= 1m h = .. HARVARD UNIVERSITY. TIIBRARY OF THE MUSEUM OF COMPARATIVE ZOÖLOGY. Da} Kaas N FE SL a DR Mi Bean Haha y Bien Pe y RE GEN FE e SUR SSL LH! ae Due u “Jelıı Bin atehı, Kirn Lau Hu Fe | ID EB Kal era, ab oh zl Hinz, R RR Du ei ar rn y i FREE Baar Be lan Stande di 1a St 5 . . . 4:4 ER ER TREn 5 Kan e \ E \ . en Diet e :% 5 : i ah! j BR e Bel en wie ® 2 . . I s P . x et er aus . 5 er j . en . j . a { “rn " \ i | | ARCHIV FÜR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE. FORTSETZUNG DES von REIL, REIL v. AUTENRIETH, J. F. MECKEL, JOH. MÜLLER, REICHERT vw. DU BOIS-REYMOND HERAUSGEGEBENEN ARCHIVES. HERAUSGEGEBEN VON Dr. WILHELM HIS, PROFESSOR DER ANATOMIE AN DER UNIVERSITÄT LEIPZIG, UND Dr. TH. W. ENGELMANN, PROFESSOR. DER PHYSIOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN. JAHRGANG 1899. SUPPLEMENT-BAND ZUR PHYSIOLOGISCHEN ABTHEILUNG. LEIPZIG, VERLAG VON VEIT & COMP. 1899. ARCHIV FÜR PHYSIOLOGIE. PHYSIOLOGISCHE ABTHEILUNG DES ARCHIVES FÜR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE. UNTER MITWIRKUNG MEHRERER GELEHRTEN HERAUSGEGEBEN VON Dr. TH. W. ENGELMANN, PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN. JAHRGANG 189. SUPPLEMENT-BAND. /MIT ABBILDUNGEN IM TEXT UND EINER TAFEL. LEIPZIG, VERLAG VON VEIT & COMP, "1899, N us gi D Pr (5 . 5 h y“ ji F £ Dr Ei I Du I ' u . ardıı eh v WER N ’ « 5 f “ u Druck von Metzger & Wittig in Leipzig. Ianrhra ki. H. OPpenHEIm, Zur Brown-Sequard’schen Lähmung WALTHER Lög, Ueber das Verhalten des Eudoxins . BSR IST R. Cassırer, Ein Fall von multipler Hirnnervenlähmung. Zugleich als Beitrag zur Lehre von der Geschmacksinnervation ; InmanveL Munk und Max LewAnnowsKky, Ueber die Schicksale der iweis stoffe nach Einführung in die Blutbahn Benso Lewy, Ueber die Adhäsion des Blutes an der Weninne der Blätgofksne FRITZ StRAssmann, Ueber den Durchgang des Sublimats durch den Placentar- kreislauf. ae e rnee ie es heit Emıtıo Cavazzanı, Ueber den Mechanismus der Zuckerbildung in der Leber OÖ. HaGEMANN, Beitrag zur Lehre vom Stoffwechsel der Wiederkäuer JOHANNES FRESTZEL, Ergographische Versuche über die Nährstoffe als Kraft- spender für ermüdete Muskeln C. A. Ewarp, Ueber Ernährungsklysmata Be A. Loewy und PavL FRIEDR. RıcHTER, Se ualfındkion and Stoffwechsel. Ein experimenteller Beitrag zur Frage der Organtherapie Posser und P. AscH, Ueber den Einfluss der Bickeunaekedarchschneidang at die Niere : BERNHARD Benpix, Ein Siokrechseinarzuch Ben EDEN ne f P. Strassmann, Beitrag zur Lehre von der fötalen Harnsecretion und der Her- kunft des Fruchtwassers. (Hierzu Taf. I.) J. Dewırz, Ueber den Rheotropismus bei Thieren : J. RıcH. Ewarnp, Zur Methodik der Messung des an nd eendes in einer Arterie . F. Tansı, Beitrag zur Kenne He Bnersiesehaltes de a enschlihhen Hörnes WırH. Casparı, Ein Beitrag zur Frage nach der Quelle des Milchfettes . J. F. Heymans und I. Roxsse, Einfluss der Anämie und der Plethora auf die Wirkung des Tetanusgiftes . SCHUMBURG, Ueber die Bedeutung von Bee Kaffee, Thee, Matö nn Alkonel für die Leistung der Muskeln . Macsus Levy und E. Fark, Der Lungengaswechsl ne en in Aka ver- schiedenen Altersstufen . . HaGEMmann, Berichtigung and ne, zu ern ufletze Beier zur Tehre vom Stoffwechsel der Wiederkäuer“. kr Hans FRIEDENTHAL, Ueber Snake im lagen den Cornebten W. v. BECHTEREw, Ueber die Gehörcentra der Hirnrinde . VI INHALT. STEINHAUSEN, Beiträge zur Lehre von dem Mechanismus der Bewegungen des Schultergürtels ; H. J. HAMBURGER, Ueber den an von Salzlösnngen auf dee Yolum Ehresehen Zellen. Zugleich ein Versuch zur quantitativen enge deren Gerüst- substanz. Zweite Mittheilung . MicHAEL LAPINSKY, Studien über die locale Biuteirenlation im Ber eiahe gelähmter Nerven 5 re PAuL SCHULTZ, Archur Schopenhaners nhanaan „Ueber das Sehen und die Farben“ . GUSTAV ZIMMERMANN, Die Webentragung a Schallich wingungen aut und Anzeh das Mittelohr . W. v. BECHTEREW, Ueber die Taze ae Imotoehen nen des Menzchen nach Ergebnissen faradischer Reizung derselben bei Gehirnoperationen Verhandlungen der physiologischen Gesellschaft zu Berlin 1898—99. HAnsEMAnN, Demonstration zur Spermatogenese des Orang-Utang Max Davıp, Kurze Mittheilung über histologische Vorgänge nach Tnplantatien von Elfenbein in Schädeldefecte ; : ALBERT NEUMANN, Zur Vereinfachung der ash Zuckelntobe e ALBERT NEUMANN, Verfahren zur Darstellung der Nucleinsäuren a und 5 und der Nucleothyminsäure 5 A. Loewy, Ueber die Bedingungen der Tonersedsung nd das Pfeifen im 1 Inft- verdichteten Raume . R. pu Boıs-ReymonD, Ueber dd. Poison’ Selen Versuch‘ THoRNER, Demonstration eines stabilen Augenspiegels . A. Lorwy, Sexualfunction und Stoffwechsel . H. Vırcnow, Ueber die Gelenke der Fusswurzel . E. Rost, Notiz zur Kenntniss der Ausscheidung des Borax Seite 403 431 47T 510 534 543 547 547 549 552 555 560 564 565 566 568 Zur Brown-Sequard’schen Lähmung. Von Prof. H. Oppenheim in Berlin, Y Die Lehre Brown-Sequard’s! von den Erscheinungen der Halb- seitenläsion des Rückenmarks war das Ergebniss thierexperimenteller Unter- suchungen, die erst später von diesem Forscher selbst und einer grossen Zahl anderer Autoren durch am Menschen angestellte Beobachtungen er- eänzt und erweitert wurden. Während zunächst eine gewisse Harmonie zwischen den am Thier festgestellten und den durch die Beobachtung: am Krankenbett gewonnenen Thatsachen zu walten schien, hat sich in der Folgezeit in dieser Hinsicht eine auffällige Divergenz der Wahrnehmungen und Deutungen geltend gemacht, bis zu dem Grade, dass die Lehre Brown-Sequard’s, unter den Händen der Experimentatoren in ihren Grundlagen erschüttert, eine völlige Umwandlung erfuhr, während sie von den Klinikern fast durchweg wenigstens in ihren wesentlichen Zügen an- erkannt und bestätigt wurde. Diese Spaltung wird durch nichts deutlicher illustrirt, als durch die eigenthümliche Thatsache, dass Brown-Sequard selbst in den letzten Jahren seines Lebens seine Lehre widerrufen hat, während die Kliniker in imponirender Uebereinstimmung seine neue Theorie verwarfen und seine alte Lehre wieder auf den Schild erhoben. Bei dieser Sachlage hielt ich es für eine nicht undankbare Aufgabe, an dieser Stelle, in einem den Ergebnissen der physiologischen Forschung gewidmeten Archiv eine Darstellung des gegenwärtigen Standes der Brown- Sequard’schen Lehre zu bieten, welche sich auf die am kranken Menschen angestellten Beobachtungen gründet. Ich habe mich dazu um so lieber entschlossen, als der Physiologe, dem diese Festschrift gewidmet ist, die ! Vgl. zu den Autorennamen das Litteraturverzeichniss am Ende dieser Abhandlung. Archiv f.A.u. Ph. 1899. Physiol. Abthlg. Suppl. 1 2 H. OPPENHEIM: Resultate der klinischen Erfahrung und der menschlichen Pathologie niemals - aus den Augen verloren, sondern mit dem warmen Interesse des für seine Wissenschaft und Kunst begeisterten Arztes verfolgt und verwerthet hat. Die zeitlichen und räumlichen Grenzen, die mir bei dieser Besprechung gesteckt wurden, machen es erforderlich, dass ich mich auf die Erörterung der Hauptresultate beschränke, und auch da, wo ich mich auf eigene Er- fahrungen stütze, nicht, wie es wünschenswerth wäre, ausführliche Kranken- geschichten, sondern nur Extracte derselben bringe oder gar nur ihre Ergebnisse verwerthe. — Die Thatsachen, welche durch das Thierexperiment ermittelt wurden, darf ich hier als im Wesentlichen bekannt betrachten und kann mich auf ein paar Hinweise beschränken. Die ersten Mittheilungen Brown-Sequard’s aus den Jahren 1846 bis 1550, an die sich in den nächsten Jahren eine Reihe weiterer an- schlossen, wurden keineswegs widerspruchslos hingenommen. Zu den ent- schiedensten seiner ursprünglichen Gegner gehörte Schiff, der die gekreuzte Anästhesie durch eine Läsion der nichtoperirten Rückenmarkshälfte erklärte. Widerspruch erhob auch Chauveau, dem Brown-Sequard zugeben musste, dass die Kreuzung der sensiblen Bahnen sich nicht bei allen Thieren derselben Classe in der gleichen vollständigen Weise vollzöge, Vulpian, der die contralaterale Anästhesie als eine Consequenz der homolateralen Hyperästhesie betrachtet wissen wollte, indem er eine Art von „balancement physiologique des deux moities de la moelle &piniere“ annahm. Diese Anschauung Vulpian’s ist besonders durch eine Anzahl klinischer Beobachtungen widerlegt worden, in denen die gleichseitige Hyperästhesie oder auch die gekreuzte Anästhesie längere Zeit bezw. dauernd das einzige Zeichen einer unvollkommenen Halbseitenläsion bildeten. Unter den Experimentatoren der Folgezeit gab es einzelne, deren Beobachtungsresultate nur in einigen Punkten von den Brown-Sequard’- schen abwichen. So fand Ferrier (1885) beim Affen nach Halbseitenläsion des Rückenmarks die Lagegefühlsstörung im Gegensatz zu Brown-Sequard auf der gekreuzten Seite. Turner nähert sich Brown-Sequard am meisten. Seine Theorie lautet (für den Menschen): Für die unteren Extremitäten gilt die Brown- Sequard’sche Lehre im vollen Umfange, für die oberen ändert sich das Verhalten der sensiblen Bahnen insofern, als nur die der Schmerz- und Temperatur-Empfindungsleitung dienenden sich kreuzen, während die für die tactilen Reize nach ihrem Eintritt in’s Halsmark auf beiden Seiten nach oben verlaufen. Aehnlich spricht sich Bechterew aus. Den wirksamsten und entschiedensten Einspruch gegen die durch Brown-Sequard begründete Lehre erhob Mott, indem er bei seinen Zur BROWN-SEQUARD’SCHEN LÄHMUNG. 3 besonders am Affen ausgeführten Experimentaluntersuchungen zu Ergeb- nissen gelangte, die den von Brown-Sequard festgestellten durchaus entgegengesetzt waren. Er fand niemals die Sensibilität auf der gekreuzten Seite aufgehoben, vielmehr in der Regel eine doppelseitige, aber auf der gelähmten überwiegende (oder gar eine sich mehr oder weniger auf diese beschränkende) Gefühlsabstumpfung. Aehnlich waren die von Bottazzi, Marshall, Horsley u. A. erzielten Resultate. Besonders aber fällt es in’s Gewicht, dass Brown-Söquard selbst unter dem Drucke dieser Thatsachen und der durch seine neuen Experi- mente gewonnenen Anschauungen seinen alten Standpunkt verliess, die Lehre von der Kreuzung der sensiblen Bahnen im Rückenmark verwarf und eine neue Theorie aufstellte, nach welcher die contralaterale Anästhesie auf einer Hemmung beruhe, welche durch den von Seiten der Läsion ge- setzten Reizzustand bedingt sei. Ueber die Natur dieser Hemmung spricht sich jedoch Brown-Sequard so unklar aus, dass Brissaud seine Aus- führung „bien obscur“ nennt. Die Ansicht, dass die Durchschneidung centripetal verlaufender Hem- mungsbahnen die Ursache der gleichseitigen Hyperästhesie sei, ist auch von anderen Autoren (Woroschiloff, Koch, Martinotti u. A.) ausgesprochen worden. Unter den experimentellen Beobachtungen, die Brown-Sequard selbst anstellte und gegen seine alte Lehre in’s Feld führte, sind folgende die bemerkenswerthesten: 1. Die Durchschneidung hinterer Wurzeln im oberen Dorsalmark kann gleichfalls eine Hyperästhesie der gleichseitigen, eine Anästhesie des gekreuzten Hinterbeines zur Folge haben. 2. Ist durch eine halbseitige Durchschneidung des Cervicalmarks eine gekreuzte Anästhesie hervorgerufen, so kann sie durch eine zweite entsprechende Operation im Dorsalmark in Hyperästhesie umgewandelt werden. 3. Die durch ‘Halb- seitenläsion des Dorsalmarks gesetzte Anästhesie des gekreuzten Hinterbeines schwindet, wenn der Ischiadieus der anästhetischen Seite leicht gedehnt wird u. Ss. w. Auf die experimentellen Untersuchungen, die zur genaueren Localisation der der sensiblen Leitung dienenden Bahnen von Woroschiloff, Koch, Osawa, Martinotti, Holzinger, Singer und Münzer, Horsley, Tooth, Barbacei u. A. angestellt wurden, braucht hier nicht eingegangen zu werden, ebenso wenig auf die von Turner, Rossolimo, Mott u. A. ausgeführten Experimente, welche über die bei der Rückbildung des Brown-Sequard’- schen Symptomencomplexes in’s Spiel tretenden Vorgänge Licht verbreiten sollten. Dem Wirrsal von Widersprüchen und Meinungsverschiedenheiten auf dem Gebiete des Thierexperimentes steht eine erfreuliche Congruenz der 1% 4 H. OPPENHEIM: Wahrnehmungen und Anschauungen bei jenen Forschern gegenüber, die die Symptome der Halbseitenläsion am kranken Menschen studirt haben. Nicht als ob hier in allen Fällen und unter allen Verhältnissen völlig identische Symptombilder hervorgetreten wären. Nein, es fehlt auch hier nicht an Verschiedenheiten der Beobachtungsergebnisse und an ungelösten Fragen — aber in Bezug auf den Kern der Sache, die Anerkennung der alten Lehre Brown-Sequard’s und ihrer Deutung, herrscht eine fast vollkommene Einigkeit. Die ältere Casuistik — Brown-Sequard, Köbner, Turner, En- derlen und Raymond! haben mehr oder weniger vollständige Zusammen- stellungen derselben geboten — hatte schon die Thatsache hervorspringen lassen, dass die Halbseitenläsion des Rückenmarks beim Menschen einen Symptomencomplex erzeugt, der in seinen Grundzügen dem Brown- Sequard’schen Gesetz entspricht. Im der grossen Mehrzahl der Fälle äusserte sich die Halbseitenläsion, mochte sie nun durch Verletzungen oder durch Krankheitsprocesse anderer Art bedingt sein, durch: gleichseitige Lähmung, gleichseitige Hyperästhesie und contralaterale An- ästhesie. Beobachtungen, die von diesem Schema abwichen, waren so spärlich, dass man sie fast vernachlässigen konnte, oder der atypische Charakter der Erscheinungen liess die Deutung zu, dass nicht eine reine, sondern eine unvollkommene Halbseitenläsion, oder eine über die Grenzen der einen Rückenmarkshälfte hinausgreifende Affection vorliege. Die klinischen und pathologisch-anatomischen Erfahrungen der neueren Zeit verlangen aber um so mehr Beachtung, als inzwischen die Anschauungen über den Faseıveriauf und die Bedeutung der verschiedenen Leitungswege im Rückenmark in mancher Hinsicht geklärt worden sind. Es sind besonders die Abhandlungen von Raymond, Enderlen, Laehr, Mann, Brissaud, Kocher und Schlesinger nebst meinen eigenen Erfahrungen auf diesem Gebiet, auf welche sich die folgende Darstellung stützt.? Es ist unbestritten und wird durch keine einzige Beobachtung widerlest, dass die Halbseitenläsion des Rückenmarks beim Menschen eine Lähmung (des homolateralen Beines, bezw. der homolateralen Grliedmaassen hervorbringt. Diese Lähmung ist, wie das namentlich von Wernieke und Mann hervor- gehoben, von Müller u. A. bestätigt wurde, insofern keine ganz vollständige, als die absolute und dauernde Paralyse nur gewisse Muskelgruppen, nämlich ! Mann und Jeremias haben dagegen das Facit aus den von ihnen eitirten, aber nicht wiedergegebenen Beobachtungen der vorliegenden Litteratur gezogen. ” Leyden und Goldscheider haben im Nothnagel’schen Handbuch der spe- ciellen Pathologie und Therapie namentlich die physiologische Seite dieser Frage ein- gehend besprochen. ZuR BROWN-SEQUARD’SCHEN LÄHMUNG. 5 die Beuger des Ober- und Unterschenkels und die Strecker (Dorsalflexoren) des Fusses betrifft, während die anderen nicht vollständig ergriffen werden, bezw. ihre Bewegungsfähigkeit theilweise wieder erlangen. Für diese bei cerebraler wie bei spinaler Hemiplegie der dauernden Lähmung entgehenden Muskeln nimmt Mann einen Innervationszufluss aus der anderen Rücken- markshälfte an, so dass die streng einseitigen Affectionen sie verschonen, bezw. nicht völlig paralysiren. Dass die Lähmung bei spinaler Hemiplegie oft in ganz hervorragendem Maasse die Strecker des Fusses und der Zehen betrifft, kann ich auch nach meinen Erfahrungen bestätigen. Ferner beweist die Mehrzahl der vorliegenden Beobachtungen, dass die Lähmung des Beines, so lange die Läsion ihren Sitz oberhalb des Lenden- marks hat, eine spastische ist, wenn auch das Verhalten des Muskeltonus und der Sehnenphänomene gewissen Schwankungen unterworfen ist, die hier nicht berücksichtigt werden sollen. Ich habe nachher auf die wichtige Frage einzugehen, ob und unter welchen Verhältnissen die Muskeln der gelähmten Seite einem Schwunde anheimfallen. Die Hyperästhesie der gelähmten, also dem Sitze der Affection ent- sprechenden Seite, ist eine in der grossen Mehrzahl der Krankengeschichten erwähnte Erscheinung. Wenn auch ihre Intensität eine wechselnde ist und sie sich nicht immer, entsprechend den Angaben Brown-Sequard’s, für alle Gefühlsqualitäten geltend macht, so bildet sie doch ein nahezu regel- mässiges oder doch durchaus gewöhnliches Symptom der halbseitigen Ver- letzungen und Erkrankungen des menschlichen Rückenmarks. Aus ein- zelnen Beobachtungen (Schrader, Beck) scheint hervorzugehen, dass da, wo die Hyperästhesie vermisst wurde, die Halbseitenläsion eine un- vollständige war. | Meine eigenen Wahrnehmungen haben allerdings zu einem von der herrschenden Lehre etwas abweichenden Resuttat geführt, insofern als ich eine ausgesprochene Hyperästhesie häufig vermisste, dagegen recht oft eine relative Hyperästhesie zu constatiren Gelegenheit hatte, nicht im Leyden’- schen, sondern in dem Sinne, dass die die gelähmte, bezw. paretische Seite treffenden Reize weit lebhafter empfunden wurden, als die an der anderen, während es nicht immer sicher entschieden werden konnte, ob eine Hyper- ästhesie des einen oder eine Hypästhesie des contralateralen Beines allein vorlag. Zwar stellte sich bei weiterer Untersuchung meist heraus, dass beide Zustände vorhanden waren, aber die Hyperästhesie war doch keines- wegs eine in die Augen springende. So ist es mir fast nie vorgekommen, dass ich von den Patienten dieser Kategorie eine Klage gehört hätte, wie z. B. von den an localer Hauthyperästhesie leidenden Tabikern, die selbst die Berührung der Bettdecke nicht ertragen. Ebenso wenig kam es vor, dass 6 H. OPpENHEIM: die Hyperästhesie der Haut die an Brown-Söquard’scher Lähmung Leidenden verhinderte, beim Gehen die Fusssohle des von der Parese be- troffenen Beines auf den Boden zu setzen und sich auf sie zu stützen, eine Erscheinung, die wir sonst bei Hyperästhesie der Fusssohle, mochte sie nun neuritischen (Polyneuritis alcoholica) oder hysterischen Ursprunges sein, oft zu beobachten Gelegenheit hatten. Kocher erwähnt dagegen u. A. einen Fall, in welchem die Hyper- ästhesie der tiefen Theile eine so beträchtliche war, dass die Bewegungen der Extremität mit Schmerzen verbunden waren. Mit dem Hinweis auf meine Erfahrungen soll die namentlich auch durch das Thierexperiment gut begründete Lehre von der Hyperästhesie als Symptom der Halbseitenläsion gewiss nicht bekämpft werden. Ich halte mich schon aus dem Grunde nicht für berechtigt dazu, als sich meine Erfahrungen zum grössten Theil einerseits auf Krankheitsfälle be- ziehen, in denen der Symptomencomplex der Halbseitenläsion unvoll- kommen oder verwaschen war, andererseits auf solche von reinem, voll- kommenem Typus, aber langsam-progredienter Entstehung und stabilem Zustand nach langer Dauer des Leidens. Immerhin will ich bemerken, dass bei der Feststellung der Hyper- ästhesie das Urtheil durch den Vergleich mit der gefühllosen Extremität irregeleitet werden kann, und dass namentlich auch die lebhafte Steigerung der Hautreflexe, die sich häufig auf der gelähmten Seite findet, eine Hyper- ästhesie vortäuschen, oder eine Ueberschätzung des Grades derselben ver- anlassen kann. Die Anästhesie oder die Gefühlsabstumpfung der gekreuzten Seite darf als eine regelmässige Erscheinung der Halbseitenläsion des mensch- lichen Rückenmarks bezeichnet werden. Diese Thatsache ist meines Wissens in den letzten Jahren von Seiten der Kliniker allgemein anerkannt und von Keinem in Zweifel gezogen worden. Die Schwierigkeiten, die Ver- schiedenheiten in der Beobachtung und Deutung beginnen aber sofort, wenn wir der Frage nach dem Verhalten der einzelnen Gefühls- qualitäten näher treten. Nach der ursprünglichen Lehre Brown-Söquard’s betrifft die Ge- fühlslähmung der gekreuzten Seite alle Sensibilitätsqualitäten, mit Ausnahme des Muskelgefühls, bezw. der Sensibilität der tiefen Theile (wir könnten sie kurz als Bathyästhesie bezeichnen). Wir pflegen diese Gefühlsqualität jetzt gewöhnlich mit der Lageempfindung zu identifieiren. Mit dieser An- gabe Brown-Sequard’s stimmen weder die älteren noch die neueren klinischen Beobachtungen in allen Punkten überein. Zunächst ist es die Bathyästhesie, deren Verhalten nicht ganz sicher- oestellt ist. Freilich existirt eine grosse Zahl von guten Beobachtungen ZUR BROWN-SEQUARD’SCHEN LÄHMUNG. Zi schon in der älteren Litteratur, in denen die Lageempfindung durchaus entsprechend den Angaben Brown-Sequard’s auf der Seite der Lähmung aufgehoben oder herabgesetzt, auf der Seite der Anästhesie erhalten war. Einige Male (Brown-Sequard, Raymond u. A.) wurde auch festgestellt, dass ein die tiefen Theile (Muskeln u. s. w.) der gefühllosen Seite treffender Druck schmerzhaft empfunden wurde. Nur in einem kleinen Bruchtheile der Fälle fand sich die Lagegefühls- störung auf der contralateralen Seite, oder sie war — etwas häufiger — beiderseits nachzuweisen. Die neuen Beobachtungen und auch meine eigenen Erfahrungen ent- scheiden durchaus zu Gunsten der Brown-Sequard’schen Lehre. In meiner Casuistik tritt die Bathyanästhesie nie ausschliesslich auf der ge- kreuzten, meist ausschliesslich auf der gelähmten Seite und zuweilen doppel- seitig hervor. Wo das letztere zutraf, sprachen auch andere Gründe dafür, dass der Krankheitsprocess über die Mittellinie hinausgegriffen hatte. Bei einer Hemiläsion des oberen Halsmarks griff in zwei meiner Be- obachtungen die Ataxie auch auf den contralateralen Arm über, während nur die gleichseitige Unterextremität betroffen war. Besonders ist es noch eine Thatsache, die auch da, wo über diese Sensibilitätsqualität nichts ausgesagt ist, den Rückschluss gestattet, dass sie auf Seite der Lähmung herabgesetzt war, die Thatsache, dass in vielen Fällen (z. B. in den von Neumann, Gilbert, Schultz, mir, Herhold, Kocher, Raymond beschriebenen) und so auch in einem Theil meiner eigenen in den Anfangs gelähmten Gliedmaassen mit Eintritt der Besserung oder in den von vornherein nur paretischen Ataxie die Bewegungen be- gleitete. Dagegen ist mir weder unter den fremden noch unter den eigenen Beobachtungen eine begegnet, in der die Ataxie ausschliesslich die contra- laterale Seite betroffen hatte. Umgekehrt deutet aber auch diese Localisation der Ataxie auf der homolateralen Seite auf ihre innige Beziehung zur Bathyanästhesie. Im höheren Maasse divergiren die Angaben und die Anschauungen bezüglich des Verhaltens der tactilen Sensibilität. Ich schliesse mich hier jenen Autoren an, welche zwischen Berührungs- und Druckempfindung eine scharfe Grenze nicht ziehen, und werde die Bezeichnung Tastsinn, Berührungsempfindung, tactile Empfindung u. s. w. promiscue gebrauchen. Einer relativ kleinen Zahl von Beohachtungen, in denen die Tast- empfindung, der Brown-S&quard’schen Lehre entsprechend, auf der ge- kreuzten Seite herabgesetzt oder aufgehoben war, steht eine grössere gegen- über, in denen diese Empfindungsqualität gar nicht beeinträchtigt, und eine Anzahl weiterer, in denen sie doppelseitig oder gar nur auf der gelähmten 8 H. OPPENHEIM: Seite herabgesetzt war. In meiner Casuistik handelt es sich entweder — und zwar meistens — um intacte Berührungsempfindlichkeit oder um bilaterale leichte Hypästhesie; einige Male fand sie sich nur am contralateralen Bein, und in zwei Fällen von Typus cervicalis superior der Halbseitenläsion nur am Arm der gelähmten Seite. Die neueren Forschungen haben nun eine Thatsache, die allerdings auch früher nicht vernachlässigt war, schärfer herausgehoben: dass die Anästhesie der gekreuzten Seite meistens ausschliesslich für die Schmerz- und Temperaturempfindlichkeit Gültigkeit hat. In den Lehrbüchern von Gowers und mir (auch in der 1. Auflage) ist das schon hervorgehoben. Insbesondere aber haben Mann, Kocher, Laehr, Raymond, Brissaud in den letzten Jahren diese Thatsache gewürdigt. Mann hat in 6 Fällen eigener Beobachtung auf der gekreuzten Seite Thermanästhesie und Analgesie bei gut erhaltener oder nur minimal herabgesetzter (die Patienten empfanden die leiseste Berührung, „wenn auch zuweilen etwas dumpfer“) Berührungsempfindung nachgewiesen. Ausserdem hat er die vorhandene Casuistik in Bezug auf diese Frage gesichtet und ermittelt, dass in 31 von 51 Fällen diese partielle Empfindungslähmung, die dissociirte Anästhesie (oder der type syringomyelitigue der Franzosen) entweder von vornherein bestand oder sich bald aus der totalen Anästhesie entwickelte, während von den 21 Fällen, in denen sich die Empfindungs- störung auf alle Reizarten bezog, ein grosser Theil kurze Zeit nach dem Beginn des Leidens veröffentlicht sei. Dagegen sei kein einziger Fall von Halbseitenläsion beschrieben, in welchem ausschliesslich die tactile Sensi- bilität auf der gekreuzten Seite aufgehoben war. Jeremias, der diese Frage später an einem grösseren Litteraturmaterial prüfte, gelangt ebenfalls zu dem Schluss, dass die partielle Empfindungslähmung die typische Form der Gefühlsstörung bei Brown-Sequard’scher Lähmung sei. Mit besonderer Bestimmtheit ist Brissaud, dessen Abhandlungen über diesen Gegenstand zum Theil weiter zurückreichen, für diese An- schauung eingetreten. Während aber die genannten Autoren diese Art der Anästhesie in generelle Beziehung zur Halbseitenläsion brachten, macht sie Brissaud von der Natur bezw. der speciellen Localisation des Processes abhängig, indem er in diesem „type syringomyelitique“ die charakteristische Form der Anästhesie bei der durch die syphilitischen Erkrankungen des Rückenmarks bedingten Halbseitenläsion erblickt. Dieser Punkt bedarf nachher der weiteren Auseinandersetzung. Die in den klinischen Beobachtungen durchweg hervortretende An- ästhesie der gekreuzten Seite ist von den Autoren auf die Kreuzung der sensiblen Bahnen im Rückenmark zurückgeführt worden, während die neue Zur BROWN-SEQUARD’SCHEN LÄHMUNG. 9 Hemmungstheorie Brown-Sequard’s allgemein — nur Raymond und Jolly verhalten sich nicht ganz ablehnend — verworfen wurde. Bezüglich des Vorganges und Ortes der Kreuzung herrscht insoweit eine Congruenz der Anschauungen, als sie sich unmittelbar oder bald nach dem Eintritt der sensiblen Wurzelfasern und ihrer Collateralen in der grauen Substanz, bezw. in den Commissuren abspielt. Die französischen Forscher (Raymond, Brissaud u. A.) denken dabei an die hintere Commissur, während die deutschen in Anlehnung an Edinger, Bechterew, Köl- liker u. A. im Ganzen mehr geneigt sind, den Ort der Krenzung in die vordere Commissur zu verlegen. \ie und wo sich dieser Vorgang nun auch abspielen mag, darüber herrscht kaum noch ein Zweifel, dass die sensiblen Bahnen zum grossen oder zum grössten Theile in die entgegengesetzte Rückenmarkshälfte und hier in einem allerdings noch nicht mit Bestimmtheit abgegrenzten Faser- zug des Vorderseitenstrangrestes nach oben gelangen. Man hat an das Gowers’sche Bündel gedacht, dann aber wieder Be- denken gegen diese Annahme erhoben. Es scheint, als ob diese Bahn durch Fasern gebildet würde, die zunächst nahe der grauen Substanz liegen, dann aber immer mehr nach aussen, an die Peripherie des Seitenstranges, ge- drängt werden (Mann, Brissaud). Gerade auf der Aufstellung und Anerkennung dieser Thatsache basirt die Ablehnung der neuen Lehre Brown-Sequard’s. Und falls man ge- zwungen wäre, die am Thiere als Folge der Hemisection festgestellten Erscheinungen im Sinne von Horsley, Mott u. A.-zu deuten, so bliebe nichts übrig, als eine grundsätzliche Differenz in dem Verhalten der sen- siblen Leitungsbahnen zwischen Mensch und Thier anzunehmen, wie das auch schon von Bezold, Kocher u. A. ausgesprochen worden ist. Mit der überwiegenden Mehrzahl der Forscher halte ich also an der Lehre von der Kreuzung der sensiblen Bahnen resp. eines grossen Antheiles derselben im menschlichen Rückenmark fest. Welche Gefühlsbahnen sind es aber, die ihre Kreuzung schon im Rücken- mark erfahren? Die klinischen Beobachtungen drängen zu der Annahme, dass es in erster Linie oder ausschliesslich die der Leitung der Schmerz- und Temperaturempfindung dienenden Bahnen sind, welche in jeder Höhe des Rückenmarks in die graue Substanz (Hinterhorn) eintreten und von hier in den gekreuzten Vorderseitenstrang gelangen. Hier also findet sich die geschlossene Bahn, in welcher die von der contralateralen Körperseite kommenden Schmerz- und Temperaturreize zum Gehirn fortgeleitet werden. Jede Herderkrankung des Vorderseitenstranggebietes wird also, wenn sie diese Bahn zerstört, eine Thermanästhesie und Analgesie der contralateralen 10 H. OPPENHEIM: Körperseite, bezw. des gekreuzten Beines hervorrufen, während die Er- krankungen, die sich auf die hintere graue Rückenmarksubstanz beschränken, selbst wenn sie eine beträchtliche Höhenausdehnung besitzen (Gliosis), nur eine homolaterale 'Therm-Alg-Anästhesie hervorrufen (s. w. u.). In Uebereinstimmung mit der alten Lehre Brown-Sequard’s machen es die klinischen Erfahrungen wahrscheinlich, dass die Leitungswege für die Sensibilität der tiefen Theile, also vor Allem die bei der Prüfung des Lagegefühles in’s Spiel tretenden Empfindungen, ganz oder zum grössten Theile in der gleichseitigen Rückenmarkshälfte nach oben gelangen. Zweifelhaft ist es jedoch, ob sie ihren Weg durch den Hinterstrang oder durch den Kleinhirnseitenstrang (oder durch beide Gebiete) nehmen. Es scheint nicht, als ob die graue Substanz einen wesentlichen Antheil an der Vermittelung dieser Eindrücke habe, da die speciellen Erkrankungen derselben (Gliosis und Hämatomyelie; von den reinen Vorderhornerkran- kungen können wir ja hier absehen) in der Regel nicht mit einer Beein- trächtigung der Lageempfindung verknüpft sind. Dagegen existiren einzelne Beobachtungen, in welchen localisirte Affectionen des Hinterstranggebietes sich durch Lagegefühlsstörung und Ataxie äusserten. So eitirt Kocher einen von Hammond beschriebenen Fall, in welchem bei einer Fractur des XI. Brustwirbels ein die Hinterstränge comprimirendes Fragment Lagegefühlsstörung und- Ataxie hervorgebracht hatte, während die tactile Empfindung kaum beeinträchtigt war. Mit der Entfernung des Fragmentes gingen die Ausfallserscheinungen zurück. Hale White bringt eine Beobachtung von Compression des Rücken- marks bei Wirbelcaries mit Analgesie, während das Lagegefühl intact und die Tastempfindung nur unbedeutend herabgesetzt war; durch die Autopsie wurde Unversehrtheit der Hinterstränge am Orte der Compression ermittelt. Allerdings fehlt. die genauere (histologische) Untersuchung. Auch ist die Beobachtung schon deshalb keine beweiskräftige, weil bei Rückenmarks- compression auch die histologisch intacten Fasern doch leitungsunfähig sein können, wie das gerade die Erfahrungen bei Wirbelcaries lehren. Ferner hat Mann in einem Falle von Rückenmarkserkrankung, in welchem die ventrale Hälfte beider Hinterstränge degenerirt war, an keiner Körperstelle eine Aufhebung des Berührungs- und Lagegefühles nachweisen können. Da hier jedoch die Läsion des Hinterstranges nur eine partielle war und vorwiegend das Gebiet betraf, welches von endogenen oder ab- steigenden Fasern ausgefüllt wird, so dürfte aus dieser Beobachtung kein Beweis gegen die Bedeutung des Hinterstranges für die Vermittelung der Lageempfindungs-Impulse abgeleitet werden. Wir. halten es nach den vorliegenden und den eigenen Erfahrungen wahrscheinlich, dass die bei der Prüfung des Lagegefühles in Wirksamkeit Zur BROWN-SEQUARD’SCHEN LÄHMUNG. 11 tretenden Reize ihren Wege (ganz oder zum grössten Theile) durch den gleichseitigen Hinterstrang zum Gehirn nehmen. Wie das Verhalten der tactilen Empfindung bei der Brown- Sequard’schen Lähmung noch am wenigsten klargestellt ist, so ist auch die Frage nach der Bedeutung der verschiedenen Leitungswege für die Berührungsreize noch eine völlig ungelöste. Uns interessiren hier vor- wiegend die Schlüsse, die sich aus den klinischen Beobachtungen von Halb- seitenläsion des Rückenmarks für die Entscheidung dieser Frage ziehen lassen. Die Thatsache, dass sich der Brown-Sequard’sche Symptomen- complex so sehr häufig durch eine partielle Empfindungslähmung (Therm- alganästhesie) des contralateralen Beines äussert, hat zu ganz verschiedenen Auslegungen und Schlussfolgerungen geführt. Brissaud, der, wie oben angeführt, dieses Verhalten als ein für die Lues spinalis nahezu pathognomonisches betrachtet, will es aus der Locali- sation des Processes erklären. Dieser ergreife hier in der Regel (Ausnahmen lässt er zu, wie z. B. den Charcot-Gombault’schen Fall) nur das Vorder- seitenstranggebiet mit Einschluss der grauen Substanz, während die Hinter- stränge verschont blieben. Die specifische Erkrankung dringe entweder von den Meningen aus in’s Rückenmarkgewebe oder greife mittels der Gefässe (Nekrobiose, Erweichung) auf dasselbe über. Bei dem Eindringen von der seitlichen Peripherie her werde die gekreuzte Gefühlsbahn sofort gefährdet. Auch von den vasculären Processen und ihren Folgen können die Hinterstränge verschont bleiben, weil sie ihre eigenen Gefässe besitzen. Die Schwäche dieser Argumentation springt in die Augen. Wer Ge- legenheit gehabt hat, sich mit der pathologischen Anatomie der Rücken- markssyphilis eingehender zu beschäftigen, dem wird es gewiss nicht ent- sangen sein, wie häufig — man könnte fast sagen: in welch’ electiver Weise — das syphilitische Granulationsgewebe sowohl wie die durch (Gefäss- erkrankung inducirte Erweichung gerade das Hinterstranggebiet betrifft. Ich habe aber auch in einem Falle von Brown-Sequard’scher Lähmung mit partieller Enıpfindungslähmung der in Frage stehenden Art bei Lues spinalis die Betheiligung des Hinterstranges durch die anatomische Unter- suchung feststellen können. Dem gegenüber liegt eine sehr interessante Beobachtung von Hanot und Meunier vor, in welcher eine doppelseitige gummöse Erkrankung des Rückenmarks, die ihren Sitz besonders in der grauen Substanz hatte und wohl auch die Vorderseitenstranggebiete betraf, dagegen die Hinter- stränge nahezu völlig verschonte, einen doppelseitigen Brown-Sequard („le double syndrome de Brown-Söquard“) mit partieller Empfindungs- lähmung erzeugt hat. Wir dürfen jedoch meines Erachtens diese Beob- achtung deshalb nicht im Sinne Brissaud’s deuten, weil diese Localisation 12 H. OPpprnHEm: des speeifischen Processes eine ungewöhnliche ist, die „dissociation syringo- myelique‘“ der Gefühlsstörung dagegen bei der Lues spinalis ein recht häufiges Vorkommniss bildet (vgl. weiter unten meine eigenen, den Brissaud’schen vorausgegangenen Angaben über diesen Punkt). Uebrigens liegt auch ein von L. R. Müller untersuchter Fall von Brown-Söquard’scher Halb- seitenläsion mit partieller Empfindungslähmung vor, in welchem ein Solitär- tuberkel die eine Hälfte des Rückenmarks mit Einschluss des Hinterstranges zerstört hatte (wenn es auch der Autor nicht ausschliessen kann, dass einzelne Fasern unversehrt blieben). Die Brissaud’sche Hypothese steht also zweifellos auf schwachen Füssen. Andere Autoren haben die Bedeutung des Hinterstranges für die Fort- leitung der tactilen Reize überhaupt in Frage gestellt und andere Bahnen für diese in Anspruch genommen. Man hat dabei besonders an Fasern gedacht, die aus den hinteren Wurzeln direct in die seitliche Grenzschicht der grauen Substanz gelangen sollen (Edinger). Neuerdings taucht die Annahme auf, dass es überhaupt keine langen, directen Bahnen für die Empfindungsleitung giebt, sondern dass auch die tactilen Reize schon im Rückenmark ein zweites Neuron in Anspruch nehmen. Die grösste Beachtung verdient zweifellos die Auffassung Mann’s (der sich die von Turner und Mackentosh eng anschliesst): dass den Be- rührungsreizen jeder centripetale Weg oflen stehe, dass, so lange überhaupt noch Fasern für die Fortleitung centripetaler Erregungen vorhanden seien, diese von den Berührungsreizen betreten werden können. Für die Richtigkeit dieser Annahme sprechen viele Thatsachen, be- sonders auch die, dass bei der Tabes dorsalis die tactilen Empfindungen (wenigstens an den Extremitäten) oft lange Zeit, selbst bis in die spätesten Stadien erhalten bleiben, während das Schmerzgefühl längst erloschen und auch die Bathyästhesie schon beeinträchtigt oder aufgehoben ist. Jedenfalls können also die Hinterstränge in grosser Ausdehnung entartet sein, ohne dass die Leitung der Tastempfindungen aufgehoben zu sein braucht. Ich gehe nun aber keineswegs so weit, wie jene Autoren, die gegen die qualitative Sonderung der einzelnen Empfindungsarten überhaupt Be- denken erheben und so auch das Vorhandensein getrennter Leitungsbahnen für die verschiedenen Gefühlsqualitäten in Abrede stellen. Ich halte an der Bedeutung der grauen Substanz und des innerhalb des gekreuzten Vorderseitenstranges gelegenen Faserzuges für die Schmerz- und Temperatur- empfindung, ebenso an der Bedeutung des gleichseitigen Hinterstranges für die bewusste Lageempfindung fest. In Bezug auf die Tastreize acceptire ich die Ansicht Mann’s, dass sie durch alle aufsteigenden Bahnen hirn- wärts eeleitet werden können, wenn auch in erster Linie dieser Funetion Faserbündel dienen mögen, die in den Hintersträngen nach oben ziehen. Zur BROWN-SkEQUARD’SCHEN LÄHMUNG. 13 Nach der alten Brown-Sequard’schen Lehre und einem immerhin nicht kleinen Theil der klinischen Beobachtungen, müsste man annehmen, dass auch die Leitung für diese Empfindungsqualität vorwiegend eine ge- kreuzte ist. Jedenfalls wurde eine Tastsinnstörung ausschliesslich am Bein der verletzten bezw. erkrankten Seite nur ausnahmsweise gefunden. Kocher spricht zwar die Vermuthung aus, dass sich hinter der Hyperästhesie häufig eine geringe tactile Hypästhesie verberge, die nur durch genaue Unter- suchung ermittelt werden könne, indes geht das aus den sorgfältigen Prüfungen, die namentlich in neuerer Zeit von einzelnen Klinikern (auch von mir) angestellt wurden, nicht hervor. Nimmt man nun an, dass 1. die tactilen Reize vorwiegend in die ge- kreuzte Rückenmarkshälfte übergeleitet werden, dass aber auch die gleich- seitige bis zu einem gewissen Grade für diese Function eintreten kann - und dass 2. sowohl die directen wie die indireeten aufsteigenden Bahnen von diesen Reizen betreten werden können, so sind die bei der Halbseiten- läsion des menschlichen Rückenmarkes beobachteten Verhältnisse in be- friedigender Weise gedeutet. Wir würden dann bei der vollkommenen, also besonders bei der totalen traumatischen Halbseitenläsion wenigstens im Beginn eine tactile Hypästhesie am Bein der gekreuzten Seite zu erwarten haben und würden begreifen, dass ein geringer Grad derselben manchmal dauernd nachzuweisen ist, wie das Mann auch für seine Fälle hervorhebt. Noch einer anderen, allerdings recht hypothetischen Vorstellung könnte man Raum geben: die langen, directen, gleichseitigen Bahnen werden von jenen Reizen benutzt, die in der Regel nicht empfunden werden, sondern nur die Coordinationscentren und andere subcorticale (bezw. pontine, medul- läre u. s. w.) Centren beeinflussen. Durch besondere Aufmerksamkeit, Uebung u. s. w. können diese Reize auch percipirt werden, d. h. direct aus den subeorticalen Centren in’s Bewusstsein aufgenommen werden. Bei In- dividuen jedoch, die weniger auf feine Empfindungen zu achten gewöhnt sind, dringen nur die die indirecten Wege im Rückenmarke einschlagenden (sich hier schon kreuzende Bahnen benutzenden) Reize, also Schmerz- und Temperaturreize, sowie die stärker latenten, tactilen Reize in’s Bewusstsein. Dieselben Bahnen werden bei den Individuen der erstbezeichneten Kategorie benutzt, wenn die direeten Bahnen zerstört sind. Damit hätten wir eine Erklärung für die Thatsache, dass 1. bei Brown-Sequard’scher Lähmung sehr oft jede Beeinträchtigung der Tastempfindung fehlt (für das Bein der verletzten Seite Fortleitung durch graue Substanz in contralateralen Seiten- strang, für das Bein der gekreuzten Seite Fortleitung im entsprechenden Hinterstrange, Fähigkeit, diese Reize in’s Bewusstsein aufzunehmen); 2. häufig oder nicht selten eine Abstumpfung der tactilen Empfindung an der contra- lateralen Seite besteht (weil das Individuum gewohnt ist, nur die mittels der gekreuzten, indireeten Bahnen fortgeleiteten Reize zu percipiren). 14 H. OPPENHEIM: Die Hyperästhesie der homolateralen Körperseite hat gar manche Hypothese in’s Leben gerufen. Die von Woroschiloff u. A. ausgesprochene Ansicht, nach welcher es sich um die Ausschaltung einer Hemmungsbahn handelt, wurde schon erwähnt. Eine weitere Annahme, nach welcher die Hyperästhesie durch die partielle Schädigung der gesunden Rückenmarks- hälfte, welche irritirend auf die sensiblen Bahnen wirkt, zu Stande kommt, hat viel Bestechendes. Doch spricht gegen sie die Thatsache, dass auch bei unvollkommenen Halbseitenverletzungen und schon im Beginn von Er- krankungen, die mit einer Compression der einen Rückenmarkshälfte ver- bunden sind, Hyperästhesie bestehen kann und dass sie in einzelnen Fällen noch nach Jahren und Decennien in unveränderter Weise fortbestand. An dieser Klippe scheitert auch die Raymond’sche Ansicht, der die Hyperästhesie auf Reizung der contralateralen Seite durch die von Schiefferdecker, Singer, Homen und besonders von Enderlen nach- gewiesene primäre traumatische Degeneration (Quellung u. s. w.) zurück- führen will. Man könnte an eine die Rückenmarksaffection begleitende Meningealreizung denken, da es feststeht, dass die das Mark treffenden Verwundurgen meistens mit einer Meningealhämorrhagie verbunden sind und auch die nicht-traumatischen Erkrankungen der Medulla spinalis, be- sonders die specifischen, sehr oft mit einer Affection der Hüllen verknüpft sind. Aber dieser meningitische Process ist doch nur ausnahmsweise ein streng halbseitiger, während sich die Hyperästhesie regelmässig auf die eine Körperseite beschränkt. Kocher hat sich mit dieser Frage viel beschäftigt, ohne zu einem klaren Resultat zu gelangen. Seine Hypothese lautet so: „Wird die eine hückenmarkshälfte getrennt, so wird der Haupttheil der die Berührungs- empfindungen leitenden Fasern in der Grenzschicht des Seitenstranges mit- getrennt, die gekreuzten müssen also die Leitung der Empfindung allein übernehmen, diese haben aber zum grössten Theile indirecte Leitung, indem sie die graue Substanz passiren, welche als Summationsorgan wirkend die Berührungsempfindung zur Schmerzempfindung steigert.“ Gower’s Auffassung, die sich an die oben erwähnte Vulpian’sche Theorie anschliesst, befriedigt nicht und fällt mit dieser. Sotta’s Ver- muthung, dass die Sklerose der Pyramidenbahn erregend auf die benach- barten sensiblen Faserzüge wirke, bedarf keiner Berücksichtigung. Man könnte folgender Vorstellung Raum geben: Nehmen wir an, abe (Fig. 1) repräsentire die langen aufsteigenden Bahnen der bei 5 d verletzten Rückenmarkshälfte und supponiren wir, dass in denselben nur Impulse nach oben fortgeleitet werden, die auf subcorticale resp. cerebelläre, bulböse Centren (Coordinationscentren u. s. w.) einwirken, ohne zum Bewusstsein zu gelangen, während die mit den hinteren Wurzeln A—h, hereinströmenden Reize, welche Zur BROWN-SEQUARD’SCHEN LÄHMUNG. 15 bewusste Empfindungen auslösen, durch die Seitenzweige ©—i, auf die contra- laterale Seite gelangen. Jeder bei der Gefühlsprüfung angewandte Reiz spaltet sich also in zwei Componenten, von denen der eine in der Bahn ab e nach oben gelangt und subecorticale u. s. w. Centren beeinflusst, während der andere nach Ueberleitung in die gekreuzte Seite und die secundär auf- steigende Bahn die bewusste Empfindung auslöst. Durch eine bei db gesetzte Leitungsunterbrechung wird die Abspaltung der direct nach oben gelangenden Impulse verhindert und so erhalten die von % nach : fortgeleiteten, in’s Bewusstsein dringenden Erregungen einen entsprechen- den Intensitätszuwachs. Diese Hypothese hätte vor der von Woroschiloff u. A. aufgestellten den Vorzug, dass sie auf die unklaren Hemmungswirkungen verzichtet und den neuen Erfah- rungen — der Lehre von den Collateralen u. s. w. — gerecht wird. - Das Verhalten der Sehnenphänomene und Haut- reflexe, der Blasen- und Mastdarmfunction, der vaso- Fig. 1. motorischen und oculopupillären Symptome u. s. w. soll hier nicht erörtert werden, da ich zu dem Bekannten nichts Wesentliches hinzuzufügen haben würde. Ebenso soll die durch die Läsion der direct in den Krankheitsherd einmündenden hinteren Wurzeln bedingte Anästhesie und Hyperästbesie, welche sich an der oberen Grenze der gelähmten resp. anästhetischen Körpertheile findet — sie ist von Brissaud besonders sorg- fältig studirt worden — hier unberücksichtigt bleiben. Dagegen halte ich es für geboten, gewissen, den Brown-Söquard’schen Symptomencomplex begleitenden Reizerscheinungen auf motorischem und sensiblem Gebiet ein paar Bemerkungen zu wilmen, Ausser den gewöhnlichen Zeichen der Rieidität treten in der von der Parese betroffenen Extremität häufig Zuckungen, Zittern (meist spastisches) und andere motorische Reizerscheinungen hervor. Es genügt, einen Blick auf die von Enderlen, Raymond u. A. zusammengestellten Fälle, sowie auf die Kocher’sche Casuistik zu werfen, um sich von der Häufigkeit dieser Erscheinung zu überzeugen. Die gewöhnliche Muskelsteifigkeit steigert sich am Bein zuweilen zur Streckcontractur, während Beugecontractur nur selten vorzukommen scheint. Die am Arm bei hohem Sitz der Läsion sich ausbildende Contractur kann der hemiplegischen gleichen oder einem anderen Typus entsprechen. So zeigte in einem Falle meiner Beobachtung (Figg. 2 u. 3), in welchen die Affeetion ihren Sitz im linken oberen Cervicalmark (Höhe des 2. bis 4. Cervicalnerven) hatte, der Arm folgende Stellung: Oberarm stark 16 H. OPPENHEIM: addueirt, Unterarm etwa im rechten Winkel gebeugt, Hand ad maximum supinirt und überstreckt, Grundphalangen der Finger leicht, Mittelphalangen stark gebeugt, Endphalangen überstreckt. Fig. 2. Fig. 3. Hier bildete die Muskelstarre das wesentliche, wenn nicht das einzige Hinderniss für die activen Bewegungen des Armes. Von Zeit zu Zeit kam es zu tonischen Muskelkrämpfen im linken Arm, weniger im Bein, durch welche der Oberarm stark an den Thorax gepresst, der Unterarm Zur BROWN-SEQUARD’SCHEN LÄHMUNG. 7 spitzwinkelig flectirtt und auch in den übrigen Muskeln die Spannung beträchtlich gesteigert wurde. Von besonderem Interesse war dabei die Erscheinung, dass, während diese Contractur schmerzlos empfunden wurde, sich mit den anfallsweise auftretenden tonischen Krämpfen in der linken Körperseite regel- mässig Schmerzen in der ganzen rechten Körperseite (Arm, Rumpf und Bein) verbanden. So entstand eine Combination von motorisch-sensiblen Reizerscheinungen, die nach ihrer Localisation genau den typischen Aus- fallserscheinungen der Brown-Sequard’schen Lähmung entsprachen und sie begleiteten. Ich habe für diesen interessanten Symptomencomplex die Bezeichnung Spasmodynia eruciata vorgeschlagen. In der vorliegenden Casuistik ist das Symptom der ausstrahlenden Schmerzen in den von Lähmung und Anästhesie ergriffenen Gliedmaassen sehr oft erwähnt (Brown-Sequard, Charcot, Berndt, Vix, Enderlen, Raymond, Müller, Kocher u. A... Und da wir andererseits auch die motorischen Reizerscheinungen als ein häufig beobachtetes Symptom bezeich- neten, könnte man vermuthen, dass die Spasmodynia cruciata ebenfalls zu den vulgären Erscheinungen der Halbseitenläsion gehöre. Dem ist jedoch keinewegs so. Die motorischen und sensiblen Reizphänomene finden sich unabhängig von einander beschrieben. Ja es fällt auf, dass als Sitz der Schmerzen bald die gelähmte, bald (aber vorwiegend) die anästhetische Körperseite bezeichnet, wird. Da, wo die Schmerzen die gelähmte Seite betrafen, hat es sich wohl meistens entweder um ausstrahlende Schmerzen in den direct betroffenen Wurzelgebieten, oder um schmerzhafte Empfindungen, die durch die Contractur ausgelöst wurden, gehandelt. Ausserdem kann auch die vasomotorische Lähmung zu schmerzhaften Empfindungen, die allerdings in meinen Beobachtungen meist als Causalgie geschildert wurden, führen. Und schliesslich könnte sich die Hyperästhesie auch einmal bis zu dem Grade steigern, dass jeder, auch der leichteste Reiz (Lufthauch u. s. w.) schmerzhaft empfunden wird. Kocher widmet diesen Erscheinungen und ihrer Pathogenese einige beachtenswerthe Erörterungen, ohne jedoch die Spasmodynia cruciata deut- lich zu schildern. Am nächsten streift dieses Symptom J. Schnabl in einer Krankendemonstration des Wiener med. Clubs (Sitzung vom 9. Februar 1898).! Er bespricht einen früher von ihm vorgestellten Fall von Lues spinalis mit Brown-Sequard’schen Symptomen, bei welchem sich im Stadium ! Schnabl war mein Zuhörer, als ich im Sommer 1898 dieses Symptom in der Vorlesung demonstrirte, und hat mich bei der Gelegenheit auf seine Beobachtung auf- merksam gemacht. Archiv f. A. u. Ph. 1899. Physiol, Abthlg. Suppl. 2 18 H. OPPENHEIM: der Besserung (unter Hg-Kur) „Schmerzen, welche vom rechten Fusse in’s Hypochondrium und die Hüfte ausstrahlen, tonische Krämpfe im linken (gelähmten) Fusse“ einstellten. Obgleich nicht gesagt wird, dass es sich um das gleichzeitige Auftreten der sensiblen und motorischen Reizerscheinungen handelte, hat mir das doch Schnabl mündlich bestätigt. In dem einen meiner Fälle lagen die Residuen eines seit etwa 14 Jahren abgelaufenen Leidens vor, das wahrscheinlich von den Wirbeln ausgegangen war und ursprünglich eine mehr oder weniger den ganzen Querschnitt schädigende Compression des oberen Halsmarks hervorgebracht hatte; diese hatte sich bald so weit zurückgebildet, dass nur noch die Zeichen der Hemi- läsion mit besonders starker Ausbildung der Reizsymptome vorlagen. Alles drängte hier zu der Annahme, dass von einem meningealen Narbengewebe aus die entsprechende Kückenmarkshälfte beeinträchtigt (gedrückt und sezerrt) wurde, so dass ich eine operative Behandlung warm befürwortete. Auf diesen Reiz, den ein Narbengewebe auf die nicht ganz zerstörten motorischen und sensiblen Leitungsbahnen ausübte, glaubte ich das Phä- nomen des Spasmodynia cruciata zurückführen zu können. Damit stimmte eine weitere Beobachtung, in welcher die Erscheinung im Beginn eines Leidens auftauchte, bei welchem es später zur Ausbildung des Symptomen- complexes einer vollkommenen Halbseitenläsion kam. Auch der von Schnabl angeführte Fall lässt sich in diesem Sinne deuten. Kocher ist, obgleich er unser Symptom nicht ausdrücklich erwähnt, doch zu derselben Erklärung gelangt: „Für die in einzelnen unserer und der Fälle anderer Autoren aufgetretenen Reizerscheinnngen in Form von ausstrahlenden Schmerzen und Spasmen auf der gleichen Seite bei Hemiläsion scheint uns in Anlehnung an Bekanntes am nächsten zu liegen, eine nur theil- weise Schädigung und daherige abnorme Erregung sensibler und motorischer oleichseitiger Bahnen verantwortlich zu machen ohne Unterbrechung ihrer Leitung. Die beiden Formen von Reizphänomenen treten in Fällen auf, wo andere Symptome auf unvollständige Trennung hinweisen, gehen den übrigen Symptomen voran und treten erst im Stadium der Besserung auf. Im Fall Bischoff (von Kocher beschrieben. Ref.) mit Cervical- spondylitis tritt im Fuss Ameisenkriechen und Anästhesie gleichzeitig auf und im linken Knie Steifigkeit und Abnahme der Kraft. Im Falle Krebs treten mit Zurückgehen der motorischen Lähmung Zuckungen in den Beinen und mit Verschwinden der Analgesie ausserdem Schmerzen in den früher schmerzunempfindlichen Theilen auf.“ — Man sieht aus diesen Bemerkungen, dass sich Kocher’s Beobachtungen nahe mit den unserigen berühren und dass er dieser Kategorie von Erscheinungen schon die richtige Deutung gegeben hat. Zur BROWN-SEQUARD’SCHEN LÄHMUNG. 19 Es ist hier noch kurz darauf hinzuweisen, dass unter den eleichen Bedingungen auch Parästhesieen in der anästhetischen — bezw. dann nur hypästhetischen — Seite vorkommen, wie sie schon in der älteren Casuistik, dann von Kocher, Mann („Jucken auf der ganzen anästhetischen Seite“) u. A. geschildert werden. Brown-Sequard beschreibt ebenfalls schon Par- ästhesieen in der anästhetischen Seite. Einer meiner Patienten klagte über starkes Brennen in der homolateralen, starkes Kältegefühl in der contralateralen Seite. Er machte die bezeichnende Bemerkung: „Am liebsten möchte ich den rechten Fuss immer in heisses, den linken in kaltes Wasser stecken.“ Diese Empfindung des Brennens in dem gelähmten Bein war die Folge der vasomotorischen Parese, während die Kälteempfindung der gekreuzten Seite in der That wohl als eine Parästhesie in dem anästhetischen Gliede zu deuten war. Allocheirie, die sehr schwer zu erklären, findet sich unter diesen Verhältnissen einige Male (Brown-Söquard, Jolly) beschrieben. Eine interessante Frage, die bislang eine wesentliche Berücksichtigung nicht gefunden hat, ist die nach dem Vorkommen der Muskelatrophie bei Brown-Söquard’scher Lähmung. Es ist bekannt und leuchtet ohne Weiteres ein, dass die Muskeln, die ihre trophischen Fasern aus dem Krankheitsherd beziehen, der Atrophie verfallen. Sitzt dieser also im Bereich der Cervicalanschwellung, so erzeugt er einen umschriebenen Muskelschwund an der gleichseitigen Oberextremität. Oder, um ein Beispiel anderer Art aus der eigenen Erfahrung anzuführen: Bei einem Patienten, der die Erscheinungen des Typus cervicalis superior der Brown-Sequard’schen Lähmung darbot, so dass sich Arm und Bein der entsprechenden Seite im Zustand der spastischen Lähmung befanden, liess sich nur im Cucullaris der gleichen Seite atrophische Lähmung mit Entartungsreaction, in einem analogen Fall nur im Zwerchfell bezw. N. phrenicus der gleichen Seite eine starke Herabsetzung der elektrischen Erregbarkeit nachweisen. Demgegenüber steht es zu erwarten, dass die durch die Läsion der Pyramidenbahn bedingte Monoplegia bezw. Hemiplegia spinalis stets eine einfache und nicht von Muskelschwund begleitet ist. Indess fällt es bei einer Durchsicht der Litteratur doch auf, wie oft unter diesen Verhältnissen die Atrophie der gelähmten Gliedmaassen erwähnt ist (Beobachtungen von Brown-Sequard, Rosenthal, Neumann, Charcot, Vix, Nolte, Riegel, Burresi, Hoffmann, Herhold, d’All Armi, Mann u. A.). Freilich ist die sich auf das Wesen der Atrophie und besonders auf das Verhalten der elektrischen Erregbarkeit beziehende Schilderung meist ein« unzureichende. 20 H. OPpEnHEm: Bei einer Sichtung der fremden und eigenen Beobachtungen in Bezug auf das Vorkommen, den Charakter und die Grundlage dieser Atrophie ergiebt sich Folgendes: 1. Bei lange bestehender Brown-Sequard’scher Lähmung kann sich, wie das schon Brown-Sequard selbst betont hat, Inactivitätsatrophie in den Gliedmaassen, also meistens im Bein der gelähmten Seite, entwickeln. Diese Atrophie ist immer eine einfache und nur mit geringer quantitativer Ab- nahme der elektrischen Erregbarkeit verknüpft. Ich habe sogar unter solchen Verhältnissen einige Male jede Störung der elektrischen Erregbarkeit vermisst. 2. Fällt die Erkrankung oder Verletzung, die der Halbseitenläsion zu Grunde liegt, in die Kindheit bezw. in die Zeit des Wachsthumes, so bleiben die Muskeln aber auch die Knochen der gelähmten Seite in der Entwickelung zurück. Die Gliedmaassen sind dann kürzer, die Muskeln dünner als auf der gesunden Seite, wie das, von Brown-Söquard, Neumann, Her- hold u. A. geschildert, durch Figg. 2 u. 3 sehr deutlich illustrirt wird. Auch unter diesen Verhältnissen documentirt sich die Atrophie durch eine einfache Abnahme der Erregbarkeit, die selbst in dem so ausgesprochenen Falle, auf den sich die Illustrationen beziehen, nur eine recht geringe war. Wir haben also hier dieselben Verhältnisse, welche die Hemiplegie der cerebralen Kinderlähmung im späteren Alter bietet. 3. Bei der traumatischen Halbseitenläsion kann eine echte Atrophie mit Entartungsreaction auch in den Muskeln zu Stande kommen, die aus den unterhalb der Hemiläsion gelegenen Rückenmarksabschnitten innervirt werden, wenn sich, wie das nicht so selten vorkommt, mit der halbseitigen Zerstörung am Orte der Verletzung eine Röhrenblutung im Verlaufe des Vorderhornes verbindet, d. h. eine Blutung, welche in Form einer Säule die vordere graue Substanz in grosser Ausdehnung durchsetzt. 4. In analoger Weise kann sich ein gliomatöser Process verbreiten. Auch bei Lues spinalis kann es vorkommen, dass ausser einem Herd, der die Symptome der Halbseitenläsion hervorbringt, andere an tieferen Stellen im Vorderhorn bezw. an den vorderen Wurzeln sitzen, die eine Atrophie der Muskeln der gelähmten Extremität erzeugen. Ueber das Vorkommen anderweitiger trophischer Störungen bei Brown-Söquard’scher Halblähmung ist nicht viel bekannt, und auch ich kann nichts Neues dazu anführen, und doch würden genaue Beobachtungen dieser Art von grossem Interesse sein. Jedenfalls zeigt eine auch nur ober- flächliche Prüfung der Litteratur, dass trophische Störungen an der Haut, an den Gelenken, Nägeln u.s. w. sowohl auf der gelähmten (hyperästhetischen) wie auf der anästhetischen Seite gefunden worden sind. In einem von Alessandrini geschilderten Falle schwollen gegen das Lebensende die Gelenke der gelähmten Seite und wurden der Sitz heftiger Zur BROWN-SEQUARD’SCHEN LÄHMUNG. 21 Schmerzen ; es fanden sich Blutergüsse in denselben. Eine Arthropathie im Knie der gelähmten Seite bestand in dem von Joffroy und Salmon sowie in einem von Vigues beschriebenen Fall. Deecubitus entwickelte sich in einzelnen Fällen auf der anästhetischen Seite, so bei Vigues und Charcot, und bei Joffroy-Salmon auf der gelähmten. Bei einem Patienten Neumann’s kam es zur wiederholten Abstossung der Nägel an der gefühllosen Extremität, bei einem von Mann beobach- teten entwickelten sich „trophische Geschwüre“ am linken (anästhetischen) Fuss. Jedenfalls bedarf diese Frage einer gründlichen Nachprüfung unter genauer Berücksichtigung der Sensibilität, der vasomotorischen Störungen, der durch die atactischen Bewegungen bedingten Traumen u. s. w. Gewiss lässt sich aus der vorliegenden Litteratur bei einer ad hoc vorgenommenen Sichtung weit mehr herauslesen, als diese meine Angaben zu versprechen scheinen. Kommt der Brown-Sequard’sche Symptomencomplex bei jedem Höhensitz der Halbseitenläsion vor? Es würde überflüssig sein, diese Frage hier aufzuwerfen, wenn sich nicht bezüglich derselben selbst in einzelnen sonst durchaus sachverständigen Darstellungen irrthümliche Angaben fänden, während sie nur von wenigen Forschern klar und correct beantwortet worden ist. Es ist selbstverständlich — und doch nicht genügend beachtet worden — dass die Verletzungen und Erkrankungen des untersten Rückenmarksab- schnittes, des Conus und Sacralmarkes, auch wenn sie sich streng auf eine Seite beschränken, die typischen Merkmale der Brown-Sequard’schen Lähmung nicht hervorbringen können, weil in dieser Höhe noch keine sensiblen Faserzüge in die gekeuzte Rückenmarkshälfte hinübergelangt sind, höchstens wäre es anzunehmen, dass im oberen Sacralmark ein Theil der die ano-vesicale Sphäre versorgenden Empfindungsbahnen bereits ihre Kreu- zung erfahren hätten. Eine Erkrankung des Sacralmarks, welche sich auf die eine Seite be- schränkt, wird also eine unilaterale, und zwar gleichseitige Lähmung und Anästhesie hervorbringen. Im Wesentlichen gilt dies auch noch für die einseitigen Afleetionen des unteren Lendenmarks; sie erzeugen eine schlaffe (meist auch atrophische) Lähmung des homolateralen Beines mit Anästhesie an demselben (s. w. u.). Deutlich ausgesprochen findet sich das bei Gowers, ebenso habe ich die Thatsache in meinem Lehrbuch (auch in der 1. Aufl.) betont. Auch aus der Zusammenstellung von Raymond geht hervor, dass Beobachtungen von Brown-Söquard’scher Lähmung mit einem im unteren Lenden- oder gar im Sacralmarke sitzenden Krankheitsherd nicht existiren. 22 H. OPPENHEIM: Er bezeichnet den von Reinhold geschilderten Fall, in welchem das rechte Bein ganz gelähmt war, der Herd also seinen Sitz im oberen Lenden- (wenn nicht im unteren Brust-) mark haben musste, als den, in welchem die Hemisection den relativ tiefsten Sitz hatte. Dagegen tindet sich bei Leyden-Goldscheider eine Angabe, die leicht zu Missverständnissen führen kann: „Die Dissociation des Bewegungs- und Empfindungsvermögens deutet ausserdem so sicher auf die spinale Loealisation, dass das Vorhandensein bezw. Fehlen dieses Symptomes differentialdiagnostisch verwendet werden kann. Findet‘ sich bei einer Lähmung oder Parese eines Beines die Sensibilitätsstörung auf derselben Seite, so spricht dies für Affection der peripherischen Nerven bezw. Nerven- wurzeln (Affection der untersten Brust- bezw. der oberen Lendenwirbel, Meningitis spinalis, Neuritis). Findet sich dagegen das gelähmte Bein frei von Sensibilitätsstörungen, während solche am anderen Bein vorhanden sind, so spricht dies für eine Affection des Rückenmarks selbst.“ Der erste Theil dieses Satzes ist also in seiner Allgemeinheit nicht richtig, und es muss das um so mehr hervorgehoben werden, als sich andere, den that- sächlichen Verhältnissen Rechnung tragende Bemerkungen über diesen Punkt bei v. Leyden und Goldscheider nicht finden. L. R. Müller’s Annahme, dass Erkrankungen im oberen Kreuzmark wohl noch im Stande seien, den Symptomencomplex der Halbseitenläsion hervorzubringen, ist gewiss nicht ganz zutreffend. Wernicke und Mann haben nicht nur die hier angeführten That- sachen klar und deutlich entwickelt, sie haben unsere Kenntnisse auch nach einer Richtung erweitert, indem sie einen bis da nicht bekannten Typus der Brown-Söquard’schen Lähmung beschrieben, wie er bei Affectionen des Lendenmarks in die Erscheinung treten kann. Es fand sich in einem Falle eine schlaffe, atrophische Lähmung des ganzen linken Beines (mit Entartungsreaction), ebenso war an diesem die Sensibilität für Schmerz und Temperatur stark herabgesetzt, während an dem motorisch-intacten rechten Bein sich eine Gefühlsstörung nur in der Gegend vom Scrotum, Penis und Perineum nachweisen liess. Nur auf Grund dieser umschriebenen Gefühls- störung, zu deren Feststellung Wernicke die richtigen aprioristischen Er- wägungen führten, konnte dieser Fall noch der Gruppe von Brown- Sequard zugerechnet werden. Er lehrt auf’s Deutlichste, dass die am tiefsten in’s Mark eintretenden Bahnen auch am frühesten ihre Kreuzung erfahren. Mann theilt eine weitere verwandte Beobachtung mit, welche zu be- weisen scheint, dass die sensiblen Bahnen für die Fusssohle schon in der Höhe des 2. und 3. Lumbalsegments auf die andere Seite gelangt sind. ZUR BROWN-SEQUARD’SCHEN LÄHMUNG. 28 Eine weitere Bereicherung der Brown-S&equard’schen Lehre, welche wir den klinischen Beobachtungen der jüngsten Zeit verdanken, ist die der doppelseitigen Brown-Sequard’schen Lähmung. Hanot et Meunier sind die ersten gewesen, die einen Fall dieser Art beschrieben haben. Vor Kurzem hat dann Brissaud diese Frage ein- gehender behandelt und gezeigt, dass hinter einer doppelseitigen Lähmung ein doppelseitiger Brown-Sequard stecken kann, und zwar dann, wenn sich diese Paraplegie mit Dissociation der Empfindungsstörung in der Weise verbindet, dass an dem stärker oder völlig gelähmten Bein nur ein leichte, an dem paretischen eine beträchtliche Thermoanästhesie und Analgesie ge- funden wird. In dem Falle von Hanot et Meunier wurde der Symptomen- complex hervorgebracht durch zwei Gummata, die sich vorwiegend inner- halb der grauen und benachbarten weissen Substanz beider Rückenmarks- hälften entwickelt hatten. Und Brissaud meint: „que la paraplögie syphi- litique sensitivomotrice bilaterale est quelquefois une double hemiparaplegie motrice avec double hemianaesthesie croisee.“ So interessant diese Beobachtungen auch sind, in diagnostischer Hin- sicht dürften sie kaum eine wesentliche Bedeutung erlangen. Ebenso handelt es sich nur um ein Curiosum in einem von mir an anderer Stelle kurz angeführten Falle, in welchem sich zu den Erscheinungen einer an den unteren Extremitäten localisirten Halbseitenlähmung eine vorwiegend die oberen, aber in entgegengesetzter Weise betreffenden gesellte. 24jähriges Mädehen. Bemerkte vor 2 Jahren gleichzeitig Schmerzen im linken und Ermüdung im rechten Beine; Anfangs vorübergehend, später blieb die Schwäche im rechten Beine eine andauernde, während die Schmerzen schwanden. Seit Sommer dieses Jahres besteht Kältegefühl und Schwäche in der linken, Taubheitsgefühl in der rechten Hand. Seit 1!/, Jahren Schwindelanfälle, auch Blasenschwäche. Status: Gegenwärtig Zittern des den Boden berührenden rechten Fusses. Beträchtliche Rigidität im rechten, geringe im linken Beine. Enorme Steigerung der Sehnenphänomene rechts, etwas geringere links. Erhebliche Schwäche im ganzen rechten, geringe Parese im linken Beine. Sensibilität für tactile Reize beiderseits herabgesetzt, links fast erloschen. Am linken Beine Therm- anästhesie und Analgesie, während rechts für Nadelstiche Hyperalgesie be- steht und die Temperaturempfindung nur wenig herabgesetzt ist. Rechts Fusssohlenreflex sehr lebhaft, links schwach, Zehenreflex beider- seits mit Dorsalflexion der grossen. Linke Hand cyanotisch, kalt, Sehnenphänomene an beiden Armen erhöht. Motorische Schwäche im ganzen linken Arme, rechts Beweglichkeit erhalten. Tactile Hypästhesie in einzelnen Gebieten beider Arme; dagegen Therm- hypästhesie und Hypalgesie nur an der rechten Hand. Lagegefühl an beiden Füssen und an der linken Hand herabgesetzt; keine Ataxie. Hirnnerven frei. 24 H. OPPENHEIM: Meine Diagnose lautete: Sclerosis multiplex. Und zwar nahm ich an, dass es sich zwar um mehrfache Herde, aber besonders um zwei Hauptherde handele, von denen der eine im unteren Dorsalmark rechts, der andere im oberen Cervicalmark links seinen Sitz habe. Ausser an Sclerosis multiplex hätte man etwa noch an multiple Tumoren denken können, doch fehlten für diese Annahme alle Anhaltspunkte. — Dass unter solchen Verhältnissen das Brown-Sequard’sche Bild nicht rein erscheint, sondern dass der höher gelegene Herd, namentlich wenn er eine umfangreichere Zerstörung bedingen würde, die durch die dorsale Halbseitenläsion erzeugten Erscheinungen modifieirt, ist natürlich. Dass sich in unserem Falle der Symptomencomplex immerhin noch deutlich er- kennen und herausschälen liess, lag darin begründet, dass der Herd im rechten unteren Brustmark nicht nur der ältere, sondern auch der umfang- reichere war, während der im linken oberen Cervicalmark nur eine partielle Hemiläsion verursachte. Zum Schlusse möchte ich in aller Kürze die Krankheitszustände an- führen, welche die Erscheinungen der Halbseitenläsion hervorzubringen im Stande sind. Von den directen Verletzungen des Rückenmarks brauche ich nichts zu sagen. Sie ahmen das Thierexperiment am getreuesten nach und können den reinsten und vollkommensten Typus der Brown-Se- quard’schen Lähmung im Gefolge haben. Unter meinen Beobachtungen haben jedoch die Fälle, in denen die Halbseitenläsion nicht traumatischen Ursprungs war, ein ganz bedeutendes Uebergewicht. Und zwar stehen hier im Vordergrunde die syphilitischen Erkrankungen des Rückenmarks. Das lehrt auch schon ein Ueberblick über die ältere Litteratur, in der die syphilitische Grundlage sehr oft erwähnt worden ist, wenn auch der That- sache meist keine weitere Beachtung geschenkt wurde (Brown-Sequard, Folet, d’Owen-Rees, Charcot-Gombault, Köbner u. A.). Ich habe dann im Jahre 1889 unter Mittheilung eigener durch die Obduction verificirter Beobachtungen die Rolle, welche der Brown- Sequard’sche Symptomencomplex bei der Lues spinalis spielt, näher be- zeichnet. Einige Jahre später haben sich französische Autoren (Lamy, Sottas, Raymond, Gilles de la Tourette und Brissaud) mit dieser Frage beschäftigt und meinen Ausführungen so wenig Beachtung geschenkt, dass ich die Gelegenheit wahrnehme, auf diese Frage zurückzukommen. Besonders bezeichnend ist die Darstellung Brissaud’s. Noch in seiner neuesten Bearbeitung! dieser Frage äussert er sich so: „Deja en 1889, Oppenheim avait mentionne incidemment le fait; et, deux ans plus tard, ! Lecons sur les maladies nerveuses. Paris 1899. Serie X. p. 230. ZUR BROWN-SEQUARD’SCHEN LÄHMUNG. 25 M. Lamy concluait dans des termes parfaitement explieites, que (hier eitirt Brissaud Lamy wörtlich) le syndrome de Brown-Söquard complet et permanent est tres rare dans le syphilis, tandis que, ebauche et transitoire, il eonstitue la regle.“ Also ich hatte die Thatsache nur beiläufig angeführt, während Lamy klar und deutlich den Symptomencomplex als „ebauch‘“ und „transitoire“ geschildert habe. Zum Vergleiche damit setze ich meine Ausführungen wörtlich hierher: „Als drittes Kriterium führe ich die Erscheinung an, dass die Symptome der Brown-Sequard'schen Halblähmung wenigstens in einem Theile der Fälle in irgend einem Stadium angedeutet sind. Ich sage „angedeutet“. Man findet nämlich die Parese vorwiegend in dem einen. die Anästhesie in dem anderen Beine ausgeprägt, wie der oben mitgetheilte Fall lehrt und wie ich es in vielen, nur klinisch beobachteten Fällen constatirt habe, aber, soweit ich sehe, verwischt sich diese Erscheinung meistens in relativ kurzer Zeit. Sie erklärt sich aus den geschilderten anatomischen Verhältnissen.“ Ist Brissaud’s Behauptung, dass erst Lamy den Begriff „ebauche“ und „transitoire“ geschaffen habe, da berechtigt? In derselben Abhandlung aus dem Jahre 1889 habe ich dann weiter gezeigt, dass die Dissociation der Empfindungsstörung unter diesen Ver- hältnissen etwas gewöhnliches ist und auch einen Fall von Brown- Sequard’scher Lähmung mit Obduction beschrieben, in dem die gekreuzte Anästhesie ausschliesslich den Temperatursinn betraf. Da auch diese Frage von den genannten französischen Forschern, be- sonders von Brissaud, etwas verschoben worden ist, erlaube ich mir, mich noch einmal zu eitiren: „Gegenüber der jetzt herrschenden Tendenz, den Befund einer partiellen Empfindungslähmung, vor Allem des Schmerz- und Temperaturgefühls auf eine Syringomyelie zu beziehen, muss ich noch hervorheben, dass ich bei spinales Lues mehrmals, so auch in dem oben mitgetheilten Falle, eine isolirte oder doch besonders stark ausgeprägte Temperatursinnstörung ge- funden habe. Eine sichere, anatomisch begründete Deutung dieser That- sache kann ich nicht geben, doch ist es begreiflich, dass die von der Peri- pherie hereindringenden Geschwulstzapfen sofort auf das Hinterhorn treffen, welches ich in den von mir untersuchten Fällen mehrfach tief erkrankt und durch den Narbenzug verlagert und in seiner Configuration verändert ge- funden habe.“ Die neueren und zum Theil sehr gründlichen Arbeiten der französischen Autoren (Lamy, Gilbert et Lion, Sottas, Jorand, Gilles de la Tourette, Raymond und Brissaud) haben diese Thatsachen im Wesentlichen bestätigt. Auch meine eigene spätere Erfahrung hat zu dem- selben Ergebniss geführt, so dass ich dem Angeführten nur das Eine hin- zuzufügen habe, dass über ein Drittel meiner Beobachtungen von Brown- S&equard’scher Lähmung sich auf die Lues spinalis oder cerebrospinalis bezieht. 26 H. OPppENHEIM: Nicht selten wird der Symptomencomplex der Halbseitenläsion durch die Gliosis spinalis erzeugt. Wenn diese auch weit häufiger eine homo- laterale Thermalg-Anästhesie von segmentaler Anordnung (Loehr, Schle- singer) schafft, so ist doch auch der Brown-Sequard’sche Typus in Folge Uebergreifens der Affection auf die weisse Substanz nicht ungewöhn- lich (Hoffmann, Schlesinger, eigene Beobachtung, Raymond, Lähr, Brissaud u. A.). Ebenso können andere Rückenmarkstumoren sich namentlich im Beginn ihrer Entwickelung durch den Brown-Se&quard’schen Symptomencomplex manifestiren. Auch die Hämatomyelie kann, wie das schon von Brown- Sequard, Charcot, Taylor, Remak, Hoffmann u. A. beobachtet, be- sonders aber von Minor festgestellt worden ist, die Erscheinungen der Halbseitenläsion hervorbringen. Weit weniger sichergestellt ist das für die Myelitis, wenn auch ver- einzelte klinische Beobachtungen, darunter zwei eigene, und spärliche ana- tomische Befunde auf diese Grundlage hinweisen. Der Moeli’sche Fall mit Obductionsbefund darf weder streng hierher noch zur Sklerose (wie das Jeremias irrthümlich annimmt) gerechnet werden, da es sich zwar um eine disseminirte Myelitis, aber doch um eine specifische Erkrankung (gummöse Hepatitis!) gehandelt hat. Bei Wirbelleiden, und zwar beim Tumor der Wirbelsäule, wie bei Caries, können die Symptome der Hemiläsion des Rückenmarks ebenfalls zur Entwickelung kommen (von den traumatischen Wirbelaffectionen sehe ich dabei ab). Im Ganzen findet sich diese Grundlage nur in einem ge- ringen Procentsatz der mitgetheilten Fälle und damit harmonirt meine persönliche Erfahrung. Es verdient aber hervorgehoben zu werden, dass nach Abheilung einer Caries das Brown-Sequard’sche Symptomenbild als stabiles Leiden persistiren kann (eigene Beobachtung). Von besonderem Interesse ist ferner ein Fall meiner Beobachtung, in welchem ein Sarcom, das in den Wirbeleanal hineingedrungen war und die Zeichen der Halb- seitenläsion hervorgebracht hatte, exstirpirt wurde mit dem Erfolg, dass alle Spinalerscheinungen völlig zurücktraten und bei einer von mir 9 Jahre später vorgenommenen Untersuchung noch ein völlig normales Verhalten nachgewiesen werden konnte. Wenig Beachtung hat bisher noch die Thatsache gefunden, dass bei der multiplen Sclerose die Brown-Sequard’sche Lähmungsform keine ungewöhnliche Erscheinung ist. Bei Leyden, Erb und Wernicke finden sich schon Hinweise auf dieses Vorkommniss. Ich habe dann mehrfach Gelegenheit genommen, das zu betonen, und in den bekannten Abhandlungen von Uhthoff und Freund finden sich von mir beobachtete Fälle, die den Zur BROWN-SEQUARD’SCHEN LÄHMUNG. 27 Beweis liefern, dass die Brown-Sequara@’sche Lähmung durch Selerose bedingt sein kann. Freilich fanden sich in dem einen zur Obduction ge- kommenen Falle neben Herden von halbseitiger Verbreitung so viele andere, zum Theil selbst diffus den Querschnitt durchsetzende, dass aus dem ana- tomischen Befunde nicht viel für die Deutung der Erscheinungen entnommen werden konnte. Jüngst hat dann Jeremias dieser Frage unter Anführung ent- sprechender Beobachtungen eine eingehendere Besprechung gewidmet. — Es liest in der Natur der Sache und geht auch aus meinen Beobachtungen hervor, dass das Symptomenbild Brown-Sequard’s bei der Sclerosis mul- tiplex in recht unvollkommener Entwickelung hervortritt und niemals einen dauernden Bestand hat, da die in der Folge auftauchenden neuen Herde die anatomisch-physiologischen Bedingungen für das Zustandekommen dieser Erscheinungen in manniefaltigster Weise umgestalten. Es gilt dies für die Sclerose noch in höherem Maasse als für die syphilitischen Erkrankungen des Rückenmarks. 28 H. OPPENHEIM: Litteraturverzeichniss. Brown-Sequard, Recherches et experiences sur la physiologie de la moelle epiniere. These inaugurale. Paris 1846. — Derselbe, De la transmission des im- pressions sensitives dans la moelle Epiniere. Comptes rendus de la Soc. de biol. 1849 et Gazette med. de Paris. 1850. — Derselbe, Explication de l’hemiplegie croisee du sentiment. Comptes rendus de la Soc. de biol. 1850 et Gazette med. de Paris. 1850. p. 556. — Derselbe, Cas de perte de la sensibilite d’un cöte du corps et de perte du mouvement de l’autre cöte. Med. Exp. 1853. p. 288. — Derselbe, Recherches sur la transmission des impressions ete. Journal de physiol. de !’homme et des animaux. 1863. — Derselbe, Recherches sur le trajet des diverses especes etc. Archives de physiol. 1868 et 1869. Vigue6s, Plaie de la moelle Epiniere ete. Moniteur des höp. 1855. Nr. 105. Bezold, Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. 1858. Bd. IX. Richter, I/naug.-Dissert. Berlin 1867. Rosenthal, Oesterr. Zeitschrift für praktische Heilkunde. 1867. Nr. 50. Charcot, Arch. de physiol. norm. et path. 1868. T.1. W. Müller, Beiträge zur pathologischen Anatomie und Physiologie des mensch- lichen Rückenmarks. leipzig 1871. Joffroy et Salmon, Gazette med. de Paris. 1872. Nr. 6, 7, 8. Bernhardt, Berliner klinische Wochenschrift. 1872 und Archiv für Psych. Bd. IV. Charcot et Gombault, Arch. de Physiol. 1873. Riegel, Berliner klinische Wochenschrift. 1873. Nr. 18 Rühl, Znaug.-Dissert. Würzburg 1873. Vix, Correspondenzblatt des ärztlichen Vereins in Rheinland. 1874. Nr. 14. d’All Armi, Bayerisches ärztliches Intelligenzblatt. 1875. Nr. 48. Ollivier, bei Leyden, Klinik der Rückenmarkskrankheiten. 1875. Remak, Berliner klinische Wochenschrift. 1877. Köbner, Deutsches Archiv für klinische Mediein. 1877. Beck, Ueber Verletzungen der Wirbelsäule u.s.w. Virchow’s Archiv. 1879. Remak, Archiv für Psych. 1879. Bd. IX. Schultze, Archiv für Psych. 1878. Bd. VII. Schulz. Halbseitenläsion des Rückenmarks. Centralblatt für Nervenheilkunde. 1880. Nr. 15. Albanese, Gazetta chir. d. Palermo. 1879. Nr.1 u. 2. Moeli, Archiv für Psych. 1881. Wernicke, Lehrbuch der Gehirnkrankheiten. 1881. Gilbert, Archives de neurol. 1882. Nr. 9. G. Fischer, Deutsche Zeitschrift für Chirurgie. 1885. Zur BROWN-SEQUARD’SCHEN LÄHMUNG. 29 Taylor, A case of spinal hemianesth. ete. Americ. Journal of nerv. and psych. 1884. Ferrier, Brain. 1885. Schrader, Deutsche Medicinalzeitung. 1885. Nr. 76. Hoffmann, Drei Fälle von Brown-Sequard’scher Lähmung. Archiv f. klinische Medicın. 1886. Sachs, Journal of nerv. and ment. dis. 1886. Vol. XIII. Albrecht, Deutsche Zeitschrift für Chirurgie. 1887. 8.473. Nolte, Brown-Sequard’sche Halbseitenläsion. Inaug.- Dissert. 1887. Volkmann, Archiv für klinische Mediein. 1887. Oppenheim, Archiv f. Psych. 1888. Bd. XIX. — Derselbe, Zur Kenntniss der syphilitischen Erkrankungen des centralen Nervensystems. Vortrag vom 17. Oct. 1889. Berlin 1890. — Derselbe, Ueber atypische Formen der Gliosis spinalis. Vor- trag vom 14. November 1892. Archiv für Psych. Bd. XXIV. H.2. — Derselbe, Lehrbuch der Nervenkrankheiten. 1. Aufl. 1894; Il. Aufl. 1898. Charcot, Zecons du mardi. 1888/89. T.II. p. 53. Vulpian, Dietion. eneyclop. des sciences. Serie 2. T. VIII. Martinotti, Hyperästhesie und Verletzung des Halsmarks. Dies Archiv. 1890. Physiol. Abthlg. Reinhold, Ein Fall von traumatischer Brown-Sequard-Lähmung. Jnaug.- Diss. Bern 1889. Werner, Memorabilien. 1890. Bornträger, Deutsche medieinische Wochenschrift. 1890. Nr. 4. Neumann, Ueber Rückenmarksverletzungen durch Stich u.s.w. Virchow’s Archiv. 1890. Bd. CXXIl. Hertel, Charite- Annalen. 1890. Turner, On hemisection of the spinal cord. Brain. 1891. Barbacei, Centralblatt für allgemeine Pathologie. 1891. Nr. 9. Mott, Journal of physiol. 1891. Vol. XI. 2. Newmark, Med. news. 1892. Determann, Deutsche Zeitschrift für Nervenheilkunde. 1892. Krauss, Zeitschrift für klinische Mediecin. 1891. Minor, Archiv für Psych. 1892 u. 1896. Gowers, Lehrbuch der Nervenkrankheiten. Il. Aufl. Deutsche Uebersetzung. Bonn 1892, Vuceti, Allgemeine Wiener med. Zeitung. 1892. Nr. 10. Lamy, These de Paris. 1893. Sottas, Revue de med. 1893. Hammond, Journal of nerv. and ment. dis. July 1893. Brissaud, Hemiparaplegie spinale ete. ZLecons sur les maladies nerv. 1893/94. Asmus, Bibliotheca med. 1893. Krafft-Ebing, Allgemeine Wiener med. Zeitung. 1594. Clarke, Lancet. 1894. Brown-Sequard, Arch. de Physiol. 189. Herhold, Deutsche medicinische Wochenschrift. 1894. Nr. 1. Wernicke, Deutsche medieinische Wochenschrift. 1895. Nr. 47. Gerhardt, Berliner klinische Wochenschrift. 1895. Enderlen, Ueber Stichverletzungen des Rückenmarks. Deutsche Zeitschrift f. Chirurgie. 1895. Bd. XL. 30 H. OPpEnHEIMm: Zur BROWN-SEQUARD’SCHEN LÄHMUNG. Beevor, Neurologisches Centralhlatt. 1895. Bottazzi, Centralbtatt für Physiologie. 1895. Bd. VII. H. Schlesinger, Neurologisches Centralblatt. 1895. Nr. 14. L. Mann, Klinische und anatomische Beiträge zur Lehre von der spinalen Hemi- plegie. Zeitschrift für Nervenheilkunde. 1896. Nr. 10. Jolly, Berliner klinische Wochenschrift. 1896. 8. 109. Laehr, Archiv f. Psych. 1896. Bd. XXVIII. — Derselbe, Charite- Annalen. Bd. XXI. Kocher, Die Verletzungen der Wirbelsäule u.s. w. Mittheilungen aus den Grenz- gebieten u. s. w. 1896. Bd. I. Marshall, Horsley, Proceed. of the royal soc. Vol. LVII. Bottazzi, Arch. ital. d. Biol. Vol. XXIV. Raymond, Zecons sur les maladies du systeme nerveux. Paris 1896. — Der- selbe, Sur un cas d’hemiseetion traumatique de la moelle. Nowvelle icon. de la Salp. 1897. L. R. Müller, Deutsche Zeitschrift für Nervenheilkunde. 1897. — Derselbe, Untersuchungen über die Anatomie und Pathologie des untersten Rückenmarksab- schnittes. Aabslitationsschrift. Leipzig 1898. Ruhemann, Deutsche medie. Wochenschrift. 1897. Vereinsbeilage S. 111. Hanot et Meunier, Nouvelle icon. de la salp. 1896. Bd. IX. v. Leyden-Goldscheider, Die Erkrankungen des Rückenmarks. Nothnagel’s Specielle Pathologie und T'herapie. Bd. X. Bregmann, Zeitschrift für Nervenheilkunde. 1897. Bd.X. Pitot et Cestan, Annales de dermat. 1897. T. VII. Brissaud, Le double syndrome de Brown-Sequard ete. Progres med. 1897. Nr. 29, 51. — Derselbe, Lecons sur les maladies etc. Serie X. Paris 1899. Sievers, Fall af Browu-Sequard. Finska läk. handl. 1897. Karl Jeremias, Casuistische Beiträge zur spinalen Hemiplegie u. s. w. Inaug.- Dissert. Breslau 1898. Müller, Zeitschrift für Nervenheilkunde. 1898. Bd. XII. Reinhardt, Zeitschrift für Chirurgie. 1898. Bd. XLVL. Dejerine, Progres med. 1898. Schnabl, Wiener klinische Wochenschrift. 1897. Nr. 50 u. 1898. Nr. 9. Ueber das Verhalten des Eudoxins. Von Dr. Walther Löb in Bonn. Bei der Jodirung des Phenolphtaleins entsteht, wie ich vor längerer Zeit in Gemeinschaft mit Alex. Olassen! zeigen konnte, ein Tetrajod- phenolphtalein von der Formel: ee en 200.0 welches, ausgezeichnet durch therapeutisch verwerthbare Eigenschaften, unter dem Namen Nosophen in der Therapie Verwendung findet. Von den Salzen des Nosophens sind hauptsächlich das Natrium- (Anti- nosin) und das Wismuthsalz (Eudoxin) bezüglich ihrer physiologischen und medicamentösen Bedeutung untersucht worden. Während aber die chemischen Processe, welche das Antinosin mit der Entfaltung seiner Wirkung erleidet, in einfachen und durchsichtigen Reactionen bestehen, sind bis jetzt bei dem therapeutisch vielfach untersuchten Eudoxin die chemischen Ver- hältnisse noch nicht eingehender studirt worden. Die Bedeutung derselben für das Verhalten des Eudoxins im Organismus legte die Aufgabe nahe, zunächst über die’ rein chemische Natur dieses Wismuthsalzes volle Klarheit zu schaffen. Die Wirkung des Eudoxins bei Darmaffectionen ist zuerst von Rosen- heim? ausführlich untersucht worden, später von de Buck,? von Schön- Ladniewski* und einer Reihe anderer Aerzte. Sie alle constatirten die günstige Wirkung des Eudoxins auf den Verlauf oder die Symptome ‘ Classen und Löb, Berichte der deutschen chem. Gesellschaft. Bd. XXVII. S. 1603. °” Berliner klinische Wochenschrift. 1895. Nr. 30. ° Belgique medicale. 1896. Nr. 27. * Wiener medieinische Presse. 1897. Nr. 45. 32 WALTHER Lö: bestimmter Magen- und Darmaffectionen. Während nun im Magen das Eudoxin mit Säuren in Berührung ist, wird es im Darme alkalischer Ein- wirkung unterworfen; auch stellt sich die Wirkung im Darme ein, wenn bei innerlicher Einnahme das Eudoxin zunächst den sauern Mageninhalt passiren muss. Es war deshalb zunächst von Wichtigkeit, das typische Verhalten des Eudoxins gegen Säuren und gegen Alkalien, sowie gegen künstlichen Magensaft zu prüfen. Das Eudoxin wird in der Weise dargestellt, dass man zu einer ver- dünnten wässerigen Lösung des Antinosins, des Natriumsalzes des Nosophens, eine Lösung von reinstem Wismuthchlorid in gesättigter Kochsalzlösung zusetzt, wobei sich durch doppelten Umsatz das Wismuthsalz des Nosophens bildet und als unlösliches Pulver abscheidet. Das Experiment zeigt nun, dass in Abhängigkeit von den Bedingungen zwei verschiedene Wismuthsalze entstehen, indem einmal eine völlige Neu- tralisirung des Nosophens stattfindet, sich also ein neutrales Salz bildet, dann aber auch durch nur theilweise Neutralisirung ein sogenanntes basisches Salz zur Abscheidung gebracht werden kann. Dem ersteren kommt die Formel zu: „I=10.8,J,0), SC Es entsteht nach der Gleichung: ‚e —(C,H,J,ONa), C,H z - “000 „GB2J,0), CHR Bi, +6NaCl 2 00 a und enthält 52-9 Procent Jod und 14-5 Procent Wismuth. Das basische Salz bildet sich durch die Umsetzung: e „ZGB, J,ONa), Bi,. 3 3 + 2BiC], m + BiCl, + H,O Ge —(0,H,J,0),BiOH — (ll 2NaCl + HCl. 161070) a il Es entsprieht mithin der Formel: a sH2J,0 >BiOH, GE E0 entsprechend 48-51 Procent nn = 19.98 Procent Wismuth. ÜBER DAS VERHALTEN DES EuUDoxiıns. 33 Das letztere Salz, ein völlig unlösliches, bräunlich gefärbtes amorphes Pulver, kommt als Eudoxin ausschliesslich in den Handel, so dass die folgende chemische Untersuchung sich nur auf dieses basische Salz erstreckt. Das Eudoxin besteht aus zwei Gruppen, aus dem Säurerest: 64.3.0 (= 6322 is und dem Basenrest —BiOH. Der Säurerest ist im Nosophen ebenso wie in allen seinen Salzen ent- halten. Dieser Jodphenolphtaleinkern ist, wie bereits früher! erwiesen, von ungemeiner Beständigkeit in Bezug auf die inneren Bindungen und die Festigkeit der Jodatome. Sowohl concentrirtere Säuren, wie Alkalien bleiben bei längerem Kochen auf das Molecül ohne Einfluss, eine Erscheinung, welche die vollständige Haltbarkeit des Nosophenmolecüles, die Verhinderung der Jodabspaltung im Organismus veranlasst und ebenso zur Erklärung der Ungiftiekeit des Nosophens und seiner Salze herangezogen wird. Nur ganz concentrirte Schwefelsäure und Salpetersäure vermögen eine Spaltung des Molecularcomplexes unter Freiwerden elementaren Jodes zu veranlassen. Bei dem Kochen des Nosophens und seiner Salze mit Natron- lauge resultirt stets unzersetztes Antinosin, während Säuren das unver- änderte Nosophen zurückliefern. Anders verhält sich der Basenrest des Eudoxins —Bi—OH, dessen leichte Abspaltung und Reactionsfähigkeit eine ganze Reihe von Verände- rungen zulässt. I. Verhalten des Eudoxins gegen Alkalien. Aus dem Eudoxin wird durch Natronlauge selbst in der stärksten Verdünnung Antinosin gebildet, welches sich mit der bekannten blauen Farbe auflöst. Das Wismuth scheidet sich als weisses, flockiges Pulver ab, zunächst als Hydrat Bi(OH),, welches aber bereits in der Flüssigkeit unter Wasserabspaltung in das Metahydrat BiO-OH übergeht: Bi(OH), = BiO-OH + H,O. Die Zersetzung ist eine so vollständige, dass man das Wismuth auf diese Weise quantitativ bestimmen kann. Bei Anwendung concentrirter Alkalien löst sich das gebildete Antinosin mit hellbrauner Farbe auf, indem eine Sprengung des inneren Lactonringes stattindet. Der Gang der Zersetzung ist der nämliche, wie der in ver- dünnter Lösung. ! Classen und Löb, Berichte der deutschen chem. Gesellschaft. Bd. XXVII. S. 1603. — Löb, Verhandl. deutscher Naturforscher u. Aerzte. 1895. Bd. II (2). S. 49. Archiv f, A. u. Ph. 1899. Physiol, Abthlg. Suppl. 3 34 WALTHER Löp: II. Verhalten des Eudoxins gegen Salzsäure. Bei der Bedeutung der Salzsäure für den Organismus habe ich zunächst das Verhalten des Eudoxins nur gegen diese Säure geprüft. Das Resultat ist allgemein, dass bei Berührung des Eudoxins mit Säuren alsbald Nosophen abgespalten wird, während das Wismuth in das betreffende Salz der Säure, bezw. in die weiteren Umwandlungsproducte des Salzes übergeht. In ganz concentrirter Salzsäure wird das Wismuth als lösliches Wis- muthchlorid in Lösung gehalten, während das Nosophen als helles, flockiges Pulver sich abscheidet. Die Umsetzung vollzieht sich nach der Gleichung: 0=(G8,J,0),Bi-OH C=(C,H,J,0H), (, 4 Deo Herne NC00 72609 Eudoxin. Nosophen. + BiCl,+ B,0. Filtrirt man das ausgeschiedene Nosophen ab und wäscht mit con- centrirter Salzsäure nach, so kann man im Filtrat das Wismuth mit Ammoniak vollständig als Hydroxyd, bezw. Metahydrat fällen. Es ist eine bekannte Figenthümlichkeit des Wismuthchlorides, nur in Gegenwart concentrirter Salzsäure oder jn mit Chloriden der Alkalien ge- sättigter Lösung (durch Bildung beständigerer Doppelsalze) sich unverändert zu halten. Setzt man aber zu solchen Lösungen des Chlorides Wasser hinzu, su tritt eine theilweise oder auch völlige Zersetzung des Chlorides unter Bildung des Oxychlorides ein, welch letzteres sich als unlösliches Pulver abscheidet: BiCl, + H,0 = Bi0C] + 2HCl. Wismuthoxychlorid. Die Menge des entstehenden Oxychlorides und des unzersetzt bleibenden und in Lösung befindlichen Trichlorides ist abhängig von der Concentration der Salzsäure, und zwar in der Weise, dass in concentrirter Salzsäure oder in concentrirten Salziösungen nur das lösliche Trichlorid, in ganz ver- dünnter Salzsäure oder in ganz verdünnten Salzlösungen nur das unlös- liche Wismuthoxychlorid gebildet wird. Bei den mittleren Concentratiönen der Salzsäure oder der Salzlösung wird stets ein Theil als Trichlorid, ein Theil als Oxychlorid abgeschieden. Das Verhältniss der beiden Zersetzungsproducte ist von den Concentrationen in dem Sinne abhängig, dass die Menge des Wismuthchlorides mit den Concentrationen wächst und mit den Verdünnungen abnimmt, während das Oxychlorid sich gerade entgegengesetzt verhält. ÜBER DAS VERHALTEN DES EUDOXINS. 35 Ill. Verhalten des Eudoxins gegen künstlichen Magensaft. Die Verdünnung der Salzsäure im Magensafte liess es als wäahrschein- lich erscheinen, dass das Eudoxin einerseits in Nosophen und andererseits nahezu vollständig in unlösliches Wismuthoxychlorid zerlegt wird. Jedoch tritt eine kleine Variation durch die Gegenwart der Chloride im Magensafte ein, welche, gleich einer stärkeren Concentration wirkend, durch Bildung beständigerer Doppelsalze mit dem Wismuthtrichlorid, den gelöst bleibenden Antheil des letzteren gegenüber den entsprechenden Ver- hältnissen in den reinen Lösungen etwas erhöht. Die Zersetzung des Eudoxins in künstlichen Magensaft geht also in der Weise vor sich, dass sich neben dem Nosophen, welches unlöslich ist, lösliches Wismuthtrichlorid, bezw. seine Doppelsalze und unlösliches Wis- muthoxychlorid bildet. Bei der Resorption dieses Reactionsgemenges in den alkalischen Darm- inhalt wird der dorthin gelangende Antheil der Wismuthsalze in Wismuth- hydroxyd, bezw. Metahydrat verwandelt, und zwar in gleicher Weise aus dem Trichlorid, wie aus dem Oxychlorid, während das unlösliche Nosophen in das lösliche Antinosin übergeht. Ein Fall von multipler Hirnnervenlähmung. Zugleich als Beitrag zur Lehre von der Geschmacksinnervation. Von Dr. R. Cassirer, I, Assistenten der Poliklinik. (Aus der Poliklinik des Hrn. Prof. H. Oppenheim.) Die Lehre von der Geschmacksinnervation gehört zu den Capiteln der Physiologie, die, obwohl viel und von den verschiedensten Seiten her bearbeitet, doch noch eine grosse Unsicherheit unserer Kenntnisse erkennen lassen. Die im Folgenden mitgetheilte Beobachtung erscheint geeignet, unser Wissen über diesen Gegenstand in einem kleinen Punkte zu mehren, und ich darf mir seine Mittheilung an dieser Stelle deshalb vielleicht gestatten. Hrn. Prof. Oppenheim gestatte ich mir für die Ueberlassung des Falles und für sein der Arbeit entgegengebrachtes Interesse meinen besten Dank zu sagen. Karl W., 48 Jahre, Arbeiter. Zum ersten Male in der Poliklinik am 19. Juni 1898 untersucht. Patient giebt an. dass er am 25. Mai 1898, als er auf einem Balken stand, etwa 1'/, bis 2” hoch heruntergefallen sei; er sei mit der rechten Kopfseite gegen das Steinpflaster aufgeschlagen und habe an der rechten Schläfen-Scheitelgegend zwei aufgeschlagene Stellen gehabt. Wodurch er gefallen sei, könne er nicht sagen, vielleicht sei er ausgerutscht, jedenfalls sei der Sturz seiner Meinung nach nicht durch einen Schwindelanfall oder etwas Aehnliches bedingt gewesen. Er war nach dem Sturz nicht bewusstlos; dagegen hatte er von vornherein sehr heftige, nach der linken Schulter ausstrahlende Schmerzen, so dass er die nächste Nacht nicht schlafen konnte; dazu fiel ihm ein wüstes, dumpfes Gefühl im Kopfe auf. Er bekam sofort einen Verband; von einer Lähmung konnte er am ersten Tage nichts bemerken; erst am nächsten Tage fiel ihm auf, dass er heiser sprach, nicht gut schlucken und den linken Arm nicht gut heben konnte. R. CassIRER: Eın FALL VON MULTIPLER HIRNNERVENLÄHMUNG. 37 Die Schlingstörung hielt vier Wochen lang an; flüssige Nahrung konnte er überhaupt nicht zu sich nehmen, weil er sich sofort verschluckte, Festes ging noch eher: er lebte mehrere Wochen hindurch fast nur von Eiern. Auch jetzt hat er noch erhebliche Beschwerden beim Schlucken, er empfindet dabei immer noch Schmerzen in der linken Seite des Halses. Die Heiserkeit der Sprache soll sich nicht gebessert haben; sonst habe er beim Sprechen keine besonderen Beschwerden gehabt, er weiss nichts von einem Beweg- lichkeitsdefeet der Zunge; nur eins fiel ihm auf, wenn er im Munde die Zunge nach der linken Seite bringen wollte, um von dort einen Speiserest heraus zu schaften, ging das nicht so gut wie früher. Die Beweglichkeits- beschränkung im Arm blieb bestehen, so wie sie im Anfang war; er konnte — en 2 _ 2 m Tic.1s den Arm nicht vollkommen erheben, besonders wenn er etwas Schweres in die Höhe bringen wollte, und er hatte dabei immer das Gefühl, als ob der Arm zu kurz wäre. Von einer Geschmacksstörung ist ihm nichts zum Be- wusstsein gekommen. — Bis zu dem Unfall sei er ganz gesund gewesen. Lues, Alcoholismus negatur. Stat. praes. Grosser, kräftig gebauter Mann. Hautfarbe etwas fahl. Subjectire Beschwerden: Unangenehmes, dumpfes, ziehendes Gefühl im Ge- nick, das nicht gerade schmerzhaft ist; beim Schlucken Schmerzen in und zur Seite des Kehlkopfes; im Kehlkopf ferner immer das Gefühl von Schleim- ansammlung. — Der linke Arm ist nicht so kräftig, wie der rechte, er hat immer das Gefühl, als ob er zu kurz wäre. Das Schlucken fester Speisen soll jetzt ganz gut gehen; beim Schlucken dünner Speisen sei immer noch Vorsicht nöthig, sonst komme ein Theil der Speisen wieder zur Nase heraus und er gerathe in’s Husten; das Kauen mache ihm keine Beschwerden. Er sei dauernd heiser. 38 R. CASSIRER: Die Untersuchung ergiebt: Beim Sprechen fällt sofort die Heiserkeit des Patienten auf; auch der Husten ist stimmlos; die Sprache klingt deut- lich nasal; sonst an der Sprache nichts Auffälliges, alle Buchstaben werden gut und in normaler Weise gebildet. Die herausgestreckte Zunge (s. Fig. 1) weicht deutlich mit der Spitze nach links ab; die Raphe bildet einen nach links coneaven Bogen; die linke Zugenhälfte ist dünner, stärker gerunzelt, und stärker mit Schleim bedeckt; in ihr sieht man lebhafte fibrilläre Zuckungen. Sie fühlt sich deutlich schlaffer an; am Boden der Mundhöhle Fig. 2. liegt die Zunge gerade; der linke Zungenrücken steht nicht höher als der rechte. Elektrisch findet sich bei directer galvanischer Reizung deutlich träge Zuekung mit Ueberwiegen der Anode; die faradische directe Erreg- barkeit ist stark herabgesetzt. Indirecte Reizung vom N. hypoglossus aus gelang nicht. Der Kehlkopf erscheint links nicht ganz so gut von Muskeln bedeckt wie rechts. Beim Sprechen oder Schlucken bleibt er genau in der Mittellinie. Der M. omohyoideus spannt sich links gut an. Die elektrische Prüfung der Muskeln am Boden der Mundhöhle und der den Kehlkopf be- deckenden Muskeln ist nur sehr schwer und mit nicht ganz sicherem Resultat durchzuführen. So viel ergiebt sich als sicher, dass an den Muskeln am Boden der Mundhöhle eine quantitative Abnahme der elektrischen Erregbarkeit Eın FALL VON MULTIPLER HIRNNERVENLÄHMUNG, 39 vorhanden ist, deutliche Entartungsreaction findet sich dagegen nicht; die nach Abhebung des sehr stark entwickelten Platysma geprüften Längs- muskeln zwischen Kehlkopf und Zungenbein zeigen elektrisch im Wesent- lichen normale Verhältnisse, jedenfalls auch keine sichere Entartungsreaction. Die Uvula steht schon in der Ruhe etwas nach rechts hinüber, der linke Gaumenbogen steht etwas tiefer als der rechte; das ganze Cavum pharyn- geum erscheint rechts etwas weiter und geräumiger wie links. Beim Phonieren wird nur der rechte Gaumenbogen spitz und steil, der linke hängt schlaff EL et Fig. 3. herunter. Die Reflexerregbarkeit des Gaumensegels ist links herabgesetzt, rechts normal. Bei stärkerem Betupfen der rechtsseitigen Rachenwand ver- schieben sich die hinteren Partieen derselben coulissenartig, beim Reflex- schlucken schieben sich die rechte Rachenwand und die rechten Gaumenbögen nach vorn und der Mitte zu, auf der linken Seite fallen diese Bewegungen aus und die linksseitige Gaumen-Rachenmuseulatur wird nur mechanisch mit- gezogen. In der Gaumen-Rachenmusculatur links besteht deutliche Ent- artungsreaction. Beim Schlucken von Flüssigkeiten kommt Patient auch heute noch in’s Husten. Dabei fällt, wie erwähnt, auf, dass der Husten stimmlos ist. Die laryngoskopische Untersuchung ergiebt: Das linke Stimm- band bleibt bei der Athmung und beim Phoniren völlig unbeweglich, das 40 R. CASSIRER: rechte überschreitet bei der Phonation die Mittellinie; das linke Stimmband ist am Rande ausgehöhlt, erscheint schlaffer. Die Stimme ist heiser. Ob der linke M. crieothyreoid. wirkt, lässt sich nicht sicher entscheiden, da auch eine Anspannung des rechten M. cericothyreoideus bei der Lautbildung nicht deutlich wird. Die ganze linksseitige Schultergegend ist in ihren Contouren verändert (vergl. auch die vorstehenden Figg. 2u.3). Die linke Schulter steht im Ganzen tiefer und etwas mehr nach vorn, der obere freie Rand des Cucullarisfehlt links. Der Kopf steht ein ganz klein wenig nach rechts hinübergeneigt, das Kinn ist dabei etwas gehoben und nach links gedreht, die Fossa supra- und infro- spinata sind deutlich abgeflächt; der acromiale Winkel des Schulterblattes steht rechts in gleicher Höhe mit dem oberen inneren Winkel, links um einige Centimeter tiefer; die Scapula ist links weiter von der Wirbelsäule abgerückt, ihr innerer Rand ist von dieser rechts 6 °“, links 8 bis 8!/, ® entfernt; er verläuft rechts in normaler Weise, etwa parallel der Wirbelsäule von unten nach oben, links dagegen etwas von oben aussen nach unten innen; aber es besteht keine ausgesprochene Schaukelstellung. Die Clavieula verläuft links mehr in gerader Linie, dadurch dass der acromiale Theil des Schulterblattes nach vorn zu vorgeschoben ist. Das Schulterheben erfolgt links mit viel geringerer Kraft als rechts; man sieht dabei keine Anspannung der oberen Bündel des Cucullaris, während der auch in der Ruhe schon etwas stärker hervortretende Levator angul. scapul. deutlieh hervorspringt. Auf das Commando: Brust heraus! wird links die Annäherung der Schulter an die Wirbelsäule nur unvollkommen ausgeführt. Dabei springen wieder der M. levat. angul. scap. und besonders die Rhomboidei sehr stark hervor, während von den Contouren des Cucullaris, die rechts sehr deutlich sind, nichts zu sehen ist; abnorm deutlich markirt sich durch das Fehlen des Cucullaris der innere Scapularrand; durch den starken Zug des Levator und der Rhom- boidei wird dabei der obere Theil des Schulterblattes ein wenig nach aussen gedreht und sein unterer Winkel gehoben. Die Erhebung des Armes über die Horizontale gelingt nur, wenn das linke Schulterblatt dabei vom Unter- sucher im Sinne einer Wirkung des Cucullaris angehoben wird; es fehlen beim Erheben des Armes ganz die rechts sich abhebenden unteren Cucullaris- bündel. Der untere Winkel wird beim Erheben des Armes über die Horizontale vollkommen normal nach aussen gedreht. — Der linke M. sternocleidom. tritt in der Ruhe weniger deutlich hervor, als der rechte, doch ist sowohl die Formendifferenz, als die Funetionsschwäche hier nicht so erheblich als beim Cucullaris; die Bewegungen (insbesondere Drehung des Kopfes nach rechts und Heben des Kinnes) gelingen, wenn auch mit deutlich ver- minderter Kraft. Im linken Sternocleidomast. und Cucullaris besteht typische Entartungsreaction, nur die oberen Cucullarisbündel sind faradisch noch er- regbar, aber auch hier besteht deutliche, träge Zuckung bei galvanischem Reiz; es gelingt nicht, im Gebiet des mittleren Cueullaris normal reagirende Muskelfasern mit Sicherheit aufzufinden. Der Geschmack ist auf der ganzen linken Zungenhälfte, sowohl auf den vorderen Partien wie in der Gegend der Papillae eircumvallatae und hinter denselben aufgehoben. Es wurden alle vier Geschmacksqualitäten geprüft, und zwar süss mittels starker Zuckerlösung, salzig mittels starker Kochsalzlösung, sauer durch Acid. acet., bitter durch Tinet. chinae. Die Eın FALL VON MULTIPLER HIRNNERVENLÄHMUNG. 41 Angaben des Patienten über diesen Punkt sind stets bestimmt und eindeutig; die Prüfung wurde in der nächsten Zeit mehrmals wiederholt, immer mit demselben Resultat. Der Geschmack am Gaumen wurde nicht geprüft. Rechts wurden an allen Abschnitten der Zunge richtige Angaben gemacht. Sensibilität: Berühruugen und Nadelstiche im ganzen Gesicht, auch an Augen und Nasenschleimhaut und der Schleimhaut des Mundes und der Zunge prompt und sicher gefühlt. Nur an den hintersten Zungentheilen in der Gegend hinter den Papillae circumvallatae und an den hinteren Gaumen- partieen werden Pinselberührungen und Nadelstiche links ganz constant weniger sicher und weniger schmerzhaft empfunden als rechts; ebenso spürt Pat. die Kälte eines Glasstabes rechts deutlicher als links in den hinteren Rachen- partieen; auch beim Schlucken kalten Wassers hat er rechts eine stärkere Kälteempfindung, trotzdem die Speisen wegen der linksseitigen Rachen- muskellähmung im linken Rachenraum längere Zeit verweilen. Die Kaumusculatur wirkt beiderseits gleich kräftig. Der Facialis ist völlig intaet. Die Augenbewegungen sind frei; die Pupillen reagiren prompt. Der Augenhintergrund ist normal. Der Geruch ist beiderseits gut; ebenso das Gehör. An den Extremitäten finden sich keinerlei Störungen; die Patellarreflexe sind ziemlich stark. Der Puls ist etwas beschleunigt, 88 in der Minute, regelmässig, stark gespannt. An der Radialis wie an den anderen fühlbaren Arterien starke Arteriosklerose. Cor perkutorisch und auscultatorisch normal. Im Urin ziem- lich erheblicher Eiweissgehalt. Keine geformten Bestandtheile im Urin. — Behandlung: Labile Galvanisation der gelähmten Muskeln und stabile quer durch die Med. oblong. Die weitere Beobachtung lässt einen langsamen aber stetigen Rück- gang aller krankhaften Symptome erkennen. Im Folgenden seien aus den wiederholt aufgenommenen Status nur die wichtigsten Angabeu entnommen, um das allmähliche Fortschreiten der Besserung erkennen zu lassen. 27. August 1898. Stimme heiser. Kauen geht gut; das Essen kommt nicht mehr zur Nase heraus; doch muss Patient auch heute noch Flüssiges vorsichtig schlucken. Zunge gerade, linke Hälfte deutlich atrophisch; kein Unterschied im Zungenbelag. Rechter Gaumenbogen wird beim Phoniren deutlich spitzer; das Zäpfehen verzieht sich dabei stärker nach rechts. Reflexerregbarkeit des Gaumens wie vordem. Ein kalter Glasstab auch heute noch hinten am Gaumen rechts kälter empfunden wie links; doch ist der Unterschied nicht sehr gross und für die anderen Qualitäten des Gefühls über- haupt nicht mehr sicher. — Bei foreirtem Athmen sieht man jetzt einige Bündel der Clavieularportion des Cucullaris sich anspannen, insbesondere wenn man dabei die Schulter niederdrückt. Sonst fehlt Cueullariswirkung noch völlig. — Elektrische Erregbarkeitsverhältnisse überall wie vordem; Geschmack ebenso. Mitte September 1898. Die Klagen über dumpfen Schmerz im Genick dauern fort, ebenso über gelegentliches Verschlucken und die Beweglichkeits- störung im Arm „als ob der Arm zu kurz wäre“. Die Zunge kommt jetzt gerade heraus; die linke Zungenhälfte ist noch deutlich dünner und mehr gerunzelt; im Zungenbelag kein Unterschied; einige fibrilläre Zuckungen in der linken Zungenhälfte. Deutliche Entartungsreaction. An der linken 42 R. CASSIRER: Schulter Configurationsanomalien wie vordem, im Ganzen nur etwas weniger ausgesprochen; das Schulterheben gelingt schon etwas besser. Beim Er- heben des Arms noch dieselben Beschwerden. wie vordem. Die Contour des linken Sternocleidomast. tritt ganz deutlich hervor, die Wirkung des Muskels bleibt nur mässig hinter der des rechten zurück. Entartungsreaction im Cueullaris. Laryngoskopisch wie vordem; ebenso Geschmack dauernd auch auf der vorderen linken Zungenhälfte fehlend. Sensibilität überall auch an den hinteren Zungenpartieen und am Gaumen normal. Im Urin Eiweiss, auch jetzt wie bei allen späteren Untersuchungen keine geformten Elemente nachweisbar. 2. December 1898. Sehr erhebliche Besserung. Der Geschmack auf der ganzen linken Zungenhälfte stark herabgesetzt, vielleicht eine geringe Besserung gegen früher. Keine Heiserkeit der Stimme mehr; laryngosko- pisch ganz normal. Die Stellungsanomalie des linken Schulterblattes eben noch angedeutet; im Gebiet des linken Cucullaris noch die letzten Zeichen der entschwindenden Entartungsreaction im unteren Theil des Muskels. Schulter- heben gut, Armheben noch etwas abgeschwächt. Zunge links noch eine Spur dünner wie rechts; keine Entartungsreaction mehr. Im Urin Eiweiss. Subjeetive Beschwerden (Schmerzen im Genick) wie vordem. 26. Januar 1899. Klagen über Schmerzen, die vom Halse aus zum Genick ziehen, und über Schleimansammlung im Kehlkopf, namentlich des Morgens. Der linke Arm soll nicht so hoch gehoben werden können wie der rechte; im ganzen Körper soll eine Schwäche bestehen, die ihn voll- kommen arbeitsunfähig mache. Beim Schlucken keine Beschwerden mehr. Zunge gerade, linke Zungenhälfte an den Rändern noch etwas dünner wie rechte. Keine Entartungsreaction mehr, nur geringe quantitative Herab- setzung, Stellung des linken Schulterblattes im Ganzen etwas tiefer, Spina scapulae verläuft links noch ein ganz klein wenig mehr horizontal wie rechts. Abstand beider Schulterblätter von der Mittellinie fast gleich. Geringes Maass von Cucullarisatrophie, so dass die Fossae supra- und infraspinat. etwas eingesunken sind, die Spina und der innere Rand des Schulterblattes etwas mehr hervortreten und auch der untere Rand des Rhomboid. inf. links deutlicher sichtbar ist. Function des Cueullaris beiderseits gleich, auch beim Erheben des Armes kein Bewegungsdefect, wenn die Bewegung auch links etwas mühsamer geschieht. Elektrisch mässige, quantitative Herab- setzung, namentlich im oberen Cucullarisabschnitt, kein Zeichen von Ent- artungsreaetion mehr. Im Sternocleidom. zwischen rechts und links kein Unterschied mehr. Laryngoskopisch normal; Gaumensegel bewegt sich beider- seits gleich gut. Geschmack auf beiden Zungenhälften heute ganz gleich; keine Störungen der Sensibilität. Eiweiss im Urin, wie vordem. Puls 104, etwas klein; starke Arterio- sklerose. Herzgrenzen normal. Keine Hypertrophie des linken Ventrikels. Keine Oedeme. Allgemeinzustand gut. Es wird dem Patienten gerathen, seine Arbeit versuchsweise wieder aufzunehmen. Fassen wir die wichtigsten Punkte der Krankengeschichte noch einmal zusammen. Bei einem 48jähr. Arbeiter, der bis dahin schwere Arbeit an- standslos verrichten konnte, entsteht im Anschluss an einen Sturz aus Eın FALL VON MULTIPLER HIRNNERVENLÄHMUNG. 43 1'/,® Höhe auf den Kopf ohne sichere Zeichen einer schweren Gehirn- erschütterung (Bewusstlosigkeit, Erbrechen, Krämpfe) oder einer Schädel- fractur (Blutung aus Nase, Ohr, Mund) folgendes von uns zuerst 4 Wochen nach dem Unfall beobachtete Krankheitsbild: Degenerative Atrophie der linken Zungenhälfte mit Entartungsreaction, Lähmung der linksseitigen Gaumen-, Rachen- und Kehlkopfmuseculatur, de- generative atrophische Lähmung des linken Sternocleidomastoi- deus und Cueullaris mit Entartungsreaction, völlige Aufhebung des Geschmackes auf der ganzen linken Zungenhälfte, Auf- hebung bezw. Abschwächung der Sensibilität auf den hintersten Theilen der Zunge und am weichen Gaumen, während im Uebrigen die Sensibilität an den Schleimhäuten der Zunge, der Wangen, der Nase und des Auges sowie die der Haut des Gesichts ganz intact war. Die Functionen aller übrigen Hirnnerven blieben ungeschädigt, es bestand von weiteren Krankheitssymptomen überhaupt nur noch eine mässig starke Arteriosklerose und eine Albuminurie Der Verlauf war ein überraschend günstiger; es trat im Verlauf von ?/, Jahren eine fast vollkommene Genesung ein. Die Krankheitssymptome besserten sich ganz allmählich und ganz stetig; zuerst verschwand die von Anfang an nicht sehr in den Vordergrund tretende Sensibilitätsstörung, es folgten die Lähmungserscheinungen, zuerst die von seiten derRachen-, Gaumen-, Kehlkopfmusculatur, dann die am Sternocleidomastoideus, am Cueullaris und der Zunge, zuletzt verschwand, und zwaranallen Theilen der Zunge gleichzeitig, die Geschmacksstörung. Als der Kranke aus unserer Behandlung entlassen wurde, bestand neben der Arterio- sklerose noch die Albuminurie, die übrigens dauernd ohne sichere Zeichen einer Nephritis verlief, nie Oedeme, nie Cylinder u. s. w. im Harn, keine Vergrösserung des linken Ventrikels. Die Diagnose des Falles ist unschwer zu stellen: Paralyse bezw. Parese deslinken N. hypoglossus, Vagus, Accessorius und Glosso- pharyngeus. Abgesehen von der Wichtigkeit, die der Fall für die Frage der Ge- schmacksinnervation hat, bietet er auch sonst noch eine Reihe interessanter Momente. An der Richtigkeit der Diagnose kann kein Zweifel sein. Es könnte sich höchstens darum handeln, ob die totale Geschmackslähmung zu der Annahme zwingt, dass ausser dem Glossopharyngeus auch der Trigeminus noch geschädigt sei, trotz des Fehlens aller anderen für eine Läsion des Trigeminus sprechenden Symptome. Auf diese Frage wollen wir erst später eingehen. Abgesehen davon also bedarf die symptomatologische Diagnose keiner weiteren Begründung. Auch die Beantwortung der Frage, wo die 44 R. CASSIRER: Schädigung der Nerven erfolgt ist, macht keine besonderen Schwierigkeiten. In der Medulla oblongata selbst, sei es im intramedullären Verlauf der Nerven, sei es in den Kernen, kann die Läsion nicht sitzen, weil bei der ausserordentlichen Höhenausdehnung, die ein solcher Herd haben müsste, nothwendiger Weise eine Affection anderer Theile des Querschnittes, darunter auch der lebenswichtigen Athmungscentren, der Schleife u. s. w. statthaben müsste. Das also können wir ohne Weiteres ausschliessen und es bleibt als Sitz der Läsion nur der extramedulläre Verlauf der Nerven. Da wir nun für die offenbar gleichzeitig entstandene Lähmung aller vier Nerven nur eine einzige Ursache anzunehmen geneigt sein werden, so müssen wir den Ort der Läsion dort suchen, wo durch eine Schädigung alle vier Nerven betroffen werden können; das ist zunächst in der intra- craniellen Verlaufsstrecke der vier Nerven von ihrem Austritt aus der Me- dulla oblongata bis zu ihrem Austritt aus der Schädelhöhle durch das Foramen jugulare bezw. Foramen condyloid. ant. Aber auch noch ausser- halb des Schädels, unmittelbar nach ihrem Austritt liegen die vier Nerven so nahe bei einander, dass sie gemeinsam geschädigt sein könnten. Doch wird die Annahme eines solchen Sitzes der Läsion sofort unwahrscheinlich, wenn wir bedenken, wodurch diese bedingt wurde. Sie entstand im An- schluss an einen Sturz auf den Kopf; ob sie sofort im selben Augenblicke eintrat, oder sich erst im Laufe einiger Stunden entwickelte, ist, da über den Patienten aus dieser Zeit keine ärztlichen Angaben uns vorliegen, nicht mehr sicher festzustellen; wie dem auch sei, jedenfalls waren nach 24 Stunden evidente Zeichen der Lähmung vorhanden. Ein etwas allmähliches Einsetzen würde am besten mit der Annahme übereinstimmen, dass eine langsam anwachsende Blutung nach und nach die Nerven comprimirte. Die An- nahme einer Blutung erscheint mir aber für jeden Fall die plausibelste, namentlich in Rücksicht auf den günstigen Verlauf des Falles. Denn würde es sich um eine directe Zerstörung der Nervenbündel, etwa durch die mit einer Basisfractur gleichzeitig entstandene Continuitätstrennung der Nerven gehandelt haben, so wäre eine so rasche und so vollständige Restitutio ad inte- grum schwer zu begreifen. Und die Ursache der Blutung? Darüber können wir nur Vermuthungen haben. Zeichen einer Basisfractur können wir der Erzählung des Kranken nicht entnehmen, es bestand keine Bewusstlosig- keit, keine Blutung aus Nase, Ohr oder Mund; trotzdem kann ja eine Fractur sehr wohl vorgelegen haben und die Ursache einer Blutung gewesen sein. Aber es ist auch noch etwas anderes denkbar: Patient hat eine starke Arteriosklerose und wir könnten daher auch annehmen, dass bei dem Fall auf den Kopf die Blutung ohne Dazwischenkunft einer Basisfractur aus einem arteriosklerotisch veränderten Gefässe erfolgte. Die Arterio- sklerose hat bei dem Unfall vielleicht auch weiterhin ihre Hand im Spiele Eın FALL VON MULTIPLER HIRNNERVENLÄHMUNG. 45 gehabt; es ist nämlich nicht aufgeklärt, wieso Patient gestürzt ist; Patient selbst denkt daran, dass er mit dem Fuss irgendwie hängen geblieben sei, doch weiss er nichts Sicheres; er verneint es auch, einen Schwindel verspürt zu haben, durch den er zu Fall gekommen sei, doch ist ein Zusammenhang der Art wohl denkbar, dass Patient plötzlich, von einem arteriosklerotischen Schwindelanfall befallen, herabgestürzt sei. Dass die Arteriosklerose etwa erst nach dem Unfall entstanden sei, ist ganz unwahrscheinlich, denn wenn so etwas auch im Anschluss an Schädel- bezw. Gehirnerschütterungen vor- kommt, so ist in unserem Falle, wo 4 Wochen nach dem Unfall schon eine ausgesprochene Arteriosklerose bestand, ein solcher Zusammenhang nicht annehmbar. Noch von einem zweiten bei dem Kranken beobachteten Symptom ist es mir wahrscheinlich, dass es schon vor dem Unfall bestand, das ist die dauernd bei ihm nachgewiesene ziemlich erhebliche Albuminurie. Albuminurie ist bekanntlich bei Processen, die mit einer Raumbeschränkung in der hinteren Schädelgrube einhergehen, und ferner auch sonst bei Kopfverletzungen gefunden worden. Aber die Albuminurie scheint mir in dem vorliegenden Falle für eine solche Genese einmal zu constant und zu hochgradig zu sein, und was besonders gegen eine solche An- nahme spricht, sie ist nicht mit dem Rückgang der übrigen Symptome, der doch auch eine Resorption der Blutung und ein Aufhören der Com- pression der Medulla oblongata zur Voraussetzung hat, verschwunden. Des- halb nehme ich an, dass sie schon vor dem Unfall vorhanden war. Mit dieser Annahme steht das Bestehen der Arteriosklerose gut in Ueberein- stimmung. Wir sind mit diesen Erörterungen bereits in die Besprechung der Symptomatologie unserer Beobachtung hineingerathen. Im Folgenden wollen wir noch weiter einzelne bemerkenswerthe Punkte aus der Krankengeschichte erörtern. Die halbseitige Zungenatrophie zeigt das gewöhnliche, in den letzten Jahren oft geschilderte Bild. — Es wurde bei der Untersuchung der Funetion sowohl wie der elektrischen Erregbarkeit besonders auf das Verhalten der den Mundboden bildenden Muskeln und der Unterzungenbeinmuskeln geachtet. Ganz sichere Resultate erhielten wir nicht, doch schien die Unterzungenbeinmusculatur nicht gestört zu sein: der Omohyoideus war sicher intact, der Kehlkopf verschob sich bei Bewegungen nicht nach einer Seite, eine überzeugende Abflachung des Halses zwischen Kinn und Zungenbein bestand nicht und die elektrische Untersuchung ergab keine sicheren Anzeichen von Entartungsreaction. Es scheint, soweit aus der Litteratur zu entnehınen ist, dass diese Muskeln nur dann bei einer Hypo- glossuslähmung betheiligt sind, wenn der Hypoglossusstamm unterhalb der Anastomose mit den oberen Cervicalnerven betroffen wird; aus dieser 46 R. CAssIRER: Anastomose scheinen nämlich die später in die Ansa hypoglossi über- gehenden Fasern ganz oder zum grössten Theil zu stammen. Die In- tegrität dieser Muskeln in unserem Fall stimmt zu der Annahme eines Sitzes der Läsion oberhalb dieser Stelle. — Die Muskeln des Mund- bodens waren, dem Resultat der elektrischen Untersuchung nach — deut- liche quantitative Herabsetzung — von der Parese mit betroffen. Die klassischen Symptome der halbseitigen Zungenatrophie waren in unserem Falle deutlich vorhanden: die Ablenkung der herausgestreckten Zunge nach der gelähmten Seite, die concave Krümmung der Raphe, die Schlaffheit, die fibrillären Zuckungen und die Runzelung der gelähmten Zungenhälfte und die Entartungsreaction. Im Munde lag die Zunge gerade, wich nicht, wie öfter beobachtet, nach der gesunden Seite ab. Die Functionsstörungen waren, wie in vielen dieser Fälle, sehr gering. Auf besonderes Befragen gab Patient die Schwierigkeit zu, Speise- reste mit der Spitze der Zunge aus der linksseitigen Backentasche heraus- zuholen; die sonstigen Bewegungen der Zunge waren intact. Viel erheb- lichere functionelle Störungen hat Dinkler (10) beschrieben: Die Aus- sprache des x und sch ist erschwert, bei dem Versuche, rasch zu sprechen, versagt die Zunge sehr schnell, und die Worte werden unverständlich. Die Speisen bleiben grösstentheils nicht auf der gelähmten Zungenhälfte liegen, so dass sie von dem Kranken mit dem Finger hervorgeholt werden müssen. Um den Bissen von der Zunge nach dem Rachen zu befördern, bedarf es vielfach besonderer Mühe und einer Art Rückwärtsschleudern des Kopfes. In keinem bisher beschriebenen Falle einseitiger Hypoglossuslähmung finden sich sonst so hochgradige Störungen des Sprechens und Essens; in einer Reihe von Beobachtungen aber findet sich doch immerhin auch die eine oder die andere Functionsstörung; so um nur von den neueren Fällen einige zu nennen, konnte Kron’s (27) Patient das R nicht aussprechen, Moyer’s (38) Patient bemerkte, dass er mit der gelähmten Seite nicht so gut essen und die Speisereste nicht so gut herausbringen konnte, Hirsch’s (24) Kranker konnte die Zunge Anfangs nicht nach der gelähmten Seite bringen, Marina’s (38) hatte Schwierigkeiten beim Aussprechen gewisser Buchstaben (s und r) und auch beim Essen. Marina führt diese Störungen darauf zurück, dass hier die XII. Lähmung acut einsetzte; das hat aber nicht für alle übrigen Fälle Geltung und es bedarf noch weiterer Nachforschung nach der Ursache dieses differenten Verhaltens. In unserem Falle bestanden Störungen des Sprechens — abgesehen von der anders bedingten Heiser- keit und dem Näseln -— nicht. Die Lähmung war acut entstanden, aber freilich war sie niemals vollständig und zudem hatten wir den Kranken in der ersten Zeit nach dem Einsetzen der Lähmung nicht in Beobachtung. Dass die Sensibilität der Zunge, abgesehen von den hintersten Partieen Eın FALL VON MULTIPLER HIRNNERVENLÄHMUNG. 47 derselben, intact war, entspricht der allgemein anerkannten Erfahrung, dass der Hypoglossus nichts mit der Sensibilität der Zunge zu thun hat; die Hypästhesie im hintersten Abschnitt der Zunge (wie auch am Gaumen und im Rachen) ist auf die Affection des X. bezw. IX. Hirnnerven zurück- zuführen. Endlich sei noch in Rücksicht auf die bisweilen geäusserte Ansicht, dass das Platysma vom Hypoglossus versorgt werde, erwähnt, dass dasselbe in unserem Falle sehr stark entwickelt war und elektrisch normale Reaction zeigte. Die Lähmung des Sternocleidomastoideus und des Cueullaris sind durch die Läsion des äusseren Accessoriusastes bedingt gewesen. Die Schwäche des Sternocleidom. war von vornherein weniger ausgesprochen als die des Cueullaris, der Kopf wurde ein wenig im Sinne des entsprechenden gesunden Muskels der anderen Seite nach links gehalten, das Kinn etwas gehoben; die Drehung des Kopfes nach der gesunden Seite war schwächer als die nach der kranken; die Atrophie des Muskels war niemals sehr aus- gesprochen, die Besserung trat hier früher als im Cucullarisgebiet ein. Die Schultergegend zeigte die bei der einseitigen Cucullarissch wäche stets gefundenen Anomalien in der Configuration und in der Stellung des Schulterblattes. Wir brauchen auf die in der Krankengeschichte ausführ- lich mitgetheilten Einzelheiten, den Tiefstand der Schulter, das Herabsinken und Nachvorngehen des Schulterblattes, das Abrücken desselben von der Mittellinie und seine Drehung um den äusseren oberen Winkel, hier nicht weiter einzugehen. Die Drehung war nur in sehr geringem Maasse vor- handen, sie documentirte sich darin, dass der innere Schulterblattrand nicht mehr parallel der Wirbelsäule, sondern ein klein wenig schief von innen unten nach aussen oben verlief. Es’ bestand also keine ausgesprochene Schaukelstellung. Bekanntlich hat die Frage nach der Entstehung des Mourvement de bascule vielfache Erörterungen hervorgerufen. Remak (42) hat zuerst 1838 und dann 1892 darauf aufmerksam gemacht, dass bei einer durch operative Läsion am Foramen jugulare veranlasste Cucullarisläimung die Drehstellung fehlt. Da nun das Versagen des mittleren Drittels diese Stellung bedingt, so ist er zu der Ansicht gekommen, dass dieser Abschnitt des Muskels von Cervicalästen aus dem zweiten bis vierten Cervicalnerven versorgt würde. Die späteren Erfahrungen sind im Allgemeinen dieser Remak’schen Ansicht günstig gewesen, noch in jüngster Zeit fehlte bei hoher Accessoriusläihmung die Schaukelstellung in einem Falle von Kron (28), und war dagegen in einem Falle von Lähr (30) vorhanden, wo die Narbe sich im mittleren Drittel des Halses befand und zudem Sensibilitäts- störungen eine sichere Mitbetheiligung cervicaler Aeste verriethen. Auch die Fälle von Neisser (89a) und Sternberg (49) sprechen zu Gunsten 48 R. CAsSIRER: der Remak’schen Anschauung, für die sich auch jüngst noch Souques et Duval (48) aus verschiedenen Gründen ausgesprochen haben. Auch in unserem Falle mit hohem, d. h. intracraniellem Sitz der Läsion des Ac- cessorius fehlte die Schaukelstellung. Allerdings war es uns andererseits nicht möglich, mit Sicherheit ein elektrisch normal reagirendes mittleres Bündel nachzuweisen, und es ist zweifelhaft, ob man aus dem Fehlen der Schaukelstellung auf das Vorhandensein eines intacten solchen Bündels in unserem Falle schliessen darf; man könnte einer solchen Annahme gegen- über einwenden, dass überhaupt keine ganz totale Läsion des Accessorlus vorlag, dass ebenso wie die Function des Sternocleidomastoideus auch die des mittleren Oucullarisdrittels nicht ganz aufgehoben war und so der Ein- tritt der Schaukelstellung vermieden wurde. Unsere Beobachtung ist für die Entscheidung dieser Frage nicht recht zu verwerthen; immerhin wird man Remak auch nach dieser Beobachtung zugestehen müssen, dass „Er- fahrungen, dass die Drehstellung des Schulterblattes auch nach intra- cranieller Erkrankung des Accessorius oder Läsionen desselben bald nach seinem Austritt aus der Schädelhöhle zu Stande kommt, nicht vorliegen. So lange solche nicht beigebracht sind, muss man daran festhalten, dass die motorischen Nerven desjenigen Cucullarisabschnittes, durch dessen Läh- mung die Drehstellung entsteht, zum Cucullaris erst später entweder in der Bahn des Accessorius oder direct aus den Cervicalnerven gelangen.“ Die durch die Schwäche des Cucullaris bedingten Functionsstörungen waren bei unserem Kranken die gewöhnlichen: es fiel aus bezw. war sehr schwach die Hebung der Schulter und die Anspannung des clavicularen Bündels bei foreirter Athmung (oberes Drittel), die Hebung des Schulter- blattes, sowie die Adduction des Schulterblattes bis an die Wirbelsäule beim Commando „Brust heraus“ (mittleres und unteres Drittel). Bei dem Ver- such, diese Bewegung auszuführen tritt, wie wir auf der Figur 3 sehen, die Contour des M. levator angul. scapul. und der untere Rand des Rhom- boid. abnorm deutlich in Erscheinung. Interessant und wichtig ist die auch in unserem Falle beobachtete Schwäche beim Erheben des Armes, nament- lich über die Horizontale hinaus. Man wird in solchem Falle immer geneigt sein, an eine Mitbetheiligung des M. deltoid. und besonders des Serrat. antic. major zu denken. Wir konnten uns überzeugen, dass beide Muskeln in unserem Falle in normaler Weise vorhanden waren, so dass die Erklärung für die Functionsschwäche beim Erheben des Armes nur in der Cucullaris- Parese zu suchen ist. Das hat Duchenne (12) schon festgestellt, indem er bemerkte, „wenn auch der Serratus antic. maj. die mittlere Portion des Cucullaris zum Zwecke der senkrechten Erhebung des Armes immer er- setzen kann, so resultirt nichtsdestoweniger aus dem Wegfall dieser letz- teren Muskelwirkung eine beträchtliche Abschwächung bei allen Bewegungen Eın FALL VON MULTIPLER HIRNNERVENLÄHMUNG. 49 der oberen Extremität, sobald der Oberarm sich vom Rumpf entfernt und ganz besonders, wenn er über die Horizontale erhoben wird.“ Es ist leicht zu verstehen, dass bei einer Lähmung des ganzen Cucullaris die Bewegungs- störung im Oberarm eine recht erhebliche wird. So konnte ein Kranker Lähr’s den Arm nach vorn bis zur Horizontalen erheben, nach der Seite dagegen nur so weit, dass der Arm mit der Brust einen ganz spitzen Winkel bildete. „Zur Drehung der Scapula sei es nothwendig, dass letztere im oberen Theil fixirt wird; ist dies durch Cucullarislähmung nicht möglich, so kann auch der Serratus nicht ordentlich in Action treten.“ Man wird überhaupt bedenken müssen, dass durch die abnorme Stellung, die das Schulterblatt bei. der Cucullarislähmung einnimmt, die Insertionspunkte der dort inserirenden Muskeln derart verschoben werden, dass ein volles Inactiontreten dieser Muskeln nicht mehr möglich ist. Auf diese Stellungs- anomalien und die dadurch bedingte Zerrung des Bandapparates des Schultergelenkes werden wir auch die Schmerzen im Arme, über die unser Kranker ebenso wie andere in gleicher Lage lange Zeit klagte, zurück- führen müssen. Von weiteren motorischen Ausfallserscheinungen bestanden bei unserem Falle eine Lähmung der Gaumen-Rachenmuseulatur und eine solche der inneren Kehlkopfmuskeln, Lähmungen also, die man bisher auf eine Störung des N. vagus und des „inneren“ Astes des Accessorius bezogen hat. Die Zugehörigkeit dieses inneren Astes zum Accessorius ist, wie be- kannt, in letzter Zeit sehr energisch bestritten worden, indem behauptet wurde, dass die in diesem verlaufenden Fasern dem Vagus entstammten; der Accessorius soll nach dieser Auffassung, die, wenn auch von der über- wiegenden Mehrzahl der Forscher angenommen, doch noch nicht ganz un- bestritten ist, nichts mit der motorischen Innervation speciell des Kehl- kopfes zu thun haben. Da unser Fall in keiner Weise uns befähigt, zu dieser Streitfrage in dem einen oder dem anderen Sinne Stellung zu nehmen, so verzichten wir auf eine weitere Erörterung desselben und halten uns nur an die Symptome, die unser Fall in dieser Beziehung zeigt. Die Functionsstörung war die gewöhnliche und bot nichts Besonderes. Die Sprache war näselnd und heiser, Flüssigkeit kam beim Essen durch die Nase, es bestand eine Schwierigkeit, feste Gegenstände zu schlucken und Patient kam beim Schlucken leicht in’s Husten. Die Bewegungs- defecte am Gaumensegel, am Zäpfchen und am Stimmband (Cadaver- stellung) waren die gewöhnlichen. Die Gaumen-Rachenmuskeln zeigten deutliche Entartungsreaction, das Cavum pharyngeum erschien auf der rechten Seite geräumiger als auf der linken. Das scheint in den ver- schiedenen Fällen verschieden zu sein, wie Möbius (37) gezeigt hat, der in einem Falle eine Erweiterung der Rachenhöhle auf der kranken Seite Archiv f. A.u. Ph. 1899. Physiol. Abthlg. Suppl. 4 50 R. CAsSIRER: fand, in einem anderen eine Verengerung. „Von vornherein“, sagt er, „könnte man zweifelhaft sein, welche Wirkung eine halbseitige Parese der Constrietores pharyngis auf die Lage der Rachenschleimhaut habe. Man könnte sich ebenso denken, dass die Rachenhöhle erweitert, als dass ihre Wölbung durch den Zug der gesunden Muskelbündel abgeflacht werde.“ Wodurch die Verschiedenheiten bedingt werden, entzieht sich vorläufig unserer Beurtheilung. Die laryngoskopische Untersuchung ergab das für Recurrenslähmung typische Bild: Cadaverstellung, beim Phoniren bleibt das kranke Stimm- band unbeweglich, das gesunde nähert sich ihm bis über die Mittellinie. Ob der N. laryngeus sup. an der Lähmung betheiligt-war, können wir nicht entscheiden; die äussere Betastung des Kehlkopfes liess uns auch auf der gesunden Seite eine Anspannung des M. cricothyreoid. bezw. eine An- näherung von Schild- und Ringknorpel nicht deutlich erkennen. Und die Sensibilität im Kehlkopf, die bei Lähmung des N. laryngeus sup. gestört ist, wurde nicht geprüft. Im Spiegelbild soll nach Gerhardt die Lähmung des Laryng. sup. am ehesten daran zu erkennen sein, dass der schlaffere Stimmbandrand mehrfache seichte Wellenbiegung zeige." Uns fiel nur aut, dass der Stimmbandrand concav war. Die einzige Sensibilitätsstörung, die wir in dem ganzen Krankheits- bilde fanden, war eine Hypästhesie für alle Qualitäten am hintersten Theil der Zunge, am Gaumen und im Rachen, die wir auf die Vago-Accessorius- paralyse zu beziehen haben. Nach Bernhardt ist über das Vorkommen solcher Störungen bei diesen Nervenlähmungen wenige bekannt; bei Läh- mungen im Gebiet des äusseren Accessoriusastes fehlen sie stets, bei solchen des inneren Astes (bezw. des Vagus) können sie auch fehlen, wie Bern- hardt in einem eigenen Falle nachweisen konnte Remak fand dagegen in einem Falle eine leichte Herabsetzung der Sensibilität im Bereich der gelähmten Gaumensegelnälfte und der gesammten Kehlkopfschleimhaut; Minor fand in zwei Fällen sogar eine complette Anästhesie des ganzen weichen Gaumens und des Pharynx. . Es scheinen hier individuelle Verschiedenheiten zu bestehen, indem offenbar in einer Anzahl von Fällen der X. und XI. (und vielleicht auch der IX.) Hirnnerv die sensible Innervation dieses (Gebietes übernehmen, während in anderen Fällen dem Trigeminus diese Rolle zufällt. Bei Tri- seminuslähmungen finden wir nämlich in Bezug auf die Sensibilität dieser Theile ganz dasselbe wechselnde Verhalten, indem sie einmal vollkommen erhalten ist [Wallenberg (53), Scherer (43), Wolff (54)], ein anderes ! Gerhardt, Kehlkopfgeschwülste und Bewegungsstörungen der Stimmbänder. 1896. 8. 61. Eın FALL VON MULTIPLER HIRNNERVENLÄHMUNG. 51 Mal dabei deutliche Anästhesie besteht [Hirschl (25), Ziehl (56), Phi- lipps (40)], wie denn auch die Betheiligung des Trigeminus an der mo- torischen Innervation des Gaumensegels eine schwankende zu sein scheint. An den Lungen, am Herzen und an den Abdominalorganen fanden wir keine, auf Vagusläsion zu beziehenden Symptome. Ueber die Albu- minurie, die hier in Betracht kommen könnte, haben wir bereits oben gesprochen. £ Es bleibt uns noch der wichtigste Punkt zu besprechen, die Frage nämlich, was unser Fall für die Lehre von der Geschmacksinnervation bedeutet. Sie gehört seit Langem zu einem der strittigsten Punkte in der Physiologie. Physiologen und Pathologen haben sich mannigfach bemüht, sie zum Ab- schluss zu bringen, bisher vergeblich. Trotzdem noch aus jüngster Zeit eine zusammenfassende Darstellung der Frage aus der Feder Frankl- Hochwart’s (19) vorliegt, wird es uns nicht erspart bleiben, das wichtigste hierher gehörige Material noch einmal in extenso uns vor Augen zu führen; so nur können wir darüber in’s Klare kommen, ob und in wie weit unsere Krankenbeobachtung in diese dunklen und schwierigen Verhältnisse Licht bringt. Zur Zeit geht die am weitesten verbreitete Ansicht dahin, dass die vorderen zwei Drittel der Zunge ihre Geschmacksfasern vom Trigeminus erhalten, während der Glossopharyngeus den Rest der Zunge versorgt. Können wir unsere Beobachtung mit dieser An- schauung in Uebereinstimmung bringen? Das scheint mir nicht mög- lich zu sein. Wir müssten zu diesem Zwecke annehmen, dass ausser den vier letzten Hirnnerven noch der Trigeminus an einer von dem Hauptherd weit entfernten Stelle geschädigt sei, und dass durch diese Läsion gerade nur die Nervenfasern geschädigt wurden, die der Geschmacksempfindung vorstehen. Denn sonst findet sich im ganzen Krankheitsbilde kein einziges Symptom, das auf eine Quintuslähmung bezogen werden könnte. Sensi- bilität, Motilität und Reflexe im ganzen Trigeminusgebiet sind normal, die Störung der Sensibilität am Pharynx, Rachen und dem hintersten Theil der Zunge muss, wie eben erwähnt, auf die Schädigung des Vago-Accessorius (oder des Glossopharyngeus) bezogen werden. Die von vornherein ganz und gar unwahrscheinliche Annahme einer Schädigung nur allein der gusta- torischen Fasern des Trigeminus wird dadurch völlig zu nichte gemacht, dass die Geschmackslähmung im vorderen und hinteren Theil der Zunge eine vollkommen gleiche Entwickelung nahm, sie verschwand pari passu an allen Theilen der Zunge. Immer wieder von Neuem vorgenommene Geschmacksprüfungen ergaben stets dasselbe Resultat: gleichen Befund an allen Abschnitten der linken Zungenhälfte. 4* 52 R. CASSIRER: Dieselben Gründe, die gegen irgend eine Läsion des Trigeminus sprechen, sprechen auch gegen eine solche des Facialis, der etwa noch für die Ge- schmacksinnervation in Betracht kommen könnte. Es giebt dann noch eine mehr peripher gelegene Stelle, von der aus Geschmacksläsionen hervorgerufen werden können, das ist die Paukenhöhle. Bekanntlich kommt es bei destructiven Processen in dieser durch Schädigung des Plexus tympanicus und der Chorda tympani leicht zu Geschmacksstörungen. Abgesehen davon, dass Patient auf dem linken Ohr gut hörte und niemals eine Öhreiterung gehabt haben will, lässt das eben erwähnte Symptom der gleichmässigen allmählichen Besserung ebenso wie der augenblickliche Zustand von völlig wieder hergestellter Schmeckfähig- keit auch diese Annahme ganz ausschliessen und es bleibt dabei, nur die Läsion des IX. Hirnnerven, und zwar in dessen extramedullärem (und intracraniellem) Verlauf ist die Ursache für die die ganze Zungenhälfte betreffende Geschmacksstörung. Unsere Beobachtung widerspricht darnach der allgemeinen Annahme, die, wie erwähnt, dahin geht, dass der N. glossopharyngeus nur das hintere Drittel der Zunge versorgen soll, während der N. trigeminus den Rest übernimmt. Wenn wir unsere Nachforschungen, welche Nerven für die Geschmacks- innervation der Zunge überhaupt in Betracht kommen können, in der Peripherie beginnen, so sehen wir sofort ein, dass von den in der Zunge endigenden Nerven nur der N. glossopharyngeus und der N. lingualis berücksichtigt zu werden brauchen. Ueber das Verzweieungsgebiet dieser beiden Nerven haben uns vor Kurzem angestellte Untersuchungen von Zander (55) ganz bestimmte Ergebnisse geliefert. Zander fand, dass der N. lingualis sich nur in der Schleimhaut der Zungenspitze und des Zungenkörpers, nicht aber in der Zungenwurzel verzweigt. Die meisten Fasern endigen makroskopisch bereits vor den Papillae circumvallatae, einige gehen über sie noch etwas hinaus und es ist nach allgemeinen Er- fahrungen wahrscheinlich, dass ihr wahres Ende noch einige Millimeter weiter liegt; beiderseits ziehen Fasern der einen Seite etwas über die Mittel- linie hinaus auf die andere Seite. Der Glossopharyngeus zieht in einem vorderen Zweige bis etwa an die Papilla foliat., die medialen Zweige endigen zum Theil in, zum Theil einige Millimeter vor den Papillae circum- vallatae. Uebrigens betheiligt sich auch der Vagus constant an der Inner- vation der Zungenwurzel, meist mit zwei Zweigen. Dadurch, dass die Gebiete dieser Nerven sich stellenweise an ihren Grenzen überlagern, sind die Grenzgebiete doppelt innervirt. Es unterliegt nun nach vielfachen Untersuchungen keinem Zweifel, dass der N. lingualis neben sensiblen auch geschmacksempfindende Fasern Eın FALL VON MULTIPLER HIRNNERVENLÄHMUNG. 99 führt. Das haben schon ältere Autoren (Busch, Inzani u. A.) fest- gestellt. Von neueren Beobachtungen nenne ich die von Halban (21), der in zwei Fällen operativer Durchtrennung des N. lingualis Sensibilitäts- und Geschmacksverlust auf der vorderen Zungenhälfte bis zu den Papill. cir- cum vallatae fand. Sehr genau hat Zander einen derartigen Fall untersucht; er fand völlige Anästhesie nur in einem dreieckigen Feld in dem vorderen Theil der Zunge, das sowohl von der Spitze als von der Mittellinie überall ent- fernt blieb, im Ganzen 5-5 ® lang war und an der Seite bis zu den Papill. foliat. reichte. In der Umgebung dieses Feldes trat allmählicher Uebergang zu normaler Empfindung ein. Die Prüfung erfolgte sowohl für sensible teize als für Geschmacksreize, für letztere mittels des galvanischen Stromes. Verfolgen wir den Weg der Geschmacksfasern vom Lingualis aus weiter, so sehen wir, dass diese den Nerven sehr bald wieder verlassen und durch die Chorda tympani in den Facialis ziehen. Ueber den Verlauf der Chorda braucht hier nichts gesagt zu werden. Die Thatsache, dass die Chorda die Geschmacksfasern von dem N. lingualis aus weiter führt, ist seit Langem als ganz sicher bekannt. Sie ist einerseits durch experimentelle Voruntersuchungen festgestellt worden, zuerst 1818 von Bellingeri, dann besonders von Bernard, später von Prevost (nach Frankl-Hochwart). Sehr zahlreich aber sind besonders die Erfahrungen der Otiater, die eine Zerstörung der Chorda, die in der Paukenhöhle ziemlich ungeschützt liegt, häufig eintreten sahen, theils durch destructive Processe in der Pauken- höhle, theils durch nothwendige operative Eingriffe bedingt. Blau, ebenso Urbantschitsch sahen direct nach Reizung der blossliegenden Chorda Geschmackssensationen in der entsprechenden vorderen Zungenhälfte auf- treten. Diesen gesicherten Erfahrungen gegenüber kann Carl’s (6) An- sicht, der der Chorda die Geschmacksleitung abspricht, nicht in’s Gewicht fallen. Die Frage ist nun wieder, wie gross ist der Wirkungskreis der Chorda in der Zunge. Da differiren die Ansichten etwas. Es ist nämlich von Schiff behauptet worden, dass nicht alle Geschmacksfasern aus dem N. lingualis in die Chorda gehen, sondern dass ein Theil von dem Nerven aus durch eine (nach Hyrtl allerdings nicht constante) Anastomose zum Ganglion oticam zieht. Die klinischen Untersuchungen ergeben kein ein- heitliches Resultat. Wolf (54) fand in seinem Falle nach Durchschneidung der Chorda eine völlige Geschmackslähmung an der Zungenspitze, die aber nur 2°® weit nach rückwärts reicht; Schulte (47) glaubt gegen die Beweis- kraft dieses Falles einwenden zu dürfen, dass es schiene, als ob die Chorda nicht ganz durchtrennt worden wäre, es sei auch auffällig rasch zur Restitution gekommen. Er fand in seinem Falle eine völlige Aufhebung des Geschmackes in den ganzen vorderen zwei Dritteln; dasselbe konnte Scheier (43) in einer entsprechenden Beobachtung constatiren. Ausführliche Untersuchungen 54 R. CASSIRER: hat Schlichting (45) angestellt. Er glaubt aus der Art der Operation bezw. aus dem Aussehen und dem Zustand der Paukenhöhle bestimmte Schlüsse darauf ziehen zu können, ob die Chorda beschädigt sei, und er hat in mehreren nach solchen, hier nicht weiter zu erörternden Gesichts- punkten untersuchten Fällen folgende Resultate gefunden. Zwei Mal war das vordere Drittel, ein Mal die vordere Hälfte, drei Mal die vorderen zwei Drittel, ein Mal die vorderen drei Viertel und ein Mal die vorderen vier Fünftel betroffen. Die Richtigkeit der Schlichting’schen Kriterien voraus- gesetzt, worüber dem Verf. ein Urtheil nicht zusteht, würden sich aus diesen Thatsachen grosse individuelle Verschiedenheiten ergeben. So lange aber nicht entsprechende Untersuchungen auch für den N. lingualis vorliegen, können wir aus diesen immer noch nicht schliessen, dass, wie Schiff will, nur ein Theil der Geschmacksfasern des Lingualis in die Chorda zieht, da ja auch für den Lingualis solche Verschiedenheiten denkbar wären und zudem bei der durch Zander nachgewiesenen doppelten Innervation gewisser (rebiete nicht einmal unwahrscheinlich erscheinen können. Jedenfalls zieht in der Mehrzahl der Fälle der grösste Theil der Lingualisfasern zur Chorda und durch diese durch die Paukenhöhle zum Facialis. Ihr Vorhandensein im Facialis ist klinisch sichergestellt durch den Nachweis von Geschmacks- lähmungen bei Facialisparesen, deren Sitz im Facialis vom Ganglion geniculi bis zur Einmündungsstelle der Chorda ist. Für diese durch eine Selbst- beobachtung Roux’ zuerst bekannt gewordene Thatsache bedarf es keiner weiteren Belege. | Vom Ganglion geniculi aus kommen centralwärts für die Geschmacks- fasern zunächst zwei Wege in Betracht: Erstens durch den Facialis bezw. die Portio intermedia Wrisbergii, zweitens durch Verbindungen des Ganglion geniculi mit dem Ganglion spheno-palatinum (N. petros. superf. maj.) oder mit dem Ganglion oticum (N. petros. superf. min.) zum Trigeminus und in diesem weiter zur Medulla oblongata. Indem wir es vor der Hand dahingestellt sein lassen, welchen der beiden Wege die Geschmacksfasern zum Trigeminus eventuell einschlagen, wollen wir erst einmal untersuchen, ob überhaupt Anhaltspunkte für ein Vorkommen dieser Fasern im gemeinsamen Trigeminusstamm da sind. Es liegen darüber ex- perimentelle Untersuchungen vor von Schiff (44) und Vulpian (92a). Doch ist das Resultat der experimentellen Untersuchungen bei der grossen Schwierigkeit, die Nervenstämme isolirt an der Basis des Schädels zu treffen und ausserdem Geschmacksstörungen bei Thieren festzustellen, ein unsicheres und nur mit Vorsicht zu verwerthendes, wie übrigens die Physiologen selbst zugeben. Es sei aber immerhin angeführt, dass es Schiff gelungen ist, den Trigeminus beim Hunde an der Basis isolirt zu durchtrennen und dass er darnach Geschmackslähmung auf den vorderen Eın FALL VON MULTIPLER HIRNNERVENLÄHMUNG. 55 zwei Dritteln der Zunge fand. Vulpian fand wenigstens in einem Falle, wo der Quintus bei unverletztem Facialis durchschnitten war, eine vollkommene Degeneration der Chorda. Viel wichtiger sind aber die klinischen Ergeb- nisse, wie denn schon Erb (13) 1875 betont hat, dass eine Entscheidung dieser Fragen am ehesten von einer genauen Analyse pathologischer Beob- achtungen zu erwarten sei. Es giebt nun eine ganze Reihe basaler Tri- geminuslähmungen, in denen sich eine Geschmacksstörung auf dem vorderen Theil der Zunge fand. Diese Beobachtungen sind schon von früheren Forschern, unter denen ich Erb (13), Ziehl (56), Schmidt (46) nenne, zusammengestellt und auf ihre Beweiskraft geprüft worden. Zweifellos müssen die Fälle, die eine überzeugende Geltung in Anspruch nehmen, sehr genau untersucht und in Bezug auf gewisse Punkte ausdrücklich examinirt sein. Nicht nur, dass selbstverständlich jede Läsion im Fa- cialis oder Glossopharyngeus ausgeschlossen sein muss, ist es auch nothwendig, dass das Gehörorgan untersucht ist, und eine destructive Läsion der Paukenhöhle, die, wie Schliehting’s Untersuchungen wieder auf’s Neue lehren, sehr oft mit Geschmacksstörungen vergesellschaftet ist, ausgeschlossen werden kann. So ist der erste Fall von Erb, ebenso wie der von Heusner aus diesem Grunde nicht völlig beweisend. Aber bei aller Kritik bleiben doch noch eine Anzahl von Beobachtungen, die auch mir gegen alle Einwürfe gewappnet zu sein scheinen; ich nenne von neueren die von Asher (l), Ferrier (16), Ziehl (56), Schmidt (46), Scheier (43), Hirschl (35), Philipps (40). In erster Reihe sind hier aber die Fälle zu nennen, in denen die Section gemacht werden konnte. Der erste Fall dieser Art ist von Romberg mit- getheilt; ich eitire ihn nach Ziehl: 42jährige Frau. Vor 4 Jahren schwerer Sturz. Jetzt im ersten und zweiten Ast des Trigeninus alles normal, im dritten Ast Aufhebung der Sensibilität. Kaubewegungen normal. Linke Zungenhälfte des Geschmackes ganz beraubt, doch wurde nur der vordere Zungenabschnitt geprüft. Die Section ergiebt, dass der dritte linke Trigeminusast an der Stelle, wo er in das Foramen ovale tritt, von einem Exsudat bezw. einer Wucherung des Neurilemms umgeben ist; soweit das Neurilemm verändert war, erschien auch der Nerv angeschwollen, gelblich gefärbt, und vielleicht etwas härter. Die mötorische Portion war völlig normal, ebenso der Glossopharyngeus. Völlig einwandsfrei ist die Beobachtung insofern wohl doch nicht, als über das Verhalten des Gehörs und den Zustand der Paukenhöhle nichts gesagt ist und die Untersuchung des IX. Hirnnerven offenbar keine mikro- skopische war. — In jüngster Zeit sind zwei weitere Fälle mit Sections- befund veröffentlicht worden, der erste stammt von Wallenberg (53). 33jährige Frau, starke Kachexie.e Am ganzen Körper eine Anzahl bohnen- bis ‚wallnussgrosser Tumoren, rundlich, auf der Unterlage verschieb- 56 R. CASSIRER: lich, auf Druck nicht schmerzhaft. Allmähliche Entwickelung der folgenden nervösen Symptome: Hyposmie der linken Seite, linksseitige Abducensparese sehr wechselnden Grades, neuralgische Anfälle und Anästhesie im Gebiete aller drei Aeste des linken Quintus, am stärksten in der Schleimhaut der Zunge, der Mundhöhle und der Lippen; geringe Parese der linken Kaumuskeln, und eine Geschmacksstörung, die darin bestand, dass, „während auf der völlig anästhetischen Zungenspitze alle vier Geschmacksqualitäten prompt und sicher unterschieden wurden, der Geschmack auf dem Zungenrücken links voll- kommen erloschen war. Am Gaumen wieder normale Verhältnisse.“ Links- seitige Zungenatrophie. Die Section ergiebt: Dura und Pia übersät von den kleinsten schwarzen Knötchen, ferner grössere ähnliche Geschwülste an ver- . schiedenen Stellen des Gehirns, kleinste Knötchen wieder im Abducens sin., am Foram. condyloid. ant.,, den Hypoglossus comprimirend; schliesslich ist die Portio major des Kalkan Quintus etwa !/,“® nach seinem Austritt aus der Brücke in eine blaugraue Masse ul die Geschwulst reicht bis ins Ganglion Gasseri und zerstört die Nerven bis auf einen geringen Rest am lateralen nnd medialen Rande, sowie an der dorsalen Fläche. Portio minor intact. Glossopharyngeus und Portio intermedia Wrisbergii völlig intact. Hier muss nothwendig die basale Quintusläsion für die Ageusie verant- wortlich gemacht werden und wir müssen Wallenberg zugeben, dass sein Fall den strieten Beweis dafür liefert, dass in der Portio major Trigemini Geschmacksfasern verlaufen. Aber eigenthümlich ist die Ausbreitung der Geschmackslähmung, leider sind nur die in der Krankengeschichte darüber enthaltenen Angaben nicht ganz so detaillirt, wieman gern wünschen möchte. Was ist unter Zungenspitze zu verstehen, bezw. wie weit reicht das geschmacks- empfindende Gebiet nach hinten? Die Integrität des Geschmacks an dieser Stelle lässt sich am ehesten wohl auf den noch erhaltenen Rest von Fasern im Nervenstamm zurückführen. Der Zungenrücken zeigt nach der Kranken- geschichte Ageusie, es ist aber nicht ausdrücklich gesagt, ob auch der Zungengrund, das Gebiet am Zungenrücken hinter den Papillae circum- vallatae ageusisch war. War das der Fall, so reichte der Einfluss des Tri- geminus in diesem Falle ungewöhnlich weit nach hinten; immerhin war aber auch hier noch der Geschmack am Gaumen, wie ausdrücklich bemerkt wird, normal. Es sei noch bemerkt, dass unter den im Grosshirn sitzenden Tumoren keiner war, der die Ageusie erklären konnte. Endlich ist noch ein dritter, leider in einem sehr wichtigen Punkte nicht aufgeklärter Fall mit Sectionsbefund von Hagelstam (20) mit- getheilt worden. 39 jährige Frau. Beständige Schmerzen in der linken Gesichtshälfte. Herabsetzung der Sensibilität im ganzen Quintusgebiet, auch in der Mund- höhle. Am vorderen Drittel der Zunge links Geschmack aufgehoben für alle vier Qualitäten, nur dieser Abschnitt der Zunge konnte geprüft werden, weil Patientin grosse Schwierigkeiten hatte, den Mund zu öffnen. Eın FALL VON MULTIPLER HIRNNERVENLÄHMUNG. 57 Geruch links herabgesetzt. Lähmung der Kaumuskeln. Gaumensegelparese. Seetion: An der Basis cranii ein wallnussgrosser Tumor im medialsten Theil der mittleren Schädelgrube, hinten der Vorderfläche der Pars petrosa an- liegend, vorn bis zur Fiss. orbitalis reichend. Das Ganglion Gasseri ist völlig in die Geschwulst aufgegangen; letztere war theilweise durch die unter- liegenden Knochen durchgewachsen und wölbte den hinteren Theil des Nasen- rachenraums vor. Die Geschwulst erwies sich mikroskopisch als Endotheliom ; der linke sensible und motorische Trigeminus war in hohem Grade de- generirt, Degeneration der spinalen Trigeminuswurzel, der cerebralen Trige- minuswurzel und der Kerne. Ausserdem war links auch der Tractus solitarius in toto degenerirt, seine sämmtlichen Nervenfasern waren in ausgeprägtem körnigen Zerfall; auch mehrere der intramedullären Vago-Glossopharyngeus- wurzeln waren links dünner und grauer als rechts. Hier ist also erstmals die klinische Untersuchung nicht vollständig, da eine Geschmacksprüfung nur für die vorderen Zungenpartieen möglich war, und ferner findet sich eine intramedulläre IX. Nervenaffection — der Tractus solit. führt zum Mindesten zum grossen Theil Glossopharyngeusfasern. — Hagelstam weiss keine Erklärung für diese Degeneration des Tractus solitarlus; er erwähnt, dass Homen in einem früher publieirten ganz ähn- lichen Fall dasselbe Vorkommniss fand. Vielleicht ist die Vermuthung gerechtfertigt, dass doch an irgend einer Stelle die Fasern, die mit dem Glossopharyngeus in Verbindung treten (N. petros. superf. min, N. Jacob- sonii) oder dieser selbst durch die Geschwulst geschädigt wurden. Art und Sitz der Geschwulst scheinen solcher Annahme nicht ungünstig. Jeden- falls ist das gleichzeitige Befallenwerden der spinalen Quintuswurzel und des Tractus solitarlus, das auch sonst mehrfach, besonders bei bulbärer Tabes beobachtet wurde, wohl im Auge zu behalten, zumal auch in Rücksicht auf den erst später zur Sprache kommenden mikroskopischen Befund Wallen- berg’s. Hagelstam’s Fall aber ist in Folge dieser complieirten Verhält- nisse für die Frage, ob im V. Nervenstamm Geschmacksfasern verlaufen, nur mit grosser Vorsicht zu verwerthen, man kann kaum mehr sagen, als dass er einer solchen Annahme nicht widerspricht. Weiteres wichtiges Beweismaterial zu dieser Frage verdanken wir noch den Chirurgen, von den Fällen herrührend, wo diese wegen hartnäckiger Quintusneuralgie zur Herausnahme des Ganglion Gasseri geschritten sind. Die wichtigsten Beobachtungen rühren von Krause (29) her. Krause fand nach dieser Operation in einigen Fällen Geschmacksstörungen, die sich in verschiedener Weise abstuften. Im Fall III wurde 20 Tage post operat. süss, salzig und bitter auf der vorderen Zungenhälfte überhaupt nicht empfunden, Zuckerlösung auf dem äusseren Rande des mittleren Zungen- abschnittes nicht, aber weiter nach der Mittellinie zu richtig als süss, wenn auch erst nach längerer Einwirkung und weniger deutlich erkannt; im 58 R. CASSIRER: Falle IV bestand noch nach 6 Monaten eine völlige Geschmackslähmung; bei V schmeckten nach 6 Wochen zwei Drittel der rechten Zungenhälfte überhaupt nicht, im hinteren Drittel wurde süss nur langsam und schwach empfunden, bitter nicht, sauer und salzig Anfangs nur als brennend und erst allmählich wurde hier die Qualität erkannt, aber immer nur schwach. Sobald man aber das hintere Drittel der Zunge bei zurückgebeugtem Kopf prüfte, wurde ganz deutlich geschmeckt — eine wichtige Andeutung in Bezug auf die Methodik der Geschmacksprüfung. Aehnliche positive Resultate erhielten nach Krause’s Angaben auch Tiffaney in zwei von fünf Fällen, ferner Blüher, Keen and Mitchell und Finney and Thomas in einem Fall. Ehe wir aus diesen Folgen der Exstirpation des Ganglion Gasseri auf das Vorhandensein von Geschmacksfasern im basalen Quintus schliessen dürfen, haben wir uns zu fragen, ob nicht etwa Nebenverletzungen dies Resultat herbeigeführt haben könnten. Dixon (11) hat das Letztere be- hauptet: es würde während der Operation ein grosser Theil der Fossa cranii media seiner Duralbekleidung beraubt und dadurch könne leicht der N. petrosus superf. ma). und minor beschädigt werden und auch das Ganglion genieuli könne in solchen Fällen sehr leicht lädirt und damit eine Läsion der Chorda tympani bedingt werden. Aber Krause selbst hatte sich diese Frage der Nebenverletzungen schon vorgelegt und er erklärt bestimmt, dass sowohl der N. petros. superf. maj. und minor wie das Gangl. seniculi von jeder Verletzung verschont geblieben seien. Diese Erklärung werden wir zu respectiren haben und die Resultate der Untersuchung nach Herausnahme des Gangl. Gasseri der bei Basallähmungen des Trigeminus anreihen dürfen. Natürlich ist auch bei den letzteren immer darauf zu achten, ob nicht eine weitere Ausdehnung der krankhaften Veränderungen über den Quintusstamm hinaus auf die Nervi petrosi oder das Ganglion geniculi stattgefunden hat. Ein Fall von Long und Egger wird von den Autoren selbst als ungeeignet zur Entscheidung der Frage von der Ge- schmacksinnervation bezeichnet, weil die vorhandene Meningitis gummosa sich sehr wohl auf andere Gebilde als den Quintusstamm verbreitet haben konnte. Auch dieser Punkt verdient also volle Beachtung und wird bei der Feinheit der in Frage stehenden Nervenverbindungen nicht immer leicht klarzustellen sein. Wenn nun nach alledem nicht bezweifelt werden kann, dass in einer Anzahl von Fällen Geschmacksfasern im Quintusstamm ver- laufen, so fragt es sich weiter, welchen der beiden oben erwähnten Wege vom Ganglion geniculi zum Quintusstamm diese Fasern einschlagen. Für den Uebergang in den zweiten Ast (Gangl. genieuli, N. petros. superf. maj., N. vidianus, Gangl. sphenopalat.) hat sich Schiff auf Grund experimenteller Eın FALL VON MULTIPLER HIRNNERVENLÄHMUNG. 59 Untersuchungen, und Erb (14) auf Grund eines eigenen Falles ausgesprochen, ferner Salomonson (43b) und Heusner (22); die meisten neueren Beobachter, insbesondere Ziehl (56) und Schmidt (46) haben dagegen mehr für den dritten Ast vom Ganglion geniculi durch den N. petros. minor zum Ganglion oticum plädirt. Sehr wahrscheinlich gemacht wird dieser letztere Weg durch eine Beobachtung Krause’s. Er resecirte am 16. März 1894 den zweiten Quintusast an der Vorderöffnung des Canalis rotund. und brachte dabei das Gangl. sphenopalat. jedenfalls völlig ausser Verbindung mit dem Grangl, geniculi, wahrscheinlich wurde es sogar mit resecirt. Der erste und dritte Quintusast blieben unberührt, zeigten auch nachher functionell keine Störungen und der Geschmack blieb völlige normal; so war es noch kurz vor der zweiten Operation im August 1895. Am 23. August 1895 wurde nun das Ganglion Gasseri herausgenommen und man erhielt jetzt eine völlige Aufhebung des Geschmackes auf den vorderen zwei Dritteln der Zunge. Diese Erfahrung spricht eindeutig für den dritten Ast; es giebt nach meiner Ansicht keinen klinischen Fall, der dieser An- nahme mit Sicherheit widerspräche, doch soll dieser Frage als nur von seeundärer Bedeutung hier nicht weiter nachgegangen werden. Die eben mitgetheilten Beobachtungen lehren uns nun weiter über die Ausdehnung des Innervationsbezirkes, den die geschmacksleitenden Fasern des Trigeminus auf der Zunge haben, Folgendes. Im Allgemeinen entspricht es dem, was wir für den Lingualis und die Chorda gefunden haben; versorgt werden die vorderen Theile der Zunge in ver- schiedener Ausdehnung weit nach hinten, jedenfalls wird in dieser Richtung das Gebiet der Papillae circumvallatae nicht wesentlich über- schritten. Ganz sicher ist es, und es wird ausdrücklich in zahlreichen Krankengeschichten dies Verhalten bestätigt [Krause, Hirschl, Mari- nesco et Serieux (36), Ferrier (16), Schmidt], dass das hintere Zungendrittel nicht vom Trigeminus versorgt wird; auch in Schmidt’s oben erwähntem Falle war wenigstens der Gaumen noch nicht ohne Ge- schmacksempfindung. Und doch hat ein Forscher von allererstem Range, Gowers (18. 19), in wiederholten Publicationen behauptet, dass der Quintus die Geschmacksfasern für die ganze Zunge enthielte. Sein von ihm zuletzt ausführlicher mitgetheilter Fall lässt auch kaum Einwendungen zu; es bestand hier sicher Geschmackslähmung auf der ganzen Zungenhälfte und es lag kein Anhaltspunkt dafür vor, einen anderen Nerven als den schwer geschädigten Trigeminus dafür verantwortlich zu machen. Auch eine der Geschmackslähmung um viele Jahre folgende Gehörsstörung, in Folge Mittel- ohrerkrankung, scheint für die Geschmackslähmung nicht in Betracht zu kommen. Freilich ist der Fall ziemlich complieirt und ätiologisch — wie aber auch eine Reihe der übrigen Beobachtungen von Trigeminuslähmung — 60 R. CASSIRER: unklar. Wenn er nun auch volle Berücksichtigung verdient, so ist man doch nicht berechtigt, über ihn die übrigen Erfahrungen zu vergessen und davon abzugehen, dass in der Regel der hintere Theil der Zunge nicht vom Trigeminus mit Geschmacksfasern versorgt wird. Der Weg, den Gowers den vom hinteren Theil der Zunge kommenden Fasern zuweist, die ja im Lingualis sicher nicht vorhanden sind, geht vom Glosso- pharyngeus durch den N. Jacobsonii in die Paukenhöhle und von dort durch den N. petros. superf. min. zum Trigeminus. Sehr interessant ist in Gowers’ Fall die Thatsache, dass nach 7jährigem Bestehen der Geschmackslähmung am hinteren Zungenabschnitt sich allmählich wieder eine gewisse Schmeck- fähigkeit herausstellte. Da eine Regeneration von Fasern nach so langer Zeit höchst unwahrscheinlich ist, scheint es Gowers plausibler, anzunehmen, dass nunmehr der Glossopharyngeus, „der bei niederen Thieren vielleicht die. Geschmackseindrücke zum Hirn leite“, jetzt die Function des Tri- geminus auch hier beim Menschen übernommen hat. Wenn man, wie wir meinen, mit voller Bestimmtheit annehmen darf, dass auch beim Menschen für gewöhnlich der Glossopharyngeus der Geschmacksnerv des hinteren Zungendrittels ist, so erscheint diese Erklärung nur noch um so glaublicher. Von anderen Autoren, die ähnlich wie Gowers die Ansicht aussprachen, dass die Geschmacksfasern in toto im Quintus verlaufen, fand ich nur noch Fergusson (15) und Turner (52). Unsere bisherigen Erörterungen lehrten uns, der Trigeminusstamm enthalte Geschmacksfasern für den vorderen Theil der Zunge, vielleicht ganz ausnahmsweise auch für die ganze Zunge. Aber andere Beobachtungen lehren uns weiter, der Trigeminus enthält nicht immer solche Fasern. Das beweisen am sichersten Beobachtungen, die wieder nach Ex- stirpation des Ganglion Gasseri angestellt wurden. Ich führe hierfür nur Krause’s fünften Fall an. Bei einem Patienten, der zwei Jahre post operat. von Hitzig unter- sucht wurde, ergab sich, dass Patient ganz so wie vor der Operation auf allen Theilen beider Zungenhälften gleich gut schmeckt. Alle vier Geschmacks- empfindungen werden beiderseits vollkommen prompt und richtig ausgelöst, und zwar an der operirten linken Seite an den seitlichen Rändern der Zungenspitze und des mittleren Drittels der Zunge ebenso sicher wie am (Gaumen und den hinteren Partieen der Zunge, obwohl die Versuche hinter einander und in der verschiedensten Reihenfolge gemacht wurden, nur ganz vereinzelt gab er links Kochsalz als sauer an, wenn die Zunge unmittelbar vorher mit Essig bestrichen war. Da hier an der Herausnahme des ganzen Ganglion nicht gezweifelt werden kann, ist der stri6te Beweis für das Fehlen von Geschmacksfasern im Trigeminus für diesen Fall geliefert; aber es ist das nicht der einzige, [or} jun Eım FALL VON MULTIPLER HIRNNERVENLÄHMUNG. sondern nur der am genauesten untersuchte Fall. Krause hat selbst noch in zwei weiteren Fällen keine Geschmacksstörung gefunden, Tiffaney vermisste sie 3 Mal in 5 Fällen, Finney and Thomas 1 Mal, ebenso Marchant et Herbet (34) in ihrem Falle; ob in allen den letzten Fällen eine Herausnahme des Ganglion eine vollkommene war, entzieht sich meiner Beurtheilung. Aber es kommen uns auch hier noch andere klinische Fälle zu Hilfe. Es giebt einige Fälle von basaler Trigeminuslähmung ohne Geschmacks- lähmung. Erb allerdings konnte im Jahre 1875 einen solchen Fall nicht ausfindig machen, aber unter den von ihm genannten Fällen scheint mir der von Renzi und Lussana mitgetheilte Fall doch in dieser Beziehung sehr bemerkenswerth, hier bestand völlige Anästhesie im Quintusgebiet und der Geschmack war erhalten für Zucker, Kaffee, Tabak, Citrone. Die Section ergab einen, mehrere Zoll grossen schwärzlichen Tumor in der linken Hemisphäre, das Ganglion Gasseri und seine drei Aeste waren durch Druck in den Zustand völliger Erweichung gerathen. Eine mikroskopische Unter- suchung fehlt allerdings, aber die Deutung, dass nur die Geschmacksfasern nicht beschädigt gewesen wären, während alle übrigen Fasern schwer lädirt waren, ist doch recht gezwungen und unwahrscheinlich. Viel sicherer er- scheint mir aber folgender Fall Bruns’ das Fehlen von Geschmacksfasern im Quintusstamm zu demonstriren. 