HARVARD UNIVERSITY. LIBRARY OF THE MUSEUM OF COMPARATIVE ZOÖLOGY. 7283 Me aeıe. 191 RR N RR RZ ERSTER Je Rdn ANKER: Tal N SENT RN AR REN ld 7 035 AN NR EN ne N Ä ko \ aan Ye len REN RN 107 Ba Bu ne Ne NS ne a, 2 ARHEN: Re LG ji Y 1) |) IHM. RAR M Al UN NS le N al h us rı Er 7! N a NR in a. 4 Da N EAN 4, Dee STE, Sl 102739 ab real a Meg DR. Eu un Su nee u i r IE) Sa TulN 3 N Dale MER KERNE h N But N h n A, LA Iuhabr | NOV 1 Physiologische Abtheilung. 1901. Supplement-Band. 1383 ARCHIV | ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE, FORTSETZUNG DES VON REIL, REIL v. AUTENRIETH, J. F. MECKEL, JOH. MÜLLER, REICHERT vw. DU BOIS-REYMOND HERAUSGEGEBENEN ARCHIVES. HERAUSGEGEBEN VON Dr. WILHELM HIS, PROFESSOR DER ANATOMIE AN DER UNIVERSITÄT LEIPZIG, UND Dr. TH. W. ENGELMANN, PROFESSOR. DER PHYSIOLOGIE AN.DER UNIVERSITÄT BERLIN. JAHRGANG 1901. —— PHYSIOLOGISCHE ABTHEILUNG. —— SUPPLEMENT-BAND. MIT FUNFUNDZWANZIG ABBILDUNGEN IM TEXT UND DREI TAFELN. | "LEIPZIG, VERLAG VON. VEIT & COMP. 1901. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes. (Ausgegeben am 29. Oktober 1901.) Inhalt. Seite CLauvıo FERMI, Ueber die Verdaulichkeit der Speisen im Magen in Beziehung zur. .Hybiene ;... 7%, EOA 1 CrAuDıo FERMI und R. eek Beer die Hawks dr Nat ander auf die Entwickelung des Verdauungsapparates . . „2 2. nn. an... 84 CLAuDıo FERMI, Ueber das, Kauen der Speisen ... . 98 Puır. Rorrazzı und Pavr ENRIQUES, Ueber die Bediubungn "es oe Gleichgewichts und des Gleiehgewichtsmangels zwischen den organischen Flüssigkeiten und dem äusseren Medium bei den Wasserthieren.- Erster Theil. Die osmotischen Eigenschaften der Magenwand der Aplysien . . 109 BERNHARD Rawırz, Neue Beobachtungen über das Gehörorgan japanischer Tanzmäuse, (Hierzu Taf. L) . . ... ERS 171 ERNST ZıEMKE und FRANZ MÜLLER, Beiträge zur © Sheriroskopz des Blttes \ (Hierzu la IE) BE Be G. Hürser, Neue Versuche über Be eisen a Osyhamosioha (a Ra HL) SE 187 A. ScHückInG, Ueber die eAhlende Win von Mkalisnecharak ind Alkali. fruetosat-Lösungen auf isolirte Herzen. . . 218 JuLivs WoLrr, Ueber die normale und Barkoldesnhe Archneciir dr Knochen: (Nach einem, mit Demonstration von Projectionsbildern, am 14. Juni 1901 in der Berliner physiologischen Gesellschaft gehaltenen Vortrag.). . . . 2839 Verhandlungen der physiologischen Gesellschaft zu Berlin. 1900—1901 . „ .. 268 N. Zuntz, Ein Respirationsapparat für Wasserthiere. — G. ARNDT, Demon- stration einer Präcisionssäge zur Herstellung mikroskopischer Präparate harter Substanzen und mit dieser angefertigte Schnitte von Knochen, Zähnen, Schalen von Kokos-, Steinnuss u. s. w. — J. KATZENSTEIN, Ueber die functionelle Structur der wahren und falschen Stimmlippe. — L. Bıum- REICH und LEO Zuntz, Zur Methodik der Hirnreizung mit Demonstration. — THoRNER, Demonstration eines stereoskopischen Augenspiegels. — E. Rost, Zur Kenntniss des Stoffwechsels wachsender Hunde. — F. BLUMENTHAL, Ueber Glycuronsäureausscheidung. Die Herren Mitarbeiter erhalten werzig Separat - Abzüge ihrer Bei- träge gratis und 30 6 Honorar für den Druckbogen. Beiträge für die anatomische Abtheilung sind an Professor Dr. Wilhelm His in Leipzig, Königstrasse 22, während der Monate März, April, August und September jedoch an die Verlagsbuchhandlung Veit & Comp. in Leipzig, Beiträge für die physiologische Abtheilung an Professor Dr. Th. W. Engelmann in Berlin N.W., Dorotheenstr. 35 | portofrei einzusenden. — Zeichnungen zu Tafeln oder zu Holzschnitten sind auf vom Manuscript getrennten Blättern beizulegen. Bestehen die Zeich- nungen zu Tafeln aus einzelnen Abschnitten, so ist, unter Berücksichtigung der Formatverhältnisse des Archives, denselben eine Zusammenstellung, die dem Lithographen als Vorlage dienen kann, beizufügen. ENG! ERELTAH ARCHIV FÜR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE. FORTSETZUNG DES von REIL, REIL v. AUTENRIETH, J. F. MECKEL, JOH. MÜLLER, REICHERT vw. DU BOIS-REYMOND HERAUSGEGEBENEN ARCHIVES. HERAUSGEGEBEN VON Dr. WILHELM HIS, PROFESSOR DER ANATOMIE AN DER UNIVERSITÄT LEIPZIG, UND Dr. TH. W. ENGELMANN, PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN. JAHRGANG 1901. SUPPLEMENT-BAND ZUR PHYSIOLOGISCHEN ABTHEILUNG. LEIPZIG, VERLAG VON VEIT & COMP. 1901. ARCHIV PHYSIOLOGIE PHYSIOLOGISCHE ABTHEILUNG DES ARCHIVES FÜR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE. UNTER MITWIRKUNG MEHRERER GELEHRTEN HERAUSGEGEBEN VON Dr. TH. W. ENGELMANN, PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN. JAHRGANG 1901. SUPPLEMENT-BAND. MIT ABBILDUNGEN IM TEXT UND DREI TAFELN. LEIPZIG, VERLAG VON VEIT & COMP. 1901. »bEEIRLO TO ei Ss AST EIHIDSTICHIOER TI er 1) re ar s HH Y ER ! fitı Y l Zt ht ; Ai ß Km N KPlagich ii rate KERNE RR ME I ERE le En; er | N “ H ae NA a NE EUER TE REN et) es 3 7 zer x * # IBuE BRAUN ERT NE BKL. Den 1 BD ERBEN A LSA er KA gi 1, kranke “ Bun Tem “u | Druck von Metzger & Wittig in Leipzig, *.Iuib- NOV L 19h i Inhalt. Craupıo FERMI, Ueber die Verdaulichkeit der Speisen im Magen in Beziehung zur Hygiene. Experimentelle Untersuchungen . 5 CrauDIo FERMI und R. REpETTo, Ueber die Einwirkung den Nahrufangeies Au die Entwickelung des Verdauungsapparates . CLaupıo FErMI, Ueber das Kauen der Speisen Psır. Borrazzı und PAuL EnrIQusEs, Ueber die Bencen u sehen Gleichgewichts und des Gleichgewichtsmangels zwischen den organischen Flüssigkeiten und dem äusseren Medium bei den Wasserthieren. Erster Theil. Die osmotischen Eigenschaften der Magenwand der Aplysien BERNHARD Rawırz, Neue Beobachtungen über das Gehörorgan japanischer Tanz- mäuse. era Taral.). Er ERNST ZIEMkE und Franz MÜLLER, Better, zur ee aignt 1 Bintes: (Hierzu lese 205) 2 Per Se G. Hürner, Neue ran. über: die Dir rn den De enelıms, (Hierzu Taf. III.) A. ScHückıng, Ueber die BEhMTende we von ATRaleSorharate nd kai? fructosat-Lösungen auf isolirte Herzen . JuLıus WOLFF, Ueber die normale und natholosieche An hirechur der Knochen. (Nach einem, mit Demonstration von Projeetionsbildern, am 14. Juni 1901 in der Berliner physiologischen Gesellschaft gehaltenen Vortrag.) . Verhandlungen der physiologischen Gesellschaft zu Berlin 1900—1901. G. Arnpr, Demonstration einer Präcisionssäge zur Herstellung mikroskopischer Präparate harter Substanzen und mit dieser angefertigte Schnitte von Knochen, Zähnen, Schalen von Kokos-, Steinnuss u. s. w. J. KATZENSTEIN, Ueber die functionelle Structur der wahren ilktinem ana lippe . L. BLUMREICH und 1 An, Zur Methodik dar ieezling nit Demonainanen THORNER, Demonstration eines stereoskopischen Augenspiegels E. Rost, Zur Kenntniss des Stoffwechsels wachsender Hunde. F. BLUMENTHAL, Ueber Glycuronsäureausscheidung . Seite 263 263 266 269 272 275 Er de m wos v z .. Br ni vs E f Le et an ‚& Maui IR B Ueber die Verdaulichkeit der Speisen im Magen in Beziehung zur Hygiene. Experimentelle Untersuchungen von Prof. Dr. Claudio Fermi, Vorstand am hygienischen Institute der kgl. Universität zu Sassari, I. Die Verdaulichkeit der Speisen in Beziehung zur Hygiene. Wenn es wichtig ist, den absoluten Nährwerth einer Speise, sowie auch die Darmverdauung zu kennen, um die Ernährung der ärmeren Classen oder solcher Personen, die einem bestimmten Nahrungssystem unterworfen sind, wie z. B. der Kinder, der Insassen von Krankenhäusern, Kasernen, Gefängnissen, Lehranstalten, sowie auch der Hausthiere zu regeln und zu fördern, ist es andererseits nicht weniger wichtig, eine genaue Kenntniss der Zuträglichkeit und der Verdaulichkeit der Speisen im Magen zu haben. Die Magenbeschwerden, welche der Ingestion unverdaulicher oder vom Magen schwer zu ertragender Speisen folgen, können ja, wie bekannt, einen schädlichen Einfluss auf den Organismus üben, welcher den Werth der Ernährung selbst übersteigt auch in Fällen, wo derselben nicht absolut aller Nährstoff mangelt. Solche, die sich überwiegend von Kartoffeln nähren, wie die Bewohner Irlands, Ostpreussens, Schlesiens, von Reis, wie die Chinesen, von Polenta, wie die Oberitaliener, und die dabei stark arbeiten, haben ja als wahre Herbivoren (Krautesser) nichts anderes davon, als einen aufgetriebenen Unterleib (Kartoffelbauch). Die Ursache dieses ist die grosse Menge von Speise, welche sie täglich zu sich nehmen, und die oft das Ge- wicht von 38 übersteigt, eine Quantität, die, wie bekannt, für den mensch- lichen Magen zu gross ist. Wiederholte Magenbeschwerden aber rufen mit der Zeit nicht nur tiefgehende Alterationen des Magens hervor, sondern Archiv f. A. u. Ph. 1901. Physiol. Abthlg. Suppl. 1 9 ÜLAUDIO FERMI: bilden auch eines der häufigsten prädisponirenden Momente für Infections- krankheiten wie Typhus, Cholera, Dysenterie u. s. w. Definition der Magenverdauung. Was haben wir unter Verdaulich- keit einer Speise im Magen in Bezug auf die Hygiene zu verstehen? Nicht das, was die Physiologen! uns als die Erklärung der Verdau- lichkeit der verschiedenen Speisen im Allgemeinen geben, noch das, als was sie Lehmann definirt: „die Leichtiekeit, mit welcher die in Betracht kommenden Stoffe der Resorption anheimfallen, also aus dem Magen bezw. dem Darmtractus verschwinden“. Wenn diese Definition auch für die Verdaulichkeit im Allgemeinen und besonders für die Verdauung im Darm richtig ist, so passt sie doch nicht auf die Verdauung im Magen und zwar aus folgenden Gründen: 1. weil die von Haus aus eiweissreichen Speisen in den Darm übergehen, d. h. den Magen verlassen, bevor sie vollständig peptonisirt und vertheilt sind. Daher sagt Hammarsten? in Bezug auf die Verdaulichkeit der Speisen im Magen, dass „die Entleerung aus dem Magen keinen bestimmten Grad der Peptonisirung, ja nicht einmal den mechanischen Zerfall bedeutet, denn einerseits gehen grössere oder kleinere Fleischbrocken in das Duodenum über, andererseits ist, wie er hinzufügt, das Maass der Verdaulichkeit irgend einer Fleischsorte nur durch Versuche ausserhalb des Organismus zu bestimmen.“ 2. Wollten wir die Verdaulichkeit einer Speise im Magen nach dem Maasse beurtheilen, in welchem die Verdauungssäfte die Speisen zur Resorption vorbereiten, so würde uns dies zu der irrigen Annahme führen, dass z. B. das Fleisch von neugeborenen oder von sich noch im fötalen Leben befindenden Thieren (Säugethieren, Vögeln, Fischen) leichter zu verdauen wäre, als das von ausgewachsenen Individuen derselben Thierart, nur weil jenes durch die Magensäure leichter aufgelöst wird; oder dass fettes Fleisch verdaulicher oder ebenso verdaulich sei als das magere, das weisse leichter zu verdauen als das rothe (R. H. Chittenden und G. Gummins), dass ungewürztes, ungesalzenes Fleisch, Eiweiss, Casein, rohes Fibrin ebenso gut zu verdauen sei wie schmackhaftes, gewürztes und gesalzenes. Nach Forster und Rynders? und Flügge* werden jedoch die ungewürzten Speisen weniger ausgenutzt und sind weniger verdaulich, als die einigermaassen egewürzten. Die Lehmann’sche Definition aber würde uns ausserdem noch zu der Annahme führen, dass die ganze Reihe von Nährstoflen, welche die Fette, ' Hermann, Handbuch der Physiologie. Bd. V. 11. Theil. ° Hammarsten, Geschichte der ges. Mediein. 1867. 8. 154. ° Forster u. Rynders, Pettenkofer’s Handbuch der Hygiene. Bd. 1. 8. 185. * Flügge, Beiträge zur Hygiene. Leipzig 1879. ÜBER DIE VERDAULICHKEIT DER SPEISEN IM MAGEN. oo die Amylaceen, die Gemüse, das Obst, der Zucker liefern, als höchst un- verdaulich zu betrachten und zu verwerfen sei und zwar nur aus dem Grunde, weil sie nicht durch den Magensaft aufgelöst werden, während wir doch unter jenen Speisen eine grosse Menge vortreffliicher Nährstoffe finden, sowohl unter den Mehlspeisen (Brod, Zwieback, Tapioka, Reis, Kartoffeln u. s. w.) und unter den Gemüsen, Kräutern (kleine Kürbisse, Spargel, Spinat u. s. w.), sowie unter den verschiedenen Obstsorten, wie Birnen, Aepfel, Pfirsiche u. s. w. Diese Definition würde uns also durchaus irreführen, denn sie lässt die Empfindlichkeit des Magens, welche besonders beim Menschen bedeutend grösser ist, als die des Darmes, ausser Betracht, und doch kann man ge- radezu von einem wirklichen eigenartigen Geschmackssinn des Magens reden. Zur leichten Verdauung einer Speise im Magen ist es nicht nur nothwendig, dass dieselbe leicht zertheilbar, auflösbar und peptonisirbar sei, sondern es ist auch der Reiz auf die Sinnesorgane nöthig (Gesicht, Geschmack, Geruch), welcher Reiz indirect auf die Magenschleimhaut wirkt und ‘die absondernde wie die motorische Thätigkeit des Magens anregt. Was nützt in der That eine Speise, welche leicht auflösbar und pep- tonisirbar in vitro ist, wenn sie die Magensaftabsonderung nicht anregt, oder wenn sie nicht die Kraft hat, die Motilität des Magens anzuregen, und im Magen liegen bleibt, anstatt in den Darm überzugehen ? Bei den Thieren, die Vögel ausgenommen, ist das eigentliche Ver- dauungsorgan nicht der Magen, sondern der Darmtractus. In dem Darm findet thatsächlich die vollständige Verdauung des Eiweisses, die Emulsion der Fette, die Saccharification der Amylaceen, die Inversion der Saccha- rosen und die gänzliche Absorption der gastrointestinalen Verdauungs- producte statt. Die Speisen halten sich viel (3 bis 5 Mal) länger im Darm auf, als im Magen. Das Gewicht der Darmmasse ist (die Vögel ausgenommen) bedeutend erösser als das des Magens. Beim erwachsenen Menschen ist das Gewicht des Darmes 7 bis 8 Mal grösser als das des Magens. Das Gleiche kann man von der Capaeität sagen. Beim Pferd kann die Capacität des Darmes (Diekdarmes) 14 Mal grösser sein als die des Magens. Ebenso ist die Drüsenmasse, welche die Verdauungssäfte absondert, weit grösser im Darm als im Magen. Bei ver- schiedenen Wirbelthieren der unteren Classen, wie auch bei vielen Fischen (Hoppel S. 493) findet sich gar keine Magenverdauung; beim Pferde, dessen Pylorus beständig offen bleibt, gehen die Speisen sofort in den Darm über. 1 E3 4 ÜLAUDIO FERMI: Es giebt auch Personen, die an Achylia gastrica leiden, bei welchen Jahre lang keine Magensaftabsonderung stattfindet (Einhorn, C. A. Ewald, Th. Rosenheim). Hunde, denen der Magen herausgenommen war, lebten ° doch 5 Jahre lang ganz ruhig weiter (Czerny, Ludwig und Ogata), während sie nach Entfernung eines Stückes des Zwölffingerdarmes oder von ?/, des Dünndarmes (R. Trzebicky, Monari) zu Grunde gingen. Daraus zogen Ludwig und Ogata den Schluss: Zur Befriedigung der Bedürfnisse, welche die Verdauung zu erfüllen hat, ist der Magen weder als Vorrathskammer noch als Erzeuger des Labsaftes unumgänglich noth- wendig. Hingegen ist die Empfindlichkeit und die Reizbarkeit des Magens, wie ich schon erwähnt habe, besonders beim Menschen viel grösser als die des Darmes, in welchem die eingeführten Nahrungsmittel bisweilen fast un- bemerkt selbst mehrere Tage lang stecken bleiben können, während eine um einige Stunden später eintretende Entleerung des Magens gastrische Beschwerden zur Folge haben kann, die, wie bekannt, eine der häufigsten prädisponirenden Ursachen zu Magenerkrankungen und Infectionskrank- heiten abgeben. Aus dem Gesagten geht hervor, dass der Physiologe wie der Hygieniker von 3 Speisearten diejenige für die verdaulichere erklären wird, welche nicht nur durch die Verdauungssäfte leicht zertheilt, durchtränkt, aufgelöst und peptonisirt wird, sondern welche auch die Fähigkeit besitzt, die Motilität und die Secretionsthätigkeit des Magens zu erregen, indem sie entweder indireet mittels der Sinnesorgane oder direct die Magenschleimhaut reizt, in Folge dessen sie dann innerhalb der physiologisch festgesetzten Zeit schneller in den Darm übergeht. Dem Hygieniker wird eine Speise, welche in wenn schon aufgelöstem und peptonisirtem Zustand längere Zeit hindurch im Magen verweilt, immer für schädlicher gelten müssen, als eine Speise, welche fast unverändert ohne Weiteres in den Zwölffingerdarm übergeht, wie es sonst bei den Fetten und vegetabilischen Speisen gewöhnlich der Fall ist. Der Mechanismus der Magenverdauung ist in Bezug auf die Hygiene wichtiger als der Chemismus. Es giebt Speisen, welche nur die dem Mechanismus oder die dem Chemismus der Magenverdauung förderlichen Eigenschaften haben oder beide in verschiedenem Maasse, verschieden com- binirt. Ausserdem sind Thatsachen vorhanden, welche uns zwingen, die Mög- lichkeit einer specifischen ausscheidenden oder motorischen, mehr oder weniger ausgeprägten Thätiekeit in Bezug auf die verschiedenen Speisen anzunehmen. So hat man z. B. während eines langdauernden Nüchternseins, in Fieberzuständen, während des Erbrechens oder Ekelgefühles (Ludwig) ÜBER DIE VERDAULICHKEIT DER SPEISEN IM MAGEN. 5 in gewissen nervösen Magen, welche durch Dyspepsie und peristaltische Unruhen charakterisirt smd (Kussmaul), durch die Einwirkung ver- schiedener Drastica, Fette u. s. w. eine Hemmung der ausscheidenden Thätigkeit hervorgerufen neben dem Fortbestehen einer sehr ausgeprägten motorischen. Das Chloralium in gewissen Dosen (Stadtnitzky), das Magen- geschwür u. s. w. (Korcziwski Jaworski) reizen die Ausscheidungs- thätiekeit das Magens, während sie die motorische vermindern. Was in dem Magen stattfindet, geschieht auch beim Darme; so ver- mehren z. B. das Nüchternsein und die verschiedenen Drastica die peri- staltische Thätigkeit des Darmes noch mehr als die wirkliche secretorische - Darmthätigkeit. Andere Mittel reizen mehr die absorbirende als die aus- scheidende Thätigkeit, wie es z. B. beim Chlornatrium der Fall ist. Ein und dieselben Reizungsmittel wirken ausserdem nicht gleichmässig auf den Magen und den Darm, z. B. während die Fette die Magenausscheidung hemmen, reizen sie im Gegentheil die Bauchspeicheldrüsenausscheidung (Damaskin). Es giebt leicht zertheilbare Speisen, die sich aber schwer durchtränken lassen, wie z. B. die fetten (fette Käse, Thunfisch, ölhaltige Früchte), andere hingegen sind zäh, faserig, lassen sich aber leicht vom Magensaft durch- tränken (Fibrin u.s.w.). Nun sagt aber Blondlot! über die Erforschung der Magenverdauung an lebenden ‚OÖbjecten (Mensch oder Thier), „dass die Verdaulichkeit eines Nahrungsmittels lediglich von der augenblicklichen Stimmung des Magens abhänge und es reine Zeitverschwendung sei, sich mit der Ermittelung der Verdaulichkeit einzelner Nahrungsmittel abzumühen.“ Maly? fügt noch hinzu: „Diese sog. Versuche an lebenden Magen über die Verdaulichkeit einer Speise im Magen können eben nichts Exactes ergeben, denn die Verhältnisse des Magens sind zu mannigfaltig und zu einflussreich.“ Jedermann wird leicht den Werth dieser beiden Urtheile begreifen. Wollte man aber nur aus dem Grunde, weil die bei einer angegebenen Untersuchungsreihe erhaltenen experimentellen und statistischen Resultate spärlich und sich widersprechend erscheinen, auf die Erforschung einer wissenschaftlichen Frage verzichten, dann wären gar viele wissenschaftliche Fragelösungen nicht mehr möglich. Wie kann man schreiben, dass es Zeitverschwendung sei, die ver- schiedene Dauer des Aufenthaltes der Speisen im Magen feststellen zu ! Blondlot, Lehmann, Phys. chem. Bd. III. 8. 271. ? Hermann, Lehrbuch der Physiologie. Bd. IL. 1. Theil. 8.110. 6 ÜLAUDIO FERMI: wollen, da schon ein Jeder uns sagen kann, welche Speisen er mehr und welche er weniger vertragen kann, und da bei einer ausgedehnten Reihe von Untersuchungen, die man in Bezug auf jene Frage an Menschen vor- senommen, die erhaltenen Resultate stets übereinstimmen? Hätten die Experimentatoren, wie z. B. Beaumont, Uffelmann u. s. w. ihre Experi- mente weiter ausgedehnt, an einer grösseren Anzahl von Individuen vor- genommen und öfters wiederholt, so würde Blondlot keine Berechtigung zu einem solchen Urtheil gehabt haben. ll. Kritische Besprechung der bisher angewandten Untersuchungsmethoden. 1. Einführung von in Zeugsäckchen eingeschlossenen Speisen in den Magen. Spallanzani und Bikfalvi legten den Nahrungsstoff in ein Gaze- säckchen und liessen dieses von dem Thiere verschlucken. Nach einigen Stunden zogen sie das Säckchen heraus und wogen die darin zurück- gebliebene Substanz. Ueber diese Methode ist sofort zu bemerken: 1. dass der in dem Säckchen eingenähte Nahrungsstoff nicht leicht vom Magen zerrieben werden kann; 2. dass der durch den Nahrungsstoff auf die Schleimhaut ausgeübte Reiz abgeschwächt wird; 3. dass die Ausscheidung der aufgelösten oder vielleicht, wie es bis- weilen vorkommt, noch nicht zertheilten Bestandtheile des betreffenden Nahrungsmittels gleichfalls gehemmt wird. Mittels dieser übrigens sehr unbequemen Methode werden dieselben Resultate erzielt, wie sie durch die Experimente in vitro wahrgenommen werden. Die Experimente in vitro haben vor dieser Methode viele Vor- züge voraus. 2. Die Methode der durch Erbrechen bewirkten Expulsion des Mageninhaltes. Nachtheile: 1. Es fällt sehr schwer, eine hinreichende Zahl von Individuen zu finden, welche sich zu diesen Versuchen hergeben. Vielleicht könnte man in den ärmeren Classen mehr hierfür finden als für die Magen- ausspülung. I ÜBER DIE VERDAULICHKEIT DER SPEISEN IM MAGEN. 2. Man ist nie sicher darüber, dass der ganze Mageninhalt er- brochen wird. Diese Methode befolgte Gosse, aber nur an sich selbst, indem er die ihm eigene Leichtigkeit zum Erbrechen benutzte. Derselbe gelangte hierbei zu folgenden Resultaten: Lamm- und Kalb- fleisch, Geflügel, Eier, Spargel, Spinat und Brod hätten nach 2 Stunden den Magen verlassen. Schweinefleisch, gekuchtes Blut, Karden, Radieschen, warınes Brod nach 4 Stunden. Die Sehnen und das Fett, Erdschwämme, gekochtes Eiweiss, ölhaltige Früchte (Nüsse), die Gemüsehülsen, ganze Samenkörner brauchten eine ver- schieden längere Zeitdauer, um in den Darm überzugehen. Kritik: Obwohl diese in Bezug auf ihre Verdaulichkeit im Magen aufgestellte Eintheilung der Speisen vielleicht annehmbar ist, sind dennoch angesichts der beschränkten Zahl der untersuchten Speisen durch diese Versuche nur wenige der zahlreichen und wichtigen Fragen, welche sich uns in Bezug auf diesen Gegenstand aufdrängen, zu lösen. Wir finden bei diesen Versuchen sehr spärliche Angaben über die Verdaulichkeit der verschiedenen Fleischsorten und -organe, Milchspeisen, der Eier nach ihrer verschiedenen Zubereitung, der Gemüse, Mehlspeisen und Flüssig- keiten. 3. Methode der Magenausspülung. Vortheil: Diese Methode erlaubt uns, das Experiment an einem ge- sunden Menschen vorzunehmen. Nachtheile: 1. Um den bestimmten Moment der Magenentleerung festzustellen, ist es nothwendig, die Sondirung wenigstens jede Viertelstunde vorzunehmen. Man müsste daher, wenn man die Dauer der Verdauung auf 3 bis 4 Stunden ansetzt, diese unangenehme Operation an demselben Individuum 8 bis 12 Mal wiederholen. Nun ist es aber gewiss nicht leicht, wie auch Penzoldt bemerkt, eine hinreichende Zahl von Individuen (80 bis 100) zu finden, welche sich gegen Bezahlung sondiren lassen, oder so viele Mediciner, die sich auf das Doctorexamen vorbereiten und welche ein solches Thema zu ihrer These annehmen möchten. Penzoldt konnte in der That im Laufe mehrerer Jahre deren nur 6 finden, und wie aus den Tabellen seiner Schüler hervorgeht, wiederholten S ÖLAUDIO FERMI: sie den Versuch mit einer und derselben Speise nicht mehr als 2 oder 3 Mal, obwohl es der grossen Verschiedenheit der erhaltenen Resultate wegen nothwendig gewesen wäre, denselben wenigstens 5 bis 10 Mal zu wiederholen. 2. Ausserdem ist es nicht ausgeschlossen, dass der beständige Ge- danke an die sich wiederholende Sondirung und Magenausspülung auf die Ausscheidung und motorische Thätigkeit des Magens eine verschiedene, hemmende Wirkung ausüben könnte. Penzoldt’sche Versuche. — Die schönen, ausführlichen, werthvollen Experimente Penzoldt’s gestatten uns doch, weder eine vollständige Scala über die Aufenthaltsdauer der verschiedenen Speisen im Magen aufzustellen, noch für alle diesbezüglich hervortretenden wichtigen Fragen eine aus- reichende Erklärung zu finden. Dies hängt, wie wir schon sagten, von der geringen Anzahl der mit jeder einzelnen Speise ausgeführten Versuche (zwei) ab, sowie von der geringen Anzahl der Individuen (sechs), an welchen man die Versuchsreihe vornehmen konnte, und weil man oft nicht dieselbe Speisemenge verabreichen konnte und in Folge dessen der Vergleich unter den verschiedenen Speisen unmöglich war. So z. B. wurden von Fleisch 10 verschiedene Quantitäten eingenommen: 160, 170, 210, 220, 225, 230, 240, 250, 270, 280 8%; von Fischen: 72, 100, 120, 200 8”; von Vegetabilien: 40, 100, 150, 200 8m; von Brod: 70 sm; von Eiern: 1008”; von Getränken: 200 sm, Ich füge hier die einzelnen Tabellen bei. Diese habe ich in der Weise geordnet, dass man mit den leichteren Speisen anfängt und zu den schwereren übergeht. Tabelle I. (Gigglberger.) Fleischspeisen. | ! Fleischsorten Zubereitung Gewicht na Bemerkungen Ei | im Magen Hirn... 7% We gesotten 250 22410 Hirn. 0.3. 24, 6, wie 5 250 2.35 Bries (Thymus). .. . > 250 2.45 4 Schweinefleisch. . . . gebraten 160 2:650.4 5: JongerHühner, .....n2.%r gesotten 220 ee) Rindfleisch als Beefsteak | roh, fein gehackt 250: ..\.,. „8. , 10,059) Kirn 22 2 2 ER TEbREKER 250 SulDz Schinken, geräuchert . . | gekockt 160 3 1.2000) | ÜBER DIE VERDAULICHKEIT DER SPEISEN IM MAGEN. Tabelle I. (Fortsetzung.) Ne) Dauer des | Fleischsorten Zubereitung er Aufenthaltes Bemerkungen im Magen | Junge, Hühner 02... gebraten 230 3E 25 Rindfleisch als Beefsteak | roh, fein gehackt 2350 30225 Rindszunge : gesotten 250 3029 Kalbfleisch (Schlegel). gebraten 250 >25 Tauben. gesotten 260 3...30 Rindfleisch gebraten 160 3 30 Schinken, geräuchert . roh, geschabt 160 330 Junge Hühner gebraten 230 3 40 Schinken, geräuchert . roh 160 3 46 Tauben. eh gesotten 220 3 50 Kalbfleisch (Schnitzel) gebraten 1.250 382.90, Hammelfleisch = | 210 3.5 Junge Hühner gesotten | 250 30155 Rebhühner. gebraten | 230 3 55 Rindfleisch gesotten | 250 3 55 1200" Wasser Bries (Thymus) . Eu 250 35 | Rindszunge a: 55 250 20. Kalbfleisch (Kalbsfüsse) . ” 250 4.20 Rebhühner nen gebraten 240 AN N Kalbfleisch (Kalbsfüsse) . gesotten 250 AD 700 em Wasser Hase En gebraten 270 45 Kalbfleisch (Schlegel) . 5) 250 4.10 Tauben . bu 1220210 4 15 Rinderfilet . a > 12250 4 15 Rinderfilet als Beefsteak . bo 250 4 15 » » > ” 250 40115 600 = Wasser Schweinefleisch . 5 170 als) Rindszunge geräuchert 250 4 29 Rinderfilet. gebraten 225 4 30 Gans ss 250 4 35 Ente. BE 55 280 4=735 Schinken, geräuchert . roh 160 4 50 700 «m Wasser Hase gebraten 250 4 55 Rindfleisch gesotten 250 52 Rindszunge 5 250 5 15 600 em Wasser Hammelfleisch gebraten 250 5 40 1000 seem Wasser 10 ÜLAUDIO FERMI: Tabelle Il. (Prager.) Fleischspeisen. ; : ' Gewicht Dauer des | Fleischsorten Zubereitung in grm ‚Aufenthaltes Bemerkungen | im Magen Rindtleischwurst roh 100 2b 45° | e roh 100 2 Kalbsbraten . gebraten, warm gegessen 100 3 | ss ı gebraten, kalt gegessen | 100 3. 9 Beefsteak. Kulze er 100 3.16 01 | roh, gehackt 100 315 | rauchfleisch . | 5 n | 100 3 15 Schinken . | gekocht | 100 | 3715 Beefsteak. gebraten, warm gegessen | 10077117 730050 Schinken . roh 100 | 3 45 Rauchfleisch . roh, in Scheiben 100 | 4 15 Tabelle Ill. (W. Walther.) Fischspeisen. 1 . r . | Gewicht | Dauergd> Fischspeisen Zubereitung | in grm ‚Aufenthaltes Bemerkungen | im Magen | Caviar, russ, roh, gesalzen 12 | 20! Austern . . ' roh, mit Citronensaft 12 10245 Hecht . blau gesotten 200 2 15 Schellfisch in Salzwasser gesotten 200, am 2Eeln Stockfisch in Salzwasser gekocht 200 2 Caviar, russ. roh, gesalzen 12 2 15 Karpfen blau gesotten 200 2 30 Hummern in Büchse 120 25230 Hecht . blau gesotten, 200 In 7 Fl mit I Weissbrödehen | Karpfen blau gesotten, 200. 32 245 ı mit 1 Weissbrödehen Kal, | in Gelee 200 2 45 Hecht . | blau gesotten | 200 3 Rheinsalm in Salzwasser gekucht | 200 3 Neunaugen . in Essig 200 1.) 345 Karpfen blau gesotten 200% 1, 173280 Bücklinge geräuchert 120 | 30 [ früh nüchtern ÜBER DIE VERDAULICHKEIT DER SPEISEN IM MAGEN. 11 Tabelle IV. (Croce.) Pflanzenspeisen. - . Gewicht Dauer des | Pfilanzenspeisen Zubereitung in grm Aufenthaltes Beinerkungen im Aaeeny Kartotteln in Stücken gekocht | 150. aD! In den folgen- Blumenkohl mit Essig und Oel gekocht | 150 2 5 ‚denVersuchen Kirschen . Compot | 150 9:8. 10007| dauert: die : ES Mahlzeit nicht Blumenkohl in Wasser gekocht 150 2325 über 15 Min. Kirschen . roh 150 2 30 Blumenkohl (Gemüse 150 20235 Tapioka . Brei 40 2 40 Kartofteln ” 150 2 45 Spargel . gekocht 150 2 45 ER mit Essig und Oel gekucht | 150 32.0107) Schrotbrod . . . — 150 Br Hann Kohlrabi»: 20... | gekocht 150 Be Radieschen . | roh 150 3E.-25 Aepfel ” 150 SULLO NE, Weissbrod (Weck). | _ 150 a Gurken als Salat 150 SE Albertbisquit = 150 32320 Kartoffeln Gemüse 15079222 ,32 °20 Möhren gekocht 150 | 3 20 Spinat | » ll a) Schwarzbrod . . — 150. "1° :3:.'35 es a | gekocht 100 3 5b) Linsen Brei, durchgetrieben, angesäuett 150 4 5 Erbsen : Brei, durchgetrieben 2002 7427,15 Schnittbohnen . gekocht 150.112 4.20 Tabelle V. (Prager.) Gebäck. Achz Zubereitung und Art Gewicht Dauer des Bemer- Gebäcksorten deseiizgeng | in rm Aufenthaltes Einen im U Alan = Weissbrod (Weck) Jund I: Thee ; . (frisch, während des Trinkens| 70OW.;250Th. 2" 21' gegessen Zwieback (nach Leube) trocken gegessen 710%, 290° ;, 2.25 Zwieback, Thee trocken gegessen, dann 70 „ 250 „ 2 30 getrunken Freiburger Brezel. trocken gegessen 70 W. 2730 5 er Mi 3 0, 2 80 Weissbrod, Thee . frisch, während des Trinkens A0R5, 2 30 gegessen Weissbrod altbacken, trocken gegessen 102%; 2 30 = 5 ei “ 10 2 30 “ frisch, trocken gegessen 10. 2030 5 > & & 70% 2 30 12 ÜLAUDIO FERMT: Tabelle V. (Fortsetzung.) RN Rn . Per = | Dauer des Gebäcksorten a a | ewieh ‚Aufenthaltes Bemerkungen | 5 ' im Magen Weissbrod, Thee frisch, während des Trinkens TOW.; 250 Th.) oh738: | gegessen | ” Gebäck, während des ‚70 „ 250 „ 2 40 | Trinkens gegessen | Zwieback, Thee währ. des Trinkens gegessen 70 „ 250 „ 2 45 2 3 eingeweicht im Theegegessen 70.557,4290;; SEEN Tabelle VI. Eierspeisen. (Prager.) | | Dauer des | Eierspeisen Zubereitung Gewicht in grm |Aufenthaltes Bemerkungen , Im Magen | Eier . . 83Min. in sied. Wasser 100E.; 100 W.;1S. | 127457 2 | N 100E;10W. 1% ie | roh 1002985100 2715 " e 100. 100%, 2 Boats Rührei 100 E.; 5 Butter; 2 30 100W.;18. sr hart gekocht | 100E.;100W.;1S.. 3 0 Eierauflauf. Omelette soufflee | 8 Arac; 50 W. | 3 0) Eier . roh | 100E.; 100W.;1S. | 3 157 2 Nachw2is50: | 200°” Wasser zugegossen Tabelle VIL. (Prager.) Verschiedene Getränke. ? Gewicht | Dauer des Getränksorten Zubereitung |.) inemn Aufenthaltes Bemerkungen | | Im Magen Sodawasser mit Congo gefärbt 200 eg Wasser . mit Heidelbeersaft 200 1.719 »> mit Congo gefärbt 200 1 15022) TA 3 | 200 1 30 5 mit 0-4 Natr. salieyl. | 200 i 80° 3 mit0-3 Phenolphtalein. 200 1 30 Thee . mit Congo gefärbt | 200 nl #50 Wasser . 2 an RR 200 17545 Kaffee E schwarz 200 1 45 Cacao (Blooken). mit Wasser gekocht 200 1 4 Cacao = : “ 200 1 45 Kaffee | mit Sahne 195 K.; 5S. 2-15 Cacao | mit Milch gekocht 200 | 2.530 ÜBER DIE VERDAULICHKEIT DER SPEISEN IM MAGEN. Tabelle VII. (Prager.) Alkoholische Getränke. 13 . aue S Getränke Zubereitung Gewicht en Bemerkungen in! grmi > im Magen Moselwein. RE mit Congo 200 1830’ Schaumwein (deutscher). „ 200 1.30 Bier (Henniger).. en er 200 18730 Bier . » ss 200 1 30 Seelen: 5 2 200 1 30 Bier (Ilenniger).. ungefärbt 200 IN AsN Pfälzer Wein mit Congo 200 145 ı Marsala = k | 200 1 45. Rheinwein . EN 200 1 4 Marsala ER ; a} 200 2115 ÖOfner-Adelsberger . ungefärbt 200 2 15 Tabelle IX. (Prager) Milch. R Zubereitung und Art Gewicht Dauer des | Getränk desiy-nkess nor Aufenthaltes Bemerkungen Sr im Magen Milch gekocht getrunken 2007 2 | 7.1230: s | ungekocht getrunken 200 12750 z | gekocht getrunken 200 1 45 x | : a 200 2.0 = > ie 200 2.0 ss | ungekocht löffelweise genommen 200 2 15 3 ungekocht getrunken 200 2.15 gekocht löffelweise genommen 200 2 30 ” 3 ss En 200 2 30 Hier folgen nun einige von Penzoldt! gewonnene Resultate, welche natürlich im Widerspruch mit der Erfahrung stehen, die Jeder in Bezug auf den Aufenthalt einer und derselben Speise im Magen gemacht hat, woraus hervorgeht, dass es gefährlich sein könnte, dieselben in der Praxis ohne Weiteres in Anwendung zu bringen. I. Tabelle I (Giggelberger): 1. Schweinefleisch wäre leiehter oder verdaulicher für den Magen als junges Huhn (gebraten oder gesotten), Kalb, Filet, Beefsteak und Gehirn. ı F. Penzoldt, Beiträge zur Lehre von der menschlichen Magenverdauung. Archiv für klinische Medicin. Bd. LI. 14 ULAuUDIO FERMT: 2. Gans und Ente wären verdaulicher als Rindfleisch gesotten. 3. Im Gegentheil wäre Beefsteak unverdaulicher als Hase und Rebhuhn. 4. Kalbsbries, welches bekanntlich sehr leicht verdaulich ist, soll bei einem Versuche unverdaulicher als Rebhuhn und Beefsteak anerkannt worden sein. II. Tabelle III (Walther): 1. Stockfisch soll verdaulicher als Schellfisch sein. 2. Hecht und Karpfen, blau gesotten, sollen unverdaulicher als Aal sein. III. Tabelle IV (Croce): 1. Tapioka wäre schwerer zu verdauen als Gurken. 2. Ebenso wären Zwieback, Reis, Spinat, Kartoffeln, Brod und Schnitt- bohnen unverdaulicher als Kohl, Kartoffeln, Kohlrabi und Gurken. IV. Tabelle VI (Prager): Rohe Eier wären unverdaulicher als Hecht, Stockfisch, Caviar und Blumenkohl. V. Tabelle VII (Prager): Kaffee mit Sahne wäre unverdaulicher als Hecht, Stockfisch, Caviar und Kohl. VI. Tabelle VIII (Prager): 200 8" Malaga und Ofener Wein blieben länger im Magen als Kohl, Kartoffeln, Hecht und Stockfisch. VNH. Tabelle IX (Prager): Milch wäre schwerer zu verdauen als Kohl und Stockfisch. 4. Versuche vermittelst der Magenfistel. Vortheile: 1. Die Versuche lassen sich immer an einem und dem- selben oder an wenigen Thieren anstellen. Dadurch werden dieselben weniger kostspielig und bequemer. 2. Man kann die Absonderung des Magensaftes studiren und die Ver- daulichkeit während des ganzen Verdauungsprocesses verfolgen. Nachtheile: 1. Stellt man die Versuche mit demselben Thiere an, so kann man zu trügerischen Resultaten gelangen, da es möglich ist, dass eine für ein gewisses Individuum unverdauliche Speise für die Mehrzahl verdaulich ist oder umgekehrt, weil auf diese Weise ein Zweifel darüber ÜBER DIE VERDAULICHKEIT DER SPEISEN IM MAGEN. 15 bleibt, ob die bei einem Thiere gewonnenen Resultate mit den an vielen anderen Individuen angestellten Versuchen im Einklang stehen würden. 2. Ferner übt die Magenfistel einen schädlichen Einfluss auf die Ab- sonderung und Beweglichkeit des Magens aus (Bourget). Der Patient, an welchem Beaumont seine Versuche augeführt hatte, litt an hart- näckigem Magenkatarrh, und das Kind, an welchem Uffelmann seine Versuche anstellte, fieberte oft. 3. Es ist nicht immer leicht, den ganzen Mageninhalt herauszuziehen. Speisereste, die einen grösseren Umfang als den der Fistelcanüle haben, oder fadenförmig, schleimig sind, kommen nicht heraus. Beaumont! stellte, wie bekannt, eine Reihe von Versuchen an einem mit Magenfistel behafteten Jäger an: Alexis St. Martin. In einer Ueber- sichtstabelle werde ich die von diesem Forscher gewonnenen Resultate wiedergeben und mit Bemerkungen begleiten. Uebersichtstabelle der von Beaumont an einem Manne mit Magenfistel angestellten Versuche. —— ne Zeitdauer der ‚ Verdauung Speisen u | und ihre Vorbereitung ü 2 = Verdauung Speisen und ihre Vorbereitung Gesottener Reis Lo; Gesottenes Rase . . . 1600 9573.07 Gesott. gesalz. Schweindftäse 19:0 Gekochte Bohnen mit Hülsen | 2 30 Gekochte gesalzene Suppe. Id Gekochte Gelatine . » . . |. 230 Eingemachte rohe Eier. 1: 380 Gebratener Hanstruthaln . . | 2 30 Gebratene Forelle und Lachs 1 30 | Gebratene Wildgans. . . .| 2 30 Gekochte Forelle und Lachs . 12230 Gekochtes Lammfleisch. . . | 2 30 Rleiesuppe . - -» » =» . .1.1 80 | Gutgebackener mürber Kuchen | 2 30 Reife rohe Aepfel. 1 30 Gebratene Kartoffeln . . . 2 30 Gesottenes Rehfleisch 1 35 Im Backofen gebratene Kar- | Gesottenes Hirn 1=035 toffeln . 2.30 Sagosuppe 1 35 Rohe Kohlköpfe 2 30 Tapiokasuppe . Na EGE: 2020 Gesottenes Mark . 2 40 Gekoehte Haferkörner . . . | 2.0 Gesottenes eingesalztes Rind. Warme Milch . ER) tleisch . 2 45 Geröstete Rindleber . 2) Unreife harte rohe Yeptel” 20250 Unreifes rohes Obst . a) Frische Austern . . ... 1229.) 53) Kohlsalat : 2 Geschmortes frisch Ele Gerösteter Wildtratbatn DIES tes Schweinefleisch 3.0 Gesottener Haustruthahn 2uU25 Geröstetes Hammelleisch . | Sa) Gebratenes Spanferkel . 2230 Gesottenes Hammelfleisch . 30 Gesottene Eier. 230 iesottene Bohnen BA) ! Beaumont, Huxps. and obs. on gastrie. 1834. 16 CLAUDIO FERMI: Speisen | ee Speisen _ | Zeitdauer und ihre Vorbereitung Verdauung | und ihre Vorbereitung Verdauung Weichgesottene Eier. . . . 3b 0° | Gesottene Kartoffeln. . . . 3% 30" Gesottenes mageres Rindfleisch Sue) Gesottene frische Eier . 3 30 Geröstetes Beefsteak. . . . 320 Gesottene Kohlrübe . 3.45 Rohes frischeingesalztes Leicht gesottenes Eindderahe 40 Schweinefleisch . 32.0 Gesottenes Kalbfleisch . 4.0 Gesottenes Huhn . 30 Gesottenes Huhn . 40 Gesottenes Bindegewebe ee) (ebratenes Huhn. 4 0 Gekochte Blutwurst . il 3750 Gebratene Hausente . 4 0 Im Backofen geback. Kuchen 320 Leicht gebratenes Herz 4 0 Gebratene Austern 3 0 Gesott. gesalztes Rindfleisch . 4 15 Geröst. eingesalztes She Leicht gebratenes frischgesalz- fleisch . e => 19 tes Schweinefleisch 4.45 Gerösteter Schweinehenetkort ABS Gesottene Knorpeln . 4 15 Geröstetes Hammelfleisch . arg le) Gesottenes Hammelfett . 4 30 Gebackenes Weizenbrod 315 Gebratene Wildente . 4 30 Gesottene rothe Rüben . 37215 Teichbgebratenesfrischen Kal Geröstete frische Würstchen . 3 20 fleisch . 4 50 Leicht gebratener Sperling 30530 Rindermarksuppe . i 5.415 Gebratenes Rindfleisch . 3 30 Gebrat. gespicktes ne Gesottenes Rindfleisch mit Senf 3.30 fleisch . : 5. 15 Geschmolzene Butter 330 Gesottene Sehne . 5 30 Alter roher Käse . 330 Gesottenes Rindsfett. 5 30 Gesottene süsse Rettiche 3 30 Hühnerfricassee 5 45 Kritische Bemerkungen. — Beaumont experimentirte an einem einzigen Individuum und wiederholte die verschiedenen Versuche nicht oft genug, da die Schwankungen und die Variabilität bei solchen Versuchen unvermeidlich sind. — Die erhaltenen Resultate stehen daher nicht nur mit denen anderer Autoren nicht im Einklang, sondern werden auch im Allgemeinen von Jedem zurückgewiesen. Als Beispiel dafür gilt Folgendes: 1. Die eingesalzenen Schweinefüsse sollen zu den am leichtesten ver- daulichen Speisen gehören. Der Reis wäre ebenso verdaulich wie gesalzene Schweinefüsse. 2. Reh wäre verdaulicher als Hirn und Milch. 3. Rindsleber wäre ebenso verdaulich wie Milch und Tapioka. 4. Gebratene Gans wäre verdaulicher als Beefsteak, Kalbfleisch, ge- kochtes Huhn, Kartoffeln! ! ' Selbstverständlich fand auch Giggelberger, dass Ente und Gans weit ver- daulicher sind als Reis, Lamm- und Kalbfleisch. ÜBER DIE VERDAULICHKEIT DER SPEISEN IM MAGEN. 17 5. Hühnerfricass6ee wäre verdaulicher als Gans, Sehnen, Fett u. s. w. Bei seinen an einem mit Magenfistel behafteten Individuum angestellten Versuchen fand Richet!, dass die verabreichten Speisen den Magen nach und nach verliessen: Branntwein in 30 bis 40 Minuten; Milch in 30 bis 60 Minuten; geröstete Kartoffeln in 1 bis 2!/, bis 2!/, bis 3 Stunden; Spinat in 1°?/, bis 2 bis 4 Stunden; Vermicellen in Fettsauce in 1?/, bis 3!/, Stunden; Bohnen in 2 Stunden; Risotto (eingedickte Reisspeise) in 2 bis 3'/, Stunden; Kartoffeln in 2!/, Stunden; mit Fett zubereiteter Blumenkohl in 21/, bis 2%/, Stunden; Die wenigen in dieser Hinsicht angestellten Versuche, die geringen Resultate, die man erhalten hat, erlauben uns weder eine Scala aufzu- stellen, noch sehr wenige Fragen lösen zu können: ausserdem die be- deutende wahrgenommene Verschiedenheit in Bezug auf die gleiche Speise, z. B. von 1 bis 3 oder von 1?/, bis 4 Stunden (während die Maximaldauer des Aufenthaltes der erwähnten Speisen 4 Stunden nicht überschritt), uns nicht erlaubt, mit Sicherheit einen Unterschied zwischen einer oder der anderen Speise aufzustellen. III. Die von mir durchgeführte Untersuchungsmethode. Die von den vorgenannten Experimentatoren befolgte Methode konnte zu keinem entscheidenden Resultat führen: 1. weil der jeweilige Experimentator eine ungenügende, nicht anwend- bare Methode befolete, indem er die Versuche nur in vitro oder ausschliess- lich bei Thieren vornahm; 2. weil er die Versuche nicht auf eine hinreichende Zahl von Indi- viduen ausgedehnt hat; 3. weil er nicht unter einander zu vergleichende Quantitäten von Speisen verabreicht hat. Welches ist nun der von mir eingeschlagene Weg, um eine Scala über die Verdauung der Speisen im Magen oder über die Dauer des Verweilens derselben im Magen zusammenzustellen ? I Richet und Ewald, Klinik der Verdauungskrankheiten. 1886. 1. Theil. Archiv f, A.u. Ph. 1901. Physiol, Abthlg. Suppl. 2 18 ÜCLAUDIO FERMT: Das Ziel konnte nicht durch Versuche nach einer einzigen Methode erreicht werden. Die von mir befolgte Methode besteht daher aus vier verschiedenen Untermethoden, indem ich beabsichtigte festzustellen: A. Die Zeitdauer des Verweilens einer gegebenen Speise im Magen auf Grund einer grossen Anzahl von Versuchen an Hunden und Schweinen. B. Den Unterschied dieser Zeitdauer des Verweilens zwischen je zweien, auch im Magen leicht trennbaren Speisen, mit gleichzeitigen Versuchen an denselben Hunden oder Schweinen. C. Um besonders den Zweck in Bezug auf die praktische Hygiene zu erreichen, beabsichtigte ich weiter die Resultate der Experimente zu sammeln, welche der Mensch täglich unwillkürlich an sich selbst ausführt, indem er die verschiedenartigsten Speisen zu sich nimmt, und auf diese Weise fest- zustellen, welche Speisen dem Magen mehr oder weniger bekommen und welche mehr oder weniger geeignet sind, Magenbeschwerden zu verursachen. Ich suchte dies Ziel zu erreichen, indem ich eine ausgedehnte Unter- suchungsreihe bei einer grossen Anzahl von Personen, bei welchen die Magen- verdauungskraft eine verschiedene war, anstellte. Weiter wollte ich aufstellen: D. Eine Scala über die Auflösbarkeit der animalischen Speisen durch künstlichen Magensaft, was ich durch zahlreiche Versuche in vitro versuchte. A. Bestimmung der Verdaulichkeit einer Speise im Magen, nach Abtödtung des Versuchsthieres (Hund) beobachtet. 1. Ich verabreiche den 10 Versuchshunden, nachdem sie 3 Tage lang nüchtern gehalten worden sind !, eine gleiche Quantität derselben Speise. Ich stelle die Experimente bei einer beträchtlichen Anzahl von Hunden an, d.h. die Experimente werden mehrmals (10 Mal) wiederholt, weil die Re- sultate von einem Hund zum anderen sich ändern und es nothwendig ist, das Gesammtresultat aus dem Durchschnitt vieler Einzelresultate zu ziehen. 2. Jedem Hund verabreiche ich so viel von jeder frischen Speise, dass sie 50 &" trockener Substanz entsprechen würde. Darnach wird der Wasser- gehalt von jeder einzelnen Speise bestimmt. Wollte man dieselbe Gewichts- quantität der verschiedenen frischen Speisen direct eingeben, so würde man, da der Wassergehalt derselben sehr verschieden ist, zu irrthümlichen End- ergebnissen und Schlüssen gelangen. ' Das verlängerte Nüchternsein schwächt, wie wir auf Grund verschiedener Ver- suche beweisen werden, die secretorische und mechanische Wirkung des Magens ab, da aber in unserem Falle alle Thiere den gleichen Bedingungen unterworfen waren, so wird dieser Umstand für den Gang: der Versuche gleichgültig bleiben. ÜBER DIE VERDAULICHKEIT DER SPEISEN IM MAGEN. 19 3. Nach 5 Stunden werden die 10 Hunde zugleich erstickt. 4. Diejenigen Hunde, welche die ihnen gegebene Portion nicht voll- ständig fressen, sowie diejenigen, welche sich während der Agonie erbrechen, werden bei Seite gelassen.! 5. Jedes Thier wird gewogen und seine Rasse angemerkt. Das Körper- gewicht steht, wie wir sehen werden, häufig zum Magengewicht und zu dem Verdauungsvermögen in directem Verhältnis. Man darf den Unter- schied des Nahrungsregimes zwischen einer und der anderen Rasse nicht ganz ausser Acht lassen. Einige Rassen nehmen ausschliesslich Mehlspeisen (Wacht- und Jagdhunde), andere Mehlspeisen und Molken (Schäferhunde), andere Fleisch (Bulldoggen — verschiedene Rassen von Luxushündchen). 6. Man löst den Magen nach vorausgegangener Unterbindung des Cardias und des Pylorus ab, befreit ihn völlig von betreffenden Adhärenzen und Fett und wiegt ihn hierauf. 7. Sein Inhalt wird in ein Gefäss geschüttelt, mit 100 «m destillirten Wassers sorgfältig abgewaschen und mit dem Waschwasser in den Filter geschüttet. 8. Man wiegt den leeren Magen, das Magengewicht wird mit dem Körpergewicht verglichen. 