunkte - auf einer erlernten Kenntniss der supponirten qualitativen Färbungen be- ruhen sollte. Vielmehr wird es wahrscheinlich gemacht, dass die anato- mische Geschiedenheit der Nervenfasern und ihrer centralen Endigungen unmittelbar auf das Sensorium wirkt, wobei das Moment, dass die Einzel- 'empfindungen eine gewisse Deutlichkeit haben müssen, noch wesentlich zu sein scheint. Damit ist noch nicht gesagt, dass den centralen Elementen eine unmittelbare, eingeborene räumliche Empfindung zukommen solle, sondern nur die Unterscheidungsfähigkeit in der Zeiteinheit. Da die Empfin- dungen derselben auf die Hautoberfläche — zunächst — verlegt werden — was ja schon ein vorhergegangenes Erlernen involvirt —, so können die gleichzeitig unterschiedenen nicht anders als in der Fläche unterschie- 96 ALFRED GOLDSCHEIDER: den werden. Es kann nun hier die empirische Thätigkeit insofern weiter _ gewirkt haben, als, um den einfachsten Fall zu nehmen, Eindrücke, welche hauptsächlich in der Längsrichtung des Körpers sich ausdehnen, die cen- tralen Elemente in einer anderen anatomischen Configuration erregen, als solche, welche die Querrichtung betreffen. In der That spricht manches dafür, dass die centralen Elemente eine derjenigen der peripherischen wenigstens in groben Zügen entsprechende Anordnung haben, so dass sich also auch gewisse Richtungen der Körperoberfläche in durchgreifenden anatomischen Verhältnissen der Centralapparate documentiren. Hierzu muss dann noch die weitere Annahme dazukommen, dass bis zu einer gewissen Grenze die räumliche Anordnung der centralen Elemente als solche auf die Seele wirken könne, in der Weise, dass eine gewisse Configuration von erregten Elementen von einer gewissen anderen Configuration unterschieden werden kann. Mag man nun diese hypothetischen Aufstellungen für be- rechtigt halten oder nicht, jedenfalls erheischen die über den Ortssinn der Druckpunkte gemachten Beobachtungen eine andere Erklärung als die zur Zeit für den Ortssinn der Haut gegebene. Es führt uns dies unmittelbar zu den Untersuchungen E. H. Weber’s. Dieser meinte, dass in der Haut anatomische Empfindungskreise existiren, welche je dem Endgebiet einer "Tastnervenfaser entsprächen. Eine Faser kann nur einen Eindruck in der Zeiteinheit dem Hirn übermitteln; werden zwei verschiedene Empfin- dungskreise getroffen, so werden dem Centralorgan dänach zwei Erregungen zugeführt, welche jedoch erst dann als gesondert aufgefasst werden können, wenn eine gewisse Anzahl von Empfindungskreisen dazwischen liegt. So stellt sich die Feinheit des Ortssinnes gewissermaassen dar in einer Ver- hältnisszahl, die angiebt, wie viel anatomische Empfindungskreise in einem physiologischen enthalten sind. Nach der Kenntniss der Druckpunkte, ihrer Anordnung und Eigen- schaften, ist wohl die Behauptung gestattet, dass mit ihnen die Nicht- existenz der Weber’schen Gefühlskreise erwiesen ist. Wir haben keine Kreise, sondern ein System von strahlig angeordneten Nervenendigungen, deren Ortssinn deutlich in Zusammenhang mit dem Strahlenbau steht. Dennoch müssen sich die Weber’schen Messungen mit den unserigen in irgend einen Zusammenhang bringen lassen. Die ortsunterscheidenden Fähigkeiten nun, welche bei distineter Reizung den Punkten in so hohem Grade anhaften, werden verschleiert, wenn eine Summe von ihnen gleich- zeitig getroffen wird. Es folgt dies aus dem schon bei dem Ortssinn der Temperaturpunkte hervorgehobenen Umstande, dass das unterscheidungs- fähige Punktpaar umgeben ist von miteinander confluirenden Punktgefühlen. Ausserdem dürfte das matte eleichförmige Gefühl der Gefühlsnerven wohl geeignet sein, zwischen den etwa discontinuirlich gefühlten Punkten NEUE THATSACHEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERVEN. 97 eine ausfüllende Verbindung herzustellen. Auf diese Weise dürfte, ähnlich wie bei dem Temperatursinn, die Empfindung des Flächenhaften zu Stande kommen. — E. H. Weber benutzte nun einen Zirkel mit abee- stumpften Spitzen und reizte mit demselben nicht blos unter Umständen eine Summe von Druckpunkten, sondern auch zugleich Gefühlsnerven in ganz zufälligem Verhältniss zu einander. Es gehen dabei dem Sensorium zwei local getrennte Summen von Nervenerregungen zu, und wenn unter diesen mehrere einzelne sich befinden, welche für sich allein gereizt doppelt empfunden werden würden, so können dieselben unter der beiderseitigen Masse von Einzelempfindungen doch nicht scharf genug vom Sensorium einander gegenüber gestellt werden. Die Doppelempfindung tritt hier viel- leicht erst auf, wenn die Mehrzahl der Einzelempfindungen diesseits von der Mehrzahl der Einzelempfindungen jenseits scharf gesondert werden kann. Es muss übrigens hierbei bemerkt werden, dass auch die punktfreie Haut vielleicht nicht gänzlich des Ortssinnes ermangelt, wenn auch derselbe jedenfalls sehr stumpf ist. — Die Weber’schen Messungen zeigen unge- fähr, wie der wirkliche Ortssinn der Druckpunkte sich geltend macht im praktischen Gebrauch. Auf den ersten Eindruck hin nämlich muss es scheinen, dass uns in dem Ortssinn der Druckpunkte eine Art von Luxus- einrichtung mitgegeben sei, von welcher wir überhaupt keinen Gebrauch machen können; denn zu welchen Verrichtungen brauchen wir ein Unter- scheidungsvermögen von 0-5 "m an der Stirn, oder von 4“m am Rücken, oder selbst am Finger von 0-1"m? Es verhält sich nun aber so, dass dieses Unterscheidungsvermögen einzelner Punktpaare uns zunächst direct gar nicht zu Gute kommt, weil uns die Empfindungen dieser Punktpaare immer mit gröberen vermischt zugehen. Durch diese Vermischung eben werden die ortsunterscheidenden Fähigkeiten der Punkte derartig abge- schwächt, dass nun derjenige Zustand resultirt, welcher uns in den Weber’- schen Messungen mit abgestumpftem Zirkel entgegentritt. Es ist anzu- nehmen, dass, wenn das auch für Flächenreize bestimmende Substrat, näm- lieh die Druckpunkte, einen weniger ausgebildeten Ortssinn hätte, dann auch der für Flächenreize sich ergebende Ortssinn ein stumpferer sein würde, als er in den Weber’schen Messungen hervortritt. Diese Auffassung nun vermag auch die Erscheinung der Uebung des Ortssinns zu erklären. Man könnte nämlich meinen, dass das Factum der Uebungsfähigkeit des Ortssinnes einer so starren Basis, wie wir sie in den Druckpunkten angenommen haben, entgegenstehen. Jedoch da wir es bei den gewöhnlichen Flächenreizen — als Flächenreiz muss jeder auf- gefasst werden, welcher mehr bedeckt als einen Druckpunkt — mit einer Summe von Nerveneindrücken in der Zeiteinheit, zu thun haben, so findet Archiv f. A. u. Ph. 1885. Physiol. Abthlg. Suppl.-Bd. 7 98 ALFRED (OLDSCHEIDER: die Uebung als centrale Fähigkeit ein Feld für sich. Wenn wir aus der bei den gewöhnlichen Tasteindrücken uns zugehenden Summe von Nerven- erregungen diejenige der Druckpunkte schärfer heraussondern könnten, als es der Fall ist, so würde nach der uns zu Gebote stehenden anatomisch- physiologischen Grundlage, wie sie in den Druckpunkten gegeben ist, unser Ortsgefühl bedeutend verfeinert werden können. Es handelt sich nun bei der Uebung der Sinnesnerven vielfach darum, aus zwei ähnlichen Summen von Nervenerregungen differente Erresungen einzelner Nerven herauszuer- kennen." Die Uebung des Ortssinnes als Uebung der Fähigkeit, aus zwei Summen von annähernd gleichartigen Einzelempfindungen differentere heraus- zuerkennen, würde durchaus derjenigen Vorstellung entsprechen, welche wir uns nach der Darstellung du Bois-Reymond’s von der Uebung machen müssen. Die über die Uebung des Ortssinnes bekannten Erfahrungen würden sich sonach auch auf der Basis der Druckpunkte erklären lassen: so die von Volkmann hervorgehobene Thatsache, dass die Raumschwelle sich durch methodische Untersuchungen in wenigen Stunden bis auf die Hälfte verfeinert und dass sich der Erfolg dieser Uebung an einer be- stimmten Hautstelle auch auf die symmetrischen Stellen der anderen Seite erstreckt; ferner die Beobachtung von Funke, dass am Rücken nur geringe Verfeinerungen durch Uebung zu erzielen sind — wo, wie wir sehen, die Druckpunkte so weit verstreut liegen, dass der stumpfe Tasterzirkel nur wenige bedecken wird (Taf. IV, Fig. 47); die Valentin’sche Beobachtung, dass bei verschiedenen Personen an denselben Hautstellen die Raumschwelle eine verschiedene, das relative Verhältniss der einzelnen Stellen jedoch ein gleiches ist; endlich die bekannte Verfeinerung des Tastsinnes bei Blinden. Wenn nun die Druckpunkte für uns gewissermaassen Ortspunkte darstellen, so muss es auffallen, dass wir mit einem so unsymmetrisch durch die Hautsinnesfläche hin verstreuten Apparat, wie es die Druckpunkte doch sind, arbeiten sollen. Denn wenn wir mit diesem die Gestalt der Objecte wahrnehmen sollen, so kann dies nicht anders vor sich gehen, als indem alle diejenigen Punkte der Objectstläche, welche sich auf unseren Druckpunkten bez. wenigstens den hervorragend deutlichen und u lichen Druckpunkten abdrücken, von uns wahrgenommen und örtlich zu sammengeordnet werden, alle übrigen Stellen der Objeetsfläche aber nicht — denn der Ortssinn der punktfreien Hauttheile ist ein so unentwickelter, dass wir ganz von ihm absehen müssen. Da die Druck- und Ortsempfind- ! Viele Erscheinungen «der Sinnesübung lassen sich hierauf zurückführen; z. B. das Unterscheiden ähnlicher Geschmäcke, Gerüche, Gesichtswahrnehmungen u. s. w. ungern NEUE THATSACHEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERVEN. 99 ungen der Druckpunkte objectivirt werden, so werden wir alle diejenigen Punkte des Objects, welche unsere Druckpunkte berühren, auch eben ob- jectiv wahrnehmen, die übrigen wieder nicht, und die nothwendige Folge muss sein, dass wir die Contactfläche des Objects nicht mit ihrer wahren Gestalt und Beschaffenheit wahrnehmen, sondern so, wie sie sich auf unseren Druckpunkten abdrückt, — gewissermaassen als ob wir mit unseren Druck- punkten in sie hineindividiren. — Dass dies nun in der That der Fall ist, davon kann man sich überzeugen mittels geeigneter Tastobjecte. Ich benutze hierzu grössere und kleinere durchschnittene Federposen. Zeichnet man auf einer Hautstelle einige Punktketten auf und die von ihnen ge- bildeten rundlichen Figuren; und führt nun oder lässt führen — eine halb- durchschnittene Federpose, die gekrümmte Kante derselben leicht aufsetzend und wieder abhebend, langsam fortschreitend über die Hautstelle hin, während man seine Aufmerksamkeit ganz auf den jedesmal entstehenden Eindruck richtet, welchen man von der Form des Objects erhält, so über- zeugt man sich, dass dieser Eindruck fortwährend wechselt und dass man eine zutreffiende Vorstellung von der Form des Objects, also in diesem Falle eine annähernd halbkreisförmige Wahrnehmung nur selten bekommt. Letzteres tritt im Allgemeinen nur ein, sobald die Kante der Federpose Sanz zusammenfällt mit einer gekrümmt verlaufenden Kette, mit einem Abschnitt einer rundlichen Punktfigur. Wird die Kante so aufgesetzt, dass der mittlere Theil auf einen punktfreien Raum fällt und nur die Enden auf Punkte, so fühlt man keine gekrümmte Linie, sondern hat nur dis- continuirliche Druckempfindungen, etwa wie von einer Gabel sehr kleiner Dimension, oder hat den Eindruck einer geraden Linie. So kann es je nach der Stellung der Kante vorkommen, dass sie im umgekehrten Sinne gekrümmt erscheint oder s-föürmig gekrümmt oder rechtwinkelig geknickt. oder in der Mitte abgeschnitten oder in zwei getrennte geradlinige Abschnitte getheilt u. s. w. So erscheint die Kante auch bald schwach, bald stark gekrümmt, bald lang, bald kurz. Man kann auch ohne vorherige Fixirung von Druckpunkten solche Versuche anstellen, indem man kleine Tastobjecte über grössere Gebiete der Haut in der angegebenen Weise führen lässt, etwa über Finger, Hohlhand u. s. w., und man wird dabei die fortwährende ‘Veränderung des Eindrucks, welchen man von der Form des Gegenstandes bekommt, deutlich wahrnehmen. Eine halbirte Federpose über die Volar- fläche eines Fingers geführt, wird, wenn sie nicht zu gross ist, erst am Nagelglied ganz zutreffend gefühlt. Sie erscheint bald geradlinig, bald ver- schiedentlich gebogen, geknickt u. s. w. Am Nagelglied erscheint sie an gewissen Stellen auffallend lang und flach gekrümmt und dicht am Nagel mit einer gewissen Constanz wie ein geschlossener Kreis. Alles dies erklärt sich, wenn man in Rechnung zieht, dass dieselbe Entfernung, wenn sie in 100 ALFRED GOLDSCHEIDER: eine Punktkette fällt, viel kleiner erscheint als wenn sie auf zwei Ketten desselben Rayons fällt und am grössten — obwohl ich letzteres zur Zeit noch nicht beweisen kann, — wenn sie zwei Ketten verschiedener Rayons trifft, weil nach den oben mitgetheilten Beobachtungen für den Ortssinn die mehr minder grosse Geschiedenheit der Nervenfasern von grösserem Einfluss ist als die wirklichen Entfernungen auf der Hautoberfläche. Aehn- liche Versuche kann man mit einer geschlossenen kreisförmigen Kante einer Federpose machen. An einer Gelenkfurche des Fingers schnurrt die rineförmige Empfindung ganz zusammen, dann wird der Kreis unregel- mässig gefühlt, scheint Vorsprünge nach innen zu bilden, erscheint auf- fallend gross, oval, dann wieder sehr klein, hin und wieder wie ein abge- schnittener halbirter Ring u. s. w. Es schien öfter, als ob die in der (Juerrichtung der Glieder stehenden Theile der Tastobjecte deutlicher ge- fühlt würden als die in der Längsrichtung, was- einerseits mit Weber’s Beobachtungen übereinstimmen würde, andrerseits mit dem Verlauf der Nerven; denn diese durchziehen die Gliedmaassen in ihrer Längsrichtung und breiten sich nach den Seiten hin aus; demnach muss ein der Quer- schnittsebene paralleler Eindruck mehr gesonderte Nervenfasern treffen als ein der Längsrichtung und damit dem Verlauf der Fasern paralleler. — In derselben Weise wie mittels lineärer Tastobjecte kann man sich auch mittels flächenhafter die Ueberzeugung verschaffen, dass die Druckpunkte bestimmend für unsere Wahrnehmung sind. Ich benutze kleine Stifte mit ovaler, runder, quadratischer Grundfläche zu solchen Versuchen. Auch hierbei wechselt die Wahrnehmung bei jeder Verschiebung des Objects, und nicht blos nach Form und Grösse, sondern auch nach dem Eindruck, welche man von der Beschaffenheit der Grundfläche bekommt, welche bald glatt, bald körnig erscheint. Es sei hier gelegentlich erwähnt, dass man auch leicht Doppeleindrücke mittelst continuirlicher Objecte hervorrufen kann, indem man ein schmalkantiges Object so auf die Haut auf- drückt, dass zwei unterscheidbare Druckpunkte von der Kante getroffen werden. Es geht hieraus hervor, dass wir thatsächlich nicht das Objeet als solches. sondern unsere Druckpunkte wahrnehmen und weiterhin ob- jJeetiviren. Was die topographischen Verhältnisse ‘der Druckpunkte betrifft, so ist es eher möglich als bei den Temperaturpunkten, dieselben an kleinen Flächenstücken zu studiren, weil der Drucksinn im Allgemeinen gleich- mässiger verbreitet ist als der Temperatursinn. Aus den beigegebenen Abbildungen! ist zu ersehen, dass die Dichtiekeit der Druckpunkte topo- ! Vergl. zam Folgenden Tafel IV. NxEuVE THATSACHEN ÜBER DIN HAUTSINNESNERVEN. 101 graphisch die grössten Verschiedenheiten zeigt. Dabei sind noch diejenigen Theile, welche die grösste Dichtigkeit derselben zeigen, nicht mit vertreten, wie die Fingerbeeren, weil es nicht möglich ist, die Druckpunkte hier von einander zu isoliren. Im Allgemeinen zeigt sich die regionäre Häufiekeit der Druckpunkte im Verhältniss stehend zu der Ortsempfindlichkeit. Jedoch ist das numerische Verhältniss allein noch nicht maassgebend, da noch die Empfindlichkeit der Druckpunkte in Betracht kommt, welche meist bei den seltener stehenden Druckpunkten auch geringer zu sein pflegt. Weiterhin kann man gerade an den Druckpunkten in sehr deut- licher Weise sehen, wie der Sinnesapparat der Haut bis auf das kleinste von der localen Nervenversorgung abhängig ist. Aus den Abbildungen vom Handrücken (Figg. 30. 32) z. B. geht hervor, dass die den Metacarpalknochen entsprechende Haut im Allgemeinen viel ärmer an Druckpunkten ist, als die der Spatia interossea. Die in den letzteren verlaufenden Nerven scheinen Ausläufer über die Knochen hin zu schicken, welche sich in Punktketten darstellen. Nach der Mittellinie der Knochen zu werden die Druckpunkte immer seltener, und es entstehen punktfreie Räume, welche im Vergleich zu der Dichtigkeit der Druckpunkte und der Kleinheit der von den Punkt- ketten umschlossenen regulären freien Räume eine auffallende Ausdehnung besitzen. Aehnliche Verhältnisse zeigen die Abbildungen von Brust- und Fussrücken. Es geht auch die Ortsempfindlichkeit hiermit Hand in Hand. Ich habe die locale Unterschiedsempfindlichkeit auf den Mittelhandknochen stumpfer gefunden als in den Zwischenknochenräumen; ebenso auf den Rippen stumpfer als in den Zwischenrippenräumen. Entsprechend verhalten sich andere nervenarme Theile, wie die Haut über den Malleolen, dem Processus styloideus radii, dem Olecranon. Die Dichtigkeit der Druckpunkte schreitet im Allgemeinen vom Rumpf gegen die Enden der Gliedmaassen vor und es documentirt sich damit für die bekannte in derselben Weise verlaufende Zunahme des Ortssinnes ein anatomisches Substrat. Nicht auf bloser phylogenetischer Uebung beruht dieses Vierordt’sche Gesetz, dass mit dem Abstand von der Drehungsaxe der Ortssinn wächst, sondern auf organischer Entwickelung wirklich vor- handener nervöser Gebilde. Es ist verständlich, dass der Ortssinn mit der Dichtigkeit der Druckpunkte in unmittelbaren Beziehungen stehen muss. ‚Wo die letzteren in geringerer Zahl vertreten sind, ist auch die Entfernung zwischen ihnen und speciell auch zwischen den Punktketten grösser und deshalb ein grösserer Abstand der Zirkelspitzen erforderlich, um die Enden zweier verschiedener Nervenfasern zu treffen. Wenn wir den mittleren Ortssinn der Druckpunkte bestimmt hätten, so würde dieser wahrscheinlich ziemlich genau dem topographischen Verhältniss der Dichtigkeit der Druck- 102 ALFRED GOLDSCHEIDER: punkte entsprechen — bis auf die Abweichungen, welche durch die topo- graphisch verschiedene Empfindlichkeit der Druckpunkte selbst bedingt sein würden. Es. ist jedoch nicht der mittlere, sondern der je beste Ortssinn, aus bereits erörterten Gründen, bestimmt worden. Dies Moment ist bei der Vergleichung der gegebenen Ortssinntabelle mit der topographischen Häufig- keit der Druckpunkte zu beachten. — Es ist hier der Ort, auf die Be- ziehungen des tactilen Ortssinnes zum Temperaturortssinn hinzuweisen. Die Minimalwerthe des letzteren zeigten sich nach der früher gegebenen Tabelle viel grösser als die für den Ortssinn der Druckpunkte gefundenen. Als Grund dafür hat sich jetzt die grössere Dichtigkeit der Druckpunkte er- geben. An Körperstellen, wo die Zahl der Temperaturpunkte eine im Ver- hältniss zu den Druckpunkten hervorragende ist, wie z. B. Rücken, zeigt sich auch der Temperaturortssinn, speciell der Kälteortssinn dementsprechend in seinem Verhältniss zum Druckpunktortssinn. Wenn man in analoger Weise wie bei dem Temperatursinn kleine Flächenreize unmittelbar neben einander auf eine Hautregion applieirt, so kann man ähnlich wie dort einen localen Wechsel der Druckempfindlich- keit constatiren.” Es wird sich dabei diejenige Ungleichmässigkeit in der Vertheilung der Drucknerven, welche sich von dem Typus der Anordnung als solchem herleitet, weniger gegenüber Flächenreizen geltend machen, weil die punktfreien Räume im Allgemeinen viel kleiner sind als bei den Temperaturpunkten. Dennoch sind die Unterschiede der Innervation gross genug, um sich kleinen Flächenreizen gegenüber bemerkbar zu machen. Ich pflege dabei kleine Korkeylinder zu benutzen, welche ich mit der auch sonst benutzten Spiralfeder in Verbindung bringe und welche beim Auf- setzen auf die Haut annähernd nur durch ihr eigenes Gewicht wirken. Die Cylinder wurden mit einer Grundfläche von 3%" Durchmesser gewählt. Man fühlt nun eine solche Berührung überall, aber an manchen Stellen lebhaft, an anderen dumpf; eigentlich anästhetische Stellen sind sehr selten. Vergleicht man die solchergestalt gewonnenen Aufnahmen mit vorher angefertisten Auf- nahmen der Druckpunkte derselben Gegend, so finden sich gewöhnlich den starken, deutlichen Feldern entsprechend dichterstehende Ketten von Punkten mit Anhäufungen hier und da, den Lücken entsprechend seltenere Punktketten oder inselförmige Localisation : der. Punkte an den Haaren, dazu häufig dumpferes Gefühl der einzelnen Punkte selbst — selten völliges Fehlen der Druckpunkte. — Für die anatomische Realität dieser Drucksinnauf- nahmen führe ich nur Folgendes an: Macht man an einem correct auf die Haut aufgezeichneten Bilde des Drucksinnes die Controle in der Art, dass ! Vergl. hierzu die Abbildung 16 c. NEUE THATSACHEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERVEN. 103 man die Augen abwendet und ein Gehülfe den Korkeylinder aufsetzt, so kann man nach jedem Aufsetzen genau angeben, ob ein deutliches Druck- sinnfeld oder eine Lücke getroffen ist — ein untrüglicher Beweis, «dass kein anderer Umstand als Grund für die Gestaltung des Bildes aufgesucht wer- den kann als die unveränderliche anatomische Anordnung der Drucknerven selbst. Man mae ferner das Bild noch so lange auf der Haut aufgezeichnet erhalten — ich liess es bei einem Versuch 2 Wochen lang —, man wird stets die Verhältnisse der Empfindlichkeit unverändert finden. — Die auf solche Weise gewonnenen Abbildungen zeigen, wie an manchen Stellen die Drucksinnesfläche doch eimem erheblichen localen Wechsel unterliegt. Der Unterschied der deutlichen und dumpfen Felder erstreckt sich dabei — wie sich erwarten liess — nicht bloss auf die zunächst geprüfte Reizbarkeit gegenüber schwächsten Reizen, sondern auch auf stärkere Druckreize. Bei den von gleichen Gebieten vergleichsweise gemachten topographi- schen Aufnahmen des Drucksinnes und Temperatursinnes wurde beobachtet, dass die Lücken des ersteren zum Theil mit solchen des letzteren zusammen- fallen, zum Theil aber auch auf stark empfindliche Felder des letzteren treffen. Beim ersteren Falle könnte man wieder geneigt sein, anzunehmen, dass es sich um Eintrittsstellen von Nervenstämmchen handele, welche aus Druck- und Temperaturnerven gemischt seien. Jedoch konnte auch hier eine derartige Bedeutung der gemeinschaftlichen Lücken nicht nachge- wiesen werden. Der an solchen Lücken applieirte inducirte Strom zeigte nie die Anwesenheit eines Nervenstammes, und ein Ausstrahlen der Punkte von hier aus konnte ebenfalls nicht wahrgenommen werden. Vielmehr ge- staltete sich die Lage der Punkte so, dass sie die kleineren Lücken um- schlossen, ihre Peripherie bildeten, also durch den Typus der Anordnung als solchen die Lücke producirten. Wenn dies für einen Theil der Lücken silt, so sind andere und zugleich meist grössere veranlasst durch Inner- vationsdefecte, entsprechen also den Interstitien zwischen mehreren Nervenausbreitungsgebieten. Vergl. Tafel III, Fig. 19. Wie einfach auch die topographische Aufnahme des Drucksinns ist, so sind doch auch bei ihr gewisse Cautelen nothwendig. Die Erregbarkeit wird durch das wiederholte Beklopfen ebenfalls herabgesetzt, wie bei dem Aufsuchen der Punkte, und es ist nicht möglich, ein und dasselbe Gebiet längere Zeit zu’ untersuchen. Ausser der Herabsetzung der Erregbarkeit lässt sich zuweilen noch eine andere Erscheinung beobachten, nämlich eine Steigerung der Erregbarkeit. Man ist erstaunt wahrzunehmen, wie die vorher als undeutliche Felder erkannten und bezeichneten Stellen jetzt beim leisesten Berühren mit dem Korkeylinder ein schwirrendes Gefühl geben — was natürlich die Fortsetzung der Untersuchung unmöglich 104 ALFRED GOLDSCHEIDER: macht. Anscheinend ist hier eine allgemeine Hyperaesthesie des Bezirkes hervorgerufen, welche analog ist der Hyperaesthesie, wie man sie beim „Ein- seschlafensein“ eines Gliedes beobachten kann, auch hier bringt jede Be- rührung ein schwirrendes stechendes Gefühl hervor. Erkennt man diese Hyperaesthesie nicht als solche, so können in der topographischen Aufzeich- nung grosse Fehler entstehen. — Diese Umstände bringen es mit sich, dass die topographische Aufnahme des Drucksinns eine grosse Zahl von Sitzungen in Anspruch nimmt. Sie ist erst dann als correct zu betrachten, wenn die Controle bei abgewandten Augen durch eine andere Person statt- gefunden hat. Ich habe demgemäss bei bekleideten Körperstellen stets etwa 3—5 Tage auf die Herstellung des Bildes und seine Controle verwandt, indem ich es mit Bismarckbraun aufzeichnete, welches sich eine Reihe von Tagen gut erhält. Den regionären Nervenreichthum an Gefühls- und Drucknerven über- haupt können wir im Grossen und Ganzen messen an der Kitzel- und Schmerzempfindlichkeit. Denn da für diese beiden nach den oben entwickelten Anschauungen beide Arten der sensibeln Nerven in Betracht kommen, sowohl die Gefühls- wie die Drucknerven, so werden dieselben auch stärker ausgebildet sein, wo diese Summe von sensibeln Nerven reicher vertreten ist. Dass zwar für die Kitzelempfindlichkeit Abweichungen an einzelnen Körperregionen — durch ihre Beziehung zur Druckempfind- lichkeit — vorliegen müssen, geht aus der oben entwickelten Ansicht über dieselbe hervor. Verfolgt man nun diese Empfindungsqualität in Bezug auf ihr regionäres Verhalten am Körper gegenüber zarten Berührungsreizen und ebenso die Schmerzempfindlichkeit mittels des faradischen Pinsels bei gleicher Stromstärke, so zeigt sich, dass die Ausbildung derselben im Grossen und Ganzen mit einander Schritt hält und dass sie von einzelnen interessanten Körperregionen, wo man genau den Verbreitungsbezirk eines Nervenstammes abgrenzen kann gegen die nervenärmere Umgebung, sich in Uebereinstimmung zeigt mit dem Nervenreichthum der Region. Weiter- hin ergiebt sich, dass diese regionäre Ausbildung bis auf wenige Ausnahmen Hand in Hand geht mit derjenigen des Temperatursinns. Man wird dort, wo die Temperaturempfindlichkeit zunimmt, im Allgemeinen auch ein Zu- nehmen der Kitzel- und besonders der Schmerzempfindlichkeit constatiren können. Auch die Druckempfindlichkeit zeigt sich in ihren regionären Schattirungen deutlich bestimmt durch die Grenzen der anatomischen Nerventerritorien. Es stellen sich somit die den verschiedenen Qualitäten dienenden Nervenarten in ein natürliches und durchsichtiges Verhältniss zu einander. ie betheiligen sich in gemeinschaftlichem Verbande an der. Innervation der Haut, gemeinsam zunehmend und abnehmend, die Tem- peraturnerven mit den sensibeln Hand in Hand gehend und unter ihnen NEUE THATSACHEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERVEN. 105 wieder Kälte- und Wärmenerven in einem bestimmten, ziemlich constanten Verhältniss. Daneben aber besteht gleichzeitig eine deutliche Reciproeität der specifischen Temperaturnerven gegenüber den specifischen Druck - nerven. Beide Factoren, die gleichmässige Betheiligung an der Innerva- tionsgrösse einerseits und die Reeiproeität der Druck- und Temperatur- nerven andererseits, gestalten in ihrer gegenseitigen Durchwirkung die regionäre Ausbildung der Hautsinnesfläche nach ihren verschiedenen Emplfin- dungsqualitäten. 106 ALFRED GOLDSCHEIDER: Erklärung der Abbildungen. (Tafel I—V.) Tafel I. Figg. 1—4 sollen den Typus der Anordnung der Temperaturpunkte und ihr Verhältniss zu den Haaren zeigen. Die Abkürzung XP bedeutet Kältepunkte, welche übrigens durchweg blau, WP Wärmepunkte, welche roth bezeichnet sind. Die Pfeile zeigen die Richtung der Haare an. Die Herstellung der Vergleichsbilder geschah derart, dass die Circumferenz einer Hautstelle durch Anilinfarbe fixirt und dieselbe nun an verschiedenen Tagen einmal auf Kältepunkte, weiter auf Wärmepunkte untersucht wurde. In den Figuren mit der Ueberschrift „Haare“ bedeuten die Punkte diejenigen Stellen, wo die Haare an der Hautoberfläche zu Tage treten. Die Hautstellen wurden stets vorher rasirt, Fig. 1 ist von einer nicht besonders reich mit Punkten versehenen Stelle ent- nommen, weshalb die Anordnung hier deutlicher hervortritt. Radiale Hälfte der Dorsalfläche des Handgelenks. Fig. 2. Dorsalfläche des Vorderarms. Fig. 3. Radialfläche des Vorderarms. Fig. 4. Innere Fläche des Unterschenkels. Fig. 5 stellt einen einseitig kälteempfindlichen Bezirk von der Dorsalfläche des Vorderarms dar. Die Stelle enthält eine Gruppe von Kältepunkten, ohne einen einzigen Wärmepunkt. Figg. 6—8 sind kleine Simultanaufnahmen, wie ich sie hauptsächlich vorzunehmen pflegte, um die Anordnung der Temperaturpunkte zu studiren. Hier wurden die Punkte der beiden Qualitäten gleich von vornherein verschiedenfarbig auf der Haut bezeichnet und dann gemeinschaftlich abgezeichnet. Fig. 6. Handrücken, Spatium interosseum I. Fig. 7. Handrücken, Mitte. Fig. 8. Vorderarm, Beugefläche. Figg. 9—12 sind ältere, schon in meiner ersten Publication abgebildete Zeich- nungen. Die nicht ganz regelmässigen Contouren erklären sich naturgemäss aus den Verschiebungen der Haut. Fig. 9. Eine ca. 4Ulem grosse Stelle vom Handrücken. Fig. 10. Hohlhandwulst zwischen Zeige- und Mittelfinger. Die unten angren- zenden Linien sind die Furchen der Hohlhand. Fig. 11. Volarfläche des Nagelgliedes des Zeigefingers, bis zu den Seitenrändern des Nagels. Die Zeichnung ist nicht perspectivisch aufgenommen, sondern auf eine ebene Fläche abgewickelt. Fig. 12. Mitte der Stirn. — Von mir bei einer anderen Person aufgenommen. ——— nn Dun NEUE THATSACHEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERVEN. 107 Tafel II. Liehtdruckbilder von photographischen Platten. — Die photographischen Auf- nahmen wurden zu dem Zwecke gemacht, um eine absolut correete Uebertragung der auf die Haut aufgezeichneten Bilder zu gewinnen. Ks wrırden deshalb die letzteren auch mit besonderer Sorgfalt hergestellt. Bei den Punktaufnahmen wurden von der umzeichneten Stelle zunächst die Kältepunkte 3 bis 5 Tage hindurch bestimmt, durch immer erneutes Aufsuchen vervollständigt, geprüft und corrigirt, sodann photographirt und gelöscht; in derselben Weise folgten dann die Wärmepunkte. Die Punkte wurden mit Anilinfarben eingezeichnet und unmittelbar vor der photographischen Aufnahme geschwärzt. Dass die Bilder nicht von einer idealen Schärfe sind, liegt daran, dass durch das vielfache Corrigiren und die langdauernde Imprägnation der Farben theils die Punkte hier und da etwas verwischt erschienen, theils die Haut vielfach ein leicht gefärbtes Colorit annahm. Bei den topographischen Aufnahmen wurde entsprechend verfahren. Fig. 13. Beugefläche des Vorderarms. a) Kältepunkte, 5) Wärmepunkte. — Die fünf Punkte neben dem Bilde dienen zur Orientirung. Fig. 14. Dorsalfläche des Vorderarms. a) Kältepunkte, 5) Wärmepunkte. Fig. 15. Beugefläche des Oberarms. Kältepunkte. Fig. 16. Topographische Aufnahmen des Kälte-, Wärme- und Drucksinnes von ein und derselben Stelle der Beugefläche des Vorderarms, gewonnen mittels Prüfung durch kleine Reizflächen (vergl. 8. 51 ff. und 8. 102ff.). Die dunklen Stellen sind die stark empfindlichen, die schraffirten die mittelmässig, die punktirten die schwach und die leeren Stellen die gar nicht empfindlichen. Auf die Herstellung jedes Bildes wurden ca. 5 Tage verwandt. Näheres über die Herstellungsart s. 8. 51. ff. Tafel III. Fig. 17. Kälte- und Wärmesinntopographie von ein und derselben Stelle der vorderen Fläche des Oberschenkels. Fig. 18. Kälte- und Wärmesinntopographie von der mittleren Region des Handrückens. Fig. 19. Kälte-, Wärme- und Drücksinntopographie vom linken Handteller. Bezüglich des Drucksinns, 19 c, ist zu bemerken, dass hier nur diejenigen Stellen, an welchen die Berührung mit dem gewöhnlichen Prüfmittel, dem an einer Spiralfeder befestigten Korkeylinder, nicht wahrgenommen wird, welche also als „Lücken“ des Drucksinns aufzufassen sind, eingezeichnet sind, und zwar dunkel. Die dunklen Stellen bezeichnen also hier nicht wie sonst die empfindlichsten, sondern diejenigen Partien, welche sonst weiss dargestellt sind. Abgesehen von diesen Lücken ist der Handteller gleichmässig druckempfindlich und in diesem Umstande ist der Grund zu dem hier abgeänderten Verfahren gelegen. Von einem bestimmten Gebiete des Handtellers sind vergleichende Aufnahmen der Kälte-, Wärme- und Druckpunkte beigegeben — die der letzteren hat nicht ganz dieselbe Ausdehnung —, welche einerseits das Verhältniss der Temperatur- zu den Druckpunkten veranschaulichen, andererseits zeigen sollen, 108 ÄLFRED GOLDSCHEIDER: wie sich die Prüfung mit kleinen Reizflächen im Vergleich zum Punktbilde gestaltet, speciell mit Rücksicht auf die Lücken (s. 8. 53 ff.). i Fig. 20. Kälte- und Wärmesinntopographie vom rechten Handteller. Tafel IV. l Topographie der Druckpunkte. en. Figg. 21—24 sollen den Typus der Anordnung der Druckpunkte und ihr Ver- hältniss zu den Haaren zeigen. Die Insertionsstellen der letzteren sind hier innerhalb der Figur als fette Punkte bezeichnet. Die Pfeile geben die Richtung der Haare an. Die Hautstellen wurden vor der Prüfung rasirt. Fig. 21. Dorsalfläche des Vorderarms. | Fig. 22 und 23. Beugefläche des Vorderarms. | Fig. 24. Radiale Fläche des Handgelenks. Fig. 25. Druckpunkte von einer Stelle der Dorsalfläche des Vorderarms, von welcher später die Oberhaut durch Collodium cantharidatum entfernt wurde. a) Punkte bei erhaltener Oberhaut. b) Punkte nach entfernter Oberhant. Die folgenden Figuren sollen ein Bild von den topographischen Verschiedenheiten der Druckpunkte geben. Fig. 26. Mitte der Beugefläche des Vorderarms. Fig. 27. Mitte der Dorsallläche des Vorderarms. Fig, 28. Radiale Fläche des Vorderarms, Gegend des Proc. styloideus radii. Fig. 29. DBeugefläche des Oberarms, unteres Drittel. Fig. 30. Dorsalfläche des II. Metacarpo-Phalangeaigelenks. Fig. 31. Handrücken, Gegend des IV. Metacarpalknochens. Fig. 32, Handrücken, Gegend des II. und III. Metacarpalknochens, quer herüber. Fig. 35. Handrücken, quer über den I. Metacarpalknochen. Fig. 34. Schwimmhaut zwischen Daumen und Zeigefinger. Fig. 35. Dorsalfläche der Nagelphalanx des Daumens. Fig. 36. Ulnarfläche der I. Phalanx des Daumens. Fig. 37. Dorsal- und Radialfläche der I. Phalanx des Zeigefingers, auf die ebene Fläche abgewickelt. Fig. 58. Vordere Fläche des Oberschenkels, oberes Drittel. Fig. 39. Vordere Fläche des Oberschenkels, dicht über dem Knie. Fig. 40. Vordere Fläche des Unterschenkels, Mitte. Der Strich bezeichnet die laterale Grenze der Tibia. Fig. 41. Unterschenkel, Gegend des Malleolus internus. Fig. 42. Fussrücken, Gegend des I. Metatarsalknochens. Fig. 43. Mitte der Fusssohle. NEUE THATSACHEN ÜBER DIE HAUTSINNESNERVEN. 109 Fig. 44. Haut des Jochbogens. Fig. 45. Eine ausrasirte Stelle von der Kopfschwarte des Hinterkopfes. Hier sind links wieder die Insertionspunkte der Haare angegeben, um an dieser diechtbe- haarten Region das Verhältniss jener zu den Druckpunkten anschaulich zu machen. Fig. 46. Nacken. Fig. 47. Rücken. Fig. 48. Vordere Fläche der Brust, Gegend des I. und II. Intereostalraums. Fig. 49. Bauch. » Tafel V. Figg. I und II stellen die topographische Verbreitung des Temperatursinns an der vorderen Fläche des Oberschenkels dar (s. S. 64). Diejenigen Stellen, welche ein ausgeprägtes Kälte- bez. Wärmegefühl zu geben im Stande sind, sind schraffirt dar- gestellt. Bei Fig. I ist ein schwaches, undeutliches Kältegefühl auch in den freien Stellen meist fühlbar. Bei Fig. II dagegen sind diese schwachempfindenden Stellen punktirt, die freien Stellen demnach völlig anästhetisch. An den Partien, wo die Prü- fung auf die innere und äussere Seite übergriff, sind die Signaturen über die Contouren hinaus unperspectivisch aufgetragen. Die Punkte « bis d bezeichnen den Ort, wo die entsprechenden sensiblen Nervenstämme durch die Fascie treten, und wurden mittels des inducirten Stromes bestimmt. Figg. III und IV zeigen die Stellen, an welchen die elektrische bez. mechanische Erregung der Temperaturnervenstämme gelang (s. S. 26 ff... Die arabischen Ziffern beziehen sich auf die elektrische, die römischen auf die mechanische Erregung, wobei der Kreis der Grundfläche des Korkcylinders entspricht. Fig. II. Dorsalfläche der Hand. Elektrische Erregung. 1) Daumen, Dorsal- und Ulnarfläche. 2) Daumen und Zeigefinger, die einander zugekehrten Flächen der I. Phalanx. 3) Ebenso. 4) Zeigefinger, radiale Fläche. 5) Zeigefinger, radiale Fläche der I. und II. Phalanx. 6) Zeigefinger, Nagelglied. 7) Zeigefinger, Nagelglied ohne Dorsalfläche. 8) Zeigefinger, alle drei Glieder, Dorsal- und Ulnarfläche. 9) Zeige- und Mittelfinger, Dorsalfläche der I. Phalanx. 10) Zeige- und Mittelfinger, Dorsal- und die einander zugekehrten Flächen der I. Phalanx. 11) Ebenso, I. und II. Phalanx. 12) Ebenso, aber nur die einander zugekehrten und ein Theil der volaren Flächen. 13) Mittelfinger, radiale Fläche der I. Phalanx. 14) Ringfinger, radiale Fläche. 15) Ring- und kleiner Finger, die einander zugekehrten Flächen des II. und Nagelgliedes. 16) Ring- und kleiner Finger, Dorsal- und die einander zugekehrten Flächen. 17) Grenze des Daumenballens an dem Handteller, 18) Grenze des Kleinfingerballens an dem Handteller. 19) Theil vom Kleinfingerballen und kleinen Finger. 20) Handteller. Bei 17 bis 20 hat der Strom auf den Medianus hindurchgewirkt. Bei 11 und 16 gelang die Erregung von einem ausgedehnteren Gebiet aus. Mechanische Erregung. I) Zeige- und Mittelfinger, die einander zugekehrten Flächen. II) Mittel- und Ringfinger, die einander zugekehrten Flächen. III) Ring- und kleiner Finger, die einander zugekehrten Flächen. Fig. IV. Volarfläche der Hand. „ Elektrische Erregung. 1) Daumenballen. 2) Grenze des Daumenballens an dem Handteller.” 3) Radiale Hälfte des Handtellers. 4) Ebenso. 5) Zeige- und Mittelfinger, Nagelglied, Volarfläche. 6) Hohlhandwülste zwischen Zeige- und Ringfinger an den Köpfchen der Mittel- handknochen, 7) Ebenso. 8) Handteller, Zeige- und Mittelfinger. 9) Handteller. . 10) Mitte des Handtellers. 11) Ebenso. 12) Ebenso. 13) Ulnarer Theil des Handtellers. 14) Ringfinger, Nagelglied. 15) Kleinfingerballen. 16) Ring- und kleiner Finger. 17) Kleiner Finger, Nagelglied. Mechanische Erregung. I) Grenze des Daumenballens an dem Handteller. II) Ebenso. III) Radialer Theil des Handtellers. IV) Peripherischer Theil des Handtellers; Wulst zwischen Zeige- und Mittel- finger; Zeigefinger, radiale Fläche der I. Phalanx. V) Zeige- bis Ringfinger, II. und Nagelglied. VI) Mittelfinger, Nagelglied. VH) Handteller. VIII) Ebenso. | Untersuchung über die Latenzdauer der Muskel- zuckung in ihrer Abhängigkeit von verschiedenen Variabeln. Von Dr. Robert Tigerstedt, Assistenten am physiologischen Laboratorium in Stockholm. (Aus dem physiologischen Institut zu Leipzig.) (Hierzu Taf. VI—XI.) An Carl Ludwig. Hochgeehrier Herr Professor ! In dieser Abhandlıng habe ich die Ergebnisse einer Versuchsreihe, welche ich in Ihrem Institute vom December 1883 bis August 1884 ausgeführt habe, zu- sammengestell. Weil meine eigenen Beobachtungen nur dem Froschmuskel gelten, habe ich von den Ergebnissen früherer Untersuchungen im Allge- meinen nur diejenigen berücksichtigt, welche auf dieses Versuchsobject sich beziehen, und die an anderen Muskeln gewonnenen Ergebnisse nur insofern benulzt, als sie die am KFroschmuskel erhaltenen aufklären können. Ich sehe wohl ein, dass meine Arbeit in einigen Kapiteln die Fragen nicht ein- gehend genug behandelt hat; es ist mir aber unmöglich gewesen, die betreffenden Lücken auszufüllen, weil ich die Bearbeitung des vorliegenden Beobachtungs- materials erst hier in Stockholm vorgenommen habe, wo ich die zu diesem Zwecke nothwendigen Apparate, deren Benutzung ich Ihrer Güte verdanke, nicht zu meiner Verfügung habe. In einem einleitenden Kapitel habe ich die mir bekannten physiologischen Zeitmessungsmethoden besprochen, in der Hoffnung einen Beitrag zu einer 112 ROBERT TIGERSTEDT: kritischen Sichtung der grossen Menge der bis jetzt vorgeschlagenen derartigen Methoden zu liefern. Für die freundliche Unterstützung bei meiner Arbeit, so wie für die un- schätzbare wissenschaftliche Anregung, welche ich Ihnen verdanke, spreche ich Ihnen meinen innigsten, tiefgefühlten Dank aus. Ich bitte Sie, diese Arbeit als ein kleines Zeichen meiner unbeschränkten Hingebung gütigst em- pfangen zu wollen. Ihr Schüler und Freund Robert Tigerstedt. Stockholm, den 1. Mai 1885. mn ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. 113 .) Erstes Kapitel. Geschiehtliche Einleitung. Die Geschichte der feineren physiologischen Zeitmessungen beginnt mit Helmholtz’ Untersuchungen über den zeitlichen Verlauf der Muskel- zuckung und die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Erregung in den moto- rischen Nerven des Frosches. Noch im Jahre 1844 glaubte Johannes Müller, dass die Wissenschaft nie die Mittel gewinnen könnte, die Ge- schwindigkeit der Nervenwirkung zu ermitteln, „da uns die Vergleichung ungeheurer Entfernungen fehlt, aus der die Schnelliekeit einer dem Nerven in dieser Hinsicht analogen Wirkung des Lichtes berechnet werden kann“.! Freilich schlug E. du Bois-Reymond kurz nachher (7. März 1845) vor, die damals ganz neue elektrische Zeitmessung nach Pouillet zu diesem Zwecke zu verwenden,” er machte aber keinen Versuch diesen Vorschlag zu realisiren. Fünf Jahre später veröffentlichte Helmholtz seine ersten „Messungen über den zeitlichen Verlauf der Zuckung animalischer Muskeln und die ! Johannes Müller, Handbuch der Physiologie des Menschen. I. 4. Aufl. Coblenz 1844. 8.581. ” 8. Die Fortschritte der Physik im Jahre 1846. 8. XV. — Der Versuchsplan von du Bois-Reymond ist in grösster Kürze in der Revue scientifigue et industrielle sous la direct. du Dr. Quesneville 1846, t. XXVII, p. 82 veröffentlicht: „M. du Bois- Reymond a communique le project d’une methode servante a determiner par l’expe- rience la vitesse de propagation du prineipe nerveux et celle de l’action des muscles. „Cette methode repose essentiellement sur le prineipe indigue par M. Pouillet pour mesurer & l’aide d’un mode d’action particulier du courant &leetrique des espaces de temps extr&mement courts. Iln’y a qu’a faire en sorte que le courant soit interrompu par Feffet et a Pinstant möme de la contraction, qui a ete excitee par P’etablissement du eireuit.“ (Citat nach v. Bezold, Untersuchungen über die elektrische Erregung der Nerven und Muskeln. Leipzig 1861. S. 49, 50.) Archiv f. A. u. Ph. 1885. Physiol. Abthlg. Suppl.