27 jähriger Mann. Durch Unfall Schädelbasisfraetur, Bewusstlosigkeit, Blut aus Nase und Mund; am Morgen nach dem Unfall konstatirte der Arzt rechtsseitige Facialislähmung, Blutung aus dem rechten Ohr, Mydriasis und Ptosis am linken Auge; allmähliches Eintreten einer linksseitigen neuropara- lvtischen Keratitis. 11 Wochen nach dem Unfall untersuchte Bruns den Patienten zum ersten Mal. Er fand links Ptosis und Mydriasis, Trochlea- ris- und totale Abducenslähmung, rechts totale periphere Läh- mung des Facialis; ausserdem bestand links eine totale Lähmung des sensiblen und motorischen Trigeminus. Im ganzen Gebiete des- selben wurden Berührungen, Temperaturreize und tiefe Nadelstiche nicht ge- fühlt; es besteht links Keratitis neuroparalytica; Lähmung der linken Kau- muskeln mit Fehlen der faradischen Erregbarkeit. Rechts alter Mittelohr- katarrh (schon seit mehreren Jahren Ohrensausen und Schwerhörigkeit), Gaumensegel beiderseits normal, Schlucken gut. Geschmack links für alle Qualitäten völlig normal, auch die galvanische Geschmacks- empfindung war normal. Rechts bestand auf der ganzen Zungenhälfte totale Geschmackslähmung. Alles Uebrige normal. Bruns führt die Schädigungen der schwer betroffenen Nerven in seinem Falle (also des linken Quintus, Abducens und Trochlearis und des rechten Facialis) auf eine schwere Quetschung, Zerrung bezw. Zerreissung der Nerven zurück. Und er glaubt, dass sein Fall, der „klinisch und speciell pathologisch-anatomisch so besonders durchsichtig sei“ unzweifelhaft be- [or] DD R. CAssIRER: weise, dass die Ansichten über den Verlauf der Geschmacksfasern, wie sie von Schiff und Erb proclamirt seien, keineswegs absolut sicher- gestellt seien. Man wird Bruns in der Beurtheilung der Beweiskraft seines Falles unbediret Recht geben müssen, wenigstens was den Punkt anbetrifft, dass diese Beobachtung mit Sicherheit das Fehlen von Geschmacksfasern im Trigeminusstamm beweise. Ziehl hat versucht, und ihm hat sich Schmidt angeschlossen, dem Fall eine andere Deutung zu geben, doch ist dieselbe eine höchst gekünstelte und ganz und gar unwahrscheinliche. Da die Quintusläimung nicht gleich im Anfang von dem damaligen Arzte con- statirt wurde, so müsste sie als secundäre Erscheinung aufgefasst werden, bedingt durch einen durch das Trauma hervorgerufenen chronisch entzünd- lichen Process, und bei solchen Processen erkläre sich das Erhaltenbleiben einzelner Fasergattungen ohne Weiteres. Ziehl selbst scheint aber mit dieser Erklärung doch nicht ganz zufrieden zu sein, denn er fügt ihr noch eine zweite hinzu, man müsse zur Erklärung des Erhaltenbleibens des Geschmackes annehmen, dass die Schädigung des dritten Astes des Trigeminus im For. ovale oder dicht unterhalb desselben an der unteren Schädelfläche stattgefunden habe, wo die zum Gang]. oticum ziehenden Geschmacksfasern den Trigeminus schon verlassen haben. Eine Erklärung ist so unwahr- scheinlich wie die andere: es bleibt für die Thatsache totaler Trigeminus- lähmung mit völliger Integrität des Geschmackes keine Erklärung, als die, den Geschmacksfasern einen anderen Weg anzuweisen. Nebenbei sei bemerkt, dass Ziehl in einem zweiten Punkte, der Erklärung der Ge- schmackslähmung auf dem rechten hinteren Zungendrittel, mit seiner Erklärung Recht zu haben scheint, wenn er diese auf eine durch kein anderes Symptom sich bemerkbar machende Schädigung des rechten Glosso- pharyngeus zurückführt. Eine weitere hierher gehörige Beobachtung verdanken wir Dana (cit. nach Bruns). Er beschrieb einen Fall von totaler central bedingter Tri- seminuslähmung, in dem keine Alteration des Geschmackes vorhanden war. Dana nimmt an, dass auch die zuerst in der Chorda verlaufenden Ge- schmacksfasern der vorderen Zungenhälfte durch ‘den Plexus tympanicus in den Glossopharyngeus übergeingen. Dadurch aber, dass es sich um eine centrale Erkrankung handelt, wird in der That der Werth dieser Beob- achtung in Bezug auf die zur Entscheidung stehenden Frage gemindert, da in solchem Falle die im Trigeminusstamm vorhandenen geschmacks- leitenden Fasern schon einen anderen Weg eingeschlagen haben können. Frankl-Hochwart (17) berichtet einen ihm von Du Beron münd- lich miteetheilten Fall, wo trotz isolirter völliger rechtsseitiger totaler mo- torischer und sensibler Trigeminuslähmung der Geschmack völlig erhalten Eın FALL VON MULTIPLER HIRNNERVENLÄHMUNG. 63 war. Ein Fall von Tooth (51) mit auch anatomisch nachgewiesener völliger Zerstörung des Quintusstammes ohne Störung des Geschmackes ist leider klinisch nicht genügend untersucht, um als beweisend gelten zu können. Fälle, wie die eben citirten von völliger Aufhebung der sensiblen Function des Trigeminus ohne Geschmacksstörung, lehren übrigens, wie nebenbei bemerkt sei, dass Klippel’s (26) Theorie von der Nothwendig- keit des Zusammenwirkens des Quintus und Glossopharyngeus für die Ent- stehung der Geschmacksempfindung sicher falsch ist. Die Fälle, in denen der Trigeminusstamm keine Geschmacksfasern führt, scheinen aber auch nach allem Gesagten nicht einmal so grosse Ausnahmen zu sein; bei Operationen fanden sie sich etwa eben so oft, wie die anderen. Wenn dem so ist, so haben frühere Untersucher in der Deutung ihrer Beobachtungen sich eines bemerkenswerthen Fehlers schuldig gemacht. Zur Entscheidung der Frage nämlich, in welchem Ast des Quintus die Ge- schmacksfasern verlaufen, haben sie sowohl Befunde mit wie ohne Geschmackslähmung herbeigezogen und haben in folgender Weise argu- mentirt: Es findet sich bei Lähmung des ersten und zweiten Trigeminusastes und bei Integrität des dritten keine Geschmackslähmung, das beweist, dass die Geschmacksfasern im dritten Aste verlaufen; oder umgekehrt Integrität des ersten und zweiten Astes, Lähmung des dritten Astes, keine Geschmacks- empfindung, das beweist, dass die Geschmacksfasern im dritten Aste verlaufen. Diese Methode ist offenbar ganz unzulässig. Da nicht stricte nach- gewiesen ist, dass Geschmacksfasern im Trigeminus stets vor- handen sind, ist es nur zulässig, Schlüsse aus solchen Fällen zu ziehen, wo eine Ageusie bestand; im anderen Fall von ungestörter Geschmacks- empfindung kann man ja nie entscheiden: Nahmen die Geschmacksfasern in diesem Fall überhaupt ihren Weg durch den Trigeminus, oder schlugen sie einen anderen Weg ein. Von anderen Wegen kommen nun für die Fasern der Chorda noch folgende in Betracht. Erstens durch den Facialis zum Gehirn. Dass der Facialis diese Function wirklich hat, wie zuerst Lussana annahm, dafür liest kein Beweis vor. Es giebt keinen einwandsfreien Fall basaler Facialis- lähmung mit Geschmacksverlust; an den aus früherer Zeit stammenden hat Erb (13) im Jahre 1875 Kritik geübt und gezeigt, dass sie nicht beweis- kräftig sind; dagegen eitirt er einen Fall von Ziemssen, in dem sich bei basaler VII-Lähmung nur noch einige wenige intacte Facialisfasern fanden und doch kein Geschmacksverlust bestanden hatte. Und Scheier (43) citirt einen hierher gehörigen Fall von doppelseitiger fettiger Degeneration beider Faciales an der Schädelbasis, den Wachsmuth berichtet, in dem kein (Geschmacksverlust bestand. Von neueren Autoren hat sich nur 64 R. CASSIRER: Dixon (10) für die Annahme ausgesprochen, dass die Geschmacksfasern im VII. Nerven verlaufen, doch nur auf Grund unzureichender theoretischer Erwägungen. Ebenso wenig hat eine von Schulte geäusserte, recht merk- würdige Ansicht sich Anhänger zu erwerben vermocht. Er geht von der „Lhatsache‘ aus, dass weder basale Facialislähmungen, noch basale Trigeminus- lähmungen zu Geschmacksstörungen und Degenerationen in der Chorda führen und nimmt daher als Geschmacksnerven den von Sapolini ent- deckten XIII. Hirnnerven in Anspruch, den dieser von seinem Ursprung in den Seitensträngen am IV. Ventrikels durch das Ganglion geniculi hin- durch bis zu den äussersten Verzweigungen der Chorda in der Zunge ver- folgte. Die ganze Annahme hängt völlig in der Luft und braucht wohl nicht weiter discutirt zu werden. Stich (50) hat gemeint, dass die Chordafasern nach ihrem Eintritt in den Facialis in centrifugaler Richtung verlaufen. Er stützt sich darauf, dass bei einem Manne, dem gelegentlich einer Operation der Facialis gleich am Austritt aus dem Foramen stylomastoid. durchtrennt war, die Geschmacks- empfindung an den vorderen Zungentheilen herabgesetzt war. Stich ver- allgemeinert ganz zu Unrecht diese Erfahrung; in der Mehrzahl der Fälle stellt sich unter solchen Umständen eine Geschmacksstörung nicht ein; Frankl-Hochwart giebt zu, dass vereinzelt solche Fälle vorkommen und eitirt als solche die von Vizioli und Lotzbek. Einen neueren Fall hat Scheier (45) beschrieben. Er durchschnitt ebenfalls gelegentlich einer Operation den Facialis am Foramen stylomastoid. und fand bei einer nach einigen Tagen vorgenommenen Prüfung des Geschmackssinnes Verlust desselben auf den vorderen zwei Zungendritteln. Jedoch erhebt er gegen seine Beobachtung selbst den Einwand, den schon Erb gegen die von Stich erhoben hatte, dass es sich um eine erst später eingetretene secundäre Betheiligung der Chorda handele, welche von einer von der Wunde her fortgeleiteten Neuritis ascendens facialis herrühre. Man muss immerhin mit Frankl-Hochwart die Möglichkeit zugeben, dass ausnahmsweise einzelne Chordafasern einmal centrifugal im VII. Nerven weiter verlaufen; Frankl- Hochwart lässt sie dann auf dem Wege des Auriculo-temporalis sich zum (Juintus begeben, sie könnten auch durch eine sicher nachgewiesene Ana- stomose des Facialis zum Glossopharyngeus in dessen Bahn gelangen. Wo aber bleibt die Hauptmasse der Chordafasern in den Fällen, in denen sie nicht durch den Trigeminusstamm zieht. Es bleibt für sie nur ein Weg übrig, der Glossopharyngeus. Bevor wir nun aber auf die Thatsachen eingehen, die diesen gleichsam per exclusionem aufgestellten Schluss, dass die Chordafasern in diesen Fällen durch den Glossopharyngeus das Gehirn erreichen, ausreichend begründen, wollen wir uns erst noch mit der bisher fast gänzlich ausser Acht gelassenen Geschmacksinnervation des Eın FALL VON MULTIPLER HIRNNERVENLÄHMUNG 65 hinteren Theiles der Zunge beschäftigen. Wir sahen, dass neben dem Lin- gualis sich noch der Glossopharyngeus in dem hinteren Theil der Zungen- schleimhaut verästelt. Dass er diese Partie auch mit Geschmacksfasern in der übergrossen Mehrzahl der Fälle versorgt, lehren zunächst die physio- logischen Versuche, über die Frankl-Hochwart ausführlich berichtet. Vintschgau und Hönigschmied durchschnitten am Kaninchen den Glossopharyngeus und fanden darnach einen Schwund der Schmeckbecher der Papillae circumvallatae und foliataee Ranvier, Drasch und Sand- meyer konnten im Gegensatz zu Baginsky das bestätigen, auch Rosen- berg sah dasselbe; er konnte ferner auch bei einem Mann die Papillae eircumvallatae untersuchen, bei dem in Folge eines Neoplasmas an der Schädelbasis der Glossopharyngeus der einen Seite vollkommen degenerirt war; auf der Seite der Degeneration fand er in zahlreichen Schnitten nur zwei Becher, die anderen waren zu Grunde gegangen und ihre Stelle war mit Epithel ausgefüllt. Die zahlreichen klinischen Fälle, in denen nach Läsion des Trigeminus nur die vorderen Theile der Zunge des Geschmackes beraubt waren, sprechen in demselben Sinne, dass der Glossopharyngeus der Geschmacksnerv für das hintere Drittel der Zunge ist. Sehr gering ist dagegen die Zahl der Fälle, in denen durch eine Verletzung des Glossopharyngeus selbst eine Geschmackslähmung bedingt und damit der positive Beweis dafür ge- liefert wird, dass dieser Nerv den (Geschmack leitet. Zwei oder drei Fälle waren bisher bekannt, erstens der von Lehmann (31). 20 jähriger Mann. Durch ein Trauma Schädelbasisfractur mit Schädigung des zwölften und siebenten Gehirnnerven. Als die motorischen Erscheinungen schon zurückgegangen waren, ergiebt die Geschmacksprüfung auf der rechten Seite nur an einer kleinen Region an der Spitze ein erhaltenes, wenn auch nicht völlig normales Geschmacksvermögen, während am Rande, in der Mitte und in der Gegend der Papillae circumvallatae der Geschmack völlig fehlte und zwar für alle Geschmacksqualitäten. Dabei war die Sensibilität beider Zungenhälften aufs beste erhalten. Ziehl (56) hat einen Fall mitgetheilt, in dem bei einer allmählich eingetretenen multiplen Hirnnervenlähmung mit Betheiligung des linken Abducens, Faecialis, Acusticus (letzterer nur wenig betroffen), Glossopharyn- geus, Vagus und Hypoglossus und unter Schonung des Trigeminus auf dem hinteren Zungentheil Geschmackslähmung bestand, während die Sensibilität wenigstens für das Berührungsgefühl intact war. Der Fall ist zwar etwas complieirt und es ist auch eine centrale Entstehung nicht auszuschliessen, doch erscheint er immerhin verwerthbar. Am wichtigsten ist die von Pope (41) mitgetheilte Beobachtung. 76jähriger Arbeiter erkrankte plötzlich ohne Bewusstseinsverlust mit Sehlinglähmung und Parese des linken Armes und des linken Beines; die linke Archiv f. A.u. Ph. 1899. Physiol. Abthlg. Suppl. 5 66 R. CASSIRER: Pupille war weiter als die rechte, reagirte nicht auf Lichteinfall; die linke Seite des Gaumens stand höher als die rechte. Geschmack, mit schwach salziger Lösung und Syrup geprüft, ergab, dass rechts alles gut geschmeckt wurde, während links hinten nichts geschmeckt wurde; dagegen wurde links an der Spitze sauer geschmeckt, süss nicht. Die Section ergab nach einigen Tagen: die linke Vertebralis ist bis auf ?/, Zoll ausgedehnt und an der Vereinigungsstelle mit der anderen Vertebralis völlig thrombosirt; die er- weiterte Arterie presst direct auf den Glossopharyngeus, während Quintus und Facialis ganz normal waren. Die mitgetheilten Fälle beweisen, dass der hintere Theil der Zunge seine Geschmacksfasern vom Glossopharyngeus erhält. Sie differiren bezüglich der Grösse des Versorgungsgebietes dieses Nerven; im Fall von Pope scheint auf den ersten Blick wenigstens für gewisse Quali- täten die ganze Zungenhälfte unter Botmässigkeit des IX, Nerven zu stehen. Wir müssen uns aber da früherer von Vintschgau angestellter Unter- suchungen erinnern, der bewiesen hat, dass die Zungenspitze nicht bei allen Menschen in gleicher Weise geschmacksfähig ist. Bei sich selbst fand er, dass er nur sauer gut an der Spitze empfinden konnte, weniger gut süss, schlecht salzig, fast gar nicht bitter. Da wir es nun bei Pope’s Beob- achtung mit einem alten, 76jährigen Manne zu thun haben, und da über das Geschmacksvermögen an der Spitze der gesunden Zungenhälfte nichts (renaues gesagt ist, werden wir gut thun, in der Verwerthung des Befundes zurückhaltend zu sein; Pope selbst glaubt auf Grund seiner Beobachtung annehmen zu sollen, dass der Glossopharyngeus mehr mit der Empfindung von süss zu thum hat; die sonstigen Erfahrungen ergaben aber, wie auch Krause hervorhebt, gar keinen Anhaltspunkt für die Annahme, dass die verschiedenen Geschmacksqualitäten in differenter Weise auf die beiden Geschmacksnerven wirken. — In Lehmann’s Beobachtung ist sicher mehr als das hintere Drittel der Zunge vom IX. Nerven innervirt, bei der von Ziehl nur dieses. Der einzige Fall, in dem die ganze Zungenhälfte nur vom Glosso- pharyngeus mit Geschmacksfasern versorgt wurde, und wo trotz Integrität des Quintus und Facialis durch alleinige Schädigung des IX. Nerven eine complette Geschmackslähmung entstand, ist der von uns mit- getheilte.e Er bildet eine werthvolle Ergänzung des bisher vorhandenen Materiales. Resümiren wir noch einmal kurz den Stand der Frage. In einer gewissen Anzahl von Fällen verlaufen Geschmacksfasern im basalen Trigeminus für den vorderen Theil der Zunge, in wohl sehr seltenen Fällen vielleicht auch für die ganze Zunge (Gowers), in einem Theil der Fälle fehlen sie sicher im basalen Trigeminus. Im basalen Faecialis sind sie sicher nicht vor- Eın FALL VON MULTIPLER HIRNNERVENLÄHMUNG. 67 handen. In der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle ver- laufen im Glossopharyngeus die Geschmacksfasern für den hinteren Theil der Zunge, in einer gewissen Zahl von Fällen versorgt dieser Nerv aber auch den vorderen Theil der Zunge. Der letztere Satz wird positiv bewiesen durch unseren Fall, der keinerlei andere Deutung zulässt; er war aber schon höchst wahrscheinlich gemacht durch das Fehlen von Geschmacksstörungen bei completter basaler Trigeminus- lähmung (Bruns) und nach Exstirpation des Ganglion Gasseri (Krause). Die Zahl der verwerthbaren Beobachtungen ist noch zu klein, als dass es heute schon möglich wäre, sich eine genauere Uebersicht darüber zu verschaffen, wie oft die Geschmacksfasern des vorderen Zungenabschnittes im Trigeminus, und wie oft sie im Glossopharyngeus verlaufen. Keines- wegs aber scheint mir das vorliegende Material dazu zu berechtigen, den letzteren Weg als einen nur ganz ausnahmsweise eingeschlagenen zu be- zeichnen. Denn wenn wir die Fälle von basaler Trigeminuslähmung mit kritischen Augen ansehen und uns dabei der Forderung bewusst bleiben, dass überhaupt nur Fälle mit Störung des Geschmackes verwerthbar sind, so schrumpft die Zahl derjenigen, die den Verlauf der Geschmacksfasern durch den Trigeminus beweisen, bedenklich zusammen, und die Ex- stirpationsfälle, die die klarsten Daten ergeben, zeigen ungefähr ebenso oft Geschmacksstörung, wie sie sie vermissen lassen. Wir haben uns nun weiter die Frage vorzulegen, wie die Geschmacks- fasern aus dem Lingualis und der Chorda in den betreffenden hierher gehörigen Beobachtungen in den Glossopharyngeus gelangen. Es liegen dafür zwei Möglichkeiten vor, wenn wir davon absehen, dass vielleicht ein ganz geringer Faserantheil vom Lingualis direct zum Ganglion oticum geht. Die Geschmacksfasern gehen also entweder mit der Chorda zum Ganglion geniculi und von dort durch eine sicher gestellte Verbindung des Ganglion genicul. zum Plex. tympanicus in die Paukenhöhle und von da durch den Nervus Jacobsonii zum Ganglion petrosum, oder sie verlaufen im Facialis peripher bis zu seiner Austrittsstelle aus dem Foram. stylomastoid. (s. oben die Ansicht von Stich) und dann durch eine ebenfalls sicher- gestellte Verbindung des Facialis mit dem Glossopharyngeus in diesen. Wir haben keine sicheren Anhaltspunkte zur Entscheidung dieser Frage. Wir wissen aus den Beobachtungen der Otiater nur eins, dass nämlich destruirende Affeetionen der Paukenhöhle auch Geschmacksstörungen im hinteren Zungenabschnitte hervorrufen können. Urbantschitsch [eitirt nach Bernhardt (3)] hat zuerst gezeigt, dass diese Geschmacksstörungen auf eine Affection des Plexus tympanicus und speciell der in diesem ent- haltenen Faserantheile des Glossopharyngeus zurückzuführen sind. Schlich- ting’s (45) schon einmal eitirte Untersuchungen gehen auch auf diesen rn* [9] 68 R. CASSIRER: Punkt ein. Er glaubt einen Fall beobachtet zu haben, der dafür spricht, dass eine Verletzung des Plexus tympanicus bei erhaltener Chorda zur Geschmackslähmung in dem hinteren Theil der Zunge und am weichen Gaumen führt, und er hat vier Fälle mit Zerstörung des Plexus tympanicus und der Chorda gesehen, in denen völlige Aufhebung der Geschmacksempfin- dung bestand, nur einmal waren noch kleine empfindende Inseln vorhanden. Es bleibt aber, wenn wir diese Thatsachen auch ohne Weiteres an- erkennen müssen, recht schwierig, zu verstehen, wie in diesen Fällen eigent- lich die Geschmacksstörung durch Läsion des Plexus tympanicus zu Staude kommt. Es geht ja doch sicher nur ein kleiner Theil der IX. Nervenfasern durch den N. Jacobsonii zur Paukenhöhle, während die Hauptmenge direet vom (rangl. petrosum weiter im IX. Nervenstamm zum Gehirn zieht und weiter ist eigentlich auch gar kein Weg ersichtlich, auf dem die im N. Jacobsonil und Plex. tympan. enthaltenen Fasern weiter zum Gehirn ziehen; denn in der Mehrzahl der Fälle schlagen sie sicher nicht den einzig gangbaren Weg: Plex. tympan., N. petros. superf. min., Gangl. oticum, Trigeminus- stamm, ein, da, wie oben gezeigt, im Quintusstamm die Fasern für das hintere Drittel der Zunge nicht vorhanden sind. So bleibt eigentlich nur die befremdliche Annahme, dass sie im Plex. Jacobsonii denselben Wee zurückziehen, den sie gekommen sind, zum Ganglion petrosum. Hier sind noch erhebliche Schwierigkeiten vorhanden, die, soweit ich die Litteratur übersehe, noch nicht genügend betont wurden. Es bleibt uns nun bezüglich der Geschmacksfasern noch eine Frage zu beantworten: Wo liegt ihre Endigung in der Medulla oblongata? Auch hier kommen wir mit unseren heutigen Kenntnissen zu keinem sicheren Schluss, wenn auch durch eine vor nicht langer Zeit von Wallenberg in seinem schon erwähnten Falle gemachte Beobachtung einiges Licht in diese dunkle Sache gebracht wurde. Wallenberg fand bei mikroskopischer Untersuchung seines Falles Folgendes: eine durch die Zerstörung des Ganglion Gasseri bedingte Degeneration der spinalen Quintuswurzel. „In der Höhe des inneren Facialiskernes löst sich ein von degenerirten Fasern ein- geschlossenes ovales Stück gelatinöser Substanz vom dorsalen Winkel der linken spinalen Quintuswurzel los und entfernt sich von ihr spinalwärts in dorsomedialer Richtung... es geht an der Austrittsstelle des Glossopharyn- geuskernes direct in den Kern des solitären Bündels über. Die Zahl der degenerirten Fasern, am cerebralen Ende noch bei Weitem die der gesunden überwiegend, ist schon vor der Austrittsstelle der IX. Wurzeln auf ein Mini- mum gesunken und beschränkt sich von da abwärts auf einzelne Elemente.“ Diese Verbindung des Trigeminus mit dem solitären Bündel, das im Wesentlichen die Endstelle des Glossopharyngeus zu sein scheint, ist zuerst von Roller (43) beschrieben worden. Böttiger (4) sah es zuerst bei Ein FALL VON MULTIPLER HIRNNERVENLÄHMUNG. 69 Degeneration des übrigen solitären Bündels erhalten bleiben; dieselbe Beob- achtung konnten Schiff und ich (7) in mehreren Fällen machen. Roller hat ihm auch schon seine Bedeutung als Geschmacksnervenwurzel — bezw. nach unseren heutigen Anschauungen Geschmacksnervenendigung — an- gewiesen. Auch Wallenberg (53) meint, dass es wahrscheinlich der Leitung von Geschmacksempfindungen diene. „Die Betheiligung des Trigeminus an der Constitution jenes Bündels wird naturgemäss grossen Schwankungen unterliegen, und es scheint mir darin eine anatomische Begründung für die von Bruns schon im Jahre 1888 betonte Differenz in der Antheilnahme des Trigeminus an der Geschmacksinnervation der Zunge bei verschiedenen Individuen gegeben zu sein.“ Auf die Möglichkeit einer gemeinsamen centralen Endigung der Ge- schmacksfasern durch Verbindungen von der spinalen Trigeminuswurzel zum Glossopharyngeus hatte übrigens vor langem auch schon Müller (39) hingewiesen. Es muss weiteren Forschungen vorbehalten bleiben, festzustellen, ob die von Wallenberg dem in Rede stehenden Faserzug gegebene Deutung richtig ist; eine gewisse Schwierigkeit besteht unter Anderem darin, dass wir gerade bei völlig degenerirter spinaler Trigeminus- und Glossopharyngeus- Wurzel diesen Faserzug vollkommen erhalten fanden. Auch klinische Forschungen werden dazu beitragen können, über diese Fragen Licht zu verbreiten. Es wird nämlich mehr als bisher darauf geachtet werden müssen, wie sich der Geschmack in Fällen bulbärer Läsion mit Trigeminusanästhesie verbält. Einen Fall dieser Art Quintusanästhesie auf der einen Seite, dabei gleichzeitige völlige Geschmackslähmung auf dieser Seite und Geschmackslähmung auch auf dem hinteren Theil der anderen Zungenhälfte beschreiben Long und Egger (32), sie führen die Geschmacks- störungen auf eine intramedulläre Quintusaffeetion zurück, doch ist das klinische Bild zu complieirt, als dass es sichere Schlüsse in dieser Richtung gestattete. Auch Bechterew (2) und neuerdings Higier (23) haben auf diese Combination der Trigeminusanästhesie mit Geschmackslähmung (unter gleichzeitiger Schädigung auch der anderen Specialsinne) aufmerksam gemacht. Es muss ja gewiss zugestanden werden, dass der Gedanke etwas Ver- führerisches hat, die auf so mannigfach wechselnden und verschlungenen Wegen zum Gehirn geleiteten Geschmacksempfindungen würden in der Medulla oblongata zu einer gemeinsamen Endstätte geleitet. Für die Leitungswege selbst aber werden wir daran festhalten müssen, dass grosse individuelle Schwankungen und Verschiedenheiten vorkommen, wie das Oppenheim (39b) und Bruns schon seit längerer Zeit betont haben. Unser Fall erschien mir geeignet, für eine der hier möglichen Modalitäten den volleültigen klinischen Beweis zu erbringen. 70 R. CASSIRER: Litteraturverzeichniss. 1. Asher, A case of paralysis of the trifacial nerve; with remarks. British medic. Journal. 1878. Vol. II. p. 514. 2. Bechterew, Deutsche Zeitschrift f. Nervenheilk. 1895. Bd. VIII. S. 119. 3. Bernhardt, Erkrankung der peripheren Nerven. Wien 1895. Bd. 1. 4. Böttiger, Beiträge zur Lehre von der chronischen Ophthalmoplegie. Archiv für Psychiatrie. Bd. XX1. 5. Bruns, Multiple Hirnnervenläsion nach Basisfractur. Zbenda. Bd. XX. 6. Carl, Beitrag zur Frage: Enthält die Chorda tympani Geschmacksfasern. Archiv für Ohrenheilkunde. Bd. X. 7. Cassirer und Schiff, Beiträge zur Pathologie der chronischen Bulbär- erkrankungen. Arbeiten aus dem Institut Obersteiner. Bd.IV. 8. Dana, Jotrnal of nervous and mental diseases. 1886. p. 85. (Nach Bruns.) 9. Dinkler, Beitrag zur Lehre von den Stamm- und Wurzellähmungen des Hypoglossus. Deutsche Zeitschrift für Nervenheilkunde. Bd. XIII. 8. 251. 10. Dixon, Further note on the course of the taste fibres. Zdinbourgh med. Journal. 1897. Vol.1. 11. Duchenne, Physiologie der Bewegungen. (Deutsch von Wernicke.) 8. 12. 12. Erb, Handbuch der Krankheiten der peripheren Nerven. 13. Derselbe, Ueber rheumatische Facialislähmung. Archiv für klin. Mediein. 1875. Bd. XV. 14. Derselbe, Ueber den Weg der geschmacksvermittelnden Chordafasern zum Gehirn. Neurologisches Centralblatt. 1882. 8.73. 15. Fergusson, The nerve-supply of the sense of taste. Medical news. 1890. Vol. II. p. 395. : 16. Ferrier, Paralysis of the fifth eranial nerve. Zancet. 1888. Vol.I. p.1. 17. v. Frankl-Hochwart, Die nervösen Erkrankungen des Geschmacks u. s. w. Wien 1898. 18. Gowers, Lehrbuch der Nervenkrankheiten. (Deutsch von Grube.) Bd. II. S. 210. 19. Derselbe, Paralysis of the fifth nerve. Fdinbourgh medic. Journal. 1897. Vom: zpr37 20. Hagelstam, Lähmung des Trigeminus und Entartung seiner Wurzeln u. s. w. Deutsche Zeitschrift für Nervenheilkunde. Bd. XII. S. 205. 21. Halban, Zur Physiologie der Zungennerven. Wiener klin. Rundschau. 1896. 22. Heusner, Eine Beobachtung über den Verlauf der Geschmacksfasern. Berliner klinische Wochenschrift. 1886. Nr. 44. 23. Higier, Wie verhalten sich die Speeialsinne bei Anästhesie des Gesichts? Deutsche Zeitschrift für Nervenheilkunde. Bd. XIll. S. 316. Eın FALL VON MULTIPLER HIRNNERVENLÄHMUNG. ran 24. Hirsch, Note on a case of traumatic injury etc. New York med. 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Wochenschr. 1879. Nr. 43. Neumann, ref. $8.J. Bd. CXXV. S. 164. Ruhemann, Beziehungen des Trigeminus zur Gesichtsatrophie. Centralblatt ‚für klinische Medicin. 1889. Nr. 1. Senator, Ein Fall von Trigeminusaffection. Arch. f. Psych. Bd. XIII. $. 590. Zeuner, Klinischer Beitrag über den Verlauf der Geschmacksfasern. Neurolog. Centralblatt. 1888. Nr. 16. Ueber die Schicksale der Eiweissstoffe nach Einführung in die Blutbahn. Von Prof. Immanuel Munk und Dr. Max Lewandowsky. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Berlin.) Während früher die Anschauung geherrscht hat, dass nur diejenigen Eiweissstoffe aus dem Darmcanal in die Säfte übertreten können, die zuvor durch Magen- und Pankreassaft peptonisirt worden sind, ist insbesondere von Brücke! zuerst betont worden, dass auch die genuinen, nativen, nicht denaturirten Eiweisskörper direct der Resorption unterliegen können. Dafür scheinen die Erfahrungen zu sprechen, welche an solchen Darmfisteln von Menschen und Thieren gemacht worden sind, zu denen der Zutritt von Verdauungssäften und damit auch deren Enzymen (Pepsin, Trypsin) aus- geschlossen war und aus denen eingebrachte Eiweissstoffe schon innerhalb 4 Stunden in ziemlich reichlicher Menge verschwanden, ohne dass in den Darmschlingen sich Albumosen oder Peptone nachweisen liessen. Die Re- sorption der nativen Eiweisskörper wurde in manchen dieser Beobachtungen, so in denen von C. Voit und Bauer? beim Hunde, ferner von Czerny und Latschenberger? beim Menschen, noch dadurch überzeugend er- wiesen, dass entsprechend dem Eiweissübertritt in die Säftemasse auch der Eiweissumsatz und die Harnstoffausfuhr durch den Harn in die Höhe ging. Gegen diese und ähnliche Versuche liesse sich höchstens noch der Einwand erheben, dass in diesen, zwar von Verdauungsenzymen fast freien Darm- schlingen, doch zumal bei neutraler bis alkalischer Reaction des Inhaltes Sitzungs-Berichte der Wiener Akademie. 1869. Bd. LIX. 2. Abth. 8. 617. Zeitschrift für Biologie. 1869. Bd. V. 8. 562. Virchow’s Archiw. 1874. Bd. LIX. S. 161. oo vw m 74 IMMANUEL MUNnk UND MAx LEWANDOWSKY: durch Bakterien eingeleitete Spaltungen, die als erste Producte ebenfalls sog. Peptone liefern, der Resorption vorausgegangen seien, daher es als noch nicht völlig erwiesen gelten dürfe, dass genuine oder nicht denaturirte Ei- weissstoffe also solche der Aufsaugung unterlegen sind. Und derselbe Ein- wand liesse sich gegen die mit Nährklystieren gemachten therapeutischen Erfahrungen erheben, insofern auch hier die Eiweissresorption aus dem Diekdarm und dem Mastdarm, so sehr sie über allen Zweifel bewiesen ist, doch keinen sicheren Rückschluss gestatte äuf die Form, ob genuin oder denaturirt, in welcher der Uebertritt der Albuminstoffe erfolgt sei. Nun hat inzwischen der Eine von uns (Munk) im Verein mit A. Rosenstein! an einer Lymph(chylus)fistel beim Menschen mit Sicher- heit feststellen können, dass nach Genuss von mässigen Eiweissmengen, 80 bis 103 8m Eiweiss (in magerem Fleisch) in einer Mahlzeit, in den nächstfolgenden 12 Stunden weder die Menge des ausfliessenden Chylus, noch das damit ausgeführte Eiweissquantum merklich zunimmt, eine Er- fahrung, die, neuerdings von L. B. Mendel? an einem Magenfistelhunde bestätigt, den bestimmten Schluss gestattet, dass das im Darm resorbirte Eiweiss fast ausschliesslich in die Blutbahnen übertritt und kein merklicher Antheil davon in die Lymphbahnen des Darms.” Kann nun auch genuines und nicht denaturirtes Eiweiss in die Blutbahnen übertreten, so müsste — dies wäre gleichsam die Probe auf das Exempel — sich erweisen lassen, dass, wie das aus dem Darm resorbirte, so auch das in ähnlich langsamem Tempo direct in’s Blut eingeführte native Eiweiss im Körper zur Verwer- thung gelangt, ohne doch, oder höchstens zu einem ganz geringen Bruch- theil, der Ausscheidung durch die Nieren zu verfallen. Denn dass nicht etwa auf die durch die Pfortaderwurzeln resorbirten und mit dem Pfortader- blut der Leber zugeleiteten Eiweissstoffe die Leber selbst eine chemisch umwandelnde Wirkung übt, ist durch gleichzeitig und unabhängig von einander ausgeführte Versuche von Neumeister* und I. Munk° bewiesen, denen zufolge durch die Pfortaderwurzeln infundirte sog. Peptone die Leber ' 1. Munk und Rosenstein, Dies Archiv. 1890. Physiol. Abthlg. 8. 379; Virechow’s Archiv. 1891. Bd. CXXII. S8. 496. ? Americ. Journal of physiol. 1899. Vol. II. 3. p. 137. 3 Es sei denn, dass, wie in einem Versuche von Asher und Barbera (Cenfral- blatt für Physiologie. 1897. Bd. XI. Nr. 17. 8.403; Zeitschrift für Biologie. 1898. Bd. XXXVI. 8. 212), einem Hunde übermässige Mengen von solchem Eiweiss beigebracht werden, das einer verbreiteten Annahme zufolge den Verdauungsorganen keine Arbeit auf- bürdet und daher schneller resorbirt wird, wie Witte’s Pepton (zumeist aus Albumosen bestehend). In solchem Falle erscheint etwa !/,,; vom resorbirten Eiweiss im Chylus wieder (I. Munk, Centralblatt für Physiologie. Bd. XI. Nr. 19. S. 587). * Zeitschrift für Biologie. 1890. Bd. XXVl. 8.315. ° Dies Archiv. 1890. Physiol. Abthlg. Suppl. S. 134. SCHICKSAL DES EIWEISSES IN DER BLUTBAHN. 75 unverändert passiren (Neumeister), daher auch in gleicher Gabe und Schnelligkeit die Senkung des Blutdruckes und die narkotische Wirkung herbeiführen, wie wenn sie, mit Umgehung der Leber, direct in die Jugular- vene eingespritzt werden (Munk). Solche Versuche mit direeter Einführung von gelösten Eiweissstoffen in die Blutbahn sind schon von verschiedenen Autoren unternommen worden, haben aber eigentlich nur bezüglich eines nativen Eiweisskörpers sichere Resultate ergeben, und das sind die Eiweisskörper des Blutplasmas oder Blutserums: das Serumalbumin und Serumglobulin. Durch die Transfusions- erfolge ist über allen Zweifel erwiesen, dass die Serumalbumine und -globu- line derselben Species in weitem Umfange (bis zu 3 S” Serumeiweiss pro Kilo Thier) vertragen und assimilirt werden. Die Angabe von O. Weiss, ! dass das Serum verschieden geschlechtlicher Thiere derselben Species nicht assimiliert wird, ist von Friedenthal und Lewandowsky? im hiesigen Institut widerlegt worden. Was die Serumeiweisse einer anderen Species anlangt, so war von Forster,? Ponfick* u. A. festgestellt worden, dass das Pferdeserum von Hunden in erheblichen Mengen verwerthet werden kann. Dagegen bestand über die Frage der allgemeinen Assimilirbarkeit fremden Serums noch eine Discussion. Erst Friedenthal und Lewan- dowsky” haben gezeigt, dass die Differenzen in den Angaben der Autoren hier wahrscheinlich auf die verschiedene Giftigkeit der einzelnen Sera zurück- zuführen sind, und dass, wenn diese Giftigkeit durch eine von ihnen an- gegebene einfache Methode (Erwärmen auf 60°C. bis zur Opalescenz des Serums) beseitigt wird, die Sera aller fremden Species auch ohne Weiteres assirnilirbar werden. Andere genuine Eiweissstoffe, wie Eieralbumin und Casein; sollen indes nach Cl. Bernard, Stokvis, Creite, Runeberg und besonders Neu- meister® „bei künstlicher Einführung in die Blutbahn auch nicht einmal in den geringsten Mengen vertragen werden. Dagegen gelangt denaturirtes Eieralbumin in Form von Syntonin oder Albuminat, direct in’s Blut ge- spritzt, nicht zur Ausscheidung, sondern wird assimilirt.“® Dass Eieralbumin, obwohl in chemischer Hinsicht dem Serumalbumin so ähnlich, noch nicht einmal in den geringsten Mengen in der bBlutbahn ı Pflüger’s Archiv. 1896. Bd. LXV. S. 215. ? Berliner klinische Wochenschrift. 1899. Nr.12. 8.249; Dies Archiv. 1899. Physiol. Abthlg. S. 531 % Zeitschrift für Biologie. 1875. Bd. Il. 8.518. * Virchow’s Archiv. 1875. Bd. LXI. S. 278. 5 Vgl. die Litteratur hierüber bei Neumeister, Lehrbuch der physiologischen Chemie. 2. Aufl. 1897. 8. 300, Fussnote 3 u. 4, und S. 301, Fussnote 1 u. 2. 6 Ebenda. S.300, Text. 76 IMMANUEL MUNK UND MAx LEWANDOWSKY: vertragen wird, könnte man allenfalls so deuten, dass das Eieralbumin dem Organismus gegenüber einen Fremdkörper bildet, der daher als solcher schnell durch den Harn ausgestossen wird. Allein dann wäre es um so weniger zu verstehen, dass nach Neumeister genuines Phytovitellin, das doch sicherlich körperfremd oder heterogen ist, in beträchtlicher Menge in der Blutbahn der Thiere vertragen wird. Andererseits kann doch genuines Casein für den Organismus nicht als Fremdkörper gelten, und wäre er es selbst für das Blut, das doch Casein nicht enthält, so wäre es wiederum unverständlich, weshalb Acidalbuminate (Syntonine) und Alkalialbuminate, die doch, weil denaturirt, in viel höherem Grade als Fremdkörper für das Blut anzusehen sind, in der Blutbahn vertragen und vollständig assimilirt werden. Zahlreiche Versuche mit Infusion verschiedener Eiweissarten hat Neumeister! ausgeführt; er hat „grosse Mengen von Syntonin (100 em gesättigter Lösung in 1-5 Proc. Soda) und von Albuminat (100 em oesät- tigter Lösung in 1-5 Proc. Soda) aus Hühnereiweiss mittelgrossen Hunden in die Jugularis gespritzt. Niemals hat er hiernach auch nur Spuren von Eiweiss im Harn gefunden. — Denselben Erfolg hatte die entsprechende Einführung von Syntonin, aus Rindsmuskeln durch 0-25 Proc. Salzsäure in der Kälte ausgezogen (100 «® einer gesättigten Lösung in 1-5 Proc. Soda), die von genuinem Phytovitellin aus Kürbisssamen (175 °® einer vesättieten Lösung in 1 Proc. Soda und 0-6 Proc. Kochsalz), sowie die von reinem Serumalbumin aus Rinderblut in derselben Menge und Flüssigkeit.“ Ferner „der Thatsache, dass Hühnereiweiss‘ (scil. als solches) „die Darnı- schleimhaut passiren kann, aber auf der anderen Seite nicht assimilirt wird und daher der Ausscheidung durch die Nieren verfällt“ (wie daraus erhellt, dass nach Ueberladung des Darmes mit rohem Hühnereiweiss dasselbe im Harn erscheinen kann), „entspricht das prompte und baldige Erscheinen von Hühnereiweiss im Harn, wenn man dasselbe in eine Vene spritzt.“ Diese verschiedenen und mit einander kaum in Einklang zu bringenden Beobachtungen schienen uns, schon wegen ihrer principiellen Bedeutung für die Frage des Eiweissstoffwechsels, der Nachprüfung werth, um so mehr, als Neumeister von seinen Versuchen nur die Ergebnisse summarisch mit- theilt, und gerade der eine Versuch, über den er etwas mehr berichtet, mit intravenöser Einführung von gelöstem genuinen Casein den Einwen- dungen eine breite Angrifisfläche bietet. Neumeister sagt hierüber,? „ich liess einem mittelgrossen Hunde 0.82 «m3 Casein als neutrale Natron- verbindung in 60 em Wasser gelöst sehr langsam in die V. pediaea ein- ! Neumeister, Sifzungsberichte der physikalisch-medicinischen Gesellschaft in Würzburg. 1889. 8. 64ff.; die angezogenen Sätze ebenda. 8.72 u. 74. ? Ebenda. 1889. S. 74. ® Soll wohl heissen „Gramm“. SCHICKSAL DES EIWEISSES IN DER BLUTBAHN. Ti strömen. Der zunächst gelassene fast neutrale Harn erwies sich stark eiweisshaltig. Aber das anscheinend in seiner ganzen Menge aus- geschiedene Casein! war offenbar verändert: Es liess sich wohl durch Salpetersäure, durch Essigsäure und Ferrocyankalium, aber nicht mehr durch Essigsäure allein oder durch Salzsäure ausfällen....“ Offenbar sind solche Versuche, in denen das „anscheinend“ die quantitative Bestimmung vertritt, nicht als exakt und beweiskräftig zu erachten. \Während wir nun mit den gleich mitzutheilenden Versuchen beschäftigt waren, erschien eine Mittheilung von C. Lilienfeld? (aus dem Zuntz’schen Laboratorium), worin u. A. auch über Versuche mit intravenöser Einführung von gelösten Eiweisskörpern berichtet wird. Dieser Autor hinwiederum hat nicht bestätigen können, dass in Sodasolution gelöstes Syntonin im Körper behalten und verwerthet wird, vielmehr sah er danach nicht nur die ganze injieirte Menge, sondern mehr als das Doppelte davon durch den Harn austreten; er deutet dies als eine durch das im Blut kreisende Syntonin bedingte Nierenreizung. Dagegen wurde Conglutin, also pflanzliches Eiweiss, in Soda gelöst, gut vertragen und assimilirt. Somit konnte auch diese Mittheilung die planmässige Durchführung und Beendigung unserer Ver- suche nicht überflüssig machen. Unsere Versuche sind an Kaninchen und ein Controlversuch am Hunde ausgeführt. Der zu prüfende, möglichst rein dargestellte oder käuflich erhältliche Eiweisskörper wurde in 0-5 bis 1 procentiger Sodasolution gelöst und die durch Papier oder Glaswolle filtrirte, von allen corpusculären Ele- menten befreite Flüssigkeit durch eine in die V. facial. ant. oder jugularis herzwärts eingebundene Glascanüle aus einer Bürette im langsamen Tempo, zu !/, bis 1 «m pro Minute, einfliessen gelassen. Von welcher Bedeutung das möglichst langsame Einfliessen unter geringem Druck in die Vene ist, hat der Eine von uns (Munk) schon vor 12 Jahren bei Gelegenheit von Untersuchungen* kennen gelernt, die der Verwerthung intravenös einge- führter Stoffe (Zucker, Glycerin, Buttersäure, Seifen) für den respiratorischen Bedarf galten; hier ging selbst von dem so leicht assimilirbaren Trauben- zucker ein Bruchtheil in den Harn über, wofern die Einführung nicht ge- nügend langsam erfolgte. Den Versuchsthieren wurde zumeist erst Harn abgedrückt und auf Freisein von Eiweiss geprüft. War die gewünschte Eiweissmenge eingeflossen, so wurde die Vene unterhalb der Canüle ligirt, die Canüle entfernt, die Hautwunde vernäht und das Thier in einen Käfig gebracht, in dem es auf einem, aus verzinnten eisernen Rundstäben gebil- ! Im Original nicht gesperrt. ? Zeitschrift für physik. und diätet. T'herap. 1899. Bd.IIl. Heft 3. ® 1. Munk, Pflüger’s Archiv. 1889. Bd. XLVl. S. 303. 78 IMMANUEL MUNK UND \MAx LEWANDOWSKY: deten Durchschlag sass, unterhalb dessen sich eine mit Zink ausgekleidete Schieblade zum Auffangen des etwa gelassenen Harnes befand. Meist wurde der Harn nicht spontan gelassen, sondern musste durch Abdrücken ge- wonnen werden. Im vereinigten (klar filtrirten und auf ein rundes Volumen aufgefüllten) Tagesharn wurde zuerst auf Eiweiss, dann ob das eventuell gefundene Eiweiss mit dem infundirten identisch, gefahndet. Zur quantitativen Bestimmung des Eiweisses wurde der Harn, wenn er, wie in der Mehrzahl der Fälle, nicht ganz klar war, mit Soda- lösung, unter Zusatz von etwas Magnesiumsulfat, alkalisirt,! auf ein rundes Volumen aufgefüllt und ein aliquoter Theil, mindestens !/, bis }/, von der Tagesmenge, des nunmehr absolut klaren Filtrates mit Essigsäure angesäuert, dazu Kochsalz- oder Bittersalzlösung gesetzt, zum Kochen erhitzt, durch ein dichtes Filter gegeben und der ausgewaschene Niederschlag sammt dem Filter nach Kjeldahl behandelt, so der Eiweissstickstoff' in Ammoniak übergeführt und dies durch Ueberdestilliren mittels Natronlauge bestimmt. (Gewöhnlich fand sich nur noch am 2. Tage noch Eiweiss, manchmal in kaum zu bestimmender Menge; der Harn des 3. Tages war meist eiweissfrei. Zur qualitativen Probe auf Eiweiss diente das Ueberschichten von Salpetersäure, die mit !/, Vol. concentrirter Kochsalzlösung versetzt war, mit dem zu prüfenden Harn, die Reaction mit Ferrocyanwasserstofl' (Essig- säure + Ferrocyankalium) und das Erhitzen mit Essigsäure und Kochsalz- bezw. Bittersalzlösung. Zunächst wurde das Schicksal infundirten Caseins geprüft, worüber nur ein, wie oben gezeigt, höchst mangelhafter Versuch von Neumeister vorlag. Zur Verwendung gelangte ein von Schering’s Fabrik dargestelltes, schneeweisses, feinkörniges bis staubfeines Präparat, das der Eine von uns? schon früher untersucht hat und das neben Casein noch 10.7 Procent Wasser, 1 Procent Fett und 1.1 Procent Asche enthielt. Es löste sich in l procent. Soda zu einer, auch nach dem Filtriren milchigen Flüssigkeit, und zwar war das milchige Aussehen um so stärker, je concentrirter die Lösung. Graues Kaninchen von 1510 &”% erhält 27 “® einer (nach Kjeldahl) 3-36 procentigen Lösung Caseinlösung, also 0.907 ®”% ÜCasein, innerhalb 48 Minuten in die Jugularis infundirt. Der zuvor abgedrückte Harn war eiweissfrei. Der Harn der nächsten 48 Stunden vereinigt? und auf 250 ! Der Magnesiazusatz zu dem alkalisirten Harn hat bekanntlich die Bedeutung, einen Niederschlag von Magnesiumcarbonat bezw. -sulfat und -phosphat zu erzeugen, der fein suspendirte Trübungen mit niederreisst, so dass nunmehr der Harn klar filtrirbar wird. ?2]. Munk, Dies Archiv. 1895. Physiol. Abthlg. S. 551. 3 Wurde abgedrückter oder spontan gelassener Harn aufbewahrt, so geschah dies unter Thymolzusatz. SCHICKSAL DES EIWEISSES IN DER BLUTBAHN. 79 - aufgefüllt; in 100 © 0.01528”%, also im Gesammtharn 0.038 Sm Eiweiss. Der Harn des 3. Tages eiweissfrei. Das spärlich im Harn erscheinende Eiweiss war anscheinend unverändertes Casein, insofern der Harn schon beim vorsichtigen Ansäuern mit Essigsäure sich trübte. Also wurden ausgeschieden . . . 4 Procent zurückbehalten . . : 96 , bei einer Gabe von 0.6 8" Casein per Kilo Thier. Einem schwarzen Kaninchen von 1302 ®”" wurden 46-5 °® einer wie dünne Milch aussehenden Caseinlösung innerhalb 1 Stunde 18 Min. infundirt, insgesammt 3-164 ®" Casein. Der Harn der nächsten 24 Stunden, unter Zusatz von Soda und etwas Magnesiumsulfat auf 150 “® gebracht, enthielt in 100 “® Klaren Filtrates 0.0792" Eiweiss, der Harn des folgenden Tages giebt, auf die Hälfte eingeengt, nur 0.028" Eiweiss. Somit sind 0-119 + 0.02 = 0.139 &M Eiweiss ausgetreten, d.h. es wurden ausgeschieden . . . 4-5 Procent zurückbehalten . . . 95-5 ” bei einer Caseingabe von 2-4 SM per Kilo Thier. Weisses Kaninchen, dunkeläugig, 1530 ®””. Innerhalb 57 Minuten in- fundirt 41-7 2% einer 8.44 procentigen Caseinlösung in 1 Procent Soda, im Ganzen 3.52 &m Casein. Harn des folgenden Tages enthält 0.106 2", am 2. Tage 0.063 ®" Eiweiss; der am 3. Tage ist eiweissfrei. Gesammt- ausfuhr von (anscheinend unverändertem) Casein 0.169 ®%, also wurden ausgeschieden . . . 4-7 Procent zurückbehalten . . . 95-3 bei 2.3 2% Casein per Kilo Thier. „ Im schroffsten Widerspruch mit Neumeister’s Angabe, dass „beim mittelgrossen Hunde schon 0.82®m Casein intravenös eingeführt anscheinend vollständig durch den Harn austritt“, was vermuthlich einer Gabe von 0.08 == Casein pro Kilo Thier entspricht (leider findet sich bei Neumeister keine Angabe über das Gewicht seines Versuchsthieres), sehen wir hier bei Kaninchen von nur 1-32 bis 1-81: von einer 6 bis 30 Mal so grossen Caseingabe per Kilo nur 4 bis 4-7 Procent, also nur !/,, bis !/,, des infundirten Quantums durch den Harn austreten. Es ist damit über allen Zweifel erwiesen, dass in Soda gelöstes Casein bis auf einen kleinen Bruchtheil im Körper zurückbehalten und verwerthet wird, auch wenn es bis zu 2.4®m per Körperkilo intravenös eingeführt wird. Irgend welche Störungen hatte die Infusion nicht zur Folge; die Thiere wurden nach Beendigung der Beobachtung noch anderweitig verwendet. Dem zum zweiten Versuch benutzten Kaninchen, dessen Körpergewicht am 4. Tage nach der Infusion nur 1270 8m betrug, wurden 15 °” der 3.36proc. Caseinlösung, im Ganzen 0.504 sm Casein, in die Bauchhöhle eingespritzt. Im Harn der nächsten 24 Stunden keine Spur von Eiweiss durch eine der s0 IMMANUEL MUN&k UND MAX LEWANDOWSKY: drei scharfen Reactionen nachweisbar. Also ist die Verwerthung des in eine seröse Höhle eingespritzten Caseins noch vollständiger als bei Infusion freilich gelangten hier nur 0-48 per Kilo Thier zur Injection. So gut danach das infundirte Casein assimilirt wird, so wenig ist auch das genuine Eieralbumin ein „für die Blutbahn fremder Körper, der nicht einmal in den geringsten Mengen vertragen wird“. Freilich ist seine Assi- milirbarkeit eine viel geringere; immerhin werden nach unseren gleich zu beschreibenden Versuchen beim Kaninchen 54 Procent, beim Hund sogar 82 Procent des intravenös Eingeführten verwerthet. Auch in dieser Hin- sicht hätte Neumeister um so weniger Berechtigung gehabt, auf Grund seiner mangelhaften Versuche sich so bestimmt zu äussern, als schärfere gegentheilige Erfahrungen vorliegen, die er kennen musste, da sie von ihm wenigstens in der Litteraturübersicht aufgeführt werden. Denn sehen wir selbst vom Versuche J. Chr. Lehmann’s! ab, der einem Hund (von welchem Gewicht?) 0.828"® Eiweiss infundirt hatte und davon 0.63 8m = 77 Procent durch den Harn austreten sah, so liegt ein, wie es scheint, einwandfreier Versuch von Forster? vor, dessen 18 Tage lang hungernder Hund von knapp 40*® nach Infusion von 73-3 8m Bierweiss = 1.84 8m per Körperkilo innerhalb der nächsten 3 Tage 53-3 m Eiweiss = 72 Procent der Einfuhr ausschied. Hündin, 12-3 '® schwer, deren durch Katheter gewonnener Harn eiweissfrei ist, erhält am 3. Hungertage 25 °® Bierweisslösung mit 1-26 2% Ovalbumin, also 0-1 &”% per Kilo, infundirt. Harn der nächsten 48 Stunden vereinigt, auf 350 “® aufgefüllt; 100 *® Filtrat enthalten 0.064 2% Eiweiss, also in der ganzen Menge 0-225 2%. Der Harn des 3. Tages ist eiweiss- frei. Das Harneiweiss giebt alle Reactionen eines Albumins (beim Erhitzen des Harns beginnt die Trübung bei 68° C. u. A,). Also ausgeschieden . . . 18 Procent zurückbehalten ©... Sam bei 0.1 &’% per Kilo Thier. Kaninchen von 1540 &m, 15.5 °® Eiweisslösung mit 1.02 sm Ov- albumin innerhalb 1 Stunde 13 Min. in die Jugularis infundirt. Harn des Versuchstages 59 °®, des folgenden 48.5 °%, des 3. Tages 97 °%, vereinigt und auf 300 ® aufgefüllt; in 100 “m Filtrat 0.158 &"” Eiweiss, also im Gesammtharn 0.474 ®””. Somit wurden ausgeschieden . . . 46 Procent zurückbehalten . . . 54 n bei 0:66 2% per Körperkilo. ı Virchow’s Archiv. 1863. Bd. XXX. 8.593. ? Zeitschrift für Biologie. 1872. Bd. XI. 8. 527. SCHICKSAL DES EIWEISSES IN DER BLUTBAHN. 81 Schwarzes Kaninchen von 1460 ®”® erhielt 15 “” Eierweisslösung, mit 0.743 2m Ovalbumin, in die Bauchhöhle eingespritzt. Im vereinigten Harn der drei nächsten Tage 0-51 2% Eiweiss. Also wurden ausgeschieden . . . 832 Procent zurückbehalten . . . 68 „ bei 0.5°"® per Körperkilo. Also geht aus diesen Versuchen die bemerkenswerthe Thatsache hervor, dass für das auch vom Darm aus unzweifelhaft schwerer assimilirbare genuine Eierweiss es keinen sehr grossen Unterschied macht, ob es in wässeriger Lösung direct in die Blutbahn oder in die Bauchhöhle gespritzt wird. In beiden Fällen tritt ein beträchtlicher Antheil durch den Harn heraus: bei Injection in die Bauchhöhle 32 Proc., bei Infusion in die Vene 1S bis 46 Proc. Offenbar hängt dies damit zusammen, dass von der Bauchhöhle aus der Uebertritt des Eierweiss in das Blut langsamer erfolgt, so dass die Gewebszellen sich desselben in grösserem Umfange bemächtigen können. Der schlechten Assimilation des Eierweiss entspricht es auch, dass hier erst der Harn des 4. Tages eiweissfrei war. Die nächsten Versuche betrafen Acidalbuminat oder Syntonin, zu dessen Darstellung sowohl Fibrin als das oben erwähnte Caseinpräparat benutzt wurden. Die beste Assimilirbarkeit ergab sich für das Syntonin aus Fibrin. Zur Darstellung wurde unter Weingeist aufbewahrtes Fibrin ausgepresst, zuerst in !/, procentiger Salzsäure quellen gelassen, dann unter Zusatz von so viel HCl, dass der Säuregehalt fast 1 Procent HCl entsprach, 24 Stunden lang im Brütofen digerirt, von dem ungelösten Rest abfiltrirt, das Filtrat vorsichtig mit Soda neutralisirt, vom ausfallenden Syntonin am Saugfilter abfiltrirtt und so lange mit Wasser gewaschen, bis das ablaufende kaum noch Cl-Reaction gab, der Niederschlag in ?/, procentiger Sodasolution ge- löst. Von dieser filtrirten alkalischen Syntoninlösung wurden einem Kaninchen von 1680 =” innerhalb 1 Stunde 8 Min. 41-3 “@ einer (nach Kjeldahl) 2-69 procentigen Syntoninlösung, also 1°11 &®” Syntonin, infundirt. Am folgenden Tage liessen sich 58 “® Harn abdrücken; auf 100 “” aufgefüllt, im Filtrat nur schwache Eiweissreaction; in 75 “® Filtrat (Aufkochen mit Essigsäure und Magnesiumsulfat) Eiweiss bestimmt, im Tagesharn 0 0192 2”, Der am folgenden Tage abgedrückte Harn giebt keine Eiweissreaction mehr, auch nicht, nachdem er bei alkalischer Reaction auf die Hälfte eingedampft worden ist. Somit wurden. ausgeschieden . . . 2 Procent zurückbehalten . . . 98 ,„ bei 0-66 =“ Syntonin per Körperkilo. Ein wenig schlechter gestaltete sich die Assimilation bei Acidalbuminat (Syntonin) aus Casein. Archiv f. A. u. Ph, 1899. Physiol. Abthlg. Suppl. E 6 82 IMMANUEL MUNnk unp MAx LEWANDOWSKY: Schering’sches Casein wurde, da es in 0-25 procentiger Salzsäure nicht quillt, unter weiterem Salzsäurezusatz auf einen Gehalt von etwa 2 Procent HCl gebracht und mehrere Stunden bei 60 bis 80° digerirt, vom Ungelösten abfiltrirt, das Filtrat mit Soda genau neutralisirt, das dabei entstandene Präeipität abfiltrirt, fast Cl-frei gewaschen, der Niederschlag in möglichst wenig 0-8procentiger Sodasolution gelöst, aufgekocht und nach der Fil- tration infundirt. Im Ganzen wurden 25 °“@ einer 3-88 procentigen Syn- toninlösung (nach Kjeldahl) einem 1470°®'% schweren Kaninchen inner- halb 34 Minuten injieirt, also 0.97 &% Syntonin. Der Harn der nächsten 24 Stunden war eiweisshaltig, und zwar fanden sich darin 0-053 2% Eiweiss. Der Harn des nächstfolgenden Tages liess keine Spur von Eiweiss mehr entdecken. Also wurden von einer ebenso grossen Gabe, wie im vorigen Versuch, nämlich 0.66 2% per Körperkilo, 5-5 Procent durch den Harn ausgeschieden und 94.5 Procent zurückbehalten. Noch ungünstiger gestaltet sich die Verwerthung, wenn das durch Säuredigestion aus Üasein gebildete Syntonin nicht durch Neutralisiren, sondern durch Dialysiren gegen fliessendes Wasser aus der salzsauren Lösung niedergeschlagen wurde. Von einem so dargestellten, in 0-8 procentiger Sodasolution gelösten, filtrirten, aber nicht aufgekochten Syntonin (die Lösung enthielt 5-76 Procent) wurden einem Kaninchen von 1340 &% innerhalb 36 Minuten 30 °“, also 1-728 &”% Syntonin infundirt. Etwa !/, Stunde nach Beendigung der Infusion, als das Thier schon in seinen Käfig über- geführt war, bekam es active Exspiration, dann traten Krämpfe ein, die unter Stillstand der Athmung nach wenigen Stunden zum Tode führten. Ein zweites kräftigeres Kaninchen von 1800 2% erhielt von derselben Lösung 25 m mit 1°44 2% Syntonin innerhalb 29 Minuten infundirt. Darnach schwere Vergiftungserscheinungen: Dyspno&, active Exspiration, dabei gute Herzaction; nach 3 Stunden ist das Thier erholt und am nächsten Morgen munter. Der Harn zeigt mässige Eiweissreaction, entsprechend 0.1395 8% Eiweiss für die Tagesmenge. Der Harn des folgenden Tages giebt nur schwache Reaction; er enthält nur 0.045 =" Eiweiss. Der Harn des 3. Tages ist frei von Eiweiss. Im Ganzen wurden 01845 ®”® Eiweiss durch den Harn ausgeschieden, d. h. 13 Procent des Infundirten, so dass also nur 87 Procent zurückbehalten wurden. Die relativ schweren Vergiftungser- scheinungen, denen das erste Kaninchen erlegen ist, dürften sich daraus erklären, dass bei der durch 3 Tage fortgesetzten Dialyse gegen Leitungs- wasser sich in dem Maasse, als die Salzsäure herausdiffundirte, eine gelinde Fäulniss entwickelt hat, deren Bakterien bezw. Toxine um so intensiver wirken mussten, als die Syntoninsodalösung nicht aufgekocht, sondern nur ein- fach filtrirt zur Infusion gelangte. Daher rief dieselbe Syntoninlösung auch schwere Vergiftungserscheinungen hervor, als einem dritten Kaninchen von 1850 sm 30 m davon, mit 1.728 E® Syntonin, in die Bauchhöhle einge- spritzt wurden. Auch hier trat Athemnoth, active Exspiration, Benommenheit und Schwäche auf, so dass das Thier auf die Seite fiel und einige Zeit so liegen blieb. Allmählich besserte sich der Zustand, war aber noch am nächsten Morgen nicht so, dass das Thier als wiederhergestellt gelten konnte. Erst im Verlaufe des folgenden Tages schwanden die krankhaften Er- scheinungen. Der Harn des 1. Tages enthielt 0-057, der des 2. Tages 0-096, der des 3. Tages 0-03 Em Eiweiss; erst am 4. Tage war das SCHICKSAL DES EIWEISSES IN DER BLUTBAHN. 83 Eiweiss verschwunden. Im Ganzen wurden von einer Gabe, die fast 0:9 3m Syntonin per Körperkilo entsprach, 0.183 ©” Eiweiss = 10-6 Procent aus- geschieden. Vielleicht erklärt sich das ungünstigere Verhältniss der Assimi- lation sowohl von der Blutbahn als von der Bauchhöhle aus in den beiden letzten Versuchen daraus, dass unter den Toxinen solche waren, die eine Nierenreizung hervorriefen. Denn dass dem Casein-Syntonin als solchem eine bessere Assimilirbarkeit zukommt, wird durch den an zweiter Stelle berichteten Versuch bewiesen, wo das Tage lange Dialysiren vermieden und die Syntoninlösung vor der Infusion einmal aufgekocht wurde. Zu den Versuchen mit Alkalialbuminat diente je ein aus Eier- albumin und aus Casein dargestelltes Präparat. Käufliches Eieralbumin (albuminum ex ovo siccum) resp. Schering’sches Casein wurden mit der 20fachen Menge ca. 2!/, proc. Natronlauge so lange gekocht, bis sich fast Alles gelöst hatte (dabei entwich Ammoniak), filtrirt, das erkaltete Filtrat mit Essigsäure vorsichtig neutralisirt, das ausgeschiedene Alkalialbuminat abfiltrirt, mit Wasser ausgewaschen, in wenig 1 proc. Sodalösung unter Er- wärmen und einmaligem Aufkochen gelöst und in die Infusionsbürette filtrirt. Ein schwarzes Kaninchen von 1670 °'%, das zuvor zum Fibrin-Syntonin- Versuch gedient hatte, erhielt innerhalb 37 Minuten 35-3 “”" einer 12-6- procentigen Lösung von Eieralbuminat, darin 4-45 2" Albuminat. Unmmittel- bar darnach liessen sich 18°” eines fast klaren alkalischen Harns abdrücken, der mit dem am nächsten Morgen gewonnenen vereinigt und auf 100 aufgefüllt wurde. Schon auf Zusatz von ein wenig Essigsäure zum klaren Filtrat trat Trübung ein, die nach Zusatz von Neutralsalz und Erhitzen reichlicher und leichter filtrirbar wurde. Für den 1. Tag betrug die Eiweiss- ausscheidung 0-302 ®=. Der Harn des folgenden Tages, schon weniger reich an Eiweiss, enthielt noch 0.108 ©”, Der Harn des 3. Tages war eiweissfrei. Im Ganzen traten aus 0-41 &®”%, d. h. es wurden ausgeschieden . . . 9.2 Procent zurückbehalten . . . 90.8 „ bei einer Gabe von 2-65 ®”” Albuminat per Körperkilo. Einem anderen Kaninchen von 1550 ®”" wurden innerhalb 49 Minuten 44.7 m einer 8-92 procentigen Casein-Albuminatlösung, mit 3:99 8" Albu- minat, infundirt. Der Harn des 1. Tages war ziemlich reich an Eiweiss; die Ausscheidung berechnet sich auf 0-232 =" Eiweiss. Der schon eiweiss- ärmere Harn des folgenden Tages enthielt nur 0-089 2”, Im Ganzen traten durch den Harn — der des 3. Tages war eiweissfrei — 0-321°""” Eiweiss aus, d.h. es wurden ausgeschieden . . . 8 Procent zurückbehalten . . . 92 ,„ bei 2-57 =” Albuminat per Körperkilo. Somit war die Assimilirbarkeit des Albuminates mit 91 bis 92 Proc. des Infundirten fast so gut als die der Acidalbuminate (Syntonin). 6* 84 IMMANUEL MUNK UND Max LEWANDOWSKY: Weiter prüften wir, unseres Wissens als die Ersten, das Verhalten der P-haltigen Nucleoproteide bezw. Nucleohistone bei intravenöser Ein- führung. Zum ersten Versuch diente ein vor Jahresfrist in unserem Labora- torium von J. Velichi! aus glatten Muskeln (Muskelmagen des Schweines) dargestelltes Nucleoproteid, das, mit Alkohol und Aether behandelt, behufs Analyse (es enthielt 15-21 Proc. N und 8-6 Proc. P) bis zum constanten Gewicht von 105° wiederholt erhitzt worden war, wodurch einerseits seine Löslichkeit in schwacher Sodasolution verringert, andererseits seine thrombo- sirende Wirkung bei Injection in die Blutbahn vernichtet worden war. Es wurde in möglichst wenig lproc. Soda unter Erwärmen gelöst und unter Saugdruck durch Glaswolle filtrirt. Von einer solchen, nach Kjeldahl, 2'908 procentigen proteidhaltigen Lösung wurden einem Kaninchen von 1430 2% innerhalb 32 Minuten 37, im Ganzen 1.076 ®’” Proteid intravenös injieirt, ohne jedes Zeichen von Störung. Der Harn der nächsten 24 Stunden, auf 100 “"” aufgefüllt und filtrirt, gab, mit Essigsäure vorsichtig angesäuert, schwache Trübung, die sich auf MgSO,-Zusatz und Erhitzen verstärkte; auf den Tagesharn be- rechnen sich 0-029 2% Eiweiss. Der Harn des folgenden Tages zeigte keine Spur von Eiweiss, auch nicht nach Einengen auf das halbe Volumen. So- mit erschienen nur 0.029 &m oder 2-7 Procent Eiweiss im Harn wieder, d.h. es wurden ausgeschieden . . . 2.7 Procent zurückbehalten . . . 97-3 " bei ?/,®® Proteid per Körperkilo. Ein Proteid von der Gruppe der Nucleohistone wurde aus Thymus dargestellt. Der fein gewiegte Thymusbrei wurde erst mit Wasser verrührt und die durch Centrifugiren getrennte wässerige Lösung abgehoben, der Brei nochmals mit !/,proc. Soda macerirt und ebenfalls durch Cenfrifugiren das alkalische Extract getrennt; die Filtrate der vereinigten Auszüge wurden mit Essigsäure ausgefällt, der abfiltrirte schneeweisse Niederschlag in schwach ammoniakalischem Wasser gelöst, das Filtrat abermals mit Essigsäure ver- setzt, der Niederschlag in !/,proc. Soda auf 56 bis 60° C. eine halbe Stunde lang erwärmt und durch Glaswolle unter negativrem Druck filtrirt. So resultirte eine graumilchige, opalisirende Lösung, die nach Kjeldahl 2.675 Proc. Proteid enthielt. Von dieser Lösung wurden einem Kaninchen von 1350 &”% innerhalb 1 Stunde 16 Minuten 50 “® mit 1-34 Sm Nucleohiston infundirt. Der in den nächsten 24 Stunden gewonnene trübe alkalische Harn, 78 °”, mit Wasser unter Zusatz von einigen Tropfen MgSO, auf 100 “= aufgefüllt; ı Centralblatt für Physiologie. 1898. Bd. XII. Nr. 11. S. 352. SCHICKSAL DES EIWEISSES IN DER BLU'TBAHN. 85 Filtrat gab schon auf Essigsäurezusatz Trübung. Zur quantitativen Be- stimmung wurden 50 °® klares Filtrat mit Essigsäure und MgSO, erhitzt und auf etwa das halbe Volumen eingeengt; auf den Tagesharn kamen 0.013 &"® Eiweiss. Während das Thier nach der Injeetion kein Zeichen von Störung dargeboten hatte, macht es heute einen entschieden kranken Eindruck, frisst nicht mehr und wird am nächsten Morgen sterbend ange- troffen. Der ausgedrückte Harn des 2. Tages ergab 0.0168 EM Eiweiss. Im Verlaufe des Vormittages stirbt das Thier unter Krämpfen. Die Section weist eine frische Bronehopneumonie auf, deren Zusammenhang mit einer solehen, im Kaninchenstall herrschenden Affeetion, an der andere Thiere auch ohne jeden Eingriff eingegangen sind, höchst wahrscheinlich war. Im Ganzen traten 26 + 17 = 43 “sm Eiweiss, anscheinend unverändertes, schon auf Essigsäure ausfallendes Nucleohiston wieder aus, d. h. es wurden ausgeschieden . . . 3.2 Procent zurückbehalten . .„ . 96-8 er bei 1 =” Proteid per Körperkilo. Dass indes selbst eine Zeit lang zum Sieden (100°) erhitzte Nucleo- histonlösungen von der Blutbalın aus nicht indifferent sind, zu eigenthüm- lichen Zufällen führen, unter Umständen sogar toxisch wirken können, lehren folgende Versuche. Eine in gleicher Weise, wie beschrieben, aus Thymus dargestellte al- kalische Proteidlösung, die nach Kjeldahl 2-32 Procent Histon enthielt, wurde einem Kaninchen von rund 1500 =” infundirt, und zwar liefen etwa 40 “@ innerhalb 37 Minuten ein, ohne dass auffällige Erscheinungen be- obachtet wurden. Bei weiterer Injection wurde die Herzaction schwächer und unregelmässig, und als eben 49 “" eingelaufen waren, trat schwere Dyspno& mit Krämpfen auf, darnach sehr bald Stillstand des Herzens, während die Athmung noch länger als eine Minute fortfuhr. Die Section lehrte, dass die Bauchhöhle in Folge Ruptur eines, wahrscheinlich venösen Gefässes mit einem grossen, noch flüssigen Bluterguss erfüllt ist. Wahrscheinlich hat man sich den Zusammenhang so zurecht zu legen, dass die Ueberfüllung des Gefässsystems mit der ausserordentlich zähen Colloidlösung — schon 2 procentige Nucleohistonlösungen sind zähflüssig, gehen nur unter Saugdruck durch’s Filter und sehen auch noch nach wiederholtem Filtriren trübe und nur durchscheinend grau aus — die Ruptur veranlasst hat, zumal eine solche zähe Flüssigkeit nur sehr schwierig transfundirt (transsudirt). Ein weisses Kaninchen von 1690 =” erhielt innerhalb 51 Minuten 35-1 einer ebenfalls aus Thymus dargestellten, alkalischen Proteidlösung, die nach Kjeldahl 2.075 Procent enthielt, im Ganzen 073 ®”% Proteid. Darnach keine auffälligen Erscheinungen. Am nächsten Morgen Harn ab- gedrückt, auf 75 °® aufgefüllt; in 50 “= klaren Filtrates 13 "2" Eiweiss, also für den Tagesharn fast 20 "==, Am 2. Morgen wird das Thier todt, aber noch warm und frei von Todtenstarre vorgefunden. Der in der Blase vorgefundene Harn lässt keine Spur von Eiweiss erkennen. Die Section er- giebt sulzige Oedeme in der Haut, ödematöse Musculatur und eine frische Pneumonie. Unter der begründeten Annahme, dass, da der Harn in der tel6) ImMMANuDEL MUNKk UND MAx LEWANDOWSKY: Blase eiweissfrei befunden wurde, die Ausscheidung des Infundirten schon vor Eintritt des Todes beendet war, sind ausgeschieden . . . 83 Procent zurückbehalten . . . 97 ,„ bei 0.43 &’M Proteid per Körperkilo. Es sei übrigens noch bemerkt, dass der ausgeschiedene Harn weder auf Albumosen (Histone), noch auf Pentosen, die Spaltproducte der Proteide, Reactionen gab. Auf Pentosen wurde ausser mit der Tollens’schen (Chloro- gluein und Salzsäure) auch noch mittels der Orein-Salzsäureprobe (Salkowski, Blumenthal) gefahndet. Von der zum letzten Versuch benutzten alkalischen Proteidlösung wurde nach nochmaligem Aufkochen eine Infusion an einem anderen, rund 1600 8" schweren Kaninchen vollzogen, und zwar in 46 Minuten 50°” mit 1.04 8” Nucleohiston, entsprechend 0-875 ®”® per Kilo Thier. Darnach erschien das Thier traurig, ohne indes besondere auffällige Zeichen darzubieten, wurde am nächsten Morgen zwar noch lebend, aber auf der Seite liegend gefunden und ging 22 Stunden nach der Infusion ein. Die Section deckte eine be- stimmte Todesursache nicht auf. Aus- diesen Versuchen erhellt also so viel, dass die Nucleoproteide in einer Lösung, die zuvor auf etwa 60°C. erwärmt worden ist, in’s Gefäss- system eingeführt nur zu einem ausserordentlich geringen Betrage, nämlich 2 bis 3 Proc., durch den Harn ausgeschieden, also fast vollständig assimi- lirt werden, dass aber die zu den Histonen zu rechnende Proteidgruppe (aus Thymus) in etwas grösserer Menge, etwa von 0-6 8% pro Körperkilo ab, intravenös eingeführt, toxisch wirkt: Dyspno& (active Exspiration) und unregelmässige Herzthätigkeit bedingt, an denen die Thiere bald früher, bald später zu Grunde gehen können. Diese Störungen beruhen nicht etwa auf der Eigenschaft der Nucleoproteide, bei Injection in die Blutbahn das Blut zum Gerinnen zu bringen, denn diese Wirkung wird sicher durch Erhitzen ihrer Lösungen auf 100°, ja, soweit unsere Erfahrungen reichen, schon durch halbstündiges Erwärmen auf 56 bis 60°C. vollständig ver- nichtet, ohne dass aber die sonstigen, krankhafte Störungen bezw. den Tod herbeiführenden Wirkungen dieses Proteids schwinden. Vielleicht hängt ein Theil der Störungen mit der zähflüssigen Beschaffenheit der Nucleo- histonlösungen zusammen, wie oben angedeutet. Schliesslich wurde, gleichsam zur Vervollständigung unserer Erfahrungen, noch ein Versuch mit einem Albuminoid, mit Leim angestellt, von dem nach Neumeister’s Darstellung Klug! gefunden haben soll, dass er intravenös eingeführt „nicht in den geringsten Gaben vertragen wird“. Allen die Durchsicht des Originales lehrt, dass Klug berichtet, es habe nach intravenöser Einführung von 72 m einer 10 proc. Leimlösung bei ı Pilüger’s Archiv. 1891. Bd. XLVIIl. S. 122. SCHICKSAL DES EIWEISSES IN DER BLUTBAHN. 7 einem 7 Kilo schweren Hunde sowohl das 1 Stunde darnach abgelassene Carotisblut als auch der Harn Leimreaetionen ergeben; dasselbe sei der Fall gewesen, als einem Kaninchen von 1420 sm 14 ° © derselben 10 proc. Leim- lösung infundirt wurden. „Aus diesen Erfahrungen folgt indes nicht“, wie Klug irrthümlich meint, „dass der Organismus den in das Blut inji- eirten Leim nicht benutzt, sondern durch die Nieren mit dem Urin aus- scheidet“. Zu einer solchen Schlussfolgerung bedarf es selbstverständlich einer quantitativen Bestimmung der Ausscheidungsverhältnisse. Einem 1500 ®”® schweren Kaninchen wurden von einer (nach Kjeldahl]) S-S15 procentigen Gelatinelösung! 30-6 °mM mit 2-645 "m Glutin langsam innnerhalb 41 Minuten in die V. facialis infundirt. Etwa vom 24." ab änderte sich etwas der Athemtypus, die Exspiration wurde activ, dagegen änderte sich die Herzaction kaum. Doch wurde wegen der Dyspnoö schon nach 30° mit der Infusion abgebrochen. Vom Brett losgebunden erschien das Thier binnen Kurzem wieder munter und blieb es auch weiterhin. Am nächsten Tage wurde ein alkalischer Harn abgedrückt, der, auf 100 °® ge- bracht und filtrirt, auf Zusatz von Essigsäure und etwas Salz (NaCl, MgSO,) und Erhitzen kein Eiweiss erkennen liess, dagegen erfolgte nach Ansäuern mit Essigsäure auf Zusatz von Tannin ein dicker wolkiger Glutinniederschlag, auch gab der Harn die Biuretreaction. Der abfiltrirte Tanninniederschlag (nebst Filter) von 20 “® Filtrat wurde nach Kjeldahl behandelt; es fanden sich darin 25 ”S Glutin, also für den Tagesharn 0-125 S". Der Harn des 2. Tages war noch reicher an Glutin, er enthielt 0.193 &’”%; der des 3. Tages 0-05 &"% und der des 4. Tages 0.024 8'%; Eiweiss fand sich neben Glutin nie. Am 5. Tage endlich war der Harn frei von Leim. Somit traten durch den Harn im Ganzen 0.392 8" Glutin aus, d.h. es wurden ausgeschieden . . . 14-8 Procent zurückbehalten . . . 85-2 „ bei 1-76 2% Glutin per Körperkilo. Wurde somit der Leim offenbar schlechter intravenös vertragen, als die geprüften Proteine und Proteide, das Hühnereiweiss ausgenommen, so wurden doch auch von ihm bei einer recht beträchtlichen Gabe von 1°/, == per Körperkilo rund ?/, assimilirt und nur !/, ausgeschieden. Somit können wir auch bezüglich des Leimes weder Klug’s Angabe noch Neumeister’s allzu wenig kritische Zusammenfassung bestätigen. Auch das Albuminoid wird zu recht beträchtlichen Mengen bei intravenöser Einführung im Körper zurückbehalten und offenbar verwerthet. Das Ergebniss unserer Untersuchungen ist, dass die verschiedenen von uns geprüften Eiweissstoffe (Proteine, Proteide, Glutin): Casein, Eiereiweiss, ! Feinste französische weisse Gelatine wurde in etwa dem zehnfachen Gewicht von Wasser durch Erwärmen gelöst, aufgekocht, heiss unter Saugdruck durch Glas- wolle filtrirt und das Filtrat vor der Einführung in die Infusionsbürette nochmals zum Sieden erhitzt. 88 I. Munk un M. LEWANDOWSKY: SCHICKSAL DES EIWEISSES U. Ss. W. Acid- und Alkalialbuminate, Nucleoproteide, Leim in beträchtlicher Menge direct aus der Blutbahn assimilirt und verwerthet werden. Die quantita- tiven Unterschiede, die sich hierbei herausgestellt haben, dürften in der verschiedenen chemischen Constitution der einzelnen, einander verwandten Stoffe begründet sein; zum Theil dürfte hierbei auch die Reinheit des Prä- parates und bezüglich sonstiger schädlicher Nebenwirkungen die Beimischung von Bakterien bezw. von aus dem Eiweiss gebildeten Toxinen entscheidend sein. Durchgreifende Unterschiede aber, wie sie Neuimeister zwischen genuinen und denaturirten Eiweissstoffen bezüglich ihrer Verträglichkeit von der Blutbahn aus sowie ihrer Assimilirbarkeit statuiren wollte, bestehen sicherlich nicht. Es muss daher auch Neumeister’s Vorstellung durchaus zurückgewiesen werden, als wären dem Organismus gegen den directen Uebertritt gelöster genuiner Eiweissstoffe aus dem Verdauungstractus in das Blut Schutzmaassregeln erforderlich und dass z. B. die Labgerinnung des Caseins also aufzufassen ist: „Hieraus wird nunmehr die physiologische Bedeutung der Labgerinnung verständlich, welche offenbar den Organismus vor einem Eindringen unveränderten Caseins unter allen Umständen schützen soll .. ‚1 Durch unsere Versuche ist zum ersten Male für eine Reihe verschie- denster Eiweisskörper der einwandfreie Nachweis erbracht worden, dass dieselben als solche, d. h. unverändert aus dem Darmcanal in die Blutbahn übertreten können. In welchem Umfang dieser Vorgang etwa thatsäch- lich statthat und in welchem Maasse er gegenüber der in der Darmwand stattfindenden Regeneration des Eiweiss aus dessen Verdauungsproducten (Albumosen, Pepton) in Betracht kommt, dies zu entscheiden ist zur Zeit unmöglich. ! Neumeister, Lehrbuch der physiologischen Chemie. 2. Aufl. 1897. 8. 302. Ueber die Adhäsion des Blutes an der Wandung der Blutgefässe. Von Dr. Benno Lewy in Berlin, Für unsere theoretischen Anschauungen von der Bewegung des Blutes in den Gefässen ist der Umstand von Bedeutung, ob das Blut an der Gefässwand adhärirt oder nicht. Bisher ist man allerdings im Allgemeinen von der Voraussetzung ausgegangen, die fast als selbstverständlich erschien, dass eine Benetzung der Innenwand der Gefässe durch das in ihnen strö- mende Blut stattfinde; da jedoch vor einiger Zeit in der nachher zu er- örternden Weise Einwände gegen diese Voraussetzung erhoben worden sind und da bei naturwissenschaftlichen Dingen nichts selbstverständlich ist, sondern jede Behauptung und Annahme der Prüfung durch die Beobachtung auf ihre Berechtigung bedarf, so erscheint es nothwendig, festzustellen, ob wir wirklich die Voraussetzung der Adhäsion machen dürfen. Die Strömung irgend einer Flüssigkeit durch eine Röhre wird durch die innere und die äussere Reibung verzögert; die erstere, die innere Reibung entsteht durch die Behinderung der Bewegung, welche zwei ein- ander berührende Flüssigkeitstheilchen einander in Folge der Verschieden- heit ihrer Strömungsgeschwindigkeit bereiten; die äussere Reibung findet statt zwischen der Röhrenwand und den diese berührenden Flüssigkeits- theilchen, ist also abhängig sowohl von der Beschaffenheit der Flüssigkeit, als von der der Gefässwand. Sobald Adhäsion zwischen Flüssigkeit und Röhrenwand statt hat, z. B. bei der Strömung von Wasser durch eine Glasröhre, so ist die äussere Reibung als unendlich gross anzusetzen; ! (ie einmal an der Röhrenwand befindlichen Flüssigkeitstheilchen haften in diesem Falle fest an der Wand, ohne an der Bewegung der übrigen ı Wüllner, Lehrbuch der Experimentalphysik. I. 8 86. 90 Benno LewY: Flüssigkeitstheilchen Theil zu nehmen. Bei Flüssigkeiten, welche nicht an der Röhrenwand adhäriren, hat die äussere Reibung einen endlichen Werth. Man sieht leicht ein, dass die Adhäsion einen verzögernden Einfluss auf die Strömung ausüben muss, dass eine Flüssigkeit schneller durch eine von ihr nicht benetzte Röhre strömt, als durch eine solche von im Uebrigen gleichen Grössen- und Lageverhältnissen, an deren Wand sie aber adhärirt. Für die grossen (Gefässe, etwa von der Grössenordnung der mensch- lichen Carotiden und darüber hinaus, ist es bisher noch nicht gelungen, Formeln aufzustellen, welche diesen Umstand, ob Adhäsion stattfindet oder nicht, berücksichtigen. Für Gefässe, welche im physikalischen Sinne als capillar aufzufassen sind, d. h. für Gefässe, deren Durchmesser nicht grösser als 3wm ist (z. B. die meisten Seitenäste der Extremitätenarterien des Menschen, sämmtliche Gefässe eines kleinen Thieres u. s. w.), besitzen wir jedoch eine Formel, welche beide Reibungen, die innere und die äussere, berücksichtigt. Es ist dies eine Formel, aus welcher sich, wenn man Adhäsion der Flüssigkeit, also einen unendlich grossen Werth der äusseren Reibung voraussetzt, der bekannte Ausdruck von Poiseuille für die Capillarströmung ergiebt. Ich habe diese Formel, deren theoretische Ab- leitung wesentlich den Untersuchungen Hagenbach’s und Jacobson’s verdankt wird, bereits in einer früheren Arbeit! besprochen, woselbst auch die Litteratur hierüber näher angeführt ist. Versteht man, wie in dieser Arbeit, unter & die Constante der äusseren Reibung,? unter »; die der inneren Reibung,? so gilt für die durch eine wagerecht liegende Röhre* von kreisförmigem Querschnitte, der Länge / und dem Halbmesser r für das in der Zeit ? hindurch fliessende Flüssig- keitsvolumen @ folgende Formel: — 4 Q par nei = rt+ a) L; worin p, der am Anfang, p, der am Ende der Röhre herrschende Druck ist. In der erwähnten Arbeit setzte ich, da ich Versuche über die Strö- mung des Blutes durch Glasröhren anstellte, die Constante & der äusseren ! Die Reibung des Blutes. Pflüger’s Archiv. Bd. LXV. ® eg ist die Kraft, welche erforderlich ist, um die Flächeneinheit der Flüssigkeits- schieht mit gleichförmiger Bewegung und der Einheit der Geschwindigkeit an der Wand der Röhre vorüberzuführen. Wüllner, 2.2.0. I. SS6. ® „ ist, wenn alle Dimensionen in Millimeter und Milligramm berechnet werden, die auf die Fläche von 1 wm wirkende verzögernde Kraft der Reibung, wenn benach- barte Schichten sich mit einer solehen Geschwindigkeit an einander vorüber bewegen, dass bei gleichförmiger Aenderung der Geschwindigkeit der Geschwindigkeitsunterschied zweier 1” entfernter Schichten in der Secunde 1”” ist. Wüllner, a.a.0. I. $ 86, * Für nicht wagerecht liegende Röhren vgl. die in meiner Arbeit ausführlich mitgetheilte Rechnung. DıiE ApnÄsıon DES BLUTES AN DER WANDUNG DER BLUTGEFÄssE. 91 Reibung = 00, was ohne Weiteres zulässig war, da Glas von Blut benetzt wird, und berechnete meine Versuche nach der sich hierdurch wesent- lich vereinfachenden Formel, die alsdann, wie schon erwähnt, zu der Poiseuille’schen Formel wird, erwähnte jedoch (S. 451) bereits, dass es fraglich erscheine, ob man die Ergebnisse dieser Versuche und die durch die Voraussetzung <= 00 vereinfachte Formel auf die Verhältnisse des thierischen Körpers, auf die Strömung des Blutes nicht in Glasröhren, sondern im Blutgefässe, ohne Weiteres übertragen dürfe In den eigent- lichen — im anatomischen Sinne — Capillaren findet, so führte ich aus, jedenfalls Benetzung statt, da hier ein Austausch von Blut- und Gewebs- bestandtheilen vor sich geht; für die Arterien und Venen ist jedoch von Ernst Freund in einer bereits im Jahre 1886 erschienenen kleinen Ab- handlung! behauptet worden, dass eine solche Benetzung nicht stattfinde. Freund ging aus von den bekannten Untersuchungen Brücke’s, ‘dass das in unverletzten Gefässen eingeschlossene Blut ungeronnen bleibe, von der ferneren Beobachtung, dass Blut in (Grlasgefässen, die sorgfältig mit Vaselin ausgestrichen waren, nicht gerann, selbst bei Tage langem Stehen. „Es wurde Hundeblut in einem mit Vaselin ausgestrichenen Gefässe aufgefangen, dieses Blut gerann nicht; als dasselbe mit einem eingeölten Glasstabe geschlagen wurde, schied sich kein Fibrin aus; wurde aber selbst nach mehreren Stunden ein Theil dieses Blutes in ein uneingefettetes Gefäss gegossen, so gerann es nach wenigen Minuten. Andererseits genügte der Contact mit einem uneingefetteten Glasstabe, um von dieser Stelle aus das Blut im eingefetteten Gefässe zur Gerinnung zu bringen. ... Bei weiteren Versuchen wurde ein mit Vaselin ausgegossenes Glasröhrchen als Canüle benutzt; auch das auf diese Weise in mit Vaselin eingefettete Gefässe auf- gefangene Blut blieb ungeronnen. War die Ausflussöffnung einer in die Carotis geschobenen solchen Canüle verschlossen, so pulsirte die darin ent- haltene Blutsäule, ohne selbst nach 2 Stunden die geringsten Gerinnungs- erscheinungen zu zeigen.“ Aus allen diesen Beobachtungen folgert Freund, dass „die gerinnungshindernde Eigenschaft der Gefässwände auf den Mangel der Adhäsion zurückzuführen sei“. Freund erörtert noch „das auffällige Verhalten der Blutgefässe, die im Gegensatze zu anderen Behältern nach der Entleerung des Blutes an ihrer Wandung keinen Blutfarbstoff aufweisen“ und schliesst seinen Artikel mit der Bemerkung: „Es kann demnach kaum daran gezweifelt werden, dass, wie einerseits der Mangel der Adhäsion das Blut vor der Gerinnung schützt, so andererseits das Vorhandensein der Adhäsion den Anstoss zur Gerinnung giebt.“ ! Ernst Freund, Ein Beitrag zur Kenntniss der Blutgerinnung. Wiener med. Jahrb. 1886. 8. 46. 92 BENNO LEWY: Es ist an sich klar, dass diese Folgerung auf sehr schwachen Füssen steht. Zunächst besagt der Umstand, dass die Wandung der Blutgefässe, speciell die Intima, sich nicht als mit Blutfarbstoff vollgesogen erweist, gar nichts betreffs der Adhäsion — auch Glas, das sicher von Blut benetzt wird, hält den Blutfarbstoff nicht fest und lässt sich ganz ebenso wie die Intima durch blosses Abspülen mit Wasser davon befreien. Dann aber folgt daraus, dass Blut in nichtbenetzbaren Glasgefässen ungeronnen bleibt, doch keineswegs, dass die Wand eines jeden Gefässes, in welchem Blut ungeronnen bleibt, unbenetzbar sei. Dieser Schluss kann richtig sein, braucht es aber nicht; eine derartige Umkehrung bedarf durchaus des besonderen Beweises. Für unsere Auffassung der Hämodynamik ist es jedoch von grossem Interesse, die Berechtigung der Umkehr der Freund’schen Beobachtungen zu prüfen, und ich bin Hrn. Prof. Zuntz zu grossem Danke verpflichtet, dass er mich auf die bemerkenswerthe Schrift Freund’s aufmerksam ge- macht und mich bei den in seinem Laboratorium von mir angestellten Versuchen in gewohnter liebenswürdiger Weise unterstützt hat. Die Möglichkeit, dass thatsächlich die Innenwand der Blutgefässe vom Blute nicht benetzt wird, ist an sich nicht ausgeschlossen. Ja, eine solche Einrichtung würde vom teleologischen Standpunkte nicht unzweckmässig erscheinen. Einerseits würde sie die Blutströmung, wie schon oben gesagt wurde, erleichtern,! sonach energiesparend wirken, andererseits aber würde sie für Stillung von Blutungen von Bedeutung sein. In einer engen, von nichtbenetzender Flüssigkeit gefüllten Röhre findet bekanntlich eine sog. Capillardepression? statt; bei irgend einer Continuitätstrennung eines engen Gefässes, z. B. einer menschlichen Fingerarterie, würde sonach ein Zurück- drängen des Blutes stattfinden, ein Umstand, welcher der Ausströmung des Blutes entgegenwirken würde; eine Adhäsion würde im Gegensatze hierzu ansaugend, also die Ausströmung begünstigend wirken. Zur Entscheidung, ob Adhäsion stattfindet oder nicht, stehen uns zwei Wege offen, ein Mal die Beobachtung der Steighöhe von Blut in Arterien und Venen, das andere Mal die Bestimmung der Gestalt einzelner Bluts- tropfen, welche die Gefässwand berühren. Benetzt Blut die Innenwand der Blutgefässe, so muss es von einem in’s Blut getauchten isolirten Blutgefässe aufgesogen werden; benetzt es sie nicht, so findet die bereits erwähnte Capillardepression statt, d. h. das Blut ! Nach Warburg (Poggendorff’s Annalen. Bd. CXL) kann e auch bei nicht- benetzenden Flüssigkeiten, z. B. Quecksilber in Glasröhren = 00 sein; nach neueren Untersuchungen von Antonio Umani (// nuovo Cimento. 1896) hat jedoch & that- sächlich hierbei einen endlichen Werth. Wüllner,-a.220..128718: DIE AnpHmäÄsıon DES BLUTES AN DER WANDUNG DER BLUTGEFÄSSE. 93 muss innerhalb der Ader tiefer stehen, als ausserhalb in der umgebenden Flüssigkeit. Die Feststellung einer solchen Depression ist bei der Undurch- sichtigkeit des Blutes mit Schwierigkeiten verknüpft, insbesondere weil die bindegewebige Adventitia eines herauspräparirten Gefässes Blut energisch festhält, die Rothfärbung der Aussenwand des Gefässes somit die Beob- achtung stört. Ich versuchte zuerst an Extremitätenarterien zum Ziele zu gelangen. Aus der Femoralarterie eines lebenden Hundes von etwa 6*8 Gewicht gelingt es, ein 1.5 bis 2°” langes Stück, von welchem keine Seitenäste abgehen, herauszuschneiden. Indessen erwiesen sich die Präparirsch wierig- keiten regelmässig als recht beträchtlich, so dass kaum in einem Falle angenommen werden konnte, dass die Innenwand des Gefässes vollständig unverletzt geblieben war. Dazu kam noch der bereits angeführte Uebel- stand, dass die Adventitia das benutzte Blut ansog. Diesem letzteren Uebelstande versuchte ich dadurch zu begegnen, dass ich statt des Blutes physiologische Kochsalzlösung anwandte; nun zeigte sich aber, dass die Musculatur des soeben herausgeschnittenen Gefässstückes sich so stark zu- sammenzog, dass das thatsächlich mehrmals beobachtete Nichtaufsteigen von Flüssigkeit auf diesen Umstand, dass gar kein Lumen mehr vorhanden war, zurückgeführt werden musste. Wurde der Tod der Gefässmuseulatur durch längeres Liegenlassen in Kochsalzlösung oder durch Eintauchen in Alkohol herbeigeführt, so zeigte sich augenscheinliche Oapillarerhebung, also Benetzung; diese Beobachtung war jedoch nicht ausschlaggebend, da die Innenwand nicht mehr als unversehrt zu betrachten war. Bei in gleicher Weise ausgeschnittenen Venenstücken misslang die Beobachtung gänzlich, da sich dieselben vollständig zusammenkräuselten. Ich gelangte zum Ziele erst bei Benutzung der keine Ringmusculatur führenden grösseren Arterien, die bei einem Hunde von 4 bis 6*® Gewicht noch durchaus als im physikalischen Sinne capillar aufzufassen sind. Dem durch Verblutung getödteten Thiere wurden sofort nach dem Tode derartige Gefässe entnommen, was sehr leicht gelingt, da z. B. die Anonyma oder die Carotis communis nicht wie die Extremitätenarterien innerhalb von Musculatur, sondern innerhalb lockeren Bindegewebes liegen und auf ge- nügend grosse Strecken keine Aeste abgeben. In diesen Gefässen zeigte sich durchweg in allen von mir untersuchten Fällen eine beträchtliche Ansaugung des Blutes, also eine Capillarerhebung, d.h. Benetzung. Eine Messung der Steighöhe, die wohl möglich gewesen wäre, habe ich nicht vorgenommen, da es mir nur auf Feststellung der Thatsache selbst, nicht auf Zahlenwerthe ankam. Das zweite anwendbare Untersuchungsverfahren besteht, wie erwähnt, in der Beobachtung der Tropfenform. Bildet man auf einer wagerechten 94 Benno LEWY: Die ADHÄsIon DES BLUTES v. Ss. w. Unterlage einen kleinen Tropfen einer dieselbe nicht benetzenden Flüssig- keit, so ist dessen Oberfläche überall convex; grössere Tropfen sind an dem von der Unterlage am weitesten entfernten Punkte von einer wagerechten Ebene begrenzt; in jedem Falle ist die freie Oberfläche des Tropfens nirgends concav,! wie man dies sehr leicht an Quecksilbertropfen auf Glas sehen kann. Ein parallel zur Unterlage durch die Mitte des Tropfens geführter Sehnitt hat einen grösseren Flächeninhalt als die. Berührungsfläche von Tropfen und Unterlage; ein solcher Tropfen breitet sich nicht aus. Bei einer benetzenden Flüssigkeit hat dagegen ein parallel zur Unterlage ge- führter Schnitt seinen grössten Flächeninhalt an der Unterlage selbst, da, wo diese vom Tropfen berührt wird. Es zeigte sich nun, wenn Blut — auch nichtdefibrinirtes — auf die Innenwand der aufgeschnittenen Aorta oder Vena cava des soeben getödteten Thieres gebracht wurde, dass der Tropfen die Gestalt wie bei einer benetzenden Flüssigkeit hatte. Ferner zeigt sich, dass die Innenwand des Gefässes keineswegs, wie dies bei Nicht- benetzung durch Blut der Fall sein müsste, unmittelbar nach Eröffnung und Abfliessen des Blutes trocken ist, wie etwa die Oberhaut des Körpers; sie ist vielmehr feucht von einer sie überziehenden dünnen Serumschicht, welche abwischbar ist; nach dem Abwischen nimmt ein neuerdings auf- gesetzter Blutstropfen die Form wie bei benetzender Flüssigkeit an, er breitet sich sogar vollständig aus, so dass die Benetzung eine voll- kommene ist,? eine solche, bei der der Tropfen die Unterlage mit einer dünnen flüssigen Schicht überzieht. Ganz dasselbe Ergebniss der voll- kommenen Benetzung lieferten kleinere, in derselben Weise geprüfte Blut- - gefässe. Durch diese Beobachtungen ist gezeigt, dass die Innenwand der Blut- gefässe vom Blute benetzt wird, dass also der von Freund gezogene Schluss, dass eine Adhäsion nicht stattfinde, falsch ist. — Der etwa zu erhebende Einwand, dass es sich bei meinen Beobachtungen um todte Gefässe gehandelt habe, ist nicht stichhaltig, da unmittelbar nach dem Tode des Gesammt- individuums die Blutgefässe sicherlich noch nicht abgestorben sind, und da Freund seine Behauptung gerade aus der Thatsache folgerte, dass Blut, welches in einem an beiden Enden abgebundenen Stücke einer Arterie oder Vene eingeschlossen ist, lange ungeronnen bleibt. In den die Blutbewegung darstellenden Formeln ist somit die Constante der äusseren Reibung stets als unendlich gross anzusetzen; es findet voll- kommene Benetzung zwischen Blut und Innenwand der Blut- gefässe statt. Wallner, a,ar0.07.2,8575: 2" Wüllner, a. 2.0. TL sang. Ueber den Durchgang des Sublimats durch den Placentarkreislauf. Von Prof. Dr. Fritz Strassmann in Berlin. Die Frage, welche chemischen Gifte den Placentarkreislauf passiren und von der Mutter auf den Fötus übergehen, ist bisher wesentlich von Seiten der Geburtshelfer bearbeitet worden; sie darf aber wohl auch auf das Interesse der Physiologen rechnen. Ich habe mich mit diesem Thema befasst, weil es nicht nur den Geburtshelfer und Physiologen angeht, sondern weil auch der Gerichtsarzt ihm näher zu treten hat. Bei einer Reihe von Substanzen, die als innerliche Abtreibungsmittel in Gebrauch gezogen werden, hat er sich die Frage vorzulegen, wie ist die Wirkung dieser Stoffe aufzufassen? Sind sie nur dadurch von Einfluss, dass sie eine Vergiftung des mütterlichen Organismus und dadurch seeundär die Fehlgeburt herbeiführen, oder gehen sie vielleicht auf den Fötus selbst über und wirken durch directe Tödtung desselben. In umfassender Weise ist diese Untersuchung kürzlich von Borri! für einen Körper geliefert worden, der neuerdings in den verschiedensten Ländern als inneres Abortivum mit Vorliebe angewendet zu werden pflegt, für den Phosphor. Es scheint in der That, was besonders schwedische Berichte beweisen, dass der Phosphor gar kein so unzweckmässiges Abortivum ist, dass verhältnissmässig häufig nach seinem Gebrauch die Fehlgeburt erfolgt und die Schwangere mit dem Leben davon kommt. Borri’s Untersuchungen haben im Gegensatze zu der Mehrzahl der früheren Angaben zu dem Resultat geführt, dass Phosphor bezw. phosphorige Säure bei Vergiftung des Mutterthieres in den Organen des Fötus durch 1 To Zacchia. 1897. 96 FRITZ STRASSMANN: die Analyse nachweisbar ist. Dass auch anatomisch an der Frucht unter solchen Umständen für Phosphorvergiftungen charakteristische Veränderungen aufzufinden sind, hat besonders Miura! schon vor Jahren gezeigt. Gelegentliche Erfahrungen haben mich auf die Vermuthung gebracht, dass vielleicht auch das Sublimat hier und da von Schwangeren nicht in der Absicht des Selbstmordes, sondern zum Zwecke der Abtreibung ein- genommen wird, und im Zusammenhange damit erschien es mir erwünscht, darüber Klarheit zu erlangen, ob auch dieses Gift vom mütterlichen in den embryonalen Kreislauf überzugehen vermag. Die bisherigen Angaben hierüber lauten widersprechend. Porak? hat an Meerschweinchen gearbeitet, und zwar mit einer 2 pro- milligen Sublimatlösung. Sie bekamen von derselben fortgesetzt kleine Dosen, bis zu 3“s. In den beiden Fällen, in denen die chronische Ver- giftung am längsten vertragen wurde, in denen innerhalb 6 bis 8 Wochen 120 bis 150"s Sublimat gereicht waren, liess sich Quecksilber in der Placenta nachweisen. In den Embryonen selbst war es nie aufzufinden. Der Nachweis des Quecksilbers geschah mittels Elektrolyse mit nach- träglicher Umwandlung des Quecksilbers der amalgamirten Elektrode in rothes Quecksilberjodid. Fast in allen Fällen abortirten die vergifteten Thiere zufolge Absterbens des Fötus in utero; nur in einem Falle wurden die Embryonen lebend geboren; sie waren aber sehr kümmerlich entwickelt und theilweise gelähmt. Die Ursache des Aborts bezw. des Todes des Fötus sieht Porak in der Anhäufung des Quecksilbers im Mutterkuchen, der in seinen Functionen dadurch schwer geschädigt wird; Sublimat könne wohl als Abortivum be- zeichnet werden. Ein theilweise abweichendes Ergebniss hatten Untersuchungen, die Domenico Mirto, Assistent an Montalti’s gerichtlich- medieinischem Institut zu Palermo, kürzlich mitgetheilt hat.? Ihm ist es gelungen, bei je zwei trächtigen Hündinnen und Kaninchen, die er durch acute Sublimatvereiftung mittels ziemlich grosser Dosen, und zwar in concentrirten Lösungen getödtet hatte, jedes Mal das Gift, wie in den Organen des Mutterthieres und in der Placenta, so auch im Fötus nachzuweisen, und zwar nicht nur durch die chemische Analyse; es fanden sich vielmehr auch an den Nieren der Embryonen charakteristische Er- scheinungen der Sublimatvergiftung: ausgedehnte Nekrose der Epithelzellen, zumeist mit Kernschwund, in den gewundenen Harncanälchen. I! Virchow’s Archiv. 1884. Bd. XCVI. ? Archives de medecine experimentale. 1894. ° Giornale di medieina legale. 1899. Heft 1. DURCHGANG DES SUBLIMATS DURCH DEN PLACENTARKREISLAUF. 97 Mirto ging bei seinen chemischen Untersuchungen so vor, dass er die Embryonen sorgfältig von den Eihäuten befreite, mit reichlichem destillirten Wasser abspülte und dann verarbeitete. Die Placenta mit den Eihäuten und dem Amnionwasser wurde besonders untersucht. Den Nachweis des Sublimats hat Mirto wie Porak durch Elektrolyse geführt. Die nach Zerstörung der organischen Substanz erhaltenen Filtrate wurden 48 Stunden mittels Elektrolyse behandelt; dann wurde die Gold- elektrode, die schon makroskopisch amalgamirt erschien, abgewaschen, ge- trocknet und in der bekannten Weise weiter behandelt. Sie wurde in ein unten geschlossenes, oben ausgezogenes Glasröhrchen gebracht und dieses erhitzt; es bildete sich oberhalb ein Sublimatring; das Glas wurde zer- schnitten, in die den Ring enthaltende Hälfte etwas metallisches Jod gebracht, die Spitze an der Flamme zugeschmolzen und die Stelle, an der das Jod lag, vorsichtig erwärmt. Die entstandenen Joddämpfe färbten, sobald sie an den Quecksilberring gelangten, denselben gelb, die Färbung ging nach dem Erkalten in Roth über. Ausserdem wurde das nach Zerstörung der organischen Massen ent- standene Filtrat mit Natronlauge behandelt; es bildete sich ein gelber, im Ueberschuss des Reagens schwer löslicher Niederschlag von Quecksilber- oxyd. Jodnatrium gab einen im Ueberschuss löslichen rothen Niederschlag von Quecksilberjodid, Ammoniak einen weissen von Mercuriammonium- chlorid. Im Einzelnen sei über die Versuche Mirto’s Folgendes bemerkt. Der erste wurde an einem 2300 ®’® schweren Kaninchen angestellt; dasselbe erhielt mit der Schlundsonde 25 «s"” Sublimat, mit 25 en Chlornatrium in 25 gm Wasser gelöst. Der Tod trat nach 8 Stunden ein. Im Uterus fanden sich 6 Föten. Der zweite Versuch betraf ein Kaninchen von 2500 =” Gewicht; ihm wurden durch verschiedene subcutane Einspritzungen 5 @” Sublimat, mit 5 m Chlornatrium in 5®'n Wasser gelöst, beigebracht. Nach 24 Stunden wurden die Einspritzungen wiederholt; am Abend starb das Thier, im Uterus lagen S ganz kleine Föten. Der dritte und vierte Versuch wurde an einer 5300 bezw. 4800 3 schweren Hündin vorgenommen; jede erhielt 2 =” Sublimat, mit 2” Chlor- natrium in 50 «= destillirten Wassers gelöst. Sie starben nach 8 bis 10 Stunden; bei der Autopsie der ersteren fanden sich 5 ziemlich grosse Föten. Ueber die Anzahl der Föten im letzteren Falle ist nichts bemerkt. Die Versuche von Mirto machen einen durchaus überzeugenden Ein- _ druck. Vor Allem muss der anatomische Befund — mehr noch als der ' chemische — beweisend erscheinen für die Aufnahme des Sublimats in den Archiv f. A. u. Ph. 1899, Physiol. Abthlg. Suppl. 7 98 FRITZ STRASSMANN: fötalen Kreislauf; er kann ja nur auf solche Weise erklärt werden, während bezüglich des positiven Ergebnisses der chemischen Analyse der Eimwand nicht ohne Weiteres auszuschliessen ist, dass hier eine postmortale Diffusion des Giftes von der Placenta aus im Spiele sein kann.! Andererseits ist aber doch auch bekannt, dass gerade an den Nieren cadaveröse Vorgänge leicht den Kernschwund der toxischen Nephritis vor- täuschen können. Aus diesem Grunde erschien mir eine erneute Prüfung der An- gaben Mirto’s geboten. Und bei dieser Prüfung musste zugleich versucht werden, den Widerspruch aufzuklären, der zwischen den Angaben meiner beiden Voruntersucher besteht, und eine Vereinigung derselben herbei- zuführen. Für eine solche Erklärung waren zwei Möglichkeiten vorhanden. Ent- weder: es besteht ein Unterschied zwischen den einzelnen Thierarten; bei Kaninchen und Hunden passirt Sublimat den Placentarkreislauf, bei Meer- schweinchen nicht. Oder — was wahrscheinlicher — die verschiedene Art der Vergiftung erklärt die Widersprüche: bei Anwendung sehr grosser Gaben gelangen nachweisbare Mengen derselben auch in den Fötus, bei kleineren nicht. Ich habe daher bei meinen, gemeinsam mit meinem Assistenten Hrn. Dr. Ernst Ziemke angestellten Versuchen zunächst zur Ausfüllung der noch vorhandenen Lücken die Erzeugung acuter Vergiftungen bei Meer- schweinchen (und weissen Mäusen), die Erzeugung chronischer Vergiftungen bei Kaninchen und Hündinnen in Angriff genommen. Daneben sind aber behufs Bestätigung der Mirto’schen Befunde auch noch acute Vergiftungen an Kaninchen und Hündinnen ausgeführt worden; zum Theil waren dieselben auch durch die Verhältnisse geboten; wir erhielten mitunter die trächtigen Thiere so kurz vor dem Wurf, dass eine länger dauernde Vergiftung nicht mehr durchgeführt werden konnte. Dass manches als trächtig erstandene und von uns in Arbeit genommene Thier sich nachträglich als nicht gravid und somit manche Arbeit als erfolglos herausstellte, sei beiläufig erwähnt; diese misslungenen Versuche mögen es zum Theil entschuldigen, wenn wir nicht alsbald mit einer grösseren Reihe von Experimenten hervortreten können. Meerschweinchen und Mäusen wurde Sublimat in concentrirter Lösung subeutan einverleibt. Hunde und Kaninchen erhielten die theils concen- trirten, theils verdünnten Lösungen mittels Schlundsonde; nur eine Hündin, ! Vgl. Strassmann und Kirstein, Ueber postmortale Diffusion von Giften. Virchow’s Archiv. 1894. Pd. CXXXVI. DURCHGANG DES SUBLIMATS DURCH DEN PLACENTARKREISLAUF. 99 die darauf stets erbrach, wurde mit subeutanen Einspritzungen behandelt. Die Sublimatlösungen stellten wir aus Angerer’schen Pastillen her. Von Mäusen haben wir, damit der Nachweis des Giftes nicht durch zu geringe Mengen erschwert würde, stets mehrere Thiere zugleich vergiftet und die Föten bezw. Placenten derselben ebenfalls zusammen verarbeitet. Die acut vergifteten Thiere haben wir möglichst bald nach dem Tode seeirt, Embryonen und Placenten herausgenommen und gesondert zur chemischen Untersuchung zurückgestellt. Die mit kleinen Dosen behandelten Thiere erhielten diese bis zum spontanen Wurf; dann wurden die Jungen getödtet; einige Male wurde eines derselben am Leben erhalten, um seine fernere Entwickelung zu beobachten; auch die Mutterthiere blieben am Leben. Nur ein Kaninchen, das uns schon einen Versuch dadurch ver- nichtet hatte, dass es seine Jungen alsbald nach dem Wurfe verzehrte, wurde kurz bevor derselbe zu erwarten war, durch Aethereinathmung getödtet. Bevor die Embryonen chemisch verarbeitet wurden, haben wir eine oder zwei Nieren einer Frucht herausgenommen und mikroskopisch unter- sucht, zunächst an frischem Schnitt, später am gehärteten (Müller- Formol und dann Alkohol) und gefärbten (Hämatoxylin-Eosin) Präparat. Nur wenn die Kleinheit der Gebilde die Anlegung eines frischen Schnittes un- möglich machte, haben wir uns mit der Untersuchung des gehärteten und gefärbten Präparates begnügt. Aus demselben Grunde mussten wir auf die Untersuchung der Nieren der Mäuseembryonen verzichten. Zumeist haben wir zum Vergleich daneben die Nieren des Mutterthieres unter- sucht. Die chemische Untersuchung wurde in der Weise vorgenommen, dass nach Zerstörung der organischen Substanz das Filtrat in der von Für- bringer für den Harn angegebenen Methode behandelt wurde. Wir liessen die Messingwolle mehrere Tage bei erhöhter Temperatur in der Flüssig- keit und brachten dann die zusammengedrehte Rolle nach Abspülung in destillirtem Wasser, Alkohol und Aether in das Glasröhrchen, das oberhalb derselben, etwa in seiner Mitte, capillar ausgezogen wurde. Das Object wurde erhitzt, der entstandene Beschlag mit Jod geprüft, das in den oberen Theil der Röhre gebracht war, nachdem das untere Ende durchschnitten und das Röllchen entfernt war. War Quecksilber vorhanden, so wurde beim Erwärmen des Jods der Beschlag gelb und nach weiterer Berührung mit Platindraht roth; der rothe Niederschlag zeigte sich bei der — stets vorgenommenen — mikroskopischen Untersuchung aus kleinen rothen, krystallinischen Plättehen zusammengesetzt. In den Fällen, in welchen wir bei dieser Methode kein Quecksilber nachweisen konnten, haben wir der grösseren Sicherheit halber noch eine 7* 100 FRITZ STRASSMANN: Untersuchung der Flüssigkeit mittels Elektrolyse (Platinelektrode) ange- schlossen, Hr. Prof. Thoms hatte die Güte, dieselbe auszuführen. Sie hat stets unser negatives Resultat bestätigt. Ich lasse nunmehr die einzelnen Versuche in summarischer Kürze folgen. A. Mäuse. I. Am 29. März 1899 erhält eine Maus, etwa 258" schwer, 2°" Sublimat in Aprocent. Lösung. Sie starb nach wenigen Minuten unter Krämpfen. Eine zweite, etwa ebenso schwere erhält 1°" in der gleichen Lösung, Tod nach wenigen Minuten. Die 7 Embryonen der ersten, die 4 der zweiten wurden zusammen, ebenso wie die 11 Placenten zur chemischen Untersuchung verarbeitet. Aus den Placenten erhielten wir eine deutliche, aus den Em- bryonen eine schwächere, jedoch bei genauem Zusehen unverkennbare Queck- silberjodür- bezw. Jodidreaction. U. Am 7. April 1899 wurden drei trächtige Mäuse mit je 1 ‘®”" Sublimat in 25 °m Wasser vergiftet, der Tod erfolgte nach wenigen Minuten unter Krämpfen. Die zusammen 20 Embryonen und die 20 Placenten mit Eihäuten wurden gesondert untersucht. Es ergab sich diesmal eine deutlichere Reaction aus den Embryonen, als aus den Placenten. B. Meerschweinchen. I. Am 28. März erhält ein 1000 S’”% schweres trächtiges Meerschweinchen 2erm Sublimat in 142° Wasser, am nächsten Tage erschien es krank, still, hatte nicht gefressen. Es erhielt nochmals 3 *'” Sublimat in 0.75 m Wasser; 3 Stunden später starb das Thier. Wir fanden 2 Embryonen, von einem wurden die Nieren herausgenommen. Bei der frischen Untersuchung fanden wir eine unbedeutende Verfettung, während dieselbe in der Niere des Mutterthieres sehr stark war. Im gefärbten Schnitt sowohl der mütter- lichen, wie der embryonalen Niere waren die Kerne überall gut tingirt. Aus den Placenten, wie aus den Embryonen erhielten wir eine geringe, aber deutliche Quecksilberreaction. II. Am 12. April erhält ein trächtiges, 925 ®"” schweres Meerschweinchen 21/, 8m Sublimat in 4procent. Lösung und nach 3 Stunden nochmals die gleiche Menge. Am nächsten Tage wird es sterbend aufgefunden; etwa 24 Stunden nach der ersten Giftprobe ist der Tod eingetreten. Die Section ergab den üblichen Befund; im Uterus 2 Embryonen. Eine Niere wurde herausgenommen. Im frischen Schnitt zeigte sich hier, aber nur an ganz vereinzelten Stellen, eine deutliche Verfettung der Epithelzellen der ge- wundenen Harncanälchen, während solche beim Mutterthier in grosser Aus- dehnung vorhanden war. Am gefärbten Schnitt aus der Embryonenniere fand sich keine Nekrose. Bei der chemischen Untersuchung wurde aus den Placenten eine deutliche Reaction gewonnen; die Embryonen gaben nur ein zweifelhaftes Resultat; es bildete sich ein schwach gelblicher Belag, der nicht roth wurde und unter dem Mikroskop nur spärliche Krystalle in Form von gelblichen rhombischen Tafeln erkennen lies. Die nachträgliche elektro- lytische Untersuchung der Flüssigkeit lieferte ein negatives Ergebniss. DURCHSANG DES SUBLIMATS DURCH DEN PLACENTARKREISLAUF. 101 II. Am 26. April erhält ein bereits in vorgeschrittenem Stadium gravides Meerschweinchen 2°" Sublimat in 4procent. Lösung. Am folgenden Tage erscheint es krank, erhält die gleiche Dosis. In der Nacht darauf stirbt es. Die Seetion ergab ausser den gewöhnlichen Veränderungen ausgedehnte Leberblutungen; der frische Schnitt durch die Niere zeigt sehr umfangreiche Verfettung. Die 4 Embryonen und die 4 Placenten kamen zur chemischen Untersuchung, eine Niere war herausgenommen und gehärtet worden; ein frischer Schnitt war nicht anzufertigen. Am gehärteten Präparat aus der mütterlichen Niere fanden wir eine fast totale Nekrose der gewundenen, zum Theil auch der geraden Harncanälchen; in der fötalen Niere zeigte sich eine herdförmige, auf einzelne gewundene Harncanälchen beschränkte Nekrose mit Kernschwund und Zerfall des Proto- plasmas zu Detritus. Aus den Placenten und mehr noch aus den Em- bryonen wurde eine deutliche Quecksilberreaction gewonnen. ©. Kaninchen. I. Am 17. April erhielt ein trächtiges Kaninchen, etwa 2000 8” schwer, 20 gm Sublimat in Iprocent. Lösung. Am Abend ist es todt, die Section ergiebt beginnende Colitis; die Nieren sind makroskopisch wenig verändert. Die (7) Früchte werden ebenso, wie die Placenten, chemisch verarbeitet, nachdem zwei Nieren herausgenommen sind. Sowohl die eine frisch unter- suchte, wie die andere gehärtete, liessen keine Veränderung erkennen, während in der Niere des Mutterthieres eine Anzahl gewundener Harncanälchen stark verfettete Epithelzellen zeigten. Bei der chemischen Untersuchung der Em- bryonen war diesmal nur eine geringe Spur Quecksilber nachweisbar, es entstand nach der Entwickelung der Joddämpfe ein ganz schwacher gelber Belag, der sich nicht deutlich röthete; die chemische Untersuchung der Placenten konnte leider nicht ausgeführt werden, da das betreffende Gefäss in Folge Missgeschicks in Trümmer ging. II. Vom 18. April an erhielt ein — wie wir vermutheten — um den 28. März herum belegtes, 2500 8"" schweres Kaninchen täglich 20 ”® Sublimat in Iprocent. Lösung. Nach 10 Tagen, nachdem es also im Ganzen 0.20 8" Sublimat erhalten hatte, wurde es getödtet; es hatte in den letzten Tagen mangelnde Fresslust und geringere Frische gezeigt, sonst waren keine Ver- giftungserscheinungen aufgetreten. Es fanden sich 13 Föten, die etwa 1 Woche vom Termin der Reife entfernt gewesen sein mochten. Von einem Fötus wurden die Nieren gehärtet, eine frische Untersuchung war nicht ausführbar, die Niere des Mutterthieres liess bei derselben keine Veränderung erkennen. Die chemische Untersuchung ergab unzweifelhafte Sublimatreaction aus den Placenten, keine aus den Embryonen. Bei der Untersuchung des gehärteten Objectes fand sich in der Niere des Mutterthieres herdförmige Nekrose, im Embryo nichts. II. Ein etwa 20008””% schweres Kaninchen erhält seit dem 8. Mai täglich 20 @"@ Sublimat. Es wirft in der Nacht vom 13. zum 14., hat also im Ganzen 0-1 @” Sublimat erhalten; die vier lebenden Jungen wurden getödtet und zur chemischen Untersuchung verarbeitet, die Placenten waren 102 FRITZ STRASSMANN: leider alsbald der Fressgier der Wöchnerin zum Opfer gefallen. Bei der frischen Untersuchung der embryonalen Niere fand sich nichts Abnormes; das Resultat der Untersuchung des gehärteten Objectes wie das der chemischen Untersuchung der Embryonen steht noch aus. ! D. Hunde. I. Trächtige Hündin, 8500 8"" schwer, erhält vom 1. bis 10. März täg- lich je 5, vom 11. bis 17. März täglich je 10 °"" einer 1promill. Sublimat- lösung durch die Schlundsonde. Sie zeigte niemals Störung des Wohlbefindens. Nachdem sie so im Ganzen 0-12 ®”% Sublimat erhalten hat, wirft sie in der Nacht vom 17. zum 18. vier lebende und anscheinend lebensfähige Junge; die Placenten wurden nicht mehr aufgefunden, waren offenbar von ihr als- bald gefressen worden. Ein Junges liessen wir am Leben. Es entwickelte sich ganz normal. Die drei anderen wurden getödtet, die chemische Unter- suchung (auch mittels Elektrolyse) wies kein Quecksilber nach; die Unter- suchung einer Niere, frisch wie gehärtet, ergab ganz normalen Befund. II. Trächtige Hündin erhält vom 29. April an täglich zwei Spritzen von je 1% einer 5procent. Sublimatlösung subeutan. Sie stirbt in der Nacht vom 3. zum 4. Mai, nachdem am letzten Tage blutige Diarrhöen auf- getreten waren. Sie hatte also im Ganzen 05 ®'"" Sublimat erhalten. Die Section ergab hämorrhagische Entzündung des Diekdarmes, hochgradigen fettigen Zerfall in den Epithelzellen der gewundenen Harncanälchen. Auch die Nieren des — einzigen — Fötus zeigten sich bei der frischen Untersuchung stellenweise mit kleinsten Fetttröpfehen durch- setzt, doch lange nicht in dem Maasse, wie die des Mutterthieres. Man sah im Gegensatz zu diesen die Zellstructur, die Zellgrenzen überall deutlich. Im gehärteten Präparat fand sich bei dem Mutterthier ausgedehnte Nekrose mit Kernschwund und Zellzerfall; auch bei dem Embryo waren an den gewundenen Harncanälchen vereinzelte Herde einer solchen Nekrose nachweisbar. Die chemische Untersuchung von Placenta wie Embryo ergab unzweifelhaften Quecksilbergehalt. III. Kleine, trächtige Hündin erhält seit dem 4. Mai täglich 10 ern einer 1procent. Sublimatlösung mittels Schlundsonde. Sie stirbt am 13. Mai in Folge Hineingerathens der Sonde in die Luftröhre, hat also im Ganzen 0.12% Sublimat erhalten. Bei der frischen Untersuchung fanden wir in der embryonalen Niere keine Veränderungen, in der des Mutterthieres waren einzelne Harncanälchen dieht mit grösseren Fetttröpfehen besetzt (Sublimat- wirkung?). Das Resultat der mikroskopischen Untersuchung der gehärteten Embryonenniere, sowie das der chemischen Untersuchung von Placenten und Embryonen steht noch aus.? ! Anm. bei der Correctur. Bei der Untersuchung des gehärteten Objectes hat sich kein Kernschwund gefunden; unsere chemische Analyse hat kein Quecksilber nachgewiesen; ebenso wenig die Untersuchung durch Elektrolyse. ® Anm. bei der Correetur. Die mikroskopische Untersuchung hat keine Nekrose, die chemische hat in den Placenten etwas Quecksilber, in den Embryonen keines nach- gewiesen; auch das Resultat der Elektrolyse war negativ. DURCHGANG DES SUBLIMATS DURCH DEN PLACENTARKREISLAUF. 105 Die eben mitgetheilten Versuche werden, wenn sie auch noch nicht vollständig abgeschlossen sind, zur Klärung der aufgeworfenen Frage im Wesentlichen genügen. Es hat sich zunächst ergeben, dass keine Differenzen zwischen den einzelnen untersuchten Thierarten bestehen, zwischen Mäusen, Meerschwein- chen, Kaninchen und Hunden. Wir dürfen also wohl auch bei Menschen ein übereinstimmendes Verhalten annehmen, wenn es uns auch bisher nicht möglich war, diese Uebereinstimmung durch die Untersuchung eines wirk- lich vorgekommenen Falles von Abort bei Sublimatvergiftung thatsächlich zu erweisen. Wir können daran festhalten, dass bei all’ diesen Thieren in Fällen acuter Vergiftung durch grosse Dosen von Sublimat das Gift auch auf den Fötus übergeht, wenn auch hier und da nur in so geringen Mengen, dass der Nachweis nicht ganz unzweideutig gelingt. Das war, wie wir sahen, bei einem Meerschweinchen und einem Kaninchen der Fall, während bei zwei anderen Meerschweinchen, bei zwei Gruppen von zwei bezw. drei Mäusen, bei einer Hündin das Ergebniss der Analyse nichts zu wünschen übrig liess. Unsere Versuche bestätigen und ergänzen darnach die Experi- mente Mirto’s, der bei zwei Kaninchen und bei zwei Hündinnen Queck- silber im Fötus sicher nachweisen konnte. Unsere Versuche stimmen mit denen des italienischen Forschers auch insofern überein, als wir — wenn auch nicht so regelmässig und so ausgedehnt, wie er — anatomische Folgen der Sublimatvereiftung an den fötalen Nieren nachweisen konnte. Epithel- nekrose an den gewundenen Harncanälchen mit fettigem Zerfall der Zellen und Kernschwund haben wir in herdförmigem Auftreten beim Meerschwein- chen III und beim Hund II gefunden. Eben dieses herdförmige Auftreten und die im frischen Schnitt gefundene Verfettung lassen uns die Annahme einer cadaverösen Veränderung zurückweisen, die auch bei der stets mög- lichst früh erfolgten Untersuchung keine Wahrscheinlichkeit für sich hat. Die anatomischen Befunde lassen es aber wieder als sichergestellt gelten, dass das chemisch im Embryo nachgewiesene Quecksilber nicht etwa nur durch Leichenimbibition in denselben gelangt ist. In unseren bisher vollendeten Versuchen, bei denen trächtige Thiere (Hündinnen und Kaninchen) Sublimat in wiederholten kleinen Gaben er- hielten, ist uns dagegen sowohl der chemische Nachweis des Giftes, wie der anatomische seiner Folgewirkungen am Embryo stets misslungen. Wir nehmen hiernach an, dass bei dieser Art der Vergiftung Sublimat nicht in den fötalen Kreislauf übergeht, wie dies auch Porak bei seinen entsprechenden Versuchen an Meerschweinchen gefunden hat. Was die Ursache dieses verschiedenartigen Verhaltens bei acuter und chronischer Vergiftung betrifft, so meinen wir dasselbe nicht einfach auf 104 FRITZ STRASSMANN: DURCHGANG DES SUBLIMATS U. S. W. die Weise erklären zu können, dass Sublimat anstandslos in der Placenta in die fötalen Gefässe übergeht, dass aber bei Anwendung kleiner Dosen die in den Fötus gelangenden Mengen zu gering sind, als dass sie chemisch nachweisbar wären oder anatomische Veränderungen machen könnten. Es spricht gegen diese Auffassung, abgesehen von der Feinheit der Reaction, der mehrfach von Porak wie von uns (Kaninchen II) erhobene Befund eines deutlichen Quecksilbergehaltes der Placenta bei Fehlen des Giftes im Embryo, dessen Masse doch erheblich grösser ist und bei ungehindertem Uebergange dementsprechend eher bedeutend mehr Quecksilber enthalten sollte, als die Placenta. Ferner spricht dagegen die durchweg viel geringere Schädigung der fötalen Nieren gegenüber den mütterlichen, die doch auf einen geringeren Sublimatgehalt des Fruchtblutes gegenüber dem der Mutter mit Wahrscheinlichkeit hinweist. Wir vermuthen, dass bei der acuten Sublimatvergiftung es an der Placenta, wie an anderen Theilen des Körpers, zu schweren (rewebsver- änderungen kommt und dass die so veränderten Stellen es sind, von denen Sublimat in die ihm sonst verschlossenen fötalen Räume übergeht. Die nähere Prüfung dieser Hypothese soll das Ziel einer späteren Unter- suchung sein.! ! Zusatz bei der Correctur. Ein inzwischen abgeschlossener 11. Versuch bestätigt unsere bisherigen Resultate. Ein trächtiges Kaninchen erhält am 15., 16. und 17. Mai je 20°® einer !/,procent., am 18. Mai 20 °® einer 1procent. Sublimat- lösung. Tod vom 18. zum 19., Section am 19. Mai. Magenätzung, 6 Embryonen. In der frisch untersuchten mütterlichen Niere viel Fett, in der embryonalen keines. Im ge- färbten Präparat aus der mütterlichen Niere zahlreiche Kalkinfarete in den gewundenen Harncanälchen, Exsudation in die Glomeruluskapseln; am Embryo ganz vereinzelter Kernschwund. Chemisch wird sehr viel Quecksilber in den Placenten, etwas in den Embryonen nachgewiesen. Ueber den Mechanismus der Zuckerbildung in der Leber. Von Dr. Emilio Cavazzani, Prof, der Physiologie an der Universität Ferrara. Die Untersuchungen, welche die grosse Liebenswürdigkeit des Herrn Prof. Zuntz mir kürzlich erlaubt hat, in dem Laboratorium der landwirth- schaftlichen Hochschule zu Berlin auszuführen, bestätigten die Meinung, dass die Zuckerbildung in der Leber in einer Umwandlung des Glycogens, welches in den Leberzellen enthalten ist, in Zucker bestehe,” und haben beigetragen, die Hypothese wahrscheinlicher zu machen, dass diese Um- wandlung einer besonderen Thätigkeit des Protoplasmas derselben Zellen zuzuschreiben sei.” In diesem Sinne wenigstens schien es mir die Thatsache zu beweisen, dass man in der Leber, welche vier Stunden lang in arterielles Blut eingetaucht wurde, immer eine Menge Zucker finden konnte, die nur sehr wenig die Menge Zucker überstieg, welche man in der, unter den- selben Umständen, während einer einzigen Stunde in Blut eingetauchten Leber vorfand; während die Menge Zucker, die man nach der ersten Stunde constatirte, bei weitem diejenige übertraf, welche im Moment des Todes in der Leber enthalten war. Obschon die erwähnten mit ähnlichen oder verschiedenen von mir und anderen Forschern herausgegebenen Beobachtungen übereinstimmen, so dass sie einen wirklichen beweisenden Werth bekommen, scheint es mir dennoch angezeigt, dieselben mit den Resultaten einer neuen Reihe von Untersuchungen über den Einfluss des Chinins auf die Zuckerbildung in der Leber zu beweisen, denn obschon die meisten Physiologen der erwähnten Meinung sind, giebt es doch immer einige, die überzeugt sind, dass die Zuckerbildung in der Leber von einem amorphen Ferment abhänge. ! Dritte Mittheilung. S, auch: Sul meceanismo della trasformazione del glico- gene in glucosio. Annali di Chimica e di Farmacologia. 1894 e: Sul meccanismo della trasforınazione ece. La clinica moderna. 1897. ® Dies Archiv. 1898. Physiol. Abthılg. S. 539. ® Intorno alla formazione del glueosio nel fegato. Arti dell’ acc. di Ferrara. 1899 106 EMILIO CAVAZZANI: Das Thema, welches ich mir vorgenommen habe, ist folgendes: Zu untersuchen, ob das Chinin, welches die Thätigkeit bestimmter Enzyme nicht stark verändert, dagegen ein protoplasmatisches Gift für viele Zellen der höheren Organismen ist, eine Wirkung auf die Zuckerbildung in der Leber ausüben kann. Da ich aber in meinen früheren Versuchen eine specielle Beziehung zwischen Zuckerbildung und Wärmebildung in der Leber fand, habe ich meine Untersuchungen auch über den Einfluss des Chinins auf die Temperatur dieses Organes relativ ausgedehnt. Meine Untersuchungsmethode war folgende: Eine Sprocentige Lösung Chininam bisulph. in destillirtem Wasser wurde bereitet, bis zu einer Temperatur von 38° C. erwärmt und durch die Vena jugularis ext. gegen das Herz zu eingespritzt; jede Injection betrug 2 bis 5 “® und die In- jeetionen wiederholten sich, bis die Athem- und Herzlähmung eintrat. Während dieser ersten Periode des Versuches las ein Assistent die Tempe- ratur der Leber von einem Thermometer ab, welches schon vorher in einen der Lobi gesteckt worden war, und wurde dieselbe jede Minute notirt. Zu gleicher Zeit wurde die Curve des Pulses und des Blutdruckes mit einem Apparat nach Kagenaaar aufgenommen. Als die Herzlähmung eingetreten war, veränderte man sowohl die Lage der Instrumente, als auch die Anordnung der in dem Versuche beschäftigten Personen so lange nicht, bis das in die Leber gesteckte Thermometer aufhörte, eine Erhöhung der Temperatur zu zeigen; als das Maximum derselben erreicht war, entfernte man das Thermometer und nahm die Leber heraus: einen Theil derselben warf man sofort in siedendes Wasser, ein anderer, gleich wiegender Theil wurde zerschnitten und in einen Kolben sammt ungefähr 20 "= Blut gethan, das manchmal vor der Einspritzung dem Thier entzogen, andere Male dagegen aus der Herzhöhle und den Adern, immer jedoch defibrinirt, genommen wurde. Der Kolben wurde in ein Wasserbad von 38°C. gesteckt und blieb eine Stunde lang darin unter beständiger Lufteinleitung. Nach Ablauf der Stunde warf man auch den zweiten Theil der Leber sammt dem Blute, in das sie eingetaucht war, in’s siedende Wasser, und es wurden die Auszüge für die Bestimmung der Dextrose und der gesammten Kohlehydrate vorbereitet. Vor Beginn meiner Versuche nach der erwähnten Richtung wollte ich mit eigenen Versuchen bestätigen, dass die Thätigkeit der Enzyme von dem Chininum bisulphur. nicht aufgehalten wird, wie es schon Wilberg für das Pepsin und Andere dem Emulsin und dem Ptyalin gegenüber er- wähnt haben; ohne genaue Rechenschaft darüber abzulegen, kann ich sagen, nie in den Mischungen von Stärkekleister und filtrirtem Speichel eine Menge Zucker gefunden zu haben, die geringer war als diejenige, die ich in den Mischungen von Stärkekleister, Speichel und Chinin (letzteres im Verhältniss von 0-40 Procent), die während verschiedener Stunden einer ÜBER DEN MECHANISMUS DER ZUCKERBILDUNG IN DER LEBER. 107 Temperatur von 38° C. ausgesetzt wurden, gefunden habe. Das Nämliche habe ich in den Mischungen von Blut, Serum und Stärkekleister, mit und - ohne Chinin, wahrgenommen; einige Male habe ich sogar ein wenig höhere Zahlen erhalten, wenn der Mischung das Chinin beigefügt war. Ohne mich damit abzugeben, ob dieses Alcaloid eine günstige Wirkung auf die Haemo- diastase und das Ptyalin enthalte, begnüge ich mich anzuführen, dass es die Thätigkeit derselben weder aufhält noch verändert. Zweitens wollte ich wissen, ob die Hunde, welche ich kaufte, eine Leber besässen, die mit einer beinahe beständig zuckerbildenden Fähigkeit aus- gestattet wäre, und im entgegengesetzten Falle den Durchschnitt und die Minimalgrenzen bestimmen. Daher bat ich Hrn. Joseph Ferrari, Schüler des Laboratoriums, einige Untersuchungen anzustellen. Wir tödteten durch Blutentziehung normale Hunde und liessen Stücke der Leber, die wir aus dem Unterleib genommen, sobald das Herz zu schlagen aufhörte, im Blute liegen, bei einer Temperatur von 38° C. und unter beständiger Lufteinleitung. Wir erhielten folgende Resultate: I. Untersuchung. Zucker grm 0.630 Procent, 1. ” ” ” 0.475 ” II. ” ” ” 0.592 „ EV. ” „ ”„ 0.940 „ N: ”„ ”„ „ 0.475 „ ar ”„ „ „ 0.888 ”„ Durchschnitt srm 0.666 Procent. Hr. Ferrari versuchte auch zu erforschen, ob man im selben Zeit- raum verschiedene Resultate in Bezug auf die Menge des Zuckers erzielen könnte, wenn man die Leber erst 20 Minuten nach dem Tode heraus- genommen, in’s Blut geworfen und in den Thermostaten legen würde. Das musste ich wissen, denn zu dem Zwecke, in den folgenden Untersuchungen Bemerkungen über die postmortale Erhöhung der Temperatur der Leber zu machen, musste man nach dem Tode die Herausnahme der Leber einige Minuten verzögern. Wir erhielten folgende Resultate: Gleich nach dem Tode Nach 20 Minuten I. Untersuchung. Zucker grm 0.630 Proe. grm 0-450 Proc. dl. ” ” „ 0.475 ” „ 0.382 „ II. ” „ ” 0.592 ” „ 0.572 ” IV. £ Y Be Ey V. a £ Aa „ 0.298 „ VL 2 E EO=BRR 0.004, Durchschnitt grm 0.666 Proc. orm 0-525 Proc. 108 EMILIO CAVAZZANT: Diese Untersuchungen haben bewiesen, dass die Zellen der Leber 20 Minuten nach dem Tode zum grössten Theile ihre zuckerbildende Thätigkeit beibehalten, da die Menge des Zuckers durchschnittlich zwischen 0.666 Proc. und 0°525 Proc. schwankt. Da aus den erwähnten Untersuchungen hervorgeht, dass sich nach einer Stunde des Ueberlebens in der Leber der von mir benutzten Hunde, wenn dieselbe gleich nach dem Tode herausgenommen wurde, der Zucker im Minimum von 0.475 Proc. und im Mittel von 0.666 Proc. vorfand, und im Minimum von 0-293 Proc. und im Mittel von 0525 Proe., wenn dieselbe 20 Minuten nach dem Tode herausgenommen wurde, so hätte ich eine Abnahme der Zuckerbildung in Folge des Chinins ableiten können, wenn ich in den eingespritzten Thieren niedrigere Zahlen, als die erwähnten, gefunden hätte. I. Versuch. In einem 5-900%® schweren Hunde ist die Temperatur der Leber um 3 Uhr 58 Min. unverändert auf 39.31°. Von da an bis 4 Uhr 16 Min., d. h. innerhalb 18 Min., wurden durch die Vena jugularis auf 5 Mal 0-75 ='® Chininum bisulphur. in wässeriger Lösung 5 Procent ein- gespritzt. Die Temperatur der Leber fällt auf 38-.60°, nimmt folglich um 0-.71° ab; sie bleibt 6 Minuten lang unverändert, und tritt dann sogleich die Herzlähmung ein. Nach 2 Minuten zeigt das Thermometer 38-62°; nach anderen 2 Minuten 38-65°; um halb 5 Uhr, also 8 Minuten nach der Herzlähmung, 38-68°; 5 Minuten lang bleibt die Temperatur unverändert, dann nimmt man die Leber heraus. In der quantitativen Analyse fand man, dass die Leber grm 1-50 Procent Kohlehydrate enthielt, von denen srm 0-11 Procent Zucker waren. Nach einer Stunde künstlichen Lebens enthielt die Leber grm 0-35 Procent Zucker. II. Versuch. In einem 19-200*®®8 schweren Hunde ist die Temperatur der Leber um 4 Uhr 42 Min. stationär auf 38-36°. Zwischen 4 Uhr 44 Min. und 4 Uhr 55 Min. werden auf 7 Mal 1.75% Chininum bisulphur. einge- spritzt; die Temperatur fällt auf 36-85°. Um 4 Uhr 58 Min. tritt die Herzlähmung ein; die Temperatur der Leber steigt in 7 Minuten auf 37°, nimmt folglich 0-15° zu und bleibt so 5 Minuten lang; dann nimmt man die Leber heraus; diese enthält grm 0.15 Procent Zucker und grm 3-10 Proc. Kohlehydrate. Nach einer Stunde künstlichen Lebens wurden grm 0.20 Proc. Zucker gefunden. III. Versuch. Einem 14#® schweren Hunde werden innerhalb 41 Mi- nuten durch die Vena jugularis 30 ®"" Lösung Chininum bisulphur. eingespritzt. Die Temperatur, welche im Anfang der Untersuchung 38.64° war, fällt im Moment der Herzlähmung auf 37.24°. Nachdem diese erfolgt ist, fällt sie innerhalb 2 Minuten auf 37.17°, dann innerhalb weiterer 2 Minuten steigt sie wieder auf 37-24° und bleibt so 3 Minuten lang. Man nimmt die Leber heraus und man findet den Zucker im Maasse von 0-06 Procent. Nach einer Stunde des Ueberlebens enthält die Leber grm 0-16 Procent Zucker. IV. Versuch. Die Einspritzung wurde diesmal nicht durch die Vena jugularis, sondern durch eine Vene des Mesenteriums gemacht. Der Hund ÜBER DEN MECHANISMUS DER ZUCKERBILDUNG IN DER LEBER. 109 war 5.100®° schwer und bekam 15°” der gewöhnlichen Lösung: also 0.75°”®% von Chinmum bisulphur. innerhalb 10 Minuten. Die Herzlähmung trat 5 Minuten nach der letzten Einspritzung ein und die Temperatur der Leber, welche auf 37-22" stand, blieb einige Minuten lang unverändert. Gleich nach dem Tode fand man in der Leber, welche grm 6.40 Procent Kohlehydrate enthielt, arm 0-07 Procent Zucker, und nach einer Stunde Ueberlebens nur grm 0.19 Procent. V. Versuch. Einem 7:-200'% schweren Hunde werden auf 4 Mal innerhalb 30 Minuten 2°”® Chininum bisulphur. durch endovenöse Injeetion in die Jugularis eingespritzt. Die Herzlähmung tritt plötzlich ein. Man steckte das Thermometer nicht in die Leber, um dieselbe gleich nach dem Tode herausnehmen zu können. Sie enthielt grm 3.60 Procent Kohlehydrate, dabei waren nur Spuren von Zucker. Nach einer Stunde Ueberlebens ent- hielt die Leber grm 0-40 Procent Zucker. VI. Versuch. Einem 7-500'% schweren Hunde wurden auf einmal 20 °® der gewöhnlichen Lösung, d. h. 1°" Chininum bisulphur., dureh die Jugularis eingespritzt. Fast augenblicklich trat die Herzlähmung ein, wes- halb man annehmen kann, dass nur ein geringer Theil des Chinins in die Leber gedrungen ist. Die Temperatur der Leber, welche im Moment des Todes auf 39" war, stieg während 17 Minuten auf 39-.29° und blieb während 5 Minuten unverändert. Die herausgenommene Leber wurde in siedendes Wasser geworfen, sie enthielt in diesem Moment der Untersuchung grm 0-45 Procent Zucker. VO. Versuch. Einem 5-200®® schweren Hunde werden innerhalb 7 Minuten durch die Vena jugularis 0-40 ®”" Chininum bisulphur. eingespritzt. Nach der ersten Injection steht der Athem still; nach 2 Minuten bemerkt man eine bedeutende Abnahme des Herzens und nach weiteren 5 Minuten steht dasselbe still. Die Temperatur der Leber, welche im Anfang 38-.04° war, ist jetzt 37.44° Nach eingetretener Herzlähmung steigt dieselbe während 12 Minuten auf 37-65° Man nimmt sogleich die Leber heraus und findet grm 0-22 Procent Zucker und nach einer Stunde Ueberlebens grm 1-08 Procent Zucker. Die Resultate der fünf ersten Versuche sind also folgende: I. Versuch. Zucker grm 0.330 Procent I nee, IH. „ ” ” 0.160 „ IV: „ ” „ 0.190 ” V. u h .0°400 7, Durchschnitt grm 0.256 Procent. Diese Experimente beweisen also, dass nach der Einspritzung des Chinins und nach einer Stunde des Ueberlebens die Leber eine Menge Zucker bildet, deren Minimum 0-160 Proc. und deren Medium 0-250 Proc. giebt. Beide Zahlen sind viel niedriger, als diejenigen, welche man vorher in den normalen Hunden gefunden hatte. 110 EMILIO CAVAZZANT: ÜBER DEN MECHANISMUS D. ZUCKERBILD. U.S.Ww. Obschon man wenig Werth auf einen Einwurf legen darf, nach wel- chem es sich hier um eine postmortale und nicht um eine während des natürlichen Lebens producirte Zuckerbildung handelt, muss ich erwähnen, dass man immer in der Leber der mit Chinin eingespritzten und mit Phänomenen von Athem- und Herzlähmung, also durch Erstiekungstod verendeten Hunde einige Minuten nach dem Tode minimale Mengen Zucker gefunden hat, und gerade in dem ersten Versuch grm 0-11 Proc., im zweiten grm 0-15 Proc., im dritten grm 0-06 Proc., im vierten grm 0-07 Proc. und im fünften nur Spuren hiervon. Im sechsten und siebenten Experi- ment, in denen die Herzlähmung eintrat, ehe das Chinin ordentlich in Um- lauf gekommen war, fand man einige Minuten nach dem Tode, bezw. srm 0-45 Proc. und grm 0-22 Proc. Zucker. Jedermann weiss, dass man grössere Mengen als diese in den normalen Hunden fand, die eines gewalt- samen Todes starben. Ich bin also der Meinung, dass man den Schluss ziehen kann, dass das Chininum bisulphuricum eine hemmende Wirkung auf die Zucker- bildung der Leber ausübt. Da es keinen Einfluss auf einige der energisch- sten Enzyme hat, können wir annehmen, dass es auch nicht auf das so schwache der Leber wirkt, und bleibt uns daher nur übrig, diese aufhaltende Wirkung einer hindernden Macht zuzuschreiben, die auf das Protoplasma der Leberzelle oder auf einen Theil desselben ausgeübt wird, dessen bio- logische Eigenschaft in der Umwandlung des Glycogens in Dextrose besteht. Die angeführten Versuche beweisen ausserdem, dass das Chininum bisulphurie. eine hemmende Wirkung auch auf die Wärmebildung der Leber ausübt. In der That hatte die Einspritzung des Salzes eine Abnahme der Temperatur der Leber zur Folge, die im Medium 1°C. übertraf, und die postmortale Steigerung der Temperatur war bedeutend niedriger, als sie gewöhnlich zu sein pflegt. Die erwähnten Versuche bestärken nicht nur die Theorie, dass die Umwandlung des Glycogens in Dextrose die Folge einer speziellen Thätig- keit der Leberzellen und nicht eines Enzyms ist, sondern bestätigen auch nach meiner Meinung die Existenz einer Beziehung zwischen der Zucker- bildung und Wärmebildung der Leber. Beitrag zur Lehre vom Stoffwechsel der Wiederkäuer. Von Dr. ©. Hagemann, Professor der Thierphysiologie an der Landw.-Akademie zu Bonn-Poppelsdorf, unter Assistenz des Dr. Gino Abati aus Udine. Ueber den Stoffwechsel der Wiederkäuer sind durch viele eingehende und fleissige Arbeiten eine Menge von Thatsachen zusammengetragen. So- wohl in Möckern unter Gustav Kühn’s wie O. Kellner’s Leitung, als auch in Göttingen unter Henneberg’s Vorarbeit sind bei den grossen und kleinen Wiederkäuern Ausnützungs- und Stoffwechselbilanzversuche angestellt worden. Nicht nur die Verdauungsquotienten wurden eruirt, sondern es wurde auch die Kohlensäureproduction, sowie die Sumpfgas- ausscheidung quantitativ bestimmt. Diese Untersuchungen geben einen klaren und direeten Aufschluss über den Nutzeffeet eines bestimmten Futters bezüglich Fleisch- und Fett- ansatz, sie geben aber keinen oder einen nur sehr mangelhaften Aufschluss über den Kraftwechsel des Thieres in den einzelnen Phasen des Tages. Für das Studium des Kraftwechsels im Thierkörper muss vor Allem neben der Bestimmung der gebildeten Kohlensäure auch die Grösse des Sauerstoffverbrauches festgestellt werden. Studirt man Kohlensäureproduction und Sauerstoffverbrauch in den einzelnen Phasen des Tages, dann kann man auch den Kraftwechsel für dieselben berechnen, und dies ist bei dem heute weiter fortgeschrittenen physiologischen Standpunkte durchaus nothwendig. Abgesehen hiervon ist in letzter Zeit von N. Zuntz darauf aufmerksam gemacht worden, dass der verdaute Antheil aus dem einen Futtermittel noch lange nicht dem verdauten Antheile aus einem anderen Futtermittel für den Kraftwechsel des Thieres gleichwerthig zu sein braucht. Die Gährungsprocesse und die Grösse der Kau- und Verdauungsarbeit spielen hier eine grosse Rolle. Was vergohren ist, giebt der Stoffwechsel- 112 O0. HAGEMANnN: versuch auch als verdaut an, ohne dass die Gährungsproducte für den thierischen Haushalt den gleichen Nährefleect zu haben brauchen, wie die ursprüngliche Substanz. Der eine Futterstoff hat viel oder gar verholzte Rohfaser, der andere hat nur wenig davon; dann wird der erstere viel mehr Kau- und Verdauungs- arbeit in Anspruch nehmen als der rohfaserärmere Futterstoff, wie z. BD. Kartoffeln, Rüben oder Stärke dem Stroh oder gar dem Reisig gegenüber. Nothwendiger Weise kann nun aber die Kau- und Verdauungsarbeit nur durch den Energieinhait des Verdauten gedeckt werden, so dass auf diese Weise grosse Ungleichheiten bezüglich der dem Thierkörper für seine anderweitigen Leistungen zu (Gebote stehenden Energie resultiren. Wenn auch die Kau- und Verdauungsarbeit schliesslich Wärme wird und dem Thiere zur Erhaltung seiner Eigentemperatur dienen kann, so ist es doch für den Stoff- und Kraftwechsel des Thieres nicht gleichgültig, ob viel oder wenig Energie für Verdauungsarbeit verbraucht wurde; denn für die Verdauungsarbeit verbrauchtes Kohlehydrat z. B. kann weder Fett werden, noch kann es zur Ableistung einer Muskelarbeit verbraucht werden, es kann eben nur Wärme werden; diese aber hat das reichlich gefütterte Thier wahr- scheinlich im Uebermaass zur Disposition, so dass es unter Umständen Noth hat, dieselbe los zu werden. Ueber die hier zu untersuchenden Verhältnisse vermögen nur calori- metrische Untersuchungen oder Respirationsversuche im Verein mit Stoff- wechselbilanzuntersuchungen, welche mit verschiedenartig ernährten Thieren angestellt werden, Aufschluss zu geben. Da ich zur Zeit nicht im Besitze eines Thiercalorimeters bin, so wollte ich dieser Frage auf dem zweiten angegebenen Wege durch Bestimmung des Sauerstofiverbrauches und der Kohlensäureproduction näher treten. Als Versuchsthier nahm ich einen grossen zweijährigen veredelten Hammel, welcher schon mehrmals zu Stoffwechselversuchen gedient hatte und das Geschirr, welches zur Befestigung des Kothtornisters und Harn- trichters nöthig ist, sehr gut vertrug. Dieses Thier wurde im Januar 1897 tracheotomirt und trug von da ab ständig einen Tracheotubus; die Wunde vernarbte sehr gut; von Mitte März ab wurde das Thier fast täglich mittels einer Respirationscanüle! mit einem (Gasmesser verbunden und musste durch denselben athmen, so dass es sich daran gewöhnte, auch während der Futteraufnahme, des Wieder- kauens und des Schlafens durch den Gasmesser zu athmen. Während der Respirationsversuche wurden, der Athemgrösse propor- tional, Gasproben in die Gasbüretten gesaugt und sofort darnach analysirt. ' Vgl. Landwirthschaftliche Jahrbücher. 1889. S. 14. 113 BEITRAG ZUR LEHRE VOM STOFFWECHSEL DER \VIEDERKÄUER. | (288°L. 1ossemndg ouyO | 8808 879 | 20-4 LI-PT 870-7 1330-1 180-7 £8-09 | JOHN 1 726= TI 089 81-85 66-81 Y81-6 8050-1 835-3 | 78-06 98 | 8.688 | c0L 16°6 8-11 866-1 6110-1 696-1 660% “oo | 8.882 | 189 | 29-1 19-61 s08-T rr60° 1 978-1 89.04 Mae 2 T-EI8 919 \ 60 8I-ct | 106-1 9610-1 886-1 65.08 188 | 6.688 00, | 80-1 OP-FT | 9 | 1810-7 | 808-0 | 63-09 “3 | 6.686 186 19:0 66-81 Ich 1 0120-1 647-1 61-08 ke | 7066 | 69% 6L*0 16-681 ggr-1 7660-1 967-1 PS-67 “0% \ 0.666 | 619 09-46 80-FI GLL°6 GITLOST LIS-& 79-67 “61 | #866 | 019 94-6 GI-El r01 2 G2°0- 1 161-6 68-67 ST | 83-808 | 09 69-1 LI-PL 181-4 | 2100-1 191-3 6L-6# BR | 6885 | 009 8L-1 0G-S1 689-1 9150-1 IEL-T 68-06 97 | 8968 | gl LG Tl 69-91 786° GLIO-L 980-8 78-67 Ste 1 0:198 | GsL 84-61 94-1 911-6 6860-1 986°6 61-14 FT 9.688 | 799 6G*Ll LP-GL 0GL-1 8850-1 86L*1 71-08 "Al'sI | U9888]9.54.107 oyeagddeppuugg _ — — — — _ — c9.6F SORTE DT. 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Die Aenderungen im Lebendgewichte sind nur sehr gering; dasselbe war nahezu constant und zeigt eine geringe Tendenz zu steigen; dies be- weist, dass die Ration mindestens das Erhaltungsfutter darstellte, sogar etwas Ansatz bewirkte. Die Wasseraufnahme war eine sehr regelmässige, es wurden an den 14 Versuchstagen elf Mal 2.5 und je ein Mal 3.0, 1-7 und 2.7 Liter Wasser aufgenommen. Vom 12. April 1897 früh 8 Uhr ab wurden Harn und Koth gesammelt und später analysirt; wegen Anfeuchtung des Futters seitens des Hammels selber blieben geringe Reste im Futterkasten; diese wurden am Schlusse ausgekratzt, gewogen und analysirt. Die näheren Daten des Ausnützungsversuches zeigt die Tabelle I. Die Analyse der Futterstoffe, des lufttrockenen Kothes und der 39.9 8m betragenden Futterreste folgt in der Tabelle II. Tabelle II. Procentische Zusammensetzung des Futters, der lufttrockenen Kothes. Futterreste und des | | © r G=! ans .s Sele # ee. = 3 aa Es 2828|: 2:2 55) 8 Sn = se 82 | S2|.e |gei&22| << | Slacrsme a | = m | = a! o | SEES EEE re . PA ee | | | | | Maisfutterm. | 86-986 | 2.228 [84-758 2.023 | 13-644 11-488 |11-221| 6-151 | 53-742] 43-789 Heu „> \83-874 | 7.118 |76-256 |2.243 | 14.019 10-690 | 1-831 26-703 | 33.703) 37-402 | | Lufttr. Koth | 95-309 112-955 182-354 11-973 (12-331)|. — | 3-109 34-137 | 32.777] 43-306 Futterreste .|96-990 85-617 61-373 |2:092 | 13-075 |10-380 | 3-950 16-411 | 27-937) 31-336 Die calorimetrische Analyse? ergab, dass der Energieinhalt, bezogen auf frische Substanz bei den Futtermitteln und auf lufttrockene Substanz bei Koth und Futterresten, per 1®”” betrug: ı Pflüger’s Archiv. Bd. LV. 8.9 ff. ® Für Interessenten bemerke ich, dass gute Verbrennungsbomben und complette Calorimeter vom Mechaniker J. Peters in Berlin NW., Thurmstr. 4, zum Preise von 700 Mark, gute Pastillenpressen vom Mechaniker M. Wolz in Bonn, Beethovenstr. 32, zum Preise von 100 Mark bezogen werden können. BEITRAG ZUR LEHRE VOM STOFFWECHSEL DER WIEDERKÄUER 115 für Maisfuttermehl 4.354 Cal. „ Hewr 3.635 „ „. Koth. 43320, „ Futterreste . 3240 „ Der Enereieinhalt von 1°’ Harn betrug 0-.06995 Cal. Die Futterausnützung berechnet sich wie folgt: Tabelle II. Futterausnützung. . > & | u, g =} as|ian INS | en) be! ua = =} SEE ae ee ea sa ja2 s2 185 35 3 3 | 3535|: | & Fee = 803 u = =) a ._ FU EBEN je SiS A m rer je] a Es wurden in grm aufgenommen aus: Maisschrot 350°” 39.27| 21-53 191-60| 7.08| 153-26 304-45| 7-80! 296-65| 44-25 40-21 | Luzerneheu 600 ‚„, | 500.24, 42.71 457-535, 84-12, 64-14 Summa 804-69 50-51 754-18.128-37 104-35 Davon ab die Futterrückstände, zu Pro die 2:85==| 2.76 1-01) 1.75 0.37) 0.29 | 0-11| Es bleiben aufgenommen: 816-93 64-50 752-43 Mit dem Kothe wurden ausgeschieden: — (25-31) 9-591105-24 Lufttrocken 308-3 | 2983-84 39-94 2583-90 Es sind demnach verdaut: 523-09 24-56 498-53| 90-00 78-75 | 40-56 64-0 | 38-1 | 66-3 | 70-3 ı 75-8 | 80-9 | j Absolut in grm In Procenten 12800 104-06 50-15.181.28 10-99,160-22, 202.20 13-46| 224-41 50-26 181.75, 393-80 15 8m Kochsalz: 0-47| 0-80 393-00 101-07 76-04 42.0 291-93 74-3 20-54 3717-67 | 0:06 0-89 20-48| 376.78 6.08 133-51 | 14-40| 243.27 70:3 | 646 Im Harne fanden sich 17.08=m Kohlenstoff und 14.17 sm Stick- stoff. Dem Körper standen also für die Respiration bezw. den Fettansatz 225.43 =" Kohlenstoff zur Disposition, weil ausser dem Harnkohlenstoff noch 0-76 =”® Kohlenstoff mit den angesetzten 0-23" Stickstoff in Form von Eiweiss u. s. w. dem Zersetzungsprocesse entzogen sind. Im Harne fanden sich 25-91 m kohlensäurefreie Reinasche. Als ver- daut hatten wir gefunden 24.56®= Mineralsubstanz; hinzu kamen noch ! Für je 100 =” verdaute Trockensubstanz sind 0-4 =” Stickstoff vom Kothstick- stoff in Abzug gebracht; der Rest ist als Eiweissstickstoff angesehen und darnach die Eiweissverdauung berechnet worden. 116 O0. HAGEMANN: 1.25 m Mineralsubstanz mit dem Tränkwasser, so dass 25-81 sm Mineral- substanz im Ganzen verdaut waren, nach Abzug der im Harne gefundenen 25.91 m verbleiben noch — 0.10 :8"® Mineralsubstanz angesetzt. Während des Stoffwechselversuches wurden an 10 Tagen im Ganzen 42 Respirationsversuche angestellt. Die Analyse der Gase wurde stets doppelt ausgeführt und der Mittelwerth der beiden Analysen zur weiteren Berechnung verwendet. Es folgen die Daten der Respirationsversuche: Respirationsversuche vom 10. April 1897. Nr. I. Lebendgewicht = 50.08. Versuch Nr.1. Ruhe. Das Thier hustet einmal und kaut auch einige Minuten wieder, im Uebrigen ist es ruhig. Stand des Gasmessers: 12 Uhr 48 Min. = 579.3 Liter, 127.229 AI; f 19Min. = 81-8Liter, per 1Min. = 4-305Liter. Redueirt auf 0° und 760 w"® Hg: 19 Min. = 76769, per 1 Min. = 4.041 Liter. Die Exspirationsgase enthielten: 5.69 Procent! CO,, 15-59 Procent O0, — 5-24 Procent O-Def. Per 1 Min. also Production von 244.95 °® CO,, Verbrauch von 225,58 °® Q,. Resp.-Quotient = 1-086. Per 1 Min. und 18 Thier also: Production von 4.899 m CO,, Verbrauch, 174512920» Versuch Nr. 2. Ruhe. Das Thier kaut energisch wieder; theilweise ist es ruhig. Stand des Gasmessers: 1 Uhr 27 Min. = 811 -4Liter, le, Do 1 eo — 42H: 13Min. = 68-9 Liter, per 1Min. = 5300 Liter. Redueirt auf 0° und 760 ®® Hs: 13 Min. = 65.587, per 1 Min. = 5.045 Liter. Die Exspirationsgase enthielten: 4.79 Procent CO,, 15-84 Procent OÖ, — 5-17 Procent O-Def. Per 1 Min. also Production von 241.66 “® CO,, Verbrauch von 260.83 °® O,. Resp.-Quotient = 0° 9265. Per 1 Min. und 1*s Thier also: Production von 4-833 m 0O,, Verbrauch ,. 5-.2170,2.0% ! Die Analyse ergab 5-72 Proc. CO,; 0-03 Proc. CO, sind für den CO,-Gehalt der atmosphärischen Luft in Abzug gebracht. BEITRAG ZUR LEHRE VOM STOFFWECHSEL DER WIEDERKÄUER. 117 Versuch Nr. 3. Ruhe. Das Thier zeigt etwas Unruhe; steht und legt sich abwechselnd. Stand des Gasmessers: 2 Uhr 5 Min. = 4030.0 Liter, 1.953, EN 20, 12Min. = 58-0Liter, per 1 Min. = 4.833 Liter. Redueirt auf 0° und 760 ®® Hg: 12 Min. = 54-482, per 1 Min. = 4-540 Liter. Die Exspirationsgase enthielten: 4.74 Procent CO,, 15-74 Procent OÖ, — 5-31 Procent O-Def. Per 1 Min. also Production von 215.20 °” CO,, Verbrauch von 241.07 m O,. Resp.-Quotient = 0893. Per 1 Min. und 1S Thier also: Production von 4.304 m CO,, Verbrauch „ 4-821 „ O,. Respirationsversuche vom 13. April 1897. Nr. II. Lebendgewicht = 50-7 ®8. Versuch 1. Ruhe. Das Thier steht ruhig. Stand des Gasmessers: 11 Uhr 49 Min. = 593-7 Liter, = 112 e330, 14950, 16Min. = 98.7 Liter, per 1 Min. = 6-169 Liter. Reducirt auf 0° und 760 ®® Hg: 16 Min. = 91.884, per 1 Min. ='5-743 Liter. Die Exspirationsgase enthielten: 4.50 Procent CO,, 15°87 Procent O, — 5-21 Procent O-Def. Per 1 Min. also Production von 258-44 “m CO,, Verbrauch von 299.21 m O,. Respir.-Quotient = 0.864. Per 1 Min. und 1: Thier also: Production von 5.097 «m CO,, Verbrauch #,, 529017,,..0,. Versuch Nr. 2. Ruhe. Das Thier liegt und steht abwechselnd; hustet sehr viel. Stand des Gasmessers: 1 Uhr 47 Min. = 239.2 Liter, IS 3 A654, 13Min. = 92-8Liter, per 1 Min. = 7-138 Liter. Redueirt auf 0° und 760 w= Hs: 13 Min. = 86-506, per 1 Min. = 6'654 Liter. Die Exspirationsgase enthielten: 5-08 Procent CO,, 15.90 Procent O, — 5.02 Procent. O-Def. Per 1 Min. also Production von 338.01 °” CO,, Verbrauch von 334.02 m O,. Resp.-Quotient = 1.012. Per 1 Min. und 1#3 Thier also: Production von 6.667 m 00,, Verbrauch „ 6.588 „ © 2° 118 O. HAGEMANRK: Respirationsversuche vom 14. April 1897. Nr. I. Lebendgewicht = 51-2®#:. Versuch 1. Ruhe. Das Thier steht ruhig; wird nur durch eine fremde Person beunruhigt. Stand des Gasmessers: 12 Uhr 24 Min. = 910 -5LLiter, I DS 163: 26 Min. = 146-8 Liter, per 1 Min. = 5.646 Liter. Reducirt auf 0° und 760®" Hg: 26 Min. = 135-785, per1 Min. = 5-222 Liter. Die Exspirationsgase enthielten: 4.88 Procent CO,, 15-73 Procent OÖ, — 5-29 Procent O-Def. Per 1 Min. also Production von 254.84 “” CO,, Verbrauch von 276.25 m O,. Resp.-Quotient = 0: 9225. Per 1 Min. und 1*s Thier also: Production von 4-977 m CO,, Verbrauch ”, 5-.39602,80. Versuch Nr. 2. Ruhe. Das Thier steht ruhig. Stand des Gasmessers: 1 Uhr 2Min. = 7113-4Liter, 127,005, 2200960 3 27Min. = 147-1Liter, per 1Min. = 5-4%8 Liter. Reducirt auf 0° und 760 "® Hg: 27 Min. = 136-150, per 1 Min. = 5.042 Liter. Die Exspirationsgase enhielten: 5-33 Procent CO,, 15-32 Procent O, — 5-68 Procent O-Def. Per 1 Min. also Production von 268.74“ CO,, Verbrauch von 286 -39 °® O,. Resp.-Quotient = 0.938. Per 1Min. und 1®® Thier also: Production von 5.249 «m CO,, Verbrauch „ 5.594,00. Versuch Nr. 3. Ruhe. Das Thier liegt und schläft theilweise. Stand des Gasmessers: 1 Uhr 59 Min.-—= 391 -.2Liter, 1, 260.823236.8 - 33 Min. = 154-4 Liter, per 1 Min. = 4- 679 Liter. Redueirt auf 0° und 760 ®® Hg: 33 Min. = 143-104, per 1 Min. = 4.336 Liter. Die Exspirationsgase enthielten: 4.56 Procent CO,, 16-09 Procent O, — 4:91 Procent O-Def. Per 1 Min. also Production von 197.72 m 00,, Verbrauch von 212.90" O,. Resp.-Quotient = 0. 929. Per 1 Min. und 1% Thier also: Production von 3.862 m CO,, Verbrauch „ 4.158, ©. BEITRAG ZUR LEHRE VOM STOFFWECHSEL DER WIEDERKÄUER 119 Respirationsversuche vom 15. April 1897. Nr. IV. Lebendgewicht = 49.88, Versuch Nr. 1. Ruhe. Das Thier zeigt etwas Unruhe; hustet mehrmals. Stand des Gasmessers: 12 Uhr 10 Min. = 154-8 Liter, 11 „ 40 „ 5.0 2 30 Min. = 149.8Liter, per 1 Min. = 4.993 Liter. Redueirt auf 0° und 760"® Hg: 30 Min. = 141.218, per1 Min. = 4.707 Liter. Die Exspirationsgase enthielten: — 5.64 Procent O-Def. 4.71 Procent CO,, 15-48 Procent O, Per 1 Min. also Production von 221.70 m CO,, Verbrauch von 265.48 m Q,, Resp.-Quotient = 0-835. Per 1 Min. und 18 Thier also: Production von 4-452 em CO,, Verbrauch „ 5-331 ,„ 0, Versuch Nr. 2. Ruhe. Das Thier liegt und schläft fast beständig. Stand des Gasmessers: 1 Uhr 20 Min. = 485.8 Liter, 12 45 — le „ 2 35 Min. = 147-2 Liter, per 1Min. = 4.206 Liter. Redueirtauf 0° und 760"® Hg: 35 Min. = 138.210, per 1 Min. = 3- 949 Liter Die Exspirationsgase enthielten: 4.87 Procent CO,, 14-82 Procent O, — 6-44 Procent O-Def. Per 1 Min. also Production von 192.52 «m Co, Verbrauch von 254.32 O,. Resp.-Quotient = 0.756. Per 1 Min. und 18 Thier also: -Production von 3-862 m CO,, Verbrauch, 75-1075 20, Versuch Nr. 3. Ruhe. Das Thier wie vorher, hustet jedoch zeitweise. Stand des Gasmessers: 2Uhr 4Min. = 675-9 Liter, 1 31 =538-5 „ ” s ” 33 Min. = 137-4 Liter, per 1Min. = 4.163 Liter. Reducirt auf 0° und 760 "= Hg: 33 Min. = 129.787, per1 Min. = 3-933 Liteı Die Exspirationsgase enthielten: 5.16 Procent CO,, 15.06 Procent OÖ, — 6.05 Procent O-Def. Per 1 Min. also Production von 202.94 m 0% Verbrauch von 237.95 m O, Resp.-Quotient = 0.853. Per 1 Min. und 1#®* Thier also: Production von 4.075 m CO, Verbrauch „ 44-778 „ 0, 120 O0. HAGEMANN: Respirationsversuche vom 17. April 1897. Nr. V. Lebendgewicht = 49. 88. Versuch Nr. 1. Ruhe. Das Thier liegt und wiederkäut; später schläft es. Stand des Gasmessers: 12 Uhr 0Min. = 613.4 Liter, 11 „ Bw. Al. ,,, 27 Min. = 136-1 Liter, per 1 Min. = 5-041 Liter. Reducirt auf 0° und 760"W® Hg: 27 Min. = 128-823, per 1 Min. = 4-771 Liter. Die Exspirationsgase enthielten: 4.84 Procent CO,, 15-69 Procent O, — 5-35 Procent O-Def. Per 1 Min. also Production von 230.92” CO,, Verbrauch von 255.25 m O,. Resp.-Quotient = 0-905. Per 1Min. und 1'® Thier also: Production von 4.637 m CO,, Verbrauch „ 5-125, O,. Versuch Nr. 2. Ruhe. Das Thier schläft meist, steht gegen Schluss der Probe auf und hustet viel. Stand des Gasmessers: 12 Uhr 35 Min. = 784.5 Liter, 1975, 26, „222641087, 29 Min. = 143-7 Liter, per 1 Min. = 5.093 Liter. Redueirt auf O°und 760 wm Hg: 29 Min. = 136-086, per 1 Min. = 4689 Liter. Die Exspirationsgase enthielten: 4.83 Procent CO,, 16.44 Procent O, — 4:40 Procent O-Def. Per 1 Min. also Production von 226.48 °®CO,, Verbrauch von 206.31 °® O,. Resp.-Quotient = 1'098. Per 1 Min. und 1*® Thier also: Production von 4.548 °m 0O,, Verbrauch „ 4:143,.0% Versuch Nr. 3. Ruhe. Wie bei Versuch Nr. 2. Stand des Gasmessers: 1 Uhr 25 Min. = 10017-2 Liter, 12. 54, .=1598770:.6)2,, 31Min. = 139-6 Liter, per 1Min. = 4-503 Liter. Redueirt auf 0° und 760 mm Hg: 31 Min. = 132-160, per 1 Min. = 4. 263 Liter. Die Exspirationsgase enthalten: 5.14 Procent CO,, 15-31 Procent ©, — 5:75 Procent O-Def. Per 1 Min. also Production von 219.12” CO,, Verbrauch von 245.13 m O,. Resp.-Quotient = 0894. Per 1 Min. und 1° Thier also: Production von 4.400 m CO,, Verbrauch , 4.922,20 BEITRAG- ZUR LEHRE VOM STOFFWECHSEL DER WIEDERKÄUER. 121 Versuch Nr. 4 Wiederkäuen. Das Thier liegt und wiederkäut. Stand des Gasmessers: 1 Uhr 59 Min. = 183.7 Liter, ee 28 Min. = 138.5 Liter, per 1 Min. = 4 948 Liter. Redueirt auf 0° und 760 W® Hg: 28 Min. = 131-117, per 1Min. = 4-683 Liter. Die Exspirationsgase enthielten: 5.08 Procent CO,, 15-80 Procent O, — 5-15 Procent O-Def. Per 1 Min. also Produetion von 23790 CO, ‚ Verbrauch von 241.17 m O,. Resp.-Quotient = y 986. Per 1 Min. und 1° Thier also: Production von 4-777 m 0O,, Verbrauch „ 4843 „ O,. Versuch 5. Ruhe. Das Thier liegt theils und schläft, theils wiederkäut es, zwischendurch vereinzelt Husten. Stand des Gasmessers: 2 Uhr 39 Min. = 384-4 Liter, 27,.221:0 Min.:= 246°5.r7 „, 29 Min. = 137.9 Liter, per 1 Min. = 4.755 Liter. Redueirt auf 0° und 760 ®® Hg: 29 Min. = 130.312, per 1 Min. = 4.493 Liter. Die Exspirationsgase enthielten: 5-37 Procent CO,, 16.13 Procent O, — 4.65 Procent O-Def. Per 1 Min. also Produetion von 241.27 m Co, Verbrauch von 208.92 m O,. Resp.-Quotient = 1-155. Per 1 Min. und 18 Thier also: Production von 4.845 °m CO,, Verbrauch - -„ 4.195 „. O,. Respirationsversuche vom 19. April 1897. Nr. VI Lebendgewicht = 49.6 ®8. Versuch Nr. 1. Ruhe. Das Thier liegt und wiederkäut während einer Hälfte des Versuches, während der anderen steht es. Stand des Gasmessers: 1%Uhr:o1 Min» — 1198 @liter, I era 7753.08, 30 Min. = 145.7 Liter, per 1 Min. = 4.856 Liter. Redueirt auf 0° und 760 ®® Hg: 30 Min. = 136-972, per 1Min. = 4.566 Liter. Die Exspirationsgase enthielten: 4.78 Procent CO,, 15-35 Procent O, — 5-80 Procent O-Def. Per 1 Min. also Production von 218.26 cm co, ‚ Verbrauch von 264-83 m O,. Resp.-Quotient = 0- 824. Per 1 Min. und 1#® Thier also: Production von 4-400 «m CO,, Verbrauch „ 5.339 „ O;,. 122 O0, HAGEMANnN: Versuch Nr. 2. Ruhe. Das Thier schläft Anfangs 14 Minuten lang, darnach steht es auf und bleibt stehend. Stand des Gasmessers: 1 Uhr 49 Min. = 727 OLLiter, 1, 14. = 580-6. , 35 Min. = 139-4 Liter, per 1 Min. = 3.983 Liter. Redueirt auf 0° und 760 ®® Hg: 35 Min. = 130-932, per 1 Min. = 3: 741 Liter. Die Exspirationsgase enthielten: 5.79 Procent CO,, 14.37 Procent O, — 6-76 Procent O-Def. Per 1 Min. also Production von 216.60 °® CO,, Verbrauch von 252.90 m O,. Resp.-Quotient = 0°8565. Per 1 Min. und 18 Thier also: Production von 4'367 m CO,, Verbrauch. , 5.099 95.0% Respirationsversuche vom 20. April 1897. Nr. VII. Lebendgewicht = 49.888. Versuch Nr. 1. Ruhe. Das Thier lest sich und schläft bald. steht es auf und hustet. Stand des Gasmessers: 1 Uhr 47 Min. = 633 4 Liter, 1... 1a, 20780 34 Min. = 145-6Liter, per 1 Min. = 4.282 Liter. Redueirtauf 0° und 760”® Hg: 34 Min. = 134-350, per 1Min. = 3- 951 Liter. Die Exspirationsgase enthielten: 5.47 Procent CO,, 14.92 Procent O, — 6.15 Procent O-Def. Per 1 Min. also Production von 216.12 m CO,, Verbrauch von 242.99 m O,. Respir.-Quotient = 0-889. Per 1 Min. und 1*® Thier also: Produetion von 4-340 m 00,, ‘Verbrauch ', 4.879,20; 1 Minute vor Schluss der Probe Versuch Nr. 2. Ruhe. Das Thier steht Anfangs nicht wiederkäut; hustet öfters. Stand des Gasmessers: 2 Uhr 27 Min. = 808-0 Liter, I DA 6A 33 Min. = 143.2 Liter, per 1 Min. = 4-339 Liter. Redueirt auf 0° und 760"W® Hg: 33 Min. = 132.271, per 1Min. = 4.008 Liter. Die Exspirationsgase enthielten: 5.31 Procent CO,, 14-57 Procent O, — 6.64 Procent O-Def. Per 1 Min. also Production von 212.82” CO,, Verbrauch von 266.14" O,. Resp.-Quotient = 0.800. Per 1Min. und 1*8 Thier also: Production von 4.274 m 00,, Verbrauch „ 5.344 „ O,. ganz ruhig; später legt es sich und BEITRAG ZUR LEHRE VOM STOFFWECHSEL DER WIEDERKÄUER. 123 Versuch Nr. 3. Ruhe. Das Thier verhält sich erst 12 Min. lang wie bei Versuch Nr. 2, dann schläft es. Stand des Gasmessers: 6 Uhr 16 Min. = 856 Dear — dr 34 Min. = 142. 4 Liter, per 1Min. = 4-188 Liter. Redueirt auf 0° und 760W® Hg: 34 Min. = 132-808, per 1 Min. = 3.906 Liter. Die Exspirationsgase enthielten: 5.15 Procent CO,, 14-72 Procent O, — 6-49 Procent O-Def. Per 1 Min. also Production von 201.16 «m 00,, Verbrauch von 253.50 m O,. Resp.-Quotient = 0.7935. Per 1 Min. und 1'8 Thier also: Production von 4.039 m CO,, Verbrauch 215-090 520). >| Versuch Nr. 4 Fressen. Das Thier erhält 6 Uhr 25 Min. seine Abendmahlzeit; es frisst erst energisch, später langsamer. 6 Uhr 50 Min. säuft es einen halben Liter Wasser. 6 Uhr 59 Min. Schluss des Fressens. Stand des Gasmessers: 7 Uhr 0Min. = 4151-1 Liter, Do 839100 36Min. = 241-1 Liter, per 1 Min. = 6.697 Liter. Redueirt auf 0° und 760®m Hg: 36 Min. = 223-565, per 1 Min. = 6-210 Liter. Die Exspirationsgase enthielten: 4.86 Procent CO,, 15-23 Procent 0, — 5.92 Procent O-Def. Per 1 Min. also Production von 301.80 ° CO,, Verbrauch von 367.63 m O,. Resp.-Quotient = 0821. Per 1 Min. und 13 Thier also: Production von 6.060 “m E09, Verbrauch, 7.382,20, Versuch Nr. 5. Ruhe. Das Thier verhält sich ganz ruhig. Stand des Gasmessers: 7 Uhr 33 Min. = 324.5 Liter, ats 26 Min. = 136-1 Liter, per 1Min. = 5.234 Liter. Redueirt auf 0° und 760"® Hg: 26 Min. = 125-803, per 1 Min. = 4-838 Liter. Die Exspirationsgase enthielten: 4.64 Procent CO,, 15-49 Procent 0, 5.65 Procent O-Def. Per 1 Min. also Production von 224.49 m CO,, Verbrauch von 273.35" O,. Resp.-Quotient = 0.820. Per 1 Min. und 1®? Thier also: Production von 4-500 °® CO,, Verbrauch „ 5-489 „ O,. 124 OÖ. HAGEMANN: Respirationsversuche vom 22. April 1897. Nr. VII. Lebendgewicht = 50.388, Versuch Nr. 1. Ruhe. Das Thier hustet hie und da; liegt meistens Stand des Gasmessers: 4 Uhr 11 Min. = 690.2 Liter, a7, Alma ı—3959:5 31 Min. = 130-7 Liter, per 1Min. = 4.216 Liter. Redueirt auf 0° und 760mm Hg: 31 Min. = 122-369, per 1Min. = 3-947 Liter. Die Exspirationsgase enthielten: 4.69 Procent CO,, 15-89 Procent OÖ, — 5-13 Procent O-Def. Per 1 Min. also Production von 185.11 °® CO,, Verbrauch von 202.48 m Q,. Resp.-Quotient = 0-914. Per 1 Min. und 1°% Thier also: Production von 3.680 m CO,, Verbrauch „ 4.026 „ ©.. Versuch Nr. 2. Ruhe. Das Thier liegt zuerst und schläft; gegen Schluss der Probe steht es auf und hustet viel. Stand des Gasmessers: 4 Uhr 50 Min. = 867-6 Liter, 4 „ 21Min. = 750-2 „ 29 Min. = 137-4 Liter, per 1Min. = 4.738 Liter. Redueirt auf 0° und 760"® Hg: 29 Min. = 128-817, per1 Min. = 4.442 Liter. Die Exspirationsgase enthielten: 4.68 Procent CO,, 16.14 Procent OÖ, — 4.82 Procent O-Def. Per 1 Min. also Production von 207.89 °m CO,, Verbrauch von 214.10 Q,. Resp.-Quotient = 0.971. Per 1 Min. und 1*% Thier also: Production von 4.133 m CO,, Verbrauch „ 4.257 „ ©, Versuch Nr. 3. Ruhe. Das Thier liegt zuerst und wiederkäut, dann steht es auf und hustet einige Male. Stand des Gasmessers: 5 Uhr 35 Min. = 5104 6 Liter, 8% 8 „ =4963-.1 „ 27Min. = 141-5Liter, per1Min.=5 241 Liter. Redueirt auf 0° und 760 ®® Hg: 27 Min.= 132-095, per 1 Min.= 4-892 Liter. Die Exspirationsgase enthielten: 4.50 Procent CO,, 15-28 Procent O, — 5-96 Procent O-Def. Per 1 Min. also Production von 220.14 °® CO,, Verbrauch von 291.57 m O,. Resp.-Quotient = 0755. Per 1 Min. und 18 Thier also: Produetion von 4.376 m CO,, Verbrauch , ‚52.797,05 BEITRAG ZUR LEHRE VOM STOFFWECHSEL DER WIEDERKÄUER. 125 Versuch Nr. 4 Wiederkäuen. Das Thier liegt und wiederkäut. Stand des Gasmessers: 6 Uhr 27 Min. = 366 -O Liter, Baer 222029, 27 Min. = 139-1 Liter, per 1 Min. = 5°152Liter. Redueirt auf 0° und 760 "% Hg: 27 Min.=129-920, per 1 Min.=4-812 Liter. Die Exspirationsgase enthielten: 4.54 Procent CO,, 15-58 Procent O, — 5-57 Procent O-Def. Per 1 Min. also Production von 218.47 °® CO,, Verbrauch von 26804 m O,,. Resp.-Quotient = 0.815. Per 1 Min. und 1°% Thier also: Production von 4.343 m 00,, Verbrauch „ 5-329 „ O,. Versuch Nr.5. Fressen, Das Thier frisst sein Abendfutter. Stand des Gasmessers: 7 Uhr 15 Min. = 644-4 Liter, 6 „89 „ . =422.2 „ 36 Min. = 222-2 Liter, per 1 Min.=6°172 Liter. Redueirt auf 0° und 760 @® Hg: 36 Min. = 207.298, per 1 Min. = 4-758LLiter. Die Exspirationsgase enthielten: 4.74 Procent CO,, 16-86 Procent O, — 3.89 Procent O-Def. Per 1 Min. also Production von 272.93 °m CO,, Verbrauch von 223.98 m O,. Resp.-Quotient = 1-2185. Per 1 Min. und 1®® Thier also: Production von 5.426 ° m CO, Verbrauch „ 4-453 „ O,. Versuch Nr. 6. Fressen. Das Thier frisst weiter, aber weniger energisch und hustet öfters. Stand des Gasmessers: SUhr 3Min. = 943.4Liter, I 21256, 36 Min. = 230-8 Liter, per 1Min.=6-411 Liter. Reducirt auf 0° und 760 "= Hg: 36 Min. = 215.639, per 1 Min. = 5-990 Liter. Die Exspirationsgase enthielten: 4.68 Procent CO,, 16-53 Procent O, — 4-33 Procent O-Def. Per 1 Min. also Production von 280.34” CO,, Verbrauch von 259.37 m O,. Resp.-Quotient = 1:081. Per 1 Min. und 1®® Thier also: Production von 5°5 Verbrauch „ 5-1 73 cm 00,, 57 126 O0. HAGEMAnNN: Versuch Nr. 7. Ruhe. Das Thier liegt und schläft, steht 6 Minuten vor Schluss der Probe auf und hustet einige Male. Stand des Gasmessers: 9 Uhr 11 Min. = 295 4 Liter, Rn ale 28 Ber = 140-6 Liter, per1 Min.=5-021 Liter. Redueirt auf 0° und 760 "m Hg: 28 Min = 131-419, per 1 Min. = 4.693 Liter. Die Exspirationsgase len. 5.54 Procent CO,, 15-34 Procent OÖ, — 5-61 Procent O-Def. Per 1 Min. also Production von 260.00 °® CO,, Verbrauch von 263.27 m O,. Resp.-Quotient = 09875. Per 1 Min. und 1'® Thier also: Production von 5-169 m CO,. Verbrauch „ 5.234 „ ©, Respirationsversuche vom 23. April 1897. "Nr.IX Lebendgewicht = 50.3 ®8, Versuch Nr.1. Ruhe. Das Thier steht ruhig und hustet gelegentlich. Stand des Gasmessers: 11 Uhr 6Min. = 852.1 Liter, 10,7 442, =:114.8 22 Min. = 137.8 ten per 1 Min.=6-263 Liter. Redueirt auf 0° und 760 ®® Hg: 22 Min. = 129.910, per 1 Min. =5-859 Liter. Die Exspirationsgase enthielten: 4.97 Procent CO,, 15-96 Procent O, — 4-97 Procent O-Def. Per 1 Min. also Production von 291.20 ® CO,, Verbrauch von 291. AUS); Resp.-Quotient = 1- 000. Per 1 Min. und 18 Thier also: Production von 5.789 m 0O,. Verbrauch ,„, 75-7090 Versuch Nr. 2. Ruhe. Das Thier liegt ruhig und schläft meist. Stand des Gasmessers: 12 Uhr 2 Min. = 7124-1 Liter, 1, 820006 980,7 30 Min. = 137-4 Liter, per 1 Min. = 4.546 Liter. Reducirt auf 0° und 760 ®® Hg: 30 Min. = 129.709, per 1 Min. = 4472 Liter. Die Exspirationsgase enthielten: 5.02 Procent CO,, 16-11 Procent OÖ, — 4.77 Procent O-Def. Per 1 Min. also Production von 224.49 °® CO,, Verbrauch von 213.32 °mO,. Resp.-Quotient = 1: 052. Per 1 Min. und 1% Thier also: Production von 4.463 m 00,, Verbrauch „ 4-241 „ O,. BEITRAG ZUR LEHRE VOM STOFFWECHSEL DER WIEDERKÄUER 127 Versuch Nr.3. Wiederkäuen. Das Thier liegt und wiederkäut. Stand des Gasmessers: Uhr 4 Mine 591.2 Are 12.1, 28.5 = 254: „ 26 Min. = 137.1 = per 1 Min. =5-273 Liter. Redueirt auf 0° und 760 "" He: 26 Min.=129:141, per 1 m Liter. Die Exspirationsgase enthielten: 5.34 Procent CO,, 16-10 Procent O, — 4.72 Procent Ö-Def. Per 1 Min. also Production von 265 - 24 m co, ‚ Verbrauch von 234.44 m Q,, Resp.-Quotient = 1- 131. Per 1 Min. und 18 Thier also: Production von 5-273 m CO,. Verbrauch „ 4-661 „ O,. Versuch Nr. 4 Ruhe. . Das Thier liegt; grösstentheils wiederkäuend, theils schlafend. Stand des Gasmessers: 5 Uhr AMin. = 971-3 Liter; DDr Splade; 32 Min. = 140-9 Liter ner 1 Min. =4-403 Liter. Redueirt auf 0° und 760 "m Hg: 32 Min. = 132.265, per 1Min. =4-133 Liter. Die Exspirationsgase enthielten: 5.18 Procent CO,, 15-65 Procent O, — 5-31 Procent O-Def. Per 1 Min. also Production von 214.09 = CO,, Verbrauch von 219-46 *@ O,. Resp.-Quotient = 0: 9755. Per 1 Min. und 1®® Thier also: Production von 4.256 m CO,, Verbrauch „ 4-363 „ O,. Versuch Nr.5. Wiederkäuen. Das Thier liegt und wiederkäut. Stand des Gasmessers: 5 Uhr 48 Min. = 194.0 Liter, Ba 29 Min. = 142.6 Liter, per 1 Min.=4.917 Liter. Redueirt auf 0° und 760 w® Hg: 29 Min. = 133.638, per 1 Min. = 4.608 Liter. Die Exspirationsgase enthielten: 5.43 Procent CO,, 15-64 Procent O, — 5-25 Procent O-Def. Per 1 Min. also Production von 250.21 °” CO,, Verbrauch von 241.92” O,. Resp.-Quotient = 1.034. Per 1 Min. und 12 Thier also: Produetion von 4.974 em CO,, Verbrauch „ 4-810 „ O,. . Versuch Nr.6. Fressen, Das Thier frisst sein Abendfutter. Stand des Gasmessers: 6 Uhr 46. Min. = 572-1 67 72.15 Mina 342478 5, 31 Min. = 227.3 Liter, per 1 Min.=7.332 Liter. Redueirt auf 0° und 760 ®® Hg: 31 Min. = 212-763, per 1 Min. = 6.869 Liter. 128 OÖ. HAGEMARNN: Die Exspirationsgase enthielten: 5.04 Procent CO,, 15-53 Procent O, — 5-50 Procent O-Def. Per 1 Min. also Production von 346.20 CO,, Verbrauch von 377.80 ° m Q,. Resp.-Quotient = 0° 916. Per 1 Min. und 1% Thier also: Production von 6.883 m CO,, Verbrauch „7.5112 ,u.0% Respirationsversuche vom 24. April 1897. Nr.X. Lebendgewicht = 50°5 8. Versuch Nr. 1. Ruhe. Das Thier liegt zuerst und wiederkäut, dann schläft es, zum Schluss steht es auf und hustet. Stand des Gasmessers: 7 Uhr 51 Min. = 906 - 2 Liter, 72,223, =169 05, 28 Min. = 137.2 Liter, per 1 Min.=4.-900 Liter. Redueirt auf 0° und 760 ®= Hg: 28 Min. = 129-191, per 1Min. = 4-614Liter. Die Exspirationsgase enthielten: 4.27 Procent CO,, 15.84 Procent O, — 5-31 Procent O-Def. Per 1 Min. also Production von 197.02 °® CO,, Verbrauch von 24500 m O,. Resp.-Quotient = 0: 804. Per 1 Min. und 1° Thier also: Produetion von 3.901 m 0O,, Verbrauch‘ „ 4.8525,0: Versuch Nr. 2. Fressen. Das Thier hat sein Futter erhalten und frisst; theilweise hustet es dabei. Stand des Gasmessers: 8 Uhr 28Min. = 9158-5 Liter, 1,2581, 08944 Au 30 Min. = 214-1Liter, per 1 Min.=7-136Liter. Redueirt auf 0° und 760 ®® Hg: 30 Min. = 201-295, per 1 Min. = 6-710 Liter. Die Exspirationsgase enthielten: 4.56 Procent CO,, 15-26 Procent OÖ, — 5'96 Procent O-Def. Per 1 Min. also Produetion von 305 -97 °® CO,, Verbrauch von 399.92 *“ O,. Resp.