DA ENEN U NR EN SO SELTEN) uam ! \ I) 1 ME A Aka \ ' ANAL Y Ak ah « N ERSRRDNN oh Ka uhh uch, var . KL) yılız v ’ u N Pi f a Pan \ RN chrha f B nA ' RR Lan i HNRRERENN I y U ur RN Y KUN s ‘ ‚ et vr \ IE \ x N : | DE \ A N yalchemn 4 \ u \ h ‘ ! ut ’ ’ s \ % ‘ ? „ vd ui RR " x ‘ % je3 ur \ in Pr } U NCLRN \ N En mh RN \ \ ‘ \ APACHE EDEN % t KRCNESERPENNERE NE NL RL} ' r WEHEN % N \ \ \ > ' ; Y \ ‘ ’ B Fe BE Vibraep of the Museum OF COMPARATIVE ZOÖLOGY, AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGR, MASS. Hounded by private subscription, in 1861. Deposited by ALEX. AGASSIZ. Rs No. 78 83 Bun u, 1830 U PAR Ak sl zilE a ARCHIV FÜR ANATOMIE UND PIIYSIOLOGIE, FORTSETZUNG DES von REIL, REIL v. AUTENRIETH, J. F. MECKEL, JOH. MÜLLER, REICHERT vw. DU BOIS-REYMOND HERAUSGEGEBENEN ARCHIVES. HERAUSGEGEBEN VON Dx. WILH. HIS uno Dr. WILH. BRAUNE, PROFESSOREN DER ANATOMIE AN DER UNIVERSITÄT LEIPZIG, UND Dr. EMIL DU BOIS-REYMOND, PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN. JAHRGANG 1890. SUPPLEMENT-BAND AUR PHYSIOLOGISCHEN ABTHEILUNG. LEIPZIG, 0,32 VERLAG VON VEIT & COMr. F 1890. I .: rn u ARCHIV FÜR IEYSIOLOGIE. PHYSIOLOGISCHE ABTHEILUNG DES _ ARCHIVES FÜR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE. UNTER MITWIRKUNG MEHRERER GELEHRTEN HERAUSGEGEBEN VON Da. EMIL DU BOIS-REYMOND, PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN. JAHRGANG 1890. SUPPLEMENT-BAND. “MIT ABBILDUNGEN IM TEXT UND DREIZEHN TAFELN. LEIPZIG, VERLAG VON VEIT & COMF. 1890, Inhalt. A. J. PLoerz, Die Vorgänge in den Frosehhoden unter dem Einfluss der Jahres- zeit. (Hierzu Taf. I u. II.) - J. JEGoROw, Ueber das Verhältniss des Smmailiilen m zur Kopfrernunen einiger Vögel. (Hierzu Taf. IIL) - . F. P. Mar, Die motorischen Nerven der Boalsene, . J. Gap und J. F. Hrymans, Ueber den Einfluss der Temperatur Aue ia ne fähigkeit der Muskelsubstanz. (Hierzu Taf. IV— VII.) ImmAnUEL Musk, Ueber die Wirkungen der Seifen im Thierkörper as OscAR LIEBREICH, Betrachtungen über die Be Eigenschaft der Schwimm- blase der Fische . : A. Stuosse, Die künstliche Veramune der Teber an Ciykogen A. Stosse, Die Athemgrösse des Darms und seiner Drüsen 5 H. Korrpe, Muskeln und Klappen in den Wurzeln der Pfortader . ı H. Korppe, Die Bedeutung des Lymphstromes für Zellenentwickelung in den Lymphdrüsen. (Hierzu Taf. IX),: ; C. MarrTınorTı, Hyperaesthesie nach Verletzung als Bela en Taf. X. Xa und XI, Xla.), Die Vorgänge in den Froschhoden unter dem Einfluss der Jahreszeit. Vergleich von Rana temporaria und esculenta. Von A. J. Ploetz. (Aus dem physiologischen Institut zu Zürich.) (Bierzu Taf. I u. II.) Einleitung. Die Begattung ist beim Frosch eine einmalige im Kreise eines Jahres. Es ist demnach vorauszusetzen, dass die Bildung der Geschlechtsproducte sich an den Ablauf des Jahresceyclus anschliessen wird. Betrachten wir diese als die Reifung eines Körperbestandtheiles, so stellt sie gewisser- maassen den Culminationspunkt dar, den die zellenbildende Thätigkeit erreicht. Dass eine solche Thätigkeit in enger Abhängigkeit von den grossen äusseren Factoren Licht, Wärme, Feuchtigkeit u. s. w. verläuft, ist klar. Aber sie muss ebenso abhängen von der Ernährung, überhaupt von den inneren Stoffwechselvorgängen, von der Thätigkeit der übrigen Organe. Einige Abhängigkeiten der letzteren Art notiren in grober Weise die unten folgenden Tabellen, die ihre weitere Verwerthung in späteren Arbeiten finden werden. 1 Mit dem Einfluss der Jahreszeiten beschäftigt sich der Haupttheil der vorliegenden Arbeit, die auf Anregung und unter Leitung Prof. Gaule’s entstanden ist. Der Zweck der Arbeit schliesst ein näheres Eingehen auf die ‚feineren Vorgänge der Spermatogenese aus, ich werde nur in’s Auge fassen, was nach den Untersuchungen von La Valette, Matthias Duval und Grünhagen über die Spermatogenese beim Frosch als feststehend anzu- Archiv f.A.u. Ph. 1890. Physiol. Abthlg. Suppl. ıl 2 A. J. PLOETZ: sehen ist. Die Hauptthatsachen derselben sowohl bei Rana temporaria wie bei Rana esculenta sind in diesen Arbeiten bereits niedergelegt. Ich kann mich ihnen, besonders der von Grünhagen, im Grossen und Ganzen an- schliessen. Nur werden bei Duval die einzelnen Stadien der Spermatogenese bei Rana temporaria zu scharf von einander getrennt und das Verhalten der Tragezellen ist nicht erkannt; ferner habe ich bei La Valette das schon von Duval constatirte Uebertreiben der Zahl der Follikelzellen aus- zusetzen. Dagegen gar nicht verwerthen konnte ich die Arbeiten von Neumann und von v. Widerspere. Untersucht wurden Rana temporaria und Rana esculenta. Trotz der grossen Aehnlichkeit beider Froscharten zeigte sich dabei überraschender Weise eine grosse Verschiedenheit in der Grösse und Functionsweise ihrer Hoden. R. temporaria hat grosse Hoden, deren Grösse weiten Schwankungen unterliegt, und zeitlich gut getrennte Phasen der Bildung und Abstossung der Spermatozoen. R. esculenta hat kleine Hoden, deren Grösse nur wenig schwankt, und zeigt zu allen Jahreszeiten sämmtliche Phasen der Bildung und Abstossung der Spermatozoen, wenn auch in wechselnden Verhält- nissen. Die Erklärung dieser auffallenden Thatsachen suchte ich in Unter- schieden der Lebensgewohnheiten beider Thiere, konnte aber nur einen nützlichen Fingerzeig erkennen in der verschiedenen geographischen Ver- breitung, in dem Vorkommen der R. esculenta in dem Gebiet der Sommer- dürren, worauf ich am Schluss noch zurückkommen werde. Als Material dienten Rana temporaria und Rana esculenta aus der Umgegend von Zürich. Thunlichst gleich nach der Ankunft der Frösche wurden die Hoden herausgenommen. Einbettung und Färbung geschah nach Gaule’s Methode. Die Dicke der Schnitte betrug überall 0.01 “m. Der eine Hoden eines Frosches wurde so geschnitten, dass sich grösste Flachschnitte, der andere so, dass sich grösste Querschnitte ergaben. Dies geschah, um die Länge der drei Hodenaxen festzustellen und das Product . derselben zur Vergleichung der Hodenvolumina zu benutzen. Diese Pro- ducte sind den unten folgenden „Hodencurven“ zu Grunde gelest, obgleich . sie keine eigentlichen Hodenvolumina angeben. Aber sie geben doch für ” den Vergleich taugliche Verhältnisszahlen an. Die beiden Queraxen eines Hodens sind verschieden lang. Da die längere von ihnen sowohl im grössten Flachschnitt als auch im grössten Querschnitt vorkommt, also bei den beiden zu einem Frosch gehörenden Hoden gemessen werden konnte, so wurde jedesmal das Mittel zwischen den beiden gefundenen Längen in Rechnung gesetzt. In sehr wenigen Fällen war es nicht möglich, einen ° grössten Querschnitt herzustellen, so dass die fehlende kleinste Axe aus DER FROSCHHODEN ZU VERSCHIEDENEN JAHRESZEITEN. 3 dem mittleren Verhältniss berechnet werden musste, in dem sie bei anderen Hoden ähnlicher Form zu den beiden längeren Axen stand. a a EEE De Eee USE EEE LEEBESESESFEEEESEERBESEFEBESEEFEHEEEEEREE EEE a ORonaranae zn E DOSE ol | | Erzemaıt nelelm) i } | | Fe BESSSSSSSSSSBgBESaSESEEESaun EB sseinie 20 5 T | | | 22 — | | | | 22 oe ja | | ALICE | | -: 2 Et 1 i EEE PESEEaEEnen 2. AH GBDERE E in a LOEODSESIDONSREETENEnenTamaaee ? zu Rand umipdndrile u EN elelelee | 1 - 1 1 . + 1 II 1 1 — 12 | a | = = BuBEuuE ERBEN ne A es a BiEIziei2 ja ia wleieleie nein em anni EEE EITIEIR En i 10 Tee naaeneineeein/aieineeet | mm 2 Dasaalae] je) | | ee |alarje! | | al | len] A T a | zum ji | janjıal el Die il | | | 1 5 | a == aa a a I EEE BE ER | | EEE e | | anne | — | genen: SOSE naue EH SEERER e 2 Ss ze. LI LILLIUL LL LIE dee ES EEE Sal Beelela sale seele een | Januar.\ Februar.| März. | April. | Mai | Juni. | Juli. | August. September October. NovemberDecember. Curve der Grössenschwankungen der Hoden. Wo in den Rubriken der unten folgenden Tabellen Grössen, Mengen oder Grade nach blosser Schätzung angegeben sind, sind die Ziffern 1—5 benutzt worden, natürlich so, dass die höhere Zahl einem grösseren Volum, einer grösseren Menge oder einem höheren Grade entspricht. Leider sind nicht in allen Monaten die genügende Anzahl Hoden eingebettet worden. Zum Vergleiche sind daher Notizen von anderen Fröschen herangezogen worden, die in demselben Monat beobachtet wurden. Die Beobachtungen erstrecken sich von Mai 1889 bis Mai 1890. 1. Rana temporaria. a) Allgemeines und Grösse des Hodens. Zunächst die Tabelle für R. temporaria. Was die darin berücksichtigte Hautfärbung dieses Frosches anlangt, so ist sie um so lebhafter, je schwärzer die Daumenwarzen sind, je zahlreicher, grösser, tiefer schwarz und schärfer umschrieben die Rückenflecke und die Schenkelbänder sind, je mehr an der Unterseite die weissliche Grundfarbe übergeht an der Kehle in Blaugrau, an Brust und Bauch in Grünlich-Gelb bis Hochgelb, und je mehr eine kaum ‚sichtbare hellgraue Marmorirung an der Brust einen dunkler grauen, röthlich- grauen und schliesslich rothen Farbenton annimmt. Bei Betrachtung der Tabellen fällt auf, wie verschieden die Axen- producte, also auch die Hodenvolumina, in den verschiedenen Monaten sind. ‚Um das Vergleichen unabhängiger von dem Gewicht der Frösche zu machen, „ur [ara ITOSO-LA Ay "feguf mougoL ur ose[quoppen) . . A. J. PLOETZ -[oyunp Ay9s "T9ZURDS ACT aa nn nm nm m in rm rm aa ae} Im na nn an m Mm -unerg-[[oQ go -uneIg-[joyunp unvIg -q[03-][0y uno -UNEIA -1I9U uneIdg -qf03-][0q 498 -ume.Itgq-[99 unp UneIg -q[93-][0U un.ıs -ume.1gq -[oyunp [Z3 UNIS-UNE.IA wSuny.owmog oqıermmef] op Noysugey -qe] op Peıd) ZI 19p 9sso.1y Jap 9ssorh) asejquafed 9q.J1ogoT wre todwsg euey Ir waoc wa + N Sa [ey 19p 9ssoux) | 19dıoy -999,1 Op 9sso1IH | ayoBs soyjey9s I S2Ppl93S0TJ)| puegsnz -SSUNIUBUIM sop 9sse N wzIog p9sseg m m an ww a syuaursıdfoysum Ss 6 aaa re a a a oa m a || | | | Il 'p 9sse| syuawasıd UOSOLYT wıs I jae sqjosseq -uopcy 19% 818 688 878 gl$ x [0 0) - gs uuıTjLpn Ur yonpomduaxy "LI, UT SOUISOLT, sap 4109 ZA "LT OS E G oral oa SOG er Boa ar 105 Ten II °F Ed) €) ©) en ed © 281 Arzt HOT 62 081 3 621 [17 . 8ı1 EB LLL| Tenurf " = E wmge(T 5 DER FROSCHHODEN ZU VERSCHIEDENEN JAHRESZEITEN. u] uPpoH "Sun][ogsssungges -9g UT Afout ypsorg UM Alle Frösche viel Lymphe unter Bauch- und Schenkelhaut -uoyoseyuaweg uap ur gumds Stuam ıyas "Sunjjegsssungesag UT -uUONISEHUAUIBS UP ur wurrdg SuM ayag "ISSSunyesag UL JUDIN "uogoseguawegst u9p ur emaodg [era "Twerz "ssdunggesag UL JydIN "UOyISe4u9WeS UAULIN ur eidg StuoMm Iyog "Sunjfogsssunggesag u] yuaweg uap ur eunıodg -Sunjjogsssunggesag u "uOyoseyuaweg uop ur wurd JorA "SunpjppgsssunggeSag uf mey |'Stuom "ur 919pur -[oyuempg | 1ap “woLg auyo nm or) 6 unerg-[[oy Un.HS -une.Ig-[oyunp unıs -unerg-[ppyunp unıs -UNEIA-[PNUNP unıs -uneig-Joyunp UNIS-uUNBIg uogqaejurgof-[[oU uaqejwyot-[Io4 uoqawzwgoL-[oy un.ıD -unerg-[oyunp uoqawjurgof-[[oy [27 & ae) & [7 AOSTUL 1ogeuL [17 “. 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PLOETZ -[oyunp ıyos "q oZueS ACT a an nm mn nm m n im nn ana nm m m -uneıg-[[o1 ygoL -unerg-Joyunp uneIg -q729- 1704 unıS -UNEIA -1I9Y umerg -q[o3-1[0y 4193 -umeTg-[oNUnp UneIg -q[2-1[04 unıd -UNB.LA-[INUNP [73 UNIS-UNG.IA UOSUNN.TOWIE aqrerpueH zop yoganpey | = am m ac -gaT op peiy ZI Op 9SSQ.LH OSELqU]IEH Op 9ssQIH 9q.eJtogoT erw todwsg vuey syuaursıdfoysum & = a aı SHE Eee an aan wa ad war vw HH ar) sap 9SseN sayjeyas arg Sop 9Ss0I9 | U9ZIAH 'P 9SSQ.L9 Ss 9u5 "[uoIz 908 ms "[woIz aa aa u. a ayaRs AIey Op 9ssgq.1HY 19dıoy aA Op 9sso19g | 6 6 & a a aaadnT a syuausıd -U9pcH 'p assep| YOSOLT wis I jae ogqjesseq 19% 828 698 876 gle 618 618 87V 445 648 GG I Es) - IITDU ur yonpoaduaxy & | “TI UT SOUISOAT 07 38 97 IG IF | sap pIAaN 186 608 805 108 806 608 108 681 181 081 6L1 8L1 Lil JoumumN DER FROSCHHODEN ZU VERSCHIEDENEN JAHRESZEITEN. ss J | 9aepdmaox upg upoH | — je] # | FE ali2 || & 2\ı 2 Sol | ee ei = | 821% Er -|I# | 8 | og rn \%e » \2-7|79 | seilse tunp '9 | 6881 7eal —e »|I 9 | au FE FT wm | 28 Re | le & e|ı |< |2-T|99 | 07 1992 rs "Sun][o9sssungges unag Elel UN Dan UPSDEGE DH se |3 ge |» | -weiggeymp |g |e|e ie »| 1 | 8 |2-1|89 | or \c9z en) uno SSTUL T IE) g |e | -unegpyunmp | 2 23 L| gm | 7 | T |< |o.s.|cs | 79 m) -uagaswyuaurs up ur wgunodg Stuam ayas uns Jıssgun “Sunpegssdungesog u) < |g| 7 |E mag | F|c | m |z | ı | z [o-9|ı88| 27 jecz el "uOTISE4uHUIEBg UP ur eurrdg SuM ayag unıd ssdungedag ur pn 7 | g| 7 || -mugpym |g |F| Fr = Fr |& | 8 |L-.<4|aes| 94 Ircz Ai "uogosegusweg Up ur eurrodg [orA "Twerz ‘sssunggesag ur JydIN 6 || | UNIS-UMB.Ig Fr\e# & 2 | 23 | 8 |e-7 0023| ı# lecz | "UOUISE4u9WES UAULOIN ur gumdg Stuom ıyog "Sunjfgsssungesg u] F ee #|z | wgagumpr-py 2 el 7 I ms ws | # | | xZ |s-c|F82| 6r \acz il Yuameg uop ur eunsdg Schenkelhaut Alle Frösche viel Lymphe unter Bauch- und ‚Sunpogsssungesg up 8 |E|# Fr | wgwuupr-mpy | HF ıF\H ns & | |: Mi aa) 07 IeR Ee "U9TISBIUIUES uop ur ewaods [erA ‚Sunppgsssungeg u] 8 |E | + |z | wgwpunpr-mul ge Ie| < | ms | + | 8 | 8 |a-S|sze\ e9 loez| udy ı un. 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Die Unterschiede in den Hodengrössen könnten dadurch entstehen, dass die Zahl der Hodencanälchen oder ihr Lumen schwankt, oder dass die Masse der Zwischensubstanz einschliesslich Saftlücken und Gefässe starken Veränderungen unterworfen ist. Das letztere ist nicht der Fall. Zwar ist das Bindegewebe zwischen den Canälchen vom März bis September im Durch- schnitt etwas vermehrt und zell- und lückenreicher, auch scheinen die Hoden während des Sommers stärker durchblutet zu sein. Allein alles dies ist zu geringfügig, um das starke Schwanken der Hodenvolumina zu erklären. Man muss also auf die Canälchen selbst zurückgehen. Es wurden auf einer gleich grossen Fläche (2.5 ==) im Centrum je eines Flachschnittes vom Mai und August die Anzahl der Canälchen und Ausführungsgänge festgestellt. Es ergaben sich: für Januar 50, für Mai 116 und für August 16 Lumina. Die Gesammtfläche der betreffenden Hodendurchschnitte betrug: für Januar 34 mm, für Mai 14.5 mm und für August 122 um, Es kommen also auf jeden Hodendurchschnitt: im Januar 680, im Mai 673 und im August 750 Lumina. Das Gewicht der betreffenden Frösche beträgt für Januar 38, für Mai 40 und für August 438m, Es ist also höchstens für den Mai eine geringe Abnahme in der Zahl der Lumina zu constatiren, die aber doch so gering ist, dass man die Grössenunterschiede der Hoden wesentlich auf Unterschiede in der Weite der Lumina der Canälchen und Ausführungs- gänge zurückführen muss. Die geringe Abnahme der Lumina im Mai, wenn nicht einfach indi- viduelle Variation, beruht vielleicht darauf, dass bei der Ausscheidung der 8 A. J. PLOETZ: Spermatozoen im April einige Canalwände durchbrochen werden, wenigstens sieht man etwas mehr confluirende Lumina wie sonst. Dies und die directe Beobachtung des ganzen Materials erweist, dass zu keiner Zeit ein nennenswerther Untergang und Neuaufbau von Canälchen stattfindet. Auch wurde zu keiner Zeit das Auftreten geschlossener Follikel sicher beobachtet. In keinem Falle konnte eine zweifellose Communication des Inneren der Canälchen oder der Ausführungsgänge mit den Lymphspalten bemerkt werden. Nie wurde Inhalt der Canälchen in einer Lymphspalte gefunden. Eine dem Rete testis analoge Bildung besteht also nicht. Die Anordnung der Canälchen ist folgende: Sie gehen meist zuerst radiär von der Hodenoberfläche nach innen, auf der lateralen Seite eine ziemlich lange Strecke, oft die Hälfte des Radius, auf der medialen Seite nur eine kurze Strecke weit. Manchmal fehlt medial ein radiärer Verlauf ganz. Nach innen zu verlaufen die Canälchen nach allen Richtungen ge- wunden durcheinander. Hier sind die Lumina vielleicht etwas kleiner als am Hodenrande. Das Confluiren der Canälchen beginnt bereits dicht unter der Hodenoberfläche und setzt sich bis in’s Innere hinein fort. Die Canäl- chen gehen schliesslich in Ausführungsgänge über. Dies geschieht inner- halb der ganzen Zone der gewundenen Canälchen. Die Ausführungsgänge führen nach häufiger Vereinigung mit einander und mit Canälchen aus dem Hodeninneren in ziemlich gerader medialer Richtung hinaus. Dieser Verlauf der Canälchen ändert sich im Laufe des Jahres nur in so fern etwas, als im August und September bei dem grösseren Theil der Hoden das gerade radiär verlaufende Stück länger ist, in einem Falle bis zu ?/, des Querschnittsradius. Ehe ich zur Schilderung des Canalinhaltes übergehe, will ich noch bei- läufig erwähnen, dass besonders im Sommer zahlreiche Blutkörperchen, in einzelnen Gefässen alle, keine oder nur eine äusserst schwache Kernfärbung hatten. Dabei liess die Kernfärbung der übrigen Elemente nichts zu wünschen übrig. Ein Theil der Blutkörperchen zeigte nicht den gewöhn- lichen nur mit Safranin gefärbten Kern, sondern einen vergrösserten oft runden Kern, der ausser mit Safranin auch ziemlich stark mit Haematoxylin gefärbt war. Diese Kerne lagen theils in einem Stroma von gewöhnlicher Grösse, theils hatten sie nur eine dünne, aber noch deutlich gelblich-grüne Hülle. c. Inhalt der Canälchen. Was nun die Veränderungen des Inhaltes der Canälchen in den ver- ‚schiedenen Monaten betrifft, so sieht man im October von der Canalwand aus nach innen ein ziemlich weites proto- DER FROSCHHODEN ZU VERSCHIEDENEN JAHRESZEITEN. 9 plasmatisches Netzwerk, in dessen Maschen an einzelnen Stellen dicht an der Wand grosse runde Zellen liegen, die Spermatogonien La Vallette’s. Es giebt jedoch kleine Strecken von Maschenwerk, in denen man keine solchen wandständigen Zellen bemerkt. Mit Ausnahme dieser ziemlich seltenen Stellen sind die Spermatogonien in einer sehr lockeren Reihe angeordnet. Da, wo das Netz nach dem Canalinneren zu aufhört, liegen in ihm viele Kerne, kleiner als die Spermatogonien. Diese Kerne zusammen mit dem protoplasmatischen Netz sind die Benda’schen Fusszellen, oder mit einem besseren Ausdruck von Grünhagen die Trage- oder Stützzellen. An jedem ihrer Kerne schliesst sich noch weiter nach innen ein kurzer, breiter, fein- gestreifter Protoplasmastiel, auf dem nach dem Canalinneren ein dichtes Bündel von Samenfädenköpfen aufsitzt. Weiter nach innen folgt wieder ein kurzer breiter feingestreifter Protoplasmastiel, der in eine breitere, zum Theil grob gestreifte, zum Theil unregelmässig radiär zerklüftete Proto- plasmamasse übergeht, in der zerstreut ganz kleine chromatophile Körner in wechselnder Menge liegen, bald im Bereich eines Kopfbündels gar keine, bald bis zwanzig und noch mehr. Diese ganze beschriebene Formation, mit Ausnahme der Spermatogonien, nennt Grünhagen Samenständer, ein Ausdruck, der wegen seiner treffenden Kürze beibehalten zu werden ver- dient. An den Spermatosonien bemerkt man nur wenige von La Valette’s Follikelzellen, vielgestaltigen, theils länglichen, theils pyramidalen oder halbmondförmigen Zellen, die bedeutend kleiner als die Spermatogonien sind. Obgleich der genetische Zusammenhang zwischen diesen Follikelzellen und den Tragezellen Grünhagen’s wohl zweifellos ist und auch durch die Untersuchungen F. Hermann’s wieder bestätigt worden ist, werde ich doch der Bequemlichkeit halber diese beiden Namen beibehalten. Von Tragezellen werde ich sprechen, sobald eine Follikelzelle mit einer Sper- matocyste in Verbindung getreten ist, vorher von Follikelzellen. In einigen Canälchen liegen Ballen von abgestossenen, zusammen ge- knäuelten Spermatozoen. Die Abstossungserscheinungen selbst findet man nur in sehr geringem Umfange vor, und zwar hauptsächlich in einigen Canälchen, die in einer Zone gleich nach innen von den Canälchen am Rande, besonders am lateralen, liegen. Diese Zone werde ich weiterhin als zweite Randzone bezeichnen. Im November verändert sich das Bild kaum. Höchstens werden ‚die Canallumina etwas enger, der Abstand der Samenständer etwas geringer, die Spermatogonien und Follikelzellen etwas zahlreicher und das Maschen- ‚werk der Tragezellen etwas enger, sodass die Kopfbündel näher an die "Wand rücken. Auch in diesem Monat findet man in der zweiten und ‚sogar in der äussersten Randzone Abstossung von Spermatozoenbündeln, _ und zwar in viel beträchtlicherem Umfange wie im October, aber doch im 10 A. J. PLOETZ: Verhältniss zur Abstossung im April in so geringem Grade, dass man von einer zweiten Brunstperiode nicht sprechen kann. Im December, Januar und Februar findet man im Allgemeinen dieselben Verhältnisse wie im November. Nur werden die Canallumina noch ein wenig enger, die Samenständer sind noch näher aneinander ge- rückt, das Maschenwerk der Tragezellen ist noch ein wenig enger geworden und Spermatogonien und Follikelzellen erscheinen ein wenig zahlreicher, liegen aber immer noch locker und einreihig. Ueberhaupt sind alle auf- geführten Veränderungen nur sehr geringfügig. In allen diesen Monaten, wie auch im November, liegen in einzelnen Canälchen Spermaballen, die schon erwähnten Haufen abgestossener, zusammengeknäuelter Spermatozoen. Dementsprechend sieht man in der zweiten Randzone hin und wieder sich ablösende Spermatozoenbündel, aber bedeutend weniger wie im November- hoden. Beiläufig bemerkt, ist die zweite Randzone gewöhnlich in der Ent- wickelung am weitesten voran, die äusserste am weitesten zurück. Auch im März ist das Bild wieder nur wenig verändert. Die Sper- matogonien und Follikelzellen liegen noch ein wenig dichter, aber noch in einer Reihe. Besonders in der zweiten Randzone sieht man wieder mehr Ablösungserscheinungen, daher auch eine vermehrte Anzahl von Sperma- ballen. Erst Anfang April geht die Ablösung der Samenfäden im ganzen Hoden vor sich. Einige Hoden zwar (250 und 251) zeigen noch ganz ähnliche Verhältnisse, wie die vom März; allein die anderen zeigen in der Reihenfolge 253, 254, 252, 255 die Ablösung immer weiter vorgeschritten. In Nr. 255 sind bei weitem die meisten Spermatozoen bereits ausgeschieden. Bei 250 und 251 sieht man, wie im März, ziemlich viele Spermaballen, bei 253 und 254, wo die Ablösung stärker in Gang gekommen ist, sehr viele, dagegen bei 252 wenige und bei 255 sehr wenige, wohl weil die grössere Menge der Spermatozoen schon entleert ist. An der Wand prae- sentiren sich jetzt die Spermatogonien und Follikelzellen als eine eng- geschlossene Schicht, die Spermatogonien aber noch einreihig. Nach innen von ihnen sieht man überall, wo die Ablösung der Spermatozoenbündel vor sich geht, eine stärkere Safraninfärbung der Kerne der Tragezellen. Das Protoplasma derselben zwischen Kern und Wand und zwischen Kern und Kopfbündel zieht sich in der Richtung des Canalradius in die Länge, oft sehr bedeutend, bis eine Trennung zwischen Kopfbündel und Kern, oder seltener zwischen Kern und Wand eintritt. Im ersteren Falle wird die zurückbleibende Tragezelle gewöhnlich noch länger, ihr Protoplasma wird weitmaschig uud bildet mit dem benachbarter Tragezellen ein Netz. Manche kleinere Canälchen sind fast ganz mit solchem Maschenwerk erfüllt, im dessen Bälkchen zerstreut die Kerne liegen. Einzelne Zellen hängen kaum noch DER FROSCHHODEN ZU VERSCHIEDENEN JAHRESZEITEN. 1l mit diesem Netz zusammen, andere sind schon frei mit etwas eingezogenen Ausläufern, und noch andere haben alle Ausläufer ganz eingezogen und zeigen einen rund oder länglichrund begrenzten Protoplasmaleib. Diese freien runden Zellen mit safranophilem Kern werde ich Folgezellen nennen. Zu diesem Namen habe ich deshalb gegriffen, weil sie erstens doch schon Structur- und chemische Unterschiede von den Tragezellen aufweisen, und zweitens, weil sie im Mai nach Abstossung der Spermatozoen so zahlreich auftreten, dass man die Möglichkeit einer noch anderweitigen Genese als aus den Tragezellen offen lassen muss. In den Fällen, wo sich gleich von Anfang an der ganze Samenständer in Zusammenhang von der Wand löst, findet bald auch eine Trennung zwischen Kopfbündel und Tragezelle statt, und letztere wandelt sich in eine Folgezelle um. Im Mai sieht man keine Spermaballen mehr und nur noch wenige Spermatosomen, hauptsächlich in der Randzone. In den Canälchen liegen sehr zahlreich die Folgezellen, die meist frei und abgelöst ovale und runde Formen zeigen, was im April nur bei sehr wenigen der Fall war, da fast alle Tragezellen noch in den ersten Stadien ihrer Umwandlung, den lang- gestreckten und Ausläufer-Formen, waren. Solche ersten Stadien sieht man auch im Maihoden noch in einigen Randcanälchen an der Innenseite des Keimlagers. Hier, ja manchmal vielleicht im Keimlager selbst, bemerkt man auch ziemlich viele fertige Folgezellen. Auch ein Theil der kleinen chromatophilen Körner, die zwischen den Schwänzen der Samenfäden lagen, werden mit einer kleinen Protoplasma- hülle frei und liefern vielleicht einen Theil der Folgezellen, der kleinere und dunklere Kerne aufweist. Doch werden auch bei den meisten Folge- zellen, die von den Tragezellen stammen, die Kerne kleiner und dunkler, was man manchmal schon beobachten kann, wenn die Kopfbündel kaum gelöst sind. Im Keimlager liegen im Mai die Spermatogonien sehr dicht, in den meisten Canälchen, besonders im Hodeninneren, in zwei Reihen überein- ander, sie sind grösser wie früher und haben zwischen sich sehr viele Follikel- zellen. Das dichte, mehrreihige Zusammenliegen der Spermatogonien beruht zu einem Theile darauf, dass der ganze Maihoden geschrumpft ist. Mög- licherweise erklärt diese Schrumpfung auch das scheinbare Ueberwiegen der Zahl der Folgezellen über die der früheren Tragezellen. Vom Juni existirt leider nur ein Exemplar, das nicht gut verwerth- bar ist, weil aus irgend einem Grunde die Ausscheidung der Spermatozoen nieht stattgefunden hat. Der Hode ist etwa so gross wie ein Maihode, er ist ganz vollgestopft mit Spermatozoenbündeln, die ab- und zum Theil aufgelöst, aber noch nicht zu Ballen formirt sind. An der Wandschicht 12 A. J. PLoETz: der Canälchen sieht man Wucherungsvorgänge, die Spermatogonien liegen noch dichter wie im Mai. In dem blinden Ende der Randceanälchen, wo die Spermatozoen etwas nach dem Hodeninneren zu fortbewegt sind, liegen oft 3—5 Schichten übereinander. Ein Nachtrag soll die Lücke ausfüllen. Der Juli ist der einzige Monat, in dem der Hoden keine Spermatozoen beherbergt. Die alten sind heraus, die neuen noch nicht gebildet. Auch von den Folgezellen ist nichts mehr zu sehen. Ueberhaupt liegen keine Elemente mehr frei im Lumen der Canälchen. Direct an der Canalwand liegen ganz zerstreut einige grosse, zum Theil sehr grosse Spermatogonien, die einen noch ziemlich hell mit wenig Chromatin, die anderen zahl- reicheren, mit viel Chromatin. Dazwischen Uebergänge. Viele der sehr grossen dunklen Formen erweisen sich bei näherer Betrachtung bereits als sehr dicht aneinanderliegende Spermatocyten erster oder zweiter Thei- lung. Die Spermatocyten La Valette’s sind die Theilungsproducte der Spermatogonien in mehrfachen Generationen bis zu der Generation, welche die directe Vorstufe der Spermatosomen oder Samenfäden bilden. Diese Vorstufe nennt La Valette nicht mehr Spermatocyten, sondern Sperma- tiden. Im Julihoden nun sieht man überall kleine und grosse Haufen von Spermatocyten. Die Spermatocyten liegen entweder dicht aneinander und bilden die sog. Keimkugeln, oder sie haben zwischen sich einen Hohl- raum und bilden die Wand einer Cyste. Diese Keimkugeln und Cysten sitzen zum bei weit grösstem Theil mit breiter Basis der Canalwand auf. Der andere Theil ist den wandständigen Haufen nach innen vorgelagert und bildet Kolben, deren Stiel aber mit der Wand noch in Verbindung ist. Die Kerne der einzelnen Spermatocyten sind sämmtlich rund, nirgends sieht man längliche Formen, das Spermatiden-Stadium ist also noch nicht erreicht. Ueberhaupt überwiegen noch die früheren Stadien der Spermato- genese, die Keimkugeln und kleinen Cysten, die späteren Stadien der grossen Cysten. Die Follikelzellen sind ziemlich zahlreich, aber gegen Mai scheinbar an Zahl verringert. Ein Theil, und zwar kleinere Formen, liegt noch um Spermatogonien, ein anderer Theil ist mit Keimkugeln und -Cysten in Verbindung getreten und liegt ihnen dicht an. Der Kern dieser Follikel- oder Tragezellen ist sehr gross und hell, ihr Protoplasma scheint die ganze Kugel oder Cyste mit einem Gerüst und Ueberzug zu versehen. Die Trage- zellen liegen zu je einer oder zwei, selten mehr, meist an der Basis der Keimkugeln und -Cysten, also an der Wand. Aber ein Theil wird durch das Wachsthum dieser Zellcolonien nach dem Canalinneren vorgeschoben, oft bis zum Scheitel derselben. Im August sind die Spermatogonien bis auf wenige Exemplare ver- ringert, ebenso die sie begleitenden kleinen Follikelzellen. Die Keimkugeln Te ee tn 2 u a a Zn ee a nn a DER FROSCHHODEN ZU VERSCHIEDENEN JAHRESZEITEN. 13 und -Cysten sind durchschnittlich weiter entwickelt, wie im Juli. Dem- gemäss sieht man Spermatocysten zahlreicher wie Keimkugeln. Die Sper- matocysten sind durchschnittlich grösser wie im Juli und enthalten mehr und kleinere Spermatocyten, deren kleine Kerne dicht gedrängt die äusserste Schicht der Cystenwand bilden, während ihr Protoplasma mehr nach dem Cystencentrum zu liest. Im Centrum selbst findet sich etwas Protoplasma, das durch Ausläufer mit dem Protoplasma, das unmittelbar von den Sper- matocytenkernen aus nach dem Cysteninneren zu gelegen ist, verbunden ist. Möglicher Weise ist diese Protoplasmavertheilung zum Theil ein Kunst- product, durch Gerinnung entstanden, wenigstens hat sie Aehnlichkeit da- mit. Sie bleibt auch im Spermatidenstadium dieselbe. Von den Cysten bemerkt man jetzt viele, deren Wand nach dem Canal- inneren zu eine spärlichere Anzahl von Kernen oder auch gar keine mehr zeigt. Die Cysten sind dadurch nach dem Lumen geöffnete Glocken ge- worden. Zugleich oder kurz vorher bemerkt man eine Streckung der Kerne der Spermatocyten in der Richtung nach dem Inneren der Glocken. Neben diesen letzteren sieht man alle Uebergänge zu halben Hohlkugeln und Schüsselformen mit noch gestreckteren Spermatidenkernen und mit Proto- plasma, das noch mehr nach der Canalmitte zu gesammelt ist, aber stets mit den Kernen in fadenförmiger Verbindung bleibt. Weiterhin findet man Formen, bei denen noch länger gestreckte Kerne noch mehr zusammen- gedrückt sind, und die meist nahe an der Canalwand stehen, während die grossen Cysten und Glocken oft den wandständigen Zellcolonien nach innen vorgelagert sind. An dem nach der Canalwand zu gerichteten Scheitel der Glocken, Schüsseln und lockeren Bündel gewahrt man sehr häufig die schon erwähnten hellen grossen Kerne der Tragezellen, deren Protoplasma die Verbindung der Spermatiden mit der Canalwand herstellt. Manchmal er- hält man den Eindruck, als ob zwei einer Glocke anliegende Tragezellen diese spalten und je ein Bündel Spermatiden in ihren Bereich ziehen. Von den noch sehr lockeren Bündeln gestreckter Kerne sieht man alle Uebergangsformen zu den fertigen, völlig geschlossenen Bündeln faden- förmiger Spermatozoenköpfe, also zu formfertigen Samenständern, die auch die schon für October beschriebene Anordnung des Protoplasma’s zeigen, in das die Schwänze der Samenfäden eingelagert sind. Ab und zu kann man bemerken, dass einige der kleinen Spermato- cytenkerne bei der Formirung der Glocken nicht an die geschlossene Reihe der anderen Kerne rücken, sondern draussen liegen bleiben und in die spätere Schicht des Protoplasma’s um die Schwänze der Samenfäden hinein- kommen. Sie bilden einen Theil der schon in den Wintermonaten er- wähnten kleinen chromatophilen Kugeln, die in das Hüllprotoplasma ein- gelagert sind. Ein anderer Theil derselben entsteht wohl dadurch, dass 14 A. J. PLOETZ: Spermatozoenköpfe in irgend einer Weise ihre feste Verbindung mit dem Kern oder dem dicht um den Kern befindlichen Protoplasma der Trage- zellen verlieren, zwischen den übrigen Köpfen nach der Canalmitte zu rücken und dabei wieder die frühere kugelige Form annehmen. Alle Formen, von der einfachen Spermatogonie bis zum Samenständer, sieht man in dem August-Hoden in ziemlich wechselnden Zahlenverhält- nissen. Bei 127 ist das Bild noch dem vom Juli ähnlich, es sind auch noch keine Spermatozoen da, allein zum Unterschied giebt es schon grosse Cysten, deren Kerne etwas länglich geworden sind. Etwas weiter vor- geschritten ist 126. Bei 128 hat man alle Stadien neben einander, vor Allem auch schon ziemlich viele fertige Samenständer. Im September bemerkt man nur noch in einem Exemplar einige grosse Cysten und Glocken. In allen übrigen sind Keimkugeln, Cysten, Glocken und Schüsseln völlig verschwunden, man sieht nur die ge- schlossenen Samenständer, eine sehr geringe, aber gegen August etwas er- höhte Zahl von Spermatogonien und Follikelzellen, das Maschenwerk der Tragezellen und auch bereits das Auftreten von Spermaballen, also ein Bild, welches dem vom October ausserordentlich ähnlich ist. Nur die Canal- lumina sind noch ein gut Theil weiter, und die Entfernung der Kopfbündel von der Wand ist unregelmässiger. Damit ist der Cyclus vollendet. In kurzer Zusammenfassung spielt er sich folgendermaassen ab: October — März: Ziemlich gleichmässiges Verharren des Hodens auf der Stufe der vollen Formentwickelung der Spermatozoen. Mittlere Grösse der Hoden. Mitte März — Mitte April: Ausscheidung der Spermatozoen. Erstes Erscheinen weniger Folgezellen. Zunahme der Spermatogonien und Follikel- zellen. Hoden etwas kleiner. | Mai: Spermatozoen zum allergrössten Theil ausgeschieden. Hoden sehr klein. Sehr viele Folgezellen. Doppelte Schicht von Spermatogonien mit sehr vielen Follikelzellen. e Juli: Keine Spermatozoen und Folgezellen mehr. Zahl der Spermato- sonien und Follikelzellen hat abgenommen. Die Spermatogonien haben sich getheilt und ihre ersten Generationen bilden an der Wand der Canäle dichte Keimkugeln oder kleine Cysten mit runden Kernen.! Hoden wieder grösser. . August: Nur noch sehr wenig Spermatogonien, da sie meist zu Keim- kugeln und Spermatocyten geworden sind. Die späteren Generationen der ! Die Kugeln und Cysten tragen an ihrer Peripherie Follikelzellen, Tragezellen. DER FROSCHHODEN ZU VERSCHIEDENEN JAHRESZEITEN. 15 Spermatocyten überwiegen die ersten. Die letzte, die der Spermatiden mit gestreckten Kernen, tritt auf. Nach den letzten Kerntheilungsvorgängen in den Cysten öffnen sich diese letzteren nach dem Canalinneren und die Sper- matidenkerne werden unter weiterer Streckung von dem Protoplasma der Tragezellen zu Bündeln von Spermatozoen zusammengezogen. Fertige Samenständer. Hoden sehr gross. September: Nur noch sehr wenige spätere Stadien von Spermatocyten und Spermatiden, sonst lauter fertige Samenständer. Hoden wieder kleiner. Dieses zeitlich getrennte Ablaufen der einzelnen Phasen der Bildung und Ausscheidung der Samenfäden illustrirt die Curve der Hodenvolumina. Am wenigsten Raum nimmt das erste Stadium der Spermatogenese ein, wo einfach Spermatogonien, höchstens einige Spermatocyten erster und zweiter Generation und Follikelzellen vorhanden sind, daher kann im Mai und Juni der Hoden am kleinsten sein. Die folgenden Stadien der Sper- matocytenbildung nimmt mehr Raum auch an der Canalwand ein, der Hoden im Juni passt sich dem durch Vergrösserung an. Die weiter fol- senden Stadien der Bildung der Spermatiden mit ihren grossen Cysten, Glocken- und Schüsselformen nehmen noch mehr Raum ein, daher im August, wo neben den ersten Stadien und fertigen Samenständern haupt- . sächlich auch das Spermatidenstadium vorkommt, der Hoden ein sehr grosses Volumen erhält, um durch die Weite der Canälchen den vielen grossen Zelleolonien die nöthige Breite der Basis zu geben. Dann hört die Neu- bildung von Spermatocysten auf und die alten Cysten sind fast alle zu Samenständern entwickelt. Diese beanspruchen bedeutend weniger Raum, daher der Hoden im September wieder zu etwa mittlerer Grösse einschrumpft. Von October bis März sieht man stets das Bild des reifen Hodens und nur sehr wenig abgelöste Spermatozoen. Die Grösse der Hoden während des Winters kann also nicht nennenswerth sich ändern. Die Spermaballen, die man ab und zu in den Winterhoden sieht, postuliren kein Kleiner- werden der Hoden, da sie höchst wahrscheinlich noch vom Spätherbst her datiren und während des Winterschlafs nicht weiter befördert werden, also kein Zeichen stetig fortdauernder, wenn auch geringer Spermasecretion zu sein brauchen. Erst wenn von Mitte März an die Hauptsecretion statt- findet, muss das Hodenvolum abfallen, was das Absteigen der Curve zum Mai hin erklärt. Der skizzirte Cyclus nimmt ein Jahr ein, von Mai bis zu Mai. Duval spricht von einem 18 monatlichen Cyclus der Spermatogenese. Er nimmt dabei an, dass die Spermatogonien, die vom September an in vermehrter Zahl auftreten, und die das Material im nächsten Jahre liefern, aus bereits im Frühling erscheinenden Zellen entstehen, wobei er eine Umwandelung von Follikelzellen in Spermatogonien annimmt. Dieser ganzen Angabe 16 A. J Pioerz: kann ich nicht widersprechen, aber sie auch nicht bestätigen. Ich lasse also offen, wie lange vorher die September-Spermatogonien bereits gebildet worden sind und spreche nur von einem 12 monatlichen Cyelus. II. Rana esculenta. a) Allgemeines und Grösse der Hoden. Der Betrachtung aller dieser Verhältnisse bei R. esculenta werde ich folgende, der von R. temporaria analoge Tabelle voranschicken (s. S. 17—19). In dieser Tabelle wird man die Masse des Hodenpigments vermissen. Auf keinem der Hoden der R. esculenta fand sich Pigment. Dieser Frosch ist überhaupt pigmentärmer als R. temporaria. Erwähnen will ich noch, dass bei letzterer das Maximum des Pigmentreichthums des Hodens auf den Mai fällt. Diese stärkere Pigmentirung ist wohl zu einem Theil nur scheinbar, nämlich bedingt durch das Kleinerwerden der Hodenoberfläche, wodurch die einzelnen Pigmentstellen dichter aneinander rücken, allein ein zweiter Theil ist sicher hinzugekommen, da ein relativ bedeutend grösserer Theil der Hodenoberfläche mit Pigmentstellen überdeckt ist. Aus beiden Tabellen ergiebt sich, dass die Lebhaftigkeit der Haut- färbung bei beiden Fröschen in die Zeit der Brunst fällt, nämlich bei R. temporaria um Anfang April, bei R. esculenta in den Juni und Juli. Die Hodenvolumina verhalten sich erheblich anders, wie bei R. tem- poraria. Sie sind im Durchschnitt etwa vier Mal kleiner wie bei R. tenı- poraria und zeigen keine so sehr von einander verschiedene Maxima und Minima. Auch hier fällt das Maximum in den August. Die graphische Darstellung auf S. 3 diene zur Veranschaulichung. b) Anordnung und Lumina der Canälchen. Die Anordnung der Canälchen ist ähnlich wie bei R. temporaria, nur sind die gerade nach Innen verlaufenden Aussentheile der Canälchen bei Weitem kürzer. Ebensowenig wie bei R. temporaria ist hier eine Communi- calion zwischen Lymphspalten und Canälchen bez. Ausführungsgängen zu bemerken. Wie in Bezug auf Grösse, so zeigen auch sonst die Hoden verschie- dener Monate keine so durchgreifenden Unterschiede wie bei R. temporaria. Die Canallumina differiren nur wenig von einander, das Maximum fällt auch hier in den August, das Minimum in den Frühling. im Durchschnitt sind die Lumina bei R. esculenta etwas grösser wie bei R. temporaria, trotz der kleinen Hoden. 7 DER FROSCHHODEN ZU VERSCHIEDENEN JAHRESZEITEN. un.do ce 2 ee rc Zuneao-jeyunps wen ec ns | 7 | 88 | 20 | 97 H7% nee e |se | 3 |< |mergoSuero-peg ge |g| Fr | mSıys | T |< | || 8 |" oil. 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Alle diese Verhältnisse stehen damit im Zusammenhang, dass bei R. temporaria die Bildung der Spermatozoen an eine bestimmte Zeit, Juni bis Anfang September, gebunden ist, bei R. esculenta dagegen in allen Monaten, wenn auch in verschiedenem Maasse, stattfindet. Man sieht nämlich im Januar ausser fertigen Samenständern und vielen, oft zweischichtigen Spermatogonien mit Follikelzellen eine Menge von Keimkugeln und einige wenige spätere Stadien der Spermatozoenbildung, Cysten und Schüsseln der Spermatiden. Es fällt sofort auf, dass alle diese späteren Stadien nicht so schöne regelmässige Bilder bieten, wie bei R. tem- poraria. Vom Centrum der Glocken und Schüsseln sind die Kerne ge- wöhnlich ungleich entfernt. Auch sind sie nicht so oft schön in radiärer Richtung gestellt. Ebensowenig regelmässige Formen bilden die Haufen fertiger Spermatozoen, sie schliessen sich nicht zu jenen dichten Bündeln zusammen, wie bei R. temporaria, sondern bleiben mehr oder weniger locker nebeneinander liegen, sind aber auch eingebettet in das Protoplasma einer Tragezelle, nach deren grossem Kern die Spermatozoen gerichtet sind. Die Köpfe dieser letzteren sind kürzer, aber dicker. Auffallend häufig sind die kleinen Chromatinkugeln in der Protoplasmamasse, in die die Schwänze ein- gelagert sind. Sie bilden manchmal dichte Schwärme und zeigen nicht nur runde Formen, wie bei R. temporaria, sondern auch längliche und ge- krümmte. Es sind höchst wahrscheinlich einestheils Spermatidenkerne, die keine Verbindung mit der Tragezelle erreicht haben, anderentheils Köpfe von Spermatozoen, die diese Verbindung wieder verloren haben. Im Inneren der Canälchen liegen oft solche Chromatinmassen auch frei, nur mit etwas Protoplasma um sich herum. In einigen Canälchen findet man fast sämmtliche Spermatozoen aus ihrer Verbindung mit den Tragezellen gelöst frei im Canallumen. Zwischen ihnen zerstreut und direct an der Innenseite des Keimlagers liegen die Reste der Tragezellen und die Analoge der Folgezellen bei R. temporaria, Wirkliche zusammengeknäuelte Spermaballen bemerkt man nur in sehr ge- ringer Zahl. Die Hoden vom Februar bis Mai bieten ein sehr ähnliches Bild, nur werden besonders im Mai die höheren Stadien der Spermatogenese ein klein wenig häufiger und in den Canälchen liegen etwas mehr Spermaballen. Erst im Juni treten stärkere Veränderungen auf. Die Spermatozoen sind bis auf wenige Reste ausgeschieden. Die Keimkugel, besonders aber die Cysten sind stark vermehrt. Dagegen sind die höheren Stufen der Spermatogenese immer noch gering an Zahl. Die Spermatogonien sind vermindert. DER FROSCHHODEN ZU VERSCHIEDENEN JAHRESZEITEN. 21 Im Juli beherrschen die Keimkugeln und die Cysten noch mehr das Bild. Viele Canälchen sind ganz von ihnen ausgefüllt. Das Cystenstadium mit noch runden Kernen sieht man am häufigsten. Die soliden Keim- kugeln treten ein wenig zurück. Dagegen sind die Cysten mit bereits länglichen Kernen viel häufiger, auch die höheren Spermatidenstadien sind etwas häufiger. In einigen Canälchen liegen Spermatozoen. Die Spermatogonien scheinen noch mehr vermindert. Im August überwiegen die Spermatozoen schon wieder etwas, wenn auch noch nicht so wie im Winter. Spermatogonien und Keimkugeln sind noch weniger wie im Juli. Die höheren Stadien sind noch häufig. In einigen wenigen Canälchen treten bereits Ablösungserscheinungen auf, aber nur sehr selten Spermaballen. Auch im September und October sieht man in einigen Canälchen abgelöste Spermatozoen. Die Spermaballen sind gegen August vermehrt. Keimkugeln und Cysten sind noch vermindert und etwa so häufig wie im Januar. Dagegen sind die Spermatogonien mit ihren Follikelzellen im Vergleich zum August etwas vermehrt. Im November und December zeigen die Hoden ganz ähnliche Bilder. Nur zeichnet sich der November dadurch aus, dass in ein gut Theil mehr Canälchen abgelöste Spermatozoen und auch schon ziemlich viele Folgezellen liegen. Letztere Beobachtung harmonirt mit der von Franke, dass im November bei R. esculenta Andeutungen einer zweiten Brunst vor- handen sind. Wie man sieht, finden sich, wenn auch in verschiedenem Zahlen- verhältniss, in jedem Monat alle Stadien der Spermatogenese vor. In den Wintermonaten bis kurz vor der Paarung, die etwa von Ende Mai bis Ende Juni stattfindet, nehmen die fertigen Samenständer den grössten Raum ein, im Juni und Juli dagegen die verschiedenen Stadien der Samenbildung, im August und September nehmen sie wieder ab, bis wieder der Winter- zustand eintritt. III. Vergleich beider Frösche. Diesen Verhältnissen entsprechend besteht zwischen den Hodengrössen der R. esculenta in den einzelnen Monaten kein so auffallender Unterschied wie bei R. temporaria. Die an Volum verschiedensten Stadien der Sper- matogonien auf der einen Seite und der grossen Spermatocysten und Sper- matidenschüsseln auf der anderen Seite bedingen durch ihr gleichzeitiges Vorkommen in demselben Canälchen eine gewisse Mittelgrösse desselben und deshalb des Hodens gegenüber R. temporaria, wo in dem einen Monat nur das kleine Keimlager, in einem anderen hauptsächlich die viele Mal 22 A. J. PLOETZ: grösseren Spermatocysten und Spermatidenglocken vorkommen. Wo diese auch bei R. esculenta an Zahl steigen, wie im August, nimmt auch das Canallumen und die Hodengrösse deutlich zu. Auffallend ist, dass das mittlere Hodenvolum bei R. esculenta auf 128 Frosch berechnet etwa drei his vier Mal so klein ist wie bei R. tem- poraria. Die einzelnen Elemente des Inhaltes der Samencanälchen, sowie das Lumen dieser selbst, zeigen keine wesentlichen Grössenunterschiede. Die Samenfäden der R. esculenta sind zwar kürzer, aber dafür auch dicker wie die der Rana temporaria. Die Zahl der Eier ist bei R. esculenta eher grösser, So dass, wenn man nicht besonders günstige Befruchtungsverhält- nisse bei ihr voraussetzen will, wozu man bis jetzt keinen Grund hat, die Grösse ihrer Production von Samenfäden überhaupt die der R. temporaria erreichen muss. Diesem Postulat scheint der Hoden bei R. esculenta bei seiner bedeutend geringeren Grösse nicht entsprechen zu können. Aber die Sache erklärt sich, sobald man sich erinnert, dass bei R. esculenta die Pro- duction von Spermatozoen continuirlich vor sich geht und die ausscheiden- den Spermatozoen immer wieder Raum für neue Spermatocysten machen, während bei der R. temporaria sämmtliche Spermatozoen in einem einzigen Schub während des Sommers producirt werden und sämmtlich im Winter- hoden selbst Raum zur Aufspeicherung haben müssen. Mit kurzen Worten, der Hode der R. temporaria hat ausser der Function der Bildung von Sper- matozoen noch die der langen Aufspeicherung derselben, weshalb er grösser sein muss, als der der R. esculenta. Vielleicht steht auch damit in Zusammenhang, dass die Dauer der Begattung bei R. temporaria nur kurze Zeit, bei R. esculenta dagegen viele Wochen dauert. Die Verschiedenheit in den beiden Cyclen der Spermaproduction hat auch wohl mit der geographischen Verbreitung beider Thiere zu thun. R. temporaria bewohnt ganz Europa bis zum Nordcap und steigt in der Schweiz bis zu 2500 Meter. R. esculenta geht nicht über den Polarkreis hinaus, kommt z. B. in Dorpat schon nicht mehr vor, steigt nicht über 1500 Meter in der Schweiz, geht aber im Süden bis nach Nord-Afrika. R. temporaria kommt also in einem Gebiet vor in dem die Zeit der Sperma- production überall dieselbe ist, nämlich der warme Sommer mit offenem Wasser, was jedenfalls mit der besseren Ernährungsmöglichkeit der Eltern- Frösche und auch der Larven zusammenhängt, welch letztere ja die Aus- scheidungszeit der Spermatozoen, also auch den Anfang der Neubildungs- zeit bestimmt. Es ist deshalb nicht wunderbar, dass man im Winter nie Spermaproduction bemerkt. R. esculenta dagegen kommt in einem Gebiet vor, in dem die Zeit der Spermaproduetion nicht durchgehends dieselbe ist, nämlich in Europa DER FROSCHHODEN ZU VERSCHIEDENEN ‚JAHRESZEITEN. 23 in den Sommer fällt und in dem subtropischen afrikanischen Gebiet auf den Winter, da der Sommer dort die dürre Zeit ist, und nur der nasse Winter, die Regenzeit, gute Begattungs- und Ernährungsbedingungen schafft. Also muss bei R. esculenta, die ja sowohl in Europa, also in günstigen Sommern, wie in Nord-Afrika, also in günstigen Wintern vorkommt, der Hode beiden Erfordernissen angepasst sein und zu jeder Jahreszeit Sperma produciren können. Das muss man natürlich auch in den mikroskopischen Bildern der R. esculenta der Schweiz ausgedrückt finden, da die Sperma- production wohl doch ein in den Stoffwechsel so eingreifender Process ist, dass er bei derselben Art nicht das eine Mal ausschliesslich im Winter, das andere Mal ausschliesslich im Sommer vor sich gehen kann. Dass sich in der Schweiz noch Hodenzustände erhalten haben, die hier unnöthig sind, aber im Süden ihre Bedeutung haben, weist vielleicht zusammen mit der Andeutung einer zweiten Brunst darauf hin, dass unsere R. eseulenta von Süden her in unser Gebiet eingewandert ist vor einer Zeit, die im Leben der Arten kurz zu nennen ist. Ganz so weist bei R. temporaria die kurze Zeit, die Spermaproduction, Spermaausscheidung, Begattung und Metamor- phose beanspruchen, darauf hin, dass sie sehr lange Zeiträume hindurch unter kurzen Sommern gelebt hat und ihr eigenthümliches Stammgebiet nördlicher wie R. esculenta hat. Es erübrigt noch zu erwähnen, dass aus den angeführten Tabellen und sonstigen Beobachtungen. hervorgeht, dass die Fettkörper im Grossen und Ganzen bei kleinen Hoden grösser sind, als bei grossen Hoden. Dies sieht man besonders häufig, wenn der Hoden der einen Seite bedeutend kleiner ist als der der anderen, oder gar fehlt. Der Fettkörper derselben Seite ist dann oft um vieles grösser, wie der auf der anderen Seite. Aus den übrigen Angaben der Tabelle ist ausser den schon erwähnten Unter- schieden in der Hodenpigmentirung vorläufig keine Anwendung zu finden. Nachtrag zur vorstehenden Arbeit. Zu der vorstehenden Arbeit, welche durch eine Reise nach Paris unter- brochen wurde, habe ich noch eine Ergänzung hinzuzufügen. Dieselbe betrifft erstens die Lebensverhältnisse der Rana esculenta in Nordafrika, in Betreff deren ich allerdings in Paris nicht so viel erfahren habe, wie man bei dem engen Verhältniss Algiers zu Frankreich erwarten dürfte. Immer- hin haben meine Erkundigungen doch einige Anhaltspunkte geliefert, die ich weiterhin mittheile. Zweitens war mittlerweile der Monat Juni heran- gekommen und es ist dadurch möglich geworden, diesen in dem vorigen Jahre nur mangelhaft vertretenen Monat nunmehr zu ergänzen. Es ist nieht so leicht gerade in diesem Monate Frösche namentlich Temporarien frisch einzufangen, doch gelang es, das nöthige Material zu beschaffen. Endlich sind auf Veranlassung von Professor Gaule photographische Taieln des Hodens von Rana temporaria hergestellt worden, welche ich zur Illu- stration meiner Arbeit zu verwerthen im Stande bin. Die nach bekannter Methode hergestellten Praeparate wurden durch Hrn. O0. Müller (Selnau- Zürich) mit dem Zeiss’schen Apparat photographirt und die Tafeln durch J. Brunner (Winterthur) direct von den Glasnegativen gedruckt. Es sind unter den sämmtlichen Monaten April unmittelbar vor der Aussstossung, Mai nach der Ausstossung, August mitten in der Bildung, September nach vollendeter Bildung als die charakteristischsten Moment ein dem Cyklus aus- gewählt worden. Diese Bilder, deren photographische Treue noch dadurch erhöht wird, dass dem Photographen nicht eine bestimmte Stelle bezeichnet, sondern die Freiheit gelassen wurde, beliebig zu wählen, sollen zunächst veranschaulichen, wie ausserordentlich klar sich der ganze Cyklus bei der Temporaria abspielt. Dann aber will ich mich derselben auch bedienen, um für diejenigen, welche nicht aus eigener Anschauung oder aus der Litteratur mit der Spermatogenese und den bei ihr in Betracht kommenden Zellenformen genauer vertraut sind, dieselben zu veranschaulichen. Deshalb soll in der Tafelerklärung noch einmal eine kurze Zusammenfassung des Cyklus der Spermatogenese gegeben werden. A. J. PLOETZ: NACHTRAG ZUR VORSTEHENDEN ARBEIT. 25 Zunächst wende ich mich nun der Schilderung der neu untersuchten Junihoden zu. Es waren drei von Temporaria, drei von Esculenta, alle in der bereits angegebenen Weise, gehärtet, geschnitten, gefärbt. Um das Ergebniss der Untersuchung der Hoden von R. esculenta gleich vorweg zu nehmen, so betrug der Durchschnitt der Axenproducte auf 1 &m Frosch berechnet 1.2 m. Mikroskopisch zeigte sich das eine Paar Hoden noch ganz voll von Spermatozoen, die mittleren und späteren Stadien der Spermatogenese waren ebenfalls sehr häufig, daneben sah man aber auch viele erste Stadien. Eigentliche Spermaballen waren nur wenige vorhanden. Der Frosch hatte also augenscheinlich die Begattuug noch nicht vollzogen. Die beiden anderen Frösche hatten Hoden, in denen bereits der grössere Theil der Spermatozoen ausgeschieden war, Mittlere und höhere Stadien der Spermatogenese waren häufig, aber nicht mehr so sehr wie beim vorigen Frosch. Dagegen waren die Anfangsstadien zahlreicher. Es konnte also auch hier der Befund des Junihodens aus dem Jahre vorher bestätigt werden, insofern als gleichzeitig sämmtliche Stadien der Spermatogenese vorgefunden wurden. Vor der Besprechung der Hoden von R. temporaria mögen hier einige Bemerkungen über die für den Nachtrag verwendeten Frösche Platz finden, die zur Ergänzung der Tabellen der Arbeit dienen mögen (s. S. 26). Die Hoden der drei R. temporaria entsprachen dem vermutheten Uebergang zwischen dem Mai- und dem Julihoden. Sie sind unter sich verschieden, so dass Nr. 277 den Maihoden am nächsten steht, Nr. 280 den Julihoden. Der Unterschied vom Maihoden besteht hauptsächlich in zwei Dingen, in der stärkeren Entwickelung des Keimlagers und in den Degenerations-Erscheinungen an den noch zurückgebliebenen alten Spermato- zoen und Folgezellen. Das Keimlager (d + f!) ist überall mehrschichtig. An manchen Stellen ist nicht leicht zu unterscheiden, was noch ursprüngliche Spermatogonien (d) und was bereits die ersten Generationen ihrer Abkömmlinge sind. Genug, man sieht 2—4 Schichten grosser, runder, heller Zellen mit hellem, grossem Kern und einem oder mehreren, safranophilen, sehr verschieden grossen Kernkörperchen. Zwischen ihnen liegen Follikel- und Tragezellen (f), die jedoch bei weitem nicht so zahlreich erscheinen wie im Mai. Die ersten Anfänge der Keimkugeln (g) bilden nahe an einander gerückte grosse Zellen mit dunklerem Kern und weniger und dunklerem Protoplasma als bei den Spermatogonien. Die einzelnen Elemente im Keimlager und die Uebergangsformen ‘ Die eingeklammerten Buchstaben beziehen sich auf die analogen Gebilde der auf den Tafeln zur Darstellung gebrachten Hoden anderer Monate. Rana esculenta. = A858. 858. © Ar 225382 3 | 2 2 8 88 = Sslon|-A ie) «S = © = Deu Basen ne Leberfarte | & [23 und Nr. | 3 | 50 9,15 N | e= ; I) S a Sl ee elle | 3 2 co 2 |m%0 Elsa. A = = el a 986# & = SH ee Rn re Wl- atl 35 | 88-31 2-54 3 ‘dunkel | braun-grün, |2| 3 roth | 2 10. Juni sehr dunkel S ‘ [3 | = 272 3836| 51-01 1-44 3 ziemlich | dunkel-roth- |3) 3 roth | 4 S 10. Juni ‘dunkel braun a 5 [3 = 273 42 100-8] 2-4 |4 3 etwas blass; braun-grün, |4| 3 roth | 2 11. Juni sehr dunkel - Rana temporaria. 277 |26| 37.11-4|4 | 3 blass | : roth roth 2|1 blau- | 4 22. Juni | | roth 278 37 28-8 0-8 5 3dunkel- sehr roth | gelb-braun |4| 3 roth | 4 22. Juni | röth | | 280 |83 a 3:8 2 | 3 blass jetwas blass| dunkel-roth- 2| 4 roth | 3 | 26. Juni | braun | 26 Farbe der Fettkörper weiss weiss gelb- weiss 8 un Sa Pr: Faue Be {ab} e &n ns = fast leer Magen leer, Darm voll leer mit Inhalt mit Inhalt Inhalt im Diekdarm Pigment Viel im Herzen, in den Muskeln und in den Verdauungs- organen Viel im Herzen, in den Muskeln und in den Verdauungs- organen Herz sehr, Muskeln etwas pigmentirt keines viel in den Muskeln Muskeln und Hoden) stark pigmentirt Bemerkungen Hoden ungleich Hoden blutreich Hoden gelb Hoden gelb, un- gleich Hoden sehr gleich , blutreich Hoden stark pig- mentirt Uun- gelb, NACHTRAG ZUR VORSTEHENDEN ARBEIT. 2A zwischen denselben erscheinen mir zu manniefach, als dass ich etwas über die Genese der Follikel- und Tragezellen erschliessen oder die Identität beider bestätigen könnte. An vielen Stellen des Keimlagers, bei Nr. 280 fast überall, sieht man bereits Zellkolonien von zahlreichen Einzelelementen (9 und A), aber noch nirgends geöffnete Glocken oder Spermatidenstadien (A und /). Der im Lumen der Canälchen frei schwimmende Inhalt besteht aus alten Spermatozoen (a) mit ihrem Schwanzprotoplasma (c), aus Folgezellen (5) und aus einigen abgestossenen Zellen des Keimlagers. Die Spermatozoen zeigen Zerfallserscheinungen, so Trennung zwischen Kopf und Schwanz und Zerbröckelung der Köpfe. Ebenso sind die Folgezellen zum bei weitem grössten Theil degenerirt, sie sind etwas kleiner und haben nicht mehr so scharfe Zell- und Kerncontouren. Der Kern ist überdies grösser geworden und hat in den meisten Fällen Eosinfärbung angenommen. Ziemlich häufig sieht man auch runde, fast homogene, eosinfarbene Elemente, die wohl meist spätere Degenerationsproducte aus Folgezellen und dem Protoplasma der Schwänze und ihrer Hüllen entstehen. Ab und zu bemerkt man auch Detritusmassen. Bei Nr. 280, dem am weitesten entwickelten Junihoden, ist dieser zer- fallende Canalinhalt schon bis auf wenige Reste verschwunden. Wie man sieht, ist in den Junihoden der R. temporaria der Ueber- sang völlig vorhanden von den Maihoden, die durch ein zwar starkes, aber noch unentwickeltes Keimlager, frische Folgezellen und eine Anzahl noch nicht aus dem Hoden entfernter, aber schon abgelöster Spermatozoen aus- gezeichnet sind, zu den Julihoden, in denen von alten Spermatozoen und Folgezellen nichts mehr zu sehen ist, und in denen das Keimlager aller Canälchen bereits zu ersten und mittleren Stadien der Spermatogenese entwickelt ist. Das Charakteristische des Junihodens würde also in der Degeneration und endgültigen Ausstossung oder Aufsaugung der noch zurückgebliebenen Spermatozoen und Folgezellen, hauptsächlich aber in der Entwickelung des Keimlagers nur zu den ersten Stadien zu suchen sein. Am Schluss der Arbeit machte ich eine kurze Bemerkung über den Zusammenhang zwischen geographischer Verbreitung der beiden Froscharten und dem verschiedenen Verhalten der Grösse ihrer Hoden und des zeitlichen Ablaufs ihrer Spermaproduction. Das Vorhandensein aller Stadien derselben bei R. esculenta auch während des Herbstes, des Winters und des Früh- lings schien mir zu thun zu haben mit dem Vorkommen dieses Amphibiums in Nordafrika, einer Region der Sommerdürren. Der Universal-Geographie von Elisee Reclus verdanke ich einige Angaben über das Klima Nordafrika’s speciell von Tunis und Algier, die 28 A. J. PLORTZ: meine Annahme unterstützen. Der Sommer ist in den meisten Landstrichen so dürr, dass die oberen Flussläufe in trockene Felsrinnen, die unteren und die Seen in Sandflächen verwandelt werden, aus denen oft der Wind grosse Staubwolken aufjagt. Dort wird wohl unsere Froschart weder die Be- dingungen zur Fortpflanzung noch zur Larven-Entwickelung finden. Nur wenige der grössten Flussläufe und Seen behalten während des Sommers . etwas Wasser. Im September etwa stellen sich die Regen wieder ein, Felder und Bäume bekommen frisches Grün, und Blüthen erscheinen, der sog. zweite Frühling zieht in’s Land. Während des Winters dauert die feuchte Zeit an, das Grün bleibt, ebenso während des Frühlings, der sich hauptsächlich durch das Erscheinen neuer Blüthen bemerkbar macht, die bei weitem zahlreicher sind wie im Herbst. Da das Leben der Frösche an Insecten- und deshalb an Pflanzen- leben gebunden ist, so erscheint die Annahme gerechtfertigt, dass unser Frosch besonders im Frühling und im Herbst die günstigsten Bedingungen nicht nur für die Begattung und sein eigenes Fortkommen, sondern auch für das seiner Larven findet. Auf günstige Herbst-Bedingungen bezieht sich mög- licherweise die Andeutung einer zweiten Brunstperiode, die nicht nur aus den mikroskopischen Bildern ersichtlich, sondern auch vor Franke direct beobachtet worden ist. Aber auch im dortigen Winter braucht nicht noth- wendig alles Froschleben aufzuhören, wenigstens hat z. B. Algier ein Ja- nuar-Mittel von 14° ©. Abgesehen von diesen allgemeinen klimatischen Verhältnissen Nord- afrika’s besteht dort eine solche Mannigfaltigkeit von Terrain- Formationen und Witterungseinflüssen, dass einige Plätze günstige Bedingungen für R. esculenta aufweisen können zu einer Zeit, wo andere Orte ungünstige haben. Alles dies macht die Annahme plausibel, dass R. esculenta sich den wechselnden klimatischen Bedingungen Nordwest-Afrika’s und wohl noch anderer Mittelmeerküsten dadurch angepasst hat, dass ihr Hoden zu jeder Zeit Sperma produciren kann, und ferner, dass ein Abstammungs-Verhältniss der R. esculenta nördlicher von der südlicher Breiten den mikroskopischen Bildern continuirlicher, auch nichtsommerlicher Spermaproduction bei _ unseren nördlichen Fröschen zu Grunde liegt. Dieser Umstand bedingt, wie wir oben gezeigt haben, auch die Kleinheit der Hoden und das geringe Schwanken ihrer Grösse gegenüber R. temporaria. Etwas directes über das Geschlechtsleben der R. esculenta in Nord- afrika habe ich leider bis jetzt nicht erfahren können. Nur eine Notiz in Brehm’s Thierleben ist vielleicht verwerthbar. Danach soll man das (uaken dieses Frosches, welches bei uns an die Paarungszeit gebunden ist, dort fast das ganze Jahr hindurch hören können. NACHTRAG ZUR VORSTEHENDEN ARBEIT. 