-Bd, 3 114 ROBERT TiGERSTEDT: Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Reizung in den Nerven“! Unter An- wendung der Pouillet’schen Zeitmessungsmethode war es ihm vollständig gelungen, die genannten Fragen in der bewunderungswürdigsten Weise zu lösen. Es ist hier nicht nöthig, die Versuchsanordnung von Helmholtz detaillirt zu beschreiben; es genügt zu bemerken, dass unter den zahlreichen Arbeiten über diesen Gegenstand, welche seitdem ausgeführt sind, keine einzige dieselbe Schärfe der Experimentalkritik darbietet, wie die grund- lesende Untersuchung von Helmholtz. Weil die vorliegenden Studien nur mit der Latenzdauer der Muskel- zuckung sich beschäftigen, werde ich unter den Ergebnissen von Helmholtz nur diejenigen berücksichtigen, welche sich darauf beziehen. Bei direeter Reizung des nicht überlasteten Muskels mittelst eines Oeffnungsinductions- .schlages fand Helmholtz, dass eine Zeit nach der Reizung vergeht, be- vor die Energie des Muskels überhaupt zu steigen anfängt. Diese Zeit betrug in drei von ihm mitgetheilten Versuchen bez. 0.0093”, 0-0073” und 0.0089”; dabei bestand die Belastung nur aus den wesentlichen Stücken des Apparates. DBetrefis dieser Werthe bemerkt Helmholtz selbst, dass sie eigentlich als obere Grenzwerthe aufzufassen sind, denn abgesehen von anderen, von ihm hervorgehobenen und auf ihren rechten Werth reducirten Fehlerquellen, zeigte es sich bei den Versuchen ohne Ueberlastung, dass die Einstellung des zeitmessenden Contactes besonders schwierig war. „Will man dem zeitmessenden Strome eine hinreichende Leitung herstellen, so muss man nothwendig den Muskel ein wenig tiefer einstellen, als es zur ersten zarten Berührung an der Unterbrechungsstelle nöthig ist. Seine Spannung wird unter diesen Umständen etwas kleiner sein als die Schwere der Belastung, der Ueberschuss der letzteren würde also wie eine Ueberlastung wirken. Die gebrauchten Wadenmuskeln werden durch 108” um !/, bis !/), ”” gedehnt; die kleinste wahrnehmbare Distanz zwischen Piättchen und Goldkuppe ist !/,,,””; nehmen wir an, man habe absichtlich zur Herstellung der Berührung den Muskel um das Fünffache dieses kleinsten wahrnehmbaren Fehlers, also um !/,„”” zu tief eingestellt, so entspräche dem eine Verminderung der Spannung von !/, bis 1 em, Der Einfluss dieses Fehlers würde bei Versuchen mit Ueberlastung das Resultat nicht merklich ändern —; er wird in unserem Falle wegen der langsamen Ansteigung der Spannung ein viel grösserer sein. Aus diesen Gründen ist es auf dem eingeschlagenen Wege unmöglich mit grösserer Genauigkeit zu erfahren, wann die erste Steigerung der Energie eintritt;* zwei nicht zu beseitigende Fehlerquellen, Schwächung des (zeitmessenden) Stromes und Ungenauigkeit der Einstellung streben das Resultat in ent- ! Helmholtz, Dies Archiv. 1850. 8. 276—364; die Citate beziehen sich auf den Abdruck in den Wissenschaftlichen Abhandlungen. Teipzig 1882. Bd. II. S. 764—843. ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. 115 gegengesetztem Sinne zu verändern. Es wäre sogar möglich, dass die Energie gleich vom Augenblicke der heizung an stiege, aber so langsam, dass sie z.B. in der Reihe I während des ersten Zeit- raumes von 0:0093 Secunden sich nur um etwa I 8m vermehrt hätte.“! i Ferner fand Helmholtz, dass man, so lange die Inductionsströme hinreichend stark sind, um das Maximum der Reizung hervorzubringen, ihre Intensität beliebig ändern kann, ohne dass dadurch die Ergebnisse der Zeitmessungen verändert werden. Wenn aber Ströme angewendet wurden, welche das Maximum der Wirkung nicht erreichen liessen, so sanken die Ordinaten der Kräftecurve ganz in derselben Weise, als wenn sie durch grössere Belastung oder durch Ermüdung des Muskels vermin- dert worden wären. Demgemäss waren die Ausschläge des Magneten für gleiche Ueberlastungen desto grösser, je geringer die Intensität dieser Ströme war.? In einigen Versuchen über die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Nervenerresung hat Helmholtz eine grössere Anzahl Beobachtungen unter genau denselben Bedingungen gemacht, um möglichst aus- sedehnte Zahlenreihen zu erhalten zur Berechnung der Latenzdauer der Muskelzuckung bei Reizung einer dem Muskel näheren oder von ihm ent- fernteren Nervenstelle.e Dabei hat er zur Beurtheilung der Genauigkeit die wahrscheinlichen Fehler nach den Regeln der Wahrscheinlichkeits- rechnung berechnet. Ich stelle diese Werthe der wahrscheinlichen Fehler hier zusammen; meines Wissens sind sie die einzigen derartigen Bestim- mungen, welche wir bis jetzt über den uns hier beschäftigenden Vor- gang besitzen (siehe umstehende Tabelle). Die Ueberlastung betrug bei Reihe IX 180 8", Reihe XA 20", Reihe XB 100 =, Reihe XIA 100 =” und Reihe XIB 20 s=; Reihe XIA und B wurden an demselben Muskel gemacht. Die Werthe des wahrschein- lichen Fehlers der einzelnen Beobachtung sind von Helmholtz in Scalen- theilen angegeben; ich habe dieselben in Secunden umgerechnet.’ ! Helmholtz, Wissenschaftliche Abhandlungen. Bd. II. S. 797, 798; die Cursi- virung ist ven mir. ® Helmholtz, a. a. 0. S. 809. ® Wenn » die Zahl der einzelnen Beobachtungen ist, S die Zahl der unbekannten (hier = 1), A die absolute Abweichung der einzelnen Beobachtung vom Mittel, so ist der mittlere Fehler, Z B= DIEDR Nn—ND der wahrscheinliche Fehler der einzelnen Beobachtung, r r = 0:67449 E; und der wahrscheinliche Fehler des Mittels m Vr g*+ 116 ROBERT TIGERSTEDT: Zahl der ein- Wahrscheinl. Wahrschein- Reihe. Latenzdauer. | zelnen Beobach- | Fehler der ein- |licher Fehler des tungen. zelnen Beobacht. Mittels. IX entlontere 0-04394” In + 0-00032 | + 0-00009 ervenstelle IX nähere Ner- 0-04219° 11 + 0-00033 | + 0-00010 . venstelle XA entferntere 0-02437 te) + 0-00056 + 0:00020 Nervenstelle XA nähere Ner- | 0.02307’ 6 + 0.00039 | + 0-00016 venstelle XB entferntere 0-031647 8 + 000077 + 0-00027 Nervenstelle XB nähere Ner- | 0.03039’ 3 + 0-00074 | + 0:.00026 venstelle | XIA entferntere 0-095857 11 + 0:00093 | + 0-00028 Nervenstelle | XIA nähere Ner- 0:092448’ 11 + 0-00043 | + 0-00013 venstelle XIB entferntere 0:-01743° 8 + 0-00054 | + 0-00019 Nervenstelle | XIB nähere Ner- | 0.016317 em + 0-00061 , +0-00023 venstelle | In der zweiten Abtheilung seiner „Messungen über die Fortpflanzungs- geschwindigkeit der Reizung in den Nerven“! beschreibt Helmholtz aus- führlich die Anwendung der von Ludwig in der Physiologie eingeführten graphischen Methode für das Studium des zeitlichen Verlaufes der Nerven- und Muskelthätiekeit. Seine Registrirtrommel hatte einen Umfang von 85.7 mm und machte sechs Umdrehungen in der Secunde; auf derselben entsprach also 1” einer Zeit von 0-00192”. Helmholtz lenkt die Auf- merksamkeit auf alle Vorsichtsmaassregeln, welche bei der Anwendung dieser Methode zu diesem Zwecke zu beobachten sind, und meines Erachtens haben seine sämmtlichen Nachfolger keine einzige Maassregel aufgestellt, die nicht schon hier berücksichtigt wäre. Leider hat man die Bemerkung von Helmholtz über den absoluten Werth der graphischen Zeitbestimmung zu wenig beachtet, nämlich dass die horizontalen Abstände nicht mit sehr grosser Genauigkeit sich messen lassen, sonst wäre man in der Muskel. physiologie nicht so ausschliesslich bei der graphischen Methode stehen ge- blieben, wie es jetzt der Fall ist. Helmholtz selbst scheint den in dieser Weise gewonnenen Resultaten keine sehr grosse Bedeutung zuzuerkennen, denn er sagt nur, dass die Werthe für die Fortpflanzungsgeschwindiekeit der Nervenerregung ungefähr ebenso gross wie nach der elektrischen ! Helmholtz, Dies Archiv. 1852. 8. 199—216;— Wissenschaftliche Abhand- lungen. Bd. II. S. 844—861. ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. 417 Zeitmessungsmethode sich finden und theilt nur äusserst wenige Zahlen- beispiele mit. Im nächsten Zusammenhang mit der uns beschäftigenden Frage stehen die kurz abgefassten Notizen, welche Helmholtz „über die Geschwindig- keit einiger Vorgänge in Muskeln und Nerven“ im Jahre 1855 veröffent- lichte." Hier untersucht er u. A., wie der Muskel bei Reizung durch zwei schnell auf einander folgende elektrische Reize sich verhält. Wenn die Reize so schwach waren, dass jeder einzelne nicht das Maximum der Rei- zung hervorzubringen vermochte, so verstärkten sie sich auch bei der kleinsten Zwischenzeit. Wenn aber die beiden Reize stark genug waren, um jeden allein durch eine maximale Zuckung auszulösen, so entstand eine Sum- mation nur dann, wenn die Zwischenzeit so gross war, dass die durch den ersten Reiz bewirkte Muskelzuckung ihr Latenzstadium schon überschritten hatte. Dagegen wirkten zwei maximale Reize nicht stärker als ein einziger, wenn ihre Zwischenzeit so klein war, dass beim Anfange der zweiten Zuckung die erste noch keine merkliche Höhe erreicht hatte. Dies traf ein, wenn die Zwischenzeit kleiner war als 0.0017”. Wenn wir daran festhalten können, dass bei Reizung mittels maximaler Reize eine Summation nur stattfinden kann im Falle, dass die durch den ersten Reiz bewirkte Zuckung wirklich ihr Latenzstadium durchgemacht hat, so wäre nach diesen Beobachtungen die Latenzdauer. der Zuckung nicht länger als EDIT". Unabhängig von Helmholtz hatte zu derselben Zeit A. W. Volk- mann das Ludwig’sche Kymographion zur Darstellung der Muskelthätig- keit modificirt und dasselbe sowohl mit vertical wie mit horizontal gestellter Trommel benutzt? Volkmann selbst hat meines Wissens keine nähere Beschreibung seines Apparates gegeben; nach Bernstein besitzt derselbe eine Messinstrommel von ca. 13% Höhe und 400 "m Umfang, welche zur Aufzeichnung der Curven mit Postpapier überzogen, berusst und durch ein Uhrwerk bewegt wurde? Nach Vollendung einer Beobachtungsreihe wurde das auf den Cylinder gespannte Papier abgeschnitten und die im Russ ausgeführte Zeichnung: mittelst einer Auflösung von etwas Mastie in Alkohol fixirt.* Helmholtz fixirte seine Curven dadurch, dass er seinen Cylinder ! Helmholtz, Monatsberichte der kgl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin. 1855; — Wissenschaftliche Abhandlungen. Bd. II. S. 881—885. ®A. W. Volkmann, Berichte der kgl. sächsischen Gesellschaft der Wissen- schaften. Math.-physik. Classe. 1851. S. 1—5, 55. ® Bernstein und Steiner, Dies Archiv. 1875. 8.531. Bea Volkmann, a. 20.18.55. 118 BoBERT TIGERSTEDT: auf einer angehauchten Fischleimplatte abrollte;' Volkmann hat also die jetzt allgemeine Methode zur Fixirung der Curven eingeführt.” Die zeitmessenden Untersuchungen von Helmholtz wurden bald von anderen Forschern fortgesetzt. Doch fand die exactere elektrische Zeit- messung fast gar keine Verwendung, trotzdem dieselbe durch die von du Bois-Reymond ausgeführte wichtige Verbesserung des Unterbrechers viel handlicher gemacht wurde.? “Meines Wissens haben nämlich mit Ausnahme von Helmholtz nur Hermann? und Lamansky° derselben sich bedient. Dagegen ist die graphische Methode in grossem Maasstabe angewandt und in allen Richtungen ausgebildet worden; wir besitzen jetzt eine unge- heure Menge von den verschiedensten Registrirapparaten, ‚Schreibvorrich- tungen u. s. w. Die Anforderungen, denen jedes gute Myographion ent- sprechen muss, wenn es zu exacten Untersuchungen verwendet werden kann, sind in erster Reihe folgende: 1) Die Schreibfläche muss eine constante oder jedenfalls eine in jedem Augenblicke genau bestimmbare Geschwindigkeit haben; 2) die Muskelcurven dürfen nicht in einander eingreifen, auch darf die Abseisse nur einmal gezeichnet werden, sonst wird sie zu diek und daher der Beginnpunkt der Zuckung sehr schwer bestimmbar; 3) es ist wünschenswerth, dass die registrirende Fläche so gross ist, dass eine grössere Anzahl von Bestimmungen auf derselben gemacht werden kann. Ueber die Construction des Schreibhebels werde ich später verhandeln; vorläufig werde ich in einer gedrängten Uebersicht darstellen, wie in den verschiedenen Myographien die Anforderungen betreffs der Schreibfläche und ihrer Bewegung realisirt worden sind. Bei der grossen Zahl von Myographien ist es möglich, dass einige Apparate sich meiner Aufmerksam- keit entzogen haben, obgleich ich dahin gestrebt habe, ein möglichst voll- ständiges Verzeichniss aller bis jetzt veröffentlichten Myographien zu liefern. Das Myographion von Helmholtz und dessen Modification von du Bois-Reymond® haben trotz der Vorzüge ihrer Construction den Fehler, ! Helmholtz, Wissenschaftliche Abhandlungen. Bd. II. S. 856. ® Vergl. Hermann, Handbuch der Physiologie. Bd.I. 8.26. Anm. 2. ® du Bois-Reymond, Abhandlungen der kgl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin. 1862; — Gesammelte Abhandlungen. Leipzig 1875. Bd.I. S. 215—227. * Hermann, Neue Messungen über die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Er- regung im Muskel. Archiv für die gesammte Physiologie. 1875. Bd. X. S. 48—55.' ° Lamansky, Untersuchungen über die Natur der Nervenerregung durch kurz- dauernde Sue, in Heidenhain: Studien des phı yerobeguichen Instituts zu Breslau. 1868. Bd. IV. 8. 146—225. ° 8. bei v. Bezold, Untersuchungen über die elektrische Erregung. Leipzig 1861. 8. 79— 88, ! — ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. 119 dass die Trommel zu klein ist und nicht gestattet, eine grössere Zahl von Curven auf derselben zu schreiben. 1" Abseisse entsprach bei Helmholtz einer Zeit von 0-00192”, bei du Bois-Reymond 0.000437 (Maximum); durch eine besondere Einrichtung erzielte Helmholtz, dass die Zeichen- spitze erst dann auf die Trommel schrieb, wenn die Zuckung unmittelbar bevorstand; beim Instrument von du Bois-Reymond musste der Zeichen- stift bei jedem einzelnen Versuche einige Zeit vor der Auslösung des Reizes an den Cylinder mit der Hand angelegt werden; dadurch wurde zuerst eine grosse Anzahl sich deckender Abseissen gezeichnet, ehe die Zuckungs- curve begann. Dieser Uebelstand konnte grösstentheils durch die a. a. O0. S. 87 beschriebene Weise vermieden werden. Boeck benutzte einen Cylinder von 123””® Länge und 254 "m Um- fang; bei der grössten Geschwindigkeit entsprach 1" 0-005”.! Valentin ersetzte den Cylinder durch eine kreisrunde Scheibe.? Marey führte den Regulator von Foucault zur Regulirung des Ganges der Registrirapparate ein. Durch das Uhrwerk werden drei horizontale Axen getrieben; an jeder derselben kann der registrirende Cylinder be- festist werden. Der Cylinder hat einen Umfang von 420"m und dreht sich bei der grössten Geschwindigkeit Imal in 1:5”; 1” entspricht also 0.0036”. Ein wichtiger Nebenapparat ist eine kleine Eisenbahn, welche parallell dem Registrireylinder gestellt wird. Dieser Bahn entlang bewegt sich mittelst einer Schraube ein Rollwagen, welcher einen Halter für den Schreibhebel, die feuchte Kammer u. s. w. trägt. Längs der Bahn wird also der Hebel geführt und schreibt, wenn der Cylinder gedreht wird, an demselben eine Spirallinie — die Abscisse wird also niemals verwischt und ‘ die Curven greifen nie in einander. Weil die Länge des Cylinders eine ziemlich bedeutende ist (= 25 ®), genügt er für eine sehr grosse Anzahl Beobachtungen.” Dieselbe Einrichtung, um den Hebel dem Cylinder ent- lang zu führen, benutzte nach dem Vorgange der Astronomen schon 1864 Schelske bei seinen Untersuchungen über die Fortpflanzungsgesch windig- keit der Erregung in den menschlichen Nerven;* unabhängig von Marey beschrieb im Jahre 1868 v. Wittich dieselbe Methode.°? Bei einigen Versuchen verwendete Marey eine Kreisscheibe an der Axe des Regulators, a2 w. Boeck, Ofversigt af Svenska vetenskapsak a demiens forhandlingar. 1855. 8. 257— 287. ® Valentin, Grundriss der Physiologie. 5. Aufl. Braunschweig 1855. S. 528, 529; — Vergl. die Abbildung in Valentin, Physiologische Pathologie der Nerven. Leipzig 1864. S. 86. ® Marey, Journal de l"anatomie et de la physiologie. 1866. p. 224—242. * Schelske, Dies Archiw. 1864. S. 151—173. ® v. Wittich, Zeitschrift für rationelle Medicin. 1868. Bd. XXXI. 3. Reihe. S. 87—125. 120 RoBERT TIGERSTEDT: um solcher Art eine sehr grosse Geschwindigkeit zu erhalten; später scheint er diese Methode verlassen zu haben.! Auch Heynsius? hat einen mit Uhrwerk getriebenen Registrirapparat beschrieben; bei demselben wird die Trommel mittels einer a. a. OÖ. be- schriebenen Vorrichtung während ihrer Umdrehung allmählich niederge- schraubt; die Abscisse bildet also eine Spirallinie und die Muskelzuckungen greifen nie in einander. Die Höhe der Trommel ist 25°“, ihr Umfang 59.5, Bei der grössten Geschwindigkeit macht die Trommel eine Um- drehung in ungefähr 1”; I" der Absecisse entspricht also einer Zeit von 0.0017”. Das Kymographion von Ludwig, wie es jetzt in Leipzig von Baltzar und Schmidt gearbeitet wird, wird auch viel für myographische Zwecke angewendet und lässt in Bezug auf Exactheit und Zweckmässigkeit kaum etwas zu wünschen übrig. Diese Kymographien geben bei der grössten Geschwindig- keit mm = 0016”; deshalb eignet sich dieser Apparat trotz seiner sonstigen Vorzüge nicht für ganz feine Bestimmungen” Die Hın. Baltzar und Schmidt haben nach den Angaben Ludwig’s ein neues Instrument für feine Zeitbestimmungen gefertigt, welches den meisten Anforderungen in vorzüglichster Weise genügt. Mit diesem ausgezeichneten Apparate ist die vorliegende Untersuchung ausgeführt; ich werde denselben in dem nächsten Kapitel beschreiben. Um den Gang dieser Registrirapparate zu controliren, hat man viel- fach Stimmgabeln benutzt, weil man kein rechtes Zutrauen zu der Ge- nauigkeit der Regulirung gehabt hat. Wenn man aber trotz eines kost- spieligen Uhrwerkes eine controlirende Stimmgabel braucht, so kann man ebenso gut das ganze Uhrwerk weglassen und die Schreibfläche einfach mit der Hand bewegen. Derartige, billige und dennoch ausserordentlich genaue Myographien sind von Heynsius (1869), Donders (1568),’ Brücke (1878), Hering (1879),” Lov6n (1883),° Grünhagen (1883)? beschrieben. ! Vergl. Marey, Du mouvement dans les fonctions de la vie. Paris 1868; — Derselbe, Za methode graphique. Paris 1878. passim. ° Heynsius, Onderzoekingen gedaan in het physiologisch Laboratorium der Leidsche Hoogeschool. 1869. t.I. p. 7—13. 38. Cyon, Methodik der physiologischen Experimente. Giessen und St. Peters- burg 1876. 8. 127—132. * Heynsius, Onderzoekingen gedaan in het physiologisch Laboratorium der Leidsche Hoogeschool. 1869. t.I. p. 12. 5 Donders, Dies Archiv. 1868. 8. 657—681. 6 Brücke, Sitzungsberichte der k. Akademie der Wissenschaften. Math.-naturw. Classe. 1878. Bd. LXXVI. Abth. 3. 8. 237—279. ” Hering, Ebenda. 1879. Bd. LXXIX. Abth. 3. S. 25—26 des Sep.-Abdr. ° 8. bei Tigerstedt, Handledning för nybörjare vid praktiska Öfningar i fysio- logi. Allman Nerv- och Muskelfysiologi. Stockholm 1883. p. 60. 61. ° Grünhagen, Schriften der physikalisch-ökonomischen Gesellschaft zu Königs- berg i. Pr. 1883. Bd. XXIV. 8. 175—179, une en — ee | ———— TE Teegg ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG, 121 Die technischen Einzelheiten bei diesen Instrumenten können hier nicht näher beschrieben werden; das durchgehende Prineip ist, dass die Zeit mittels einer Stimmgabel markirt wird; die Schreibfläche ist bei den meisten ein Cylinder; nur Brücke wendet eine ebene Fläche an. In vielfacher Weise hat man versucht, die Schwere direct zu benutzen, um der registrirenden Fläche eine bestimmte Geschwindigkeit zu ertheilen. Der erste Versuch in dieser Richtung ist von Harless; die ebene Schreib- fläche wurde nach dem Prineip der Atwood’schen Fallmaschine in gleich- fürmige Bewegung gesetzt; in dem Apparat von Harless entsprach 1" einer Zeit von 0.001208”. Jendrässik hat nach demselben Princip ein Instrument bauen lassen, welches nach ihm mit sehr grosser Genauigkeit arbeitet; je nach dem er verschiedene Uebergewichte benutzt, entspricht 1m 0.00186”, 0-.00150”, 0-00133”, 0-00118”, 0-00110”.? Rosenthal hat das Atwood’sche Prineip angewandt um eine mit der Axe horizontal stehende Kreisscheibe zu bewegen. Mit diesem Appa- rate erreicht er eine sehr grosse Geschwindigkeit; die Abscisse ist aber eine Kreislinie, was möglicherweise die genaue Ausmessung der Curven erschwert, Um den Gang der Scheibe zu controliren, dient eine Stimm- gabel; nach Belieben macht die Scheibe 1 Umdrehung in 2” — 1 Um- drehung in 0-5”. Da der hadius der Scheibe 25 “= ist, so entspricht am RKande derselben 1%, 0.0133” bez. 0-003”. In der Regel wird eine solche Geschwindigkeit benutzt, dass am äusseren Rande 1m = 0.005”. In sehr einfacher, aber eleganter Weise hat Fick die Schwere als Treibkraft benutzt. Ein schwerer Cylinder von 1 Meter Umfang steckt auf einer stählernen Axe. Auf derselben Axe steckt unter dem Cylinder eine Rolle von etwa 20" Halbmesser, um welche eine Schnur geschlungen ist. Das eine Ende derselben bildet ein kleiner Ring, welcher an einem aus dem Boden des Cylinders hervorragenden Stift angehängt ist, sodass er, sowie die Schnur ihre Spannung verliert, abfällt; das andere Ende der Schnur geht zunächst über eine am Stativ befestigte Rolle und trägt einen starken eisernen Bügel, an welchem das als bewegende Kraft dienende Gewicht hängt. Durch eine Hebelvorrichtung wird bei gespannter Schnur der Cylinder festgehalten. Wird er nun losgelassen, so setzt das sinkende Gewicht ihn in beschleunigte Bewegung. Ist aber das Gewicht durch eine gewisse Strecke gesunken, so setzt sich der Bügel auf einen in seine Höh- lung einspringenden und mit Kautschuk gepolsterten Zapfen. Damit hört ı Harless, Sitzungsberichte der kgl. bayerischen Akademie der Wissenschaften. 1860. 8. 625—634. ® Jendrässik, Carl’s Repertorium für Experimentalphysik. 18713. 8. 312—330. — Vergl. auch Jendrassik, Dies Archiv. 1874. S.513—597. 3 Rosenthal, Dies Archiv, 1883, Suppl.-Bd, 5. 240—279. 122 ROBERT TiGERSTEDT: die Beschleunigung und die Spannung der Schnur auf, diese löst sich durch Abfallen des Ringes vom Cylinder und der Cylinder kann sich nun ganz frei mit der erlangten Winkelgeschwindigkeit in infinitum weiter drehen. Werden 3—4!#&"® angehängt und der Fallraum auf sein Maximum gebracht, so erreicht der Oylinder eine Endgeschwindiskeit, die für die subtilsten Versuche über Muskelzuckungen genügt. Nach Fick arbeitet die ganze Einrichtung mit ungemeiner Genauigkeit. Ist einmal ein be- stimmtes Gewicht angehängt und der Fangzapfen in bestimmter Höhe fest- gestellt, so erhält man immer wieder genau dieselbe Endgeschwindigkeit und diese erleidet auch in dem Reste der ersten Umdrehung keine die Genauigkeit des Resultates irgend merklich beeinträchtigende Verzögerung. Bei einem Versuch, den Fick mittheilt, entsprach 1 "= einer Zeit von 0-00286”.1 Schon früher hatte Fick die Pendelbewegung für myographische Zwecke verwendet. An einem grossen, schweren Pendel ist eine berusste Glasplatte der Schwingungsebene parallel befestigt; daran wird die Zuckung geschrie- ben. Beim Fallen löst das Pendel einen Reiz aus und wird nach voll- endeter Halbschwingung festgehalten, so dass keine Verwirrung mit später gezeichneten Linien entstehen kann. Die Geschwindigkeit ist zwar keine constante, sie ist aber in jedem Augenblicke genau berechenbar. Seitdem Helmholtz dessen Construction insofern verbessert hat, dass die Schreibfläche ohne Veränderung des Schwerpunktes des Pendels verschoben werden kann,? ist das Pendelmyographion eins der am meisten angewandten physiologischen Instrumente. Die Modificationen des Pendelmyographions von Wundt?® und von Putnam erzielen das Instrument billiger herzustellen. Auch Marey hat, speciell für klinische Zwecke, ein transportables Pendelmyographion construirt.° Für Vorlesungszwecke construirte du Bois-Reymond ein Myographion mit ebener Schreibfläche, welche durch eine starke Feder mit grosser Ge- schwindigkeit vor dem Schreibhebel bewegt wurde. Er benutzte drei un- gleich starke Federn, mit I erzielte er eine Geschwindigkeit von 1088 m" in 1”, mit II 1536 “m und mit III 2522 m. Die Geschwindigkeit war natür- lich eine stetig abnehmende; dies war jedoch von keiner Bedeutung bei Versuchen, wo nur das Latenzstadium bestimmt werden sollte.* Dieser " Fick, Mechanische Arbeit und Wärmeentwickelung bei der Muskelthätigkeit. Leipzig 1882. S. 95—100. | ® Fick, Vierteljahrsschrift der naturforschenden Gesellschaft in Zürich. 1862. Bd. VII. 8. 307—320. — Helmholtz, Monatsberichte der kgl. Akademie der Wissen- schaften zu Berlin. 31. März 1870; — Wissenschaftliche Abhandlungen. Bd. Il. S. 940. ® Wundt, Untersuchungen zur Mechanik der Nerven. Erlangen 1871. 1.8.7—11. * Putnam, Journal of Physiology. 1879. t. II. p. 206—208. ° 8. Mendelssohn, Travaus du Laboratoire de M. Marey. 1880. t. IV. p. 141—143. du Bois-Reymond, Proceedings of the Royal Institution of Great Britain. ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG, 123 Uebelstand wurde übrigens gänzlich vermieden, nachdem dem Apparat eine Stimmgabel applieirt wurde, welche ihre Schwingungen unmittelbar unter der Muskeleurve zeichnete. Diese Anordnung wurde zuerst von Schwann eingeführt! Das Federmyographion eignet sich vorzüglich für Demonstra- tionen; sonst leidet es unter demselben Uebelstande wie das ursprüngliche Myographion von Helmholtz, nämlich dass nur wenige Zuckungen auf “eine und dieselbe Platte geschrieben werden können. Eine leicht herzustel- lende Modification des Federmyographions wurde von Frederieq und Vandevelde angegeben.? Eine Feder ist ferner von Vintschgau und Dietl zur Bewegung eines Cylinders benutzt worden. Die Zeit wird durch eine Stimmgabel markirt (300 ganze Schwingungen). „Mit annähernder Sicherheit“ lässt sich noch !/, Schwingung (= 000042”) schätzen. Auf demselben Papier- streifen können 16 Myogramme Platz finden.’ Bevor wir diese lange Reihe von Myographien endigen, müssen wir noch einige Apparate erwähnen, bei welchen die Bewegung in anderer Weise ausgelöst wird. Thiry versuchte das Uhrwerk gänzlich entbehrlich zu machen dadurch, dass er den Zeicheneylinder an der Axe einer Sirene befestiste. Eine solche Einrichtung bot zugleich den Vortheil, dass aus dem Ton der Sirene die Anzahl der Umdrehungen des Cylinders mit der grössten Genauigkeit berechnet werden konnte. Durch passende Regulirung der Windstärke konnte die Sirene leicht dahin gebracht werden, dass sie längere Zeit ein und denselben Ton angab, also längere Zeit eine und die- selbe Umdrehungsgeschwindigkeit hatte.* . Hensen und Klünder liessen den Muskel auf einer Glasplatte, welche durch eine Stimmgabel in fortwährender Bewegung gehalten wurde, seine Zuckung aufschreiben. Die Stimmgabel machte 100 ganze Schwingungen in der Secunde; der zeitliche Verlauf der Muskelzuckung war also sehr leicht zu verfolgen. Jedoch ist es mir nicht recht klar, wie die Latenzdauer der Muskelzuckung bestimmt werden konnte. Die Stimmgabel wurde in dem selben Augenblicke losgelassen, als der Muskel gereizt wurde. Während des Stadium der latenten Reizung wird die Zeichenfläche vor der Schreib- 13. April 1866. t. IV. p. 575—593; — Derselbe, Poggendorff’s Annalen. 1873. Jubelband S. 596—611; — Gesammelte Abhandlungen. Bd.I. 8. 271—283. ı 8. Fredericq, Theodore Schwann, Sa vie et ses travauz. Liege 1884. P- 38. ® Frederieq et Vandevelde, Archives de zoologie exp. et gen. 1880. t. VII. p. 515518. ® Vintschgau und Dietl, Pflüger’s Archiv u. s. w. 1881. Bd. XXV. 8. 112— 128, * Thiry, Zeitschrift für rationale Mediein. 1864, Bd. XXI, 3. Reihe. 5. 300—306, 124 ROBERT TIGERSTEDT: spitze hin- und zurückbewegt; es muss dann, wenn ich die Beschreibung richtig verstanden habe, die Schreibspitze an der Glasplatte eine einfache Linie schreiben, wie viele Schwingungen die Stimmgabel während dieser Zeit auch thun möchte. Die Linie wird natürlich um so dicker, je länger dieses Stadium dauert, es wird aber nicht möglich sein, zu bestimmen, wie viele Schwingungen die Stimmgabel in dieser Zeit ausgeführt hat. Mir scheint daher die Methode, so vorzüglich sie auch ist, um den ferneren Verlauf der Muskelzuckung zu studiren, nicht gut verwendbar für Beob- achtungen über die Latenzdauer der Zuckung.! Cyon benutzte als Schreibfläche theils einen Cylinder, theils eine Kreisscheibe, welche an derselben Axe befestigt waren. Als Motor bediente er sich des elektromagnetischen Rotationsapparates von Helmholtz.? Chauveau hat einen prachtvollen Registrirapparat beschrieben, wel- cher allen möglichen Zwecken genügt und durch eine Dampfmaschine getrieben wird. Der Cylinder ist 60°“ lang und hat einen Durchmesser von 25 ®, Die Zeit wird durch eine Stimmgabel (300 ganze Schwingungen) markirt. Die Winkelgeschwindigkeit ist so gross, dass 1 @= einer Zeit von höchstens 0-00082” entspricht.’ Wenn wir die jetzt in grösster Kürze beschriebenen Apparate mit Hin- sicht auf ihre Leistungsfähigkeit beurtheilen, so finden wir, dass fast in Allen die Zeit mit grosser Genauigkeit bestimmt werden kann. Bei den- jenigen Apparaten, welche nicht durch ein Uhrwerk bewegt werden, ist die Zeitmessung mittels einer Stimmgabel die Regel: die Bestimmung ist also hier absolut genau. Auch ohne Stimmgabel ist die Zeitmessung voll- ständig sicher beim Pendelmyographion von Fick-Helmholtz, sowie bei dem zweiten Myographion von Fick; dasselbe scheint im grossen Ganzen auch mit dem Fallmyographion von Jendrassik einzutrefien. Durch be- sondere Vorrichtungen ist bei den Cylindermyographien von Helmholtz“ ' und du Bois-Reymond dafür gesorgt, dass die Reizung nur dann statt- ‚findet, wenn die Bewegung constant geworden ist. Der Registrirapparat von Marey giebt auch ohne controlirende Stimmgabel sehr genaue Resul- tate, wie ich bei einigen darauf gerichteten Versuchen gefunden habe. Als Resultat. betreffs der Zeitmessung steht also ziemlich fest, dass die bis jetzt angewandten Apparate im Allgemeinen vollständig genügen. Was die zweite Anforderung an ein gutes Myographion betrifft, dass ! Klünder und Hensen, Arbeiten aus dem Kieler physiologischen Institut 1868. Kiel 1869. 8. 107—130. ? Cyon, Methodik der physiologischen Experimente. Giessen und St. Petersburg 1876. 8. 433—439. 3 Chauveau, Comptes rendus de l’ Academie des Seiences. 1878. t. LXXXVL. p. 95—99. | | ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. 125 die Muskeleurven nicht in einander greifen dürfen, und dass die Abseisse nieht mehr wie höchstens einmal von der Schreibspitze gezeichnet werden darf, so können wir die Apparate in zwei Hauptgruppen theilen. In der einen dieser Gruppen ist diese Anforderung ohne die geringste Schwierigkeit er- füllt: hierher gehören alle die Apparate, welche mit der Hand oder mit einer Feder bewegt werden, sowie die Pendel- und Fallmyographien. Da- ‚gegen sind bei den übrigen Apparaten, d. h. bei denjenigen, welche mit Uhrwerk getrieben werden, sowie bei den Myographien von Fick, Thiry, Chauveau besondere Einrichtungen zu diesem Zwecke erforderlich. Ich habe schon angedeutet, wie Helmholtz und du Bois-Reymond diese Sehwieriekeit vermieden haben. Marey und v. Wittich haben durch die „imbrication verticale“ in einfachster ‚Weise dasselbe geleistet. Auch der „support a bascule“ von Marey ist im dieser Hinsicht von grossem Nutzen; durch denselben kann der Hebel nach Belieben höher oder tiefer gestellt und sogar vom Cylinder gehoben werden, bis der Gang desselben gleich- mässie geworden ist. Beim Cylindermyographion von Fick macht die Trommel nur eine einzige Umdrehung und wird nachher mit der Hand aufgehalten. Rosenthal, Thiry, Cyon und Heynsius haben zu dem- selben Zwecke besondere Vorrichtungen, welche a. a. 0. angegeben sind, angebracht. Auch in dieser Hinsicht zeigen also die meisten Myographien unter einander keinen grossen Unterschied. Dagegen zeigen die Bequemlichkeit der Handhabung und die Kosten der Apparate bedeutende Unterschiede. Wo es darauf ankommt, grössere Beobachtungsreihen an ein und demselben Praeparate auszuführen, sind die kleinen Registrirtrommeln von Helmholtz und du Bois-Reymöond ziem- lich unbequem, denn man muss dieselben allzu oft umtauschen. Dasselbe gilt von den Schreibplatten im Federmyographion und im Myographion =von Brücke. Die meisten von den übrigen sind in dieser Hinsicht voll- ständig genügend. Je eomplicirter der Apparat gebaut ist, um so kost- spieliger wird er: die einfacheren Apparate sind daher meines Erachtens im Allgemeinen denjenigen vorzuziehen, welche mit kostbaren Uhr- werken oder anderen theueren Bewegungsmechanismen ausgestattet sind, Ich finde die Uhrwerke u. s. w. vollständig unzweckmässig bei Myographien für das Studium der latenten Reizung, wenn die dadurch ausgelöste Bewe- gung nicht so constant ist, dass man keine Stimmgabel dazu nöthig hat, und wenn nicht eine einzige Person genügt, um alle Manipulationen am Instrumente auszuführen. In diesem Falle, aber auch nur dann, haben die mit Uhrwerk getriebenen Registrirapparate den Vorzug vor allen anderen. Mit wenigen Ausnahmen hat man seit Helmholtz als Regel bei myographischen Zeitbestimmungen beobachtet, den Reiz durch einen an der bewegten Schreibfläche befestigten Contact auszulösen. Die wenigen Apparate, 126 ROBERT TiGERSTEDT: wo dieser Kunstgriff ursprünglich nieht angewendet war, sind jetzt grössten- theils in dieser Hinsicht verändert. Wie der Contact bei den verschiedenen Myographien construirt ist, kann hier nicht näher erörtert werden. Bei jeder myographischen Untersuchung ist die Art wie der Muskel seine Zuckung auf der Schreibfläche zeichnet von der grössten Bedeutung. In dieser Hinsicht müssen wir folgende Anforderung in möglichst vollständiger Weise erfüllen: es muss während der ganzen Zeit der Zuckung und in jedem Augenblicke die Spannung des Muskels mit der Last des Hebels im Gleichgewicht sein. Wenn diese Bedingung erfüllt werden soll, ist es vor Allem nothwendig, dass der Hebel eine sehr kleine Masse besitzt. Denn im entgegengesetzten Falle, wenn die Masse des Hebels gross ist, so wird der Hebel schon bei dem ersten Moment der Zuckung in die Höhe ge- schleudert und während eines grossen Theils der Zeit, während welcher ge- zeichnet wird, schwebt er gewiss ganz frei, ohne auch nur im Mindesten den Muskel zu spannen. Der Schreibhebel von Helmholtz, welcher lange Zeit bei den meisten Myographien benutzt wurde, litt unter diesem Uebel- stand. Zwar hatten Volkmann und Boeck (a. a. 0.) andere Schreib- apparate benutzt, bei welchen das Schleudern wahrscheinlich nicht so stark war; sie fanden aber keine Nachahmung, weil sie die Zuckungen nicht in vergrössertem Maasstabe wiedergaben und es, besonders bei zeitmessenden Versuchen, von grossem Nutzen ist, eine mehr weniger starke Vergrösserung der Zuckung zu erhalten. Zuerst hat Marey, unter Beibehaltung des Prineipes der vergrösserten Zuckung, Schreibhebel construirt, bei welchen das Schleudern zum grössten Theile vermieden war. Er benutzte ausserordent- lich leichte Hebel, welche entweder mit verhältnissmässig grossen um die Axe des Hebels angebrachten Gewichten belastet wurden, oder auch mittels einer Feder die nothwendige Spannung erhielten.” „Wenn auch theoretisch das Schleudern eines Myographionhebels nie ganz zu vermeiden ist, so ist es doch bei dieser Construction ohne Zweifel auf ein praktisch ausser Acht zu lassendes Minimum herabgedrückt.“? Auch Donders benutzte, um das Schleudern zu verhindern, Federspannung statt eines Gewichtes.? Seitdem Donders und Fick die Prineipien von Marey adoptirt hatten,* ist die Anwendung eines Hebels von mehr oder weniger grosser Masse immer mehr vermieden worden, und man sucht jetzt den Hebel so leicht wie mög- lich zu machen, etwa aus zwei auf einander geleimten, schmalen und sehr 1 Marey, Journal de lanatomie et de la physiologie. 1866. p. 224—242, — Derselbe, Du mouvement dans les fonctions de la vie. Paris 1868. p. 191—193. 2 Fick, Pflüger’s Archiv u.s. w. 1871. Bd. IV. S. 301—304. :S. Place, Onderzoekingen gedaan in het physiologisch Laboratorium der Utrechtsche Hoogeschool. Tweede Reeks. 1868. I. p.83f. “Rick, alar®. ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. 127 dünnen Schilfstreifehen (Fick) mit um die Axe an einem Faden hängen- dem Gewiehte. Im Allgemeinen ist auch die Spannung des Muskels durch Federn zu vermeiden, weil bei diesen die den Muskel dehnende Kraft während der Verkürzung stetig gesteigert wird. Bei ganz speciellen Fällen leistet jedoch ein Hebel dieser Art ausserordentlich gute Dienste und kann kaum in irgend einer anderen Weise ersetzt werden. Die Vergrösserung der Muskelzuekung durch den Hebel ist von grosser Bedeutung, besonders für die Abmessung der Latenzdauer. Je grösser die Geschwindigkeit der Schreibfläche ist, um so grösser muss auch die Ge- schwindigkeit des Schreibhebels, d. h. die Vergrösserung der Muskelzuckung sein.! Der von Helmholtz und seinen nächsten Nachfolgern benutzte Schreibhebel bewirkte eine doppelte Vergrösserung; später ist man weiter gegangen und die neueren Schreibhebel vergrössern die Muskelzuckung viel stärker, von 4-66 (Vintschgau und Dietl) bis zu 50 (Rosenthal). Weil die Muskeleurve sehr langsam sich von der Abseisse abhebt, hat es sich in der Regel herausgestellt, dass die Latenzdauer um so kürzer aus- gefallen ist, je stärker die Vergrösserung gewesen ist. Jedenfalls ist es ausserordentlich schwierig, auch bei der am besten ausgefallenen Muskeleurve den Punkt zu bestimmen, wo die Zuckung eigentlich anfängt.” Es sind daher mehrere Versuche schon gemacht worden in irgend einer anderen Weise den Beginn der Zuckung graphisch zu be- stimmen. Troitzky liess auf der Registrirtrommel den Gang des fallenden Hebels notiren, welcher vorher durch einen Elektromagneten angezogen und im Moment der Zuckung, in Folge der dadurch eintretenden Unter- brechung des magnetisirenden Stromes sich selbst überlassen wurde. Hier- durch bestimmte er die Zeit zwischen Reizung und Beginn der Zuckung; dagegen verzichtete er darauf den zeitlichen Verlauf und die Höhe der. Zuckung zu studiren.? Lautenbach bestimmte unter Schiff’s Leitung die Latenzdauer der Muskelzuckung in folgender Weise. Er fixirte den Muskel am Froschunter- brecher du Bois Reymond’s; der Froschunterbrecher schloss den Strom zu einem Signal Deprez, welches an einer Registrirtrommel schrieb. Sobald der Muskel anfing sich zu bewegen, zerriss er einen Quecksilberfaden, der Strom zum Signal wurde geöffnet, und dadurch die Latenzdauer bestimmt. Zugleich schrieb der Hebel an einer unbewegten Platte die Höhe der ! Vergl. du Bois-Reymond, Gesammelte Abhandlungen. Bd.I. 8. 277—283. ® Vergl. Rosenthal, Dies Archiv. 1883. Suppl.-Bd. 8. 265. ® Troitzky, Bericht über die physiologischen und histologischen Mittheilungen, die auf der Versammlung russischer Naturforscher in Kasan gemacht wurden. — Pflüger’s Archiv u. s. w. 1874. Bd. VIH. S. 599. Nähere Kenntniss dieser Unter- suchung besitze ich leider nicht. 128 ROBERT TIGERSTEDT: Zuckung. Die Beobachtungen Lautenbach’s zeigen unter einander ziem- lich grosse Schwankungen; meines Erachtens sind diese davon bedingt, dass der Contact durch Zerreissen eines Quecksilberfadens geöffnet wurde, denn durch eigene Versuche habe ich gefunden, dass es überhaupt ganz unmöglich ist, in zwei auf einander folgenden Versuchen den Quecksilber- faden so genau einzustellen, dass die in dieser Art bestimmten Zeiten nicht grosse Variationen zeigen. Dagegen gelingt dies sehr vorzüglich mit einem festen Contacte, und der Quecksilberfaden im Froschunterbrecher soll ja übrigens gar nicht dazu dienen, den Contact zu Öffnen, sondern er bezweckt, die Wiederherstellung des Contactes zu verhindern.! Eine ähnliche Methode ist von Langendorff vorgeschlagen. Er reizt den Muskel mit tetanisirenden Inductionsströmen; der Strom der Kette wird durch die Schwingungen einer Stimmgabel unterbrochen; ein Signal Deprez zeichnet auf einer rotirenden Trommel die Zahl derselben. Der Kettenstrom geht ferner durch einen Froschunterbrecher du Bois-Rey- mond’s: wenn der Muskel zuckt, unterbricht er den Kettenstrom und das Signal hört mit seinen Schwingungen auf. Man braucht daher nur die Zahl der Schwingungen zu zählen, um die Latenzdauer der Zuckung zu bestimmen. Diese exacte und, wie es scheint, bequeme Methode bietet unterdessen die Unzweckmässigkeit dar, dass dabei nicht einzelne, sondern nur tetanisirende Reize verwendet werden können; abgesehen von anderen Uebelständen ermüdet hierdurch der Muskel viel zu schnell und ist daher nur für sehr wenige Bestimmungen verwendbar. Wegen den Bemerkungen des Verfassers über die durch diese Methode zu erreichende Genauigkeit verweise ich auf das Original. ? Auch Heidenhain hat sich bei seiner Untersuchung über pseudo- motorische Nervenwirkungen eines elektrischen Signals bedient, um den Anfang der Zuckung zu bestimmen.’ Besonders bei den zahlreichen Untersuchungen, welche man über die Geschwindigkeit nervöser Processe beim Menschen ausgeführt hat, hat man vielfach auf die Anwendung der graphischen Methode verzichtet. Schon im Jahre 1855 beschrieb Valentin die Verwendbarkeit des nach einem Princip von Wheatstone von Hipp construirten Chronoskopes für die Be- stimmung der Geschwindigkeit nervöser Processe.* Später wurde dasselbe ! Lautenbach, Archives des sciences physiques et naturelles. Nouv. per. 1877, t. LIX. p. 272287. : ® Langendorff, Breslauer ärztliche Zeitschrift. 1879. Nr. 14. ® ® Heidenhain, Dies Archiv. 1883. Suppl.-Bd. 8.142. * Valentin, Grundriss der Physiologie. Braunschweig 1855. 5. Auflage. 8. 533536. — Wegen Beschreibung des Chronoskopes s. u. A. v. Bezold, Unter- suchungen über die elektrische Erregung. 1861. S. 45—49, 7191359020, pe ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. 129 Instrument von Hirsch und von Kohlrausch benutzt bei Studien über Reactionszeiten. Um eine Vorstellung von den Fehlergrenzen des Chrono- skopes sich zu bilden, machte Hirsch die Prüfung mit der aus gleicher Höhe fallenden Kugel und berechnete aus den erhaltenen Abweichungen den mittleren Fehler. Es ergab sich bei nicht zu schwachem, normalem Strome der wahrscheinliche Fehler des Mittels 0.0002”, und der wahr- scheinliche Fehler der einzelnen Beobachtung 0-.0011”— 0.0012." Nach Kohlrausch ist der wahrscheinliche Fehler der einzelnen Beobachtung sogar höher, bez. 0.003.” Aus diesen Bestimmungen ergiebt sich, dass das Chronoscop zwar vollkommen genügt bei Versuchen über Reactionszeiten, aber bei Studien über die Latenzdauer der Muskelzuckung oder über die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Nervenerregung gar zu wenig empfind- lich ist. Endlich sei hier noch erwähnt ein Apparat von W. Hankel zur Messung sehr kleiner Zeiträume, mit welchem der Verfasser u. A. eine Be- obachtungsreihe über Reactionszeiten ausgeführt hat. Der bewegte Körper, auf welchem die Zeichen aufgetragen werden, besteht aus einem Paraffın- ringe, der in die Rinne einer 235" im Durchmesser haltenden messingernen Scheibe eingegossen ist; er wird durch ein grosses Räderwerk in gleich- föürmige Umdrehung gesetzt. Die Lage der Marken wird mittels eines Nonius in 0-1 eines ‚halben Grades gemessen. Um die Umdrehungs- geschwindigkeit der Scheibe zu bestimmen fällt nach je 30 Umlaufen des Ringes ein Hebel nieder; dieser schliesst einen Strom, welcher durch den Elektromagneten eines Registrirapparates geht, wie sie bei astronomischen Beobachtungen im Gebrauche sind. Die Zeitmarken werden durch feine Spitzen in das Paraffin eingedrückt; durch eine besondere Vorrichtung werden die Spitzen, augenblicklich nachdem die Marke gegeben ist, von der Scheibe weggezogen; sie zeichnen also nur kurze Marken und keine voll- ständigen Kreise in das Paraffin. Die nähere Anordnung des Apparates kann hier nicht beschrieben werden. Die Zeit, in welcher sich die Scheibe um 1° dreht, ist 0.0005857”—0.0007034”.? Bis jetzt hat dieser Apparat in der Physiologie keine andere Verwendung als die oben erwähnte ge- funden. Die Methode scheint auch ein wenig beschwerlich und complieirt zu sein; besonders gilt dies von dem Füllen der Scheibe mit Paraffin und dem nachherigen Abdrehen. ! Hirsch, Moleschott’s Untersuchungen. IX. 8. 