-Quotient = 0.765. Per 1 Min. und 1°® Thier also: Production von 6.059 m CO,, Verbrauch +, N2e.3198, 220% Versuch Nr.”3. Ruhe. Das Thier hat sich gelegt und liegt sehr ruhig. Stand des Gasmessers: 8 Uhr 58 Min. = 326-2 Liter, 87 „0 3A, u l9A=207 „, 24 Min = 132-0 Liter, per 1 Min.=5-500 Liter. Redueirt auf 0° und 760 mm Hg: 24 Min. = 124-029, per 1 Min. =5-168 Liter. BEITRAG ZUR LEHRE VOM STOFFWECHSEL DER WIEDERKÄVER. 129 Die Exspirationsgase enthielten: 4-81 Procent CO,, 15-84 Procent O, — 5:16 Procent O-Def. Per 1 Min. also Production von 248.58 «m CO,, Verbrauch von 266.67 m O,, Resp.-Quotient = 0.952 : Per 1 Min. und 1'® Thier also: Production von 4.922 eem E05 Verbrauch”, 5.281, 0,. a Versuch Nr. 4 Ruhe. Das Thier liegt theils, theils steht es. Stand des Gasmessers: 10 Uhr 31 Min. = 766.9 Liter, 10 „ 3 „ =622-.6 ” 28 Min. = 144- . Eitet per 1Min.=5 153 Liter. Redueirt auf 0° und 760 U Hg: 28 Min. = 135-332, per 1 Min. = 4-833 Liter. Die Exspirationsgase enthielten: 526 Procent CO,, 15.02 Procent O, — 6'09 Procent O-Def. Per 1. Min. also Production von 254.22 °® CO,, Verbrauch von 294.33 m O,, Resp.-Quotient = 0.864. Per 1 Min. und 18 Thier also: Production von 5.034 m 00,, Verbrauch „ 5-828 „ O,. Versuch Nr.5. Wiederkäuen. Das Thier liegt und steht abwechselnd, dabei wiederkäut es. Stand des Gasmessers: 11 Uhr 17. Min. = 988.0 Liter, 10 „ 48 „ =848-4 „ 29 Min. = 139-6 Liter, per 1Min.=4-814 Liter. Redueirt auf 0° und 760 W® Hg: 29 Min. = 130.640, per 1 Min. = 4.505 Liter. Die Exspirationsgase enthielten: 5-60 Procent 0O,, 14-79 Procent O, — 6-28 Procent O-Def. Per 1 Min. also Production von 252.28 em Cco,, Verbrauch von 282.91 = O,. Resp.-Quotient = 0: 892. Per 1 Min. und 1®8 Thier also: Production von 4.996 m CO,, Verbrauch „5.602, 0,. Versuch Nr.6. Schlafen. Das Thier schläft beständig. Stand des Gasmessers: 12 Uhr 19 Min. = 238-2 Liter, hre 412% 97,2, 38 Min. = 141-0 Liter, per 1 Min.=3 710 Liter. Reducirt auf 0° und 760 "= Hg: 38 Min. = 131-509, per 1 Min. = 3.461 Liter. Die Exspirationsgase enthielten: 5-60 Procent CO,, 14.91 Procent O, — 6-13 Procent O-Def. Per 1 Min. also Production von 193.82 m CO,, Verbrauch von 212.16 O,. Resp.-Quotient = 0: 9135. Per 1 Min. und 1*® Thier also: Production von 3. Verbrauch „ 4- I ccm 005, 838 2012.08 Archiv £ A, u. Ph. 1899. Physiol. Abthlg. Suppl. g 130 O. HAGEMANKR: Die Versuche sind je nach der Art der Thätigkeit des Thieres bezeichnet mit: Ruhe, Wiederkäuen, Fressen und Schlafen. Dabei ist zu bemerken, dass der Schlafversuch wirklich ein reiner Schlafversuch ist, in dem das Thier nichts that, sondern ruhig schlafend dagelegen hat. Bei den Ruhe- versuchen hat es öfters auch wiedergekäut, öfters auch hat es sich gelegt und theilweise geschlafen; ebenso hat es bei den Fressversuchen stellenweise mit dem Fressen ausgesetzt, ruhig eine Zeit lang dagestanden und dann wieder weiter gefressen. Die mit „Wiederkäuen‘ bezeichneten Versuche sind solche, in denen das Thier fortwährend wiedergekäut hat. Um zunächst die sämmtlichen 31 Ruheversuche zusammen zu stellen, wollen wir dieselben in drei Categorieen bringen, nämlich in „Nüchtern- werthe“, d. h. solche vor der Nahrungsaufnahme, in „Verdauungswerthe“, d. h. solche bis zu 2-5 Stunden nach der Nahrungsaufnahme, und in „Durch- schnittsruhewerthe“. Das Thier erhielt sein Morgenfutter früh um 8 Uhr, sein Abendfutter Abends 7 Uhr; es lassen sich also die Versuche aus der Tageszeit hier sehr leicht tabelliren. Tabelle IV. Nüchternwerthe, berechnet auf 1®® Thier und 1 Minute. Seit Beend. Nummer 5 N = sen N der letzten Ö, CO, Respirat. Mahlzeit | des Aufnahme |Produetion Quotient | sind ver- Bemerkungen Versuches strichen ccm ccm Stunde.) v1. 3. 5.090 4.039 | 0.793 9-0 Thier ist ruhig, schläft theil- | weise. VI: 4-026 3.680 0-914 7.0 Thier ist ruhig, liegt meist. „2. Ass | 24.138 0-971 7-5 |Thier ist ruhig, schläft etwas. y ag: 5-797 4-376 | 0-755 8.0 Thier liegt meist, wieder- käut. IX. 4 4-363 4.256 0975 7-8 | Thier liegt meist, wieder- | ' käut, theils schläft es. X... |0 42852 3.901 0.804 11-5 Thier liegt meist, wieder- | käut, theils schläft es. | | In Pe Mittel (6) 4.131 4064 0869 | 8-5 | BEITRAG ZUR LEHRE VOM STOFFWECHSEL DER WIEDERKÄURR. Tabelle V. Verdauungswerthe, berechnet auf 1'® Thier und 1 Minute. 131 | | Seit Beend.| Nummer | Q,- CO,- | Respirat.- [9ER letzten des Aufnahme |Production | Quotient | sind ver- Bemerkungen Versuches strichen ccm ccm | Stunden 11 5.901 5-097 0.564 2-5 Thier steht ruhig. Val 5.125 4.637 0905 2-5 T'hier schläft od. wiederkäut. Nakaaı 5389 4.400 0.524 2-5 desgl. VII. 5 5.489 4.500 0.820 0-5 Thier ist sehr ruhig. VEIT. 7 5.234 5.169 0.957 1:0 desgl., schläft theilweise. IX. I 5.789 5.789 1-000 2-0 Thier steht ruhig. 2 4-241 4.463 1:052 25 Thier liegt, schläft theilw. x. 3 5.281 4.922 0.932 0-5 Thier liegt ganz ruhig. „4 5.828 5.084 0.864 2-0 Thier liegt theils, theils | steht es. Mittel (9) | 5.3859 | 4.890 0.917 1-8 | Tabelle VI. Durchschnittswerthe, berechnet auf 1®® Thier und 1 Minute. |Seit Beend.| = Se TR Nummer | 0O,- CO,- Respirat.- an des Aufnahme |Production, Quotient | sind ver- Bemerkungen Versuches strichen | ecm ecm | Stunden 1. 4.512 4.899 1:086 3-5 Thier ist im Wesentl. ruhig. BEA 5-217 4-833 0926 4-0 ‚ Thier kaut theilweise wieder. es 4.821 4-304 0-892 5-0 Thier ist etwas unruhig. II. 2. | 6+588 6-667 1-012 4-5 | Thier ist unruhig. HI. 1. 5396 4.977 0-922 3-0 ‚Thier ist meist ruhig. er 5.594 5.249 0938 3.5 desgl. Es: 4-158 3-862 0.929 4*5 Thier liegt u. schläft theilw. EV251: 5.331 4.452 0.835 3-0 Thier ist etwas unruhig. RD. 5-107 3.862 0-756 4-0 Thier liegt u. schläft meist. ss 4.778 4.075 | 0.853 4-5 desgl. 22 4143 4.548 | 1.098 3-0 Thier liegt theils, theils steht es. } 4-922 4-400 0-894 40 desgl. 524795 4-845 1-155 5-0 desgl., theils wiederkäut es. VL: 5099 4367 0-856 4»5 Thier liegt theils, theils | steht es. VI. 1. 4.879 4.340 0.889 40 Thier schläft meist. Hr 5.344 4274 0800 5-0 |Thier ist etwas unruhig. Mittel (16) 5005 4:622 0-928 4.1... 9* 132 O. HAGEMANN: Legen wir den Sauerstoffverbrauch als Maassstab für den erfolgten Energieumsatz an, dann sehen wir, dass derselbe bei den Nüchternwerthen erheblich unter dem der Durchschnittsruhewerthe und dieser wieder erheb- lich unter dem der Verdauungswerthe liegt; dabei findet sichin den Nüchtern- werthen ausserdem noch ein beträchtlich niedrigerer respiratorischer Quotient, so dass der Sauerstoff auch einen niedrigeren calorischen Werth hat wie in den Durchschnitts- und Verdauungsversuchen. Die Gegenüberstellung des Zeitverlaufes und des Sauerstoffverbrauches giebt folgende Daten: ; : Differenzen Seit der Mahlzeit O,-Aufnahme Zeit 0 Au Nüchtern 2 02 227 7258°3 td. 4.731] em ’ 4.4 Std. 0.274 cm Durchschnittsruhe . 4-1 „ 5.005 „ 5 a Verdauunsmnr =.,2.2 71288); 5.359 „ ” D) Gegenüber dem (als Vergleichsgrösse zu kleinen) Sauerstoffverbrauch im Nüchternzustande ist der Sauerstoffverbrauch während der ersten zwei Stunden nach der Nahrungsaufnahme um 13°3 Procent erhöht, der im Durchschnittsruhezustande, 4-4 Stunden nach Schluss der Mahlzeit, noch um 5-8 Procent. Die Durchschnittsruhe und die Zeit gleich nach der Mahlzeit, wo es sich also nur um eine Zeitdifferenz von 2-3 Stunden handelt, zeigen im Sauerstoffverbrauch doch eine Differenz von 7-1 Procent. Ein Beweis dafür, ein wie energischer Stoffumsatz für die Verdauungs- arbeit bei den Hammeln statt hat. Fünf Versuche wurden angestellt, in denen das Thier fortwährend wiederkäute; dieselben folgen hier in derselben Weise wie die früheren tabellirt. Tabelle VII. Wiederkäuwerthe, berechnet auf 1%® Thier und 1 Minute. Seit Beend. Nummer 3 E «+ | der letzten 0% CO, Respirat. Mahlzeit des Aufnahme |Produetion | Quotient | sind ver- Bemerkungen Versuches strichen cem cem Stunden v4 4+843 4777 0.9866 | 5-0 | Thier liegt. VIII 4 5-329 4343 0-815 9-0 Thier liegt (nüchtern). 1953 4-661 5.237 ITS 3-5 Thier liegt. 6 4.810 4-974 1.034 8-5 Thier liegt (nüchtern). XE5 5-602 4996 0-892 2-0 Thier liegt theils, theils steht es. Mittel (5) | 5.049 | 4.865 0-972 56 | BEITRAG ZUR LEHRE VOM STOFFWECHSEL DER WIEDERKÄUER. 133 Bei diesen Versuchen ist der Sauerstoffverbrauch ungefähr gleich dem in den Durchschnittsruheversuchen; eigentlich hätte er beträchtlich höher sein müssen. Es ist unschwer, die Momente zu erkennen, welche ihn hier etwas heruntergedrückt haben. Zunächst liegt das Thier hier, mit Ausnahme des einen Versuches X. 5, stets und dann sind zwei Versuche dabei, welche als veritable Nüchternversuche zu gelten haben. Würde das Thier theils gelegen und theils gestanden haben, dann hätte man sicher einen höheren Werth gefunden. Der eine Versuch X. 6 zeichnet sich dadurch aus, dass das Thier wäh- rend des ganzen Versuches ruhig liegt und beständig schläft. Der Umsatz von 4201 = O0, und 3:838 “m CO, per 1*® und Min. ist nicht der aller- niedrigste beobachtete, aber doch fast der niedrigste. Die 6 Versuche, welche einen niedrigeren oder annähernd nur ebenso hohen Verbrauch zeigen, sind theils Nüchternwerthe, theils lag und schlief das Thier in ihnen auch. Die letzten Categorieen von Versuchen sind die Fressversuche; bei ihnen nahm das Thier wechselnde Mengen seines Futters auf. Die Einzelversuche folgen hier tabellirt: Tabelle VII. Fressversuche, berechnet auf 1®® Thier und 1 Minute. Nummer O0,» | CO,- | Respirat.- |Dauer des des Aufnahme Production, Quotient | Versuches: Bemerkungen Versuches | : cem | ccm | Minuten VIIF42 7.382 6.060 0-821 36 Thier frisst 100 == Mais- schrotu.180°'” Luzerneheu. VEIT 55° = >4°463 5-496 1218 96 Thier frisst 170 == Mais- | | \ schrot und 250 em Lu- ENG: | 5-157 | 5.578 1-081 36 Ver nrehen: IX. 6. | 7.511 | .6-888 | 0-916 31 Thier frisst 120 "m Mais- | schrotu.1608””® Luzerneheu. X. 2 7-919 | 6-059 | 0-765 30 'Thier frisst 120% Mais- | schrotu.160®® Luzerneheu. Mittel (3) 7.604 | 6334 | 0.834 Der Versuch Nr. VIII 5 hat einen so niedrigen Sauerstoffverbrauch und einen so abnormen respiratorischen Quotienten, dass der Gedanke an einen Analysenfehler nicht von der Hand zu weisen und dieser Versuch aus- zuschliessen ist; leider fällt damit aber auch der Versuch Nr. VIII. 6 fort, weil das verzehrte Futter nicht für jeden Versuch bestimmt wurde, sondern nur für beide zusammen und weil das Thier im Versuch Nr. VIII. 6 sehr 134 O. HAGEMANN: viel weniger energischer frass wie vorher, so dass man auch nicht aus dem Zeitablauf auf die genommene Futtermenge schliessen darf. Diese beiden Versuche sind daher nicht zur Mitteibildung verwandt worden. Subtrahirt man von dem Sauerstoffverbrauche hier jedesmal den mitt- leren Sauerstoffverbrauch der Durchschnittsruhewerthe mit 5.005 °“, dann erhält man per 1®® Thier und 1 Minute den Sauerstoffverbrauch, welcher auf die Fressarbeit u. s. w. zu rechnen ist; dieser Sauerstoffverbrauch ist leicht auf das ganze Thier und die ganze zum Fressen verwandte Zeit zu redu- ciren, so dass man mithin den Verbrauch für ein bestimmtes Quantum der Futtermischung erhält. Leider sind keine getrennten Versuche gemacht, so dass entweder nur Heu oder nur Maisschrot verfüttert wurde, jedoch sollen diese noch nachgeholt werden. Damals konnte mit dem betr. Ver- suchshammel nicht weiter gearbeitet werden, weil derselbe in Folge Heraus- gleitens der Canüle und spontaner Zusammenschnürung der Trachea erstickte. Die auf die vorstehend beschriebene Weise berechneten Daten folgen hier. Tabelle IX. Resultate der Fressversuche auf Fressarbeit berechnet. ÖO,-Verbrauch nach Abzug | Aufgenommenes Nummer | Dauer des Lebend- des Ruhewerthes Futter ewicht des Versuches B Thieres|| per 1 ss [hier für das ganze Maisfutter-, Luzerne- Versuches und 1 Min. |Futterguantum| mehl heu Minuten kg cem Liter grm grm VII. 4. 36 49-8 2.377 4-26 100 180 IX. 6. 31 50-3 2-506 3-91 120 160 Re2} 30 50-5 2914 4-4] 120 160 Mittel (3) 32 50-2 2.599 4.20 113 167 Unter der allerdings willkürlichen Annahme, dass die Kauarbeit bei der Aufnahme des Luzerneheus etwa dreimal so gross ist, wie bei der des Maisschrotes, kann man den Sauerstoffverbrauch für das ganze tägliche Futterguantum aus diesen Daten berechnen; der Hammel nahm das 3. 1fache an Maisfuttermehl und das 3’6fache an Luzerneheu auf, wir haben demgemäss den Sauerstoffverbrauch von 420 Liter mit dem Factor 3-1+3.3-6 ERSSEEh, a = 3-5 zu multiplieiren; wir erhalten dann 14-7 Liter Sauer- stoff für das Fressen der Tagesration. Um nun den Sauerstoffverbrauch für das Thier und den Tag zu be- rechnen, müssen wir den Tag in die verschiedenen Perioden, deren Sauer- stoffverbrauch bestimmt worden ist, eintheilen. En} BEITRAG ZUR LEHRE VOM STOFFWECHSEL DER WIEDERKÄUER. 155 Zunächst ist für das Fressen des Futters nicht nur die 3-5 fache Sauerstoffmenge, sondern auch die 3-5fache Zeit in Anrechnung zu bringen, während welcher der mittlere Ruheumsatz statt hat; das sind 32.3-5= 111 Minuten. Ferner haben wir 2 Mal 2 Stunden täglich mit dem als „Ver- dauungswerth“ berechneten Ruhewerthe zu rechnen, also 240 Minuten mit 5.359 m O, per kg Thier; dann haben wir 2 Mal 3 Stunden täglich mit den „Nüchternwerthen“ von 4.731 per kg 'Thier zu rechnen und den Rest des Tages als theilweise dem Durchschnittswerthe, theilweise dem Wiederkäuwerthe und theilweise dem Schlafwerthe entsprechend zu vertheilen. Für das Wiederkäuen sind nach den von mir gemachten Beobach- tungen an diesem Hammel etwa 6 Stunden täglich anzusetzen, von denen aber sicher 4 in die Durchschnittsruhewerthzeit entfallen, so dass nur 2 extra zu berechnen sind; auf die Schlafenszeit werden etwa 7 Stunden zu rechnen sein; so dass der ganze Tag sich in folgender Weise vertheilt dar- stellen würde. 111 Minuten Fresszeit a 5.005 m 0, = 0.5556 Liter O, 240 5 intensive Verdauungszeit , 5-359 „ „ =1:2862 „ , 360 ss Nüchternwerthszeit N a 2 EN Hy 120 ” Wiederkäuzeit 90495, 3. =:0.6059 7 2, 420 e Schlafenszeit 52201, ee TE 5 189 > Durchschnittsruhezeit „5'005 „ „ =0-.9459 „ , 1440 Minuten 6.8612 Liter O, Da das mittlere Lebendgewicht des Thieres 50:33 = betrug, so finden wir als Tagessauerstoffverbrauch 345.3 Liter; hierzu die vorher berechneten 14-7 Liter O, für die Futteraufnahme, ergeben sich im Ganzen 360 Liter Sauerstoffaufnahme. Wie verhält sich nun die Kohlensäure- und somit die Kohlenstoffaus- scheidung dieses Hammels? Wenn man die respiratorischen Quotienten der Einzelversuche ansieht, dann findet man mitunter heftige Schwankungen bei zeitlich dicht hinter einander liegenden Versuchen; man kann sich nicht der Ansicht verschliessen, dass beim Wiederkäuer Unregelmässigkeiten in der Kohlensäurebildung und -Ausscheidung vorliegen, welche bei den anderen Säugethieren (Mensch, Pferd, Hund) bei weitem nicht in dem Maasse wie hier statt haben. Diese Unregelmässigkeiten müssen auf die Gährungsprocesse zurückgeführt werden, welche ja nach den Untersuchungen des Henneberg’schen Instituts in Göttingen! bei den Hammeln einen sehr grossen Umfang erreichen. ! Henneberg und Pfeiffer, Ueber den Einfluss eines einseitig gesteigerten Zusatzes von Eiweissstoffen zum Beharrungsfutter auf den Gesammtstoffwechsel des ausgewachsenen Thieres. Journal für Landwirthschaft. Bd. XXXVI. 136 0. HAGEMANN: Ich entnehme dem eitirten Werke (S. 257 u. 263) folgende Daten, welche zeigen, eine wie grosse Menge Sumpfgas von den Hammeln gebildet und ausgeschieden wurde. Tabelle X. Kohlensäureausscheidung in Beziehung zur Sumpfgasausscheidung. oO oO j he) = ESTER | Kohlenstoff- Gewicht | Verdaute Fütterung. Kohlensäureausscheidung ı ausscheidung beider : Neben 400 gm Ger- ‚AusRespi-und| Aus ver- | organische) Neben Erz) Eee | Als Versuchs- | ° stenschrotu.1600:m| Perspiration, | branntem | Total | Sumpf- hama ‚Substanz |Wiesenheu erhielten Rülpsen und | Sumpfgas | 2 gas | beide Hammel: Darmgasen |herrührend | kg | grm grm grm | gım grm 90-1 1258 280 e® Conglutin | 1541-6 114-41 451-6 31-2 93-5 1365 420 „ desgl. 1651-4 56-98 468-6 23-7 95-8 1260 304 „ entfettetes | 1550-4 112-14 461-6 30-6 Fleischmehl 97-0 1119 | 152 „ desgl. 1462-8 118-21 || 431-2 | 32»2 97-3 1006 | Ar 1352-0 144-61 || 408-1 39-4 | Mittel || 444-2 | 31-4 Es sind also 7-3 Procent des gesammten ausgeschiedenen Kohlenstoffs in Form von Sumpfgas ausgeschieden worden. Die Sumpfgasbildung ist aber auf die Vergährung von Kohlehydraten zu beziehen und diese dürfte nicht gleichmässig intensiv verlaufen. Die Rohfaservergährung geht vielleicht annähernd gleichmässig vor sich, die Stärkevergährung dürfte aber mit der Nahrungsaufnahme schwanken. Es entstehen nun aber nach Tappeiner’s Untersuchungen bei der Kohlehydratvergährung auf 3-525 == Sumpfgas- kohlenstoff noch 9.136 =” Kohlensäurekohlenstoff, so dass also in der Totalkohlenstoffausscheidung jener Hammel von 444.2 sm enthalten sind: 31.4 ©m Sumpfgaskohlenstoff, 97.5 2” Gährungskohlensäurekohlenstoff und 315.3 sm Stoffwechselkohlensäurekohlenstoff; die durch Gährung ge- bildete Kohlensäure steht also zu der übrigen Kohlensäure im Verhältniss von 97.5:315-3; sie macht demnach 30-9 Procent derselben aus. Wegen ihrer Versuchsanordnung geben Henneberg und Pfeiffer selber an, dass ihre Zahlen für Sumpfgas wahrscheinlich zu klein sind; ferner ist der Fütterung meines Hammels etwa die der letzten Periode am nächsten liegende, so dass der hier zur Berechnung herangezogene Mittelwerth aller Perioden wahrscheinlich eine zu kleine Sumpfgasmenge gegenüber der meines Ham- mels angiebt. Es ist also das Resultat, dass 31 Procent der Kohlensäureausscheidung auf Gährungskohlensäure entfallen, eher zu klein als zu gross. BEITRAG ZUR LEHRE VOM STOFFWECHSEL DER WIEDERKÄUER. 137 Während nun schon die Bildung dieser Kohlensäure nicht ganz regel- mässig vor sich geht, thut es die Ausscheidung erst recht nicht. Der Hammel rülpst vielfach, wobei beträchtliche Mengen Gas entleert werden, wie der Geruch beweist; dann wird bei jeder Rejection eines Bissens zwecks Wiederkäuens eine gewisse Menge Gas entleert. Für. die Gährungs- kohlensäureausscheidung haben wir also den regelmässig functionirenden Weg durch das Blut und den wechselnden des directen Ausstossens aus dem Magen. Es lässt sich also nichts Sicheres über die Kohlenstoff- bilanz aus meinen Versuchen herleiten; es ist nothwendig, dass dieselben mit dem Pettenkofer’schen Apparate combinirt werden, um die Haut- und Darmausscheidung einerseits für sich und die Gesammtkohlenstoffausscheidung andererseits auch für sich zu erhalten. Wenn ich mit der experimentell gefundenen Kohlensäuremenge rechne, dann erhalte ich die folgenden Daten für den Tagesumsatz per 1 Y® Thier: 300 Minuten a 4.622 m CO, = 1-3866 Liter CO, 240 ” „4.890 „ „ = 117%6 „ ” 360 ” nn EVOden a 2a A6580 7, 120 » „4.865 „ „ = 0.5838 „ ” En ae a 1440 Minuten 6-2190 Liter 00,. Das sind bei 50-33 5® Lebendgewicht 313-0 Liter CO,; hierzu kommen noch für die Futteraufnahme etwa 13-6 Liter, so dass wir im Ganzen haben 326.6 Liter CO, mit 175.2 =» Kohlenstoff. Rechne ich für Sumpf- gaskohlenstoff 7.3 Procent mit 12-8 =” hinzu, so resultiren als durch die Respiration (wahrscheinlich) nachgewiesen 188 =’ Kohlenstoff. Aus der Kohlenstoffbilanz S. 115 war als für Fettansatz bezw. Respi- rationszwecke disponibel eine Kohlenstoffmenge von 225.43 sm täglich be- rechnet worden. Die fehlenden 225.43 — 188 = 37.43 ®"m Kohlenstoff sind aber wohl nicht vollständig als Fettkohlenstoff zu bezeichnen, sondern zum Theil durch „Rülpsen“ u. s. w. verloren worden. Möglicher Weise könnte der ganze fehlende Kohlenstoff auf diese Weise verloren gegangen sein, denn da, wie vorher berechnet, 31 Procent der ganzen gebildeten Kohlensäure Gährungskohlensäure sind, so ent- fallen auf 188 == Kohlenstoffausscheidung 58-3 #m Gährungskohlensäure- kohlenstofl. Ferner scheiden reichlich ernährte Hammel wirklich so viel Kohlenstoff im Respirationsapparate aus, wie hier die chemisch-analytische Stoffwechsel- 138 O0. HAGEMANN: bilanz als für Respirationszwecke disponibel nachweist. Dafür sprechen die eitirten Untersuchungen von Henneberg und Pfeiffer (Kern und Wattenberg), wo einer der beiden Versuchshammel im Gewicht von etwa 47.548 222m Kohlenstoff ausschied, und die Untersuchungen von Moritz Fleischer,! in denen ein 34-2 *® schwerer Hammel bei einer Fütterung mit 200 8% Gerstenschrot und 7008" Heu im Pettenkofer’- schen Respirationsapparate täglich 185.05 ®”” Kohlenstoff abgab. Redueire ich diese Kohlenstoffausscheidungen auf das Gewicht meines Hammels,? dann erhalte ich 231 bezw. 222 =", also ebenso viel wie die chemische Analyse als zu Respirationszwecken disponiblen Kohlenstoff ergeben hat. Es ist nun zu erwägen, ob der fehlende Kohlenstoff als Fett angesetzt oder ob er auf dem geschilderten Wege durch Rülpsen u. s. w. entfernt wurde Darüber giebt die Sauerstoffbestimmung im Verein mit der calorimetrischen Energiebestimmung im Futter, Harn und Koth den nöthigen Aufschluss. Die Energiebilanz stellt sich wie folgt: Aufgenommen: 8350 =» Meisschrot a 4-354 Cal. = 1524 Cal. 600 ,„ Luzerneheua 3-6985 „ =2181 „ Sa: = 34090@al: Ab Futterreste: 2.85 2m a 3.240 Cal. = I Sind aufgenommen: 3696 Cal. Davon ab: In 308.3 sem Jufttr. Koth & 4-320 Cal. = 1332 „ Sind verdaut: 2364 Cal. Der Energiewerth von 2087 =” Harn & 0-06995 Cal. = 146 „ Bleiben im Körper: 2218 Cal. Angesetzt waren 1.44 sm Eiweiss mit einem Energieinhalt von 1-44.5-711 Cal. = I) So dass für Fettansatz und Respirationsbedürf- nisse zur Verfügung standen: 2210 Cal. Bei dem Hammel kommen wesentlich als verbrennende Nährstoffe in Betracht: Eiweiss, Fett, Kohlehydrate und Rohfaser bezw. deren Gährungs- producte. ! Journal für Landwirthschaft. 1874. 8. 276. 3 San ? Nach der Formel YG@?: Yg?= C:e; d.h. die Kohlenstoffausscheidung geht der dritten Wurzel aus dem Quadrate des Körpergewichtes, nieht dem Körpergewichte parallel. BEITRAG ZUR LEHRE VOM STOFFWECHSEL DER WIEDERKÄUER. 139 Es lässt sich berechnen, wie viel Energie bei der Oxydation dieser verschiedenen Materialien auf ein Liter verbrauchten Sauerstoffes kommt. ! Es entstehen per 1 Liter O, bei Oxydation von Eiweiss 4-691 Cal. Il, son iD) „ Fett 4.686 „ Tl er R „ Stärke 5046 „, Ba 3 „ Rohfaser 5.085 ,, Der Versuchshammel verbrauchte, wie oben berechnet ist, 360 Liter Sauerstoff und setzte dadurch 2210 Cal. Energie in Wärme um; per 1 Liter Sauerstoff ergäbe sich also eine Energieentwickelung von 6-139 Cal., was eine baare Unmöglichkeit ist. Laut Verdauungsbilanz verdaute das Thier: 17.31 m Reinprotein (1.44 Sm angesetztes Eiweiss sind abgezogen), 40.56 „ Fett, 291-953 „ N-freien Extractivstoff, 76.04 ,„ Rohfaser. Angenommen, dies sei Alles oxydirt worden. Es brauchen daun 77.31 = Reinprotein 80-16 Liter O, entspr. 376-1 Cal. 40-56 „ Fett Bl. 30. m 383.8 „ 291-933 „ Stärke 241.94 „ „ „1221-0 „ 16-04 „= Rohlaser-52:16° „, ..-, 269.2 3 Summa: 456.16 Liter O, entspr. 2246-1 Cal. Es entspricht also je 1 Liter verbrauchten Sauerstoffs 4.924 Cal. Die berechneten 360 Liter Sauerstoff also 1773 Cal., so dass für 2210 — 1775 = 437 Cal. entsprechenden Nährstoff keine Sauerstoffaufnahme stattgefunden hat; dieser Nährstoff beträgt als Fett berechnet 46.2 s’” Fett und enthält 35.4 em Kohlenstoff, das heisst fast genau die durch die Respiration nicht nachgewiesenen 374 m, Das Thier hat also aus seiner Ration täglich 1'44 s’" Biweiss und 46.2 sm Fett angesetzt.’ ! Die einschlägigen Berechnungen vl. bei Zuntz u. Hagemann, ZLandwirthsch. Jahrbücher. Bd. XXVII. Ergänzungsband III. Cap. IV. B. ® Eine mögliche Erklärung für das Kohlenstoffdefieit ist auch darin gegeben, dass die Respirationscanüle nicht immer geschlossen hat, so dass die Athemgrösse öfters zu klein bestimmt wurde. Dann hat das Thier kein Fett angesetzt; die übrigen Schlussfulgerungen würden aber hierdurcli nur unwesentlich tangirt. Weitere Unter- suchungen werden hierüber Klarheit schaffen. 140 0. HAGEMANnN: BEITRAG ZUR LEHRE VOM STOFFWECHSEL UT. S. W. Die Resultate dieser Untersuchung sind also die folgenden: 1. Es lässt sich der Stoffwechsel des Hammels unter Zu- hülfenahme der calorimetrischen Untersuchung sowie der Kohlenstoffbestimmung in Futter, Koth und Harn durch die Bestimmung des Sauerstoffverbrauches und der Kohlensäure- ausscheidung sehr genau studiren. 2. Durch die Verdauungsarbeit in Folge der Verfütterung von 350 sm Maisfuttermehl und 600 =" Luzerneheu wird der Energieumsatz um rund 5-5 Procent gegenüber dem Nüchtern- werthe gesteigert. 3. Um die Gährungsprocesse qualitativ und quantitativ beim Hammel zu studiren, ist die Verwendung eines Respi- rationsapparates, welcher die gesammte Kohlensäure und anderen Gase zu messen bezw. zu analysiren gestattet, nothwendig. Ergographische Versuche über die Nährstoffe als Kraftspender für ermüdete Muskeln. Von Prof. Dr. Johannes Frentzel in Berlin. Der grössere Theil der nachfolgenden Arbeit wurde im thierphysiolo- gischen Institut der Königlichen landwirthschaftlichen Hochschule, ein kleinerer im Laboratorium der Kaiser-Wilhelm-Akademie ausgeführt. Herr Generalarzt Dr. Grasnick hatte die grosse Liebenswürdigkeit, mir die Be- nutzung des in der Kaiser-Wilhelm-Akademie vorhandenen Mosso’schen Ergographen zu gestatten, bis der für mich bestimmte Apparat aus Turin eintraf. Die Einrichtung des Ergographen, welcher im Jahre 1890 von A. Mosso-Turin eonstruirt wurde, um „beim Menschen die Ermüdung der Muskeln und Nervencentren zu studiren“, ist kurz die folgende. ! Der rechte oder linke Unterarm wird in einem eisernen Halter durch verstellbare kräftige Schienen zweimal, am distalen und proximalen Ende fixirt, so dass jede Bewegung ausgeschlossen ist, ohne dass die normale Bluteireulation gehindert wird; der zweite und vierte Finger stecken vollständig in gleichfalls verstellbaren Metallhülsen, so dass nur eine Beugung des Mittel- fingers möglich ist. Ueber das mittlere Glied dieses Fingers wird eine Lederschleife gezogen, die am Ende einer Darmsaite befestigt ist, deren anderes Ende, über eine Rolle laufend, ein Gewicht trägt. In gleichen Inter- vallen wird nun der Mittelfinger gebeugt und gleich wieder gestreckt. Die auf diese Weise sich ergebenden Hubhöhen werden nach Mosso’s Anordnung durch einen Schreibapparat, der mittels eines in die Darmsaite eingeschal- ! Ausführliche Beschreibungen des Ergographen finden sich u. A. in der Litteratur: A.Mosso, Ueber die Gesetze der Ermüdung; Untersuchungen an Muskeln des Men- schen. Dies Archiv. 1890. Physiol. Abthlg. S.89. — Schumburg, Deutsche militür- ärztliche Zeitschrift. 1896. 142 JOHANNES FRENTZEL: teten Schlittens bewegt wird, auf ein berusstes Papier aufgezeichnet und unter Zuhülfenahme von Zirkel und Metermaass ausgemessen und dann addirt. Die Gesammtarbeitsleistung ist dann das Product aus der Summe der Hubhöhen und dem gehobenen Gewicht; bei unverändertem Gewicht genügt zum Vergleich die Angabe der Hubhöhen. Mit dem Ergographen sind von Mosso selbst,! seinen Schülern (A. Maggiora)? und von einer Reihe anderer Forscher ausführliche Unter- suchungen über die Ermüdung und Wiederbelebung der Muskeln unter ge- wissen Einflüssen angestellt worden. Ich will hier nur an die Versuche von Zoth? über die Wirkung des orchitischen Extraktes, von Frey* über die Wirkung des Alkohols, von Benedicenti?® über die Wirkung von Kaffee, Thee, Mate, Quarana und Coca erinnern. Von den Nährstoffgruppen sind bisher nur die Kohlehydrate, und von diesen speciell der Zucker nach dieser Richtung untersucht worden. Mit der Einwirkung des Zuckers auf die Muskelermüdung bezw. Belebung haben sich u. A. Ugolino Mosso,® Vaughan Harley,” Lange- meijer,° Schumburg,” Prantner und Stowasser!? eingehend beschäf- tigt. Während die zuerst genannten Forscher sich im Wesentlichen des Ergographen hei ihren Versuchen bedienten, haben Prantner und Sto- wasser es für angezeigt gehalten, die Muskelarbeit durch Stemmübungen mit schweren Hanteln auszuführen, eine Methodik, welche schon Zoth? bei der Prüfung der Wirkung des orchitischen Extractes angewandt hatte. U. Mosso stellte die Versuche an sich selbst an, indem er mit gleich- mässigen Pausen am Ergographen bis zur Erschlaffung Contractionen in regelmässigen Zwischenräumen ausführte; er fand, dass die Arbeitsleistung 1 A. a0. ® Maggiora, Ueber die Gesetze der Ermüdung. Dies Archiv. 1890. Pbysiol. Abthle. 8.191. ® Zoth, Zwei ergographische Versuchsreihen über die Wirkung orchitischen Extractes. Pflüger’s Archiv. 1896. S. 335. * Frey, Ueber den Einfluss des Alkohols auf die Muskelermüdung. Mittheilungen aus den klin. u. med. Instituten der Schweiz. 4. Reihe. Heft 7. ° Benedicenti, Archives italiennes de Biologie. Vol. XXV. p. 385. 6 U. Mosso e W.Paoletti, Sur P’infuence du sucere sur le travail des muscles. Ebenda. Vol. XXI. p. 293. ” Harley, The value of sugar and the effect of smoking on muscular work. Journal of Physiology. 1894. Vol. XV. p. 97. ® Langemeijer, Over den Invloed van Suikergebruik op den Spierarbeid. Aca- demisch Proefschrift. Amsterdam 1895. ®» A.a.0. und Zeitschrift für diätetische und physikalische T'herapie. 1899. Bd. II. Heft 3. 10 Prantner und Stowasser, Ueber den Einfluss des Zuckers auf die Muskel- ermüdung. Centralblatt für innere Medicin. 1899. Nr. T. ERGOGRAPHISCHE VERSUCHE U. S. W. 143 in geringerem Maasse abnahm in den Versuchen, bei denen er seinem Körper Zucker zuführte und vindieirt, hierauf fussend, dem Zucker eine belebende Wirkung. Langemeijer und Schumburg machen wohl mit Recht da- rauf aufmerksam, dass Mosso als Versuchsansteller und Versuchsperson gleichzeitig doch wohl zu leicht Autosuggestionen ausgesetzt war. Beide Forscher bemühten sich daher bei der Nachprüfung der Mosso’schen Ver- suche durch ihre Methodik dem Einwand des Einflusses der Suggestion möglichst zu begegnen. Langemeijer suchte dies dadurch zu erreichen, dass er an einer anderen Person experimentirte, ein Brett zwischen Apparat und Versuchsperson aufstellte, mit grosser Peinlichkeit dafür Sorge trug, dass die Contractionen gleichmässig ausgeführt wurden u. A. m., und ge- langte auf Grund seiner Befunde zu dem Schluss, dass ein Einfluss des Zuckers, wie ihn Mosso behauptet, auf die Ernüdung der Muskeln nicht stattfindet. Auch Schumburg, der unter ähnlichen Cautelen arbeitete, konnte zunächst nicht die Mosso’schen Resultate bestätigen. Es liess sich nun, wie Schumburg fortfährt, denken, dass die an sich unbedeutende Leistung des Musculus flexor dieiti tertii (6'®) bei einer Arbeitsperiode so wenig von dem im Blut kreisenden Traubenzuckervorrath verbraucht, dass es ganz ohne Belang ist, ob vom Darmcanal noch mehr Zucker eingeführt wird. Damit dieser zugeführte Zucker zur Verwendung als Muskelnahrungs- mittel gelangen könne, will Schumburg den im Blutkreislauf befindlichen Traubenzucker und das im Muskel aufgespeicherte Glycogen vorher durch foreirte Leistungen aufbrauchen. Als zu dem Ende die Versuchsperson am Gärtner’schen Ergostaten und bei späteren Versuchen am Zuntz’schen Brems-Ergometer! eine recht erhebliche Arbeit ausgeführt hatte, gelang es Schumburg, auch seinerseits die Wirkung des Zuckers im Sinne Mosso’s nachzuweisen, und er kommt zu dem. Schluss, dass 308% Zucker nach Verlauf von !/, bis ®/, Stunden den Körper wieder zu neuen Kraftleistungen befähigen. Prantner und Stowasser konnten diese Ergebnisse durch ihre Hantel- versuche, welche Ergograph- und Ergometer-Arbeit gewissermaassen vereinigen, durchaus bestätigen. Mit Eiweiss und Fett, den beiden anderen Nährstoffgruppen, sind bisher derartige Versuche nicht angestellt worden; ich will im Folgenden meine diesbezüglichen Untersuchungen besprechen. In der Methodik befolgte ich das von Schumburg im Laboratorium des Hrn. Prof. Zuntz seinerzeit ausgebildete und als zweckmässig erkannte Ver- fahren. Ich stellte die Versuche an Personen an, die von dem Versuchsplane nichts wussten, unter möglichster Ausschliessung aller psychischen Momente. ! Beschreibung dieses Apparates: Dies Archiv. 1899. Physiol. Abthlg. S. 372. 144 JOHANNES FRENTZEL: Da das Ausmessen, Addiren u. s. w. der auf dem berussten Papier verzeichneten Hubhöhen sehr umständlich und zeitraubend ist, bediente ich mich, nach Schumburg’s Vorgang, eines Lombard’schen Hubmessers; über drei im Dreieck angeordnete Rollen läuft ein Bandmaass ohne Ende; dieses wird von dem Schlitten des Ergographen, welcher in die das Gewicht tragende Darmsaite des Mittelfingers eingeschaltet ist, in Folge einer sinn- reichen Construction mitgenommen und verharıt beim Strecken des Fingers und Zurückgehen des Schlittens in der neuen Stellung; auf diese Weise kann man direct am Bandmaasse die Summe der geleisteten Hubhöhen ablesen. Bei den ersten Versuchen mit dem Ergographen fand ich eine Schwierig- keit darin, dass die dem Apparat mitgegebene Lederschleife für den Mittel- finger, besonders wenn derselbe warm wird, hin und herrutscht, und die Versuchsperson den Zug mit den verschiedensten Stellen des Fingers aus- führt, was natürlich die Genauigkeit der Resultate beeinflusst. Ich bin diesem Uebelstande dadurch begegnet, dass ich für jede neue in den Ver- such kommende Person vom Schlosser einen dem obersten Theile des Mittelgliedes ihres Fingers genau angepassten Metallring anfertigen liess, der mit einer Oese an der Darmsaite befestigt wurde; dieser Ring schloss gut, ohne zu drücken, und die Zuckungen wurden nun stets mit derselben Stelle des Fingers geleistet. Meine Versuchspersonen genossen 3 bis 4 Stunden vor Beginn des Versuches ein nicht zu reichliches Frühstück, so dass man an- nehmen konnte, dass der Magen am Beginn des eigentlichen Versuches entleert war. Der eigentliche Versuch war dann in der Weise angeordnet, dass der Mann zunächst in den Ergographen ordnungsgemäss eingespannt wurde und in regelmässigen Intervallen (30 Mal in der Minute synchron mit den Schiägen des Metronoms) Beugungen des mit 2 bis 4 Kilo — je nach der Leistungsfähigkeit der Versuchspersonen — beschwerten Mittelgliedes des dritten Fingers bis zur vollständigen Unfähigkeit zu einer weiteren Con- traction ausführte. In der Zeit zwischen den einzelnen Contractionen, in welcher der Finger wieder gestreckt wurde, war die Darmsaite schlaff, das Gewicht ruhte dann auf dem Schlitten des Ergographen und der Finger waren vorübergehend entlastet. Die Summe der Hubhöhen in Centimetern wurde notirt und genau 3 Minuten, während welcher Zeit der Arm aus dem Ergographen entfernt wurde, bis zum Beginn der nächsten Reihe ge- wartet. Die Anzahl solcher Perioden vor der Arbeit richtete sich danach, ob die einzelnen Summen der Hubhöhen im Wesentlichen mit einander übereinstimmten oder mehr oder weniger erhebliche Schwankungen zeigten. Dann folgte die Arbeit an dem Zuntz’schen Brems-Ergometer;! dieselbe 2 Ar2.0. ERGOGRAPHISCHE VERSUCHE UT. S. W. 145 wurde mit zwei gleichmässigen Pausen von je 5 Minuten hinter einander durchgeführt; wie aus den anliegenden Tabellen ersichtlich, betrug dieselbe 21600?! oder 31200 Kilogrammmeter. Entweder vor Beginn der Arbeit, in einer der Pausen oder nach Schluss der Arbeit erhielt der Mann 200 m Wasser allein oder mit dem auf seine Wirksamkeit zu untersuchenden Mittel (Eiweisspräparat, Zucker u. s. w.). Da Schumburg 30: Zucker als eine zur Erzielung einer erheblichen Wirkung geeignete Dosis erkannt hat, habe ich unter Berücksichtigung der chemischen Analyse von den Eiweisspräparaten u. s. w. die 302% Zucker calorisch äquivalenten Mengen verabreicht, mit Ausnahme von Dulein, Natrium bicarbonicum und in einigen anderen Fällen, bei welchen die Gabe in den Tabellen ausdrücklich notirt ist. Gleich nach Schluss der Arbeit wurde wieder am Ergographen die Leistung des Beugemuskels des Mittelfingers festgestellt und, mit Pausen zwischen den einzelnen Leistungen von genau 3 Minuten, 8, 10 und mehr solche Versuche ausgeführt, um den Effect des an dem Tage genommenen Nährstoffes u. s. w. auf die Belebung des ermüdeten Muskels ermitteln zu können. Die Versuchsprotocolle sind in den anliegenden Tabellen niedergelegt. Versuch 1 bis 4 in Tabelle I bestätigt auch an meiner Versuchsperson das von Schumburg gefundene Resultat, dass Zucker belebend auf den ermüdeten Muskel wirkt, während eine gleich süss schmeckende, durch Dulein gesüsste Wassermenge nicht im Stande ist, einen derartigen Effect hervorzurufen. Aber schon der erste Versuch mit Eiweiss (Nr. 5 der Tabelle I) zeigte das mir zunächst auffallende Resultat, dass Eiweiss nicht nur in derselben Zeit, wie Zucker, belebend auf den ermüdeten Muskel wirkt, sondern dass diese belebende Wirkung beim Eiweiss quantitativ die des Zuckers um ein Beträchtliches übertrifft. In demselben Sinne sprechen Versuch 6 bis 9 in Tabelle I, Versuch 4 bis 6 der Tabelle III, verglichen mit Versuch 3 derselben Tabelle und eine ganze Anzahl Versuche der weiteren Tabellen.? Die Versuchsperson war nicht an jedem Tage gleich disponirt; wir finden, um ein Beispiel herauszugreifen, in Tabelle I, Spalte 2, Schwankungen ! In dem Referat des von mir in der physiologischen Gesellschaft seiner Zeit gehaltenen Vortrages ist ein durchgehender Fehler; statt 18000 *:” muss es stets 21 600 #*= heissen. ? Die Versuche mit Eiweiss u. s. w. sind noch an einer Reihe anderer Versuchs- personen ausgeführt worden, und stets mit dem gleichen Resultate; in Tabelle V gebe ich noch ein solches Protocoll; diese anderen Versuchspersonen konnten aber aus ver- schiedenen Gründen nicht Wochen lang beschäftigt werden und habe ich deshalb die anderen, sich jedes Mal nur auf wenige Versuche beziehenden Protocolle hier nicht zum Abdruck gebracht. Archiv ££A.u.Ph. 1899. Physiol. Abthlg. Suppl. 10 146 » JOHANNES FRENTZEL: von 159 bis 302; dies illustrirt die Nothwendigkeit der Feststellung von Vorperioden vor der Arbeit an jedem Versuchstage; wir können also ohne Weiteres immer nur Vor- und Nachperioden desselben Tages mit einander vergleichen, um zu sehen, ob eine Wirkung stattfand oder nicht. Wollen wir aber den Effeet desselben Mittels an verschiedenen Tagen, oder zweier verschiedener Mittel mit einander vergleichen, so wird die Uebersicht er- leichtert, wenn man, wie das schon Schumburg gethan hat, eine Summe der Hubhöhen vor der Arbeit = 100 setzt und die Hubhöhen-Summen nach der Arbeit darauf umrechnet. Schumburg nahm die letzte Summe der Hubhöhen als Norm; mir will es richtiger erscheinen, die Zufälligkeiten, die bei einem solchen Zuckungsversuch doch immer vorkommen können, durch Anwendung des Mittels aus allen Vorperioden nach Möglichkeit zu beseitigen. Von diesem Gesichtspunkt aus habe ich dann die Tabellen I, III und V nochmals in II, IV und VI zusammengestellt. Bei Tabelle I hatte ich stets nur zwei Vorperioden beobachtet. Bei der eben besprochenen Anordnung wird da wohl im einzelnen Falle durch Gleichberücksichtigung der ersten Periode, in welcher der Mann noch gar keine Ermüdung zeigte und die deshalb oft erheblich höhere Werthe giebt, als die späteren, eine gewisse Verschiebung der Resultate zu Ungunsten des zu studirenden Mittels hervorgerufen. Ich gebe deshalb in diesem Falle auch noch in Tab. IIa die gleiche Berechnung, bei welcher die zweite und letzte Vor- periode = 100 gesetzt ist. Wie sind nun die Effecte der Eiweisszufuhr zu erklären ? Die möglichen Erklärungen sind wohl die folgenden: 1. Der Magen der Versuchsperson war bei Beginn des Versuches nahezu leer; man kann daran denken, dass durch Gabe von 200 «m Wasser mit oder ohne Zusatz eines Nährstoffes ein gewisses flaues Gefühl im Magen auf- gehoben und dadurch refleetorisch eine grössere Leistungsfähigkeit der Muskeln erzielt wurde. Wasser allein hat, wie aus Versuch 1 und 2 in Tabelle III, Versuch 1 in Tabelle V hervorgeht, gar keine belebende Wirkung; aber die eben ge- machte Annahme, auch nur für die Gabe von Nährstoffen aufrecht erhalten, würde niemals die quantitativ so verschiedene Wirkung von Zucker und Eiweiss erklären. 2. Man könnte eine Suggestion verantwortlich machen; der Mann glaubte, etwas zu geniessen, was seine Muskelkraft hob, und deshalb war dann seine Kraft eine grössere. Ich bin weit davon entfernt, etwa die Einflüsse psychischer Momente, denen diese Versuche am Ergographen zweifellos leicht ausgesetzt sind, zu leugnen; ich habe selbst eine Anzahl solcher Einwirkungen auch bei meinen Versuchen beobachtet; [in der Regel habe ich die Versuchs- ERGOGRAPHISCHE VERSUCHE U. S. W. 147 reihen, bei denen etwas Derartiges nachweislich vorgekommen war, un- berücksichtigt gelassen; bei Versuch 2 der Tabelle VII kommt aber eine solche hohe Summe der Hubhöhen vor und ist im Protocoll auch als Unregelmässigkeit bezeichnet; in diesem Falle wurde an die Thür des Zimmers, in welchem ieh mit der Versuchsperson eingeschlossen war, an- geklopft und ich musste eine Auskunft geben; diese kurze Unterbrechung der gewöhnlichen Eintönigkeit und Langeweile genügte der Versuchsperson, um von Hubhöhen von 97, 95, 101, 104, 103, S3 auf einmal auf eine solche von 266 °® heraufzugehen, welche durchaus aus dem Rahmen herausfällt und nur durch die damals gleich protocollirte Störung zu erklären ist]; aber es will mir nicht einleuchten, dass man durch Suggestionswirkung ungezwungen die Differenzen zwischen Zucker und Eiweiss erklären könnte. Wie schon erwähnt, waren Zucker- und Dulein-Lösung, ebenso wie in Schumburg’s Versuchen, gleich süss; es hätte sich also bei diesen Ver- suchen nahezu die gleiche Wirkung auf die Muskeln bei der Aunahme einer Suggestion ergeben müssen. Die Versuchsperson wusste ferner nicht, dass das sandig schmeckende gelbe Pulver (Tropon) und die klare Lösung von Nutrose die gleiche Menge Eiweiss enthielt; da beide die gleiche Wirkung hatten, kann hier die Sug- gestion keine Rolle gespielt haben. Wenn nun aber die Versuchsperson zu der Wirkung eines Mittels be- sonderes Zutrauen gehabt hätte, so wäre das nach meiner Ansicht doch der Speck gewesen, den Jedermann aus dem Volke als Nahrungsmittel kennt, und bei dessen Verabreichung ich der Versuchsperson deshalb auch nichts hätte vorreden können. Die Versuche mit Speck (I, 10; III, 7 und 8) er- geben zwar auch eine Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Muskeln, aber durchaus nicht in dem Maasse, wie die Eiweissversuche. Schliesslich habe ich bei dem Versuche nur mit Wasser (III, 2) direct eine Suggestion hervorzurufen versucht; als der Mann eintrat, hatte ich das gefüllte Glas, aus dem er zu trinken gewohnt war, in der Hand, arbeitete mit dem Glasstab in demselben herum, als wenn ich etwas zerdrückte, und sagte dann nach einer Weile: „jetzt hat sich Alles gelöst, nun trinken Sie aber auch gut aus, damit nichts verloren geht.“ Die Versuchsperson reagirte in.der Weise darauf, dass sie später in einer Pause ihre Verwunderung darüber aussprach, dass an diesem Tage die Ermüdung so schnell ein- trat — es ist mir also nicht gelungen, auch nur eine vorübergehende Erhöhung der Leistungsfähigkeit durch diese beabsichtigte Suggestion zu Stande zu bringen. 3. Man könnte daran denken, dass durch Secretion des Magensaftes in Folge der Einführung von Substanzen in den Magen das Blut alkalischer und 10* 148 JOHANNES FRENTZEL: dadurch eine — vielleicht die wesentlichste — Ursache der Ermüdung behoben würde; denn wir wissen ja, dass die in den arbeitenden Muskeln erzeugten Säuren die Alkalescenz des Blutes herabsetzen und dadurch ermüdend, schliesslich sogar lähmend — wie beim zu Tode gehetzten Thiere — auf die Muskeln wirken. Die stattfindende Secretion des Magensaftes u. s. w. als Grund ange- nommen, musste der gleiche Effect nach Einführung von Alkali in den Magen stattfinden. Dies war allerdings nach Gabe von 4 sm Natrium bicar- bonicum (I, 11, III, 9 und 10) der Fall; indess war die Wirkung dieses Mittels etwa gleich der des Zuckers, ohne auch nur annähernd die Wirkung des Eiweisses zu erreichen; und sie hätte dieselbe doch wenigstens erreichen, ja sogar übertreffen müssen, wenn die Secretion des Magensaftes u. s. w. die zureichende Erklärung für die beobachteten Thatsachen gewesen wäre, weil ja Alkali auch direct in’s Blut übertritt, was in stärkerem Maasse entsäuernd auf das Blut hatte wirken müssen, als die Secretion von sauerem Magensaft allein. Es ist ja nicht ausgeschlossen, dass die Beeinflussung der Blut- alkalescenz etwas bei der Erhöhung der Summe der Hubhöhen mitspricht; diese Erhöhung ist aber in keinem Falle so gross, um die gefundenen Diffe- renzen in der Wirkung des Zuckers und Eiweisses genügend zu erklären. Es bleibt in der That nichts übrig, als anzunehmen, dass die Zeit von der Gabe des Eiweisses bis zur Wirkung desselben genügt, um das Eiweiss in die Blutbahn überzuführen und dort als Kraftquelle für die ermüdeten Muskeln zu verwerthen. Schumburg sagt auf der zweiten Seite seiner Arbeit: „Da die Resorp- tion der Eiweissstoffe und Fette erheblich längere Zeit beansprucht, als die- jenige der Kohlehydrate, so kommen für die Zwecke einer schnellen Er- nährung der Muskeln besonders die Kohlehydrate in Betracht.“ Es ist gewiss richtig, dass der Zucker, der gar keine Umwandlung durch Magen- und Darnisäfte durchzumachen hat und der schon von den ersten Ab- schnitten des Verdauungstractus in die Blutbahn übertreten und dort als Muskel-Ernährer zur Wirkung gelangen kann, zeitlich wohl am ersten diese Wirkung wird erkennen lassen. Aber beansprucht wirklich Eiweiss und Fett eine so erheblich längere Zeit, um zur Resorption zu gelangen? Für Eiweiss liegen zahlreiche Versuche von Voit,! Becher,’ Feder,? Oppen- heim* u. A. an Menschen und Thieren vor, welche den zeitlichen Verlauf I Voit, Physiologisch-chemische Untersuchungen. 1857. 8.42. ? Becher, Siudien über Respiration. Zürich 1855. 2. Abschn. 8.32 u. 39. ® Feder, Der zeitliche Ablauf der Zersetzung im Thierkörper. Zeitschrift für Biologie. Bd. XVII. S. 531. * Oppenheim, Pflüger’s Archiv. Bd. XXIII. S. 446. ERGOGRAPHISCHE VERSUCHE U. S. W. 149 der Eiweissresorption einigermaassen zu beurtheilen gestatten; aus diesen Befunden ist der Schluss gerechtfertigt, dass in der That schon in der ersten Stunde nach der Nahrungsaufnahme sich ein Theil des Eiweisses in der Cireulation befindet, während bis zur vollständigen Resorption 6 bis 7 Stunden vergehen. Eine directe Bestimmung wäre ja nur möglich an Thieren, welche man eine bestimmte Zeit nach der Eiweissaufnahme tödtete, um die Ge- sammtmenge des noch in ihrem Darmcanal vorhandenen Eiweisses zu er- mitteln, also in ähnlicher Weise, wie es Ellenberger und Hofmeister! beim Schweine ausgeführt haben. Der Umstand, dass sehr schnell nach der Resorption von Eiweiss eine der Grösse dieser Resorption annähernd entsprechende Vermehrung der Stickstoffausscheidung durch den Harn ein- tritt, giebt uns die Möglichkeit, durch Untersuchung der im Harn aus- geschiedenen Stickstoffmengen in kurzen Zeitintervallen Rückschlüsse auf zeitlichen Verlauf und Grösse der Resorption zu machen. Auf Anregung meines hochverehrten Chefs, des Herrn Professor Dr. Zuntz, habe ich nach diesem Prineip Versuche mit den von mir benutzten reinen Eiweisspräparaten angestellt. Nach einer wesentlich aus Kohle- hydraten bestehenden Abendmahlzeit wurde am nächsten Morgen um 7 Uhr eine kleine Tasse Kaflee genossen, die Urinabsonderung jeder folgenden Stunde durch Aufnahme von 200 «= Wasser unterstützt, der Urin geson- dert aufgefangen und analysirt. Um 9 Uhr wurde in der angegebenen Menge Wasser 33 =” Tropon genossen. Die Stickstoffausscheidung der an diesem Tage in Betracht; kommenden Stunden ergab: dap1s28-Uhr-:0-526 @N: 8 bis 9 Uhr: 0.474 em N; also ein Absinken des N-Gehaltes. 9 Uhr: Eiweissaufnahme. 9 bis 10 Uhr: 0-538 em N; also schon in der ersten Stunde nach der Aufnahme ein Ansteigen des N-Gehaltes. 10 Dis-1E Uhr: 02923 Em EN. 11 bis 12 Uhr: 0.730 = N. Wenn aber schon in der ersten Stunde nach der Nahrungsaufnahme eine vermehrte N-Ausscheidung im Harne nachweisbar ist, so muss sich ein Theil des Eiweisses zeitlich früher, also etwa !/, bis ®/, Stunden nach der Aufnahme schon in der Circulation befunden haben und konnte dort ! Ellenberger und Hofmeister, Ueber die Verdauung des Schweines. Dies Archiv. 1884. Physiol. Abthlg. S. 145. 150 JOHANNES FRENTZEL: die Effecte auf die ermüdeten Muskeln hervorbringen, die meine Befunde am Ergographen ergeben haben. Es liegt also kein Grund mehr vor, nach mehr oder weniger wahr- scheinlichen Erklärungen für die zeitlich so frühe Wirkung des Eiweisses zu suchen, wo das Experiment die Entscheidung bringt, dass in der That auch die bei meinen Versuchen benutzten Eiweissstoffe zum Theil schon in der ersten Stunde nach der Aufnahme resorbirt waren. Es ist also, um dies nochmals zu wiederholen, bisher durch meine Versuche festgestellt: 1. Eiweiss, in calorisch äquivalenter Menge wie Zucker ver- abreicht, äussert die Einwirkung auf die Belebung ermüdeter Muskeln in derselben Zeit nach der Gabe des Nährstoffes. 2. Die Wirkung des Eiweisses ist bei den Versuchen am Ergographen eine erheblich höhere als die des Zuckers. Hieran schliessen sich mehrere Fragen, von denen zwei zu beantworten der Mühe werth erschien. 1. Wie lange hält die Wirkung des Zuckers, wie lange die des Eiweisses vor? 2. Lässt sich vielleicht ein Unterschied in der Wirkung verschiedener Eiweissarten, als deren Repräsentanten ich vorläufig ein animalisches und ein vegetabilisches Eiweisspräparat benutzte, nachweisen ? Es war ohne Weiteres anzunehmen, dass die Wirkung des Eiweisses, von dem wir ja aus den schon erwähnten Arbeiten wissen, dass bis zu seiner vollständigen Resorption 6 bis 7 Stunden vergehen, zeitlich sehr viel länger währen musste, als die des Zuckers. Meines Wissens ist diese Frage aber in der von mir beabsichtigten Weise bisher noch nicht experimentell be- antwortet worden. Bei der Ausführung der hierzu nöthigen Versuche wurden mir durch die Versuchspersonen gewisse Schranken auferlegt. Ich sagte oben, dass diese mindestens 3 Stunden nüchtern waren, ehe der Versuch begann; die Vorperioden und die Arbeit am Brems-Ergometer, die übrigens in den zu besprechenden Versuchen 31200 statt wie bisher 21 600 Km betrug, nahmen über 1 Stunde in Anspruch, so dass ich günstigen Falles nur noch 3 Stunden nach Schluss der Arbeit Beobachtungen am Ergographen ausführen konnte. Die Protocolle sind in der Tabelle VII niedergelegt. Eine kleine Hülfstabelle, die ich der Uebersicht halber hier gebe, zeigt, dass die Wirkung des Zuckers in der 2. Stunde schon nachlässt, wo nicht aufhört, während in der 3. Stunde von irgend welcher Wirkung nicht mehr die Rede ist. ERGOGRAPHISCHE VERSUCHE UT. S. W. Tkayıl Aus Tabelle VII | Mittel der Summe der Hubhöhen in Centimetern Tz Er U u a I ee a Gl men eg ei FT Ron Sonne Nährstoft | Vor der | Nach Aufnahme des Nährstoffes | Arbeit 1 Stunde |, 2 Stunden 3 Stunden l | | = Zucker | 89 | 109 | ri] 54 | 107 | 131 | sı _ 102 | 17 100 | 50 Animalisches Tropon 121 104 127 | - 103 69 | 127 | 184 107 83 | 263 a 114 102 | 156 | _ Vegetabilisches Tropon 111 145 186 | 162 123 | 1419 189 | 180 94 | 97 | 106 - 87 | 80 124 | 124 tele) | 105 114 | 54 Tropon 96 | ..116 120 | 166 Beim Eiweiss dagegen ist die Wirkung in der 2. Stunde in der Regel höher wie in der ersten und hält in der 3. Stunde durchaus vor; ich werde wohl nicht auf Widerspruch stossen, wenn ich behaupte, dass auch für die folgenden 2 bis 3 Stunden eine ähnliche Wirkung beobachtet worden wäre, wenn es möglich gewesen wäre, die Versuche an der über 7 Stunden ohne Mahlzeit befindlichen Person fortzusetzen. Für die Lösung der zweiten von mir gestellten Frage wurde mir von den Tropon-Werken in Mülheim a. Rhein in liebenswürdigster Weise der animalische und vegetabilische Antheil ihres Präparates einzeln zur Ver- fügung gestellt. Nach den vorliegenden Protocollen hat es den Anschein, als ob in der That dies von mir benutzte vegetabilische Eiweiss zeitlich eher bezw. reich- licher in die Circulation überträte, als das animalische. Ich habe deshalb auch den oben beschriebenen Resorptions-Versuch mit stündlicher Aufsammlung von Harn und Analyse desselben bei diesen beiden Präparaten wiederholt. Die Resultate dieser Versuche sind die folgenden: 152 JOHANNES FRENTZEL: Animal. Theil des Tropons Vegetabil. Theil des Tropons 71/,—8!/, Uhr 0.5458 N pro Stunde 0.487 2m N pro Stunde. 88a 2) 0.571 „ 2.92 ” 0.471 2 ” 9!/, Uhr Aufnahme von 338" animalischen, bezw. vegetabilischen Tropons. 91/,—10!/, Uhr 0.6638 m N pro Stunde 0-63582m N pro Stunde. 105,122 2 ,2.02.6995, 5, „ 0.683 5 ” N-Zuwachs in der ersten Stunde nach der Aufnahme, bezogen auf die letzte Stunde vor der Nahrungsaufnahme: + 0-.0922® N + 0.1648 N (Verhältniss des animalischen zum vegetabilischen 100: 178). N-Zuwachs in der zweiten Stunde nach der Aufnahme, bezogen auf die erste Stunde nach derselben: + 0:0368m N + 0.0488 N (Verhältniss des animalischen zum vegetabilischen 100: 133). Es zeigt sich also zunächst auch bei diesen beiden Eiweisspräparaten, wie zu erwarten war, dass schon in der 1. Stunde nach der Nahrungs- aufnahme eine erhöhte N-Ausscheidung im Harne nachweisbar ist; die Er- höhung war aber bei dem vegetabilischen Antheil erheblich grösser, als bei dem animalischen, und dies Verhältniss beider Präparate zu einander blieb auch in der 2. Stunde nach der Nahrungsaufnahme noch im gleichen Sinne bestehen. Es ist aus diesen Befunden sehr wohl zu verstehen, dass die Wirkung des vegetabilischen Antheils des. Tropons am Ergographen sich eher zeigen musste, was ja auch der Fall war. Es wäre aber durchaus falsch, aus diesen mit präparirtem vegetabi- lischen Eiweiss gefundenen Resultaten Rückschlüsse auf die Verdaulichkeit des in natürlicher Form in den pflanzlichen Nahrungsmitteln enthaltenen Eiweisses zu ziehen; die in den Verdauungssäften zum Theil schwer, zum Theil überhaupt nicht löslichen Zellenmembrane setzen auch bei guter mechanischer Zerkleinerung (feine Pulverung) der Verdauung der pflanz- lichen Eiweissstoffe die durch zahlreiche Ausnutzungsversuche genügend illustrirten Hindernisse entgegen. Da also aus den der Tabelle VII zu Grunde liegenden Versuchen hervorgeht, dass Eiweiss auch noch zeitlich länger wirkt, als Zucker, so fordern meine Befunde zu praktischen Versuchen mit Eiweiss in all’ den Fällen auf, in welchen es sich darum handelt, ermüdenden Muskeln neues Kraftmaterial zuzuführen und in welchen sich bisher Zucker bewährt hat, also beim Radfahren, Rudern, Bergsteigen und ähnlichen sportlichen Uebungen, vor Allem aber in der Armee bei foreirten Märschen u. s. w., ERGOGRAPHISCHE VERSUCHE U. S. W. 153 um so mehr, als das nicht als Kraftspender zur Verwendung kommende Eiweiss zur Regeneration des zerfallenden Zellmateriales dienen wird. Bei derartigen praktischen Verwendungen würde es einige Schwierigkeit machen, das trockene Eiweisspräparat im entscheidenden Augenblick, viel- leicht ohne Wasser, zu sich zu nehmen; Cakes, Zwiebäcke und Ähnliche Conserven zerbröckeln aber erfahrungsgemäss sehr leicht, wenn sie lange umhergetragen werden; bis also die Industrie ein Präparat herstellt, welches das Eiweiss in genügender Menge enthält und diese Nachtheile nicht zeigt, ist wohl Chocolade die einzige Form, welche ernsthaft für diese Zwecke in Frage kommt. Ich habe deshalb noch einige Versuche mit einer 50 Procent Tropon enthaltenden Chocolade angestellt (VII, 15, 16, 17) und habe gefunden, dass schon 30 =" derselben, sicherer noch 35 sm — das sind 6 bis 7 kleine Tafeln — die gewünschte Erhöhung der Muskelleistungen nach anstrengender Arbeit zu Wege bringen; wie viel an dieser Wirkung der in der Choco- lade enthaltene Zucker, wie viel etwa auch das Theobromin betheiligt ist, ist nicht untersucht worden. Ich beabsichtige später die Eiweissversuche in der Weise zu ergänzen, dass ich an Stelle der Aufzeichnungen am Ergographen vor, während und nach der Arbeit Pulsfrequenz, Zahl der Athemzüge und Athemgrösse in Litern per Minute feststelle und den zeitlichen Verlauf der Erholung nach der anstrengenden Arbeit in Fällen mit und ohne Nährstoffzufuhr vergleiche. Das Fett wirkt, wie die wenigen bisher von mir angestellten Versuche (1, 10, IV, 2 und 8) zeigen, in derselben Zeit, wie Zucker und Eiweiss, gleich- falls belebend auf die ermüdeten Muskeln; ich will diese Befunde durch eine Anzahl weiterer Versuche, auch mit anderen Fettarten, noch sicher stellen und werde seiner Zeit darüber eine diese Arbeit ergänzende Veröffentlichung erscheinen lassen. JOHANNES FRENTZEL 10 tl Täglich 1200 Umdrehungen am mit 6% belasteten Brems-Ergometer = Tabelle 1. R. F., Schneider, 22 Jahre alt, wiegt bekleidet 58 kr, 21 600 km Arbeit. Ergograph belastet mit 2-2 *s; rechter Arm. Die Zahlen in der Tabelle bedeuten: Summe der Hubhöhen in Centimetern. 13./XIL. 1898 14./X11. 1898 16./X11. 1898 22./XIl. 1898 15./XII. 1898 17./XII. 1898 21./X11. 1898 20./X11. 1898 23./XII. 1898 28 /XII. 1898 30./X11. 1898 Vor der Arbeit 307 230 292 159 347 213 402 300 388 273 368 215 372 298 308212 387 302 SIT =278 378 300 | Arbeit; Mittel | 200 cm Wasser aufgenommen Nach der Arbeit | und — —— — = = = ee es, ss —— = = = u — — — >= ——— [3 =— 268 0-258’® Dulein; 15 Min. nach um 116=°165 163 1527154 15221537 147 Beginn der Arbeit 205 74 116 196 224 162 134 154 137 310 Zucker; 15 Min. nach Beginn 201 412 374 338 332 297 251 194 169 155 35l 144. 210 170 198 155 167 150. 138 286 8368 275 531 271 322 334 374 757 810 839 645 442 332 15 Min. nach Beginn 292 2127627 99077351 196° 19271837 167 Tropon; 335 10 ,„ nach Beginn 135 1831 306 162 158 138 144 133 | 314 221/,, nach Beginn 249 185 137 133 127 120 114 104 162 158 270 | 315 557 1018 345 Nutrose; 15 Min. nach Beginn 492 230 392 277 267 1073 539 818 197 | 388 Speck; 15 Min. nach Beginn 580 680 424 316 304 293 272 266 | 339 | 4stm Natr. bicarb.; 15 Min. nach 307 482 317 386 302 518 323 268 180 200 Beginn ERGOGRAPHISCHE VERSUCHE U. S. W. 155 Tabelle II. Mittel der Werthe vor der Arbeit in Tabelle I = 100 gesetzt. Vor Auf- j Nr. der Nach der Arbeit | Arbeit! genommen I 1. 100 | Dulein ı 299 65 62 61 57 58 57 57 55 2. 100 | 36 86 96 109 79 65 75 67 3.100 Zucker 1| 64 133 120 109 107 96 81 62 54 50 4 100 | | 41 60 48 56 44 60 43 39 81 105 78 5 | 100 | 82 98 101 109 227 248 251 195 134 100 6 | 100 | 72 215 339 120 67 66 65 58 Tropon #| 7 100 | 219 547 91 48 47 41 43 39 8 100 ı 79 59 43 42 40 38 36 33 52 50 85 100 177 322 9 100 , Nutrose | 142 66 114 80 77 311 156 92 57 10 100 | Speck 172 201 125 93 90 87 80 79 11 ' 100 | Natr.bicarb.| 91 142 93 113 89 153 95 79 53 59 Tabelle Ila. Letzte Periode vor der Arbeit in Tabelle I = 100 gesetzt. Vor Auf- | Nr.‘ der 5 | Nach der Arbeit Arbeit genommen | 1, 100 | Dulin | 84 76 75 75 66 66 65 66 64 2 | 100 47 110 123 141 102 84 97 86 3 100 | Zucker | 84 190 156 140 139 124 105 81 70 65 4100 48 70 57 66 52 56 50 40 95 123 92 5 | 100 | | 99 116 122 137 277 296 307 233 162 122 ||| moron 99 291 461 163 91 89 88 78 7 | 100 245 610 102 54 53 46 48 44 8 100 92 68 50 49 46 44 42 38 59 58 99 116 205 374 9 | 100 | Nutrose | 164 77 181 92 89 358 179 106 56 10 | 100 Speck | 209 244 152 114 109 105 98 9 11 100 | Natr. bicarb. | 102 161 106 129 101 173 107 89 60 66 JOHANNES FRENTZEL 156 Tabelle III. F. K., Schuhmacher, 31 Jahre alt, wiegt bekleidet 62.5 ke, Täglich 1200 Umdrehungen am mit 6 !® belasteten Brems-Ergometer = 21600 km Arbeit. Ergograph belastet mit 4 ®s; linker Arm. Die Zahlen in der Tabelle bedeuten: Summe der Hubhöhen in Centiınetern. Arbeit; Nr.| Datum Vor der Arbeit Mittel 200 «m Wasser aufgenommen Nach der Arbeit und 1 |25/.I. 1899 136 100 124 120 109710027737 28277 95 0270781 | 11 96 98 Nur Wasser; vor der Arbeit ; 2 |31./I. 1899 162 100 92 96 112 | 102 113 113 96 100 75 89 81 1307 46 "75 321:28./1. 1899| 1:17.22. 952. 293 102 Zucker; vor der Arbeit 107° 14107123 1122146 17127127 | 1972155 4 |21./I. 1899 134 140 135 136 15 Min. nach Beginn 18517103112 °110=2127 22682 75 | | der Arbeit 120 104 158 74 215 200 165 | r 5:1:23./1. 1899 170 110 115 132 .|\ Tropon ; 120 110 106 85 130 150 160 L 165 180 | | vor der Arbeit 6 26./1. 1899 1618150217142 296 144 108 69 10 187 80 110.110 | 130 145 167 245 173 7 | 2./11.1899 112 114 116: 122 | 118 94 87 103 109 102 124 89 x | 108 104 140 101 110 Speck; vor der Arbeit 8 | 3./11.1899 | 84 128 166 127 86 104 116 | 10971277 9121113113 1222122 | | 96 86 81 119 Ergograph belastet mit 2 Ks, 9 | 4.11.1899 218 222 230 220 j 216 313 197 226 133 242. 185 45m Natr. bicarb.; vor der Arbeit} 190 382 155 149 180 10 | 7./I1.1899 248 403 248 215 278 378 243 406 205 138 233 108 11 | 1./11.1899 244 161 162 220 146 186 Tropon; vor der Arbeit 209 220 154 177 180 188 179 | 214 167 219 240 140 113 98 200 83 117 231 130 193 ERGOGRAPHISCHE VERSUCHE U. S. wW. 157 Tabelle IV. Mittel der Werthe vor der Arbeit in Tabelle III = 100 gesetzt. Vor Nr. der, ne Nach der Arbeit 1 | 1001 wasser || 91 84 61 68 79 59 68 82 74 59-80 82 Wasser 2 | 100 |J Ü| 91 101 101 86 89 67 79 59 61 116 41 687 3. 100 Zucker 104 107 120 108 143 108 128 177 155 193 152 4 100 96 75 82 S1ı 93 50 55 100 44 88 76 116 54 158 | rosa | 147 121 147 5 | 100 | | 91 83 SO 64 98 114 116 125 132 125 136 6 100 75 48 49 54 56 76 76 97 138 90.101 116 170 120 7 | 100 | Speck || 79 73 87 92 86 105 75 96 70 91 88.118 86 98 s | 100 J Ü 94 109 78 96 97 105 105 84 101 83 74 70 102 9 100 | Natrium [| 98 142 90 108 60 110 84 103 105 86 174 70 68 80 10 100 || biearbon. \\136 87 146 74 50 84 39 44 47 11. 100 Tropon ‚112 118 83 95 97 101 96 109 104 115 90 118 129 Tabelle V. A. Th., Schuhmacher, 31 Jahre alt, wiegt bekleidet 55 ®®. Tägl. 1200 Umdreh. am mit 68 belast. Brems-Ergom. = 21 600 Fem Arbeit. Ergograph belastet mit 3 F®; linker Arm. Die Zahlen in der Tabelle bedeuten: Summa der Hubhöhen in Centimetern. B Arbeit; Vor der \ = vor derselben Nr.; Datum : ı 3 200° Wasser | Nach der Arbeit Arbeit ' E aufgenommen| | i und - BL 1 | 8./LI. 1899) 108 69 105 | 94 nur Wasser; 32 68 78 88 80 78 | | 100 83 53 83 2 | 7./II. 1899) 120 69 90 | 98 Tropon; 83 130 66 113 81 88 | | | 64 91 94 103 110 3 30./1V.1899| 201 130 140 110 | 146 Zucker; | 122 100 122 136 135 194 | | 148 135 Tabelle VI. Procentische Berechnung der Tabelle V. Mittel der Summe der Hubhöhen vor der Arbeit = 100 gesetzt. = Vor der Auf- : i as Nr. hät genommen Nach der Arbeit : 100 Wasser 87T 72 83 88 85 83 106 88 57 88 2] 100 Tropon | 88 140 70 121 86 94 69 97 LOL 1102718 3 100 Zucker 8s4 69 84 93 93 133 101 93 Anmerkung zu Tabelle V. Versuch 3 mit freundlicher Erlaubniss des Hrn. Dr. Bornstein aus dessen Untersuchungen über Saccharin Zeitschr. d. Vereins der Deutschen Rühenzucker-Industrie April 1899 entnommen, welcher mit derselben Versuchsperson unter den gleichen Bedingungen arbeitete. Tabelle 158 JOHANNES FRENTZEL: F. K., Schuhmacher, 31 Jahı Täglich 1300 Umdrehungen am mit 8 = belasteter Ergograph bel: Die Zahlen in der Tabelle bedeute 5 FR Arbeit; Nr. Datum Vor der Arbeit 3 900 cm Wasser auf- genommen und 1 4.|V. 1899 |94 133 129 166 126 90 93 98 101 |114| Nur Wasser; vor der Arbeit 2 5./V. 1899 10972802. 8377.80.,89 3] » 6:/V2 1899 100 122 98 109 | 107 (Zucker; vor der Arbeit 4 | 10./V. 1899 111 94 100 105 | 102 5 | 21./IV. 1899 102 98 83 99 | 96) Tropon; ‚vor der Arbeit 6 | 17./IV. 1899 120 128 136 1351.162,.85. 911162121 T | 18./IV. 1899 103 114 91 104 103 i vorzder | Bi Animal. Arbeit | Antheil des 8 | 19./IV.1899 102 107 118 100 | 107 Tropons; 9 | 20./IV.1899 111 124 111 110 | 114 15M.nach |93 83 | Beginn 10 | 22./IV.1899 122 123 100 100 111 11 | 3./V. 1899 124 129 129 105 130 | 128 Vegetabilischer Antheil 12 | 16./V. 1899 76 100 94 98 101 | 94), des Tropons; vor der Arbeit 15210172/V. 221899 JAH 189.822 5 14 | 18./V.. 1899 104 82 716 92 75 100 | 88 15 | 11./V. 1899 108 96 91 114 100 | 102 308m; vor [oo procent. der Arbeit 16 | 19./V. 1899 8498902125 988 9 76579 191 Tropon- goem; va] 17 | 20./V. 1899 120 126 103 115 92 120 122 | 114|| Chocolade [der Arbeit] Ste! ERGOGRAPHISCHE VERSUCHE UT. S. W. 159 vll. alt, wiegt bekleidet 62-5 Fe. Bremsergometer = 31200 sm Arbeit. mit 488: linker Arm. Summe der Hubhöhen in Centimetern. Mittelzahlen 1. Stunde 2. Stunde 3. Stunde der nach der Nahrungsaufnahme 1.2.3. Stunde 101 102 95 S6 76 85| | 82 72 66 60 70 84 | 86 111 S9 100 114 111| 97 85 SO 101 104 103 831 73 95 80 73 97 91 811091 111] 84 118 141 141 116 2661100 87 fehlen noch 15 Min. 147 112 150 143 117 116 | 985 102 98 88 86 79 78 131| 831 124 135 152 108 977 83 96 87 | | 133 106 87 110 112 88| 86 99 117 113 130 100 104| 56 52° 55 48 39 117/100 50 108 119 140 170 107785777 :9071307.69 fehlen noch 30 Min. Se 113 82 114 96! 111 TO 167 172 158. 72 1133| 83 172 317 -92 116| 120 166 ' 121 143 100 93 ‚107 109 fehlen noch 30 Min. 84 100 89 100 81 1051136 62 110 108 123 983 170) 161 104| 127 107 132 141 | 212 ; is 52 60 56 53| 111 111. 71 102: 82 146 95| 252 136 163 69, 127 184 107 65 84 65 64 201 fehlen noch 35 Min. 97 103 111 83 71 86| 78 210 308 317 400 Sıel 83| 263 Ze 85 75 54 | we 91 82 73 11l | 1382127132164 218 102| 156 84 141 142 | fehlen noch 15 Min. 120 143 157 173 160 195 | 170 196 246 91 210 204 13 153.261 145| 186! 162 146 166 | | fehlen noch 30 Min. | 96 154 133 109 134 96 | 11521027120239::2527 123 95, 197 150 96 201 260 258/119 189 150 133 98 120 | 148 | 108783 32 96 93 94| 92 95 125 169 92 103 97 97| 106 s3 108 101 116 89 102| 94 144 76 79 80 86 78 102 72 104| 95 118 94 99 85 105 179 138 149 96 110 80| 124 124 106 85 89 96 103 77150 188 | fehlen noch 35 Min. | 146 93 132 103 104 84 107 135 118 170 106 98 100 833 89 79 86 82 | 105 114| 84 % 128 87 104 86 8s 112 105 fehlen noch 35 Min. | En 111 89 82 80 84/120 105 88 86 82 124 107 94 96 105 105 104 86 96 107! 96 91 69 75 113 | 103 136 115 147 117 135 108 89 97 118 113 113 115| 184 101 161 119 103, 149 112 83 114 150 98 91 86 101 | fehlen noch 45 Min. | | 121 97 90 110 132 93 122 152 145 195 142 134 115 108 150 145 163 122\ 135) 142 139 150 142 150 74 fehlen noch 40 Min. ‘ Störung durch Unterhaltung. Ueber Ernährungsklysmata. Von C. A. Ewald. Das Bestreben, dem Körper in Fällen, wo die Nahrungsaufnahme aus dem einen oder anderen Grunde per os unmöglich ist, Nährstoffe durch den Darm zuzuführen, hat seit den bekannten Versuchen von Voit und Bauer, v. Leube, Eichhorst und mir bei den Aerzten, ja selbst bei den Laien immer weitere Verbreitung gefunden. Ist es mir doch in letzter Zeit wiederholt begegnet, dass die Umgebung des Kranken oder gar der Kranke selbst mit entsprechenden Wünschen und Fragen früher an uns Aerzte herantrat, als wir selbst dieses Vorgehen anzuregen Veranlassung hatten. Die Versuche der erstgenannten Autoren waren an Thieren aus- geführt und nicht ohne Weiteres auf den Menschen zu übertragen. Im Jahre 1887 erbrachte ich in einer längeren Reihe von Bestim- mungen den Nachweis, dass: es bei passend gewählter Zusammensetzung und sachgemässer Application derartiger Einläufe auch beim Menschen gelingt, eine Resorption stickstoffhaltiger Substanz vom Mastdarm aus zu erzielen und einen nicht unerheblichen Theil derselben zum Ansatz zu bringen oder wenigstens den Stickstoffumsatz beträchtlich zu steigern. Die Gleichheit der Resorptionsgrössen in den einzelnen Perioden gleicher Zufuhr berechtigt zu dem Schluss, dass trotz starker Schwankungen im Umsatz und Ansatz die aufsaugenden Functionen der Schleimhaut gleichmässig von Statten eingen. Auch zeigte sich, dass ein merklicher Unterschied in der Aufsaugungsgrösse zwischen den sog. Peptonen (Albumosen) und dem nativen Hühnereiweiss nicht vorhanden war. Darnach erschien die Anwendung der sog. Peptonklystiere überflüssig; „man kommt mit einfachen Eiern ebenso weit“, sagte ich, „hat aber den Vortheil, im Ei etwa 12 Procent Fett zu geben, welches als Sparmittel der Zersetzung des Körpereiweisses sicherlich nicht ohne Belang ist, und kann die Wirkung durch Zusatz einer Lösung C©. A. EwaLD: ÜBER ERNÄHRUNGSKLYSMATA. 161 von Traubenzucker, also eines leicht verdaulichen und resorbirbaren Kohle- hydrates, noch erhöhen. ..... Es genügen also zum Klystier schon gut emulgirte rohe Eier, die man mit etwas Kochsalzwasser verdünnen kann. Ich pflege ein Gemisch von Eiern, Rothwein und einer 10- bis 20 procent. Traubenzuckerlösung zu geben.“ In letzter Zeit habe ich meist Milch, Eier und etwas Mehl, event. mit Wein verrührt, angewandt, so dass im Klysma annähernd 400 Calorien, per Tag also etwa 1200 Calorien gegeben wurden. Den Zusatz von Kochsalzwasser stellte ich seiner Zeit anheim mit Rück- sicht auf die Versuche Eichhorst’s, der die Resorption bei Thieren wesent- lich von der Beigabe dieses Salzes abhängig sein liess, obwohl nach meinen Resultaten beim Menschen die Aufsaugung auch ohne Kochsalz vor sich sing. Später zeigte dann Huber, dass sie durch Zusatz des Kochsalzes nicht unerheblich gesteigert wird. Mit der Zeit scheint sich nun vielfach in ärztlichen Kreisen die An- sicht verbreitet zu haben, dass es mit Hülfe der „Nährklystiere“ gelingen müsse, regelmässig eine wirkliche, d. h. den Körper- bestand erhaltende Ernährung herbeizuführen, oder gar einen Ansatz bei den Kranken zu erzielen. Ich muss bemerken, dass meine Versuche einer solchen itr- thümlichen Vorstellung nicht das Wort reden. Sie beweisen nur, dass die Mastdarmschleimhaut des Menschen resorptionsfähig ist und dass es im speciellen Falle, d. h. bei einer Patientin, von der ich ausdrücklich hervorhob, dass sie eine vita minima führte und per Tag nicht mehr wie 5.48 ©” N in ihrer Nahrung zu sich nahm, zweifellos gelang, den Stick- stoffumsatz zu steigern und eine Retention desselben, die nur in Form eines Ansatzes stickstoffhaltiger Substanz statthaben konnte, zu Wege zu bringen. Ich betonte vielmehr, „dass offenbar individuelle Beeinflussungen in Bezug auf Resorption und Ansatz eine ganz hervorragende Rolle spielen“, und dass auch aus diesem Grunde „eine gegenseitige Abschätzung des Nährwerthes der Pepton- und Eierklysmata unthunlich sei.“ Wenn diese vorsichtige Beurtheilung des Erhaltungswerthes der Nähr- klysmata nun schon bei chronisch Kranken, stark heruntergekommenen und geschwächten Individuen geboten ist, so ist sie noch viel mehr am Platze, wenn es sich um acute Erkrankungen solcher Personen handelt, deren Stoffwechsel unmittelbar vor oder gar während der Krankheit ein reger ist und jedenfalls nicht viel unter den normalen Calorienbetrag heruntergeht. Das gilt z. B. für alle Fälle acuter Blutungen aus den oberen Wegen des Verdauungstractes, für die Fälle von Ulcerationsbildung, für Vergiftungen, für functionelle Störungen u. s. w., die eine vorübergehende längere oder kürzere ausschliessliche Rectalernährung bedingen. Hier dürfen Archiv f. A. u. Phys. 1899. Physiol. Abthlg. Suppl. 11 162 C. A. EwaAup: wir uns dann nicht wundern, wenn wir erhebliche Gewichtsabnahmen und einen N-Verlust während der Rectalernährung finden. Derselbe will aber in diesen Fällen wenig besagen gegenüber dem durch die Schonung der oberen Verdauungswege bedingten curativen Erfolge und dem Umstande, dass nach Behebung der Krankheit der eingetretene Gewichtsverlust nicht nur in. kürzester Frist ausgeglichen, sondern oft übertroffen wird. Ich habe den „Nährklystieren“ in den letzten 10 Jahren einen sehr weiten Raum in meinen therapeutischen und diagnostischen Maassnahmen zugewiesen und sie in geeigneten Fällen Tage und Wochen lang ausschliess- lich, d. h. ohne jede Nahrungszufuhr per os gegeben. Ueber die damit erzielten Erfolge, so weit sie die ernährende Wirkung derselben betreffen, habe ich mich wiederholt, zuletzt in v. Leyden’s Handbuch der Ernährungstherapie, geäussert. Dort heisst es:! „Nun scheint es mir nicht unangebracht, zu bemerken, dass nach meinen sehr zahlreichen Erfahrungen mit ausschliesslicher, Tage lang fort- gesetzter Ernährung durch die sog. Nährklysmata — die ich seit Langem nicht nur bei organischen Läsionen von Magen- und Darmschleimhaut, son- dern in letzter Zeit auch bei functionellen Störungen des Intestinaltractes vielfach und mit bestem Erfolge angewandt habe — der thatsächliche Nähr- werth derselben oftmals keineswegs der Menge von Nährstoffen entspricht, die man mit ihnen einbringt. Es treten dabei zuweilen recht erhebliche Gewichtsverluste ein, und die Controle des N-Stoffwechsels zeigt, dass eine starke Abgabe von N vom Körper stattfindet. Nichtsdestoweniger befinden sich die Patienten subjectiv fast ausnahmslos vollkommen wohl, sie spüren nämlich so gut wie gar keinen Hunger, trotzdem sie auf absolute Carenz per os gesetzt sind, und halten die Rectalernährung bis zu 7 und 10 Tagen und mehr ohne besondere Beschwerde aus. Da ich selbst vor Jahren den Nachweis geführt habe, dass es bei passender Rectalernährung gelinst, den Organismus im N-Gleichgewicht zu halten, so müssen hier offenbar sub- jeetive Verschiedenheiten bestehen, die sich in einer höheren oder geringeren Intensität des Stoffwechsels geltend machen. Glücklicher Weise wollen solche Verluste unter den obwaltenden Umständen nicht viel besagen, denn sobald durch die Schonung des Magens und Darmes die betr. Läsion bezw. Störung Zeit zur Heilung gefunden hat, gelingt es leicht und schnell, den Verlust wieder auszugleichen und einen erheblichen Ansatz zu erzielen.“ Es war aber von Interesse, durch eine genauere Bestimmung, als es die einfachen Wägungen sind, das Verhalten des Stoffwechsels unter Nähr- klysmen zu verfolgen. Mein Assistent, Hr. Dr. Rost, hat sich dieser 1! C.A. Ewald, Ernährungstherapie bei Darmkrankheiten. v. Leyden’s Hand- Buch der Ernährungstherapie. Leipzig 1898. Bd. II. 1. Abth. S. 268. ÜBER ERNÄHRUNGSKLYSMATA. 163 Aufgabe auf meine Veranlassung unterzogen und bei einer Anzahl von Personen derartige Stotfwechselversuche unter meiner Controle durchgeführt. Dass ihre Zahl keine orössere, die Dauer der einzelnen Versuche keine längere ist, begreift sich aus den Schwierigkeiten, welche solchen Ver- suchen selbst da, wo das Personal, wie bei uns im Augusta-Hospital gut eingeübt ist, vou Seiten der Kranken entgegenstehen. Ich gebe an dieser Stelle nur die Resultate der einzelnen Versuche, die nach bekannten Vor- schriften ausgeführt wurden. Der Stickstoff wurde in Harn und Fäces nach Kjeldahl bestimmt, der Koth zu Anfang und Ende des Versuches mit Kohle abgegrenzt. Ich kann für die Genauigkeit der Bestimmungen ein- treten und verweise übrigens auf die analytischen Beläge am Schlusse dieser Mittbeilungen. Fall 1. — E.B., 23jähriges Mädchen, in sehr gutem Ernährungszu- stande, wird wegen heftiger, durch ein Uleus ventrieuli bedingter Gastralgieen auf ausschliessliche Rectalernährung gesetzt. Körpergewicht war in den letzten Wochen gleichgeblieben und betrug zu Anfang des Stägigen Ver- suches 57 E8. Jedes Ernährun ıgsklysma bestand aus etwa 320 °® Milch, 1 Eigelb, 1 Theelöffel Mehl, 70 bis 75 °“® Rothwein, so dass es insgesammt 400 “m betrug. Es wurden 3 Klysmata pro die, also 1200 °@ mit 7.83 8m Stick- stoff gegeben, der in verschiedenen Stichproben der gesammten für den Tag präparirten Menge ermittelt wurde. Patientin erhielt also in 5 Tagen . . a N Im Koth wurden während ae Zeit gefunden En Also resorbirt . . . — a9: N d.i. 90.51 Procent der überhaupt "eingehrachten Menge. Es wurden durch den Urin ausgeschieden . = 42.545 N Demgemäss N-Verlustt. . . oo... = 71.20, „ = 1.44 „ „ pro die. Nach Schluss des Versuches betrug das Körpergewicht 53®#, 14 Tage später hatte es sich wieder auf 58 835 gehoben. Fall 2. — E.H., 19jähriges kräftiges Mädchen, in gutem Ernährungs- zustande, wird wegen Uleusbeschwerden ausschliesslich rectal ernährt. Körper- gewicht bei Beginn des Versuches 54-5 58. Zusammensetzung der Ernährungs- klystiere wie im ersten Fall. Dauer des Versuches 6 Tage. Also werden einverleibt . . . . =46-978m N ImeReooıhstandenesichese.n ren 2er da 5; Es wurden resorbirt . . . . — 44.828" N d.i. 9542 Procent der überhaupt eingebrachten Menge. Durch den Harn ausgeschieden . . = 53-78: N INISOE N-Verinst Mespe ne ee a = 780 — a1 AI 257, PL0..die: Am Schluss des Versuches war das Körpergewicht auf 53 #8 gesunken. Die: 164 C. A. EwAup: Fall 3. — E.L., 18 jährige Patientin, welche wegen nervöser Gastralgieen per rectum ernährt wird. Körpergewicht vor dem Versuch gleichmässig 52®®. Dauer des Ver- suches nur 4 Tage, weil Patientin die Klystiere nicht länger halten konnte. Erhält in A Tagen im Klysma . . =31.322m N Im; Koth” fanden sich . . 72 2.2 2 2290er Es wurden also resorbirt . . . . = 92ımN d.i. 2939 Procent der überhaupt eingebrachten Menge. Im Harn wurden ausgeschieden . . = 34:302m N Also Verlust an N. vom Körper. . =25-10 , „ —. 6-20, Eprogdie: Das Körpergewicht war auf 50.5 ® heruntergegangen. Fall 4 — R.S., Mann von 36 Jahren, wird wegen leichter gastralgischer Anfälle auf ausschliessliche Rectalernährung gesetzt. Körpergewicht 59-5 Fe, Dauer des Versuches 6 Tage. Die Ernährungsklysmen enthielten diesmal 800 ®" Milch, je 2 Gelb- eier, eine Messerspitze Salz, eine Messerspitze Mehl, ein Glas Rothwein, d.h. pro die 8.92 Sm Stickstoff. Also wurden in 6 Tagen zugeführt. = 53.498m N Im Koth, fandensisich, 2.202... 233230 Also, wurden. aufgenommen . . . =18-II92TN d.i. 33-89 Procent von der überhaupt gegebenen Menge. Im Harn wurden ausgeschieden . . = 50.802"% N Also Verlust an N vom Körper . 32. 10: = 5.45, ,l%, progdıe: Das Körpergewicht war am Schluss des Versuches auf 56.1 ® gesunken. I Fall 5. — L. B., 53jähriger Mann. Diagnose schwankt zwischen nervösen Gastralgieen und Uleus. Wird 4 Tage lang auf ausschliessliche Rectalernährung gesetzt, währenddem das Körpergewicht von 66.48 auf 60 *2 gesunken ist. Koth mit Heidelbeeren abgegrenzt. Erhält -pro Tag 6 Eier, 600 =" Milch, 90 &% Eucasin Der Stickstoffgehalt des Klysmas wurde in diesem Fall nicht durch eine N-Bestimmung von Stichproben der Gesammtmasse bestimmt, sondern der N der Eier zu 212% N (v. Noorden) angestellt. Der N der Milch wurde täglich analysirt (3-4, 3-4, 3-3, 3.22 U N), der Gehalt des Eucasin war durch diesseitige Analyse zu 16-7 Procent N bestimmt. Darnach insgesammt in 4 Tagen eingefühtt = 85-402 U N Im Koth fanden sich — DU SR Also wurden resorbirt . — 51 260 2ESN d.i. 67.44 Procent der überhaupt eingebrachten Menge. 70.7080 N 1310ER: 3-27, „ pro.die. I Im Harn wurden ausgeschieden Verlust vom Körper I ÜBER ERNÄHRUNGSKLYSMATA. 165 Aus den vorstehenden Versuchen ergiebt sich, dass die Möglichkeit, dem Körper durch Reetalzufuhr eine gewisse Menge stickstoffhaltiger Sub- stanz zuzuführen, jedenfalls vorhanden ist, dass aber die absolute Menge der resorbirten Substanz in den einzelnen Fällen ausserordentlich wechselt und in unseren Bestimmungen zwischen 30 und 95 Procent des zugeführten Stickstoffes schwankt. Bei der von uns gewählten Zusammensetzung der Klystiere waren dieselben aber in keinem Falle ausreichend, den Körper auf seinem Bestande zu erhalten. Allerdings waren unsere Klysmata ver- hältnissmässig arm an stickstoffhaltiger Substanz, wie denn auch ihr ge- sammter Caloriengehalt nur ein geringer ist und bei Weitem nicht das Bedürfniss deckt, welches bei Personen von 50 bis 55 '® Körpergewicht, trotz- dem sie sich in absoluter Bettruhe befanden, doch noch zum mindesten 1500 bis 1650 Calorieen pro die betragen würde. Leider steht zunächst einer Steigerung des eflectiven Gehaltes solcher Nährklysmen die Schwierigkeit entgegen, dass dieselben bei stärkeren Gaben N-haltiger Substanz, sei es, dass man das einzelne Klysma gehaltvoller macht, sei es, dass man die Zahl der täglichen Klysmata über 3 hinaus steigert, reizend auf die Darmschleim- haut wirken und dann zu schnell ausgestossen werden. Dies gilt sowohl von einem grösseren Zusatz von Eiern, wie von küustlichen Nährpräparaten, als da sind Eucasin und Somatose. v. Leube, welcher bezüglich der Eier die gleiche Erfahrung wie wir machte, glaubt, dass die Aufsaugung der- selben zu langsam von Statten geht, und dadurch die Injectionsmasse der intensiven Wirkung der Fäulnissbakterien ausgesetzt ist. Dabei blieb es, was die Toleranz des Darmes anbelangt, ganz gleich, ob wir die Klysmen den Kranken als hohe Eingiessungen beibrachten, d. h. das Darmrohr so hoch wie möglich in den Darm einführten, oder uns damit begnügten, die Masse in den untersten Darmabschnitt einzuspritzen. Auch hier begegneten wir grossen individuellen Schwankungen, die auch durch event. Zusatz von Opium nicht ausgeglichen werden konnten. Manche Patienten ertrugen die Recetalernährung Wochen lang — in einem Fall bis zu 30 Tagen —, andere konnten die Klystiere schon am 3. oder 4. Tag nicht mehr halten und klagten über heftige Schmerzen nach oder während ihrer Application. Höchst auffallend war aber in allen Fällen — ich entsinne mich nur einer Ausnahme — das völlige Fehlen des Hungergefühls bei den Patienten. Manche — übrigens auch nicht alle — klagten am 1. und 2. Tag und verlangten nach „Essen“. Dann aber waren sie mit ihrer Lebensweise ganz zufrieden, gaben auch direct an, keinen Hunger zu haben. Jedenfalls war ihnen der durch die Rectalernährung verursachte Zustand der Schmerz- freiheit so angenehm, dass sie die Regungen ihres „Hungercentrums“ leicht unterdrückten und etwaige Mahnungen desselben gern in den Kauf nahmen. Uebrigens mögen an dieser Stelle diese kurzen Andeutungen genügen 166 C. A. EwALp: Ueber die klinische Seite der Frage wird Hr. Dr. Rost ausführlich ander- wärts berichten und dabei namentlich auch die Bedeutung der Wasserzufuhr durch die Klysmen, die mit den eigentlichen Nährstoffen Hand in Hand geht, aber in allen den Fällen, wo die Aufnahme und Zufuhr von Flüssigkeit durch die oberen Wege bezw. den Magen behindert oder unmöglich ist, die grösste Bedeutung hat, besprechen. In jüngster Zeit hat Plantenga Versuche über den Werth der Nähr- klystiere! veröffentlicht, in welchen er zu wenig günstigen Resultaten über das Aufsaugungsvermögen der Dickdarmschleimhaut für stickstoffhaltige Substanzen kommt. „Mehr als 25 &m Eiweiss am Tage wurde kaum resor- birt; im Ganzen war die Aufnahme eine äusserst geringe, und nur für die Somatose etwas besser, namentlich wenn Kochsalz zugesetzt wird und nicht zu grosse Mengen eingespritzt werden, damit die Verweildauer eine mög- lichst grosse ist.“ In der That ist die Stickstoffaufnahme bei dem genannten Autor eine äusserst geringe, zum Theil allerdings deshalb, weil er nur sehr geringe Mengen N-haltiger Substanz verwendete. Aber selbst in dem einzigen Falle, in dem er 70 2m N in Summa per rectum einführte, sind im Mittel pro die nur 0.375 &W N, insgesammt bei einer 4tägigen Periode nur 1-43 sm „von dem per rectum eingeführten Stickstoff zurückgeblieben“. Plantenga kritisirt Eingangs seiner Arbeit die Versuche seiner Vorgänger und kommt zu dem Schluss, dass dieselben „für eine erhebliche Eiweissresorption im Dickdarm nicht beweiskräftig sind und die bisher gemachten klinischen Beobachtungen theils ihrer Unvollständiekeit wegen für den Werth der Nährklystiere nicht verwendbar sind, theils zu einem abfälligen Urtheil Ver- anlassung geben.“ So wird an meinen oben citirten Versuchen getadelt, dass der Stuhl der einzelnen Perioden nicht durch Kohle abgegrenzt und die N-Bestim- mung nicht durchgängig nach der Kjeldahl’schen Methode ausgeführt, son- dern der Harnstickstoff nach Pflüger-Bohland bestimmt wurde Plan- tenga übersieht, was ersteren Punkt betrifft, dass die Patientin, über die ich seiner Zeit berichtete, überhaupt keinen spontanen Stuhl hatte und durch den hohen Wassereinlauf in den Darm — das sog. Reinigungs- klystier — welches zu Anfang und zu Ende jeder Versuchsperiode vorge- nommen wurde, der auf jede Periode entfallende Koth in vollkommen aus- reichender Weise abgegrenzt wurde. Dagegen muss ich zugeben, dass ich besser gethan hätte, meine Zeit nicht mit der Pflüger-Bohland’schen Methode der N-Bestimmung hinzubringen, von deren Unbrauchbarkeit für praktische Zwecke heut zu Tage Jedermann überzeugt ist. An der Richtig- " Imaug.-Dissert. Freiburg i. B. 1898. ÜBER ERNÄHRUNGSKLYSMATA. 167 keit der damit zu erlangenden Resultate also auch meiner damaligen Er- gebnisse wird dadurch allerdings nichts geändert. Leider gelten die Vorwürfe, welche Plantenga seinen Vorgängern macht, aber thatsächlich für ihn selbst, insofern er es an genaueren Daten über die Anstellung seiner Versuche fehlen lässt und seine scheinbare Aus- führlichkeit in tabellarischer Wiedergabe der einzelnen Tage der Versuche und der darauf entfallenden Stoffwechselfactoren bei näherem Zusehen einiger- maassen problematisch wird. Plantenga geht nämlich offenbar so vor, dass er in seinen 4- bezw. Stägigen Versuchsperioden nur die Summe des sesammten während der Versuchsdauer in Harn und Fäces ausgeschiedenen bezw. im Klysma eingebrachten N bestimmt und durch Division für die einzelnen Tage berechnet. Dadurch stellt sich dann eine merkwürdige Gleich- mässigkeit für die einzelnen Tage jeder Periode heraus, wie sie natürlich in Wahrheit nie statt hat. Allerdings wird dadurch am Endresultat nichts geändert, wozu aber dann der Aufputz mit den einzelnen Tagestabellen ? Indessen das ist schliesslich nur eine harmlose Verschwendung von Drucker- schwärze. Bedenklich wird aber folgendes Vorgehen. Plantenga bestimmt in einer ersten 4tägigen Versuchsreihe die Menge des bei einer bestimmten Kost in den Fäces ausgeschiedenen N. Er giebt dann ausser dieser Kost in neuen Versuchsperioden Nährklysmata verschiedener Zusammensetzung mit bekanntem N-Gehalt. Es wird für jede Periode der N-Gehalt der Fäcal- ausscheidung bestimmt, und der „von dem per rectum eingeführten N zurück- gebliebene“ Stickstoff in der Weise bestimmt, dass zu dem N des Nährklysmas der in der anfänglichen Versuchsreihe auf die Nahrung per os entfallene N addirt und von der Summe der in der jeweiligen neuen Versuchsreihe in den Darmentleerungen gefundene N abgezogen wird. Dies Verfahren setzt voraus, dass die Resorption der Nahrung per os im Darm in allen Ver- suchen, also zu den verschiedensten Zeiten dieselbe gewesen ist — eine selbstverständlich ganz willkürliche Annahme. Bei solchem Vorgehen werden aber auch die gewonnenen bezw. errechneten Resultate unsicher und ent- sprechen jedenfalls nicht genau dem thatsächlichen Verhalten. Indessen sind — selbst wenn man diesen Fehler in Betracht zieht — unsere beider- seitigen Resultate so sehr verschieden (95 zu 2-04 Procent effectiver N-Auf- nahme!), dass ich nur annehmen kann, dass Plantenga die Methode der Einbringung der Nährklysmata nicht genügend beherrscht oder das Unglück gehabt hat, auf ganz besonders ungeeignete Individuen zu treffen. Dass unter günstigen Umständen eine sehr erhebliche, meist eine beträchtliche Menge des per rectum eingeführten N resor- birt wird, geht unzweifelhaft aus unseren Versuchen und klinischen Be- obachtungen hervor, wenn sich auch ein Ansatz von N in den vorliegenden Fällen nicht erzielen liess. Es wird Aufgabe weiterer Versuche sein, eine 168 C. A. EwALp: Form der Darreichung des Eiweisses zu finden, bei welcher dasselbe in grösseren Quantitäten oder in concentrirter Form dem Darm einverleibt werden kann, ohne dass es zu Reizerscheinungen kommt, welche die vorzeitige Ausstossung des Klysmas zur Folge haben. Analytische Anlage.! EBaler = Urın. Tag Menge Reaction Spee. Gewicht) Stickstoff in Grammen 1. 3.—4. Febr. 820 © | amphoter 1020 gm 5-74 : 2. 4.8. 5 6935 | sauer 1027 „ 8:05644 ee GO ® 1019 „ 8-63296 4.6.—7T. 1200 „, | % 1021 „ 9.1392 Bull sn, 1400 | A 1017 ,, 10-976 42.54 Ad 1. 3. bis 4. Februar. 5m Urin werden zum Kjeldahl genommen. Vorgelegt wurden: 20-.0°® 1/. H,SO,, diese brauchten zur Neutralisation 7-5 „ 1, NaOH. Bleiben 12.5 m 1/, H,SO,, zu multiplieiren mit 09-0028 = 0-0358T N in 5m, Also in 820° 0.035 x 164 = 5-T48mMN. Ad 2. 4. bis 5. Februar. sem Urin zum Kjeldahl verwandt. Vorgelegt wurden: 25.0 °w 1. H,SO,, diese brauchten zur Neutralisation 4:3, 4, NaNH. 2 au su 17.80, Also 20-7 x 0:0028 = 0:05796 82m N in 5°, Also "me695..220205796xX 1897820) 6 AALEN: Ad 3. 5. bis 6. Februar. 5 em Urin werden verarbeitet. 20-0°2 1. H,SO, 3-6, /,. NaOH 16-4 m 1/. H,SO, x 0-0028 = 0-04592 x 188 = 8.635296 8 N. Ad. 4. 6. bis 7. Februar. 20-0 1. H,SO, BA le NaOH 13-6 m 1/, H,SO, x 0-0028 = 0-03808 x 240 = 9.1392 8% N. Ad 5. 7. bis 8. Februar. 20.0 em Sr H,sO, 60 Na0H 14.0 m 1/. H,SO, x 0-0028 = 0:0392 x 280 = 10-976 8° N. ! Von Hrn. Dr. Rost. ÜBER ERNÄHRUNGSKLYSMATA. 169 Ernährungsklysma. Jedes Ernährungsklysma bestand aus Milch, 1 Eigelb, 1 Theelöftel Mehl, 1 Glas Wein. Die Menge betrug 400°, Es wurden 3 Klysmata pro die verabreicht = 1200 m, Es werden zwei Proben analysirt. Hierzu je 10 “”® entnommen. 10m Ernährungsklysma. 1. 30.0 m win 3520) 7, 3): NaOH .g ccm Ir H, 30, # .() gem ur IA so, dr? NaoH .j com ul: H, so, also ze 3 x 0-0028 = 006524 x 120 — — 1.8288 Der durch lrale zugeführte N = 7.8288 8", Stuhlgang. Jede Portion Stuhl wird mit schwefelsäurehaltigem Wasser angesäuert und abgedampft. Die folgenden werden hinzugegossen, wieder angesäuert u. Ss. W. er} IND Do x er 8 DD m Schale ohne Koth wog . . 860 8m Schale mit Trockenkoth wog 927 „ also 67.0 2”% Trockenkoth. Von diesen 67-0 2% Trockenkoth werden zwei Proben entnommen & 1-0 und werden verarbeitet. 2.01 el. 50, 0237,,2.1/..Na0H 13272025 5711:50.. 2..30202.2 22/1550, 19:2, NaOH 19.8 em Ur H,O, also 19-75 X 0-0028 = 0-0553 x 67 = 3-7051 5m N. Kann: [er] Tag | Menge Reaction Spec. Gewicht) Stickstoff in Grammen 1. 24.—25. März| 920m | sauer 1017 sm 8-39776 De. | 550, “ 1029 „ 10-388 32027. 5 590 u. | a 10218 6-74016 OT IBE Ne] En "1017 , 10-9228 DB: 29,5 510. | 2 102804 10-08168 29.80. 370, | 5 1025 „ 71-252 | 53.7824 Ad 1. 5em Urin. 30.0 m 1/ H,SO, 13.7 „ 1, NaOH 16:3 x 0-0028 = 0-04564 x 184 = 8-39776 em N. 170 C. A. EwaAup: Ad 2. ZnrcHiTEn? 40.0 m 1/. H,SO, 5-0 „ 1), NaOH 35°0 x 00028 = 0-098 x 106 = 10388. Ada sa En: 30.0 1/, H,SO, 9.6 „ 1/, NaOH 20-4 x 0:.0028 = 0:05712 x 118 = 6-74016. Ada HLcmeTm: 40.0 «em ur H,SO, 16-5 „ .!/, NaOH 23:5 x 0-0028= 0.0658 x 166 = 10.9228. Ad 5.5 senzlTem: 40. 02221/277580, 40 0 NSOH 35-3 X 0.0028 = 0-09884 x 102 = 10-08168. Ad6. 5 m Trin. 40:0 cem Die H,SO, 5:0 „ }/, NaOH 35-0x 0.0028 = 0.098 x 74=17-252. Eine Analyse des Ernährungsklysmas, von welchem zwei Proben entnommen wurden, ergab dieselben Resultate wie in Falll. 3 Klysmata = 7.828887 N. In 6 Tagen = 18 Klysmata = 46.9728 8% N. Stuhlgang: Schale ohne Koth Schale mit Koth. Also Koth . . 85.0 gm „14720, . 62-0 8m, Der Koth war absolut trocken. Diesen 622% Trockenkoth wurden drei Proben entnommen. 1. 0-5 sm, 5 0) cem 6 ” 1); H,80, !j, NaOH 2. 0.5 sm, . 2 ccm .g com 1 „ ‘/; H,S0, !/, NaOH 3. 1.0 8m. 60: 47- .g9 com 0) cem 9) ee) ls H,SO, \/, NaOH 12. 8 cem Also 6-2 x 0-0028 = 0-01736 x 124 = 215264 8” N. ÜBER ERNÄHRUNGSKLYSMATA. 171 Ball II Wein.” Tag Menge Reaction ISpee Gewicht Stickstoff in ae 1. 14.—15. April | | 970m | sauer | 10168 526904 2.15.—16. „ 830, | si |: 1022 & 10-292 3. 16.—17. „ 510 „ hs ' 1029 „ 9.1392 4.1..—18. 500 „, 2 | 109 „ 9-576 3427624 Ad 1. 5em Urin. 30.0°m 1/, H,SO, 20-3 „ 1) NaOH 9:7 X 0:0028 = 0-02716 X 194 =5-23690 4 a N. bez Ulnn. 300° 17, H,SO, U NaOH 22-5 x 0-0028 = 0.062 x 166 = 10-292 8" N. ABS Hu Trm: 50.0 em I. H,SO, 18-0 „ !/, NaOH 32-0 X 0-0028 = 0° 0896 x 102 —=9-1392 8” N, Aasa.r HeemeTrm, 40.0 cm Ile H,SO, 5-8 „ 1/, NaOH 34:2 x 0:0028 = 009576 x 100 = 9'576 3" N. Ad w Klysma. SE RIysmalas a 02 082853 N: Also in 4 Tagen ler Stuhlgang: Schale ohne Koth. . . 157 gm Schale mit Koth . . . 389-1 „ Also Koth 232.1 8", 2 Proben & 0.531, 1.290.020 53, 11.50, 320,025 NaOH 1720 220.0. U: H,SO, ZN; 7 NaOH 17.1 2, A1s0=.1720%0:0025020376. Also in 232-185” Koth 00476 x 464-2 =22.1. ! Der Versuch musste nach 4 Tagen abgebrochen werden, da Pat. die Klystiere nicht mehr halten konnte. 172 C. A. EwAuD: Ball IV. URnim: Stickstoff Tag Menge Reaction Spec. Gewicht Gew. d. Pat. ccm grm grın kg 1. 29.—30. Juni | 1185 | neutral 1007 6-10512 | 29.0 d.30.VI. 2. 830.Juni-1.Julii 1365 sauer 1007 9.05814 58.0 3. 1.— 2. Juli 1200 = 1009 10-2816 57-6 4. 2.— 3. „ 135 ss 1012 17-8204 571 I. 3.— 4 ,„ 800 35 1012 8-96 56-6 6. 4-5 „ 865 Rn 1011 8-62232 56-1 Adels Sc2ljrin: 60.0. m nlao H,SO, 416,024, NaOH 18-4 = 0.-:02576 X 237 = 6 10512 8m N. Ade2.2=29:°2 Urin: A0.0 en ao H,SO, ID Na0H 23.7 x 0-0014 = 0:03318 x 273 = 905814 8" N. Ada. 520 Urn. 2040.22. 271°. 21.50, 4.7 „ 1/, NaOH 15-3 x 0°0028 = 0:04284 x 240 =10°2816 =” N. Ad 4. 5° Urin. 20.0.2221, 7,50, 120,2, NaOH 19-0 x 0:0028= 00532 x 147 = 782042” N. Adesm so... ljrin: 25.09 1m Ui H,SO, 520,022, NaOH 20-0 X 0°0028= 0.056 X 160. — 8-96 ZEN. Ad2b. Hcanzlein: 25. 0,.:2 1, 7H,S0, 7:2, 02. NaOH 17'8 x 0-0028 = 0°04982 x 173 = 8° 62232 5" N. Gesammtmenge des N = 50.847582" N. Erbrochenes. Am 1./VI. 1896. Klare Flüssigkeit 322 8””%. Fr. HC] + Acid. 43. N-Gehalt = 0. Am 3./VII. 1896. N-Gehalt des Erbrochenen =. Fr. HCl + Acid. 46. N-Gehalt = 0. ÜBER ERNÄHRUNGSKLYSMATA. 173 Ernährungsklysma. In drei Portionen wurden 800 2% verabreicht. Jede Portion enthielt 2 Gelbeier, 1 Messerspitze Salz, 1 Messerspitze Mehl, 1 Glas Rothwein. Zur N-Bestimmung wurden entnommen je 5.0 8m, 1. 400m 1/, H,SO, 20-1, !/, NaOH 19-9 x 0.0014 = 0:02786 X 160 = 4-4576 X 2= 8.9152. 2. Audi. 3. 4-44. 4. 445, In 6 Tagen wurden zugeführt: 53-4912 8m N. Stuhlgang. 4128" trockener Koth. Zur Bestimmung entnommen 0-53", 3 Bestimmungen ergaben: 60.0. m R H,SO, 44-7 „ !/, NaOH 15-3 x 0-0028= 0.04284 x 824= 35-30 8" N. Von Fall V sind die speciellen analytischen Daten leider nicht mehr vorhanden. Auch hier wurden meist Doppel-Analysen angefertigt. Sexualfunction und Stoffwechsel. Ein experimenteller Beitrag zur Frage der Organtherapie. Von Dr. A. Loewy, und Dr. Paul Friedr. Richter, Privatdoe. an der Universität Assist. der III. med. Klinik in Berlin, in Berlin. (Aus dem thierphysiolog. Laboratorium der landwirthschaftl. Hochschule zu Berlin.) Drei Decennien sind nunmehr verflossen, seitdem Brown-Sequard mit seiner Entdeckung der „inneren Secretion“ die Grundlage zu der modernen Gewebssafttherapie gelegt hat. Dieselbe hat eine Entwickelung genommen, wie wir sie so oft in der Geschichte der Mediein sehen: Erst ver- lacht und verspottet, hat nach vereinzelten staunenswerthen Resultaten die Organtherapie in kurzer Zeit grosse Bedeutung erlangt und vielfältige An- wendung erfahren, ohne dass die Heilerfolge die hochgespannten Erwartungen befriedigt hätten. Eine rohe Empirie hat die Methode discreditirt; gewisse mystische Vorstellungen, die mit ihr verbunden sind und sie bald als einen Ausfluss homöopathischer Denkungsweise, bald als eine Fortführung uralten Volks- und Köhlerglaubens erscheinen liessen, haben wissenschaftlich denkende Aerzte mit der grössten Skepsis erfüllt. Nur langsam und allmählich, wie mit einem gewissen inneren Widerstreben, wendet sich die experimentelle Forschung der dankbaren Aufgabe zu, eine Erklärung für diese räthselhafteste aller therapeutischen Wirkungen zu suchen. Die von Brown-Sequard aufgestellte Lehre lautet bekanntlich dahin, dass in erster Reihe die Drüsen des Körpers, dann aber alle Gewebe ge- wisse specifische Stoffe liefern, welche, in’s Blut aufgenommen, durch dessen Vermittelung alle Zellen des Organismus beeinflussen, deren Fehlen schwere Veränderungen nach sich zieht: „Les secrötions internes, soit par une in- fiuence favorable directe, soit en empe&chant des actions nuisibles, semblent etre d’une grande utilitö pour maintenir l’etat normal de l’organisme.“ A. LoEwY unD P. F. RiCHTER: SEXUALFUNCTION U. STOFFWECHSEL. 175 Ihre glänzendste Bestätigung hat diese Lehre an der Schilddrüse erfahren. Physiologisches Experiment, wie pathologische Beobachtung haben einhellig erwiesen, von welch’ schweren Folgen für den Körper der Ausfall der Schilddrüsenfunction sehr häufig begleitet ist, wie andererseits die Sub- stitution der ausgefallenen Drüse im Stande ist, diese üblen Folgen ganz oder theilweise aufzuheben. Weniger klar liegen die Verhältnisse für eine andere Reihe von Drüsen-Gebilden, und am skeptischsten ist die Brown- Sequard’sche Lehre gerade für die Art von Drüsen aufgenommen worden, von denen sie ursprünglich ausging, nämlich für die Geschlechtsdrüsen. Und doch liegen für eine experimentelle Prüfung hier die Verhält- nisse, schon oberflächlich betrachtet, am günstigsten: die Herausnahme der (reschlechtsdrüsen ist eine verhältnissmässig einfache Operation; sie gefährdet das Leben des Individuums nicht; welche Veränderungen der Ausfall der Geschlechtsdrüsen schafft, das ist durch vielfältige Erfahrungen an Thier und Mensch festgestellt. — Mehr als vom männlichen, gilt dies vom weib- lichen Geschlecht: der Eigenart und Bedeutung des weiblichen Organismus entsprechend, ist hier der Einfluss des Sexualapparates auf die Körperfunc- tionen, ebenso wie letzterer räumlich ausgedehnter ist, auch ein weit um- fangreicherer, als beim Manne. Um zu erfahren, wie dieser Einfluss sich äussert, dafür haben wir über- dies eine Reihe von Wegen: 1. Das Studium der Veränderungen, welche die natürlich sich voll- ziehende Atrophie der Geschlechtsdrüsen, wie sie das klimakterische Alter mit sich bringt, herbeiführt. 2. Die Beobachtung der Erscheinungen, welche nach künstlicher Entfernung der Keimdrüsen, also bei antecipirter Klimax, eintreten. Hier- für liegt durch die moderne operative Gynäkologie bereits ein reiches Mate- rial vor. 3. Die Erfahrungen, welche die Thierzüchter gesammelt haben. Ist doch die Castration weiblicher Thiere eine zu gewissen Zwecken bereits seit Jahrtausenden geübte und eingebürgerte Operation. Beginnen wir zunächst mit den klinischen Erfahrungen. Dieselben ergeben, dass natürliche wie künstlich antecipirte Klimax von einer Reihe von Veränderungen im weiblichen Organismus begleitet bezw. gefolgt sind, die bei beiden Zuständen in gleicher Richtung ablaufen, in letzterem Falle nur, entsprechend dem plötzlichen Verluste der Geschlechtsdrüsen, gewöhn- lich stürmischer einsetzen und ausgesprochener verlaufen, als im gewöhn- lichen Klimakterium, wo sich dieser Verlust langsam und allmählich vollzieht. Diese „Ausfallserscheinungen“ — schen zu einer Zeit so gedeutet, als man nur aus der zeitlichen Aufeinanderfolge der Erscheinungen auf eine Be- ziehung zwischen Wegfall der Geschlechtsdrüsenthätigkeit und den Körper- 176 A. LoEwY un PAUL FRIEDR. RICHTER: functionsstörungen schloss, ohne sich theoretischen Speculationen über die Natur dieser Beziehungen hinzugeben — betreffen die verschiedensten Systeme und Organe: Der Genitalapparat atrophirt; Störungen des Nerven- systems documentiren sich durch die sogenannten „Wallungen“, durch Schweisse, durch Schwindelanfälle, in hochgradigeren Fällen wohl auch durch Alterationen der Psyche. Daneben ist nicht selten ein deutlicher Einfluss auf den allgemeinen Ernährungszustand unverkennbar. Die moderne Deu- tung dieser Ausfallserscheinungen in dem Sinne der Brown-Sequard’schen Theorie, das heisst also die Annahme, dass das Wegfallen eines Secretes, welches die Geschlechtsdrüsen absondern und das in noch unbekannter Weise den Gesammtorganismus zu beeinflussen vermag, das Auftreten der Störungen verursacht, ist rein empirisch unserem Verständnisse näher gerückt worden und erscheint uns jedenfalls plausibel, seitdem auf Ver- anlassung von Theodor und L. Landau durch Mainzer! gezeigt worden ist — und eine grosse Anzahl von Autoren haben das bestätigt — wie die meisten dieser Störungen, die mit Recht oder Unrecht auf den Ausfall der Ovarien bezogen werden, nach Analogie der Schilddrüsentherapie durch den internen Gebrauch von Ovarialsubstanz beseitigt werden können. Aber ob es sich hier wirklich im Sinne der Lehre von der „inneren Secretion“ um den Ersatz eines Secretes handelt, welches mit der Ausschal- tung der Ovarien dem Organismus verloren ging, das ist aus den mit- getheilten Heilerfolgen doch wohl nicht mit Sicherheit zu schliessen. Wir sehen dabei ganz von dem älteren Einwande Hegar’s ab, der gegen eine Parallelisirung des Ovarialsecretes mit dem der Schilddrüse in’s Feld führt, dass die Schilddrüse keinen Ausführungsgang hätte und ihr Secret nicht nach aussen, sondern vollständig in die Säftemasse abgäbe, dass dagegen die Eierstöcke ihr Secret nicht nach innen, sondern in den Genitalschlauch treten liessen, von einer „inneren“ Secretion also beim Ovarium überhaupt nicht die Rede sein könnte. Wissen wir doch seit dem Beispiel des Pankreas, wie neben dem nach aussen, hier in den Darm gelangenden Secrete ein zweites, das in das Blut übertritt, eine für die Oekonomie des Körpers ausserordentlich wichtige Rolle spielt. Es ist ein anderer Punkt, der der Verwerthung der therapeutischen Resultate im Sinne der erwähnten Theorie Schranken auferlegt. Die in der Litteratur niedergelegten Heilerfolge betreffen doch in der Hauptsache subjective Be- schwerden aus der nervösen Sphäre, bei denen wenigstens a priori der Ge- danke an eine Suggestivwirkung nicht auszuschliessen ist. Nun scheint ja nach den übereinstimmenden Berichten zuverlässiger Autoren — und nament- lich im Auslande sind wichtige Erfahrungen darüber gesammelt — eine ! Mainzer, Deutsche medieinische Wochenschrift. 1896. SEXUALFUNCTION UND STOFFWECHSEL. 177 blosse Suggestion bei der Ovarial-Organtherapie ausgeschlossen zu sein; immerhin werden wir, wenn wir die auf der Lehre von der inneren Seeretion beruhende Berechtigung einer solchen Therapie beziehungsweise das Vorhandensein eines von den Ovarien ausgelösten Einflusses auf den Ge- sammtorganismus erweisen wollen, uns nach Kriterien umsehen müssen, die einer exacten Beurtheilung leichter zueängig sind und einen zuver- lässigeren Maassstab abgeben, als die immerhin doch vieldeutigen Wirkungen auf das Nervensystem. Und solche Kriterien bieten sich nur dar in der Wirkung auf den Er- nährungeszustand. Dass um die Zeit des Klimakteriums eine Zunahme des Körpergewichtes recht häufig zu beobachten ist, ist eine längst bekannte und in den Volksmund übergegangene Erfahrungsthatsache. Haben wir nun Anhaltspunkte dafür, die uns berechtigen, diese Gewichtszunahme zu dem Aufhören der Thätigkeit der Geschlechtsdrüsen in Beziehung zu setzen und in ihr nicht vielmehr ein mehr zufälliges Zusammentreffen zu erblicken, das in seiner Häufigkeit vielleicht noch übertrieben wird? Diese Frage hat schon vielfältige Bearbeitung gefunden, und da ihre positive Beantwortung die Grundlage für unsere experimentellen Untersuchungen bildet, werden wir zunächst auf sie einzugehen haben. Wir können uns zunächst auf die in der Thierzucht gemachten Er- fahrungen stützen. Die Castration der Thiere, besonders der weiblichen, ist eine sehr alte Operation:! Aristoteles und Plinius sprachen bereits von ihr; Soranus von Ephesus erwähnt, dass „die Schweine darnach stärker und fetter werden.“ Galen spricht ebenfalls davon, „dass die Schweine gewöhnlich castrirt werden, nicht nur bei uns, nicht nur in Klein- asien, sondern auch in jenen nördlichen Grenzländern bis nach Kappadozien hin. Sie werden alle sehr aufgeschwollen und fett.“ Hegar stellt aus seinen sehr ausgedehnten und sorgsamen litterarischen Studien über diesen Gegenstand fest, dass für junge Thiere allgemein eine leichte und schnelle Mästung angegeben wird: der Uterus entwickelt sich nicht weiter nach der Castration; die Brunst tritt nicht ein, die Thiere gewinnen ein ruhigeres Temperament und damit die Tendenz zum Fettansatz. Anders stellen sich die Verhältnisse bei erwachsenen Thieren; hier, allerdings weit weniger geübt, führt die Operation nicht zu den gleichen Erfolgen, wie am jungen Thier: Die leichtere Mästung bezw. der grössere Fettansatz sind sehr proble- matisch; Parallelversuche, bei denen man castrirte und nicht castrirte Kühe bei gleicher Fütterung und Pflege zusammenstellte, ergaben keine wesent- lichen Unterschiede. Allerdings macht Hegar darauf aufmerksam, obgleich ! Die historischen Angaben s. bei Hegar, Die Castration der Frauen. Volk- mann’s Klin. Vorträge. 8. 136—138. Archiv f.A.u.Ph. 1899. Physiol. Abthlg. Suppl. 12 178 A. LoEwY unD PAusn FRIEDR. RiCHTER: ihm selbst die erwähnte Wirkung der Castration bei jungen Thieren ausser allem Zweifel steht, dass ähnliche genaue Parallelversuche, wie bei älteren Thieren, nicht gemacht sind. Was ergeben nun die Erfahrungen am Menschen? Hier lauten die Angaben über den Einfluss des Weofalles der Geschlechtsdrüsenfunetion bei beiden (Geschlechtern verschieden. Beim männlichen Geschlechte finden entgegen der herrschenden Ansicht manche genau beobachtenden Autoren keinen Einfluss der Castration auf den Fettansatz. So findet Bilharz! die Eunuchen ungewöhnlich lang und hager; Kremer? beschreibt dasselbe. White? macht auf die unbekannten Momente aufmerksam, die dabei be- stehen müssen, indem die Nubier bald nach der Castration abschreckend dick werden, während sich bei den Abessyniern die Schlankheit der Formen nicht ändert. Uebereinstimmend geben dagegen fast alle Autoren für das weibliche Geschlecht eine Wirkung des Ausfalles der Geschlechtsdrüsenfunction auf die Körperbeschaffenheit zu. Was zunächst das Klimakterium betrifft, so meint Ploss:* „Es machen sich in diesem wichtigen Zeitabschnitte Veränderungen an sämmt- lichen Körperformen des Weibes bemerkbar. Dieselben sind nicht zum kleinsten Theile bedingt durch eine nicht unbedeutende, bisweilen ganz er- staunliche Zunahme des Fettpolsters an allen Theilen des Körpers —“ und er weist die Allgemeingültigkeit dieser Thatsache durch vergleichend an- thropologische Studien eingehend nach. Von statistischen Angaben, die darüber vorliegen, erwähnen wir die ausführlichen von Tilt.® Tilt findet bei der Untersuchung von 282 Frauen, dass 5 Jahre nach dem Eintreten der völligen Menopause 121 stärker ge- worden waren = 43 Procent, 71 ihren früheren Umfang behalten hatten — 25 Procent, 90 magerer geworden waren = 32 Procent. Die Gewichtszunahme ist darnach durchaus keine durchgehends beob- achtete Erscheinung, sie gehört nicht zu den ständigen Folgen des Klimak- teriums; immerhin muss sie bei ihrer relativen Häufigkeit die Aufmerksamkeit auf sich lenken. Ueber den Einfluss der durch operative Entfernung der Ovarien ante- cipirten Klimax auf den Ernährungszustand liegt eine weit grössere, mit der Zunahme der Erfahrungen sich noch steigernde Litteratur vor. Aeltere Autoren, die erst über vereinzelte Operationsresultate verfügten, sprechen ! Bilharz, Senckenberg’sche Gesellschaft. Bd. V. 1864—65. ®? Kremer, Zgypten. 1863. > White, Türkei. 1845. * Ploss, Das Weib. 5 Tilt, Citirt nach Krieger, Die Menstruation. Berlin 1869. SEXUALFUNCTION UND STOFFWECHSEL. 179 sich noch skeptisch aus. So meint Köberle:! L’exstirpation des deux ovaires n’apporte aucune modification notable dans l’etat general.... Les femmes n’ont pas tendance A prendre un embonpoint exagcre, lorsquelles n’avaient pas deja une predisposition A l’obesite.* Dem gegenüber schreibt Hegar’ schon 1878: „Eine gewisse Neigung zum Embonpoint scheint mir jedoch vorhanden, selbst wenn man den durch den Wegfall der Krankheitszustände verbesserten Gesundheitszustand der Patientinnen in Rechnung zieht. Eine meiner Patientinnen, der ich beide Eierstöcke herausnahm, hat innerhalb 10 Monaten 20 Pfund zugenommen, eine andere etwa 6 bis 8 Pfund. Bei beiden ist keine Anlage zur Fettleibigkeit vorhanden, und das Temperament ein sehr lebhafte. Von 5 Hysterotomirten ist nur bei einer eine, wenn auch gerade nicht sehr auffallende, Zunahme des Embonpoints beobachtet worden, welche besonders in den ersten Monaten nach der Operation auf- fallend hervortrat und sich später etwas verminderte.“ — Sieht man die Hegar’schen Tabellen über die Resultate seiner eigenen doppelseitigen Övariotoinieen und die bis dahin publiceirten anderer Autoren durch, so findet man öfters den ausdrücklichen Vermerk: ‚sehr fettleibig nach der Operation geworden‘. Von älteren Angaben nennen wir ferner die von Battey,? der über einen Fall von Castration berichtet, bei welchem innerhalb dreier Jahre nach der Operation die ganz exceptionelle Zunahme von 90 auf 250 Pfund stattfand. Puech* und Lietaud? wollen keine Gewichtszunahme gefunden haben; dagegen spricht sich P&ean® im Sinne einer solchen aus: Ce qui est moins discutable, c’est la tendance & l’embonpoint. Neuerdings verfügen wir über eine Reihe von Statistiken, die zahlen- mässig die Störungen nach Entfernung der Geschlechtsdrüsen festzustellen suchen und auch für die uns hauptsächlich interessirende Frage des even- tuellen Fettansatzes Material beibringen. Sehr eingehend beschäftigt sich damit die Arbeit von Glaeveke.” Bei 40 untersuchten Fällen findet er Folgendes: In 22.5 Procent ändert sich der allgemeine Ernährungszustand nicht, in 35 Procent nimmt das Körpergewicht wenig zu, in 42.5 Procent erreicht diese Zunahme eine bedeutende Höhe. Die Gewichtszunahme be- trägt bis zu 40 Pfund. Will man verhältnissmässig kleine Zahlen, wie es ! Citirt nach Hegar. ® Hegar, Die Castration der Frauen. Battey, These de Paris. 1871. * Puech, Montpellier medical. 1873. T. XXX. 5 Lietaud, Archives generales de medecine. 1879. 6 P&an, Gazette medicale. 1880. — Traite des tumeurs de Vabdomen. 139. ” Glaeveie, Archiv für Gynäkologie. 1889. w 125 180 A. Loewy un PAusL FRIEDR. RICHTER: doch immerhin 40 Fälle nur sind, für statistische Vergleichszwecke be- nutzen, dann ist es interessant, zu ersehen, dass, wie Glaeveke aufmerk- sam macht, die Zahl von 42-5 Procent fast genau mit der von Tilt bei Klimax gefundenen übereinstimmt. Weiterhin ist es für die theoretische Auffassung von Wichtigkeit, dass (Glaeveke zum ersten Mal genauere Vergleiche angestellt hat zwischen der Wirkung, welche die operative Entfernung der Ovarien und die Totalexstir- pation des Uterus nach sich zieht. Hierbei zeigt sich nun Folgendes: Nach letzterer findet in 66 Procent der Fälle kein Fettansatz statt und nur in 25 Procent nimmt die Körperfülle in auffallender Weise zu. Diejenigen Fälle aber, in denen der Fettansatzam bedeutendsten ist (21 und 24 Pfund), sind solche, bei denen gleichzeitig eine Verletzung oder Zerstörung der Ovarien während der Operation stattgefunden hat; schaltet man diese Fälle aus, dann wird die Differenz in der Wirkung auf den Ernährungs- zustand zwischen Castration und Totalexstirpation noch eclatanter. Aehnliche Resultate hat Pfister! ermittelt. Auch er kommt zu dem Schlusse, dass eine vermehrte Neigung zur Fettablagerung nach Castration entschieden vorhanden ist. Seine Zahlen ergeben sogar bei 52 Procent der Öperirten eine Zunahme, bei 30 Procent ein Gleichbleiben, bei 18 Procent einen Rückgang des Körpergewichtes. Dabei ist aus seinen Ergebnissen als besonders bemerkenswerth hervorzuheben, dass in den positiven Fällen sich die Gewichtszunahme verhältnissmässig rasch vollzieht und oft schon nach Verlauf eines Jahres sehr ausgesprochen ist. Eine auffällige Neigung zur Fettsucht bei castrirten Frauen vermeldet ferner Sherwood Dune.” Von Hundert seiner Ovariotomirten haben 385 an Gewicht zugenommen, und zwar mehr die in jugendlichem Alter operirten, als ältere Frauen, die zur Operation gelangten. Nicht ganz in demselben Sinne, wie bei den erwähnten Autoren, ist die Statistik Jayle’s ausgefallen. Jayle? meint sogar: L’adipose est con- trairement a ce que l’on pensait, un des effets les plus rares de la castra- tion. — Immerhin erweisen auch seine Feststellungen bei 10 von 42 doppel- seitig Ovariotomirten eine Zunahme des Körpergewichtes, bei 4 davon sogar eine äusserst beträchtliche. Von 13 Fällen mit gleichzeitiger Herausnahme des Uterus ist bei 5 eine Zunahme notirt; von 14 Uterusexstirpationen ohne Entfernung der Adnexe ist dagegen nur bei 3 Patientinnen ein Fett- ansatz aufgetreten. Ganz ablehnend gegenüber einer als Folgeerscheinung der Castration Sherwood Dune, Annales of qynaecoloay. Vol. XI. Jayle, Revue de aynecologie. 1897. 0 0] m SEXUALFUNCTION UND STOFFWECHSEL. 1 neueren Autoren nur Keppler,! der zu dem Resultate kommt: „Von der allgemein hervorgehobenen Neigung zum Embonpoint nach Castration habe ich in keinem Falle etwas bemerkt; vielmehr sind alle meine Patientinnen, wenn auch nicht bedeutend, doch entschieden schmächtiger geworden.“ Wir sind auf diesen Punkt etwas ausführlicher eingegangen und haben geglaubt, die bis jetzt in der uns zugänglichen Litteratur vorliegenden An- gaben zusammenstellen zu sollen, um nachzuweisen, inwieweit die allgemein übliche Annahme eines Zusammenhanges zwischen Feltsucht und Geschlechts- drüsenthätigkeit exacten, ziffermässigen Feststellungen gegenüber Stich hält. So viel geht jedenfalls aus diesen hervor, dass nach dem Aufhören der Geschlechtsdrüsenfunction eine Veränderung des Ernährungszustandes im Sinne eiuer Gewichtszunahme eintreten kann. Durchaus nicht in allen Fällen, nicht einmal in der überwiegenden Mehrzahl, immerhin aber in einem verhältnissmässig stattlichen Procentsatz, der die Erscheinung über das rein Zufällige erhebt, zumal er bei der natürlichen, wie bei der künst- lich antecipirten Klimax, also in verschiedenem Lebensalter, ungefähr der gleiche ist. Nun sind allerdings die Thierversuche nicht ganz eindentig; denn die Thierzüchter beschränken sich ja für ihre Zwecke nicht auf die Operation allein, sondern sie wenden daneben, worauf besonders Ebstein aufmerksam macht, foreirte Ernährung und Einzwängen in enge Räume, also Ausschluss von Bewegung, an, beides Momente, die allein für sich schon genügen würden, Fettansatz zu erzeugen. In der Castratiov brauchte man demnach nicht das veranlassende, sondern nur das begünstigende Moment für die Besserung des Ernährungszustandes zu sehen. Auch die statistischen klinischen Angaben lassen insofern eine er- hebliche Lücke, als sie wenig oder gar nicht die anderen Momente berück- sichtigen, welche zur Fettleibigkeit führen oder wenigstens eine dazu vor- handene Neigung unterstützen. Abgesehen von den einer weiteren Dis- eussion wohl nicht benöthigenden Einflüssen, wie sie die Diät, wie sie Ruhe und Bewegung darstellen, kommt hier vor Allem die Erblichkeit in Frage, die erfahrungsgemäss eine so grosse Rolle in der Aetiologie der Fett- leibiekeit spielt. Von Heredität ist, wenn wir von den vereinzelten An- gaben, die in dieser Beziehung Hegar macht, absehen, in den citirten ausführlicheren Statistiken so gut wie gar nicht die Rede, und gerade dieser Factor ist, während die anderen viel schwerer controlirbar sind und man sich meistens mit der allgemeinen Angabe begnügen muss: die Lebens- führung wäre vor und nach der Operation ungefähr dieselbe geblieben — ein Umstand, der den Wert der Statistiken erheblich abschwächt — am ! Keppler, Wiener klinische Wochenschrift. 1891. 182 A. Loswy un PAUL FRIEDR. RicHTER: leichtesten zu eruiren. Im dieser Beziehung ist von Interesse eine Statistik, die Hr. Prof. Landau die Güte hatte, anstellen zu lassen: sie ergiebt — auf die Details wird an anderem Orte eingegangen werden — dass bei den etwa 25 Procent Frauen, welche nach Castration eine mehr oder minder erhebliche Fettzunahme innerhalb Jahresfrist zeigten, die Heredität von keinem deutlichen Einflusse war; Frauen, in deren Familie keine Fett- leibigkeit herrscht, nehmen ebenso häufig an Gewicht zu, wie die hereditär Belasteten. Trotz aller berechtigten Einwände bleibt jedenfalls die Thatsache be- stehen, dass in einer nicht unerheblichen Anzahl von Fällen der. Ausfall der Geschlechtsfunction von einem mehr oder weniger erheblichen Fett- ansatz gefolgt ist, und es hat von jeher nicht an Erklärungsversuchen für diese auffallende Erscheinung gefehlt. Allerdings können uns manche da- von nicht genügen. So werden wir uns die Erklärung, die ältere Autoren, wie Krieger, geben, dass nämlich das durch das Aufhören der Menses überschüssige Blut zur Fettbildung verwendet würde, bei dem heutigen Stande unserer Kenntnisse über Fettbildung nicht zu eigen machen, wie uns auch die Ansicht von Ebstein wenig befriedigen kann, der in der „Blutarmuth“ ein beförderndes Moment für die Fettsucht nach Castration erblickt. Gerade die Erfahrungen, welche man mit der ohne wesentliche Aen- derung der Lebensweise eintretenden Fettleibigkeit klimakterischer und castrirter Frauen gemacht hat, haben schon seit Längerem dazu geführt, ihr eine gewisse klinische Sonderstellung zu verschaffen, in ihr ein Beispiel der sogenannten „constitutionellen‘“ im Gegensatz zur „Mastfettsucht“ zu sehen, richtiger ausgedrückt, ein Beispiel eines activen Bestrebens des Organismus, einer Fettsucht in engerem Sinne im Gegensatz zu einem ihm passiv aufgezwungenen Zustande, der Fettleibigkeit. Von Cohnheim rührt bekanntlich die Hypothese her, dass in der Aetiologie der „Fettsucht“ eine Herabsetzung der oxydativen Thätigkeit der Körperzellen eine Rolle spiele; speciell mit Rücksicht auf die uns beschäf- tisende Form derselben hebt Cohnheim ausdrücklich hervor: „Auch das Fettwerden castrirter Menschen und Thiere wird kaum allein dadurch er- klärt werden können, dass das Eiweiss, das sonst zur Samen- und Eiberei- tung bezw. für die Menstruation verbraucht wird, nun zur Fettquelle dient; vielmehr wird man auch hier eine Aenderung der Gesammtconstitution heranziehen müssen, welche sich in der verringerten Energie der Oxydations- processe in den Gewebszellen documentirt.“ Kisch und von Noorden ver- treten ebenfalls die Hypothese von dem krankhaft verlangsamten Stoffwechsel gewisser Fettsüchtiger, und selbst Magnus-Levy,! der auf Grund eigener ’ A.Magnus-Levy, Zeitschrift für klinische Medicin. Bd. XX. SEXUALFUNCTION UND STOFFWECHSEL. 153 und der in der Litteratur vorhandenen Gaswechseluntersuchungen bei Fett- süchtigen sich gegen die Annahme einer bemerkenswerthen Herabsetzung des Umsatzes Fettsüchtiger unter die bei gesunden Individuen gefundenen Werthe erklärt, giebt wenigstens die Möglichkeit zu, dass eine geringe dauernde Herabsetzung der Stoffwechselenergie, wie sie allerdings nach seinen sonstigen Erfahrungen noch innerhalb der Versuchsfehlergrenzen liegen müsste, vorhanden sein könne, um das allmähliche Zustandekommen einer Fettsucht bei Castration oder im Klimakterium zu erklären. Systematisch ist auffallender Weise dieser principiell so wichtigen Frage noch nicht auf dem Wege des Experimentes näher getreten worden; die einzige Arbeit, die sie streift, die noch ausführlicher zu erwähnende von Curatelo und Tarulli,! geht von anderen Gesichtspunkten aus und unter- sucht in der Hauptsache den Einfluss der Ovarien auf den Stoffwechsel in einer anderen Hinsicht, nämlich in seiner Beziehung zur Osteomalacie, Während ein Einfluss der Ovarien auf den Gesammtstoffwechsel schon seit Langem wenigstens. wahrscheinlich erschien, ist die Kenntniss dieser Beziehungen noch verhältnissmässig jungen Datums; sie knüpft an an die Erfahrung Fehling’s, dass die Entfernung der Ovarien einen entschieden günstigen Einfluss auf den osteomalacischen Process ausübt. Fehling selbst hat versucht, einen Einblick in etwaige Stoffwechselveränderungen zu ge- winnen, die sich nach der Castration abspielen, indem er vor und nach der Operation bei Osteomalaeischen die Harnstoff-, Kalk- und Phosphorsäure- ausscheidung mit einander verglich. Ursprünglich? zu positiven Ergebnissen gelangt, ist er in einer späteren? Publication der Ansicht, „dass die Castration keine so wesentlichen Veränderungen im Stoffwechsel macht, dass daraus ein Schluss auf die durch die Operation bedingten Vorgänge zulässig wäre.“ Neumann‘ allerdings hat sehr wesentliche Unterschiede aufgefunden, deren genaue Schilderung zu weit führen würde; wir können uns ein ausführ- liches Eingehen auf seine Resultate um so eher versagen, als die Stoffwechselverhältnisse bei der Osteomalacie viel zu complieirt liegen und unser Verständniss für dieselben noch lange nicht weit genug gediehen ist, um aus Befunden, die gerade bei dieser Krankheit erhoben worden sind, einen positiven Anhaltspunkt für die allgemeinen Bezieliungen, die zwischen Ovarien und Stoffwechsel obwalten, zu gewinnen. Auf die Ergebnisse, welche Senator’ auf umgekehrtem Wege, nämlich bei Verabreichung von Ovarial- ! Curatelo e Tarulli, La secrezione interna dell’ ovario. Bullet. dell’ Academia med. di Roma. Vol. XXI. Fase.5 u. 6. ® Fehling, Zeitschrift für Gehurtshülfe. Bd. XXX. ®? Derselbe, Archiv für Gynäkologie. Bd. XLVIL. * Neumann, Ehenda. Bd. LI. ° Senator, Berliner klinische Wochenschrift. 189%. 184 A. LoEwY un PAUL FRIEDR. RicHTER: substanz an eine Osteomalacische, erhalten hat, kommen wir noch später zurück. Die oben erwähnten italienischen Autoren haben nun, um eine Fr- klärung der räthselhaften Wirkung der Castration bei Osteomalacie zu finden, den Effect der Castration nach verschiedenen Richtungen hin geprüft; sie stellten fest, dass sie die Ausfuhr der Phosphate beträchtlich vermindert, dass die Stickstoffausscheidung unter ihrem Einflusse nur geringen Schwankungen unterliegt, dass der Sauerstoff- und Kohlensäureverbrauch zunächst ver- ringert wird, dann stationär bleibt. Injection von Ovarialsaft bewirkt Steigerung der Phosphatausfuhr, und diese Einwirkung auf den Phosphat- stofwechsel sehen die Autoren als den Ausdruck der Beziehungen zwischen Ovarien und Knochenerkrankung an. Wenn die italienischen Forscher aber als Facit ihrer Untersuchungen den Satz aufstellen: Die Ovarien besitzen eine noch unbekannte interne Secretion; sie führen dem Körper ein Pro- duct zu, welches in das Blut gelangt, die Oxydation der Fette, Kohlehydrate und Phosphate begünstigt, so scheint dieser Schluss aus ihren Ergebnissen nichts weniger als hinreichend begründet. Will man der Frage einer inneren Secretion der Ovarien und ihres Ein- flusses auf den allgemeinen Stoffwechsel näher treten, so wird man gut thun, aus den oben erwähnten Gründen von den Beziehungen zur Osteomalacie gänzlich abzusehen und sich nur an die besser gekannten und leichter der exacten Forschung zugänglichen Aenderungen des Gesammtstoffwechsels zu halten. Die Fragestellung, die sich dabei zwanglos für eine experi- mentelle Prüfung ergiebt, ist folgende: 1. Hat die Castration an sich einen Einfluss auf den Fettansatz? Wenn derselbe vorhanden ist, ist er bedingt a) durch veränderte Lebensgewohnheiten, grössere Ruhe und Trägheit in den Bewegungen, durch Wegfall des geschlechtlichen Reizes u. s. w. oder b) ist er, unabhängig von solchen äusserlichen Momenten, die Folge eines herabgesetzten Stofiumsatzes, einer verringerten Verbrennungsenergie der einzelnen Zellen? 2. Kann die Wirkung der Castration durch Zuführung einer der ent- fernten analogen Substanz, also durch Ovarialsubstanz, aufgehoben werden? Aendert sich damit der Stoffwechsel in der entgegengesetzten Richtung? 3. Ist die Zuführung dieser Substanz nur wirksam nach Ausfall des betreffenden Organes, oder auch am gesunden Thier? 4. Handelt es sich dabei um eine „specifische‘“ Organwirkung, das heisst: übt nur die Zufuhr der ausgefallenen Substanz diese Wirkungen aus, oder thun dies auch andere Organsubstanzen ? SEXUALFUNCTION UND STOFFWECHSEL. 185 Um die erste Frage zur Entscheidung zu bringen, haben wir die Be- stimmung des Gesammtstoffwechsels, gemessen am Sauerstoffver- brauch, vor und nach der Castration vorgenommen. Es giebt diese Art der Untersuchung keinen Aufschluss darüber, welche Bestandtheile des Körpers von einer etwaigen Aenderung betroffen worden sind. Versuche darüber, neben dem Gaswechsel gleichzeitig auch den Eiweissstoffwechsel zu prüfen, sind noch im Gange. Wir theilen an dieser Stelle zunächst die Resultate der Gaswechselversuche mit. Dieselben sind am Thier angestellt; unsere ursprüngliche Absicht, den Gaswechsel klimakterischer und castrirter Frauen festzustellen, wofür uns Hr. Prof. L. Landau in liebenswürdigster Weise das Material zur Verfügung stellte, scheiterte an äusseren Umständen, indem gewöhnlich schon nach wenigen Respirationsversuchen sich die Frauen der weiteren Untersuchung entzogen. — Unsere Versuchsthiere waren Hündinnen. Die- selben wurden auf eine constante Diät gesetzt, die aus Fleisch und Reis bestand. Die Fütterung geschah nur einmal am Tage, und zwar gleich nach beendetem Athemversuch, so dass die Thiere etwa 18 bis 20 Stunden nach der Nahrungsaufnahme zum Versuche kamen. Darmarbeit, Resorp- tion u. s. w. bedingen also keine Fehlerquellen; unsere Werthe stellen Hungerwerthe dar, die stets mit einander vergleichbar sind. Die Thiere wurden zunächst tracheotomirt. Mit den Respirationsver- suchen wurde erst begonnen, wenn die Ränder der Tracheotomiewunde ver- narbt waren. Die Thiere wurden in einen flachen Kasten gelagert, in die Trachea eine Trendelenburg’sche Tamponcanüle eingeführt, die mit einem Ventilapparat in Verbindung stand (Speck’sche Darmventile, durch die In- und Exspirationsluft von einander geschieden wurden). Erstere wurde in allen Versuchen von ausserhalb des Zimmers bezogen, letztere in eine Gasuhr geleitet, in der sie gemessen wurde. Ein Theilstrom der respirirten Luft wurde nach dem Zuntz-Geppert’schen Princip abgesaugt und nach der modificirten Hempel’schen Methode analysirt. Jeder Versuch dauerte etwa eine Stunde, die Hunde lagen während desselben, gut zugedeckt, stets in voller Ruhe (Halbschlaf) da. Stets wurden Doppelproben zur Unter- suchung entnommen und das Mittel der stets gut übereinstimmenden Werthe zu Grunde gelegt. Die Reihenfolge in der Versuchsanordnung vollzog sich nun folgender- maassen: Zunächst wurde der Normalgaswechsel in einer Anzahl von Ver- suchen festgestellt. Dann wurde die Entfernung der Ovarien vorgenommen; nach eingetretener Wundheilung wurden durch Wochen und Monate hin- durch fortlaufende (zuweilen durch kurze Zwischenräume getrennte) Unter- suchungsreihen angestellt, zunächst ohne weitere Beeinflussung, als sie die Operation an sich bedingte, dann zur Entscheidung der weiteren, oben 186 A. LOEWY UND PAUL FRIEDR. RıcHTER: angeführten Fragen nach Zufuhr von Ovarialsubstanz oder anderen Organ- präparaten. Einige Versuchsreihen wurden an normalen, nicht castrirten Thieren mit Zufuhr von Oophorin und anderen Substanzen durchgeführt. Wir besprechen nun in Folgendem zunächst die thatsächlichen Befunde, wie sie in den einzelnen folgenden Tabellen zusammengestellt sind. Tabelle l. Gelbe Hündin von 15.90 && Gewicht. Tracheotomirt am 20. September 1898. re Atlem- 4 O-Verbrauch Datuı Körper- volumen pro O-Verbrauch pro Kilo und A gewicht Min. redueirt pro Min. Min. grn ccm ccm ccm 26./IX. 1898 15-940 1828-7 98-69 6110 27.IX. 1898 15-650 2130-0 | 98-01 6263 28./IX. 1898 16-100 1969-1 97-37 6-048 29.1IX. 1898 | 15-650 2160-5 97-55 6-233 A Mittel 97-90 6-163 Ovariotomirt am 2. October. Heilung per primam. 20./X. 1898 14-400 | 2444-8 84-34 5-857 21.|X. 1898 15-100 2172-5 82-55 5-467 25./X. 1898 15-200 2353-6 86-50 5.767 21./XI. 1898 16-700 2326-9 99-82 5-977 22./XI. 1898 16-300 2118-3 99-35 6-095 14.'XII. 1898 17-500 2382-7 92-46 5.284 16./XII. 1898 17-400 2018-6 83-00 4770 19.[X11. 1898 17-300 2153-1 36-34 4-991 23./XU. 1898 17-500 1882-0 93-00 5-314 24./XI1. 1898 17-250 2055-9 92-72 5.375 5./I. 1899 17-670 1978-9 86-86 4-916 11./I. 1899 17.700 2374-9 94:29 (?) 5-327 13./I. 1899 18-050 2051-3 89-64 4.966 14./l. 1899 17-420 1845-0 | 86-72 | ..4978 18./1I. 1899 | 17-570 1949-1 85-20 4-850 21./II. 1899 | 16-700 1777-2 79-26 4716 17./IV. 1899 | 16-850 1654-7 86-38 5.126 Mittel der Werthe vom 14./XIl. 1898 bis 17./IV. 1899 5.051 Betrachten wir zunächst die Tabelle I. Die Normalwerthe, die an den Tagen vom 26. bis 29./IX. gewonnen sind, zeichnen sich durch eine ausserordentliche Gleichmässigkeit aus. Das Thier wog bei Beginn des Versuches 15-9408; im Mittel betrug das Körper- gewicht an den vier Versuchstagen 15.835'®, Der Sauerstoffverbrauch als SEXUALFUNCTION UND STOFFWECHSEL. 187 Maass des Gaswechsels stellt sich im Durchschnitt auf 97.90 °® pro Min.; pro Kilo Körpergewicht berechnet, beträgt er im Durchschnitt 6:163 «m pro Min. Die Werthe für die Kohlensäure wurden hier sowohl, wie in den später noch zu besprechenden Versuchen mitbestimmt; auf eine Wiedergabe derselben können wir aber aus dem Grunde verzichten, weil sie gegenüber den sichereren Ergebnissen des Sauerstoffverbrauches nichts Wesentliches aussagen. Die Wirkung der Castration, die am 2. October an dem Thiere voll- zogen wurde, lässt sich auf Grund der in der Tabelle mitgetheilten Resul- tate in mehrere Perioden scheiden. In der ersten Periode, kurze Zeit bis etwa 7 Wochen nach der Castration, macht sich ein deutlicher Einfluss noch nicht geltend. Der Ge- sammtgaswechsel schwankt mit der Veränderung des Körpergewichts; er ist Ende October bei gesunkenem Körpergewicht herabgegangen, steigt aber mit fortschreitender Erholung des Thieres, wie die Werthe für den 21. und 22./XI. zeigen, wieder bis zu seiner ursprünglichen Höhe an. Was den Gang des Körpergewichtes betrifft, so nimmt dasselbe zunächst nach der Operation in Folge geringer Fresslust ab, dann folgt langsame, aber stetige Körpergewichtszunahme bis auf 16-78, das ist über !/,*® Er- höhung gegen die höchsten Werthe vor der Operation und 2-3% gegenüber dem niedrigsten Werthe nach der Operation. Differenzen im Sauerstoffverbrauch pro Kilo Körpergewicht sind in dieser Periode bereits vorhanden. Wir möchten ihnen jedoch noch keine Bedeutung beimessen, weil, wie erwähnt, zeitweilig die Nahrungsauf- nahme eine geringe war. In Folge dessen ging wohl auch Körpereiweiss in Verlust und wurde die Summe des verbrennenden Körpermateriales ge- ringer, so dass aus diesem Umstande allein sich die vorübergehende geringe Differenz erklären lässt, die am 21./XI., wie erwähnt, bereits ausgeglichen ist. Betrachten wir nunmehr die Werthe längere Zeit nach der Castration. Hier müssen wir zunächst die Periode vom 30./XI. bis 6./XII. ab- sondern, die in der Tabelle II mit aufgeführt ist. Die in dieser er- mittelten Werthe sind nicht ganz eindeutig, da während dieser Zeit schon Oophorin gegeben wurde. Es zeigt sich weitere Zunahme des Körper- gewichtes, eine beginnende Abnahme des Gesammtsauerstoffverbrauches, allerdings nur wenig ausgesprochen ; eine deutlichere Abnahme des O- Verbrauches pro Kilo Körpergewicht. Eine weitere Periode bildet die Zeit vom 14./XII. bis 14./l., d. h. also 10 Wochen bis etwa 3'/, Monate nach der Castration. Hier sind nunmehr die Unterschiede gegenüber der Zeit vor der Operation sehr frappante. Die Einschränkung des Gaswechsels ist nunmehr eine ganz aus- 188 A. LoEwY un PaAus FRIEDR. RicHTeEr: gesprochene; pro Kilo Körpergewicht sehen wir eine Verringerung desÖ- Verbrauches bis um 20 Procent; ebenso nimmt aber auch der Ge- sammtgaswechsel trotz weiterer Steigerung des Körpergewichtesab. Während die Durchschnittswerthe im Normalstadium des Thieres 97.90 ® pro Min. betrugen, sehen wir jetzt ein Sinken bis auf 86.50; selbst wenn wir einen Mittelwerth für die Zahlen dieser Periode annehmen, so stellt er sich mit 88.8 um etwa 9 Procent niedriger als der Normalwerth des Thieres. Die letzte Periode endlich zeigt die Zeit 4 und 6 Monate nach der Castration (Februar und April). Der Gaswechsel verharrt jetzt ziemlich constant auf seiner tiefen Einstellung; er sinkt am 21./I. allerdings bis auf 79°”, erhebt sich aber Anfang April wieder auf die Zahl von 86°”, Auch pro Kilo Körpergewicht ist die Verringerung des O-Ver- brauches ungefähr dieselbe geblieben. — Wie stellen sich nunmehr die Werthe für den Gaswechsel nach Darreichung von Ovarialsubstanz? DBemerkt sei dabei, dass solche in Gestalt der von Landau in die Praxis eingeführten Oophorintabletten (von Dr. Freund und Redlich hergestellt) zur Anwendung kam. Wie viel Tabletten jedesmal verabfolgt wurden, ist aus der Tabelle II ersichtlich. Was die erstmalige Darreichung betrifft, die 6 Wochen nach der Castration erfolgte (vom 30./X1I. bis 6./X1l.), so haben wir schon oben erwähnt, dass eine Wirkung hier nicht nachweisbar war. Der Gas- wechsel sinkt langsam weiter; die Oophorinapplication vermag sein Fallen nicht aufzuhalten. Die zweite Periode der Darreichung umfasste die Zeit vom 14./l. (14 Wochen nach der Castration) bis zum 26./I. Hier ist der Effect nun ein sehr eclatanter. Nach der Einnahme von 32 Tabletten (in vier Tagen) ist der Normalwerth pro Kilo Körpergewicht bereits er- reicht, und wir sehen (nach weiteren zwei Tagen) ein fast regelmässiges Ansteigen bis zum 26./l.; an diesem Tage erreichen, nachdem der Hund im Ganzen 96 Tabletten erhalten hat, die Werthe für den Gaswechsel Zahlen, die mit 150°99 für den Gesammt-Sauerstoffverbrauch und mit 8.473 pro Kilo Körpergewicht die diesbezüglichen Normal werthe (des nicht operirten Thieres) um 54.2 Procent bezw. 37.6 Procent über- teffen. Der Sauerstoffverbrauch, wie er sieh im Mittel pro Kilo Tbier nach der Castration eingestellt hat (5.051 °®), wird um 67-7 Procent überragt. Aber, was ganz besonders interessant erscheint, nicht nur während der Darreichung selbst macht sich dieser frappante Effect geltend, sondern auch sene Nachwirkung ist eine auffallend starke, bis 11 Tage nach dem Aussetzen noch nachweisbare. In den ersten Tagen halten sich die Werthe noch fast auf der Höhe des letzten Oophorintages, dann beginnt ein lang- SEXUALFUNCTION UND STOFFWECHSEL. 159 sames Absinken, und hierbei erscheint wieder äusserst bemerkenswerth, dass ebenso, wie der Anstieg des Gaswechsels ein ziemlich regelmässiger war, es auch das Abklingen der Wirkung ist. Am 6. Februar, also 11 Tage nach dem Ende der ÖOophorindarreichung, ist ungefähr der Normal- gaswechselwerth des Thieres wieder erreicht, dann beginnt wieder die Wirkung der Castration ungehemmt in den Vordergrund zu treten, und die in der Tabelle I am 18. und 21./lI. mitgetheilten Zahlen illustriren, bis wie weit unter die Norm in kurzer Zeit die Verminderung des O-Ver- brauches gesunken ist. Tabelle II. Gelbe Hündin von 15-90 2 Gewicht. Övariotomirt am 2. October 1898. Athem- | O-Ver- | O Ver- Körper- | volumen pro | brauch pro | brauch pro N 3 . . | . . . { © Datum gewicht | Min. reducirt Min. Kilo u.Min. Bemerkungen gım | ccm | ccm ccm Erhält vom 26. September 1898 ab täglich 3 Oophorintabletten | | | Frass bis zum Versuch 30./XI. 1898 | 17-120 | 1959-1 91-SO 5362 36 Tabletten 1./XI1. 1898 | 17-000 2038-0 | 99-15 5+832 Bw), 3./XIL.1898 | 17-220 | 2210-5 | 94-17 5-468 0 5./XII.1898 | 17-450 | 2002-4 | 93-91 | 5382 ou ©e 6./XIL.1898 | 17-220 | 2325-5 | 92-91 | 5395 Bdusc, Letzte Tablettenzufuhr 8. December 1898; in Summa 100 Tabletten, bleibt ohne Tabletten bis zum 14. Januar 1899, erhält vom 14. Januar 1899 ab pro Tag 8 Tabletten 17... 1899| 18-100 | 2182-2 93-92 5.159 | Frass 24 Tabletten 18./I. 1899 | 17-950 | 2180-7 107.40 | 5+983 FIR? 5 19.1I- 1899 | 17-350 | 2206-0 100-483 5.788 240 i 20.1. 1899 | 17-920 | 2128-1 102.34 | 5.712 18 x 21./I. 1899 | 17-840 2518-9 1138-47 6-360 3058 A 23./]I. 1899 | 17-800 2270-3 114-380 | 6422 u7o 24.1. 1899 17-900 | 2678-6 131-938 | 7-370 280 5 25./I. 1899 | 17-500 2204-7 116-79 | 6674 88 " 26./I. 1899 | 17-820 2806-5 150-99 | 8-473 „96 5 Seit 26. Januar 1899 ohne Tabletten (im Ganzen aufgenommen 100 Tabletten) 27./1. 1899| 17-550 | 2806-0 | 140-867 | 7-810 |1.Tag ohne Tabletten 28.1. 1899 | 17-820 | 2629-8 145.97 8-191 2. Tag 30.1. 1899) 17-400 | 2281-0 | 1183-40 6-516 An 31./. 1899 | 17-800 2599-7 | 11465 6-441 ER 1./II. 1899 | 18-000 2753-9 | 110-71 6-150 u 6./I. 1899 | 17-850 2070-1 | 99-05 Bd Ir 18./II. 1899 | 17-570 | 1949-1 85-20 4 85 | Dam m 190 A. LoEwY unD PAUL FRIEDR. RiCHTER: Zur Beantwortung der oben sub 4 mitgetheilten Frage nach der Speci- ficität der Wirkung war es nöthig, zunächst eine Versuchsreihe mit Oophorin am normalen, nicht castrirten Thier anzustellen. — Die folgende Tabelle III zeigt die Versuchsergebnisse: Tabelle” IM: A. Junge Hündin. Athem- O-Ver- O-Ver- Da Kuar volumen pro | brauch pro | brauch pro B k m) gewicht | Min. redueirt | Min. |Kilou.Min. nenne grm ccm ccm ccm 22.]IV. 1898 | 27-360 2266-8 1831-73 | 4-814 23./IV. 1898 | 27-510 2266-3 151.55 5.509 25. 11V21:898 27-120 25673 155.90 5-748 26./IV. 1898 | 27.700 3466-2 153.85 5.554 27.]1V. 1898 | 27-800 3023-2 135.90 4896 28./IV. 1898 | 27-750 2359-9 144.39 5.203 Erhält von nun ab Oophorintabletten, pro Tag S Stück Frass vor dem Versuch 29./1V. 1898 | 27-730 2940-7 138.22 4.840 8 Tabletten 3./V. 1898 | 27-500 3101-7 147.47 Deso2un| 35 es 5./V. 1898 | 27-600 2678-7 133.22 4827 51 5 B. Weibliche deutsche Dogee. 7.[VL 1898 24-500 2125-3 113-07 5.032 8./VI. 1898 | 24-620 2288-2 13626 5053 9./VI, 1898 | 24-760 2305-7 127.62 5.162 Erhält pro Tag 9 Oophorintabletten. Frass vor dem Versuch 10./VI. 1898 | 24-570 27935 123.64 5-032 9 Tabletten 11./VI. 1898 | 24-450 | 2329-9 13739 5.619 18 5 13./VIl. 1898 | 24-370 2292-5 128.84 5.282 30 58 15./VI. 1898 | 24-650 | 2137-6 126-65 9.266 39 3 In Versuch I sind 51 Tabletten gegeben, ohne jeden sicht- und messbaren Erfolg. \Veder Körpergewicht, noch O-Verbrauch haben sich geändert. Auch in Versuch II hat die Darreichung von 39 Tabletten nicht die geringste Erhöhung des Gaswechsels zur Folge gehabt. Der Unter- schied gegenüber dem Eiffecte am castrirten Thier ist also markant und bedarf keiner weiteren Auseinandersetzung. Die Tabelle IV illustrirt die Resultate, die wir — ebenfalls zur Ent- scheidung der Frage nach der Specificität der Wirkung — erhielten, als SEXUALFUNCTION UND STOFFWECHSEL. 191 wir die- castrirte Hündin 3 bis 4 Monate nach der Operation mit Organ- präparaten fütterten, die nicht der weiblichen, sondern der männlichen Sexualsphäre entstammten. — Wir haben zunächst Versuche mit der sub- cutanen Darreichung von Sperminum-Pöhl gemacht. (Das Nähere über Mengenverhältnisse u. s. w. siehe Tabelle.) Der O-Verbrauch pro Kilo Körpergewicht, wie insgesammt, steigt darnach nur unerheblich; jedenfalls fällt diese geringe Steigerung gegenüber der exorbitanten, durch Oophorin erzielten, nicht in’s Gewicht, wenn man sie nicht überhaupt als eine inner- halb der täglichen Schwankungen liegende auffassen will. Tabelle IV. Gelbe Hündin, ovariotomirt am 2. October 1898, erhält Spermin subeutan. kernen Athem- O-Ver- O-Ver- Damon ı\ Y volumen pro | brauch pro | brauch pro Berietkune um) gewicht Min. redueirt) Min. |Kilou.Min. . Ba 21./II. 1899 16-700 Tele? 79-26 4746 Normalwerth 22.1. 1899 16-700 | 16550 81:26 4.866 4 «m Spermin | | ”/, Stdn. vor Versuch 24./II. 1899 | 16-750 1918-6 89-02 5-315 5 em Spermin | or 2", Stdn. vor Versuch 25./1I. 1899 | 16-995 | 18491 89-77 5.282 5 cm Spermin | 1'/, Stdn. vor Versuch Dieselbe Hündin erhält Tabletten aus Hodensubstanz (per os) 6 pro die 6./III. 1899 | 17-350 2088-8 92-95 5-357 | 14 Tabl. bis Versuch 7.III. 1899 | 17-300 1908 +7 83.76 | 4-82 |0 „ 5 8./III. 1899 | 17-100 1879-6 87-59 | 1,5199: | 26 ... „ Pr 11./III. 1899 | 17-250 | 2001-2 8185 | 4756 | 44 Ebenso wenig hat die durch 6 Tage fortgesetzte innerliche Dar- reichung von Tabletten aus Hodensubstanz (insgesammt 44) irgend eine Steigerung des Gaswechsels verursacht; eher ist sogar noch ein weiteres Absinken desselben zu constatiren! Fassen wir die Ergebnisse aus unseren Untersuchungen zusammen, so haben wir folgende Thatsachen feststellen können: 1. Nach der Castration zeigt sich im Verlaufe längerer Zeit eine deut- liche Reduction des Gaswechsels. 2. Die Darreichung von Oophorin vermag, wenn sie 2'/, bis 3 Monate nach der Castration erfolgt, diese Verminderung nicht nur aufzuheben, son- dern die Gaswechselwerthe weit über das ursprüngliche Maass zu steigern. 192 A. LoEWY unp PAUL FRIEDR. RicHTER: Diese Steigerung hält sogar noch eine Zeit lang nach Aussetzen des Oophorins an und klingt dann ganz allmählich ab. 3. Am normalen, nicht castrirten Thiere hat das Oophorin keinen Ein- fluss auf den Gaswechsel. 4. Die Darreichung von Örganpräparaten aus den männlichen Ge- schlechtsdrüsen ist beim weiblichen, seiner Greschlechtsdrüsen beraubten Thiere ohne jeden Effect auf den Gaswechsel. Welche Beziehungen bestehen nun — das ist die erste principiell wichtige Frage — zwischen der gefundenen Einschränkung des Stoffver- brauches nach Castration und der Gewichts-, bezw. Fettzunahme? Die Gewichtszunahme kann, wie früher bereits angedeutet, zwei Gründe haben: Erstens könnte sie durch rein äussere Momente bedingt sein; das Thier, dessen veränderter Körperzustand sich schon äusserlich durch die Zunahme des Fettpolsters sowie durch die Rundung der Formen documen- tirte, konnte in Folge des Wegfalles geschlechtlicher Erregungen ruhiger, apathischer geworden sein; es konnte seine Bewegungen auf das noth- wendigste Maass eingeschränkt haben, und dies allein würde bei der gleich- bleibenden Diät ja genügen, einen gewissen Fettansatz herbeizuführen. Wir wollen nicht leugnen, dass dies Moment mitspielen könnte; hätte indessen die Fettzunahme nach Castration nur diesen Grund, so wäre sie durchaus nicht etwas physiologisch Bedeutsames und würde in ihrer Aetiologie nicht von anderen Formen abweichen. Von viel grösserem Interesse wäre es, wenn wir für die zweite, früher bereits erörterte Möglichkeit Beweise hätten, dass nämlich eine Herabsetzung der oxydativen Energie in den Zellen den Fettansatz bedingte. Die von uns gefundene Herabsetzung des Sauerstoffverbrauches, soweit sie bei der Berechnung pro Kilo Körpergewicht zum Ausdruck kommt, würde bei steigendem Körpergewicht nicht genügen, dieser Ansicht zur Stütze zu dienen. Denn das sich ansetzende Fett stellt einen Ballast, eine todte Masse dar, welche an dem Umsatz der Zellen nicht activ Theil nimmt. Der fetter gewordene Hund kann pro Kilo weniger umsetzen — nur als Folge des Fettansatzes, aber nicht als dessen Ursache. Wie steht es nun mit dem Gesammtsauerstoffverbrauch? Die castrirte Hündin zeigt in Folge der Operation zunächst Gewichtsabnahme und einen geringeren Gaswechsel. Nachdem das Thier sein früheres Körpergewicht erlangt hat, ist auch der (Gaswechsel (vergl. die Werthe vom 21. und 22./X1.) wieder auf seiner alten Höhe. Nun nimmt der Hund langsam an Gewicht zu; der O-Verbrauch geht aber gradatim zurück. Wenn das Körpergewicht unverändert bliebe, würde diese Veränderung beweisen, dass entweder der Hund eiweissärmer wird, oder aber bei gleich bleibendem Eiweiss- SEXUALFUNCTION UND STOFFWECHSEL. 193 bestand die oxydative Energie des oxydirenden Materiales abnimmt. Für eine Verminderung des Eiweissbestandes liegt nicht der mindeste An- haltspunkt vor; es fehlt jedes Moment, wie Fieber, Inanition, welches die- selbe erklären könnte. Wir müssen sogar, da der Hund dauernd schwerer wird — bei stets bleibender Nahrung — nach den bekannten Gesetzen des Stoffwechsels eher annehmen, dass nicht bloss Fett, sondern auch Eiweiss angesetzt wird. Wenn also die Masse des arbeitenden Materiales sicherlich nieht abgenommen, sondern eher zugenommen hat, und trotz- dem der Gesammtumsatz sinkt, so bleibt nichts übrig, als zu schliessen, dass die Oxydationsenergie des den Stoffumsatz leistenden Proto- plasmas eine geringere geworden ist. Die Verminderung ist scheinbar keine erhebliche; sie beträgt aber immerhin im Mittel bis gegen 12 Procent. Wir dürfen dabei nicht vergessen, dass sie eine dauernde ist und dass durch die allmähliche Summation der Sparwirkung ganz erhebliche Efleete erzielt werden müssen. Jedenfalls liegt sie ausserhalb etwaiger, in der Methode begründeter Versuchs- fehler, was ja schon durch die Constanz der in verschiedenen Zeiträumen controlirten Resultate (sowohl vor als nach der Castration) verbürgt wird. Sie ist auch viel grösser, als man gemeinhin geneigt gewesen ist, sich vor- zustellen (vergl. die Ausführungen von Magnus-Levy), der übrigens schon aus einer Steigerung von nur 5 Procent, wenn sie sich über eine längere Periode erstreckt, einen erheblichen Fettansatz berechnet). Wie sich die Körpergewichtszunahme nach Castration auf Eiweiss und Fett vertheilt, darüber sollen demnächst weitere, auch den Eiweissstoff- wechsel umfassende Versuche Aufschluss geben. Wenn somit eine Verminderung der oxydativen Energie nach Üa- stration nachzuweisen ist, so ist die weitere Frage: Kommt dieselbe auch in Folge der Operation zu Stande? Ist es wirklich, wie ohne Beweis viel- fach angenommen wird, der Ausfall von Ovarialsubstanz, der nach dieser Richtung hin den Gewebsstoffwechsel beeinflusst? Die Frage kann, wenigstens bis zu einem gewissen Grade, in positivem Sinne beantwortet werden. Denn die Substitution des ausgefallenen Organes, die Einfuhr von Oophorin, steigert, wie wir fanden, den Ruhegaswechsel, der nach der Entfernung des Organes gesunken war, arbeitet also dieser Wirkung direct entgegen. Dagegen ist — und das erscheint von der grössten principiellen Bedeutung — bei dem normalen weiblichen Thier durch Oophorin keine Steigerung des Ruheverbrauches zu erzielen. Weiter- hin ist bemerkenswerth, dass auch am castrirten Thier nur die Zufuhr einer der ausgefallenen Substanz entsprechenden, also hier von Ovarialsubstanz, steigernd auf den gesunkenen Stoffwechsel einwirkt, die Archiv f. A. u. Ph. 1899. Physiol. Abthlg, Suppl. 13 194 A. Lorwy unn PAuL FRIEDR. RICHTER: Substanz, die aus männlichen Geschlechtsdrüsen gewonnen wird, dagegen ihn nicht deutlich beeinflusst. Letzteres ist nicht so auffallend. Wissen wir doch u. A. aus der Ent- wiekelung der sogen. secundären Sexualcharaktere, die abhängig sind von der Reifung der betreffenden Geschlechtsdrüsen, während die frühzeitige Entfernung oder Zerstörung derselben die Entwickelung des Geschlechtes in einem dem ursprünglichen entgegengesetzten Sinne beeinflusst, dass die physiologische Dignität der Sexualdrüsen bei beiden Geschlechtern eine differente ist. Für das Ovarialsecret ist überdies der experimentelle Beweis dafür geliefert durch die Untersuchungen von Fer& und Bechasi.! Diese Autoren konnten nämlich zeigen, dass die Wirkung der Ovarialprä- parate nach den verschiedensten Richtungen hin für das weibliche Geschlecht eine ganz andere ist als für das männliche. Spritzten sie nämlich weib- lichen gesunden Thieren Ovarialsaft ein, so verlief die Injection, auch bei grösseren Dosen, ohne erhebliche locale oder allgemeine Reaction; bei männ- lichen Thieren war dieselbe dagegen von besonderer Stärke; hier wirkte das Övarialsecret in mittleren Dosen giftig, in grösseren sogar tödtlich. — Bisher ist nur des Einflusses der Castration und der specifischen Bedeutsamkeit der Geschlechtsdrüsen für den Stoffwechsel in Bezug auf weibliche Thiere Erwähnung geschehen; erschien bei diesen schon a priori die Untersuchung aussichtsvoller und aus praktischen Gründen bedeutsamer, so war es der Vollständigkeit halber doch nöthig, die einschlägigen Ver- hältnisse auch bei männlichen Thieren zu studiren. Die folgenden beiden Tabellen (V und VI) geben die bei diesen ge- fundenen Thatsachen wieder, bei deren Besprechung wir uns um so kürzer fassen können, als sie im Wesentlichen den am weiblichen Thier festgestellten entsprechen. Es macht sich der Einfluss der Castration in der gleichen Richtung wie bei letzteren geltend: Deutliche Vermin- derung des O-Verbrauches, sowohl pro Kilo Körpergewicht wie insgesammt (Tab. V, B). Dabei ist bemerkenswerth, dass mit der Heilung der Operationswunde auch die Verminderung der Oxydationsenergie schon ausgesprochen ist. Sie ist sieben Tage post operationem angedeutet, jedoch mögen hier die noch ablaufenden Heilungsprocesse den Stoffwechsel beein- flussen; sie ist elf Tage nach der Castration schon vollkommen ausgebildet. Auf diese zeitliche Differenz gegenüber der castrirten Hündin kommen wir zum Schlusse zurück. Die Abnahme des Sauerstoffverbrauches pro Kilo Körpergewicht beträgt im Mittel: 13-63 Procent. Diese Zahl sagt um so mehr, als der Hund im Gegensatz zum ersten an Gewicht ab- genommen hat. — ! Fer& und Bechasi, Gaz. hebdomad. 1897. Nr. 50. SEXUALFUNCTION UND STOFFWECHSEL. 195 Ferner erweisen sich (vergl. Tab. VI) die Organpräparate aus der Ge- schlechtssphäre (Oophorin) völlig ausser Stande, den Stoffwechsel des ge- sunden Thieres zu beeinflussen. Tabelle V. Männlicher Jagdhund. A. Erhält seit dem 10. März 1899 gleiches Futter: 500°” Fleisch, 150 8" Reis. Körper- | Athem- | O-Ver- O-Ver- 7“ volumen pro brauch pro brauch pro g Datum | gewicht | Min. redueirt Min. Kilo u.Min. Bemerkungen | srm | ccm ccm ccm 13./I1. 1899 | 23-300 | 3286-8 | 160+07 6-870 14./III. 1899 23-300 | 3440-0 16684 7:160 15./III. 1899 | 23-100 3215-4 157:71 6:827 16./1II. 1899 22-800 2722-1 161:97 7104 17./1II. 1899 | 22-920 3281-4 161:56 | 7180 Mittel | 161-63 7028 B. Castrirt den 18. März 1899; reactions- und fieberloser Verlauf. 25./III. 1899 | 21-300 3186-0 143 +4 6-732 29./III. 1899 21-300 2549-4 12275 5.757 30./1IT. 1899 21-200 2799-3 13325 625 1./]1V. 1899 | 21-500 2516-8 132-683 6169 Mittel der drei letzten Werte | 6+070 C. Erhält am 3., 4, 5., 6. April je 6 Tabletten aus Hodensubstanz. 71./IV. 1899 | 20-870 2620-0 132.84 6-365 S./IV. 1899 20-600 2663-5 137-57 6-678 | im Ganzen 36 Tabl. 10./IV. 1899 | 21-000 2582-9 135.86 6409: in AB 11./IV. 1899 20-600 2535-2 140.50 628208 su | +5 «= Spermin 12./IV. 1899 , 20-520 2549-1 138-67 6-760 | 5m Spermin 2 Stdn. vor dem Versuch 13.IV. 1899 | 20-680 2668-1 138-07 6-676 21./IV. 1899 | 20-420 | 2608-1 133.44 6-535 D. Erhält vom 2. Mai ab Oophorin. 6./V. 1899 | 19-100 2726-9 14426 7-553 | im Ganzen 35 Tabl. 8./V. 1899 | 19-450 2896-7 16941 8-773 SE 13./V. 1899 | 19-300 2537-0 145.87 71-643 bis 9./V. 59 Tabl., dann 4 Tage ohne Tabl. Bei dem castrirten Hunde ergiebt sich dagegen folgende bemerkens- werthe Thatsache (Tab. V, ©). Die Substitution des ausgefallenen Geschlechtsorganes in Gestalt von Hodensubstanz oder Spermin vermag den nach Castration gesunkenen Gaswechsel wohl in die Höhe zu treiben, aber nur in geringem Maasse. 13* 196 A. LoEwY und PAuL FRIEDR. RicHTeEr: Man kann in diesem Befunde eine Theilerscheinung der weiteren Thatsache sehen, dass beim männlichen Geschlecht der Einfluss der Geschlechtsfunetion auf den Gesammtorganismus überhaupt viel geringer ist, als beim weiblichen, — Dagegen ist die Wirkung des Oophorins auch beim männlichen castrirten Thiere eine ausserordentlich intensive. Der Maximal- werth übertrifft den Mittelwerth des castrirten Thieres um 44.5 Procent, den des normalen noch um 24-8 Procent (vgl. Tabelle V, D). Wir haben darnach in dem Oophorin ein Mittel zu erblicken, welches den nach Entfernung der Geschlechtsorgane gesunkenen Stoffwechsel sowohl beim männlichen, wie beim weiblichen Thiere zu heben vermag. Tabelle VI Junger Jagdhund. Körper Athem- O-Ver- O-Ver- _ volumen pro | brauch pro | brauch pro Datum | gewicht | Min.redueirt| . Min. |Kilou.Min.| Bemerkungen | grm ecm ccm ccm 22.|IV. 1898| 27-36 2266-8 | 1831-73 | 4+814 23./IV. 1898 | 27-51 2266-3 151-55 5509 25./IV. 1898 | 27-12 2567-3 155-90 5.748 26./IV. 1898 | 27-70 3466-2 153-855 | 5-554 27.]IV. 1898 | 27-80 3023-2 135+9 4896 28./IV. 1898 | 27-75 2859-9 | 144-39 | 5-208 Erhält vom 29. April ab ÖOophorintabletten. 29./IV. 1898 |) 27-73 2940-7 138.22 4-84 Nach 8 Tabletten 3./V. 1898 | 27-50 3101-7 147-47 5-362 | im Ganzen 35 Tabl. 5./V. 1898| 27-60 2678-7 133-22 4-827 Ber 5, Der: Nachweis, dass das Oophorin insofern eine specifische Wirkung entfaltet, als es nur am castrirten Thier die nach Entfernung der Geschlechtsorgane entstandene Stoffwechseländerung beseitigt, ist für die wissenschaftliche Begründnng der Organtherapie von grosser Be- deutung. — Eine derartige specifische Substitutionstherapie ist exact bisher für kein Organ nachgewiesen, auch nicht für die Schilddrüse, mit der die Analogie sich sofort aufdrängt. Bisher war das Schilddrüsen- secret das einzige uns bekannte Agens, durch das es gelang, den Ruhe- umsatz in ähnlicher Weise zu steigern, wie dies für das Oophorin soeben nachgewiesen worden ist. Aber doch besteht ein durchgreifender Unterschied in der Wirkung beider: Das Schilddrüsensecret steigert wohl den Umsatz des myxödematösen ‘Cretins, bei welchem, wie wir annehmen, in Folge Ausfalles der Thyreoidea der Stoffwechsel gesunken war; aber seine Wirkung ist nicht hierauf beschränkt. Sie kommt auch bei Fettleibigen zu Stande, SEXUALFUNCTION UND STOFFWECHSEL. 197 bei welchen eine specifische Herabsetzung des Stoffwechsels bisher nicht nachgewiesen werden konnte (Magnus Levy, Stüve u. A.); sie erstreckt sich vor Allem aber auch, wie die Versuche von F. Voit lehren, auf den Gesunden. Es ist vielleicht von Interesse, wenn wir hinzufügen, dass wir fanden, dass auch bei unserer castrirten Hündin das Thyreoidin den Stoff- wechsel steigerte, und zwar ungefähr so weit, wie Voit es am gesunden Thiere constatirt hatte, nämlich um 12-3 Procent des nach der Castration bestehenden Mittelwerthes.. Es kanr also die Wirkung des Thyreoidins mit der des Oophorins quantitativ nicht in Parallele gestellt werden, was bei den Beziehungen zwischen Schilddrüse und weiblichen Geschlechtsorganen nicht unmöglich gewesen wäre. Es muss dabei noch hervorgehoben werden, dass die Herabsetzung des Gaswechsels in Folge Schilddrüsenausfalles beim Myxödem bis jetzt nur an einer einzigen Person (vonMagnus-Levy) nachgewiesen ist, und dass derartige Versuche an thyreoideetomirten Thieren bisher überhaupt fehlen, in Folge der Schwierigkeit, die Thiere nach der Operation längere Zeit am Leben zu er- halten, wohl auch nicht anzustellen, oder, wenn gelingend, bei der Grösse des operativen Eingriffes nicht eindeutig sind. Doch kann nicht geleugnet werden, dass in dem bisher beobachteten Falle von Myxödem die Steige- rung des Gaswechsels durch das Schilddrüsensecret eine weit ausgesprochenere war, als bei Fettleibigen oder Gesunden. Bis zu einem gewissen Grade handelt es sich bei der Wirkung des Schilddrüsensecretes allerdings um eine Giftwirkung, und es wird sich fragen, ob Aehnliches auch für das Oophorin angenommen werden darf, zumal eine weitere Aehnlichkeit zwischen beiden in der ausserordent- lich intensiven Nachwirkung besteht, die wir, ebenso, wie sie für das Thyreoi- din von den verschiedensten Autoren nachgewiesen ist, auch bei unseren Thieren constatirten. Diese Frage führt des Weiteren dazu, nachzusehen, welches Körpermaterial vom Oophorin angegriffen wird, welches durch seine Verbrennung Anlass zu der erheblichen Gaswechselsteigerung giebt. Bei den relativ grossen Dosen, welche wir gegeben haben, wäre a priori die Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen, dass es in solchen Fällen, ähn- lich wie durch die Thyreoidea, zu einer Einschmelzung von Eiweiss kommt, und es wäre immerhin nicht ganz undenkbar, dass diese Einschmelzung die vermehrte Oxydation erklärte Die Frage lässt sich natürlich nur auf Grund exacter Stoffwechselversuche beantworten, die, wie oben erwähnt, noch nicht abgeschlossen sind. Was aber bis jetzt darüber vorliegt, ge- stattet den Schluss, dass, wenn überhaupt eine deletäre Wirkung auf das Eiweiss vorliegt, dieselbe jedenfalls keine ausgesprochene und nicht im Stande ist, einen so hohen Ausschlag des Gaswechsels nach oben — und die gefundenen Steigerungen betragen bis 67 Procent — zu erklären. 198 A. LoewY unD P. F. RıicHTEekr: SEXUALFUNCTION U. STOFFWECHSEL. Gegen einen erheblichen, Eiweiss zerstörenden, Einfluss des Oophorins sprechen schon unsere Versuche an gesunden Thieren, die grosse Mengen vertrugen, ohne irgend welche Störungen zu zeigen und ohne dass objectiv sich eine Erhöhung des Gaswechsels geltend machte, die bei irgend wie intensivem Eiweisszerfall doch, wenn auch in geringem Grade, auch hier hätte nachweisbar sein müssen. Dagegen sprechen ferner die klinischen Erfahrungen, die von irgend wie schädlichen Nebenwirkungen, die auf Eiweisszerfall bezogen werden könnten und bei der Schilddrüse ja schon in relativ reichlichem Maasse gesammelt sind, nicht berichten; dagegen sprechen endlich die Versuche von Senator,! der wohl in einigen patho- logischen Fällen eine Erhöhung der N-Ausfuhr nach Oophoringaben fand, sie aber in anderen vermisste. Wenn nach alledem ein Einfluss der Geschlechtsurgane auf den Stoff- wechsel nachgewiesen erscheint, so wäre schliesslich noch die Frage zu er- örtern: Sind es bei dem weiblichen Geschlechtsapparat nur die Keimdrüsen, oder ist es auch der Uterus, der einen derartigen Einfluss ausübt oder wenigstens ausüben kann? Wir sehen aus den klinischen Erfahrungen be- reits, dass auch die Exstirpation des Uterus, wenn auch in weit geringerem Maasse, zu Fettansatz führte und wir wissen andererseits, dass die Exstir- pation der Ovarien auch für den Uterus Folgen nach sich zieht; wir wissen, dass allmählich und langsam eine Atrophie des Uterus eintritt. Das dauert Wochen und Monate. Wie die sehr exacten Untersuchungen von Sokoloff zeigen, ist die Atrophie erst 6 bis 8 Wochen nach doppelseitiger Castration bei Hündinnen zu constatiren. Auffallend ist nun, dass es auch bei unserem Versuchsthier ungefähr ebenso lange Zeit in Anspruch nahm, bis die Ein- wirkung der Castration auf den Gaswechsel anfing in die Erscheinung zu treten. Das legt den Gedanken nahe, dass beim erwachsenen weiblichen Individuum der Uterus an der Wirkung auf den Stoffwechsel mit betheiligt ist, dass er nach Fortfall der Ovarien zunächst allein genügt, die Stoff- wechsel anregende Function auszuüben, bis sich nach eingetretener Atrophie desselben der Ausfall der Sexualfunction in der Wirkung auf den Stoff- wechsel deutlich bemerkbar macht. ! Senator, Berliner klinische Wochenschrift. 1897. Nr. 6-7. Ueber den Einfluss der Kückenmarksdurchschneidung auf die Niere. Von Prof. Dr. Posner und Dr. P. Asch in Berlin in Strassburg i. E. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Berlin.) Es giebt eine ziemlich grosse Reihe von Beispielen, an denen man erläutern kann, dass Seitens des Oentralnervensystems ein gewisser Einfluss auf die Zusammensetzung des Harns ausgeübt wird. Ein solcher zeigt sich zunächst bereits in der Steigerung oder Verminderung der Menge, bezw. der Concentration des Harns, welche nach bestimmen Eingriffen am Gehirn und Rückenmark durch Vermittelung der gefässerweiternden oder -verengernden Nerven eintritt. Deutlicher und charakteristischer spricht in gleichem Sinn die Ausscheidung pathologischer Stoffe nach solchen Eingriffen — wie dies besonders eclatant beim Zuckerstich Claude Bernard’s der Fall. Die menschliche Pathologie kennt ähnliche Erscheinungen, ohne freilich den Causalnexus zu übersehen, sehr wohl: wenn ein Neurastheniker dauernd absolut oder doch relativ zu reichliche Mengen phosphorsaure Erden aus- scheidet, so zweifelt kein Arzt, dass er eben hierin eine Folge der allge- meinen Depression der nervösen Functionen zu erblicken hat. Und ein genau beobachteter Fall Fürbringer’s! bringt den Beweis dafür, dass bei chro- nischer Entzündung des Rückenmarks die Kalkausscheidung sich beträcht- lich erhöhen kann, während gleichzeitig das sehr seltene Sediment von Caleiumsulfat erscheint. Noch prägnanter tritt dieser Zusammenhang ge- legentlich bei der Oxalurie hervor, in der man ebenfalls heutzutage wohl allgemein — trotz des seiner Zeit von Cantani erhobenen Einspruches — ein Symptom für eine Nervenerkrankung erblickt; und hier wäre namentlich ! Deutsches Archiv für klinische Medicin. Bd. XX. 200 PosnER unD P. Asca: eine bekannte Beobachtung von M. Seligsohn zu citiren, der bei einem Tjährigen Mädchen im Anschluss an eine Gehirnerschütterung das Auftreten von oxalsauren Steinen feststellen konnte.! Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet und an der Hand der erwähnten Beispiele könnte eine Mittheilung, welche im Jahre 1895 aus v. Bramann’s Klinik in Halle erfolgte, wohl etwas verständlicher erscheinen, als sie sonst auf den ersten Blick wirken möchte. Es war dort die Be- obachtung gemacht worden, dass „bei allen denjenigen Brüchen der Wirbel- säule, die mit stärkeren Verletzungen am Rückenmark einhergingen, also von Lähmungen der Blase, des Mastdarmes und der Extremitäten... begleitet waren, das Auftreten von Nierensteinen eine constante Er- scheinung war.