9. Der Inhalt wird bei 110° getrocknet und nachher gewogen. 10. In dem Filtrat bestimmt man den Säuregehalt und nöthigen Falles die Glykose. Kritik: Die mit Hunden angestellten Versuche erweisen sich, wie ich es bei den Versuchen in vitro bemerkt habe, theils hinreichend, theils mangelhaft. Vortheile: 1. Die Hunde stehen in Bezug auf Magenverdauung mehr als jedes andere Thier, nach den Affen und auch den Schweinen ?, dem Menschen am nächsten. Bei dem Hunde kann man fast mit jeder Speise- sorte experimentiren, an denselben kann man besser als bei anderen 'Thieren den Einfluss der Gemüthsbewegungen (Furcht, Niedergeschlagenheit, Zorn), sowie der physischen Schmerzen bei der Verdauung studiren. 2. Da in mehreren Städten, z. B. in Rom, die Hunde sehr billig zu haben sind, kann man bei diesen Versuchen eine genügende Anzahl von Hunden opfern.? 1 Auch Hunde, die keinen Hunger hatten, wie solche, die wegen des Einsperrens verstimmt und traurig wurden, wurden bei Seite gelassen. ? Das Schwein gehört zu den Omnivoren, und die Speisen verlassen bei demselben schnell wie beim Menschen den Magen und viel schneller als wie beim Hunde. 3 Will man, wie in dieser Arbeit, das Studium auf 100 Speisen ausdehnen, so sind jedenfalls 1000 bis 1300 Hunde erforderlich. 9% u 20 (LAUDIO FERMT: 3. An Hunden und den Thieren im Allgenieinen kann man das Ver- hältniss zwischen Körper- und Magengewicht nebst dem Verdauungsvermögen des Thieres studiren und direet durch Wägen den im Magen zurück- gebliebenen Inhalt nach einer gewissen Stundenzahl vom Moment der Ein- führung an bestimmen. Nachtheile: Es lässt sich der Einwurf erheben, dass die Verdauungs- kraft der Thiere bedeutend energischer oder weit langsamer sein kann als die des Menschen, und dass foiglich die aus den Experimenten an Thieren gewonnenen Resultate für den Menschen keine Anwendung finden können. Wir antworten darauf: Wir wollen nicht wissen, in wie vielen Stunden eine genossene Speise vom Magen verdaut wird, uns kommt es darauf an, zu wissen, welche der verschiedenen Speisen am leichtesten und welche am schwersten verdaulich sind. Deswegen ist es in diesem Falle vollkommen gleichgültig, die phy- siologische Leistung des Magens zu kennen, da das Verhältniss der ver- schiedenen Verdaulichkeit nicht je nach dem Grade derselben abwechselt. Ein Eimwurf von viel grösserer Bedeutung besteht dagegen darin, dass den Hunden und anderweitigen Thieren im Allgemeinen gewisse gewohn- heitsmässig von den Menschen gebrauchte Speisen (Gemüse, Kräuter, Früchte, mit Essig eingemachtes oder gewürztes Fleisch, Wein u. s. w.) nicht schmecken. Es ist allerdings gewiss, dass der grössere oder geringere Geschmack an einer Speise und die Gewöhnung des Magens an dieselbe einen grossen Einfluss auf die Absonderung und Beweglichkeit des Magens ausüben. Es kann daher wohl vorkommen, dass eine für den Menschen sehr leicht verdauliche Speise sich als unverdaulich für den Hund erweist. Jedoch lässt sich dem gegenüber entgegnen, dass auch grosse Ver- schiedenheiten bei den Menschen von einer zur anderen Rasse (Weisse, Schwarze u. s. w), von einer zur anderen socialen Ulasse (bemittelte und arme Ölassen, Landbewohner), sowie von einem Individuum zum anderen derselben Classe und Stellung bestehen. Es giebt z. B. Leute, welche lediglich ganz leichte Speisen und zwar nur in kleinen Quantitäten ver- dauen, während andere ohne irgend welche Beschwerden 5 bis 10 Mal grössere Mengen sehr schwer verdaulicher Speisen, wie Zwiebel, Gurken, Kichererbsen zu sich nehmen können. Ausserdem haben wir unter den Menschen die Fleischesser, die Fettesser, die Vegetarianer, die Erdesser, Wie sind diese Unterschiede der Verdauungskraft zu erklären? Man kann sie nicht durch qualitative und quantitative Verschiedenheiten des Magensaftes bei den einzelnen Thieren und Individuen derselben Rasse er- klären, da sie bekanntlich nicht immer bestehen und der Magensaft auf Fett und auf andere Speisen unwirksam ist. Dagegen besteht eine viel bessere Erklärung hierfür in der directen und reflectorischen Wirkung der ÜBER DIE VERDAULICHKEIT DER SPEISEN IM MaGen. 21 Speisen auf die Magenschleimhaut, sowie m den vom Geruch-, Geschmack- und (resichtssinn ausgehenden, den reinen Reflexwirkungen auf die Be- wegungs- und Ausscheidungsfunetionen des Magens. Was eben eine be- sondere Toleranz für diese Speisen und nicht für die anderen, eine Art von Magengeschmack bildet. Versuche an einem einzigen Hunde mit der Fistel. — Wenn sie in diesem Falle den Vortheil haben, die Verschiedenheit der Rasse u. s. w., die bei Versuchen mit 10 Hunden unvermeidlich sind, bei Seite zu lassen, so kann man dadurch zu einem irrigen Resultate gelangen, welches durch die bei der Fistel oft vorkommende Verdauungsstörung hervorgebracht wird, sowie durch die obengenannte verschiedene Verträglichkeit oder den Magengeschmack einer gewissen Speise, die auf die meisten anderen Hunde keine Anwendung findet. Diesem Uebelstande liesse sich jedoch dadurch abhelfen, dass man die Versuche an vielen Hunden mit der Fistel anstellte, was nicht sehr einfach ist und das Endresultat aus dem Durchschnitte der einzelnen Resultate ableitete. Tabellen. Von den vielen zusammengestellten Tabellen lege ich eine in folgender Weise angeordnete reihe vor. Das Resultat der Verdaulichkeit einer Speise wird aus dem Durch- schnitt des nach 5 Stunden im Magen von ungefähr 10 Hunden zurück- gebliebenen Mageninhaltes gezogen. a) Versuchstabellen über die Verdaulichkeit der Speisen beim Hunde. Körper Gewicht Verhältnis re apen 2 R zwischen R 5 Aecidität Bunder : des leeren IN trockneten d EnLE underasse gewicht Körper- M: Ä Zucker I Magens | und Magen-| : agen- | in cem! | in kg in grın et inhaltes | 5 in gem | 1. Gesottenes Rindfleisch. Pro Hund 125 sm = 508m trockene Substanz. Terriers 4 48 | 83 10 11 — Spitzhund 41, AUT 112 12 10 _ > 6 67 | 90 9 25 = Fr 8 35 229 9 24 _ 2 31, 84 101 ii 15 = Terriers 14 155 90 10 25 | en = 17 101 168 8 0>5! — Jagdhund 201), 265 AT 7 11 — 9-50 ! In Cubikcentimeter Y/,, Normalkalilauge ausgedrückt, welche nothwendig um 100 «= Filtrat zu neutralisiren. waren, 6 [Ss ÜLAuDIO FERMI: 7 Körper- | Gewicht Merkalunies zwischen | 4 des leeren GE Hunderasse | gewicht Körper- | Magens | : und Magen- in grın in kg | 2 gewicht Gewicht des ge- trockneten Magen- inhaltes in grm Acidität in cem Zucker 2. Fleisch von einem jungen Pferd, 2 Stunden lang gesotten. Pro Hund 90m = 50 8m trockene Substanz. Terriers 2 37 54 10 Spitzhund 41, 36 125 9 Terrierss 7 52 134 12 Jagdhund 12 84 142 10 Terriers 121], 88 142 10 Spitzkhund | 14 102 137 ) Jagdhund | 18 165 109 12 Hofhund 25 191 130 10 ” | 28 238 117 ven 10 (sesottenes Hammelfleisch. Pro Hund 125 =" = 508m trockene Hofhund 20 165 121 11 3 20 182 109 9 Jagdhund 20%, 308 66 11 Hofhund 24 167 143 10 Jagdhund 2U8els 159 172 9 10 (Gesottenes Lammfleisch. Terrirs | 3 58 52 10 Spitzhund 4 60 67 9 s | 41, 62 13 14 5 Il 5 50 100 10 Terriers | 6 57 105 ill Hofhund | 2 68 103 il Jagdhund 13 130 100° | 12 $ 15 150 1000 Myeaı Schäferhund 22 189 116 9-5 | | 10-50 5. Gesottenes Huhn. Spitzhund | 21), 33 76 Jagdhund | 7 63 111 A I 8 112 160 P 21%, 130 165 Hofhund | 30 I E224 133 | | 11-5 11 10 11 8) 10-50 | | 17-5 20 45 Subst. Pro Hund 140 sm = 50 2" trockene Substanz. Pro Hund 125 sm = 505" trockene Substanz. ÜBER DIE VERDAULICHKEIT DER SPEISEN IM MAGEN. Di wo | on hältnjss| Gewicht | Körper- | Gewicht ale a ge- | | 3 zwischen Neiditätı es || n des leeren FERRLIR trockneten ACIULAtE N Hunderasse | gewicht M Körper- M b | Zucker | Magens | nd Maxen-| .Hagen- in cem ! | { 5 ı ge ı inkg in grm oewient | uhaltes | ” in grm 6. Gesottenes Fleisch vom Milchkalb. Pro Hund 135 sm = 50 sm trockene Substanz. Spitzhund | 3 65 45-2 | 14 320 - Terriers | 4!), 49 ID 13 20 _ Spitzkund | 64, 34 a eo N Je n a I 18 157 en L | 25% 210 ee ee B Nr 292 93 10° 1016 _ | 12 | 7. Gesottenes Schweinefleisch. Pro Hund 100 su = 50 sm trockene Subst. Spitzhund | 7 | Bop 7 107 15 14 | — Br \ı 10 | 74 135 14 jeder | „= Hofhund | 23 | an 129 12 10-4 | — x 250. 222. |, 1118 11 18, | | | | 13 | 8. kömische Schwartenwurst (Coppa romana). Pro Hund 788m = 505" trockene Substanz. Terriers | 4 40 | 100 15 | -- — Spitzhund | 4, | 40 112 15 | — — 3 I I 161 14 ar a2 Im 28 66 121 De = x | 8 61 131 12 u — Terriers || ıi0 120 3 | 10 | — | _ | 183 | ı Man fand die Zirbelbirne noch intact. 9. Grieben (ital. Ciccioli). Pro Hund 640 8m = 508% trockene Substanz. Spitzhund | Sulsae| 35 100 16 | = | — BE) | 4 64 | 62 | a7 | DIE | ==: » II 1:6 a Ri 22.22.16. 0 a Re > 0226 52 I Le Sa BE er — s 6 | 66 90 | 15 — — > 7 61 114 16 — — ® | 10 106 | 96 15 an _ Pudelhund 12 112 107 15 — — Jagdhund 15 177 34 13 —_ | Schäferhund 25 313 79 „104 = | — | | | 8 | 24 (LAUDIO FERMI: | Körper- (ewicht Verhältuiss, en | r des leeren | 42 ischen troekneten | Acidität Hunderasse | gewicht Magens Körper- En ; Zucker | gen- in ccm in kg in grm und an inhaltes | gene in ern Organe. 10. Kalbshirn. Pro Hund 138" = 50°" trockene Substanz. Spitzhund || 4 83 | 45 g 15 — Terriers | 94, 125 76 E) 21 | — Jagdhund | 18), 95 194 6 17 — Hofhund | 20 92 217 5 | 6 = Jagdhund | 224, 965 ER 323 5 |. SOS % II 254, 200 127 4 18 _ | 5-5 11. Rohe Rindsblutfasern. Pro Hund 147 em = 50 8m trockene Substanz. Terriers | Rus 41 182 | 9) 20 _ ss | 18 159 a 6 15 — Jagdhund | 18", | 210 83 | 5 35 — >» | 25 un | 275 92 | 4 30 = | | reg 12. Ungekochte Kalbslunge. Pro Hund 166 sm = 50 sm trockene Substanz. Terriers | 4 | 58 69 $) 20 —_ Spitzhund | 33 166 10 25 = Hofhund | 104, | 12 86 7 35 — Spitzhund 17 |y 139 125 4 7-5 = Hofhund 18 | 107 168 | 5 0! _ 2 181), 137 135 6 64 — Terriers 212) 230 93 | e) 45 — Jagdhund 22 252 87 | 8 60 = s 25 224! {kl 4 10 — x 26 170 152 | 9 20 _ 7 13. Gesottene Pferdeleber. Pro Hund 108 sm = 503m trockene Substanz. Spitzhund 27 27 BB 16 — — Pudelhund | 15 s6 174 | 15 — — Jasdhund | 212 | 94 E12 = — r | 22 233 EN RE 2 — i | | id ÜBER DIE VERDAULICHKEIT DER SPEISEN IM MAGEN. 25 = Spy an Bee. TltoGewicht Körper- | Gewicht Verhältniss des ge- i des leeren | Zwischen | ockneten.| Acidität Hunderasse gewicht Körper- Zucker Ne: Magens | nd Magen-| Magen- | in com | in kg in grm nicht inhaltes 8 in grm 14. Gesottene Kaldaunen. Pro Hund 1258" = 508% tivckene Substanz. Terriers | 5 | 59 54 19 18 | —- Spitzhund | 6 52 115 15 4 I 33 7 TO 100 17 25 = a une 1305 107 15 22-5 — Terriers IT 53 132 15 22-5 - Spitzhund I) 50 200 19 20 — Terriers IN RT2 62 | 193 16 19 — Bastard in 122 145 151 19 18 — Jagdhund | 22 119 122 17 | 12 _ »5 23: 159 14... 18 A R [+ 27 | te 14 RE " | 30 210 | 142 9 10 | — | 15 | 15. Rohe Kaldaunen. Pro Hund 227 sum = 50 sm trockene Terriers | 4 49 s1 12 Spitzhund (Bast.) | 41, 47 95 19 Spitzhund | 5 44 114 10 | 5 56 89 16 Spitzhund (Bast.) | Due 46 117 15 Terriers (Bastard) 7 | 49 163 15 > F | 9 | 75 134 15 Spitzhund (Bast.) | - 9 46 195 10 > 5 10 | 55 181 14 Bastard 16 | all | 137 14 Pudelhund 15 165 | 90 13 Bastard 20 138 144 FI 14 Fische und Weichthiere. 16. Gemischte Fische, gebacken. Pro Hund 87 sm = 50 sm trockene Substanz. Spitzhund | 31; 32 109 14 Spitzhund (Bast.) 4 _ | — _ Terriers 12 | _ _ 13 Jadhund | 24 | 19 186 13 Hofhund 27 211 127 11 Jagdhund 27 226 119 ZEN | | 12 | Substanz. | | | 26 CLAUDIO FERMI: BE les... Gewicht Ir gi 7 n Körper- | Gewicht Verhältniss | es ge- Be | : zwischen € Acidität . des leeren 2 trockneten ELUILe 7 Hunderasse gewicht ä Körper- _ | Zucke j Magens | ndMagen., ‚Magen- in com | in kg in grm ch inhaltes | gewicht | ;n grm | 17. Stockfisch, gebacken. Pro Hund I11sm = 50:8" trockene Substanz. Spitzhund | 4 26 N] 15 | 2 -- 5 Da: 45 111 -| 12,,| Ve | 6 Down 2 105 et — | 0 RT Tea Des ee 13.,,|. „ | 8 | 61 131 El Er Jagdhund IM FEL2 | 67 179 11 = — | | | 15 18. Pulpe, gesotten. Pro Hund 80 2" = 508" trockene Substanz. Jagdhund | 14, | 158 gl | 13 | 10 | _ 17 | 164 | 103 | 14 | 14 — 4 207, | 187 | 200 | 10 N 251, | 211 | 120 ae | Ve | | Barren) | 19. Eiweiss, zertr. Schweinefett 160 ®"". Schafkäse 100 em, Pro Hund 185 8" = 50°" trockene Substanz. Seidenspitz I 7 | 47 149% 7 | 15 - _ Terriers(Bastard) | Re) 64 1292 13 — — Terriers | 9 Bu 157 | 12 — —_ Spitzhund (Bast.) 12 65 | 188 | 12 = _ Terriers | 14 | 110 | 12707) 12 _ — Jagdhund | 15 1397 12 1000) 9 _ = a 5 a ee — ae Spitzhund EG 196 ° | 81 BrEn _ = | | 12 20. Eidotter, gesotten. Pro Hund 150 8" = 505" trockene Substanz. Terriers | 6 | 50 | 120 11 | _ _- Spitzhund | 7 | 60 116 10 | Eu | = Terriers sam. 2 60 150 | = _ > 10 To 143 —_ _ Spitzhund 14 10 140 = _ Spitzhund (Bast.) 16 17 #150, 107 — — N) 8 6 8 Jagdhund 20 1 170 iss 4 — — Hofhund 23 ' 9215 10748 | 4 | 7-5 ÜBER DIE VERDAULICHKEIT DER SPEISEN IM MAGEN. 27 | | Verhältniss | Gewicht d. Körper- | ee zwischen | getrocknet. | Aecidität | Hunderasse | gewicht | Maens Körper- Magen- N | Zucker N anakge un und Magen- inhaltes scan >| SE TERN We a Bewacht ‘| sinigrmie en a. 5 Ns o,. 21. Oel. Pro Hund 523m = 505m trockene Substanz. Spitzhund | 4 90 44 16 | = = Terriers | 10 130 A 17 — .— Jagdhund | 19 109 174 17 — = Hofhund I, 290 99 202° 15 2 — Jagdhund 22 108 204 16 3 _ Hofhund 26 199 131 15 — —_ 7167 22. Butter. Pro Hund 50 sm = 50 sm trockene Substanz. Terriers 3.8 56 63 19 —_ — 33 4 47 85.1 19 — — „= 5 48 104 17 - _ N 5 | 90 55-5 18 _ — Spitzhund 10% 129 si 17 — — BER | 23. Schmalz. Pro Hund 508% — 508" trockene Substanz. Spitzhund (Bast.) | 2), 26 96 4: | 95 = Spitzhund au 32 109 25 — — 5 4 33 121 19 -— | M 4 39 102 18 | — | — 5 5 46 108-5 zu ugs mr a 6 51 117-5 a _ > 8 73 109-5 21 | 8-5 — Jagdhund 9 94 95 18 e) — Terriers(Bastard) | 13 94 138 16 8 — Jagdhund | 14, 84 172 16 12°5 —_ Pudelhund | 19 137 124 16 5 _ Hofhund 211, 340 63 14 10 — | | 2, 24. Speck. Pro Hund 548" — 508m trockene Substanz. Terriers 4 53 45-5 25 | _ — 5 4 35 114 25 — = Spitzhund 415 60 75 41 _ == Malteserhund 5 46 108-5 38 — —_ Terriers 5 42 109 36 — —_ Spitzhund 5 49 102 34 = — Terriers 6 57 105 20 _ —_ Spitzhund 6 12 83 22 _ — Jagdhund 13 135 96 17 — _ Hofhund 15 147 102 16 - u Jagdhund 21 190 110-5 12 | — — Schäferhund 22 180° | 122 51 | — _ | 28 28 ÜLAuUDIoO FERMI: | Gewicht |Verhältniss | Gewicht d. | örper- | zwischen | getrocknet. al Hunderasse El: gewicht leeren | Körper- "Mnzen. we ‚, Zucker | in kg „ ageNS und Magen-| inhaltes | in cem | SB Y | ae En gewicht, | in grm | _ Milchspeisen. 25. Milch. Pro Hund 650 #m — 50:m trockene Substanz. Spitzhund | au, 25 | 40 1 | | 150 = 104, 107 | 95 | 1 200 “ 101), Toy) 62 1 — un iEnB Jagdhund a ee A 25 | 500 | Be 26. Ricotta (Molkenkäse vom Schafe). Pro Hund 96sm — 50 rm trockene Dub-tanz Terriers (Bastarıl) 4 31 179 | 14 | — | — e = 5 | 60 83-3 15 (1 = Terriers Te | 50 140 12 15 — Spitzhund (Bast.) 10 49 204 15. 26 _ Spitzhund | 10%, 70 150 107. > _ Terriers I rk 50 220 13 | 18-5 — Spitzhund 14 111 120% 7) 14 13 Ro == Jagdhund | 12 131 131 14 MT) —_ % IE a0 |, 134 104 11 E50 We In Si 0 15a 20 510 20 | — | | a | 27. Ricotta, gesalzen. Pro Hund 988m — 508" trockene Substanz. Terriers(Bastard) | 8 | 64 125 14 — — Spitzhund 10 54 185, | 16, 20 — “ I 12 65 184 | 16 == — Jagdhund | 19 187-,. |. 101.) 20160 = Schäferhund 20 137 me = Jagdhund | 24 I a 140 16 — = Schäferhund | 25 I Ei ia. 2. — Jagdhund 25 160. |, 156 14 _ I N a 163-5 15 = — + 35 IE 209% ° a,1000 - - | el 28. Pecorino (Schafkäse), frisch. Pro Hund 80 em = 50 8m trockene Subst. Pudelhund | | 36 69 24 — Spitzhund | 5 | 41 122 20 _ N Jagdhund 8 | 53 150-9 20 | — | — Terriers 18 117 1530 210 08 — Jagdhund 20 178 112972 28 _ - 22,0 1 Asoy 2a 26 — 3 23 207 111 18, _ Hofhund 231, 180 130+5 28 = = Hunderasse | | | | | | | | | | | Jagdhund | Spitzhund | Jagdhund Spitzhund Terriers Spitzhund EZ Terriers | 30. Reis, stark Spitzhund Terriers Jagdhund > Schäferhund 31. Reis, wenig Spitzhund Spitzhund (Bast.) | Jagdhund bE) 29. Pecorino, alt. Körper- gewicht in kg S 9 gekocht. gekocht. ÜBER DIE VERDAULICHKEIT DER SPEISEN IM MAGEN. 29 | Gericht ‚Verbältniss a | | des leeren zu chen troekneten , Aecidität Magens örper- Magen- en Zucker in grm und Magen), npalten gewicht ? in grm | Pro Hund 645m = 50 sm trockene Substanz. 51 | 156-9 35 | — — 417% 22219 36 = Be 80 112*5 18 | = u 65 169 a be 126 91 32 | -— —_ 107 111 25 | ai > 97 134 22 | ee = 115 126 20 ee = 27 | Mehlspeisen. Pro Hund 222 sm — 508m trockene Substanz. 31 96:8 | 10 — = 57 s7 9 — — 65 76 A _ — 52 96 7 er - 76 78-9 fe) — _ 137 | 95 1 —_ — 160 34 8 a 2 150 133 9 — = 220 90-9 ir = an 8 Pro Hund 102sm = 50m trockene Substanz. | 30 100 15 — — 44 90-9 16 en u | 44 90-9 14 | — = | 57 u Bo a | 40 1000| 15 | _ ar | 50 120 | 16 | — —_ 52 115 | 14 | n en 137 102 10 | _ —- 168 113 10 = - 14 | 32. Reis, fast roh. Jagdhund Spitzhund 16 13 250 190 64 33 Pro Hund 67 sm = 508" trockene Substanz. 30 | 3) (LAUDIO FERMT: | Mar % nıa:..| Gewicht \ Körper- Gewicht VER DES des ge- ; des leeren | ZW! schen trockneten | Acidität Hunderasse gewicht Masens Körper- Mayen: SR a Fan) und Magen-| . , > Im>ccm in kg in grm ewient | ‚nhaltes 5 in grm Zucker 33. Maccaroni, stark gekocht. Pro Hund 1 Spitzhund | 3 Asa 1 n | 53, 38 144-7 | 6 55 109 » 2 63 111 ss U 77 90-9 ” 9 49 183-6 Jagdhund 9 89 101 „ 13 162 s0 34. Maccaroni, wenig gekocht. Terriers | 5 41 121-9 Spitzhund 6 158 38 Terriers(Bast.) 10 112 89 = ; 13 ar 111 Hofhund 15 147 102 ” | 16 169 94 35. Pastawaaren (Fadennudeln). Pro Hund 1 er ale om -ıoS 13 782m — 50 2m trockene 5 17-5 25 17-5 5 40 5 14 15 Spitzhund | 2, | 30, 0177.:83 | 10 " | 2% 29 | | 9 Terriers | ei 45 166 | 6 3 | 8 | 51 156 6 Spitzhund | 104, | 59 117 E Hofbund | 15 131 | A 6 Jagdhund | 15%, 150,.0 105 6 | | | 7 36. Pastawaaren, dicke (Rigatoni). Pro Hund 155 sm = 508m trockene Substanz. Spitzhund | 4 35 114 11 5 | 8 30 100 7 n 6 55 a Y 6 56 107 | 8 Terriers 7 90 I 9 Spitzhund 9 90 100 7 Jagdhund | 14 127 110 8 Hof hund I 16 155 103 ‚er 8 00 2m = 50 2m trockene Pro Hund 100 sm = 50 sm trockene Subst. Subst. Suhst. ÜBER DIE VERDAULICHKEIT DER SPEISEN IM MAGEN. 1 E Es an . | Gewicht Körper- Gewicht |' 1% I des ge- Heu j des leeren | Nischen | trockneten | Acidität 2 Hunderasse || gewicht | _ Körper-- | M B Ä Zucker = Magens | nd ae in cem | 'n ko in grm |" Magen-| inhaltes = gewicht | in grm 37. Klösse aus Weizenmehl. Pro Hund 1022” — 508” trockene Substanz. Spitzhund 4 | a 108 | 15 _ | positiv ke | 5 ze | 14 ch 3 | 6 37 162 | 12 — negativ Terriers | 6 42 142 12 —_ positiv “ | 6 42m u 683 13 —_ negativ Spitzhund | nl | 35 200 12 = FE ® | 7 61 114 11 | — 3 Terriers I 2 41 170 | 12 _ positiv Spitzhund 7 48 145 12 — negativ = 12 87 139 11 — positiv 24 147 165 9 a Il | 12 | 38. Gewöhnlicher Kuchen, gut gebacken. Pro Hund 68m = 50: trockene Substanz. Spitzhund (Bast.) | 11 69 159 | 9 — | — Jagdhund 16 161 100 8 | - | — Bastard KURSE 118: : 8 159% RE ee 5 | 0 139 144 Bet | a Jagdhund 21 224 93 a | — Schäferhund 29 191 152 26 _ — | = | 39. Brodkrume. Pro Hund 1388 m = 50: trockene Substanz. Spitzhund (Bast.) | 2 23 86-8 11 Weablos — Hofhund | 3% EI es 31 (a) | 42-5 ER Spitzhund 4 DT AS 43 (5) | 30-5 | Spuren N I rl 47 95 11 enleh = Terriers 1 832 0.777144 9 IE) _ . pitzhund I ar, 84 148 10 IE) — ” I- 18 714 Urt 11% Al is = Jagdhund I3a/, 104 129 9 15-5 Spuren Terriers I 140 107 9 18 _ Spitzhund | 1625 142 116 & 6 —_ Hofhund 2 — — 239) 17 _ | u a, b erhielten doppelte Rationen. 32 ÜLAUDIO FERMI: Körper- Gewicht Merbaltues Be n des leeren | Zwischen |; „ockneten | Aeidität Hunderasse gewicht i Körper- ; Zucker Magens Magen- in cem na und Magen-| ;n It in kg in grm sewjcht | Bhaltes =“ in grm 40. Brodrinde. - Pro Hund Illem — 50m trockene Sun Terriers (Bastard) | 21] 26 92 10 26 _ Spitzhund | | 162 2 125 11 18-5 _ r 10 a ) 34 ‚ Spuren Terriers mrı5 129257) 124 11 26 _ Jagdhund 14,347 205 Se sa | 728 _ Terriers ter 235 | 70, | 7520) — Jagdhund | 18,140 129 | a: — Spitzhund In H181], 160 .| 1185 9 11 — Jagdhund ass | er 76 9 13 — Hofhund | 241], 208 ld 26.(c) | 35 _ | 10-0 a,b, c erhielten doppelte Ration. 41. Roggenbrod. Pro Hund 72:m = 50m trockene Substanz. Spitzhund 5 45 114 9 _ positiv e 6 37 162 6 _ - r 7 Aa Ele | Ve n INS os BE - „ Hofhund ı 12 70 ke 8; — = | R 42. Polenta. Pro Hund 200 8m = 50: trockene Substanz. Spitzhund | 61), E= = 11 1:87 Ze Terriers 7 50 140 ) 5-25 | Spuren Spitzhund (Bast.) | 8 13 6155| 8 m 0 — Terriers I210 | m | 7 — _ ® | 14 126 111 8 | 1-35 positiv Jagdhund | 15 98 158 8 2-2 Spuren 25 151/, 170 lan 7 6-5 — Schäferhund | 20 127 15% | 8 _ Jagdhund | 3 re a) | 8 _ - 2 028 115. |. 248 6 = = | | —- 43. Polenta aus Kastanienmehl mit Schmalz und Schafkäse zubereitet. Pro Hund 178: m = 50 sm trockene Substanz. Spitzhund A 50. | 90 12 | 10 ' Spuren Terriers (Bastard) Se; 111 a u Terriers 101), 58 181 | 12 10 — Spitzhund 12 83 144 | 10 | 10 positiv Jagdhund 16 157 101 | 12 15 ss 12 ÜBER DIE VERDAULICHKEIT DER SPEISEN IM MAGEN. 38 | Be (sewicht ' Körper- | Gewicht N halle des ge- a: | £ des leeren | Zwischen | trockneten | Acidität Hunderasse | gewicht M Körper- Magen- i Zucker I „ agenS (undMagen-| ; ın ccm | in kg in grm g inhaltes | gewicht in grm Küchenkräuter und Gemüse. 44. Grüne Erbsen, gekocht und mit Fleisch, Schmalz und Schafkäse zu- 27-5 6°5 35 42-5 37-5 39 23.6 bereitet. Pro Hund 141 sm = 508m trockene Substanz. Hofhund (Bast.) | 13 162 s0 14 Jagdhund IS ER 134 98 17 5 14 144 97 15 es 15 252 59 13 Hofhund 16!), 210 78 12 Jagdhund IK Rt, 176 99 10 Hofhund I. 181% 159 116 10 | 13 45. Zwiebel, gekocht und gebraten. Pro Hund 208sm — 50 sm trockene Substanz. Spitzhund | 3 27 111 10 _ »s 4 29 137 15 — Terriers (Bast.) 6 41 146 10 — Spitzhund 6 45 135 14 _ Terriers | 6 53 113 15 _ rn l 6 35 171 15 _ Spitzhund 8 70 114 10 = 55 3 56 142 9 _ Jagdhund | 14 36 145 ses — | 12 46. Bohnen. Pro Hund 138 sm — 50:7 trockene Substanz. Spitzhund 3 Sbrr 85 16 19-6 Hofhund 4 53 | 75 15 10 Spitzhund | 4 43,00. 93 18 16-5 Hofbund | «as, 66 68 16 15 Spitzkund | 5 40 125 14 13 Hofhund (Bast.) 91, 104 - 9 13 15 Spitzbund | 9%, 718 121 15 11-6 Jagdhund 710 62 16 A 19-6 Spitzhund RTL 62 185 13 ° 11-6 Jagdhund 171), 157 111 les? 13-5 | 15 Archiv f. A.u. Ph, 1901. Physiol. Abthlg. Suppl. 3 34 ÜLAUDIO FERMI: Fe a A HGEWACHE N Körper- | Gewicht ee des ge- Be I. „keine des leeren 5 trockneten | Acidität Garden Hunderasse ' gewicht Magens Körper- Magen- ee ucker in kg in grm und Magen-| inhaltes gewicht in grm en an. Frische, dicke Bohnen, mit Fleisch und Schafkäse zubereitet. Pro Hund 144sm — 50:rm trockene Substanz. Spitzhund | 4 | STE T2un| 19 117 Terriers | 7 | 48. | 14227 20 28-5...) @ Spitzhund 81%, an 15 22.5 | = Jagdhund (Bast.) | 101), 15409 a We 35 = Spitzhund 12 53 226 | 14 |: 3885 .— Hofhund 18 156° |. 88% | 15.8 | ATeo Jagdhund 14 109...177198 14 50 nn | | 16 IE 48. Gelbe Erbsen mit gekochtem und gehacktem Pferdefleisch angemacht. Pro Hund 535 2m = 65 #" trockene Substanz. Havanahund | 5 40 125 26 25 —_ Spitzhund | 8 51 156 27°. 29-5 _ Terriers(Bastard) | 10 99 101 23 36-5 — Jagdhund 16!/, 179 92 20 32-5 _ Terriers (Bastard) 12 99 121 Bon 50 _ | 31-4 b) Allgemeine Uebersichtstabelle. Aufenthaltsdauer der verschiedenen Speisen im Magen des Hundes. Folgende Zahlen geben die mittlere Residualmenge der Speisen, welche 5 Stunden nach der Ingestion noch im Magen des Hundes vorzufinden waren. Speisen und ihre Zubereitung net Speisen und ihre Zubereitung en A. Fleischsorten. B. Organe. Rindstlet; Sons. er: g Kalbsgekröse ag; 5 Gesottenes Rindfleisch . . . 9-5 Kalbsgehirn, roh.” . „ee 5*+5 Pferdefleisch, jung, gesotten . 10 Rindsblutfasern, roh. . . . 6 Hammelfleisch, gesotten . . 10 Kalbstunge, roht?.”.. ern 7 Lammfleisch, gesotten . . . 10-5 Pferdeleber, gesotten . . . 14 Gesottenes Huhn . . . .. 10*5 Kaldaunen, gesotten. . . . 15 Gebrätenes Huhn . . .'. 11+5 Kaldaunen, roh; = ., .. 22 14 Milchkalbfleisch, gesotten . . 12 Nieren; . 1. 2 Der 14 Schweinefleisch, gesotten . . 13 Rindsblut, gekocht . . . 2 #718 Römische Schwartenwurst „ | 13 Schinkenschwarte °'. . . . 35 Grieben (italien. Cieeioh) . . | 15 Sehne. .. 2... 120 „oa BEER ÜBER DIE VERDAULICHKEIT DER SPEISEN IM MAGEN. 35 ‚Residuum Speisen und ihre Zubereitung an ee und ihre Zubereitung en ©. Fische und Weichthiere. Reis, fast. rohr a N a Gemischte Fische, gebacken . 12 Maccaroni, gekocht . . . . | 1.5 Stockfisch, gebacken. . . . 13 Maccaroni, stark gekocht . . 8 Pulpe, gesotten 0.2 .. 14 Macecaroni, fast: roh . ... . 11 Malessehr fette so 002 15 Pastawaaren (Fadennudeln) . A. \ Pastawaaren, dieke (italien. Ba: D Bier Rigatoni) . . . Sr >) Biweiss, Bee 10 Klösse aus Weizenmehl Ass 12 Bidotten arten 5 ee 9 E. Fette. Brodrinder 0 02..00., 220. 10 ER A 16 Roggenbrod. . . 2... - 8 ee en 18 Kuchen, a gut ge- Schmalz Se en. 21 backen . et Specke tu. 28 Kuchen mit Fett, wenig gekocht 15 : : Polenta aus Maismehl . . . 8 2 ARTEN NEES Polenta aus Kastanienmehl . 12 Milh.... 2 Kartoffeln, gesotten . U Molkenkäse Glelien. Rechte), frische 13 H. Kräuter. Molkenkäse, gesalzen . . . 15 \ Pecorino (röm.Schafkäse), jung 24 Zwiebeln, gut gekocht . . . 12 ee 97 Erbsen, gesotten . -. . . .» 13 Bohnen, gesotten . . . . . 15 G. Mehlspeisen. Dicke Bohnen, gesotten (ital. Reiszgekocht ! u... 2: 6 Cave) en.e: 16 Reis, stark gekocht . . . . 8 Gelbe Erbsen, Eeroteen (ital. Reis, wenig gekocht. . . . 14 Boch a 31-4 Ich stelle die aus den Tabellen gezogenen Durchschnittszahlen zusammen mit Hinzufügung des Durchschnittes der anderen, die ich der Kürze halber bei Seite lassen musste. B. Unterschied der Verweilsdauer zwischen zweien (auch im Magen leicht trennbaren) gleichzeitig denselben Hunden oder Schweinen gegebenen Speisen. a) Versuche an den Schweinen. Die Kenntniss der Verdaulichkeit einer Speise im Magen kann uns beim Schweine vielleicht mehr als beim Hunde über die Verdaulichkeit einer Speise im Magen des Menschen Auskunft geben. Das Schwein, welches Omnivor ist, scheint in der That in dieser Beziehung dem Menschen mehr ähnlich zu sein als der Hund. | 3* 36 ÜLAUDIO FERMI: Untersuchungsmethode. Die Thiere wurden 24 Stunden nüchtern gehalten. ‚Jedes Schwein bekam gleichzeitig 100 =” von je 2 verschiedenen Speisen, welche nach der Verdauung im Magen leicht trennbar sind. Mit jedem Speisengemisch wurden an je 2 Schweinen Versuche an- gestellt. Nach 5 Stunden wurden die Thiere getödtet, der Mageninhalt herausgenommen, die Substanzen getrennt und so gewogen. Die Methode der Speisenvermischung giebt, wie wir schon gesehen haben, sehr gute und praktische Resultate. Die erhaltenen Ergebnisse werden in folgenden Tabellen angegeben: Versuch 1. Rohes Rindfleisch 100.8”. Rohe Leber 100 &"%. Die 5 Schweine werden nach 5 Stunden getödtet. Mageninhalt: Fleischrest Leberrest Schwein Nr. 1 Horn 22 gm „ „ 2 35 ”„. 25 „ ” „8 35 „ 25 „ 2) ” 4 40 „ 40 „ „ 5 50 ” 20 ” 210 grm 1 9Y9om Die von den Schweinen Nr. 3 und 4 eingenommene Leber enthielt viel Bindegewebe und grosse Gallengänge. Versuch 2. Rohes Rindfleisch 1008”. Fett (roh) 1008". Magen- inhalt nach 5 Stunden: Fleischrest Fettrest Schwein Nr. 1 Ho aan ”„ „ 2 42 2) 50 „ „ ) 50 „ 508, „ ’ 4 45 „ 55 „ ”„ „ ) 50 „ 51 „ 937 gm Y4g rm Die zurückgebliebene Fettmenge soll etwas höher gesetzt werden als die des Fleisches, nämlich wegen der Schwierigkeit der Trennung dieser Nahrungsmittel. Versuch 3. Rohes Rindfleisch, stark gesalzen 100 S"" und gesottene Leber 100 =". Mageninhalt nach 5 Stunden. Fleischrest Leberrest Schwein Nr. 1 so, 60 sr „ „ 2 Un 40 „ „ „ 3 85 ” Ai „ n „4 82-5 „ 50, „ „ 5 67-5 ” 60 „ 390.0 gm 955 8m ÜBER DIE VERDAULICHKEIT DER SPEISEN IM Magen. 37 Versuch 4. Rohes Fleisch 100®'%. Rohe Lunge 100°”. Nach 5 Stunden Mageninhalt: Fleischrest Lungenrest Schwein Nr. 1 10 87m 50 grm ”„ ” 2 10 ” 40 ” ” ” 3 10 „ 55 A „ ” 4 10 ” ” 40 grm 190 srm Versuch 5. Gesottenes Fleisch 100 ®®, Gesottene Lunge 100 Em, Nach 5 Stunden Mageninhalt: Fleischrest Lungenrest Schwein Nr. 1 198m H0 8m ” „ 2 34 ” 40 ” ” „ 5) 27 ” 34 „ „ ” 4 19 ” 38 ”„ 2) ” 5 38 278 93 ” 133 srm 215 sran Versuch 6. Nach 5 Stunden Mageninhalt: Gesott. Fleischrest Gesottenes Rindfleisch 100 =", Rohes Rindfleisch 100 8m, woher Fleischrest Schwein Nr. 1 Dos 25 gm» ) ” 2 23 ” 27 ” „ ”„ 3 28 „ 47 „ ” ” 4 18 ” 28 ” ”„ ” 5 10 2) 18 „ 101 2m 145 grm Versuch 7. Rohe Leber 100 &%, Gesottene Leber 100 ®". Nach 5 Stunden Mageninhalt: Rohe Leber Gesottene Leber Schwein Nr. 1 AS an „ a 924 >25 5 is 33, 302 ” „ 4 50 „ 22 ” ”„ „ 5 30 „ 19 „ 185 stm 118 grm Versuch 8. Geröstetes Rindfleisch 100 3". Nach 5 Stunden Mageninhalt: Geröst. Fleischrest Rohes Rindfleisch 100 &"®. Roher Fleischrest Schwein Nr. 1 Ds So.5E ” „ 2 28 „ 28 ” ” ” b) 30 ”„ 42 „ et 25 „ 40 „ EN 28, Dar, 139 grm 197 rm 38 (LAUDIO FERMT: Versuch 9 Roher Magen 100°", Gesottenes Rindfleisch 100 ®". Nach 5 Stunden Mageninhalt: Magenrest Gesott. Fleischrest Schwein Nr. 1 34-2 222m „ „ 2 19 „ 21 ) „ ” 3 30 „ 31 „ se 32, a „ „ B) - 27. P] 2 _ 29 2, DaB 142 erm 136 grm Versuch 10. Roher Magen 100 2%. Rohes Rindfleisch 100 8%. Nach 5 Stunden Mageninhalt: kkoher Magen Rohes Rindfleisch Schwein Nr. 1 105m 10 gm „ „2 8, 15 „ ” „ 3 1535; 205 „ a 19, 20, ; SS) 1242 Beier 60 arm 82 grm Versuch 11. Rohes Rindfleisch 100 8%, Roher Darm 100 =", Nach 5 Stunden Mageninhalt: Fleischrest Darmrest Schwein Nr. 1 50 sm 26 gr „ ” 2 95 „ 27 „ „ „ 3 40 n 40 ” ”„ er) 4 39 ” { 20 ” „ ” 5 30 „ er i 18 ” 914 grm 131 grm Versuch 12. Gesottenes Rindfleisch 100 sm Roher Darm 100 nn Nach 5 Stunden Mageninhalt: | Fleischrest Darmrest Schwein Nr. 1 50 grm 26 gm ” „ 2 50 „ DR, „ „ ” 3 40 2) 20 „ ” „ 4 39 „ 20 n 2] „ d 22 „ m ee 21 „ 204 5 114 sm Versuch 13. Gesottenes Rindfleisch 100 &”, Gesottener Stoekfisch 100 8”. Nach 5 Stunden Mageninhalt: Fleischrest Stockfischrest Schwein Nr. 1 pre Birme „ „ 2 18 „ 9 ” „ „ 3 12 „ 4 ” ’ ae 12 „ 6,„ „ d 17 „ 6 ,„ 75 grm 33 grm ÜBER DIE VERDAULICHKEIT DER SPEISEN IM MAGEN. 39 Versuch 14. Polenta 100 &%, Rohes Rindfleisch 100 &"%. Nach 5 Stunden Mageninhalt: Polentarest Fleischrest Schwein Nr. 1 15 gm 50 grın „ „2 10; 50 „ ”„ ” 3 16 „ 51 er „ „ 4 12 „ 47 ef) ” „ ) ande „ i 92 „ 74 am 350 gm Versuch 15. Rohes Rindfleisch 100 2%, Brod 100 2%, Nach 5 Stunden Mageninhalt: Fleischrest Brodrest Schwein Nr. 1 12.2:m 0572 „ ” 2 1 0 „ 0 ” e B) 20 ” 1 „ „ ”„ 4 1 5 ”„ 0 ”„ „ „ ) Ede 20 2 1 „” 7 7 gım ) stm Versuch 16. Rohes Rindfleisch 1008", Dieke Bohnen (roh) 100 gm, Nach 5 Stunden Mageninhalt: Fleisch Dicke Bohnen Schwein Nr. 1 30 gım 60 gm ” „ 2 25 „ 43: „ mins 13, A „ „od 12, ,, Aa, » „9 {1 „ 60 „ 97 gr 250 grm Versuch 17. a) Rohes Rindfleisch 100 ®”%. Bouillon 2000 ©”, Magen- inhalt nach 5 Stunden: Fleischrest Schwein Nr. 1 33 5m 2 2 17 RS ap " 65 gm b) Rohes Rindfleisch 100 ®”®. Ohne Bouillon. Mageninhalt nach 5 Stunden: Fleischrest Schwein Nr. 1 30 sm ” „ 2 29 2 & 5 59 grm 7 Versuch 18. Zahl der Kaubewegungen für 25 ®'% Brod: Schwein Nr. 1 90 „ „ 2 85 a aan 490 300 40 Versuch 19. CLAUDIO FERMI: Zahl der Kaubewegungen für 25 ®"% Leber: Schwein Nr. 1 35 ” „ 2 30 > 32,082 ”„ ”„ UNS 25 125 Versuch 20. Zahl der Kaubewegungen für 25 2" Fleisch: Schwein Nr. 1 24 ”„ ” 2 25 „ „ 3 27 est 106 Versuch 21. Zahl der Kaubewegungen für 25 &'" Lunge: Schwein Nr. 1 50 a me LEN 217 Uebersichtstabelle. Mageninhaltresiduum von den verschiedenen bei Schweinen untersuchten Speisen. Mittelzahl von den 5 Ergebnissen bei jeder Speise. Nr. Speisen nn Nr. Speisen | a 1 Rohes Rindfleisch 42-0 10 | Roher Magen .. 12-0 Rohe Leber 26-4 Rohes Fleisch 16-6 2 Fett . : 49-6 11 | Roher Darm . 26-2 Rohes Rindfleisch 47-4 ' Rohes Fleisch 42-8 3 Gesalzenes Rindfleisch 78-0 12 | Gesottenes Fleisch . 40-2 Gekochte Leber . 57-0 Roher Darm . 22-8 4 | Rohes Rindfleisch 10-0 13 | Gesottenes Fleisch . 15-0 Rohe Lunge A 47-5 Stockfisch, gesotten . 6-2 5 Gesottenes Rindfleisch . 26*6 14 | Polenta . 14*8 (Gesottene Lunge. 43-0 Rohes Fleisch 50-0 6 Gesottenes Rindfleisch. 20-2 15 | Rohes Fleisch 15-4 Rohes Rindfleisch 29-0 Brod . ; 0-4 7 tohe Leber 37-0 16 | Rohes Fleisch . . 19:0 Gesottene Leber . 23-6 Dieke Bohnen, roh . 50-0 S ' Geröstetes Rindfleisch . 27-8 17 Fleisch mit 2 Liter | Rohes Rindfleisch 39-4 Bouillen . ; 32-5 9 | Roher Magen . : 28-4 Fleisch ohne Bouillon . 29-0 | Gesottenes Rindfleisch . 27-2 ÜBER DIE VERDAULICHKEIT DER SPEISEN IM MAGEN. 41 Kurz zusammengefasst sind die erhaltenen Ergebnisse etwa folgende: 1. Rohes Rindfleisch (Fötus) ist schwerer verdaulich (Mageninhaltrest = 42") als rohe Leber (26 ="). 2. Das Fett (Rindsfett) ungekocht ist schwerer verdaulich als rohes Rindfleisch (47 8"). 3. Sehr gesalzenes Fleisch (78®") ist etwas schwer ver- daulicher als gekochte Leber (57°). 4. Das Rindfleisch mit gleicher Menge Rindsfett wird schwerer verdaut als die verschiedenen bei den Versuchen be- nutzten Speisen. 5. Rohes Rindfleisch (108) ist viel verdaulicher als un- gekochte Lunge (478m). 6. Gesottenes Rindfleisch ist viel verdaulicher als ge- sottene Rindslunge. 7. Gesottenes Rindfleisch wäre etwas verdaulicher als rohes. 8. Rohe Leber (378m) wäre etwas unverdaulicher als ge- sottene (278m), 9. Geröstetes Rindfleisch (28s") wäre beim Schwein ver- daulicher als roh (398%). Dieser Versuch muss aber wiederholt werden. 10. Roher Magen (238m) soll etwas weniger verdaulich als rohes Rindfleisch (27.28) sein. 11. Roher Magen (128m) ist etwas verdaulicher als rohes Fleisch (16). 12. Roher Darm (26:”) ist viel verdaulicher als rohes Rindfleisch (42.88), 13. Gesottenes Rindfleisch (40-.2®”) ist viel unverdaulicher als roher Darm (22.83), 14. G@esottenes Rindfleisch (155) ist verdaulicher als ge- sottener Stockfisch (6-2 8”). 15. Polenta (14-88) ist viel verdaulicher als rohes Rind- fleisch (50 8m), 16. Das Brod (0-4sw) ist viel verdaulicher beim Schwein als rohes Rindfleisch (15°4s). 17. Rohes Rindfleisch (198°) ist verdaulicher als dicke Bohnen (50 8m), 18. Rohes Rindfleisch mit 2 Liter Bouillon (33%) ist weniger verdaulich als ohne Flüssigkeit (298m), 42 (LAUDIO FERMT: Die nach dem höchsten Verdaulichkeitsgrade der bei den Versuchen benutzten Speisen aufgestellte Scala ist beim Schweine die folgende: l. Brod, 2. Stockfisch, 3. Polenta, 4. roher Magen, 5. geröstetes Fleisch, 6. gesottenes Fleisch, 7. rohes Rindfleisch, 8. gekochte Leber, 9. rohe Leber, 10. gekochte Lungen, 11. rohe Lungen, 12. Rindsfett, 13. stark gesalzenes Rindfleisch. Das Schwein kaut viel länger als der Hund. Während z. B. bei dem Hunde ein Stück Brod 8 bis 10, das Fleisch 3 bis 5 Kaubewegungen be- ansprucht, ist die Zahl der letzteren bei dem Schweine 85 und 30. Saccharification der Stärkein der Mundhöhle des Schweines. — Schweine, welche 100 #"" gekochten Reis bekamen, wurden nach 30, 15, 10, 5 Minuten getödtet. Der Mageninhalt mit der Fehling’schen Lösung, nach Zucker untersucht, gab noch in qualitativer Analyse (je entsprechend 5, 3, 2, 1 Tropfen Mageninhalt in 5°“ Fehling’scher Lösung) positive Resultate im Gegensatz zu dem, was wir beim Hunde fanden. b) Versuche an Hunden. Von den verschiedenen Tabellen werde ich der Kürze halber noch die drei folgenden als Beispiel anführen. Verhältniss Körper- Gewicht kehen (sewicht des ee | . des leeren | 77. etroekneten | Acidität | „ Hunderasse gewicht MaRanS Körper-, |Napeninhaltesi > Zucker | “5°5 [und Magen-" ® ın ccm in kg in gr gewicht in grm Pferdefleisch, gesotten, gehackt, und Kastanien. Pro Hund 125 #" = 50 gm trockene Substanz. Terriers l 3 48 |‘ 62-8 Kastanien 19 u | | Fleisch 3 4 | 4 58 .»| 1169 Kastanien 25. |... | ge | | Fleisch 15 | > | 5 59 | 84-9 Kastanien 25 — _ | | Fleisch 9 Spitzhund 5 52 | 96 Kastanien 25 _ -- | Fleisch 8 > 6 117 1725102 Kastanien 18 E= —_ | Fleisch 8 Jagdhund 13 212 61-3 Kastanien 19 _ — | Fleisch 4 | hs | 14 207 Eher ' Kastanien 15 = — | Fleisch 3 ÜBER DIE VERDAULICHKEIT DER SPEISEN IM MAcen. 43 Körper- Gewicht Dani (sewicht des Naila ö ee siditä Hunderasse gewicht des leeren Körper- getrockneten x ; Zucker | Magens | nd Magen.|Mageninhaltes| jn ccm | S N n MIT : . | in kg in gm | Teowicht in grın Bohnen und gekochtes Pferdefleisch. Hofhund 41), Ay | 91 Fleisch 4 30-5 _ Bohnen 15 Spitzhund 6 si 77 Bleische 1 36+5 — | Bohnen 19 Spitzhund (Bast.) 6 84 y3 Fleisch 1 26 _ .. | Bohnen 22 e er 101% 59 117 Flissh 4 | 25 _ Bohnen 32 5 ES | 12 153 18 Fleisch 2 3) — | Bohnen 18 Die Bohnen fanden sich nicht nur in grosser Quantität, sondern auch noch intact vor. Gesottenes Pferdefleisch und Nüsse. Spitzhund | 4 32 > 7 57 >> 7 86 Jagdhund 8 70 Bastard 10 96 Hofhund 25 224 125 20 Zee 127 26 I 81 25 Seal > 114 18 — | — 104 11 — | Spuren 111 12 a Bei allen Versuchen fanden sich bei Fleischspuren auch- noch die intacten Nüsse vor. Uebersichtstabelle der bei Hunden erhaltenen Ergebnisse. Methode B. Combinirte Speise. Nr. Speisen on Nr. Speisen | an 1 Pferdefleisch, gesotten . 5 6 | Pferdefleisch, gesotten N 5 „ und Leber, gesotten 8-5 ' „und Maccaroni . 5 2 Pferdefleisch, gesotten . 6 7 | Pferdefleisch, gesotten . 2:5 „ und Kaldaunen,roh 9 „ und Bohnen h 230 3 Pferdefleisch, gesotten . 6 8 | Pferdefleisch, gesotten . 3 „ u.Schinkenschwarte 22 „ und Nüsse E 18 4 | Pferdefleisch, gesotten . 4 9 | Pferdefleisch, gesotten . 8 „ u. Eiereiweiss, hart 85 „ u. Kastanien, geröst. 21 5 | Pferdefleisch, gesotten . 5 10 | Eiereiweiss, hart . x 11 | „u Molkenkäse, frisch 8 ‚„ und Eidotter, hart 5 44 (LAUDIO FERMI: Resultat: Das Pferdefleisch, gesotten, ist beim Hunde ver- daulicher als gesottene Pferdeleber, als rohe Kaldaunen, 3 bis 4 Mal mehr als Schinkenschwarte, 2 Mal mehr als Eiereiweiss, hart, wenig gesalzen, als frische Ricotta; fast 10 Mal mehr als Bohnen, gesotten, ungefähr 9 Mal mehr als Nüsse, fast 3 Mal mehr als Kastanien, geröstet. Pferdefleisch, gesotten, ist beim Hunde so viel verdaulicher wie Maccaroni; Eidotter, hart, ist fast 2 Mal verdaulicher als Eiereiweiss, hart. C. Resultat einer von einem in der Kochkunst Sachverständigen angestellten Umfrage in Bezug auf die. schwerere oder leichtere Magenverdauung der Speisen. Die Zahlen, welche den beiden Speisen einer jeden Nummer folgen, zeigen die mehr oder weniger leichte Verdauung der Speisen an, wie sie ' aus den Versuchen erhellt; z. B. in Bezug auf die ersten beiden Speisen: gesottenes Rindfleisch, gesottenes Kalbfleisch geht hervor, dass von 91 Per- sonen 70 für die leichtere Verdaulichkeit des gesottenen Rindfleisches und nur 21 für die des gekochten Kalbfleisches stimmten. Fleisch. | Organe. 1. Gesottenes Rindfleisch . . 7 70 11. Gehirn u. Leber des Ochsen 40 r Kalbllesch . . 21 Br FR: „ Kalbes 94 2.Kalb . . . =. 2 ...'51|.12. Kalbsleber ... „ei Bammikisaıın ne. Henze 7/62 Kalbslunge ..' gr 3. Lamm en a. en 9245 13. .Kalbsleber 7 ss; Elaımme Were | Kalbsniere' . lee 4. Lamm '. 2.2. 22288. 14 Nierer.. MP Ziezenlamme.22 Pu nen. lol Herz» .\.l. ,. 7. 2 Ms) 5. Ausgewachsenes Kalb . . 110°|:15. Niere’. 7... rs Junges Milchkalb . . . 50 Kaldaunen . .... Kosrse) 6. Rindfleisch,roh.od.rohesKalbfl. 44 | 16. Herz . . . . re Milchlamen TER a Kaldaunen . .. 2 7. Schwein, ee ..58.| 17. Rindfleisch”. We. Ferse Eerkel' KUN. Den El Huhn. .ı 0 ee 8. Schwein „2. ....:.... 40.118 Kalb .. . . > se] Wildschwen "2.277 275726# Huhn . . .. 2 Ss 9..Schwein 1 ws. u 21°119. Taube... „eis Gans lm area a 0 Truthahn oa: jo) 10. Hase . . . . 2.7. .12762) 20. Gebratene Vogeleessrse Kaninchen v2 2 rar 33 Rinderbraten‘ "Pe FE 32. 393. 34. 35. 36. 37. 38. 39. ÜBER DIE VERDAULICHKEIT DER SPEISEN IM MAGEN. Btark geröstet . 2°. .2...0 ‚Gebratene Vösel . „ea Gebratenes Huhn . .. 12.772 DRERNSCHW.E Bee) Rindfleisch 1a) . Ausgewachsene Fische . . 59 Stunte 2 NEO indHeische sn need? Frösche 101 Hühner ee 62 Rrösche en er AO SHröschelne el Urs | Krebsene 2 nu, 3 Krebse . 202 Hiummersan. ser 0 Hummer. k aan est un 69 Bolypenskan a I 10 MBolypen u unuu el2] Schnecken 2... neyurzir 28 Huhnzause ve Nee BischWrse ee ee le are 8 Schnecken sr nn 2,20 antentischa sr 2er 2,050 Art der Zubereitung. Gesottenes Rindfleisch . . 22 Brateme nel et Bratens sr sel. sale Bang) Geschmortes Fleisch . . . 0 Gebratene Fische . . . . 78 Gebackene Fische. . . . 13 Einfach geschmortes Fleisch 20 Salami ne, ee od Gesottenes Rindfleisch . . 10 Beefsteak . 110 Stark gesottenes Rindfleisch 15 Wenigvgesotten N... 20: 61 Beefsteak, stark gebraten . 10 Wenig gebraten 1102| Braten, wenig geröstet . . 45 41. 42. 43. 44. 10 | 40. Gebratene Vögel Geschmorte Vögel Sehr hartes Fleisch gebraten UNE) Geschmortes Gebratenes Milchkalb Gesotten . Gebratener Fisch . Gesottener Fisch Gekochte Austern Rohe Austern 0 0 98 0 30 98 ul) 40 Geräuchertes und getrocknetes 45. 46. 57. Fleisch. Gekochter Schinken . Roh Schwarten Schweinefüsse . Roher Schinken Rohe Schlackwurst . Gekochtes Fleisch, Binde- gewebe ame; Schinken . . Römische Schwartenwurst Grieben . Stockfisch, gebacken . In Sauce . Thunfisch in Oel Stockfisch . Thunfisch in Oel . Aalraupe . Weich gesottene Eier Rohe . . Eier in Butter Gebackene . Eier in Butter . Weich gesottene Milchspeisen. . Gelabte Milch, frisch Gesalzen . Quarkkäse Ey re: Molkenkäse (Ricotta). 39 179 59 61 a) 11 10 850 10 12 50 48 85 46 CLAUDIO FERMI: 58. Molkenkäse (Rieotta). 727.10 | 77. Erbsen eyes ee Straechino ....“ ers Bohnen en =. meer 78. Bohnen, dicke ne et % kleine NEN SE BL: r a en ne eb 5 | 79. Bohnen, dicke, 7 | Küchenerbsen 7. 72 Pas Mehlspeisen. 80. Span. Pfeffergurken in Essig 81 60. Brod, weiss Mn ee AO nn ; u „ schwarz iu. N. rl... 38. 81. Sauerkraut . ee &1. Weizenhrod > Na a in Span. Pfeffergurken . . . 0 Roggenbrod . . . ..... 60 | 82. Eingemachte Zwieben . . 20 62. Brodrinde . ... 2... 0 Gurken . . 5 altbacken 102 | 83. Schwämme ‘. . Prerse 63. Macearoni in „Gel. 7.250 Trüffel: . . 2 Sa a mit Sauce. . .. 80 | 84. "Tomaten in 'Salai > re 64. Maccaroni mit Sauce . . 32 Spanische EfofEorz1nE u zeigen in Butter. . . 45 | 85. Spanische Fe 21 65. Pasta . are Oliven, . 2 2: VE Reis . “2.2... 2. .60.|.86. Melanzane . . SEE 66. Pasta, dieke >) Schwänme 7. ZZ SEserZ ” feineryer ne ae 60 67. Pasta, stark gekocht. . . 40 Obst „ wenig gekocht 110 68. Reis, stark gekocht . . . 40 | 87. Feigen . . eo ».. wenig gekocht .. .,. 90 Indie Feigen 31 69. Dieker Reis Gaisaue) ..... 80 | 88. Pfirsichen 80 Maccaroni 10 Pflaumen 20 70. Fleischklösse 40 | 89. Pflaumen 10 Mehlklösse 10 Aprikosen 80 71. Ravioli 40 | 90. Erdbeeren 31 Klösse 21 Pfirsichen 60 72. Kartoffeln, gekocht 50 | 91. Spierlingsbirnen 30 Brod 29 Mispel 50 73. Kartoffeln, geröstet 22 | 92. Melonen . 71 ; gebraten 28 Wassermelonen 22 74. Kartoffeln in Fleischsaucee . 22 | 93. Melonen . 43 T geröstet 73 | Spierlingsbirnen 25 75. Erbsen, frische 80 | 94. Kastanien, geröstet 58 Linsen, trockene 20 | Mandeln . Sl 76. Erbsen, trockene 11 | 95. Mandeln . 85 Linsen, trockene 60 Wallnüsse ...109 Io-avallmüusse ı. u. ne sea Haselnüsse: are ah Iklaselnusse u. mer Sonn Zmbelnusse von A| Süsse Speisen. 98. Basta frollaunss mn lau... 2:40 Dlätterteisen ee ve ÜBER DIE VERDAULICHKEIT DER SPEISEN IM MAGEN. IR 100. KO. 102. Römisches: Brod . Pfefferkuchen Mandelkuchen Croquant Sambajon Schlagsahne Sambajon. 3. +2 Eidotter in Milch Aus dieser Tabelle ergiebt sich Folgendes: ohne lamm. — oem nn . Schwein (ausgewachsenes) ist verdaulicher als Ferkel. . Wildschwein wäre verdaulicher als Schwein. . Gansfleisch soll verdaulicher als Schweinefleisch sein (?). Kaninchenfleisch soll verdaulicher als Hase sein. Organe. 47 21 72 31 58 91 23 60 sl . Gesottenes Rindfleisch ist verdaulicher als gesottenes Kalbfleisch. . Lammfleisch ist vielleicht etwas verdaulicher als Kalbfleisch. . Hammelfleisch ist verdaulicher als Lammfleisch. . Junges Ziegenfleisch ist verdaulicher als Lammfleisch. . Ausgewachsenes Kalbfleisch ist viel verdaulicher als Milchkalbfleisch. . Rindfleisch roh oder rohes Kalbfleisch ist verdaulicher als Milch- 11. Ochsenhirn und Ochsenleber ist weniger verdaulich als Hirn und Leber vom Kalbe. 12 13: 14. Kar 16. IR 18. 19. 20. . Rindfleisch und Huhn sind verdaulicher als Fisch. .„ Ausgewachsene Fische sind verdaulicher als Stint. . Frösche wären viel verdaulicher als Rindfleisch. 24. Huhn wäre verdaulicher als Frösche. . Frösche wären verdaulicher als Krebse. . Krebse wären viel verdaulicher als Hummer. . Kalbsleber ist verdaulicher als Kalbslunge. Kalbsleber ist viel verdaulicher als Kalbsniere. Niere soll verdaulicher als Herz sein. Niere soll verdaulicher als Kaldaunen sein. Herz ist verdaulicher als Kaldaunen. Huhn ist verdaulicher als Kalb- und Rindfleisch. Taube wäre ebenso verdaulich wie Truthahn. Rinderbraten ist ebenso verdaulich als gebratene Vögel. Huhn ist verdaulicher als gebratene Vögel. ÜLAuDIo FERMT: . Hummer soll verdaulicher als Polypen sein. . Auch Schnecken wären verdaulicher als Polypen. . Tintenfisch ist verdaulicher als Schnecken. Zubereitung. . Gebratenes Rindfleisch ist verdaulicher als das gesottene. . Gebratenes Fleisch ist verdaulicher als geschmortes. 