183—199. Die Abhandlung ist vorgetragen vor der naturforschenden Gesellschaft zu Neufchätel am 8. Nov. 1861. ® Kohlrausch, Zeitschrift für rationelle Mediein. 1866. 3. Reihe. Bd. XXVII. 8. 190— 204. ® W. Hankel, Berichte der kgl. sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften. Math.-naturw. Classe. 1866. 8. 46—74. Archiv f. A.u. Ph. 1835. Physiol. Abthlg. Suppl.-Bd. 9 130 ROBERT TIGERSTEDT: Die nach den jetzt beschriebenen Methoden von den früheren Be- obachtern gewonnenen Ergebnisse werde ich, beim Studium wie die Latenz- dauer der Muskelzuckung von verschiedenen Variabeln abhängig ist, in Zu- sammenhang mit meinen eigenen Resultaten eingehend darstellen. Zweites Kapitel. Die Versuchsmethode. Dass das Aufzeichnen der Muskelcurve auf einer bewegten Fläche für sich allein nicht genügt um die Latenzdauer einigermaassen sicher zu bestimmen, geht aus dem ersten Kapitel deutlich hervor, und ich war also genöthigt, in einer anderen Weise meine Versuche vorzunehmen. Es schien mir der Mühe werth, zu prüfen, ob nicht nach dem Prineip von Troitzky, Lautenbach und Langendorff brauchbare Resultate durch die graphische Methode erhalten werden könnten, denn die graphische Methode ist jedenfalls nothwendig um den Zuckungsverlauf zu studiren, auch wenn dieselbe nicht für die Bestimmung der Latenzdauer brauchbar wäre. Wollte ich die Latenzzeiten nach der Pouillet’schen Methode be- stimmen, so wär ich also jedenfalls gezwungen gewesen, die Zuckung an einer bewegten Fläche aufzuschreiben; es war aber nicht undenkbar, dass die genannte Zeitbestimmung an derselben bewegten Fläche mit genügender Exactheit geschrieben werden konnte. Ich war so glücklich, im Laboratorium des Hrn. Professor Ludwig einen ausgezeichneten Registrirapparat zu finden; mit demselben und einem von Hrn. Pfeil in Berlin construirten elektrischen Signal erhielt ich Ergebnisse, welche an Genauigkeit keines- . weges hinter denjenigen stehen, welche mit der elektrischen Zeitmessungs- methode erhalten werden können. Das Prineip meiner Methode ist ganz einfach folgendes: Der Reiz wird ausgelöst durch einen unverrückbar am Registrirapparate befestigten Con- tactunterbrecher; der Muskel schreibt seine Zuckung an der Trommel mittels eines nach den Grundsätzen Marey’s und Fick’s construirten Hebels; dieser Hebel ist aber mit einer Contacteinrichtung versehen, durch welche ein Strom zum elektrischen Signal geöffnet wird, genau in demselben Augen- blicke, wo die Zuckung beginnt. Dieses Prineip wurde in folgender Weise durchgeführt. I. Der Contacthebel. Der Hebel, den ich bei meinen meisten Versuchen benutzte, bestand aus einen Strohhalm von 120m Länge (incl. ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. 131 der Schreibfeder).. 17 "m entfernt von der Axe des Hebels war an dem- selben ein Platinstiftchen befestigt, welches in leitender Verbindung mit einer Batterie stand. Gerade unter dies Stiftehen war an der Bodenfläche des Apparates ein Pfeiler angebracht; dieser Pfeiler trug eine fein gearbeitete Schraube mit platinirter Oberfläche. Vom Pfeiler ging der Strom weiter nach dem elektrischen Signal u. s. w. Der Angriffspunkt des Muskels am Hebel lag in einer Entfernung von 24”"m von der Axe. Die Ver- grösserung der Zuckung war also genau 5 mal. Nachdem der Muskel in gewöhnlicher Weise in die feuchte Kammer eingesetzt und am Hebel be- festigt war, wurde die Schraube langsam gedreht, bis der Contact zwischen dem Platinstiftehen und der Schraube stattfand. Wenn der Muskel gereizt wurde und zuckte, wurde der Contact geöffnet und das Signal also demag- netisirt. Die gesammte Masse des Hebels betrug nur 14°”, und die auf den Muskel wirkende Last nur 42%; bei einigen Versuchen wurde um die Hebelaxe ein Gewicht extra angebracht; der Durchmesser der Axe war 4um. der auf den Muskel wirkende Theil dieses Extragewichtes betrug also nur !/,, desselben. Ich werde diesen Hebel als Hebel I bezeichnen. Bei einigen Versuchen, wobei eine möglichst kleine Belastung nöthig war, benutzte ich einen anderen Hebel von nur 2-1 ®m Masse, welcher sonst ganz ähnlich dem eben beschriebenen war. Die Entfernung des Contactes von der Hebelaxe war 32 "=; der Angriffspunkt des Muskels 20=%, Die auf den Muskel wirkende Last betrug beim Hebel allein un- gefähr 0.5:"%; die Belastung konnte vermehrt werden, wenn um die Hebel- axe oder um eine an derselben befestigte Rolle ein Extragewicht ange- bracht wurde. Der Durchmesser der Axe war = 2m, derjenige der Rolle —=5-5mn. im ersten Falle war der auf den Muskel wirkende Theil dieses Extragewichtes !/,,, im zweiten ungefähr !/,. Ich bezeichne im folgenden diesen Hebel als Hebel II. Die Masse dieser Hebel war also sehr klein und das Schleudern muss also zum grössten Theile vermieden gewesen sein. Um den Einfluss der zu bewegenden Masse zu untersuchen war es bei einigen, eigens darauf bezüglichen Versuchen nothwendig, die Masse zu vergrössern ohne die Spannung des Muskels zu verändern. Zu diesem Zwecke war an der Axe des Hebels I ein kleines Ebonitstückchen befestigt, und zwar in solcher Weise, dass die Axe durch die Mitte dieses Stückchens ging. Genau in derselben Ent- fernung (ungefähr 20%®) von der Mitte trug jedes Ende dieses Stückchens eine kleine Oese, an welcher Gewichte angehängt werden konnten. Wenn diese nahezu vollständig gleich schwer waren und also einander equilibrirten, konnte die zu bewegende Masse vergrössert werden, ohne dass die Spann- ung des Muskels dadurch verändert wurde. Ich benutzte drei Paare Ge- wichte, nämlich: 192 ROBERT TIGERSTEDT: 1) 100.115 bez. 100.127 sm 2) 50.115 bez. 50-125 em 3) 20.102 bez. 20.108 sm Der Unterschied zwischen je zwei Gewichten ist also ganz unbe- deutend. Bei anderen Versuchen galt es, die Spannung des Muskels ohne Aenderung der zu bewegenden Masse zu varüren. Dazu benutzte ich zwei Stahlfedern (Taf. I, Fig. 1): die eine (Feder I) erlaubte dem Muskel nach Belieben eine Anfanssspannung von 5—100 em zu geben; durch die andere (Feder II) konnte die Anfangsspannung von 5--250 Em verändert werden. Eine kleine an der Seite der Feder stehende Scala s gab die Grösse der Anfangsspannung an. Sonst waren die federnden Hebel in ganz - derselben Weise wie die anderen construirt; ihre ‚gesammte Länge betrug 12-5 °®, die Entfernung des Contactes c von dem festen Punkt der Feder 40mm, die Entfernung des Angriffspunktes des Muskels m 25"; die Zuckung wurde also auch hier 5 mal vergrössert. Als Schreibspitze benutzte ich ganz dünne Fischbeinstücke, welche zu diesem Zwecke sich ganz vorzüglich eienen. Am freien Ende des Hebels war ein kleines |_| -förmiges Stück angebracht, x; die Seitentheile dieses Stückes waren durchgebohrt und in den Löchern ein kleiner Draht einge- setzt. An diesem Draht war eine kleine Nadel y angelöthet; das dünn ab- geschabte und spitz abgeschnittene Fischbein, /, wurde daran aufgestochen und das obere Ende der Nadel durch ein kleines Kautschukbändchen, 4, nach hinten sanft gezogen. Hierdurch war die Schreibspitze gezwungen, immer an der Schreibfläche sich anzulegen; die Frietion gegen die Schreib- fläche war wegen der grossen Zartheit des Materiales ganz unbedeutend. Der Muskel war in einer feuchten Kammer eingeschlossen und durch starre Metalldrähte mit dem Contacthebel verbunden. Bei den Versuchen, wo eine Stahlfeder den Hebel darstellte und die Anfangsspannung des Muskels verändert werden sollte, war die Einrichtung getroffen, dass die Muskel durch eine Schraube höher oder tiefer gestellt und somit die Span- nung verändert werden konnte, ohne dass der Muskel seine Lage in Bezug auf die Contactfeder zu verändern brauchte. Bei den meisten Versuchen wurde der reizende Strom mittels Metallelektroden den beiden Enden des Muskels zugeführt; ich habe bei deren Anwendung zu dem vorliegenden Zwecke keinen Uebelstand bemerkt; wo es sich um constante Ströme han- delte, habe ich mich jedoch auch unpolarisirbarer Elektroden bedient; vom Kochsalzthon leitete ich den Strom durch in 0.5 Procent Kochsalzlösung getränkte wollene Fäden, welche um die beiden Enden des Muskels ge- bunden waren. | ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUOKUNG. 133 U. Das elektrische Signal. Ich war bei meinen Versuchen so glücklich, einen neuerdings von Hrn. J. Pfeil in Berlin construirtes elektrisches Signal benutzen zu können. Dieses Signal (Taf. VI, Figg. 2 u. 3) übertrifft nach meiner Erfahrung weitaus das Signal Deprez, welches alle übrigen Signale bis jetzt im Schatten gestellt hat. Das Signal Pfeil ist in folgender Weise construirt. An zwei Stützplatten, a, a, ist eine 63mm lange, 14 "mM breite und 0-5 "m dicke Stahlplatte, d, befestigt. In der Mitte dieser Platte befindet sich ein kleiner Stab c, welcher an einen Hebel d. angreift. Die Axe dieses Hebels bewegt sich in Spitzenschrauben, e, welche von einem kleinen, am äusseren oberen Rande der einen Stütz- platte befestigten Pfeiler, f, getragen werden. Nach der anderen Seite wird der Hebel fortgesetzt und endet mit einer fein abgeschnittenen Fisch- beinspitze. Die Entfernung des Stützpunktes von der Axe ist 3.5 "m; die- jenige der Schreibspitze 7S“m; die Excursionen der Stahlplatte werden also etwa 22 mal vergrössert aufgezeichnet. Um die Schwere des längeren Hebelarmes zu compensiren, ist am kürzeren Hebelarm hinter der Axe ein kleines Gegengewicht, g, angebracht. Unterhalb der Stahlplatte befindet sich ein Elektromagnet, Ah. Mittels einer Schraube, z, kann er der Platte genähert oder von derselben entfernt und somit die Excursionen derselben grösser oder kleiner gemacht werden. Wenn der Strom geschlossen wird, so wird die Platte vom Magnet ange- zogen; wenn der Strom geöffnet wird, nimmt die Platte ihre frühere Gleich- gewichtslage wieder an. Die Platte darf die Pole des Elektromagnets nie berühren; in Folge dessen wird die Verzögerung des Signals bei der Oeffnung des Stromes äusserst klein, wie die später zu liefernden Bestimmungen deutlich zeigen werden. Wie oben bemerkt, werden die Excursionen des Hebels durch grössere oder kleinere Entfernung des Magnets von der Platte kleiner oder grösser; ich habe bei meinen Versuchen eine mittlere Lage angewandt; dabei waren die Excursionen der Schreibspitze ungefähr 1.2 —1.3®m, Um die Schreibspitze des Signals gegen die Schreibfläche fein einzustellen, ist der ganze Apparat durch eine Tangentialschraube A um seine Längsaxe (2, Taf. VI, Fig. 3) drehbar. Endlich ist noch zu bemerken, dass das Signal an einem Eisenstabe, m, von quadratischem Durchschnitte befestigt ist; dieser Stab kann in einer, dem Instrumente beigegebenen Hülse so gestellt werden, dass das Signal sowohl bei horizontaler wie bei verticaler Axe der Schreibfläche verwendet werden kann. Zu den grossen Vorzügen, welche dieses Signal durch seine Bequemlich- keit und Empfindlichkeit besitzt, kommt noch der Vortheil, dass der Draht, welcher beim Elektromagnet benutzt ist, nicht so fein wie beim Signal Deprez ist; man kann daher ziemlich starke Batterien, ohne Furcht den 134 ROBERT TIGERSTEDT: Draht durchzubrennen, benutzen. Ich habe immer 1 Grove angewendet. Wegen der Prüfung des Signals, siehe den folgenden Abschnitt. II. Der Registrirapparat. Wie oben gesagt, benutzte ich bei diesen Versuchen einen nach den Angaben des Hrn. Prof. Ludwig von Hrn. Baltzar und Schmidt gebauten sehr einfachen Registrirapparat. Eine Trommel von 130 »m Höhe und 500"m Umfang wird ‘durch ein Uhrwerk bewegt. Das Uhrwerk wird durch ein schweres Gewicht getrieben; grosse Windflügel sowie die bedeutende Masse der Registrirtrommel sichern die Constanz der Bewegung. Zu dem Apparate gehören zwei einander genau ähnliche Trommeln, welche ich mit dem Buchstaben 4 und B be- zeichnen will; diese Trommeln machten 100 Umdrehungen in folgenden Zeiten (bevor die Zählung der Umdrehungen begann, hatte die Trommel immer 12 Umdrehungen gemacht, damit die Geschwindigkeit constant werden sollte; dieselbe Vorsichtsmaassregel habe ich immer bei meinen Bestimmungen beobachtet). Trommel A. 100 Umdrehungen in 1 mm = 50000 mm Sec. in Sec. 1 178.4 0.001568 2 79.4 0.001588 3 79.0 0.001580 4 79.2 0.001584 5 79.4 0:001588 6 79.0 0.001580 7 79.0 0.001580 3 79.0 0.001580 Mit tel 7905 0-001581 Mittlerer Fehler + 0.000006” Wahrscheinl. Fehler der einz. Beobachtung + 0.000004” Wahrscheinl. Fehler des Mittels . . . + 0.000002” ] wm entspricht also bei Trommel A einer Zeit von 0.001581” + 0.000004” Trommel B. 100 Umdrehungen in 1 mm (= 50000 mm) Sec. in Sec. 1 79.0 0.001580 2 80.2 0.001604 6) 79.8 0.001596 En ne ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. 135 100 Umdrehungen in 1 mm (= 50000 mm) Sec. in Sec, | 4 79-0 0.001580 5 79.6 0.001592 6 79.8 0.001596 7 80.2 0-001604 ) 79.6 0.001592 1) 80.0 0.001600 10 S0.2 0.001604 Mittel 79.74 0-001595 Mittlerer Fehler MORE. + 0:000009” Wahrscheinl. Fehler der einz. Beobachtung + 0.000006” Wahrscheinl. Fehler des Mittels . . . + 0:000002” lmm entspricht also bei Trommel B einer Zeit von 0.001595 + 0.000006” Y Bei den Zeitbestimmungen, die ich gemacht habe, ist es vollständig genügend, das Ergebniss mit 4 Decimalstellen anzugeben; ich werde also bei der Berechnung meiner Versuche die folgende Relation zwischen Länge und Zeit annehmen: ze = (%0NBT Meine Werthe für die Latenzdauer bewegen sich im Allgemeinen zwischen 2 und 10mm; auch bei 10m beträgt der wahrscheinliche Fehler der ein- zelnen Beobachtung nur 0-00004” bez. 0-00006”; die Bewegung der Trommel kann also für meinen sowie im Allgemeinen für die meisten “physiologischen Zwecke als vollständig constant aufgefasst werden. Ich will hier noch ausdrücklich bemerken, dass bei den Versuchen über die Rotationsgeschwindigkeit der Trommel die beiden Hebel, welche ich bei meinen Versuchen benutzte, an der Trommel schrieben, und dass also die Friction hier dieselbe wie in den Muskelversuchen war. Die Trommel konnte längs ihrer Axe mittels einer Schraube in ver- ticaler Richtung bewegt werden. Ohne Schwierigkeit konnte ich daran Raum für 20 und noch mehrere Versuche finden: die Grösse der Trommel genüst also für die meisten derartigen Zeitbestimmungen. An der Axe der Trommel befindet sich eine kleine runde Scheibe, welche ein Metallstiftehen trägt; dies Stiftchen dient als Contactunterbrecher. Der Contact selbst ist hergestellt durch eine Platinspitze, welche mittels einer schwachen Feder leise gegen eine Platinplatte gedrückt wird. Diese einfachste Contacteinrichtung ist an einem Ebonitstück befestigt; dies Stück 136 ROBERT TIGERSTEDT: wird durch eine Feder aus dem Bereich des contactunterbrechenden Stift- chens weggezogen. Die Trommel wird umgedreht, man wartet ruhig bis die Geschwindigkeit constant geworden ist, dann übt man auf die Feder einen Gegendruck, der Contact kommt innerhalb des Bereiches des an der Scheibe befestigten Metallstiftchens und der Strom ist geöffnet. Ich brauche kaum zu sagen, dass durch eine besondere Einrichtung die un- mittelbare Wiederherstellung des Contactes vermieden ist. Die Registrirtrommel besitzt also zwei von den Eigenschaften, die ich früher als nothwendig für solche Apparate bezeichnet habe. Es wäre auch nicht sehr schwierig alles so herzustellen, dass der Muskelhebel an die Trommel nicht früher angelegt wird, als die Geschwindigkeit constant ge- worden ist. Bei meinen Versuchen war eine solche Complication nicht nothwendig; der Muskelhebel konnte ruhig schreiben, wie viele Abseissen er nur wollte — die Latenzzeit wurde doch nicht aus der Muskeleurve gemessen. Und es war sehr leicht, den Hehel des elektrischen Signals daran zu verhindern, eine grosse Menge sich deckender Abscissen zu zeichnen. Man brauchte es nur so einzurichten, dass der Strom zum Signale nur kurz vor der Auslösung des Reizes geschlossen wurde: dies geschah ganz einfach durch einen quecksilbernen Schlüssel. Während der Zeit, welche die. Trommel brauchte um eine constante Geschwindigkeit zu erlangen, war der Signalstrom geöffnet, der Hebel des Signals war nicht vom Magnet angezogen und die Schreibspitze zeichnete an der Trommel eine Linie, welche von gar keiner Bedeutung war. Als der Augenblick der Reizung gekommen war, wurde der Signalstrom geschlössen, der Hebel vom Magnet angezogen, die Schreibspitze schreibt ihre Linie um 1.2 "m tiefer wie früher, der Muskel zuckt, der Strom zum Signal wird dadurch früher geöffnet, als die Trommel eine Umdrehung vollendet hat, und die vom Signal gezeichnete Curve steht da ganz einfach und sauber: die Schreibspitze hat nur ein einziges Mal in dieser Linie sich bewegt. | Nach stattgefundener Zuckung wird die Trommel mit der Hand fest- gehalten. Bei dem grossen Umfang der Trommel ist diese Manipulation mit keinerlei Schwierigkeit verbunden. Nach Allem, was ich über diesen Registrirapparat hier berichtet habe, und nachdem ich mit demselben mehrere Monate lang täglich gearbeitet habe, kann ich nicht umhin hervorzuheben, dass. dieser Apparat wahr- scheinlich die meisten der jetzigen übertrifft, und dass nur wenige ihm nahe kommen. Er ist ferner ausserordentlich leicht zu handhaben und solid gebaut wie alle die Instrumente, welche aus der berühmten Werk- stätte der Hrn. Baltzar und Schmidt hervorgehen. Jetzt stellt sich die Frage: wie arbeiten der Signal- und der Regis- trirapparat zusammen? Diese Frage habe ich in der Weise zu entscheiden ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG, 137 gesucht, dass ich durch den Registrirapparat die eigene Latenzdauer des Signals, d. h. die Zeit zwischen dem Oeffnen des Stromes und der darauf folgenden Bewegung der Schreibspitze des Signals, bestimmt habe. Die Versuche wurden in der Weise ausgeführt, dass der Signalstrom durch den Contact des Registrirapparates geleitet wurde. Die Trommel wurde in . Bewegung gesetzt und als sie die constante Geschwindigkeit erreicht hatte, wurde der Signalstrom durch das Unterbrechungsstiftchen geöffnet. Hier- bei wurde auch die oben erwähnte Vorsichtsmaassregel beobachtet, dass nämlich der Signalstrom nicht früher geschlossen wurde, als die Geschwindig- keit der Trommel constant geworden war und die Oeffnung desselben un- mittelbar nachfolgen konnte. Der Augenblick der Oeffnung wurde in ge- wöhnlicher Weise durch langsame Umdrehung der Trommel bestimmt. Ich lasse hier die Beobachtungen über die Latenzdauer des Signals in extenso folgen. Latenzdauer des Signals. Trommel A. .nzdauer „atenzd , = Nummer | 1 Secamden Nummer | in Secunden Nummer | jr Secunden 1 0.0007 15 0.0003 29 0.0002 2 0.0005 16 0.0004 80 0.0002 3 0.0002 17 0-0003 ol 0.0005 4 0-0003 18 0-0003 32 0.0002 ) 0.0007 19 0.0006 Sp) 0-0005 6 0-0003 20 0-0002 94 0-0003 7 0-0004 21 0-0003 5%9) 0.0005 5 0-0002 22 0-0002 86 0.0003 I 0.0003 23 0-0005 a 0.0002 10 0-0003 24 0-0003 38 0-0002 11 0.0003 25 0.0002 39 0.0003 12 0.0003 26 0.0002 40 0-0006 13 0-0003 DT 0.0002 41 0.0002 14 0-0013 28 0.0003 ‘Wenn wir. die Bestimmung Nr. 14, welche viel zu viel von den übrigen Bestimmungen abweicht, weglassen, so finden wir als Mittel: Wiesiiatenzdauer.des Sienals. . -. -... .. .. 0.0003” inlerersltehlerr 0.0. 2.4.00 00002" Wahrscheinl. Fehler der einzelnen Beobachtung . + 0.0001” „Wahrscheinlicher Fehler des Mittels . . . . . + 0.00002”! ! Ich werde im Folgenden die Ergebnisse der Zeitbestimmungen und der Wahr- scheinlichkeitsrechnung nur mit vier Decimalstellen angeben. 138 ROBERT TIGERSTEDT: Trommel B. Nummer | Meigeadener ummer | Tatazdaı Mummer | Legmlanee 1 0-0002 15 0-0003 23 | 0.0002 2| 0-0003 16 0-0003 29 0.0003 3 0-0002 7 0-0006 30 0.0002 4 00003 18 0-0003 31.’ 09-0005 5 00002 19 0-0005 32 .| 0.0002 6 | 0.0002 20 0.0004 33 | .0-0005 7 0.0002 2 0.0002 34 | 0-0002 8 00002 2% 0-0002 35 0.0002 9352020003 23 00003 36 0.0003 10 | 0.0002 24 0.0003 37 0.0002 1 09-0002 25 0-0002 38 0-0003 12 0-0003 26 0-0003 39 0.0002 13 0-0003 27 0.0002 40 0.0002 14 0.0003 Wir finden also als Mittel: Dierlatenzdauer des Signalsw. . 7.2.2 22:5:0200037 Mittlerer- Behler=. wesen er 2 2500 Wahrscheinl. Fehler der einzelnen Beobachtung . + 0-0001” Wahrscheinlicher Fehler des Mittels . . . . .. + 0-00002” Als die eigene Latenzdauer des Signals, welche von den Werthen für die nach meiner Methode bestimmte Latenzdauer der Muskelzuckung ab- gezogen werden muss, werde ich also annehmen: 0.0003”; wobei der wahrscheinliche Fehler einer einzelnen Beobachtung nicht grösser ist als: 0.0001”. - Um den Einfluss aller Zufälle möglichst zu vermeiden, habe ich bei meinen Versuchen mich bemüht, eine grosse Anzahl Beobachtungen unter genau denselben äusseren Bedingungen zu machen und dann auf Grund dieser Beobachtungen den wahrscheinlichen Fehler des Resultats zu be- rechnen. Wie die folgenden Abschnitte zeigen werden, haben meine Mittel- werthe hierdurch eine ziemlich grosse Exactheit gewonnen. Bei einigen Versuchen ist es mir nicht möglich gewesen dieser Regel vollständig zu folgen: dies ist der Fall z. B. bei den Versuchen über die Abhängigkeit der Latenzdauer von der Reizstärke, bei untermaximalen Reizen. Um das hier obwaltende Gesetz kennen lernen, war es nothwendig die Reizstärke ziemlich viel zu variiren: hätte ich bei jeder Reizstärke eine grössere An- ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. 139 zahl Bestimmungen gemacht, so wäre der Muskel ermüdet und hierdurch der Vortheil der Wahrscheinlichkeitsrechnung illusorisch geworden. Die Methode, durch ein elektrisches Signal die Latenzdauer der Muskel- ' zuekung zu bestimmen, ist nur mit zwei anderen vergleichbar: 1) mit der Methode von Pouillet-Helmholtz und 2) mit der Methode, den Anfang einer Bewegung durch einen elektrischen Funken zu markiren. Wie verhält ‚ sich die von mir benutzte Methode zu diesen beiden? Ein grosser Vortheil meiner Methode liegt darin, dass das Signal durch seine Bewegung den Augenblick angiebt, wann der zeitmessende Strom ge- schlossen wird. Wenn man den zeitmessenden Contact durch Drehen der Schraube unterhalb des Contacthebels einstellt, so hat man in der Be- wesung des Signals das zuverlässigste Zeichen vom Stromschlusse, und man lernt sehr bald, die Einstellung mit der nothwendigen Feinheit auszuführen. Weder die Pouillet’sche, noch die Funken-Methode sind in dieser Hinsicht so empfindlich; jedoch ist es ja mit keinerlei Schwierigkeit verbunden, auch bei diesen Methoden ein elektrisches Signal als Indicator des Schlusses des zeitmessenden Stromes zu benutzen. Meine Methode bietet aber einen anderen, nicht gering zu schätzenden Vortheil. Wie bekannt, erhebt sich die Muskelzuckung im Beginn nur sehr langsam; bevor der zeitmessende Strom vollständig geöffnet wird, wird er also, wegen des allmählichen Steigens der Zuckung, mehr oder weniger stark geschwächt. Das elektrische Signal markirt dies ausserordentlich deutlich: weil der Strom nicht plötzlich geöffnet wird, sondern zuerst der Widerstand, in Folge der allmählichen Entfernung der Contacttheile, steigt, so löst sich die Signalcurve nicht plötzlich, sondern nur langsam von der Abseisse ab, und somit wird der erste Verlauf der Zuckung gewissermaassen ‚, abgebildet in der Bewegung des Signals. Dabei ist es zu bemerken, dass die Ausmessung der Curven hierdurch nicht im höheren Grade erschwert wird; wenn man bei der Ausmessung ein Mikroskop benutzt, so wird man in der Regel keine Schwierigkeit haben die Signalcurven auf O-1“m oenau auszumessen, d. h. eine Genauigkeit von 0-00016” bei der Messung zu er- reichen. Hierin scheint es mir, dass meine Methode den Vorzug vor den zwei anderen verdient, denn die Art, wie durch die allmähliche Schwächung des zeitmessenden Stromes die Zeitbestimmung nach Pouillet oder mittelst des elektrischen Funkens beeinflusst wird, ist lange nicht so leicht wie beim elektrischen Signal zu übersehen. Von nebensächlicher, jedenfalls aber nicht unwichtiger Bedeutung ist ferner der Umstand, dass bei meiner Methode die Versuche sehr bequem und ohne die geringste Schwierigkeit auszuführen sind. 140 ROBERT TIGERSTEDT: \ IV. Der Stromwähler und die Versuchsanordnung. Es war nothwendig nicht nur die Richtung des reizenden Stromes, sondern auch \ seine Art ohne Schwierigkeit variiren zu können, und also durch einen : einfachen Handgriff indueirte und constante Ströme mit einander wechseln lassen zu können. Die ziemlich complieirte Anordnung, wodurch ich in sehr ! bequemer Weise dies erzielt habe, ist folgende (siehe Taf. VI, Fig. 4). Der zeitmessende Strom geht von der Batterie , durch den Contact- hebel C' zum elektrischen Signal S. Der Quecksilberschlüssel @, dient dazu, den Signalstrom kurz vor der Auslösung des Reizes zu schliessen (vgl. oben 8. 136). Der am Registrirapparate befestigte Reizcontact 2 steht durch die » beiden Drähte XX mit den mittleren Schrauben einer kreuzlosen Pohl’- . schen Wippe W, in Verbindung. Je nach der Stellung der Arme der ' Wippe dient der Reizeontact zur Auslösung eines Reizes oder zur Unter- brechung des Signalstromes. Das letztere ist der Fall bei der Aufzeichnung ° des Augenblickes, wann die Reizung stattgefunden hat. Zur Abwechslung der Reizart dienen die beiden Stromwähler Z und | M. L besteht aus 6 und M aus 8 mit einander durch Kupferbügel zu verbindenden Quecksilbergefässen. In Z stehen die Gefässe 1 und 4, 3 undd durch Kupferdrähte unter einander in steter Verbindung. Die Stromart kann durch verschiedene Combinationen der Quecksilbergefässe variirt werden, Ist die Wippe W, so gestellt, dass ihre Arme in die Gefässe a und 5 tauchen, so bildet der Reizcontact eine directe Schliessung der Batterie 5,, wenn im Stromwähler Z die Gefässe 3 und 4 mit einander leitend vereinigt, und die Verbindungen 1—2, 5—6 aufgehoben sind. Der Reiz- contact bildet aber eine Nebenschliessung der Batterie, wenn in dem- selben Stromwähler Z die Gefässe 1 und 2, 5 und 6 vereinist, 3 und 4 aber von einander isolirt sind. Durch diese einfache Umstellung der Ver- bindungen des Stromwählers Z kann also ohne weiteres derselbe Contact als directe und als Nebenschliessung verwendet werden. Der Stromwähler M dient dazu, um nach Belieben constante oder in- dueirte Ströme zu wechseln. I und II bedeuten die primäre, bez. die secundäre Rolle des Inductoriums, W, eine Pohl’sche Wippe, @, einen Schlüssel, Z den Muskel. Werden in M die Gefässe 1 und 2, 5 und 6 vereinigt, so geht ein constanter Strom durch den Muskel; werden dagegen 2 und 3, 4 und 5, 7 und 8 vereinigt, so wird ein inducirter Strom durch denselben geleitet. Diese Versuchsanordnung gestattet also, mit der grössten Bequemlich- keit alle möglichen elektrischen Reize in beliebiger Weise mit einander wechseln zu können. ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. 141 Wenn nichts anderes bemerkt ist, wurde der Reizstrom stets in auf- steigender Richtung durch den Muskel geleitet. Ein Versuch wurde im Allgemeinen in folgender Weise ausgeführt. Nachdem das Praeparat hergestellt und in der feuchten Kammer aufgehängt war, wartete ich meistens 10—15 Minuten, bevor ich den Versuch begann, damit der Muskel vom Hebel genügend gedehnt werden konnte. Zuweilen ‚brachte ich während dieser Vordehnung ein Extragewicht an, um die Dehnung und die Nachdehnung vollständiger zu machen. Dann nahm ich das Extragewicht kurz vor dem Beginn des Versuches weg. Wenn alles in dieser Weise vorbereitet ist, die beiden Schreibhebel eingestellt u. s. w., wird die Trommel losgelassen; sobald ihre Geschwindigkeit constant geworden, d. h. nach 12 Umdrehungen, wird erst der Sienalstrom geschlossen, der Hebel des Signals wird vom Magneten angezogen, einen Augenblick nachher wird die Contacteinrichtung innerhalb des Bereiches des Unterbrechungs- stiftehens geschoben, der Muskel wird gereizt, die Curven geschrieben und dann die Trommel mit der Hand festgehalten. Um nun der Augenblick der Reizung festzustellen, wird durch Oeffnen des Schlüssels @, und Um- werfen der Wippe W, der Signalstrom zum Contacte des Registrir- apparates geleitet; dabei ist, wie oben bemerkt, der Reizstrom davon ganz ausgeschaltet. Nun wird in bekannter Weise durch äusserst langsame Drehung der Trommel der Augenblick der Reizung an der Trommel vom Signal markirt. Hier habe ich den Vortheil, dass ich, um den Punkt der Reizung an der Trommel zu bestimmen, nicht den Muskel zu reizen brauche, sondern dies mittels des elektrischen Signals ausführen kann. Dadurch ermüdet der Muskel natürlicherweise lange nicht so leicht wie sonst. Die Einstellung des Contactes des zeitmessenden Stromes geschah immer unmittelbar vor dem Loslassen der Trommel; nach jeder Beobachtung wurde der Contact auf’s Neue eingestellt, damit der etwaige Verkürzungs- rückstand und die Nachdehnung einen möglichst kleinen Einfluss ausüben sollten. Weil die Temperatur von grossem Einflusse auf die Latenzdauer ist, so habe ich sie mittels eines in der feuchten Kammer nahe dem Muskel eingesetzten Thermometers bei jeder Beobachtung abgelesen. Bei der Ausmessung der Curven bin ich in folgender Weise ver- fahren. Um die Signalcurven auszumessen, habe ich eine in 0.Imm getheilte Scala von Zeiss benutzt unter Anwendung 7maliger Ver- srösserung. Als Anfang der betreffenden Curven habe ich den Punkt bestimmt, wo die Curve eben anfängt von der Abscisse sich zu entfernen. Alle in dieser Abhandlung als Belege mitgetheilten Zeitbestimmungen sind zweimal ausgemessen. Von den in dieser Art ermittelten Werthen ist in den folgenden Tabellen für die eigene Latenzzeit des Signals 142 ROBERT TIGERSTEDT: 0.0003” weggezogen. Die Höhe der Muskelzuckungen habe ich mit einem‘ Stangenzirkel derart bestimmt, dass ich das eine Bein des Zirkels genau an der Abscisse anlegte und dann so genau wie möglich das andere Bein als’ Tangent dem Scheitelpunkte der Muskeleurve einstellte. Drittes Kapitel. Die Latenzdauer der Muskelzuckung bei gleichstarken über- maximalen Induetionsströmen. Die Werthe, welche bisher von verschiedenen Forschern für die Latenz- ı dauer der Muskelzuckung bei Anwendung übermaximaler Reize von mög- © lichst kurzem Verlauf (Oeffnungsinductionsströme) erhalten sind, zeigen unter- einander sehr grosse Abweichungen. Wie schon mehrmals bemerkt, ist es mit ausserordentlicher Schwierigkeit verbunden, den Anfangspunkt der Muskeleurve zu bestimmen. Je stärker die Vergrösserung der Zuckung ist, um so leichter wird es diesen Punkt festzustellen, und es zeigt sich in der Regel, dass im Allgemeinen eine um so kürzere Latenzdauer gefunden ist, . je stärker die Vergrösserung gewesen ist. Ich werde hier die bei Anwen- dung von übermaximalen Inductionsreizen bei direeter Muskelreizung ge- wonnenen Resultate in grösster Kürze zusammenstellen. Helmholtz fand durch die Pouillet’sche Methode die Latenzdauer bei directer Reizung des nicht überlasteten Muskels in drei Versuchen bez. 0.0093”, 0.0073”, 0.0089.! Harless bestimmte nach einer sehr complieirten und dabei auch nicht sehr genauen Methode die Latenzdauer zu 0-0187”;? betrefis der Methode muss ich auf das Original verweisen. v. Bezold erhielt mit dem von du Bois-Reymond modificirten Helmholtz’schen Myographion bei 2maliger Vergrösserung der Muskel- zuckung eine Latenzdauer von 0-0136”. Die Temperatur war bei diesen Versuchen etwa 10° C.? Bei den übrigen zahlreichen Versuchen v. Bezold’s ist die Latenzdauer nur in Millimetern, nicht aber die Umdrehungs- geschwindigkeit der Trommel angegeben, ich kann daher aus diesen Ver- suchen die Latenzdauer des Muskels nicht in Secunden umrechnen. ı Helmholtz, Wissenschaftliche Abhandlungen. Bd. Il. S. 791—792. 2 Harless, Gelehrte Anzeige der kgl. bayerischen Akademie der Wissenschaften. 1859. Nr. 3u.4. Cit. nach v. Bezold, Untersuchungen über die elektrische Erregung. S. 66—68. 3 v, Bezold, Untersuchungen über die elektrische Erregung der Nerven und Muskeln. Leipzig 1861. S. 100. | Bi 13 E a ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. 143 Place hat in einer ausgezeichneten Arbeit sehr wichtige, leider aber za wenig berücksichtigte Ergebnisse mitgetheilt. Die Muskelzuckung wurde mittels eines federnden Schreibhebels und zwar sehr stark vergrössert (bis zu 18.5 mal) aufgezeichnet; nur blutdurchströmte Muskeln wurden benutzt; die Zeit wurde durch eine Stimmgabel markirt. Als Reiz diente ein Oeffnungs- ‚ inductionsstrom. Der Augenblick der Reizung wurde in folgender Art regi- ' strirt. Der Strom zur primären Rolle wird geschlossen durch den Anker eines Elektromagnets; wird ein Strom zu diesem Magnet geschlossen, so wird der Anker angezogen und der inducirende Strom geöffnet. Am Anker ist eine Schreibfeder befestigt; in demselben Augenblick, wo der Anker vom Magnet angezogen und der Contaet des inducirenden Stromes geöffnet wird, zeichnet diese Feder, welche genau unter die Schreibspitze des Muskelhebels | gestellt ist, einen Strich an der Trommel. Der Augenblick der Reizung wird also hierdurch sehr exact angegeben." Die von Place bei nichtüber- lasteten Muskeln gewonnenen Ergebnisse sind in folgender Tabelle verzeichnet: Spannung des Muskels Latenzdauer in Sec. Grm. 2 0-01 — 0.006 Versuch LI. 10 0.0038—0 - 0057 Versuch IV. 0 0.0061—0.0068 Versuch V. 0— 8375 0.0038—0 . 0067 Versuch VI. Als Mittelwerth der Latenzdauer des Frosch-Gastroenemius nimmt Place 0-005” an.? Klünder erhielt nach einer schon oben beschriebenen originellen Methode sehr kurze Werthe für die Latenzdauer. Als Regel fand er eine - Latenzdauer von 0.0075”; diese Latenzdauer konnte jedoch unter gewissen Bedingungen viel kürzer gemacht werden; z. B. wenn man dem Schreib- hebel eine sehr geringe Masse (= 18”) giebt und dann, bevor die Con- - traction beginnt, den Rahmen stark nach abwärts zieht und sehr leise den Zug nachlässt, so bekommt man Zuckungen, welche nach dem Ablauf von 0.0025” und vor 0.0050” beginnen. „Das Hauptgewicht fällt auf die 1 Gad (Dies Archiv. 1879. S. 265) hat die Beschreibung der Versuchsanordnung von Place nicht richtig verstanden, wenn er sagt, dass Place dem in dem Elektro- magnet eintretenden Zeitverlust keine Rechnung getragen hätte. Place hat ja den Elektromagnet nicht als elektrisches Signal, sondern in der oben beschriebenen Weise als Unterbrecher benutzt; die erste Bewegung des Ankers, welche den Augenblick der Reizung registrirt, löst ja den Reiz aus. ® Place, in Onderzoekingen gedaan in het physiologisch Laboratorium der ‚ Utrechtsche Hoogeschool. Tweede Reeks. 1867—1868. I. p. 73—138; vergl. beson- ders p. 83—107. 144 ROBERT TIGERSTEDT: richtige Dehnung des Muskels; je vollkommener diese geglückt ist, desto früher tritt die Bewegung ein, wenn die Masse des Hebels nur nicht allzu bedeutend ist.“ Es wurde bei diesen Versuchen hauptsächlich der M. biceps des Froschschenkels benutzt." Wie oben bemerkt, ist es mir nicht recht verständlich, wie Klünder nach seiner Methode die Latenzdauer bestimmt hat, denn bei seinen Absprungscurven scheint es mir ziemlich unmöglich, zu sagen, wie viel Mal die Schreibspitze des Muskels in derselben Linie sich bewegt hat; vielleicht habe ich seine Beschreibung nicht richtig verstanden. Bernstein liess die beiden curarisirten Adductoren vom Oberschenkel des Frosches ihre Verdickungscurve auf dem Helmholtz’schen Myographion auf- zeichnen. Der Muskel wurde direct an der Stelle gereizt, welche ihre Ver- diekung aufschreiben sollte; die Vergrösserung betrug ungefähr 9 Mal. Es ergab sich, dass in 15 Bestimmungen an 9 verschiedenen Muskeln die Latenz- dauer zwischen 0.0145” und 0.0226” schwankte.”? Dabei ist zu bemerken, dass es ausserordentlich schwierig sein muss, den Anfangspunkt der Dicken- curve zu bestimmen. Lautenbach bestimmte die Latenzdauer nach der oben beschriebenen Methode. Er giebt seine Resultate nur in Stimmgabelschwingungen (200 in 1”) an; ich habe dieselben zu Secunden reducirt. Hier werde ich von seinen Werthen nur diejenigen, welche in jedem Versuch bei der grössten Reizstärke erhalten sind, berücksichtigen. Die Zahlen von Lautenbach sind freilich ein wenig zu gross, weil er, wie es scheint, vergessen hat, die eigene Latenzdauer des Signals von seinen Bestimmungen abzuziehen, wenig- stens sagt er kein Wort davon. Die bemerkenswerthen Ergebnisse, die er verzeichnet, gelten somit a fortiori. Weil sie bis jetzt ziemlich wenig berücksichtigt worden sind, erlaube ich mir aus den 13 Versuchen, die er über die Latenzdauer des direct gereizten nicht curarisirten Muskels mit- theilt, die kleinsten Werthe hier zusammenzustellen. Nr. des Versuches Höhe der Zuckung in Mm. Latenzdauer in Sec. 32 7—1.2 0-0092—0.0089 38 4-9 —5-3 0.0095—0:0113 34 10-1 0.0075 3) loerililoe) 0.005—0.0068 36 lal27 0-005 37 6.8 0.075—0:-0100 38 6.9 0.0089 ! Klünder, beiHensen, Arbeiten aus dem Kieler physiologischen Institut. 1868. Kiel 1869. 8. 108—114. | ° Bernstein, Untersuchungen über den Erregungsvorgang im Nerven- und Muskelsysteme. Heidelberg 1871. 8. 78—87. ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. 145 Nr. des Versuches. Höhe der Zuckung in Mm. Latenzdauer in See. 39 5.4 0.0056 40 8.2 0.0039 41 5.4—4.8 0.0089—0 0095 42 3:4—3:6 0.0075—0.0100 43 5) 0-0068— 0.0130 44 6-8 0.089 Wir haben also hier Zahlen, welche mit denjenigen von Place und Klünder sehr gut übereinstimmen. Uebrigens ist noch zu bemerken, dass bei vielen von den Versuchen Lautenbach’s die Reizung gewiss nicht maximal war.! Gad untersuchte mittels des Federmyographions von du Bois-Rey- mond unter Anwendung einer gespannten Feder als Belastung des Muskels die Latenzdauer und fand bei passender Wahl der Spannung wiederholt von dem total gereizten M. Gastrocnemius Latenzdauer von nur 0-004” — also Werthe von derselben Ordnung wie diejenigen von Place, Klünder und Lautenbach.” Die Bemerkungen Gad’s über die Latenzdauer des Muskel- elements werde ich im XI. Kapitel besprechen. Langendorff erhielt nach seiner im ersten Kapitel beschriebenen Methode bei Tetanisirung des Muskels im Mittel von 6 Versuchsreihen mit 51 Einzel- versuchen, ohne Ueberlastung, für die Latenzdauer einen Werth von 0-00904; im Minimum fand er 0.0078”; im Maximum 0-0117”.? Mendelssohn untersuchte mit den Apparaten Marey’s, wie die Latenz- dauer der Muskelzuckung unter dem Einflusse verschiedener Variabeln sich verändert. Als Reiz benutzte er theils Oeffnungsinductionsschläge, theils die Entladung eines Condensators. Bei nicht curarisirten, aber blutdurch- strömten Muskeln (Gastrocnemius) fand er Werthe zwischen 0-004’—0.01” bis 0-012”. Der constanteste Werth für die Latenzdauer ist nach ihm 0.008”; in 17°/, seiner Versuche erhielt er eine Latenzdauer von 0.006” und im Frühling sogar 0-.004”.* Yeo und Cash benutzten das Pendelmyographion und erhielten für die Latenzdauer des nicht überlasteten Muskels, bei allein durch den Schreib- hebel (1 2m) bewirkter Belastung und bei einer Temperatur von 17—18° C. folgende Werthe: 0-0103”, 0-0111”, 0-0103”. Wie die genannten Forscher ! Lautenbach, Archives des sciences physiques et natwrelle. Nouvelle pe- - riode. 1877. t. LIX. p. 272—287. 2 Gad, Dies Archiv. 1879. 8. 250—268. ® Langendorff, Breslauer ärztliche Zeitschrift. 1879. Nr. 14. 8.6. d. S.-Abdr. * Mendelssohn, Travau.z du laboratoire de M. Marey. 1880. t. IV. S. 99—153. Archiv f.A.u. Ph. 1885. Physiol. Abthlg. Suppl.-Bd. 10 146 ROBERT TIGERSTEDT: die Latenzdauer von verschiedenen Variablen abhängig fanden, soll später dargestellt werden.! | Fick theilt einen Versuch mit, wo die Latenzdauer 0.007” ist; der Versuch wurde mit dem oben beschriebenen Myographion und bei zweimaliger Vergrösserung der Zuckung gemacht.? Yeo und Cash erhielten in einer späteren Untersuchung kürzere Latenz- dauer, als sie früher beobachtet hatten. Bei maximaler Muskelzuckung schwanken ihre Werthe zwischen 0.0093” und 0-0067”; der letztere Werth ist erhalten bei einer Temperatur von 106° F. (= ungefähr 41° C.); die Versuchsmethode war dieselbe, wie in den früheren Versuchen der Verfasser.? Nach einer Notiz von Yeo und Cash soll Rutherford mittels des Signals Deprez einmal eine Latenzdauer von nur 0.002” gefunden haben.* Rosenthal hat mit seinem Kreiselmyographion für die Latenzdauer der Muskelzuckung Werthe, „welche mit der ursprünglichen von Helmholtz gefundenen Zahl 0.01” sehr nahe übereinstimmen“. Bei starker Reizung erhielt er also: 0.009”—0-01”.? Aus den hier summarisch zusammengestellten Untersuchungen geht mit grosser Bestimmtheit hervor, dass der in den physiologischen Hand- büchern bis jetzt fast allgemein angenommene Werth für die Latenzdauer der Muskelzuckung (0-01”) viel zu gross ist, denn die nach verschiedenen Methoden erhaltenen Werthe von Place, Klünder, Lautenbach, Gad, Mendelssohn zeigen alle einstimmig, dass die Latenzdauer im Mittel nur 0.005” bis 0.006” beträgt. Jedenfalls scheint es unzweifelhaft zu sein, dass die Latenzdauer von sehr vielen Variabeln abhängig ist. Ein Beitrag zur Lösung dieser Frage soll die vorliegende Untersuchung sein. In diesem Kapitel werde ich einige Versuche mittheilen, in denen ich, unter genau denselben äusseren Bedingungen, übermaximalen Oefinungs- inductionsschlägen bei übereinander geschobenen Rollen, 1 Grove in der primären Strombahn, möglichst constanter Temperatur, unveränderter Be- lastung u. s. w., die Latenzdauer bestimmt habe. Das Extragewicht (1.62%), durch welches der Muskel vor dem Versuch ein wenig gedehnt wurde, wurde immer kurz vor dem Beginn der Reizung weegenommen. Bei den in diesem Kapitel mitgetheilten Versuchen wurde auschliesslich Hebel I benutzt. Die ! Yeo und Cash, Proceedings of: the Royal Society of London. 1881. Vol. 33. p- 462—480. ? Fick, Mechanische Arbeit und Wärmeentwickelung bei der Muskelthätigkeit. Leipzig 1882. 8. 100. ® Yeo und Cash, Journal of physiology. 1883. t. IV. p. 198—221. * Yeo und Cash, a.a. ©. p. 202. — Die Angabe von Rutherford sollin dessen Textbook of physiology, p. 155 stehen. 5 Rosenthal, Dies Archiv. 1883. Suppl.-Bd. S. 265. A ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. 