“ Nach Müller,? der über diese Dinge eingehend berichtet hat, handelte es sich um 10 derartige Fälle; in der Regel traten etwa 3 Monate nach der Verletzung Steinkoliken mit Schüttelfrösten und Tempe- raturerhöhung auf etwa 40° auf, und es konnte theils der Abgang von Steinen mit dem Harn beobachtet, theils bei der Autopsie deren Vorhanden- sein in der Niere festgestellt werden. Genauere Angaben über die Art der Steine fehlen; da der Harn stets alkalische Reaction gezeigt hat, so dürfte es sich wohl um Phosphate gehandelt haben. Seiner Meinung nach handele es sich hierbei um eine directe Einwirkung der Rückenmarksläsion; die Mitwirkung von Bakterien sei freilich nicht zu vernachlässigen — mögen diese nun gelegentlich der meist vorhandenen Cystitis zur Niere aufgestiegen, oder vom Darm her in den Kreislauf eingewandert sein, oder zum Theil auch von dem meist vorhandenen Decubitus herrühren, — für absolut noth- wendig aber vermag Müller deren Mitwirkung oder überhaupt das Be- stehen einer Entzündung nicht zu halten; vielmehr führe wohl die Inner- vationsstörung zu localer Nekrose und in diesen abgestorbenen Herden zum Ausfall krystallisirender Salze. Von klinischer Seite ist diesen Erfahrungen der Hallenser Klinik bisher nicht eben viel Bestätigung zu Theil geworden. Nur A. Weber hat im Jahre 1897 einen Fall von Steinbildung veröffentlicht,’ der in beiden Nieren nach Sturz auf den Rücken sich einstellte. Hier scheint es sich jedoch um eine directe (uetschung der Nieren mit Entzündung von Blutextra- vasaten gehandelt zu haben, so dass der Fall, streng genommen, gar nicht hierher gehört, auch vom Verf. nicht in diesem Sinn gedeutet wird. Sonstige neuere Mittheilungen über diese Frage sind uns nicht bekannt. Indes sei ! Virchow’s Archiv. Bd. LXIV. ° Ueber Nephrolithiasis nach Rückenmarksverletzungen. Langenbeck’s Archiv. 1895. — Vgl. auch G@. Marold, Ueber Wirbelfracturen und deren Prognose. JInaug.- Dissert. Halle 1897. ® Münchener medicinische Wochenschrift. 1897. Nr. 12. EINFLUSS DER RÜCKENMARKSDURCHSCHNEIDUNG AUF DIE NIERE. 201 an analoge ältere Beobachtungen Maschka’s! erinnert, der unter 78 Fällen von Nierensteinen 3 fand, bei denen gleichzeitig Kückenmarkscompression bestanden hatte, Müller selber suchte nach experimentellen Stützen für seine An- nahme. Er theilt, jedoch ohne Details, einen Versuch mit, den er an einer Y/, Jahr alten Hündin vornahm. Er brachte bei ihr nach aseptischer Er- öffnung des Wirbelcanales an der Grenze zwischen Brust- und Lendenwirbel- säule eine totale Zerquetschung des Marks, ähnlich den durch Wirbelfrac- turen verursachten, an. Bereits nach 5 Wochen trat bei dem Hunde „trotz klaren Urins und fehlender Cystitis“ Albuminurie auf. An der durch den Nierenschnitt 23/, Monate nach der Operation herausgenommenen rechten Niere zeigte sich eine „typische“ Nephritis; die mikroskopische Untersuchung ergab Verfettung, besonders der Markstrahlen. — Ueber das weitere Schick- sal dieses Hundes ist nichts mitgetheilt worden, ebenso wenig über andere Experimente. Man kann wohl nicht sagen, dass dieser Versuch eine wesentliche Stütze für die klinischen Beobachtungen ergeben hat. Selbst abgesehen davon, dass uns die Deutung der bei Hunden doch nicht allzu seltenen Ver- fettung als „typische Nephritis“ doch zweifelhaft ist, ist doch offenbar inner- halb 2!/, Monaten keine Spur des Beginnes einer Steinbildung einge- treten. Der Hund hatte allerdings — was wohl zu bemerken ist — auch keinerlei Blasenkatarrh oder sonstige Zeichen bakterieller Infection. Bei dieser Sachlage und Angesichts des hohen Interesses, welches diese Frage für die Theorie der Steinbildung besitzt, schien uns eine Wieder- holung dieses Thierversuches sehr wünschenswerth. Wir waren durch die grosse Liebenswürdigkeit des Hrn. Prof. Immanuel Munk in den Stand gesetzt, die Versuche in der von ihm geleiteten speciell physiologischen Abtheilung des physiologischen Institutes zu Berlin ausführen zu dürfen, und sprechen ihm auch an dieser Stelle für seine thätige Antheilnahme an unserer Arbeit unseren lebhaftesten Dank aus. Nachdem sich alsbald herausgestellt hatte, dass Kaninchen den Ein- griff nicht hinreichend lange überleben, machten auch wir unsere Versuche an Hunden. Wir lassen die Versuchsprotocolle hier folgen: Exp. I. 1'/, jähriger Hund, 20 Pfund wiegend. — Der Urin ist vor der Opera- tion klar, enthält kein Eiweiss, erweist sich, auf Gelatine verimpft, als steril. 18./I. 1897. In Aethernarkose und nach vorheriger Einspritzung von 0.15 Morphium wird der Wirbeleanal zwischen erstem und zweitem Lenden- wirbel eröffnet, das Rückenmark ligirt. Hund, nach der Operation sehr ‘ Zur Pathogenese der Nierensteine. Zeitschrift für Heilkunde. 1887. Bd. VII, 202 Posner und P. AscH: unruhig, erhält noch 0°05 Morphium, wird in den Wärmekasten verbracht und dort zunächst dauernd (6 Wochen lang) gehalten. 19./I. Thier im Allgemeinen wohl. Complete Lähmung der Hinter- beine, Prolapsus ani. Vollständige Harnretention. Blase wird durch Aus- drücken entleert; der Harn ist klar, enthält kein Eiweiss, sedimentirt nicht. Bakteriologische Untersuchung, wozu (wie stets) erst der letzte Theil des Harns verwandt wird, völlig negativ. 20./I. Status idem. Operationswunde eitert oberflächlich, wird eröffnet. 21./L. Wunde wird weiter geöffnet, da Eiterung andauert. 22. bis 25./l. Wunde granulirt; Befinden gut. Harn völlig normal, steril. 26./I. Wunde geheilt. 27./I. Bei sonst gleichem Befunde enthält der Harn Staphylococeus albus (Gelatinesticheultur). 28./L. Harn wieder völlig normal. Retention dauert unverändert an; wird das Ausdrücken der Blase über die gewohnte Zeit hinaus unterlassen, so läuft der Urin von selber ab. 29. bis 31./l. Es wird jetzt etwas Urin im Strahl entleert, doch muss immer noch täglich exprimirt werden; Urin normal. 1./II. Urin enthält Streptococeus (Gelatinesticheultnr). Prolapsus ani bildet sich zurück. 2. bis 7./U. In diesen Tagen bildet sich die Harnverhaltung voll- ständig zurück. Lähmung der Hinterbeine ist unverändert, der Hund lernt sich im Zimmer zu bewegen, ist übrigens stark abgemagert. Urin normal. 8.1I. Erneuter Prolapsus ani. Rechts davon 10-Pfennigstückgrosses Decubitalgeschwür, wird mit Borax bestreut. 9./Il. Anusprolaps zurückgebracht, nach gründlicher Reinigung des ganzen Hinterleibes wird, von nun an täglich, Decubitalgeschwür mit Höllen- stein geätzt. Urin normal. 12./II. Geschwür am After granulirt gut. An der rechten Hinterpfote 3 kleine Decubitalgeschwüre. 15./H. Bildung weiterer (im Ganzen 6) Decubitalgeschwüre an der Hinterpfote. 19./I. Alle Geschwüre granuliren gut unter Höllensteinbehandlung. Urin dauernd normal. 20./II. Starke Diarrhöe. 28./II. Am Knie des rechten Hinterbeines breites Geschwür. 1. bis 2./III. Wegen dauernder Diarrhöe Darreichung von kohlensaurem Kalk mit der Nahrung. 4./III. Tet. opii simpl., 10 Tropfen. 5./III. Diarrhöe beseitigt. Urin normal. 9./III. Decubitalgeschwür am Bauch, dicht oberhalb der Symphyysi. 10./III. Nach Morphiuminjeetion wird in Aethernarkose durch 6 ©” langen Schnitt, der Wirbelsäule parallel, in der Höhe der unteren Brust und oberen Lendenwirbel linke Niere freigelegt. Dieselbe sieht vollständig normal aus, fühlt sich überall, auch am Nierenbecken, weich an, wird daher un- eröffnet versenkt, Wunde vernäht. 11./III. Hund befindet sich wohl, Urin normal. 12./III. Eiterung der Nephrotomiewunde; Imeision, starke Blutung. Ausfüllung der Ineisionswunde mit Sublimatgaze. EINFLUSS DER RÜCKENMARKSDURCHSCHNEIDUNG AUF DIE NIERE. 203 13./1II. Wunde secernirt nur seröse Flüssigkeit. 14./1Il. Wunde geheilt. Urin.enthält viel Harnstoff, ist sonst normal. 16./1Il. Starke Diarrhöe. 17. bis 20./IH. Darreichung knochenreicher Nahrung. Deecubitalge- schwüre granuliren gut, müssen aber täglich mit dem Höllensteinstift geätzt werden. 21. bis 31./IIL. Es tritt, bei sonst gutem Befinden, allmähliche Ab- magerung auch des Vorderkörpers ein. 1. bis 13./IV. Hund befindet sich im Ganzen wohl, keine Diarrhöe. Der Harn ist andauernd normal. 14./IV. Ohne vorherige Krankheitserscheinungen gezeigt zu haben, stirbt der Hund. Die Section ergiebt keine bestimmte Todesursache; insbesondere sind Lungen, Herz, Leber, Darm normal. Die Nieren sind von normaler Grösse, auf dem Durchschnitt etwas blass, namentlich erscheint das Mark auffallend weisslich. Der linke Ureter $-förmig gekrümmt (Folge der Zerrung bei der Probeoperation?). Das Rückenmark ist zwischen erstem und zweitem Lenden- wirbel total abgebunden. Mikroskopische Untersuchung der Nieren ergiebt mässige Verfettung, namentlich der Markstrahlen. Glomeruli und 'Tub. contorti ganz normal, auch mittels Kochmethode kein Eiweiss nachweisbar. Exp. Il. !/, jährige Hündin, 6'/, Pfund wiegend. — Urin vor der Operation klar, eiweissfrei, steril. 2./II. 1897. In Aethernarkose Eröffnung des Wirbelcanales in Höhe des neunten bis zehnten Brustwirbels, Rückenmark durchschnitten. Hund kommt in Wärmekasten. 3. bis 6./H. Befinden gut. Hinterbeine gelähmt. Retentio urinae. Harn, durch Expression entleert, normal, steril (zur bakteriologischen Unter- suchung wird der letzte Theil des exprimirten Harnes verwandt, nachdem die äusseren Geschlechtstheile mit Sublimat und darauf mit abgekochtem Wasser abgewaschen waren). 7./O. Leichte Eiterung der Operationswunde. Ineision. Urin normal. 9./II. Andauer der Eiterung. Urin normal. 10./II. Vergrösserung der Ineisionswunde, Sublimatwattetampon. Hund befindet sich gut. 11./I. Wunde geschlossen, Urin normal. 19. bis 20./I. Stat. id. Urin stets normal. 21./I. Kleine, eiternde Fistel rechts von der Ineisionswunde. Sublimat, 26./II. Fistel geheilt. Urin stets normal. 27./I. bis 3./III. Wunde ganz geheilt. Diarrhöe. 5./IH. Zufuhr kohlensauren Kalkes. Diarrhöe sistirt. 6. bis 13./III. Befinden gut. Harn normal. 14. bis 20./IH. Starke Abmagerung; blutiger, einmal auch stark eitriger Koth. 21. bis 28./III. Grosse Abmagerung, dauernd blutiger, aber fester Koth, schlechter Appetit. Urin sehr concentrirt, sonst normal. 204 Posner unD P. Asch: 28./IIL. Hund sehr elend, eitriges Secret aus der Nase. Thier wird mittels Chloroformnarkose getödtet. Section ergiebt nichts Besonderes, insbesondere ist an der Lunge, dem Herzen sowie auch an dem in seiner ganzen Länge aufgeschnittenen Darm nichts Pathologisches zu finden. Blase stark dilatirt; Ureter und Nieren- beeken sind normal, Niere kaum weisslich verfärbt. Mikroskopisch ausser mässiger Verfettung der Markstrahlen nichts Be- sonderes. Von unseren beiden Versuchsthieren hatte also das erste nahezu 3, das zweite fast 2 Monate mit durchtrenntem Rückenmark gelebt und auch alle für Rückenmarksdurchschneidung charakteristischen Symptome dargeboten, die freilich im ersten Fall in sehr bemerkenswerther Weise sich wieder, wenigstens was die Blase betrifft, zurückbildeten. Es war gelungen, während der ganzen Dauer des Versuches das Eintreten einer Cystitis zu verhüten, selbst als (Versuch I) Eiterkokken, die wahrscheinlich von der Wunde her ihren Eingang in den Kreislauf genommen hatten, die Harn- wege passirten. Es war auch nie Albuminurie aufgetreten; und dem- entsprechend erwies sich auch die Niere bei genauester mikroskopischer Durchforschung als normal, abgesehen von einer auch von uns beobachteten Verfettung der Markstrahlen, die wir, wie schon oben bemerkt, als besonders pathognomonisch nicht anzuerkennen vermögen. Irgend eine Spur einer Nekrose oder eines Infarctes war nicht zu erkennen. Wir sind weit entfernt, aus dem negativen Ergebniss dieser beiden Versuche allgemeine Schlüsse zu ziehen und aus ihnen etwa eine Wider- legung von Müller’s Anschauungen zu folgern. Es ist vor allen Dingen zu bedenken, dass ja beim Hunde, mit der bei ihm stark ausgeprägten Acidität des Harnes, die Verhältnisse sehr wesentlich anders liegen können, als beim Menschen. Immerhin muss doch darauf aufmerksam gemacht werden, dass eben im Thierexperiment ein Factor ausgeschaltet war, dessen verhängnissvolle Einwirkung am Krankenbett jedem Arzte zur Genüge bekannt ist — das ist der Katheterismus. Die Harnverhaltung, die sich an Rückenmarks- verletzungen fast unmittelbar anzuschliessen pflegt, macht so gut wie aus- nahmslos die Anwendung des Katheters erforderlich — und selbst bei strengster Anwendung der Asepsis gelingt es gerade in diesen Fällen fast nie, das Eintreten einer Cystitis — ja wohl gar einer Pyelitis und Pyelo- nephritis zu vermeiden. Wir wollen hier auf die Bedingungen der Stein- bildung nicht näher eingehen; dass wenigstens bei Phosphatsteinen — und um solche handelt es sich hier ja wohl meist — Eiterung und Infection eine erhebliche Rolle spielen, dürfte unbestritten sein. Gewiss können auch EINFLUSS DER RÜCKENMARKSDURCHSCHNEIDUNG AUF DIE NIERE. 205 auf anderem Wege Bakterien ihren Weg in Blase und Niere finden,! in praxi wird die Katheterinfecetion (bezw. das Verschleppen von Keimen aus der Urethra mittels des Katheters) wohl immer die Hauptrolle spielen. So können wir uns denn, trotz der von Müller erhobenen Einwände und indem wir die Eingangs hervorgehobene Möglichkeit einer Betheiligung nervöser Einflüsse bei der Nierensteinbildung theoretisch vollkommen anerkennen, vorläufig noch nicht von der Anschauung losmachen, dass bei der Ent- stehung dieser Coneremente die Infection des Harnes die Hauptrolle spielt. Und der Arzt wird die äusserst interessanten Beobachtungen der Halleschen Klinik demnach vorwiegend in dem Sinne beachten müssen, dass er mit allen nur verfügbaren Mitteln bei den an Rückenmarksverletzung leidenden Patienten für Sterilisirung des Harnes Sorge zu tragen hat.? ! Vgl. Posner und Lewin, Untersuchungen über die Infection der Harnwege. Centralblatt für Krankheiten der Harn- und Sexualorgane. 1896. ? Ebstein empfahl in der an eine kurze Mittheilung des Einen von uns (Posner) auf der Düsseldorfer Naturforscher-Versammlung sich anschliessenden Discussion zu diesem Zwecke warm die prophylactische Darreichung von Urotropin. Ein Stoffwechselversuch beim atrophischen Säugling. Von Dr. Bernhard Bendix, I. Assistenten an der Univ.-Kinderpoliklinik der Kgl. Charite. Der Stoffwechsel des Erwachsenen ist unter normalen Verhältnissen so weit durchforscht und durch die gemeinsame, mühevolle experimentelle Arbeit von Physiologen, Hygienikern und Klinikern so weit aufgebaut worden, dass die Bedingungen für die Menge der Nahrungsaufnahme, für die Resorp- tion derselben, für die Oxydation und Retention beinahe wie Gesetze fest- stehen, und auch für die Pathologie des Stoffwechsels des Erwachsenen herrscht gleichfalls bei einer grossen Zahl von Krankheiten eine in den Hauptpunkten gesicherte Klarheit. Ganz anders liegen die Verhältnisse im Kindesalter beim noch wachsen- den und zunehmenden Menschen, speciell beim Säugling. Finden sich auch zahlreiche und werthvolle Beobachtungen über die normalen Nahrungs- mengen, welche ein Säugling, speciell das Brustkind zu sich nimmt, und bei welcher Zufuhr er gedeiht, vor — ich erinnere nur an die über diesen Gegenstand gemachten Mittheilungen von Hähner, Forster, Ahlfeld, Pfeiffer und in neuerer Zeit an die von Feer und Johannessen, — liegen auch Veröffentlichungen über die vom Säugling gelieferte Urin- und Kothmenge und deren Bestandtheile vor (Cruse, Camerer, Uffelmann), und hat Camerer! selbst auf Grundlage dieser Einzelbeobachtungen unter Hinzunahme theoretischer Berechnungen in seinem Buche ein sehr werth- volles Fundament für den „Stoffwechsel des Kindes“ geschaffen, so haben doch alle diese Bemühungen nicht ausgereicht, um uns einen vollkommenen Einblick und ein klares Bild über den Stoffwechsel und den Haushalt des Säuglings zu verschaffen. Ich brauche mich an dieser Stelle nicht des Weiteren darüber aus- zulassen, welche Bedingungen für die Exactheit eines Stoffwechselversuches in Frage kommen; nur das will ich betonen, dass bis vor Kurzem beinahe ı W.Camerer, Der Stoffwechsel des Kindes. Tübingen 1894. BERNHARD BENDIX: EIN STOFFWECHSELVERSUCH U. S. W. 207 Alles gefehlt hat, was den Stoffwechseluntersuchungen im Säuglingsalter speciell für den wichtigen Factor der Ausscheidungsproducte durch Koth und Urin eine genügende Garantie für die Richtigkeit der Zahlen gewährleistet hätte. Und die Schwieriekeiten, welche sich uns bei der Feststellung der Excretbestandtheile im Säuglingsalter entgegenstellen, liegen begründet in der grossen Unzuverlässigkeit der für die Stoflwechselversuche nothwendigen Apparate. Alle Autoren loben zwar ihre für derartige Versuche verwen- deten Harnreeipienten — denn auf die verlustlose und vom Koth getrennte Sammlung des Urins kommt es hauptsächlich an, weil die Kothentleerungen des Säuglings an und für sich leichter aufzufangen sind — und geben an, dass sie den Gesammturin entweder vollkommen oder beinahe verlustlos gesammelt haben. Und dennoch haben wir den Eindruck gewonnen, aus dem Vergleich der eingeführten Nahrungsmenge zu dem aus derselben ge- bildeten Harn, dass bald grössere, bald kleinere Verluste vorliegen mussten. Um diesem Uebelstande abzuhelfen, habe ich seiner Zeit einen Apparat angegeben, dessen tadelloses Functioniren es ermöglichte, Koth und Urin verlustlos und getrennt auch im Säuglingsalter zu sammeln. Dieser Apparat ist seiner Zeit an der Hand einer Abbildung von mir ausführlich beschrieben worden." Wenngleich ich nun denselben im Laufe der folgenden Jahre stets und zu meiner vollen Zufriedenheit bei den weiteren von mir ausgeführten Stoffwechseluntersuchungen verwandte, und derselbe auch, soweit ich höre, von verschiedenen anderen Autoren mit Nutzen angewendet wird, so bin ich doch heute der Ansicht, wie ich dies bereits in der Sitzung des Vereins für innere Mediein am 20. März 1899 gelegentlich des Baginsky’schen Vortrages über Atrophie der Säuglinge ausgesprochen habe, dass ausser dem exact functio- nirenden Apparat noch etwas unerlässlich ist, was erst die volle (rarantie für das Gelingen des Versuches abgiebt, das ist eine ständige Wache Tag und Nacht bei dem Säugling, welche in gewissenhaftester Weise kleine Func- tionsstörungen im Apparat, wie solche von Seiten des Kindes, zu controliren hat. Bei allen meinen Versuchen unterstützten mich in dankenswerther Weise junge Studirende der Medicin, von deren Verständniss und Interesse für den Versuch auch die Angabe der kleinsten Störung vorausgesetzt werden durfte, was auch jederzeit aus den ausgelegten Controlbüchern zu ersehen war. An und für sich stellen sich schon dem Forscher ziemlich grosse Hinder- nisse in den Weg bei der Ausführung von Stoffwechselversuchen beim Säug- ling, denn derartige Versuche lassen sich überhaupt nur im Krankenhause oder am eigenen Kinde vornehmen, unter welchen Verhältnissen es allein möglich ist, quantitativ Nahrung zu verabreichen und quantitativ die Excrete mit sammt ihren Bestandtheilen zu bestimmen. Und will man derartige ı Jahrb. für Kinderheilkunde. 1896. Bd. XLIII. Heft 1. 208 BERNHARD BENDK: Versuche an gesunden Säuglingen anstellen, woran man natürlich zuerst dachte, um Normen für das gesunde Kind gegenüber pathologischen Zu- ständen feststellen zu können, so liegt wieder die grosse Schwierigkeit vor, woher gesunde Kinder nehmen, wofern man nicht in der glücklichen Lage ist, wie es Camerer war, an seinen eigenen Kindern experimentiren zu können. Im Krankenhaus selbst findet man für diesen Zweck wenig ge- eignete Säuglinge. Auch geben Eltern ihr Kind für derartige Zwecke nur schwer und ungern sowohl in ein Krankenhaus als auch ebenso wenig in die Privatwohnung des Arztes; im Spital aber ist es nicht immer so ganz leicht, gesund aufgenommene Säuglinge, besonders wenn sie nicht isolirt sind, bezüglich ihres Verdauungstractus intact zu halten. Im Uebrigen muss auch berücksichtigt werden, dass der Arzt, welcher ein Kind zu Versuchszwecken zu sich nimmt, immerhin keine kleine Ver- antwortung auf sich ladet, falls dem Kind irgend eine Indisposition, die nicht vom Versuch abhängig zu sein braucht, zustösst. Mit allen den angeführten Factoren hat also ein Stoffwechselversuch am Säugling zu rechnen; es ist daher auch nach diesen Auseinandersetzungen nicht schwer zu verstehen, warum alle die in den letzten Jahren publi- cirten Versuche, wenngleich sie als solche am gesunden Säugling aufge- führt werden, doch immerhin nur Zahlen für annähernd normale Ver- dauungsvorgänge bringen, denn entweder waren die zu den Versuchen benutzten Säuglinge schon bei dem Beginn des Versuches nur „beinahe normal“ bezw. „ein wenig dyspeptisch“, wie dies fast von allen Autoren, welehe über diesen Gegenstand gearbeitet haben, hervorgehoben wird, oder das in Beobachtung befindliche Kind wurde während des Versuches durch die Versuchsbedingungen so alterirt, dass die Stühle, wenn auch nur zeit- weise, leicht dyspeptisch wurden. Indessen sieht man von diesen kleinen Störungen ab, welche, wie mir jeder, der über diese Verhältnisse selbst gearbeitet hat, zugestehen muss, schwer auszuschalten sind, so liegen nun bereits über die Stoffwechselvor- gänge beim normalen Säugling — normal in dem eben geschilderten Sinne — erfreulicher Weise seit Lange’s! und meiner? Arbeit eine be- trächtliche Zahl von weiteren Forschungen vor, in denen sich ausser der Heubner’schen Klinik insbesondere die Czerny’sche Schule (Keller, Freund) sowie Blauberg, Knöpfelmacher, Lange, Behrend und Gross betheiligt haben. Zu den werthvollsten Beiträgen dürften unstreitig die unter Rubner und Heubner? in Gemeinschaft mit Bendix, Winternitz, Wolpert und ! Lange, Jahrb. f. Kinderheilk. 1895. Bd. XXXIX. ? Bendix, Fbenda. 1896. ® Rubner und Heubner, Die natürliche Ernährung eines Säuglings. Zeitschrift für Biologie. Bd. XXXVI. H.1. EIn STOFFWECHSELVERSUCH BEIM ATROPHISCHEN SÄUGLING. 209 Spitta angestellten Versuche gerechnet werden, welche neben den Aus- gaben durch Koth und Urin zu gleicher Zeit den Respirationsstoffwechsel mit in Betracht zogen. Diese Versuche sind, abgesehen von denen von Eckerlein, Büchner, Dohrn und Scherer, welche entweder nur die Grösse des Lungen- gaswechsels an Neugeborenen ohne Rücksicht auf den Chemismus fest- stellten oder aber über Respirationsversuche berichten, welche an dem Uebelstande leiden, dass jeder einzelne Versuch von zu kurzer Dauer ist, die ersten dieser Art, sowohl bezüglich ihrer Vollkommenheit als auch ihrer Zeitdauer und dürfen aus diesen Gründen wohl als fundamental für die Er- kenntniss der Stoffwechselvorgänge am gesunden Säugling angesehen werden. Auf die durch diese Arbeiten festgestellten Thatsachen will ich hier nicht näher eingehen, sie mögen in den Originalien nachgelesen werden; ausserdem sind die aus den Versuchen sich ergebenden Resorptions- und zum Theil auch die Retentionsverhältnisse, soweit die Ergebnisse publieirt sind, bereits in den verschiedenen Arbeiten Keller’s! tabellarisch zusammen- gestellt. Für die Resorptionsverhältnisse des Säuglings indessen möchte ich mir erlauben, die Aufmerksamkeit des Lesers in Anspruch zu nehmen, und zwar speciell, was die Aufnahme des Eiweisses und Fettes aus der Milch, welches Nahrungsmittel ja natürlich allen für den Säugling in Betracht kommt, anbetrifft. Wenn wir die beim annähernd gesunden Säugling (Flaschenkind) ge- fundenen Werthe für die Ausnutzung der beiden angeführten Nahrungs- stoffe, des Eiweisses und des Fettes, soweit über Letzteres etwas Positives vorliegt, zusammenstellen, so ergeben sich folgende Zahlen: Tabelle I. Künstlich ernährte (leidlich gesunde) Kinder. A. Kuhmilch ohne Zusatz von Kohlehydraten. % | ı Tägl. N- |Resorptio Een Dauer | Durch- |N-Resorp- end ee ; Autor | _des |des Ver- schnittliche tion ‚durch den Nahrungs- ' Kindes suches | tägliche Kot le fettes in Mon. in Tagen Bau in Proe. | in grm | in Proc. Keller I? S 6 2.6725 | 85-8 0-3805 | — TI &1/, 3 1.8527 | 93-2 | 0-1251 en a 6 6 3.8312 | 95-2 | 0.3694 | — ” 13 21% 6 1:2782 | 84-5 | 0-3960 | — 1 Centralblatt für innere Medicin. 1898. Nr. 21 u. 31; 1899. Nr. 2. — Malz- suppe eine Nahrung für magendarmkranke Säuglinge. Jena 1898. ® Keller, Centralblatt für innere Medicin. 1898. Bd. XIX. Nr. 21. ® Keller, Zbenda. Nr. 31. Archiv f.A.u. Ph. 1899. Physiol. Abthlg. Suppl. 14 210 BERNHARD BENDIK: Tabelle I. (Fortsetzung.) B. Kuhmilch mit Zusatz von Kohlehydraten. 1. Mit Milchzucker. | Tägl. N- |R i Alter | Dauer , Durch- N. Resorp- Aussehen a Amar des |des Ver- ischnittliche, tion? dreh N u | Kindes | suches | tägliche | "X AN ” a in Mon. in Tagen N-Zufuhr (in ErocNe el 5 CU vers unfef 3 | | | ) In grm | in Proc. Bendiein. ls 6: | 8:745 | 79-8 ‚0.766 89-29 e“ Nachperiode 325 2 3-57 | 83-22 | 0-60 | 91-97 Lange u. Berend’ I | 6 6 | 4.5085 77-9 | 0.9954 | 75-2 5: \ ae 37 7 | 4.5721 | 79-4 | 0.9428 | 86°5 2. Mit Kufeke-Mehl. Ereund,? Ila 4g:3;5 | 7 354. 2365 | 85.5 0.385: I e | 5 3.12 35-1 „.jn0-AB2IE Es erhellt aus der Tabelle, dass unter normalen Verhältnissen das Fett und das Eiweiss der Kuhmilch vom Säuglingsdarm leidlich gut resorbirt werden. Ueber die Pathologie des Stoffwechsels liegen ausser den weiter unten zu nennenden Untersuchungen von Heubner und Baginsky kaum irgend welche Untersuchungen vor. Es erschien mir daher von Werth zu sein, bei der Krankheit des Säuglingsalters den Stoffwechsel zu untersuchen, welche durch ihr ganzes klinisches Verhalten von vornherein den Eindruck hervor- ruft, als wenn bei ihrem Vorhandensein die Verdauungs- und Resorptions- verhältnisse geschädigt sein müssten. Ich spreche von der Atrophie (Paed- atrophie, Athrepsie), welche aus dem angeführten Grunde, wie ich glaube, auch das Interesse des Physiologen für sich in Anspruch nehmen dürfte. Um jeden Irrthum auszuschliessen, möchte ich kurz skizziren, was wir unter Atrophie verstanden wissen wollen, und bei welcher Art derselben ich den Stoffwechselversuch angestellt habe. Es handelt sich bei den Fällen von echter Atrophie klinisch um ein äusserst abgemagertes Kind, dessen Fettpolster und Muskellager mit der Zeit so schwindet, dass nichts weiter als Haut und Knochen von dem Kinde übrig bleibt. Es ist, wie man sich ausdrückt, skeletartig abgemagert. Der Säugling zeigt dann das bekannte, oft geschilderte Bild eines elenden, blassen Wesens, mit greisenhaftem Gesicht, tiefliegenden Augen, eingesun- kener Fontanelle, bei dem die Haut um die Knochen schlottert. Das Kind bleibt dauernd im Gewicht stehen oder die Gewichtskurve fällt continuir- lich nach unten. Dabei ist der Appetit leidlich gut und die Menge der Nahrungsaufnahme dem Alter des Kindes ungefähr angemessen. Der Stuhl ist normal breiüig, ab und zu auch einmal dyspeptisch oder ! Bendix, Jahrb. für Kinderheilkunde. 1896. Bd. XLIll. ? Lange und Berend, Zbenda. 1897. Bd. XLIV. 3 Freund, Zbenda. 1898. Bd. XLVII. Eın STOFFWECHSELVERSUCH BEIM ATROPHISCHEN SÄUGLING. 211 zwischendurch in Folge eines exacerbirten Darmkatarrhes diarrhöisch. Es handelt sich meist um Kinder, bei denen bald dieses, bald jenes gut er- scheinende Nahrungsmittel versucht wurde, selbst die Mutterbrust oder Amme requirirt wurde, um das Kind in die Höhe zu bringen. Nichts hilft, continuirlich sinkt das Gewicht. Ausgeschieden sind von diesen Formen der echten Atrophie diejenigen, welche hervorgerufen sind durch absichtliche Unterernährung (Verhungern- lassen durch Engelmacherinnen) oder durch unbewusste Unterernährung, indem von der selbst stillenden Mutter das Nachlassen der Milchsecretion in der Brust unbemerkt bleibt oder Unwissenheit bezüglich der nothwendigen Nahrungsmengen bei der künstlichen Ernährung, ausgeschlossen ferner Atrophieen, welche ätiologisch bedingt sind durch Lues oder Tuberculose. Aetiologisch stehen für die erstgenannten für uns hier in Betracht kommenden Formen von Atrophie im Vordergrund, entweder hochgradige angeborene Schwäche der Säuglinge, welche von keinem der vielen ver- suchten Nahrungsmittel überwunden wird, oder voraufgegangene Darm- katarrhe bilden die Ursache; für manche Fälle fehlt selbst diese Unterlage. Einen solchen Fall von echter Atrophie habe ich mir mit gütiger Erlaub- niss meines Chefs, des Hrn. Geh.-R. Heubner, aus der Säuglingsabtheilung der Kgl. Charite ausgewählt und für einen Stoffwechselversuch verwerthet. Durch die Beifügung der Temperatur-, Gewichts-, Nahrungs- und Stuhl- tabelle glaubte ich mehr wie durch eine ausführliche Krankengeschichte darzuthun, dass es sich in der That um einen Fall von Atrophie handelt in dem Sinne, wie ich ihn oben geschildert habe. Dieser durch die Curve gegebenen Skizze habe ich nur noch wenige Worte hinzuzufügen. E Das Kind P., ungefähr 4 Monate alt, wurde am 8. II. 1896 in die Königl. Charite in äusserst abgemagertem Zustande eingeliefert mit einem Gewichte von 3-890®®. Bei der Untersuchung desselben wird Lues und Tuberculose, sowie andere pathologische Zustände ausgeschlossen. Der atrophische Zustand des Kindes bleibt trotz einer Nahrungszufuhr, welche dem Alter und dem Gewicht des Kindes angemessen erscheint, bei Fehlen von Erbrechen, bei bald normalem, bald dyspeptischem Stuhl, bei schwan- kendem Gewicht, während des Krankenhausaufenthaltes, der über 4 Wochen währt, bis zum Tode der gleiche. Ungefähr 8 Tage vor dem Tode stellte sich eine Otitis media duplex ein; unter voraufgehender Temperatursteigerung trat Collaps und der Exitus ein. Das Gewicht war einen Tag vor dem Tode trotz verschiedenfacher Modificationen in der Ernährung (Milch, Fett- milch, Nestle-Mehl) das gleiche wie bei der Aufnahme des Kindes, 3.890 ®=. Die Section ergiebt eine Enteritis catarrhalis. Tuberculose oder Lues nicht nachweisbar. 14* Namdu.Alter: — aaalnelak Epson Eu Johannes Plura. ENGE DI BIO DD A -- EN ZL dh 10229 a. DD S Ss ILL-[= — 4X 05) us | Sr 20 1 | Fiderzolg schleimig, Valı rung‘? jä M. |M. |M. or Sc ll En zu derBe El für die Stühle: Normal, tt: Z gallussäz ee Atrophie. Januar < EYENER EIERN BEE BER el [22 er laufen mehr. RN! BE KEIEEEIE T HERE & | | TI j Tale FE-FEFERFER rn IEUBERERRNNNEa N 2| | 8 | I 1 IS 5 et | j | ya} Sr E | 7,0| Gallz A Xtg EN] EA Een nn ae une 995|750\705017040\7020 70501050|1050 1050 700\8 PrarE M. OOTAMEIH =. \ m. | m. |m. |m. 5oolE.M.| EM. Milen +Thee zerfahrern., "01105011050 002 0 Zul FM. \FM. 00 ar 1.090 Milch + Thee breiigmit viel Schleim, breüg mit nanig Schleim, 3% 10001000 [10007000 Ze E zerfahren ww. schleimig, 1050 = Ne stle-\ Ne stlermehl EIN STOFFWECHSELVERSUCH BEIM ATROPHISCHEN SÄUGLING. 213 Es folgt der Stoffwechselversuch: Derselbe währte 5 Tage. Ueber die Ausführung desselben ist an dieser Stelle nichts Neues zu sagen. Um die Resorptionsverhältnisse zu studieren, hätte ja neben der Analyse der Nahrung die Kothanalyse genügt, doch habe ich auch den N im Urin bestimmt, da mir das Material hierfür zur Verfügung stand und zugleich aus der N-Retention ersichtlich wurde, wie viel von dem resorbirten N nun wirklich zum Körperansatz verwerthet wurde. Die Stickstoffbestimmungen wurden nach Kjeldahl, die Fett- bestimmungen im Soxhlet’schen Extractionspparat ausgeführt. Jede ein- zelne Portion der Nahrung wurde genau gemessen. Auffangen des ge- sammten Urins und exacte Trennung desselben vom Koth gewährleistete der in der Einleitung erwähnte Apparat und die Wache beim Kinde. Für die Abgrenzung des Kothes wurde Chocoladenbrei gewählt, ein Mittel, welches sich mir des Wohlgeschmackes wegen für Versuche im Kindesalter stets am besten bewährt hat; der braune Chocoladenkoth differenzirt sich ausserordentlich gut von dem gelben Milchkoth. Der an dem 4 Monate alten atrophischen Kinde, welches mit etwa 1 Liter Milch (?/, Milch mit Zusatz von 12.3 Procent Milchzucker) ernährt wurrde, angestellte Stoffwechselversuch ergiebt nach der beigefügten Tabelle eine Resorption des Nahrungs-N von 71.96, des Fettes von 59.09 Procent (und zwar als Ergebniss einer täglichen N-Zufuhr durch die Nahrung von 3-424 und Ausscheidung durch den Koth von 0-960 &). Die N-Resorption ist demnach in diesem Versuche beim Vergleiche der erhaltenen Werthe mit denen beim leidlich normaien Kinde gefundenen bei ungefähr der gleichen Ernährung nicht sehr beträchtlich herabgesetzt. Wie aus den früher angeführten Zahlen hervorgeht, stellt sich die Re- sorption für den normalen Säugling bei einer Ernährung von Milch mit Zusatz von Kohlehydraten (Milchzucker) auf 79.8, 83-2 Procent (Bendix), 77:9, 79.4 Procent (Lange und Berend), 88-3 und 90.9 Procent (*/, Milch, bezw. Vollmilch + Malzzucker Keller). Für die Fettausnutzung sind die Differenzen zwischen normalem und atrophischem Kind bedeutend grössere. Fettresorption. Normales Kind. Atrophisches Kind. 81 Procent (Lange) 59.09 Procent. 89.29 „ (Bendix). RI Zum Vergleiche für diese pathologischen Verhältnisse können natur- gemäss nur normale Versuche herangezogen werden, in welchen die Kinder in ungefähr derselben Weise ernährt wurden. Denn aus den Versuchen 214 BERNHARD BENDIX: Tabelle IE. Stoffwechselversuch an einem atrophischen Säugling. Nahrungszufuhr | | Tag N 2 = Urin- | Kotl Gewicht des Ver- | Datum | Misch- Thee ‚sesammt- menge Die ‚des Kindes ae | milch ‚füssigkeit| | r RR SER NRE grm & gım ik grm | ccm | grm | kg 1 | 12. Dec.|| 914 119 1033 | 387. j* 3.830 NE URS KEN 150 987 || . 852, | _ | 3-810 3 14.0107 :969 = 969 | 260 | 1105-95 3.800 | | feucht al ore., 2042095 150 1145 || 460 | 109.70 ° | 8°790 | | trocken Bf Iuilb. Alkllenr998 158 1151 489 d.h. 90-08%), | 83-830 | Wassergehalt In 5 Tagen . . | 4708 577 N 1948 9.92%), Abgerundet . . | 4710 580 a || on nie 1950 | Trockensubst. Nahrungszufuhr An Cal. werden dem Kinde \ Gehalt an In Procenten zu sstührt rund (PIOAGDE Zeit Menge & | Fett N Fett | grm | Cal. Misch- 0-3688 [2-2775 | Durch Eiweiss 21-38| 88 milch ! = 2-27. „. Fett —121-45| 200 In 5 Tagen grm | 4710 | 17-12/107-27 = = © Zucker] 2 oo] Ausgabe durch d. | BAR Fe ErRREr EB Gesrmtkoi | Zunhr an Cal.pro die 579 RUE en Von dies. Nahrungsbestand- Resorption grm 12. 32] 63-38 — — |theilen wurden resorbirt (p.d.) = Proe..! — |71-96, 59-09 — — | grm | cal Verlust in Proe. | — |28.04| 40-91 on _ _— 7 Bedlrchid Eiweiss . [18° 38| . 683 usgabe durch d. | Ges.-Urin1950 = | —. |. 8-57) o— = = Sc oe ee Ges.-Ausscheid.d. Ucken, Sen lBe Kothu.Uringrm|) — 13-37) — —_ — |Es kommen demnach j Te dem, Kindeanochezu Retention grm| — | SU Di 2 ri Gute pro die? . A473 ! Von jedem Tag der Periode wurden je 100 ®”® Milch zurückgestellt, conservirt, am Ende der Periode zusammengemischt und diese Mischung zur Analyse benutzt. ? Der Zuckergehalt ist nur geschätzt nach früheren von mir ausgeführten Analysen der Heubner’schen ?/,-Milch (650 Milch + 350 ©” 12-3procent. Milchzuckerlösung). 6502m Milch sollen enthalten 28 == Milchzucker (bei einem Zuckergehalt von 4-2 Proc.) und dazu kommen 43 == Milchzucker aus der Milchzuckerlösung = 71®”= im Liter. Das Kind trank zwar nur etwa 950m Milch im Tage, doch glaubte ich dieses kleine Defieit bei der Calorienberechnung ausser Acht lassen zu dürfen. ® In der Annahme, dass so gut wie aller Zucker der Nahrung vom Säugling resorbirt wird. * Da das Kind während der Versuchstage im Gewicht um 3-800*® herum schwankt, so erhält es pro Kilo und Tag immer noch zwischen 124 und 125 Calorien zugeführt. Eın STOFFWECHSELVERSUCH BEIM ATROPHISCHEN SÄUGLING. 215 Keller’s,' Bendix’,” Lange’s und Berend’s? geht hervor, dass unter dem Einflusse von der Maltose (Keller) und der Milchzuckerzufuhr (Bendix, Lange und Berend) weniger Stickstoff aus dem Darm resorbirt. wird als bei Darreichung von Vollmilch oder verdünnter Milch. Es ist demnach für die Ausnutzung des Stickstoffes im Körper des Säuglings das Verhält- niss der stickstoffhaltigen zu den stickstofffreien Bestandtheilen von höchster Bedeutung. Die Zahlen Keller’s für die Ausnutzung des Milchstickstoffes bei Ernährung mit Kuhmilch ohne Zusatz von Kohlehydraten stellen sich wesentlich höher als die bei Zusatz von denselben, sie liegen (s. Tab. 1, S. 210) in den Grenzen zwischen 84-5, 85-8, 93-2, 95°2 Proc. bei gesunden Kindern, nähern sich demnach sehr den Werthen, welche für die Ausnützung des N bei Brustkindern gefunden wurden (83-12 bis 90-5 bis 97.57 Procent). Sehr interessant in dieser Beziehung ist der Versuch II Freund’s,* welcher darthut, dass sich auch unter pathologischen Verhältnissen gleichfalls wie unter normalen Bedingungen das Verhältniss der stickstoffhaltigen Be- standtheile zu den stickstofffreien in der zugeführten Nahrung für die Resorp- tion des N geltend macht. Denn Freund fand bei einem atrophischen Kinde° von 3 Monaten bei Ernährung mit !/, Milch ohne Zusatz von Kohlehydraten noch eine N-Ausnutzung von 949 Proc.; diese steht übrigens der Ausnutzung beim gesunden Kinde bei ungefähr gleicher Ernährung nicht nach. Neben diesem zufälligen Befunde in der Litteratur liegen nun noch die Mit- theilungen Heubner’s® über Versuche (an denen ich selbst Theil nehmen konnte) an einem atrophischen Kinde vor. Dieselben zeigen gleichfalls ver- schiedene Ausnutzung des Nahrungs-N bei verschiedener Kost; in diesem Versuche ist der Befund um so interessanter und gewichtiger, weil es sich um einen fortlaufenden Versuch an einem und demselben Kinde handelte. Dasselbe zeigte bei verdünnter Milchnahrung (mit Zusatz von Milchzucker) - eine Ausnutzung des Stickstoffes von 81.5 Procent (Nahrungs-N 2-11, Koth-N 0.388 pro die), dagegen bei Ernährung mit Kufeke-Mehlnahrung eine solche von ca. 57.3 Procent (Nahrungs-N 1.208, Koth-N 0'463 pro 1 Oentralblatt für innere Mediein. 1898. Bd. XIX. Nr. 21 u. 31. ? Jahrb. für Kinderheilkunde. 1896. Bd. XLIL. ® Lange und Berend, Zbenda. 1897. Bd. XLIV. * Ebenda. 1898. Bd. XLVIII. 8.150. 5 Freund selbst führt zwar den citirten Versuch nicht als solchen beim atro- phischen Kinde auf, indessen bei Durchsicht der Krankengeschichte darf man denselben hierher gehörig rechnen. In der Krankengeschichte heisst es: „Ausgetragenes, hereditär nicht belastetes Kind, das bei stark verdünnter Milch als Nahrung, ohne je schwerere Darmerscheinungen zu zeigen, an Körpergewicht immer mehr abgenommen haben soll.“ Im Status heisst es: „3 Monate altes Kind; Gewicht 2870 e®=, stark abgemagertes Kind ohne pathologischen Organbefund. Gebundener Stuhl u. s. w.“ © Berliner klinische Wochenschrift. 1899. Nr. 1. 216 BERNHARD BENDIK: die); der N des Mehles wurde darnach von dem kranken Darme recht schlecht ausgenutzt. Aus all’ diesem geht hervor, dass die unter pathologischen Verhält- nissen gefundenen Zahlen für die Stickstoffaussnutzung vom Säuglingsdarme keine absoluten Zahlen darstellen können, sondern nur verwerthet werden können, wenn man sie in Relation setzt zu Zahlen, welche beim normalen Säugling gefunden worden sind bei annähernd gleicher Ernährung. Der Uebersicht wegen stelle ich die unter normalen und pathologischen Ver- hältnissen gefundenen Zahlen für die Stickstoffausnutzung bei gleicher Fr- nährung in einer Tabelle zusammen. Tabelle III. Normales Kind Atrophisches Kind Ernährung N-Resorption | N-Resorption Verdünnte Kuhmilch ohne | Zusatz von Kohlehydraten | 84-5—85-8—93-2— 95-2), (Keller) | im Mittel 90%, | 94-9), (Freund) Verdünnte Kuhmilch mit Zu- | satz von Kohlehydraten: | 1. mit Milchzucker . . |79-8—83-2—77-9— 79-49), | \(Bendix) (Lange-Berend) | im Mittel 80%, 71°96°, (Bendix) 2. mit Malzzucker . . 88:3 — 900%, 815%, (Heubner) 3. mit Kufeke-Mehl. . | 85-5— 951°), 57:3%, (Heubner) (Freund) Es scheint demnach beim atrophischen Kinde eine Verschlechterung bezüglich der Ausnutzung des Nahrungs-N in erheblichem Maasse jedenfalls nicht zu bestehen, soweit dies bei der Schwierigkeit,! welche für die Be- urtheilung der N-Resorption (berechnet aus der Differenz von Nahrungs-N — Koth-N), besteht, überhaupt zu eruiren möglich ist. Speciell für den von mir untersuchten Fall wird auch das normale Calorienbedürfniss des Säug- lings noch vollkommen gedeckt. Aus der S. 214 aufgezeichneten Tabelle er- giebt sich, dass dem Kinde P. von der eingeführten Nahrung noch 473 Cal. zu Gute kommen. Da das Kind während der Versuchstage im Gewicht um 3.800 2% schwankt, so erhieit dasselbe pro Kilo und Tag zwischen 124 bis 125 Cal. zugeführt, eine Zahl, welche nach vielfachen Berechnungen (Heub- ner, Schmidt-Monnard) für ein Flaschenkind zum Wachsen und Gedeihen ! Einmal kennen wir die Grösse des N im einzelnen Falle nicht, welcher durch die Verdauungssäfte u. s. w. geliefert wird, ausserdem giebt die Angabe der Resorption in Procenten kein absolut klares Bild, weil die N-Verluste in Procenten um so grösser erscheinen, je geringer die N-Zufuhr dureh die Nahrung ist. EIN STOFFWECHSELVERSUCH BEIM ATROPHISCHEN SÄUGLING. 217 unter normalen Verhältnissen mehr als ausreicht. Wenn Baginsky! in einer neuesten Arbeit über Atrophie der Säuglinge bei zwei Stoffwechsel- versuchen eine bedeutend herabgesetzte N-Ausnutzung (einmal 37 Procent N-Verlust, und das andere Mal 52.7 Procent) erhält, und daraus (neben gleichzeitig gefundenen, tiefgreifenden, atrophirenden und degenerativen, anatomischen Läsionen des Darmtractus) den Satz aufstellt: „Die Atrophie der Säuglinge ist die Folge der durch atrophische Veränderungen des Darm- canales gestörten Assimilation“, so kann diese Folgerung für die Baginsky- schen Fälle richtig sein, aber als allgemein gültig darf dieselbe nicht auf- gestellt werden. Um so weniger wird dieselbe als richtig angesehen werden dürfen, als die Versuchskinder Baginsky’s mit durch Zusatz von Kinder- mehl verdünnter Milch ernährt wurden, bei welcher Ernährung, wie der Heubner’sche Versuch deutlich zeigt, die N-Resorption an und für sich wesentlich herabgesetzt ist. Es geht jedenfalls daraus nicht als allgemein gültig hervor, dass die colossale Abmagerung des atrophischen Säuglings, dessen Stillstand, bezw. Rückgang im Gewicht, auf nicht genügender Re- sorption, bezw. Assimilation von Nahrungs-N und daraus resultirender Deckung des Verlustes durch N-haltige Körpersubstanz beruht; dies um so weniger, da in meinem Versuche das Kind pro Tag noch 0-75sm N von Nahrungs-N im Körper zurückhält. Eine Thatsache scheint aber mein Versuch ausserdem sicher zu stellen, dass die Fettverdauung beim atrophi- schen Kinde bedeutend herabgesetzt ist, wir fanden einen Verlust von 40.91 Procent gegenüber den an normalen Kindern gefundenen Werthen von 9 bis 11 Procent Verlust; man gewinnt daher den Eindruck, als ob der Säugling, welcher in seiner Eigenschaft als wachsender Organismus noch in höherem Grade als der Erwachsene die Fähigkeit hat, das Nahrungs- eiweiss im Körper zurückzuhalten, dieses Bestreben auch bei der Atrophie aufrecht hält und lieber dafür Fett vom Körper hergiebt. Da aber offenbar die Versuche, welche nur die Resorptionsverhältnisse und den Stickstoffverbrauch in’s Auge fassen, die Atrophie der Säuglinge nicht erklären können, — denn mein Versuchskind bezog aus der zu- gefügten Nahrung trotz hochgradig gestörter Fettresorption, bei leidlicher N-Resorption, immer noch mehr Calorien als es nöthig hatte —, so dürfte es sich vermuthlich bei der in Rede stehenden Erkrankung nur um ab- norme Steigerung des Gaswechsels handeln, welche durch irgend welche chemische, vielleicht im Körper entstandene toxische Stoffe bedingt ist, wie dies auch durch den Rubner-Heubner’schen? Versuch am atrophischen Säugling zahlenmässig hervorgeht. ! Baginsky, Deutsche medicinische Wochenschrift. 1899. Nr. 18. 2 Heubner, Berliner klinische Wochenschrift. 1899. Nr. 1. Beitrag zur Lehre von der fötalen Harnsecretion und der Herkunft des Fruchtwassers. Von Privatdocent Dr. P. Strassmann, Assistenten der geburtsh,-gynäkolog. Univers.-Poliklinik der Kgl. Charite, (Aus der geburtsh.-gynäkolog. Univers.-Poliklinik der Kgl. Charite und aus dem thierphysiologischen Laboratorium der Kgl. landwirthschaftl. Hochschule zu Berlin.) (Hierzu Taf. 1.) Im Winter 1896/97 bot sich mir Gelegenheit, im thierphysiologischen Laboratorium der landwirthschaftlichen Hochschule die Gefässe einer mensch- lichen Zwillingsplacenta bei Oligo- und Polyhydramnie der Früchte zu in- jieiren, deren Geburt ich als Assistent der geburtsh.-gynäkologischen Poliklinik (Kgl. Charite) geleitet hatte. Erhöhtes Interesse hatte für die Geburtshülfe der Fall schon durch die nur äusserst selten beobachtete Einkeilung der beiden Früchte während der Geburt gewonnen, für die Physiologie ergab die Untersuchung der Föten Befunde, die bisher noch nicht allzu oft aufgenommen sind und zur Frage von der fötalen Harnsecretion und der Herkunft des Fruchtwassers ein wichtiges Beweisstück zu liefern geeignet sind. Zuntz hat dieser Frage stets ein reges Interesse entgegen gebracht und durch seine eigenen! und die mit Cohnstein? zusammen gemachten Studien der Geburtshülfe neue Thatsachen zugeführt. — Ein Theil der Zuntz’schen Versuche knüpfte, wie die meisten neueren Arbeiten auf diesem Gebiete, an die Experimentalstudien meines hochverehrten langjährigen Chefs und ! Zuntz, Ueber die Quelle und die Bedeutung des Fruchtwassers. Pflüger’s Archiv. Bd. XVI. 8.54. ? Zuntz und Cohnstein, Untersuchungen über das Blut, den Kreislauf und die Athmung beim Säugethierfötus. Zbenda. Bd. XXXIV. P. STRASSMANnN: FÖTALE HARNSECRETION U. S. w. 219 Lehrers Gusserow an, dem unzweifelhaft das Verdienst gebührt, durch vielfache, besonders chemische Forschungen die Frage vom Fruchtwasser und der fötalen Harnsecretion im neue Bahnen gelenkt zu haben.! Auf diesem Gebiete weiter zu arbeiten liegt also für den Verfasser gewisser- maassen ein doppelter Anlass vor. Bei Beleuchtung der Frage einer fötalen Harnsecretion erscheint es gerechtfertigt, sich besonders an die Pathologie des Fötus zu halten. — Selbst den besten Experimentalstudien, die bei Schwangeren und an träch- tigen Thieren zur Prüfung des Ueberganges von Stoffen in’s Fruchtwasser — sei es direet durch Transsudation, sei es indirect nach Aufnahme Seitens der Frucht durch fötale Exeretion (Haut und Nieren) — gemacht worden sind, hat man Einwände gegenüber gestellt, deren Berechtigung zu erörtern hier nicht der Platz ist. — Bei der Reichhaltigkeit der Krankheiten und Missbildungen des Fötus müssen sich aus der Menge des Fruchtwassers positive oder negative Thatsachen für eine fötale Urinseeretion in der Schwangerschaft gewinnen lassen. Eine Missbildung mit ihren Folgen (übermässige Ausdehnung der kindlichen Harnblase bei Verschluss der Harnröhre) gab ja auch Portal 1671 die Veranlassung, die Lehre auf- zustellen, dass der Fötus urinire, und dass das Fruchtwasser fötaler Urin sei. Seitdem hat man dieser Gruppe fötaler Erkrankungen hervorragende Aufmerksamkeit geschenkt. Man hat die Folgezustände behinderter fötaler Diurese in der Dilatation der Ureteren, des Nierenbeckens und degenerativer Zustände der Niere nachgewiesen und das in solchen Fällen beobachtete Fehlen des Fruchtwassers damit in Zusammenhang gebracht. Man kennt genügend Geburten, die ohne Fruchtwasserabgang verliefen und bei denen die Untersuchung der Frucht ein Fehlen der Nieren oder eine cystische Degeneration ergab. Doch fehlt es noch an grösseren Zusammenstellungen aller derjenigen Befunde, die sich im Amnion bei einer Störung der fötalen Flüssigkeitseireulation, allgemein gesagt, geltend machen. Hierher gehören Behinderung oder Erschwerung des Blutstromes in der Nabelschnur, Er- krankungen des Herzens und Gefässsystemes des Fötus, des Leberblut- stromes, Erkrankungen im excretorischen Apparate (Nieren, Ureter, Blase, Harnröhre). Endlich wird man auch solchen Missbildungen seine Auf- merksamkeit zu schenken haben, bei denen in Folge mangelhafter Kiefer- entwickelung, Verschluss der Mundhöhle u. s. w. der Fötus kein Frucht- wasser zu verschlucken im Stande ist. Dass auf diese Weise ein Theil des Fruchtwassers aufgenommen wird, ist durch den Befund von Vernix und ! Gusserow, Zur Lehre vom Stoffwechsel des Fötus. Archiv für Gynäkologie. Bd. III. — Zur Lehre vom Stoffaustausch zwischen Mutter und Frucht. Zbenda. Bd. XII. 220 P. STRASSMANN: Lanugo im Darminhalte des Fötus geschildert. Wenn die Rückkehr eines Theiles der Amnionflüssigkeit durch den Darm der Frucht, Blutkreislauf, Nabelschnur zur Mutter unmöglich gemacht ist, so wird sich bei regel- mässiger Nierenausscheidung Seitens der Frucht ein Ueberschuss von Frucht- wasser finden müssen. Auch hierfür bietet die Litteratur schen viele Be- lege. Anzureihen wären die secundären Störungen, welche bei aufgehobener Nierenthätigkeit sich am äusseren Körper der Frucht einstellen: Ver- wachsungen, Klumpfüsse, Klumphände, Deformitäten des Rumpfes, sowie die Stauungszustände, die im Circulations- und fötalen Lymphapparate, sowie in den serösen Höhlen sich einstellen. Nicht unbeachtet dürfen auch die Fruchtwasserbefunde bei solchen Schwangeren sein, bei denen durch mütterliche Erkrankung die Aufnahme der auf dem Wege der Nabelarterien zur Placenta hingeleiteten fötalen Urate gestört ist. Ein weites Gebiet der Forschung liegt hier noch offen, die Pathologie der Schwangerschaft und die Teratologie können uns auf viele Fragen Ant- wort geben und sie fällt wahrlich für die von Gusserow und seiner Schule vertheidigte Lehre der intrauterinen fötalen Nierenfunction nicht ungünstig aus. Mit diesem Hinweise muss ich mir hier eine zusammenfassende und ausführliche Darstellung aller hier nur gestreiften Beziehungen und der dazu gehörigen Litteratur, mit deren Bearbeitung ich seit längerer Zeit beschäftigt bin, für eine andere Stelle vorbehalten und werde nun zur Beschreibung des Eingangs erwähnten Falles übergehen. Am 2. November wurde die Hülfe der geburtshülflichen Poliklinik der Kgl. Charite für die Frau A.K. in Anspruch genommen (W. S. Nr.539). Die 27jähr. Vlp., welche bisher normal geboren, hatte die letzte Men- struation am 31. März gehabt, befand sich mithin in der zweiten Hälfte des 8. Monates. Seit 8 Tagen hat die Frau stärkere Beschwerden, der Leib wurde so stark, dass sie nicht mehr umhergehen konnte. Der Appetit war schlecht, am 1. und 2. November Nasenbluten und blutiges Erbrechen. Wegen Athemnoth war schon eine Morphiuminjection gemacht worden. 6 Uhr Nachm. wurde folgender Befund aufgenommen: Temperatur 37-8°, Puls 120. Leibumfang 111°“, geringe Oedeme der Bauchdecken, Fluctuation durch den ganzen Uterus fühlbar. Kindestheile nicht zu fühlen, Herztöne nicht zu hören. ÜCervicalcanal für zwei Finger durchgängig. Vorliegend kleine Theile. Die Fluctuation setzt sich von aussen nach innen nicht fort. Die vorgewölbte Blase wird von mir gesprengt, um die Geburt zu beschleu- nigen. Es entleert sich nur sehr wenig Fruchtwasser. Sofort stellt sich eine zweite Blase, in der man einen grossen Theil (Kopf) fühlt. Die Diagnose war nun klar: Zwillingsschwangerschaft mit Oligohydramnie der einen, Poly- hydramnie der anderen Frucht. — Die zweite Fruchtblase wird mittels einer Stricknadel gesprengt. Im Laufe der nächsten Stunden gehen mit dem beim Blasensprung zuerst aufgefangenen ungefähr 8 Liter Fruchtwasser ab. Die Geburt schritt langsam bei schwachen Wehen vorwärts. Die Temperatur stieg auf 38-.4°, der Puls blieb auf 120. FÖTALE HARNSECRETION UND HERKUNFT DES FRUCHTWASSERS. 221 3. November, 4 Uhr Vorm. war der Muttermund vollständig erweitert. Vorliegend sind Steiss, Füsse und Arm. Ein Fuss wird angezogen und ex- trahirt. Der Rumpf folgte leicht, den Kopf der wenig ausgebildeten Frucht gelang es zunächst nicht zu entwickeln. — Die Untersuchung ergab, dass der Kopf des zweiten Kindes neben dem ersten Rumpfe in’s Becken einge- treten war und den Austritt des ersten Kopfes hinderte. — Daher wurde unter Hochheben des ersten Rumpfes der zweite Kopf zuerst mit der Zange entwickelt und der übrige Körper am Kopfe des ersten vorbei extrahirt. Jetzt wird der steckengebliebene erste Kopf leicht herausgehoben. — Der Damm war intact. Beide Früchte waren weiblichen Geschlechts, die erste (oligohydramniotische) frischtodt, die zweite (polyhydramniotische) lebend. Sie verstarb nach 24 Stunden unter den Erscheinungen der Lebensschwäche. Die Nachgeburt folgte nach 30 Minuten. Das Wochenbett verlief normal. Ueber die klinische Bedeutung der Einkeilung der beiden Zwillinge, wenn der zweite dem ersten sein Erstgeburtsrecht streitig machen will, möchte ich mich an dieser Stelle nicht verbreiten. Der Fall ist ausführ- lich von Heiligendorff! beschrieben worden. Betrachten wir zunächst die Nachgeburt! Sie besteht aus einem Kuchen, besitzt nur ein Chorion, aber getrennte Amnien, d.h. jeder Zwilling liest in einem eigenen Amnion, beide Eihöhlen sind aber von einem gemeinsamen Chorion überkleidet, so dass sich an der Scheidewand der Eier nur die beiden Amnien, kein Chorion fanden. Die Zwillinge stammen wie immer bei Oligo- und Polyhydramnie aus einem Ei und waren daher auch gleichgeschlechtig. Die grössten Durchmesser der Gesammtplacenta sind 23 und 20 m, Der dem zweiten Zwillinge (Polyhydramnion) angehörige Theil nimmt über ?/, der Placenta ein, sein grösster Durchmesser beträgt 13°“, die kleinere Abtheilung des ersten Zwillings (Oligohydramnion) hat 9“ im Durchmesser — ungefähr 1°“ kommt auf die Uebergangsstelle der beiden Placenten. Die Nabelschnur des Polyhydramnion ist 38”, die des Oligohydramnion 40°= Jang, aber dünner. Sie inseriren beide am Rande fast gegenüber. Um den Gefässverlauf besser erkennen zu können, werden sämmt- liche Systeme injieirt. Die Arterie des I(O)? wird mit Mennige-Terpentinöl- gemisch, die Vene mit warmer Berlinerblau-Gelatine injieirt. Die Arterie des II (P) wird mit Chromblei-Gelatine gelb, die Vene mit Berlinerblau- Gelatine, der so viel Chromblei zugesetzt ist, dass sie grün erscheint, in- jieirtt. Durch die an der Nabelschnurinsertion regelmässig vorhandene ! Heiligendorff, Ein Fall von Einkeilung oligo- und polyhydramniotischer Zwillinge während der Geburt. Jnaug.-Dissert. Berlin 1897. ® Der Kürze halber soll im Folgenden mit I(O) der erste oligohydramniotische, mit II (P) der zweite polyhydramniotische Zwilling bezeichnet werden. 222 P. STRASSMANN: Anastomose der beiden Nabelarterien (Hyrtl)! kann man bekanntlich von einer Arterie aus beide injieiren. Ueber die Technik der Injection, die ich seit Jahren viel ausgeübt habe, möchte ich mich an dieser Stelle nicht weiter auslassen. Sofort nach der Injection habe ich eine Zeichnung an- gefertigt, die Eihäute wurden zu diesem Zwecke abgezogen und sind daher fortgelassen. Die beigegebene, von Frl. P. Günther angefertigte Abbildung ist genau auf !/, verkleinert. Das Arteriensystem I(O) (roth) besteht wesentlich aus einem grossen, bogenförmig verlaufenden Gefässe. Dem Rande parallel entlang ziehend giebt diese Arterie drei grössere Aeste erster Ordnung ab. Der Hauptstamm verläuft nur wenig verschmälert unter der Insertion der beiden Amnien nach der Placenta II (P) hinüber und senkt sich unweit davon in die Tiefe. Aus demselben Cotyledo steigt eine grosse Vene des II (P) auf. Ein derartiges Verhältniss, dass der eine Zwilling durch eine Arterie sein Blut in eine Vene des zweiten hinüber transfundirt, bezeichnet Schatz? als Zottentransfusion. — Die zweite Arterie I (O), welche unmittelbar aus der Insertion des Nabelstranges entspringt, stellt nur ein dünnes Gefäss von 1 bis 2”m Caliber dar, das in gerader Richtung in eine Arterie des Il (P) übergeht. Um sie deutlicher hervorzuheben, sind die Zottentrans- fusionsbezirke mit kleinen punktirten Kreisen hervorgehoben. Die venösen Bahnen des I (0) (blau) verlaufen nahezu parallel mit den Arterien. Es besteht daher auch hier wesentlich ein Hauptgefäss mit vier Aesten erster Ordnung. Drei kleine venöse Zweige werden von der Placenta II (P) herübergenommen, die ihre arterielle Transfusion von kleinen Aesten einer Arterie II (P) erhalten. In diesen drei Transfusionsbezirken geht also der Strom von II (P) zu I(O), in der grossen Transfusion geht er von I (OÖ) zu IE (P). Das Gefässsystem des II (P) ist, wie man auf den ersten Blick sieht, viel stärker entwickelt. Aus der Nabelschnur entspringen zwei grosse Arterien (gelb), die vom Rande zum Centrum des Kuchens hin in mehrere grosse und vielfach geschlängelte Aeste fächerförmig zerfasern und reich- liche Aeste abgeben. Die oberste Arterie verläuft nach Abgabe mehrerer’ Aeste als schmales Endgefäss hinüber und verbindet sich an der Scheide- wand in directer Anastomose mit der dünnen Arterie I (0). — Die Haupt- vene II (P) (grün) theilt sich in sieben grosse Stämme, die über die Placentar-. fläche verlaufen, an den Kreuzungsstellen mit den Arterien stets unter ! Hyrtl, Die Blutgefässe der menschlichen Nachgeburt. Wien 1870. ?2 Sehatz, Eine besondere Art von einseitiger Polyhydramnie mit anderseitiger Oligohydramnie bei eineiigen Zwillingen. Archiv für Gynäkologie. Bd. XIX. — S. auch ebenda, Bd. XXIV, XAVII, XXIX u. £. FÖTALE HARNSECRETION UND HERKUNFT DES FRUCHTWASSERS. 223 diesen, wie es Hyrtl als typisch dargestellt hat. Eine venöse Anastomose - ist nicht nachweisbar zwischen I (Ö) und II (P). Die längste Vene trifft, wie schon gesagt, in einem Transfusionsbezirke mit der Hauptarterie I (0) zusammen. Was die Anastomose der Arterien betrifft, so ist der Uebergang der rothen (I) in die gelbe (II) Farbe gerade an der Ansatzstelle der Amnien gelegen. Es mag hier bemerkt sein, dass zuerst die Gefässe I (0) injieirt worden sind. Wahrscheinlich ist, wie der Augenschein lehrt, das Caliber des anastomotischen Theiles so eng, dass auch in der letzten Zeit nur wenig Blut diese Stelle hat passiren können. Auch mag gerade die an der Ver- bindungsstelle der beiden Placentartheile unter dem Ansatz der Amnien gelegene Stelle für eine stärkere Ausbildung von Gefässen ungünstig ge- wesen sein. Denn die übrige Strecke ist frei von oberflächlichen Gefässen. Auf die Stromriehtung in dem anastomosirenden Arteriengebiete lassen die Zweige einen deutlichen Rückschluss zu. Aus dem auf der Placenta II (P) befindlichen Abschnitte gehen drei kleine Aeste ab, die der Scheidewand zuströmen, aus der Strecke I (0) nur einer, der in der entgegengesetzten Richtung etwa auch zur Scheidewand hingerichtet ist. Die Anastomose selbst giebt keine Aeste ab und hat sich wenigstens in der letzten Zeit der Schwangerschaft indifferent verhalten, als schwaches Rinnsal, das seine Bedeutung verloren hat. Auch die (Z,Z,, Z,) drei kleinen Zottentransfusionen II (P) zu I (0) sind zusammengenommen viel geringer, als der (Z) gegenüber befindliche grosse Transfusionsbezirk I(O) zu IL(P). Die Anastomosen und die Zottentransfusionen zwischen den Gefässgebieten der beiden Zwillinge hat Schatz! sehr treffend mit dem Namen des dritten Kreislaufes eineiiger Zwillinge belegt. Augenscheinlich findet sich hier eine Asymmetrie des dritten Kreislaufes, und zwar zu Gunsten des Zwillngs II (P). Denn für die starke Transfusion (Z), die II (P) von I (O) erhält, können weder die drei kleinen Transfusionen (Z, Z,, Z,), noch die geringfügige Anastomose irgend einen Ausgleich bilden. Die Entstehung des dritten Kreislaufes der eineiigen Zwillinge und die vitale Bedeutung desselben sind von Schatz in unermüdlicher, Jahrzehnte langer Arbeit untersucht und beschrieben worden. Es sind vier verschiedene Typen von Transfusionsbezirken und Anastomosen möglich. Die unserige würde dem Schatz’schen Typus B entsprechen, der ziemlich häufig ist und bei dem sich neben verschiedenen Zottentransfusionen eine arterielle Anastomose finde. Indem ich auf die erwähnten, hochinteressanten Arbeiten verweise, wollen wir sehen, welche Folge nun die Asymmetrie des dritten Kreislaufes bei den Föten gezeitigt hat. 1 Schatz, 2.2. 0. P. STRASSMANN: DD [S) ng Der Zwilling II erhält mehr Blut als Zwilling I, er befindet sich in einer Art Plethora oder Polyhämie. Seine placentaren Bahnen sind stärker entwickelt und verästelt, die Gefässe und die Nabelschnur stärker ge- schlängelt. Seine gesammte Entwickelung wird begünstigt. Als Ausdruck geben sich folgende Maasse: Länge Gewicht | Kopfumfang | I (0) ggem 1010 grm | 27 m II (P) 42, | 0.1265, °)|e220E5080 Während das Herz I (0) entlastet wird, wird das Herz II (P) über- lastet. Die Folge davon ist, dass das eine im Wachsthum zurückbleibt, während das andere, um die andrängende grössere Blutmasse aufzunehmen, dilatirt wird und hypertrophirt, denn nur so kann es den geforderten Ansprüchen genügen. Es kommt dadurch zur Mikrocardie des I (O) und zur Makrocardie beim II (P). Die höchsten Grade führen bekanntlich zur Bildung eines Acardius, d. h. einer herzlosen Missgeburt, die durch die Anastomose von dem eineiigen Zwillingsgeschwister ernährt wird. Auch in unserem Falle war die Mikro- und Makrocardie sehr deutlich ausgeprägt. A Herz ; = Dicke des Dicke des | Gruss ‚ linken Ventrikels | rechten Ventrikels I (0) | faustgross | Spam | 4 mm II (P) | zweifaustgross | NirE, Ho Besonders auffallend war die Differenz in der Dicke der linken Ven- trikel. Nun ist ja beim Fötus in Folge des offenen Foramen ovale die Strömung des noch nicht eingeleiteten Lungenkreislaufes so, dass fast alles Blut dem linken Ventrikel zugeführt wird. Ihm fiel also hier bei dem Makrocardius die Hauptaufgabe der Weiterbeförderung des überreichlichen Blutzuflusses zu. Das Herz hatte die Grösse der doppelten Faust des Fötus. Leider wurden die Gewichte aus äusseren Gründen nicht genommen. Auch die übrigen Organe konnten nicht gewogen werden. Schatz hat nämlich durch sehr sorgfältige Vergleiche der Zwillingsorgane unter einander und mit anderen Früchten nachgewiesen, dass sehr erhebliche Gewichtsdifferenzen zu Gunsten des Polyhydramnioten bestehen. An den Nieren unserer beiden ! Schatz, Die Gefässverbindungen der Placentarkreisläufe eineiiger Zwillinge, ihre Entwickelung und ihre Folgen. — Die Acardii und ihre Verwandten. Archiv für Gynäkologie. Bd. LV. FÖTALE HARNSECRETION UND HERKUNFT DES FRUCHTWASSERS. 225 Zwillinge war die Differenz zwar erkennbar, aber nicht so in die Augen fallend, wie an den Herzen. Was die Leber betrifft, die ja als erstes Organ in den übermässigen venösen Zustrom eingeschaltet ist, so hat Schatz gezeigt, dass sie zuerst an Gewicht zunimmt, hypertropbirt, dann aber wie bei der Lebereirrhose der Erwachsenen schrumpft und deshalb kleiner werden kann als beim Oligohydramnioten. Eine Vergleichung der beiden Lebern konnte hier nicht exact gemacht werden, weil sich in der Leber des II (P) ein zweimark- stückgrosses Hämatom fand. Früher erklärte ich! mir dieses als entstanden durch den Geburtsvorgang, da ja der Rumpf dieser Frucht an dem im Becken befindlichen Kopfe des ersten Kindes vorbeigeführt werden musste. Heute möchte ich doch noch ausserdem die Möglichkeit offen halten, ob nicht die Stauung der Leber eine besondere Prädisposition für die Ent- stehung des Hämatoms gegeben hat. Wie entledigte sich nun der Zwilling II (P) dieses Ueberdruckes? Es liegt nahe, eine vermehrte Diurese als Ausgleich anzunehmen, zumal sich ja diese auffallende Fruchtwasserdifferenz fand. In der letzten Arbeit hat Schatz nun den unzweifelhaften Beweis dafür geliefert. Er liess in drei Fällen durch Fachanatomen die Nieren der Früchte, deren Gewichte schon auffallende Differenzen erkennen liessen, untersuchen. Es sei gestattet, Folgendes aus dem von dem verstorbenen Professor der Anatomie v. Braun angefertisten Berichte über eine Untersuchung? hier wieder zu geben: „Der Unterschied im Baue der Niere I und II ist ein ausserordent- lich grosser, so dass man mit grösster Leichtigkeit beide unterscheiden kann. Die Grösse der Glomeruli ist beim Polyhydramnioten doppelt so gross (0-16 =) wie beim Oligohydramnioten (0-08 "®), Die Tubuli eontorti sind beim Polyhydramnioten mit starkkörnigem, hier und da deutlichen Stäbchenzerfall zeigendem Epithel bekleidet, einschliesslich des Epithels 0.05 bis 0.055" diek, beim Oligohydramnioten viel dünner, ohne die charakteristische Zusammensetzung des Epithels.“ Der Polyhydramniot hat also auch Polyurie, der andere Oligourie, der Polyhydramniot besorgt die Diurese für seine Zwillingsschwester mit. Aber es findet sich noch ein weiterer Beweis, dass die Ueberfüllung des einen Amnions einer reichlichen Urinentleerung, die Leere oder geringe Füllung des anderen Amnions einer auffallend verminderten ihre Entstehung ver- dankt, das ist der vergleichende Befund an den Harnblasen. Auch hierfür giebt Schatz schon Belege. So schreibt er z. B. über einen Fall: „Die Harnblase des Polyhydramnioten war auffällig diekwandig ! Heiligendorff, a.a. 0. ® Archiv für Gynäkologie. 1898. Bd. LV. 8. 576. Archiv £.A.u. Ph. 1899. Physiol. Abthlg. Suppl. 15 226 P. STRASSMANKN: und gross, die des Oligohydramnioten dünnwandig und klein, beide von so deutlichem Unterschiede, dass auch der weniger Aufmerksame ihn bemerkte.“ So weit mir bekannt ist, ist ausser von Schatz auf diesen Unterschied der Harnblasen noch nicht wieder aufmerksam gemacht worden und des- wegen erscheint mir die Mittheilung der Befunde bei unseren Früchten beachtenswerth. Harnblase Länge Breite der Dicke Dicke vom Scheitel bis aufgeschnittenen in der Mitte der Wand zum Sphincter Harnblase am Fundus am Sphincter T (0) 20 mm 323 mm j]—2 um jmm II (P) 25 „ 38 „ a 3 Die Blase II (P) war also hypertrophirt und dilatirt. Die Unterschiede waren makroskopisch höchst charakteristisch, es bestand kein Hinderniss in der Urinentleerung, die Harnröhre war bequem für eine Sonde durchgängig. Auch hätte ja dann analog anderen Fällen die Dilatation viel gewaltiger sein müssen. Nein, es handelte sich hier um eine functionelle Hypertrophie, so gut der Harnblase, wie oben der Nieren und des Herzens. In Folge des durch die Gefässüberfüllung gesteigerten Blutdruckes wurde eine stärkere Diurese angeregt, die fütale Blase musste sich öfter und reichlicher füllen, der Blasenmuskel wurde zu häufigeren Contractionen angeregt, und als Aus- druck dieser gesteigerten Thätigkeit ist dann die Hypertrophie eingetreten. Die andere Blase dagegen war zur Untbätigkeit genöthigt und blieb dünn- wandig und klein. Die physikalischen Verhältnisse und der anatomische Befund sind so klar, dass sich unter gleichen Bedingungen immer wieder derselbe Befund muss erheben lassen. Es sei nur bemerkt, dass von Blasen- hypertrophieen ohne Hinderniss in der Urethra sonst gar nichts in der Litteratur bekannt ist. Eine entzündliche Veränderung der Harnblasen- wandung konnte ich durch die mikroskopische Untersuchung ausschliessen. Diese ergab nichts Anderes, als eine Vermehrung der Musculatur. Wenn man also diese seltsamen Zwillinge mit einem das Verhältniss ihrer Blasen kennzeichnenden Namen belegen will, gerade so, wie man sie nach ihren Herzen als Mikro- und Makrocardius benannt hat, so müsste man sie als Mikro- und Makrocystius benennen. So haben wir also eine deutliche Ueberlastung des Gefässsystemes, Herzdilatation und Hypertrophie, mässige Vergrösserung der Nieren, Hyper- trophie der Harnblasenmusculatur und enorme Vermehrung des Frucht- wassers beim II (P), — auf der anderen Seite Entleerung des Gefäss- systemes durch Entleerung der einen grossen Arterie in den Kreislauf der Zwillingsschwester ohne entsprechende Compensation, kleines Gefässsystem, FÖTALE HARNSECRETION UND HERKUNFT DES FRUCHTWASSERS. 227 kleinere Nieren, kleine Harnblase und Fehlen des Fruchtwassers. Es bleibt gar keine andere Erklärung übrig, als dass auch hier die in anderen Fällen mikroskopisch bewiesene Nierenthätigkeit verschiedener Art an den verschiedenen Fruchtwasserbefunden die Schuld trägt. Oligo- und Poly- hydramnie sind als Oligo- und. Polyurie zu deuten. Man könnte immer noch irrthümlich einwenden, dass vermehrte Trans- sudation auf Seiten der Placenta des überlasteten Polyhydramnioten in die Amnionhöhle hinein erfolgt sei. Dafür ist aber gar keine anatomische Grund- lage vorhanden. Die Jungbluth’schen Gefässe, welche die Transsudation in die Amnionhöhle besorgen sollen, sind makroskopisch in keiner Weise nach- weisbar. Auch Schatz hat sich in seinen zahlreichen Injectionen niemals von dem Vorhandensein dieser Gefässe überzeugen können. Ich bin überhaupt geneigt, mich gegen eine Beziehung oberflächlicher weiterer Oapillaren zum Hydramnion auszusprechen, denn ich habe sie bei zahlreichen Injectionen normaler und pathologischer Placenten noch niemals anschaulich machen können. Kleine, zwischen Chorion und Amnion verlaufende Gefässe findet man sehr häufig am Rande der Placenten, sie hängen mit der Ent- wickelung der Placenta zusammen und sind Ueberreste von Zotten, die sich jenseits des sogenannten Schutzringes der Placenta befanden, sie ge- hören zu Nebenplacenten, circumvallirenden Zotten u.s. w. Eine sichere Beziehung zum Fruchtwasser ist ganz gewiss bei den Hydramnien gerade der eineligen Zwillinge nicht festgestellt. Im Ganzen fristen die Jungbluth’- schen Gefässe auch in der Litteratur ein von Jahr zu Jahr mehr hin- schwindendes Dasein. Indessen liegt es mir fern, die Möglichkeit einer Transsudation in den Amnionsack überhaupt zu leugnen. Z. B. hat auch Gusserow immer die Wahrscheinlichkeit einer solchen für die allererste Zeit der Schwangerschaft zugegeben, und manche Beobachtungen sprechen dafür. Schliesslich ist doch das Ei in enger organischer Verbindung mit der Mutter, und warum sollte eine mässige Transsudation nicht in die Amnionhöhle hinein stattfinden. Hier bei den Fruchtwasserbefunden der eineiigen Zwillinge kann aber eine directe Transsudation nicht mit heran- gezogen werden. Denn obwohl die bei der Mutter sich ausbildenden Stauungserscheinungen, die starke Fülle des benachbarten Eies, der gemein- same Placentarboden, die durch kein Chorion getrennte unmittelbare An- lagerung der Amnien alle günstigen Bedingungen für ein Transsudat ge- währten, so blieb doch das Ei fast leer oder es wurde leer, da die Frucht I die spärlich vielleicht in der Eihöhle befindlichen Flüssigkeitsmengen sehr bald verschluckt hatte. Der Befund eines fast trockenen Eisackes ist für die Frage der Frucht- wasserherkunft und der fötalen Nierensecretion von nicht geringerer Wichtig- keit als der eines überfüllten. Klare anatomische Belege sind uns an die 15* 228 P. STRASSMANN: Hand gegeben, dass verminderte und vermehrte Nierenexcretion diese beiden von der Norm abweichenden Verhältnisse geschaffen hat.! Nur ein Punkt fordert noch Erklärung, das ist, dass die Fruchtwasser- menge des Polyhydramnioten doch weit die Menge übersteigt, die sich sonst in zwei Eiern, zumal des 8. Monates, zu finden pflest. Es sind in unserem Falle 8 Liter Fruchtwasser aufgefangen worden, in anderen sogar mehr gemessen worden. Auch sind bei dem Oligohydramnioten einige 100 2” gefunden und nicht so hohe Unterschiede zu Stande gekommen, wie in unserem Falle. Jedenfalls bewirkt die übermässige Blutzufuhr eine Reizung der Nieren und eine functionelle Steigerung der excernirenden Thätigkeit, und es prägt sich das, was sich am Muskel des Herzens und der Blase als Hypertrophie ausspricht, in einer Hypersecretion aus. Möglich auch, dass schliesslich eine erhöhte Durchlässigkeit der Glomeruli und eine Schädigung der Niere zu Stande kommt, wie es z. B. für die Leber schon durch die der Stauung folgende eirrhotische Verkleinerung erwiesen ist. In der letzten Zeit kommt dann noch ein weiteres Moment hinzu, das ist die durch die übermässige Ausdehnung des Abdomens bei der Mutter bewirkte Störung der Circulation. Hierdurch kommt es zu einer Aufstauung der Auswurfsstoffe beim mütter- lichen Blute, was eine entsprechende Vermehrung auch im fötalen zur Folge hat, und dadurch wird die Harnsecretion des Fötus noch weiter angeregt. So erklärten auch Zuntz und Cohnstein die vermehrte Harnsecretion des Fötus in einzelnen Fällen als Folge der Anhäufung harnfähiger Stoffe im fötalen Blute bei irgendwelchen Störungen in der Schwangerschaft oder der Geburt. Ferner kommt hinzu, dass die Schluckthätigkeit des Kindes I (0) sich an der Fortschaffung der in die andere Höhle entleerten Fruchtwasser- menge, die ja theilweise doch ihm zugehörte, nicht wie sonst hat betheiligen können. Die Flüssigkeitsmenge ist in früheren Monaten langsam, in den ! Bei dieser Gelegenheit sei es gestattet, einer Ansicht entgegen zu treten, die in Arbeiten, welche sich mit der Widerlegung einer fötalen Nierenseeretion beschäftigen, öfters wiederkehrt. Es wird so dargestellt, als ob durch den von Zuntz bekanntlich experimentell gelieferten Nachweis einer Transsudation direct in’s Amnionwasser (durch Injeetion von indigschwefelsaurem Natron in die Vena jugularis des Mutterthieres) überhaupt jede Möglichkeit einer Beisteuer der fötalen Nierensecretion zum Frucht- wasser von Zuntz geleugnet worden sei. Das ist ebenso wenig geschehen, wie in der zweiten Arbeit, wo die Blutdruckverhältnisse beim Schaffötus geprüft worden sind. Obschon die Blutdruckverhältnisse als einer Secretion ungünstig hingestellt werden, so wird doch wörtlich gesagt: „Wenn beim menschlichen Fötus der Druck in den letzten Wochen so steigt, wie beim Schaf, so steigt damit auch die Wahrscheinlichkeit einer regelmässigen Harn- secretion in der allerletzten Zeit der Schwangerschaft. FÖTALE HARNSECRETION UND HERKUNFT DES FRUCHTWASSERS. 229 späteren schnell gewachsen. Schatz! weist mit Recht darauf hin, dass sich die Asymmetrie und folglich auch die colossale, functionelle Herz- und Nierenhypertrophie frühestens vom Ende des dritten Monates an aus- gebildet hat. „Wird da Jemand noch zweifeln können, dass der Zwilling viel Urin producirt hat, um damit in gleicher Zeit die gefundene Polyhydramnie zu erzeugen? Im vierten Monate ist natürlich die Differenz der Zwillinge noch gering und wenn da auch schon relativ reichlich Urin gebildet wird, so kommt die Polyhydramnie doch höchstens in der Weise zur Geltung, dass der Uterus statt bis zwei Finger über der Symphyse, schon bis gegen den Nabel reicht. Bis dahin wird der Frau die Vergrösserung des Uterus noch nicht unbequem. Im 5. bis 6. Monate aber muss wegen der Vergrösserung der Differenz der Zwillinge die Urin-, bezw. Fruchtwasserbildung beim bevor- zugten viel massenhafter vor sich gehen und die Ausdehnung des Uterus wird nunmehr nicht nur viel schneller grösser, sondern durch Dehnung der Bauchdecken auch lästig bemerkbar. Daher die in Wirklichkeit sehr schnelle, aber scheinbar noch schnellere Bildung des Fruchtwassers, welches so gut wie nur Urin ist.“ Die von uns geschilderte Schwangerschaft hat vom Termin der letzten Menstruation an 216 Tage gedauert. Rechnen wir rund auf die Zeit der Asymmetrie 100 Tage, so entfallen: auf 100 Tage = 8 Liter Amnionflüssigkeit = 8000 8", 2 Tao = 80 # 1 Std. = 3-38" = 33 Tropfen, auf etwa 2 Minuten gestörter Asymmetrie 1 Tropfen. Dabei ist hervorzuheben, dass die Secretion Anfangs geringer, gegen Ende stärker gewesen ist, und dass die Mengen, welche durch Schlucken aufgebraucht worden sind, nicht mit in Rechnung gezogen werden können. In der Untersuchung der eineiigen Zwillinge und ihrer Anhänge ist ein ausgezeichnetes Vergleichsobject gegeben, wie sich bei zwei von derselben Mutter stammenden Früchten gleichen Alters, aber mit ungleicher Cir- eulation das Fruchtwasser verhält. Aus der Beschaffenheit der Organe, welche zur Aufnahme, Fortleitung, Verarbeitung und Ausscheidung der Flüssigkeit dienen, haben sich für die Physiologie dieser Früchte wichtige Thatsachen ergeben. Zu der anatomisch nachweisbar vermehrten Nieren- thätigkeit des einen, der verminderten des anderen stimmen die Mengen des Fruchtwassers. Dass hierin für eine unter normalen Verhältnissen bestehende, mittlere Nierenthätigkeit auch ein Beweis gegeben ist, dürfte nicht zu weit gefolgert sein ” 1 Archiv für Gynäkologie. Bd. LV. 8. 614. 230 P. STRASsMAnN: FÖTALE HARNSECRETION UT. S. W. Erklärung der Abbildung. (Taf. I.) Auf '/, verkleinerte Abbildung der Placenta oligo- und polyhydramniotischer Zwillinge aus dem achten Monate. T(0O) = Nabelschnur bezw. Placentartheil des 1. oligohydramniotischen Zwillings, ZI(P) = £ b5 en „ 2. polyhydramniotischn , Sch. = Ansatzstelle der Scheidewand der beiden Amnien, I Art 1, 1 Art 2= roth gezeichnete Arterien von 1(O), II Art 1, II Art 2 = gelb > 35 = IRB); Blau = die Venen von I(O), Grün =, r = IKCB): Anast. = Anastomose der Arterien von I(O) und II(P). Z= grosse Zottentransfusion von I(O) zu IL(P), Z 1,2, 3= 3 kleine Zottentransfusionen von IL(P) zu I(O). Ueber den Rheotropismus bei Thieren. Von J. Dewitz. Seit der Zeit, als ich meine Untersuchungen über die Reizbarkeit der Spermatozoön veröffentlichte! und damit, so viel ich weiss, das erste Bei- spiel tactischer Erscheinungen im Thierreich gab, haben sich die Verhält- nisse in der Thierbiologie wesentlich geändert und eine Zahl von Biologen ist diesen früher der Pflanzenbiologie vorbehaltenen Fragen näher getreten. Man kann vielleicht sogar behaupten, dass, nachdem diese Art von Arbeiten den Reiz der Neuheit verloren hat, der Eifer etwas nachgelassen habe, neue Thatsachen für die Bewegung der Thiere auf äussere Reize hin aufzudecken. So viel aber auch auf diesem Gebiete bereits gethan ist, für die Erforschung des Rheotropismus, dessen Erscheinungen uns die Botaniker gelehrt haben, scheint erst sehr wenig geschehen zu sein. In gleicher Weise scheint mir aber noch ein anderer Gegenstand dieses Gebietes vernachlässigt zu sein. Es sind nämlich nur wenige Versuche gemacht worden, die im Laboratorium aufgefundenen Thatsachen mit den Erscheinungen in der Natur und in der Oekonomie der betreffenden Thierart in Beziehung zu setzen. In der folgenden Skizze habe ich den Versuch unternommen, die Aufmerksamkeit des Lesers auf beide Gegenstände zu lenken. Der Rheotropismus bei Pflanzen. Die meisten Versuche über die rheotropischen Erscheinungen, welche die Botaniker beschäftigt haben, wurden an den Plasmodien von Aethalium septicum angestellt. Schon 1868 hat S. Rosanoff? nach dieser Richtung 1 Archiv für die ges. Physiol. 1885. Bd. XXXVI. 8.219; 1886. Bd. XXXVII. S. 358. ® De /’influence de P’attraction terrestre sur la direction des plasmodia des myxo- mycetes. Mem. Soc. sc. nat. Cherbourg. 1868. T. XIV. p. 149—172. 232 J. Dewırz: hin experimentirt; er schrieb aber die erhaltenen Resultate dem negativen Geotropismus zu. E. Strasburger,! in Gemeinschaft mit Schleicher, stellte die wabre Ursache der Reizerscheinung fest, indem er erkannte, dass die Bewegung der Plasmodien durch den zugeführten Wasserstrom veranlasst werde. Die Plasmodien, sagt Strasburger, streben dem Wasserstrom ent- gegen und man vermag sie mit Hülfe desselben in jeder beliebigen Rich- tung fortschreiten zu lassen. Diese Deutung fand darauf durch andere Untersuchungen, nämlich durch diejenigen von Bengt, Jönsson? und E. Stahl? weitere Bestätigung. Der Erstere schildert die Verhältnisse in folgender Weise. Man bringt ein lebenskräftiges Plasmodium von Aethalium septicum auf einen Streifen von Fliesspapier und hängt diesen in der Weise in ein Glas mit Wasser, dass das eine Ende des Streifens in das Wasser taucht, während ein Theil des Streifens und mit ihm das entgegengesetzte Ende desselben sich ausserhalb des Glases befinden. Es entsteht nun in dem Fliesspapier ein Wasserstrom, welcher von dem eingetauchten Ende des Papieres nach dem ausserhalb des Glases befindlichen gerichtet ist. Beeinflusst von diesem Strom bewegen sich die Plasmodien dem Strom ent- gegen, der Wasserquelle zu. Vertauscht man die Enden des Papierstreifens, so dass das vorher freie Ende jetzt in das Wasser eintaucht, so wandert das Plasmodium wieder zurück und macht an dem Wasser Halt. Gleiche Erscheinungen treten zu Tage, wenn man eine horizontale Glasplatte mit Fliesspapier bedeckt und durch dieses einen Wasserstrom leitet. Man kann, bemerkt der Autor, bei diesen Vorgängen nicht an den Einfluss von Feuch- tigkeitsdifferenzen denken, denn die Feuchtigkeit ist in dem Papierstreifen gleichmässig um das Plasmodium vertheil. Man muss vielmehr in der Wasserströmung die Kraft suchen, welche das Plasmodium veranlasst, sich nach der Seite, auf der der Wasserstrom auftrifft, hin zu begeben. Ausser der Bewegung des Aethalium septicum hat Jönsson an dem Wachsthum gewisser Pilze und an dem von Pflanzenwurzeln die richtende Wirkung der Strömung erkannt. Hinsichtlich der Pilze wurden unter einem auf Fliesspapier markirten Strich Sporen von Phycomyces und Mucor aus- gesäet und einem durchlaufenden Strom von Nährflüssigkeit ausgesetzt. Die Sporen keimten und das Mycelium entwickelte sich. Die Hyphen wuchsen aber mit dem Strome. Ebenso verhielt sich Botrytis einerea. Sodaun wurden gut entwickelte Keimlinge von Mais, von Getreidearten und ! Wirkung des Lichtes und der Wärme auf Schwärmsporen. Jena. Zeitschrift. 1878., Bd. XII. 8.621. ® Der richtende Einfluss strömenden Wassers auf wachsende Pflanzen und Pflanzen- theile (Rheotropismus). Ber. d. deutschen bot. Ges. 1883. Bd. I. S. 512—521. ° Zur Biologie der Myxomyceten. Bot. Zeitung. 1884. Bd. ALIL S. 147—156. ÜBER DEN RHEOTROPISMUS BEI THIEREN. 233 anderen Pflanzen so befestigt, dass die gerade Wurzel frei in das Wasser einer Wanne mit durchströmendem Wasser hing. Schon nach einigen Stunden zeigten sich an den Maiswurzeln Andeutungen von Krümmungen und nach 20 Stunden nahm man Biegungen im rechten Winkel wahr. Die Wurzel wuchs mit der Wasserfläche parallel und gegen den Strom. Wurde darauf die Pflanze so umgewandt, dass die Wurzel mit dem Strome gerichtet war, so machte sie bei ihrem weiteren Wachsthum eine bogen- förmige Krümmung und war schliesslich wieder gegen den Strom gerichtet. Die Wurzeln der anderen als Versuchsobjecte dienenden Pflanzen zeigten gleichfalls ein Wachsthum gegen den Strom. Der Autor fasst am Schlusse seiner Mittheilung alle diese Reizerscheinungen mit dem neuen Ausdruck „Rheotropismus“ zusammen. In den Untersuchungen Stahl’s ist die Ver- suchsanordnung die gleiche wie in denen Jönsson’s. Auch er bedient sich eines in das Wasser tauchenden Streifens von Fliesspapier. Daneben verwendet er Fäden und Leinwandstreifen. Um die Richtung des Stromes im Substrat zu erkennen, bestreute er dasselbe mit Körnchen von löslichen Farbstoffen und beobachtete die Ausbreitung des Farbstoffes. Schliesslich wurden die Versuche, um den Einfluss des Lichtes abzuhalten, im Dunkeln ausgeführt. In etwas neuerer Zeit hat A. Roth! rheotropische Erscheinungen bei Bakterien entdeckt, welche er unter dem Deckglase einem Flüssigkeits- strom aussetzte. Die Bacillen standen, sagt er, „wie eine Fischbrut im Bache“. Er nimmt aber für diese Erscheinung eine mechanische Ursache, Drehen des Körpers durch den Strom, an. Der Rheotropismus bei Thieren. Wie Eingangs erwähnt, ist die rheotropische Erscheinung an Thieren noch wenig studirt. Es wird darauf hingewiesen, dass Fische bei ihrem Aufsteigen aus dem Meere in die Flüsse rheotropisch wären. Auch gehört eine Beobachtung von Loeb? hierher, nach der der Stamm des Hydroid- polypen Eudendrium sich in seinem Wachsthum gegen den Strom krümmte, welchen eine in der Nähe befindliche Ascidie hervorrief. Es muss ferner auf eine kurze Angabe von A. Roth! hingewiesen werden, welcher ausser bei Bakterien auch bei Spermatozoön rheotropische Reizerscheinungen wahr- nahm. Er habe sich davon überzeugt, führt der Autor aus, dass sich die ! Ueber das Verhalten beweglicher Organismen in strömender Flüssigkeit. Deutsche medicinische Wochenschrift. 1893. Nr. 15. S. 351—352. ? Untersuchungen zur physiol. Morphologie der T’hiere. 1891. Bd.I. S.36, 234 J. DEwIzz: Spermatozoön mit grosser Consequenz einem unter dem Deckglase erzeugten Strome entgegenstellen und er könne sagen, dass es kein passenderes Ob- jeet zur Beobachtung des Strömungsgesetzes (mechanische Drehung durch den Strom) gebe, als diese Gebilde. Es sei bekannt, dass die Spermatozoen rasch und zielbewusst den Weg durch die Tuben zum Ovarium zurück- legen und er sehe in dem Tubenstrom eine Einrichtung, welche ihnen die nöthige Riehtung gebe. Hervorzuheben sind die Beobachtungen von L. Camerano, welcher feststellte, dass in den Bergwässern der italienischen Alpen die Larven von Rana muta längere Schwänze hatten als diejenigen der stehenden Gewässer. Analoge Modificationen wurden experimentell bei Bufo vulgaris erzeugt. Im Nachfolgenden möchte ich nun einige Beispiele aufführen, welche zeigen sollen, dass der Rheotropismus bei den Thieren eine weit verbreitete Reizerscheinung zu sein scheint. Meine Angaben gründen sich vielfach auf Beobachtungen, welche ich in der freien Natur anstellte. In den Aquä- ducten, welche zwischen Oliven- und Citronenbäumen den Campagnen von Mentone Wasser zuführen, habe ich oft dem Thun der in diesen Canälen lebenden Thiere zugeschaut und ihr Benehmen gegen das heftig strömende Wasser studirt. Hier leben neben Schnecken Inseetenlarven und auf der Oberfläche des Wassers laufen die bekannten Wasserläufer (Hydrometra) einher. Diese Beobachtungen habe ich dann prüfen und ihnen neue hin- zufügen können, denn die Herren Professoren Gaule und M. von Frey hatten die Güte, mir zu gestatten, die nothwendigen Experimente im phy- siologischen Institut zu Zürich auszuführen. Anordnung der Versuche. Zur Beobachtung des Rheotropismus im Laboratorium benutzte ich Anfangs, hauptsächlich für Wasserschnecken, ein Glasrohr von weitem Durchmesser. Ich verschloss die beiden Oeffnungen durch einen durch- bohrten Gummipfropfen und versah den einen dieser Pfropfen mit einem Abflussrohr, den anderen mit einem Zuflussrohr, welche ich mit dem Gummi- schlauch der Wasserleitung verband. Durch das weitere oder geringere Oeffnen des Wasserleitungshahnes wurde die Geschwindigkeit des Stromes im Glasrohr geregelt. Diese Einrichtung bewies sich aber als wenig bequem, da beim Hineinsetzen und Herausnehmen der Thiere, beim Wechseln der Stromrichtung und ähnlichen Maassregeln der Wasserstrom unterbrochen und das Glasrohr geöffnet werden musste. Häufig wurden ! Boll. Mus. Zool. Anat. Comp. Torino. 1893. Vol. VIII. — Att. Accad. Torono. Ol. fisich. 1890—91. Vol. XXVI. ÜBER DEN RHEOTROPISMUS BEI THIEREN. 235 die Thiere auch gegen die Ausflussstelle geschleudert und verstopften die- selbe. Ich habe daher später in anderer Weise einen Wasserstrom erzeugt und mich auch ausschliesslich dieser Anordnung des Experimentes bedient. In die Mitte einer flachen Schale wurde eine andere von kleinerem Durch- messer und mit höherem Rande gestellt. Ein Stein, ein Stück Eisen oder etwas Aehnliches wurde in diese zweite Schale gelegt, damit sie auf ihrem Platze blieb. Zwischen den beiden Schalen entstand ein ringförmiger Raum, und in diesen leitete ich den Strom. Zu diesem Zwecke wurde an dem Hahn der Wasserleitung ein Gummischlauch befestigt, in das andere Ende des Gummischlauches ein Glasrohr gesteckt, auf dieses Glasrohr ein durch- bohrter Kork geschoben und dieser zwischen die beiden Glasschalen ge- klemmt. Das Wasser bewegte sich zwischen den beiden Schalen als ein rineförmiger Strom und verursachte keine Nebenströmungen. Selbstredend läuft eine bestimmte Wassermenge über den Rand der niedrigeren, das heisst der äusseren Schale; dieser Strom verursacht aber keine besonderen Störungen. Ich habe aber nie die Vorsicht ausser Acht gelassen, jedes Mal den Strom zu prüfen. Dazu bereitete ich eine mässige Papierkugel, presste sie unter Wasser mit zwei Fingern und warf sie in den Strom. Die Kugel ist in Folge des Stoffes, aus dem sie besteht, leicht genug, um dem Strom keinerlei Widerstand zu leisten; andererseits aber macht sie der aufgeweichte Zustand genügend schwer, damit sie den Boden des Gefässes, auf dem sich die Versuchsthiere aufhalten, nicht verlässt. So rollt die Kugel auf dem Boden der Schale, dem Strome folgend, im Kreise herum. Die innere Schale kann man gut dazu benutzen, um in ihr die zu prüfenden Thiere vorläufig aufzuheben. Da der Strom kein Ende hat, so kann man die Thiere ihm beliebig lange aussetzen, während sie in dem oben erwähnten Glas- rohr bald das Ende des letzteren erreicht hatten. Ebenso setzt man nach Belieben die Thiere in den Strom und hebt sie heraus, ohne dass es nöthig wäre, den Strom zu unterbrechen. Vor Allem aber kann man ohne Wei- teres die Richtung des Stromes wechseln, indem man dem zwischen den beiden Schalen liegenden Kork nur eine entgegengesetzte Lage giebt. Ich bediente mich Anfangs einer kleinen Zinkwanne mit Zu- und Abflussöffnung; doch hier geschieht es oft, dass an den Seiten der Wanne störende Neben- strömungen entstehen, besonders wenn die Oeffnungen, durch welche das Wasser passirt, im Verhältniss zur Wanne eng sind. Sollte für Thiere mit wenig ausgesprochenem Rheotropismus der zwischen den beiden Schalen eingepresste Strom zu gewaltsam sein, so kann man mit Vortheil eine einzige Schale gebrauchen. Man hält das Glasrohr, aus welchem das Wasser fliesst, dem Rande der Schale genähert und schräg gerichtet. So erhält man an der Peripherie der Schale eine ringföürmige Bewegung des Wassers von geringer Heftigkeit. 236 J. DEwITZ: Thiere, welche auf strömendes Wasser reagiren. Mollusken. Im strömenden Wasser, so bei Dieuze in dem zu Deutsch- land gehörendem Lothringen und in Mentone in den Alpes Maritimes, sah ich häufig die kleinen Limaeiden in einer zum Strome gleichförmig ge- richteten Stellung. DBewegten sich die Thiere, so gingen sie gegen den Strom; waren sie aber in Ruhestellung, so hatten sie die Längsaxe ihres Hauses senkrecht zum Strom gestellt. Meine diesbezüglichen Experimente bestätigten beide Erscheinungen. Doch kam es auch vor, dass die Quer- stellung nur eine scheinbare war. Denn wenn auch das Gehäuse quer gegen den Strom gerichtet ist, so kann das Thier selber, der Kopf und der Fuss, doch mehr oder minder gegen den Strom gerichtet sein, weil das Haus mit der Längsaxe des Fusses oft einen Winkel bildet. Diese That- sache liess sich bei Schnecken, die im Glasrohr dem Strome ausgesetzt waren, beobachten. Immerhin passirt es auch ebenso gut, dass die Schnecken sich wirklich in der Ruhestellung derart quer gegen den Strom festsetzen, dass ihr Fuss von der Richtung des Stromes senkrecht durchschnitten wird. Diese Erscheinung trat häufig ein, wenn das Wasserleitungswasser kalt war und die Thiere wenig Leben zeigten. Der ringföürmige Strom zwischen den beiden Glasschalen eignete sich sehr dazu, den Rheotropismus der Schnecken zu demonstriren. Die Thiere durchwandern, alle gegen den Strom gerichtet, den ganzen Kreis ein, zwei, auch mehrere Male, je nach ihrer augenblicklichen Beweglichkeit. Nicht minder macht sich die rheotropische Reaction bei einer anderen Gruppe von Mollusken, den Zweischalern (Lamellibranchiaten) bemerkbar. Da diese Thiere im Grunde der Gewässer stecken, so kann es sich bei ihnen nur um die Art der Orientirung der Doppelschale handeln. Einige An- gaben H. Jordan’s! werden diese Verhältnisse illustriren. Die Najaden, zu denen Anodonta, Unio und Margaritana gehören, leben in stehendem und fliessendem Wasser, in Teichen und in Seeen mit heftigem Wellen- schlage, in kleinen Flüssen und in Bächen mit reissendem Strom. Es machen sich, wie Jordan ausführt, an einzelnen Najadenarten eines jeden Standortes gewisse, durch den Aufenthalt bedingte Veränderungen bemerk- bar. Die Unionen reissender Flüsse und Bäche haben den vorderen Theil stets gegen den Strom gerichtet. In den Seeen sehen wir die Unionen nicht in bestimmter Lage, wie auch das Wasser nicht in bestimmter Rich- tung bewegt ist. Die rheotropische Reaction ist bei diesen Thieren jedoch nicht allein auf die Einstellung beschränkt, sondern sie zeigt sich auch im Wachsthum ! Einfluss des bewegten Wassers auf die Gestaltung der Muscheln aus der Familie der Najaden. Biologisches Centralblatt. Bd.1. 8. 392—399. ÜBER DEN RHEOTROPISMUS BEI THTEREN. 237 der Schale. Im Gegensatz zu den Seeunionen, bemerkt weiter Jordan, ist bei den Flussunionen das durchweg gegen den Strom gerichtete Vordertheil immer unverhältnissmässig dicker als das Hintertheil, welches oft ganz dünn bleibt. Während ferner die Seeunionen durchweg, besonders in der Wirbelgegend bauchig und aufgeblasen sind, bleiben die Flussunionen schlank und zeigen selten hervorragende, spitze Wirbel. Der fortwährend in einer Richtung thätige Strom veranlasst die Unionen, sich in ihrem Wachsthum in der Richtung des Stromes auszudehnen.! Nephelis. Von den Würmern habe ich nur die zu den Hirudineen gehörende Form Nephelis untersucht. Dieser Wurm zeigte keinen aus- gesprochenen Rheotropismus. Er tastete hin und her, wandte sich rück- wärts und vorwärts und stellte sich am Anfange des Experimentes aufrecht mit der Bauchseite gegen die Strömung. Das schliessliche Resultat all dieser Bewegungen bestand aber darin, dass der Wurm gegen den Strom vorging und wenn er sich an den ungewöhnlichen Zustand seines Mediums gewöhnt hatte, so fanden sich Exemplare, welche sich in befriedigender Weise gegen den Strom fortbewegten. Es ist dabei aber, wie bei allen übrigen Thieren, von denen hier die Rede ist, vorausgesetzt, dass die Ver- suchsobjecte möglichst frisch gefangen sind und nicht viele Tage in Gläsern mit schlechtem Wasser zugebracht haben. Gammarus. Diese Krebsthiere zeigten in der kreisförmigen Strömung auf das Deutlichste negativen Rheotropismus. Sie schwammen gegen den Strom oder meist setzten sie sich in den Kanten der beiden Glasschalen fest, mit dem Kopf gegen den Strom gerichtet, und bewegten sich oft in dieser Stellung rückwärts. Auch legten sie sich mit ihrem seitlich com- primirten Körper — wie sie es auch im Freien an Blättern, Holz, Steinen zu thun pflegen — auf einer Seite platt auf den Boden der Schale, den Kopf stets gegen die Richtung des Stromes gekehrt. Phryganidenlarven. In einem der erwähnten Aquäduete bei Mentone bemerkte ich eine Anzahl von Phryganidenlarven. Sie hingen an den Wänden des Canals; die Köpfe waren sämmtlich gegen den Strom gerichtet, das hintere Ende durch die Schwere etwas aus der horizontalen Linie herabgezogen, so dass das Gehäuse mit dieser einen spitzen Winkel bildete. Auch Fritz Müller ? erwähnt in seiner Beschreibung brasilianischer Phryganidenlarven die richtende Wirkung des Stromes auf diese Thiere. Von Rhyacophylax, einer Phryganidenlarve aus den Quellen von sehr raschem Lauf der kleinen Colonie Blumenau, sagt er Folgendes: Ihre Gehäuse * Vergl. auch: Clesssin, Locard, D’influene. d. milieux s. 1. devel. d. Moll. Lyon 1892. ° Ueber die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. Bd. XXXV. S. 52. 238 J. DEwITz: gehören zu den interessantesten der Insecten. Sie sind auf der Oberseite der Steine befestigt und sind kunstlos aus Pflanzenfasern oder Steinchen gebaute Röhren von etwa 7 mm Länge, bei 2m Durchmesser. Jedes Gehäuse hat einen Vorhof oder eine Veranda, die sich trichterförmig erweitert und deren Eingang 7" Höhe bei doppelt so viel oder mehr Breite misst. Die Gehäuse sind unabänderlich derart orientirt, dass der Wasserstrom in den Eingang des Triehters schlagen muss. In seltenen Fällen leben diese Larven einzeln. Gewöhnlich machen sie ihre Gehäuse dicht neben einander, so dass sie bis- weilen eine lange, ununterbrochene Reihe bilden, die senkrecht zum Laufe des Wassers steht. Unter den Phryganidenlarven, welche ich untersuchte, fand ich eine Art von grosser Reizbarkeit, ja sie gehörte zu den reizbarsten Thieren, welche zu beobachten ich Gelegenheit hatte. Die Larve lebte in kleinen Teichen und fertigte ihr Haus aus grünen Pflanzentheilen, Blattausschnitten, Grasstücken oder grünen Stengeln. Die Thiere richteten sich auf das Be- stimmteste gegen den Strom und gehorchten gleich Soldaten jeder Aenderung desselben. Sie kehrten sich aber nicht allein gegen die Strömung, sondern sie machten auch im kreisenden Strom die Runde, bis sie schliesslich er- müdet waren. Um den Thieren das Kriechen am Boden der Glasschale zu erleichtern, schnitt ich aus rauhem Papier eine Scheibe von dem Durch- messer der Schale aus und legte diese auf den Boden derselben. Ich habe bei Phryganiden und anderen 'Thieren bemerkt, dass sie nicht sogleich dem Strome gehorchen, sondern dass dieser erst eine Zeit lang auf sie einwirken muss, damit sie auf die Reizung reagiren. Perlidenlarven. Sie gehören zu den Thieren, welche sich erst dann einstellen, wenn sie einige Zeit der Strömung ausgesetzt waren. Dann aber geschah die Einstellung gegen den Strom mit grosser Sicherheit, und mit derselben Sicherheit wurde mit der Aenderung der Stromrichtung die Aenderung ihrer Stellung ausgeführt. Oft gehen sie rückwärts, den Kopf gegen die Strömung gewandt. Sie leben in schnellfliessenden Bergwässern und halten sich hier unter Steinen auf. Ephemeridenlarven. Die Ephemeridenlarven, welche ich in kleinen Teichen fing, durch welche schnellfliessende Bäche flossen, reagirten weniger sicher als die Perlidenlarven. Sie liessen sich viel vom Strome passiv herumführen; sobald sie sich aber auf den Boden der Schale niedersinken liessen, wendeten sie jedes Mal den Kopf gegen den Strom. Notonecta glauca. Diese Wasserwanze, welche durch ihr Schwimmen auf dem Rücken, sowie durch ihre, wie zwei Ruder abstehenden Beine auf- fällt, liess sich oft vom Strome passiv herumführen, stürmte aber dann mit Gewalt vor, stets gegen den Strom ankämpfend. Die Thiere zeigten einen sehr ausgeprägten negativen Rheotropismus. ÜBER DEN RHEOTROPISMUS BEI THIEREN. 239 Nepa cinerea. Dieses ebenfalls zu den Wasserwanzen gehörende Insect reagirt nur sehr schwach und unregelmässig. Es wurde in einer flachen Schale, ohne die zweite Schale in der Mitte, dem schwach kreisenden Strom ausgesetzt. Dabei lässt sich das Thier meist passiv herumtragen. Wenn aber der Strom nicht zu stark ist, stellt es sich mit dem Kopf gegen die Strömung und bewegt sich nach rückwärts. Hydrometra und verwandte Gattungen (Hydromici): Hydro- metra, Velia, Halobates. Wir haben bisher nur solche Thiere betrachtet, welche im Wasser selbst leben. Es giebt aber auch Insecten, welche sich auf der Oberfläche des Wassers bewegen und hier ihr ganzes Dasein verbringen. Jedermann kennt jene Wasserwanzen oder Wasserläufer (Hydro- metra), die mit ihren langen dünnen Beinen auf der Oberfläche von Wasseransammlungen, Teichen, Seeen oder anderen fliessenden Gewässern umherlaufen, als ob sie Schlittschuhe anhätten. Wenn der Wind das stehende Wasser bewegt und leichte Wellen gegen das Ufer treibt, so sehen wir eine Schaar dieser Thiere sich auf den Wellen auf- und niederbewegen. Jedes Stück ist in gleichem Sinne gerichtet, mit dem Kopf gegen die an- drängende Wassermenge. So gleichen sie auffallend einer Anzahl von Fischer- kähnen, welche die Fischer in einer Bucht des Seees, den einen neben den anderen, festgeankert haben und die von den Wellen auf- und niedergehoben werden. Häufig liegt nicht weit von der durch die Wellen gerichteten Hydrometra-Schaar ein winziger Einschnitt im Ufer, hinter Gebüsch und Schilf gegen das offene Wasser geborgen. Hier ist das Bild ein anderes. Die Wasserfläche ist glatt und die Wasserläufer eilen hier vereinzelt und ohne Ordnung umher, die einen in dieser, die anderen in jener Richtung. In den Aquäducten der Campagnen von Mentone lebt ebenfalls die Hydro- metra und in dem strömenden Wasser sieht man sie in Gesellschaften beständig gegen den Strom gerichtet stehen oder der Strömung entgegen- laufen, wenn sie sich nicht an den Seitenwänden in einer Miniaturbucht bergen. Wo ich eine solche Herde von Hydrometra bemerkte, machte ich bisweilen folgendes Naturexperiment, um ihren Rheotropismus zu erproben. Ich stellte vor sie in den Canal ein Bret, so dass die Strömung um dieses herumging und die Wasserwanzen gegen den Strom geschützt waren. NSo- gleich liessen sie in ihrem Bemühen, stromaufwärts zu laufen, nach und breiteten sich hinter der schützenden Wehr unregelmässig aus. Wurde das Brett wieder fortgenommen und der Strömung der Weg frei gegeben, dann ordneten sich die Thiere gleich Soldaten und begannen wieder gegen den Strom ihre Beine in Bewegung zu setzen. Nicht weit von Mentone liegt in einem engen Thal die erste italienische Eisenbahnstation Ventimiglia. Vom Massif des Col di Tenda herabkommend, eilt hier die Roja dem Meere zu. Hier fand ich auf dem heftig strömenden, breiten Gewässer 240 J. Dewıtz: die grossen Arten von Hydrometra, welche die obige Species an Grösse und Stärke bedeutend übertrefien. Auch diese Thiere waren in grösserer Gesellschaft, alle Mitglieder gegen den Strom gerichtet, und es bot ein interessantes Schauspiel, wie die Wanzen kräftig ausschreitend dem Strom Stand hielten. Es muss bemerkt werden, dass in so heftigen Strömungen die Hydrometra nicht eigentlich vorwärts gehen, ‚sondern im Ganzen auf der gleichen Stelle verbleiben, wenngleich sie ihre Beine beständig in Bewegung setzen und ausschreiten. Eine dritte Gattung, Velia, kleine schwarze Thiere von gedrungenem Körperbau und kurzen Beinen, bewohnen die schattigen Bäche. Wo an den Rändern hinter Felsblöcken ruhige Buchten gebildet sind, leben sie auf der Wasserfläche ruhig und zurück- gezogen. Wenn sie umhereilen, könnte man sie für Spinnen halten. Ueber- schreiten sie den Bach oder gelangen sie auf andere Weise in die Strömung, so suchen sie sich zwar derselben wieder möglichst bald zu entziehen, richten sich aber ebenso wie die anderen Gattungen gegen den Strom. Leider vermag ich nichts über den Rheotropismus der meerbewohnenden Verwandten der obigen drei Gattungen, der Halobatesarten,! zu sagen. Da dieselben aber alle Eigenschaften der Süsswasserform besitzen, so möchte ich es als sehr wahrscheinlich ansehen, dass auch sie sich der Richtung der Wellen entgegen bewegen. Diese merkwürdigen Thiere sind die einzigen Insecten, welche das Meer bewohnen und sich auf offener See aufhalten. Oft hunderte von Meilen vom Festland entfernt, führen sie, zu Gesell- schaften wie die echten pelagischen Thiere vereint, ein wahres pelagisches Leben. Frauenfeld fing sie auf der Fahrt von Manila nach Hongkong, mitten in dem chinesischen Meere; Giglioli fand sie im südlichen Atlan- tischen Ocean, 400 Miglien von der amerikanischen Küste entfernt, und andere Reisende berichten in gleichem Sinne. Da sie sich in allen tropischen Meeren finden, so darf man vermuthen, dass sie, in Folge ihrer rheotro- pischen Eigenschaften den Wellen und der Strömung der Meere gehorchend, sich überallhin ausbreiten. Wie es nicht anders zu erwarten war, haben die Gattungen Hydro- metra und Velia, besonders die erstere, die Prüfung im Laboratorium auf das Glänzendste bestanden. Um ihren Rheotropismus zu constatiren, benutzte ich wieder den kreisenden Strom. Ich verwandte hierzu eine grosse (Glasglocke mit durchbohrtem Griff. Durch den letzteren wurde ein Gummistöpsel mit einem Abzugsrohr gesteckt und in die nach oben gekehrte Glocke wurde mittels eines Schlauches der Strom geleitet. Das Ende des Schlauches wurde gegen die Wand der Glocke und vorwärts ' Vergl. die monographische Darstellung dieser Thiere: F. B. White, Pelagie Hemiptera. Report scient. results Challenger. Vol. VII. Part. 19. ÜBER DEN RHEOTROPISMUS BEI THIEREN. 241 gerichtet und so ein kreisender Strom erzeugt. Die Richtung des Stromes konnte wieder durch die Haltung des Endes des Schlauches geändert werden. Die Zone des strömenden Wassers befand sich natürlich nur in gewisser Entfernung von der Wand der Glocke, war aber von genügender Breite. Man konnte an den drei Gattungen drei Abstufungen der rheotropischen Erscheinung wahrnehmen, welche sich auch bereits im Freien hatten erkennen lassen. Velia mied gern die Strömung nahe der Wandung der Glocke und hielt sich mehr in der Mitte auf, wo das Wasser unbewegt war; sie lässt sich auch leicht vom Strom passiv forttragen, dabei stellt sie sich aber ohne Zögern mit dem Kopf gegen den Strom. Die kleineren Hydrometra bewegten sich regelmässig und ohne dass irgend eine Ausnahme zu verzeichnen gewesen wäre, gegen den Strom. Die grossen Arten setzten ihre gewaltigen Beine in Bewegung und fuhren ohne Unterlass mit kräftigen Stössen gegen die Strömung. Die Gattung Hydrometra ist ein klassisches Beispiel rheotropischer Reaction und ist geeignet, diese Erscheinung zu jeder Zeit vor den unkundigsten Zuschauern zu demonstriren. Die Thiere halten sich gut in einem Gefäss (Topf), in den man angefeuchtetes Moos gelegt hat. Es giebt auch Spinnen, die sehr geschickt über das Wasser hinlaufen, und ich habe auch sie in: dem kreisenden Wasserstrom einer Prüfung unterworfen; ich habe aber keine Art gefunden, die durch den Strom gerichtet wurde. Verbreitung des Rheotropismus und seine Bedeutung in der Natur. Eine Anzahl von Thieren hat sich theils in deutlicher, theils in aus- gesprochener Weise als rheotropisch erwiesen. Aber es ist zu bemerken, dass sie alle negativ rheotropisch waren. Ich habe jedoch in den Aquä- ducten von Mentone einen Fall von positivem Rheotropismus zu beobachten Gelegenheit gehabt. Dieser Fall betraf eine nach Art der Spannerraupen sich fortbewegende Dipterenlarve. Hielt man in einiger Entfernung von der auf dem Steine festsitzenden und der Strömung nach lang ausgestreckten Larve das Ende des Spazierstockes oder auch nur dasjenige eines dünnen Zweiges in das Wasser, aber in der Richtung des Thieres, so bog sich die Larve sofort nach dem Stocke zu zurück. Der letztere hatte offenbar, ebenso wie das vor die Hydrometra gestellte Brett, den Strom abgehalten, dem das Thier, sich ausstreckend, gefolgt war. Ich will nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, dass, wie der Leser aus meinen Angaben schon ersehen haben wird, die Thiere, welche im Freien rheotropische Reactionen zeigen, sich in grösseren oder kleineren Haufen Archiv f. A.u. Ph. 1899. Physiol. Abthlg. Suppl. 16 242 J. DEewizz: beisammen finden. Es scheint, dass die Vergesellschaftigung sehr oft eine Begleiterscheinung des Rheotropismus ist. Es ist nicht zweifelhaft, dass der Rheotropismus eine weit verbreitete Erscheinung im Thierreich ist. Bei den obigen Experimenten habe ich es unterlassen, Fische zu prüfen, da ihre rheotropische Reizbarkeit so klar ist, dass ich es für überflüssig hielt, dieses Factum noch besonders zu con- statiren. Beim Aufsteigen der Fische aus dem Meere in die Flüsse, sei es der Laichfische oder der Brut, tritt der Rheotropismus zu Tage. Aber auch bei anderen Gelegenheiten zeigt ihn die Thiergruppe auf das Deut- lichstee Man kann häufig junge Cypriniden oder kleinere Arten dieser Fische in Schaaren beisammen gegen die Strömung schwimmen sehen. Andere Fische stehen häufig wie angewurzelt, den Kopf dem Strome zu- gewandt. Auf der niedrigen Brücke eines kleinen Flüsschens oder eines Baches stehend und in das Wasser hinabschauend, kann man leicht mit jenen Erscheinungen bekannt werden. Ich sah einst in einem Wasser- tümpel, in welchen sich ein winziger Wasserfall ergoss, eine Menge kleiner Fischehen, alle wie von einem Magneten gegen die Strömung gerichtet. Camerano stellte rheotropische Erscheinungen an Batrachierlarven fest. Auch ich fand solche Larven, wenn auch selten, in den Aquäducten bei Mentone. Die Thiere liessen sich nicht, wie man es erwarten sollte, von der heftigen Strömung des Wassers thalwärts treiben, sondern kämpften gegen den Strom und eilten trotz aller Schwierigkeiten stromaufwärts. Das merkwürdigste Beispiel von Rheotropismus — wenn es ein solches ist, wie ich glaube — betrifft aber einen Vogel. An den Bächen der Montanen bis hoch in die alpinen Regionen der Gebirge lebt, dem Eisvogel ähnlich, die Wasseramsel, Cinelus aquaticus. Sie ist an die Bäche gebunden und liebt die reissenden Bergwässer, die Wasserfälle und den Strudel der Mühlen- räder. Dieser Vogel nun taucht behend wie der Eisvogel und sucht am Boden des Wassers seine aus Insecten bestehende Nahrung. Er springt nach Art der Frösche vom Ufer ab und geht auf dem Grunde einher, hier 1—2 Minuten verweilend. Nach Tschudi! liebt er es aber, unter dem Wasser stromaufwärts zu wandern. Ohne Zweifel würden sich bei einem eingehenden Studium viele See- thiere als rheotropisch erweisen, besonders unter den pelagischen. Ich möchte aber hinsichtlich der Seethiere schon hier auf zwei Beispiele auf- merksam machen, die deshalb besonders interessant sind, weil sie Thiere früherer Erdepochen betreffen. W. Weissermel? sagt in einer Arbeit über fossile Korallen Folgendes. Das Individuum richtete seine Tentakeln und ! Thhierleben der Alpenwelt. 10. Aufl. 8. 157. ? Zeitschrift der deutschen geolog. Ges. 1897. Bd. IL. $. 865. ÜBER DEN RHEOTROPISMUS BEI THIEREN. 243 die die Nahrung aufnehmende Fläche nach derjenigen Seite, von welcher die Nahrung kam. Kam diese eleichmässig von allen Seiten, so breitete sich diese gleichmässig aus; kam die Nahrung aber von einer bestimmten Seite, entweder durch die Meeresströmung oder durch den Wellenschlag herbeigeführt, so richtete sich der Kelch dieser Seite zu. Daraus resultirte dann die gekrümmte, hornförmige Gestalt, welche man häufig bei gewissen fossilen Einzelkorallen finde. Man muss nun bei dieser Ausführung des Autors bemerken, dass die Nahrung nicht beständig, wie ein continuirlicher Strom herbeifloss und dass demnach das von der Nahrung gelegentlich nach einer gewissen Seite hingezogene Korallenthier seine Stellung nicht beständig einhielt. Solches war aber nöthig, damit die Hartgebilde der Koralle ein bestimmt gerichtetes Wachsthum annahmen. Dieses konnte also nur in Folge einer fortwährend wirkenden Ursache geschehen, und diese war die Strömung. Weissermel folgt im seiner Erklärung dem Beispiel Jäkel’s,! welcher gleiche Verhältnisse bei fossilen Crinoiden behandelt. An diese Bei- spiele müssen wir noch die Beobachtungen Semper’s anreihen,? welcher das Wachsthum der Korallenriffe aus dem Einfluss der Strömung auf die Korallenthiere erklärt. Gehen wir weiter in unserer Umschau, so würden wir erwarten, dass auch im strömenden Blute der Adern die weissen Blutkörperchen eine be- stimmte Richtung annehmen. Leider vermag ich aber hierüber nichts zu sagen. Ich muss mich darauf beschränken, darauf hinzuweisen, dass andere Gewebstheile, die Spermatozoön, durch Roth als rheotropisch erkannt wurden. Auch ich habe vor Jahren bemerkt, dass die Spermatozoön von Paludina vivipara, die haarförmigen sowohl wie die wurmförmigen Spermatozo&n, durch eine mittels Fliesspapier erzeugte Strömung negativ gerichtet werden. An den durch strömende Flüssigkeit hervorgerufenen Rheotropismus und im Besonderen an jene Beispiele, die uns Hydrometra und ihre Ver- wandten gaben, schliesst sich meiner Meinung nach eine andere Erscheinung. Ich möchte nämlich jene Erscheinungen, welche sich bei der Wanderung der Vögel äussern, als eine Art von Rheotropismus in Anspruch nehmen. Obgleich die Ansicht der Beobachter und Autoren darüber getheilt ist, ob die Vögel beim Wandern mit dem Winde oder gegen den Wind fliegen, so geht doch aus ihren Angaben hervor, dass der Wind, die strömende Atmosphäre, hierbei eine grosse Rolle spielt. Man liest nicht selten in ornithologischen Fachzeitungen und in Jagdblättern, dass eine bestimmte Vogelart zum Ziehen den Wind abwartet, oder anders ausgedrückt, dass der Vogel, so lange der Wind nicht weht, sich ruhig verhält und nicht ! Zeitschrift der deutschen geolog. Ges. 1891. Bd. XLIII. 8. 595. ? Die natürlichen Existenzbedingungen der Thiere. 1880. Bd. II. S. 65. 16 * 244 J. DEwITZ: ÜBER DEN RHEOTROPISMUS BEI THIEREN. das Bedürfniss, sich fliegend fortzubewegen, spürt. Es ist aber ein be- stimmter, von der Jahreszeit und der Windrichtung abhängiger Witterungs- charakter, welcher auf die Vögel wirkt und sie zum Ziehen antreibt. Den Züchtern von Brieftauben sind diese Verhältnisse sehr wohl bekannt und sie bedienen sich ihrer, um bei dem Versuchsfliegen günstige Resultate zu erzielen.’ Es scheint aber, dass der Organismus der meisten Vögel nur in gewissen Perioden geeignet ist, auf strömende Luft zu reagiren, ähnlich den die Flüsse aufsteigenden Laichfischen. Beim Ueberblicken der Fälle, in denen der Rheotropismus zur Geltung kommt oder für welche er in Anspruch genommen wurde, bemerken wir seine offenbar grosse Verbreitung in der organischen Natur und gleich- zeitig seine nicht geringe Bedeutung in derselben. Beschränken wir uns auf die Thierwelt, so scheint er zunächst eine wichtige Rolle in den Vor- gängen der Befruchtung zu spielen. Bei der Ausbreitung der Süsswasser- und Meeresthiere ist seine Wirkung vielleicht nicht geringer. Der Rheo- tropismus, welcher Fische in die Flüsse und Bäche aufzusteigen veranlasst, sichert diesen ferner die Fortexistenz der Species. Aber seine Wirkung geht noch weiter. Denn Semper hat, sich auf den Einfluss der Strömung auf die Wachsthumsrichtung der Korallen stützend, seine Theorie über die Entstehung der Riffe und Inseln gegründet und sie derjenigen Darwin’s entgegengestellt. Es scheint demnach — und was wir von fossilen Korallen sagen konnten, bestätigt diese Ansicht — dass die rheotropische Reaction mitwirkt, Inseln und Festland zu gründen. ! Vgl.E. F.v.Homeyer, Die Wanderungen der Vögel. 1881. — H.E. Ziegler, Geschwindigkeit der Brieftaube. Zool. Jahrb. Syst. 1898. Bd. X. 8.238. Zur Methodik der Messung des peripheren Wider- standes in einer Arterie. Von J. Rich. Ewald. Es giebt bisher keine brauchbare Methode, den peripheren Widerstand in einer Arterie zu bestimmen. Dies ist um so mehr zu beklagen, als wir in den meisten Fällen, wenn es sich um Untersuchung der Kreislauf- verhältnisse bei einem Thiere handelt, gerade die Grösse und die Ver- änderungen des peripheren Widerstandes in den Gefässen zu kennen wünschen. Die Bestimmung des Blutdruckes ist gewöhnlich nur ein Noth- behelf. Zwar kann man unter Annahme gewisser Voraussetzungen ver- suchen, vom Blutdruck auf die Widerstände zu schliessen. Aber solche Schlüsse sind stets sehr unsicher und bleiben es auch, selbst wenn man gleichzeitige Bestimmungen der Blutgeschwindigkeit mit in Rechnung ziehen kann. Gelänge es, directe, wenn auch nur einigermaassen genaue Messungen des peripheren Widerstandes eines Arteriengebietes auszuführen, so würde dies für die Physiologie und die Pharmokologie von gleich grossem Nutzen sein. Man soll daher alle Mittel versuchen, um zum Ziele zu gelangen und ich will in Folgendem den von mir eingeschlagenen Weg beschreiben, auf dem ich trotz vieler fehlgeschlagenen Hoffnungen doch schon eine gute Strecke weiter gekommen bin, so dass wenigstens gewisse Erfolge bereits gesichert sind. Die Methode lässt sich an einem Beispiele mit wenigen Worten und in einer für Jeden verständlichen Weise beschreiben. Hat man zur Be- sprengung eines (Gartens einen langen Wasserleitungsschlauch an einem Hydranten befestigt und strömt nun das Wasser durch den Schlauch, so kann man in einfachster Weise bestimmen, wie gross etwa die Ausfluss- 246 J. RıicH. EWALD: öffnung am Ende des Schlauches ist, aus der das Wasser herausspritzt. Es sei dies Ende des Schlauches im Gebüsch verborgen, wir können also nicht sehen, wie dick der austretende Wasserstrahl ist. Wir kennen auch nicht den Wasserdruck im Hydranten, so dass wir auch nicht nach der Härte, wie sich der Schlauch anfühlt, die Grösse der Ausflussöffnung beurtheilen können. Nun giebt es aber doch ein einfaches Mittel, um zum Ziele zu gelangen. Man tritt einfach mit dem Fuss auf den Schlauch und com- primirt ıhn ganz allmählich auf diese Weise. Ist die Ausflussöffnung sehr klein, so können wir den Schlauch fast vollständig zusammendrücken, ohne etwas Besonderes zu bemerken. Ist aber die Ausflussöffnung gross, so ge- nügt eine geringe Verkleinerung des Lumens des Schlauches, um demselben vor und nach der comprimirten Stelle ein anderes Aussehen zu geben. Wir sehen ihn zwischen Hydrant und Fuss anschwellen und sehen ihn zu gleicher Zeit hinter dem Fuss schlaffer werden. Führen wir diesen einfachen Versuch etwas sorgfältiger und mit geeigneteren Hülfsmitteln aus, so ergiebt sich, dass ein deutlicher Einfluss der Comprimirung des Schlauches immer erst dann eintritt, wenn das Lumen des Schlauches an der Compressions- stelle ungefähr so klein geworden ist wie die Grösse der Ausflussöffnung. Wir können letztere also auf diese Weise ziemlich genau bestimmen, und da sie offenbar den peripheren Widerstand des Schlauches darstellt, so giebt uns unser Versuch eine Methode an, den peripheren Widerstand, den eine durch einen Schlauch fliessende Flüssigkeit zu überwinden hat, direct zu messen. Auf die Arterien übertragen ergiebt sich dann folgende Methode. Wir comprimiren eine Arterie an einer Stelle ihres Verlaufes ganz allmählich und messen währenddessen den Blutdruck (Seitendruck) oberhalb und unter- halb der Compressionsstelle.e. Aus der Veränderung dieser Druckwerthe müssen wir den Moment bestimmen können, in welchem die Compressions- stelle der Blutströmung einen ebenso grossen Widerstand darbietet wie der periphere Widerstand, den das Blut zu überwinden hat. Man erhält ein Schema des Blutlaufes in einer Arterie, wenn man Wasser, das sich unter einem dem Blutdruck entsprechenden Drucke be- findet, durch einen Gummischlauch abfliessen lässt. Der Druck wird am einfachsten durch eine Wassersäule mit constantem Niveau erzeugt. Ein in die Abflussröhre wandständig eingefügtes Manometer stellt in dem Schema ein Blutdruckmanometer dar. Es ist klar, dass, wenn der Druck im Mano- meter dem Blutdrucke entsprechen soll, der Abfluss des Wassers kein freieT sein darf. Wir müssen also, um das Schema zu vervollständigen, den freien Abfluss durch einen angefügten Widerstand behindern. In Wirklich- keit wird der Widerstand, den das Blut zu überwinden hat, durch die Ge- fässe mit engem Caliber erzeugt und wir können einen ganz ähnlichen - Messung DES PERIPHEREN WIDERSTANDES. 247 Widerstand unserem Gummischlauch anfügen. Es steigt dann das Queck- silber im Manometer bis zu einer bestimmten Höhe. Offenbar kommt es aber nun gar nicht auf die Art des angefügten Widerstandes an, sondern allein auf seine Grösse, von welcher bei con- stanter Höhe des Wasserniveaus der Manometerstand allein abhängig ist. Man kann also den angefüsten Widerstand durch einen anderen ersetzen und weiss, dass der neue ebenso gross wie der frühere ist, wenn das Mano- meter wieder den vorher vorhandenen Druck anzeigt. Der eintachste Widerstand, welcher angefügt werden kann, besteht in einer Verkleinerung der Ausflussöffnung. Man wird also den Gummischlauch durch ein metallenes Verschlussstück mit senkrechter Wand verschliessen und in dieser letzteren ein Loch von genau der Grösse machen, dass das Manometer wieder den früheren Stand einnimmt. Ich nenne eine solche absperrende Wand mit dem betreffenden Loch einen „Lochwiderstand“ und die Oeffnung in demselben das „Widerstandsloch“. Wir gelangen auf diese Weise zu folgendem Satze: Jeder Abflusswiderstand lässt sich durch einen Lochwiderstand von bestimmter Oefinung ersetzen. Um Messungen verschiedener Abflusswiderstände auszuführen, kommt es darauf an, die Widerstandslöcher ihrer Grösse nach fein abstufen und genau messen zu können. Es liegt nahe, kreisförmige Löcher anzuwenden und den Durchmesser des Kreises als Maass für den Widerstand zu ver- werthen. Ich bin aber bei den Versuchen mit kreisförmigen Löchern auf praktische Schwierigkeiten gestossen. Denn ob man die Löcher in einem beweglichen Schieber oder an der Peripherie einer drehbaren Scheibe an- bringt, die grosse Zahl der Löcher bedingt immer unbequeme Constructionen. Eine Einrichtung nach Art der Irisblende der Mikroskope ist ebenfalls für den vorliegenden Zweck nicht verwerthbar, und so blieb nichts übrig, als auf die runde Gestalt der Löcher zu verzichten. Ich benutze ein quadratisches Loch, welches von zwei über einander liegenden und verschiebbaren Platten mit quadratischen Ausschnitten gebildet wird. Liegen die beiden Platten derart über einander, dass die beideu qua- dratischen Ausschnitte sich decken, so hat das Widerstandsloch seine maximale Grösse. Durch eine Schraubenvorrichtung lassen sich nun die beiden qua- dratischen Ausschnitte in der Richtung einer gemeinschaftlichen Diagonale verschieben nnd von einander entfernen, wobei das Widerstandsloch immer seine quadratische Form behält, aber natürlich bis zum völligen Verschwinden immer kleiner wird. Zu gleicher Zeit gestattet die Schraubenvorrichtung an einem Index abzulesen, wie viel die Verschiebung in Millimetern beträgt. Man misst also direct die Diagonale des quadratischen Widerstandsloches. 248 J. Rıca. EwALp: Um einen beliebigen an unseren Gummischlauch angefügten Widerstand — nehmen wir an ein System von Glascapillaren — zu messen, entfernen wir ihn also, nachdem wir den Manometerstand abgelesen haben und be- festigen statt seiner den Lochwiderstand. Dieser möge zunächst weit ge- öffnet sein, das Wasser fliesst daher frei ab und das Manometer zeigt einen ganz niedrigen Stand. Mittels der erwähnten Schraubenvorrichtung wird dann das Widerstandsloch allmählich immer kleiner gemacht, bis das Mano- meter wieder seine ursprüngliche Höhe erreicht hat. Gesetzt, wir finden auf diese Weise am Index die Zahl 1-35, so wäre die Oeffinung des Loch- widerstandes I . Da der Widerstand mit der Grösse der Oeffnung ab- nimmt, so ist es empfehlenswerth, den reciproken Werth der in Quadrat- millimetern gemessenen Grösse des Widerstandsloches als Widerstand zu bezeichnen. Wir erhalten also, wenn wir den Widerstand mit 7 bezeichnen, Ei u Mass Dies ist natürlich eine ganz willkürlich gewählte Maassbestimmung, sie bezieht sich nur auf den Lochwiderstand von der angegebenen Form. Sie gewährt aber doch den grossen Vortheil, dass wir die verschiedensten Widerstände mit einander vergleichen und künstliche Widerstände von gleicher Grösse wie natürlich gegebene herstellen können. Wir kommen zu unserem bisher benutzten Schema zurück. Den ursprünglich vorhandenen Abflusswiderstand, der aus einem System von Glascapillaren bestand, können wir nun entfernen und ihn durch einen Lochwiderstand, den wir auf 1-35 einstellen, ersetzen. Es gilt jetzt zu unter- suchen, ob es möglich ist, die Grösse dieses Lochwiderstandes, die wir zu- nächst als unbekannt annehmen, durch Compression einer Stelle des Gummischlauches zu ermitteln. Statt wirklich den Schlauch zu comprimiren, benutzen wir in sehr bequemer Weise noch einen, dem bereits vorhandenen ganz gleichen Lochwiderstand, den wir in den Gummischlauch einschalten. Wir erzeugen auf diese Weise in der Leitung eine Verkleinerung des Lumens, welche nur eine minimale Strecke der Leitung betrifft (Dicke der Wand, in der sich das Widerstandsloch befindet) und welche beliebig grösser oder kleiner gemacht werden kann. Wir haben also jetzt zwei Lochwiderstände in der Leitung, von denen der erstere, stromaufwärts gelegene, den wir Loch- widerstand 4 nennen wollen, uns dazu dienen soll, die Grösse des zweiten, der den peripheren Widerstand darstellt und der Lochwiderstand 2 heissen möge, zu bestimmen. Um zu beobachten, wie die Veränderungen der Oeffnung des Lochwiderstandes „{ auf die Druckverhältnisse in der Leitung wirken, befinden sich an diesem Instrument unmittelbar vor und hinter dem Widerstandsloch zwei seitliche Abzweigungen, die zu einem Differential- MESSUNG DES PERIPHEREN WIDERSTANDES. 249 manometer führen. Dies letztere zeichnet seine Curve auf eine Glasplatte auf, welche gleichzeitig mit der allmählichen Verschliessung des Widerstands- loches durch eine Uebersetzung fortbewegt wird. Was geschieht nun, wenn wir den Lochwiderstand A langsam schliessen ? Welche Curve zeichnet das Differentialmanometer? Das Wasser wird ge- zwungen, durch ein immer kleiner werdendes Loch zu fliessen. Hierbei wird Druck verbraucht, indem sowohl Reibung überwunden werden muss, wie auch Geschwindigkeit zu erzeugen ist. Diese letztere wird freilich jenseits des Loches gleich wieder in Druck verwandelt, da der periphere Widerstand (der Lochwiderstand B) ein schnelleres Fliessen nicht gestattet. Was die Reibung betrifft, so ist diese nur sehr gering, da die Strecke, auf der das Wasser schneller fliessen muss, äusserst klein ist. Wäre diese Reibung ver- schwindend klein, so würde die Curve des Differentialmanometers erst in dem Moment zu steigen beginnen, wenn der Lochwiderstand A die gleiche Oeffnung wie 3 erreicht hat und man würde aus dem Beginn des Anstieges der Curve die Uebereinstimmung der beiden Lochwiderstände und daher die Grösse des peripheren Widerstandes entnehmen können. Die Reibung im Lochwiderstand, welche zum Theil auf Strudelbildung beruht, ist nun leider nicht verschwindend klein und macht sich so stark bemerkbar, dass man sie nicht vernachlässigen darf. Doch gelingt es glücklicher Weise, ihre Grösse, d.i. ihre Wirkung auf das Differentialmanometer von vornherein zu be- stimmen. Wir machen zu dem Zwecke Vorversuche derart, dass wir dem Lochwiderstand 3 alle möglichen Stellungen nach einander geben und gleich- zeitig den Lochwiderstand 4 genau die gleichen Stellungen durchlaufen lassen. Wir erhalten eine Curve des Differentialmanometers, die uns die Reibungswiderstände von A angiebt, falls dieser Lochwiderstand dieselbe (Grösse wie BD hat. Diese Curve können wir ein für allemal auf der Glas- tafel verzeichnen, und wenn wir nun bei unserem oben beschriebenen Ver- such, den Lochwiderstand A zu schliessen beginnen, so erhalten wir von dem Differentialmanometer eine Curve, welche so lange unterhalb der Reibungscurve bleibt, wie die Oeffnung von A noch grösser als die von ist. Sobald sich dann aber bei weiterem Schliessen von A die beiden Curven schneiden, hat man in dem Lochwiderstand A die Oeffnung von 2 erreicht. Bei unserem Versuch finden wir also auf diese Weise die gesuchte Stellung des Lochwiderstandes A bei 1-35 und erfahren daraus, dass auch der Loch- widerstand 2 dieselbe Oeffnung besitzt. Wir entfernen nun den Lochwiderstand 2 und fügen an unseren Schlauch einen ganz beliebigen peripheren Widerstand an. Um diesen zu messen, öffnen wir zunächst den Lochwiderstand A vollständig und schliessen ihn dann allmählich, bis die Curve des Differentialmanometers die vor- gezeichnete Reibungscurve erreicht. Aus der Zahl, die wir am Index 250 J. Rıca. EwALD: MESSUNG DES PERIPHEREN WIDERSTANDES. ablesen, ergiebt sich ohne Weiteres die Grösse des peripheren Wider- standes. So wäre theoretisch und praktisch unsere Aufgabe gelöst. Praktisch allerdings erst für die einfachsten, nur ein Schema des Blutlaufes darstellen- den Fälle. Um die Methode auf die Arterien anwenden zu können, müssen die bisher benutzten Apparate zweckentsprechend umgeändert werden, auch sind noch andere Schwierigkeiten, die in der besonderen Art der Strom- verzweigung und den Druckschwankungen in den Arterien ihren Grund haben, zu überwinden. Aber diese neu hinzutretenden Schwierigkeiten er- scheinen nicht unüberwindlich, und es ist zu hoffen, dass die schon jetzt für das Studium der Widerstandsverhältnisse an schematischen, den Blutlauf darstellenden Apparaten genügende Methode auch am lebenden Thiere brauchbare Resultate liefern wird. Beitrag zur Kenntniss des Energiegehaites des menschlichen Harnes. Von Dr. med. F. Tang], Professor der Physiologie an der thierärztlichen Hochschule in Budapest. Während meines Aufenthaltes in Berlin im Sommer 1897 wurden im thierphysiologischen Laboratorium der landwirthschaftlichen Hochschule von den Hrn. Prof. Dr. J. Frentzel und Dr. Reach Versuche über den Ein- fluss der Arbeit auf den Stoffwechsel bei verschiedener Ernährungsweise ausgeführt.” Es bot sich da eine sehr günstige Gelegenheit, neben den Respirationsversuchen Untersuchungen darüber anzustellen, wie sich einer- seits der Energie- (Calorien-) Gehalt des Harnes im Verhältniss zum N- und C-Gehalte gestaltet und andererseits, wie sich dieses Verhältniss wäh- rend der Arbeit eventuell verändert. Mein hochverehrter College und Freund, Hr. Prof. Zuntz, hatte die grosse Liebenswürdigkeit, mich in die Methodik der calorimetrischen Unter- suchungen einzuführen und die entsprechenden Apparate und Einrichtungen seines Laboratoriums mit der grössten Bereitwilligkeit mir zur Verfügung zu stellen, wofür ich ihm auch an dieser Stelle meinen wärmsten und ver- bindlichsten Dank ausspreche Zu besonderem Danke verpflichteten mich auch die Hrn. Prof. J. Frentzel und Dr. Reach durch freundliche Ueber- lassung des Untersuchungsmateriales und Mittheilung der nöthigen Daten aus ihren Versuchen. In den Versuchsfeihen, welche die geannten Herren zur Zeit meines Aufenthaltes an sich ausführten, sollte durch Bestimmung des O,-Verbrauches und der CO,- und N-Ausscheidung festgestellt werden, in welcher Weise sich der Stoffwechsel bei überwiegender Ernährung mit Fett und dann bei 1 Diese Versuche sind bereits in der sub 1 und 19 eitirten Arbeit von Frentzel bezw. Zuntz erwähnt. 252 F. Tancı: überwiegender Ernährung mit Kohlenhydraten gestaltet bezw. unter dem Einfluss der Muskelarbeit verändert. Die näheren Details über die Anord- nung dieser Versuche werden sich in der demnächst erscheinenden Publication der Hrn. Prof. Frentzel und Dr. Reach finden. Ich werde sie nur so weit beschreiben, als es zum Verständniss meiner Untersuchungen noth- wendig ist. Wie bereits erwähnt, wurde in den einzelnen Versuchsreihen die Kost so gewählt, dass entweder Kohlenhydrate (bei möglichster Vermeidung von Fett) oder Fett (bei möglichster Vermeidung von Kohlenhydraten) vor- herrschten. Da es sich um keine Bilanzversuche handelte, wurden die Ein- nahmen weder genau abgewogen, noch analysirt. Als Beispiele für die Kost einer Versuchsreihe mit Kohlenhydraten bezw. Fett mögen folgende dienen: 21./VII. (Kohlenhydratreihe): Morgens 2 Tassen Kaffee mit 2 Stück Zucker, 4 Stück Zwieback, 100 ®”® Honig. Vormittags 100 ®" Trauben- zucker als Limonade. Mittags: Reissuppe, Maccaroni mit Käse und etwas Schinken, gefüllter Kalbsrücken mit Compot, !/, Liter Münchener Bier. Abends: Torte. 16./VII. (Fettreihe): Morgens: Kaffee mit Saccharin, Butter, 4 Oel- sardinen. Mittags: Fischmayonnaise, Rumpsteak, Käse mit Butter, 1 Stück Pumpernickel, !/, Schrippe, !/, Liter Rothwein. Abends: Krebsmayonnaise, !/, Liter Bordeaux. Jede Versuchsreihe dauerte mehrere Tage. An jedem Tage wurde auf der von Lehmann und Zuntz beschriebenen! Tretbahn des Institutes 20 bis 40 Minuten hindurch eine gemessene Arbeit durch Steigen geleistet. Sowohl während der Arbeit als nach derselben wurde (von den Hrn. Prof. Frentzel und Dr. Reach) der respiratorische Gaswechsel bestimmt (Arbeits- werthe, Ruhewerthe des O,-Verbrauches und der CO,-Production). Zur Be- stimmung der Eiweisszersetzung während der Arbeit und der Ruhe wurde der 24stündige Harn in folgender Weise in zwei Portionen getheilt: un- mittelbar vor Beginn der Steigarbeit wurde die Blase entleert; der in den folgenden 2—4 Stunden entleerte Harn wurde nun als Arbeitsharn in einem besonderen Gefässe für sich aufgefangen und verarbeitet; der übrige an diesem Tage entleerte Harn, zusammen mit dem vor der Arbeit ent- leerten, wurde als der der Ruheperiode entsprechende betrachtet (Ruheharn). (Eine solche Theilung von Arbeits- und Ruheharn nahm Frentzel (Il) schon bei seinen am Hunde ausgeführten Untersuchungen vor). Arbeits- harn, Ruheharn = 24stündige Harnmenge. — Sowohl die Arbeits- als die Ruheharne wurden auf eine runde Zahl mit destillirtem Wasser aufgefüllt. Diese verdünnten Harne habe ich nun zu calorimetrischen Bestim- mungen verwendet. Da es sich bei meinen Untersuchungen nur darum ! Landwirthschaftliche Jahrhücher. 1889. 8.7, ENERGIEGEHALT DES MENSCHLICHEN HARNES. 253 handelte, festzustellen, ob bezüglich des Energiegehaltes des Arbeits- und Ruheharnes bei der erwähnten Kost ein Unterschied besteht oder nicht und E. verzichtete ich darauf, den Arbeits- bezw. Ruheharn täglich zu untersuchen und begnügte mich damit, richtige Durchschnittswerthe zu erhalten. Das erreichte ich durch Vermischen von proportionalen Theilen der Arbeits- bezw. Ruheharne von mehreren Tagen einer Versuchsreihe. Es wurden jene 2 bis 3 Tage je einer Versuchsreihe gewählt, an welchen die Arbeitsperiode gleich lange dauerte. (Die täglichen Arbeitsperioden einer Versuchsreihe waren nämlich nicht immer ganz gleich lang.) Bestimmt habe ich in diesen proportional gemischten Harnen Arbeits- harn und Ruheharn natürlich für sich den Energie-, N- und C-Gehalt. Die Bestimmung des Energiegehaltes — der Verbrennungswärme — des Harnes geschah nach der Berthelot- (2) Stohmann’schen (3) Me- thode mit der Berthelot-Mahler’schen calorimetrischen Bombe, wobei ich das von OÖ. Kellner ersonnene exacte Verfahren befolgte. Kellner (4) bereitet den Harn zur Verbrennung in der Weise vor, dass er ihn in Ab- sorptionsblöckchen aus Cellulose eindampft und die so imprägnirten und getrockneten Blöckchen verbrennt. Auch ich habe die von Schüll und Schleicher nach den Angaben von Kellner hergestellten Blöckchen ver- wendet, nur habe ich den Harn nicht ganz in der Weise eingedampft wie Kellner. Kellner füllt etwa 20 m Harn in reine, trockene Tropfgläschen, die mit Kork und Gummikappe verschlossen und gewogen werden; „aus letzteren wird dann auf die gewogenen Papierblöcke, die auf kleine Glas- schälchen gestellt werden, stets so viel aufgetropft, dass die Unterlage nicht benetzt wird. Die Blöcke werden dann bei 60°C. getrocknet und die Ope- ration des Auftropfens und Trocknens so lange wiederholt, bis 10 bis 15 sm Harn, je nach dessen specifischem Gewicht, eingedampft sind.“ Ich ging in folgender Weise vor: Um den N-Verlust während des Eindampfens zu verhüten, setzte ich zum Harn einige Tropfen verdünnter HOl. Durch diesen Säurezusatz entsteht allerdings ein grösserer Verlust an CO,, also an (, doch kann diese ausgetriebene Carbonat- Kohlensäure, in welcher also der C nicht mehr in einer organischen Verbindung vorhanden ist, wohl unbe- denklich ausser Acht gelassen werden.! Von dem angesäuerten Harne wurden mit einer geaichten Pipette 10 «= in ein kleines Porcellan- oder Glasschälchen gebracht und das abge- N ß C wie sich eventuell die Quotienten - und N des Harnes verhalten, so ! Der Zusatz dieser sehr geringen Menge von HCl dürfte kaum eine in Betracht kommende Zersetzung einer organischen Substanz (Harnstoff) bewirkt haben. Jeden- falls waren die beim Eindampfen unvermeidlichen Zersetzungen kaum grösser, als sie ohne Säurezusatz gewesen wären. 254 F. Tansı: wogene Celluloseblöckchen hineingestellt. Das Blöckchen konnte nur etwa den zehnten Theil der Flüssigkeit einsaugen. Schale mit Blöckchen kamen dann in einen Trockenschrank, der auf 50 bis 60° C. erhitzt war. Nachdem die 10 «m eingedampft waren, wurden wiederum 10 oder 5 «m Harn mit der Pipette zugelassen, wieder eingedampft und die Procedur so lange wieder- holt, bis im Ganzen je nach der Concentration 15 bis 25 °® Harn zur Trockne eingedampft waren. Um den an den Wänden des Schälchens haften ge- bliebenen Trockenrückstand in das Celluloseblöckchen zu bringen, hob ich letzteres mit einer Pincette heraus, goss in das Schälchen einige Tropfen bis 1/, «m Wasser, schwenkte es vorsichtig herum, stellte dann das Blöckchen hinein, welches die Flüssigkeit sofort ganz einsog. Mit dem am unteren Ende feuchten Blöckchen, welches immer nur mit der Pincette angefasst und gehalten wurde, wischte ich das Schälchen, meist nach abermaligem Zusatz von einigen Tropfen destill. Wassers aus. Dann wurde wieder bei 50—60°C. getrocknet und dieses Auswischen des Schälchens so oft wieder- holt, bis es auch nach dem Trocknen spiegelblank blieb. Man kann auf diese Weise ganz sicher den ganzen zum Eindampfen aufsestellen Harn quantitativ genau in das Blöckchen bringen.! Von jedem Harne habe ich 4 Celluloseblöckchen auf diese Weise be- schickt. Das eine — ungewogene — Blöckchen verwendete ich zur N-Be- stimmung, um zu controliren, ob beim Eindampfen nicht doch N verloren gegangen ist. Ich kann gleich hier bemerken, dass keine in Betracht kom- menden Verluste stattgefunden haben. Von den übrigen 3 Blöckchen wurden 2 zu den calorimetrischen Bestimmungen und zur Bestimmung des C-Ge- haltes verwendet, das 3. diente als Reserve für den Fall, wenn die 2 anderen Bestimmungen entweder für den Calorien- oder den C-Gehalt nicht gut übereinstimmende Daten lieferten. Da ich mich, wie bereits erwähnt, bei der Bestimmung der Verbren- nungswärme genauan die von Berthelot (2), Stohmann (3) und Kellner(4) gegebenen Vorschriften hielt, so gehe ich auf diese weiter nicht ein. Die Bestimmung des C-Gehaltes erfolgte nach der von Zuntz und Frentzel (5) angegebenen Methode in Verbindung mit der calorimetrischen Verbrennung, indem nach der Verbrennung im Inhalt der Bombe die CO,- Menge gasanalytisch ermittelt wurde. Die Analysen wurden nach der von Zuntz modifieirten Hempel’schen Methode mit dem Zuntz’schen Appa- rate? ausgeführt: Die Abzugsröhre der Bombe wird mit emem 1-Rohre ! Ich muss an dieser Stelle auch bemerken, dass, da die einzelnen Harne bis zum Eindampfen mehrere Tage stehen mussten, ihre Zersetzung durch Thymolzusatz verhindert wurde. Beim Eindampfen verschwindet das Thymol vollständig, wie ich mich überzeugte, — es störte also die Untersuchung gar nicht. ? Beschrieben von Magnus-Levy, Pflüger’s Archiv. Bd. LV. 8.1. ENERGIEGEHALT DES MENSCHLICHEN HARNES. 255 verbunden, dessen einer Schenkel mittels Kautschukschlauches zu einer genau geaichten Elster’schen Gasuhr, der andere zu den Gasbüretten des Analysenapparates führt. Das Ventil der Bombe wird dann vorsichtig so weit geöffnet, dass das Gas in langsamem Strome durch die Uhr strömt. (Thermometer- und Barometerablesung.) Stets wurden Doppelanalysen gemacht. Aus der gefundenen (auf 0° und 760 "® redueirten) CO,-Menge wurde dann der C berechnet und davon der auf die Cellulose des Blöckchens ent- fallende Teil in Abzug gebracht. Aus den für den C-, N- und Caloriengehalt ermittelten Zahlen wurden dann die Quotienten nn und — berechnet. Ausserdem habe ich, um für den Ruhe- und Arbeitsharn vergleichbare Werthe zu erhalten, den N-, C- und Calorien-Gehalt des Harnes auf je 1 Stunde der Arbeits- bezw. Ruhe- periode berechnet. Schliesslich ergab Arbeitsharn und Ruheharn einer Versuchsperiode die Durchsehnittswerthe für den N-, C- und Caloriengehalt des in 24 Stunden entleerten Harnes. Als Beispiel des besprochenen Ganges der Untersuchung möge das Protocoll einer Versuchsreihe ausführlich mitgetheilt werden: Versuchsreihe V. Versuch an Dr. R. — Vorwiegende Nahrung: Fett. Versuchstage: 14., 15. und 16. Juli. Tägliche Arbeitsperiode: 4 Stunden. Ruheperiode: 20 Stunden. Harn der Arbeitsperiode Harn der Ruheperiode aufgefüllt auf vom SAVE: 200,0 100052 15./VIE2? 3007, 1750 „ 16 VE 7008; 1400 „ . A. Summe . 1200 m B.. Summe . 4150 A. Gesammtharn der Arbeitsperiode der ganzen Versuchsreihe. B. Gesammtharn der Ruheperiode der ganzen Versuchsreihe. A. = 1200 °% enthält 7.77248m N ii, 4150 ” „ 41.4180 e }) Pro 1 Stunde der Arbeitsperiode wurden also entleert 0.6477 2m N ae „ Ruheperiode E y; » 0.6903 , „ Von Harn A wurden eingedampft: 25 «m auf Blöckchen Nr. 1, welches lufttrocken 0.6550 ®" wog 25 „ „ „ „ 2, ” ” 0.6501 ” ” 25 De, ) ” 3, „ ” 0.7226 ” ” wm HM 256 F. Tancı: Von Harn B wurden eingedampft: 1. 25 “® auf Blöckchen Nr. 4, welches lufttrocken 0.5946 Em wog 2. 25 ” ” ” „ 5, ” „ 0.6965 „ „ 3.259 5. „ WEL NHL; h 0.16 AO Die Absorptionsblöckehen Nr. 1 bis 6 enthielten 95°21 Procent Trocken- substanz = reine Cellulose. 1 sm reine Cellulose lieferte 4133-1 Cal. (Mittel aus 6 Bestimmungen). I. Calorimetrische Bestimmungen. Harn A. A, lieferte bei d. Verbrennung (Temp.-Erhöhung corr.1- on 3924.76 Cal. Elan entfallen auf die verbrannte Cellulose en 2523-40 „, Caloriengehalt von 25 m Ham. 2... 20. ee A,: calorimetrische Bestimmung missglückte. A, lieferte bei der Verbrennung (Temp.-Erh. corr. 1-4133° nn 4181.29 Cal. en entfallen auf die verbrannte Cellulose . . . 2783-40 „ Caloriengehalt von 25 ® Harn . . . 1397.89 Cal. 25cm von Harn A enthalten also Aittel von A, und A ya 1399.63 Cal. j cn yon Harn A — 55. 985 Cal. Pro 1 Stunde der Arbeitsperiode wurden mit dem Harn entleert 5.5985 Cal. 1a Für Harn A ist = —= 83-644. Harn B. B, lieferte bei der Verbrennung (Temp.-Erh. corr. 1.5969 ” 4432.00 Cal. Davon entfallen auf die verbrannte Cellulose. . . ; 2290-61 „ Also Caloriengehalt von 25 “® Harn . . . 2141-39 Cal. B, lieferte bei der Verbrennung (Temp.-Erh. corr. 1- 13670 © 4823-10 Cal. Davon entfallen auf die oma Cellulose. . . 2683-39 „ Also Caloriengehalt von 25 “= Haın . . .. 2139-80 Cal. 25 “m von Harn B enthalten also (Mittel von B, und B,) 21401 Cal. 1 °® von Harn B enthält 85- 604 Cal. Pro 1 Stunde der Ruheperiode wurden mit dem Harn entleert 5.9209 Cal. Kor Ham Bast —_ a II. Bestimmungen des C-Gehaltes. Harn A. A,. In der Bombe waren nach der Verbrennung bei 22-80°C. und 753.51 m27Bar. 9335-8 9Gas 1 8950-1 °® singen durch die Gasuhr; 385-7 m blieben bei jeder Bestimmung in der Bombe zurück. ENERGIEGEHALT DES MENSCHLICHEN HARNES. 257 In diesem Gas waren | nach Analyse 1: 8-70 Proc. CO, \Mittel: 8-73 Proc. CO,. 2:58. 70,8 605%) Auf 0° und 760 "" redueirt, sind also im Gas 722.31 m CO,. (1 a CO, = 0.001 967.5”. CO, enthält 0-00 053 634 sm ©) In 722.31 °“ CO, sind enthalten. . . . . .. 0.3874 2m O Davon entfallen auf die verbrannte Cellulose . . 0.2713 „ „ In229.277 Hanns waren zalsoan. nr re OEL A,. In der Bombe waren nach der Verbrennung bei 22:2° C. und 755.04 mm Bar. 9274-8 sem Gas. In diesem Gas waren \ a NE } Mittel: 8.59Proc. CO,. 2: 5. 61 „ ” Auf 0° und 760 "= redueirt, sind also im Gas 70990 m CO,. ” ” 709-9002 60 enthalten. ru 7: I rareas0r use Davon entfallen auf die verbrannte Cellulose 22,02. 20932.20% In 250 Harnewaren also. „u. 0.20% 2. 20-11 14 200 Mittel aus A, und A,: C-Gehalt des Harnes A 0.113887 CO in 25 °m, 1 em enthält 0.004552 sm C. Pro 1 Stunde der Arbeitsperiode wurden mit dem Harn entleert 0.4552 m C, C ——=(' 8. N 07702 Eiarn B. B,. In der Bombe waren nach der Verbrennung bei 21°70° C. und 756.48 mm Bar. 9172.6 ‘m Gas. In diesem Gas waren in nach Analyse 1: 9. 45 Proc. CO, } Mittel: 9-4A8Proec. co: a Auf 0° und 760 "” redueirt sind also im Gas 778.34 em CO,. 778.34 em CO, enthalten . . . 0.417580 Don entfallen auf die verbrannte Cellulose RZ ACT.. 5, Pr eurHarneenthaltens also a 2 ee ORT B,. In der Bombe waren nach der Verbrennung bei 21- 80°C. und 757.44 mm Bar, 8995.6 «cm Gas. esem Gas waren n Analyse 3 I: er Proc. CO, >\Mittel: 10.66 Proc. 00,. „ „ Auf 0° und 760 == redueirt sind also im Gas 859.04 «m 20% ” 859.04 m CO, enthalten . . - .. 0:4608.2% 0 Davon entfallen auf die lhenht Cellulose Beh 35 m Harn enthielten also . . . 2 2 22.2. 1723 2m C Archiv f. A.u. Ph, 1899, Physiol. Abthlg. Suppl. IT 258 F. Tan: Mittel aus B, und B, = C-Gehalt des Harnes B 0-1718 s@ CO in 25 cm, 1 Sch enthält-02 006.872 :ZU3€; Pro 1 Stunde der Ruheperiode wurden also mit dem Harn entleert 0.4753 2m C. C — = 0.6885. N III. Berechnung des C-, N- und Energiegehaltes für die 24 stündige Harnmenge. A+B En = 24 stündige Harnmenge. Auf Grund vorstehender Analysen und Bestimmungen ergiebt sich: pro 1 Tag der Versuchsreihe V wurden mit dem Harn entleert: Ne 2 en 16 adena Be er: IMS Oaloriengehalt. . 140-812 „ „ Cal. 6 N = 8.588. re. Meine Untersuchungen erstrecken sich im Ganzen auf 6 Versuchs- reihen, von welchen 4 an Prof. Frentzel und 2 an Dr. Reach ausgeführt wurden. Von den 6 Versuchsreihen waren 3 Kohlenhydrat- und 3 Fett- reihen. Die Resultate sind in den folgenden Tabellen I und II zusammen- gestellt. Ich bemerke nur, dass sämmtliche Zahlen die Mittelwerthe von mindestens 2 gut übereinstimmenden Bestimmungen bezw. Analysen sind. Tabelle I = ı an 2) Pro 1 Stunde der Ver- 2 Datum E BIS 8 P3 Die von Rubner beim Hunde gefundenen calorischen Quotienten sind also kleiner, die von Kellner beim Ochsen gefundenen grösser, als die von mir beobachteten. ENERGIEGEHALT DES MENSCHLICHEN HARNES. 261 Viel zahlreicher finden sieh in der Litteratur Angaben über den Kohlen- stoffquotienten, dem neuerdings erhöhtes Interesse zugewendet wird. Erst kürzlich hat Scholz beim Menschen das Verhalten dieses Quotienten unter physiologischen (8) und pathologischen (9) Verhältnissen untersucht und aus der Litteratur die hierauf bezüglichen Daten gesammelt. Daraus ist ersicht- lich, dass nach den Befunden von Voit und Pettenkofer, Rubner, Frz. Meyer die Werthe beim Hunde, bei Hunger,‘ bei Fütterung mit Fleisch, mit Fleisch und Speck, mit Fleisch und Stärke, mit Brod zwischen 0-45 bis 0-51 schwanken. — Ein 71 schwerer Mann entleerte, wie Petten- kofer und Voit (10) ermittelten, bei Hunger 12-51 sm N und 8-25 3m GG, bei reichlicher gemischter Kost 17.35" N und 12.60" GC, daraus ergeben sich: — 0-66 und 0.73. Nach J. Munk (li) schwankte beim Hunger- künstler Breithaupt an den Hungertagen der (Quotient — zwischen 0.68 und 0.95, an den Esstagen zwischen 0-76 und 0-84. Bei Bouchard’s (12) 17 Versuchspersonen varirte der Quotient zwischen 0-64 und 1-12. Scholz (8) fand ihn bei gesunden Menschen zwischen 0-68 bis 0:95. In den zwei bereits angeführten Versuchsreihen Kellner’s (4) an Ochsen war - der Kohlenstoffquotient 3-32 und 3-46. In älteren Versuchen der Ver- suchsstationen Möckern — mitgetheilt von Kellner (13), die ebenfalls an Ochsen ausgeführt wurden, variirte er zwischen. 2.69 bis 3-49. Die eben- falls für Ochsenharn angegebenen Werthe Henneberg’s (8) schwanken zwischen 1-S8bis4-1. In 4 Versuchsreihen von Zuntz und Hagemann (14) = 1.56, 1.57, 1.72, 1-59. Aus den angeführten Angaben ist es ersichtlich, dass die Kohlenstoff- quotienten meiner Versuchsreihen innerhalb jener Grenzen schwanken, welche die Untersuchungen Anderer für den Harn des Menschen ergaben. Nur die Quotienten des Harnes der Pflanzenfresser sind bedeutend höher, während beim Hunde bedeutend niedrigere beobachtet wurden. Meine Versuche ergaben aber in ganz deutlicher Weise einen Zu- sammenhang zwischen der Grösse des Kohlenstoffquotienten (und auch des ealorischen Quotienten) und der Ernährungsweise, während bisher ein solcher Zusammenhang, so weit mir bekannt, deutlich nicht constatirt worden ist.! Scholz (8) suchte die Bedingungen zu ermitteln, welche die Schwankungen war im Harn des Pferdes des Quotienten — beherrschen. Er versuchte den (Quotienten durch ver- ! Es ist vielleicht nicht überflüssig, zu erwähnen, dass auch daran gedacht wurde, ob nicht etwa in den Kohlenhydratreihen unveränderter Zucker in den Harn übergeht und der —- ÖOuotient nur deshalb ansteigt. Es fand sich aber kein Zucker im Harn, wie es durch directe Untersuchung festgestellt wurde. 262 are: schiedene Art der Ernährung anders zu gestalten. Bei seiner Versuchs- person liess er auf eine Periode gewohnter, gemischter Diät „Excesse in der Aufnahme von Eiweisskörpern und hierauf solche in der Zufuhr von Kohlenhydraten und des Fettes folgen“. In der ersten Periode schwankte der Quotient zwischen 0-75 bis 0-95, bei „Eiweissexcess“ zwischen 0.75 bis 0-94 und bei Excess in Kohlenhydraten und Fett zwischen 0-73 bis 0-87. Scholz bemerkt zu diesen seinen Versuchen: „Einen durchsichtigen Einfluss der Art der Ernährung vermochte ich nicht nachzuweisen,“ und sagt dann weiter- hin: „auch ältere ähnliche Versuchsreihen von Voit und Pettenkofer } c en C ; : = lassen eine Beeinflussung des Verhältnisses -y bei verschiedener Ernährung nicht erkennen.“ Dass Scholz den von mir beobachteten deutlichen Ein- fluss der Kohlenhydrate und des Fettes nicht sah — (über den Einfluss des Eiweisses besitze ich keine eigenen Erfahrungen) — daran war wohl seine Versuchsanordnung Schuld, denn er gab Fett und Kohlenhydrate gleichzeitig in grosser Menge. Da aber diese, wie meine Versuche er- gaben, den Quotienten n in entgegengesetzter Richtung beeinflussen, so wurde die Wirkung beider nicht augenscheinlich. Dabei dürfte auch der Umstand von Einfluss gewesen sein, dass in meinen Versuchen die Eiweiss- zufuhr eine mässigere war, als bei Scholz. — Beim Hunde müsste es auch erst mit einer geeigneteren Versuchsanordnung festgestellt werden, ob durch Fett und Kohlenhydrate der Kohlenstoff-Quotient nicht in ähnlicher Weise beeinflusst werden kann wie beim Menschen, denn dass die Kohlenhydrate bei Pflanzenfressern und Omnivoren den Quotienten in derselben Weise be- einflussen, wie ich es beim Menschen constatirte, lässt sich aus Versuchen von Kellner und Meissl leicht ableiten, am schlagendsten wohl aus den bekannten schönen Versuchen Meissl’s, die er an Schweinen anstellte. Wie Kellner (13) mittheilt, wurden 2 Ochsen einmal mit Heu und dann mit Heu und Stärke gefüttert. Für den C- und N-Gehalt des Harnes fand er folgende Werthe: Daraus berechnet sich: Fütterung C N & N Ochse I: | | Housz 1 hen Rau an: 201-4 74°9 | 2.49 1. Heu und Stärke . . | 209-2 67-1 | 3-12 2. Heu und Stärke . . 214°2 67-1 | 3.14 Ochse I: | Heu Mason Ne: F 195.0 65-9 2:96 Heu und Stärke . | 190-4 54-5 | 3-49 ENERGIEGEHALT DES MENSCHLICHEN HARNES, 263 Also bei Zusatz von Stärke zum Heu erhöhte sich der Kohlenstoff- quotient. Aus den Durchschnittswerthen für den C- und N-Gehalt des Harnes des Schweines, welche Meissl (15) auf S. 133 seiner Arbeit in einer Tabelle zusammengestellt hat, berechnete ich folgende Werthe für den C Quotienten x: IE | Nährstoffverhältniss C Fütterung | im Futter = N,: N, N | ea iger 1.04 BES a EB 1-17 TErSOe ee le a a a5 | 1:7 0.971 Fleischmehl, Reis und saure Molke . | 1:2.44 0568 Hunger | Durchschnitt von 8 Tagen . . . .. ı\ _ 0:766 Er A ee LE Ar Be 0.846 2 ER | _ 0.960 BETA ae far: re | _ 0.743 Je weiter das Nährstoffverhältniss im Futter war, je mehr also die Menge der N-freien Substanzen — der Kohlenhydrate — das Eiweiss über- wog, desto grösser wurde der Quotient. Werden die Kohlenhydrate, wie im Hunger, ganz entzogen, so sinkt der Quotient ebenfalls, und zwar, wie es scheint, mit fortschreitendem Hunger immer mehr. Beim hungernden Schwein finden wir dann ähnliche Werthe, wie beim hungernden Menschen, oder hungernden Hunde. Auch beim hungernden Kaninchen war der Quo- tient nicht grösser; Rubner (16) fand ihn bei einem Kaninchen am 3. Hungertage bei 0-7956; bei zwei Carenzkaninchen May’s (17) schwankte er zwischen 0-708 und 0'823. Mit Rücksicht auf die geringe Zahl und die Unvollständigkeit meiner Versuche verzichte ich jetzt auf eine eingehendere Erörterung der Ursachen des in meinen Versuchen beobachteten Verhaltens der Quotienten > = und N = die für die Beurtheilung der Stoffwechselvorgänge eine grössere Bedeu- tung haben dürften. Dazu sind doch vor Allem genaue Bilanzversuche nöthig, auch müsste erst der Einfluss der Eiweisszufuhr festgestellt werden, worüber meine Versuche gar keinen Aufschluss geben. Ich möchte nur noch bemerken, dass der Gehalt des Harnes an Harnstoff da jedenfalls eine Ausschlag gebende Bedeutung haben dürfte, wo er mit seinem relativ hohen £ : 5 P , ; ik . N- und geringen Energiegehalt die Grösse der T- und SH. Quotienten des 264 F. Tanner: Harnes in erster Reihe bestimmt. (Für den Harnstoff sind: = = 0.43 und = =5'42.) Dass neben dem Harnstoff auch die Menge der anderen C-reichen und N-armen organischen Verbindungen, besonders wenn sie wie im Harn der Pflanzenfresser z. B. die Hippursäure in relativ grosser Menge auftreten, entscheidend sein kann, ist selbstverständlich. (Für die Hippur- säure sind nn — 1. lund = = 72-4.) Der hohe Gehalt des Pflanzen- fresserharnes, speciell des Ochsenharnes, an Hippursäure dürfte auch die bedeutende Grösse der Quotienten — und n dieser Harne bedingen. Nicht unwichtig für weitere Untersuchungen ist eine Angabe von Pregl (18), die er unlängst in einer sehr beachtenswerthen Arbeit machte, dass nämlich der hohe, d.h. im Verhältniss zum -Quotienten im menschlichen Harn, Werth des Kohlenstoffquotienten im menschlichen Harn zum Theil auf die von Bondzynski und Gottlieb entdeckte Oxyproteinsäure zurückzuführen ist. Betrachten wir nunmehr Tabelle I, welche eine Vergleichung der Quotienten — und — während der Ruhe und während der Arbeit zulässt. Ich beschränke mich auch hier auf die Besprechung dieser Quotienten, da die absoluten Werthe für den Ö-, N- und Enersiegehalt des Arbeits- und Ruheharnes, soweit sie für die Beurtheilung der Stoffwechselvorgänge von Bedeutung sind, in der Arbeit der Hrn. Prof. J. Frentzel und Dr. Reach entsprechende Würdigung finden werden. Wie die Daten der Tab. I be- weisen, variiren die Quotienten: nn während der | = während der Arbeit Ruhe | Arbeit | Ruhe In den: | | Fettreihen . . . | 8:644—10:54 8:577— 9-519 en 0:689—0:781 Kohlenhydratreihen 11-48 — 13-20 11-30 —11-63 | 0.833 — 1 140)| 0:921—0-981 Ohne Weiteres ist aus diesen Zahlen ersichtlich, dass der calorische Quotient und der Kohlenstoffquotient auch während der Arbeit ebenso wie während der Ruhe ihre für die Kohlenhydrat- bezw. Fetternährung charak- teristische Grösse beibehalten. Es bleiben also die Quotienten der Fettreihe auch während der Arbeit bedeutend kleiner als die Quotienten des Arbeits- harnes der Kohlenhydratreihen. Allerdings sind beide Quotienten während der Arbeit — in den Fett- als auch in den Kohlenhydratreihen — meist etwas grösser als in der Ruhe, wir finden aber auch das Gegentheil. Wir können also aus unseren Beobachtungen folgern, dass die Quotienten ENERGIEGEHALT DES MENSCHLICHEN HARNES. 265 _ und des Harnes sich während der Muskelarbeit ebenso wenig verändern wie die respiratorischen Quotienten (s. S. 259). Welche Bedeutung hat nun diese Thatsache? Wir sahen, dass die fraglichen Quotienten des Harnes in dem Falle, wenn im Stoffwechsel vor- wieeend Kohlenhydrate verbraucht werden, bedeutend höher sind als bei vorwiegendem Fettverbrauch. Würden also unter allen Umständen, also auch bei überwiegender Fettzufuhr, während der Muskelarbeit die Kohlenhydrate als Quelle der Muskelkraft dienen — wie es Seegen und Chaveau an- M i - C Cal, 2: nehmen —, so wäre zu erwarten, dass die Quotienten N und y wäh- rend der Mluskelarbeit auch in den Fettreihen die Werthe annehmen, die für die Kohlenhydratreihen charakteristisch sind, oder sie müssten wenigstens bedeutend, jedenfalls um einen grösseren Betrag als in den Kohlenhydrat- reihen, sich erhöhen. Das findet nun ebenso wenig statt wie eine Erhöhung des respiratorischen Quotienten. Die Gleichheit der Quotienten = und — verträgt sich also sehr gut mit der von Zuntz (19) und seiner Schule auf- gestellten und mit Erfolg vertretenen Theorie, dass bei Ruhe und bei Arbeit dieselbe Mischung von Nährstoffen umgesetzt wird. Bei vorwiegender Ernäh- rung mit Fett wird also dieser Theorie entsprechend die zur Leistung einer Arbeit nöthige Energiemenge hauptsächlich durch Verbrennung von Fett, bei Kohlenhydraternährung durch Verbrennung von Kohlenhydraten gewonnen. Meine Untersuchungen gestatten es nicht, mich in weitere Erörterungen einzulassen; diese seien eingehenderen und umfassenderen Arbeiten, die be- reits begonnen sind, vorbehalten. Die mitgetheilten Versuche sollten ja auch nur über die von der eingeschlagenen Richtung zu erwartenden Er- folge orientiren. Die bereits erlangten Resultate sprechen jedenfalls für ein eifriges Weiterforschen auf diesem Wege. Die Ergebnisse meiner Untersuchungen lassen sich kurz in folgende Sätze zusammenfassen: 1. Die Quotienten nn und — des Harnes sind bei überwiegender Er- nährung mit Kohlenhydraten bedeutend grösser als bei vorwiegender Er- nährung mit Fett. Sie können also durch die Ernährungsweise deutlich beeinflusst werden. Unter den angegebenen Bedingungen ändern sich dabei beide Quotienten in gleichem Sinne. % Beide Quotienten ändern sich während der Arbeit nicht, was in Uebereinstimmung mit den Ergebnissen des respiratorischen Gaswechsels gut vereinbar ist mit der von Zuntz und seiner Schule aufgestellten Theorie, dass „bei Ruhe und bei Arbeit dieselbe Mischung von Nährstoffen umge- setzt wird“, also jene Nährstoffe, die im Organismus in der nöthigen Menge gerade zur Verfügung stehen. 266 F. TAnGL: ENERGIEGEHALT DES MENSCHLICHEN HARNES. Litteraturverzeichniss. 1. J. Frentzel, Ein Beitrag zur Frage nach der Quelle der Muskelkraft. Pflüger’s Archiw. Bd. LXVIIL S. 212. 2. Berthelot, Praktische Anleitung zur Ausführung thermochem. Messungen. Uebersetzt von @. Siebert. Leipzig 1893. 3. Stohmann, Ueber die Methode der Verbrennung organischer Substanzen in Sauerstoff bei hohem Drucke. Journal für prakt. Chemie. 1889. Bd. XXXIX. S. 503. 4. O0. Kellner, Untersuchungen über den Stoff- und Energieumsatz volljähriger Ochsen bei Ernährungsfutter. Die landwirthschaftlichen Versuchsstationen. 1896. Bd. XLVIL S. 275. 5. Zuntz und Frentzel, Die Elementaranalyse nach gasanalytischer Methode mit Hülfe der Berthelot’schen Bombe. Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft. 1897. Bd. XXX. S. 380. 6. Rubner, Calorimetrische Untersuchungen. Zeitschr. für Biologie. Bd. XXI. S. 303. 7. Rubner, Die Quelle der thierischen Wärme. Zbenda. Bd. XXX. 8. 138. 8. W. Scholz, Eine Methode zur Bestimmung des Kohlenstoffes organischer Substanzen auf nassem Wege und deren Anwendung auf den Harn. Centralblatt für innere Medicin. 1897. Nr. 15 u. 16. 9. W. Scholz, Ueber den Kohlenstoffgehalt des Harnes fiebernder Menschen und sein Verhältniss zur Stickstoffausscheidung. Archiv für experimentelle Pathologie und Pharmakologie. Bd. XL. S. 326. 10. Voit, Hermann’s Handbuch der Physiologie. Bd. VI. 8. 512. 11. I. Munk, Untersuchungen an zwei hungernden Menschen von C. Lehmann, F. Müller, I. Munk, H. Senator und N. Zuntz. Virchow’s Archiv. Suppl.-Bd. zu Bd. CXXXI. 3.145. 12. Ch. Bouchard, Carbone urinaire et coeffieients urinaires. Journal de physiologie et pathologie gen. 1899. p. 72. 13. O. Kellner, Fütterungs- und Respirationsversuche mit volljährigen Ochsen u.s.w. Die landwirthschaftlichen Versuchsstationen. Bd. XLIV. 8. 257. 14. Zuntz und Hagemann, Untersuchungen über den Stoffwechsel des Pferdes bei Ruhe und Arbeit. Neue Folge. Berlin 1898. 15. Meissl, Untersuchungen über den Stoffwechsel des Schweines. Zeitschrift für Biologie. Bd. XXI. 8. 63. 16. Rubner, Ueber den Stoffverbrauch im hungernden Pflanzenfresser. Zbenda. Bd. XVIL S. 214. 17. R. May, Der Stoffwechsel im Fieber. Zbenda. Bd. XXX. 8.1. 18. F. Pregl, Ueber die Ursachen der hohen Werthe des -Quotienten des normalen menschlichen Harnes. Pflüger’s Archiv. 1899. Bd. LXXV. S. 87. 19. N. Zuntz, Ueber den Werth der wichtigsten Nährstoffe für die Muskelarbeit nach Versuchen an Menschen. Dies Archiv. 1897. Physiol. Abthlg. 8. 535. Ein Beitrag zur Frage nach der Quelle des Milchfettes. Von Dr. Wilh. Caspari, Assistenten des Institutes, (Aus dem thierphysiolog. Institut der landwirthschaftl. Hochschule zu Berlin.) Zu den Fragen, welche noch immer einer exacten Beantwortung harren, gehört diejenige nach dem Ursprunge des Milchfettes. Die zahlreichen Ver- suche, welche über den Fettgehalt der Milch bei verschieden zusammen- gesetzter Nahrung vorliegen, sind nicht geeignet, über die Abstammung des Milchfettes befriedigenden Aufschluss zu geben. Zwar ist wohl als sicher feststehend anzunehmen, dass durch grösseren Eiweissgehalt der Nahrung der Gehalt der Milch an Fett steigt, doch ist damit noch nicht erwiesen, dass diese in erhöhtem Maasse zugeführten Eiweissstoffe in der That auch die directen Bildner des Milchfettes sind. Andere Versuche haben es in hohem Grade wahrscheinlich gemacht, dass das Fett der Milch zum Theil aus der Nahrung stammt. Zwar sind die Arbeiten von Stutzer, Sebelien, Fleischer, Kühn, Stohmann u. A,., welche sich mit der Frage beschäftigen, ob durch Erhöhung des Fettgehaltes des Futters eine Vermehrung des Milchfettes bewirkt wird, nicht zu ver- werthen, da sie sich in ihren Resultaten allzu sehr widersprechen. Auch die Versuche von Soxhlet! lassen keinen sicheren Schluss zu, ob Fett aus der Nahrung in die Milch übergegangen ist. Der Autor selbst verneint es, ist vielmehr auf Grund seiner Untersuchungen der Ansicht, dass zwar das Fett des Futters den Fettgehalt der Milch steigere, aber nicht dadurch, dass das Nahrungsfett direct in die Milch übergehe, sondern dadurch, dass vermehrter Uebertritt von Körperfett statthat. Dagegen scheinen eine Anzahl anderer Versuche den unmittelbaren Uebertritt des Futterfettes in die Milch zu beweisen. Dieselben haben das ! Deber Erzeugung fettreicher Milch. Wochenbl. landw. Vereine Bayerns. 1896. 