32. 33. . Beefsteak ist verdaulicher als gesottenes Rindfleisch. 8D. ). Wenig gebratenes Beefsteak ist verdaulicher als stark gebratenes. 37. (Gebratene Fische sind verdaulicher als gebackene. Einfach geschmortes Fleisch soll weniger verdaulich sein als Salami. Wenig gesottenes Rindfleisch ist verdaulicher (?) als stark gesottenes. Wenig gerösteter Braten soll verdaulicher sein als stark gerösteter. Gebratene Vögel sollen verdaulicher als geschmorte sein. Sehr hartes Fleisch ist viel verdaulicher geschmort als gebraten. (Gebratenes Milchkalb ist verdaulicher als gesottenes. . Gebratener Fisch soll weniger verdaulich sein als gesottener. Gekochte Austern sollen verdaulicher sein als rohe. Fleisch-Conserven. . Roher Schinken ist verdaulicher als gekochter. . Schweinefüsse sind verdaulicher als Schwarten. . Roher Schinken ist verdaulicher als rohe Schlackwurst. . Schinken ist verdaulicher als gekochtes Fleisch und Bindegewebe. AT. 48. gemacht. 49. Römische Schwartenwurst soll weniger verdaulich als Grieben sein. Gebackener Stockfisch ist etwas verdaulicher als in Sauce ein- Thunfisch in Oel soll verdaulicher als Stockfisch und viel mehr als Aalraupe sein. 50. 51. 52. 96. Eierspeisen. Gesottene (weiche) Eier sind verdaulicher als rohe. Eier in Butter (Öchsenaugen) sind verdaulicher als gebackene. Weichgesottene Eier sind verdaulicher als in Butter gekochte. Milchspeisen. . Gesalzene gelabte Milch soll unverdaulicher sein als frische Milch. . Quarkkäse ist leichter zu verdauen als Molkenkäse (Rieotta). Stracchino ist verdaulicher als Molkenkäse (Ricotta). Fette. Oel ist verdaulicher (?) als Butter. 57. 58. 59. 60. .. ÜBER DIE VERDAULICHKEIT DER SPEISEN IM MAGEN. 49 Mehlspeisen. Weisses Brod soll so verdaulich als schwarzes Brod sein. Roggenbrod soll etwas verdaulicher sein als Weissbrod. Altbacken Brod ist verdaulicher als Brodrinde. Maccaroni mit Bratensauce soll verdaulicher als mit Del und viel- leicht etwas weniger oder gleichverdaulich als mit Butter sein. 61. 62. 63. 64. 69. 66. 67. 68. 69. Reis ist verdaulicher als Pasta. Feine Pasta ist verdaulicher als die dicke. Pasta wenig gekocht ist verdaulicher als stark gekocht. Dicker Reis (ital. Risotto) soll verdaulicher als Maccaroni sein. Fleischklösse sind verdaulicher als Mehlklösse. Ravioli (ital.) sollen (?) verdaulicher als Klösse sein. Gesottene Kartoffeln sind verdaulicher als Brod. Gebratene Kartoffeln sind verdaulicher als geröstete. Kartoffeln geröstet sollen verdaulicher als in Fleischsauce gekocht sein (geschmort). 70. dl. 12. [62 74. 75. 76. le 78. 79. so. sl. 82. 33. 34. 35. S6. 37. 38. 89. I. 91. 92. Frische Erbsen (gekocht) sind verdaulicher als trockene dürre Linsen. Dagegen trockene dürre Linsen sind verdaulicher als trockene Erbsen. Erbsen sollen viel verdaulicher (?) sein als Bohnen. Dicke Bohnen sind weniger verdaulich als kleine Bohnen. Dicke Bohnen sind verdaulicher als Kichererbsen. Gurken sind verdaulicher als spanische Pfeffergurken. Sauerkraut ist verdaulicher als spanische Pfeffergurken. Eingemachte Zwiebeln sind weniger verdaulich als Gurken. Schwämme sind verdaulicher als Trüffeln. Tomaten in Salat sind verdaulicher als spanische Pfefiergurken. Oliven sind verdaulicher als spanische Pfeffergurken (!). Melanzane sind weniger verdaulich als Schwämme. Obst. Feigen sind verdaulicher als indische Feigen. Pfirsichen sind verdaulicher als Pflaumen. Aprikosen sind verdaulicher als Pflaumen. Pfirsichen sind verdaulicher als Erdbeeren. Mispel sind verdaulicher als Spierlingsbirnen. Melonen sind verdaulicher als Wassermelonen. Melonen sind verdaulicher als Spierlingsbirnen. Geröstete Kastanien sind etwas verdaulicher als Mandeln. Mandeln sind auch weniger verdaulich als Wallnüsse. Haselnüsse sind vielleicht leichter verdaulich als Wallnüsse (!). Haselnüsse sind etwas verdaulicher als Zirbelnüsse. Archiv f. A. u, Ph. 1901. Physiol. Abthlg. Suppl. 4 50 ÜLAUDIO FERMI: Süsse Speisen. 93. Pasta frolla (ital.) ist unverdaulicher als Blätterteig. 94. Pfefferkuchen ist verdaulicher als Römisches Brod (Panseiallo ital.). 95. Croquant ist verdaulicher als Mandelkuchen. 96. Sambajon ist verdaulicher als Schlagsahne. 97. Sambajon ist verdaulicher als Eidotter mit Milch (!). IV. Uebereinstimmung der bei Hunden, Schweinen und Menschen erhaltenen Ergebnisse. Die Resultate, welche wir durch Versuche an Hunden und Schweinen erhalten haben, stimmen nicht nur mit einander überein, sondern auch mit denjenigen, welche wir bei den Untersuchungen am Menschen feststellen konnten; dabei werden nur folgende Ausnahmen bemerkt: 1. Rohes Fleisch erwies sich für Hunde verdaulicher als rohe Leber, bei den Schweinen aber umgekehrt. Hier ist aber zu bemerken, dass im ersteren Falle es sich um Fleisch und Leber von Pferden, im letzteren da- gegen um Rindfleisch und Kalbsleber handelte. 2. Lange ausgekochter Reis oder andere Pastawaaren waren für Hunde leichter verdaulich als der nicht so sehr abgekochte Reis. Aus den Ver- suchen an Menschen ergab sich das Gegentheil. 3. Während das Brod für die Schweine verdaulicher war als Fleisch, liess sich dies für Hunde und Menschen nicht constatiren. D. Untersuchungen über die Auflösbarkeit der verschiedenen thierischen Speisen im künstlichen Magensaft. ! Obwohl die Kenntniss der einfachen Lösbarkeit? einer Speise durch den Magensaft nicht hinreicht, um den Verdaulichkeitsgrad oder die Aufent- haltsdauer derselben im Magen zu bestimmen und nämlich aus dem Grunde, weil diese beiden letzteren Befunde von der grösseren oder geringeren Fähig- keit einer Speise abhängt, mit welcher diese letztere reflectorisch (durch die Sinnesorgane Gesicht, Geruch, Geschmack) indirect oder direct auf die. nervösen Endigungen in die Magenschleimhaut und mechanisch oder che- misch einwirkt, ist doch die Erforschung dieser Lösbarkeit ziemlich wichtig, ! Hrn. Prof. P. Cassiani und dem Hrn. cand. A. Ascarelli spreche ich meinen Dank für die bei diesen Untersuchungen mir freundlichst geleistete Hülfe aus. ” Bei der Auseinandersetzung der Versuche in vitro bediene ich mich des Aus- drucks Löslichkeit, bei den an den Thieren angestellten des Wortes Verdaulichkeit. ÜBER DIE VERDAULICHKEIT DER SPEISEN IM MAGEN. 51 indess, caeteris paribus, je mehr eine Speise im Magensaft auflösbar ist, um so schneller wird sie den Magen verlassen und um so weniger kann sie dann Magenstörungen hervorrufen. Maly! schreibt: „Das Maass der Verdaulichkeit einer Fleischsorte könnte man nur durch Versuche ausser dem Organismus bestimmen.“ Tigerste«dt äussert sich auch im selben Sinne. Diese Versuchsarten haben natürlich ihre Vorzüge und ihre Nachtheile. Vorzüge: 1. Bei diesen Experimenten kann man dieselbe Speisemenge einer und derselben beliebig wechselnden Quantität und Qualität von Magen- saft aussetzen. 2. Die Verdaulichkeit der verschiedenen Speisen unter sich lässt sich leicht vergleichen. 3. Die Proteolyse ist leichter zu verfolgen als im Magen, wo die ge- lösten Stoffe bald resorbirt werden. 4. Man kann eine gewisse Speisemenge einem gegebenen Magensafts- quantum aussetzen, während der Magensaft im Magen aus vielfachen Ursachen quantitativ und qualitativ keine Einheitlichkeit zeigt. 5. Die Speisen werden nicht, wie im Magen und auch in wechselnder Weise vom Schleime umgeben, was eben die Magensaftwirkung hindert. Nachtheile. 1. Die in vitro angestellten Versuche können uns, wie gesagt, nur zur Kenntniss der grösseren oder geringeren Löslichkeit der Speisen im Magensafte führen. Sie können uns dagegen keinen Aufschluss über die Zeit geben, welche dazu erforderlich ist, damit dieselben den Magen verlassen, sei es, dass dieselben direct resorbirt werden, sei es, dass sie in den Darm übergehen. 2. Sie können uns keinen Aufschluss über die Wirkung der Speisen weder auf die Magensecretion noch über die Motilität desselben verschaffen. In der That wird, wie gesagt, eine Speise, die die Absonderung und Bewegungsleistung des Magens stärker anregt, früher ausgestossen. Eine fette Fleischsorte z. B., die in vitro sehr leicht löslich ist, wird dagegen im Magen schwer verdaut, weil sie die Absonderung nicht befördert, sondern vielmehr hemmt. 3. Bei den Experimenten in vitro vermag man nur die Verdaulichkeit der Fleischsorten, Organe, Eier, Käse u. s. w. zu studiren, nicht aber die der Fette, der Gem, der Mehlspeisen, der Zuckerarten, ebenso wenig: die Wirkung des Alkohols, der Gewürze, der Arzneimittel u. s. w. ! Maly, Hermann’s Handhuch der Physiologie. Bd. V. 2. Theil. 4* 52 ÜLAUDIO FERMI: 4. Die Anhäufung der für die Verdauung nachtheiligen Peptone findet in vitro doch nicht im Magen statt. wo dieselben schnell ausgesondert werden. ! 5. Im Magen erneuert sich der Magensaft fortwährend, was bei den Experimenten in vitro nur in unvollkommener Weise zu erreichen ist. 6. Im Magen werden die Speisen ununterbrochen durch die herum- drehende zerreibende Bewegung des Magens selbst unter einander gemischt. 7. Beim Thiere kann man auch die Resorptionsschnelligkeit der ge- lösten Speisen durch die Magenwand studiren. Die Arbeiten über diese Frage sind sehr spärlich, und der grösste Theil derselben bezieht sich auf die Erforschung der Wirkung einzelner Substanzen auf die künstliche Verdauung. Zum Beispiel einige Autoren beschäftigten sich mit der Wirksamkeit des Alkoholes (Bernard, Kretschy, Buchheim, Buchner, Klikowicz, Bikfalvi, Schutz). Andere behandeln die Drogen, den Caffee (Bikfalvi) oder die ge- wöhnlichen Salze (Dastre, Schmidt, Pfeiffer) oder Arzneimittel (Fr. Schäfer und Böhm, Dusterhoff, E. Pflüger). Einige studiren die Löslichkeit einiger Eiweissstoffe. So z. B. Fick, Wawrinsky, H. Meisser studirten die Löslichkeit des Eiweisses, Königberg u. A. diejenige einiger Fleischsorten. Nur B. H. Chittenden und Geo. Gummins geben uns eine Scala über die Löslichkeit der Muskeln bei warm- und kaltblütigen Thieren, worüber wir später reden werden. l. Untersuchungsmethode im Allgemeinen. Es lassen sich verschiedene Methoden anwenden: a) Unterbrechung der Verdauung nach mehreren Stunden; indem man den auf dem Filter zurückgebliebenen Rest filtrirt und wägt, oder seinen Stickstoffgehalt bestimmt, so wie Bikfalvi, Chittenden und Geo. Gum- mins? es gethan haben. b) Durch Bestimmung der zur vollständigen Auflösung einer gewissen Speise erforderlichen Stundenzahl. Da übrigens die vollständige Lösung einer Speise sehr wichtig ist, weil dieselbe, auch ohne peptonisirt zu werden, in den Darm grösstentheils ! Selbst durch Versuche mit dem Apparat von Sheridan-Lea gelangt man nicht zu Resultaten, die denen mit Thieren gemachten vergleichbar sind. ” B.H.Chittenden and Geo. W. Gummins, Amer. chem. Journ. Vol. VI. — Ihre Methode ist folgende: 20 em Substanz in 200 °® künstlichem Magensaft (Pepsin 5 pro mille, HC] 2 pro mille) werden bei 38 bis 40° verdaut, dann filtrirt und das Filtrat getrocknet gewogen. ) ÜBER DIE VERDAULICHKEIT DER SPEISEN IM MAGEN. 5: w eintritt, so ist die erste Methode der zweiten vorzuziehen. Es kann in der That eine fein zertheilbare aber durch den Magensaft wenig lösliche und peptonisirbare Speise geben, die nichtsdestoweniger durch Reizung der peristaltischen Bewegung sehr leicht den Magen verlässt. Wenn man nun die Verdaulichkeit vermittelst Abwiegung der Ueberbleibsel bestimmen wollte, so könnte es vorkommen, dass man eine sehr leicht in den Darm durchgehende Speise, wie z. B. es bei viel Mehl und vegetabilischen Speisen der Fall ist, in die Kategvrie der unverdaulichen versetzte. Eine Speise kann z. B., wenn sie lange gesotten ist, sehr leicht zer- brüchlicher durch das eingewirkte siedende Wasser, aber weniger löslich im Magensafte sein, als wenn sie wenig gekocht ist. Demnach ist die erste Methode vorzuziehen, welche darin besteht, dass man bestimmt, nach wieviel Stunden eine Speise zersetzt oder aufgelöst wird. Was die Löslichkeit betrifft, so muss man bei einigen Fällen, die vorkommen können, Acht geben, z. B.: Eine Speise kann durch die rotirend-reibende Bewegung des Magens, im Verein mit dem Magensafte, in Brei verwandelt werden, sich aber andererseits nicht vom Magensaft angreifen (nicht albuminoide Speisen) oder durchtränken (Fette oder fettige Speisen), daher nicht auflösen und peptonisiren lassen. lch kann daher einige von B. H. Chittenden und Geo Gummins erhaltene Resultate, nach welchen das Rindfleisch löslicher sei, als das Kalbfleisch oder das Lammfleisch, nicht bestätigen. Im Gegentheile stimmen meine Resultate mit denen der genannten Autoren in Bezug der grösseren Löslichkeit des Kalbfleisches gegenüber dem Lammfleisch überein. Besagte Autoren schliessen auf die gastrische Verdaulichkeit des Fleischsorten, von der blossen Löslichkeit in vitro, was, wie wir früher schon bewiesen haben, ein Irrthum ist; da es leicht der Fall sein kann, dass einer sehr leicht löslichen Speise eine die ausscheidende und motorische Function des Magens anregende Kraft fehle. 2. Eigene Untersuchungen. a) Befolgte Untersuchungsmethode: In 10 künstlichen Magensaft (3 pro Mille HCl, 3 pro Mille Pepsine absolue Finzelberger) that man ein Stück von der Substanz, mit der man die besagten Untersuchungen anstellen will. Die Stückchen der zu prüfenden Nahrungssubstanz müssen mit be- sonderer Sorgfalt ausgewählt werden, damit sie vergleichbar seien, sollen das gleiche Gewicht haben, auch muss man auf das gleiche Alter des Thieres achten, nämlich zugleich muss man dafür Sorge tragen, dass sie in der- 54 ÜLAUDIO FERMT: selben Weise und gleichmässig geschüttelt werden (alle 1 bis 2 Stunden schüttelt man 10 Mal). Die Resultate wurden bestimmt, indem man beobachtete, nach wieviel Stunden die einzelnen Speisen völlig aufgelöst waren. Die 5 Proben lassen sich fast immer in befriedigender Weise combiniren. Aus denselben nimmt man dann den Durchschnitt ab, der das Endresultat darstellt, vorbehaltlich der mehrmaligen Wiederholung der Experimente. Ich habe die Experimente mit jeder Speise 20 bis 50 Mal wiederholt. Die aus den Einzelresultaten abgenommenen Endresultate können daher als gute angesehen werden. Tabellen. Wegen Mangels an Raum bin ich gezwungen, die zahl- reichen zusammengestellten Tabellen zu opfern und mich darauf zu be- schränken, dieselben in folgender Weise kurz zusammenzufassen: Rohes und gekochtes Muskelfleisch von Säugethieren. Es folgen hier die schematischen Uebersichtstabellen, aus welchen zu ersehen ist, wie oft unter 10 Versuchen eine der 3 Fleischarten, nämlich Rind-, Kalb-, Lammfleisch, sei es roh oder gekocht, mit Sauce oder ge- röstet, mehr oder weniger auflösbar waren. Nr. 1 bedeutet die grösste Auflösbarkeit, Nr. 2 die mittlere, Nr. 3 die geringere. Fleischsorte Versuch und Art der Zubereitung 1 P) B 4 Bulle 7. 8 971 10 EDER N R £ Be 2 Rohes Fleisch. | | | Kalblleisch ie AR R 1 22121121059 1 1 1 1 1 1 Lammfleische. 2 sa | ie 0 0 050 2 2 1 2 2 2 Rindfleisch mare 3 3 2 3 3 1 3 2 3 Gehacktes Fleisch. Kalbfleisch ae lt 2 1 1 er | a! 1 1 Lammillisch . 2 2 2 2 1 2 2 2 2 1 Rindtleisch 3 3 3 2 3 3 3 & 3 Geschmortes Fleisch. Kalbflleisch Te me 2 1 1 nl 1 1 2 Lammillisch . en: BA 2 1 2 2 3 2 2 2 2 Rindfleisch 2. See I 8 3 1 3 | 3 3 3 3 2 Braten. | | IKalbfleischweg.. 2 2. Pe 1 Lad 2 1 1 2 1 ıl kammfleische. 2... 2. 22 274022 3 2 2 1 2 2 2 Rinddleisch= . ... . A) Sehe 1 2 3 3 3 3 or OT me Tr 3 _ Y Ai x ÜBER DIE VERDAULICHKEIT DER SPEISEN IM MAGEN. Aus dieser Tabelle geht hervor: 1. dass Kalbfleisch löslicher ist als Lamm- und kindfleisch —, dass Rindfleisch am wenigsten löslich ist —, dass dieses Verhältniss keine Ver- änderung erleidet, sei es, dass das Fleisch roh, mit Sauce, gekocht oder geröstet ist; 2. dass die Verschiedenheiten in der Lösbarkeit der 3 Fleischarten mehr bei den rohen und weniger bei den gerösteten hervortreten, so dass bei einigen gerösteten Fleischarten der Unterschied bisweilen fast ver- schwindend ist. Verdaulichkeit der einzelnen Fleischarten in Bezug auf ihre Zubereitungsweise. Ich lege hier eine kleine Uebersichtstabelle vor, aus welcher sich die zur Auflösung der einzelnen Speisen nöthige Stundenzahl abnehmen lässt. Art der Zubereitung Kalbfleisch Lammfleisch . | Rindfleisch Gekochtue re eh 12 Stunden | 13 Stunden 14 Stunden Rohe el ER: 13 ee 14 m 15 en Geschmoriee ee 15 = 16 % | 18 r Braten 16 = | alt 2 | 19 = | | Was die Löslichkeit der drei in Rede stehenden Fleischarten betrifft, so haben wir demnach diese Reihenfolge: In erster Linie stehen die gekochten, als die am leichtesten löslichen; nach ihnen kommen die rohen, dann die geschmorten, schliesslich die ge- rösteten. Dieselbe Thatsache lässt sich bei der Löslichkeit der Fische beobachten: gekocht geröstet Schwertfisch 8 13 Meeraal Ü 10 Stör 4 8 Ein erwähnenswerthes Factum ist die leichtere Löslichkeit des längere Zeit (2 Stunden) gekochten Fleisches im Vergleich mit dem kurze Zeit (!/, Stunde) gekochten. So wäre die der schweren Löslichkeit entsprechende absteigende Stufen- leiter die folgende: 2 Stunden gekochtes Fleisch nach 10 Stunden gelöst, rohes Fleisch nlelON N, # !/, Stunde gekochtes Fleisch „ 13 „ » 56 ÜLAUDIO FERMI: Dieses am ersten Blick sehr sonderbare Ergebniss erklärt sich leicht» wenn man erwägt, dass sich die Eiweissstoffe in der ersten halben Stunde durch Einwirkung der Hitze zusammenziehen und das Fleisch dadurch compacter und in geringerem Maasse vom Magensaft durchdrungen wird; dauert dann die Einwirkung des Wassers unter Erhitzung fort, so erfolgt die Trennung der Zellenelemente, In der ersten Periode wirkt die Hitze, in der zweiten das Wasser ein. Uebrigens ist es bekannt, dass die Einwirkung des Wassers bei hoher Temperatur die Peptonisation der Eiweissstoffe hervorbringen kann. Die geschmorten und namentlich die gerösteten Fleisch- arten sind weniger löslich als die gekochten, weil im Gegensatz zu den letzteren die zusammenziehende Wirkung der Hitze bei ihnen eine bedeutendere Rolle spielt als die spaltende Wirkung des Wassers. Ich gebe hier die Resultate anderer zahlreicher mit anderen Fleisch- arten angestellten Versuche, um deren Löslichkeit mit den oben genannten zu vergleichen. Die Fleischarten sind in rohem, gekochtem, geschmortem und geröstetem Zustande untersucht worden. Die Reihenfolge der Löslich- keit hat sich fast unverändert erhalten in folgender Weise: Kalbfleisch, Lammfleisch, Hammelfleisch, Schweinefleisch, Rindfleisch, Fleisch von Saugkälbern, Pferdefleisch, Kaninchenfleisch. Betrachtungen. Es mag selbst auffallen, dass das Schweinefleisch löslicher ist als Rindfleisch, weil, wie bekannt, das Schweinefleisch unver- ‚daulicher ist. Dies erklärt sich leicht dadurch, dass das Schweinefleisch durch die in ihm enthaltene Qualität und grössere Quantität Fett unver- daulicher wird, da das letztere, wie wir wissen, die gastrische Absonderung hemmt. In vitro wurde andererseits das Fett sorgfältig fern gehalten und der Schweinemuskel ist an und für sich leichter auflösbar als der Rinds- muskel. x Interessant und mit anderen Untersuchungen übereinstimmend ist auch die geringere Lösbarkeit des Fleisches des säugenden Kalbes im Vergleich mit demjenigen des herausgewachsenen. Zwischen Lamm- und Hammel- fleisch dagegen besteht nicht dasselbe Verhältnis. Die Muskellösbarkeit in den verschiedenen Körpertheilen des Rindes. Ich habe mit den folgenden Muskeln: Brust-, Bauch-, Rippen-, Arm-, Rücken-, Lenden-, Halsmuskeln, Versuche angestellt, jedoch keinen con- stanten Unterschied zwischen ihnen gefunden. Nur die Halsmuskeln zeigten etwas mehr Widerstand als die anderen. ÜBER DIE VERDAULICHKEIT DER SPEISEN IM MAGEN. 57 Die Löslichkeit der verschiedenen Organe und Gewebe bei den verschiedenen Thierarten. Es lässt sich folgende Scala der Lösbarkeit der verschiedenen Organe, mit den am meisten löslichen beginnend, aufstellen: 1. Kalbsgekröse, 2. Zunge, 3. Gehirn, 4. Lunge, 5. Milz, 6. Nieren, 7. Herz, 8. Rückenmark. Bemerkungen. a) Wie man sieht, ist das Kalbsgekröse am leichtesten löslich und dashückenmark dasjenige Organ, welches den grössten Widerstand leistet. b) Das Gehirn ist bei weitem löslicher als das Rückenmark, was mit den von anderen Autoren durch an Menschen ange- stellten Versuchen gewonnenen Ergebnissen im Einklang steht. "Es erklärt sich dieser Unterschied zum Theil durch das schützende Gewebe, von welchem das letztere umgeben. c) Die Lunge, welche aus einem schwammigen und von Flüs- sigkeit leicht durchdringbarem Gewebe besteht, ist viel leichter löslich, als Nieren und Herz, die aus festerem Gewebe zusammen- gesetzt sind. Was die Thierart betrifft, so sind die Organe von Lamm und Kalb immer löslicher als die von Rind und Schwein. Löslichkeit der gesottenen und gebackenen Fische, Mollusken und Amphibien. Aus den zahlreichen Versuchen lege ich diejenigen Resultate vor, welche annähernd genau sind. Mit den am leichtesen löslichen beginnend, würde die Reihenfolge diese sein: Löslichkeit Namen Namen Lo Leine nach Stdn. nach Stdn. Gaduseminuluse wre 4 Anguilla rostrata ee 9 Acipenser sturio. . . . . 4 Galeusscanis... .. -.. 0. 9 Trygon pastinaca . ... | 4 Clupeasardina ..-. „nr. ) Uranoxopus scaber. . . . 4 Octopus vulgaris . . . . | 9 Trigla aspera h) solea. vulgaris: ... .ı.,. 10 Corvina nigra 6 Mugil cephalus . . . . . 10 Scomber scombrus . 6 Rana esculenta . . . ... 10 Xiplicas gladius 7 Sepia offieinalis. - . . - 10 Conger vulgaris. A | 7 Esoxlucius 72... 0000 wur 11 Lophius piscatorius . . . 1 Coliga vulgaris . RS 12 O. vulgaris | S Argentina han ee 12 Belone acus | 3 Jincamulgaris 12 Trigla sp... ; | S Mustelus plebejus . . .. | 138 Merlueius ee : Ss Mullus barbatus . . . . 13 Umbrina eirrhosa s lingraulis encasicholus . . 13 Trigla tyra ie) Box-100pst 0 rn 14 58 CLAUDIO FERMI: Bemerkungen. Aus dieser Tabelle geht hervor: a) dass die Muskeln des Figaros, des Störs, des Uranoxopus scaber die am leichtesten löslichen sind, die des Mustelus plebejus, des Mullus barbatus, des Box loops dagegen am schwersten; b) dass die Auster löslicher ist als der Tintenfisch und Sepia offieinalis, Mollusken, welche ein ähnliches Verhalten zeigen, wie die am schwersten löslichen Fische; c) der Frosch ist weit weniger löslich als viele Fische! u. s. w. Die gebackenen Fische, Mollusken und Amphibien stehen den rohen und gekochten an Löslichkeit bedeutend nach. Löslichkeit des eingesalzenen Fleisches. Auch von den eingesalzenen Fleischarten, mit denen ich die Versuche 30 Mal wiederholt habe, gebe ich der Kürze halber die Stufenleiter an, mit den löslichen beginnend: 1. Bologneser Mortadella, 2. Mailändische Salami, 3. Römische Mor- tadella, 4. Toscanische Salami, 5. Fabrianische Salami, 6. geräucherte Zunge, 7. roher Schinken, 8. gekochter Schinken. Bemerkungen. Hieraus ist ersichtlich, dass der Schinken viel mehr dem Magensafte widersteht als andere Salzfleische, und der gekochte weniger auflösbar ist als der rohe Schinken. Auflösbarkeit gesottener Eier. Fick? kam mittels Bestimmung des Peptons zu dem Schlusse, dass kein Unterschied zwischen coagulirtem und flüssigem Eiweiss se. Wawrinsky® mit Meissner übereinstimmend fand, dass beim Vorhandensein von HCl 0.1 bis 0.2 coagulirtes Eiweiss auflösbarer ist, aber weniger Pepton giebt, beim Vorhandensein von HCl 0-5 das flüssige mehr Pepton gebe und auflösbarer sei: Ä Die Auflösbarkeit des coagulirten Eiereiweisses versuchte ich, indem ich es gesottenen Eiern entnahm, oder indem ich das flüssige in kochendes Wasser goss und zur Gerinnung brachte. ! Zu gleichem Ergebnisse kam Chittenden, 1. c. ” Fick, Beiträge zur Pepsinverdauung. Jahresberichte der T’hierchemie. 1871. Bd 8.195: > Wawrinsky, Jahrbuch der T’hierchemie. Bd. III. 8. 175. ÜBER DIE VERDAULICHKEIT DER SPEISEN IM MAGEN. 59 Das Resultat war folgendes: a) Eiweiss, Eiern entnommen, welche 3 Minuten gekocht hatten, löste sich in 12 Stunden, ” 5) ” ” ” ” ” ” 12 ” ” 10 ” ” ” ” 22 ” 12 ” b) Eiweiss 3 Minuten lang gekocht löste sich in 6 Stunden, „ 5 ” ” „ ” ee} 6 2) „ 10 „ ” 2) 2) 220029) 6 „ Wie hieraus zu sehen ist, leistet das Eiweiss von gesottenen Eiern dem Magensafte viel mehr Widerstand als mittels kochen- den Wassers coagulirte. Dieses erklärt sich aus den verschie- denen Graden von Dichtheit, welche den verschiedenen Graden des Kochens entsprechen. Im letzten Falle ist das Eiweiss poröser und leichter zu imprägniren als das gesottener Eier. Auflösbarkeit von Milchspeisen. Klenze!, welcher die Auflösbarkeit. verschiedener Käsesorten ver- suchte, fand, dass der Rochefort und der Chester am auflösbarsten seien. Ich versuchte, 25 Mal wiederholend, die Auflösbarkeit verschiedener Käse- sorten. Nach Salkowsky? wird das Casein vom Magensaft auch im Ver- hältniss von 1 zu 500 schwer gelöst. Die HCl-Menge hat nicht viel Werth. Die hier angegebene Reihenfolge mit dem am leichtesten auflösbaren Käse beginnend, giebt das Durchschnittsverhältniss an. 1. Fontina, 2. grüner Gorgonzola, 3. Cacio-cavallo, 4. Schweizerkäse, 5. Marzolina (römischer weicher Käse), 6. Parmesankäse, 7. Muzzarella, 8. Holländischer Käse, 9. Stracchino, 10. weisser Gorgonzola, 11. alter römischer Käse, 12. Caciotta von Urbino. Resultat: Aus dieser Zusammenstellung ist ersichtlich: a) dass der Fontina und der grüne Gorgonzola die am auf- lösbarsten Käse seien, der Schafkäse und der Caciotta von Ur- bino hingegen die am meist widerstehenden. Mit dem Schaf- käse stimmt das Resultat mit dem überein, welches ich durch die Versuche auf Hunde erzielte; b) der grüne Gorgonzola ist auflösbarer als der weisse. Ersterer ist zerreiblicher als letzterer, in Folge der abnormen Reifung; c) der Stracchino ist sehr fett, in Folge dessen für den Magensaft unempfänglicher. ! Klenze, Ueber dic Verdaulichkeit des Käses. Allg. med. Centralzeit. 1891. ® Salkowski, Pflüger’s Archiv. Bi. XXXVL Heft 7 u. 8. 60 ÜLAUDIO FERMT: Verhältniss zwischen der Rasse, welcher der Hund angehört, dem Körpergewichte, dem Gewichte des Magens und der Ver- dauungsthätigkeit. Wie man aus den Vergleichen der einzelneii Tabellen ersieht, besteht oft ein Verhältniss zwischen dem Körpergewichte, dem (Gewichte des Magens und der Verdauungsthätigkeit des Thieres; im Allgemeinen steigt die Verdauungsthätigkeit mit der Grösse des Individuums. Ich fand keinen dauernden Unterschied zwischen Rasse und Rasse (natürlich immer Individuen von gleichem Gewichte aussuchend). Der Unterschied, welchem man zwischen verschiedenen Rassen be- gegnet, beruht mehr im Verhältnisse zum (Gewichte des Thieres, als zur Rasse. Um die Frage zu lösen, war es nothwendig, den Individuen von ver- schiedenem Gewichte, dem Gewichte verhältnissmässige Speise zu geben. Angestellte Versuche mit Fleisch, Schafkäse, Schmalz ergaben posi- tive Resultate. Uebrigens verlangte das Verhältniss, welches ohne Zweifel besteht, bedeutend mehr Untersuchungen, um es klar und unwiderlegbar darzustellen. V. Allgemeine Uebersichtstabelle der Magenverdaulichkeit verschiedener Nahrungsmittel. Die Speisen sind in verschiedene Classen eingetheilt und ihrer leichteren oder sechwereren Verdaulichkeit nach geordnet. Fleischarten. Organe. 1. Rindfleisch. 1. Kalbsgehirn, sehr leicht. 2. Hammelfleisch. 2. Kalbsgekröse, bes. gut zerstückelt. 3. Reh. 3. Ochsenhirn. 4. Damhirsch. 4. Kalbsleber. 5. Junge Ziege. ' 5. Kalbslunge. 6. Lamm. 6. Rindsgekröse. 7. Kalb. ' 7. Rinderleber. 8. Hirsch. 8. Gänseleber. 9. Hase (auch nach Penzoldt 9. Schweinsleber. schwer verdaulich). 10. Rückenmark. 10. Junges Pferd. ld Herz. 11. Milchkalb. ' 12. Nieren. 12. Pferd, alt. 13. Kaldaunen. 13. Wildes Schwein. 14. Gekochtes Blut. 14. Schwein, ausgewachsen. 15. Ochsenfett. 15. Wildes Spanferkel. 16. Schweinefett. 16. Gewöhnliches Spanferkel. 17. Aponeurose, Sehnen. ÜBER DIE VERDAULICHKEIT Vögel. — . Vögel mit schwachen Schnäbeln und nicht sehr fett. . Schnepfen. Wachteln. Becassinen. Staar, jung. Huhn. a. Krammetsvogel. . Fasan. . Wilde Taube. . Truthahn. . Taube. . Huhn. 12. Kapaun. 12a. Rebhuhn, alt. 13. Hahn. 14. Sperling. 15. Ente, jung. 16. Truthahn, alt. 17. Ente, alt. 18. Gans, alt. 19., Staar, alt. SAH mwm Amphibien, Frösche und Fische. 1. 2. Frösche. Fische. Fische. Zahnfisch. Forelle. Stör. "| Wolfsbarsch. Ombrine. Scholle. Schellfisch. Harder. Haifisch. i | Rothbart. | "| Karpfen. | Sardinen. | Hecht. | Stint. | . Salmon. | 'mit DER SPEISEN IM MAGEN. 61 Salzhering. Stockfisch in Oel gebraten. Stockfisch in Sauce. Aal, sehr fett. none Weich- und Sehalthiere. ji . Austern, gekochte, leicht ver- daulich auch nach Penzoldt. . Tellmuschel. . Austern, rohe. Krebse. Hummern. Schnecken. . Tintenfisch. . Blackfisch. . Polypen. own mm Verdaulichkeit der Fleische Berücksichtigung deren Zubereitung. 1. Beefsteak oder Bruststück auf dem Roste wenig, aber rasch gebraten. Beefsteak oder Bruststück auf dem Roste bei! langsamem Feuer gebraten. Sehr stark gekochtes Fleisch. Rohes Fleisch. . Wenig gekochtes Fleisch. . Kalbsbraten im Casserol gekocht. . Kalbsbraten im Tiegel gebraten. . Schmorbraten. . In der Pfanne gebackener. [SS mon stark Rauchfleiseh. . Schinken, roh; nach Penzoldt auch schwer verdaulich. . Sehinken, gekocht. Schlackwurst (Mailänder). M von Fabriano. .) Florentiner, römische. Cervelatwurst (Bologna). römische. IV ” ! Nach C. Wegele wäre der Braten kalt genossen verdaulicher. 62 ÜLAUDIO -FERMI: [ Schweinsfüsse. Mehlspeisen. '\Schwarten. 5. Schwartenwurst, römische. 6. Grieben. Reis, gewöhnlich gesotten. Paste, feine - gekocht, u sehr gekocht. - Tapioka, Gries. Conservenfleisch. Kartoffeln, gekochte. E er Sardinen. 9. a. . Thunfisch. S: SR 3. Maccaroni in Butter. 3. Stoekfisch. N Oel 4. Aalraupen. ; ” » VER 5. Bratkartoffeln. 6. Schmorkartoffeln. Eier. | Brod | a) schwarz, 1. Weich gesottene Eier; auch nach | b) weiss. a: - Roggen- Anderen sind | Brod | 5 We , 2. rohe schwerer als weich gesottene, 7. one 3. in Butter, | Brod | 3) el 4. in der Pfanne gebacken, Bro Re ai 5. hart gesotten. Bro er 8. Fleischklösse. Milchspeisen. 9. Klösse. 1. Ziegenmileh. 10. Neapolitanischer Kuchen. 2. Kuhmilch. 3. Schafmileh. Gemüse. 4. Quarkkäse. ei ' 1. Bohnen, frische. 5. Holländischer Käse. a) weisse 6. Gorgonzola, grün. b) an 1. Honfına. 2. Erbsen, frische. = Stracchino. 3. Bohnen, trockene. 9. Ricotta. " 4. Linsen, trockene. 10. Schweizerkäse. 5. Erbsen, trockene. 4. Muzz arella. 6. Bohnen, dicke. 12. Urbinokäse. 7. Kichererbsen. 13. Marzolina. 8. Lupine. 14. Gorgonzola, weiss. 15. Parmesankäse. he 16. Cacio Cavallo. Kıannz 1: 3. 4. . Römischer, sehr reifer Schafkäse. Fette. Oel, roh. (Oel, gekocht. ‘\ Butter. Rinderfett. Schmalz. 5. Speck. Hospanaunpwmwr —. . Kleiner Kürbis. . Spinat. . Kardondistel. Spargel. Lattich. . Artischoken. . Rosenkohl. . Schwämme. . Trüffel. . Atzel. ÜBER DIE VERDAULICHKEIT 12. Tomaten. 13. Kohl. 14. Melanzane. 15. Blumenkohl. 16. Zuckerrübe. 17. Zwiebel. 18. Spanische Pfeffergurken. 19. Gurken. Fleischsuppen. 1. Einfache Rindfleischsuppe. 2. Eingekochte Fleischbrühe. 3. Consomme&. 4. Fleischbrühe mit eingerührtem Ei. 5. Gewürzte Fleischbrühe. 6. Fleischextract in Täfelchen. Suppen, Fette undFleischbrühe. | Pasta in Fleischbrühe. | „ geriebene. 1., Gemüsesuppe mit Fleischbrühe. | Eiersuppe. Griessuppe. Reis und Kohl. 2. Pasta mit Eier. Kräutersuppe. (Mailänder Kräutersuppe. '\Zwiebelsuppe. Trockene fette Speisen. | Dicker Reis & la Milanaise. 1325; „ & la Genovese. Reis mit Bratensauce. Maismehlklösse. 2.1 Eiernudeln. Maccaroni & la Napolitaine. je mit Parmesankäse. 3.1 Weisse Klösse. Klösse mit Eier. Fleischklösse & la Toscane. Feine Fadennudeln & la Bolognese. ]Ravioli & la Florentine. | Gefüllte Maccaroni. Trockene magere Speisen. 1. Fadennudeln mit Sardellensauce. 2. Maismehlkiösse in Butter. o) e8) DER SPEISEN IM MAGEN. 3. Maismehlklösse a la genovese. 4. Klösse ä la lombarda. 5. Grüne Ravioli in Butter. Saucen. Weisse Sauce für Eier. | Senfsauce. 1.2 Tomatensauce. [= salm&e. „ Ppiquante. „ | Sauersüsse Sauce. “|Sauce en chasseur. Salatsauce. : A Knoblauchsauce. Obst. 1. Weintrauben. 2. Birnen, reife. 3. Aepfel. 4. Feigen, frische. 5. Pfirsichen. 6. Pflaumen. 7. Aprikosen. 8. Indische Feigen. 9. Wassermelonen. . Kastanien, gekochte. . Feigen, trockene. . Melonen. . Wallnüsse. Kastanien, geröstet. . Mandeln. Haselnüsse. . Zirbelnüsse. Mispeln. . Sorbäpfel. . Im Allgemeinen ist gekochtes Obst verdaulicher als rohes. (So auch Penzoldt.) Süssigkeiten. . Bisquittorte. Schaumbisguit. Kinderbisquit (Savoiardi). Spanisches Brod. Damentorte. Sieilianische Cassata. Sapwenm 64 ÜLAUDIO FERMT: 7. Blätterteigstengel. Ringbiseuits. Windbeutel. Soupe anglaise. 8.) Gestreute Windbeutel. Reistorte. | Novara-Windbeutel. Saverese. 9. Anisbrod. Choeolater&me. 10. Blätterteig. Bambe americaine. 11. Maccaronen. Sandtorte. Afrikana (Maddalena, Margherite). Fruchttorte. Butterbisquit, Genovaise). Charlotte russe. 12. Eierpunsch. Butterteig. 13. Schlagrahmen mit Waffeln. Fruchtkuchen. 14. Venezianisches Gebäck. Maccaronenkuchen. 15. Mailänder Strudel. Milchklösse. 16. Römischer Strudel. Nomgat. 17. Venezianischer Kuchen. Croequant. Babas. Lebkuchen. 18.) Gugelhoff. Pfefferbrod. 19. Brioches. Sienisches Brod (Pan di Siena). | Sternkuchen. | Römisches Brod (Pangiallo). 20. Brasilienkuchen. | eroma Gefrorenes. ad > R N Haselnusser&me. 1. Citrongefrorenes. „., [ Klanz. 2. Himbeergefrorenes. 22 "\ Plumcache. 3. Johannisbeergefrorenes. 23. Petits fours. 4. Erdbeergefrorenes. 24. Marzipantorte. 5. Cr&megefrorenes. 25. Zirbelnusskuchen. 6. Cascata. 26. Blätterteigtorte. Urema. 27. Marzipantorte. | 7. Chocolatgefrorenes. VI. Saecharification der Stärke. Das Vorhandensein des Stärkespeichelzuckers im Magen des Hundes ist von Brücke!, Ellenberger und Hofmeister? selbst nach der Auf- nahme stärkehaltiger Speisen in Abrede gestellt worden. Croce? und Prager* haben dagegen unter Penzoldt’s Leitung beim Menschen mit der Trommer’schen Probe positive Resultate erhalten und zwar besonders während der ganzen Dauer der Verdauung nach Aufnahme von Kartoffeln in Stücken, Linsen, Erbsen, Tapioka und Schwarzbrod; zu Beginn oder bei halber Verdauung nach Aufnahme von Kartoffeln in Sauce, Reis, Spinat, ! Brücke, Vorlesungen über Physiologie. Wien 1875. 8. 280. ° Ellenberger und Hofmeister, Dies Archiv. 1891. Physiol. Abthlg. S. 212. — Jahrbuch der Physiologie. Bd. XXII. S. 265. ® Croce, Inaug.-Diss. Erlangen 1888. 4 Prager, Jnaug.-Diss. Erlangen 1892. ÜBER DIE VERDAULICHKEIT DER SPEISEN IM MAGEN. 65 Kohlrabi, Cakes, Weissbrod und Schrotbrod. Schwach oder negativ, viel die Reaction aus bei Verabreichung von Blumenkohl und gelben Rüben und stets negativ nach Spargeln, Kohl, Bohnen, Gurken und Radieschen. Prager erhielt stets ein positives Resultat nach Verabreichung von Bisquit, Brod u. s. w. Die Reaction pflegt unbeständig zu sein nach der Aufnahme von Speisen, die weniger als 10.Procent Stärke enthalten. Dagegen ist das Resultat positiv, wenn der Stärkegehalt höher als 20 bis 50 Procent ist. Auf die Ursachen dieses Unterschiedes werden wir eingehen, wenn ich erst die von mir in dieser Hinsicht angestellten Versuche mitgetheilt haben werde. A. Versuche an Hunden. Ohne hier die zahlreichen Tabellen foigen zu lassen, werde ich nur einen allgemeinen Ueberblick über die verschiedenen Versuche geben, deren Zahl etwa 120 beträgt. Das Ergebniss derselben ist folgendes: 1. a) Brod. Von 16 Hunden, welchen Brodkrume verabreicht wurde, fanden sich bei 7 Spuren von Zucker, bei 9 war das Resultat negativ. b) Brodrinde Von 16 Hunden zeigte kein einziger Spuren von Zucker. 2. Kartoffeln. Von 16 Hunden fand ich Spuren bei drei, eine positive Reaction bei drei anderen und eine negative bei zehn. Man beachte, dass die Kartoffeln schon an sich Zucker enthalten können. 3. Mehlspeisen. Von fünf Hunden fand ich Spuren bei einem; bei den anderen war das Resultat negativ. 4. Polenta. Das Resultat war negativ. . Reis. Bei 16 Hunden war das Resultat negatıv. . Bohnen. Bei 12 Hunden war das Resultat negativ. . Erbsen. Bei 9 Hunden war das Resultat negativ. . Dieke Bohnen. Bei 11 Hunden war das Resultat negativ. . Kastanien. Bei 7 Hunden war das Resultat negativ. SO AD Qi Wie sich hieraus leicht ersehen lässt, war fast in sämmtliehen Fällen — d.h. in 112 auf 123 — das Resultat negativ; man kann daraus schliessen, dass im Mund und im Magen des Hundes kein Stärkespeichel- zucker vorhanden ist, d. h. dass weder im Mund noch im Magen eine Zuckerumbildung der Speisen stattfindet. Wie lassen sich nun aber die zwölf positiv ausgefallenen Fälle er- klären? — Sehr wahrscheinlich durch das Vorhandensein von Zucker in Archiv £. A. u. Ph, 1901. Physiol. Abthlg. Suppl. 5) 66 (LAUDIO FERMI: den ingerirten Speisen. Umgekehrt lassen sich die zahlreichen negativen Resultate nicht der inhibirenden Thätigkeit des Magensaftes zuschreiben. Weil mehrere Autoren solche negative Ergebnisse auch beim Menschen erhalten haben, wo die Magensäure nicht über 0-2 Procent übersteigt, während die Menge von HÜl, die die Umbildung der Stärke in Zucker eben nicht mehr verhindern kann, nach Brücke! 0-5 Procent, nach Tigerstedt? 0-75 Procent und nach Oehl nur 1-6 Procent ist. Berücksichtiet man nun die Verdünnungen und die Verbindungen, die im Magen durch die HCI gebildet werden, so müsste auch die starke Säure des Magensaftes beim Hunde — 3 pro Mille — sehr abgeschwächt werden. Hingegen hemmte Milchsäure die Zuckerbildung bei 3 pro Mille eine Menge, die im Magen nicht zu treffen ist. 2. Man kann auch nicht annehmen, dass der kaum gebildete Zucker etwa gleich absorbirt worden sei, wie es vorgeht?, denn wenn man: Zucker ingeriren lässt, ist derselbe immer nachweisbar, da man mit der Feh- ling’schen Lösung selbst ?/,„”® Zucker noch nachweisen kann. 3. Auch kann man nicht, wie Oehl! es will, durch die schnellste Zersetzlichkeit des Speichelstärkezuckers im Vergleich zur Glycose, da dieser Forscher ® bei seinen Versuchen in vitro eine fast aseptische Glycoselösung mit der an Bakterien sehr reichen Speichelstärkezuckerlösung verglich. 4. Man kann nicht, wie Oehl es gethan hat, annehmen, dass im Magen Zucker vorhanden sein muss, auch wenn es nicht möglich ist den- selben zum Vorschein zu bringen, weil im Mund, in der Speiseröhre, im Magenmund (Drüsen von Edelmanns) und im Magen (Tigerstedt‘) zuckerbildende Enzyme vorhanden seien, denn die Speise bleibt beim Hund (z. B. ein Stück Brod) höchstens 10 Secunden, beim Menschen 30 Secunden in der Mundhöhle, geht dann in 1 bis 2 Secunden durch die Speiseröhre und kommt so in den Magen, ganz abgesehen davon, dass das Vorhanden- sein von diastatischen Enzymen in der Speiseröhre, im Mageneingang und im Magen selbst durchaus noch nicht festgestellt ist. ' Brücke, Vorlesungen über Physiologie. Wien 1875. 8. 280. ® Tigerstedt, Physiologie. Leipzig 1897. Bd.I. S. 222. ® Der Zucker, das Pepton und andere im Wasser aufgelöste Stoffe werden schneller als das Wasser selbst absorbirt. (Mering, Verhandl. des XII. Congr. f. inn. Med. Wiesbaden 1893. — Penzoldt, Deutsches Archiv f. klin. Med. Bd. LIII.) * Vehl, Archiv für Biologie. 1899. Bd. XXXII. Heft 1. ° Musculus und Mering (Zeitschr. für phys. Chemie. 1879. Bd. IH. S. 403) fanden, dass der Speichelstärkezucker keine Glykose ist, sondern 70 Procent Maltose enthält. ° Tigerstedt, a.a. ©. 8. 274. am ÜBER DIE VERDAULICHKEIT DER SPEISEN IM MAGen. 67 5. Andererseits giebt die leichter in Zucker übergehende Stärke, nach Gierson! die der Kartoffel ebenso wie die der Tapioka und des Arrowroot nach Solera? die blaue Reaction noch nach 19 Minuten, die des Hafers und des Kornes noch nach 80 Minuten, die des Reis noch nach 2 Stunden und die des Mais gar nach 20 Stunden, wobei doch noch in Betracht zu ziehen ist, dass nach Gierson’s und Solera’s Beobachtung bei den Ex- perimenten in vitro die Berührung des Speichels mit der Stärke ein viel innigeres ist und die Verhältnisse viel günstiger liegen als sie je im Munde sein können. Wie lassen sich nun die positiven Resultate erklären, welche die Schüler Penzoldt’s in ihren Experimenten beim Menschen und Cannon? bei weissen Ratten erhalten haben? Dadurch, dass wir das Vorhandensein von Zucker in den genossenen Speisen annehmen, oder vielmehr dadurch, dass die zuckerbildende Kraft des menschlichen Speichels eine viel energischere ist als die beim Hunde. Wir wissen in dieser Beziehung, dass die Thiere, welche sich gewöhn- lieh von stärkereichen Stoffen nähren, viel activere Speichelsecrete haben als jene, welche sich von stärkearmen oder ganz stärkefreien ernähren. Zu den Thieren, deren Speichel stärkezuckerbildende Kraft besitzen, gehören besonders viele Nagethiere, wie z. B. die Ratte (Cannon), die Maus, das Meerschweinchen und das Kaninchen (Schiff), wenn auch letzteres in geringerem Grade, sowie auch verschiedene Omnivoren, z. B. der Mensch, das Schwein u. s. w., während der Speichel vieler Carnivoren fast ganz ohne zuckerbildende Kraft ist, z. B. der des Hundes (Hoppe-Seylier*), ebenso wie der vieler Fische und verschiedener Herbivoren, z. B. des Pferdes (Roux), des Ochsen, des Schafes und der Ziege. (Siehe hierüber auch bei Astaschewsky°). Dasselbe gilt für das Secret der Gekrösedrüsen, welches bei den Carnivoren mehr Trypsin als zuckerbildende Diastase enthält. Beim Löwen, dem Leoparden und der Rhea amer. soll dasselbe nach Harris und Gow‘® gar keine diastatische Kraft haben; beim Felix serval, dem Felix pardalis, dem Canis dingo, dem Puma, dem Pferd und dem Schaf soll sie nur sehr schwach sein. 1 Gierson, Jahresber. der T’hierchemie. Bd. XXI. S. 244. — Pharmac. Journ. and Transactions. Vol. XXIII. p. 187. ? Solera, Indugini comparative sulla trasformazione degli amidacei ete. Ca- tania 1890. » Cannon, American Journ. of phys. 1888. * Hoppe-Seyler, Phys. Chemie. Berlin 1878. Theil Il. 8.185. 5 Astaschewsky, Centralblatt für med. Wissensch. 1877. S. 30. * Harris and Gow, Journ. of physiol. Vol. XIH. p. 469—492. 5* 68 ÜLAUDIO FERMI: Die Bedeutung der Speichelausscheidung, welche alle anderen Secrete ! an Menge übertrifft, ist bei den Omnivoren und Nagethieren hauptsächlich eine mechanische, bei den Carnivoren und den Herbivoren eine ausschliess- lich mechanische. Hunde, denen die Speicheldrüsen herausgenommen wurden, litten nur etwas an Durst (Fehr, Schäfer und B. Moore’). Thiere, welche der mechanischen Thätigkeit des Speichels nicht bedürfen, weil sie sich ge- wöhnlich von sehr wasserreichem Futter nähren, wie z. B. die Robben und die Cetaceen, haben nur unausgebildete Speicheldrüsen. Anhang. Ich will hier einige Versuche über die Zuckerumbildung der Stärke im Munde unter verschiedenen Verhältnissen, welche ich gemeinsam mit Student Repetto* gemacht habe, erwähnen. Wir untersuchten die zucker- bildende Wirkung des Speichels auf Reisstärke, indem wir dieselbe ent- weder 3 bis 4 Minuten -lang kauen liessen, oder indem wir die Speichel- stärkemischung 5 bis 10 Minuten lang in vitro auf 37° erwärmten. Die Ergebnisse waren folgende: I. Säugethiere. 1. Omnivoren. Positives Resultat erhielten wir beim Menschen, beim Schwein und bei der Ratte. 2. Fleischfresser. Negatives Resultat gaben Hund und Katze. 3. Pflanzenfresser. Positives Resultat: Kaninchen. Negatives: Schaf. I. Vögel. 1. Fleischfresser. Negatives Resultat: Falke, Nachteule (Strixotus). 2. Körnerfresser. Positives Resultat: Huhn. III. Amphibien und Reptilien. Negatives Resultat: Kröte, Wasserschlange. ‘ Ein Mensch kann z. B. in 1 Tage bis 1500 ®"= Speichel geben (Bidder und C. Sehmidt. Mitau und Leipzig 1852. 8.13), und 1:’” Drüse kann während der Mastieation bis zu 13” Speichel in der Stunde geben (Tuczek, Zeitschr. f. Biologie. Bd. XII. S. 534). Beim Pferde übersteigt während der Mastication trockenen Futters (Heu) die Menge des Speichels 3 Mal die Menge des gekauten Futters (Lassaigne u. Magendie und Bayer). ® Fehr, Inaug.-Diss. Giessen 1862. ° A.Schäfer and B. Moore, Journ. of Phys. 1895. Vol. XIX. * C.Fermi e Repetto, Relazione tra il regime alimentare e la saccarificazione dell’ amido. Gazzetta degli ospedali. 1900. 8. Juli. ÜBER DIE VERDAULICHKEIT DER SPEISEN IM MAGEN. 69 Wirkung einiger physikalischer und chemischer Agentien auf die Umbildung der Stärke in Zucker. Die Ergebnisse waren folgende: 1. Die Umbildung der Stärke in Zucker kommt noch zu Stande, wenn man den Reis fast in der siedenden Temperatur kaut. 2. Stärke in Fett (Butter, Oel) lange gekocht, wird noch in Zucker umgewandelt. 