147 Muskeln waren nicht curaxisirt. Betreffs der Ausführung der Versuche ist hier nichts zu der im Kapitel II gegebenen Darstellung hinzu zu fügen, ich gehe daher ohne Weiteres zu der Mittheilung einiger Versuchsprotocolle über. Versuch 1. 22. Januar 1884. Muskel angehängt 4" 45’; Beginn des Versuches 5"0’; Ende 5h 34‘. Höhe der Latenzdauer Nummer | Temperatur Zuckung ei A + in Mm, ug eo: l 14-2 10-1 00063 2 142 KO) 0.0064 3 14-5 10-4 0.0064 4 14-4 10-4 0.0055 > 14-5 10.5 0.0061 6 14-6 10:5 0.0061 T 146 1025 0-0059 >) 14.7 1025 00063 I 14-7 10-5 0.0061 10 14-7 10-6 0.0071 Hi 14-7 ODER 0-0058 12 14.7 10.8 0.0051 SE | 14-7 10-7 0-0051 14 | 14.8 10-8 0.0055 ae) 14.8 10-7 0.0056 BR 4 00060 Mittlerer Fehler . . . +0°0005 Wahrscheinlicher Fehler der einzelnen Beobachtung + 0.0003 Wahrscheinlicher Fehler deseNitielsenern. er 0-0008 Versuch 2. 23. Januar 1884. Muskel angehängt 10% 30; Beginn des Versuches 10® 55’; Ende 11" 21’; Länge des Muskels 35 m, Höhe der Nummer | Temperatur Anus na aner 1 18-6 | 18.0 0.0043 9 18-7 100 ' 0.0043 3 18.8 1 0.0047 N les 18.2 0.0047 6 unmessbar wa 18.9 18-5 0.0039 ı Wie oben (8. 135) bemerkt, habe ich alle Zeitbestimmungen auf die 4. Decimal- stelle abgerundet; auch für die Wahrscheinlichkeitsbereehnung nehme ich also nur 4 Deeimalstellen auf. 10* 148 ROBERT TIGERSTEDT: (Versuch 2. Fortsetzung.) | Höhe der | Latenzdauer | N T t Zuck | as empera u as in Se. 8 18-95 16-8 | 0.0051 9 18-95 18-4 0.0040 10 18-95 18-3 0.0040 11 18-95 18-0 | 0.0042 1% 18.95 18-1 0.0040 13 19.0 18-0 0.0040 14 19.0 16-9 | 0.0050 Mitteli ss go U SER Er E A 007000 Mittlerer Fehler Eu A000. Wahrscheinlicher Fehler de ma Beabaie + 0.0003 Wahrscheinlicher Fehler des Mittels + 0.0001 Versuch 3. 23. Januar 1884. Muskel angehängt 11" 27; Beginn des Versuches 12" 10°; Ende 12" 35°, Länge des Muskels 30 "m, Höhe der Nummer | Temperatur | AUS een 1 17.0 8.8 0.0069 2 17-1 9.0 0.0061 3 17.2 9.0 0.0074 4 17.3 8-7 0.0063 5 17.3 8.7 0.0072 | Bald 8-6 0.0074 u as 8-6 00067 | 8 17-6 8.4 0.0072 9 17-7 8.3 0-0067 | Oel 1 8.3 0.0063 11 17-8 8.3 0.0069 12 Ne 8-1 00063 z | 18) 17-95 s-.1 0.0064 | 1120 .0,21850 8.0 0.0063 | 119 18-05 8.0 0.0067 | IMattels me. de ee a est OU Mittlerer Fehler . . . + 0:0004 | | Wahrscheinlicher Fehler der aan Beopachiuns + 0.0003 | Wahrscheinlicher Fehler des Mittels. . . . . 2. # 0.0001 | | ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. 149 | Versuch 4. 23. Januar 1884; Muskel angehängt 3" 50; Beginn des Versuches 4"15’; Ende 4"40; Länge des Muskels 32", Hö der | Nummer | Temperatur | nd | er | RER in Mm. Re: | | 15-3 9.9 | 0.0064 2 15-5 10.2 | 0.0063 5) 15-7 10222 2070:0063 4 layer 10-5 0-0065 De) 10-5 | 0-0059 6 16-0 10.0 | 0.0063 X 16-1 10.0 0.0066 ) 16:2 9.1 0.0074 ) 16-3 9.9 | 0.0063 10 16-55 10-3 | 0.0058 11 16-4 10.3 | 0.0063 12 16-5 10-57 212.020063 13 16-5 10-4 | 0.0061 14 16-6 10-7 | 0.0061 | | Be. ee... 060088 > energie er een er er 0.0004 Wahrscheinlicher Fehler der einzelnen Beobachtung + 0.0003 Wahrscheinlicher Fehler des Mittels. . . . 2.2.4 0:0001 Versuch 5. 24. Januar 1884; Muskel angehängt 4" 6’; Beginn des Versuches 4% 31’; Ende 4" 54°; Länge des Muskels 30 mm, Latenzdauer Nummer | Temperatur ne se 1 16-1 11-3 0.0056 2 16-9 11-4 0.0055 3 16-4 11-0 0.0059 4 16-5 11-2 0-0055 5 16-6 11.4 0.0055 6 16-7 11-6 0.0050 7 16-8 11-5 0.0055 6) 16-8 11-6 0-0055 8) 16-9 13836 0.0048 10 16-9 11-9 0-0051 11 17.0 19 0.0048 12 17.0 12.0 0.0047 13 17-1 12-3 0-0047 14 17.1 12-3 0.0053 15 17-15 12.1 0.0051 16 17-2 12.2 0.0048 ROBERT TIGERSTEDT: Mittel . Keil RAT et 0.0052 Mittlerer Fehler . . . -....# 0.0004 Wahrscheinlicher Fehler der einzelnen Becbachtne + 0.0003 Wahrscheinlicher Fehler des Mittels. . . . 2.2. # 0'0001 Versuch 6. 24. Januar 18384. Muskel angehängt 4" 59; Beginn des Versuches 531; Ende 5" 53; Länge des Muskels 28 wm, | Höhe der Latenzdauer | | Nummer Temperatur | une | As 1 16-3 12.9 0.0056 2 16.4 12-9 0-0055 3 16-4 Bol 0-0053 4 16-5 12-8 00051 5 16-5 12-9 0.0055 6 16-6 12.9 0.0050 7 16-6 110102 0.0051 8 16-65 13-2 0.0050 9 16-7 13-2 0.0047 10 16-7 13-3 0-0047 101 16-75 lc} 0.0050 12 16-8 13-4 00048 118 16-8 190% 0.0049 14 16:85 119308) 0.0048 No 1106) 13-2 0-0056 Mittels „ng u ee ee 0 Mittlerer Fehler. . . . + 0.0004 Wahrscheinlicher Fehler Ada TER Beachnme + 0.0003 Wahrscheinlicher Fehler des Mittels. . . . . 2. # 0.0001 Versuch 7. 24. Januar 1884. Muskel angehängt 5 59; Beginn des Versuches 6® 19’; Ende 6" 39°; Länge des Muskels 32 mm, Höhe der | Nummer | Temperatur Zuckung eo: in Mm. ge 1 16-3 16-2 0.0058 2 16-3 . 1623 0-0058 3 16.3 16.4 0-0066 4 16-4 16-5 0-0056 5 16-45 16-8 0-0056 6 16-5 16-7 0.0058 7 16-5 16-7 | unmessbar _ 5 16-55 16-9 0:0056 I 16-6 16-7 0-0055 ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. 151 (Versuch 7. Fortsetzung.) Höhe der i Nummer \' Temperatur | Zuekung | ran | Ä in Mm. | l au | 10 16-6 16.8 0-0055 11 16-6 16.7 0-0055 12 16-65 16-7 0.0053 13 16-7 16-8 | 0-0055 ass) 2.160 16-6 | 0-0059 15701 16.7 16-5 | 0-0051 | BE a a einer 00057 | Mittlerer Fehler. . . . a 040003 | Wahrscheinlicher Fehler den ren Bebachiune + 0-0002 | Wahrscheinlicher Fehler des Mittels . . . . 2. .2..# 60-0001 Versuch 8. 25. Januar 1884. Muskel angehängt 4" 23’; Beginn des Versuches 4" 52°; Ende 5 20’; Länge des Muskels 30 mm, Höhe der Nummer ' Temperatur Zuckung | un in Mm. 3 1 15-55 10-6 0.0055 2 15-65 10-5 0-0055 3 15-7 10-4 0-0059 4 15-8 10-7 0-0051 5 15-9 10-5 0.0067 6 16-0 10-6 0:0058 7 16-1 10-6 0.0053 6) 16-15 10-8 0-0051 9 16-25 10-7 0:0058 10 16-3 10-9 0.0053 11 16-3 11-0 0.0061 12 16-4 11-0 0-0064 13 16-5 10-9 0-0052 14 16-5 11-0 0.0053 | 15 16-5 11-0 0-0055 16 16-55 11-1 0-0052 17 16-55 11-2 0.0050 Mittel . + 0.0056, Mittlerer Fehler $ ; + 0.0005 Wahrscheinlicher Fehler der zelnen Becpachling + 0.0003 Wahrscheinlicher Fehler des Mittels. + 0.0001 152 ROBERT TIGERSTEDT: Versuch 9. 25. Januar 1884. Muskel angehänst 5" 23’; Beginn des Versuches 5% 48°; Ende 6% 14°; Länge des Muskels 28"m, Höhe der Nummer , Temperatur Zuckung | u | in Mm. | 5 1 15-9 12-5 0.0055 2 16-0 12-5 0.0061 3 16-05 12-7 0-0059 4 16-1 12-7 0.0066 5 16-2 1320222020055 6 16-25 13-0 ı 0-0051 “ 16-3 13-2 0.0055 6) 16-3 13-0 0.0058 9 16-35 13-2 0.0053 10 16-4 13-5 0.0051 1 16-45 13-4 0.0051 12 16-45 13-5 0.0055 1l8) 16-5 13-6 0.0050 14 unmessbar 15 16.55 13-5 | 0.0053 16 16-55 13-6 0.0051 Mittel... aa 2 AAN. Re er 05.0055 MittlerersMehler Sr En Bere 200005 Wahrscheinlicher Fehler der einzelnen Beobachtung + 0-0003 Wahrscheinlicher Fehler des Mittels. . . . . ....# 0.0001 Besser wie alles Andere zeigen die jetzt angeführten Versuche die . Vorzüglichkeit der Methode Wenn wir die Bedingungen, unter welchen diese Versuche ausgeführt sind, genau präcisiren, so können wir das Ergebniss der vorliegenden Beobachtungen folgendermaassen formuliren: Wenn man im Winter bei einer Zimmertemperatur von 14 —19° C. den mit 42 belasteten und vor dem Versuch mit 5.68 gedehnten Froschgastrocnemius mit maximalen Oeffnungs- inductionsströmen reizt, so vergeht zwischen der Reizung und dem Anfang der Muskelzuckung eine Zeit von ungefähr 0.005”, die Extremen sind 0.0043” und 0:0067”. Als Anfang der Zuck- ung wird dann diejenige Zusammenziehung des Muskels be- zeichnet, welche genüst, um eine wahrnehmbare Schwächung des zeitmessenden Stromes zu bewirken. Das Ergebniss, das ich gefunden habe, stimmt also vollständig mit denjenigen von Place, Klünder, Lautenbach, Gad und Mendels- ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUOCKUNG. 153 sohn überein. Die kurze. Latenzdauer, welche diese Forscher eefunden haben, wird um so mehr durch meine Versuche bewiesen, als meine Werthe nicht zuweilen auftretende sind, sondern die Mittel aus ausführlichen Ver- suchsreihen "darstellen. Es ist natürlicherweise hierdurch nicht bewiesen, dass die Latenzdauer der Muskelzuckung nicht einen noch niedereren Werth haben kann, denn ‚ bei deren Bestimmung hat sich die Energie des Muskels schon so weit entwickelt, dass der Hebel um eine minimale Höhe gehoben worden ist. Die kurz als Latenzdauer bezeichnete Zeit, die in solcher Art bestimmt worden ist, bezeichnet also nur die obere Grenze der wirklichen Latenz- dauer des Muskels. Es ist daher nothwendig zu untersuchen, in wie fern diese Zeit sich der wirklichen" Latenzdauer nähert. Bevor ich zu einer derartigen Untersuchung übergehe, ist es aber nothwendig näher zu studiren, wie die Latenzdauer von verschiedenen Variabeln abhängig ist. Ich werde also zunächst den Finfluss untersuchen, welcher auf der Latenzdauer aus- geübt wird: von der Stärke des Reizes; von der Art des Reizes; von der Blutdurchströmung; von Curare; von der zu bewegenden Masse; von der Spannung; von der Temperatur. Nachdem der Einfluss aller dieser Variabeln festgestellt ist, werde ich versuchen, eine Vorstellung von der Latenzdauer des Gesammtmuskels und des Muskelelementes zu entwickeln. Viertes Kapitel. Die Latenzdauer der Muskelzuckung in ihrer Abhängigkeit von der Stärke des Reizes; übermaximale Reizung durch Oeffnungs- induetionsströme. Schon Helmholtz bemerkt, dass man, wenn man mit Inductions- strömen arbeitet, welche hinreichend stark sind, um das Maximum der Reizung hervorzubringen, die Intensität der Ströme beliebig ändern kann, ohne dass dadurch die Ergebnisse der Zeitbestimmungen verändert werden.! " Helmholtz, Wissenschaftliche Abhandlungen. Bd. II. 8. 808—809. — Dies Archiv. 1850. 8. 325. 154 ROBERT TIGERSTEDT: Mendelssohn findet bei Anwendung „sehr starker Ströme“, dass die Latenzdauer von kleinen Unterschieden der Stromstärke nicht unabhängig ist, jedoch ohne dafür experimentelle Belege mitzutheilen.! Yeo und Cash theilen einen Versuch mit, wo mit 2 kleinen Grove’s in der primären Strombahn bei steigender Stärke des Inductionsstromes (Rollenabstand 0— 4") die Zuckungen zwischen 27 und 37 ==, die Latenz- dauer aber nur zwischen 0-0114” und 0-0125” schwankten. Die Zuck- ungen nehmen in diesem Versuche nicht nach einem bestimmten Gesetze zu oder ab, und es ist daher vielleicht nicht erlaubt, aus diesem einzigen Versuche irgend ein bestimmtes Resultat die uns hier beschäftisenden Frage betreffend zu ziehen.? Dieselben Autoren haben später einen andern Versuch veröffentlicht, wo die Latenzdauer bei 4, 2 und O°” Rollenabstand dieselbe ist (= 0009"); dabei ist jedoch zu bemerken, dass die Höhe der Zuckungen nicht in allen Beobachtungen gleich war, sie schwankte nämlich zwischen 19-2 und 22.5 =m (übermaximale Zuckungen).? Diese Angaben sind, so weit ich gefunden habe, die einzigen, die wir bis jetzt über die Frage besitzen, wie die Latenzdauer der Muskelzuckung bei übermaximalen Reizen sich verhält. Die Frage ist jedoch nicht ohne Interesse, denn ihre Lösung wird uns einen, nicht gering zu schätzenden Einblick geben in die Art und Weise, wie der Muskel gegen übermaximale Reize sich verhält. Wir wissen, dass die Zuckung, nachdem sie eine ge- wisse Höhe erreicht hat, auch wenn die Stärke des Reizes sehr beträchtlich gesteigert wird, nicht mehr in auffälligerem Grade steigt, sondern nur asymptotisch sich dem wirklichen Maximum nähert. Wenn es sich nicht um ganz feine Messungen handelt, können wir also von einem gewöhnlich sehr schnell erreichten Maximum der Hubhöhe sprechen. Es ist aber nicht ohne Werth zu untersuchen, wie sich die Latenzdauer dabei verhält. Die Versuche sind sämmtlich mit Oeffnungsinductionsströmen ausge- führt; die primäre Rolle war von 1 Grove gespeist, der Rollenabstand wurde Centimeterweise verändert. Vor dem Beginn der Reizung wurde der Muskel durch ein Extragewicht von 1:6=°”® gedehnt; bei dem Versuche war der Muskel nur durch den Hebel I belastet. ! Mendelssohn, Travaux du Laboratoire de M. Marey. 1880. Bd. IV. S. 120, * Yeo und Cash, Proceedings uf the Royal Society of London. 1881. Vol. 33. p- 473. ® Yeo und Cash, Journal of Physiology. 1883. Bd. IV-p. 211. * Vergl. Tigerstedt und Willhard, Mittheilungen vom physiologischen Labo- ratorium in Stockholm. 1884. Hft. 3. ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. 155 Versuch 10. 1. Februar 1884. Muskel angehängt 4" 10°; Beginn des Versuches 4" 37’; Ende 5" 10; Länge des Muskels 30 wm, | Rollen- Höheder | Tstanzanner- | Nummer | abstand | Temperatur Zuokung ı| „atenzdauer ) RE in Um. I De0. 1 0 13-3 1903 0.0059 | D 1 13-45 15:6 0.0059 3 2 13=6 16-1 ' 0.0063 | 4 b) Lasst | 16.0 | 0.0063 | 5 4 tsegeenı 162107 1350-0058 i 6 5 13-95 16-5 0.0058 | 7 6 14-0 16-5 0.0060 6) . 14-1 16-3 0-0066 ) 9 8 14-2 10232 71020063 | 10 ) 14-3 16-5 | 0.0066 11 10 14-5 i6eo# 7 77020063 12 6 14-5 16.6 | 0.0063 13 6) 14-5 | 16.4 | 0.0063 14 0 14=06540 | 10.9 0.0053 j | Versuch 15. 4. Februar 1884. Muskel angehängt 5% 25’; Beeinn / des Versuches 5# 50°; Ende 6" 21’; Länge des Muskels 28 "m, Rollen- | | ö der Nummer | abstand | Temperatur a en Aue in Cm. in Mm. DES 1 0 13-8 12.6 0.0053 2 2 13-8 12.9 0.0063 3 4 13-9 12297 2 72.030061 4 6 14-0 | 12.A | 0.0061 5 (6) 14-0 | 33, 7220007 6 9 ae, les 0.0087 7 | 7 14-2 | 12-1 0.0066 te) | 5 14-25 | 12-5 0-0055 1) B) 14-3 12-6 0.0051 10 1 14.35 \ 12-9 0.0055 1ake 0 14.4 12-9 0.0056 12 2 14-45 12-8 0.0053 ii® 3 14.5 1228, 270-0059 14 4 14-5 2282 22:0-0055 15 - 5 14-6 12-7 0.0055 16 6 14-6 12-6 0.0058 | ie7 7 14-6 12.2 0-0056 156 ROBERT TiGERSTEDT: Versuch 16. 4. Februar 1884. Muskel angehängt 6% 20°; Beginn des Versuches 6" 40; Ende 7" 9; Länge des Muskels 28 mm, Rollen- | Höhe der | Nummer , abstand | Temperatur Zuckung Lime in Cm. En N De 1 0 se 11-000 0.0058 2 2 14-85 | 10-1 0.0059 B) 4 14-9 10-3 0-0055 4 6 14-9 10-3 0.0051 9) fo) 14-95 10.4 0.0055 6 10 15-0 10.4 0.0079 Ü % 15-0 10.4 0.0061 6) 7 15-0 10-4 0.0055 9) 5) 15-0 10-5 0.0053 10 B) 15:0 KOT 0-0051 tl 1 15:05 10-7 0.0047 12 0 15-05 10.7 | 0.0055 13 2 15-05 10-38 0.0053 14 > 15-05 10-7 0.0053 15 4 15-1 10-8 0.0059 16 5 15-1 10-8 00051 I. 6 15-1 10-9 0.0061 18 7 korale alnlei0) 0.0059 Versuch 17. 5. Februar 18584. Muskel angehängt 10% 48; Beeinn des Versuches 11% 14°; Ende 11" 42’; Länge des Muskels 26m. \ Rollen- | Höhe der Nummer , abstand | Temperatur | Zuckung | Leisten | in Cm. ee Do, ee 9.1. | 0-0075 2 6) 18-0 geal 0.0061 3 6 18-0 9.3 00056 4 4 18-0 9-4 00058 5 2 18-05 92577 72020054 6 ) 18-1 9.5 unmessbar 7 1 Se ıl 9.4 | 0.0050 8 B) 18-1 9-5 unmessbar 9 5 18-2 9.5.1 0.0050 10 7 18-2 9.5 | 0.0051 11 9 18-2 9.3 | unmessbar ID 6) 18-2 9.5 0.0055 las, 7 18.2 936 0.0058 14 6 18-2 9.6 | 0.0053 lan! 5 18-2 9.6. 120-0050 16 4 : 18-2 9.6 0.0051 Ir 3 18-2 9.7 0.0050 18 | 2 18-1 9.7 0.0059 ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. 157 Versuch 18. 5. Februar 1884. Muskel angehängt 11" 46’; Beginn | des Versuches 12" 8°; Ende 12431’; Länge des Muskels 26 "m, Rollen- Höhe der anen | Nummer | abstand | Temperatur Zuckung Bee Anl F in Mm. Re 1 10 17.2 12.4 0.0053 2 6) 2 13-3 0-0051 | 3 6 17.2 13-9 0.0048 4 4 17.2 14.0 0.0047 B) 2 1) 14-1 0.0047 6 0 17.3 14 1 0-0045 fl 1 SS) 14.0 0.0045 ) 3 17-3 140 0.0043 9 5) 110.5 14-1 0.0051 10 “ 17-3 14-1 0.0048 hi ) 17.3 12.0 0.0061 12 6) 17.3 134 0.0055 13 7 17-8 13-9 0-0051 14 6 17.85 13.8 0.0047 15 6) 17-55 LS 0.0048 Versuch 20. 5. Februar 1384. Muskel angehängt 4" 28’; Beginn des Versuches 4" 50°; Ende 5%12’; Länge des Muskels 30 m, a Rollen- Höhe der Nummer | abstand | Temperatur Zuckung nr in Cm. in Mm. 5 1 0 14-75 13-8 0.0055 DR ER) 14.9 13-8 | 0.0059 3 4 15-0 14-0 | 0.0055 4 6 1-1 14:0 | 0.0059 5) 6) 15-3 14-1 0.0061 6 10 15.4 14-1 0.0080 7 I 15°5 14-1. 0.0080 6) 7 15-6 14.1 0.0058 ) ) 15:65 14.2 0.0055 10 3 15-7 14.2 000583 11 1 13280 00 112 0.0050 12 0 15.9 143 00059 13 2 15-9 14.3 0.0053 14 4 16.0 14-1 0-0048 15 6 16-0 14.3 0.0051 16 7 16-1 14-1 00050 158 ROBERT TIGERSTEDT: Versuch 21. 5. Februar 1884. Muskel angehängt 5" 18’; Beginn des Versuches 5" 44°; Ende 6% 19; Länge des Muskels 26 =, Rollen- | Höhe der Latenzdauer Nummer | abstand Temperatur | Zucekun FREE einem h 1 San Min. Du 000 15-75 12:0 | 0.0055 2 2 | 190% no 0.0056 3 4 | 15-9 Se 0.0051 4 6 15:9 1128 0.0053 5 6) 16-0 Bl ' 0-0079 6 Ü | 16-0 ol 0.0061 7 5 | 16-05 12-1 0.0056 (6) d 16-1 | 12.2 00055 9 1 os 10 0.0050 10 0 16.22 | 12-4 0.0055 1ul 2 1622 | 12.4 0-0059 12 B 0623 | 12-4 0.0050 13 4 16-3 12.4- | 0.0058 14 5 16-3 | 12.5 0.0055 15 6 16-3 | 12.6 0-0053 16 U | NORDSEE 12-5 0.0058 a7 8 1639 1205 0.0063 18 0) 16-4 12-5 | 0.0047 Um diese Versuche berechnen zu können, müssen wir die im Kapitel IT! verzeichneten Frfahrungen benutzen. Aus denselben sehen wir, dass bei | meiner Versuchsanordnung bei gleich starken übermaximalen Reizen (1 Grove, , ‚RA=0) die Höhe der Muskelzuckungen um 1” schwanken kann, und dabei jedoch der wahrscheinliche Fehler einer einzelnen Beobachtung nicht mehr wie + 0:0003” beträgt. Ich werde die in diesem Kapitel mitge- theilten Versuche aus demselben Gesichtspunkte zusammenstellen, und also aus denjenigen Zuckungen, deren Höhe nicht um mehr als 1”® schwankt, , das Mittel und den wahrscheinlichen Fehler berechnen. Wenn es sich dabei herausstellt, dass der wahrscheinliche Fehler einer einzelnen Beob- achtung nicht mehr als + 0-0003” beträgt, so ist erlaubt daraus zu schliessen, dass bei maximalen, durch Oeffnungsinductionsströme hervor gerufenen Zuckungen die Latenzdauer von der Stärke des Reizes im grossen Ganzen unabhängig ist. Wir finden in dieser Weise folgende Resultate, Versuch 10. Höhe der Muskelzuckung . . . el Latenzdauer, Mittel aus 14 Bepacnafgen AN ie ©; 0.0061” Mittlerer Fehler. . . . . ....#+0-0004° Wahrscheinlicher Fehler der einen Beopachiäns .. + 0.0003” Wahrscheinlicher Fehler des Mittels . -. - © 2 2... # 0.0001” he R ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUOKUNG. 159 Versuch 15. Höhe der Muskelzuckung . . 12.1 12.9 mm Beobachtungen I—4, T—17; Reilenktktand 07 gm Latenzdauer, Mittel aus 15 Basdken ungen a 00057” Mittlerer Fehler . . . . 2... #+0:.0004” Wahrscheinl. Fehler der Belen Beachtung Dee 0000 Bahrschein!. Fehler des Mittels . . . . 2 = 22... # 0:0001” Versuch 18. Höhe der Muskelzuckung h 13.3—14. | mm Beoachtungen 2— 10, 12—15; Blend DM _gem Latenzdauer, Mittel aus 13 euren Dre“ 0.0048” Mittlerer Fehler . . . . Ser 00003 | Wahrscheinl. Fehler der Erihen Bone 2 7-2.0200024 = Wahrscheinl. Fehler des Mittels . - » > 2 2.2.2.#0:0001” Die übrigen hier mitgetheilten Versuche zeigen nicht dieselbe Ueber- ‚ einstimmung wie die Versuche 10, 15 und 18. Betrachten wir aber jene ' etwas näher, so werden wir finden, dass auch hier dasselbe Gesetz hervor- tritt, obgleich es durch einen noch nicht berücksichtisten Umstand ein wenig verdeckt ist. | Im Versuch 16 zeigt nur die Beobachtung 6 bei 10°" Rollenabstand ‚ eine erheblich längere Latenzdauer als die übrigen; die Höhe der Zuckung ist dabei nicht kleiner als diejenige der anderen Zuckungen; sehen wir von ‚ dieser Beobachtung ab, so finden wir: Höhe der Muskelzuckung . . re I nee Beobachtungen 1—5, 7—18S; Elenahstar 0—9 m Latenzdauer, Mittel aus 17 eodnan NN, 00055” Miilerer Fehler . . 7 . 2.2. # 0.0004” Wahrscheinl. Fehler der Enreinen Denen Er 0003% Burschen! Hehler des:Mittels . ._ .. ..... 2222... 50-0001” Im Versuch 17 finden wir ebenso bei 10m Rollenabstand eine ‚ aussergewöhnlich lange Latenzdauer bei ungefähr maximaler Hubhöhe (Beob- | achtung 1); wenn wir diese Beobachtung weglassen, so erhalten wir: Höhe der Muskelzuckung So a a eo Beobachtungen 2—18; aller = gem Latenzdauer, Mittel aus 14 Beobachtungen . . ... 0.0054” Mittlerer Fehier . . . net 0:0004 Wahrscheinl. Fehler der reinen Beobachtung . . . + 0.0003” Wahrscheinl. Fehler des Mittels . .. ..2..2.22..2.22:.#0-0001” 160 ROBERT TIGERSTEDT: Im Versuch 20 sind die bei Rollenabstand 9 und 10 (Beobachtung 6 und 7) erhaltenen Zuckungen maximal; deren Latenzdauer ist aber be- trächtlich länger als diejenige der übrigen Zuckungen; wenn wir diese Beobachtungen nicht in unseren Berechnungen mitnehmen, so finden wir: Höhe der Muskelzuckung . . . . ..13.8—14. 35mm Beobachtungen 1—5, 8—14; Bolleraketend a Ya Latenzdauer, Mittel aus 14 Benehhngeem ea 00055” Mittlerer Fehler . . . . 00 .35.0-00045 Wahrscheinl. Fehler der ninen Beobaeae see 000035 Wahrscheinl. Kehlerdes Mittels 7. . . 7777772202000 Im Versuch 21 sind die bei Rollenabstand 8 (Beobachtung 5, 17) erhaltenen Zuckungen maximal; deren Latenzdauer aber länger als die- - jenige der übrigen Zuckungen; mit Weglassen dieser Bestimmungen \ finden wir: Höhe der Muskelzuckung . . en LT 12 De Beobachtungen I—4, 6—16, 18; ap 0—7 m Latenzdauer, Mittel aus 16 een RE 0.0055” Mittleren Kehler ee cr. 2 0-00045 Wahrscheinl. Fehler der inellren Berpachlune ..2 25 #.0:00035 'Wahrscheinl. Fehler des Mittels . - . . . „2... —=0-.0001% Aus diesen sämmtlichen Versuchen geht also hervor, dass die Stärke der Reizung innerhalb sehr weiter Grenzen schwanken kann, ohne dass die Latenzdauer davon abhängig ist, denn wir haben hier für den wahrschein- lichen Fehler der einzelnen Beobachtung nicht grössere Werthe gefunden, als bei denjenigen Versuchen, welche bei unveränderter Reizstärke gemacht | wurden. | Was bedeuten aber die maximalen, oder wenigstens fast maximalen ı Zuckungen mit langer Latenzdauer, welche bei grösserem Rollenabstand in einigen Versuchen zu finden sind? Ich glaube, dass sie ganz einfach | erklärt werden können. Wie schon bemerkt, waren die bei diesen Ver- suchen benutzten Muskeln nicht curarisirt. Die specifische Erregbarkeit der Nerven ist, wie man seit Rosenthal weiss, grösser als diejenige der | Muskeln, d. h. wenn man mit gleicher Stromdichte einen Muskel direct oder vom Nerven aus reizt, so erhält man vom Nerven aus eine Zuckung bei einer Stromdichte, durch welche kein Effect auf den direct gereizten | Muskel ausgeübt wird. Wenn man aber einen nicht eurarisirten Muskel mit übermaximalen Inductionsströmen reizt und die secundäre Rolle von der‘ UBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. 161 primären stetig entfernt, so muss man einmal zu einer Stromstärke kommen, welche nur durch Vermittelung der im Muskel enthaltenen Nervenzweige es vermag, eine maximale Zuckung hervorzubringen. Die bei maximalen Reizen erhaltenen Zuckungen können also zweierlei Art sein: 1) solche, welche durch die directe Erregung des Muskels durch den Induetionsstrom und 2) solche, welche unter Vermittelung der intramusculären Nerven ‚ausgelöst werden. Nun wissen wir aber durch die Untersuchungen von Bernstein, dass der Endapparat der Nerven im Muskel eine nicht unbedeutende Latenz- dauer hat. In zwei Versuchsreihen, die eine mittels der graphischen Methode, die andere mittels des Rheotomes, hat Bernstein gefunden, dass die Erregungszeit der Nervenenden im Muskel ungefähr 0-00327 beträgt. Die Extreme sind bei den myographischen Versuchen 0.0023” bez. 0-00417; bei den Rheotomversuchen 0-0021” bez. 0-0035”." Die eben näher be- trachteten Versuche von mir zeigen eine auffallende Uebereinstimmung mit diesen Werthen von Bernstein. Nehmen wir nämlich an, dass bei den kürzeren von mir gefundenen Latenzzeiten der Muskel direct gereizt worden ist und dass die längeren Latenzzeiten bei maximalen Zuckungen dadurch entstanden sind, dass die betreffenden Zuckungen nur durch Vermittelung der Nerven ausgelöst sind, so finden wir: Latenzdauer directe Reizung Reizung vom Nerven aus Differenz Versuch 16 0.0055” 0.0079" 0-0024” Versuch 17 0.0054” 0.007572 0.0021” Versuch 20 00055” 0.0080” 0.0025” (Mittel aus 2 Beobachtungen) Versuch 21 00055” 0.0071” 0.0016” (Mittel aus 2 Beobachtungen) Es ist freilich hier zu bemerken, dass die Latenzzeiten der Zuckungen, welche ich als durch Reizung vom Nerven aus hervorgebrachte bezeichnet habe, nicht die Mittel aus einer grösseren Reihe von Beobachtungen sind, sondern, mit Ausnahme von Versuch 20 und 21, einzeln dastehen und also nicht dieselbe Genauigkeit wie die Latenzdauer „bei directer Reizung“ bean- spruchen können. Die verschiedenen Versuche zeigen aber untereinander, sowie verglichen mit den Versuchen Bernstein’s, eine vollständige Ueberein- stimmung, wodurch natürlich ihre beweisende Kraft nicht unwesentlich 1 Dies Archiv. 1882. S. 329—346. Archivf. A,u.Ph. 1885. Physiol. Abthlg. Suppl.-Bd. 11 162 ROBERT TIGERSTEDT: gesteigert wird. Uebrigens habe ich beim Vergleich der Latenzdauer eines curarisirten und eines nicht eurarisirten Muskels, dieselbe Erscheinung ganz unzweideutig beobachtet, wie ich im Kapitel VIII näher zeigen werde. Ange- sichts aller dieser Thatsachen kann ich nichts anderes finden, als dass die vorliegende Erklärung der längeren Latenzdauer, welche bei grossem Rollen- abstand trotz einer maximalen Zuckungshöhe eintritt, vollständig genügt, und ich kann also die Ergebnisse, welche hier beobachtet sind, folgender- maassen zusammenfassen: Wenn der Muskel ohne Vermittelung der intramusculären Nervenenden durch Oeffnungsinductionsströme erregt wird, so ist die Latenzdauer der Zuckung unabhängig von der Stärke des Reizes; bei grösserem Rollenabstand zeigen sich zuweilen maximale Zuckungen mit längerer Latenzdauer: deren Ursache liegt darin, dass die maximale Zuckung nur unter Vermittelung der intramusculären Nervenenden ausgelöst ist; in diesem Falle wird die Latenzdauer durch die Erregungszeit der Nervenenden vermehrt. Diese Zeit beträgt nach Bernstein’s Versuchen 0.0032”, nach den meinigen ungefähr 0.0020” oder noch weniger. Wie die specifische Erregungszeit der Nervenenden eigentlich aufzu- fassen ist, werde ich im Kapitel VIII näher untersuchen. Fünftes Kapitel. Die Latenzdauer der Muskelzuckung in ihrer Abhängigkeit von der Stärke des Reizes; untermaximale Reizung durch Oeffnungs- inductionsströme. Helmholtz sagt in seiner ersten Abhandlung über die Fortpflanzungs- geschwindigkeit der Erregung: „Wenn wir Schläge anwenden, welche das Maximum der Wirkung nicht erreichen lassen, so sinken die Ordinaten unserer Kräftecurven ganz in derselben Weise, als wenn sie durch grössere Belastung oder durch Ermüdung des Muskels vermindert worden wären. Es sind demgemäss die Ausschläge des Magneten für gleiche Ueberlastungen desto grösser, je geringer die Intensität dieser Schläge ist.“! Lautenbach fasst seine Resultate bezüglich der Abhängigkeit der Latenz- dauer von der Stärke der Reizung bei untermaximalen Reizen folgender- ! Helmholtz, Dies Archiv. 1850. 8. 325327; — Wissenschaftliche Abhand- lungen. Bd. 11. S. 808—810. | P. 473. ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG, 163 maassen zusammen: „Bei Reizung des Muskels vom Nerven aus findet sich keine Regelmässiekeit zwischen Hubhöhe und Latenzdauer; bei directer Reizung des curarisirten Muskels findet man zwar, dass bei höheren Zuckungen die Latenzdauer in der Regel kürzer ist, jedoch ist an mehreren nacheinanderfolgenden Zuckungen die Hubhöhe nie umgekehrt proportional der Latenzdauer.“! Mendelssohn giebt an, dass er in einer Reihe von 30 Versuchen stets eine umgekehrte Proportionalität zwischen Reizgrösse und Latenzdauer gefunden hat; dabei steigt die Latenzdauer von 0.008” bis zu 0.032”. Als er sehr oft die Reizstärke varlirte, fand er, dass die Schwankungen der Latenzdauer nur dann sich darstellten, wenn der Unterschied zwischen den Reizstärken mehr oder weniger bedeutend war, d. h. wenn man von sehr schwachen zu mittelstarken und von diesen zu sehr starken Strömen überging.? Wenn ich die Darstellung von Mendelssohn richtig verstanden habe, so gäbe es also für jeden Muskel drei Latenzzeiten, die grösste bei schwachen Strömen, die mittlere bei mittleren und die kürzeste bei starken Strömen. Uebrigens theilt er nur aus einem einzigen Versuche drei einzelne Beobach- tungen mit. Die Muskeln waren nicht curanisirt. Yeo und Cash fanden, dass, wenn bei Veränderung der Reizstärke (Oeffnungsinductionsströme) die Zuckungshöhen zu- oder abnahmen, die Latenzdauer dabei kürzer oder länger wurde. Wenn die Zuckungen von 7:0 bis 26.5mm zunahmen, schwankte die Latenzdauer zwischen 0.0203” bis 0-0114.3 Die genannten Forscher kamen in ihrer späteren Arbeit auf dieselbe ' Frage zurück und formulirten nach neuen Versuchen das Gesetz, nach ' welchem die Latenzdauer mit der Reizstärke schwankt, dahin, dass bei ge- steigerter Reizstärke die Latenzdauer stetig und gradweise abnimmt.* Wenn ‚ die Höhe der Zuckung zwischen 19.2 und 22.8" schwankte, varlirte die Latenzdauer zwischen 0-0125’7 und 0.009”; hei einem anderen Versuch: Zuckungshöhe 13.8—32.0 m, Latenzdauer 0-01317—0.0083”. Rosenthal fand, dass bei verschieden starken Reizungen grosse Diffe- ‚ renzen der Latenzdauer nicht vorkommen; beim Vergleich zwischen starken und schwachen Reizungen fand er z. B. folgende Latenzzeiten: 1) Schwache Reizung 0.0125”, 0-.01125”, 0.012”; Starke Reizung 0-009”, 0.010”, 0-009”; ! Lautenbach, Archives des Sciences physiques et naturelles. Nouv. per. 1877. t. LIX. p. 272—287. ® Mendelssohn, Travaux du Laboratoire de M. Marey. 1880. t.IV. p. 119—120. ® Yeo and Cash, Proceedings of the Royal Society of London. 1881. Vol. 33. * Yeo and Cash, Journal of physiology. 1883. t. IV. p. 201, 211, 217. = 164 ROBERT TIGERSTEDT: 3) Schwache Reizung 0-0166”, 0.012”, 0.012”; Mittelstarke Reizung 0-012”,0-0115”,0-01125”, 0-0125”,0-01125”, Starke Reizung 0-01”, 0-01”, 0-01. Die Muskeln scheinen nicht curarisirt gewesen zu sein.! Bei meinen Versuchen habe ich dahin gestrebt, eine grosse Anzahl Zuckungen von verschiedener Höhe zu erhalten, um das Gesetz, wie die Latenzdauer sich dabei verändert, zu finden. Wenn man die Reizstärke durch Veränderung des Rollenabstandes verändert, so hat man bei uncura- risirtem Muskel sehr grosse Schwierigkeit die für die Auslösung minimaler Zuckungen eben ausreichende Stromstärke zu finden, weil bei schwachen Reizen die Nervenenden ausserordentlich empfindlich für die kleinsten Schwankungen der Reizstärke sind. Ich wollte jedoch nicht darauf ver- zichten, die betreffenden Versuche am uncurarisirten Muskel auszuführen, weil es für das Studium der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Nerven- erregung von grossem Nutzen ist, die Factoren zu kennen, welche beim uncurarisirten Muskel die Latenzdauer verändern. Ich habe also die Stärke der Inductionsströme dadurch varlirt, dass ich bei übereinander ge- schobenen Inductionsrollen die Stärke des primären Stromes veränderte, Dies geschah mittels eines einsaitigen Rheochordes. Die Reize wurden durch diese Versuchsanordnung ziemlich schwach. Für meinen Zweck war es hauptsächlich nothwendig, verschieden grosse Muskelzuckungen zu erhalten; die absolute Stärke des Reizes, ebenso wie die relative Stärke der einzelnen Reizungen waren dagegen von keinem Interesse. Daher habe ich auch die Stärke des Reizes nur durch die Lage des Rheochordschiebers bestimmt, . ohne näher zu prüfen, wie die einzelnen Reize sich zu einander verhielten. Unter diesen Umständen ist es von keinerlei Nutzen diese Zahlen hier anzu- führen; in den folgenden Tabellen theile ich also nur die Höhe der Zuckung | und die entsprechende Latenzdauer mit. Um andererseits die Nerveneinwirkung möglichst vollständig auszu- - schliessen, habe ich mit curarisirten und blutdurchströmten Muskeln eine Reihe Versuche über die Abhängigkeit der Latenzdauer von der Stärke des‘ Reizes ausgeführt. Bei diesen Versuchen ist die Reizstärke in gewöhnlicher ı Weise durch Verschiebung der Rollen verändert worden, Besonders bei den minimalen Zuckungen hat sich meine Methode, . die Latenzdauer zu bestimmen, sehr gut bewährt. Wenn man bei sehr‘ langsam aufsteigenden Zuckungen, wie den submaximalen und besonders den | minimalen, die Latenzdauer zu bestimmen hat, so ist es aus der Muskelcurve ! Rosenthal, Dies Archiv. 1883. Suppl-Bd. S. 267—268. ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG, 165 fast ganz unmöglich zu entscheiden, wo die Curve sich von der Abseisse abhebt. Mit meiner Methode gelingt dies ebenso leicht bei minimalen wie bei maximalen Zuckungen, ja das Signal schreibt die Latenzdauer auch in dem Falle, dass die Zuckung sich kaum über die Abscisse ‘erhebt und also eine Höhe von nur 0-1" oder weniger erreicht. Um die Einwirkung der allmählich eintretenden Ermüdung zu ver- meiden, habe ich nur eine beschränkte Anzahl (15—20) Reizungen an dem- selben Muskel ausgeführt. Die jeder submaximalen Zuckung entsprechende Latenzdauer hat also nicht in derselben exaeten Weise, als Mittel einer sehr grossen Anzahl Beobachtungen, wie die Latenzdauer der maximalen Zuckungen bestimmt werden können. Die einzelnen Versuche zeigen jedoch unter- einander eine so grosse Uebereinstimmung, dass ihre beweisende Kraft durch den genannten Uebelstand nicht sehr viel herabgesetzt werden kann. Ich lasse hier zuerst die an nicht curarisirten Muskeln ausgeführten Versuche folgen; in jedem Versuch habe ich die einzelnen Beobachtungen nicht in Nummerfolge, sondern nach den Zuckungshöhen geordnet, damit die Abhängigkeit der Latenzdauer von der Höhe der Zuckung deutlicher hervorgehen möchte. Uebrigens ist noch zu bemerken, dass der Inductions- apparat von 1 Grove gespeist war, dass der Muskel vor dem Beginn der Reizung 10—15 Minuten durch 5.6®% gedehnt war, dass der Muskel während der Reizungen durch den Hebel I allein belastet war. Versuch 24. 9. Februar 1884. Muskel angehängt 10" 50; Beginn des Versuches 11" 15’; Ende 1145’; Länge des Muskels 29". Höhe der Nummer Temperatur Aue nalen 2 12-5 | 0.0075 ; { 3 15-15 12-1 0-0072 4 15-2 11-9 0:0072 |. ee - Diese Zuckung ist b 9 15.3 11-1 00083 jaer grössten Stärke 1 14-9 1150 0-0061 !des Reizes erhalten; 6 15-5 10-5 0-0087 ||daher die kurze La- 7 3 10-0 0:0082 | tenzdauer. 8 15-4 8-4 0-0099 9 15-6 6.4 0.0107 11 15-7 6 ee, 12 15-8 6-1 DD. NE 13 15-9 0-4 VE 14 16-05 0-3 00205 12020209 10 15-6 0-2 BO 15 16-15 0-2 Va e ? 166 ROBERT TIGERSTEDT: Versuch 26. 9. Februar 1854. Muskel angehängt 12" 34°; Besinn des Versuches 12" 50’; Ende 1" 17’; Länge des Muskels 23 "®, | Höhe der | Nummer | Temperatur Zuckung TIL DIE | | in Mm. AN DER 1° 1 18.2. | 13.47, 10-0089 | Se ht) 12-9 | 0-0083 3 17-19 12-5 0-0082 | 4 | I 28 9-3 0-0098 Be e36n S.8 unmessbar | 6 1.565 m 6-1 0:0098 | \y Pe 6-1 0-0109 | a , 6) KItc 32 0-0117 9 RS 2.9 0:0127 18% 4 f 1080 az:sık 1002-80, Ia-olee E | IN:85 4] 1-3 0.0159 ; 12 17-9 | 12 00159 Mittel 0-0155” Pe. 13 18-084 v3 0-0168 Ale a oz 14 ik | el 0:0143 abrscheinl. Fehler der ein 2 au = Inen Beobacht. + 0-0008” E | 1 ; = : z ı B: Kr | Wahrschemal Fehler des Mit, | -35 . tels + 0-0003” Ken 18-4: | 1152 - 00167 Versuch 27. 10. Februar 1854. Muskel angehänst 11" 30; Beginn des Versuches 11® 45’; Ende 12% 16’; Länge 2s"m, = \ Latenzdauer Nummer Temperatur Zu g Inaseei 1 14-3 12-8: 180-0079 2 143 13-2 0-0083 3. 2 Ass 12.0 0.0087 u ee: 10-5 0-0088 5 14-5 9.9 0.0088 6 14-5 71-9 0.0093 7 14-5 12 0-0101 S2 14-55 70 0-0117 aan MIST 6-1 0-0111 I 50 0-0125 Be 1A 4-() 0-0122 da. \ unmessbar 13 1A 1-82 5829-0154 42 |5,,714-9 1-6 00159 a 613-0 19 0-0173 16 | En 5 a | Mittel 0-0247” ae 132 ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. 167 Versuch 28. 11. Februar 1884. Muskel angehängt 12" 20’; Beginn des Versuches 12" 35; Ende 1" 2’; Länge des Muskels 33 mr, | Höhe der | Nummer | Temperatur | zuckure ins 1 15-35 14-8 0-0072 |ı... Kae 2 15-3 14-7 00080 ı Atittel 0-0070 3 15-3 14-1 0.0087 | 4 15-3 12-9 0-0088 5 15-3 11-7 0.0095 | 6 15-3 10-5 0.0099 | T 15-3 8-8 0-0103 | bo) 15-25 4.9 0-0114 21 | Er u Er 0-0119 15 19313, | 3-0 0-0138 a 15:2....0,..257 0.0146 1 2-5 0.0144 16 | 1a-19, | 2.0 00149 17 ze 1-5 0-0157 12 15-2 0-1 0.0258 |} 13 | unmessbar ke: Ba 2,1515], 0=1..\|. 0.0277 mer a 715.92 21° .0-1 0-0253 | | Versuch 29. 11. Februar 18S4; Muskel angehänst 4" 0’; Beginn ‚des Versuches 4" 22’; Ende 4" 55’; Länge des Muskels 27 m, Höhe der Nummer | Temperatur | Aus az ue 1 13-3 | 14-6 | 0.0089 | 2 13-5 13-9 VO, 300136 Es 0.0082 | 5 Mittel 0-0081 Baer 136 12-4 0-0090 Ber 13:6 ET 0-0096 I Bi 10-0 0-0096 Il 12-65 71-3 0-0096 SE. 13-65 5-8 0-0111 9 13-7 4.9 OS 16. 1..913.7 4.8 1, Mittel 0-0118 11 | 13-7 1-9 0-0135 a 0-4 0.0240 13 3. 0-3 0-0207 Mittel 0-0214” Der "13.7 0-3 0-0194 } EN, <0-1 Teuıeı. OS I 13.52 ..<0.1 2.080 Te 168 | ROBERT TIGERSTEDT: Versuch 30. 11. Februar 1884. Muskel angehängt 5" 0°; Beginn des Versuches 5" 22°; Ende 5" 44°; Länge des Muskels 26 wm, 5 N T Eur nn der Latenzdauer ummer empera ur Me in See. en a on | ne Er 2 13-8 1253 0.0087 3 e 3 13-8 12.2 0-0095 Mittel 0-0091 4 13.9 12-0 00106 5 14-0 11-2 0-0111 6 14-0 9.6 0.0114 7 ol 9.5 0-0115 8 14-2 7-6 0.0119 er ! % 9 14.9 16 0-0125 us 0122 10 14-3 108 0.0119 11 14-3 4.3 0-0141 12 14-4 2.7 0-0175 13 14-4 2-0 0-0178 14 14-5 unmessbar 15 14-5 unmessbar 16 14°6 0-5 0.0210 le r 7 17 14-6 055 | 00-0924 al Garn 18 14-6 0-2 0-0231 Versuch 34 12. Februar 1884. Muskel angehängt 3" 48°; Be- ginn des Versuches 4" 5°; Ende 4 32°; Länge des Muskels 28", | Höhe der Latenzdauer Nummer | ‚Temperatur Aa ug inisac 17 13:0 11-5 00061 16 12-9 10.7 0.0072 14 12:9 NOT 0.0090 ' Mittel 0-0083” 15 12-9 10-6 0-0087 |] 15 12-9 10.4 0:0101 12 12-9 9.6 00109 il 12.9 8:9 00103 N Br; es oe ss on | Mittel 0-0107 9 12-8 1-9 0.0120 8 1258 6-3 0-0157 7 12.8 5.2 0.0159 6 AUS 0-8 0: 0224 2 12.6 0-3 0-0211 3 or 0-1 0:.0322 ! \ si 4 er | Mittel 0-0325 5 12-7 0-1 0.0474 1 unmessbar ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. 169 Aus diesen Versuchen geht unzweideutig hervor, dass die Latenzdauer der Muskelzuckung um so grösser ist, je kleiner ihre Höhe. Die Ab- weichungen, welche in den Tabellen vorkommen, fallen grösstentheils inner- halb der Grenzen des wahrscheinlichen Fehlers einer einzelnen Beobachtung, Bei den früheren Versuchen ist dieser Fehler bei maximaler Zuckungshöhe 00003” gewesen. Es liegt in der Natur der Sache, dass bei Zuckungen, welche verhältnissmässig schnell von der Abseisse sich erheben, die Fehler kleiner sein müssen, als bei Zuckungen, welche nur langsam aufsteigen. In Versuch 26 haben wir dafür einen Beweis; die Zuckungen 11—17 erreichen eine Höhe von 1-1 bis 1-3”"®; deren Latenzdauer ist im Mittel 0-0155” und der wahrscheinliche Fehler einer einzelnen Beobachtung 0.0008”. Wenn wir diesen Umstand bedenken, so finden wir aus meinen Versuchen das Gesetz von der längeren Latenzdauer der kleineren Zuckungen in voll- ständigster Weise bewiesen. Um eine nähere Vorstellung zu entwickeln, nach welchem Gesetz die Latenzdauer bei abnehmender Zuckungsgrösse zunimmt, habe ich von den hier mitgetheilten Beispielen die Versuche 27, 28, 29 und 34 graphisch dargestellt (Taf. VII); in der Abseisse entspricht jeder Millimeter der Zuckungs- höhe 1%; in den Ordinaten bezeichnet jedem Millimeter eine Zeit von 0.0002”. Wenn zwei Zuckungen um nur 0.1" von einander abweichen, habe ich dieselben zusammengeschlagen und aus den zugehörigen Latenzzeiten das Mittel genommen; als Abscisse für die betreffenden Ordinate habe ich die grössere von den beiden Zuckungen benutzt. Wenn wir diese Öurven näher betrachten, so finden wir, dass bei ab- nehmender Zuckungshöhe die Latenzdauer zuerst langsam, später aber immer schneller zunimmt; das Ganze bietet also das Aussehen einer hyperbolischen Curve dar. Auch aus den Tabellen sehen wir, wie bei den kleinsten Zuckungen besonders bei denen, deren Höhe kleiner als 0-5 "m ist, die Latenz- dauer für jede kleine Verminderung der Zuckungshöhe ausserordentlich schnell zunimmt. Ich muss mich also bestimmt gegen die Ansicht Mendelssohn’s aus- sprechen, nach welcher die Latenzdauer sich nur sprungweise ändern sollte; wenn man sich vergegenwärtigt, wie mancherlei Schwierigkeiten das Ergebniss solcher Versuche, wie die vorliegenden, trüben können, so wird man aus diesen Beobachtungen kein anderes Resultat ziehen können als dasjenige, dass die Latenzdauer bei abnehmender Zuckungshöhe allmählich und zwar zuerst langsam dann aber immer schneller zunimmt. Bei den grössten Zuckungen zeigt sich bei einigen Versuchen (unter den graphisch abgebildeten besonders Versuch 28, 29 und 34) eine schein- bare Abweichung von unserem Gesetz. Wenn wir die grössten Zuckungen nebst der ihnen zugehörigen Latenzdauer näher betrachten, so sehen wir, 170 ROBERT TiIGERSTEDT: dass die Latenzdauer der grössten Zuckung erheblich kleiner als diejenige der nächstfolgenden ist, und dass also, streng genommen, das Gesetz über die Abhängigkeit der Latenzdauer von der Stärke der Muskelzuckung in der Weise ausgedrückt werden müsste, dass bei abnehmender Zuckungshöhe die Latenzdauer zuerst schnell zunimmt, dann sich nur langsam verändert, um bei fernerer Abbnahme der Zuckungshöhe wieder schnell zu wachsen. Statt einer ihre Convexität der Abscissenaxe stetig wendenden Curve, sollte unsere Curve also eine doppelte Krümmung haben und zwar zuerst ihre Concavität und später ihre Convexität der Abseissenaxe zukehren. Ich glaube jedoch, dass diese Auffassung keine richtige ist; denn wie schon oben bei den maximalen Zuckungen bemerkt worden ist, ist es ausser- ordentlich wahrscheinlich, dass die bei directer Reizung des uncurarisirten Muskels ausgelösten maximalen Zuckungen zweierlei Ursprunges sind. Die eimen, welche bei grösserer Reizstärke erscheinen, haben ihre Ursache in der directen Reizung des Muskels; die anderen, welche bei verhältniss- mässig kleinerer Reizstärke ausgelöst werden, sind durch Reizung von den Nervenenden aus hervorgerufen. Diese haben eine, um die Erregungszeit der Nervenenden grössere Latenzdauer. Es scheint mir sehr wahrscheinlich, dass die eben besprochenen Zuckungen mit verhältnissmässig kurzer Latenz- dauer eben durch directe Reizung des Muskels ausgelöst sind. Sie sind nämlich sämmtlich bei der grössten Reizstärke erhalten; addirt man zu denselben 0.002” für die Latenzdauer der Nervenenden, so findet man, dass bei jedem Versuche die Curve eine vollständige Gesetzmässigkeit dar- bietet. Es wäre also die bei den vorliegenden Versuchen bestimmte Latenz- dauer diejenige des von den Nervenenden aus gereizten Muskels, und wir können unsere Ergebnisse folgendermaassen zusammenfassen: Wenn der nicht-curarisirte Muskel durch verschieden starke Oeffnungsinductionsschläge gereizt wird, so nimmt bei abneh- mender Zuckungshöhe die Latenzdauer stetig zu und zwar in solcher Weise, dass sie zuerst langsam, später aber, je kleiner die Zuckungen werden, immer schneller wächst. Hierbei wird der Muskel wahrscheinlich nicht direct, sondern von den Nerven- enden aus erregt. Theils um die eben entwickelte Ansicht von der Ursache der kürzeren Latenzdauer der ersten maximalen Zuckungen zu stützen, theils um zu untersuchen, nach welchem Gesetze bei directer, nicht von Nerven vermittelten Reizung des Muskels die Latenzdauer mit der Höhe der Zuckung varürt habe ich ähnliche Versuche am curarisirten Muskel ausgeführt. Schon oben habe ich die Versuchsmethode besprochen, ich kann daher gleich zu der Mittheilung einiger Versuchsbeispiele übergehen. ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. 