268 WILH. CASPARI: Gemeinsame, dass die Verfasser nicht sowohl durch die Vermehrung des Milchfettes bei erhöhtem Fettgehalte der Nahrung die Herkunft desselben aus dem Fette des Futters beweisen wollen, sondern vielmehr dadurch, dass sie Fette mit besonderen ©hemischen Eigenschaften verfüttern und unter- suchen, inwieweit dann das Milchfett dem Nahrungsfette ähnelt. So verfütterte Klien! an Milchkühe Palmkernfett und Rüböl, und wies nach, dass der Schmelzpunkt des Milchfettes sich demjenigen der ver- fütterten Fettart näherte. Dasselbe fand Heinrich? bei Fütterung mit Cocosfett. Auch F. Lehmann? verfütterte Kopra und glaubte den Ueber- gang dieses Nahrungsfettes in die Milch nachweisen zu können. Deutlicher als bei Verfütterung von Fett, welches sich von dem des betreffenden Thieres im Wesentlichen nur durch den veränderten Schmelz- punkt unterscheidet, liess sich der Uebergang des Nahrungsfettes in die Milch durch Versuche von Winternitz* constatiren. Derselbe verwandte nämlich ein von ihm hergestelltes Präparat, welches er als „Jodfett“ bezeichnete und das jetzt auch unter dem Namen „Jodipin“ von der Firma Merck-Darmstadt in den Handel gebracht wird. Dasselbe wurde in folgender Weise dargestellt. Winternitz schüttelte das be- treffende Fett, welches als Grundlage des Jodfettes dienen sollte, mit Jod- monochlorid in einem grossen Volumen Alkohol bei 40 bis 50° kräftig durch und trennte das so erhaltene Jod-Chlorfett vom Alkohol. Es bildet sich, nach Ansicht des Autors, auf diese Weise eine feste Fettverbindung, in dem die Fettsäuren Jod und Chlor in äquivalenten Mengen addiren. Dies wird durch zwei italienische Forscher, Coronedi und Marchetti,? bestätigt, welche gleichzeitig und unabhängig von Winternitz in ähnlicher Weise eine Jodchlorstearinsäure darstellten. Mit seinem Jodfette fütterte nun Winternitz Ziegen und fand, dass im Aetherextracte der Milch Jod nachweisbar war, woraus er den Schluss zieht, dass diese jodirten Fette aus der Nahrung in die Milch über- gegangen Seien. Bendix® hat diesen Versuch gleichfalls mit positivem Resultate am ! Chemisches Centralblatt. 1889. 8. 722. ® Bericht über die Verhältnisse und Wirksamkeit der Versuchsstation zu Rostock. Citirt nach Centralblatt für Agricultur-Chemie. 1896. ? Baltische Wochenschrift für Landwirthschaft. 1896. Nr. 3. * Findet ein unmittelbarer Uebergang von Nahrungsfetten in die Milch statt? Deutsche medicin. Wochenschrift. 1897. Nr. 30. — Ueber Jodfette und ihr Verhalten im Organismus, nebst Untersuchungen über das Verhalten von Jodalkalien in den (seweben des Körpers. Zeitschrift für physiol. Chemie. 1898. 5 Pharmakologische Untersuchungen über das Jod und neuer Beitrag zur physio- logischen Chemie der Fette. Annali chim. farm. Vol. XXIV. p. 433. ° Deutsche medicinische Wochenschrift. 1898. Nr. 14. Eın BEITRAG ZUR FRAGE NACH DER QUELLE DES MILCHFETTES. 269 säugenden Weibe angestellt und kommt auf Grund seiner Untersuchungen zu den gleichen Folgerungen wie Winternitz. Andere Forscher haben geglaubt, aus ihren Versuchen schliessen zu dürfen, dass Fett aus den Körperdepöts in die Milch übergehen kann. Die diesbezügliche Arbeit von Soxhlet habe ich bereits erwähnt. Ausser ihr ist hier noch diejenige von Rosenfeld'! zu nennen, welcher bei einem Hunde Hammelfett zum Ansatze brachte und nachwies, dass dieses dann aus den Körperdepöts in die Milch überging. Im Folgenden möchte ich über einige Experimente berichten, welche ich auf Anregung meines sehr verehrten Lehrers und Chefs, Hrn. Prof. Zuntz, angestellt habe, in der Absicht, die Frage nach der Herkunft des Milch- fettes der Klärung etwas näher zu bringen, und den Versuch zu machen, wenigstens einen annähernden Begriff von den quantitativen Verhältnissen des Fettes verschiedener Herkunft in der Milch zu geben. Ich folge bei diesen Versuchen im Wesentlichen den von Winternitz eingeschlagenen Wegen. Ich verwandte also ein 1 proc. Jod-Sesamöl, welches mir durch Vermittelung des Hrn. Dr. Winternitz, dem ich auch sonst für seinen liebenswürdigen Rath zu Danke verpflichtet bin, von der Firma Merck in freundlicher Weise zur Verfügung gestellt wurde. Es wurde ein Fett mit niedrigem Jodgehalte deshalb gewählt, weil Winternitz con- statirt hat, dass höherwerthige Jodfette schlecht resorbirt und ausge- nutzt werden. Bevor aber zu den eigentlichen Versuchen geschritten werden konnte, musste festgestellt werden, ob im Körper eine Synthese von Jodfetten in in irgend erheblichem Grade möglich ist. Denn es ist klar, dass, wenn eine solche Synthese in irgend ausgedehnterem Maasse statt hätte, aus dem Auffinden von Jodfetten in der Milch für die Herkunft derselben kein An- haltspunkt vorläge. So hat, wie ich aus der Arbeit von Winternitz er- sehe, Barral nach der Einführung von Jodkali in der Butter Jod nach- weisen können. Winternitz kann diese Angabe bestätigen, kommt aber zu dem Resultate, dass die vom Milchfett bei Jodkaligebrauch addirten Mengen Jod so klein sind, dass sie die in den Jodfett-Versuchen ermittelten Zahlen nicht beeinflussen können. Ich selbst suchte festzustellen, ob bei Fütterung mit einer Jodalkali und freies Jod enthaltenden Lösung unter günstigen Bedingungen der Fett- ablagerung ein Ansatz von Jodfetten im Körper statt hat. Denn nachdem der Ansatz fremden Fettes im Thierkörper durch die Versuche von Lebe- 1 Giebt es eine fettige Degeneration? Verh. des Congresses für innere Mediein. 1897. 8. 427. 270 WILH. CASPARI: deff,! I. Munk,? Rosenfeld,? und für das Jodfett speciell auch durch Winternitz nachgewiesen war, konnte man erwarten, dass, wenn überhaupt eine Synthese von Jodfett im Körper statt hatte, diese sich unter diesen Umständen durch den Nachweis von Jodfetten in den Fettdepots des Thieres würde nachweisen lassen. Ich liess daher einen kleinen Hund von 7700 8m Gewicht mehrere Tage hungern und gab ihm dann nur unzu- reichende Mengen mageren Fleisches. Als der Hund auf diese Weise nach 1Stägiger Unterernährung 900% seines Körpergewichtes verloren hatte, erhielt er nunmehr zu seiner bisherigen Kost eine sehr erhebliche Fettzulage. Zu diesem Futter bekam er per Schlundsonde zwei Mal des Tages je 15 einer Lugol’schen Lösung, welche auf 3002" Wasser 1-5sm Jod und die doppelte Menge Jodkali enthielt. Diese Lösung wurde stets unmittelbar nach Aufnahme des Futters eingegeben, das zu diesem Zwecke in mehreren Portionen verabfolet wurde, um so einer Reizung der Magenschleimhaut vorzubeugen. Mit dieser Kost wurde am 1. Juni 1898 begonnen, bereits am 2. Juni zeigten sich geringe Spuren von Eiweiss im Urin und am 8. nöthigten schwerere Vergiftungserscheinungen zum Abbrechen des Versuches. Der Hund hatte in den 7 Tagen 0.7: Jod, 14m Jodkali und etwa 600 stm Fett zu sich genommen. Das Thier wurde an demselben Tage geschoren, die Haare nach Aus- kochen mit Alkohol durch Aether extrahirt und die ätherische Lösung auf ihren Jodgehalt untersucht, weil Howald* in dem Fette der Haare nach Gaben von Jodkali Jod nachgewiesen hatte, was übrigens von Winternitz bestätigt wird. Dagegen war das Resultat meiner Untersuchung völlig negativ. Hierauf wurde dem Hunde per laparotomiam das Omentum exstirpirt, welches ausserordentlich reich an Fett war, wie denn überhaupt der Hund sich während der 7 Tage stark angemästet und fast sein Anfangsgewicht wieder erreicht hatte. Aber auch die Untersuchung des Netzfettes ergab keine Gegenwart von Jod, so dass also in diesem Falle eine Synthese von Jodfetten im Körper nicht nachweisbar war. Später habe ich, um ganz sicher zu gehen, dann noch untersucht, ob bei Einführung von Jodalkali und sehr fettreichem Futter eine Ausscheidung von Jodfett in die Milch statt hatte. Diese Probe wurde am Schlusse des Versuches angestellt, zu ersetzen durch: „welcher Gegenstand dieser Mit- theilung sein soll*. Nachdem die Hündin, welche zu diesem Versuche gedient hatte, längere Zeit hindurch kein Jod mehr erhalten hatte, und auch ihr Urin jodfrei geworden war, erhielt sie bei einem Futter von 500 &®"= Pferdehackfleisch, ? Virchow’s Archiv. 1884. Bd. XCV. 3 ’A.2..0. * Zeitschrift für physiologische Chemie. Bd. XXIII. S. 209. Eın BEITRAG ZUR FRAGE NACH DER QUELLE DES NMILCHFETTES. 271 50°" Fleischmehl und 200°" Fett täglich in einer Lösung 0.33 sm Jod- kali. Im dem Fette der Milch konnte ich niemals mit Sicherheit Jod nach der weiter unten beschriebenen Methode nachweisen; nur einmal war das Chloroform, welches zur Ausschüttelung benutzt wurde, etwas gelblich ver- färbt. Es waren also vielleicht Spuren von Jodfett in der Milch vorhanden, doch wäre damit noch nicht bewiesen, dass in der That eine Synthese des Jodfettes stattgefunden hat, da nicht ausgeschlossen ist, dass sich damals noch von der voraufgegangenen Fütterung Jodfette im Körper befanden. Dagegen scheint mir, im Einklange mit den Erfahrungen von Winternitz dadurch bewiesen zu sein, dass jedenfalls die Synthese von Jodfetten im Körper, wenn sie vorhanden sein sollte, so gering ist, dass sie für das Re- sultat des Versuches nicht in Betracht kommt. Nach Betrachtung dieser Vorversuche erscheint es an der Zeit, auf die Absicht des Versuches selbst näher einzugehen und seinen Plan zu erläutern. Die zum Versuche verwandte Hündin erhielt in der ersten Periode bei einem Futter, welches eben ausreichte, um sie auf ihrem Körpergewichte zu erhalten, Jodfett, und zwar neben möglichst geringen Gaben anderen Fettes. Da eine Synthese von Jodfett im Körper nach den obigen Ver- suchen nicht mit im Rechnung zu ziehen ist, so muss das Jodfett der Milch aus der Nahrung stammen und stellt die für Jodfett gefundene Zahl den Minimalwerth des unmittelbar aus der Nahrung in die Milch übergegangenen Fettes dar. Denn es ist klar, dass noch mehr Fett unmittelbar aus der Nahrung der Milch zu Gute kam, dieses aber durch das Alkali des Blutes sein Jod und Chlor abgespalten hat, wie denn auch das Serum der Milch reich an Jodalkali war. Zudem war es ja nicht zu vermeiden gewesen, dass auch jodfreies Fett in der Nahrung gereicht wurde. Wenn ferner aus der gefundenen Jodzahl das Jodfett unter der Annahme berechnet wurde, dass das als Jodiett übergegangene Fett unverändert geblieben sei, also 1 Procent Jod enthalte, so entspricht aller Wahrscheinlichkeit nach diese Annahme den Thatsachen nicht völlige. Doch hat Winternitz für die abgelagerten Jodchlorfette nachgewiesen, dass sie mehr Chlor, als der Jod- menge äquivalent ist, enthielten. Da unbedenklich anzunehmen ist, dass, wenn die Jodfette nicht unverändert in die Milch übergingen, sie im Darın- canal und Blute dieselben Veränderungen erlitten, wie die im Körper an- gesetzten Fette, so ergiebt sich auch in dieser Beziehung, dass bei der Berechnung auf 1 Procent wenn nicht eine der gefundenen Jodzahl ent- sprechende Menge Fett, so doch sicher eine zu niedrige Zahl für den Gehalt der Milch an Nahrungsfett gefunden worden ist. Hieraus folgt, dass die für in der Milch enthaltenes Jodfett gefundenen Zahlen zwar nicht als absolute zu betrachten sind, wohl aber als Mini- malwerthe für die Menge des Nahrungsfettes in der Milch. 212 WILH. CASsPART: Um nun zu bestimmen, wie viel unter denselben Umständen von dem im Körper vorhandenen Fette in der Milch erscheint, wurde in einer zweiten Versuchsreihe das Jodfett durch Schmalz ersetzt, in der wohl berechtigten Annahme, das dann erscheinende Jodfett müsse aus dem während der ersten Periode im Körper angesetzten Materiale stammen. Auch hier sind die Zahlen als Minimalwerthe anzusehen. Es wurden alsdann noch zwei Versuchsreihen angestellt, bei denen das Erhaltungsfutter durch kohlehydratreiche Nahrung ersetzt wurde, um festzustellen, ob sich bei dieser Diät mit und ohne Beigabe von Jodfetten die Jodmenge im Aetherextracte der Milch anders verhielte, als bei kohle- hydratarmem Futter. Die Methode der Untersuchung war im Allgemeinen an Baumann’s! und Winternitz’ Angaben angelehnt. In der abgemolkenen Milch wurde nach Behandlung mit Alkohol das Fett nach Soxhlet extrahirt, der Aether verjagt und der Rückstand gewogen. Nach dem Wägen wurde das Fett mit alkoholischer Kalilauge verseift, der Alkohol auf dem Wasserbade mög- lichst verjagt und durch Zusatz von verdünnter Schwefelsäure die Fett- säuren zur Abscheidung gebracht. Hierbei wurden einige Tropfen schwefliger Säure hinzugefügt, um die Bildung von jodsaurem Alkali zu vermeiden. Es wurde dann von den Fettsäuren abfltrirt, die Säuren wiederum verseift, nochmals mit Schwefelsäure angesäuert und filtrirt. Die vereinigten Fil- trate wurden auf ein gemessenes Volumen aufgefüllt und, nachdem das Jod durch Kaliumnitrit in Freiheit gesetzt worden war, mit Chloroform ausgeschüttelt und das Jod colorimetrisch bestimmt. Die colorimetrische Bestimmung wurde mittels eines von dem Mecha- niker Heele construirten Apparates ausgeführt. Derselbe besteht im Wesent- lichen aus zwei Gefässen: einem kleinen, durch planparallele Glasplatten vorn und hinten abgeschlossenen Cylinder von etwa 3 ® Längendurchmesser. In dieses Gefäss wurde die Vergleichsflüssigkeit, d.h. also in diesem Falle eine Jod-Chloroformlösung von bekanntem Jodgehalte eingefüllt. Zweitens zeigt das Colorimeter einen keilförmigen Glastrog, welcher in seiner obersten Schicht genau den gleichen dicken Durchmesser besitzt wie der oben ge- nannte Cylinder. Dieser Glastrog kann nun durch ein Zahnrad an dem Auge des Beobachters vorbeigeführt werden. Dieser blickt durch ein Be- obachtungsrohr auf ein in der Mitte getheiltes Gesichtsfeld. Die eine Hälfte desselben zeigt die Farbe der Normallösung, die andere die der zu unter- suchenden Flüssigkeit. Durch Verschieben des Keiles wird Farbengleich- heit beider Hälften des Gesichtsfeldes hergestellt und an einer Scala der jeweilige Diekendurchmesser des Glastroges abgelesen. Um die Belichtung Zeitschrift für physiologische Chemie. 1895/96. S. 316. Eıy BEITRAG ZUR FRAGE NACH DER QUELLE DES MILCHFETTESs. 273 und damit den Farbenton gleichmässiger zu gestalten, hat Hr. Prof. Zuntz den Apparat in folgender Weise vervollkommnet. Hinter den Apparat wird ein schwarzlackirter Schirm derartig aufgestellt, dass zwei in denselben eingelassene Prismen den beiden Hälften des Gesichtsfeldes entsprechen. Diese Prismen bilden einen Winkel mit einander in der Art, dass das von einer davor befindlichen matten Milchglasscheibe ausgehende Licht vertheilt wird, und so in gleichmässiger Weise beide Hälften des Gesichtsfeldes be- lichtet werden. Die Vergleichslösung bereitete ich zuerst nach den Vorschriften von Baumann,! indem ich eine Jodkalilösung herstellte, welche im Liter 0.12m KJ = 0.0778 J enthielt. 1m dieser Flüssigkeit enthielt also 0-1®® KJ. Da die Operationen bei der colorimetrischen Bestimmung des Jods in der ÜChloroformlösung mit grosser Schnelligkeit vor sich gehen müssen, so schien es mir zweckmässig, eine Lösung von reinem Jod in Chloroform vorräthig zu halten. Ich sublimirte daher Jod in ein gut verschliessbares Wägegläschen und bestimmte die Gewichtsmenge des Jods. Hierauf spülte ich mit einer genau gemessenen Menge Chloro- form das Jod in eine Flasche aus dunklem Glase, welche einen luftdichten Verschluss gestattete. Diese Flasche bewahrte ich an einem vor Licht geschützten Orte auf. Es stellte sich jedoch heraus, dass trotz dieser Vor- sichtsmaassregeln die Lösung theils durch Verdunstung des Chloroforms, theils auch durch Verflüchtigung des Jodes ihre Zusammensetzung änderte, da es mir nicht gelang, den Verschluss genügend dicht zu machen. Ich half mir schliesslich dadurch, dass ich vor dem Einfüllen den Hals der Flasche auszog und unmittelbar nach dem Einfüllen der Jodchloroform- lösung zuschmolz. Obgleich also, wie man sieht, das Verfahren der Jodbestimmung ein ausserordentlich mühsames und zudem, wie alle colorimetrischen Be- stimmungen, mit individuellen Fehlerquellen behaftet war, so gelang es mir doch, nach längeren Vorübungen eine relative Genauigkeit zu er- zielen, wie eine Anzahl Bestimmungen von Lösungen mit bekanntem Jod- gehalte ergab. Um nun die Vorgänge bei der Bestimmung des Jods durch ein Beispiel zu illustriren, gebe ich die Zahlen für die Bestimmung am 12. Juli. Die in der oben dargelegten Weise aus dem Milchfette gewonnene Seifenlösung wurde mit 15.23 Chloroform zur Gewinnung des Jods ! Baumann, Ueber das normale Vorkommen von Jod im Thierkörper. Zeitschr. für physiologische Chemie. 1895/96. 8.369. — Derselbe und Roos, a.a.0. 8.481. — Derselbe, a.a. 0. 1896/97. 8.1. Archiv f. A,u. Ph, 1899. Physiol. Abthlg. Suppl. 18 274 WILH. ÜCASPART: geschüttelt. Nachdem im Scheidetrichter eine Absetzung erfolgt war, wurde die Chloroformlösung in das keilföürmige Gefäss des Colorimeters quan- titativ hineingegeben, wobei man sich vor einem Mitreissen von Wasser zu hüten hat. Denn durch letzteres nimmt die Chloroform-Jodlösung einen gelblichen Farbenton an, der einen colorimetrischen Vergleich wesentlich erschwert, Nachdem ein weiterer Zusatz von Chloroform keine rothe Farbe mehr angenommen hatte, wurde der Apparat auf Farbengleichheit beider Hälften des Gresichtsfeldes eingestellt. Dies wurde mehrmals wiederholt . und der Mittelwerth der selten wesentlich differirenden Ablesungen be- rechnet. Der kleine Cylinder, welcher die Vergleichslösung enthielt, fasste 5.5 °em Chloroform. In diesen waren in unserem Falle enthalten 0-54"”e Jod. - Zu dieser Vergleichslösung verhielt sich die zu untersuchende Flüssig- keit hinsichtlich ihres Jodgehaltes wie 100:22-.7. Also enthielt die aus- geschüttelte Chloroformlösung . 100.054 ın 5 S 5 cem 7 De LuıE, Jod, also 15-23.100.0.54 in 15-28 com ne = 6.59 "8 Jod. Um nun aus der in einer gewogenen Menge Milch gefundenen Jod- zahl auf die Jodausscheidung in der Gesammtmilch des Tages zu schliessen, musste die Gesammtmenge Milch bekannt sein, welche die Hündin an diesem Tage producirt hatte. Dieselbe wurde in folgender Weise berechnet: Das Thier wurde täglich vier Mal gemolken und das Gewicht der ab- semolkenen Milch der verschiedenen Tageszeiten addirt. Unmittelbar nach dem Melken wurden die beiden Jungen angelegt, welche man am Leben erhalten hatte, um die Milchseeretion des Mutterthieres dauernd anzuregen. Die Zeit des Saugens wurde festgestellt und die Jungen vor und nach dem Sauggeschäfte gewogen. Die Gewichtszunahme wurde als durch Milchauf- nahme bedingt angesehen und zu der abgemolkenen Milchmenge addirt. Schliesslich wurde noch eine Correctur angebracht, welche sich aus der Gewichtsabnahme der Säuglinge zwischen den einzelnen Mahlzeiten ergab. Denn da die Zeit zwischen den Mahlzeiten und das Gewicht der Jungen zu Beeinn jeder Mahlzeit bekannt war, so liess sich leicht daraus berechnen, wie viel von ihrem Gewichte die beiden Jungen für ihre vitalen Processe in der Zwischenzeit abgaben. Diese Zahl wurde nun für die jeweilige Zeit des Sauggeschäftes berechnet und zu der Gewichtszunahme der Säug- linge hinzu addırt. | Als Beispiel lasse ich hier die Berechnung der Gesammtmilch für den 15. März 1898 folgen. Eın BEITRAG ZUR FRAGE NACH DER QUELLE DES MILCHFETTES. 275 Es wurden abgemolken: BDO Nm. ae ta»aren Milch ESTONIA ESTER... As: De a ER a EA: a er 20) ee Summa 147.83 sm Milch. Die Jungen nahmen folgende Mengen Milch auf: Sa 40 bis RES Vm. 2. 22202020. 89-3: Se SEA ENDE ee ee Ten, BIETE NER en 29, gu E.. SB, re En ae, Summa 232.0 m Die oben erwähnte Correctur betrug pro Minute dieser Periode im Durchschnitt 0-1°”, also für die Zeit der einzelnen Nahrungsaufnahme: 8% 40: bis. 9 55 = 75 = 7.Jem 123052, 22 240, =.0)=:7:0. ; ee 920° „1085 = 75 = 7-5 „ Summa 29.0:m Es betrug demnach die Gesammtmenge der Milch dieses Tages: 147.83 gm 232-0 „ 29:0 „ Summa 408-8 gm Das Gewicht der Hündin wurde täglich nach der zweiten Melkzeit festgestellt. Dann folgte Fütterung und das Anlegen der Jungen. Während der ersten Periode vom 10. bis 16. VII. 1898 erhielt die Hündin im Futter: 70s® Reis, 1 Liter Magermilch, 50="m Fleischmehl, 25, 1 procent. ‚Jodfett, 30 „ Zucker. Das Resultat des Versuches gebe ich in einer Tabelle wieder. 18* 270 WILH. CASsPARI: Tabelle 1. 1 procent, . ee | ae: Fett im | Jodfett | Fettgehalt u Jodfett ee grm | uns grım milch | grm 10./VII. 1898 | 64-7? 50 a = en 18 787 11./VII. 1898 | 39-7? 25 26-22 7-19 |3-84 5m = 14-64), | 19 450 | des Gesammtfettes 12. VII. 1898 | 39-7? 25 37-77 9-00 8.84 8m = 23-42%,| 19170 | des Gesammtfettes 13./V.11..18982| 35:52 25 49:39 11-72 1.12 m = 2.45, | 197100 | des Gesammtfettes 14. VII. 1898 | 35-5° 25 25:75 6-14 | 0-77 822 =2-.995951°195270 | | des Gesammtifettes 15./VII. 1898 | 35-5° 25 23-14 5-66 | Spuren, quantitativ 19000 nicht zu bestimmen, 16./VII. 1898 | 35-5 25 20:36 4-47 desgl. , 18 870 Während der ersten 3 Tage der Versuchsreihe wurde Fleischmehl gegeben, welches 14-28 Procent Fett enthielt, so dass also neben den 25 sm Jodfett 7.148 Fett im Fleischmehl verabreicht wurden. Vom 4. Tage ab wurde während des übrigen Versuches mit Aether extrahirtes Fleisch- mehl verabfolgt, wobei zu den 25=” Jodfett immerhin noch 2.898 m im Fleischmehl hinzukamen. Dieser verhältnissmässig geringe Unterschied in der Fettzufuhr prägt sich recht deutlich aus, sowohl in der Menge des in der Milch ausgeschiedenen Fettes, als auch in dem Procentgehalte der Milch an Fett und endlich im Körpergewicht des Thieres. Auffallend ist auch, dass an den ersten Tagen die Menge des in der Milch enthaltenen Jod- fettes besonders gross war. Als sicheres Resultat ergiebt dieser Versuch, dass nicht unerhebliche Mengen Jodfett aus der Nahrung in die Milch über- gehen können, so dass an dem einen Tage mindestens 23 Procent des Fettgehaltes der Milch der Nahrung entstammten, wobei noch zu beachten ist, dass das Nahrungsfett an diesem Tage nur zu etwa 63 Procent aus Jodfett bestand. Auf diese erste Versuchsperiode folgte eine zweite, in welcher dieselbe Nahrung gereicht wurde wie im zweiten Theile der ersten Periode, nur wurde das Jodfett durch die gleiche Menge Schmalz ersetzt. Das dann in ! Das Fett des Fleischmehles wurde analytisch bestimmt, der Fettgehalt der übrigen Nahrungsmittel nach König’s Tabellen der menschlichen Nahrungs- und Genussmittel berechnet. * Nicht entfettetes Fleischmehl. ® Mit Aether extrahirtes Fleischmehl. Eın BEITRAG ZUR FRAGE NACH DER QUELLE DES MILCHFETTES. 277 der Milch enthaltene Jodfett muss aus den Körperdepöts stammen, wo es während der ersten Versuchsreihe abgelagert worden war. Das Resultat der zweiten Reihe war folgendes: Tabelle II. 1 procent. es ar Fett im Jodfett | Fettgehalt 4 etigehall Jodfett an Datum Futter | in der | der Milch | Gesammt. ; a Nahrung esammt- in der Milch Hundes grm | grm z grm milch grm 17.[V11. 1898 | 35-5 — 36-99 7-73 | Spuren, quantitativ 18 750 | nicht zu bestimmen 18./VII. 1898 | 36-0! A 29.15 | 6-99 2.34 8m = 8-03 9), | 18700 | | | des Gesammtfettes 19./VII. 1898 | 36-0 | — 1.39.49 | 6+66 1.65m = 4.05%, | 18600 | | | des Gesammtfettes Dieser Versuch beweist, dass unter denselben Bedingungen wie in der ersten Versuchsreihe auch aus dem Fettbestande des Körpers Fett in die Milch ausgeschieden werden kann, und zwar bis zu einem Minimalwerthe von 8 Procent. In der folgenden Versuchsreihe wurde die gleiche Menge Jodfett ge- geben wie in der ersten Reihe, aber die Diät war eine andere, kohlehydrat- reiche. Die Absicht war, zu entscheiden, ob auch unter diesen Bedingungen das fremde Fett aus der Nahrung oder den Fettdepöts in die Milch über- geht, oder ob das Thier aus den Kohlehydraten die ihm eigenthümliche Fettart bildet und für die Ernährung der Jungen nur diese allein ver- wendet. Das Futter setzte sich zusammen aus: 802m Fleischmehl, 1 Liter Magermilch, 1508”= Reis, 100, Zucker, 2D2,; Jodfett. Die Daten über diese Reihe folgen in Tabelle III. Aus diesen Zahlen ergiebt sich, dass auch bei sehr stark kohlehydrat- reicher Nahrung und Beigabe von Jodfett letzteres in ziemlich grosser Menge, bis zu einem Minimalwerthe von 32 Procent, in die Milch über- geht. Dabei hat die Gesammtfettmenge gegenüber dem Fettquantum, welches bei einfachem Erhaltungsfutter in die Milch übergeht, nicht wesent- lieh zugenommen. Auch das Körpergewicht ist in dieser Periode nicht wesentlich verändert. ı 10== entfettetes Fleischmehl als Zulage. 278 WILH. CAsPpART: Tabelle III. 1 procent.| DR ı Fett im Dan ı Fettgehalt Kehl Jodfett atum inder | Jen M: Futter Nahrmne| der Milch Gesaramt; in der Milch Hundes | grm grm | grm miılc | grm I | 20./VII. 1898 37-9 25 | 36-0 6-25 2-06 2m = 5.72%, | 18620 | des Gesammitfettes 21./VII. 1898 37-9 25 47-4 7-63 10.88 = 22-78%, | 18600 | des Gesammtfettes 22./VII. 1898 | 37-9 | 5 25.36! | 4:48 | 8.24sm = 32.499, 17920 | | des Gesammtfettes 23./VII. 1898 | 37-9 | 25 | 39-84 | 5-67 |8-168m = 21-01%, | 18820 | | des Gesammtfettes 24./VII. 1898 37-9 | 25 | 30:96 4-2 7.882m = 25-45), | 19050 | | des Gesammtfettes 25./VII. 1898 37-9 25 | 46:06 a) 5.8720 1275/52. 18,800 | | des Gesammtfettes Es folgte schliesslich eine Versuchsreihe, in welcher wiederum das Jod- fett durch die gleiche Menge Schmalz ersetzt wurde. Die Tabelle IV be- weist, dass nur noch am ersten Tage wesentliche Quantitäten Jodfett in der Milch nachgewiesen werden konnten; bereits am zweiten Tage ist die unterste Grenze erreicht, welche einer quantitativen Bestimmung noch einigermaassen zugängig ist, und schon am dritten Tage finden sich nur noch Spuren, d. h. eine geringe Gelbfärbung des bei der Ausschüttelung verwendeten Chloroforms. Tabelle IV. 1 procent. 5 Fett im Jodfett | Fettgehalt EN Jodfett Be Datum Futter | in der | der Milch Rt 5 & ES | Nahrun Ssamıllz in der Milch UnUCS grm | grm 5 | grm milch grm 26./VII. 1898 | 37-9 er 33-83 4-25 7-0sm = 20-69 0), | 18880 ‚ des Gesammtfettes 27./VII. 1898 BHO) _ 3leU4r 277386 10.09 8m = 0-28 %, 18820 | ® des Gesammtfettes 28./VII. 1898 | 37-9 — 63-82 6-52 en quantitativ | 18850 nicht zu bestimmen Betrachten wir nun die Ergebnisse des gesammten Versuches, so finden wir zunächst eine auffällige Schwankung des Fettgehaltes der Milch wäh- rend der einzelnen Tage. Die Schwankungen in der ersten Reihe sind durch den verschiedenen Fettgehalt der Nahrung wohl hinlänglich erklärt und bedürfen in Folge dessen keiner weiteren Erläuterung. Der geringe ! Verluste bei der Fettbestimmung, also auch zu geringe Jodfett-Zahl. Eın BEITRAG ZUR FRAGE NACH DER QUELLE DES MILCHFETTES. 279 Fettgehalt am 22. VIL ist durch Verluste bei der Analyse bedingt, was um so mehr zu bedauern ist, als gerade dieser Tag den höchsten Procent- satz von Jod im Fette zeigt. Dagegen ist es schwer, für den 23., 24., 26. und 27., bei denen ebenfalls der Fettgehalt der Milch hinter dem Durch- schnitt der übrigen Tage zurückbleibt, eine Erklärung zu finden. Es scheint hier trotz der darauf verwendeten Mühe nicht gelungen zu sein, eine Durch- schnittsprobe zu erhalten (denn es ist ja bekannt, dass die Milch, welche in den verschiedenen Tageszeiten abgemolken wird, in ihrer Gesammt- zusammensetzung wesentlich differirt). Andererseits muss es auffallen, dass diese Tage mit geringer Fettausscheidung sich gegen Ende des Versuches einstellen, und es ist nicht ausgeschlossen, dass es sich hier um eine Wirkung des Jods handelt. Dasselbe kann bekanntlich störend auf die Functionen der Milchdrüse wirken. Als sicheres Resultat des Versuches ergiebt sich: 1. dass ein nicht unerheblicher Procentsatz des Milchfettes der Nahrung ent- stammen, 2. dass unter denselben Bedingungen auch Fett aus den Körperdepöts in die Milch übergehen kann und schliesslich, dass auch bei kohlehydratreicher Nahrung Nahrungsfett oder Fett des Körpers in die Milch übergeht, selbst wenn dasselbe, wie in unserem Falle, ein pflanzliches Fett war, dem noch ein fremder Bestandtheil hinzugefügt wurde. Eine andere Frage ist es, ob die Zahlen, welche wir für Jodfett in der Milch gefunden haben, weitergehende Schlüsse auf die Absonderungs- verhältnisse des Milchfettes gestatten. Wir haben Eingangs gesehen, dass das in der Milch gefundene Jodfett nicht dem wirklichen in die Milch übergegangenen entspricht, dass vielmehr diese Zahlen nur den Anspruch haben, als Mıinimalwerthe zu gelten. Darum erscheint es aber nicht aus- geschlossen, dass in der That zwischen dem im Fette der Milch nachweis- baren Jod und der Gesammtmenge des in die Milch übergegangenen Nahrungsfettes eine gewisse Proportionalität besteht. Aus dieser Annahme würden sich nicht uninteressante Schlüsse ergeben: Wir sehen zunächst in der ersten Versuchsreihe, dass in den ersten drei Tagen, in denen eine erhöhte Fettzufuhr statt hatte, auch nicht unwesentliche Mengen Jodfett in der Milch vorhanden waren. In dem Augenblicke aber, wo wir statt des fetthaltigen Fleischmehles entfettetes geben, sinkt nicht nur der Gesammt- fettgehalt der Milch, sondern in noch höherem Grade die Ausscheidung des Jodfettes in derselben. Schon dieser Umstand scheint dafür zu sprechen, dass die Annahme einer derartigen Proportionalität nicht ohne jede Be- rechtigung ist. In der zweiten Reihe steigt dann wiederum die Ausscheidung von Jod- fett zu einer geringen Höhe an, offenbar, weil das Fett der Nahrung den 280 WILH. ÜAsPpARı: Eın BEITRAG ZUR FRAGE U. S. w. wachsenden Ansprüchen der Fettausscheidung in der Milch nicht mehr gerecht werden konnte und Jodfett aus den Körperdepöts, welches man sich als in den ersten 3 Tagen der ersten Reihe angesetzt vorstellen kann, in die Milch übergine. | Von besonderem Interesse ist das Verhalten des Jodfettes in der Milch bei kohlehydratreichem Futter. Hier werden verhältnissmässig sehr grosse Mengen Jodfett in der Milch gefunden und es kann uns eigentlich nicht Wunder nehmen, dass die Jodfettausscheidung bei kohlehydratreichem Futter die während der ersten Reihe noch übertrifft, deswegen, weil die reichlich verabfoleten Kohlehydrate den Energieumsatz im Körper im Wesentlichen bestreiten und in Folge dessen das Fett der Nahrung in höherem Maasse in die Milch übergehen kann. Dass es in der That Fett der Nahrung und nicht Körperfett ist, welches wir als Jodfett in der Milch finden, ergiebt eine Betrachtung der letzten Versuchsreihe, welche in einem deutlichen Gegensatz zu der ihr entsprechenden zweiten Reihe steht. Denn während in letzterer nach vorhergehendem fast völligen Verschwinden des nachweis- baren Jodfettes in der Milch von Neuem eine Steigerung des Jodfettgehaltes sich bemerkbar macht, die nur den Fettdepöts entstammen kann, sinkt in der vierten Reihe die Curve der Jodfettausscheidung steil ab, offenbar, weil das in der Nahrung gegebene und eventuell aus den Kohlehydraten ge- bildete Fett genügt, den Fettgehalt der Milch zu decken, ohne dass die Körperdepöts angegriffen zu werden brauchen. Es scheint mir also im Ganzen als Resultat dieser Betrachtungen hervorzugehen, dass zwar Fett aus dem Bestande des Körpers in die Milch übergehen kann, dass aber der Organismus unter gleich bleibenden Verhältnissen es doch wohl vorzieht, das Fett der Nahrung für die Milch zu verwerthen. Doch betone iclı zum Schlusse nochmals, dass die letzteren Ueber- legungen nur den Werth der Wahrscheinlichkeit für sich haben. Um einen exacten Beweis in dieser Hinsicht zu liefern, müsste man ausser dem Jod im Fette der Milch täglich auch das Jod im Milchserum und Casein, sowie in den Excreten des Körpers untersuchen. Es wurde mir schon während des Versuches klar, dass eine endeültige Lösung dieser Frage nur auf diesem Wege zu erreichen sei, jedoch erschienen mir die Schwierigkeiten einer derartigen Untersuchung so gross, dass ich sie als unüberwindlich für einen Arbeiter ansehen musste. Ich behalte mir eventuell vor, die- selben später in Gemeinschaft mit Anderen zu vervollkommnen. Einfluss der Anämie und der Plethora auf die Wirkung des Tetanusgiftes. Von J. F. Heymans und I. Ronsse in Gent. Wie bekannt, wurden während Jahrzehnten in ausgiebigster Weise Blutaderlässe besonders gegen Infectionskrankheiten ausgeführt; da es nun durch die jüngsten Versuche dargethan ist, dass bei letzteren Krankheiten die Toxinvergiftung das Hauptmoment darstellt, schien es uns von Inter- esse — was unseres Wissens bisher in diesem Sinne noch nicht vorge- nommen worden ist — experimentell zu eruiren, ob eine Abnahme, bezw. eine Zunahme des Blutvolumens irgend welchen Einfluss auf den Verlauf der Toxinvergiftung hat. Als Toxin wurde das Tetanin gewählt, speciell weil dessen Vergiftungs- symptome so charakteristisch sind, dass über das Wesen, den Anfang und Verlauf der Erkrankung des Thieres nicht der mindeste Zweifel vor- liegen kann. All’ unsere Versuche wurden in kurzer Frist mit ein und demselben trockenen Tetanusgift, welches College Ehrlich uns bereitwilligst zur Ver- fügung stellte, beim Kaninchen ausgeführt. Für jede Versuchsreihe wurde 0.1 ®”m trockenes Tetanusgift abge- wogen, in 20°°m destillirtem Wasser gelöst, während 15 Minuten centri- fugirt, und von der klaren Lösung immer mit derselben Spritze die pro Mille berechnete Menge in die Vena marginalis des Ohres dem Thiere beigebracht. Nach vorheriger Bestimmung der einfachen tödtlichen Dosis — wir lassen die betreffenden Versuche, weil ohne besonderes Interesse, hier weg — wurde diese Dosis (0-.3° pro Kilo) Thieren gegeben, unmittelbar 282 J. F. HEymans unD I. Ronsse: nachdem denselben Blut entweder aus der Carotis entnommen oder aus der Carotis eines nicht vergifteten Thieres in die Vena transfundirt worden war; bei einer Reihe von Versuchen wurde die Blutsoustraetion oder Transfusion nach 24 und 48 Stunden wiederholt. Gleicherzeit wurde für jede Versuchsreihe dieselbe Dosis derselben Lösung Controlthieren ein- gespritzt. Wir geben zuerst aus unseren Protocollen den hier interessirenden Auszug, wobei von den Versuchen höchster Anämie zu denjenigen höchster Plethora übergegangen wird. Versuch I. 9. April 1899. Gewicht 3040”. 18 U. 32° Blutentziehung von 72°m, 2.4 Procent. 18 U. 38° 0.3 Tetanin pro Kilo. 20. April. Gewicht 2865®'", 12 U. 25’ Blutentziehung 52 °%, 1.8 Proc. 21. April. Tetanusanfang. i 21. bis 22. April. Tod. Controlthier siehe Versuch XX. Versuch IH. 20. April 1899. Gewicht 2110 s=. 11 U. 37’ Blut- entziehung von 50 “®, 2-4 Procent 11 U. 39° 0.3 Tetanin pro Kilo. 21. April. Gewicht 1910 sw. 11 U. 32° Blutentziehung von 34 m, 1-7 Procent. 22. April. Tetanusanfang. 26> April. Tod. Versuch IHM. 19. April 1899. "Gewicht 2315 22.7 7250ER IE entziehung von 52°”, 2.4 Proc. des Körpergewichtes. 17 U.58° 0:3‘ Tetanin pro Kilo intravenös. 20. April. Gewicht 2365 =”. 12 U. 20’ Blutentziehung von 36 m, 1:5 Procent. 21. April. Tetanusanfang. 22. bis 23. April. Tod. 19. April. Controlthier. Gewicht 1483 8’%. 18D. 0°3° pro Kilo. 22. April. Tetanusanfang. 26. April. Tod. Versuch IV. 20. April 1899. Gewicht 2728 =. 12 UV. 6° Blut- entziehung von 60°", 2-2 Procent. 12U.7 03° Tetanin pro Kilo. 21. April. Gewicht 2482 2m. 12 U. Blutentziehung von 40 °®, 1°6 Proc. Um 11 U. desselben Tages schon deutlich erkennbare Tetanus. Abends todt. Versuch V. 29. April 1899. Gewicht 1562 s®. 18 U. 30° Blut- entziehung von 21°®, 1'4 Procent. 18T. 37’ 0-3 Tetanin pro Kilo. 30. April. Gewicht 1550 Sm. 10 U. 40° Blutentziehung von 21 °®, 1.4 Procent. EINFLUSS DER ANÄMIE UND DER PLETHORA UT. S. w. 283 1. Mai 1899. Tetanusanfang. 5. bis 6. Mai. Tod. Controlthier siehe Versuch VII. Versuch VI. 29. April 1899. Gewicht 1285 sm, _18 U. 15’ Blut- entziehung von 13 °®, 1 Procent. 18 U. 21’ 0-3° Tetanin pro Kilo. 30. April. Gewicht 1269 sm. 10 U. 30° Blutentziehung von 13 m, 1 Procent. 1. Mai. Tetanusanfang. 2. Mai. Tod um 7 Uhr Morgens. Controlthier siehe Versuch VI. Versuch VII. 29. April 1899. Gewicht 1395 8%, 18 U. Blutentziehung 10 °®, 0:7 Procent. 18U.5° 03° Tetanin pro Kilo. 30. April. Gewicht 1370 S®. 10 U. 20° Blutentziehung von 11°, 0.8 Procent. 1. Mai. Tetanusanfang. 4. Mai. Tod. Controlthiere A und B zu den Versuchen V, VI und VL. 29. April, A. Gewicht 1445 8’=,. 180.45’ 0:38 Tetanin pro Kilo. 2. Mai. Tetanusanfang. 3. bis 4. Mai. Tod. 29. April, Be Gewicht 1530 8”. 18U. 47’ 0.3 Tetanin pro Kilo. 3. Mai. Leichter Tetanus, welcher etwas zunimmt, verschiedene Tage anhält und dann allmählich verschwindet. Versuch VIII. 4.Mai 1899. Gewicht 1952 8%. 11 U. Blutentziehung von 56°®, 2-4 Procent. 11 U. 5’ 0:3 Tetanin pro Kilo. 6. Mai. Tetanusanfang. 12. Mai. Tod. Controlthier siehe Versuch X. Versuch IX. 4. Mai 1899. Gewicht 20132”. 12 UV. Blutentziehung von 33°, 1-5 Procent. 12 U. 7’ 0-3° Tetanin pro Kilo. 6. Mai. Tetanusanfang. 8. bis 9. Mai. Tod. Controlthier siehe Versuch X. Versuch X. 4.Mai 1899. Gewicht 1968 &”, 11 U. 25’ Blutentziehung von 26°, 1-3 Proc. 11U. 32’ 0-3° Tetanin pro Kilo. 7. Mai. Tetanusanfang. 15. Mai. Tod. Controlthiere A und B zu den Versuchen VII, IX und X. . Mai, A. Gewicht 15153”. 12 U. 20° 0°3° Tetanin pro Kilo. . Mai. Tetanusanfang. Mai. Tod. . Mai, B. Gewicht 13508”. 12 U. 22° 0.3° Tetanin pro Kilo. . Mai. Tetanusanfang. . Mai. Tod. SQ HP -IOU PB 284 J. F. HEYMANnS unD I. RonssE: Versuch XI. 1. Mai 1899. Gewicht 1295 8". 11 U. 23’ Blutentziehuug von, 192202] Proc, 11902277 0-32 Tetanın proxKulo, 3. Mai. Tetanusanfang. 4. Mai. Abends todt. Controlthier siehe Versuch XI. Versuch XI. 1. Mai 1899. Gewicht 1480 2”. 11 U. 297 Blut- entziehung von 8°", 0.5 Proe. 11U.32’ 0-3 Tetanin pro Kilo. 4. Mai. Tetanusanfang. 14. Mai. Tod. Controlthier zu den Versuchen XI und XL. 1. Mai. Gewicht 19708". 11 U. 37’ 0-3 Tetanin pro Kilo. 3. Mai. Tetanusanfang. 6. Mai. Tod. Versuch XII. 25. April 1899. Gewicht 2580 &=. 10 U. 45’ Blut- entziehung von 60 °%, 2.3 Proc. 11U. bis 11 U. 7’ 100 °® physiologische Kochsalzlösung intravenös, 3-8 Proc. des Körpergewichts. 11U.7 0.3 % Tetanin pro Kilo. 26. April. Gewicht 2518®’”%. 10 U. Blutentziehung von 46°", 1-8 Proc. 10 U. 5’ bis 10 U. 13’ 75 °® physiologische Kochsalzlösung intravenös, 3 Proc. 27. April. Tetanusanfang. 28. bis 29. April. Tod. Controlthier siehe Versuch XIX. Versuch XIV. 25. April 1899. Gewicht 22768”. 17U. 30’ Blut- entziehung von 35 °®, 1.5 Proc. 17U.42’ bis 17 U. 52’ 100 °@ physio- logische Kochsalzlösung intravenös, 4-3 Proc. 17 U.53’ 0-3°€ Tetanin pro Kilo. 26. April. Gewicht 2190 ==. 10 U. 30° Blutentziehung von 38 °m, 1-7 Proc. 10 U. 35° bis 10 U. 52’ 75°® physiologische Kochsalzlösung intravenös, 3-4 Proc. 27. April. Tetanusanfang. 29. April. Abends todt. Versuch XV. 4. Mai 1899. Gewicht 1410 2°”. 11 U. Transfusion von 43° frischem Blut, 3 Proc. 11.10’ 0-3 Tetanin pro Kilo. 6. Mai. Tetanusanfang. 7. Mai. Morgens todt. Controlthier siehe Versuch XVI. Versuch XVI. 4. Mai 1899. Gewicht 15258”. 11 U. Transfusion von 20°” Blut, 1-3 Proc. 11.10’ 0.3° Tetanin pro Kilo. 5. Mai. Gewicht 1617 &%, 12 U. Transfusion von 25 °® Blut, 1-6 Proc. 6. Mai. Tetanusanfang. 8. Mai. Morgens todt. Versuch XVII 4. Mai 1899. Gewicht 1468 8m. 12UD. Transfusion von 29° m BJut, 2 Proc. 12 U. 12° 0-.3% Tetanin pro Kilo. 5. Mai. Gewicht 1437 &u,- 12T. 15’ Transfusion von 23m Blur 1-6 Proc. EINFLUSS DER ANÄMIE UND DER PLETHORA U. 8. W. 285 S. Mai. Tetanusanfang. 9. Mai. Morgens todt. Controlthier A und B zu den Versuchen XV, XVI und XVI. 4. Mai, A. Gewicht 15158". 12 U. 30° 0:3 Tetanin pro Kilo. . Mai. Tetanusanfang. . Mai. Morgens todt. Mai, B. Gewicht 13508%. 12 U. 32’ 0.3% Tetanin pro Kilo. . Mai. Tetanusanfang. . Mai. Morgens todt. om iv Versuch XVII. 25. April 1899. Gewicht 1002", 17 U. 30° Trans- fusion von 38°” Blut, 3-8 Proe. 17 U. 33° 0.3 Tetanin pro Kilo. 26. April. Gewicht 1070 &®. 18U. 30° Transfusion von 55 °m Blut, 5.1 Proc. 27. April. Gewicht 1033 s®, 180.30’ Transfusion von 37 °® Blut, 3-6 Proc. 30. April. Tetanusanfang. 2. Mai. Tod. Controlthier. 25. April. Gewicht 1335 &®. 17U. 40’ 0-3° Tetanin pro Kilo. 29. April. Tetanusanfang. 6. Mai. Tod. Versuch XIX. 25. April 1899. Gewicht 1184®8’®. 10UD.45’ Trans- fusion von 63 °® Blut, 5 Proc. 10 U. 47’ 0.38 Tetanin pro Kilo. 26. April. Gewicht 11172”. 18 U. Transfusion von 48 °® Blut, 4 Proc. 27. April. Gewicht 1070 8'%. 18 U. Transfusion von 57 °® Blut, 5-3 Proc. 30. April. Tetanusanfang. 3. Mai. Tod. Controlthier. 25. April. Gewicht 1150 2". 10 U. 50° 0-3‘ Tetanin pro Kilo (theilweise hypodermatisch, was vielleicht das Ueberleben erklärt). 1. Mai. Tetanusanfang; während mehrerer Tage besteht ein mittel- mässiger Tetanus, welcher allmählich vollkommen verschwindet. Versuch XX. 19. April 1899. Gewicht 1385 =”. 18U. 32’ Trans- fusion von 77° Blut, 5-5 Proc. 18 U. 38° 0.3° Tetanin pro Kilo. 20. April. Gewicht 1415 &®, 18U. 30’ Transfusion von 55 °® Blut, 4 Proc. 22. April. Gewicht 1300 8”. 18 U. Transfusion von 38 °® Blut, 3 Proc. 22. April. Tetanusanfang. 25. bis 26. April. Tod. Controlthier. 19. April. Gewicht 1290 &®=. 18U.40° 0-3 Tetanin pro Kilo. 22. April. Tetanusanfang. 23. bis 24. April. Tod. Fassen wir jetzt die Ergebnisse dieser 20 Versuche in einer Tabelle der Uebersicht wegen kurz zusammen. 286 J. F. HEYMAns unD I. RonssE: Zusammenstellung. Versuchs- Proc. des + Tod { nummer Gewichtes Bereren Controlthiere I Blutsoustraetion | y = + 2—3 Tagen + 4--5 Tagen | a) 2-4 II ”„ \ b) 1:7 Ar 6 ” | ) 2-4 Er III ”„ \ b) 1:5 + 3 4 Er} + 7 Er [| a) 2-2 = IV n De +1—2 „ [ a) 1-4 N ” \ b) 1.4 Ar 6 Er) A +45 j a) 1-0 2° % VI n by 120 +23 „ Be fa) 09-7 VII „ \ b) 0-8 +5 » VoI n 2.4 +8 » Na £ IX " 1:5 +45 „ B+5 » BXE PR} 1°3 + 16 3 | = e5 1:0 +3—4 „ Bi us a XII 5 0:5, 137, J Blutsoustraction 2:3 xXIN Kochsalzinfusion 3-8 aa Blutsoustraetion 1-8 Kochsalzinfusion | 3:0 Siehe Vers. XVII Blutsoustraction 1-5 und XIX. xIv Kochsalzinfusion 4-3 N r Blutsoustraction | Vet Kochsalzinfusion | 3.4 XV Transfusion | 3.0 | +3 »» + 5 Tagen ma) 1:3 XVI „ | \ b) 1:6 ar 4 ” XV „ \ b) 1:6 ar 5 ” Ir 3 >’ | | a) 3-8 XVII „ b) 51 Er 7 ” | Ar 11 Er) | ce) 3°6 a) 5-0 XIX 5 b) 4-0 +8 „ — (P) \o) 5-3 a) 5°5 X e b)EA=OL Rt TR, A c) 3-0 EINFLUSS DER ANÄMIE UND DER PLETHORA U. S. w. 287 Bei den Thieren der Versuche I bis IV besteht unmittelbar vor der Injection des Tetanins fast die höchste Anämie, welche mit dem Leben zuträglich ist, da nach unseren Erfahrungen! eine Blutsoustraction von über 2.5 Procent des Körpergewichtes auf einmal bald tödtlich wirkt. Die nach 24 Stunden wiederholte Blutsoustraction von 1-8 bis 1-5 Procent ist ebenfalls auch dem tödtlich wirkenden Blutverlust nahe. Wenn wir an- nehmen, dass das Blutvolumen des Kaninchens !/, oder 6 bis 7 Procent des Körpergewichtes beträgt, wurde beim ersten Aderlass etwa !/, und beim zweiten (wenn inzwischen das Blutvolumen sich wieder hergestellt haben sollte) etwa !/, der Blutmenge abgezogen. Besitzt eine vorhandene Anämie im Moment des Eindringens des Te- tanins in’s Blut oder im Laufe der Tetaninvereiftung irgend welchen Ein- fluss, dann müsste derselbe wohl hier zum Ausdruck gelangen. Thatsäch- lich sterben die anämisirten Thiere der Versuche I bis IV ebenso wie die Controlthiere, nicht aber später, sondern durchschnittlich ein wenig früher. Dieses etwas schnellere Verenden der stark anämisirten Thiere erklärt sich natürlicher Weise durch den dadurch hervorgerufenen abgeschwächten Zustand. In den Versuchen V bis XII haben wir die Blutsoustraction mehr und mehr herabgesetzt und uns den klinisch gemachten Aderlässen genähert, speciell in den Versuchen VII und XII (kleine wiederholte oder nicht wiederholte Blutaderlässe). Obwohl 0-.3° Tetanin pro Kilo die Grenze der tödtlichen Dosis darstellt, wie Versuche mit kleineren Dosen und das Ueberleben des entsprechenden Controlthieres B zeigen, sterben alle die mehr oder weniger leicht anämisirten Thiere der Versuche V bis XII; mässige wie kleine Blutsoustractionen haben also wenigstens nicht die ge- ringste hemmende Wirkung auf die Tetaninvergiftung, eher liesse sich noch eine leicht beschleunigende Wirkung annehmen; der Unterschied aber zwischen dem Ueberleben der Versuchs- und Controlthiere ist zu gering, um dieselbe Formel anzuerkennen. Aus diesen Versuchen schliessen wir demgemäss, dass eine hoch- gradige, durch Aderlass hervorgerufene Anämie Kaninchen dem Tetanin gegenüber empfindlicher macht und eine mässige oder geringe Anämie ohne deutlichen Einfluss ist. Auf die celluläre Toxinabsorption und Wirkung hat der Blutaderlass in keinem Fall eine heilende Wirkung. Einerseits um den Einfluss der anämischen Blutdruckerniedrigung zu eliminiren und andererseits um ein „lavage du sang“ hervorzurufen, wurde in den Versuchen XIII und XIV eine zweifache hohe Blutsoustraction und gleich darauf jedesmal ungefähr eine doppelte Menge physiologischer Koch- "I. Ronsse, Arch. intern. de pharmacodynamie. Vol. IV. p.79. 9288 J.F. Hrymans unD 1. Ronsse: EINFLUSS DER AnÄMIE U. S. w. salzlösung infundirt. Die Thiere sterben in normaler Frist; von einer Ver- spätung kann keine Rede sein. Die Infusion physiologischer Koch- salzlösung, wie Ersatz des Blutes durch Soustraction und Trans- fusion,! beeinflusst also nicht im geringsten Grade die Tetanin-, bezw. die Toxinvergiftung im Allgemeinen. Da hochgradige Anämie die Tetaninwirkung etwa beschleunigt, wurde untersucht, ob Plethora etwa im entgegengesetzten Sinne dieselbe beeinflusse. In den 6 mitgetheilten Versuchen XV bis XX wurde den Thieren un- mittelbar vor der Tetanininjection frisches arterielles Blut bis zu 5.5 Procent des Körpergewichtes direct transfundirt, d.h. die Blutmenge wurde fast verdoppelt; in 5 Versuchen wurde die Transfusion nach 24 Stunden, in den Versuchen XVIII und XIX auch nach 48 Stunden und im Versuch XX nach 72 Stunden wiederholt. Die Kaninchen der Versuche XIX und XX erhielten also eine Blutmenge, welche bezw. 14-3 Proc. und 12.5 Proc. des Körpergewichtes oder über das Doppelte der normalen Blutmenge ent- spricht. Bei diesen 6 Thieren bestand also im Moment der Tetanininjection wie im Laufe der Vergiftung eine hochgradige Plethora. Trotzdem gehen sie alle zu Grunde, und in einem Zeitintervall, welcher nicht deutlich den der Controlthiere, wohl aber denjenigen der 4 an anämisirten Thiere (Versuche I bis IV), übertrifft. Im Gegensatz zur starken Anämie hat also hohe Plethora keinen beschleunigenden, aber auch kaum einen verlangsamenden Einfluss auf die Tetaninvergiftung: eine besonders eingreifende, specifische Wirkung des Blutes, eine qualitative oder quanti- tative, besteht nicht. Wenn wir diese mit Tetanin erhaltenen experimentellen Ergebnisse ver- allgemeinern, möchten wir sagen, dass das Blut sich den Toxinen gegen- über absolut indifferent verhält; letztere verschwinden aus demselben fast momentan.” Je normaler die Beschaffenheit des Blutes ist, desto besser sind die fixen Gewebe ernährt und auch desto widerstandsfähiger. Alle symptomatischen therapeutischen Maassregeln gegen die Intoxicationen — über die Bekämpfung der Infeetionen an sich durch Anämie, Plethora oder Koch- salzlösunginfusion sollen unsere Versuche kein Urtheil abgeben — sollen dahin convergiren, wie die Praxis in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts auch erkannte, den Streit des Organismus gegen das eindringende Gift durch möglichste normale Beschaffenheit zu unterstützen. ! Decroly et Ronsse, Arch. intern. de pharmacodynamie. Vol. VI. H. 3—4. ® Heymans, Bull. de !’Ac. r. de med. de Belg. 1898. p. 751. JAN 11 1900 Ueber die Bedeutung von Kola, Kaffee, Thee, Mate und Alkohol für die Leistung der Muskeln. Von Oberstabsarzt und Privatdocent Dr. Schumburg in Hannover, Es sind nunmehr 6 Jahre verflossen, dass mir die Auszeichnung zu Theil ward, zum Laboratorium des Hrn. Prof. Zuntz commandirt zu werden, um mit meinem hochverehrten Lehrer gemeinschaftlich Versuche anzustellen zur Gewinnung physiologischer Merkmale für die zulässige Belastung des Soldaten auf Märschen. An diese Versuche knüpfte sich dann der Auftrag, mittels des Mosso’schen Ergographen, welcher schon bei den oben ge- nannten Versuchen von uns benutzt wurde, die namentlich von der Turiner Schule behauptete günstige Einwirkung des Zuckers auf die Muskelleistung zu studiren. Ich konnte dabei den Nachweis führen, dass, wenn die Re- sultate am Ergographen völlig einwandsfrei sein sollen, man bei der Ver- suchsanordnung die Suggestion gänzlich ausschalten muss, eine Forderung, welche die italienischen Forscher bis dahin nicht immer erfüllt hatten. Es gelang mir damals, eine einwandsfreie Versuchsanordnung für Experimente am Mosso’schen Ergographen zu gestalten, welche ich ausführlich zu- sammen mit den für den Zuckergenuss günstig ausgefallenen Resultaten im Jahre 1896 in der militärärztlichen Zeitschrift niederlegte und welche seit- dem sowohl von mir wie von Anderen, insbesondere von Prof. Frentzel, bewährt befunden wurde. Bezüglich aller Einzelheiten muss ich auf jene Veröffentlichung verweisen; nur die Grundzüge möchte ich hier kurz skizziren. Die Contractionen der Flexoren des dritten Fingers der im Uebrigen fixirten und unbeweglichen rechten Hand hoben alle 2 Secunden 4*= bis zur völligen Ermüdung. Nach 3 Minuten Pause erfolgte eine solche zweite „Arbeitsperiode“. Die — messbare — Gesammthubhöhe oder, multiplicirt Archiv £. A.u.Ph. 1899. Physiol. Abthlg. Suppl. 19 290 SCHUMBURG: mit dem gehobenen Gewicht, die Gesammtleistung dieser zweiten Arbeits- periode war nun meist schon geringer, diejenige der dritten noch niedriger und so weiter abfallend bis zur zehnten Arbeitsperiode. Nach der zweiten Arbeitsperiode wurde nun der Versuchsperson, welcher der Zusammenhang der Versuche durchaus unklar bleiben muss, 100 °® einer stets gleich süssen Flüssigkeit eingegeben, welche an dem einen Versuchstage 30 sm Zucker, an einem anderen eine Spur Dulcin, eines in dieser Menge gänzlich in- differenten Süssstoffes, enthielt. Im Uebrigen war das Verhalten u. s. w. der Versuchsperson an allen Versuchstagen peinlich genau das gleiche. Wirkte nun der Zucker auf die Muskelleistungsfähigkeit ein, so mussten die Gesammtleistungen der späteren Arbeitsperioden höher sein, als wenn kein Zucker oder vielmehr statt Zucker Dulein verabreicht war. Es zeigte sich damals bei dieser Versuchsanordnung, dass auch bei Ausschaltung des psy- chischen Momentes die Darreichung selbst kleiner Zuckergaben die Leistungs- fähigkeit der ermüdeten Muskeln erhöht; allerdings nur der „ermüdeten“ Muskeln, da, falls noch Nahrungsstoffe, zumal Glycogen und Trauben- zucker, vorhanden waren, die Ausschläge unregelmässig wurden. Aus diesem Grunde schaltete ich nach der zweiten Arbeitsperiode eine Dreh- arbeit von 18 bis 20 000 ”%s ein, in der Absicht, dadurch den grössten Theil jener Nahrungsstoffe zu consumiren und den nun neu eingeführten Zucker zur Geltung zu bringen. Eine zweite! veröffentlichte Untersuchungsreihe sollte aufklären, in wie weit das Müdigkeitsgefühl bei den eben geschilderten Resultaten eine Rolle spielte. Es kam deshalb darauf an, in der einzelnen Arbeitsperiode die specifische Muskelleistung zu trennen von derjenigen, welche durch Ueber- windung des Müdigkeitsgefühls erreicht wurde. Dies erreichte ich dadurch, dass ich die intelligente Versuchsperson anwies, während der Arbeitsperiode anzugeben, wann sie eine Ermüdung ihres ziehenden, dritten Fingers be- merkte und sie nur mit Anspannung energischen Willens den Versuch fortsetzen konnte. In der That gelang es, in die Arbeitsperiode gewisser- maassen eine „Marke“ zu machen, so dass nun alle nach der Marke ge- leistete Arbeit auf Rechnung der Energiezufuhr zu setzen war. Bei dieser neuen Versuchseinrichtung stellte sich nun heraus, dass der Zucker in der That ein schnell zur Wirkung gelangendes Muskelnahrungsmittel darstellt, dass er aber ferner auch fähig ist, durch Beeinflussung des Nervensystems das Ermüdungsgefühl zu überwinden. Mit Hülfe der eben geschilderten Untersuchungsmethode habe ich nun in weiteren Versuchen es unternommen, die Wirkung der Eingangs ! Zeitschrift für diätetische und physikalische T’herapie. Bd. Il. Heft 3. BEDEUTUNG VON KoLA D.S. W. FÜR DIE MUSKELN. 291 erwähnten sogenannten Exeitantien auf die Leistungsfähigkeit der Muskeln etwas genauer zu studiren. 1. Kola. Es war die Aufgabe, die in einer Broschüre des Corpsstabsapothekers Bernegau hervorgehobenen Vorzüge eines von ihm dargestellten Extractum kolae siceum als Labe- und Erfrischungsmittel zu prüfen, in Sonderheit festzustellen, ob Kola als zweckentsprechender Zusatz bei der Ernährung der Soldaten mit Zucker verwendet werden kann. Bernegau benutzt zur Herstellung seiner Labetabletten, sowie anderer Präparate, wie Kola-Bonbons, Kola-Chocolade, Kola-Cacao, Kola-Leguminosen, abgesehen vom Kolapulver (getrocknete und pulverisirte Nüsse) ein von ihm im Vacuum hergestelltes Extract der Kolanüsse, das Extractum kolae sic- cum, welches die Hamburg-Altonaer Nährmittel-Gesellschaft Besthorn und Gerdtzen in Altona fabricirt und in den Handel bringst. Das von der genannten Firma bezogene trockene Kolaextract stellt ein trockenes braunes, aromatisch riechendes und nicht unangenehm, etwas süsslich schmeckendes Pulver dar. Seine chemische Zusammensetzung ist nach einer im hgyienisch-chemischen Laboratorium der Kaiser Wilhelms- Akademie zu Berlin angestellten Analyse folgende: WASSEL 2 so et een ea ser ed © -Broc,, Milchzucker = 0. . ..- Add=69 erh Gesammtalkalide. . -. » . . 0:69 mx: Wanne ee DB Während der nachfolgenden Untersuchungen wurde dem Bericht- erstatter eine Broschüre über ein französisches Kolapräparat übergeben, welche die Anwendung der Kolanuss im Allgemeinen zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit behandelte und dann ein von Astier in Paris hergestelltes Kolapräparat empfahl, die Cola granulde Astier. Die mir von der Firma Astier in Paris übersandten kleinen braunen Zuckerkügelchen schmeckten recht angenehm aromatisch; sie hatten nach einer im Laboratorium der Kaiser-Wilhelms-Akademie angestellten Analyse folgende Zusammensetzung: Massen A rn u0=IIFZRLOCH anni 2 een 0: 913E 2 Rohrzucker . . . 2 2.2.2...96-5 er Inyertzuckeran en. 0. Fe Alkaloide . 0.964 „ 292 SCHUMBURG: Der Alkaloidgehalt, auf welchen es bei der Beurtheilung von Kola- präparaten im Wesentlichen ankommt, ist also bei Kola Astier nur sehr wenig höher als bei dem Extractum siccum Bernegau. Das Extractum kolae siccum Bernegau lässt sich mit Zucker gut mischen und zu Tabletten comprimiren. Es blieb demnach nur noch festzustellen, ob der Genuss von Kola in der That jene viel behauptete, bisher aber nur mangelhaft experi- mentell bewiesene Erhöhung der Leistungsfähigkeit hervorzubringen im Stande ist. Die wichtigsten bisherigen Angaben in der Litteratur nach dieser Rich- tung hin sind nach Bernegau folgende: 1. Schuchardt! erzählt, dass Heckel in seinen der Akademie der Mediein zu Paris am 8. und 22. April vorgelegten Arbeiten unter Anderem ausführte, dass er der technischen Commission des Armee-Gesundheitsdienstes ein Gutachten, betreffend Versuche mit Kolanuss abgegeben, dahin gehend, dass die Kola den Menschen und den Pferden ausserordentliche Märsche ohne Ermüdung und ohne schweres Athmen gestatte. 2. M. Kirchner berichtet,” dass die Franzosen im Madagascar-Feld- zuge vorzügliche Erfolge mit der Verwendung der Kolanuss in der Ver- pflegung gehabt haben. 3. Nach G. Koenig? haben Versuche, welche im Jahre 1889 in der Klinik der Militair-Lehrschmiede zu Berlin gemacht wurden, ergeben, dass die Kolanuss bei Pferden den Appetit verbessert. 4. Der Forschungsreisende Eugen Wolff* hat in seinen Berichten über den Madagascarfeldzug seine Thiere mit Kola gefüttert. Dieselben blieben trotz der gewaltigen Kriegsstrapazen bis zum Ende des Marsches in bestem Ernährungszustande, „während die Pferde und Maulthiere der französischen Armee vor lauter Ermüdung das Futter versagten“. 5. Bernegau hat seine ersten Versuche mit Kola an sich selbst, dann an einem Hunde angestellt (1889). Er stellte „günstige Wirkungen auf das Allgemeinbefinden“ bei sich selbst fest. Das Thier „frass stets mit Appetit und befand sich in guter Condition“. Ein Versuch bei Officier- pferden misslang zunächst, da die Thiere das Futter versagten. „Zu be- ! Die Kolanuss. 8. 80. ® Militär-Gesundheitspflege. 8. 1092. ® Zeitschrift für Veterinärkunde. 1896. Nr.. * Berliner Tageblatt. 1396. BEDEUTUNG VON KoLA U. S. w. FÜR DIE MUSKELN. 293 friedigenden Ergebnissen führten die Versuche erst im Jahre 1895, als die Kolanuss nach dem Prineip des Kola-Peptons mit leicht verdaulichem, vegetabilischen Eiweiss bei der Fütterung eines Officierpferdes angewandt wurde“. In der oben ceitirten Broschüre! sind auch Gewichtstabellen von Fütterungsversuchen mit 2 Pferden veröffentlicht, welche darthun sollen, dass man bei Kolafütterung eines Theiles der gewohnten Mais-Haferration entrathen könne. Das beweisen nun die Tabellen nicht. Beiden Pferden wurde Monate hindurch 40 "m Kolafutterstoff gegeben. Während nun bei dem ersten Pferd — nach anfänglichem Gewichtsverlust von 16° in 10 Tagen bei der Verminderung der Mais-Haferration um 1 Pfund — nach 3 Monaten eine Zunahme von 2*s zu notiren war, nahm das zweite Pferd unter gleichen Bedingungen 22: in 23 Tagen ab. Bernegau schiebt die Gewichtsverminderung auf starke Arbeit der Pferde innerhalb jener Zeit. Jedenfalls fehlt es zur Zeit noch an einem genügenden experimentellen Nachweis der Behauptung, dass Kolagenuss die Leistung erhöhe. Diesen zu erbringen, hat der Berichterstatter eine Reihe von Versuchen mit dem Mosso’schen Ergographen angestellt. Die Versuchsanordnung war die vom Berichterstatter bereits Eingangs geschilderte. Als Kolapräparat wurde das Extractum kolae siccum Bernegau be- nutzt, welches einen süssen und dabei adstringirenden Geschmack hat. Dasselbe wurde in 100° m Wasser möglichst gelöst. Zu den Controlver- suchen dienten 100m Wasser, dem als Süssmittel eine entsprechende, etwa 0.12” betragende Menge Dulcin zugesetzt wurde, während wir die braune Färbung der Flüssigkeit und den adstringirenden Geschmack durch eine Spur Kaffeesurrogat -—— welches gerade im Laboratorium zu anderen Zwecken untersucht wurde — nachzuahmen suchten. Die Spur Dulein und Kaffeesurrogat sind in diesen Mengen gänzlich indifferent gegenüber der Leistungsfähigkeit. Die Versuchsperson erhielt nun an jedem Versuchstage die gleiche Menge einer braunen, schwach süss schmeckenden Flüssigkeit, deren Zu- sammensetzung sie nicht ahnte. In Wirklichkeit bestand die Flüssigkeit aber an dem einen Versuchstage aus einer Lösung von Extractum kolae siccum, an einem anderen dagegen aus Dulcin und dem Surrogat. Die ! Bernegau, Die Bedeutung der Kolanuss. 294 SCHUMBURG: Kolatage, sowie die Duleintage wechselten nun nicht einfach, sondern sie foleten sich meist in ganz unregelmässiger Weise, bald mehrere Dulcin- versuche hinter einander, bald mehrere Kolatage, gelegentlich auch in regelmässigem Wechsel. Nach einem Versuchstage kam regelmässig ein Ruhetag. Die Versuche sind nun sowohl am nicht ermüdeten Organismus an- gestellt worden, als auch dann, wenn der Körper durch eine gewaltige Dreharbeit am (von Zuntz verbesserten) Ergostat (18000 bis 21 000 kms in ®/, Stunden) erschöpft war. Diese Dreharbeit wurde nach der zweiten Arbeitsperiode eingeschaltet. Nach derselben erfolgte unmittelbar die Auf- nahme von Kola oder Dulcin. Bei den einzelnen Arbeitsperioden wurde nun ferner darauf geachtet, wann während der Contractionen des Flexor digiti tertii dextri eine be- sondere Energiezufuhr nothwendig war, so dass Mitbewegungen anderer Muskelgruppen, besonders auch im Gesicht, auftraten. Diesen Zeitpunkt lernte die intelligente Versuchsperson bei einiger Uebung leicht fest- stellen. Diese Theilung der ganzen Hubarbeit einer Arbeitsperiode klärt uns darüber auf, ob Kola mehr auf die eigentliche, ohne besonderes Aufgebot von Willen erfolgende Muskelarbeit (1. Abschnitt) einwirkt, oder aber ob Kola mehr (im 2. Abschnitt) das Ermüdungsgefühl nach der Art anderer Excitantien unterdrückt. Die Betrachtung der nachfolgenden Tabellen giebt uns darüber Aus- kunft. Die bei den Versuchen gewonnenen absoluten Zahlen sind, um Raum zu sparen, hier fortgelassen worden; es sind nur die Procentzahlen auf- geführt, welche auf Grund folgender Erwägung aus den absoluten Zahlen hergeleitet sind. Da die Versuchsperson bezüglich ihrer Kraftentfaltung nicht jeden Tag gleich gut disponirt ist, lassen sich die einzelnen Versuchs- tage nicht gut mit einander vergleichen; es kommt uns vielmehr darauf an, zu erfahren, wie viel von der im Anfange des Tages (z. B. der ersten oder der zweiten Arbeitsperiode) geleisteten Arbeit noch in den späteren Arbeitsperioden dieses Tages verrichtet wird, mit anderen Worten, wie schnell an diesem oder jenem Versuchstage die Versuchsperson ermüdete, Deshalb ist die zweite Arbeitsperiode, welche meist die höchsten Werthe aufwies, als Norm angesehen und deshalb sind auf sie als 100 die Werthe aller anderen Arbeitsperioden procentisch bezogen. Diese Procentzahlen finden wir in Tab. I. Tab. II giebt nun die reine Muskelleistung wieder (die erste Zahl jeder Arbeitsperiode aus Tab. I), während Tab. III uns zeigt, welche Arbeit durch BEDEUTUNG voN KOLA UT. S. w. FÜR DIE MUSKELN. 295 Ueberwindung des Müdigkeitsgefühls geleistet wurde (die zweite Zahl jeder Arbeitsperiode aus Tab. I, minus die erste. Tab. II und III leiten sich also aus Tab. I ab, sie sind in ihr schon enthalten und nur der Ueber- sichtlichkeit wegen noch einmal abgedruckt. Aus den Tabellen ergiebt sich nun, dass 1. (Tab. I) die Hubleistungen der einzelnen Arbeitsperioden ohne vor- aufgegangene Dreharbeit bei Kolaeinnahme meist weniger schnell abnehmen als ohne Kolaeingabe. Indess ist eine absolute Kegelmässigkeit nach dieser Hinsicht nicht zu verzeichnen; eine Ausnahme bildet etwa der Versuch vom 14./Il. 2. Wird dagegen Dreharbeit vorher geleistet, der Körper also mehr ermüdet, so tritt auch in Tab. I der Einfluss der Kola deutlich hervor. 5) 3. Die reine Muskelleistung (Tab. II) wird durch Kola bei nicht er- müdetem Körper gleichfalls nicht regelmässig gesteigert, wie der Versuch vom 7./Il. und die auf ihn zeitlich folgenden lehren, während, wenn der Organismus durch die voraufgegangene Dreharbeit erschöpft ist, der die Hubleistung mehrende Einfluss des Kolagenusses deutlich zu Tage tritt. Ob indess diese Beeinflussung lediglich der Kola zuzuschreiben ist, erscheint mir deshalb nicht unzweifelhaft bewiesen, weil das eingenommene Extractum kolae siccum Bernegau zu 78 Procent aus Zucker besteht. Wenn nun auch bei jedem Versuche 5 &% Kolaextract mit nur etwa 4=" Zucker eingeführt wurden, so ist es doch nicht von der Hand zu weisen, wenn die Steigerung der reinen Muskelleistung mehr als auf Kola auf diese Kohlehydratmenge zurückgeführt wird. 4. Die Zahlen der Tab. III lehren uns den Einfluss, welchen die Kola- gabe auf die Ueberwindung des Ermüdungsgefühls ausübt. Bei nicht er- schöpftem Organismus ist auch nach dieser Richtung keine regelmässige Einwirkung zu verzeichnen, wie besonders ein Vergleich des am 11./llI. angestellten Dulcinversuches mit den nun folgenden Kolaversuchen zeigt, obschon eine Beeinflussung durch Kola im Allgemeinen nicht zu verkennen ist. Auch beim ermüdeten Körper ist der auf Ueberwindung des Müdig- keitsgefühls kommende Antheil der Kolawirkung zwar meist, aber nicht ohne Ausnahme (vergleiche den Versuch vom 7./X.) zu beobachten. Diese Resultate zusammenfassend, komme ich zu dem Schluss, dass das Extractum colae siccum Bernegau in der That geeignet ist, den er- müdeten Körper zu erhöhten Leistungen zu befähigen; beim nicht er- schöpften Organismus tritt diese Wirkung nicht so deutlich hervor. 296 SCHUMBURG: Dass ein Theil dieser Wirkung auf den Zuckergehalt des Präparates zu beziehen ist, erscheint nicht ausgeschlossen. Nachdem es Bernegau nunmehr gelungen ist, auch ohne Milchzucker anderen Kolaextract her- zustellen, welcher reine Theobromin-Coffein-Gerbsäure ist und sich in heisser Milch leicht und angenehm schmeckend löst, so müssen die Ver- suche noch mit dem anderen Extract ohne den Milchzucker wiederholt werden. Kola Astier- Paris hat vor dem Kola Bernegau, abgesehen von einem um 0.2 Procent höheren Alkaloidgehalt, in physiologischer Beziehung nichts und sonst nur die elegante Verpackung und den hohen Preis voraus. 2. Kaffee. Die Untersuchungen wurden auch bei dieser und bei den folgenden Versuchsreihen sowohl am nicht besonders ermüdeten, als auch an dem durch Leistung einer gewaltigen Dreharbeit (21600 ke) erschöpften Orga- nismus angestellt. Die Versuchsanordnung war die oben beschriebene. Die einzelnen Präparate in diesen und den übrigen Experimentalreihen wurden in Mengen von 100°" Flüssigkeit einverleibt, soweit sie Infuse waren. Das Kaffeeinfus wurde aus 108m oebrannter Kaffeebohnen, das Theeinfus aus 3°” Thee, das Mateinfus aus 108m Mate hergestellt. Von letzterem wurde nicht der erste Aufguss, sondern der zweite benutzt. Alkohol wurde in der Menge von 10 «= zu 100° m Wasser genossen. Alle Getränke wurden durch eine Spur Dulein versüsst und es wurde durch ein Kaffeefärbungsmittel eine bestimmte Färbung erzeugt. Zu den Control- versuchen erhielt die Versuchsperson nur 100° Wasser zu trinken, ge- süsst mit derselben Menge Dulcin und gefärbt mit demselben Färbemittel. Coffein löste ich gleichfalls in 100m Wasser, versetzt mit Dulein und dem Färbemittel. Die Flüssigkeiten wurden nach der zweiten Arbeits- periode gereicht oder, bei den Versuchen mit eingeschalteter Dreharbeit, nach dieser. Durchmustern wir nun nach diesen allgemeineren Vorbemerkungen die Tabellen unter Nr. II (Kaffee), so finden wir dabei folgende Resultate. Kaffeegenuss steigert sowohl in der Ruhe, wie nach vorausgegangener Arbeit die Leistungsfähigkeit. Besonders in der Ruhe tritt diese Thatsache in die Erscheinung, also in den Versuchen, bei welchen keine Dreharbeit geleistet wurde. Ein Blick auf Tab. II und III (Kaffee) lehrt, dass die vermehrte Leistung bei Kaffeegenuss sowohl auf genuine Muskelarbeit als auch auf eine Ueberwindung des Ermüdungsgefühls zu beziehen ist. BEDEUTUNG von KoLA U. S. W. FÜR DIE MUSKELN. 297 3. Thee. Aehnliche Resultate wie beim Kaffeeinfus fanden sich auch beim Thee- infus: Die Gesammtleistung steigert sich nach dem Theegenuss, besonders auffällig bei nicht gänzlicher Erschöpfung (Tab. I). Die reine Muskelleistung wird mässig, aber deutlich im Sinne der Vermehrung beeinflusst, aber nicht bei Erschöpfung (Tab. IN). Ebenso wird das Müdigkeitsgefühl besonders dann kräftig unterdrückt, wenn der Körper nicht allzu sehr erschöpft ist, also Nahrungsstoffe zur Verfügung stehen (Tab. III). 4. Mate. Das vom Kaflee und Thee Gesagte gilt auch vom Mate, wie ein Ein- blick in die Tabellen lehrt: Die Arbeitsleistung wird deutlich gewaltig ver- mehrt, zumal wenn keine zu grosse Erschöpfung durch Dreharbeit gesetzt ist (Tab. D). Die Arbeit ohne Energie wird in der Ruhe durch Mategenuss ein wenig vermehrt; ebenso bei Erschöpfung. Auch die Arbeit mit Energiezufuhr (Tab. III) erfährt bei Ruhe eine Zunahme; nach vorausgegangener Dreharbeit nützt Mate allein nicht mehr viel. Dies eigenartige Verhalten der genannten Exeitantien, nämlich nur dann vorzüglich ihre specifische Wirkung zu entfalten, wenn Nahrungsstoffe zu Gebote stehen, erklärt auch die Gewohnheit, dass man zum Kaffeeinfus noch Nährstoffe, wie Milch und Zucker — zugleich allerdings ja auch als Geschmackscorrigens — hinzuzusetzen pflegt, und dass man gerade nach voraufgegangenen Mahlzeiten Kaffee zu reichen gewohnt ist, also zu Zeiten, wo der durch den Kaffee angeregte Muskel auch wirklich Nährstoffe reich- lich vorfindet. Die Wirkungsweise der Anregungsmittel lässt sich nach alledem vielleicht so erklären, dass dieselben den Muskel befähigen, aus den noch eireulirenden Nahrungsstoffen sich reichlicher seinen Bedarf auszusuchen. Sind indess z. B. durch die Dreharbeit diese Stoffe ganz oder fast ganz aufgebraucht, so ist natürlich die Anregung der Mittel nutzlos. Inwieweit das Verhalten des Muskels auf das Nervensystem zu über- tragen ist, ob auch das Neuron besonders dann zu hervorragenden Leistungen durch den Genuss von Kaffee u. s. w. angeregt wird, wenn ihm zu gleicher Zeit Nährstoffe, sei es im Verdauungskanal, sei es in den Körpersäften, zu Gebote stehen, wage ich nicht ohne Weiteres zu entscheiden. Jedenfalls 298 SCHUMBURG: erscheint von diesem Gesichtspunkte aus eine Combination von Kaffee mit dem am schnellsten resorbirbaren Zucker als geeignetstes Erfrischungsmittel angezeigt. 5. Coffein. Wenn wir statt des Kaffeeinfuses das Alkaloid des Kaffees, das Coffein, in Dosen von 0-1” gaben, so konnten wir (Tab. I) beobachten, wie das oben beim Kaffeeinfus geschilderte Verhalten in noch viel präciserer Weise sich geltend machte: Bei nicht erschöpftem Körper, also bei reichlich vor- handenen, leicht zu erlangenden Nahrungsstoffen, eine deutlich und aus- nahmslos zu beobachtende Steigerung der Muskelleistung, bei voraus- gegangener maximaler Dreharbeit ein gänzliches Ausbleiben dieser Wirkung. Coffein wirkt auch vermehrend auf die einzelnen Theile der Leistung (Tab. II und III), aber immer nur beim Vorhandensein von Nahrungs- stoffen. Dass der Unterschied zwischen der Wirkung bei erschöpftem und bei nicht erschöpftem Organismus beim Coffein deutlicher zu Tage tritt, als beim Kaffeeinfus, mag darin seinen Grund haben, dass im Kaffeeinfus immer noch, wenn auch geringe Mengen von Nahrungsstoffen (Fett, N-freie Extractivstoffe) sich vorfinden, welche die Einwirkung compliciren. Diese Stoffe fehlen natürlich dem Coffein und es tritt deshalb der Mangel einer erhöhten Leistung beim Fehlen von Nahrungsstoffen (nach voraufgegangener Dreharbeit) besonders auffällig hervor. 6. Alkohol. Beim Vorhandensein von Nahrungsstoffen steigerte in meinen Versuchen eine mässige Alkoholgabe (10 °°®) die Leistung (Tab. I); waren solche nicht da, so fehlte auch diese Steigerung, ja, die Leistungsfähickeit der Muskeln schien fast geringer zu werden. Hiernach war es fraglich, ob Alkohol durch seine einfache Verbrennung Muskelarbeit zu leisten im Stande ist. Auch die genuine Muskelleistung (Tab. U) wird durch Alkohol ver- mehrt, aber auch diese nur dann, wenn Nahrungsstoffe im Blute eirculiren. Man könnte deshalb die Wirkung des Alkohols vielleicht, gleich wie die- jenige der vorher abgehandelten Excitantien, als eine zur Nahrungsaufnahme anregende auffassen. — Die Energiezufuhr (Tab. III) wird durch eine Alkoholgabe von 108% ganz gewaltig gesteigert, aber wieder nur im Falle der Anwesenheit von Nahrungsstoffen. Fehlen solche, dann fehlt auch die vermehrte Leistung. BEDEUTUNG Von KoLA U. 8. w. FÜR DIE MUSKELN. 299 Die durch Alkohol bewirkte Steigerung der Leistung hält nicht lange vor. In unserem Versuche war schon bei der achten Arbeitsperiode der Erfolg zweifelhaft. Als praktisches Ergebniss dieser Versuche könnte man bezeichnen: 1. Die Kaffee-, Thee-, Mateinfuse und wahrscheinlich auch die aus der Kolanuss hergestellten Extracte (namentlich die Bernegau’schen Präparate) wirken bei völlig erschöpftem Körper durchaus nicht anregend; nur, wenn noch Nahrungsstoffe (Kohlehydrate, Fette, Eiweisskörper) vorhanden sind, oder in Form von Zucker oder Milch zugleich eingeführt werden, tritt die excitirende Wirkung jener Mittel zu Tage. 2. Alkohol scheint nicht ein Nahrungsstoff wie die Kohlehydrate zu sein, welche durch ihre Verbrennung Arbeit leisten. Der Alkohol ist viel- leicht mehr in die Reihe der erwähnten Excitantien zu verweisen, welche wirken, wenn zugleich Nahrungsstoffe im Vorrathe sind. 300 SCHUMBURG: L Dreharbeit j en Arbeit am Ergographen 2 ahl der 5 ee ste ine 1 2 | ungen in mkg 3 Tabelle 17. Januar | 10°-1—29:3 | 10-6—100 9.7— 89:9 19 33-0—67-1 |39-2—100 Di siec. | 37.9-10188 210, 33-7— 70.6 | 60-1—100 ı Dulein + Wasser 33-1—902 DA 32-3—81-2 | 33-0—100 ‚serm Hxtr.colae siec. Bern. 41-1— 14:0 26. „| 84-4—60-7 | 39-3—100 Dulein + Wasser 34-6760 DIN, 41°0-114*1 | 41-7—100 5erm Hxtr. colae sicc. Bern.| 53 -6-116°1 Slaalarr 30-7—57-6 | 44:7—100 Dulein + Wasser 54-0 77-1 2. Februarı 493-1791 | 24-8—100 desgl. 44 6-120*6 A 45-5-182-9 55-0100 | desgl. 64-0-119-9 5 | 32-.0—45-.2 | 39-2 —100 | desgl. 25.3— 95:8 B 19-7—58-8 | 27:7— 100 j5s"m Extr.colae siec. Bern.| 22-0961 11. „| 20-4—50-3 |33-8—100 Dulein + Wasser | 29-5993 Id.0e 26°8—54:6 | 23-8—100 \5 rm Extr.colae sice. Bern.| 33-7-101*9 Ib a: 24-9—65-0 | 32-7 —100 | desgl. 22-9 — 88.) jr 27-9—43-8 | 30-4—100 | desgl. 36-7— 98-2 2m; 17:9— 27-8 | 39-2 — 100 desgl. 37:9— 90-3 23. „» | 24-7—62-3 |81-4—100| desgl. 34-7— 96-4 15. Septbr. | 36-7—84-2 |49-2—100 | 1200 18 000 Dulein 36 -6—62+4 26.0, | 46°9— 96-4 48-3—100 | 1200 18 000 ern Extr. colae siee. Bern. 39-7 —89:2 5. October 39-5—73-8 52-6—100 | 1200 21600 Dulein 60-9 — 99-6 1. u | 97-3—90-3 |86-2—-100| 1200 | 21600 | Kola ı 33- 7-11 342 735, 38-5—88-5 |42-1—100 | 1200 21 600 | Dulein 30:2 — 86.3 Tabelle 17. Januar | 10-1 10-6 9-7 19225 | 33-0 39-2 5erm Extr. colae Bernegau, 37-9 2137 25, 33-7 60-1 Dulein 33-1 ZERER 32-3 I 83:0 5m Extr. colae Bernegau, 41-1 eye | 39-3 | Dulein 34-6 292;; | 41-0 | 47 | 5erm Extr. colae Bernegau 53-6 Bea son 447 | Dulein 54-0 2 Februar 49.3 | 24-8 | | Dulein 44:6 A | 45.0 55=0 Dulein 64-0 To | 2282-0) 08 39:2 Dulcin 253 | er | 19-7 27-7 5erm Extr. colae Bernegau 22-0 | BEDEUTUNG vOoN KoLA UT. S. W. FÜR DIE MUSKELN. 801 Kola Arbeit am Ergographen 4 u 7 a Zee 10 1. 8-8-80-:1 | 7-5—38-0 | 1:3—34-6 | 7-2—20-4 | 5-44 7 | 5-9—19-3 | 3-8—16-1 42-2-138-0 | 32-8-142-7 | 33-.4—97-1 | 30-0-100-7 | 28-2—73-2 | 25-0—65-9 | 26-7—83-0 39-8-130-0 | 28-9—67-1 | 22-6—53-1 | 22-5—88-9 | 28-1—48-3 | 17-7—44-5 | 18-6—50-1 57-3-125-5 | 44-8—81-8 | 41-3—89-3 | 30-0-113-8 | 25-0-123-9 ı 23-9—69-9 | 25-2—70-4 48-5-139-9 | 35-1-135-0 | 27-1—66-7 | 30-9611 | 27-4—82-3 | 24-0—58-7 | 22-8—61+5 47-3-116*3 | 51-8-129-S 51:5-123-4 | 51-5-106-4 55-5-124-2 | 52-5-108-3 , 50-6—86-4 47-4—82-6 | 39-1— 73-4 | 30-5—66-5 | 34-3—50-0 | 23-3—54-3 | 19-0—40-5 | 15-8—39-0 36-7-103-2 | 44-2-123-4 | 42-1-119-1 | 36-8—83-8 | 36-4— 84-3 | 31-8—73-9 | 26-4— 73-4 61-4-120-0 | 60-2-116+0 | 60-2-111+6 | 59-8-116-4 | 53-3—99-5 | 47-9—84-1 | 44-6—88-6 49-9-102-0 | 32-1—96-7 | 47-0-102-4 466-952 | 44-3—97:0 | 40-2—98-2 | 39-4—92-1 42-2-113-2 | 51-2-119-1 | 47-8-108-8 | 35-0-100°0 | 34-0-104-1 | 33-4-104-8 | 32-8-104-2 35-2—91-9 | 41-5-110-0 | 37:2—90-4 | 29-6—90-2 | 28-8—92-4 | 29-1—80-5 | 26-9—78+7 38-1-108-7 | 44-7—99-8 | 48-5—92-9 | 32-3—75-3 | 28-2— 74-8 | 27-1—77-3 | 26-4—68-5 40-1—82-6 | 55-7—95-6 61-5-115-4 | 63-7-123-5 | 61-4-115-4 | 60-3-112-0 | 46-2—98-2 35-8-106-1 | 77-6-120-6 | 56-0-152-5 | 50-1-143-0 | 48-2-106°9 | 67-1-112-2 | 48-5— 94-8 42-9—85-3 | 54-5-107°9 | 37-4—98-6 | 38-4-110-5 | 55-4-111-7 | 53-6-115-5 | 63-0-123-8 35-6-104-3 | 60-5-111-4 | 58-2-110-3 | 57-3-110-2 59-4-106-4 | 52-6-105-3 | 48-7—99-6 44-3—91-3 44-2—83-7 | 44-3—84.0 25-1785 | 24-6—80:9 | 24-7663 | 243654 49-6-100-5 | 51-7-112-8 | 51-5-111-1 | 55-3-114-0 | 46-0-111-2 | 44-5-102-4 | 38-0—82-7 45-2—81:0 | 39-4—82-3 | 37-6—68-8 | 21-7-70-6 | 28-1—48-9 | 31-5—59-8 | 18-4—37-8 32-5—93-0 | 51-7—82-9 | 43-0—84-9 | 45-4—93-8 | 42-0— 72-4 | 50-9—82-2 | 41-2—66-4 34-1—82-7 | 47:3—99-3 | 48-6—80-3 | 32-6—79:2 | 34-2—79-9 | 38-2—83-7 | 30-5—58-8 I. 8-8 75 | 7:3 72 5+4 5-9 3-8 42-2 32:8 | 833-4 30-0 28-2 25-0 26-7 39:8 23-9 | 22-6 22-5 28-1 17-7 18-6 57-3 448 41-3 | 30-0 25-0 23-9 25-2 48-5 351 | 271 30-9 27-4 24:0 22-8 47:3 511-8 | 515 51-5 55-5 52-5 50-6 47-4 391 | 80-5 34-3 23-3 19-0 15-8 36-7 42 | 44 36-8 36-4 31-8 26-4 61-4 60:2 | 60-2 59-8 53-3 47-9 44-6 49:9 32-1 470 466 44-3 40*2 39-4 42-2 51-2 47:8 35-0 34-0 33-4 32-8 \ | 302 SCHUMBURG: 1. Dreharbeit Datum Seh ann Dr erpien /ahihder geleistete Eingeführt wurde Um- Arbeit 1 2 drehungen| in mkg 3 Tabelle I. 11. Februarı 20-4 33-8 Dulein 29-5 A: 26-8 23-8 5erm Extr. colae Bernegau 33-7 16. 24-9 32-7 desgl. 22-9 18.56, 27-9 30-4 desol. 36-7 21.7 , 17-9 39-2 .desgl. 37-9 233 24-7 31-4 desgl. 34-7 15. Septbr. | 36-7 49-2 1200 18 000 Dulein 36-6 DE 46-9 48-3 1200 18000 Sem Extr. colae Bernegau 39-7 5. Octbr. 89*5 52-6 1200 21 600 Dulein 60-9 Ua es 27-3 36-2 1200 21600 55m Extr. colae Bernegau 33-7 INSz 38°5 42-1 1200 21 600 Dulein 30.2 | Tabelle 17. Januar| 19-2 89-3 80.2 19:45 34:0 60-7 5srm Extr. colae Bernegau 63-2 2 36:9 39-8 Dulein 57.0 24. ,„ 48-8 66-9 5srm Kxtr. colae Bernegau 3956 De 26-3 60:6 Dulein 41-3 29.02, 73-1 58.2 5srm Extr. colae Bernegau 62-5 Sl 26-9 55-2 Dulein 23-1 2. Februar, 129-7 75-1 desgl. 75-9 ” 137-3 45-0 desgl. 55.8 Ar. 13-2 60-7 desgl. 70-5 > 39-1 1203 5erm Extr. colae Bernegau 74-0 ler; 29.9 66-1 Dulein 69-8 Are; 21T 76-1 5erm Extr. colae Bernegau 68-2 1} 40-0 67-2 desgl. 6 NER 15-9 69-5 desgl. 61-4 Di, 9-9 60-7 desgl. 52-4 DD 37-6 68-6 desgl. 61-6 15. Septbr. 47-5 50-8 1200 18 000 Dulein 25.8 262m; 49-5 51-7 1200 18000 58m Extr. colae Bernegau 49-5 | 5. Octhr. | 34.3 47-4 1200 21 600 Dulein 38-7 RS 63-8 1200 21 600 58m Extr. colae Bernegau 77-8 | ıb er 50-0 57-9 1200 21 600 Dulein 56-1 BEDEUTUNG VON KoLA U.S. w. FÜR DIE MUSKELN. 303 Kola. Arbeit am Ergographen 4 | 5 | 6 X 8 9 10 (Fortsetzung.) 352 | 465 37-2 296 | 28.8 29-1 26-9 28-1 44-7 43+5 32-3 28-2 27-1 26-4 40-1 55-7 6568-7 61-4 60-3 462 35-8 77-6 56.0 | 501 48.2 67-1 48-5 42-9 54-5 3T-A | 38-4 55-4 53-6 63-0 35-6 60-5 58-2 57-3 59-4 52-6 48-7 44*3 44*2 44+3 25-1 24-6 24-7 24-3 49-6 31-7 | 515 55-3 46:0 | 445 38-0 452 | 39-4 37:6 21-7 28-1 - | 31-5 18-4 325 | 517 43-0 45-4 420 50-9 41+2 341 | 473 | 486 32-6 34-2 332 | 3065 II. 1a | 2385 | 273 13-1 19-2 13-4 12-3 95-7, 109-9 63-6 70-7 45-6 40-8 56-2 90-2 | 38.2 30-5 16-3 20-2 26-8 31-5 68-1 | 37.0 | 47-9 83-7 98-8 45°9 45*2 91-3 99-9 39-6 30-1 54-9 34-7 38-8 69+0 78-0 71-9 54-9 68-6 50-8 35-8 35-2 34-3 36-0 13-7 31:0 21°5 23-2 66-5 79-1 77-2 47-0 47-9 42-1 46-9 59:5 | 55-8 51-4 56-5 46°2 36-2 43-9 52-1 64-6 55-4 48-5 52-7 58-0 52-7 710 67-9 61-0 64-9 70-1 71-3 71-4 56+5 68-5 53-2 60-6 63-5 50-3 51-8 70-6 55-0 49-3 42-9 46*5 50-1 42-0 42-5 39-9 53-8 59-7 53-9 51-6 52-0 70-2 42-9 96-4 92-8 58-7 45-1 46-3 42.4 53-3 612 | 91 56+3 61-9 60-7 68-7 50-8 | 52-0 53-0 46.9 | 52-6 50-8 47:0 39.5 | 897 53-4 56-3 41-6 41+1 50-9 61-1 | 59-6 58-7 65-2 57-9 44-7 35-9 29 | 31.2 48-9 25-8 28-3 19-4 62-5 31-2 41.9 | 484 |) 80-4 31-3 25-2 48:6 52-0 31-7 466 | 45-7 45+5 28-3 304 SCHUMBURG: 2%. ! Dreharbeit # Datum ee, Zahl der | geleistete | Eingeführt wurde | N 9 Um- ‚Arbeit | 3 5 KiWe?r drehungen in mkg | Tabelle 16. April | 36-1—96+0 | 46-4—100 | Inf. coffeae e 108m | 90-1-149-8 Alb | 36°-2—76-:5 36-4—100 Dulein 38-3— 91-5 22 | 37:7— 97:0 | 50:9—100 desgl. 36-6—67°5 2 33:3—71-6 | 37:4—100 Inf. coffeae e 10 8m | 44-9-105-8 DIE 50-3—87:2 | 39-3—100 Dulein | 46-4-100-1 3. Mai 26-4—51-5 | 43-4—100 desgl. 48-1— 91:8 100 49-1— 73-8 | 51-6100 Inf. coffeae e 105m | 63-4-103-8 14. „ |837-9-65-7 | 53-6—100 desgl. 57-9-102-8 14. Juni 38-:6—80-1 | 35:7—100 Dulein 53-3—69+7 16... 55; 53-:6—87:9 | 57:0—100 Inf. coffeae e 10 2m | 66-1-102-5 15. Septbr.| 36-7— 84-2 | 49-2—100 1200 18 000 Dulein 36.6—62-4 11. October | 38-5— 88-5 | 42-1—100 1200 18 000 desgl. 30:2— 863 14 7%; 50:7—86-8 | 58-9—100 1200 21 600 Inf. coffeae e 108m | 58.2-103°0 Kr, 56-0-104-5 | 52-0— 100 1200 21 600 Dulein 56.3— 99:6 Tabelle 16. April 36-1 46-4 Inf. coffeae e 10 8” 90-1 20. 5 36-2 36-4 Dulein 38-3 Dar 377 50-9 desgl. 36:6 26. |, 33-3 37-4 | Inf. coffeae e 10 3” 44.9 2: 50-3 39-3 Dulein 46-4 3. Mai 26-4 43-4 desgl. 48-1 10... 5 42-1 51-6 Inf. coffeae e 10 8m 63-4 1: Bar: 37-9 53-6 desgl. 57-9 14. Juni 38-6 35-7 Dulein 53+3 16: 0% 53-6 57-0 Inf. cofieae e 10 2m 66-1 15. Septbr. 36-7 49-2 1200 18 000 Dulein 36-6 11. October 38-5 42-1 1200 21 600 desgl. 30-2 IA, 50-7 58-9 1200 21 600 Inf. coffeae e 10 gm 58-2 325 56-0 52-0 1200 21 600 Dulein 56*3 Tabelle, 16. April 59-9 53-6 Inf. coffeae e 10 3m ri 20 5 40-3 63*6 Dulein 53.2 Do 59-3 49-1 desgl. 30-9 26... vs 38-3 62-6 Inf. coffeae e 10 8m 60-9 Ah 36-9 60-7 Dulein 53-7 3. Mai 25-1 56-6 desgl. 43-7 0m 31-7 48-4 Inf. coffeae e 10 sm 40-4 14.825 278 46-4 desgl. 44:9 14. Juni 41-5 64-3 Dulein 16+5 16 34-4 43-0 Inf. coffeae e 10 sm 36-3 15. Septbr. 475 50-8 1200 18 000 Dulein 25:8 11. October 50.0 57.9 1200 21 600 desgl. 56-1 1 36-1 41-1 1200 21 600 Inf. coffeae e 10 Em 44-8 I, 48-5 48-0 1200 21 600 Dulein 43-3 BEDEUTUNG voN KoLA UV. S. W. FÜR DIE MUSKELN. 305 Kaffee. Arbeit am Ergograpben 4 ne a er: 10 14 68-1-101-4 | 49-9— 98-4 | 53-6—98-0 | 67-4-105-4 | 48-3—96-0 | 39-7T—80-6 | 24-8—69-5 41-2 77-5 | 21:8 58-8 | 22-7—44-8 | 23-8—46-2 | 19-5—47-8 | 20-1—41-2 | 18-8—38-6 42.5—69-7 | 30-6—52-1 | 86-8—54-7 | 29-9543 | 33-1— 56-8 | 30-7—49-9 | 27-3—47-5 60-2-113-8 | 7O-4-111-1 | 66-9— 97-8 | 55-5—84-9 | 54-9—82-4 | 80-1—64-8 | 36-2—66-2 88-1-80-1 | 31-7—78-7 | 30-3—59-1 | 29-8—59-3 | 27-1—53-6 | 26-3—51-5 | 24-7—49-4 59-3—89-5 33-8—54-4 | 36-4—52-0 | 34-3—61+1 | 35-5—53-9 | 30-7—57°9 | 30-7--57-5 66-7-105-4 | 64-9-116-2 | 67-3—98-8 | 59-8—99-6 | 56-9—84-7 | 42-972-6 | 41-6—68-4 61-3-107-9 | 60-8-104-6 | 61-1— 94-2 | 52-4—89-1 | 53-3— 76-4 | 42-1— 72-1 | 42-0—64-2 42-0—71-1 | 30-2—48-5 | 36-6—59-8 | 31-4—45°1 22-5—37-02| 28-2—839-9 | 22-1—38-1 71-7—93-6 | 64-8-121-0 | 62-6—85-4 | 64-8-105-1 | 67-8-106-0 | 52-7—64-8 | 48-4— 78-5 4391-3 | 44-2—83-7 | 44-3—84-0 | 25-1— 78-5 | 28-6—80-9 | 24-7—66-3 | 24-3—65-4 34-1—82-7 | 47-3—99-3 | 48-6—80-3 | 32-6792 | 34-2—79-9 | 38-2—83-7 | 30-5—58-8 59-9-101-8 | 46-5-104-1 | 51-4-115-9 | 49-2-108-0 | 37-9-101-3 | 86.7—90-6 | 33-3—88-2 41-873 | 42-0— 87:9 | 42-8— 81-7 | 36-4—82-6 | 86-9—86-5 | 89-4—82-8 | 35-5—80-7 m 68-1 49-9 53-6 67-4 48-3 39-7 24-8 41-2 21-8 22T 23-8 19-5 20-1 18-8 42-5 306 36+8 29-9 33-1 30-7 27-3 60-2 70-4 69 5 54-9 30-1 36-2 38-1 31-7 30.3 | 29-3 27-1 26-3 24-7 58-3 33-8 36-4 34-3 35-5 30-7 30-7 66-7 64-9 67-3 59-7 56-9 42-9 41-6 61-3 60-8 61-1 52-4 53-3 42-1 42-0 42.0 30.2 36.6 | 31-4 22-5 28-2 22-1 71-7 64-8 626 064-8 67-8 52-7 48-4 44-3 42 43 | 251 246 247 24:3 34-1 47-3 486 | 8326 | 342 38-2 30-5 59-9 46-5 514 | 92 | 8379 36-7 33-3 45-1 42-0 42-8 36.4 036-9 39-4 35-5 I. 33-3 48-5 44-4 38-0 47+7 40-9 44-7 36-3 37-0 22-1 24 | 283 21-1 19-8 27-2 21+5 17-9 24-4 23-2 192 | .20-2 53-6 40-7 30-9 29-4 27-5 34-7 30-0 42-0 47-0 28-8 30-0 26-5 25-2 24-7 31-2 20-6 15-6 26-8 18-4 27-2 26-8 38-7 51-3 31-5 3.8 | 27-8 29-7 26-8 46-6 43-8 33-1 36-7 | 2381 30-0 42.2 29-1 18-3 23-2 13-7 | 145 11-8 16-0 21-9 56+2 22-8 40-3 38-2 12-1 30-1 7-0 39-5 39-7 53-4 | 56-3 41-6 41-1 48-6 52-0 31-7 46.6 | 45-7 45+5 28-3 41-9 57-6 64-5 53-8 | 68-4 53-9 54-9 42.2 45-9 38-9 46-2 | 496 43-4 45°2 Archiv £. A.u.Ph. 1899, Physiol. Abthlg. Suppl. 20 « 306 SCHUMBURG: | Arbeit am Ergographen | DPrebarbeit | Datum | Zahl der | geleistete | ingeführt wurde | | Um- Arbeit | 1 2 drehungen | in mkg | 3. Mai 26-4—51-5 | 48-4—100 Delen 1a 30-4—64-8 | 43-4—100 Thee 0. 33-.6—63-4 | 46-5 —100 Infus. theae 14. Juni 38-6— 80-1 | 35-7 —100 Dulein Do 44-5—70-1 | 51-3—100 Tihee Da: 41-4—64-2 | 52-3—100 desgl. 5. October | 39-5-—73-8 | 52-6—100 | 1200 21 600 Dulein DO us 52-3-109-1 | 59-5—100 | 1200 21 600 desgl. 3. Novbr. | 49-4—97-0 | 50-9—100 | 1200 21 600 Thee Da! 49-4-113-4 | 55-4—100 | 1200 21 600 Dulein 3. Mai 26-4 43-4 Dulein OR 30-4 Aye Ad Thee 20,08:5 33-6 46°5 desgl. 14. Juni 38-6 35+7 Dulein 20005; 44-5 51*3 Thee | An 41-4 52-3 desgl. | 5. October 39-5 52-6 1200 21 600 Dulein | RE 593 59-5 1200 21 600 desgl. 3..Novbr. || 49-4 50-9 1200 | 21600 Thee a 49-4 55-4 1200 21 600 Dulein 3. Mai 25-1 56-6 | Dulein 413 Tu 1a ara 56 Thee 55-8 20. 128005 rue desgl. 53-3 14. Juni 41-5 643 | Dulein 16-5 DU 25-6 137 | Thee 50-6 Be 22-8 47-7 desgl. 5 5. October 34-3 47-4 1200 21 600 Dulein 38-7 20% 56-8 40-5 1200 21 600 desgl. 34-4 3. Novbr. 47-6 49-1 1200 21 600 Thee 66-9 25 64-0 446 1200 21 600 Dulein 43-5 BEDEUTUNG VON KoLA U. Ss. W. FÜR DIE MUSKELN. 307 Thee. Arbeit am Ergographen ee ee ve |) 9a |) w l. 59-.3—89-5 | 33-8—54-4 | 36-4—52-0 | 48-3—61-1 | 35-5—53-9 | 30-7—57-9 | 30-7—57-5 61-9-114-4 | 56-8-109-6 | 56-8—94-2 | 52-6—96-1 | 50-5—91-2 | 45-4841 | 40-5—71-2 51-5-104-2 | 51-3—97-3 | 49-4—97-5 | 48-9—84-2 | 41-2—80-2 | 36-3—64-1 | 36-9-—63-8 49-0—71-1 | 30-2—48-5 | 36-6—59-8 | 31-4—45-1 | 22-5370 | 28-2 40-0 | 22-1—38-1 56-6-103-5 | 51-9-101-9 | 47-3—92-6 | 40-4—86-6 | 43-4—87-1 | 41-5—72-3 | 41-2—69-4 56-4-112-4 | 51-8-101-9 36-4—96-4 48-5—98-1 45-6-68-8 | 36-8—69-4 | 36-1—65-2 45-9 81-1 | 39-4—82-3 | 37-6--68-8 | 21-7—70-6 | 23-1—48-9 | 31-5—59-8 | 18-4—37-8 62-9-117-5 | 48-5—98-1 44-1—98-1 | 40-6—85-2 | 37-5--69-8 | 37-0—67-9 | 38-5—45-9 41-0-105-5 | 41-2—97-6 | 43-4—98-6 | 54-5-111-3 | 43-2—88-6 | 37-6 84:0 | 45:2—92-4 42-3—90-0 | 47:4—86-9 | 52-0- 91-8 | 41-4—82-7 | 36-5—73-2 | 34-9—70-3 | 31-0—59-6 18 5833| 88-8 36-4 | 43-3 | 355 | 80-7 30-7 61-9 56-8 56-8 | 59-6 50-5 | 454 40-5 51-5 51-3 49-4 48-9 41-2 36-3 36-9 42-0 30-2 36-6 31-4 22-5 28-2 22-1 56-6 51-9 47-3 40-4 434 | 45 41-2 56-4 51-8 364 | 485 86 36-1 52 | 39-4 37.6. | 21-7 231 | 831-5 | 184 62-9 48-5 44-1. ı | 100 40:6 37-5 37-0 38-5 47-0 41-2 43-4 54-5 32 | 376 | 452 42-3 47-4 52-0 41-4 365 | 39 | 310 OL 31-2 20-6 156 | 26-8 | 18-4 27-2 | 26-8 52-5 52-8 37-4 | 43-5 | 407 88-7 |. 30-7 52-7 46-0 a1 | 35-3 39-0 1-8 26-9 29-1 18-3 232 | 187 14-5 11-8 16-0 46-9 50-0 53 | 462 43-7 30-8 28-2 56-0 50-1 60-0 49-6 23-2 32-6 29-1 35-9 42-9 312 | 48-9 25-8 28-3 19-4 54-6 49-6 49-0 | 446 32-3 30-9 7-4 58-5 56-4 552 156-8 45-4 46-4 47-2 47-7 39-5 39-8 41-3 26-7 34 | 286 308 SCHUMBURG: Arbeit am Ergographen Dreharbeit Datum | ee Be Eingeführt wurde | 1! | 2 drehune ID: E | | 3 - | , drehungen | in mkg Tabelle) 28. April | 50-3— 87.2 | 39-3—100 | | Dulcin 46°4-100-1 30.» 156-8—97-2 | 63-8--100 | Mate T5-4-106-1] 3. Mai 26-4—51-5 | 43-4—100 | Dulein 48-1918 De 53-6—81-9 | 51-7—100 | | Mate 61-8-112-4 14. Juni 38-6— 80-1 | 35-7 —100 | Dulein 53-3—69-7 18H 35 52-4--86-8 | 61-9100 Mate 72-1-103-4 DIINER 48-5 78-6 | 52-4—100 desgl. 61-5-104-9 DIE ı 24-9—69-2 | 46-3—100 | desgl. 44-1-110-4 8. Juli 38-3—56-1 | 41-3—100 } desgl. 40-6-100-4 5. October | 39-5—73-8 | 52-6—100 1200 21 600 Dulein 60-9—99-6 19: 5 56-0-104-5 | 52-0— 100 1200 21 600 desgl. 56-3—99-6 SL 60-0-112-5 | 56-2—100 1200 21 600 Mat& 63-7-120-4 SUR ER 46-3— 94-1 | 48-9—100 1200 21 600 Dulein 39-9— 84-9 Tabelle | 28. April 50-3 39-3 | Dulein 46.4 | 30RRE 56-3 63-8 Mate 75-4 3. Mai 26-4 43-4 Dulein 48-1 RE 53-6 51-7 Mate 61-8 14. Juni 38-6 37-7 Dulein 53-3 je 52-4 61-9 Mate 72-1 Det 48-5 52-4 desgl. 61+5 ER YE 24-9 46-3 desgl. 44-1 8. Juli 38-3 | 41-3 | desgl. 40-6 | 5. October 39-5 52-6 1200 21 600 Dulein 60-9 19:0, 56-0 52-0 1200 21 600 desgl. 56-3 AB SeN 60-0 56-2 1200 21 600 Mate 63-7 DAhıelz; 46+3 48-9 1200 21 600 Dulein 39-9 Tabelle 28. April 36-9 60-7 Dulein 53*7 30:88 055 40-9 36-2 Mate 30-7 3. Mai 25-1 56-6 Dulein 43-7 Dane 28-3 48-3 Mate 50-6 14. Juni 41-5 64-3 | Dulein 16-5 | LS 34-4 38-1 Mate 31-3 Do 30-1 476 desgl. 43-4 29.2000 443 53-7 desgl. 66-3 8. Juli 17-8 58-7 desgl. 59-8 5. October 34-3 47-4 1200 21 600 Dulein 38-7 1 48-5 48-0 1200 21600 desgl. 43-3 Der 52-5 43-8 1200 | 21600 Mate 56-7 ER 47-8 51-1 1200 | 21600 Dulein 45-0 BEDEUTUNG voN KoLA U. S. W. FÜR DIE MUSKELN. 309 Mate. Arbeit am Ergographen 4 5 6 7 S 10 I. 38-1—80-1 | 31-7— 78-7 | 30-3—59-1 | 29-3—59-3 | 27-1—53-6 | 26-3—51-5 | 24-7—49-4 72-1-106*8 168 4-102-8 | 39-9—87-2 | 41-8—84-4 | 38-6—87-0 | 47-9—85-8 | 42-1— 79-7 58-3—89:5 | 33-8—54-4 | 36-4—52-0 34-3—61-1 | 35-5—53-9 | 30-7—57-9 | 30-7—57-5 64-5-110-8 | 63-4-111-1 | 58-8-105-2 | 54-9—96-4 53-4—86-4 | 44-5722 | 42-8—68-5 42-0— 71-1 | 30-2—48-5 | 36-6—59-8 | 31-4—45-1 | 22-5—37-0 | 28-2—39-9 | 22-1—38-1 73-6-111-4 | 74-1-109-8 | 71-5-107-2 | 64-8—93-8 | 42-5--87-4 | 51-7—76-5 | 48-3—69-6 65-9-112-7 | 68-2-107-8 65.4-102-4 56-8—87-2 | 54-9—88-1 | 43-2—82-1 | 42-3— 78-6 49-1-104-6 | 51-2-105-1 | 50-3-101-4 | 43-.6—84-3 | 40-1— 85-1 | 86-9—76-8 | 34-6—75-1 43-4-103-1 | 51-3—93-3 | 44-9—96-1 | 41-6—87:6 | 41-7—68-4 | 40:9—69-1 | 36-4—62-3 45-2—S1-1 | 39-4—82-3 | 37-6—68-8 | 21°7— 70-6 | 23-1—48-9 | 31-5—59-8 | 18-4—87-8 45.1— 87-3 | 42-0— 87-9 | 42-8—81-7 | 36-4—82-6 | 36-9—86-5 | 39-4—82-8 | 35-5—80 7 61-1-117-2 | 62-3-111-1 | 49-8—93-9 | 48-9-103-9 | 46-2—89-2 | 4T-8- 91-1 | 42-1— 75-4 47-9-101-1 | 46-4— 78-7 | 40-7—87-2 | 46-9—72-8 | 37-8—86-0 | 34-0—69-5 | 33-6—51 0 IT. 38-1 31-7 30-3 29-3 27-1 26-3 24-7 72-1 63-4 39.9 41-8 38-6 47-9 42-1 58-3 33-8 36-4 34-3 35-5 30-7 30-7 64-5 63-4 58-8 54-9 53-4 44*5 42-8 42-0 30-2 36-6 31-4 22-5 28-2 22-1 73-6 74-1 71+5 64*8 42-5 51-7 48-3 65-9 68-2 65.4 56-8 54-9 43-2 42-3 49-1 51-2 | 50-3 43-6 40°1 36-9 34-6 43-4 51-3 | 44:9 41-6 41*7 40-9 . 36-4 45-2 39-4 37-6 21-7 23-1 31-5 18-4 45-1 42-0 42-8 36-4 36-9 30.4 35-5 61 | 63 49-8 48-9 46-2 47-8 42-1 47-9 46-4 40-7 46-9 37-8 34-0 33-6 III. 42-0 | 47-0 | 28-8 30-0 26-5 25-2 24-7 34-7 | 39-4 47-3 42-6 48-4 37-9 37-6 31-2 20-6 15-6 26-8 18-4 27-2 26-8 463 47-7 46-4 41°5 33-0 27-7 25-7 29-1 18-3 23-2 13-7 14*5 11-8 16-0 38-8 35-7 35-7 29-0 449 24-8 21-3 46-8 396 | 37-0 | 280-4 33-2 38.9 | 86-3 55-5 53-9 51-3 | 40*7 45-0 39-9 40-5 59-7 42-0 51-2 46-0 26-7 28-2 25-9 35-9 42-9 31-2 48*9 25-8 28-3 19-4 42.2 45-9 38-9 | 46-2 49-6 43-4 45-2 56+1 48-8 44-1 | 54-0 43-0 43-3 33-3 54:2 32.3 46*5 | 25-9 48-2 | 35-5 17-4 \ | 310 SCHUMBURG: 5 | | Dreharbeit | Arbeit am Ergographen £ N Datum Zahl der | geleistete Fingeführt wurde Um- Arbeit 1 2 drehungen in mkg 3 Tabelle | 3. Mai 26-4—51-5 | 43-4—100 Dulein 48-1—91-8 18 39.1—68-9 | 43-4—100 0-15m Coffein | 48-1-121-1 ENDE, 34-8—69-1 | 35-4—100 desgl. 52-3-112-6. 14. Juni |838-6—-80-1 | 35:7—100 Dulein 53-3—69-7 5. Juli 43-6—63-9 | 54-4—100 0-1erm Coffein | 51-3-107-6 a 24-3—69-1 | 43-1—100 desgl. 43-1-104+5 | 5. October | 39-5—73-8 | 52-6-100 | 1200 21 600 Dulein 60-9—99-6 | u; 38-5—88-5 | 42-1—100 | 1200 21 600 desgl. 30-2 86-3 1 44-9—90-1 | 57-5100 | 1200 21 600 0-1em Coffein | 36-3 74-8 19° 5, 56-0-104-5 | 52-0—100 , 1200 21600 | Dulein 56-3—99-6 Tabelle | 3. Mai 264 | 48-4 Dulein 48-1 ISSn: 39-1 43-4 0-18m Coffein 48-1 DH Eu 34-8 35-4 desgl. 52-3 14. Juni 38-6 35-7 Dulein 53-3 5. Juli 43-6 54-4 0-15m Coffein 51-3 1988 24-3 43-1 desel. 43-1 5. October 39-5 52-6 1200 21 600 Dulein 60-9 a 38-5 42-1 1200 21 600 desgl. 30-2 1 44-9 57-5 1200 21 600 0-1srm Coffein. 36-3 19. 56-0 52-0 1200 21 600 Dulein 56-3 Tabelle 3. Mai 25-1 56-6 Dulein 43-7 Is 29-8 56-4 0-18m Coffein 73-0 De 343 | 646 desgl. 60-3 14. Juni 41-5 | 64-3 Dulecin 16-5 5. Juli 20-3 | 45-6 0-18m Coffein 56-3 at 4.38 | 56-9 desgl. 61-4 5. October 34-8 47-4 | 1200 21 600 Dulein 38-7 Tre 50-0 57-9 | 1200 | 21600 desel. 56-1 17, 45.2 42-5 1200 21 600 0.18 Coffein 36-5 ort 48-5 48-0 1200 21 600 Dulein 43-3 BEDEUTUNG von KoLA U.S. W. FÜR DIE MUSKELN. ll Coffein. Arbeit am Ergographen 4 5 | 6 1 8 9 10 I. 58-3—89-5 | 33-3— 54-4 | 36-4—520 | 34-3—61-1 | 35-5—53-9 | 30-7—57-9 | 30-7—57-5 68-4-136-3 | 71-9-142-4 | 69-8-134-2 | 56-7—96-8 | 47-8974 | 46-8—84-2 | 45-9—83-6 61-1-118-4 | 49-5-104-5 | 52-1-116-4 | 52-3-105-6 | 46-9-—84-5 | 45-6—82-1 | 48-4 76-4 42-0— 71-1 | 30-2—48-5 | 36-6—59-8 | 31-4—45-1 | 22-5—37-0 | 28-2—39-9 | 22-1—38-1 61-4-112-6 63-6—99-4 | 49-5-109-4 | 52-3—96-8 | 52-1— 95-3 | 41-7— 76-1. | 40-9— 75-6 48-4-115-1 | 51-3-106+3 | 46-:4—97-6 | 46-1—91-3 | 39-5—92-1 | 36-9—68-4 | 36-6—68-2 45-2811 | 39-4—82-3 | 37-6—68-8 | 21-7—70-6 | 23-1—48-9 | 31-5—59-8 | 18-4—87-8 34-1827 | 47-3—99-3 | 48-6—80-3 | 32-6—79-2 | 34-2—79-9 | 38-2—83-7 | 30-5—58-8 86-1—59-9 | 27-6—57-5 | 30-0548 30-.1—69-6 | 32-9—65-1 | 27-4—65-2 | 33-7—62-1 45-1873 42-0—87.9 42-8—81°7 | 36-4—82-6 | 36:9—86-5 | 39-4—82-8 | 35-5—80-7 MI. 58-3 33-8 36-4 34-3 35-5 30-7 30-7 68-4 71-9 69-8 56-7 47+8 46*8 40-3 61.1 | 495 52-1 52-3 46°9 45-6 43-4 42-0 | 30-2 36+6 31-4 225 28-2 22-1 61-4 63-6 49*5 52-3 52°1 41-7 40-9 48.4 | 513 46-4 46-1 39-5 36-9 36+6 45*2 39-4 37-6 21-7 23-1 31-5 18-4 31 | 47-3 48-6 32-6 34-2 38-2 30-5 26-1 27-6 | 30.0 30-1 32-9 27-4 33-7 45*1 42.0 | 42-8 36-4 36-9 39-4 35-5 III. 31-2 20-6 15°6 26-8 18-4 27-2 26-8 67-9 70-5 64-4 40-1 49+6 37-4 37-7 57-3 55-0 64-3 53-3 37-6 36-5 33-0 ° 291 | .183 23.2 13-7 14*5 11-8 16-0 31-2 | 358 59-9 a te 34-4 34-7 66-7 55-0 51-2 a2 | 596 31-5 31-6 35-9 42-9 31-2 48-9 25-8 28-3 19-4 48-6 52-0 31-7 46-6 45-7 45+5 28-3 33.8 29-9 24-3 39-5 32-2 37-8 28-4 42-2 45-9 38-9 46*2 49-6 43-4 45-2 312 SCHUMBURG: j 6.\ nn | | Arbeit am Ergographen | 2 ee a | Datum | | a: en ' Eingeführt wurde | - j | | 1 | 2 drehungen | in mkg | 3 | Tabelle 3. Mai 26-4—51-5 | 43-4—100 Dulein 48-1-91-8, sh 57-8—89-1 | 60-1100 108m Alkohol | 91-6-152-6. OR 46:7—82-4 | 52-8—100 desgl. 94-2-134-4 14. Juni 38-6—80-1 | 35-7—100 Dulein 53-3—69-7. 29. October | 52-3-109-1 | 59-5100 1200 21 600 desgl. 62-0 - 96-4 1. Novbr. | 45-9—88-5 | 51-4—100 1200 21 600 108m Alkohol | 27-6—83-2| Be 49-4-113-4 | 55-4—100 1200 21 600 Dulcin | 54-1—97-6) | Tabelle 3. Mai 26-4 43.4 Dulein 48-1 beIE, 57-8 60-1 102m Alkohol 916 1%, 46+7 52-8 desgl. 94-2 14. Juni 38-6 35-7 Dulein 53-3 29. October 52-3 95-5 1200 21 600 desgl. 62-0 1. Novbr. 45-9 51-4 1200 21 600 10: m Alkohol 27.6 © Do 49-4 55-4 1200 21 600 Dulein u Tabelle 3. Mai 25-1 56-6 Dulein 43-7 Du, 21-3 39-9 10m Alkohol 61-0 Te 35-7 47-2 desgl. 40-4 14. Juni 41°5 64-3 Dulein 16-5 29. October 56-8 405 1200 21 600 desgl. 34-4 1. Novbr. 42-6 48-6 1200 21 600 10:m Alkohol 55-6 ER; 64-0 446 1200 21 600 Dulein 43-5 BEDEUTUNG voN KoLA U.S. W. FÜR DIE MUuskELn. 313 Alkohol. Arbeit am Ergographen 4 5 6 | 7 S 9 10 iR 58-3—89-5 | 33-8—54-4 | 36-4—52-0 | 34-3—61-1 | 35-5—583-9 | 30-7—57-9 | 30-7—57-5 61-6-111-2 | 58-9-113-3 | 67-8-109-7 | 53-7—94-3 | 51+7— 82-5 | 46-9 65-4 | 44-3—62-4 94-2-141-2 | 62-7-112-0 | 63-5-106-8 | 52-2—-91-8 | 48-3—86-1 | 48-2—-67-7 | 40-1—62-4 42-0 —T1-1 | 30-2 —48-5 | 36-6—59-8 | 31-4—45-1 | 22-5370 | 28-2—39-9 | 22-1—38-1 62-9-1175 | 48-5—98-1 | 44-1—93-1 | 40-6—85+2 | 37:-5—69-8 | 37-0-—67-9 | 38-5—45-9 45-6—86-0 | 39-7—73-7 | 34-3—79-5 | 42-3—69-2 | 38-0—65-3 | 25-6—63-3 | 29-1—46-9 42-3 90-0 | 47-4869 | 52-0-91-8 | 41-4—82-7 | 36-5—73-2 | 34-9—70-3 | 31-0—59-6 IT. 58-3 33-8 364 | 34-3 35-5 30-7 30-7 | 61-6 58-9 8 587 51-7 46-9 44-3 94-2 62-7 63-5 | 54:2 48-3 48-2 40-1 42-0 30-2 36.6 314 22-5 28-2 22-1 62-9 48-5 441 |: 40:6 37-5 37-0 38-5 45-6 39-7 343 | 42-3 38-0 25-6 29-1 42-2 47-4 52:0 | 4-4 36-5 34-9 31-0 | ENT. 31-2 20-6 15-6 26-8 18-4 27-2 26-8 49-6 54-4 41-9 40-6 30-8 18-5 18-1 7-0 49-3 43-3 37-6 37-8 | 19-5 22-3 29-1 18-3 23-2 18-7 14-5 11-8 16-0 54-6 49-6 49-0 44-6 32:3 | 30-9 7-4 40-4 34-0 a2: | 26-9 27-3 37-7 17-8 l 47-7 39-5 39-8 41-3 26-7 35-4 | 28-6 Der Lungengaswechsel des Menschen in den verschiedenen Altersstufen. Von A. Magnus-Levy und Ernst Falk in Strassburg i. E. in Gerdauen. (Aus dem städt. Krankenhaus am Urban zu Berlin. Abtheil. des Prof. A. Fraenkel.) Einleitung. Der Gaswechsel des Menschen in den verschiedenen Lebensaltern ist bereits mehrfach Gegenstand genauer Untersuchung gewesen; jede Ver- besserung und Erleichterung der Methodik, jede Gewinnung neuer Gesichts- punkte rief eingehendere und die neueren Anschauungen berücksichtigende Versuche hervor. Der wesentlichste dieser neueren Gesichtspunkte ist der von Rubner (8)! aufgestellte, dass der respiratorische Gaswechsel, bezogen auf die Einheit der Körperoberfläche, annähernd constant sei. Die wichtigste Vervollkommnung der Methodik besteht in der schon früher geübten, aber erst von Speck (4), dann von Zuntz (9) und seinen Schülern im grossen Maassstabe durchgeführten, auch von den Franzosen vielbenutzten Technik, den Sauerstoffverbrauch neben der Kohlensäureabgabe in kurz dauernden Versuchen zu bestimmen. Da umfassende Versuche über den Gaswechsel des Menschen in den verschiedenen Lebensaltern mit Benutzung dieser letzten Technik bisher noch ausstanden, haben wir es unternommen, hierfür die nöthigen experi- mentellen Unterlagen zu beschaffen. Unsere Untersuchungen sind im Frühling 1895 begonnen und einige Zahlen bereits im Juli 1895 mit einer Andeutung unseres Planes ver- öffentlicht (30). Im September des gleichen Jahres erschien die umfassende Arbeit von Sonden und Tigerstedt (1) über Respiration und Gesammt- ! Litteraturverzeichniss im Anhang. A. Ma6cnus-LEVY UND ERNST FALK: LUNGENGASWECHSEL U.S.w. 315 stoffwechsel des Menschen, die auch das Kindes- und Greisenalter ausgiebig berücksichtigte und somit eine Fortsetzung unserer Arbeit überflüssig zu machen schien. Wir glaubten sie trotzdem fortsetzen zu sollen, weil wir 1. eine andere Versuchsanordnung gewählt hatten, 2. weil wir neben der CO,-Abgabe auch den O,-Verzehr und die Mechanik des Athmens berück- sichtigten. Ad 3. hatten wir beabsichtigt, bei Erwachsenen die grössten vorkommenden Differenzen in Bezug auf Länge und Gewicht (unter Aus- schluss fettleibiger Individuen) in ihrem Einfluss auf den Gaswechsel zu studieren. — Ganz abgesehen aber von der prineipiellen Wichtigkeit dieser Untersuchungen für den normalen Gaswechsel, lag uns auch daran, für die zahlreichen von uns an kranken Menschen durchgeführten Analysen ein brauchbares Vergleichsmaterial am gesunden Menschen zu erhalten. Unsere Versuche sind, abgesehen von einer kleineren Reihe, die der Eine von uns in Franfurt bei Prof. von Noorden 1895 durchführte, während unserer gemeinschaftlichen Thätiekeit an der Abtheilung des Prof. A. Fraenkel im städtischen Krankenhause am Urban zu Berlin 1895 bis 1897 ausgeführt; sie sind durchgeführt mit der in den Fachkreisen genügend bekannten Geppert-Zuntz’schen Methode! und mit dem von N. Zuntz seiner Zeit angegebenen Apparate. Die Methodik besteht, um das hier nur kurz anzudeuten, darin, dass die Versuchsperson bei geschlossener Nase vermittelst eines Gummimund- stückes und zweier Ventile die ganze Exspirationsluft durch ein Gasometer treibt, und dass ein aliquoter Theil dieser Exspirationsluft in Doppelanalysen nach dem Hempel’schen Princip analysirt wird. Diese Methode, bezüg- lich deren Einzelheiten ich auf frühere Publicationen des Zuntz’schen Laboratoriums verweise, gestattet uns, neben der Kohlensäureproduction auch den Sauerstoffverbrauch und zugleich die ganze Athemmechanik in kürzeren Versuchen zu’ studiren. Eine genauere Kritik des Werthes dieser Untersuchungstechnik braucht an dieser Stelle nicht wiederholt zu werden; sie ist von uns früher aus- führlich gegeben worden. Ueber den Werth der verschiedenen Methoden der Untersuchungen des Gas- und Kraftwechsels, ihre grössere oder ge- ringere Berechtigung und Verwendbarkeit je nach dem Zweck und der Idee des Experimentes, ist eine ziemliche Uebereinstimmung unter den Vertretern der verschiedenen Schulen allmählich erzielt worden.” — Wir ! Dieselbe ist beschrieben bei Magnus-Levy, Pflüger’s Archiv. Bd. LV; siehe daselbst auch die Versuchsanordnung und genaue Begründung derselben. ? Ich verweise speciell auf A. Magnus-Levy, Pflüger’s Archiv. Bd.LV. S. 108 ff. — Fritz Voit, Zeitschrift für Biologie. Bd. XXXV. 8.119. — Rubner bei Rubner-Heubner, KEbenda. Bd. XXXVL S. 16 letzter Absatz. 316 A. Macnus-Levy unD Ernst Fark: brauchen somit an dieser Stelle nur die für unsere Arbeit und deren Ver- suchsanordnung wmaassgebenden Gesichtspunkte anzuführen: Im absolut nüchternen Zustande (12 Stunden nach der letzten Nahrungs- aufnahme), in liegender Stellung bei möglichst weitgehender Muskel- entspannung wird bei jedem Menschen ein Minimum des Gaswechsels er- reicht, das für das einzelne Individuum annähernd constant ist, (und sich von den Verhältnissen im Schlafe kaum unterscheidet. Die so erhaltenen Werthe bedeuten den Aufwand, der zur Erhaltung normalen Lebens un- bedingt nöthig ist. Sie erfahren eine bei verschiedenen Menschen natur- gemäss sehr ungleiche Erhöhung durch die Verdauungsarbeit und durch die Thätigkeit der Muskeln, und zwar fällt der letztere Factor schon stark in’s Gewicht bei jenem Zustande, den man, wie im gewöhnlichen Leben, so auch in zahlreichen früheren Untersuchungen als „Ruhe“ bezeichnet. — Für eine rein theoretische Betrachtung, für den Vergleich der in der inneren Organisation begründeten verschiedenen Intensität des Kraftwechsels erscheinen uns einzig und allein die Untersuchungen in dem oben angeführten Zustande berechtigt. Wir haben dementsprechend hier nur solche Versuche wiedergegeben, in denen unsere Individuen ganz nüchtern, bei vollkommener körperlicher Ruhe im Bette, ohne jeden Druck von Seiten der Kleider und andere störende Momente untersucht worden sind. Die Experimente wurden in den frühen Tagesstunden in einem dafür reservirten Zimmer zumeist an Insassen des Krankenhauses durchgeführt. Die Dauer der eigentlichen Untersuchung erstreckte sich auf etwa °/, bis 1 Stunde, während welcher Zeit zwei Versuche unmittelbar nach einander mit je zwei Analysen durch- geführt wurden. Der eigentlichen Untersuchung und Probeentnahme ging eine 10 bis 15 Minuten währende Vorathmung voraus, bis sich die In- dividuen auf eine gleichmässige Athemmechanik eingestellt hatten. Die Personen athmeten während der 2 bis 3 Minuten dauernden Pause zwischen je zwei Probeentnahmen gleichmässig durch die Gasuhr fort; die Dauer des ganzen Versuches betrug somit meist über eine Stunde (60 bis 80 Minuten), von welcher Zeit etwa drei Viertel auf die eigentliche Unter- suchung fiel. Die Zerlegung unserer Versuche in zwei Hälften hatte nur den Zweck, durch den Vergleich zwischen diesen beiden Hälften eine Controle zu gewinnen, eine grössere Richtiekeit unserer Resultate zu sichern; nur selten sind, wenn entweder der eine Halbversuch bei den Analysen verunglückte, oder die Beschaffenheit der Versuchspersonen zu kürzeren Untersuchungen zwangen, Versuche von der halben Dauer der oben an- gegebenen Zeit angestellt worden. Letzteres war z. B. der Fall bei dem kleinsten von uns untersuchten Knaben (2!/, Jahre), sowie einige Male bei unseren Greisen. Die meisten Personen mussten sich an die leichten LUNGENGASWECHSEL IN VERSCHIEDENEN ALTERSSTUFEN. 317 Unannehmlichkeiten der Versuchstechnik erst gewöhnen, so dass vielfach das erste oder die beiden ersten Experimente unrichtige und zu hohe Werthe ergaben. Ausser derartigen, von uns hier nicht berücksichtigten Versuchen sind nur solche weggelassen, in welchen die Versuchsprotocolle ausdrücklich störende Momente, Unruhe und Unbehaglichkeit seitens der Versuchs- personen anführten. Es ist das im Allgemeinen nur selten der Fall ge- wesen, und so giebt unsere Arbeit möglichst objectiv und vollständig un- corrigirt und ungesiebt die Resultate unserer Untersuchungen. Es dienten zu denselben 16 Knaben im Alter von 2!/, bis 16 Jahren, 9 Mädchen von 61/, bis 14 Jahren; 10 Männer zwischen 22 und 56 Jahren, 15 Frauen von 17 bis 57 Jahren; 5 Greise von 64 bis 78 Jahren und 7 Greisinnen von 71 bis S6 Jahren, im Ganzen also 62 Individuen. Das Säuglingsalter blieb ausgeschlossen. Zumeist lagen für jedes Individuum 3 bis 6 tadellose Versuche vor, hier und da mussten wir uns mit minder zahlreichen begnügen; in wichtigen Fällen jedoch wurden zur Gewinnung möglichst sicherer Resultate längere Untersuchungsreihen angestellt.! Die meisten unserer Individuen waren Krankenhausinsassen aus der weniger begüterten Classe der Gesellschaft. Doch waren es im Uebrigen gesunde Individuen, die wegen leichten Affectionen in Behandlung gewesen waren, und fanden die Untersuchungen erst geraume Zeit nach vollständiger Ab- heilung statt. Ein Theil der Personen, namentlich in den jüngsten und ältesten Altersclassen, war freilich körperlich weniger gut ausgebildet, als es für einzelne Zwecke unserer Arbeit wünschenswerth gewesen wäre. Nach dieser Richtung hin stehen unsere Versuchsindividuen, theilweise wenigstens, hinter jenen von Sonden und Tigerstedt zurück, die in der Lage waren, fast ausnahmslos gut genährte Personen aus den wohlhabenden Kreisen zu untersuchen; doch glauben wir, dass unsere Versuche darum nichts Wesentliches an Werth einbüssen. Unsere Versuche sind, nach Geschlechtern getrennt, sämmtlich nach steigenden Gewichten angeordnet. Für die Kinder fällt, abgesehen von einzelnen Ausnahmen, das steigende Gewicht im Allgemeinen mit steigendem Alter zusammen; für das Mannesalter (in unseren Versuchen 22 bis 57 Jahre beim Mann, 17 bis 57 Jahre beim Weib) kam auschliesslich das Princip des steigenden Gewichtes (und dementsprechend das der steigenden Körper- oberfläche) in Betracht, da eine wesentliche Veränderung des Gaswechsels durch das verschiedene Alter in dieser Lebensperiode aprioristisch aus- ! Viele der so gewonnenen Zahlen erfuhren weitere Bestätigung durch Versuche, die sich an die hier wiedergegebenen anschliessen, zum Zweck der Ermittelung des Einflusses gewisser Medicamente auf den Gaswechsel; meist fehlte ein solcher, und erhielten wir dann die gleichen Werthe wie vorher, doch haben wir solche Versuche mit Medicamenten, auch wenn sie wirkungslos blieben, hier nicht berücksichtigt. 318 A. MAaanus-LEvYy UND ERNST Fark: geschlossen werden durfte Auch für das Greisenalter wurde lediglich das Gewichtsprineip durchgeführt, da nur auf diese Weise eine gute Vergleich- barkeit mit dem Gaswechsel im Kindes- und Mannesalter erzielt werden konnte. Es wäre ja wohl wünschenswerth gewesen, im Mannes- und vor allen Dingen im Greisenalter den Vergleich für gleichschwere Individuen in verschiedenem Alter durchzuführen; doch ist dafür die Zahl der Versuchs- individuen, da wir eben auf ein beschränktes Material angewiesen waren, zu gering gewesen. Der Vergleich nach steigendem Lebensalter wird aber, so weit möglich, im Texte der Arbeit berücksichtigt werden. Wir theilen in der folgenden Abhandlung zunächst unsere eigenen Untersuchungen und die aus ihnen zu entnehmenden Folgerungen mit. Mit dieser räumlichen Voranstellung, die wir aus Zweckmässigkeitsgründen wählen, wollen wir keineswegs eine Originalität unserer Anschauungen und Versuchsanordnung gegenüber der früheren in Anspruch nehmen und ebenso wenig die Neuheit unserer Schlüsse damit documentiren. Vielfach, wenn auch nicht durchweg, können wir ja geltende Anschauungen bestätigen. — In der dann folgenden Besprechung früherer Arbeiten verzichten wir auf eine Schilderung des historischen Entwickelungsganges der Lehre vom menschlichen Gaswechsel (sie findet sich bei Sonden und Tigerstedt), wie auch auf eine vollständige Uebersicht alier vorliegenden Arbeiten. Wir haben nur solche berücksichtigt, die wesentliche Gesichtspunkte bringen, und solche, die ein grösseres und mit dem unserigen gut und direct ver- gleichbares Material enthalten. I. Theil. Eigene Untersuchungen. 1. Der Gaswechsel pro Individuum und Kilo. Wir geben zunächst die in unseren Versuchen erhaltenen Zahlen für jedes Individuum auf 1 Minute berechnet wieder. a) Männliches Geschlecht. Zur Untersuchung kamen 16 Knaben! von 2!/, bis 17 Jahren und 11-5 bis 57.5%s Gewicht, 10 Männer im Alter von 22 bis 56 Jahren und 43 bis 88% Gewicht und 5 alte Männer von 64 bis 78 Jahren und 48 bis 70*s Gewicht. Die Anordnung der Tabelle bedarf wohl keiner Er- läuterung. Alle Gewichte sind früh bei nüchternem Magen nach Abzug ! Um einen ungefähren Anhalt für die Entwickelung unserer Kinder zu geben, theile ich hier die Gewichte und Längen von Knaben verschiedenen Alters nach LUNGENGASWECHSEL IN VERSCHIEDENEN ALTERSSTUFEN. 319 der Kleider bestimmt. Sämmtliche Gasvolumina sind auf 0°, 760 wm Druck und Trockenheit reducirt (s. Tabelle D. Zunächst einige Worte über die Athemmechanik. Die Werthe für die Ventilationsgrösse, d.h. die Menge der in der Minute ausgeathmeten und die für die Ausnutzung der eingeathmeten Luft, d.h. die Menge des Sauerstoffes, die der Mensch ihr entnimmt und diejenige der Kohlensäure, die er an sie abgiebt, schwanken in folgenden Breitengraden. Es beträgt in abgerundeten Zahlen Ventilationsgrösse O,-Defeit CO,-Plus bei kleinen Knaben 3-5—5-6Lit. 2-62—3-89 Proc. 2-19-—-3.29 Proc. „ grösseren „ 4.3—6:0 „ 2-.92—4-.26 „ 2-40—3-.60 ,„ (einmal 8-3 Lit.) „ Männern. . . 457.0, 38. 2 23—4-41 „ 2-63—3-71 „ „Greisen . . . 6-0—8-7 „ +45 Blase Im Allgemeinen steigt in unseren Versuchen! bei den Männern die Menge der exspirirten Luft mit dem Gewicht des Individuums und mit der Grösse des chemischen Gaswechsels und nutzen sie die Luft ziemlich gut aus. Die Ventilation ist bei den Knaben nicht viel geringer als bei den Erwachsenen, bei den Greisen hingegen höher. Greise und Kinder athmen weniger ökonomisch, sie nutzen die Luft schlechter aus. Für die kleineren Knaben mag das daran liegen, dass die, absolut freilich nicht sehr grossen Widerstände bei der Athmung durch Ventile und Gasuhr sich für ihre kleinere Exspirationskraft stärker bemerkbar machen als bei den Männern; und vielleicht spielt etwas Aehnliches eine Rolle für die Greise, deren Lungen und Brustkorb ja weniger elastisch sind. — Ueber die Zahl der Athem- züge ist nicht viel zu sagen. Sie beträgt zumeist zwischen 11 und 20 in der Minute, nur bei dem Knaben Nr. 15 und dem Manne Nr. 3 findet sich eine Frequenz von 8. Dem entsprechend variirt die Tiefe des einzelnen Athemzuges. Es giebt eben Individuen, bei denen die Frequenz stets so Quetelet (eitirt in Vierordt’s Physiologie des Kindesalters. 1877. 8.14 u. 23) in abgerundeten Zablen zum Vergleich mit. Alter 2 3 4 5 6 7 3 9 10 Jahre Gewicht 11-34 12-5 14-2 15-8 12 19:1 20-8 22-7 24-5 ke Länge s0 87 93 99 105 110 116 122 1 an Alter 1b 1b 13 14 19 16 lt 18 25 Jahre Gewicht 27-1 29-8 34-4 38-7 43-6 49:7 52-9 57:9 62.988 Länge 133 138 143 149 155 160 164 166 bs ' Das Resultat der einzelnen Versuche bei jenen Individuen findet sich im Anhang. 320 A. Macnus-Levy UND ERrnsT FaALk: Tabelle Der Gaswechsel männlicher Personen | Nummer 2 N r Exspira- O,- CO;- | Resp.- und allen SSWiEND uRTädze tionsluft Defieit Plus Quot. Name Be Jahre | kg cm ccm Proc. Proc In ıooo Knaben | 1, 09St 2U elle — 4289 2-62 | Bel 2. M.N. 6 14-5 110 3696 3.62 2.91 | 804 3. Fr. H. 6 18.4 110 4320 3.24 2-62 806 4. 6G.H. q 19*2 112 4984 3.06 2.62 859 HA KROW: 7 20-8 110 5650 2.98 2.42 824 GER: 9 21-8 115 3804 3-89 3-29 845 7.2, P220e: 11 26+5 129 5171 3.20 2.59 309 SE SNAP! 10 30-6 131 5101 3-76 3-13 833 9. 0. Gr. 14 36-1 142 5739 3.28 2.74 834 10. BE. K. 14 36-8 1415 4327 426 3.60 844 II rReıKe, 16 39-3 149 6032 3-23 a 0 10SHR.,D. 17 . 40°0 154 5276 3-75 3.29 20 876 13 AUGEN: 14 43+0 149 5998 3-67 2:9 ' 818 TA KW. 17 443 154 5982 3.57 3-35 940 LS RYAN 16 57-5 | ca. 160 ca.4—5 1. Br _ 820 LE. 16 57-5 170 8306 2.92 2.40 s21 Männer i. '‚Rud. 24 | 43-2 |ca.148 5581 3-51 2.63 750 DU. 30 50.8 158 5874 3.23 2.66 826 3. Rutt. 26 53-0 153 5518 3-98 3-31 833 4. W. 56 56-5 ca.170 —- = ya 766 5. B. 32 58-0 161 5623 3.94 2.99 760 6%. 7 Br0f.07: 43 ı 65-0 |ca. 161 ca.4500 _ — 7407 \ 7. Dr. ML. 5 | 67-5 167 5180 4-47 Bez 830 BEHDEEZE | 2 67-5 167 — zn — 865 9. Sp. | 29 82-7 175 6953 4-28 3.24 757 10. Schm. 22 | 88-3 176 6850 4:26 3.47 814 Greise 1, KA: Kr, il 47-8 164 6040 2.70 2-13 790 DR Be! 70 60-0 165 6544 2.86 2.46 362 3. Ki. 18 68.5 162 7200 2-48 1:79 125 4. Wa. 77 69-3 172 8706 2-45 1:94 795 5. He. 64 70-4 160 6234 4-07 3.30 Silae | Normalmänner GETE8 22—43 | 66-7 166 ca.5000 |ca.4.56 | ca.3-70 812 LUNGENGASWECHSEL I. pro Individuum und Minute. IN VERSCHIEDENEN ALTERSSTUFEN. 321 CO,- 2 0;- | k | Ew ae 7 es ' AUS- Relationszahlen as el Bemerkungen ‚Verbrauch 2) a 2 e C athmung Oil CO, = = ER: ei ee = |S” ecm eem | je 2-2 3-9 49 | 51 38 3 | normal 33-6 107+3 59 58 5 | etwas zurückgeblieben 39.9 112-6 61 4 | normal 152-2 | 130.6 67 | 71 3 3 165-7 | 1836-7 18 | 74 3 nr 148-0 125-1 65 | 65 4 etwas klein 165*5 133-6 an 12 3 | normal 5 194 160-6 5 | 8 198 I: 178 87 | 94 m m =) 108 108, 104 106 108 DD mw wm DD [30 ID OU WW [&) =) [e>) DD DSB Ne} [SS] Ha [SEer) et Me} Ne) 195-8 1469 | so 189-4 156-4 83 85 219-5 182-8 96 99 222-0 168-5 97 91 221L-2 168-2 97 91 220-6 | 162-5 97 88 o31=3.01...192.20:21 101 104 231-3 200-2 104.029 108 297-6 225-4 131 122 291-7 237-4 1283@.10108 0 72 ı 0) 161-6 82 88 3 18 70 6 94 92 205.5 ka nal - -—ı [0 0] 1009 D Det [SS] Me) 227.9 185-0 100°, 100 \ Archiv f. A. u. Ph. 1899. Physiol. Abthig. Suppl. oo rm» w@ oa 1 Dt ren jo se >] HOW 1, om oo u u ı or oo {vb | EEE Ne} DES a nn eV Bu 5 © © @ en © | Oo. x - _ | | POS BES EEE SEE EEESESEREEEBEESS SEES SEEN PERS EBREEESSEFEEREEREEEEEESEEREEEEESEE EEE FBESEEEEEEEERERERERENEREEEEEEREEESEREEEERE SER DEREN SEE | ESS sehr gut entwickelt normal Ei etwas zurückgeblieben EL] £E} normal etwas zurückgeblieben sehr gut entwickelt sehr klein u. mager klein u. mager fettarm » normal mässiges Fett am Bauch fettarm, sehr muskulös EL] gutes Fettpolster sehr fettarm, rüstig fettarın, rüstig „ Ausserst rüstig „. Tüstlg ' sehr muskulös (keinerlei Anzeichen v. Senium) 21 322 A. MAGnuS-LEVY UND ERNST FALk: niedrig und die Tiefe des einzelnen Athemzuges besonders gross ist (Speck athmete 6 Mal in der Minute, ebenso das unter Nr. 11 in unserer Tabelle II verzeichnete Mädchen). Die absolute Grösse des Sauerstoffverbrauches und der Kohlensäureproduction schwankt in folgenden Grenzen Relationszahlen O0, ccm CO, cem O, Co, kleinere Knaben 112-—-166 94—-137 49— 73 51— 74 grössere i% 184— 242 155 —200 81-106 85-108 Männer zur. 777189298 JAN DU 835—131: 80-128 (Grreise 2... ..163—254 129 —206 72 111 770 Der Gaswechsel des Kleinsten Knaben (Nr. 1) von 11!/,%® Gewicht ist halb so hoch, wie der der 6 Mal so schweren, ausgewachsenen Männer (66.7 88). Im Allgemeinen steigt innerhalb der einzelnen Gruppen mit dem Gewicht der absolute Betrag des Sauerstoffverzehrs und der Kohlensäureabgabe, jedoch nicht in arithmetischer Proportion, was bereits die ältesten Untersucher erkannt hatten. Um die in der Tabelle I niedergelesten absoluten Zahlen bequem unter einander vergleichen zu können, empfiehlt es sich, als Maasseinheit die Werthe für gut entwickelte und normale Durchschnittsmänner ein- zusetzen.! (Das Gleiche geschieht an entsprechender Stelle für das weib- liche Geschlecht.) Als solche betrachte ich die drei unter Nr. 6, 7 und 8 angeführten Individuen von 22, 25 und 43 Jahren (Aerzte in vollkommener Gesundheit); der erste, 161 ® lang, damals 655 schwer, ist gracil gebaut, hatte zur Zeit der Versuche nur eine mässige Fettansammlung am Bauche, im Uebrigen eine leidlich gut entwickelte, ziemlich straffe und eingeübte ! Eine ähnliche Relation haben Sond&n und Tigerstedt in ihrer grossen Arbeit durchgeführt. Nur haben. sie nicht, wie wir, als Maasseinheit Männer bezw. Frauen von einer guten Entwickelung und Normalmaassen als Vergleichseinheit gewählt, sondern allemal (vgl. ihre Tabellen auf S. 73 u. 89) die schwersten Personen (Männer- gruppe Nr. 18 = 84-6* = 57 Jahre, und Frauengruppe Nr. 12 = 66-9: = 65 Jahre). Ueber die Grösse ihrer Individuen finden sich nirgends Angaben, über deren Constitution nur einige Andeutungen. Da sie im Allgemeinen Personen aus.den wohlhabenden Classen zu ihren Versuchen benutzen konnten, so ist das in denselben fast überall hervor- tretende Ansteigen des Gewichtes mit dem Lebensalter bei den Gruppen der Erwachsenen wohl nicht auf eine grössere Körperlänge, als vielmehr auf einen erheblicheren Fett- reichthum ihrer älteren Individuen zu beziehen. Solche wohlbeleibteren Personen be- sitzen aber, sowohl pro Kilo Gewicht wie pro Quadratmeter Körperoberfläche, einen geringeren Umsatz als erwachsene, „normal gebaute“ Menschen. — So fallen natur- gemäss die Relationen bei Sond&n und Tigerstedt etwas anders aus als bei uns. — Für unsere Zwecke erscheint uns die von uns gewählte Beziehung auf Normalmenschen richtiger. LUNGENGASWECHSEL IN VERSCHIEDENEN ALTERSSTUFEN. 23 Tabelle U. Der Gaswechsel männlicher Personen pro Minute und Kilo. IR ä pro Kilo u. Minute , Nr. | Alter Länge |Gewicht 3 Relationszahlen | 0, Co, Jahre cm kg com cem 0, co, Knaben 1. 21, ? 11-5 9.76 8-16 285 295 2. 6 | 110 14-5 9.21 7-39 269 267 3, 6 110 18-4 7-61 6-12 223 221 4. 7 112 19-2 7-93 6-80 232 245 I 5 7 110 20-8 7-97 6-57 233 237 | 6. 9 115 21-8 6:79 5-73 199 207 Te 11 129 26-5 6-24 5-04 183 182 8 10 131 30-6 6-28 5-23 184 189 9 14 142 36-1 5-21 4-37 152 158 10 14 141-5 | 36-8 5-01 4-23 146 153 11 16 149 39-3 4-94 4-08 144 147 12 17 154 40-0 4-95 4-34 145 156 | 18 14 149 43-0 5-13 4-17 150 150 14 are 154 | 44*3 4:80 | 4-52 140 163 15 16 160 57-5 4-10 3.34 120 120 16 16 170 57-5 4-21 3.46 123 125 Männer 1 24 148 43-2 4-53 | 3-40 132 123 2 30 153 50-8 3-73 3.08 109 111 3 26 153 53-0 4-14 3.45 121 125 4 56 170 56-5 3.98 2.98 118 108 5 32 161 58-0 3-81 2-90 111 105 6 43 161 65-0 3.39 2-50 | 7 25 167 67-5 3.43 2-86 100 100 S 22 167 67-5 3.43 | 2-97 | | | 9 293 | 15 82-7 3-60 2.72 105 | 98 10 22 176 88-3 3.30 2-69 96 97 Greise 1 71 164 47-8 3-42 2.70 100 97 2 710 | 165 60-0 | 3-13 | 2-70 91 97 3 78 162 68-5 2-61 1-89 76 68 4 77 172 69-3 3-08 2-44 9088 7 35 64 | 160 10.4 | 3-60 | 2.92 | 1065 105 | | | Normalmänner | 6.7.8 | 22—43 1165-167 66-7 a 2a 100 |) 100 | | | 324 A. MAcnus-Levy unDb Eßnst FArk: Museculatur; die beiden jüngeren Aerzte (je 167" hoch, 67-.5*8 schwer) sind stark knochig, fettarm, von sehr kräftiger, gut entwickelter Musculatur und beide weit über das Durchschnittsmaass hinaus gut trainirt. Diese drei Personen standen sich in ihrem Gaswechsel ziemlich nahe und dürften die Durchschnittswerthe des letzteren dem eines gut entwickelten kräftigen leistungsfähigen Mannes von mittlerer Grösse und Gewicht auf der Höhe des Lebens etwa entsprechen. Diese „Normalwerthe für den Durchschnitts- mann“ würden somit betragen: 66.78, 165, 5 Liter Exspirationsluft, 227.7 O,, 185.0°m CO, pro Minute; respiratorischer Quotient: 812 (auf das Kilogramm entfallen 3-42 °m O0, und 2-77 em CO,). In Tabelle II stelle ich die pro Kilogramm und Minute erhaltenen Grössen, sowie die Relationszahlen, verglichen mit dem eben angeführten Normalmaasse, zusammen (s. vor. Seite). Die in Tabelle II angeführten Relationszahlen zeigen, dass der Gas- wechsel kleiner Knaben pro Kilogramm 2 bis 3 Mal so gross ist als der- jenige des „Normalmenschen“, derjenige grösserer Knaben beträgt 120 his 190 Procent dieser Grösse; bei den Männern finden sich Schwankungen von 96 bis 130 Procent des Solls, wobei im Allgemeinen die grösseren Zahlen dem geringeren Gewichte entsprechen. Bei den Greisen betragen die Relationszahlen, wenn wir den 64 jährigen Mann ausnehmen, dessen Gas- wechsel und körperliches Verhalten noch keine Eigenthümlichkeit des Greisenalters zeigten, 68 bis 100 Procent. Wir führen nunmehr die entsprechenden Zahlen und Berechnungen für das weibliche Geschlecht auf. b) Weibliches Geschlecht. Die Anordnung der Versuche in unserer Tabelle ist genau dieselbe wie bei den Männern. Zur Untersuchung kamen: 9 Mädchen von 61/, bis 14 Jahren! im Gewicht von 18-2 bis 42*s, 15 Frauen von 17 bis 57 Jahren und 31 bis 76.58 Gewicht sowie 7 Greisinnen von 71 bis 86 Jahren mit dem Gewichte von 30-3 bis 59.3 Ks, In der folgenden Tabelle III finden sich einige Individuen, deren Zahlen nicht ohne Weiteres mit den anderen in Vergleich zu stellen sind. Die Frau Nr. 6 (67 Jahre) zeigte deutliche Spuren des Seniums und hätte wohl ! Gewicht und Länge der Mädchen beträgt nach Quetelet (bei Vierordt): Alter 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Jahre Gewicht 10-7 11-8 13:0 14:4 16-0 17°5 19-1 21-4 23-5 ks Länge 78 85 91 98 103 109 115 121 1a En Alter 1 12 13 14 15 16 37 1 25 Jahre 1 5-7 29-8 32-9 36-7, 404 43:6 4%3 1 51-0nmS3are Gewicht 2 29 134 142 148 150 152 155 156 HS Länge 1 LUNGENGASWECHSEL IN VERSCHIEDENEN ALTERSSTUFEN. 325 besser ihren Platz unter den Greisinnen gefunden, da auch ihr Gaswechsel dem der alten Weiber ähnlich war. Die Frau Nr. 15 zeigt relativ niedrige Werthe; sie war, wenn auch nicht fettleibig, so doch, bei sonst äusserst robuster Constitution, mit einem recht reichlichen, straffen Fettpolster aus- gestattet. Die Werthe für Nr. 5 und 6 der alten Frauen sind entschieden zu hoch; bei beiden konnten wir nur je einen Versuch anstellen und „völlige Ruhe“ nicht erzielen. Wir haben sie in die Tabelle mit aufgenommen, da die bei ihnen erhaltenen „Maximalwerthe“ die Schlüsse für den Gaswechsel der (reise stützen. Die Ventilationsgrösse und die Ausnützung der Luft betragen in unseren Versuchen für: Ventilationsgrösse O,-Detieit CO,-Plus Mädchen . . 3-.2—6-7 Liter 2.05—4-22 1-65— 3-65 Frauen . . » 4-1—6-6 „ 2.75—4-18 2.27—3-42 Greisinnen. . 5-1—7.0 ,„ 2.29—3-19 1.83—2.42 Der obige Befund, dass unter unseren Versuchsbedingungen junge und sehr alte Individuen weniger haushälterisch athmen als solche in mittleren . Lebensaltern, gilt also auch für das weibliche Geschlecht; und wenn auch dieses Resultat für alte Leute in unseren Versuchen dadurch etwas un- günstig beeinflusst ist, dass mehrere der alten Frauen nur 1 bis 2 Ver- suche mitgemacht und sich somit noch nicht auf den ihnen voraussichtlich zukommenden niedrigeren Gaswechsel eingestellt hatten, so ist die Ven- tilationsgrösse doch auch bei unseren besten alten Versuchsindiviluen Nr. 4, 7), bei denen wir unter Fortfall der ersten Uebungsversuche über sechs bis acht vorzügliche Experimente verfügen, entschieden sehr hoch. Für den Vergleich des chemischen Gaswechsels pro Minute, bezogen auf das Individuum (wie auf das Kilogramm Gewicht), empfiehlt es sich auch hier, Normalzahlen für ein gesundes, kräftiges „Durchschnittsweib“ aufzustellen, wie wir das oben für das männliche Geschlecht gethan haben. Als solche Personen betrachten wir die drei unter Nr. 11, 12 und 13 an- geführten Weiber im Alter von 20, 26 und 28 Jahren. Ihr Gewicht betrug 61 bis 62.78, ihre Grösse 156 bis 167%; ihr Gaswechsel weicht unter eimander freilich etwas mehr ab als derjenige meiner „Normal- männer“. Wir haben speciell den Eindruck, dass die Werthe für Nr. 11 etwas hoch liegen und dass die niedrigsten für Nr. 12 eigentlich dem Normalsoll am nächsten kommen. Trotzdem haben wir, um jede Willkür- lichkeit auszuschliessen, den Durchschnitt für diese drei Weiber berechnet und unseren Berechnungen zu Grunde gelegt; er würde betragen: 61.7, 234.10 m Q,, 188.4 m (0,, RQ:805; pro Kilogramm be- rechnet. 3-19 '0,,.3-05«=2"C0,. 326 A. Macnus-LEevy UND ERrnsT FALk: Tabelle Der Gaswechsel weiblicher Personen Nummer Exspira- | O,- CO,- Resp.- r Alter [Gewicht Länge _| . I Ei 5 z und tionsluft Defieit Plus Quot. Name an Jahre kg em ccm Proc. Proc. J1oo0 Mädchen DURFANK: 7 15-3 107 6110 2-05 1:65 806 523 DEM. 6, | 18.2 an 3495 3-87 3.14 811 30 KW 12 24.0 | 189 3519 3-34 3:53 918 4 Fr. W. 12 Seal 0198 3194 4-22 3.48 824 52°. ENGL 13 31-0 |° 138 4198 4:09 3-65 892 6. AH. Sch. 11 35-0| 1a 5446 3-45 2.89 838 712 PrsTh. 14 35+5 143 4847 3-87 3-18 821 8. HH. Sch. 12 40*2 rn 6704 2-94 2-30 7183 9: M.P. 1 42:0 149 5720 3-69 2-96 802 Frauen IH OBICK: 40 31 135 5580 2-75 3-27 825 2. Gd. 38 32-2 133 4184 3-82) 9153310 812 3. W. Spr 35 37-9 142 5136 | 3-42 | 2-60 760 4. 0©.K. 25 39-0 139 5408 3:66 2-74 750 5 LS GT. 21 47-2 147 5180 3:74 3-03 810 6. Au. (57 47-4 ? klein 4998 3-39 2-46 726 7a MEOW: 20 49-0 159 5903 3-25 2-87 884 S-IW HM: 28 51-2 157 6091 3-46 2.83 818 9. HH. Sch. 18 54:0 152 5330 4-12 3.40 824 10,9. M. Kl: 17 54.0 156 4837 4-18 3.42 819 11. :B.:Spl. 98 61-3 156 6634 3-81 3-11 816 12. °D. W. 20 61.0 167 5385 4-03 3-29 817 13. Schw. M 236 62-7 (155)? 6247 3.73 2.92 782 14. A. Sche 22 68-2 159 6300 3-68 3-03 822 15.2 »Briik, (27 765 169 5565 4-18 3.02 123 Greisinnen IKK: 75 30-3 ‚sehr klein 5135 2-51 1:92 768 2. He. 74 39-4 klein 7040 2.44 1-83 750 3. -Kn. 75 41-2 Ri 6723 2-29 2-05 898 A Kal zail 49+5 145 6036 2-59 2-10 807 5. Schm. (83 51-0 146 5998 3-19 2-42 760 622>H0: (83 53-5 klein 6336 2-82 2-23 790 7. Schä. 86 59-3 150 6784 2-41 1:99 825 Normalfrauen | 11.912.213 21-28 | 61-7 | 155-167 6085 3-85 3-10 805 Il. pro Individuum und Minute. 0: Verbrauch ccm © gen > 0 [271 o - on —-1 A] 1] -1 m 0 . D . “ . [er 157-4 197-6 211.0 DVD HEE St mM Oo DO © „I I l Do oO m W@ -1 ot cD . . . . .. . . . HD RD OU HH O1 Dt [80] or Ns) . N) m [Ser an ID o [64] mM oO © eh —ı DD on . . er fear Ne) m oo won —n Co, LUNGENGASWECHSEL IN VERSCHIEDENEN ÄLTERSSTUFEN, Sa Aus- athmung 0, ccm 100-9 98 109-6 58 124-2 58 111-3 58 153-1 73 157*3 s0 153-8 Ss0 154*5 54 169.2 90 126-6 66 129-5 63 133-3 15 148 *1 54 156-6 83 123.2 12 169-4 82 172-0 90 181-1 94 165-4 56 206-1 108 177-0 93 182-1 100 190-6 99 168-2 100 95-6 bp) 128-7 13 137-6 66 126-5 67 145-4 82 141-3 77 135-2 70 18>-4 100 a | = | Frequenz 12 Puls- Frequenz Zahl der Versuche ao ww om DWDN H#+w Bow © wor » oO oO N ww N — Bemerkungen etwas dürftig gr entwickelt | etwas zurückgeblieben Be in d. Entwickelung voraus normal in d. Entwickelung voraus ECHT: sssweile se sehr klein und mager 9 Ei) Er Er klein und mager E23) Ei „ fettarm „ Nenium proecox normal ei robust, fettreich äusserst mager, Marasmus mager, leidlich rüstig [2 „ Er fettarm, rüstig normal, ausserord. rüstig. 328 A. MAGnus-LEVY UND ERNST FALk: Der Vergleich zwischen diesen Durchschnittswerthen mit denjenigen des unter Nr. 12 angeführten Mädchens, welches uns, wie gesagt, am ehesten das Normale zu repräsentiren scheint, erweist, dass diese Durch- schnittswerthe nur um 6!/, Procent für den Sauerstoff und um 5 Procent für die Kohlensäure die Werthe für Nr. 12 übersteigen. — Der niedrigste Werth von 125 «= O0, und 100°" CO, findet sich bei dem 7jährigen Kinde von 15'®; er beträgt bereits über die Hälfte des Mittels der ausgewachsenen Weiber, die etwa vier Mal so schwer sind. Die absoluten Zahlen steigen bei den Kindern langsam und erreichen bei einem (Gewichte von 35 bis 42*= fast schon die Werthe der normalen ausgewachsenen Personen. Auch der Gaswechsel der kleinen und leichten Frauen von 31 bis 32*# beträgt etwa 70 Procent von dem der doppelt so schweren „Normalfrauen“. Sowohl bei den Mädchen wie bei den Frauen nimmt mit steigendem Gewichte der Gaswechsel zu; er ist hingegen für die Greise erheblich niedriger. So z. B. bei einer noch sehr rüstigen Frau von 86 Jahren und fast 60%* Gewicht (mit 163-8" O, und 135.2 «m CO,) niedriger als bei allen erwachsenen Frauen über 3S®®; er steht in diesem Falle auch zurück hinter dem aller Kinder über 30 = Gewicht. Eine sehr marantische und auf’s Aeusserste abgemagerte Greisin von 30%8 wies mit 125.6" O0, und 98-6“"m CO, ein Minimum auf, welches dem bei dem kleinsten Mädchen von 7 Jahren und 15"# oleichkommt. Die folgende Tabelle IV giebt wie bei den Männern die Berechnung des Gaswechsels auf das Kilogramm Gewicht und die entsprechenden Relationszahlen. Die Zahlen unserer „Normalfrauen“ zu 100 eingesetzt, zeigt unsere Uebersicht, dass die relativen Werthe pro Kilogramm bei unseren Kindern schwanken von etwa 130 bis 220 Procent und bei den Frauen (Nr. 15 aus- genommen) von 90 bis 134 Procent; bei den alten Frauen finden sich Werthe von 73 bis 112 Procent der Normalwerthe. Mit anderen Worten: Die Schwankungen innerhalb der Gruppe der erwachsenen Frauen, wie auch die Differenzen zwischen Kindern, Erwachsenen und Greisinnen sind durchaus ähnlich denjenigen bei den Männern. Die Differenz zwischen den Kindern und den Erwachsenen ist freilich nicht so erheblich wie beim männlichen Geschlechte; zum Theil deshalb, weil die niedrigsten Alters- und Gewichts- classen bei den Mädchen fehlen, vor Allem aber, weil der Gaswechsel der drei als Normalmenschen betrachteten Weiber den drei „Normalmännern“ gegenüber absolut etwas höhere Werthe aufweist und ferner noch deswegen, weil diese Weiber ein niedriges Gewicht und dem entsprechend einen relativ höheren Umsatz zeigten als die Männer (61’7's, 5.79 cm OÖ, und 3.05 «m CO, pro Kilo gegen 667%, 3.41] «m O, und 2-72 m CO, pro Kilo. LUNGENGASWECHSEL IN VERSCHIEDENEN ALTERSSTUFEN. 329 Tabelle IV: Der Gaswechsel weiblicher Personen pro Minute und Kilo. SEES H | y pro Kilo u. Minute . . | Alter | Länge |Gewicht Relationszahlen Nr. | 5 Ö, Co, Jahre | em kg ccm ecem On Co, Mädchen 1 7 107 15-3 3-19 6-60 218 216 2 BERN 18-2 | 7-42 6-02 196 197 3 12 | 129 24-0 5-68 5-18 149 170 4 12 128 25-2 5-36 4-42 142 145 5 13 138 31-0 5-54 4-94 146 162 6 11 141 35-0 5-36 4-49 142 147 gi 14 143 35-5 5-28 4-33 139 | 142 5 12 145 (?) | 40-2 4-91 3.84 130 126 9 11 | 149 42-0 5-02 4-08 133 132 Krater 1 40 | 135(%)| 31-0 4-95 4-09 131 134 2 38 133 32-2 4-97 4-03 131 132 3 35 142 37-9 4-63 3.52 122 115 4 25 139 39-0 5-06 3-80 133 125 5 21 147 AT-2 4-10 3-32 108 109 6 57 () 47-4 3-58 2-60 94 85 7 20 159 49-0 | 3-88 3-43 102 112 8 OBER En 51-2 4-12 | 3-36 109, | 110 9 18 | 132 54-0 | 4-07 | 3-35 107 110 U AR er: 54-0 | 3-74 | 3-06 98 | 100 11 28.| 156 | 61-3 4-12 | 3-36 | | | 1220 200 eieT ea | 61:0, 7 3-55. 0 2.00 100 | 1100 13 26 156 62-7 3.71 2-90 | 14 22 159 68-2 3-40 3.80 90 92 15 27 169 (?) | 76+5 3.04 2-20 s0 12 Greisinnen 1 | 75 sehr klein! 30-3 | 4-25 3-26 112 107 2 14 “ 39-4 4-36 3-27 115 107 3 75 „ 41-2 3.73 3-34 98 ii: 4 71 145 49-5 3-16 2-55 83 54 5 33 | 146 51-0 3.75 2.85 99 93 6 83 | klein 53-5 3-35 2-64 38 87 fi 86 150 59-3 2-75 2-27 713 74 Normalfrauen 11, 12 |21—28 156—167 61-7 3.79 | 3-05 100 100 en: Wo | 330 A. Masntus-LevY UND ERNST FALK: Wir sind bisher auf die Verschiedenheit des respiratorischen Quo- tienten in unseren Versuchen und auf dessen Bedeutung nicht eingegangen. Letztere ist ja ziemlich klar. Kommen nur die drei wesentlichen Nahrungs- und Körperbestandtheile, jeder für sich allein, zur Verbrennung, so stellt sich der respiratorische Quotient ein auf 0°707 bei der Oxydation von Fett, auf 0:793 beim Körpereiweiss (Muskelsubstanz) und auf 1°000 bei Stärke oder Glykogen. Bei dem von uns gewählten Zeitpunkt der Nüchternheit ist das Eiweiss stets nur zu einem kleinen Antheil an der Verbrennung betheiligt, der sich nach Rubner’s u. A. Bestimmungen auf ca. 15 Proc. beziffert; je niedriger der respiratorische Quotient, um so mehr treten die Kohlenhydrate im Stoffwechsel zurück gegen die Fette; je höher er ist, um so mehr wiegen die ersteren vor. Das gilt freilich nur so lange die Athemmechanik normal ist; bei foreirtem Athmen“ addirt sich ein Quantum CO, zu demjenigen, das normaler Weise ausgeschieden worden wäre, bei „sparsamem“ bleibt ein Theil (zeitweise) im Körper zurück; im ersten Fall wird der respiratorische Quotient erhöht, im zweiten erniedrigt. Bei der häufigen Wiederholung unserer Versuche und der für diese Zwecke genügend langen Dauer der- selben (45 bis 60 Minuten) war die Athemmechanik fast durchweg normal. Wir glauben somit die Verschiedenheit des respiratorischen Quotienten in unseren Versuchen als Ausdruck der wirklich vorhandenen Unterschiede in der Betheiligung der Kohlehydrate und der Fette an dem Umsatz ansehen zu dürfen. Wir haben gefunden: Mittelwerthe bei kleineren Knaben Werthe von 0-804—0.859 0.826 „ grösseren ,, si „. 0-813—0-876 (nur1x0°940) 0.845 sy Männerneee „0.750 —0.865 0.794 »sGreisen et Keen Ir; „. 0-790—0-862 (nur 1x0-725) 0-816 „Mädchen 2 m... 3, 07783 0,918 0.837 : AHrAUEnS BIRD Na „ 0-.750--0-.884 (nur 1x 0.723) 0-805 » Geeisinnen ... 0, „ 0-.750—0.825 (nur 1X 0-898) 0.800 Die Schwankungen innerhalb der einzelnen Gruppen sind, wenn wir von wenigen Ausnahmen absehen, nirgends sehr erheblich. Unter Aus- schaltung von 4 extremen Zahlen finden wir bei 58 nüchternen Personen 0.750 und 0.854 als Grenzwerthe. Nirgends finden wir, wie das ja zu ! Wir sehen hier auch davon ab, dass durch zeitweise Bildung und Ablagerung von Kohlehydraten aus Eiweiss und von Fett aus Kohlehydraten der respiratorische Quotient sich erheblich ändern kann. Letzteres findet unseres Erachtens (im Gegen- satz zu fıanzösischen Autoren) nur bei „Mästung mit Kohlehydraten‘“ in grösserem Umfang statt. LUNGENGASWECHSEL IN VERSCHIEDENEN ÄALTERSSTUFEN. sl erwarten war, den neben der Eiweisszersetzung stattfindenden Umsatz allein von Kohlehydraten oder von Fett bestritten. Bei Kindern ist der respiratorische Quotient meist etwas höher als bei Erwachsenen, Wir haben in dieser Arbeit vielfach Gas- und Kraftwechsel als identisch oder doch als fast ganz gleich hingestellt; das ist nicht ganz richtig. Rubner (Sb) in erster Linie hat stets davor gewarnt, aus dem Gaswechsel, namentlich in kurzen Experimenten, den Kraftwechsel zu berechnen. Wır haben die principielle Richtigkeit seiner Einwände stets anerkannt. Eines der wesentlichsten von ihm geäusserten Bedenken besteht darin, dass das ealorische Aequivalent des Sauerstoffes verschieden sei, je nach der zur Verbrennung gelangenden Substanz; zwischen den Werthen bei Oxydation von Muskelfleisch, Fett, Rohrzucker sei das Verhältniss wie 100:109: 1185-6. Nach neueren Untersuchungen sind die Differenzen aber wesent- lich geringer. Einerseits ist das calorische Aequivalent für Muskelfleisch grösser, als es Rubner angegeben hat (Zuntz), andererseits das für Stärke und Glykogen kleiner als für Rohrzucker, der ja jenen beiden gegenüber nur wenig in Betracht kommt. — Dass thatsächlich im nüchternen Zustand der in Frage kommende calorische Werth des O, nicht innerhalb sehr weiter Grenzen schwankt, soll folgende Berechnung erweisen. Wir ent- nehmen die hier benutzten Zahlen einer Arbeit von Zuntz.! Darnach beträgt der respiratorische Quotient und der calorische Werth eines Öubikeentimeters O, bei Verbrennung von Muskelsubstanz . . . . 0-793 und 4-476 Cal. able 0 OT A086, Diark6 . 2. „nu. 31-000, 78-047, ,, „Die Zunahme des respiratorischen Quotienten um 0-293 bedingt also, so lange nur Fett und Stärke (Glykogen) in Betracht kommen, eine Zu- nahme der Energieentwickelung für jeden Cubikcentimeter verbrauchten Sauerstoffes um 0-361 Cal.; für ein Wachsen des respiratorischen Quotienten um 0-01 haben wir also eine Zunahme des Wärmewerthes um 0-00123 Cal.“ Kommen also nur diese beiden Stoffe zur Verbrennung, so entspricht einem respiratorischen Quotienten = 1000 0-950 0-900 0-850 0-800 0-750 0-707 ein calorischer Werth für 1°" O, = 5-047 4.986 4-924 4-863 4-801 4-740 4686 Nun betheiligt sich aber die diesen Zahlen entsprechende „Mischung von Fett und Stärke“ nur zu 85 Procent an dem Gesammtumsatz im ' Pflüger’s Archiv. Bd. LXVII. S.201ff.; vgl. dazu auch die ausführlichen Darlegungen von Zuntz und Hagemann, Untersuchungen über den Stoffwechsel des Pferdes. Berlin 1898. 8.236 ff.; die dort gefundenen Zahlen gelten allerdings nur für das Pferd. 332 A. MaGnus-Levy unD Ernst Fark: Hunger bezw. im nüchternen Zustand, 15 Procent entfallen auf Verbrennung von Muskelsubstanz; dieser Procentsatz ist ziemlich constant. Bei einer Combination, in der 15 Procent des Gesammtverbraucbes von O, auf Muskel- substanz und 85 Procent auf die verschiedenen obigen Mischungen von Fett und Stärke entfallen, erhalten wir nach einer leicht aufzustellenden Gleichung folgende Zahlen. Es entspricht einem respirat. Quotienten von 0-969 00-957 0-884 0-842 0-799 0-756 0.720 ein calor. Werth von 1m O0, = 4-961. 4-909 4-857 4-805 4-752 4-700 4-654 Der höchste und niedrigste Werth des unter diesen Bedingungen in Betracht kommenden respiratorischen Quotienten verhalten sich me Dr 4-645 100 Thatsächlich fanden wir in unseren Versuchen mit verschwindender Ausnahme für den respiratorischen Quotienten nur Werthe zwischen 0-750 und 0.900, für die der calorische Werth des O, 4-693 und 4-877 be- tragen würde ( Verhältniss — 0; ziehen wir als Mittel den Factor für den respiratorischen Quotienten von 0-825 mit 4-785 zur Berechnung, so würden die Fehlergrenzen nur + 2 Procent betragen. Mit diesem Factor 4-785 wäre die verbrauchte O,-Menge zu berechnen, um die für den Zeitraum und die Bedingungen unserer Versuche statthabende Wärmeproduction zu finden. Wir selbst verzichten hier auf eine Durchführung dieser Umrechnung, deren sonstige Fehlerquellen wir nicht verkennen; zu einer approximativen Bestimmung und zum Vergleich mit den experimentell gewonnenen Zahlen anderer Autoren aber dürfte eine solche Umrechnung immerhin von Werth sein. Die bisherige Tabelle giebt mit ihren Relationszahlen pro Kilogramm nur eine rohe Vorstellung über die verschiedene Intensität des Gaswechsels bei verschiedenem Alter. In Folgendem werden wir zunächst die Be- rechnung des Gaswechsels bezogen auf die Körperoberfläche, bringen und hinterher einen direceten Vergleich ziehen zwischen dem Gaswechsel in ver- schiedenen Lebensaltern bei gleichem Gewicht und gleicher Oberfläche der betreffenden Individuen. 2. Der Gaswechsel, bezogen auf die Einbeit der Körperoberfläche. Nach Rubner’s (8) Forschungen ist der Kraftwechsel und mithin auch annähernd der Gaswechsel eine Function der Körperoberfläche und von ihr abhängig, dergestalt, dass pro Quadratmeter der Körperoberfläche verschieden grosse Individuen einer Species gleichen Umsatz zeigen. Dieses LUNGENGASWECHSEL FIN VERSCHIEDENEN ALTERSSTUFEN. 33: Gesetz soll nach Rubner auch gültige sein für die verschiedenen Alters- stufen; Kinder und Greise sollen nach ihm pro Quadratmeter annähernd den gleichen Umsatz zeigen, wie Erwachsene. Welche inneren Ursachen diesem Gesetze zu Grunde liegen, ob die behauptete Abhängigkeit eine directe oder indirecte ist, haben wir hier nicht zu erörtern; wir wollen bloss prüfen, ob unsere Zahlen mit dieser Annahme übereinstimmen oder nicht. — Eine ausführliche kritische und theoretische Erörterung der obigen Lehre findet sich in v. Hoesslin’s (23) sedankenreichem Aufsatze: „Ueber die Ursache der scheinbaren Abhängig- keit des Umsatzes von der Grösse der Körperoberfläche“. Wir führen in Folgendem die Reduction des Gaswechsels auf den Quadratmeter der Körperoberfläche für unsere Individuen durch. Zur Be- rechnung bedienen wir uns der Meeh’schen Formel 0 = cyv®, wobei wir für die Constante C den Durchschnittswerth von 12-312 benutzen. In- wiefern wir durch Einsetzen der von Meeh ermittelten, für die einzelnen Altersclassen verschiedenen Werthe für C etwas andere Resultate erhalten würden, werden wir weiter unten besprechen. Die folgende Tabelle V giebt für die männlichen Individuen die Körper- oberfläche in Quadratmetern, die Mengen Sauerstoff und Kohlensäure, die pro Quadratmeter auf das einzelne Individuum entfallen, sowie die Relations- werthe für letztere, wobei wir, wie früher, die Werthe für unsere drei Normalmänner gleich 100 einsetzen. a) Männliches Geschlecht. Die Tabelle V zeigt sofort das auffallende Resultat, dass der Gasumsatz pro Quadratmeter für die Kinder erheblich höher und für die Greise niedriger ist, als für erwachsene Männer; während für die letzteren inner- halb der verschiedenen Grössenclassen das Rubner’sche Gesetz annähernd gilt, ist das für Kinder und Greise nicht der Fall. Es betragen pro Quadrat- meter (und Minute) die Werthe für: OÖ, CO, aa Männer . . 111-129: m 82 — 105 em 100—115 : 100-115 ältere Knaben 128-159 „ 105-133 „ 114-142 115-146 jüngere „ 154-179 „ 122-150 „ 137-168 134—164 Greise.. . a 87-103, | 63-286. 78-108 69-108. Je jünger das Individuum, um so grösser sind die entsprechenden Werthe. Die Relationszahlen der obigen Tabelle zeigen, dass bei einem Gewichte von 11!/, und 14!/,®= der Gaswechsel für die Einheit der Körper- oberfläche auf über 160 Procent der Normalwertbe steigt, und dass er bei 334 A. MAGnus-LEvY UND ERNST Fark: Tabelle V. Der Gaswechsel männlicher Induviduen pro Minute und Quadratmeter Körperoberfläche. f (Ge- Körper- pro Quadratm.| Relations- Nr. , | Alter) [‚Lünge | iche | ‚Ober | ©, | comme fläche o co, Jahre cm kg qm cem | cem : Knaben 1 DU a2 11-5 | 0-627 | 179 | 150 | 160 | 164 2 6 110 14-5 | 0-732 | 182 | 147 | 163 | 162 3 6 110 18-4 | 0-858 | 163 | 131 | 145 | 144 4 7 112 19-2 | 0-873 | 172 | 148 | 154 | 163 5 7 110 20-8 | 0-981 | ı78 | 147 | 159 | 162 6 9 115 21-8 | 0-961 | 154 | 130 | 137 | 143 ri 11 129 26-5 | 1-094 | 154 | 122 | 137 | 134 8 10 131 30-6 | 1-205 | 159 | 133 | 142 | 146 9 14 142 | 36-1 | 1-345 | 140 | 117 | 125: | 129 10 14 141-5 36-8 | 1-362 | 135 | 114 | 121 | 185 11 16 149 39-3 | 1.423 | 137 | 113 | 122 | 124 12 17 154 40:0 | 1-440 | 138 | 120 ! 123 | 132 13 14 149 43-0 1 1-511 | 146 | 119 | 130 | 131 14 17 154 44-3 | 1-541 | 138 | 130 | 123 | 143 15 16 160 57-5 | 1-834 | 128 | 105 | 114 | 115 16 16 170 57-5 | 1-834 | 132 | 109 | 119 | 120 Männer 1 24 148 43-2 | 1-516 | 129 97 | 115 | 107 2 30 153 50-8 | 1-689 | 112 93 | 100 | 102 3 26 153 53-0 | 1-737 | 126 | 105 | 112 | 115 4 56 170 56.5 | 1-813 | 122 93 | 109 | 102 5 32 161 58-0 | 1-845 | 120 91 | 107 | 100 6 43 161 65-0 | 1-990 | 111 82 7 95 167 67-5 12-041 | 113 94 |,100 | 100 8 22 167 67-5 | 2-041 | 113 98 9 99 175 82-7 | 2-337 | 127 96 | 113 | 105 10 22 176 88-3 | 2-441 | 119 97 | 106 | 106 Chess 1 71 164 47-8 | 1-622 | 101 80 90 88 2 0 165 60-0 | 1-887 | 100 86 89 95 3 78 162 68-5 | 2-061 87 63 78 69 4 77 172 69-3 | 2-077 | 108 82 92 90 (5 64 160 70-4 | 2-099 | 121 98 | 108 | 108) Mittel der „Normal- |3 Männer werthe“ | Nr. 6, 7,8 |22—43 | 165 66°7 | 2-024 | 112 91 | 100 | 100 LUNGENGASWECHSEL IN VERSCHIEDENEN ÄALTERSSTUFEN. 335 einem auffallend rüstigen Greise von 78 Jahren auf 78, bezw. 69 Procent fallen kann! Der Umsatz des letzteren beträgt noch nicht die Hälfte von dem des zweijähriger Knaben! Wir haben in vorstehender Tabelle V für sämmtliche Individuen den gleichen Werth von 12.312 für C eingesetzt; würden wir statt dessen die einzelnen von Meeh für die verschiedenen Gewichtsclassen eruirten Werthe von © benutzen, so würden die von uns aus unserer Tabelle ermittelten Differenzen nicht kleiner, sondern grösser werden. Thatsächlich beträgt der Werth C für die Individuen unter 20'°® (im Mittel der unter einander wenig abweichenden Messungen Meeh’s Nr. 1, 2, 3, 5, 6, 7,1 11-98, für die Knaben von 28 bis 60%® (Nr. 8, 9, 10, 11 von Meeh) 12-85 und für die erwachsenen Männer (Nr. 12 bis 16 von Meeh) 12-53. Es ist mithin unter Benutzung dieser einzelnen Werthe die Körperoberfläche bei Männern im Durchschnitt um 2 Procent grösser, bei kleineren Knaben um 3 Procent kleiner, bei grösseren Knaben um 4 Procent grösser als unsere Tabelle an- giebt. Umgekehrt verhalten sich natürlich die Werthe für den Gaswechsel; und so würden die Differenzen in dem auf die Einheit der Oberfläche be- zogenen Gaswechsel zwischen den Männern und kleineren Kindern sich noch um mehrere Procente erhöhen (um etwa 6 Procent), für die mittleren Knaben allerdings etwas (um 2 Procent) erniedrigen. Wollte man selbst die aus unseren Versuchen berechneten Werthe unserer „Normalmänner“ nicht als richtig gelten lassen, weil ihre Träger zufällig den niedrigsten Gaswechsel unter den Männern zeigten, so würde auch eine etwas andere Berechnung der „Normalwerthe“ an den Resultaten nichts Wesentliches ändern. Wenn wir das Mittel aller 7 Männer von Nr. 4 bis 10 unserer Tabelle ziehen (56°5 bis 88-3®), so erhalten wir statt der von uns zur Berechnung gezogenen Werthe von 112° m O,, 91 «m CO, pro Quadratmeter als Mittel von 6—8, nunmehr 118 „»» 33 20.839 „ „ „ ” ” au), d. h. Werthe, die nur um 5, bezw. 2 Procent über den von uns angenom- menen liegen. Auch bei Benutzung dieser etwas höheren Zahlen bleiben unsere Schlussfolgerungen zu Recht bestehen. b) Weibliches Geschlecht. Wir führen die gleiche Berechnung durch für das weibliche Ge- schlecht. Leider liegen für dasselbe keine Messungen der Körperober- 1 Den äusserst niedrigen Werth für Nr. 4, der nach Meeh’s Angabe durch eine ungewöhnlich kräftige Entwickelung und fehlerhafte Proportion des betreffenden Kindes bedingt ist, lassen wir dabei noch ausser Spiel. 336 A. MaGnus-Levy unD ERNST FALK: fläche vor, und sind wir gezwungen, bei der Berechnung den für das männliche Geschlecht ermittelten Werth für die Constante C = 12-312 zu benutzen. Für kleinere Mädchen, deren Bau sich nicht sehr wesentlich von dem der Knaben unterscheidet, dürfte diese Zahl wohl Geltung haben, desgleichen für die kleinen dürftigen Frauen und Greisinnen, deren Fett- polster ein minimales war; für erwachsene, vollentwickelte Frauen mit ihrem reichlicheren Fettpolster aber dürfte die Constante C mit, 12-312 zu hoch und die auf diese Weise berechnete Körperoberfläche sicher zu gross ausfallen, da sie bei gleichem Gewichte zumeist kleiner sind als bei Männern und ihre Oberfläche sich mehr der Kugelgestalt nähert.‘ Die folgende Tabelle VI ist genau wie die entsprechende für die Männer angeordnet. Die Tabelle VI zeigt uns das gleiche Resultat wie die Tabelle V. Der Gaswechsel der Kinder ist erheblich höher als der der Frauen, und der- jenige der Greisinnen ist abermals geringer. Pro Quadratmeter betragen die Werthe für: Frauen (excel. Nr. 6 % N on. und 15). . . 113—139em 93—108. = 93—114 795106 Mädchen . . . . 128—165 „ 108-135 „ 105—135 107-135 Greisinnen . . . 87-121 „ 12—94 „ 71—99 74—9. Die „Relationszahlen“ erreichen bei den Mädchen freilich nicht so hohe Beträge, wie bei den Knaben. Die Gründe dafür haben wir schon oben erörtert. Es fehlen unter den Kindern die allerkleinsten, die die höchsten Werthe aufweisen würden; und anderentheils sind die Normal- werthe 3 Weibern entnommen, deren Gaswechsel unseres Erachtens eher etwas höher liegt als beim Durchschnitt. Würden wir beispielsweise die Normalwerthe berechnen für die 6 Frauen (Nr. 9 bis 14), so würden wir erhalten: statt 122m O,, 98cm CO, pro Quadratmeter bei Nr. 11 bis 13, nur 120°, 2900, 2, im Mittel’’beiöNr 9abisr 14. Diese Differenz ist freilich nicht sehr gross. Sie würde wesentlich grösser werden, wenn wir, ähnlich wie bei den Männern, als Vergleichs- person eine „normale“ Frau von höherem Gewichte (Nr. 14) mit 68° wählen. (Die Vergleichspersonen der Männer wogen etwa 67*®.) Im Allgemeinen ! Die durch die Entwickelung der Mammae beim Weibe bedingte, nur geringe Vergrösserung der Oberfläche kommt nicht wesentlich in Betracht, da sie beim Manne durch die relativ grössere Entwickelung der (auch relativ längeren) Extremitäten und durch das Vorhandensein der äusseren Genitalien weit übercompensirt wird. LUNGENGASWECHSEL IN VERSCHIEDENEN ÄLTERSSTUFEN. 397 Tabelle VI. Der Gaswechsel weiblicher Individuen pro Minute und Quadratmeter Körperoberfläche. ze Ge- | Körper- pro Quadratm. Relations- Ne „je len I DErEe ne 0 |r:0.,| Co zahlen äche 2 2 Jahre | cm kg qm ccm | ccm un): | | | Mädchen 1 7 | 107 | 15-3 0-759 165 133 135 135 2 6,| ? | 18-2 | 0-852 | 158 | 129 | 130 | 131 3 12 | 129 | 24-0 | 1.024 | ı32 | ı2ı | 108 | 123 4 12 128 | 25-2 | 1-058 | 128 | 105 | 105 | 107 5 13 138 | 31°0 | 1-215 | 141 | 126 | 116 | 128 6 11 141 | 35-0 | 1-317 | 142 | 119 I 117 | 121 Z 14 143 | 35-5 | 1-330 | 141 | 116 | 116 | 118 S 12 | 145P| 40-2 | 1-445 | 1387 | 107 | 113 | 109 9 1 | 149 | 42-7 | 1-488 | 142 | 114 | 117 | 116 Frauen 1 40 | 135()| 31-0 | ı-215 | 126 | 104 | 103 | 106 2 ss | 138 | 82-2 | 1-246 | 128 | 104 | 105 | 106 3 35 | 142 | 37-9 | 1-389 | 126 96 | 108 98 4 25 | 139 | 89-0 | 1-416 | 139 | 105 | 114 | 107 5 21 | 147 | 47-2 | 1-608 | 120 97 98 99 (6 57 Pakl)l ara | 1-08 | 105 | Wo | | 7 20 159 | 49-0 | 1-649 | 116 | 103 95 | 105 8 28 157 | :51°2:.| 1-698..|2.124 | 101: 102. |.103 9 18 152 | 54-0 2 759 | 125 | 108 | 103 | 105 10 17 156 | 54-0 | 1-759 | 115 94 94 96 11 28 156 | 61-3 | 1.914 | 132 | 108 ho 12 20 167, 61-0 | 1.908 | 114 93 I 100 13 26 156? | 62-7 | 1-943 | 120 94 147 01738 159 | 68-2 | 2-055 | 113 93 93 95 (Bu) 190227 169 | 76-5 | 2.219 | 1065 | 76 | 86 | 78) | Greisinnen 1 75 |s.klein| 30-3 | 1-196 | 107 82 88 84 2 74 4 39.4 | 1-426 | 121 90 99 92 3 TORE 41-2 | 1.469 |: 104 94 85 96 4 71 | 145 | 49-5 | 1-660 94 76 77 78 5 83 146 | 51-0 | 1-693 | 113 86 93 88 6 83 klein | 53-5 I 1-748 | 102 81 83 83 7 86 150 | 59-3 | 1-872 87 712 ai 74 Mittel d. 3 | ‚Normal- |Weiber Nr. werthe“ |11. 12. 13 20—28 160 | 61-67| 1-922 | 122 98 | 100 | 100 Archiv f£. A.u. Ph, 1899. Physiol. Abthlg. Suppl, 22 338 A. MAcnus-LevY UND ERNST FALk: findet ja auch, wie aus den Tabellen hervorgeht, bei erwachsenen Individuen ein geringes Absinken des (saswechsels für die Einheit der Körperoberfläche mit steigendem Gewichte statt. Auf jeden Fall können wir, auch wenn wir von jeder Correetur ab- sehen, aus unseren zwei Tabellen V und VI folgenden Schluss ableiten: Im jugendlichen Alter ist der Gaswechsel und der Kraft- umsatz nicht nur bei der Berechnung auf die Gewichts-, sondern auch bei einer solchen auf die Obcrflächeneinheit grösser, im Senium geringer als im Mannesalter. Das Lebensalter übt also an und für sich, ganz abgesehen von der Gewichts- und Öberflächenentwickelung, die freilich von grösserer Bedeutung sind, einen mäassgebenden Einfluss auf den Umsatz aus. Das hat zum ersten Male v. Hoesslin (23) in seiner schon eitirten Arbeit (S. 377) ausgesprochen. „Die Verschiedenheit der Grösse a (der Wärme- menge pro Quadratmeter Oberfläche) in Jugend und Alter kann wohl nur auf eine (einstweilen in ihrem Wesen unbekannte) Verschiedenheit des Zellproto- plasmas zurückgeführt werden.“ DBewiesen haben diese Lehre auf Grund zahlreicher eigener Versuche Sond&n und Tigerstedt. Wir befinden uns mit ihnen in vollster Uebereinstimmung. Wenn auch die von den skan- dinavischen Forschern gewählte Versuchsanordnung von der unserigen etwas - abweicht und hinter dieser für unsere rein theoretischen Betrach- tungen an Zweckmässigkeit zurücksteht, worauf wir weiter unten zurück- kommen werden, so legen wir doch Werth darauf, mit einer etwas anderen Methode zu dem gleichen Resultate gekommen zu sein, wie jene Autoren. 3. Der Gaswechsel gleich grosser und gleich schwerer Individuen im Kindes-, Mannes- und Greisenalter. Wir sind im Stande, noch auf eine andere, uns viel eleganter er- scheinende Weise den Nachweis zu führen, dass der Gaswechsel in der That mit dem Alter absinkt. Wir hatten von vornherein, beim Beginn unserer Arbeit, die Absicht gehabt, gleich grosse und gleich schwere Individuen im Kindes-, Mannes- und Greisenalter mit einander in Parallele zu stellen; bei der Durchführung dieser Idee sind wir vom Zufall, der uns, namentlich beim weiblichen Ge- schlecht, zahlreiche besonders kleine und leichte Individuen zuführte, sehr begünstigt worden. Die auf diese Weise gewonnenen Zahlen sind direct unter einander vergleichbar. Sie erlauben uns, den Einfluss des Alters auf die Intensität des Gaswechsels für sich allein zu studiren, ganz LUNGENGASWECHSEL IN VERSCHIEDENEN ALTERSSTUFEN. 339 losgelöst von dem Abhängigkeitsverhältniss, in dem der Umsatz von der Gewichts- und Oberflächenentwickelung steht; letztere ist eben bei dieser Anordnung imnerhalb der einzelnen Gruppen eleich schwerer Individuen annähernd gleich und brauchten wir sie somit in dieser Tabelle nicht mit anzuführen. Es entfällt natürlich, da unsere leichtesten Weiber 31" und unser kleinster Mann 43 °° wogen, der Vergleich mit den jüngsten Kindern. Wir haben sowohl für das männliche, wie für das weibliche Geschlecht mehrere Gruppen gebildet, innerhalb deren das Gewicht der zu vergleichenden Individuen bei verschiedenem Lebensalter annähernd gleich ist. Solcher Gruppen finden sich bei den Frauen vier, bei den Männern drei Bei den zur Berechnung herangezogenen Erwachsenen und Kindern haben wir, soweit Individuen der betreffenden Gewichtsclasse in unserer Tabelle vor- vorkommen, keinerlei Ausschaltungen vorgenommen, wohl aber bei den Greisen. Hier wurden weggelassen der eine 64jährige Mann („Greis“ Nr. 5 der Tabelle I), weil bei demselben unseres Erachtens das Greisenalter noch nicht eingetreten war, sowie zwei alte Weiber, bei denen wir nur über je einen Versuch (mit zu hohen Werthen) verfügen (Nr.5 und 6 der Tabelle III). Die Tabelle VII bringt neben der Bezeichnung und Classifieirung der Individuen nach Alter, Gewicht und Länge einmal die absoluten Zahlen des Gaswechsels, daneben aber auch, da ja die Gewichte innerhalb der einzelnen Gruppen nicht absolut gleich sind, die Berechnung auf das Kilogramm, ferner die Relationszahlen der letzteren Werthe, wobei diejenigen für die Erwachsenen in jeder einzelnen Gruppe gleich 100 gesetzt werden. Die Zusammenstellung der Tabelle VII ergiebt ein ausserordentlich klares und schlagendes Resultat: ausnahmslos ist in allen 7 Gruppen der Gaswechsel der Greise bei annähernd gleichem Gewichte und Grösse viel niedriger und der der Kinder um etwas höher, als derjenige der erwachsenen Individuen. Im Durchschnitt aller 7 Gruppen ist der Sauerstoffverbrauch bei den Greisen um 20 Procent, die Kohlensäureausathmung um 18 Procent niedriger, als bei den Erwachsenen, bei den Kindern um 8 und 18 Procent höher. Die Differenz zwischen dem Kindes- und dem Mannesalter tritt in dieser Zusammenstellung nicht so sehr hervor, aus einem leicht ersichtlichen Grunde: es konnten ja nur grössere Kinder bei diesem Vergleiche benutzt werden, deren Umsatz sich dem der Erwachsenen schon einigermaassen nähert. Man sieht ja auch in dieser Tabelle deutlich, dass der Umsatz jüngerer und kleinerer Kinder (Gruppe AI und BI) den der Erwachsenen gleicher Grösse um erheblichere Procente übertrifft als derjenige grösserer Kinder (Gruppe AII und BI). 32 A. MA6nus-LEevy UND Ernst FALK 340 Tabelle VI. Der Gaswechsel der Kinder, Erwachsenen und Greise bei gleichem Gewicht und Längenwachsthum (Oberfläche). Relations- Eröips Art und Nummer Alter | Gewicht | Länge a zahlen Beferlunken der Individuen 0200; 0, | €, pro Kilo B 5 Jahre kg cm com | ccm | cem | ccm 0, CO, A. Weibliches Geschlecht. AI 1 Mädchen 5 13 31-0 138 171-7|153-1| 5-54 | 4-94 | 112 | 122 | ziemlich mager 2 Frauen 1.2 38—40 31-6 133—135 |156-6 | 128-1| 4-96 | 4-06 | 100 | 100 | sehr mager 1 Greisin 1 75 30-3 p 128-6| 98-6| 4-25 | 3-26 86 80 5 » und marantisch A II | 2 Mädchen 8. 9 11—12 41-1 145-149 | 204-3 | 161-8| 4-97 | 3-94 | 103 108 | gut entwickelt, nicht mager 2 Frauen 3.4 25—35 38-5 139—142 | 186-5 | 140-:7| 4-85 | 3-66 | 100 100 | mager 2 Greisinnen 2.3 74. 75 40+3 3 162-8 |133-2]| 4-04 | 3-31 81 90 „ leidlich rüstig A III | 2Frauen 1.8 20. 28 50-1 157—159 | 201-2 |170-7| 4-01 | 3-41 | 100 | 100 | geringes Fettpolster 1 Greisin 4 74 49*5 145 156-6 [126-5 | 3-16 | 2-55 79 84 | ziemlich mager; sehr rüstig A IV | 3 Frauen 11.12.13 |20. 26. 28] 61-7 155—167 [234-1 | 188-4 | 3-79 | 3-05 | 100 | 100 | gutes normales Fettpolster 1 Greisin 7 86 59-3 150 163-8 |135-2| 2-75 | 2-27 73 74 | leidliches Fettpolster; sehrrüst. B. Männliches Geschlecht. B#I 2 Knaben 13.14 14. 17 43-7 149—154 | 216-6 | 189-4 | 4-97 | 4:35 | 110 128 | ziemlich mager 1 Mann 1 24 43*2 148 195-8 | 146-9 | 4-53 | 3-40 | 100 100 5 1 Greis 1 71 47-8 164 163-2 | 129-0 | 3:42 | 2-70 75 79 | recht mager; rüstig BU [/2Knaben 15.16 16 57-5 160—170 [238-9 | 195-7 | 4-16 | 3-40 | 108 | 115 | mässiges Fettpolster .2 Männer 45 32. 56 57-3 161—162 | 221-6 | 168-4 | 3-87 | 2-94 | 100 100 > 5 1 Greis 2 70 60-0 165 187-6 161-6| 3-13 | 2-70 81 91 | sehr ger. Fettpolster; sehr rüst. B III | 3 Männer 6.7.8 | 22—43 66-7 161—167 |227-7 185-0 | 3-42 | 2-77 | 100 , 100 | spärl.Fettpolster;sehr guttrain. 2 Greise 3. 4 INS 68-9 162—172 [196-4 | 149-5 | 2-85 | 2-17 83 78 | sehr spärl. Fettpolster; ausser- ordentl. rüst. u. muskelkräftig LUNGENGASWECHSEL IN VERSCHIEDENEN ÄLTERSSTUFEN. 341 Tabelle VII (Fortsetzung.) Differenz im Gaswechsel bei Kindern und Greisen gegenüber den Erwachsenen. Greise Kinder Gruppe 9R | CO, OÖ, CO, Proc. | Proc. Proc. Proe. AUT ar — 20 +12 + 22 AL le a 210 +83 + 8 AU 9 — 16 A IV oa 256 BI oe + 10 + 28 BU — 19 | — 9 +8 +15 BI je _— 2 . Mitte | -20 | -ıs | +8 +18 Wir müssen zunächst den möglichen Einwand zurückweisen, dass die Abnahme des Gaswechsels mit dem steigenden Lebensalter in unseren Versuchen bedingt gewesen sei durch eine grössere Ruhe der älteren In- dividuen, namentlich der Greise. Ihr Bewegungsdrang ist ja sicher ein geringerer als bei den Erwachsenen und Kindern. Thatsächlich aber konnten wir diesen durch „Trainirung“ unserer Versuchspersonen stets fast ganz ausschliessen oder auf ein Minimum herabdrücken, auch bei jüngeren Kindern. Dass wir bei Erwachsenen, namentlich den 3 Männern der Gruppe BI, ein Minimum des Umsatzes erreicht haben, werden wir weiter unten eingehend erörtern. Zum Theil waren unsere Greise eher schwieriger als leichter zu unseren Versuchen zu erziehen als Kinder und Erwachsene. Sie fanden sich schwerer mit den geringen Unannehmlichkeiten des Ver- suchesab, so dass wir einen Zustand grösserer Ruhe und Muskelentspannung für sie nicht zugeben können. Es erübrigt uns noch, den Gaswechsel in den verschiedenen Lebens- altern zu dem Protoplasmagehalte des Körpers in Beziehung zu setzen. Wir gehen wohl nicht fehl, wenn wir dem als todtes Reserve- und Heizmaterial im Bindegewebe und Nervensysteme eingelagerten Fette (wie auch dem Glykogen) jeden eigenen Umsatz ganz absprechen, wenn wir den Knochen und dem Bindegewebsgerüste nur einen geringen zu- erkennen und den grössten Betrag des Kraftumsatzes und des Gaswechsels den protoplasmareichsten Geweben, den Muskeln und Drüsen zutheilen. Dass die „Gewichtseinheit des Protoplasmas“ (wenn wir von einer solchen sprechen dürfen), des Trägers thierischer Functionen, im kindlichen Alter einen erheblich höheren Umsatz zeigt als in der Zeit voller Reife, geht ja 342 A. MAGnus-LEvVY UND ERNST FALk: aus den absolut hohen Zahlen der Kinder klar hervor. Fraglich könnte nur erscheinen, ob nicht das ja nur mässige Absinken des Gaswechsels im Greisenalter bedingt sei durch ein relatives Zurücktreten des Proto- plasmagehaltes, vor Allem der Drüsen und Muskeln in höheren Jahren. Thatsächlich erscheint ja das Bindegewebe bei alten Leuten mehr eıt- wickelt, die Drüsen kleiner, die Muskeln härter und weniger succulent. Dem steht aber die Abnahme des Fettpolsters gegenüber; in unserer Tabelle VII hatten, wie die Notizen besagen, die alten Leute zumeist weniger Fett am Körper wie die jüngeren. Wir gehen wohl nicht fehl, wenn wir den Satz aussprechen, dass das Protoplasma im Alter einen geringeren Umsatz besitzt als in der Zeit völliger Reife. 4. Der Gaswechsel beim männlichen und weiblichen Geschlecht. Wir haben nunmehr einen Vergleich zu ziehen zwischen dem Gas- wechsel bei beiden Geschlechtern. Wie auch sonst, stellen wir männliche und weibliche Individuen von annähernd gleichem Gewichte zusammen, sind jedoch gezwungen, da wir bei beiden Geschlechtern nicht stets Personen von gleichem Gewichte zur Verfügung haben, mehrere Individuen in eine Gruppe zusammenzufassen. Namentlich für den Vergleich zwischen Frauen und Männern macht sich der beregte Uebelstand für unsere Zusammenstellung sehr fühlbar geltend, so daß wir hier eigentlich nur drei wirklich gut vergleichbare Gruppen (e, f, g) haben. Noch erheblicher sind die Differenzen des Körperbaus für das Greisenalter. Bei den Mädchen haben wir in Gruppe h noch zwei jugendliche Weiber von 17 und 18 Jahren eingereiht und sie der ent- sprechenden Gruppe zweier jungen Männer von 16 Jahren gegenüber- gestellt. Diese Einbeziehung ist gerechtfertigt, da es sich bei diesen jungen Weibern um gut entwickelte Individuen handelte, die bereits die volle Ge- schlechtsreife erlangt hatten, deren vollständiges Breiten- und Längen-Wachs- thum jedoch wohl noch nicht abgeschlossen war, genau so wie bei den entsprechenden beiden jungen Männern. Demgegenüber kommt in den beiden Gruppen f und g der Mädchen und Knaben die Zeit unmittelbar vor und während der Pubertät zum Ausdruck. Die folgende Tabelle zeigt neben einander den Gaswechsel beider Geschlechter auf die Gewichtseinheit bezogen; die „Relationszahlen“ weisen nach, wie viel Procente der Gas- wechsel weiblicher Individuen von dem der Männer beträgt (vgl. Tab. VIII). Die Tabelle zeigt ein recht klares und deutliches Bild. Bei den jüngeren Kindern (Gruppe b bis e) ist der Gaswechsel der Mädchen etwas kleiner als bei den Knaben, im Verhältniss von je 91 Procent für Sauerstoff und 343 LUNGENGASWECHSEL IN VERSCHIEDENEN ÄLTERSSTUFEN. UOnELg | 16 "16 | ——— 68 |.06 #8 | 88 # | 6 e0T | 66 10T | 001 oT ) 001 10T | 001 oT) 96 In eb. | #6 #6 | +6 26 | 001 got | #01 #8 | 88 6 | 88 | 86 68 | 68 | ° uwagoıuagu 19p voAg ur uonprAIpuf uoydıTglom 19p uoluez -suonepog IKuAr: \85-F \08-# 89-4 F0-4 17:9 BE*L 191-8 ‚ DD | °09 O4 3y9o[y9son soydrpunem °o oxrd 93urr] YyoıMm -9%) 2 q L3*3 GL-3 081 I ® 99-3 91-8 er 01°6 | ı 7 = = SEHR 03-3 F0-8 691 8s,9| 8 08-3 oF-E 6<1 g J c0-8 6L-8 | 291—cC1 ra) 13-8 16-8 | 981-381 — LEE 80-F|6EI—LHT L er. — je. — = | 99-8 G8-F El = ® 90-F 96-F FEI 9 u 13-8 16-8 rel r1—11| 3 #68 96-F LFI 076 | F Ir-r 38-4 el 8 9 or r 79-4 BEI L p 08-F 09-4 | 4-821 9-8 |9 20-9 or) d rd q 09-9 61-8 LOL I ® — = = uonp Q ud ud ud rn % & Aalpu E 1070) 0) ouy] Tp “IN|® opry oxd 98 ‘opryp od uonprArpuf aoyaıuugu pun ToyofgroMm [OSTOOMSEH) Ol] IA o1194eL yy9oLyaSsoHn soyarıqtoM Gl Al sl ’sııı 016 8'L1'9 OT6CTT) 68 L'9 q F'e ° il uonp -TATPUT Op IN Fe} BEIGATS) 9uos -IIUM I opury 344 A. MıGnus-Levy UND ERNST FALk: Kohlensäure; bei den grösseren Individuen im Kindesalter ist er annähernd gleich (99 und 96 Procent); im Durchschnitt aller sieben Gruppen beträgt der Gaswechsel bei den Mädchen 94 bezw. 93 Procent von dem der Knaben. Für das Mannesalter stehen uns eigentlich nur drei gut vergleich- bare Gruppen (e, f, g) zur Verfügung. Wir haben ausserdem noch die Gruppe e (1 Mann) mit der combinirten Gruppe b und d) (5 Weiber) in Vergleich gebracht, obgleich diese Combination bei den weit auseinander- liegenden Gewichten der betreffenden Frauen nicht ganz einwandsfrei ist. In allen diesen vier Gruppen zeigt sich der Gaswechsel bei Erwachsenen beider Geschlechter fast genau gleich; im Mittel der vier Gruppen beträgt der Gaswechsel des Weibes 99 bezw. 103 Procent von dem des Mannes. Bei den beiden verglichenen Alten (Greisen und Greisinnen) ist eine Differenz von 10 und 11 Procent zu Ungunsten der Weiber vorhanden. Im Allgemeinen ist also der Gaswechsel weiblicher Indivi- duen bei gleichem Lebensalter in mittleren Jahren annähernd gleich demjenigen ebenso schwerer männlicher Personen; bei Kindern und Greisen ergiebt sich eine geringe Differenz (um 5 bis 10 Procent) zu Ungunsten des weiblichen Geschlechtes. Wesentlich günstiger gestalten sich für dieses die Verhältnisse, wenn wir einen anderen Maassstab als den des Gewichtes dem Vergleiche: zu Grunde legen. Eine Umrechnung des Gaswechsels statt auf das Kilo auf die Einheit der wirklichen Körperoberfläche würde das oben be- rechnete Verhältniss zu Gunsten des weiblichen Geschlechtes verschieben. Wir versagen uns hier eine genaue Umrechnung auf diese Einheit, weil wir hier ja nur weibliche und männliche Individuen gleichen Gewichtes mit einander in Beziehung setzen; somit würden die Relationszahlen ebenso ausfallen wie in Tabelle VIII, da die Oberfläche der Frauen rech- nerisch ebenso gross ist wie die gleich schwerer Männer; nämlich wenn wir für sie die Constante C der Meeh’schen Formel ebenso wie bei den Männern = 12-312 setzen würden. Thatsächlich muss dieser Wert, wie wir bereits oben ausgeführt haben, für die Frauen kleiner sein als 12-312. In der Tabelle VIII ist fast ausnahmslos die Grösse der weib- lichen Individuen geringer als die gleich schwerer männlicher Personen. (Besonders erhebliche Differenzen finden wir in Gruppe g und h der Kinder, g der Erwachsenen und in der Rubrik a und b der Greise [—-5°5, —11, —6, —19, —15 (!) = bei den Weibern].) Wäre der Wert von © für die Frauen bekannt, so würden bei der Berechnung auf die Einheit der Körperorberfläche die Relationszahlen, die wir bei der Beziehung auf die Einheit des Gewichtes gefunden haben, sich zweifelsohne zu Gunsten des weiblichen Geschlechtes erhöhen. LUNGENGASWECHSEL IN VERSCHIEDENEN ALTERSSTUFEN. 