29 Benutzte Litteratur. Milne Edwards, Lecons sur la .physiologie et anatomie comparee. 1863. t. VIL. Gustav Jäger, Deutschlands Thierwelt. Stuttgart 1874. Tschudi, Thierleben der Alpenwelt. Leipzig 1875. Alf. Brehm, Thierleben. Leipzig 1876. Bd. VI. 2. Anfl. Ad. Franke, Die Reptilien und Amphibien Deutschlands. Leipzig 1881. H.Fischer-Sigwart, Das Thierleben im Terrarium. Aarau 1889. E. Neumann, Untersuchungen über die Entwickelung der Spermatozoiden. Archiv für mikroskopische Anatomie. 1875. Bd. XI. S. 292. v. La Valette St. George, Die Spermatogenese bei den Amphibien. Archiv für mikroskopische Anatomie. Bd. XII. 8. 797. v. Widersperg, Beiträge zur. Entwickelungsgeschichte der Samenkörper. Archiv für mikroskopische Anatomie. Bd. XXV. 8.113. v. La Valette, Spermatologische Beiträge. Archiv für mikroskopische Anatomie. Bd. XXVII. 8.385. v.La Valette, Spermatologische Beiträge. Archiv für mikroskopische Anatomie. Bd. XXX. 8. 426. C. Benda, Untersuchungen über den Bau des functionirenden Samencanälchens. Archiv für mikroskopische Anatomie. Bd. XXX. 8.49. W.Flemming, Weitere Beobachtungen über die Entwickelung der Spermato- somen bei Salamandra. Archiv für mikroskopische Anatomie. Bd. XXX1. 8.71. Ebner, Zur Spermatogenese bei den Säugethieren. Nomenclatur. Archiv für mikroskopische Anatomie. Bd. XXXI. F. Hermann, Beiträge zur Histologie des H,dens. Archiv für mikroskopische ‚Anatomie. Bd. XXXIV. 8.58. Mathias Duval, Recherches sur la spermatogenese chez la grenouille.. ZAevue ‚des Sciences naturelles. Sept. 1880. Waldeyer, Ueber Bau und Entwickelung der Samenfäden. Anatomischer An- zeiger. 11. 12. 8. 345. C. Benda, Zur Spermatogenese und Hodenstructur der Wirbelthiere. Anato- mischer Anzeiger. 11. 12. 8.368. A. Grünhagen, Lehrbuch der Physiologie. 1886. 7. Aufl. 8.544. 30 A. J. PLoET2: Erklärung der Abbildungen. af. T. Alle Figuren beziehen sich auf Rana temporaria. Vergrösserung 125 fach. Wie wir in der Arbeit gesehen haben, hört bei R. temporaria die Production der Spermatozoen im September auf. Während des Winters bis Ende März oder Anfang April bleiben die Spermatozoen ruhig im Hoden liegen (Speicherstadinm). Die Hoden- bilder der Wintermonate sind deshalb wenig von einander unterschieden, Fig. 1 stellt uns dieses Winterbild dar. Es ist vom 1. April, kurz vor Aus- stossung der Spermatozoen. Man sieht die Durchschnitte von vier ganz und einigen theilweise getroffenen Canälchen. Rechts die Begrenzung des Hodens. Die Canal- wände sind dicht bepflastert mit den Samenständern. Letzteres ist der zusammen- fassende Name für Tragezelle (db) und die in ihr eingebetteten und durch sie mit der Canalwand verbundenen Spermatozoen (@ + c). Die schwarzen Tönnchenformen sind die Bündel der Köpfe der Spermatozoen. In dem Schwanzprotoplasma (c) bemerkt man zahlreiche Chromatinkörnchen. Nur ab und zu an der Wand der Canälchen er- kennt man einige Spermatogonien (d), die Ursamenzellen Grünhagen’s, aus denen durch Theilung die spätere Generation der Spermatozoen entsteht. Die die Spermato- sonien begleitenden Follikelzellen, die in genetischem Verhältniss zu den späteren Tragezellen stehen sollen, sind auf diesem Bilde nicht deutlich zu erkennen. a = Bündel der Spermatozoenköpte. b = Trage- oder Fusszellen, in welche die Spermatozvenbündel eingesenkt sind, und nach deren Kerne hin die Spitzen der Köpfe gerichtet sind. ce = die Schwänze der Spermatozoen und ihr Hüllprotoplasma, das höchst wahrscheinlich der Tragezelle angehört. d = Spermatogonien. e = schief getroffene Kopfbündel. Fig. 2. Von Ende März bis Mitte April erfolgt während der Brunst die Ab- lösung und. Ausstossung der Spermatozoen. Die Ablösung (b’) erfolgt gewöhnlich zwischen Kopfbündel und Tragezelle, nicht so häufig zwischen dem ganzen Samen- ständer und der Wand. In jedem Falle wird die Tragezelle frei, das eine Mal vom Kopfbündel, das andere Mal von der Wand. Die freien Tragezellen, die oft noch von der Ablösung her in die Länge gezogen sind, nehmen rundliche Formen an und bilden einen grossen Theil, vielleicht alle Folgezellen (bb), d.Iı. Zellen, die nach der Ablösung der Spermatozoen neben diesen oder allein frei im Canallumen schwimmen. Fig. 2 zeigt uns einen Hoden von Anfang Mai, einige Zeit nach der Brunst. Die meisten Spermatozoen sind ausgeschieden. In den Randcanälchen liegen sie noch zahlreich, aber schon sehr gelockert. Man sieht hier einige durch die Ablösung in die Länge gezogene Tragezellen (b'). Daneben und besonders in den inneren Canäl- NACHTRAG ZUR VORSTEHENDEN ARBEIT. 31 chen sehr zahlreiche Folgezellen (bb). An der Wand der Canälchen erscheint ein ge- schlossenes Keimlager aus Spermatogonien (d) und Follikelzellen (f), während im Winter diese Elemente an den Canalwänden zerstreut lagen. a = Kopfbündel. b' = Tragezellen, in Ablösung begriffen. ce = Schwanzprotoplasma. bb = Folgezellen. : d = Spermatogonien. f = Follikelzellen. Taf. II. Kurz zuvor in der Beschreibung des Junihodens von R. temporaria haben wir die nun folgende Stufe der Entwickelung der Hodenthätigkeit skizzirt. Die alten Spermatozoen und die Folgezellen degeneriren. Die Spermatogonien theilen sich zu Spermatocyten und bilden die Zellcolonien Grünhagen’s, die zuerst solide Keim- kugeln sind (Fig. 3 9), und später cystisch werden. Follikelzellen treten wahrscheinlich mit ihnen in Verbindung und werden Tragezellen. Im Juli verschwinden die alten Spermatozoen und Folgezellen völlig. Die Zell- wucherungen im Keimlager sind weiter gediehen. Neue Keimkugeln und Spermato- eysten haben sich gebildet. Die alten Colonien haben die Zahl ihrer Individuen ver- mehrt und sich vergrössert (Fig. 3 7). Fig. 3, aus einem der grossen Hoden von Mitte August, zeigt die Spermatogenese auf ihrem Höhepunkt. Die Spermatogonien (d) sind naturgemäss vermindert, da aus ihnen ja die Zelleolonien entstanden sind. Auch die kleinen Colonien (9), die ersten Generationen aus den Spermatogonien, sind nicht mehr so häufig wie im Juli. Aber die grossen Spermatocysten (%) sind noch zahlreich. Ebenso sieht man die Colonien häufig, welche aus den gestreckten Spermatiden bestehen, der letzten Generation der Abkömmlinge der Ursamenzellen. Es sind stark cystisch gewordene Formen (), die sich allmählich nach dem Canalinneren zu öffnen (k) und so Glockenformen (2) und durch engeres Aneinanderrücken ihrer Elemente nach der Wand zu die Schüsselformen (m) entstehen lassen. Aus letzteren bilden sich durch weitere Streckung der Spermatiden und ihrer nach der Mitte der Schüssel zu gerichteten Protoplasmaanhänge lockere Bündel von Spermatozoen (n), die anscheinend durch Contraction des Protoplasma’s der Trage- zelle (b), in welche sie eingebettet sind, sich immer mehr schliessen, der Wand nähern und endlich zu den uns schon bekannten, festgeschlossenen Sammenständern (+5 -+c) werden. Damit scheint der Formeneyklus der Spermatogenese zum Abschluss gelangt zu sein. d = Spermatogonien. g und A = Spermatocytencolonien. i= noch geschlossene Spermatidencolonie, %k = solche in Oeffnung begriffen. Ins en | Form, geöffnete Colonien. n = in Formirung begriffene Spermatozoenhaufen. a = geschlossene Kopfbündel b = Tragezellen Samenständer. ce = Schwanzprotoplasma 32 A. J. PLOETZ: NACHTRAG ZUR VORSTEHENDEN ARBEIT. Fig. 4, ein Septemberhoden, zeigt uns dieses Bild der in allen Canälchen zum Abschluss gebrachten Production von Samenständern, das, wie schon erwähnt, sich während des Herbstes und Winters nicht wesentlich ändert. Ich kann also wegen der Einzelheiten auf Fig. 1 verweisen. Erwähnenswerth ist nur noch ein Unter- schied zwischen den ersten Herbst- und den späten Wintermonaten, der darin be- steht, dass im Herbst, besonders im September, das Protoplasma der Tragezellen noch ein weitmaschiges Netz (o) bildet, in dem die Kerne (b) zerstreut liegen, und dass die Samenständer noch nicht so eng aneinander geschlossen stehen, da der Hode noch nicht von dem grossen Augustvolum zu dem mittleren Wintervolum reducirt ist. a+5b-+ c = Samenständer. d = Spermatogonien. o = protoplasmatisches Netz der Tragezellen. Ueber das Verhältniss des Sympathicus zur Kopf- verzierung einiger Vögel. Von Dr. med. J. Jegorow. (Aus dem pharmakologischen Laboratorium von Prof. Joh. Dogiel zu Kasan.) (Nierzu Taf. III.) In einer früheren Arbeit! haben wir schon darauf hingewiesen, dass der Sympathieus die Bluteirculation in der Kopfverzierung, welche einige Vögel besitzen, stark beeinflusst. Vorliegende Abhandlung bringt eine ein- gehendere Erörterung dieser Frage. Zum Versuchsobject wählten wir den Truthahn, bei welchem die Kopfverzierung stärker entwickelt ist, als bei anderen, wenn auch zugänglicheren Vögeln. Bekanntlich bedeckt die Kopfverzierung des Truthahns nicht nur den Kopf, sondern reicht sowohl nach vorn als nach hinten darüber hinaus. Vorn wird eine Art Anhängsel gebildet, hinten wird der Hals etwa bis zum 8. Halswirbel, also beinahe der halbe Hals von ihr bedeckt. Am Kopfe bildet die Verzierung eine Reihe von Falten und kleinen Höckern, welche nach hinten zum Halse hin in allen Dimensionen wachsen, so dass die grössten Höcker am unteren Rande der vorderen bez. unteren Halsfläche sich finden, wo sie zuweilen, je nach dem Alter und der Rasse, die Grösse einer Wallnuss und darüber erreichen. Hiermit im Einklang wechselt auch die Grösse des vorn über dem Schnabel befindlichen Anhängsels. Beobachtet man das seinen gewöhnlichen Bedingungen nicht entzogene Thier, so sieht man die Kopfverzierung sehr oft ihre Grösse und Farbe ! Ueber den Einfluss des Sympathicus auf die Vogelpupille. Pflüger’s Archiv u.s. w. Bd. XLI. Archiv f. A,u,Ph, 1890. Physiol. Abthlg. Suppl. 3 34 J. JEGOROW: wechseln. Wird das Thier gereizt, gleichviel ob der Reiz durch Seh- oder Gehörorgan zur Perception gelangt, so schwillt die Verzierung stark an und wird dunkelroth, stellenweise sogar violet schimmernd. Am auf- fälligsten geschieht das, wenn der Hahn durch die Nähe einer Henne ge- schleehtlich erregt wird, oder einem Gegner sich gegenüber befindet, mit dem er sich gewöhnlich in einen erbitterten Kampf einlässt. Die Schwellung geht so stark und schnell vor sich, dass A. Vulpian ! sie mit der Schwellung cavernöser Körper der Geschlechtsorgane vergleicht und hierbei eine Theil- nahme vasomotorischer Nervenfasern voraussetzt, obwohl er solche anatomisch nicht nachzuweisen suchte. Bei vollkommen ruhigen Thieren wird die Kopfverzierung viel kleiner und blasser, so dass sie an der oberen Schädelfläche und an der oberen bez. hinteren Halsfläche milchweiss erscheint, wobei das stark contrahirte Anhängsel sich nach oben krümmt und über dem Schnabel als eine feste, runzelige, conische Erhöhung sichtbar bleibt. Nachdem wir zufällig entdeckt hatten, dass der Sympathieus auf die Schwellung und Farbe der Verzierung einen Einfluss hat, suchten wir die Theilnahme dieses und auch anderer Nerven an diesen Veränderungen der Verzierung näher zu bestimmen. Dem anatomischen Bau nach gleicht diese Verzierung cavernösen Körpern, wie die Beschreibung von M.v. Frey? beim Hunde und von S. Kostorew® beim Hahn uns lehren. Beim Truthahn ist jedoch der Bau der Verzierung complicirter als beim Hahn. Behufs anatomischer Untersuchung kam das Praeparat auf zwei bis fünf Tage in !/, procentige Essigsäurelösung, wonach es viel nachgiebiger und dehnbarer geworden war, weil das Bindegewebe bei solcher Behand- lung stark aufquillt. Ein durch die Mitte der Verzierung gehender Schnitt lässt leicht und deutlich einen äusseren festeren und einen inneren lockeren Theil, der aus einem dichten Filz feiner Fäden (Gefäss und Nerven) be- steht, erkennen, besonders wenn man das Praeparat etwas auseinander zieht (Fig. 1). Ohne Essigsäurebehandlung praesentirt sich dieser innere Theil wegen der grossen Menge der Bindegewebe und der vielen durchsehnittenen Gefässe als ein stark poröses Gebilde. Hat man die Gefässe der Verzierung injieirt und hernach aus letzterer Schnitte angefertigt, so sieht man schon bei geringer Vergrösserung (Hartnack, Syst. 4, Oc. 3) aussen einen Epithel- 1 Lecons sur l’appareil vaso-moteur. 1815. p. 166. 2 Ueber die Einschaltung der Schwellkörper in das Gefässsystem. Dies Archiv. 1880. 3 Beitrag zur Kenntniss der Lymphwege der Vögel. Archiv für mikroskopische Anatomie. 1867. VERHÄLTNISS DES SYMPATHICUS ZUR KOPFVERZIERUNG EINIGER VÖGEL. 35 überzug und unter demselben ein dichtes Netz von Gefässen, welche stellen- weise sich bedeutend erweitern. Diese Schicht entspricht vollkommen dem cavernösen Gewebe in Hahnenkämmen (Kostorew, a.a.0.). Auf diese Gefässschicht, wir wollen sie als „erste‘“ bezeichnen, folet eine Schicht Bindegewebe, das zahlreiche elastische Fasern enthält und verschieden stark ist (Fig. 2). Hierauf folgt wieder eine Gefässschicht (die „zweite“), welche in Bezug auf die Zahl und Grösse der Gefässe viel mächtiger ist, als die erste und überhaupt die Hauptmasse der Verzierung ausmacht. Der Quer- schnitt der Gefässe in der zweiten Schicht ist bedeutend grösser als derjenige in der ersten; weiter sieht man, wie stärkere Gefässe !sich -spiralig winden und in ihrem Verlauf beträchtliche Erweiterungen bilden (Fig. 2). An ' Praeparaten, wo die Gefässe nicht injieirt sind, sehen wir in der zweiten Gefässschicht zahlreiche freie oder mit Blutkörperchen gefüllte Lücken, welche bald eine runde, bald eine ovale, bald eine sehr unregelmässige Form besitzen, was natürlich davon abhängt, wie die Gefässe vom Schnitt getroffen sind, ob an einer cylindrischen, oder erweiterten, oder aber an einer spiralig gewundenen Stelle. Ueber die Structur der Gefässwand ist nichts besonderes zu verzeichnen. Diese cavernöse Schicht steht mit der ersten durch gerade verschieden starke Gefässzweige, welche die Binde- gewebsschicht durchsetzen, in Verbindung. Dem Hahnenkamm geht eine solche zweite Schicht vollständig ab. Das Anhängsel gleicht in seinem Bau der übrigen Verzierung, nur besitzt es unter der ersten Gefässschicht eine stark entwickelte Lage glatter Muskelfasern, welche nach der Längsaxe des Anhängsels liegen und sich untereinander verflechten. Die Muskelschicht tritt am besten hervor, wenn man durch das Anhängsel einen Längsschnitt führt, letzteren auseinander zerrt und die zweite cavernöse Schicht nebst Bindegewebe abtrennt, wonach die Muskelschicht in der Form eines Fischer- netzes sichtbar wird. Bezüglich der Nervenzweige, welche zusammen mit den Gefässen das beschriebene Flechtwerk bilden, kann ich gegenwärtig nur mittheilen, dass dieselben von Rückenmarksnerven abstammen; es sind die vorderen Zweige der am Halse durch die Zwischenwirbellöcher tretenden Nerven. Wie wir später sehen werden, kreuzen die Nerven sich mit den Verdickungen des Sympathicus. Die Nervenzweige begleiten die Gefässe (Arterien und Venen), welehe in die Verzierung treten und zerfallen mit denselben zusammen, und an ihren Wandungen verlaufend,, in kleinere Aestchen (Fig. 1.) Besieht man sich die Nervenzweige (Hartnack, Syst. 4, Oc. 3), so bemerkt man, dass selbst kleinere von ihnen auch von Gefässen begleitet sind, welche zu beiden Seiten des Nervenzweigleins verlaufen und dasselbe an einigen Stellen umschlingen. Ueber die Verzweigung der Nerven in der Gefäss- wand selbst hoffen wir bald Mittheilung machen zu können. 3*+ 36 J. JEGOROW: Die Anatomie des Halssympathicus der Vögel ist noch wenig: bearbeitet. In unserer oben citirten Abhandlung haben wir schon darauf hingewiesen, dass hier im Vergleich zu den Säugethieren bedeutende Unterschiede vor- liegen. Die Litteratur dieser Frage ist sehr spärlich. Ausser den kurzen Notizen von Cuvier und Tiedemann besitzen wir hierüber die Mono- graphie von E. Weber,! unsere eigenen Angaben und schliesslich noch die in neuester Zeit veröffentlichte Arbeit von R. Morage.”? In Folge dessen und da unsere physiologischen Versuche am Halssympathieus’ausgeführt sind, würde das Verhältniss derselhen lei®n, wenn wir nicht hier die anato- mische Lage und das Verhältniss dieses Nerven zu anderen Gebilden an- gäben. Nach dem Verlassen der Brusthöhle nähert sich der Sympathicus der Mittellinie und verläuft zusammen mit den Halsgefässen (Arteria et Vena vertebralis) im Querfortsatzeanal der Halswirbel zum Schädel. Er liegt vor und etwas nach innen, d. h. der Mittellinie zu, von den durch die Dünne ihrer Wandungen sich auszeichnenden Gefässen, bildet in seinem Verlauf gegenüber den Intervertebralöffnungen Verdickungen, durch welche Rücken- marksnervenzweige treten (Fig. 3). Ausser diesen, so zu sagen, constanten Knoten finden sich im Sympathicus zuweilen eine oder zwei sowohl ihrer Lage als Grösse nach wechselnde Verdickungen. Am häufigsten trifft man letztere am mittleren oder oberen Drittel und dann in der Mitte zwischen den beständigen Knoten an. Zum Schädel hin wird der Sympathicus dünner. Nach dem Durchtritt durch die Querfortsatzöffnung des dritten Halswirbels zieht er nach aussen und vorn zwischen den vom Hinterhauptsbeine ihren Anfang nehmenden Muskeln hindurch, erreicht die Ausgangsstelle des Vagus und Glossopharyngeus, wobei er unter dem ersteren, ihn fast unter rechtem Winkel kreuzend, hinzieht, und tritt in den obersten Halsknoten und zwar an der unteren und hinteren Fläche desselben, wenn man sich das Thier auf den Füssen stehend denkt. Der Knochencanal, in welchem sich der Sympathicus und die Gefässe (Arterie und Vene) bei Vögeln befindet, wird . von den Querfortsätzen der Halswirbel und von den von diesen abgehen- den Knochenplatten gebildet. Wie ich schon in meiner früheren Arbeit (a. a. O.) angegeben habe, sind diese Knochenplatten bei verschiedenen Vögeln verschieden stark entwickelt. Da beim Truthahn an der Bildung des Transversalcanals nur die Querfortsätze sich betheiligen, so erweisen sich die Lücken in demselben als verhältnissmässig gross, wodurch der Zu- tritt zum Sympathicus wesentlich leichter wird. Diese Lücken nehmen der ! Anatomia comparata nervi sympathici. Lipsiae 1817. ? Anatomie deseriptive du'sympathique des oiseaux. Annales des Sciences naturelles. 1889 Vol-VNSSNTJI 2. VERHÄLTNISS DES SYMPATHICUS ZUR KOPFVERZIERUNG EINIGER VÖGEL. 87 Grösse der Halswirbel entsprechend, zum Kopfe hin an ihrer Ausdeh- nung ab. Sowohl die Gefässe als auch der Sympathicus befinden sich am Halse in einer festen elastischen, bindegewebigen Kapsel (sie glänzt, wenn sie freigelegt ist), welche ihnen, besonders an den Lücken des Knochencanals, hinreichend Schutz gewährt. Von der Vertebralarterie gehen kleine Zweige an den Zwischenwirbelwirbellöchern ab, welche theils in diese in Begleitung von Venen treten, theils aber in den an die Querfortsätze sich anheftenden Muskeln sich verzweigen. Der Sympathicusstamm selbst giebt gewöhnlich keine Zweige ab, ausser dass von seinem obersten Theil ein verhältnissmässig starker Ast zwischen den Muskeln hindurch in Verbindung mit dem hier befindlichen Nervengeflecht tritt und dann zu den grossen Halsgefässen in der Gegend der Unter- kiefergrube geht. Anders ist es mit den Verdickungen, von denen ge- wöhnlich einige sehr dünne Aestchen zur Gefässwandung, sowohl der Art. und Vena vertebralis als auch der in die Zwischenwirbelöffnungen ziehen- den Gefässe treten. Ausserdem ziehen von einigen Sympathicusknoten diekere Zweige nach vorn und innen zu den in einer Knochenvertiefung in der Mittellinie des Halses und von den Muskeln des letzteren bedeckten Carotiden. Makroskopisch stellt sich das Verhältniss zwischen den Rücken- markszweigen und den Sympathicusknoten wie folgt dar: nachdem der Rückenmarksnerv das Zwischenwirbelloch verlassen und das Ganglion ge- bildet hat, theilt er sich in zwei Hauptäste, von denen der eine (hintere) auf die hintere Halsfläche tritt, der andere (vordere) aber mit dem Sympathicus- knoten sich kreuzt, wobei eine ziemlich innige Verbindung zwischen diesen Gebilden stattfindet. Betrachtet man die Kreuzungsstelle bei geringer Ver- grösserung, nachdem sie nach Möglichkeit vom Bindegewebe befreit worden, so erkennt man, dass der Rückenmarksnerv öfter oberhalb bez. ausserhalb des Sympathicusknotens verläuft, oder, wenn auch bedeutend seltener, letz- teren von beiden Seiten umfasst. Beim Praepariren mittels Nadeln be- merkt man, wie einige Fasern der Rückenmarksnerven in den oberen und unteren Theil des Knotens treten und in dem Sympathicus nach oben und unten bez. zum Kopf und zum Rumpf hin weiter verlaufen. Die Zähl solcher Fasern ist nicht besonders gross. Diese Zugesellung der Rücken- marksnervenfasern zum Sympathicus sieht man noch deutlicher, wenn man das Praeparat mit Osmiumsäure behandelt und gehärtet hat und nun eine Serie von Schnitten anlegt, welche parallel den Fasern der beiden Nerven und dem Längsdurchmesser des Ganglions gehen (Fig. 4). An solchen Prae- paraten bekommt man noch Nervenfasern zu Gesicht, die vom Sympathicus oder richtiger vom Ganglion zum peripheren Theil des Rückenmarksnerven treten. Sie gehen gewöhnlich vom oberen und unteren Theil des Knotens 38 J. JEGOROW: ab, machen einen ziemlich steilen Bogen und treten in den Rückenmarks- nerven, sich mit den Fasern des letzteren vermischend. Zuweilen fanden wir, dass derartige Fasern vom oberen und unteren Theil des Knotens in der Form von zwei ganz isolirten Bündeln abgingen und zwar in einiger Entfernung von der Kreuzungsstelle des Rückenmarksnerven mit der Ver- diekung. Diese Bündel verlaufen zuerst ganz isolirt, biegen dann kurz zum peripheren Theil der Rückenmarksnerven um, treten in denselben und verlieren sich unter dessen zur Peripherie hin verlaufenden Fasern. An der Stelle, wo die Fasern dieser Bündel auf die Fasern der Rückenmarks- nerven stossen, finden sich Nervenzellen welche gleichfalls einen zweiten, oder accessorischen Knoten bilden (Fig. 4,a). Es ist nicht möglich den weiteren Verlauf dieser sympathischen Nervenfasern anatomisch zu ver- verfolgen. Höchst wahrschenlich ziehen sie aber mit den Rückenmarksnerven zur Periphiere (zu den Höckern der Verzierung) und verzweigeh sich zu- sammen mit den zahlreichen Gefässen, welche ja einen Bestandtheil der Verzierung ausmachen und dort das von uns beschriebene Flechtwerk (Fig. 1) bilden. In unseren physiologischen Versuchen werden wir hier- für schwerwiegende Beweise beibringen. Unser Befund über das Verhält- niss des Sympathicus zu den Rückenmarksnerven stimmt nicht mit den von A. Onodi! über denselben Gegenstand überein. Obgleich er an anderen Vögeln (Hahn, Falke u. s. w.) gearbeitet hat, scheint uns doch seine Beschreibung nicht ganz zutreffend zu sein, weil wir ebenfalls Gelegenheit hatten, eines seiner Versuchsobjecte (Hahn) zu untersuchen und doch nicht das, was er abgebildet, finden konnten. Doch werden wir später auf diesen Gegenstand näher eingehen. Ausser den zwei grösseren Aesten giebt der Rückenmarksnery noch einige kleinere Zweige ab. Ein Theil derselben meidet den Sympathicus ganz, ein anderer aber legt sich demselben eine Strecke weit an, obgleich ein innigerer Zusammenhang zwischen denen, wie es scheint, nicht zu Stande kommt, soweit die mikroskopische Untersuchung bei geringer Vergrösserung uns Aufschluss zu ertheilen vermag. Die Grösse, Form und anatomische Lage des obersten Halsknotens haben wir in unserer bereits mehrfach citirten Arbeit ziemlich eingehend erörtert. Da unsere diesbezüglichen Re- sultate aber bedeutend von denen R. Morage’s (a. a. O.) abweichen, so müssen wir doch auch hier noch darauf eingehen. Morage untersuchte Enten, Fasane, Störche, Tauben und Raubvögel,” wir aber Truthähne, Hähne und theilweise Tauben. Sollte die Differenz in unseren Resultaten ı A. Onodi, Ueber das Verhältniss der cerebrospinalen Faserbündel zum sym- pathischen Grenzstrang. Dies Archiv. 1884. Anat. Abthlg. 2 Les rapaces. A.a.0.. VFRHÄLTNISS DES SYMPATHICUS ZUR KOPFVERZIERUNG EINIGER VÖGEL. 39 von Verschiedenheit der Untersuchungsobjecte abhängen, so wird eine de- taillirte Beschreibung der in Frage stehenden Gebilde um so wünschens- werther sein. Auf unsere frühere Arbeit verweisend wollen wir hier doch kurz das Wesentlichste über diesen Gegenstand hervorheben. Unsere Untersuchung wurde mittels einer Lupe an in einer !/, procen- tigen Essigsäurelösung befindlichem Praeparate vorgenommen. Der oberste Halsknoten liegt etwas hinter und unter dem Unterkiefer- winkel, weshalb, um ihn zu erreichen, man am besten thut, wenn man das Zungenbein und den Unterkieferwinkel entfernt. Zerzupft man vor- sichtig, ohne die zahlreichen Gefässe zu verletzen, das Bindegewebe, so stösst man auf zwei ziemlich starke Nervenstämme, von denen der vordere, dem Schnabel näher liegende, der Glossopharyngeus, der hintere aber der Vagus ist. Zwischen beiden, an der Eintrittsstelle dieser Nerven in die Schädelwand, befindet sich der oberste Halsknoten und zwar so, dass er einer- seits dem Glossopharyngeus dicht anliegt (mit ihm verschmilzt) und anderer- seits unmittelbar an den Vagus stösst. Ueber dem Knoten (wenn der Kopf des Thieres mit der entgegengesetzten Fläche auf dem Tisch liegt) verläuft der Facialis, der zur Seite gezerrt werden muss (Fig. 5). Der Knoten besitzt eine unregelmässig dreieckige Form, wobei der kürzeste und dickste Rand zum Schädel und der ihm gegenüber befindliche Winkel gerade nach unten (zum Hals hin) gerichtet ist. Der grösste Durchmesser des Knotens be- trägt 5m, seine Breite am oberen Rande 3-5®® und seine Dicke 2.5 "m, Als untere Grenze des Knotens kann man schon die Anastomose, welche schief vom Glossopharyngeus zum Vagus verläuft, ansehen. Mit dem Glosso- pharyngeus ist der Knoten so eng verbunden, dass eine Trennung ohne Laesion der einen oder des anderen unmöglich ist. Die mikroskopische Be- trachtung von Schnitten durch diese Vereinigungsstelle ergiebt, dass der Glossopharyngeus einen Theil des Knotens umfasst, obgleich kein Faser- austausch zwischen beiden stattfindet, im Gegentheil beide von einander scharf abgegrenzt erscheinen. Die Berührungsstelle zwischen dem Vagus und dem Knoten ist nur vom Bindegewebe eingenommen, weshalb eine Trennung beider Gebilde ohne grosse Mühe zu bewerkstelligen ist. So- mit ist die Form, die Lage des Knotens und sein Verhältniss zum Vagus und Glossopharyngeus beim Truthahn ganz verschieden von dem, was R. Morage bei oben aufgezählten Vögeln beschrieben hat. Ebenfalls geht dem Truthahn und dem Haushahn ein dem Vagus und dem Glossopharyngeus gemeinschaftliches Ganglion, welches R. Morage in seiner Arbeit beschrie- ben und abgebildet hat,! ab. Praeparirt man den Knoten recht vorsichtig unter der Essigsäurelösung, so bekommt man sehr dünne von der äusseren 1 4.2.0. PL.I. Fig. 3 et 4. 40 J. JEGOROW: Fläche des Knotens nach verschiedenen Richtungen abgehende Nerven- zweiglein zu Gesicht (Fig. 5). Von denselben sind als mehr constante zu vermerken: ein Zweig, welcher zum Vagus tritt und in diesem Nerven ver- schwindet, ein (oder zwei) Zweige, zur Anastomose zwischen Vagus und Glossopharyngeus, welcher auch in den ersteren Nervenstamm aufgeht, ein Zweig zum etwas unterhalb gelegenen Glossopharyngeusstamm. Zuweilen verbindet sich dieser letzte Zweig mit einem Aestchen aus dem Glosso- pharyngeus, das oberhalb des Ganglion entspringt und unterhalb desselben wieder mit dem Glossopharyngeusstamm verschmilzt. Von diesem Aste gehen bisweilen Nervenfäden zu den hier befindlichen Gefässen. Um den Nerven- knoten weiter auszupraepariren, wird es nothwendig, die soeben erwähnten Zweige zu durchschneiden oder stark zur Seite zu zerren, ein Stück vom Vagus an seiner Austrittsstelle aus dem Schädel zu entfernen und den Facialis nach Möglichkeit zur Seite zu schieben. Jetzt treten andere, viel stärkere Nervenfasern des Knotens zu Tage (Fig. 6). Zum Schädel hin gehen zwei bedeutendere Aeste ab. Ein mehr nach hinten (normale Kopf- lage des Thieres) gelegener dieser Aeste geht zuerst mit dem Glossopharyn- geus, tritt dann zusammen mit dem Facialis in den Knochencanal, verläuft an der hinteren und oberen Wand des knöchernen Gehörganges nach vorn, wird mehr oberflächlich und erreicht unweit des Ganglion Gasseri die beiden ersten Trigeminusäste, mit welchen er nun weiter seinen Weg fortsetzt. Der zweite vordere Ast tritt bald nach seinem Ursprunge aus dem Knoten in einen Knochencanal, verläuft theils an der unteren Wand des Gehör- ganges und erreicht zusammen mit der Carotis interna die Schädelhöhle, Durch diese bald in knöcherne Canäle eintretenden Zweige wird der oberste Halsknoten so in seiner Lage fixirt, dass er ohne Zerreissung dieser Theile besonders nach unten, nicht verschoben werden kann. Ein dritter, stärkerer Ast geht vom hinteren oder hinteren-oberen Rande des Ganglions ab. Derselbe verläuft nach hinten und unten und tritt in den Querfortsatzcanal der Halswirbel. Es ist der Halssympathieus, den wir schon hinreichend beschrieben haben. Ein vierter im Vergleich zu (den vorhergehenden schon dünnerer Ast entspringt vom unteren sehr aus- gezogenen Winkel des Knotens, zerfällt aber bald in mehrere Zweige, welche nach unten verlaufen und an die Carotiden und die Vena jugularis treten. Zuweilen gehen vom unteren Winkel des Knotens mehrere kleine Zweige ab, so dass derselbe wie zerfasert aussieht. Ausser den beschriebenen treten vom Knoten noch einige sehr dünne Zweiglein zu den hier befindlichen zahlreichen Gefässen. Gleiches Verhalten zeigt nach unseren Untersuchungen der oberste Halsknoten beim Hahn und bei der Taube. Die Freilegung des Sympathieus ist von uns zwar in unserer früheren VERHÄLTNISS DES SYMPATHICUS ZUR KOPFVERZIERUNG EINIGER VÖGEL. 41 Arbeit bereits beschrieben, wir halten aber eine kurze Angabe hier über diesen Gegenstand für durchaus nicht überflüssig, da bei dieser Operation bedeutende technische Schwierigkeiten zu überwinden sind. Beim Haut- schnitt kann man sich nach den leicht durchzufühlenden Querfortsatzenden der Halswirbel richten. Die Haut und der Unterhautmuskel wird nach der Länge des Halses durchschnitten, worauf rechts die Enden zweier benach- barter Querfortsätze zu sehen sind (links müsste man erst den Oesophagus und die Trachea zur Seite schieben). Fühlt man nach, so findet man, dass vom oberhalb gelegenen Halswirbel nach unten und innen ein langer (2 bis 2.5 @1) dünner Knochenfortsatz abgeht. Nun entfernt man mit Hülfe einer Scheere die an den Querfortsatz des unteren Halswirbels sich anheftenden Muskeln, zieht die Weichtheile zur Seite und stillt dann die hierbei stets durch Verletzung kleiner Arterien entstehende Blutung. Hat man den langen Fortsatz des oberhalb gelegenen Halswirbels abgetastet, so durchschneidet man die Muskeln parallel ihrer Faserung, so dass der lange Fortsatz näher zur Mittellinie des Halses bleibt, d. h. wir durchschneiden die Muskeln in einer Linie, welche in der Mitte zwischen der Linie, die die Querfortsatzenden verbindet, und dem langen nach innen zu gelegenen Fortsatz liegt. Schlägt man die Muskeln nach beiden Seiten zurück, so stossen wir in der Tiefe auf ein glänzendes Bündel, die die Vertebral- gefässe und den Sympathicus enthaltende Kapsel. Hat man die Kapsel der Länge nach, was sehr vorsichtig geschehen muss, geöffnet, so sieht man die Gefässe und neben ihnen den Sympathicus- stamm (Fig. 3). Im Uebrigen geht man wie allgemein bekannt vor, nur muss ich hervorheben, dass bei der Isolation des Nerven grosse Vorsicht nöthig ist, weil die Gefässe besonders dünne und zarte Wände besitzen. Die Blutung aus den Gefässen ist schwer zu stillen, der Versuch selbst nicht mehr rein, weil die nachherigen Manipulationen sehr schwierig werden. Unsere Versuche sind fast alle an Truthähnen ? angestellt, theils ohne jegliche Narkose, theils wurde aber Curare angewandt und zwar in Form einer Lösung (8 "sm auf 1m Wasser), welche in eine Fussvene injieirt wurde Auf 1Kilo Thier kam 1m dieser Lösung. Die Nerven wurden entweder mechanisch (Kneifen oder Zuschnüren der Ligatur) oder aber elektrisch gereizt. Zum letzteren Zwecke benutzten wir ein frisch gefülltes Grenet’sches Element und den Inductionsapparat ! Beim Truthahn gehen diese Fortsätze von der Abgangsstelle der Querfortsätze vom Wirbelkörper nach unten und nähern sich mit ihren freien Enden der Mittellinie. Bei anderen Vögeln, z. B. beim Hahn, haben diese Fortsätze eine etwas andere Rich- tung und betheiligen sich an der Bildung des knöchernen zur Aufnahme der Gefässe und des Sympathicus bestimmten Transversalcanals. ? Eine geringe Anzahl von Versuchen wurde an Hähnen und Tauben angestellt. 43 J. JEGOROW: von du Bois-Reymond. Die Stromstärke wird bei jedem Versuch an- gegeben sein. Gewöhnlich kamen Drahtelektroden zur Anwendung. Lag der Sympathicus tiefer, so wurden die isolirten Drähte in ein etwas ge- bogenes Glasrohr gethan, wodurch es leicht wurde, dem Nerven beizu- kommen. Vor allen Dingen interessirten wir uns für den Einfluss des Sym- pathicus auf die Bluteirculation in der Kopfverzierung. Um hierüber Auf- schluss zu erhalten, suchten wir den Sympathicus viel tiefer, als die untere Grenze der Halsverzierung reicht, auf, durchschnitten ihn und reizten ihn elektrisch. Das Protokoll eines dieser Versuche soll hier angeführt werden. Versuch I. 15. Januar 1889. Junger 3570 8”% schwerer Truthahn. Nachdem die Tracheotomie ausgeführt, erhielt das Thier 3-5 °“" Curarelösung in eine Fuss- vene, und es wurde künstliche Athmung eingeleitet. 11 Uhr — Min. Der linke Sympathicus am 10. Halswirbel auspraeparirt. Während der Praeparation sieht man die Verzierung an derselben Seite stellen- weise erbleichen. Als die Ligatur um den Sympathicusstamm zugeschnürt wurde, erblasste die Verzierung etwas. Das Nervenende zum Kopf hin isolirt. Als der Nerv durchschnitten wurde, röthete sich die linke Hälfte der Verzierung sehr stark, so dass die hiermit in Verbindung stehende Temperaturerhöhung so- gar mit der Hand festgestellt werden konnte. Die Röthung reicht nicht über die Mittellinie hinaus, sondern beschränkt sich nur auf die linke Hälfte (Fig. 7). Die Bindehaut vom linken Auge ist ebenfalls stark geröthet. 11 Uhr 15 Min. Reizung des Kopfendes vom linken Sympathicus bei 20 ©“ Spiralenabstand, 15 Secunden lang. Es erfolgte ein starkes Erblassen der Ver- zierung am Kopf und Halse linkerseits, Anschmiegen der Fasern am Halse zwischen der Verzierung und der Operationswunde an die Haut, Verkürzung des Anhängsels, wobei seine Spitze nach oben ging und es selbst nach links hinüberneigte, da nur seine linke Seite die soeben angegebenen Veränderungen zeigte (Fig. 8). Die Pupille unverändert. Die Blässe dauert etwa eine Minute, alsdann tritt wieder Röthung ein, und zwar zuerst an den Seitenflächen des Halses, etwas oberhalb der untersten Höcker. Es werden hier kleine rothe . Inseln sichtbar, deren Zahl und dann auch Grösse allmählich zunimmt, somit scheint die Röthung von unten nach oben zu gehen. Das Anhängsel behält noch einige Zeit seine Form bei, wird aber doch ebenfalls bald schlaff und roth. Die Röthung erfolgt in 3!/, Minuten. 11 Uhr 22 Min. Die Röthung ist vollkommen und sogar stärker als gleich nach dem Durchschneiden des Sympathicus. Die Farbe der Verzierung ist links hellroth, stellenweise mit einem grünlich-bläulichen Anflug (an Ohr, Augen- lidern und dem Grunde des Anhängsels). 11 Uhr 25 Min. Die Reizung bei 30 °® Spiralenabstand wiederholt. Es er- folgte Bewegung der Federn und eine unbedeutende des Anhängsels, jedoch nur, als die Elektroden an den Nerv gelegt wurden. Während der 30 Secunden lang dauernden Reizung keine Veränderung zu vermerken. VERHÄLTNISS DES SYMPATHICUS ZUR KOPFVERZIERUNG EINIGER VÖGEL. 43 11 Uhr 30 Min. Reizung des Sympathicus bei 10 *% Spiralenabstand, 15 Se- cunden lang. Die Erscheinungen wie bei der ersten Reizung, nur stärker. Das Anhängsel zog sich über dem Schnabel zusammen und neigte sich nach links. Die Verzierung wurde fast milchweiss, besonders an der unteren und hinteren Halsfläche. Ausserdem öffnet sich das bisher geschlossene Auge und zwar hauptsächlich durch Herabgehen des unteren Augenlides. Das Auge halb ge- öffnet, die Pupille unverändert. Die Erblassung hält etwa eine Minute an, worauf, wie das erste Mal, Röthung, aber schneller als damals fortschreitend, eintritt. Das Anhängsel erschlafft ziemlich langsam. 11 Uhr 40 Min. Reizung des Sympathicus bei 20 °" Spiralenabstand, 30 Se- cunden lang. Erscheinungen wie das erste Mal, nur etwas später eintretend und nicht so vollständig. Die Erblassung hält sich nicht so lange und die Röthung erfolgt schneller. Während der Reizung bemerkt man, wie das Anhängsel nach Anlegen der Elektroden sogleich sich zu contrahiren anfängt, darauf aber da- mit anhält, sogar wieder etwas zu erschlaffen scheint, worauf wieder Contraction, dann Stillstand und geringe Erschlafung u. s. w. auftritt. Besonders deutlich sieht man das, wenn man die Elektroden längs dem Nerven bewegt. Aehnliches . tritt bei der Bewegung der Halsfedern auf. Während des ganzen Versuchs sieht man, wie die Federn am Körper des Thieres sich hin und wieder aufrichten, obgleich die Curarewirkung fortbesteht und Bewegungen anderer Körpertheile ausbleiben. 12 Uhr — Min. Der rechte Sympathicus in der Höhe des 10. Halswirbels durchschnitten. 12 Uhr 5 Min. Röthung der Verzierung rechts, jedoch etwas schwächer als links. 12 Uhr 7 Min. Die 15 Secunden währende Reizung des rechten Sympathicus bei 20 °@ Spiralenabstand ruft dieselbe Erscheinung hervor, wie die erste Reizung linkerseits. 12 Uhr 15 Min. Beiderseitige, 20 Secunden währende Reizung der Sym- pathiei bei 15°% Spiralenabstand. Gleich nach dem Anlegen der Elektroden tritt Bewegung der Federn auf, dann erblasst die Verzierung (rechts stärker). Die Contraction des Anhängsels ist sehr stark. Seine Spitze biegt sich nach oben und zurück, selbst erhält es die Form einer conischen Erhöhung über dem Schnabel. Beide Augen halb geöffnet. Nach der Reizung hält sich die Blässe noch eine halbe Minute, worauf schnelle Röthung anfängt. Links wird die Ver- zierung schneller roth als rechts. Während des ganzen Versuchs wurden die Pupillen beaufsichtigt. Eine Veränderung derselben war aber nicht festzustellen. Diese Versuche beweisen, dass der Sympathicus bei Truthähnen Ver- engerung der Hals- und Kopfgefässe bewirkt. Aehnliches hat N. Kowa- lewsky! bei der Katze beobachtet. Doch, wie wir später finden werden, besteht bei diesen beiden Thieren keine vollständige Analogie. Hier wollen wir nur anführen, dass im Truthahnsympathicus keine gefässerweiternden ! Beobachtungen über die Bluteireulation in der Haut. Centralblatt für die me- dicinischen Wissenschaften. Wien 1885. Nr. 15. 44 J. JEGOROW: Fasern vorhanden sind, wohl aber bei der Katze. Ebenfalls fehlen dem Truthahnsympathicus, wie wir es schon früher (a. a. 0.) bewiesen haben, pupillenerweiternde Fasern. Da ein directer Zusammenhang der Sympathicusfasern mit den Ge- fässen anatomisch noch nicht nachgewiesen ist, so wird man natürlich die Frage aufwerfen, wie der Reiz zu diesen Gefässen gelangt. Liegt hier nicht ein Reflex vom Sympathicus zum vasomotorischen Centrum und von hier aus schon zu den Gefässen der Verzierung vor? Bei solcher Sachlage müssen wir denselben Effect an den Gefässen der Verzierung nicht nur vom Sym- pathicus, sondern von jedem sensiblen Nerven aus erhalten, wie das auch von N. Kowalewsky (a. a. O.) für die Katze nachgewiesen wurde. Von den in dieser Richtung von uns vorgenommenen Versuchen wollen wir zwei hier vorführen. Versuch I. 31. Januar 1889. Ein 47508% schwerer Truthahn. Tracheotomie. Der linke Ischiadicus freigelegt und in eine Ligatur gefasst. Der linke Sympathicus im Niveau des 8. Halswirbels freigelegt. Das centrale Ende der linken Carotis am Halse mit dem Kymographionrohr verbunden. Als der Sympatbicus an der angegebenen Stelle durchschnitten wurde, erfolgte links eine starke Röthung der Verzierung. Nachdem das Thier sich schon beruhigt, beträgt der Blutdruck 12 022n2He: 1 Uhr 15 Min. Reizung des centralen Ischiadieusstumpfes bei 15 *% Spiralen- abstand, 5 Secunden lang. Der Blutdruck fing sogleich an in die Höhe zu gehen und betrug bald 216% Hg. Keine Veränderung der Verzierung. Wäh- rend der Reizung Contractionen und Erschütterung des ganzen Körpers. Zu Anfang der Reizung tritt an beiden Pupillen eine ziemlich bedeutende Erwei- terung auf, welche einige Secunden anhält, wonach die Pupillen wieder ihre gewöhnliche Weite erhalten. 1 Uhr 20 Min. Reizung des näher zum Kopfe gelegenen Endes vom Sym- pathicus bei gleicher Stromstärke 10 Secunden lang. Es erfolgten: starke Er- blassung der Verzierung links, Bewegung der Federn und des Anhängsels, bei unveränderter Pupille war das linke Auge halb geöffnet. Der Blutdruck stieg von 124m Hg auf 134. Die Curve steigt sehr allmählich. Das Thier äussert während der Reizung seinen Schmerz durch Bewegungen. Die Blässe hält zwei Minuten nach der Reizung noch an und verschwindet dann wie früher. Die hierauf folgende Röthung ist viel intensiver als nach dem Durchschneiden des Sympathicus. 1 Uhr 40 Min. Wiederholung der Reizung des centralen Sympathicusstumpfes mit gleich starkem Strom, 10 Secunden lang. Die Erscheinungen an der Ver- zierung, dem Anhängsel und dem Auge wie vorhin, nur in etwas geringerem Grade, auch hielt die Blässe sich nicht so lange. Der Blutdruck stieg all- mählich von 126 bis auf 132 "m Hg. Die Röthung fängt unten am Halse an und verbreitet sich von hier aus auf den Kopf. Nur das Anhängsel wird etwas früher roth als der Kopf. VERHÄLTNISS DES SYMPATHICUS ZUR KOPFVERZIERUNG EINIGER VÖGEL. 45 1 Uhr 50 Min. Reizung des centralen Ischiadicusstumpfes mit gleich- starkem Strom 5 Secunden lang. Der Blutdruck stieg von 150 ®m Hg sogleich auf 228mm Hg (Fig. 9). Unregelmässige Herzschläge. Keine Veränderung der Verzierung und des Anhängsels. Die Pupille, wie das erste Mal, unverändert. 1 Uhr 57 Min. Reizung des centralen (Kopf-) Sympathicusstumpfes links mit gleich starkem Strom 10 Secunden lang. Die Erscheinungen an der Ver- zierung, dem Anhängsel und dem Auge wie früher, nur in etwas geringerem Grade. Der Blutdruck erlitt keine Veränderung. 2 Uhr 5 Min. In die Fussvene wurden 45% Qurarelösung injieirt. Der Blut- druck sank von 150 auf 100"" Hg, stieg dann auf 196 und fiel darauf wieder bis auf 144mm Hg, um welche Zahl sie dann schwankte. Künstliche Athmung. Der linke Sympathicus wurde um einen Halswirbel höher (zum Kopfe hin) in Ligatur gefasst. Ein im Kymographionrohr sich findendes Blutgerinnsel entfernt. 2 Uhr 25 Min. Reizung des linken Sympathieus bei 25% Spiralenabstand 10 Secunden lang. Die Veränderungen an der Verzierung sehr schwach. Die Federn und das Anhängsel bewegen sich nur beim Anlegen der Elektroden an den Nerven. Der Blutdruck unverändert. ‘ 2 Uhr 23 Min. Reizung bei 20 °% Spiralenabstand wiederholt. Die Er- scheinungen schon etwas intensiver. Der Blutdruck unverändert. 2 Uhr 32 Min. Die Reizung bei 15°“ Spiralenabstand rief dagegen ebenso starke Erscheinungen herbei, wie das erste Mal (1" 20 Min.). Die darauf folgende Röthung trat jedoch schneller ein. Während der Reizung das Auge halbgeöffnet, die Pupille aber unverändert. Der Blutdruck stieg von 146 auf =150.>7 Hs; 2 Uhr 40 Min. Die Reizung des centralen Ischiadicusstumpfes bei 15 “ Spiralenabstand 10 Secunden lang hatte keine Veränderung der Verzierung oder des Anhängsels zur Folge. Der Blutdruck stieg von 182 schnell auf 226% Hg. Die Veränderungen der Pupille wie früher. Das nicht narkotisirte Thier scheint während der Reizung des Sympathicus Schmerzen zu empfinden, wenigstens treten in der Umgebung der Reizungsstelle reflectorische Muskelcontractionen auf. Versuch II. 1. Februar 1889. Ein 4350 2" schwerer Truthahn. Tracheotomie. Der linke Sympathicus freigelegt und zweimal im Niveau des achten und neunten Halswirbels durchschnitten und das Ende zum Kopf hin isolirt, ebenfalls das zum Rumpf hin (wir wollen es als unteres Ende bezeichnen). Nach der Durch- schneidung erfolgte, wie gewöhnlich, Röthung der Verzierung an der entsprechen- den Seite. Das centrale Ende der linken Carotis am Halse mit dem Kymo- grapkion verbunden. Der Blutdruck schwankt um 182 "m Hg herum. 12 Uhr 10 Min. Reizung des oberen Sympathicusendes bei 15°“ Spiralen- abstand 10 Secunden lang. Es traten die gewöhnlichen Erscheinungen links auf: Bewegung der Federn und des Anhängsels, Blässe der Verzierung. Oeff- nung der Augenlider. Der Blutdruck stieg etwas (186m Hg). Die Blässe hielt sich zwei Minuten lang, worauf Röthung und zwar intensiver als sie vor- dem, beim Durchschneiden des Sympathicus gewesen war. 12 Uhr 17 Min. Reizung des unteren Sympathicusstumpfes mit gleich starkem Strom 10 Secunden lang. Keine Veränderungen der Verzierung, des Anhängsels, 46 J. JEGOROW: der Augenlidspalte.e. Der Blutdruck sinkt von 168 auf 144mm Hs, steigt dann langsam auf 176” Hg, worauf wieder Ermiedrigung bis zur Norm sich ein- stellt. 12 Uhr 25 Min. Reizung des oberen (Kopf-) Sympathicusstumpfes mit gleich starkem Strom, 10 Secunden lang. Die Erscheinungen gleich denen bei der ersten Reizung, nur in geringerem Grade. Der Blutdruck blieb auf ca. 166m He. Nach der Reizung tritt Röthung schneller ein als das vorige Mal. 12 Uhr 38 Min. Reizung des unteren Sympathicusstumpfes bei 10 ©® Spiralen- abstand. Seitens der Verzierung ist keine Veränderung zu vermerken. Der Blutdruck fiel schnell von 166 auf 126"m Hg, worauf er langsam wieder anstieg, bis er die frühere Höhe erreichte (Fig. 10). 12 Uhr 45 Min. Wiederholung der Reizung. Keine Veränderung der Ver- zierung. Der Blutdruck ging von 168 auf 140 und dann allmählich bis auf 196 mm Hg. 12 Uhr 49 Min. Entfernung eines Blutgerinnsels aus der Carotis. Dem Thier wurden 45 °® Curarelösung durch die Fussvene beigebracht. Künstliche Athmung. 5 1 Uhr 15 Min. Reizung des oberen (Kopf-) Sympathicusstumpfes bei 15 “ Spiralenabstand, 10 Secunden lang. Es traten die bei dieser Reizung gewöhn- lichen Erscheinungen auf. Der Blutdruck (188 "m Hg) blieb unverändert. 1 Uhr 22 Min. Reizung des unteren Sympathicusstumpfes mit gleichstarkem Strom und ebenso lang. Keine Veränderung in der Kopfverzierung. Der Blut- druck fiel von 186 fast sogleich auf 164" Hg und ging dann sehr langsam bis auf 194"m Hg, worauf noch eine unbedeutende Abnahme erfolgte. Die Reizung des Sympathicus wurde noch mehrmals wiederholt, ohne dass das Resultat sich verändert hätte. Versuch IV. 14. Mai 1889. Ein 5000 8”% schwerer Truthahn. Nach der Tracheotomie wurden dem Thier 5 °® Öurarelösung in die Fussvene injieirt. Der linke Sym- pathicus im Niveau des achten und neunten Halswirbels freigelegt und die beiden Enden, zum Kopf und zum Rumpf hin, abgetrennt. Ausserdem wurde der centrale Stumpf des N. axillaris sin. in eine Ligatur gefasst. Das centrale Ende der linken Carotis mit dem Kymographion verbunden. (Fortsetzung des Versuchs.) 1 Uhr 10 Min. Der Blutdruck beträgt 180 @® Hg. 1 Uhr 12 Min. Reizung des centralen Axillarisstumpfes bei 10 ©% Spiralen- abstand, 30 Secunden lang. Zugleich mit der Reizung fängt der Blutdruck an zu steigen, so dass er nach 17 Secunden schon 206"® Hg betrug. Hierauf ging er langsam herunter und erreichte in der 30. Secunde die Höhe von 186" Hg. Während der Reizung waren keine Veränderungen der Verzierung bemerkbar. Die Pupille erweiterte sich zu Anfang der Reizung, wie es ja von der eines sensiblen Nerven zu erwarten war. 1 Uhr 19 Min. Der Blutdruck 170" Hg. Gleich lange und starke Reizung desselben Nerven. Der Blutdruck stieg bis zur 17. Secunde bis auf 192 und dann plötzlich noch, so dass er in der 20. Secunde 214 "M Hg betrug. Hierauf erfolgte Blutdruckerniedrigung bis zur 30. Secunde (Schluss der Reizung), wo derselbe 182 "m Hg war. Die Verzierung erlitt durch die Reizung keinerlei Veränderung. Die Pupille veränderte sich wie vorhin. VERHÄLTNISS DES SYMPATHICUS ZUR KOPFVERZIERUNG EINIGER VÖGEL. 47 Aus diesen Versuchen geht also hervor, dass die Reizung des unteren Sympathieus- und des centralen Ischiadicus- und des Axillarstumpfes bez. des centralen Nervensystems keine Wirkung auf die Gefässe der Kopf- verzierung hat, obwohl eine Erregung des vasomotorischen Centrums, be- wiesen durch die Blutdruckerhöhung in den grossen Gefässen (Carotiden), vorhanden ist. Im ersten Falle sinkt der Blutdruck anfangs sehr schnell, steigt dann allmählich bis zur Norm oder über dieselbe hinaus, im letz- teren aber schnellt der Blutdruck zugleich mit dem Anlegen der Elektroden in die Höhe und hält sich während der ganzen Reizung hoch. Dagegen scheint die Reizung des oberen Sympathicusstumpfes gar nicht auf das vasomotorische Centrum überzugehen (wenigstens ändert sich der Blutdruck nicht in den grossen Gefässen), hat aber auf die Gefässe der Verzierung einen starken Einfluss d. h. macht sie contrahiren bez. verursacht Erblassung der Verzierung. Somit ist wohl anzunehmsn, dass die Reizung des Sympathicus unver- mittelt die Gefässe der Verzierung verrengt. Durch Vermittelung des Rückenmarks lässt sich dieses Resultat nicht erzielen (z. B. durch Reizung des centralen Ischiadicus- oder Axillarisstumpfes). Hieraus ist doch der Schluss erlaubt, dass dem Rückenmark solche Fasern abgehen, welche Ver- engerung der Verzierungsgefässe herbeizuführen im Stande wären. Bei Säuge- thieren (Katze) hat aber Kowalewsky (a. a. 0.) solche gefässverengernde Fasern nachgewiesen. Folgende Versuche werden uns noch mehr davon überzeugen, dass der Reiz vom Sympathicus unmittelbar zu den Gefässen der Verzierung gelangt. Versuch V. 26. Januar 1889. Ein 4500 8”% schwerer Truthahn. Tracheotomie. In die Fussvene werden 4.5 ° m Curarelösung injieirt. Künstliche Athmung. Der linke Sympathicus im Niveau des 10. Halswirbels freigelegt und durchschnitten, worauf, wie gewöhnlich, Röthung der Verzierung an der entsprechenden Seite erfolste. 11 Uhr 3 Min. Der obere (Kopf-) Sympathicusstumpf 20 Secunden lang, bei 20°% Spiralenabstand, gereizt. Blässe der Verzierung, Bewegung der Federn und des Anhängsels. 11 Uhr 15 Min. Der linke Sympathicus im Niveau des achten Halswirbels freigelegt und in Ligatur gefasst. 11 Uhr 17 Min. Der linke Sympathicus an dieser neuen Stelle 20 Secunden . lang, bei 20% Spiralenabstand, gereizt. Dieselben Erscheinungen, wie das vorige Mal und ausserdem Oeffnen der Augenliedspalte. 11 Uhr 25 Min. Der linke Sympathicus im Niveau des sechsten Halswirbels freigelegt und in Ligatur gefasst. 11 Uhr 27 Min. Reizung des Nerven an dieser neuen Stelle 20 Secunden lang, bei 20 °% Spiralenabstand. Es erfolgte Erblassung der Verzierung mit 48 J. JEGOROW: Ausnahme der unteren Partie, Bewegung des Anhängsels und Oeffnen der Augen- lidspalte, wie vorhin. 11 Uhr 52 Min. Die Reizung mit demselben Resultat wiederholt. 11 Uhr 44 Min. Der linke Sympathicus im Niveau des vierten Halswirbels durchschnitten und in Ligatur gefasst. 11 Uhr 46 Min. Reizung des Nerven an dieser Stelle 20 Secunden lang, bei 20% Spiralenabstand.. Nur am Kopf und an der demselben zunächst liegenden Halspartie Erblassung. Die Erscheinungen am Anhängsel und am Auge wie vorhin. 1 Uhr 52 Min. Wiederholung der Reizung. Das Resultat bleibt sich gleich. Versuch VI. 10. Febuar 1889. Ein 4370 2”% schwerer Truthahn. Tracheotomie. In die Fussvene 4.5 °“" Qurarelösung injieirt. Künstliche Athmung. Rechts der oberste Halsknoten ausgerissen. (Diese Operation wurde nach der in meiner früheren Arbeit schon beschriebenen Methode vorgenommen). Diesmal gelang diese Operation besonders gut, fast ohne jeglichen Blutverlust. Danach Röthung der ganzen Verzierung rechts, wie nach Durchschneidung des Halssympathieus. Der rechte Sympathicus im Niveau des zehnten Halswirbels durchschnitten und in Ligatur gefasst. In der Verzierung keine Veränderung. (Zu bedauern ist, dass in diesem Protokoll Zeitangaben fehlen.) Die Reizung des oberen Stumpfes vom rechten Sympathicus im Niveau des zehnten Halswirbels bei 10 ©“ Spiralenabstand, 20 Secunden lang, hatte keine Veränderungen zur Folge. Wiederholung der Reizung bei 10 ‘® Spiralenabstand, 25 Secunden lang. Es erfolste Bewegung der Federn und Erblassen der Ver- zierung, jedoch nur bis zur Gegend des Zungenbeines. Die Verzierung am Kopfe, sowie das Anhängsel erlitten keine Veränderungen. Eine solche Reizung konnte mit gleichem Erfolg mehrfach wiederholt werden, nur waren stärkere Ströme und längere Reizungsdauer hier erforderlich. Es wurde der rechte Sympathicus im Niveau des vierten Halswirbels frei- gelegt und das untere zum Rumpf näher gelegene Ende isolirt. Letzteres wurde darauf bei 20 ® Spiralenabstand, 30 Secunden lang, gereizt, ohne dass in der Verzierung eine Veränderung eingetreten wäre. Auch bei Wiederholung der Reizung mit stärkeren Strömen sahen wir keine Veränderung der Verzierung. Reizten wir hierauf den rechten Sympathicus am zehnten Halswirbel in der Richtung zum Kopfe hin, so sahen wir bei 15°%@ Spiralenabstand und ‘20 Secunden langer Dauer gar keine Veränderungen. Erst bei 7 °% Spiralen- abstand erhielten wir locale Erblassung der Verzierung und zwar in der Mitte zwischen der Zungenbeingegend und der unteren Grenze der Verzierung. Die Blässe trat in verhältnissmässig geringer Ausdehnung auf. Bei der Verstärkung des reizenden Stromes (bis zu 5 und sogar 2°“ Spiralenabstand) wurde sie ebenfalls intensiver. Die Fasern bewegten sich bei jeder Reizung. Versuch VII. 23. Februar 1889. Ein 5470 8% schwerer Truthahn. In die Fussvene wurden 5.5 °%@ Curarelösung injieirt. Der linke Sympathicus im Niveau des zehnten Halswirbels freigelegt, ebenfalls der linke Ischiadicus auspraeparirt, Een ep ET 2 VERHÄLTNISS DES SYMPATHICUS ZUR KOPFVERZIERUNG EINIGER VÖGEL. 49 durchschnitten und sein centrales Ende in Ligatur gefasst. (Fortsetzung des Versuchs. Keine Zeitangaben). Auf 20 Secunden lange Reizung dieses linken Sympathicus bei 20 *% Spi- ralenabstand erfolgte Blässe der Verzierung an derselben Körperseite, Bewegung der Halsfedern und Contraction des Anhängsels, während die Augenlidspalte halb geöffnet wurde. Etwa 2 Minuten nach der Reizung stellte sich Röthung der erblasst gewesenen Verzierung, zuerst unten dann oben am Kopfe, ein. Bei der Wiederholung der gleich starken und gleich langen Reizung wird die Verzierung links ebenfalls blass, aber langsamer, auch stellt sich darauf die köthung schneller ein. Auf die Reizung des centralen Ischiadicusstumpfes mit verschieden starkem Strom (bis zu 5 *% Spiralenabstand) erfolgte, wie in früheren Versuchen, gar keine Veränderung in der Färbung der Verzierung. Hierauf wurde der linke Sympathicus 30 Secunden lang bei 20 °% Spiralenabstand ge- reizt und, als sich links Blässe der Verzierung und Contraction des Anhängsels eingestellt hatten, sogleich die Reizung des centralen Ischiadicusstumpfes vor- genommen. Letztere hatte jedoch gar keinen Einfluss auf die nach der Blässe sich einstellende Röthung, weder in Bezug auf die Ausdehnung und die Weiter- “ verbreitung, noch auf die Zeit, wann die Röthung gewöhnlich einzutreten pflegte. Die Wiederholung derartiger Reizungen hatte stets dasselbe negative Resultat. Es wurde nun mit einer Knochenscheere durch den linken äusseren Gehör- sang etwas nach unten und hinten ein Schnitt mit der Absicht, die vom obersten Halsknoten in der Richtung zum Kopf hin verlaufenden Nervenzweige (siehe den anatomischen Theil und Figg. 4 und 4a) zu durchtrennen, gemacht. Eine Blu- tung trat nicht ein.! Die hierauf vorgenommene Reizuug des linken Sympathicus im Niveau des zehnten Halswirbels (25 Secunden lang bei 12 *% Spiralenabstand) gab am Halse Bewegung der Federn und geringe Blässe, während am Kopfe, am Anhängsel und an der Augenlidspalte keine Veränderungen wahrgenommen wurden. Bei der Anwendung eines stärkeren Stromes (7 °® Spiralenabstand, 30 Se- cunden lang), war die Blässe der Verzierung eine sehr starke, verbreitete sich aber nur bis zum äusseren Gehörgang. Am Kopf blieb die Verzierung und das Anhängsel unverändert. Während der Reizung bewegten sich die Hals- federn. Nach der Reizung hielt sich die Blässe recht lange und wurde dann, wie gewöhnlich, durch Röthung verdrängt. Dasselbe Resultat ergaben fernere Reizungen, nur dass die Stromstärke mit jeder Reizung zunehmen musste. Die Section erwies, dass der Schnitt durch den obersten Theil des Knotens gegangen war und den an der oberen und hinteren Wand des knöchernen Ge- hörgangs verlaufenden Nervenzweig durchtrennt hatte. Vergleichen wir die Resultate der letzten Versuehe, so sehen wir, dass alle Erscheinungen, welche auf die Reizung des Sympathicus auftreten, als ! Dieser Schnitt wird folgendermaassen ausgeführt: nachdem man den einen Arm der Knochenscheere in den äusseren Gehörgang geführt hat, setzt man den anderen in der oben angegebenen Richtung auf, schliesst die Scheere und führt sie geschlossen aus der Wunde. Bei einiger Uebung gelingt der Schnitt sogleich, man muss nur darauf Acht geben, dass der äussere Arm richtig aufgesetzt wird, weil widrigenfalls die Carotis leicht verletzt werden könnte, was zur tödtlichen Blutung Anlass giebt. Archiv f, A.u.Ph. 1890. Physiol. Abthlg. Supp). 