171 3/, °°® Curarelösung; Beginn des Versuches 11" 40’; Ende 12" 1’; Länge | Versuch 134B. 10. Mai 1884. Muskel blutdurchströmt; 11" 26 | des Muskels 35". ! 2 Rollen- Höhe der Nummer | abstand | Temperatur , Zuckung | nzlaner | in Cm. | in Mm. Et I 0 18-5 7-3 0-0083 | | 13. 0 18-5 7.0 0.0082 | u |lı 18-5 6-7 | 0.0085 I] 16 ı 9 18-5 6-7 | 0.0083 | | Mittel 0.0084" 1/0 18-35 6-6 | 0.0085 || 15 3 18-5 6-1 00095 ] ! 4 B} 18-45 6-1 0:0082 | \ Mittel 0-0088” li 0 2 300.0.,4.,0:0088 . |] a A.5 Be se 0:0085 | 1) 4 18-45 5.4 0-0088 | | Mittel 0-0092” er 8 18-4 5-3 0-0096 | J On Bu: 18-4 4:6 0.0090 14 | 4 18-5 4-6 D40109% ‚| ar. f 10 | 5-25 18-4 4-5 0.0093 | f Mittel 0-0098 9, 5-35 18-4 4-4 0-0098 Ir 5 18-4 4-1 | 0.0104 1 | 53 18-4 3.8 0-0115 7,60 18-4 2-5 0-0149 | 1... x E18 2.5 or |yrüttel 0,0105 | | Versuch 135 B. 10. Mai 1884. Muskel blutdurchströmt; 5" 24’ >/, m Curarelösung; Beginn des Versuches 5"50’; Ende 6" 16°; Länge des Muskels 33 m, Rollen- \ Höhe der Nummer abstand | Temperatur Zuckung | Terızen en Gm. | in Mm. z 3 2 29-3 19% 0-0047 2 rain ae 1) 23-4 12-0 0-0048 Bor 7 22-8 11-9 0-0061 Di e6 22-25 11-9 00055 | 5 - 22.3 11-8 0:0050 | [ Mittel 0-0054” 6 5 29-3 11-8 0-0048 | 0 S 92.3 11-8 | 00055 | 4 3 22.3 11-6 0-0053 |... Er 2 1 99-3 11-6 0-0061 | j Mittel 0-0057 10 9 32.2 11-2 0-0056 20 De 0-0050 | Zr Be ee] 0-0048 | \ Mittel 0-0049” 92 2 92.2 11-1 0-0048 | 23 GER De 11-1 0-0045 || 172 ROBERT TIGERSTEDT: (Versuch 135 B. Fortsetzung.) Rollen- Höhe der Nummer | abstand | Temperatur Zuckung Tatenzdauer | in Cm. in Mm. in Sec. | 19 &) I 2222 10702 70200559 | IE. el 222 AZ 00067 18 10 22122 Sm 20-006 12 ılıl | 22-2 3°5 0°0085 15 ul 22-2 48 0:0090 | er | 16 u 125985 4-8 | 0.0099 | [Mittel 0-0008 13 a 222 3°5 v-01157 14 a | 0-0119 | 17 unmessbar ı/, cm Qurarelösung; Beginn des Versuches 7" 40°; Ende 8% 11’; ‚Länge des Muskels 34 um, | Versuch 136 B. 12. Mai 1884. Muskel blutdurchströmt; 7% 25 | | Rollen- Höhe der ezdaner Nummer | abstand | Temperatur Zuckung ; E in Cm, in Mm. in Sec. 1 0 area | ae 0-0050 . 21 ) 21-8 13-2 00050 | Mittel 0-0030 | 2 1 lo 13-0 0-0051 | 3 2 ale 13-0 00051 Mittel 0-0052” | 4 3 91-7 13-0 0-0053 er 5 A 21-7 12-5 0-0053 | 7 6 21-7 12-5 0-0055 Ä 8 7 RERT 12-5 00055 Mittel 0-0054" | 9 8 21-7 12-5 0-0056 6 5 21:7 12-4 0-0053 | 10 9 21-8 11-8 0-0059 | 11 10 21-75 9-7 0-0061 12 | 105 | 21-8 8-1 | 0.0063 Ä 105 | as 7-9 | 00069 14 1 Alle 21-8 71 0-0072 . | 15% eo 21-8 6-0 0-0082 | im | Nule 21-8 4+5 0-0093 16 15 2638 4-4 unmessbar is 21080 21-8 0-2 0:0175 |] 1) | als8 21-8 0-2 0-0160 | } Mittel 0-0166” >20 | 11-8 21-8 0-2 | .0-0162 J Versuch 138 B. ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. 173 13. Mai 1884. Muskel blutdurchströmt; 4" 32 1/, m Curarelösung; Beginn des Versuches 4" 48°; Ende 5" 16°; Länge des Muskels 35 "". Rollen- Höhe der Nummer | abstand | Temperatur Zuckung in Cm. in Mm. 1 Va 14-9 2 l ed) 145 3 2 22.5 14°5 20 0 22°5 145 21 0 22°5 14-4 4 Sei ular, 14-1 B) 4 225 14°0 6 B) 22°5 13°8 & 6 22-5 15.4 8 E80: 12-6 $) 6) 113.228 11-4 10 I In .22°58 9-5 12 9-5 22-55 8.8 hal 9-5 22:55 85 13 10 22-5 76 14 10 22-5 76 15 10°5 22-5 95 18 10°8 22-5 2:8 19 10 22°5 2.6 TO Ar 22°5 0-3 Ra: |,,09-5 02 Versuch 139 B. 13. Mai 1884. Muskel Latenzdauer in Sec. -0055 -0051 -0058 0048 -0055 -0061 -0058 - 064 -0053 -00683 -0061 - 0072 -0074 -0069 -0095 -0082 -0082 -0103 -0128 -0143 -0131 SOOOOSOOSO9S SE OO eo seoae® Mittel 0-0053 Mittel 0-0060” Mittel 0-0088” | Mittel 0:0137” blutdurchströmt; 6" 56’ 1), m Curarelösung; Beginn des Versuches 7" 14°; Ende 7" 40’; Länge des Muskels 35 mm, Rollen- Höhe der Nummer | abstand Temperatur Zuskung Be S en in Cm. | in Mm & 1 a) 22-8 16-4 0.0051 1 22.8 16-1 0-0055 3.2 22.85 16.0 0-0051 Mittel 0-0053” 4 3 22.9 16.0 0.0053 5 4 22.85 15-7 0.0055 6 5 22.85 15-1 0:0051 Lt. ann 7 6 22.85 15-0 oe 0rpsl 8 Ü 22.85 14.8 0.0055 S) 8 22.9 13.9 0.0051 174 RoBERT TIGERSTEDT: (Versuch 139 B. Fortsetzung.) Rollen- Höhe der Nummer | abstand | Temperatur | Zuckung RL: | in Cm. in Mm. nn | 18 ) 93.0 12-1 0-0063 ' ©, io 98 22.9 12-0 0.0059 | Mittel 0-0061 in. \ 29.9 10-9 0.0063 ee ao 23.0 10-0 020033 1 ie zu or 1085 22.9 9.0 0-0079 ein 29.9 Ber ee, io 93.0 6-6 ana en. a5 29.9 3.0 0-0109 15% Les 29.9 0-8 0-0136 Versuch 140B. 14. Mai 1884. Muskel blutdurchströmt; 11% 28 !/, cm Curarelösung; Beginn des Versuches 11*50; Ende 12% 19; Länge des Muskels 35 m, Rollen- Höhe der Nummer | abstand ' Temperatur Zuckung Juan Sualamen in Cm. in Mm. in Dec. 1 ) 22.9 15.7 0:0051 | wi 2 1 22.95 15-7 0.0050 | Mittel 0.0051 3 2 23.0 15-5 00056 4 3 23.0 15-3 0-0051 5 4 23.0 15-1 0-0053 | 6 5 23.0 14.8 0-0050 | 7 6 23.0 14.5 0-0053 8 7 22.9 14.3 0-0051 9 8 22.95 14-0 0.0055 10 9 22.9 12-6 0.0067 12 9-5 29.9 10-8 0.0069 4 11 9.5 92.9 10.7 00066 | Mittel 0-0065 19 | m 22.9 9.6 0:0079 2 | 10 22.8 9.0 0-0069 12 7105 22.85 7.9 0.0080 21, 1.1085 29.8 6-0 0-0090 en 29.8 4-8 0-0095 20 | ıı 29.8 4.5 0-0090 9 les 29.8 1-0 0-0131 160 Mes 22.8 0-4 0-0143 le | ieh 22.8 210.1 0-0221 a | le 22.8 0-1 0-0221 | tittel 0.0221 | | t 1 ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. 175 Versuch 141 B. 14. Mai 1884. Muskel blutdurchströmt; 4" 52’ 1/, com Qurarelösung; Beginn des Versuches 5" 8; Ende 5" 38°; Länge des Muskels 35 "". | Rollen- Höhe der Nummer | abstand | Temperatur | Zuckung | aubrani | in Cm. in Mm. In 00. a) Sl ee 0.0055 2 1 22-3 17-6 0-0069 | 1 1p,4, u 5 4 29-25 17-6 050061 nj> Hrol;0.0085 4 3 22.3 17-3 U Re ER 3 2 22-3 17-2 DETOISSEN AN N ey 6 5 22°8 OT 0.0053 7 Be 9 00:5 13-1 0.0071 (6) 7 | 22-25 12-8 0:0069 | 21 8 29:35 12-0 00064 |... m 9 8 22-2 11-9 0-0086 | 7 Mittel 0-0065 10 9 22-2 10-8 0.0080 20 Ba 122% ge) 0.0082 1 10 22:25 u) 0.0098 12 unmessbar 19 Sol) 22.8 | 6-3 0-0114 18 9-5 92,3 la 1-7 | unmessbar | 13 10.5 22.3 1-4 .0-0143.2.| 14 10-7 22.25 <01 00525 15 10-7 22-25 zo 00317 Sig N 16 | 10.2 | 22-3 9 17.2 15-3 0-0042 | 3 4 17-2 15-2 0.0042 2 N . A 6 17.2 15.2 0.00, 0 u 5 8 17-3 15-2 0.0045 6 10 17-3. ° 299150 0.0050 7 10-5 17:35 15-0 00063 8 il 17-4 15-1 0.0067 9 12 17-4 14-9 | 0.0069 Schliessungsinductionsströme. 12 0 7a See 0055 13 2 es gel 0.0055 N Bi. 29 2 15 ‚allow 00053 rege 33 0 17-45 15-3 0-0051 14 4 165 15-2 0-0061 15 6 125 12158 0.0072 16 8 17.45 Sao 00069 1 9 15 15-1 0-0079 18 10 ums 15-2 0-0074 19 11 ia 185 0.0079 UBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. Versuch 71. 11" 15°; Beginn des Versuches 11" 56’; 14. März 1884. Ende l Grove. 179 Muskel angehängt ohne Extragewicht 12 080/; DEE, | Rollen- | FEN: Höhe der Latenzdauer Nummeı url | Temperatur AnRLUNE Rss Oeffnunesinductionsströme. 23 0 | .17.45 19-87. 70-0043: | 9 2 17-25 12.9 0-0045 | 20n | 4 17-3 13-1 0.0061 | Mittel 0-0048" 11 6 0-9 12.9 0-0043 12 Be 4 lite 12.2 0-0048 | 13 10 ıNlo® 10-5 0-0075 | 14 10 1723 10-5 0.0061 Mittel 0-0068” = 10 1 10-5 0:0069 | | Schliessungsinduetionsströme 1 0 17-0 11-8 0-0069 2 0 17-05 11-6 0.0079 | 3 0 17-1 11-8 0.0077 4 0 17-1 11-4 0-0063 | 5 0 17-15 11-4 0.0067 | 6 0 17.2 11-4 unmessbar | Mittel 0-0069” 7 0 17-2 11-5 0-0058 Ä >) 0 17-2 11-5 0-0072 | >> 0 17.45 11-8 0-0067 | 21 0 17-4 11-5 0-0069 | 20 2 17-4 11-3 0-0072 | 19 4 17-4 10-9 0-0077 | 18 6 17.4 10-7 0.0080 Kata 0.0079" | 10 5 17-35 10-6 0.0080 16 10 17.35 10-2 0.0087 Versuch 72. 15. März 1884. Muskel angehängt ohne Extragewicht 10% 25; Beginn des Versuches 10% 40°; Ende 11" 10°; Länge des Muskels 192 m - 1 Grove. Rollen- ' Höhe de ' Nummer Eon Temperatur | Zuckung nz ur | \ | in Cm. | ı in Mm. ; | en Oeffnungsinductionsströme. 8 0 de 16-2 0-0050 | ) 2 | 16-2 16-1 0.0053 | 10 4 16-2 ı 16-1 VEN Er 7 | Ba eie25r | 5.162 unmessbar | et 19 8 16-3 16-0 0-0061 2 ee 180 ROBERT TIGERSTEDT: (Versuch 72. Fortsetzung.) Rollen- Höhe de | | Nummer en Temperatur nung z An | in Cm. in Mm. an 14 12 16-35 16-0 00080 | 15 i2 16-4 16-0 0-0091 16 12 16-4 16-1 | 0.0088 | Schliessungsinductionsströme. il 0 15-75 15-5 0.0074 2 0 15-85 15-6 0-0071 3 0 16-0 15-5 0-0072 4 0 16-0 15-4 0-0083 5 0 16-05 15-4 0.0077 Mittel 0-0076” 6 0 16-1 15-6 0.0077 0) 16-1 15-6 0.0077 1 0 16-4 16-5 0.0087 24 0 16-55 16-2 0.0069 18 2 16-45 16-3 0.0074 19 4 16-45 16-2 0.0079 20 6 16-5 16-3 0.0080 21 8 16-5 16-1 0.0085 Versuch 73. 15. März 1884. Muskel angehängt ohne Extragewicht 1115’; Beginn des Versuches 1130’; Ende 12" 0’; Länge des Muskels 302] "Grove. Rollen- Höhe der ö ES Latenzdauer Nummer | u Temperatur | Aug TER 2 Oeffnungsinductionsströme. el 0 16.9 10 00045 8 2 16-9 12-5 0.0043 | 9 4 16-95 112405) 0.0043 10 6 17.0 12:6 0-0045 Mittel 0-0045” 11 8 17.0 12.4 - 0.0042 112 10 17.05 12.3 0-0055 13 12 Ikea 12-2 0.0043 ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. 181 rtollen- | Höhe der | Nummeı al Temperatur Zuckune | Latenzdauer | / in Cm. in Mm. | I BEL. Schliessungsinductionsströme. 1 0 16.7 12.9 0.0050 | 2 ) 16-75 13-0 0.0056 | Zero 11668 12-8 0.0055 4 | 0 | 16-8 12-6 0.0050 " 0 16-85 125 0.0050 ‚ Mittel 0-0053° 6 | 0 16-9 12-6 0-0058 4 |, .,® 17.2 12.7 0.0050 15 2 17.2 12.2 0-0056 16, | 4 17.2 12.1 0.0053 | Versuch 77. 17. März 1884. Muskel angehängt ohne Extragewicht or 95’; Beginn des Versuches 12" 40; Ende 1" 13); a ein almm. Beobacht. 1—19: 1 Grove; Beobacht. 20—23: 2 Grove. | Roll | ' Höhe der | : Nummer | Abstand Temperatur | Zhckune | ne | | in m. | in Mm. * 23 : | Oeffnungsinductionsströme. > il 0 17.85 13-6 0.0050 2 2 17.9 Do 0.0048 3 4 17.9 13-6 0-0059 4 6 17-95 13-6 0.0048 5 s 18.0 13-6 0.0048 6 10 18-0 13-1 De elk070051 16 6 18.2 13-6 0.0045 17 S 18-2 1 Sort 0.0048 18 10 18-2 1 0.0050 19 det 18.25 13-0 0.0061 Schliessungsinductionsströme. 9 0 18-1 13-3 0.0055 10 0 18.1 13-3 0.0061 1a 0 18-1 13-3 0:0053 12 0 18-1 13-5 0-0061 Mittel 0-0055" 13 0 18.15 13-2 0.0047 14 0 18-15 180% 0.0055 15 0 18.2 13-5 0-0051 | 20 0 18-25 13-5 0.0047 | 21 0 18-3 13-5 0.0045 r Fe 22 0 18-3 13-4 0-0048 De > 23 0 18:3 13-5 0.0050 ROBERT TIGERSTEDT: Versuch 78. 17. März 1884. Muskel angehängt ohne Extragewicht | 3% 15°; Beginn des Versuches 3% 30’; Ende 3 ana 2 Groye Rollen- Höhe der | Nummer aan Temperatur Zuckung | ee in Cm. ine Mins | F nenn effnungsinductionsströme. 1 O7 18-8 0.0040 2 2 ED ee 0-0042 3 4 SU 2 12521326 0-0042 4 6 18.0. | 18-6 0-0048 5 Ro) Sl 1. 10 0.0050 6 10 1305 | lee 0.0050 7 112 18-05 17-6 0.0053 3 13 18-1 boBalds»at 7020063 Schliessungsinductionsströme. 9 0 18:1 Me 0.0050 10 0 18-1 1218-0 0-0047 ıLl 0 18-1577 °71872 0.0045 12 Om 18-15 18-4 0.0050 118) 0 18-15 ® 18-3 | 0.0048 20 0 Or 008 0.0047 14 2 1872890:129318 35 0.0050 15 4 | 11808 0-0061 16 6 lO- 272 18er 0.0061 ze ) 8.2 Bl 0-0051 18 10 ISW2r 0 ler 0.0064 Versuch 81. 18. März 1884. Muskel angehängt ohne Extragewicht | h 55°; Länge des Muskels | Mittel 0-0046' | Mittel 0-0048” En un 11" 45’; Beginn des Versuches 12" 0’; Ende 12% 30°; Länge des Muskels ' 25 a2 27 Grove. | Rollen- Höhe der Latenzdauer | Nummer | abstand | Temperatur | Zuckun 9 in Cm. n in Te in Sec. | Oeffnunesinductionsströme. 8 0 17-8 1S-6 0-0047 9 2 17-85 18-1 0-0047 | 10 4 17-85 1S- 1 0.0050, Er ne 11 6 17-9 18-0 0-0049: | ("ltel ODE 12 8 17-9 18-0 | 0.0047 | 13 10 17.95 18-0) 12.02.0048 14 12 18-0 Re927 7720:. 006185 15 14 18-0 17-9 0-0067 | 16 14 15-05 17-8 0.0069 | | I. I 9 { ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUOKUNG, 183 (Versuch 81. Fortsetzung.) vollen- | Höhe der || | Nummer en Temperatur | ee | Latenzdauer ' im-Cm. a Schliessungsinductionsströme. | 0 17.65 15-0 0.0050 2 0 17-7 18.0 0.0048 > 0 Beet. 18-0 0.0048 4 0 WARST 15.0 0.0047 5 0 17-75 18-0 0-0051 Mittel 0-0048” 6 0 17-8 15-0 0.0045 7 0 17-8 15-0 0.0045 17 0 18-05 17.9 0.0045 18 2 15-05 17-7 0.0048 19 4 18-1 17.7 0.0050 20 6 18-1 1770005005 21 Ss 18-1 17.7 0.0063 22 10 18-1 17.8 0.0069 23 12 18-1 17-8 0-0071 Wir wollen jetzt diese Versuche etwas näher betrachten. Beim Versuch 69 haben die Beobachtungen 1--6 eine Zuckungshöhe von 15-.0— 15-3"; ich habe bei dieser Betrachtung die Beobachtungen 7—9 weggelassen, weil sie wahrscheinlich nur vom Nerven aus ausgelöst sind (Vgl. oben S. 161). Ihre Latenzdauer ist im Mittel 0-0044”. Von den Schliessungsinductionszuckungen ! haben die vier ersten (Beobachtung 12, 15, 22, 25) eine Höhe von 15-.1—15-5"", also übereinstimmend mit den Vorhergehenden; ihre Latenzdauer ist aber im Mittel 0-0053”. Dass diese längere Latenzdauer nicht davon bedinst ist, dass sie durch Reizung von den Nervenenden aus ausgelöst wären, geht theils daraus hervor, dass die Beobachtungen 14 und 15 bei einer fast gleichen Zuckungshöhe, eine viel grössere Latenzdauer haben, theils daraus, dass bei den in den früheren Kapiteln mitgetheilten Beobachtungen, welche meiner Ansicht nach durch Reizung von den Nervenenden aus hervorgerufen sind, nie eine so kurze Latenzdauer wie die hier vorliegende auftritt. Uebrigens ist noch zu bemerken, dass die durch Oeffnungsinductionsströme ausgelösten und hier berücksichtisten Zuckungen bei einem Rollenabstand von 0 bis 10, die anderen aber nur beim Abstand O bis 2°” erhalten sind. Alles in Allen zeigt also dieser Versuch, dass gleich starke, maximale Zuckungen, wenn sie durch Schliessungsinductionsströme ausgelöst werden, eine längere-Latenz- ! Ich werde die durch Schliessungs- bez. Oeffnungsinduetionsströme ausgelösten Zuckungen als Schliessungsinduetions- bez. Oeffnungsinductionszuckungen bezeichnen. 184 ROBERT TIGERSTEDT: dauer haben, als wenn sie den Oeffnungsinduetionsströmen ihren Ursprung verdanken. Beim Versuch 71 finden wir dasselbe a fortiori bewiesen. Die grössten, vom Schliessungsinduetionsstrome bei Rollenabstand O0 ausgelösten Zuckungen haben eine mittlere Latenzdauer von 0-0069”; sie sind zwar niedriger wie die stärksten durch den Oeffnungsinduetionsstrom hervorgebrachten Zuekungen, deren Latenzdauer im Mittel 0.0048” beträgt; wir können aber dieselben mit den Beobachtungen 13— 15 vergleichen: da finden wir bei einer Zuckungshöhe von 10.5" eine mittlere Latenzdauer von 0.0068”, während die Beobachtungen 1--8, 20—22 bei einer Zuckungshöhe von 11-3—11.8 == eine Latenzdauer von 0-0069” besitzen. Wir müssen also auch hier den Schliessungsinductionszuekungen eine längere Latenzdauer wie gleich grossen Oefinungsinductionszuckungen anerkennen. In dem Versuch 72 finden wir dasselbe: die Oeffnungsinduetions- zuckungen haben eine Zuckungshöhe von 16-0—16-.2"m; die Schliessungs- induetionszuckungen eine von 15-4—-16-.5"®; bei jenen ist der Rollen- abstand O— 10° und die Latenzdauer im Mittel 0.0056”; bei diesen bez. 0—2m und 0.0076”. . Im Versuch 73 wiederholen sich dieselben Verhältnisse: die Oeffnungs- induetionszuckungen haben beim Rollenabstand 0—12°“ eine Höhe von 12.2—12.7"m und eine mittlere Latenzdauer von 0.0045”; die Schliessungs- inductionszuckungen dagegen eine Höhe von 12-1—13-0 bei einem Rollen- abstand von O—4® und einer mittleren Latenzdauer von 0.0053”. Im Versuch 77 finden wir wieder bei den Oeffnungsinductionszuckungen Rollenabstand O— 11°“, Zuekungshöhe 13.0— 13.7 und Latenzdauer 0-00517; bei den Schliessungsinductionszuckungen Rollenabstand 0, Zuckungshöhe 13-.2—13.5, Latenzdauer 0.0055”. Wenn aber die Stromstärke in der primären Rolle gesteigert wird (2 Grove), so sinkt bei gleich bleibender Zuckungshöhe die Latenzdauer der Schliessungsinductionszuckungen sogar unter diejenige der Oefinungsinductionszuckungen und beträgt nunmehr nur 0-0048”. Bei grösserer Stärke des inducirten Stromes nähert sich also die Latenzdauer der Schliessungsinductionszuckungen derjenigen der Oeffnungsinduetionszuckungen. Wir können ohne Schwierigkeit diese That- sache erklären: die Schliessungsinductionsströme haben einen trägeren Ver- lauf als die Oeffnungsinductionsströme; die reizende Wirkung jener tritt daher nicht so plötzlich und schnell ein wie diejenige der letzteren. Wenn aber die Stärke des in der primären Rolle kreisenden Stromes beträchtlich vermehrt wird, so wird der Schliessungsinductionsstrom schneller zu einer für die Muskelerregung hinreichenden Stärke aufsteigen und also die Latenz- dauer kürzer als sonst ausfallen. Hier finden wir also eine vollständige Uebereinstimmung mit dem Befunde von v. Bezold, welcher ermittelte, dass ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. 185 die grosse Latenzdauer der Schliessungszuckungen bei steigender Reizstärke immer mehr abnahm, trotzdem dass schon die ersten Schliessungszuckungen maximal und tetanisch waren. Die Versuche 78 und 81 bestätigen die Schlussfolgerungen aus dem Versuch 77; hier sind bei allen Beobachtungen 2 Grove in der primären Strombahn benutzt. Wir sehen wie die Latenzdauer der Oeffnungs- und . Sehliessungsinductionszuckungen fast gleich gross ist. Wir können also die Ergebnisse der vorliegenden Versuche folgender- maassen zusammenfassen: Diejenigen maximalen Schliessungsinductionszuckungen, welche bei directer Reizung des Muskels durch die schwächsten dazu genügenden Ströme ausgelöst werden, haben eine grössere Latenzdauer als die entsprechenden Oeffnungsinductions- zuckungen. Wenn aber die Stärke des induceirenden Stromes sehr beträchtlich gesteigert wird, so wird, in Folge des schnel- leren Aufsteigens des Schliessunesinductionsstromes zu einer für die Erregung des Muskels hinreichende Stärke, die Latenz- dauer der Schliessungsinductionszuckungen gleich derjenigen _ der Oeffnungsinductionszuckungen. II. Die Latenzdauer der Muskelzuckung in ihrer Abhängig- keit von der Art des elektrischen Stromes: Schliessungsinduc- tionszuckungen mit Schliessungszuckungen verglichen. _ Die betreffenden Versuche habe ich nach demselben Princip, wie die im vorigen Abschnitte beschriebenen ausgeführt. Die Schliessung des Stromes wurde durch Oeffnen einer Nebenschliessung bewerkstelligt. Der Uebergang von Schliessungsinductionsströmen zu constanten Strömen geschah mittels des Stromwählers in der einfachsten Weise. Die Richtung des inducirten und des constanten Stromes im Muskel ist überall bei den Versuchen an- gegeben. Die Ströme wurden den beiden Enden des Muskels zugeführt; der Muskel war stets uncurarisirt. Bevor ich zur Mittheilung der betreffen- den Versuche gehe, werde ich einige Versuche anführen um zu zeigen, dass die Richtung eines Inductionsstromes für die Latenzdauer der Muskel- zuckung von ausserordentlich kleiner Bedeutung ist; die Versuche sind am uneurarisirten M. gastrocnemius ausgeführt. Versuch 150. 20. Mai 1884. Beginn des Versuches 5" 40°; Ende .6%.0'; 1 Grove; Oeffnungsinductionsstrom; Rollenabstand = 0. 186 ROBERT TIGERSTEDT: Höhe der | Toreszdaner Nummer | rn Zuckung | Fa RUE, | in Mm. | ın EC. | om ee 1 BONN, 19-3 0.0042 | 2 | 20-85 19-2 0-0040 3 2 ee ee 0-0040 ja an 4 I ...21.05 19-3 0.0042 | Strom absteigend. 5 I | 19-5 | 0.0043 | 6 21-15 19-6 0.0043 | EN: 7 | 21-2 1 0.0010 8 I 21.257, 19.7 , 0.0040 | Versuch 152. 20. Mai 1884. 1 Grove; Oeffnungsinductionsstrom; Rollenabstand = 0. | Höhe der | | Nummer |, Temperatur | Zuckung Tann | [ in Mm. j = | Tom Ans 7 21-5 19-5 0.0039 8 | 21-5 19-6 0.0040 er nn a Mittel 0-0040" 11 21-6 19-8 0:0039 | 12 21-6 19.9 0.0045 | Strom absteigend ll 21.35 19.5 | 0.0039 aa Bo 19-2 0.0040 3 21-4 19.8 | 0.0042 N wu. 10.7 2102020018 asle 5 21-45 19.5 | 0.0042 Da 1950172020039 Bei Anwendung übermaximaler Oeffnungsinductionsströme ist also beim nicht-curarisirten Muskel die Latenzdauer von der Stromrichtung unabhängig. Ich gehe jetzt zu den Versuchen über, welche ich ausgeführt habe, um die Latenzdauer der Schliessungszuckung beim constanten Strom, mit der- jenigen der Schliessungsinductionszuckung zu vergleichen. Ich habe diese Versuche in zwei Reihen, mit metallenen und mit unpolari- sirbaren Elektroden ausgeführt. Die erste Reihe zeist ganz wie die Ver- suche von y. Bezold, dass bei nicht übermässig starken Strömen die ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. 187 Schliessungszuckung eine grössere Latenzdauer als die Schliessungsinduc- tionszuckung hat, sowie dass im Allgemeinen die Schliessungszuckung bei directer Muskelreizung sich in einer anderen Weise als die Schliessungs- zuckung vom Nerven aus oder die Induetionszuckungen verhält. Wundt fand schon im ‚Jahre 1558, dass, wenn man den Muskel direet mit con- stanten Strömen reizt, er nach vollbrachter Zuckung noch nicht seine frühere Länge erreicht, sondern es bleibt eine geringe Verkürzung zurück, die erst allmählich sich ausgleicht. Dagegen beobachtete er die genannten Erschei- nungen nicht, wenn er statt durch den Muskel durch den Nerven den Strom schloss. v. Bezold fand in den meisten Versuchen, dass die durch constante Ströme ausgelösten Zuckungen tetanisch waren, dass sie aber langsamer ansteigen als die Oeffnunesinductionszuckungen, obgleich sie eine grössere Höhe erreichen. Wenn er die Richtung des constanten Stromes wechselte, war die Latenzdauer zuweilen unverändert, zuweilen für aufsteigende, zuweilen für absteigende Ströme länger; z. B.: Strom aufsteigend Latenzdauer 28 ui! Wenn Strom absteigend Latenzdauer 24 wm (1 Grove mit 200 ® Draht-Nebenschliessung) Strom absteigend Latenzdauer 22 | Touran! Strom aufsteigend Latenzdauer 19 am (1 Grove mit 400 °® Draht-Nebenschliessung;) Strom absteigend Latenzdauer 23 mm Br Strom aufsteigend Latenzdauer en el (2 Grove mit 400% Draht-Nebenschliessung) Strom absteigend Latenzdauer 15.5 "m] Strom aufsteigend Latenzdauer 18.5 mm[ (2 Grove ohne Nebenschliessung) Strom absteigend Latenzdauer en ey Strom aufsteigend Latenzdauer 14.5 mm we (3 Grove ohne Nebenschliessung) Strom absteigend Latenzdauer 11.5 mmy A Strom ed Latenzdauer ne han (12 Grove ohne Nebenschliessung). Versuch IV Die Versuche geschahen am curarisirten M. semimembranosus, und der Strom wurde ihm durch feine Kupferdrähte zugeführt, welche an jedem Ende den Muskel klemmend umfassten.? ! Wundt, Die Lehre von der Muskelbewegung. Braunschweig 1858. S. 121—130. ” v. Bezold, Untersuchungen über die elektrische Erregung. leipzig 1861. 8. 195— 203, 188 ROBERT TIGERSTEDT: Biedermann hat später die bei directer Reizung des Muskels erhaltene Schliessungszuckung genauer untersucht und gefunden, dass unter günstigen Umständen der Schliessungsreiz eine dauernde Erregung des Muskels her- beiführen kann, deren Grösse hauptsächlich von der Stromintensität abhängig erscheint. Ferner fand er bei totaler Durchströmung des M. sartorius die Grösse der Latenzdauer von der Stromesrichtung abhängig, sowohl bei Schliessungs- wie bei Oeffnungserregung und zwar war die Latenzdauer immer dann kleiner, wenn die Erregung an dem unteren Muskelende entstand, vorausgesetzt, dass die Stromstärke in beiden Fällen gleich war. Er erklärt diese Beobachtung, wie mir scheint, in vollständig genügender Weise aus der assymetrischen Form des M. sartorius, der sich vom Beckenende nach dem Knie hin zuspitzt, am Knie wird daher der Strom eine grössere Dichte haben und also eine stärkere Einwirkung ausüben, wie am Beckenende; die absteigende Stromrichtung muss daher die wirksamere sein. Wie gesagt bestätigen meine eigenen Beobachtungen vollständig die- jenigen von v. Bezold und Biedermann, obgleich ich nur mit den un- curarisirten M. Gastrocnemius gearbeitet habe. Ich lasse hier einige Versuchs- beispiele folgen, um einen neuen Beweis für die genannten Erscheinnngen zu liefern. Versuch 85. 19. März 1884. Muskel angehängt ohne Extragewicht 4415; Beginn des Versuches 4" 33’; Ende 5" 07; Länge des Muskels 36 wm; 2 Grove. | Rollen- | | Höhe der | al Nummer | abstand | Temperatur Zuckung Pal: | in Cm. | | in Mm. | in SaR. Schliessungsinductionsströme aufsteigend. 1 4 16-3 15.7 0. 0063 | Latenzdauer, Mit- 2 6 16-4 15-4 0-0056 tel aus Nr. 1-3, 3 8 16-4 14-8 0.0063 17, 18 0.0060 A 10 16.5 14.8 0.0080 5 12 16-5 15-0 0.0095 6 14 16-5 12-7 0.0099 17 4 17.0 15-7 0.0055 18 8 17-0 15-0 0.0063 19 10 17-0 15-0 0.0077 20 2 17-0 14-8 0.0088 Constanter Strom; keine Nebenleitung; Schliessung; a. absteigend. 7 16-6 18-9 0.0090 De 8 16-5 18-7 0.0093 | sind sämmich 9 16-7 17-5 0.0090 tetanisch; Latenz- 10 16-75 18-1 0.0093 dauer, Mittel 11 | 16-8 18.2 0.0091 | rg 39m: 2 Grove. (Versuch 85. Fortsetzung.) Rollen- Höhe der re ee Nummer | abstand | Temperatur Zuckung ee | in Cm. in Mm, Bat b. aufsteigend. 12 16:85 | unmessbar 13 169 | unmessbar 14 Ioa9r 292 18=7 2.050088 15 16:95 | 18.0 | 0.0082 10 >| 16:95 17:6 | 00083 | ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. | 159 Die Zuckungen sind sämmtlich tetanisch;; Latenz- dauer, Mittel 0-0084 Versuch 86. 16. März 13884. Muskel angehängt ohne Extragewicht 545’; Beginn des Versuches 5" 22°; Ende 5" 47’; Länge des Muskels Schliessungsinductionsströme, a. aufsteigend. L 16- 8 16° I 16° 10 16- 11 16- 12 16° 13 16° 14 16- 15 16- 7 7 6) 85 85 9 ) 9 ) Constanter Strom; keine Nebenleitung; 20-9 00087 15-7 0.0096 18-9 0.0090 18.0 0.0093 19.7 0.0082 18.4 00085 17.2 00085 19.4 00091 15.9 0.0091 Rollen- Höhe der Nummer Tone Temperatur Zune ep lsur i in Mm. in Mm. 2 us 16-7 11-8 00056 16-7 11-9 00055 ! 1627 ala 0-0071 a el aus Nr. 1—3, 16.7 11.5 00079 16—18 0.0059” 16-7 11-5 0:0096 16-7 9.5 0-O0111 b. absteigend. 16 4 1695 15-7 0-0051 17 6 16°95 14.7 00055 18 8 16:95 14.4 0.0066 19 10 16-95 12.9 00083 20 11% 16-95 10-0 0.0096 21 14 16-95 28 00138 Schliessung; aufsteigend. Die Zuckungen sind sämmtlich tetanisch; Latenz- dauer, Mittel 0-0089” Mittlerer Fehler + 0-0005" Wahrscheinlicher Fehler der einz. Beobachtung +0.0003” Wahrscheinlicher Fehler d.. Mittels + 0.0001” 190 ROBERT TIGERSTEDT: Versuch 87. 20. März 1884. Muskel angehängt ohne Extragewicht 10» 35°. Beginn des Versuches 10" 50’; Ende 11" 16°; Länge des Muskels 28um. 2 Grove. Rollen- Höhe der Nummer abend Temperatur Ztekung enalau in Cm. in Mm. In. .PeR Schliessungsinductionsströme; aufsteigend. 1 A 125 1ie27022 22020051 2 6 029 DIET 7 720200287 3 SW 255 1125, 21.070056 4 1020| 17-6 11-2 00069 5 12 17-6 11-0 0.0083 6 14 17-6 10-3 0-0082 a nd net 7 16 17.6 1-0 0.0167 ET BUS 17 4 17-8 11.6 | 00-0048 A 18 6 17.8 11-4 0.0050 19 Se 17-85 | lo 0.0050 20 E73 10-8 00079 21 oe 0511285 10-2 0.0082 22 14700 1.0.9 9.8 0.0087 CGonstanter Strom; keine Nebenleitung; Schliessung; aufsteigend. Die Zuckungen 8 No 18-5 0,,00885 ‚ia a u | Se tetanisch; 9 | 17.6 18:2 0.0077 Talea 10 | .. 17.65 17.5 0.0082 Mittel 0-0081' 11 | 1727 17-0 0-0082 Mittlerer Fehler 12 in:7 0 suanae «| 0.0000 | Ya 13 17-7 1024 0.0079 Fehler der einz. 14 17-75 16-5 0-0079 Beobachtung 15 17-8 16-0 0.0085 ee a e . N @42] anrscheinlicher 16 us, 10.1579 62050085 Niemann | | + 0.0001” Versuch 88. 20. März 1884. Muskel angehängt ohne Extragewicht 11% 20’; Beginn des Versuches 11" 52; Ende 12% 19; 2 Grove. Rollen- Höhe der \ Nummer | abstand | Temperatur Zuckung aaa 7: in Cm. in Mm. ‚ Schliessungsinductionsströme; aufsteigend. 1 4 17.3 15-6 0-0051 | 2 6 17.3 15-0 0-0061 ı Latenzdauer 3 6) 17.3 15-0 0:0063 ae a ; 5 ns en 1m22 0.0077 | 17-20 0-0057” 5) 12 17.35 | 14-8 0.0088 | EEE. mm mn gm rn mn nme urn nn _ namen) _ nenn Qmmn nn nn uennn ee een. Nummer I | | fr ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. Rollen- | abstand, in Cm. 14 16 2 0 0 10 12 14 (Versuch 88. Temperatur 17.35 17-4 17-4 17.4 17.7 17-7 17.75 17.8 17-8 17.8 17.8 | Höhe der Zuckung m. in M ji Jim jimmmh immmt fuumh feumnh fumumch fumnch he de) . Or III IT III DO a OTO0 DOT SUCH un — Fortsetzung.) Latenzdauer | in Sec. | 0-0096 00-0151 00-0055 | 0.0051 | 0-0063 0.0050 unmessbar | 020063 | ı 0.0079 | 0.0080 0-0109 Constanter Strom; keine Nebenleitung; Schliessung; aufsteigend. 10 11 12 13 14 15 16 | | Versuch 91. ol- 30. S0- 29. 30.» 30- 29- QSOoom-DyDe+r 0.0080 0.0082 0.0087 0.0077 0-0077 0.0080 0-0095 Die Zuckungen sind sämmtlich tetanisch; La- tenzdauer Mittel 0-0083” Mittlerer Fehler =+ 0.0006” Wahrscheinlicher Fehler der einz- Beobachtung = 0-0004” Wahrscheinlicher Fehler d. Mittels + 0.0002” 20. März 1884; Muskel angehängt ohne Extragewicht 4h 42°; Beginn des Versuches 5" 3°; Ende 5" 27; Länge des Muskels 31". 2 Grove. Rollen- Höhe der E Nummer | abstand | Temperatur Zuckung ee in Cm. in Mm. SS: Schliessungsinductionsströme; aufsteigend. 1 4 16-9 | ao 00056 Latenzdauer 2 6 16-9 | 18:6 0-0055 Aikieljause 3 8 16:95 | 13-5 0:0064 0.0060” 4 10 =) 13-3 | unmessbar 5 12 17:0 13-4 0:0080 | Be 14 17:05 60 00T 200 | 0 ern 13-9 00063 192 ROBERT TIGERSTEDT: (Versuch 91. Fortsetzung.) Höhe der | Zuckung in Mm. Rollen- abstand in Cm. Latenzdauer AN - . mperatur : Nummer emp | insdle Constanter Strom; keine Nebenleitung; Schliessung; a. aufsteigend. 6) Iron 24.6 00080 > 9 17-15 23-0 0-0085 | sind ssmmrEcH 10 17.2 22-8 00085 ' tetanisch ; Latenz- il 22 242 0:0085 dauer, Mittel m IN 23°5 0.0082 u b. absteigend. 13 1 al 22-0 0.0085 14 17.3 214 0.0085 Diez 15 17.3 21:0 0.0088 a 16 17.3 20-8 | 0.0082 tetanisch; Latenz- 17 17.3 20-8 0.0083 dauer Mittel 18 17-3 ala 0-0085 0053 19 17-3 20°0 0.0085 | Versuch 93. 21. März 1884. Muskel angehängt ohne Extragewicht 10% 43°; Beginn des Versuches 11% 3°; Ende 11" 37’; Länge des Muskels Slam 2Grove: Rollen- Höhe der Nummer |. abstand | Temperatur Zuckung nz dauer in Cm. in Mm. ne Schliessungsinductionsströme; aufsteigend. 1 4 15:45 140 0.0056 Latenzdauer 2 6 15-55 14:0 0.0061 EN - 3 6) 15:65 14-3 0.0064 19.21 0-0058” 4 10 15-75 14-4 00074, 5 12 15-8 12.4 0.0085 ben. ld 15-85 12.0 0.0093 7 2 15-9 14-0 0.0059 8 0 15-9 14-0 0.0061 19 0 16-4 14-0 0.0051 20 3 16-4 13-9 0.0055 21 6 16-4 13.8 00059 | Const. Strom; keine Nebenleitung; Schliessung; a. aufsteigend. 14 | 16-2 722218207 227080096 | Die Zuckuneen 15 16.25 | 17.5 | 0.0088 Be en 16 | 16-320 216-77727°020091 tetanisch; Latenz- 17 E80. 35 ee 0008 | dauer Mittel 18 16-4 1 | Sale 000 0.0091” Nummer ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. Versuch 93. Rollen- Höhe der abstand | Temperatur Zuckung in Cm. in Mm. ) 11 12 13 16-0 18-5 | 16-05 16-8 16-1 16-8 16-15 16-7 | 16-2 16:8 Fortsetzung. Latenzdauer in Sec. b. absteigend. 0.0103 0.0095 0.0087 0.0087 0.0083 Die Zuekungen sind sämmtlich ' tetanisch; Latenz- dauer, Mittel | 0-0091" Versuch 94. 21. März 1884. Muskel angehängt ohne Extragewicht 11% 40’; Beginn des Versuches 11" 56’; Ende 12% 33°; Länge des Muskels hmm. 2 Grove. llen- Höhe der Nummer uni Temperatur Zuckung Balsnzaner in Cm. in Mm. nn Schliessungsinductionsströme; aufsteigend. D 4 16-15 13.4 00063 Latenzdauer, 2 6 16-2 13.3 0.0058 en s 3 8 16-2 13-0 Va | een 4 10 16-25 13.3 0.0085 5 12 16.3 13.3 0.0091 6 14 16-3 8.7 0.0101 7 2 16-3 13.3 0.0051 8 0 16-3 13.4 0.0063 19 0 16-7 13-3 0.0053 20 3 16-7 13-2 0.0063 21 6 16-7 unmessbar |, .0-0059 Constanter Strom; keine Nebenleitung; Schliessung; a. aufsteigend. 9 16-3 | 20.7 0.0079 Die Zuckungen 10 16-4 18.0 0.0090 sind sämmtlich Tal I 16.5 | 16-8 0:0080 tetanisch; Latenz- 12 I 16-5 | 16-0 0.0087 a nie! 13 ereen 14-9 0.0083 b. absteigend. 14 16-5 15.2 | 0.0088 Die Zuckungen 15 16-6 14-3 0.0085 sind sämmtlich 16 16-6 14-3 0:0095 tetanisch; Latenz- 7 16-65 14-3 0-0095 en 18 16-7 13-7 0.0090 Archiv f. A. u. Ph. 1885, Physiol. Abth. Suppl.-Bd. 13 194 ROBERT TIGERSTEDT: Nach der früher näher entwickelten Anschauung über die bei grösserem Rollenabstand erhaltenen maximalen Zuckungen, habe ich bei Berechnung des Mittels der Latenzdauer bei den Schliessungsinductionszuckungen nur diejenigen Beobachtungen benutzt, welche wahrscheinlich durch direete Reizung des Muskels ohne Vermittelung der Nervenenden ausgelöst sind. Es zeigt sich bei allen Versuchen, dass die Latenzdauer der Schliessungs- inductionszuckungen beträchtlich kürzer wie diejenige der Schliessungs- zuckungen ist, obgleich diese sämmtlich tetanisch sind. Der Unterschied beträgt in den hier mitgetheilten Versuchen durchschnittlich 0.0030”, die Extreme sind 0-0024” bez. 0-0038. Gegen die vorliegenden Versuche könnte man einwenden, dass dabei metallene Elektroden angewendet worden sind. Mir scheint es jedoch, dass diese Einwendung von keiner Bedeutung sein kann, denn die Elektroden waren nicht am Muskel selbst, sondern am Femur und an der Sehne des Muskels angelest. Durch die Elektroden könnte also die Muskelsubstanz in keinerlei Weise beschädigt werden. Es zeigen auch die Versuche, dass die metallenen Elektroden keine beschädigende oder störende Einwirkung gehabt haben; bei denjenigen Versuchen, wo die Zahl der einzelnen Be- Fig. 1. Versuch 87. obachtungen genügend gross gewesen ist, um eine Ermittelung des wahr- scheinlichen Fehlers zu erlauben, ist dieser im Allgemeinen nicht grösser wie der wahrscheinliche Fehler bei den früheren Versuchen; wir haben nämlich hier für den wahrscheinlichen Fehler des Mittels gefunden + 0.0001” (Versuch 85); + 0.0001” (Versuch 87); + 0.0002” (Versuch 88). Ferner sind die bei derselben Reizstärke vor und nach den Reizungen mit con- stantem Strome erhaltenen Inductionszuckungen hinsichtlich ihrer Höhe, ihrer ÜBER Dız LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. 195 Latenzdauer und ihres zeitlichen Verlaufes, unverändert, wenn der Induc- tionsstrom in derselben Richtung durch den Muskel geleitet ‚worden ist, Dies gilt für alle Versuche ohne Ausnahme. Vgl. die Curven Figg. 1—3 Seen >= IE Be BE e . Fig. 2. Versuch 88. Fig. 3. Versuch 91. welche nach den Versuchen 87, 88, 91 abgebildet sind. In denselben bedeuten die Ziffern die laufenden Nummern der Beobachtungen. Die vom constanten Strome ausgelösten Schliessungszuckungen sind freilich nicht überall gleich gross, sondern zeigen theils mehr oder weniger 13* 196 ROBERT TIGERSTEDT: beträchtliche Schwankungen in ihrer Höhe, theils nehmen sie bei unver- änderter Stromrichtung stetig ab. Diese Thatsache kann jedoch nicht von den Elektroden bedingt sein, sondern ist complieirterer Natur, wie schon daraus hervorgeht, dass diese Zuckungen sämmtlich tetanisch sind und also nicht dem einfachen allgemeinen elektrischen Zuckungsgesetz von du Bois-Reymond folgen. Wahrscheinlich spielt hierbei die Ermüdung eine gewisse, wenn auch nicht sehr bedeutende Rolle. Ich will hier noch einmal ausdrücklich betonen, dass ich nie einen Ver- such an einem Frosch ausgeführt habe, den ich kurz vorher vom Eisschranke genommen. Die tetanischen Zuckungen können also nicht davon abhängig sein.! Ueber die hierbei wirkende Ursache wage ich keine Vorstellungen zu entwickeln, weil bis jetzt gar zu wenig untersucht wurde, unter welchen Be- dingungen bei Schliessung eines constanten Stromes anstatt einer einfachen Schliessungszuckung eine tetanische entsteht. Jedenfalls scheint mir durch die Untersuchungen von Wundt, v. Bezold, Biedermann u. A, genügend bewiesen zu sein, dass wenigstens bei directer Muskelreizung das allgemeine Gesetz der elektrischen Reizung einer Erweiterung bedarf. Bevor wir aber etwas Bestimmtes hierüber aussagen können, sind neue Untersuchungen dringend erforderlich. Es fragt sich jetzt, was ist die Ursache der längeren Latenzdauer der Schliessungszuckungen? Diese Frage ist keine sehr leichte, denn es ist möglich, dass ihre Ursache im Muskel selbst liest, und wir kennen den Muskel noch gar zu wenig, um in dieser Hinsicht bestimmte Anhalts- punkte haben zu können. Bevor wir aber weiter gehen will ich noch einmal hervorheben, dass der erregende Strom durch den Femur und die Sehne des Muskels geleitet wurde; bei dieser Versuchsanordnung musste also der ganze Muskel, sowie jedes Muskelelement vom Strome betroffen werden, obgleich angesichts der unregelmässigen Anordnung der Muskelfaser die Stromdichte nicht überall dieselbe gewesen ist. Für den inducirten Strom müssen aber dieselben Bedingungen stattgefunden haben, und von diesem Ge- sichtspunkte aus ist die Thatsache der längeren Latenzdauer der Schliessungs- zuckung nicht zu erklären. Uebrigens zeigen ja die Versuche von Bieder- mann, dass auch bei dem im grossen Ganzen so regelmässig gebauten M. Sartorius die Schliessungszuckung eine bedeutend grössere Latenzdauer hat als die Inductionszuckungen. Ich glaube jedoch, dass die jetzt uns beschäftigende Frage aus den Erfahrungen über die Etablirung des elektrischen Stromes in einfacher Weise beantwortet werden kann. Der elektrische Strom wirkt nicht erregend durch seine absolute Dichte, sondern durch die Veränderung der Dichte von einem ! Vergl. v. Frey, Dies Archiv. 1883. S. 43—56. ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUOKUNG. 197 Augenblick zum anderen, und zwar ist die Anregung zur Bewegung, die diesen Veränderungen folet, um so bedeutender, je schneller sie bei gleicher Grösse vor sich geht oder je grösser sie in der Zeiteinheit ist. Daraus erklärt sich die Verschiedenheit der Oeffnungs- und Schliessungsinductions- ströme in ihrer Wirkung auf die Nerven und Muskeln. Wie verhalten sich die constanten Ströme in dieser Hinsicht? Steigen sie, wenn sie durch einen Nerven oder Muskel geleitet werden, ebenso steil auf, wie die indueirten Ströme? Ich kann nichts anderes finden, als dass im Nerven und im Muskel constante Ströme mittlerer Stärke (1—3 Grove) weni- ger steil als Inductionsströme ihre Dichte verändern müssen. Denn angesichts des grossen Widerstandes der Nerven und Muskeln, muss — ceteris paribus — die Veränderung der Stromdichte bei grösserer Elektrieitätsspannung schneller als bei kleinerer vor sich gehen; je nach der Schnelligkeit, mit welcher die Stromdichte im Muskel sich verändert, können wir also folgende Reihe aufstellen: 1) Oeffnungsinductionsströme, 2) Schliessungsinductionsströme, 3) constante Ströme.! Wenn die Spannung eines eonstanten elektrischen Stromes beträchtlich gesteigert wird, so muss, der eben vorgetragenen Anschauung gemäss, die Erregung schneller vor sich gehen und die Latenzdauer kürzer ausfallen. Dies zeigen für Schliessungsinductionsströme meine eigenen Versuche und für eonstante Ströme die eben eitirte Untersuchung v. Bezold’s. Bei stei- gender Elektrieitätsspannung nimmt in seinen Versuchen die Latenzdauer der Schliessungszuckungen stetig ab und nähert sich derjenigen der Oeff- nungsinductionszuckungen, um sie erst bei 12 Grove’s zu erreichen. Nach diesen Erwägungen wäre die längere Latenzdauer der Schliessuneszuckung also von rein physikalischen Faktoren ab- hängig undanund fürsich eine selbstverständliche Consequenz des allgemeinen Gesetzes von du Bois-Reymond. Was die Abhängigkeit der Latenzdauer von der Richtung des Stromes - betrifft, so kann man aus einem so complicirt gebauten Muskel, wie es der M. gastrocnemius ist, keine ganz einfachen Resultate erwarten. Jedenfalls sind die Unterschiede hier äusserst unbedeutend, wie aus den Versuchsprotocollen hervorgeht; entweder zeigt sich gar keine Differenz (Versuch 93) oder die auf- steigende Stromrichtung ist bevorzugt wie in den Versuchen 85 (um 0.0007”), 91 (um 0.0002”), 94 (um 0.0007”); diese Differenzen liegen aber theilweise innerhalb der Grenzen der Versuchsfehler oder streifen jedenfalls sehr nahe daran. Die Versuche, die ich mit unpolarisirbaren Elektroden ausgeführt habe, ı Vgl. Jamin et Bouty. Cours de physique. Paris 1883. IV. 1. p. 66—73. 198 ROBERT TIiGERSTEDT: sind in mehrfacher Beziehung sehr lehrreich. Ich leitete den Strom zum Muskel mittels um die Enden desselben gebundener, in 0-5°/, Kochsalz- lösung getränkter wollener Fäden. Es ist klar, dass bei einer solchen An- ordnung die elektrischen Ströme nicht in derselben Regelmässigkeit sich durch den Muskel verbreiten können, wie wenn der Strom unter Vermitte- lung des Femurs bez. der Sehne dem Muskel zugeführt wird. Je nach der Art und Weise, wie die Fäden angelegt sind, muss der Strom mit grösserer oder kleinerer Dichte durch verschiedene Theile des Muskels passiren; die Muskelfibrillen, durch welche der Strom mit der grössten Dichte geht, werden vorzugsweise erregt; in anderen Fibrillen kann da- gegen die Stromdichte sogar so klein werden, dass dieselben gar nicht ge- reizt werden. Besonders bei Strömen kleinerer Spannung, wie die Ketten- ströme, können die Muskelzuckungen je nach dem vorzugsweise gereizten Theile des Muskels sehr verschieden sich verhalten. Durch die berühmten Versuche von Ranvier wissen wir, dass nicht alle Skeletmuskeln desselben Thieres in physiologischer Beziehung einander gleich sind, indem die „blassen“ Muskeln hinsichtlich der Latenzdauer, des Zuckungsverlaufs u. s. w., sich beträchtlich von den „rothen“ Muskeln unter- scheiden.” Diese Beobachtungen wurden von Kronecker und Stirling bestätigt und erweitert.” In der letzten Zeit hat Grützner eine ungemein interessante Thatsache gefunden, durch welche vielerlei bisher schwebende Fragen in mehrfacher Hinsicht erklärt worden sind. Er hat nämlich ge- funden, dass in jedem Muskel ebenfalls die beiden Fasergattungen vor- kommen, die, wenn sie unvermischt in grösserer Masse da sind, wie beim Kaninchen, die obenerwähnten rothen und weissen Muskeln bilden. Ranvier hatte gefunden, dass gewisse grössere Antheile des M. triceps humeri beim Kaninchen der einen, andere der anderen Muskelart sind. Nun findet Grützner, dass als Regel gilt, dass die Muskeln im Allgemeinen aus rothen und weissen Abschnitten zusammengesetzt sind, dass aber die Mi- schung oft eine viel innigere ist, indem die einzelnen Muskelfasern selbst untereinander gemischt sind. Um nur von dem M. gastrocnemius des’ Frosches hier zu sprechen, so bemerkt Grützner, dass er, wie wohl jeder Forscher gelegentlich gefunden hat, sehr häufig, ohne ganz roth zu sein, eine fast rosarothe Färbung aufweist, welche nicht allen Abschnitten des Muskels in gleichem Maasse zukommt, denn gewisse Theile sind röthlicher als andere und die verschiedenen Färbungen gehen entweder sprungweise oder ganz allmählich in einander über.? ! Ranvier, Archives de physiologie. 1874. T. UI. p. 1—15. ?® Kronecker und Stirling, Dies Archiv. 1878. 8. 1—40. ’ Grützner, Recueil, zoologigque suisse. 1884. I: p. 665—684. EBENE ÜBER DIE LATENZDAUER DEKk MUSKELZUCKUNG. 199 Die charakteristischen Unterschiede der beiden Muskelarten sind be- kanntlich folgende: Rothe Muskeln. Weisse Muskeln. Latenzdauer lang Latenzdauer kurz Zuckungsverlauf träg Zuckungsverlauf schnell Werden durch wenige Reize pro 1” Bedürfen zahlreiche Reize pro 1” tetanisirt. um tetanisirt zu werden. Meine nach der obenbeschriebenen Anordnung ausgeführten Versuche bestätigen vollständig die Anschauung von Grützner. Bei einer gewissen Art der Anlegung der wollenen Fäden am Muskel erhält man Zuckungen, welche vollständig den Verlauf der typischen Zuckung der rothen Muskeln aufweisen; dies gilt fast als Regel bei aufsteigender Richtung des Stromes. In anderen Fällen ist der Zuckungsverlauf schneller, die Latenzdauer kürzer, entsprechend einer Reizung der weissen Muskelfasern. Jedoch ist bei allen diesen Versuchen die Latenzdauer, sowohl bei den Schliessungsinductions- zuckungen, wie bei den Schliessungszuckungen durch den constanten Strom, länger als sonst. Dies ist selbstverständlich, wenn wir uns erinnern, dass bei der gewählten Versuchsanordnung die Stromdichte wahrscheinlich nur in einzelnen Abschnitten des Muskels genügend gross ist, um eine Zuckung der betreffenden Abschnitte auszulösen; die Zahl der sich contrahirenden Fasern ist kleiner, also auch der Querschnitt und in Folge dessen die Kraft der Zusammenziehung: es muss daher länger als sonst dauern, bevor bei Reizung die Spannung des Muskels genügt, um den Contact zu unterbrechen. Ich lasse hier einige Versuchsbeispiele folgen; dieselben sind eine Aus- wahl aus einer grösseren Reihe und sollen nur einige Typen darstellen. Wenn es sich um ein eingehenderes Studium der verschiedenen Gattungen von Muskelfasern handelte, so würde diese Auswahl lange nicht genügend sein. Hier gilt es aber nur nachzuweisen, wie die Latenzdauer in einigen speziellen Fällen sich darstellt. Versuch 95. 