3. Gekochter Reis, während 10 Minuten der Wirkung einiger Agentien unterworfen und dann gekaut, gab positives Resultat bei concentrirtem Alkohol, Essig, concentrirter NaCl-Lösung und negatives Resultat bei con- centrirter Essigsäure, Gerbsäure und kohlensaurer Natronlösung. Auch nach lange fortgesetztem Kauen, wie z. B. zu Ende des Mittag- essens oder nach einer Stunde langem experimentellen Vermengen der Stärke mit Speichel findet noch Umbildung von Stärke in Zucker statt. VII. Geschwindigkeit der Ausleerung des Magens beim Menschen und bei den Thieren. Es ist wenig in dieser Hinsicht bekannt. Die wenigen Anhaltspunkte, die hierfür aus Versuchen an Menschen und an Hunden festgestellt werden konnten, sind sehr verschieden. Im Allgemeinen können wir als gewiss annehmen, dass die Ausleerung des menschlichen Magens viel schneller vor sich geht, als die des Hundemagens, wie aus den von mir angestellten Versuchen hervorgeht. Mit dem Magen des Schweines verhält es sich un- gefähr wie mit dem des Menschen. In Bezug auf die Reihenfolge können wir folgende Ordnung aufstellen: der Mensch, das Schwein, der Hund. Während in der That der Magen des Menschen sich im besten Falle nach ungefähr 1!/, Stunden und längstens nach 6 Stunden, im Durchschnitt nach 31/, Stunden entleert (Beaumont, C. v. Noorden, Braune, Jaworski, Gluzinski, Munk, Roux, Richet, Penzoldt u. s. w.), schwankt die Zeit der Entleerung bei den Hunden dagegen zwischen 15 bis 17 Stunden (0. Schowmov-Simanowsky), 15 Stunden (Schmidt- Mülheim), 16 bis 24 Stunden (Heidenhain), 6 bis 15 Stunden, voraus- gesetzt, dass die Speisen nicht aus Sehnen oder Schwarten bestehen, da diese Substanzen auch 3 bis 5 und mehr Tage sich im Magen aufhalten können. Bei dem Schweine hingegen schwankt die Zeit der Entleerung zwischen 4 bis 8 Stunden, wenn es sich um Fleisch oder andere verdauliche Speisen handelt, während bei Gemüsen die Ausleerung sich erst nach 10 Stunden vollzieht; bei dicken Bohnen sogar erst nach 24 Stunden und mehr, 70 ÜLAUDIO FERMT: Der Mensch und das Schwein stehen sich in dieser Hinsicht am nächsten. Da beide Omnivoren sind und sich von Speisen nähren, die eher vom Darm als vom Magen verdaut werden, gehen die Speisen viel schneller in das Duodenum über, als bei den Carnivoren, bei welchen die Magenverdauung von grösserer Wichtigkeit ist. Die grossen und seltenen Mahlzeiten der Carnivoren werden nicht ohne Bedeutung für diesen Unter- schied sein. VIII. Einfluss der Quantität der Speisen auf die Dauer der Verdauung. Welches ist die Dauer der Verdauung sehr kleiner Quantitäten von Speisen, z. B. eines Stückchen Fleisches oder Brodes, und umgekehrt, wie viel Zeit bedarf eine übermässige Mahlzeit? In dieser Beziehung weiss man nur sehr wenig. Es ist nur bekannt, dass der Magen sich bis zu ?/, seines Volumens anfüllt, und dass er dann weiter hinzukommende Speisen unverändert in den Darm übergehen lässt. Penzoldt fand, dass 6 Portionen mehr Fleisch nur 3 Mal mehr Zeit brauchen, um den Magen zu verlassen, 4 Mal mehr Bisquitmenge nur 2 Mal mehr Zeit, und 5 Mal mehr Flüssigkeitsmenge ebenfalls nur 2 Mal mehr Zeit. In den folgenden Tabellen gebe ich die Resultate einiger von mir in dieser Beziehung angestellten Versuche an, welch letztere noch fortgesetzt werden. art Gewicht Körper- | Gewicht en des ge- te des leeren) ZWISCHEN | (,ockneten | Acidität Hunderasse ewicht Körper- Bemerkungen an = Magens un an Magen- | in ccm 5 in kg in grm wicht inhaltes 5 in grm _ Gekochtes Fleisch mit Schmalz, Schafkäse und Kartoffeln zubereitet. Pro Hund 66" = 50: trockene Substanz. Terriers "malol/, Cal 7123 | 85 | 12 | 30 ' 1 Ration Jagdhund (Bast.) 11 | .140 78 | 11 | 28 | B Bastard 08252. 220 193 | ıs3 | 25 | 385 .| 2 Rationen Hofhund | 301), | 272 12 | 53 | 62-5 | u | | Brodrinde mit Pferdefleisch, Schmalz und Schafkäse. Pro Hund 75 sm = 508m trockene Substanz. Spitzhund 13%; 76 19% | 12 18-5 | 1 Ration Jagdhund 19 167 116 | 6 13 /M) » Spitzhund 10 49 204 25 34 _2°Rationen Hofhund 241), 205 107 56 So, > ÜBER DIE VERDAULICHKEIT DER SPEISEN IM MAGEN 71 BREI..." Gowicht Ira : Verhältni Körper- | Gewicht chen | des ge- ER : (les leeren |trockneten | Acidität St Bemerkungen Hunderasse gewicht Körper- = Magen Masern er mn und Magen- een, in com = S gewicht | in grın Gelbe Erbsen mit gehacktem Pferdefleisch gekocht. Pro Hund 355m = 65 8" trockene Substanz. Terriers (Bastard) 10 | 99 101 | 23 36-5 | 1 Ration Hofhund 12, El t509 121 | 61 50, 2 Rationen Schmalz. Pro Hund 50 sm = 50sm trockene Substanz. Pudelhund I 137 124 | 31 | 5 | 1 Ration Hofhund 21%, 340 63 | 45 ı 10 |. 2 Rationen Brod. Pro Hund 1008" = 50:8" trockene Substanz. Hofhund Te (9 5 7-7 | 1 Ration Jagdhund 180), 5.118. © 15255 27 18 2 Rationen | | Brodrinde mit Schmalz und Schafkäse. Pro Hund 111sm = 508m trockene Substanz. Terriers IMs age blos 10 | 26 | 1 Ration F I. 17a :|. 185 | 129 | 54 | 33 | 2 Rationen bBrodkrume mit Schmalz und Schafkäse. Pro Hund 138 =m = 505: trockene Substanz. Spitzuund | 41, IE 6 18-7 | 1 Ration Spitzhund (Bast.) 2... 28 ROTER: es f Hofbund | 3, | 6 57 31 42-5 | 2 Rationen Spitzkund 4 27 148 46 30-5 | " Man beachte indessen Folgendes: 1. Bei Verabreichung von doppelten Portionen (Brod, Schmalz, Fleisch, Gemüse) blieb nach 6 Stunden .in 3 Fällen ein doppelt so grosser Rückstand; in einem Falle hingegen war derselbe 3 Mal so gross, in zweien 4fach, in dreien dfach, in einem 6fach, in einem anderen 8fach und in einem sogar 9fach, während man dagegen in einem Falle nur !/, der verabreichten Quantität vorfand. 2. Die Quantität des Mageninhaltes derjenigen Hunde, welche eine 6- bis 10fache Portion erhalten hatten, war ver- hältnissmässig geringer, ungefähr nur 3 bis 6 Mal grösser, als Jene der unter Beobachtung stehenden Hunde, welche einfache Ration erhalten hatten. Bei Untersuchung des Dünndarm- inhaltes bemerkte ich im Siebe einen starken Rückstand, welcher -1 ID ÜLAUDIO FERMI: oft aus kleinen, fast unveränderten Fleischstückcehen bestand, Ein fast gleiches Resultat erhielt ich auch, wenn die Hunde 2 Stunden nach der Einführung getödtet wurden. Aus diesen zwei Thatsachen kann man schliessen, dass in der That ein Theil der in übermässiger Quantität eingeführten Speisen fast unverändert und sehr schnell durchgeht. Auch Ellenberger und Hofmeister! bemerkten, wie nach reich- haltigen Mahlzeiten der Verlust des ingerirten Albumins stieg. J. Ranke? fand ebenfalls, dass 1800 =” auf einmal ingerirtes Fleisch 12 Procent trockene Substanz gaben, während dieselbe Quantität, in drei verschiedenen Mahlzeiten innerhalb 4 bis 6 Stunden verabreicht, nur einen Verlust von 5 Procent ergaben. Wenn die Masse der Speise das Gewicht von 3000 "= oder auch nur 2500 2” übersteigt, so ist dieselbe schon viel zu gross für den Menschen, während 1400 =” noch nicht zur Sättigung hinreichen, oder es müsste sich etwa um Eier handeln, von denen 240 bis 290°" = 5 bis 6 Eier hin- reichen, das Gefühl der Sättigung zu bewirken, was ja auch bei vielen anderen Speisen stattfindet, welche keine solche Nährkraft wie die Eier besitzen, z. B. Fette, Süssigkeiten u. s. w. IX. Einfluss der Qualität der Nährstoffe, besonders der Fette, auf die Ausscheidung von Salzsäure. Ueber den Einfluss der Natur der Nährstoffe im Allgemeinen, sowie über die Ausscheidung der Salzsäure, weiss man nicht viel. Viel mehr hat man die Wirksamkeit des Kochsalzes und der Gewürze studirt. So sahen z. B. Masanori Ogäta® und Reiehmann* durch Chlor- natrium eine Beschleunigung der Verdauung erfolgen; Stutzer besonders dann, wenn schon Mangel in der Ausscheidung des HCl vorhanden war, während ein Uebergewicht dieser Salze nach Pfeiffer’, Leresche® und Dastre’ eine inhibirende Wirkung ausübt. ! Ellenberger und Hofmeister, Arch. f. wiss. u. prakt. Thierheilk. Bd. VII. S. 395. ® J.Ranke, Die Ernährung des Menschen. München 1876. S. 309. ® Masanori Ogäta, Jahrbuch der Thierchemie. Bd. XV. 8.274. — Archiv für Hygiene. Bd. III. S. 204—215. * Reichmann, Jahrbuch der Thierchemie. Bd. XVII. S. 237. — Archiv für experimentelle Pathologie und Pharmakologie. Bd. XXIV. 8.78 u. 84. 5 E. Pfeiffer, Mittheil. der amtl. Lebensmittel. Wiesladen 1883—84. ® Leresche, Rev. med. de la Suisse romande. 1884. p. 591. " Dastre, Soc. biol. Paris. ÜBER DIE VERDAULICHKEIT DER SPEISEN IM MAGEN. 1 Tschelzow!, Kretschy”’ u. A. studirten die Wirksamkeit des Pfeffers, des Senfes, des Knoblauchs u. s. w. Man weiss über die anregende oder inhibirende Wirkung der wirk- lichen und eigentlichen Speisen, wie bei der Ernährung durch Kohlen- hydrate nur, dass man zu Beginn Milchsäure anstatt HCI erhält, sowie eine Mischung dieser beiden Säuren in der zweiten Periode der Verdauung und HCl erst in der dritten Periode (Ellenberger?’, Reichmann®, Penzoldt° u. s. w.); ferner, dass man bei Fleischkost nur immer HCl findet (S. Rothschild®, Cohn und V. Mering’, Jaworski und Glu- zinski°), während die Fette die Ausscheidung der HCl hindern. Nach Ewald-Boos” findet man bei Speckingestion wenig HCl und wenig Pepsin im Maeen, hingegen eine grosse Menge Milchsäure. V.Lobassow fand, dass von 18 Thieren, welche Oel genossen hatten, 16 keine Spuren von HCl im Magen aufwiesen und 12 waren ohne Pepsin. So Kakimow und Peretz. Die Fette würden dagegen die Pankreas- secretion befördern (Damaskin!"). Die Nordländer (Lappen, Eskimos u. s. w.) essen im Vergleich zu den Bewohnern warmer Länder viel mehr Fett. In der That geht bei der grossen Hitze die Magenausscheidung schwerer vor sich (Wilischanin !!), daher würde der Gebrauch des Fettes unmög- lich sein. Könnte das Gefühl der Sättigung, welches das Fett verursacht, nicht theilweise im Verhältniss auf die hemmende Wirkung, die dasselbe auf die HCl-Absonderung ausübt, zurückgeführt werden ? 1 Tschelzow, Jahrb. d. T'hierchemie. Bd. XVI. 8. 265. — Klin. Wochenblatt. 1886. 8. 321. ? Kretschy, Jahrbuch der T’hierchemie. Bd. VII. S. 175. — Deutsches Archiv für klin. Med.. Bd. XVII. S. 577. 3 Ellenberger und Hofmeister, Arch. f. wiss. u. prakt. Thierheilk. Bd. VIU. S. 395. * Reichmann, Jahrbuch der Thierchemie. Bd. XV. 8.286. — Gazeta la Karska. 1887. Nr. 51. 5 Penzoldt, a.a. O. 6° 8. Rothschild, /naug.- Diss. Strassburg 1886. ” A. Cohn und J. von Mering, Deutsches Archiv für klin. Medicin. 1886. IEAERTEX TREE S 233: 3 Jaworski und Gluzinski, Jahrbuch der T’hierchemie. Bd. XVI. 8. 254. — Zeitschrift für klin. Med. Bd. XI. 8.50, 98, 244, 400. 9% Ewald und Boos, Virchow’s Archiv. Bd. CI. 8. 325. 10 Damaskin, Archiv des Vereins russischer Aerzte zu St. Petersburg. 1896. 1ı Wilischanin, Berliner klinische Wochenschrift. 1887. Nr. 16 und 17 S. 300. 74 ÜLAUDIO FERMT: Eigene Versuche. A. In erster Linie studirte ich vier Fettarten, drei thierischen Ur- sprungs: Butter, Schmalz und Speck, sowie eine vegetabilischen Ursprungs: Olivenöl. Die Versuche wurden wie gewöhnlich angestellt. Eine gewisse Quantität dieser vier Nährstoffe wurde an 10 bis 14 Hunde verabreicht, welche dann nach einer bestimmten Anzahl von Stunden (2 bis 6 bis 8) getödtet wurden und zugleich mit den anderen Bestimmungen wurde auch die der Salzsäure vorgenommen. Als Gegenversuch dienten zahlreiche mit allen anderen Speisen unternommene Versuche. B. In einer zweiten Serie gab ich drei Hunden eine der 4 Fettarten, drei anderen Fleisch und weiteren dreien Käse. C. In einer dritten Reihe endlich gab ich den Hunden das Fett vereint mit Fleisch der anderen Nährstoffe, um sowohl den Einfluss des Fettes auf die Verdauung dieses Nährstoffes, als um die Wirkung der beiden Nährsubstanzen der einen als stimulirenden (Fleisch), der anderen als inhibirenden (Fett) auf die Ausscheidung von Salzsäure zu untersuchen. Folgende 6 Tabellen geben die Resultate. Einfluss der Fette auf die Ausscheidung der Säure. Gewicht Verhältnis Gewicht d. | on | ; | ‘on Zwischen | getrocknet. Acidität Hunderasse | gewicht | ar | Körper: Meran. fe Be | inukg &\0 sn in und Magen-| inhaltes In ccm | | ‚gewicht _ ingrm | Gekochtes Piefuellsiteh und Schmalz. 50" trockene kn Spitzhund 3 | 44 bas| 18 — | — Spitzhund (Bast.) 4 | Bas 70 10 — — 55 ss 5 | 52 | 96 | 11 — | — Terriers 5 69 | ar) 13 | - _- Spitzhund (Bast.) 5 43 116° | 15 — — ss * 5 | 58 | 36 31 | 2 Ih — 5 . R 79 88 En = = Jagdhund 10 | 140 78 i4: |.” ee Terriers 12 | 168 71 13% _ te ! In allen Versuchen Kestanll der Inhalt fast ausschliesslich aus Schmalz. Schmalz. 50s® und 102m Fleisch. Spitzhund 5 60 83 33 neutral | — Terriers hal, 65 84 | 17 „ x 13 7a usa 22 # N Jagdhund 181, 162 A 1 23 E — “ 22 I.) 26 BSR I 1 720 3 - Schäferhund 9545 | 185 139 20 10 _ Jagdhund 26 300 86 18 neutral = Schäferhund 30 195 169 15 5 — ÜBER DIE VERDAULICHKEIT DER SPEISEN IM MAcGen. | “1... | ‚Gewicht \ Körper- | Gewicht alien des ge- El | & des leeren | ZWISCHEN | („ockneten | Aecidität Hunderasse | gewicht M Körper- \ Zucker a7: Magens | nd Magen- Magen- in cem in kg in grm Seoht inhaltes | 5 in grm Schmalz mit Pfeffer und Salz. 508m = 50sm trockene Substanz. Terriers | 2 39 51 5 Spitzhund 2 33 60-6 | 14 Terriers | 2 | 32 62 2 Spitzhund | 21, n — 5 ss I 40 112 6 » geh 61 713 & ® I 76 14 Bastard N 150 110 4 Jagdhund |... 20 107 186 ti 55 | 24, | 225 103°, 2 Pferdefleisch, trocken gehackt und Oel. Die ersten beiden Hunde erhielten ausser dem Fleisch 20 em Oel. 503m — 508m trockene Substanz. Terriers | 6 | 26 | 250 29 > 7 | a I) N 46 5 8 | Bba loan 1.148 Jagdhund 153, 7.186... 83 24 Pecorino (Schafkäse) und Speck. Die ersten 3 Hunde erhielten 25 =” Pecorino, die anderen 25 8" Speck. Jagdhund 16 130 123 _ Spitzhund 8 54 128 — H 10%, 61 172 a > 6 82 13 _ » 64, 40 162 — Pferdefleisch, gekocht und Schmalz. 13 12°5 28-5 27-5 65 Die ersten 5 Hunde bekamen Fleisch, die anderen Schmalz. Hofhund I 9 dl. en. 24 Teries | 10%, | 6 161 45 Jagdhund | 13%, 114 118 36 Spitzkund 2 1,129 68: 14,30 Terriers . ||. 21, | 29 86. 1, 12 Spitzhund 11 79 139 102.131 » 12 | 89 133 | 6 Jagdhund | 16 os 105 2.43 Hofhund 25, 189° 190.140... 100228 08 Terriers 14 | I in 13 | 1625 22 12 10 76 ÜLAUDIO FERMI: Aus den Tabellen ergiebt sich: 1. Dass die Fette, wie Butter, Schmalz und Oel, allein verabreicht, die Ausscheidung von HCl vollständig aufhalten. Die Fette könnten daher gegen die Hyperacidität nützlich sein; 2. dass die Gegenwart von Gewürzen (Pfeffer) und von NaCl nicht einmal hinreicht, die inhibirende Action des Fettes andersartiger Substanzen (Papier, Werg) zu überwinden. 3. dass im Gegentheil das Vorhandensein von Knochen, Fleisch oder anderen Nährstoffen die inhibirende Wirkung des Fettes theilweise über- windet, indem dabei eine schwache Ausscheidung stattfindet. Wie man in einer der Tabellen sieht, findet die Säureausscheidung noch statt, wenn man 208" Oel zu 50" trockenem Fleische bis zur Hälfte beifügt. Die sehr approximative absteigende Reihenfolge, nach welcher die ver- schiedenen studirten Nährstoffe die Ausscheidung der Salzsäure stimuliren würden, ist folgende: 1. Römischer Schafkäse, 2. frische Bohnen und gelabte Milch, 3. Bohnen, Wicken und Knochen, 4. Fleisch, Brod !, Mehlspeisen, 5. Po- lenta aus Maismehl, 6. Fette.? Ich bemerke endlich, dass die Quantität von HCl von 4 bis 8 Stunden in directem Verhältniss steht zur Quantität der übrig gebliebenen Speisen im Magen. Je grösser der Inhalt ist, um so grösser ist auch die Säure- menge.’ Penzoldt will gefunden haben, dass je länger eine Speise im Magen verbleibt, um so mehr die Ausscheidung des HCl verspätet wird. In Folge dessen würde die Ausscheidung bei Ingestion von Wasser schneller vor sich gehen als bei Milch u. s. w. Deshalb möchte er in dieser Beziehung keinen teleologischen Zusammenhang anerkennen. Ich kann nur sagen, dass bei schwer verdaulichen Speisen die HCI- Menge öfters grösser war als bei leicht verdaulichen; grösser bei Käse Bohnen, Ricotta, Linsen und Knochen als bei Fleisch, Brod, Polenta. Nur Fett machte eine Ausnahme, indem es eine ausgesprochene in- hibirende Wirkung für HÜl entfaltete.e Wenn nun nach flüssigen Speisen die HCl-Absonderung früher stattfindet, müssen wir das durch die raschere Wirkung in Folge der leichteren Absorption derselben durch die Magen- ! Die Brodrinde reizt chemischer und mechanischer Weise mehr als die Krume. : Die die Darmperistaltik reizenden Fette reizen gewöhnlich nicht die Magen- peristaltik, wie nicht alle Agentien, welche den Magentonus steigern, eine Darm- peristaltik hervorrufen. ® Nach Leresche (Rev. med. de la Suisse romande. 1884) und nach Schwanen- berger (Virch.-Hirsch, Jahresb. 1884. Bd. I. S. 133) würde eine zu grosse NaCl- Menge inhibirend auf die HCl-Seeretion wirken. | ÜBER DIE VERDAULICHKEIT DER SPEISEN IM MAGEN. schleimhaut erklären. Was nicht verständlich ist, ist, dass Pepton und Zuckerlösung, die leichter resorbirbar und wirksamer auf die Magensecretion sind, nach Penzoldt doch weniger stimulirend sind als Wasser. Wenn im Allgemeinen Flüssigkeiten eine raschere, feste Speisen eine andauerndere HCl-Absonderung verursachen, so erklärt man dies eben in der Weise, dass flüssige durch die leichte Absorption schneller und für kürzere Dauer, feste Speisen langsamer aber dauerhafter wirken! X. Einfluss der Ingestion grosser Quantitäten von Flüssigkeiten auf die Verdauung der Speisen, feuchte und trockene Diät. Jedermann wird an sich selbst wahrgenommen haben, dass die Ingestion grosser Quantitäten von Flüssigkeiten (Wasser, Fleischbrühe) vor oder nach der Mahlzeit oft die Verdauung erschwert. Schon Fleischer beobachtete, dass, während 1/, Liter Wasser keinen Einfluss auf die Verdauung hat, 1!/, Liter dieselbe bedeutend verzögert.! Grosse Mengen Wasser sind auch nach Giggelberger schädlich.? Um diese Frage in endgültiger Weise zu lösen, nahm ich folgende Versuche vor: A. Ich nahm 10 Hunde, verabreichte ihnen die gleiche Quantität rohes Pferdefleisch (185 sm — 508m trockene Substanz), mit dem Unter- schiede, dass ich es 5 Hunden mit einer grossen Quantität Wasser etwas schmackhafter, den anderen 5 aber trocken gab. B. (2. Versuch). Ich gab 10 Hunden dieselbe Quantität Fleisch wie oben, 5 derselben erhielten nichts weiter, den anderen 5 gab ich nach der Mahlzeit eine grosse Quantität verdünnter Fleischbrühe. | Gesicht Verhältniss Gewicht ı Körper- : des ge- zwischen Aecidität Hunderasse gewicht ne Körper- a H Zucker 4 - | in ccm in kg in grm "ron inhaltes 5 in grm Pferdefleisch, roh (185 Bu 50 Bm Ber Substanz) mit 1000 com Wasser gemengt. Terriers | 4 43 93 14 _ — Spitzkund 41, 46 97 10 — — s | 55 90 11 - = Pudehund | 7 70 100 12 a1 = Spitzhund | u; 75 100 298 _ —_ 56 ! Fleiseher, Berliner klinische Wochenschrift. 1892. ? Giggelberger, a.a.0©. Bd. XVIIL 8. 169. 78 ÜLAUDIO FERMI: Gewicht | | Körper- | Gewicht Verhältnis des ge- | > des leeren zwischen trockneten | Acidität Hunderasse | gewicht Körper- f Zucker | Magens Magen- in eem u a F und Magen-| . Hs | ın kg In grm ERBE inhaltes | = in grm Pferdefleisch, roh (185 8" — 50 8" trockene Substanz) ohne Wasserzusatz. Terriers 34, 41 85 12 | _ — Spitzhund | 4 | 47 | 85 9 . — Spitzhund (Bast.) | 6 62 | 96 | 10 — | — Spitzhund | 6 59 101 8 En - Hofhund INETR2 97 123 | 10 — —: | | | 49 Pferdefleisch, roh (185 &" — 508" trockene Substanz), gleich darnach 800 «= Bouillon. Spitzhund 4 | 45 | SSH 15 | — — Spitzhund (Bast.) 4 | 48 SEE 12 BE Ne: Spitzhund 5 59. | ...84 1,11 510),> | VER Terriers 64/5 60 108 9 | — | = 4 7 65 107 a -- | I Fo | Pferdefleisch, roh (185 8" — 50°" trockene Substanz) ohne Bouillon. Spitzhund | ER 40 Sl 11 - a Terriers | 4 45 88 | 12 — | —_ £ lin IL, ars | 10 - |. Pudelhund Ik ın Sl, 165 113 9 in Hofhund IK! 168 | 129 | 8 — — | | 50 Resultat. Wie man aus der vorhergehenden Tabelle ersieht, war der Unterschied, wenn auch nicht sehr gross, so doch gleich und hinreichend, um zu beweisen, dass eine übermässige Quan- tität von Flüssigkeiten geeignet ist, die Verdauung der Speisen zu schwächen. Dieses erklärt sich leicht a) durch die grosse Verdünnung der Ver- dauungssäfte, b) durch die stärkere Durchtränkung der Speisen durch die Flüssigkeit, was die Durchtränkung durch die Verdauungssäfte vermindert, c) durch die abgeschwächte Reizwirkung der Speisen auf die Magensecretion und Magenmbotilität, sei es in Folge der Verdünnung der verschiedenen reizenden Stoffe (Salze, Essenzen, Extractivstoffe), sei es durch die leichte Absorption derselben durch die Verdünnung, Absorption, die leichter als die des Wassers selbst erfolgt. ÜBER DIE VERDAULICHKEIT DER SPEISEN IM MAGEN. 79 Die Ernährung mittels wasserreicher Speisen, z. B. Suppe, schwächt die Reizbarkeit des Magens; man empfindet ein Gefühl des Ekels. Dieses ist besonders der Fall bei denen, die eine sitzende Lebensweise führen oder in geschiossenen Räumen leben müssen, z. B. die Sträflinge in den Gefäng- nissen. Solche können eine derartige Kost nicht lange ertragen, da sich sehr bald eine stark ausgesprochene Magenatonie einstellt. Deshalb sollte man in Bezug auf die Hygiene folgende Regeln be- obachten: 1. Nur nach der Mahlzeit trinken und auch nur dann, wenn man wirklich das Bedürfniss fühlt. 2. Sich vor dem scheinbaren unlöschbaren Durst, welcher ein Anzeichen von Magenbeschwerden ist, hüten. 3. Da es schwer fällt, nicht zu trinken, wenn während der : Mahlzeit Getränke auf dem Tische stehen, wäre es rathsam, während der Mahlzeiten dieselben entfernt zu halten. 4. Zu rathen wäre dagegen, 300 bis 450m Fleischbrühe vor der Mahlzeit zu nehmen, weil diese die Magenthätigkeit in Folge der Salze und Extractivstoffe reizt.! Selterwasser regt vermöge der CO, die Magensecretion an und ist ebenfalls in kleinen Mengen anzurathen.? XI. Einfluss der Ermüdung vor und nach der Mahlzeit auf die Magenverdauung. Es ist allgemein bekannt, dass physische Ermüdung nach der Mahl- zeit wie auch eine anstrengende geistige Beschäftigung, ferner physischer Schmerz (Mantegazza), heftige Gemüthsbewegungen die Verdauung er- schweren können. Coctioni magis conducere quietem, sagt Hypocrates. Post coenam stabis vel mille passus meabis, lehrte die Salernitanische Schule, und im Jahre 1691 schrieb Virideti:” „Eadem causa male digerunt, qui post pastum motibus violentis indulgent“, und noch weiter „ingesta enim adhuc semicocta, succussationibus illis ad intestina devoluntur.“ Villain Louis liess von zwei Hunden, nachdem sie beide gefressen hatten, den einen einige Zeit lang herumlaufen, während er den andern ! Kosminickh, Wratsch. Bd. X. 8. 94. 2 L. Wolff, Zeitschrift für klinische Medicin. Bd. XIV. 8.3. ®> Johannis Virideti, Traefatus novus medico-physicus de prima coctione pre- cipueque de ventriculi fermento. Genevae 1691. p. 313. * Villain Louis, Rapport de la gimnastique avec l’education physique e morale. Paris 1849. s0 ÜLAUDIO FERMI: in Ruhe hielt; als er die beiden T'hiere tödtete, fand er, dass die Speisen im Magen des letzteren schon verdaut waren, während sie im Magen des Hundes, den er hatte laufen lassen, noch fast intact waren. An directen Experimenten in dieser Beziehung mangelt es; sie sind meist auf die Ermüdung nach der Mahlzeit gerichtet. Von den wenigen Autoren, welche diese Frage behandelt haben, stimmt die Mehrzahl überein in der Annahme, dass die Strapazen die Magenverdauung vermindern. Zu diesen Resultaten kam Il. Tangl'! in seinen Experimenten an Pferden, wie auch J. Cohn?, Spirig®, während Munk*, Salvioli® bemerkt haben wollen, dass eine mässige Bewegung die Ausleerung des Magens begünstige. S. Rosenberg‘® will keinen Unterschied wahrgenommen haben zwischen Hunden nach 4stündiger Ermüdung und solchen, die nach der Mahlzeit in Ruhe gelassen wurden; auch Krummacher’ bemerkte an sich selbst keinen offenbaren Unterschied, als er 6 Tage hindurch arbeitete und während 6 anderen ruhte. Und dasselbe fand Streng ° nach Versuchen an Hunden und Menschen. Weniger Aufmerksamkeit hat man dagegen dem deletären Eimflusse der physischen Ermüdung vor der Mahlzeit gewidmet. Man hat die Ge- wohnheit, in den meisten Fällen, kurz nach der Rückkehr von ermüdenden Märschen, von der Jagd oder auch gleich nach einer mehrstündigen harten Arbeit, oft sehr stark zu essen. Dieses ist im höchsten Grade schädlich, besonders wenn es in der heissen Jahreszeit geschieht, in welcher die HCl-Ausscheidung schwächer ist. Gewöhnlich fehlt in diesen Fällen der Appetit, oder es besteht ein Gefühl eines falschen Appetites, dessen Ursache theilweise in der Mattigkeit des Magens, theilweise in der Autosuggestion des Gedankens, dass man seit mehreren Stunden gefastet hat, liegt u. s. w. Eine köstliche Mahlzeit, welche uns bei unserer Rückkehr erwartet, wirkt belebend und erheiternd und es fällt den meisten Menschen ausser- ordentlich schwer, vor einem gut gedeckten Tisch, an welchen die anderen sich schon gesetzt haben, auch nur eine halbe Stunde widerstehen zu können. ı F. Tangl, Pflüger’s Archiv. Bd. LXIUI. 8. 545. ® J. Cohn, Deutsches Archiv für klinische Mediein. 1888. Bd. XLIII. S. 239. ° Spirig, Jnaug.-Diss. Bern 1892. * Munk, Weyl’s Handbuch der Hygiene. 5 G.Salvioli, Arch. ital. de biol. 1892. T. XVII. 6 8. Rosenberg, Pflüger’s Archiv. Bd. LU. S. 401. ” Krummacher, Zbenda. Bd. XLVI. S. 454. ° Streng, Ueber den Einfluss der Körperbewegung auf die Magenverdauung. Deutsche medicinische Wochenschrift. 1891. Nr.2. 8. 54. ÜBER DIE VERDAULICHKEIT DER SPEISEN IM MAGEN. s1 Lauder Brunton! ist auch der Meinung, dass psychische und physische Strapazen vor dem Mittagessen der Magenverdauung sehr schäd- lich seien. Ich veranstaltete diesbezüglich zwei Serien von Untersuchungen. In der ersten suchte ich die Hunde vor der Mahlzeit zu ermüden. Zu diesem Zwecke nahm ich zwei Hunde von einem Gewichte von ungefähr 4*s, einen liess ich 8 Stunden lang in einem drehbaren Rade laufen ?, während ich den anderen in Ruhe hielt. Hierauf verabreichte ich beiden 48 sm (= 25° trockene Substanz) geröstetes Fleisch und tödtete sie nach 8 Stunden. Das Resultat war zur Genüge demonstrativ, da der Mageninhalt des er- müdeten Hundes um !/, grösser war als der bei anderen Hunden. Ich wiederholte die gleichen Versuche bei 4 anderen Hunden und kann somit folgende Tabelle aufstellen: Rohes Fleisch. 180 sm = 50 sm trockene Substanz. , Körpergewicht | Magengewicht Mageninhalt Hude in kg in grm in grm Terriers, ermüdet. | 4-5 38 42 Spitzhund, ermüdet .. . .ı. | 4-3 38 41 ” ausgerult . . . . | 4 36 | 18 Er) ER | 4-4 39 2 Resultat. Aus dieser Tafel erhellt, dass die vor der Mahl- zeit ermüdeten Hunde nur den sechsten, ja sogar den zehnten Theil verdauten, die in Ruhe gelassenen aber die Hälfte, selbst zwei Drittel der ingerirten Substanz. In einer zweiten Serie von Versuchen liess ich die Thiere gleich nach der Mahlzeit ermüden, indem ich sie 6 Stunden lang in einem drehbaren Rade laufen liess. Das Resultat war noch deutlicher als das vorhergehende, denn die ermüdeten Hunde hatten absolut nichts verdaut. Salvioli® will gefunden haben, dass, wenn die Speisen flüssig (Milch) oder fein zertheilt (Eiereiweiss, gekocht) sind, dann leichter durchgehen. ! Lauder Brunton, On disorders of digestion their consequences and treatment. London 1886. p. 66. ? Eine kleine Gasflamme unter das Zinkblechrad gestellt, zwingt den Hund und folglich auch das Rad, in welchem der Hund sich befindet, zu beständigem Laufen. Unter allen Versuchen, eine künstliche Ermüdung der Hunde zu erzielen, war dieser der praktischste. ® Salvioli, a.2. O. Archiv f. A. u. Ph. 1901, Physiol. Abthlg. Suppl. 6 82 ÜULAUDIO FERMI: Während der Strapazen und nach denselben hört die Ausscheidung des Magensaftes auf und wird das Spannungsvermögen des Magens ver- mindert; die nervöse Thätigkeit wird andererseits in Anspruch genommen (im Gehirn, in den Muskeln). Die Muskeln bilden 40 Procent des Körpergewichtes, welche in ihrer Thätigkeit der Pfortader eine grosse Quantität Blut entziehen. Endlich darf das Anhäufen der giftigen Producte nicht vergessen werden. Sn Wirkung des längeren Nüchternseins auf die Magenverdauung. Auch das lange Nüchternsein übt einen schädlichen Einfluss auf die Verdauungskraft des Magens aus, indem es die Reizbarkeit vermindert, wodurch die Magensaftausscheidung sowie die mechanische Function in Gegenwart der Speisen sehr schwach wird. Im Magen nüchterner Hunde fehlt das HCl (Schreiber!, Pick ?, Gintl?). Letzterer fand, wie auch Andere®, sehr selten Fälle einer be- ständigen Secretion. Bei 40 Procent der von ihm untersuchten Menschen fand er kaum Spuren von HÜl. Das, was jeder von uns, durch besondere Umstände einem kürzeren Fasten unterworfen, an sich selbst hat bemerken können, ist deutlich bei den Hunden zu beweisen. Verhältniss | Gewicht d.| | Körper- | Gewicht zwischen |getrocknet. | iditä Acidität Hunderasse gewicht ee Körper- Magen- i Zucker in kg | : 23 Magen- inhaltes el o° gewicht in grm Rohes Pferdefleisch.. 92 em — 508m trockene Substanz. Hunde einer 4tägigen Diät un/Lenag ge Terriers || 5 | 40 1257 71 74 _ _ Spitzhund | 6 | 57 15 | 18 = ge Terriers | 13 120 108 15 _ _ Hofhund | 15 | 148 101 10 _ — Hunde an regelmässige Mahlzeit gehalten. Spitzhund 4 | 40: 777,11,53100 11 | — — R 41, 4 | 113 10 -| ss Teriess 5 45 9 -— In- e 8 a Ce _ Hofhund Sy el ro oT 9 | ve zu 1 J. Schreiber, Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmak. 1888. Bd. XXIV. S. 365. ® E. Pick, Wiener klinische Wochenschrift. 1887. Nr. 16. 8. 324. ®» F. Gintl, Münchener medieinische Wochenschrift. 1897. Nr. 23. S. 606. * P.W. Wilischanin, Klinische Wochenzeitung. 1887. ÜBER DIE VERDAULICHKEIT DER SPEISEN IM MAGEn. XIII. Einfluss starker Pepsindosen anf die Magenverdauung. Bei verschiedenen Magenaffectionen hat man Pepsin angerathen und räth es auch noch an. Viele haben deren Wirksamkeit in Zweifel gezogen und haben ganz entschieden jeden Einfluss desselben auf den gesunden Magen abgeleugnet (Kretschy, Fleischer). Ich habe einige diesbezügliche Versuche angestellt und in der That habe ich keinen Einfluss des Pepsins auf die Schnelligkeit der Verdauung, selbst bei hohen Dosen, bemerken können, wie man aus folgender Tabelle ersehen kann. Hunderasse | | Körper- gewicht in kg Gewicht des leeren Magens in grm Verbältniss zwischen Körper- und Magen- | gewicht Gewicht des ge- trockneten Magen- inhaltes in grm Acidität in cem Zucker Pferdefleisch 90 2” = 50:8" trockene Substanz und 28m Pepsin Spitzhund Terriers Spitzhund Pudelhund Jaghund Schäferhund Hofhund (Pepsin absolue, Fitzelberger). DD DD OU pw 7 le 15 25 251) * 34 35 66 54 66 61 20 100 174 300 280 >) 61 76 111 90 98 100 95 56 83 91 14 11 12 10 10 14 ‚12 10 9 10 10 113 10 | l Pferdefleisch 902” = 50" trockene Substanz ohne Pepsinzusatz. Spitzhund Terriers =) Spitzhund Bastard Terriers Jagdhund Hofhund Ei | 31a 4 DD AI DD Dt DHr-r a vo 40 60 62 52 60 64 74 89 170 270 f 87- 66° 88° °5 1akil 100 93. 99- 105 88 92 5 5 5 13 14 12 6* Ueber die Einwirkung der Nahrungsweise auf die Entwickelung des Verdauungsapparates. Von Prof. Dr. Claudio Fermi, und Stud. R. Repetto. Vorstand am hygienischen Institute der kgl. Universität zu Sassari, Je mehr ein Organ in den Grenzen seiner Thätigkeit arbeitet, desto mehr nimmt sein Gewicht zu, desto grösser wird das Verhältniss zwischen seinem Gewichte und dem des ganzen Körpers. | Aus diesem Verhältnisse kann man ungefähr die functionirende Wirk- samkeit des Organs feststellen. Diese Wechselbeziehung kann sich aber ändern und zwar hauptsäch- lich aus folgenden Ursachen: a) durch das Abmagern oder Fetterwerden des Thieres. So z. B. während die Proportion beim Magengewicht einer gut genährten Taube Y/,, Ist, ist jene einer ausgehungerten Taube !/,,; beim Darm schwankt die Proportion zwischen !/,, und 1/0; b) in Folge physiologischer Hyperplasie, entstanden durch Super- activität des Magens; c) durch pathologische Hyperplasie, in Folge gastrischer Beschwerden verschiedener Art und verschiedenen Ursprungs, so dass man aus der einen oder der anderen Ursache im Gewichte des Magens im Verhältniss zum ganzen Körper ein Schwanken von !/,, ja selbst !/, beobachtet. Diese Beobachtungen sind an Säugethieren und Vögeln angestellt worden, unter den Säugethieren an Carnivoren, Omnivoren und Herbivoren, unter den Vögeln an Carnivoren, Vermivoren, Insectenfressern, Granivoren und Herbivoren. Die in dieser Beziehung erhaltenen Resultate sind in den folgenden Tabellen zusammengestellt. CLAuUDIO FERMI U. R. REPETTO: EINWIRKUNG DER NAHRUNGSWEISE. 85 Beziehung zwischen Thierart Körper- | Körper- ‚Körpergew.| Körpergew.| Darm- u. Darm- u u. Magen-| u. Darm- | u. Magen- und Körper- | Magen- | gewicht | gewicht weite |Darmweite| länge weite Säugethiere. a) Fleischfresser. 1. Katze . 5 0d. Yes "ıe le Yo an 0-69 2. Katze, verhungert | ua _ — = 2 3. Hund . 00 use 15 un un 1-2 b) Omnivoren. | 1. Mensch IP = Us, er en “ 2. Schwein . ER a _ so RR 2.4 3. Kind Yen ur A 3 Be 1 4. Schweinfötus User Ms — —_ Yis en c) Grasfresser. Wiederkäuer: 1. Kuh . "as as 1 1 !leo 0-41 2. Widder . Us Use an vB Ur 0-58 3. Ziege. Us Us — = Te 4. Lamm Us es .- Im _ ei. 5. Kuhfötus Us Zee 100 16n Us = Nichtwiederkäuer: 1. Pferd "go Fur = gr Ye 10 2. Kaninchen . oda ls Ir 1, — = 3. Meerschweinchen 2m be _ — DS ER d) Insectenfresser. 1. Igel hr sr 'ı ls = Ser Vögel. a) Fleischfresser. 1. Käutzchen . "/ao "es = Dei = == 2. Krähe ns Yos — =, — — 3. Eisvogel. ler um — = _ 4. Möve. Ur er ai e -— —_ 5. Falke Use 28 _ _ -— — b) Würmerfresser. 1. Kiebitz . es "as =; Zu == Eu 2. Wasserschnepfe . Yen — Bee en = Ye 3. Philolimnos gallin. I — = = —_ _ c) Inseetenfresser. 1. Rothkehlchen . is ax: = Fr = = 2. Regenpfeifer "Ja = m mx 5: Er d) Grasfresser. 1. Ente . ıs "hs Zei = ’s er: 2. Gans, wilde An: — — — — — 3. Vogelkraut. Ze He —_ — un — 4. Wasserhuhn Ze re _ _ Us — 5. Orthygometra parva IR —_ _ _ _ _- 86 CLAuDIO FERMI UND R. REPETTO: Beziehung zwischen Thierart ıı Körper- | Körper- Körpergew. Körpergew., Darm- u. Darm- u. u. Magen-| u. Darm- u. Magen- und Körper- Magen- | gewicht | gewicht weite |Darmweite| länge weite e) Körnerfresser. | Mr 1. Taube | "ae Iso = Er Tr Zn 2. Taube, ausgehung. | "ss Un — — — 3. Afrikan. Henne Zi = _ _ — _ 4. Rebhuhn U: Ua u oo m =” 5. Wachtel. I "he "es zZ = ur ır 6. Distelfink I bes _ _ JR —_ 7. Lerche Il: — _ | — —. _ 8. Drossel . IY/as od. Ya — _ _ _ — 9. Staar. | Us = —. > — = 10. Grünfink le: Ue _ _ _ _ Beziehung z— Beziehung . zwischen 5 zwischen Thierart Körper. u. Thierart Körper- u. |Magengew. Magengew. saugedtlere: Fleischfresser. Omniworen: 1. Käutzchen Sn 1. Mensch Moss = 1 \ 2 2. Krähe . Iar 2. Schwein . SR E = £3 - 3. Möve . ler 3. Kind er An Bisvorel 1 4. Schweinfötus ı Ba JERAt, Ion Fleischfresser. 1. Hund. 16 Körnerfresser. 2. Katze . © 7500.27, 1. Taube. Is 3. Katze, verhungert 19 2. Grünfink . Es Krautfresser. 3. Rebhuln . ss Nichtwiederkäuer: 4. Distelfink "/s0 1. Pferd . an 5. Afrikanische Henne . lan 2. Kaninchen 1,900. 1, | 6. Dtaar . "a9 3. Meerschweinchen . lan 7. Drossel .. "as Od. g3 Wiederkäuer: 8. Taube, ausgehungert "los 1. Lamm DR 9. Lerche las 2. Widder Yes 10. Wachtel . Ihe 1 a 1 So liepene las Inseetenfresser. 4. Kuh Use : 5: Kuhfötns. 20 1. Rothkehlcehen lie | 2. Regenpfeifer sn) Insectenfresser. | 1. Igel Ne Krautfresser. Vögel. 1. Gans, wilde. As Würmerfresser. 2. Orthygometra parva. Us 1. Kiebitz u Hr 3. Wasserhuhn. is 2. Philolimnos gallinula Le 4. Ente Yıs 3. Wasserhuhn. ey 5. Vogelkraut . Ur ÜBER DIE EINWIRKUNG DER NAHRUNGSWEISE DT. $S. W. 87 Beziehung Beziehung Darmgew. Magenweite Säugethiere. Omniyoren. 1. Mensch los nu Fleischfresser. Wiederkäuer: Hard un ! Löw r "si 2. Katze JR 2. Widder ep N Mo: sn Krautfresser. A Kal 1, 1. Kaninchen 2e 5. Kuhfötus . Jh 2. Widder Y Nichtwiederkäuer: 1. Kaninchen "hs er 7 R 2. Meerschweinchen . 208 Des Insectenfresser. Thierart Krane 1. Igel. N Darmweite Fleischfresser. Omnivoren. 1. Hund j ls 1. Schwein 1155 2. Katze, verhungert . ll Fleischfresser. 3. Katze . | ln 1. Hund an Omnivoren. | 2. Katze "ho 1. Schwein — Krautfresser. 2. Schweinfötus = 1. Pferd I | 2. Lamm . ho Vögel. 3. Widder Y, Körnerfresser. 4. Kaninchen a 1. Taube . : N % ‚Kal TR n 2. Taube, verhungert | "so Be Ne Io 3. Rebhuhn . | U 4. Distelfink . | 18 5. Falke | 15 Drenne 6. Wachtel | ls: Thierart | DR Er Insectenfresser. | Magenweite ei Iss Krautfresser. | Fleischfresser. 1. Pferd 10 1. Käutzchen 1m 2. Widder 0-58 2. Eisvogel | Ya, 3. Kuh 0.40 3. Krähe . | aa Omnivoren. Krautfresser. 1. Schwein 2-4 1. Wasserhuhn . 2m Fleischfresser. 2. Vogelkraut is 1. Hund = 3. Ente 2 2 Katzes. —_ 88 CLAUDIO FERMI UND R. REPETTO: Beziehung Beziehung - zwischen a zwischen Thierart Körper- u. TSh@testaurit Körper- u. Darmlänge Darmlänge Säugethiere. Vögel. Kr ie 5 ant Rn Krautfresser. 1. Widder ler 2.3Kuh, Ba ee yo 1. Ente Yr 3. Meerschweinchen . hR 2. Wasserhuhn. Ur 4. Kuhfötus. he 3. Vogelkraut . Sn 5. Pferde: AR i Körnerfresser. | Omnivoren. | 1. Schwein . kn 1. Rebhuhn . 2% 2. Schweinfötus Is 2. Distelfink Sk Fleischfresser. Be Fleischfresser. 1. Hund . IR 2. Katze . un 1. Falke . un Körper- Magen- ae h . > zwischen Tuhrmerra rt gewicht gewicht Körper- und ın grın ın grm Magengewicht Säugethiere. | Omnivoren. 1. Mensch, erwachsen 39 500 165 en, 41 300 170 1/,s, | Mittel is “ 47 700 290 ‚os | JR . “ A 52 300 165 I, 2. Mensch, neugeboren, 5 Tage alt 2 202 6 nn Er] ” 13 ER) 2 995 4 Ylras 3. Kind, 3 Monate alt . 2 781 14 I 4. Schwein . 78 000 520 so 94 000 570 ms 100 000 1000 Y,00 | Mittel ” 22 000 550 an sa 29.000 570 un“ r UE: \ 52.000 600 a, 5. Schweinfötus | 803 4-8 u ÜBER DIE EINWIRKUNG DER NAHRUNGSWEISE U. S. w. s9 Körper- Magen- Ds ER A a zwischen Thierart gewicht gewicht Körper- und In grım ın grm Magengewicht Fleischfresser. 1. Hund 4600 55 u a 4520 42 a » on 6 "Iso Mitte x 6600 57 1 5 | 3200 48 Yor "oo ss | 3200 37 Es r | 6000 50 en 2. Katze 1882 25 um 55 1403 18 Ziee a 5 1 5 695 10 En ” 860 12 “nn E] 600 10 eo Krautfresser. 1. Pferd . 400 000 2000 Hs) Ysktel s 300 000 1000 Ye ne BR EN 300 000 3000 Io) 200 2. Kaninchen 1105 atrt N # 7133 15 Ya | Mittel 3 1 707 12 1100 Ir9 a 1 360 17 es R 718 19 ln i f | 182 “ iR | Mittel > | 1583 20 Uns | les 3. Meerschweinchen 184 3 Alan & 200 3 il, | Er) 160 2 gs . F 979 4 nn Da s 212 3 "or Ki a | 200 3 ir E2 | 865 10 en 4. Widder 24 800 450 2 5. Kuh 236 000 1200 Us, 6. Lamm | 7.000 120 les Assbiege.:., . | 22 500 520 Zn 8. Kuhfötus . | 1 425 27 2:5 Insecetenfresser. | | 1. Igel | 315 18-5 1, 90 CLAUDIO FERMI UND R. REPETTO: Körner- Magen- Bann i i i : zwischen Thierart | gewicht gewicht Körper- und ın gm ın zrm Magengewicht a | Vögel. Fleischfresser. | 1. Käutzchen | 306 6-6 "as 2. Krähe . 500 16-4 Ugr 3. Eisvogel . 38 Non: ar 4. Möve . | 279 7 hr 5. Falke . | 145 5 2las | Würmerfresser. | 1. Wasserschnepfe | 104 2-1 Als „ | 97 1-6 "eo e | 99-7 2.55 as „ 94-4 1-75 Als % 90 2-3 "Iso » Se = Je | Mittel “ | 98-5 1.75 se 7 2 92-5 1:59 Yır Er} 92.4 1-55 Use s 106 1-85 u Er 92-8 1:55 ls ;s 716-3 2.2 hr er 125-4 7-3 Yr 2. Kiebitz 293 4-45 ee Krautfresser. 1. Wasserhuhn 800 73 um » INS 2 „> | Mittel > | 1010 53 ro 1/ R | am 37 oo | 5 RE 950 54 Im 2. Orthygometra parva. | 56 3 Ya 3. Gans, wilde | 2500 110 Sei 4. Ente I 50 Ih: 5. Vogelkraut . | 32) 27 !/ı \ Mittel „ | 248 23 Yıı Yıı | Insectenfresser. | 1. Rothkehlchen | 21 1-3 HER ÜBER DIE EINWIRKUNG DER NAHRUNGSWEISE DT. 8. w. 91 Körper- Magen- Beziehung Thierart gewicht gewicht Ar - > : | örper- und ın sım ın stm | Magengewicht Körnerfresser. 1. Afrikanische Henne . 1000 34 SE 2. Taube . 327 7 "as Mittel a et 380 9-3 ls „ ‚verhungert . 210 7-6 25a 3. Staar . | | 70 2-4 nn 4. Krammetsvogel 77 2 Hr Mittel Er] 83 25 gg go 5. Rebhuhn . 372 10-45 2m 6. Wiesenlerche 16 0-7 u 7. Wachtel . 106 5-8 Lion ai f 95 5:6 1 ann B% : 102 5 as ho 8. Grünfink . 23-4 0-57 ii Im ” 18 0-4 Yz | Dil ED 21 0-54 Zins laı \ Körper- Dam- | er Thierart gewicht gewicht Körker- 2 | in grım in grm Darmgewicht Säugethiere. Ömnivoren. 1. Schwein . 52 000 2500 u 2. Schweinfötus 808 19 ER Fleischfresser. 1° Hund 4600 128 or » 4520 115 "Iso ” | 5500 180 Y/,o | Mittel N 6600 168 so | "so 7 3200 128 les er 3200 108 m 2. Katze. 1882 115 ie „ verhungert . | 1203 55 08 92 CLAUDIO FERMI unD R. REPETTO: Körper- Darm- Far Thierart ' gewicht gewicht En | in grm in grm Körper- und I Darmgewicht Krautfresser. | | 1-@Kaninchen ... %. rat ee: 1583 82.5 | hs 2. Meerschweinchen. . 2 me. 442 35 | I: 8. Widder... 1.002 lg ee 24 500 300 = 4. Kuh 0. 20. 2 me | 5561000 6800 in 9. XEamma 2 Se | 5 500 500 aa B.Ziege en ee ee | 22 500 430 us 7. Ruhfötue.. 0 Ren 1425 19 ler Insectenfresser. | Ion ele et 1.2 ae ee 315 5-5 il: | Körper- | Magen | riechen Thierart | gewicht ‚weite Körpergewicht I Ben m eem | und Magenweite Säugethiere. Omnivoren. | 1MENnSch or a. me 68 000 3200 Sn r: > ee A 2 | 61000 | 1800 Un h ehe = la 8500 4350 Yıs r Be 2,7 000 3000 EN » ale RR 2er 2 a 755000 3000 !/,, | Mittel 2 HT de RE 2100 2730 s| "es FEAR a 22248607000 2500 Er I ee 0] 5‘ 1550 hs En ee EG = 7 20502 EEEHDAUD 2600 Ya; | 56 000 2000 Zn Fleischfresser. I Hundir yes AR ee 4 600 360 2 re DI N Re 2 EN 4 520 260 N ee SE N 5 500 362 !/,s | Mittel Da! Er ie SR, DL Wr 6 600 357 un ir N ER a net SHE 3 200 385 1, BE er. 3 200 195 Yır 2. Katze NEE | 1 832 300 ir Krautfresser. | 1... Widder: ec Aa en Ba 20 7000 11, 2. Kuhfötus. 0... Sg2 0 20. 200%8112880:000 5000 so 3.0Kaninchen.” „7.2 Meer | 1583 250 = Insectenfresser. | RL EEE ac DE EA RI Un | 315% | 28 Yı ÜBER DIE EINWIRKUNG DER NAHRUNGSWEISE UT. S. w. 93 Körper- Darm- Dane Thierart gewicht weite a : IR ea : Körpergewicht a 89 | u.Darmeapacität Säugethiere. | Fleischfresser. 1. Hund . 4600 320 u, & 4520 SIOr N. Ken, E2) 5500 400 | Yıa Mittel Rn 6600 310 Er 16 3 3200 330 10 REN 3200 320 Yo 2. Katze . 1882 190 U Krautfresser. 1. Widder 32 190 4060 Ir 2. Lamm 7000 730 ı,, |) Mittel Er} . 5 500 500 Yıı Yo 3. Kuhfötus 10 000 480 in 4. Kaninchen 1583 400 in Insectenfresser. 1. Igel 315 95 1), Korper- | Dam | Berichuns Thierart ns nn Körper und Darmlänge Säugethiere. OÖmnivoren. . 1. Schwein . _ 2351 Ya 2. Schweinfötus 25 370 U Fleischfresser. 1. Hund . Be = 482 Y DU Katze: „A al. — 207 1), Krautfresser. 1°.Ochser. s — 5726 an Ssawädder nn, — 3273 Y,, 3. Pferd . — 2991 is 4. Kuhfötus h 31 360 Hhe: 5. Meerschweinchen . 21 442 in 6. Ziege . — 3273 I Vögel. Fleischfresser. 1. Falke . 18 43 a Krautfresser. 1. Wasserhuhn 27 211 1. 94 CLAUDIO FERMI UND R. REPETTO: Resultate: 1. Carnivoren: Bei den Thieren, die sich von Stoffen nähren, die durch den Magensaft leicht lösbar sind, d. h. von vorwiegend albuminösen Stoffen, welche weder eine grosse mechanische Kraft, noch einen grossen Raum des Magen-Darmcanals erfordern, ist die Beziehung zwischen dem Gewichte und der Capicität des Magens zu der des Darmes ungefähr die Hälfte derjenigen der Herbivoren; z. B.: Während bei den Carnivoren das Gewicht des Magens zwischen ?/,. (bei der Katze) und !/,.. (beim Hunde) schwankt im Verhältniss zu dem des Körpers, schwankt dasselbe bei den Herbivoren zwischen !/,, und Y.,; nämlich ?/;; bei der Kuh, !/,, bei der Ziege, !/,, beim Kaninchen und !/,, beim Widder. Ausserdem schwankt die Beziehung zwischen der Capacität des Magens und dem Gewichte des Körpers bei den Carnivoren, zwischen !/, (Katze) und !/,, (Hund); bei den Herbivoren dagegen zwischen !/, und !/,; näm- lich !/, beim Wider und !/, beim Kaninchen. Die Beziehung aber zwischen der Capacität des Darmes und der des Magens schwankt bei den Carnivoren zwischen 0.69 und 1-2; nämlich 0-69 bei der Katze und 1-2 beim Hunde; bei den Herbivoren im Gegen- theil zwischen 0-41 und 0-58; nämlich 0-41 bei der Kuh und 0-58 beim Widder. 2. Herbivoren, Wiederkäuer und Nichtwiederkäuer. a) Magen. Die Wiederkäuer haben einen Magen von einer fast drei- fachen Capacität und einem dreifachen Gewicht im Verhältniss zum Körpergewicht der Herbivoren-Nichtwiederkäuer, z. B. die Beziehung zwischen dem Gewicht des Körpers und dem des Magens schwankt bei den Wiederkäuern zwischen !/, und 1/,.; nämlich !/,, bei der Kuh, !/,, beim Lamm; bei den Herbivoren-Niehtwiederkäuern aber zwischen !/,, und Y/goo, nämlich !/,, beim Meerschweinchen, !/;,; beim Kaninchen und !/,,o beim Pferd. b) Darm. Bei den Nichtwiederkäuern hat jedoch der Darm eine 3 Mal grössere Capacität und ein 3 Mal grösseres Gewicht im Verhältniss zu dem des Körpers, als bei den wiederkäuenden Herbivoren und setzen auf diese Weise die schon an sich geringe Wichtigkeit des Magens noch herab, da in ihm, weil er offen ist, die Speisen sich nur kurze Zeit auf- halten. Die Beziehung zwischen dem Gewichte des Körpers und dem des Darmes schwankt bei den nichtwiederkäuenden Herbivoren zwischen !/,, und !/s; nämlich !/,; beim Meerschweinchen, !/,, beim Kaninchen, während es bei den Wiederkäuern zwischen !/,, und !