4 50 J. JEGOROW: Blässe der Verzierung, Bewegung der Federn am Halse, Blässe und Con- traction des Anhängsels, Eröffnung der Augenlidspalte, eine Unversehrtheit dieses Nerven in seinem weiteren Verlaufe zum Kopfe hin voraussetzen. Im entgegengesetzten Falle ist das Resultat der Reizung localisirt und zwar je nachdem, wo der Sympathieus durchschnitten war, so dass oberhalb dieser Stelle, d.h. näher zum Kopfe hin, die Verzierung auf Reizung des Sympathicus im Niveau des zehnten Halswirbels hin nicht mehr erblasst. Wurde der oberste Halsknoten ausgerissen, oder der von ihm entspringende und längs der hinteren und oberen Wand des knöchernen Gehörganges verlaufende Nervenzweig durchschnitten, und hierauf der Sympathicus im Niveau des zehnten Halswirbels gereizt, so blieben die Verzierung am Kopfe, das Anhänssel und die Augenlidspalte unverändert, folglich kann dieser Nervenzweig als die Verengerung der Gefässe in der Kopfverzierung bewirkend angesehen werden. Ausserdem zeigten die Versuche, in welchen der oberste Halsknoten ausgerissen oder durchschnitten wurde, dass die Erregbarkeit des unterhalb gelegenen Halssympathicus hiernach abnimmt, wenigstens musste zur Erzielung eines Effeets die Reizung mit einem stär- keren Strom und längere Zeit hindurch geschehen. Die Reizung des cen- tralen Nervensystems von centralen Stümpfen des Ischiadicus und des Axillarnerven aus blieb ohne jeglichen Erfolg auf die Gefässe der Ver- zierung. Um den Weg, auf welchen der an den Sympathicus angebrachte Reiz zu den Gefässen der Verzierung gelanst, endgiltig festzustellen, da anato- mische Untersuchungen denselben ungenügend bezeichnen, haben wir eine Reihe von Versuchen bei folgender Anordnung vorgenommen. Versuch VII. 6. März 1889. Ein 44508" schwerer Truthahn. Tracheotomie. In die Fussvene wurden 45°“ Curarelösung injieirt und künstliche Athmung ein- geleitet. Im Niveau des zehnten Halswirbels wurde der linke Sympathicus in Ligatur gefasst und zum Kopf hin isolirt. 12 Uhr 45 Min. Auf die 15 Secunden lange Reizung des Sympathicus bei 25% Spiralenabstand erfolgten die uns schon bekannten Erscheinungen. Der im Niveau des zehnten Halswirbels gemachte Hautschnitt wurde in der Richtung zum Kopfe hin verlängert und nach einander die sechs Rücken-. marksnerven (vordere Zweige) gleich nach ihrem Durchtritt durch die auf den Hals- wirbeln gelegenen Muskeln durchschnitten. Aus unseren anatomischen Notizen ersieht man, dass diese Zweige sich mit den knotenförmigen, den Zwischen- wirbelöffnungen gegenüberliegenden Verdickungen des Sympathicus kreuzen. 1 Uhr— Min. Reizung des linken Sympathicus im Niveau des zehnten Hals- wirbels bei 25 °% Spiralenabstand, 15 Secunden lang. Es erfolgte nur eine ge- ringe Bewegung im Anhängsel und eine unbedeutende Blässe in der Umgegend des Auges (zwischen der Augenlidspalte und dem äusseren Gehörgange). VERHÄLTNISS DES SYMPATHICUS ZUR KOPFVERZIERUNG EINIGER VÖGEL. 51 1 Uhr 6 Min. Wiederholung der Reizung mit stärkerem Strom (18% Spi- ralenabstand, 20 Secunden lang). Es erfolgten: Erblassen der Verzierung am Kopfe und am oberen Theil des Halses, kaum über die Zungenbeingegend hinaus, und. Contraction des Anhängsels. Gegen den Schluss der Reizung begann die Augenlidspalte sich allmählich zu öffnen. Die Farbe der Verzierung am Halse blieb unverändert, gleichfalls blieb die Bewegung der Federn aus. 1 Uhr 12 Min. Wiederholung der Reizung wie zuletzt und mit demselben Erfolg. Jetzt werden die durchschnittenen vorderen Rückenmarkszweige in Ligatur sefasst, zur Peripherie hin etwas isolirt und hinter einander von unten nach “ oben gereizt. Die Reizung der Nerven, welche den zehnten, neunten und achten Halswirbeln entsprachen, gab nur Bewegung der Federn (Anschmiegen an die Haut) an der unteren Grenze der Verzierung. Auf die Reizung der Nerven- zweige aber, welche dem siebenten, sechsten und fünften Halswirbel entsprachen, (bei 12 °% Spiralenabstand, 30 Secunden lang) erfolgte bezirksweises Erblassen der Verzierung. Diese Bezirke haben eine geringe Ausdehnung (jede etwa 1!/, bis 2 Finger breit) und liegen etwas schief in Bezug auf die Längsaxe des Halses. Je höher der Nerv, desto näher zum Kopfe lag sein Bezirk. Die Reizung der Nervenzweige wurde mit gleichem Erfolg mehrmals wie- derholt, nur dass jedes Mal der Strom verstärkt und die Dauer der Reizung verlängert werden musste. Derartige Versuche beweisen, dass der den Sympathicus treffende Reiz seinen Weg zu den Gefässen der Verzierung durch die vorderen Rücken- marksnervenzweige, welche aus den Zwischenwirbellöchern treten und sich mit den Sympathicusverdickungen kreuzen, finde. Wie wir schon be- schrieben haben (v. Fig. 1) verzweigen sich diese Nerven nach ihrem Durch- tritt durch die die Halswirbel umgebenden Muskeln in den Theilen, auf welchen die Verzierung gelagert ist. Diese Nervenstämmchen enthalten ausser den Fasern für Gefässe noch solche, deren Erregung Anschmiegen der Federn an die Haut herbeiführt. Auf Reizung eines jeden dieser Nervenzweige erblasst eine bestimmte Stelle der Verzierung, was besonders schön hervortritt, wenn letztere durch Section des Sympathicus, unten am Halse, stark geröthet ist: man erhält nämlich auf stark rothem Hintergrunde ganz weisse Felder. Nachdem wir also den Weg, auf welchem der Reiz zu den Gefässen der Verzierung am Hals und Kopf, zum Anhängsel und zu den die Augen- lider bewegenden Muskeln gelangt, erforscht hatten, wendeten wir unsere Auf- merksamkeit dem zweiten vom obersten Halsknochen abgehenden Nerven- zweig zu. Dieser Nerv geht an der unteren Wand des Gehörganges zur Art. carotis int. und tritt mit letzterer zusammen in die Schädelhöhle. A priori war anzunehmen, dass dieser Nerv die Gefässe der Hirnhäute oder des Gehirns innervirt. Wir versuchten uns hierüber durch folgende Experimente Aufschluss zu verschaffen. 4* 52 J. JEGOROW: Da an eine unmittelbare Reizung des besagten Nervenzweiges nicht zu denken war, reizten wir den Stamm des Halssympathicus im Niveau des vierten oder fünften Halswirbels. Um den Erfolg der Reizung an den Ge- fässen der Hirnhäute zu sehen, musste das Schädeldach entfernt werden. Das geschah theils mit Hülfe des Trepans, theils mittels einer Knochen- scheere, deren Armenden etwas ausgezogen waren, somit ein Arm leicht unter die Knochenwand des Schädels geführt werden konnte. Meidet man die Längs- besonders aber die Querblutleiter, indem man nicht zu weit nach hinten geht, so ist die Blutung bei einiger Geschicklichkeit gering. Hat man die knöcherne Schädelwand entfernt, so hat man die beim Trut- hahn stark pigmentirte harte Hirnhaut vor sich. Das in derselben sich verzweigende Gefässnetz ist ziemlich bemerkbar. Durchschneidet man sie am Rande mit einem scharfen Messer und einer Scheere und entfernt sie, so werden die Gefässe der weichen Hirnhaut und des Gehirns der Beobach- tung zugänglich. Selbstverständlich muss die Verletzung stärkerer Gefässe hierbei vermieden werden, weil sonst die Blutung der Beobachtung kleinerer (Gefässe im Wege ist. Wir legen hier keine Versuchsprotokolle vor, weil der Reizungseffect des Sympathieus an den Gefässen der Hirnhäute und des Hirns sehr un- beständig ist. In einigen Versuchen erfolgte auf die Reizung eine deutliche Verengerung der kleinen Gefässe, in auderen war keine Veränderung in dieser Beziehung wahrzunehmen, in wieder anderen aber war das Resultat so undeutlich, dass wir ein positives Urtheil uns gar nicht erlauben können. Gleiches gilt in Bezug auf die Versuche, in welchen die Gefässe an- geschnitten uud die in einer gewissen Zeit ausfliessende Blutmenge be- stimmt wurde. Abgesehen von den Mängeln der Methode selbst, waren die Beobachtungsresultate hierbei so verschieden, dass wir nichts Bestimmtes hierüber verlauten können. Gegen unseren Willen mussten wir hier unsere Versuche abbrechen. Wir beabsichtigen jedoch, sie bald wieder aufzunehmen, um über die vor- liegende Frage etwas Ganzes zu liefern. Unsere bisherigen Versuche lassen folgende Schlussfolgerungen zu: 1. Das Gewebe der Kopf- und Halsverzierung beim Truthahn gleicht dem Bau nach dem cavernösen Gewebe der Geschlechtsorgane. 2. Der Sympathicus enthält gefässverengernde Fasern der Verzierungs- sefässe. Zu der Halsverzierung gelangen diese Fasern mit den vorderen Zweigen der Rückenmarksnerven, welche im Transversalcanal mit den Sym- pathicusverdickungen sich kreuzen. Die Gefässe der Kopfverzierung, das Anhängsel und die Augenlider versorgt der Nervenzweig vom oberen Hals- knoten, welcher längs der hinteren und oberen Wand des äusseren Gehör- EEE mine 5 en nn nn urn | VERHÄLTNISS DES SYMPATHICUS ZUR KOPFVERZIERUNG EINIGER VÖGEL, 53 ganges verläuft und sich mit dem zweiten und dritten Trigeminusast ver- bindet. 3. Die Innervation des oberen und unteren Augenlides ist vom Sym- pathicus abhängig; denn die Reizung des letzteren ruft eine (geringere) Erhebung des oberen und ein (stärkeres) Senken des unteren Augenlides hervor, in Folge dessen sich die Augenlidspalte, wenn auch nicht besonders weit, öffnet. 4. Pupillenerweiternde Fasern enthält der Sympathicus bei Vögeln nicht. 5. Die Reizung sensibler Nerven (des centralen Ischiadicus- und Axillaris- stumpfes) führt keine Verengerung der Verzierungsgefässe herbei, obwohl eine Wirkung auf das vasomotorische Centrum unbedingt besteht. 6. Ist der Sympathicus am oberen Halsganglion durchschnitten, so giebt die Reizung seines unteren Abschnittes keine Erscheinungen an der Ver- zierung, obgleich das vasomotorische Centrum von dem Reiz getroffen wird. 7. Die Zerstörung oder Durchschneidung des obersten Halsknotens setzt die Erregbarkeit des unterhalb desselben befindlichen Sympathicusabschnittes herab. 8. Im Sympathicusstamme verlaufen die Nervenfasern für die Muskeln, welche die Federn bewegen (Anschmiegen an die Haut). Augenscheinlich erhält er sie von den Rückenmarksnerven während des Durchtritts derselben durch die Verdickungen. 9. Die Wirkung des Sympathicus auf die Gefässe der Verzierung wird durch Curare nicht beeinflusst. Eine angenehme Pflicht ist es schliesslich, hier meinen wärmsten Dank Hın. Professor Joh. Dogiel für seine Rathschläge und Hülfe bei der vor- liegenden Arbeit auszusprechen. 54 J. JEGOROW: Erklärung der Abbildungen. (Taf. IIL.) Fig. 1. Durchschnitt eines Höckers am Truthahnhalse nach der Bearbeitung mit \/, procentiger Essigsäurelösung. Man sieht das Verhältniss der Gefässe (die Arterien sind quer schraffirt, die Venen nicht) zu den Nerven in der vorliegenden Schicht, da der besseren Deutlichkeit halber die tiefer gelegenen Theile nicht wiedergegeben sind. a. a. = Nervenstämmchen von den vorderen Rückenmarksnervenzweigen, welche sich mit dem Halssympathicus kreuzen und zu den Gefässen gehen. Fig. 2. Schnitt aus der Verzierung am Truthahnhalse. Die Gefässe mit blauer Masse gefüllt. Vergrösserung: Hartnack Syst. 2, Ocul. 3. A. = Aeussere epitheliale Schicht. 3 = Erste cavernöse Schicht. D= Zweite cavernöse Schicht mit schlängelnden und mit grossen Erweiterungen ver- sehenen Gefässen. Fig. 2a. Schnitt aus der Verzierung des Truthahns. Vergrösserung: Hart- nack Syst. 2, Ocul. 3. A. A. = Querschnitt durch arterielle Gefässe. ©. ©. C. = Querschnitt durch Gefässe der zweiten cavernösen Schicht. Fig. 3. Ein Theil des linken Transversalcanals vom Truthahn. Der Canal eröffnet, die Weichtheile entfernt, das Praeparat stark auseinandergezerrt. Unbedeutende Ver- grösserung. A = Die zum Kopf hin liegenden Enden. B.B. = Schnitte durch die vor- deren Theile der Querfortsätze der Halswirbel. 2, B, = Schnitte durch die hinteren Querfortsatztheile der Halswirbel. IV. sy. = Der Halssym- pathicus. @.sy. = Die Sympathicusverdickungen. A. et V.= Arteria et Vena vertebrales. D. = Zweige der Rückenmarksnerven, welche sich mit dem Sympathicus kreuzen. s Fig. 4. Die Kreuzungsstelle des Sympathicus mit dem Rückenmarksnerven am Halse. Vergrösserung: Hartnack Syst. 2, Ocul. 3. 4A. B = Rückenmarksnerv, welcher durch den Nervenknoten geht. A.= Das centrale Ende. B.= Das periphere Ende. C.= Fasern, welche aus dem Nerven zum Knoten treten. G.s.s. = Der obere (Kopf-) Theil des Sympathicusknotens.. G.s.i. = Der untere Theil (zum Rumpf hin) des- selben. Der Schnitt geht etwas schief, weshalb die Vereinigung mit dem Rückenmarksnerven nur am unteren Theil des Knotens zu sehen ist. VERHÄLTNISS DES SYMPATHICUS ZUR KOPFVERZIERUNG EINIGER VÖGEL. 55 Fig. 4a. Kreuzungsstelle des Sympathicus mit Rückenmarksnerven unter einer Zeiss’schen Lupe. G.s. = Sympathicusknoten. A. B. = Der durch den Knoten tretende Rücken- marksnerv. A. = Das centrale Ende. B. = Das periphere Ende. ©. = Nerven- faserbündel vom Knoten zum Rückenmarksnerven. N.s. = Stamm des Sympathicus zum Körper hin. Fig. 5. Die Lage des oberen Halsknotens vom Truthahn links. Geringe Ver- grösserung. Die Theile sind stark auseinander gezerrt. Das Praeparat in einer '/, pro- centigen Essigsäurelösung. A. = Schnitt durch den Unterkieferwinkell.e. B.=Ein Theil der Schädel- wand. C©.— Die Stelle des Gehörganges bedeckt mit Weichtheilen (dem Trommelfell, dem abgelösten Periost u. s. w.). P. m. = Schnitt durch den Processus mastoideus. G.s.s. = Der obere Halsknoten. N. g.-ph. = Nervus glossopharyngeus. N.v. = Nervus vagus. N.a. = Die Anastomose zwischen dem Vagus und dem Glossopharyngeus. N.f. = Nervus facialis. a. = Nervenzweig vom obersten Halsknoten zum Vagus. 5. = Nerven- zweig vom Nervenknoten zum Glossopharyngeus. Dieser Zweig gesellt sieh zum Ast vom Glossopharyngeus oberhalb des Nervenknotens, vergl. Fig. 6. c. = Nervenzweig zur Anastomose zwischen dem Vagus und dem Glossopharyngeus. d.d. = Nervenzweige zu den Gefässen. R.s.e. = Aeusse- rer (hinterer) Zweig vom Nervenknoten. R.c. = Unterer Zweig vom Ner- venknoten. Ar. c. = Die Carotis mit ihren Zweigen. Fig. 6. Dieselbe Gegend wie in Fig.5. Die Theile stark auseinandergezerrt. Das Bild vergrössert. Die oberflächlich gelegenen Theile entfernt. Das Praeparat in einer !/, procentigen Essigsäurelösung. C©.t. = Der Gehörgang, dessen Wände mit der Knochenscheere bearbeitet sind. P. m. = Schnitt durch den Processus mastoideus. N. g..f. = Nervus glossopharyngeus. N. v. = Nervus vagus, oberer Abschnitt, N. v, = Nervus vagus, unterer Abschnitt. G.s.s. = Oberster sympathischer Ner- venknoten. AR. s.i. = Innerer Nervenzweig vom Knoten in die Schädel- höhle. R.s.e. = Aeusserer Zweig vom Nervenknoten zum Trigeminus. N. s. = Halssympathieus. AR.c. = Nervenzweige vom Knoten zu den benachbarten Gefässen. Ein diekerer von ihnen geht mit den Carotiden in der Richtung zum Körper hin. N. f. = Nervus facialis.. N.sp. = Rückenmarksnerven, welche sich mit den Sympathicusverdickungen kreu- zen. G.s. = Verdickungen des Halssympathicus. R. p. N.t. = Erster Trigeminusast. N.t. = Trigeminus. Ar. e. = Die Carotis mit ihren Zweigen. Fig. 7. Der Kopf und ein Theil vom Halse des Truthahns. Links der Sym- pathieus durchschnitten. Das Anhängsel und die Verzierung im erschlafften Zustand. Links starke Röthung derselben. Die Augenlidspalte geschlossen. Die Abbildung ist nach einer Photographie angefertigt. A.A. = Die linksseitige Verzierung. B.B.= Die rechtsseitige Verzierung. Fig. 8. Kopf und ein Theil vom Halse desselben Truthahns. Gezeichnet nach einer Photographie. Der Sympathicus beiderseits durchschnitten. Der linke Sympa- thicus gereizt. 56 J. JEGOROW: VERHÄLTNISS DES SYMPATHICUS ZUR KOPFVERZIERUNG. 4.4A.= Die Verzierung an der linken Körperhälfte. B.B.= Die Ver- zierung rechts. Fig. 9. Blutdruck aus dem centralen Carotisende des Truthahns während der Reizung des centralen Ischiadieusstumpfes (vergl. Versuch II). Von a bis 5 = Die Curve vor der Reizung. Von bbise = Blutdruckeurve während der Reizung. b. = Anfang der Reizung. c. = Schluss der Reizung. Fig. 10. Blutdruckeurve aus dem centralen Carotisende des Truthahns vor und während der Reizung des Sympathicus am Halse in der Richtung zum Körper hin (vergl. Versuch III). Von a bis b = Die Curve vor der Reizung. Von bbise = Blutdruckeurve während der Reizung. 5b. = Anfang der Reizung. c.= Schluss der "Reizung. Die motorischen Nerven der Portalvene. Von F. P. Mall. (Aus dem physiologischen Institut zu Leipzig.) Nachdem ich bei einer früheren Gelegenheit! die Einschnürungen im Verlauf der Mesenterialvenen beobachtet hatte, welche von der Contraction der Ringfaserung veranlasst werden, war mir die Anwesenheit von zugehörigen vasomotorischen Nerven nicht mehr zweifelhaft. In der Ansicht, welche den Ringmuskeln an den Aesten und dem Stamm der Vena porta Nerven, ähnlich denen der Arterien zuschreibt, bestärkt uns die Erwägung, dass jene Venen den Capillaren der Leber gegenüber die Rolle von Arterien spielen. — Wenn solche Nerven bis dahin unentdeckt blieben, trotzdem dass die Venen des Mesenteriums eingehend untersucht wurden, während der Reizung der verschiedenen zum Darm hin gehenden Nerven, so mag sich dies aus der Art des Blutstromes erklären, welcher durch die Erregung des Rückenmarks oder der Nn. splanchnici hervorgerufen wird. Während der _ Reizungsdauer beschleunigen die Nerven zeitweise den Blutstrom durch die Mesenterialgefässe und deshalb kann es leicht zu einem Gleichgewicht kommen zwischen dem vom Binnenraum der Gefässe ausgehenden Druck und dem Bestreben der Wand sich zusammenzuziehen, mindestens so weit, dass sich über die Leistung der Muskeln keine volle Klarheit gewinnen lässt. Dagegen müssen die Vasomotoren auf die Wand der mit Blut erfüllten Vene augenfällig wirksam werden, wenn sie zu einer Zeit gereizt werden, in welcher von der Aorta aus dem Darm kein Blut mehr zuflesst. Die aufgestellten Bedingungen sind erfüllt, wenn die Aorta nahe unter dem Abgang der Art. subelavia sinistra unterbunden und alsbald ein N. splanchnieus gereizt ist. — Vor dem Beginn der Reizung entlässt die geöfinete Art. cruralis keinen Tropfen Blutes, die Arterien des Mesenteriums ! Blut- und Lymphwege im Dünndarm des Hundes. Leipzig 1888. 58 F. P. Mat: DIE MOTORISCHEN NERVEN DER PORTALVENE. sind zusammengefallen, nur die Venen des Darms bis zur Leber hin sind mässig mit Blut gefüllt. Sowie nun die Reizung des N. splanchnieus be- sinnt, wird auch eine Verengung der blossgelesten Pfortader sichtbar, die mit der weiteren dauernden Reizung bis zum Verschwinden des Lumens fortschreitet. Nach Umfang und Dauer entspricht die an der Vene ab- laufende Erscheinung dem Vorgang, welcher sich während der Reizung eines Vasomotors an der Arterie ereignet. An einem Thier, dessen Aorta höher oder tiefer innerhalb der Brust- höhle unterbunden ist, lässt sich auch ein weiterer Aufschluss über die Mittel gewinnen, durch welche die Erregung des N. splanchnicus den Druck in der Aorta zu erhöhen vermag. — Wenn die Aorta so hoch unterbunden ist, dass zu den Darmarterien kein Blut mehr gelangt, so bedingt die Reizung des N. splanchnieus noch ein merkliches Anwachsen des arteriellen Druckes, sicherlich nur darum, weil die bluthaltigen Gefässe des Darms (und der Leber?) ihren Inhalt in das Herz ergossen haben. Die Menge des Blutes, welche zu der Erhöhung des Druckes Veranlassung gab, lässt sich auch schätzungsweise leicht ermitteln, wenn gleichzeitig mit der Reizung des Splauchnicus eine Blutentziehung aus einer Art. carotis oder ihrer Zweige vorgenommen wird. Durch sorgfältige Regelung des Ausflusses gelingt es, den Druck auf dem Stande vor der Reizung zu erhalten; in diesem Falle hat die weggenommene Blutmenge ebensoviel wie die zugeführte betragen. Die Ausschlag gebende Bedeutung, welche dem Zuwachs an Blut zu- kommt, nach Unterbindung der Aorta unterhalb der Subelavia sinistra, geht verloren, wenn der Verschluss so tief unten in der Brusthöhle an- gelegt wird, dass sich ein schwacher Strom durch die Unterleibsarterien einstellen kann. Durch die Einführung selbst relativ grosser Mengen frischen ungeronnenen Arterienblutes in die Vena jugularis, kann der Druck nur vorübergehend gesteigert werden; rasch, wie er während der Ein- spritzung anstieg, sinkt er auch wieder auf seinen früheren Stand zurück, im Gegensatz zu dem allmählichen Ansteigen, dem langen Verharren und dem allmählichen Absinken des höheren Druckes während einer länger dauernden Reizung des N. splanchnicus. — Erst wenn zu der Transfusion des ungeronnenen Blutes die Reizung der Splanchniei hinzutritt, die den Venenwandungen des Unterleibes grosse Widerstandsfähigkeit gegen die ausdehnende Gewalt macht, steigt mit der zugeführten Blutmenge der Druck in der Aorta. Nach meiner Rückkehr werde ich in Worcester die abgebrochenen Versuche wieder aufnehmen und die bisher erzielten Ergebnisse verbunden mit den noch zu gewinnenden ausführlich beschreiben. Ueber den Einfluss der Temperatur auf die Leistungs- fähigkeit der Muskelsubstanz. Von J.Gad und J. F. Heymans. Von der Pariser Akademie der Wissenschaften gekrönte Preisschrift. (Hierzu Taf. IV— VIII.) Die Fähigkeit mechanische Arbeit zu leisten, verdankt der Organismus der Muskelsubstanz; in derselben wird chemische potentielle Energie, je nach den äusseren Bedingungen, in mechanische potentielle Energie oder in kinetische Energie umgesetzt: nur letztere Energie-Form ist geeignet mechanische Arbeit im physikalischen Sinne des Wortes zu leisten. Die experimentell der Messung zugängliche Form der Arbeitsleistung besteht im Erheben eines bestimmten Gewichtes auf eine bestimmte Höhe. Bei dieser Art von Experimenten muss es dem Muskel also gestattet sein, seine Länge zu ändern, er muss sich bei der Erregung contrahiren können. Auch hierbei tritt, innerhalb des Muskels, die Energie, ehe sie als Bewegung von Massen zu Tage tritt, als potentielle mechanische Energie (Spannkraft) auf; man kann aber dieses Durchgangsstadium möglichst verkleinern und die Bewegung fast unmittelbar zum Ausdruck bringen, wenn man nach dem Vorgange von Marey und Fick, der von dem Muskel bei seiner Contrac- tion zu überwindenden Kraft einen kleinen und constanten Werth ertheilt: die zu diesem Ziel führende Methode besteht darin, dass man den Muskel an einen langen einarmigen Hebel angreifen lässt, während ein genügend grosses Gewicht in grosser Nähe der Drehaxe an demselben Hebel in ent- gegengesetzter Richtung wirkt. Diese Art, den Muskel arbeiten zu lassen, ist von Fick als die isotonische bezeichnet worden.” In der That kann ı Ad. Fick, Mechanische Arbeit und Wärmeentwickelung bei der Muskelthätig- keit. Leipzig 1882. S. 110. 60 J. GAD unD J. F. Hrymans: sich hierbei, wenn man dem Hebel selbst genügend kleine Masse giebt, die Spannung im Muskel während des ganzen Zuckungsverlaufs nur sehr wenig ändern; die gesammte für mechanische Zwecke verfügbar werdende Energie tritt fast unmittelbar als Massenbewegung auf. Umgekehrt kann man es erreichen, dass die gesammte mechanische potentielle Energie, welche der Muskel bei seiner Thätigkeit zu entwickeln vermag, möglichst rein zur Darstellung gebracht wird, wenn man den Muskel an einer starken Feder angreifen lässt, welche ihm nur sehr kleine Contractionen auszuführen gestattet und deren einzelne ebenfalls sehr kleine Bewegungen genügend vergrössert auf eine bewegte Zeichenfläche aufge- schrieben werden (isometrische Methode von Fick). Der Vergleich dieser beiden verschiedenen Arten, den Muskel bei seiner Erregung wirken zu lassen, gestattet es, sehr wichtige Schlüsse auf die inneren Vorgänge bei der Muskelcontraction zu ziehen, namentlich Fick hat hiervon schon weitgehenden und erfolgreichen Gebrauch gemacht. Ein sehr bedeutungsvoller Unterschied zwischen dem isotonischen und isome- trischen Verfahren ist der, dass die sämmtlichen Umlagerungen in der Muskel- substanz bei ersterem viel grösser sind wie bei letzterem. Hierdurch kann der Ablauf der chemischen Processe im Muskel wesentlich beeinflusst werden. Ferner hängt hiermit zusammen, dass nur bei ersterem Verfahren die Quer- dehnbarkeit nicht contractiler elastischer Gebilde des Muskels oder der Muskelsubstanz selbst in Anspruch genommen wird. Bei der Discussion der von uns beobachteten Erscheinungen werden wir von diesen principiellen Unterschieden zwischen beiden Methoden wiederholt Gebrauch machen. Als wir uns zum Ziel setzten das Studium des Einflusses der Tempe- ratur auf die Leistungsfähigkeit der Muskelsubstanz, welche schon vor uns wiederholt und zwar von sehr bedeutenden Forschern in Angriff genommen - worden ist, in systematischer Weise durchzuführen, versprachen wir uns von der durchgehends vergleichenden Anwendung dieser beiden Methoden besonderen Nutzen. Aber auch in mehrfach anderer Beziehung mussten sich bei einer systematischen Bearbeitung des Problems mehrfache Gelegen- heiten bieten, Lücken auszufüllen, welche die bisherigen Erkenntnisse dieses Erscheinungsgebietes noch darboten. Eine kurze Uebersicht über das bisher auf diesem Gebiet Erkannte wird dieses erklären. Marey hat in seinem Epoche machenden Buch „Du mouvement dans les fonctions de la vie“ in geistreicher Weise die Möglichkeit zum Ausdruck gebracht, unsere alltäglichen Erfahrungen über den Einfluss der Temperatur auf die Bewegungsvorgänge unseres Körpers graphisch darzustellen; er hat den ganzen Muskel des Frosches, an welchem das Centralnervensystem zerstört, die Circulation aber erhalten war, erwärmt oder abgekühlt und nn TEMPERATUREINFLUSS A. D. LEISTUNGSFÄHIGKEIT D. MUSKELSUBSTANZ. 61 hierbei Reihen von Zuckungseurven gewonnen, welche der Musculus gastro- cnemius bei Reizung des Lumbarplexus liefert. Es lag in der Natur seiner Aufgabe, wie er sie sich stellte, nämlich die Beziehung des ganzen peri- pherischen Apparates zur Temperatur zu ermitteln, dass die Versuchsbe- dingungen ziemlich verwickelte waren. Die Temperaturänderungen wirkten nicht nur auf die Muskelsubstanz selbst, sondern auch auf die peripherischen Nervenfasern, soweit sie für die Erregungsleitung in Betracht kommen, ferner auf die Nervenendigungen an den Muskelfasern, in welchen sich ebenfalls ein Process eigener Art abspielt und ferner auf die Blutgefässe ein. Nichtsdestoweniger treten in den von Marey damals mitgetheilten Curven und in den Angaben des begleitenden Textes die wesentlichen Grundzüge der Einwirkung der Temperatur auf die Muskelsubstanz selbst schon merk- lieh hervor;! sehr deutlich zeigte sich die Verlängerung der Zuckungsdauer bei Abkühlung und die Verkürzung derselben bei Erwärmung; ebenso deutlich ist die Steigerung der Hubhöhe bei Erwärmung, wobei jedoch zweifel- haft bleibt, welchen Antheil die mit wachsender Steilheit des Curvenanstiegs zunehmende Schleuderung des Zeichenhebels an der Erreichung des grösseren Zuckungsmaximum gehabt hat. Angedeutet findet sich eine geringe an- fängliche Zunahme mit der darauf folgenden Abnahme der Hubhöhe bei der Abkühlung; sehr deutlich ist ferner die Abnahme der Hubhöhe bei den hohen Temperaturgraden, welche sich dem Erstarrungspunkt nähern, doch fliessen hier die Einflüsse der Temperatursteigerung, welche die Erstarrung und diejenigen, welche die Vernichtung der Erregbarkeit bedingen, sehr ineinander. Die Untersuchungen von Fick,? welche zu dem uns interessirenden Gebiet in Beziehung stehen, wurden meistens an einfachen curarisirten oder nicht curarisirten Muskeln bei directer Muskelreizung angestellt; er beob- achtete hierbei ebenfalls die Verkürzung der Zuckungsdauer bei Erwärmung und die gleichzeitig hiermit eintretende Steigerung der Hubhöhe, doch lässt er es ausdrücklich zweifelhaft, einen wie grossen Aıtheil hieran die Schleu- derung hat, immerhin spricht er es als wahrscheinlich aus, dass durch passende Erwärmung die Hubhöhe bei maximalem einzelnen Reiz bis zu der bei maximalem Tetanus gesteigert werden könne, und dass die bei diesen beiden Vorgängen eintretende Verkürzung des Muskels der durch Wärmestarre hervorzurufenden gleich sein könne. Ferner hat Fick? gezeigt, dass die durch Wärmestarre im Muskel hervorzurufende Spannung kleiner ı E.J.Marey, Du mouvement dans les fonctions de la vie. Paris 1868. p. 256 et 344; — La methode graphique, Paris 1878. p. 520. ” Mechanische Arbeit u.s. w. S.109. ® Mechanische Untersuchungen der Wärmestarre des Muskels. Verhandlungen der physikalisch-medieinischen Gesellschaft zu Würzburg. 1885. Bd. XIX. 8.1. 62 J. GAD unD J. F. Hrymans: als diejenige bei maximalem Tetanus ist. Für den Vergleich des zeitlichen Verlaufs des Erregungsprocesses bei einzelnem Reiz, je nachdem der Muskel isotonisch oder isometrisch zu wirken hat, wurde die Temperatur von Fick! nicht varürt. Die Wärmeproduction im maximalen Tetanus fand Fick? bei mittlerer Temperatur im isometrisch wirkenden Muskel grösser als im isotonisch wirkenden. Mit steigender Temperatur wuchs die Wärmebildung bei Isotonie und Isometrie, bei ersterer jedoch stärker, so dass Temperatur- erhöhung auf Ausgleichung der Differenz wirkt. Schmulewitsch,? welcher mit weniger durchsichtigen Methoden arbeitete wie Marey und Fick, hat trotzdem mit aller Deutlichkeit dar- gethan, dass die einzelne Leistung des Muskels durch Wärme gesteigert werden kann, dass aber die Summe der bis zur Erschöpfung gewinnbaren Leistung bei niedrigen Temperaturen weit grösser ist, als bei höheren. Ferner hat er einen wichtigen Punkt, welcher Fick und Marey entgangen ist, richtig erkannt, wenn auch nicht zur vollen Evidenz erwiesen, dass nämlich bei langsamem Fortschreiten der Temperatursteigerung die Erreg- barkeit des Muskels abnimmt oder verschwindet, ehe noch die durch die Wärmestarre bedingte Verkürzung beginnt. Von geringerer Bedeutung, als dem Autor selbst, will es uns dagegen erscheinen, dass er bei Erwärmung des Muskels auch ohne Reizung desselben eine kleine Zunahme seiner Ela- stieität constatiren konnte. Hermann* und Steiner° haben den Einfluss der Temperatur auf die Intensität des Längsquerschnittstromes am ruhenden Froschmuskel unter- sucht und es hat sich für diese Intensität ein Optimum der Temperatur bei 20° gefunden. Ueber den Einfluss, welchen die Temperatur auf die Dauer des Latenz- ! Teber die Aenderung der Elasticität des Muskels während der Zuckung. Pflüger’s Archiv u.s.w. 1871. Bd.IV. 8.301; — Mechanische Arbeit u.s.w. 8.134; — Myothermische Fragen und Versuche. Würzburger Abhandlungen. 1884. Bd. XVII. S, 301. ° Versuche über Wärmeentwickelung im Muskel. Verhandlungen der medicinisch- physikalischen Gesellschaft zu Würzburg. 1885. Bd. XIX. 8. 6t. s Etudes sur la physiologie et la physique des muscles. Journal de Panatomie et de la physiologie normale et pathologique. 1868. Vol. V. p. 27; — Zur Muskelphysik und Physiologie. Centralblatt für die medieinischen Wissenschaften. 1867. 8. 81; — Zur Frage über das Wesen der Muskelcontraction. Centralblatt für die medicinischen Wissenschaften. 1870. S. 609. * L.Hermann, Versuche über den Einfluss der Teınperatur auf den Nerven- und Muskelstrom. Pflüger’s Archiv u.s. w. 1874. Bd. IV. S. 163. 5 Steiner, Untersuchungen über den Einfluss der Temperatur auf den Muskel- strom. Dies Archiv. 1876. 8. 382. TEMPERATUREINFLUSS A. D. LEISTUNGSFÄHIGKEIT D. MUSKELSUBSTANZ. 63 stadiums ausübt, liegen Angaben von Tigerstedt,! Richet,” Yeo?® vor; am zuverlässigsten macht sich eine, wenn auch kleine Verlängerung bei der Abkühlung in den Tigerstedt’schen Experimenten geltend. Du Bois-Reymond* hat zuerst die Folgezustände der vollkommenen Erfrierung untersucht; er fand den Muskel danach vollkommen unerregbar und elektrisch wirkungslos. Kühne? fand bei Versuchen, welche allerdings für das vollkommene Durchfrieren der Muskelmasse bis in die innersten Partien keine vollkommene Gewähr boten, die Erregbarkeit nach dem Wieder- aufthauen noch erhalten, und Hermann‘ bestätigt dies auch bei voller Sicherheit der Durchfrierung, wenigstens bedingungsweise, indem er Gewicht auf die Dauer des Gefrierens und des Wiederaufthauens lest. Wenn aber auch Hermann die Erregbarkeit nach dem Wiederaufthauen wieder ein- treten sah, so war dies nur für kurze Zeit und der Muskel verfiel schnell der Todtenstarre. Das isolirte Froschherz, an dessen Leistungen allerdings nicht nur die Muskelfasern betheilist sind, zeigt nach den übereinstimmenden Erfahrungen einer grossen Anzahl von Autoren’ bei niedriger Temperatur eine Vermin- derung der Schlagzahl, mit Steigerung der Intensität der einzelnen Systole und beträchtlicher Zunahme der Herzarbeit sowohl in der Zeiteinheit als auch im Ganzen bis zu vollkommener Erschöpfung. Aus dieser kurzen Zusammenstellung, welche, ohne auf absolute Voll- ständigkeit Anspruch zu machen, allen bedeutungsvollen bisher gemachten Angaben Rechnung tragen dürfte, geht hervor, dass die Aufgabe für den Beginn einer systematischen Durcharbeitung dieses Gebietes nach folgenden zwei Richtungen zu praecisiren sein wird; erstens ist die Bedingung zu er- füllen, dass der Einfluss der Temperatur auf die Leistungsfähigkeit der Muskelsubstanz selbst mit Ausschluss der Betheiligung von Nerven, Nervenendigungen, Ganglienzellen und Circulationsänderungen zum klaren Ausdruck gebracht werde; es geschieht dies, wenn nur gut curarisirte iso- lirte Froschmuskeln dem Versuch unterworfen werden. Dieser für den ı R. Tigerstedt, Untersuchungen über die Latenzdauer der Muskelzuckung in ihrer Abhängigkeit von verschiedenen Variabeln. Dies Archiv. 1885. Suppl. 8. 258. ® Ch. Richet, Du temps perdu du muscle et des ganglions nerveux. Archives de Physiologie. 1879. Vol.VI. p.522; — Physiologie des muscles et des nerfs. Paris 1882. p. 48. ® G. Yeo, On the normal duration and significance of the latent period of exei- tation in muscle contraction. Journal of physiology. 1888. Vol IX. p. 425. * Untersuchungen über thierische Elektrieität. Berlin 1860. Bd. II. Abtblg. I. S. 31. ° Untersuchungen über das Protoplasma und die Contractilität. 1864. 8. 3. 6 Pflüger’s Archiv u.s. w. Bd. IV. S. 189. ” Siehe B. J. Stokvis, Over den invloed van eenige stoffen uit de digitalis-groep op het geisoleerde kikvorschhart bij verschillende temperaturen. Heestbundel van het Donders-Jubileum. 1888. 64 J. GAD unD J. F. Hrymans: Anfang absolut nöthigen Einschränkung der Versuchsbedingungen tritt zweitens eine mannigfaltige und zwar systematische Erweiterung der Be- dingungsänderungen sowie der im Auge zu haltenden Gesichtspunkte gegen- über. Eine Variation in der Wahl der Muskeln je nach Länge der Fasern und Grösse des Querschnittes wird erwünscht sein, weil die einen Muskeln mehr geeignet sind die Aenderungen in der Verkürzungsgrösse, die anderen die Veränderungen in der Spannungsentwickelung zu demonstriren. Die Temperaturänderungen werden in solcher Breite und in solchem Tempo zur Einwirkung zu bringen sein, dass keine der wesentlichen Ver- änderungen des Reizerfolges von der mittleren Temperatur bis zum Erfrieren einerseits und bis zur Wärmestarre andererseits dem Auge entgeht; beson- dere Aufmerksamkeit wird den noch wenig beobachteten Temperatureinflüssen nahe dem Gefrierpunkt und dem sehr wichtigen, aber noch strittigen Inter- vall zwischen dem Maximum der Einzelleistungen bei erhöhter Temperatur und der Wärmestarre zuzuwenden sein. Was bisher gar nicht beobachtet wurde, ist die Art wie sich die Steilheit des Anstiegs und die Steilheit des Abstiegs der Zuckungscurve und wie sich etwa eine Plateaubildung auf der Höhe der Zuckung an der Aenderung der Zuckungsdauer betheiligen. Auch das Latenzstadium kann noch genauere experimentelle Ermittelung bean- spruchen und der von Fick bei mittlerer Temperatur angestellte Vergleich zwischen isotonischem und isometrischem Zuckungsverlauf ist bei verschie- denen Temperaturen zu wiederholen. Um den Einfluss der Temperatur- änderungen auf die Summirbarkeit der Erregung und auf die Ermüdbar- keit der Muskelsubstanz zu studiren, wird man sich zweckmässig tetanisi- render Reize bedienen. Den aufgeführten naheliegenden Postulaten haben wir in der Unter- suchung, deren Resultate folgen sollen, gerecht zu werden gesucht. Inwie- weit plötzliche Temperaturänderungen (glühender Draht) selbst als Reiz auf die Muskelsubstanz wirken können, haben wir absichtlich nicht in den Kreis unserer Untersuchungen gezogen. Den Einfluss der Temperaturänderungen auf die elektrischen Erscheinungen des Muskels und auf die Wärmebildung bei der Muskelerregung waren wir zunächst nicht in der Lage zu studiren. Untersuchungsmethode. Das Stativ (Taf. VIII A, schematisch), an welchem der Muskel behufs Aufzeichnung der isotonischen und isometrischen Curven aufgehängt wurde, war in seinen wesentlichsten Theilen folgendermaassen construirt. Ein starker, in allen seinen Theilen unbiegsamer schmiedeeiserner Bügel hat einen oberen horizontalen und einen (gespaltenenen) verticalen Arm, welch letzterer unten nach vorn horizontal und dann am Ende nochmals vertical TEMPERATUREINFLUSS A. D. LEISTUNGSFÄHIGKEIT D. MUSKELSUBSTANZ. 65 aufwärts gebogen ist. In dem oberen horizontalen Arm ist, mikrometrisch auf- und abwärts verschiebbar, die Muskelklemme angebracht. Der ab- steigende Arm ist in zwei einander parallele Schenkel gespalten; diese Spaltung erstreckt sich auch auf den unteren horizontalen und wieder auf- steigenden Arm. Die Schenkel tragen zwei starke und genau gearbeitete Schraubenpaare als Achsenlager derart, dass sich die zugehörigen stählernen Achsen in dem Zwischenraum zwischen den Schenkeln befinden: das eine Achsenlager (für die isotonischen Zuckungen) befindet sich an den Schenkeln des absteigenden Armes, das andere (für die isometrischen Zuckungen) an denen des wiederaufsteigenden, letzteres tiefer wie ersteres. Die Mitte der Muskelklemme steht etwa 2-5 == hinter der isometrischen Achse und 5 vor der isotonischen Achse. An der isotonischen Achse, nahe den beiden Enden derselben, ist je ein auf der hohen Kante stehender starker Streifen aus Aluminiumblech solide befestigt; beide Streifen convergiren nach vorn und sind hier, 5°® von der Achse entfernt, durch einen quer hindurch ge- steckten stählernen Bolzen vereinigt. An diesen Bolzen greift mittelst eines unten zu zwei Haken umgebogenen festen Drahtbügels der Muskel an. Die Verbindung des Bügels mit dem Muskel wurde durch ganz unnachgiebige Stücke, von denen eins der elektrischen Isolation wegen aus Glas bestand, hergestellt. Der Aluminiumhebel ist durch angekittete sich gegenseitig ab- streifende dünne Schilfstreifen zu einem sehr leichten, ziemlich torsions- freien Schreibhebel verlängert. Die Schreibspitze ist aus einem dünn ge- schabten etwas gebogenen und fein zugeschnittenen Streifen Federpose ge- bildet und befindet sich 15°" von dem Angriffspunkt des Muskels und 20 °® von der Drehachse entfernt. Mit der Mitte der zugehörigen Achse ist ein kleiner Wirtel von 2.5”m Durchmesser concentrisch fest verbunden, um welchen ein eine Wagschale tragender Faden derart geschlungen ist, dass das Gewicht vor der Drehachse angreift. Um den Muskel mit 10 2” zu dehnen, wie es bei unseren Versuchen am Gastroknemius meistens geschah, muss also die Wagschale mit Gewicht 200=°=% wiegen. Die angegebene Belastung des Muskels mag klein erscheinen, doch muss das Princip der isotonischen Wirkungsweise des Muskels um so treuer zum Ausdruck kommen, je kleiner die Belastung ist, vorausgesetzt, dass dieselbe ausreicht, die Muskelfasern von vornherein zu strecken. Dass dieses in unseren Ver- suchen der Fall gewesen ist, wird bewiesen durch den regelmässigen Ver- lauf der Curven und durch die unter den entsprechenden Bedingungen sehr kurze Dauer des Latenzstadiums. Dem Umstand, dass wir uns mit der Belastung an den unteren Grenzen gehalten haben, haben wir es auch wohl zuzuschreiben, dass unsere isotonischen Curven selbst bei grosser Steil- heit des Anstieges durch sehr wenig Schleuderung complieirt sind. Be- wiesen wird dies dadurch, dass beim Tetanisiren auch im Falle der grössten Archiv f. A.u. Ph. 1890. Physiol. Abthlg. Suppl. 5 66 J. GAD unD J. F. Hrymans: Steilheit des Anstieges der Tetanuscurve die Gleichgewichtslinie des Tetanus anfänglich sehr wenig oder gar nicht überschritten wird. Die zur Darstellung der isometrischen Curven bestimmte Stahlachse hat 1.5 =» Durchmesser und trägt einen horizontalen auf der hohen Kante stehenden unbiegsamen Messingstreifen, welcher mit der Achse fest verbunden ist; 2-5 m hinter der Drehachse ist der Messingstreifen durchbohrt zur Ver- bindung des genau darüber befindlichen Querbolzens des isotonischen He- bels durch Vermittelung eines Hakens aus festem Metalle. 4 @ vor der Drehachse trägt der Messingstreifen ein zweites Loch zum Anbringen eines kurzen Hakens; gerade darüber befindet sich ein fester Haken, welcher von einer starken an dem schmiedeeisernen Bügel festgeschraubten horizontalen Metallplatte getragen wird. Dieser Haken ist in der Metallplatte auf und abwärts mikrometrisch verstellbar. Die Entfernung zwischen beiden Haken beträgt 4 ®, sie sind dazu bestimmt, ein federndes Zwischenglied aufzu- nehmen, welches der Muskel beim isometrischen Regime zu dehnen hat Diese Zwischenglieder werden zweckmässiger Weise auf folgende Art her- gestellt. Ein Schlauch von gutem schwarzen Kautschuk mit einer Wand- stärke von 0.4", welcher bei seiner seitlichen Compression mit der Quer- achse von dem einen Haken zu dem anderen reicht, wird innen mit Trau- matiein (Kautschuk in Chloroform gelöst) benetzt und seitlich bis zur Ver- klebung der Wandungen comprimirt; hierbei werden die beiden Enden der Querachse mit einer durchgesteckten Nadel an der Verklebung verhindert. Von dem so behandelten Schlauch werden Querstreifen von 1, 2, 3, 4 u.s. w. Millimeter Breite geschnitten. Diese Streifen sind auch ungedehnt voll- kommen gerade gestreckt und tragen an ihren beiden Enden je eine Oese zur bequemen und festen Verbindung mit dem Haken. Je nach der (Grösse des Muskelquerschnittes mit welchem man zu thun hat, kann man leicht einen Streifen von passendem Rlasticitätscoefficient, welcher propor- tional der Streifenbreite ist, auswählen und anbringen. Die zu diesem Hebel gehörige Zeichenspitze ist in analoger Weise wie bei dem anderen Hebel angebracht und beschaffen; sie befindet sich gerade unter der Zeichenspitze des letzteren und ist 11°® von dem Haken für den Kautschukstreifen und 15°” von der Drehachse entfernt. Aus diesen Abmessungen ergiebt sich, dass bei vollkommener Unausdehnbarkeit der verbindenden Theile die bei isometrischem Verfahren eintretende Verkürzung des Muskels nur !/,, der Ordinatenhöhe der isometrischen Curve betragen sollte. Thatsächlich war das Verhältniss etwa !/,, bis !/,,, d. h. etwa S0 bis 90 Procent ungefähr; hiermit mussten wir zufrieden sein, da Fick bei der ersten Publication seiner Methode sowie bei der neuesten vorlie- genden, insofern sich eine Berechnung gewinnen lässt, nur bis zu 60 und 70 Procent erreicht hat. Diese grössere Genauigkeit in dem für die Rein- TEMPERATUREINFLUSS A. D. LEISTUNGSFÄHIGKEIT D. MUSKELSUBSTANZ. 67 heit des isometrischen Prineips allerdings wichtigen Punkte haben wir auf Kosten einer anderen Genauigkeit erreicht. Fick lässt die Muskelkraft an dem Spannungshebel durch einen von einem Wirtel sich abrollenden Faden angreifen; dadurch bleibt die Länge des Hebelarmes absolut constant, aber alle unsere Fäden, welche ausprobirt wurden, wenn sie nicht zu starr zur Abwickelung waren, waren zu dehnbar. Wir haben eine weniger nachgiebige Verbindung eingeführt, welche aber an einem, allerdings nur in sehr ge- rıngem Maasse, veränderlichen Hebelarm angreift. Hierdurch muss, theo- retisch betrachtet, die sehr wünschenswerthe Proportionalität zwischen Spannungswerth und Ordinatenlänge der Spannungscurven leiden; thatsäch- lich ist dies aber nur in einem für unsere Zwecke wenig in Betracht kommenden Maasse der Fall. Eine zweite Störung der gewünschten Proportionalität kann in der Dehnungscurve des Kautschuks gelegen sein; sie wirkt in entgegengesetztem Sinne der ersteren, da die Zunahme der Dehnung der Kautschukstreifen sich grösser zeigte, wie die Gewichtszunahme (Taf. VII, Fig. 22 u. unten S. 114). Die empirische Graduirung, durch welche der Spannungswerth der Ordinatenhöhen jederzeit leicht ermittelt werden kann, wurde folgendermaassen ausgeführt. Der Hubhebel kann durch Aufsetzen eines festen Stückes, welches eine Wag- schale trägt, um 5°“ nach hinten verlängert werden: die hier aufgelegten (ewichte sind gleich der Kraft, mit welcher der Muskel an dem mit dem Hubhebel verbundenen Spannungshebel wirken würde. Bei der empirischen Graduirung der Kautschukfedern spielt die Nachdehnung eine störende Rolle; die Nachdehnung ist aber in hohem Maasse Function der Zeit und kann zur Deformation unserer isometrischen Curven nicht beigetragen haben, da bei schnell vorübergehenden Spannungsänderungen, welche in der gleich zu beschreibenden Weise mit der Hand ausgeführt wurden, der vorherige Null- punkt stets genau wieder erreicht wurde. Für Untersuchungen, bei denen es auf genaue Angabe der absoluten Spannungswerthe ankommt, würden wir dem Kautschuk aber doch stählerne Spiralfedern vorziehen, mit denen wir übrigens eine genügende Anzahl von Experimenten durchgeführt haben um uns davon zu überzeugen, dass unsere Curvenformen in dieser Be- ziehung von Fehlern frei sind; der Grund, weshalb wir uns meistens der Kautschukfedern bedient haben, ist der, dass wir sie uns leicht mit der wünschenswerthen Abstufbarkeit der Rlastieitätscoefficienten verschaffen konnten, und dass es uns scheinen wollte, als ob bei ihnen die Schleu- derungen geringer ausfielen, als bei Verwendung von Spiralfedern und von elastischen Stäben nach Art der von Fick verwendeten. Allerdings ist es uns auch bei Anwendung von Kautschuckfedern nicht gelungen, die Schleuderung aus den isometrischen Curven soweit zu eliminiren, wie aus den isotonischen; wir haben aber in den Fällen, in 5>*F 68 J. GAD unD J. F. Heymans: denen Schleuderung in Betracht kam, den Antheil derselben an den er- reichten Ordinatenhöhen auf einem besonderen Wege zu bestimmen versucht. An Stelle der Muskelklemme wurde ein Organ von folgender Construction befestigt (Taf. VIII, 3). Ein horizontaler Balken trägt zwei verticale, unten durch einen festen Stift verbundene Backen; um den Stift dreht sich ein zweiarmiger Hebel, dessen vorderer Arm senkrecht über dem Verbin- dungsstück zwischen Hub- und Spannungshebel in einen Haken, und dessen längerer, hinterer Arm mit einer Verbreiterung endigt. Ist der Haken mit dem Hubhebel und der Hubhebel mit dem Spannungshebel verbunden, so kann man durch Schlagen auf den hinteren Hebelarm isometrische Zuckungscurven nachahmen. Ueber dem Haken befindet sich ein fester Anschlag und hinter dem Backen trägt der horizontale Balken eine Stellschraube, durch welche die Anfangsstellung des Schlaghebels regulirt werden kann. Durch Tieferschrauben wird die Exeursionsbreite des Schlaghebels verringert, zugleich aber auch die Anfangsspannung der Kautschukfeder vergrössert. Letztere Aenderung wurde durch Benutzung der die Muskelklemme senkenden mikrometrischen Schraube wieder aus- geglichen, so dass die Anfangsspannung der Kautschukfeder stets annähernd gleich Null gehalten wurde. Drückt man nun langsam auf das hintere Blatt des Schlaghebels bis das Hakenende dieses Hebels gegen das feste Wider- lager drückt, so erhält man eine gewisse Spannung der Kautschukfeder und den dieser Spannung entsprechenden Ordinatenwerth ohne Schleuderung. Schlägt man nun bei rotirender Trommel wiederholt mit verschiedener Geschwindigkeit auf den Schlaghebel, so erhält man Spannungseurven mit verschiedener Steilheit des Anstieges und mit verschiedener und messbarer Betheiligung von Schleuderung. Hat man eine genügende Anzahl solcher Versuche mit Variationen des Umfanges und der Schnelligkeit der Spannungs- änderungen ausgeführt, so kann man leicht zu jeder in Experiment am Muskel gewonnenen isometrischen Curve eine zugehörige Schlagceurve gleicher Steilheit und gleicher Ordinatenhöhe finden, für welche die von Schleuderung freie Ordinatenhöhe ermittelt ist. Die Wärme und Kälte liessen wir stets auf einen, in engem, oben und unten geschlossenen Luftraum aufgehängten Muskel wirken. Die Muskel- kammer bestand aus einem dünnwandigen Blechcylinder, welcher die Mitte eines geräumigen Blechbeckens einnahm. Das Becken war zur Aufnahme . des verschieden temperirten Wassers oder der Kältemischung bestimmt und hatte eine Tubulatur, um das Wasser nach Belieben abfliessen zu lassen. Die cylindrische Wand der Muskelkammer überragte nach unten und oben das umgebende Blechbecken; das Ueberragen nach oben sicherte gegen etwaiges Einfliessen von Wasser oder Salzlösung in die Muskelkammer, zu- dem war dies Ende der Kammer durch einen Kork verschlossen. Der TEMPERATUREINFLUSS A. D. LEISTUNGSFÄHIGKEIT D. MUSKELSUBSTANZ. 69 Muskel wurde nicht mit einem zugehörigen Knochenstück in die Muskel- klemme eingeklemmt, sondern durch Vermittelung eines in seinem unteren Ende spiralfürmig gebogenen Drahtes in dessen Biegung der Knochenstumpf seinen Halt findet und dessen gerades Stück mit leichter Reibung durch den Kork gesteckt ist. Auf die das Becken nach unten überragende Wand der Muskelkanımer wurde ebenfalls mit leichter Reibung ein Blechrahmen geschoben, über welchen eine feucht gehaltene Goldschlägermembran sehr lose gespannt ist. Durch die Mitte dieser Membran geht der Muskel- “ haken hindurch, welcher in die Sehne des Muskels oder in einen um dieselbe gelegten Faden eingehakt wird. Die äussere Wand des Beckens trägt einen metallischen Fortsatz zur Befestigung des Beckens am Stativ; diese Befestisung geschieht mittels eines mehrgliedrisen Armes, dessen Glieder durch Kugelgelenke mit einander verbunden sind, an demselben Stück, welches die Muskelklemme trägt, so dass wenn behufs Einstellung eines Zeichenhebels Heben oder Senken des Muskels erforderlich wird, der Blechbehälter alle Bewegungen des Muskels ohne Weiteres mitmacht. In das Blechbecken hängt ein Kautschukschlauch hinein, welcher durch ein gläsernes T-Rohr mit zwei über dem Becken angebrachten Wasser- behältern in Verbindung steht. Der eine dieser Behälter, unter welchem man eine Flamme brennen lässt, enthält heisses Wasser; in dem anderen befindet sich Wasser und Eis. Zuerst füllt man das Becken mit Wasser von Zimmertemperatur; will man dann die Temperatur zum Steigen bringen, so lässt man durch den seitlichen Tubus des Beckens einen Theil des Wassers abfliessen und führt eine grössere oder kleinere Menge mehr oder weniger heissen Wassers zu, je nach der Temperatur, welche man erreichen will. Ein im Becken befindliches Thermometer zeigt diese Temperatur an und dient ausserdem dazu, der Flüssigkeit durch Rühren eine in allen Schichten gleiche Temperatur zu ertheilen. Um das Bad abzukühlen, lässt man Eiswasser in grösserer oder kleinerer Menge zufliessen, je nach der Temperaturerniedrigung, welche man hervor- bringen will. Die Temperatur von 0° erhält man im Becken, wenn man zerstossenes Eis, oder noch besser Schnee hineinbringt. Temperaturen endlich unter 0° erzeugt man, indem man das zerstossene Eis oder den Schnee im Becken mit Kochsalz mischt; je nach dem Mengenverhältniss der Substanzen der Kältemischung ist die Temperaturerniedrigung mehr oder weniger beträchtlich. Auf diese Weise haben wir bequem alle Tempe- raturen, welche wir nur wünschen: konnten, von — 12° bis +45° und darüber erhalten. Die Erfahrung berechtigt uns, zu sagen, dass im Mittel nach 3 bis 5 Minuten, je nach der Dicke des Muskels, das Bad die maximale Wirkung auf den Muskel ausgeübt hatte; von da ab kann man ein dynamisches 70 J. GAD unD J. F. Heymans: Gleichgewicht zwischen der Temperatur des Bades und derjenigen des Muskels annehmen. Bei Zimmertemperatur ist der absolute Werth dieser beiden Temperaturen gleich: bei Erhöhung der Temperatur des Bades bleibt diejenige des Muskels unterhalb; sinkt die Temperatur des Bades, so bleibt die des Muskels oberhalb. Durch den oberen Verschluss ist ein kleines Thermometer in die Muskelkammer eingeführt und dieses zeigt bei 40° etwa einen halben Grad Unterschied zwischen der Temperatur des Bades und der Temperatur der den Muskel umgebenden Luft an. Ein absoluter Werth der Temperatur des Muskels selbst, namentlich seiner inneren Theile lässt sich nicht angeben, wir glauben aber schliessen zu können, dass bei Temperaturen von 40° bis 45° der Temperaturunterschied des Bades und des Muskels noch keinen ganzen Grad beträgt. Dieselbe Betrachtung gilt für die niedrigen Temperaturen in der Nähe des (Grefrierpunktes des Muskels. Gegenstand unserer Beobachtung war weniger, wann ein Muskel gefriert, als wann der Muskel bei Abkühlung unempfindlich für elektrische Reize wird. Es sind dies zwei Punkte, welche man wohl auseinanderhalten muss. Der elektrische Strom (Taf. VIII, D) wurde dem (meistens) curarisirten Muskel durch Kupferdrähte zugeleitet, von denen der eine an dem Muskel- haken angelöthet, der andere an der Schraubenklemme befestigt war. Der untere Draht war so gewählt und angeordnet, dass er keinerlei mechanische Störung bei der Muskelbewegung herbeiführen konnte. Zu einzelnen Reizen wurde stets der Oeffnungsinductionsschlag eines du Bois- Reymond’schen Inductoriums benutzt. In die primäre Spirale wurden zwei Daniell’sche Elemente eingeschaltet und ihre Höhlung war mit Bündeln weichen Eisen- drahtes gefüllt. Die Unterbrechung des primären Kreises wurde durch die Trommel des Kymographions, auf welcher die Curven gezeichnet wurden, bewirkt. An der unteren Fläche der Trommel war ein Dorn angebracht, welcher durch Schlag gegen einen Hebel einen durch Federkraft geschlossen gehaltenen, in den primären Strom eingeschalteten Platincontact (23”) öffnete. Besondere Aufmerksamkeit haben wir darauf gerichtet, stets maximalen oder etwas übermaximalen Reiz anzuwenden. Ursprünglich haben wir bei dem Beginn jeder. Versuchsreihe einen Rollenabstand gesucht, dessen weitere Verkleinerung zu keiner Vermehrung der Hubhöhe oder Spannung führen sollte. Hierbei zeigte sich jedoch, dass zwar für die grobe Betrachtung ein Maximum erreicht wurde, dass aber bei genauerem Zusehen die Ordinaten- höhen einem maximalen Werthe nur asymptotisch zustrebten.? Wir haben deshalb später stets bei übereinander geschobenen Rollen und unter den übrigen genau angegebenen Bedingungen die Versuche angestellt. " Die auf Taf. IV Fig. 23 versuchte Wiedergabe dieses Verhältnisses ist leider misslungen. TEMPERATUREINFLUSS A. D. LEISTUNGSFÄHIGKEIT D. MUSKELSUBSTANZ. TI Bekannt ist der Einfluss, welchen die Stromrichtung im Muskel auf die Erresungsgrösse besitzt; dieser Einfluss kann damit zusammenhängen, dass an einem, der ganzen Länge nach von einem Inductionsschlag durch- flossenen Muskel die Erregungswelle entweder ausschliesslich oder doch vor- wiegend von der Kathode ausgeht und dass je nach der Dicke des katho- dischen Muskelendes die Stromdichte an dem Reizort eine verschiedene sein wird. Bei unseren Vorversuchen behufs Aufsuchung der maximalen und über- maximalen Reizstärke haben wir wiederholt die Stromrichtung variirt und dabei sehr auffallende Unterschiede in der Erregungsgrösse bis zum über- maximalen Reize hin gesehen, welche im Einzelnen zu deuten wir nicht in der Lage sind; es würde dies eine eigene Untersuchung erfordern. Die Serien A und D von Fig. 24, Taf. VII, zeigen die Unterschiede der Hubhöhen bei aufsteisendem und absteigendem Strom. Wir haben aus unserer Erfahrung uns die Regel entnommen, bei den einzelnen Muskeln diejenige von beiden Stromrichtungen zu benutzen, welche die grössere maximale Wirkung hatte. Zum Beispiel wurden beim Gastroknemius stets absteigende Ströme benutzt und zwar ein für allemal wie angegeben bei übereinander geschobenen Rollen und zwei Daniells in dem primären Kreis. Trotzdem konnten die ersten Schläge nicht sofort für den Beginn der Ver- suchsreihe benutzt werden, weil auch bei unveränderter Temperatur die Erscheinung der Treppe (Luciani) hervortrat; erst etwa von fünf Schlägen an blieb die Erregungsgrösse bei Reizen, welche in gleichem Intervall folgten, gleich; erst dann konnte die Versuchsreihe beginnen. Die tetanisirenden Reize (Taf. VILL, #) wurden vom du Bois-Reymond’- schen Schlitteninduetorium unter Beibehaltung der übrigen Anordnung bei dem Spielen des Neef’schen Hammers geliefert. Die Reizfrequenz betrug 50 bis 60 Schläge in der Secunde und war innerhalb jeder Versuchsreihe constant. Der Hammer blieb dauernd in Schwingung, ein Platincontact war (ausser einem Vorreiberschlüssel) als Nebenleitung zwischen der secun- dären Spirale und dem Praeparat angebracht und ein zweiter Platincontact war in den primären Stromkreis eingeschaltet. Der an der Kymographion- trommel angebrachte Stift öffnete zuerst die Nebenschliessung und dann den primären Strom. Durch Varüren des räumlichen Intervalles zwischen beiden Contacten konnte bei gleichbleibender Umdrehungsgeschwindigkeit der Trom- mel die Zeitdauer des Tetanus variirt werden; innerhalb jeder Versuchsreihe blieb sie constant. Das benutzte Kymographion ist ein von Baltzar und Schmidt in Leipzig: geliefertes, dessen 50 ® im Umfang messende Trommel einen Um- lauf in 3” vollenden konnte. Es wurde bei vertical stehender Drehachse benutzt. Die Trommel musste nach jedem einzelnen Versuch angehalten und dann von neuem in Bewegung gesetzt werden; erfahrungsgemäss ist, 1 DD J. GAD unD J. F. Heymans: dank dem vorzüglich wirkenden Regulator, die Constanz der Geschwindie- keit nach der ersten Viertel Umdrehung sicher erreicht. Der durch die Trommel zu öffnende Reizeontact wurde aber stets so aufgestellt, dass er erst nach drei Viertel Umdrehung von dem hierfür bestimmten Stift ge- troffen wurde. Unsere Versuche haben wir an Sommer- und Winterfröschen (Rana esculenta) Berliner Herkunft mit Muskeln nicht curarisirter und nach ver- schiedenen Methoden curarisirter Thiere angestellt: das Wesentliche der Erscheinungen, welche wir beschreiben werden, tritt bei allen Praeparaten, curarisirten und nicht curarisirten, frisch praeparirten oder bei Kälte auf- bewahrten hervor. Die grösste Vorsicht bei der Darstellung und Aufbe- wahrung erfordern Praeparate von nicht eurarisirten Muskeln, weil auf diese alle bei der Praeparation unvermeidliche Nervenreize einwirken und weil sie auch nach der Praeparation unter dem dauernden Einfluss der absterbenden Nerven leiden. Die regelmässigsten Erfolge haben wir er- halten von Muskeln, welche: folgendermaassen curarisirt waren. Dem Frosch wurde einen Tag vor dem Versuch eine Dosis einer 1 procentigen Curare-Lösung und zwar 0-1 bis 0.2 = mit der Pravaz’schen Spritze in den kücken-Lymphsack ohne Verlust eingespritzt und das Thier in den mit einer dünnen Schicht Wasser versehenen Froschtopf zurückgesetzt. Am nächsten Tage waren die Muskeln stets vollkommen curarisirt; bei der Prae- paration wurde darauf geachtet, ob beim Anschneiden der grossen Gefässe eine kräftige arterielle Blutung erfolgte. Nur in diesen Fällen wurden die Thiere verwendet, bezw. regelmässige Resultate von ihnen erwartet. Von demselben Frosch haben wir oft vier Muskeln zum Versuch angewendet, beide Gastroknemien und von den Oberschenkelmuskeln einen Sartorius und einen Semimembranosus. Um dies zu erreichen, beginnt man mit einem Hautschnitt vom Knie bis zum Bauch und schlägt die Haut nach aussen zurück; um die Sehne des Sartorius wird eine Ligatur mit Oese für den unteren Muskelhaken geschlungen. Nachdem dieser Muskel vorsichtig bis zu seinem Beckenansatz frei praeparirt ist, trennt man das Becken quer zwischen dem Ansatz des Sartorius und Semimembranosus. Der Sartorius wird an dem zugehörigen Stück Beckenknochen aufgehoben und mittels desselben an dem oberen an der Muskelklemme befestigten Haken aufge- hängt, indem der Beckenknochen in den Hohlraum der Spirale geschoben wird, dann lässt man den Muskel in seine Kammer hinab. Die Vorbereitung des Semimembranosus geschieht auf entsprechende Weise; es ist nur zu rathen, das Stück Tibia, welches den unteren Muskel- ansatz trägt, mitzunehmen, namentlich wenn man beabsichtigt, den Muskel bei isometrischem Regime zu tetanisiren.. An dem Gastrocnemius liessen wir ebenfalls nur ein kurzes Stück des Femur; dies reichte aus, um ihn TEMPERATUREINFLUSS A, D. LEISTUNGSFÄHIGKEIT D. MUSKELSUBSTANZ. 