24. März 1834. Muskel angehängt ohne Extragewicht 11" 55’; Beginn des Versuches 12" 10’; Ende 12" 50’; Länge des Muskels 34um, Rollen- Höhe der Nummer | abstand | Temperatur Zuckung laner in Cm. in Mm. ; Schliessungsinductionsströme; aufsteigend. 1 0 12.5 14-1 0-0101 | 2 0 12-6 14-7 0.0114 3 0 12-6 14.8 0.0106 + 3 12.65 15-0 0.0098 Latenzdauer, 5 3 12.65 | 15-0 | 0.0104 Mittel 0.0104 6 5 12.65 | 15-0 : 0.0099 21 0 13-0 15.7 0.0111 22 0 13202 2 2715-8582 7.020103 200 ROBERT TIGERSTEDT: (Versuch 95. Fortsetzung.) Rollen- Höhe der Nummer ara Temperatur Znelne ns in Cm. in Mm un Const. Strom; 3Grove ohne Nebenleitung;Schliessung; a. absteigend, 7 DER 17.2 | 0.0159 8 unmessbar Die Zuckungen I unmessbar sind sämmtlich 10 I ot 18-5 0:°0138 tetanisch; Latenz- ur) I 1205 18.3 0-0135 dauer, Mitte] 12 I Te) 18-6 0.0143 0.0144 13 I 2.8 Be le 0:0146 b. aufsteigend. 14 12.85 8-27.17.020139 15 12285, 0 01287 27.0.0123 Die Zuckungel 16 unmessber sind sämmtlich 17 unmessbar tetanisch; Latenz- 18 unmessbar dauer, Mittel 19 unmessbar 0.0132 20 1229522162522 720201415 Versuch 99. 25. März 1884. Muskel angehängt ohne Extragewicht 35 20’; Beginn des Versuches 3" 35’; Ende 4® 6°; Länge des Muskels 28 mm, Rollen- Be der Nummer | abstand | Temperatur Zuckung Latenzdauer in Cm. in Mm. In Dee, Schliessungsinductionsströme; aufsteigend; 1 Grove. | 200 Be, la 0.0096 2 0 14.05 16-6 00071 | 3 0 14-1 16-8 0.0082 | 4 3 14.2 16-8 0.0082 | 5 5 14-2 16-8 0-0088 Latenzdauer, 6 8 14-3 or 0.0093 ° Mittel 0-0087 15 3 14-6 Ted) 0.0087 16 3 14-6 17-1 0.0091 17 3 14.65 17.4 0.0082 18 3 14° 65 17.4 0.0093 Const. Strom; 3GroveohneNebenleitung; Schliessung; aufsteigend. 7 14.35 17.5 00096 8 14.4 17.7 unmessbar | 9 14.4 17.8 0.0109 | 10 14-4 17-9 0.0087 Latenzdauer, 11 14:5 18-3 0:0095 | Mittel 0-0098” 12= 14.55 17-5 0-0106 13 14.6 17-8 0.0091 14 14-6 17.4 0.0099 \ ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. Versuch 100. 20] 25. März 1854. Muskel angehängt ohne Extragewicht 4420’; Beginn des Versuches 4" 35’; Ende 5" 12’; Länge des Muskels 35mm, tollen- abstand in Cm. Nummer Temperatur Höhe der Zuckung in Mm Schliessungsinductionsströme; a Latenzdauer in Sec. ufsteigend; 1 Grove. In. 0 13-7 14-9 0.0107 | 2 | 2 13-7 14.9 0.0107 | Latenzdauer, 3 2 13-8 15-0 0.0104 | Mittel 0-0108” 4 4 13-8 14-4 0.0114 we 18-85 12.5 0.0117 Ba 8 13-9 10-5 0-0125 3 Grove. 14 32 ar) 15-4 unmessbar Latenzdauer, 15 So RE 15.4 0.0098 wen 16 I 20 as 220.0 oe 17 102,727 14.0 12-8 0-0115 18 0. | ..14.05 15-0 0.0095 19 Drai..14.05 15:1 | 0.0095 Constanter Strom; 3 Grove ohne Nebenleitung; Schliessung; aufsteigend. 7 I 18-9 12-8 0.0117 >) 8 12.9 0.0122 9 218.95 12.8 0-0119 10 13-95 13.0 0-0133 11 14-0 12-9 0-0104 | ‚atenzdauer, | | en 20 Nas 0-0112 21 1405 12-0 0-0101 22 14-05 11-8 0-0114 23 14.05 117 0-0112 Versuch 101. 26. März 1884. Muskel angehängt ohne Extragewicht 3" 38); Beginn des Versuches 4" 5’; Ende 4" 35°; Länge des Muskels 30 ""; 3 Grove. Rollen- Höhe der R Nummer | abstand | Temperatur Zuckung = get Einfem. 47 7 in Mm. Ey Schliessungsinductionsströme; aufsteigend. 1 | unmessbar 2 unmessbar 3 4 | 15-15 | 16-4 | 0.0088 | ee 4 67. 16-5 0.0093 a 5 ir 1 ||. er 202 ROBERT TIGERSTEDT: (Versuch 101. Fortsetzung.) Rollen- Höhe der Nummer | abstand | Temperatur Zuckung | we in Cm. in Mm. ss Y 6 unmessbar 7 unmessbar 6) 10 15-3 | 1220772 20.0095 15 10 lo25 ED 02009 Constanter Strom; keine Nebenleitung; Schliessung; aufsteigend. 9 15-35 20-0 0.0239 1 10 15-4 20-5 0:-0295 Die Zuckungen Il 15.4 22-3 0-0879 | 1 15.45 22.7 0.0333 dauer, Mitte 13 15-5 24.2 0.0320 0:0296” 14 15-5 25.3 0.0309 Versuch 102. 26. März 1884. Belastung Hebel I + 1-6°”; Beginn des Versuches 5% 15’; Ende 5 45’ ; Länge des Muskels 33m; 3 Grove. Rollen- Höhe d Nummer | abstand | Temperatur Zudkume ee in Cm. in Mm. In Fee Schliessungsinductionsströme; a. aufsteigend. 1 0 14.5 11-7 0.0091 2 2 14.65 11.7 0.0099 3 4 14-75 unmessbar ee 4 6 14.8 11207 77=2.020095 a. 5 8 14-8 10.4 0.0091, || > ee 21 unmessbar 22 5 15-05 11-5 0.0101 b. absteigend. 19 5 15-05 8.2 0-0109 | Latenzdauer 20 5 15-05 8.0 0.0099 | j Mittel 0-0104° Constanter Strom; keine Nebenleitung; Schliessung; a. aufsteigend. 6 14.85 7.10.37 | 070864 7 14-9 10.2 0.1040 8 14-9 10-4 0.0896 DI A - 9 14-9 10-4 0.0928 sind. SL au 10 14-9 10-2 | 0.1120 | [done Antter 16 15-0 10-6 0.1040 0-1012" 17 15-0 10-2 0.1104 | 18 1520 10-1 0.1104 ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG, (Versuch 102. 203 Fortsetzung.) Rollen- Höhe der ! Nummer | abstand | Temperatur Zuckung Dan nenn in Cm. in Mm, Sn b. absteigend. 11 14.9 | 12.8 unmessbar | | 9;. Zuckunsen 12 14.95 | 12:8 0.0185 sind sämmtlich 15} 14-95 | 12-0 0.0157 "tetanisch; Latenz- 14 15-0 | 12a] 0.0193 | dauer, Mittel 15 (Se) le 00186 BeuTE) Versuch 104. 27. März 1884. Muskel angehängt 12" 5’; Beginn des Versuches 124 30; Ende 12458; Länge des Muskels 35 mm; 3 Grove. Rollen- Höhe der Numner aelana Temperatur Zuckung u in Cm. | in Mm. PA i ei di Schliessungsinductionsströme; a. aufsteigend. 1 unmessbar 2 4 10-5 13-5 | 0.0069 3 6 17-6 13-4 | 0.0079 Des AtenzAduer, 4 8 17.65 13.8 0.0069 Mittel 0-0074” 5 unmessbaı 6 10 are 3 0.0079 7 11 ka. ae ulore 0.0083 0) 11-5 17-8 9.9 0.0091 b. absteigend. 20 E 17-95 14.3 00069 21 ) 17.95 11-2 0.0082 22 10 17.95 7.5 0.0099 23 10 17.95 6-0 0.0095 Constanter Strom; keine Nebenleitung; Schliessung; a. aufsteigend. 14— 16 unmessbar | Ei Aue 17, 17:9 1527 0-0095 sind sämmtlich is a | 18 | olaee | Anne 19 17:95 14-9 0.0087 0-0090” b. absteigend. 1 Hr Urs Die Zuckungen unmessbar nd sämmmtch 11 SS ER RO ante Laters 1% 17:9 15-6 0-0125 dauer, Mittel 13 17-9 15-5 0-0147 0.0134 204 Versuch 10. ROBERT TIGERSTEDT: 27. März 18584. Muskel angehängt 3" 45°; Belastung Hebel I +1-6=; Beginn des Versuches 3" 55°; Ende 4" 26’; Länge des Muskels 31 =; 3 Ehunge. Rollen- Höhe de Nummer Altana Temperatur | role en in Cm. | in Mm. Im DE Schliessungsinductionsströme; a. aufsteigend. 1 0 14-9 | 10-6 0.0103 | 2 2 14.95 | 9.9 unmessbar | 3 | 15.0 9.5 0.0095 4 6 15-05 | 70) 0.0104 | 5 unmessbar 6 7 215.1 3.9 0.0112 19 5 15-4 8.0 0-0109 20 3 15-4 | 10.0 | 0.0098 b. absteigend. 7 7 15-4 5.2 0-0125 15 5 15-4 8.3 0.0103 2ıl 3 15.4 3.8 0.0099 22 0 15.4 8.8 0.0095 Constanter Strom; keine Nebenleitung; Schliessung; a. aufsteigend. 15-5 522 15-2 15-9 15-2 15-7 15-3 15-3 15-3 15-0 b. absteigend. 15-2 GE 15-2 9.8 | 15:25 9.6 | 15-3 9.6 ı 15-3 9.4 sind sämmtlich 0.0512 tetanisch; Latenz- 0.0528 dauer, Mittel 0-0544 0-0518” Die Zuckuugen sind sämmtlich .0136 | .0123 | -0181 | .0143 .0127 tetanisch; Latenz- dauer, Mittel 0.0142” Sao & - Wir werden jetzt die eben miteetheilten Versuche näher berücksich- tigen. Beim Versuch 95 zeigen sich dieselben Verhältnisse, wie bei den Versuchen mit metallenen Elektroden: die Latenzdauer der. Schliessungs- inductionszuckungen ist kürzer als diejenige der Schliessungszuckungen und | von diesen besitzen die beim aufsteigenden Strom wieder eine um 0.0012” kürzere Latenzdauer als die bei absteigendem Strome erhaltenen. Die wahr- scheinliche Ursache der absolut genommenen längeren Latenzdauer sämmt- l h er Die Zuckungen ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. 205 licher Zuckungen habe ich schon oben hervorgehoben. Uebrigens sind sämmt- liche Schliessungszuckungen tetanisch und zeigen einen wellenartigen Verlauf, indem ungefähr 0.06”—0.09” nach dem Beginn der Zuckung die Curve eine neue mehr oder weniger deutlich markirte Erhebung darstellt. (Siehe Fig. 4.) | Fig. 4. Versuch 95. Beim Versuch 99 finden wir einen kleineren Unterschied zwischen der Latenzdauer der Schliessungsinductions- und der Schliessungszuckungen, ob- gleich es ganz deutlich aus dem Versuch hervorgeht, dass diese eine grössere Latenzdauer wie jene haben. Der Zuckungsverlauf der Schliessungs- zuckungen ist einfacher in diesem Versuche als im Versuch 95, denn die Muskeleurve erreicht in stetigem Zuwachs ihr Maximum; sie sinkt aber nicht nachher wie die einfachen Inductionszuckungen, sondern erhält sich auf einer nicht unbeträchtlichen Höhe über der Abscisse. Dieselben Verhältnisse wiederholen sich beim Versuch 100; nur ist der Zuckungsverlauf fast ganz ähnlich demjenigen der Inductionszuckungen; so lange der Strom geschlossen ist, erreicht die Curve dennoch nicht voll- ständig die Abscisse. (Vgl. Fig. 5.) Im Versuch 101 begegnen wir wieder anderen Verhältnissen; die Schliessungszuckungen haben eine sehr bedeutende Latenzdauer (im Mittel 0.0296”), sind tetanisch, erheben sich aber im grossen Ganzen ununter- ‚ brochen und regelmässig. Mir scheint, dass wir hier eine ziemlich reine ‚ Reizung der rothen Muskelfasern haben; die Latenzdauer ist lang, die Curve ‚ erhebt sich verhältnissmässig sehr langsam, ist aber wie gesagt so ziemlich 206 ROBERT TIGERSTEDT: regelmässig, dass wir nicht gern dieselbe aus den Zuckungen der beiden Muskelarten zusammengesetzt ansehen können. (Vgl. Fig. 6.) Fig. 6. Versuch 101. Aus dem Versuch 102 finden wir eine Bestätigung dieser Vermuthung; die Schliessungszuckungen beim aufsteigenden Strome sind in ihrem Ver- lauf vollständig übereinstimmend mit den entsprechenden im Versuch 101, nur ist ihre Latenzdauer noch grösser (im Mittel 0.1012”), welches, wie | mir scheint, einfach daraus erklärt werden kann, dass die Zahl der erregten Muskelfasern hier kleiner als dort sein möchte. Die Schliessungszuckungen beim absteigenden Strome sind aber hier von dem grössten Interesse. Sie | ÜBER DIR LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. 207 zeigen eine verlängerte Latenzdauer wie alle derartige Zuckungen überhaupt (im Mittel 0.0183”), ihr Verlauf zeigt aber nicht dieselbe Rtegelmässigkeit wie die aufsteigenden Schliessungszuckungen. Gerade entsprechend dem- jenigen Punkte, wo diese sich von der Abseisse erheben, haben jene einen neuen Inflexionspunkt. Es scheint mir daher, dass dieser Versuch nur in folgender Weise erklärt werden kann. Beim aufsteigenden Strome ist die ‚ Stromdichte nur in einigen rothen Fasern genügend gross um eine Zuckung auszulösen; beim absteigenden Strom werden alle beiden Fasern erregt, die Fig.7T. Versuch 102. weissen haben eine kürzere Latenzdauer, sie ziehen zuerst sich zusammen, die rothen werden aber auch erregt und ihre Contraction wird an der Contraction der weissen Faser superponirt. Gewöhnlich zeigt die Zuckungs- curve des M. gastroenemius nicht diese Unstetigkeit: die wahrscheinliche Ur- ‚sache davon ist, wie bereits Grützner bemerkt hat, die, dass bei der schnellen Zusammenziehung der weissen Fasern eine solche Beschleunigung dem Hebel ertheilt wird, dass die Wirkung der rothen an der Curve gar nicht zum Vorschein kommen kann. Hier sind aber nur wenige weisse ‚ Fasern erregt, dadurch wird die Beschleunigung des Hebels nicht so gross und die rothen Fasern können daher ihren Stempel an die Curve drücken. Dass die Richtung des constanten Stromes für ihre erregende Wirkung auf den verschiedenen Elementen des Muskels von grosser Bedeutung sein muss, wenn der Muskel nicht genau parallelfaserig ist, hat schon Biedermann a. a. OÖ. hervorgehoben, ich brauche daher diesen für meinen Erklärungs- versuch wichtigen Umstand hier nicht näher zu besprechen. Der Versuch 102 ist Fig. 7 abgebildet. 208 RÖBERT TIGERSTEDT: Der Versuch 104 bestätigt diese Erklärung; die Schliessungszuckungen haben hier sowohl beim aufsteigenden wie beim absteigenden Strome den- selben Verlauf, sie zeigen dieselbe Unstetigkeit, welche ich aus der geson- l Sc Fig. 8. Versuch 104. derten Zusammenziehung der rothen Fasern hergeleitet habe. Nach den hier erhaltenen Curven wäre die Latenzdauer dieser Fasern ungefähr 0-05” bis 0-06”. (Vgl. Fie. 8.) - Fig. 9. Versuch 105. Endlich habe ich im Versuch 105 eine Wiederholung derselben Er- scheinungen gefunden und zwar in solcher Weise, dass ich immer die Rich- tung des Kettenstromes wechselte. Beim aufsteigenden Strome haben die ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. 209 Schliessungszuckungen eine viel grössere Latenzdauer wie beim absteigenden Strome. Die letzteren Zuckungen verlaufen hier ohne eine Unstetigkeit; sie würden also reine, ungemischte „weisse“ Zuckungen darstellen. Hierzu ist noch zu bemerken, dass diese niedriger wie die „rothen“ Zuckungen sind (9.4 bis 9.8, bez. 15-0 bis 15.9"), Es gilt übrigens bei diesen Versuchen als Regel, dass nur in denjenigen Fällen, wo die Zuckungscurve bei der ‚einen Stromrichtung eine deutliche Unstetigkeit darbietet, ein beträcht- lieherer Unterschied zwischen den Zuckungshöhen aufsteigender und ab- steigender Schliessungszuekungen stattfindet. Wir können also die in der zweiten Abtheilung dieses Kapitels ent- haltenen Thatsachen folgendermaassen zusammenfassen: Die Schliessungszuckungen haben im Allgemeinen eine längere Latenzdauer als die Schliessungsinductionszuckungen, vorausgesetzt, dass man sich nicht übermässig starker Ströme bedient (v. Bezold). Der Verlauf der Schliessungszuckungen bei directer Mus- kelreizung ist in der Regel tetanisch. Wenn man in geeigneter Weise die verschiedenen Faser- gattungen des Muskels reizt, so stellt essich heraus, dass einige, welche wir wohl nach den Untersuchungen von Ranvier, Kro- necker-Stirling und Grützner als „weisse“ bezeichnen dürfen, eine verhältnissmässig kurze, andere aber, die „rothen“ Fasern, eine beträchtlich grössere Latenzdauer haben. Durch verschie- dene Combinationen der beiden Fasergattungen kann eine grosse Anzahl verschiedener Zuckungsformen resultiren. Siebentes Kapitel. Die Latenzdauer der Muskelzuckung in ihrer Abhängigkeit von dem Blutstrom. m Wie oben bemerkt ist, haben einige Forscher bei ihren Versuchen über ' die Latenzdauer blutdurchströmter Muskeln sich bedient. Von vorne herein ist es, bei der langen Zeit, während welcher die vom Körper ausgeschnittenen Organe der Kaltblüter noch leistungsfähig bleiben, nicht sehr wahrscheinlich, dass bei kurzdauernden Versuchen, wie die meisten Versuche über die Latenz- dauer es ja sind, diese irgend einen Unterschied zwischen blutdurchströmten ‚ und entbluteten Muskeln zeigen dürfte. Jedenfalls schien es mir nicht ohne Interesse zu sein diese Frage experimentell zu entscheiden, damit ich Archivf. A. u. Ph. 1885. Physiol. Abthlg. Suppl.-Bd. 14 210 ROBERT TiGERSTEDT: Anhaltspunkte haben möchte, in wiefern meine Ergebnisse für den ganz unversehrten Muskel gültig sind. Die betreffenden Versuche wurden in folgender Weise ausgeführt. Dem Frosch wurde das Gehirn zerstört, der N. ischiadicus abgeschnitten — um Reflexe zu vermeiden — und dann das Praeparat genau in derselben Weise hergestellt, wie es Tiegel in seiner Untersuchung über die Ermüdung des Muskels empfiehlt." Die von Tiegel benutzten Vorrichtungen habe auch ich angewendet. Der Muskel wurde vom Hebel I allein belastet. Die Reizungen ge- schahen mit Oeffnungsinductionsströmen bei übereinander geschobenen Inductionsrollen. Nachdem mit dem blutdurchströmten Muskel eine Anzahl Beobach- tungen gemacht worden ist, wurde das Thier entblutet, ohne dass das Prae- parat von seinem Platz bewegt wurde Vom Rücken aus wurden sämmt- liche Eingeweide des Bauches entfernt und also auch die Bluteireulation aufgehoben. Die Ergebnisse sind aus den folgenden Versuchsbeispielen ersichtlich. Versuch 117. 28. April 1884. Muskel angehängt ohne Extragewicht 11" 20°, Beginn des Versuches 11" 35’; Ende 12% 0’; Länge des Muskels 32 um. 1 Grove; Oeffnungsinductionsstrom; Rollenabstand = 0. Höhe der Nummer | Temperatur Au une I RIUNEN a. Muskel blutdurchströmt. 1 14T | 10-8 0.0064 2 15-4 10-5 0-0061 Latenzdauer, Mittel 0-0069” b) inc An 210.3 0.0071 us N - 0008” A 15-4 10:4 0:0083 anrschneınl. Fehler der eınz. 5 15-45 10-7 | unmessbar |. Beobachnne 6 15-45 10-6 0.0064 Mittels + 0-0002” Ü 15-45 | 10.7 0.0072 b. Muskel entblutet. 8 15-5 10-6 00066 ) 15-5 10-5. 0.0069 Latenzdauer, Mittel 0-0067” 10 15:45 10-6 0:0075 a ne 0-00 11 15-4 10-7 unmesshar AUS CU En Beobachtung =+ 00003 12 15.4 Ion. 0.0064 Wahrscheint Fehler des 13 15-45 11.4 0.0061 Mittels + 0.0001’ 1A, 15-45 11-3 0.0067 ı Tiegel, Arbeiten aus der physiologischen Anstalt zu Leinzig. 1875. Bd.X. S. 10—12. ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. 211 Versuch 118. 28. April 1854. Muskel angehängt ohne Extragewicht 3h 40°; Beginn des Versuches 3" 48; Ende 4" 8’; Länge des Muskels Byzm. 1 Grove; nkertorsstuon Rollenabstand = 0. | Höhe der | Nummer | Temperatur | Zuckung eanz 2 Er | | in Mm. ai 7 hal, 2. . Muskel Tore let ömt. 1 ‘14-95 15-3 0.0066 2 15-0 «| 15-9 0.0071 Latenzdauer, Mittel 0-0071' ar 25.0 15.0 0.0069 Mittlerer Fehler + 0-0004” A 15.0 15-0 0:-0071 ‚ Wahrscheinl. Fehler der einz. ie Beobachtung + 0-0003 d 15- 0 16.7 0.0077 Wahrscheinl. Fehler des 6 15-057 7716-9 0-0077 Mittels + 0-0001” 7 15-1 16-8 0.0067 | bh. Muskel entblutet. fo) 15-2 15-8 0-0064 | 9 19-2 15-7 0.0069 Latenzdauer, Mittel 0-0068' 10 150% 15-5 0:0067 Dullene: ee 0.0002” 11 12.19: 15-7 0:0072 , \ Wahrscheinl. Fehler der einz. S | Beobachtung + 00001” 12 15-15 | 16-1 0.0067 Wahrscheinl. Fehler des 13 19 16-0 0.0069 Mittels + 0-0001” 14 15-1 16-2 0.0069 Versuch 119. 28. April 1884. Muskel angehänet ohne Extragewicht 430’; Beginn des Versuches 4" 43°; Ende 5% 3’; 1 Grove; Oeffnungs- we... Rollenabstand =. | Höhe der Nummer | Temperatur Zuckung nn in Mm. ; a. Muskel blutdurchströmt. 1 14:95 | ..15-0 00063 2 19-0 | 14.8 0.0066 Latenzdauer, Mittel 00063" 3 15:0 | 120 0:-0069 ern ee N 4 15:05 | 14-9 0-0063 ahrscheinl. Fehler der einz. Beobachtu = 0:0002” B) 15.05 14.9 0.0061 | Wahlgcheint. Fehler des 6 15-05 15-0 0-0058 | Mittels + 0-0001” 7 15-0 15-4 0-0063 | b. Muskel entblutet. (6) | 15 16-0 0:0055 9 15-1 15-8 0-0063 Latenzdauer, Mittel 0-0062” 10 15-1 15-7 0.0064 Auge: a en Hl 15-0 dell 0-0061 anrschneinl. Fehler der eINnZz. Beobacht = 0.0003" 12 15.0 16.5 0.0063 Wachen Fehler des 19 15-0 15-8 0-0067 Mittels + 0-0001” 14 | 15-0 16-0 0.0063 14* 212 ROBERT TIGERSTEDT: Versuch 120. 28. April 1884. Muskel angehängt ohne Extragewicht 55 22°, Beginn des Versuches 5" 38°; Ende 5" 56’; Länge des Muskels 36 m. 1 Grove; Offnungsinductionsstrom; Rollenabstand = 0. Höhe der | ,. 4 | Latenzdauer Nummer | Temperatuı | Au une, ae a. Muskel blutdurchströmt. l 14-8 10.3 0.0069 2 14-85 9.9 0.0069 Latenzdauer, Mittel 0-0072” g 14.8 10-2 0-0079 as: Hehler 4 0-00087 4 14:8 10-2 0:0077 ahrscheinl. Fehler der einz. ; Beobacht = 0.0003” d 14.8 107277 53020067 Wahrechöinl Fehler des 6 14.8 10-3 0.0069 Mittels # 0-0001” 7 14-8 10-2 0.0071 bh. Muskel entblutet. 8 14.9 10.2 0.0069 9 14-9 10-0 0:-0072 Latenzdauer, Mittel 0-0070" 10 14:85 10-2 0:.0074 Mauıı ee 0 11 14.85 10.5 0-0067 ahrscheinl. Fehler der einz. Beobacht + 0-0003” 12 14.8 10-5 0.0061 Wobrecheat more 13 14-8 10-0 0.0069 Mittels # 0-0001” 14 14-8 10-5 0.0077 Ich brauche nur wenige Worte um diese Ergebnisse zusammenzufassen. Wenn man die Fehlergrenzen berücksichtigt, geht nämlich aus diesen Ver- suchen mit der grössten Bestimmtheit bevor, dass der blutdurchströmte Muskel dieselbe Latenzdauer zeigt wie der entblutete. Wir können also unsere Ergebnisse am entbluteten Muskel unmittelbar auf den normalen blutdurchströmten Muskel überführen. Achtes Kapitel. Die Latenzdauer der Muskelzuckung in ihrer Abhängigkeit von dem Nerveneinflusse. Wie bekannt besitzt man in dem Curare ein Mittel den Einfluss der Nervenfasern auf den Muskel aufzuheben. Trotz der grossen Anzahl Unter- suchungen, welche über das Curare gemacht worden sind, ist die Frage wie die Muskelzuckung und ihr zeitlicher Verlauf davon abhängig ist, noch nicht vollständig entschieden. Ohne eine vollständige Uebersicht der grossen Litte- ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUOKUNG. 213 ratur über das Curare hier geben zu wollen, werde ich einige auf den uns beschäftigenden Gegenstand bezügliche Angaben kurz zusammenstellen. Buchheim und Loos fanden, dass die Curve des mit Curare vergifteten Muskels eine anderthalb und selbst doppelte Länge zeigte; die Dosen be- trugen 0-0016 bis 0-01 =”, Die Latenzdauer des curarisirten Muskels schien aber von dem des normalen Muskels nicht verschieden zu sein.! Mendelssohn erhielt bei subeutaner Einspritzung von 0.000025 bis 0.000052” Curare keine Veränderung weder der Latenzdauer noch des Zuckungsverlaufes, obgleich dabei die willkürlichen Bewegungen schon deut- lich beschränkt waren. Bei Dosen von 0-00005 bis 0.0001 2” und mehr, d. h. bis zum Verschwinden aller Reflexe, fand er einen allmählichen Zu- wachs der Latenzdauer und eine Schwächung der Muskelcontractilität, welche letztere sich in einer über das Normale verlängerten Muskelcurve zeigte.? Yeo und Cash fanden, dass bei Zimmertemperatur und gleich grosser Belastung die Latenzdauer des direct maximal gereizten Muskels keinen Unterschied zeigte, ob der Muskel curarisirt war oder nicht.’ Rosenthal spritzte 0.1 °® Curarelösung subcutan ein; der Frosch war !/, Stunde später gelähmt; nach 3 Stunden betrug die Latenzdauer dann 0.0122”, also ein wenig mehr als bei unvergifteten Muskeln. Dies dürfte also dafür sprechen, dass Ourare in irgend einer Weise auch direct auf die Muskelsubstanz selbst einwirkt.* Die Angaben der verschiedenen Forscher sind also ziemlich schwankend und veranlassen schon an und für sich zu neuen Beobachtungen. Es kommt aber noch etwas Anderes dazu; meines Wissens hat bisher Niemand die Latenzdauer submaximaler Zuckungen bei curarisirten und nichteurarisirten Muskeln mit einander verglichen; es wäre aber jedenfalls nicht uninteressant zu studiren, wie es sich damit verhält, denn hierdurch könnte man mög- licherweise neue Anhaltspunkte zur Kenntniss der Bedeutung der Nerven für die Muskelzuckung erhalten. Zuerst muss ich die zu lösende Aufgabe genau praecisiren. Es galt nicht, die physiologische Einwirkung des Curare auf den Muskel zu studiren, sondern nur zu untersuchen wie der durch Curare entnervte Muskel be- züglich seiner Latenzdauer sich verhielt. Es musste also die Dosis von Curare derart gemessen werden, dass die Nerven eben gelähmt werden sollten; dabei musste zur selben Zeit eine tiefere Beschädigung des Muskels durch zu starke Curaredosen möglichst vermieden werden. ! Buchheim und Loos, in Eckhard’s Beiträge. 1870. Bd. V. 8. 179— 251. ® Mendelssohn, Travauz du laboratoire de M. Marey. 1880. t. IV. p.136—138. ® Yeo and Cash, Proceedings of the Royal Society of London. 1881. t. XXXIII p. 467. * Rosenthal, Dies Archiv. 1883. Suppl.-Bd. S. 270—271. Muskel angehängt 10% 50°; Beginn des Versuches 11® 2°; Ende 11® 25’; 1 Grove. Ä Ende 12% 1’; Länge des Muskels 35m 214 ROBERT TIGERSTEDT: Um untereinander vollständig vergleichbare Resultate zu erhalten, habe ich die betreffenden Versuche in folgender Weise ausgeführt. Nur blut- durchströmte Frösche wurden benutzt; die Praeparation geschah in derselben Art, wie im Kapitel VII beschrieben ist. Bevor ich den Frosch ceurarisirte, machte ich in gewöhnlicher Weise eine Reihe Beobachtungen über die Latenzdauer bei verschiedener Stärke der Oeffnungsinductionsströme. Dann injieirte ich, ohne dass der Frosch vom Apparat weggenommen wurde, in die Bauchhöhle ?/, bis ®/, ° einer 0-18 procentigen Curarelösung. Ich wartete nun ab bis alle Reflexe verschwunden waren und setzte dann den Versuch fort. Dabei wurde bei der Curarevergiftung stets derselbe Muskel — M. gastro- cnemius der linken Seite — wie früher benutzt. Meine Beobachtungen als an demselben Muskel vor und nach der Entnervung ausgeführt, sind also durchaus miteinander vergleichbar. Ich lasse hier einige Versuchsbeispiel folgen, um als Basis der Discussion zu dienen. Versuch 134A. 10. Mai 1884. | Versuch 134B. 1122679 ı Curarelösung; Beginn des Versuches 11%40 | cer 5 ı=,;| 3 ämis,, Me ee | EEE WERE Beamer 2 | s2 Ss. &a | 88 = 5-88 | z | As Su SEE Mainzer ar seele se | Bi | | | Ss 8 1 0 | 18.5 |10.1[0-0088 I18| 0 | 18-5 | 7.30.0083 2 2 | 18-5 | 9.80.0074 |aricten I19 0 | 18-5 | 7.0 0.0082 14 0 | 18-55 9.5 0-0074| (o-0079” | 17 1 | 18-5 | 6-7 0.0085) [50 leo 0.0079 | I16| © | 18.5 6-7 0:03 | 3 4 | 18-6 | 9.60.0091) _ ıı 0 | 18.35) 6-6 |0-0085) 5 8. | 18-6 | 9-6.0.0098 Inc 15 3 | 18-5 | 6-1 10-0095) _ 6 10 | 18-6 | 9-6.0-0098 4 3 | 18.45) 6-1 0:00 | 4 6 | 18-6 | 9-4.0-0090 2 1 | 18-4 | 6-0 0.0088] 7 11 | 18-6 | 9.00.0106 13| 4-5 | 18-5 | 5-7 00-0085 9 11-5 | 18-6 | 7-5 0-0101 5 4 | 18-45 5-4 |6-0088) 10) 11-6 | 18-6 | 6-9|0-0103|) __ 3 2 | 18.4 | 5.3 0-0096 13) 11-75 18-5 | 6-9,0-.0107 1 | 6 5 .| 18-4 | 4.6 0-0090 11 11-7 | 18-5 | 6-8.0.0103 14 4 | 18.5 4-6 /0-0109) | Mittel‘ 12) 11-75 18-5 | 6-0 0.0119 10) 5.25 18.4 4.5 0.0093] [0-0088) 8 11-5 | 18-6 | 4-7 0.0122 | 9) 5.25 18-4 | 4-4 |0-0098) 12) 5 | 18-4 | 4-1 0.0104 11! 5-25) 18-4 | 3-8 0.0115 | 7 6 |1s-4 | 2-5 |0-0149|] Mittel) : | 8 5-5 | 18-4 | 2-5 |0-0141 ho “0145 ! Ich habe die 1, 2, 14 und 15, obgleich die Höhe der Zuckungel nicht unbeträchtlich schwankt, zusammengeschlagen, weil sie sämmtlich bei der grössten Stärke des Reizes erhalten wurden und bezüglich ihrer Latenzdauer sehr nahe mit ein- ander übereinstimmen. u 1 } ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG,. 215 Versuch 135 A. [uskel angehängt 4" 48°; Beginn des ersuches 5" 0°; Ende 5" 237; 1 Grove. | T 10. Mai 1884. = S8glaus [237 38% 3 EIS ee 22-2 | 12-2 10-0047 22.2 -6 /0-0055 22°2 -0 /0-0055|) Mittel BD? -0 09-0055 No.0085 22.2 -0/0-0063|] Mittel 22.2 11-00-0064 Nos000s” 22:2 -0 10-0077 22.15 11-00-0080 | Mittel DIRD -9 0.0079! f0-0079 |) 22.4 10-90-0079 22.2 -7 10-0083 Versuch 136.A. 12. Mai 1884. uskel angehängt 6" 38; Beginn des ‚ersuches 6% 59; Ende 7" 24°; 1 Grove. Nummer Versuch 135 Be 5h 24° 3), com | Curarelösung;; Beginn des Versuches 5 50'; Ende 6" 16; Länge des Muskels 33 "m, | B E &n | : A ı as. = Es*| Se 3 2 | 22.3 |12.2|0-0047 1 0 | 22.4 12.00.0048 8 7 | 22-3 [11-90-0061 7:6 22.25 11:9 0.0055 | 5 4 22.3 11-80-0050 | Mittel 6 5 1 022.3 11-8 0.0048 (70 9) 8: | 22.3 |11-8)0-0055 4 3 22.3 11-60-0053 \ Mittel 2 1 | 22.3 |11-6.0-0061| (0-0057” l10| 9 | 22.2 |11-20-0056 201 5 | 22.2 |11-110-.0050|| ae 22.2 11-10-0048 | Mittel 92,922. 111.1 0.0043 [0 > 23 0 | 22.2 |11-1!0-.0045 19) 9 22.2 10-70-0055 11) 10 | 22.2 | 9.40.0067 181 10 | 22-2 | 8-5 0-0061| 12| 11 | 22.2 | 5-50.0085) 15 11 | 22.2 | 4-8|0-0090|) Mittel 16| 11 | 22.2 | 4.8|0-0099 NozuonB" 13! 11.5 | 22.2 | 3-5 0.0115 14| 11.5 | 22.2 | 3.2 0-0119 1 unmessbar | Verzsuchn@ls36EB. 1... 257 27, sea ' Curarelösung; Beginn des Versuches 7% 40’; Ende S* 11’; Länge! des Muskels 34 m, ——ee | = ur, = Solana] Salz 3 Be WERE sea Sse Ss Eisen Blo& | => = E es) See z ic E SIE amt 21-9 13-10-0048 , 1 0 | 21.8 13-20-0050] Mittel 21.85 13-0 0.0048 | mitte | 21 0 | 21-8 13-2 0.0050) j0-0050 21-85 13-00-0050 fo-0049” | 2 1 | 21-8 13-0 0.0081 |) \ 21-9 12-80-0050 3| 2 | 21.75113-0|0.0051| | Mittel 4 3 | 21.7 |13-0.0-0053|] '" Nummer ROBERT TIGERSTEDT: (Versuch 136 A. Fortsetzung.) (Versuch 136 B. Fortsetzung.) Versuches 4# 0’; Ende 4% 30°; 1 Grove. | Br, eine | @ Saal er = 8 Bars) SEE | I 1234 250 IEl238| 2 238328 | £ SEE alesr| 5 E32 21-8 |12.8)0-.0056|) _ ES 21-7 [12-50-0053 21-8 \12.7[0-0055 ich 6 21.7 112-5 0.0055 21-8 |12-710-0067 7 ST 21-7 12-.5.0-0055| \ Mit 21.85| 12-60-0064] Mittel | 9) 8 | 21-7 12-5 0.0056| [0004 21.851 12.6 00066 \o20005 65 21-7 |12-4 10-0053 21-8 |12-6 0-0080 | 101 9 21.8 |11-8|0-0059 21.8 12-50-0085 en. 111 10 21:75| 9-70-0061 21.8 12-5 0-0079|| 'ı2| 10.5 | 21.8 | 8.10.0063 91-8 , 5-0[0-0096 13| 10-5 | 21.8 | 7.90.0069 14.14.02, 21-8. 721210.002 15| 11-0 | 21-8 | 6.00.0082 117 11-5 | 21-8 | 4-5 0.0093 16 11.5 21.8 aA | 18| 12 21-8 | 0-2.0-0175 19] #1-8 | 21-8 | 0.20.0160 | mitt | 20 11.8 | 21-8, | 0.20.0162 |0-0166 Versuch 138 A. 13. Mai 1884. Versuch 138 B. 4% 32’ 1/, cc Curare Muskel angehängt 355°; Beginn des | lösung; Beginn des Versuches 4448 Ende 5® 16; Länge des Muskels 35 =m, = ee = SE: Nu | ® ne - 8 Sea. Nous 1230 5 |20= 55 släsd| 5 Z22l558 = |mS5 3 =&” Eich = ce E Salsa 2 | 22.6 |19.3|0-0048 1 0 | 22.5 |14-9 10-0055 0 | 22.6 |19.0|0-0050 Dil 22.5 |14-5|0-0051|} 4 | 22.6 |18-3|0.0047 3| 2 22.5 [14-5 |0-0058| | mittel 0 | 22.6 118-1/0-0050|) __ 2 0 22.5 114-5|0.0048! (0-0053% 0 | 22.6 |18-1[0-0051 a 31 0 32.5 14-40-0055 0 | 22.6 |18-0[|0-0050 4 3 22.5 |14-1|0-0061|} Mittel 4 6 | 22.6 |16-4|0.0051 SA 22.5 | 14-00-0058 \..0000 51 8 | 22.6 |14-.6 0.0063 6 5 22.5 [13-80-0064 6 9 | 22.6 |14-0[0.0069 16 22.5 [13-40-0053 7 22.6 |13-7|0-0069 8 7 22.5 | 12-60-0063 8 22.6 |13-50-0077|} mittel || 9) 8 22.5 | 11-40-0061 9 22.6 |13-5 [0.0072 N roase 101 9 22.55 9.5 0.0072 10 22.6 |13-3 0-0082 12) 9.5 | 22.55| 8-.8|0.0074 11 22.6 |11.4[0.0087 11! 9.5 | 22.55| 8-5|0-0069 Rollen- ee er Ha | on Be oE Ko, 2,8 ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG,. a 138 A. abstand in Cm. Fortsetzung.) | Versuch 139 A. duskel angehängt 6"24°; Beginn des Ver- REIF 23-337 egal 98 6-8 0-0093 6-4 .0-0095 4.70.0103 Mittel, 4.70.0111, J00107 2:5 0-0127 0-3 0°0160) 19 Mars1884. 217 (Versuch 138 B. Fortsetzung.) Beg| 8 as ee & 1007:1003:5 10 |22.5 10-5 | 22-5 10-8 22.5 10:0 | 22-5 11 22.5 11 29.5 Bin; 0 au u == Sr, 0] ar 88 Ba tal [EB ESIESE m | 7-6 0.0093 | Mittel 7:6 0.0082 [0-0088” 5.5 0.0082 | 2-8 10-0103 2.6 0.0128 0-3 0.0143 | Mittel 0.2 0.0131 j0- 0137’ Versuch 139B. 656’ !/, em (urare- lösung; Beginn des Versuches 7% 14); Ii\ Versuches 11% 0’; Ende 11% 26; 1 Grove. m co Nummer luskel angehängt 10" 43’; Beginn des = Eng 28; Ende 6% 55’; 1 Grove. Ende 7% 40: Länge des Muskels 35 mm, A ER | ee ee SICH 3 SS a alas) 5 EEE 2 | 22.5 | 20-90-0056 1] 0 122.8 ]16.4[0.0051 eo 122.4 | 20-60-0055 2| 1 22-8 16-10-0055] „, 6 | 22.5 | 19-80-0051 3) 2 | 22.85/16-0.0.0051|, Mattel, 0 | 22.95 19-.5/0.0047 ıl 3 | 22.9 |16.0.0.0058| 000 4. | 22.5 | 19-1/0-0053 55 4 | 22.851 15-70-0055) 8 | 22.5 | 16-4/0.0067 6 5 | 22.85 15-1 0-0051|\ Mittel 10 „ 22.5 | 15-0/0-.0069|] Mittel | 7| 6 22-85) 15-0 0.0051 J0-0051" {1 | 22.55| 15-0/0-0082| jo-0076” | 8| 7 | 22.85|14.8 0.0055 12 | 22.65) 14-60-0087|| mitte | 9) 8 | 22.9 [13-9 0.0051 13 | 22.75] 14.50.0088] j0-0088” | 18| 9 | 28-0 12-10-0068; | Mittel 9 | 22.55) 14-1/0-0083 10 9 | 22-9 |12.00-.0059) jo-0061” 14 | 22.75) 12.20.0093 11 10 | 22-9 110-0 .0-0069|] Mittel 14-5 | 22.9 | 11-80-0106 17 10 | 23.0 |10.00-0083 N bone” 4 14.6 | 22-9 | 9.00.0106 12, 10-5. 22-9 | 9.0 0-0079 2] 15 22.8 |<0-1/0.0309 19 all 22.9 | 6-70-0095.] Mittel | 16| 11 | 23-0 | 6.6|0-0087 Nonosar / | 14 11-5 22-9 | 3-0.0-0109 Ä 15| 11-8 | 22-9 | 0-8 .0-0186 = Versuch 140 A. 14. Mai 1884. Versuch 140B. 11428’ !/, m Curare- lösung; Beginn des Versuches 11% 50); Ende 12% 19; Länge des Muskels 35 wm, D SugE= E Sn s Q ® 5) ı . E So. . ö SERIE EIER ER ee SsE=| = 88.|°Sa Blezal = een esse 3. = EN | .- zZ Se > ES as! = 4 22.7 |22-6|0-0055 il 0 | 22.9 |15-7/0-0051|y Mittel 752.7 122.110- 0055 2 1 | 22.95| 15-7 0-0050| J0-0051” 218 ROBERT TIGERSTEDT: (Versuch 140 A. Fortsetzung.) | (Versuch 140 B. Fortsetzung.) S| 58 = ad a sa: | Bene Se ee aaa 2 Bere = | = | | 19) 0 | 22.8 [21.70.0047 3 2 | 23.0 [15-50-0056 A622 1214 0.0053 4| 3 | 28-0 |15-3)0-0051 1,0 2502270 21210.0064 5 4 | 23.0 |15-10-0053 5l 8 | 22.7 |16-6 |0-0066 6 5 | 23-0 |14-8.0-0050) 61 9 22.7 |15-0 0-0063 7 6 23-0 14-5 0-0053 701008 692.8,111,8)0..0064 a 7 22.9 14-30-0051 10 ı3 | 22.8 [14-6 0.008 9I| 8 | 22-95| 14-00-0055, 8 11 | 22-75114-5|0.0085| | Mittel, | 101 9 | 22.9 |12.6|0-0067 91 12 | 22-8 |14-5 [0.0095 12| 9-5 | 22-9 |10-8|0-0067|, Miele 11 14 | 22.75 14-20-0085 11 9.5 | 22-9 [10-70-0069] jo-0060 12| 14-5 | 22-8 |11-00-0103|] Mitteı | 18] 10 | 22-9 | 9.6|0-0079 13| 14-6 | 22.8 |11-0 0.0099] fo-o101” | 22] 10 | 22-8 | 9-0/0.0069 15) 14-75) 22.75| 5-8 0.0114 | Mittel || 14| 10-5 | 22.85| 7.90.0080) 14| 14-75| 22.75] 5-710.0109| j0-0112” | 21| 10-5 | 22-8 | 6-0|0-0090 16! 14-85] 22.8 | 3.9 0.0133) __ 15| 11 22-8 | 4.8 0-0095 17 14-85) 22.8 | 3-9|0-0114 Kat 20 11 22-8 | 4-50-0090 | 18| 14-9 | 22.8 | 3.9 0.0117 19| 11-3 | 22-8 | 1-0[0-0131 'E 16| 11-3 | 22.8 | 0.40.0143) I 17) 11.5 | 22-8 | 0-1[/0.0221|] mel | 18, 11.6 22.8 |.0-.10.0938 None y Versuch 141 A. 14. Mai 1884. Versuch 141B. 4452’ 1/, cm Ourarı® Muskel angehängt 4" 9°; Beginn des Ver- | lösung; Beginn des Versuches 5t 8°; End suches 4t 15; Ende 4" 50’; 1 Grove. 5h 38; Länge des Muskels 35 u, = ‘E alas a ee alseal a Bea: = | E28 E ES 338 | a2 E SS 909 22.3 24.6 0-0048| ) Mittel I) 22.3 |17-8/0-0055 1 0 22-3 |24-50-0050 j0-0049” | 2) 1 22.3 117-6 .0-0069|] Mitten 3 4 22.25 21-00-0058 | De 22.25 17-60-0061 f0-0065 10| 13 22-15 18-3 0.0087 4 8 22.3 17-30-0059) Mittel 8 ı1 DD 173) 02000 3 22.3 |17.2|0-0053 \0-0056 9 12 32.15| 17.70.0079 u: 65 22.3 |16-7 10-0053 7 10 22.1 | 17.70.0085 7 6 22.3 \13-1|0-0071 4 6 22.2 17.4 0.0064 ] Mittel | 8 7 22.25 12-.8.0-0069 5 8 22.15 17-30-0077, jo-001” | 21] 8 | 22-35, 12-00-0064] Mittell, 13! 13-5 | 22.15) 17-10-0085 98 99.2 11.9 0.0086, j0-0063) ’ (Versuch 141 A. Fortsetzung.) ae a|$°8 eo | 22.1 16.80.0080 st 18-8 | 22.151 11-60-0103 4) 13:65| 22-2 [11-40-0103 71 14-0 | 22-15/ 9-1!0.0099 | 613-9 | 22.15) 7.20.0103] Mittel | 8 14:1 | 22.15) 7.100099! jo-0101” I) 14-2 | 22-15] 5-3|0-0114 Or 14.3 | 22.15) 5-1 0.0106 1 14-4 | 22-15] 5-1[0-0104 1| 14 92.15] 5-.1|0-0115 14 22-15| 5-0/0-0101|| Mittel! I 14-5 | 22-2 | 5.0/0-0109) (0-0107” 31 14-6 | 22.2 | 5-0/0-0109 4 14-75| 22.15) 5-0|0-0106 5:0 | 22.1 | 5-0!0-0109 1 Mittlerer Fehler + 0-0004”. Wahrschein- icher Fehler der einz. Beobachtung + 0-0003”. ‚Vahrscheinlicher Fehler des Mittels #0-0001”. Versuch 142A. 14. Mai 1884. Muskel ngehängt 6" 6’; Beginn des Versuches ?; nde 6449’; 1 Grove. ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. 219 (Versuch 141 B. Fortsetzung.) = =) lm 2 ila20| 3 IeAr| 2302| Blaäs| 3 SBa Sal A ne 8 RN. |. 10-80-0080 9.0.0:0082 ij Le, Bnee| 201 8-5 | 22-3 11 10 | 22-25) 7.90.0098 1 unmesSsbar 199 0009| 6.3/0.0114 18| - 925. 228 l- T unmessh. 13| 10-5 | 22.3 | 1-40-0143 14| 10-7 | 22-251 <0.10-0325 15| 10-7 | 22-25|<0- 10-0317 | Mittel 16 10-2 | 22.3 |<0-1/0.0240 a 17| 10.0 | 22.3 <0.10.0240 | Versuch 142B. 6%51° !/, em Cura- relösung; Beginn des Versuches 7% 10’; Ende 7" 40°; 1 Grove. aus = ESDol x 2 - rZ = Se) k & l Ss S N#HO9 SD >} | NO es. 3 ee Se | a8 E Era 2 0 | 21.8 |26-0 0.0061 4 3 | 22.25 18-0|0-0064 2 unmessbar 3 2 22-25 17:9 .0-0058 ! a 4 | 21-9 |24.7|0-0058 60257 59223117759)020058| 7, Mittel 4 6 .| 21.9 18-60-0056 5l 4 | 22.3 |17.8/0-0050||° Bes | 22.0 |17-6 0.0055 2) 1 | 22-251 17-7|0.0055 6) 9 22-05 16-90-0074 7) 6 [22.4 17-50-0051) ypikeen mo | 22.0 |16.4/0-0082|\ mitte | 1 0 | 22-3 [17.40.0053 ide 1 8 22-05 16-3 0-0059] 0.0071” | 8 7 | 22.6 |17-3|0-0055 8 11 22-05) 15-8.0-0087 9 8 | 22-5 15-00-0063 9| 12 | 22.05) 15-60-0080 20) 9 | 22.8 [12-40-0058 0 10 | 22.05|15-4 0-0082 10 9 | 22-55 12-00-0061 812.5 | 22.0 |15-2|0-0079 9 02228 8:5 N Mittel 12.0 | 22.0 |14-8|0-0085 11| 10 22.5 8-4!0.0083 [0-0083” 220 ROBERT TIGERSTEDT: (Versuch 142 A. Fortsetzung.) | (Versuch 142 B. Fortsetzung.) Ei rS BE ER 3 rg IS Vene I Eee E Ei So.a lea Eee 17. 13-0 | 22.0 |12-2 0-0095 ı 12) 10.5 | 22-6 | 6.0. 0.0109] Mik 10213 22.05) 9-2 a Mittel | 18] 10-5 | 22.8 | 6-0 0.0096) J0-Ot 11 13 22.05) 9-2|0-0104| J0-0101° || 13] 10-8 | 22.7 | 3-5 0-0117 15) 13.2 | 22.0 | 7-.7|0-.0117 ı 14 unmessbar 16 unmessbar na 2107 22 0-0138 14 13-4 | 22.05) 4-3 0-0120 5) 111722581272 020123 12 13.5 | 22.0 1.5 ee) Mittel || 16] 11-5 | 22.8 | 1-1/0-0155 13) 13.5 | 22.0 | 1.4|0-0133| J0-0139” | Ich habe von diesen Versuchen Nr. 134, 138, 139, 140, 141, 142 m den Curven (Taf. IX, X) wiedergegeben; die Curven sind nach demselben Prineip wie die früheren construirt; die Abscisse bedeutet also die Höhe der Zuckungen, die Ordinate die entsprechende Latenzdauer. Die vollständig ausgezogene Linie bezieht sich auf den nicht curarisirten Muskel; die unter- brochene auf den curarisirten. Schon längst ist durch die Versuche von Rosenthal bekannt, dass der Muskel eine viel geringere specifische Erreshbarkeit als der Nerv be- sitzt; daher sehen wir auch aus den vorliegenden Versuchsbeispielen, dass beim nichteurarisirten Muskel noch Zuckungen erhalten werden bei einem kollenabstand, wo der curarisirte Muskel lange nicht mehr zuckt. Diese Zuckungen müssen also durch die intramusculären Nervenenden ausgelöst sein. Wenn wir dieselben mit den gleich grossen Zuckungen beim cura- risirten Muskel vergleichen, so finden wir, dass jene in der Regel eine nicht unbedeutend grössere Latenzdauer haben, denn wir sehen, dass bei allen Versuchen, mit Ausnahme je einer Beobachtung in den Versuchen Nr. 138, 141, 142, die Latenzdauercurve des nichtcurarisirten Muskels um !/, bis 1 °® höher verläuft wie diejenige des curarisirten, oder mit anderen Wor- ten bei gleich starken untermaximalen Zuckungen ist die Latenzdauer des nichteurarisirten Muskels 0.001” bis 0.002” grösser als diejenige des cura- risirten. | Der Reiz aber, wodurch gleich starke Zuckungen hervorgebracht wor- den sind, ist bei curarisirten Muskeln viel stärker als bei nichteurarisirten. Die Ursache der kürzeren Latenzdauer der Zuckungen des curarisirten Muskels kann aber nicht darin liegen. Wenn wir die Versuche, welche die verschiedene specifische Erregbarkeit der Nerven und Muskeln begrün- den sollen; näher betrachten, so werden wir finden, dass ihre Auslegung ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. 291 lange nicht so einfach ist, wie man es gewöhnlich sich denkt. Reizen wir z. B. mit Induetionsströmen einen curarisirten Muskel, so wird die Muskel- substanz direct von der strömenden Elektrieität erregt; wird die Muskel- zuckung aber vom Nerven aus ausgelöst, so wissen wir gar nichts darüber, durch welche Kraft die Muskelerregung stattfindet, denn wir haben ja keine Ahnung von der wirklichen Beschaffenheit der Nervenerregung und wie sie auf den Muskel übertragen wird. Wir vergleichen also einerseits eine elektrische Stromschwankung bestimmter Art, andererseits den durch den Nerven dem Muskel zugeführten Bewegungsimpuls.! Dasselbe gilt von der directen Reizung des nichtcurarisirten Muskels mit Reizstärken, welche um den curarisirten Muskel zu erregen, nicht genügen; auch hier wird der Muskel durch die unbekannte Bewegungsart der Nervenerregung gereizt. Wir haben also hier zweierlei Reize: den Oeffnungsinductionsstrom und die Nervenerregung, welche nicht näher mit einander zu vergleichen sind. Wenn wir annehmen dürften, dass bei der Nervenreizung eine wirkliche Kraftverwandlung stattfinden könnte, d. h. dass die gesammte lebendige Kraft des Reizes in Nervenerregung verwandelt werden sollte, ohne dass dabei irgend eine sogenannte „Auslösung“ aufträte, so würde natürlich die hier zu betrachtende Nervenerresung, absolut genommen, einen schwächeren Reiz darstellen, als die Oeffnungsinduetionsströme, welche bei curarisirtem Muskel ebenso grosse, submaximale Zuckungen hervorrufen. Wie sich die Sache wirklich verhält, darüber wissen wir nichts. Wir wissen aber, dass der Muskel jedenfalls für den Nervenreiz empfindlicher ist. Diese Betrachtungen zeigen, dass wir keine Berechtigung haben den direeten Reiz durch Oefinungsinductionsströme mit demjenigen unter Ver- mittelung der Nerven zu vergleichen. Wir müssen uns daher zu der Wir- kung der beiden wenden und können — mit der bei einem so wenig bekannten Gegenstand nöthigen Reserve — kurz als Maass der Er- regungsstärke die Muskelzuckung anwenden. Wenn zwei Zuckungen des- selben Muskels gleich stark sind, wenn der Verlauf der Curven ungefähr übereinstimmt, werden wir sagen können, dass — mit Rücksicht auf den augenblicklichen Zustand des Muskels — diese von gleichwerthigen Reizen ausgelöst sind. Ich sage absichtlich nicht gleichstarken, sondern gleichwerthigen Reizen, weil ich damit ausdrücklich betonen will, dass die Art des Reizes von der grössten Bedeutung ist und bei einer günstigeren Reizart, wie es der Fall mit der Nervenerregung ist, eine kleinere absolute Reizstärke genüst, um die Zuckung auszulösen. Wir haben also durch zwei gleichwer- thige Reize zwei Zuckungen, die eine vom curarisirten, die andere vom ! Vergl. Tigerstedt, Studien über mechanische Nervenreizung. Helsingfors 1880. S. 86. 222 ROBERT TIGERSTEDT: nichteurarisirten Muskel erhalten; die Höhe der Zuckung, der Verlauf der Curve sind in beiden nahezu übereinstimmend, die Latenzdauer ist aber beim nichteurarisirten Muskel um 0.001” bis 0.002” länger. Die Ursache dieser Erscheinung kann zweierlei Art sein. Wie wir oben gesehen haben, ist die Art des Reizes nicht ohne Einfluss auf die Latenz- dauer; so ist z. B. die Latenzdauer der Schliessungszuckungen nicht un- bedeutend grösser als diejenige der Inductionszuckungen, wenn man nicht sehr starker Ströme sich bedient. Es könnte sein, dass die Nervenerregung ebenso wie der constante Strom in Folge eines trägeren Verlaufes an und für sich eine grössere Latenzdauer bedingte. Oder es könnte die Ursache der uns beschäftigenden Erscheinung, wie Bernstein es annimmt, darin liegen, dass die Endapparate der Nerven eine specifische Latenzdauer haben. Wenn wir die Erfahrungen über den Gang der Curarevergiftung uns vergegenwärtigen, so müssen wir, meines Erachtens, für die letztere Er- klärungsweise uns entscheiden. Es zeigen nämlich alle Untersuchungen über die Einwirkung des Curare, dass dieses Gift die Nervenendapparate lähmt. Bei fortschreitender Vergiftung wird, bei Reizung vom Nerven aus, die Zuckungshöhe immer kleiner und die Latenzdauer immer grösser: in den intramusculären Nervenendapparaten wird ein immer stärkeres Hinder- niss für die Uebertragung der Erregung vom Nerven auf den Muskel gesetzt. Ich sehe wohl ein, dass hier nicht ein absoluter Beweis dafür vorliegt, dass auch im völlig normalen Muskel die betreffenden Endapparate irgend ein derartiges Hinderniss stellen, diese Anschauung wird aber durch die eben eitirte Thatsache der Curarevereiftung ein wenig wahrscheinlicher. Dasselbe gilt von den Rheotomversuchen Bernstein’s, welche an und für sich keine absolute Beweiskraft in dieser Hinsicht besitzen, jedoch die von ihm ver- tretene Ansicht wahrscheinlich machen. Ich werde also die Verzögerung der untermaximalen, von Nervenenden aus ausgelösten Zuckungen als durch die specifische Latenzdauer der Nervenendapparate bedingt auffassen, jedoch mit der Reserve, die in den vorhergehenden Betrachtungen liest. Diese Latenzdauer würde nach den hier vorliegenden Beobachtungen bei Zuckungen mittlerer Grösse ungefähr 0-001” bis 0.002” betragen. Ob die Latenzdauer der Endapparate constant oder von der Reizstärke abhängig ist, darüber wage ich nichts Bestimmtes zu sagen. Wie eine Be- trachtung der Curven der Latenzdauer beim curarisirten und nichteura- risirten Muskel zeigt, verlaufen beide Curven wenigstens bei Zuckungen mittlerer Grösse einander fast parallel. Wenn wir aber die aus den m Kapitel IV mitgetheilten Versuchen construirte, auf der Zuckungshöhe als Abscisse bezogene Curve der Latenzzeiten mit der entsprechenden Curve des curarisirten Muskels vergleichen, so finden wir, dass bei jener die Latenz- dauer bei den kleinsten Zuckungen viel steiler als bei dieser aufsteigt. ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. .223 Man könnte hieraus, wie aus einigen der Parallelversuche an demselben Muskel vor und nach der Curarevergiftung schliessen, dass bei kleiner Reiz- stärke auch die Latenzdauer der Nervenendapparate zunimmt. Die Versuche sind aber nicht vollständig beweisfähig. Bei den ersten Versuchen über die Abhängigkeit der Latenzdauer von der Zuckungshöhe, wurde der Induetions- reiz durch Variirung der Stärke des primären Stromes verändert. Dadurch war es möglich eine ziemlich grosse Anzahl sehr kleiner und minimaler Zuckungen zu erhalten. Bei den Versuchen aber, welche in diesem Kapitel mitgetheilt sind, wurde die Reizstärke durch Veränderung des Rollenab- standes bei gleichstarkem primären Strome varürt. Bei Anwendung der letzteren Methode ist es ausserordentlich schwierig ganz kleine Zuckungen zu bekommen, weil man nur um 2 bis 3ww den Rollenabstand zu verändern braucht, um von ungenügenden zu mittleren oder sogar maximalen Reizen zu kommen. Das an der Scala des Inductionsapparates gemessene Reizintervall, innerhalb dessen sehr kleine und ganz minimale Zuckungen erhalten werden können, ist also ausserordentlich beschränkt. Dies gilt besonders bei dem nichteurarisirten Muskel. Daher zeigen meine Parallel- versuche an demselben Muskel, nichteurarisirt oder curarisirt, verhältniss- mässig wenige ganz kleine Zuckungen; in Folge dessen ist das zum Ver- gleich der Curve der Latenzdauer bei curarisirten und nichteurarisirten Muskeln dienende Beobachtungsmaterial eben bei den kleinsten Zuckungen nicht vollständig genügend, obgleich es scheint, als ob wirklich die Latenz- dauer der Nervenendapparate bei kleinerer Reizstärke zunähme. Wenn wir jetzt zu den maximalen Zuckungen übergehen, so müssen wir die angeführten Versuche in zwei Abtheilungen ordnen: 1) Diejenigen, bei welchen die Maximalzuckungen vor und nach der Curarevergiftung gleich gross sind, und 2) die Versuche, bei welchen die Maximalzuckungen des curarisirten Muskels kleiner als diejenigen des nichtcurarisirten sind. Bei den ersteren — hierher gehören die Versuche Nr. 135, 136 — finden wir, dass die Latenzdauer des curarisirten und des nichteurarisirten Muskels gleich sind; die betreffenden Zuckungen müssen also in beiden Fällen durch directe Reizung der Muskelsubstanz ausgelöst gewesen sein. Diese Latenzdauer beträgt durchschnitt- lieh beim Versuch Nr. 135: 0-0056”, bez. 0.0053” beim Versuch Nr. 136: 0.0057” bez. 0-0055”. Ferner finden wir beim Versuche Nr. 135 eine maximale , Zaekung, erhalten beim Rollenabstand 12, welche die beträchtliche Latenzdauer von 0-0077” hat; nach der Curarisirung finden wir aber keine maximale Zuckung mit einer so langen Latenzdauer. Ebenso sehen wir beim Versuch Nr. 136 - maximale Zuckungen, erhalten beim Rollenabstande 10 bis 11-5, welche eine Latenzdauer von 0.079” bis0-0085” haben, nach der Curarisirung haben alle maximalen Zuckungen eine kurze Latenzdauer, welche nur zwischen 0.0050” bis 0.0056” schwankt. Diese in Parallelversuchen an demselben Muskel 224 ROBERT TiGERSTEDT: erhaltenen Resultate bestätigen also vollständig meine oben ausgesprochene Anschauung der entsprechenden Zuckungen in den Versuchen 10 bis 22 (S. 155—162), nämlich, dass sie nicht durch direete Reizung des Muskels, sondern nur unter Vermittelung der Nervenenden ausgelöst sind. Ihre Latenzdauer ist daher um diejenige der Nervenendapparate vermehrt. Bei den Versuchen, welche zu der zweiten Abtheilung gehören (Versuche Nr. 134, 138,139, 140, 141, 142), sind die maximalen Zuekungen beim nicht- curarisirten Muskel viel stärker als beim curarisirten, die Latenzdauer ist aber überall dieselbe. Nachdem wir gefunden haben, dass die Nervenenden eine eigene Latenzdauer haben, so ist es ganz deutlich, dass alle beiden Zuckungen durch directe Reizung der Muskelsubstanz ausgelöst sind. Was ist aber die Ursache davon, dass die Zuckungen beim nichtcurarisirten Muskel so viel grösser sind, wie esz. B. in den Versuchen Nr. 137, 138, 140, 141 der Fall ist? Man könnte von vorne herein glauben, dass dies eine Folge des Curare wäre, dass durch das Gift die Muskelsubstanz beschädigt worden sei. Diese Annahme wird, wie mir scheint, ziemlich unwahrscheinlich, wenn wir uns erinnern, dass dennoch die Latenzdauer in beiden Fällen unver- ändert ist. Und wenn wir die entsprechenden Muskelcurven beobachten, so werden wir finden, dass diese Erklärung gar nicht statthaft ist. Ich habe in Fig. 1 (Taf. XI) die Zuckungscurven des Muskels (Versuch Nr. 142) vor und nach der Curarisirung so treu wie möglich abgebildet. Wir sehen, dass die Curven der maximalen Zuckungen beim nichteurarisirten Muskel einen ganz anderen Verlauf darstellen als diejenigen des curarisirten Muskels. Diese haben die gewöhnliche Form der Muskelzuckungen, jene heben sich wie gewöhnlich im Beginn langsam, steigen dann aber ziemlich steil in die Höhe; ihr ganzer Verlauf deutet darauf, dass hier irgend eine Summirung vorliegt, und wenn wir nach deren Ursache fragen, so werden wir ohne Schwierigkeit eine befriedigende Erklärung finden. Wenn wir einen Inductionsstrom durch den Muskel senden, so reizen wir dadurch sowohl die Muskelsubstanz selbst als auch die Nervenenden. Wir nehmen an, dass der Strom durch directe Reizung des Muskels eine maxi- male Zuckung hervorrufen kann. Diese beginnt also nach einer Latenz- dauer von ungefähr 0.0050”. Die Nervenenden werden aber auch gereizt und in denselben eine Erregung ausgelöst; diese Erregung hat aber eine gewisse Latenzdauer von 0.001” bis 0.0027; die vom Nerven aus kommende Erresung muss also den Muskel einige Augenblicke später als die direete Reizung treffen. Wenn die zeitlichen Verhältnisse zwischen den beiden Reizungen, die directe und die unter Vermittelung der Nervenenden her- vorgerufene, günstig sind, so tritt eine summirte Zuckung auf; dies wäre die Ursache der übermaximalen Zuckungen beim uncurarisirten Muskel.! ! Vergl. Sewall, Journal of physiology. 1879. t. II. p. 164—190. en nn nn un mn _ mm mm gr mt U ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG, 295 In Folge der eigenen Latenzdauer der Nervenenden ist also eine bisher nicht berücksichtigte Art von Summationserscheinungen nachgewiesen. Dass diese Summation nicht immer auftritt, liegt in der Natur der Sache, denn nach den Untersuchungen von Helmholtz und von Sewall rufen zwei maximale Reize eine summirte Zuckung nur hervor, wenn die zeit- lichen Verhältnisse zwischen den beiden Reizen sich besonders günstig ‚ stellen. Wenn wir die in diesem Kapitel näher erörterten Thatsachen noch einmal zusammenfassen, so finden wir also, dass: bei Reizungen maximaler Stärke die Muskelsubstanz direct maximalerreet wird; der Muskel mag curarisirt sein oder nicht, die Latenzdauer ist unverändert, wenn nicht die Vergiftung so weit fortgeschritten ist, dass dadurch eine tiefere Beschä- digung des Muskels stattgefunden hat; zu selber Zeit werden aber bei nicht-curarisirtem Muskel die Nervenenden erregt; die Nervenendapparate haben eine eigene specifische Latenzdauer, welche nach meinen Bestim- mungen ungefähr 0-001”— 0'002” beträgt; daher trifft die Rei- zung vom Nerven aus den Muskel später als die directe Rei- zung; bei günstigen zeitlichen Verhältnissen kann daher eine summirte Zuckung erscheinen; bei nicht-curarisirtem Muskel treten bei schwächerer Reiz- stärke zuweilen maximale Zuckungen mit längerer Latenzdauer auf; sie sind durch Reizung von dem Nerven aus bedingt; ihre Latenzdauer ist den anderen maximalen Zuckungen gegenüber durch die specifische Latenzdauer der Nervenendapparate ver- mehrt; die Zuckungen mittlerer und minimaler Höhe haben bei nieht-curarisirtem Muskel eine längere Latenzdauer wie gleich grosse Zuckungen beim curarisirten Muskel; jene werden durch Reizung vom Nerven aus ausgelöst und haben daher eine um die Latenzdauer der Nervenendapparate verlängerte Latenz- dauer; die specifische Latenzdauer der Nervenendapparate im Muskel scheint beiAbnahme derReizstärke zuzunehmen; dies ist jedoch nicht einwurfsfrei bewiesen. Archiv f.A.u. Ph. 1885. Physiol. Abthlg. Suppl.-Bd. 15 226 ROBERT TIGERSTEDT: Neuntes Kapitel. Die Latenzdauer der Muskelzuckung in ihrer Abhängigkeit von der zu bewegenden Masse. Sämmtliche Forscher, welche den zeitlichen Verlauf der Muskelzuckung untersucht haben, stimmen darin überein, dass derselbe nicht unbeträchtlich verzögert wird, je grösser die zu bewegende Masse ist. Freilich existiren bis jetzt kaum einige ganz reine Versuche über die Abhängigkeit der La- tenzdauer von der Masse, denn bei fast allen derartigen Versuchen hat man zu gleicher Zeit sowohl die Masse, wie die Spannung des Muskels vermehrt, indem man sich equilibrirter Schwungmassen nicht bedient, sondern die Masse als vermehrte Belastung dem Muskel angehängt hat. Meines Wissens hat nur Fick die Regel beobachtet, dass wenn man den Einfluss der zu bewegenden Masse auf den zeitlichen Verlauf der Muskel- zuckung untersuchen will, man jede durch dieselbe bedingte Dehnung ver- meiden muss und also nur equilibrirte Schwungmassen verwenden darf.! Leider hat er dabei nicht die Latenzdauer bestimmt; aus seinen Curven sieht man aber, dass besonders der Anfang der Zuckung sehr verzögert ist im Vergleich mit entsprechenden Zuckungen ohne Schwungmassen. Ich habe Versuche über die Bedeutung der zu bewegenden Masse für die Latenzdauer in zwei Reihen ausgeführt. In der ersten habe ich eine möglichst minimale Belastung angewandt; der Muskel war nur vom Hebel I gespannt. Um die Masse des Hebels möglichst zu verkleinern habe ich darauf verzichtet die Zuckungshöhen aufzuschreiben und also keine Schreib- spitze am Hebel befestigt. Weil bei dieser minimalen Belastung die Span- nung des Muskels sehr klein und also die Einstellung des Contactes sehr schwierig war, habe ich in den betreffenden Versuchen auch Beobachtungen gemacht, bei welchen entweder um die Axe oder um die an derselben befestigten Rolle durch einen Faden ein Gewicht von 202m angebracht war; die durch dasselbe bewirkte vermehrte Spannung des Muskels betrug im ersten Falle 12%, im zweiten 2.58%, Der Muskel war stets uncura- risirt; vor dem Beginn des Versuches fand keine Extradehnung statt. Der Muskel wurde stets mit übermaximalen Oeffnungsinductionsströmen (1 Grove, Rollenabstand = 0) gereizt. In der zweiten Reihe dieser Versuche habe ich den Hebel I benutzt und die Schwungmassen in der früher angegebenen Weise daran befestigt; wie bei allen übrigen Versuchen mit alleiniger Ausnahme der eben be- 1 Vergl. Fick, Mechanische Arbeit und Wärmeentwiekelung bei der Muskel- thätigkeit. Leipzig 1882. S. 120 ff. ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG,. 227 sprochenen wurde die Zuekung auf die registrirende Trommel aufgeschrie- ben. Uebrigens wurden die betreffenden Versuche ganz in derselben Weise wie in Reihe I ausgeführt. Reihe I. Minimale Masse und minimale Spannung. Versuch 42. 20. Februar 1884. Muskel angehängt ohne Extra- gewicht 10% 15; Beginn des Versuches 10% 307; Ende 11" 30°; Länge des Muskels 30 9m, | 1} h tm | Latenzdauer | Nummer Temperatuı se | Hebel allein 92, $ Latenzdauer, Mittel 0-0037' ; z n 0 on Mittlerer Fehler + 0-0006” : 0.0088 ı Wahrscheinlicher Fehler der einzelnen Be- 3 24.8 0-0037 obachtung + 0-0004” 4 95.1 0-0035 Wahrscheinlicher Fehler des Mittels 5 25.1 0-0050 un 17 25-0 0.0035 18 25-0 0.0039 19 25-0 0.0045 20 25-0 0.0032 21 25-0 0-0034 22 25-0 0.0031 28 25.0 0.0029 24 25-0 0.0035 Hebel +1-0:m, 6 25-1 0-0034 | 7 Mikklerer Weiler 0.0008" T 25-1 0-0031 Wahrscheinlicher Fehler der einzelnen Be- (6) ae 0.0039 obachtung + 0-0004 9 95.1 00032 ne Fehler des Mittels 10 25-1 0.0043 il 25-1 0-0034 12 25-05 0-0035 13 25-0 0.0047 14 25-0 0-0035 15 25-0 0.0050 16 25-0 0.0039 228 Versuch 44. gewicht 3® 15’; Muskels 28m, Nummer Temperatur ROBERT TIGERSTEDT: 20. Februar | Latenzdauer | in Sec. 1884. Muskel angehängt ohne Extra- Beginn des Versuches 3% 40°; Ende 4" 12’; Länge des Hebel allem, 18.9 0-0047 18-9 0.0048 18-9 0-0051 18.9 0:0048 18-9 0-0047 18-9 0.0047 18-9 0.0056 18-9 0.0047 18-9 0.0047 18-9 00047 18-9 0.0053 Hebel + 1.0:m., 18-8 0.0048 18-8 0.0053 18-8 0.0045 18:85 0.0048 18.9 0.0047 18.9 0.0048 18-9 0.0051 18-9 0.0047 18-9 0.0047 18.9 0.0050 19-9 0.0049 18.8 0.0048 18.8 0.0042 18.8 0.0048 Latenzdauer, Mittel 0-0049' Mittlerer Fehler £ 0-0003” Wahrscheinlicher Fehler der einzelnen Be- obachtung + 0.0002" Wahrscheinlicher Fehler des Mittels + 0-0001” Latenzdauer, Mittel 0-0048° Mittlerer Fehler # 0-0003' Wahrscheinlicher a der einzelnen Be- obachtung + 0-000 Wahrscheinlicher RES des Mittels = 0:0001” Versuch 45. 20. Februar 1884. Muskel angehängt ohne Extragewicht 4b 15’; Beginn des Versuches 4" 42°; Ende 5" 17’; Länge des Muskels 26mm, Nummer | Temperatur Latenzdauer in Sec. Hebel allein. I ” ittlerer Fehler . 2 17.9 0. 0050 Wahrscheinlicher Fehler der einzelnen Be- 3 17.9 0.0050 obachtung + 0-0003" 4 17.9 0.0051 Wahrscheinlicher Fehler des Mittels 5 17-95 0-0047 + 0.0001” 6 17-95 0.0050 Nummer ÜBer DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. (Versuch 45. Versuch 46. 21. Februar Nummer N SOXODI9UPBVOD- Do De “Hebel allei Temperatur in Sec. Temperatur er 18-0 0.0050 15-0 0.0055 18-0 0.0049 18-0 0.0055 18-0 0.0045 17-9 0.0045 17-8 0.0048 17.8 0.0040 138 0.0053 17.8 0.0042 Hebel +1-0s5m, 18.0 0.0045 18:0 0.0040 18-0 0.0050 18:0 0.0050 18-0 0-0047 . 18-0 0.0048 17.95 0:0042 17-95 0.0045 17:95 00047 17.95 0-0055 17.9 0.0046 229 Fortsetzung.) Latenzdauer, Mittel 00047" Mittlerer Fehler £ 00004” Wahrscheinlicher Fehler der einzelnen Be- obachtung + 00003” Wahrscheinlicher Fehler des Mittels 0-0001" 1884. Muskel angehängt ohne Extra- gewicht 10% 20’; Beginn des Versuches 10" 35’; Ende 11® 17’; Länge des Muskels 28 “m, | Latenzdauer | 20-1 20-2 20-3 20.4 unmes 20-5 20.55 20-6 20-65 20-7 20-9 20-9 n. 0.0047 0.0039 0.0039 0.0042 sbar 0.0039 0.0051 0.0039 0.0037 0.0039 0.0034 0.0031 Latenzdauer, Mittel 0.0038 Mittlerer Fehler + 00005” Wahrscheinlicher Fehler der einzelnen Be- obachtung + 00003” Wahrscheinlicher Fehler des Mittels + 0.0001" 230 ROBERT TIGERSTEDT: (Versuch 46. Fortsetzung.) Nummer | Temperatur ne 23 20.9 0.0032 24 20-9 0.0035 25 20.9 0.0032 26 20.9 0.0039 Zau 21-0 0.0034 28 21.0 0.0037 Hebel + 1.0: m. 1 a : 004 ittlerer Fehler + 0- 12 20 3 0.0043 Wahrscheinlicher Fehler der einzelnen Be- 13 20.35 0.0039 obachtung + 0-0003'' 14 20-9 0.0034 Wahrscheinlicher Fehler des Mittels 15 20-9 0:0042 + 0-0001” 16 20.9 0.0032 17 20.9 ' 0.0039 18 20.9 0:0037 19 20-9 0.0039 20- 20.9 0.0040 Versuch 47. 21. Februar 1834. Muskel angehängt ohne Extragewicht 11% 20°; Beginn des Versuches 11 43°; Ende 12% 18’; Länge des Muskels 2m I Nummer | Temperatur | Latenzdauer | in Sec. - OOSOQODÄAI9TROD m Free} atom Hebel + 1.0.2, 21-5 0.0040 21-3 0.0042 21-35 0.0039 21-15 0.0055 21-1 0.0042 21-0 0.0043 20-9 0.0039 20-85 0.0048 20.8 0.0043 20.7 0.0045 ° Hebel + 2-5. m, 20-6 0.0040 20°6 0.0045 20-5 0.0037 20-5 0.0039 20.4 0.0045 Latenzdauer, Mittel 0-0044” Mittlerer Fehler + 00005” Wahrscheinlicher Fehler der einzelnen Be- obachtung + 0.0003” Wahrscheinlicher Fehler des Mittels + 0.0001" Latenzdauer, Mittel 0-0040" Mittlerer Fehler #0-0003' Wahrscheinlicher Fehler der einzelnen Be- obachtung + 0-0002” Wahrscheinlicher Fehler des Mittels = 0.0001” - Beginn des Versuches 5R 15’; Nummer | Temperatur 16 20.35 17 20.35 18 20-3 19 20-25 20 20.25 0 Latenzdauer in 0: 0. 0: Sec. 0041 0-0039 0037 0037 0035 (Versuch 47. ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. 231 Fortsetzung.) Versuch 50. 21. Februar 1884. Muskel angehängt ohne Extragewicht? Ende 5% 48’; Länge des Muskels 29 mm, Latenzdauer br Nummer | Temperatur a Hebel +1-08", 1 22.7 00037 2 22.8 00036 3 23-0 0.0039 4 | 000837 5) 23-15 00040 6 23.2 0.0039 rt. 23-3 0.0036 8 23.4 00035 9 23.4 0-0045 10 23.95 0.0039 11 23-6 0.0034 Hebel +2.5:m, 12 DIET 00040 13 2ou7. 00038 14 23°7 00037 15 231 00039 16 23.75 00031 17 2328 00035 18 23°8 00036 19 23°8 0-0037 20 238 0.0042 2] 23°8 00047 22 23:85 00036 Latenzdauer, Mittel 0-0038” Mittlerer Fehler £ 0.0003’ Wahrscheinlicher Fehler der einzelnen Be- obachtung + 0-0002” Wahrscheinlicher Fehler des Mittels = 0.0001" Latenzdauer, Mittel 0-0038’ Mittlerer Fehler £ 0.0004 Wahrscheinlicher Fehler der einzelnen Be- obachtung + 0:0003" Wahrscheinlicher Fehler des Mittels + 0:0001” & Wenn wir berücksichtigen, dass bei diesen Versuchen die Temperatur in der Regel eine ziemlich hohe war (17.8° bis 25-1° C.), so können wir ' aus diesen Versuchen nichts anderes schliessen, als dass auch bei sehr ge- 232 ROBERT TIGERSTEDT: ringer Masse die Latenzdauer nicht unter denjenigen Werth sinkt, den wir bei der Anwendung des Hebels I in den früheren Versuchen gefunden haben. Ferner sehen wir, dass eine kleine Vergrösserung der Spannung des Muskels keinen Einfluss auf die Latenzdauer ausübt. Bei einigen Ver- suchen ist sogar die Latenzdauer bei stärkerer Spannung kürzer, als bei kleineren (vergl. Versuch 44, 45, 47); der Unterschied ist aber überall so gering, dass er vollständig innerhalb der Grenzen der Versuchsfehler fällt, und übrigens ist es leicht erklärbar, wenn bei sehr schwach gespanntem Muskel, die nach meiner Methode bestimmte Latenzdauer zuweilen ein wenig länger ausfallen würde, denn die Einstellung des zeitmessenden Con- tactes ist unter diesen Umständen bedeutend schwieriger als sonst. Reihe II. Constante Spannung; die zu bewegende Masse wird bis zu 200% gesteigert. Versuch 144. 19. Mai 1884. Muskel angehängt 1154); des Versuches 12" 8°; Ende 12% 45’; Länge des Muskels 34 "m, Höhe der Beginn Nummer | Temperatur Auekan 8 Tabenz pet 1 21.025 15°9 0-0051 a BE ea 9 21-8 16-3 0:0047 ur Hebel; Latenzdauer, 3 21-3 16-4 0.0048 Mittel! 0.0049" 4 DRS 26-1 0.0050 er 45 ; ım Schwungmasse; : a 2 e 2 ” ae r | Latenzdauer, Mittel 0-0049' 7 unmessbar 8 216 7731-6 0-0051 100 grm Schwungmasse; 9 21-65 32-1 0-0052 Latenzdauer, Mittel 0-0051” 10 21-7 33-1 0-0050 ul 21-7 30-8 0.0050 12 21-75 30-6 0-0061 ee nn ; i £ rm Schwungmasse; en a un Or Latenzdauer, Mittel 0.0051” 15 21-9 30-6 | 0.0048 Versuch 145. 19. Mai 1884. Muskel angehängt 5* 8°; Beginn des Versuches 5# 23°; Ende 5" 53’; Länge des Muskels 25m, Höhe der Nummer , Temperatur Zuckung Tan in Mm. ; 1 21.3 13-2 00058 en © > : ur Hebel; Latenzdauer, 2 | 215 100 | 0-0068 en ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. 233 (Versuch 145. Fortsetzung.) Nummer | Temperatur che el | in Mm. 3 4 _ unmessbar j | x 5 u 2 : aka, | 40 grm Schwungmasse; E 7 91.45 90-5 0.0053 | Latenzdauer, Mittel 0-0053” ; en > 4 | 100 grm Schwungmasse; 13 91.5 29.4 0.0064 | Latenzdauer, Mittel 0-0060" N 5, > FR ne | 200 grım Schwungmasse; 12 | 21-5 39-9 0-0061 | Latenzdauer, Mittel 0-0060" Versuch 146. 19. Mai 1834. Muskel angehängt 5" 58’; Beginn des = Versuches 6" 14’; Ende 6" 45’; Länge des Muskels 35 "". # Höhe der | Nummer | Temperatur Zuckung an in Mm. ; 1 20°45 18-5 0.0042 | N abacd 2 20-5 18-4 0:-0045 | ur eDe atenzAauer, 3 20-55 18-5 0-0085 Mittel 0-0044° 4 unmessbar 5) 2057 32-8 0-0053 1 = e . .005 grm Schwungmasse; : a $ | = en 5 | Latenzdauer, Mittel 0-0052° 8 20:75 39.7 0.0048 | 9 20-8 39.8 0.0040 100 grm Schwungmasse; 10 20-8 40:0 _ 0:0048 | Latenzdauer, Mittel 0-0050" 11 20-8 38-9 0.0064 12 20:9 40-0 0.0047 200 a 7 . erm Schwungmasse; n = z Es ie n nn Latenzdauer, Nittel 0-0054” Versuch 147. 20. Mai 1884. Muskel angehängt 10° 20°; Beginn des Versuches 10" 42°; Ende 11® 12’; Länge des Muskels 33 "", Höhe der | Nummer | Temperatur Zuckung - en _ in Mm. se: 1 20.6 20-1 0.0043 2 2120 20-1 0.0050 Nur Hebel; Latenzdauer, 3 21:0 20:5 0:0050 Mittel 0-0048” 4 21.0 20-6 0.0047 234 ROBERT TIGERSTEDT: (Versuch 147. Fortsetzung.) Höhe der Nummer | Temperatur ne rn 5 21-1 5526 2 0700:0050° N oT - b : grm Schwungmasse; : a : m = { | i oo | Latenzdauer, Mittel 0-0044” | 8: 21-25 40.7 0.0050 A 2 004 ım Schwungmasse; in En s 5 R f : 1 3 nn Latenzdauer, Mittel 0 0046” 1lıl 21.4 | 41-6 0.0047 12 21.45 | 41.2 unmessbar 200 grm Schwungmasse; 13 21608 41-4 0:0051 Latenzdauer, Mittel 0-0054” 14 21-6 41-4 0.0058 15 21.65 41.8 0.0058 Versuch 148. 20. Mai 1884. Muskel angehängt 12. 37’; Beginn des Versuches 12" 40’; Ende 1% 0; Länge des Muskels 33 “m, I} Höhe der ST b Nummer | Temperatur | Zuckung en ze | in Mm. \ 1 21-4 20-3 0-0043 2 21-5 20:0 0-0037 | | Nur Hebel; Latenzdauer, 4 1.8 32.7 0.0045 5 an .85 32.7 00048 | 407m Schwungmasse; 6 21.9 93.7 0-0042 Latenzdauer, Mittel 0-0043 7 2. 3.9 - O047 8 5 in n 0 ni 2 | 100 g:m Schwungmasse; 9 22.1 39.0 0.0042 Latenzdauer, Mittel 0-0044 1 22.1 39.1 0.0053 Mn 22.2 ae 0- iR 200 81m Schwungmasse; 12 29.2 95.5 0-0047 Bi Mittel 0-0049 Versuch 149. 20. Mai 1884. Beginn des Versuches 3" 38’; Ende 442’; Länge des Muskels 37 "", Höhe der k Nummer Temperatur Zuckung nn E | N a Latenzdauer 5 ur Hebel; Latenzdauer % % es | | Mittel 0-0038” ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. 235 (Versuch 149. Fortsetzung.) i Höhe der de u — Nummer | Temperatur Zuckung Es Dia 4 in Mm. E 4 21-9 40-8 0.0051 | 5 21°9 42+3 0.0048 | 40 gm Schwungmasse; 6 29-0) 49.8 0-0056 ı | Latenzdauer, Mittel 0-0052” 7 22-1 43.2 unmessbar ‘ R 0) 5 R a 9) | i sc a A | | . 100 grm Schwungmasse; 10 00.05 | 51.3 00048 | | Latenzdauer, Mittel 0-0045 3 51-4 0.0045 12 29.85 51-4 0.0048 | 202m Elan pnanad)) 13 99.4 | 51-6 0:0039 | Latenzdauer, Mittel 0-0044 Diese Versuche lassen aufs deutlichste den Einfluss der Schwung- "massen auf die Muskelthätiekeit erkennen; die Zuckungshöhe, ebensowie die Zuckungsdauer steigen im höchsten Grade; der Hebel wird gewaltig in die Höhe geschleudert und schwebt während des grössten Theils der Zuckung ganz frei. Bei den von mir angewandten Muskeln erreicht das Schleudern ihr Maximum bei 100m Schwungmaasse; bei noch vergrösserter Schwung- Masse (2002%) ist die Wurfhöhe entweder unverändert (Vers. 146, 147, 149) oder kleiner (Vers. 144, 145, 148). Dabei zeigt es sich aber constant, dass je grösser die Schwungmasse ist, um so länger ist die Zuckung, oder Tichtiger die Zeit, während welcher der Hebel über die Abseisse emporge- hoben ist; dies gilt auch in dem Falle, dass die Wurfhöhe bei grösserer ‚Schwungmasse kleiner wäre, wie bei geringerer.! \ Von diesen Versuchen ist Vers. 144, Fig. 10 abgebildet;? wenn wir aus den Muskeleurven die Latenzdauer bestimmen wollten, so könnten wir nicht umhin, die Latenzdauer bei grösserer Schwungmasse bedeutend länger zu finden. Die mittelst des elektrischen Signals gewonnenen Werthe für die betreffende Zeit zeigen jedoch, dass eine derartige Bestimmung gar nicht richtig wäre. Die oben mitgetheilten Versuche zeigen nämlich sämmt- ‚lieh, dass bei grösserer Schwungmasse die Latenzdauer freilich ein wenig | zunimmt, dass aber diese Zunahme ausserordentlich klein ist; wir haben ! Vergl. Fick, Mechanische Arbeit und Wärmeentwickelung bei der Muskelthätig- keit. Leipzig 1882. S. 110—130. | Bj * Bei den Zuckungen 7 a und 12a (siehe umstehende Curve) hat das Signal nicht | die Latenzdauer geschrieben, sie sind daher von der Versuchstabelle weggelassen. f 236 ROBERT TIGERSTEDT: Schwungmasse 144 ' 0.0049” 0.0049" 0.0051” | 0-0051” 145 0.0056” 0-0053° 00060” | 0.0060’ 146 0.0044” 0.0052” 00050” 0.0054” 147 0.0048” 0.0044” 0.0046” 0.0054” 148 0.0044” 0.0043” 0:0044” 0.0049” 149 0.0038” 0.0052” 0-0045°. | 0.0044” Der Unterschied der Latenzdauer bei Zuckung ohne Schwungmasse (= Hebel allein) und mit 200 =” ist höchstens 0.001” (Vers. 146), sinkt! aber bis zu 0.0002” (Vers. 144). Als Mittel aus nur wenigen Bestim- + mungen haben diese Werthe natürlich keinen Anspruch auf eine derartigen ı Genauigkeit, wie die früher mitgetheilten Versuche; darum zeigt sich auch ı Fig. 10. Versuch 144. zuweilen die Latenzdauer bei einer grösseren Schwungmasse kleiner als" bei einer geringeren, wie besonders im Versuch 149. Diese kleinen Un- regelmässigkeiten können aber unmöglich das Hauptresultat unsicher machen; im Gegentheil zeigen die hier mitgetheilten Versuche vollständig bestimmt, . dass, | wenn die vom Muskel zu bewegende Masse bis zu 2008m gesteigert wird, die Latenzdauer nur sehr wenig verlängert | wird und zwar höchstens um 0-001”, wenn die Latenzdauer beim ziemlich massenlosen Hebel mit derjenigen bei demselben ı Hebel + 200 sm Schwungmasse verglichen wird. | Bei durch äquilibrirte Massen gehemmter Zuckung wird also der Beginn der Zuckung nicht merkbar verzögert; die Verzögerung findet da- ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. 237 gegen im aufsteigenden Theil der einmal eingeleiteten Zuckung statt; daher löst sich die Curve nur sehr langsam von der Abseisse ab und bei alleiniger Betrachtung jener hat es den Anschein, als ob auch die ‘ TLatenzdauer dabei nicht unbeträchtlich verlängert wäre. Dies ist aber nicht der Fall; man merkt dennoch sogar an der Signalcurve, dass die Zuckung Jangsamer als sonst ansteigt, denn der Signalhebel wird nicht so schnell ) als sonst vom Elektromagneten vollständig losgelassen und es dauert also ‚eine längere Zeit, bevor die Exeursion des Signalhebels vollständig statt- ‚gefunden hat. | Ich will mich hier auf die Frage von der mechanischen Arbeit des ' Muskels und deren Abhängigkeit von der zu bewegenden Masse nicht ein- lassen; ich möchte aber nur bemerken, dass die hier mitgetheilten Erfahrungen r ein, wie mir scheint, nicht unwesentliches Supplement bilden zu den Unter- suchungen von Hermann über die Arbeitsleistung des Muskels bei ver- ‚ schiedener Belastung und minimaler Hubhöhe,! und denjenigen von Fick ‚ über den gesammten Arbeitsvorgang im Muskel.” Die nähere Betrachtung, wie die Arbeitsleistung des Muskels durch die Veränderung des zeitlichen Verlaufes der Zuckung, besonders in ihrem Beginn, beeinflusst wird, muss für eine andere Gelegenheit verschoben werden. Zehntes Kapitel. Die Latenzdauer der Muskelzuckung in ihrer Abhängigkeit von der Spannung des Muskels. Place ist, meines Wissens, der einzige Forscher, welcher die Latenz- ‘dauer der Muskelzuckung in ihrer Abhängigkeit von der Spannung des . Muskels rein, d. h. ohne Veränderung der zu bewegende Masse untersucht hat. Bei einem nach der oben beschriebenen Methode angestellten Versuche ohne Ueberlastung erhielt er, wenn die Anfangsspannung des Muskels von O0 bis 375 sm schwankte, für die Latenzdauer Werthe, welche zwischen 0.0038” und 0.0067” varirten. Die Latenzdauer war also ziemlich wenig abhängig von der Anfangsspannung. Da die Arbeit von Place, wie es scheint, nicht genügend bekannt ist, so erlaube ich mir, seinen ersuch hier abzudrucken. 1 Hermann, Dies Archiv. 1861. S. 369—396. > NER, Ei Or 08 338 ROBERT TIGERSTEDT: Anfangsspannung Latenzdauer Mittel Nummer Grm. Sec. 1., 31 0 0.0038 0.0051 0.0045 2., 30 25 0.0045 0.0054 0.0050 3, 29 50 0.0054 0.0063 0.0059 4. 28 75 0.0038 0.0054 0-0041 5., 27 100 0.0045 0.0054 0.0050 6., 26 125 0.0045 0.0045 0.0045 125 150 0-0045 0.0045 0-0045 S., 24 175 0-0054 0.0067 0-0061 Y 28 200 0.0054 0.0054 0.0054 10., 22 225 0-0063 0.0062 0-0063 Ill 250 0.0051 0.0063 0.0057 1220 275 0.0063 0.0056 0.0060 13., 19 300 0.0044 0.0054 0.0049 14., 18 325 0.0063 0.0063 0.0063 15,217 850 0.0054 0.0051 0.0053 16., 16 375 0-0063 0.0065 1 Systematische Bestimmungen der Latenzdauer bei einer gleichzeitig mit der zu bewegenden Masse vermehrten Spannung sind von Mendels- sohn, sowie von Yeo und Cash am Froschmuskel, von Richet am Krebs- muskel ausgeführt. Mendelssohn untersuchte, wie die Latenzdauer sich veränderte, wenn bei Vergrösserung der zu bewegenden Masse dieselbe mittels eines elasti- schen oder eines starren Zwischenstückes am Muskel angehängt wurde. Im ersten Falle fand er die Latenzdauer unverändert, wenn die Belastung von 30 bis 508% zunahm. Bei höherer Belastung nimmt die Latenzdauer zu; ihre Zunahme ist aber nicht proportional der Belastung, sondern wächst sprungweise: „ainsi, une charge de 50 grammes ayant determine un allonge- ment de la periode latente, les charges suivantes de 55, 60, ete. n’augmentent pas cet allongement; il faut arriver jusqu’a 75 grammes, par exemple, pour qu’une nouvelle augmentation se produise. A partir de 100 grammes environ jusqu’a 200, l’augmentation d&ja acquise ne s’exagere pas sensi- blement, bien que le muscle soit soumis & des charges relativement con- siderables“, Wenn die Masse mittels eines starren Fadens am Muskel angehängt war, nahm die Latenzdauer vom Anfang an stetig zu; die Zunahme war kleiner bei grösseren Massen.? Yeo und Cash fanden, dass bei grösserer Belastung die Latenzdauer ‘ Place, in Donders, Onderzoekingen gedaan in het physiologisch Laboratorium der Utrechtsche Hoogeschool. Tweede Reeks. 1867—1868. I. p. 104. ? Mendelssohn, Travaux du Laboratoire de M. Marey. 1880. t.IV. p. 132—135. Ä ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. 239 stetig zunimmt, z. B. von 0.011” bei Hebel allein bis 0.018” bei 100 sm \# - Belastung. ' Richet giebt nur an, dass mit grosser Belastung die Latenzdauer der Krebsmuskeln beträchtlich zunimmt.? Meine Versuche sind nach der oben (S. 132) beschriebenen Methode und zwar in zwei Reihen ausgeführt: in der ersten Reihe betrug die Anfangs- ‚ spannung 0 bis 100 2”, in der zweiten 100 bis250 8'”, Die Reizung geschah “ durch übermaximale ne uleiionscchiaee (1 Grove, Rollenabstand = 0); der Muskel (M. gastroenemius) war stets uncurarisirt. Vor der Reizung wurde der Muskel während 10 bis 15 Minuten durch eine etwas höhere Spannung als diejenige, bei welcher die ersten Reizungen geschahen, ge- _ dehnt. Bei jedem Grade der Spannung wurden 3 oder mehr Bestimmungen “ ü B ' &; = I 4 | gemacht. Wenn, nachdem diese Bestimmungen gemacht worden waren, die Spannung vergrössert werden sollte, liess ich, bevor der Versuch weiter fortgesetzt wurde, den Muskel während 5 en unter einer um 10 gm (Reihe I) oder 25s'm (Reihe 2) höheren Spannung stehen, damit die in - Folge der stärkeren Spannung bewirkte Nachdehnung möglichst ausgeschlossen werden sollte. Bei einigen Versuchen bin ich vom Maximum der zu unter- suchenden Spannung ausgegangen; es hat sich herausgestellt, dass die Er- gebnisse einerlei sind, ob man von dem niedrigsten oder von dem höchsten _ Grade der Spannung beginnt. Reihe I. Versuch 121. 30. April 1884. Muskel angehängt bei 10 °°% Spannung | 4" 50°; Beginn des Versuches 5" 14°; Ende 6® 5’; Länge des Muskels 39". Höhe der u es 1 14-9 2-1 | -0051 2 14-9 n ol ” es | Spannung ungefähr 5 Bm; 3 14-9 12.2 0-0055 Latenzdaner, Mittel 0-0053 4 15-05 14-1 0:0053 | i ” b) 15-05 14-3 0.0059 N 6 15-05 14-4 00063 Latenzdauer, Mittel 0-0058 7 15-15 14-5 0.0059 | a Re 8 15-15 14-8 00055 pannung zu, 9 15-15 14-9 0.0059 Latenzdauer, Mittel 0- 0058” 10 159-2 15.0 0-0058 | & En 11 15-2 15.9 0:0056 pannung 60cm; — 12 15-2 15-2 0-0056 Latenzdauer, Mittel 0-0057 13 15-2 15-3 0.0058 | R u 14 15-2 sen! unmesshar pannung SOem; — 15 15-2 15-2 0-0061 Latenzdauer, Mittel 0:-0059 1 Yeo and Cash, Proceedings of the Royal Society of London. 1881. Vol. 33. p. 465—466; — Vergl. auch Journal of physiology. 1883. t. IV. p. 203—205. ? Richet, Archives de physiologie. 1879. t. VI. p. 278 u. 279. 240 ROBERT TIGERSTEDT: Versuch 123. 1. Mai 1884. Muskel angehängt bei 10:"= Spannung 11" 50; Beginn des Versuches 12% 8; Ende 1" 0’; Länge des Muskels 34mm, Höhe der ß Latenzdauer Nummer | Temperatur Auch Se 1 15-4 9.7 0-0047 & a a 1 x annung ungefä grm, : n hs ai ion | Detenndate Mittel 0-0052” 4 1526 12.2 0-0069 | | R Spannung 20 grm; 2 ” : 0. ne | N Mittel 0-0062” 7 15-7 12.9 00059 8 15-7 13-0 0-0058 Spannung 40 Bm; 9 15265 13-0 0-0059 Latenzdauer, Mittel O- -0059 10 15-6 13:0 0.0058 11 15-6 13-2 0.0071 Spannung 60 srm; 12 15-6 13-3 0-0055 Latenzdauer, Mittel 0- 0060” 13 15-6 1322 00058 14 15.6. 13-1 0-0061 15 15-6 13-3 0.0056 Spannung 80 grm; 16 15-6 13-3 0:0071 Latenzdauer, Mittel 0-0063” 1% 15-6 13-5 unmessbar 18 15-6 12.9 0:0058 & in A 1 annun grm; ss re . 4 = Di ne ee Mittel 0-0056” Versuch 124. 2. Mai 1884. Muskel angehängt bei 108” Spannung 11% 43’; Beginn des Versuches 11" 59; Ende 1? 9; Länge des Muskels Se, Höhe der } x Latenzdauer Nummer | Temperatur un: user 1 14- 6.4 -0061 2 a 6-1 oe | Spannung ungefähr Sem; 9 13-95 6-0 0-0066 j Latenzdauer, Mittel O- 0063 4 14-05 112627 77.020053 s Be 5 14-05 12-3 000553 Bang SVEN R. 6 14.05 Dos 0-0055 Latenzdauer, Mittel 0: 0054 7 unmessbar 8 14-1 1392 0.0050 Spannung 40 rm; 9 are 13.4 0-0059 Latenzdauer, Mittel 0- .0055” 10 1lesaıı 13-5 0:0055 Lil 13-9 do 0-0061 ä a 12) 13-9 13-8 0.0059 a 13 13-9 13-8 0-0061 Latenzdauer, Mittel O- 0060 ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. 241 (Versuch 124. Fortsetzung.) Nummer 14 15 16 1% 18 19 Versuch 125. 2. Mai 1884. Mittel 0-0056 Spannung S0grm; Latenzdauer, Spannung 100 grın; | Latenzdauer, Mittel 0-0061” Höhe der Latenzdauer Temperatur Zuckung ns Temperatur In Alm. te 13-95 14-3 0% 0055 13-95 14.5 0.0051 13-95 145 0.0061 14-0 14-9 00057 14-0 149 0.0059 14-0 unmessbar | 00066 Muskel angehängt bei 10°” Spannung 3h 40°; Beginn des Versuches 3%59’; Ende 4" 48’; Länge des Muskels 33 vm Nummer | Temperatur | Zuckung nn in Mm N : 8 1 13-6 10°6 00061 | S RL. 92 13-7 10-5 00056 pannung ungefähr 5erm; 3 13-7 10-5 0-0055 | Latenzdauer, Mittel 0.0057 4 13°8 16 0°0067 5 13-8 14176 00066 Sp annung 20 grm; 6 1338 11-5 00055 Late edaen. Mittel 0-0062" 7 13°85 28 00059 (6) 39 Ill os 00067 x I; 9 13-9 1 O6) 00067 pannung 40 erm; 10 13 -9 Is 00063 en Mittel 0- 0066” l 13-9 1102! 0°0063 N m 12 1a) 11-4 00061 pannung 60 8m; 13 13-9 1:5 00067 . | Latenzdauer, Mittel 0- 0064” 14 140 110) 00061 a Be 15 140 10:9 0-0064 pannung 80 sım; 16 14-0 10:9 0-0063 | Latenzdauer, Mittel 0» 0063” ed 14°0 10.4 00067 15 140 1025 0-0056 S 0 19 14-0 10-3 0-0064 pannung grm; 20 14-0 10-2 0:0064 Latenzdauer, Mittel 0- 0063” 21 14-0 unmessbar | 0-0063 Versuch 128. 3. Mai 1884. Muskel angehängt bei 30 sı” Spannung 9» 40’; 959’ Spannung 110m; Beginn des Versuches 10% 4’; Ende 10635‘; Länge des Muskels 32 mm, Höhe der Latenzdauer Nummer |, Temperatur Anke in Sek 1 13-3 12-8 0-0069 : = . . :-005 yannung grm; : ne a ice atenrdarer, Mittel 0.0064” Archiv f. A.u. Ph. 1885. Physiol, Abthlg. Suppl.-Bd. 16 242 ROBERT TIGERSTEDT: (Versuch 128. Fortsetzung.) Höhe der Nummer | Temperatur Auekung | \ : 4 13.5 13.2 0.0074 ] b) 13-5 230% 0-0064 ı Spannung 80 grm; 6 13-55 13.2 0-0066 | Te Mittel 0-0068” 7 13-65 13-7 0.0063 | 6) 13.7 13-6 0.0063 Spannung 60 grm; # 9 13-7 13-6 0: 0064 | Latenzdauer, Mittel 0-0063 10 13-8 14-0 0.0063 ill 13.8 13-9 0-0059 Spannung 40 em; B: 12 13-85 13-9 0:0068 Latenzdauer, Mittel 0-0062 118 13-9 14-2 0.0058 R 13-9 0 a spannung 20 grm; ie es u | MB Mittel 0-0059” 16 13-95 13-2 0.0059 S = o ; I pannung ungefä grm; n 5 2 2 2 5 N nn | | Latenzdauer, Mittel 0.0057" Versuch 129. 3. Mai 1884. Muskel angehängt bei 30 sm Spannung 10% 40°; 10% 55° Spannung 1108"; Beginn des Versuches 11" 0’; Ende 11% 35’; Länge des Muskels 33 “m. | Höhe der a Nummer | Temperatur | Zuckung ALEDZEAUST | in Mm. in Sec. 1 14-1 10-4 0.0068 || 5 B: 2 14-2 10.5 0-0066 pannung 1008m; 3 14-2 10-4 0-0063 | Latenzdauer, Mittel 0-0064 + 14-25 10-5 0-0064 s ir 5 14-8 10-5 0:0072 pannung SOsm; 6 14-3 105 0-0067: | | Tatenzdauer, Mittel 0-0068 7 14-3 10-6 0-0074 h A eo) 14-35 10-5 00067 pannung 60m; 9 14-4 10-4 0-0064 Bee: Mittel 0-0068 10 14-55 10-5 0:-0072 & En 11 14.62 2000-3 0:0063 pannung 408m; 12 14-6 10-2 0-0067 | Latenzdauer, Mittel 0-0067 13 14-65 9.9 0-0061 s > 14 14lo7 9.7 0-0056 pannung gm; a 15 14-7 Mo 0-0058 at Mittel 0.0058 14-8 7-3 0061 1 14-8 6-8 oe | Spannung ungefähr 58m; DI 18 14-8 6-6 0-0061 Latenzdauer, Mittel 0-0062 ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. 243 F Versuch 130. 3. Mai 1834. Muskel angehängt bei 110 «m Spannung; Beginn des Versuches 12" 9; Ende 12" 30’; Länge des Muskels 33 "m, Höhe der Nummer | Temperatur AN urE Zunlenztlaner Bas) 11:0 |] 0.0064 : En AB R | a £ Jannung zum ; : ss M “ anas Tate aner, Mittel 0-0062” . ; Spannung 80 grm; . > 2 ia alle | Latenzdauer, Mittel 0-0064” 4.7 labt 0-0055 $ 14 unmessbar I N Ebunnung 160 7 2 7 14-7 11-9 0:0063 | atenzdauer, Mittel 0-0059 8 14-7 12.3 0.0055 ER 2408 9 14-7 a! 0-0058 ns, n; SL 10 14-7 12-1 0:0064 N Mittel 0-0059 11 14-7 12-5 0-0055 | N ni006 12 14-7 12.4 00055 a EN 13 14.7 12-5 0-0053 Imasuantr Mittel 0-0054” . 147 11-8 0-0053 1 14.7 ililee 0-0050 | Spannung ungefähr 5 u 16 14-7 115 0-0047 Latenzdauer, Mittel 0-0050 Reihe II. Versuch 161. 6. August 1884. Muskel angehängt bei 1258” Spannung 5" 40°; Beginn des Versuches 5% 45’; Ende 6% 17’; Länge des Muskels 39", E} Höhe der F \ , Latenzdauer I Nummer. | Temperatur Auen ge I 9.5 - 0039 I > =E 9-5 \\ i Spannung 100 er; We N 3 03.9 9-6 | 0-0043 | atenzdauer, Mittel 0-00 Ei / | 3.9 } | . ee 2 6 23-2 8.4 0-0045 | Eu '# U 23-1 8:2 00042 nude 300 | S 23-1 8-1 00047 Bu SUB R- | s 9 93.1 S-1 0-0056 Latenzdauer, Mittel 0 - 0048 | 10 23.05 7-5 0-0045 3 Da ill 23-05 7-4 0.0047 pannung ZU Sm, 12 93.05 Te 0-0047 Latenzdauer, Mittel 0- 0046 16* 244 Versuch 162. Spannung 6" 34°; Beginn des Versuches 6" 40; Ende 7411; Muskels 40 m, ROBERT TIGERSTEDT: 6. August 1884. Muskel angehängt bei 125 em Länge des Höhe der Latenzdaner Nummer | Temperatur Zuehunz ge | s 22 ” "is | 0.0039 | | Spannung 1003; 3 29.65 8.8 0-0042 | | Latenzdauer, Mittel 0-0041” 4 22.65 Ze) 0-0045 | S De 5 22.65 MS 0-0043 pannung 150°; 6 99.65 7.8 0-0042 | | Latenzdauer, Mittel 0-0043" 7 22.5 1.2 0.0042 | 8 22.5 oil 0:0055 | | N Daun 200 8m; 9 99:5 7-0 | 0.0050 | atenzdauer, Mittel 0-0049" 07 A 6:4 0.0045 | \ S eh 11 22.4 6.3 0-0050 . 12 99.4 a) 00048 B Latenzdauer, Mittel 0-0048 Versuch 163. 8. August 1884. Muskel angehängt bei 125 2m Spannung 12% 23°; Beginn des Versuches 12% 30°; Ende 1# 2° Höhe der 2 1 : Latenzdauer Nummer | Temperatur Zuchns Inlose, il 22-1 10-1 0.0042 i Fr 2 DDEN 10-0 0-0039 | pannung 100°”; B 92-15 10-0 0-0040 Latenzdauer, Mittel O- 0040" : 5 Ss Re a 1508m; 6 29-15 8.7 0-0053 Latenzdauer, Mittel 0-0049" 7 22.2 (625) 0.0051 fe) 22-2 7-5 0:-0045 | RE a BR 9 | 29.92 TEA 0:0045 | atenzdauer, Mittel 0-0047” 10 | 22:2 6-4 0-0053 | : SE I 722225 6-3 0-0048 pannung 250 sw; 12 | 29-8 es 00056 | Latenzdauer, Mittel 0-0052 Versuch 164. 8. August 1884. Muskel angehängt bei 125 s’= Spannung. Höhe der | ı Latenzdauer N era Te t Zuckung ummer mperatur Br kun | DR 1 ale 10:3 0.0047 B A 2 FANOT« 10.2 | 0.0043 | pannung 1008%; 3 91-7 102022 00.00008 | Latenzdauer, Mittel O- 0043” | ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG, 245 I Höhe der | \ al Latenzdauer | 4 Nummer | Temperatur aneFine Ben; E | Ä n Sn Ts | Spannung 150 # | 6 | 91 ‚75 8. 5 00048 Latenzdauer, Mittel 0-0044” { ia Se 5 Ri | | Spannung 200F"; 9 91.75 8.2 0-0047 | Latenza auer, Mittel O* "0046" “ a x | ande | Spannung 250°”; L 12 21-8 6-8 | messbar | Latenzdauer, Mittel 0.0056 — zusammen. | Ich stelle hier die mittlere Latenzdauer der eben angeführten Versuche Reihe I. u Latenzdauer bei einer Spannung von Versuch 5) grm 20 gım 40 gım | 60 grm s0 Er 100 grm 121 0.0053 | 0-0058 ' 0-0058 | 0°0057 | 00059 — = 123 | 0.0052 | 0.0062 | 0°0059 | 0-0060 | 0.0063 00056 5 124 0.0063 | 0-0054 , 0-0055 | 0-0060 | 00056 00061 * 125 0-0057 | 0°0062 0.0066 0°0064 00-0063 00063 128 0-0057 | 0°0059 ' 0-:0062 0.0063 | 0.0068 00064 129 0.0062 | 00055 , 00067 0.0068 00068 0.0064 130 0-0050 ı 0:0054 | 0°0059 ' 00059 | 0.0064 00062 Ä Reihe II. Versuch Ne Bar u anne von ee 161 0.0044 0.0044 | 0.0048 00046 162 0.0041 | 0.0043 | 0.0049 00048 163 ı 0.0040 | 0.0049 | 0.0047 | 0.0052 164 00043 | 0:0044 | 0.0046 00056 Aus der ersten Reihe geht hervor, dass die Latenzdauer, wenn die Anfangs- spannung des Muskels von 5 bis 100 em inel. gesteigert wird, nur äusserst unbeträchtlich zunimmt; der Unterschied zwischen den kleinsten und den grössten Werthen ist nämlich im Versuch 121 um 0°0006”, im Versuch 123 0-0011”, im Versuch 124 0:0007” (wenn wir von der ersten Gruppe bei 5m Spannung absehen), im Versuch 125 0.0009”, im Versuch 128 0.0011”, im Versuch 129 0.0010” und im Versuch 130 0.0014”. Die Unterschiede betragen also höchstens 0-0014”, sind aber im Mittel nur - 246 ROBERT TIGERSTEDT: 0°0010”. Dabei ist noch zu bemerken, dass die Latenzdauer mit der Anfangsspannung nicht stetig zunimmt, sondern sie zeigt bei den verschie- denen Spannungen Schwankungen, welche von den unvermeidlichen Fehlern bei derartigen Bestimmungen abzuleiten sind. Alles in Allem lehren also - die Versuche der Reihe I übereinstimmend mit dem Ergebniss von Place, dass die Latenzdauer der Muskelzuckung bei einer Anfangsspannung von 5 bis 100 sm ziemlich dieselbe ist, Dies Ergebniss wird in vollständigster Weise durch die Reihe II be- stätigt, denn hier zeigt sich, dass die Latenzdauer bei einer Anfangsspannung von 100 bis 250 8” im Mittel nur um 0.0009 zunimmt. Wir können also behaupten, dass wenn die Anfangsspannung des Muskels zwischen 5 und 100%, und zwischen 100 und 2508"® schwankt, die entsprechende mittlere Latenzdauer nur um ungefähr 0.001” schwankt; prak- tisch ist sie also, innerhalb dieser Grenzen, unabhängig von der Anfangsspannung. Den Einfluss höherer Anfangsspannungen zu studiren, scheint mir beim Froschmuskel keinen besonderen Zweck zu haben, denn eine Anfangs- spannung von mehr als 250.” hat der Froschgastroenemius im Leben gewiss nie zu überwinden. Die Versuche der ersten Reihe zeigen aber noch eine andere interes- sante Eigenschaft. Wenn Place die Anfangsspannung von O bis 252m vermehrte, fand er, dass die Zuckungshöhe, trotzdem während der Zuckung die zu überwindende Spannung immer stärker wurde, dennoch zunahm (a. a. O.), und es ist wohl eine ziemlich allgemein beobachtete Thatsache, dass ein genügend gespannter Muskel bei derselben Reizstärke eine höhere Zuckung als ein zu wenig gespannter ausführt. Bei Anwendung eines federnden Schreibhebels ist dies insofern merkwürdiger, als die Spannung während der Zuckung stetig zunimmt und der zu überwindende Widerstand also immer weiter wächst. Aber Place hat schon gefunden, dass auch bei dieser Versuchsanordnung die Zuckungshöhe zunimmt, wenn die Spannung von O bis 258m steigt. Bei einigen unter den Versuchen der Reihe I wächst aber die Zuckungs- höhe nicht nur, wenn man von einer Anfangsspannung von 52” zu einer von 20 sm übergeht, sondern noch weiter, wenn die Anfangsspannung von 20 bis auf 4089 wächst. Die Zunahme der Zuckungshöhe ist hierbei nicht unbe- deutend, die Zunahme der Arbeitsleistung natürlich noch grösser. Im Versuch 123 ist die mittlere Zuckungshöhe bei 5m Spannung 9-7, bei 20 8@ 12.2, bei 40Sm 13 "m und wächst bei noch stärkerer Spannung noch ein wenig. Im Versuch 124 haben wir bei 5sm 6-2, bei 208m 12-8, bei 408m 13-4, bei 60 8%. 