/,, schwankt; nämlich !/,, bei der Kuh und !/,, beim Lamm. Ne) [eb} | ÜBER DIE EINWIRKUNG DER NAHRUNGSWEISE U. S. W. Widerstandsfähigkeit des Lammes, der Carnivoren und Herbivoren. Der Darm der Carnivoren ist sehniger und hat stärkere Wände als der der Herbivoren. In der That, während ein Stück des Dünndarmes der Katze, von einer Länge von 20 °®, einer Belastung von 3.000 srm widersteht, so widersteht ein gleiches Dünndarmstück eines Kaninchens nur SO em; folglich bietet jener der Katze einen 40 Mal grösseren Widerstand. 3. Omnivoren. Bei den Omnivoren ist die Beziehung zwischen dem Gewichte des Körpers und dem des Magens, gegen alles Erwarten ungefähr !/, derjenigen der Herbivoren und der Carnivoren. Die Omnivoren zeigen jedoch eine grössere Entwickelung des Darmes, z. B. bei den Omnivoren schwankt das Gewicht des Magens zwischen '/,, und !/,,, im Verhältniss zu dem des Körpers; nämlich !/,,, beim Menschen und !/,,, beim Schweine. Ausserdem ist das Gewicht des Darmes !/,, desjenigen des Körpers beim Schweine, beim Hunde hingegen !/,, und bei der Kuh !/,.. Verschiedenheiten in den obengenannten Beziehungen beim Fötus und beim Erwachsenen. Aus in dieser Hinsicht angestellten Untersuchungen geht hervor, dass bei den Föten, bei denen der Magen und der Darm noch nicht functioniren, das Gewicht und die Capacität des Magens im Verhältniss zu dem des Körpers fast um ?/, geringer ist als bei den Erwachsenen. Das Verhältniss zwischen der Capacität und dem Gewichte des Darmes und dem des Körpers, ist aber nur die Hälfte; z. B. bei der Kuh ist das Gewicht des Magens !/,, desjenigen des Körpers, während es bei ihrem Fötus !/,, ist; beim Schweine 1/a0,. bei dessen. Fötus !/ gr. Ausserdem ist das Gewicht des Darmes !/,, desjenigen des Körpers bei der Kuh, während es beim Fötus !/,,, beim Schweine 1/,, und beim Fötus Y/,, ist. Auch bei den Föten der Herbivoren zeigt sich ein 3 Mal so grosses Gewicht und eine 3 Mal so grosse Capacität des Magens, im Verhältniss zum Gewicht des Körpers, als bei den Omnivoren, und eine geringere Capa- ceität des Darmes. Vögel: Bei den Vögeln bewähren sich die gleichen Thatsachen, welche man bei den Säugethieren bemerken kann. Wir finden jedoch bei den Vögeln eine grössere mechanische und motorische Magenthätigkeit auf den Chemismus; da der Magen der Vögel das zur Trituration bestimmte Gebiss ersetzen muss. Daher ist bei den Vögeln, die sich von schwer verdaulichen 96 CLAuUDIO FERMI und R. REPETTOo: Speisen nähren, derjenige Theil des Magens, welcher dem Pilorus der Säuge- thiere entspricht, zu einem besonderen, zur Trituration bestimmten Organe entwickelt. Carnivoren und Vermivoren: Bei den fleisch- und würmer- fressenden Vögeln, ist wie bei den Säugethieren das Verhältniss des Magen- gewichtes zu dem Körpergewichte fast die Hälfte desjenigen der Herbivoren und der Granivoren, und das Verhältniss zwischen dem Gewichte des Darmes und dem des Körpers ist etwas grösser als das bei den Granivoren und fast die Hälfte desjenigen der Herbivoren; z. B. bei den Carnivoren und bei den Vermivoren schwankt das Gewicht des Magens zwischen /,, und '/g; des Gewichtes des Körpers, nämlich !/,, beim Eisvogel, 1/,, bei der Möve, !/,, bei der Schleiereule, !/,, bei der Schnepfe, !/,, beim Kiebitz; bei den Herbivoren schwankt es dagegen zwischen !/,, und !/,,; bei den Granivoren zwischen !/,, und !/,.. Bei den Carnivoren aber schwankt das Gewicht des Darmes zwischen !/,, und !/,, des Gewichtes des Körpers; nämlich !/,, bei der Krähe, beim Eisvogel !/;;, bei der Schleiereule !/,,. Bei den Herbivoren schwankt es zwischen !/,, und !/,,, bei den Körnerfressern zwischen '/,, und 1)... Granivoren. Bei den Granivoren ist das Verhältniss zwischen dem Gewicht des Magens und dem des Körpers die Hälfte desjenigen der Herbi- voren, und etwas grösser als das bei den Carnivoren, und das Verhältniss im Gewicht des Darmes zu dem des Körpers ist fast !/, desjenigen der Herbivoren und etwas geringer als dasjenige der Carnivoren; z. B. bei den Carnivoren schwankt das Verhältniss zwischen dem Gewichte des Magens und demjenigen des Körpers zwischen !/,, und !/,; nämlich !/,, bei der Wachtel, !/,, bei der afrikanischen Henne, !/,, beim Rebhuhn und !/,, bei der Taube. Das Verhältniss zwischen dem Gewichte des Darmes und und dem des Körpers schwankt zwischen !/,, und !/,,, nämlich !/,, bei der Wachtel, !/,, beim Rebhuhn und !/,, bei der Taube. Herbivoren: Da die Herbivoren sich von einer schwer verdaulichen Speise ernähren, haben sie einen fleischigeren Magen und entwickelteren Darm. In der That ist das Verhältniss zwischen dem Gewichte des Magens und dem des Körpers fast das dreifache der Carnivoren und das doppelte der Granivoren. Das’ Verhältniss aber zwischen dem Gewichte des Darmes und dem des Körpers ist fast das doppelte desjenigen der Carnivoren und das dreifache der Granivoren. Das Verhältniss des Gewichtes des Magens zu dem des Körpers schwankt bei den Herbivoren zwischen !/,, und !/,,, nämlich %/,, bei der Ente, !/,, beim Wasserhuhn, und !,,, bei der Gans. ÜBER DIE EINWIRKUNG DER NAHRUNGSWEISE UT. S. w. 97 Das Verhältniss des Gewichts des Darmes zu dem des Körpers schwankt bei den Herbivoren zwischen !/,, und !/,; nämlich 1/, bei der Ente und !/,, beim Wasserhuhn. Ergebniss: 1. Man kann daher folgenden Schluss ziehen: Bei einem Ernährungssystem auf Grund von Eiweissstoffen ist eine energische Trituration mittels eines Gebisses, oder ein Triturationsapparat im Magen nicht erforderlich; dem Muskelmagen der Schnepfe fehlt die Reibschale (Hoppe): die gastrische Thätigkeit ist hauptsächlich auf Chemismus_ be- schränkt. Die Capacität des Magens ist verhältnissmässig geringer als die jener Thiere, welche sich von schwer verdaulichen Stoffen nähren; der Darm aber ist stärker und widerstandsfähiger. 2. Bei einem Ernährungssystem dagegen, welches aus widerstands- fähigen Substanzen besteht, oder aus solchen, die vom Magensafte noch nicht angegriffen sind, bemerkt man: a) eine längere oder anhaltende Mastication der Speisen, wie bei den Wiederkäuern; 3 b) einen fleischigen oder musculösen Magen, wie bei den Herbivoren und (Granivoren; c) oder die ganze Verdauungsthätigkeit beschränkt sich auf den Darm, da der Magen offen, und somit ohne Wichtigkeit ist, wie beim Pferde. Archiv f, A. u. Ph, 1901. Physiol, Abthlg. Suppl. 7 Ueber das Kauen der Speisen. Von Prof. Dr. Claudio Fermi, Vorstand am hygienischen Institute der kgl. Universität zu Sassari, T. Der Zweck des Kauens der Speisen ist die Zermalmung derselben. Die Insalivation, welche stärker ist bei trockenen Speisen, erleichtert das Kauen und dient bei den Hunden mehr zur Bildung des Speisebolus, als zur Saccharification. Die Wichtigkeit des Kauens der Speisen oder der münd- lichen Zermalmung ist nicht zu bestreiten. Je mehr eine Speise der Magensaftwirkung widersteht, um so geringer ist die Fähigkeit der Vermischung des Magens, und um so nothwendiger ist eine vollständige Zermalmung der Speisen im Munde. Bei vielen Magen- beschwerden oder bei ansteckenden Krankheiten, besonders von Fieber be- gleiteten, kann ein unvollständiges Kauen trockener unverdaulicher Speisen von nicht geringem Nachtheile sein. Das Verhältniss zwischen der Zermalmung im Munde, der Motibilität und der gastrischen Proteolyse bemerkt man bei Thieren, die verschiedenen Nahrungsweisen unterworfen sind. Die Thiere, welche sich von Gräsern nähren, die gewöhnlich der proteolytischen und der Zermalmungsthätig- keit des Magen widerstehen, haben eine ganz besondere Gebisseinrichtung, und bei den Wiederkäuern wird das Kauen auf ganz besondere Weise regulirt und fortgesetzt. Die Einhufer kauen nicht wieder und besitzen auch keinen sehr starken Magen, Wir haben gesehen, wie der Magen des Pferdes einer der schwächsten ist, da er sich zum Gewichte des Körpers wie 1 zu 200 verhält, während beim Meerschweincheu das Verhältniss nur !/,, Ist, beim Kaninchen !/,,, beim Hunde °®/,,,, beim Schweine !/\39, bei den Insectivoren-Vögeln !/,., bei den Herbivoren im Durchschnitt !/,,, bei den Säugern 1/,.. Ausserdem ist die Wichtigkeit der Magenverdauung bei den Einhufern, wie wir schon bemerkt haben, viel weniger beachtenswerth, als bei den CLAUDIO FERMI: ÜBER DAS KAUEN DER SPEISEN. 99 anderen, oben erwähnten Thieren, denn bei den Pferden bleibt der rechte Magenmund beständig offen und die Speise, kaum ingerirt, geht direct in den Darm. Die Granivoren- und Herbivoren-Vögel nähren sich von trockenen, gegen die Zermalmung und die Proteolyse sehr widerstandsfähigen Speisen. Ihnen fehlt der mündliche Zermalmungsapparat, aber sie besitzen einen ausserge- wöhnlichen Magen, wie wir in der That gesehen haben. Derselbe kann den !/. Theil des ganzen Körpergewichts ausmachen. Den Reptilien und den fleischfressenden Fischen fehlt auch ein Zer- malmungsapparat im Munde, aber ihr Magen besitzt eine grosse motorische und Ausscheidungskraft. Bei den herbivoren Insecten, wie z. B. der Maul- wurfsgrille, Cetonien, Maikäfer, Bockkäfer, Schuppenflüglerlarven u. s. w. bemerkt man eine weit grössere Zermalmungsfähigkeit als bei den Carni- voren, während bei diesen die Fangorgane kräftiger sind. Welches sind die Umstände, die eine verschiedene Dauer der Mastication beim Menschen bewirken? Die Dauer der Mastication kann manchmal variiren, je nach dem Tem- perament (bei phlegmatischen oder nervösen Individuen) je nach dem Alter (Kinder oder Greise), der Beschäftigung, welche ein hastiges, aufgeregtes Essen veranlasst. Ebenso kann sie variiren bei Krankheiten (ansteckenden, Geisteskrankheiten); mit dem Appetite, mit der Quantität der Speisen, welche in den Mund eingeführt werden, u. s. w.; besonders aber je nachdem die Speise flüssig, schleimig, trocken oder feucht, zerreibbar oder faserig ist. Ich machte zahlreiche Beobachtungen über die Zahl der gewöhnlichen Masticationsacte bei verschiedenen Speisen, welche ich in folgender Weise zusammenfasse. Zahl der | Zahl der Name der Nährsubstanz ee Name der Nährsubstanz | ne acte | acte Fleisch. Beefsteak mit Brod | 44 Rindfleisch, gekocht . . . . | 40 Hund: Pferdefleisch, roh 8 Kapaun, gekocht . „ia... 20 Rindfleisch, geschmort . . . 82 Orgune. >> »» De RR TR) Hühnergekröse in Fleischbrühe 20 Kalbfleisch, geschmort . . . | 48 Lammhirn, gebacken. . . . 15 Bruhn oga a se a res er 199 Tebere..: 2% it 2 Dr 26, rutnahnea ee 16 Hund: Gekochtes Blut, 02m | 11 Beefsteakinen or ee 41 | hammbraten a sr um eu E44 Rauchfleisch. | Braststück . 2... 2. waren n38 Schinken... 2 Seeaennaiens]] 21.50 Cotelettess ar. 0... Schinkenschwarte . . . 2. | 199 WER 100 ULAUDIO FERMI: ‚Zahl der Zahl der Name der Nährsubstanz Mast Name der Nährsubstanz Masti- ‚ eations- cations- acte acte Somnlen in 1 Stücken ; 26 Brod, in Wein getaucht . 17 55 FR 5 46 BA LAHE ER 12 > Fr En Igel: 45 ee es 23 Schinken, bis zur automatischen ee: e A 112 Verschluckung gekaut. 85 Brod und Feigen, in der Hast Schinken bei gleichzeitigem gegessen 32 Wassertrinken 35 Brod und Pürziche, 48 Schinken mit Brod 39 Maccaroni . BA): 2. 10 Salami in Stücken, bis zur auto- 5 2 el 66 matischen Verschluckung ge- ” EN... = - 25 kaut . ; 100 Dicke Pasta (Rigatoni), warm 23 Salami in Stücken . 52 2: hr ® kalt . 37 U: » 56 Eiergraupen in Fleischbrühe, Se, Y ee 58 wenig gekocht 4 Hund: Gesehmorte Fettflocken ) desgl., stark gekocht 0 : n $ Risotto (dieker Reis) . . . . 5 Fische und Weichthiere. R A 4 Thunfisch in Oel ; 49 Suppe 7 Spigola und Seebarbe, gebacken 13 Hadennndelketweinen in Butter 4 Harder, gekocht 11 ie r „ Sauce 14 Seebarbe, gekocht . 12 | Bisquits e 12 Austern 43 Kartoffeln, geschmort . 19 Hund: Hering, on 20 Ban 12 ’ in Butter wenig ge- Eier. | backen 22 Eierkuchen BR 7 13 Linsen . -. > N De KARTE. 15 Kräuter. Fette. Lattichsalat 22 Fett vom Schinken 32 Spinat . 32 Milchspeisen. Obst. Schweizerkäse 19 Trauben, 1 bis 2 Beeren 17 Gebirgskäse Lg Pfirsiche 26 Gorgonzola 17 » 5 20 Parmesankäse 44 Kastanien, roh 46 Hund: Schafkäse, 20 2” 13 ; gekocht 26 _ $ geröstet | 46 Mehlspeisen. Birnen... - . 2... ai 6 Brod, trocken 23 Aepfel .: . : .. 32 Hund: Brod, trocken 20 Sorben.. . Sr 6 ” „ inWein Botanee | 4 Nüsse ER Katze: Brod, trocken . . . 8 j en „ angefeuchtet . 5 Süsse Speisen. | Hund: Kastanienbrod 16 Soupe anglaise . | 5 » Pfannenkuchen, 103” 19 Crömetorte 1728 ÜBER DAS KAUEN DER SPEISEN. 101 1. Unter den Speisen, welche eine besonders lange oder kurze Mastication erfordern, treten die folgenden hervor: Längere Mastication: Schinkenschwarte 199 Masticationsacte, Schinken 50 Kürzere Mastication: ” Eiergraupen in Fleischbrühe 0 Masticationsacte, aM wenig gekocht 4 a Mailänder Kräutersuppe 4 H: Dicker Reis 5 R Soupe anglaise 5 F 2. Diesbezüglichen interessanten Unterschied bieten die folgenden Speisen: a) Gekochtes Hühnerfleisch verlangt die Hälfte der Masti- cationsacte, welche Rindfleisch benöthigt. Hühnerfleisch ist zerreibbarer und daher leichter zu zermalmen. b) Das Fleisch gekochter oder gebackener Fische verlangt unter den Fleischarten gewöhnlich eine längere Mastication (15). Eine Ausnahme hiervon macht der Thunfisch in Oel (40). Der- selbe ist härter, trockener, und da die Theilchen vom Oele be- deckt und durchtränkt sind, lassen sie sich weniger leicht ver- einigen, vom Speichel durchtränken und zum Speisebolus bilden. c) Der bedeutendste Unterschied, den man zwischen Macca- roni (28) und diekem Reis (5) bemerkt, lässt sich leicht durch . die geringere Nothwendigkeit einer mündlichen Trituration des Reises erklären. d) Eine ziemlich hohe Anzahl Masticationsacte benöthigt der weiche Spinat, weil derselbe faserig und zäh ist. e) Ebenso leicht erklärt sich die verlängerte Mastication des Parmesankäses, im Vergleich zu der des Gebirgskäses und anderen Käsearten. f) Ebenso überraschend, aber auch erklärlich ist, dass gewisse mit Fäserchen bedeckte Trauben bis zu 17 Masticationsacte für jede Beere benöthigen, während bei anderen 3 bis 4 ausreichen. Desgleichen verlangt ein Apfel eine 6 Mal grössere Anzahl von Masticationsacten (36) als die Birne (6). 3. In dieser Hinsicht kann man den Schluss ziehen, dass die Anzahl der Masticationsacte im Verhältniss steht zu der Leichtigkeit, mit welcher eine Speise sich zermalmen, durch- speicheln und zum Bolus zusammenbringen lässt, und dass sie 102 ÜLAUDIO FERMI: überdies in keinem Verhältnisse steht zu der Saccharification und der Mundverdauung; während es ausserdem viele stärke- haltige Speisen giebt, die wenig gekaut werden, giebt es andere nicht stärkehaltige und folglich einer Salivation nicht be- nöthigende, welche bedeutend länger gekaut werden. 4. Beim Trinken oder bei Hinzufügung einer weichen Speise vermindert sich die Zahl der Masticationsacte einer gewissen Speise; z. B. Schinken in Stücke . -. . . 2 ..2....0%,.50 Masticationsacte, dsgl. bei gleichzeitigem Trinken . . . 835 . Beim Menschen: Brod trocken . . . . 82 ® „ in Wein getaucht. 15 ss Beim Hunde: Brod trocken . . . 20 n; „ in Wein Sch 4 & Rindfleisch gekocht . . . . 40 35 dsgl. mit in Butter nen Kartollele 28 5; Warme-Macearoni 2 7. 0. me 2 n; Kalte Maccaroni (welche trockener sind) . . 37 > 4. In Bezug auf Fleisch, welches gekocht, geschmort oder gebraten, hat man wenig Unterschied gefunden. Die Durch- schnittszahl schwebt zwischen 38 bis 43. Braten und gekochtes Fleisch kaut sich etwas leichter als geschmortes. Ein grosser Unterschied ist dagegen, wie zu erwarten war, zwischen gekochten (26), rohen und gerösteten Kastanien (44). 5. Der Mensch kaut mehrals die Thiere;! die Durchsehnitts- zahl der Masticationsacte ist daher für das Brod beim Menschen 32, während sie beim Hunde und bei der Katze 10 beträgt. 6. Ein zweijähriges Kind kaut weniger als ein Erwachsener, hingegen findet man keinen grossen Unterschied bei einem Kinde von 4 Jahren. In der Anzahl der Masticationsacte einer jeden Speise ist genügende Gleichförmigkeit bei einem Individuum, da dieselben durch reflexive Be- wegungen regulirt werden. Hat die Speise einen bestimmten Grad der Zermalmung Dr der Ein- speichelung erreicht, so wird sie automatisch verschluckt. ! Die Wiederkäuer, Nagethiere u. s. w. besitzen daher ein besonderes Gebiss, die trockenen Speisen verlangen auch eine grössere Speichelmischung; so z. B. würde das Pferd 3 Mal so viel Speichel benöthigen, als das Gewicht einer trockenen Speise (Lassacque, Magendie, Roger). ÜBER DAS KAUEN DER SPEISEN. 105 Eine vom normalen Maximum stark abweichende hohe oder niedere Zahl von Masticationsacten bei derselben Menge und Sorte von Speisen kann man nur durch den Einfluss des Willens und durch einen gewissen Zwang erlangen. Dagegen ist immer eine unter dem normalen Maximum stehende Zahl die Wirkung einer übertriebenen Hast. Daher ist z. B. die normale Durchschnittszahl beim Brode 32, die niedrigste schwankt zwischen 14 bis 20; vor 8 bis 10 verschluckt man die Speise nicht, die höchste kann 1600 nicht überschreiten. Ist die Speise einmal auf diesem Punkte angekommen, kann sie nicht mehr zurückgehalten werden. So z. B. beim Schinken, wo. die Durchschnittszahl 45 ist, kann das Maximum 90 nicht überstiegen werden. Wenn das zu wenige Kauen schädlich ist, ist doch für gewöhnlich ein allzu langes Kauen nicht anzurathen, sei es, dass die sehr breiartigen Speisen ihren Reiz auf die motorische und ausscheidende Thätigkeit des Magens verlieren und derselbe, einmal an breiartige Speisen gewöhnt, nicht mehr im Stande sein würde, eine festere Speise zu ertragen, sei es, dass die übermässig vom Speichel imprägnirten Speisen sich weniger leicht vom Magensaft durchdringen lassen, oder weil eine gewöhnliche übertriebene Verschwendung des Speichels zu einer Verkümmerung der Eingeweide führen kann. Wright verlor an Gewicht in Folge des Verbrauches von zu vielem Speichel bei einem angestellten Versuche ungefähr 5!/,®® in 2 Wochen. Burserius erzielte eine grosse Besserung in Bezug auf die Ernährung bei einem Individuum, indem er ihm anordnete, nicht zu spucken. Reisch erzielte das gleiche Resultat, indem er ein Individuum vom Reize, zu viel zu spucken, befreite. N. Frerichs erwähnt, dass er während einigen Untersuchungen seines Speichels ein beklemmendes Gefühl und eine Schwäche im Magen empfand, sowie Mangel an Appetit. Eine starke Salivation bei schwangeren Frauen verursacht oft Abmagerung (Schrauner). Dasselbe Abmagern in Folge eines allzu grossen Verlustes von Speichel erhält man aueh bei Hunden (J.,P. Pawlow u. s.,w.). Die gleichmässige Trituration der Speisen erleichtert nicht nur die Magenverdauung, sondern fördert sogar die Darmverdauung derselben Speisen. So ist z. B. die Trockensubstanz bei gekochten aber unzerstückelten Kartoffelnenun. 2 wa. =. =.dlebrocent, Piwelssa a Ne Ar On Kohlenhydrats) nt. 0. u ea 104 ÜCLAUDIO FERMI: während bei Kartoffelbrei die Verwerthung stieg und zwar für Trockensubstanz "In 20 21209295 Proceng Hiweins 0.2.20 app, 2,9 EDS Kohlenhydratu EIS MERT RN MEI während ferner bei Hülsenfrüchten (Erbsen zu Brei verkocht) Trockensubstanz BR er.) 1. RE XI TProcenE Eiweiss ul 2 ROSE SEEN Koblenbydratzf ine zen 2 WIE IP ERFEIH HER verwerthet werden, beträgt bei unzerquetschten Erbsen die Ausnutzung der Trockensubstanz nur . . . . . .. 82 Procent, des Eiweisses nur NA. EINE ARE Dieses hängt auch von der T'hatsache ab, dass die Hülsen den Darm mechanisch reizen und auf diese Weise die Entleerung beschleunigen, zum Nachtheile der Absorption. So wird mit fein vertheilter Cellulose gemischtes Fleisch schlechter ausgenutzt als anderes, nicht auf diese Weise bereitetes (Fr. Hoffmann). 11. Die Grade der Trituration der Speisen im Verhältniss zur Zahl der Masticationsacte. Die grössere oder geringere Zermalmung der ingerirten Speisen führen zu einer schnelleren oder langsameren Verdauung derselben. Grössere Theilchen werden langsamer als kleinere aufgelöst. Uebrigens reizen die in Folge des Kauens äusserst breiartig gewordenen Speisen mechanisch die motorische und die ausscheidende Function des Magens weniger als die weniger schleimigen, obwohl diese bei einem normalen Magen viel leichter in den Darm übergehen, um ihre vollständige Verdauung zu vollziehen. Die Trituration einer Speise, je nachdem sie mehr oder weniger vollkommen ist, erleichtert mehr oder weniger die Verdauung derselben. Eine ver- längerte Mastication hat auch, wie wir schon bemerkt haben, eine voll- ständigere, manchmal selbst eine zu starke Einspeichelung zur Folge, welche manchmal schädlich sein kann. Die zerreibbarste und gewöhnlichste, folglich auch zum Studium der oben erwähnten Verhältnisse geeignetste Speise war ohne Zweifel das Brod; ungeeigneter waren Fleisch, Gemüse u. s. w., weil sie schwerer zu zer- stückeln sind. Untersuchungsmethode: Eine bestimmte (Quantität Brod wurde gewogen, von verschiedenen Individuen gekaut bis zu einem bestimmten Grade und dann, anstatt es zu verschlucken, auf ein Knopp’sches Sieb ausgespuckt, welches zur mechanischen Bodenanalyse dient, nämlich das Sieb ! Munk, Weyl’s Handbuch der Hygiene. Bd. III. ÜBER DAS KAUEN DER SPEISEN. 105 Nr. 1 mit Twm Maschen. Ich brachte die in dieses Sieb aufgenommene gekaute Speise unter eine leichte Douche, indem ich letzteres beständig bewegte, bis alle Stückchen von gleichem oder geringerem Diameter als der der Maschen (7 ==) in die unterstehenden Siebe gefallen waren. Nach- dem ich so Theilchen von verschiedenem Umfange erhalten hatte, sammelte ich vorsichtig und einzeln die verschiedenen Ueberbleibsel in Kapseln und wog sie, sowohl feucht als getrocknet. Da es sich hier nur darum handelte, eine annähernde Lösung dieser Frage zu erlangen, genügte diese Methode und entsprach dem. Zwecke. Ueberblick über die erhaltenen Resultate. Gewöhnliches Brod, 20 Masticationsacten unterworfen, auf Stücke von a 208", ergab: 90 Theile, bestehend aus Stückchen von 7m, 5) ” ” ” B) ” 1 ” Resultat: Die Mastication des Brodes, bestehend in 20 Masti- cationsacten pro Stück, giebt eine ungenügende Trituration, der grösste Theil der Stückchen hat einen grösseren Diameter als: Man konnte schon a priori annehmen, dass die Quantität der Mund- überreste im Verhältniss stehen musste a) zu der Trockenheit und der Zerreibbarkeit der Speisen, b) zu der grösseren oder der geringeren Leich- tigkeit, mit der sie mittels der Zunge von der Schleimhaut aufgelöst und zusammengenommen wird, c) zu der grösseren oder geringeren Leichtigkeit, vom Speichel durchtränkt und zusammengezogen zu werden und den Speise- bolus zu bilden. Untersuchungsmethoden. Eine gleiche Quantität der verschiedenen Speisen in eine gleiche Anzahl von Stücken getheilt (10) und von gleichem Gewicht (20:'®), wurden verschiedentlich gekaut (20 bis 30 bis 40 Mal). Nach der Zerkauung eines jeden Stückes wurde der Mund drei Mal hinter einander mit je 502" Wasser ausgespült. Dieses Wasser wurde sodann in besonderen Kapseln aufgefangen, nachher wurde die Quantität der Mundüberreste, welche sich in den 50®m Wasser befanden, annähernd festgestellt, indem man es in gleiche, graduirte Glascylinder goss und den Niederschlag, der sich gebildet, nach 5 Stunden mass oder auch, indem man den Rückstand trocknete und abwog. Da ein kleinerer Unterschied zwischen einer oder der anderen Speise ohne Wichtigkeit ist, hätte ich denselben vernachlässigen können, da es 106 ÜLAUDIO FERMI: sich darum handelte, grössere quantitative Unterschiede zu erzielen, doch entsprach die erste Methode mehr als genügend ihrem Zwecke. Der Kürze halber gebe ich nur folgenden Ueberblick über die an zahlreichen Individuen angestellten Versuche. Die Zahlen geben nicht die absolute Quantität des RKückstandes, sondern nur das Verhältniss dieses Rückstandes der verschiedenen Speisen an, welche drei verschiedenen An- zahlen von Masticationsacten unterworfen wurden (20 bis 30 bis 40), als Resultat drei verschiedener Experimente. Der Verständlichkeit halber theilte ich die verschiedenen Speisen so ein, dass ich mit denen begann, welche einen geringeren Rückstand im Munde lassen und mit jenen endigte, welche einen grösseren geben. | Verhältniss des ! | Rückstandes nach Art der Speise | 90 | so | 40 | Bemerkungen | | | | Masticationsaeten am 2 er m n 1. Rindfleisch, ch . =. | i 3 4 Eine grössere Zermalmung giebt einen grösseren Ueberrest. Die faserigen Speisen lassen manch- mal einen grösseren Ueberrest zwischen den Zähnen zurück. 29 Salami grobe mau. Lu ES 4 3. Rindfleisch, gekocht . | 5 | Da es zerreibbarer ist, hinterlässt 4. Endiviensalat . . . . BG 7 es einen grösseren Rückstand als 5. Kartoffeln, gekocht . . | 5 8 7 das rohe. | 6. Marzolina (weicher, zäher | römischer Käse) . . . | 5 sS ı 11 Wie oben, der Ueberrest vermehrt sich mit der Anzahl der Masti- cationsacte, da die fettigen Stück- chen durch die Befeuchtung sich | leichter trennen. Da derselbe aber weniger zerreibbar ist, hin- | | terlässt er weniger Rückstand als | | | Parmesan- oder alter Schafkäse. 1. Feigen . . ....| 6 | 112 | 9 | Dieselben sind sehr faserig und | | enthalten viele Samenkörner. 8. Parmesankäse . . . . 10 12 13 | Zerreiblich und wenig klebrig. 9. BrodkrumevonWeissbrod | 10 | 12 | 8 Ist weniger zerreiblich als Rinde | | und klebt leichter zusammen; sie 16. Schafkane, alter som... Ne NEE en hinterlassen weniger Rückstand. 11. Nüsse (Steinobst) . . . 20 | 22 | 18 | Sind zerreibbar, aber sehr wenig | | ı klebrig. 12. Zirbenüsse . - - » » | 20 ı 25 | 18 | Dieselbensindnoch weniger klebrig. 13. Weissbrodrinde . -. . 20 26 20 | Zerreibbarer als die Krume, die 14. Geröstete Brodkrüstchen | 23 | 27 | 19 Theilchen lassen sich schwer 15. Grissini ».%...2,... | 25 Marl 220 trennen und aufnehmen. 16. Trockene Mandeln . . 26 27 | 22 Sehr zerreibbar und ölig. 17. Trockene Nüsse . . - | 27 | 28 | 24 | 2 ÜBER DAS KAUEN DER SPEISEN. . 107 Resultat: Aus dieser Tabelle tritt deutlich hervor, dass die weichen, faserigen, zähen Speisen (rohes Fleisch) weniger Mund- überreste hinterlassen als die trockenen, zerreibbaren und be- sonders fetten, welch letztere nicht nur eine grössere Anzahl von Theilchen geben, sondern sich auch nicht leicht durchtränken, zusammenkleben und sich schwerer zum Speisebolus vereinigen. Man kann also hieraus den Schluss ziehen, dass im Ver- laufe vieler ansteckender und fieberhafter Krankheiten, wie auch bei deren Prodromen oder während der Genesung, selbst bei einem einfachen Schnupfen eine geeignete Diät, nicht nur in der Wahl der leicht verdaulichen Speisen bestehen sollte, sondern auch in der Vermeidung jener Speisen, welche durch ihre Mundüberreste von selbst beständig die Schleimhaut auch nur eine Zeit lang nach der Mahlzeit reizen könnten. Diese verschiedenen zu vermeidenden Speisen wären also: Brod, trocken und nicht in Bouillon gekocht (Grissini), die verschiedenen Arten von Pasteten, Käse, ölige Früchte u. s. w. Die geeignetste Speise in diesen Fällen ist Fleisch, soviel wie möglich bei starkem Feuer schnell gebraten und ohne Brod genossen. Brod, weiches 50 Masticationsacten unterworfen war, gab: 6 Theile von Tem, 20 „ ” 4 ” 41 ” ” 2 ” 39 ” ” 1 ” Resultat. Der grösste Theil des 50 Mal gekauten Brodes wurde in Theilchen von 1 bis 3"®m Durchmesser zerlegt, wäh- rend bloss ein geringer Theil einen Durchmesser von über 7m hatte. Nach verschiedenen wiederholten Versuchen kam ich ungefähr zum gleichen Resultate. Man kann daher den Schluss ziehen, dass man eine richtige Mastication des Brodes, die nicht nur zu einer leichteren Magenverdauung, sondern auch zur Einspeichelung, zur Mundverdauung und zum Verschlucken beiträgt, erzielt, wenn man jeden Bissen (etwa 20 bis 308) 32 bis 40 Masticationsacten unterzieht. Die Quantität des Rückstandes, welchen die einzelnen Speisen im Munde zurücklassen, betrachtet im Verhältniss zur deletären Einwirkung, welche sie durch die mechanische Thätigkeit auf die Magen-, Mund- und Schlundschleimhaut im Verlaufe verschiedener ansteckender fieberhafter Krankheiten ausüben kann. 108 CLAUDIO FERMI: ÜBER DAS KAUEN DER SPEISEN. Die deletäre Einwirkung, welche durch eine trockene Diät und vor- zugsweise von trockenen Speisen, besonders mehliger Art, wie z. B. von Brod, Gebäck, Kastanien und ölhaltigen Früchten (Wall-, Haselnüsse, Mandeln, Zirbelnüsse), beim Beginne wie während des Verlaufes und der Heilung ansteckender, fieberhafter Krankheiten ausgeübt wird, ist Allen bekannt. Jedermann würde sich wohl hüten, den Genuss genannter Speisen zu erlauben, wie bei Fieberkranken, besonders bei Typhusfällen oder bei einem von Diphtherie befallenen Kinde, aus Furcht vor einer Ver- schlimmerung im Verlaufe der Krankheit oder vor einem Rückfalle während der Genesung. Besagten schädlichen Einfluss kann Jedermann beim gewöhnlichen einfachen Schnupfen constatiren, wenn er sich voll- ständig des Genusses von Brod beim Beginne oder im Verlaufe desselben enthält. Wie erklärt sich diese deletäre Einwirkung? Ich glaube, dass man dieselbe nicht erklären sollte, indem man nur eine grössere Schwierigkeit in der Verdauung genannter Speisen annimmt im Vergleiche zu vielen anderen, weil das Brod manchmal viel leichter und in grösserer Quantität, besonders wenn es lange in Bouillon gekocht wird, oegessen werden kann, sei es, weil viele andere Pflanzen oder Fleisch- speisen, welche viel schwerer zu verdauen sind als das Brod, in grösserer (Quantität ungestraft genossen werden können, ohne dass man gleich nach der Ingestion jene unangenehme Reizbarkeit der Schleimhaut, von einer fortwährenden Verschlimmerung gefolgt, bemerkt. Ich glaube, besagte deletäre Einwirkung lässt sich erklären, indem man eine Schädigung der Schleimhaut, der ersten Wege des Verdauungs- apparates annimmt, welche durch die mechanisch hervorgerufene Reizung entweder durch die kleinen trockenen Theilchen beim Verschlucken des Speisebolus oder durch jene, welche an der Schleimhaut anhaften bleiben und den Rückstand der ingerirten Speisen bilden, sehr empfindlich wird. Die reizende Thätigkeit, anhaltender als jene, welche durch das Hinunter- schlucken des Speisebolus hervorgerufen wird, muss noch deletärer sein. Ueber die Bedingungen des osmotischen Gleichgewichts und des Gleichgewichts- mangels zwischen den organischen Flüssigkeiten und dem äusseren Medium bei den Wasserthieren. Erster Theil. Die osmotischen Eigenschaften der Magenwand der Aplysien. Von Dr. Phil. Bottazzi, und Paul Enriques, Privatdocenten der Physiologie Studenten der Naturwissenschaften in Florenz, in Bologna. (Aus dem physiologischen Laboratorium der zoologischen Station zu Neapel.) I. Zusammenfassung der Litteratur. Die Wasser-(Meer-)Thiere lassen sich vom Gesichtspunkte des osmo- tischen Druckes aus, den ihre inneren Flüssigkeiten haben, in Bezug auf die Flüssigkeiten, in die sie eingetaucht sind, in zwei Gruppen eintheilen. Bei der einen ist der osmotische Druck ihrer inneren Flüssigkeiten gleich dem des Seewassers. Diese Gruppe umfasst alle wirbellosen See- thiere, und nach unserer Meinung auch die Knorpelfische. L. Frederieq ! hatte schon beobachtet, dass die Menge der im Blute der Crustaceen und der wirbellosen Seethiere im Allgemeinen vorhandenen löslichen Salze der des Seewassers gleich ist. Später fand Bottazzi? durch kryoskopische Beobachtungen, dass die Erniedrigung des Gefrierpunktes der Flüssigkeiten der Körperhöhlen bei wirbellosen Seethieren von den am tiefsten stehenden (Coelenteraten) bis zu den höchsten (Cephalopoden) zwischen einem Mini- mum von —2-195° 6. und einem Maximum von — 236° C. schwankt, 1 Arch. zool. exp. 2. Serie. 1885. Vol. III. p. XXXIV; 1891. p. 117. ?® Arch. ital. biolog. 1897. Vol. XXVIIL p. 61. 110 Pnıw. Bortazzı unp PAUL. ENRIQUES: so dass das Mittel —2-29° C. beträgt, und dass diesem Medium die Erniedrieung des Gefrierpunktes des Seewassers entsprieht (als Mittel aus mehreren, zu verschiedenen Zeiten gemachten Bestimmungen). Eine Lösung von 38-783 Procent NaCl kann als isotonisch mit dieser Flüssigkeit be- trachtet werden. Bei anderen Seethieren unterscheidet sich der osmotische Druck der inneren Flüssigkeiten (Blut, Hämolymphe) von dem des Meerwassers. Zu dieser Gruppe gehören die Knochenfische und die anderen höheren Wirbel- thiere (Schildkröten, Säugethiere), die im Meere leben, aber nicht die Knorpelfische. Dass das Blut der letzteren denselben Gefrierpunkt hat, wie das Seewasser, folgt aus den unwidersprechlichen Bestimmungen Bot- tazzi’s. Aus L. Frederieq’s Beobachtungen könnte man aber das Gegen- theil folgern. „Das Blut der Seefische — sagt er — schmeckt nicht salziger, als das der Süsswasserfische. Das Blut eines grossen Haifisches hat mir nur 1-3 Procent löslicher Salze geliefert.“ Die von Fredericq bei seinen Untersuchungen befolgte Methode ist zu diesen Zwecken unanwendbar, da die anorganischen Salze nicht die einzigen Faktoren des osmotischen Druckes sind. Daher hätte Fredericq in einer Anmerkung zu einer neueren Arbeit! Bottazzi’s Resultate als die einzig richtigen annehmen oder dessen Versuche über den osmotischen Druck des Blutes der Knorpelfische wieder- holen sollen. Aber er durfte nicht im Zweifel bleiben und sich begnügen zu sagen: „Ueber die Plagiostomen herrscht Meinungsverschiedenheit zwischen Bottazzi und mir.“ Bei den Knochenfischen beträgt die Erniedrigung des Gefrierpunktes — 104° C. im Mittel, das heisst: ihr Blut enthält eine viel geringere Menge von Ionen in Lösung, als das Meerwasser. Endlich beträgt der Gefrierpunkt des Blutes der Seeschildkröte — 0.61° C., also fast ähnlich dem Blute der Land-Wirbelthiere. Aber der Widerspruch zwischen Fredericq’s und Bottazzi’s Ansichten ist nur scheinbar, denn der Erstere bestimmte die Menge der im Blute ent- haltenen Salze, Letzterer den Gefrierpunkt des Blutes. Nun können im Blute noch andere, nicht mineralische, aber doch moleculär active Substanzen vor- handen sein, so dass man nicht das Recht hat, von der Menge der Mineral- stoffe den Werth des osmotischen Druckes abzuleiten, noch von diesem Werthe die Zusammensetzung der gelösten, moleculär activen Substanzen. So weiss man jetzt, dass im Blute der Selachier, das arm an Mineralsalzen ist, der Harnstofl? das Gleichgewicht mit dem äusseren Medium herstellt, fast wie es bei der Milch der Fall ist, die zwar mit dem Blute isosmotisch ist, aber weniger Mineralsalze enthält, als das Blut; das osmotische Gleich- ' Livre jubilaire dedie a Ch. von Bambeke. Bruxelles 1899. ° v. Schröder, Zeitschrift für physiologische Chemie. Bd. XIV. 8. 576—598. ÜBER DIE BEDINGUNGEN DES OSMOTISCHEN GLEICHGEWICHTS v.s.w. 111 gewicht wird durch den Milchzucker hergestellt u. s. w. Diese Thatsachen beweisen nach unserer Meinung, dass der totale osmotische Druck der inneren Flüssigkeiten eine viel wichtigere Bedingung für den thierischen Organismus ist, als ihre blosse qualitative Zusammensetzung, und daraus folgt, dass die kryoskopische Methode für solche Untersuchungen viel ge- eigneter ist, als die chemisch-analytische. E. Rodier! hat neuerlich viele von Bottazzi’s Untersuchungen wiederholt und bestätigt. Zunächst hat er beobachtet, dass das Seewasser der Becken der zoologischen Station zu Arcachon, wo er arbeitete, einen zwischen — 1-87° und — 1-95° wechselnden Gefrierpunkt hatte, der be- deutend weniger niedrig ist, als der des in den Becken der zoologischen Station zu Neapel kreisenden Wassers, woraus er schliesst, dass das Wasser des Mittelmeeres concentrirter ist, als das der Küste von Arcachon. Die (zwei) Untersuchungen Rodier’s an Säugethieren (marsouin), die im Meere leben, erlauben keinen Schluss, so dass die Frage, ob ihr Blut dieselbe oder eine andere Concentration hat, als das der Landsäugethiere, noch unentschieden bleibt. Was die Reptilien betrifft, so ist Rodier’s Resultat dem von Bottazzi erhaltenen im Wesentlichen gleich. Das Blut der Teleostier soll nach Rodier einen veränderlichen Gefrierpunkt haben, von — 0-.62° bis (—0-96° C.) —0.80° C., also niedriger als der der Landthiere, aber höher als der des Wassers, in dem die Thiere leben: genau dasselbe, was schon Bottazzi in Neapel beobachtet hatte. Hierüber sagt Rodier, Bottazzi habe ein Gesetz aufgestellt, nach welchem der Gefrierpunkt des Blutes der Teleostier genau die Hälfte von dem des See- wassers betragen müsste, und dieses Gesetz bestätige sich nicht. Nun hat Bottazzi niemals ein so strenges Gesetz aufgestellt. Er schrieb: „La pression osmotique du sang des Teleostiens est done beaucoup moindre (environ la moitie), que celle du sang des Selaciens, et superieure (en- viron la moitie) & celle du sang des vertebres terrestres superleurs; en d’autres termes, elle tient le milieu entre la premiere et la seconde.“? Dasselbe hat Rodier beobachtet, denn wenn man die Zahlen 0.62 — ! E. Rodier, Observations et experiences comparatives sur l’eau de mer, le sang et les liquides internes des animaux marins. Travauz des laboratoires de la station zoologigue d’Arcachon. 1899. p. 103. 2 A.a.O. p. 70. — Der Unterschied von — 0:013°C. zwischen den von Rodier (— 0-615° C.) und den von Bottazzi (— 0-602° C.) gefundenen Zahlen ist nach unserer Ansicht bedeutungslos, denn der Methode der Kryoskopie sind noch grössere Irrthümer eigen, als der Werth dieses Unterschiedes. Rodier scheint nicht von dieser Wahrheit überzeugt zu sein, daher glaubt er in seiner ganzen Arbeit, indem er sich auf so kleine Unterschiede stützt, wesentliche Abweichungen zu finden, die in Wirk- lichkeit nicht vorhanden sind. 112 PHıt. BorTTAazzı unp PAun ENRIQUES: 0-80 — 0-96 verdoppelt, erhält man sehr ähnliche Werthe (1.24 — 1-60 — 1'92), wie die von ihm selbst für den Gefrierpunkt des Seewassers ge- fundenen. Die inneren Flüssigkeiten der Selachier haben, wie Rodier sagt, „une temperature du congelation voisine de celle de l’eau dans laquelle ils vivent normalement. Dans un certain nombre de cas cette temperature de congelation s’est montree inferieure au point de congelation de l’eau de mer de 4—5 centiemes de degre, ce qui indiquerait dans les liquides du corps une pression osmotique l&ger&ment superieure & celle du milieu.“ Der Verfasser fügt in einer Note hinzu, auch Bottazzi habe etwas Aehnliches beobachtet, dem aber keine Wichtigkeit beigelegt. Aller- dings glauben wir, dass keine solche vorhanden ist, denn der Unterschied ist sehr gering und nicht hinreichend, um den Schluss zu erlauben, die. inneren Flüssigkeiten der Selachier seien normaler Weise concentrirter als das Wasser, in dem sie leben. Rodier schreibt ihre grössere Con- centration der grossen Menge von Harnstoff zu, die sie enthalten. Dies war schon bekannt, ist aber nicht die Ursache dieser kleinen und zu ver- nachlässigenden Verschiedenheit, wohl aber, wie wir oben sagten, von dem osmotischen Gleichgewicht zwischen dem Blute und dem Seewasser. Aus den angeführten Untersuchungen geht also hervor, dass die inneren Flüssigkeiten der Seethiere (mit Ausnahme der Knochenfische und der anderen höheren Wirbelthiere des Meeres) sich in vollkommenem Gleichgewichte des osmotischen Druckes mit der äusseren Flüssigkeit, dem Seewasser, befinden, das die normale Umgebung ihres Lebens ausmacht. Diese Thatsache liesse sich a priori durch die Annahme erklären, die Membranen, die das Innere des Thieres von der Aussenwelt trennen (Wände des Verdauungscanales, der Kiemen, die Haut), seien für die Salze voll- kommen durchgängig, so dass das Gleichgewicht des inneren und äusseren osmotischen Druckes niemals auf die Dauer verändert werden könnte. Man brauchte nur die Bedingung hinzuzufügen, dass diese (für Wasser, Gase und Salze durchdringlichen) Membranen für die in den inneren Flüssig- keiten gelösten colloiden Substanzen undurchdringlich wären, um die That- sachen vollkommen und befriedigend zu erklären. In Wirklichkeit würde es genügen, dass eine der drei Membranen (die der Kiemen, des Verdauungscanales, die Haut) für die Salze durch- lässig wäre, um das Gleichgewicht herzustellen. Darum haben die Re- sultate der Untersuchungen über eine einzige Membran keinen entscheidenden Werth, so lange man das Verhalten der anderen nicht kennt. Wir werden jedoch sehen, dass man wenigstens für zwei dieser Mem- branen — die Haut und die Magenwand — vollständige Durchlässigkeit für die Salze nicht annehmen kann. Es bliebe also noch das Studium der Kiemenhaut übrig. .. Ai ÜBER DIE BEDINGUNGEN DES OSMOTISCHEN GLEICHGEWICHTS U. S.w. 113 Untersuchungen über die Haut der Seethiere haben wir bis jetzt nicht gemacht; aber wir können aus den neuerlich von Anderen angestellten einige Folgerungen ableiten. Ueber die Crustaceen des Meeres hatte schon L. Frederieq! ge- funden, dass das Verhältniss der löslichen Salze im Blute dieser Thiere, sowie der wirbellosen Seethiere im Allgemeinen, in sehr weiten Grenzen wechseln kann, je nach dem Salzgehalt der äusseren Flüssigkeit, in der die Thiere leben. „Ich konnte, sagt er, in kurzem Zwischenraum das Ver- hältniss der Salze im Blute von Careinus Maenas um das Doppelte wechseln lassen, wenn ich dieses Thier nach einander in mehr oder weniger salzhaltiges Wasser brächte. Das Verhältniss der in seinem Blute ent- haltenen Salze nähert sich dem des umgebenden Wassers.“ Indessen wird das osmotische Gleichgewicht bei Carcinus Maenas nicht ganz erreicht, wohl aber vollkommen z. B. bei Maja und anderen Crustaceen. Carcinus würde also nach Fredericq eine Zwischenstellung zwischen Maja und dem grössten Theile der übrigen Crustaceen und wirbellosen Seethiere, deren innere Flüssigkeiten immer in vollkommenem Gleichgewicht des Druckes mit der äusseren Flüssigkeit sind oder sich schnell darein ver- setzen, wie gross auch ihr Salzgehalt sein möge (natürlich innerhalb ge- wisser Grenzen), und Astacus fluviatilis einnehmen, dessen innere Flüssigkeiten mit dem umgebenden Wasser nicht im Gleichgewicht sind und sich niemals darein versetzen. Obwohl dieses Verhalten des Blutes von Careinus uns wunderlich scheint, ziehen wir vor, da wir von Meer- krebsen nur die Erniedrigung des Gefrierpunktes des Blutes bei Ho- marus vulgaris (A—= — 2-292° C.) und bei Maja squinado (A= — 2-360°C.) bestimmt haben, uns über Fredericq’s Behauptung nicht auszusprechen, die sich auf die drei von ihm studirten Orustaceen bezieht und in folgenden Worten von ihm enthalten ist: „So beobachtet der Phy- siolog in der Reihe der Crustaceen die interessante Erscheinung der Isolirung und fortschreitenden Differenzirung des Blutes im Verhältniss zu der (flüssigen) Umgebung, in der das Thier lebt.“ Uebrigens würde die Erscheinung ebenso interessant bleiben, wenn man die beiden extremen Fälle betrachtete, den der Maja, die sich in vollem und constantem Gleichgewicht befindet, und den des Astacus fluviatilis, der mit der äusseren Flüssigkeit niemals im Gleichgewicht ist. Aber der Mangel an Gleichgewicht betrifft in diesem Falle nicht ein Seethier, sondern ein in süssem Wasser lebendes. Es sind also zwei ähnliche, aber nicht gleiche Erscheinungen: die eine zeigt uns der Knochenfisch des Meeres, dessen Blut weniger concentrirt RBEN Archiv f. A. u. Ph. 1901. Physiol. Abthlg. Suppl. S 114 PHıw. BoTTAzzı unp PAuL ENRIQUES: ist, als die ihn umgebende Flüssigkeit, und die andere wird dargestellt durch den Knochenfisch und die wirbellosen Thiere des Süsswassers, deren Blut stärker concentrirt ist, als die äussere Flüssigkeit. Wie es auch sei, die Art, wie Frederieg den Mangel an Gleich- gewicht erklärt, ist gewissermaassen mit biologischem Mystieismus behaftet und befriedigt uns nicht. „Diese Isolirung des Blutes — so sagt er — wird durch eine neue, nach und nach von dem Kiemenepithel erworbene Eigenschaft hervorgebracht: die Eigenschaft, unter den im Wasser gelösten Körpern diejenigen auszuwählen, welche ohne Schaden durch die Kiemen gehen können (die Respirationsgase), und die zurückzuweisen, die nicht aufgenommen werden sollen (die gelösten Salze).