73 in der Spirale des oberen Hakens aufzuhängen. Damit der in der Achilles- sehne befestigte Haken diese bei isometrischer Tetanisation nicht durchreisst, haben wir uns absichtlich damit begnügt, mit demselben Faden eine Ligatur oberhalb und eine solche unterhalb des Hakens um die Sehne zuschnüren. Nachdem der Muskel praeparirt ist, wird seine Einführung in die Muskel- kammer auf folgende Weise bewerkstellist. Die Muskelklemme wird ge- öffnet und der obere Muskelhaken abgenommen. Der Muskel wird in dem Haken befestigt und senkrecht in seine Kammer versenkt; es ist nothwendig, dass der Muskel sich gut in der Mitte der Kammer befinde, damit er bei seiner contractilen Anschwellung die metallische Wand nirgends berühre. Endlich schliesst man die Kammer so hermetisch wie möglich durch den oberen Deckel und durch den unteren mit Goldschlägerhaut bespannten Rahmen. Man muss Sorge tragen, dass die Haut immer gut mit physio- - logischer Kochsalzlösung getränkt erhalten werde. Am Schlusse der Darstellung unserer technischen Maassnahmen können wir im Allgemeinen noch hinzufügen, dass wir uns bemüht haben, alle Vorsichtsmaassregeln anzuwenden, welche die Physiologie, namentlich die der Nerven und Muskeln als nothwendig erkannt hat und für ähnliche Untersuchungen vorschreibt. Uebersichtliche Darstellung der Resultate. Der Verlauf der überwiegenden Mehrzahl von Versuchsreihen ist so regelmässig gewesen, dass wir die Resultate in schematischer Darstellung zusammenfassen können, welche alle Einzelheiten, betreffend den Einfluss der Temperatur auf die Erresungsdauer, die Erregungsgrösse, die Form der Curven und die Länge des Latenzstadiums in bestimmten Regeln zum Aus- druck bringt. Die erste schematische Darstellung (Taf. IV, A) bezieht sich auf einzelne Reize beim isotonischen Verfahren, und besteht aus zwei Theilen, welche der Uebersichtlichkeit wegen auseinander gehalten werden mussten und von denen der rechte die Erscheinungen zwischen der Temperatur für maximale Hubhöhe und für Gefrierung, der linke das Intervall bis zur Wärmestarre umfasst. Wir bezeichnen diese Darstellungsweise als eine schematische, weil keine einzige Versuchsreihe alle Temperaturgrade von der Erstarrung bis zur Erfrierung umschliesst, bezw. wenn sie es thut, allen Zwischenstufen gerecht wird. Es wurden deshalb Versuchsreihen von gut vergleichbaren Muskeln combinirt, so dass alle Curven Copien von wirklichen in Ver- suchen gewonnenen Originalen sind. Die Hubhöhe zeigt ein absolutes Minimum in der Nähe des Gefrier- punktes, wo bei der Muskelreizung keine Längenänderung mehr zu beob- achten ist (f). In den einzelnen Versuchen haben wir uns diesem Muskel- 74 J. GAD unD J. F. Hrymans: zustand noch weit mehr genähert, als in (f) zum Ausdruck gelangt ist; so lange der abgekühlte Muskel bei der Reizung noch ein Minimum von Verkürzung zeigt, kann er sich durch Erwärmen wieder erholen, sonst nicht mehr. Ein relatives Minimum hat die Hubhöhe bei etwa 19° (a); von hier aus steigt sie einerseits bis zu dem absoluten Maximum, welches sie durch den einzelnen Reiz überhaupt erreichen kann bei etwa 30° (A), andererseits zu einem relativen Maximum bei 0° (cl, Das Minimum der Zuckungs- dauer fällt zusammen mit dem absoluten Maximum der Hubhöhe (7%) und die Zuckungsdauer wächst von da an mit sinkender Temperatur continuir- lich bis zum Verschwinden der Zuckung. Was die Form der Zuckungscurve betrifft, so findet die grösste An- näherung an die Symmetrie (Gleichheit von Steilheit des An- und Abstieges) bei dem relativen Minimum der Hubhöhe statt (19° a); von da aufwärts wächst die Steilheit des Abstieges schneller als die Steilheit des Anstieges, während abwärts bis zum relativen Maximum der Hubhöhe (c) die Steil- heit des Anstieges weit schneller abnimmt, als die Steilheit des Abstieges. Letztere bleibt, wenigstens im oberen Theil der Curve, bis dahin annähernd constant um erst von da abwärts schnell abzunehmen. Das Latenzstadium verhält sich wie die Zuckungsdauer; es nimmt mit sinkender Temperatur continuirlich zu. In der Nähe des absoluten Maximums der Hubhöhe (%) ist die Steilheit des Abstieges enorm gross, und dies sind die einzigen Fälle, in denen unsere isotonischen Curven durch Schleuderung complieirt sind. In der schematischen Darstellung ist dies durch eine punktirte Verlängerung der Curve unterhalb der Abscissenaxe angedeutet. Die maximale Hubhöhe ()) ist nichtsdestoweniger von Schleuderung frei, denn in Tetanuscurven mit gleich steilem Anstiee wurde die maximale Hubhöhe in gleichmässigem Curvenzug ohne anfängliche Spitzenbildung erreicht. Der Uebersichtlichkeit wegen sind die Aenderungen, welche zwischen dem absoluten Maximum der Hubhöhe bei Erwärmung und zwischen dem Entstehen der Wärmestarre sich abspielen, gesondert dargestellt in den 'Curven 2, A und Z. Es ist nämlich eine Thatsache, dass die Erregbarkeit in dem Intervall von etwa 30° bis zur Erstarrungstemperatur mehr und mehr abnimmt; dieses Verhalten, welches von den früheren Autoren über- sehen worden ist, scheint den normalen Verhältnissen am meisten zu ent- sprechen. Wir haben es wenigstens in einer grossen Zahl von Fällen, namentlich beim isometrischen Verfahren zu sehen bekommen und zwar regel- mässig dann, wenn die Curvenreihe von einer eigenthümlichen schwer zu erklärenden Complication frei war. Diese Complication, welche besonders leicht bei isotonischem Verfahren und nicht curarisirten Muskeln auftritt, be- steht darin, dass der Muskel bei den höheren Graden der Erwärmung zu TEMPERATUREINFLUSS A. D. LEISTUNGSFÄHIGKEIT D. MUSKELSUBSTANZ. 75 Summation der Erregung neigt, unter Bedingungen, bei denen kein Grund für wiederholte Reize zu entdecken ist. In den von dieser Complication reinen Versuchsreihen stellt sich nun aber das Verhalten derart heraus, dass die Hubhöhe mehr und mehr abnimmt bei gleichbleibender oder et- was abnehmender Zuckungsdauer und bei einer geringen, aber noch merklichen Abnahme der Dauer des Latenzstadiums. Bei passender Ge- schwindigkeit der Erwärmung gelingt es übrigens, mit Sicherheit zu zeigen, dass die Erregbarkeit des Muskels gegen elektrischen Reiz fast vollkommen verschwindet, ehe die Verkürzung durch Wärmestarre eintritt; selbst die Curven kehren, auch wenn ihre Hnbhöhe schon minimal geworden ist, noch zur Abscissenaxe zurück und zeigen weder Contractur noch Verkürzungs- rückstand. Dass bei etwas schnellerem Tempo der Erwärmung sich die Dinge so darstellen können, wie in den oben angezogenen Curven von Ma- rey! kann wohl daran liegen, wie der Autor selbst vermuthet, dass dann äussere Schichten der Muskeln schon in die Wärmestarre verfallen, während innere noch einen Rest von Erregbarkeit bewahrt haben. Die Linie (x) stellt die Grösse der Verkürzung des Muskels bei vollkommener Wärme- starre dar. Der typische Einfluss der Temperatur auf die einzelne Zuckung des Muskels beim isometrischen Verfahren wird durch die schematische Darstellung A veranschaulicht; die einzelnen Curven derselben entsprechen buchstaben- weise denen in A. In der Mehrzahl der wesentlichen Punkte könnte zur Erläuterung von 4 beinah dasselbe gesagt werden wie zu 4; nur zwei Erscheinungen, in denen das Verhalten bei isotonischem und isometrischem Verfahren wesentlich verschieden ist, müssen besonders hervorgehoben werden. Alle isotonischen Curven sind auf ihrem Gipfel kuppenförmig, d. h. sobald das Maximum der Ordinaten erreicht ist, beginnt auch sofort die Wieder- abnahme. In den isometrischen Curven dagegen tritt im Temperatur- bereich zwischen Zimmertemperatur und der Nähe des Gefrierpunktes auf der Höhe der Zuckung ein Plateau auf (während kürzerer oder längerer Zeit bleibt das Maximum der Spannung, nachdem es einmal erreicht ist, constant). Der zweite Punkt, in welchem sich die Spannungsentwickelung im Muskel anders verhält wie die Verkürzung desselben, betrifft die Wärme- starre. Während die Verkürzung durch Wärmestarre stets grösser ist wie die grösste Verkürzung bei einzelnem Reiz des erwärmten Muskels, ja auch grösser wie die grösste tetanische Verkürzung, so bleibt die durch Wärme- starre erzeugte Spannung stets in beträchtlichem Maasse hinter der maxi- malen Spannung des erwärmten einmal gereizten Muskels zurück, wie dies durch die Höhe der Linie »’ angedeutet ist. ı Du mouwvement dans les fonctions de la vie. p. 354. 76 J. GAD unD J. F. Heymans: Die Curvenreihen 3 und 5’ enthalten schematische Darstellungen der wesentlichen auf den Tetanus bei isotonischem (2) und isometrischem (2) Verfahren bezüglichen Verhältnissen. a und a’ sind Tetani bei Zimmertempe- ratur; es sind dies diejenigen, welche die grössten Ordinatenwerthe nicht nur erreichen, sondern auch über längere Zeit innehalten. Bei sinkender Temperatur (5) erreicht der Ordinatenwerth eine viel kleinere Höhe, selbst wenn die zugehörige einzelne Zuckung höher war als die einzelne Zuckung bei Zimmertemperatur. Die einmal erreichte Ordinatenhöhe bleibt auch hier beträchtliche Zeit constant. c und c’ sind Tetani bei erhöhten Tem- peraturen; die anfänglich erreichte Ordinatenhöhe und die Schnelligkeit, mit welcher sie erreicht wird, ist grösser wie bei @« und a’, bezw. 5 und b', der Tetanus fängt aber sehr bald an abzusinken. Steigert man die Temperatur noch mehr, so nimmt auch die Anfangshöhe ab und der Teta- nus sinkt bei gleich bleibender Reizstärke jäh abwärts (d und d’)., Punkt e und e‘ entspricht dem Moment, in welchem der letzte Reiz der tetanisiren- den Reizfolge eingewirkt hat; die Tetani erstrecken sich verschieden lange Zeit über diesen Punkt hinaus, aber jeder Tetanus endigt ziemlich genau nach so viel Zeit als die letzte einzelne Zuckung, wenn sie allein erfolgt wäre, gebraucht hätte. Man kann auch zeigen, dass die Uebereinstimmung zu einer genauen wird, wenn man der bekannten Verlängerung der Zuckungs- dauer durch Ermüdung Rechnung trägt. Für die Vergleichung der sche- matischen Darstellung 4, 4A’ und 2, B’ muss hinzu gefügt werden, dass die Längeneinheit der Abseissenlnie in 2, 2’ einen doppelt so grossen Zeitwerth hat wie in A, 4". Noch übersichtlicher als in der schematischen Darstellung 4A, 4’ und B, B’ treten die Einflüsse der Temperatur hervor, wenn man Curven con- struirt, bei welchen alle Abseissen proportional der Temperatur sind und bei welchen man den Ördinaten der Reihe nach verschiedene Bedeutungen giebt, je nach den verschiedenen Einflüssen, welche die Temperatur ausübt, (Hubhöhe, Spannungswerth, Zuckungsdauer ete.). In C stellt die Curve «@ die Hubhöhe bei einzelnen Zuckungen und die Curve 5 die Hubhöhe im Tetanus als Function der Temperatur (bei isotonischem Verfahren) dar. Es ist von Interesse, hiermit ein Curvenpaar zu vergleichen, in welchem die Spannungswerthe in ihrer Abhängigkeit von der Temperatur erscheinen. Ohne weiteres sind Längeänderungen mit Spannungsänderungen nicht ver- gleichbar; sie werden es aber, wenn man der Ordinatenlänge der Hubhöhe, welche in der einzelnen Zuckung bei-einer bestimmten Temperatur erreicht wird, die Ordinatenlänge gleich macht, welche der unter gleichen Be- dingungen erreichten Spannung entsprechen soll: der hierfür geeignete Temperaturpunkt liegt bei 19%. Auf diese Weise sind die Curven C’ con- struirt. Man erkennt aus ihnen ausserdem, was schon aus der schema- | | | | | TEMPERATUREINFLUSS A, D. LEISTUNGSFÄHIGKEIT D. MUSKELSUBSTANZ. 77 tischen Darstellung 4 und 4’ hervorgeht, dass im Allgemeinen das Ver- hältniss der tetanischen Leistung zur Leistung auf einzelnen Reiz bei Isometrie grösser ist, als bei Isotonie und dass dieser Unterschied am grössten ist bei etwa 30°. Bei 19° ist das Verhältniss der einzelnen Zuckung zum Tetanus isotonisch wie 1 zu 2-8, isometrisch wie 1 zu 4. Bei 30° ist das erstere Verhältniss wie 2-1 zu 3-1, das letztere wie 1-8 zu 4.9. Es ist dies um so bemerkenswerther, als die Hubhöhe bei 30° die- _ jenige bei 19° mehr übertrifft (2-1 zu 1) als die Spannung (1-8 zu 1). Man könnte dies so ausdrücken, dass die Summirbarkeit der Erregungen bei Isometrie grösser ist als bei Isotonie und dass die stärkste Summirbar- keit angetroffen wird bei 19° und Isometrie, demnächst bei 30° und Iso- metrie und dann erst bei 19° und Isotonie. Es liegt nahe, in den tetanischen Ordinatenwerthen einen Maassstab der Brauchbarkeit für die Zwecke des Organismus bei den verschiedenen Temperaturen zu suchen; dies geht in der That auch an bei Temperaturen von 19° abwärts wo die Ermüdung des Muskels bei fortgesetztem Tetanus nicht stark hervortritt; anders ist dies bei Temperaturen oberhalb 19°, hier ist der tetanische Ordinatenwerth sichtlich kein treuer Maassstab mehr für die Brauchbarkeit des Muskels. Um einen solchen zu gewinnen, muss man die tetanischen Ordinatenwerthe in dem Maasse der mit steigender Temperatur schnell zunehmenden Ermüdbarkeit reduciren, wie dies der gestrichelte Curvenzug (c und c’) zwischen 19° und Wärmestarre andeutet. Bei Tem- peraturen, welche unter 19° liegen, tritt ein anderer Factor auf, welcher die Brauchbarkeit des Muskels beeinträchtigt, es ist dies die mit sinkender Temperatur immer beträchtlicher werdende Verlangsamung im Anstieg der tetanischen Curve und das Ueberdauern derselben über den Moment des letzten Erregungsanstosses.. Wenn man durch Schätzung den die Brauch- barkeit des Muskels beeinträchtigenden Factoren Rechnung trägt, so kommt man zu einer Curve, deren Verlauf die Abhängigkeit der Brauchbarkeit des Muskels von der Temperatur zur Anschauung bringt: in € und C’ hat der gestrichelte Curvenzug diese Bedeutung. In den :Curven D und # bedeuten die Ordinaten Zeitwerthe. D stellt in a die Zuckungsdauer und in 5 die Dauer des Plateaus bei Isometrie als ‘ Function der Temperatur dar. E zeigt die Dauer des Latenzstadiums als Funetion der Temperatur. In # misst die Ordinate das Verhältniss zwischen Dauer der wachsenden Energie und Dauer der sinkenden Energie: sicher ist dies Verhältniss gleich 1 bei 19°, hier besteht Symmetrie der Curve; ebenso zuverlässig ist der Curvenzug zwischen 19° und — 5°, in diesem Intervall nimmt die Dauer des Aufstiegs zunächst weit beträchtlicher zu, wie die Dauer des Abstiegs, und zwar bis 0°, von wo ab wieder Ausgleichung beginnt. Dieselbe ist vollendet bei — 5°, wo die Curve wieder den Ordi- 78 J. GAD unD J. F. Hrymans: natenwerth 1 erreicht. Oberhalb 19° haben wir die Curve so gezeichnet, wie aus unseren Original-Curven ohne weiteres folgen würde; es ist aber zu bedenken, dass wir den Einfluss, welchen die Schleuderung auf den Zeitpunkt des Curvenendes haben kann, nicht so genau unter Controle hatten, wie den Einfluss der Schleuderung auf die Höhe des Curvenmaxi- mums und den Moment der Erreichung des Curvenmaximums. Es liegt dies daran, dass (bei höherer Temperatur) die Curve, selbst wenn ein grosser Theil des aufsteigenden Astes sehr steil ist, sich dem Maximum meist lang- samer nähert, als bei dem Abstieg die Nulllinie erreicht oder überschritten wird. Ueberhaupt ist aus dem Verhältniss der Dauer des ansteigenden zur Dauer des absteigenden Curvenantheiles kein allgemeiner Schluss auf das Verhältniss zwischen Steilheit des Anstieges und Steilheit des Abstieges zu ziehen, weil, wie aus unserem gesammten Curvenmaterial hervorgeht, die Steilheitsänderungen innerhalb jeden Curvenabschnittes sehr manniefach sind. Um sich hierüber ein Urtheil zu bilden, muss man die Versuchs- curven selbst miteinander vergleichen. Im der vorliegenden durch Ab- straction gewonnenen Curve # haben wir den Sachverhalt bezüglich des Verhältnisses der Dauer von Aufstieg.und Abstieg nach unserer Schätzung durch die gestrichelte Linie cerrigirt. Ueber 30° bis zur Wärmestarre wird die Dauer des Aufstiegs wieder kleiner und da die Dauer der ganzen Zuckung sich kaum verändert, so findet das Verhältniss von Auf- und Abstieg seinen sicheren Ausdruck in einer Linie, deren Ordinatenwerthe kleiner als 1 sind. Beschreibung von Versuchsbeispielen. Isotonische Zuckungen zwischen Zimmertemperatur und Gefrierpunkt. Die Curvenreihen Fig. 1 4 u. 3 auf Taf. V gehören zusammen; sie sind von demselben Semimembranosus eines am vorhergehenden Tage curarisirten Frosches gewonnen. A,1 ist die erste Curve der Reihe und wurde bei Zimmertemperatur (17°) genommen; von da an sinkt die Temperatur ab bis zur Curve 5, Reizintervall etwa 3 Minuten. Bei 2 zeigte das Thermo- meter im Kühlbecken 11°; bei 3, 7°; bei 4, 21/,°; bei 5, 1°. 8 Minuten nach Gewinnung der Curve 5, wurde Öurve 6 in 3 genommen, während das Thermometer 2° zeigte. Von Curve 7 bis13, welche mit je 2 Minuten Intervall gewonnen sind, nahm die Temperatur wieder zu, und betrug bei 1,60%; bei 8, 8%; bei 9,12%: Dei 10,170 ’%ei 11, 2 1-Ipe mr 13, 24°. Die Geschwindigkeit der Zeichenfläche war derart, dass ein TMEMPERATUREINFLUSS A. D. LEISTUNGSFÄHIGKEIT D. MUSKELSUBSTANZ. 79 Centimeter der Abscissenlänge einem Zeitwerth von 0.135” entspricht.! In diesen Curven tritt eine so bedeutende Steigerung der Hubhöhe bei Erniedrieung der Temperatur hervor, wie sie von den bisherigen Be- obachtern nicht beschrieben wurde, wie sie aber in unseren Versuchen mit absoluter Sicherheit eingetreten ist. Es scheint, dass wir in der Wahl der Geschwindigkeit der Abkühlung glücklicher gewesen sind, sonst würde es uns kaum vorbehalten geblieben sein, auf diese so auffallende und für die Theorie gewiss bedeutungsvolle Erscheinung auffmerksam zu machen. Am grössten wird der Ueberschuss der maximalen Hubhöhe des abgekühlten Muskels über die Hubhöhe bei Zimmertemperatur, wenn man, wie es in vorliegenden Beispiel geschehen ist, einen laugen, parallelfasrigen Muskel verwendet. Sehr deutlich tritt weiter in beiden Curvenreihen die Abnahme der Steilheit des ansteigenden Astes, bei annähernder Constanz der Steilheit des absteigenden hervor, eine Erscheinung, welche übrigens für den hier zur Darstellung gebrachten Temperaturbereich ganz typisch ist. Die Constanz bezieht sich, wie man sieht, nur auf einen verschieden langen oberen Theil der Curve; die schliessliche Rückkehr zur ursprünglichen Gleichgewichtslage findet mit Abnahmen der Temperatur immer langsamer statt. Ob man diesen Theil der Curve als einen Ausdruck der COontractur (Tiegel) oder eines Verkürzungsrückstandes (Hermann) betrachten will, mag Jedem überlassen bleiben. Auf die Aenderung des Latenzstadiums, welche auch in diesen Curvenreihen typisch hervortritt, denn sie sind durchweg bei unveränderter Stellung des Reizunterbrechers gewonnen, werden wir noch besonders zurückkommen. Aufmerksamkeit verdient noch die grosse Ueber- einstimmung der Curven in der thermometrisch aufsteigenden (Fig. 1 A) und der thermometrisch absteigenden (Fig. 1 3) Curvenreihe; die geringen Ab- weichungen von der absoluten Uebereinstimmung je zweier entsprechender Curven beider Reihen liest daran, dass es nicht möglich ist, bei genau gleichem Temperaturgrad und gleichem Intervall die Proben zu nehmen. In der Curvenreihe Fig. 2, welche von einem nicht curarisirten Sartorius genommen ist, wurden die Temperaturintervalle und die zeitlichen Reiz- intervalle etwas kleiner gewählt und die Abkühlung weiter getrieben, wie in Curve Fig. 1 4; dagegen wurde auf Wiederaufsteigen der Temperatur ver- zichtet. Die Curven 1, 2, 3 wurden mit einem Reizintervall von je einer Minute gezeichnet und zwar bei gleicher Temperatur von 14° und bei gleicher übermaximaler Reizstärke (2 Dan., Rollen übereinander, absteigender Oeffnungs- ! Dies ist die Geschwindigkeit für die hier abgezeichneten Curven; da diese die von 1:2'/, durch Photographie redueirten Originalcurven sind, war die Geschwindig- keit beim Experimentiren 0-06’ pro Centimeter Abseissenlänge. 80 J. GAD unD J. F. Herymans: schlag). Trotzdem tritt zwischen 1 und 2 eine sehr bedeutende und zwischen 2 und 3 eine noch eben merkliche Aenderung der Hubhöhe bei gleich- bleibender Zuckungsdauer hervor (Phaenomen der Treppe). Die annähernde Uebereinstimmung zwischen 2 und 3 gestattete die Temperaturänderungen beginnen zu lassen. Es wurden wie schon gesagt, mit einem zeitlichen Intervall von je einer Minute gewonnen: Curven 1, 2, 3 bei 14°; 4 bei 10°; :5 bei 8°%;. 6 bei 5°; 7 bei 3°;.8 bei 2°; 9 hei, 0.710 ne 22 11 bei —3°; 12 bei —4°; 13 bei —5°; 14 bei —5°; 15 bei —6°% 16 bei — 7°; und 18 — 7°. Das Maximum der Hubhöhe bei Abkühlung des Muskels ist erreicht bei — 3° (Curve 11); von da ab nimmt bei sinkender Hubhöhe die Zuckungsdauer beständig zu, die Steilheit des ansteigenden Astes beständig ab und der absteigende Ast wird in seiner Steilheit dem aufsteigenden ähnlicher: die Curve nähert sich der symmetrischen Form. Die Umlaufgeschwindigkeit ist wie bei Fig. 1. Die Curvenreihen Fig. 3, 4, B, C sind in unmittelbarer Aufeinanderfolge vom Sartorius eines curarisirten Frosches genommen; die Ordnungsnummer der einzelnen Curven entspricht der zeitlichen Reihenfolge des Versuches. Die ganze Curvenreihe dient dem Zweck, die Abkühlung bis an die Grenze des Erregbarkeitsverlustes bei erhaltener Restitutionsfähigkeit der Muskel- substanz zu treiben. Curve 1 wurde bei Zimmertemperatur von 17° ge- nommen; dann wurde der Behälter mit Schnee und Salmiak gefüllt und die Curven 2 bis 8 mit je einem Zeitintervall von etwa 2 Minuten ge- zeichnet: die Temperatur war alsdann in dem Kühlbecken überall unter — 5°. Nachdem der Muskel dem erkältenden Einfluss noch weitere 4 Minuten ausgesetzt gewesen war, wurde die Curve 9 genommen. Jetzt war nach unseren sonstigen Erfahrungen zu erwarten, dass bei weiterer Zunahme der Abkühlung die Erregung auf einen neuen Reiz bald ausbleiben und die Erregbarkeit dann nie wiederkehren würde. Wir befanden uns an der oben angegebenen Grenze. Damit dieselbe nicht überschritten würde, unter- brachen wir die weitere Abkühlung durch schnelles Zuleiten von Wasser .von 12° Wärme, bei gleichzeitiger Ableitung der Salzlösung, und bei einen Zeitintervall von je 4 Minuten wurden die Curven 10, 11 und 12 auf- genommen. Als die Curve 13 der Reihe C gezeichnet wurde, war die Temperatur im Becken 11°. Jetzt wurde eine neue Kältemischung ein- gefüllt, der Zu- und Abfluss unterbrochen, und in Intervallen von je 2 Minuten wurden nun die übrigen Curven bis 19 gezeichnet. Man sieht also, dass dieser Muskel, welcher seine Erregbarkeit bis zu einem solchen Grade wie ihn die Curve 9 darstellt, eingebüsst hatte, die- selbe unter erhöhten Temperaturen vollkommen wiedergewinnt und wie er dann bei Temperaturänderungen die gewöhnliche Reihe der Erscheinungen zeigt. TEMPERATUREINFLUSS A. D. LEISTUNGSFÄHIGKEIT D. MUSKELSUBSTANZ. 81 Curvenreihe Fig. 4 4 stammt von einem nicht curarisirten Sartorius; sie dient zur Demonstration der Verlängerung des Latenzstadiums bei fort- schreitender Abkühlung des Muskels. Um dieselbe deutlicher hervortreten zu lassen, als es bei der gewöhnlichen Darstellung der Versuchsreihe möglich war, wurde die Abseissenhöhe für jeden neuen Versuch etwas verringert und es wurde keine Abscisse durchgezogen. Curve 1 entspricht der Zimmertemperatur (17°); während eine Kältemischung einwirkt, wurden nach 3 Minuten die Curven 2, 3, 4 gezeichnet. In Curvenreihe Fig. 4 3 ist der Möglichkeit der genauen zeitlichen Auswerthung des Latenzstadiums bei zwei weit von einander abstehenden Temperaturen durch Hinzufügen der Marke des Reizmomentes (1) und durch Beschränkung der Ourvenreihe auf zwei Glieder noch mehr Rechnung getragen. Die Umdrehungsgeschwindigkeit war absichtlich halb so gross als die der bisher vorgelegten Curven. Die Curven stammen von einem Semimembranosus eines Tags zuvor curarisirten Frosches. In dem primären Stromkreis befand sich ein Daniell, die Rollen waren übereinander ge- schoben, der Reiz war ein in dem Muskel absteigender Oeffnungsinductions- schlag. Curve 2 wurde bei Zimmertemperatur (17°) genommen; Curve 3 nachdem eine nicht zu stark abkühlende Kältemischung etwa 10 Minuten eingewirkt hatte und die Temperatur im Becken etwa + 3° betrug und im Muskel auf + 5° geschätzt werden konnte. Das Latenzstadium bei 2 be- stimmt sich zu 0-006”, bei 3 zu 0-015”. Derselbe Muskel diente in Curvenreihe Fig. 5 dazu, eine andere Frage zu erledigen, welche sich bei der allerdings nur oberflächlichen Aehnlichkeit im Zuckungsverlauf des abgekühlten Muskels mit dem Veratrinmuskel aufdrängte. Bekanntlich ist es Biedermann! gelungen, auf der Zuckungs- höhe von Veratrinmuskeln durch Einwirkung des constanten Stromes auf den Muskel eine plötzliche Abnahme der Hubhöhe zu erzielen. Obgleich die Erschlaffung eine partielle, auf die Umgebung der Anode. beschränkte und sich nicht als Welle über die ganze Muskellänge ausbreitende ist, wie Biedermann selbst gezeigt hat, so scheint man doch dieser Erscheinung eine prineipielle Wichtigkeit für die Theorie der Hemmung von Muskelbe- wegungen beizulegen. Wenn wir uns dieser Ansicht auch nicht anschliessen können, so musste doch der Versuch gemacht werden, ob der abgekühlte Muskel bei der gleichen Behandlung nicht dieselbe Erscheinung zeige, wie der Veratrinmuskel. Es war Vorsorge getroffen (Taf. VIII, #) den passend abgekühlten Muskel zuerst durch einen maximalen absteigenden Inductions- ı W. Biedermann, Ueber Hemmungserscheinungen bei elektrischer Reizung quergestreifter Muskeln und über positive kathodische Polarisation. Sitzungsberichte der kaiserl. Akademie der Wissenschaften zu Wien. Abthlg. IH. Bd. XCI. S. 142. Archiv f, A. u. Ph. 1890. Physiol. Abthlg. Supp!l. 6 82 J. GAD unD J. F. Herymans: schlag zu reizen und dann auf der Höhe der Zuckung plötzlich von einem ebenfalls absteigenden constanten Strom zweier Daniell-Elemente durch- fliessen zu lassen. Die Reizelektroden « und 5 waren mit den axialen Drahtklemmen emer Pohl’schen Wippe ohne Kreuz verbunden; von den zwei übrigen Drahtklemmen leitete das Paar der einen Seite e und d zu den Enden der secundären Spirale des Schlitteninductoriums, in dessen pri- märe Spirale der erste Platincontaet e wie bei den gewöhnlichen Versuchen aufgenommen war. Der Bügel der Wippe lag vor Beginn des Versuchs in dem zu diesen Klemmen gehörigen Quecksilbernäpfen. Von dem gegen- über liegenden Paar der Drahtklemmen verzweigte sich die Leitung einer- seits zu den beiden Enden ? und / des zweiten Platincontactes k, anderer- seits zu dem Zink und Kupfer der Kette f und g, so dass nach Umlegen der Wippe der zweite Contact den Strom der Kette zunächst noch vom Muskel abblendete und dass erst im Moment der Oefinung des Contactes der Strom sich durch den Muskel ergiessen konnte. Der Verlauf des Ver- suches war nun folgender: zuerst wurde bei dauernder Lage des Bügels in der ersten Anordnung die Curve 4 (Fig.5 Taf. V) durch alleinige Einwirkung des Oeffnungsschlages auf den Muskel gewonnen; dann wurde die Wippe um- gelegt und in einem neuen Versuch die Curve 5 als Schliessungszuckung durch einen constanten Strom gezeichnet. Der zweite Contact wurde etwas näher dem ersten gerückt, der Bügel in die erste Stellung gelegt, die Kymogra- phion-Trommel in Bewegung gesetzt und unmittelbar nach der Oeffnung des ersten Contactes, welche deutlich gehört wurde, die Wippe schnell mit der Hand umgelegt, und als nun der Stift der Kymographiontrommel den zweiten Platincontact öffnete, konnte sich der Kettenstrom durch den Muskel ergiessen ohne dass die secundäre Spirale eine Nebenleitung gebildet hätte. Es wurde so die summirte Zuckung der Curve 6 gewonnen, und es ergab sich, dass der zweite Contact, um den vorgesetzten Zweck zu erreichen, etwas mehr dem ersten genähert werden musste; dies geschah, die Wippe wurde wieder zurückgelest und die Curve 7 gewonnen. Dieselbe zeigt nun, dass durch einen auf der Höhe der durch Abkühlung beträchtlich ver- “ längerten Zuckungscurve in den Muskel hereinbrechenden constanten Strom auf gewöhnliche Weise eine Summation der Erregung, welche zu Ver- grösserung der Zuckungsdauer führt, bewirkt wird. Ein Erfolg, wie ihn Biedermann bei dem Veratrinmuskel gesehen hatte, trat nicht ein. Dieser Versuch wurde öfters mit gleichem Erfolg wiederholt. Abkühlung bei isometrischem Verfahren. Die Curvenreihen Fig. 6 4 und 3 sind in unmittelbarer Aufeinander- folge von dem Gastroknemius eines einen Tag zuvor curarisirten Frosches ge- TEMPERATUREINFLUSS A. D. LEISTUNGSFÄHIGKEIT D, MUSKELSUBSTANZ. 83 nommen worden. Die Strichreihe 1 ist bei demselben übermaximalen Reiz (2 Dan., Rollenabstand 0 u. s. w.) und still stehender Trommel im Reiz- intervall von einer halben Minute entstanden und zeigt das Phaenomen der Treppe. Nachdem die Erregbarkeit des Muskels durch die voraufge- sangenen Reize annähernd constant geworden war, konnte zum Beginn der eigentlichen Versuchsreihe geschritten werden. Curve 2 wurde eine Minute nach Beendigung der Reihe 1 bei Zimmertemperatur (17°) genommen; dann wurde eine starke Kältemischung in das Becken gethan und die nächst höhere Curve drei Minuten nach Curve 2 gezeichnet. Von jetzt ab folsten sich die Curven bis zu Nummer 16 mit dem Reizintervall von je einer Minute, während sich der Muskel mehr und mehr abkühlte. Das Thermometer in dem Behälter zeigte um diese Zeit — 10° an. Der Ueber- sichtlichkeit wegen wurde die Trommel gehoben und die Ourvenreihe Fie. 6 2, Nummer 17 bis 25 mit einem Reizintervall von meistens zwei Minuten eezeichnet, so dass bei Nr. 25, bei welcher die Abweichung der Curve aus der Abscissenlinie minimal geworden ist, die erkältende Wirkung 32 Minuten gedauert hatte. Jetzt war der Muskel wahrscheinlich gefroren und eine Wieder- erholung desselben trat nicht ein, obgleich für ein sofortiges und nicht zu schnelles Ansteigen der Temperatur gesorgt wurde. Die Curvenreihe Fig. 6 4 eignet sich vorzüglich zum Vergleich mit der Curvenreihe Fig. 2, welche unter gleichen Bedingungen bei isotonischem Verfahren gewonnen wurde, und welche bis auf gewisse Unterschiede in der Form des Zuckungsverlaufs, welche später noch deutlicher hervortreten werden, fast symmetrisch ist. Curvenreihe Fig. 6 3 diente dazu, die Frage zu beantworten, ob ein Muskel, der durch allmählich fortschreitende Abkühlung einmal unerregbar geworden ist, sich wieder erholen kann: wir müssen diese Frage nach dem Ergebnisse dieses Versuchs und vieler analoger verneinen. Die Curvenreihen Fig. 7 A und 5 wurden bei einer bedeutend gerin- seren Umlaufsgeschwindigkeit der Trommel (1% = 0.027”) als die bis- herigen von dem Gastroknemius eines nicht curarisirten Frosches genommen; sie diener dazu, zu zeigen, dass ein bis in die Nähe der Unerreebarkeit abgekühlter isometrisch wirkender Muskel bei Wiedererwärmung seine Leistungsfähigkeit für isometrische Wirkungsweise annähernd wieder er- reichen kann, wie dies beim isotonischen Verfahren in Fig. 3 A, B, C demonstrirt ist. Curve 1 wurde bei 17° gezeichnet, dann 5 Minuten später, nachdem Kältemischung in das Becken gethan war, Curve 2 und mit Reiz- intervall von je 3 Minuten die Curven bis Nr. 9. Jetzt wurde der Muskel vorsichtig wieder erwärmt bis Zimmertemperatur und nach 19 Minuten als zu erwarten war, dass er die Zimmertemperatur angenommen hatte, wurde Curve 10 gezeichnet. In derselben Weise wie vorher wurde wieder abge- kühlt und die Curvenreihe Fig. 7 B 11 bis 18 in analoger Weise genommen. 6* 84 J. GAD unD J. F. Hrymans: Bis auf den zum Theil wohl schon auf die gewöhnliche Ermüdung zu be- ziehenden Unterschied in der Grösse der entwickelten Spannung ist die Uebereinstimmung in beiden Curvenreihen eine sehr befriedigende. Hier tritt uns zum ersten Mal ein typischer Unterschied in dem Zuckungsverlauf bei isometrischem Verfahren gegen den bei isotonischem sehr deutlich entgegen; es ist die Plateaubildung auf der Höhe der isome- trischen Curven, namentlich bei mässiger Abkühlung des Muskels, welche bei isotonischen Zuckungen unter unseren Versuchsbedingungen nie hervor- getreten ist. Dieser Punkt ist wichtig genug, um hier ausführlich behandelt zu werden an der Hand besonders lehrreicher und zu diesem Zweck ge- nommener Versuchsbeispiele. Die Ourvenreihen Fig. 8 4 und 2 (Taf. VI) zeigen abwechselnd bei isoto- nischem und isometrischem Verfahren genommene Curven unter verschiedenen Bedingungen der Temperatur. Sie stammen von einem curarisirten Gastro- knemius; der Trommelumlauf ist von 1°“ pro 0.0135”. Die mit dem Fortschreiten der Reihe abnehmende Temperatur betrug zu Anfang etwa 16°; man sieht, wie mit fortschreitender Temperaturabnahme ein typischer Unterschied zwischen isotonischem und isometrischem Zuckungsverlauf deut- lich hervortritt. Wesentlich für den Typus der isometrischen Zuckung ist die Entwickelung eines Plateaus, d. h. eines an Dauer mit sinkender Tem- peratur zunehmenden Verweilens bei gleicher maximaler Spannungshöhe; die isotonische Zuckung hat selbst bei niederen Temperaturgraden eine Kuppe aber kein eigentliches Plateau. Am deutlichsten ist der Unterschied in den Curven 7 und 8, 9 und 10. Weniger in die Augen fallend, aber ebenfalls ganz regelmässig wiederkehrend und bei gewissen Temperaturen am deutlichsten in die Erscheinung tretend, ist folgender Unterschied. Die isotonische Zuckung des wenig belasteten Muskels ist bei einem Minimum des Trägheitsmoments, wie Fick ausdrücklich hervorgehoben hat, im ersten Theil fast geradlinig ansteigend, nachdem sie unter scharfem Winkel die AÄbseisse verlassen hat; während für die isometrischen Zuckungen die Form zutreffend ist, wie sie früher als allgemein gültig für den Zuckungsverlauf betrachtet wurde, dass nämlich der ansteigende Ast zuerst seine Convexität, dann seine Concavität der Abscissenaxe zukehrt. Die Curvenreihen Fig. 9 4 und 2 betrefien das Latenzstadium bei iso- metrischem Verfahren und entsprechen den Curven Fig. 4 A und 2; sie entstammen einem curarisirten Gastroknemius, sind bei einer Umlaufsge- schwindigkeit von 1 °® in 0-0275” genommen. In Fig. 9 A ist 2 bei Zimmer- temperatur, 3 nach 6 Minuten und 4 nach 15 Minuten langer Einwirkung von Kältemischung gewonnen. In Fig. 9 Z ist 2 von einem einige Zeit bei 5° oehaltenen Muskel und 3 von demselben, nachdem er auf Zimmertem- MEMPERATUREINFLUSS A. D. LEISTUNGSFÄHIGKEIT D. MUSKELSUBSTANZ. 85 peratur gebracht war, genommen. Die Verticalen I in Fig. 9 4 und 3 markiren die Reizmomente.! Die Curvenreihe Fig. 10 ist in analoger Weise mit isometrischem Verfahren senommen wie Öurve V mit isotonischem. Der Muskel war ein curarisirter Gastroknemius von 3° bis 4%. Der Kettenstrom bewirkt auch bei Ein- wirkung auf der Höhe des sehr ausgesprochenen Plateaus einfach eine sum- mirte Erregung. Aufsteigende Temperatur mit isometrischem und isotonischem Verfahren. Curvenreihe Fig. 11 enthält alle Stadien von Zimmertemperatur (im Winter 16°) bis zur Wärmestarre. Die Curvenreihe ist bei einer anderen Versuchs- weise gewonnen als die bisher mitgetheilten. Der Cylinder des Kymagra- phions senkte sich bei seinen Umdrehungen automatisch, so dass die Abs- eissenlinie eine Spirale’ verzeichnete; 1°® der Abscisse = 0-0136”. Die Oeffnung des primären Stromkreises behufs Ertheilung des Reizschlages er- folgte mit der Hand. Die Curven 1 und 2 wurden gezeichnet als die Schreibfeder noch eine horizontale Abscisse aufschrieb; nach Curve 2 fing die Trommel an, sich zu senken, und als Curve 3 gezeichnet war, wurde sie noch einmal ange- halten. Die drei Curven wurden bei Zimmertemperatur (16°) erhalten; sie zeigen das Phaenomen der Treppe angedeutet. Nach Curve 3 wurde die Temperatur gesteigert auf die Weise wie es in der Tafelerklärung des An- hanges genau angegeben ist und die Curven 4,5 u.s. w. wurden so gezeichnet, dass nach jeder Curve die Trommel angehalten wurde. Die Höhe der Curve 4 ist geringer als die von Curve 3 und erst von 5 anfangend ist eine Erhöhung bemerkbar, welche nun aber schnell fort- schreitet. Diese Erhöhung ist nicht einfach auf Schleuderung träger Massen zu beziehen, wie aus dem Vergleich dieser Muskeleurven mit ähnlichen, auf oben angegebene Weise künstlich erzeugten hervorgeht. Der Curve 13, welche die höchste der Reihe ist, kommt gemäss ihrer Vergleichung mit solchen künstlichen Curven eine wahre Spannungsgrösse zu, welche der Ördinatenhöhe bis zu dem Strich « entspricht. Von Curve 13 an, wo die ziemlich schnell steigende Temperatur im Becken 33° betrug, nehmen die Curvenhöhen unter dem Einfluss der dar- ! Durch Hebung der Schraube unseres Apparates haben wir wiederholt den Muskeln verschiedene Anfangsspannungen gegeben und dabei ebenfalls bemerkt, dass das Latenzstadium dieselbe Dauer beibehält. Vergl. R. Tigerstedt, dies. Archw, 1885. Suppl. S. 246. 86 J. GAD unD J. F. Hrymans: über hinaus steigenden Temperatur mehr und mehr ab. Die Zusammen- ziehung zeigt eine regelmässige Dauer bis zur Ourve 16; von 17 an mischt sich etwas Contractur bei. Die Curve 18 und die folgenden sind wieder auf eine horizontale Abseisse aufgesetzt und von 21 an steht die Trommel still. Nach Curve 20 beginnt die Starre des Muskels sich zu zeigen, und schrieb hierbei die Spannungslinie 21 auf. Der wärmestarre Muskel bleibt kurze Zeit in diesem Spannungszustand, nach einigen Minuten erschlafft er allmählich. Diese Curvenreihe zeigt deutlich, dass der Muskel bei steigenden Tem- peraturen, bis zu 30° etwa, zunehmende Contractionsspannungen entwickelt und darüber hinaus bis zu 42° abnehmende. Die Reihe zeigt nicht, dass der Muskel seine Erregbarkeit vollkommen verliert ehe er einen Anfang von Wärmestarre zeigt, wir werden diese Thatsache an anderen Beispielen demonstriren. Das Vorliegende bildet einen Uebergang von den Curven Marey’s zu unserer Curvenreihe Fig. 13 4, welche nach unserer Ansicht der treue Ausdruck des Einflusses der mehr und mehr gesteigerten Temperatur ist. Wenn Marey die Wärmestarre eintreten sah, ohne dass die Erreg- barkeit vorher geschwunden war, so lag dies, wie wir glauben, daran, dass sich die Erwärmung zu schnell vollzog. Auf den ersten Blick scheint die Dauer des Stadiums der wachsenden Energie in den Öurven der Reihe Fie. 11 bedeutend grösser als die des Stadiums der sinkenden Energie. Theilweise ist dies eine Täuschung, denn statt die beiden Perioden auf verticale Or- dinaten zu beziehen, wie man es zu thun pflegt, muss man bedenken, dass die Ordinaten Kreisbögen mit einem Radius von 15°® sind (Länge des isometrischen Schreibhebels). Bringt man mit Hülfe des Zirkels die ent- sprechende Correction an, so findet man, dass das Stadium der wachsenden Enersie nur noch wenig länger erscheint, als das der sinkenden. In der eben abgehandelten Versuchsreihe konnten wir einen Tempe- raturpunkt der Muskelsubstanz mit Sicherheit angeben: der Muskel war vor Beginn des Versuches dauernd der Zimmertemperatur ausgesetzt ge- . wesen und musste dieselbe angenommen haben. Bei Erhöhung der Temperatur tritt zunächst eine kleine aber (im Original) deutliche Abnahme der Ordinaten- höhe ein. Der Versuch war im Winter angestellt worden. Als im Sommer die Zimmertemperatur höher war (21/,°) wurde die Versuchsreihe Fig. 12 genommen, bei Abkühlung des Muskels. Bei Curve 1 hatte der Muskel also sicher die Temperatur 21!/,°; jetzt sank die Höhe der isotonischen Curve zuerst ebenfalls bei Curve 2, um sich dann bei Curve 3 zu heben: hieraus ist zu schliessen, dass die Temperatur, bei welcher der Ordinatenwerth der Curve ein relatives Minimum erreicht, zwischen 21!/,° und 16° liegt, und in der That hatten wir aus einer grossen Zahl von Curvenreihen, bei denen unter Auf- und Absteigen mit der Temperatur bei isometrischem und isotonischem TEMPERATUREINFLUSS A. D. LEISTUNGSFÄHIGKEIT D. MUSKELSUBSTANZ. 87 Verfahren das relative Minimum passirt worden war, wo aber ein genaues objectives Kriterium für den jemaligen Temperaturgrad der Muskelsubstanz nicht vorlag, die dem genannten Minimum entsprechende Temperatur auf 19° geschätzt. Wir haben deshalb nicht Anstand genommen auf Taf. IV den Curven a und a’ in der schematischen Darstellung 4 und 4’ und dem relativen Minimum in den Curven © und C’ die Temperatur von 19° zuzuschreiben. Von einigem Interesse würde es sein, die Frage zu entscheiden, ob und in welchem Maasse die Ordinatenwerthe bei steigender Temperatur die- jenigen bei sinkender Temperatur überschreiten; es sieht oft so aus, als ob dieses Maass ein sehr beträchtliches wäre und Fick hat ja die Vermuthung ausgesprochen, dass bei Erhöhung der Temperatur auf einzelne Reize Zuckungshöhen von dem Werthe tetanischer Contractionen zu erzielen seien, ja dass diese maximalen einzelnen Erresungen bei erhöhter Temperatur unmittelbar in den Zustand der Wärmestarre übergingen. Wir haben schon gesehen und an einem ausführlichen Beispiel bei isometrischem Verfahren , Fig. 11, erläutert, dass die letztere Ansicht nicht richtig, wenigstens nicht allgemein zutreffend ist. Man kann in der That zwischen 30° und 40° eine continuirliche Abnahme der Ourvenhöhe beobachten noch ehe Wärmestarre beginnt. Bleibt dieses Intervall in einer Curvenreihe aus und findet von 19° bis 40° ein ununterbrochenes Ansteigen der Ordinaten- höhe statt, so sind auch Anzeichen vorhanden, dass es sich nicht mehr um _ reine einzelne Erregungen handelt, sondern in einem gewissen Bereich der Reihe treten dann doppelte Kuppen auf und die gesammte Dauer der Erregung nimmt mit wachsender Temperatur zu, statt abzunehmen oder wenigstens gleich zu bleiben, wie sie es in den reinen Fällen thut. Reine Beispiele des uns hier beschäftigten Intervalls bei isotonischem und isometrischem Verfahren stellen die Öurvenreihen der Figg. 13 A u. 3 dar. In Curvenreihe 13 4 stieg die Temperatur von 29° in 1 bis auf 42° in 12; in 13 3 war der Muskel bei 1 einer Temperatur von 30°, bei 7 einer Temperatur von 40° unterworfen. Einen extremen Gegensatz hierzu bilden Curvenreihen wie wir sie in diesem Intervall öfters beobachtet haben und von denen in Fig. 14 ein Bei- spiel gegeben ist. Obgleich der Reizapparat vollkommen normal functio- nirte und keinerlei Veranlassung zu mehrfachen elektrischen Reizungen gegeben waren, traten doch summirte Zuckungen auf. Curve 1 wurde bei 16°, Curve 2 und 3 dagegen wurden schnell darauf bei etwa 29° ge- zeichnet: dass es sich um summirte Erregungen handelt, kann man hier nur aus der Verlängerung der Zuckungsdauer vermuthen. In Curve 4, 5, 6, welche schnell danach bei 34° bis 36° entstanden, treten aber auch mehrfache Kuppen auf. So deutlich wie in diesem Beispiel tritt der zunächst 88 J. GAD unD J. F. Heymans: nur als abnorm zu bezeichnende Zustand des Muskels nun allerdings nicht immer hervor, hat man aber, wie wir, alle Uebergänge in zahlreichen Ver- suchsreihen zu sehen bekommen, so erhält man wenigstens ein subjectives Urtheil darüber, ob ein Versuch von dieser Complication frei ist. Die Curvenreihe Fig. 15 A u. B haben wir mit der Absicht unter die Beispiele aufgenommen, um das Verhältniss der maximalen Ordinaten- höhen zu erläutern. Das relative Maximum bei niedriger Temperatur war in Fig. 15 A sicher überschritten. Curve 2 ist höher wie 1, hier liegt also das eine Maximum. Dieses ist aber nicht vergleichbar mit dem bei hoher Tem- peratur gewonnenen. Die Curven 14, 15 haben eine längere Zuckungs- dauer wie 11, 12, 13; wir müssen also die Öurvenreihe nach allen unseren übrigen Erfahrungen für den gegebenen Zweck als unzureichend bezeichnen, und wir müssen Curvenreihen von dem Charakter wie ihn Beispiel XV 3 darstellt, als maassgebend betrachten. Curvenreihe XV 3 wurde bei iso- metrischem Verfahren und absteigender Temperatur von 32° anfangend sewonnen. In Curve 3 ist das Maximum erreicht; denn bei fortschreiten- der Abkühlung sinkt der Gipfel von 4 an. Nachdem bei etwa 19° das Minimum erreicht war, erhob sich der Curvengipfel bei fortschreitender Abkühlung wieder in typischer Weise und erreichte bei 6° in der Curve 18 eine Höhe, welche von dem zweiten Maximum nur noch sehr wenig entfernt sein konnte, höchstens nur um einen Bruchtheil der Differenz zwischen 18 und 17. Curve 3 erhebt sich beträchtlich über Curve 18 und auch nach Abzug des auf Schleuderung zu beziehenden Betrages oberhalb a in 3, bleibt a das Maximum noch über dem Gipfel von 18; es scheint also nach den Ergebnissen dieses und ähnlicher Versuchsbeispiele, dass bei isometrischem Verfahren und auch bei isotonischem das Maximum bei höheren Tempera- turen über demjenigen bei niedriger Temperatur liegt. Versuchsreihe Fig. 16 giebt uns Gelegenheit, die Complication mit Ermüdung zu besprechen. Der Gastroknemius, welcher diese Reihe lieferte, war vorher schon zweimal abwechselnd auf hohe und niedere Temperaturen unter regelmässiger Wiederholung der Reizungen gebracht worden. Bei der Temperatur von 31° gab er nur noch die niedrige Zuckungseurve 1; indess bei Erniedrigung der Temperatur erlangte er beinahe seine ursprüng- liche normale Contractilität wieder und zeigte bei noch niedrigeren Tem- peraturen die gewöhnliche Erhöhung des Spannungsmaximums. Die Curve 19 entspricht etwa 7°. Die Ermüdung des Muskels musste bei Curve 19 stärker sein als bei Curve 1, trotzdem trat sie in dem ersteren Falle noch nicht in die Erscheinung. Dieses Beispiel kann als typisch betrachtet werden. Bei einem Muskel, der mehr und mehr ermüdet, verschwindet zuerst die Steigerung der Hubhöhe und der Spannungsentwickelung durch Erwärmung, während der Anfangswerth beider Grössen bei Zimmertempe- . - B mm m nm m nn TEMPERATUREINFLUSS A. D. LEISTUNGSFÄHIGKEIT D. MUSKELSUBSTANZ. 89 ratur noch wenig abgenommen hat und die Steigerung derselben durch Kälte noch fortbesteht. Später vermindern sich Hubhöhe und Spannung bei gewöhnlicher Temperatur und nehmen bei Erwärmung ab. Schliesslich verschwindet auch die Steigerung durch Abkühlung. Einfluss der Temperatur auf den Tetanus. Das typische Verhalten des abgekühlten und erwärmten Muskels gegen tetanisirende Reize tritt uns in der Curvenreihen Fig. 17 A und 2 (Taf. VII) entgegen. Sie sind von einem curarisirten Sartorius gewonnen. Ein Cen- timeter gleich 0.215”. Die Weise, auf welche die tetanisirenden Reize an- gebracht wurden, ist oben angegeben (s. S. 71). In vorliegendem Versuchsbeispiele Fig. 17 A wurde mit einzelnen Reizen begonnen, welche die Curven von 1 bis 6 lieferten. Bei 1 und 2 hatte der Muskel noch die Zimmertemperatur von 14°, dann wurde der Muskel ziemlich schnell abgekühlt, während die Temperatur im Becken dauernd 3° betrug, und es wurde mit einzelnen Reizen in Intervallen von 2 Min. so lange fortgefahren, bis das Maximum der Hubhöhe bei niedriger Tem- peratur nahezu erreicht war (5 und 6). Eine Minute später wurde, wäh- rend der Muskel also noch nahezu dieselbe Temperatur wie in 6 besass, die Tetanuscurve 7 gezeichnet, dann schnell Erwärmung des Wassers im Becken von 3° bis auf 29° und in Intervallen von je 2 Minuten Zeichnung der Qurven 8, 9, 10,711. Die Tetanuscurve Fig. 17 5 12 entstand 5 Minuten später als die Temperatur im Becken auf 27° herab gegangen war, der Muskel aber wohl dieselbe Temperatur wie bei 11 noch haben mochte. Dann wurde die Temperatur im Becken wieder schnell bis auf 3° gesenkt und in Inter- vallen von je 2 Minuten entstanden die Curven 13, 14 und 15. Der Temperatur nach zusammengehörig sind 2 und 8 einerseits, 6 und 7 andererseits; der niedrigen einzelnen Zuckung entspricht die höhere Teta- nuscurve bei Zimmertemperatur und der höheren einzelnen Zuckung die niedrige Tetanuscurve bei niedriger Temperatur. Im letzten Fall steigt die Tetanuscurve ebenso wie die einzelne Zuckung langsam an und ab. Noch höher wie die Tetanuscurve bei Zimmerwärme wurde die Tetanuscurve bei höheren Temperaturen und letztere steigt auch zu ihrem Maximum schneller an, auf welchem sie sich aber nicht lange erhalten kann, von 7 bis 10 hat die Summirbarkeit stark zugenommen, oberhalb 8 aber auch die Er- müdbarkeit. Dieselben Verhältnisse treten auch bei Wiederabnehmen der Temperatur von 12 bis 15 in ihren wesentlichen Zügen wieder hervor. Nach Beendigung der zweiten Curvenreihe wurde der Muskel wärme- starr gemacht, wobei er die Linie 16 aufschrieb. Auch dies ist typisch, denn 90 J. GAD unD J. F. Hrymans: bei isotonischem Verhalten übertrifft die Verkürzung durch Wärmestarre nicht nur das höchste Maximum nach einzelnem Reiz des erwärmten Muskels, sondern auch die grösste erzielbare Tetanushöhe. Die eben geschilderten Curvenreihen bringen den typischen Sachver- halt darum so rein zum Ausdruck, weil bei ihnen die Contractur eine sehr geringe Rolle gespielt hat; bekanntlich mischt sich dieselbe gerade bei Te- tanusversuchen sehr leicht mit ein und sie hat dann, wie ebenfalls bekannt ist, ein continuirliches Ansteigen der Tetanuscurve zur Folge. Bohr hat diesen Puukt eingehend erörtert. In solchen Fällen kann das schnelle Ab- sinken der bei hohen Temperaturen gewonnenen anfänglich sehr hohen Tetanuscurven verdeckt werden. Die Curven Fig. 18 A und 2, welche in analoger Weise wie 17 A und D von einem curarisirten Gastroknemius bei derselben Umlaufgeschwin- digkeit der Trommel genommen sind, geben hiervon ein Beispiel. In den Curvenbeispielen Fig. 17 4 und 3 war ein wichtiger Punkt des typischen Verhaltens noch nicht zum Ausdruck gekommen, weshalb zur Ergänzung noch ein Curvenbeispiel beigefügt werden muss. Uebersteigt nämlich die Wärme den Punkt, bei welchem das Maximum der Hubhöhe der einzelnen Zuckung liegt, so nimmt nicht nur die Hubhöhe der einzelnen Zuckung, sondern auch die anfängliche Tetanushöhe ab, man sieht dies in der Curvenreihe Fig. 19 A und 3. Die Tetanuscurve eines curarisirten Sar- torius bei Zimmertemperatur von 17° ist in Nummer 1 der Serie 4 dar- gestellt; sie zeigte bei 2° eine Abnahme zu Curve 2, bei —2° zu Curve 3, und bei — 3° zu Curve 4 der Reihe 3. Die Temperatur wurde darauf gehoben und wir erhielten die Curven 5 bis 8. Die Curve 7 entspricht der Temperatur von 28° und 8 derjenigen von 32°. Diese letzte erhebt sich im Vergleich zu der vorhergehenden steiler, erreicht schneller ihr Maximum, welches weniger hoch ist: und von dem sie hald absinkt. Man sieht also, dass die Summirung von Neuem abnimmt und dass auch die Ermüdung sich schneller geltend macht. Bei hohen Temperaturen büsst ‘der Muskel ebenso sehr an Summirbarkeit wie an Erregbarkeit ein. Was wir bisher gesagt und gezeigt haben, bezieht sich allein auf die Tetanuscurven bei isotonischem Verfahren, die isometrischen Tetanuscurven der Versuchsreihen Fig. 20 4 und D lassen aber erkennen, dass sie auf die- selbe Weise wie jene durch die Temperatur beeinflusst werden. Sie wurden von einem curarisirten Gastroknemius geschrieben, während die Trommel eine Geschwindigkeit von 1°” in 0.06” hatte, die Abscissenlänge entspricht also 0.135” pro Centimeter. Die Curve 1 der Reihe A entspricht isome- trischem Tetanus bei Zimmertemperatur von 20°. Die Temperatur wurde darauf gesenkt und in Intervallen von fünf Minuten werden die Curve 2 TEMPERATUREINFLUSS A. D. LEISTUNGSFÄHIGKEIT D. MUSKELSUBSTANZ. 91 bei 10°, dıe Curve 3 bei 4° erhalten. Dann wurde die einfache Zuckung 4 aufgezeichnet, welche zugleich angiebt, in welchem Moment die letzte der tetanisirenden Reizungen erfolgte. Die Curve 5 entspricht der isometrischen Zuckung bei 2° und Curve 6 dem Tetanus bei gleicher Temperatur. Letztere wurde darauf erhöht und in Intervallen von vier Minuten wurden die Curven 7 bei 14°, 8 bei 20°, 9 bei 26°, 10 bei 32° geschrieben. Man sieht also aus diesem Beispiel, dass auch die isometrische Teta- nushöhe bei Senken der Temperatur abnimmt, bei Steigerung der Tempe- ratur zunächst zunimmt bis zu 30° um dann bei weiter erhöhter Tempe- ratur wieder abzunehmen. In Vorstehendem haben wir uns auf eine Beschreibung der von uns beobachteten Erscheinungen beschränkt. Wir haben uns allerdings bemüht, dieselben mittels schematischer Darstellungen in eine möglichst übersicht- liche Form zu bringen (Taf. IV), wir haben uns aber absichtich aller Deutungen und theoretischer Schlussfolgerungen enthalten. Damit aber die ermittelten Thatsachen bei dem weiteren Ausbau der theoretischen Vorstellungen von den Erregungsprocessen im Muskel Verwendung finden können, müssen sie einer kritischen Zergliederung unterworfen werden. Der Erregungsprocess pflanzt sich in der Muskelsubstanz wellenartig fort und es muss vor Allem ermittelt werden, welchen Antheil an den Aenderungen der Höhe, Länge, Form und Latenz der Zuckungscurven etwa auf Aenderungen der Fort- pflanzungsgeschwindigkeit der Erregungswelle und welcher aufeine Aenderung der Höhe, Länge und Form der Welle selbst zu beziehen ist. Wir werden zeigen können, dass ersterer Antheil bei den Aenderungen, welche unsere Curven zeigen, nicht in Betracht kommt, ausser bei den Aenderungen des Latenzstadiums.. Um dieses Ziel zu erreichen, werden wir uns einer, zuerst von Jendrässik eingeführten Betrachtungsweise bedienen, indem wir dieselbe freilich, unseren Zwecken entsprechend, erheblich modificiren müssen. Nehmen wir an, wir hätten dem Versuche (zunächst bei isotonischem Verfahren) einen Muskel unterworfen, welcher aus lauter gleich langen, parallelen, von dem einen zum anderen Muskelende reichenden Fasern bestände. Die Länge des Muskels sei gleich /. Es hindert uns nun Nichts, die Muskelsubstanz über die beiden Enden unseres Muskels hinaus beliebig weit verlängert zu denken und uns vorzustellen, dass eine einzelne Erregungs- welle die ganze Länge dieses in der Einbildung verlängerten Muskels durchlief. Um die Vorstellung zu fixiren, nehmen wir an, dass die Welle von links nach rechts hin fortschreite. Die Zeichnung @ auf Taf. VIII stellt 92 J. GAD unD J. F. Heymans: dann den Zustand dar in dem Moment, in welchem das vordere Ende der Welle eben in den reellen Muskel einzutreten im Begriff steht. Der die Welle - darstellende Curvenzug hat die Bedeutung, dass die Höhe jeder Ordinate die Intensität misst, welche der Erregungsprocess in dem dem Fusspunkte der Ordinate entsprechenden Querschnitt des Muskels zu dem betrachteten Zeitmoment hat. Fassen wir einen einzelnen Muskelquerschnitt in das Auge, so ist die zeitliche Aenderung der Intensität seines Erregungsprocesses von Null (beim Eintritt der Welle in den Querschnitt) durch ein Maximum (bei Lage des Wellengipfels über dem Muskelquerschnitt) bis wieder zu Null (beim Aus- tritt der Welle) einer Schwingung zu vergleichen. Von der Dauer dieser Schwingung und von der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Welle hängt die Wellenlänge in folgender Weise ab. Die Wellenlänge können wir definiren, als den Abstand zwischen zwei Muskelquerschnitten, welche sich zu derselben Zeit in derselben Schwingungs- phase befinden. Dieser Abstand muss von der Welle während der Dauer einer Schwingung durchlaufen werden, denn wenn die Schwingung von dem Muskelquerschnitt an dem einen Ende der Welle eben beendet wird, wird sie von demjenigen am anderen Ende eben begonnen. Der Abstand wird also um so grösser sein, je länger die Schwingungsdauer (s) und je grösser die Fortpflanzungsgeschwindigkeit (v) ist und für die Wellenlänge (A) gilt also: A=W.S Concentriren wir jetzt unsere Aufmerksamkeit auf unseren reellen Muskel, so leuchtet ein, dass eine Zuckung so lange dauern wird, als sich ein Theil der Erregungswelle über einem Muskelquerschnitt befindet. Diese Dauer erstreckt sich von dem Moment des Eintritts des vorderen Endes der Welle in das linke Muskelende bis zu dem Moment des Austritts des hinteren Wellenendes aus dem rechts gelegenen Muskelende, sie ist also gleich der Zeit, während welcher die Welle die Strecke /+4 mit der :Geschwindiekeit » durchläuft. Nennen wir die ganze Zuckungsdauer d, so folgt also: 8 I+4 a l nn A (2) ® © l ik Wir haben also jetzt die ganze Zuckungsdauer in zwei Summanden zerlegt, deren Einer nur von der Fortpflanzungsgeschwindigkeit und nicht von der Schwingungsdauer, deren Anderer nur von der Schwingungsdauer und nicht von der Fortpflanzungsgeschwindigkeit abhängt und wir können jetzt dazu übergehen den Antheil abzuschätzen, welchen Aenderungen jedes TEMPERATUREINFLUSS A. D. LEISTUNGSFÄHIGKEIT D. MUSKELSUBSTANZ. 93 dieser Factoren an den von uns beobachteten Aenderungen der Zuckungs- dauer gehabt haben können. ‘Die Grösse, welche wir als Schwingungesdauer definirt haben — d.h. die Zeit während welcher in einem Muskelquerschnitt der Erregungsprocess abläuft — sind wir vorläufig nicht in der Lage, mit einiger Genauigkeit im Experiment direct zu ermitteln. Dagegen lässt sich die Fortpflanzungs- geschwindigkeit der Erregungswelle im Muskel mit einem für unsere Zwecke einigermaassen ausreichenden Grade von Annäherung bestimmen. Es liegt sogar eine ganze Anzahl solcher Bestimmungen in der Litteratur vor, welche aber bisher erheblich im Resultat von einander abweichen. Wir haben uns deshalb selbst an das Experiment gemacht, um so lieber, als wir das Interesse hatten, den Einfluss der Temperatur auf die Fortpflanzungs- geschwindigkeit genauer kennen zu lernen, als dies auf Grund der Angaben früherer Autoren möglich ist. Ausserdem musste uns daran liegen, die Aenderung der Fortpflanzungs- geschwindigkeit durch die Temperatur unter Bedingungen zu bestimmen, welche den in unseren übrigen Versuchen vorhandenen einigermaassen ähnlich waren. Da wir aus diesem Grunde maximale Reize anwenden mussten, welche den absoluten Werth der Bestimmung mit einem Fehler behaften können, wollen wir auf unsere Bestimmung nur insofern Gewicht legen, als aus ihr die Grössenordnung folgt, für die Aenderung der Fort- pflanzungsgeschwindiekeit mit der Temperatur. Ein Sartorius von curarisirtem Frosche wurde mässig ausgespannt auf eme muldenförmige mit Tubulaturen versehene Unterlage von Blech ge- legt. Zwischen Muskel und Blech befand sich eine dünne Lage Kautschuk. Dem unteren Ende des Sartorius lagen in gegenseitigem Abstand von 22mm zwei Elektroden an, behufs Reizung des Muskels mit einzelnen maximalen Oeffnungsinductionsschlägen. Auf dem Muskel lagen in gegenseitigem Ab- stand von 22 "m zwei Hollunderplättchen auf, deren jedes mit einem leichten Fühlhebel passend verbunden war. Jeder der letzteren zeichnete die Ver- diekungseurve des unter seinem Plättchen gelegenen Muskelquerschnittes in ausreichender Vergrösserung auf die mit einer Geschwindigkeit von 1°” in 0-06 Secunden rotirende Kymographiontrommel auf. Wenn die Hebel- spitzen bei Beginn des Versuches nicht genau übereinander standen, so wurde ihr gegenseitiger horizontaler Abstand genau ermittelt. Aus der räumlichen Verschiebung zwischen den Erhebungspunkten beider Ourven in Verbindung mit dem Abstande der Plättchen auf dem Muskel von ein- ander, mit der Umlaufsgeschwindigkeit der Trommel und mit dem etwaigen horizontalen Abstand der Zeichenspitzen von einander würde sich, ohne die bei maximalen Reizen möglichen Complicationen, die Geschwindigkeit er- geben, mit welcher sich in jedem Versuche die Welle fortgepflanzt hat. 94 J. GAD unD J. F. Hrymans: Jeder Versuch wurde bei Zimmertemperatur begonnnen. Für die ferneren Versuche wurde nichts geändert, als dass die Trommel etwas ge- hoben oder gesenkt wurde, und dass der Muskel mittels Durchleiten kalten Wassers oder unter Null abgekühlter Salzlösung durch die hohle Blech- unterlage abgekühlt wurde. So entstanden unmittelbar untereinander’stehende Reihen von Curvenpaaren und die Zunahme des horizontalen Abstandes zwischen den Fusspunkten je zweier zusammengehöriger Curven war ohne Weiteres als Maass der Abnahme der Fortpflanzungsgeschwindigkeit bei abnehmender Temperatur zu benutzen. Dieses Maass ist von den ange- deuteten Complicationen frei. Curvenreihe Fig. 21 Taf. VII ist ein Beispiel einer solchen Versuchsreihe. Aus dieser, wie aus unseren übrigen Versuchsreihen würde sich die Fort- pflanzungsgeschwindigkeit bei Zimmertemperatur zu etwa 10 Meter in der Secunde ergeben und eine Abnahme der Fortpflanzungsgeschwindiekeit auf etwa die Hälfte dieses Werthes bei Abkühlung des Muskels bis auf etwa 5°. Letzterer Punkt ist der einzige, auf welchen wir Gewicht legen wollen. Den absoluten Werth der Fortpflanzungsgeschwindiekeit werden wir bei unseren ferneren Betrachtungen den Bestimmungen von L. Hermann entnehmen. Es mag übrigens darauf hingewiesen werden, dass die Dauer der Verdickungscurve des Muskels, wie sie in diesen Versuchen zur Er- scheinung kommt, wenn sie auch kein genaues Maass der Schwingungs- dauer ist, so doch mehr durch letztere als durch die Art der Fortpflanzung der Erregung im Muskel beeinflusst wird. Diese Verdickungscurven nehmen nun, wie man sieht, mit der Abkühlung sehr beträchtlich an Zeitdauer zu. Hieraus folgt schon, dass die Schwingungsdauer mehr durch die Temperatur beeinflusst wird, als die Fortpflanzungsgeschwindigkeit. Nehmen wir die mittlere Länge der von uns in den Hauptversuchen verwendeten Muskeln zu 3“ an, und benutzen wir die untere Grenze der von L. Hermann am Froschmuskel beschriebenen Fortpflanzungsgeschwin- digkeit (3 Meter in der Secunde), so wird für Zimmertemperatur: Ze =: x 1 Sec. = 0-01 Sec. ® Der Theil der gesammten Zuckungsdauer (0-1 bei Zimmertemperatur), welcher durch Variation der Fortpflanzungsgeschwindigkeit varirt werden kann, beträgt also etwa 0-01”, während der mit der Schwingungsdauer veränderliche Theil das neunfache, nämlich 0-69” umfasst. Mit sinkender Temperatur nimmt aber die. Fortpflanzungsgeschwindigkeit nur um die Hälfte ab, der erstere Theil der Zuckungsdauer also nur um das doppelte, auf 0-02” zu, während die gesammte Zuckungsdauer um das zehnfache und darüber zunimmt. Hieraus folgt mit voller Sicherheit, dass die von uns unter dem Einfluss der Temperaturänderungen beobachteten Aenderungen TEMPERATUREINRLUSS A. D. LEISTUNGSFÄHIGKEIT D. MUSKELSUBSTANZ. 