13.8, bei SOSTm 14.4 und bei 100 8m 14.9", ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. 247 also einen stetigen Zuwachs während des ganzen Versuches. Auch wenn der Versuch bei der grössten Spannung anfängt, wiederholt sich dieselbe Erscheinung; im Versuch 129 ist bei 40 =" Spannung die Zuckungshöhe im Mittel 10.3, bei 20®"® 9.7 und bei 5erm nur 6.9 mm, Ich wage es nicht einen Erklärungsversuch dieser merkwürdigen Er- scheinung zu entwerfen, ich möchte aber noch einen Umstand, welcher vielleicht hier von irgend einer Bedeutung sein mag, hervorheben. Wenn wir den zeitlichen Verlauf dieser Zuckungen berücksichtigen, so finden wir, dass die Zuckungscurve nicht die gewöhnliche Form der Muskeleurven be- sitzt, denn sie zeigt in ihrer Mitte eine Einbiegune, nach welcher sie sich wieder erhebt. Als Beispiel mag die Curve Fig. 2, Taf. XI dienen; sie ist eine genaue Copie des Versuches 123. Ich will den ersten aufsteigenden Theil der Curve als die primäre Erhebung, den zweiten als die secun- däre Erhebung bezeichnen. Die mitgetheilte Curve zeigt, dass die Ursache der stärkeren Zuckungshöhe bei stärkerer Spannung grösstentheils darin liest, dass die secundäre Erhebung innerhalb gewisser Grenzen stetig wächst. Um dies noch deutlicher hervortreten zu lassen, stelle ich die Höhe der primären Erhebung, die gesammte Höhe der Zuckung und den daraus berechneten Werth der secundären Erhebung hier zusammen. Weil sich, wie die Fig. 2, Taf. XI mitgetheilte Curve zeigt, bei höherer Anfangsspannung die Kuppe der primären Erhebung nicht vollständig frei von der Umgebung abhebt, habe ich nur die Zuckungen bei einer Anfangsspannung von 5 bis 40 sm hier aufgenommen. Höhe der | Gesammt- | Höhe der = 2 B ne Bas an a en | = T. ö = | uckune |; Ma | mM. | in Mm. 123 a I ee) 1221 1-1 | 2er‘ 2 ee | Spannung igefähr Sec 8. NOS 12:2 1-3 Aare tl 14-1 3.0 | 5 le 1423 3:2 | Spannung 20: 6 11.0 144 3.4 7 11-0 14°5 3.8 6) LOST 148 | 4.1 | Spannung 408m 9 1028 14-9 4.1 122 1 8.4 84 —! 2 Pen 82 _ Spannung ungefähr 5ew 3 8:2 832 —_ ı Durch die seeundäre Erhebung wird die Gesammthöhe der Zuckung nicht ge- steigert. # 248 ROBERT TIGERSTEDT: | Höhe der Gesammt- | Höhe der = | ae an ne der seeundären - B n = 1 Zuckung | Sn Mn | a Man | m une 122° 4 8.4 10-3 1-9 | 5 8.4 1052 1-8 Spannung 208m 6 are | 123 1 9.7 ERTL — 1 | 2 9.7 9-7 a | Spannung ungefähr 5 sm 3 9-8 9.8 — 4 10-5 1222 1-7 5 10-5 12-2 OR ER | Spannung 208m 6 10-5 11202 1-7 7 10-1 12-9 2.8 Ro) 10.1 13.0 2.9 Spannung 40m | 9 10-1 13.0 2.9 125 | 1 8-8 10-6 1-8 | 2 8.7 10-5 1-8 Spannung ungefähr 5em 3 8.7 1055 1.8 4 8.7 11-6 2.9 : = Er on | Spannung 208" 7 8-5 10S 3.3 128 18 9.9 13-2 3.3 RAS 10.0 13°2 3.2 Spannung ungefähr 5sm I 16 10.0 11992 3-2 I 18) 9.6 14-0 4.4 | 14 9.6 14-0 4.4 Spannung 208" 13. 9.7 14-2 4.5 129 18 6-3 6°6 0-3 17 6-6 68 0-2 Spannung ungefähr 5s= 16 6-9 73 0-4 15 6°9 I=5 2.6 \ 14 7.0 IT 2.7 Spannung 20°" 13 7-0 ge) 2.9 } 130 16 88 11-5 2.7 15 88 116 2.8 Spannung ungefähr 5m 14 8.9 18 2.9 | 13 85 12-5 4.0 | 12 8:6 12-4 3-8 Spannung 20°" 11 8.4 12-5 4.1 Worin liegt aber die Ursache dieser secundären Erhebung, von welcher man bei gewöhnlichem Schreibhebel in der Regel keine Spur wahrnimmt? ‚Meines Erachtens liest sie darin, dass der Gastrocnemius aus zweierlei ! Siehe die Anmerkung auf voriger Seite. * ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. 249 Fasern zusammengesetzt ist. Ich habe es nicht nöthig, hier die oben eitirten - Untersuchungen von Ranvier, Kronecker-Stirling und Grützner nochmals zu referiren. Ich möchte nur bemerken, wie der gesammte Ver- lauf der uns jetzt beschäftigenden Zuckungen für die daselbst näher ent- - wiekelten Ansichten spricht, und demgemäss muss ich als Ursache der ‚seeundären Erhebung den trägeren Zuckungsverlauf und» die grössere Latenz- - dauer der rothen Muskelfasern bezeichnen. Wenn der Muskel durch eine - gespannte Feder belastet ist, können die zuerst sich zusammenziehenden weissen Muskelfasern den Schreibhebel nicht mit solcher Geschwindigkeit wie sonst in die Höhe schleudern, auch die trägeren rothen Fasern können ‘daher in der Form der Curve sich geltend machen. Die Thatsache, dass der Muskel aus zweierlei Fasern zusammengesetzt ist, erklärt also sehr einfach verschiedene Sonderbarkeiten, welche bis jetzt ‚aller Erklärung gespottet haben. Ich brauche nicht die hier sich an- knüpfenden, von früheren Forschern wie z. B. Funke! gefundenen That- sachen näher zu discutiren, weil schon Grützner a. a. OÖ. dieselben aus - diesem Gesichtspunkte berücksichtigt hat und wir wahrscheinlich in der nächsten Zukunft ausführlichere Mittheilungen von ihm erwarten dürfen. Nach den eben mitgetheilten Erfahrungen über die relative Bedeutung der blassen und rothen Muskelfasern für den Zuwachs der Zuckungshöhe bei stärkerer Anfangsspannung sehen wir, dass die rothen Fasern dabei “den grösseren Antheil haben. Bei stärkerer Anfangsspannung wird also - vorzugsweise die Thätigkeit der rothen Fasern begünstigt. Diese That- sache steht in Uebereinstimmung mit der Erfahrung von du Bois-Rey- mond, nach welcher die Leistungsfähigkeit, die Ausdauer u. s. w. eines Froschgastrocnemius stärker ist, je röther er ist,” d. h. je mehr rothe Fasern = er besitzt. Uebrigens will ich bemerken, dass ich bei einem einzigen Versuch eine Andeutung einer tertiären Erhebung beobachtet habe (Versuch 124, - vel. Taf. XI, Fig. 3). Wie diese Erscheinung, welche ich nur ein einziges - Mal gesehen habe, zu erklären ist, ist mir ganz dunkel. Elftes Kapitel. Die Latenzdauer des Gesammtmuskels und des Muskelelementes. In den vorhergehenden Abschnitten dieser Untersuchung habe ich dar- zustellen gesucht, wie die Latenzdauer der Muskelzuckung von verschiedenen ı Funke, Pflüger’s Archiv u.s. w. 1873. Bd. VII. S. 236 u. 237. ° Grützmer, Recueil zoologique suisse: 1884. t.1. p. 670. 250 ROBERT TIGERSTEDT: Variabeln abhängig ist. In diesem Kapitel will ich zuerst untersuchen, wie gross die Latenzdauer des gesammten Froschgastrocnemius in der Regel anzunehmen ist, um dann der Frage von der Latenzdauer des Muskel- elementes ein wenig näher zu treten. Um einen bestimmten Ausgangspunkt für unsere Betrachtungen zu erhalten, werde ich- zunächst die Mittelwerthe aller meinen Versuche über die Latenzdauer bei übermaximaler Reizung und Oeffnungsinductionsströmen hier zusammenstellen. Freilich sind die Belastung und die zu bewegende Masse bei diesen Versuchen nicht dieselben gewesen, denn bei einigen habe ich den Hebel I, bei anderen den Hebel II und wiederum bei anderen den federnden Schreibhebel benutzt, ich glaube jedoch, dass sie unter einander vergleichbar sind, denn es hat sich bei meiner Untersuchung ja heraus- gestellt, dass, wenn die Unterschiede in der Spannung oder der zu bewegen- den Masse nicht zu gross sind, die Latenzdauer der Muskelzuckung nur unbedeutend varürt. Die jetzt folgende Tabelle enthält alle Angaben, welche nöthig sind, um die Resultate ‘unter einander zu vergleichen, nämlich die Temperatur, die Zuckungshöhe, die Art der Belastung, die Stromstärke in der primären Strombahn, den Rollenabstand, die Anzahl der einzelnen Beobachtungen, welche dem Mittelwerth der Latenzdauer zu Grunde liegen. | | | RS Kt | 25 as: 8 | s = Höhe der Ss, | Art der’ 228 = | re < E 2 ‚Tempexatur Zuckung ey Belastung 82. ST | Beobach- j = in Mm. 2®0| 2ER =ı 2.8 32 3353| 38= = tungen z Sram Se Jan. 1 |14-2 —14-8 | 10-1—10-8 |0-0060) Hebel I 1 0.71 See 2 |18-6 —19-0 | 16-8—18-5 |0-0043| x 1 | 13 3 117-0 —18-05, 8-0— 9-0 00067 < 1, 10 15 4 |15-3 —16-6 | 9-1—10-7 |0-0063| 10 14 5 j16-1 —17-2 | 11-0-—12-3 |0-0052 a 1 0 16 6 [16-3 —16-9 | 12-9—13-4 |0-0051 "= 1 0 15 7 116-3 —16-7 | 16-2—16-9 |0-0057) = 1 Dan 14 8 |15-55—16-55 10-4—11-2 |0-0056 H 1 0 17 9 15-9 —16-55 12-5—13-6 |0-0055 RL { 0 15 Febr. 10. |13-3 —14-6 | 15-5—16-5. |0-0061 a 1,000 14 11 |15-0 —15-45| 14-5—15-7 |0-0061 R 1. 21,08 9 12 12-2 —ı2-5 | 13-1—14-5 |0-0064|. , er! 11 13 |12-8 —13-0 | 13-3—13-7 |0-0070 & 122 007 11 15 |13-8 —14-6 | 12-1—12-9 |0-0057 “ ie 00% 15 16 14-8 —15-1 | 10-1—11-0 00055 T 1 8110-9 17 17 |ı18-0 — 18-2 | 9-1— 9-7 |0-0054 e rs 14 18 |17-2 —17-35| 13-3—14-1 |0-0048 S 108 13 19-2|47-1 —17-2 | 7-4— 7-8 |0-0056 * 1,009 17 20. |14-75—16-1 | 13-8-14-3 |0-0055 & 17. 1088 14 231 115-75—16-4 | 11-7—12-5 |0-0055 = 10907 16 37 eirea 29-0 = 0-0033 Hebel II 1 0 13 40 |16-6 —17-0 Zen 0.0058 St 1 0. 13 A en 1548 BR 0-0050/Hebel II. + 1-08 w| 1 0 S ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. 251 8 38 EEE Sn 2 . (ER | SHo2|.8 Zahl der 8 BIS | m ARE Höhe der Aa | Art der “25 2A | einzelnen 8 | 33 | Temperatur | Zuckung | „'” Belastun 80... 3” | Beobach- = E in Mm. 55 8 2a 3 2 = Sa] Eine m tungen zz» 58 SER g Ha 4. 2, ne IL SPEER m N: Bm lu re IBebr.| 42 |23-75—25-0 | _ 0-0037 Hebel II N 0 13 4 43 |22-75—22-95 — 0-0040 Hebel I +1-0s8= 1 .- 0 11 44 [18-9 - 0-0049 Hebel II al: Ba a) 11 45 /17-9 —1S-.0 — 0-0047 Hebel II + 1-0°=| 1 0 11 | 46 120-1 —21-0 = 0-0088 Hebel II 1.0620 18 | 47T |20-25— 20-6 = 0-0040 Hebel I + 2.559 1 | 0 10 | 485 19-8 —20-1 — 0-0039| Hebel IH + 2-52” 1 0 10 | 49 |23-25—23-45} — 0-0036 Hebel II + 252m 1 0 11 | 50 122-7 —23-6 = 0-0038 Hebel II + 1-0®”| . 1 0 11 März | 69 |17-2 —17-3 | 15-0—15-3 10-0044 Hebel I 1 0—10 6 # 70 116-6 —16-65| 15-0—15-6 |0-0046 > 1l 0-—8 5) 71 |17.25—17-45| 12-2—13-1 |0-0048 »» il 0—8 B) | 72 116-2 —16-3 | 16-0—16-2 |0-0056 ER 1 0—10 B) | | 73 [16-9 —17-1 | 12-2—12-7 10-0045 „> 1 0-12 7 ı 74 |17-25—17-4 | 11-8—11°9 10-0045 » 1 0—5 6 75 16-9 —17-25 9-4—10°0 10-0047 > 1 0—8 fo) | | 76 |17-85—17-9 | 11-9—12°6 0-0046 en 1 0—4 b) ı 77T ,17-85—18-25| 13-0—13-7 |0-0051, » 1 0—11 10 | 78 17-9 —18-05, 17-6—18-8 10-0046 »s 2 0—12 7 | 19 17-6 —17-75| 16-1—17-0 [0-0047 En 2 0—10 7 'E 80 ı16-65—16-85) 17-9—18-8 0.0049) » 2 0—10 5 | 81 17-8 —17-95 18-0—18-6 |0-0047 E 2 6 | ı 82 /18-1 —18-2 | 19:7—20-2 |0-0046 5 2 3—10 3 ‚83 /17-85—18-0 | 11.0—12:2 |0-0054 ER 2 0—12 Re) u 84 117-7 —17-85) 13-9—14-5 \0-0049) 9 2 0—12| 10 April | 116 |15-5 — 15-6 9.4—10-3 0.0065 es 1 0 6 I 117 15-4 —15-45 10-3—10-6 /0-0067 » 1 0 6 118 |15-1 —15-2 | 15-5—-16-2 |0-0068 > 1 0 7 119 |15-0 —15-1 | 15-8—16-5 |0-0062 > 1 0 120 114-8 —14-9 | 10-0—10-5 |0-0070 >. LO T 121 |14-9 12-1—12-2 0-0053, Feder I; Anfangs- 1 0 3 spannung 5®”" Mai | 122 |15-6 — 1575| 8-2— 8-4 10-0053 2) 1 0 3 |% 123 [15-4 —15+5 9-7 — 9-8 |0:0052 > 1 0 3 IE 124 |14-05 12-2—12-3 0-0054 Feder I; Anfangs- 1 0 3 I spannung 20 3” R 125 13-6 —13-7 | 10-5—10-6 |0-0057| Feder I; Anfangs- 1 0 3 I# spannung 9 3". | £ 126 |14-0 9-2— 9:6 0-0054 Feder I; Anfangs- 1 0 3 E spannung 20 3” IE 127 |13-8 —13-9 | 10-4—10-8 0-0056| Feder I; Anfangs 1 , 0 3 X spannung I ©" | I: 128 14:0 13-2 0-0057, Feder I; Anfangs- ı ) 3 Bi spannung 5 8” E 129 |14-7 9-5— 9-9 10-0058 Feder I; Anfangs-- 1 0 3 £ spannung 20 8” | 130. | 14-7 11-5—11:8 0-0050 Feder I; Anfangs- 1 0 3 Mo: spannung 5 ®”% 7» I 134B 18-35—18-5 6-6— 7-3 10-0084 Hebel I 1 .0-2 | 5 (Curare) ı$ 135B | 22-2 — 22-4 | 11-1—12-2 )0-0052 6 1 10-9 |14 % IE 136B | 21-7 —21-8 | 12-4—13-2 0-0053 = 1 0—5 10 Ei E 137 BB | 22-6 14-2 —15-2 0.0057 ar 1 0—5 | 7 5 252 ROBERT TIGERSTEDT: fe7 Era & = > = = [e>) = Zul ® r 22 2825| 5 Zahl der ı = ee ı Höhe dr | 5, Art der 2025| 24 | einzelnamı = | 82 | Temperatur Zackung DT Belastun 32 .| 37 | Beobadl aA|85 in Mm. | 85 E a8 Bas : 5,© 25 S33 = tungen z | Bes ISE8| 8 | = | 2 i Fo Mai | 138B |22-5 14:0—14.9 |0-0055 Hebel I 1 | 0-4 7 (Curare) 139B | 22-8 —22-9 | 15-0- 16-4 |0-0052, 33 j 0—6 | 7 H, 140B | 22-9 — 23-0 | 14-3-15-7 |0-0052 & 1 0—5 | 6 „= 141B 22-3 16-7—17-8 10-0058] 2 1... 1,0—5. Or 142B 22.25 -22.9 | 17-3—18:0 |0-0054 > 1 0—7|9 ” 143 20-4 —-20-6 | 21-0—21-5 |0-0038 > 1 0 3 144 |21-3 15.9—16-4 |0-0049 35 1 0 3 145 |21-3 —21-4 | 17-.9—18-3 10-0056) 5 1 0 3 146 |20-45—20-55, 18-4—18-5 |0-0044 > 1 0 3 147 120-6 —21-0 | 20-1— 20-6 0.0048] 3 1 0) 3 148 |21-4 —21-65| 20:0—20-3 0-0044 5 1 oe 149 121-75—21-9 | 25-3—25-8 0-0038 co 1 0 3 150 20-7 —21:05| 19-2—19-3 |0-0041 ns 1 0 4 151 |21-2 21-2—22-0 0.0046 5 1 0) 5 152 |21-5 —21-6 | 19-3—19-9 0-0040 > 1 0 6 Aug. | 161 |23-2 9-5— 9-6 0-0044 Feder II; Anfangs- 1 0 3 spannung 100 8 | 162 22-6 8-S- 9-0 |0-0041 5 al 0 3 163 | 22-1 10-0—10.:1 10-0040 N | 1 0 3 164 |21-7 10-0—10-3 |0-0043 og Il 0 3 Es wäre natürlich ganz unstatthaft, aus diesen Zahlen den Mittelwerth zu berechnen und als normalen Werth der Latenzdauer darzulegen. Ich habe daher, um eine nähere Vorstellung der Latenzdauer zu geben, procentisch berechnet, in wie vielen Versuchen die Latenzdauer 0.003”, 0.004” u. s. w. gewesen ist.! Die Resultate sind in der folgenden Tabelle verzeichnet. Latenzd F Zahl d i i Se Ve Procentisch 0.008 1 1.2 0.004 19 22-1 0005 35 40-7 0.006 24 27.9 jr 0.007 6 6-9 0.008 1 2 86 100.0 Die Latenzdauer des Froschgastrocnemius würde also 0.004”—0.006” betragen; in der grössten Anzahl der Versuche (41°/,) beträgt sie 0.005”, 1 Ueber die Berechnungsweise vergl. Tigerstedt und Bergquist, Zeitschrift für Biologie. 1883. Bd. XIX. $.23—25. | ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. 253 Ich habe aber noch nicht den Umstand berücksichtigt, dass bei diesen "Versuchen die Temperatur sehr verschieden gewesen ist. Es ist aber un- umgänglich nothwendig, die Temperaturunterschiede sorgfältig zu beobachten, denn, wie schon die Untersuchungen von Helmholtz zeigten, ist die Latenz- dauer von der Temperatur sehr abhängig. Um die einzelnen Versuche unter einander vergleichbar zu machen, darf man also nur diejenigen Versuche vergleichen, bei welchen die Temperatur nur unerheblich varürt hat. Ich theile also sämmtliche Versuche in drei Gruppen ein: 1) mittlere Temperatur 12°—16°-9; 2) mittlere Temperatur 17°—18°.9; 3) mittlere Temperatur 20°— 29°! und berechne procentisch, wie viele der innerhalb jeder dieser Gruppen fallenden Versuche eine Latenzdauer von 0-003”, 0004” u. s. w. haben. Die Ergebnisse sind folgende: Procent der Versuche mit einer Latenzdauer von Anzahl der Temperatur Tale 0-003 | 0-004 | 0-005 | 0-006 | 0.007 | 0-008 | Versuche Baal.) — 31-4 | .54.8| 14-3) 35 | en ang) — ae ler 4-7 | Ans Fi Bas 323) 56-0 | 26-7.) nn line Aus dieser Tabelle geht hervor, dass die Temperatur einen sehr grossen Einfluss auf die Latenzdauer ausübt, und dass man daher — ceteris pari- bus — nicht von einem bestimmten Werth der Latenzdauer sprechen darf, denn man muss nothwendig dabei auch die Temperatur genau berücksichtigen. Dies ist ja an und für sich nichts Neues, es scheint mir aber, dass man bis jetzt bei den Angaben über die Latenzdauer viel zu wenig diesem Um- stande Rechnung getragen hat. Für eine Temperatur von 12°—16°.9 ist die Latenzdauer in der Hälfte (54 Procent) aller Versuche 0.006”, in einem Drittel ist sie 0-005”, und nur ausnahmsweise (14 Procent) 0007”. Für eine Temperatur von 17°—18.9° ist die Latenzdauer in Zweidrittel (76 Procent) aller Versuche 0005”, in 10 Procent nur 0.004”; ausnahmsweise ist sie höher als 0.005”. Nur in einem ein- zigen Falle habe ich bei übermaximalen Oeffnungsinductionsströmen eine ‚mittlere Latenzdauer von 0-008” gefunden. Für eine Temperatur, über- steigend 20° ist die Latenzdauer in 57 Procent aller Versuche 0.004”, in 27 Procent 0005” und nur in 13 Procent 0°006”. In einem Versuch bei einer Temperatur von ungefähr 29° betrug die Latenzdauer nur 0-003”. Wir können also folgende mittlere Relation zwischen Temperatur und Latenzdauer aufstellen: ID—1E%8 0.006” 17°—18°%-9 0.005” über 20° 0004” ! Bei keinem einzigen Versuche ist die Temperatur 19°C gewesen. DDAsE: ROBERT TIGERSTEDT: Bei dieser Zusammenstellung habe ich die verschiedenen Jahreszeiten und deren Einfluss noch nicht berücksichtigt. Meine Versuche sind zu- wenig zahlreich, um den Einfluss des genannten Factors mit der nöthigen ! Exactheit bestimmen zu lassen. Ich habe jedoch dieselben aus diesem ! (Gesichtspunkte hier zusammengestellt. Zu der folgenden Tabelle will ich nur bemerken, dass meine Frösche im Allgemeinen. nur kurze Zeit in Ge- fangenschaft gelebt haben, sowie dass sie während der warmen Jahreszeit im Froschteich des physiologischen Instituts aufbewahrt waren. Sie waren also so wenig wie möglich denjenigen Schädlichkeiten ausgesetzt, welche - sonst die Erregbarkeit und Leistungsfähigkeit der Frösche in so bedeuten- dem Grade herabsetzen. Latenz- z a en ı Zahl der Versuche in Monat ‚dauer 5 ih A | In Bee. 9016.90 170 18-90 | 200290 | -a b c Januar 0.004 — 50 _ 0-005 | 29 Rz e2 | : | a 0.006 el — — 0.007 2 50 1 Februar 0-00 | — — 125 0.004 — — Su 0.005 10 80 _ 10 B) 8 0-006 so 20 _ 0.007 10 a J März 0.004 Eu |) — | 0.005 34 De | — | B} 13 _ 0.006 | 66 en | April 0.005 | 17 “re 3a 0.006 AT, _ — 6 — — 0-007 66 — — Mai 0.004 — — N 33:8 0-005 56 — | 44-4 0.006 | 44 0 | aa so 1000 | Ausust 0.004 — — .,.100 — = 4 Mir scheint, dass aus dieser Tabelle keine Schlüsse gezogen werden können, inwiefern die Latenzdauer von der Jahreszeit abhängig ist. Es ist selbstverständlich, dass man, um vergleichbare Resultate zu erhalten, nur solche Versuche mit einander vergleichen darf, welche zu verschiedener Jahreszeit bei ungefähr derselben Temperatur gemacht worden sind. Dabei darf man natürlicherweise. nur gut aufbewahrte Frösche verwenden, denn wenn die Frösche in Folge der Aufbewahrung gelitten haben, so sind daraus ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG, 255 keine richtigen Schlüsse zu ziehen. Um eben diesen Anforderungen zu ge- nügen, müssen die einschlägigen Versuche viel zahlreicher als die vor- liegenden sein. Ich habe diese Tabelle auch nur desshalb entworfen „ um zu zeigen, in welcher Art solche Untersuchungen meines Erachtens aus- zuführen sind. ß Ich komme jetzt zu der Frage von der Latenzdauer des Muskel- - elementes. Darüber sind wohl alle Forscher einig, dass die in irgend welcher Weise bestimmte mechanische Latenzdauer nur die obere Grenze der wirk- ‚lichen Latenzdauer darstellt, denn ihr Endpunkt ist ja dadurch bestimmt, dass dann die Energie des Muskels schon so weit entwickelt ist, dass der Schreibhebel merkbar über die Abscisse gehoben, bez. der zeitmessende Strom geöffnet oder merkbar geschwächt ist. Wie gross ist aber die Latenz- - dauer des Muskelelementes? Obgleich schon Helmholtz ausdrücklich bemerkt hat, das die so- genannte Latenzdauer nur eine obere Grenze darstellt, hat erst Gad die Latenzdauer des Muskelelementes näher betrachtet. Unter Beachtung der mechanischen Verhältnisse bei der Muckelzuckung hat er folgende Schlüsse gezogen: : 1. „Der belastete Muskel übt, so lange er bei seiner Contraction der Last eine Beschleunigung nach en ertheilt, einen stärkeren Zug auf seinen Aufhängepunkt aus, als in der Ruhe.“ | 2. „Die noch nicht in Contraction begriffenen Theile des Muskels (auch Sehnen) erleiden aus diesem Grunde eine merkliche Dehnung.“ 3. „Das mechanische Latenzstadium des Gesammtmuskels ist aus diesem ‘Grund wesentlich länger als das mechanische Latenzstadium des Muskel- elementes.‘‘! . Wir kennen also schon zwei Bedingungen, welche die Latenzdauer ‚länger als sie wirklich ist, erscheinen lassen: 1) die durch die Contraction -hervorgebrachte Dehnung der noch nicht sich contrahirenden Theile des Muskels und 2) der Umstand, dass die Energie des Muskels schon über F einen gewissen Werth en sein muss, bevor er den Aufnahmeapparaten A eine minimale Bewegung ertheilen kann. Es kommt aber noch etwas dazu. Durch die Untersuchungen von v. Bezold u. A., welche neuerdings _ durch die aus dem Institute Hering’s hervorgegangene Untersuchung # Biedermann’s in hervorragender Weise bestätigt sind, wissen wir, dass am I _ Muskel ebenso wie am Nerven, sowohl der constante wie der indueirte ‚elektrische Strom nur am negativen Pole erregend wirkt.” Bei einem voll- f 1% l F 1 Gad, Dies Archiv. 1879. S. 268. # ° Biedermann, Sitzungsberichte der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Math.-phys. Classe. April 1879. Bd. LXXIX. III. Abth.; — Vergl. auch Hering, ebenda. April. 1879. Bd. LXXIX. III. Abth. 256 ROBERT TIGERSTEDT: kommen regelmässig gebauten Muskel wie z. B. dem Sartorius des Frosches wird also primär nur eine einzige Stelle erregt, auch wenn der Muskel vom Strome total durchgeströmt wird, und von dieser Stelle breitet sich die Er- regung mit einer gewissen Geschwindigkeit über den ganzen Muskel aus. Beim Gastrocnemius wird die Sache insofern complicirter, als er nicht regel- mässig gebaut ist, in Folge dessen wird der elektrische Strom verschiedene (uerschnitte mit verschiedener Dichte durchlaufen, hierdurch entstehen im Muskel mehrere Kathoden und die Erregung muss also an melıreren Punkten stattfinden. Jedenfalls muss aber die wesentlichste Erregung da stattfinden, wo die Aenderung der Stromdichte am grössten ist, d. h. da, wo der Strom den Muskel verlässt (der negative Pol). Nun wissen wir, dass die Erregung im Muskel mit einer gewissen, ziemlich kleinen Geschwindigkeit sich fortpflanzt. Diese Geschwindigkeit beträgt nach den von Hermann am Froschsartorius ausgeführten Be- stimmungen 2.698” in der Secunde! oder rund 3". Wenn wir jetzt als Mittelwerth für die Latenzdauer der Muskelzuckung eine Zeit von 0.004” annehmen, so finden wir, dass die Erregung wäh- rend dieser Zeit sich um 12"m fortpflanzen kann. Es wäre daher mög- lich, dass die Latenzdauer des primär gereizten Muskelelementes ausser- ordentlich klein wäre, und dass die mechanische Latenzdauer nur dadurch bedingt wäre, dass erstens eine beträchtliche Zahl von Muskelelementen zusammenwirken mussten, bevor eine äusserlich sichtbare Wirkung erzielt werden kann, und zweitens, dass der erste Theil der Muskelzuckung ausser- ordentlich langsam verläuft. Ich werde aus diesen Gesichtspunkten die Erscheinung näher analysiren. Zuerst muss die Frage näher erörtert werden, wie die durch die un- regelmässige Form des Gastrocnemius bedingte mehrfache primäre Erregung dieses Muskels aufzufassen ist. Es ist ohne Zweifel, dass wir hier mehrere Kathoden haben, denn da, wo die Stromdichte mehr weniger stark ver- ändert wird, entsteht eine Kathode und da findet eine Erregung statt. Es ist aber dennoch nicht unmöglich, dass die Veränderung der Stromdichte an jenen im Muskel liegenden Kathoden ‘so geringfügig ist im Vergleich mit der Veränderung der Stromdichte an dem Orte, wo der Strom vom Muskel heraustritt, dass jene wenigstens für die Latenzdauer keine merk- bare Bedeutung haben können. Es ist natürlicher Weise schwierig oder unmöglich, diese Frage direct zu beantworten. Wenn aber die Erregung in genügender Stärke an meh- reren Punkten des Gastrocnemius stattfindet, so muss unter sonst gleichen Bedingungen der Temperatur u. s. w. die Latenzdauer des Gastrocnemius ! Hermann, Pflüger’s Archiv u.s. w. 1875. Bd.X. 8. 48—55. ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. 257 kleiner sein, als diejenige des Sartorius, welcher bei vorsichtiger Praepara- - tion nur eine einzige Kathode besitzt, denn jener würde primär an meh- reren Stellen gereizt werden. Es war also nothwendig, den Sartorius mit dem Gastroenemius in dieser Hinsicht zu vergleichen. Ich lasse hier einige Versuche am curarisirten M. sartorius folgen. Der Strom wurde durch zwei Klemmpincetten Kronecker’s beiden Enden des Muskels zugeführt; der Muskel war durch Hebel I belastet. Die Reizung geschah mit Oeffnungs- induetionsströmen bei über einander geschobenen Rollen. Versuch 156. 5. August 1884. M. sartorius eurarisirt. Länge des Muskels 40”®,. Temperatur nicht angegeben. Höhe der x Latenzdauer Nummer AS Re. Strom aufsteigend. 1 26-8 ' 0.0045 : ER ne Latenzdauer, Mittel 0-0046 4 23.0 0:0047 Strom absteigend. 5 24.8 0.0045 | ; a. lose » Latenzdauer, Mittel 0-0049" S 22.8 0.0051 Versuch 157. 5. August 1884. M. sartorius eurarisirt. Länge des Muskels 40®n, Nummer | Temperatur | Zuckung | Tabenzdauer in Mm. 5 Strom aufsteigend. 1 | 20-15 28.2 0-0048 2 20.4 274 0.0047 eh Br > | 20.55 96-9 0.0047 | f Fatenzdauer, Mittel 0-0047 4 20.6 26-3 | 0.0047 Strom absteigend. 5 =20265 25.7 0.0048 6 20-7 25-2 0-0045 5 ” 7 920-7 94.5 | 0.0048 Latenzdauer, Mittel 0-0047 Sa 20577511 232800:14°0.-0047 Archiv f. A. u. Ph. 1885. Physiol. Abthlg. Suppl.-Bd. 7 258 ROBERT TIGERSTEDT: Versuch 158. 5. August 13884. M. sartorius curarisirt. Länge des Muskels 34 "m, I} " Höhe der | h i ı Latenzdauer | Nummer Temperatur | ne a; Sec. | Strom aufsteigend. 1 21:6 23-2 0.0043 2 21-75 22.8 0.0047 ee hr 3 91-8 99.5 0.0039 | no Mittel 0-0043 4 219 21-9 | 0.0042 | Strom absteigend. ) | 21.9 21-5 00050 | | 6 21-95 21-0 0.0042 5 7 29.0 20-5 0.0039 | Latenzdauer, Mittel 0-0044 8 22.0 20-4 0.0045 Versuch 159. Muskels 40 um, . August 1884. M. sartorius curarisirt. Länge des Höhe der Nummer | Temperatur ins naar Strom aufsteigend. 1 21.9 28.2 | 0.0043 2 21.45 28-3 0.0043 No, % 2 91.55 07.9 | 00045 Latenzdauer, Mittel 0-0046 4 21-6 27.6 | 0.0051 Strom absteigend. 5) 21.65 27:2 | 0-0053 6 21-7 269 0.0043 we 7 91.7 96-7 0.0047 Latenzdauer, Mittel 0-0048 6) I Allor 26°5 0.0048 Versuch 160. Muskels 40"m, Nummer Temperatur Höhe der { Zuckung a in Mm, E 5. August 1884. M. sartorius curarisirt. Länge des Pom- 21- 21. 21- 21- [eb 7 Sg era) Strom aufsteigend. 28.0 00045 | 26-9 0-0045 26-3 0.0051 26.2 0.0043 Latenzdauer, Mittel 0-0046 | | | | ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. 259 (Versuch 160. Fortsetzung.) Höhe der N ER Nummer | Temperatur Zuekung a in Mm. 7 Strom absteigend. om 21.5 25-8 | 0.0043 6 21-5 25.4 0.0045 | | an ‚abenzuü2a ar, I | 0-0 5" 7 91.5 95.9 ' 0.0047 Latenzdauer, Mittel 0-0045 S 21.5 | 3-0 | 0.0043 | Die zur selben Zeit am M. gastroenemius gemachten Versuche, gaben folgende Werthe für die Latenzdauer (vgl. S. 245): Versuch 161 — 0.0044” Versuch 162 — 0.0041” Versuch 163 — 0.0040” Versuch 164 — 0.0043” Die Unterschiede der Latenzdauer des M. sartorius und des M. gastro- cnemius sind nur unbedeutend, wenngleich die Latenzdauer des Gastrocne- mius um 0.0002” bis 0-0004” kürzer ist. Mir scheint daher, dass es einigermaassen berechtigt ist auch für den Gastrocnemius anzunehmen, dass " die wesentlichste, primäre Erregung an der hauptsächlichen Kathode geschieht, und dass die in Folge des unregelmässigen Baues dieses Muskels an verschiedenen Stellen desselben befindlichen Kathoden zweiter Ordnung keinen nennenswerthen Einfluss auf die Latenzdauer ausüben. Dies ist ja auch von vornherein annehmbar, denn die Veränderung der Stromdichte an verschiedenen Orten innerhalb des Muskels ist natürlicher Weise lange nicht so gross, als an demjenigen Orte, wo der Strom vom Muskel heraustritt. Um jedenfalls für die folgenden Betrachtungen "ganz einwurfsfreie Ver- suche zu benutzen, werde ich hier zunächst nur diejenigen am M. sartorius ausgeführten verwenden. Die mittlere Latenzdauer ist 0.0046”. Wenn wir, wie oben, annehmen, dass die primäre Erregung im Augenblicke der Reizung geschieht, so hat die Erregung beim Ende der Latenzdauer sich — um 12mm fortgepllanzt. Die Muskelelemente oder Muskelquerschnitte, welche dieses Stück von 12” bilden, befinden sich aber nicht alle in demselben Grade der Zusammenziehung. Der primär erregte Querschnitt hat sich am meisten zusammengezogen, der folgende etwas weniger u.s.w. bis zum letzten, welcher eben nur angefangen hat sich zusammenzuziehen. Wenn die Gerade A—B (Taf. XI, Fig. 4) den Muskel und AC das beim Ende der Latenzdauer contrahirte Stück darstellt, und die Ordinaten @, 5 u. s. w. die relative Grösse der Zusammenziehung jedes Elementes iz . 260 ROBERT TIGERSTEDT: bezeichnen, so hat sich der Muskel beim Ende der Latenzdauer um eine Länge verkürzt, welche der Summe der Zusammenziehungen aller einzelnen Muskelelemente gleich ist. Es würde also die mechanische Latenz- dauer des einzelnen Muskelelementes verschwindend klein sein können, und die Latenzdauer des Gesammtmuskels dadurch bedingt, dass eine grosse Menge Muskelquerschnitte zusammenwirken müssten, um eine äusserlich wahrnehmbare mechanische Wirkung hervorzurufen. Um die Richtigkeit dieser Auffassung zu prüfen, habe ich den Aigen den Versuch gemacht. Ich stelle mir vor, dass sich während der Latenz- dauer die Erregung im M. sartorius um ungefähr 12m fortgepflanzt hat (A—(C, Taf. XI, Fig. 4). Wenn ich nun den Muskel n D—E durch- schneide, so fallen die bei dem Ende der Latenzdauer in Wirksamkeit be- sriffenen Muskelelemente 6—£ ganz weg und 0.004” nach dem Augen- blicke der Reizung sind nur die Elemente &—y zusammengezogen und zwar gleich stark, wie vor der Durchschneidung. Diese Verkürzung des Muskels genügt aber nicht, um den zeitmessenden Contact zu öffnen, denn dazu waren beim unversehrten Muskel noch die Elemente d—& nöthig. Die zurückgebliebenen Elemente &—y müssen sich also stärker zusammen- ziehen und die Latenzdauer entsprechend länger ausfallen. Dies ergiebt - sich auch aus den einschlägigen Versuchen. Diese sind ausschliesslich am eurarisirten M. sartorius ausgeführt. An jedem Ende des Muskels war eine Klemmpincette Kronecker’s befestigt; sie diente auch als Elektrode. Nach- dem eine Reihe Bestimmungen gemacht war, wurde der Muskel durch- geschnitten, die Klemmpincette wieder angelegt u. s. w. Die Reizung ge- schah stets durch Oeffnungsinductionsströme bei über einander geschobenen Rollen. Versuch 155. 22. Mai 1884. M. sartorius curarisirt. Muskel an- gehängt 12% 15’; Beginn des Versuches 12" 20°; Ende 12" 53’; Strom auf- steigend. Nummer | Temperatur Zuckung un in Mm ? „ 1 20.1 14.4 0.0051 2 20.1 14-4 0-0056 | Länge des Muskels 34 ww; 3 20:2 14-3 0-0061 | Latenzdauer, Mittel 0-0056" 4 20.2 14.0 unmessbar 5 19.7 8.8 0.0056 | 6 19-85 8.4 0.0059 Länge des Muskels 21"; 7 19.9 Ss.0 0-0053 | Latenzdauer, Mittel 0: 0055” fo) 19.9 1-8 0.0053 ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. 96] (Versuch 155. Fortsetzung.) Höhe der TRETEN Nummer | Temperatur ek un % I naar } 922,.20-05 3.0 0.0063 | 10 20.83 2.9 0.0059 Länge des Muskels 12 mm; 11 20.4 1.4 00069 Latenzdauer, Mittel 0-0066 1-4 0-0075 12 | 20-4 | Versuch 156. Vergl. S. 257. Muskel angehängt 11" 30’; Beginn des Versuches ? Ende 1240’; Strom absteigend. Temperatur nicht an- gegeben. Höhe der Nummer Zuckung analger in Mm. | za 24:3S—22.8| 0:0049 Mittel; Länge des Maskeis 40 mm 1) 9.9 0.0047 10 9.8 0.0047 Länge des Muskels 20m; in 9.4 0.0043 Latenzdauer, Mittel 0-0046” 12 9.2 0.0048 13 3-1 0.0053 14 2.7 0.0063 Länge des Muskels 10W; 15 2.5 0:0063 Latenzdauer, Mittel 0-0061 16 Del 0.0064 Versuch 157. Vergl. S. 257. Beginn des Versuches 3%45’; Ende” 4415. Strom absteigend. Höhe der \ Nummer | Temperatur Zuckung = as in Mm. ; iR 20-1 25-7 _23.8 0:004% | Mittel; Länge des Muskels 9 21-15 11.1 0-0047 | N 10 | -. 21.4 10.7 0.0042 Länge des Muskels 22%; lil 21-5 10-0 0-0047 | Latenzdauer, Mittel 0-0046” 12 21-6 9.7 0.0048 13 21-3 4-5 0-0043 14 21-45 4-85 0-0053 Länge des Muskels 10WW; 15 21-5 4-0 0-0045 ( Latenzdauer, Mittel 0-0047” 16 21-55 3.8 0.0047 262 . ROBERT TIGERSTEDT: Versuch 158. Vergl. 8. 258. Beginn des Versuches 125 40°; Ende 1% 57; Strom absteigend. Höhe der Latenzdauer Nummer | Temperatur a san Bes ol -9 22.021 .5—20-4| 0:-0044 Mittel; Länge des Muskels 9 unmessbar 32 10 22-0. 3.| 1-1 0.0077 11 22 0.8 0.0090 Länge des Muskels 10”"; 2 29.3 0-5 0-0071 Latenzdauer, Mitte] 0-0082' 13 22.3 0.2 0.0091 Versuch 159. Vergl. S. 258. 5h 55, Strom absteigend. Beginn des Versuches 5% 32°; Ende Höhe der es Nummer | Temperatur Zeus . oc 8 21.7 27:2—26-5| 0-0048 Mittel, Länge des Muskels 9 31.2 We 100-0053 E 10 21.6 4.3 0.0048 Länge des Muskels 12”; 11 21:75 Aral 0-0047 Latenzdauer, Mittel 0-0050” 12 21.8 3.9 0.0053 Der Muskel wird noch einmal durchgeschnitten; seine Länge ist jetzt 5==; bei Reizung sieht man, dass er zuckt; er hat aber nunmehr nicht die Kraft, den zeitmessenden Contact zu öffnen; die Latenzdauer kann daher nicht bestimmt werden. ° Versuch 160. Vergl. 8.259. Beeinn des Versuches 6% 20'; Ende 6% 55, Strom absteigend. Höhe der Nummer | Temperatur Zuckung ns in Mm. DD 5—8 21.5 BE .S—-25.0 0:-0045 Mittel; Länge des Muskels 9 >14 77 92509.0.0:00% =D | 10 21-6 | 0.0043 Länge des Muskels 15"; ul 21-7 8.7 0-0047 Latenzdauer, Mittel 0-0046’ 12 21-8 8-6 0-0047 118) 21-35 5-7 0.0047 14 21.6 5.2 0.0053 länge des Muskels 12 "®; 15 21-8 5.1 0-0050 | [ Latenzdauer, Mittel 0-0050" 16 21-8 4.9 0.0050 ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. 263 (Versuch 160. Fortsetzung.) Höhe der verd r Nummer | Temperatur | Zuckung De in Mm. h 17 21-2 2.0 0-0063 | az »21.6 2.0 0.0063 | | Länge des Muskels sw; 19 21.8 1.9 0-0061 meer Mittel 0-0066 20 21.9 1.7 0.0077 21 21-6 0.5 0-0112 ‘ Länge des Muskels 5"; 23 21-9 0-5 0-0095 | fLatenzdauer, Mittel 0-0103" | Beim Versuch 155 ist die mittlere Latenzdauer des Muskels bei einer Länge von 34, bez. 21m 0.0056’—0.0055”; bei einer Länge von 12" aber 0-0066”. Beim Versuch 156 finden wir bei einer Länge von 40, bez. 20"® die Latenzdauer 0-0049”— 0.0046”; bei einer Länge von 10" 0-0061”. — Wenn die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Erregung im Muskel kleiner als die oben angenommene Zahl (3%) ist, so ist der beim Ende der Latenzdauer erregte Theil des Muskels kürzer; um die hier uns beschäftigende Erscheinung in diesem Falle zu beobachten, muss man ein entsprechend kleineres Stück vom Muskel zurücklassen. Daher erhalten wir beim Versuch 157 keine Zunahme der Latenzdauer, wenn der Muskel bis zu 10mm abgeschnitten ist. Beim Versuch 158 haben wir wieder die Latenz- dauer bei 34"m Länge 0-0044”, bei 10mm Länge 00082”. Beim Versuch 159 ist bei 40 und 12mm Länge die Latenzdauer 0:0048”, bez. 00050”. Der Muskel wird aber noch einmal durchgeschnitten; seine Länge ist jetzt nur 5m; bei Reizung sieht man, dass er zuckt; er hat aber nunmehr nicht - die Kraft, den zeitmessenden Contact zu öffnen; die Latenzdauer kann daher mit den hier benutzten Mitteln nicht bestimmt werden. Beim Versuch 160 ist bei einer Länge von 40, 18 und 12m die Latenzdauer fast unverändert - (0:0045”, 0:0046”, 0:0050”); bei einer Länge von SW” aber ist die Latenz- - dauer 0-0066” und bei 5m Länge 00103”. Diese Versuche beweisen, meines Erachtens, ziemlich deutlich die Richtigkeit meiner Annahme. In Betracht derselben, sowie derjenigen von Helmholtz, Gad, v. Bezold, Biedermann u. A. ermittelten Thatsachen scheint es also ziemlich sicher herausgestellt: dass innerhalb derjenigen als Latenzdauer der Muskelzuckung bezeichneten Zeit, welche zwischen dem Augenblicke der Reizung und dem in irgend einer Weise ermittelten Beginn der Muskel- zuckung vertliesst, eine grosse Menge Muskelelemente schon in mechanischer Wirksamkeit begriffen sind; die Latenzdauer des - Muskelelementes muss also viel kleiner, als diejenige des Ge- sammtmuskels sein. 264 ROBERT TIGERSTEDT: Wie gross ist aber die Latenzdauer des Muskelelementes? Nach Allem, was ich hier bemerkt habe, kann ich keinen anderen Schluss aus dem vor- liegenden Beobachtungsmaterial ziehen, als diesen, dass die mechanische Latenzdauer des Muskelelementes eine Grösse derselben Ordnung, wie die Latenzdauer der negativen Schwankung oder des Actionsstromes darstellt. Wenn die negative Schwankung überhaupt eine Latenzdauer hat, ist sie, wie die Untersuchungen v. Bezold’s!, Bernstein’s? und Hermann’s? nachgewiesen haben, jedenfalls nicht länger als 0-001”. Eine Grösse der- selben Ordnung ist nun auch die mechanische Latenzdauer des Muskel- elementes. Wir besitzen aber kein Mittel, die letztere nachzuweisen, immer müssen ausserordentlich viele Muskelelemente thätig sein, bevor eine äusser- lich sichtbare mechanische Wirkung auftritt, während die elektrophysiologische Technik längst schon die Mittel besitzt, um das augenblickliche Erscheinen der negativen Schwankung nachzuweisen. Nach meiner Anschauung be- einnt sofort nach der Reizung auch die Verkürzung des betroffenen Muskel- elementes; an und für sich ist aber ein einziges Muskelelement viel zu klein, um allein durch seine, wenn auch maximale Zusammenziehung eine äussere Wirkung erscheinen zu lassen. Mehrere Elemente müssen daher zusammen- wirken, und jedes in einem.gewissen Grade sich verkürzen. Die Zuckung des Gesammtmuskels steigt aber im Beginn äusserst langsam auf, dasselbe muss auch der Fall mit der Zusammenziehung des Muskelelementes sein. Wenn der Muskel direct, ohne Vermittelung des Nerven, gereizt wird, sehe ich keinen Umstand, der gegen diese Auffassung der Latenzdauer des Muskelelementes verwendet werden könnte. Bei Reizung vom Nerven aus stellt sich aber die Sache viel complieirter, wie u. A. schon daraus hervor- geht, dass dabei die Latenzdauer erheblich grösser als bei direeter Muskel- reizung ist. Die Art der functionellen Verbindung zwischen Nerven und Muskel ist also lange nicht so einfach wie man von vornherein sich es vor- stellen möchte. Ich wage aber keine Hypothesen darüber zu entwickeln, weil das thatsächliche Material dazu lange nicht genügt und die Frage an und für sich ausserhalb des Rahmens dieser Untersuchung fällt. Als Endresultat dieser Erwägungen über die Latenzdauer des Muskel- elementes bei directer Reizung des Muskels möchte ich also hervorheben, dass die mechanische Latenzdauer des Muskelelementes eine Grösse derselben Ordnung, wie die Latenzdauer der negativen Schwan- kung oder des Actionsstromes ist. ! y. Bezold, Monatsberichte der Berliner Akademie. 1861. S. 1023—1026. 1862. S. 199 —202. 2 Bernstein, Untersuchungen über den Erregungsvorgang im Nerven- und Muskelsysteme. 1871. 3 Hermann, Pflüger’s Archiv u.s. w. 1877. Bd. XV. S. 233—245. ÜBER DIE LATENZDAUER DER MUSKELZUCKUNG. 265 Erklärung der Tafeln. Taf. VI. Fig. 1. Der Contacthebel (siehe S. 132). Figg.2 und 3. Das elektrische Signal von Pfeil (siehe S. 1353). Fig. 4. Die Versuchsanordnung (siehe S. 140). Taf. VII. Graphische Darstellung der Versuche über die Abhängigkeit der Latenz- dauer von der Grösse der Muskelzuckung bei nicht curarisirtem Muskel (siehe S. 165 ff.). Die Abseisse bedeutet die Höhe der Muskelzuckung und zwar entspricht hier 1° wm Zuckungshöhe. In den Ördinaten bedeutet 1°” eine Zeit von 0.002", Taf. VIH. Graphische Darstellung der Versuche über die Abhängigkeit der Latenz- dauer von der Grösse der Muskelzuckung bei curarisirtem Muskel (siehe S. 171 ff.). Die Curven sind nach demselben Prineip wie in Taf. VII construirt. Die unterbrochenen Linien sollen den ‚idealen ‚Verlauf‘ der Latenzdauercurve andeuten. Taf. IX. Graphische Darstellung der Versuche über den Einfluss der Nerven- enden auf die Latenzdauer (siehe 8. 214 ff.). Die Curven sind. nach demselben Princip wie diejenigen in Taf. VII construirt. Die vollständig ausgezogenen Linien beziehen sich auf den nichteurarisirten, die unterbrochenen auf den curarisirten Muskel. Taf. X. Dasselbe (siehe S. 217 fi.). Taf. XI. Fig. 1.) Zuckungsforınen beim nichteurarisirten (A) und curarisirten (B) Muskel (siehe S.224. Die Ziffern bezeichnen die laufenden Nummern der Be- obachtungen. Figg. 2 und 3. Zuckungsformen bei Anwendung einer Stahlfeder zur Spannung des Muskels (siehe S. 246 u. 247). Die Schwingung bei « ist eine Eigenschwingung der Feder beim Ende der Zuckung. Fig. 4. Schematische Darstellung zur Frage von der Latenzdauer des Muskel- elementes (siehe S. 259). Archiv fAnat. u Phys 1885. Phys. Abthlg. Suppl. Taf. Fig.l. KP wPp Fig. 9 ur a Kr Frg.I0. Fig. 2. KP Haare WP Fig. BL KP Haare WP SS hr 55 f er x Fig. A, ÄP Haare Fig. 17. £ ÄP Fig... Fig. ; rg. 12. ; KäP Verlag Veit & Comp. Leivzia KP WP Taf. II. 1 \rchiv £. Anat. u. Phys. 1885. Phys. Abthlg. Suppl. Fig. 14. Dorsalflächo des Vorderarns. N ii j 5 Fig. 13. Beugefläche des Vorderarms. H a) K. P, a)K.P, b) W. P. Fig. 16. Beugefläche des Vorderarms. b) Wärmesinn - Topographie. c) Drucksinn - Topographie, Fig. 15. Beugefliche des Oberarms. KT: Br re aa \ a) Kältesinn - Topographie Verlag Veit & Comp. Leipzig. Lichtdruck von Römmler & Jonas a aa N EREENGER _ REITER, Tri eine nn Mn nenn Archiv f. Anat.u.Phys.1885. Phys. Abthlg. Suppl. Fi. b.Wärmesinn m | ' “ | ; En | sin e% | ie on: | ") \ IM | Le I, | ii [es ee IMMER ° © © % m = En We ) ee ep BE WeRuE_ Spaliumin- Og mergz F en 3 ‚pi Sparı, 5 N | N \ hu lin) N NL | au \ ! j " Fig.19a. Kaltesinn. ee \\ ie EN NG kunden. N Fig.19b. Wärmesinn. N Ei Fig.19c. Drucksian Verlag Veit &Comp.Leipzig Taf. II j | A | Archiv I. Anat.u. Phys.1885. Phys, Abthlg. Suppt. Taf IV. Pig Fig.23. Fig.24. f Fig A Fig.26 Fig.2%. Fig.28. Fi 40. “ Fig2a Fig.30, Fig3ß. Fig.39. Fig.33. Fig.38. Fiasb Fig.49. 19.30. Fig.Al. Fig4h, Spatium: \D1.Metacar- (Spatü I.Metacar. | Spatium | palknecelini intero/seum fe palknoohen. |inzerofseum. u r I Verlag Veit & Comp. Leipzig Läch.Anetv.E AFanke, Leipzig im ” r a f ' hr a E Archiv f Anat.u. Phys. 1885. Phys. Abthlg. Suppl. MET, MH WHEN" IHREN SS N nnsanoy I IN / UAnS2UmD TE Al ya Snauvma N p ‚syoumbnay ‘do Smıpaul snai 709 dajup senaum; Verlag Veit& Cup. Leipiie : Lith.Anstx E.A Funke , Leipzig Taf vl Archiv Lılnat. u. Phys.1685. Phys. Abthlg. Suppl. = = Er" 3 € = Er m = | z Verlag Veit & Comp. Leipzig NOBfirkasn Arch £Anat u Phys 1665. Phys, Abthlg. Suppl Versuch 28 (020 0.024 Doze 0020 Oo Oo 0,010 0,8 "om (dose Oorz Ooam Oo O,o02 0.008 O,avo 0006 hoxs (0oos [FG Ooo8 O,oen O,osz Ooso O,oıs (ar Um Man Com Does Voon a7 Onws Versuch 24 Du 18 14 Don - Oono 0,038 (0,036 (0,03% O0.os2 0.oso 0.028 0,026 0,024 0,022 0,020 0.018 0.016 0,014 O.oız 0,010 (vos 0,000 0,004 0.002 U) rlaq Veit & Comp, 1: 0024 Oo22 0,020 0,018 0,016 0,01 0012 0,010 0.008 (0,006 O,0on 0oo2 Versuch 27, Versuch. Taf IM. Du dom Archn Elmatın Phys. 1585, Ihys. lbihly. Suppl. | Yan dor dom dom Versuch 139 B Fig?. (am Dos (an or [27 con drra 8 3 n u 2 AR 7 15 w Doom. (ira ne dom Re (io dom om Dave os [72 Versuch WB O6 _ dom dom Vor lar_ Don. j Tele | oa. 0 1 % Versuch MB. ano. 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