345 Und das Gleiche ist der Fall, wenn wir, wie das schon oben bei der Erörterung des dem Greisenalter zukommenden Gaswechsels geschehen, den letzteren auf die Gewichtseinheit des lebenden Protoplasmas beziehen. Die Menge des letzteren zu bestimmen, sind wir ja vollkommen ausser Stande. Selbst eine Feststellung des im Körper enthaltenen Stick- stoffes, oder die kaum ausführbare des Grehaltes an „Eiweiss“ würde für unseren Zweck uns keine verwerthbaren Zahlen ergeben. — Thatsächlich aber unterliegt es wohl kaum einem Zweifel, dass bei dem erheblich grösseren Fettreichthum des Weibes jedenfalls die Musculatur an dem Aufbau ihres Körpers einen geringeren Anteil nimmt als beim Mann. Die „Gewichts- einheit des Protoplasmas“ würde somit beim weiblichen Geschlecht keinen geringeren, eher sogar einen noch etwas höheren Umsatz zeigen als beim männlichen. II. Theil. Vergleich mit den Untersuchungen früherer Autoren. Von früheren Forschern haben sich vor allen Dingen Scharling (2), ferner Andral und Gavarret (3), sowie Speck (4) mit dem Gaswechsel in verschiedenen Lebensaltern und bei den beiden Geschlechtern systematisch beschäftigt; das weitaus grösste und beste Material haben vor vier Jahren Sonden und Tigerstedt (4) beigebracht. Ausser diesen werden wir jedoch zahlreiche andere Untersuchungen zu berücksichtigen haben, so namentlich solche von Pettenkofer-Voit (5), Lewin (6), Forster (7), Rubner (8), von Zuntz (9) und seinen Schülern (Löwy (11), Katzenstein (10) u.s. w.), von Johannson (12) u. A. m. Ein Vergleich unserer Zahlen mit denen verschiedener früherer Autoren, die allerdings grösstentheils bloss über Kohlensäureabgabe berichten, erfor- dert eine kleine Umrechnung, da in jenen Versuchen die Werthe zumeist in Grammen für eine Stunde pro Kilo wiedergegeben sind.! Die so ange- gebenen Zahlen sind mit 60 mal 1-966 (dem Gewicht eines Liters CO,) = 11S zu dividiren, um sie mit den unseren vergleichbar zu machen, die auf eine Minute und auf Kubikcentimeter ausgerechnet sind (oder unsere Zahlen sind mit diesem Factor zu multiplieiren). Die Zusammenstellung unserer Zahlenwerthe mit den meisten unserer Vorgänger zeigt sofort das zunächst auffallende Resultat, dass die unserigen ! Wenn uns auch mit Ausnahme der Arbeiten von Scharling sowie Andral und Gavarret alle anderen Originalarbeiten zugängig gewesen sind, so entnehmen wir die von ihnen gewonnenen Zahlen zumeist der Arbeit von Sonden und Tiger- stedt, da sie in deren Arbeit bereits einheitlich berechnet sind. 346 A. MAGnus-LevyY UND ERNST FALK: erheblich kleiner sind, als die früher gefundenen. Wir müssen diesen Unterschied erst erklären und den Nachweis erbringen, dass unsere niedrigen Zahlen unter den gewählten Versuchsbedingungen den thatsächlichen Ver- hältnissen entsprechen, dass sie nicht etwa durch Mängel unserer Methodik oder fehlerhafte Handhabung derselben bedingt sind. Rechtfertigung unserer Werthe. Wir haben, wie in allen früheren Untersuchungen, so auch hier aus- nahmslos den Zustand absoluter Muskelruhe und vollständiger Nüchternheit untersucht. Die Begründung dafür haben wir an anderer Stelle ausführlich niedergelegt und auch in diöser Arbeit auf S. 316 kurz wiedergegeben. Die erheblichen Differenzen zwischen unseren Zahlen und denen früherer Autoren müssen wir darauf beziehen, dass in deren Versuchen zwar auch ein ruhiger Zustand gewählt wurde, dass aber diese „Ruhe‘“ im gewöhnlichen Sinne des Wortes (bequemes Sitzen und die dabei statt- findenden leichten Bewegungen) von derjenigen erheblich abweicht, die wir zu erzielen bemüht waren, und die wir thatsächlich auch fast durchweg erreicht haben. Wir wollen zunächst mit einigen Worten die Kohlensäurezahlen unserer „Normalmänner‘“ mit ihren anscheinend so sehr niedrigen Werthen zu rechtfertigen suchen. Für dieselben hatten wir im Durchschnitt 185 «= CO, pro Minute bei rund 67 Gewicht ermittelt, das sind 21.88” CO, für die Stunde; dem gegenüber finden wir bei Sonden und Tigerstedt (S. 73) für den Erwachsenen 34 bis 382m C0O,, bei Rubner! für 70% 33 bis 388® CO,; ähnliche Werthe kommen in den Versuchen Voit- Pettenkofer’s vor, sowie bei den erwachsenen Personen Scharling’s, und zumeist noch höhere bei Andral und Gavarret, die leider die Ge- wichte ihrer Versuchspersonen nicht notirt haben. Dass aber die von uns seit Jahren gewählte Versuchsanordnung richtig ist und unsere Zahlen thatsächlichen Verhältnissen entsprechen, dafür können wir die schlagendsten Beweise den Arbeiten Johannson’s und denen von Sonden und Tigerstedt entnehmen. Diese Autoren sind sich gleich uns darüber vollkommen klar gewesen, dass der im gewöhnlichen Leben als „Ruhe‘ bezeichnete Zustand erheblich abweicht von dem voll- ständiger Muskelruhe. Sie haben die Differenz zwischen diesen beiden Zuständen, die wir auf Grund des Vergleiches unserer Zahlen mit anderen I Archiv für Hygiene. Bd. XXIX. 8. 45. LUNGENGASWECHSEL IN VERSCHIEDENEN ALTERSSTUFEN. 347 nur schätzen! konnten, durch eigene, sehr zahlreiche, vorzügliche Unter- suchungsreihen genau bestimmt. Johannson (12) hat den Zustand grösster willkürlicher Muskelruhe in Experimenten an sich selbst untersucht. Er nennt diesen Zustand „vorsätzliche Muskelruhe“, und meint, dass dieser nur bei der nöthigen Intelligenz und Selbstbeherrschung der Versuchs- individuen zu erzielen sei. Es ist das genau der gleiche Zustand, den wir bei unseren 3 Aerzten leicht und sicher, und auch bei fast allen anderen Individuen durch stete Wiederholung der Versuche fast durchweg erreicht haben. So sind Johannson’s Zahlen mit den unseren direct vergleichbar. Er fand in zwei vorzüglich durchgeführten, gut übereinstimmenden Reihen im Mittel 21.58” CO, in der Stunde; das ist die gleiche Zahl» die wir berechneten (21-8). Auf das Kilogramm und die Minute entfallen bei ihm (738) 2-45 em CO,, bei uns (66-78) 2.77 m 0O,. Ueber seine Körpereonstitution finden wir in seinen Arbeiten keinen Vermerk; wir wissen nicht, ob er ebenso muskelkräftig gewesen, wie unsere Individuen, oder nicht vielmehr einen etwas höheren Fettreichthum besessen hat. Auf jeden Fall können wir aus Johannson’s Zahlen entnehmen, dass unsere niedrigen Werthe nicht durch Fehler der Versuchsanordnung und der Technik be- dingt sind. Ferner haben, und zwar schon vor ihm, Sond&n und Tigerstedt das Minimum des Gaswechsels durch Untersuchungen im Schlafe an ver- schiedenen Individuen ermittelt. Löwy (11) und Magnus-Levy (14) hatten ja im Gegensatze zu früheren Forschern (Pettenkofer, Voit, Lewin u. A.) behauptet, dass der Gaswechsel im Schlafe von dem im wachen Zustande bei völliger Ruhe sich nicht wesentlich unterscheide, und Johannson’s zahlreiche Versuche haben das über allen Zweifel sicher ge- stellt. Thatsächlich findet sich kaum ein Unterschied zwischen dem Gas- wechsel bei „vorsätzlicher Muskelruhe“ und dem im Schlafe, und so können wir die von Sonden und Tigerstedt (13) an von schlafenden Menschen gewonnenen Zahlen mit den unserigen direct vergleichen. Wir stellen die von diesen Autoren für den Schlaf erhaltenen Mittel- werthe (S. 140), wie ihre Minima (S. 150), auf 1 Minute und 1° in Cubik- centimeter umgerechnet, zusammen mit unseren Werthen im wachen Zu- stande bei vollkommener Ruhe. (Tabelle IX.) Die im Schlafe von Sond&n und Tigerstedt erhaltenen Minimal- werthe liegen zum Theil etwas niedriger, als die von uns im wachen Zu- stande gefundenen; die Mittelwerthe im Schlafe liegen unseren Zahlen recht ! Vgl. Magnus-Levy, Pflüger’s Archw. Bd. LV. 8.110 Anmerkung; statt „willkürlicher Bewegung“ muss es dort natürlich, wie es ja auch aus dem Sinne jener Beschreibung hervorgeht, heissen „unwillkürliche Bewegungen“. 348 A. Macnus-LEvy UND ERNST FALk: nahe. Wir entnehmen aus dieser für physiologische Daten recht guten Uebereinstimmung eine weitere Stütze für die annähernde Richtigkeit der von uns erhaltenen Zahlen. Ta.belle KR. CO,-Abgabe im Schlaf (Sonden und Tigerstedt) und in „vorsätzlicher Muskelruhe“ (Magnus-Levy und Falk). . | CO,-Abgabe ‚in vor- CO,-Abgabe im Schlaf | sätzlicherRuhes | Nr.! | Alter , Ge- |proKilou.Min.| Nr.” | Alter Ge- |pro Kilo wicht ccm CO, wicht | u. Min. Jahre | kg |Minim.| Mittel | Jahre kg |ccm CO, = Knaben 1, | 11 | s2:1.| 4-83 | 5-36 |, 8. | 10% so:e 75:23 B 2 12 | 38-3 | 4-45 | 4-80 | 9. 10| 14 | 36-5 | 4-30 z 3 18 | 57.0 | 2-98 | 3-31 \15.16| ı6 | 57-5 | 3-40 &n | | © | Mädchen 4 20 | 71-2 | 2-98 | 3-22 | = 5 22 1 72=7 (12.58) |. 2.89], 8 22 67-5 | 2-97 3 6 s0 | 63-0 | 2-60 | 2.94 | 6 | 48 | 65-0 | 2-50 ® 7 32 1695| 2-72 8307| 7 25 |67-5| 2-85 rS | = | Z | 6Greise 9 69 166-6 | 2.3838 | 2-45 | 1 1 |47-8 | 2-70 10 78 1590| 2-40 | 2-75| 4 77 169-3 | 2-44 113 | 84 |61-3 | 2-56 | 2-92 | 73 | 86 | 59-3 | 2-27 Mittel 4—7 |20—32 | 69-1 | 2-70 | 3-04 | 6-78 [22—43| 66-7 | 2-77 Lewin a Sond&n und Tigerstedt haben, gleich den meisten ihrer Vorgänger, in ihren anderen Versuchen, und zwar „aus praktischen Gesichtspunkten“, wie sie ausdrücklich hervorheben, den Ruhezustand im gewöhnlichen Sinne des Wortes untersucht; sie sagen aber selbst (S. 149): „Wenn es gilt, zu untersuchen, welchen Einfluss das Lebensalter und die Körpergrösse an und für sich auf die Grösse des Stoffwechsels ausüben, dürften Versuche über den Stoffwechsel im Schlafe am meisten befriedigend sein, denn da befindet sich ja die Versuchsperson in der grössten möglichen Muskelruhe.“ Diese Uebereinstimmung des Gedankenganges bei den schwedischen For- schern und bei uns ist für beide Theile befriedigend. ! Die Ziffern beziehen sich auf die Tabelle S. 150 von Sonden und Tigerstedt. ? Die Ziffern beziehen sich auf unsere Tabellen I und I. ® Weibliches Individuum. * Angaben nach Sonden und Tigerstedt S. 149. LUNGENGASWECHSEL IN VERSCHIEDENEN ÄLTERSSTUFEN. 349 Dieser Zustand „vorsätzlicher Muskelruhe‘“ ist auch bei Speck, dessen grosse Verdienste dadurch keinerlei Einschränkung erfahren, nicht erreicht, da er in sitzender Stellung während des Versuches seine Apparate beobachten und controliren musste. Er fand in den Versuchen, die er auf 8. 215 seines Buches als seine Normalreihen aufführt, für sich 285°» 0, und 234 m CO,, also bei 628 Gewicht 4-60 m O, und 3.77 m CO, pro Kilo; das sind rund 30 Procent mehr als bei ‚uns. Auch bei zahlreichen Ver- suchen aus dem Zuntz’schen Laboratorium (Katzenstein, Löwy u. A.) liegen, obgleich die Versuche theilweise im nüchternen Zustande und fast immer in der „Ruhe“ gemacht sind, die Zahlen etwas höher als bei uns. In diesen Versuchsreihen ist es den Autoren zumeist nicht so intensiv darum zu thun gewesen, das Minimum des Stoffumsatzes zu erreichen; sie konnten sich damit begnügen, ihm einigermaassen nahe zu kommen, da ihre Absicht meist dahin ging, erhebliche und sehr grosse Ab- weichungen von der Norm zu studiren (Abkühlungs- und Arbeitsversuche). Auch hier treten wir jenen Autoren nicht zu nahe, wenn wir für unsere theoretischen Betrachtungen unseren Zahlen eine grössere Bedeutung vindiciren als den ihren.! Von anderen Autoren findet Eykmann (15) mit der von uns benutzten Methode Werthe, die nur etwas höher sind, als unsere. Das Mittel seiner Werthe an 11 Europäern in den Tropen (S. 70) ist nach Umrechnung auf 64%: (vrgl. die Details auf S. 68 bis 70 seiner Arbeit): 245.7 ° m 0, und 193.4°m CO, pro Minute, oder 3.84 ”„.» 2) 302 ”„.» ” ” und Kilo, denen er einen ähnlichen Durchschnitt für Europäer in Deutschland, aus Zahlen von Geppert, Löwy, Katzenstein und Magnus-Levy be- rechnet, gegenüberstellt. Wir erwähnen noch, dass Johannson (12) (8. 119) den Zustand „vorsätzlicher Muskelruhe“ von dem „gewöhnlicher Muskelruhe“ und von dem „der Ruhe im gewöhnlichen Sinne des Wortes‘ unterscheidet. -Der Gaswechsel in diesen drei Zuständen verhielt sich bei ihm wie 66:77:100 oder wie 100:117:150; er ist also in dem letztgenannten 1 Uebrigens finden sich in Loewy’s Arbeit (Pflüger’s Archiv. Bd. XLIII) Zahlen, die den unseren recht nahe liegen, so z.B. für einen kräftigen, musculösen Mann von 67-5*: im Mittel 222-9 O, und 202-7 «= CO,, das sind 3-30 «= 0, und 3-0°= CO, pro Kilo, ferner für einen schwächlichen Mann von 60-5 "8 3.53 m 0, und 3-04 °== CO,. — In seiner späteren Arbeit finden sich höhere Werthe. Wir können an dieser Stelle natürlich nicht alle Zahlen früherer Autoren (Henrijean, Fredericg, Geppert, Hanriot, Richet u.s. w.), die wir wohl kennen, aufnehmen und im Ein- zelnen erörtern. 390 A. Maantus-Levy unD Ernst FALK: Tabelle X. Vergleich zwischen den Werthen von Sond@n und Tigerstedt und unseren über die CO,-Abgabe. Sonden und Magnus-Levy Tigerstedt! | und Falk Relations- Nr. Ge- | pro Kilo Nr. Ge- | pro Kilo | zahlen wicht | u. Minute wicht | u. Minute | kg | ccm CO, kg | cem CO, | Procent Knaben 1 20-1 9.73 | 4.5.6 | 20-6 | 6-37 153 2 27-5 10:22 || 7 26-5 5:04 203 4.6 30.9 9-19 8 30-6 5.23 178 7 34-1 8-45 9. 10 36-5 4-30 197 91V 44.9 8-32 || 18. 14 43.7 4-35 191 | 12 59-5 6-90 15. 16 57-5 3:40 203 Männer 14..15. 16| 67-8 Al 6.00.08 66-7 2-77 170 | Mädchen 1 | 21-8 9-60 2 18-2 6:02 160 2 26-6 720 | 3.4 24-6 4-30 150 3 31-0 Te16: | u 8 31-0 | 4:94 145 4 36-2 DER NT 35.3 4-41 143 5 39.5 5-90 | 8 40-2 3.84 156 6 44.3 5.60 | 9 420 4:03 139 Frauen 9 53-9 426 | 9.10 [5+0 | za 133 10.11 60-5 4-64 3 aaa a6 [ao 3-05 152 Scharling? | Speck ® Knabe 22.0 1.83 Knabe 35-0 5.20 | Jüngling | 58-0 5-01 Jüngling | 55-0 4.80 Mann 66-0 4.28 Mann 62-0 3-80 | Mädchen | 25-0 7.08 Mädchen | 25-0 5-90 e 56.0 3-85 ig 47-0 4-10 „ 51.5 4-30 Frau 58-0 3.40 ! Berechnet und zusammengestellt aus den Tabellen bei Sonden und Tiger- stedt 8. 77 und 90. ® Ebenda S. 54. ° Ebenda S. 57. LUNGENGASWECHSEL IN VERSCHIEDENEN ALTERSSTUFEN. 351 Zustande bei ihm um die Hälfte höher als in dem ersten. Doch ist diese Differenz bei verschiedenen Individuen in verschiedenen Lebensaltern jedenfalls nicht constant in dem Sinne, dass es erlaubt wäre, durch einen Abzug von Y, des Wertles von den Zahlen, die Sonden und Tiger- stedt u. A. ermittelt haben, den Minimum-Gaswechsel zu berechnen. Wir geben in der nebenstehenden Tabelle X eine Uebersicht der von Sonden und Tigerstedt und der von uns ermittelten Werthe für die CO,-Ausscheidung pro Kilo bei den verschiedenen Altersclassen. Der letzte Stab in dieser Tabelle zeigt, um wie viel Procent die Werthe der skandi- navischen Autoren die unseren übertreffen. Aus der Tabelle X geht hervor, dass die Differenz zwischen den beider- seitigen Resultaten, die im Allgemeinen auf die Verdauungsarbeit und die geringe Muskelthätigkeit in den „Ruheversuchen“ von Sonden und Tigerstedt zurückzuführen ist, in den diversen Gruppen verschiedene Werthe zeigt, dass sie beim männlichen Geschlecht viel grösser ist als beim weiblichen. Daraus werden sich eine Reihe Unterschiede in den Resultaten erklären, zu denen wir, im Gegensatze zu Sond&n und Tigerstedt, ge- kommen sind. Scharling’s und Speck’s Zahlen, die wir auch in unsere Tabelle aufgenommen haben, stehen in der Mitte zwischen unseren und denen von Sonden und Tigerstedt. Nachdem wir somit die verschiedene Grössenordnung der in der Litte- ratur niedergelegten Zahlenwerthe erörtert und beleuchtet und die unserigen gegen etwaige Einwände sichergestellt haben, wollen wir nun die Schlüsse, zu denen wir gekommen sind, mit denen unserer Vorgänger in Parallele setzen. Wir werden uns dabei zumeist auf den Vergleich mit Sondön und Tigerstedt beschränken können, da ihre Untersuchungen die weitaus zahlreichsten sind und die Verdienste früherer Autoren bei ihnen eine sorgfältige und gerechte, historische und kritische Würdigung bereits er- fahren haben. Vergleich unserer Resultate mit den früher erhaltenen. Wir stellen zunächst die Punkte voran, in denen wir trotz verschiedener Versuchsanordnung mit den früheren Autoren übereinstimmen. Es war längst bekannt und von allen früheren Untersuchern (Schar- ling, Andral, Gavarret, Forster, Speck u. A.!) hervorgehoben, dass der Gaswechsel und der Kraftumsatz bei Kindern, auf die Gewichtseinheit bezogen, weit erheblicher sei, als bei den Erwachsenen. Das wird ja auch von den schwedischen Forschern und ebenso von uns selbstverständlich ! Wir führen hier nur solche Autoren auf, die den Gasumsatz gemessen, nicht solche, die ihn, wenn auch richtig, aus der Nahrungsaufnahme berechnet haben. 352 A. MaGnus-LEevY UND ERNST FALk: bestätigt. Rubner hat darauf hingewiesen, dass man aus diesem Ueber- wiegen des auf die Gewichtseinheit bezogenen Gaswechsels im kindlichen Lebensalter eine grössere, nur durch das jugendliche Alter bedingte Inten- sität des Gaswechsels bei Kindern nicht herleiten dürfe; der Kraftumsatz sei nicht eine Function des Gewichtes und des Lebensalters, sondern eine solche der Körperoberfläche und abhängig von den durch die Entwickelung derselben bedingten Wärmeverlusten; pro Quadratmeter der Körperober- fläche sei der Gas- und der Kraftwechsel in den verschiedenen Lebens- altern und bei verschiedenen Körpergrössen gleich. Sonden und Tigerstedt haben die Unrichtigkeit dieses Satzes nach- gewiesen. Sie fanden die Kohlensäureabgabe, auf die Körpereinheit bezogen, bei Kindern viel grösser als bei Erwachsenen. Bei ihren jüngsten Alters- classen im männlichen Geschlechte fanden sie die Relationszahlen gleich 147, 167, 157 und 153 (2) verglichen mit dem Erwachsener von 67% Gewicht,! und ähnlich beim weiblichen Geschlechte; je jünger das be- treffende Individuum, um so grösser ist der auf die Oberflächeneinheit be- zogene (raswechsel. Auch für das Greisenalter soll nach Rubner das Gesetz der Ab- hängiekeit des Gaswechsels von der Körperoberfläche zu Recht bestehen.? Das aus der Erfahrung genugsam bekannte geringere Nahrungsbedürfniss der Greise ist nach ihm nur durch das niedrigere Körpergewicht und die geringere Arbeitsleistung bedingt, so dass man nicht berechtigt sei, „hieraus etwa auf einen aus unbekannten Gründen verminderten Stoffverbrauch zu schliessen“. Diese Erklärung des thatsächlichen Minderverbrauches der Greise ist aber nur zum Theil richtige. Sonden und Tigerstedt konnten an der Hand ihrer Versuche an drei älteren Individuen im Zustande ge- wöhnlicher Muskelruhe wie im Schlafe beweisen, dass der Gaswechsel der Greise in der That niedriger sei als derjenige Erwachsener und der Kinder (S. 90 und 150). v. Hoesslin hat das bereits ausgesprochen. Sie aber haben zum ersten Male den Nachweis geführt, dass in der That das Lebensalter einen wesentlichen und maassgebenden Einfluss auf den Gas- wechsel ausübt und diesen unabhängig von der Entwickelung des Gewichtes und der Körperoberfläche beeinflusst. Wir schliessen uns in diesem Punkte den schwedischen Autoren rück- haltslos an und verweisen nochmals auf das überaus schlagende Resultat unserer Tabelle VII auf S. 340, in der einzig und allein der Einfluss des Lebensalters auf den Gaswechsel zum Ausdruck hommt. " Wir berechnen hier die Relationszahlen Sond&n’s und Tigerstedt’s nicht, wie sie, auf ihre schwersten Individuen, sondern auf „Normalmänner“ von 67%8 Gewicht. ° Leyden’s Handbuch der Ernährungstherapie. 8.179. LUNGENGASWECHSEL IN VERSCHIEDENEN ALTERSSTUFEN. 353 Dass unsere Relationszahlen nicht überall vollkommen übereinstimmen mit denen Sonden’s und Tigerstedt’s, ist aus der verschiedenen Versuchs- anordnung erklärlich, aber für diese Betrachtung belanglos. Wohl aber macht sich. die Verschiedenheit der Versuchsbedingungen bei jenen Autoren und uns für einige andere Betrachtungen und Schlüsse geltend. Sonden und Tigerstedt hatten aus ihren Versuchen gefolgert ad 1, dass der Gaswechselin der Pubertätszeit beim männlichen Geschlechte, selbst bei geringerem Gewichte, absolut erheblich grösser sei als im Mannes- alter (S. 75), und ferner 2., dass der Gaswechsel beim weiblichen Ge- schlechte wesentlich geringer sei als beim männlichen, zum mindesten bei jüngeren Individuen (S. 93 ff). Bei letzteren sei die Kohlensäure- ausscheidung um 31 bis 56 Procent höher, als beim weiblichen Geschlechte (bei der Berechnung auf die Gewichtseinheit und ähnlich bei der Berech- nung auf die Einheit der Körperoberfläche). Wir besprechen zunächst den zweiten Punkt. Wir befinden uns hier in entschiedenem Gegensatze zu den schwedischen Autoren. Wir konnten an der Hand unserer Tabelle VIII auf S. 343 mit Sicherheit beweisen, dass der Gaswechsel weiblicher Individuen, auf das Kilogramm bezogen, nur bei einzelnen Altersclassen für das weibliche Geschlecht geringer sei, und zwar um nicht mehr als etwa 5 bis 10 Procent. Die Differenz der Resultate ist leicht zu erklären. Wir glauben aus dem Vergleiche unserer Zahlen mit denen Sonden’s und Tigerstedt’s (vergl. Tabelle X) den Schluss ziehen zu dürfen, dass bei den jüngeren Altersclassen die „Ruhe“ (im gewöhnlichen Sinne des Wortes) bei den Mädchen eine erheblich grössere gewesen sel, als bei den Knaben, und dass nur dadurch in jenen Versuchen für sie ein geringerer Gaswechsel erzielt worden sei.! Es ent- spricht das den Erfahrungen des täglichen Lebens, denen zu Folge Mädchen viel leichter zum „Stillsitzen“ gebracht werden können und überhaupt weniger in- und extensive Bewegungen lieben als Knaben. Letztere sind erheblich schwerer zu der gleichen Ruhe zu bringen als Mädchen. Bei den erwachsenen Männern hingegen, die sich besser beherrschen, kann ein annähernder Ruhezustand etwa in gleichem Betrage erzielt werden wie bei Frauen, und so unterscheidet sich denn auch in den Versuchen der schwedischen Autoren ebenso wie bei uns der Gaswechsel erwachsener Männer nicht wesentlich von dem der Frauen. Für praktische Zwecke (Ernährung, Ventilation der Lufträume und Anderes) kommt der durch die stärkeren Bewegungen bedingte, that- sächlich grössere Nahrungsbedarf des männlichen Geschlechtes, namentlich ! Das geben auch Sonden und Tigerstedt zum Theil zu. Archiv f, A.u. Ph, 1899. Physiol. Abthlg. Suppl. 23 354 A. Macnus-LevyY UND ERNST FALk: der Knaben, wesentlich in Betracht; die theoretische Betrachtung hingegen erweist, dass das weibliche Geschlecht in der Intensität seines Gaswechsels nicht hinter dem männlichen zurücksteht. Für Knaben in den Pubertätsjahren haben Sond&@n und Tiger- stedt ein erhebliches Ueberwiegen der von dem einzelnen Individuum um- gesetzten Grasmenge über die Werthe ausgewächsener und viel schwererer Männer gefunden. Im Alter von 13 bis 17 Jahren finden sie (S. 73) 41 bis 45 8”” CO, pro Stunde bei einem Gewichte von 44 bis 55*s, während erwachsene Individuen von 65 bis 84*® nur 34 bis 388m CO, producirten. Auch dieses Plus glauben wir nicht, wie die schwedischen Autoren, durch die grössere „Lebensenergie“ in jenem Alter (schnellerer Längen- und Gewichts-- zuwachs) erklären zu müssen, sondern führen es auf einen in jenem Alter auch in der Ruhe besonders gesteigerten Bewegungsdrang zurück. Die von unseren, in den Pubertätsjahren befindlichen Knaben umgesetzten ab- soluten Gasmengen übersteigen die der erwachsenen Normalmenschen nicht, oder nicht wesentlich; sie sind bei unseren Knaben Nr. 12 bis 14 (Ge- wicht 40 bis 44*®) geringer und bei Nr. 15 und 16 (Alter 16 Jahre, Ge- wicht 57.58) annähernd gleich denen erwachsener Männer: 0, Co, Knaben 40 bis 44 33 16 Jahre 206.4 217823 a 57.5Ks 10.05 238-9 195-7 Männer 67:0, 22 bis 42 Jahre 227.7 185-0. Wir können speciell den unter Nr. 15 angeführten Knaben mit dem unter Nr. 8 angeführten jungen Manne vergleichen, da es sich um das- selbe Individuum handelt. Im ersten Versuche war er 16 Jahre alt und wog 57.5*®, in dem späteren 6 Jahre älter und 10%® schwerer. Er hat als Sohn von Prof. Zuntz zu zahlreichen Respirationsversuchen gedient, war daher vorzüglich geübt, und beanspruchen daher diese Zahlen eine besondere Beweiskraft. Es fanden sich in der Pubertätszeit: 235-.6°® O, und 192.2 m 00,; nach Erlangung der vollständigen Reife: 231.370, und 200-.22:0:00%, d.h. ziemlich die gleichen Werthe. Es wird also in den späteren Stadien der Pubertätszeit der Gaswechsel bereits erreicht, der dem völlig ausgereiften Zustande entspricht. Da aber mit dem Erreichen der Pubertät Längen- und Gewichtszunahme noch nicht abgeschlossen sind, so sinkt naturgemäss bis zum Ende des Wachsthumes der auf das Kilogramm (wie ‚auch auf LUNGENGASWECHSEL IN VERSCHIEDENEN ÄALTERSSTUFEN. 355 den Quadratmeter) bezogene Gasumsatz, und zwar in unserem Falle von 4.10: m 0, und 3-34 em 00, auf 3-43 bezw. 2.97 em (pro Kilo). Für die Verschiedenheit der Intensität des Gaswechsels in den ver- schiedenen Lebensaltern wird natürlich nicht das Alter als solches aus- schliesslich maassgebend sein, sondern die körperliche Entwickelung, die dem betreffenden Individuum zukommt. So dürfen wir beispielsweise aus den Zahlen für ein ungewöhnlich entwickeltes Mädchen von 11 Jahren, welches 149°" lang war und 42'= wog, dessen Menstruation bereits ein halbes Jahr später eintrat, nicht Werthe für ein I1ljähriges Mädchen be-. rechnen, sondern etwa für ein 13- bis l4jähriges, da dieses Mädchen eben in seiner ganzen Entwickelung den körperlichen Zustand eines solchen be- reits erreicht hatte. Das Gleiche gilt naturgemäss auch für Kinder, die in ihrer Entwickelung zurückgeblieben sind. Ebenso dürfen wir nicht erwarten, dass der Gaswechsel älterer Per- sonen alle Mal in dem gleichen Lebensalter absinkt. Wir haben z. B. gefunden, dass ein 64jähriger Mann noch den gleichen Gaswechsel zeigt, wie gleich grosse und gleich schwere jüngere Individuen; wir fanden hin- gegen bei einem Manne von 70 Jahren und einer Frau von 71 Jahren dieses Absinken bereits deutlich ausgesprochen. Im Gegensatze zu jenem 64jährigen Manne fanden wir bei einer Frau von 57 Jahren (Nr. 6 unserer Tab. Ill) den Gaswechsel so niedrig, dass wir ihn auf das Senium "beziehen zu müssen glaubten. Auch Speck sah seinen Gaswechsel nach dem 50. Lebensjahre absinken.! Im Allgemeinen wird wohl das Absinken des Gaswechsels im höheren Alter Hand in Hand gehen mit dem Eintreten des Greisenalters im gewöhnlichen Sinne des Wortes; dass es aber, selbst bei recht rüstigen Individuen, nicht ausbleibt, zeigen unsere Versuche an der alten Frau Nr. 7, und vor allem die an den 78jährigen Manne Nr. 3. Trotzdem der letztere noch vorzüglich conservirt, sehr fettarm und recht muskelkräftig war, stand sein Gaswechsel (179m O, und 129m CO,) um etwa 24, bezw. 32 Procent hinter demjenigen gleich schwerer jugendlicher Männer zurück. ! Wie constant übrigens sonst im Mannesalter im Lauf der Jahre der Gaswechsel eines Menschen bleibt (Magnus-Levy-Johannson), dafür können wir noch ein gutes Beispiel aufnehmen. Prof. Z. hatte im Jahre 1889—1892 einen Gaswechsel von 220-6°® O, und 162-5 = CO, 5 1897 55 15 er (bei Johannson S. 112). Er hatte im Lauf dieser Jahre nur einige (4) Kilo Fett angesetzt. 23* 356 A. MAsnus-LEvy UND ERnsT Fark: ET. Theil, Der Gaswechsel der Säuglinge. Wir besitzen über denselben keine eigenen Untersuchungen. Unsere Versuchsmethode ist ja für diese kleinsten Kinder überhaupt nicht an- wendbar. Es liegen aber eine Reihe von Angaben in der Litteratur vor, so dass ein Vergleich des ersten Lebensalters mit dem späteren wenigstens möglich ist. Forster (7) hat zuerst die Kohlensäureausscheidung eines Säuglings (von 14 und 60 Tagen) unter natürlichen Bedingungen im Pettenkofer’schen Apparate während 3 Stunden untersucht und darüber kurze Notizen veröffentlicht. Persönlicher liebenswürdiger Mittheilung von Seiten des Hrn. Prof. Forster verdanke ich folgende genaueren Zahlen. Sein Mädchen schied, bei ziemlicher Ruhe in der Pause zwischen zwei Mahlzeiten aus: im Alter bei einem in der pro Kilo in der pro Minute von: Gewichte: Stunde: und Stunde: Minute: und Kilo: 14 Tagen 2.70% 2.5200, 0.958=C0, 21.40 °mC0, 7.8900, 607°7,,.7.3,78,,° 8.68, 0, 089857 „91.070, S7SE De Rubner und Heubner (17) fanden im Mittel einer sechstägigen, fast ununterbrochenen Untersuchung mit der gleichen Methode für ein Kind von 9 Wochen und 5-235% Gewicht! pro Stunde 4.72sm 00,, für die Minute und das Kilo also 7.64°®, Annähernd ebenso hoch scheint, so weit sich das aus der zweiten vorläufigen Mittheilung von Heubner (18) übersehen lässt, der Gaswechsel für ein Kind von 7 Monaten und 7.63*s Gewicht gewesen zu sein, während bei dem dritten atrophischen Kinde (von 3!/, Monaten und 2.958 Gewicht) der Werth etwa 30 bis 35 Procent für das Kilo höher gewesen zu sein scheint. Einige Zahlen für den Gas- wechsel der Säuglinge lassen sich auch aus der Arbeit v. Recklings- hausen’s (19) berechnen, doch sind seine Werthe unter einander so ab- weichend, dass ich dieselben zur Berechnung nicht heranziehen möchte. Sehr zahlreiche Versuche über CO,-Abgabe und O,-Aufnahme hat Scherer (20) an Säuglingen verschiedenen Alters bis zu 77 Tagen gemacht, und zwar nach dem Princip von Regnault und Reiset. Seine Versuche wurden theils im Sommer, theils im Winter angestellt. Wir glauben, dass die Sommerversuche mit ihrer mittleren Temperatur den natürlichen Ver- ! Rubner und Heubner haben ihre Berechnung für das „darmreine“ Kind mit 5*s durchgeführt. Das thatsächliche mittlere Gewicht in ihrer Reihe betrug aber nach ihren Angaben 5235 =®, und dieses haben wir für unsere Rechnung benutzt. LUNGENGASWECHSEL IN VERSCHIEDENEN ALTERSSTUFEN. 357 hältnissen besser entsprechen und richtigere Werthe ergeben als die Winter- versuche, bei denen die Temperatur, nicht etwa im Aussenraume, sondern (wie aus den Versuchsprotocollen hervorgeht) in dem Respirationskasten selbst erheblich unter der Säuglingen zuträglichen Norm war. Wir werden daher nur die ersteren berücksichtigen. Auffallend ist in Scherer’s Versuchen freilich Eines, nämlich der ungewöhnlich niedrige respiratorische Quotient, der in den meisten Sommer- versuchen unter 0.727 sinkt bis herab zu 0-627 (im Winter liegen sogar alle Werthe unterhalb 0-.598!). Da anderweitige ähnliche Versuche! über O,- und CO,-Wechsel noch nicht vorliegen, so wissen wir nicht, ob diese Zahlen der Wirklichkeit entsprechen, oder einem Fehler der Methodik ihren Ursprung verdanken. Sollten diese Zahlen wirklich richtig sein, so können wir in ihrer Erklärung jedenfalls nicht mit Scherer übereinstimmen, der sie ganz allgemein darauf zurückführt, dass „der Assimilationsprocess den Dissimilationsprocess bei Neugeborenen erheblich überwiege“. Ein starkes Absinken des respiratorischen Quotienten können wir nach unseren jetzigen Kenntnissen nur so erklären, dass entweder die Kohle- hydrate vom Körper nicht verbrannt werden (Diabetes), oder aber, dass Kohlehydratgruppen (Glykogen u. s. w.) aus Eiweiss (und Fett?) gebildet und am Körper zurückgehalten werden;? da, wo uingekehrt aus Kohle- hydraten Fett gebildet und am Körper angesetzt wird, steigt im Gegen- theille der respiratorische (Quotient, unter Umständen weit über 1-0 (Hanriot [32], Magnus-Levy [14], Bleibtreu [29)). Die Brustkinder Scherer’s erhielten in der Muttermilch eine Nahrung, an deren Calorien und Kohlenstoffgehalt der Milchzucker etwa annähernd zur Hälfte betheiligt war. Da sicher im Laufe des Wachsthumes im Körper erheblich mehr Fett und Eiweiss zur Aufspeicherung kommt als Kohlehydratgruppen, so wäre für den nicht hungernden Säugling im Allgemeinen ein respiratorischer Quotient über 0°85 zu erwarten. Wenn somit, wie wir vermuthen, die Scherer’schen Zahlen nicht richtig sein sollten, dann ist entweder die Kohlensäure zu niedrig oder der Sauerstoff zu hoch bestimmt. Bei der grossen Genauigkeit der Kohlensäurebestim- mung halten wir letzteres für wahrscheinlicher, und wollen wir somit nur die Kohlensäurewerthe seiner Kinder in den Sommerversuchen hier be- ! Bei Mensi, dessen Arbeit wir erst bei der Correctur entdeckten (Maly’s Jahres- bericht. Bd. XXIV. S. 472), finden sich allerdings ähnliche Zahlen und ähnliche respi- ratorische Quotienten. Das Original war uns nicht zugänglich. ® Winterschlaf der Thiere; beim Menschen sind niedrige respiratorische Quotienten bisher beobachtet gelegentlich am normalen nüchternen Menschen, beim schweren Diabetes und bei hysterischem Schlaf (?). 358 A. Macnus-LEvY UND ERNST FALk: sprechen. Wir geben zunächst einige Mittelwerthe aus seinen Versuchen, die wir aus seiner Tabelle II (5.488) selbst combinirt haben. Es betragen die Werthe: Tabelle XI. Die Kohlensäureproduction des Säuglings pro Minute und Kilo. - | \ pro Kilo und Autor Alter Gewicht Minute CO, grn ccm Scherer 1— 9 Std. 2994 » 5.39 > 9—24. „ 3085 5.40 es 2— 3 Tage 2770 7-20 Er) 4— 6 FR) | 2997 ö 7:08 > | 6—18 „ 2841 8-09 bs 19—77 26 2759 10-28 Forster | jan 92700: WR 89 » | 609.005, KersuBos Merz Rubner und Heubner ca. 66 „ | 5235 7:64 Aus Scherer’s Analysen geht hervor, dass, auf das Kilogramm be- rechnet, die Kohlensäureausscheidung mit dem Alter bis zum 77. Lebens- tage (so weit reichen seine Versuche) zunimmt. Bis zum 6. Tage bleibt der Kohlensäurewerth pro Kilogramm und Minute unter 7.20°=, um später aber bei den meisten Kindern anzusteigen. (Vielfach handelt es sich übrigens bei diesen um recht dürftige Kinder.) Wir finden also bei Forster 7'89 bis 8-22, bei Rubner 7.64 pro Minute und Kilogramm und bei Scherer bis zum 6. Lebenstage noch niedrigere Zahlen. Werthe von der gleichen Höhe finden wir aber bei den von uns untersuchten kleinsten Knaben Nr. 1 und 2 (8.16, 7-39 m CO,). Das Gesetz, das dem jüngeren und leichteren Individuum einen grösseren Gaswechsel für die Gewichtseinheit zuspricht, gilt jedenfalls nicht ohne Weiteres für die aller- ersten Lebensmonate des Säuglings im Vergleich zu der darauf folgenden Zeit der ersten Kinderjahre. Uebrigens sind aber die Zahlen bei den Säuglingen nicht mit denen unserer Kinder direct zu vergleichen, weil in ihnen — .und das gilt auch für den besten jener Versuche, dem über 6 Tage sich erstreckenden von Rubner und Heubner — das Kind mit seiner normalen Verdauungs- arbeit und mit den natürlichen Bewegungen zur Untersuchung kam. Diese - beiden Umstände lassen sich ja selbstverständlich beim Säuglinge nicht ausschliessen; und wenn auch die Bewegungen des letzteren in liegender LUNGENGASWECHSEL IN VERSCHIEDENEN ÄLTERSSTUFEN. 359 Stellung sich nur auf geringe Veränderungen der Körperlage während des Wachens beschränken und keinen erheblichen Kraftaufwand erfordern, so kommen sie doch wohl neben der Verdauungsarbeit mit einem mehr oder minder grossen Antheil an dem Gesammtumsatz zur Geltung. Die Werthe in absoluter Ruhe und im nüchternen Zustande beim Säuglinge, die man ja nicht untersuchen kann, würden sonach wahrscheinlich geringer sein, als bei Kindern in den ersten Jahren nach der Säuglingszeit. Vergleicht man etwa die oben angegebenen Zahlen des Säuglings mit denen, die Forster,! sowie Sonden und Tigerstedt bei älteren „ruhigen“ und nicht ganz nüchternen Kindern erhalten haben, so gewinnt unsere Annahme des relativ geringeren Gaswechsels im ersten Säuglingsalter gegen- über des folgenden Jahres eine weitere Stütze. Wenn unsere Annahme — wir sprechen ausdrücklich nur von einer Annahme, da wir absolut vergleichbare Zahlen zur sicheren Beweisführung nicht besitzen — richtig ist, so glauben wir, eine Erklärung dafür in Folgendem zu finden. Der grösste Antheil an dem Kraft- und Gaswechsel fällt jedenfalls, wie wir bereits oben erörterten, den Drüsen und den Muskeln zu. Der Tonus der letzteren bedingt zu einem wesentlichen Theile die Höhe des Gaswechsels. Wird er ausgeschaltet, so sinkt der Gaswechsel um 35 bis 37 Procent (Roehrig und Zuntz [24a], Pflüger [24b]. Beim Säuglinge ist zu Folge der grossen Entwickelung des Kopfes und der dürftigen der Extremitäten die Musculatur zu einem erheblich geringeren Theile an dem Aufbau des Körpers betheiligt als in den späteren Lebens- altern,” und ferner glauben wir für den Säugling eine erheblich geringere Normalmuskelspannung voraussetzen zu dürfen, und zwar einfach aus dem Grunde, weil die Anforderungen an die Musculatur in diesem Alter minimale sind. Wir halten es für möglich, dass der Tonus der Musculatur beim Säugling nach der Geburt nur langsam zunimmt und eine bedeutende Höhe erst zu jenem Zeitpunkte erreicht, wenn mit den ersten Gehversuchen stärkere Anforderungen an die Musculatur der Beine und des Rumpfes und wohl auch der Arme herantreten; letztere haben ja zur Unterstützung des Körpers in jenem Zeitpunkte ebenfalls eine gegen vorher erhöhte Arbeit zu leisten. Wir können uns der Aufgabe nicht entziehen, den Vergleich zwischen ! Pro Kilo und Minute ca. 9-90 «= CO, im Alter von 3 bis 7 Jahren bei „ruhigem Verhalten nach einem kleinen Frühstück“ bei einem Nettogewicht von ca. 10 bis 15 ®® (persönliche Mittheilung von Prof. Forster). ® Nach H. Vierordt (S. 29) beträgt beim Neugeborenen die Musculatur 25 Proc. des Gesammtgewichtes, beim Erwachsenen 43 Proe.; das Gehirn dagegen 12-29 Proc. beim Neugeborenen, beim Erwachsenen nur 2-16 Proc. 360 A. Maanus-Levy unD ERnsT FALK: Säuglingen und älteren Kindern auch für die Einheit der Körperober- fläche durchzuführen. Wir haben diese in der folgenden Tabelle XII nach Meeh’s Formel mit dem von diesem Autor für den Säugling ermittelten Werth von C= 11.989 berechnet. In Wirklichkeit dürfte für die älteren, sehr dürf- tigen Kinder Scherer’s dieser Werth zu niedrig und ihre Oberfläche etwas grösser sein, als in der Tabelle angegeben ist, da ihr geringeres Gewicht nur zum Theil durch ihre geringere Grösse, hauptsächlich aber durch ihre grössere Magerkeit bedingt ist. Es sind ja wohl diese dürftigen Spitalkinder seit der Geburt noch etwas gewachsen, und hat-sich trotz des geringen (Gewichtes ihre Oberfläche gegen den ursprünglichen Werth bei der Geburt etwas vermehrt. Tabe Ne2xXMR Kohlensäureabgabe pro Quadratmeter Oberfläche und Minute bei Säuglingen und in späteren Altersstufen. | pro Min.u. | Quadratmeter | Quadratm. Autor Alter Gewicht 5 | Operhäche Oberfläche | ccm CO, Scherer 1— 9 Std. 2994 grm 0:249 65 ges 3U85 „ 0-254 66 2— 3Tage| 2770 „ 0.237 84 4—6 „ DIE, 0.249 85 7-15 , 2841 „ 0.240 96 19-77 ,„ IR) 0.236 120 Rubner u. Heubner| 9 Wochen SR. 0.350 114 Forster 14 Tage 2700 , 0-230 93 , 3780 „ 0.291 107 | Magnus-Levy und | 2'/, Jahre 11.5 0.627 150 Knabe Falk 6 Jahre | 14-5, 0-732 147 "S 7—11 Jahre | 19-2-—-26-5 ®® | 0.873—1-094 | 122— 148 a 7 Jahre | H5male 0.759 133 Mädchen 6Y,—14 J. | 18-2— 42.75 | 0-852—1-488 | 105—129 > 22—43 )J. | 66-7 #8 2-024 91 Männer | al 1.92 | 8 Frauen Während wir bei Knaben unter 7 Jahren Werthe von 122 bis 150 «m CO, pro Quadratmeter finden und für die kleinsten Mädchen solche von 121 bis 133, ergeben Scherer’s Sommerkinder nur 65 bis 96 «= CO, und aur seine letzte Gruppe 120. Auch Rubner’s und Heubner’s, sowie LUNGENGASWECHSEL IN VERSCHIEDENEN ALTERSSTUFEN. 361 Forster’s Säuglinge bleiben hinter den von uns gefundenen Zahlen jüngerer Kinder noch deutlich zurück. Dagegen stimmen ihre Werthe annähernd überein, bezw. übertreffen um Einiges die CO,-Werthe der Er- wachsenen bei vollständiger Ruhe und Nüchternheit. Wir haben es uns an dieser Stelle, wie auch bei der Besprechung des Gaswechsels im Kindesalter versagt, die Zahlen von Camerer zum Ver- gleich heran zu ziehen. Wir erkennen die Richtigkeit seiner Berechnungen gern an, hielten es aber für nothwendig, überall nur durch den directen Versuch ermittelte Werthe des Gaswechsels zu berücksichtigen. Im Uebrigen sind auch Camerer’s werthvolle Untersuchungen, ebenso wie die von Pettenkofer-Voit, Rubner u. A. nur für den Gesammtumsatz und das Nahrungsbedürfniss zu verwerthen und sind für unsere Betrachtungen nicht in Vergleich zu stellen. Dass im Uebrigen Camerer (S. 109) nicht be- rechtigt war, aus seinen Zahlen im Sinne von Rubner zu schliessen, dass „der Nahrungsbedarf“ (und dementsprechend auch der Gaswechsel) „im Grossen und Ganzen proportional der absoluten Grösse der Körperober- fläche sei, und zwar in jedem Alter“, haben Sonden und Tigerstedt (S. 218 ff) überzeugend nachgewiesen. Auf Grund eigener Stoffwechsel- versuche hat auch schon v. Limbeck (22) einen Minderverbrauch im Greisenalter nachzuweisen gesucht. Auch auf seine Arbeiten sind wir aus den oben angeführten Gründen nicht eingegangen. Schluss. Das Resultat unserer Untersuchungen lässt sich etwa folgender- maassen zusammenfassen: 1. Der Gaswechsel der Kinder ist, auf die Gewichtseinheit be- zogen, grösser als der erwachsener Personen, und zwar in um so stärkerem Maasse, je jünger und leichter das betreffende Individuum ist; nur für das erste Lebensjahr trifft das nicht zu. 2. Im Mannesalter bleibt der Gaswechsel, sofern das Individuum seine Körperzusammensetzung nicht wesentlich ändert, annähernd constant; das kleinere Individuum hat einen relativ (pro Kilogramm) höheren Umsatz als das grössere. 3. Im Greisenalter sinkt der Gaswechsel, auch wenn das Indi- viduum seine Körperzusammensetzung nicht wesentlich ändert; er ist auf das Kilogramm umgerechnet geringer als das (gleich schwerer) Indi- viduen in mittleren Jahren. 4. Auf die Einheit der Körperoberfläche bezogen ist der Gas- wechsel bei erwachsenen Individuen verschiedenen Gewichts annähernd 362 A. Magnus-LEvVY UND ERNST FALK: gleich, ganz erheblich höher bei Kindern und niedriger bei Greisen. Auch hier steht das Säuglingsalter wahrscheinlich gegen die folgenden ersten Kinderjahre zurück. Auf welche rechnerischen Einheiten auch immer wir den Gaswechsel beziehen, welche inneren Gründe wir auch für seine ver- schiedene Grösse zur Erklärung heranziehen, in jedem Falle zeigt sich der Einfluss des Lebensalters. auf die Intensität des Gas- und Kraftwechsels. Die Zellen des jungen Individuums besitzen eine ganz andere „Energie“ als die des ausgewachsenen, und im Greisenalter sinkt diese Energie weiter herab. In Bezug auf den Gaswechsel zeigt sich also dasselbe, was wir auch sonst im physiologischen Geschehen und in den Leistungen des menschlichen Körpers in den verschiedenen Altersstufen tagtäglich vor Augen sehen. Die von uns angeführten Sätze bleiben auch dann zu Recht bestehen, wenn wir den Gaswechsel auf die Gewichtseinheit Protoplasma beziehen. 5. Der Gaswechsel des weiblichen Geschlechtes steht hinter dem des männlichen nicht oder nicht wesentlich zurück; namentlich bei erwachsenen Individuen findet sich kein Unterschied. Bei gleich schweren Männern und Weibern zeigte sich der Gaswechsel, absolut und pro Kilogramm berechnet, etwa gleich. Bei Betrachtung der Körperoberfläche würde bei einem Vergleiche gleich schwerer Männer und Weiber, bei letzteren eher ein grösseres Quantum Sauerstoff und Kohlen- säure auf die Oberflächeneinheit entfallen, da weibliche Personen bei gleichem Gewichte zumeist kleiner sind und somit eine kleinere Oberfläche besitzen als die Männer. Auch bei einer, freilich exact nicht durchzuführenden Beziehung des Umsatzes auf die Gewichtseinheit des Protoplasmas würden die Frauen gegenüber den Männern sicher nicht im Nachtheile sein, da an ihrem Körpergewichte im Allgemeinen das Fett mit einem grösseren, die Muskelsubstanz mit einem kleineren Procentsatze betheiligt ist als bei jenen. Wir halten es für principiell wichtig, im Gegensatze zu den Schlüssen, die man etwa aus den von den unseren theilweise abweichenden Resultaten Sonden’s und Tigerstedt’s ziehen könnte,! mit Sicherheit festgestellt zu haben, dass in Bezug auf den Ruheumsatz eine Inferiorität des weiblichen Geschlechtes nicht existirt. Es ist in den vielfachen Erörterungen der Frauenfrage immer wieder darauf hingewiesen worden, dass die angeb- liche geistige Inferiorität der Frau auch in ihrem körperlichen Verhalten Analogieen finde und durch die körperliche Minderwerthigkeit bestimmt sei; ihre Musculatur sei schwächer entwickelt, ihr Hirngewicht sei niedriger als das der Männer, und vor einigen Jahren hat auch noch Reinert die ! Im Mannesalter finden auch sie kein Zurückbleiben des weiblichen Geschlechtes. LUNGENGASWECHSEL IN VERSCHIEDENEN ALTERSSTUFEN. 363 geringere Zahl der rothen Blutkörperchen des Weibes (41/, gegenüber 5 Millionen) in ähnlichem Sinne herangezogen. Mit allen diesen rohen Vergleichen lässt sich unseres Erachtens die Sache der Gegner der Frauen- bewegung nicht führen; unsere Untersuchungen liefern jedenfalls für solche Argumentation keinen brauchbaren Anhalt. Wir müssen ganz allgemein und nicht nur im Hinblick auf die „beweisführung“ in der Frauenfrage gegen die Methode Einspruch erheben, aus der unseren Sinnen unmittelbar zugänglichen groben Organisation all- gemeine Schlüsse auf die Leistungsfähigkeit eines Organismus zu ziehen. Wir wollen das hier bloss im Hinblick auf die grobe Muskelkraft kurz erörtern. Für gewöhnlich wird angenommen, dass der sehr muskelkräftige, körperlich ausdauernde Mensch einen wesentlich höheren Verbrauch auch in der Ruhe zeige, als der schwächliche. Da der erste ja mehr Musculatur besitzt, so erscheint diese Annahme ja zunächst nicht ungerechtfertigt. Zweifelhaft bleibt aber, ob etwa auch die „Gewichtseinheit der Musculatur“ im ersteren Falle einen höheren Ruheumsatz besitzt. Man hat sich zu Gunsten dieser Annahme auf Loewy’s Angaben! berufen, wo in der That die zwei kräftigsten Individuen auffallend hohe Werthe zeigen. Aber bei demselben Autor finden sich an anderen Stellen? Notizen, denen zu Folge das nicht der Fall ist (sehr kräftiger, musculöser Mann von 67*® mit 3.30..m 0, und 3-.00:.2760;). Am geeignetsten zur Entscheidung dieser Frage wären Versuche an Athleten. Ueber solche verfügen wir nicht. Trotzdem sprechen unsere Resultate entschieden gegen die obige Annahme. Unsere beiden jungen Aerzte (7 und 8) und der unter 10 angeführte P. S., ein wahrer Riese, zeigten trotz einer das Durchschnittsmaass weit überragenden und grosser Leistungen fähigen Musculatur einen Umsatz, der den anderer Männer nicht übertraf, eher dahinter zurückblieb. Der Umsatz pro Gewichtseinheit der Musculatur wäre bei ihnen eher kleiner als bei anderen Männern. Es braucht also die Maschine, die grössere Arbeit leistet, in ° der Ruhe nicht stärker angeheizt zu sein als die unvoll- kommenere; aus dem Zustand der Ruhe, in der ein gleich grosser Ver- brauch an Heizmaterial statthat, darf also auch hier nicht auf gleich grosse Arbeitsleistung bei voller Inanspruchnahme der Maschine geschlossen werden. Wir haben uns noch mit einigen Worten über den Zusammenhang zwischen dem Gaswechsel und der Temperatur in den ver- schiedenen Lebensaltern zu äussern. ı Pflüger’s Archiv. Bd. XLVI. ?2 Ebenda. Bd. XLII. 364 A. MaGnus-Levy UND ERsst Fark: Kinder haben eine etwas höhere Temperatur als Erwachsene; das Gleiche galt bisher auch für Greise, bis Chelmonski (27)! neuerdings das Gegentheil mit Sicherheit nachwies In früheren Zeiten war man viel- fach — ich erinnere an die Erörterungen über das Zustandekommen der erhöhten Temperatur im Fieber — geneigt, die Erhöhung (bezw. Er- niedrigung) der Eigenwärme als von einer Erhöhung bezw. Verminderung des Wärmeumsatzes abhängig zu erklären. Das ist nicht zulässige. Wir müssen zunächst daran festhalten, dass da, wo es sich um constante Einstellung auf irgend eine, auch solche von der Norm abweichende Temperatur handelt, die Wärmeabgabe mit der Production gleichen Schritt halten muss. (Wir sehen hier ab von den Veränderungen des Wärmeumsatzes im Fieber während desjenigen Zeit- raumes, in dem die Temperatur noch steigt, oder noch sinkt). Nun kann aber der Körper einerseits bei einer von der Norm nicht abweichenden Wärmeproduction und -Abgabe sich auf verschiedene Temperaturgrade ein- stellen (Fieber), und andererseits kann er auch die normale Temperatur bewahren, wenn innerhalb gewisser Grenzen sein Umsatz sich ändert. (Gleichbleiben der Temperatur bei mässiger Arbeitsleistung.) Der Gedanke, die verschiedene Eigenwärme Erwachsener, Greise und Kinder in Beziehung zu setzen zu deren verschiedenem Wärmeumsatz, ist also ganz unzulässig. Chelmonski hat in einer allerdings nur „hypo- thetischen Erklärung“ diesen Fehler begangen und die von ihm nach- gewiesene geringere Temperatur der Greise durch eine erhöhte Wärme- abgabe zu erklären versucht.” Das Vorhandensein einer solchen suchte er mit theoretischen Gründen zu beweisen. — Das Gegentheil ist durch Sonden-Tigerstedt und unsere directe Untersuchung erwiesen: Greise haben einen erniedrigten Gaswechsel, somit Verminderung der Wärmeproduction und somit auch (da ja ihre Temperatur sich nicht, oder im Laufe von Decennien nur um wenige !/,, Grade ändert) eine verminderte Wärmeabgabe! Zur theoretischen Erörterung kann unseres Erachtens (immer ab- gesehen von den Stadien eines Temperaturanstieges oder -abfalles) nicht die Frage kommen, ob Veränderungen des Wärmeumsatzes zu constanten Aenderungen der Temperatur führen; das ist eben nicht der Fall, sondern nur die Frage, ob bei einer Alteration des Wärmehaushaltes die Aenderung der Production eine gleiche der Abgabe nach sich führt, oder umgekehrt. ! In allerletzter Zeit von Loebl-Wien (28) bestätigt. ? Die von ihm angenommene geringere Regulationsfähigkeit der Wärmeabgabe, die die stärkeren Temperaturschwankungen und die geringere Resistenz der Greise be- dingt, in kürzeren Zeiträumen geben wir als richtig zu. LUNGENGASWECHSEL IN VERSCHIEDENEN ALTERSSTUFEN. 365 „Ist im Greisenalter die Verminderung der Wärmeabgabe das primäre, maassgebende Moment oder ist es die Abnahme der Wärmeproduction?“ Wir entscheiden uns aus allgemeinen Gründen für die letztere An- nahme. Eine Steigerung der Wärmeproduction bis zum Sechs- und Zehn- fachen des Betrages kann zu jeder beliebigen Zeit willkürlich vom Menschen herbeigeführt und Stunden lang innegehalten werden (tagelanges Fahren der Berufswettradler!); die Wärmeabgabe passt sich der erhöhten Wärme- production dabei auf die Dauer an. Auch einer Verminderung der Wärmeproduction (innerhalb gewisser enger Grenzen) folgt eine verminderte Wärmeabgabe. Künstlichen primären Veränderungen der Wärmeabgabe (abkühlende bezw. Schwitzbäder u. A. m.) aber passt sich die Wärmeproduction nicht stets unmittelbar und leicht an. Wir haben in dieser Arbeit ein annähernd gleichmässig gewonnenes Material von Zahlen niedergelegt und daraus allgemeine Schlüsse gezogen. Wir glauben und hoffen, dass die letzteren, soweit sie von bisherigen An- schauungen abweichen, in der Zukunft Bestätigung finden. Für unsere einzelnen Zahlen absolute Gültigkeit in Anspruch nehmen zu wollen, liegt uns vollständig fern, dazu ist die Breite physiologischer Schwankungen zu gross und die Spärlichkeit des von uns benutzten Materiales zu erheblich. In dem Ausbau der nun seit über ein Jahrhundert bearbeiten Lehre vom menschlichen Gaswechsel sind ja nur selten principiell neue und wichtige Gesichtspunkte zur Geltung gekommen; vielfach handelt es sich ja nur um eine genauere Feststellung und grössere Präcisirung phy- siologischer Constanten u. s. w.; ebenso wie beispielsweise auf dem Gebiete der Physik die Forscher noch heute bemüht sind, mit neuen Methoden gewisse Grundwerthe ihrer Wissenschaft immer wieder von Neuem zu messen und der Wahrheit näher zu bringen (Gewicht der Erde u. s. w.). Wir halten es für wünschenswerth, dass durch die fortschreitende Arbeit mit den zur Zeit vorhandenen Methoden auch unsere Zahlen weiterer Prüfung und, wenn nöthig, einer Correetur unterzogen werden; wir hoffen, dass neue Methoden die Arbeit auf diesem Gebiet weiter führen. Die Schaffung einer solchen nach dem Pettenkofer’schen Prinzip, die es er- lauben soll, neben der Kohlensäureausscheidung auch den Sauerstoffverbrauch des Menschen unter ganz natürlichen Bedingungen direct zu messen, ist die Absicht von Professor Zuntz. Wir bringen unserem Lehrer, dem wir diese Zeilen zu seinem 25 jährigen Professoren-Jubiläum widmen, den Wunsch dar, dass es ihm gelingen möge, im Interesse der Wissenschaft seine Idee bald zu verwirklichen. 366 A. MAanus-LEVY UND ERNST FALk: Litteraturverzeichniss. 1. Sonden und Tigerstedt, Untersuchungen über die Respiration und den Gesammtstoffwechsel des Menschen. Skandinavisches Archiv für Physiologie. 1895. Bd:VI. HS: ff, 2. Scharling, Annalen der Chemie und Pharm. 1843. Bd. XLV. 8. 218 ff. Citirt nach Sonden und Tigerstedt. 3. Andral et Gavarret, Annales de chemie et pharmacie. 1843. 3. Serie. T. VII. p. 130f. Citirt nach Sonden und Tigerstedt. 4. Speck, Physiologie des menschlichen Athmens. Leipzig 1892. 5. Pettenkofer und Voit, und Voit vgl. Voit, Physiologie des allgemeinen Stoffwechsels u. s. w. in Hermann’s Handbuch der Physiologie. 1881. Bd. VI. 6. L. Lewin, Respirationsversuche am schlafenden Menschen. Zeitschrift für Biologie. 1881. Bd. XVII. 8.71. 7. J. Forster, Ueber die Kohlensäureausscheidung bei Kindern. 50. Versamml. deutscher Naturforscher und Aerzte. 1877. 8.355; sowie Handbuch der Hygiene. Leipzig 1882. Bd.]I. 8. 76. 8. Rubner, a) Ueber den Einfluss der Körpergrösse auf Stoff- und Kraftwechsel. Zeitschrift für Biologie. 1883. Bd. XIX. S. 535. — b) Calorimetrische Untersuchungen. Theil II. Zbenda. 1885. Bd. XXI. 8.337 ff. — c) Biologische Gesetze. Marburg 1887. — d) Physiologie der Nahrung und Ernährung. Leyden’s Handbuch der Er- nährungstherapie. 1897. — e) und Lewascheff, Ueber den Einfluss der Feuchtig- keitsschwankungen u. s. w. Archiv für Hygiene. 1892. Bd. XXIX. 8.1; sowie zahl- reiche andere Arbeiten. 9. N. Zuntz, Ueber den Stoffverbrauch des Hundes bei Muskelarbeiten. Pflüger’s Archiv. Bd. LXVIII. 8.191 ff. — N. Zuntz und Hagemann, Untersuchungen über den Stoffwechsel des Pferdes u. s. w. Berlin 1898. (Hier 8. 2 eine Zusammenstellung der meisten Arbeiten aus N. Zuntz’ Laboratorium.) 10. Katzenstein, Ueber die Einwirkung der Muskelthätigkeit auf den Stoff- verbrauch des Menschen. Pflüger’s Archiv. 1891. Bd. IL. 8.330. 11. Loewy, Verschiedene Arbeiten, vgl. in erster Reihe die in Pflüger’s Archiv. Bd. XLIII. S.515 u. Bd. XLVI. S. 189. 12. Johannson, Ueber die Tagesschwankungen des Stoffwechsels u.s. w. Skand. Archiv für Physiologie. 1898. Bd. VIII. 8.85 ff. 13. Tigerstedt, Das Minimum des Stoffwechsels beim Menschen. Nordisches medic. Archiv. Festband XXXVII für Axel Key. 14. A. Magnus-Levy, Ueber die Grösse des respiratorischen Gaswechsels unter dem Einfluss der Nahrungsaufnahme. Pflüger’s Archiv. 1892. Bd. LV. S8.1ff. 15. Eykmann, Ueber den Gaswechsel der Tropenbewohner u.s. w. Zbenda. 1896. Bd. LXIV. S. 57. LUNGENGASWECHSEL IN VERSCHIEDENEN ALTERSSTUFEN. 367 16. Geppert, Die Einwirkung des Alkohols auf den Gaswechsel des Menschen. Archiv für experimentelle Pathologie und Pharmacie. Bd. XXI. 8. 867. 17.-Rubner und Heubner, Die natürliche Ernährung eines Säuglings. Zeit- schrift für Biologie. 1895. Bd. XXXVI 8. 1ff. 18. Heubner, Betrachtungen über Stoff- und Kraftwechsel des Säuglings. Ber- liner klinische Wochenschrift. 1899. 8.1 fl. 19. v. Recklinghausen, Ueber die Athmungsgrösse der Neugeborenen. Pflü- ger's Archiv. Bd. LXI. 8. 451. 20. Scherer, Die Respiration der Neugeborenen und Säuglinge. Jahrbuch für Kinderheilkunde. 1896. Bd. XLIII. 8.471 ft. ; 21. Camerer, Der Stoffwechsel des Kindes. Tübingen 1894. 22. Limbeck, Untersuchungen zur Lehre vom Stoffwechsel im Greisenalter. Zeitschrift für klin. Med. Bd. XXVL 8. 487. 23. J.v. Hoesslin, Ueber die Ursache der scheinbaren Abhängigkeit des Um- satzes von der Grösse der Körpereberfläche. Dies Archiv. 1888. Physiol. Abthlg. S. 323 ff. 24. a) Röhrig und Zuntz, Zur Theorie der Wärmeregulation. Pflüger’s Archiv. Bd. IV. 8.57 ff. — b) Pflüger, Ueber Wärme und Oxydation der lebendigen Materie. Zbenda. Bd. XVII. S. 302 ff. 25. K. Vierordt, Physiologie des Kindesalters. Tübingen 1877. 26. H.Vierordt, Anatomisch-physiologische und physikalische Tabellen. Il. Aufl. Jena 1893. 27. Chelmonski, Die Körpertemperatur bei Greisen. Ziemssen’s Archiv. Bd. LXI. S. 206. 28. Loebl, Körpertemperatur im Greisenalter. Wiener medie. Wochenschrift. 1899. Nr. 16. 29. Bleibtreu, Fettmast und respiratorischer Quotient. Pflüger’s Archiv. Bd. LVI. S. 464. 30. A. Magnus-Levy, Ueber den respiratorischen Gaswechsel u.s.w. Berliner klinische Wochenschrift. 1895. Nr. 30. 31. Meeh, Oberflächenmessungen des menschlichen Körpers. Zeitschrift für Biologie. Bd. XV. S. 425. 32. Hanriot, Sur l’assimilation des hydrates de carbone. Comptes rendus ete. 1892. p. 391. A. MaGnus-LEVY UND ERNST FALK 368 = = | F-sT | 21°9 | 192 | 9-ST1 | 6°681 908 | 9-3 | r%°8 | 0887 | ononsuoy 5 Te Fr I IE ASSACHEIN CH N CS Be — — #81 18-9 62-1 3-FIl L-FEl 368 86-7 09-8 gegsE 95 SZ _ — #81 81-9 68-2 9-E11 T-CHI FL 19°3 17-8 iZra2 8g a ae »-81 | 80-9 | 88-2 L-O11 L>G81 L18 LI: | 20-8 | 96 Bee = = #81 20-9 98-1 8-111 9-FP1 eh 88:7 80-8 969F 03 9681 "X 'ST | 661 "zı #°8T wOTL ıgepf 9 oyosef zung "III 00L 97T G-FI 682 126 SLOT 9881 708 16:8 | 298 | 9698 | Pyonsıo‘A q a a u ee ne EB OECHT ET 1ERDISHE Fr en A 36 91 9-FI 80-1 09:8 9-301 9-C51 LIS 98:7 04-8 s848 Fl Eu a et 96 8I 8-PI 98-9 88-8 g-T0I 1-821 788 06-7 84-8 | SCHE g a 801 DI FH 9#-L 79-6 6-LOI g-LE1 981 76-2 FE 1298 08 £ Er) sol LI IZ2 21 98-1 99:6 T-EIL 0681 gI8 11-2 IH-E 9L0F per N ER 96 fen Frl PL 86-6 G- 111 0-EF1 622 90-8 26-8 0F98 18 968T "'IIX' u99 ud u) u) vo0H, D01d OALT Be uognum = ® ae ; 3 sn 1009 o8uor 8 3 25 | gyorm :09 7 (676) yaneag Tor -Jond) „Id N 3 da 3 N | soyons Be u Se 3 ke) EJLIEERF) -19 ; OD) E10) -O |-104 ® "9 ; =; i poly A -d A S9P =) g So 9) ojry o1d : soy S, SH k -SnVY oO Jnjsuoryerdsxq TONG(T ! 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Von Dr. ©. Hagemann, Professor der Thierphysiologie an der Landw.-Akademie zu Bonn-Poppelsdorf. Aeussere, von mir unabhängige Umstände nöthigten mich, die Be- rechnung und Niederschrift der Versuchsergebnisse in ganz kurzer Zeit vorzunehmen. In Folge dessen ist mir denn auch bei der S. 138 gemachten Energie- aufstellung insofern ein Fehler unterlaufen, als ich vergessen habe, die Energie, welche den Körper in Form von Sumpfgas (CH,) verlässt, von den Einnahmen in Abzug zu bringen. Wird die Sumpfgasausscheidung als 17-.1®"” pro Tag betragend an- gesehen, dann gehen mit diesem Gase 17.1 x 13.26 — 227 Cal. Energie fort. Es stehen also nicht, wie S. 138 berechnet, 2210, sondern nur 1983 Cal, für Respirationszwecke und Fettansatz zur Verfügung. Da für den als auf- senommen berechneten Sauerstoff 1773 Cal. in Anspruch genommen sind, so standen für Fettansatz nur 1983 — 1773 = 210 Cal. entsprechend 22-1 Fett zur Disposition. Ferner bemerke ich, um Missverständnissen vorzubeugen, ausdrücklich dass der „Nüchternwerth‘“, von dem S. 140 These 2 die Rede ist, durchaus kein Nüchternwerth im Sinne der Physiologie, also ein absoluter Nüchtern- werth, ist, sondern dass es sich um einen Werth 8 bis 10 Stunden nach der letzten Nahrungsaufnahme handelt. In diesem Zustande ist der wieder- käuende Hammel immer noch in mittlerer Verdauungsthätigkeit, da seine Eingeweide stets mit Futtermassen angefüllt sind. Der Energieumsatz dieses Zustandes nun wird durch die Steigerung der Verdauungsarbeit in den ersten Stunden nach Aufnahme des betreffenden Futters stärker und dann abklingend schwächer, im Mittel um rund 5.5 Procent gesteigert. ! Dies Archiv. 1899. Physiol. Abthlg. Suppl. 8. 111—140. Ueber Amylaceenverdauung im Magen der Carnivoren. Von Dr. Hans Friedenthal in Berlin. (Aus der speciell-physiologischen Abtheilung des physiologischen Institutes zu Berlin ) In zweierlei Hinsicht ist die ausserordentlich energische Verdauung stärkehaltiger Nahrung im Magen der Carnivoren, speciell des Hundes, bemerkenswerth. Es fehlt erstens dem Speichel der typischen Carnivoren jedes stärkeverdauende Ferment, und zweitens zeigt ihr Mageninhalt so hohe Säuregrade, 0-2 bis zu 0-6 Procent, dass selbst der Nahrung bei- gemischtes Ptyalin sofort unwirksam gemacht werden müsste. Schon Claude Bernard! war es aufgefallen, dass Hundespeichel im Gegensatz zu menschlichem Speichel erst nach Tage langem Stehen an der Luft sich gegen Stärkelösungen wirksam erwies, was sich leicht durch die alsdann eingetretene intensive Spaltpilzvermehrung erklären lässt. Spätere exacte Untersuchungen von Bidder und Schmidt”? haben dann gezeigt, dass weder Ptyalin noch eine Vorstufe desselben im Gesammtspeichel der Carnivoren nachgewiesen werden kann. Trotzdem zeigten vergleichende Untersuchungen von Ellenberger und Hofmeister,? dass die Stärkeverdauung beim Hunde noch intensiver vor sich geht, als selbst beim Schwein, welches doch an eine äusserst kohle- hydratreiche Nahrung angepasst sein muss. Schon nach 3 Stunden ist etwa die Hälfte der eingeführten Stärkemengen selbst bei grossen Gaben verdaut, nach 4 Stunden sogar schon 80.3 Procent, so dass nach dieser Zeit erneutes Hungergefühl bei den Hunden sich bemerkbar macht. Lecons sur les proprietes physiologiques u. s.w. Paris 1859. T. U. Die Verdauungssöfte und der Stoffwechsel, Mitau und Leipzig 1852. Dies Archiv. 1891. Physiol. Abthlg. S. 212. N - 384 Hans FRIEDENTHAL: Stets wurde im Magen lösliche Stärke und Erythrodextrin gefunden, in der vierten Stunde bis zu 2 Procent des Mageninhaltes, ebenso Milch- säure, ohne dass sich die Herkunft dieser Umwandlungsproducte der Stärke genau ermitteln liess. Das diastatische Ferment der rohen Amylaceen kam nicht in Betracht, da die Nahrung gekocht worden war, das Luftferment (Bakterien) wirkt sehr langsam, da nur wenig Keime verschluckt werden; der Speichel enthält, wie schon oben angegeben, überhaupt kein Ferment. Die Verff. vermuthen daher, dass der Magensaft die Umwandlung der Stärke allein bewirken könne. Allerdings war auch bei Reisnahrung, die mit Fleisch gemengt gegeben wurde, der Säuregrad des Mageninhaltes ein erheblich höherer als bei Omnivoren und Herbivoren. Im Pferdemagen hatte H. Goldschmidt! ebenfalls starke Amylolyse bei saurer Reaction des Mageninhaltes constatiren können. Diese Befunde mussten um so mehr befremden, als Versuche von Maly und Anderen? dargethan hatten, dass die Speichelfermente schon bei einem Gehalt von 0081 Procent an freier Salzsäure unwirksam, bei höheren Säuregraden sogar zerstört wurden. Es blieb daher aufzuklären, wie die Umwandlung der Stärke im sauren Magensaft zu Stande kommen kann. Brücke,? der besonders genau die Stärkeverdauung im Hundemagen untersucht und stets grosse Mengen von Milchsäure gefunden hatte, glaubte die Umwandlung der Stärke auf Milchsäuregährung, also nach unseren heutigen Anschauungen auf bakterielle Zersetzungen zurückführen zu müssen, da jedoch bakteriologische Untersuchungen die starke antibakterielle Kraft von Salzsäurelösungen von 0-04 Procent dargethan haben, ist eine Milch- säuregährung in einer 10 Mal so starken Salzsäurelösung nicht mehr wahr- scheinlich. Nach Versuchen von E. Hirschfeld * genügt ein Gehalt von 0-08 Procent an freier Salzsäure, um die Milchsäuregährung wie die Essig- säuregährung vollständig zu verhindern. Ob diese Wirksamkeit der Salz- säure auch bei Anwesenheit von viel Eiweiss und sonstigen Nährstoffen zu Tage tritt, ist freilich noch nicht genügend untersucht worden. Wenn auch der Speichel der Carnivoren kein Ptyalin enthalten kann, weil er, frisch aufgefangen, sich völlig unwirksam erweist, so lag es doch nahe, ein „Zymogen“ in ihm zu vermuthen, welches, an sich unwirksam, durch noch unbekannte Factoren im Magen der Carnivoren gespalten, eine Umwandlung der Stärke hätte bewirken können. Für den Pferdespeichel haben in der That die Versuche von H. Goldschmidt? ein solches Verhalten \ Zeitschrift für physiologische Chemie. Bd.X. 8.341 u. Bd. XI. S. 286. ”Hermann’s Handbuch der Physiologie. Bd. Va. 8. 341. 3 Sitzungsberichte der Wiener Akademie, Abthl. III. 1872. * Pflüger’s Archiw. Bd. XLVI. 8.510. > Zeitschrift für physiologische Chemie. 1286. Bd. X. S. 273. ÜBER AMYLACEENVERDAUUNG IM MAGEN DER (ARNIVOREN 385 bewiesen. Der steril aufgefangene Parotisspeichel des Pferdes vermag sterilisirte Stärkelösung selbst bei 14tägigem Aufenthalt im Brütschrank nicht umzuwandeln, während einfaches Durchleiten von nicht erhitzter Luft genügt, um das Ptyalin aus dem Zymogen abzuspalten. Die blosse An- wesenheit gewisser chemischer Substanzen, z. B. des Alkohols, soll denselben Effect hervorrufen können. Beim Hundespeichel liess sich dagegen ein solches Verhalten nicht nachweisen. Ein Extract sämmtlicher Speicheldrüsen eines frisch getödteten Hundes mit physiologischer Kochsalzlösung zeigte im Brütschranke bei 40° mit Chloroform versetzt innerhalb 24 Stunden keine Spur einer Wirksamkeit auf eine Iprocent. Lösung von löslicher Stärke. Es entstand kein Zucker und die Jodreaction blieb auch beim ersten einfallenden Tropfen der Jod- jodkalilösung rein blau. Dasselbe Verhalten zeigten ebenso behandelte Speicheldrüsen der Katze. Auch Zerreiben der gesammten Drüsenmasse mit nichtsterilisirtem feinen Quarzsand und Ausziehen mit Natriumcarbonat- und Natriumbicarbonatlösungen lieferte keinen wirksamen Extract, selbst nicht nach 24 Stunden bei Chloroformzusatz. Der Befund von Claude Bernard, welcher nach 24 Stunden den Hundespeichel sehr wirksam fand, ist also wohl auf Bakterienwirkung zu beziehen. Dass nicht etwa durch die Berührung mit der Salzsäure des Magen- saftes eine Zymogenabspaltung bewirkt wird, wurde durch eine Reihe von Versuchen sichergestellt. Speichel vom Hunde und von der Katze mit Salzsäure von 0-01 bis 0-2 Procent bei Körpertemperatur Stunden lang digerirt, liess nach Neutralisiren der zugesetzten Säuremenge keine Wirk- samkeit gegen Stärkelösungen erkennen. Bei Zusatz von neutralisirtem Hundemagensaft, der aus einer per- manenten Magenfistel gewonnen war, zu einem Wasserextract der Parotis des Hundes liess sich eine starke diastatische Wirkung des Gemenges durch reichliche Zuckerbildung aus Stärkekleister und Abnahme der blauen Jodreaction wohl auf’s Deutlichste nachweisen, doch zeigte sich bald, dass in diesem Falle nicht ein Speichelferment zur Wirksamkeit gelangt sein könne, da der Magensaft des Hundes allein Stärke umzuwandeln im Stande ist. Magensaft, welcher einem Hunde mit permanenter Magenfistel 2 Stunden nach reiner Fleischfütterung entnommen war, zeigte deutliche diastatische Wirkung in Stärkelösung. Versuch. 10°” 1procent. Lösung von löslicher Stärke mit 3%” un- filtrirtem Hundemagensaft und etwas Chloroform versetzt, 3 Stunden im Brütschrank bei 40° digerirt, ergab starke Reduction von Fehling’scher Lösung, die Jodreaction erwies die Anwesenheit von Erythrodextrin. Die Reaction der Stärkelösung war sauer. Archiv f. A, u. Ph. 1899. Physiol, Abthlg, Suppl. 25 386 Hans FRIEDENTHAL: Um kleine Mengen von Erythrodextrin neben viel löslicher Stärke nachzuweisen, wurde die Farbe der Jodreaction nach dem Einfallen des ersten Tropfens einer sehr verdünnten Jodjodkalilösung beobachtet. Bei den benutzten Lösungen von löslicher Stärke, die durch Einwirkung von Natriumsuperoxyd gewonnen war, erzeugte der erste Tropfen der Jod- jodkalilösung eine himmelblaue Färbung; bei Anwesenheit von Erythro- dextrin entstand Anfangs eine Rothfärbung, welche bei weiterem Jodzusatz einer rein blauen Färbung Platz machte, wenn noch viel lösliche Stärke zugegen war. Die Reductionsprobe mit Fehling’scher Lösung als Beweis für die diastatische Wirkung des Hundemagensaftes konnte nur bei Be- nutzung mehrmals filtrirten Magensaftes neben der Veränderung der Jod- reaction herangezogen werden, da der Mageninhalt in ungelösten Partikelchen Substanzen enthält, welche ihrerseits schon Fehling’sche Lösung zu redu- ciren im Stande sind. Durch dreimaliges Filtriren durch doppeltes Filter schwand jede Reductionskraft des Mageninhaltes, nicht aber seine diastatische Wirksamkeit. Versuch. 10°” Jöslicher Stärke mit 2% mehrmals filtrirtem Hunde- magensaft und etwas Chloroform im Brütschrank bei 40° 3 Stunden digerirt, zeigten Erythrodextrinbildung, die Lösung reducirte nachher Fehling’s Reagens. Reaction des Stärkegemisches deutlich sauer gegen Lackmus. Durch zahlreiche Versuche konnte sichergestellt werden, dass stets der Hundemagensaft diastatische Wirksamkeit besass. Da auch ein Hund, welcher nach Pawlow ösophagotomirt worden war, das gleiche Verhalten zeigte, nachdem 8 Tage lang der Gesammtspeichel nach aussen abgeleitet war, erscheint es wohl ausgeschlossen, dass ein Umwandlungsproduct des Speichels als Ursache für das diastatische Vermögen des Magensaftes angesehen wird, wir müssen wohl mit grösserer Wahrscheinlichkeit die Magendrüsen als die Bildungsstätte des Fermentes ansehen. Eine geringe diastatische Wirksam- keit kommt dem Hundeblut und fast allen Gewebsflüssiekeiten und Secreten zu; um so wunderbarer erscheint es, dass gerade der Hundespeichel gänzlich unwirksam gefunden wird. Da der Magensaft als morphologische Elemente stets kleine, stark licht- brechende Kügelchen enthält, welche bei Centrifugiren oder längerem Stehen sich absetzen, so lag es nahe, in diesen Elementen den Sitz der fermen- tativen Wirkungen zu suchen. Durch Filtration gelang es aber nicht, dem Magensaft seine diastatische Wirksamkeit zu nehmen. Speciell für die Diastaselösungen haben Brown und Heron behauptet, dass Filtriren durch Thonzellen die fermentative Wirksamkeit zu nehmen im Stande sei. Eine Bestätigung dieses Befundes wäre von principieller Wichtigkeit gewesen für die Auffassung der Fermente als nicht eigentlich gelöster Substanzen, sondern nur als gequollener abgesprengter Plasmatrümmer. Eine Reihe ÜBER AMYLACEENVERDAUUNG IM MAGEN DER ÜARNIVOREN. 387 von Versuchen konnte aber die Unrichtigkeit der oben erwähnten Behaup- tung beweisen. Allerdings zeigte einmal eine sehr schwach wirksame Lösung von Diastase in Wasser, in welchem sie stark aufquillt, einen gänzlichen Verlust ihrer Wirksamkeit gegen Stärkelösungen, aber dieses Resultat wurde mit wirksamen Lösungen niemals erhalten. Durch Lösen von käuflicher Diastase in Natriumearbonat- und Natriumbiearbonatlösungen kann man sehr wirk- same Diastaselösungen erhalten, welche auch nach dem Passiren von Chamberland- und Berkefieldfiltern Stärke noch kräftig umzuwandeln ver- mögen. Um bei diesen Versuchen ganz sicher zu sein, dass nicht Bak- terien oder bei Verwendung von Chloroform von Bakterien abgesonderte Fermente eine Umwandlung bewirken, wurde auf sorefältigste Asepsis ge- achtet. Aber schon nach 1 Stunde zeigte eine mit sterilisirter Natrium- carbonatlösung erhaltene Diastaselösung nach Filtriren durch eine sterili- sirte Chamberlandkerze jn eine sterile Lösung von lprocent. Stärke eine solche Wirksamkeit, dass nach dieser Zeit die blaue Jodreaction bereits verschwunden war. Versuche mit Berkefieldfilter ergaben das gleiche Resultat. Durch diese Versuche ist wohl sichergestellt, dass Fermente ohne Ver- lust ihrer Wirksamkeit Thonwände passiren können; die Aufhebung der Wirksamkeit in Fermentlösungen von geringem Fermentgehalt lässt aber die Filtration als ungeeignet erscheinen für die Entscheidung der Frage, ob im Magensaft die Körnchen als Träger der fermentativen Wirkung an- zusehen sind, da nach Obigem das Unwirksamwerden von Magensaft beim Filtriren durch Thonzellen nicht auf Abfangen der ungelösten Körnchen bezogen zu werden braucht. Der Nachweis eines diastatischen Fermentes im Hundemagensaft genügt nun noch nicht, um zu erklären, wie in dem stark sauren Mageninhalt die Umwandlung der Stärke vor sich gehen kann. Der Mageninhalt von Hunden hat bereits nach 2 Stunden eine Acidität gleich 0-2 Procent HCl angenommen, und es lässt sich auch leicht nachweisen, dass nach dieser Zeit organische Säuren sich nicht wesentlich mehr an diesem Säuregehalt betheiligen. Ob der Hund fast nur Kohlehydrate oder reine Fleischnahrung bekommt, scheint für die Abscheidung der Salzsäure gleicheültig zu sein; in einem Falle von Fütterung mit 75 == mit Fleischbrühe gekochtem Reis war die Gesammtacidität des Mageninhaltes nach 1 Stunde bereits gleich 0.4 Procent HCl. Trotzdem hatten sich in dieser sauren Lösung reichliche Mengen von löslicher Stärke und Erythrodextrin gebildet, während Zucker nur in Spuren nachweisbar war. Reine Salzsäure von dieser Concentration ist bei 40° nicht im Stande, Erythrodextrin aus Stärke zu bilden, wie die Versuche ergaben. ade 388 Hans FRIEDENTHAL: Versuch 1. 20°” 1procent. Stärkelösung, mit Salzsäure bis zu 0-6 Procent versetzt, ergab bei 40° nach 24stündiger Einwirkung keine Bildung von Erythrodextrin. Versuch 2. 20°” 1procent. Stärkelösung, mit Salzsäure bis zu 1 Procent versetzt, ergab nach 24stündigem Digeriren bei 40° keine Bildung von Erythrodextrin. Im Gegensatz zum Ptyalin zeigte sich aber, dass sowohl pflanzliche Diastase wie das Ferment im Hundemagensaft noch bei recht beträchtlichem Gehalt an freier Salzsäure Erythrodextrin zu bilden vermögen, wenn auch die Wirksamkeit nur langsam und in abgeschwächtem Grade sichtbar wird. Während diese Fermente in schwach alkalischen, neutralen und schwach sauren Lösungen rasch Achroodextrin und Zucker (Maltose) bilden, kommt es in Lösungen mit einem Gehalt von 0°06 bis 0-6 Procent Salzsäure nur zur Bildung von löslicher Stärke und Erythrodextrin. Maltose scheint nur in minimalen Mengen gebildet zu werden. Nimmt man eine Spaltung der löslichen Stärke in Erythrodextrin und Maltose an, so müssten bei einem Moleculargewicht der löslichen Stärke von 9702! für 1% Erythrodextrin nur 0°036®"® Maltose entstehen, was mit den Versuchsergebnissen im Einklang steht.? Die in den Versuchen verwendete Fermentmenge ist bei Anwendung saurer Lösungen durchaus nicht gleichgültig, da schwache Lösungen von Diastase durch weniger Salzsäure in ihrer Wirksamkeit gehemmt werden als starke. Da die Umwandlung im Hundemageninhalt bei starkem Säure- gehalt vor sich geht, kann also die vorhandene Menge des diastatischen Fermentes nicht zu gering sein. Versuch 1. 25° 1procent. Stärkelösung, mit 0.02 Procent HCl und etwas käuflicher Diastase versetzt, ergab nach 24 Stunden bei 40° Bildung von Erythrodextrin. Viel lösliche Stärke. Versuch 2. 10%" 1procent. Stärkelösung, mit 0-1 Procent HC] und etwas Diastase versetzt, ergab nach 24 Stunden bei 40° Bildung von Erythro- dextrin. Versuch 3. 10°" 1procent. Stärkelösung, mit 0-2 Procent HC] und Diastase versetzt, zeigte nach 24 Stunden bei 40° Erythrodextrinbildung. In der Lösung entstand bei dieser und allen höheren Concentrationen ein Niederschlag, wahrscheinlich von Diastase, welcher sich wie ein Nucleoproteid verhält und durch Salzsäure in der Kälte gefällt wird. ı Centralblatt für Physiologie. Bd. XII. Nr. 26. ? Biedermann fand im Raupendarm ebenfalls ein Ferment, welches, allerdings bei alkalischer Reaction, die Spaltung der Stärke nur bis zum Erythrodextrin bewirkt, wobei ganz geringe Maltosemengen entstehen. Biedermann, Pflüger’s Archiv. Bd. LXXV. 8. 46. ÜBER AMYLACEENVERDAUUNG IM MAGEN DER CARNIVOREN. 389 Versuch 4 25°" Iprocent. Stärkelösung von löslicher Stärke, mit 0-6 Procent HCl und viel Diastase versetzt, ergab nach 24-Stunden bei 40° Erythrodextrinbildung. Versuch 5. 25°® 1procent. Stärkelösung, mit 0-519 Procent HCl und Diastase versetzt, ergab nach 24 Stunden bei 40° keine Erythrodextrin- bildung. In allen Versuchen war durch Chloroformzusatz die Wirkung von Bakterien ausgeschlossen. Da in Versuch 5 keine Veränderung der Stärke- lösung mehr constatirt werden konnte, trotzdem in Versuch 4 noch eine 0-.6procent. Salzsäure nicht gänzlich hemmend gewirkt hatte, so kann wohl 0.5procent. Salzsäure als Grenze angegeben werden, bei welcher Erythro- dextrin noch aus Stärke gebildet werden kann. Eine andere als die oben beschriebene Umwandlung der Kohlehydrate findet im Hundemagen nicht statt. Brücke! hatte bei seinen Versuchen stets grosse Mengen von Milchsäure gefunden und glaubte daher, dass durch Milchsäuregährung die Stärke hauptsächlich umgewandelt würde. Bei Dar- reichung von gekochtem Reis als Nahrung kommt es zu keiner erheblichen Milchsäurebildung im Hundemageninhalt schon wegen der intensiven Salz- säureabscheidung. Auch für den Menschen ist es wohl sehr unwahrschein- lich, dass die Milchsäure, welche hauptsächlich !/, bis 1 Stunde nach der Nahrungsaufnahme sich findet, von Bakterienwirkung herrührt, denn inner- halb dieser kurzen Zeit können sich genügende Bakterienmassen gar nicht bilden. Für den Hundemagensaft konnte das Fehlen eines milchsäure- bildenden Fermentes durch Versuche nachgewiesen werden, da weder aus Stärke, noch aus Maltose, noch aus Traubenzucker, noch aus Milchzucker bei Chloroformzusatz durch Magensaft Milchsäure gebildet wurde. Versuch 1. 25°“ 1 procent. Stärkelösung mit 5°” Hundemageninhalt mit etwas Chloroform, 24 Stunden bei 40° digerirt, ergab keine Vermehrung des Säuregehaltes. Der Säuregehalt war vor und nach dem Digeriren gleich 0-04 Procent HCl. Versuch 2. 25 1procent. Maltoselösung mit 5 “" Mageninhalt mit etwas Chloroform, 24 Stunden bei 40° digerirt, ergab keine Säurebildung. Die Acidität war gleich 0-04 Procent HCl vor und nach dem Versuch. Versuch 3. 25 1procent. Traubenzuckerlösung mit 5° Hunde- mageninhalt, 24 Stunden bei 40° digerirt, ergab keine Säurebildung. Die Acidität war gleich 0-04 Procent HCl vor und nach dem Versuch. Versuch 4. 25” 1procent. Milchzuckerlösung mit 5 “m Hundemagen- saft, 24 Stunden bei 40° unter Chloroformzusatz digerirt, ergab keine Ver- mehrung des Säuregehaltes. ı Wiener Sitzungsberichte, Abthlg. III. 1872. 8. 126. 390 Hans FRIEDENTHAL: ÜBER AMYLACEENVERDAUUNG U. S. W. Auf die Inversion des Rohrzuckers wirkt der Hundemagensaft nicht anders als Salzsäure von derselben Concentration bei 40°. Zum Vergleich wurden 20m 1 procent. Rohrzuckerlösung mit 10°" Hundemagensaft,! ferner 20 °m (1procent. Rohrzuckerlösung) mit derselben Menge gleich- starker Salzsäure versetzt und bei 40° unter Chloroformzusatz digerirt. Nach 24 Stunden ergab die Polarisation keinen wesentlichen Unterschied in der Drehung der beiden Rohrzuckerlösungen. Ausser der Bildung von löslicher Stärke, von Erythrodextrin und von ganz geringen Maltosemengen durch ein diastatisches Ferment, scheint also eine Veränderung der Kohlehydrate im Hundemagen nicht stattzufinden. ! Der Hundemagensaft drehte etwas nach links, aber unwesentlich. Ueber die Gehörcentra der Hirnrinde. Von Prof. Dr. W. v. Bechterew in St. Petersburg. Bezüglich des Verhaltens der Acusticuscentra sind von den Säugethieren bekanntlich Hunde und Affen Gegenstand der Untersuchung gewesen. Als Grundlage nach dieser Richtung und mit Bezug auf die genannten Ge- schöpfe erscheinen die Ermittelungen von Ferrier und Munk. Ferrier! erbrachte den Nachweis, das Gehörcentrum entspreche bei den Affen der oberen Schläfenlappenwindung. Zerstörung dieses Gyrus auf der einen Seite führt nach Ferrier zu Verlust des Gehöres auf der entgegengesetzten Seite, Ausschaltung der Gyri temporales I beider Hemisphären zu completter Taubheit. In der Folge sind diese Sätze nicht ohne Anfechtung geblieben, doch glaubte Ferrier selbst aus seinen späteren, im Vereine mit Yeo an- gestellten Versuchen? eine völlige Bestätigung seiner früheren Befunde ab- leiten zu sollen. Munk’s? Untersuchungen beziehen sich auf Hunde und Affen, im Einzelnen jedoch entwickelt dieser Forscher seine Ansichten im Hinblick auf die Verhältnisse beim Hunde. Nach den Experimenten von Munk führt Abtragung des hinteren Theiles der II. und III. Schläfen- windung zu completter oder, wie er sich ausdrückt, zu Rindentaubheit des entgegengesetzten Ohres. Wird aber der genannte Windungsbezirk beider Lobi temporales ausgeschaltet, so ist doppelseitige totale Taubheit mit nach- folgender Stummheit der Effect. 1 Proceedings of the Royal Society of London. Phil. Transact. Vol. CLXXXV. p. 165. — Function of the Brain. British med. Journal. 1875. August. ® Philos. Transact. 1884. Vol. CLXXV. ® Ueber die Functionen der Grosshirnrinde. Gesamm. Mittheil. Berlin 1881. — Monatsschrift der Akademie der Wissensch. zu Berlin. 19. Mai 1881. — Ueber die Funetionen der Grosshirnrinde. 1890. 392 W. v. BECHTEREWw: Im Gebiete der Hörsphäre bezeichnet Munk am Orte der zweiten Furche einen besonderen Bezirk, dessen Zerstörung nicht complette Taub- heit, sondern sogenannte Seelentaubheit zur Folge hat. Es ist dies ein Zu- stand, bei welchem zwar Töne und Worte vernommen werden, aber ohne Verständniss von deren Bedeutung in Folge des Verlustes der akustischen Vorstellungen und des akustischen Erinnerungsbildes. Erfahrung und Er- ziehung bringen einem so operirten Thiere das Verständniss für Töne und Worte nach und nach wieder. Spätere Versuche aus dem Jahre 1881 ergaben ausserordentlich überraschende Aufschlüsse bezüglich der partiellen Zerstörungen der Hörsphäre. Durch Zerstörung der Schnecke erzeugte Munk am Hunde zunächst einseitige Taubheit. Sodann beschädigte er die Hörsphäre auf der nämlichen Seite und prüfte schliesslich das Gehör der Thiere mittels verschiedener Schallreize und Töne. Es ergab sich dabei, dass der vordere, der Fossa Sylvi näher liegende Theil der Hör- sphäre zur Reception der hohen Töne bestimmt sei, während der nach hinten gelegene Theil der Hörsphäre zur Reception der tieferen Töne in Beziehung stehe. Das gewöhnliche Hören steht beim Hunde nach Munk’s Ansicht vorzugsweise in Zusammenhang mit der unteren Region der Hör- sphäre, denn nach Beschädigung derselben hört der Hund sehr schlecht und bellt abgebrochen, während er nach Beschädigung des oberen Theiles der Hörsphäre anscheinend alles hört, ohne jedoch für die einzelnen Töne ein Verständniss zu haben. Auf Grundlage solcher Versuche kommt Munk zu dem Schlusse, dass die verschiedenen Gebiete der Hörsphäre zur Re- ception differenter Töne bestimmt sind, und dass der-successive Uebergang von den tieferen Tönen zu den höheren in der Richtung eines nach unten convexen Bogens erfolgt, welcher das Ende der Fissura postsylvia Owen oder das Hinterende der zweiten Furche umbiest. Zufolge der erwähnten Untersuchungen von Munk werden Hunde und Affen nach beiderseitiger completter Abtragung der Hörsphäre völlig taub und mit der Zeit sogar taubstumm. Es müssen somit in der Hirnrinde dieser Geschöpfe nicht nur Vorstellungen, sondern auch Empfindungen localisirt sein. Diese seine Anschauung über die Localisation der akustischen und optischen Empfindungen in der Gehirnrinde hat Munk späterhin auch auf niedere Geschöpfe einschliesslich der Vögel ausgedehnt. Specielle Ver- suche über die Entfernung der Hemisphären bei Kaninchen und Vögeln führten ihn zu der Ueberzeugung, dass diese Geschöpfe nach dem genannten Eingriffe völlig taub und blind werden. Dass diese seine Ergebnisse mit denen der früheren Autoren nicht übereinstimmen, findet nach Munk’s Ansicht darin seine Erklärung, dass von ihm die Hirnhemisphären wirklich vollständig entfernt worden seien, was vor ihm den Experimentatoren nicht gelungen sein soll. ÜBER DIE GEHÖRCENTRA DER HIRNRINDE. 393 Die Untersuchungsergebnisse Munk’s sind bekanntlich auf heftigen Widerstand gestossen. Goltz,! welcher anfänglich das Vorkommen irgend welcher bestimmt localisirbarer Centra in der Hirnrinde striet geleugnet hatte, wandte sich späterhin einer weniger entschiedenen Stellungnahme gegenüber der Lehre von den Hirnlocalisationen zu, ja er neigte sich zu Gunsten dieser Lehre und konnte sich nur mit der Annahme scharf locali- sirter Centra in der Hirnrinde, wie unter anderem eines Gehörcentrums, nicht einverstanden erklären. Zugleich hatte Goltz gegen eine Localisation der eigentlichen Empfindungen und speciell der Gehörsempfindungen in der Hirnrinde sich ausgesprochen. Gegen die Localisation der Empfindungen in der Rinde sprachen ganz besonders die späteren Versuche von Goltz über complette Hemisphärenabtragung beim Hunde. Ein Hund, welchem Goltz beide Hemisphären in mehreren Sitzungen entfernt hatte, war nicht völlig taub, was auch Ewald bestätigt. Dieser Hund erwachte auf Ge- räusche, bei lauten Trompetentönen bewegte er die Ohrmuscheln, schüttelte den Kopf, erhob sich von seinem Lager und näherte sogar eine seiner Pfoten dem Ohre; gewöhnliche Geräusche dagegen hatten gar keinen Ein- fluss. Dabei machte sich das Thier durch seine Stimme in der mannig- faltigsten Weise bemerkbar, brummend, bellend u. s. w. Die Schlüsse, welche Goltz aus diesen Versuchen ableitet, sowie seine früheren Dar- legungen sind übrigens von Munk einer scharfen Kritik unterzogen worden: sämmtliche Erscheinungsformen von akustischer, optischer und tactiler Re- action bei dem Goltz’schen Hunde sind nach Ansicht von Munk nicht als bewusst, sondern als reflectorisch zu betrachten. Mit Ferrier’s und Munk’s Befunden über die Localisation des Gehör- centrums stimmen nun nicht alle späteren Beobachter überein, und die letzten, so ungemein interessanten Versuche Munk’s sind bisher von keiner anderen Seite geprüft worden. Von den Einwendungen, die seiner Zeit Goltz gegen Munk erhoben, ganz absehend, erwähnen wir hier nur noch die Untersuchungen von Lu- ciani und Tamburini, Luciani und Sepilli, Tonnini, Horsley, Schäfer, Brown u. A. Nach den Ermittelungen von Luciani und Tamburini? findet sich das Hörcentrum beim Hunde in dem hinteren oberen Theile der dritten Urwindung; bei einseitiger Zerstörung der Hörsphäre war die Taubheit auf der entgegengesetzten Seite ungemein deutlich ausgesprochen und erschien nahezu complett, während sie auf der entsprechenden Seite erheblich schwächer ausgeprägt war; mit der Zeit gleicht sich die Gehörfähigkeit aus, 1 Pflüger’s Archiv. 1879. ® Rivista speriment. di freniatria. 1879. 394 W. v. BECHTEREWw: doch wird eine vollständige Restitution ad integrum nicht erreicht. Wird die Hörsphäre der oberen Seite entfernt, so wird das Thier auf beiden Ohren fast völlig taub, doch lässt sich mit der Zeit eine merkliche Besse- rung wahrnehmen. Luciani und Sepilli! bestätigen die von anderen Autoren angegebene Localisation der Centra für die Beweglichkeit und für die Sinnesorgane und auch die Localisation des Gehörcentrums, nur erscheinen diese Centra nach ihrer Ansicht nicht völlig streng abgrenzbar, sondern überlagern einander bis zu einem gewissen Grade und gehen dabei in einander über. Die genannten Forscher weisen ferner auf das Vorkommen einer unvoll- ständigen Kreuzung der Gehörnerven hin, wobei sowohl die kreuzenden, wie die nicht kreuzenden Fasern ihrer Ansicht zufolge sich nicht über bestimmte Theile des Hörcentrums, sondern über die ganze Oberfläche desselben zer- streuen. / Die Untersuchungen von Tonnini? sind im Ganzen übereinstimmend mit den Befunden der schon genannten Autoren. Er kommt aber auf Grundlage seiner Experimente zu dem Schlusse, dass Beschädigung der oberen Abschnitte des Schläfenlappens nur auf der entgegengesetzten Seite die Gehörfähigkeit herabsetzt, wogegen Zerstörung des abwärtigen Theiles des Schläfenlappens Alterationen des Gehörs auf beiden Seiten zur Folge hat. Diese Schlüsse stützen sich übrigens nur auf eine beschränkte Anzahl von Experimenten an Hunden. Es fehlt in neuerer Zeit auch nicht an negativen Untersuchungs- resultaten bezüglich des Gehörcentrums. Hierher gehören die Ergebnisse von Horsley und Schäfer.” Um die Lehre von Ferrier und Yeo über den Einfluss von Beschädigungen des Gyrus uncinatus auf die Sensibilität der entgegengesetzten Körperhälfte näher zu prüfen, zerstörten sie beim Affen einen grossen Theil des Schläfenlappens und fanden das Gehör dabei erhalten. Zu beachten ist jedoch, dass, wie Ferrier und Yeo selbst zu- geben, die obere Schläfenwindung nicht vollständig entfernt worden war. Auf der anderen Seite äussert sich Schäfer auf Grundlage seiner im Verein mit S. Brown* ausgeführten Untersuchungen dahin, dass nach totaler beiderseitiger Entfernung der oberen Schläfenwindungen beim Affen das Gehör keine auffallende Abschwächung darbot. Nach diesen Autoren hat Ferrier seine Versuche über Zerstörung des oberen Temporalgyrus an Affen wiederholt und konnte dabei nur das ! Die Funetionslocalisation auf der Grosshirnrinde. Leipzig 1886. ? Rivista speriment. di freniatria. 1898. Vol. XXII. Fase. II. 3 Philos. Transact. 1888. * Brain. 1888. ÜBER DIE GEHÖRCENTRA DER HIRNRINDE. 395 Ergebniss seiner früheren Experimente bestätigen, dass nämlich die corticalen Gehörcentra in der oberen Schläfenwindung ihre Lage haben. Was Versuche über Reizung der Schläfenregion des Gehirnes betrifft, so beobachtete schon Ferrier bei electrischer Reizung des Gyrus tempo- ralis superior von Affen und der entsprechenden Rindenpartieen (hinterer Theil der dritten äusseren Windung) anderer Thiere Seitwärtswendung und Aufriehtung des anderseitigen Ohres mit nachfolgender Oeffnung der Augen, Pupillenerweiterung und Abwendung von Kopf und Augen nach der ent- gegengesetzten Seite. Ferrier erklärt die obere Schläfenwindung als Öen- trum des Gehöres und nimmt an, dass auch die vorhin genannten Bewe- gungen subjective Gehörsapperceptionen zum Ausdrucke bringen, bedingt durch Uebertragung der akustischen Impulse auf die motorischen Regionen des Stirnlappens. Ganz ähnliche Erscheinungen kommen jedoch auch bei ganz gesunden Affen, wenn ein lauter Pfiff die umgebende Stille unter- bricht, zur Beobachtung. Auf der anderen Seite erzeugte Hitzig! durch elektrische Reizung der dritten und vierten Windung von Hunden und Katzen Bewegungen der Öhrmuscheln nach vorne und nach hinten mit Drehung des Kopfes nach der entgegengesetzten Seite, Seitwärtsbewegung des contralateralen Mundwinkels und der hinzugehörigen Wange und Schliessung der Augen. Dabei wurden Rückwärtsbewegungen der Ohren ausgelöst von Punkten in der Nähe des Oberendes der Fissura Sylvii und hinter dieser Furche, Vorwärtswendung der Ohren hingegen durch Reizung von Punkten, die unmittelbar vor dem oberen Ende der Sylvi’schen Furche ihre Lage hatten. Annähernd in derselben Gegend erhielt ich bei Hunden, Katzen und Kaninchen einerseits Emporhebung und Aufrichtnng des contralateralen Ohres, wobei die Thiere manchmal das gleichseitige Ohr spitzten. Anderer- seits konnte ich bei den soeben genannten Thieren ein Anziehen des ent- gegengesetzten Ohres, wie vor Schreck, hervorrufen. ? Wiewohl im vorderen Theile der motorischen Zone, meinen Ermitte- lungen zufolge, besondere Centra für die Bewegungen des contralateralen Ohres vorhanden sind, so können doch die vorhin erwähnten Öentra der Temporalregion nach meinen Versuchen nicht als Reflexcentra im Sinne von Ferrier betrachtet werden. Denn wenn man diese Centra rings um- schneidet, so wird hierdurch die Auslösung von Ohrbewegungen bei Reizung der erwähnten Centra nicht aufgehoben. Bei electrischer Reizung der Spitze der ersten Schläfenwindung erzielten $. Brown und Schäfer? ! Untersuchungen über das Gehirn. Berlin 1874. ?2 W. Bechterew, Physiologie der motorischen Zone der Grosshirnrinde. Arch. psich. 1887. Vol.XI. Nr.1. — Arch. slav. de biologie. 1837. 3 Philos. Transact. 1888. p. 303. — Brain. 1888. 396 W. v. BECHTEREW: Rückwärtsbewegungen des entgegengesetzten Ohres; bei electrischer Reizung der oberen Theile des Gyrus temporalis superior erzielten die genannten For- scher Abweichung der Augäpfel nach der entgegengesetzten Seite, was auch bei Reizung der angrenzenden Nachbarschaft der Schläfenwindung auftrat. Endlich erzielte Baginsky! (in Munk’s Laboratorium) von dem unteren hinteren Abschnitte der 2., 3. und 4. Windung aus, bei Anwendung stärkerer Ströme auch von der mittleren Abtheilung der 3. und 4. Windung aus Contractionen des entgegengesetzten Ohres und Oefinung der Augen; gleich- zeitig war Pupillenerweiterung und Drehung der Augen nach der entgegen- gesetzten Seite zu beobachten. Von einer Stelle im unteren Theile der zweiten Windung erzielte Baginsky ausserdem Vorwärtsbewegung des contralateralen Ohres. Es wäre noch zu erwähnen, dass bei Beschädigungen der Schläfen- lappen keinerlei Störungen im Gebiete der Sensibilität und Mobilität auf- treten, was auch aus den neuerlichen Versuchen von Tonnini hervorgeht. So stand es nach der experimentellen Seite hin um die Frage nach den Gehörcentren der Hirnrinde, als ich im Jahre 1896 dem in meinem Labo- ratorium beschäftigten Hrn. Dr. Larionoff den Vorschlag machte, alle nach dieser Richtung hin vorhandenen Untersuchungen einer Prüfung zu unter- ziehen. Seitdem sind von mir zu verschiedenen Zeiten Versuche mit totaler Abtragung einer oder beider Hemisphären an Vögeln (Taube und Huhn) und solche mit Entfernung der Hemisphären und Zerstörung der Hörsphäre der Hirnrinde an Säugethieren (Hund und Katze) angestellt worden. Auf Grundlage der erstgenannten Versuche, über deren Ergebnisse ich seiner Zeit? in der St. Petersburger psychiatrischen Gesellschaft mit Demonstration der operirten Thiere berichtet habe, konnte ich feststellen, dass Vögel nach Verlust einer der Hörhemisphären ihre Seh- und Gehörfähigkeit auf der contralateralen Seite einbüssen, woraus folgt, dass die Fasern der Gehör- nerven vor ihrem Eintritte in die Grosshirnrinde bei diesen Geschöpfen offenbar einer totalen Kreuzung unterliegen. Nach Fortnahme beider Hemi- sphären erscheinen Vögel völlig blind und taub, besonders in der ersten Zeit nach dem: Eingriffe. Nach einiger Zeit jedoch, wenn das Thier sich von dem Eingriffe erholt hat, reagirt es auf Lichtreize und plötzliche Geräusche in entsprechender Weise. Ich will die Frage nach der Seh- fähigkeit solcher Vögel bei einer anderen Gelegenheit erörtern und bemerke hier nur, dass ihrer Hemisphäre beraubte Vögel auf intensive Töne den Kopf erheben und sich nach den Seiten hin umsehen. Es liegt also kein ! Dies Archiv. 1891. Physiol. Abthlg. ?” Sitzungsber. der psychiatr. Gesellsch. in St. Petersburg. 1883. Ref. in Neurol. Centralblatt. 1883. Nr. 23. 8. 536. ÜBER DIE GEHÖRCENTRA DER HIRNRINDE. 897 ausreichender Grund vor, hier von einer völligen Taubheit zu reden, und man darf annehmen, dass elementare akustische Empfindungen bei Vögelr mit abgetragenen Hemisphären schon in den subcorticalen Hirnregionen zur Entwickelung gelangen können. Katzen und junge Hunde zeigen nach Fortnahme der Hemisphären — sie überleben den Eingriff um mehrere Tage — keinerlei Reaction auf akustische und optische Reize, sie erscheinen also durchaus taub und blind. Dies schliesst natürlich in keiner Weise aus, dass diese Thiere im Falle längeren Ueberlebens, bei allmählicher Fortnahme einzelner Theile der Hirn- rinde bis zu völliger Ausschaltung der Hemisphären, wie dies bei den Goltz’schen Hunden der Fall war, nicht mehr oder weniger deutliche akustische und optische Reactionen aufweisen würden. Was die Localisation der Hörsphäre beim Hunde betrifft, so haben meine diesbezüglichen Versuche mir gezeigt, dass bei Entfernung der Rinde des Schläfenlappens einer Hemisphäre bei den Versuchsthieren constant fast völliger Verlust des Gehöres auf der entgegengesetzten Seite und Abschwä- chung des (rehöres auf der entsprechenden Seite zur Beobachtung gelangt, was auf eine unvollständige Durchkreuzung der Hörnervenfasern in den subeorticalen Gebieten des Hundegehirnes hinweist. Weiter in’s Einzelne gehende Untersuchungen über die Verhältnisse der Gehörsphäre des Hundes hatte ich keine Gelegenheit anzustellen. Dieser Aufgabe hat sich Herr Larionoff in meinem Laboratorium mit bestem Erfolge unterzogen. Die Ergebnisse seiner ungemein mühsamen und ausgedehnten Untersuchungen sind niedergelegt in einer Arbeit,! welche unsere Kenntnisse von den (rehörcentren bei den Thieren wesentlich gefördert hat und die Topographie der einzelnen Theile der Hörsphäre in der Hirnrinde besonders eingehend behandelt. Als Versuchsthiere dienten Larionoff vorzugsweise Rassehunde, die auf Schallreize mit Bewegungen des Kopfes, der Augen und des Rumpfes gut reagirten. Jedes Versuchsthier wurde zunächst mittels guter Stimm- gabeln genau geprüft. Zum Anschlagen der Töne diente ein weiches Hämmerchen und eine Vorrichtung, um die Stärke des Anschlages und somit die Intensität des Tones zu bemessen. Die Gehörsreaction wurde mehrfach geprüft, vor und nach der Operation, und wurde je nach ihrer Stärke als +, rr oder +rf (schwach, gut, sehr gut) notirt. Die Stimm- gabeln wurden aus folgenden sechs Octaven genommen: aus der Contraoctave A, aus der grossen Octave A, aus der kleinen Octave ce und e, aus der einfach gestrichenen Octave g!, a’, db! und h!, aus der zweifach gestrichenen Octave c?, cis? und a? und aus der dreifach gestrichenen Octave c?. Nach ! Larionoff, Ueber die eorticalen Gehörcentra. In russischer Sprache. St. Peters- burg 1898. 398 W. v. BECHTEREW: ° Helmholtz haben diese Töne folgende Schwingungszahlen: 4155, A 110, c 132, e 165, g! 269, a! 435, h! 495, c? 528, a? 880 und c? 1056. Ver- wendung fand ferner der Blasekammerton Nr. 1 mit den Tönen 5! und cis® und Nr. 2 mit der chromatischen Tonleiter g! bis fs’, deren Töne mit den gewöhnlichen identisch waren. Sämmtliche Stimmgabeln wurden vor dem Gebrauche geprüft. Die Versuchsthiere wurden ferner auf Reception von Geräuschen geprüft, und zwar 1. durch Aneinanderreiben von Sand- papierstückchen von bestimmter Grösse und Nummer (knitterndes Geräusch); 2. durch Erschütterung einer Papierschachtel mit Sand (zischendes Ge- räusch); 3. durch Erschütterung eines Blechschächtelchens mit Metallringen (klingendes Geräusch), und 4. durch Erschütterung eines Papierschächtel- chens mit Steinchen und Knochenstückchen von verschiedener Grösse und Form (unbestimmte Geräusche). Der zu untersuchende Hund wurde mittels eines Halsbandes an den Fuss eines Tisches befestigt. Der Experimentator fasste nun mit einer Hand die Schnauze des Thieres und näherte mit der anderen von vorne her die schwingende Stimmgabel dem Ohre desselben. Man liess die Stimm- gabel !/,, 1 oder 2 Secunden lang einwirken, entfernte sie dann, um sie später wieder dem gleichen Ohre zu nähern. Am allerempfänglichsten für Töne erwiesen sich bei der Untersuchung schwarze Pudel und Setter, gegen (Geräusche waren Rattenfänger am empfindlichsten. Ausserdem wurde das Gehör durch einfaches Zurufen: „hierher“, „komm“, „da“, bei dressirten Hunden mittels angelernter Worte geprüft. Es versteht sich von selbst, dass die ganze Untersuchung bei grösster Ruhe vor sich ging. Abgesehen vom Gehör wurden die operirten Thiere untersucht auf ihre Seh-, Schmeck- und Riechfähigkeit, auf ihre Schmerz- und Muskelempfind- lichkeit. Die operierten Thiere befanden sich im Verlaufe vieler Monate unter Beobachtung und wurden vielfach mit möglichster Genauigkeit bezüglich des Gehöres und der übrigen Sinne untersucht. Im Ganzen wurden 14 Ex- perimente mit Zerstörung der Rinde der Temporallappen ausgeführt, 2 Ver- suche mit Reizung der Rindenoberfläche und 3 Versuche dienten speciell zur Untersuchung der Taubheit. | Die Ergebnisse sämmtlicher von Dr. Larionoff ausgeführten Versuche können wie folgt zusammengefasst werden. Schon Entfernung geringer Rindenflächen an einer der drei Schläfen- windungen führt in den ersten (1 bis 2) Tagen zu völliger Ton- und Ge- räuschtaubheit auf der contralateralen Seite und zu Abschwächung der Ton- und Geräuschempfindlichkeit auf der gleichen Seite. Späterhin kehrt das Gehör wieder, mit Ausnahme einiger Töne, für welche das Gehör auf der entgegengesetzten Seite völlig erloschen oder äusserst abgeschwächt, auf der entsprechenden Seite etwas verringert ist. Es ergab sich somit ÜBER DIE (EHÖRCENTRA DER HIRNRINDE. 399 nieht nur der Nachweis einer unvollständigen Kreuzung der Gehörnerven, sondern auch ein verschiedenes Verhalten der einzelnen Gebiete der Schläfenlappenrinde zur Perception von Tönen differenter Höhe. Wurde z. B. die vierte Windung (Gyrus angularis)' des Hundes zer- stört, so fielen die hohen Töne von c* aus. Bei Zerstörung des hin- teren temporalen Abschnittes der dritten Windung ging die Perception der mittleren Octaven, etwa von e bis c?, verloren. Wurde ferner die Rinde im Gebiete des hinteren unteren Endes der zweiten Windung abgetragen, so war Ausfall der tiefen Octaven, etwa von e bis A! und darüber, die Folge. Entfernung aller drei Schläfenwindungen in Gestalt eines queren Streifens bedingte endlich Ausfall der Töne aller 6 Octaven, jedoch mit Erhaltung der Zwischentöne, wodurch sich Rückschlüsse über den Verlauf der Tonscala in den Schläfenwindungen gewinnen liessen. Eine Zusammenfassung aller Ex- perimente über Beschädigung der Gyri temporales und eine graphische Zusammenstellung der ausgeführten Läsionen und der ausgefallenen Töne liess erkennen, dass die Toncentra der niederen Octaven gegen die Mitte der hohen Octaven hin anfänglich an dem hinteren unteren Abschnitte der zweiten Windung von oben nach unten verlaufen, sodann, von unten das Hinterende der zweiten Furche (Fissura postsylvia Owen) bogenförmig umziehend, in der dritten Windung sich von unten nach oben begeben, nach Erreichung der Spitze dieser Windung sich nach unten wenden und über die dritte Furche (Fissura ectosylviaOwen) oder richtiger unter dieser in die hintere Hälfte des Gyrus angularis übergehen. Bei partiellen unilateralen Beschädigungen des Gehörscentrums ent- wickelt sich nach theilweisem Tonausfall auf der entgegengesetzten Seite nach und nach fast complette Tontaubheit, auf der entgegengesetzten sowohl, wie auf der entsprechenden Seite. Diese consecutive Taubheit steht nach Ansicht von Larionoff in Zusammenhang mit dem Auftreten secundärer Degenerationen von Commissuren-, Associations- und Projectionsbahnen. Die Perception der Geräusche ging bei den Thieren im Ganzen zu- sammen mit der Perception der Töne verloren. Offenbar werden Geräusche von der nämlichen Scala, wie die Töne, appereipirt, was mit der neueren Anschauung, deren zufolge an der Peripherie sowohl Töne wie Geräusch von der Schnecke aufgenommen werden, bestens im Einklange steht. Wenn ! Diese Windung ist nicht zu verwechseln mit dem Gyrus angularis des Menschen. Die dem Gyrus angularis des Hundes entsprechende Windung ist beim Menschen in der Tiefe der Insula Reilii verborgen. 400 W. v. BECHTEREW: bisweilen bei Ausfall vieler Töne kein Ausfall von Geräuschen statthatte, so konnte dies nach Ansicht von Dr. Larionoff bedingt sein durch Per- ception von Obertönen, an denen ja Geräusche überhaupt sehr reich sind. Was (die Perception von Wortlauten betrifft, so war für gewöhnlich kein Ausfall derselben zu bemerken, und zwar auch bei erloschener Reaction gegen fast alle Töne und Geräusche Im Hinblick auf diesen Befund vermuthet Larionoff beim Hunde die Anlage eines dem Wernicke’schen ent- sprechenden Centrums, welches sich wahrscheinlich im mittleren Theile der dritten Windung. vorfindet. Das Experiment zeigt, dass die Zungentöne den Redelauten entsprechen. Die Versuche über Beschädigung des Lobus parie- talis und frontalis führten bezüglich der Gehörsperception zu völlig negativen Resultaten. ; Die speciellen Versuche über Munk’sche Seelentaubheit, welche La- rionoff angestellt, ergaben ebenfalls negative Resultate. Dressirte Hunde erscheinen in der ersten Zeit nach der Fortnahme der centralen Partieen der Hörsphäre wie schwachsinnig und scheu oder betäubt, erholten sich aber sehr schnell und leisteten dann Zurufen, die ohne Gesticulation an sie gerichtet wurden, prompt Folge. Eine genaue Specialprüfung ergab bei derartigen Hunden Ausfall der Perception der tiefen und mittleren Töne beiderseits, ganz entsprechend der Localisation der Rindenbeschädigung. Mit der Zeit entwickelte sich bei diesen Hunden, wie auch in anderen Fällen, fast complette Taubheit, was wahrscheinlich durch consecutive De- generation von Rindenfasern zu erklären ist. Nach Ansicht Larionoff’s waren die Erscheinungen von Seelenblind- heit in Munk’s Versuchen höchst wahrscheinlich dadurch bedingt, dass die Läsionen die zweite Windung mehr nach oben oder mehr nach hinten getroffen hatten, wodurch die Hörsphäre von dem hinteren Associations- centrum Flechsig’s losgelöst oder letzteres selbst beschädigt worden sei. Was faradische Reizung der Hirnrinde betrifft, so wurden in den Ver- suchen Larionoff’s Ohren-, Augen- und Kopfbewegungen constant von jener Region der Schläfenrinde ausgelöst, welche die Tonscala in sich be- herbergt. Diese Bewegungen entsprechen offenbar einem Zustande auf- merksamen Hinhorchens. Ich habe diese Bewegungen, wie hier beiläufig zu bemerken, auch beobachtet bei Reizung des hinteren Vierhügels, welches, wie meine Experimente dargethan haben, eines der subcorticalen Acusticus- centra vorstellt. ! Die im Obigen dargelegten Untersuchungen von Dr. Larionoff ver- leihen somit der Frage nach der Anordnung der Perception verschiedener Töne in den verschiedenen Theilen der Hörsphäre des Schläfenlappens eine ! Neurolog. westnik. (Russisch.) 1895. Bd. III. — Neurolog. Centralblatt. 1896. ÜBER DIE GEHÖRCENTRA DER HIRNRINDE. 401 feste Grundlage. Diese für die Physiologie der Gehirnrinde so bedeutungs- volle Frage, die bisher nur von Munk allein berührt worden war, erhält durch die erörterten Erhebungen Larionoff’s eine weitere Förderung, da wir nunmehr von einer mehr oder weniger regelmässigen Lagerung einer sechsoctavigen Tonleiter in dem Gehörcentrum des Hundes eine Vorstellung besitzen. Die Toncentra der Rinde sind in strenger Reihenfolge gelagert, mit anderen Worten: in der Rinde des Schläfenlappens giebt es eine ähn- liche Tonleiter, wie in der Schnecke, und die Schneckensaiten sind hier offenbar durch an einander gereihte Nervenzellgruppen repräsentirt. Ferner haben die in meinem Laboratorium angestellten galvano- metrischen Untersuchungen des Dr. Larionoff dargethan, dass gleichzeitig mit der akustischen Reizung des contralateralen Ohres im Gebiete des ge- nannten Centrums das Auftreten von Strömen während der Thätigkeit wahr- nehmbar ist. Um alle diese Ergebnisse auf das menschliche Hirn zu übertragen, muss man nach der Homologie der Windungen annehmen, das Gebiet des Gehörcentrums habe bei dem Menschen seine Lage in der zweiten und ersten Schläfenwindung und im hinteren Theile der Insel, da ja die vierte Windung des Hundes den hinteren Querwindungen der Insel entspricht. In diesem Centrum müssen, ganz wie bei den Thieren, Töne sowohl wie Geräusche zur Perception gelangen. Ein gewisser Theil dieses Centrums, welcher dem Orte der Perception der grossen Sexte 5! bis g? (die nach Helmholtz und Hermann! die Mehrzahl der Grundtöne für die Vocale unserer Sprache beherbergt) entspricht, beim Hunde einen beträchtlichen Theil des hinteren Abschnittes der dritten Windung (von innen gerechnet) einnimmt, bei dem Menschen aber in den hinteren zwei Dritteln der ersten Schläfenwindung seine Lage hat, muss für die Perception der Vocallaute bestimmt sein und das sogenannte Wernicke’sche Centrum bilden. Es besteht somit bezüglich der Localisation des Gehörcentrums und seiner einzelnen Theile eine völlige Uebereinstimmung zwischen den Er- gebnissen des Thierexperimentes und den pathologischen Befunden am Menschen, mit der Einschränkung jedoch, dass die Entwickelung der Sprache bei dem Menschen zur Entwickelung eines besonderen akustischen Sprach- centrums oder des Wernicke’schen Centrums auf Kosten eines bestimmten Theiles des Toncentrums Anlass giebt. Die anatomischen Untersuchungen von P. Flechsig und mir am Ge- hirne Neugeborener, sowie die Ermittelungen von Larionoff an Hunden mit Beschädigung des Gehörcentrums (Marchi-Methode) bestätigen vollauf ı Pflüger’s Archiv. 1893. Bd. LII. Archiv f. A. u. Ph, 1899. Physiol. Abthlg. Suppl. 26 402 W.v. BECHTEREW: ÜBER DIE (EHÖRCENTRA DER HIRNRINDE. die Localisation des in Rede stehenden Centrums in der Rinde des Schläfen- lappens. Was klinische Befunde anlangt, so sprechen dieselben bekanntlich mit aller Entschiedenheit für eine Localisation des menschlichen Gehörcentrums in den nämlichen Rindenregionen, wie bei den Thieren, d. h. in den oberen Theilen des Lobus temporalis, wie beispielsweise die von Ferrier! ange- führten Fälle von completter Taubheit bei Zerstörungen der ersten Schläfen- windung darthun. Aus den klinischen Beobachtungen geht gleichzeitig hervor, dass beim Menschen in Folge der ausserordentlichen Entfaltung der Sprache und des musikalischen Gehöres, das primitive Toncentrum der Säugethiere sich zu zwei mehr oder weniger gesonderten Centren entwickelt, von welchen das eine als musikalisches, das andere als Sprachencentrum im engeren Sinne betrachtet werden muss. Wenigstens muss dies zweifel- los erscheinen im Hinblicke auf von verschiedenen Autoren beschriebene zahlreiche Fälle von Amusie ohne Worttaubheit, sowie mit Rücksicht auf die Fälle von Worttaubheit ohne Amusie. Wir verfügen gegenwärtig schon über eine ganze Reihe von mit Sectionsbefunden begleiteten Fällen von Worttaubheit, wo die Affection im hinteren Theile der oberen Schläfen- windung der linken Hemisphäre localisirt erschien. Auf der anderen Seite fehlt es nicht an Fällen von reiner Amusie ohne Worttaubheit (veröffent- licht von Edgren), wo bei der Section links die vorderen zwei Drittel der ersten Schläfenwindung und die vordere Hälfte der zweiten Schläfen- windung, rechts die hintere Hälfte der ersten Temporalwindung destruirt gefunden wurden. Es sind also auch bezüglich der Localisation der Affection diese Fälle in grösster Uebereinstimmung mit den vorhin dargelegten experi- mentellen Befunden betreffend die topographische Anordnung der einzelnen Theile des Toncentrums in der Hirnrinde. I! The Croonian lecture on cerebral localisation. 1890. Beiträge zur Lehre von dem Mechanismus der Bewegungen des Schultergürtels. Von Dr. Steinhausen, Oberstabsarzt in Hannover, I. Die Drehung des Schulterblattes bei der Armerhebung in ihrem zeitlichen Ablaufe. Seit Duchenne’s (1) in sich vollendeter und glänzender Darstellung der Physiologie der Bewegungen hat sich bis heute die Annahme allgemein verbreitet und anerkannt erhalten, dass für die Gesammterhebung des Armes gegen den Rumpf eine Theilung der Arbeit unter den hauptsächlich in Betracht kommenden Muskeln, dem Deltoides und dem Serratus, in der Weise stattfinde, dass jenem durch Abduction des Oberarmes gegen die Scapula die Erhebung bis 90°, diesem die weitere Erhebung durch Drehung der Scapula zufall. Neben dieser. Scheidung der Arbeitsleistung beider Muskeln wird, ebenso allgemein und ebenfalls nach Duchenne’s Vorgang, die innige functionelle Verknüpfung gelehrt. Am klarsten ist diese Ver- knüpfung von Henle (2) formulirt worden. Nach ihm hat für den unteren Quadranten der Erhebung der Serratus die Aufgabe, zu verhüten, dass das Schulterblatt durch die Thätigkeit des Deltoides dessen Armbeininsertion entgegen- und herabgezogen werde, was beim Lebenden die immer zugleich mit dem Deltoides erfolgende Zusammenziehung des Serratus bewirke. Höher als bis zu einem Winkel von 90° vermöge der Deltoides den Arm nicht zu fördern; die weitere Erhebung finde dann durch die Drehung des Schulterblattes statt. In diesem Sinne ist die Lehre sowohl von dem Gegen- einanderwirken als auch von dem engen Zusammenwirken beider Muskeln in alle Lehrbücher und sonstigen einschlägigen Arbeiten übergegangen, in demselben Sinne spricht man daher auch allgemein von einem Antagonismus beider Muskeln. So geht synergistische und antagonistische Betrachtung 26* 404 STEINHAUSEN: überall Hand in Hand, ohne dass man sich der mechanischen Widersprüche bisher bewusst geworden wäre. Auch die Trennung von Antagonismus und Pseudoantagonismus, wie sie von Hering (3) für die Beuger und Strecker der Hand und des Fusses u. s. w. durchgeführt wurde, ist bisher auf die Schultermusculatur nicht angewandt worden. Eine Fortentwickelung in der Auffassung des Synergismus des Deltoides mit dem Serratus, zu denen als dritter der Trapezius hinzutritt, ist bisher nur in vereinzelten An- deutungen in der Litteratur zu bemerken, so von Gaupp (4) und Broe- sicke (ö). Ueber die Art und Weise und den zeitlichen Ablauf des Zusammenwirkens liegen Untersuchungen bisher nicht vor. Auch für die klinische Praxis mussten sich in Folge der Widersprüche des alten Duchenne’schen Schemas mit Nothwendigkeit Unklarheiten er- geben, die bis heute besonders auf dem Gebiete der Lähmungen einzelner Muskeln des Schultergürtels ihr Wesen treiben. So erklärt es sich, dass Fälle von isolirtem Ausfall des Serratus, des Trapezius und des Deltoides, die mit jenem Schema nicht in Einklang zu bringen waren, wiederholt den Anstoss zu neuen Studien über die Bewegungen des Schultergürtels gegeben haben. Es sei nur auf den von Lewinski (6) angefachten Streit über gewisse Symptome der Serratuslähmung, die interessanten Erörterungen von Bäumler (7), Bruns (8), Remak (9) u. s. w. über andere Symptome dieser Lähmung, auf die Arbeit von Gaupp (4), angeregt durch Cucullaris- lähmung, hingewiesen. Auch die Erörterung der Aetiologie der sog. hohen Narkosenlähmungen des Plexus brachialis (Nonne, Hoedemaker, Bern- hardt, Goldscheider, Rissom, Büdinger, Kron, Gaupp) und das dadurch angeregte Studium der Clavicular-Bewegungen ist hierher zu rechnen. Zu welchen Widersprüchen die klinische Beobachtung mit jenem Schema führt, dafür kann als ein Beispiel für viele eine Veröffentlichung über einen Fall von Lähmung des Deltoides (Hoffmann) (10) aus jüngster Zeit angeführt werden. Dort wurde ein „vicariirendes“ Eintreten, dessen Widerspruch mit den Lehren der Physiologie der Verfasser einräumen muss, des Serratus für den Deltoides, in der Art beobachtet, dass „ausnahmsweise“ der Serratus die Erhebung bis zur Horizontalen besorgte, worauf für die weitere Erhebung die Abductoren eintraten. Es beweist hier ein Fall von isolirter Muskellähmung am Lebenden die Umkehrung des Duchenne’schen Schemas, zu der ich auf anderem Wege ebenfalls gelangt bin. Dass die in jenem Schema ausgedrückten Anschauungen mindestens ungenügend, und dass ein gesetzmässiges Zusammenwirken der Dreher der Scapula mit den Abductoren des Oberarmes in einem ganz anderen zeitlichen Sinne statthaben müsse, ergab sich für mich zunächst aus der Beobachtung isolirter Serratus- und Trapeziuslähmungen, bei welchen trotz des Ausfalles des einen oder des anderen Muskels eine auffällig geringere Störung der MECHANISMUS DER SCHULTERBEWEGUNGEN. 405 hohen Armerhebung festzustellen war, als sie bisher ganz allgemein für typisch gehalten wird. Eine Zusammenstellung von 95 in der Armee in den letzten zwei Jahrzehnten beobachteten Lähmungen des Serratus, über welche an anderer Stelle eingehend berichtet werden soll, lieferte dann das überraschende Ergebniss, dass die Erhebung des Armes weit über die Hori- zontale für die rein isolirte Lähmung geradezu als Regel gelten muss. Mit dem bisher gültigen Schema ist dies Ergebniss ganz und gar nicht ver- einbar. Bei dieser Gelegenheit erschloss sich eine Reihe von Beobachtungen über den gesetzmässigen Verlauf der normalen Schulterbewegungen, über welche nachstehend zu berichten mir gestattet sei. Die für die normalen Bewegungen des Schultergürtels grundlegende Thatsache, auf welche an erster Stelle hingewiesen sei, ist die weit über einen rechten Winkel hinausgehende Abduction des Oberarmes gegen das Schulterblatt durch die Abductoren (als deren Repräsentant im Folgenden der Kürze halber stets nur der Deltoides angeführt sei). Die Winkelgrösse der Abduction wird bekanntlich sehr verschieden angegeben. Sie beträgt nach Duchenne und Henle 90° nach Gaupp und wohl den meisten Anatomen ebenso viel oder doch nur wenig mehr als 90° [Aeby (32), Langer-Toldt (43), Krause (27), Gegenbaur (38), Hyrtl (24), Poirier (31), G. H. Meyer (23), Testut (30) u.s. w.], nach E. Fick und Weber (14) dagegen eher noch weniger als 90%. Albert (11) giebt sie auf 100 bis 110°, in seltenen Fällen auf 120°, und Rauber (13) allein sogar auf 150° an. Braune und Fischer (12) fanden als Maximum der Exeursion am Präparat 109°, wobei aber, wie die beiden Forscher aus- drücklich hervorheben, die Rollung des Oberarmes nicht in die Untersuchung hineinbezogen ist. Welche Linie innerhalb des Schulterblattes etwa zur Bestimmung des Winkels gewählt wurde, ist nicht überall präcise an- gegeben, gemeint ist wohl gewöhnlich der äussere Schulterblattrand. Die grossen Differenzen der Angaben dürften auf folgende Weise zu erklären sein. Offenbar ist bisher nicht genügend für die Abmessung jener Winkel- grösse der Grad der Drehung des Humerus um seine Längsaxe berück- sichtigt worden. Auch Duchenne giebt hierüber nur einen ganz kurzen Vermerk (S. 48, $ 67). Ein Blick auf den von einem Gesunden in natür- licher Weise senkrecht erhobenen Arm lehrt, dass es sich hier um ganz erheblich grössere Winkelstellung als nach dem Durchschnitt der Angaben handelt. Thatsächlich beträgt sie in maximo etwa 150% Aber — und das ist der springende Punkt — diese Abductionsgrösse hat zur Voraus- setzung eine gleichzeitige Auswärtsrollung des Oberarmes um mindestens 50° gegen die bei der Ruhelage, dem unthätigen Herabhängen des Armes, eingenommene Grundstellung des Gliedes, zum Zweck der Erhaltung des Contactes zwischen den Gelenkflächen. Bekannt ist, dass bei stark ein- 406 STEINHAUSEN: wärts gerolltem Oberarm die seitliche Erhebung bedeutend eingeschränkt wird: beim Lebenden ergiebt sich hier bei stärkster Einwärtsrollung ein Maximum der Abduction von nur etwa 50 bis 60° gegen das Schulterblatt. Daraus erhellt, dass zur maximalen Armerhebung die Ausschaltung aller durch Einwärtsrollung verursachten Hindernisse, seien dieselben knöchernen oder musculären Ursprungs, und also ein gewisses Maass von Auswärts- rollung des Armes Vorbedingung ist. Das bestätigt auch ein Blick auf das Skelet des Schultergürtels: aus der Stellung, welche der Humerus gegen die Scapula bei ruhigem Herabhängen einnimmt, rein frontal erhoben, würde derselbe sehr bald eine Hemmung finden, dagegen zugleich um 50° und darüber um seine Längsaxe gedreht, wird er der grössten Winkelstellung gegen die Scapula fähig, ohne dass seine überknorpelte Gelenkfläche den Contact mit der Gelenkpfanne verliert und ohne durch Hemmung seitens der genügend weiten Gelenkkapsel beeinträchtigt zu werden. Es sei mir gestattet, an dieser Stelle eine vorläufige Mittheilung aus einer später zu veröffentlichenden Arbeit eizuschalten, welche den Einfluss der Humerusbewegungen auf die Verschiebungen der Gelenkflächen des Schultergelenkes gegen einander betrifft. Von den in Betracht kommenden Factoren seien die beiden hauptsächlichsten hier erwähnt: das Grössenver- hältniss des Flächeninhaltes der Gelenkpfanne zu dem des Oberarmkopfes von etwa 1:6 und die Neigung der Axe des Gelenkkopfes zur Längsaxe des Humerus von 140° (Rauber (13)). Die rein frontale Abduction des Oberarmes aus der Ruhelage wird für einen beliebigen Punkt der Pfanne, beispielsweise für deren Mittelpunkt, zur Folge haben, dass er auf einem grössten Kreise des Kopfes, also hier in einem in der Frontalebene gelegenen Meridian, sich fortbewegt. Anderer- seits wird eine Drehung des Humerus um seine Längsaxe bewirken, dass derselbe Punkt auf einem zu jener Ebene senkrecht stehenden grössten Kreise sich bewegt. Aus der Combination beider Bewegungen lässt sich nun ableiten, dass dieser Punkt — wie auch jeder beliebige andere — eine Curve auf der convexen Kugelfläche beschreiben muss, deren nähere Be- stimmung hier zu weit führen würde, die aber jedenfalls eine in sich zurücklaufende Figur darstellt, welche nur einen Theil der ganzen über- knorpelten Gelenkfläche einnimmt und so auf verhältnissmässig engem Raume weite Excursionen des Gliedes innerhalb der Gelenkflächen sich abzuspielen gestattet. Eine unmittelbar sich ergebende weitere Folgerung ist die, dass die Combination von Abduction und Rotation die Spannung des Kapselbandes und seiner Verstärkungen ungleich weniger in Anspruch nimmt, als jede der beiden Bewegungen einzeln. Jedenfalls leitet sich aus dem Gesagten der Satz ab, dass die Abduction des Oberarmes gegen das Schulterblatt um so grösser wird, je mehr Rotation innerhalb gewisser MECHANISMUS DER SCHULTERBEWEGUNGEN. 407 Grenzen der erstere um seine Längsaxe erfährt, und ferner, dass die Abduction unter dieser Voraussetzung einen Winkel von 150° zweifellos erreichen kann. Auf die muskelphysiologischen Beziehungen zwischen Ab- duction und Rotation wird noch zurückzukommen sein. Die grossen, einer directen Messung am Lebenden sich entgegen- stellenden Schwierigkeiten haben mir den Gedanken nahe gelegt, zur Be- stimmung der Winkelverschiebung zwischen Humerus und Scapula im Verlaufe der Armerhebung die Röntgendurchleuchtung zu Hülfe zu nehmen. Dies Hülfsmittel hat, unter Berücksichtigung natürlich der zweifellos vor- handenen und nicht ganz auszuschaltenden Fehlerquellen, immerhin recht beachtenswerthe Resultate ergeben, indem es, sinnfälliger als die Schätzung der Verschiebungen am Lebenden, wenigstens annähernd einen Einblick in die Gesetzmässigkeit des Ablaufes der Bewegungen des Schultergürtels am Lebenden selbst gestattet. Nach Feststellung der Brauchbarkeit der Methode zunächst am Leuchtschirm wurden Actinogramme aufgenom- men, von denen die hier beigefügten fünf auf den Ruhezustand und die vier Achtelkreise der Erhebung sich beziehenden Abbildungen her- stammen. Die Aufnahmen sind mit mög- lichster Einhaltung gleicher Be- dingungen an einem gesunden 19 jährigen jungen Manne von mittelkräftiger Musculatur in der Weise gemacht, dass sich der Spiegel jeweilig senkrecht zur Scapular- ebene über dem Mittelpunkt des Oberarmkopfes in einem Abstande von 42° von der Platte befand. Die doppelt beschichteten Platten standen möglichst genau parallel zur Scapularebene und beide im Raume senk- recht, so dass die active, natürliche und unbelastete Armerhebung Gegen- stand der Aufnahme wurde. Expositionsdauer 1 Minute, Funkenlänge 20 und nach längerem Gebrauch 25”. Um die mit wachsender Erhebung zunehmende Drehung der Scapular- gegen die Frontalebene auszugleichen, musste eine jedesmalige gegensinnige Drehung des Rumpfes vorgenommen werden. Wird schon bei stärkster Abduction der Schulterblätter — bei „Brust heraus“ — eine rein frontale Stellung der Schulterblattebene nie -. 7 ) l | I | j j ' I j ’ j j j j ' ı | ! Von Hrn. Collegen F. Bähr in Hannover hergestellt, dem ich auch an dieser Stelle meinen Dank ausspreche. 408 STEINHAUSEN: erreicht, so kann selbst für die ersten Momente der Erhebung nicht die Rede davon sein, die rein frontale Erhebung zum Object des Studiums machen zu wollen. Die Drehung der Scapula erfolgt überhaupt nicht rein frontal, nicht einmal beim ersten Beginn aus der Ruhelage heraus, bei welcher die Neigung der beiden Ebenen schon ungefähr 20° aus- macht. Die Scapularbewegung schliesst sich dann genau dem hinteren Thoraxumfang an und durchläuft Neigungen gegen die Frontalebene nach einander von 20 bis 45°, Werthe, die mit den Angaben der anato- mischen Lehrbücher ungefähr übereinstimmen (vgl. Tabelle). Willman daher die allmähliche Winkelvergrösserung in einer Ebene beobachten, so muss die Abduction des Humerus gegen die Scapula stets annähernd in der Scapularebene sich abspielen, und folglich muss man die Neigung der Abductions- und damit auch der Projectionsebenen gegen die Frontalebene in gleichem Maasse mit der Grösse der Abduction durch Rumpfdrehung wachsen lassen. In den Figuren 1 bis 5 findet diese Drehung ihren Ausdruck in der zunehmenden Verschiebung der Rippenbögen in der Projection.! Dass man der rein frontalen Er- hebung nicht zu folgen vermag, ist deswegen kein Mangel, weil die Aus- gangs- und Endpunkte der von der Scapula beschriebenen Bahn für alle Ebenen der Erhebung des Armes bis zur Senkrechten die gleichen sind. Unterschiede finden nur statt in der Geschwindigkeit der Drehung und Ver- schiebung, namentlich innerhalb der ersten Abschnitte, wie sich solches ja am Lebenden ohne Weiteres feststellen lässt. Man gewahrt hierbei, dass bei Fig. 2. ! Die Abweichungen der Umrisse in den Figuren sind durch die in den ver- schiedenen Stellungen bedingten Ungleichheiten der Schattirung bedingt. MECHANISMUS DER SCHULTERBEWEGUNGEN. 409 rein frontaler Armerhebung die Excursion der Scapula im ersten Achtelkreis geringer, bei rein sagittaler dagegen grösser ausfällt, als sie in der nach- folgenden Darstellung in die Erscheinung tritt. Es mag daher gleich vorweg bemerkt sein, dass die Anpassung der Projection an die Verschiebung der Seapularebene gerade für den beabsichtigten Zweck besonders geeignete Mittelwerthe ergiebt und dass sie eine ziemlich gleichmässige Zunahme des Drehungswinkels in allen Abschnitten zur Anschauung bringt, aus welcher die Abweichungen der Wachsthumsgrösse in allen anderen Ebenen der Er- hebung sich unschwer ableiten lassen. Ein zweiter Fehler, der Berücksichtigung fordert, ist die Gefahr schiefer Projeetion bei der Röntgendurchleuchtung. Erwägt man indess, dass bei stets möglichst genauem Zusammenfall des Schultergelenkmittelpunktes mit dem Spiegelmittelpunkt in eine auf der Projectionsfläche senkrecht stehende Grade alle durch den Gelenkmittelpunkt gehenden, der Projeetionsebene parallelen Linien in gleichem Winkel und ohne alle Verschiebung projieirt werden müssen, und dass ferner bei möglichst klein bleibender Abweichung der Humeruslängsaxe und der Scaptlarfläche von ihrer Parallelität zur Pro- jectionsebene keine grösseren Verschiebungen für die Projection entstehen werden, so wird dieser Fehler auf ein so geringes Maass reducirt sein, dass er praktisch ausser Betracht bleiben kann, 410 STEINHAUSEN: Die so ‘entstandenen Röntgenaufnahmen wurden durchgepaust, die Pausen auf photographischem Wege unter Einhaltung völlig gleicher Be- dingungen, d. h. bei gleicher Entfernung des Objectives und gleicher Ein- stellung verkleinert und so die beigefügten Abdrücke gewonnen. Der Oberarm wurde nach einander bei senkrechtem Herabhängen und in Erhebung gegen die Ruhelage um 45, 90, 135 und 180° aufgenommen. Die Längsaxe desselben ergiebt sich mit genügender Genauigkeit ohne Weiteres, die durch die gleichzeitige Längsrollung bedingten Verschiebungen des Mittelpunktes des Gelenkkopfes sind durch die Verjüngung des Maass- stabes relativ stark verkleinert, so dass grössere Differenzen kaum resultiren. Wie natürlich bei dem vorliegenden Zweck kann es auf mathematisch ab- solut genaue Winkelmessung nicht ankommen. Aus dem gleichen Grunde sind von untergeordnetem Einfluss (bei der räumlichen Nähe der Lage des Gelenkkopfmittelpurktes zur Humeruslängsaxe) die durch die oben bereits erörterte Drehung des Humerus bedingten Projectionsverschiebungen zwischen Epiphysen- und Diaphysenaxe. Als am besten „zeichnende“ Linie in der Scapula markirte sich stets der äussere Rand. Diese Contourlinie fällt ziemlich genau zusammen mit einer vom Gelenkmittelpunkt nach dem unteren Winkel der Scapula ge- zogenen Graden, welche denn auch zur Winkelmessung benutzt worden ist. Die von ihr mit der Humeruslängsaxe und der Horizontalen gebildeten Winkel seien als & bezw. # bezeichnet. Die vier Achtelkreise der von 0° bis 180° getriebenen Erhebung sind von der Ruhelage als Nullpunkt aus gezählt. Die Ergebnisse der Messungen sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt: ö | Grösse der Grösse der| Ungefähre Achtel- Ab- Absolute Absolute | Grösse 8 kreis | duction || Grösse Zunahme Grösse | Zunahme | der Soeuns Er, der des || des |Y0n:e von) "ges | YOU PVEn || DiferenzilseBulaugen Arm- | Ober- | Winkels |7eM ZUM Winkels | Dem ZUM „wischen Abductions- BE anderen |) 3 anderen 8 und ebene gegen d. ae | % JAchtelkreis| Achtelkreis | % | Frontalebene 0° | 320 — 530 —.. || ver eo or 1. 5 | 61 290 74 21 N ||shle 25 2. 90 s6 235 | 22. 12.800 35 1392-20 #50 24 114 18 + 4 40 180 | 152 42 | :120 6 IM rE% 45 | Summe | 120° || Summe | .67°. | Aus der vorstehenden Tabelle ergiebt sich Folgendes: 1. Die Gesammtzunahme des Winkels & während der Erhebung um 150° beträgt 120°, die von # 67°, also nur wenig über die Hälfte von «. MECHANISMUS DER SCHULTERBEWEGUNGEN. 411 Dies Verhältniss von fast 1:2 stellt die Grösse der Antheile der Abductoren des Armes zu den Rotatoren des Schulterblattes von dem alten Du- chenne’schen Schema erheblich abweichend dar, nach welchem sie sich wie 1:1 stellen sollten; woraus folgen würde, dass die Drehung der Sca- pula ebenfalls 90° betragen müsste, eine Annahme, die sich am Lebenden ganz und gar nicht bestätigt. 2. Der Winkel & wächst, wenn auch nicht ganz gleichmässig, so doch beständig, während nach dem alten Schema seine Zunahme auf die beiden ersten Achtelkreise beschränkt und bei der Erhebung bis zur Horizontalen ungefähr beendigt sein sollte. 3. Dass die grösste Winkelstellung zwischen Humerus und Aussen- rand der Scapula 150° erreicht, stimmt mit dem früher Gesagten überein. Die Excursion von 120° fällt schon zwischen 0° und 180° der Erhebung grösser aus, als der Durchschnitt der Angaben; dies ist aber noch nicht ihr Maximum, welches sie erreicht, wenn die Adductionsgrössen unter 0° — hier also negativ — und über 150° hinaus, wenn auch nicht ganz in fron- taler Ebene, hinzugerechnet werden. 4. Während die Abduction des Humerus bis 45° der Erhebung mit 29° fast !/, der gesammten ausmacht, hat die Scapula bereits eine Drehung von 21°, fast !/, der gesammten, ausgeführt, eine Wirkung hauptsächlich des Serratus, die keineswegs bloss als Fixation der Scapula gegen die dis- loeirende Wirkung der Abductoren angesehen werden kann. Es geht dies aus der weiteren, annähernd gleichmässig raschen Drehung in den beiden nächsten Achtelkreisen hervor. Das Richtige an Henle’s Auffassung des Zusammenwirkens von Serratus und Deltoides würde dies sein, dass nur im allerersten Moment, beim Uebergang aus der Ruhe in die Bewegung, ein blosses Fixiren der Scapula Seitens des Serratus ohne Drehung statt- haben kann. Hierin aber einen Antagonismus erblicken zu wollen, dürfte durch die weitere Thätigkeit des Serratus beim Armerheben nicht gerecht- fertigt sein. 5. Verfolgt man die Grösse der Zunahme von «& durch die vier Achtel- kreise, so ergiebt sich für den letzten derselben eine gegen die vorher ziemlich gleichmässige Zunahme verhältnissmässig erhebliche Steigerung, ein Beweis, dass die Abduction des Humerus gegen die Scapula gerade zuletzt ihr Maximum erreicht. 6. Dagegen wächst $ in den ersten drei Achtelkreisen zwar gleich- mässig, nimmt aber gerade im letzten unverhältnissmässig ab. 7. Noch mehr in die Augen fallend stellt sich dieser Wechsel dar in der die Differenz beider Winkel in den einzelnen Abschnitten wieder- gebenden vorletzten Spalte der Tabelle. Während die Differenz in den 412 STEINHAUSEN: ersten drei Abschnitten stetig abnimmt, aber noch positiv, d.h. # > « aus- fällt, sinkt sie plötzlich im vierten auffallend rasch und wird sogar erheb- lich negativ. Dasselbe in Worten ausgedrückt würde lauten: a) Die Drehung der Scapula läuft im Wesentlichen in den ersten drei Achtelkreisen der Erhebung ab und wird im vierten auffallend klein; b) die Abduction des Oberarmes gegen die Scapula dagegen wächst in den ersten drei Achtelkreisen gleichmässig mit der Scapula und wird im vierten auffallend gross. Es fragt sich, entspricht die überraschende Umkehrung der Verhältnisse der Beobachtung am Lebenden, und wie ist sie zu erklären? In der That ergiebt sich eine volle Uebereinstimmung des dargestellten Verhaltens mit der ja leicht zu beobachtenden Bewegung am Lebenden. Lässt man einen gesunden gelenkigen Menschen den Arm bis zur Senkrechten erheben, so bieibt der untere, hinreichend durch die Haut hindurch palpable Schulter- blattwinkel im letzten Achtelkreis, nämlich über 150° hinaus, relativ still stehen, d. h. die Scapula macht im Vergleich zu dem Ausschlag des Ober- armes nur noch ganz geringe Verschiebungen durch. Noch deutlicher lässt sich dies relative Stehenbleiben veranschaulichen, wenn man einmal den erhobenen Arm zwischen 150 und 180° abwechselnd ab- und addueiren lässt und dann zum Vergleich die Abduction um die Horizontale herum zwischen etwa 75 und 105° mehrfach hinter einander ausführen lässt. Ich halte gerade diesen Vergleich für überzeugend. Dass hierbei individuelle Abweichungen walten, davon habe ich mich durch die Untersuchung von über 100 gesunden jungen Leuten mit allen möglichen Varietäten des Knochen- und Muskelbaues überzeugen können. Bemerkenswerth ist aber, dass bei einer Anzahl von Individuen, 25 bis 30 Procent, sich sogar ein absolutes Stillstehen des Schulterblattes und damit des ganzen Schulter- gürtels schon ungefähr 30° vor der höchsten Erhebung unzweideutig fest- stellen liess, indess der Humerus frei beweglich die Ab- und Adduetion ausführte. Charakteristisch für den bei höchster Armerhebung gänzlich veränderten Mechanismus der Bewegungen des Humerus gegen die Scapula ist auch der Umstand, dass bei dieser Stellung die Drehung des Humerus um seine Längsaxe nahezu = (0 wird. Die dann noch mögliche Rollung beschränkt sich durchaus auf Pro- und Supination des Unterarmes. Am extrem mageren Menschen und natürlich noch besser am ana- tomischen Präparat mit elastisch erhaltenem Bandapparat ergiebt sich als Ursache der relativ freien Beweglichkeit des Oberarmes im Schultergelenk bei 150° Erhebung Folgendes: Die Gelenkpfanne steht hierbei stark nach oben und schräg nach vorn gerichtet, so dass von dieser Seite kein Hinderniss für die freie Beweglichkeit des Oberarmes in der bezeichneten Richtung MECHANISMUS DER SCHULTERBEWEGUNGEN. 413 vorliegen kann. Analog mit der Verschiebung der Skelettheile steht ja zuletzt auch bekanntlich die Oeffnung der Achselhöhle stark nach vorn gerichtet. Stösst der Oberarm, wenn man ihn am Skelet oder Präparat rein seit- lich gegen die nicht mit bewegte Scapula erhebt, sehr bald mit seinem grossen Rollhöcker an das Acromion an, so liegt bei der äussersten Drehung der Scapula das Acromion so weit nach hinten hinüber, dass der Humerus- schaft sich vor ihm und dem Ligamentum coracoacromiale in der frontalen Ebene frei hin- und herbewegen kann, eine Bewegung, die in der Ueber- adduction des ÖOberarmes medianwärts bis vor das Gesicht ihre grösste Excursion erreicht. Aus Allem ergiebt sich, dass die Drehung der Scapula bei der Arm- erhebung schon relativ früh aufhört und nur so lange anhält, bis dem Oberarm die weitere selbständige Beweglichkeit gegen den nunmehr — etwa bei 150° — fixirten Schultergürtel gewährleistet ist. Aus dem Ablauf der Bewegungen des Schulterskelets am Lebenden dürfen nun gewisse Schlussfolgerungen auf die Betheiligung der Muskeln in den einzelnen Abschnitten der Bewegung gezogen werden, und da ergiebt sich denn Folgendes: 1. Den Abductoren des Humerus gegen die Scapula fällt eine viel bedeutendere Rolle für die Gesammterhebung zu, als bisher allgemein an- genommen wird. Namentlich leistet der Deltoideus weit mehr, als ihm nach dem alten Schema zuerkannt wurde, und neben ihm der Infra- spinatus, der nach Fick und Weber (14) über 60° der Abduction hinaus überwiegend zum Erheber wird, den Deltoides wesentlich unterstützt und noch wirksam bleibt, nachdem die Kraft des Deltoides bereits auf- gebraucht ist. 2. Die Wirkung der Scapuladreher setzt viel früher ein als bislang gelehrt wurde und läuft wesentlich früher ab. Ja man kann geradezu sagen, zwischen Abductoren und Drehern findet das umgekehrte Verhalten statt, als das alte Schema dictirte. 3. Aber auch die genannten Muskeln reichen für die letzte Erhebung allein nicht mehr aus, da ihre Kraft gewiss noch vor der höchsten Erhebung des Armes erschöpft sein dürfte. Da tritt denn zuletzt noch ein Muskel ein, dessen Portionen physiologisch bekanntlich streng zu trennen sind: des Pectoralis major claviculärer Theil, welcher bei der schliesslich erreichten Stellung des Systems in die Lage versetzt wird, als kräftiger Heranzieher des erhobenen Humerus an die Mittellinie in Wirksamkeit zu treten. Sehr leicht lässt sich sein finales Eintreten an der festen Contraction am Lebenden, sowie mittels kräftiger isolirter Faradisation nachweisen. Allerdings bedarf es für ihn der vorherigen Feststellung des Schultergürtels, da er an diesem 414 STEINHAUSEN: sein punctum fixum gewinnen muss. Auch muss seinem durch die Lage seiner Endpunkte bedingten, auf die Senkung des Armes nach vorn ge- richteten Moment das Gleichgewicht gehalten werden, eine Leistung, zu der die äusserste Zusammenziehung des Infraspinatus wohl hinreichen dürfte. Auf eine derartige Mitwirkung des grossen Brustmuskels hat, allerdings auf Grund im Uebrigen nicht zutrefiender Voraussetzungen, schon R. Remak 1858 (15) hingewiesen.” Nach ihm erfolgt im ersten Abschnitt der Arm- erhebung die Feststellung der Scapula durch den Serratus, die Peetorales, Rhomboidei, Cueullaris unter Contraction des Deltoides bis zur Horizontalen, im zweiten „Luxirung“ des Humerus nach unten durch den Infraspinatus und Erschlaffen aller anderen Muskeln, und schliesslich bemächtigt sich im dritten Abschnitt der Pectoralis major des Humerus und erhält ihn luxirt. 4. Schon oben ist auf die mechanische Nothwendigkeit der mit der Erhebung gleichzeitig sich vollziehenden Längsrotation des Oberarmes hin- gewiesen worden.” Bei stark nach innen rotirtem Arm ist bekanntlich, wie bereits betont wurde, eine Erhebung in allen Ebenen nur bis höchstens 60° möglich, sie steigert sich mit Abwickelung der um den Schaft auf- gerollten Muskeln durch zunehmende Auswärtsrollung. Lässt man einen Gesunden ohne Beeinflussung in natürlicher Weise den Arm erheben, so tritt die Auswärtsrollung um 60 bis 90° regelmässig und jedes Mal von selbst ein, ein Beweis, dass mit den Abductoren die Auswärtsroller (Supra- und Infraspinatus) innervirt werden und dass auch in dieser Beziehung der Deltoides, dem selbst für einen Theil seiner Bündel ein Moment der Aus- wärtsdrehung seiner anatomischen Lage nach füglich nicht abgesprochen werden kann, an den Grätenmuskeln natürliche Synergisten besitzt. Für die Physiologie der Schultermuskeln ergiebt sich aus der ganzen voraufgegangenen Darlesung der Schluss, dass die anatomische Abgrenzung der Muskeln mit der physiologischen Wirkungsweise niemals völlig sich deckt. Hat man schon für den Trapezius, den Pectoralis major, den Del- toides u. s. w. nachgewiesen, dass diese Muskeln physiologisch nichts weniger als eine Einheit bilden, so wird man sogar nicht umhin können, zu sagen, dass Abschnitte physiologisch zusammenwirkender, anatomisch dagegen geschiedener Muskeln sich näher stehen als Theile eines anatomisch ein- heitlichen Muskels. Jedenfalls müssen die Dreher des Schulterblattes und die Abductoren des Oberarmes physiologisch als ein Muskel, als ein ein- heitliches System betrachtet werden, welches in sich so eng zusammen- gehört, dass willkürlich einzelne Abschnitte daraus gar nicht innervirt ! Auch Beevor (37) kam, und zwar auf ähnlichem Wege, zu dem Ergebniss, dass dieser Muskelabschnitt Erheber des Humerus ist. ? Die Rotation im Röntgenbild darzustellen ist bei diesen Aufnahmen nicht geglückt. MECHANISMUS DER SCHULTERBEWEGUNGEN. 415 werden können. Auch hierfür liefert den Beweis die Beobachtung am Lebenden. Versucht man die Scapula während der Armerhebung noch so fest am Rumpf zu fixiren, so wird man sich, abgesehen von der Schwierig- keit manueller oder instrumenteller Fixirung, überzeugen, dass die Abduction des Armes gegen das Schulterblatt dann auch aufhört und keine weitere Erhebung mehr ausführbar ist. Damit soll selbstredend nicht behauptet werden, dass der Serratus nicht für andere Bewegungen als die Armerhebung auch getrennt willkürlich in Thätigkeit versetzt würde. Es kann hiernach von Antagonismus z. B. zwischen Serratus und Deltoides nicht mehr, höchstens von einem Pseudo-Antagonismus im Sinne Hering’s für die kritische Betrachtung die Rede sein, wobei aber immer festzuhalten ist, dass die Muskelwirkung am gesunden Lebenden einen Pseudo-Antagonismus ebenso wenig kennt. Bei Lähmungen wird das Zu- sammenwirken freilich gewaltsam geändert, und die klinische Erfahrung lehrt, dass bei den mehr oder weniger plötzlich entstandenen Lähmungen des Serratus, Deltoides und Trapezius, falls diese Muskeln isolirt betroffen sind, immer eine gewisse Zeit vergeht, ehe der neue Innervationsmodus erlernt wird. Auch aus dieser Thatsache erhellt die enge, vererbte oder früh erworbene Verknüpfung des Gebrauches der Schultermuskeln. Der Sinn der Ausschliessung jedes Antagonismus ist zweckmässige Kraftersparniss, d.h. Verwendung von nur so viel Muskelarbeit, als eben für die jeweilige Leistung erforderlich ist. „Wir lernen,“ sagt A. Fick (16) in seiner speciellen Muskelphysiologie, „im Verlaufe des individuellen Lebens die Bewegungen so ausführen, dass das Gefühl der gesammten Anstrengung und des damit verknüpften Unlustgefühles ein Minimum wird, und dass die Arbeitsleistung mit dem geringsten Aufwand von Material hervorgebracht wird.“ Jede Annahme eines habituellen Antagonismus würde dem Prineip des geringsten Kraftaufwandes widerstreiten. Auch Hitzig (17) wies ge- legentlich der Erörterung über die Symptomatologie der Serratusläimung auf diese Frage hin. Es begreift sich schliesslich, dass in der Symptomatologie isolirter Lähmungen des Serratus und Trapezius, beides Dreher des Schulterblattes, die Horizontale bei der Erhebung des Armes eine Grenze gar nicht abgeben kann, und dass mit erhöhter Genauigkeit der Beobachtung und strengerer Ausschliessung der Betheiligung anderer Muskeln an der Lähmung in den letzten Jahren die verhältnissmässig hohe Erhebung des Arınes in zu- nehmender Häufigkeit beobachtet worden ist [Hoffmann (10), Bäum- ler (7), Bruns (8), Jolly (18), Placzek (19), v. Rad (20), Clutton (21), Tilmann (22), Gaupp (4), Kennedy (26) u. A.]. 416 STEINHAUSEN: 10% Die Längsdrehung des Schlüsselbeines und die Bedeutung des Processus coracoides bei der Armerhebung. Wenn der im ersten Theil unternommene Versuch einer näheren Fest- stellung des zeitlichen Zusammenhanges zwischen der Drehung des Schulter- blattes und der Armerhebung ein Neues ergeben hat, so kann dies nur von der Beobachtung am Lebenden selbst herrühren, auf welche zurückzugehen sich immer wieder als unabweisliche Forderung aufdränst. Die auf das Studium des anatomischen Präparates sich beschränkende Betrachtung be- dingt mit Nothwendigkeit allerlei willkürliche und subjectiv gefärbte Auf- fassungen, wofür die Ursachen, soweit sie anatomischer Natur sind, leicht erkennbar; eine Erörterung derselben würde hier zu weit führen. Die Beobachtung der Bewegungen des Schultergürtels am Lebenden führte mich zu der Frage nach dem mechanischen Zusammenhang der Bewegungen des Schlüsselbeines mit denen des Schulterblattes.. Der Um- stand, dass die Schlüsselbeinbewegungen nicht allgemein hinreichend ge- kannt, vielfach sogar falsch aufgefasst werden, dass die in der Litteratur niedergelegten Beobachtungen mit den Verhältnissen am Lebenden nicht immer übereinstimmen, und dass namentlich die jüngste und wichtigste der einschlägigen Arbeiten, die schon im ersten Theil mehrfach erwähnte von Gaupp (4), zu mehreren meiner Ansicht nach irrigen Anschauungen geführt hat, dürften es rechtfertigen, wenn ich die gewonnenen Ergebnisse hier mitzutheilen mir gestatte. Ueber die Grösse des Antheiles der beiden Gelenke des Schlüsselbeines, des Sternal- und des Acromialgelenkes, an den Armbewegungen ist vielfach gestritten worden, sicher zum Theil mit Unrecht, denn 1. bestehen be- trächtliche individuelle Abweichungen, auf welche im Folgenden hingewiesen werden sull; 2. differirt nach Braune und Fischer (12) der Antheil nach den Flexionsebenen nicht unwesentlich; 3. wird die Betheiligung auch des Acromialgelenkes selbst von Henke (25), dem Verfechter der Lehre von der „allseitigen Beweglichkeit des wie ein unbewegliches Stück sich ver- haltenden Schultergürtels um das Sternalgelenk“, keineswegs gänzlich ge- leugnet, und 4. schliesslich müssen die Vertheidiger des angegriffenen Acromialgelenkes, wie Gaupp z. B., trotz aller einschränkender Versuche auch dem Sternalgelenk seine nicht viel kleineren Ansprüche zuerkennen. Immerhin muss Henke’s Ansicht in einem gewissen Sinne als richtig gelten, denn zweifellos giebt es Individuen, bei denen die Verbindung im Acromialgelenk straff ist und verhältnissmässig sehr wenig Spielraum übrig lässt. MECHANISMUS DER SCHULTERBEWEGUNGEN. 417 Was die absolute Grösse der Exeursion des Sternalgelenkes in den verschiedenen Ebenen betrifft, so schwanken die Angaben darüber nicht unbeträchtlich: nach den meisten Anatomen beträgt sie 45 bis 50°, nach Albert (11) sogar 60°; nach Braune und Fischer (12) geht der Antheil des Gelenkes an den Bewegungen des Schultergürtels bis zu 38%. Jeden- falls ist die Rolle, die dem Gelenk als der einzigen Skeletverbindung zwischen Schultergürtel und Rumpf zufällt, eine mechanisch wichtige, wie dies auch in den verschiedenen Auffassungen der Anatomen sich ausspricht. Wird das Schlüsselbein als Stütze, als „Strebepfeiler“ für die Schulter allgemein bezeichnet [Hyrtl (24), Henle (2)], so erscheint es Anderen [Lewinski (6), Krause (27)] als die Bleuelstange für den Kurbel- mechanismus der Bewegungen des Schultergürtels, nähert es sich nach G. H. Meyer (23) der Bedeutung eines Meniscus. Es ist auffallend, dass die Drehung des Schlüsselbeines um seine Längs- axe bei der Armerhebung, eine bei der Mehrzahl der Menschen leicht zu constatirende Thatsache, so wenig gekannt, von mancher Seite sogar in Ab- rede gestellt wird, z. B. von Testut (30) und Poirier (31), oder auf ein Minimum reducirt wird, so z. B. von Krause (27). Als Erster scheint G. H. Meyer (23) auf eine Längsdrehung hingewiesen zu haben, allerdings als auf eine gegensinnige. Erst viel später wurde Büdinger (44) bei dem Studium der Entstehung hoher Plexuslähmungen am Cadaver auf die Drehung von Neuem aufmerksam, und zwar in dem richtigen Sinne, dass nämlich die vordere Kante der Clavikel gehoben, die hintere gesenkt wird. Dann aber hat Gaupp, von dem pathologisch veränderten Mechanismus der Cucullarislähmung ausgehend, die Drehung der Clavikel zum Gegenstand einer eingehenden Prüfung gemacht.! Hatte Büdinger — und nach ihm auch Kron — am Präparat studirt, so stützte sich Gaupp auch auf die Beobachtung am Lebenden. Leider aber hat er nur ein einziges Modell vor sich gehabt, und so entgingen ihm die durch grosse indivi- duelle Schwankungen bedingten Verschiedenheiten. Bei der Bedeutung von Gaupp’s Aufsatz muss hier noch auf einige Punkte eingegangen werden, die auf Grund meiner Untersuchungen einer Berichtigung bedürfen. Zunächst ging auch er von der, wie im ersten Theile gezeigt, irrigen An- sicht aus, dass der Deltoides den Arm nur wenig über 90° gegen die Scapula abducire, eine Annahme, die das richtige Verständniss der Arm- und Schulterbewegungen geradezu unmöglich macht. Sodann verlegt er, wie auch Büdinger, die Drehung der Clavikel auf das Ende der Arm- ! Es ist auch nicht recht verständlich, wenn in einer Besprechung der Gaupp’- schen Arbeit Merkel (33) von der Drehung der Clavikel, einem der wichtigsten Punkte der Arbeit, keine Notiz nimmt, j Archiv f, A,u. Ph, 1899, Physiol, Abthlg. Suppl, 27 418 STEINHAUSEN: erhebung, während bei den Menschen, bei denen überhaupt eine Drehung erkennbar — also der Mehrzahl — dieselbe schon viel früher stattfindet und bereits abgelaufen ist, lange. bevor der Arm die senkrechte Erhebung erreicht hat. Ferner lässt Gaupp den Trapezius als Rotator der Clavikel auftreten, eine Auffassung, die ich sonst von keiner Seite habe bestätigt finden können. Ist der Muskel Rotator, so kann er es nur in dem von Meyer ausgesprochenen Sinne sein, dass er die hintere Kante, an der er sich ansetzt, hebt, die vordere senkt. Es entspricht dies nicht nur der Art der Anheftung des claviculären Abschnittes des Muskels, sondern auch der bei vielen Individuen, bei etwa 30 Procent meines Untersuchungsmateriales, zu beobachtenden, im Sinne Meyer’s erfolgenden schwachen Drehung beim Heben der Schulter, welches gerade der obere Theil des Trapezius zu be- sorgen bestimmt ist. Diese Bewegung ist aber strengstens von der die Armerhebung begleitenden zu unterscheiden, worauf auch Gaupp nach- drücklich hinweist. Bei den Schulterbewegungen allein macht das Schlüssel- bein ungleich grössere Excursionen im Sternalgelenk durch, als bei den mit Armerheben verbundenen. Wäre der Trapezius ein Rotator, wie Gaupp annimmt, dann müsste sein Ansatz über die obere Fläche der Clavikel bis zur vorderen Kante hinübergreifen; dies bestätigt sich aber weder am Lebenden, noch an der Leiche. Schliesslich muss noch auf einen Irrthum hingewiesen werden, welcher Gaupp unterlaufen ist, indem er sich auf Braune’s und Fischer’s Untersuchungsergebnisse beruft und sagt, dieselben stellten die Hauptausgiebiekeit der Verbindung zwischen Acromion und Clavicula in Uebereinstimmung mit seinem Ergebniss in der Nähe der Frontalebene fest. Gerade das Gegentheil ist der Fall: Das Sternoclavicular- gelenk betheilist sich am meisten in der Nähe der Frontalebene, wie die Verfasser dies noch im Anschluss an pathologische Beobachtungen erläutern. Zunächst sei nun das Ergebniss der Untersuchung an einem grösseren lebenden Material mitgetheilt. Ich habe etwas über 100 junge Männer, theils bereits bei der Truppe gediente, theils auf ihre Tauglichkeit unter- suchte, von jeder Art des Schulter- und Rumpfbaues und jedem Grade der Muskelentwickelung einer Prüfung der Schulter-, insbesondere der Schlüssel- beinbewegungen unterworfen. Als besonders geeignet erwiesen sich einer- seits solche mit geringem Fettpolster, andererseits solche mit Deformitäten des Schlüsselbeines nach den ja nicht seltenen Fracturen, mit Knochen- auftreibungen, vorspringenden Kanten, stärker geschwungenen Krüm- mungen u.s. w. Die Lage des Knochens unmittelbar unter der Haut er- möglicht ein ausgiebiges Palpiren, in welchem ein gewisser Grad von Genauigkeit durch Uebung bald zu erreichen ist. Besonders aber eignet sich das sternale Ende des Knochens in seiner dreikantigen, meist noch durch Leisten und Vorsprünge an den Ecken und Rändern ausgezeichneten MECHANISMUS DER SCHULTERBEWEGUNGEN. 419 Gestalt zur Controle der Drehung; gerade hier ist die Haut relativ fett- arm und sehr verschieblich, so dass die Epiphyse leicht sich umgreifen und alle Ortsveränderungen deutlich fühlen lässt. Die Bewegungen wurden in den verschiedensten Graden der Geschwin- digkeit und mit belastetem wie mit unbelastetem Arm geprüft, wobei für den Ablauf der Skeletbewegungen bemerkliche Unterschiede nicht statt- haben. Es wurden sowohl die Bewegungen der Schulter nach allen Rich- tungen als auch die Armerhebung in allen Ebenen zum Gegenstand der Untersuchungen gemacht. Die nachstehenden Mittheilungen jedoch beziehen sich vorzugsweise auf die Bewegungen, besonders die Längsdrehung der Clavikel bei der Armerhebung als die physiologisch wichtigsten und inter- essantesten. Die Schulterbewegungen ohne Betheiligung des Armes sind weniger complieirt und lassen sich ihrer mechanisch einfacheren Verhält- nisse wegen leicht aus den combinirten Arm-Schulterbewegungen ableiten. Bei der Armerhebung vollzieht das Schlüsselbein Ortsveränderungen, die hauptsächlich in der horizontalen Ebene verlaufen. Nur im Beginn der Abduction in allen Ebenen findet eine geringe Erhebung des Acromial- endes um eine annähernd sagittale Axe im Sternalgelenk statt, die aber willkürlich unterdrückt werden kann.! Die rein horizontale Adduction der Clavikel, die regelmässig im Verlauf der gesammten Armerhebung eintritt, ist keineswegs eine einfache Drehung um einen festen Punkt einer senk- rechten Axe, sondern eine complieirtere, individuell in weiten Grenzen differirende Bewegung, wie sie dem unbestimmten Charakter des Sternal- gelenkes und seiner Vielgestaltigkeit entspricht, in Folge deren dasselbe theils als Synchondrose (Henle, Waldeyer), theils als der Arthrodie nahe stehend aufgefasst wird. Eine Bewegung in Form eines Doppelkegels, welche von Poirier und Testut beschrieben wird, dürfte, soweit ich gefunden, nur selten vorkommen und nicht die Regel bilden; häufiger dagegen sind seitliche Verschiebungen der Gelenkflächen, varlirt durch die eingelagerte Bandscheibe, in allen Nüancen zu beobachten. Schon von vornherein aus dem anatomischen Bau lässt sich schliessen, dass auch die Längsdrehung der Clavikel nicht ganz constant sein wird. Nimmt man der Einfachheit halber ein schematisches Sternalgelenk mit einem Drehpunkt für alle Bewegungen an, so schwankt die Weite der horizontalen Excursion der Olavikel bei der Armerhebung zwischen 20 und 25° Dieser Winkelausschlag entspricht den von Waldeyer (28) ! Dieselbe ist an einer Anzahl von Individuen von mir im Verein mit Dr. Rieck mittels senkrecht hängenden und über Rollen laufenden Gewichten gemessen worden und betrug bei mittlerer Körpergrösse durchschnittlich 1-8". Gaupp stellt diese Erhebung ganz in Abrede. ar 420 STEINHAUSEN: angestellten Messungen:! Annäherung des Acromialendes der Clavikel um 6 bis T m an die Medianebene, welcher die Scapula folgt und wodurch das mit der Aussendrehung des Angulus scapulae sonst nothwendig er- folgende zu weite seitliche Heraustreten ausgeglichen wird. Mit dieser Adduction verbindet sich eine Längsdrehung des Schlüssel- beines, welche den grössten individuellen Schwankungen unterworfen, häufig sogar auf beiden Seiten bei einem und demselben Individuum verschieden ist. Wie im ersten Theil seien auch hier die vier Achtelkreise der frontalen Erhebung von 0—45—90—135—180° unterschieden. Ohne Zwang ergab sich eine Eintheilung aller Untersuchten in folgende 3 Gruppen: 1. Gruppe — etwa 10 Procent — mit ausgesprochener Drehung wäh- rend der ganzen gleichmässigen Adduction des Schlüsselbeines; 2. Gruppe — etwa 30 Procent — ohne jede erkennbare Drehung mit vielmehr rein horizontaler Adduction; 3. Gruppe — 60 Procent — mit Drehung und Adduction in den ver- schiedensten Combinationen zu einander. Die ausgiebigste Drehung der ersten Gruppe verläuft nun während des 1. bis 3. Achtelkreises der frontalen Armerhebung, dauert noch etwa bis in den 4. hinein, hört aber stets bei etwa 150° ganz auf. Die reine Adduction ohne alle Drehung der 2. Gruppe beginnt mit dem 2. Achtelkreis und dauert bis in den 4. hinein, endigt aber ebenfalls stets bei ungefähr 150°. Für die 3. Gruppe ist bezeichnend, dass alle möglichen Uebergänge zwischen den beiden anderen Gruppen beobachtet werden können. Die Drehung fällt bald stärker, bald geringer aus, sie tritt bald früher, bald später auf. Ueberwiegend fällt ihr Beginn erst in das Ende des 2. Achtel- kreises, sie tritt also später als die Adductionsbewegung auf und überdauert den 3. Achtelkreis nicht, während alsdann die Adduction noch fortdauert, und zwar wiederum stets nur bis zu ungefähr 150° der Armerhebung. Die Grösse der Längsrotation der Clavikel schwankt hiernach in ziem- lich weiten Grenzen, sie beträgt in maximo etwa 25° und durchläuft alle Werthe bis zu 0° herab. Jedenfalls aber — und das ist das wichtigste Ergebniss — steht die im ersten Theil erläuterte Drehung der Scapula mit der der Clavicula in einem bestimmten gesetzmässigen Zusammenhang. Dieser Zusammenhang würde zunächst wie folgt zu formuliren sein: 1. Die Drehung der Clavicula liegt zeitlich innerhalb der Drehungs- dauer der Scapula und hält nicht über diese hinaus an. ! Waldeyer’s von Valentin (29) in einem damaligen Referat gewürdigtes Ver- dienst ist es, auf die typischen Adduetionsbewegungen der Clavicula zuerst hinge- wiesen zu haben. MECHANISMUS DER SCHULTERBEWEGUNGEN. 421 2. Die horizontale Adduetion der Clavicula liegt ebenfalls innerhalb der Drehungsdauer und hält nicht über diese hinaus an. 3. Dass sowohl die Drehung wie die reine Adduction später als die Drehung der Scapula beginnt, lässt voraussetzen, dass in beiden Fällen die- selben mechanischen Ursachen den späteren Eintritt bedingen. 4. Beide Bewegunestypen ersetzen sich wechselweise und gehen in einander über, sie erfüllen daher eine und dieselbe physiologische Aufgabe. Ebenso wie die Scapula bleibt auch die Clavicula bei einer Armerhebung von etwa 150° fest stehen, und zwar bei der Mehrzahl der Individuen fast unbeweglich, d. h. dieselbe macht bei der weiteren Armerhebung bis zur Senkrechten und über diese hinaus keine oder keine irgend erheblichen Bewegungen mehr durch. Diese finale Feststellung des Schultergürtels, welche ihre Analogie zu der im ersten Theile beschriebenen Fixirung der Scapula findet, lässt sich an jedem Lebenden leicht bestätigen.! Aus den vorstehenden Sätzen, die unmittelbar der Beobachtung am Lebenden entstammen, lassen sich nun Schlüsse auf die Betheiligung der Gelenke und die Mitwirkung der Muskelkräfte ziehen. Die individuellen Verschiedenheiten? im Bau der Gelenke genügen zur Erklärung der beiden hauptsächlichen Bewegungstypen nicht, offenbar müssen die Unterschiede zwischen beiden in gleichem Maasse von der Länge des gesammten Band- apparates und dem von diesem gewährten Spielraum abhängen. Es handelt sich einerseits um die die beiden claviculären Gelenke unmittelbar ver- stärkenden Bandmassen, sodann aber auch um die zwischem dem Processus coracoides und dem Schlüsselbein eingeschalteten Ligamente. Für die 1. Gruppe würde Henke mit seiner starren Auffassung des Schultergürtels so Unrecht nicht haben, da die Beweglichkeit des Acromialgelenkes und seine Betheiligung gegenüber der des Sternalgelenkes entschieden nur gering ausfällt. Für die übrigen Gruppen dagegen wird, und zwar um so mehr, je weiter die Adduction die Drehung vordrängt, dem Acromialgelenk ein grösserer Antheil zuzuerkennen sein. Durch Einbeziehung dieser indi- viduellen Differenzen dürften auch die Braune-Fischer’schen Werthe eine nicht unwesentliche Modification erfahren. Bezüglich der Bewegungen im Acromialgelenk, welche von den Ana- tomen als solche des „Gleitens“ aufgefasst werden, wäre hier noch zu ! Man muss sich hierbei nur von dem stark contrahirten Peetoralis major nicht täuschen lassen. * Diese beschreibt Henle in Bezug auf das Acromialgelenk in sehr charakte- ristischer Weise (Bänderlehre. 