95 der Zuckungsdauer von Aenderungen der Fortpflanzungsgeschwindiskeit nur ganz unwesentlich beeinflusst gewesen sein können. Es folgt aber ferner noch, dass auch alle Aenderungen, welche sich auf Curventheile beziehen, deren zeitlicher Werth nicht unter 0.02” sinkt, wesentlich auf Aenderungen des zeitlichen Ablaufes des Erregungsprocesses im einzelnen Muskelquerschnitt zu beziehen sind. Wir haben aber bis jetzt bei Vergleichung unserer Curven, sei es in Bezug auf Höhe oder Breite des Gipfels, Steilheit des An- und Abstieges u. s. w. nie Veranlassung gehabt, auf so kleine Zeitwerthe zurückzugehen. Die einzige Ausnahme hiervon bildet die Vergleichung des Latenzstadiums bei verschiedenen Tem- peraturen. Dies ist eine Zeitgrösse von gleicher Ordnung mit dem durch die Fortpflanzungsgeschwindigkeit veränderlichen Antheil der Zuckungsdauer. Wir werden deshalb bei der Beurtheilung der Bedeutung, welche den von uns beobachteten Variationen im Latenzstadium beizumessen ist, auf eine Trennung der im Muskelelement ablaufenden Processe von dem am Ge- sammtmuskel zu beobachteten Erscheinungen zurückzugreifen haben, welche der Eine von uns schon vor längerer Zeit bei anderer Gelegenheit durch- geführt hat. ! Die bisher angestellte Betrachtung könnte überflüssig erscheinen unter Berücksichtigung des Umständes, dass wir in unseren Hauptversuchen den Muskel stets mit Inductionsschlägen gereizt haben, welche ihn seiner ganzen Länge nach durchflossen. Für minimale Inductionsschläge hat aber Bie- dermann nachgewiesen, dass bei ihnen die Reizwirkung ausschliesslich von der Kathode ausgeht und sich von hieraus wellenartig über den Muskel ausbreitet. Dass dies auch für die von uns ausschliesslich benutzten maxi- malen Reizschläge volle Giltiekeit hat, ist zwar sehr unwahrscheinlich. Hier liegt aber doch die Annahme sehr nahe, dass wenn auch von jeder Elek- trode eine Erregungswelle ausgehe, die an der Kathode beginnende die weitaus stärkere sei; und dies würde vollkommen genügen, um dem etwaigen Einfluss der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Erregungswelle die Auf- merksamkeit zuzuwenden. Immerhin können wir wohl sagen, dass die Art, in welcher wir die Reizung ausgeübt haben, nur dazu beitragen kann, die Sicherheit zu vermehren, mit welcher wir die Aenderungen der Zuckung bei Aenderung der Temperatur — abgesehen von dem Latenzstadium — im Wesentlichen als den Ausdruck der Aenderungen der Processe im Muskelelemente selbst betrachten können. Schon Jendrässik hat mit Recht darauf hingewiesen, dass eine Be- dingung für das Auftreten eines Plateaus auf der Höhe der Zuckungscurve 1 J. Gad, Ueber das Latenzstadium des Muskelelementes und des Gesammt- muskels. Dies Archiv. 1879. 8.250. 96 J. GAD unD J. F. Hrymans: darin liegen könne, dass die Wellenlänge kürzer würde, als die Muskellänge. Man sieht die Richtigkeit dieses Ausspruches ein, wenn man bedenkt, dass die jeweilige Verkürzung des Muskels proportional ist dem Flächenraum des Wellenstückes, welches ‚sich gerade über dem Muskel befindet. Ist die Welle nun kürzer wie der Muskel, so muss die Höhe der Zuckungscurve so lange constant bleiben — ein Plateau muss sich zeigen — als Zeit ver- geht zwischen dem Eintritt des hinteren Endes der Welle in den Muskel, bis zum Austritt des vorderen aus dem Muskel. Bedenkt man, dass die obere Grenze der Muskelfaserlänge 5 m ist, so folgt aus der Gleichung A DS und aus den Grenzen, innerhalb welchen der Werth von v» eingeschlossen ist dass die Gleichung A, nicht leicht eintreten kann, in der That haben wir ja auch bei den isoto- nischen Zuckungen ein Plateau nie beobachtet. Dagegen gehört bei dem isometrischen Verfahren am abgekühlten Muskel die Plateaubildung zu den regelmässig eintretenden Erscheinungen. Für die isometrische Curve gilt es nicht, dass ihre Ordinaten proportion.l dem Flächenraum des in dem betreffenden Zeitmoment über dem Muskel be- findlichen Theiles der Welle sind. Dass dies für die Isotonie gilt, liegt daran, dass sich in Bezug auf die Verkürzung des Muskels der Effect des Erregungsprocesses in allen einzelnen Muskelquerschnitten einfach summirt. Bei isometrischem Verfahren dagegen, wenn es in ganz idealer Weise aus- führbar wäre, d. h. wenn der Muskel und seine Verbindungen mit dem Spannungszeichner absolut undehnbar wären und wenn auch die Feder des letzteren einen unendlich grossen Elasticitätscoeffieienten besässe, würde der Eifeet des Erregungsprocesses in verschiedenen Muskelquerschnitten sich gar nicht summiren, und die unter diesen Bedingungen allerdings unendlich niedrige isometrische Curve wäre in ihrem ansteigenden und absteigenden Theile der treue Ausdruck von dem zeitlichen Ablauf des Erregungsprocesses in dem einzelnen Muskelquerschnitte. Der aufsteigende Ast dieser Curve müsste aber mit dem absteigenden durch ein Plateau verbunden sein, dessen Länge der Zeit entspräche, während welcher sich das Maximum der Er- regungswelle über dem Muskel befindet. Die Dauer des Plateaus (p) wäre also bei idealem isometrischen Verfahren. pe Der Werth von n schwankt bei den von uns eingeführten Bedin- gungen, wie oben auseinandergesetzt wurde, zwischen 1 und 2 Hundertsteln der Secunde, während die von uns bei isometrischem Verfahren beobachteten Plateaus viel grössere Zeiträume umspannen. Wir können also das Auf- TEMPERATUREINFLUSS A. D. LEISTUNGSFÄHIGKEIT D. MUSKELSUBSTANZ. 97 treten und die Verlängerung derselben bei abnehmender Temperatur eben- falls nicht auf Aenderungen in der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Welle beziehen, sondern wir müssen daraus auf entsprechende Aenderungen in der Wellenform, insofern diese durch den zeitlichen Ablauf des Erregungs- ‘ processes im Muskelelement beeinflusst wird, schliessen. Wenn wir nun aber alle bei Temperaturänderungen eintretenden Aen- derungen der isotonischen und der isometrischen Curven — abgesehen von den Aenderungen des Latenzstadiums — im Wesentlichen auf Aenderungen des zeitlichen Verlaufes des Erregungsprocesses im Muskelelement zu beziehen haben, so erhält Vieles in den von uns beobachteten Erscheinungen einen paradoxen Anschein, wenigstens so lange wir, wie es gemeinhin geschieht, den Erresungsprocess als einen einheitlichen betrachten. Wie sollen wir es uns vermittelt denken, dass die Intensität dieses Processes unter gewissen Bedingungen schneller dem Maximum zustrebt, als sie auf Null zurücksinkt (Temperaturen über 30°, Ermüdung), dass sie unter anderen Bedingungen im Gegentheil schneller absinkt als sie angestiegen war (Temperaturen unter 19°) und dass sie unter gewissen Bedingungen wiederum geraume Zeit in constanter Höhe anhält, ehe sie jäh abzusinken beginnt (Isometrie unter 19%)? Hierüber könnte man sich vielleicht noch beruhigen, die Erklärung von der zufälligen Weiterentwickelung unserer Erkenntnisse erwartend. Nicht denselben Gleichmuth können wir aber bewahren angesichts der Nöthigung, uns vorzustellen, dass die maximale Intensität, bis zu welcher ein einheitlicher chemischer Process ansteigen kann, eine so verwickelte Function der Temperatur sein solle, wie es nach den Curven a und a’ in C und C’ auf Taf. IV erscheinen müsste. Dass die Schnelligkeit des Ab- laufes und die erreichbare Intensität eines chemischen Processes Function der Temperatur sei, ist zu erwarten, dass aber die erreichbare Intensität bei Temperaturen unter 19° nicht weiter mit der Temperatur abnehmen, sondern erheblich wieder steigen soll, erscheint angesichts aller sonstigen Erfahrungen vollkommen paradox. Man kommt aus dem Dilemma auch nicht heraus durch die Annahme, dass zwar der als einheitlich gedachte chemische Process im Muskel, pro- portional seiner jeweiligen Intensität, die Längsattraction zwischen den Mo- lecülen der eigentlichen contractilen Substanz verstärkte, dass aber bei der hierdurch bewirkten Formänderung elastische Elemente des Muskels oder der Muskelsubstanz gedehnt würden. Die Ueberlegenheit der Muskelver- kürzung bei 8° über diejenige bei 19° könnte dann allerdings durch die weitere, nicht gerade paradoxe Annahme erklärt werden, dass die Intensität des Erregungsprocesses unterhalb 19° zwar beständig abnähme, dass gleich- zeitig aber auch der Elastieitätscoefficient jener elastischen Elemente ge- tinger würde. Bei geringerer Längsattraction und gesteigerter Querdehn- Archivf. A.u. Ph. 1890. Physiol. Abthlg,. Suppl. 7 98 J. Gan un J. F. Hrymans: barkeit könnte allerdings eine grössere Verkürzung resultiren. Die völlige Haltlosigkeit dieser Annahme leuchtet aber sofort ein, wenn man beachtet dass auch die isometrische Curve unterhalb 19° an Höhe beträchtlich zu- nimmt. Hier ist von einer irgendwie nennenswerthen Formänderung, durch welche allein elastische Kräfte in den nicht am Erregungsprocess bethei- ligten Gebilden des Muskels wachgerufen werden könnten, gar nicht die Rede. Die elastischen Kräfte, mit denen die Längsattraction der Moleküle bei der Erregung in Wettstreit geräth, liegen hier so gut wie ganz ausser- halb des Muskels, nämlich in der Feder des Kraftmessers und der, Elasti- eitätscoefficient dieser Feder wird durch die von uns eingeführten Trempe- raturänderungen nicht berührt. Die Zunahme der erreichbaren Spannung mit abnehmender Temperatur ist also fast rein auf Zunahme der erreich- baren Längsattraction der Moleküle der erregbaren Muskelsubstanz zu be- ziehen und das von uns hervorgehobene Paradoxon bleibt also in vollem Umfange bestehen. Die Bündigkeit dieses Schlusses rechtfertigt beiläufig die Wichtigkeit, welche wir von Anfang an der vergleichenden Ausnutzung des isotonischen und isometrischen Verfahrens beigelegt haben. Wir sind jetzt Schritt vor Schritt in ganz logischer Weise dazu ge- drängt worden, die Annahme der Einheitlichkeit des Erregungsprocesses im Muskel als nicht vereinbar mit unseren Erfahrungen zu bezeichnen. Thatsächlich vertritt nun Fick! schon seit Jahren die Ansicht, dass | der der Erresung des Muskels zu Grunde liegende chemische Process kein einheitlicher sei! Durch einen Theil des Processes soll ein Product geliefert worden, dessen Anwesenheit in der Muskelsubstanz eine Steigerung der Längsattraction der Moleküle mit sich bringe. Dieses Product soll durch den zweiten Theil des Processes wieder zerstört werden, wonach der Muskel seinen früheren Zustand wieder erreicht.” Um diese Vorstellung durch ein einfaches Beispiel greifbar zu machen, schlug Fick vor, man solle sich denken, dass der chemische Process zwar insofern ein einheitlicher sei, als in seinem ganzen Verlauf Verbrennungen stattfänden, dass aber die Ver- brennung von Glycogen und Fett bei dem ersten Theil des Processes nur bis zur Bildung von Milchsäure vorschreite, während im zweiten Theil dann die Milchsäure weiter zu Kohlensäure und Wasser verbrannt würde. Pro- portional zu dem jeweiligen Ueberschusse von gebildeter über weiter ver- brannte Milchsäure kann dann die molekulare Attraction, wie bei Gerin- ! A. Fick, Mechanische Arbeit und Wärmeentwickelung bei der Muskelthätigkeit. Internationale wissenschaftliche Bibliothek. Leipzig 1882. Bd. LI. S. 197. ? Genau betrachtet würde der frühere Zustand in diesem Moment nicht voll- ständig erreicht sein. Die Summe potentieller chemischer Energie im Muskel ist ver- ringert. Der Restitutionsprocess, durch welchen die Summe wieder auf die alte Höhe gebracht werden kann, haben wir keine Veranlassung hier in Betracht zu ziehen. TEMPERATUREINFLUSS A. D. LEISIUNGSFÄHIGKEIT D. MUSKELSUBSTANZ. 99 nungen, zugenommen haben. Nach dieser Auffassung würden die Ordi- naten unserer Curven als proportional zu betrachten sein, einerseits der jeweiligen Intensität der molekularen Längsattraction, andererseits der Diffe- renz zwischen den Wirkungen zweier chemischer Processe, mit welcher Differenz eben die Intensität jener Kraft zu- und abnimmt. Beziehen wir die Wirkung beider Processe auf dieselbe hypothetische intermediäre Substanz, beispielsweise Milchsäure, so können wir den einen Process als einen positiven und den anderen als einen negativen bezeichnen. Die Wirkung des ersten Processes besteht in der Bildung, die des zweiten in der Zerstörung einer gewissen Menge Milchsäure. Der zeitliche Verlauf der Bildung und der zeitliche Verlauf der Zerstörung des Zwischenproducts kann je durch eine Curve ausgedrückt werden. Die Ordinaten der ersten Curve werden anzeigen, wieviel von dem Zwischenproduct in jedem Zeit- moment vorhanden wäre, wenn der zweite Process weggedacht würde. Diese Curve muss also von Null bis zu einem endlichen Werth aufsteigen und auf diesem verharren. Die Ordinaten der zweiten Curve werden anzeigen, wieviel von der Substanz wieder zerstört ist. Diese zweite Curve muss naturgemäss später von Null aufsteigen wie die erste und sie wird, voraus- gesetzt, dass nach Ablauf beider Processe der alte Zustand wieder hergestellt sein soll, sich zu demselben Maximum erheben und ebenfalls auf diesem verharren. Die zweite Curve muss sich bis zuletzt unterhalb der ersten halten und aus der Differenz der Ordinaten beider können wir leicht die Ördinatenhöhen der entsprechenden Zuckungscurve entnehmen. Umgekehrt können wir auch zu jeder im Experiment gewonnenen Zuckungscurve ein Paar Öurven der beschriebenen Art construiren. Wir haben dies in den schematischen Darstellungen / auf Taf. VIII ausgeführt, indem wir die isotonischen Curven a, 5, c, d, u. s. w. der schematischen Dar- stellung A auf Taf. IV der Construction (unter Reduction der Ordinatenhöhen auf etwa die Hälfte) zu Grunde legten. Die Differenz der Ordinaten z’ und «@" ist den entsprechenden Ordinaten a gleichgemacht und so fort. Man sieht, dass die Reihe der Curven, welche bei verschiedenen Temperaturen von 40° bis 0° im Experiment erhalten worden sind, erhalten werden können, indem man die Curven der positiven und negativen Wirkungen chemischer Processe im Muskel mit abnehmender Temperatur continuirlich an Höhe und Steilheit des Verlaufes abnehmen lässt und dadurch, dass man den zweiten Process mit immer grösserer Verspätung beginnen lässt. Alles Paradoxe ist bei dieser Betrachtungsweise geschwunden, denn dass chemische Processe mit abnehmender Temperatur an Intensität und Schnellig- keit des Verlaufes einbüssen werden, ist durchaus zu erwarten und ebenso, dass dann auch die Verspätung zunehmen kann, nach welcher die Wirkung eines solchen Processes merklich zu werden beginnt. Die Wahrscheinlich- Me 100 J. GAD unD J.F. Hrymans: keit dafür, dass wir mit unserer Betrachtungsweise das Richtige getroffen haben, wird erhöht durch den Umstand, dass bei Temperaturen unterhalb 19°, wo die Curvenhöhe beträchtlich zugenommen hat, ein stärkerer Reiz erforderlich ist, um eben eine minimale Zuckung auszulösen, als bei 19° und darüber. Es braucht kaum bemerkt zu werden, dass unsere Curven @’ und «” ß' und £” u.s. w. nicht die einzigen sind, welche die Bedingung erfüllen, dass die Differenzen ihrer Ordinaten gleich den entsprechenden Ordinaten der Curven a, 5 u.s. w. sind. Es ist aber sehr bemerkenswerth, dass sich Curven, welche diese Bedingung erfüllen und welche keine Unwahrscheinlichkeiten in sich schliessen, leicht construiren lassen. In welcher Beziehung übrigens die Curve @’ zu der Curve des von uns als positiv bezeichneten chemischen Processes steht, geht aus der unterhalb «a gegebenen Construction hervor. Die Curve « soll den zeitlichen Verlauf der Wirkung dieses chemischen Processes darstellen. Ihre Ordinaten müssen also proportional mit dem Flächenraum wachsen, welcher von der, den zeitlichen Verlauf der Inten- sität des chemischen Processes darstellenden Curve begrenzt wird. Eine Curve, welche in diesem Verhältniss zu der Curve « stände, wäre z. B. die Curve 7. Unter diesem Bilde könnte man sich also in diesem Falle den zeitlichen Verlauf desjenigen Theiles des Erregungsprocesses vorstellen, bei welchem Kohlehydrat zu Milchsäure verbrannt wird. Eine ähnliche Curve würde den zeitlichen Verlauf des zweiten Theiles des chemischen Processes darstellen und der Summe der von beiden Curven begrenzten Flächenräume proportional würde die Wärmemenge sein, welche bei der Zuckung unter solchen Bedingungen entsteht, unter welchen Fick die Wärmebildung im Muskel zu messen pflegt, d. h. unter Bedingungen, bei welchen sämmtliche bei der Erregung verbrauchte potentielle chemische Energie als Wärme im Muskel erscheinen kann. Ebenso wie zu der Ourvenreihe a, 5, c u. s. w. liesse sich nun auch zu jeder anderen Curve mit abweichendem Verhalten, wie z. B. zu Ermüdungs- curven, zu Curven mit starker Contractur, zu Curven des mit Veratrin vergifteten Muskels u. s. w. entsprechende Curvenpaare construiren und solche Constructionen könnten wohl geeignet sein, als Basis für eine Discussion über die Ursachen des abweichenden Verhaltens zu dienen. Die Voraus- setzungen für unsere ganze Betrachtungsweise sind aber noch zu wenig gesichert, als dass wir es für zeitgemäss halten könnten, hier weiter in Details einzugehen. Nur zur Demonstation der Art, wie die Bedingungen der Plateaubildung bei isometrischem Regime gedacht werden könnten, haben wir eine Construction in d,, P} , A, ausgeführt. Der Hauptzweck, welchen wir bei unseren Constructionen verfolgten, und welchen wir auch erreicht zu haben glauben, war der, zu zeigen, wie - | TEMPERATUREINFLUSS A. D. LEISTUNGSFÄHIGKEIT D. MUSKELSUBSTANZ,. 101 gut geeignet die Fick’sche Hypothese ist, um die Paradoxien, welche die von uns constatirten Thatsachen darbieten, zu eliminiren. Da wir gefunden haben, dass keine der bisher aufgestellten Theorien der Muskelcontraction bis herab auf die neueste pyroelektrische das Gleiche zu leisten im Stande ist, so glauben wir Fick’s Hypothese Allen, welche sich an dem Ausbau der Lehre von der Muskelerregung betheiligen wollen, dringend empfehlen zu sollen. Jedenfalls werden wir uns selbst bei unseren eigenen weiteren Bestrebungen durch dieselbe leiten lassen, so lange bis auch sie uns etwa in Widerspruch mit Thatsachen bringen sollte. Es mag übrigens bei dieser Gelegenheit bemerkt werden, dass die Vor- stellung, welche Fick gewissermaassen nur beispielsweise angeregt hat, dass das Zwischenproduct, mit dessen im Muskel vorhandener Quantität die Con- traction zu- und abnehmen solle, Milchsäure sein könne, inzwischen von anderer Seite einige weitere Stützen durch Thatsachen erfahren hat. Frey! hat bei Versuchen an blutdurchströmten überlebenden Warmblütermuskeln sefunden, dass bei der Thätigkeit solcher Muskeln, welche also unter Be- dingungen arbeiten, bei denen starke Contracturen, zurückführbar auf mangelhafte Entwickelung des zweiten Fick’schen Processes, zu erwarten sind, weit weniger Kohlensäure gebildet wird, als nach den Erfahrungen am intacten Organismus zu erwarten sein würde, dass aber soviel Milch- säure in dem diese Muskeln durchströmenden Blut gefunden wird, dass ihre Verbrennung zu Kohlensäure das Defieit decken würde. Ein neues Beispiel für die Ueberlegenheit der Fick’schen Hypothese über andere Theorien der Muskelcontraction beigebracht zu haben, halten wir nun in der That für die beste theoretische Frucht unserer vorliegen- den Experimental-Untersuchung. Die Mannigfaltigkeit der zum Theil neuen, zum Theil in übersichtlicherer Form bestätigten älteren Thatsachen, welche in unseren Curven enthalten sind, drängen aber noch zu anderen theoretischen Betrachtungen, von denen wir einige, mit Beschränkung auf das Wichtigste, andeuten wollen. Wir beginnen mit dem, was sich auf Grund unserer Versuche über das Latenzstadium aussagen lässt. Die Zeitdauer, welche man gemeinhin als Latenzstadium zu bezeichnen pflegt, und welche gemessen wird durch die Abscissenlänge zwischen der Marke des Reizmomentes und dem Beginn des Anstiegs der Zuckungscurve, hat sich in unseren Versuchen auf sehr deutliche Weise als Function der Temperatur erwiesen. Da wir die Tem- peraturen innerhalb beträchtlich weiterer Grenzen variirt haben, ‚als, dies Tigerstedt gethan hat, haben wir auch viel grössere Aenderungen des ! M.v. Frey, Versuche über den Stoffwechsel des Muskels. Dies Archiv. 1885, S. 533, A [e) 102 J. GAD un J. F. Heymans: Latenzstadiums erhalten und es hat sich gezeigt, dass die von ihm aus Mittelwerthen zahlreicher Versuche erschlossene Zunahme des Latenzsta- diums bei Abkühlung sowie die Abnahme bei Erwärmung nicht nur allge- mein giltig ist, sondern dass sie auch in einzelnen Versuchsreihen direct zur Anschauung gebracht werden kann. Es muss nun aber nothwendiger Weise unterschieden werden zwischen der Zeit, welche erforderlich ist, damit eine im Muskel schon eingetretene mechanische Zustandsänderung äusserlich merklich werde und der Zeit, welche vergeht von dem Moment, wo in dem einzelnen Muskelelement der Erregungsprocess beginnt und dem Beginn der sich hieran knüpfenden mechanischen Zustandsänderung in diesem Muskelelemente selbst. In der schon oben eitirten Arbeit hat der Eine von uns die erstere Zeit als das Latenzstadium des Gesammtmuskels und die letztere als das Latenzstadium des Muskelelements bezeichnet. Nur das Erstere ist bei dem gewöhnlichen Versuchsverfahren der Messung zugänglich und es wurde damals gezeigt, dass das Letztere unter Anderem aus dem Grunde thatsächlich kürzer sein müsse, als es nach dem Versuchsresultat erscheint, weil bei der wellen- articen Ausbreitung der Erregung im Muskel die zuerst oder am stärksten in Erregung gerathenen Muskelelemente dehnend auf die übrigen Muskel- elemente wirken, ehe eine Verkürzung des Gesammtmuskels zu Stande kommen kann. Diese Dehnung des einen Theiles des Muskels durch den schon in Contraction gerathenen anderen Theil wurde durch ein besonders hierfür ersonnenes Versuchsverfahren direct zur Anschauung gebracht. Hieraus und aus der oben durchgeführten quantitativen Betrachtung über den möglichen Einfluss von Aenderungen der Fortpflanzungsgesehwindigkeit bei Aenderungen der Temperatur folgt, dass die von uns beobachtete Zu- nahme des Latenzstadiums, wenigstens zum Theil auf die mit abnehmender Fortpflanzungsgeschwindigkeit zunehmende Zeit wird bezogen werden müssen, welche vom Beginn der mechanischen Zustandsänderung in dem zuerst er- regten Muskelelement vergeht, bis die Contractionen über die Dehnungen im Muskel die Oberhand gewinnen. Ferner ist zu berücksichtigen, dass auch die Verkürzung des Gesammt- muskels, nachdem sie einmal begonnen hat, eine gewisse Grösse erreichen muss, ehe sie durch Vermittelung unseres zusammengesetzten Apparates zum Ausdruck kommen kann und dass hierzu Zeit erforderlich ist. Diese Zeit, während welcher die schon begonnene Verkürzung des ganzen Muskels unmerklich bleibt, muss um so länger dauern, je langsamer die Ver- kürzung zuninmt. Einen Maassstab zur annähernden Schätzung des Ein- flusses dieses Factors auf das graphische Latenzstadium hat man in dem Grade der Steilheit des ersten Theiles des aufsteigenden Curvenschenkels. Je geringer diese Steilheit ist, um so grösser wird der Einfluss des in das TEMPERATUREINFLUSS A. D. LEISTUNGSFÄHIGKEIT D. MUSKELSUBSTANZ. 105 Auge gefassten Faetors sein. In der That nimmt nun die Steilheit des Anstiegs mit abnehmender Temperatur schnell ab und die gleichzeitig ein- tretende Verlängerung des Latenzstadiums kann gewiss zum Theil hierauf zurückgeführt werden. Anders ist dies bei Temperaturen oberhalb 30°. Hier nimmt das Latenzstadium bis zu den äussersten Temperaturen, bei denen der Muskel eben noch erregbar bleibt, beständig ab, obgleich hier die Steilheit des Anstiegs, gleichzeitig mit der Abnahme der Hubhöhe, eben- falls abnimmt. Hier haben wir also eine Aenderung in der Dauer des Latenzstadiums vor uns, welche von dem letzten Factor wenigstens frei ist. Diese Aenderung und ein gewisser Bruchtheil unserer übrigen, ja sehr auf- fallenden Aenderungen des Latenzstadiums ist also vielleicht auf eine Aende- rung des Latenzstadiums im Muskelelement selbst zu beziehen. Jedenfalls hat es gar keine Schwierigkeiten, sich vorzustellen, dass stets eine Zeit vergeht, in welcher der schon im Muskelelement begonnene Erregungsprocess noch nicht zu mechanischen Zustandsänderungen führt und dass diese Zeit mit abnehmender Temperatur wächst. Im Sinne der Fick’schen Hypothese brauchte man z. B. nur die Annahme zu machen, dass der chemische Process der Muskelerregung nicht sofort zur Bildung von Milchsäure, sondern zuvor zur Bildung eines anderen, mechanisch un- wirksamen Zwischenproducts führte. Jedes Molecül der contractilen Muskel- substanz enthält eine gewisse Summe chemischer potentieller Energie. In dem Moment, wo der Erregungsprocess das in das Auge gefasste Molecül ergreift, muss auch sofort eine Umsetzung zwischen den Atomen des Mole- cüls statt haben. Hierfür giebt es kein Latenzstadium. Die Frage nach der Existenz eines mechanischen Latenzstadiums des Muskelelements lässt sich dahin praecisiren, ob gleich bei den ersten intramolekularen Atomum- lagerungen mechanische Energie entwickelt wird oder nicht. Es liegt also weder eine theoretische Nöthigung vor, die Existenz eines mechanischen Latenzstadiums des Muskelelements zu leugnen und die Veränderlichkeit desselben durch die Temperatur zu bezweifeln, noch reicht sämmtliches, von uns und Anderen beigebrachte experimentelle Material aus, diese Fragen zu entscheiden. Es muss dies ausdrücklich hervorgehoben werden, weil die mehrfach citirte Abhandlung: „Ueber das Latenzstadium des Gesammt- muskels und des Muskelelements“ irrthümlich so gedeutet worden ist, als sollte die Existenz eines mechanischen Latenzstadiums des Muskelelements durch dieselbe widerlegt worden sein.! Die Abhandlung hatte aber, wie in ! The Journal of Physiology. Vol. X. p.1. Widersprüche, welche Hr. Yeo gegen Beobachtungen erhoben hat, welche in jener Abhandlung mitgetheilt wurden, sind Veranlassung gewesen, dass die den Beobachtungen zu Grunde liegenden Experi- mente von Mr. Cowl im Berliner physiologischen Institut wiederholt und erweitert worden sind. Alle Angaben jener Abhanıllung wurden bestätigt. Dies Archiv. 1889. 8.563, 104 J. GAD unD J.F. Heymans: ihrer Einleitung deutlich gesagt ist, den Zweck, den Unterschied klar zu legen, welcher zwischen dem Sinne der Zeiten liest, welche Bernstein als elektrisches und mechanisches Latenzstadium bestimmt hatte. Es wurde dann gezeigt, dass, wenn man das mechanische Latenzstadium ebenso auf das Muskelelement bezieht, wie das elektrische darauf bezogen werden muss, die zeitliche Differenz zwischen Beiden nicht mehr ausreicht, um die Bern- stein’sche Annahme bestehen zu lassen, nach welcher die elektrischen Processe im Muskel abgelaufen seien, ehe die mechanischen begönnen. In dieser Beziehung hat die Abhandlung ihren Zweck erreicht, denn Bern- stein! hat jetzt, genöthigt durch dieselbe, seinen Ausspruch dahin modifi- eirt, dass die elektrischen Zustandsänderungen im Muskel früher begönnen, als die mechanischen, was wohl richtig sein kann.” Hierüber mit ihm zu rechten, können wir getrost Regeczy? überlassen, welcher in der That die Existenz eines mechanischen Latenzstadiums im Muskelelement leugnet. Für uns gewinnt das Latenzstadium nur dann erhöhtes Interesse, wenn wir sehen, dass Schlüsse von grosser Tragweite, wie bei Bernstein’s erster Annahme, darauf gegründet werden sollen. Seitdem wir erkannt haben, von wie vielen, zum Theil recht unwesentlichen Factoren das der Bestim- mung zugängliche Latenzstadium des Gesammtmuskels abhängt, und wie schwer Schlüsse daraus auf das für die Theorie allem wichtige Latenzsta- dium des Muskelelements zu ziehen sind, glauben wir nicht, dass auf solche Bestimmungen viel Gewicht zu legen sein wird, ehe nicht etwa ganz neue Methoden gefunden sein werden. Unterschiede, wie wir sie in der Zunahme der Zuckungsgrösse bei abnehmender Temperatur beobachtet haben, scheinen uns zunächst geeigneter für solche Zwecke. Was im Uebrigen den Einfluss anlangt, welchen etwa sonst noch die Art des Ablaufes der Erregungswelle im Muskel auf unsere Curven gehabt ! J. Bernstein, Neue Theorie der Erregungsvorgänge und elektrischen Erschei- nungen an der Nerven- und Muskelfaser. Untersuchungen aus dem physiologischen Institut der Universität zu Halle. 1888. S. 94. ® Inzwischen hat Burdon Sanderson im Cenzralblatt für Physiologie, Bd. IV, S. 185 Versuche mitgetheilt, in denen das elektrische Latenzstadium des Gastroknemius länger erscheint, als das mechanische und aus denen er wegen der Unwahrscheinlich- keit dieses Resultats ohne weitere Begründung den Schluss zieht, dass beide Latenz- stadien gleich seien. Einem Umstand, der sich in den Curven des Capillarelektro- meters übrigens auch ausgedrückt hat, ist nicht Rechnung getragen worden, dass nämlich am Gastroknemius die elektrische Stromschwankung doppelsinnig ist und dass die negative Phase dieser Erscheinung erst beginnen kann, wenn die „ Achillesspiegel- schwankung“ über die „Kniespiegelschwankung‘““ (welche gleichzeitig beginnen und zu Anfang gleich sein können), die Oberhand erhält. (Vergl. du Bois-Reymond in diesem Archiv, 1875, S. 664.) ® E.N. v. Regeczy, Pflüger’s Archiv u.s. w. Bd. XLIV. S. 584. TEMPERATUREINFLUSS A. D. LEISTUNGSFÄHIGKEIT D. MUSKELSUBSTANZ. 105 haben mag, so wollen wir nur andeuten, dass dies bezüglich der grösseren Concavität gegen die Abscisse am Anfang der isometrischen Ourven im Gegensatz zu den isotonischen der Fall gewesen sein wird. Eine Begründung dieser unserer Ansicht würde uns weiter führen, als der Bedeutung des Gegenstandes entsprechen würde Dagegen folgt wohl ohne Weiteres aus der obigen Abschätzung der möglichen Grösse jenes Einflusses, dass die grössere Schnelligkeit, mit welcher das isometrische Curvenmaximum im Gegensatz zum isotonischen erreicht wird, hiermit nichts Wesentliches zu thun hat. Wir haben diesen Unterschied in Uebereinstimmung mit Fick, bei den niederen Temperaturen jedoch in weit deutlicherer Weise, beob- achtet und hier ist die zeitliche Differenz grösser als die obere Grenze der auf jenen Einfluss zu beziehenden Zeitgrösse. Gerade auf Grund unserer Erfahrungen am abgekühlten Muskel (vgl. 5 und 6 Fig. 8 Taf. VI) haben wir die Ueberzeugung gewonnen, dass dieser wahrscheinlich bedeutungsvolle Unterschied zwischen isotonischer und isometrischer Zuckung auf Unter- schieden im zeitlichen Verlauf der Processe im Muskelelement zu beziehen ist, was mit Fick’s Ansicht übereinstimmen dürfte. Bedeutungsvoll nennen wir dies darum, weil Unterschiede des Ver- laufes des Erregungsprocesses im Muskelelement bei isotonischem und iso- metrischem Verfahren wahrscheinlich einst den Schlüssel liefern werden zu der Erklärung der merkwürdigen, von Heidenhain zuerst gefundenen und von Fick auf verschiedenen Wegen bestätigten Thatsache, dass der Muskel bei grösserem äusseren Widerstand gegen seine Verkürzung auch mehr Energie entwickelt. Wenn der Muskel ein grösseres Gewicht zu heben hat, so arbeitet er unter Bedingungen, welche sich denen der Iso- metrie nähern, die räumlichen Verschiebungen innerhalb der Muskelsubstanz werden kleiner und es ist sehr interessant, zu erfahren, wie hierdurch der zeitliche Verlauf der chemischen Processe im Muskel verändert wird. Wichtiger als Alles dieses scheinen uns nun aber vorläufig die Be- trachtungen zu sein, welche sich an das Intervall zwischen der Temperatur von 30° und derjenigen der Wärmestarre des Muskels knüpfen lassen. Dass es uns gelungen ist, die Erscheinungen dieses Intervalls rein heraus- zuschälen, betrachten wir als einen kleinen Triumph der inzwischen weiter vorgeschrittenen Experimentaltechnik. Es ist in der That sehr lehrreich, zu sehen, wie die Wirkungen des Muskels mehr und mehr durch Erhitzung abnehmen, beinahe bis auf Null, ohne dass noch eine Spur von Wärme- starre auftritt und ohne dass das innere Gefüge des Muskels dauernd ge- ändert wird. Dass Letzteres nicht geschehen ist, erkennt man mit aller Sicherheit daran, dass nach der Wiederabkühlung die Leistungsfähigkeit des Muskels — abgesehen von dem kleinen Einfluss der Ermüdung, welche im Verlauf der Versuchsreihe auch ohne Temperaturänderungen eingetreten 106 J. Gap unD J. F. Hrymans: sein würde —, dieselbe wird, wie vor der Frhitzung. Auf Grund dieser Erfahrungen ist man im Stande und gezwungen, die die Wärmestarre be- dingenden Vorgänge, weit schärfer als bisher geschah, in Gegensatz zu stellen nicht nur gegen die Erregungsprocesse im Muskel überhaupt, sondern auch gegen die Erregungsprocesse bei den höchsten für die Erreegbarkeit noch zulässigen Temperaturen. Aus unseren auf Grund der Fick’schen Hypothese ausgeführten Constructionen Taf. VIII geht hervor, dass man die Abnahme der Wirksamkeit des Muskels bei der Erhitzung wohl vereinigen kann mit der Annahme eines stetigen Fortschreitens in der Intensität beider chemischen Processe. Bis zum Aufhören der Erregbarkeit des Muskels oder, was dasselbe ist, bis zum ersten Beginn der Wärmestarre lässt sich auch bei Erhitzung dieselbe Betrachtungsweise anwenden, wie im ganzen übrigen Bereich der Temperatur-Variationen. Mit dem Ueberschreiten des für die Wärmestarre kritischen Temperaturpunktes hört dies auf. Wir können nicht einmal annehmen, dass nur der zweite der hypothetischen chemischen Processe (Verbrennung der Milchsäure zu Kohlensäure) nun plötzlich aus- bliebe und dass der erste der gedachten Processe wesentlich ebenso abliefe wie sonst. Formell liesse sich ja freilich das Verharren des Muskels im Maximum seiner Verkürzung hierdurch erklären, unverständlich bliebe aber das dauernde Erlöschen der Erregbarkeit! und noch unverständlicher wäre der von uns ermittelte und wiederholt betonte enorme Unterschied zwischen dem Verhältniss der bei Wärmestarre entwickelten Spannung zu der bei 19° durch maximale Reizung erreichbaren Spannung einerseits, und dem Verhältniss der bei Wärmestarre eintretenden Verkürzung zu der bei 19° durch maximale Reizung erreichbaren Verkürzung andererseits (Taf. IV Cu. C). Zudem ist der auf irgend eine Weise (durch gewöhnliches Absterben, Er- schöpfung, Erfrieren oder Erhitzen) seiner Erregbarheit definitiv verlustig ge- gangene Muskel im Stande, bei Wärmestarre denselben Grad der Verkürzung oder Spannung zu erreichen wie der intacte Muskel. Es bleibt in der That nur die Annahme übrig, dass die Natur des chemischen Processes, welcher . der Wärmestarre zu Grunde liegt, eine ganz andere ist als die Natur des chemischen Processes der Muskelerregung. ; Erhebliche Schwierigkeiten bietet die Deutung der Erscheinungen an ! Allerdings wäre wohl noch der Versuch zu wagen, ob ein eben wärmestarr gemachter Muskel bei seiner schleunigen Wiederabkühlung nicht durch Reizung wieder verlängert und so wieder befähigt werden könnte, wiederholte Reize mit wiederholten Contractionen zu beantworten. Aus Versuchen, welche wir in diesem Sinne angestellt haben, welche aber an dem Uebelstande leiden, dass man den Muskel in allen seinen Schichten nie gleichzeitig in denselben Zustand versetzen kann, geht hervor, dass die einmal der Wärmestarre verfallenen Muskeltheile unwiederbringlich die Erregbarkeit eingebüsst haben. TEMPERATUREINFLUSS A. D. LEISTUNGSFÄHIGKEIT D. MUSKELSUBSTANZ. 107 der unteren Grenze unseres Temperaturbereiches. Dass man den Muskel unter 0° abkühlen kann, ohne seine Erregbarkeit vorübergehend oder dauernd zu vernichten, kann zwar nicht Wunder nehmen, denn der Gefrierpunkt der interstitiellen Gewebeflüssigkeit sowohl wie der contractilen Substanz selbst muss unter Null Grad liegen. Was aber geschehen ist, wenn die Zuckung unter dem Einfluss der Kälte beinahe Null geworden ist, kann mit Sicherheit kaum gesagt werden. Gewiss wird die Intensität der che- mischen Processe in der contractilen Substanz mehr und mehr abnehmen. Könnten aber nicht die Molecüle derselben contractilen Substanz noch fähig sein, diesem Process zu verfallen, wenn die interstitielle Flüssigkeit schon erstarrt und jede Formänderung der contractilen Substanz dadurch unmög- lieh gemacht worden ist? Nach unseren Erfahrungen scheint dies nicht der Fall zu sein, denn wir haben den Muskel sich nur dann wieder von der Erkältung erholen sehen, wenn er nicht bis zur völligen Reactionslosig- keit abgekühlt worden war. Sobald er einmal aufgehört hat zu reagiren, muss also die erregbare Substanz selbst geschädigt worden sein. Dies kann freilich zu Stande kommen entweder dadurch, dass sie selbst gefriert, oder dadurch, dass sie bei Gefrieren der interstitiellen Gewebeflüssiekeit verletzt wird. Kühne und Hermann haben auch gesehen, dass Muskeln, die gefroren gewesen waren, nach ihrem Aufthauen noch gezuckt haben. Bei solchen Muskeln wäre an die doppelte Möglichkeit zu denken, dass entweder nur ihre interstitielle Gewebsflüssigkeit gefroren gewesen sei, die erregbare Muskelsubstanz aber noch nicht oder dass auch Letztere gefroren gewesen sei, ohne dass die Molekularstructur der Substanz dadurch gelitten hätte. Gewiss wäre es merkwürdig, wenn das Protoplasma selbst gefrieren könnte ' ohne zu sterben. Durch die Beobachtungen von Kühne und Hermann ist dies aber, wie wir sehen, nicht bewiesen! und nach unseren Erfahrungen ist es unwahrscheinlich. Allerdings könnte man gegen die Beweiskraft unserer Erfahrungen einwenden, dass sie insofern unter ungünstigen Be- ' dingungen gewonnen seien, als wir den Muskel bis kurz vor dem Gefrieren , immer noch zur Contraction gebracht haben und dass die Muskelsubstanz stärkere Insulte erlitte, wenn sie bei halbgefrorener Gewebsflüssigkeit zu ' Zuckungen veranlasst würde, als wenn sie bei dem Gefrieren in Ruhe bliebe. Wir glauben aber, dass dieser Einwand nicht stichhaltig ist, da wir bei '' demselben Versuchsverfahren die Leistungsfähigkeit des Muskels völlig ' wiederkehren sahen, wenn er zwar beinahe, aber eben nicht ganz bis zur ' Reactionslosigkeit erkältet worden war. Wie dem auch sei, uns will es | ! Ebensowenig wie durch die Beobachtung des Einen von uns, nach welcher der | N. vagus vom Kaninchen, wenn er hart gefroren gewesen war, wieder vollkommen N leitungsfähig werden kann. J. Gad, Die Regulirung der normalen Athmung. Dies 2 Archw. 1880. 8.17. 1 108 J. GAD unD J.F. Hrymans: nicht scheinen, als ob der Muskel sehr geeignet sei, die Frage zu entschei- den, bei welcher Temperatur lebendes Protoplasma gefriert (wenn es über- haupt gefriert) und ob einmal gefroren gewesenes thierisches Protoplasma noch lebensfähig sei. Besseren Aufschluss als vom Muskel wird man hier- über vielleicht von den leuchtenden Crustaceen der Polarmeere erhalten, welche Nordenskiöld bei sehr niederen Temperaturen des salzreichen Öceans seine Fussspuren längs des Gestades bezeichnen sah. Zum Schluss können wir es uns nicht versagen, darauf hinzuweisen, dass auch für die Gesichtspunkte, von denen Marey sich leiten liess, als er in glänzender Weise die Untersuchung auf unserem Gebiete eröffnete, durch die von uns gesammelten Thatsachen Einiges gewonnen ist. Die Ursachen dafür zu ermitteln, weshalb uns unser Bewegungsapparat unter gewissen Bedingungen der Temperatur besser gehorcht, als unter anderen, ist eine Aufgabe, welche auch ausserhalb der Grenzen unserer engeren Wissenschaft Interesse erregen muss. In ihren Grundzügen ist die Auf- gabe schon von Marey gelöst worden, doch hat er selbst damals gesagt: „il y ala encore une vaste etude de phenomenes importants et qui m£ritent une etude approfondie.“ Wir haben zu den Angaben Marey’s hinzufügen können, dass das Optimum für die Brauchbarkeit unseres Bewegungsapparates nicht nur von der Art abhängt, wie die einzelnen Zuckungen verlaufen, sondern auch von der Art, wie sich die einzelnen Erregungen im Muskel zum Tetanus sum- miren. Wir konnten zeigen, dass das Optimum darum für den Frosch- muskel bei 19° liegt, weil hier die Summirbarkeit der Erregungen eine verhältnissmässig grosse ist, ohne dass sich noch die Ermüdbarkeit geltend macht, welche den Werth des Muskels bei den höheren Temperaturen, bei denen freilich die Tetanushöhe grösser ist, stark herabdrückt. Selbstver- ständlich können auch wir nur den citirten Ausspruch Marey’s über die Beschränktheit des Erreichten wiederholen. Am Ende unserer Untersuchung stehen wir unter dem Eindruck der Erfahrung, welche man bei der For- schung, namentlich auf dem Gebiete der biologischen Wissenschaften, immer wieder macht, dass uns die Natur auf unsere Fragen zunächst damit ant- wortet, dass sie uns neue Fragen, freilich in praeciserer Fassung darbietet. Lernen wir von der Natur unsere Fragen immer deutlicher zu stellen, so werden wir einst die Antwort erhalten, welche uns den thatsächlichen Zu- sammenhang der Erscheinungen selbst enthüllt. TEMPERATUREINFLUSS A. D. LEISTUNGSFÄHIGKEIT D. MUSKELSUBSTANZ. 109 Erklärung der Abbildungen. Die Originaleurven wurden, im Verhältniss von 2°/,:1 verkleinert, photographirt und die Photographie in Steindruck wiedergegeben. Taf. IV. A = Schematische Zusammenstellung isotonischer Zuckungscurven bei verschie- denen Temperaturen (—5 bis 421/,°). A'= für die isometrischen Curven. B= für den isotonischen Tetanus. B = für den isometrischen Tetanus. © = Curven der Erregungsmaxima bei verschiedenen Temperaturen auf einzelne und tetanisirende Reize, isotonisches Verfahren. C’ = bei isometrischem Verfahren. D =.a) Curve der Zuckungsdauer. db) Curve der Plateaudauer. E = Curve der Dauer des Latenzstadiums. F= Curve des Verhältnisses der Dauer der aufsteigenden Periode zu der der absteigenden Periode. Taf,V. Fig. 1. Frosch am Tage vorher curarisirt. M. semimembranosus. Anfangs- spannung (A S)7-5==, 2 Dan. Absteigender Strom (e D). Secundäre Rolle ($ A), Ab- stand Null. Umdrehungsgeschwindigkeit der Trommel (V), 3”. IA 1 12 Uhr 27 Min. 17° 8 12 Uhr 48 Min. 8 2 EN De A Ser | U El A, pe a a le oo Dale 364 10 | Bee. Bu oo | ale a er a Fig. 2. Nicht curarisirter Sartorius; A S = 5 8%; übrigens dieselben Bedingungen wie im Experiment I. HUN 10° 5 Uhr 217° Min. — 2° 25, 13 60 | I De oe 930 Sun en A140 1 et A oo‘ | is0 5 oem 5° Des, 16 el Ve el Bes. 1a el ls An 105 18,2. 20 on De OD 70 a el ER DON. A Q0 en 110 J. GAD un J. F. Hrymans: Fig. 3. Curarisirter Sartorius. Dieselben Bedingungen. ee ln, ılrl® 7 1 Uhr 21 Min. Kalte Mischung B 8.1, 0 2A 68 BE UN 91. 1,2800 60 Sa ee Wasser von 12° Zu a EN 10, FR Di An gs LANE, 1 U a ic bull SEERr 12. 15,59 40 0,50 C siehe 8. 80. Fig. 4 A. Nicht eurarisirter Sartorius. Dieselben Bedingungen. 1 1077 51° Mm Re Kalte Mischung 2 ae | 3 NM on Be Am 10,535 B. Curarisirter Semimembranosus; 48 = Wem, V= 6". 1 Moment des Reizes. 2 3 Uhr 54 Min. 17° Kalte Mischung EEE ine Fig. 5. Derselbe Muskel und dieselben Bedingungen wie in Fig. 4 B. 4 4 Uhr 12 Min. 4° Oeffnungsschlag Dusäles ml 4° Constanter Strom Gar TE: 4° a) Oefinungsschlag b) Constanter Strom ER DAL A 4° a) Oeffnungsschlag b) Constanter Strom Fig. 6. Gastroknemius eines Tags vorher curarisirten Frosches. A8=17-.5em; Va 1 12 Uhr 15 Min. 13 12 Uhr 35 Min. bislon oo Te a 12 „se AO 15° 12.0, NSTan Kalte Mischung 161237, RSS 10 Sao 248; 73 17.12 7,0 A 2 180,12 Zal A2z Da ol 190512 ,, made BRul2R 280%; 209412, A600 an OBa a 2 ‘ 2131277, AS SE mB22 0300 5% 220912: 35,500 000% Se EHRT, 234.12 , oe {0 00 aa 240212, Do ae: 250012 7 DA aaa, 34.0, TEMPERATUREINFLUSS A. D. LEISTUNGSFÄHIGKEIT D. MUSKELSUBSTANZ. 111 Fig. 7. Nicht ceurarisirter Gastroknemius, V = 14". A 1 11 Uhr 55 Min. 17° B 10 12 Uhr 40 Min. Kalte Mischung Kalte Mischung 2.12, il, A122 55 45 Sara 2 K300 5, DIR ERF AS, ne Taylor 50, Dumlar a, Ed, | 1492125,,.7530,, 6210, 19, | 19B12E 58 Neal, la a BR 18lr,, EN ET: Wasser von 20° Taf. VI. Fig. S. Curarisirter Gastroknemius. AS =7.5:#; V=6" 1 1 Uhr 2 Min. 16° 62°. UhE2. 92 Mine 0 DR a 16 TUE ala 40 awalens! Ds. 129 Su, ou AN Al 11° ER I a DEN Delag.ı 804; 9° ON RT DD Fig. 9A. Curarisirter Gastroknemius. V=3!. 1 Reizmoment 27 30-Uhr 37Min 170 Kalte Mischung 10708 5, ; 10, ld; Be B. Curarisirter Gastroknemius. AS = T-5aum V=6". 1 Reizmoment 3 1 Uhr 5 Mim. + 5° BA 20° Fig. 10. Curarisirter Gastroknemius. V=6). 1 3%,° Analog Fie. 5. Zu Sr: Fig. 11. Curarisirter Gastroknemius. V =3\. 1 1Uhr 45 Min. 16° | 70% 1-Uhr 545Min. 27259 A 1 BORL a, SB6Rn.. 2280 Spiral Abseisse | gan E59 290 3 Mo En | 102; Ir, 30340 A Add; 0190 | U al Bra 50%, 230 | 1220, 5a. sale oil ;,1552: 3 4.26% las Da ea 112 J. GAD unD J. F. Hrymans: 142 Uhr 97Min 33210 on, „ 2 2 > 2 11 13 15 17 349 352 35° 36° 2 Uhr 18Y/, Min. 38° Nieht eurarisirter Semimembranosus. Pom + Fig. 13 A. Nicht ceurarisirter Gastroknemius. »om 295° 310 34° 360 B. Semimembranosus. -IQVPprOoODHM Fig. 14. Curarisirter Sartorius. Fig. 15 A. Nicht curarisirter Semimembranosus. 11 Uhr 31 Min. 11 al 11 11 11 ihl ıhl DO AI RW D — 34 36 38 40 42 44 46 19 20 21 11 Uhr 5 Min. 21° 1 De 19° a 9510 18° 11 ee 16° 3. 8 Pa | 70382 8 391), | ASZI-5sum V= 3". 10 Uhr — Min. 30° TOR BO 320 ADS 2: Seen 34° KO 36° LONBEM ES 25. 2,38% 100 39 Kl Any 18 — SE 3 Uhr 33 Min. 16° Bo BE 30.380. 2gujlo SUR AO st I ul 3 nr AAN, 36° at PrRom - —_90 — | +4 6° g0 10° 125 14° 9 10 11 12 13 14 15 2} Horizontal Abseisse 20 ” AS Za0lemm! 11 Uhr 48 Min. 17° 11 11 11 11 11 12 40'),° 41° 42° 420 „» 90 2.38% 40° Vz 20° 232 26° 28 34° 36° TEMPERATUREINFLUSS A. D. LEISTUNGSFÄHIGKEIT D. MUSKELSUBSTANZ. 113 B, Curarisirter Gastroknemius. 1 5Uhr 8 Min. 321/,0 10 5 Uhr 13 Min. 131,0 au de aß ae au 190 en 2 N A A Ts 10200 5, Ba A a Be en 120° SENT N Est N TE BIER 16 5°... Bl u nl 80 sel see 0: =. 1100 I a Mr oe or, A140 SET RR LON 7 N 60 Fig. 16. Nicht eurarisirter Gastroknemius. 1262 Uhr22702 Min 310 11 6 Uhr 34/, Min. 11° DIESE RN 1.980 Tome SH 4 12,0 ED EN EA BD en A A er de De. g‘ 19,20, „erst m .,3. 190 rs, el 1 Os. Be To a 50 Ile OZEAN SE a 140 Te (a he 0 go as. 180 19ER 2, ART TOBLoSEm sau 2252190 Taf. VII. Fig. 17. Curarisirter Sartorius. AS =5:m V=6". A 1 4Uhr 20 Min. 14° 9 4 Uhr 33 Min. 24° eo a OA a2 Sera 210, 50 An 2 ES Ta 3, VE En en ONE PR DRRAR 20, au ey Zn el a (en 3° 14.4, ,,.46. 0, 8 TA 29: SL 9A 43; So Se al 16 Wärmestarre bei 43° Fig. 18. Nicht ceurarisirter Gastroknemius. 48 = 108m. V=6". A 1 10Uhr 23 Min. 15° 11 10 Uhr 33 Min. 0° 2 10 „ 24 „ 15° Schnee oo Ba 10 a mW Ein ar en ae 1000 0026..200° 14,10%, 36: 90 5 Me. TO Brig, 282 ,020° 16H 10m: 238, 230 Zu 002 29.20.01 50° u eo ee 3810), 30re 100 11) A at Oo 300 19:10, 421, „ 300 20M210BR, Aa 0 209° Archiv f.A.u,Ph, 1890. Physiol. Abthlg. Suppl. 8 i 114 J. GAD unD J. F. Hrymans: B 21 10 Uhr 46 Min. 29° 25 10 Uhr 55 Min. 10° a In A et 26.,,.10). 4,3, Dissen 4° Zr, BU, 2250 27 10°, So Dom, ge 28 11 %. 0 Fig. 19. Curarisirter Gastroknemius. AS=5:m, V=6. A 1 11 Uhr 18 Min. 17° B 4 11 Uhr 23 Mm, — 3° Bra, Zoe, 020 B'Rıı „en SE 2, 08 6, 2 on 7/11 „ae ot 8 11 „ee Fig. 20. Curarisirter Gastroknemius. 48 = 108m. V=3", 4A 1 1 Uhr 4 Min. 20° B 5 1 Uhr 18 Min. 2° 2 1. 5 Kae bed 2" 3, ler 4° Tel „vv au hir 2 2 llag,; 4° 8,1 7728,0020r IL, „rag re, 10,1 „else Fig. 21. Curarisirter Sartorius. S. 94. 1 :11Uhr 35 Min. 21° MM A ER a 177, Ad, m 52 rom Fig. 22. Kautschukstreifen. S. 67. 0 gm 100 „ 200 ‚, 300 ,, 400 „, 500; o9aoaPom m Fig. 23. Nicht curarisirter Gastroknemius. 2 Dan. A $ = 7:5 8m. 16°. Vergl. 8. 70. A. 1 14 w Abstand der secundären Rolle 2132 /0 3 I 4.122, R TEMPERATUREINFLUSS A. D. LEISTUNGSFÄHIGKEIT D. MUSKELSUBSTANZ. Fig. 24. Curarisirter Gastroknemius. a RO Ei KG 021325 C.D a 180 C.A 23036, C.D 37.1275, C.A STel2u9 C.D ea 0 C.A, 1A a0, C.D. Taf. VIII. 2 Dan. D. 18°, 5. ME 152000 % ® 165, 21. & ISA, &, 2 C. 2301. C. 29.150, C. 29 15 „ (8 ee Zei Il Il 115 A = Schema des myographischen Stativs, mit Becken zur Temperaturänderung des Muskels. B = Organ zur Bestimmung der Schleuderung beim isometrischen Regime. D = Schema der Anordnung für einzelne Reize mittels Oeffnungsschlag. E = Schema für Tetanus. F = Schema für einzelne Reize mittels Oeffnungsschlag und Kettenstrom. G = Schema der Fortpflanzung der Contractionswelle. H = Schema betreffend die Theorie des Erregungsprocesses. g* Ueber die Wirkungen der Seifen im Thierkörper. Von Immanuel Munk in Berlin. (Aus dem thierphysiologischen Laboratorium der Landwirthschaftlichen Hochschule.) Nachdem ich bereits vor Jahren! festgestellt hatte, dass die festen Fettsäuren (Gemenge von Oel-, Palmitin- und Stearinsäure) den Eiweiss- umsatz im Körper in gleicher Weise beschränken, wie die ihnen chemisch aequivalente Menge Neutralfett, begann ich vor etwa vier Jahren den Einfluss der festen Fettsäuren auch auf den Fettverbrauch im Körper, gemessen durch die Grösse der Sauerstoffaufnahme und Kohlensäureausscheidung, zu ermitteln. Hungernde Kaninchen, durch Curare bewegungslos gemacht, wurden mittels des Zuntz’schen Athemapparates ventilirt; sobald eine ziemliche Constanz des Gaswechsels eingetreten war, wurde in die Vena jugularis der betreffende, bezüglich seines Einflusses auf den Fettverbrauch zu prüfende Stoff in wässriger Lösung, zu 1 bis 3 Tropfen in der Minute, einfliessen gelassen. Um eine etwaige Säurewirkung auszuschliessen und mit wasserlöslichen Stoffen zu operiren, wurden die Natronsalze der festen Fettsäuren zur Injection ver- wendet. Bei diesen Versuchen, die auch noch auf andere Stoffe ausgedehnt worden sind und wegen deren an dieser Stelle nur auf das Original? ver- wiesen werden soll, wurde nun an den Natronsalzen der festen (nicht flüchtigen) Fettsäuren, den sogenannten Natronseifen, eine überraschende 1]. Munk, dies Archiv. 1879. S. 371; — Virchow’s Archivu.s.w. Bd. LXXX. S.10; Rd. XCV. S. 433. j ? Derselbe, Der Einfluss des Glycerins, der flüchtigen und festen Fettsäuren auf den Gaswechsel. Pfiüger’s Archiv u.s. w. Bd. XLVI. S. 302, f | ! j | { I. Munk: ÜBER DIE WIRKUNGEN DER SEIFEN IM THIERKÖRPER. 117 Beobachtung gemacht, deren genauere Verfolgung der Gegenstand der nach- folgenden Blätter ist. Da die festen Fettsäuren, als in Wasser unlöslich, zur Injection in die ‘Blutbahn nicht verwendet werden konnten und ausserdem eine Complication \ mit der Wirkung der freien Säure zu befürchten war, sollten die in Wasser löslichen Natronseifen zu den Versuchen dienen. Von den Kaliseifen wurde, wie wohl selbstverständlich, Abstand genommen, weil alle Kalisalze, in grossen Gaben in’s Blut eingeführt, an sich giftig sind, die Herzthätig- keit schädigen und schliesslich lähmen. Farblose reinste Oelsäure wurde mit Sodalösung in der Wärme digerirt dann im Wasserbade zur Trockne gedampft, der Rückstand zum Zweck der Trennung von überschüssiger Soda mit heissem absoluten Alkohol auf- senommen, aus dem heiss filtrirten Extract der Alkohol zum grösseren Theil verjagt, in der Kälte auskrystallisiren gelassen, die Krystalle abge- presst, erst im Wasserbade, dann über Schwefelsäure getrocknet. Von dem so gewonnenen reinen Ölsauren Natron wurden 5.425 8m, entsprechend 55m ÖOelsäure, in 100° m Wasser gelöst und diese nur minimal getrübte Lösung durch dichtes Papier filtrirt. Die in Folge der gleich anzuführen- den Versuchsstörungen wiederholt ausgeführte mikroskopische Untersuchung zeigte eine ganz gleichmässige Lösung, nirgends war ein ungelöstes Fett-, bezw. Oelsäuretröpfchen zu sehen. Wurde den künstlich ventilirten Kaninchen, zu 1 bis 2 Tropfen in der Minute, innerhalb 30 bis 45 Minuten 4 bis 6“ der Seifenlösung, entsprechend 0°11 bis 0-13» Oelsäure pro Körperkilo, einverleibt, so .verendeten die Thiere ungeachtet sorgfältig unterhaltener, rhythmischer, künstlicher Athmung: der Herzschlag war weder sicht- noch fühl- noch hör- bar; Hand in Hand mit dem Absinken der Herzthätigkeit ging auch der Gaswechsel auf !/, bis !/, herunter, schliesslich bis auf Null. War in wenigen Minuten Seifenlösung, entsprechend 0.11 8"” Oelsäure pro Körper- kilo eingeführt, so stellte schon vor Ablauf der ersten Viertelstunde das Herz seine Thätigkeit ein. Schon 0.088'% Oelsäure pro Körperkilo liess die Herzschläge, nach voraufgegangener nur kurzdauernder Zunahme ihrer Stärke und Frequenz, sehr bald um !/, bis !/, der ursprünglichen Frequenz seltener und zugleich auch schwächer werden, bei 0-11 bis 0.14 sm Oelsäure pro Kilo kam es regelmässig binnen Kurzem, wohl gemerkt, ungeachtet sorgfältig unterhaltener künstlicher Athmung, zum Herzstillstand bei praller Füllung aller Herzhöhlen. Nahm man, sobald in refracta dosi Seife in’s Blut gelangt war, entsprechend 0-0858m Oelsäure pro Kilo, von der weiteren Injection Abstand, so konnte Sich das in seiner Schlagzahl und Contractionsenergie erheblich geschädigte Herz allmählich wieder erholen, unter Zunahme der Zahl und des Umfanges 118 IMMANUEL Munk: seiner Schläge. Doch wenn auch der Herzschlag im Verlauf von !/, bis 1 Stunde langsam wieder die frühere Stärke erreichte, blieb die Frequenz immer noch kleiner als vor der Injection. Controlversuche mit flüchtigen Fettsäuren (buttersaures Natron), im Uebrigen genau in der gleichen Weise ausgeführt,! lehrten, dass von ihnen selbst 5 bis 7 Mal so grosse Gaben als von dem ölsauren Natron die Herz- thätigkeit nicht schädigen; im Gegentheil wurden die Herzschläge danach etwas häufiger und fühlbar kräftiger. Spontan athmende Kaninchen gingen eher durch noch kleinere Gaben | von Natronseifen (0-07 8”= pro Kilo) unter Krämpfen zu Grunde. Wie schon erwähnt, wurde, um gegen jede mögliche Täuschung ge- schützt zu sein, die Seifenlösung jedesmal vor der Einführung, eventuell wiederholt, filtrirt und mikroskopisch untersucht; niemals wurden ungelöste Fett- oder Oelsäuretröpfehen gefunden. Aber selbst wenn die Lösung nach Art einer schlechten Emulsion noch gröbere Oelsäuretröpfehen enthalten hätte, wäre damit höchstens die Möglichkeit gegeben, dass in Folge von Verstopfung der Lungencapillaren und dadurch bedingtem O-Mangel und CO,-Anhäufung Erstickung eintrat, nicht aber ein primärer Herzstillstand in exquisiter Herzdiastole trotz künstlich unterhaltener Athmung. Es erschien mir demnach von Interesse, die geschilderte bemerkenswerthe Wirkung reiner wasserlöslicher Natronseifen auf das Herz genauer zu ver- folgen. Zur Bestreitung des reichlichen Aufwandes an Thiermaterial, das diese Untersuchung und weitere experimentelle Studien erforderten, welche sich unmittelbar an die von mir verfolgte Frage der Fettresorption an- schliessen, wurde mir eine Zuwendung aus der Gräfin Bose-Stiftung be- willigt, wofür ich dem Curatorium derselben verbindlichsten Dank abstatte. 1. Wirkung bei Einführung in den allgemeinen Kreislauf. | Die weiteren Versuche, bei denen ich mich zumeist der dankenswerthen Mitwirkung des Hrn. Prof. Zuntz erfreute, wurden an kleinen und mittel- ' grossen, spontan athmenden Hunden ausgeführt, die etwa 5 bis Smsrm Morph. mur. per Kilo subeutan erhielten und, wenn sie dann im Verlauf von tı, bis ®/, Stunden in leichten Schlaf verfielen, weiter mit Aether, dem ab und zu !/, Vol. Chloroform hinzugefügt war, in Narkose gehalten wurden. Dann wurde in die freigelegte Art. cruralis dextra eine Glascanüle ein- geführt und durch diese mittels des mit 25 procentiger Magnesiumsulfat- lösung gefüllten Bleirohres die Verbindung zwischen der Arterie und dem Quecksilbermanometer des Ludwig’schen Kymographions hergestellt; der 11. Munk, Pflüger’s Archiv u.s. w. Bd. XLVI. S. 322. | { \ ÜBER DIE WIRKUNGEN DER SEIFEN IM THIERKÖRPER. 119 Schwimmer des Manometers registrirte den jeweiligen Druck in bekannter Weise auf einer durch ein Uhrwerk vorbeigeführten unendlichen Papierrolle. Noch praktischer als das Bleirohr erwies sich eine Gliederkette aus Glas- röhren: etwa 20 Glasröhrenstücke von 3 bis 4°" Länge und etwa !/, = im lichten Durchmesser wurden durch kurze Gummischläuche hinter einander verbunden, doch so, dass innerhalb der Schläuche Glas an Glas stiess; diese einfache Vorrichtung vereint die Vortheile, einerseits genügend starr zu sein, um den jeweiligen Blutdruck genau bis zum Manometer fort- zupflanzen, andererseits vermöge der einzelnen kurzen Röhrenglieder wie- derum sehr beweglich zu sein und sich so leicht als nur möglich den jedesmaligen Versuchsverhältnissen anpassen zu lassen. Unter dem Druck- schreiber befand sich noch ein durch einen Elektromagnet getriebener Zeitschreiber, welcher die Dauer von je zwei Secunden markirte. Ich lasse nunmehr einige Versuche als Beispiele folgen. D bezeichnet den Mitteldruck, P die Pulszahl. III. Hund von 7:02 Kilo. Rechte Art. cruralis mit dem Manometer ver- bunden, linke V. jugularis zur Injection vorbereitet. 5 procentige Lösung von ölsaurem Natron. 12. Uhr 31 Min. PERS EHE; 263 0.238 87m Seife 35 102 „ ee So 1 61 40 „ 65 „ 96 0.2 „ „ Al 0=°. Si 67 A, Sl, 90 Vo 45 „ 92 „ 90 0.3 „ „ elıll, 63 54 AO, 1082, 40 H02 RB, alla, 48 55 „ 112 „ 30 0.24 „ „ Be: M 42—24 „ 30 57 „ 35 „ SUB 0.075 „ „ 58 „ 19 „ Eee 581), „ I „ >: Nach dem Herzstillstand noch fast 1 Minute lang seltene, tiefe, schnappende Athemzüge, im Ganzen sieben. 1 Uhr 1 Minute Thorax geöffnet. Herz ex- quisit diastolisch. Blut in den Lungenvenen und im linken Ventrikel hellroth. Im Ganzen wurden innerhalb 23 Minuten 1.493 = Seife = 0.218" pro Kilo Thier! eingespritz. Da der Hund (!/,, des Körpergewichts =) 540 em Blut enthielt, trat der Tod bei einem Seifengehalt des Blutes von 0-26 Procent ein? Schon nach 0.438 8m = 0.06: m p. K. Th. sinkt der ! Im Folgenden bedeutet: p. K. Th.: pro Kilo Thier. 