“ Wir fügen hinzu, dass wir die Methode für irrig halten, die darin besteht, das ganze Thier in mehr oder weniger concentrirte Flüssigkeiten einzutauchen, besonders wenn man dasselbe lange in nicht isosmotischen Flüssigkeiten hält. Obgleich Fredericq nach dem Experiment die Hämolymphe ana- lytisch untersuchte, so kann die Methode sich im Allgemeinen nicht voll- ständig der Kritik entziehen, die wir weiterhin über sie anstellen werden. Kürzlich hat Hr. Quinton ! zwei Noten über den uns beschäftigenden Gegenstand veröffentlicht, bei denen wir ein wenig verweilen müssen, schon weil die Kritik, die wir gegen seine Experimente vorbringen werden, zum Theil auch für die Fredericg’s gelten kann. In der ersten Note sagt Hr. Quinton nur was man schon wusste. Dass der osmotische Druck der Hämolymphe der Aplysien dem des See- wassers gleich ist, wusste man bereits, und seine quantitativen Analysen des NaCl haben in dieser Beziehung eine viel unbestimmtere Bedeutung, als die der kryoskopischen Messungen. Auch wusste man schon _ seit längerer Zeit, dass die Variationen der Concentration der umgebenden Flüssiekeit Variationen des Grewichtes der solchen Versuchen unterworfenen Thiere hervorbringen. Neu ist nur die Bestimmung des NaCl nach Ein- tauchung in mehr oder weniger concentrirte Flüssigkeiten. Aber da man wusste, dass ein Mollusk durch Eintauchen in verdünnte wässerige Lösung an Gewicht zunimmt und in concentrirten Lösungen abnimmt, so war es fast schon von selbst klar, dass im ersten Falle Aufnahme von Wasser und Verdünnung des Blutes, im zweiten das Gegentheil stattfinden musste. In der zweiten Note will Quinton beweisen, dass die Salze die Haut der Aplysien durchdringen, wie eine dialysirende Membran. Bei einer !R. Quinton, Communication osmotique, chez l’invertebre normal marin, entre le milieu interieur et le milieu exterieur. Comptes rend. 1900. 26. Nov. T. CXXXI. p. 905. — Derselbe, Permeabilite de la paroi exterieure de l’invertebre marin, non senlement A l’eau, mais encore aux sels. FZbenda. 1900. 2. Dee. p. 952. ÜBER DIE BEDINGUNGEN DES OSMOTISCHEN GLEICHGEWICHTS U. S.W. 115 grossen Reihe von Versuchen benutzt er verdünntes und concentrirtes See- wasser, dessen osmotischen Werth er gewöhnlich annähernd nach der Menge des in ihm enthaltenen NaCl beurtheilt. Aber abgesehen davon giebt Quinton eine Tabelle von Zahlen, die er nicht für zweckmässig hält, zu erklären oder zu besprechen, und die wir ein wenig in der Nähe besehen wollen. Als ersten Grundirrthum seiner Methode bezeichnen wir die Thatsache, dass er eine Aplysia Stunden lang in eine Flüssigkeits- menge bringt, die kaum so viel beträgt, als das Gewicht des Thieres, und oft weniger. Unter diesen Umständen, und besonders da es sich um anormale (verdünnte oder concentrirte) Flüssigkeiten handelte, ist es klar, dass die Aplysia, ein nicht sehr widerstandsfähiges Thier, sich nicht nur am Ende, sondern fast während des ganzen Verlaufes des Experi- mentes in sehr schlechtem Lebenszustande befinden musste. Nun haben wir oft beobachtet, dass eine Aplysia, wenn sie dem Tode nahe ist, oder auch nur wenn sie sich auf Reize wenig bewegt, sehr bedeutend anschwillt. Wenn man sie Öffnet, findet man den Verdauungscanal ganz mit Flüssig- keit gefüllt. Der Verfasser kennt diese Thatsachen nicht und hat sogar die Existenz des Verdauungscanales vergessen. Dieser enthält immer, auch in normalen Verhältnissen, eine mehr oder weniger reichliche Wassermenge, die unter fast demselben osmotischen Druck steht, wie das Seewasser (Bottazzi). Wenn nun Quinton ein Thier in eine Lösung von anderer Concentration bringt, als die des Seewassers, kann sich offenbar durch den Mund und den Anus eine Verbindung zwischen dem Inhalte des Ver- dauungscanales und der äusseren Flüssigkeit herstellen, wodurch sich ein mehr oder weniger bemerkenswerther Stoffaustausch zwischen beiden Flüssigkeiten herstellen muss. Es kann Flüssigkeit aus- und einströmen, je nach den Umständen, und so das Gewicht des Thieres wechseln. Das Ein- und Ausfliessen wird vielleicht zum Theil durch den Unter- schied der Concentration bestimmt werden, gewiss auch durch die be- sondere, ganz unbekannte Wirkung, die die verdünnte oder concentrirte Lösung auf den Muskelapparat des Darmes, auf das Nervensystem des Thieres u. s. w. ausübt. Und ist auch Quinton sicher, eine Aplysie genau wägen zu können? Weiss er nicht, dass es unmöglich ist, dieses Thier vollkommen abzutrocknen, denn es fährt lange Zeit fort, Wasser, Schleim, violettes oder milchiges Secret aus den Hautdrüsen und oft auch Darmflüssigkeit von sich zu geben, und wenn man die Haut ein wenig hart anfasst, dringt aus den Wänden des Körpers Wasser hervor, wie aus einem Schwamm? Wie hat er also seine Aplysien gewogen? Untersuchen wir jetzt, wie wir ver- sprachen, die Zahlen von Quinton’s Tabelle. Bei Experiment I wird eine Aplysie in eine verdünnte Lösung von 8* 116 Pr. BorTtTazzı unp PAUL ENRIQUES: Meerwasser gebracht und hat nach dem Verfasser 60°m Wasser und 0.8358 NaCl aufgenommen. Sie ist also durch Resorption von Wasser und Salz angeschwollen. Dasselbe ist bei Experiment IV geschehen, aber der äusserliche Salzgehalt hat zugenommen, also hat das Thier mehr Wasser als Salz aufgenommen. Bei dem III. und V. Experiment hat es nur Wasser aufgenommen und Salz abgegeben. Bei Experiment II endlich, das einzige, in dem eine stärkere Salzlösung als Seewasser angewandt wurde, hat die Aplysie Wasser verloren und Salz aufgenommen. Nun finden diese Experimente, auch abgesehen von allen, dieser Untersuchungsmethode eigenen Irrthümern, ihre einfachste Erklärung in der unvermeidlichen Vermischung der gastro- intestinalen mit der äusseren Flüssigkeit und in der Aufnahme von Wasser aus der äusseren Flüssigkeit, die verdünnter ist, als Seewasser. Wegen dieser Mischung kann sehr gut eine bedeutende Menge NaCl aus dem Darminhalte in die äussere Flüssigkeit übergehen, wenn dieses verdünnter ist. Dies ist gewiss die vorherrschende Erscheinung bei den Experimenten Ill und V gewesen, vielleicht zugleich mit der Aufnahme wenigen Wassers von Seiten des Thieres. Bei Experiment I und IV ist offenbar die An- schwellung des Thieres vorherrschend gewesen durch Aufnahme der äusseren Flüssigkeit in den Darmcanal; eine gewisse Menge Wassers wird auch in die Hämolymphe der Körperhöhlen durch die Magenwand eingedrungen sein. Bei Experiment II kann der Wasserverlust vorzüglich von dem osmotischen Zustande abhängen, die Aufnahme von Salz von der Mischung der beiden Flüssigkeiten, der äusseren und inneren des Darmes, und von der gewöhnlichen Anschwellung. Eben diese Unbeständigkeit der Resultate, die bisweilen Aufnahme, bisweilen Abgabe von Salz anzeigen, trotz ähnlichen Umständen bei den Experimenten, beweisen, dass viele Irrthümer dabei zusammenwirken müssen. Die Unterschiede hängen gewiss auch zum Theil von dem verschiedenen individuellen Widerstand der Thiere ab; davon, dass der Verdauungscanal vor dem Versuch mehr oder weniger mit Flüssigkeit gefüllt, das Muskel- system mehr oder weniger tonisch war u.s. w. Zum Schluss deuten diese Versuche von Quinton an, ohne es aber genau nachzuweisen, dass von dem Thiere Wasser aufgenommen werden kann, wenn es sich in einer schwächeren Lösung befindet, als Seewasser, und abgegeben, wenn es sich in concentrirterer Lösung befindet, was schon vorher bekannt war. Und dass wir nicht im Irrthum sind, wenn wir glauben, dass die Aplysien Quinton’s äusseres Wasser in den Darmcanal aufsenommen hatten, wird dadurch bewiesen, dass bei den Experimenten mit verdünntem Seewasser das (rewicht des Thieres viel mehr zunalım, als es bei den Experimenten mit concentrirterem äusseren Wasser abnahm (die Differenz der Concentration in Bezug auf die Hämolymphe war in beiden Fällen dieselbe). Denn ÜBER DIE BEDINGUNGEN DES OSMOTISCHEN (GFLEICHGEWICHTS UV. S.w. 117 im ersten Falle trägt das in den Darmcanal eingedrungene Wasser zur Erhöhung des Gewichtes bei, während im zweiten, in dem das Gewicht des Thieres abgenommen haben musste, die fragliche Flüssigkeit diese Abnahme maskirt, sie vermindert und geringer macht, als sie sein sollte. Bei der zweiten Reihe seiner Untersuchungen bringt Quinton das Thier in eine isotonische Flüssigkeit, aber von anderer Zusammensetzung, als das Seewasser. Er nimmt 11 Carcinus Maenas; bei 3 von ihnen bestimmt er die Chlorüre der Hämolymphe (33 pro Mille), 2 hält er in Seewasser zur Controle, 6 in verdünntem Seewasser, dem er MgSO, hinzu- gefügt hat, bis es isotonisch wurde. Nach 18 Stunden haben die beiden Controlthiere !/,, von ihrem Anfangsgewicht verloren, die 6 haben !/,. davon verloren. Ist nur Wasser aus dem Körper der Thiere ausgetreten? Nein, sagt er, denn die Chlorüre der beiden Controlthiere sind beinahe unverändert geblieben, während die Chlorüre der Versuchsthiere ab- genommen haben (27 pro Mille. Aber vor Allem sagt der Verfasser nicht, ob die Control-Carcinus in vollkommen gleichem Zustand gewesen sind, wie die Carcinus des Experimentes. Wenn wir recht verstehen, befanden sich letztere in ungefähr 1000 «m Flüssigkeit; damit die beiden Controlthiere sich in vergleichbarem Zustande befanden, mussten sie sich diese Zeit lang nur in 350 «m Wasser aufhalten, was nicht der Fall zu sein scheint. Auf jeden Fall waren auch für die in künstlicher Flüssig- keit befindlichen Carcinus die Verhältnisse sehr verschieden und so abnorm, dass die Thiere durch Einwirkung des MeSO, jedenfalls in schlechten Zustand versetzt werden mussten. Man kann nicht zweifeln, dass dieses Salz die Membranen schädigte, mit denen es in Berührung kam. Unsere Versuche, über die wir im folgenden berichten werden, haben gezeigt, wie sehr diese Membranen gerade in Bezug auf diejenige Eigen- schaft zart und leicht zu alteriren sind, die hier in Betracht kommt, ihre Durchlässigkeit. So würde der Austritt von NaCl aus dem Körper der Thiere, wenn er wirklich stattgefunden hat, nichts anderes bedeuten, als eine Wirkung der durch das MgSO, in den Membranen hervorgebrachten Alterationen. Bei der dritten Reihe von Experimenten, die er auch an. Aplysıa angestellt hat, findet Quinton in der Flüssigkeit der Körperhöhlen dieser Thiere eine grössere Menge von P, als die normale, nachdem er der äusseren Flüssigkeit phosphorsaures Natrium hinzugefügt hat, und schliesst daraus, dass das Salz durch die Haut des Thieres eingedrungen ist (!). Der Verfasser vergisst ganz, dass die Aplysien, wie andere Thiere, Re- sorptionsorgane besitzen. Sicher ist das Phosphorsalz durch diese ein- gedrungen, so dass das von dem Verfasser erhaltene Resultat nichts über die osmotischen Eigenschaften der Membranen der Aplysien, über die 118 Pam. BoTTAzzı unp PAUL ENRIQUES: Ursachen des osmotischen Gleichgewichtes zwischen inneren und äusseren Flüssigkeiten u. s. w. an’s Licht bringt. Es beweist nur, dass das phosphor- saure Natrium von diesen Thieren aufgenommen wird, wie es von ganz verschiedenen Thieren aufgenommen werden könnte, mögen ihre inneren Flüssigkeiten mit den äusseren in osmotischem Gleichgewicht stehen, oder nicht. Endlich ist es sehr charakteristisch, dass die in der ersten Note von (Quinton berichteten Resultate offenbar mit der Deutung in Widerspruch stehen, die er selbst von den in der zweiten Note enthaltenen Experimenten liefert. So glaubt er in den drei Versuchsreihen der zweiten Note immer einen Durchgang von Salzen durch die Haut der Thiere zu sehen, an denen er experimentirt, und schliesst daraus, dass die Salze die Haut der Aply- sien frei durchdringen, wie irgend eine dialysirende Membran. Aber warum — kann man ihn dann fragen — schwellen die Aplysien in verdünnter Lösung an und warum ziehen sie sich in concentrirter zu- sammen? Dies rührt offenbar von verschiedenem osmotischen Druck her, der innerhalb und ausserhalb des Thieres besteht, mag das Wasser durch die Haut, oder durch die Wand des Darmcanals eindringen. Aber damit die Salze einen osmotischen Druck ausüben können, dürfen sie die Membran nicht durchdringen, sonst können sie nicht die Ursache einer Volums- änderung des eingetauchten Thieres sein. Und selbst wenn es wahr wäre, dass die Salze durch die Haut der Aplysien frei eindringen, müsste das Thier jedes Mal, wenn es sich zusammenzöge, eine gewisse Menge von Wasser und Salzen durch die Haut austreiben, während das zusammen- gezogene Thier eine fast kugelfürmige Gestalt annimmt und die Musculatur der Körperwände vergebens auf die Flüssigkeit der Körperhöhle drückt, die nicht austritt. Wir haben so lange bei diesen Versuchen Quinton’s verweilt, weil es für uns von höchster Wichtigkeit war, zu entscheiden, ob die Salze durch die Haut der Aplysien frei hindurchgehen, denn dieses Resultat stände in vollem Widerspruch mit den von uns bei unseren Experimenten mit dem Magen erhaltenen. Aber die Resultate Quinton’s sind, wie wir ausführlich nachgewiesen zu haben glauben, unzulässig, sowohl weil sie sich auf falsche Deutung der beobachteten Thatsachen stützen, als auch weil sie mit ungenügenden Methoden erhalten wurden. Anders verhält es sich mit den Knochenfischen, bei denen der osmo- tische Druck der inneren Flüssigkeiten ungefähr um die Hälfte geringer ist, als der des Seewassers. Wie kann dieser Druckunterschied entstanden sein, und wie erhält er sich? Sn EEE EEE A re EEE EEE EEE Gr ÜBER DIE BEDINGUNGEN DES OSMOTISCHEN GLEICHGEWICHTS UT. s.w. 119 Der niedrige osmotische Druck des Blutes der Chelonier und der im Meere lebenden Säugethiere lässt sich ihrem Ursprunge nach dadurch er- klären, dass sie ursprünglich Landthiere waren und sich dem Leben im Meere angepasst haben. Was die Mittel betrifft, durch welche dieser Druck in ‚Gegenwart eines so viel stärker concentrirten Mediums, wie das Meer- wasser, aufrecht erhalten wird, könnte man sagen, dass die Wand des Ver- dauungscanales (hier kommt das Respirationsorgan nicht in Frage) weder den Eintritt von Salzen aus dem Seewasser in’s Blut, noch den Austritt von Wasser aus dem Blute der Thiere erlaubt. Aber dies ist die That- sache, nicht ihre Erklärung. Mit der Nahrung muss nothwendiger Weise eine bedeutende Menge Wassers in den Darmcanal der Seethiere eindringen, welche auf ein an diese Lebensweise nicht angepasstes Thier wie ein fort- gesetztes Abfübrungsmittel wirken müsste. Offenbar ist dies nicht der Fall und man muss annehmen, dass es nicht geschieht, weil die fraglichen Thiere ihr ganzes Leben im Meere zubringen). Die Wand des Verdauungscanales hat durch die Anpassung neue, von denen der Landthiere verschiedene osmotische Eigenschaften erworben, so dass sie mindestens nach einer Rich- tung für Salze, nach der anderen, entgegengesetzten, für Wasser undurch- dringlich wird. Diese Eigenschaften sollten aber experimentell studirt werden, um eine feste Grundlage für diese theoretischen Schlüsse zu liefern. Aber kehren wir zu den Knochenfischen zurück. Bei diesen ist, ausser der Darmwand, die ganze grosse Oberfläche der Kiemen! bestimmt, zwei Flüssigkeiten von einander zu trennen, deren osmotischer Druck um die Hälfte verschieden ist: das Blut in den Kiemencapillaren, das Seewasser rings herum. Wie kann — so fragten wir — dieses osmotische Missver- hältniss fortbestehen? Die Haut der Kiemen und des Darmes muss das Wasser des Blutes hindern, auszutreten und die Salze des Meerwassers, einzutreten; mit anderen Worten, diese Membran muss sich der Herstellung des osmotischen Gleichgewichtes zwischen dem Blute des Thieres und dem Wasser, in dem es lebt, widersetzen. Aehnliche, aber entgegengesetzte Eigenschaften müssen diese Membranen bei Flussthieren haben, im Allgemeinen bei allen, die in sogenanntem süssen Wasser leben. Hier findet das Gegentheil statt, die Flüssigkeit mit stärkerem osmotischen Druck ist das Blut und befindet sich im Inneren; die Flüssigkeit mit geringerem osmotischen Druck ist das Wasser (der nicht gesalzenen Flüsse, Seeen, Sümpfe u. s. w.) und befindet sich ausserhalb. Nun hat L. Fredericq? gefunden, dass der Astacus fluviatilis ! Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Haut sowohl der Knochen- als Knorpel- fische für Wasser und Salze ganz oder fast ganz undurchdringlich ist. A240: 120 PnıL. BoTTAzzı und PAUL EnRIQUES: sich in solchen Verhältnissen befindet. „Obgleich dieses Thier — sagt er — in süssem Wasser lebt, also in einem sehr wenig Salze enthaltenden Medium, enthält sein Blut deren immer eine bedeutende Menge, wie ich mich durch die chemische Untersuchung und durch kryoskopische Be- stimmungen, die ich an mehreren Gruppen von Individuen vornahm, über- zeugt habe.“ Während nämlich die Erniedrigung des Gefrierpunktes des Wassers, in dem die Astacus gelebt hatten, A= —0-.02° bis — 0.03° betrug, zeigte das Blut des Astacus im Mittel eine Erniedrigung von A 307802765 was einer Lösung von 1-3 Procent NaCl gleich ist. „Dieser hohe osmo- tische Druck — fügt der Verfasser hinzu — erhält sich bei dem lebenden Thiere, obgleich sein Blut von dem äusseren süssen Wasser in der Kiemen- gegend nur durch eine dünne Membran getrennt wird. Diese Kiemenhaut, welche die Respirationsgase durchlässt, setzt dagegen den Salzen und den anderen im Blute des Astacus aufgelösten diffusibeln Substanzen ein un- überwindliches Hinderniss entgegen. Sie verhält sich also anders, als die todte Haut eines Dialysators, und erlaubt dem Blute, als dem inneren Medium des Thieres, sich von dem äusseren Medium zu isoliren.“ Die Knochenfische, welche in Flüssen leben, oder den Süsswasserstrom in gewissen Jahreszeiten hinaufsteigen, müssen sich dauernd oder vorüber- gehend ausserhalb des osmotischen Gleichgewichtes mit dem umgebenden Wasser befinden, das immer viel weniger reich an Salzen ist. Wir kennen keine Bestimmungen des osmotischen Drucks des Blutes bei Fischen, die periodisch in Flüssen auizusteigen pflegen, oder dauernd in ihnen leben. Aber hier kommen uns einige Bestimmungen des Widerstandes der Hä- matien, ihr Hämoelobin abzugeben, zu Hülfe, die von Mosso und später von Bottazzi und Ducceschi gemacht wurden. Das Datum des Wider- standes der Hämatien kann sicher nicht dem Werthe des osmotischen Druckes gleich geltend sein, steht aber im Verhältniss zu ihm, so dass wir von dem einen annähernd auf den anderen schliessen können. Mosso! fand, dass die Erythrocyten der Süsswasserfische viel wider- standsfähiger sind, als die der Seefische, obgleich im Allgemeinen das Blut- plasma dieser reicher an Salzen ist, als das der ersteren. Der Verfasser beobachtete, dass die Erythrocyten der Seefische ihr Hämoglobin in einer Lösung von 2-5 Procent NaCl verlieren, während die der Süsswasserfische ! A. Mosso, Ueber verschiedene Resistenz der Blutkörperchen bei verschiedenen Fischarten. Tageblatt der 62. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte. Heidelberg 1890. ÜBER DIE BEDINGUNGEN DES OSMOTISCHEN GLEICHGEWICHTS U. s.w. 121 es nur in einer Lösung von 0-3 Procent abgeben. Mosso glaubt, dieses verschiedene Verhalten der Blutkörperchen gegen Salzlösungen von ver- schiedener Concentration seien den besonderen Beziehungen zuzuschreiben, die sich bilden, je nachdem das Thier in Süsswasser oder im Meere lebt. In der Folge fanden Bottazzi und Ducceschi!, dass die Erythro- cyten des Blutes von Anguilla vulgaris einen Maximalwiderstand =0.40 — 0-44, und einen Minimalwiderstand = 0:54 — 0-56 zeigen. Diese Zahlen drücken in Procenten die Concentration der NaCl-Lösung aus, in der die Erythrocyten anfangen, ihr Hämoglobin nicht abzugeben, und wo sie ganz aufhören, es abzugeben. Aus diesen Angaben kann man schliessen, wenn auch nicht mit Sicherheit, dass das Blut dieser Fische zwar viel weniger reich an Salzen ist, als das der Knorpelfische (im Meer), aber vielleicht eine Menge von Salzen enthält, die von den der Knochenfische des Meeres nicht sehr ver- schieden und sicher höher ist, als die der Fische der Flüsse, in denen sie trotzdem leben. Das, was Fredericg über den Astacus sagt, lässt sich also auf die Flussfische im Allgemeinen ausdehnen. Rodier? hat jedoch andere Zahlen gefunden, als Mosso, denn nach ihm „la resistance des hematies des Selaciens est quelque peu variable et semble correspondre A des dissolutions de NaCl, variant de 138" 5 a 16 pro mille“ So hat er auch nicht beobachtet „chez les poissons osseux, meme d’eau douce, la forte resistance des globules rouges, que signale le m&me observateur“ (Mosso, 3°/,.). Die Resultate der Unter- suchungen ‚von Bottazzi und Ducceschi über die Erythrocyten von Anguilla stehen denen Rodier’s näher, als denen Mosso’s. Endlich hat Rodier Recht, indem er betont, dass „plus la pression osmotique du serum est forte, plus est &lev6e la concentration et, par suite, la pression osmotique de la solution saline, dans laquelle les globules rouges com- mencent & perdre leur hömoglobine. Sur ce point encore il y a une separation nette et tranchee entre les Selaciens et les Teleosteens. Pression osmotique moyenne 1” solution de NaCl coloree du serum par ’hemoglobine Selaciens. . . . — 2.05 de 13-5 & 16-.0s5m Teleosteens marins de — 0-68 a -- 0-80 de 7.5a S.nsı% ! Bottazzi et Ducceschi, Resistance des erythrocytes, alcalinite du plasma et pression osmotique du sang dans les difförentes elasses des vertebres. Arch. ital. de biolog. 1896. T. XXVI. p. 161. ”A.2.0. 122 PHıwL. BoTTAzzı und PAUL ENRIQUES: Bis man untersucht haben wird, wie Knorpel- und Knochenfische mehr oder weniger concentrirten Lösungen widerstehen, als die, an welche sie gewöhnt sind, werden wir hierüber nichts Sicheres wissen. Aber schon jetzt kann man vermuthen, dass, da nach den Zahlen Rodier’s der Wider- stand der Hämatien der Teleostier nicht übermässig hoch ist, wahrschein- lich ihr Uebergang aus dem Meer in Süsswasser keinen Eintritt von Wasser in’s Blut zur Folge haben wird, der für die Thiere tödtlich aus- fallen würde. Wenn dies auch in geringer Menge geschehen sollte, würden die Hämatien wahrscheinlich sehr starken Widerstand besitzen, gleich dem oder grösser als der von Mosso beobachtete, den aber Rodier nicht bestätigen Konnte. Aber um das Problem wissenschaftlich zu lösen, sind die bis jetzt vorhandenen Kenntnisse durchaus ungenügend. Es ist also nöthig, Ex- perimentaluntersuchungen über die osmotischen Eigenschaften der lebenden, von den Thieren isolirten Membranen anzustellen, durch welche der Aus- tausch zwischen den inneren und äusseren Flüssigkeiten im natürlichen Zustande möglich ist. Nur auf diesem Wege und darauf folgende Vergleichung der Eigenschaften der Membranen, die den 'Thieren der beiden von uns aufgestellten Kategorien angehören, werden wir vielleicht zu einer befriedigenden Erklärung der Erscheinungen gelangen, die wir beobachtet haben. Der leitende Gedanke unserer Untersuchungen ist mit anderen Worten folgender: Betrachten wir irgend eine Membran (die keine resorbirenden Eigen- schaften besitzt), welche das innere Medium eines Thieres von dem äusseren trennt. Und betrachten wir sie zuerst bei einem Thiere der ersten Kate- gorie (bei dem Isotonicität zwischen beiden Medien herrscht), dann bei einem der zweiten. Wenn diese Membran bei Experimenten in vitro zwei isosmotische Flüssigkeiten trennt, muss sie indifferent bleiben und weder Wasser, noch Salze dürfen hindurchgehen. Ein solches Experiment ist nichts Anderes, als die Nachahmung der normalen Bedingungen, in denen sich die Membran während der ganzen Lebenszeit des Thieres befindet, und bei dem sie wirklich indifferent bleibt. Dagegen muss eine Membran von der zweiten Kategorie unter anderen Bedingungen indifferent bleiben, wenn nämlich zwischen den beiden Flüssigkeiten Verschiedenheit des osmotischen Druckes besteht, so dass die Normalzustände einiger Thiere, wie z. B. der Knochenfische, dargestellt werden. Dagegen muss eine Membran der ersten Kategorie, wenn sie in die Lage der zweiten versetzt wird, Austausch von Wasser oder Salzen veranlassen. Was das Verhalten einer Membran der zweiten Kategorie betrifft, wenn sie in die Lage der ersten versetzt ÜBER DIE BEDINGUNGEN DES OSMOTISCHEN GLEICHGEWICHTS UT. s.w. 193 wird, so können wir nichts voraussehen. Nun werfen sich die Fragen auf: Wird jene Membran Austausch von Wasser und Salzen hervorbringen? Nach welchen Gesetzen? in welchem Maass und innerhalb welcher Grenzen? und wie wird sie sich gegen die verschiedenen, in Wasser gelösten Stoffe verhalten? Diese Fragen hoffen wir durch unsere Untersuchungen zu beantworten, und zwar für die beiden verschiedenen Fälle. Für jetzt, in diesem ersten Theile unseres Werkes, studiren wir nur den ersten Fall, also die Membran eines Thieres, dessen innere Flüssigkeiten normaler Weise mit dem Seewasser in osmotischem Gleichgewicht sind. Kurz, wir wollen das Problem über die Wirkungsart dieser verschie- denen Membranen, die sie beherrschenden physischen Gesetze untersuchen. Ein Etwas, das sehr wichtig zu sein scheint, wird uns gewiss entgehen, nämlich der innere Determinismus, der tiefste Grund der Erscheinung, wie die physikalisch-chemischen (vitalen, nach den Vitalisten) Mechanismen sie hervorbringen. Aber dieses zu erforschen, wäre vergeblich. Dringen viel- leicht unsere Kenntnisse bis zu diesem Punkte ein in dem einfacheren Falle einer nicht lebenden, halbdurchlässigen Membran? Zu sagen, dass sie so beschaffene intermoleculare Zwischenräume besitzt, die das Molecül des Wassers durchlassen, wäre brutaler Schematismus, ein Wortspiel, nicht ein Eindringen in die innere Natur des Phänomens. Wenn man in Bezug auf lebende Membranen dahin gelangen kann, mit Sicherheit zu sagen, nach welchen Gesetzen Wasser und Salze sie durchziehen, werden die osmotischen Eigenschaften dieser Membranen auf dieselbe Art erklärt sein, wie die der nicht lebenden Membranen. Man kann, wenn man will, auch von ihnen mit demselben Recht und mit derselben Bedeutung sagen, dass die intermolecularen Zwischenräume so oder so gebildet sind u. s. w. Aber die Unmöglichkeit, tiefer in den Determinismus der Erscheinungen einzudringen, berechtigt uns durchaus nicht, in der lebenden Membran vitale Eigenschaften anzunehmen, von ganz verschiedener Natur, als die physikalisch-chemischen Eigenschaften der nicht lebenden Membran. Jenes unbekannte quid, das bei unseren lebenden Membranen übrig bleiben wird — und das schon bei den von anderen Beobachtern studirten übrig ist —, hat dieselbe Natur, als das unbekannte quid, das bei den nicht lebenden Membranen übrig bleibt. Wie diese nicht alle gleich sind, ebenso ist es mit den lebenden Membranen. Wenn man an lebenden Membranen experimentirt und eine Erscheinung antrifft, die an meta- physische Eigenschaften erinnert, müsste dasselbe bei nicht lebenden Membranen eintreten, da wo das Bekannte aufhört und das Unbekannte anfängt. Mit diesen Betrachtungen wollen wir nicht a priori die Möglichkeit der vitalen Phänomene ausschliessen, die von den physischen 124 PhuırL. BoTTAzzı unp PAUL ENRIQUES: Phänomenen wesentlich verschieden sind. Aber wir wollen nur dieses betonen, dass die von den lebenden Membranen gezeigten Erscheinungen (und man könnte auch sagen, von den lebenden Zellen, woraus die Mem- branen zuletzt bestehen) nicht an vitale, von den physischen verschiedene Phänomene denken lassen, weil sie wesentlich von ihnen verschieden sind, sondern nur weil die Gesetze der physischen Phänomene auf dem Gebiete der nicht lebenden Membranen besser bekannt sind, daher die Phänomene selbst sich einfacher und beständiger darstellen. Die lebenden Membranen zeigen, wenn sie absterben, verschiedene Eigenschaften. Mit dem Leben, würde ein Vitalist sagen, verlieren sie die ersten Eigenschaften, um die zweiten anzunehmen, die der todten Mem- branen. Aber der Tod hat eine tiefe, physische Veränderung der Membran zur Folge, herrührend von Erscheinungen der Coagulation der Cytoplasmen, Anschwellung derselben u. s. w., und in dem Maasse, als diese Erscheinungen auftreten, verändern sich die Eigenschaften der Membranen, nicht plötzlich, sondern allmählich. Der physische Bau der lebenden Membran muss von der todten verschieden sein, daher ist es nicht zu verwundern, dass auch die osmotischen Eigenschaften tiefe Veränderungen erfahren. Aber nehmen wir einen speciellen Fall an. Setzen wir eine lebende Membran voraus, welche die Eigenschaft besitzt, eine gewisse gelöste Sub- stanz nur in einer Richtung durchzulassen, und nicht in der entgegen- gesetzten. In diesem Falle würden Viele zum Vitalismus greifen, um die Erscheinung zu erklären; sie würden sagen, hier zeige sich eine specielle, vitale Kraft, die den Gesetzen widerspräche, denen die todten Membranen gehorchen. Aber könnte man nicht vielmehr auch in diesem Falle eine ähn- liche Vermuthung aufstellen, wie jene über die Bildung der intermolecularen Zwischenräume bei nicht lebenden Membranen, und z. B. sagen, in diesem Falle seien die Zwischenräume gebildet nach Art gewisser Mäusefallen, nämlich trichterförmig, so dass die Molecüle der gelösten Substanz, wenn sie einmal in einer Richtung hindurch gegangen wären, nicht in umge- kehrter Richtung wieder passiren könnten? Oder könnte man nicht, in anderen Fällen, auch bei Membranen, die aus einer einzigen Zellschicht bestehen, annehmen, deren beide entgegengesetzten Oberflächen wären von verschiedenem physischen Bau, so dass sie sich gegen eine innere und äussere Flüssigkeit verhielten wie zwei verschiedene und sogar durch Zwischengewebe getrennte Zellschichten? In gewissen Epithelien sieht man auch mikroskopische Unterschiede zwischen der nach dem Innern eines Röhrchens gewendeten Hälfte einer Zelle (äussere Medium) und der ent- gegengesetzten, den Blutcapillaren zugekehrten Hälfte (innere Medium), wie in gewissen Nierenröhrchen, bei dem Darmepithel, an gewissen Flimmerepithelien u. s. w. Wer weiss, ob solche Verschiedenheiten, wie ÜBER DIE BEDINGUNGEN DES OSMOTISCHEN GLEICHGEWICHTS UV. S.w. 125 wir sie hier voraussetzen, nicht die physische Ursache vieler geheimniss- vollen Functionen sind? Diese lange theoretische Abschweifung haben wir’ gemacht, um klar zu stellen, welche Bedeutung wir unseren Untersuchungen beizumessen be- absichtigen, bis zu welchem Punkte wir es für möglich halten, in die Er- klärung der bei den Seethieren vorkommenden osmotischen Erscheinungen einzudringen, und zugleich um zu erklären, dass wir nicht glauben, sie würden durch wesentlich verschiedene Naturgesetze beherrscht, als die be- kannten, oder die man zu kennen glaubt. Kommen wir nun ohne Weiteres zu unseren Experimenten. Die Membranen von Wasserthieren, an denen man experimentiren kann, sind, wie oben gesagt, die des Verdauungscanals, die des Kiemen- apparats und die Haut. Nur durch diese kann Austausch von Wasser und Salzen zwischen dem Blut und dem See- oder Süsswasser stattfinden. In der Hoffnung, bald Untersuchungen über die ausgedehnte Kiemen- membran der Knorpel- und Knochenfische anstellen zu können, die einzige bei diesen Thieren, die zu Versuchen, wie wir sie beabsichtigen, geeignet ist, veröffentlichen wir jetzt die im Sommer 1899 und 1900 an der zoologischen Station zu Neapel am Schlund (Ingluvies) und Magen! von Aplysia limacina oder depilans angestellten Experimente. Dieser vordere Theil des Verdauungsrohres von Aplysia besteht aus einer Mem- brane, die sich zu allen experimentellen Erfordernissen eignet, während der Kiemenapparat desselben Thieres nicht gross genug ist, auch nicht bei sehr starken Individuen, und andererseits die Haut die angegebenen Un- zuträglichkeiten darbeitet, welche die Experimente des Herrn Quinton vereitelt haben. | Uebrigens beabsichtigen wir, auch die beiden anderen Membranen, ausser der des Verdauungscanals, zu untersuchen und im Allgemeinen alle drei wenigstens bei einem einzigen typischen Vertreter der wirbellosen Thiere, sowie bei den Knorpel- und Knochenfischen zu erforschen. II. Structur des Schlundes (Ingluvies). Die Ingluvies der Aplysia, wie auch der Oesophagus und alle anderen Theile des Verdauungscanals, weiche, mit Ausnahme der zerreibenden Magen, ihrem Bau nach einander sehr ähnlich sind, ist wesentlich eine aus drei Schichten bestehende Membran. Ein inneres Flimmerepithel und zwei ! Der Kürze wegen sprechen wir immer vom Magen, verstehen aber darunter den Schlund und die Magen des Thieres. 126 PnıvL. BorTTAzzı und PAUL ENRIQUES: Muskelschichten, eine von Längs- und eine von Kreismuskeln; ein sehr schlaffes, grossmaschiges Bindegewebe befindet sich zwischen Epithel und Muskeln und auch zwischen diesen und bildet nach aussen eine dünne Lamelle. Das Epithel besteht aus einer einzigen Schicht von stark verlängerten Cylinderzellen und ist sehr regelmässig. Die Kerne liegen an der Basis der Zellen, und der ganze zwischen ihnen und der freien Oberfläche der . Fig. 1. Wand der Ingluvies der Aplysia limacina im Querschnitt. Gesättigte Sublimatlösung mit Essigsäure. Hämalaun. Eosin. Gezeiehnet mit der Camera lucida von Abbe, 200 D. Zelle liegende Theil ist dieht mit kleinen grünlichen Körnchen gefüllt; das Pigment ist in Wasser, Alkohol und Toluol unlöslich. Becherzellen sind in der Ingluvies sehr selten, doch sieht man einige zwischen den Epithel- zellen. Die Flimmerhaare sind ziemlich kurz, ihre Bewegung ist nicht sehr schnell aber sehr widerstandsfähig und dauerhaft, selbst an kleinen Stücken der Ingluvies, wenn sie gut gehalten werden. Dicht unter dem Epithel findet sich eine regelmässige Bindegewebsschicht, deren Fasern parallel der ÜBER DIE BEDINGUNGEN DES OSMOTISCHEN GLEICHGEWICHTS U. S.w. 127 Oberfläche des Epithels verlaufen, und zwischen ihnen sieht man zahlreiche Kerne. Von diesem subepithelialen Bindegewebe gehen Bündel nach der Längsmuskelschicht. In Fig. 1, die einen Querschnitt der Ingluvies dar- stellt, sind diese Muskeln quer durchschnitten; sie sind in Bündeln ange- ordnet, ziemlich regelmässig rings um die Ingluvies stehend (rechts in der Figur). Jedes Bündel ist mit einem Bindegewebshäutchen umgeben, das mit dem subepithekalen Bindegewebe in Verbindung steht. Wenn die Ingluvies, besonders die Quermuskeln, sich zusammenziehen, treten Ver- schiebungen in den Längsbündeln ein und sie gruppiren sich unregelmässig, wie man im linken Theile der Figur sieht. In der äusseren, circulären Muskelschicht unterscheidet man gut die Muskelkerne; sie sind länglich und grösser als die des zwischen den Fasern liegenden Bindegewebes. Das äussere, begrenzende Bindegewebshäutchen kann man als Verstärkung des perimusculären Bindegewebes betrachten. Es ist jedoch immer sehr dünn und enthält wenige Kerne. Jene Stücken von Bindegewebe, welche die verschiedenen Theile der Membran verbinden, sind in Wirklichkeit nicht Filamente, sondern sehr dünne Häutchen. Die Muskelbündel, sowohl die Längs- als die Quermuskeln, bilden keine zusammenhängende Schicht, darum die Wand der Ingluvies, in Bezug auf die osmotischen Erscheinungen als Membran betrachtet, besteht aus dem einfachen Cylinderepithel und aus dem Ganzen dieser Bindegewebs- häutehen (mit Inbegriff der äusseren Grenzhaut), welche in alveolärer An- ordnung mit grossen Lacunen in ihrem Ganzen eine zusammenhängende Wand bilden in dem Sinne, dass man nicht von dem Epithel nach aussen von der Ingluvies gelangen kann, ohne die Bindegewebshäutchen zu durch- ziehen. Aber trotzdem ist das Bindegewebe bei den osmotischen Er- scheinungen von keiner oder sehr geringer Wichtigkeit im Vergleich mit dem Epithel, wenn man die äussere Feinheit und Zartheit, und die maschige Anordnung jener Häutchen betrachtet, die gewiss weder den Durchgang des Wassers noch den der gelösten Substanzen verhindern können. Wenn man mit dieser Membran experimentirt, kann man also be- haupten, dass man es mit einer einzigen Zellschicht zu thun hat, dem cylindrischen Flimmerepithel. Es ist uns nicht bekannt, dass auf ähnliche Weise bis jetzt Unter- suchungen von der Art der unsrigen gemacht worden seien. Zwei oder mehr Epithelschichten höchstens liegen bei den anderen Experimenten zwischen den beiden Flüssigkeiten von verschiedener Concentration. Dass die Zellen unserer Membran bewimpert sind, kann, glauben wir, auf den Gang der physischen Erscheinung keinen Einfluss ausüben. Soviel ist gewiss, dass die Membran, obgleich sie zum Verdauunescanal gehört, 128 Pr. BoTTAzzı unp PAUL EnRIQuEsS: die Eigenschaft besitzt, die Producte der Verdauung nicht aufzusaugen, wie es im Allgemeinen die des Verdauungsrohrs der anderen Thiere thut.! Diese so seltsame Ausnahme wird gehörig berücksichtigt. Wir müssen jedoch bemerken, dass bei den diesem »ahe stehenden und osmotisch ähnlichen Thieren (Öephalopoden) die resorbirenden Epithelien Flimmerhaare tragen, und in ihrer Absorptionsfähigkeit ähnliches Verhalten zeigen, wie die resorbirenden Epithelien ohne Flimmerhaare. III. Methode. Bei unseren Untersuchungen über den Verdauungscanal der Aplysia limacina haben wir uns des zwischen dem Anfange des Oesophagus und dem Anfange des Darmes liegenden Theiles bedient. Nach Oeflnung des Thieres durchschnitten wir den Verdauungscanal an diesen beiden Punkten. So erhielten wir ein Stück, welches den grössten Theil des Oesophagus, die Ingluvies und die beiden Magen enthielt. In den Oesophagus brachten wir ein Glasröhrchen ein, das nach oben trichterförmig erweitert war, und woran der Oesophagus mit einem Faden an einer kleinen Einschnürung festgebunden war. Darauf wurde das Organ innerlich und äusserlich mit fliessendem Meerwasser sorgfältig u; abgewaschen. Nach dieser vor- läufigen Waschung führten wir in das noch frei gebliebene Ende des Verdauungscanals ein anderes Röhrchen ein, weiter als das erste, dessen Ende ebenfalls eine Ein- schnürung- trug, an welche eine zweite Ligatur gemacht wurde. Wir hatten indessen vorbe- reitet: 1. einen Exsiecator (Fig. 2), der eine gemessene Menge einer bekannten Lösung enthielt (z. B. 300 m einer NaCl-Lösung zu 5 Procent), 2. zwei graduirte Bu- retten, von denen eine dieselbe Lösung enthielt, wie der Exsiecator, die andere eine verschiedene (z. B. NaCl zu 2 Procent). Fig. 2. Schema des bei unseren Untersuchungen gebrauchten Apparates. ! Siehe Bottazzi, Contributi alla fisiologia comparata delle digestione. I. La funzione digerente della Aplysia limaeina. Il. Composizione chimica della ghiandola digerente (epato-panereas) dell’ Aplysia limaeina. Zo Sperimentale. 1901. Anno LV. Fasc. 1. p. 75—106. ÜBER DIE BEDINGUNGEN DES OSMOTISCHEN GLEICHGEWICHTS UT. S.w. 129 Indem wir die beiden Röhren vertical hielten, an die der Magen be- festigt war, füllten wir ihn (in dem angeführten Beispiele) mit der 2 procentigen Lösung und liessen diese mehrmals nach einander abfliessen, um die innere Oberfläche von dem Seewasser zu befreien, mit dem sie noch befeuchtet war. Nach genauer Waschung entleerten wir unser Präparat so vollständig, als möglich, so dass die innere Oberfläche kaum noch von der Lösung befeuchtet war. Hierauf befestigten wir die zwei Röhrchen an einem Holzstäbchen, das man in Fig. 2 schon an seiner Stelle im Exsiccator sieht, so dass das Präparat das Aussehen bekam, das es in dieser Figur hat, nur dass es sich noch ausserhalb des Exsiccators befand und der Magen noch leer war. Die Befestigung der beiden Röhrchen geschah sehr leicht durch zwei elastische Fäden. Darauf gossen wir durch den kleinen Trichter die Lösung ein, mit der wir auch die innere Auswaschung gemacht hatten, und liessen die Menge an der graduirten Burette ab. Die andere Burette, die dieselbe Lösung enthielt, wie der Exsiccator, diente dazu, schnell die äussere Oberfläche der Magenhaut abzuwaschen, ehe das Präparat in den Exsiccator gebracht wurde. Nach dieser letzten Waschung wurde das Präparat in den Exsiecator gebracht, wobei das Stäbchen auf dessen innerlich vorspringendem Rand auflag, wie die Figur zeigt. Dann wurde der Exsiccator mit seinem Deckel bedeckt und der Verschluss mit ein wenig Fett luftdicht gemacht. Auf diese Weise trennte die Magenhaut zwei Flüssigkeiten, eine innere und eine äussere. Das Niveau der beiden Flüssigkeiten stand immer tiefer, als das der beiden Ligaturen, so dass eine directe Communication zwischen diesen un- möglich war, in dem Fall, dass die Ligaturen nicht festhielten. Vielmehr sorgten wir von Seiten des Darmes dafür, dass der Magen sich ebenfalls oberhalb der Flüssigkeit befand, so dass nur der Theil des Verdauungs- canals eigentlich benutzt wurde, der die Ingluvies und einen Theil des Oesophagus umfasste. Die Ingluvies ist übrigens bei diesen Thieren weit genug, um 30 bis 40°" Flüssigkeit und selbst mehr zu enthalten. Aber soviel Mühe wir uns auch mit der Isolirung des Organes und mit der Vorbereitung des Experimentes gaben, liess sich nicht verhindern, dass die Membran bisweilen während der verschiedenen Manipulationen nicht ganz unversehrt blieb. Man bedenke, dass ein sehr kleines Loch genügt, um eine Communication zwischen den beiden Flüssigkeiten herzustellen. Wir überzeugten uns immer, dass die innere Flüssigkeit nicht durch die Membran filtrirte, aber bisweilen konnte uns der Ausfluss entgehen oder Anfangs kaum merklich sein. Von dieser unvermeidlichen Ursache des Irrthums rühren vielleicht die abweichenden Beobachtungen her, deren Resultate wir trotzdem in der Folge anführen, obgleich wir sie als trügerisch bezeichnen. Archiv f£. A.u. Ph. 1901. Physiol. Abthlg. Suppl. 