8. 65): „Zwischen den einander zugewandten Endflächen des Acromion und der Clavicula, welche bald plan, bald leicht vertieft oder leicht gewölbt und nicht ganz selten uneben sind, liegt eine bindegewebige Substanz, deren verschiedenartige Zerklüftungen dem Gelenk eine wechselnde Form geben u. s. w.“ 422 STEINHAUSEN: erwähnen, dass sie viel unbestimmter ausfallen müssen, als die des Sternal- gelenkes. Für dies Gelenk bedingt schon die ausser der Drehung stets sich abspielende Adduction an die Medianebene eine etwas grössere Uonstanz im anatomischen Bau.! Bevor ich mich der Besprechung der Aufgabe zuwende, welche der Processus coracoides als der zweite Stützpunkt zwischen Scapula und Ola- vicula zu erfüllen hat, sei noch kurz die Frage erörtert, welche Muskeln etwa für die Drehung und Adduction der Clavicula bei der Armerhebung in Thätigkeit treten. Von der kleinen Gruppe von Muskeln, welche un- mittelbar an der Clavicula ihren Angrifispunkt haben, kommt für die fraglichen Bewegungen wohl nur der Trapezius in Betracht. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass er mit seinem claviculären Abschnitt als Dreher in dem bewussten Sinne zu wirken nicht wohl im Stande ist. Zweifellos Adductor der Clavicula, besitzt er eine auf die Erhebung des Acromialendes derselben gerichtete Componente, welche die bloss addueirende überwiegt; mit jeder Adduction verbindet sich beim Lebenden eine Er- hebung, oder mit anderen Worten: die Contraetion des Trapezius heisst die Clavikel ein Stück eines Kegelmantels beschreiben, welcher zur hori- zontalen Ebene tangential gestellt ist, und welcher wegen seines kleinen Radius nicht lange in der Nähe dieser Ebene bleibt. Nun ist aber die Erhebung der Clavikel um eine sagittale Axe im Sternalgelenk für die Armerhebung geradezu zweckwidrig; erhebt man zuerst die Schulter stärker und dann den Arm, so kann dieser erst zur Senkrechten erhoben werden, nachdem die vorher aufgerichtete Clavicula wieder herabgestiegen ist, eine unter Erschlaffen des Trapezius für die volle Wirkung des Serratus voraus- zuschickende Correction, welche bedeutet, dass der claviculäre Trapezius bei der Armerhebung nur in untergeordnetem Maasse betheiliet ist. Aehnlich liegen die Dinge für die Wirkung des Cleidomastoideus; dieser, vom oberen Rande des sternalen Endes ertspringend (Henle), ist nicht geeignet, dem Schlüsselbein eine nennenswerthe längsrotirende Bewegung zu ertheilen; seiner anatomischen Lage nach fallen ihm ganz andere Auf- gaben zu. Dass er die Clavikel in demselben Sinne wie der Trapezius aufrichten, d. h. um eine ungefähr sagittale Axe, um das Sternalgelenk drehen kann, ist nicht zweifelhaft, aber damit ist hier auch nichts ge- wonnen. Als dritter Muskel wäre der Peectoralis major zu nennen, der, am Unterrand entspringend, kein Dreher in dem beregten Sinne und auch als solcher nicht bekannt ist. Ebenso wenig dürfte diese Eigenschaft den ! Den Bau dieses Gelenkes auf einfache Typen zurückzuführen hat schon Ludwig (Physiologie. Bd.1. 8.513) versucht, jedoch ohne rechten Erfolg. MECHANISMUS DER SCHULTERBEWEGUNGEN. 423 noch übrig bleibenden Muskeln, dem Deltoides und dem Subelavius, zu- zusprechen sein. Es muss also sowohl für die Drehung, als auch für die horizontale Adduction der Clavikel nach einer anderen, auf dieselbe erst mittelbar einwirkenden treibenden Kraft gesucht werden. Diese kann keine andere sein, als die Uebertragung der Scapulardrehung auf die Clavikel, wobei die letztere sich passiv verhält. Die Art, wie ihr die Drehung der Scapula aufgezwungen wird, wird je nach dem Ueberwiegen des einen oder des anderen Bewegungstypus verschieden sein müssen, ist aber physiologisch gleichwerthig. Diese Gleichwerthigkeit beider Typen ergiebt sich daraus, dass es, wie die gewöhnlichste Erfahrung lehrt, keinen Unterschied macht, in welchen von beiden die Scapulardrehung umgesetzt wird. Dass die grössere oder geringere Straffheit des Bandapparates dabei eine wichtige Rolle spielt, wird noch näher zu erörtern sein. Den Weg der Uebertragung der Scapulardrehung auf die Olavicula bildet nur zum geringeren Theil das Acromialgelenk, ein ‚viel wichtigeres Mittelglied ist im Processus coracoides gegeben, welcher — man muss es geradezu so bezeichnen — eine besondere und eigenthümliche Art von „Gelenkverbindung‘“ mit dem Schlüsselbein besitzt, und zwar nicht als Anomalie, sondern als Regel. Schon Henke (25) spricht davon, dass der Processus coracoides an die vordere Kante des Schlüsselbeines anstosse. Nach ihm dient das An- stossen indessen nur zur Beschränkung der Beweglichkeit zwischen Schlüssel- bein und Acromion. Sonst findet sich das Anstossen so gut wie gar nicht beachtet — bis zu Gaupp 1894 hin, der aber, wie erwähnt, die Drehung der Clavikel hauptsächlich dem Trapezius zuschreibt, und in ähnlichem Sinne wie Henke durch das Anstossen des Processus coracoides beide Knochen zu einem unbeweglichen „Ganzen“ durch einen „Sperrmechanismus“ werden lässt, wie dies, allerdings für die Minderzahl, zutrifft. Bei dem Anstossen hat man es seither bewenden lassen und merk- würdiger Weise den weiteren Schritt zur Würdigung der Typen des coraco- clavieulären Mechanismus nicht gethan. Dass thatsächlich von anderen Skeletverbindungen abweichende, aber dem echten Gelenk nahestehende Beziehungen zwischen dem Processus und der Clavikel vorliegen, dafür ist eine wenig gekannte Aeusserung von Luschka (34) charakteristisch, welche wörtlich wiedergegeben sei, weil sie beweist, dass es sich hier nicht um seltene Anomalien handelt, wie Henle, Gaupp, Hyrtl u.A. wollen: „Das platt gedrückte Acromialende der Üla- vieula ruht nach innen auf dem Processus coracoides, mit welchem sie durch das Ligamentum coracoclaviculare verbunden ist. In die nach vorn und innen offene Nische zwischen den beiden Theilstreifen dieses Bandes 424 STEINHAUSEN: (Lig. coracoides und trapezoides) ist ohne Ausnahme ein Schleimbeutel ein- geschoben, welcher aber vom fibrösen Gewebe derselben so umschlossen wird, dass er wie die Höhle einer Artieulatio coracoclavicularis erscheint, was um so täuschender wird, als die jenen Bändern zur Anheftung dienenden Knochenstellen stets einen faserknorpeligen Ueberzug haben.“ Diese Ueber- kleidung mit Faserknorpel bezeichnet auch Henle als durchaus regelmässig. Aehnlich spricht sich Gurlt (35) aus „über den gar nicht selten zu einem Gelenk sich ausbildenden Schleimbeutel“. Um auch ein gegentheiliges Urtheil anzuführen, lässt Sappey (36) zwar auch den Processus coracoides sich an die Clavicula anlegen, „mais pour cette union iln’yani auntaus articulaires ni synoviales“, Man wird jedenfalls zu dem Schluss gedrängt: Ist hier stets eine gelenkähnliche Bildung, häufig sogar ein echtes Gelenk vorhanden; ist ein faserknorpeliger Ueberzug ausnahmslos an den Gelenkflächen zu finden, dessen Anwesenheit allein schon auf besondere mechanische Anforderungen hinweist, die über ein blosses Anstossen der Knochentheile hinausgehen, — dann müssen doch auch die mechanischen Bedingungen dafür gegeben sein; es muss sich um mehr als ein einfaches Anlegen des Processus an die Clavicula handeln. Am Lebenden geht der Ablauf des Mechanismus so von statten, dass beim Beginn des Armerhebens zuvörderst ein bei der Ruhe nur unvoll- ständiger Contact des Processus mit der Clavicula erreicht werden muss. Beim passiven Herabhängen des Armes beträgt, wie die Röntgendurch- leuchtung lehrt, der Verticalabstand beider Theile ungefähr 1°“, hergestellt durch Schleimbeutel, Bänder und Knorpelüberzüge. Bei Belastung der Schulter vermindert sich der Abstand, wenn nicht zugleich Drehung der Sca- pula eintritt, nur unbedeutend, wird aber sofort geringer, sobald die Scapula irgend eine ihrer typischen Bewegungen vollzieht. Es sind vier Arten von Scapularbewegung, welche Annäherung zur Folge haben, zu unterscheiden: 1. Durch die Drehung der Scapula um eine nahezu saeittale Axe im Acromialgelenk, bewirkt durch Contraction des Serratus und Trapezius, wird der Processus eoracoides gehoben, etwas medianwärts gedreht und so der Clavicula näher gebracht. 2. Die schon erwähnte initiale Erhebung des Acromialendes der Cla- vicula verkleinert den Winkel, der von ihrer Längsaxe mit einer die Spitze des Acromions und den unteren Winkel der Scapula verbindenden Graden bildet, und in diesem Winkel liegt der Processus, so dass eine Annäherung desselben an die Clavicula erfolgen muss. 3. Auch die horizontale Adduction der Clavicula, welcher die Scapula auf der dorsalen Thoraxfläche folgt, bringt den Processus der Clavicula näher. MECHANISMUS DER SCHULTERBEWEGUNGEN. 425 4. Hierzu tritt noch für die sagittale Armerhebung die entgegen- gesetzte laterale Verschiebung der Scapula hinzu, in Folge deren der spitze Winkel zwischen CGlaviecula und Scapularebene eine Vergrösserung erfährt, die wiederum eine Annäherung bewirken muss, Es sei hier kurz der Unterschiede gedacht, welche für den Mechanismus statt haben zwischen der frontalen und sagittalen Armerheburg. Dreht sich, wie im ersten Theil bereits gesagt, die Scapula in den beiden ersten Achtelkreisen der sagittalen Erhebung unter gleichzeitiger lateraler Ver- schiebung rascher als bei der frontalen, so bringt für den dritten und vierten Achtelkreis die Readduction der Scapula an die Wirbelsäule eine Abweichung hervor. Hiernach müsste denn auch die Längsdrehung der Clavicula etwas früher ablaufen, als bei der frontalen Erhebung, und dies ist in der That der Fall. Naturgemäss tritt auch bei sagittaler Erhebung das Fixirtwerden des Schultergürtels schon etwa 30° vor Erreichung der Senkrechten ein. Die auf welchem Wege auch immer bewirkte Annäherung des Anfangs abstehenden Processus beansprucht eine gewisse Zeitdauer, und wir finden hier somit die anatomische Erklärung für den am Lebenden beobachteten, gegen die Scapuladrehung verspäteten Beginn der Olavicularbewegung. Ist nun der Contact hergestellt, so hängt alles Weitere von der grösseren oder geringeren Straffheit der Gelenks- und Hülfsbänder ab. Es entspricht den Verhältnissen am Lebenden, wenn die beiden Typen der Adduction mit Drehung und der horizontalen Adduction ohne alle Drehung auch hier scharf getrennt werden. a) Bei kurzem, straffem Bandapparat wird die Clavicula so an den Processus fixirt, dass sie, alle freie Beweglichkeit einbüssend, der weiteren Scapulardrehung zu folgen gezwungen wird. Die relative Kürze der coraco- clavieulären Bänder gestattet der Clavicula nicht, auf der Fläche des Pro- cessus entlang zu gleiten; diese und die untere Claviculafläche legen sich vielmehr und mit weiterer Scapulardrehung zunehmender Festigkeit an einander, und so wird ein Mechanismus geschaffen, der vollkommen dem aus der Statik bekannten „Rad an der Welle“ entspricht. Das Sternal- gelenk wird zum Axenlager; von den treibenden Kräften fällt dem mit seiner Hauptmasse an dem unteren Winkel angreifenden Serratus das denkbar günstigste statische Moment zu. Die mit der Drehung der Cla- vikel verbundene Adduction übermittelt gleichfalls der auch seitlich immerhin drehbare Processus coracoides, der sich um so mehr der Medianebene nähert, je weiter der untere Schulterblattwinkel sich von ihr entfernt, da der Drehpunkt zwischen diesem und dem Processus liegt. b) Bei lockerem und genügende seitliche Verschieblichkeit zulassendem Bandapparat erhält die Clavikel freien Spielraum, der drehenden Wirkung 426 STEINHAUSEN: des Processus auszuweichen. Dieser wird im Verlauf der Drehung zu einer mehr und mehr geneigten schiefen Ebene, auf welcher die Clavicula hinab- gleitet, ohne ihre horizontale Lage aufgeben zu müssen, oder anders aus- gedrückt: der Processus gleitet am Unterrand der Clavicula vorbei, ohne sie in seine Bewegung hineinzuziehen. Die gleichzeitige Adduction wird durch den andringenden Processus in demselben Sinne wie unter a) be- wirkt, indem dessen Convexität, in der Krümmung der Clavikel liegend, diese horizontal heranschiebt und ein Ausweichen der Clavicula unmög- lich macht. Wenn die beiden Typen in ihrer reinen Form, wie schon oben gesagt, in der Minderzahl bleiben, so sind um so häufiger die Uebergänge zwischen beiden, die aber alle auf diese selbst zurückzuführen sind. Offenbar müssen daher die sich zugekehrten Flächen der betreffenden Knochentheile nach ihrer Gestaltung geeignet sein, den Anforderungen beider Typen der Clavicularbewegung sich anzupassen, dann aber müssen die Flächen auch am Skelet ihre physiologische Zusammengehörigkeit erkennen lassen. Das ist nun zweifellos der Fall. Die glatte, einer Gelenktläche durchaus ähn- liche Beschaffenheit der unteren Olavieularfläche in der Mitte ihrer distalen, nach vorn offenen Krümmung, von der Gestalt ungefähr eines Halb- mondes, findet sich ebenso constant wie die geglättete, zum Gleiten vor- gebildete convexe Oberfläche des Processus. Ich hatte an einer grösseren Anzahl von Skeleten und frischen Leichen mich hiervon zu überzeugen Gelegenheit. Die enge Zusammengehörigkeit andererseits ergiebt sich indess nicht bloss aus den einander zugekehrten Flächenstücken, sondern auch aus der Grundform beider Knochentheile: der concave Ausschnitt der Clavicula einerseits und der der Clavicula Anfangs fast senkrecht nach oben entgegen- strebende, dann in seine Krümmung sanft umbiegende und in zwei auf einander senkrechten Ebenen convex geformte Processus. \Velche andere Bedeutung sollte die Krümmung der CGlavicula sonst haben? Eine andere Antwort als die hier versuchte kann ich auf diese Frage nicht finden. Zu Gunsten der in Rede stehenden Erklärung lassen sich mehrere ge- wichtige Umstände anführen. 1. Der Ausschnitt der Clavicula hat stets annähernd die Form eines Kreissesmentes, und zu diesem Segment ist der Processus coracoides stets bei herabhängendem Arm radiär gestellt. Man kann sich hiervon an jedem Skelet überzeugen, an welchem die natürliche Lage des Schultergürtels nicht durch eine künstliche Befestigung entstellt ist. Auch hier kann Henle als Zeuge genannt werden, der, bekanntlich ein genauer Beobachter und Zeichner, in einer aus der Vogelschau gesehenen Figur (Fig. 198 der MECHANISMUS 'DER SCHULTERBEWEGUNGEN. 427 Knochenlehre) dies Verhalten, wohl ohne dessen Darstellung beabsichtigt zu haben, wiedereiebt. Ganz unzutreflend ist zweifellos die Annahme (z. B. von G. H. Meyer)!, der Processus coracoides stände beiderseits parallel zur Medianebene. 2. Der Grad der Krümmung und Entwickelung des Schlüsselbeines steht bekanntlich in einem direeten Verhältniss zu der Stärke des Gebrauches des Armes. Daher ist das rechte in der Regel stärker gekrümmt als das linke, ausnahmsweise dies, aber dann bei Linkshändern (Henle, Gurlt wA.). Aus demselben Grunde sind die Schlüsselbeine beim Weibe weniger ge- krümmt. Ueber die analoge Entwickelung des Processus coracoides habe ich in der Litteratur keinen Vermerk gefunden. 3. Die Zeit der frühen OÖssification beider Skelettheile ist bezeichnend für die frühzeitig an dieselben gestellten mechanischen Anforderungen. 4. Die Constanz der hohen typischen Entwickelung des Processus coracoides spricht dafür, dass er noch andere mechanische Aufgaben zu erfüllen hat, als bloss zu Muskelansätzen zu dienen. 5. Für die vorliegende Frage ebenso praktisch wichtige als interessante Aufschlüsse gewährt die vergleichende Anatomie. Zunächst die Thatsache, dass auch hier eine Analogie zwischen der Entwickelung des Processus coracoldes und der Clavicula vorliegt. Während bei den niederen Verte- braten bis zu den Vögeln das Coracoid zwischen Scapula und Brustbein die Clavicula im primären Schultergürtel ersetzt, erfährt es, die Monotremen ausgenommen, weitgehende Rückbildung weiter hinauf und dient als Pro- cessus coracoldes nur noch zum Muskelansatz. Die im secundären Schulter- gürtel auftretende Olavicula zeichnet sich durch besondere Entwickelung bei den Säugern aus, deren proximale Extremität stark ausgebildete Be- weglichkeit und Leistungsfähigkeit besitzt. Eine Clavikel neben kräftiger entwickeltem Processus coracoides findet sich nur bei den Chiropteren, in seiner am höchsten ausgebildeten Form trifft er mit der gleichfalls am stärksten ausgeprägten Clavicula nur bei den nach Bau und Leistungen der oberen Gliedmaassen auf gleicher Stufe stehenden Affen und Men- schen zusammen [Gegenbaur (38), Wiedersheim (39), Rauber (40), Nuhn (4])]. Der Sinn des coracoclaviculären Mechanismus ist der der Vereinigung grosser Beweglichkeit mit einem hohen Grade von Festigkeit für jede Stellung der Extremität. Auch in dieser Beziehung muss der Mechanismus zwei von einander verschiedenen Aufgaben nach Form und Function ge- wachsen sein. Dient der distale Ausschnitt der Clavicula zur Führungs- IA 07382108: 428 STEINHAUSEN: linie für den Processus und als knöcherne Sicherung neben der ligamentösen gegen zu weitgehende Verschiebung, so wird andererseits durch die Ver- schieblichkeit des Processus in dem Bereich jenes Ausschnittes, durch. die Möglichkeit, den Contact aufzugeben und wieder herzustellen, durch die relative Unabhängigkeit des Mechanismus von der Gestalt der beiden Haupt- gelenke die Möglichkeit freiester Bewegung gesichert. Die Feststellung in jeder Lage und namentlich bei 150° der Erhebung gewährt den den Humerus abducirenden Muskeln den Vortheil des Besitzes eines punctum fixum für die volle Ausnutzung ihrer Kraft. MECHANISMUS DER SCHULTERBEWEGUNGEN. 429 Litteraturverzeichniss. 1. Duchenne, Physiologie der Bewegungen. Deutsch von Wernicke. 1885. DA u. 91. ° 2. Henle, Handbuch der Anatomie. 1867. Muskellehre S. 165; Bänderlehre S. 232; Knochenlehre S. 60. 3. Hering, Zeitschrift für Heilkunde. 1895. Bd. XVI. — Pflüger’s Archiv für Phys. 1898. Bd. LXX. 8. 559. 4. Gaupp, Ueber die Bewegungen des menschlichen Schultergürtels und die Aetiologie der sog. Narkosenlähmungen. Centralblatt für Chirurgie. 1894. Bd. XXI. Nr. 34. 8. 793— 807. 5. Broesicke, Lehrbuch der normalen Anatomie. 1897. 8.180. 6. Lewinski, Zur Diagnose der Serratuslähmung. Virchow’s Arch. Bd. LXXIV. S. 473; Bd. LXXXIV. 8.71. — Der Mechanismus der Schulterbewegungen. Archiv für Physiologie. 1877. 8.196. 7. Bäumler, Deutsches Archiv für klin. Medicin. 1880. Bd. XXV. S. 305. 8. Bruns, Neurologisches Centralblatt. 1893. 8.34 u. 258. 9. E. Remak, Berliner klinische Wochenschrift. 1893. Nr. 27. S. 658. 10. Hoffmann, Deltoideslähmung. Neurologisches Centralblatt. 1899. 8. 113. 11. Albert, Zur Mechanik des Schultergürtels des Menschen. Medicinische Jahrbücher. 1877. Bd. I. 12. W. Braune und ©. Fischer, Ueber den Antheil, welchen die einzelnen Gelenke des Schultergürtels an der Beweglichkeit des Humerus haben. Abhandl. der math.-phys. Classe der kgl. sächs. Gesellsch. der Wissensch. 1888. Bd. XIV. 8. 393. 13. Rauber, Zehrbuch der Anatomie. 1897. Bd.I. 1. S. 358. 14. E. Fick und E. Weber, Anatomisch-mechanische Studie über die Schulter- muskeln. Verhandlungen der phys.-med. Gesellschaft in Würzburg. 1877. Bd. XI. 8. 123 u. 257. 15. R. Remak, Galvanotherapie der Nerven- und Muskelkrankheiten. Berlin 1858. S. 323. 16. A. Fick, Specielle Bewegungslehre in Hermann’s Handbuch der Physiol. 1879. Bd. TI. 2: 8.315. 17. Hitzig, Berliner klinische Wochenschrift. 1893. Nr. 27. 8. 658. 18. Jolly, Ebenda. 1892. 8.17. 19. Placzek, Uncomplicirte Serratusläihmung. Deutsche medicinische Wochen- schrift. 1896. S. 696. 20. v. Rad, Uncomplieirte Serratusläiimung. Münchener medicinische Wochen- schrift. 1898. S. 1145. 21. Tilmann, Cucullarislähmung. Vereinsblatt der deutschen medicinischen Wochenschrift. 1899. Nr.3. 8.19. 430 STEINHAUSEN: MECHANISMUS DER SCHULTERBEWEGUNGEN. 22. Clutton, Paralysis of Serratus. St. Thomas Hospital Reports. 1883. p. 175. 23. G@. H. Meyer, Die Statik und Mechanik des menschlichen Körpers. Leipzig S. 108. 24. Hyrtl, Lehrbuch der Anatomie. 1889. 8. 377. 25. Henke, Handbuch der Anatomie und Mechanik der Gelenke. 1863. 8.122. 26. Kennedy, Paralysis of the Deltoides. Brit. med. Journal. 1898. 11. Juin. 27. Krause, Handbuch der Anatomie. Bd.1Il. S. 94. 28. Waldeyer, De claviculae articulis et functione. Inaug.-Diss. Berlin 1861. 29. Valentin, Cannst. Jahresber. 1362. Bd.I. 8.149. 30. Testut, TZraite d’anat. humaine. 1889. p. 384. 31. Poirier, Traite d’anat. humaine. T.I. p. 560. 32. Aeby, Der Bau des menschlichen Körpers. Leipzig 1871. 33. Merkel, Anatomische Hefte. 1895. Bd. V. 8. 231. 34. Luschka, Die Anatomie der Glieder des Menschen. 1865. Bd. III. S. 30. 35. Gurlt, Handbuch der Lehre von den Knochenbrüchen. Bd. ll. 8. 575. 36. Sappey, Traite d’anat. descript. 1876. T.1I. p. 629. 37. Beevor in Referat von Bruns, Neurologisches Centralblatt. 1891. 8. 394. 38. Gegenbaur, Lehrbuch der Anatomie. 1899. 8. 260. 39. Wiedersheim, Vergleichende Anatomie des Menschen und der Wirbel- thiere. 1893. 8. 151. 40. Rauber, Lehrbuch der Anatomie. 1897. Bd.I. 1. 8. 258. 41. Nuhn, Zehrbuch der vergleichenden Anatomie. 1886. Bd. Il. S. 368. 42. Büdinger, Ueber Narkosenlähmungen. Archiv für klinische Chirurgie. 1894. 8.121. 43. Langer-Toldt, Zehrbuch der Anatomie. 1893. 8. 119. 1873. Ueber den Einfluss von Salzlösungen auf das Volum thierischer Zellen. Zugleich ein Versuch zur quantitativen Bestimmung deren Gerüstsubstanz. Von H. J. Hamburger in Utrecht, Zweite Mittheilung. Darm-, Trachea-, Harnblasen- und Oesophagusepithel. In einem voriges Jahr erschienenen Aufsatz! besprachen wir den Einfluss von Salzlösungen auf das Volum rother Blutkörperchen, weisser Blutkörperchen und Spermatozoa Wir können jetzt die Resultate mit- theilen von gleichartigen Untersucuungen, angestellt bei Epithelzellen von vier verschiedenen Stellen: Darm, Trachea, Harnblase und Oesophagus. Stets wurde das Epithel dadurch erhalten, dass man dasselbe beim frisch getödteten Thier vorsichtig vom Organ abschabte. Das Schabsel wurde in ein wenig des frischen Blutserums oder in eine 0-9 proc. NaUl- Lösung vertheilt und dann durch ein Filter von nichtpräparirter Gaze colirt. Durch letztere Manipulation wurde erzielt, dass die Zellen theilweise in isolirtem Zustande, theilweise höchstens in kleinen Aggregaten vorhanden waren. Von der also gewonnenen trüben Flüssigkeit wurden mittels einer fein ausgezogenen Pipette gleiche Volumina (+ !/,“®) abgemessen und in Reagircylinder gebracht, in welchen sich gleiche Quantitäten (10 zu 15°") der Salzlösungen befanden, deren Einfluss die Epithelzellen ausgesetzt werden sollten. Nach halbstündiger Einwirkung wurden gleiche Volumina der ! Zittingsverslag d. koninkl. Akad. v. Wetensch. Amsterdam 1898. 28. Mai. — Dies Archiv. 1898. Physiol. Abthlg. S. 317. — H. Koeppe hat diesen Aufsatz einer Kritik unterzogen, welche hier in einer Nachschrift beantwortet ist, 432 H. J. HAMBURGER: (remische in die bekannten trichterförmigen Röhrchen gebracht! und centri- fugirt. Wenn das Niveau des Bodensatzes eine constante Stelle an- genommen hatte, wurde das Volum der Epithelsäule festgestellt. Wenn bereits nach kurzem Centrifugiren die Zellensäule nicht vollkommen homogen aussah, wurde die klare Flüssigkeit grösstentheils abpippetirt, die Säule mit der zurückgebliebenen Flüssigkeit mittels eines Platindrahtes zu einem homogenen Gemisch durchgerührt und wieder auf’s Neue centrifugirt. War dies nothwendig bei einem der drei Röhrchen, so wurde dasselbe auch mit den drei anderen gethan. I. Darmepithel. Versuch I. Epithel des Dünndarmes eines Pferdes, auf etwa !/,” Distanz vom Pylorus. Das Epithel ist vertheilt in ein wenig Blutserum des nämlichen Thieres. Salzlösungen Volum des Epithels NaCl-Lösung von 0-7 Procent . . . 35.5 » „ 0.9 3» a 34 9 EL} 1:0 E) je 2 Q 33 ” er) 1°5 „ . . . 29 Aus dieser Tabelle geht hervor, dass das Volum des Epithels ziemlich regelmässig abnimmt, wenn die Concentration der Salzlösung sich steigert. A priori hätte man ein anderes Ergebniss erwarten können. Darf ja die Darmmucosa als ein treffliches Resorptionsorgan betrachtet werden, und wie denn auch die Erfahrung lehrt, werden verdünnte NaÜl-Lösungen äusserst leicht aufgenommen. Darum schien es auf der Hand zu liegen, dass, wenn abgeschabtes Darmepithel in grosse Quantitäten NaCl-Lösung verschiedener Concentration vertheilt werden würde, die Zellen sich mit den betreffenden Lösungen tränken würden, so dass von einer Differenz in osmotischem Druck zwischen Zellinhalt und Umgebung bald nicht mehr die Rede sein würde; mit anderen Worten, man hätte erwarten können, dass das Volum des Darmepithels sich unter dem Einfluss von Salzlösungen verschiedener Concentration nicht oder wenig ändern würde. Das folgende auf dieselbe Weise und mit derselben Epithelart aus- geführte Experiment gab jedoch ein ganz anderes Resultat als der erste Versuch. ! Dies Archiv. 1898. Physiol. Abthlg. S. 319. EINFLUSS VON SALZLÖSUNGEN AUF DAS VOLUM THIERISCHER ZELLEN. 433 Versuch IL. Epithel des Dünndarmes eines Pferdes auf etwa !/,” Distanz vom Pylorus. Das Epithel ist vertheilt in ein wenig Blutserum des nämlichen Thieres. Salzlösungen Volum des Epithels NaCl-Lösung von 0-5 Proeent . . . | 1060000 FR ROT & Br 103 er KR) > oe 103 1-5 e 105 In diesem Experiment ist das Volum des Epithels in allen vier Salzlösungen ungefähr gleich. Der Gegensatz zwischen den Resultaten der beiden Versuche machte es erwünscht, dieselben zu wiederholen. Versuch I. Epithel des Dünndarmes eines Schweines, etwa !/,” vom Pylorus. Das Epithel ist vertheilt in NaCl 0-9 Procent. Salzlösungen Volum des Epithels NaCl-Lösung von 0°5 Procent . . . 76 Er} Er) 0-7 ’ . . . 76 „ Ei 1 0 ei ® e ® 78 > Er} 1 R 5 Er) . . . 76 Wie ersichtlich, hat die Concentration der Salzlösung keinen Einfluss auf das Volum ausgeübt. Von den vielen Experimenten haben noch drei ein entsprechendes Resultat ergeben. Ich lasse dieselben weiter unerwähnt und theile die anderen Versuche mit, aus welchen der Einfluss der Con- centration wohl hervorgeht. In der ersten Spalte der nächstfolgenden Tabelle findet man angegeben die gebrauchte Salzlösung, in der zweiten das Volum des Bodensatzes; in der vierten Spalte haben wir, um die Grösse der durch die Salzlösungen herbeigeführten Volumsänderungen anzugeben, den Volumsunterschied der Zellen in NaCl 0-7 Proc. und 1-5 Proc. in Procenten ausgedrückt. Auf den ersten Blick scheint es willkürlich, dazu die beiden ge- nannten Lösungen zu wählen! und man darf die Frage vorlegen, ob denn die anderen Salzlösungen unter einander ein entsprechendes Resultat geben. Um über die Proportionalität der durch die verschiedenen Salzlösungen hervorgerufenen Volumsänderungen ein Urtheil aussprechen zu können, haben wir darum nach der früher gegebenen Methode,? aus den verschie- ! Warum gerade diese beiden Concentrationen und nicht zwei andere gebraucht worden sind, ist darin gelegen, dass von den stets angewandten die ersteren am weitesten aus einander lagen (vgl. Nachschrift). ? Vgl. hierzu dies Archiv. 1898. Physiol. Abthlg. S. 323. Archiv f. A,u, Ph, 1899. Physiol, Abthlg. Suppl, 28 434 H. J. HAMBURGER: denen Zahlen derselben Versuchsreihe, das Volum des Protoplasmagerüstes berechnet (unter der Annahme, die Zellen seien bloss für Wasser und nicht für Salz permeabe)). Versuchen stammt das Epithel vom Schweinsdarm, etwa !/,® vom Pylorus. Die Resultate sind aufgenommen in Spalte III. In allen I I II IV Salzlösungen | Yolım Protoplasmagerüst p Volumsunterschied Epithels berechnet aus zwischen b und d Versuch W. a) NaCl 0-5 Proc I 45 a und d DEE I = 0 On a 65()| 73 El nal, uc 55 ko 49 Versuch VI. a) NaCl 0-5 Proc 50 27-5 a und d b) OU E., | > el b„d a x 100 = 10-2 Proc. ea = 0000042 34 ae 39 a) gr en | 8 Versuch X. a) NaCl 0-5 Proc 114 75 a und d | b) 0.7, 108 70-5 b„ d | er De x 100 = 18-5 Proc. 0) SEEN 00; 98 82 ach 108 Dr NO 5 83 | Versuch XI. a) NaCl 0-5 Proc 140 117-5 | aundd b) [2 Oel 134 117 b es d 134— 125 x 100= 8-2 Proc. Casual. 005, 126 112 al erc 134 Urses lwoie>; 125 Versuch XI. a) NaCl 0-5 Proc 68 56-75 a und d bislest 0 - Tl; 66 55-6: |, bi „.d 66605 OBER 62 56 2 66 le 60-5 Versuch XI. a) NaCl 0-5 Proc 69 46.5 | a und d DI 4 | 2| b„d | 38 „100= 15-6 Proc. One Ele 0. 60 51 ER 64 d) EL} 1-5 Er} 54 Versuch XV. a) NaCl 0-5 Proc 4 1 62 | aundd ) ; 07 „ 12.5 | 60.3 b.d Para x 100 = 8-9 Proe. c) „ 1:0 ER) 69 64 AT 72-5 er lebe, 66 EINFLUSS VON SALZLÖSUNGEN AUF DAS VOLUM THIERISCHER ZELLEN. 435 Was die sieben anderen Versuche betrifft, will ich, um Raum zu er- sparen, nur erwähnen, dass die Volumsunterschiede in NaCl-Lösung 0-7 und 1-5 Procent betrugen: 17.9, 10.1, 18-2, 9-2, 8.7, 9°S und 10-5 Procent. Fassen wir dann die Versuchsresultate zusammen, so erhellt: 1. Dass, wie aus den Spalten III der Tabellen hervorgeht, in jedem Versuche die Werthe des aus a und d, 5 und d, a und c berechneten Protoplasmagerüstes zwar bei Weitem nicht so genau, wie bei den Blut- körperchen, aber doch im Grossen und Ganzen wohl so viel mit einander übereinstimmen, dass die bei den NaÜCl-Lösungen 0-7 und 1-5 Procent gefundenen Volumsunterschiede eine Vorstellung der Volumsänderung im Allgemeinen geben. 2. Der Volumsunterschied zwischen den Zellen in NaCl 0-7 und 1-5 Procent schwankt in den meisten Fällen zwischen 10.9 und 8-2 Procent; / in vier Fällen beträgt die betreffende Differenz 13-8 bis 15-6 Procent. Wie sind die letzten, unter 2. genannten Abweichungen zu erklären? Meines Erachtens kann man hier an zwei Möglichkeiten denken: entweder die Untersuchungsmethode ist nicht zuverlässig, oder das in den verschie- denen Versuchen von entsprechenden Stellen bezogene Epithel verkehrt nicht immer in demselben Zustand. Die erste Möglichkeit ist zu verwerfen, weil unsere Methode bei den rothen und weissen Blutkörperchen, bei den Spermatozoen und auch bei dem ebenfalls durch Abschaben erhaltenen Blasen- und Oesophagus- epithel übereinstimmende Resultate gegeben hat. Es bleibt also nichts Anderes übrig, als anzunehmen, dass das Darm- epithel nicht immer in demselben Zustand von Permeabilität verkehrt. In dieser Hinsicht kann man sich wieder zwei Vorstellungen machen: a) Man kann sich denken, dass in den Fällen, wo der bewusste Procent- gehalt sich bewegt um 18-5, die Zellen vor dem Centrifugiren nicht lange genug in den Salzlösungen verweilt haben, um sich mit denselben zu tränken. Wenn das wirklich der Fall ist, so muss bei längerem Verweilen der Procentgehalt abnehmen und etwa 10 werden; b) das Epithel verkehrt zuweilen in einem besonderen Zustand, welcher nur unter bestimmten Einflüssen aufgehoben werden kann. Die Möglichkeit a) war nicht schwer zu prüfen. Zu diesem Zweck fertigten wir Gemische von Epithel und Salzlösung an und centrifugirten nach verschiedenen Zeiten. 28* 436 H. J. HAMBURGER: Aus der folgenden Tabelle ist das Resultat ersichtlich: Versuch XXV. Epithel des Dünndarmes eines Schweines, etwa !/," vom Pylorus. Das Epithel ist vertheilt in NaCl 0°9 Procent. Es werden Gemische dargestellt, welche !/, Stunde, 1, 2 und 3 Stunden sich selbst überlassen werden.! Salzlösungen Volum des Epithels nach einer Einwirkungsdauer von !/, Stunde 1 Stunde 2 Stunden | 3 Stunden NaCl 0-5 Procent.. . 114 113 113 112 > 0-7 hs ER: 108 109 107 107 > 1.0 es u: 98 93 99 98 ” 1-5 5 8 88 88 89 91 Man sieht, dass die Einwirkungsdauer keinen wesentlichen Einfluss auf das Volum ausgeübt hat. Ich werde noch ein paar von den vielen Versuchen erwähnen, welche ich behufs des vorliegenden Fragepunktes angestellt habe. Volum des Epithels Salzlösungen nach einer Einwirkungsdauer von !/, Stunde | 2 Stunden 3 Stunden Versuch XV. NaClmost Brocents nen a, 81 80 78 2 E59. vr a Ra 76 76 13 BR SE Bien a an 61 62 64 EEE Wlee A a 65 66 68 (?) Versuch XXXI. Na@l =0-55Brocent.n. 202 us 69 68 69 RESTE LE ET AENE 64 63 63 N OSG N m I 60 60 60 I De ne We 54 — 55-5 Auch in diesen zwei Versuchen hat eine längere Einwirkung als von einer halben Stunde kaum einigen Einfluss auf das Volum ausgeübt. Man darf also schliessen, dass bereits nach halbstündiger Ein- wirkung der Einfluss der Kochsalzconcentration auf das Epi- ! Wenn wir hier von einer Einwirkungsdauer einer !/, Stunde sprechen, so denken wir an die Zeit, welche verläuft zwischen der Anfertigung der Gemische und dem Anfang des Centrifugirens. Also wird die Zeitdauer des Centrifugirens ausser Betracht gelassen. Das ist zwar nicht ganz correct, aber die Epithelzellen werden nach dem Anfang des Centrifugirens so rasch gegen einander gelegt, dass von einer bedeutenden Einwirkung der umgebenden Salzlösung auf die Zellen innerhalb weniger Minuten kaum die Rede mehr ist. EINFLUSS VON SALZLÖSUNGEN AUF DAS VOLUM THIERISCHER ZELLEN. 437 thelvolum sich geäussert hat in demselben Maasse, wie dieser Einfluss sich nach mehrstündiger Einwirkung offenbart. Hierdurch wird die Erklärung a auf S. 435 hinfällig und erübrigt per exclusionem noch die Erklärung b: Dass nämlich das Epithel zuweilen in einem besonderen physiologischen Zustand verkehrt, in welchem die Durchgängigkeit für Kochsalzlösungen verringert ist. Dass nun wirklich das Darmepithel mit Bezug auf dessen Permeabilität in einen anderen Zustand gerathen kann, lehren uns die sorgfältigen Unter- suchungen Hay’s,! wobei nachgewiesen wurde, dass die purgative Wirkung des MgSO, theilweise auf einer Abnahme des resorbirenden Vermögens der Darmmucosa beruht, was dann die Verflüssigung der Fäcalstoffe befördert. Hay hat gezeigt, dass nach Aufnahme von MgSO, das Thier Strychnin- mengen verträgt, wodurch es sonst fast unmittelbar verendet. Wir haben nun versucht, auch in vitro die Permeabilität des Darm- epithels mittels MgSO, zu modifieiren. Versuche, um die Permeabilität des isolirten Darmepithels zu modifieiren. Zu diesem Zweck nahmen wir Darmepithel, welches sich, wie z. B. in Versuch XI, nur in geringem Maasse durch die Concentration der Koch- salzlösungen beeinflussen liess, und versetzten dasselbe mit MgSO,-Lösungen verschiedener Stärke. Versuch XXXI Epithel des Dünndarmes eines Pferdes, !/," vom Pylorus. Die Zellen sind vertheilt in ein wenig MgSO,-Lösung isotonisch mit NaCl 0°9 Procent. Salzlösungen Volum der Epithelzellen MgSO,-Lösung isotonisch mit NaCl 0-7 Procent . . . 45 ” 2) ” » 0-3 ” 0... 60 ” „ „ „ 1-2 „ 0.0. 51 „ „ „ „ . 1°5 ” 0% 64 Versuch XXX. Epithel des Colons eines Pferdes, !/," vom Pylorus. Die Zellen sind vertheilt in ein wenig NaCl 0.9 Procent. Salzlösungen Volum der Epithelzellen MgSO,-Lösung isotonisch mit NaCl 0-7 Procent . . . 32 „ ” „ „ 0-9 „ 0 1a ie 35 2) ” „ „ 1.2 „ ... 50 „ „ „ ” 1-5 ” IT 49 ' M. Hay, Journal of Anatomy and Physiology. 1882. 438 H. J. HAMBURGER: Versuch XXX. Epithel des Dünndarmes eines Schweines. Die Zellen sind vertheilt in ein wenig NaCl 0.9 Procent. Salzlösungen volan der ‚Epithelzellen MgSO,-Lösung isotonisch mit NaCl 0-7 Procnt . . . 83 „ ”„ ” ” 0.9 ” Sa 101 ” „ „ „1-2 „ Sauenike 102 ” „ ” „ 1-5 „ a eig 105 Es ist mir nicht möglich, aus diesen Versuchen einen bestimmten Einfluss der verschiedenen MgSO,-Lösungen auf das Volum der Zellen zu erkennen. Nun findet man in allen drei Versuchen das Zellenvolum am kleinsten in der MgSO,-Lösung, welche isotonisch ist mit NaCl 0.7 Procent. Das Gegentheil würde man erwarten. Bei näherer mikroskopischer und makroskopischer Betrachtung stellte sich aber heraus, dass die letztgenannte MeSO,-Lösung auch die einzige war, in welcher sich kein Schleim gebildet hatte. In den drei übrigen Lösungen hatte das Epithel diesen Stoff in so bedeutendem Maasse abgeschieden, dass die Zellenmasse ein ganz anderes Aussehen hatte wie in der ersten. Die sonderbaren Volumverhältnisse waren demnach wohl zu erklären. Beim Durchsuchen der Litteratur ergab sich, dass die Eigenschaft von MgSO,-Lösungen, Schleimabsonderung aus Darmepithelien herbeizu- führen, schon früher studirt worden ist. Fusari und Marfori! fanden nämlich, dass nach der Aufnahme von purgfrenden Mittelsalzen eine so bedeutende Schleimabsonderung stattfand, dass die Zotten ganz mit Schleim bedeckt waren und die Resorption des flüssigen Darminhaltes ge- hemmt wurde. Indessen ist das Darmepithel nicht die einzige Zellenart, welche unter dem Einfluss von MgSO, Schleim absondert; wir konnten dasselbe con- statiren beim Harnblasenepithel. Als wir dasselbe nach Versetzung mit MgSO,-Lösungen isotonisch mit NaCl 0-7, 0-9, 1-2 und 1-5 Procent centrifugirten, setzten die Zellen sich nur in der ersten Lösung gut ab; in der übrigen Flüssigkeit war die Beschaffenheit des Epithels so schleimig, dass von einer Ablesung des Niveaus nicht die Rede sein konnte. Wir beschlossen nun, die Versuche mit Darmepithel zu wiederholen, und zwar derart, dass die Zellen erst eine kurze Zeit mit einer MeSO,- Lösung in Berilisimng blieben und dann dem Einfluss von NaCl- aan ausgesetzt wurden. 1 Archives italiennes de biol, Vol. XXIII. Fasc.1 et 2, EINFLUSS VON SALZLÖSUNGEN AUF DAS VOLUM THIERISCHER ZELLEN. 439 Versuch XXXV. Epithel des Dünndarmes des Schweines, !/," vom Pylorus. Die abge- schabte Masse wird vertheilt in ein wenig NaCl-Lösung von 0-9 Procent; dann wird das Gemisch in zwei Theile getrennt: die eine Hälfte wird sich selbst überlassen, die andere Hälfte (10 °®) wird versetzt mit 1 “” einer 15 procentigen MgSO,-Lösung. Nachher werden von den beiden Hälften gleiche Portionen abgemessen und in NaCl-Lösungen von 0-7 Procent und 15 Procent gebracht. Nach einer halben Stunde wird centrifugirt. Volum des | Volumsunterschied der Zellen Salzlösungen Epithels | durch NaCl 0-7 u. 1-5 Proc. roc.\Das Epithel ist vertheilt 67 67 — 61 a) NaCl 0-7 a b) „ 1-5 , Jgewesen in NaCl 0-9 Proc. 61 a NUT: ») NaCl 0-7 Proc.) Das Epithel ist vertheilt 32 82 — 69 a) i IE Igewesen in einem Gemisch 69 Ten 2 1007 16 Proc. von NaCl und MgS0, Durch Berührung mit MgSO, hat das Epithel also eine grössere Empfindlichkeit für Concentrationsverschiedenheiten bekommen. Versuch XXXVL Der jetzt folgende Versuch ist auf dieselbe Weise ausgeführt worden, wie der vorige. Volum des | Volumsunterschied zwischen Balzlösungen Epithels |a u. b und zwischen ce u. d a) NaCl 0-7 Proc.|Das Epithel ist vertheilt 70 70 — 64 Mens p = b) „ 1-5 „ Jgewesen in NaCl 0-9Proc. 64 ern 2 ne ec) NaCl 0-7 d)E 55 1:55, Proc.]Das Epithel ist vertheilt 78 78—63 |gewesen in einem Gemisch 63 78 von NaCl und MgSO, Versuch XXXVI. a) NaCl 0-7 Proc.\Das Epithel ist vertheilt 58 58 — 53 , pithel ist verthei 25 = 8. b) 2: 21:52; en: in NaC10-9 Proc. 53 FE u al: c) NaCl 0-7 Proc.)Das Epithel ist vertheilt 67 BIS 5 se |gewesen in einem Gemisch 61 a 100 = 9 Proc. 2 = von NaCl und MgS0O, Während also in Versuch XXXV und XXXVI das MgSO, eine be- deutende Permeabilitätsänderung hervorgerufen hat, ist in Versuch XXXVII nichts davon zu constatiren. Andere Experimente geben ein gleichartiges Resultat, so dass man sagen kann, dass das MgSO, das Vermögen besitzt, Darmepithel in einen modificirten Permeabilitätszustand überzuführen, welche Erscheinung aber auch bisweilen ausbleibt. 440 H. J. HAMBURGER: Von den Stoffen, deren Einfluss wir auf dieselbe Weise wie den des MsSO, geprüft haben, hat verdünnte Schwefelsäure ein positives Resultat ergeben. Wir lassen drei der angestellten eranenenaate folgen. Versuch XXXV1. Epithel des Dünndarmes des Schweines, !/,”® vom Pylorus. Die abgeschabten Zellen werden vertheilt in wenig NaCl 0-9 Procent. Von diesem Gemisch wird die eine Hälfte versetzt mit NaCl 0-9 Procent, die andere Hälfte mit einem Gemisch von 10 “® NaCl 0.9 Procent und 2 norm. H,SO,. Von den beiden also angefertigten Epitheliengemischen werden gleiche Portionen gebracht in Nall- een von.0-5, 0%, 1,und«1.5 Proc und I Stunde nachher centrifugirt. Volum des Epithels Volum des Epithels Salzlösungen (Vertheilung in NaCl (Vertheil. in einem Gemisch v. | 0-9 Proe.) 10°® NaCl+1°=H,S0, !,o2-) NaCl 0-5 Proc. 88 96 > Oeieess 54 75 » 10 „ 81 71 ss 108) 78 63 Es ist auffallend, dass die Zahlen in der dritten Spalte unter einander einen grösseren Unterschied zeigen als in der zweiten, Salzlösungen | | Volum des Epithels (Vertheilung in NaCl 0:9 Proc.) Volum des Epithels (Vertheil. in einem Gemisch v. 10° ® NaCl+1°=H,SO, Yon.) Versuch. xXXXIX NaCl 0-5 Proc 63 | 58 Te 58 | 50 2 56 | 46 ir ale, 53 | 38 Versuch XL. NaCl 0-5 Proc 76 67 s 0-7 Er) 68 | 60 eo 64 | 57 & io 62 | 55 Betrachtet man die Resultate der drei Versuchsreihen, so ergiebt sich, dass in den beiden ersteren die Hinzufügung einer geringen (Quantität H,SO, die Empfindlichkeit des Darmepithels für Concentrationen bedeutend vermehrt, mit anderen Worten, die Permeabilität für NaCl herabgesetzt hat, während im dritten Versuch von einem derartigen Einfluss nichts zu bemerken ist, EINFLUSS VON SALZLÖSUNGEN AUF DAS VOLUM THIERISCHER ZELLEN. 441 Es zog mich wenig an, noch weiter im Düstern herum zu tasten und den Einfluss anderer Stoffe auf die Durchgängigkeit des Epithels für NaCl zu prüfen. Es möge jetzt genügen, constatiren zu können, dass es gelingt, mittels chemischer Agentien, also auf künstlichem Wege, das Epithel in einen derartigen veränderten Zustand zu versetzen, dass der Einfluss der Concentration auf das Volum bedeutend steigt. Hierdurch gewinnt die per exclusionem aufgestellte Erklärung für das doppelsinnige Verhalten des ab- geschabten Darmepithels gegenüber Salzlösungen in hohem Maasse an Wahrscheinlichkeit, die Erklärung nämlich, dass das abgeschabte Darm- epithel nicht immer in demselben physiologischen Zustand verkehrt, d.h. nicht immer eine gleiche Durchgängigkeit für Kochsalzlösungen zeigt.! Was nun das Wesentliche der Veränderung betrifft, welche die Zellen erfahren durch die kurzdauernde Einwirkung von MgSO, oder H,SO,, ist uns unbekannt geblieben. Unwillkürlich denkt man hierbei an die Versuche Heidenhain’s mit Bezug auf die Permeabilität der zwischen den Darmepithelzellen gelegenen Kittsubstanz.” Als er beim lebenden Thier Methylenblau in den Darm gebracht hatte und nachher das Epithel mikroskopisch untersuchte, sah ! Es sei hier bemerkt, dass dieses Resultat keineswegs im Widerspruch steht mit meiner früher ausgesprochenen Ansicht, dass die bis damals bekannten Resorptions- erscheinungen auf physikalischem Wege erklärt werden können. Im Gegentheil, ich habe damals mit Nachdruck betont, dass ich „nicht daran denke, behaupten zu wollen, dass das Leben auf den Resorptionsprocess keinen Einfluss ausüben kann und es auch wirklich nicht thut. Unter physiologischen und pathologischen Bedingungen können unzweifelhaft in lebendigen Membranen fein nuancirte Veränderungen hervortreten, welche auf die darin statthabenden physikalischen Processe einen nicht geringen Ein- fluss haben, aber wodurch die Processe selbst ja nicht aufhören, rein physikalische Processe zu sein.“ „Der arterielle Blutdruck wird herbeigeführt durch Zusammenziehung des linken Ventrikels; das ist eine Thatsache, welche aus einem rein physikalischen Gesichtspunkte für einen Jeden verständlich ist. Aber wenn irgend eine Ursache auf das Leben des Herzmuskels derart einwirkt, dass dieser fettig degenerirt, so ändert sich der Blut- druck. In dieser Thatsache jedoch kann kein Grund liegen, den Zusammenhang zwischen Herzcontraetur und Blutdruck nun nicht mehr als einen rein physikalischen aufzufassen.“ „Diese Bemerkungen gelten sowohl für die Resorption in der Bauchhöhle wie für die im Darme.“ (Centralblatt für Physiologie. 25. Januar 1896; und auch Verhan- delingen der Koninkl. Academie van Wetenschappen. 1896. DI. V. Nr. IV. p. 32. Holländisch.) Es schien mir nicht überflüssig, diese Zeilen hier zu wiederholen, weil in der letzten Zeit einige Autoren mir in den Mund gelegt haben, dass ich mit Bezug auf den Resorptionsprocess den lebenden Darm mit einer todten Membran gleichstelle. Eine der- artige Auffassung meinerseits hätte man das Recht als unphysiologisch zu bezeichnen. ® Pflüger’s Archiv. 1888. Bd. XLIUI. Suppl.-Heft. 442 H. J. HAMBURGER: er, dass in einem und demselben Feld zwischen vielen Zellen die Kitt- substanz blau gefärbt war, während zwischen anderen daneben gelegenen Zellen die Substanz ganz farblos war. Heidenhain denkt hierbei an die Wahrscheinlichkeit, dass die Kitt- substanz zwischen den Zellen nicht überall in demselben Zustand verkehrt und erinnert bei dieser Gelegenheit an eine gleichartige von ihm beob- achtete Thatsache, dass nämlich nach Einverleibung von indigoschwefel- saurem Natron ein Theil des Nierenepithels blaugefärbt wird, während andere dazwischen gelegene Epithelzellen farblos erscheinen. Discussion und Zusammenfassung der Resultate. Fassen wir nun zusammen, was die Experimente über den Einfluss von Kochsalzlösungen auf das Volum des Darmepithels gelehrt haben, so lassen sich die Resultate zu drei Fällen ordnen: l. Die Concentration der Salzlösung hat auf das Volum der Zellen absolut keinen Einfluss ausgeübt. Das geschah nur selten. 2. Die Concentration der Salzlösung zeigt einen geringen Einfluss (die Volumdifferenz des Epithels in NaUl 1-5 und 0.7 Procent beträgt + 9 Procent). Das ist das normale Sachverhältniss. 3. Die Concentration der Salzlösung übt einen bedeutenden Einfluss auf das Volum des Epithels aus (die Volumdifferenz in NaCl 1.5 und 0.7 Procent beträgt 15 bis 19 Procent). Dieses Resultat bekommt man von Zeit zu Zeit. Lassen wir den erstgenannten, selten vorgekommenen Fall ausser Betracht, so ergiebt sich also, dass die Salzlösungen das Volum des Darm- epithels beeinflussen: gewöhnlich ist der Einfluss geringfügig, zuweilen aber ist derselbe bedeutend. Im letzteren Falle handelt es sich höchstwahr- scheinlich um einen besonderen physiologischen Zustand des Epithels und es ist uns sogar gelungen, denselben mittels MgSO, und H,SO, hervor- zurufen (vgl. S. 439 und 440). Die unter 2. genannte Erscheinung entspricht somit dem normalen Sachverhältniss. Die Frage ist nun, was sagt letzteres Ergebniss aus mit Bezug auf die Permeabilität des Epithels für Salzlösungen? Darf man das abgeschabte Darmepithel als durchlässig für Kochsalz betrachten? Dagegen scheint das Wort zu reden die Thatsache, dass die Concentration einen, wenn auch geringen, aber doch jedenfalls merkbaren Einfluss auf das Volum EINFLUSS VON SALZLÖSUNGEN AUF DAS VOLUM THIERISCHER ZELLEN. 443 des Epithels ausübt, welcher auch nach längerer Einwirkung nicht ver- schwindet. Anfangs meinte ich den betreffenden Einfluss der Salzconcentration zuschreiben zu müssen, einer Vermischung des Epithels mit Zellen, welche ebenso wie die rothen und weissen Blutkörperchen für Salz impermeabel sind, z. B. einer Vermischung mit Iymphoiden Zellen, welche zugleich mit dem Epithel abgeschabt worden waren. Um so mehr meinten wir hierzu berechtigt zu sein, weil in den vier Versuchen von Fall 1 (vgl. S. 433) gar kein Einfluss auf das Zellvolum merkbar gewesen war. Als uns aber die grosse Uebereinstimmung zwischen den unter 2. zu- sammengesetzten Volumdiiferenzen (S. 442) aufgefallen war, schien es uns doch wohl etwas gewagt, anzunehmen, dass jedes Mal nahezu dieselbe Quantität an Iymphoiden Zellen abgeschabt worden wäre. Ausserdem lehrte die mikroskopische Untersuchung, dass die Menge dieser Zellen gering war. Und so dachten wir an die Kerne der Epithelzellen. „War es mit anderen Worten nicht möglich, dass die Kerne eine geringe Durchgängigkeit für Kochsalz besässen und also durch ihre Schrumpfung und Quellung für die Volumsänderung der Zellen- masse im Ganzen verantwortlich gemacht werden müssten?“ Um diese Frage zu prüfen, war es angewiesen, die Grösse der Kerne unter dem Einfluss verschiedener Concentrationen mit einander zu vergleichen. Von Volumbestimmungen der separaten Kerne konnte natürlich nicht die Rede sein. Darum blieb uns nichts anderes übrig, als mikroskopische Messungen von zwei Dimensionen auszuführen, Mikroskopische Messung der Zellkerne. Zu diesem Zwecke wurde die Darmmucosa des eben getödteten Thieres abgespült mit NaCl 0-9 Procent; dann wurde die Schleimhaut abgeschabt, das Epithelium vertheilt in ein wenig NaCl 0-9 Procent und von diesem Gemisch ein wenig versetzt mit NaCl 0-7 Procent und 1-5 Procent. Nach den bestimmten Einwirkungszeiten wurden Präparate angefertigt und in Paraffinleistehen eingeschlossen. Von jedem Kerne wurde Länge- und Breiteaxe gemessen, und zwar mittels Ocularmikrometer 21/,, Obj. F. Zeiss. Da natürlich die Einwirkungsdauer der am letzten gemessenen Prä- parate die grösste sein musste, so wurde, um diesen Factor bei den ver- gleichenden Bestimmungen zu eliminiren, abwechselnd untersucht 30 Zell- kerne in 0-7- und 30 Zellkerne in 1-5procent. NaCl-Lösung. 444 H. J. HAMBURGER: Versuch XLI. Das Epithelium stammt vom Schweinsdarm, ungefähr !/,® vom Pylorus entfernt. Die Messungen werden angefangen 4 Stunden nachdem die Ver- mischung des Epithels mit den 0°7 und 1-5 procentigen Salzlösungen statt- gefunden hat. Es By vI Ges.- Ges.- Gesammt- Gesammtdimehsion Dimens.| Gesammtdimension Dimens. flächen- I II u Rn | = der | Gr der durch- Salzlösungen der Längsaxen von Dange- der Br eiteaxen von p„eite-|schnift a je 30 Kernen axen v. Je 30 Kernen axen v. 120 Kernen 120 K.| 120 K. | (III u. V) NaC10-7Proe. | 200-209-205-199 | $13 | 132-135-132-139 „1-5 „ |180%,-176-175-1721,,| 7033), |131-127-125%,-130%, 535 | 457394 514 | 361727-5 Versuch XLI. Wiederholung des vorigen Versuches; anderes Schwein. Mit den Messungen wird angefangen nach einer 6stündigen Einwirkung der Salzlösungen. NaCl 0-7 Proe.|| 213%/,-210-207-215 | S45%/,|129Y/,-125-125/,-122| 502 | 424566 „ 1-5 „|| 203-199%/,-206-195 | 803°), 119'),-126-120-119 | 4841), 389416 Versuch XLII. Wiederholung des vorigen Versuches mit Pferdedarm. NaCl 0-7 Proc. 211-2177,-209-212 | S494,,| 123-128-126-125'/,| 5021/,| 426873 „ . 1°5 „| 203-206-201-197 | 505 124-119-122-124 459 | 395645 Wie ersichtlich, hat die Salzeoncentration einen deutlichen Einfluss auf die zwei linearen Dimensionen und also auch auf den Flächendurchschnitt (Spalte VI) der Kerne ausgeübt. Wo das der Fall ist, muss der Einfluss auf das Volum der Kerne noch grösser sein. Umd darf man wohl schliessen, dass bei dem nicht geringen Antheil, welchen der Kern am Volum der Gesammtzelle hat, die Salzconcentration einen deutlichen Einfluss auf das Totalvolum der Zelle ausüben muss. Wir glauben also, die Resultate aus den bis jetzt beschriebenen Unter- suchungen in folgender Weise deuten zu müssen: 1. Der Zellenleib des abgeschabten Darmepithels ist für Kochsalz in hohem Maasse permeabel, der Kern hingegen wenig oder nicht. 2. Zuweilen verkehrt das Darmepithel in einem Zustande, in welchem nicht nur der Kern, sondern auch der Zellenleib für Kochsalz wenig permeabel ist, EINFLUSS VON SALZLÖSUNGEN AUF DAS VOLUM THIERISCHER ZELLEN. 445 Vor kurzer Zeit hat im Züricher physiologischen InstituteR. Höber! bei- läufig versucht, die Frage zu beantworten, ob im Darme ausser der zwischen den Epithelzellen gelegenen Kittsubstanz auch die Zellen selbst für gelöste Stoffe durchgängig seien. Der Verfasser konnte auf seine Frage keine Antwort bekommen. Ich glaube, dass die oben mitgetheilten Versuche eine solche erbracht haben. II. Flimmerepithel. Die zweite Epithelsorte, welche wir untersucht haben, ist das Flimmer- epithel aus der Trachea. Diese Zellenart gewährt den Vortheil, dass man während der ganzen Versuchsdauer Sicherheit erlangen kann, ob das Object noch im lebendigen Zustande verkehrt. Nachdem die Zellen 4 Stunden lang mit den gebrauchten Salzlösungen in Berührung gewesen waren, konnte man im Engelmann’schen Gas- kämmerchen unter Anwendung von Körpertemperatur die Cilien vieler Zellen noch in Bewegung sehen, oder durch Reizung in Bewegung versetzen. Da die Versuche angestellt worden sind auf dieselbe Weise wie beim Darmepithel, wird die Mittheilung der Resultate genügen. Versuch XLW. Flimmerepithel aus der Trachea eines frisch getödteten Pferdes. Das Epithel ist vertheilt in ein wenig NaCl-Lösung von 0-9 Procent. Unmittelbar nach- her werden gleiche Quantitäten der Aufschwemmung in Berührung gebracht mit 15 “® einer 0°7 bis 0°9 und 1-2 procentigen NaCl-Lösung. Nach halbstündiger Einwirkung wird centrifugirt. Salzlösungen | Volum des Epithels NaCl-Lösung von 0-7 Procent . . . 86 R aka Malen. 81 ” „ 12 ” Se 14 Vergleicht man die nach Einwirkung von NaCl 0-7 Procent und 1.2 Procent erhaltenen Zahlen, so ergiebt sich ein Volumsunterschied von 86 — 74 86 für NaCl impermeabelen rothen und weissen Blutkörperchen, und man fragt sich, ob das Flimmerepithel letztere Eigenschaft mit den genannten Zellen theilt, oder ob dasselbe im Gegentheil wohl NaCl-Lösungen durchtreten lässt, ebenso wie das Darmepithel, aber langsamer. Letzteres war nicht x 100 = 14 Procent, ein Betrag, welcher erinnert an die bei den ı R. Höber, Pflüger’s Archiv. 1899. Bd. LXXIV. S. 269. 446 H. J. HAMBURGER: schwer zu prüfen. Wir verfügten noch über einen Theil der Gemische des vorigen Versuches und warteten mit dem Centrifugiren, bis dieselben während 2 Stunden sich selbst überlassen gewesen waren. Wiederholung des vorigen Versuches; jetzt aber ist die Einwirkungsdauer 2 Stunden statt !/, Stunde. Salzlösungen Volum des Epithels NaCl-Lösung von 0-7 Procent . . . 84 n LE Re 82 4 IE Da on 80 Jetzt ist der Volumsunterschied u x 100 = 4.7 Procent gewor- den, statt 14 Procent. Es schien mir nun von Interesse, weiter zu unter- suchen, ob bei noch längerer Einwirkung als 2 Stunden der Unterschied vielleicht ganz verschwinden würde. Zu diesem Zwecke wurden die Boden- sätze mit den obenstehenden Flüssigkeiten mittels eines Platindrahtes gut vermischt und wurde °/, Stunde nachher wieder centrifugirt. Es stellte sich dann heraus, dass die letzt erhaltenen Volumsunterschiede nicht ver- schwanden; dieselben blieben nahezu unverändert. Die 8 anderen Versuche, welche in derselben Weise ausgeführt wurden und deren ich hier der Kürze halber nur 3 erwähnen werde, haben dasselbe Resultat ergeben. Versuch XLV. Epithel aus der Trachea eines eben getödteten Pferdes, vertheilt in ein wenig Pferdeserum. r Volum des Epithels nach einer Einwirkungsdauer von Salzlösungen !/), Stunde 2 Stunden 3 Stunden 4 Stunden NaCl 0-7 Procent 68 66 62 62 020 63 64 61 61 edle ıh 57 59 57 57 eng Kiepz Dun 54 57 57 56 Versuch XLVL “ Volum des Epithels nach einer Einwirkungsdauer von Salzlösungen !/, Stunde 2 Stunden 3 Stunden NaCl 0-7 Procent 66), 65 65 Le 62 63 63, ae Ed 57 61 61 ea 53 59 58 EINFLUSS VON SALZLÖSUNGEN AUF DAS VOLUM THIERISCHER ZELLEN. 447 Versuch XLVM. a F Volum des Epithels nach einer Einwirkungsdauer von Salzlösungen | 1, Stunde | 1!/, Stunde | 21/, Stunden | 3 Stunden NC OT Pont | oo | 8 - |] oo | 0 09, | 86 | 79 | 81?) 81) re et: re | 78 78 EI“, | 74 | 75 141), 75 Aus allen drei Tabellen (XLV, XLVI und XLVII) geht hervor, dass nach halbstündiger Einwirkung der Einfluss der Salzconcentration bedeutend ist, und dass derselbe mit der Zeit abnimmt, um dann constant zu werden. Nach dem beim Darmepithel. Besprochenen liegt es auf der Hand, diese Thatsachen in der Weise zu interpretiren, dass der Zellkörper des Flimmerepithels, wenn auch nicht so rasch, wie der des Darm- epithels, doch im Stande ist, Kochsalzlösungen verschiedener Concentration durchtreten zu lassen, so dass schliesslich von einer osmotischen Druckdifferenz zwischen Zellkörperinhalt und Umgebung nicht mehr die Rede ist. Der Kern ist für Kochsalz nicht oder schwer durchgängig und dieser ist also für die definitive Volumdiffe- ; renz der Gesammtzellenmasse verantwortlich zu machen. Die Permeabilität des Tracheaepithels, welche sich natürlich in situ kräftiger aussprechen muss, wie im isolirten Zustande, weil die einerseits in die Zellen aufgenommene Flüssigkeit an der anderen Seite durch Lymph- und Blutstrom entfernt wird, ist ganz in Uebereinstimmung mit der klinischen Erfahrung, dass intratracheal injieirte Medicamente sehr rasch resorbirt werden. Dass nun in der That der Kern bedeutende Dimensionsswankungen zeigt unter dem Einflusse verschiedener Salzconcentrationen konnten wir ebenso wie beim Darmepithel auch beim Flimmerepithel mittels mikro- skopischer Messungen feststellen. Versuch LI. Tracheaepithel des Pferdes; 2 Stunden nach der Vermischung mit den Salzlösungen, NaCl 0.7 und 1-5 Procent, wird mit den Messungen der Längs- axe der Kerne angefangen. < = | Gesammtlängsaxe von Gesammtlängsaxe von Sale gen | je 30 Kernen 120 Kernen NaCl 0-7 Procent 176 —1711/,—1731/,—179 699°], » EB rı, | 165-1681, —1661/,—163 6623], 448 H. J. HAMBURGER: Versuch LI. Wiederholung des vorigen Experimentes. Jetzt fangen die Messungen aber erst 4 Stunden nach Vermischung mit den Salzlösungen an. j Gesammtlängsaxe von ' Gesammtlängsaxe von Salzilo sungen | je 30 Kernen | 120 Kernen NaCl 0-7 Procent 1661/,—161—162—167 6561), lo 154—1541/,—151—158 617%, Versuch LIV und LV. Wiederholung des vorigen Experimentes. Anfang der Messungen nach 6stündiger Einwirkung der Salzlösungen. NaCl 0-7 Procent 178—170—173—171!), 6921), a SD 156—1611/,—165— 161 643", NaCl 0-7 Procent 1811), —185—182—184 7327), ASTEISBRERE 166—1731/,—169—171 679%, III. Blasenepithel. Handelte es sich beim Darm- und Tracheaepithel um Zellen, welche das Recht gaben, zu erwarten, dass dieselben leicht Salze durchgehen lassen können, das Blasenepithel liess das Gegentheil vermuthen. In der That würde die Blase ihrer Bestimmung sehr schlecht entsprechen, wenn die- selbe eine bedeutende Permeabilität für gelöste Stoffe besitzen würde. Bekanntlich wird die Blase von innen bekleidet von einer vierfachen Epithelschicht, und beim Schwein lässt sich dieselbe leicht entfernen. Es zeigte sich nothwendig, vor der Entfernung des Epithels die Schleimhaut sorgfältig mit 0-9procent. NaCl-Lösung abzuspülen, weil nicht selten beim Schwein und gewöhnlich beim Pferd Sediment sich auf der Schleimhaut befindet. Versuch LVI Blasenepithel eines frisch getödteten Schweines, vertheilt in ein wenig 0-9 proc. NaCl-Lösung. Von dem Gemisch werden gleiche Quantitäten versetzt mit gleichen Volumina NaCl-Lösung 0-7, 0-9, 1’2 und 1-5 Procent. Nachdem ungefähr 2 Stunden centrifugirt worden ist, wird, um zu untersuchen, in wie weit, ebenso wie beim Flimmerepithel, eine längere Einwirkung als !/, Stunde nothwendig ist, um ein constantes Zellenvolum zu bekommen, die Epithelsäule mittels eines Platindrahtes wieder gut mit der obenstehenden Flüssigkeit ver- mischt, das Gemisch 1 Std. sich selbst überlassen und dann wieder centrifugirt. Volum des Epithels nach einer Salzlösungen Einwirkungsdauer von !/, Stunde 1!/, Stunde NaCl 0-7 Procent | 718 | 78 » 0-9 es To 70-5 ss 1-2 33 62-5 62 1.5 s | 58 58 EINFLUSS VON SALZLÖSUNGEN AUF DAS VOLUM THIERISCHER ZELLEN. 449 Aus dieser Tabelle geht hervor, dass das Volum des Epithels regel- mässig und auch bedeutend abnimmt mit der Steigerung der Salzconcen- tration, und dass, im Gegensatz zu dem, was wir beim Tracheaepithel beobachteten, die nach 1'/,stündiger Einwirkung erhaltenen Zahlen an- nähernd dieselben sind, als die, welche nach Einwirkung einer halben Stunde gefunden wurden. Auf Grund analoger Ergebnisse bei den rothen und weissen Blut- körperchen und Spermatozoen schlossen wir früher,! dass diese Zellen aus zwei Substanzen bestehen, welche sich Angesichts des wasseranziehenden Vermögens verschieden verhalten: eine protoplasmatische Substanz, welche am wasseranziehenden Vermögen der Zelle nicht betheiligt ist und eine intracelluläre und intranucleäre Flüssigkeit, welche das ganze Wasser- anziehungsvermögen der Zelle repräsentirt. Mittels einer einfachen Rech- nung war es dann möglich, das Verhältniss der Volumina von protoplas- matischer und intracellularer inel. intranuclearer Substanz festzustellen. Und die an derselben Zellenart bei Anwendung verschiedener Salzlösungen erhaltenen Zahlen stimmten gut mit einander überein. Berechnen wir dieses Verhältniss auch hier, z. B. aus der ersten Zahlen- spalte, so bekommt man, wenn p die protoplasmatische Substanz vorstellt und die NaCl-Lösung von 0-9 Procent als die physiologische betrachtet wird, Folgendes: | Volum des Proto- | yj; Boden- plasmagerüstes p N Mittlerer Procentgehalt Salzlösungen | satz- gun ee des Epithels an | volum berechnet en Protoplasmagerüst | aus gerüstes a) NaCl 0-7 Proc.| 78 |aundd | 40-5 | b) 0».0:8 0.) 70 ja 0140-8 40a.) 20% 100 57:7 Proc. Deal 20, 62:5 6 5.20.40 70 d), », 1-5 „| ;58 | Aus dieser Tabelle ersieht man: 1. dass die Werthe von p, berechnet aus den mittels verschiedener Salzlösungen erhaltenen Zahlen, sehr gut mit einander übereinstimmen; 2. dass die Grösse des aus p berechneten Werthes, 57-7 Procent für den Procentgehalt der protoplasmatischen Sub- stanz, erinnert an die für den Protoplasmagehalt der rothen und weissen Blutkörperchen des Pferdes erhaltenen Zahlen.? 1 Vgl. Sitzungsber. d. königl. Akad. d. Wissensch. Amsterdam. 25. Mai 1898. — Dies Archiv. 1898. Physiol. Abthlg. S. 323. ® Dies Archiv. 1898. Physiol. Abthlg. 8.331 u. s. w. Archiv f. A. u. Ph. 1899. Physiol, Abthlg. Suppl, 29 450 H. J. HAMBURGER: Von den ausgeführten Experimenten erwähne ich noch zwei mit Harn- blasenepithel des Schweines und zwei mit Harnblasenepithel des Pferdes. DEE Ta V Volum des Epi-) _Volum des | Mittleres thels(Schwein) Erotoplasma-] | Tyolum | Mittierer Procentgehalt nach einer gerüstes des Salzlösungen Einwirkungs- Basen Proto: des Blasenepithels dauer von in es ei plasma- | an Protoplasmagerüst /,Std.|2 Std.| aus | gerüstes Versuch LVIM. a) NaCl 0-7 Proc. | 94 94 laundd 47-2 | b)E01029° 311,837 1183770 2,0 542:81| 1546 28 x 100 = 55-4 Proc. Da 35 aTaer NDead 6 83 d) „ 1-5 E}) 69 69-5 Versuch LVI. a) NaCl 0-7 Proc.| 85-5 | 85 a undd| 39-5 ) » 09 „ |74 | 75/0 „ ejatı| 40.7 | 07 x 100 = 55 Proc. So, ee Aller BT Rbe cd. | Ale5 74 a ee lern Arcor | Das Resultat dieser beiden Versuche stimmt mit dem des Versuches LVI überein; stellt sich doch heraus: 1. dass, wie die Vergleichung von Spalte IIa und IIb lehrt, innerhalb einer halben Stunde das Volum des Epithels sich eingestellt hat und eine längere Einwirkung der Salzlösung auf das Epithel keine Volumsänderung herbeiführt; man darf daraus schliessen, dass die Volumsänderungen nicht darum so gross ausgefallen sind, weil, wie das beim Flimmerepithel der Fall war, den Salzlösungen, um in die Zellen hereinzudringen, nicht genug Zeit zur Verfügung stand, sondern weil die Zellen für NaCl nicht oder wenig durchgängig sind; 2. dass, wie aus Spalte III hervorgeht, die Volumina des Protoplasmagerüstes, aus Versuchen mit verschiedenen Salz- lösungen berechnet, gut mit einander übereinstimmen; 3. dass der mittlere Procentgehalt des Protoplasmagerüstes (Spalte V) in den beiden Versuchen gut mit einander überein- stimmt. Jetzt noch ein paar Versuche mit Blasenepithel des Pferdes. EINFLUSS VON SALZLÖSUNGEN AUF DAS VOLUM THIERISCHER ZELLEN, 451 Bra FAN v |Volum desEpi-| _Volum des Mittleres | thels (Pferd) Br Ban Volum | Mittlerer Procentgehalt Solala | nach einer gerüstes des F Salzlösungen | Einwirkungs- | berechnet aus Bo des Blasenepithels dauer von a an 1a plasma- | au Protoplasmagerüst I, Std.|2Std.| aus gerüstes Versuch LXV, a) NaCl 0-7 Proe. | S1 32 Jaundd 35 ) » 0:9 „| 72 |78 0 „088 | 99:7 2 %x 400= 47 Proo. Oster ern he, 08 72 ) . 15 „|| 56-5 | 56-5 Versuch LXVI a) NaCl 0-7 Proe. | 92-5 | 92 la undd| 45-6 b) „ 0:9 „ | 82 182 ja, o|481| 494 | 2400. 2:56:68 Proe. Oi a a 74 |b, d[l4s7 82 de. len 28 11.6728. | 67 | In diesen beiden Versuchen stimmen die durch verschiedene Salz- lösungen erhaltenen Zahlen gut mit einander überein. Der Procentgehalt des Epithels an Protoplasmagerüst aber ist im ersten Versuche sehr klein. Es entstand nun der Gedanke, zu untersuchen, inwieweit bei dem- selben Individuum Uebereinstimmung zu beobachten sein würde zwischen dem procentischen Protoplasmagehalt des Blasenepithels und dem der rothen Blutkörperchen. Durch äussere Umstände war es schwierig, Blasenepithel von frisch getödteten Pferden zu bekommen. Die meisten der betreffenden Unter- suchungen sind darum an Material vom Schwein ausgeführt worden. Da die Centrifuge nur 4 Röhrchen enthalten konnte, so haben wir nur mit zwei Salzlösungen gearbeitet, und zwar mit einer O-Tprocent. und einer 1.5procent. NaCl-Lösung. Für beide Zellenarten berechneten wir dann den procentischen Volumunterschied. Versuch LXVIH. sälzla n Volum der Procentischer E ZT Sedimente Volumsunterschied a) NaCl 0-7 Proc. i 96 96 — 69 Se , m————— =. °1 RB . Den Blasenepithel 69 69 x 100 5 rocC ec) NaCl 0-7 Proc. | 2 134 134 — 96 N, Ä _——— = Zt :4 "06; ee rothe Blutkörperchen 96 130 X 100 | 8.4 Proc 29* 452 H. J. HAMBURGER: Wenn man annimmt, dass die intracellulare Flüssigkeit des Blasen- epithels isotonisch ist mit der der rothen Blutzellen, so geht also aus diesem Versuche hervor, dass bei demselben Individuum der Procentgehalt an protoplasmatischem Gerüst bei Blasenepithel und rothen Blutkörperchen auf treffende Weise übereinstimmen. Nach demselben Plane sind noch die folgenden Versuche ausgeführt worden. & a Volum der | Procentischer zalzlösungen ı Sedimente Volumsunterschied Versuch LXIX. a) NaCl 0-7 Proc. ß 118 118 — 87 2 ee Blasenepithel 87 em 2 100 = 26-3 Proc. c) NaCl 0-7 Proc. 3 89-5 89-5—65 i en rothe Blutkörperchen 65 So.B0 X 100 = 27-4 Proe. Versuch LXX. a) NaCl 0-7 Proc. 4 85-5 85.5—61 ae ae | Blasenepithel | x 100= 28-6 Proc, c) NaCl 0-7 Proc. Ei | 94 94— 69.5 Br £ re rothe Blutkörperchen 69:5 54 x 160 = 26-1 Proe. Versuch LXXI a) NaCl 0-7 Proc. 94 94 — 69 un Korer Arrı Blasenepithel = > x 100 = 26-6 Proc, c) NaCl 0-7 Proc.) | ve 105 105 — 78 et De rothe Blutkörperchen 78 105 100 =.25-4 Pıoe. Versuch LXXH. a) NaCl 0-7 Proc. A 120 120 — 89 En Da Blasenepithel 89 0% 100 = 25:9 Proc. c) NaCl 0-7 Proe. | _ B 107 107—77-5 ERE N De rothe Blutkörperchen 75. AorT % 100 = 27-5 Proc. Versuch LXX. a) NaCl 0-7 Proc. h 107 | 107 — 96 a Blasenepithel 36 | 1or X 100.=10:3 Proc c) NaCl 0-7 Proc. N he) | 119 — 88 RS ee rothe Blutkörperchen 88 agem x 100 = 26-1 Proc. Versuch LXXIV. a) NaCl 0-7 Proc. i 97 EN or Dee Blasenepithel 72 oT 100 = 25-7 Proc ec) NaCl 0-7 Proe. | _ DS 68 68—48-75 3 I rothe Blutkörperchen 18:75 | Swrasnen x 100 = 28-6 Proc. EINFLUSS VON SALZLÖSUNGEN AUF DAS VOLUM THIERISCHER ZELLEN. 453 z a Volum der | Procentischer Salzlösungen Sedimente | Volumsunterschied Versuch LXXV. a) NaCl 0-7 Proe. \ 108 108 — 94 A Blasenepithel 94 = 108077% 100 = 13 Proc. 5 er ke Proc. rothe Blutkörperchen Be ne x.100 = 26 Proc. Versuch LXXV1 2 DT FOR Biasenepithel | 5 | x 100 = 17-9 Proc. ı nn ne = rothe Blutkörperchen I nn u x 100 = 29 Proc. Betrachtet man die Tabellen, so ergeben sich folgende Resultate: 1. Ganz in Uebereinstimmung mit den früher bei Pferde- blut gefundenen, sind auch bei den rothen Blutkörperchen des Schweines die durch Salzlösungen herbeigeführten Volumsver- änderungen für verschiedene Individuen nahezu dieselben. Die durch NaCl 0-7 Procent und 1-5 Procent verursachten Volum- differenzen bewegen sich zwischen 25-4 Procent und 29 Procent. 2. Diese Differenzen entsprechen in den meisten Fällen den beim Blasenepithel gefundenen (25-7 Procent bis 28-6 Procent). 3. In den Versuchen LXXII, LXXV und LXXVI aber wird die Uebereinstimmung zwischen der Volumsänderung von Blasen- epithel und Blutkörperchen vermisst; in denExperimenten LXXIII und LXXV namentlich beträgt die Volumsänderung für das Blasenepithel bloss F0.3 und 13, während dieselbe in Ver- such LXXVI 17.9 Procent beträgt. Diese drei Abweichungen lassen sich aber dadurch erklären, dass, wie die mikroskopische Untersuchung lehrte, in den beiden ersten Ver- suchen fast alle und in Versuch LXXV ein grosser Theil der Kerne frei lagen, während die Zellenleiber in Körnchen aus einander gefallen waren, so dass in den Versuchen LXXIII und LXXV die Volumsänderungen ausschliesslich herbeigeführt wurden von den Kernen und im Versuch LXXVI von den Kernen und den nicht zerfallenen Zellleibern. Dass nun in der That auch die Kerne des Blasenepithels an den Volumsänderungen betheiligt sind, hat sich unzweifelhaft herausgestellt aus mikroskopischen Messungen der Dimensionen. 454 H. J. HAMBURGER: Mikroskopische Messung der Kerne. Zu diesem Zwecke wurde die Blasenmucosa eines eben getödteten Schweines abgespült mit NaCl 0-9 Procent; dann wurde die Schleimhaut abgeschabt, das Epithelium vertheilt in ein wenig NaCl 0-9 Procent und von diesem Gemisch ein wenig versetzt mit NaCl 0-5, 0-7 und 2.4 Procent. Die Länge und Breite stimmten ziemlich genau mit einander überein; trotzdem wurden doch beide Dimensionen gemessen und von beiden der Mittelwerth genommen. Die Messungen geschahen mittels Ocularmikrometer 2!/,, Obj. F Zeiss. Versuch LXXVI. “ 5 Gesammtdimension von Totaldimension von Saul zul pissunigien je 30 Kernen 120 Kernen "NaCl 0-5 Procent 290-—295—297—298 ; 1190 55 0-7 3 282 —294—274—292 1142 5 0:9 nn 266—273—275—272 1086 A 232-2U—246—240 959 Man sieht, dass die Dimensionen der Kerne abnehmen mit der Concentrationszunahme der Salzlösungen. Versuch LXXVI. Dieser Versuch ist auf dieselbe Weise angestellt wie der vorige. Es ist ein anderes Thier. Salzlö Gesammtdimension von Totaldimension von en je 80 Kernen 120 Kernen NaCl 0:7 Procent 249—240—246— 247 982 EN 1°5 8 238—229 — 237 —231 935 2. 2°4 5 255 —246—243— 250 994 Dieser Versuch zeigt, ebenso wie der vorige, dass die Dimension der Kerne kleiner ist in einer 1.5 procent. als in einer 0-7 procent. NaCl-Lösung. Im Gegensatz damit stellte sich aber heraus, dass in der NaCl-Lösung von 2.4 Procent die Kerne am grössten sind. Höchstwahrscheinlich haben dieselben aber in letzterer Lösung eine wesentliche Veränderung erfahren, denn sie erscheinen sehr hlass und zeigen hier und da eine wellenförmige, d. h. abnormale Begrenzung. Die Bilder erinnern an die, welche man beobachtet, wenn rothe Blutkörperchen, insbesondere Froschblutkörperchen in starken NaCl-Lösungen verweilt haben (NaCl-Lösungen von 2 bis 3 Proe.). Auch die Blutkörperchen quellen dann zu grossen blassen Kugeln an. Ich will noch ein paar Versuche mit NaCl 0-7, 1 und 1-5 Procent erwähnen. Im letzteren Versuche sind nur freiliegende Kerne gemessen, EINFLUSS VON SALZLÖSUNGEN AUF DAS VOLUM THIERISCHER ZELLEN. 455 Q e Er Gesammtdimension von | Totaldimension von Salzlösungen je 30 Kernen 120 Kernen Versuch LXXRX. NaCl 0-7 Procent 270—271—276— 269 1086 ; 1-0 3 262 —259—254— 265 1050 ss 1-5 5 250 - 246—251— 244 991 Versuch LXXX. NaCl 0-7 Procent 254—259—253— 263 1029 AR 1-0 er 251—248— 246— 249 994 ER 1°5 55 239 —242 — 2335 — 240 959 Aus diesen Versuchen geht deutlich hervor, dass die Dimension der Kerne abnimmt mit der Concentrationszunahme der umgebenden Salzlösungen. Man darf also schliessen, dass, wenn das abgeschabte Blasenepithel in nicht zerfallenem Zustande verkehrt, die durch Salzlösungen herbeigeführten Volumsänderungen genau übereinstimmen mit den bei den entsprechenden rothen Blutkörperchen beobachteten. Nun könnte man die Bemerkung machen, dass bei der Entfernung des Epithels doch wohl immer ein gewisser Theil der Zellen lädirt werden muss. In der That ist diese Möglichkeit auch nicht auszuschliessen. In- dessen lehrt das Experiment, dass diese Läsionen, wobei z. B. ein Theil des Zellenleibes abgerissen wird, auf das Resultat der Bestimmungen keinen wesentlichen Einfluss ausüben. Wenn man nämlich abgeschabtes Blasenepithel mit einem scharfen Räsirmesser während einer halben Stunde hackt, so wie man dies zur An- fertigung von Netzhautpräparaten zu thun pflest, und man prüft nachher den Einfluss von Salzlösungen auf das Volum, so stellt sich heraus, dass das Hacken nur einen geringen Einfluss auf letzteres ausgeübt hat, Ich lasse zum Beweise drei Versuche folgen. Versuch LXXXL Blasenepithel des Schweines vertheilt man in wenig NaCl 0-9 Procent; ein Theil des Gemisches wird mit scharfem Rasirmesser eine halbe Stunde ge- hackt; dann werden gleiche Quantitäten dieser gehackten Masse mit gleichen Volumina einer 0.7 procentigen und 1-5 procentigen NaÜCl-Lösung versetzt; genau dasselbe wird gethan mit dem nicht gehackten Theile. R - Volum | Procentischer a0 ssurigsen des Epithels Volumsunterschied a) NaCl 0-7 Proe. | h e 85 7 85 — 66 2085 De gehackt | 66 > 100 = 22-3 Proc. ce) NaCl 0-7 Proe. | | 94 | 94 — 69 | nicht gehackt x 100 = 25-5 Proc, De er RN 69 | 69. 456 H. J. HAMBURGER: Salsiosungen | vr 3 Ion 1 ae u |“ m me 2 NEO nicht, gehackt a BI TEL x 100 = 28-6 Proc. Versuch LXXXILI. N 3 “ sn Mt N In x 100 = 23-5 Proc. ne Ss Se nicht gehackt 2 — x 100 = 27 Proc. Man sieht, dass nach dem Hacken der Volumsunterschied des Epithels in NaCl 0-7 und 1-5 Procent fast ebenso gross ist wie zuvor. Wie ich sehe, kann das nur daher rühren, dass der Zellleib des Blasenepithels nach der Vorstellung Bütschli’s! aus einem protoplasmatischen Schaum besteht, dessen Waben geschlossen sind und die intracellulare Flüssigkeit enthalten. Nach dieser Vorstellung liegt es auf der Hand, dass, wenn man eine der- artige Zelle durchschneidet, zwar viele Waben geöffnet werden, dass aber jede der zwei Hälften wieder ein feines geschlossenes Wabenwerk bilden. Wenn alle Waben mit einander communicirten, so würde nach einer Durchschneidung oder einer anderen Läsion der Zelle die intracellulare Flüssigkeit sich vermischen mit der umringenden Salzlösung, und der Zellenleib würde nicht mehr quellen oder schrumpfen. Wenn das nun nach dem Hacken doch geschieht, so ist das umgekehrt eine Stütze für die Wabenstructurhypothese Bütschli’s. Indessen leuchtet es ein, dass, wo eine Anzahl von Waben geöffnet worden sind, der durch Salzlösungen herbeige- führte Volumsunterschied etwas kleiner ausfallen muss, als wenn die Zellen unversehrt sind, was denn auch aus den Versuchen LXXXI bis LXXXIll deutlich hervorgeht. Wie man aber auch über die Interpretation der aufgefundenen That- sachen denken mag, jedenfalls ist man berechtigt, daraus zu schliessen, dass, wenn das Volum des abgeschabten Epithels sich wenig beeinflussen lässt sogar durch langwährendes Hacken, die Beleidigung der Zellen durch ein- faches Abschaben noch weniger Einfluss auf das Volum ausüben wird. Doch sieht man zuweilen, wie gesagt (wie in den Versuchen LXXIII, LXXV und LXXVI), bei anscheinend gesunden Blasen, dass nach ein- facher Entfernung. des Epithels und Versetzung mit NaCl 0.9 Procent der ! Bütschli, Untersuchungen über mikroskopische Schäume und über das Proto- plasma. Leipzig 1882. EINFLUSS VON SALZLÖSUNGEN AUF DAS VOLUM THIERISCHER ZELLEN. 457 ganze Zellenleib in Körnchen zerfällt. Warum das geschieht, vermag ich nicht zu erklären. Handelt es sich hier etwa um einen besonderen Zu- stand des Epithels? Vielleicht wird die Bemerkung gemacht werden, dass auch nach langem Hacken die Zellen wohl in eine Körnchenmasse verändert sein werden. Das ist aber — man kann sich durch das Mikroskop leicht davon überzeugen — keineswegs der Fall. Ich denke, dass es daher rührt, dass die Zellen so leicht unter dem Rasirmesser hinwegschlüpfen. Als allgemeines Endresultat der über das Blasenepithel angestellten Versuche ergiebt sich, dass die Zellen sich mit Bezug auf Permeabilität und Volumsänderung gegenüber Koch- salzlösungen verhalten wie die rothen und weissen Blut- körperchen. IV. Oesophagusepithel. Wir wünschten nun noch eine Epithelsorte zu untersuchen, an welcher ebenso wie am Blasenepithel eine Undurchgängiekeit für Salz erwartet werden konnte. Hierzu prüften wir das Epithelium des Oesophagus, ein Organ, welches ebenso wenig wie die Blase auf Resorption angewiesen ist. Was man hier abschabt, sind sehr grosse, meist platte Zellen, in welchen nicht selten eine bedeutende Zahl runde und ovale Körnchen vor- handen ist, welche den Eindruck machen, Bakterien zu sein und sich auch mit alkalischen Anilinfarbstoffen intensiv tingiren lassen. In vielen Fällen gelang es nicht, eine genügende Quantität zu entfernen, denn die Zellen pflegen fest an einander und an der Unterlage zu haften. Die Experimente wurden auf dieselbe Weise ausgeführt wie beim Darm-, Trachea- und Blasenepithel. Ich lasse hier einige Versuche folgen. Versuch LXXXIV. Oesophagusepithel eines frisch getödteten jungen Hundes, vertheilt in ein wenig Hundeserum; nachher in Lösungen von NaCl 0-7, 0-9, 1-2 und 1-5 Procent. Einwirkung !/, Stunde; dann centrifugirt. Salzlösungen | Volum des Epithels 3) NaCl 0-7 Brocensr mu 2.02: | 44*5 Des ee 38-5 a N EN 33 ara ie a a RO TE] 30-5 Also eine regelmässige und bedeutende Abnahme des Volums bei Steigerung der Salzceoncentration, 458 H. J. HAMBURGER: Stellt man sich auch hier wie bei den Blutkörperchen und dem Blasenepithel vor, dass die Zelle aus einem protoplasmatischen Gerüst be- steht, welches für NaCl impermeabel ist und am wasseranziehenden Ver- mögen keinen Antheil hat, und einer zwischen dem Gerüst eingeschlossenen intracellularen Flüssigkeit, welche das ganze wasseranziehende Vermögen repräsentirt, so lässt sich aus den beobachteten Volumina das Volum des Protoplasmagerüstes berechnen.” Und dann erhält man für das Proto- plasmagerüst aus: aundd . . . 18.2 Procent anundee: te. long, d.i. im Mittel 17-9 Procent, brund den En 18H; d.i. auf b= 88-5 Procent . . . 17° x 100 = 47 Procent, 38-5 aus welcher Berechnung man ersieht: Erstens, dass die mit verschiedenen Salzlösungen gewonnenen Zahlen nahezu dasselbe Volum für das Protoplasmagerüst aufweisen. Zweitens lehrt der Versuch, dass der mittlere Procentgehalt des Epithels an Protoplasmagerüst (47 Procent) von dem der entsprechenden rothen Blutkörperchen nicht bedeutend abweicht. Der folgende Versuch ist eine Wiederholung des vorigen. Versuch LXXXV. n : 1 Vol des Proto- i | ' Volum a ee „| Mittl. Vol. Procentgehalt Salzlösungen || des |? „serüsie® | des Proto- | ges Oesophagusepithels : |Epithels berechnet LASER an Protoplasmagerüst | P | aus gerüstes | > a) NaCl 0-7 Proc.| 66-5 | a und d | 28 b) 09 . BSch a e | 26-9 27-7 2 # = 277 —— x 100 = 47-4 Proc. 0) 2.12 50 IB 200 lo7:2 58-5 ° ax us Lebe 16 Dieser Versuch giebt dieselben Resultate wie der vorige. Ebenso wie beim Blasenepithel, haben wir hier eine Anzahl von Ex- perimenten angestellt, um zu untersuchen, inwieweit bei demselben Indivi- duum Uebereinstimmung zu beobachten sein würde zwischen dem procen- tischen Protoplasmagehalt des Oesophagusepithels und dem der rothen Blutkörperchen. Wie gesagt, ereignete es sich oft, dass wir das Experiment nicht aus- zuführen im Stande waren, weil die Epithelzellen zu fest an der Unterlage oder an einander hafteten. ı Vgl. Dies Archiv. 1898. Physiol. Abthlg. 8. 324. EINFLUSS VON SALZLÖSUNGEN AUF DAS VOLUM THIERISCHER ZELLEN. 459 3 = Volum der | Procentischer Se nn Sedimente Volumsunterschied Versuch LXXXVL ® NaCl = Proc. Sa . |42 u 2100 = 84-5 Pro. e) NaCl 0-7 Proc.) _ Ce | 64 164 — 315 a en Re: rothe Blutkörperchen 31.5 Deine 100 = 50-8 Proc. A Versuch LXXXVI. x NaCl ns Proe. nl En I _ x 100 = 53-9 Proc. c) NaCl 0-7 Proc. | | ER | 72.5 [72-5 — 33 Bi, I rothe Blutkörperchen 38 as 2 100 = 54-4 Proc. Versuch LXXXVII. en) Omggnpit | 2° Mean asnne ec) NaCl 0-7 Proc.) „| ed 69 69 — 35 er ee NE rothe Blutkörperchen 35 I x 100 = 49-3 Proc. Versuch LXXXIX. T Arm Dr s BR a ee c) NaCl 0-7 Proc. | 2 59-5 59-5 — 26-5 e 5 De rothe Blutkörperchen 96-5 50.5 x 100 = 55-4 Proc. Versuch XC. Y +7 . | Be 5 ) Sarnen san 22. Ex 1m = 50 Proe. N er, 3 | — 39.5 s Re] w =20c rothe Blutkörperchen s | 2 no x 100 = 54-2 Proc. E}) EE} I Versuch XCL DACHTE) Dame | 63 SECHS 20a Poe 0) NaCl 0:7 } = 1 an n Zoe rothe Blutkörperchen 3 N 57 ar x 100 = 57-7 Proc. Versuch XCH. Y 7 56 — 2 r nad “ Eoo: rothe Blutkörperchen = | x 100 = 58-9 Proc. Versuch XCH. N Y ) .7 | .5 A 2 ige vr a rothe Blutkörperchen | en | a on 2 x 100 = 53-3 Proc. 460 H. J. HAMBURGER: Betrachtet man die Tabellen, so ergeben sich folgende Resultate: 1. In den Versuchen LXXXVII, LXXXVIII, XC, XCII und XCIII stimmt der Volumsunterschied des Oesophagusepithels in NaCl 0-7 Procent und 1-5 Procent mit dem der entsprechenden rothen Blutkörperchen überein. 2. In den übrigen drei Versuchen LXXXVI, LXXXIX und XCI aber zeigt das Oesophagusepithel einen viel geringeren Volumsunterschied als die entsprechenden Blutkörperchen. Woher dieser Gegensatz? Handelt es sich sub 2. vielleicht um einen Zerfall des Zellkörpers, wie derselbe auch beim Blasenepithel zu beobachten war? Davon war nicht die Rede. Eine aufmerksame Studirung der Versuchsprotocolle hat den Gegensatz auf befriedigende Weise aufgeklärt. Es fiel mir nämlich in den Notizen auf, dass gerade bei den letztgenannten drei Experimenten in den Zellen eine grosse Quantität Körnchen vorhanden gewesen war (vgl. S. 457), in den sub 1. angeführten Versuchen dagegen nicht oder nur sehr wenig. Nun liegt es auf der Hand, dass, je mehr der Raum der intracellularen (wasseranziehenden) Flüssigkeit von Körnchen eingenommen wird, desto geringeren Einfluss die Salzlösungen auf das Zellenvolum ausüben werden. Wenn also im Oesophagusepithel keine besonderen Ablage- rungen vorhanden sind, so verhalten sich die Zellen gegenüber Kochsalzlösungen ebenso wie die Blutkörperchen und das Blasenepithel. Was diese Ablagerungen bedeuten, vermag ich nicht zu sagen, ebenso wenig, an welche Umstände das Vorkommen geknüpft ist. Kritik, Zusammenfassung und Discussion. Als die Absicht bei mir entstand, den Einfluss von Salzconcentrationen auf das Volum von Epithelzellen zu untersuchen, wurde es bald deutlich, dass von quantitativen Bestimmungen an den Zellen in situ nicht die Rede sein konnte, sondern dass die Experimente ausgeführt werden mussten an isolirten oder höchstens zu kleinen Aggregaten zusammengefügten Zellen. Zu diesem Zwecke waren wir wohl eenöthigt, die Zellen durch vorsichtiges Abschaben von der Unterlage zu entfernen. Ich muss aber gestehen, dass ich nicht ohne Widerwillen an diese Methode herantrat. Liegt nicht die Möglichkeit, sogar die Wahrschein- EINFLUSS VON SALZLÖSUNGEN AUF DAS VOLUM THIERISCHER ZELLEN. 461 lichkeit vor, dass man beim Abschaben auch andere Gewebstheile entfernt und weiter eine Anzahl der doch zarten Epithelzellen beschädigt? Was den ersten Punkt anbetrifft, nämlich das Vorhandensein von anderen Gewebstheilen zwischen der Epithelmasse, so braucht man darüber nicht im Unklaren zu bleiben; das Mikroskop kann unmittelbar darüber Aufschluss geben. Ich habe denn auch keinen Versuch angestellt, wobei ich mir, auch aus anderweitigen Gründen, nicht die allerdings geringe Mühe gab, ein oder mehrere Präparate der zu centrifugirenden Gemische unter dem Mikroskope zu betrachten. Und nun hat es mich wirklich frappirt, wie wenig Gewebsfetzen in den Präparaten zu erkennen waren. Was aber gar nicht selten vorkam, war eine sichtbare Beschädigung der Zellen, wodurch sogar oft Kerne frei gekommen waren. Nun haben wir in dieser Hinsicht einen wesentlichen Unterschied zu machen zwischen den Fällen, wo das Protoplasmagerüst aller oder fast aller Zellenleiber, selbst nach sorgfältigster Abschabung und vorsichtiger Ver- mischung mit den Salzlösungen in Körnchen zerfällt, so dass schliesslich nur freie Kerne und Protoplasmakörnchen vorhanden sind (vgl. S. 453), und den Fällen, dass unter den nämlichen Manipulationen nur ein kleiner Theil der Zellen sichtbar lädirt worden und von einem Zerfalle in Körn- chen absolut nicht die Rede ist. Wie sich herausgestellt hat, übt in den ersteren Fällen die Disgregation des Protoplasmagerüstes einen be- deutenden verkleinernden Einfluss auf den Betrag der durch Salzlösungen herbeigeführten Volumsänderungen aus. Und das liegt auf der Hand, denn es sind dann bloss die Kerne, welche schrumpfen und quellen, während die Körnchenmasse, welche sich an den Volumsänderungen nicht betheiligt, dadurch die Totalschwankungen hinabdrückt. Ich glaube aber nicht, dass in der zweiten Reihe von Fällen die Läsion der Zellen einen bedeutenden Einfluss auf die Volumsschwankungen aus- geübt haben wird: 1. weil die Resultate in verschiedenen Versuchen gut mit einander übereinstimmen; 2. weil sich herausgestellt hat, dass, wenn man Blasenepithel lange Zeit mit einem scharfen Rasirmesser hackt, der durch NaCl 0-7 und 1°5 Procent herbeigeführte Volumsunterschied nahezu ebenso gross bleibt, wie wenn der Versuch mit dem ursprünglichen Epithel angestellt wäre! (vgl. S. 455). Ob man es nun mit der ersteren, oder mit der letzteren Reihe von Fällen zu thun hat, darüber kann das Mikroskop unmittelbar belehren. 1 Dieses Resultat scheint mir, wenigstens für das Blasenepithel, eine Stütze zu bilden für die Bütschli’sche Vorstellung betreffs der Wabenstructur (vgl. S. 456). 462 H. J. HAMBURGER: Nach diesen kritischen Bemerkungen seien die Hauptergebnisse er- wähnt, zu welchen die vorliegenden Untersuchungen geführt haben. Dieselben sind kurz die folgenden: 1. Die vier untersuchten Epithelsorten schrumpfen durch hyperisotonische und quellen durch hypisotonische NaCl- Lösungen. Beim Darm- und Tracheaepithel sind die Volumsänderungen gering, beim Blasen- und Oesophagusepithel dagegen bedeutend. 2. Letztere Thatsache lässt sich dadurch erklären, dass beim Darm- und Tracheaepithel ausschliesslich der Kern, beim Blasen- und Oesophagusepithel auch der Zellkörper an den Volumsänderungen betheiligt ist. Mit anderen Worten: Der Zellkörper der beiden ersten Epithelsorten ist für Kochsalz durchgängig, der der beiden letzteren nicht. Es steht dies wieder in Einklang mit dem bedeutenden Resorptions- vermögen von Darm und Trachea einerseits und dem geringen Resorptions- vermögen von Blase und ÖOesophagus andererseits. 3. Zuweilen zeigt sich das Darmepithel im Gegensatz mit den unter 1. und 2. Erwähnten für Kochsalz wenig permeabel. Das rührt daher, dass das Epithel dann in einem besonderen physio- logischen Zustand verkehrt: nicht selten gelang es, denselben künstlich hervorzurufen (vgl. S. 437). 4. Aus dem Betrag der durch verschiedene NaCl-Lösungen herbeigeführten Volumsänderungen lässt sich ebenso wie das früher geschah bei den rothen und den weissen Blutkörperchen, auch beim Blasen- und beim Oesophagusepithel das Verhältniss zwischen dem Volum von Protoplasmagerüst (incl. Kerngerüst) und von intracellularer (inel. intranuclearer) Substanz berech- nen (vgl. 8.449 ff. und S. 458 ff). 5. Vergleicht man dann die bei den zwei Epithelsorten ge- wonnenen Zahlen mit denen, welche wir bei den Blutkörperchen desselben Thieres erhielten, so ergiebt sich eine merkwürdige Uebereinstimmung. So betrug beim Blasenepithel des Schweines die Volumdifferenz der Gerüstsubstanz in NaCl 0-7 und 1-5 Procent 25-7 bis 28.6 Procent, während dieselbe bei den rothen Blutkörperchen derselben Thierspecies 25.4 bis 29 Procent betrug (vgl. S. 452 fl.). EINFLUSS VON SALZLÖSUNGEN AUF DAS VOLUM THIERISCHER ZELLEN. 4683 Bringt man nun die im vorliegenden Aufsatze beschriebenen Resultate mit den in der ersten Mittheilung! erzielten zusammen, so erblickt man also, dass das procentische Gerüstvolum der weissen Blutkörperchen, der Spermatozoa, des Blasen- und ÖOesophagusepithels in treffender Weise über- einstimmt mit dem Gerüstvolum der entsprechenden rothen Blutkörperchen, und man fragt sich, ob es sich hier nicht um eine allgemeine Erscheinung handelt, welche also auch für andere Zellen des Körpers Gültigkeit besitzt. Bei dieser Frage denke ich unwillkürlich zurück an die Befremdung, welche während der Untersuchungen die aufgefundene Uebereinstimmung, bei jeder Zellenart auf’s Neue, bei mir erweckte. Schon fing die Befrem- dung damals an bei der Vergleichung der rothen und weissen Blut- körperchen, zwei Zellenarten, welehe einander äusserlich absolut nicht gleichen, die eine homogen und kernlos, die andere körnig und kernhaltend. Ich war denn auch sehr geneigt, die procentische Gleichheit des Proto- plasmagerüstes einem Zufalle zuzuschreiben: vielleicht hatte der Kern der Leukocyten ein dichteres, der Zellkörper dagegen ein dünneres Gerüst als das entsprechende kernlose Blutkörperchen, und waren die quantitativen Verhältnisse zufälliger Weise derart, dass schliesslich das Gesammtgerüst der Leukocyten mit dem Gerüst der Erythrocyten übereinkam. Als sich aber später herausstellte, dass die fast ausschliesslich aus Kernsubstanz bestehenden Spermatozoen des Frosches dasselbe Gerüstvolum besitzen, wie die grössten- theils aus Zellkörper bestehenden rothen Blutkörperchen derselben Thier- species, schien es mir doch wohl etwas gewagt, auch hier wieder an einen Zufall zu denken, und der Gedanke an einen Zufall verlor noch mehr an Wahrscheinlichkeit, als auch das Blasen- und das Oesophagusepithel dasselbe procentische Gerüstvolum zeigte, wie die entsprechenden Erythrocyten. Bei diesem Sachverhältnisse blieb nichts Anderes übrig, als die Hypo- these aufzustellen, dass Kern und Zellkörper ein entsprechendes procentisches Gerüstvolum besitzen; zu dieser Hypothese waren wir um so mehr be- rechtigt, da es sich durch directe mikroskopische Messungen herausgestellt hatte, dass auch der Kern an den durch Salzlösungen herbeigeführten Volumsänderungen betheilist ist (S. 443, 447, 451). Nun wird es Vielen ganz natürlich erscheinen, dass das Gerüstvolum einer Tochterzelle mit dem der Mutterzelle übereinstimmt, wenn die Tochter- zelle nämlich auf dieselbe Function angewiesen bleibt, wie die Mutter- zelle. Wo aber, wie man das ja bei der embryonalen Entwickelung fort- während beobachtet, letzteres nicht der Fall ist, da wird genannter Befund wohl als ein ganz unerwarteter betrachtet werden. So muss ich gestehen, ! Dies Archiv. 1898. Physiol. Abthlg. S. 339. 464 H. J. HAMBURGER: dass es mich beim ersten Anblick sogar befremdet hat, dass z. B. das. platte Oesophagusepithel dasselbe procentische Gerüstvolum aufweist, wie die rothen und weissen Blutkörperchen. Lag es nicht auf der Hand, bei der platten Gestalt des Öesophagusepithels an eine Zusammenpressung und im Zusammenhange damit an eine Dichtevergrösserung des Gerüstes zu denken? Bei näherer Betrachtung wurde es mir aber deutlich, dass von einer durch die Function herbeigeführten Zusammendrückung nicht die Rede sein kann, denn man findet die platte Gestalt bereits während der embryo- nalen Entwickelung, und zwar nicht nur beim Oesophagus, sondern auch an der Haut, an der Cornea, an der Vaginalschleimhaut u. s. w. Und was wird man dann sagen müssen vom Pferdemagen, dessen innere Schleim- hautwand für einen grossen, scharf begrenzten Theil aus geschichtetem Piattenepithel besteht, von derselben Gestalt, wie es beim Oesophagus ge- funden wird, und für einen anderen Theil aus einschichtigem, hohem Cylinderepithel, welches dem Drucke des Mageninhaltes doch ebenso gut unterworfen ist, wie das Plattenepithel? Bei näherer Betrachtung scheint mir also kein genügender Grund vorhanden zu sein, die platte Gestalt des inneren Oesophagusepithels der Zusammendrückung zuzuschreiben. Welche dann wohl die physiologische Bedeutung der platten Form der inneren Schichten sein mag, kann ich nicht sagen, und das ist hier auch nicht nothwendig. Indessen — ich brauche kaum darauf hinzuweisen — wird man erst dann berechtigt sein, die Uebereinstimmung zwischen dem procentischen Gerüstvolum von Kern und Zellkörper und auch von den Zellen im Ganzen unter einander (desselben Thieres oder derselben Thierspecies) als eine allgemein gültige Erscheinung aufzufassen, wenn noch eine grosse An- zahl anderer Zellen in derselben Richtung untersucht sein und ein gleich- lautendes Resultat ergeben haben werden. Viele Zellen eignen sich zu diesen Untersuchungen nicht: Zellen, wie Darm- und Tracheaepithel, welche für Salzlösungen verschiedener Concentration permeabel sind, sind selbstver- ständlich ausgeschlossen. EINFLUSS VON SALZLÖSUNGEN AUF DAS VOLUM THIERISCHER ZELLEN. 465 Nachsechrift. Nachdem obige Abhandlung der Redaction zugegangen war, erhielt ich Kenntniss von einem Aufsatz von Koeppe,! in welchem meine erste Mit- theilung”? über diesen Gegenstand einer Kritik unterzogen wird. Träfe die- selbe zu, so würde sie auch nicht ohne Einfluss sein auf die Beurtheilung wenigstens eines Theiles der oben abgeleiteten Schlussfolgerungen. Koeppe macht drei prinzipielle Einwände: 1. Habe ich die Dissociation der Salze vollkommen ausser Acht gelassen; 2. sind Kochsalzlösungen verwendet, für. welche die rothen Blut- körperchen nicht absolut undurchgängig sind; 3. stimmen meine Werthe mangelhaft überein. Ich werde diese Einwände beantworten; erst den wichtigsten. I. Die für das Gerüst berechneten Werthe stimmen mangelhaft überein. Dieser Einwand ist ganz unberechtigt. Erstens macht Koeppe die Bemerkung, dass ich von 6 Werthen nur 3 anführe und gerade die, welche gut übereinstimmen, während bei den drei anderen Werthen, welche der Verfasser selbst berechnet, die Ueber- einstimmung nicht so günstig ist. In der That habe ich ausgewählt, aber nicht so, wie Koeppe meint; ich habe nämlich für die Berechnungen gerade die drei Versuchspaare gebraucht, bei welchen die Concentrationen möglichst weit aus einander lagen. Das geschah nicht von Zeit zu Zeit und nur dann, wenn mir die Resultate günstig auszufallen schienen, sondern, wie Koeppe bei näherer Betrachtung sehen wird, constant.” Von anderen Combinationen habe ich, auch für mich selbst, niemals Berechnungen ge- macht. Und das ist natürlich, denn es braucht kaum hervorgehoben zu werden, dass bei Anwendung von einander nahe liegenden Concentrationen ı H.Koeppe, Die Volumensänderung rother Blutscheiben in Salzlösungen. Dies Archiv. 1899. Physiol. Abthlg. 8. 504. °H.J. Hamburger, Ueber den Einfluss von Salzlösungen auf das Volum thierischer Zellen. Erste Mittheilung. Zbenda. 1898. Physiol. Abthlg. S. 317. ° In Koeppe’s Tabelle (S. 506) sind die Angaben meiner Tabelle III (8. 325) nicht richtig übergenommen worden. Ich berechnete: aus a und e 18-4, ausaundd 18-9, aus b und d 19-1 (nicht aus c und d). Archiv f. A. u. Ph. 1899. Physiol. Abthlg. Suppl. 30 466 H. J. HAMBURGER: ein kleiner Versuchsfehler einen relativ bedeutenden Einfluss auf das Re- sultat ausüben muss. ; Es ist wahr, vielleicht wäre es besser gewesen, dass ich diese Ueber- legung in meinen Aufsatz aufgenommen hätte. Es ist nicht unmöglich, dass bei der Feststellung und Ausführung der Methode noch mehr kritische Bemerkungen an meinem Geiste vorübergegangen sind, welche ich dann bei mir selbst beantwortet, aber nicht in Schrift gebracht habe, entweder aus Drang nach Kürze oder, indem ich es bei der Zusammenstellung des Artikels vergessen habe. Die Verhältnisse sind hier ja sehr complicirt.! Schliesslich war es nur die Uebereinstimmung der Zahlen, welche für mich das befriedigende Wort reden konnte. Daher die vielen Versuche mit mehreren Lösungen gegenüber einander und auch mit Serum .in ver- schiedenen Verdünnungen. Wie wichtig es ist, Concentrationspaare zu wählen, welche nicht all- zu nahe bei einander en will ich an einem Beispiel zeigen welches ich Koeppe’s eigenen Versuchen entnehme. In Tabelle II (Fortsetzung S. 509) liest man u. A. 1 3 4 5 | 7 = Volum der Volum des Protoplasmagerüstes DL LTe ung , Blutkörperchen | berechnet aus | i 0-719 Proc. 55-5 b und ce ‚29*1 C 0-73 25 55-1 e 03817 >, 52-5 bessne 27-8 Ich setze den Fall, dass in Spalte 4 für b nicht gefunden wird 55-5, sondern 55-3 (nach Koeppe ist eine derartige Abweichung möglich, denn die Untertheile der Grade schätzt er mittels der Lupe und der Verfasser sagt, dass seine Methode bis auf 0-5 genau ist).? Berechnet man nun mit dieser Zahl 55-3 das Volum des Protoplasma- gerüstes, wie auch Koeppe es that, so bekommt man aus b und c SEN u Sean Berechnet man ‘aber mit derselben Abweichung (55-3 statt 55-5) das Gerüst aus zwei Concentrationen, welche weiter aus einander liegen, nämlich aus .b und. e, so bekommt man 50.5 x 0-877 — 55-3 x 0.719 „ et 08110 — 28.7 statt 27-8. Welche Zahlen einen viel geringeren Unterschied zeigen als 41-8 und 29-1. ' Vgl. auch meine’ Selbstkritik ‘auf 8. 325. ® Koeppe, Münchener med. Wochenschrift. 1893. Nr. 24. EINFLUSS VON SALZLÖSUNGEN AUF DAS VOLUM THIERISCHER ZELLEN. 467 Dass die Diflerenz in den Gerüstvolumina, welche Koeppe aus zwei neben einander liegenden Concentrationen ableitet, bei seinen eigenen Ver- suchen so enorm viel grösser ist als bei den meinigen, rührt daher, dass bei meinen Experimenten der Unterschied zwischen zwei einander be- erenzenden Concentrationen oft noch grösser ist als bei Koeppe zwischen den zwei äussersten. Ich habe noch ein zweites Bedenken gegen Koeppe’s Beurtheilung meiner Zahlen. Um den Einfluss von sehr schwachen NaÜl-Lösungen auf das Volum thierischer Zellen kennen zu lernen, was für rothe Blutkörperchen wegen des Inhaltsaustrittes nicht möglich ist, habe ich weisse Blutkörperchen dem Einfluss von 0-5 und 0-25 procent. NaCl-Lösungen unterworfen und habe dann gefunden, dass auch die weissen Blutkörperchen durch solche schwache Salzlösungen geschädigt werden. Bei der Berechnung des Zellengerüstes aus den gebräuchlichen stärkeren Lösungen habe ich dann auch die mit 0-5 und 0-25 procent. NaÜl-Lösungen gewonnenen Zahlen nicht gebraucht. Das fällt augenblicklich bei der Betrachtung der Tabelle auf, nicht nur aus der Stellung der Accoladen, sondern auch aus der Thatsache, dass die nicht gebrauchten Werthe zwischen Klammern gesetzt wurden. Auch im Text habe ich es hervorgehoben. Trotzdem hat Koeppe doch die letzteren Zahlen in seine Berechnungen mit einbezogen und es ist ganz natürlich, dass er auf diese Weise eine mangelhafte Uebereinstimmung finden musste (S. 507 unten). Demnach können höchstens die 6 letzten Berechnungen gebraucht werden, wo die incriminirten schwachen Salzlösungen nicht mit einbezogen sind, natürlich unter Berücksichtigung unserer obigen Bemerkung betreffs Concentrationsunterschiede. Diese Berücksichtigung ist indessen nur nothwendig, wenn man die einzelnen Zahlen mit einander vergleichen will; nicht aber, wenn man. ein- fach das Mittel aus den sechs Werthen berechnet. Das ist hier 20-4. Dieses Mittel stimmt mit dem von mir aus 3 Werthen berechneten Mittel, nämlich 20.72, gut überein. Die Bemerkung hat eine allgemeine Gültigkeit. Wenn man aus Ver- suchen mit 4 Lösungen, statt 3, sechs Berechnungen machen will, so muss man jedenfalls aus den sechs das Mittel nehmen; denn auf diese Weise kann ein Versuchsfehler, welcher mit + Zeichen in einer Berechnung zum Ausdruck kommt, in der anderen Berechnung ein — Zeichen bekommen. So findet man z. B. als Mittel aus meinen drei Werthen (S. 507) 20-48 und als Mittel aus den sechs von Koeppe berechneten 20-3. Und so geht es bei allen Versuchen, auch selbst bei Koeppe’s eigenen Experimenten, worüber noch später. Koeppe’s Schlussfolgerung, dass „der Mangel an Ueber- einstimmung bei meinen Versuchen so erheblich ist, dass man 30* 468 H. J. HAMBURGER: viel eher berechtigt sein dürfte, den entgegengesetzten Schluss zu ziehen“, muss ich also entschieden zurückweisen. Ich werde Gelegenheit haben, zu zeigen, dass sogar Koeppe’s eigene Versuche für meine Anschauungen sprechen. II. Die rothen Blutkörperchen sind für Kochsalz nicht absolut undurchgängig. Damit wünscht Koeppe offenbar zu sagen, dass der osmotische Druck des Blutkörpercheninhaltes unter dem Einfluss von Kochsalzlösungen nicht unverändert bleibt. Denn auf den osmotischen Druck kommt es hier an. Wie ich hervorgehoben habe, ist es für unsere Methode gleichgültig, ob die Blutkörperchen permeabel sind oder nicht, falls im ersteren Fall nur Aus- wechselung stattfindet in osmotischen Verhältnissen. Koeppe und auch Willerding,! welche die Blutkörperchen als permeabel für Cl betrachten, stellen sich vor, dass unter dem Einfluss von NaQl-Lösungen Cl-Ionen in die Blutzellen einwandern. Bei einer anderen Gelegenheit? wird aber mit Recht hinzugefügt, dass dafür nothwendig ein anderes negatives Ion auswandern muss, woraus folgt, dass die durch Ein- wanderung von (Cl herbeigeführte Steigerung des osmotischen Druckes in den Blutkörperchen doch keinesfalls so bedeutend sein kann als mit dem Cl allein übereinstimmt. Da nun nach Koeppe der Uebergang von Chlor in die Blutkörperchen nicht sehr bedeutend ist, so muss die damit verbundene Aenderung der osmotischen Spannkraft verhältnissmässig viel geringer sein. Das stimmt auch mit meinen Versuchen überein, wobei sich heraus- stellte, dass die Blutkörperchen; nachdem dieselben in hyperisotonischen oder hypisotonischen Salzlösungen oder in verdünntem Blutserum verweilt haben, in derselben oder in nahezu derselben Salzlösung Farbstoffaustritt zu zeigen anfangen.? Diese Versuche wurden für verdünntes Serum wiederholt von v. Limbeck* und bestätigt. Auch mit concentrirt gemachtem Serum er- hielt er dasselbe Resultat. Auf ganz anderem Wege findet auch Hedin,? dass nach Vermischung von Blut mit Salzen der fixen Alkalien „eine etwaige Auswechselung zwischen Plasma und Blutkörperchen die osmotische Spannkraft unver- ändert lässt“. ! Willerding, Hamburger’s Blutkörperchenmethode in ihren Beziehungen zu den Gesetzen des osmotischen Druckes. J/naug.-Diss. Giessen 1897. ? Pflüger’s Archiv. 1897. Bd. LXVII. S. 197. ® Hamburger, Zeitschrift für Biologie. 1890. 8.418 u. 419. * v. Limbeck, Klinische Pathologie des Blutes. 1896. 2. Aufl. S. 162. 5 Hedin, Pflüger’s Archiv. 1897. Bd. LXVIII. S. 252. EINFLUSS VON SALZLÖSUNGEN AUF DAS VOLUM THIERISCHER ZELLEN. 469 Giebt man aber zu — und dafür scheinen in der That Versuche von Koeppe und von Willerding zu sprechen — dass dennoch eine Aus- wechselung in isotonischen Verhältnissen in aller Strenge nicht statt- findet, so kann jedenfalls die betreffende Abweichung für die vorliegenden Untersuchungen als nur von sehr untergeordneter Bedeutung angesehen werden. III. Die Dissociation. Was wird geschehen — so frage ich in meinem Aufsatz — wenn man z. B. ein rothes Blutkörperchen, dessen homogener Inhalt einer wasser- anziehenden Kraft einer 0.9 procent. NaÜl-Lösung entspricht, in eine 1-S procentige bringt? Es wird die Masse bis zur Hälfte schrumpfen. Nein, sagt Koeppe, da liegt ein prinzipieller Fehler; wissen Sie denn nicht, dass die wasseranziehende Kraft abhängig ist von der Zahl der Ionen und dass diese Zahl mit der Verdünnung steigt? Gewiss ist mir bekannt, dass die Verdünnung Einfluss auf die Dissociation ausübt; schon vor mehreren Jahren habe ich selbst über diese Angelegenheit Versuche angestellt und z. B. Gefrierpunktsbestimmungen ausgeführt von Gemischen von Serum, Blut und anderen Stoffen mit verschiedenen Quantitäten Wasser;! die Gefrierpunktserniedrigung des Blutkörpercheninhaltes stieg mit der Wasserverdünnung. Zu urtheilen nach einer Bemerkung in seinem Aufsatz, besteht auch bei Koeppe kein Zweifel, dass der Blutscheibeninhalt durch Hinzufügung von Wasser dissocirt. Doch hat der Verfasser bei seiner Kritik die Dissociation des Blutkörpercheninhaltes, mit Unrecht, ausser Acht ge- lassen, während er auf die Dissociation der die Blutkörperchen umgebenden Flüssigkeiten grosses Gewicht legt. Es sei nebenbei gesagt, dass es mir schon früher bei seinen und bei Willerding’s übrigens sehr interessanten Aus- einandersetzungen aufgefallen ist, dass die Dissociation des Blutkörperchen- inhaltes sehr ungenügend gewürdigt wurde. Denken wir uns dann — um näher zu präcisiren — ein Bläschen gefüllt mit einer Zuckerlösung isotonisch mit NaCl 0-9 Procent; die Wand des Bläschens ist nur permeabel für Wasser; weiter ist es umgeben von einer O-9procentigen Kochsalzlösung. Wir ersetzen nun die 0-9 procentige NaCl-Lösung durch eine 1-8 procentige. Was wird nun mit dem Bläschen geschehen? Schrumpfen bis auf die Hälfte? Das Wasseranziehungsvermögen einer 1.8procent. NaCl-Lösung ist nicht zwei Mal so gross wie das einer 0-9 procent., sondern weniger; 0-9 55.5 * 1-9 = 0.029 Molen, eine 1-8 procent. dagegen = x1-8= 00-055 Molen. Von der Molen- denn eine 0-9 procent. Kochsalzlösung enthält ' Hamburger, Centralblatt für Physiologie. 1894. 24. Februar. 470 H. J. HAMBURGER: zahl hängt die wasseranziehende Kraft ab. Nun dissociirt Zucker nicht und der osmotische Druck einer Zuckerlösung ist also mit der Concentration direct proportional. Die Zelle wird folglich nicht auf die Hälfte schrumpfen, 0-029 0-055 * An ein derartiges Sachverhältniss scheint Koeppe gedacht zu haben. sondern die Schrumpfung beträgt Ganz anders gestaltet sich aber die Sache, wenn das Bläschen nicht gefüllt ist mit Zuckerlösung, sondern mit einer 0-9 procent. NaCl-Solution. Dann führt die 1-8 procent. NaCl-Lösung wohl Schrumpfung zu der Hälfte herbei. Der Grund ist einfach genug. Denn um von einer 0-029 Molen enthaltenden NaCl-Lösung eine 0°055 fassende zu machen, hat man die Flüssigkeit zu der Hälfte einzuengen. Und nun ist es natürlich vollkommen gleichgültig, ob die O-9procent. NaCl-Lösung sich dabei innerhalb oder ausserhalb des Bläschens befindet. Mit anderen Worten, das mit einer 0.9 procent. NaCl-Lösung gefüllte Bläschen schrumpft durch eine 1-8 procent. Kochsalzlösung zu der Hälfte. Im Allgemeinen darf man sagen, dass, wenn das Dissociationsvermögen von Zelleninhalt und Umgebung dasselbe ist, Proportionalität besteht zwischen dem Volum des Inhaltes und der Gewichtsconcentration der um- gebenden Flüssigkeit. Weichen die Dissociationsgrade von einander ab, so erfährt die Proportionalität eine verhältnissmässige Einschränkung. Bei der Wahl der Flüssigkeiten habe ich mich durch diese Ueberlegung führen lassen. Und nun schien es mir am besten, NaCl zu wählen, weil in den Blutkörperchen wie im Serum die Chloride den Hauptbestandtheil der mineralen Stoffe bilden. Weiter darf von den Salzen das NaCl als das meist unschädliche für die Blutkörperchen betrachtet werden; denn es möge wahr sein, dass NO,- und SO,-Ionen nicht in die Blutkörperchen einzu- dringen vermögen, Ol-Ionen dagegen wohl, nach meiner Erfahrung halten die Blutkörperchen sich viel länger in NaCl-Lösungen als in den damit isotonischen Lösungen von NaNO,, Na,SO,, KNO, und K,SO,. Anfangs schien es mir mehr angewiesen, bloss Serum, in verschiedenen Verdünnungen mit Wasser, zu gebrauchen. Ich habe dann auch, wie aus den Tabellen auf 8. 328 und S. 331 hervorgeht, mehrere Versuche damit ausgeführt, und zwar mit sehr befriedigendem Resultat. Die Mehrzahl sind aber angestellt mit NaCl, weil beim Serum die brauchbaren Concentrationen nicht weit aus einander liegen. Freilich ist man, was die untere Grenze betrifft, ebenso bei NaCl wie. bei Serum beschränkt durch den Farbstoff- austritt, und so haben wir als untere Grenze für NaCl genommen, NaCl 0-7 Procent und für Serum, ein Gemisch von 100 Serum -+ 50 Wasser. Bei NaCl aber kann man nun weiter leicht hyperisotonische Lösungen bekommen; beim Serum ist das auch wohl möglich, aber doch umständlich. EINFLUSS VON SALZLÖSUNGEN AUF DAS VOLUM THIERISCHER ZELLEN. 471 Nun würde Koeppe noch die folgende Bemerkung machen können: Ich will einen Augenblick zugeben, dass innerhalb der entsprechenden Concentrationsgrenzen Blutkörpercheninhalt und Serum so wenig in Disso- ciationsfähiekeit von einander abweichen, dass das Volum der Blutkörperchen nicht merkbar von der Dissociation beeinflusst wird; ich gehe noch weiter und gebe das sogar zu, nicht nur für Serum, sondern auch für die ent- sprechenden NaCl-Lösungen. Ich gebe das aber nur zu für hypisotonische Lösungen, nicht für hyperisotonische. Denn meiner Meinung nach! ent- hält das in seinem natürlichen Plasma verweilende Blutkörperchen bloss grosse „neutrale“ Molecüle, welche erst in Dissociation gerathen, wenn Wasser hinzutritt. Im hyperisotonischen Kochsalzlösungen verkehrt der Blutkörpercheninhalt also auch nicht in Dissoeiation; es ist als ob der Blutkörpercheninhalt bestände aus einer Zuckerlösung. Bringt man dann auch das Blutkörperchen aus einer isotonischen NaÜl-Lösung in eine 1-5 procentige, so verkehrt es in dem auf S. 469 beschriebenen Fall, und nun muss der Einfluss der Dissociation dann doch recht gut an den Tag treten. Wir wollen diesen eventuellen Einwand mit einer Berechnung be- antworten. Wir nehmen die erste beste Versuchsreihe von Tabelle I(Koeppe, S. 506). NaCl-Lösung Bodensatz-| Volum des Protoplasmagerüstes volum berechnet aus | b) NaCl 0-94 Proc. (isot. mit dem Serum) 34*5 ed a d) » 10 Er . 28:75 Wie gross wird das Protoplasmagerüst werden, wenn man den Inhalt der in isotonischen und hyperisotonischen NaCl-Lösungen liegenden Blut- körperchen als nieht dissociabel betrachtet? Eine 0-94 procent. Kochsalzlösung enthält 1-89 Molen, ” 1.5 ” ” ” 1791 ” Stellt man sich nun vor, dass in den Blutkörperchen keine Dissociation stattfindet, so ergiebt sich das Protoplasmagerüst p aus der folgenden Gleichung: 84-5 —p) x 0-94 x 1-89 = (28-75—p) 1.5 x 1-84 p= 18.37 ‘ Nach Tangl und Bugarsky können die normalen Blutkörperchen als Nicht- Elektrolyte bezeichnet werden. (Centralblatt für Physiol. 24. Juli 1897.) Bei Ver- dünnung mit Wasser nimmt das elektrische Leitungsvermögen zu. (Koeppe, Dies Archiv. 1899. Physiol. Abthlg. 8. 516.) 472 H. J. HAMBURGER: Vernachlässigt man aber die Dissociation ausserhalb der Blutscheiben, so bekommt man, wie aus der Tabelle hervorgeht, = 19-1, also einen Unterschied von 0.77, das ist a x 100 = 4 Procent. Wenn man meine Tabellen studirt, so wird man finden, dass dieser Unterschied innerhalb der Fehlergrenzen fällt. Das wird schon deutlich, wenn man bedenkt, dass ein Ablesungsfehler von 0:25 Theilgerad denselben Unterschied in casu herbeiführen kann; denn wenn man der Beobachtung zu Folge in der soeben aufgestellten Gleichung 29 statt 28.75 hätte setzen müssen, so wäre p = 19'05 geworden; was p = 19-1 sehr nahe kommt. Und ein Fehler von !/, Theilgrad ist sehr möglich. Indessen halte ich es bei der Annahme, dass der Blutkörpercheninhalt durch isotonische und hyperisotonische Lösungen nicht dissocürt, eine An- nahme, für welche meines Erachtens sehr viel Grund besteht, für sehr möglich, dass, wenn man mit demselben Blut eine nicht zu geringe An- zahl Versuche ausführt, so dass der mittlere Fehler herabgesetzt wird, man mit NaCl-Lösungen ein etwas grösseres Gerüstvolum finden wird als mit hyperisotonischen Rohrzuckerlösungen. Der Unterschied wird aber theoretisch 19.1— 18-37 34.5 höchstens betragen können x 100 = 2.2 Procent des procen- tischen Gerüstvolums. Das ist denn auch der maximale Fehler, welchen man machen kann, wenn man bei der Anwendung von NaCl die Dissociation ausser Acht lässt. Mit K,SO, ist ein grösserer Fehler zu erwarten, da dessen Dissociations- coöfficient viel grösser ist als von NaCl. Darum u. A. habe ich K,SO, auch nicht gebraucht. Bei vergleichenden Versuchen ist also das grösste Gerüstvolum zu er- warten bei der Anwendung von K,SO,, dann folgt NaCl und endlich Rohr- zucker. Letzteres scheint, in hyperisotonischen Lösungen gebraucht, das ıneist rationelle." Ich wiederhole, das mittels NaCl-Lösung erhaltene pro- centische Gerüstvolum kann höchstens 2-2 Procent zu gross ausfallen. Und wünscht man nun auch noch mit Koeppe eine etwaige Steigerung der osmotischen Spannkraft des Blutkörperchen- inhaltes zu berücksichtigen, welche entsteht durch Einwanderung von Cl-Ionen in die Blutkörperchen, so wird dieser Fehler von 2:2 Procent noch kleiner. ! Indessen ist es noch nicht so sicher, dass, wie die Theorie es verlangt, Rohrzucker für die Blutkörperchen so vollkommen neutral ist. Vgl. Willerding, 4.2.0. 8.37. EINFLUSS VON SALZLÖSUNGEN AUF DAS VOLUM THIERISCHER ZELLEN. 473 Hiermit glaube ich Koeppe’s Einwände betrefis der Dissociation ge- nügend beantwortet zu haben. Und nun endlich noch ein einziges Wort über IV. Koeppe’s eigene Versuche. Auf S. 509 findet man die folgende Tabelle (II. Fortsetzung): | 2 3 4 Dee Ar Yer- | Volum der Volum des Protoplasmagerüstes such | Zuckerlösung | NaCl-Lösung . Blut- berechnet der Packer | der NaCl 233 körperchen aus ' lösung lösung a | 6-84 Proc. | 0-608 Proc. | 58-6 | aundb 30-8 38-4 b 7.69 „ 0-19 „ 55-5 a ac 30.0 37-4 e TS „ 0-3 „ 55-1 a „od 28-0 34-3 d 85 „ | 0.818 „ 52-5 Bee 28-9 32-2 e 9-40 „ | 0.877 „ 50-5 Dipsarc 23-3 29-1 | besond 25-2 29-5 bese 28-0 27-8 ed 25-4 29-6 (N 28-3 27:6 d „ee | 308 25-1 | Mittel | 27-9 31-1 Aus dieser Tabelle leite ich Folgendes ab: 1. Dass das mittlere Protoplasmagerüst, mittels Zuckerlösung be- stimmt, nämlich 27.9 (Spalte 6), gar nicht schlecht übereinstimmt mit dem, welches aus a und e berechnet wurde, nämlich 289. Aehnliches gilt für die mit NaCl gewonnenen Werthe 31-1 und 32-2. 2. Dass die Mittelwerthe für Zucker und NaCl (27.9 und 31-1) nicht sehr bedeutend von einander abweichen. Bei der Beurtheilung bedenke man doch: 1. Dass man hier mit einer Versuchsreihe zu schaffen hat, deren äusserste Concentrationsgrenzen etwa einem einzelnen Versuch bei mir entsprechen; 2. dass die Genauigkeit von Koeppe’s Versuchsverfahren nicht allen Anforderungen entspricht, welche man bei derartigen Versuchen zu stellen pflegt; so gestattet die Kreiseleentrifuge keine constante Umdrehungs- geschwindigkeit, was für vergleichende Untersuchungen mehrerer Proben 474 H. J. HAMBURGER: sehr erwünscht ist; so ist Koeppe gewohnt,! 1 Blut mit nur 5 oder etwas mehr Flüssigkeit zu versetzen, dadurch liegen die Blutkörperchen in einer Lösung, welche zu viel abweicht von der Concentration, welche man in Rechnung bringt. Nimmt man das Mittel von 27-9 und 31-1, d.ı. 29.5 und nimmt die Lösung e als die isotonische, so berechnet sich ein Gerüstvolum von a x 100 = 58-4 Procent, eine Zahl, welche an die von mir gefundene 50.5 erinnert. Den ersten Theil der Tabelle II (S. 508) kann ich nicht bespz chen; Da müssen Fehler vorhanden sein. So ist " in Tabelle II (Fortsetzung) das a in Zuckerlösung von . . . . 8-55 Proc, 52-5, in Tabelle II das Bike yenahenallnn 1 in Andsakesih 8-55. 157292.6: Das stimmt; aber in Tabelle II (Fortsetzung) das Blutkörperchenvolum in Zuckerlösung von . . . .. 6.84 Proc., 58°6, und in Tabelle II (Anfang) das TBILEROTRELENENFEINn in Zuckerlösung .. ..-. . “sh. 0.... 1601 Dorn Das stimmt nicht; die zweite Zahl für das Sediment sollte kleiner sein als 58.6, statt grösser. Das ist in casu ein sehr bedeutender Fehler. Jetzt noch ein Versuch auf 8. 515 (512). a b c d e f g h Concentr. = 0-125 0-15 0.175 0:2 0°225 -0:25 0.275 0.3 Blutk.-Vol. = 79 70 61 ° 56-6 54.4 51.5 50 46 Hieraus berechnet Koeppe für das Gerüstvolum aus: aus: aus: aus: aundb 24-0 bunde 38-0 eundd 20-0 dunde 40-0 2,230, 16.0 bar, 02 1620 er) d 7, 1320 a „ d 186 b „ e 24-0 eu, 2.172903 d 9,20 223250 a1, . ei 24-0 bii,.£ 24-0 eu „2221030:0 dis,’ 4/2580 2710202980 b’ 2, 8725-4 C „ h 24:9 e „.f 24-0 a. h,2963 ba h 62220 £02.020, 3220 e „8 28-0 I, h 21850 e %,1222080 Sn h 40 ! Koeppe, Münchener medie. Wochenschrift. 1893. Nr..24. EINFLUSS VON SALZLÖSUNGEN AUF DAS VOLUM THIERISCHER ZELLEN. 475 In der That, man muss mit Koeppe erkennen, dass diese Ergebnisse, welche sich zwischen 4 und 40 bewegen, stark von einander abweichen: Woher rühren aber diese starken Abweichungen? Ich bringe die Ergebnisse zusammen, welche erhalten sind aus Ver- suchspaaren, deren Concentrationen neben einander liegen und also nur um 0.025 grm-Mol. pro mille Rohrzucker differiren. Man bekommt dann aus: a undb 24°0 haans.c2, 8-0 GG. „ d 20-0 d „ e 40-0 e „..f 24-0 TI... 0 32.0 $S „ bh 4-0 Diese Zahlen stimmen sehr schlecht (man lese die Erklärung auf S. 466). Viel besser stimmen die aus weiter aus einander liegenden Con- centrationen erhaltenen Zahlen (Dif.: 0°125 bis 0°175 grm-Mol. pro mille). cocpe» ceß ea — 10) SG) By) a Das Mittel aus diesen Zahlen ist 24-8, während das Mittel aus allen 664-5 _ 93.7 beträgt. Versuchen zusammen = Meine Methode ist also nicht so schlecht, wie Koeppe meint, und wenn der Verfasser die Versuchsfehler vermieden hätte, welche ich auf S.473 unter 2 erwähnt habe, so würde unzweifelhaft die Uebereinstimmung noch besser gewesen sein. Wenn wir nun weiter annehmen, dass das Blutserum isotonisch war mit 0-3 grm-Mol. pro mille Rohrzucker, so hätte also das Volum des Proto- plasmagerüstes I x 100 = 55-8 Procent betragen, eine Zahl, welche mit den von mir selbst beim Pferd, Rind und Schwein gefundenen sehr gut übereinstimmt. Schluss. Aus obigen Auseinandersetzungen darf man schliessen: 1. Dass bei einwandsfreier Berechnung eine mangelhafte Ueberein- stimmung zwischen den von mir gewonnenen Zahlen nicht besteht; das Gegentheil ist wahr; 476 H. J. HAMBURGER: EINFLUSS VON SALZLÖSUNGEN UT. S. W. 2. dass die auf Dissociation und Permeabilität bezüglichen theore- tischen Bedenken keinen nennenswerthen Einfluss auf den Betrag des mittels NaUl-Lösungen bestimmten procentischen (Gerüstvolums repräsen- tiren können; um so weniger, weil Dissociation und Permeabilität mit ent- gegengesetztem Zeichen wirksam sind; 3. dass auch Koeppe’s eigene Versuchsresultate, bei gehöriger Inter- pretirung, statt meiner Vorstellung zu widersprechen, dieselbe bestätigen und unterstützen, die Vorstellung nämlich, dass in den Blutkörperchen ein Gerüst vorhanden ist, welches am wasseranziehenden Vermögen nicht be- theiligt ist und dessen Volum sich mittels meiner Methode feststellen lässt. Studien über die locale Bluteireulation im Bereiche gelähmter Nerven. Von Dr. Michael Lapinsky in Kiew (Russland). (Aus dem thierphysiolog. Institut der landwirthschaftl. Hochschule zu Berlin.) Alle Forscher, die sich für das Verhalten der Bluteireulation im Be- reiche gelähmter Nerven interessirten, haben bei ihren experimentellen Beobachtungen der Grösse des Gefässlumens, der Stromgeschwindigkeit des Blutes und der Höhe des intravasculären Druckes ihre Aufmerksamkeit zugewandt. L Was die Weite des Gefässlumens betrifft, so haben zahlreiche Beobach- tungen eine Erweiterung der Gefässe in solchen Körpertheilen gezeigt, deren mit vasomotorischen Fasern versehene Nervenstämme oder Wurzeln der- selben durchschnitten, bezw. auf irgend eine Weise lädirt waren. Ueber die Lumenvergrösserung der Blutwege urtheilten die Autoren in solchen Fällen entweder auf Grund erhöhter Temperatur im betreffenden Körpergebiete und hyperämischer Hautfarbe desselben oder durch mikroskopische Unter- suchung oder mit Hülfe grober Messapparate. Locale Erweiterung der Gefässe im Verzweigungsfelde des N. trigeminus nach Durchschneidung seines Stammes constatirten bei verschiedenen Thieren: Valentin,! Graefe,” Claude Bernard,? Cahen.* Eine Erweiterung der ! Valentin, De functionibus nervorum cerebralium. 1839. ® Graefe, eitirt nach Laudenbach, Das System der Vasomotoren. 1887. (Russ.) ® (laude Bernard, Gaz. de med. de Paris. 1874. * Cahen, Nevroses vasomotrices, Arch. gen. de med. 1863. T.II, 475 MicCHAEL LAPINSsKY: Gefässe im entsprechenden Theile der Zunge zog die Durchschneidung des N. hypoglossus nach sich (Schiff! beim Hunde). Die Durchschneidung des N. auricularis bei Kaninchen (Moreau?) veranlasste eine Gefäss- erweiterung in der oberen Ohrhälfte der operirten Seite. Die Läsion des N. sympathicus, welche von Cl. Bernard,’ Vulpian,* Goltz,? Dogiel,® Dastre-Morat,?” Schiff,® Brachet,? Brown-Sequard,!° Waller, !! van der Beke Callenfels!? und Nothnagel!? bei Hunden, Kaninchen, Pferden und Eseln gemacht wurde, zeigte neben anderen Erscheinungen auch Hyperämie des Ohres und der Gehirnhäute auf der lädirten Seite. Gefässerweiterung beim Frosche im Verzweigungsgebiete der Nn. ischiadici haben nach Durchschneidung derselben gesehen: Warton,!* Joseph,!5 Donders,!* Huizinga,'” Humilevski,!® Putzeys und Tarchanoff.!? Deutliche Gefässerweiterung fanden im Innervationsterritorium des ! Schiff, Einfluss der Nerven auf die Gefässe der Zunge. Archiw für Heil- kunde. 1866. ®? Moreau, Centralblatt für med. Wissensch. 1873. ® Claude Bernard, a) Comptes rendus de Biologie. 1851. — b) Gaz. med. de Paris. 1852. — c) Annales des sciences naturelles. 1854. — d) Liquides de Vorganisme. T.I. p. 251. * Vulpian, a) Gaz. med. de Paris. 1857. — b) Lecons sur l’appareil vasomoteur. Paris 1875. T.I. p. 90—96. 5 Goltz, Freusberg und Gergens, Gefässerweiternde Nerven. Pflüger’s Archiv. Bd. XI. 6 Dogiel, Messung der Blutgeschwindigkeit. Moskauer med. Zeitung. 1868. (Russisch.) ? Dastre-Morat, Recherches erperim. sur le systeme nerveux vasomoteur. Paris 1884. p. 24. 8 Schiff, a) Arch. f. phys. Heilkunde. 1854. — b) Untersuchungen zur Phy- siologie des Nervensystems. 1855. 8. 140. ® Brachet, Recherches experimentales sur les fonctions du systeme nerveux. 1837. p. 430—432. 1% Brown-Sequard, Gaz. med. de Paris. 1854. 11 Waller, Comptes rendus. 1853. p. 378. 12 van der Beke Callenfels, Zeitschrift für rationelle Mediein. 1855. 13 Nothnagel, Archiv für pathologische Anatomie. 1867. Bd. XL. 1# Warton, eitirt nach Vulpian, 2.0. 15 Hermann Joseph, Einfluss der Nerven auf Ernährung. Dies Archiv. 1872. Physiol. Abthlg. 16 Donders. Congres de Bruxelles. 1875. 1? Huizinga, Innervation der Gefässe in der Schleimhaut des Frosches. Pflüger’s Archiv. 1875. Bd. XI. S. 200—207. 18 Humilevski, Einfluss der Muskeleontraetionen auf Bluteirculation. Dies Archiv. 1886. Physiol. Abthlg. 19 Putzeys und Tarchanoff, Einfluss des Nervensystems auf den Zustand der Gefässe. Centralblatt für med. Wissensch. 1874. 8. 641. ÜBER LOCALE BLUTCIRCULATION UV. 8. W. 419 durehschnittenen N. ischiadieus beim Hunde Jankowsky,!' Eulenburg und Landois,? Schiff,® Bufalini,‘ Goltz,’ Rasumovsky,° Rogowitz,? Mantegazza,® Putzeys-Tarchanoff.? Eine die Norm um das Vier- und Fünffache übertreffende Erweiterung der Arterien und eine noch bedeutendere Erweiterung der Venen bemerkte Fraenkel!" nach Durchschneidung des N. ischiadicus bei Kaninchen. Vulpian!! spricht von localer Gefässerweiterung bei verschiedenen Thieren nach Durchschneidung des N. ischiadicus. Lumenerweiterung der Arterien und Venen nach gleichzeitigem Durch- schneiden der Stämme der Nn. ischiadiecus und cruralis hat Nothnagel!? am Hunde beobachtet. Lewaschkow!? durchschnitt einem Hunde den Stamm des N. cruralis und erhielt Temperatursteigerung in der entsprechenden Extremität. Lewaschew,!* Mathieu et Gley!® reizten dauernd den undurch- schnittenen N. ischiadicus, indem sie feine Fäden durch diesen Nerv führten und beobachteten Gefässlumenerweiterung am untersuchten Fusse (beim Hunde). ! Jankowsky, Bedeutung der Gefässnerven auf Oedementstehung. Virchow’s Archiv. Bd. XCIL. * Eulenburg und Landois, Thermische Wirkungen experimenteller Eingriffe am Nervensystem. Ebenda. 1876. Bd. LXVI. ° Schiff, Untersuchungen zur Physiologie des Nervensystems. 1855. ‘ Bufalini, Temperatur gelähmter Glieder. Herman-Schwalbe’s Jahres- bericht für Phys. 1876. 5 Goltz, Centralblatt für med. Wissensch. 1877. °® Rasumovsky, Ueber die atrophischen Processe in den Knochen nach Nerven- durchschneidung. JImaug.-Diss. Petersburg 1889. " Rogowitz, Ueber pseudomotorische Wirkung der gefässerweiternden Nerven. Kiew 1885. (Russisch.) ® Mantegazza, eitirt nach Stier, Verhalten der Muskeln nach Läsion des Nervensystems. Archiv für Psych. Bd. XXIX. ° Putzeys-Tarchanoff, Dies Archiv. 1874. Physiol. Abthlg. 10 Fraenkel, Neurotische Angioscelerose. Wiener klinische Wochenschrift. 1896. 1! Yulpian, 2.2.0. T.Il. p. 348. !? Nothnagel, Anpassungen und Ausgleichungen. Zeitschrift für klinische Mediein. Bd. XX. 13 Lewaschkow, Centralblatt für Nervenheilkunde. 1880. 12 Lewaschew, 3) Zur Lehre von den trophischen Nerven. Centralbl. für med. Wissensch. 1883. — b) Experimentelle Untersuchungen über die Bedeutung des Nerven- systems bei Gefässerkrankungen. Virchow’s Archiv. 1883. Bd. XCII. — ce) Influence du systeme nerveux sur la nutrition. Arch. slaves de biologie. 1886. 15 Mathieu et Gley, a) Purpura nevropathique. Zevue de Medec. - 1887. — b) Note sur quelques troubles trophiques causees par Virritation du nerf sciatique. Arch. de physiol. 1888. 480 MICHAEL LAPINSsKY: Goltz,! Ostroumoff,? Hasteliek und Bidder,? Dziedziul,* Ken- dal und Luchsinger,? Masius et Vanlair,® Lepine’? u. A. durch- schnitten beim Hunde den N. ischiadicus und reizten nach einiger Zeit den peripheren Stumpf desselben, sie erhielten dabei eine Temperatursteigerung in der paralysirten Extremität. Östroumoff°® erhielt Temperatursteigerung unter den gleichen Be- dingungen bei curarisirten Thieren. Locale Erweiterung der Gefässe fand Schiff? bei verschiedenen Thieren nach Durchschneiden der Wurzeln des N. ischiadieus. Dogiel und Schumovsky!? durchschnitten bei den Hunden den Plexus sacro-lumbalis oder den Plexus axillaris und erhielten Temperatur- steigerung der Haut und Gefässerweiterung in der paralysirten Extremität; Samuel!! und Schiff!? erhielten dieselben Resultate nach Durchschneiden des Plexus axillaris bei Tauben. Ein grosses Interesse bieten die folgenden Beobachtungen, wo bei Ver- suchen an Nerven die Gefässerweiterung sehr hartnäckig und längere Zeit andauerte. Dastre-Morat!? beobachteten nach Durchschneidung des N. sym- pathicus eine viele Tage dauernde Gefässerweiterung (bei Hunden und ! Goltz, a.a2.0. Centralblatt für med. Wissensch. 1877. ®2 Ostroumoff, Hemmungsnerven der Hautgefässe. Pflüger’s Archiv. Bd. XI. 3 Hastelick und Bidder, Innervation der Hautgefässe im Gebiete der Nn. ischiadiei. Wiener klinische Wochenschrift. 1893. * Dziedziul, Ueber gefässerweiternde Nerven. Jahresbericht für Phys. 1880. 5 Kendal und Luchsinger, Zur Innervation der Gefässe. Pflüger’s Archiv. Bd. XII. 6 Masius et Vanlair, Les nerfs vasomot., leur mode d’action. Jahresbericht für Phys. 1876. ” Lepine, Influence du nerf sciatique sur la temperat. du membre correspondant. Ebenda. 1876. 8 Ostroumoff, 2.0. Pflüger’s Archiw. Bd. XL. 9 Schiff, Comptes rendus. 1862. T. LV. p. 462. 10 Dogiel und Schumovsky, Einfluss des N. ischiadicus auf den Blutstrom. Moskauer med. Zeitung. 1868. 1! Samuel, Das Gewebswachsthum bei Störungen der Innervation. Virchow’s Archiv. Bd. CXIIL 12 Schiff, eitirt nach Samuel, Das Gewebswachsthum bei Störungen der Blut- eirculation. Zbenda. Bd. CI. 13 Dastre-Morat, Recherches experimentales sur le systeme vasomot. Paris 1884. p. 24. ÜBER LOCALE BLUTCIRCULATION D. S. W. 481 Pferden). Tarchanoff und Putzeys! überzeugten sich davon, dass zehn Tage nach Durchschneidung des Nerven (bei Fröschen) noch die Blutfülle in der Extremität der operirten Seite stärker war als in der contralateralen Extremität. Schiff? beobachtete in seinen an Tauben angestellten Ver- suchen lange Zeit hindurch Hyperämie und Temperatursteigerung in der Extremität, deren Plexus axillaris durchschnitten worden war. Samuel? unterbrach die Continuität des Plexus axillaris bei Tauben und beobachtete locale Hyperämie der Gefässe in der paralysirten Ex- tremität viele Wochen hindurch. Tigerstedt* erwähnt Gefässerweiterung im Laufe vieler Wochen in Folge Durchschneidung eines Nerven. Le- waschew° reizte bei seinen Versuchshunden den N. ischiadicus, ohne jedoch die Continuität desselben zu unterbrechen und erhielt dabei Tem- peratursteigerung in der Pfote der operirten Seite in der Dauer von 3 bis 5 Monaten. Sehr interessant sind auch die Beobachtungen von Pye-Smith,® Schiff” und Callenfels,° deren Versuche nicht an einem gemischten, sondern an einem mehr oder weniger rein vasomotorischen Nerv angestellt sind; die Autoren exeidirten bei Kaninchen ein Stück des N. sympathicus am Halse und erhielten dauernde Hyperämie des Ohres. A Pye-Smith beobachtete seine Versuchsthiere 2 Jahre hindurch. Schiff fand Hyperämie und erhöhte Temperatur am Öhre der operirten Seite 1!/, Jahre nach der Durchschneidung des N. sympathicus. Dasselbe hat Callenfels während 150 Tagen beobachtet. Was den intravasculären Druck in den Gefässen der paralysirten Extremität betrifft, so findet man sehr wenig Beobachtungen darüber. Roy und Graham° haben mittels eines besonderen, von ihnen selbst angegebenen Instrumentes den Blutdruck in Froschfüssen gemessen, indem sie während der Untersuchung oder kurze Zeit vorher den N. ischiadicus ! Tarchanoff und Putzeys, a.a. 0. Centralblatt für med. Wissensch. 1877. ? Schiff, eitirt nach Samuel, 2.2.0. Virchow’s Archiv. Bd. CI. : Samuel, 2.2.0. Zbenda. Bd. CXII. * Tigerstedt, Lehrbuch der Physiologie des Kreislaufs. Leipzig 1893. S. 474. 5 Lewaschew, 2.2.0. 6 Pye-Smith, eitirt nach Tigerstedt. 8. 513. ? Schiff, Untersuchungen zur Physiologie des Nervensystems. 1855. ® Callenfels, Zeitschrift für rationelle Medicin. 1855. ® Roy-Graham, Neue Methode, den Blutdruck in den kleinen Arterien, Venen und Capillaren zu messen. Archiv für die ges. Physiol. 1878. 8. 158. Archiv f.A,u. Ph, 1899. Physiol. Abthlg. Suppl. 31 482 MICHAEL LAPINSKY: ” durchschnitten.! Die Beobachtungszeit dauerte in ihren Versuchen aller Wahrscheinlichkeit nach nur einige Minuten und die Forscher kamen zu dem Schlusse, dass der locale Blutdruck in den Gefässen nach Durch- schneidung des zugehörigen Nerven abfällt. Claude Bernard? durchschnitt einem Pferde den N. sympathieus und maass mit Hülfe eines gewöhnlichen Manometers den intravasculären Druck in den Zweigen der A. temporalis. Auf der Seite des durch- schnittenen Nerven war der Tonus dieser Blutwege fast gänzlich vernichtet, ihr Lumen war stark erweitert, der Widerstand gegen den Blutstrom war in ihnen sehr gesunken, und der intravasculäre Blutdruck war dabei sehr erhöht. Vulpian® machte analoge Versuche und fand auch erhöhten Blut- druck in den Zweigen der A. carotis auf der Seite, wo der N. sympathicus durehschnitten war. Vulpian behauptet auf Grund seiner Versuche, die Durchschneidung eines vasomotorischen Nerven habe eine Erhöhung des localen intravasculären Druckes im Gefolge, wenn durch diese Operation eine Erweiterung der Gefässe in einem bestimmt umgrenzten Gebiete und ein verstärkter Blutzustrom dahin erreicht würde. Dastre-Morat* haben denselben Versuch am Esel und am Pferde angestellt, sind jedoch zu anderen Resultaten gekommen. In ihren Versuchen wurde eine Zunahme des arteriellen Druckes nur in den ersten Secunden nach Durchschneidung des N. sympathicus ge- sehen, später aber konnte eine Steigerung des intravasculären Druckes im Bereiche der durchschnittenen Nerven nur in den Venen wahrgenommen werden, in den Arterien dagegen war der Druck sogar unter die Norm gesunken. Tigerstedt,? indem er dieses Thema berührt, kommt zu dem Schlusse, dass der Blutdruck in den erweiterten (gelähmten) Arterien, deren vaso- motorische Nerven vorher durchschnitten sind, sehr hoch steigen kann. ! Die Untersuchungen derselben Autoren mit Hülfe desselben Instrumentes bei normalen Fröschen mit ganz intacten Nn. ischiadici ergaben Folgendes: a) Mit der Erweiterung der Gefässe wächst die Blutdruckhöhe. b) Der Druck erleidet in drei- bis vierminutigen Perioden ziemlich regelmässige Schwankungen von 20” = bis 30 ©” Wasserhöhe. c) Temporäre Anämie lässt die Gefässe sich erweitern, worauf das wieder zu- gelassene Blut mit erhöhtem Drucke einströmt. d) Rückenmarksreizung erhöht den Druck. ® Claude Bernard, LZiquides de l’organisme. T.1I. p. 251—260. ° Vulpian, Lecons sur l’appareil vasomoteur. T.I. p.95 u. 380. * Dastre-Morat, a.a.0. Kecherches experimentales. ° Tigerstedt, Zehrbuch der Physiologie. 8. 475. ÜBER LOCALE BLUTCIROULATION U. 8. W. 483 „Wir haben schon gesehen,“ sagt Tigerstedt, „dass die Ge- fässe bei einer äusseren Blutung durch eine starke Contrac- tion gegen den herabsinkenden Blutdruck reagiren. Nun ist aber jede Erweiterung der Gefässhöhle, welche mittels Durch- schneidung eines gefässverengenden Nerven zu Wege gebracht wird, einer inneren Blutung gleichzustellen. Wir sind daher berechtigt, die Möglichkeit anzunehmen, dass hierbei Gefässe, deren Nerven gar nicht direct beeinflusst worden sind, con- secutiv verengt werden. In diesem Falle kann der Druck in der gelähmten Arterie ansteigen, wenn nämlich die Blutzufuhr verhältnissmässig grösser wird, als die Widerstandsabnahme in ihren peripheren Zweigen“ (8.475). „Weil aber das Blut in dieser (erweiterten) Arterie auf einen geringeren Widerstand, als in anderen arteriellen Bahnen stösst, so strömt dort mehr Blut, als kurz vorher. Von der Beziehung zwischen der Gefäss- erweiterung und der Blutzufuhr ist dann der Seitendruck ab- hängig“ (S. 475). Sehr wenige Beobachtungen sind auch über die Geschwindigkeit des Blutlaufes im Gebiete paralysirter Nerven gemacht worden. Man hat sich zur Bestimmung der Stromgeschwindigkeit in solchen Fällen verschiedener Methoden bedient. Bei Versuchen an Fröschen beobachteten die Forscher die kleinen Gefässe der gelähmten Extremität unter dem Mikroskope. Bei Versuchen an grösseren Thieren bediente man sich zu diesem Zwecke der Ludwig’- schen Stromuhr, mit der man die Volumina des zuströmenden Blutes in grossen Gefässen bestimmte. In einigen Fällen schnitt man in den be- obachteten Theil mehr oder weniger tief ein und schloss auf die Strom- geschwindigkeit nach der aus der Wunde fliessenden Blutmenge. Hermann Joseph! wandte bei solcher Gelegenheit seine Aufmerksam- keit, neben der Stromgeschwindigkeit in den Gefässen, auch der Weite des Gefässlumens zu. Indem er mit einer in Carbolsäure getränkten Ligatur den N. ischiadieus beim Frosche umschnürte oder diesen Nerv zwischen zwei Glasstäbchen zusammendrückte, sah er hierbei eine starke Verlangsamung der localen Bluteireulation, bei gleichzeitiger localer Erweiterung der Gefässe. Eine gleiche Verlangsamung der localen Bluteireulation sah bei Fröschen Saviotti? unter analogen Bedingungen. ! Hermann Joseph, Dies Archiv. 1872. Physiol. Abthlg. ” Saviotti, Archiv für patholog. Anatomie. 18710. 8. 580—592. 31* 484 MICHAEL LaPInskY: Humilevski!beobachtete die Blutstromgeschwindigkeit in der Schwimm- haut des Frosches, bei dem der N. ischiadieus während der Untersuchung durchschnitten wurde. Es fand sich dabei, dass „die Durchschneidung des Nerven von anhaltender Gefässinjection begleitet ist (S. 139); die Quer- durchmesser der Gefässe sind grösser und die Bluteirculation sistirt sogar einige Zeit in der Schwimmhaut.‘“ Leider waren die Untersuchungen dieser Forscher nur von kurzer Dauer, so dass die Beweiskraft der von ihnen gefundenen Resultate nur für die ersten Minuten des paralytischen Zustandes maassgebend sein kann. Wichtiger sind die Schlüsse Vulpian’s.?” Die überaus grosse Er- fahrung dieses Autors lässt seine Meinung sehr glaubwürdig erscheinen, obgleich er seine Methoden zur Bestimmung der- Stromgeschwindigkeit nicht beschreibt. Auf Grund seiner Beobachtungen stellt der Autor die Folgen des Durchschneidens des N. ischiadiecus in folgenden Worten fest: „La dilatation des vaisseaux, qui a lieu par suite de la section des fibres vasomotrices, comprises dans le nerf coupe, a certainement pour consequence, dans ces conditions, un ralentissement du mouvement du sang dans les vaisseaux capillaires et les veinules de l’extr&mite du membre. Ce ralen- tissement du courant sanguin est dü non seulement a l’elargissement des voles, que doit parcourir, sous la m@me pression qu’auparavant, la m&me quantite de sang; mais encore a l’affaiblissement du tonus des petites arteres, ce qui determine necessairement une diminition de la „vis a tergo“ par suite de laquelle le sang progresse dans les veines. — Il doit done y avoir un certain degr6 de stase relative dans les vaisseaux capillaires de ce membre, prineipalement vers ses &xtr&emites; car c’est la surtout que, dans le cas suppose, c’est & dire apres la section du nerf sciatique, les petites arterioles sont paralises. Cet etat de la cireulation est incontestablement une cause predisposante pour les arrets du cours du sang“... Dieser Schluss Vulpian’s, der auf Grund der Untersuchungen an verschiedenen Thieren gemacht wurde, bezieht sich offenbar auf die späteren Stadien der Nervenparalyse und berücksichtigt hauptsächlich nur chronische Cireulationsstörungen im Gebiete der vorher durchschnittenen Nerven. Andere, in der Litteratur über Blutstromgeschwindigkeit im Gebiete der paralysirten Nerven vorhandene Beobachtungen berühren unser Thema nur theilweise und sehr einseitig, weil sie bei ganz anderer Gelegenheit vorgenommen worden waren. So wurden Messungen der Stromgeschwindigkeit des Blutes mittels Ludwig’scher Stromuhr in der A. cruralis nach Durchschneidung der ! Humilevski, a.2.0. Dies Archiv. 1886. Physiol. Abthlg. ? Vulpian, 2.0. T.II. p. 348. ÜBER LOCALE BLUTCIRCULATION U. S. W. 485 Nn. cruralis und ischiadieus von Dogiel-Schumovsky,! Pogoscheff? und Dogiel?® vorgenommen. Indem diese Autoren sich für die Frage interessirten, in wie weit eine Muskeleontraction auf die locale Bluteirculation Einfluss haben könne, reizten sie den peripheren Theil des gleich vorher durchschnittenen Nerven und maassen dabei die Blutströmungsgeschwindig- keit in der A. cruralis. Es wurden bei diesen Untersuchungen sehr ver- schiedene Schlüsse gewonnen; manchmal war unter dem Einflusse der Nervenreizung der Strom verlangsamt, zuweilen aber fand sich dabei grosse Steigerung der Geschwindigkeit. Die durch diese Forscher gefundenen Resultate geben uns indess keinen Aufschluss darüber, welchen Einfluss die Lähmung der Nerven an und für sich auf die Geschwindigkeit der Circu- lation in einem paralytischen Körpertheile haben kann, da erstens in ihren Versuchen die Stromgeschwindigkeit vor Durchschneidung der Nerven nicht festgestellt worden war und zweitens die Messungen vorgenommen wurden während der Reizung der durchschnittenen Nerven; eine solche Reizung rief Muskelcontractionen hervor und der Blutstrom in der A. cruralis war durch diese Muskelspannung sehr behindert worden. Ebenso wenig brauchbar für unser Thema sind auch die Versuche, wo die Stromgeschwindigkeit nach der Menge des Blutes, die aus der Wunde fliesst, zu bestimmen ist. In den Beobachtungen von Claude Bernard, Schiff,’ Gaskell,® Sadler,’ Hermann Schultz® war der Blutstrahl aus der Wunde, die im Gebiete des durchschnittenen Nerven lag, viel grösser als aus derjenigen im Gebiete des intacten Nerven. Man konnte sich aber auf Grund der Blutstrahlbreite nur Schlüsse betreffs der Blutfülle der zu vergleichenden Sphären erlauben, die Blutstromgeschwindigkeit in deren (Gefässen bleibt jedoch dabei unbestimmt. Wir ersehen also aus den hier angeführten Untersuchungen, dass die Durchschneidung eines Nervenstammes, eine Unterbrechung seiner Con- Dogiel-Schumovsky, a.a. 0. Moskauer med. Zeitung. 1868. Pogoscheff, Blutbewegung bei Muskelcontraction. Militär-ärztliches Journal. 1875. Bd. CXXH. (Russisch.) ® Dogiel, a.a.0. Moskauer med. Zeitung. 1868. * Claude Bernard, a.2.0. Liquides de l’organisme. T.]1. ® Schiff, eitirt nach Dogiel-Schumovsky, a.2. 0. ° Gaskell, a) Aenderung des Blutstroms in den Muskeln durch die Reizung ihrer Nerven. Ludwig’s Archiv. 1877. — b) Gefässnerven der Froschmuskeln. Jahresbericht für Physiologie. 1878. ” Sadler, Blutstrom in den Muskeln. Ludwig’s Archiv. 1869. ® Hermann Schultz, Einfluss der Nervendurchschneidung auf Ernährung und Regeneration des Gewebes. Centralblatt für med. Wissensch. 1873, 1 2 486 MICHAEL LaAPInsKY: tinuität oder eine Läsion seiner Fasern, auf andere Weise, eine Lumen- erweiterung der localen (refässe im Gefolge hat, die manchmal einige Wochen, sogar Monate hindurch dauern kann. Der intravasculäre Druck im Gebiete lädirter Nerven ist gleich nach der Läsion in einigen Fällen vermindert, in anderen dagegen gesteigert gefunden worden. In einigen, besonders sorgfältig ausgeführten Beobachtungen wurde die Stromgeschwindigkeit im Bereiche lädirter Nerven vermindert ge- funden, In fast allen hier angeführten Versuchen dauerte die Beobachtungs- zeit, was die Stromgeschwindigkeit und den Blutdruck betrifft, nur. einige Minuten; deswegen geben die dabei gefundenen Resultate keine Möglich- keit, ein Urtheil über die. Circulationsstörungen in späteren Stadien der Nervenparalyse zu fassen. | IM: Wir haben unsererseits Untersuchungen über die Weite des Gefäss- lumens, die Stromgeschwindigkeit und die Höhe des intravasculären Blut- druckes im Bereiche lädirter Nerven angestellt; wir beabsichtigten hierbei die zu Tage tretenden Erscheinungen nicht allein in den ersten Momenten unmittelbar nach der Verletzung der Nerven, sondern während einer längeren Zeitperiode nach entwickelter Paralyse zu verfolgen. Wir nahmen für diese Zwecke Frösche Rana esculenta (ungarische Rasse) und führten Paralyse einer (linken) Hinterextremität herbei durch Durchschneidung der moto- rischen Wurzeln des N. ischiadicus, oder durch Trennung seines Stammes. im oberen Drittel des Oberschenkels, oder durch eine feste Umschnürung dieses Nerven an derselben Stelle. Wir stellten unsere Beobachtungen der Circulationserscheinungen zuerst am normalen Thiere an, später an demselben Thiere gleich nach Verletzung seines N. ischiadicus, wiederholten diese einzelnen Beobachtungen eine ge- wisse Zeit hindurch und hatten zum Vergleiche während der ganzen Zeit erstens die Periode vor der Läsion des Nerven und zweitens die andere normale Extremität; wir versuchten auf diese Weise festzustellen, welchen Schwankungen jene oben hervorgehobenen Besonderheiten der Bluteireulation unterworfen sind. Im Allgemeinen wurde die Bluteirculation in der Schwimmhaut eines jeden Versuchsthieres auf einem von uns construirten Apparate unter. dem Mikroskope 48, 24 und !/, Stunde vor der Operation, !/, bis 2 bis 3 Stunden nach der Operation und weiterhin täglich ein Mal während der ganzen ÜBER LOCALE BLUTCIRCULATION U. S. W. 487 auf die Operation folgenden Periode bis zum Tode der Thiere, der gewöhn- lich am 14., 24., selten am 30. Tage erfolgte, beobachtet. Um das Thier bei der Fixirung auf dem Beobachtungstischehen so viel als möglich zu schonen, wurde dasselbe in Schreibpapier ziemlich locker eingewickelt, wobei die Hinterschenkel vollständig frei blieben. Der Rumpf und die vorderen Extremitäten, die ein wenig nach vorne ausgezogen und an den Kopf angelegt wurden, lagen frei in der Papierhülse. Das vordere Ende dieses Papierrohres überragte die Schnauze des Thieres um 12 bis 15 ® und blieb offen, so dass das Athmen des Thieres vollständig unbe- hindert blieb. In diesem papiernen Futteral wurde der Frosch auf die Platte gesetzt; um den Rumpf des Thieres wurden dann 2 bis 3 Schnüre gelegt, die dasselbe an die Platte befestigten. Das Beobachtungstischehen stellte ein Holzbrettehen von 2% Dicke, 20°” Breite und 60°® Länge dar.! An einem Ende dieses Brettchens be- fanden sich zwei Fenster von 2% Durchmesser; sie lagen zu beiden Seiten der Mittellinie je 1°“ von dieser entfernt und in derselben Entfernung vom kürzeren Rande des Brettchens. Auf diesen Fensterchen wurden während der Beobachtung die ausgebreiteten Schwimmhäute der beiden hinteren Ex- tremitäten befestigt und die Platte selbst wurde auf den ÖObjeettisch des Mikroskops gelegt. Ueber den beiden Fenstern in einer Entfernung von 3), °® wurde eine 2 "m dicke, 8 °% breite Glasplatte befestigt; sie lag in einer der Holzplatte parallelen Ebene. Diese Glasplatte konnte man nach Belieben auch herausziehen, doch lag sie unbeweglich fest, wenn sie sich an ihrer Stelle befand. In die Fensterchen wurden zwei cylinderförmige Glasgefässe von 2°” im Diameter und 1!/, °® Höhe hineingestellt, die mit zwei Oeffnungen versehen waren. Eine von diesen, die obere, breitere, wurde mit einer am Rande festgebundenen durchsichtigen Membran (aus einer Fischblase) überzogen, und zwar so, dass diese Membran frei in zahl- reichen Falten lag; man konnte durch Einwirkung vom Inneren des Glas- eylinders diese Membran um 1 bis i1!/,“® in die Höhe ausdehnen, welche dann eine fast 6 @*” breite, faltenlose, sphärische Fläche bildete und als Pelotte dienen konnte. Die andere Oeffnung lag an der Seite des Glascylinders und ging in ein 3" jm Diameter messendes gläsernes Rohr über, das seinerseits vermittelst eines Kautschukschlauches mit einer Kautschukbirne in Verbindung stand. Die Verbindung des Glasarmes mit dem Kautschukschlauche wurde durch eine I-förmige Glasröhre vermittelt. Die beiden horizontalen Oeffnungen derselben führten zum Glasgefäss bezw. zur Kautschukbirne, die verticale Oeffnung stand mit einer graduirten Röhre in Verbindung, die, 3 "m im Diameter, 1” Länge hatte, in verticaler Lage befestigt und oben offen war. Füllte man nun durch die obere freie Oeffnung der graduirten Röhre das cylindrische Gefäss, die Kautschukbirne und die verbindenden Röhren mit Wasser und liess man die graduirte Röhre leer, so konnte man nach Belieben die obenerwähnte Membran durch Handhabung der Kautschukbirne ! Nach Beendigung unserer Untersuchungen mit Hülfe dieses Apparates fanden wir zufällig die eitirte Arbeit von Roy und Graham, wo ein unserem fast ganz analoges Instrument beschrieben ist. 488 MICHAEL LaAPınskKY: ausdehnen oder wieder zum Falten bringen; drückte man die Birne zusammen, so blähte sich die Membran, liess man mit Drücken nach, so legte sich die aufgeblähte Membran wiederum in Falten. So oft das Wasser in das eylindrische Gefäss eingepresst wurde und die Falten der Membran ausglich, legte sich dieselbe an die über ihr befindliche Glasplatte, der Ueberfluss des Wassers aber stieg, keinen anderen Ausweg findend, in der graduirten Röhre empor. Befand sich in diesem Moment zwischen Glasplatte und Membran irgend ein Körper, so musste derselbe einen gewissen Druck er- fahren, dessen Kraft leicht durch die Höhe der Wassersäule im graduirten Rohr festgestellt werden konnte. Brachte man nun zwischen die Glasplatte und die Membran die Schwimmhaut bezw. den Fuss des Frosches, so konnte man auf sie bezw. ihre Gefässe nach Belieben — bis zum vollständigen Sistiren der Cireulation — drücken. Dies — das Aufhören der Cireulation — konnte natürlich nur dann eintreten, wenn der Druck der Wassersäule dem intravasculären Drucke, mit welchem das Blut aus den Arterien in die Capillaren strömte, gleichkam oder ihn übertraf. Beobachtete man also unter dem Mikroskop den Blutlauf und andererseits die Höhe der Wassersäule, so konnte man auf diese Weise den intravasculären Druck in den mikroskopirten Blutwegen feststellen. Mit Hülfe dieses Apparates konnten wir gleichzeitig alle drei uns inter- essirende Erscheinungen an dem Gefässsysteme beobachten, d. h. die Breite der Gefässe, die Stromgeschwindigkeit des Blutes und den intravasculären Druck. Das Instrument erlaubte ausserdem immer, beide Schwimmhäute bei einseitig gelähmten Thieren mit einander zu vergleichen. Grösserer Genauigkeit wegen nahmen wir zur Feststellung des Druckes Gefässe aus der Mitte der Zehenhautfalten, ungefähr !/,°® von ihrem freien Rande entfernt, auch ziemlich weit von dem knöchernen Gerüst der Zehen. Wir bemerkten nämlich, dass die Fischblasenmembran der Pelotte beim Ueber- gange über einen Zehenknochen, der ja die Schwimmhaut um 1 bis 2 bis 3 mm überragt, die in der Nähe dieses Zehenknochens befindlichen Gefässe in Form einer Brücke überspannte, so dass dieselben gar keinen Druck erfuhren. Das Befestigen des Frosches auf der Holzplatte des Apparates, das Ausbreiten der Schwimmhäute über den Fenstern und das Anheften der- selben mit Nadeln wurde ganz ohne Narkose vorgenommen. Ein mehr oder weniger energischer Druck auf den Körper, besonders Kopf des Frosches liess das Thier schnell ruhig werden, und wurde der Druck nach Beendigung der schmerzhaften Proceduren allmählich schwächer ausgeübt oder ganz eingestellt, so lag der Frosch ganz still, im sogenannten hyp- notischen Zustande. Die Untersuchung der Circulation in der Schwimmhaut der Frösche vor der Operation (48, 24 Stunden, !/, Stunde) zeigte keinen Unterschied darin in beiden Füssen. ÜBER LOCALE BLUTCIRCULATION U. S. W. 489 Die dünnsten Capillaren, denen wir besondere Aufmerksamkeit zu- wandten, zeigten in beiden Schwimmhäuten gleiche Contouren, ihr Lauf war durchaus nicht gewunden, auch war ihr Lumen fast gleich. Ihre Weite schwankte zwischen 17 bis 25 u. Die Circeulation vollzog sich in ihnen jedoch nicht gleichmässie. Einige Capillaren erschienen ganz leer, in anderen ging der Strom ziemlich langsam, in anderen dagegen vollzog sich der Blutlauf mit der grössten Geschwindigkeit. ' Der Blutdruck (nach der Höhe der Wassersäule im graduirten Rohre, bei welcher die Cireulation aufhörte, beurtheilt) schwankte in 80 Beobach- tungen bei kleinen Thieren zwischen 20 bis 60°“, bei grösseren Thieren zwischen 40 bis 80°“ der Wassersäule. A. In dieser Art stellten wir Versuche mit 7 Fröschen an, bei welchen die Läsion des N. ischiadieus in einer Durchschneidung seiner motorischen Wurzeln bestand. Die Operation selbst wurde auf folgende Weise vollzogen: Nachdem die Haut über dem unteren Theil der Wirbelsäule durch- schnitten und die Muskeln daselbst abgehoben waren, wurden die hinteren Bogen der drei unteren Wirbel entfernt, die Häute des Rückenmarkes ver- schoben, aufgetrennt und dann ein dünner Wasserstrahl (unter geringem Drucke) auf das Rückenmark gerichtet. Die fallende Flüssigkeit erhob das Mark aus seiner knöchernen Einbettung und drehte es leicht um die Axe seitlich, so dass die linken vorderen Wurzeln der Lumbal-Anschwellung der Scheere vollkommen zugänglich waren. Nachdem diese durchschnitten waren, legten wir das Rückenmark wieder in sein normales Bett und deckten die Knochenwunde mit den Muskeln, die mit 3 bis 4 Nähten befestigt wurden; dann wurde mit tiefen Nähten die über ihnen befindliche Haut zusammen- genäht. Das Thier wurde hierauf in frisches Wasser gesetzt. Die Folgen der Operation zeigten sich sofort, als das Thier die Möglich- keit der Bewegung erlangte. Die linke hintere Extremität solcher Frösche befand sich in vollkommener Paralyse und schleppte passiv hinter dem Thiere her. Die Sensibilität war in derselben leicht erhöht. Die refleetorischen Bewegungen hatten in dieser Extremität gänzlich aufgehört. Was die Bluteireulation in der Schwimmhaut anbelangt, so fanden sich dort sehr deutliche Veränderungen (im Vergleich mit dem Zustand vor der Läsion), und zwar nicht allein auf der Seite des gelähmten Nerven, sondern in beiden Füssen. ! In Uebereinstimmung mit den Beobachtungen von Cohnstein und Zuntz, Mikroskopische Studien über die Vertheilung der Blutkörperchen im Capillarsystem. Archiv für die ges. Physiol. Bd. XLlL. S. 324, 490 Operirte Extremität. MICHAEL LAPINSKY: Nichtoperirte Extremität. !/, bis 1'/, Stunde nach der Durchschneidung der Wurzeln des N. ischiad. Die Breite zwischen Die Gefässe sind eng. der Oapillaren schwankt 10 bis 15u. Die Cireulation ist überall in ihnen gleich langsam. Die Zahl der leeren Capillaren hat sich im Vergleiche mit der der Operation vorausgegangenen Beobachtungsperiode vergrössert. Der intravasculäre Druck ist 30 bis 40% niedriger als in der Zeit vor der Operation. 18 bis 24 Stunden Die Gefässe sind etwas breiter als am Tage vorher. Die Weite der Capil- laren hat auch etwas zugenommen und erreicht 15 .bis 254. Der Blut- strom geht etwas schneller; auch hat die Zahl der leeren Capillaren ab- genommen. Der Druck in den Ca- pillaren steigt an, erreicht jedoch nicht die Höhe, die er vor der Ope- ration hatte. Die Gefässe sind erweitert. Die Capillaren sind bis 30 u weit. Die Cireulation ist in allen Ca- pillaren sehr schnell. Leere Capillaren und solche mit langsamer Blutbe- wegung werden gar nicht bemerkt. Der Druck erreicht die Höhe von 90 bis 100°”, er überragt im All- gemeinen den Druck vor der Operation um 20 bis 40 m, nach der Operation. Die Gefässe haben zwar an Weite gegen den vorhergehenden Tag ver- loren, übertreffen jedoch noch die Norm. Die Weite der Capillaren schwankt zwischen 20 bis 25 u. Der Blutstrom bewegt sich in allen Capil- laren gleich schnell. Leere Capillaren sind nicht zu sehen. Die Druckhöhe bewegt sich in normalen Grenzen. Am dritten, in seltenen Fällen erst am vierten, fünften Tage treten neue Erscheinungen hervor. Die Gefässe sind stark. erweitert. Die Breite der Capillaren erreicht 30 bis 35 u. Sie sind gar nicht gewunden und sind stark mit Blut gefüllt. Die Blutbewegung ist in allen Capillaren sehr schnell. Leere Capil- laren und solche mit langsamem Blut- strom sind nicht zu bemerken. Der intravasculäre Druck ist sehr erhöht. Der Druck einer 100 hohen Wassersäule genügt bei grösse- ren Thieren nur, um die Circulation zu verlangsamen; sie gänzlich ‘zu Die Gefässe sind von normaler Weite. Die Capillaren sind 15 bis 25 u breit. Viele Gefässe sind leer, die Blutfülle der übrigen Gefässe über- steigt nicht die normalen Grenzen. Die Blutbewegung geht in den verschiedenen Capillaren wie in der Norm mit verschiedener Schnelligkeit vor sich. Einige Capillaren sind leer, andere zeigen langsamen Blutstrom, wieder andere zeigen sehr schnelle Blutbewegung. Der Druck fällt etwas unter die Norm. Bei grossen Thieren misst er ungefähr 20 bis 40% Wassersäule, bei kleinen und schwachen Fröschen ist er 15 bis 20 ®® und noch weniger. ÜBER LOCALE BLUTCIRCULATION U. S. W. Operirte Extremität. hemmen, ist bei dieser Wasserhöhe nicht möglich. Bei kleineren schwäche- ren Fröschen ist der intravasculäre Druck weniger erhöht. Es genügt für gewöhnlich schon eine 70 bis 90 hohe Wassersäule, um die Cireulation zu sistiren. 491 Nichtoperirte Extremität, In den folgenden Tagen ist der Zustand der Cireulation in. beiden Extremitäten je nach der Grösse des Frosches verschieden. 1. Bei vier grossen Fröschen. Die Erweiterung des Lumens, die erhöhte Blutstromgeschwindigkeit, so- wie dergesteigerteintravasculäreDruck bestehen gewöhnlich eine Woche hin- durch fort, vom Tage gerechnet, da diese Erscheinungen zuerst auftraten. Die Lumenweite der Gefässe bleibt in normalen Grenzen, die der Capil- laren schwankt zwischen 15 bis 25.4 im Laufe von 5 bis 8 Tagen. Die Cireulation vollzieht sich in ihnen ganz so, wie vor der Operation, d.h. in einigen Oapillaren sehr schnell, in anderen langsam, während einige Capillaren ganz leer erscheinen. Der Druck bleibt etwas herabgesetzt oder nähert sich der Norm. Nach Ablauf dieser Zeit kommen neue Erscheinungen in beiden Füssen. Das Lumen der Gefässe wird noch weiter. Das Lumen der Capillaren schwankt zwischen 25 bis 35 u. Ihr Verlauf wird oft sehr gewunden, auch werden zuweilen gewisse Un- regelmässigkeiten, wie bauchige Er- weiterungen an ihren Contouren be- merkt. Die bis dahin in allen Capillaren mit der gleichen Schnelle sich voll- ziehende Circulation beginnt sich all- mählich zu verlangsamen. Anfangs sieht man nur eine partielle Verlangsamung. Zuerst nämlich wird der Blutlauf in den gewundenen mit bauchartigen Wandausbreitungen oder in den von grossen Gefässen entfernt liegenden Capillaren etwas langsamer. Kurze Zeit darauf (24 bis 48 Stunden) hört jede Blutbewegung in diesen Gefässen auf. Sie behalten Es tritt eine neue Erweiterung (bis 20 bis 30 „) der Capillaren ein, welche 6 bis 8 Tage anhält und allmählich nachlässt, so dass die Gefässe ihre normalen Dimensionen, die sie vor der Operation hatten, d. h. 15 bis 25 u, wieder erlangen. Es wird zuweilen auch eine leichte Steigerung der Blutstromgeschwindig- keit in allen sichtbaren Capillaren bemerkt, welche 2 bis 6 Tage, unter Umständen noch länger dauert. 492 Operirte Extremität. das frühere, breite Lumen (das in einigen Fällen noch breiter wird), den krass gewundenen Verlauf, bauchige Wandausbuchtungen und die starke Blutfülle; die Cireulation hat jedoch in ihnen endgültig aufgehört und die Blutkörperchen liegen unbeweg- lich da. Noch etwas später, d.h. in 12 bis 48 Stunden, verlangsamt sich die Cireulation auch in den anderen, bis dahin gut functionirenden Capil- laren und es tritt dann vollständige Stase in allen Capillaren der Schwimm- haut ein; nur hier und da lässt sich in den dickeren Gefässen eine schwache Cireulation entdecken, doch geschieht hier die Bewegung nur in den Axen- schiehten, die Wandschichten aber befinden sich in vollständiger Ruhe. DieseVerlangsamung des Blutlaufes erleidet aber zuweilen temporäre Ver- änderungen. In einzelnen Zwischen- zehensegmenten der Schwimmhaut kann die Verlangsamung ganz schwin- den, so dass in einzelnen begrenzten Regionen der Schwimmhaut in der Zeit der Blutstockung mehr oder weniger lebhafte Cireulation eintritt. Dieser Zustand wird z. B. dann beobachtet, wenn das Thier reichlich gefüttert wird, oder stärkere Bewegungen in einem mit Wasser gefüllten Gefässe macht, oder nach Bespritzen mit einem frischen Wasserstrahle. Eine solche kurzdauernde Circulationssteigerung in einer Periode allgemeiner Stagnation beobachteten wir unter dem Mikro- skope in dieser paralysirten Extremi- tät auch, als das Thier auf unserer Beobachtungsplatte willkürliche Be- wegungen machte: Da das Thier ziemlich lose befestigt war, so machte es bei einigen Reizungen Versuche, sich fortzubewegen. Während solcher Momente füllten sich die Gefässe der paralysirten Extremität noch stärker mit Blut und es trat so eine kurze Periode lebhafterer Cireulation ein, MiıcHAEL LAPInsKY: Nichtoperirte Extremität. Das Füttern, leichtes Bespritzen des Thieres mit dem kalten frischen Wasserstrahle, auch willkürliche Be- wegungen übten keinen besonderen Einfluss auf die Geschwindigkeit des Blutstromes. ÜBER LOCALE BLUTCIRCOULATION VD. 8. W. Operirte Extremität. Der intravasceuläre Druck lässt mit der Verlangsamung der Blut- strömung etwas nach, bleibt aber noch gesteigert, sogar über die nor- male Grenze. Eine Verlangsamung oder auch vollständige Stase der Cir- eulation konnte jetzt mit Hülfe unserer Kautschukbirne erzielt wer- den, aber nur bei einer Wassersäule von etwa 90°®, Der Blutdruck in den stagnirenden Capillaren zu der Zeit, als man von einer partiellen Verlangsamung sprechen konnte, war auch erhöht. Mikroskopirte man die mit ruhig stehendem Blut gefüllten Capillaren und erhöhte man allmäh- lich den hydraulischen Druck in dem eylindrischen Glasgefäss unseres Appa- rates, so konnte man deutlich sehen, wie mit dem Steigen der Wassersäule (bis 20 bis 35%) die bis dahin ruhigen Blutkörperchen sich zu be- wegen begannen, so dass sehr bald in den Gefässen eine sehr lebhafte Cireulation entstand, die man nur mit einem hydraulischen Druck von SO bis 90 °® unterdrücken konnte. Auch in den Perioden der allgemeinen Stase war der intravasculäre Druck nicht sehr stark abgefallen. Auch zu dieser Zeit gelang es uns, eine temporäre Circulation in den Capil- laren hervorzurufen, indem wir den hydraulischen Druck auf 30 bis 35 ansteigen liessen, doch erzeugte eine weitere Steigerung auf 40 bis 50 bis 60°” entweder vollkommene Stase, oder die Capillaren erschienen leer. Noch später, am Ende dieser Periode allgemeiner Stase, gelang dieser Ver- such nicht mehr. Wir drückten auf die Kautschukbirne und erhöhten so den Druck im ganzen hydraulischen System unseres Apparates bis zum stärksten Grade, doch konnten wir keine Cireulation in den stagniren- den Capillaren erzeugen. Sie blieben ebenso erweitert, gewunden und mit 493 Nichtoperirte Extremität. Der intravaseuläre Druck hält sich entweder in den Grenzen der mitt- leren normalen Ziffer, oder ist etwas unter die Norm gesunken. Im wei- teren Verlaufe der Beobachtung, in der Periode der gesteigerten Cir- eulationsgeschwindigkeit wird der Druck auch stärker, was sich im Steigen der Wassersäule im graduirten Rohre um 10 bis 12% über die Norm zeigt. Fällt die Strömungsgeschwindigkeit, so fällt auch der Blutdruck. Speiseaufnahme und leichtes Douchen des Thieres mit frischem Wasser gleich vor dem Mikroskopiren hatte gewöhnlich eine leichte Steigerung des Druckes, sehr selten bis zur Norm, zur Folge. Will- kürliche Bewegungen des Thieres wurden jedoch nicht von einem An- wachsen des Blutdruckes begleitet. 494 Operirte Extremität. Blut überfüllt wie vor der Steigerung des Wasserdruckes. Man konnte deshalb nur muth- maassliche Daten über den Blutdruck angeben. Füttern, Bespritzen mit frischem Wasserstrahle und willkürliche Be- wegungen wurden zu dieser Stagna- tionsperiode, indem sie eine kurz- dauernde Steigerung der Stromge- schwindigkeit erzeugten, von einem erhöhten Blutdruck begleitet. MicHAEL LAPInsKY: Nichtoperirte Extremität. Füttern, Bespritzen mit frischem Wasserstrahle und willkürliche Be- wegungen wurden nur selten von einer leichten Steigerung des Blut- druckes begleitet. In der weiteren Beobachtungsperiode bis zu dem Tode des Frosches. Die Gefässe werden etwas schmäler und die Dicke der Capillaren kommt bis 20 bis 25 «. Die Gewundenheit ihres Verlaufess und ihre Blutfülle nimmt ab. Die Cireulation bleibt bis zum Tode sehr träge; einige Capillaren stagniren. Der Blutdruck fällt auf 25 bis 30 em Was den Gewebszustand des ge- lähmten Fusses anbelangt, so war in der zweiten Hälfte der Operations- periode die Froschpfote ganz schlaff, mässig ödematös, doch blieb das Ge- webe der Schwimmhaut die ganze Zeit über durchsichtig. Nur stellen- weise konnte man ein Heraustreten rother Blutkörperchen aus den Ge- fässen bemerken. Die Gefässe werden zuweilen enger als in der Periode vor der Operation. Die Dicke der Capillaren schwankt zwischen 15 bis 20 u. Ihr Verlauf zeigt keine Windungen. Die Cireulation ist in der Mehr- zahl der Capillaren verlangsamt. Die Zahl der leeren Capillaren ist gross. Eine gesteigerte Strömungsgeschwin- digkeit wird äusserst selten beobachtet, auch nur in einem äusserst kleinen Theil der Capillaren. Der Blutdruck fällt auf 10 bis DH. Das Gewebe der Schwimmhaut ist vollkommen unverändert. Oedem des Fusses wurde nicht bemerkt. 