2 Unter der Annahme, dass die Seifen als solehe im Blut bleiben. 120 IMMANUEL Munk: Druck, aber nur momentan, zugleich steigt die Herzfrequenz vorübergehend an. Die Drucksteigerung beginnt alsbald, erreicht aber nicht mehr ganz die ursprüngliche Höhe. Nach noch 0-64®”=, im Ganzen 0.154°" p.K.Th. sinkt der Druck momentan noch tiefer, fast bis auf die Hälfte des Anfangs- werthes, erhebt sich aber schon in der folgenden Minute schnell fast bis zur ursprünglichen Höhe; zugleich werden die Herzschläge kräftiger, aber seltener. Wird nunmehr noch 0.248m nachgespritzt, so dass im Ganzen 0-19em p.K. Th. einverleibt ist, dann fällt der Druck um ?/, bis ®/, seines Werthes und erholt sich nicht mehr; zugleich werden die Herzschläge noch seltener, kaum halb so häufig als zu Anfang und arhythmisch. Nun- mehr genügt eine ganz kleine Gabe, um das Herz zu lähmen und den Druck innerhalb '/, Minute bis auf die Spannung des ruhenden Blutes herabzudrücken. Die Respiration überdauert den Herzstillstand noch um 1 Minute, während deren sieben tiefe schnappende Athemzüge erfolgen, da- her nach Eröffnung des Brustkastens das in allen Abschnitten exquisit diastolische, ballonartig aufgetriebene Herz noch hellrothes Blut führt. Da man auf jede mechanische Reizung des Herzmuskels je eine Contraction auslösen kann, handelt es sich um eine Lähmung des nervösen Apparates, nicht um eine solche des Herzmuskels selbst. V. Hund von 4.95 Kilo. Art. cruralis sin. mit Manometer verbunden, V. jugularis dextra zur Injection vorbereitet. 3.6 procentige lauwarme filtrirte Lösung von Sapo medicatus Ph. g. 1 Uhr 2 Min. P 126, D 109—123 "% Hg. 0.15% Seife, in den ersten 4 Secunden 16 P, dann wieder in 10 Secunden 18P. D 116. 10 „ 0.448'M Seife Jähes Absinken auf 31 D, momentaner Herzstillstand, erst nach 5 Secunden wieder ein Puls, „ dann arhythmische, nur schwach in der Druckeurve an- sedeutete P. Erst nach 56 Secunden 11 , erfolgen wieder einige deutliche P, unter Ansteigen von D. 9 Pin 10 Sec, D 58, 20 Respirationen. 12 ,„ 126 sehr kleine P, systolische Drucksteigerung von 6 Hg. 14 ,„ Völlige Erholung. D 98, P 118. 16 ,„ 0.1448@ Seife. Sofort sinkt P auf 11 im 10 Sec, und in !/, Min. P 69. Nach 20 Sec. wieder D 99, P 16 ın 10 Sec. 182 22 2.021712 Seife DEI AREZE: 19 „ 0.2168 Seife. Sofort D 77, P 16 in 10 Sec., in !/, Min. wieder D 96. 21 „ 0.188 Seife. Nach !/, Min. wieder 0.185” Seife, nach noch !/, Min. abermals 2er Dre, 197% 23 „ 0.216%’” Seife, momentanes Ansteigen auf 83 D, dann innerhalb '/, Min. jäher Abfall auf 22 D, anfangs noch I nn ÜBER DIE WIRKUNGEN DER SEIFEN IM THIERKÖRPER. za vereinzelte P, nun nicht mehr zu fühlen. Druckeurve läuft der Abseissenaxe fast parallel. 20 See. danach steigt D auf 48, 9 schwache P in 10 Sec. 1 Uhr 24 „ PP wieder unfühlbar und kaum an der Druckcurve sichtbar. In den nächsten 40 Sec. sinkt in Folge Herzstillstandes OHR D auf 13, dann auf 7. Keine Pupillarreaction. Nach Herz- stillstand noch bis 28 ,„ also durch 2 Min. 24 Sec. vereinzelte langsame, sehr tiefe Athemzüge, etwa 4 in der Min. Der sofort geöffnete Brustkasten zeigt beide Ventrikel ausgesprochen diasto- lisch, prall mit hellrothem Blut gefüllt. Das aus dem Herzen wie der V. jugul. gewonnene Blut gerinnt erst nach 40 bis 50 Minuten, aber nur partiell und locker. Im Ganzen waren bis zum Eintritt des Herzstillstandes innerhalb 20 Min. 1.766sm Seife = 0.368" p. K. Th. erforderlich. Da der Hund etwa 380 8” Blut hatte, so trat der Tod bei einem Gehalt des Blutes an Seifen von 0-48 Procent ein. Bei 0-11s" p. K. Th. sank der Druck jäh a), ebenso die Herzfrequenz, um sich schon nach '/, Min. zu erheben. Indess blieb die Energie der Herzeontraction geschädigt, wie aus dem geringen systolischen Druckzuwachs erhellt. Nun können innerhalb 6 Min. langsam noch 0.684 sm Seife (im Ganzen fast 0-25 sm p. K. Th.) eingeführt werden, ohne mehr als vorübergehend die Herzthätigkeit herabzusetzen; dagegen ist ‘zu Ende dieser Periode der Druck erheblich niedriger (74 gegen 123), des- gleichen die Herzfrequenz (72 gegen 128). Eine neue Injection von 0-216 Seife lässt den Druck jäh auf 22m Hg abfallen und in 1 Minute 20 Sec. steht das Herz still. Auch hier folgen dem Herzstillstand durch 2!/, Min. hindurch vereinzelte tiefe Athemzüge, ebenso ist das Herz diastolisch, prall mit hellrothem Blute gefüllt und mechanisch noch reizbar. Da die bisherigen Versuche dem Einwand Raum gaben, es möchte die Natronseife deshalb so deletär wirken, weil die V. jugularis dem Herzen so nahe ist, dass die Seife in relativ hoher Concentration in’s Herz gelangt, geschah bei den folgenden Versuchen die Injection in einen Ast der V. saphena oder cruralis. VI. Hund von 16°7 Kilo. V.saphena sin. zur Injection vorbereitet. Zur Einspritzung diente eine 5 procentige, hauptsächlich aus ölsaurem Natron be- stehende dunkelgelbe Seife. 0.18% Morph. mur. subeutan, nachher nur Aether. 12 Uhr 45 Min. D 98—106 A 90-102 1.0 gm Seife A, 98 A 78 1.090,00, Age 75 ll 56 VID 122 IMMANUEL Munk: 12 Uhr 52 Min. D 54 Dom 50 0.8 gm Seife 5a 42 Dach uR25 An DSun, 24 899 „ 19 1:0, „ 1 Uhr — „ D 13. Pupillen ad maximum dilatirt. Während 1!/, Min. kein Athemzug. 2—5 Min. 6 schnappende Athemzüge. 2Min DS 5 ,„ Thorax geöffnet. Beide Ventrikel ballonartig aufgetrieben. Das aus dem Herzen entnommene Blut ist noch nach 24 Stunden flüssig. Bemerkenswerth an diesem Versuche erscheint, dass der Druckabfall bei den einzelnen Gaben nicht so beträchtlich ist und nicht so jäh erfölgt, dass aber dafür, in gewissem Gegensatz zu den früheren Versuchen, wo der jähe Abfall schon innerhalb einer halben Minute wich, hier die Druck- senkung eine definitive ist, die bei weiterem Zuwarten eher noch stärker wird. Nach 0.1552 p. K. Th. ist der Druck auf die Hälfte seines Anfangswerthes heruntergegangen, nach 0-29zm p. K. Th. sogar auf Y/,, aber erst mehr als 0-38" p. K. Th., in refracta dosi innerhalb 14 Minuten einverleibt (Seifengehalt im Blut = 0-453 Procent), erzeugt Herzstillstand und lange Athempause; 1!/, Minute nach dem Herztode beginnen wieder einzelne schnappende Athemzüge, noch 1 Minute später kommt auch die Athmung zum Stillstand. VIH. Hund von 2-85 Kilo, hat zwei Tage lang gehungert, bekommt erst Morph. mur. 0.025 8% subcutan, dann Aether. Druck in Art. crur. dextra ge- messen, Infusion in V. femor. sin. Zur Einspritzung eine 4!/, procentige leicht opalisirende Lösung von ölsaurem Natron. 2 Uhr 2 Min. D 82" Hg im Ganzen p. K. Th. SR 64:-,, 0.18 EM Seife 0.06 8m Seife a „ 80 „ ; Das (A Dee, EDDIE OA ee 6) „ 62 „ 0.225 „ „ 0.22 „ E2) 8) ” 72 „ 10 „ 59 $2) 0'225 „ „ 0:3 „ „ 1 ER 40 „ Kein Herzschlag, keine Athmung. Pupillen sehr weit. L2BiR, 28 „ Nach 36 Sec. beginnen wieder Athembewegungen bis 1 18 „ im Ganzen noch 4 Athemzüge. 24 ,, Brusthöhle eröffnet. Alle Herzabschnitte in Diastole, Blut hellroth. Nach 0:14: m Seife p. K. Th. sinkt der Druck definitiv, bleibt um !/, unter dem Anfangswerth stehen und hält sich auf dieser Höhe noch bis zu 0.22em p. K. Th. Erst als in getheilter Gabe innerhalb ÜBER DIE WIRKUNGEN DER SEIFEN IM THTIERKÖRPER. 123 9 Minuten seit Beginn der Injection die eingeführte Seifenmenge auf 0.3 em p. K. Th. angestiegen ist, sinkt der Druck sofort auf 59®= Hg, in der nächsten Minute bis auf 40, weiter auf 28, auf 18 und schliesslich bis auf die Spannung des ruhenden Blutes; seit dem Herzstillstande sind be- reits 2 Minuten verflossen. Dieses Absinken erfolgt nicht jäh, sondern ver- hältnissmässig langsam innerhalb 4 Minuten. Schon bei 28m Hg waren in der Druckcurve keine systolischen Elevationen mehr zu erkennen. Zu- gleich mit dem Herzen steht auch die Athmung still, letztere aber nicht definitiv, nach 36 Secunden beginnen wieder ausserordentlich langsame und tiefe schnappende Athemzüge, nur noch 4 innerhalb der nächsten 2 Minuten. XV. Schwarzer Pudel, 13-1 Kilo, erhält 0-1 3"® Morph. mur., dann Aether- Chloroform. Harte Natronseife aus Rindstalg, in 3 procentiger Lösung lauwarm in V. femor. sin. eingespritzt. injieirt im Ganzen p.K. Th. 12 Uhr 43 Min. D 92—102"% Hg 0.988m Seife 0.075 gr 45 ,„ schnelles Absinken auf 48 D, 9 Secunden langer Herzstill- stand, 46 , weiteres Sinken bis auf 22, wieder secundenlanger Herz- stillstand, langsame Erholung, 47 ,„ bisauf58D. Abermals lange Diastole, D sinkt bis auf 31, 48 ,„ erholt sich allmählich bis auf 63 und A975 bis aufzs0. 50 ,„ Injieirt 1:088% Seife, 0°157 8% p. K. Th. Sofortiges Sinken auf 30 und bei secundenlangem Herzstillstand 51 ,„ bis auf 21, allmähliche Erholung, zuerst unter langen 52 ,„ Diastolen, dann unter zunehmender Herzfrequenz bis 36, wieder Sinken 53 ,„ bis auf 23, langsames Ansteigen 55 , auf 49, Wiederabsinken auf 21, 56 ,„,, langsames Ansteigen auf 51, Absinken auf 30. 57 ,„ Pupillen ad maximum weit, reactionslos. Vorübergehend D auf 36, 58 ,„ Absinken auf 31 und 59 ,„ bis auf 14, Anstieg auf 36 bei häufigen Herzschlägen, schnelles Absinken auf 30 und 1 Uhr — ,„ auf 16, Herzstillstand 1 „ee D.10. Von 12 Uhr 57 Min. bis 1 Uhr 3 Min. langsame, seltene, aber tiefe Athemzüge, vorübergehend frequenter. 2 Min. nach Herzstillstand frequente dyspnoische Athmung bei eyanotischer Zungenfärbung. 1 Uhr 3 Min. Athemstillstand. Der Versuch ist nach mehrfacher Richtung von Interesse. Zunächst erfolgte schon nach 0.075 =” p. K. Th. ein jähes Absinken des Blutdruckes, 124 IMMANUEL Munk: unter secundenlangem Herzstillstand, fast bis zur Spannung des ruhenden Blutes. Und wenn auch innerhalb der nächsten 2 Minuten die Herzthätig- keit sich wieder erholte und den Druck bis über ?/, des Anfangswerthes in die Höhe trieb, so war das doch nur vorübergehend, noch einmal trat ein 8 Secunden langer Herzstillstand und Abfall des Druckes bis auf 28, erst im Verlaufe weiterer 2 Minuten völlige Erholung des Herzens unter Ansteigen des Druckes bis auf seine ursprüngliche Höhe ein. Wurde nun- mehr eine etwa gleich grosse Seifengabe eingespritzt, so trat abermals se- cundenlanger Herzstillstand und innerhalb einer Minute Absinken des Druckes bis fast auf die Spannung des ruhenden Blutes ein, ganz langsam erholte sich unter intercurrenten secundenlangen Diastolen die Herzthätig- keit und so zog sich das Spiel von abwechselndem Herzstillstand und vor- übergehender, nur für 10 bis 20 Seeunden anhaltender Herzthätigkeit hin, bis 7 Minuten nach der letzten Injection, obwohl das Herz noch schlug und der Druck noch 36" Hg betrug, die Pupillen ad maximum erweitert und reactionslos wurden. Diesem signum malı ominis entsprechend sank die Herzthätigkeit, obwohl noch einmal für ganz kurze Zeit frequente, niedrige Pulsationen auftraten, innerhalb 2 Minuten bis auf Null und der Druck auf 10=® Hg ab. Auch hier folgten dem Herzstillstande noch eine Reihe von Respirationen nach. Diese aus Rindstalg hergestellte palmitin- und besonders stearinsäurereiche Seife erzeugte schon schwere, 3 Minuten lang anhal- tende Herzwirkungen in Gaben, in denen ölsäurereiche Seifen kaum oder nur für Bruchtheile einer Minute die Herzthätigkeit schädigen. Auch nach völliger Erholung von der ersten kleinen Gabe griff eine neue, nur wenig grössere Einspritzung das Herz noch schwerer an, so dass unter stetigem Wechsel von secundenlangem Herzstillstand und Wiedererwachen schwacher Herz- thätigkeit und, Hand in Hand damit gehend, unter rapidem Absinken des Blutdruckes bezw. langsamen Wiederansteigen sich schliesslich Herzläh- mung ausbildetee Die in Folge dieses, durch 7 Minuten sich hinziehen- den, wechselnden Erlöschens und langsamen Wiederaufflackerns der Herz- thätigkeit hochgradig geschädigte Circulation genügte offenbar nicht mehr, um dem Gehirn genügend Blut zuzuführen, daher schon zu einer Zeit, wo der Druck noch 36"m Hg betrug, die Pupillen ad maximum weit und reactionslos wurden. Lag schon die Dosis toxica hier sehr viel niedriger, als bei den weichen, ölsäurereichen Seifen, so ist dies vollends bei der Dosis lethalis der Fall; schon nach Einverleibung von 0.157 8m dieser harten Seife p. K. Th. und bei einem Gehalt des Blutes an Seifen von nur 0.206 Procent trat nach längerem Kampfe Herzstillstand ein, der bei einer weichen Seife günstigsten Falls bei einer um mindestens !/, grösseren und in der Mehrzahl der Fälle sogar erst bei einer um über die Hälfte grösseren Ba En ÜBER DIE WIRKUNGEN DER SEIFEN IM THIERKÖRPER. r25 Gabe einzutreten pfleet. Da ferner in einem anderen Versuch der Tod bei einem noch grösseren Hunde schon bei einer Gabe von knapp 0-28 p. K. Th. eintrat, so stehe ich nicht an, die harten palmitin- und stearin- säurereichen Seifen für giftiger zu erklären, als die weichen ölsäurereichen Seifen. Da die Palmitinsäure C,,H,,0, und die Stearinsäure C,,H,,0, doppelt so viel H- als C-Atome enthalten, die Oelsäure C,,H,,O, aber eine H-ärmere Verbindung vorstellt, so würde man auch sagen können: die wasserstoffreicheren Fettsäuren wirken als Alkalisalze toxischer als die wasser- stoffärmeren, sog. ungesättigten. Konnte schon nach allen bisherigen Beobachtungen es fast als sicher gelten, dass die Natronseifen ihre Herzwirkung durch Herabsetzung der Erregbarkeit und schliessliche Lähmung der intracardialen exeito-motorischen Herzganglien entfalten, um so mehr als das Absinken des Blutdruckes zu- meist mit einer Abnahme der Frequenz und der Contractionsenergie des Herzens einherging, so war es doch wünschenswerth, zu zeigen, dass das regulatorische Nervensystem, das Herzhemmungscentrum in der Med. oblong., daran unbetheiligt ist. Darüber musste man sofort klar sehen, wenn man die Impulse, welche sich von diesem Centrum aus zum Herzen begeben, durch Durchschneidung der Nn. vagi ausschaltete. XIX. Weisser Pudel, 12-9 Kilo. Erst 0.09 8’m Morph. mur., dann Aether- Chloroform. V. crural. sin. zur Injection einer 41/, procentigen ölsauren Seifen- lösung vorbereitet. 1 Uhr 30 Min. Beide Vagi am Halse durchtrennt. Unmittel- bar danach die chäarakteristische, langsame, dyspnoische Athmung. DIE BE DPD SI: 1.09 gm Seife 35 ,, Vorübergehend sinkt D auf 54, steigt schnell 200 902 20188893 HE E0: 38, 0082922 PE2. VID 39 ,„ D sinkt bis auf 65, steigt wieder bis auf 82—90. 0675, , 41 ,„ Dsinkt jäh auf 40 (dabei lautes Heulen), Wie- 0-71 „ ,„ deransteigen Aarau dsmund Ad Be SU) 44 ,„ D sinkt rapide auf 34, 0:.945, „ 45 ,„ weiter auf 25 und 46 „ sogar auf 14. Kein Puls. Pupillen weit, reactionslos. Von jetzt ab, fast 2'/, Min. anhaltend, noch 8 schnappende Athem- züge mit krampfhafter Streckung des Kopfes, Aufsperren des Maules und kräftiger Hebung der Nasenflügel. 50 , Thorax geöffnet, Vorkammern und Kammern stillstehend, alle Herzabschnitte prall diastolisch. Auf jede mechanische Rei- zung reagirt das Herz mit je einer Pulsation. 126 IMMANUEL Munk: Die Wirkung der in’s Blut gespritzten Natronseifen fällt auch nach Durchschneidung beider Vagi am Halse vollständig gleich aus. Zeigt sich auch schon bei 0-085 8m p. K. Th. eine Wirkung, so ist dieselbe doch sehr flüchtig; selbst eine Gesammtgabe von 0-22 p. K. Th. vermag nur ganz vorübergehend die Herzthätigkeit zu beeinträchtigen, so dass sich schliesslich der Druck wieder auf seinen Anfangswerth erhebt. Erst eine Gabe von 0.2928” p. K. Th. (bei einem Seifengehalt im Blut von 0.38 Pro- cent) bringt das Herz zum Stillstand; auch hier folgen noch einzelne Athem- bewegungen dem Herzstillstande nach, daher nach sofortiger Eröffnung des Brustkastens das Blut der Lungenvenen und der linken Herzhälfte noch hellroth ist. Endlich ist noch eine Erfahrung bemerkenswerth. Ein Hund von 10-2 Kilo hatte in Folge eines Versehens zu viel Morphium bekommen, näm- lich 0.128; er verfiel in einen schlummersüchtigen Zustand, seine Herz- thätigkeit wurde aber so schwach und unregelmässig, dass jede weitere Zuführung eines Anaestheticums höchst bedenklich erschien. Während der vorbereitenden Operationen reagirte der Hund sehr lebhaft theils durch Sträuben, theils durch Heulen. Nachdem er 0.13 sm Seife pro Kilo ein- gespritzt erhalten, wurde seine Herzthätigkeit zunächst zwar sehr intensiv geschädigt, erholte sich aber weiterhin wieder, so dass der anfangs bis 32mm Hg abgesunkene Druck bis auf */, seines Anfangswerthes, der nur 79mm Ho betragen hatte, anstieg; unmittelbar nach dem Einfliessen der letzten Seifengabe in’s Blut erfolgte noch ein durchdringendes Heulen, dann aber wurde er still, reagirte nicht mehr, athmete tief und schnarchend, lag regungslos mit schlaffen Gliedern da, und so verhielt er sich bis zum Ende des Versuches, wo nach Einführung von (im Ganzen) 0:21== p. K. Th. (seit der ersten Injection waren 19 Minuten verflossen) Herzstillstand ein- trat. Offenbar war die schon an sich bestehende Morphiumwirkung unter dem gleichzeitigen Einfluss der in’s Blut eingespritzten Seifen in tiefe Narkose und Sopor übergegangen. Diese Erscheinung erinnert an eine ähnliche Wirkung des Peptons (Albumosen), welches, nach dem Funde Schmidt-Mülheim’s! und dessen mehrfacher anderweitiger Be- . stätigung bei intravenöser Einführung ebenfalls den Blutdruck ausserordent- lich stark herabsetzt und Narkose bewirkt, so dass die ohne jedes Narcoti- cum vorbereiteten, sich stark sträubenden und heulenden Thiere nunmehr ganz ruhig werden und jeden weiteren operativen Eingriff ohne Reaction überstehen. In der That sind nicht nur in Bezug auf die Drucksenkung und die Narkose, sondern auch noch in einem anderen Punkte, in der weiterhin zu behandelnden Verlangsamung der Blutgerinnung ı Dies Archiv. 1880. 8. 33. ÜBER DIE WIRKUNGEN DER SEIFEN IM THIERKÖRPER. 127 Analogien zwischen den in’s Blut injieirten Seifen mit den auf gleichem Wege einverleibten Peptonen vorhanden; ich komme später noch einmal auf diesen Punkt zurück. 2. Wirkung der Seifen bei Einführung in die Pfortaderwurzeln. Die Uebertragung der vorstehend mitgetheilten Beobachtungen auf die im Darm resorbirten Seifen war indess erst möglich, wenn sich nachweisen liess, dass auch die durch die Pfortaderwurzeln eintretenden Seifen, die, um in den allgemeinen Kreislauf zu gelangen, erst die Leber durchsetzen mussten, die nämliche Wirkung auf das Herz üben. Zu diesem Zwecke wurde morphinisirten und weiter aetherisirten Hunden, deren Schenkelarterie mit dem Kymographion verbunden war, das. Abdomen _ nur so weit eröffnet als erforderlich, um entweder die Milz hervorzuholen und eine Canüle in eine der austretenden Venen einzubinden oder eine Dünndarmschlinge herauszuziehen und in eines der arkadenartigen Mesen- terialvenenästchen eine Canüle zu befestigen, durch welche die Seifenein- spritzung erfolgen sollte. Die Canüle wurde durch einen entsprechend langen Gummischlauch mit der die Seifenlösung enthaltenden Mariotte’schen Bürette verbunden, dann die Organe nebst Canüle und Schlauch reponirt und die Bauchwunde mittels federnder Klemmen geschlossen. Ich theile drei Versuche dieser Art mit. XI. Hund von 9-1 Kilo. Ast der V. lienalis zur Einspritzung einer 3!/, procentigen Seifenlösung vorbereitet; Milz reponirt. 1 Uhr 38 Min. P 90, D88. 2 39 „ D sinkt auf 52, erholt sich innerhalb 30 Sec. 0.112 8m Seife bis auf 84. 40—50 Min. in getheilter Gabe, pro Min. 0.1758, 1.925 „ P vorübergehend 108, 102, dann constant 90, D788 99. 51 Min. bis 2 Uhr, pro Min. 0-1758%, pP 96—90 1.575, „ D 85—100. 2 Uhr 1—9 Min., pro Min. 0.1758m P 78, D 72—80. 1.4 Pause 6 Min., Arteriencanüle gewechselt. 15 Min. P 72, D 48—56 0.5 16 ,„ P 60, sehr klein, D 40—-44. 0-805 17 ,„ Puls nicht mehr fühlbar. D 35—41. 1-12 18 „ D 19—11. Herzschlag nicht erkennbar. 19 ,„ Pupillen ad maximum weit und reactionslos. 20 , Letzter Athemzug. 21 ,„ Thorax geöffnet. Alle Herzabschnitte prall diastolisch. 128 IMMANUEL Munk: Der Versuch ist ausserordentlich lehrreich. Die erste Seifeninjection hat zwar schon nach 10 Secunden, sobald die Seifen zum Herzen gelangt sind, die charakteristische Herzwirkung geübt — der Druck sank bis auf ?/, seines Anfangswerthes — aber nur momentan; noch innerhalb derselben Minute erholte sich das Herz vollkommen und auch die zunächst stark gesunkene Pulsfreguenz kehrte wieder zur Norm zurück. Während der folgenden 10 Minuten, während deren je 0.175 gm Seife eingeführt wurde, schwankte der Druck kaum, die Pulsfrequenz nur vorübergehend, und zwar unter Ansteigen, so dass Druck und Herzfrequenz sich noch intact erwiesen, als 11 Minuten nach Beginn der Injection bereits 0-213 m Seife p. K. Th. durch die Pfortaderwurzel eingedrungen waren, eine Gabe, die vom allge- meinen Kreislauf aus schon definitives Absinken des Druckes und der Herz- frequenz bedingt. Dieser Zustand erhielt sich auch unverändert, als 21 Mi- nuten nach dem Beginn der Einspritzung im Ganzen 0.385 8m Seife p. K. Th. einverleibt war, eine Gabe, welche von der Körpervene aus fast ausnahmslos tödtlich wirkt. Die in den nächsten 9 Minuten injieirten 1.4e8'm Seife erzeugten eine schwache Herzwirkung, der Druck ging auf 72 bis SOwWm He, also gegen den Anfangswerth um !/, herab, die Herz- frequenz von 90 auf 87. Selbst eine Dose von 0.548" p. K. Th. bewirkt von der Pfortaderwurzel aus ein nur so winziges definitives Absinken des Druckes und der Herzfrequenz, als dies von der Körpervene her etwa bei 0.18srm der Fall ist. Erst als weiterhin die Injectionsmenge pro Minute auf das 3—7fache gesteigert wurde, so dass innerhalb 3 Minuten 2.425 srm Seife in’s Blut gelangten und die gesammte einverleibte Menge 0.806 sm p. K. Th. betrug, sank die Herzfrequenz und der Druck; innerhalb 4 Mi- nuten kam es zum Herzstillstande. Offenbar übt also die Leber einen die Giftwirkung abschwächenden Einfluss, so dass die durch eine der Pfortaderwurzeln einverleibte Seifenmenge, die, um in den allgemeinen Kreislauf zu gelangen, die Leber passiren muss, nun einer 2!/, bis Smal so grossen Dose bedarf, um toxisch bezw. lethal zu wirken. XIlf. Hund von 7 Kilo. Injection einer 4 procentigen Seifenlösung in ein Aestchen der V. meseraica einer Dünndarmschlinge. 1 Uhr — Min. D 77—86 4—5 Min. D sinkt auf 60, weiter auf 48, erholt sich 2.12 Seife wieder auf 66—72. 9—10Min.D sinkt auf 48, 42, 37, erhebtsich wieder auf 48u. 2:1 „ „ 16—17!/, Min. D 38 DE BER Wr, 18 Min. D 27 23 Min. D 20. Herzschlag nicht mehr fühlbar. 25 Min. D 10 26 Min. Letzte Athmung. ÜBER DIE WIRKUNGEN DER SEIFEN IM THIERKÖRPER. 129 In diesem Versuch, bei dem die Einspritzung recht grosser Dosen sich nur über 13 Minuten erstreckte, betrug nach der innerhalb 2 Minuten vollzogenen Einführung von 0.38 p. K. Th., einer Gabe, die von der Körpervene ausnahmslos Absinken des Druckes auf !/, bis !/, des Anfangs- werthes, häufig sogar schon den Herztod zur Folge hat, die Einbusse des arteriellen Druckes kaum !/, des Anfangswerthes und bei Wiederholung der Gabe von 0-3e"m p. K. Th. gar nur noch Twm Hg. Lässt man nach kurzer Pause nochmals 0.38” p. K. Th. folgen, so dass innerhalb 13 Minuten 0.9®= p. K. Th. eingellossen sind, so sinkt innerhalb der nächsten 8 Minuten der Druck stetig bis auf 10== Hg herab, unter Auf- hören den Herzpulsationen; auch hier folgen noch vereinzelte schnappende Athemzüge dem Herzstillstande nach. XXI. Hund von 7°4 Kilo. Eine kleine Darmvene zur Injection einer 5 procentigen Lösung von ölsaurem Natron vorbereitet. 12 Uhr 54 Min. D 88—96 DOREE, D 93—99 0.6 87m Seife 59 „bis 1 Uhr 1Min. D 89—95 LION 1 We 5—11 Min. D 82—87 25.0,,,30065 13—16 Min. D 81—56 Da 18 Min. D 88—92 1202 2,00% DOmeN D 65, nach 13 Sec. 8S3—87. ca Ükarnar Wer Tiefe Narkose. Schnarchende Athmung 25 5; D 76—80 Oi, 3a D 76—80 Ren SU. D 50—48 E02 DON D 20 120 885 40 ,„ D 14, Herzschlag nicht mehr fühlbar. Pupillen äusserst weit. Schnappende Athemzüge, etwa 5 pro Min., über- dauern den Herzschlag bis 492 ,„ 41 Sec., letzte Athmung. 45 ,„ Thorax geöffnet. Beide Kammern stark gefüllt, linke stärker als rechte. Blut der linken hellroth. Der Versuch ist, im Vergleich mit den vorhergehenden, sehr instructiv. Hier vergingen von der ersten Seifeninjection bis zu der letzten, welche herz- lähmend wirkte, im Ganzen 42 Minuten, während deren die intravenöse Einführung in getheilter Gabe erfolgte. Selbst 0-28m p. K. Th., innerhalb 5 Minuten beigebracht, vermochte den Druck nicht herabzusetzen; erst bei einer Gesammtgabe von 0-5®® p. K. Th., innerhalb 15 Minuten ein- gebracht, sank der Druck nur um !/, des Anfangswerthes und hielt sich auf dieser Höhe noch, als durch weitere Injection die Seifenmenge 0.76 8m p- K. Th. betrug; ja, ungeachtet weiterer Einführung, obwohl das innerhalb 22 Minuten injieirte Quantum sogar 0.89 2m p. K. Th. betrug, erholte sich Archiv f. A.u.Ph. 1890. Physiol. Abthlg. Suppl. 9 130 IMMANUEL Munk: die Herzthätigkeit unter Ansteigen des Druckes, so dass eine Druckeinbusse kaum noch merklich war. Oder mit anderen Worten: während eine Gabe von 0.38% p, K. Th., selbst wenn sich ihre Injection über 20 Minuten hinzieht, den Druck allermindestens auf !/, bis !/, seiner ursprünglichen Höhe herabsetzt, ja ihn sogar häufig bis auf die Spannung des ruhenden Blutes absinken lässt, erweist sich die protrahirte intravenöse Einführung in eine der Pfortaderwurzeln kaum, wenigstens kaum definitiv schädlich, der Druck stellte sich nur wenig unter den Anfangswerth ein. Erst als in Folge weiterer Injection die Seifenmenge auf 1.038= p. K. Th. anstieg, sank der Druck momentan um !/,, erholte sich aber noch in derselben Minute, so dass der definitive Druckverlust nur !/,, betrug. Zugleich ent- falteten die Seifen ihre charakteristische narkotische Wirkung: während vorher der Hund noch reagirte und winselte, lag er nun regungslos mit schlaffen Gliedmaassen und mit schnarchender Athmung da. Es erscheint diese Beobachtung von einigem Interesse, weil hier die Narkose eintrat, ohne dass zuvor der Druck wiederholt oder tief abgesunken war, ohne dass man also dafür schwere Circulationsstörungen im Gehirn verantwortlich machen könnte. Weitere Steigerung der Seifengabe erwies sich nun dele- tär: bei einer Gesammtmenge von 1-1: Seife p. K. Th. sank der Druck um !/, des Anfangswerthes ab und hielt sich auf dieser Höhe noch bei 1.268 p.K.Th. Erst als im Folge fortgesetzter Injectionen innerhalb 40 Mi- nuten 1.398m p. K. Th. einverleibt waren, sank der Druck rapide auf 50 bis 48, in der folgenden Minute auf 20 und in der nächstfolgenden, unter Sistiren des Herzschlages, der Pupillarreaction und des reflectorischen Lidschlages, bis auf 14"= Hg, die Spannung des ruhenden Blutes. Auch hier überdauerten im Ganzen 13 Athemzüge den Herzstillstand. Aus diesen Versuchen geht mit Sicherheit hervor, dass von den mit dem Pfortaderblut eintretenden Seifen die Leber einen grossen Theil zurückhält oder chemisch umwandelt, daher nur ein Bruch- theil derselben in den allgemeinen Kreislauf gelangt, so dass die Wirkung auf das Herz eine nur mässige ist. Wird aber durch sehr schnelle Injee- ‘tion innerhalb weniger Minuten die Leber mit Seifen überschwemmt, so geht ein mehr oder weniger grosser Antheil unverändert durch; aber dass auch hier ein nicht unerheblicher Antheil in der Leber zurückgehalten wird, erhellt daraus, dass die Herzlähmung nunmehr erst bei 2!/, bis 5mal so grossen Gaben eintritt, als wenn man in eine Körper- vene injicirt. Es ist hier am Platze, gelegentliche Beobachtungen zu erwähnen, welche ich bei den zuletzt geschilderten Versuchen über den Blutdruck in der Pfortader bezw. deren Wurzeln machen konnte. Bei der Schwierig- keit, an die Pfortader selbst heranzukommen, ist es begreiflich, dass nur ÜBER DIE WIRKUNGEN DER SEIFEN IM THIERKÖRPER. 131 wenige Bestimmungen über die Höhe des Blutdruckes im Pfortaderblut vorliegen. v. Basch! fand in einer Reihe von Beobachtungen an Hunden mit, wie es scheint, durchschnittenen Nn. splanchniei ihn in den Grenzen von 7 bis 16m Hg schwanken. Heidenhain? fand (in noch nicht weiter veröffentlichen Versuchen) bei gleichzeitiger Messung des Gallendruckes und des Blutdruckes in einem Zweige der V. mesenter. sup. bei Hunden den Pfortaderdruck = 65 bis 90 wm einer Sodalösung. Nimmt man an, dass die Sodalösung, wie gewöhnlich bei kymographischen Versuchen, eine 20 pro- centige, vom spec. Gew. 1.08 war, so entspricht dies einem Drucke von 70 bis 97mm Wasser oder 5-2 bis 7-2 mm Hg. Meine Beobachtungen sind in einer anderen Weise angestellt. Führt man in einen Ast der V. mesenter. an einer beliebigen Darmschlinge eine Canüle ein und verbindet dieselbe mit einer z. B. Seifenlösung führenden Bürette, so ist es klar, dass nur so lange die Lösung in die Vene einlaufen wird, als der Druck, gemessen durch eine Säule, deren Höhe der Erhebung des Niveaus der Seifenlösung über das Niveau des Blutgefässes entspricht, grösser ist als der zeitige Druck des im Blutgefäss selbst strömenden Blutes. Communieirt nun die Venencanüle durch einen entsprechend langen Schlauch mit der Bürette, so kann man durch vorsichtiges Heben und Senken der an einem Stativ fixirten Bürette die Stellung ausprobiren, bei der eben keine Seifenlösung mehr in die Vene eindringt. Erhebt man nun die Bürette ein klein wenig, so fliesst Seifenlösung so lange ein, bis das Niveau der- selben so weit gesunken ist, dass nunmehr der Druck der Seifenlösung dem Blutdruck die Wage hält; senkt man wiederum die Bürette ein wenig, so wird der Flüssigkeitsdruck entsprechend kleiner und nun fliesst umgekehrt so lange Blut aus der Vene in den Kautschukschlauch, bis der Blutdruck so weit gesunken ist, dass er dem Druck der durch das ausgeflossene Blut gehobenen Seifenlösung genau gleich ist, In zwei so ausgeführten Versuchen, wobei eine 5procentige (ölsaure) Seifenlösung vom spec. Gew. 1.011 zur Einspritzung verwandt wurde, sah ich einmal den Seifeneinfluss sistiren, als das Niveau der Seifenlösung sich 35 bis 37 m über demjenigen der V. mesent. befand, ein anderes Mal sogar erst bei einer Erhebung von 39 bis 40 °®. Also ist der Blutdruck in einer der Pfortaderwurzeln dem Druck einer Seifenlösung von 35 bis 40°“ Höhe aequivalent, d.h. einem Druck von 350 bis 400 x 1.011 = 354 bis 404m Wasser oder 26 bis 30mm Hg. Selbstverständlich wurden diese Bestimmungen zu einer Zeit ausge- führt, als der arterielle Druck durch die Seifeninjection noch nicht ge- schädigt war. 1 Arbeiten der physiologischen Anstalt zu Leipzig. 1875. 8. 27. ? Vergl. dessen „Physiologie der Absonderungsvorgänge“ in L. Hermann’s Hand- buch der Physiologie. Bd. V. 1. Thl. 8. 269. 9* 132 IMMANUEL Munk: 3. Gerinnungshemmende und narkotisirende Wirkung der Seifen. Gleich in den ersten Versuchen war es aufgefallen, dass, während bei anderen intravenös eingeführten Stoffen es nicht selten, zumal wenn die Einspritzung sich längere Zeit hinzieht oder zu lange Pausen zwischen den einzelnen Injectionen gemacht werden, das Blut in der Canüle gerinnt, hier nichts davon in die Erscheinung trat. Auch in Versuchen, in denen seit der Freilegung der Vene bis zum Eintritt des Herzstillstandes 1!/, Stunden und darüber vergingen, störte niemals eine Blutgerinnung, wofern nicht zu lange Zeit bis zum Beginn der Seifeninjection verstrich. In der That zeigte es sich, dass die in’s Blut eingebrachten Seifen auch eine Verlangsamung der Blutgerinnung zur Folge haben. Wird durch schnell aufeinander folgende Injection. kleiner oder mittlerer Gaben in eine Körpervene im Verlauf von 13 bis 20 Minuten Herztod herbeigeführt, so erfolst die Ge- rinnung des (jeder beliebigen Vene oder Arterie entnommenen) Blutes ausser- halb der lebenden Gefässe erst etwa nach !/, bis 1 Stunde und das Ge- rinnsel selbst ist spärlich und locker. Zieht sich die Seifeneinspritzung, bis zum Tode längere Zeit hin, so beginnt die Blutgerinnung erst zwischen der 7. und 24. Stunde und auch dann nur partiär. Werden durch die Pfortaderwurzeln so grosse Gaben in kurzer Zeit eingeführt, dass das Thier ungeachtet des bis zu einem gewissen Grade entgiftenden Einflusses der Leber doch schliesslich die todbringende Herzlähmung erleidet, so ist das Blut selbst ausserhalb des Körpers manchmal noch nach 2 Tagen und darüber flüssig. Nur ein einziges Mal sah ich die gerinnungshemmende Wirkung der in’s Blut eingeführten Seifen ausbleiben. Hier trat fast genau in der beim Hundeblut üblichen Zeit, 5 bis 10 Minuten nach dem Heraus- lassen aus dem lebenden Gefäss, die Blutgerinnung ein und unterschied sich weder nach Umfang noch nach Consistenz von der Norm. Nachdem in Hinsicht auf die Ursache des analogen gerinnungshemmenden oder -ver- zögernden Einflusses seitens des in die Blutbahn eingespritzten Peptons die mühsamen Untersuchungen von Fano! zu keinem greifbaren Resultate geführt haben, glaubte ich auf die weitere Verfolgung dieser Frage um so mehr verzichten zu sollen, als die Lehre von der Blutgerinnung sich in neuerer Zeit immer verwickelter gestaltet hat. Auch die narkotisirende Wirkung, welche von einer gewissen Grösse der Gaben an die in’s Blut direct eingeführten Seifen. zur Folge haben, eingehender zu studiren, erschien wenig lohnend. Dass sie erst ganz gelegentlich beobachtet worden ist, kann nicht Wunder nehmen, da, um keine Störung durch stetige Aenderung der Athem- und Herzthätigkeit 1 Dies Archiv. 1881. S. 277. ÜBER DIE WIRKUNGEN DER SEIFEN IM THIERKÖRPER. 133 seitens der sich sträubenden Thiere zu erfahren, an Hunden, welche durch subcutane Injection von Morphium betäubt wurden und danach noch Aether oder Aether-Chloroform inhalirten, experimentirt wurde. Immerhin war doch diese Wirkung so ausgesprochen, dass sie regelmässig in die Er- scheinung trat, sobald die Narkose nicht tief war und nicht zu kleine Seifengaben in schneller Folge eingeführt wurden. Mit dem definitiven Absinken des Blutdruckes wurden selbst die Hunde, welche die vorbereiten- den operativen Eingriffe ohne wesentliche Reaction überstanden hatten, für ganz kurze Zeit. unruhig, heulten oder winselten zuweilen, dann wurden sie auffallend ruhig, ab und zu ging damit eine schnarchende Respiration Hand in Hand, zugleich wurden die Gliedmaassen schlafi und widerstandslos. Was die Ursache dieser narkoseartigen Wirkung anlangt, so war, zumal im Anschluss an den oben berichteten Versuch (S. 126), in welchem bei arhythmischer Herzthätigkeit diese Wirkung zuerst beobachtet worden ist, zu vermuthen, dass durch das Absinken des Blutdruckes auf unter die Hälfte der ursprünglichen Höhe, obwohl weiterhin wieder Erholung eintrat und der Druck sich bis auf */, der Anfangsgrösse erhob, die Cireulation im Hirn schwer geschädigt und dadurch eine Herabsetzung der Erregbar- keit der nervösen Hirnsubstanz bedingt wurde. Ist es doch genügend be- kannt, wie empfindlich gerade die graue Substanz gegen Störungen oder gar Vorenthaltung der Blutzufuhr ist. Diese Deutung wird durch andere Versuche gestützt, in denen gleich- falls nach wiederholtem, wenn auch nur vorübergehendem, schnellen Absinken des Druckes jene narkotische Wirkung beobachtet: worden ist. Dass diese Deutung indess nicht für alle Fälle zutrifft, ergiebt sich aus anderen Ver- suchen, von denen Versuch XXI (S. 129) ein Beispiel liefert. Hier wurde in eine der Pfortaderwurzeln in getheilter Gabe und in langsamem Strome innerhalb 22 Minuten Seifenlösung einfliessen gelassen, bis zu 0.893" p. K. Th., und entsprechend der langsamen Einführung und des gleichsam entgiftenden Einflusses der Leber erwies sich der Mitteldruck kaum abge- sunken; nicht einmal ein vorübergehender Druckabfall war bis dahin erfolet. Erst als nun bei Fortsetzung der Injection die eingeführte Seifenmenge auf über 18’ p. K. Th. anstieg, fiel der Druck um !/, seiner Grösse, erholte sich aber schon innerhalb 12 Secunden bis fast zu seinem ursprünglichen Werth; trotzdem begann nun tiefe Narkose, von schnarchender Athmung begleitet. Da durch diesen einmaligen, nur kurzdauernden und an sich nicht sehr beträchtlichen Druckabfall die Hirneirculation nicht so gestört worden sein kann, um die Erregbarkeit des Gehirns rapide bis zum Eintritt von Narkose sinken zu lassen, so lest diese Beobachtung es viel- mehr nahe, die narkoseartige Wirkung zum Theil als Folge directer Herab- setzung der Erregbarkeit der grauen Hirnsubstanz durch die im Blute 134 IMMANUEL Munk: kreisenden Seifen anzusehen, etwa vergleichbar der ähnlichen, die Erregbar- keit herabsetzenden und schliesslich lähmenden Einwirkung der Seifen auf die intracardialen Ganglien. Diese Herabsetzung der Erregbarkeit tritt ein, wenn die Seifen im strömenden Blute eine gewisse Concentration erreicht haben, und sie wird ihrerseits gefördert durch die gleichzeitige Beeinträch- tigung der Herzthätiekeit und des Blutdruckes, wodurch die Blutzufuhr zum Hirn und dessen Erregbarkeit geschädigt wird. 4. Vergleich der Seifen- mit der Peptonwirkung. Die geschilderten Erscheinungen der in’s Blut direct eingeführten, klar gelösten Natronseifen: Abnahme der Energie der Herzthätigkeit bis zum schliesslichen Herzstillstand, damit Hand in Hand gehend ein proportionales Absinken des arteriellen Blutdrucks, Verlangsamung der Blutgerinnung und eine narkoseartige Wirkung lassen Analogien in den toxischen Erscheinungen zwischen in das Blut eingeführten Seifen und Peptonen vermuthen. Denn wie zuerst Schmidt-Mülheim! im Leipziger physiologischen Institut ge- funden, hat Pepton, d. h. das Gemisch der Verdauungsproducte des Ei- weiss durch Magensaft, das nach der ihm angegebenen Fisenfällungs- methode, wie wir jetzt wissen, nur unvollständig von den Albumosen (Pro- pepton) befreit wird, bei seiner directen Einspritzung in die Blutbahn zu ° 0.38® p. K. Th. ebenfalls ein starkes Absinken des Blutdruckes, unter Umständen bis zur Spannung des ruhenden Blutes, zugleich einen narkose- artigen, soporösen Zustand und eine Verlangsamung der Blutgerinnung zur Folge. Es erschien daher von Interesse, zu prüfen, in wie weit die Seifen, welche. ebenfalls einen Theil der Verdauungsproducte der Fette nm Körper darstellen, in Hinsicht auf ihre Wirkung bei intravenöser Einführung mit den Verdauungsproducten des Eiweiss, den sogenannten Peptonen, Ueber- einstimmung zeigen. So gross’auch nach den oben geschilderten übereinstimmenden Sym- .ptomen die Analogie zwischen der toxischen Wirkung der Seifen und der Peptone zu sein scheint, so ist sie doch thatsächlich nur gering. Einmal hat schon Schmidt-Mülheim? nachgewiesen, dass der jähe Abfall des” Blutdruckes in Folge von Peptoneinführung nicht auf einer Herzwirkung beruht, sondern die Folge der Herabsetzung bezw. Lähmung des Gefäss- tonus ist. In Folge der Erweiterung der kleinen Arterien und der Venen, insbesondere in Folge der Ueberfüllung des Pfortaderkreislaufes, sinkt der arterielle Blutdruck, und mit der dadurch bedingten Störung der Hirneir- 1 Dies Archiv. 1880. 8.33. ZEN AO SMHA ÜBER DIE WIRKUNGEN DER SEIFEN IM THIERKÖRPER. 135 culation bringt Schmidt die narkotische Wirkung in ursächlichen Zusam- menhang. Fano! hat ebenfalls in der Leipziger physiologischen Anstalt das Verhalten des Peptons gegen Blut und Lymphe genauer studirt und gefunden, erstens, dass die Gerinnungsverlangsamung bezw. Hemmung um so ausgesprochener ist, je früher nach der Peptoneinspritzung das Blut entzogen wird. Erfolgt aber die Blutentziehung erst längere Zeit, 1 bis 3 Stunden danach, so gerinnt das Blut ebenso schnell und ebenso fest, also büsst das eirculirende Blut die durch die Peptoneinspritzung ge- wonnene Fähigkeit, flüssig zu bleiben, weiterhin wieder ein. Weiter fand Fano die Pankreaspeptone ganz ohne Einfluss auf die Gerinnbarkeit. Die eingehenden Untersuchungen seitens Kühne”? und Pollitzer lehrten, dass alle Albumosen und die Peptone, zu je 0-38” p. K. Th. intravenös ein- geführt, ausgesprochene Narkose und jähes Absinken des Blutdruckes be- wirken; dagesen machen nur Hetero- und Deuteroalbumose sowie das als Witte’s Pepton käufliche Gemenge das Blut für längere oder kürzere Zeit serinnungsunfähig. Während beim Pepton das Blut um so länger flüssig bleibt, je schneller 0.38% p. K. Th. eingespritzt werden, war hier im Gegentheil, wie schon er- wähnt, häufig die Verlangsamung der Gerinnbarkeit um so ausgesprochener, je längere Zeit vom Beginn der Einführung in den Körperkreislauf bis zum Tode verstrich. Eine Ausnahme hiervon sieht man nur zuweilen bei der Seifen- injection in das Pfortadergebiet; hier zeigte sich die auffälligste Verzögerung bezw. Hemmung der Gerinnbarkeit im Versuche XIII (S. 128), wo innerhalb 13 Minuten in 3 Gaben je 0.3 er” Seife p. K. Th. eingespritzt wurden; das da- nach entzogene Blut war noch am dritten Tage flüssig. Umgekehrt habe ich in einem anderen Versuche, XXI (S. 129), bei Einführung in eine der Pfortaderwurzeln, als bei langsamer Injection in getheilter Gabe der Tod erst 46 Minuten nach Beginn der Einspritzung eintrat, nachdem im Ganzen 1-39 8m Seife p. K. Th. eingeflossen waren, das nach dem Tode entzogene Blut nur kurze Zeit flüssig bleiben sehen; nach 40 bis 45 Minuten bilde- ten sich sparsame und lockere Gerinnsel. So eingehend nun auch seitens der genannten Forscher die toxischen Peptonwirkungen verfolgt worden sind, so fehlt es doch an einer Unter- suchung, welche darüber Aufschluss gäbe, ob bei Einspritzung in das Pfortadergebiet die Erscheinungen nach Qualität und Intensität nicht wesent- _ lich modifieirt sind. Da mir nach den an den Seifen gewonnenen Erfah- rungen es von Belang erschien, die Wirkung des in die Pfortaderwurzeln eingeführten Peptons kennen zu lernen, so habe ich, zugleich um eine etwa I Dies Archiw. 1881. 8. 277. ® Verhandlungen des naturhistorisch-medieinischen Vereins zu Heidelberg. N. F. II. S. 286. 136 IMMANUEL Munk: vorhandene Analogie mit den Seifen aufzudecken, diese Lücke auszufüllen gesucht. Wie schon Fano festgestellt hat, entfaltet das als Witte’s Pepton! käufliche Stoffgemenge ganz exquisit die druckherabsetzende und gerinnung- verzögernde Wirkung. Zur Erzeugung letzterer bedarf es einer schnellen Einführung von 0.38” Pepton p. K. Th. Da nun Witte’s Pepton nur knapp 40 Procent an Propepton (Albumosen) und Pepton enthält, so bedarf es davon einer Gabe von mindestens !%/, x 0.3 = 0.758” p. K. Th. XXV. Hund von 7-92 Kilo, erhält 0-06®’”% Morph. mur. Ast der V. lie- nalis zur Injection einer 10 procentigen Lösung von Witte’s Pepton vorbereitet. Erforderlich von der Körpervene aus: 0-75 x 7:92 = 5.948m Witte’s Pepton. 2..Uhr 48 Min. PB 78 D 122m Hr V. lienalis. 50 ,„ D fällt sofort auf 88, dann auf 55. 2-258'm Peptonpraeparat P 120 51 „ D 44—37 . 2:0 „ ” DOES Sa Sees 1.65, „ 5611%,..0530 5% .»...D 30—28, P’132 220, = 3 Uhr 5 ,„ D 30, systolische Elevationen minimal. Nun die V. jugul. zur Injection vorbereitet. V. jugularis 6, 2.18'm Peptonpraeparat 8.05 12530 a He 10 „ D 30—28. 132 äusserst kleine Pulse 2-9 „ ” OS 27 Bnl36 226: XXH. Hund von 6-7 Kilo. Canüle in eine kleine Dünndarmvene ein- geführt. Erforderlich von der Körpervene aus: 5.03 8"m Witte’s Pepton. 12 Uhr 31 Min. D 116 pP 84 Dar, D.94 P 96 2.5°% Peptonpraeparat DAR D 68 P 108 35.15, DEES2 Pr 366% D 45 B21.06, 532.167, „ SIE DE39 PL 38. D 34 BED 205 5 SIE n DE232 BEIDA 40. ,, DERSA 9130 AUNEEt DE229 2130, Aal DE 30 142 72, = 43 „ D 30 P 136 Aa ID. 29 P 130 ! Soweit mir bekannt, nach der Vorschrift von Adamkiewicz bereitet. Vergl. dessen „Natur und Nührwerth des Peptons.“ Berlin 1877. ÜBER DIE WIRKUNGEN DER SEIFEN IM THIERKÖRPER. 137 Durch Einführung von Pepton in die Milzvene (Vers. XX V) war der Druck schon so weit als überhaupt möglich herabgesetzt worden, daher die weitere Einführung einer selbst noch mehr als ebenso grossen Gabe in die V. jugul. eine tiefere Drucksenkung nicht zu bewirken vermag. Die Versuche haben somit keinen Unterschied in Bezug auf die Drucksenkung ergeben, gleich- viel ob man das Pepton in eine Vene des grossen Kreislaufes oder in das Pfortadergebiet einführt. Von der Pfortader aus bewirkt schon etwa 0.123 Pepton p. K. Th. innerhalb 2 Minuten einen jähen Druckabfall um !/,— ?/, der ursprünglichen Druckhöhe. Weitere Peptoninjection bis zu 0. 68m p- K. Th. (Vers. XX1I) vermag nur noch wenig stärker zu wirken. Damit ist aber auch die druckherabsetzende Wirkung des Peptons erschöpft. Führt man es nun direct in den grossen Kreislauf durch die V. jugul. ein, so beobachtet man kein wesentliches weiteres Absinken, selbst nicht, nachdem noch 0-332® p. K. Th., im Ganzen also 0.738” p. K. Th. injieirt sind (Vers. XXV). Auch unter Schmidt-Mülheim’s mitgetheilten zwei Ver- suchen ist einer, in dem durch Pepton zwar eine beträchtliche Druck- senkung erzielt wurde, nicht aber so weit, dass der Tod eintrat. Jedenfalls ist danach so viel sicher, dass beim Pepton von einem die Giftwirkung abschwächenden Einfluss der Leber nicht die Rede sein kann. Bemerkenswerth ist ferner, dass, während bei den Seifen in Folge directer Einwirkung auf das excitomotorische Herznervensystem mit der Schwächung der Energie der Herzaction, wie sie sich ausser dem niederen arteriellen Druck auch noch durch den nunmehr geringeren systolischen Druckzuwachs zu erkennen giebt, zugleich auch die Frequenz absinkt, hier beim Pepton umgekehrt mit dem Sinken des Druckes die Puls- zahl ansteigt, von 78 bezw. 84 bis auf 136 bezw. 130; auch hier sinkt die Contractionsenergie, daher nur die ganz schwachen pulsatorischen Er- hebungen in der Druckcurve. 5. Schicksale der im Darm gebildeten und resorbirten Seifen. Auf Grund der vorstehend geschilderten Erfahrungen erhebt sich zunächst die Frage: kann nicht auf der Höhe der Fettverdauung die Bil- dung der Seifen und deren Uebertritt in’s Blut so umfangreich werden, dass danach, wenigstens andeutungsweise, solche Wirkungen auf Herz und Kreislauf auftreten, wie wir sie eben kennen gelernt haben? Ebenso wie für das Pepton und die Albumosen, ist diese Frage auch für die Seifen zu verneinen. Denn gleichwie aus den Untersuchungen von Franz Hofmeister! und deren Bestätigungen und Erweiterungen seitens ! Archiv für experimentelle Pathologie. Bd. XIX. 8.1; — Bd. XX. S. 291. 138 IMMANUEL Munk: Neumeister’s! hervorgeht, enthält weder während der Eiweissverdauung noch nach Einführung von Albumosen oder Pepton in den Darm das Blut die geringsten Spuren von Pepton bezw. Albumosen; ebenso wenig enthält unter diesen Umständen der Chylus oder die Lymphe Pepton bezw. Albu- mosen. Daraus ergiebt sich mit zwingender Nothwendigkeit, dass die Albu- mosen und Peptone nicht als solche in die Abzugswege gelangen, durch welche sie weiterhin in den allgemeinen Kreislauf übergeführt werden, viel- mehr erfahren sie zuvor, hauptsächlich in den Epithelzeilen der Dünndarm- zotten (Heidenhain), zum Theil vielleicht auch in den Lymphzellen der Darmschleimhaut eine Rückverwandlung in genuines, coagulables Eiweiss, daher, wie Neumeister bestimmt dargethan hat, nach reichlicher Fütte- rung mit Albumosen und Pepton das Pfortaderblut ebenfalls weder Pepton noch Albumosen enthält und folglich auch das arterielle Blut nichts davon enthalten kann. Analog verhält es sich mit den in den Darm als solche eingeführten oder aus Fett gebildeten Seifen: auch von ihnen kann höchstens ein Kleiner Bruchtheil als Seife in’s Blut übertreten. Der bei weitem grössere Theil wird, gleichwie ich dies für die festen Fettsäuren bestimmt erwiesen habe,? unter Paarung mit Glycerin synthetisch zu Neutralfett umgebildet, das in die Darmlymphe übertritt und diese zu Chylus werden lässt. Diese Er- fahrungen bezüglich der Fettsäuren sind erst ganz neuerdings wieder in der Leipziger physiologischen Anstalt seitens v. Walther? vol und ganz bestätigt worden. Auch nach Einführung reiner Seife* (Sapo medi- catus Ph. G.) bei einem Hunde, der vorher 48 Stunden lang gehungert hatte, fand ich in der 5. Verdauungsstunde den Chylus milchweiss, nicht anders als dies nach Fütterung mit Fettsäuren der Fall ist,’ und zwar war es feinster Fettstaub, welcher das chylöse Aussehen bedingte und sich bei der chemischen Untersuchung als fast ausschliesslich aus Neutralfett bestehend erwies. Demnach führt auch nach Seifenfütterung oder nach Injection von Seife in den Darm der Chylus reichlich emulgirtes Neutral- Zeitschrift für Biologie. Bd. XXIV. 8. 272; — Sitzungsberichte der Würz- burger physik.-med. Gesellschaft. 1889. * Virchow’s Archiw. Bd. LXXX. 8.10; — Bd. XCV. 8. 407. ? Dies Archiv. 1890. 8. 329. *]J. Munk, Virchow’s Archiv. Bd. LXXX. S.35. ° Ich muss auf diese Erfahrung um so mehr Nachdruck legen, als Perewoz- nikoff (Centralblatt für die medicinischen Wissenschaften. 1876. Nr. 48) die un- richtige Angabe gemacht hat, dass nur bei gleichzeitiger Injeetion von Seife und Glycerin in den Darm Füllung der Zotten mit molecularem Fett und Bildung eines gewöhnlichen weissen Chylus erfolgt, nicht aber bei alleiniger Injection von Seife. Auch Hoppe-Seyler (Physiologische Chemie. III. S. 594) hat unabhängig von mir, nach Verabreichung von Seife allein, milchweissen Chylus gesehen. ÜBER DIE WIRKUNGEN DER SEIFEN IM THIERKÖRPER. 139 fett. Dass endlich der Seifengehalt des Chylus nach Einführung von Fettsäuren oder Seifen nicht höher ist, als bei reiner Eiweissverdauung, habe ich gleichfalls schon vor elf Jahren mitgetheilt! und hat ebenfalls v. Walther neuerdings bestätigt. Somit kann weder bei Fett-, noch bei Fett- säure-, noch bei Seifenverdauung ein Uebertritt von Seifen in den Chylus in irgend erheblicher Menge angenommen werden. Es fragt sich nur noch, ob nicht ein Theil der im Darm gebildeten oder als solche eingeführten Seifen der synthetischen Umbildung zu Neutral- fett entgehen und als gelöste Seife direct durch das Pfortaderblut aus dem Darm abgeleitet werden kann? In dieser Beziehung liest keine positive Thatsache vor, welche sich dafür verwerthen liesse. Weder im Pfortader- noch im Körperblut hat man auf der Höhe der Fettverdauung Seifen reichlicher als sonst gefunden; immer findet man im Blutplasma oder Blutserum Seifen in den engen Grenzen von 0-05 bis 0-12 Procent schwankend, niemals einen höheren Werth, wie er bei einigermaassen reich- lichem Uebertritt von Seifen aus dem Darm in das Blut zu erwarten wäre. Man kann daher Hoppe-Seyler? nur beistimmen, wenn er sagt: „Die Herkunft der Seifen des Blutes und der Lymphe ist unbekannt und ihr Auftreten in diesen Flüssigkeiten weder für die Erklärung der Resorption, Bildung und Ablagerung noch für die des Zerfalls der Fette und des Le- cithins zu verwerthen.“ Schlussbemerkungen. Seitdem ich, vom Winter 1887 angefangen, auf die toxischen Wir- kungen der in’s Blut eingespritzten Natronseifen aufmerksam geworden bin, habe ich in den beiden folgenden Jahren, soweit mir andere Untersuchungen hierzu Zeit liessen, das weitere Studium fortgesetzt. Nachdem ich zu einem gewissen Abschluss gelangt zu sein glaubte, habe ich über die thatsäch- lichen Ergebnisse im Juli 1589 einen kurzen Bericht erstattet.” Während ich nun die vorstehend gegebene ausführliche Schilderung meiner Beob- achtungen zu Papier brachte, ersah ich aus einer eben erschienenen Studie von R. Kobert,* dass wenigstens ein Theil meiner Beobachtungen nicht neu, sondern schon sieben Jahre früher gemacht, aber in Folge der durch- aus ungenügenden Form der Publication den Fachgenossen und so auch mir entgangen ist. Für Buchheim’s Crotonolsäure macht Kobert? auf ı Virchow’s Archiv. Bd. LXXX. S. 33. °® Zeitschrift für phusiologische Chemie. Bd. VIII. S. 506. > Centralblatt für die medieinischen Wissenschaften. 1889. Nr. 28. * Arbeiten des pharmakologischen Instituts zu Dorpat. 1890. Bd. IV. >7A.a.0. 8.55. 140 IMMANUEL Munk: Grund von Versuchen seines Schülers v. Hirschheydt die Angabe, dass die rein dargestellte Crotonolsäure bei Einführung als Alkalisalz in die Blutbahn schon bei 0-07 ®erm p. K. Th. schwere Erscheinungen macht und bei weniger als 0.4wem p. K. Th. tödtlich wirkt, und fährt dann so fort: „Nun sind nach Kobert und Rassmann sowie nach I. Munk zwar alle Seifen im Blute eiftig, aber erst bei einer die tödtliche Dose der Crotonol- seifen um mehr als das 200fache übersteigenden Dose.“ Als Quelle für letztere Angabe citirt Kobert eine aus seinem Privatlaboratorium hervor- gegangene Hallenser Inaugural-Dissertation von A. Rassmann (1880), die indess nirgends anderswo, auch nur im Auszuge, mitgetheilt ist. Uebrigens hätte auch auf Grund des Titels dieser Dissertation „über Fettharn“ Nie- mand ahnen können, auf die Giftigkeit der Seifen bezügliches darin zu finden. Nachdem ich, durch Kobert’s Hinweis darauf aufmerksam ge- macht, von dem Inhalt jener Dissertation Einsicht gewonnen, muss ich allerdings zugeben, dass vor mir schon Rassmann durch Versuche an Kaninchen und Hunden die Giftiskeit des ölsauren Natrons bei Injection in die Blutbahn erkannt und weiter ermittelt hat, dass das ölsaure Natron die Pulsfreguenz und den Blutdruck herabsetzt, Narkose herbeiführt und schliesslich durch Herzlähmung tödtet. Ist es somit sehr bedauerlich, dass in Folge einer ungeeigneten Publi- cationsart die Rassmann’schen Beobachtungen nicht in weitere Kreise gedrungen! sind, so dass ich die toxische Wirkung der Seifen gleichsam auf’s Neue finden musste, so bin ich doch gern bereit, was die Herzwirkung anlangt, Rassmann’s Priorität anzuerkennen. Allein gerade weil ich ohne Kenntniss der Rassmann’schen Beobachtungen von eigenen Erfahrungen ausgehend, wie in der Einleitung geschildert, die Wirkung der Natronseifen studirt habe, sind meine Untersuchungen auf breiterer Basis aufgebaut und, wie ich wohl sagen darf, auch ergebnissreicher geworden. Denn einmal hat Rassınann nur die Wirkung des ölsauren Natrons, nicht aber die der festeren, vorwiegend aus Palmitin- und Stearinsäure bestehenden Seifen geprüft, zweitens findet sich bei Rassmann nirgends eine Angabe über die Grösse der Dosis toxica und lethalis; eine solche ist auch nachträglich nicht zu machen, ist doch nirgends das Gewicht der Versuchsthiere ver- merkt; wenn daher Kobert neuerdings die Giftwirkung des crotonolsauren Natrons mit dem der Natronseifen vergleicht, so ist dieser Vergleich nur auf Grund meiner Befunde über die Grösse der Dosis toxica und lethalis der Natronseifen ermöglicht. Sodann habe ich die Herzwirkung genauer ' Kobert führt an, dass er in Schmidt’s Jahrbüchern (1881, Bd. CLXXXIX, S. 3) einen Bericht über die Rassmann’sche Dissertation geliefert hat. Dem gegen- über berufe ich mich darauf, dass selbst in Virchow-Hirsch’s Jahresbericht für 1830 Rassmann’s keine Erwähnung geschehen ist. ÜBER DIE WIRKUNGEN DER SEIFEN IM THIERKÖRPER. 141 praecisirt, habe ferner gezeigt, dass diese Wirkung beträchtlich abgeschwächt wird, wenn die Seifen, anstatt direct in den allgemeinen Kreislauf einge- führt zu werden, erst dahin auf dem Umwege durch den Pfortaderkreislauf gelangen und die Leber zu passiren haben. Weiter habe ich zuerst die Aufmerksamkeit auf die die Blutgerinnung verzögernde bezw. hemmende Wirkung der in’s Blut injieirten Natronseifen gelenkt. Schliesslich habe ich zeigen können, dass, so ähnlich auch auf Grund der danach beobach- teten Erscheinungen die Wirkung der in das Blut injieirten Natronseifen mit derjenigen der auf dem gleichen Wege einverleibten Peptone zu sein scheint, doch beider Wirkungen ihrem ursächlichen Zusammenhang nach sich als grundverschieden darstellen. Jedenfalls lehrt diese Erfahrung wiederum auf’s Neue, wie dringend es geboten ist, dass von den in Dissertationen (zumal wenn diese einen Titel führen, der, wie im vorliegenden Falle, auf die darin enthaltenen Versuche keineswegs hinleitet) niedergelegten Beobachtungen seitens der Laboratoriumsvorstände oder derjenigen, unter deren Mitverantwortung die Arbeit ausgeführt ist, den Fachkreisen in wissenschaftlichen Zeitschriften, wenigstens auszugsweise, Kenntniss gegeben wird. Hätte ich Rassmann’s Angaben früher gekannt, so hätte dies aller- dings mir den Vortheil gebracht, dass ich s. Z. eine ganze Reihe mühseliger und vergeblicher Versuche ! nicht angestellt hätte. Allein es wäre dann auch für mich kein Anlass erwachsen, die Wirkung der Natronseifen ge- nauer zu verfolgen, ein Studium, das, wie ich glaube, sich als lohnend und unsere Kenntnisse erweiternd erwiesen hat. 1 Pflüger‘s Archiv u.s. w. Bd. XLVI. S. 331. Betrachtungen über die physikalische Eigenschaft der Schwimmblase der Fische. Von Oscar Liebreich. Behufs Untersuchung des Widerstandes, welchen Körper bei der Be- wegung unterhalb und in der Nähe der Flüssiekeitsoberfläche erfahren, wurden unten offene Glasschwimmer, welche Luft enthalten, in Anwendung gezogen. Die Frage nach dem Gleichgewicht solcher Körper, als deren Repraesentant gewöhnlich der Cartesianische Taucher vorgeführt wird, gab die Veranlassung zu der nachfolgenden Untersuchung. Die für die hier in Betracht kommenden physikalischen Eigenschaften wichtigen Daten ver- muthete ich, und wohl nicht mit Unrecht, in der physikalischen Litteratur vollständig zu finden, was jedoch nicht der Fall war. Es lag zunächst nahe, den „Cartesianischen“ Taucher bei Des- cartes beschrieben zu suchen. Es ist mir aber nicht gelungen, eine dieses Spielzeug betreffende Notiz in seinen Werken aufzufinden, ich will es aber dahingestellt sein lassen, ob nicht bei einer noch sorsfältigeren Durchsicht sich eine oder die andere auf die betreffende Frage bezügliche Bemerkung ermitteln liesse. | Die erste verwerthbare Notiz über die physikalischen Eigenschaften eines mit Luft verbundenen Körpers, der sich in Wasser befindet und an sich schwerer als dasselbe ist, wobei letzteres gleichzeitig die Communication mit dem äusseren Luftdruck herstellt, findet sich in Boyle’s Paradoza hydrostatica. Ihm sind die Cartesianischen Taucher augenscheinlich be- kannt, denn er spricht an einer Stelle von dem phaenomenon ludi- erorum, ohne aber den Namen Descartes zu erwähnen, als etwas Be- kanntem.! Der Ausdruck ludicra findet sich in der französischen Be- " Rob. Boyle, Paradoxa hydrostatica. Rotterdami 1670. p.45: „Bädemque de causa additamentum quoddam praetereo Phaenomenum Iudierorum ete. 8. 54, { | DIE PHYSIKALISCHE EIGENSCHAFT DER SCHWIMMBLASE DER FISCHE. 143 zeichnung ludion de Descartes wieder. Jedenfalls zeigte Boyle durch das eitirte Werk, dass er in geschickter Weise die Eigenschaften mit Luft verbundener fester Körper, bei denen die Luft ein veränderliches Volumen hat, experimentell erläutert hat.! Er füllt kleine, kugelförmige Gläschen mit relativ langem Halse mit einer solchen Quantität Wasser, dass diese Körper, welche ich als Boyle’sche Schwimmer bezeichnen will, an der Ober- fläche des Wassers schwimmen. Nach dem Entleeren des Gefässes bringt er den Schwimmer auf den Boden desselben und hält ihn dort mit einem Stabe fest, während er das Gefäss von Neuem füllt. Der Schwimmer bleibt dann liegen, nachdem der Stab entfernt ist. Füllt man dagegen das Ge- fäss ohne den Schwimmer festzuhalten, so steigt er je mehr man dasselbe füllt. Aus diesen Versuchen geht mit Deutlichkeit hervor, dass ein Boyle’- scher Schwimmer abhängig vom Drucke der Wassersäule und der Luft bald schwerer, bald leichter als das Wasser sein kann und vor Allem, dass eine Gleichgewichtslage und zwar eine labile existirt. Dieser Versuch Boyle’s ist von späteren Physikern meines Wissens nicht citirt worden, dagegen der Cartesianische Taucher bis auf die heutige Zeit in allen Lehr- büchern, welche experimentell physikalische Dinge vorführen, berücksichtigt worden. Es ist dies um so wunderbarer, als der Boyle’sche Versuch für die Gleichgewichtsverhältnisse viel instructiver ist als der Cartesianische Taucher, bei welchem die Verhältnisse zwar nicht complicirt, aber doch nicht so einfach, wie beim Boyle’schen Versuch sind. Besonders auf- fallend ist, dass in der mir zugänglichen physikalischen Litteratur sich Ungenauigkeiten und Missverständnisse bis auf die heutige Zeit vererbt haben. Es wird nämlich stets gesagt, dass es möglich ist, durch einen bestimmten Druck auf die elastische Membran einem Taucher an beliebiger Stelle eine Gleichgewichtslage zu geben. So sagt Musschenbroek:? „Si, lorsqu’ils sont a moiti& chemin, on presse de nouveau la Vessie avec le doist, on peut les arreter la; car on a fait alors entrer dans leurs pieds autant d’Eau quil en faut pour les tenir en Equilibre avec l’Eau de la Bouteille, de sorte qu’ils ne peuvent alors ni descendre, ni monter.