9 130 Prrm. BortAzzı unp PAUL ENRIQUES: Nach dieser Anordnung des Experiments liessen wir einige Zeit ver- streichen (von wenigen Minuten bis zu vielen Stunden, je nach den Fällen), dann nahmen wir das Präparat aus dem Exsiccator, entfernten die Ligatur von einer der Röhren, und, indem wir diese neigten, gossen wir den Magen- inhalt in eine graduirte Röhre. Wir sammelten die Flüssigkeit sorgfältig, so dass nichts davon verloren ging. Nach Messung der inneren Flüssig- keit bestimmten wir ihre Gefriertemperatur mit einem Apparat von Beck- mann nach dem gebräuchlichen Verfahren. Bisweilen bestimmten wir nach dem Experiment auch das Volumen und den Gefrierpunkt der äusseren Flüssigkeit. Wir hatten also in den Magen eine bekannte Menge einer Lösung von bekannter Concentration! eingebracht. Wir kannten das Volumen und den Procentgehalt dieser Flüssigkeit an Salzen, und berechneten daraus die Menge des Salzes in Grammen, die in dem Magen enthalten war. Dies waren die Anfangsdata. Die Enddata (nach dem Experiment) waren wieder das Volumen der Flüssigkeit und sein Gefrierpunkt. Von diesem Gefrier- punkte leiteten wir durch Rechnung auf die Art, die wir sogleich angeben werden, die Concentration der Flüssigkeit ab, und von dieser mit Hülfe des bekannten Volumens die Menge der Salze in Grammen. Wir gelangten so zu denselben Daten wie vorher, Menge der Flüssigkeit in Cubikeenti- metern und Menge der Salze in Grammen. Der Unterschied der Menge der Flüssigkeit giebt sehr annähernd den Durchgang des Wassers durch die Membran, der Unterschied in der Menge des Salzes drückt den Durch- gang des Salzes aus. So konnten wir die Bedingungen der Durchlässigkeit dieses Organs bestimmen. Aber wir müssen bei der Abschätzung der Concentration verweilen, die auf Grund des experimentellen Befundes des Gefrierpunktes gemacht wird. Diese Daten sind in Tabelle XI zusammengestellt. Man betrachte z. B. was das NaCl betrifft. Von den drei am häufigsten gebrauchten Lösungen bestimmten wir mehrmals den Gefrierpunkt. Das Verhältniss zwischen der Concentration und dem Gefrierpunkt giebt für jede Lösung einen Coöfficienten, und alle diese Coöfficienten wären einander gleich, wenn vollkommene Proportionalität zwischen der Concentration und der Erniedri- gung des Gefrierpunktes des Lösungsmittels bestünde. Und immer könnte unter diesen Bedingungen dieser constante Cotfficient dazu dienen, um die Concentration irgend einer Lösung von NaÜl zu berechnen, deren Gefrier- punkt bestimmt ist, wenn man diese Zahl mit diesem Coefficienten multi- ! Unter Concentration verstehen wir immer die Menge der Substanz in Grammen, die in 1008” der Lösung enthalten ist. DE ER An ÜBeEr DIE BEDINGUNGEN DES OSMOTISCHEN GLEICHGEWICHTS UV. S.w. 131 plieirt. Aber eine solche Proportionalität besteht nicht, und die Coöfficienten sind verschieden (1-56; 1-59; 1-60). Wir könnten in der That ohne Furcht vor grobem Irrthum ohne Weiteres für eine unbekannte Lösung den Coöffieienten benutzen, der einer Lösung entnommen ist, deren Gefrierpunkt dem der unbekannten Lösung, um die es sich handeit, am nächsten steht. Denn in der That ist in diesem Falle der Unterschied zwischen den ver- schiedenen Coeffieienten sehr gering. Aber wir wollten sorgfältiger zu Werke gehen, und auch hier die Interpolationsmethode befolgen, die übrigens bei anderen Substanzen, z. B. bei den Saecharoselösungen unentbehrlich ist, bei denen die verschiedenen Coöfficienten sehr von einander abweichen. Nehmen wir an, wir hätten z. B. eine Lösung von NaÜl, die bei — 2-60° gefriert. Diese Zahl liegt zwischen —3-21° und —2-16°, den Gefrier- punkten der Lösungen von 5 und 3-45 Procent. Wenn man 3-21 und 2:16 von einander abzieht (Rest 1-05), und den Unterschied zwischen einer dieser Zahlen (es ist ganz gleichgültig, welche) und dem Werthe der Ge- frierpunktserniedrigung der Lösung nimmt, um die es sich handelt (z. B. 3:21 — 2-60 = 0:60), und den Unterschied zwischen den Coöfficienten 1.59 und 1.56 (also 0-03) bestimmt, erhält man die Proportion 1-05:0-60 = 0°3:r, wobei x den Unterschied zwischen dem Coöfficienten 1-56 darstellt (dem der gewählten Temperatur — 3-21 entsprechenden) und dem für unsere unbekannte Lösung zu benutzenden. In diesem Falle findet man x = 0017, also annähernd 0-02. Dies bedeutet, dass man diese Menge zu 1°56 hinzu- fügen muss, und der Coöfficient 1-56 +0-.02= 1:58 ist der: zu be- nutzende Die Annäherung beträgt immer weniger als 5 Einheiten der dritten Decimale. Bei Gebrauch dieser Interpolationsmethode nimmt man an, dass die Coöfficienten in dem Zwischenraum zwischen zwei aufeinanderfolgenden Coöfficienten der Concentration arithmetisch proportional sind. Dies ist nicht streng wahr, wohl aber annähernd, und der Irrthum kann nur sehr gering sein. Man betrachte z. B. die Coöffieienten der Saccharose, die am meisten variiren, und bei denen daher das Fehlen der Proportionalität schwerere Irrthümer verursachen könnte. Die Unterschiede zwischen den in der Tabelle angegebenen Concentrationen sind gleich (10 Procent); die Unterschiede zwischen den Co&fficienten betragen: 13-24 — 10-54 = 2.70, 16.13 — 13-24 = 2.89, also merklich gleiche Zahlen. Wir können auch nicht behaupten, dass kleine, bisweilen zu erkennende Unterschiede der wirkliche Ausdruck der Thatsachen seien, ohne dass experimentelle Irrthümer dazu beitrügen. Wir 9* 132 PmıL. BorTtazzı unp PAUL ENRIQUES: glauben schliesslich nicht, dass es bei der Ableitung der Concentration von dem Gefrierpunkte nach der oben beschriebenen Methode den gezogenen Schlüssen in Folge der gemachten Berechnungen an Genauigkeit fehlt, ab- gesehen von den Irrthumsgrenzen der Experimente. Um im Allgemeinen die Annäherung der Endresultate zu prüfen, nennen wir v» das Volumen (in Cubikcentimetern) der dem Magen nach dem Experiment entnommenen Flüssigkeit, c seine Concentration, nach dem Coeöfficienten des Gefrierpunktes berechnet. Um die Zahl der in der Flüssigkeit enthaltenen Gramme von Salz zu bestimmen, geben wir ihm den Werth on, a) Wenn man als Elemente zur Correetion den Irrthum s einführt, be- sangen, indem man der Concentration den Werth c, und den Irrthum €”, begangen, indem man dem Volumen den Werth » beilest, so erhält man den wirklichen Werth in Grammen: = WERKEN eEE] 100 ve ve ce" EIER = 700 7 100 T 100 + Iw (2) Der Fehler wird also betragen [nach (1) und (2)] © & e el €’ eu II: 2100 Ki aomalT 1006 (8) Der Fehler =’ rührt von dem Fehler der kryoskopischen Bestimmung her, in folgender Weise: Nehmen wir den Fall von NaCl-Lösungen, bei denen der Coefficient ungefähr 1-6 beträgt. Wir geben der Concentration den Werth e&—1ebA: in Wirklichkeit beträgt er = 1-06 A+1-6s:. (4) Wenn wir also einen Fehler < = 0-01 und solehen =’ = 0-1 an- nehmen, haben wir nach (4): © = 0-016 und nach (3): ‚ v e 0-1 x 0.016 I IT ee Man sieht sogleich, dass der dritte Theil des zweiten Gliedes in jedem Falle zu vernachlässigen ist. Der zweite Theil führt bei einer Concentration von 5 Procent (der grössten bei unseren Experimenten mit NaCl) zu einem Fehler von 0.005. ÜBER DIE BEDINGUNGEN DES OSMOTISCHEN GLEICHGEWICHTS U. 8.w. 133 Der erste Theil führt bei einem Volumen von 30 °® (das bei unseren Experimenten selten überschritten wurde) zu einem Fehler von 0-016 x 0:03 = 0.0048, also ungefähr 5"s, wie der vorige. Wir erhalten also einen Maximalfehler von 1“, wenn beide experi- mentelle Fehler der Art sind, dass ihr Einfluss nach derselben Richtung ausgeübt wird. Es ging in Wirklichkeit die Genauigkeit unserer volumetrischen Be- stimmungen über die Fehlergrenze von 0-1 “w hinaus. In Bezug auf die kryoskopischen Bestimmungen haben wir uns überzeugt, sowohl durch zahlreiche Bestimmungen bei diesen und anderen Untersuchungen, als durch Wiederholung der Experimente, dass jener Fehler von 001° C. im Allgemeinen nicht überschritten wird. Wir müssen also unsere Angaben über die in der inneren Flüssigkeit nach dem Experimente enthaltenen Mengen der Gramme für richtig halten, bei einer Approximation bis zu 0.01, abgesehen von Ausnahmen. Die von uns gebrauchten Coöfficienten können auch den Fehler be- einflussen. Aber ihre Genauigkeit ist grösser, als bei den anderen Angaben, weil sie als Mittelzahlen vielen Bestimmungen entnommen sind, daher sie sehr wenig dem Fehler hinzufügen können. Und vielleicht nehmen sie eher davon weg, als dass sie hinzufügen. Denn bei den kryoskopischen Bestimmungen finden sich die jedem Experiment eigenen Fehler, die dem Thermometer anhaftenden u. s. w., und diese letzten beeinflussen alle Zahlen auf gleiche Weise. Diese letzte Art von Fehlern wurde zum grössten Theile ausgeschaltet. Denn wenn man den Coöfficienten aus dem Gefrierpunkte A einer Lösung von der Concentration c berechnet, und wenn die unbekannte Concentration der zu bestimmenden Lösung c’, und A’ ihr Gefrierpunkt, experimentell berechnet, ist, beträgt nach uns: (4 e=c7) A während es in Wirklichkeit unter Berücksichtigung des constanten Fehlers sein würde: Aber da e”’ im Vergleich mit A und A’ sehr klein ist, und besonders da A und A’ einander sehr nahe stehen, so ist annähernd A Ne NE} ei „ Irrthümer der Art von e’”’ sind, ausser einigen vom Thermometer her- rührenden, auch die, welche eintreten würden, wenn man ein unreines Salz 134 Pıuıw. BoTTAazzı unp PAUL ENRIQUES: benützte (wenn es nur immer dasselbe wäre). Diese Irrthümer gleichen sich hier nicht aus, und erscheinen in den Resultaten; aber sie gleichen sich aus, wenn man zu dem Endresultate gelangt, dem Unterschiede zwischen den Grammen vor und nach dem Experimente, also zu der Angabe, die den Durchgang des Salzes angiebt, und die unser Zweck war. Aus diesem Grunde haben wir uns unserer Coöfficienten bedient, und nicht der’ aus genaueren, von Physikern gemachten Bestimmungen, und auch weil wir, indem wir die Resultate einiger Bestimmungen von Raoult, Despretz, Rossetti u. s. w.! berücksichtigt haben, sehr geringe Unterschiede zwischen unseren Zahlen und den ihrigen gefunden haben, während zwischen den Resultaten jener verschiedenen Forscher bisweilen bedeutendere Verschieden- heiten vorkommen. Was den Durchgang des Wassers betrifft, so drückt ihn die Aenderung des Volumens der inneren Flüssigkeit sehr annähernd aus, denn das Salz ist sehr spärlich im Verhältniss zum Wasser, welches fast die ganze Flüssig- keit bildet, und weil das durchgehende Salz noch weniger beträgt, so dass fast nur Wasser durchgeht und von diesem allein die Aenderung des Volumens abhängt. Auch die Aenderung des specifischen Gewichts der Flüssigkeit kann nur sehr geringen Einfluss ausüben. Der Leser muss wissen, auf welche Weise die Tabellen I bis X angelegt sind. In der ersten Columne links ist die Reihenzahl der Experimente an- . gegeben, die angeordnet sind wie wir sehen werden. In der zweiten, „Dauer des Experiments‘ überschriebenen, ist die Zeit verzeichnet, die sie gedauert hat. Wenn dasselbe Experiment mehr als eine einzige Periode umfasst (z. B. XIX, XX), so bedeutet dies, dass, nachdem man einige Flüssig- keiten in den Magen und in seine Umgebung gebracht und dann nach einiger Zeit (bei den angeführten Beispielen nach einer Stunde) gesammelt hat, diese Flüssigkeiten während einer darauf folgenden Periode erneuert, oder dass, je nach den Fällen, andere angewandt worden sind. Kurz, es sind mehrere Experimente, die nach einander mit demselben Magen an- gestellt wurden. In diesen Fällen drückt die Dauer der einzelnen Perioden der Experimente die wirkliche Zeit aus, die jede Periode gedauert hat. Natürlich ist einige Zeit nöthig, um die ersten Flüssigkeiten herauszunehmen und die zweiten einzuführen, ungefähr 5’; aber diese Zwischenzeiten gehören nicht zu der angegebenen Dauer. Das in der dritten Columne geschriebene (‚„innen“, „aussen“) be- zieht sich auf alle Zahlen der folgenden Columnen. Alle Angaben der ! D’Arsonval, Chauveau u. s. w., Traite de physique biologique. Paris 1901, ST: ee ÜBER DIE BEDINGUNGEN DES OSMOTISCHEN ÖLEICHGEWICHTS UV. Ss.w. 135 horizontalen Reihen, die den Worten („innen“) entsprechen, beziehen sich auf die Flüssigkeit, die in den Magen eingeführt worden ist, dagegen die Angaben der anderen Reihen auf die äussere Flüssigkeit. Zu weiterer Erklärung nehmen wir ein Beispiel, das Experiment IV. Im den Magen ist eine Lösung von NaCl (Columne, an der geschrieben steht „Substanz“) zu 3-4 Procent gebracht worden (Columne, an der geschrieben steht „Proc.“), und zwar von dieser Lösung 20°" [ebenda „cem (a)“). Wo steht „in grm (d)“ wird die Menge des Salzes in Grammen angegeben, die in diesen 20 °m enthalten ist. Diese Zahl, durch Rechnung abgezogen, beträgt im gegenwärtigen Falle 0.68. Dies sind die Ausgangsangaben, die sich auf den Anfang des Experiments beziehen (daher steht an der Seite „Vor dem Experiment“). Nach dem Experiment, also nach 3® in dem ange- führten Falle, wird die im Magen enthaltene Flüssigkeit gesammelt; man misst sein Volumen in Cubikcentimetern und seinen Gefrierpunkt (A). Diese Angaben, in den beiden ersten Columnen „Nach dem Experiment‘ aufge- zeichnet, betragen 17 und — 2.68. Dieselben Angaben werden für die äussere Flüssigkeit aufgezeichnet, vor und nach dem Experiment. Jetzt schliesst man aus dem Gefrier- punkte durch Berechnung mittels des geeigneten Coefficienten auf die Con- centration der Lösung. In dem angeführten Falle hat die nach dem Experiment dem Magen entnommene Flüssigkeit, die bei — 2.68° gefror, eine Concentration von 4-23 Procent. Da man das Volumen (17 =) und die Concentration (immer mit NaCl) kennt, schliesst man sogleich auch hier auf die Menge der Gramme von Salz (NaCl), die in der dem Magen entnommenen Flüssigkeit enthalten ist. In diesem Falle sind es 0.72 sm [Columne, an der geschrieben steht „in grm (2’)“]. Die vorletzte Columne rechts zeigt die Variation des Volumens der Flüssigkeit an (von 20 =, die in den Magen gebracht worden waren, auf 17, die Menge, die nach dem Experiment gefunden wurde, also 20 — 17 =-3). Mit dem Zeichen — deutet man eine Abnahme, mit + eine Zunahme der Menge an. Also: — 3. Die letzte Columne giebt gleicher Weise die Variation des Salzes in Grammen an; von 0-68 auf 0-72, also + 0-04. Dies bedeutet, dass 3 ° m" Flüssig- keit den Magen verlassen haben und 0-04 sm NaÜl in ihn eingetreten sind. Mit unbedeutendem Unterschiede können wir diese 3m als 3 sm Wasser betrachten. In der zweiten Reihe („aussen“) führen ähnliche Berechnungen zu dem Schluss, dass 2 «m Flüssigkeit in die äussere Flüssigkeit eingetreten und 0.04 sm Salz daraus ausgetreten sind. Wesentlich ist 1°” Flüssig- keit verloren gegangen; der äussere Recipient war nämlich bei diesem Experiment nicht geschlossen. Es handelt sich also um Verdunstung. Die Zahlen, die sich auf das Salz beziehen, stimmen in diesem Falle vollkommen 136 PoıL. Bortazzı unp PAUL EnRIQUEsS: überein. Andere Male ist die Uebereinstimmung nicht vollständig, z. B. bei Experiment XXI, wo ein Unterschied von 3° auftritt (zwischen 0-18 und 0-21); dies hängt von Ungenauigkeiten beim Experimentiren ab. Aber im Allgemeinen müssen wir den von der inneren Flüssigkeit entlehnten Angaben mehr Werth beilegen, als den von der äusseren entnommenen. Denn wenn bei der Bestimmung des Gefrierpunktes ein kleiner Irrthum vorkommt, so wird er bei den Berechnungen über die äussere Flüssigkeit, die gewöhnlich 10 Mal reichlicher ist, als die innere, 10 Mal grösser. Die Zahl, die in Grammen die in jeder der Flüssigkeiten enthaltene Salzmenge angiebt, entnimmt man aus denen der Concentration durch Multiplieiren mit dem Volumen der Flüssigkeit; je grösser dieser Factor ist, desto mehr machen sich Ungenauigkeiten bei dieser Rechnung bemerkbar. Wir haben sogar nur bisweilen doppelte Bestimmungen gemacht, von der inneren und von der äusseren Flüssigkeit. Wir haben es gethan, um uns zu ver- gewissern, dass unsere Methode genau ist. Und die Resultate unserer Untersuchungen beweisen es. (S. Experi- ment IV, XIV, XV.) Gewöhnlich bestimmten wir nur das Volumen und den A der inneren Flüssigkeit und schlossen daraus auf den Durchgang des Wassers und Salzes. Aber da es oft von einigem Interesse ist, sich über den Grad des Gleichgewichts der Concentration Rechnung abzulegen, zu welchem die Flüssigkeiten während des Experiments gelangt sind, haben wir die Be- rechnungen in folgender Weise ausgedehnt: um ebenso viel, als die innere, hat sich auch das äussere Volumen geändert, und zwar in umgekehrter Richtung. Bei den weniger offenen Experimenten, die wir gemacht haben, hat der geringe, durch Verdunstung verursachte Irrthum für unseren Zweck keinen merklichen Einfluss ausgeübt. So ist z. B. bei Experiment V das äussere Volumen aus 300 zu 303 geworden, während das innere auf 27 von 30 gefallen ist. Ebenso ist es mit der Menge des Salzes in Grammen, die in der äusseren Flüssigkeit nach dem Experiment zurückgeblieben sind; die Variation hat in der inneren Flüssigkeit + 0-09” betragen; wenn man also 0-09 von 15 abzieht (der zuerst ausserhalb vorhandenen Menge), erhält man die nach dem Experiment aussen übrig gebliebene Menge. Wenn man diese Zahl durch die der Öubikcentimeter dividirt (14-91:303), erhält man die Concentration der äusseren Flüssigkeit (4-92 Procent). Diese drei Zahlen sind in der Tabelle immer mit fetten Druckbuchstaben ein- gedruckt, um sie, wenn sie so durch Rechnung erhalten sind, von den durch directe Messung der inneren Flüssigkeit gewonnenen unterscheiden zu können. Besondere Erklärungen über einzelne Experimente werden bei Gelegen- heit gegeben werden. ÜBER DIE BEDINGUNGEN DES OSMOTISCHEN GLEICHGEWICHTS U. 8.w. 197 IV. Experimente. 1. Experimente mit NaCl-Lösungen von gleicher Concen- tration. — Zuerst haben wir Versuche angestellt, um uns zu vergewissern, dass die von uns studirte Membran nicht eine Eigenschaft besitzt, die eine Störung des osmotischen Gleichgewichts zwischen zwei gleichen Flüssigkeiten, die sich zu beiden Seiten von ihr befinden, zu bewirken strebt. Wir be- richten nicht über alle, weil es uns überflüssig scheint. Bei Experiment I war die Flüssigkeit eine ungefähr isotonische Lösung von NaCl, ausserhalb und innerhalb, und die Endzahlen ungefähr den Anfangszahlen gleich. Dasselbe Resultat gaben Experimente, bei denen sich aussen und innen dieselbe hypo- oder hypertonische Lösung fand (Experiment II. Man schliesst daraus, dass die Membran an sich keinerlei Neigung besitzt, Ver- schiebungen hervorzubringen, weder des Wassers, noch der gelösten Salze, wenn sie auf beiden Seiten von derselben Lösung gebadet wird. 2. Experimente mit NaCl-Lösungen von verschiedener Con- centration. — Wir beginnen jetzt die Reihe der Experimente mit NaCl- Lösungen von verschiedener Concentration. In einer ersten Reihe von ihnen ist die innere Flüssigkeit isotonisch, und die andere von nicht sehr ver- schiedener Concentration (0-8 —1.5 Procent). Experimente dieser Art zeigen bei einer Dauer von 2--3® keine bedeutenden Unterschiede von einander. Die Menge des Wassers, das nach der stärkeren Lösung übergeht, beträgt, wenn diese sich aussen befindet, 2.5 — 3— 3 — 3°” (Experiment III, IV, V, V]), im entgegengesetzten Falle 3— 2-9 — 3° m (VII, IX, X), und auch bei einer längeren Dauer (18%) bleibt die Zahl ungefähr dieselbe (9.9; Experiment VIII). Wir können also die Zahl 3°" annähernd als Mittel- zahl des Uebergangs des Wassers bei Experimenten mit wenig verschiedener Coneentration annehmen, ohne vielen Einfluss der Dauer. An Salz sind in die verdünnte Lösung 0-108" bei dem 18stündigen Experiment VIII über- gegangen, bei den anderen nur wenige Centisramm: 0-02; 0-04; 0-09; 0-07; 0-05; 0.01. Experiment X macht eine Ausnahme, aber die 15° Salz müssen offenbar von einer unvorhergesehenen Ursache oder von Irrthümern des Untersuchenden herrühren. Wir müssen also annehmen, dass in jedem normalen Falle bei diesen Experimenten nur eine sehr geringe Salzmenge durch die Membran gehen kann; sie bleibt sogar bisweilen innerhalb der Irrthumsgrenzen zurück (1 oder 2%). Wir können zugleich mit diesen Experimenten auch die XI, XII, XIV, XV betrachten, bei denen keine der Flüssigkeiten isotonisch und der Unterschied der Concentration zwischen beiden immer ziemlich gering ist (2 Procent). Die XII, bei der viel Salz übergegangen ist, wird ohne Weiteres abgeschieden, denn diese Thatsache, und eine andere noch mehr, beweisen deutlich, dass die Membran nicht in 188 0 PnıtL. BorTTAzzı unp PAuL EnRIgUuEs: normalem Zustande war. Man bemerkte, dass bei keinem anderen Experiment die beiden Flüssigkeiten sich in so kurzer Zeit in vollkommenes Gleich- gewicht setzten; hier ist die Concentration in 3 Stunden aussen und innen gleichmässig 4-29 Procent geworden. Offenbar konnten Salz und Wasser wegen besonderer Umstände frei durch die Membran hindurchgehen. Wir haben die verfehlten Experimente nicht weglassen wollen, in der Hoffnung, dass die Kritik den gelungenen desto mehr Glauben schenken möge. Auch bei Nr. XV ist viel Salz übergegangen (0-18®); aber dies ist ein Ex- periment von langer Dauer (18%), und ausserdem bemerke man, dass auch viel Wasser in entgegengesetzter Richtung übergegangen ist (8-5 =), Von den beiden anderen Experimenten zeigt das XIV. ungefähr gleiche Ver- hältnisse, wie die beiden zuerst angeführten (2-75 em Wasser, 0.09 3m Salz). Das XI. endlich ist auch abweichend. In 3% ist eine grosse Menge Wassers durchgegangen (9.9 m) und bei eben diesem Experiment ist noch nicht einmal 1° Salz durchpassirt. Dieses Zusammentreffen ist nicht zu- fällig. Wir sehen schon aus diesen ersten Experimenten, dass das Ver- halten dieser Magen nicht immer sehr constant ist. Es wird im All- gemeinen das Gleichgewicht mehr durch den Uebergang des Wassers, als des Salzes hergestellt, aber von diesem geht bisweilen auch ein wenig hindurch. Aber es kann vorkommen, dass der erste Vorgang der einzige bleibt, und dass Salz überhaupt nicht übergeht. Natürlicher Weise übt das NaCl desto stärkeren osmotischen Druck aus, je weniger davon übergeht, und je weniger davon übergeht, desto mehr Wasser muss offenbar hindurchgehen, und dies ist dann der einzige active Mechanismus, im Stande, das Gleichgewicht herzustellen. Wenn bei pathologischen Zuständen der Membran das Salz fast frei hindurchgeht, verändert das Wasser seine Lage nicht oder sehr wenig, und von diesen Fällen werden wir in der Folge viele antreffen. Wir müssen dagegen annehmen, bei Experiment XI sei der Magen widerstandsfähiger gewesen, als andere. Wenn wir also bedenken: — 1. dass es Fälle giebt, in denen überhaupt kein Durchgang des Salzes stattfindet (XI, IX)!; 2. dass wir, wenn die Concentrationsunterschiede nicht zu stark sind, im Ällgemeinen einen Durchgang von Salz erhalten, der aber in der That unbedeutend ist, und nach seinem absoluten Werthe nicht einmal einem festen Gesetze folgt, sondern von den abnormen Bedingungen des Experiments abzu- hängen scheint? — dann müssen wir zu dem Grenzbegriffe der voll- kommenen Halbdurchlässigkeit unserer Membran gelangen. Ein „Grenz- begriff“ ist es insofern, als, so oft der eigene Widerstand des Epithels nicht ‘ Bei diesen Experimenten wäre jenes Oentigramm, das durchgegangen ist, in umgekehrter Richtung durchgegangen, statt in der erwarteten. Dies ist offenbar eine kleine Ungenauigkeit innerhalb der Fehlergrenzen. ÜBER DIE BEDINGUNGEN DES OSMOTISCHEN GLEICHGEWICHTS U. S.w. 139 stark genug ist, um den abnormen Bedingungen zu widerstehen, denen es durch das Experiment ausgesetzt wird, ein wenig Salz hindurchgeht. Aber in den Grenzen, in denen die Membran normal besteht, auch bei einigen Experimenten, und a fortiori im Zustande des normalen Lebens, wenn der Unterschied der Tonieität zwischen innen und aussen, wenn er überhaupt existirt, sehr klein ist, dann geht Wasser hindurch, um das Gleichgewicht herzustellen, aber kein Salz. Wir haben uns bisher nur mit dem NaCl beschäftigt, weil es auch normaler Weise das wichtigste Salz ist, werden aber später auch andere Substanzen besprechen. Indessen fahren wir fort, die Experimente zu prüfen, die wir mit NaCl unter noch abnormeren Bedingungen angestellt hatten, als die vorigen, und sehen weiter, dass desto mehr Salz übergeht, je mehr die Bedingungen sich von den normalen entfernen. Aber mit einiger Beschränkung, denn auch unter den Experimenten mit bedeutender Verschiedenheit der Con- centration (5 und 2 Procent) fanden wir ein kurzdauerndes (1°), bei dem der Durchgang des Salzes äusserst gering war (XVII). Der Uebergang des Wassers ist jedoch bei diesen Experimenten im Allgemeinen grösser, als bei den vorigen. Bei zwei sehr kurzen Experimenten (40) beträgt er 3 und 2.5 m (XIII und XVI), aber bei den anderen von 1® ist er grösser (5-5 und 5.2 m; XVII und XIX). Sehr gross. war er in einem Experimente von 3% (11.5°m; XVII. Bei diesem ging auch viel Salz über (0-37 2m); bei den kurz dauernden gehen gewöhnlich 10—20 ° Salz über. Sehr interessant ist Experiment XIX, bei dem die Lösungen von Stunde zu Stunde gewechselt wurden, wobei man immer gleiche Mengen und von derselben Concentration einführte. Sechs Stunden nach einander beobachteten wir die allmähliche Verschlechterung des Zustandes der Membran. Die Menge des in 1 Stunde durchgehenden Wassers wird immer geringer, die des Salzes dagegen immer grösser. Aber um die Erscheinung verständlicher zu machen, haben wir in Tabelle XII, indem wir das Verhältniss zwischen den Zahlen der Columnen ce und d der Tabelle I aufstellten, berechnet, wie viel Salz austreten muss, damit zum Ausgleich 1°" Wasser eintrete. Dieses drücken die Zahlen der Columne z aus. Oder wir haben auch (Columne 7) für 1s'm ausgetretenen NaCl berechnet, wie viel Cubikcenti- meter Wasser eintraten oder eintreten würden. Die Bedeutung dieser Zahlen scheint uns sehr anschaulich, um im Ganzen die Variation der Bedingungen zu beurtheilen. Man sieht, dass zuerst dem Uebergang von 1°" Wassers nur 0.023 sm Salzes entspricht, während ihm zuletzt 0.4 s’m entsprechen, also eine um wenig kleinere Menge, als die Hälfte des Wassers. Ausserdem sind in der letzten Öolumne (m) die Unterschiede der Concentration der inneren und äusseren Flüssigkeit am Ende jeder Stunde angegeben. Man bedenke, dass, mit der Zeit, 140 Pnın. BoTTazzı unp PAUL ENRIQUES: 1" genügt, um sich immer mehr dem Gleichgewicht zu nähern. In der ersten Stunde betrug der Unterschied der Concentration 1-85 Procent, in der letzten 1-09 Procent. Diese Angaben zeigen also von Neuem, dass die Leichtigkeit, mit der die Membranen von Salz durchdrungen werden, 7. Re 3. 5: 5 I.Curve Na cl r Stunden 32. NE Se 95 335305 This Z.Curve Na (cl ZI.Curve LiCt MAC Nadl KO Fig. 3. Drei Curven zur Erläuterung der Permeabilitätseigenschaften der Magenwand der Aplysia. (8. Text.) immer zunimmt. Was die Form der Entwickelung der Erscheinung be- trifft, so beobachten wir die Curven I und II der Fig. 3, die den Angaben der Columne d (Tabelle I) und z (Tabelle XII) entnommen sind. Die erste ist im Wesentlichen eine Linie mit doppelter Krümmung, mit einem Wende- punkte. Zuerst steigt sie immer schneller auf, indem sie anzeigt, dass ÜBER DIE BEDINGUNGEN DES OSMOTISCHEN GLEICHGEWICHTS U. s.w. 141 die Alteration der Membran in einem annähernd parabolischen Verlaufe erfolgt. Aber man begreift, dass, wenn die Menge des durchgehenden Salzes nahe am Maximum angelangt ist, also nahe der Menge, welche durchgehen würde, wenn die Membran dialysirend wirkte, was seinen Durchgang nicht ganz verhindern würde, die Curve ihr Fortschreiten ver- langsamen muss. Dies ist der Grund des Wendepunktes. Daher drückt Curve 2 die zunehmende Alteration der Membran besser aus; in dieser Curve sind die Verhältnisse zwischen den Uebergängen des Salzes und Wassers als Daten genommen, und der Wendepunkt erscheint nicht. Ihre Aehnlichkeit mit einer Parabel ist sehr bemerkenswerth. 3. Versuche mit hypertonischen und hypotonischen Lösun- gen. — Immer mit Lösungen von NaCl angestellt, folgen jetzt Experimente, durch die wir untersuchen wollten, ob Lösungen, welche beide hypertonisch oder beide hypotonisch sind, sich wie die anderen oder verschieden ver- halten. Von den angewendeten Lösungen waren die hypertonischen 6 und 5 Procent stark, die hypotonischen 2 und 1 Procent: also Lösungen mit ge- ringem Unterschiede der Concentration unter einander, aber mit bedeutendem Unterschiede von der Tonicität der normalen Flüssigkeit in der Umgebung des Magens. So verursachte es einige Verwunderung, dass wir einen sehr geringen Durchgang von Salz fanden. Bei dem ersten Experiment (XX) war er sogar ganz unbedeutend (0-02 2m), bei dem zweiten wenig grösser (0-108), Um den ganz guten Zustand des Experiments zu bezeugen, dient der Uebergang des Wassers (4-7 bezw. 4°"), Die hier eingetretene Wassermenge ist niemals übertroffen worden bei Experimenten mit geringem Unterschiede der Concentration zwischen den Flüssigkeiten, bei denen sie um 3°em schwankte. Müssen wir also annehmen, dass von den normalen so sehr abweichende Lösungen ohne Einfluss auf diese Membranen sind? Nein; in den darauf folgenden Stunden haben wir bei diesen Experimenten (XX und XXI) in die Magen. diejenigen Lösungen eingebracht, die wir am häufigsten benutzten, zu 5 und 2 Procent. Bei beiden Malen ist eine ausserordentliche Menge von Salz hindurchgegangen, und dagegen sehr wenig Wasser, oder keines. Folglich alteriren diese hyper- und hypotonischen Lösungen die Membranen in 1" ebenso sehr, als Lösungen von 5 und 2 Procent in 5* (XIX). Aber die Alteration erfolgt nicht unmittelbar, sonst würde man ihre Wirkung sogleich, bei den Experimenten mit den alteriren- den Lösungen selbst, bemerken. Es handelt sich offenbar um eine An- schwellung oder auch um eine Zusammenziehung der Epithelzellen, was für den Augenblick den Zustand der Durchdringbarkeit nicht merklich ändert, aber der Art ist, dass jede fernere Aenderung ihres Turgors, auch wenn sie dadurch dem Normalzustande wieder genähert werden, unmöglich ist ohne tiefe Alteration der Membran. 142 Pmıt. BorTTAzzı unnp PAuL ENRIQUES: Bei diesen Resultaten wollten wir unsere Versuche noch weiter fort- setzen und auch destillirtes Wasser versuchen. Wir berichten zuerst über zwei lange dauernde Experimente mit sehr verschiedener Concentration (von 4-5 Procent bis 0), die wir zu Anfang unserer Untersuchungen an- stellten, als wir immer nur kleine Salzmengen durchgehen sahen und uns überzeugen wollten, ob nicht bei mehr anormalen Bedingungen viel durch- gehen würde. Man sieht sogleich, dass es sich in diesem Falle um sehr. bedeutende Mengen handelte, 0-79 bei Experiment XXII und 1.56 ®”” bei XXIIL; ja bei diesem letzteren trat das Salz so stark aus, dass es nicht nur nicht fähig war, Wasser einzuziehen, sondern auch Wasser aus dem Magen austrat (1°®). Aber wenn wir uns dagegen zu zarteren Experi- menten wenden, von nur 1®, und bei denen die andere Flüssigkeit eine schwache Lösung von NaCl (1 Procent) war, verhalten sich die Dinge anders. Bei Experiment XXI1V geht sehr viel Salz durch, wie bei den vorigen, aber auch eine bedeutende Menge Wasser in entgegengesetzter Richtung (4-3 °®), die sehr beträchtlich ist im Verhältniss zu dem geringen Unterschiede der Concentration. Bei Experiment XXV endlich tritt ziem- lich wenig Salz aus, und 3° Wasser treten ein. Allerdings stellen die 0.09 8m des ausgetretenen Salzes einen bedeutenden Theil des wenigen dar, das darin war, aber wir müssen doch sagen, dass selbst das destillirte Wasser sich uns als weniger zerstörend gezeigt hat, als wir erwartet hätten; denn wenn das Salz ausgetreten ist, hat es zum Ausgleich eine bedeutende Menge Wasser eintreten lassen. Als wir, um in den folgenden Stunden Controlversuche anzustellen, die ersten Flüssigkeiten weggenommen und andere, weniger schädliche dafür eingeführt hatten, schwamm das halb zerstörte Magenepithel zum Theil in Fetzen in den neu eingebrachten Flüssigkeiten, von dem Reste der Membran abgelöst. Die Wirkung dieser Bedingungen wird deutlich, sobald man einen Blick auf die Zahlen der Tabellen wirft, die sich auf diese Experimente beziehen. 4. Versuche mit verdünntem und concentrirtem Seewaässer, mit Blut des Thieres und Lösungen von NaCl. — Um uns in Beziehung auf die Zusammensetzung der Flüssigkeiten der des normal umgebenden Mediums möglichst zu nähern, machten wir Versuche mit ver- dünntem und concentrirtem Meerwasser, mit Blut des Thieres und Lösungen von NaCl. Das verdünnte Meerwasser bereiteten wir durch Hinzufügung von destillirttem Wasser zu dem natürlichen, das concentrirte durch Ver- dampfen von Seewasser im Wasserbade, ohne starke Temperaturerhöhung. Ein wenig Salz schlug sich nieder und wurde abfiltrirt. Es war offenbar zum erössten Theile kohlensaurer und schwefelsaurer Kalk. Nach Zubereitung der Lösungen bestimmten wir ihren Gefrierpunkt, welcher in den Angaben ee er hr ee. ee a ÜBER DIE BEDINGUNGEN DES OSMOTISCHEN GLEICHGEWICHTS U. s.w. 143 des „vor dem Experiment“ der Tabelle II in einer neuen Columne erscheint, die in der vorigen Tabelle nicht vorhanden war. Nach diesen Temperaturen berechneten wir nach den gewöhnlichen Methoden die Concentration, als handelte es sich um eine Lösung von NaÜl. So erhält man z. B. für ver- dünntes Seewasser, das bei — 1'45° gefriert, den procentuellen Werth 2.32. Dies bedeutet offenbar nicht, dass in dieser Lösung 2-32 Procent NaCl oder Salze im Ganzen enthalten seien; diese Zahl drückt aus, dass diese Lösung osmotisch einer solchen von NaÜl zu 2-32 Procent entspricht. Nach dem Experiment entnehmen wir aus dem Gefrierpunkte (— 2.38° in Experiment XXVI) ebenfalls den Werth einer Lösung von NaCl, die mit der Flüssigkeit des Experiments (3.76 Procent) isotonisch ist. Wir setzen die Berechnungen fort, als handelte es sich wirklich um diese Lösung von NaCl. Dann drücken die Zahlen, die wir erhalten, z. B. die, welche den Durchgang der Salze in Grammen ausdrückt (0.248), nicht wirkliche Data aus, sie wollen nicht sagen, dass 0-24" Salze durchgegangen sind, sondern dass eine solche Menge von Salzen hindurchgegangen ist, die, wenn sie gelöst wäre, bei dieser Concentration eine osmotische Wirkung gleich der von 0-24 8m NaCl hervorbringen würde. Beobachten wir jetzt die Resultate des Experiments. Die von uns bei dieser Reihe benutzten Lösungen unterscheiden sich osmotisch ein wenig mehr, als die von NaCl zu 5 und 2 Procent. Bei den Experimenten XXVI bis XXVIII, bei denen das verdünnte Seewasser sich innerhalb, das concentrirte ausserhalb befand, ist eine grössere Salzmenge übergegangen, als in dem Falle mit NaCl. Dieser Unterschied ist nicht der verschiedenen Natur der Lösungen zuzuschreiben, sondern dem grösseren Unterschiede der Concentrationen unter einander. Denn es ist auch mehr Wasser in dem Salze entgegengesetzter Richtung hindurchgegangen, als es bei NaCl-Lösungen zu 5 und 2 Procent zu geschehen pflegt. Bei den anderen Experimenten (XXIX bis XXXI) mit verdünntem Seewasser ausser- halb, ist die Menge des übergegangenen Salzes geringer, als bei den Experi- menten mit NaÜl zu5und 2 Procent, und sehr bemerkenswerth ist besonders das eingetretene Wasser, das in einem Falle (immer von 1® Dauer) 11-5 erreichte. Besondere Beachtung verdient dasjenige Experiment (XXIX), bei dem der Uebergang des Salzes sehr spärlich war, nur von 0.048®'m, Dieser Magen zeigte sehr lebhafte peristaltische Bewegungen, sobald er in die Lösungen eingetaucht wurde, die viel stärker waren, als die anderer zu ähnlichen Experimenten gebrauchter Magen. Sie blieben lebhaft während des ganzen Verlaufs des Versuchs, so dass offenbar die Membran einen viel höheren Grad von Lebenskraft besass, als die bei den anderen Experimenten. Allerdings hängen die peristaltischen Bewegungen von den Muskelfasern 144 Prıw. BoTTAzzı unp PAUL EnRIgQUES: und nicht von den Epithelzellen ab, aber wir können schwerlich glauben, dass die beiden Schichten des Magens so wenig an einander gebunden sein könnten, dass ein guter Zustand von starker Lebenskraft des einen nicht einem guten Erhaltungszustande des anderen entspräche, oder wenigstens einem besseren, als wenn auch der andere sich schwächer und mehr alterirt zeigte. Wir sehen also auch hier, dass der Uebergang des Salzes innige an den abnormen Zustand der Membran gebunden ist, denn wenn diese wegen individueller, unbekannter Zustände grösseren Widerstand gegen die Anisotonieität der Lösungen zeigt, gehen nur Spuren von Salz über. Wir haben also auch für die Salze des Seewassers, als „Grenzbegriff“, eine vollkommene Semipermeabilität der Membran. Man beachte wohl die That- sache, dass jene Spuren von Salz, jene blossen 4° bei einem ungeheuren Unterschiede in der Concentration der Lösungen übergegangen sind, einem Unterschiede von ungefähr 4 Procent NaCl. Bei den Experimenten mit dem eigenen Blute des Thieres (Tabelle IIT) sammelten wir von einem geöffneten Thiere oder von mehreren alles Blut, das austreten konnte, und nachdem wir den Gefrierpunkt bestimmt hatten, berechneten wir gewöhnlich die mit ihm isotonische NaCl-Lösung. Wir brachten auf eine Seite dieses Blut und auf die andere die NaCl-Lösung. Wir übergehen das Experiment XXXI, bei dem der Uebergang des Salzes sehr gross war. Diesmal hat offenbar der Magen nicht während der ganzen Dauer des Versuches, die ziemlich lange währte, gut genug widerstanden. Bei den anderen ist bisweilen (XXXV) wenig Salz übergegangen, aber im Mittel mehr, als in den Experimenten mit zwei NaCl-Lösungen von ebenso verschiedener Concentration. Daher müssen wir anerkennen, dass die (regenwart des Blutes die Bedingungen des Experimentes nicht verbessert. 5. Experimente mit LiCl (Tabelle IV). — Bei diesen haben wir solehe Lösungen gewählt, die osmotisch mit den sonst angewendeten Na0l- Lösungen ungefähr gleichwerthig waren. Tabelle XI enthält die Angaben über die Gefrierpunkte. Auch hier haben wir Experimente mit wenig von einander verschiedenen Lösungen gemacht, von denen eine ungefähr isotonisch war (XXXVII, XLI), sowie mit solchen mit grösseren Unterschieden (die anderen). Im Allgemeinen können wir sagen, dass das LiCl leichter durch die Membran hindurch- geht, als das NaCl. Indessen ist bei einem Experimente nur eine mini- male Menge oder kein Salz hindurchgegangen. Auch bei einem sehr kleinen Unterschiede der Concentration (XXXVIH) sind 0.118 übergegangen, und in den anderen Fällen ungefähr 0-3®”%. Wir haben in Tabelle XIII Angaben über den Durchgang des Salzes zusammengestellt aus den- jenigen von den Experimenten mit verschiedenen Salzen, die bei annähernd gleichem osmotischen Druck und gleicher Dauer angestellt worden waren. ÜBER DIE BEDINGUNGEN DES OSMOTISCHEN GLEICHGEWICHTS U. S.w. 145 Man sieht, dass beim NaCl eine Mittelzahl von 0-11" erscheint, beim LiCl sich eine solche von 0-.228m ergiebt, also das Doppelte. Wenn man nun bedenkt, dass das Moleculargewicht des LiCl geringer ist, als das des NaCl, nimmt dieser Unterschied eine noch grössere Bedeutung an, insofern als der Unterschied in der Zahl der übergegangenen Molecüle noch bedeutender ist. Dies haben wir in Columne g der Tabelle XIII deutlich gemacht, wo sich die Verhältnisse zwischen den Grammen jedes übergegangenen Salzes und den betrefienden Moleculargewichten finden. Die Zahlen, welche diese Verhältnisse ausdrücken, haben natürlich nur eine relative Bedeutung zu einander und zeigen, in dem Falle des LiCQ], dass für jede 188 Molecüle NaCl, die übergehen, unter analogen Umständen 517 von LiCl hindurchgehen. Auch im Uebergange des Wassers bemerkt man einen ähnlichen Unterschied, aber weniger auffallend (Tabelle XIV). Während die Mittelzahl bei den Experimenten mit NaCl 4.07 beträgt, beläuft sie sich bei deren mit LiCl auf 4-27 m, Dies bedeutet im All- gemeinen, dass man mit dem Lithiumsalze schneller zum Gleichgewicht strebt, als mit dem von Natrium. Weitere Betrachtungen werden wir in der Kürze anstellen. Uebrigens beobachten wir, dass das LiÜl die Membran alterirt, weil bei den Experimenten der späteren Stunden mit NaCl der Uebergang dieses Salzes viel reichlicher wird, als gewöhnlich (0.478”® — XLIII). Aber weniger als an eine wirklich (chemische) alterirende Wirkung des LiCl muss man an eine physikalische, durch den Uebergang des Salzes hervorgebrachte Wirkung denken. Denn bei Experiment XXXVIII, wo der Uebergang von LiCl geringer war (0-11&%), war auch der darauf folgende Uebergang von NaCl geringer (0-298 m), Um diese Frage zu beantworten, könnte man daran denken, den Magen einige Zeit lang in eine Lösung von LiCl zu tauchen und dann Experimente mit NaCl zu machen, und dann zu folgern: der aussen und innen von derselben Lösung benetzte Magen befindet sich in solchem Zustande, dass LiCl nicht durch ihn hindurchgeht; wenn die Schädigung sich offenbart, so bedeutet dies, dass sie wirklich durch das LiCl verursacht ist, wenn sie sich nicht offenbart, dass sie von dem Durchgang des Salzes durch die Membran herrührt. Aber ein solches Experiment hätte uns bei richtiger Beurtheilung nichts sagen können. Denn erstens ist der Magen der Aplysia nicht eine Hautoberfläche, sondern besteht wenigstens aus zwei Membranen, dem Ganzen seiner freien, Himmernden Wände des Epithels und aus dem Ganzen seiner basalen Wände. Zwischen diesen beiden Oberflächen findet sich das Zellprotoplasma, in welchem kein LiCl vorhanden ist. Wenn daher die Schädigung sich offenbart, kann man die Erscheinung auch so auslegen, dass man denkt, sie rühren immer noch von der physikalischen, mechanischen Ursache des Durchgangs dieses Salzes her, Archiv f. A.u. Ph. 1901. Physiol. Abthlg. Suppl. 10 146 PuıL. BoTTAzzı unp PAUL ENRIQUES: welcher nicht von der einen zur anderen Seite des ganzen Magens stattfinde, sondern von aussen nach innen in die Epithelzellen, was dasselbe ist, denn die echten Häute des Magens, die freie und basale Wand der Zellen, würden gleicher Weise durchzogen werden. Wenn aber bei Anwendung isotonischer Lösungen von LiCl, in der Meinung, in diesem Falle würde es nicht geneigt sein, auch nur in das Innere der Zellen einzudringen, die Schädigung sich nicht offenbart, so kann man immer denken, dies sei nicht dem?Mangel des Durchgangs als physikalische Thatsache zuzuschreiben, sondern diesem, denn das LiÜl ist ganz ausserhalb der Membran ge- blieben and hat keine Gelegenheit gehabt, sie chemisch anzugreifen. Die Frage war also auf diesem Wege nicht zu beantworten, und wir müssen uns darauf beschränken, die schädlichen Wirkungen der bei den Experi- menten benutzten LiCl-Lösungen zu beobachten; wir meinen, sie seien der mechanischen Wirkung ihres Durchgangs zuzuschreiben, nur weil wir nicht wissen, welche chemischen Wirkungen das LiCl auf lebende Substanzen hervorbringen könnte. 6. Experimente mit KCl. — Auch bei diesen haben wir an- nähernd isotonische Lösungen angewendet, wie die von NaCl zu 5 und 2 Procent (Tabelle XI mit den Gefrierpunkten). Bei allen diesen Ex- perimenten war eine etwas specielle Technik nöthig. Wenn man den Magen in eine Lösung von KCl taucht, oder innerlich damit benetzt, ruft sie eine so kräftige Contraction hervor, dass der ganze Magen nur noch sehr wenige Cubikcentimeter Flüssigkeit enthält. Nach einigen Minuten (5 bis 10’) folgt das Stadium der Ausdehnung, und erst dann ist es mög- lich, den Magen anzufüllen wie gewöhnlich und das Experiment anzu- ordnen. Also immer geht dem Experiment die Behandlung der Membran mit KCl-Lösungen vorher, und zwar innen und aussen mit denselben, die dann dazu benutzt werden sollen. Durch Experiment XLIV wollten wir entscheiden, ob diese vorläufige Behandlung schon eine merkliche Alteration der Membran hervorbrächte. Das Resultat war negativ. Der vor dem Experiment mit Lösungen von KCl bis zur Ausdehnung behandelte Magen liess in 1” kein NaCl durch. Die 3®@, die durchgegangen sein würden, sind offenbar ein Fehler des Versuchs, denn sie wären in umgekehrter Richtung hindurchgegangen, und nicht in der, wie sie gemusst hätten. Die Experimente XLV bis L zeigen, dass mehr KCl in Grammen übergeht, als in denen mit NaCl, aber die absolute Quantität ist sehr verschieden in verschiedenen Fällen. Aber jene beiden Experimente, bei denen ein so starker Uebergang von Salz stattgefunden hat, während bei dem einen fast keiner von Wasser in entgegengesetzter Richtung statt- gefunden hat, beweisen offenbar, dass in diesen Fällen die Magen der ÜBER DIE BEDINGUNGEN DES OSMOTISCHEN GLEICHGEWICHTS U. S.w. 147 Wirkung des Kalisalzes nicht haben widerstehen können, und zwar wegen individueller geringer Widerstandskraft. Daher müssen sie bei Berechnung der Mittelzahlen des Wasser- und Salzüberganges ausgeschlossen werden. Diese Mittelzahlen, nach den anderen Experimenten berechnet, ergeben einen noch geringeren Uebergang von Wasser, als beim NaCl (Tabelle XIV), und einen Uebergang von Salz von 0-19”, grösser als bei NaCl, weniger gross als bei Lil]. Die Experimente mit NaCl in den darauf folgenden Stunden zeigen starken Uebergang von Salz (IL, L), also dauernde Alteration, worüber man das wiederholen kann, was schon bei LiÖl gesagt wurde. Das Experiment LI könnte jedoch glauben lassen, dass dieser Einfluss nicht ganz dauernd sei, weil hier in der 2. und 3. Stunde nach dem Experiment mit KCl weniger NaCl übergegangen ist, als in der ersten Stunde bei den Experimenten LI und L; ja nicht mehr, als das Normale, wie man sehen kann in dem Experiment mit NaCl Nr. XIX, mit dem das Experiment LI parallel ge- führt worden ist. 7. Experimente mit NH,Cl. — Dieselben Vorsichtsmaassregeln in Bezug auf die benützten Lösungen. Der Durchgang des Salzes ist im Mittel dem des KÜC]l gleich, während in entgegengesetzter Richtung ınehr Wasser übergeht, als in allen früheren Fällen. Daher zeigt sich das NH,Cl von diesem Gesichtspunkte aus noch osmotisch kräftiger, als die anderen von uns untersuchten Salze. Es findet keine Schädigung der Membran statt; s. das Experiment LV, bei welchem in der That in den nach den Experimenten NH,C1 folgenden Stunden nicht mehr NaCl über- ging, als gewöhnlich. Wir haben auch Experimente angestellt, indem wir 182m NH,CI in 100 Theilen isotonischer NaCl-Lösung auflösten und diese Flüssigkeit auf eine Seite, die isotonische NaCl-Lösung auf die andere brachten (Tabelle VII). Der Uebergang des Salzes ist gering, oder fehlt ganz (Experiment LVIII, LIX) und auch die Alteration der Membran ist unbedeutend. Bei Ex- periment LVII zeigt der sehr geringe Durchgang von Wasser, sowohl in den ersten, als in den folgenden Stunden, dass die Membran wenig wider- standsfähig oder alterirt war. 8. Um einen zusammenfassenden Blick über die vorhergehenden Fx- perimente zu geben, indem wir das Verhalten der verschiedenen Salze im Verhältniss zu ihrem Moleculargewichte vergleichen, haben wir die schon mehrfach angeführten Tabellen XIII und XIV und die dritte Curve (s. S. 140) zusammengestellt. Das Verhalten des NaCl zeigt sich (Tabelle XIII) vollkommener, als das der anderen Salze, indem viel weniger übergeht; dann folgen KÜl und 10* 148 Pur. BoTTAzzı unp PAUL ENRIQUES: NH,Cl in gleicher Höhe, und dann LiÜl. Die Zahlen der letzten Columne, die proportional zu der Zahl der übergegangenen Moleeüle sind, sind be- deutungsvoller; mit ihnen haben wir die dritte Curve construirt, indem wir auf der Abscisse den Moleculargewichten der verschiedenen Substanzen und auf den Ordinaten den Zahlen der übergegangenen Molecüle proportionale Stücke entnahmen. . Offenbar ist das Verhältniss zwischen dem Durchgange des Salzes und seinem Moleeulargewicht bei LiCl, NH,Cl und KCl; man findet eine grad- weise Abnahme der Zahl der übergegangenen Molecüle. Das NaÜl zeigt ein eigenthümliches Verhalten, da es weniger durchgeht, als alle anderen Salze. Es ist klar, dass es sich hier nicht um eine elective Eigenschaft der Membran handelt. Das NaCl ist schon normaler Weise das vor- herrschende Salz in den Flüssigkeiten, die die Membran benetzen, und sicher auch im Protoplasma der Epithelzellen vorhanden; es befindet sich daher in besonderen Verhältnissen. Wenn man die Membran mit einem anderen Salze befeuchtet, so findet sich dieses nicht schon innerhalb der Epithelzellen, und wenn daher auch das Salz die lebende Substanz nicht alterirt, entsteht ein Zustand von schwerer Störung. Die freie Wand und die Basis der Zellen kommen mit verschiedenen Salzen in Berührung, anders, als es im Normalzustande geschieht. Schon dies ist ein ungünstiger, weil anomaler, Zustand für das vollkommene Functioniren der Membran. Sobald Spuren des neuen Salzes in die äussere Wand der Zelle eingedrungen sind und in das Protoplasma eintreten, ist es ferner möglich, dass dieses anomale Salz, wenn es auch chemisch unthätig scheinen kann, durch seine anomale Anwesenheit im Protoplasma, dieses und die ganze Zelle vorübergehend oder dauernd alterirt, so dass sie durchgängiger wird. Kurz, wir meinen, das besondere Verhalten des NaCl sei davon abzuleiten, dass es schon als normaler Bestandtheil das vorwiegende Salz in den Flüssigkeiten bildet, welche die Epithelzellen und ihr Protoplasma tränken, und dass dadurch die Regelmässiekeit nicht abgeschwächt wird, mit der bei den anderen Salzen, bei ähnlichen Experimenten, die Zahl der übergehenden Molecüle abnimmt im Verhältniss zur Zunahme des Moleculargewichtes. Und wir halten dieses Verhältniss für bemerkenswerth, weil es immer klarer nach- weist, dass die physikalischen Erscheinungen und ihre (Gesetze vorherrschen, ja die einzigen sind, die bei dem Functioniren dieser Membranen zur Erscheinung kommen. Dass unsere Deutung des besonderen Verhaltens des Na0l richtig ist, lässt uns auch eine andere Thatsache vermuthen, nämlich das, was man aus Experiment LVI (Tabelle VII) schliesst. Bei diesem haben wir in’s Innere des Magens eine starke Lösung von KCl gebracht, aussen befindet sich eine verdünnte von NaCl. Der Unterschied des osmotischen Druckes ÜBER DIE BEDINGUNGEN DES OSMOTISCHEN GLEICHGEWICHTS U. Ss.w. 149 ist der gewöhnliche, wie zwischen den von uns angewendeten extremen Lösungen, sowohl von NaCl, als von KCl. Wir machten die Berechnung des Experimentes mittels des Gefrierpunktes und der gewöhnlichen Coöfficienten, als nähmen wir an, die innere Lösung sei ebenfalls von NaCl (osmotisch gleichwerthig einer Lösung von NaCl zu 4-76 Procent). Das Resultat des Versuches war ein spärlicherer Uebergang, als gewöhnlich bei Experimenten mit KCl. In Grammen von NaCl ausgedrückt hat er den Werth 0-09; in Grammen von KCl natürlich etwas mehr (0-11 s"), aber immer merklich weniger, als bei den Versuchen mit KCl auf beiden Seiten. Der Einfluss des NaCl als Schutzmittel ist also offenbar. Vielleicht, wenn die äusseren und inneren Flüssigkeiten keines enthalten, vertreiben es die anomalen Salze aus den Zellsäften und treten an seine Stelle; dies bildet eine bedeutende Alteration der Zelle. 