2. Bei den drei kleinen und schlecht genährten Fröschen wiederholten sich dieselben Erscheinungen, die wir schon bei den grossen Fröschen hervor- gehoben, doch mit dem Unterschiede, dass die Dauer der einzelnen Perioden bedeutend kürzer und die Intensität der Cireulationsschwankungen geringer war. Während ein grosser und genährter Frosch nach einer solchen Operation drei, bis vier Wochen lebte, starb ein kleiner oder schlecht genährter Frosch schon nach 8 bis 18 Tagen. Nach Verlauf einer halben Stunde und im Laufe der nächsten 24 Stunden nach der Durchschneidung der Wurzeln Eine halbe Stunde nach erfolgter Operation und während der nächsten 24 Stunden zeigen die Oapillaren starke ÜBER LOCALE BLUTCIRCULATION DV. S. W. Operirte Extremität. waren die Gefässe in der paralysirten Extremität verengt. Sie wurden darauf allmählich breiter. Kurz nach der Operation war die Cireulation sehr träge, die Mehrzahl der Capillaren war leer, doch belebte sich die Cireulation wieder am Ende der ersten 24 Stunden. Der Blutdruck bis 30 °® unter das Niveau, auf dem er vor der Operation gestanden, doch steigerte sich der Druck allmählich amı Ende der ersten 24 Stunden. Der weitere Verlauf dieser Vom dritten Tage nach der Ope- ration beginnend, steigt die Erwei- terung der Gefässe, die Strömungs- geschwindigkeit und der Blutdruck bis zur grössten Höhe. Am 5. bis 7. Tage nehmen die stark erweiterten Capillaren einen ge- wundenen Verlauf an; ihre Contour wird nicht mehr gleichmässig, an mehreren Gefässchen sieht man Wand- ausbuchtungen. Im späteren Verlauf bleibt dieser Stand der Capillaren er- halten. Erst einige Tage vor dem Tode verschwinden die Wandausbuch- tungen und Gewundenheit des Gefäss- verlaufes; noch später tritt eine kleine Verengerung des Lumens ein, wenn auch die Norm noch nicht erreicht ist. Die Steigerung der Blutstrom- geschwindigkeit liess nach einer ge- wissen Zeit allmählich nach. Aehn- lich wie bei den grösseren Fröschen konnte man auch hier eine partielle Verlangsamung in den gewundenen, mit Wandausbuchtungen versehenen und von den grossen Gefässen ent- fernter gelegenen Capillaren be- merken, bald trat aber in ihnen, wie in den anderen Gefässen vollkommene Stase ein. Diese Stase verschwand 495 Nichtoperirte Extremität. Erweiterung und sind sehr mit Blut gefüllt. Die Cireulation ist in ihnen sehr belebt. Leere Capillaren sind gar nicht zu sehen. Der Blutdruck übersteigt die Norm um 10 bis 20 m, fiel Anfangs 20 Erscheinungen ist folgender: Die Lumenweite der Capillaren, die Stromgeschwindigkeit und der intravasculäre Druck treten in nor- male Grenzen, vom dritten, zuweilen vom zweiten oder vierten Tage nach der Operation beginnend. Am 5. bis 7. Tage nach der Ope- ration beginnen die Capillaren sich wieder zu erweitern und behalten die Erweiterung im Laufe einiger Zeit. Vor dem Tode erst verkleinert sich wieder das Lumen der Capillaren. Die Blutlaufgeschwindigkeit ent- sprach der Norm, nahm jedoch mit der Erweiterung der Gefässe bedeu- tend zu. 496 Öperirte Extremität. aber mit dem Verschwinden der Wand- ausbuchtungen und der Gewundenheit des Gefässverlaufes und ging in eine träge Circulation über, welche bis zum Tode blieb. Wenn das Thier zu dieser Stagna- tionsperiode vor der mikroskopischen Untersuchung mit einem Wasserstrahl bespritzt oder mit Fleischstückcehen gefüttert wurde, so belebte sich sehr bald die Circulation, aber nur vorüber- gehend. Ebenso kurz dauernde Be- lebung der Cireulation wurde auch während der willkürlichen Bewegungen des Thieres beobachtet. Was den intravaseulären Druck betrifft, so war er weit über die Norm hinaus erhöht, so lange die Strömungs- geschwindigkeit und Blutfülle in den Capillaren eine so gesteigerte war. Eine kleine Herabsetzung des Druckes trat ein, als die partielle Verlang- samung der Cireulation stattfand, doch war der Druck immer noch höher als in den Gefässen der normalen Ex- tremität. Während der Belebung der Cireulation nach Douchen und Füttern fand eine kurz dauernde Steigerung des Blutdruckes statt. In der zweiten Hälfte der Nach- operationsperiode war die Extremität leicht ödematös, stellenweise waren auch unbedeutende, punktgrosse Blut- austritte. B. MICHAEL LAPInsKY: Nichtoperirte Extremität. Während der willkürlichen Be- wegungen, nach dem Füttern und nach dem Bespritzen mit dem Wasser- strahle bemerkte man keine besondere Belebung der Circulation. Gleichzeitig mit der Steigerung der Strömungsgeschwindigkeit konnte man auch eine kleine Erhöhung des Blutdruckes, der die Norm etwas über- traf, wahrnehmen. Während derganzen übrigen Zeit und besonders in den letzten Tagen des Lebens war der Druck herabgesetzt. Die Douchen und das Füttern des Thieres, auch die willkürlichen Bewegungen wurden von keiner besonderen Steigerung des Blut- druckes begleitet. Das Gewebe der Extremität war offenbar gar nicht verändert. Bei sieben Fröschen wurde der N. ischiadicus im oberen Viertel des Oberschenkels durchschnitten. Die vier kleinen Frösche starben in Folge dieser Operation im Laufe von 15 Tagen, die drei grösseren im Laufe von 25 Tagen vom Zeitpunkte der Operation gerechnet. Die Durchschneidung des N. ischiadicus hatte eine Paralyse der Zehen, des Fusses und des Unterschenkels der operirten Extremität erzeugt. Die Beweglichkeit des Oberschenkels war gewöhnlich weniger verändert, die Sensibilität und die reflectorischen Bewegungen des Unterschenkels und des Fusses waren geschwunden. ÜBER LOCALE BLUTCIRCULATION UT. S. W. 49 Was die locale Bluteireulation betrifft, so war in den Hauptzügen dasselbe zu vermerken, was schon nach Durchschneidung der vorderen Wurzeln des N. ischiadieus beobachtet wurde. Operirte Extremität. Nichtoperirte Extremität. !/, Stunde nach der Operation. Die Gefässe des Froschfusses sind eng. Die Capillaren sind auf 12 u zusammengezogen. In der Mehrzahl der Capillaren ist die Circulation sehr träge. Ein kleinerer Theil der Capillaren ist leer. Capillaren mit schneller Blutströmung sind gar nicht zu bemerken. Der Druck steht unter der Norm um 30 bis 20 bei grossen Fröschen, um 20 bis 10 *% bei kleinen oder schwach ernährten Fröschen zurück. Nach 6 Die Gefässe sind etwas erweitert. Das Lumen der Capillaren steigt bis auf 25 «. Leere Capillaren oder solche mit verlangsamter Strömung werden nicht bemerkt. Die Cireulation ist in der Mehr- zahl der Capillaren lebhaft, doch übersteigt sie nicht die normale Strö- mungsgeschwindigkeit. Der Druck ist dem normalen gleich. Nach 24 Die Capillaren sind bis auf 30 u erweitert, gewunden und stark gefüllt. Leere Capillaren werden nicht be- merkt. Strömungsgeschwindigkeit ist in allen sichtbaren Gefässen sehr gross. Der intravasculäre Druck ist er- höht. Der Druck einer 100 ©“ hohen Wassersäule unseres Apparates ist nicht im Stande, die Blutströmung in den Capillaren zu sistiren. Die Capillaren sind auf 30 u er- weitert. Sie sind stark mit Blut gefüllt. Die Blutströmung ist in allen Ca- pillaren ohne Ausnahme sehr schnell. Capillaren mit verlangsamter Strömung oder leere Capillaren werden nicht bemerkt. Der Blutdruck in den Gefässen steigt bis auf 90 °® Wassersäule. Stunden. Die Capillaren sind wie früher auf 30 u erweitert. Die Strömungs- geschwindigkeit und der intravaseuläre Druck sind nach wie vor erhöht. Stunden. Die Gefässe haben ihre normale Weite. Das Lumen der Capillaren ist im Allgemeinen 15 bis 20 u. Es sind viel leere Capillaren vorhanden. Die Blutströmung geht in den übrigen Capillaren viel langsamer vor sich als in der Norm. Auch der locale Blutdruck steht hinter der Norm zurück, ein hydrau- lischer Druck von 40% sistirt die Cireulation. In allen 7 Fällen blieben die Erscheinungen am 3., 4., 5., 6., zuweilen noch sogar am 9. Tage nach der Operation in dem operirten, wie in dem normalen Fusse im Vergleiche mit dem Status nach 24 bis 48 Stunden un- verändert; allmählich traten dann in der operirten, wie in der normalen Extremität einige Veränderungen ein. Archiv f. A,u. Ph. 1899, Physiol, Abthlg. Suppl, 32 498 Operirte Extremität. Am 4. bis 10. Tage Das Lumen der Capillaren ist nach wie vor erweitert (bis 30 u). Ihr Ver- lauf ist gewunden; ihre Wandungen sind an mehreren Stellen bauchartig ausgeweitet. In einzelnen Segmenten der Schwimmhaut geht die Blutströmung langsam vor sich. Der intravasculäre Druck ist offen- bar unverändert geblieben. Sehr bald tritt Stagnation ein; hin und wieder sieht man noch eine stossartige Bewegung, hauptsächlich in der Nähe der grösseren Gefässe des Fusses. In den letzteren sieht man nur einen Axenstrom. Die Messung des intravasculären Druckes gelang in der Stagnationsperiode nicht immer. In einigen Fällen trat beim Compri- miren des Froschfusses mit unserem hydraulischen Apparat in den Ca- pillaren eine träge, zuweilen sogar lebhafte Strömung ein, die durch wei- teres Drücken des Fusses vermittelst einer 60 bis 70 “% hohen Wassersäule sistirt werden konnte. In anderen Fällen dagegen konnte mit unserem Apparate die Strömung in den stagni- renden Gefässen nicht wachgerufen werden. Sie blieben mit unbeweg- lichen Blutkörperchen gefüllt, wenn der Druck auch bis auf 100 ® ge- steigert wurde (bei einem grösseren Frosche). Es konnte deshalb der Blutdruck auch nicht annähernd fest- gestellt werden. Das Füttern des Frosches, die Douchen und willkür- lichen Bewegungen wurden in dieser Periode immer von einer gesteigerten Strömung und über die Norm erhöh- tem Druck begleitet. In der letzten Periode bis zum Tode waren die Capillaren etwas enger als im Stadium der grössten Erweiterung (bis 25 und 30 u). Sie sind nicht mehr gewunden; ihre Wand- MıcHAEL LAPInskY: Niehtoperirte Extremität. nach der Operation. Die Capillaren erweitern sich von Neuem und sind stark mit Blut gefüllt. Die Blutströmung ist gesteigert und ist in allen Capillaren gleich: auch der locale Blutdruck hat sich gehoben. Bei vier Versuchsfröschen dauertediese Gefässerweiterung mit Steigerung der Stromge- schwindigkeit und des localen Blutdruckes 10 bis 11 Tage. Bei den übrigen drei Fröschen dauerten diese Erscheinungen 6 Tage. Das Füttern und die Douchen wurden von einer etwas gesteigerten Strömung und leicht erhöhtem Blut- drucke begleitet. Willkürliche Be- wegungen riefen keine Veränderung der Cireulation hervor. In der letzten Periode vor dem Tode zeigten alle sieben Frösche ähn- liche Erscheinungen. Die Strömungs- geschwindigkeit, der Blutdruck sanken unter die Norm und blieben so mit ÜBER LOCALE BLUTCIRCULATION U. $. W. 499 Operirte Extremität. Nichtoperirte Extremität. ausbuchtungen sind verschwunden. Die unwesentlichen Schwankungen bis zum Blutströmung hatte sich sehr verlang- Tode. samt und vollzog sich hauptsächlich in den diekeren Gefässen und den ihnen benachbarten Capillaren. In den von den grösseren Gefässen ent- fernter liegenden Capillaren hatte die Cireulation gänzlich aufgehört. Der Blutdruck war 80 bis 60%, in den letzten Tagen sogar 40 bis 20% hoch. Die Schwimmhaut war die ganze Das Gewebe des Fusses zeigte Zeit durchsichtig. In der zweiten keine besonderen Veränderungen. Hälfte der Periode nach der Operation hatte der Fuss ein mässig aufgedun- senes Aussehen. Zuweilen zeigten sich in der Schwimmhaut geringfügige Blutaustritte. Bei vier Fröschen haben wir zu der Zeit, als die Schwimmhautgefässe ehr erweitert waren, beide Aa. crurales frei gelegt und mit einander erglichen. Dabei fand es sich, dass ganz im Gegensatz zu den chwimmhautgefässen, welche auf dem gelähmten Fusse doppelt so breit waren als die des normalen Fusses, die Aa. cerurales bei diesen vier Fröschen beiderseits einander ganz gleich waren. [771 an 11 to DD PAUL SCHULTZ: - Satz vom Grunde heisst, besitzt die Retina sogar die Fähigkeit, die Richtung, in der sie vom Lichte getroffen wird, unmittelbar mitzuempfinden, weil der Lichtstrahl in die Dicke der Retina eindringt.! Also nicht bloss, dass hier in einem wesentlichen Punkte die Erfahrung und die aufgestellte Lehre von der Intellectualität der Anschauung bei Seite geschoben wird, sondern auch der idealistische Standpunkt ist im Grunde genommen verlassen. Denn abgesehen von der physiologischen Unmöglichkeit, steckt in dieser Theorie von dem Verfolgen der Direction der Lichtstrahlen auf das äussere Object, die später in ähnlicher Form auch von Anderen aufgestellt wurde, doch nur ein platter Realismus. Das Sehorgan wird dabei unter dem Bilde der photographischen Camera vorgestellt, und die Erregung der Netzhaut ist gleich einem mehr oder minder getreuen Bilde der real vorhandenen Aussenwelt. Gänzlich übersehen ist dabei, dass schon die Begriffe oben und unten, die doch nur von der Schwere, also vom Tastsinne hergenommen sind, für die reine Gesichtsempfindung gar keinen Sinn haben. Netzhaut, Lichtstrahlen und ihre Kreuzungspunkte sind eben spätere ‚wissenschaftliche Abstractionen. Wer nichts von Physik und Physiologie versteht, weiss. davon auch beim Sehen nichts. Wie Schopenhauer zu dieser auch seinem Systeme schroff wiederstreitenden Inceonsequenz kam, wissen wir wohl. Es zeigt sich hier im Keime derselbe Widerspruch, der in voller Grösse seine Lehre vom Intelleet kennzeichnet.” Er schöpfte seine anatomischen und physiologischen Kenntnisse aus den Werken der sensualistischen französischen Naturforscher, wie Bichat, Cabanis, Flourens. Deren Materialismus. suchte er zu verschmelzen mit der transcendentalen Aesthetik Kant’s, was ein Unding war. Wie unvergleichlich tiefer fasst nun der Empiriker Helmholtz das Problem auf. „Meines Erachtens hat der Streit über den Grund des Auf- rechtsehens nur das physiologische Interesse zu zeigen, wie schwer selbst Männer von bedeutender wissenschaftlicher Befähigung sich dazu verstehen, das subjective Moment in unseren Sinneswahrnehmungen wirklich und wesentlich anzuerkennen und in ihnen Wirkungen der Objecte zu sehen, statt unveränderter Abbilder (sit venia verbo) der Objecte, welcher letztere Begriff offenbar sich selbst widerspricht.‘ Auf der anderen Seite muss es nun aber auch ausgesprochen werden, dass Schopenhauer nicht Gerechtigkeit widerfahren ist. Man kann sein Befremden nicht unterdrücken, dass er in der ersten Auflage der physio- 7SEWE SBASIT. SE722 ? Ich verweise hierbei auf meinen demnächst in der „Deutschen Rundschau“ erscheinenden Aufsatz: „Schopenhauer in seinen Beziehungen zu den Naturwissen- schaften“, ° Handbuch der physiologischen Optik. 1896. II. Aufl. S. 751. SCHOPENHAUER’S ABHANDLUNG: ÜBER DAS SEHEN UND DIE FARBEN. 523 logischen Optik gar nicht, in der zweiten nur ein Mal beiläufig erwähnt wird. Hier heisst es in der Uebersicht über die Geschichte der Gesichts- empfindungen: „Vieles Richtige, scharf ausgesprochen, findet sich auch bei J. G. Fichte in den ‚Thatsachen des Bewusstseins‘, namentlich die Zu- sammenfassung der Empfindungen in Qualitätenkreise, den fünf Sinnen entsprechend. Was in Schopenhauer’s einschlägigen Erörterungen richtig ist, wird meist auf diese Quelle zurückzuführen sein.“! Dies ist, soweit ich wenigstens sehen kann, unzutreffend. Das, was oben als die wesent- liche Leistung Schopenhauer’s hervorgehoben wurde, lässt sich bei Fichte nicht nachweisen. Es ist zu wünschen, dass eine neue Auflage der Optik diesen Irrthum beseitigt und Schopenhauern die gebührende Anerkennung zu Theil werden lässt.” Der zweite Theil der Abhandlung enthält die Farbenlehre. Schopen- hauer hat selbst seinen, hierin von allen bisherigen Theorien völlig ab- weichenden Standpunkt scharf präcisirt. Wie Kopernikus zur Erklärung der Planetenbewegung auf die Bewegung des Subjectes mit der Erde zurück- gegangen ist, wie der grosse Kant, um die Beschaffenheit der Dinge zu erkennen, die Beschaffenheit der sie wahrnehmenden Vernunft des Subjectes untersucht hat, so willauch Schopenhauer in der Theorie der Farben vom beobachteten Gegenstande auf den Beobachter selbst, vom Objectiven zum Subjectiven, vom äusseren Lichte zur Empfindung im Auge zurückgehen. Die Farben werden erklärt als verschiedene Zustände oder Modificationen der Retina. Schon Locke hatte unter seinen secundären Qualitäten, die nicht den Dingen, sondern den Sinnen des Subjectes angehören, die Farbe obenan gestellt. Schopenhauer macht mit vollem Bewusstsein von der Eigenart und der Bedeutung seines Schrittes den ersten consequenten Versuch, diesem allgemeinen Gedanken eine bestimmte Form zu geben. Seine Theorie ist daher, wie Czermak mit Recht betont hat, eine eminent physiologische.? 1A.2.0. 8.248. ® Helmholtz hat Schopenhauer noch einmal erwähnt in der Rectoratsrede (1878): „Die Thatsachen in der Wahrnehmung“. (Vorträge und Reden. Braunschweig 1884. Bd. II. S. 237). Hier sagt er: „Ich habe später jenen Namen der unbewussten Schlüsse vermieden, um der Verwechselung mit der, wie mir scheint, gänzlich unklaren und ungerechtfertigten Vorstellung zu entgehen, die Schopenhauer und seine Nach- folger mit diesem Namen bezeichnen.“ Die Erklärung für diese sonst unbegreifliche missfällige Kritik Schopenhauer’s findet Heyfelder (a.a. O. 8. 47) treffend darin, dass „Schopenhauer das Subject mittels eines unbewussten Schlusses das Object erschaffen lässt, während bei Helmholtz die Wirkungen auf die Sinnesnerven that- sächlich Wirkungen von anssen her sind, nur die wirkenden Ursachen also erschlossen werden“. Schopenhauer war in dieser Beziehung — wenn Schlagwörter gestattet sind — Transcendental-Idealist, Helmholtz Transcendental-Realist. =N..230:: 8513. 524 PAUL SCHULTZ: Der blosse Eindruck auf das Auge — lehrt er nun hier — ist noch keine Empfindung. Dass diese zu Stande kommt, dazu ist nöthig, dass das Auge darauf reagirt. Denn alle Sensibilität, so lehrt die Physiologie, ist nicht reine Passivität, sondern Reaction auf den empfangenen Reiz. Bei der Lichtempfindung ist es die Reaction, ist es die Thätiekeit der Retina, welche den blossen Lichtreiz zur Licht- und Farbenempfindung umwandelt. Diese Thätigkeit kann ungetheilt und getheilt vor sich gehen. Ihre Theilung kann geschehen der Intensität nach, der Extensität nach und der Qualität nach. Der Thätigkeit steht gegenüber die Unthätigkeit, diese herrscht bei Abwesenheit des Lichtes, d. h. bei der Finsterniss, dann empfinden wir Schwarz. Intensiv ist die Thätigkeit der Retina getheilt, sofern sie vom Lichte in verschiedener Stärke getroffen wird. Bei der vollen Einwirkung des Lichtes, wenn dieselbe mit einer gewissen Milderung und gleichmässigen Ver- breitung von den Körpern ausgeht, besteht die ungetheilte Thätigkeit. Wir haben die Empfindung des Weissen. Je geringere Stärke das Licht hat, um so geringer ist die Thätigkeit, um so mehr nimmt die Unthätig- keit zu. Dementsprechend geht unsere Empfindung um so mehr durch Grau in Schwarz über. Extensiv ist die Theilung, wenn verschiedene Stellen der Netzhaut gleichzeitig verschieden stark erregt werden. Daraus erklärt sich die von Franklin zuerst gemachte und von Goethe mitgetheilte und bestätigte Beobachtung, dass ein gegen den hellen Himmel angeschautes Fensterkreuz beim \Venden des Blickes auf eine graue Fläche ein helles Kreuz auf dunklem Grunde im Auge hervorruft, während bei völliger Verdunkelung des Auges nur ein einfaches Nachbild der Erscheinung folgt. Diesen beiden Thätigkeiten der Retina, die man auch als die quantitativ getheilten zusammenfassen kann, steht nun eine andere, von ihnen toto genere verschiedene gegenüber, die qualitativ getheilte.e Auf ihr beruht die Farbenempfindung. Sie wird studirt mit Hülfe der farbigen Nachbilder. Aus Beobachtungen, die schon Goethe richtig gesehen und als physio- logisches Farbenspectrum beschrieben hatte, folgert Schopenhauer, dass es nicht einzelne Farben, sondern nur Farbenpaare giebt. Indem bei einem farbigen -Eindrucke die qualitative Thätigkeit der Retina durch Bipartition aus einander tritt, entsteht als die eine Hälfte der Thätigkeit die durch das äussere Object hervorgerufene Farbe, und blickt man darnach auf eine graue Fläche, so folgt eine bestimmte andere Farbe als die zweite Hälfte nach. Die eine fordert unmittelbar die andere nach sich. Darum gehören diese beiden Farben zusammen. Sie sind in genere identisch, in specie einander entgegengesetzt. Sie lassen sich vergleichen mit den beiden Polen eines Magneten oder den beiden Fluida der Elektrieität; nur dass hier SCHOPENHAUER’S ABHANDLUNG: ÜBER DAS SEHEN UND DIE FARBEN. 525 simultan ist, was bei den Farben successiv ist. Insofern diese zwei Farben die Hälften der vollen Thätigkeit sind und sich einander suchen und zu dieser ergänzen, kann man sie complementär nennen. Solche Dualitäten, solche complementären Farbenpaare sind nun Orange und Blau, Gelb und Violett, Roth und Grün, wobei aber unter Roth nicht das speetrale, sondern das Goethe’sche, der Purpur, zu verstehen ist. Ist dieser also z. B. die eine Hälfte der Thätigkeit, so folgt als die andere Hälfte die Grünempfindung nach. Neben einander können beide nicht bestehen. Es ist daher un- physiologisch, von einem röthlichen Grün zu sprechen, wie es Melloni und Alexander v. Humboldt gethan haben. Jede Farbe ist heller als Schwarz und dunkler als Weiss, sie ist die Helldunkel-Empfindung. Hell ist sie, weil die eine, sie hervorrufende quali- tative Hälfte der Retina thätig ist, dunkel ist sie — und dies ist das Rationale des Goethe’schen oxı200v —, weil die andere Hälfte zu gleicher Zeit nothwendig unthätig ist. Die volle Thätigkeit bewirkt die Empfindung Weiss, die Unthätigkeit die Empfindung Schwarz. Setzen wir jene gleich 1, diese gleich 0, so geben die Farben als Helldunkel-Empfindungen Brüche, die um so kleiner sind, je geringer die Thätigkeit der Netzhaut, je dunkler also die Farbe ist, und um so grösser sind, je grösser die Thätigkeit der Netzhaut, je heller also die Farbe ist. Helle Farben sind Gelb, Orange, Roth. man kann sie deswegen auch positive nennen; dunkle sind Violett, Blau, Grün, man kann sie negative nennen. Um wie viel in einem Paare die eine Farbe heller ist, um so viel muss ihr Complementum dunkler sein, da beide zusammen die volle Thätigkeit gleich 1 ausmachen. Bei Roth und Grün sind die qualitativen Hälften völlig gleich, jede gleich '!/,. Daraus erklärt sich die Stärke, mit der sie sich fordern, und ihre auffallende, jede andere übertreffende Harmonie, sie sind die yowuara zur’ &£oynv. Orange ist ?/, dieser Thätigkeit, sein Complementum Blau !/,. Gelb ist ®/, der vollen Thätigkeit, es ist die wesentlich hellste und heiterste Farbe, sein Complementum Violett beträgt nur !/,. Diese zunächst freilich nicht be- weisbare, aber aus der unmittelbaren Anschauung Jedem sich bewährende Thatsache solcher einfachen Zahlenverhältnisse ist der Grund, dass jene Farben feste und ausgezeichnete Punkte sind auf dem sonst völlig stetigen und unendlich nuancirten Farbenkreise, und dass es also zwar unendlich viele verschiedene Farben giebt, aber doch nur jene drei ursprünglichen Farbenpaare, aus deren Mischung sich alle anderen bilden. Gerade wie in der Musik diejenigen Töne unter den vielen möglichen die festen Stufen der Tonleiter bilden und uns harmonisch klingen, «deren Schwingungszahl in einem einfachen Zahlenverhältnisse stehen, so sind auch diejenigen Farben einfache, deren zwei sich zur vollen Thätigkeit der Retina in einem Ver- hältnisse fordern und ergänzen, das sich in ganzen und in den ersten 526 PAUL SCHULTZ: Zahlen ausdrücken lässt. Darauf beruht es, dass sich bei allen Völkern zu allen Zeiten für diese Farben besondere Namen finden,! welche überall verstanden. werden, obgleich sie doch in Wirklichkeit höchst selten rein vorkommen. Sie müssen daher gewissermaassen a priori erkannt werden; es muss sich von ihnen eine Norm, ein Ideal, eine Epikurische Antieipation in uns finden. Bei dem gewöhnlichen Gebrauche des Auges, unter den in der Natur vorkommenden Farben sind diese Normen, diese Ideale nicht zu finden. Hier erscheinen die Farben vielmehr blasser durch Zumischung von Weiss oder dunkler durch Zumischung von Schwarz. Zur Veranschaulichung dieses Verhältnisses betrachte man die Runge’sche Farbenkugel. Am Aequator erscheinen die Farben im Maximum ihrer Energie. Wir nennen sie lebhaft, brennend. Diese würden den reinen, den Idealfarben ent- sprechen. Bei ihnen vollzieht sich die qualitative Theilung der Retina vollständig und ohne Rest. Geht man nun vom Aequator nach den Polen, nach dem Weiss oder nach dem Schwarz, zu, so erscheinen durch Ver- mischung damit neue Farben. Bei allen solchen weniger reinen, weniger energischen Farben theilt sich die Thätigkeit der Retina nicht bloss quali- tativ, es bleibt vielmehr ein Rest übrig, der sich zu gleicher Zeit auch der Intensität nach thätig verhält. Je nach dem Grade dieser Action wird der Farbe Weiss in seinen Abstufungen bis zum Schwarz zugemischt. So ent- stehen jene in der Natur vorkommenden Farben. Die volle Thätigkeit der Retina ruft die Empfindung Weiss hervor, die qualitativ getheilte die Farbenempfindung. Diese Theilung geschieht in zwei Hälften, entsprechend den Paaren der Ergänzungsfarben. Ver- einigung zweier zusammengehöriger Hälften, zweier complementärer Farben stellt wieder die volle Thätiekeit, also die Empfindung des Weissen, her. ! Dem gegenüber hat bekanntlich Gladstone zuerst auf die grosse Armuth der homerischen Sprache an Farbenbezeichnungen und auf die Unbestimmtheit in der An- wendung der vorhandenen aufmerksam gemacht. Lazarus Geiger verfolgte diesen Gegenstand weiter und glaubte aus Gründen der Sprachvergleichung die Hypothese auf- stellen zu können, dass der ausgebildete Farbensinn ein verhältnissmässig spätes Produet der menschlichen Entwickelung sei. Dagegen hat E. Krause auf das Unhaltbare dieser Theorie hingewiesen. Die sprachliche Bezeichnung hängt von dem praktischen Be- dürfniss ab. Unausgebildeten Sprachen fehlt die Farbenbezeichnung durchweg, da diese erst nöthig wurde, „nachdem man zu einem gewissen Kleider- und Wohnungs- luxus gelangt war, seitdem der Färber sein Amt begonnen hatte“. So finden sich auch heute noch bei Naturvölkern nur wenig Farbenbezeichnungen, diese nur für solche Farben, die sie zum Färben gebrauchen, und doch hat bei genauerer Untersuchung sich niemals Farbenblindheit bei ihnen in grösserem Umfange feststellen lassen, als bei den höchst eivilisirten Nationen. Vgl. Grant Allen, Der Farbensinn. Uebersetzt und eingeleitet von E. Krause. Leipzig 1880. SCHOPENHAUER’S ABHANDLUNG: ÜBER DAS SEHEN UND DIE FARBEN. 527 Dies hatte Goethe mit Unrecht bestritten, Newton aus falschem Grunde behauptet. Der experimentelle Nachweis beruht darauf, dass, was im phy- siologischen Spectrum auf einander folgt, zugleich sein muss. Es wird da- durch möglich, dass man zwei äussere Ergänzunesfarben sehr schnell nach einander oder in ganz bestimmter Anordnung zu gleicher Zeit auf dieselbe Stelle der Netzhaut wirken lässt. Für den ersteren Fall sieht man eine lebhafte Farbe an und lässt gleich darnach auf dieselbe Stelle der Netzhaut die Ereänzungsfarbe fallen. Dann empfindet man keine Farbe, sondern Weis un ‘ Schwieriger ist die Herstellung des Weissen, wenn man die Vereinigung schon in die äusseren Farben, chemische oder physische, wie Goethe sie eintheilte, verlegt. Chemische allein, Pigmente, sind ganz ungeeignet, weil nach ihrer Mischung doch immer noch das materielle Substrat zurückbleibt, daran sie sich zeigen, und dies nothwendig, wenn auch schwach, auf die intensive Action der Retina wirkt, also die Empfindung Grau hervorbringt, das niederträchtige Grau Goethe’s. Lässt man aber zwei chemische Farben getrennt und gleichzeitig in geeigneter Weise auf die Netzhaut einfallen, so kann man auch aus der Mischung von Pigmenten Weiss erzeugen. Dafür entnimmt Schopenhauer in der zweiten Auflage seiner Abhand- lung ein Beispiel aus der 1852 erschienenen Habilitationsschrift von Helm- holtz: „Ueber die Theorie der zusammengesetzten Farben“. Leichter dagegen gelingt die Hervorbringung des Weissen aus physischen Farben, wie z. B. wenn man die Farben zweier Sonnenspectra passend über einander führt, oder aus einer chemischen und einer physischen Farbe, etwa wenn man ein energisch gelbes Papier durch ein Prisma ansieht. Dann erscheint an Stelle des violetten Saumes reines Weiss. Sind die Farben, aus denen man das Weiss herstellt, schwärzlich, ist also mit der qualitativ getheilten Thätigkeit zugleich ein Rest schwach intensiv thätig, so entsteht nach Vereinigung der beiden Farben nicht weiss, sondern grau. Ist aber dieser Rest völlig intensiv thätig, so tritt er nach der Ver- einigung der complementären Hälften ganz hervor: es wird reines Weiss empfunden. In diesem Falle ist die Entstehung des Weissen aus den beiden complementären Farben von selbst verständlich. Aber auch bei den reinen Urfarben müssen, wie oben gezeigt, zwei complementäre in jedem Falle Weiss ergeben, wenn man es nur einrichtet, dass sie zu gleicher Zeit auf dieselbe Stelle der Netzhaut fallen. Die von Scherffer aufgestellte Ermüdungs- theorie, worauf die ganze Lehre der neueren Physiker von den complemen- tären Farben beruht, ist für die Erklärung dieser Thatsachen völlig unzu- reichend. Denn aus ihr ist schon unbegreiflich, wie nach dem Anschauen eines homogenen Lichtes das ihr als physiologisches Spectrum folgende complementäre, einfache entstehen soll aus der Mischung der übrigen. 528 PAUL SCHULTZ: Das complementäre Nachbild kann keine Ermüdungserscheinung sein; es wird vielmehr aus der selbsteigenen Kraft der Retina erzeugt, es ist ihre Action. Bisher waren die verschiedenen Thätigkeiten der Netzhaut gesondert betrachtet. Dies kommt aber in Wirklichkeit bei dem gewöhnlichen Ge- brauche des Auges nie vor. Wie man eine Farbe nur selten im Zustande ihrer grössten Energie sieht, sondern meist in’s Blasse oder Schwärzliche abweichend, wie also die qualitative Thätigkeit sich meist mit der intensiven verbindet, ebenso tritt gewöhnlich zu diesen noch die extensive Thätigkeit hinzu, d.h. man sieht zu gleicher Zeit die verschiedensten Farben neben einander. Alle drei Thätigkeiten finden sich meist vereint. Hierher gehört eine Erscheinung, die zugleich die völlige Unzulänglichkeit der Scherffer’- schen Ermüdungshypothese aufdeckt. Blickt man auf eine grüne Mauer mit grauen Fenstern, so erscheint im complementären Nachbilde eine rothe Mauer nicht mit grauen, sondern mit grünen Fenstern. Das Auftreten der Farbe im Nachbilde an einer Stelle, die vorher gar nicht durch die Er- gänzungsfarbe affieirt war, ist daraus zu erklären, dass auf consensuelle Weise die vorher qualitativ unthätige Stelle noch nachträglich activ wird, noch nachträglich in den Erregungszustand eintritt, der vorher die um- gebenden Stellen der Retina betroffen hatte. Als schlagenden Beweis für die völlig subjective Natur der Farbe führt Schopenhauer die damals bekannten Fälle von totaler Farbenblindheit oder, wie er es nennt, Achromatoblepsie an, und als Beweis für die Richtig- keit seiner Theorie im Besonderen die unvollkommenen Farbenblinden. Von denen hatte er drei aus eigener Erfahrung kennen gelernt; sie konnten ein Farbenpaar, also zwei Ergänzungsfarben, Roth und Grün, am wenigsten unterscheiden. Das ist, was uns hier von Schopenhauer’s Abhandlung über die Farben interessirt. Der übrige Theil handelt von den Ursachen der Farben- empfindungen, von den äusseren Farben. Hier wird Goethe’s Lehre gegen Newton vertheidigt, wozu gehässige Polemik und sinnlose physikalische Erörterungen sich die Hand reichen. Er verdient an dieser Stelle keine Beachtung. Auf die neue Farbentheorie hat von physiologischer Seite zuerst Joh. Czermak im Jahre 1870 die Aufmerksamkeit hingelenkt und die Hauptpunkte einer Besprechung unterzogen. Dabei hat er an- erkannt und mit Nachdruck hervorgehoben, dass Schopenhauer ‚in der Farbenlehre einen ganz neuen und an sich richtigen Weg eingeschlagen, und durch seine physiologische Theorie die allgemeinste und wesentlichste Grundlage jeder wahren Farbenlehre aufgefunden habe“.! Aber er hat IA 2.0. SCHE SCHOPENHAUER’S ABHANDLUNG: ÜBER DAS SEHEN UND DIE FARBEN. 529 darin „eine so zu sagen philosophische Antieipation“ der Young-Helm- holtz’schen Theorie erblickt und glaubte zwischen beiden „eine über- raschende und staunenswerthe Uebereinstimmung“ teststellen zu können! Ich meine, dass davon keine Rede sein kann. Es heisst der Theorie Schopenhauer’s Gewalt anthun, es heisst ihren originellen Gehalt völlig verkennen, wenn man sie mit der Young-Helmholtz’schen vereinigen will. Ich stehe nicht an, zu behaupten, dass sie vielmehr eine und noch dazu die einziee Vorläuferin der Hering’schen Farbentheorie ist. Zum Beweise führe ich die übereinstimmenden Punkte an; es sind dies zugleich diejenigen, welche der Young-Helmholtz’schen Theorie widersprechen. ! Alle Gesichtsempfindungen sind bedingt durch gewisse Processe in der Netzhaut. Unter diesen ist einer zu unterscheiden, welcher die Weiss- empfindung in ihren Abstufungen bis zum Schwarz hervorbringt, von denen, welche die Farbenempfindungen bewirken; jener kann relativ unabhängig von diesen vor sich gehen. Bei den Farbenempfindungen gehören immer zwei der Processe zusammen, derart, dass auf den einen nothwendig der andere folet, und dass, wenn der eine statt hat, nicht gleichzeitig der andere (auf derselben Netzhautstelle) vor sich gehen kann. Es giebt daher nicht einzelne Farben, sondern Farbenpaare. Das Hervortreten der einen bedingt das unmittelbare Nachfolgen der anderen, daraus und nicht aus der Scherffer’schen Ermüdungstheorie erklären sich die complementären Nach- bilder. Beide Farben eines Paares, z. B. Roth und Grün, können nicht gleichzeitig (auf derselben Netzhautstelle) empfunden werden. Wirken aber beide dennoch gleichzeitig von aussen auf das Auge ein, so heben sich die ihnen entsprechenden Processe auf, es wird keine Farbe gesehen. Die Anzahl solcher Farbenpaare ist eine bestimmte; es giebt einige wenige ursprüng- liche Farben, die auf dem stetigen, im allmählichen Uebergängen fort- schreitenden Farbenkreise feste Punkte ausmachen. Darunter ist eine Farbe, die im Spectrum nicht vorkommt, das „Roth“. Diese Normal- oder Ideal- farben werden nicht in ihrer vollkommenen Reinheit empfunden. Es gesellt sich zu den sie erzeugenden Processen gleichzeitig derjenige, welcher die Weissempfindungen in ihren Abstufungen bis zum vollkommenen Schwarz hervorbrinst. Dadurch und durch die Mischung der Farben mit einander entstehen alle vorkommenden Farben. Die Erregung eines Theiles der Retina wirkt consensuell auch auf die benachbarten. Auf diese Weise, also aus dem die Empfindung hervorrufenden Processe selbst, erklärt sich eine Erscheinung, welche wir heute als simultanen farbigen Contrast. be- zeichnen würden. ! Es bedarf kaum der Erwähnung, dass hiermit nicht in die Discussion über die Richtigkeit der beiden Theorieen eingegriffen wird. Archiv f. A.u. Ph. 1899. Physiol, Abthlg. Suppl. 34 530 PAUL SCHULTZ: Diese Lehre giebt eine zureichende Erklärung der Farbenblindheit. Bei den total Farbenblinden fehlt der Netzhaut das Vermögen, diejenigen Processe einzugehen, welche die Farben hervorrufen; es tritt nur der Vor- sang ein, welcher die Weissempfindung erzeugt. Bei den unvollkommenen Farbenblinden fallen mindestens zwei jener Processe aus, die beiden näm- lich, die durch einander bedingt sind und sich zu einander ergänzen. Es werden daher mindestens zwei Farben, eines der complementären Farben- paare nicht unterschieden. Der Vorläufer ist nicht der Meister, der nach ihm kommt. Was jener ahnt und andeutet, erhebt dieser zur klaren Vorstellung und spricht es mit Schärfe und Deutlichkeit aus. Wo jener zweifelt und irrt, bringt dieser Gewissheit und Wahrheit. Kein Wunder daher, dass Hering’s Theorie, ganz abgesehen davon, dass sie sich auf einem viel breiteren, gewichtigeren und sorgfältiger geprüften Fundament von Thatsachen aufbaut, sich nicht bloss an Klarheit und Folgerichtigkeit über die Theorie Schopenhauer’s erhebt, sondern in einigen Punkten sich auch ihr geradezu entgegensetzt. Ich hebe jezt diese hervor. Zunächst einer von geringem Belang. Schopenhauer localisirt die Vorgänge, welche die Gesichtsempfindungen erregen, geradezu in der Retina. Hering braucht zwar in seiner Abhandlung: „Zur Lehre vom Lichtsinn“ auch den Ausdruck Netzhaut in dieser Beziehung, bemerkt aber ausdrück- lich, dass er darunter „nicht bloss die im Augapfel selbst gelegenen Theile des nervösen Sehapparates, sondern auch die mit der eigentlichen Netzhaut in näherer Verbindung stehenden Nervenfasern und Hirntheile verbunden wissen will, soweit nämlich dieselben beim Zustandekommen einer Licht- empfindung mit betheiligt sind“! Wichtiger aber ist Folgendes. Bei Schopenhauer entspricht unter den farblosen Gesichtsempfindungen nur dem Weiss ein Thätigkeitsvorgang in der Netzhaut. Je geringer dieser ist, um so mehr nähert sich die Empfindung dem Grau. Schwarz wird empfunden bei Abwesenheit allen Lichtes, dann besteht Ruhe oder völlige Unthätigkeit in der Netzhaut. Bei Hering wird die Schwarzempfindung durch einen activen Process hervorgerufen, der dem der Weissempfindung entgegengesetzt ist; jener ist die Assimilation, dieser die Dissimilation der Schwarz-Weiss-Substanz. Der Zustand der Netzhaut aber, den wir als Ruhe zu bezeichnen pflegen, ist charakterisirt dadurch, dass diese beiden Processe in geringster Stärke bestehen, ohne gleich 0 zu sein, wie es eintritt bei längerem Aufenthalt im Dunkeln. Dann empfinden wir nicht Schwarz, sondern das eigene Grau, den sog. inneren Lichtnebel. Schopenhauer behauptet zwar, dass die qualitative Theilbarkeit der Retina, wodurch die ! E. Hering, Zur Lehre vom Lichtsinne. Wien 1878. 8.8. SCHOPENHAUER’S ABHANDLUNG: ÜBER DAS SEHEN UND DIE FARBEN. 531 Farbenempfindung erregt werde, völlig verschieden sei von der intensiven Theilbarkeit, welche die farblosen, die Weissempfindungen hervorbringt. Dennoch lässt er je zwei Farben eines Paares als Hälften der Weiss- empfindung auftreten. Beide suchen sich, fordern und vereinigen sich zu Weiss. Wirkten nach Hering zwei zu einem Paare gehörige Urfarben gleichzeitig auf die Netzhaut ein, so würden sich die ihnen entsprechende Assimilation und Dissimilation in’s Gleichgewicht setzen, es würde keine Farbe empfunden, aber auch kein Weiss; daher diese Farben nicht com- plementäre, sondern Antagonisten, Gegenfarben sind. Dies kann aber in Wirklichkeit nie geschehen, weil wir nach Hering überhaupt niemals reine Urfarben empfinden. Es erregt jede wirkliche Farbe mindestens zugleich auch die Schwarz-Weiss-Substanz. Jede Farbenempfindung ist ein Product aus mehreren Factoren; selbst die einfachste ist ternär zusammengesetzt. Enthält sie auch die Urfarbe dem Tone nach ganz rein, so mischt sich doch ihr zugleich Schwarz und Weiss in irgend einem Verhältnisse zu. Dies Verhältniss macht die Nuance der Farbe, die Menge der Zumischung ihre Reinheit oder, wie man es sonst nennt, ihre Sättigung aus. Es heben sich daher bei gleichzeitiger Einwirkung zweier Gegenfarben die farbigen Empfindungen auf, und es bleiben die beiden Schwarz-Weiss-Empfindungen übrig. Ganz das Nämliche hatte Schopenhauer für den gewöhnlichen Gebrauch des Auges, für die in der Natur vorkommenden Farben, auch ausgesprochen, daneben aber behauptet, dass es, wenn auch selten, möglich wäre, reine Urfarben zu sehen, z. B. wenn man sie sich künstlich im höchsten Grade ihrer Sättigung herstellt, so, wie sie etwa auf dem Aequator der Runge’schen Farbenkugel erscheinen. Hier hätte er nun selbst bei seinem dürftigen Beobachtungsmaterial, wenn er nur etwas mehr Consequenz in der Theorie bewiesen hätte, leicht auch in diesem wichtigen Punkte die Lehre Hering’s vorweg nehmen können. Ist nämlich die Thätigkeit der Retina, welche die Farbe hervorbringt, 'toto genere verschieden von der, welche die Weiss-Schwarz- Empfindung bewirkt, ist jene eine qualitative, diese eine quantitative, so bleibt unbegreiflich, wie die Hälften jener zum Ganzen dieser, wie das getheilte Qualitative zum vollen Quantitativen sich vereinigen soll. Die Herstellung des Weissen aus Farben sollte zwar, wie Schopenhauer mit Stolz wiederholt hervorhob, eine nothwendige Folge und zugleich die schönste Leistung seiner Theorie sein, in Wirk- lichkeit steht sie zu ihr in einem unversöhnlichem Widerspruche. Das hat offenbar auch Goethe herausgefühlt; auch ihm hat diese Theorie gerade das Wichtigste nicht geleistet, was sie versprach. Darum hat er seinen „persönlichen Schüler“, „den ersten seiner Proselyten in der Farben- lehre‘“ später für seinen Gegner erklärt. Auf ihn hat er die Verse ge- dichtet: 31* 532 PAuL SCcHULTz: „Was Gutes zu denken wäre gut, Fänd’ sich nur immer das gleiche Blut; Dein Gutgedachtes, in fremden Adern, Wird sogleich mit Dir selber hadern.“ und „Lrüge gern noch länger des Lehrers Bürden, Wenn Schüler nur nicht gleich Lehrer würden.“ Die notbwendige Folge aus Schopenhauer’s Theorie wäre einzig die gewesen, dass die Farben eines Paares, wenn sie gleichzeitige auf die Netz- haut fallen, sich in ihrer Wirkung aufheben, es wird keine Farbe empfunden; entsteht dennoch dabei die Empfindung Weiss in ihren mannigfaltigen Abstufungen, so kann dies nur darauf beruhen, dass zu den sie erzeugenden qualitativen Processen sich zugleich der die Weiss-Schwarz- Empfindung bewirkende intensive Process hinzugesellt. Urfarben giebt es nach Schopenhauer sechs, nach Hering vier. Merkwürdig, dass Schopenhauer Orange und Violett für einfache Farben hielt, ebenso merkwürdig wie der Umstand, dass Goethe und D. Brewster im Grün das Blau und Gelb zu sehen glaubten. Nach Schopenhauer haben diese Urfarben eine verschiedene innere Helligkeit, so dass die beiden eines Paares in einem in den ersten Zahlen ausdrückbaren Verhältnisse stehen und in Beziehung auf Weiss je einen Bruch ergeben, die beide zusammen gleich 1, gleich Weiss ausmachen. Schopenhauer hat hier den freilich gänzlich verunglückten Versuch gemacht, aus den Helligkeits- werthen, deren Abhängigkeit von der Intensität der Beleuchtung ihm ver- borgen blieb, ein quantitatives Mischungsgesetz der Complementärfarben subjectiv zu bestimmen. Die Urfarben Hering’s, wären sie absolut rein zu sehen, hätten zu einander nur Unterschiede des Tones; sie enthielten weder Weiss noch Schwarz und würden daher in Bezug auf Helligkeit und Dunkelheit gleichwerthig sein dem mittleren oder neutralen Grau, nur dass dieses deswegen gleich hell wie dunkel ist, weil es ebenso viel Weiss wie Schwarz enthält. Was den angeblichen diesbezüglichen Unterschied der Farben, z. B. den Helligkeitswerth der Spectralfarben ausmacht, beruht auf Zumischung von fremdem Weiss oder Schwarz.! ! Nach der früheren Darstellung (Zur Lehre vom Lichtsinn). Die Theorie hat in diesem Punkte eine Wandlung erfahren. Hillebrand (Ueber die specifische Hellig- keit der Farben. Wien 1889) behauptet auf Grund von Versuchen den direeten Nach- weis erbracht zu haben, dass das Farbenpaar Roth und Gelb specifisch heller sei als das Farbenpaar Blau und Grün. Ob zwischen den beiden Farben eines Paares noch weitere Helligskeitsunterschiede zu machen seien, lasse sich vorläufig auf dem exacten Wege des Experimentes nicht entscheiden. Auf Grund blosser Schätzung würde er selbst freilich gelb heller als roth und blau dunkler als grün erachten. Eben dies sei auch die Ansicht von Goethe und (Schopenhauer fehlt leider hier) der meisten SCHOPENHAUER’S ABHANDLUNG: ÜBER DAS SEHEN UND DIE FARBEN. 5833 Nach alledem hatte Hering von seinem Standpunkte aus ganz Recht, wenn er gelegentlich der Kritik einer Abhandlung von Donders meinte, den Gedanken Schopenhauer’s unbedingt zurückweisen zu müssen, da viele Erscheinungen daraus sich nicht erklären lassen." Ich glaube ebenso Recht zu haben, wenn ich in der Farbentheorie Schopenhaner einen Vor- läufer Hering’s nannte. Vergessen darf man dabei nicht, dass Schopen- hauer ein sehr geringes Thatsachenmaterial einseitig verwerthete, und dass er nicht im Stande war, eine Erscheinung nach naturwissenschaftlicher Methodik im heutigen Sinne zu analysiren und mit anderen in umfassender Weise zu combiniren. Das aber kann, wie ich glaube, unsere Bewunderung für das, was er dennoch geleistet, eher erhöhen als verringern. Wir stimmen daher durchaus den Worten Ozermak’s bei, freilich aus einem ganz anderen Grunde als er selbst wollte, dass „Schopenhauer unzweifelhaft ein bleiben- der Ehrenplatz in jeder vollständigen Geschichte der Farbenlehre ge- sichert ist“.? Laien. Doch lege er dieser Schätzung wenig Werth bei. Hering hat die Ergebnisse Hillebrand’s aufgenommen und Gelb und Roth als helle, und Blau und Grün als dunkle Farben bezeichnet. Damit wäre in gewissem Sinne statt der Differenz eine weitere Uebereinstimmung mit der Lehre Schopenhauer’s gegeben. ! E. Hering, Kritik einer Abbandlung von Donders, „Ueber Farbensysteme“, Lotos. Prag 1882. Bd. II. = R22.40,, 8.19. Die Uebertragung der Schalischwingungen auf und durch das Mittelohr. Von Dr. Gustav Zimmermann, Ohrenarzt in Dresden. Vor einiger Zeit veröffentlichten Nagel und Samojloff! interessante Versuche, welche sie anstellten, um die Uebertragung von Schallschwingungen auf das Mittelohr zu studiren und welche in ihren Resultaten bisher un- widersprochen geblieben sind: Es wurde das Mittelohr eines frischen Thier- kopfes durch Gaszuleitung von einem Bohrloch an der Unterseite des Schädels und Gasableitung durch die Tube gewissermaassen in eine König”’sche Gas- kammer verwandelt und dann die Schallschwingungen, welche zunächst vom Gehörgang zugeführt wurden, in schöner Reaction der empfindlichen Flamme veranschaulicht. Diese Reaction stellen nun die Verf. als einen Ausdruck lediglich der bewirkten Trommelfellschwingungen hin und sehen dabei gänz- lich ab von den Schwingungen, welche in der Luft und im Gas ausgelöst und der Flamme mitgetheilt werden. Es ist aus der Arbeit nicht ersichtlich, ob Verf. bei den Trommel- fellschwingungen eine anders geartete Bewegung zu Grunde legen, als sie dies bei den Schwingungen der Lufttheilchen thun würden. Es wird ja von namhaften Physiologen, z. B. L’andois,? behauptet, die Schwingungen des Trommelfelles seien wegen der geringen Ausdehnung seines Dicken- durchmessers als stehende Beugungswellen aufzufassen; auch Hermann? nimmt aus diesem Grunde mit E. Weber und Helmholtz an, das Trommelfell schwinge in toto mit und schwinge im Prineip wie ein Nagel und Samojloff, Dies Archiv. 1898. Physiol. Abthlg. S. 505. Landois, Lehrbuch der Physiologie. 4. Aufl. 8. 917. Hermann, Lehrbuch der Physiologie. 10. Aufl. 8. 498. oo vw » G. ZIMMERMANN: ÜBERTRAGUNG DER SCHALLSCHWINGUNGEN U. S.w. 535 Resonator. Ich habe vor einiger Zeit schon darauf aufmerksam gemacht,! dass trotz des geringen Durchmessers von 0-1 "m diese Deductionen nicht gerechtfertigt erscheinen. Bei den geringen Amplituden, die die beim Schall schwingenden und zu Gehör kommenden Lufttheilchen schon in einiger Entfernung von der Schallquelle haben und die nachgewiesener- maassen bis zu 000004 "m vor dem Ohr und noch weniger herunter gehen und die sich naturgemäss in der Substanz des Trommelfelles noch mehr reduciren, befinden sich dessen Moleeüle beim gewöhnlichen Schall jedes in verschiedensten Phasen der Bewegung. Von einem in toto Hin- und Herschwingen kann nur bei stärksten Schallschwingungen die Rede sein, wo die Amplituden die Dicke des Trommelfelles überschreiten. Aber auch für diesen Fall wird das Gesetz nicht alterirt, dass wie bei der Schall- fortpflanzung in anderen Medien auch im Trommelfell keine stehenden, sondern lediglich longitudinal fortschreitende Wellen wirksam sind. Einen Wesensunterschied zwischen den in der Luft bezw. den im Gas erzeugten Schwingungen und denen des Trommelfelles wollen also, so nehme ich an, auch Verff. in ihren Versuchen nicht statuiren; um so auffallender erscheint es, dass sie so grosses Gewicht auf die Trommelfell- schwingungen legen und sie als das Wichtigste allein hervorheben, eine Wichtigkeit, welche ihnen zwar auch sonst in der Physiologie der Schall- leitung beigelegt wird, aber meines Erachtens mit Unrecht. Im Gegentheil meine ich, stellt das 'Trommelfell, wie ich das für die Schallübertragung überhaupt behaupten möchte, auch in diesen Versuchen bloss ein eingeschobenes Medium dar, dessen Wirkung wegen seines ge- ringen Durchmessers und seiner im Verhältniss zur Luft grösseren Elas- tieität zwar als ziemich indifferent zu betrachten ist, die aber, wenn sie in Betracht gezogen wird, nur einen schwächenden Einfuss darstellt, wie ihn jedes eingeschobene Medium physikalisch bedingt. Wenn die Möglichkeit bestände, die Luft ohne Zwischenschiebung eines trennenden Körpers von der Vermischung mit dem Leuchtgas abzuhalten, würde die Flammen- reaction, wenn auch minimal, so doch noch deutlicher und reiner zum Aus- druck kommen. Die Schwingungen des Trommelfelles sind bei diesen Ver- suchen nicht das Grundlegende, auch nicht das Ausschlaggebende, sondern nebensächliche Vorbedingungen der Versuchsanordnung. Weiterhin theilen Nagel und Samojloff Versuche mit, die sie unter Beibehaltung der übrigen Anordnung dadurch modifieirten, dass sie die von der Schallquelle erzeugten Schwingungen sich nicht durch die Gehör- ! Zur Physiologie des Gehörorgans. Münchener medie. Wochenschrift. 1899. Nr. 19 und 22. — Der Werth unserer Stimmgabelprüfungen auf Grund einer Nach- prüfung der Helmholtz’schen Theorie. Verhandlungen der deutschen otologischen Gesellschaft. Jena 1899, 536 (FUSTAV ZIMMERMANN: gangsluft, sondern durch den Knochen fortpflanzen liessen: Eine Stimmgabel tönend auf den Schädel gesetzt, zeigte deutliche Reaction des Gasbrenners und diese wurde noch verstärkt, wenn die äussere Gehörgangsmündung verschlossen wurde. Verf. nehmen zur Erklärung für beide Erscheinungen als Uebertragung die von Lucae und Politzer zuerst construirte cranio- tympanale Leitung an, „es würden die Schwingungen vom Knochen auf die Luft des Gehörganges und von dieser auf das Trommelfell übertragen “. Dass dieser Umweg über die Gehörgangsluft zum Labyrinth nothwendig wäre, ist, abgesehen von der Unwahrscheinlichkeit, die er von vorn herein hat, mittlerweile durch klinische Beobachtungen als unhaltbar erwiesen und erfährt, meine ich, auch keine Stütze durch die Versuche der Verff. Die von der Berührungsstelle aus im Knochen zunächst angeregten Schall- erschütterungen pflanzen sich von da concentrisch nach allen Seiten hin fort; in einigen radialen Richtungen gehen sie im Knochen direct weiter, in anderen Richtungen, wo der Knochen aufhört, gehen sie über auf die anstossenden Gasmolecüle und von hier, wenn es in der gleichen Richtung gelegen ist, auf das Trommelfell, von da auf die Gehörgangsluft und weiter. Die Verstärkung nun, welche die Verf. bei Abschluss des äusseren Gehörganges fanden, erklärt sich zwanglos durch das bekannte physikalische Phänomen der Resonanz: die durch Zuhalten des äusseren Gehörganges abgeschlossene Luftsäule resonirt nach dem Grade der Uebereinstimmung, welche zwischen dem Schwingungstempo der Gabel und ihrem eigenen vor- handen ist und verstärkt den Ton. Diese Verstärkung würde auch eintreten ohne vorhandenes Trommelfell und es würde als eine dankbare physiologische Aufgabe erscheinen, diese Gegenprobe wirklich anzustellen, mdem man das Trommelfell herausschnitte und in sonst gleicher Weise den Versuch wieder- holte. Wenn Verff. schliesslich in einem Experiment, wo sie Quecksilber in den Gehörgang gossen, ein Ausbleiben der verstärkten Reaction beob- achteten, so ist das wohl nicht der Hauptsache nach, wie Verff. es thun, auf die Verhinderung des Trommelfelles am Mitschwingen zu beziehen, sondern eben darauf, dass in diesem Falle nicht wie in dem vorerwähnten, die Vorbedingungen für das Entstehen der Resonanz vorhanden waren. Der Vorgang der Schallübertragung im Mittelohr ist, wie ich das in meinen oben citirten Arbeiten zum Theil schon hervorgehoben habe, in der Weise anzunehmen, dass die normaler Weise vom Gehörgang zugeleiteten Schallschwingungen sich durch die Substanz des Trommelfelles, ohne dasselbe in toto zum Mitschwingen zu bringen, auf die Luft des Mittelohrs fort- pflanzen und von hier direct auf die knöcherne Schneckenkapsel übergehen. Diese, aus einer dünnen Schale elastischen Knochens, dem besten Schall- leiter des Organismus, bestehend, ist vorzüglich geeignet, die in ihr erregten molecular fortschreitenden Wellen auf das Labyrinth und dessen sympathisch ÜBERTRAGUNG DER SCHALLSCHWINGUNGEN U. S. W. 537 schwingende Fasern zu übertragen; die Schwächung, die der Schall beim Uebergang von Luft zu Knochen erleidet, wird annähernd compensirt durch dessen sechstach besseres Leitungsvermögen. Gerade die zartesten Schallschwinguugen mit ihren unmessbar feinen Amplituden, welche nur einen winzigen Bruchtheil des Trommelfelldurch- messers darstellen, können gar kein noch so minimales „Ein- und Aus- wärtsrücken“ des Trommelfelles herbeiführen; die Molecüle an der Aussen- seite haben bei den gewöhnlichen, weder unangenehm noch gar schmerzhaft empfundenen Schallschwingungen ihre Bahn schon in einem Zeitpunkt durchlaufen, wo die Moleküle an der Innenseite die Bewegung kaum erst beginnen. Deshalb kann in diesen Fällen auch der dem Trommelfell durch seine ganze Dicke eingewebte Hammerstiel für sich keine Bewegung im toto machen, die eine Auslösung einer „spritzenstempelartigen“ (Gad)! Be- wegung der Steigbügelplatte zur Folge hätte. Die Schallübertragung im Mittelohr erfolgt auf’s Labyrinth unabhängig von dem Mechanismus eines Winkelhebels und unabhängig von dem Vorhandensein einer beweglichen Endplatte; sie kommt nur auf: dem Wege der molecularen Knochen- leitung in der Schneckenkapsel zu Stande und was man bisher schlechthin Luftleitung genannt hat, muss genauer Luftknochenleitung oder indirecte Knochenleitung genannt werden. Diese Deductionen finden theilweise schon ihre Bestätigung in klinischen Thatsachen, welche bei angeborenen oder erworbenen Defecten der Knöchel- chenkette konstatirt wurden. Klinisch ist festgestellt, dass die hohen Töne der bisher allseitig angenommenen Schallleitung durch Trommelfell und Knöchelchenkette entbehren können, ohne dadurch in ihrer Wahrnehmbarkeit beschränkt zu sein. Und da physikalisch für die Stärke der Schallleitung nieht die verschiedene Wellenlänge verschiedener Tonhöhen, sondern allgemein die Amplitude der schwingenden Theilchen das Bestimmende ist, so ist zu fordern, dass, was für Amplituden haher Töne Geltung hat, auch für die der tiefen Töne gilt: Wenn die hohen Töne ohne Mitwirkung einer Leitung in der Knöchelchenkette zu Gehör kommen, so ist ihre Mitwirkung in diesem Sinne auch nicht und wohl erst recht nicht für die tiefen Töne nothwendig. Die klinischen Thatsachen, welche die Knöchelchenkette als eine nothwendige Voraussetzung für die exakte Wahrnehmung der tiefen Töne erscheinen lassen, können ihren Grund unmöglich in der physiologischen Wirkung der Kette als Schallleiter haben, sondern müssen ihren Grund in einer anderen Bedeutung derselben finden. Damit die sympathischen Fasern des Endorgans mitschwingen können mit allen den Tönen, welche in der durch die Schneckenkapsel molecular ! Gad, Physiologie des Ohres. Handbuch der Ohrenheilkunde. 8. 335 538 (GUSTAV ZIMMERMANN: zugeleiteten Klangmasse enthalten sind, ist es nothwendig, dass das sie um- gebende Medium, die an sich incompressible Labyrinthflüssigkeit, ihren stehenden Beugungsschwingungen gegenüber ausweichen kann. Ein Aus- weichen der Labyrinthflüssigkeit ist bei der Geschwindigkeit der. Schall- schwingungen und der Enge der peri- und endolymphatischen Abflusswege auf diesen Wegen nicht möglich, ebensowenig auf dem Wege einer Druck- ausgleichung durch Blutvertheilung. Die zu fordernde Ausweichvorrichtung ist hergestellt durch Einfügung einer elastischen Platte in die starre Schneckenkapsel. Diese in Gestalt der Membrana secundaria im runden Fenster wird allen von innen auftretenden Druckdifferenzen automatisch nachgeben und Folge leisten können und genügt vollständig, um sym- pathische Schwingungen zu Stande kommen zu lassen. Eine zweite bewegliche Platte wäre deshalb überflüssig, wenn sie nicht zu anderen physiologisch wichtigen Zwecken zu dienen hätte. Die Steig- bügelplatte im ovalen Fenster ist in einer auf ihrer Fläche annähernd senkrechten Axe beweglich, genau im Sinne der Wirkung der beiden Binnenmuskeln des Ohres, des Tensor und Stapedius. Dadurch werden Ein- und Auswärtsbewegungen ermöglicht, welche eine mehr weniger grosse Arretirung der Labyrinthflüssigkeit zur Folge haben. Rückt die Steigbügelplatte maximal nach innen, so wächst der intra- labyrinthäre Druck so stark, dass die Membrana secundaria des runden Fensters übermässig belastet, ihre Federkraft paralysirt wird und sie dem Drucke nicht mehr ausweichen kann. Damit ist die Grundbedingung für das Zustandekommen sympathischer Schwingungen aufgehoben. Analog pathologischen Fällen, wo eine Fixation der Fenstermembranen einhergeht mit völliger Taubheit des betreffenden Ohres, ist auch physiologisch in diesen Fällen das Ohr taub, so lange dieser Druck anhält, so lange bis entweder die Steigbügelplatte in ihre ursprüngliche Lage zurückgekehrt ist, oder allmählich ein Druckausgleich durch Abfluss der Labyrinthflüssigkeit nach dem Schädellymphraum herbeigeführt wird. Es ist dieser Vorgang ein exquisiter und nothwendiger Schutz für das Ohr, indem die Wirkungen stärkster Schallschwingungen, die die zarten labyrinthären Fasern gewaltsam zertrümmern könnten, völlig dadurch unmöglich gemacht werden. Rückt nun die Steigbügelplatte nicht maximal, sondern abstufbar ver- änderlich nach innen, so werden die Schwingungen der sympathischen Fasern nicht völlig unmöglich gemacht, sie werden nur gedämpft, sie werden in ihren Schwingungsweiten beschränkt. Das ist physiologisch nicht nur wieder zur Abschwächung stärkerer Schallschwingungen von hohem Werthe, sondern auch eine nothwendige Voraussetzung für eine exacte Wahrnehmung besonders der tiefen Töne. Fehlte diese Einrichtung, so würden gerade die in grossen Amplituden schwingenden Fasern, die für “ | ÜBERTRAGUNG DER SCHALLSCHWINGUNGEN UT. S. W. 539 die tiefen Töne vorhanden sind, noch längere Zeit schwingen und nach- schwingen können, als für eine präcise Wahrnehmung statthaft ist. Es findet diese Einrichtung unter diesem neuen Gesichtswinkel ihre vollwichtige Analogie in dem Accommodationsmechanismus, den man am Ciliarapparate des Auges nachgewiesen hat: Wie hier eine räumliche Begrenzung zur scharfen Perception der Lichtstrahlen geschaffen ist, so schafft im Ohre die reflectorisch bewegliche Steigbügelplatte die nothwendige zeitliche Begrenzung zur präcisen Perception der Schallschwingungen, besonders der tieferen Schallschwingungen. Die klinischen Beobachtungen, welche die Nothwendig- keit der Knöchelchenkette für tiefe Töne unter dem Gesichtspunkte ihrer Mitwirkung bei der Schallleitung ergeben. sind nicht aus diesem Gesichts- punkte, sondern aus dem, der für sie besonders nothwendigen Accommo- dation zu erklären. Wenn die Kranken in solchen Fällen klagen, sie könnten wohl hören, dass gesprochen würde, aber sie könnten nicht deutlich unter- scheiden, was gesprochen würde, so zeigt das schon, dass die Sprachlaute dem Ohre wohl zugeleitet werden, dass sie aber, besonders so weit sie in der Tonhöhe .der unteren Octaven liegen, nicht mehr differenzirt werden können. Sie gehen unter in einem wirren Sausen tiefen Toncharakters, weil dem ÖOhre die Möglichkeit der Accommodation genommen ist. Der Name Accommodation, welcher zuerst von Mach! gebraucht wird, ist bisher stets im Sinne verwendet, als sei das Trommelfell Gegenstand dieser Accommodation, als würde es durch stärkere Anspannung besser ab- gestimmt, oder doch für ein besseres Mitschwingen mit den jeweils in der Klangmasse vorhandenen Tönen geschickt gemacht, accommodirt. Es liegt dieser Auffassung die Annahme zu Grunde, das Trommelfell verhalte sich Schallschwingungen gegenüber wie eine mittönende Saite oder gespannte Membran. Seit Helmholtz in seiner bahnbrechenden Lehre von den Ton- empfindungen (S. 61) bei der Erklärung des Vorganges, wo von einem längere Zeit periodisch schwingenden Körper diese Schwingungen sich auf einen anderen, in gleichen Perioden schwingungsfähigen Körper übertragen, die Benennungen mittönen und mitschwingen, als gleichbedeutend gebraucht hat und dann (S. 208ff.) unter der Ueberschrift „Mitschwingende Theile im Öhre‘“ den Mechanismus der Knöchelchenkette abhandelt, ist diese Auf- fassung autorisirt. Indess ein Mitschwingen des Trommelfelles im Sinne eines hesonators, wie ihn gespannte Membranen darstellen, erscheint bei näherer Prüfung unhaltbar. Gespannte Membranen, wenn sie resoniren, thun das nur für den Ton, welcher mit dem Eigentone der Membran oder einem vielfachen desselben übereinstimmt. Der Eigenton des Trommelfelles ! E.Mach, Zur Theorie des Gehörorgans. Wiener akad. Sitzungsberichte. 1863. S. 283 ff. 540 GUSTAV ZIMMERMANN: entspräche dem f’’, folglich könnte dasselbe nur diesen Ton oder dessen Obertöne mitschwingend aufnehmen und würde auf alle anderen etwa 40000 Töne, die de facto wahrgenommen werden, wenig oder gar nicht reagiren können. Bei diesem offenbaren Widerspruche mit der Wirklich- keit hat man nun die Belastung und veränderliche Spannung des Trommel- felles als Argumente benutzt, dass dasselbe „gleichsam unendlich viele Eigentöne habe“. Die Belastung einer gespannten Membran bildet aber zugegebener Weise einen Hinderungssrund, dass überhaupt Mitschwingungen statthaben, und die veränderliche Spannung würde zwar verschiedene Eigen- töne in verschiedenen Zeiteinheiten, aber nicht in derselben Zeiteinheit, wie es der Fall sein müsste, begründen: In einem bestimmten Zeit- punkte würde die jeweilige Spannung doch immer nur den einen durch sie jeweilig bedingten Eigenton zu Gehör kommen lassen können, alle anderen Töne wenig oder gar nicht. Es geht aus dieser Betrachtung hervor, dass die Auffassung des Trommelfelles als einer mittönenden oder mitschwingenden Membran nicht berechtigt ist, und dass deshalb auch von einer Accommodation in dem Mach’schen Sinne nicht wohl die Rede sein kann, welche das Trommelfell als Angriffis- und Zielpunkt derselben hin- stellt. Das Trommelfell ist auch in dieser Hinsicht für die eigentliche Schallaufnahme und Schallübertragung unmaassgeblich, seine Zwischen- schiebung in die Gehörgangs- und Mittelohrluft, an sich schallschwächend, musste in Kauf genommen werden, um die oben von mir in. ihren be- deutungsvollen Wirkungen geschilderten Lageveränderungen der Steigbügel- platte herbeiführen zu helfen. Diese Lageveränderungen der Steigbügelplatte können nun offenbar auf zweierlei Weisen zu Stande kommen, die man sich an dem Verhalten des Tensor tympani veranschaulichen kann: Dieser kann passiv oder activ verkürzt werden. Im ersten Falle lösen die stärksten Schallwellen selber und sofort die Bewegung aus. Sie durchsetzen mit einer Amplitude ihrer schwingenden Molecüle die ganze Dicke des Trommelfelles und treiben es nach innen in’s Mittelohr und damit im selben Augenblicke die Steigbügelplatte- in’s Labyrinth, noch ehe die Schwingungen durch die Luft des Mittelohres und die Schneckenkapsel Zeit gehabt haben, sich den Labyrinthfasern mit- zutheilen. Der Grad der Einwärtsbewegung ist direct proportional der wirksamen molecularen Schwingungsweite: Je grösser sie war, um so tiefer bis ad maximum 0-.06"" tritt die Steigbügelplatte in den Vorhof. Die Mechanik der Gehörknöchelchen und und des Trommelfelles ist von Helm- . holtz in unerreichter Meisterschaft auf den ersten Blättern des Pflüger’- schen Archivs geschildert worden und von allen nachfolgenden Forschern glänzend bestätigt, so dass sich jeder weitere Zusatz in dieser Beziehung ÜBERTRAGUNG DER SCHALLSCHWINGUNGEN U. S. W. 541 erübrigt. Für die exacte Function des Mechanismus ist in diesem Falle das Trommelfell die unerlässliche Voraussetzung. Im zweiten Falle wird die gleiche, aber graduell wohl meist geringere Verschiebung der Steigbügelplatte reflectorisch ausgelöst, indem vom Hör- nerven, wenn er vom Endorgan durch zu starke oder nachhaltige Schallreize erregt wird, die Erregung sich überträgt auf die motorischen Trigeminus- .‚fasern im Ganglion oticum, welche den Tensor tympani innerviren, Je nach der verschiedenen Anspannung des Tensor tympani werden bis zu den feinsten Abstufungen die verschiedensten Druckzustände im Labyrinth ermöglicht, welche die Schwingungsweite der Labyrinthfasern auf den jeweils besten Grad der Perception einstellen. Die Tensorwirkung ist in diesem Falle nicht unbedingt gebunden an ein vollständiges intactes Trommel- fell, es genügt das Vorhandensein einer freien Beweglichkeit des Hammers im Axenband. Das erklärt auch, die bisher völlig unzulänglich motivirte gute Hörfähigkeit bei zerstörtem Trommelfell. — Zur vollen Functions- fähigkeit gehört die Sicherung, welche in dem exacten Widerspiel des antagonistisch wirkenden Stapedius gegeben ist, der von einem anderen Nerven, dem N. facialis, innervirt wird. Diese Darlegungen über die physiologische Leistung vom Trommelfell und Gehörknöchelchen gehen, wie man sieht, in letzter Instanz auf einen schon von Joh. Müller! erkannten und ausführlich begründeten Funda- mentalsatz zurück, „dass nur bei stärksten Stössen Beugungsschwingungen des Trommelfells entstehen können“, dass also bei allen anderen, gerade den feinsten Schallschwingungen nur eine moleculare Fortpflanzung durch die Trommelfellsubstanz hindurch stattfindet und deshalb in diesen Fällen weder die Gehörknöchelchenkette, noch das Labyrinthwasser in toto hin und her schwingt, wie Helmholtz später es annahm. Wenn nun aber Joh. Müller in Consequenz seines angeführten Satzes schliesst, auch die Gehörknöchelchenkette leite molecular wie ein gerader Stab, auf den er exemplifieirt, den Schall auf die Membran des ovalen Fensters und die Labyrinthflüssigkeit, so dürfte dem vielleicht entgegen zu halten sein, dass gerade im menschlichen Ohre die günstigsten Verhältnisse, welche ein ge- rader Stab zur Schallfortleitung bieten würde, durch die Construction der Kette nach Möglichkeit vermieden sind; die Kette stellt keinen geraden Stab dar, sondern ist in ihrer Continuität nicht :nur durch winkelige Knickung, sondern vor Allem durch Einschaltung zweier Gelenke unter- brochen, welche mit ihren Knorpellagen, ihren Zwischenknorpelscheiben und Gelenkhöhlen die Fortpflanzung einer molecularen Bewegung möglichst erschweren. Ich glaube daher sagen zu müssen, die Kette tritt nur in ' Joh. Müller, Handbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 11. 8.431. 542 G. ZIMMERMANN: ÜBERTRAGUNG DER SCHALLSCHWINGUNGEN U. 8. W. Action, wenn sie durch ein in toto Hin- und Herschwingen des Trommel- felles bei stärksten Schallschwingungen in das gleiche Hin- und Her- schwingen versetzt wird und hat dann als Endeffect eine Drucksteigerung im Labyrinth zur Folge, von der man sich vorzustellen hat, dass sie eine Schwingungsbeeinträchtigung der labyrinthäreu Fasern involvirt. In allen anderen Fällen, wo der Schall sich durch das Trommelfell, ohne es zu verschieben, fortpflanzt, wird die Kette zur molecularen Uebertragung kaum in Anspruch genommen werden und der Schall wird sich durch die Luft des Mittelohres direct dem Promontorium und dem ihm anliegenden Lig. spirale mit dem Corti’schen Organ mittheilen können. Ein endgültiges Urtheil über die Richtigkeit dieser Darlegungen kann wohl erst an der Hand der bewährten Methode experimentell-physiologischer Untersuchungen gewonnen werden, und es ist der Zweck dieser Zeilen, für eine solche competente Nachprüfung das Interesse physiologischer Forscher zu gewinnen zu suchen. Ueber die Lage der motorischen Rindencentren des Menschen nach Ergebnissen faradischer Reizung derselben bei Gehirnoperationen. Von Prof. Dr. W. v. Bechterew. Unsere Kenntnisse von der Anordnung der motorischen Centra der Gehirnrinde des Menschen gründeten sich bis- in die letzte Zeit hinein auf Beobachtungen über Zerstörung bestimmter Theile der motorischen Zone und solcher Fälle, wo pathologische Herde als Reizungsquelle dienten und zu localen Krämpfen Anlass gaben. So werthvoll nun auch diese Beob- achtungen sind, so gewährten dieselben nicht oft die Möglichkeit, Lage und Grenzen der motorischen Rindencentra beim Menschen mit jener strengen Exactität zur Darstellung zu bringen, wie dies beim Thiere durch das un- mittelbare Experiment der Fall ist. Erst in allerjüngster Zeit hat sich, dank den Fortschritten der Hirnchirurgie bei Eingriffen in Fällen von Epilepsie (nach Horsley) Gelegenheit geboten, auch bei dem Menschen die motorischen Rindencentra mit Hülfe des elektrischen Stromes, d. h. so, wie wir dies am Thiere gewohnt sind, zu prüfen. Auf solchem, nach und nach sich häufendem Beobachtungsmateriale wird in Zukunft eine ebenso eingehende Kenntniss von dem Verhalten der motorischen Rindencentra des Menschen, wie wir sie bezüglich einiger Thiere (Eund, Affe u. s. w.) besitzen, sich aufbauen können. Mit Rück- sicht auf die hohe diagnostische Bedeutung dieser Verhältnisse und auf die grosse Spärlichkeit der Litteratur an derartigen Beobachtungen (4 derselben gehören, so viel ich weiss, Ferrier, 6 Fälle Horsley, einige weitere sind von anderen Autoren mitgetheilt worden) will ich hier die Ergebnisse der faradischen Reizung der Gehirnrinde bei 3 Kranken mittheilen, denen im Operationssaale meiner Klinik die Schädeldecken eröffnet wurden, um 544 W. v. BECHTEREWw: mittels Reizung der Rindenoberfläche die Lage der zu entfernenden mo- torischen Centra genau zu eruiren. In den ersten 2 Fällen wurde die Operation ausgeführt von Dr. Minin, in dem letzten von Prof. Welja- minow, die elektrische Reizung der Rinde hingegen wurde in jedem einzelnen Falle von mir persönlich vorgenommen. Zur Anwendung gelangte dabei der Schlittenapparat von du Bois-Reymond, an den Elektroden mit Platindrahtaufsätzen versehen, die nach vorhergehender Spaltung der Dura mater und unter Wahrung aller aseptischen Cautelen an die Gehirn- rinde angelest wurden. In dem ersten Falle wurde bei einem 11 Jahre alten Kinde wegen corticaler Epilepsie die linke Hemisphäre entsprechend der unteren Ab- theilung der Centralwindungen und der hinteren Abtheilung der zweiten Stirnwindung blossgelegt. Bei Stromreizung des hinteren Theiles des Gyrus frontalis medius stellte sich bei dem Kranken ohne Weiteres Seitwärts- wendung von Kopf und Augen nach der Seite des Eingriffes ein; Reizung am unteren Ende des Gyrus centralis anterior führte zu Contractionen der Antlitzmuskeln. Da bei diesem Kranken die Krampfanfälle eingeleitet wurden durch Contractionen der Handmusculatur und Drehungen des Kopfes, so musste die Schädelöffnung nach oben hin erweitert werden, wobei der untere Theil der mittleren Centralwindungsreeion blossgelegt wurde; Reizung dieses letzteren hatte jedes Mal zur Folge streng localisirte Bewegungen im Daumen der rechten Hand, die bei Verstärkung des Stromes auf die übrigen Finger dieser Hand und sogar auf die Muskeln des Vorderarmes übergingen. In unserem zweiten Falle wurde bei einem erwachsenen Landarbeiter wegen beständiger clonischer Zuckungen in der linken Körperhälfte, die besonders in der linken oberen Extremität und in geringerem Grade im Beine und im Antlitze auftraten, die Gegend des unteren Theiles der Centralwindungen und des hinteren Theiles der zweiten Stirnwindung bloss- gelest. Reizung der unteren Abtheilung des Gyrus centralis anterior löste bei dem Kranken Muskelcontractionen im Antlitz aus, Reizung des Fusses der zweiten Stirnwindung hatte zur Folge deutliche Seitwärtswendung des Kopfes mit Abweichung der Bulbi nach der entgegengesetzten Seite. — Da in dem blossgelesten Theile der Hemisphäre das Centrum für die obere Extremität nicht vorgefunden wurde, so musste die Trepanationsöffnung nach oben und hinten erweitert und dabei der untere Theil der Mitte der vorderen und hinteren Centralwindung freigelegt werden. Reizung hier- selbst an einzelnen Punkten ergab völlig deutliche Zusammenziehung des Daumens und anderer Finger der Hand, Reizung der Gyri centralis anterior und posterior oberhalb der soeben genannten Punkte wurde gefolgt von Muskelcontractionen an der oberen Extremität. Dıe LAGE DER MOTORISCHEN RINDENCENTREN DES MENSCHEN. 545 In dem Fall III wurde ein 16 Jahre alter Knabe operirt wegen be- ständiger Krämpfe in der rechten Körperhälfte, die von Zeit zu Zeit in epileptische Anfälle mit Bewusstseinsverlust übergingen. Eröffnet wurde bei diesem Kranken der ganze mittlere Theil beider Centralwindungen ein- schliesslich des Uebergangsgebietes in der unteren Abtheilung dreier Gyri und .eines Stückes der oberen Abtheilung derselben. Durch Reizung ver- schiedener Theile der blossgelegten Hirnrindenoberfläche konnten von den mehr nach oben gelegenen Theilen des Gyrus centralis anterior deutliche Contraetionen der seitlichen Rumpfmuskeln ausgelöst werden; Reizung der gleichen Gegend der hinteren Centralwindung ergab Bewegungen im Beine, Reizung der Mitte beider Gyri centralis mannigfaltige Bewegungen der contralateralen oberen Extremität im Vorderarme sowohl, wie im Ober- arme; endlich führte Irritation der tnteren Centralwindungsregion zu auf- fallenden Contractionen der Antlitzmusculatur. Alle diese Befunde führen nun zu folgenden Schlusssätzen: 1. Die allgemeine Anordnung der motorischen Centra bei dem Menschen in beiden Centralwindungen und den angrenzenden Theilen der Stirnwindungen ist völlig analog den entsprechenden Verhältnissen bei dem Affen. 2. Die Centra der unteren Extremität finden sich im oberen Theile des Gyrus centralis posterior, die Centra der oberen Extremität in dem mittleren Theile beider Centralwindungen; unmittelbar unterhalb dieser Centra liegen die Centra für den Daumen und die übrigen Finger, die Centra für das Antlitz endlich haben im unteren Theile der Centralwindungen ihre Lage. 3. Die Centra für die seitlichen Bewegungen des Kopfes und der Augen entsprechen, ganz wie bei den Affen, dem hinteren Theile der zweiten Stirnwindung und wahrscheinlich auch der Nachbarschaft derselben. 4. Die Centra für die Rumpfmusculatur finden sich auf der Ober- fläche der vorderen Centralwindung oberhalb der Centra für die obere Extremität, wogegen nach Angabe neuerer Autoren dieses Centrum bei den Affen an der medialen Fläche der Hemisphäre entsprechend dem oberen Ende der vorderen Centralwindung seine Lage haben soll. Meine Unter- suchungen an Affen lassen es übrigens zweifellos erscheinen, dass auch bei diesen Geschöpfen das fragliche Centrum auf der lateralen Hemisphären- oberfläche am oberen Theile der Gyrus centralis anterior sich vorfindet. 5. Bei dem Menschen sowohl, wie bei den Affen giebt es besondere Centra für die Bewegungen des Daumens und für die der übrigen Finger der Hand, und zwar liegen dieselben im Gebiete der Centralwindungen dicht unterhalb bezw. nach aussen von den Bewegungscentren der oberen Extremität. Archiv f. A. u. Ph. 1899. Physiol, Abthlg. Suppl. 3 oO 546 W. v. BECHTEREW: DIE LAGE DER MOTOR. RINDENCENTREN U. S.W. Wie bei den Affen werden auch bei dem Menschen die einzelnen Rindencentra von einander durch nicht stromerregbare Gebiete getrennt. Ueberhaupt ist bezüglich der Anordnung der motorischen Centra eine srosse Aehnlichkeit zwischen Affen und Mensch zu bemerken, so zwar, dass man bei Gehirnoperationen am Menschen rücksichtlich noch nicht genauer untersuchter Rindenpartieen sich an die besser bekannten Verhältnisse bei den Affen, insbesondere bei den höheren, zu halten berechtigt ist. Was endlich die Stromstärken betrifft, die zur Erregung der Rinden- centra bei dem Menschen in Anwendung gebracht wurden, so wechselten dieselben je nach den Besonderheiten des Einzelfalles. An eine Vergleichung der Erregbarkeit der menschlichen Rinde mit den entsprechenden Beob- achtungen an Affen ist wohl nicht gut zu denken, da die Prüfung der Rindenerregbarkeit bei Operationen am Menschen natürlich unter mehr oder weniger tiefer Narkose vor sich geht. Verhandlungen der physiologischen Gesellschaft zu Berlin. Jahrgang 1898—1899. XII. Sitzung am 9. Juni 1899. 1. (Vor der Tagesordnung) Hr. HAansemann: Demonstration zur Spermatogenese des Orang-Utang. Vor kurzer Zeit hatte ich Gelegenheit, den Orang-Utang aus Sumatra zu untersuchen, der hier im Zoologischen Garten gestorben war. Das Thier wurde auf etwa 10 Jahre taxirt. Es stand noch vollständig im Zahnwechsel. Die meisten Zähne gehörten noch dem Milchgebiss an, einige waren zum Wechsel ausgefallen, die beiden oberen definitiven Schneidezähne waren schon gut entwickelt. Bei der Untersuchung der Hoden und Nebenhoden fiel es mir auf, dass bereits grosse Mengen reifer Spermatozoön vorhanden waren. Nicht alle Hodenkanälchen zeigten eine vollständige Spermatogenese, in einigen fehlte sie ganz. Im den grösseren Räumen des Nebenhodens liegen die Spermatozoön in grossen Knäueln. Ueber die Form derselben möchte ich mich nicht genauer auslassen, da es sich um Leichenmaterial handelt und die Fixirung daher keine tadellose ist. Doch kann man so viel sagen, dass die Köpfe schlanker und spitzer als beim Menschen erscheinen. Mittelstücke wurden nicht beobachtet, was vielleicht auf Leichenveränderung zu beziehen ist. Die Spermatogenese bei einem Thier, das noch in vollem Zahnwechsel stand, erschien mir interessant und merkwürdig. Es ist jedoch bei weiteren Schlussfolgerungen die Frage aufzuwerfen, wie weit die Gefangen- schaft auf den Zahnwechsel hemmend, vielleicht auch auf die Spermatogenese verfrühend einwirken kann. Die Hoden waren etwa 3 “® lang, 1-5 °“ breit und 1°” dick. Sie enthalten ziemlich viel faserige Bindesubstanz, wie die jugendlichen mensch- lichen Hoden. Auch die grossen Zwischenzellen lassen sich nachweisen, wenn auch sehr spärlich. Jedes Kanälchen besitzt eine feine Membrana propria, die nach innen hin, zwischen Membran und Epithelien, einzelne platte Binde- gewebszellen trägt. 2. Hr. Dr. Max Davıp (a. G.) hält den angekündigten Vortrag: Kurze Mittheilung über histologische Vorgänge nach Implantation von Elfenbein in Schädeldefecte. In der Sitzung vom 1. Juli vorigen Jahres hatte ich die Ehre, vor Ihnen über die Resultate einiger Untersuchungen zu berichten, die ich im physiologischen Institute der Thierärztlichen Hochschule angestellt hatte. ! Ausgegeben am 27. Juli 1899. 395 548 VERHANDLUNGEN DER BERLINER Es handelte sich um die histologischen Befunde bei Einheilung von lebendem und todtem Knochenmaterial in Knochendefecten. Die Versuche waren aus- nahmslos am Schädel von Hunden angestellt und hatten zu dem Ergebniss geführt, dass der in seine Ursprungsstelle replantirte überlebende Knochen seine Integrität bewahrt; er wird zwar vorübergehend — bis zu seiner Wiedereinschaltung in den Kreislauf — in seiner Vitalität herabgesetzt, erringt dieselbe aber nach einiger Zeit vollkommen wieder. Im Gegensatz dazu wird implantirtes todtes Material (todter Knochen und Elfenbein) resorbirt und secundär durch neuen Knochen ersetzt. Dieser Befund deckte sich, so hatte ich auch damals ausgeführt, mit der Lehre früherer Autoren, stand aber mit einer Veröffentlichung von Barth im Widerspruch, der behauptete, dass einmal losgelöste Knochen- fragmente ausnahmslos der Nekrose verfallen, und dass dann das nekroti- sirte Stück zum Aufbau eines neuen Knochens verwendet werde, der sich durch einen Substitutionsprocess aus dem todten bilde. Es sei prineipiell nicht verschieden, ob der betreffende Knochendefect durch ein noch lebendes oder bereits todtes (macerirtes) Knochenstück oder auch durch Elfenbein u. s. w. gedeckt werde, die histologischen Vorgänge seien stets dieselben. Meine Ausführungen, verbunden mit der Vorführung der betreffenden histologischen Präparate, hatten in der sich anschliessenden Discussion die Zustimmung verschiedener Redner gefunden. So hatte z. B. Hr. Prof. Hansemann sowohl bezüglich der objectiven Befunde, wie auch der Deutung derselben sich völlig auf den von mir vertretenen Standpunkt gestellt. Heute bin ich nun in der erfreulichen Lage, meine damaligen Dar- legungen durch die Demonstration eines Präparates bestätigen zu können, das in allen Punkten das beweist, was ich seiner Zeit Ihnen vortrug. Es handelt sich um ein Elfenbeinstück, welches als Träger der Elektroden für Grosshirnreizung am nicht narkotisirten, frei sich bewegenden Thiere nach J. R. Ewald in den Schädel eines Hundes eingesetzt worden war. Als der Hund nach vier Wochen getödtet wurde, fand sich das Stück ange- wachsen. Hr. Prof. Munk hatte die Güte, mir das betreffende Stück zur Untersuchung zu überlassen. Ein Präparat habe ich hier ausgestellt, und daneben ein älteres, von einer früheren Untersuchung herrührendes, von einem Elfenbeinstück, das erst ein Jahr post operat. entnommen worden ist. Zum Vergleich finden Sie daneben zwei Knochenpräparate, und zwar das eine von todtem aus- gekochten, das andere von lebendem, unmittelbar post operat. reinplantirtem Knochen herstammend. Wir sehen hier bei den drei ersten Präparaten, nur graduell verschieden, sonst aber völlig übereinstimmend die Resorption des todten Materiales vor sich gehen, derart, dass von der Dura, dem Perieranium und der Narben- gegend aus Gefässschlingen in die Masse hineindringen. Secundär folgt dann der Resorption Knochenneubildung, die sich ausnahmslos in der un- mittelbarsten Umgebung der Resorptionsstelle vollzieht. Diesen gegenüber steht das vierte Präparat, das in jeder Beziehung den Eindruck normalen Knochens macht. Dieses Fragment ist elf Wochen post operat. dem Versuchsthier entnommen und zeigt, dass nur am äussersten Rande, wo der Knochen bei der Trepanation mechanisch verletzt wurde, Resorption mit secundärer Knochenneubildung vorliegt, dass aber das reim- plantirte Stück selbst seine Vitalität voll wiedererlangt hat und sich auch unter dem Mikroskop als normaler Knochen erweist. PHYSIOLOG. GESELLSCHAFT. — Max Davipd. — ALBERT NEUMANN. 549 Betreffs der genaueren histologischen Vorgänge darf ich mich wohl auf meinen früheren Vortrag bezw. auf die betreffenden Veröffentlichungen ! beziehen; ich müsste andernfalls nur bereits Gesagtes wiederholen. Ich bitte Sie sehr, diese Präparate zu besichtigen, denn Hr. Fischoeder hat einen Angriff gegen mich gerichtet,” in welchem er auf Grund seiner, im Uebrigen von allen früheren Untersuchern abweichenden, am Schädel von Kaninchen vorgenommenen Experimente, sich völlig auf den Standpunkt Barth's stellt. Die Verhältnisse am Kaninchen sind mir fremd, wenn ich auch a priori annehme, dass sie sich wesentlich von denen beim Hunde nicht unterscheiden. Dagegen muss ich bemängeln, dass Fischoeder, obwohl er in seiner Arbeit auf meinen an dieser Stelle gehaltenen Vortrag ausdrücklich hinweist, nur die Untersuchungen mit replantirtem lebenden Knochen nachgeprüft hat, und daraufhin zu einem definitiv absprechenden Urtheil kommt, meine Ver- suche aber mit implantirtem todten Material und die aus dem Vergleich beider Versuchsreihen gezogenen Folgerungen völlig ausser Acht lässt. — Gerade auf Grund der beiden Beobachtungsreihen haben aber sowohl Barth wie ich unser abschliessendes Urtheil abgegeben, und deshalb hätte auch Fischoeder, wenn er beweiskräftiges Material für oder wider hätte herbeischaffen wollen, in derselben Weise verfahren müssen. Da der Arbeit Abbildungen der erhaltenen Präparate nicht beigegeben sind, so ist eine Nachprüfung derselben für Dritte nicht möglich. An einer Stelle seiner Arbeit sagt Fischoeder, dass er in einem Fall im replantirten Fragment kleine Bezirke gefunden habe, die nach Färbung und Struetur als normal zu betrachten sind. Hierzu kann ich nur bemerken, dass, was Fischoeder in einem Fall als Ausnahme beobachtet hat, ich in allen Fällen als Norm gefunden habe. XIV. Sitzung am 23. Juni 1899. 1. Hr. ALBERT NEUMANN hält den angekündigten Vortrag: Zur Verein- fachung der Phenylhydrazin-Zuckerprobe. Vor Kurzem erschien in der „Berliner Klinischen Wochenschrift“? eine Abhandlung von Dr. A. Kowarsky, welcher eine bedeutende Vereinfachung der Fischer’schen Zuckerprobe dadurch erreicht haben will, dass er conce. Kochsalzlösung einem Gemisch von Phenylhydrazin und Eisessig hinzufügte, um so, wie er sagt, salzsaures Phenylhydrazin in statu nascenti für die Reaction zu verwenden. Er stützt sich dabei auf eine Angabe von v. Jaksch, welcher bekanntlich die Fischer’sche Probe zuerst für die Untersuchung von zuckerhaltigen Harnen anwandte. v. Jaksch sagt, es komme darauf an, dass das salzsaure Phenylhydrazin möglichst frisch sei. Er meint damit natürlich, dass das darin enthaltene Phenylhydrazin noch nicht zersetzt ist, während Kowarsky glaubt, dass es darauf ankomme, dass das salzsaure Phenylhydrazin möglichst in statu nascenti zur Ver- wendung komme, was v. Jaksch selbstverständlich gar nicht gemeint hat. Wie sich des Weiteren Kowar sky vorstellt, dass aus essigsaurem Phenyl- ! Langenbeck’s Archiv. Bd. LIII. H.4; Bd. LIV. H.4; Bd. LVII. H.3. = Archiv für klinische Chirurgie. Bd. LVIl. 1899. Nr. 19. S. 412. [07 550 VERHANDLUNGEN DER BERLINER hydrazin und Kochsalz noch dazu in der Kälte salzsaures Phenylhydrazin entstehen soll, ist nach den bisherigen chemischen Anschauungen nicht zu verstehen. Die theoretischen Voraussetzungen, welche die Grundlage für die Kowarsky’sche Modification der Fischer’schen Probe liefern, sind somit falsch. Thatsächlich scheint der geringe Fortschritt, welcher gegen früher erreicht wird, auf der durch das Kochen nach Hinzufügen der Salzlösung erzeugten Temperatursteigerung zu beruhen. Der praktische Vortheil näm- lich, welcher erzielt wird, ist, wie gesagt, ein sehr minimaler, weil die Probe schnelle und gute Resultate nur bei Harnen giebt, welche über 0-2 Procent Zucker enthalten. Nach der bisherigen Ausführung der Fischer’schen Probe geben solche Harne nach einem Erwärmen von 5 bis 10 Minuten bereits deutliche Abscheidung von Osazon, während Kowarsky diese Ab- scheidung bereits nach 2 Minuten langem Kochen beim Abkühlen beobachtet.! Die geringere Zeit des Erhitzens und der Fortfall eines Wasserbades bilden somit bei solehen Harnen die Vereinfachung. Bei Harnen, welche 0-2 Pro- cent Zucker und weniger enthalten, ist die Probe von Kowarsky nicht mehr zuverlässig, während bei der bisherigen Ausführung der Fischer’schen Probe noch bei Harnen mit 0-02 Procent und darunter, wenn auch erst nach !/,- bis ®/, stündlicher Einwirkung im Wasserbade, gute Resultate erzielt wurden. Da aber bei Harnen mit 0-2 Procent Zucker die Trommer- sche und Nylander’sche Proben noch gute Resultate liefern, und der Werth der Fischer’schen Probe gerade in ihrer ausserordentlichen Empfind- lichkeit liegt, welche selbst bei negativem Ausfall der anderen Proben noch den Nachweis von Zucker gestattet, so bildet die Kowarsky’sche Modification keinen nennenswerthen Fortschritt gegenüber der bisherigen Ausführung der Fischer’schen Probe, weil sie bei Harnen mit geringem Zuckergehalt ver- sagt oder ebenso viel Zeit erfordert wie die bisherige Probe. Die grosse Empfindlichkeit der Fischer’schen Probe wird aber auch bekanntlich als Einwand bei ihrer Verwendung in der klinischen Diagnostik benutzt, weil sie nicht gestattet, normale Zuckermengen von pathologischen zu unterscheiden. Als zweiter Einwand wird angeführt, dass auch zuckerfreie Harne ähnliche Krystallbildungen wie das Phenylglykosazon aufweisen können, und dadurch eine Täuschung des Beobachters stattfinden kann. Drittens wird gegen die allgemeine Einführung der Fischer’schen Probe — besonders als Untersuchungsmethode des praktischen Arztes — die längere Erhitzung in einem Wasserbade geltend gemacht. Mit den von mir vorgenommenen Untersuchungen beabsichtigte ich, nun, diesen Einwänden, wenn möglich, zu begegnen. Zu diesem Zwecke wurden eine grosse Anzahl von Versuchen ausgeführt, um die günstigsten Bedin- gungen für die Bildung der Osazonkrystalle zu ermitteln. Verwendet wurden zur Anstellung der Probe reines Phenylhydrazin und Eisessig. Zunächst erwies sich die Beschränkung des Phenylhydrazins auf ein Minimum als. sehr zweckmässig; etwa zwei Tropfen genügen, um selbst in Zuckerlösungen von 1 Procent starke Abscheidungen des Osazons hervorzurufen. Ein Mehr an Phenylhydrazin ist schädlich, weil dann leicht ölige Zersetzungsproducte des essigsauren Phenylhydrazins entstehen, wie das von Berthelot selbst ! Es ist zu bemerken, dass das Erhitzen in einem gewöhnlichen Reagensglase sehr schwierig ist, da die Flüssigkeit so stark schäumt und stösst, dass man sie nicht mehrere Minuten erwärmen kann. Ferner konnte ich die für Zuckerlösungen von 0-2 Procent gemachten Beobachtungen nicht bestätigen. PHYSIOLOGISCHEN (FESELLSCHAFT. — ALBERT NEUMANN. 551 an reinen Zuckerlösungen beobachtet worden ist. In dem Maasse nun, wie das Phenylhydrazin herabzumindern ist, ist ein Ueberschuss an Essigsäure sehr vortheilhaft. In diesem Falle bildet sich das Phenylglykosazon schon nach kurzem Kochen selbst in sehr zuckerarmen Lösungen, während allerdings gleichzeitig das Auskrystallisiren desselben sehr erschwert wird, da das ÖOsazon in Essigsäure verhältnissmässig leicht löslich ist und sich in Folge dessen erst bei einer bestimmten Concentration abscheiden kann. Um nun das Auskrystallisiren herbeizuführen, giebt es zwei Wege. Ent- weder man schwächt die Essigsäure durch Alkali ab, oder man nimmt bei zuckerarmen Lösungen von vornherein verdünntere Essigsäure, so dass die Acidität gemäss der Zuckermenge abgeschwächt ist. Bei sehr zuckerarmen Lösungen empfiehlt sich eine Combination beider Methoden: Anwendung einer überschüssigen Menge von verdünnter Essigsäure und nachherige Ab- schwächung mit Alkali. Für die Krystallisation von grossem Vortheil hat sich die Anwesenheit von essigsaurem Natron erwiesen, welches einerseits durch das Hinzufügen von Natron zur Essigsäure hineinkommt; andererseits als solches hinzu- zusetzen ist. Bei Anwesenheit einer bestimmten — allerdings nicht zu grossen — Menge von Natriumacetat werden viel schönere Krystallformen erzielt als bei dem Fehlen dieses Salzes. Das Natriumacetat, welches bisher bei Anwendung von salzsaurem Phenylhydrazin benutzt wurde, scheint dem- nach nicht bloss den Zweck zu haben, das letztere in essigsaures Phenyl- hydrazin zu verwandeln, sondern auch zur besseren Krystallisation des Osazons beizutragen. Die Versuche wurden ausgeführt mit reinen Zuckerlösungen und mit Harnen von bestimmtem Zuckergehalt. Es wurden Lösungen mit 0-2, 0-1, 0-05, 0-02, 0-01 Procent Zucker untersucht. Das Natriumacetat wurde in der Essigsäure gelöst, und zwar so, dass gesättigte Lösungen erhalten wurden. Zur Verwendung kamen mit Natriumacetat gesättigte Essigsäuren von 50, 75 und 100 Procent. Die Ausführung der Versuche geschah in einem Kugelreagensglase (siehe Fig. 1), welches mit Marken von 3, 5 und 7 ‘% versehen war. In einem solchen Kugelreagensglase kann das Eindampfen von Flüssigkeiten besonders bei möglichst horizontaler Hal- tung desselben schneller vorgenommen werden, als in ge- wöhnlichen Probierröhren. Zu 5 °® Zuckerlösung bezw. Zucker- harn werden 2 °“”® mit Natriumacetat gesättigter Essig- säure und 2 Tropfen Phenylhydrazin hinzugefügt und das Ganze auf 3 “m eingedampft, wozu eine Minute Zeit erforder- lich ist; dann lässt man langsam erkalten. (Es hat sich in manchen Fällen als zweckmässig erwiesen, erst schnell ab- zukühlen und noch einmal zu erhitzen, worauf die Krystalle sich schneller abschieden.) Bei Anwendung 50 procentiger Essigsäure wurden bei Lösungen bis 0-05 Proc. Zucker reich- liche Krystallabscheidungen erhalten, während bei 0-02 Proc. nur noch vereinzelte Krystalle unter dem Mikroskop beob- achtet wurden. Wendet man in diesem Falle die Abschwächung mit Natron an — doch so, dass die Flüssigkeit noch immer Fig. 1. essigsauer ist —, und dampft wieder auf 3°" ein, so erhält man auch bei 0-02 und 0-01 Procent Zucker noch deutliche Krystalle, welche ebenso schön ausgebildet sind wie bei grösserer Concentration. 552 VERHANDLUNGEN DER BERLINER Bei Verwendung von Essigsäure von 75 Procent liegt die äusserste Grenze (ohne Abschwächung mit Natron) bei 0°05 und bei Eisessig bei 0-1 Procent. Auch hier kann man durch Abschwächung mit Natron die Probe bedeutend verschärfen. Was die Schönheit der Krystalle und die Empfindlichkeit anbelangt, so war zwischen Harn und reiner Zuckerlösung ein Unterschied nicht zu beobachten. Bemerkenswerth ist, dass, je abgeschwächter die Essigsäure war, um so trüber die Flüssigkeit wurde, aus welcher sich die Krystalle ab- schieden. Bei Eisessig blieb die Flüssigkeit ganz klar, bei Essigsäure von 75 Procent war sie leicht getrübt, bei einer solchen von 50 Procent und bei allen Abschwächungen mit Natron war sie jedoch meistens deutlich unklar. Aus dem Mitgetheilten geht hervor, dass man, wenn man unter Zu- srundelegung dieser Beobachtungen die Fischer’sche Probe anstellt, die Empfindlichkeit beliebig reguliren kann. Da ausserdem bei Anwendung von Eisessig allein die Flüssigkeit klar bleibt und noch deutlich 0:1 Procent Zucker angezeigt wird, wobei die ausgeschiedenen Krystalle reine Phenyl- glukosazon-Krystalle ohne andere Beimengung sind, so kann man bei dieser Versuchsanordnung auch den zweiten Einwand ausschliessen, und auch ohne mikroskopische Untersuchung bei der Abscheidung gelber Krystalle Zucker für nachgewiesen halten. Durch die schnelle und leichte Ausführbarkeit der Probe wird auch der dritte von den oben angeführten Einwänden beseitigt. 2. Hr. Argert Neumann hält den angekündigten Vortrag: Verfahren zur Darstellung der Nucleinsäuren a und 5 und der Nucleo- thyminsäure. Im vorigen Jahre! habe ich in einem Vortrage: „Zur Kenntniss der Nucleinsubstanzen* mitgetheilt, dass die bisherige Nucleinsäure im wesent- lichen ein Gemenge darstelit aus mehreren verwandten Substanzen, welche ich als Nucleinsäuren a und 5 und als Nucleothyminsäure bezeichnet habe und von denen die zweite und dritte als Abbauproduct der ersteren, com- plexeren, aufzufassen sind. Ich beabsichtige heute, die Verfahren zur Darstellung dieser Säuren zu beschreiben, möchte aber zuvor kurz die früheren Methoden der Nuclein- säuredarstellung schildern. Nach älteren Verfahren von Miescher,? Hoppe- Seyler? und Altmann? wurden Lachsmilch, Eiterzellen, Thymus und andere Substanzen mit kernhaltigen Zellen zunächst sehr häufig mit Extractions- mitteln, wie Alkohol, Aether und Glycerin behandelt, um alle darin löslichen Stoffe zu entfernen. Der — event. nach Verdauung mit Pepsinsalzsäure — erhaltene Rückstand, welcher dann im Wesentlichen aus Nuclein bestand, wurde in ganz verdünnter Natronlauge gelöst, das Eiweiss durch Essigsäure entfernt, die Lösung mit Alkohol und etwas Salzsäure gefällt und dann die so erhaltene Nucleinsäure mehrmals gereinigt. Es wurde ausdrücklich ver- mieden, in der Wärme zu arbeiten, weil man die Substanzen für sehr leicht zersetzlich hielt. Auf diese Weise wurden z. B. aus 6*® Reinthymus° ı Dies Archiv. 1898. Physiol. Abthlg. S. 374 ? Verhandlungen der naturforsch. Gesellschaft in Basel. Bd. IV. Abgedruckt in dem Werke: Die histo-chemischen und physiologischen Arbeiten von Friedrich Miescher. Leipzig 1897. Bd. II. 3 Hoppe-Seyler, Med.-chem. Untersuchungen. Berlin 1866—1871. S. 488. * Dies Archiv. 1889. Physiol. Abthlg. S. 524. 5 Das Kalbsthymus ist für diese Versuche das geeignetste Material; ich habe in Folge dessen für diesen und die folgenden Versuche die Ausbeute auf diese Substanz bezogen. PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — ALBERT NEUMANN. 553 nach 2- bis 3-wöchentlicher Arbeit etwa 30 bis 40 ®’® Nucleinsäure ge- wonnen. (Verfahren von Altmann.) Durch eine von A. Kossel und mir! ausgearbeitete Methode gelingt es, in 7 bis S Tagen aus derselben Menge Kalbsthymus etwa 120 8” Nucleinsäure zu erhalten. Dazu wird das zerkleinerte Organ mit Wasser angesetzt und bis zum nächsten Tage stehen gelassen. Der Kaltwasser- auszug wird colirt und mittels Baryt die Nucleinsäure als sehr unreines, basisches Barytsalz gefällt und filtrirt. Es muss dabei bemerkt werden, dass nur die alkalischen Erden diese Fällung von basischen Salzen liefern, während die Alkalien das nicht thun. Sodann wird der Niederschlag mit Essigsäure neutralisirt und das neutrale nucleinsaure Baryum durch mehrtägiges Aus- kochen mit Wasser extrahirt. Die vereinigten Filtrate werden am nächsten Tage in alkoholische Salzsäure gegossen und die erhaltene Nucleinsäure durch Umlösen in Ammoniak gereinigt. Die Hauptschwierigkeiten dieser Methode liegen darin, dass das Coliren des Kaltwasserauszuges und das Filtriren des Barytniederschlages nur in kleinen Portionen vorgenommen werden kann, weil die Flüssigkeiten leimig sind und die Filtration in Folge dessen allmählich aufhört. Ferner ist eine genaue Innehaltung aller ge- gebenen Vorschriften durchaus nothwendig, weil man sonst leicht klebrige, braune Producte oder geringe Ausbeuten erhält. Nach dem Verfahren, welches ich nunmehr beschreiben will, erhält man die Anfangs erwähnten Producte innerhalb 1!/, bis 2 Tagen ohne jegliche technische Schwierigkeit. Aus 6 Y® Reinthymus werden 180 bis 200 ®® der Substanz 5 erhalten, welche der bisherigen Nucleinsäure am nächsten steht. Ausser der sehr verkürzten Herstellungszeit, dem Fortfall aller technischen Schwierigkeiten und der erheblich vermehrten Ausbeute hat man den Vortheil, dass übermässig grosse Flüssigkeitsmengen vermieden werden und eine viel grössere Reinheit und Einheitlichkeit der erhaltenen Producte erzielt wird. Das Verfahren, nach welchem die Säuren a und 5b gewonnen werden, ist im Wesentlichen folgendes: 1 Y® rein präparirte Thymusdrüsen werden zunächst in schwach essigsaurem Wasser gekocht, sodann möglichst fein zerhackt und dann in 2 Liter siedendes Wasser gebracht, das man vorher durch 100 “” Natronlauge (33 Procent) alkalisch gemacht hat und dem man zweckmässig noch 200 ®”" Natriumacetat hinzugefügt hat. In dieser Flüssigkeit löst sich die Organsubstanz bis auf Bindegewebstheile mit bräun- licher Farbe auf. Man erhitzt nun auf einem Wasserbade unter Ersatz des verdampfenden Wassers oder mittels Rückflusskühlers. Will man die Säure a erhalten, so erhitzt man !/, Stunde, während man zur Darstellung der Substanz 5 2 Stunden gebraucht. In beiden Fällen wird gleichmässig weiter verfahren. Nach der Neutralisation mit 150 “® Essigsäure (50 Procent) wird filtrirt (im ersteren Falle durch einen Heisswassertrichter, weil die Flüssigkeit in der Kälte gelatinirt) und das Filtrat stark eingeengt, auf etwa 1 bis !/, Liter. Die etwa 40° warme Lösung wird sodann durch das gleiche Volumen Alkohol gefällt und bis zum völligen Erkalten und Klar- werden stehen gelassen. Das Natronsalz der betreffenden Nucleinsäure scheidet sich am Boden und an den Wandungen des Gefässes aus. Man giesst die klare Flüssigkeit ab, filtrirt den Niederschlag durch Leinwand und löst ihn in 500 “““ Wasser. Nun erhitzt man auf dem Wasserbade, 1 Ber. der deutschen chem. Ges. Bd. XXV11. 8. 2215. 554 VERHANDLUNGEN DER BERLINER bis sich aus der trüben Flüssigkeit ein leicht filtrirbarer Niederschlag abge- schieden hat und die Lösung klar geworden ist. Man filtrirt und fällt mit Alkohol. Das reine Natronsalz giebt mit Alkohol keine Fällung; dieselbe entsteht jedoch, wenn man eine concentrirte Lösung von Natriumacetat in geringer Menge hinzufügt. Nachdem man event. durch nochmaliges Um- lösen reines Natronsalz gewonnen hat, löst man dasselbe in Wasser und fällt durch verdünnte Salzsäure. Man erhält auf diese Weise die Substanz (@ oder db) als gelbliche harzige Masse, die unter absolutem Alkohol er- härtet, und zwar bei a langsamer wie bei db. Giesst man die Lösung des gereinigten Natronsalzes in die dreifache Menge Alkohol, den man vorher mit concentrirter Salzsäure (2 m auf 100 «m Alkohol) versetzt hat, so erhält man eine weisse Fällung, welche im Falle @ voluminöser ist als bei 5 und sich in Folge dessen langsamer zu Boden setzt. Die klare Flüssigkeit wird alsdann abgegossen und der Nieder- schlag ebenfalls einige Zeit unter Alkohol stehen gelassen. In beiden Fällen wird nach dem Filtriren so lange mit absolutem Alkohol nachgewaschen, bis die saure Reaction verschwunden ist. Die so erhaltenen stark phosphorhaltigen Verbindungen sind in Wasser sehr schwer löslich, und zwar a schwerer als 5; fügt man jedoch Natrium- acetat hinzu, so tritt Lösung ein, welche im Falle a, wenn sie mindestens 5 procentig ist, gelatinirt, im Falle 5 dagegen nicht. Beide Verbindungen werden durch Mineralsäuren aus ihren Lösungen gefällt, durch Essigsäure aber nicht (Unterschied von den eiweisshaltigen Nucleinsubstanzen). Fällt man aus wässerigen Lösungen, so erhält man harzige gelbliche Massen, aus Alkohol dagegen ein weisses, mehliges Pulver. Als Säuren werden sie von Alkalien und deren Carbonaten gelöst, die Lösungen in fixen Alkalien färben sich beim Kochen gelb bis braun. Alkalische Erden und die Salze der Schwermetalle erzeugen Fällungen; Eiweisskörper geben nucleinartige Nieder- schläge. Beim Erhitzen mit Salzsäure und Phlorogluein erhält man die Tollens’sche Pentosereaetion. Nach dem Erhitzen mit Salzsäure und Zusatz von ammoniakalischer Silberlösung erhält man eine flockige Fällung, be- stehend aus den Silberverbindungen der Xanthinkörper. Beide Säuren geben in reinem Zustande keine Biuretprobe, sind also frei von Eiweiss und Leim. Betrachtet man das neue Verfahren in theoretischer Beziehung, so werden die erheblichen Vortheile, welche gegen früher erzielt werden, hauptsächlich dadurch erreicht, dass man die Organe direct in der Wärme behandelt, was man bisher immer ängstlich vermieden hat. Die folgenden orientirenden Vorversuche hatten gezeigt, dass man das Ausgangsmaterial in alkalischer Lösung ohne tiefergehende Zersetzung erwärmen kann. Kocht man nämlich die Organe mit Wasser bei neutraler Reaction oder bei Gegenwart von organischen Säuren oder deren Salzen, so tritt nur ausserordentlich langsam eine Zersetzung der Organsubstanzen ein (Fall 1). Bei alkalischer Reaction geht dieselbe schneller vor sich (Fall 2) und ist erheblich gesteigert bei An- wesenheit von Mineralsäuren (Fall 3). In letzterem Falle geht die Spaltung so rapid vor sich, dass man schon nach kurzem Sieden freie Phosphorsäure nach- weisen kann, nachdem phosphorsaure Salze durch Auskochen mit Wasser vorher entfernt waren. Es ergiebt sich aus diesen Vorversuchen, dass Fall 1 und 3 nicht zu dem gewünschten Resultat führen, während im Falle 2 die Reaktion günstig verläuft. Um dieselbe besser regulieren zu können, empfiehlt sich der Zusatz von Salzen organischer Säuren, wie Natriumacetat, weil dadurch die Reaction noch weiter gemässigt wird und bessere Ausbeuten erzielt werden. PHYSIOLOG. (GESELLSCHAFT. ALBERT NEUMANN. — A. Lorwxr. 555 Das Kochen mit verdünnter Essigsäure, womit die Organe zuerst be- handelt werden, hat nur den rein mechanischen Zweck der Erhärtung, um das Drüsenmaterial erheblich besser zerkleinern zu können. Durch das Erhitzen in alkalischer Lösung bei Gegenwart von Natriumacetat werden sodann die Nucleoproteide gespalten in Eiweiss und das Natronsalz der Säure a, welches bei längerer Einwirkung der Wärme in das Natronsalz der Säure 5 übergeführt wird. In Form dieses Salzes ist die Säure auch beim Erhitzen recht beständig, während die freie Säure viel leichter zersetzlich ist. Wie schon früher bei der Nucleinsäure beobachtet,! zersetzt sich dieselbe bei 100° unter Bildung von Thyminsäure. Erhitzt man aber statt auf 100° nur auf etwa 60°, so erhält man eine andere, bisher nicht bekannte Säure, welche ich als „Nucleo- thyminsäure* bereits in dem Anfangs eitirten Vortrage mit ihren Eigen- schaften beschrieben habe. Sie ist zum Unterschiede von den Säuren « und b in kaltem Wasser leicht löslich, ein Verhalten, das sie mit der Thymin- säure theilt, während sie sich durch ihre Fällbarkeit mittels Salzsäure und alle anderen Eigenschaften als echte Nucleinsubstanz zu erkennen giebt. Zu ihrer Darstellung benutzt man die Säure 5 — oder auch a, bei welchen aber längere Zeit zur Umwandlung erforderlich ist. Man wendet die durch wässerige Salzsäure aus ihrem Natronsalz gefällte Nucleinsäure an, weil diese sich leichter zersetzt als die aus alkohclischer Salzsäure gewonnene. Zur Darstellung der Nucleothyminsäure wird die Substanz unter heftigem Rühren in der zwanzigfachen Menge Wasser von etwa 60° so schnell wie möglich gelöst, die Lösung filtrirt und nach völligem Erkalten in die dreifache Menge Alkohol gegossen, dem man pro Liter etwa 15 m concentrirte Salzsäure hinzugefügt hat. Man erhält einen weissen Niederschlag welcher säurefrei gewaschen, in kaltem Wasser gelöst und wieder durch alkoholische Salzsäure gefällt wird. Es ist zweckmässig, auch hier die Reinigung der Substanz durch das Natronsalz vorzunehmen, indem man in Natriumacetat löst und die stark eingeengte Lösung in alkoholische Salzsäure giesst. Die beschriebenen Producte lassen sich anscheinend aus allen Organen und Säften darstellen, welche entwickelungsfähige, kernhaltige Zellen auf- weisen. Ich habe dieselben nach dieser Methode aus Thymus, Milz, Pankreas und Stierhoden erhalten. 3a. Hr. A. Lorwy hält den angekündigten Vortrag: Ueber die Be- dingungen der Tonerzeugung und das Pfeifen im luftverdichteten Raume. In den letzten Jahren ist von mehreren Seiten? die Frage ventilirt worden, woher es komme, dass in verdichteter Luft das Pfeifen erschwert sei und von einer gewissen Grenze der Verdichtung ab unmöglich werde. — Die Beobachtung selbst ist schon alt, sie wurde schon von Tüger gemacht, dem Erfinder der Methode mittels Pressluft submarine Arbeiten, insbesondere Fundirung von Brückenpfeilern, auszuführen. Er selbst, wie besonders die ! A.Kossel und A. Neumann, Ueber Nucleinsäure und Thyminsäure. Hoppe- Seyler’s Zeitschrift für physiologische Chemie. Bd. XX1I. 8. 74. ® Richard Heller, Wilhelm Mayer, Hermann v. Schrötter, Beobach- tungen über physiologische Veränderungen der Stimme und des Gehörs bei Aenderung des Luftdruckes. Sifzungsber. der kaiserl. Akad. der Wissensch. in Wien. Bd. CV. Abthlg. III. 8.5. 556 VERHANDLUNGEN DER BERLINER Autoren, welche die von ihm gefundenen Thatsachen genauer nachprüften, so Pol, Wetelle und Foley, konnten feststellen, dass schon der relativ ge- ringe Ueberdruck von ?/, bis !/, Atmosphäre das Pfeifen schwierig mache, dass bei 21/, bis 3 Atmosphären Druck die Fähigkeit zu pfeifen aufgehoben sei. v. Liebig! teilt mit, dass eine der von ihm beobachteten Personen (J. Back) schon bei ?/, Atmosphären Ueberdruck nicht mehr pfeifen konnte; überhaupt scheint die Grenze eine individuell erheblich differente zu sein. Ueber die Ursache der Erscheinung herrscht noch keine Klarheit, wenn auch eine Reihe von Erklärungsversuchen vorliegt. Foley? und später v. Vivenot? bringen sie mit einer unter Luftverdichtung vorhandenen Erschwerung der Contraction der Lippenmuskeln in Zusammenhang; auch v. Liebig weist der Stellung der Lippen einen gewissen Antheil zu, sieht aber die Hauptursache in den Aenderungen, die die Geschwindigkeit des Exspirationsluftstromes in verdichteter Luft aus physikalischen Gründen erleiden soll. Er stellt sich vor — ich glaube wenigstens, dass ich ihn so richtig verstehe — dass beim Pfeifen zwischen der Lippenstellung und der Geschwindigkeit, mit der die Exspiration erfolgt, ein bestimmtes Verhältniss besteht, dass dies Verhältniss in verdichteter Luft durch die Aenderung der Ausströmungsgeschwindigkeit der Exspirationsluft aufgehoben werde, und da dies uns unbewusst geschieht, wir nicht momentan ein richtiges Verhält- niss zwischen beiden wieder herstellen können. Dazu wäre zu bemerken, dass der Exspirationsaet ein rein passiver ist und etwaige Aenderungen in der Ausströmung der Exspirationsluft unter Luftverdichtung uns nur so lange es sich um eine rein passive Exspiration handelt, nicht zum Bewusstsein kommen könnten. Beim Pfeifen jedoch handelt es sich um eine willkürliche Contraetion von Muskeln, um einen activen Vorgang, der mit der gewöhn- lichen Exspiration nicht verglichen werden kann. Es wird sich jedoch zeigen, dass der Kern der Liebig’schen Anschauung ein richtiger ist. Endlich diejenigen Autoren, die in neuester Zeit sich am eingehendsten mit den Wirkungen der verdichteten Luft auf den menschlichen Organismus beschäftigt haben, Heller, Mayer und v. Schrötter, erklären offen, dass sie eine präcise Erklärung für die vorliegende Thatsache nicht geben können. — Ich habe es nun versucht auf experimentellem Wege eine Aufklärung zu gewinnen und habe zu dem Zwecke in Gemeinschaft mit R. du Bois- Reymond eine Reihe von Experimenten mit verschiedenen Pfeifen, Lippen- und Zungenpfeifen, angestellt um die Bedingungen für ihr Ansprechen bei verschiedenem Luftdruck festzustellen. Die Versuche sind im pneumatischen Cabinet des hiesigen jüdischen Krankenhauses ausgeführt und ich bin Hrn. Sanitätsrath Dr. Lazarus wiederum für die Liebenswürdigkeit, mit der er mir eine der Glocken des Cabinets zur Verfügung stellte, zu grossem Danke verpflichtet. Wir gingen so vor, dass wir den Minimaldruck aufsuchten, der noth- wendig war, den Pfeifenton eben deutlich erklingen zu lassen. Zu dem ! J. v. Liebig, Warum man unter einem stark erhöhten Luftdruck sowohl wie unter einem stark verminderten nicht mehr pfeifen kann. Münchener medic. Wochenschr. 1897. Nr. 10. ? Heller, Mayer, v. Schrötter, Bemerkungen zu vorstehend genanntem Auf- satz. Zbenda. 1897. Nr. 14. ® Aeltere Litteratur s. bei v. Vivenot, Zur Kenntniss u. s. w. der verdichteten Luft. Erlangen 1868; neuere bei Heller, Hofer, v. Schrötter. PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — A. LoewY. 557 Zwecke war die betreffende Pfeife mit dem einen Schenkel eines Y-Rohres verbunden, der zweite Schenkel führte zu einem Wassermanometer, der dritte in den ersten Versuchen zu einem Druckgefäss, das von einem grossen Spirometer (Waldenburg’schen pneumatischen Apparat) gebildet wurde. Da hierbei die Abstufungen des Druckes zu schwer ausführbar waren, be- dienten wir uns in den späteren (im Folgenden allein berücksichtigten) Ver- suchen des Druckes der Exspirationsluft. Wir bliesen unter Vermittelung eines Mundstückes in das Y-Rohr, beginnend mit ganz geringem Drucke, ihn dann allmählich so weit steigernd, dass der Pfeifenton erklang; oder umgekehrt: wir brachten die Pfeife durch starken Druck zum Anklingen, und verminderten ihn dann soweit, dass der Ton gerade noch rein erklang. Der betreffende Druck wurde am Wassermanometer abgelesen. — Die Ver- suche wurden zunächst bei einfachem, dann bei doppeltem, dann wieder bei einfachem Atmosphärendruck ausgeführt. Es ergab sich nun — wie die folgende Zusammenstellung erweist — ein gesetzmässiges Verhalten: in allen Fällen, bei Lippen- wie bei Zungen- pfeifen musste bei doppeltem Atmosphärendruck der zur Erzeugung des Tones nothwendige Ueberdruck doppelt so stark sein, wie bei einfachem Atmosphärendruck. Versuch 1. Gedeckte Orgelpfeife (Lippenpfeife), den Ton C gebend. Zur Tonerzeugung ist nöthig: bei einer Atmosphäre ein Wasserdruck von 10", ” zwei „ sn „ = 29m Versuch 2. Aehnliche Pfeife. Erforderlich bei einer Atmosphäre ein Wasserdruck von 4, zwei ” ” ” ” ) ar Versuch 3. Gedeckte Orgelpfeife (Lippenpfeife), die Octave der in Versuch 1 benutzten gebend (C) bei einer Atmosphäre nöthiger Ueberdruck von: 5% Wassersäule, ” zwei ” ” ” ” 10 nn N Versuch 4. Aehnliche Pfeife, wie in 3. Erforderlich bei einer Atmosphäre Wasserdruck 2°”, ” zwei ” ” 4m, Versuch 5. Gedeckte Orgelpfeife mit Zungenwerk. Je nach der Stellung der Zunge sind erforderlich: a) bei einer Atmosphäre: 3 Wasserdruck „ zw ei „ 6 z ” b) „ einer ”r 2.4 bis 2-.6°% „ „ zwei ” > Sr „ Es besteht demnach eine Proportionalität zwischen dem äusseren Drucke und dem zur Tonerzeugung nothwendigen Ueberdrucke; würde die Einrichtung der pneumatischen Kammer es gestattet haben, so würde bei weiterer Verdichtung auf drei oder vier Atmosphären der drei- bezw. vierfache Ueberdruck sich als erforderlich zur Tonerzeugung erwiesen haben. Wenn wir mathematisch abzuleiten suchen, was das experimentell fest- gestellte Verhalten für die Theorie der Tonerzeugung bedeutet, so ergiebt 558 VERHANDLUNGEN DER BERLINER sich, dass — wenn proportional dem atmosphärischen Drucke der auf die Pfeife wirkende Ueberdruck wächst — die Ausströmungsgeschwindig- keit der Luft aus der Pfeife constant bleibt. Das Maassgebende für das Ansprechen der Pfeife wäre sonach eine bestimmte Geschwindigkeit, mit der die Luft durch die Pfeife dringen muss. Die Ausströmungsgeschwindigkeit von Gasen ist: v= V29s wo s die Höhe der Gassäule ist, der das Gleichgewicht durch die Höhe h einer Wassersäule gehalten wird. Ist das specifische Gewicht des Gases = d, so ist die Höhe der Gas- säule s = = also Nennen wir den Druck, der nothwendig ist, damit bei 2 Atmosphären Druck die Ausflussgeschwindigkeit des Gases die gleiche bleibt, x, so haben wir bei 2 Atmosphären, da hierbei das specifische Gewicht d sich gleich- falls verdoppelt, die Gleichung 0 = Vazr Es ergiebt sich aus der ersten Gleichung: v= 29 5 und aus der zweiten: REN N ® g Dr also h rt und 2 d.h zz - ER) z=2h- Es zeigt sich also, dass die Ausströmungsgeschwindigkeit der Luft aus der Pfeife bei doppeltem Atmosphärendruck gleich der bei einfachem Drucke bleibt, wenn der die Luft durch die Pfeife treibende Ueberdruck sich gleich- falls verdoppelt — wie unsere Versuche es ergeben haben. Die vorstehenden Ableitungen gelten für die meisten Lippen- und Zungenpfeifen. Auf Grund von Besonderheiten des Baues der Pfeife können allerdings in seltenen Fällen andere Gesetze maassgebend werden. Dieselben Bedingungen der Tonerzeugung wie in den vorstehenden Versuchen liegen nun auch für bie Tonerzeugung vor, die in unserem Kehl- kopf stattfindet. Auch das ist schon von den ersten Beobachtern gefunden worden, dass das Sprechen unter Luftverdichtung erschwert ist, dass — wie man bei manchen Autoren angegeben findet — man schreien müsse, um sich verständlich zu machen. Man muss eben, entsprechend der Luftverdichtung, unter der man sich befindet, die Lungenluft unter höheren Druck setzen, PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — A. LoEwY. 559 also seine Exspirationsmuskeln stärker innerviren, um einen Ton hervor- zubringen, der an Intensität dem unter Atmosphärendruck erzeugten gleich ist. Es ist also nicht richtig, zu sagen, dass man schreien müsse; nur entspricht die zum Sprechen erforderliche Muskelanstrengung der, die man unter gewöhnlichen Umständen zum Schreien aufwendet.! Was speciell das Pfeifen und dessen Störungen betrifft, so sind hier mehrere Punkte in Betracht zu ziehen. Zunächst wiederum die grössere Anstrengung zur Tonerzeugung, die sich vornehmlich bei den hohen Tönen, die an sich schon mehr Kraft verlangen, bemerklich macht. Es wäre möglich, dass bei einem Druck von 3 bis 5 Atmosphären bei einer Reihe von Individuen die Fähigkeit, zu pfeifen, schon daran scheiterte, dass der Druck, der zur Tonerzeugung von den Exspirationsmuskeln zu leisten ist, nicht mehr erzielt werden könnte. Dazu kommt nun aber noch ein Zweites. Beim Pfeifen setzen wir zwei Muskelgruppen in Thätigkeit: die Exspirations- und die Lippenmuskeln, und zwar entspricht dem jeweiligen Exspirationsdruck, den wir beim Pfeifen aufwenden, d. h. also dem Innervationsgrade unserer Exspirationsmuskeln ein ganz bestimmter Innervationsgrad unserer Lippenmuskeln, den wir durch Erfahrung bezw. Uebung richtig treffen. Versuchen wir nun unter Luftverdichtung, z. B. bei zwei oder drei Atmosphären Druck zu pfeifen, so ist nach dem vorstehend Gesagten der Exspirationsdruck der doppelte resp. dreifache und wir müssen demnach auch die Lippenmukeln anders innerviren, um die Mundspalte passend zu formen. Die dazu nothwendige Innervationsgrösse ist uns nun nicht ge- läufig, sie muss erst ausgeprobt, erlernt werden. Die Innervation ist im Anfange zu schwach, die Lippen sind zu nach- giebig, die Mundöffnung wird beim Anlauten zu weit, so dass entweder ein unreiner Ton erzeugt wird, oder die Luft zischend, ohne überhaupt einen Ton zu erzeugen, durch die Mundspalte entweicht. Allmählich lernt man so stark und richtig zu innerviren, dass — wenigstens bis zu einer Atmo- sphäre Ueberdruck — es wieder gelingt einen Pfeifton zu erzeugen. Was also das Pfeifen bei geändertem Luftdruck so sehr erschwert, ist, dass wir unsere Aufmerksamkeit auf zwei Factoren lenken müssen, auf die Exspirations- und auf die Lippenmuskeln, die sonst in Folge Uebung ge- wissermaassen unbewusst, jedenfalls ohne dass jedem ein besonderer be- wusster Willensimpuls zugehen muss, mit einander in zweckmässiger Weise thätig sind. Hingewiesen sei auch darauf, dass, je unzureichender die Innervation der Lippen ist, um so schwerer natürlich auch die Erzeugung des noth- wendigen Druckes im Thorax. — Aehnlich wie für das Pfeifen sind die Bedingungen für die Hervor- bringung der Sprachlaute. Auch für sie wird dementsprechend von einer Reihe von Autoren? eine Erschwerung angegeben. Die Bewegung der Zunge soll eine schwerfällige sein, manche Silben sollen schlecht gebildet werden können, es soll zu mehr oder weniger hochgradigem Stottern kommen. Je- doch scheint die Sprachbildung nie in so hohem Maasse zu leiden wie die Fähigkeit, zu pfeifen. Vielleicht ist die Ursache darin gelegen, dass der zum Sprechen nothwendige intrapulmonale Druck viel geringer ist als der ! Vgl. übrigens auch: Heller, Mayer, v. Schrötter, Sitzungsber. der kaiserl. Akad. der Wissensch. in Wien. Bd. CV]. Abthlg. III. p. 11. * Schon bei Foley, a.a. 0. Zr 60 VERHANDLUNGEN DER BERLINER zum Pfeifen, daher auch die Innervationsänderungen bei Aenderungen des Luftdruckes sich beim Sprechen in viel engeren Grenzen halten und darum leichter zu erzielen sind. 3b. Hr. R. pu Bors-Reymonn hält den angekündigten Vortrag: Ueber den Person’schen Versuch. Bei Gelegenheit der Versuche über das Pfeifen in verdichteter Luft prüften wir auch die Angabe, dass bei verdichteter Luft der maximale Expirationsdruck höher sei als bei gewöhnlichem Druck. Diese Thatsache ist zuerst von dem Physiker Person festgestellt worden, und der Versuch, durch den sie erwiesen wird, ist unter dem Namen des Person’chen Versuches bekannt. Der Versuch besteht einfach darin, bei einer oder mehr Versuchs- personen am Pneumatometer den maximalen Druck für Exspiration und Inspiration bei gewöhnlichem Drucke festzustellen, und den so gefundenen Werth mit dem zu vergleichen, den man in der pneumatischen Kammer bei erhöhtem Druck erhält. Dieser ist merklich höher. Bei verdünnter Luft tritt der umgekehrte Erfolg ein: der pneumatometrische Werth ist geringer als bei Atmosphärendruck. Die Thatsache selbst, so paradox sie auch erscheinen mag, lässt sich nicht gut bezweifeln, denn sie ist seit ihrer Entdeckung von sehr vielen Untersuchern nachgeprüft und bestätigt worden. So fanden auch wir bei einer Reihe von Versuchen mit Quecksilber- und mit Wassermanometer den mittleren exspiratorischen Pneumatometerwerth bei zwei Atmosphären sehr erheblich (den inspiratorischen freilich bedeutend weniger) erhöht gegenüber dem gewöhnlichen Werth. Mit dem Wassermanometer erhielten wir geringere Differenzen. G. v. Liebig verwendet diesen Sachverhalt als ein Argument dafür, dass in verdichteter Luft die Leistungsfähigkeit der Muskeln grösser sei, als bei Atmosphärendruck. Das Versuchsergebniss ist so augenfällig, dass es einen sehr überzeugenden Beweisgrund abgeben müsste, wenn man be- weisen könnte, dass ausschliesslich die Veränderung der Muskelkräfte selbst und kein anderer Umstand beim Person’schen Versuche den Ausschlag giebt. Dieser Beweis lässt sich nur durch Ausschliessung führen. Es ent- steht die Frage, welche andere Erklärungen gegeben werden können? Die Litteratur über diesen Punkt war uns leider nur zum kleinen Theil zugänglich. Person selbt soll seine Angaben in seinem Lehrbuche! veröffent- licht haben. v. Vivenot? giebt einen Auszug der Stelle, aus dem über die Ursache der Erscheinung nichts zu entnehmen ist, vielmehr wird aus der beobachteten Zunahme des Druckes auf eine entsprechend grössere Volumen- änderung geschlossen. „Bezeichnet: H die Höhe der Barometersäule, h die Quecksilberhöhe im Manometerrohr nach foreirter Inspiration, Y das Luftvolumen der Lunge und der Röhre im Beginn des Ver- suches und 4 den Zuwachs jenes Volumens am Ende der Inspiration, oder die Grössenzunahme der Lunge, 1 Elements de physique. T.I. p. 216. ? v. Vivenot, Zur Kenntniss der physiologischen Wirkungen und der thera- peutischen Anwendung der verdichteten Luft. Erlangen 1868. 8. 165. PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — R. pu Boıs-Reymond. 561 so ergiebt sich mir, mathematisch aufgefasst, unter normalem Luftdruck der Ausdruck: HV h= H-—- — _— V+4 woraus sich als Grössenzunahme der Lunge am Ende der Inspiration ab- leiten lässt: hV An Diese allgemeine Formel zeigt uns noch nicht, welches Verhältniss zwischen H und Ah bestehen muss, um eine Zunahme von 4 zu veranlassen; wiederholt man jedoch diesen Versuch unter verstärktem Luftdruck, so erhält man als zweite Gleichung: d== ar , ZH —=#R deren Verhältniss zur ersten eine Bestimmung des durch die Veränderung des Luftdrucks veranlassten Zuwachses der Lungen-Expansion ermöglichen wird. Wir haben demnach: , hV "V a oder H"V a DEE RW: h(H—h) H-h Substituirt man nun in die algebraischen Schlusswerthe jene, welche durch den direeten Versuch gefunden werden, so findet man, dass W(H-h)>h(H —M), woraus sich ergiebt, dass unter verstärktem Luftdruck die Amplitude der Inspiration in der That eine Vergrösserung erfahren habe.“ Ob aus den ebenfalls von v. Vivenot eitirten Arbeiten von Pravaz! und Lange? mehr zu entnehmen ist, können wir nicht angeben. Der erste Umstand nun, von dem man annehmen könnte, dass er die grössere Druckkraft des Brustkorbes in verdichteter Luft verursacht, ist die geringere Compressibilität der verdichteten Luft. Damit das Quecksilber im Pneumatometer bei gewöhnlichem Drucke auf 10°®, also !/, Atmosphäre, steige, muss die im Brustraum ein- geschlossene Luft auf 7/, ihres Volumens zusammengedrückt worden sein. Enthält aber der Brustraum comprimirte Luft von zwei Atmosphären Druck (wobei natürlich ausserhalb ebenfalls zwei Atmosphären Druck herrschen müssen), so ist eine Compression des eingeschlossenen Luftraumes auf "/,, hinreichend, denselben Druck zu erzeugen. Die Thoraxwand macht also im zweiten Falle nur eine viel kleinere Bewegung, und ihre Musculatur arbeitet daher bei fast unveränderter Spannung. Um eine Schätzung dafür zu gewinnen, wie gross der Unterschied der Länge der Muskeln in den ! Ch. G. Pravaz, Essais sur Pemploi medical de lair comprime. Iyon et Paris 1850. ® J. Lange, UDeber die comprimirte Luft, ihre physiologischen Wirkungen u. s. w. Göttingen 1864. Archiv f.A.u. Ph. 1899. Physiol. Abthlg. Suppl. 36 562 VERHANDLUNGEN DER BERLINER beiden verschiedenen Fällen sei, kann man von der Betrachtung ausgehen, dass die Längen der Muskeln sich unter sonst gleichen Bedingungen etwa wie die dritte Wurzel aus dem Lungenvolumen verhalten müssen. Auf diese Weise kommt man zu dem Ergebniss, dass, um gleichen Exspirationsdruck zu erzeugen, die Athemmuskeln sich verkürzen müssen bei einer Atmosphäre um 5 Procent, bei zwei Atmosphären um 2 Procent, bei einer halben Atmosphäre um 9 Procent. Da nun offenbar der Muskel, der um 5 Procent seiner Länge verkürzt ist, nach dem Schwann’schen Gesetz nicht mehr die Kraft hat, die er bei der Verkürzung um nur 2 Procent besitzt, so könnte man hierin eine ausreichende Erklärung für die grössere Leistung bei ver- dichteter Luft finden. Versuche an gespannten Froschmuskeln lehren, dass unter Umständen viel kieinere Längenunterschiede viel grössere Schwankungen der Muskelkraft bedingen. Wenn nun in der verschiedenen Länge der Muskeln der Grund für die Verschiedenheit der Leistung liegt, dann muss die Verschiedenheit verschwinden, sobald man die Muskeln bei erhöhtem Druck mit derselben Verkürzung arbeiten lässt wie bei Atmosphärendruck. Dies kann man erreichen, wenn man zwischen Lunge und Pneumatometer einen Luftraum einschaltet, der dem in der Brust ein- geschlossenen gleich ist. Stellt man unter dieser Bedingung bei zwei Atmosphären Druck den Person’schen Versuch an, so ist das auf !°/,, zu comprimirende Volumen doppelt so gross, wie beim gewöhnlichen Versuch, und folglich wird die im Brustraum enthaltene Luft genau wie bei Atmo- sphärendruck auf 7/, gebracht werden müssen, um in der ganzen Luft den Druck von !/, Atmosphäre zu erzeugen. Die Muskeln müssen sich dann also um dieselbe Länge verkürzen wie bei Atmosphärendruck. Der Pneu- matometerwerth ist aber trotz vorgeschalteter Flasche von 5 bis 7 Liter Rauminhalt bei zwei Atmosphären höher als bei normalem Druck. Aus diesem Gegenversuch folgt also, dass die oben abgeleitete Er- klärung aus der Längenverschiedenheit der Muskeln unzulässig ist, und dass die Kraft der Athemmusculatur von der Exeursion der Brustwand innerhalb ziemlich weiter Grenzen unabhängig ist. Schaltet man bei gewöhnlichem Druck zwischen Pneumatometer und Lungen eine Flasche von 5 bis 7 Liter Rauminhalt ein, so findet man daher keine merkliche Abnahme des maximalen Exspirationsdruckes, sondern im Gegentheil meist eine Zunahme. Dies ist wohl daraus zu erklären, dass man, ohne um Schleuderung des Quecksilbers besorgt zu sein, mit voller Kraft in die Flasche hineinexspiriren darf, da der Luftstoss sich in dem Inneren der Flasche ausgleicht. Bei der gewöhnlichen Anordnung dagegen muss man darauf bedacht sein, den Luftstoss so zu reguliren, dass das Quecksilber nicht geschleudert wird, und erreicht deshalb weniger hohe Werthe. Es schien der Mühe werth, die bei diesen Versuchen gemachte Be- obachtung, dass die Exspirationskraft von der Stellung der Brustwand un- abhängig ist, weiter zu verfolgen. Dies kann leicht auf folgende Weise geschehen: Die Versuchsperson exspirirt nach maximaler Luftaufnahme im ein Hutchinson’sches Spirometer. Nachdem ein gegebenes Quantum Luft exspirirt ist, wird der zum Spirometer führende Schlauch geschlossen und mit einem Pneumatometer verbunden. Man misst nun den bei der vorhandenen Füllung der Lungen möglichen grössten Exspirationsdruck, schaltet dann wieder das Pneumatometer aus und das Spirometer ein und controlirt durch Messung der noch ausathembaren Luftmenge, ob die anfäng- liche Füllung wirklich maximal war. Macht man eine Reihe von derartigen Versuchen, indem man etwa jedes Mal vor der pneumatometrischen Messung PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — R. pu Boıs-Reymond. 563 500 °® mehr in den Spirometer hineinlässt, so erhält man eine Curve des maximalen Exspirationsdruckes für die verschiedenen Stellungen des Brust- korbes, von der maximalen Inspirationsstellung an bis zur äussersten Exspiration. Wir haben an mehreren Versuchspersonen eine ganze Anzahl soleher Versuchsreihen ausgeführt, weil sich ja die pneumatometrischen Werthe nur als Mittelzahlen aus einer Reihe von Einzelbeobachtungen fest- stellen lassen. Sämmtliche Curven zeigten übereinstimmend, dass der Pneumatometerwerth mit zunehmender Annäherung an die Exspirationsstellung zunächst fast gar nicht sinkt. Erst etwa bei derjenigen Stellung, die einem Lungeninhalte von 1000 “® ausser der rückständigen Luft entspricht, fällt die Curve steil ab, obschon auch die letzten 200 bis 300 ı der Vital- capaeität noch unter merklichen Druck gesetzt werden können. Offenbar würde man nach dem angegebenen Verfahren aus dem für die Ausathmung der letzten Antheile der Vitalcapaeität gefundenen Pneu- matometerwerthen die Menge der rückständigen Luft berechnen können, doch geben die sehr schwankenden Bestimmungen des Pneumatometerwerthes keine sichere Grundlage. Nach all’ diesen Erfahrungen muss also die oben aufgestellte Hypothese zur physikalischen Erklärung des Person’schen Versuches verworfen werden. Auch andere Betrachtungsweisen führten nicht weiter, so dass schliesslich nur die Ansicht, es handele sich um Zunahme der Muskelkraft selbst, übrig bleiben würde. Allein es ist noch eine Thatsache zu bedenken, die an sich fast ebenso überraschend wie der Person’sche Versuch, aber auch ebenso gut beglaubigt ist: dass nämlich das Volumen der in den Lungen enthaltenen Luft bei erhöhtem Drucke vermehrt ist. Die Erklärung hierfür braucht hier nicht erörtert zu werden. Es genüge die Angabe, dass durch die Güte des Hrn. Sanitätsraths Lazarus uns Gelegenheit gegeben werde, mittels Röntgendurchstrahlung den tieferen Stand des Zwerchfelles bei zwei Atmo- sphären Druck unmittelbar wahrzunehmen. Geht man von dieser Thatsache aus, so wird in die Betrachtung des Person’schen Versuches eine neue Bedingung von unübersehbarer Compli- cation eingeführt: Die Stellung des Brustkastens und damit das Verhältniss von Oberfläche zu Inhalt des zu comprimirenden Raumes ist offenbar nach maximaler Inspiration in verdichteter Luft eine andere, als bei normalem Druck überhaupt je eintreten kann. Für die Untersuchung des Inspirationsdruckes, also der Saugkraft, die nach Person ebenfalls erhöht sein muss, ist das allerdings nur zum Theil richtig. Jedenfalls aber lassen sich an den Umstand, dass das Lungenvolumen bei verschiedenem Drucke ver- schieden ist, Hypothesen knüpfen, die den Person’schen Versuch auch ohne Annahme vermehrter Muskelkraft erklären würden. Nimmt man zum Beispiel an, dass der Druck, den die Museculatur im Pneumatometer erzeugt, nach dem Princip der hydraulischen Presse abhängig sei von der Grösse der Oberfläche, auf die die Musculatur drückt, so ist es ganz gut denkbar, dass bei den in verdichteter Luft auftretenden Ver- änderungen diese Oberfläche nicht nur relativ, sondern sogar absolut geringer, und somit der maximale Druck höher würde. Die Grösse der für diese Betrachtung in Rechnung zu ziehenden Oberfläche lässt sich freilich nicht einmal schätzungsweise angeben. Ferner ist offenbar die Wölbung, mithin auch die Spannung des Zwerchfelles in verdichteter Luft von der normalen verschieden. Es sind also beim Person’schen Versuch auch andere Factoren geändert, als allein die Kraft der Respirationsmuseulatur. Der Person’sche 36* 564 VERHANDLUNGEN DER BERLINER Versuch kann deshalb nicht als vollgültiger Beweisgrund für die Zunahme der Muskelkraft bei vermehrtem Luftdruck angenommen werden. 4. Hr. Dr. THoRNeEr (a. G.) hält den angekündigten Vortrag: Demon- stration eines stabilen Augenspiegels. Durch die gütige Vermittelung des Hın. Prof. König ist es mir ge- stattet worden, Ihnen diesen Apparat vorzuführen. Derselbe soll dazu dienen, die Beobachtung des Augenhintergrundes zu erleichtern, und das ophthal- moskopische Bild auch Ungeübten vorführen zu können. Man hat ja schon mehrfach stabile Augenspiegel construirt; jedoch ist die Beobachtung mit denselben im Allgemeinen noch schwieriger, als wenn man die Instrumente in der Hand hält. Und zwar ist hauptsächlich Schuld daran der Hornhaut- reflex, den man bei der Beobachtung aus freier Hand noch leichter an unschädliche Stellen dirigiren kann als bei stabilen Apparaten. Ich habe mich nun zunächst bemüht, bei diesem Apparat den Horn- hautreflex bei jeder Stellung des Auges zu beseitigen, ohne aber eine Wasserkammer vor dem Auge anbringen zu müssen. Dabei bin ich von folgender Ueberlegung ausgegangen: So unregelmässig auch das Licht von der Hornhaut reflectirt werden mag, so muss es doch sich immer wieder an solchen Stellen des Apparates auf einer bestimmten Stelle sammeln, wo ein Bild der Hornhaut entsteht. Ein solches Bild wird nun mit Hülfe des Beobachtungsrohres dicht vor dem Auge des Beobachters erzeugt, ein anderes mit Hülfe des Beleuchtungsrohres und eines total reflectirenden Prismas dicht vor der Lampe. Lasse ich nun an dieser Stelle das Licht nur durch einen Ausschnitt fallen, der so gross wie die halbe Hornhaut ist, so wird auch nur die halbe Hornhaut beleuchtet, und ferner ist die Stelle, auf der sich der Reflex vor dem Auge des Beobachters sammelt, auch nur so gross wie die halbe Hornhaut. Diesen kann ich durch eine undurchsichtige Scheibe auffangen, während ich durch die andere Hälfte, die nicht beleuchtet wird, also auch nicht reflectirt, hindurchblicke. Wenn man dieses Princip festhält, ist man unbeschränkt in der Wahl des Beobachtungssystems. Dasselbe muss einem Fernrohr im Allgemeinen ähnlich sein, da ja die Strahlen vom Augenhintergrunde aus unendlicher Entfernung zu kommen scheinen. Als günstigste Vergrösserung habe ieh die gefunden, in der die Gegenstände in natürlicher Grösse abgebildet werden. Dann hat man eine ebenso starke Vergrösserung, wie sonst im aufrechten Bilde. Noch weiter die Vergrösserung zu steigern empfiehlt sich nicht, da das Auge dazu zu unvollkommien gebaut ist. Das Gesichtsfeld kann man so gross machen, als es mit Anwendung eines Collectivsystems beim astronomischen Fernrohr möglich ist. Hier ist es 37°, umfasst also eine fünfmal so grosse Fläche, als man bei Anwendung der gewöhnlichen 3 Zoll-Linse im umgekehrten Bilde übersieht. Endlich kommt es noch darauf an, den stark gewölbten Augenhintergrund als Ebene erscheinen zu lassen, was sich durch geeignete Auswahl der Linsenkrümmungen er- reichen lässt. Zur Beleuchtung habe ich ein genau gleiches optisches System wie zur Beobachtung verwandt. Nun sehen Sie an dem Apparat noch eine Anzahl mechanischer Vor- richtungen, die zur leichteren Einstellung dienen. Zunächst lässt sich der ganze Apparat mit der Lampe durch einen Trieb in vertikaler Richtung verschrauben, durch einen zweiten in horizontaler Richtung. Der Patient PHYSIOLOGISCHEN @ESELLSCHAFT. — THORNER. — A. Loswy. 565 stützt sich auf einen Kinnhalter und sieht, damit er eine bestimmte Blick- richtung inne behält, mit dem nicht beobachteten Auge das Spiegelbild einer Lampe an. Dies ist gerade nicht nothwendig, erleichtert aber die Auf- findung der Papille. Neben dem Beobachtungsrohr befindet sich ein Kasten, in dem mittels Spiegelung der Beobachter selbst oder ein Dritter die rich- tige Stellung des Apparates gegenüber dem Auge des Patienten finden kann. Zur Einstellung für verschiedene Refractionszustände dient der Auszug im Beobachtungsrohr, während für hochgradige Refractionsanomalien zwei andere Oculare eingesetzt werden können. Es empfiehlt sich, die Pupille künstlich zu erweitern, jedoch kann man bei den meisten Leuten auch ohne Mydriasis beobachten, besonders wenn man vor die Lampe ein schwarzes Rauchglas setzt, nur übersieht man dann ein kleineres Gesichtsfeld. Endlich will ich noch bemerken, dass dieser Apparat nur eine proviso- rische Construction darstellt, und dass bei weiteren Apparaten alle Theile aus Metall gefertigt werden. Ich bitte nun, den Apparat den Herren in Thätigkeit vorführen zu dürfen. XVI Sitzung am 21. Juli 1899. 1. Hr. A. Lorwry hält (zugleich für Hrn. P. F. Richter) den ange- kündigten Vortrag: Sexualfunetion und Stoffwechsel. Der Vortragende berichtet über Versuche, die an Hunden, männlichen und weiblichen, angestellt wurden, um den Einfluss der Castration auf den Stoffumsatz festzustellen. Zunächst wurde der Gesammtstoffwechsel (O-Ver- brauch, CO,-Bildung) am normalen Thiere, dann am castrirten bestimmt. Er sank nach der Castration allmählich ab, beim Hunde schon bald nach der Castration beginnend, bei den Hündinnen erst 7 bis 8 Wochen nach derselben deutlich abnehmend, um in weiteren 1!/, bis 2 Monaten ein Minimum zu erreichen, auf dem er constant blieb. Zu gleicher Zeit stieg auch das Körpergewicht, um dann ebenfalls auf einem nach 1'/, bis 2 Monaten erreichten Maximum sich dauernd zu halten. Loewy setzt aus einander, dass diese Resultate nur auf eine Herabsetzung der oxydativen Energie des Körpereiweisses bezogen werden können. — Wurde nun Ge- schlechtsdrüsensubstanz gefüttert, so trat auf Oophorin bei den weiblichen Hunden eine mit der Fütterung allmählich steigende, bei längerer Zufuhr die Norm weit überschreitende Erhöhung des Stoffumsatzes ein, der nach Aussetzen der Fütterung langsam zu den vor der Fütterung beobachteten Werthen herabsank. Testikelsubstanz und Spermin waren ohne Einfluss. — Beim männlichen castrirten Thiere wirkten Spermin und Testikelsubstanz deutlich steigernd, wenn auch relativ gering, Oophorin auch hier erheblich, wenn auch nicht ganz so, wie beim weiblichen Thiere. Auf den Stoffumsatz nicht castrirter Thiere, war nie ein Einfluss der Fütterung zu bemerken. Es haben demnach die Geschlechtsdrüsen neben ihrer bisher allein be- kannten der Fortpflanzung dienenden Function noch eine zweite, im Dienste des Stoffwechsels stehende, zu erfüllen. Sie steigern ihn; werden sie ent- fernt, so sinkt die Energie des Umsatzes; Zuführung der fortgenommenen analogen Substanzen regt ihn wieder an. 566 VERHANDLUNGEN DER BERLINER Vortragender weist auf eine Erklärung dieser Funetion durch Annahme einer Art innerer Secretion hin, auf die Beziehung zwischen Castration und Fettleibigkeit, und auf die Bedeutung, die die vorstehend aufgestellten Ver- suche für die Organotherapie haben. (Die ausführliche Mittheilung ist in diesem Archiv, 1899, Physiol. Abthlg., Suppl., 1. Hälfte, erschienen.) 2. Hr. H. Vırcmow hält den angekündigten Vortrag: Ueber die Ge- lenke der Fusswurzel. Es liegt mir eigentlich nur daran, einen einzigen Punkt hervorzuheben, nämlich: wodurch die beiden Gelenke, welche der „Adduction“ des Fusses dienen, gezwungen sind, gleichzeitig zur Verwendung zu kommen. Um mich aber klar ausdrücken zu können, muss ich einige Bemerkungen voraus- schicken. Wenn man von „Gelenken“ spricht, so ist man häufig gezwungen, die rein deseriptive oder topographische Darstellung von der physiologischen oder functionellen Betrachtung scharf zu unterscheiden. Das bekannteste Beispiel hierfür ist das Ellbogengelenk. Das was wir deseriptiv „Ellbogen- gelenk“ nennen, müssen wir für die mechanische Analyse in den Ginglymus zwischen Humerus und Ulna und die Rotatio zwischen Ulna und Radius zerlegen; dafür aber andererseits mit letzterer die Articulatio radio-ulnaris inferior, welche anatomisch ein selbstständiges Gelenk ist, vereinigen. Die gleiche logische Operation ist auch noch an anderen Stellen zu machen, und es wäre sehr förderlich, wenn wir für das eine Wort „Gelenk“ deren zwei hätten; eines für den anatomischen und eines für den functionellen Gesichts- punkt. Bei der Besprechung der Fusswurzelgelenke stossen wir auf die gleiche Notwendigkeit. Allerdings das eine dieser Gelenke, die Artieulatio talo- eruralis, ist ein selbstständiges Gelenk ebenso im anatomischen wie im functionellen Sinne, und über seine Mechanik hier nichts zu sagen. Anders steht es mit den Gelenken, an deren Bildung Talus, Caleaneus, Cuboides und Naviculare betheiligt sind. Von den vorderen Amphiarthrosen ist abzusehen. Beginnen wir mit dem „Gelenk“ zwischen Talus, Sustentaculum, Rück- seite des Naviculare und Ligamentum calcaneo-naviculare, so wird nach der landläufigen Beschreibung die „Pfanne“ gebildet durch Sustentaculum, Navi- culare und das genannte Band, in welche der „Kopf“ des Talus passt. Dies ist descriptiv richtig; mechanisch ist es bedeutungslos. Für die mechanische, funetionelle Betrachtung ist das Gelenk in zwei Stücke zu zerlegen: die Verbindung zwischen Unterseite des Taluskopfes und Sustentaculum und die Verbindung zwischen Vorderseite des Taluskopfes und Naviculare. Das erste Stück ist mit der „Artieulatio talo-calcanea lateralis“ zur Artieulatio talo-calcanea zu vereinigen, das zweite Stück ist mit der Artieulatio caleaneo- cuboidea zu vereinigen zur Chopart’schen Gelenkverbindung oder „Arti- culatio tarsi transversa“ der B.N. A. Dies ergiebt sich aus folgenden Er- wägungen: wenn auch die Artieulatio talo-calcanea lateralis und medialis anatomisch getrennt sind, so müssen sie doch functionell eine Einheit bilden, da sie dem gleichen Knochen angehören; die Artieulatio calcaneo-cuboidea und talo-navieularis, wenn sie auch anatomisch getrennt sind, müssen doch mechanisch eine Einheit bilden, weil Cuboides und Naviculare theils unmittel- .bar, theils durch Vermittelung der Cuneiformia fest mit einander verbunden sind. Betrachtet man nun die genannten Verbindungen auf ihre Flächen und Axen hin, so ergiebt sich Folgendes: die Articulatio talo-calcanea zeigt PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — H. VIRcHow. 567 an ihrem lateralen Stück auf dem Calcaneus eine convexe und auf dem Talus eine concave Fläche; an dem medialen Stück dagegen auf dem Calcaneus eine concave und auf dem Talus eine convexe Fläche. Sie ist dadurch wohl das merkwürdigte aller Gelenke des Körpers, denn wegen der Gestalt der Flächen muss bei der Adductionsbewegung notwendiger Weise eine Incongruenz eintreten. Eine genügende mechanische Deutung ist schwer zu geben, jedenfalls ist aber das Gelenk derartig gestaltet, dass nur bei einer Stellung, derjenigen, welche bei geradestehendem belasteten Fuss eingenommen wird, Schluss stattfindet. Dieser einen Stellung zu Liebe dürfte wohl das Gelenk die eigenthümlichen Flächen haben, welche bei allen anderen Stellungen unzweckmässig erscheinen. Die Axe liegt der Hauptsache nach senkrecht, jedoch mit dem oberen Ende vor- und medianwärts geneigt (Henke). An der Artieulatio tarsi transversa ist das eine Stück (Artieulatio talo- navicularis), für sich betrachtet, ein Ellipsoid-Gelenk, dessen beide Haupt- schnittebenen schief liegen (Fig. 2), das andere Stück (Artieulatio ealeaneo- euboidea) ist ein Sattelgelenk, dessen beide Hauptschnittebenen gleichfalls schief liegen. Die Convexität der Sattelfläche am Calcaneus ist der Haupt- sache nach horizontal gerichtet, die Concavität senkrecht, jedoch beide mit Neigung gegen den Horizont. Die beiden Hauptschnittebenen des Ellipsoid- und des Sattelgelenkes laufen parallel. Da nun in horizontaler Richtung sowohl Talus wie Calcaneus convex, in senkrechter Richtung da- segen der Talus convex und der Calcaneus concav sind, so kann eine Bewegung des Vorder- fusses gegen beide nur in horizontaler Richtung stattfinden. Hierdurch werden beide Gelenke, d.h. die beiden Stücke der Articulatio tarsi transversa, obwohl dem Bau nach Ellipsoid- Gelenk und Sattelgelenk, Charniergelenke, ein- axige Gelenke. Die Axe der Artieulatio tarsi transversa steht gleichfalls der Hauptsache nach senkrecht, jedoch mit dem oberen Ende vor- und medianwärts geneigt (Henke). Die Axen der Articulatio talo-calcanea und Articulatio tarsi transversa fallen zusammen (Henke). In Folge der Schieflage der Axe ist die Adduc- tionsbewegung zugleich mit einer Hebung des medialen Fussrandes und die Rückführung aus Adduction mit Senkung des medialen Fussrandes verbunden. Das Gesagte ist nicht neu; die geschilderten Eigenthümlichkeiten sind vielmehr durch Henke! entdeckt und von Poirier? unter gleichzeitiger Berufung auf Faraboeuf übernommen worden. Doch lässt sich, wie ich glaube, zur schärferen Charakterisirung noch zweierlei beifügen: 1. Kann man nicht eigentlich von „Adduetion“ und „Abduction“ sprechen, sondern von Adduction und Rückkehr zur Grundstellung. Die Grundstellung ist hier nämlich keine Mittelstellung, sondern sie liegt an dem einen Ende der ganzen Bewegung, ist eine Endstellung. ı Handbuch der Anatomie und Mechanik der Gelenke. 1863. ? Traite d’anatomie humaine. 11. Edit. T.I. p. 776. 568 VERHANDLUNGEN DER BERLINER 2. Verhalten sich beide Gelenke mechanisch insofern verschieden, als an dem hinteren Gelenk (Artieulatio talo-calcanea) die incongruent werdenden Gelenkflächen den Gang der Bewegung nicht bestimmen können. Hier treten also die Bänder wesentlich bestimmend ein. An dem vorderen Gelenk dagegen sind es die Flächen, welehe durch ihre Gestalt die Bewegung vorschreiben. Die beiden Stücke des vorderen Gelenkes, da sie sich, wie oben gesagt, mechanisch als Ginglymi verhalten, müssen Seitenbänder haben. Die Seitenbänder der Artieulatio talo-navieularis sind dorsal das Ligamentum talo-navieulare, plantar das Ligamentum calcaneo-naviculare und der mediale Schenkel des Ligamentum bifurcatum; die Seitenbänder der Artieulatio caleanea-euboidea sind dorsal das Ligamentum ealcaneo-cuboideum dorsale und der laterale Schenkel des Ligamentum bifurca- tum, plantar das Ligamen- tum calcaneo-cuboideum plantare (Fig. 3). Jetzt komme ich zu dem Punkt, den ich her- vorheben wollte: wodurch sind die Articulatio talo- calcanea und die Artieu- latio tarsi transversa ge- zwungen, gleichzeitig in Action zu treten? Dass dies thatsächlich der Fall ist, lässt sich am Bänder- Fig. 3. präparat leicht erweisen: man kann nicht Cuboides und Naviculare im Sinne der Adduction bewegen, während man den Talus am Calcaneus festhält; ebenso wenig den Talus auf dem Caleaneus, wenn man das Cuboides am Calcaneus festhält. Ergreift man dagegen mit einer Hand den Calcaneus und macht die adductorische Bewegung des Cuboides und Naviculare, so verschiebt sich zwangsmässig der Talus auf dem Cal- caneus im Sinne der adductorischen Bewegung. Die Ursache hierfür — und damit beantworte ich die Frage der vor- liegenden Mittheilung — liegt im Ligamentum calcaneo-naviculare. Dieses wird bei der genannten Bewegung gespannt, die mediale Ecke des Naviculare drückt in Folge dessen auf den Taluskopf und zwingt diesen zum Aus- weichen. Der Muskel, der im Leben diese Bewegung veranlasst, ist der Tibialis postieus. 3. Hr. E. Rost hält den angekündigten Vortrag: Notiz zur Kennt- niss der Ausscheidung des Borax. Gelegentlich von systematischen Versuchen über die Salz-Diurese, über die an anderer Stelle berichtet werden soll, wurde auch die Aus- scheidung des Borax auf den Magendarm verfolgt. Bekanntlich erfolgt die Eliminirung dieses Salzes aus dem menschlichen und thierischen Organismus im Harn sehr schnell und ist in kurzer Zeit beendet; ob eine Ausscheidung auch in den Verdauungscanal stattfindet, ist noch nicht untersucht. Die Bedeutung dieses Vorganges leuchtet ohne Weiteres ein; besteht ein solcher, so kann der Borax nach seiner Resorption von der Blutbahn aus wiederum PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — H. Vırcnow. — E. Rost. 569 in den Darmcanal gelangen, um dann von Neuem aufgesaugt zu werden; wobei zu erwarten ist, dass dieser Kreislauf sich mehrmals wiederholt. Der Darm steht dann also viel länger unter Boraxwirkung, als es der Fall sein würde, wenn dieses Salz, nachdem es einmal aus dem Darm aufgesaugt ist, allein und direet durch die Nieren ausgeschieden würde. Die Versuche wurden an Kaninchen angestellt, die in tiefer Urethan- oder Urethanmorphinnarkose lagen und deren Harn aus einer Blasencanüle floss. Aus einer Bürette liefen in die Jugularvene die betreffenden blut- warmen Lösungen ein, darunter auch 3-8 procent. Boraxlösung (auf ge- trockneten Borax berechnet), und zwar in je 10 Minuten je 10“, Es kamen 0-76 bis 2-28®"" Borax zur Verwendung. Nach dem Boraxeinlauf wurden die Thiere zu weiteren Salzinjecetionen benutzt und 60 bis SO Minuten später getödtet. In allen Experimenten mussten also die denkbar günstigsten Verhältnisse für eine schnelle Entleerung des in die Blutbahn injieirten und des vom Darm wieder aufgesaugten Borax im Harn in Folge der nachträglichen Verwendung anderer diuretisch wirkender Salze statthaben, und so kann mög- licher Weise die Ausscheidung in den Magendarm quantitativ nicht unerheblich beeinflusst worden sein. Nach Beendigung des diuretischen Versuches wurde unter Beobachtung aller Vorsichtsmaassregeln zur Vermeidung einer Ver- unreinigung mit Spuren boraxhaltigen Blutes, in einem Versuche nach Ver- blutung des Thieres und unter strömendem Wasser — wie in der 2. Hälfte der Versuche regelmässig — die Section ausgeführt und der Inhalt des Dünn- und Diekdarmes, des Magens und der Gallenblase entnommen. Der qualitative Nachweis geschah in den mit Soda veraschten und mit wenig Salzsäure ausgezogenen Proben mit sehr empfindlichem Cureumapapier, das bei 100% getrocknet wurde! (Demonstration der Belegpapiere); die Resultate wurden stets mit der Flammenreaktion (Grünfärbung der Flamme des angezündeten Borsäureäthylesters, der beim Kochen des mit Schwefelsäure und Alkohol versetzten Aschenauszuges entsteht) controlirt. Dass ähnliche, die Cureumaröthung vortäuschende Färbungen bei nicht mit Borax behandelten Thieren ausgeschlossen sind, ergab ein Controlversuch. Stets zeigte sich (5 Fälle) die intensivste Röthung des Curcumapapiers im Inhalt des Dünndarmes; daran schloss sich der Diekdarm; im Magen und in der Galle waren die Proben schwach, bisweilen sogar zweifelhaft. Mit Sicherheit konnte der Borsäurenachweis mittels der weniger empfindlichen Flammenfärbung? nur im Dünn- und Diekdarm bestätigt werden. Ganz dieselben Befunde ergaben Versuche mit subeutanen Injectionen von 80 bis 100 “® 3.8 procent. Boraxlösung; Tödtung und Section erfolgten 40 bis 60 Minuten nach beendeter Einspritzung: die Reactionen im Harn übertrafen keinesfalls die des Dünndarminhaltes an Intensität. Bei Kaninchen wird also nach intravenöser und subeutaner Einführung Borax auf die E chi nolaun des Verdauungscanales ausgeschieden. Es schliesst sich demnach der Borax an die grosse Reihe Substanzen an, die zu mehr oder weniger grossem Theil in den Magendarm eliminirt werden. Der Körper verfügt bekanntlich über die Fähigkeit, Verbindungen der verschiedensten Art, die im Blut und den Körpersäften kreisen, in ‘ Vereinbarungen zur einheitlichen Untersuchung von Nahrungs- und Genuss- mitteln für das Deutsche Reich. 1897. ? Vgl. auch Lenher and Wells, Tests for borie acid. ‚Journ. of the amerie. chem. socie'y. May 1899. 570 VERHANDL. DER BERLINER PHYSIOLOG. FESELVSCHAFT. — E. Rost. den Verdauungscanal abzuscheiden, so das Lithiumchlorid,! die Salze der Schwermetalle? (Quecksilber, Eisen, Mangan, Wismuth), die wolframsauren Salze, Brechweinstein, Salieylsäure,? Santonin,* Poleyöl? (fraglich, ob direct durch die Darmschleimhaut oder auf dem Umwege der Leber), Coffein, Alkaloidsalze (Morphin), Schlangengift u. s. w. Einige von ihnen, so das Morphium, werden zum bei weitem grössten Theil auf diesem Wege entfernt, während andere, wie die Salieylsäure und Lithiumsalze, nur in geringen Mengen auf die Magendarmschleimhaut abgeschieden werden. Bei dem Borax dürfte die Ausscheidung ebenfalls nur zum kleinen Theil in den Verdauungscanal stattfinden; über die quantitativen Verhältnisse lässt sich hiernach Bestimmtes aber nicht sagen, da bei der Möglichkeit der schnellen Rückaufsaugung immerhin ein erheblicher Theil des Borax, der endgültig den Organismus im Harn verlässt, erst auf den Darm ab- geschieden sein kann. Interessant ist ferner, dass in allen untersuchten Fällen die intensivsten Borsäurereaetionen im Dünndarm, die schwächsten im Magen und in der Gallenblase zu constatiren waren, während der Diekdarm eine Mittelstellung einnahm. Morphin, Tartarus stibiatus, Santonin u. s. w. bevorzugen bei der Ausscheidung den Magen; für die Salze einiger Schwer- metalle ist der typische Ort der Ausscheidung der Diekdarm und eventuell die Mundschleimhaut (Wismuth®); für andere auch die Galle, so für Kupfer (Brandl), für Blei (Annuschat); bei Santonin scheinen die untersten Darmabschnitte die Hauptausscheidungsstätten zu sein. Leineweber giebt an, dass die Ausscheidung von Substanzen besonders dann durch die Magen- schle'mhaut zu erfolgen scheine, wenn es Agentien sind, die, in grossen Dosen angewandt, den Blutdruck erniedrigten und den Puls verlangsamten (Morphin, Atropin, Stryehnin, Chinin, Salicylsäure); nicht aber Jodnatrium, das auch so gut wie nicht den Blutdruck beeinflusse. Hierzu sei — ohne zu diesem vermutheten Zusammenhang Stellung zu nehmen — erwähnt, dass von den 2 Kaninchen, die subeutan Borax erhielten, dasjenige die stärksten Borsäurereactionen im Dünn- und Dickdarm zeigte, welches in Folge seiner mangelhaften Herzthätigkeit und der Athmungsstockung schon vom Versuch ausgeschaltet werden sollte und das nur durch manuelle künstliche Respiration am Leben erhalten wurde. ! Leineweber, Ueber Elimination subeutan applieirter Arzneimittel durch die Magenschleimhaut. Inaug.-Diss. Göttingen 1883. ® Die übrige Litteratur findet sich in Kunkel, Handbuch der Toxicologie. 1899. Bd. 1. 8.54 zusammengestellt. ®> Blanchier et Bochefontaine, Comptes rendus. 1878. T. LXXXVU. — Marme&, Nachrichten der Königl. Gesellsch. 1878. — Leineweber, a.2. 0. * D. Caspari, Ueber das Verhalten des Santonins. Jnaug.-Diss. Berlin 1883. (Unter Lewin’s Leitung; s. auch Berliner klinische Wochenschrift. 1883.) — Neu- mann, Der Nachweis des Santonins. Inaug.-Diss. Dorpat 1883. — Lewin, Lehr- buch der Toxicologie. 1897. 8. 317. 2 ° 5 Lindemann, Ueber die Wirkungen des Oleum Pulegii. Archiv für experim. Pathol. und Pharm. 1899. Bd. XLIl. ° Hans Meyer und Steinfeld, Untersuchungen über die Wirkungen des Wis- muths. Archiv für experim. Pathol. und Pharm. 1886. Bd. XX. — Kocher, Volk- mann's klin. Vorträge. Nr. 224. Arch fAnatuPhys.1899.Phys.Abthlg. Suppl. N LER, LP) Anast Z 12 2 F ET NER Verlag Veit &Comp. Leipzig. ee \ ; * f 2 5 Physiol. Abtheilung. 1599. Supplement-Band, I. Hälfte. 2: | | 7383 | | ARCHIV: ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE, FORTSETZUNG DES VON REIL, REIL v. AUTENRIETH, J. F. MECKEL, JOH. MÜLLER, REICHERT vw. DU BOIS-REYMOND HERAUSGEGEBENEN ARCHIVES. HERAUSGEGEBEN VON De. WILHELM HIS, PROFESSOR DER ANATOMIE AN DER UNIVERSITÄT LEIPZIG, UND Dr. TH. W. ENGELMANN, PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN. JAHRGANG 1899. —— PHYSIOLOGISCHE ABTHEILUNG. — SUPPLEMENT-BAND. —- ERSTE HÄLFTE. = MIT SIEBEN ABBILDUNGEN IM TEXT UND EINER TAFEL. LEIPZIG, VERLAG VON VEIT & COMP. 1899. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes. (Ausgegeben am 23. Juli 1899.) Inhalt. [2 £ Seite H, OPPENHEIM, Zur Brown-Sequard’sehen Lähmung . .. . 2. u 200. 1 WALTHER Lög, Ueber das Verhalten des Eudoxins. . . 31 R. CAssırer, Ein Fall von multipler Hirnnervenlähmung. agleicn Ai Beitrag R zur Lehre von der Geschmacksinnervation . . . 36 JumAnven Munk und Max LEwANDowsky, Ueber die Schickeale dir Biweiss- stoffe nach Einführung in die Blutbahn . . . . 78 BENnno Lewy, Ueber die Adhäsion des Blutes an der Wardung fee Blutgefässe 89 Fritz Srrassmann, Ueber den Durchgang des Sublimats durch den Placentar- Kreislauf N NE AN en N ee EmiLıo CAvazzanı, Ueber den Mechanismus der Zuckerbildung in der Leber . 105 OÖ. HaGEMmAnN, Beitrag zur Lehre vom Stoffwechsel der Wiederkäuer . . . 111 JOHANNES FRENTZEL, Ergographische Versuche über die Nährstoffe als Kraft- spender für Ermmttdete "Muskeln 3. el 0. A. Ewa, Ueber Ernährungskly small 7.160 A. Loewy und Pau FRIEDR. RiCHTER, Sorualhunekibn und Seel Ein experimenteller Beitrag zur Frage der Organtherapie . . . 174 Posner und P. AscH, Ueber den Einfluss der Rückenmarksdurchschneidung a die Niere 7.2.2 SIR EIG BERNHARD Benpix, Ein Slolerächeelätsuch oa Alonlitächen ne. 300206 P. StrassmAann, Beitrag zur Lehre von der fötalen Harnsecretion und der Her- kunft des Fruchtwassers. (Hierzu Fat12), 8... rl a oe J. Dewitz, Ueber den Rheotropismus bei Thieren . . . 231 J. RıcH. Ewa, Zur Methodik der Messung des peripheren Wideretundes in eimer-Arterier 2 „9. 245 F. Tangr, Beitrag zur Keiuriniss des norsierehalkes des mensöhlichen Haines 251 WırH. Casparı, Ein Beitrag zur Frage nach der Quelle des Milchfettes . . . 267 J. F. Heymans und I. Roxsse, Einfluss der Anämie und der Plethora auf die Wirkung. des letanusziftes u. u „Nm RN a Die Herren Mitarbeiter erhalten wwzerzig Separat- Abzüge ihrer Bei- träge gratis und 30 # Honorar für den Druckbogen. ‘ Beiträge für die anatomische Abtheilung sind an Professor Dr. Wilhelm His in Leipzig, während der Monate März, April, August und September jedoch an die Verlagsbuchhandlung Veit & Comp. in Leipzig, Beiträge für die physiologische Abtheilung an | Professor Dr. Th. W. Engelmann in Berlin N.W., Dorotheenstr. 35 portofrei einzusenden. — Zeichnungen zu Tafeln oder zu Holzschnitten sind auf vom Manuseript getrennten Blättern beizulegen. Bestehen die Zeich- nungen zu Tafeln aus einzelnen Abschnitten, so ist, unter Berücksichtigung der Formatverhältnisse des Archives, denselben eine Zusammenstellung, die dem Lithographen als Vorlage dienen kann, beizufügen. VAN 11 1900 Physiol. Abtheilung. 1899. Supplement-Band, II. Hälfte. nn mn an rn un a6 ARCHIV FÜR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE. FORTSETZUNG DES von REIL, REIL v. AUTENRIETH, J. F. MECKEL, JOH. MÜLLER, REICHERT v. DU BOIS-REYMOND HERAUSGEGEBENEN ARCHIVES. » HERAUSGEGEBEN voN Dr. WILHELM HIS, PROFESSOR DER ANATOMIE AN DER UNIVERSITÄT LEIPZIG, UND ® Dr. TH. W. ENGELMANN, PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN. JAHRGANG 1899.. _—— PHYSIOLOGISCHE ABTHEILUNG, — SUPPLEMENT-BAND. =—— ZWEITE HÄLFTE. — MIT ACHT ABBILDUNGEN IM TEXT. LEIPZIG, VERLAG VON VEIT: & COMP. „ 1399. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes. > (Ausgegeben am 25. Oktober 1899.) Inhalt, ; SCHUNBURG, Ueber die Bedeutung von Kola, Kaffee, 'Thee, N Meie und Alkohol für die Leistung der Muskeln ; : Macnus Levy und E. FALK, Der Tansen da yechsel des Menschen in den. ver- schiedenen Altersstufen . O0. Hagemann, Berichtigung und an zu denk Auteale Be ag zur Ticker vom Stoffwechsel der Wiederkäuer“ Hans FRIEDENTHAL, Ueber a im Mapen a: nen : W. v. BECHTEREW, Ueber die Gehörcentra der Hirnrinde STEINHAUSEN, Beiträge zur Lehre von dem Mechanismus der Bewegungen des Schultergürtels H.J. HAMBURGER, Ueber den Einfluss v von "Salalasungeh at dar Yolım thienischen Zellen. Zugleich ein Versuch zur quantitativen Bestimmung deren Gerüst- substanz. Zweite Mittheilung MICHAEL LAPINSKy, Studien über die locale Bluteir enlatiort im Eereiche gelähmter Nerven PAuL ScHuLzz, Kelhue Schopenhauer Abhandlung: eben: das Schen ka re Farben“: ,..: re, (GUSTAV ZIMMERMANN, Die Uchertragung der Schallschwingungen auf und durch das Mittelohr . : W.v. BECHTEREw, Ueber die ask der mosorischen Rindengehträn des Menkchen nach Ergebnissen faradischer Reizung derselben bei Gehirnoperationen . Verhandlungen der phy siologischen Gesellschaft zu Berlin 1898—99 : HANSEMANN, Demonstration zur Spermatogenese des Orang-Utang — Max Davıp, Kurze Mittheilung über histologische Vorgänge nach Implantation . von Elfenbein in Schädeldefecte. — ALBERT NEUMANN, Zur Vereinfachung der Phenylhydrazin-Zuckerprobe. — ALBERT NEUMANN, Verfahren zur Dar- stellung der Nucleinsäuren a und 5 und der Nucleothyminsäure. — A. LoEwy, Ueber die Bedingungen der Tonerzeugung und das Pfeifen im luftverdich- teten Raume. — R. ou Boıs-Reymonp, Ueber den Person’schen Versuch. — THORNER, Demonstration eines stabilen Augenspiegels. — A. Lokwy, Sexual- function und Stoffwechsel. — H. Vırcnow, Ueber die Gelenke der Fuss- wurzel. — E. Rost, Notiz zur Kenntniss der Ausscheidung des Borax. Die Herren Mitarbeiter erhalten »wserzig Separat - Abzüge ihrer träge gratis und 30 c# Honorar für den Druckbogen. 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