“ In Gehler’s physikalischem Wörterbuch? findet sich eine ähnliche Be- hauptung und zwar heisst es dort: „Drückt man zunächst mit dem Finger die Blase nieder, so wird die Luft unter ihr und gleichzeitig der Rest der im Körper der Puppen noch eingeschlossenen Luft zusammengedrückt, es dringt etwas mehr Wasser ein, sie werden specifisch schwerer, schwimmen also nicht mehr, sondern sinken nieder und auf diese Weise kann durch Na 02399: ” Musschenbroek, Kssai de Physique. t.1. p. 678. Trad. p. Massuet. Leyden 1739, 3 Gehler’s Physikalisches Wörterbuch. Bd. VII. 8.684. Art. Schwimmen. 144 | OscAR LIEBREICH: veränderten Druck ihr specifisches Gewicht so regulirt werden, dass sie auf den Boden herabsinken, oder oben schwimmen, oder auch an jeder Stelle des Glases ruhend bleiben.“ Auch in den neueren Lehrbüchern der Physik, welche die Besprechung über den Cartesianischen Taucher auf- genommen haben, finden sich dieselben Angaben. Selbst in dem neuesten Lehrbuch, dem von Winkelmann herausgegebenen Handbuch der Physik! (1889) findet sich in dem von Auerbach verfassten Abschnitt über Hydrostatik bei Gelegenheit der Besprechung des Schwebens folgende Beschreibung des Cartesianischen Tauchers, welche ich zur Vermeidung aller Missverständnisse wörtlich hierher setzen will: „Der zweite Fall, das Schweben eines festen Körpers in einer Flüssigkeit, lässt sich mit einfachen Körpern z. B. von Holz, nur mit einiger Mühe verwirklichen, weil bei dem geringsten Unterschiede der Dichten der Körper, wenn auch äusserst lang- sam, steigt oder fällt. Man muss daher entweder den schwimmenden festen Körper, oder die Schwimmflüssiekeit durch Mischung zweier ver- schieden specifisch schwerer Stoffe herstellen. ..... Noch leichter macht es sich mit dem folgenden unter dem Namen des Cartesianischen Tauchers bekannten Apparat. Eine Glaskugel ist theils mit Wasser, theils mit Luft gefüllt und hat unten eine sehr feine Oeffnung. Sie schwimmt auf der Wasseroberfläche eines Glascylinders, der oben mit einer Membran ver- schlossen ist. Drückt man auf dieselbe, so treibt man etwas mehr Wasser in die Kugel, sie wird schwerer und sinkt; ermässigt man den Druck, so ° dehnt sich die Luft m der Kugel aus und treibt wieder etwas Wasser heraus. Man kann nun leicht den Druck auf die Membran so reguliren, dass die Kugel in jeder Lage schwebt.“ Die vorstehenden Angaben, besonders die letzte, lassen keinen Zweifel darüber, dass die Ansicht der citirten Autoren dahin geht, dass ein stabiles Gleichgewicht für den Carte- sianischen Taucher, oder besser für alle Boyle’schen Schwimmapparate bestehe und experimentell bewiesen werden könne. Ein Missverständniss in dieser Beziehung ist wahrscheinlich dadurch hervorgerufen worden, dass bei der Anordnung der Versuche die Druckänderung mit Hülfe einer ‘elastischen Membran und dem Fingerdruck bewerkstelligt wurde, zwei Ur- sachen, die einen Irrthum bei der experimentellen Prüfung hervorrufen konnten. Bei sehr kleiner Austrittsöffnung des Tauchers nämlich findet der Ein- und Austritt des Wassers äusserst langsam statt, und es ist so mög- lich, durch fast insensible Muskelbewegung den Taucher scheinbar im Gleichgewicht zu halten, während in der That durch minime periodische Druckveränderung diese scheinbare Ruhe hervorgebracht wird. Schaltet man an einen Taucherapparat ein Seitenrohr mit elastischer Membran ein, ' Winkelmann, Handbuch der Physik. I. Breslau 1889. S. 352. DIE PHYSIKALISCHE EIGENSCHAFT DER SCHWIMMBLASE DER FISCHE. 145 welches das Zuströmen von Leuchtgas zu einer kleinen Lampe zu vermindern gestattet, so kann ein Beobachter, dem das Urtheil über seine eigene Muskel- bewegung schwierig ist, objeetiv an der Bewegung der Flamme die Inconstanz des Druckes sich in deutlicher Weise vorführen. Es ist daher ein unbegreif- - liches Nachschreiben älterer Beobachtungen, wenn in einem physikalischen Lehrbuche an Stelle des Fingerdruckes ein Piston zum Drücken gezeichnet ist, denn ein solcher Apparat, falls er von dem Autor wirklich benutzt worden wäre, hätte ihn sofort darauf aufmerksam machen müssen, dass bei dem Cartesianischen Taucher ein stabiles Gleichgewicht nicht her- gestellt werden kann.! Nach diesen Auseinandersetzungen kann man sich von vornherein vor- stellen, dass die Autoren, welche die mechanische Function der Schwimmblase der Fische untersuchten, sich nicht die nöthige Klarheit verschaffen konnten, indem sie zwar das Boyle-Mariotte’sche Gesetz berücksichtisten, die Art des Gleichgewichts aber unrichtig beurtheilten. — Um daher dieser Frage näher zu treten, ist es erforderlich, der Gleichgewichtslage eines Boyle’schen Schwimmers durch Rechnung zu erörtern. Der Schwimmer lässt sich als ein System betrachten, welches sich aus einem festen Theil, dessen specifisches Gewicht grösser, als das des Wassers ist, und aus der Luft, welche immer speeifisch leichter, als Wasser ist und ein veränder- liches Volumen hat, zusammensetzt. Das Gleichgewicht des zusammen- gesetzten Systems im Wasser tritt dann ein, wenn das mittlere specifische Gewicht des Körpers = 1 ist, d.h. wenn die Zahl, welche das Gewicht in Grammen angiebt, gleich der Zahl ist, welche die Summe der Volumina von fester Substanz und Luft in Kubikcentimetern darstellt. Damit diese ! Als meine Untersuchung schon vollendet war, wurden mir in Ritter’s Zehr- buch der technischen Mechanik, 1877, IV. Aufl., S. 682, die Berechnungen bekannt, welehe dort für das Gleichgewicht schwimmender Luftbehälter ausgeführt worden sind, und zwar für den Fall eines innen und aussen kreiscylindrisch begrenzten Körpers. Aus den Gleichungen (1028) und (1030) daselbst leitet Verfasser die Gleichgewichts- berechnungen für das eingetauchte Gefäss ab und kommt hier ebenfalls zu dem Schluss, dass ein solcher Luftbehälter unter dem Wasser in allen Fällen eine labile Gleich- gewichtslage habe. Die Beschränkung auf den speciellen Fall ist von keinem erheb- lichen Nutzen, weil, wie man besonders aus der von mir im Text gegebenem Behand- lung sieht, die allgemeine Rechnung eben so leicht, und wie ich glaube, übersichtlicher geführt werden kann. Nicht unerwähnt möchte ich ferner lassen, dass mir -— eben- falls nach Abschluss meiner Untersuchung — durch die Freundlickeit des Hrn. Director Professor Dr. Schwalbe eine Aeusserung von R. Heyden bekannt wurde Heyden spricht in der Zeitschrift zur Förderung des physikalischen Unterrichts, Ill, heraus- gegeben von Lisser und Benecke, Verlag von Lisser und Benecke, welche im Buchhandel nicht erschienen ist, S. 10 von einem labilen Gleichgewicht, ohne allerdings eine Rechnung mitzutheilen. Archiv f. A.u. Plı. 1890. Physiol. Abthle. Suppl, 10 146 ÜSCAR LIEBREICH: Bedingung erfüllt werde, wird die Luft im Taucher unter einem ganz bestimmten Druck stehen müssen.! Es sei (Fig. 1): F das Gewicht der starren Substanz des Schwimmers, s das specifische Gewicht derselben, Z das Gewicht der im Schwimmer abge- sperrten Luft, co das specifische Gewicht derselben, so gilt also für das Gleichgewicht des Schwim- mers zunächst folgende Gleichung: n Br s {0 Es sei ferner: P der äussere Luftdruck, co, das diesem entsprechende specifische Ge- wicht der Luft, h die Höhe der auf die Luftblase drücken- den Wassersäule, Fig. 1. so ist nach dem Boyle-Mariotte’schen Ge- setz: 6 2) os=p(P+h), wobei ? ebenfalls als durch Wassersäulen gemessen vorausgesetzt ist. Setzt man nun den aus (2) sich ergebenden Werth von o in (1) ein, so er- hält man: 3) = = nn 2 (P+h) ”° hat dabei einen constanten Werth, wenn man von den Variationen der iR Temperatur absieht, und zwar ist derselbe bei 18° n - 0-0012129, falls 0-0012129 10-33 Grundmaass für die Längen das Meter verwendet. Aus Gleichung (3) er- giebt sich, dass der Taucher nur in einer bestimmten Tiefe im Gleich- gewicht ist und zwar ist diese Tiefe: der Fuss zur Längeneinheit gewählt wird und = ! Meine erste Mittheilung erfolgte in der Sitzung der physiologischen Gesellschaft am 17. Januar 1890. Siehe dies Archiv. 1890. S. 360. wenn man als DiE PHYSIKALISCHE EIGENSCHAFT DER SCHWIMMBLASE DER Fischer. 147 4) ne ! en nee 12, Jh s IR wobei C sich als unabhängig von ? zeigt. Man ersieht aus (4), dass % mit Z wächst, dass es dagegen bei Ver- grösserung des äusseren Luftdruckes abnimmt und zwar gerade um so viel, als ?/, in Wasserhöhen ausgedrückt, zunimmt. Ein Zahlenbeispiel möge zur Veranschaulichung angeführt werden. Es sei: F= 10m; s=2.5; Z = 0.009051, so ergiebt sich h=12:03%2 —P. Hat ? den mittleren Normalwerth 10-33, so ist also h=1-.10=. Lässt man P auf 11-5” wachsen, so wird A= 0.53". Füllen wir den- selben Taucher mit grösseren Mengen Luft, etwa Z = 0.012953, so erhält man, wenn ?= 10.33" Rs lego 68H. Die angeführten Formeln zeigen uns gleichzeitig an, welcher Druck angewendet werden muss, wenn der Taucher sinken soll; es tritt dieses in dem Moment ein, wenn die beiden Gleichgewichtslagen des Tauchers, die stabile des Schwimmers an der Wasseroberfläche und die labile des Schwebens unter Wasser, mit einander coneidiren, wenn also die Kuppe des Tauchers die freie Wasseroberfläche gerade tangirt. Die hierzu ge- hörige Grösse von Ah ist in jedem speciellen Falle eine andere; sie hängt von der Form des Körpers und von dessen Dimensionen ab; in dem Falle des Cylinders lässt sie sich bei Vernachlässigung des Einflusses der Capillarität leicht berechnen, da aber diese Betrachtung hier nicht wesent- lieh ist, so soll auf dieselbe nicht weiter eingegangen werden. Dass die oben berechnete Gleichgewichtslage eine labile ist, ergiebt folgende Ueberlegung. Verlässt der Taucher seine Gleichgewichtslage mit einer Geschwindigkeit nach unten, so wird o grösser, das Gesammtvolumen des Tauchers also in jedem Augenblick kleiner, es addirt sich also zu der schon vorhandenen Geschwindigkeit die durch die Vermehrung des spe- eifischen Gewichts über 1 gegebene Beschleunigung; verlässt er dagegen die Gleichgewichtslage mit einer Geschwindigkeit nach oben, so wird in jedem Moment das Volumen des Körpers grösser, zu der schon vorhandenen Bewegungsgrösse kommt die durch die Vermehrung des Auftriebs gesetzte Beschleunigung hinzu, der Körper wird sich also mit immer grösserer Ge- schwindickeit von seiner Gleichgewichtsebene entfernen. 10* 148 OSCAR LIEBREICH: Die Abhängiekeit der die Gleichgewichtslage bestimmenden Grösse 7 von dem Druck P lässt sich durch einen dem Cartesianischen Taucher e ähnlichen Apparat experimentell sehr bequem zeigen (Fig. 2), da derselbe gestattet, die Gleichgewichtsebene innerhalb eines Öylinders an belie- biger Stelle festzuhalten, was bei dem Cartesianischen Taucher nicht der Fall ist. Es wurde deshalb dieser Apparat in folgender Weise construirt. In einem bis zur Höhe « mit Wasser gefüllten Oylinder A befindet sich ein Boyle’scher Schwimmer 2, wel- cher mit Wasser gefüllt, in seiner stabilen Gleichgewichtslage schwim- mend nur wenig aus der Oberfläche hervorraet. Der oben mit einem Messingring c versehene Cylinder kann durch eine Messingplatte d mit Hülfe von Gummiringen luftdicht | verschlossen werden, und zwar durch ak I Andrücken eines mit Schrauben- / gewinde durchbohrten Bügels e. Die Messingplatte ist an zwei Stellen mit Bohrungen versehen, an welche die beiden Röhren f und g anschliessen ; AN diese biegen nach aussen ab. Das Rohr g hat bei A einen einfach durch- Fig. 2. (‘Js Grösse.) bohrten Hahn. An diese Röhren . werden die aus dickem Gummi bestehenden Ballons % und 7, deren jeder etwa 70m Luft enthält, befestigt. Durch Druck auf den einen Gummi- ballun sinkt der Schwimmer unter und beim Nachlassen des Druckes steigt derselbe wieder in die Höhe, soweit stimmt also der Apparat mit dem ge- wöhnlichen Cartesianischen Taucherapparat überein. — Erhöht man den Druck ? dadurch, dass man den Gummiballon 4% zusammendrückt, jedoch nur so weit, dass der Schwimmer nicht untersinkt, und schliesst man den Hahn k, so wird der Schwimmer auf den Boden sinken und sich beim Nachlassen des Druckes nicht wieder erheben. Letzteres gelingt jedoch in Folge von Rückstossbewegungen dadurch, dass man kurze Schläge auf den Ballon % giebt. Man kann nun leicht durch Probiren die Stelle be- DIE PHYSIKALISCHE EIGENSCHAFT DER SCHWIMMBLASE DER FISCHE. 149 stimmen, von welcher ab der Schwimmer von selber in die Höhe steigt. Durch wiederholte Versuche erkennt man, dass je stärker die Com- pression des Ballons 4’ gewesen ist, um so höher die labile Gleich- gewichtslage steigt.‘ Die mangelnde Klarheit in den Anschauungen über den Mechanismus der Boyle’schen Schwimmer spiegelt sich in den Theorien wieder, welche über die Function der Schwimmblase von den verschiedensten Autoren publieirt worden sind, eine Unklarheit, welche so weit geht, dass Einige der Schwimmblase überhaupt jede Bedeutung für die Locomotion des Fisches abgesprochen haben. Es bedarf wohl kaum der Erwähnung, dass meine Betrachtung sich eben nur auf solche Fische bezieht, welche eine Schwimm- blase haben, sei es, dass dieselbe mit der Atmosphaere direet communicirt, sei es, dass sich der Druck der Wassersäule und der äusseren Luft durch die Vermittelung der elastischen Wandungen, welche die Blase umgeben, auf diese überträgt, mit anderen Worten, ich diseutire die Frage: welchen Einfluss übt der combinirte Luft- und Wasserdruck auf die Bewegungen solcher Fische aus, welche einen mit Luft erfüllten Hohlraum einschliessen? Indem ich diese Frage erörtere, bemerke ich, dass es einer weiteren experimentellen Untersuchung vorbehalten bleiben muss, in wie weit auf diese rein mechanischen Vorgänge die veränderte Zusammensetzung der Blasenluft einen Einfluss ausübt, es würde diese Frage einer besonderen Rechnung auf Grund durch Versuch und Analyse gewonnener Daten be- dürfen. — Bevor ich jedoch aus den oben über den Boyle’schen Schwim- mer angestellten Betrachtungen Schlussfolgerungen auf die gegenwärtige Frage ziehe, halte ich es für zweckmässig, kurz diejenigen Anschauungen einem historischen Ueberblick zu unterziehen, welche bis in die Gegenwart über die mechanische Function der Schwimmblase geäussert worden sind. Robert Boyle? ist der erste, welcher die mechanische Bedeutung der Schwimmblase untersucht hat. Ausgehend von der Eigenschaft einer ! Beim Experimentiren wit diesem Apparat kann man die Erscheinung der Ver- schiedenartigkeit des Stosses constatiren, je nachdem der Boyle’sche Schwimmer eine weite oder eine enge Oeffnung hat. Drückt man den Gummiballon % zusammen und lässt ihn plötzlich wieder los, so wird bei den Schwimmern mit enger Oeffnung ein starker Rückstoss denselben in die Höhe treiben, während der Schwimmer mit weiter Oeffnung nur geringe Bewegungen nach oben macht. Bei dem Schwimmer mit weiter Oeffnung dagegen wird bei einem starken plötzlichen Stoss das Wasser schnell hinein- getrieben und der Schwimmer durch Mittheilen dieser Bewegung in die Höhe geschleu- dert, während bei dem Schwimmer mit enger Oeffnung nur eine kurze Excursion nach oben bemerkt wird, da durch denselben Stoss in ihn nur sehr wenig Wasser hinein- gelangt. ” Philosophical Transactions for the year 1675—79. vol. X. p. 310. 150 OSCAR LIEBREICH: Luftblase beim Aufsteigen sich zu vergrössern, überträgt er in kurzen und klaren Worten diese Eigenschaft auf die Luft in der Schwimmblase und entsprechend der Kenntniss, welche er in Folge seines Versuches in den „Paradoxa hydrostatica“ haben musste, beurtheilte er schon richtig, dass an einer bestimmten Stelle der Fisch dasselbe speeifische Gewicht wie das Wasser haben müsse, eine Betrachtung, die, wie es sich bei Borelli zeigt, von anderen Autoren nicht gebührend berücksichtigt worden ist.! John Ray? knüpft hieran einige weitere Bemerkungen, aus denen ich als wesent- lich hervorhebe, dass er zuerst erwähnt, dass ein Fisch, dessen Schwimm- blase verletzt ist, zu Boden sinkt und die Kraft verliert, sich wieder zu erheben. Man kann ihn auch als den ersten Forscher ansehen, der zur ausgiebigen Erklärung der Wirkung der Schwimmblase die anatomischen Eigenschaften in Betracht ziehen will. Borelli?® (1680) berichtet ebenfalls über die Erfahrungen Ray’s, dass nach dem Zerreissen der Blase, welches er künstlich im Vacuum bewirkt hatte, die Fische, speeifisch schwerer als Wasser geworden, gleichsam kriechend sich auf dem Boden des Behälters bewegen, und nimmt fälsch- licher Weise an, dass das Schweben derselben ein stabiler Gleichgewichts- zustand sei, wie dies daraus hervorgehen soll, dass sich der Fisch in der Ruhelage erhalten könne, ohne seinen Schwanz und seine Flossen zu bewegen. Gotthelf Fischer* erörtert die anatomische Lage und physiologische Eigenschaft der Schwimmblase Er geht von der Ansicht aus, die auch später wieder aufgenommen worden ist, dass die Schwimmblase für die Bewegung der Fische von keiner besonderen Bedeutung sei und erkärt die Eigenschaft der Fische, welche der Schwimmblase beraubt sind, daraus, dass sie der Luft, mit der die Schwimmblase gefüllt ist, ganz entbehren können und in Folge dessen keinen Trieb hätten nach oben zu gehen (!}). ı P. Harting sagt zwar (Poggendorff’s Annalen, Bd. CXLVII) bei Gelegen- heit der Beschreibung des Physometer’s, dass Needham der erste gewesen ist welcher die physikalische Eigenschaft in Betracht gezogen habe. — Needham, wel- cher sein Werk Disguisitio anatomica de formato foetu, London 1667, Boyle ge- widmet hatte, spricht der Schwimmblase zwar eine Bedeutung für die Bewegung der Fische zu, indem er p. 156 sagt: „At reliqui....huiusmodi subsidium poseunt ut sursum, deorsum, dextrorsum, sinistrorsum in undis ferantur, absque enim tali aequi- pondio intus latente manifestum est tanta corpora, a tam exiguis pinnis sustentari et moveri non potuisse,“ aber das Boyle’sche Gesetz wendet er nicht an, und zieht über- haupt nicht die Möglichkeit einer Verdichtung der Schwimmblasenluft in Betracht, ?” Philosophical Transactions, ib. p. 349. ® Borelli, Joh. Alphonsi, De motu animalium. Ed.nova Hagae Comitum 1743. P.I. p. 208, Prop. CCIX: „Et quia videmus, quod pisces in quolibet situ profunditatis aquae quiescunt immoti, absque ullo conatu et impulsione caudae, aut pinnarum, fa- tendum est, aeque graves specie esse ac aqua.“ * Gotthelf Fischer, Versuch über die Schwimmblase der Fische. Leipzig 1795. DIE PHYSIKALISCHE EIGENSCHAFT DER SCHWIMMBLASE DER Fische. 151 Diese sonderbaren Vorstellungen sind um so auffallender, als Fischer die von seinen Vorgängern Boyle, Ray und Borelli geäusserten Anschau- ungen doch kennen musste. Biot! stellte (1807) Untersuchungen an, welche ein besonderes Inter- esse beanspruchen. Obgleich die chemische Zusammensetzung der Fisch- blasenluft in meiner Untersuchung, wie schon erwähnt, keine Berücksich- tigung finden soll, möchte ich doch nicht unterlassen anzuführen, dass er bei seinen auf den Inseln Yviza und Formentera ausgeführten Beobachtungen fand, dass die Fische in der Tiefe eine sauerstoffreichere Luft enthielten, als in höheren Regionen,” eine Thatsache, die auch von späteren Forschern in Betracht gezogen wurde. Biot ist auch der erste, welcher die Thatsache, dass bei Fischen die Blase zum Maul heraustritt, wenn sie aus grösserer Tiefe hervorgezogen werden, richtig erklärte; er wurde darauf geführt, als ihm ein als Mero bezeichneter Fisch gebracht wurde, welcher diese Er- scheinung zeigte; er bemerkte hier, dass die Blase zum Maul heraustrat. Als er selber Fische mittelst Fadenangel aus der Tiefe von 100” heraus- zog, fand er, dass alle Fische dieselbe Erscheinung zeigten. Besonders merklich war dies bei einer kleinen Art, die er als Vacca bezeichnet, wäh- rend es andererseits bekannt war, dass an anderen Orten in flachen Gegen- den diese Art, wenn sie aus dem Wasser hervorgezogen wurde, die Er- scheinung nicht zeigte. Biot macht den sehr richtigen Schluss, dass die Luft, welche in der Tiefe von 100” unter einem Druck von über 10 At- mosphaeren stand, beim Herausziehen sich'nothwendig sehr ausdehnen müsse. Ferner folgert er daraus etwas, was ich am besten mit seinen eigenen Worten anführe: „I y a plus, l’idee que l’on pourroit se faire de V’usage illimite de la vessie natatoire seroit inexacte dans le plus grand nombre des especes; car les changemens instantanes de profondeur permis a chaque individu paroissent compris dans certaines limites, qu’il ne peut depasser tout a coup et s’il parvient & les franchir ce n’est qu’avec le tems, apres que la nature a change peu a peu sa constitution.“ Bemerkenswerth ! Biot, Sur la nature de Pair contenu dans la vessie natatoire des poissons. Memoires de Physique et de Chimie de la SocietE d’ Arcueil. 1. 1807. p. 252. * Diese interessante Stelle (a.a. O., p. 261) lautet folgendermaassen: „J’ignore absolument, A quoi peut tenir cette propriete singuliere. Je ne sais si elle se soutiendra dans la suite des experiences que Fon pourra faire; et e’est peut-ötre par un pur hasard quelle s’est presentee & moi; mais je lai jusqu’ & present si constamment observee, que les matelots m&öme qui m’aidoient dans mon travail, P’avoient remarguee aussi bien que moi, et quand on nous apportoit, ou que nous prenions nous-memes un poisson nouveau, ils s’empressoient d’avance de me dire, s’il avoit coutume de se trouver & une grande ou & une petite profondeur, et s’il devoit en consequence me donner une forte ou une foible detonation.“ 152 ÜSCAR LIEBREICH: ist endlich noch die von Biot angeführte Thatsache, dass der Mero, der an den Catalonischen Küsten in einer Tiefe von 1000”= gefunden wird, also unter einem Druck von etwa 100 Atmosphaeren steht, häufig von der Angel losreisst; aber der Fang ist darum doch nicht verloren, weil der Fisch von einer bestimmten Tiefe an nicht mehr im Stande ist, mit seiner Muskelkraft nach unten zu gehen und in Folge dessen an die Oberfläche gelangt. Bemerkungen jedoch, welche die Gleichgewichtslage unter Wasser betreffen, finden sich bei Biot nicht. Joh. Müller! sagt: „Die Schwimmblase vieler Fische, welche sich nach von Baer’s Untersuchung wie die Lunge aus dem Schlunde ent- wickelt, erleichtert das Schwimmen in den oberen Regionen des Wassers und durch die Zusammendrückbarkeit der in ihr enthaltenen Luft vermöge der Seitenmuskeln sind die Fische fähig in verschiedenen Höhen, je nach dem grösseren oder geringeren Druck, zu schweben.“ — Fernere Angaben macht Joh. Müller über die physikalischen Eigenschaften der Schwimmblase im Jahre 1842,? indem er einen Springfeder-Apparat zur Verdünnung und Verdichtung der Luft der Schwimmblase bei einigen Gattungen der Silu- roiden und ähnliche Structuren bei anderen Fischen beschreibt. Er sagt: „Die meisten Fische sind nicht im Stande, willkürlich die Luft der Schwimm- blase zu verdünnen. Die Muskeln der Schwimmblase sind der Verdichtung der Luft bestimmt. Ganz verschieden ist eine bei mehreren Gattungen von Flussfischen von mir entdeckte Einrichtung, wo die Verdichtung und Verdünnung unter die Action zweier im Fische selbst wirksamer und ent- gegenstrebender Kräfte gesetzt sind, so zwar, dass die Verdichtung beständig wirksam ist, und von der Elasticität einer Feder herrührt, die Verdünnung aber von der Action und Ausdauer vitaler Muskelkräfte abhängt, welche die Feder ausser Erfolg setzen. Die Fische werden ohne Intension dieser Kräfte in der Tiefe schweben, welche ihrem specifischen Gewicht bei dem Zustande der Verdichtung der Luft m der Schwimmblase entspricht, durch die Wirkung der Muskeln aber nach der Oberfläche steigen, umgekehrt von dem Verhalten der meisten Fische.“ Ausführlicher bespricht Joh. Müller die Wirkung der Schwimmblase in der zweiten Abhandlung vom Jahre 1845. „Die Erhaltung des Gleichgewichts des Fischkörpers“, sagt er, „ist von der Schwimmblase unabhängig, diese ist ihm dazu eher hinder- lich, als förderlich, vielmehr wird das Gleichgewicht, dass der Fisch nämlich horizontal schwebend, den Rücken nach oben behält, allein durch die Thä- tigkeit der Flossen und zwar theils durch die horizontalen Flossen, noch ‘ Joh. Müller, Handbuch der Physiologie des Menschen. Coblenz 1840. ® Joh. Müller, Beobachtungen über die Schwimmblase der Fische mit Bezug auf einige neuere Fischgattungen. Dies Archiv. 1842. S. 307; — Physiologische Be- merkungen über die Statik der Fische. Ebend. 1845. S. 456. DiE PHYSIKALISCHE EIGENSCHAFT DER SCHWIMMBLASE DER FISCHE. 153 mehr aber und schon allein hinreichend, durch die verticalen Flossen be- hauptet.“ Die Richtigkeit dieser Behauptung beweist Müller dadurch, dass er den Fisch seiner Flossen beraubt und die Veränderung der Gleich- gewichtslage constatirt. Zu bemerken ist, dass sich bei ihm die ganz rich- tige Anschauung über die Veränderung des specifischen Gewichts der Luft in verschiedenen Höhen und Tiefen entsprechend dem Mariotte-Boyle’- schen Gesetz findet. — Er giebt aber ferner an: „die mit einer Schwimm- blase versehenen Fische sind doch oft schwerer als Wasser. Ein lebender Hecht, dem ich die horizontalen Flossen, auch die After- und Rückenflosse, abgeschnitten hatte, sank ganz unter“ und belegt diese Anschauung durch weitere in demselben Sinne ausgeführte Experimente. Bergmann! befindet sich, wie er es selbst in einer Anmerkung aus- spricht, in einem Gegensatz zu den Anschauungen Joh. Müller’s. In- dem er die Function der Fischblase von den verschiedensten Gesichts- punkten aus betrachtet, ist es äusserst schwer, sich in seine Vorstellungen hinein zu leben, an verschiedenen Stellen macht er Annahmen, welche mit den physikalischen Gesetzen nicht in Einklang zu bringen sind. Im Fol- senden mögen diejenigen Stellen hervorgehoben werden, die zu einer falschen Vorstellung führen und auf welche später näher eingegangen werden soll. S. 415: „Man muss sich aus der Physik erinnern, dass das Wasser sich durch Druck nur sehr wenig verdichtet, also auch von der Oberfläche nach der Tiefe hin nur sehr wenig an specifischem Gewicht zunimmt. Macht sich also ein Fisch durch Compression der Schwimmblase um etwas schwerer, als das Wasser an der Oberfläche ist, so könnte er schon sehr tief einsinken, ehe er in Wasserschichten käme, die seinem jetzigen specifischen Gewicht entsprächen.“ ? S. 416: „Namentlich ist es nicht wahrscheinlich, dass irgend ein mit Schwimmblase versehener Fisch im Stande sein wird, sehr verschiedene Tiefen zu besuchen; und er wird dies um so weniger vermögen, je grösser seine Schwimmblase ist, und je geringer, wenn er sich in der Höhe be- findet, die Spannung derselben ist.“ — Wir werden später sehen, dass genau das Gegentheil der Fall ist. Dasselbe gilt von folgender Stelle: „Es ist natürlich, dass der Fisch, dessen specifisches Gewicht mit jedem Augenblick des Sinkens zunimmt, einen um so grösseren Kampf mit seinem specifischen Gewicht haben wird, je tiefer er sich hat sinken lassen und das Verhältniss für ihn um so un- günstiger ist, je mehr er comprimirt war, d. h. mit anderen Worten, je 1 C.Bergmann und R. Leuckart, Vergleichende Anatomie und Physiologie. 8. 142. ® Dass die Compressibilität des Wassers nicht in Betracht kommen kann, darauf hat bereits Joh. Müller a. a. O., S. 458 (Anmerkung) hingewiesen. 154 OSCAR LIEBREICH: grösser die Schwimmblase, der comprimirbare Theil an ihm, ist. Mit jedem Augenblick weiterer Annäherung an die Oberfläche aber wird das Steigen leichter.“ Endlich: „Es wird gewiss viel gesagt sein, wenn wir beispielshalber annehmen, dass ein Fisch, der ruhig an der Oberfläche schwimmt, die Luft seiner Schwimmblase auf die Hälfte seines Volumens verdichtet hat. Sinkt er nun durch eine kleine Vermehrung dieses Druckes unter, so hat er es bis zu einer Tiefe von 32’ in seiner @ewalt, durch Nachlassen der Spannung seine Schwimmblase grösser werden zu lassen, als sie anfangs war, und folglich hat er es bis zu dieser Grenze in seiner Gewalt, die absteigende Bewegung in eine aufsteigende zu verwandeln, ohne einen Muskel anzu- strengen, lediglich durch Nachlassen der Spannung der Blase.“ Die bisher eitirten Autoren geben die Anschauungen wieder, welche man bis zu dem heutigen Tage über die Function der Schwimmblase als Bewegungsorgan geäussert hat. Wenn in dieser kurzen Uebersicht nicht alle Autoren genannt sind, welche diesen Gegenstand bearbeitet haben, so hat dies darin seinen Grund, dass in den nicht eitirten Schriften andere Anschauungen, als die bereits angeführten nicht niedergelest sind. Die letzte mir bekannt gewordene Arbeit, jene des französischen Gelehrten Carbonnel-Salle ist wieder auf dem Standpunkt angelangt, der Schwimm- blase eine besondere Function abzusprechen. Mag man nun auch die re- spiratorische Function, welche der Schwimmblase der Fische zukommt, be- sonders in Betracht ziehen, das mechanische System, welches uns ein mit einer Blase ausgestatteter Fisch darstellt, nämlich die Verbindung eines festen Körpers von nahezu unveränderlichem Volumen mit einem luft- förmigen, durch jede äussere Einwirkung einer Variation des Rauminhaltes ausgesetztem Theile unterliegt als solche bestimmten physikalisch -mecha- nischen Gesetzen, denen sich ein solches System fügen muss. Von vornherein leuchtet ein, dass, um eine richtige Vorstellung über den Einfluss der Schwimmblase auf die Bewegung des Fisches zu gewinnen, diejenigen Erfahrungen benutzt werden müssen, die sich aus den Eigen- schaften des Boyle’schen Schwimmers ergeben. Um diesen Vergleich des Fisches mit einem solchen System zu ermöglichen, muss zunächst die eine Thatsache constatirt werden, dass das specifische Gewicht des Fischkörpers ohne Blase grösser als 1 ist. Dass dies der Fall ist, beweist einmal der angeführte Borelli’sche Versuch, dass der Fisch mit gesprengter Blase auf dem Boden des Gefässes schwimmt, ohne sich erheben zu können. Direct zeigen es die in der unten mitgetheilten Tabelle niedergelesten Zahlen. Wenn Joh. Müller fand, dass durch Abschneiden der Flossen der Fisch specifisch schwerer, als Wasser wurde, obgleich er die Blase noch enthielt, so ist dies nicht als Gegenbeweis aufzufassen; es zeigt nur, dass DIE PHYSIKALISCHE EIGENSCHAFT DER SCHWIMMBLASE DER FISCHE. 155 das ganze System specifisch schwerer geworden sei, ein Vorgang, der dadurch zu erklären ist, dass der Fisch in Folge des operativen Eingriffs seine Blase contrahirt hat. Diese Erklärung giebt übrigens Joh. Müller a.a. 0. S.459 selber zu. Eine Plötze, welcher er das Gehirn durchschnitten hatte, sank ebenfalls zu Boden. Ferner muss erwiesen werden, dass der Fisch bei physiologischer Füllung seiner Blase hinreichend viel Luft aufgenommen hat, um an der Oberfläche schwimmend ein mittleres specifisches Gewicht, welches <1 ist, zu haben; es wäre ja die Möglichkeit vorhanden, dass derselbe, wenn auch nur wenig, specifisch schwerer, als das Wasser sei, indem er mit einer zu geringen Menge Luft verbunden ist, und dann mit Hülfe seiner Flossen im Stande ist, sich mit Leichtigkeit bewegen zu können; mit dieser Annahme würde der Borelli’- sche Versuch nicht in Widerspruch stehen, indem er nur zeigen würde, dass bei einem der Blase beraubten Fische die Kraft der Flossen nicht mehr ausreicht, um die Wirkung der Schwere zu compensiren. Ein sehr einfacher Versuch zeigt, dass in der That das Quantum der in der Fischblase enthaltenen Luft genügt, um das mittlere speeifische Gewicht der Fische kleiner als 1 zu machen. Exenterirt man einen Fisch ohne die Schwimmblase zu verletzen, so sinkt er zu Boden, wird nun die Schwimmblase an ihm befestigt, so steigt er sofort in die Höhe. Die fol- senden Versuche dienen als weitere Bestätigung. Es wurde das specifische Gewicht von einigen exenterirten Rothfedern in Petroleum bestimmt,! da bei Anwendung von Wasser und Salzlösungen der Einfluss der Diffusion genauere Wägungen unmöglich macht, ferner wurde das Quantum der in der Blase enthaltenen Luft eudiometrisch ge- messen. Die Resultate dieser Bestimmung enthält die folgende Tabelle.? 1 Hr. Dr. Hilgendorf hatte die Freundlichkeit, die von mir benutzten Fische zu bestimmen; er schreibt: ‚Die mir heute zugesandten Fische sind sämmtlich Leueiscus (Scardinius) erythrophthalmus L., welcher passend als „Rothfeder‘ bezeichnet wird, während der Name ‚Plötze“ für Leuc. rutilus L. reservirt werden sollte. „Rothaugen“ heissen wohl beide Fische gemeinsam.“ ? Bemerkungen: 1. Zu sämmtlichen hydrostatiscien Wägungen wurde ein und derselbe Platindraht von 0-852 stm Gewicht benutzt. Es wurde darauf geachtet, dass bei allen Wägungen ein ganz b:stimmter Theil des Drahtes in der Flüssigkeit sich befand. Die Messung ergab, dass der eingetauchte Theil fast '/, der ganzen Drahtlänge betrug. Das specifische Gewicht des Platins = 21 angenommen, ergab dies eine Correction von 0-844 m, welche in den Angaben der zweiten Columne schon berücksichtigt ist. 2. Um sicher zu sein, dass keine Luft in dem Fische bei Anstellung der Wägung in Petroleum zurückgeblieben war, wurde der aufgeschnittene Bauch des Fisches durch zwei kleine Stücke Kupferdraht geöffnet erhalten; das Gewicht derselben betrug 0-32 2°”. Das specifische Gewicht des Kupfers wurde = 8-9 angenommen und damit die nöthige Correction berechnet, welche ebenfalls in der Tabelle schon enthalten ist. 156 OSCAR LIEBREICH: eesicht Speeif. | Luft- = \ 5 levicht Scheinbares Gewicht inhalt d.| 5 | Baro- Specifisches Specifisches =) Fisches | der ewichtides| des be- | Blase |'3 | meter. Fewichtdes|Gewichtdes 3 Be BE Fisches in nutzten auf |5| stand | Fisches Fisches = je Petroleum | Petro- | 760w= | & ohne Blase | mit Blase han leum |redueirt Be 1 43-795:m 0-51 sm| 10-88 5m ı 0.8066 | 3.53cem 180) 746 mm 1-073 0-9886 2 30-63, |0-38 „, 2108; 0-8066 2-84 „18% 746 „ 1.077 0.9805 3 60-04, |0-64 „ | 15-06 „ 0-8091 |, 5-44 „13° 752 „ 1.080 0-9846 4 31-08, |0-33 „, Us 0-8091 | 2-65 ‚,\13°| 752, 1.069 0-9800 9|41-81,, [0-63 „ | 10-26 „ 0-8091 | 3-24 „13°| 752 „ 1.072 0-9909 BDLSIDER OST ELDER, 0.8091 | 4-32 ,|13°| 752 „ 1.072 0-9854 Mittelwerthe 1.074 0-9850 Nach diesen Betrachtungen muss es gestattet sein, einen Fisch mit Schwimmblase denselben Erwägungen zu unterziehen, welche durch die Formel für den Boyle’schen Schwimmer gegeben sind. Es ist dabei gleich- gültig, ob die Fische für ihre Blase einen Luftgang besitzen, wie die Aale, Störe und Malacopterygii (Joh. Müller!), oder ob bei geschlossenen Blasen der Wasser- und der Luftdruck durch die elastischen Wandungen auf die- selbe übertragen wird. Es sei: F= das Gewicht des Fisches ohne Luftinhalt der Blase.? s = das specifische Gewicht des Fischkörpers, L = das Gewicht der in der Blase abgesperrten Luft, co — deren specifisches Gewicht, so ergiebt die Gleichung (4) der Entwickelungen beim Boyle’schen Schwimmer, dass es eine ganz bestimmte Tiefe giebt, in welcher der Fisch das specifische Gewicht des Wassers hat. Die horizontale Ebene, welche in dieser Tiefe durch seinen Schwerpunkt gelest werden kann, soll als seine Gleichgewichtsebene bezeichnet werden. Oberhalb desselben ist sein specifisches Gewicht < 1 und zwar um so kleiner, je mehr er sich der ‚Oberfläche näbert, da o einen immer kleineren Werth annehmen muss. Nennen wir den Raum, den das Wasser bis zu jener Tiefe einnimmt, die Hydrosphaere des Fisches, so ist dieselbe also als das Gebiet charakterisirt, in welchem der Fisch leichter als das Wasser ist. Inner- halb der Hydrosphaere ‘wird er sich nun, je mehr er sich der Gleich- gewichtslage nähert, mit immer grösserer Leichtigkeit bewegen, weil mit der Annäherung an dieselbe die Differenz seines specifischen Gewichts und "Joh. Müller, a.a. O0. S. 460. ° Die später angegebenen Zahlen beziehen sich allerdings nicht auf das absolute Gewicht; der übrigen Fehlerquellen wegen wurde dasselbe nicht berechnet. DIE PHYSIKALISCHE EIGENSCHAFT DER SCHWIMMBLASE DER FISCHE. 157 des Wassers immer kleiner wird. Hierdurch widerlegt sich die Annahme Bergmann’s, welcher glaubt, dass mit der Zunahme des specifischen Ge- wichts für einen Fisch, welcher von der Oberfläche nach unten schwimmt, die Bewegung erschwert wird, und ebenso die Annahme von Joh. Müller, dass die Schwimmblase das Schwimmen in den oberen Reeionen erleichtere. Man sieht ferner entgegen der weiteren Annahme Bergmann’s, dass von zwei Fischen mit gleichem Gewicht derjenige, der eine grössere Schwimm- blase hat und dieselbe bis zum physiologischen Maximum gefüllt hat, eine grössere Hydrosphaere besitzt, als derjenige, dessen Schwimmblase kleiner ist. — Denn wenn Z im Nenner wächst (Gleichung 4), wird derselbe kleiner, h also grösser werden. Es wurde versucht, bei Fischen, welche in der Gefangenschaft leben, die Ausdehnung der Hydrosphaere zu bestimmen. Hierzu wurde die auf S. 156 angegebene Tabelle benutzt, indem die sich aus ihr ergebenden Daten in Gleichung (4) eingesetzt wurden. Dies ergab für die untersuchten Fische in derselben Reihenfolge wie dort, die Werthe 1.94%, 3.03”, 2-28", So, ee Zar Die geringe Ausdehnung der Hydrosphaere erklärt sich wahrscheinlich dadurch, dass die Fische sich den räumlichen Verhältnissen ihres Aufent- haltsortes, in unserem Falle der Piscine von geringer Höhe anpassen. Was die Anschauung Bergmann’s anbetrifft, dass ein Fisch, der an der Oberfläche des Wassers seine Luft bis etwa auf die Hälfte comprimirt hat, bis zu 327 niedergehen und durch Loslassen seiner Spannung wie- der von selber in die Höhe gehen könne, so ist dieselbe nicht zutreffend. Der Fisch kann sich nur dann von selber wieder erheben, wenn die Tiefe von 32’ innerhalb seiner Hydrosphaere liest, oder diese gerade 32” beträgt. Dieselbe ist aber in jedem Falle verschieden. Es wird immerhin vorkommen können, dass Fische eine Hydrosphaere = 32’ oder < 32° haben können, von der Möglichkeit eines solchen Falles kann man sich durch Rechnung überzeugen. Ein 100 8”= schwerer Fisch, von specifischem Gewicht = 1.075 angenommen, müsste an der Oberfläche beim normalen Barometerstand ein Luftvolumen von 13.96 in seiner Blase haben, um eine Hydro- sphaere von der genannten Ausdehnung zu besitzen. Man ersieht aus dieser Betrachtung, dass die Vorstellung Bergmann’s sich nur auf einzelne Fälle beziehen kann und dass keine Gesetzmässigkeit seiner Anschauung zu Grunde liegt. Nach den vorhergehenden Erörterungen könnte es fast scheinen, als ob ein Fisch nie zur Ruhe kommen könne, da sein Gleichgewicht ein labiles ist. Wir können jedoch beobachten, dass ein Fisch sich thatsächlich im Wasser in jeder beliebigen Stelle zur Kuhe bringen kann und bezeichnen dieses als das Schweben der Fische. Dieser Zustand kann nur ein 158 OSCAR LIEBREICH: Balanciren sein, so dass also kein vollständiges Aufhören der Muskel- action des Fisches eingetreten ist, sondern dass er vielmehr durch Con- tractionsstösse, hervorgebracht durch die Museulatur sein Luftvolumen perio- disch wechseln lassen muss, um jene scheinbare Ruhe nach aussen hin hervorzubringen. Diese Vorstellung erklärt es auch, dass er an jeder Stelle seiner Hydrosphaere seine äussere Bewegung hemmen kann. Hiermit steht die beim Cartesianischen Taucher beobachtete Erscheinung im Einklang, die eben sehr oft fälschlieh als stabiles Gleichgewicht angesehen wurde. Durch periodisch selbst in grossen Intervallen wechselnden Druck auf die Gummimembran kann man denselben nämlich in jeder beliebigen Höhe des Cylinders in Bezug auf seine fortschreitende Bewegung zur Ruhe bringen. In dem Falle des Fisches entsprechen diesen Variationen des äusseren Druckes beim Taucher die periodischen Contractionen, welche sich jener durch seine Muskelkraft giebt. Die Auffassung Borelli’s, der mit dem Schweben des Fisches eine absolute Muskelruhe verbunden glaubte, kann daher nicht richtie sein! und ebensowenig die von Joh. Müller angeführte Annahme, dass durch Druck der Seitenmuskeln auf die Blase die Ruhelage geschaffen werde, da er im Zusammenhang mit seinen übrigen Aeusserungen einen periodisch wechselnden Druck bei diesem Ausspruch nicht im Sinne gehabt haben kann. Auch die Anschauungen, welche Joh. Müller über die Gleichgewichtslage des Fisches äussert, dürften zu modifieiren sein. Er nimmt an, dass die Fische zur Erhaltung des Gleichgewichts nur die Flossen benutzten und die Schwimmblase „dazu eher hinderlich als förderlich sei“.? Er versucht dies dadurch zu zeigen, dass er einen Fisch der horizontalen Bauch- und Brustflossen beraubt, wonach sich der Fisch im Gleichgewicht erhält, während derselbe Fisch nach Entfernung der After- und Rücken- flossen auf die Seite, ja sogar auf den Rücken sinkt. — Die Gleichgewichts- lage eines Fisches wird zwar möglicherweise mit Hülfe besonderer mecha- nischer Vorrichtungen hergestellt, aber wesentlich dadurch, dass ein mit Schwimmblase versehener Fisch ein bestimmtes specifisches Gewicht an- nimmt; dieser Zustand giebt ihm die bequemste und natürlichste Gleich- gewichtslage. Man kann dies durch einen Versuch nachweisen. Eine der Schwimmblase beraubte todte Rothfeder lag auf dem Boden des Gefässes auf der Seite, ging aber in eine horizontale Stellung mit aufgerichtetem Rücken über, als sie in eine Salzlösung von dem gleichen specifischen Gewicht wie der der Blase beraubte Fisch gebracht wurde Wenn man auch mit Joh. Müller die Bedeutung der Flossen (als Balancirvor- richtung) zugeben kann, so zeigen die eben angeführten — wegen der ZBorell 22220: 2 Joh. Müller, dies Archiv. 1845. 8. 457. DIE PHYSIKALISCHE EIGENSCHAFT DER SCHWIMMBLASE DER FISCHE. 159 Diffusion nur bei mögliehst schneller Ausführung gelingenden — Versuche, dass der Fisch die bequemste Gleichgewichtslage findet, wenn sein speci- fisches möglichst nahe = 1 ist und dass die Lagen der Fische, welche Joh. Müller beobachtete, aus anderen Gründen erklärt werden müssen. Die vorher für die Hydrosphaere gegebenen Zahlen bei den Rothfedern zeigen, dass dieselbe in diesem Falle keine grosse Ausdehnung habe. An- dererseits sehen wir nun, dass ein Fisch sich in ausserordentlichen Tiefen bewegen kann und dass, wie Biot angiebt, eine und dieselbe Fischart ihre Lebensbedingungen bei 1000 % unter dem Wasserspiegel und dicht unter ‘ der Oberfläshe finden kann. Es muss daher versucht werden, diese Er- scheinungen mit den vorher erörterten Rigenschaften des Fisches, sich immer innerhalb seiner Hydrosphaere zu bewegen und das specifische Gewicht dem des umgebenden Wassers möglichst gleich zu machen in Einklang zu bringen. Eine einfache Ueberlegung zeigt, dass der Fisch es in. seiner Gewalt hat, seine Hydrosphaere zu vergrössern. Wir können an- nehmen, dass es im normalen Zustande für ein Fisch-Individuum ein Maxi- malvolumen der Fischblase giebt. Wir wollen des Weiteren voraussetzen, dass er unter der Oberfläche die Blase ad maximum gefüllt habe. Bewegt er sich dann nach unten, so wird die Blasenluft comprimirt und so für ein neues Luftguantum Raum geschaffen, durch dessen Aufnahme sich die Hydrosphaere nach Gleichung 4 vergrössert. Es bezeichne Z, das Gewicht des Luftinhaltes der Fischblase unter der Öherfläche, o, das specifische Gewicht der Luft daselbst, so ist nach unserer : 78 \ ! Voraussetzung das Maximalvolumen der Blase a ist nun o das speci- 0 fische Gewicht der Luft in irgend einer Tiefe } unter der Oberfläche, ? der äussere Luftdruck, so ist da Ban N: bei erfolgter Maximalfüllung der Blase also in dieser Tiefe ID, 2 P+h Diet J2 das nunmehr in ihr enthaltene Luftgewicht, welches die neue — nach (4) vergrösserte — Hydrosphaere bedingt. Denkt man sich nun beispielshalber, dass der Fisch, unmittelbar in die Nähe seiner Hydrosphaere angekommen, seine Blase immer von Neuem ad maximum füllt, so wird er dadurch seine Hydrosphaere tiefer und tiefer verlegen. Diese Aufnahme neuer Luft kann direct oder auch durch Gasabsonderung aus dem Blute geschehen. Wie die Natur zeigt, kann diese Aenderung der Hydrosphaere nur all- mählich vor sich gehen; gerade wie der Fisch, welcher in Biot’s Fall aus der Tiefe emporgezogen wird, ein so leichtes specifisches Gewicht bekommt, 160 OSCAR LIEBREICH: dass er seine Bewegungen nicht mehr ausführen kann, so würde das Um- gekehrte der Fall sein, wenn ein Fisch, dessen Hydrosphaere nahe unter der Oberfläche liegt, plötzlich in eine Tiefe von 1000 = herabgezogen würde. ‘ Die Verdichtung der Luft würde dann ein so hohes specifisches Gewicht erzeugen, dass auch hier die willkürliche Beweglichkeit des Fisches auf- hören und er dann in die Tiefe versinken würde. Hiernach unterliegt es keinem Zweifel, dass die aus einer physikalischen Betrachtung sich ergebende Möglichkeit von der Tieferlegung der Hydrosphaere physiologisch nur in einem langsamen Fortschreiten verwirklicht werden kann. Anders gestaltet sich die Frage, ob überhaupt ein Fisch eine Grenze besitzt, bis zu welcher er die Hydrosphaere legen kann, mit anderen Worten, ob es in seiner Macht steht beliebige Tiefen aufzusuchen. Dass dieses nicht der Fall ist, dass es also thatsächlich eine absolute Grenze für seine Hydro- sphaere giebt, lässt sich folgendermaassen erweisen. Für irgend eine Hydrosphaerengrenze findet die Gleichung statt (1): Een Ss 0 Führt man nun in diese Gleichung das vor der Maximalfüllung vor- handene Volumen 7 der Luft in der Schwimmblase ein, so ist —— V, also Z= Vo, sonach: F z 5) ne nen daher: 7) 6) I BERIR 1l—o Mit wachsender Tiefe wird o grösser, da allgemein Ph JE o=0, ist; 1— co wird also kleiner, = somit wieder grösser; / wächst also mit 02 zunehmender Ausdehnung der Hydrosphaere, d.h. das Volumen, welches die Luft an irgend einer Stelle hat, wo das mittlere speeifische Gewieht des Fisches gleich dem des Wassers ist, wird um so grösser, je tiefer die betreffende Gleichgewichtslage liest. Da nun o durch hinreichende Ver- grösserung von Ah beliebig wächst, so folgt, dass auf diese Weise 7 wirklich einmal den Werth des Maximalvolumens erreichen wird, d. h. es wird ein Moment kommen, wo die Neufüllung der Blase und somit eine weitere Ausdehnung der Hydrosphaere nicht mehr eintreten kann. Um DiE PHYSIKALISCHE EIGENSCHAFT DER SCHWIMHBLASE DER FISCHE. 161 nun die Grösse dieser maximalen Hydrosphaere zu ermitteln, haben wir nach (6), wenn mit 7, das physiologische Maximalvolumen bezeichnet wird: rg u) 2 : Bezeichnen wir die äusserste Grenze der Hydrosphaere mit /, so ist, da D JE — 09 u ist, | lee) 7) U=—P+, 1-5, main öder, da 7, — un ist, 69 3 een O, L, s Re Jo Beispielshalber sei # = 50°”, ferner er Ar 07550 2033; ’o0 oe = 0:0012129 bei 18°, so ergiebt sich, die Zahlenwerthe in (8) eingesetzt für die erste Hydrosphaere h = 1-50", für die absolute Hydrosphaere 7 = 107897”. Es fehlen in der Litteratur leider die Daten, welche es ermöglichen würden, die thatsächlichen Verhältnisse ohne Weiteres mit den meiner Betrachtung zu Grunde gelesten Annahmen zu vergleichen; vielleicht dienen diese Zeilen dazu, eine Anregung für weitere Messungen zu geben, um auf diese Weise die Hydrosphaeren der Fische zu berechnen. Als Maximal- volumen dürfte der Rauminhalt zu betrachten sein, welchen die Luft in der Blase einnimmt, wenn die Fische in flachen Gefässen vor der Messung gelebt haben. — Die Temperaturverhältnisse bedürften selbstverständlich einer Correction. Mit Zugrundelegung der vorliegenden Rechnungen dürfte man viel- leicht zu dem Resultate kommen, dass, da jeder Fisch mit Schwimmblase eine begrenzte Hydrosphaere besitzt, dieselbe vielleicht für solche Fische der verschiedensten Art innerhalb nicht sehr grosser Grenzen eine gemein- same sei.! ! Die aus den Daten (8.156) sich berechnenden absoluten Hydrosphaeren liegen allerdings zwischen 1000 uud 2000”, nämlich 1234-8; 1857-5; 1447-3; 1960-8; 996-6; 1514-4. — Bei der Berechnung wurde die Temperatur der Tabelle benutzt. Archiv f. A.u.Ph. 1890. Physiol. Abthlg. Suppl. 11 Die künstliche Verarmung der Leber an Glykogen. Von Dr. A. Slosse. (Aus dem physiologischen Institut zu Leipzig.) Bei Gelegenheit meiner Versuche über die Abhängigkeit der Harn- absonderung von dem Blutstrom! durch den Darmcanal und seine Drüsen fand ich die Leber der operirten Hunde wiederholt frei von Glykogen. Ob- wohl in der Leber der Hunde — sie waren vordem mit Fleisch gefüttert und hatten 48 Stunden gefastet — bei dem Eintritt in die Operation nur ein geringer Gehalt an Glykogen zu erwarten war, so erschien mir doch das vollständige Schwinden desselben schon wenige Stunden nach Unter- brechung des Blutstromes beachtenswerth genug. Gresetzt, man wollte die ihres Blutstromes beraubte Leber mit der todten vergleichen, so wäre fünf bis sechs Stunden nach der vollführten Unterbindung der Darmarterien immer noch ein Antheil von Glykogen zu erwarten gewesen, da nach den Bestimmungen von Böhm ? und Hoffmann, Seegen®? und Kratschmer noch 24 Stunden nach dem Tode mehr als die Hälfte des ursprünglich ‘ vorhandenen Glykogens gefunden wird. Um zu erfahren, ob sich in der blutarmen, im lebenden Thier ver- weilenden Leber das Glykogen rascher als nach dem Tode vermindere, habe ich die Unterbindung der Arterien an Kaninchen vorgenommen, welche einige Tage vorher mit Brot und Hafer gefüttert worden waren. ı Dies Archiv. 1890. S. 482. : ° Archiv für erperimentelle Pathologie. Bd. X; — Pflüger’s Archiv u. s. w. Bd. XXI. ® Pflüger’s Archiv u.s.w. Bd. XXIL | | A. SnLosse: DIE KÜNSTLICHE VERARMUNG DER LEBER AN GLYKOGEN. 163 Aus einer grösseren Schaar von Kaninchen wurden des Vergleichs wegen je zwei ausgewählt, die sich möglichst ähnlich waren; wenn ihnen drei bis vier Tage hindurch nach Belieben Brot und Hafer gegeben war, wurden an einem derselben die Arterien unterbunden, das andere aber, nachdem die Wunde des ersteren vernäht war, getödtet, und sogleich an der herausgenommenen und feucht gewogenen Leber die Untersuchung auf Glykogen begonnen. Nachdem das Thier mit unterbundenen Arterien ab- oestorben war, wurde ebenfalls die Leber sogleich herausgenommen und verarbeitet. Die Bestimmung des Glykogens geschah nach der Vorschrift von Külz. Auf gleiche Weise wurde mit drei Paaren vorgegangen. Das Ergebniss drücke ich durch den Procentgehalt an Glykogen in der feuchten Leber aus. ı Glykogengehalt der Leber | Lebensdauer des | a a er | da Thieres mit unter- 'Thieres nach der | bundenen Arterien Operation I | 10-849 Procent | 3-380 Procent 5 Stnnden II IVELED 5 | NOS 0 6 L IT BA, | 0.1355 ne Mittel 9.166 „ | loc 6 RR Vielleicht ist es nicht zufällig, dass der Gehalt der Leber an Glykogen um so niedriger gefunden wurde, je länger die T'hiere nach überstandener Operation gelebt hatten. Aus der Gegenüberstellung der Zahlen leuchtet ein, dass die Leber, die ihren Blutstrom einbüsste, ungemein rasch ihr Glykogen mindert; jede Art der Vergleichung lehrt dieses. Denn es verhält sich der geringste Procentwerth des unversehrten zum grössten des operirten Thieres =1:0-52; der grösste Procentwerth des unversehrten zum kleinsten des operirten 'Thieres —=1:0-07, und der Mittelwerth des unversehrten zu dem des operirten 'Thieres — 120221. Im Hinblick auf diese Zahlen dürfte es kaum zweifelhaft sein, dass die ihres. Blutstromes beraubte Leber innerhalb des lebenden T'hieres weit rascher als im todten den Gehalt an Glykogen einbüsst. Worin die Ur- sache der Verschiedenheit liest, bleibt dunkel. Die Athemgrösse des Darms und seiner Drüsen. Von Dr. A. Slosse. (Aus dem physiologischen Institut zu Leipzig.) Da das Gas, welches durch die Lungenwand eim- und austritt, auf den mannigfachsten Wegen des Aortenbaumes kommt und geht, nach Maassgabe des Umsatzes in den durchströmten Gebieten, so wird man, soll die Athmung gänzlich verstanden werden, nach Verfahrungsarten suchen müssen, die uns den Beitrag der einzelnen Organe und Gewebe zur Athemgrösse bestimmen lassen. Zu solehen Mitteln dürften Unterbindungen einzelner Arterienstämme gehören, wodurch der Strom in einem grösseren Bezirk gestaut wird, in allen anderen ungehemmt bleibt. Nach einem derartigen Eingriff wird in dem vorher bestandenen Verkehr an Gas ein Ausfall zu erwarten sein, weil das ausgeschaltete Gebiet vom Blute nichts mehr empfangen und ihm nichts mehr geben kann. Für das Athmungsbedürfniss der ausgeschalteten Orte giebt jedoch der Ausfall kein unmittelbares, vielmehr nur ein bedingtes Maass, weil sich nach der Abschnürung eines grossen Stromarmes und der Ver- ‚ödung des zugehörigen Gebietes nothwendiger Weise hydraulische und che- mische Folgen in der von Blut durchflossenen Körpermasse einstellen müssen. Zu den unvermeidlichen treten dann noch zufällige Abweichungen, bedingt | durch die veränderlichen Vorgänge in den durchbluteten Geweben und Or- ganen. Die hieraus erwachsenden Schwierigkeiten für die Deutung des analytischen Ergebnisses theilt übrigens das hier in Frage kommende Ver- fahren mit allen anderen, welche den Beitrag bestimmen wollen, mit wel- chem ein beschränkter Theil des Körpers an der Gesammtathmung be- theiligt ist. Sichere Unterlagen für ein abschliessendes Urtheil über das Bedürfniss und den Umsatz des Sauerstoffs innerhalb eines umschriebenen ee A. SLOSSE: DIE ATHEMGRÖSSE DES DARMES UND SEINER DRÜSEN. 165 "Bezirkes dürften jedoch durch Umformungen des Versuchs zu gewinnen sein, die sich auf die Zustände der verödeten oder der durchströmten Weg- strecken beziehen zur Zeit, als die Arterie unterbunden wurde und unter- bunden blieb. Veranlassung zu dem Wunsche, die ausgesprochenen Vorstellungen an der Darmathmung zu verwirklichen, gaben mir die Versuche über den Ein- fuss, welchen die Umschnürung der. Darmarterien auf die Harnabsonderung übt.! Der grösseren Handlichkeit wegen benutzte ich diesmal Kaninchen. Vor ihrer Verwendung zum Versuch waren die Thiere einige Tage hindurch mit Kraut und Hafer gefüttert worden. Die Unterbindung der Art. eoeliaca und der mesaraicae, wurde genau nach den für die Hunde auf- gestellten Regeln ausgeführt; nach ihr verhielten sich die Kaninchen ähnlich den Hunden. Anfänglich boten sie kein Anzeichen krankhafter Störung, in der zweiten und dritten Stunde verfielen einzelne Muskeln vorübergehend in Krämpfe, die sich noch später verallgemeinerten. Fünf bis sechs Stun- den nach der vollendeten Unterbindung trat der Tod ein. Bei der Section fand sich wiederholt die Wand des Magens durchlöchert und sein Inhalt in den Bauchfellsack übergetreten. Die Bestimmung der Athemgase geschah zuerst am unversehrten Thier, dann unmittelbar nachdem die Operation vollführt war und darauf noch ein drittes Mal, so dass spätestens 1-5 Stunde nach der Unterbindung der Arterien die Messung der Athemgase abgeschlossen war. Sammlung und Analyse der Gase wurde nach dem von Sanders-Ezn ? beschriebenen Ver- fahren geübt; der Raum in welchen das Thier athmete, war mit der Lunge - durch eine Luftröhrenfistel verbunden. Von den mehrfach angestellten Versuchen verliefen nur drei ohne Störung. In zwei unter ihnen waren die Thiere annähernd gleich gross. Während sie mit dem Apparat zur Gasbestimmung verbunden waren, ver- hielten sie sich vollkommen ruhig. In der Minute co, | Dauer der co, | o | ® | Beobachtung I. Vor der Unterbindung 20 02,ccm Da D2Lc 0-78 15 Minuten Nach der Unterbindung 1 lot, 14-65 „ 0-77 2800 Nach der Unterbindung 2 7-62 „ f Sense. 0.87 44 2 II. Vor der Unterbindung 23.69 ccm S9gLccH 0-74 14 Minuten Nach der Unterbindung 1 16-97 , 22-80 , 0-74 DOW Nach der Unterbindung 2 1 17-20 „, 0-77 DAR Die Gasvolumina gelten bei 0-76 Meter He-Druck und 0°C. ! Dies Archiv. 1890. S. 482. ” Arbeiten aus der physiologischen Anstalt zu Leipzig. 1868; — Berichte der sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig. Bd. XIX. 166 A. SLOSSE: Im Vergleich mit der Zeit vorher zeigt der Sauerstoffverbrauch und die Kohlensäureausscheidung nach der Unterbindung einen bedeutenden Fehl- betrag. Den Bestimmungen gemäss, welche unmittelbar nach beendister Unterbindung gewonnen wurden, verhält sich im unversehrten Zustande zu der nach Unterbindung in I. 1 die ausgeschiedene CO, wie 1:0-55 und die aufgenommene OÖ wie 1:0-57 — und in I. 1 die CO, wie 1:0-71 und die OÖ wie 1:0.71. Da die Beobachtungen, in welchen sich die Athemgrösse so bedeutend vermindert erwies, eine halbe Stunde nach der geschehenen Unterbindung schon beendet waren, und da bis zu diesem Termin hin in den Lebens- äusserungen der Nerven, der Muskeln und des Blutstroms keine Abweichung vom gesunden Zustande sichtbar wird, so könnte es unverfänglich erscheinen, für den Fehlbetrag am Gasverkehr die Auschaltung der Darmathmung verantwortlich zu machen. Der Beitrag, welchen der Darm und seine Drüsen zu dem Gasaustausch lieferten, würde dann weitaus über das Ver- hältniss reichen, im welchem ihr Gewicht zum Gesammtkörper steht, was keineswegs unvereinbar mit der ausgesprochenen Annahme sein würde. Denn aus anderen Versuchen ist bekannt, dass ein sehr grosser Antheil des zum Herzen zurückkehrenden Blutes seinen Weg durch die Portalvene nimmt, wenn die Thiere mit ausgestreckten Gliedern auf dem Rücken liegen. Mit dem Verschluss der V. portae oder der V. hepatieca sinkt der Um- fang des Herzschlages und mit ihm der arterielle Druck sogleich herab. Und weil nun das aus der Leber kommende Blut in ausgeprästem Grade venös ist, so würde es sich erklären, dass unter den Bedingungen meiner Beobachtungen nach Anschluss des Portalstromes ein ungewöhnlich hoher Ausfall in der Athemgrösse stattfinden müsste. Obwohl nicht unmöglich, so ist es doch nicht wahrscheinlich dass unter den gegebenen Bedingungen dreissig bis vierzig Procent des Gaswechsels der Lunge durch die Darmathmung bestritten wird. Dass nach der Ab- schliessung des Portalstromes der Umsatz in den übrigen noch von Blut .durchflossenen Massen unverändert geblieben sei, wesshalb der Unterschied zwischen vorher und nachher allein in dem Ausfall der Darmathmung be- standen habe, wird aus der Fortsetzung der Beobachtung unannehmbar. Aus der zum ersten Male vorgenommenen Bestimmung ergiebt sieh, dass die Lebhaftigkeit der Athmung noch weiter und zwar beträchtlich abgenommen hat. Die in der zweiten Ausmessung nach Unterbindung der Darmarterien ausgeschiedenen CO,-Mengen verhalten sich in I=1:0:38 und die auf- genommenen O-Mengen wie 1:0-34. Und damit übereinstimmend in II die CO,-Mengen = 1:0-.52 und die O-Mengen wie 1:0-53. — Gegen die erste Bestimmung nach der Stopfung des Portalstromes hat bei beiden Thieren die Einheit der Athemgrösse um 0-2 abgenommen. Die ATHEMGRÖSSE DES DARMS UND SEINER DRÜSEN. 167 Ohne eine auf die Athmung gerichtete Untersuchung wäre aus dem sonstigen Verhalten des Thieres kaum Nachricht über das Absinken des lebendigen Umsatzes zu gewinnen gewesen, denn als die Zahlen erlangt wurden, war das Thier von Krämpfen wie von Hinfälliekeit noch verschont geblieben. Wie dem auch sei, jedenfalls nimmt die Bildung und der Ver- brauch an Gasen in dem von Blut durchströmten Körpertheilen mit dem Fort- schreiten der von der vollendeten Unterbindung der Arterien an gerechneten Zeit weiter und weiter ab. Diese Erfahrungen legen es nahe, zu schliessen, dass aus der Wechselwirkung des Blutes mit dem Darm und seinen Drüsen eine Bedingung, beziehungsweise ein Stoff erwachse, welcher die der Ge- websathmung zu Grunde liegenden Vorgänge anzuregen, zu beleben ver- möge. Von der Bestätigung oder Widerlesung der eben ausgesprochenen Annahme wird es abhängen, ob ein unmittelbarer Aufschluss über die Athemgrösse des Darms und seiner Drüsen durch die Uuterbrechung ihres Blutstromes zu gewinnen ist. Abweichend von den bis dahin mitgetheilten Erscheinungen sind diejenigen, welche ein dritter Versuch bot. Das Thier, von dem sie ausgingen, war noch jung, nicht ausgewachsen. Während des Sammelns der Athemgase, vor der Unterbindung der Arterien lag es ruhig, nach der letzteren bewegte es sich dagegen fast ununterbrochen. Die Messung führte zu den folgenden Zahlen. In der Minute Co, Dauer der | Co, | (0) | 70 Beobachtung Vor der Unterbindung | 12-2 ccm duo, cu 0-71 23 Minuten Nach der Unterbindung 1 15-43 „ 20-68 „ 0-74 la Nach der Unterbindung 2 | 11-75 „ 16-74 „ 0-70 DA Trotz seiner abweichenden Ergebnisse muss ich den Versuch für einen gelungenen halten, weil sich während seines Verlaufs keine Unregel- mässigkeit nachweisen liess. Die Athemgrösse vor der Unterbindung ist diesmai kleiner oder nur gleich der nach der Operation, so dass man zu der Behauptung gelangen könnte, es nähme das Gebiet der Portalgefässe gar keinen Antheil an der Athmung. Mehr Wahrscheinlichkeit als diese würde die andere Annahme für sich haben, es sei durch die Bewegungen der Muskeln der Verlust aus- geglichen worden, welchen die Ausschaltung des Darmes und seiner Drüsen bedingt habe. Auch noch manches Andere liesse sich zur Erklärung vor- bringen, ohne dass sich eine Entscheidung finden liesse. Wenn nun auch meine Versuche keinen Abschluss bringen, so dürften sie doch darum werthvoll sein, weil sie ein neues Mittel zum Studium der Athmung nachweisen. Muskeln und Klappen in den Wurzeln der Pfortader. Von Dr. H. Koeppe. (Aus dem physiologischen Institut zu Leipzig.) bedenkt man, wie schwierig sich die Verhältnisse für den Blutstrom im Gebiete der Pfortader schon dadurch gestalten, dass die Pfortader zwischen zwei Capillarsysteme eingeschaltet ist, und wie verschieden der Strom be- einflusst wird, je nachdem das Individuum steht, sitzt oder liegt, der Darm gefüllt oder leer ist, so würde man von häufigen Störungen in der nor- malen Richtung des Blutstromes nicht überrascht werden. Insbesondere fragt man sich, durch welche besondere Hülfsmittel es vermieden sei, dass ein grösserer oder kleinerer Theil des Darmes von venösem Blute rück- läufig durchflossen werde, dadoch das Vorkommen von Klappen! im Pfort- adergebiet in Abrede gestellt wird. Wenn man in die Vena mesenterica sup. eine leichtflüssige Injections- masse einspritzt, so dringt diese rasch bis zum Ansatz des Mesenteriums am Darm vor, dann aber injieiren sich die Gefässe des Darmes ganz un- oleichmässig; einzelne Stücke des Darmrohres haben sich durch die In- jectionsmasse intensiv gefärbt, zum Zeichen, dass dieselbe bis in die feinsten Gefässe vordrang, während andere Stücke des Darmes weiss bleiben, weil die Injeetionsmasse ein Hinderniss im Vordringen fand. Zur Erklärung ! Henle, Gefässlehre. S. 393 „Klappen kommen in diesen: die Pfortader zu- sammensetzenden Venen ebensowenig wie in dem Stamme oder den von ihm ausgehen- den Aesten vor“; — Chapman, Treatise of Human Physiology. p. 362 „there are no valves in the vena portae); — Hochstetter, Dies Archiv. 1887. Anat. Abth. S. 137 „das Vorkommen der Klappen ist ausschliesslich auf die Magenvenen beschränkt und das Gebiet, in welchem sie vorkommen, mit dem pylorischen Ring scharf begrenzt.“ H. Korppe: MUSKELN U. KLAPPEN I. D. WURZELN DER PFORTADER. 169 dieser Thatsache hält J. P. Mall! es für „wahrscheinlich, dass die Venenäste, von welchen aus das zugehörige Darmstück nicht zu füllen war, durch ihre eigenen Muskelringe verschlossen würden“. Versuche mit Injeetionen bei besonders hohem Druck, Injectionen mit defibrinirtem Blute in die Venen eines überlebenden Darmes unmittelbar nach dem Tode des Hundes, elektrische Reizung des Darmes, alles das vermochte an dem Resultate nichts zu ändern, und es war anzunehmen, dass in der That der Grund für diese auffallende Beobachtung in dem anatomischen Bau der Venen zu suchen sei. Es wurde mir deshalb von Hrn. Professor C. Ludwig die Auf- gabe gestellt, die Venen in Bezug auf die Anordnung ihrer Musculatur und etwa vorhandener Klappen zu untersuchen. Nachdem ich schon zu einem positiven Resultate gediehen war, gelangte eine Arbeit von J. Bryant? über diesen Gegenstand zu meiner Kenntniss. Dieser Autor weist die Klappen durch Injection mit einer erstarrenden Masse nach und nimmt für die Stelle, wo sich auch die feinsten Venen füllen, eine Insufficienz der Klappen an. Wie er auf diese Weise eine doppelte oder dreifache Reihe von Klappen sichtbar machen konnte, ist mir nicht klar geworden. Von meiner Seite wurde von vornherein von einer Injection der Vene mit einer erstarrenden oder körnigen Masse abgesehen, damit sich die Venen- wand möglichst klar und unverletzt erhalte. Um ein Verwechseln zwischen Arterie und Vene zu vermeiden, wurde die Arteria mesenterica superior mit flüssigem Berliner Blau injieirt und die Injection unterbrochen, sobald die Masse bis zu den Capillaren vorgedrungen war. Dann wurde eine Canüle in einen Zweig der Darmvene eingesetzt und dieselbe mit einer gesättigten Lösung von Kaliumbichromat injieirtt, Das noch vorhandene Blut wurde dureh die offenen Venenzweige hinausgespült, die Venen füllten sich prall und klar, der Darm färbte sich theilweise roth, zum Theil blieb er weiss. Der gesammte Darm wurde dann mit dem Mesenterium herausgenommen, von seinem Inhalte gereinigt und in Kaliumbichromatlösung gehärtet. Zur Untersuchung der Venen wurde ein Stück von ca. 10 bis 20 ® Länge, das zum Gebiete eines oder mehrerer Venenäste gehörte, abgeschnitten, auf einer Glasplatte mit dem Mesenterium ausgebreitet, eine Canüle in die Vene ein- gebunden und mittels einer hochgestellten Flasche eine dauernde Injection mit Kaliumbichromatlösung unterhalten. Die blutenden Venenäste wurden 1 J.P.Mall, Die Blut- und Lymphwege im Dünndarm des Hundes. Leipzig 1887. ? J. Bryant, Boston Medical and Surgical Jonrnal. 1888. Vol.II. p. 400: „the valves were found in the whole length of the intestine with only here and there a spot, where the injeeting mass had entered the fine veins. In these places there was usually some indication of the presence of an incompetent valve. The valves usually occurred in a double series, more rarely triple or single“. 170 H. Koeppe: unterbunden und nun konnten die prall gefüllten Venen herauspraeparirt werden. Dies geschah mit einer geschliffenen Staarnadel und zwar wurden die Venen mit Hülfe der Lupe durch die Längsmuseulatur des Darmes hin- durch bis in die Kreismuseulatur tief hinein verfolgt und isolirt, wobei die blau injieirten Arterien als Wegweiser zur Auffindung der nicht injicirten Venen dienten. Die isolirten Gefässe wurden herausgeschnitten, sorgfältig ausgewaschen und mit Haematoxylinlösung gefärbt. Dann wurden sie auf dem Objectträger ausgebreitet und unter der Space mit Nadeln von ihrer Adventitia befreit. So wurde die Structur der Media sichtbar gemacht, denn während sich beim Herauspraepariren aus dem Darm und der sie umschliessenden binde- vewebigen Hülle die Vene als ein vollkommen glattes Rohr darbot, von dem auch die letzten feinen noch anhaftenden Fasern entfernt werden konnten, hatte sich durch das lange Verweilen des Gefässes im Wasser und der Färbeflüssiekeit die Adventitia gelockert und umgab als ein wirres Fasergewebe die Media. Die abgezogene Adventitia stellte sich dar aus längsgefasertem Bindegewebe, Netzen elastischen Gewebes und länesverlau- fenden glatten Muskelfasern. Nach der oben erwähnten Vorbereitung war die Ringmusculatur gleich- mässie klar sichtbar und liess sich ohne Unterbrechung bis in die feinsten Aestchen "hinein verfolgen. Diese gleichmässige Structur der Gefässwand wurde durch scharfe halbmondförmige, dunklere Linien unterbrochen, welche den gefärbten Klappen entsprachen. Durch Aufschneiden der Gefässwand und Auseinanderbreiten derselben wurden Praeparate gewonnen, welche zeigten, dass die Klappen ganz wie die der Körpervenen aus zwei Taschen bestanden. (s. Fig. 1.) Es gelang auch, an der aufgeschnit- tenen und ausgebreiteten Vene die Klappen von der Gefäss- bis zum Ursprung der Klappe wegzuschneiden und die Klappe wieder auszubreiten, so dass sie nun nicht mehr auf die Venen- wand, sondern direct auf den Objectträger zu liegen kam. An | solehen isolirten Klappen waren vom Endothel nur vereinzelte Zellen zu sehen, im Uebrigen waren sie aus fibrillärem Binde- gewebe, elastischen Fasern und reichlichen glatten Muskelfasern gebildet, welche letztere die Fortsetzung schräg angeordneter Muskeln der Gefässwand zu sein schienen. Um das Gebiet der Pfortader, wo sich Klappen finden, zu bestimmen, wurde eine Canüle in den Stamm der Pfortader eingebunden, das Peri- toneum und der Darm auf einer grösseren Glasplatte ausgebreitet, durch die Vene reichlich Wasser zum Auswaschen der Kaliumbichromatlösung laufen gelassen, die Vene dann mit Haematoxylin gefärbt und wieder aus- wand in die Höhe zu ziehen und abzuheben, sowie die letztere A MUSKELN UND IKLAPPEN IN DEN WURZELN DER PFORTADER. 171 gespült. Die Vene wurde dann aus dem umliegenden Gewebe heraus- praeparirt, ausgeschnitten und mit der Lupe auf Klappen untersucht. Ueberall in den Peritonealvenen war die Innenwand vollkommen glatt, nirgends war eine Andeutung von Klappen oder Klappenrudimenten zu finden. Dasselbe war auch der Fall in den dem Darm annähernd parallel gehenden Sammelvenen, in welche die kurzen und langen Darmvenen münden. Dieses klappenlose Gebiet der Pfortader war auch stets leicht und vollkommen zu injieiren. Anders die von den Sammelvenen ausgehen- den kurzen und langen Darmvenen. 1 bis 2m, oft auch weniger, je nach der Grösse der Vene, vor ihrer Mündung in die Sammelvene trifft man auf die erste Klappe, der in kurzen Abständen weitere folgen bis in die feinen, die Ringmusculatur des Darmes durchsetzenden Venen, die zusammen- sefallen auf dem Objectträger noch nicht 2mm breit sind. Auffallend ist dabei, dass vor der Vereinigung zweier Venenäste beide oder wenigstens der kleinere Ast Klappen zeigen. So liessen sich im Gebiete einer langen Darmvene auf einer Strecke \ / von 7m neun Klappen hintereinander zählen, wo- > Sn bei auf den Hauptstamm zwei, auf‘ die einmünden- De den Aeste sieben Klappen kamen. (s. Fig. 2.) Was nun die Stücke des Darmrohres anlangt, die von den Venen aus sich injieirten, so müsste \ für diese die Abwesenheit oder Insufficienz der i Klappen angenommen werden. Jedoch auch hier a b zeigten sich die Venen mit Klappen versehen, die Fig. 2. auch ganz gut functionirten, sobald der Darm gegen a Innenvene, b Wandvene. das Mesenterium annähernd rechtwinkelig gelagert war. Andererseits liess sich ein noch weisses Darmstück vollständig injieiren, sobald man das Me- senterium tangential gegen das Darmrohr stellte. Bei Prüfung einer ein- zelnen Klappe auf ihre Functionsfähigkeit zeigte sich ebenfalls, dass eine Knickung des Gefässrohres in nächster Nähe einer Klappe die Wirksam- keit desselben aufhob. Für das lebende Thier wird dieses Verhalten der Klappen wenig oder gar nicht in Betracht kommen, denn ein Vorkommen so grober Lageveränderungen lässt sich auch bei den verschiedenen Stellungen des Körpers und Füllungsgraden des Darmes kaum erwarten. Das Gebiet der Pfortader lässt sich somit in drei Abschnitte ein- theilen: 1. Ein Gebiet ohne Klappen mit starker innerer Ringmusculatur und äusserer Längsmusculatur: Stamm der Pfortader und ihrer Aeste bis zum Abgang der langen und kurzen Darmvenen. 2. Ein Gebiet mit Klappen und starker innerer Ringmusculatur und wenigen äusseren Längsmuskelfasern: lange und kurze Darmvenen. 2 H. KoEppE: 3. Ein Gebiet ohne Klappen und Muskeln: die Netze in der Sub- mucosa des Darmes. Hierbei ist zu beachten, dass in Bezug auf die Musculatur diese Trennung keine scharfe ist, vielmehr nimmt die Längsmusculatur ganz all- mählich nach den feinen Aesten zu ab, so dass zuletzt dort nur noch ver- einzelte Fasern zu finden sind, wo die Ringmusculatur noch in ziemlicher Stärke vorhanden ist. Verfolet man nun die Pfortader in die Leber hinein und untersucht ihre Musculatur, so fällt zunächst ebenso wie bei den Mesenterialvenen der Reichthum an Muskelfasern überhaupt auf. Dagegen steht die Ring- musculatur den Längsmuskeln an Mächtigkeit nach, und hier sind es die Ringmuskeln, die nach den feineren Aesten hin stetig abnehmen, so dass schliesslich die feinsten Zweige nur noch Längsmuskeln zeigen.! Es zeigt sich also, dass bei annähernd gleicher Entwickelung der Längs- und Ringmuseulatur im Stamme der Pfortader, nach dem Darm zu die Ringmusculatur, in der Leber die Längsmusculatur die vorrherrschende ist. Dieser Reichthum an contractilen Fasern im Pfortadersystem sowie die Anwesenheit von Klappen in demselben müssen einen wesentlichen Einfluss auf den Blutstrom in ihm ausüben. So ist in erster Linie dem Blutstrom in dem Gebiete mit Klappen eine bestimmte Richtung vorgeschrieben. So- bald aber die Darmvenen die Sammelvenen erreicht haben, ist dem Blute der Weg nach beiden Seiten freigegeben. Denn wie z. B. ein in der Ver- dauung begritfenes Darmstück für die nunmehr reichlichere Blutzufuhr nicht nur auf den dasselbe direct versorgenden Arterienzweig angewiesen ist, sondern durch die reichlichen Anastomosen Blut auch von den höher und tiefer gelegenen Arterien erhalten kann, so wird auch zur schnellen ! Stöhr, 8.112. „Einzelne Venen [V. portae, V. renalis] besitzen eine fast voll- kommen ansehnliche Längsmuskelhaut.“ Heitzmann, Microscopical Morphology of the animal body, p. 338. „— in the V.portae and V. ren. these bundles [longitudinal bundles of smooth muscle], form an almost continuous layer“. Kölliker, Gewebelehre. 8.574. „— contractile Längsbündel in den Stämmen der Lebervene im Stamme der V. portae — nur in der V. renalis und V. portae er- strecken sich diese Muskeln durch die ganze Dicke der Adventitia“. Eberth, Stricker’s Handbuch der Gewebelehre. Bd.]. 8.199. (II. Gruppe. Venen mit innerer ringförmiger und äusserer longitudinaler Museulatur: V. portalis IIl. Gruppe: Venen mit inneren und äusseren longitudinalen und mittleren transversalen Fasern: Aeste der Mesenterialvenen .... £benda: „Die Anordnung der Muskeln varürt also in einem und demselben Gefässbezirk. So enthalten die mittleren Aeste der Me- senterialvenen zwei Längsfaserschichten mit einer zwischenliegenden Ringfaserlage, während dagegen die Vena portarum schwache innere Ringmuskeln und ziemlich viel äussere Längsmuskeln besitzt.“ MUSKELN UND KLAPPEN IN DEN WURZELN DER PFORTADER 175 Abfuhr des venösen Blutes der Weg nicht nur in einer Richtung vor- geschrieben sein, sondern das Venenblut kann auch in die seitlichen unter geringerem Druck gelegenen Theile ausweichen. Durch die Anwesenheit von Klappen in den grossen Venen würde den Bahnen des Blutstromes nur eine unnöthige, bisweilen sogar schädliche Beschränkung auferlegt. Für den Füllungsgrad der Aeste und Stämme der Venen sind da- gegen die in ihren Wurzeln vorhandenen Klappen von grosser Bedeutung. Da sie den Rückfluss gegen die Darmwand hindern, so wird jeder kleine Druck hinter demselben, ausgeübt durch den Rest des arteriellen Druckes oder durch die Muskelcontractionen des Darmes, oder auch durch Be- weeungen der Bauchwand summirt und auf die Blutsäule in den grossen Venen übertragen. So erklärt sich die Beobachtung J. P. Mall’s, dass bei fortgesetzter elektrischer Reizung des Darms in der vor der Leber unter- bundenen Pfortader ein höherer Blutdruck vorhanden war, als im arteriellen System. Im Anschluss hieran tritt die Bedeutung in ein helles Licht, welche den Muskeln der Venenwand zukommt. Ihrer Gegenwart ist es zu ver- danken, dass sich die Mesenterialvenen in verschiedenem Grade mit Blut zu füllen vermögen, ohne dass sich in ihrem Binnenraume der Druck ändert, und umgekehrt, dass der letztere dort sehr ungleich gross angetroffen wird, trotzdem dass die im Rohr enthaltene Blutmenge denselben Werth besitzt. Beides lässt sich durch Lähmung oder Reizung der Vasomotoren leicht ver- anschaulichen, und ebenso beweisen, dass die Geschwindigkeit — nicht die Stärke — des Stromes innerhalb der Portalvenen bis zu einer gewissen Grenze hin unabhängig ist von dem Zufluss aus den Arterien und von dem Widerstande in den Lebergefässen. Die ungemein reichen Netze feiner Blutgefässe, welche die Venenwand umspannen, lassen darauf schliessen, dass die Thätigkeit der Muskeln oft in Anspruch genommen wird. In wie weit bei Krankheiten des Unterleibes die Klappen schlussfähig sind, ist durch weitere Untersuchungen zu ermitteln. Diese lassen sich im Anschluss an die Obductionen leicht vornehmen, wenn man das Schliessen der Klappen prüft, indem man die Vene und den Darm auf dem Zeigefinger der linken Hand haltend mit der rechten Hand das in der Vene befindliche Blut nach dem Darm hindrängt. Bei gutem Schluss der Klappen kann man mit blossem Auge oder der Lupe dort, wo Klappen sind, ein deutliches Anschwellen und plötzliches Zusammenfallen der Venenwand erkennen. Die Bedeutung des Lymphstromes für Zellen- entwickelung in den Lymphdrüsen. Von Dr. H. Koeppe. (Aus dem physiologischen Institut zu Leipzig.) (Hierzu Taf. IX.) Da die Lymphdrüsen anzusehen sind als die Brutstätten ! der Lymph- zellen, diese aber durch die Vasa efferentia auswandern — denn die in die Drüse einfliessende Lymphe ist zellenärmer als die ausfliessende —, so war in der Drüse eine Anhäufung zelliger Elemente zu erwarten, sobald man die zu- und abführenden Lymphgefässe unterbunden, der Drüse aber durch Schonung der Blutgefässe die Zufuhr ernährender Stoffe gesichert hatte. In dieser Erwartung schlug mir Hr. Prof. C. Ludwig vor, die Unter- bindung der Lympbgefässe an der Halsdrüse des Hundes zu unternehmen. Diese Drüse von länelich ovaler Form liegt unter dem M. sternocleido- mastoideus nahe seinem Ursprunge, überragt den medialen Rand desselben und wird hier von der Öhrspeicheldrüse verdeckt. Zu ihr führen zwei ‘Arterien, eine am Kopfende und eine am Rumpfende der Drüse, während eine oder mehrere Venen die Drüse in der Mitte verlassen und in die Tiefe gehen. Von zuführenden Lymphgefässen erhält man durch Injection mit Berliner Blau: 1. Bei Einstich in die Nasenschleimhaut und den Gaumen füllen sich etwa vier bis sechs Gefässe, die hinter dem Ursprunge des M. biventer maxillae um diesen herum in einem dieken Bündel an das Kopfende der Drüse treten. ! Flemming, Studien über Regeneration der Gewebe. Bonn 1885. 8. 8. H. KoEpp#: BEDEUTUNG D. LYMPHSTROMES FÜR ZELLENENTWICKELUNG. 175 2. Bei Einstich in die innere Fläche der Ohrmuschel besonders in ihre tiefen Theile? füllen sich ebenfalls vier bis sechs Gefässe, die in einem Bündel vor dem Ursprunge des M. biventer maxillae zum Kopfende der Drüse treten. Nur wenig tiefer münden: 3. Drei bis vier Gefässe, die sich nach Einstich in die Schleimhaut der Ober- und Unterlippe, und 4. ein bis zwei Gefässe, die sich nach Einstich in die Epiglottis füllen. 5. Beim Injieiren von der Nasenschleimhaut aus füllen sich auch Gefässe, die aussen vom Öberkiefer verlaufen und mit den durch Einstich in die Ober- und Unterlippe gewonnenen erst theilweise zu zwei bis drei ober- flächlichen Lymphdrüsen neben der Parotis gehen und dann mit den Vasa efferentia dieser Drüsen in unsere Halsdrüse münden. Nach einem Hautschnitt etwa zweifingerbreit lateral des Ringknorpels wurde am M. sterno-thyreoideus in die Tiefe gegangen bis das Rumpfende der Drüse erreicht war. Dicht an der Drüse wurde dann nach Isolirung der Arterien eine doppelte Ligatur um das vorhandene Bindegewebe gelegt und dasselbe zwischen den Ligaturen durchschnitten. Darauf wurde das Kopfende der Drüse freigelegt und dort die prall gefüllten Lymphgefässe ebenfalls unter- bunden und durchschnitten. Die Wunde wurde vernäht und heilte bei aseptischer Behandlung durchschnittlich in drei bis vier Tagen. Von sieben auf diese Weise operirten Hunden wurden zwei nach 14 Tagen, die anderen nach 18 bezw. 21, 26, 54 und 57 Tagen getödtet und ihre Drüsen untersucht. Zum Vergleich wurde auch die gesunde Drüse der anderen Seite herauspraeparirt und in gleicher Weise wie die operirte be- handelt. Beide Drüsen wurden längs halbirt, in Alkohol gehärtet und in Paraffin eingebettet. Die Schnitte wurden durch die ganze Drüse gelegt, einmal von der Rinde aus, dann von der Halbirungsfläche aus. So wurde ein Ueberblick über die ganze Drüse erhalten und die Gefahr vermie- den, einmal nur Rindensubstanz das andere Mal nur Markstränge zu treffen. Dabei zeigte sich schon, dass, wie auch Flemming hervorhebt, eine Unterscheidung in Rinden- und Marksubstanz nicht statthaft ist, vielmehr zeigten die Schnitte durch die Rinde wie durch die Mitte gleiche Structur; die „Knötehen“ (Follikel) waren durchaus nicht auf die Rinde beschränkt is: Taf. IX, Fig. 1). ! Bei Einstich mehr nach der Ohrspitze zu füllen sich Gefässe, die unter der Haut des Halses nach einer zweiten Drüse unter dem M. sternocleidomastoideus gehen, die aber näher dem Sternum liegt. 176 H. Koeppr: Nachtheilig für die Untersuchung erwies sich dieses Verfahren insofern, als sich bei so grossen Objecten die Schnitte nicht dünner als 0-01 m her- stellen liessen. Ferner gestattet die Härtung in Alkohol, die durch die Gefässinjection geboten war, den Einwand, dass dabei die Fixirung der Mitosen unvollkommen sei; doch es sollte ja auch nur ein Vergleich über das Vorkommen von Mitosen überhaupt in der gesunden und der operirten Drüse angestellt, nicht aber die absolute Zahl derselben bestimmt werden. So wurde denn davon abgesehen, die Drüsen in kleinen Stücken in Flemming’schem Gemisch zu härten, doch liessen sich durch folgende Methoden die Mitosen sehr gut darstellen: 1. Dureh Färben der Schnitte mit Haematoxylin, nachdem eine Weile Essigsäure auf sie eingewirkt hatte, die mit Wasser wieder gut ausgewaschen worden war. 2. Durch Färben mit salpetersaurem Rosanilin ! und nachherigem Ent- färben mit alkoholischer Pikrinsäurelösung. 3. Durch Färben mit einer Methylenblau-Eosinmischung.? Nach jeder dieser Methoden wurden sowohl von den gesunden wie von den operirten Drüsen Praeparate gefertigt; die verschiedenen Behand- lungsarten lieferten wesentlich übereinstimmende Bilder, mit dem Unter- schiede jedoch, dass bei der ersten und zweiten Art der Färbung die Kerne schärfer hervortraten, während bei der dritten Methode das Protoplasma sich vollkommen färbte, weshalb sich die einzelnen Zellen besser von ein- ander schieden. Die Untersuchung der einzelnen Drüsen ergab: I. Hund, nach 14 Tagen getödtet. = Bei Injection der Lymphgefässe mit Ber- N / liner Blau füllen sich dieselben bis zur Unter- bindungsstelle und verlieren sich im Narben- sewebe, ohne in die Drüsen überzugehen. Die Blutgefässe der Drüse füllen sich vollständig bei Injection mit schwarzer Leimmasse. Der Vergleich der operirten Drüse mit der gesunden ergiebt: 1. Die operirte Drüse ist bedeutend kleiner Fig. 1. Gesunde operirte Drüse. als die gesunde (Fig. 1). 2. Schon bei Lupenvergrösserung fällt die | ! Dasselbe war von Grübler (Leipzig) in besonderer Reinheit hergestellt worden auf Veranlassung von Dr. Spalteholz. ® Plehn, Zeitschrift für Hygiene. Bd. VII. S. 78. BEDEUTUNG DES LYMPHSTROMES FÜR ZELLENENTWICKELUNG. 1 1] geringe Zahl der Knoten in der operirten Drüse auf (s. Figg. 1 und 2 der Taf. IX). 3. Die Knoten enthalten überhaupt weniger Zellen und im Besonderen sind die chromatinreichen Zellen spärlich vorhanden. 4. In den Keimcentren finden sich keine Mitosen. II. Hund, nach 14 Tagen getödtet. Bei diesem war die Operation insofern modificirt worden, als der Lymphstrom durch eine Ligatur um die ganze Drüse unterbrochen wurde Das Resultat war dasselbe wie beim I. Hund. 1. Die operirte Drüse ist kleiner als die gesunde (Fig. 2). 2. Die Knoten der uperirten Drüse sind zellenarm und in diesen zeigen sich keine Mitosen (s. Fig. 3 der Taf. IX.) Operirte, gesunde Drüse. Fig. 2. IH. Hund, nach 18 Tagen getödtet. 1. Die operirte Drüse ist kleiner als die ge- sunde. (Fig. 3.) 2. Spärliche Lymphzellen in den Knoten. 3. Spärliche Mitosen. 4. Die mit rother Leimmasse injieirten Blut- gefässe liegen in der operirten Drüse viel ge- drängter als in der gesunden. Operirte, gesunde Drüse. Fig. 3. IV. Hund, nach 21 Tagen getödtet. Die operirte Drüse ist noch deutlich kleiner (Fig. 4), als die gesunde; weitere Unterschiede sind nicht mit Sicherheit festzustellen. V. Hund, nach 26 Tagen getödtet. Da nur die operirte Drüse untersucht wurde, fällt ein Vergleich mit der gesunden desselben Thieres aus. Die herausgenommene Drüse war mehrfach getheilt worden, so dass Openirte, gesunde Drüse. ein Ueberblick nicht zu erhalten war. Prae- Fig. 4. parate der einzelnen Stücke zeigten Verödung der Knoten; theilweise war nur noch das Reticulum vorhanden; Fehlen der Mitosen. Archiv f. A. u. Ph. 1890. Physiol. Abthlg. Suppl. 119 178 H. KoEppe: VI. Hund, nach 54 Tagen getödtet. a VI. Hund, nach 57 Tagen getödtet. Bei beiden Hunden bietet die operirte Drüse vollkommen das Bild einer normalen, ebenso- wenig lässt sich ein Unterschied in der Grösse S feststellen. (Fig. 5.) N) Nun zeigen die gesunden Drüsen ja auch Operirte, gesunde Drüse. Stellen mit zellarmen Knoten ohne Mitosen, wie Fig. 5. sie in den operirten Drüsen auftreten, und dies würde den Einwand rechtfertigen, dass die in den operirten Drüsen beschriebenen Veränderungen nicht die Folgen des Eingriffes seien, sondern ohne diese Ursache auftreten, wie Flemming schon sagt, dass „die Keimeentren kommen und gehen.“ Andererseits aber sprachen die Grössenunterschiede der Drüsen dafür, dass ein Verschluss der Lymphgefässe, wie er durch die Operation hergestellt wurde, in der That die Ursache einer Abnahme und Verödung der Knoten sei, wenn auch nur durch Steigerung gewisser physio- logischer Vorgänge. Es liegt somit der Rückschluss nahe, dass, wenn eine Verödung der Knoten eintritt, dies die Folge eines Verschlusses der Lymphwege sei, so vielleicht in der normalen Drüse wegen vorübergehender Verstopfungen durch die in Mengen gebildeten Lymphzellen, in pathologischen Fällen aber durch dauernde Verlegung der Lymphwege mit Staub, Kohlepartikel u. s. w., denen Schrumpfung und Induration ! folgt. Dass, wie beim 6. und 7. Hunde, sich mit der Zeit die alten Verhält- nisse wieder herstellen, mag seinen Grund wohl darin haben, dass der Lymphstrom sich wieder einrichtet durch Bildung neuer Lymphwege zwischen zwei oder mehr übersehenen nicht unterbundenen Gefässen. Was die Zunahme der Blutgefässe und des Bindegewebes anbetrifft, wie dies beim dritten Hund vor allem hervortrat, so wird man dies weniger einer Neubildung zuschreiben, vielmehr einfach daraus erklären können, dass durch den Schwund der Lymphzellen ein Aneinanderrücken der Gefässe und des Reticulum stattfand. Ferner wurde noch sowohl in den unversehrten wie in den operirten Drüsen Folgendes beobachtet: Da wo die Knoten sich zellenarm und ohne Mitosen zeigten, des- gleichen in den Lymphsinus, wo ebenfalls wenig Zellen, besonders wenig chromatinreiche zu finden waren, lagen grosse Zellen mit hell- bis dunkel- gelben, zuweilen kugelig glänzenden oder mehr körnigen Pigmenteinschlüs- ! Ziegler, Zehrbuch. Bd.II. S. 94. ) BEDEUTUNG DES LYMPHSTROMES FÜR ZELLENENTWICKELUNG. 179 sen. So fanden sich diese Pigmentzellen ! constant in den operirten Drüsen in besonderer Menge, dagegen nicht in der gesunden Drüse des ersten Hundes, die fast nur volle, mit Mitosen reichlich versehene Knoten zeigte. Dieses Pigment änderte seine Farbe nicht unter der Einwirkung von Säuren, Alkalien, Aether und Chloroform, dagegen konnte? das Gelb in Blau umgewandelt werden unter der Einwirkung von Salzsäure und gelbem Blutlaugensalz. Der auf dem Objeetträger aufgeklebte Schnitt wurde, nach- dem er in Wasser gewaschen war, mit einem Tropfen der gewöhnlichen Lösung von gelbem Blutlaugensalz befeuchtet, nach einiger Zeit wurden einige Tropfen verdünnter Salzsäure darüber laufen gelassen, alsbald aber mit Alkohol sorgfältig abgespült, noch nachträglich mit salpetersaurem Ros- anilin gefärbt und in Canadabalsam eingeschlossen. So wurden Praeparate erhalten, die in den Zellen neben dem rothen Zellkern das Pigment blau zeieten. Die Umwandlung der gelben Pigmentschollen in Berlinerblau liess sich noch direct unter dem Mikroskop beobachten, doch bläuten sich zu- weilen auch Körnchen in Zellen, in welchen sich vorher kein gelbes Pigment gezeigt hatte. Weiter gab es gelbe Schollen, die nicht blau wurden, so die dicht zusammengedrängten rothen Blutscheiben in den Gefässen. Man müsste also verschiedene Arten Pigment annehmen oder verschiedene Stufen der Umwandlung des Pigments. Bei der Ausführung der Versuche hat sich also das gerade Gegentheil des Erfolges bewährt, welcher beim Beginn derselben vorausgesetzt wurde. In den Räumen der Drüse, die von Blut nach wie vor umflossen, aber nicht mehr von Lymphe durchsetzt und ausgespült sind, vergehen die Leukocyten statt sich dort, wie man glaubte, anzuhäufen. Mit der Anwesen- heit von entwickelungsfähigen Zellen und von Blut sind noch nicht alle Bedingungen erfüllt, welche zur Entstehung neuer Zellen nothwendig sind. Fast scheint es sogar, als ob das Blut für sich allein mehr der Zerstörung als dem Aufbau der Leukocyten förderlich sei. Ob aber die Lymphe durch einen oder mehrere ihrer Bestandtheile an der Neubildung betheiligt sei, oder ob sie allein als Spülmittel schädlicher Stoffe wirke, sind Fragen. die sich aufwerfen, aber nicht beantworten lassen. Eine Ergänzung zu dem Verfahren, das Strombett der Lymphe zu verschliessen, das des Blutes aber offen zu lassen, bietet sich darin, die Arterien der Drüse zu unterbinden, ohne den Lymphgefässen nahe zu treten. ı! Flemming, a. a. O.; — Hoyer, Archiv für mikroskopische Anatomie. Bd. XXXIV. 8. 221; — Oppel, Ueber Pigmentzellen des Wirbelthierdarms. München 1839. ” Perls, Virchow’s Archiv. Bd. XXXIX. S. 42; — Hindenlang, Virchow’s Archiv. Bd. LXXIX. S. 492. 122 180 H. KoEppe: Die Zeit, während welcher diese Anordnung belehrend wirkt, kann eine nur beschränkte sein, entweder weil aus Blutmangel die Drüse brandig wird, oder weil die Folgen des Unterbandes der Arterie durch Ausbildung eines eollateralen Kreislaufes hinfällig werden. Trotz einer solehen Beschränkung dürfte sich die Ausführung der Ver- suche doch lohnend erweisen, was ich aus den Ergebnissen zweier von mir angestellter schliesse. Bei einem dieser Hunde VIII wurden die Blutgefässe der Halslymphdrüse unterbunden und das Thier nach zwei Tagen getödtet. Die Blutgefässe füllten sich bei der Injection theilweise. Die operirte Drüse war grösser als die ge- sunde. (Fig. 6.) 0 08 Operirte, gesunde Drüse. Öperirte, gesunde Drüse, Fig. 6. Ei. Beim Hunde IX dagegen, der nach drei Tagen getödtet wurde, war die Unterbindung vollkommen: die Blutgefässe der Lymphdrüse füllten sich nicht beim Injieiren. Auch hier war die operirte Drüse grösser als die ge- sunde. (Fig. 7.) Die Drüsen wurden in gleicher Weise behandelt wie die beim vorher- gehenden Versuche. Es zeigte sich, dass die Mitosenbildung nicht beein- trächtigt war. Sie fanden sich zahlreich im allen Stadien der Entwicke- lung; zugleich aber kamen Kernfiguren vor, die den von Arnold! u. A. beschriebenen indirecten Fragmentirungen vollständig gleichen, und wie sie in den gesunden Drüsen nicht zu finden waren. Sollten sich bei einer genauen Prüfung durch andere Methoden diese Befunde bestätigen, so wäre in dem beschriebenen Versuch vielleicht ein Mittel gewonnen, die pathologischen Formen künstlich zu erzeugen und ihre Entstehung zu verfolgen. Arnold, Virchow’s Archiv. Bd. XCIll. Taf.I; Bd. XCV. Taf. II u. III; — Beltzow, Virchow’s Archiv. Bd. XCV1I. Taf. XII, Figg. 6-10. ED vu BEDEUTUNG DES LYMPHSTROMES FÜR ZELLENENTWICKELUNG. 181 Erklärung der Abbildungen. (Taf. IX.) Fig. 1. Schnitt durch die gesunde Drüse des I. Hundes. Vergrösserung 5. Ge- färbt mit Methylenblau-Eosingemisch. Blaufärbung der Kerne, daher treten die Knoten (Follikel) deutlich hervor. Rothfärbung des Reticulum. Schwarz injieirte Blutgefässe. Fig. 2. Schnitt durch die operirte Drüse des I. Hundes. Vergrösserung 5. Ge- färbt mit Methylenblau-Eo.ingemisch. Da weniger Zellen und Knoten vorhanden sind, tritt die Blaufärbung der Kerne gegen das rothgefärbte Reticulum zurück. Fig. 3. Die Knoten der operirten Drüse des II. Hundes. Vergrösserung Leitz VII. Oc. II. Färbung wie oben. In den Knoten sind die Lymphzellen nur spärlich vorhanden nnd das Reticulum tritt deutlich hervor. Hyperaesthesie nach Verletzung des Halsmarkes, Von Dr. C. Martinotti. (Aus dem physiologischen Institut zu Leipzig.) (Hierzu Taf. X, Xa u. XT, XIa.) Trotz einer Reihe sorgfältiger Versuche bestehen über den Ort des Rückenmarkes, dessen Verletzung Hyperaesthesie erzeugt, noch Zweifel. Hiervon überzeugt uns die Durchsicht der vorliegenden Litteratur. Die Beobachtung Fodera’s,! dass nach Durchschneidung der hinteren Hälfte des Halsmarkes die unterhalb der Verletzung gelegenen Körpertheile hyperaesthetisch werden, fand so wenig Beachtung, dass sie nicht einmalin dem grossen Werke Longet’s? erwähnt ist. So musste die Thatsache von Neuem entdeckt werden, was im Jahre 1849 und 1850 gleichzeitig durch Brown- Sequard°® und L. Türck* geschehen ist. Beide Beobachter sagen aus, dass nach der Durchschneidung der Seitenstränge die hinter dem Schnitt ge- legene Körperhälfte überempfindlich werde, und zwar umsomehr, je voll- kommener der Seitenstrang durchschnitten gewesen. Brown-Sequard ‚fügte hinzu, dass nach dem Markschnitt die gegenüberliegende Seite, der die unverletzte Rückenmarkshälfte angehört, unempfindlich werde. Türck dagegen, der sich zur Prüfung der Empfindlichkeit eine seither oft am Frosch bewährte Methode erfand, konnte beweisen, dass es gelinge, nach doppelseitigen Verletzungen des Markes auch beide Körperhälften überempfind- ' Magendie, Journal de physiologie. 1823. ? Anatomie et physiologie du systeme nerveux. 1842. * Comptes rendus. 1850; — vergl. auch Experimental researches on the spinal cord. Richmond 1855. * Zeitschrift-der Gesellschaft der Wiener Aerzte. 1850. (©. MARTINOTTI: HYPERAESTHESIE NACH VERLETZUNG DES HALSMARKES. 183 lich zu machen." Die an Säugethieren und Fröschen ermittelte Thatsache bestätigt W. Müller? auch für den Menschen. Sanfte Berührung von Hautstellen, deren Nerven gleichseitig und unterhalb der Verletzung ent- sprangen, weckte neben lebhaften Reflexen auch heftige Schmerzen. Als man mit der Zeit erkannte, dass sich an die durch verschiedene Orte des Seitenstranges ziehenden Fasern auch besondere Leistungen Knüpften, musste es wünschenswerth erscheinen, die Stätte genauer zu ermitteln, deren Verletzung Ueberempfindlichkeit nach sich zieht. Der Lösung dieser Frage musste die Ausbildung einer Methode vorausgehen, welche die stück- weise beschränkte Zergliederung des lebendigen Seitenstranges gestattete. Woroschiloff, der mit einer solchen ausgerüstet wurde, konnte am unteren Brust- und am Lendenmark des Kaninchens nachweisen, dass grössere Ab- schnitte des Seitenstranges weggenommen werden konnten, ohne dass Hyper- aesthesie eintrat. Schliesslich glaubte er sich zu der Annahme berechtigt, dass die Ueberempfindlichkeit nur durch Zerstörung der weissen Masse zu erzielen sei, welche an das sogenannte Seitenhorn angrenzt, oder überhaupt durch Verletzung der Faserung des Seitenstranges, welche eingeschlossen wird nach innen durch die graue Masse und nach aussen durch eine Linie, welche die am weitesten vorspringenden Spitzen des Hinter- und Vorder- horns mit einander verbindet. Obwohl nun die Zerstörungen, welche Woroschiloff am Rückenmark anbrachte, scharf umgrenzt und photographisch nachgewiesen sind, wird ınan eine erneute Untersuchung nicht für unnöthig halten dürfen, denn es sind von ihm einige der Vorsichten unberücksichtigt geblieben, auf deren Innehaltung man gegenwärtig dringt. Den heutigen Forderungen gemäss kann ein Schluss, der sich auf eine örtlich umgrenzte Zerstörung innerhalb des kückenmarkes gründet, nur unter den folgenden Bedingungen Anspruch auf Giltigkeit erheben. Die Beobachtung der Folgen, welche sich an den blutigen Eingriff knüpfen, müssen bis zur vollkommenen Heilung der Wunde fortgesetzt werden; nur hierdurch lässt sich das Wesentliche vom Zufälligen unterscheiden. Die in den Leistungen sich ausdrückenden Folgen müssen möglichst einheitlicher Art sein, entweder nur auf dem sensiblen, oder nur auf dem motorischen Gebiet liegen. Das zerstörte Gewebe muss sich scharf gegen das unversehrte ab- grenzen, Lage und Ausdehnung müssen so genau bestimmt sein, als es die ! Inwiefern die Hyperaesthesie, welche durch Verletzung des Rückenmarkes be- dingt wird, sich beim Säugethier anders als beim Frosch äussert, vergl. Woroschiloff, Leipziger Berichte. Mathem.-physik. Classe. 1874. S. 288. ? Beiträge zur Pathologie und Physiologie des menschlichen Feückenmarkes. Leipzig 1871. 184 C. MARTINOTTI: mikroskopischen Hülfsmittel gestatten. Hierzu kommt als eine den Ver- such erleichternde Bedingung: Die zur Verwendung kemmenden Werkzeuge müssen es gestatten, den Ort und die Ausdehnung der Verletzung nach Wunsch zu wählen. Diesen Forderungen zu genügen, war ich nach Kräften bemüht. Der möglichst geringen Verletzung wegen wurde die Halswirbelsäule zum Operationsfeld gewählt. Unter Benutzung der von de Boeck ! beschrie- benen Art das Kaninchens aufzustellen, gelingt es nach einer mässigen Verletzung der Haut, der Muskeln und der Bänder zum Halsmark zwischen zwei Wirbelbogen zu gelangen. So wie die Operation bis zu diesem Punkte vorgeschritten ist, empfiehlt es sich noch, das Thier durch Aetherdämpfe zu betäuben, damit der Rücken möglichst unbewegt bleibe, wenn nun zu der Verletzung des Markes übergegangen wird. Um diese letztere in der gewünschten Beschränkung auszuführen, bediente ich mich zweier ver- schiedener Instrumente. Das eine war scheerenartig gebaut: ein Arm wurde nach Art eines Schutzmesserchens innerhalb des Markes festgestellt, während der zweite Arm schneidend gegen den ersteren bewegt wurde. Zur Voraussetzung seiner Anwendung musste die harte Hirnhaut durch- schnitten werden. Hierdurch wurde der Verlauf der Wundheilung beein- trächtigt und es kam, was noch störender war, in der Regel zum Austreten von Blut (siehe z. B. Fig. 4). Weil damit die Abgrenzung der Verwundung erschwert wurde, so verliess ich die Scheere und wendete statt ihrer ein rothglühendes feines Messerchen an. Ohne dass sie vorher eingeschnitten ist, schlüpft das Messer leicht durch die Dura mater und erzeugt innerhalb des Markes selbst keine Blutung. Bei der Herstellung und dem Verband der Wunde wurde aseptisch verfahren; die Heilung war nach 14 Tagen erfolgt. Um die Hyperaesthesie nachzuweisen, wurde das Kaninchen rittlings auf ein freischwebendes Bälkchen gesetzt und dort durch einen breiten Leib- gurt festgehalten. Nur bei dieser Aufstellung liessen sich alle Bewegungen, welche das Thier ausführte, mit Sicherheit und in vollem Umfange er- kennen. Als Reizmittel dienten der Druck mit der Hand des Beobachters und die abgestufte Stärke des Inductionsstromes. Als Maass für die Stärke des Reizes war man, wenn der Druck benutzt wurde, auf das Bewusstsein des drückenden Beobachters angewiesen. Trotz der Unvollkommenheiten, die einer solchen Schätzung anhängen, ist sie jedoch vollkommen genügend, um starke Unterschiede im Empfindlichkeitsgrade der Haut zu erkennen, insbesondere wenn sich die Folgen des Angriffs auf die beiden Körper- hälften vergleichen lassen. Auf der unverletzten Seite wird das stark ! Dies Archiv. 18839. 8. 238. HYPERAESTHESIE NACH VERLETZUNG DES HALSMARKES. 185 zwischen den Fingern gepresste Glied eben noch zurückgezogen, während eine schwache Berührung der Pfoten auf der verletzten Seite alle Muskeln des Körpers in dauernde und kräftige Bewegungen setzt und durchdringen- des Geschrei veranlasst. Obwohl demnach das willkürliche Druckmaass quali- tativ genügt, so dürfte es sich doch empfehlen, ein mechanisches an seine Stelle zu setzen. Ein solches muss besonders darum erwünscht erscheinen, weil der Inductionsstrom als Reizmittel für die sensiblen Nerven dem Druck weit nachsteht. Beim Gebrauch des letzteren Mittels habe ich das schon von Woroschiloff angewendete Verfahren benutzt. Um über die Folgen im motorischen Gebiet Aufschluss zu erhalten, wurde das Kaninchen auf einen grossen, mit grobem Leintuch überspannten Tisch gesetzt und der Gebrauch der Glieder bei willkürlichen und künst- lich eingestellten Bewegungen sorgfältig beobachtet. Mit Rücksicht auf den Ort, welchen sie betrafen, lassen sich die Ver- letzungen, welche ich hervorbrachte, in drei Reihen ordnen. In einer ersten wurden auf einer oder beiden Seiten nur die Hinter- stränge zerstört, mit der Scheere und dann nach vorgängiger Eröffnung des Durasackes, oder mit dem rothglühenden Messerchen, ohne dass vorher die harte Haut eingeschnitten gewesen. Als erstes Beispiel ist Fig. 1 Taf. X anzusehen; der rechte Hinterstrang ist zerstört. — Das Thier, dem das Mark angehörte, wurde noch 14 Tage nach dem blutigen Eingriff am Leben erhalten. Zu dieser Zeit war die Wunde vernarbt. In keiner Beziehung unterschied sich das Verhalten des Thieres von dem eines gesunden. Bei der mikroskopischen Untersuchung des Rückenmarkes fand sich eine aufsteigende Entartung der Hinterstränge. Eine Anschauung von dieser Entartung giebt Fig. 2. Das Thier, aus welchem ihr Vorbild stammt, brauchte bis zur Heilung der Wunde 14 Tage. Während dieser ganzen Zeit liess sich auch nicht die geringste Abweichung vom gesunden Zustand nachweisen, trotz der sorgfältigsten Aufmerksam- keit auf Empfindung und Bewegung. Die Fig. 3 weist eine begrenzte Verletzung des linken Hinterstranges durch eine feine glühende Nadel nach. Sechs Stunden nach der Verletzung wurde das Thier getödtet. Auch hier war kein Zeichen von Ueberempfind- lichkeit bemerkbar. In Fig. 4 ist ein Schnitt aus einem Rückenmark abgebildet, in welchem die glühende Nadel durch den Hinterstrang bis zum Vorderhorn und etwas darüber hinaus in den weissen Vorderstrang gedrungen war. Das Kanin- chen, dem das Rückenmark angehörte, wurde sechs Stunden nach voll- endeter Operation getödtet. An seiner Beweglichkeit hatte das Thier nichts 186 6. MARTINoTTE: eingebüsst, auf der Seite der Verletzungen aber zeigte sich schon die Haut gegen Druck etwas empfindlicher als auf der gegenüberliegenden. Meine Erfahrungen stimmen, wie man sieht, mit denen, welche Türck, Woroschiloff, Kusmin und Osawa nach der Zerstörung der Hinterstränge 8ewonnen haben. Da durch die anatomische Untersuchung die genaue Beziehung nachgewiesen ist, in welcher die weissen Hinterstränge zu den sensiblen Nervenwurzeln stehen, so könnte das Ergebniss der Verletzungen verwunderlich erscheinen. Bei weiterer Ueberlegung ergiebt sich jedoch, dass die anatomischen und physiologischen Thatsachen sich keineswegs widersprechen. Nur dann würde dieses der Fall sein, wenn es nachgewiesen wäre, dass die Nervenfäden, welche durch die hinteren Wurzeln anlangten, unverzüglich und geraden Wegs in den Hintersträngen aufstiegen. Weil aber die Nervenfäden der Wurzeln nach verschiedenen Richtungen von der geraden zum Gehirn führenden Bahn abbiegen und weil aus den Fasern der Hinterstränge zahlreiche Collateralen entspringen, so können die Hinter- stränge auch angesehen werden, sei es als Durchgangspunkte der sensiblen Fasern oder als ein Weg, der mit mehreren anderen von gleichem Werthe sei. — Unter dieser Voraussetzung lässt sich keine über grosse Flächen ausgedehnte Lähmung der Empfindlichkeit erwarten, wenn die Leitung durch die Hinterstränge nur auf einem Querschnitt unterbrochen ist. In der zweiten Reihe geschah der Einstich in der Richtung vom Hinter- zum Vorderhorn, wodurch veränderlich grosse Stücke des Hinter- und Vorderhorns sammt der zwischen beiden eingeschlossenen Faserung der weissen Seitenstränge zerstört wurden. Oefters erstreckte sich auch die Verletzung bis in die Vorderstränge. In den Figg. 5 und 6 sind die mit der glühenden Nadel oder mit der feinen Scheere angebrachten Zerstörungen dargestellt. Die Kaninchen, deren Rückenmark auf gleiche Weise verletzt war, wurden zum Theil wenige Stunden nach Vollendung der Operation getödtet, andere aber bis zur völligen Heilung lebendig erhalten. Zu allen Zeiten ergab die Beobachtung die gleichen Erscheinungen: die Beweglich- keit blieb ungestört; dagegen war die Haut auf der Seite hinter der Zer- störung des Markes ungemein empfindlich. Ein noch so geringer Druck auf die Vorder- oder Hinterpfoten bedingte lebhafte Bewegungen von Kopf und Rumpf; wenn das Thier an der Flucht verhindert und der Druck nur um ein Weniges länger fortgesetzt war, so schrie es laut und setzte das Geschrei auch nach dem Aufhören des Druckes noch einige Zeit hindurch fort. Bei der Berührung oder selbst hartem Druck auf Haut und Pfoten der entgegengesetzten Seite vollführte das Thier keine oder nur mässige Bewegungen, ähnlich wie sie auch im unverletzten Zustand zu Tage treten. Von einem grösseren Umfange werden die Folgen, wenn das zerstörende \Verkzeug etwas nach aussen vom Hinterhorn durch den Seitenstrang bis HYPERAESTHESIE NACH VERLETZUNG DES HALSMARKES. 187 in die vorderen grauen Hörner gedrungen ist. In dem Versuche, zu wel- chem Fig. 7 gehört, war die Zerstörung auf der rechten und linken Seite zugleich ausgeführt worden. Als das Kaninchen nach vernähter Wunde entfesselt wurde, zeigten sich die vier Extremitäten gelähmt, alsbald aber konnte sich das Thier in der sitzenden Stellung erhalten und sechs Stunden später stolpernd fortbewegen, aber nur mit Schwierigkeit aufrichten, wenn es umgeworfen worden war. Das Kaninchen, von dem soeben die Rede war, habe ich des Praeparats wegen sechs Stunden nach der Operation ge- tödtet, dagegen andere auf gleiche Weise verstüümmelte vollkommen ausheilen lassen. Bei diesen letzteren erholten sich die Bewegungswerkzeuge rasch. Schon nach 24 Stunden liefen die Kaninchen wie vollkommen unversehrte umher. Anders stand es mit der Ueberempfindlichkeit. Auch sie war so- gleich nach vollendeter Operation hoch entwickelt, aber sie verschwand nicht wie die Störungen der Bewegung, sondern sie liess sich auch am 14. Tage nach dem blutigen Eingriff noch so deutlich nachweisen, dass eine Abnahme derselben zum Mindesten zweifelhaft erscheinen musste. In der dritten Reihe ging die Absicht auf die Verletzung des Theils der weissen Seitenstränge, welcher in der nächsten Umgebung des Hinterhorns liegt. Bei der Ausführung des Vorhabens wurde zu- weilen auch ein Theil der grauen Masse zerstückelt, innerhalb der weissen Masse aber mehr oder weniger die Kleinhirn-Seitenstrangbahn und die Pyramidenbahn verletzt Wenn die Zerstörung bis zur Oberfläche des Markes reichend die Kleinhirn-Seitenstrangbahn und einen Theil der Pyramidenbahn umfasste, so wurden sogleich die Hinter- und Vorderpfoten auf der verletzten Seite in hohem Grade überempfindlich und verharrten, so lange das Thier lebendig blieb, in diesem Zustande. Beispiele für den Umfang in welchem die Ver- letzung zu diesem Ende stattgefunden haben musste, liefern die Figg. 8, 9, 10 und 12. Regelmässig verknüpften sich mit einer derart durchgeführten Ver- letzung auch Folgen für die Beweglichkeit der Glieder, und zwar sehr ver- schiedenen Grades. Zuweilen wurde nur eine der Pfoten an den Leib ge- zogen und beim Fortschreiten behutsam aufgesetzt (Fig. 8), andere Male aber erschien das Bild vollkommener Lähmung: das Kaninchen fiel, als es losgelassen wurde, auf die Seite der Verletzung. Zwischen den beiden Grenzfällen lagen verschiedene Zwischenstufen. Ausnahmslos war jedoch nach 24 Stunden die frühere Gelenkigkeit der Glieder wiedergekehrt, so dass auch bei der grössten Aufmerksamkeit keine Abweichung von der Gangart des unverletzten Kaninchens sichtbar war. Anderes aber wurde durch die Verletzung veranlasst, wenn sie ohne bis zur Oberfläche des Markes zu gelangen, weiter nach hinten und aussen 188 C. MARTINOTTI: lag, so etwa wie es in Fig. 11 abgebildet ist. Dann ging sie spurlos an der Leistungsfähigkeit des Thieres vorüber. Aus den Zeichen, welche die Empfindungs- und Bewegungswerkzeuge boten, erwuchs nicht einmal der Verdacht auf eine Verletzung des Halsmarkes. Wie verschieden stellen sich doch die Folgen der Verletzung nahe an einander grenzender Faserungen. Die Faserung, auf deren Zerschneidung Hyperaesthesie folgt, liest also in dem hinteren inneren Abschnitte der Seitenstränge, und dort erstreckt sie sich der grauen Masse innig anliegend von dem Ausschnitt zwischen Hinter- und Vorderhorn an, dem Hinterhorn entlang bis zur Oberfläche des Markes, sonach in den Raum, welcher im Rückenmark des Menschen ausgefüllt wird durch die Kleinhirn- und den hinteren Theil der Pyra- midenbahn. Mit der Trennung des Zusammenhanges der Fasern entsteht sogleich die erhöhte Empfindlichkeit der gleichseitig und weiter abwärts gelegenen sensiblen Nerven, und sie dauert ungeschwächt mindestens bis zur Heilung der Wunde. Durch ihre Dauerhaftigkeit unterscheidet sich die Hyperaesthesie von anderen zufällig auftretenden Folgen in den Leistungen der Muskeln. Denn wenn sich nach dem Schnitt Lähmungen der Muskeln einstellen, was zwar öfter, aber durchaus nicht immer geschieht, so gewinnen im Verlauf von Stunden die unfähig gewordenen Glieder die frühere Beweg- lichkeit zurück. | Störungen in der Empfindlichkeit der Haut auf der Seite des unver- letzten Markes sind nicht wahrnehmbar. Mit den Angaben Woroschiloff’s über den Ort dessen Zerstörung Hyperaesthesie bedingt, stimmen meine Versuche in so weit, als sie den inneren, an die graue Masse angrenzenden Abschnitt der Seitenstränge verantwortlich machen, sie weichen darin von ihnen ab, als sie sich nicht ” bloss, wie Woroschiloff will, auf das mittlere Drittel der Seitenstränge beschränken, sondern auch noch in das hintere Drittel derselben hinein- ‚reichen. 4 Den Grund für den Mangel an Uebereinstimmung könnte man darin | suchen, dass meine Versuche am Halsmark, die Woroschiloff’s dagegen innerhalb der unteren Brust und der oberen Lendenwirbel angestellt sind. Vielleicht aber beruhen die von den meinen abweichenden Angaben 3 nur auf der Deutung, welche Woroschiloff seinen Thatsachen gegeben | hat. Bestätigend für diese Vermuthung treten die Taf. IV und Taf. XVII ein; aus der Erklärung zu diesen Tafeln ist zu entnehmen, dass im ersten Falle beiderseitige, im zweiten dagegen einseitige Ueberempfindlichkeit be- standen habe. In beiden Beobachtungen ist der Seitenstrang der Wurzel des grauen Hinterhorns gegenüber unversehrt geblieben, und erst weiter | HYPERAESTHESIE NACH VERLETZUNG DES HALSMARKES. 189 nach hinten hin zerschnitten worden. Weitere Versuche am Lendenmark werden den Widerspruch zu schlichten haben. Da der Mensch nach halbseitiger Durchschneidung des Rückenmarkes schwache Reize schmerzhaft empfindet, so können die lebhaften Bewegungen, welche nach dem Reize auftreten, durch den Schmerz veranlasst sein. Der Uebertragung dieser einfachen Annahme auf das Kaninchen dürfte nichts entgegenstehen. Denn das Verhalten des Thieres weisst auf den Besitz von Trieben hin und auf ein Wahlvermögen sie zu befriedigen, deshalb werden wir auch voraussetzen dürfen, dass sie Behagen und Schmerz empfinden. Aber wollte man die Bewegungen, welche der überempfindliche Nerv hervorruft, nur für reflectirte halten, so würde man doch nicht leugnen können, dass sie unter Betheiligung des verlängerten Markes ent- standen seien. Damit aber durch das Zertrennen einer Verbindung zwischen den Gliedmaassen und dem Gehirn die Wirkung eines äusseren Reizes gesteigert werden kann, muss durch den Schnitt entweder die Empfindlichkeit des schmerzempfindenden Werkzeuges oder die Wirkungsfähiskeit der Nerven vermehrt sein, welche das Gehirn von dem empfangenen Reize benach- richtigen. Von den beiden Möglichkeiten ist die erstere von vorne herein als unzutreffend zu verwerfen; denn wenn die Ursache der Hyperaesthesie auf der gesteigerten Empfindlichkeit beruhte, so müssten schwache Reize von allen sensiblen Nerven aus Schmerz hervorrufen. In Wahrheit sind hierzu nur die Nerven befähigt, welche unterhalb auf der Seite des Schnittes aus dem Rückenmark entspringen. Nach Ausschliessung der ersten bleibt uns nur die zweite Annahme übrig, wonach sich die Entstehung der Hyperaesthesie dadurch erklären lässt, dass der Schnitt einen Widerstand beseitigt habe, welcher gewisse Nerven daran verhindert auf die centralen Werkzeuge mit der vollen Kraft zu wirken, wie es vermöge ihres jeweiligen Erregungsgrades möglich ge- wesen wäre. Und weil es durch den Markschnitt bewirkt wurde, dass der vor ihm vorhandene Unterschied zwischen schwachen und starken Reizen vermindert, wenn nicht aufgehoben ist — denn jetzt sind beide schmerz- lich — so ist eine mässigende, die Stärke der Empfindung nach der des Reizes abstufende, Leistung ausgefallen. Dieses Vermögen muss den That- sachen gemäss sich an ein nervöses Stück knüpfen, welches sich von der hyperaesthetischen Haut durch die vom Schnitt betroffene Fläche des Markes bis zum Hirn fortzieht. Vielleicht sind die centripetalen Hemmungsfasern, deren Bestand durch Setschenow, Rosenthal, Levisson, ©. Ludwig, Cyon, Kronecker u. A. erwiesen ist, an dem Vorgang betheiligt. 190 €. MARTINOTTI: HYPERAESTHESIE NACH VERLETZUNG DES HALSMARKES. Erklärung der Abbildungen. (Taf. X, Xa u. XI, XIa.) Bei der photographischen Aufnahme der Praeparate hatte ich mich der dankens- werthen Hülfe des Hın. Dr. Metzner zu erfreuen. Den Lichtdrucken sind Umriss- zeichnungen beigegeben, um den Leser sogleich auf den Ort der Zerstörung hinzuweisen. Die Umrisszeichnungen sind sorgfältig mit den Praeparaten verglichen worden. Die einfach schraffirten Partien entsprechen der Ausdehnung, in welcher der Zusammen- hang der Fasern aufgehoben ist, die doppeltschraffirten bezeichnen Stellen, an welchen die Markmassen besonders stark durch das heisse Instrument umgewandelt waren. Erste Reihe. Fig. 1 stellt die mit einer feinen Scheere am rechten Hinter- strang gemachte Verletzung dar; weder Bewegungs- noch Sensibilitätsstörung. Fig. 2 stellt die aufsteigende Entartung der Hinterstränge in Folge Verletzung derselben mit der Scheere dar; auch hier keine Bewegungs- oder Sensibilitässtörung. Fig. 3. Verletzung des linken Hinterstranges mit glühender Nadel; auch hier keine der genannten Störungen. Fig. 4. Darstellung einer Verletzung, vermittelst glühender Nadel, des rechten Hinterstranges und eines kleinen Theiles der grauen Substanz; die hintere Pfote der- selben Seite zeigte sich dem Drucke gegenüber etwas empfindlich. Zweite Reihe. Fig. 5. Die glühende Nadel ist linkerseits durch die weisse Masse entlang dem Hinterhorn eingedrungen durch die Faserung, welche in der Aus- buchtung der grauen Masse liegt und durch das graue Vorderhorn eben noch bis in den Vorderstrang hinein. Die Empfindlichkeit zeigt sich beim Druck in der Hinter- pfote der verletzten Seite sehr erhöht, sowie auch in der Vorderpfote der gleichen Seite. Fig. 6. Links mit einem glühenden Messer das hintere und vordere Horn und die weisse Substanz zwischen beiden verletzt. Hyperaesthesie der Hinterpfote der ver- letzten Seite. Fig. 7. Beiderseitige Verletzung eines grossen Theiles der Seitenstränge und ein wenig des linken Vorderhorns. Hyperaesthesie der Vorder- und Hinterpfoten beider Seiten. Dritte Reihe. Fig. S zeigt links die Verletzung des Pyramidenstranges und eines kleinen Theiles des Kleinhirnseitenstranges. Ausgesprochene Hyperaesthesie der vorderen und hinteren Pfote gleicher Seite. Fig. 9. Rechts. Verletzung des Pyramidenstranges und des Kleinhirnseiten- stranges. Lebhafte Hyperaesthesie an der verletzten Seite. Fig. 10 stellt links die Verletzung des äusseren Theiles des Rh und des Kleinhirnstranges dar. Ausgesprochene Hyperaesthesie in der Vorder- und Hinter- pfote der verletzten Seite. Fig. 11 zeigt sehr scharf begrenzt eine Verletzung zwischen dem Pyramidenstrang und dem Kleinhirnseitenstrang. Die Sensibilität in der Hinterpfote der verletzten Seite und auch die in der Hinterpfote der unverletzten Seite scheint um Weniges erhöht. Fig. 12. Verletzung des rechten Hinterhorns und der weissen Substanz an dessen äusserer Seite. Sehr ausgesprochene Hyperaesthesie der Pfoten der verletzten Seite. Alle Verletzungen wurden mit Ausnahme des zweiten Falles an der Halsgegend vorgenommen, Archiv f. Anat.u. Phys.1390. Phys. Abthlg. Suppl. Taf. 1. Anfang April. EEREN x 3 Aue IS wer NER . 2 ar ED RER, SEE Aus) u Ya et AN ii ie TE 2 r< RER IE FIR SEE Verlag Veit & Comp. Leipzig. a EESREEEERE rchiv f. Anat. u. Phys. 1890. Phys. Abthlg. Suppl. Top. August. b (2 z - ame“ . TEE, - RER RE 7 DS Ab EN DER I ir % N = A / ar Er 4 #$ \ 4 a BAR ..g “ Ex RZ == z 2 Er r x Be IR a N sr I I ar [ r iu « n x DD * BY areN In ww 2 “ Verlag Veit & Comp, Leipzig. ‚Archiv f’Anat. u.Phys. 18go Phys. Abthlg. Suppl. Taf. Fig Fig6. Pmn UNE rlaq Veit®& Comp, Leipzig ; ‚Archiv KAnat u.Phys.1890. Phys. Abthlg. Suppl. Taf: IV. | Bee Sr > ” 450 7407735) 730125720)7157 70 3 0,08" ; sa i F RT R 002 | 1 0,0 FERN E35 106:3 0 E22 00017 OO SS 3503000250020 07000505. Tith.Anstv.E.AFunke, Leipzig: Verlag Veit & Comp. Leipzig. w Taf. V. Archiv fAnat.u.Phys. 1890. Phys. Abthlg. Suppl. 78 17 76 14 1b Fig.4. B. 1718 15 II» Fig.6. U gr Veit & Comp. Le ‚Archiv f-Anat.u.Phys. 1890. Phys.Abthlg. Suppl. Taf VI. IR SD N 2 ers I & Verlag Veit& Comp. Leipzig. Archiv LAnat.u.Phys.18g0. Phys. Abthlg. Suppl. Taf VI. 12, 13 \ Fig.R4. 14 ig. rd B 1-4 ---------= 14 15 - ----------299 Dal 16 Al n I} Fig. 17. D 10) 10 2) IT 8 A Fig.23 21 [ 23 B ee —— — 27 28 Fig. 22. Fig. 19. A 2 = —E & Fig.21. =E = 7 — Verlag Veit & Comp. Leipzig, ı re nr ‚Archiv R Analu.Phys. 1890. Phys Abthlg. Suppl. Taf. VI. Verlag Veit &Comp. Leipzig. ET A u TEEN ZT Archiv KAnat.u Phys.1890 Phys.Abthlg. Suppt. Verlag. Veit & Comp. Leipzig. | a NN: Archiv f. Anat. u. Phys. 1890. Physiol. Abthlg. Suppl. Tay., Verlag Veit & Comp. Leipzig. Phot. u. Lichtdruck v. Julius Klinkbardt, Leipzig. x nn = E o- Mlyn 2e Archiv f. Anat. u. Phys. 1890. Physiol. Abthlg. Suppl. Verlag Veit & Comp. Leipng. Archiv f. Anat. u. Phys. 1890. Physiol. Abthlg. Suppl. O8 Verlag Veit & Comp. Leipzig. Mar XL, 10. Phot. u. Lichtdruck v. Julius Klinkhardt, Leipzig, Taf. XI« Suppl. 9. I Irchiv f. Anat. u. Phys. 1890. Physiol. Abthl; | | | um nn, Ss Verlag Veit & Comp. Leipzig. ee Dr 4 3 h \ 4 t i ' I Ne |: Wr BT Stres* Boston, Mass. 02°°: nJunINULNINUNNN 3 2044 093 332 625 Iry [MM n 3 vr ‘ ' are ' ‚ ß ‘ j TEC 1 noade : ' ' vo ‚ ‚ ’ # ’ f A e “A B LE r ‘ März j ' N 3 B na i ‘ ua . L ’ ’ ' ed ' f 1 Pa 0: D . Fr g 2 ’ AN e el OFEN RE ung: a ee