9. Experimente mit Lösungen von Harnstoff. — Wir haben zweierlei Versuche angestellt. Bei zwei Experimenten (LX und LXI) be- nutzten wir zwei Lösungen von Harnstoff zu 5 und 2 Procent, beide hypo- tonisch (s. Tabelle XI). Bei diesen Experimenten ist eine bedeutende Menge von Harnstoff übergegangen, besonders bei dem ersten; auch bei dem zweiten, aber der Durchgang des Wassers war nicht so spärlich. Die darauf folgenden Experimente mit NaCl zeigen durch den sehr geringen Wasserdurchgang, dass die Membran beschädigt war. Aber den Durchgang des Harnstoffes muss man bei diesen ersten Experimenten der Hypotonieität der Lösungen zuschreiben. Bei einer anderen Reihe von Experimenten (LXI bis LXIII) haben wir in der That äusserlich eine isotonische Lösung von NaCl benutzt, in’s Innere eine folgendermaassen zusammengesetzte Flüssigkeit eingebracht: in 100 Theilen einer isotonischen NaÜCl-Lösung sind 38% Harnstoff aufgelöst. Nun wohl, bei drei einander vollkommen ähnlichen Experimenten ist der Durchgang des Harnstoffes durchaus unbedeutend gewesen (0-01, 0-07, 0.03 8m; — diese letzten 3‘°8 als experimentelle Ungenauigkeit, denn sie waren nach der concentrirteren Lösung durchgegangen; — die Werthe sind angegeben, als handelte es sich um Lösungen von NaCl). Bei diesen Experimenten war der Unterschied der Concentration ungefähr wie bei denen, bei welchen wir NaCl-Lösungen von 5 und 3-45 Procent oder von 3-45 und 2 Procent benutzten. In vielen jener Experimente mit NaCl ist eine grössere Menge der gelösten Substanz durchgegangen, als hier. Die durch den Harnstoff verursachte Schädigung der Membran scheint immer ziemlich bedeutend zu sein. Also gehen Spuren von Harnstoff durch diese Membran, aus demselben Grunde, wie alle anderen Salze, das NaCl inbegriffen. Aber auch für den Harnstoff müssen wir als Grenzbegriff die Undurchlässiekeit annehmen. 150 PouıtL. BoTTAzzı unp PıAuL EnRIQUuEs: 10. Experimente mit Rohrzucker (Tabelle IX). — Wir haben mit Lösungen von 30 und 10 Precent experimentirt, deren Gefrierpunkte ein wenig niedriger sind, als die der Lösungen von NaCl zu 5 und 2 Procent u.s. w., aber der Art, dass ihr Unterschied gleich ist (Tabelle XI). Wir haben den Gefrierpunkt auch der Rohrzuckerlösung zu 20 Procent bestimmt, denn die den anderen beiden entnommenen Coöfficienten sind ziemlich verschieden; auf diese Weise haben wir einen einer Lösung entnommenen Coöfficienten erhalten, deren Gefrierpunkt dem der Flüssigkeiten des Magens nach dem Experiment ziemlich nahe liegt, und sind, unter Anwendung der gewöhnlichen Interpolationsmethode, sicher, auch hier ein ziemlich genaues Resultat erhalten zu haben. Wir bemerken, dass in diesem Falle ein kleiner experimenteller Fehler bei Bestimmung des Gefrierpunktes der Flüssigkeiten nach dem Experimente an dem Endresultate viel merklicher wird, als bei den anderen Experimenten, und zwar um so mehr, je grösser das Moleculargewicht des Rohrzuckers im Verhältniss zu dem der anderen Substanzen ist. Um sich davon zu überzeugen, beachte man, dass die Coöfficienten der Rohrzuckerlösungen ungefähr 10 Mal grösser sind, als die des NaCl. Diese Coöfficienten dienen als Factoren bei der Multi- plication, um von dem A zu der Zahl zu gelangen, die in Grammen die Menge der Substanz ausdrückt, die in der zu prüfenden Flüssigkeit vor- handen ist. Die Genauigkeit unserer Experimente wird also noch mehr verdeutlicht; denn in diesem Falle, wo sich als Resultat ein Durchgang der Substanz von 0-03, 0-08, 0.04” ergeben hat, würden diese Zahlen, wenn wir diesen Werth in Grammen von osmotisch-äquivalentem NaCl ausgedrückt hätten, ohne Weiteres um eine Stelle weiter nach rechts gerückt sein und hätten nur Milligramme angegeben. Offenbar gehen von Rohrzucker nur minimale Mengen, wenn überhaupt welche, über, selbst bei verhältnissmässig lange dauernden Experimenten; dagegen ist die Menge des in entgegengesetzter Richtung übergehenden Wassers sehr beträchtlich. Wir müssen diesen Punkt hervorheben, dass, wenn die Substanz, wie hier, nicht hindurchgehen kann, unsere Experimente höchstens den Durchgang von Spuren angeben können, die in diesem Falle als Centigramme er- scheinen, aber, wir wiederholen es, wenn es sich um NaCl handelte, als Millieramme erscheinen würden. Wir betonen immer diesen Punkt und freuen uns, dass die Prüfung der Experimente und ihrer Resultate — mit einigen seltenen Ausnahmen — die Enge der Fehlergrenzen bestätigt, die wir zu Anfang berechnet haben. Was den Uebergang des Wassers betrifft, so kann man beobachten, dass er bei Experiment LXVII von aussen nach innen grösser ist, als bei den beiden anderen in entgegengesetzter Richtung. Diese Erscheinung zeigt sich auch bisweilen bei den Experimenten mit Salzen, aber weniger deutlich. ÜBER DIE BEDINGUNGEN DES OSMOTISCHEN GLEICHGEWICHTS U. S.w. 151 Hier ist die Gelegenheit davon zu sprechen, wo sie ihren höchsten Ausdruck findet — im Verhältniss zu der Thatsache, dass die Membran für Rohrzucker vollkommener undurchdringlich ist — indem wir zeigen, dass es eine nothwendige Folge der Bedingungen der Experimente ist, bei denen im Allgemeinen die äussere Flüssigkeit 10 Mal reichlicher ist, als die innere. Man betrachte eine halbdurchlässige, zwei Lösungen scheidende Mem- bran, deren Volumina auf beiden Seiten » und v’, und deren bezügliche Coneentrationen ce und c’ seien. Die Menge des Salzes einer jeden in Grammen wird beziehungsweise sein: vc 100 1) im Gleichgewicht wird man sowohl innerhalb als ausserhalb eine Con- centration (x) haben, die durch die Gleichung ausgedrückt wird ulvchn 7.100 und g= V®Cc ti: vo 942.100, vetvVe, Oo o+rV Wobei das primäre Volumen vo und die Menge des Salzes m war. Da die halbdurchlässige Membran Wasser durchgelassen hat, aber kein Salz (dessen Menge dieselbe geblieben ist), so wird jetzt das Volumen (y) von der anderen Proportion gegeben: ve+tvVe v+vV : 100 = 100 I vcw+v) , ve +vVec ° Y — oder auch nach (1): ER ’ y- Izte+n) (2) Setzen wir dafür die Zahlen einiger unserer Experimente und nehmen wir für v, c, g die auf die innere Flüssigkeit bezüglichen Data. Wenn v=30, !’=300, 9g=1'5, ’=6 wird, wie bei den Experimenten mit NaCl zu 5 und 2 Procent En u. Ss. w.), so erhalten wir: y= 5 (80 + 300) = 66. Wäre dagegen die Lösung zu 2 Procent innerhalb und die zu 5 Pro- cent ausserhalb, so hätten wir g= 0-6 und g = 15, und: 0-6 yo. 5 (80 + 300) = 12.67. 192 Par. Bottazzı unp PAUL ENRIQUES: Die Variation des Volumens ist also respective in den beiden Fällen: 66 — 30 = 33; 30 — 12-67 = 17:33. Also ist in dem Falle der Zunahme die Variation ungefähr doppelt so gross, als im Falle der Abnahme. Natürlich vermindert bei unseren Experimenten mit den Salzen der Durchgang selbst von Spuren des Salzes den Ausdruck dieser Erscheinung, und ausserdem kann sie sich nur zum Theil zu erkennen geben, weil man niemals das Gleichgewicht zwischen den beiden Flüssigkeiten erreicht. Es muss gewiss am meisten in den letzten Augenblicken der Fall sein, wo man sich dem Gleichgewichte mehr nähert, dass das Missverhältniss zwischen dem eintretenden Wasser in einem Falle und dem austretenden im anderen sich fühlbar macht. Hier, im Falle des Rohrzuckers, besteht diese letzte Ursache fort, aber da die erste sehr bedeutend abgeschwächt ist, so wird der Unterschied zwischen der Zu- und Abnahme des Volumens bei beiden Experimenten deutlicher. 11. Experimente an mit NaFl behandelten Magen. — Endlich haben wir Experimente an Magen gemacht, die vorher mit Lösungen von NaFl behandelt worden waren. Auch hier tritt Anfangs eine Zusammen- ziehung und dann eine Ausdehnung ein, die einige Minuten später nach- folet. In einem Falle benutzen wir eine Flüssigkeit von folgender Zu- sammensetzung: Gesättigte Lösungen von NaFl 30, Lösung von NaCl zu 3-45 Procent 70. Im dieser so grossen Menge alterirt das NaFl die Membran merklich (Experiment LXVII). In der That geht das NaCl reichlich durch die Membran, 0-34 ®"%, obgleich die gebrauchten Lösungen wenig von einander verschieden sind. Dagegen bringt eine verdünntere Lösung von NaFl, auch wenn sie einige Minuten lang, bis zur Ausdehnung des Magens, eingewirkt hat, keine bemerkbaren Wirkungen hervor. Man sehe Experiment LXIX. In diesem Falle bestand die Flüssigkeit aus 2-5 Theilen gesättigter Lösung von NaFl auf 100 Theile NaCl-Lösung zu 3-45 Procent. Die Lösungen von NaCl des Experimentes waren ziemlich verschieden von einander (5 und 2 Procent) und es gingen nur 0-13 8m über, also ungefähr die mittlere Menge. Ausser- dem möge man auch das Verhalten des übergegangenen Wassers beachten; während es bei dem anderen Experimente spärlich war, ist es hier viel- mehr reichlich. Man schliesst also, dass Lösungen von NaFl ziemlich concentrirt sein müssen, um in kurzer Zeit den Magen zu alteriren. In diesem Falle wird die Durchlässigkeit der Membran bedeutend verändert, nämlich so, dass sie den Durchtritt der Salze erlaubt. ÜBER DIE BEDINGUNGEN DES OSMOTISCHEN GLEICHGEWICHTS U. SEwerldd V. Folgerungen. Wir haben gesehen, dass weder die Untersuchungen Fredericg’s, noch die Quinton’s frei von Fehlerquellen sind, so dass die Schlüsse, die man aus ihnen ziehen könnte — dass nämlich bei einigen wirbellosen Seethieren das Gleichgewicht des osmotischen Drucks der inneren Flüssig- keiten mit dem der umgebenden äusseren sich durch die Eigenschaft der Membran erklären lasse, Wasser und Salzen Durchgang zu gewähren, also dialysirenden Membranen ähnlich zu sein — unrichtig wären. Keiner der Autoren hat zu erforschen gesucht, welche der drei Membranen, das Ver- dauungsrohr, die Kiemen oder die Haut, oder ob alle drei diese Eigen- schaft besitzen. | Wenn diese Eigenschaft wirklich vorhanden wäre, so konnte man annehmen, sie käme der sehr dünnen Membran des Schlundes und des Magens von Aplysia zu, an der wir experimentirt haben. Aber unsere Experimente haben diese Vermuthung nicht bestätigt; im Gegentheil haben sie die folgenden Resultate gegeben. Bei kleinen Unterschieden in der Concentration der Flüssig- keiten, die seine beiden Seiten benetzen, lässt der Magen der Aplysia kein NaCl durch sich hindurchgehen. Mit der Zunahme des Unterschiedes der Concentration und mit der Dauer des Experimentes nimmt die Menge von NaÜl zu, die durch den Magen hindurchgeht: Wenn man von Stunde zu Stunde die Flüssigkeiten erneuert, geht in einer Stunde immer desto mehr Salz hindurch, je weiter man fortschreitet, indem zuerst die Zu- nahme schneller und dann langsamer wird (nach einer Linie mit doppelter Krümmung und einem Wendepunkte). Das in entgegengesetzter Richtung hindurchgehende Wasser nimmt dagegen von Stunde zu Stunde ab, und die Verhältnisse zwischen dem Durchgange des Salzes und dem des Wassers, die den Erhaltungszustand der Membran ausdrücken können, nehmen nach einer annähernd parabolischen Curve zu. Wenn der Unterschied der Concentration nicht stark ist, geht auch zwischen Lösungen, die beide hypertonisch oder hypotonisch sind, kein Na(l über. Wenn man das Verhalten verschiedener Salze mit einander vergleicht, nimmt, bei LiCl, NH,Cl und KÜl, bei mit einander ver- gleichbaren Experimenten, die Zahl der übergehenden Molecüle in Uebereinstimmung mit der Zunahme ihres Moleculargewichtes ab. Bei NaCl ist dieZahl der durchgehenden Molecüle geringer, als sie sein sollte, und dies erklärt sich dadurch, dass es 154 PnuıtL. BoTTAzzı unp PAUL ENRIQUES: das hauptsächlichste Salz in der umgebenden Flüssigkeit des Magens ist, während sich von den anderen Salzen höchstens Spuren darin befinden. Bei allen angeführten Salzen, sowie bei dem Harnstoff, strebt man offenbar einer Grenze O0 des Ueberganges der ge- lösten Substanzen zu, und diese Grenze erreicht man, wenn der Unterschied der Concentration beider (äusserer und innerer) Flüssigkeiten nicht allzu stark und die Membran in gutem Zustande ist. Von Rohrzucker gehen auch bei bedeutendem Concentrationsunterschiede nur Spuren über. Der Magen der Aplysia ist also im Normalzustande während des Lebens des Thieres eine halbdurchlässige Membran, die Wasser, aber nicht die darin gelösten Substanzen hindurch- gehen lässt. Während des Lebens des Thieres muss er in der That höchstens sehr geringe Concentrationsunterschiede erfahren. Der Magen der Aplysia hat eigenthümliche Eigenschaften, indem er sich gleichmässig widerstandsfähig erweist gegen den Durchgang von NH,Cl und Harnstoff, wie von NaCl und anderen Salzen. So oft der Magen ausser Wasser, die darin gelösten Sub- stanzen durchtreten lässt, so geschieht dies, weil der Normal- zustand seiner Epithelzellen alterirt ist. Es sind also besonders drei Punkte, auf die wir die Aufmerksamkeit des Lesers richten möchten. 1. Dass die Epithelzellen der Magenmembran von Aplysia durch ihre Eigenschaften von den Blutkörperchen der Säuge- thiere u. s. w. verschieden sind, die den Harnstoff und das NH,Cl u.s. w. durchlassen. Jede lebende Zelle oder Membran hat sehr warschein- lich ihre besonderen Eigenschaften, ist für einige Substanzen durchlässig oder nicht, auf dieselbe Weise, wie die nicht lebenden Membranen. Wir wissen ja, dass man fast vollkommene halbdurchlässige Membranen con- struiren kann, und auch andere, die einigen gelösten Substanzen den Durch- gang erlauben, aber nicht anderen. 2. Dass die Magenmembran der Aplysia im Normalzustand eine vollkommene halbdurchlässige Membran ist, die im Meer- wasser gelöste Salze nicht hindurchtreten lässt. 3. Dass die Gesetze ihrer osmotischen Eigenschaften und alle von ihr in dieser Beziehung gezeigten Erscheinungen voll- kommen zu dem Gebiet der gewöhnlichen physikalischen Gesetze ÜBER DIE BEDINGUNGEN DES OSMOTISCHEN GLEICHGEWICHTS U. S.w. 155 gehören. Keine geht über dieses Gebiet hinaus, keine verlangt von der Membran Eigenschaften, die von den Eigenschaften nicht lebender Mem- branen verschieden wären. Bei den beiden letzten Fragen wollen wir einen Augenblick verweilen. Was die letzte betrifft, ist das hier bemerkenswertheste Resultat das, welches den Durchgang der verschiedenen Salze betrifft, im Vergleich mit einander. Und dann, wenn die Verschiedenheit der Concentration der beiden Flüssigkeiten zunahm, wuchs der Durchgang des Wassers, den der osmo- tische Druck des Salzes erforderte. Die einzige von der Membran gezeigte vitale Erscheinung (vital insofern, als sie bei einer nicht lebenden Mem- bran nicht eintritt), besteht darin, dass sie gradweise, mit der Zeit, oder schneller durch Einwirkung schädigender Stoffe in ihren Eigenschaften alterirt und durchlässig wird. Dieser Unterschied rührt entschieden von einer Eigenschaft her, die der lebenden Substanz eigen ist und der nicht lebenden allgemein fehlt: von der Eigenschaft, aus chemischen Bestand- theilen in sehr labilem, leicht zu störendem Gleichgewichtszustande zu be- stehen, die, wenn sie alterirt werden, alle charakteristischen Eigenschaften verlieren, die ihrem ursprünglichen Gleichgewichtszustande eigen waren. In dem Magen der Aplysia wird die halbdurchlässige Membran nicht durch einen Körper gebildet, der nach Art der Membranen von Traube zusammengesetzt ist, sondern durch Bestandtheile, die sich fort- während in einem Zustande chemischer Umbildung befinden. Einerseits streben sie, zu zerfallen, andererseits stellen sie sich unter normalen Zu- ständen wieder her. Während des Ueberlebens der Membran ist voll- kommene Wiederherstellung niemals möglich, während der Zerfall bis zum Tode unaufhörlich fortschreitet. Diese ist die Ursache der Unbeständig- keit der Erscheinungen, welche die Membran bei den gewöhnlichen Ver- hältnissen der Experimente zeigt, und der fortschreitenden Zunahme ihrer Durchlässigkeit. In Bezug auf die Fragen endlich, die diese Thiere näher angehen, also auf die Halbdurchlässigkeit des Magens der Aplysia im Verhältniss zu den Bedingungen der inneren Tonicität, so können wir für jetzt nicht behaupten, dass diese Eigenschaft der Halbdurchlässigkeit auch den anderen Membranen zukomme, die die inneren von den äusseren Flüssigkeiten trennen, der Kiemenmembran und der Haut. Wir können dies nicht be- haupten, so lange wir nicht directe Versuche darüber angestellt haben. Aber wir können doch einige Betrachtungen anstellen. Inzwischen be- merken wir, dass, welcher Art auch die Durchlässigkeit der anderen Organe sein möge, die hier als dem Verdauungscanal zukommenden nachgewiesenen Eigenschaften genügen, um die Isotonicität zwischen dem Innern und 156 PHıw. BoTTAzzı UnD PAUL ENRIQUES: dem Aeussern aufrecht zu erhalten. Denn wie sich auch die anderen Membranen verhalten mögen, so wird eine Störung des Gleichgewichts zwischen dem Innern und dem Aeussern immer ausgeglichen werden, so lange das Wasser durch den Verdauungscanal eindringen kann. Wir wollen nicht sagen, dass im normalen Leben dieser Thiere ähn- liche Gleichgewichtsstörungen, wie in unseren Experimenten, vorhanden seien; wir wollen nur die Unmöglichkeit behaupten, dass diese Thiere ein inneres mit dem äusseren nicht isotonisches Milieu haben. Aber welche Eigenschaften werden die Kiemen und die Haut besitzen? Werden sie Wasser und Salze ohne Unterschied durchlassen, wie Quinton für die Haut und Fredericg für die Kiemen als Resultate ihrer Unter- suchungen bei gewissen niederen Seethieren annehmen? Wir glauben es nicht. Direete Untersuchungen der einzelnen Membranen werden ent- scheiden, wer Recht hat, besser als jede hypothetische Ueberlegung. Indessen, wenn hypothetisch keine der drei, bei keinem Seethier, eine dialysirende Membran ist, muss man doch annehmen, dass auf irgend einem Wege und durch irgend einen Mechanismus von innen nach aussen und von aussen nach innen Salze und andere krystalloide Substanzen über- gehen. Der wahrscheinlichste Weg des Eintritts der Salze ist, unserer Meinung nach, der der resorbirenden Organe, der wahrscheinlichste des Austritts der „Kataboliten“ (der organischen oder mineralischen löslichen Stoffe, die der Stoffwechsel des Thieres hervorbringt) ist der der Excretionsorgane. Die Membranen dieser Resorptions- und Excretionsorgane haben bei allen Thieren besondere Eigenschaften, die allerdings noch nicht vollkommen aufgeklärt sind. Abweichend von anderen Thieren, bei denen der Ver- dauungscanal allgemein das Hauptorgan der Resorption ist, ist dies bei den Aplysien die Leber, und es scheint nicht, dass Magen und Darm eine solche Function ausüben." Diese Experimente suchen es zu beweisen, denn wir haben niemals eine Fähiekeit der Membran beobachtet, Substanzen (Salze und andere Körper) aus dem Innern der Magenhöhle leichter nach aussen als in der entgegengesetzten Richtung durchzulassen. Ausserdem zeigen unsere gleichzeitigen Untersuchungen über die Leber?, dass in ihr in höchstem Grade die Eigenschaften eines resor- birenden Organs entwickelt sind. Das Epithel der Lebercanälchen muss also Salze hindurchlassen; nach welchen Gesetzen, wissen wir nicht, aber es ist nicht anzunehmen, das hepato-pankreatische Epithel sei ohne Wei- teres mit einer dialysirenden Membran zu vergleichen, welche die Salze ı Fil. Bottazzi, Lo Sperimentale. 1901. Anno LV, p. 75—106. °P. Enriques, Mittheilungen der zoologischen Station zu Neapel. 1901. u ue ÜBER DIE BEDINGUNGEN DES OSMOTISCHEN GLEICHGEWICHTS U. Ss.w. 157 ohne Unterschied durchlässt und nur die Colloidsubstanzen zurückhält. Denn wenn es so wäre, müssten entschieden die Salze des Blutes auf die- selbe Weise zusammengesetzt sein, wie die des Seewassers, welches mittels des Verdauungscanals das Leberepithel benetzt. Endlich müssen wir zum Schluss die Ansicht aussprechen, dass bei der Aplysia, obgleich die innere Flüssigkeit (Blut) dieselbe Tonieität besitzt wie die äussere (Seewasser) und wahrscheinlich auch einen sehr ähnlichen Procentgehalt an den verschiedenen Salzen wie das Seewasser, dieses Gleichgewicht des Drucks und der Zusammensetzung nicht von dem Vorhandensein für Wasser und Salze durchgängiger Membranen herrührt. Halbdurchlässigse Membranen (Verdauungscanal und wahrscheinlich auch die anderen) unterhalten das Gleichgewicht des Drucks. Was das Gleich- gewicht der Zusammensetzung betrifft, so glauben wir, dass die Me- chanismen der Resorption und Excretion in’s Spiel kommen, bei diesem wie bei allen anderen Thieren. PhHıtL. 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S.W. 169 Tabelle XI. Gefrierpunkte (A) und Coefficienten der angewendeten Lösungen. Proc. Y A SELHE Substanz (r) A LiCl 3-63 — 3.32 1.09 55 1:45 — 1-13 1-28 NaCl 5.0 — 3.21 1:56 ss 3-45 — 2:16 1:59 ” 2-0 — 1:25 1:60 KCl 6-38 — 3:05 2-09 “s 2-55 — 1:20 2-12 NH,Cl 4-66 — 3.29 1-42 sa 1:86 — 1.29 1.43 35 1:0 — 2.83 in 100 NaCl | zu 3-45 Proc. Harnstoff 5-0 — 1:46 3.44 ” 2-0 — 0:52 3.83 > 3.0 | — 3:13 in 100 NaCl zu 3-45 Proc. Saccharose 30-0 | — 2:85 10-54 er 20.0 | — 1:51 13:24 ss 10:0 — 0.62 16-13 Tabelle XII. Von Experiment XIX. Auf 1 cm Wasser sind | Auf 18m NaCl sind Unterschied ee NaCl DRS BL Wasser der@oncentrationiam n A Ende der einzelnen (4) Stunden in Proc. ec d () (2) (m) 1. Stunde 0:023 43-3 1-85 2. 2 0-050 33°6 | 1-85 a, 0-088 11-4 | 1-51 4. En 0-210 4*8 | 1-24 5. vs 0220 4-6 | 1:16 Gen, 0.400 2-5 | 1-09 170 Ph. Borrtazzı uno P. EnkiQuEs: ÜBER DIE BEDINGUNGEN DT. S$. w. Tabelle XII. Vergleich zwischen den Uebergängen der verschiedenen Salze. Substanz are Menge des bei den eitirten Experimenten | Mittel m | (e) | übergegangenen Salzes in grm | N (9) | | XXXVIH| 8) XLM | LiCl 049-552 20-11 0-29 0-27 | 0.22 517 | XII Sue zu | x NaCl 58-5 0-11 0-21 0-02 0.12 | 1 188 | XLV 2 SXDNIR RENT.) IE KCl | 145 | 0-16 0-25 0.13 0-20 0-19 255 | IRTIE © Sc ESEL NA,C | 53-5 | 0.33 | 0-20 0:10 | 011 0-19 355 Tabelle XIV. Uebergang des Wassers bei den Experimenten mit den verschiedenen Salzen. | Molecular- | Substanz gewicht | Menge des bei den eitirten Experimenten ' Mittel (e) übergegangenen Wassers in ccm I et 7 TE IiESSST NA ESSr XLII Tick a WA2s | Dan 2 ao | 4.27 || | | | | | xıH ‚| xXvI | SXxvim | Vox Nacl 58-5 3.0 Risch 52 | 4-05 | XEn |eXEviE a Bm KCl 1A»Bn insb 2a 5-1 3:8: Ic „|. Lam u | NH,CI 33-50 U 38 4-9 6.3, | 7-5. | Zbeee Florenz, im März 1901. Neue Beobachtungen über das Gehörorgan japanischer Tanzmäuse. Von Bernhard Rawitz. (Hierzu Taf. I.) Durch die Liebenswürdigkeit des Hrn. v. Cyon erhielt ich vor längerer Zeit eine grössere Zahl ganzer, nach meinem Wunsche in Pikrinsalpeter- säure fixirter und in Alkohol von steigender Concentration gehärteter Köpfe japanischer Tanzmäuse, die, wie ich glaube, nicht zu dem Material der Untersuchung dieses Physiologen „Ohrlabyrinth, Raumsinn und Orientirung“ gehört hatten. Nach Entkalkung wurde jeder einzelne Kopf entweder in Paracarmin oder in Hämacalcium durchgefärbt, in Paraffin eingebettet und in eine lückenlose Serie von 15 u Schnittdicke zerlegt. Das Verhalten der Bogengänge an dem mittels Xylol durchsichtig gemachten Felsenbein stu- diren zu wollen, ist bei diesem Material nicht angängig. Einmal sind die Bögen überaus dünn, und dann lässt sich an einem in toto aufgehellten Objecte nicht mit Sicherheit feststellen, ob man es z. B. bloss mit kreuz- förmiger Aneinanderlagerung oder wirklich mit Verwachsung zu thun hat, oder ob nur die knöchernen und nicht auch die häutigen Bogengänge ver- wachsen sind. Einzige und allein anwendbar ist hier die Born’sche Platten- modellirmethode, welche in der Hand des Geübten exacte und daher ein- wandfreie Resultate liefert. Die in 18- bis 20facher Vergrösserung nach dieser Methode angefertigten Modelle wurden von mir gezeichnet und die Zeichnungen bei der lithographischen Wiedergabe auf ?/, verkleinert. Die Arbeit wurde im physiologischen Institut der thierärztlichen Hochschule zu Berlin ausgeführt, dessen Chef, Hr. Geheimrath Professor Dr. H. Munk, mir ! v. Cyon, Ohrlabyrinth, Raumsinn und Orientirung. Pflüger’s Archiv. Bd. LXXIX. 172 BERNHARD RAWITZ: einen Arbeitsplatz mit mich zu grösstem Danke verpflichtender Liberalität zur Verfügung gestellt hatte. Das Material gehörte zwei Gruppen von Tanzmäusen an, von denen die erste aus vier, die zweite aus drei Thieren bestand (von den letzteren habe ich nur zwei verarbeitet), so dass ich mit den fünf Thieren, die mir bei meiner ersten Publication! zur Verfügung gestanden hatten, im Ganzen elf verschiedene Organe untersucht und zum Theil auch modellirt habe. In der folgenden Darstellung beschränke ich mich auf die Bogengänge; die Schnecke berücksichtige ich dagegen nicht besonders, da in ihr nichts zu finden war, was mit meiner vorigen Darstellung nicht völlig überein- gestimmt hätte. Zur Orientirung gebe ich, zunächst für die erste Gruppe, die Notizen, die mir Hr. v. Cyon brieflich zugehen liess: „Die vier Mäuse kletterten sehr geschickt an den Gitterwänden des Käfigs, viel schwieriger auf Holz- brettchen. Sie tanzten den Solowalzer sehr gut, doch nicht mit über- mässiger Geschwindigkeit, führten keine Tänze zu zweien oder dreien auf und hielten beim Tanzen die Schwänze nicht in die Höhe. Sie zeigten kein fortwährendes Schaukeln des Kopfes nach rechts und links, noch das Schnüffeln nach oben. Zwei von diesen Thieren waren sehr empfindlich gegen das Geräusch der Galton’schen Pfeife; sie liefen sofort beide zu der Ecke des Käfigs, von der her die Pfeife ertönte, und hörten mit sicht- lichem Behagen dem Pfiffe zu. Die beiden anderen waren fast ganz un- empfindlich für Geräusche Die vier Mäuse waren sehr weiss und hatten nur kleine schwarze Flecken an der Schnauze und an der einen Hüfte. Die Schnauzen waren sehr spitz.“ So weit die Cyon’sche Notiz. Die plastische Reconstruction zeigte bei allen vier Thieren hochgradige Veränderungen im ganzen Labyrinth.” Hierbei konnten zwei Untergruppen unterschieden werden, da immer je zwei Thiere identische Verhältnisse er- kennen liessen. Ob allerdings diese anatomische Gruppirung mit der von Cyon beobachteten physiologischen in Zusammenhang zu bringen ist, er- scheint im höchsten Grade zweifelhaft. Die Bogengänge der einen Unter- gruppe sind in Taf. I, Fig. 1 abgebildet. Man erkennt zunächst, dass der obere Bogengang (Taf. I, Fig. 1 C.s.) ziemlich normal ist. Etwas hinter der Mitte seiner Wölbung vereinigt er sich mit dem hinteren Bogengange ' Rawitz, Das Gehörorgan der japanischen Tanzmäuse. Dies Archiv. 1899. Physiol. Abthlg. S. 236. (Festschrift für Hermann Munk.) ® Durch die in dieser Arbeit mitgetheilten anatomischen Thatsachen erledigen sich von selber die Experimente, Kritiken und Zweifel in den Arbeiten der Herren Alexander und Kreidl (Pflüger’s Archiv. Bd. LXXXI1L) und des Hrn. Panse (Dies Archiv. 1901. Physiol. Abthls. S. 139). Auf die Publicationen dieser Autoren näher einzugehen, ist daher unnöthig. NEUE BEOBACHTUNGEN ÜBER DAS GEHÖRORGAN JAPAN. TANZMÄUSE. 173 (Taf. I, Fig. 1 C. p.). Der gemeinsame Schenkel beider Bögen aber ist sehr stark verlagert; er ist stark S-förmig gekrümmt und geht nach Vereinigung mit dem einen Schenkel des äusseren Bogenganges (Taf. I, Fig. 1 0. e.) in Utrieulus über (Taf. I, Fig. 1***). Die Ampulle des oberen Bogenganges, die hier auf der rechten Seite der Figur sich findet (Taf. I, Fig. 1 *), ist äusserlich nicht ausgeprägt; sie ist nur auf Schnitten als solche durch das Mikroskop zu erkennen. Der selbstständige Schenkel des hinteren Bogen- ganges ist winkelig geknickt, stark verbogen und sehr verkürzt. Er hat äusserlich keine Ampulle und lässt auch bei mikroskopischer Betrachtung eine Nervenendausbreitung an der Mündungsstelle vermissen. Der äussere Bogengang (Taf. I, Fig. 1 C. e.) ist in seinem hinteren Viertel, kurz vor seiner Umbiegungsstelle, mit dem gemeinsamen Schenkel des oberen und hinteren Bogenganges verwachsen, die Verwachsungsstelle bildet die Figur eines ziemlich regelmässigen Kreuzes. Die Ebene, in welcher der Bogengang liegt, entspricht nicht der Norm, sondern ist um etwa 45° aufgerichtet. wohl aber erkennt man bei mikroskopischer Betrachtung eine normale Crista acustica. Somit sind hier bloss zwei Ampullen, also nur zwei Nervenendstellen, und anstatt fünf nur vier Mündungen der Bogengänge vorhanden. An der Verwachsungsstelle von gemeinsamem Schenkel und äusserem Bogen sind auch die häutigen Bogengänge mit einander verwachsen. Der Utrieulus (Taf. I, Fig. 1 U) ist ein in die Länge gezerrter, ganz unregelmässig gestalteter Schlauch, der weit mit dem Sacculus communicirt und von ihm nicht mehr zu unterscheiden ist, ebenso wenig wie ein Canalis reuniens bei der Reconstruction herauskommt. In den Sacculus öffnet sich direct die untere Windung der Schnecke: es liegen hinsichtlich dieses Punktes die Verhältnisse also genau so, wie ich sie in meiner ersten Publi- cation beschrieben habe. In der zweiten Untergruppe, deren Bogengangsapparat in Taf. I, Fig. 2 abgebildet ist, zeigen oberer (Taf. I, Fig. 2 C. s.) und hinterer Bogengang (Taf. I, Fig. 2 C. p.) ziemlich normale Verhältnisse. Und nur insofern be- steht eine Abweichung, als ihre Verwachsung zu dem gemeinsamen Schenkel viel höher erfolgt, als dies bei normalen Thieren, nach allen bisher vor- liegenden Angaben wenigstens, der Fall ist. Auch zeigt sich der gemein- same Schenkel leicht S-förmig gekrümmt. Die Ampullen beider Bögen mikroskopischer Betrachtung normale Cristae erkennen. Ganz ungewöhnliche Verhältnisse bietet dagegen der äussere Bogengang dar (Taf. I, Fig. 2 C. e.). Er liegt erstens nicht in der ihm zukommenden Ebene, sondern ist um einen Winkel von 90° aufgerichtet und völlig verlagert. Sodann ist er in 174 BERNHARD RAwITZ seinem Umfange sehr redueirt und stellt sich als eine halbinondförmige Ausbuchtung des hinteren Bogenganges dar, hat also seine Selbstständigkeit vollkommen eingebüsst. Er entspringt weder aus dem Utriculus noch mündet er in ihn, so dass ihm jede Nervenendausbreitung fehlt. Er mündet in den hinteren Bogengang kurz vor dessen Verbreiterung zur Ampulle. In dieser Untergruppe finden sich also nur zwei Nervenendausbreitungen und nur drei, anstatt fünf, Mündungen der Bogengänge. Der Utrieulus (Taf. I, Fig. 2 U) bildet einen zusammengepressten, un- regelmässigen Schlauch, der ohne scharfe Grenze in den Saceulus übergeht. Von einem Canalis reuniens ist weder im Präparate noch im Modell etwas zu sehen; die Schnecke öffnet sich weit in den Sacculus, Bezüglich der zweiten Hauptgruppe von Tanzmäusen lauten die Notizen des Hrn. v. Cyon folgendermaassen: „Die Schnauzen sind viel weniger spitz, als sie bei den Thieren der vorigen Gruppe waren, sie erscheinen eher abgerundet. Es sind drei grosse schwarze Flecken auf dem Kopfe und zwei bis drei am hinteren Theile vorhanden. Sie tanzten mehr und an- haltender als die Mäuse der vorigen Gruppe, aber auch meistens Solotänze. Sie kletterten nicht von selbst, aber auf ein verticales Gitter gebracht konnten sie sich festhalten, suchten aber schnell herunter zu kommen, wobei sie sich ganz umwendeten. Der Kopfnystagmus war nicht anhaltend, die Thiere schnüfelten aber dann und wann in die Luft hinein.“ Auch hier zeigt die plastische Reconstruction bei den beiden unter- suchten Exemplaren hochgradige Veränderungen in den Bogengängen. Wie überall, so bietet der obere Bogengang (Taf. I, Fig. 3 C. s.) einigermaassen normale Verhältnisse. Sein freier Schenkel ist leicht winkelig geknickt, aber nicht halbkreisförmig gebogen, seine Ampulle (Taf. I, Fig. 3 *) ist deutlich ausgeprägt, aber wurstförmig in die Länge gezogen. Der hintere Bogengang (Taf. I, Fig. 3 C. p.) entsteht mit seinem freien, hier sehr kurzen, fast geradlinig verlaufenden Schenkel ohne Ampulle aus dem Utriculus. Der gemeinsame Schenkel beider Bögen, der in Folge ihrer sehr hoch oben stattfindenden Verwachsung ziemlich lang ist, zeigt eine unregelmässige, wellige Verbiegung und mündet dicht neben dem freien Schenkel des hinteren Bogenganges in den Utriculus. Der äussere Bogengang (Taf. I, Fig. 3 €. e.) ist nur halb vorhanden. Er entsteht mit deutlicher, stark längsverzerrter die sich dicht neben der des oberen Bogenganges findet (Taf. I, Fig. 3 **), aus dem Utrieulus, weicht in seinem weiteren Verlaufe um 90° nach oben von der ihm normaler Weise zukommenden Ebene ab und senkt sich in den freien Schenkel des hinteren Bogenganges ein (Taf. I, Fig. 3 ©. e.). Wie überall, wo sich solche Verwachsungen finden, sind nicht bloss die knöchernen, sondern auch die häutigen Bogengänge mit einander verwachsen. NEUE BEOBACHTUNGEN ÜBER DAS GEHÖRORGAN JAPAN. TAnzMmÄusE. 175 Es finden sich hier also nur vier statt fünf Oefinungen der Bogen- gänge in den Utrieulus und es sind statt drei nur zwei Ampullen mit ihren Cristae vorhanden. Der Utriculus ist ein theilweise längsverzerrter theilweise comprimirter Schlauch, der auch hier ohne scharfe Grenze in den Sacculus übergeht. Ein Canalis reuniens ist nicht ausgeprägt; der Sacculus communieirt seiner- seits mit der Schnecke. Wenn wir die vorstehend mitgetheilten Thatsachen unter einander und mit denen vergleichen, welche der ersten Publication zu Grunde lagen, so zeigt sich, dass neben vielem Uebereinstimmendem auch manches Ab- weichende vorkommt. Dass der Utriculus seine normale Gestalt eingebüsst hat, dass er ohne scharfe Grenze in den gleichfalls verzerrten Sacculus übergeht, und dass dieser in weiter directer Communication mit der Schnecke steht, ist eine bei allen Thieren ganz gleichmässig vorkommende Ver- änderung. Wenn ich in meiner vorigen Arbeit sagte !, dass Utriculus und Schnecke in weiter und direeter Communication mit einander stünden, so widerspricht das nicht der Angabe hier, dass der Saceulus mit der Schnecke communicirtt. Um aber jedes Missverständniss von vorneherein auszu- schliessen, will ich ausdrücklich bemerken, dass in beiden Arbeiten das Gleiche gemeint ist. Sacculus und Utriculus sind eben überall so un- trennbar mit einander verschmolzen, dass es ganz gleichgültig ist, ob man den so entstandenen Schlauch mit dem einen oder mit dem anderen Namen bezeichnet. Ferner: Dass sich hochgradige Abweichungen von der Norm bei den Bogengängen finden und dass der obere noch am wenigsten von ihnen be- troffen ist, ist ebenfalls überall zu constatiren. Aber die Grade der Ver- änderungen, die Art, wie die Verwachsungen zwischen den einzelnen Bogen- gängen aussehen und zwischen welchen Bogengängen sie vorkommen: darin zeigt sich eine ganz beträchtliche Variabilität. In dem Modell, das ich in meiner vorigen Mittbeilung abgebildet habe’, in Figg. 2 und 3 der dieser Arbeit beigegebenen Tafel ist der äussere Bogengang mit dem hinteren verwachsen, die Fig. 1 auf Taf. I zeigt eine Verwachsung mit dem gemein- samen Schenkel des oberen und hinteren Bogenganges, und nur in dem in meiner ersten Mittheilung! zwar erwähnten, aber nicht gezeichneten Modell war der äussere Bogengang trotz starker Reduction doch selbstständig ge- blieben. Es ergiebt sich daraus, dass die Hauptveränderungen am äusseren Bogengange stattgefunden haben; sie können von der einfachen Reduction in der Grösse bis zum völligen Verluste der Selbst- Ara 048.241. Aa. 0. Taf. VI. 176 BERNHARD RAWITZ: NEUE BEOBACHTUNGEN T. S.W. ständigkeit gehen. Man kann geradezu sagen, dass die Thiere, deren Bogengangsapparat in Taf. I, Fig. 2 abgebildet ist, in Wahrheit nur zwei Bogengänge besessen haben. Der hintere Bogengang zeigt etwas weniger beträchtliche Veränderungen, doch sind diese immerhin auffällig genug, namentlich deswegen, weil er vielfach keine Ampulle hat. Diese Variabilität in dem Grade der Verbildungen, welche das Laby- rinth der Tanzmäuse darbietet, ist nicht auffällig, eben weil es sich um Verbildungen, also um pathologische Zustände handelt. Würde ich bei den verschiedenen Thieren, die verschiedenen Würfen entstammen, überall gleichmässige, pedantisch übereinstimmende Veränderungen angetroffen haben, so hätte dies die Vermuthung nahelegen müssen, dass bei der Re- construction Fehler gemacht worden seien. Der Wechsel in den Einzel- heiten bei der Uebereinstimmung im Prineip entspricht aber den natürlichen Verhältnissen. Kein Krankheitsbild ist dem anderen vollkommen gleich, immer sind individuelle Variationen vorhanden und niemals, das lehrt die Naturwissenschaft zur Evidenz, werden pathologische Veränderungen, mögen sie entstanden sein wie sie wollen, mit schematischer Genauigkeit vererbt. Die in dieser Arbeit mitgetheilten Thatsachen erweitern meine früheren Angaben sehr bedeutend und sind geeignet, die Folgerungen, die ich selber gezogen und die Cyon in seiner citirten Arbeit dann verbreitert und ver- tieft hat, ganz erheblich zu stützen: die Bogengänge sind der Sitz des Orientirungsvermögens, oder um mit Cyon zu sprechen, sind die Organe des Raumsinnes. Erklärung der Abbildungen. (Taf. I.) Es bedeutet überall: ©.s. = Oberer C. p. = Hinterer Bogengang. Ö©.e. = Aeusserer j *,** — Ampullen. xxx vgl. Text. I Beiträge zur Spectroskopie des Blutes. Von Dr. Ernst Ziemke und Dr. Franz Müller. (Aus der Unterrichtsanstalt für Staatsarzneikunde und dem thierphysiologischen Institute der Landwirthschaftlichen Hochschule zu Berlin.) (Hierzu Taf. II.) Das spectroskopische Verhalten des Hämoglobins und seiner wichtigeren Derivate ist so vielfach und so eingehend untersucht worden, dass es überflüssig erscheinen könnte, dasselbe neuerdings zum Gegenstande einer Untersuchung zu machen. Findet man doch in den Lehrbüchern der gerichtlichen Medicin und physiologischen Chemie die Spectra der praktisch wichtigen Hämoglobinabkömmlinge abgebildet und genau beschrieben. Bei aufmerksamer Vergleichung der in der Litteratur enthaltenen Angaben zeigt sich nun aber, dass diese sehr wesentlich von einander abweichen. Daher erschien es uns sowohl vom theoretischen wie vom praktischen Gesichtspunkt aus nützlich, die einzelnen Blutspectra einer erneuten Unter- suchung zu unterziehen. Um ihrer Lage nach vergleichbare Spectra zu erhalten, ist es noth- wendig, stets mit gleich concentrirten Biutlösungen in gleicher Schichtdicke zu arbeiten, sowie Fehler zu vermeiden, die aus Aenderungen in der Stellung des Spaltes, in der Entfernung und Intensität der Lichtquelle und aus wechselnder Helligkeit des Zimmers resultiren. Soweit wir die Litteratur übersehen, scheint auf diese Punkte bisher nicht immer genügend Rück- sicht genommen zu sein, während sich doch jeder Untersucher selbst leicht davon überzeugen kann, wie erheblich die Lage der Absorptionsstreifen dureh wechselnde Concentration bezw. Schichtdicke der Lösung beeinflusst wird. Wir benutzten zu unseren Untersuchungen einen Steinheil’schen Archiv f. A.u. Ph. 1901, Physiol. Abthlg. Suppl. 12 178 ERNST ZIEMKE UND FRANZ MÜLLER: Spectralapparat, an dem wir die Spaltstellung stets unverändert liessen, und einen Auerbrenner, der immer gleichweit entfernt vom Apparat auf- gestellt wurde. Die Blutlösungen befanden sich in planparallelen Glas- kästchen von 1°” Dicke. Die Scala des Apparates wurde so geaicht, dass die D-Linie mit Nr. 9 der Scala zusammenfiel, und diese Stellung vor jeder Beobachtungsreihe controlirt. Als Ausgangsmaterial diente krystallisirtes Pferdehämoglobin, das auf die übliche Art, aber ohne Aetherzusatz, her- gestellt wurde. Von ihm wurde eine Standardlösung bereitet, und aus dieser die zur Untersuchung gelangende Blutlösung durch Verdünnen mit Wasser bezw. mit den zur Herstellung der betreffenden Hämoglobinderivate erforderlichen Zusätzen, wie Schwefelammon, Stokes’ Reagens, Hydrazin u. s. w. hergestelit. Als Beispiel für unser Vorgehen diene die Darstellung des redueirten Hämoglobins aus Oxyhämoglobin: 1. 3° der Stammlösung werden mit 3 “" H,O zu 6 “= aufgefüllt und die Lage der Absorptionsstreifen festgestellt. 2. 3 °m der Stammlösung werden mit 0-5 °” frisch bereitetem Stokes’schen Reagens versetzt, zu 6 “" mit H,O aufgefüllt und die Lage des Streifens bestimmt. Die erhaltenen Spectra sind auf Taf. II abgebildet, und zwar sind die Spectra 1 bis 9 sowohl ihrer Lage wie der Stärke ihrer Absorptionsbänder nach unter einander genau vergleichbar. Die Spectra 10 bis 15 konnten nicht aus der Beobachtung genau gleich concentrirter Lösungen gewonnen werden, da krystallisirtes Material nicht mehr zur Verfügung stand, ausser- dem aber die Farbenintensität der verschiedenen Hämatinderivate so erheb- lich differirt, dass eine Einstellung in der gewünschten Weise sich dadurch von selbst verbot; es wurden daher colorimetrisch möglichst gleiche Lösungen benutzt. Gehen wir nun zu der Besprechung des spectroskopischen Ver- haltens der einzelnen Hämoglobinderivate über, so kann Oxyhämoglobin, reducirtes Hämoglobin, Kohlenoxydhämoglobin und Hämatoporphyrin füglich übergangen werden, da die Lage ihrer Spectralstreifen zur Genüge bekannt ist und wir dem nichts Neues hinzufügen können. Neutrales Methämoglobin. Das Spectrum des neutralen Methämoglobins besteht aus vier deutlich abgegrenzten Absorptionsbändern, von denen das stärkste im Roth, ein weniger starkes zwischen den Linien 5 und / gelegen ist. Die anderen zwei Bänder sind nur schattenartig angedeutet, und zwar ist das an der .D-Linie gelegene das schwächste Lewin und andere Autoren ! nehmen an, dass die ı L. Lewin, Deutsche med. Wochenschr. 1897. Nr. 14. 8.217. — O. Cohn- heim, Chemie der Eiweisskörper. 1900. 8.232. Dort die anderen Autoren. BEITRÄGE ZUR SPECTROSKOPIE DES BLUTES. 179 beiden letzterwähnten nicht dem Methämoelobin selbst, sondern Resten von nicht ganz zerstörtem Oxyhämoglobin angehören. Dem gegenüber muss betont werden, dass dieselben in der That dem neutralen Methämoglobin als solchem zukommen, da sie auch in Lösungen von krystallisirtem Met- hämoglobin in gleicher Weise zu beobachten sind. Sie sind auch nicht, wie Lewin angiebt, stärker als der Streifen in Roth, sondern, wie oben gesagt, erheblich schwächer als dieser. Alkalisches Methämoglobin. Dasselbe zeigt ein zweibandiges Spectrum, dessen einer Streifen an der D-Linie gelegen, aus einem scharf abgegrenzten Theil besteht, welcher in seiner Lage dem ersten Oxyhämoglobinstreifen ziemlich genau entspricht, sich von ihm aber dadurch ganz charakteristisch unterscheidet, dass sich ihm ein Schatten über D hinaus vorlagert, dessen Intensität nach dem Roth hin zunimmt. Dieser Schatten ist in dünneren Lösungen bisweilen wenig intensiv, so dass er leicht übersehen werden kann, eine That- sache, auf die kürzlich schon von Brat! aufmerksam gemacht worden ist. Offenbar ist dies auch vielfach geschehen: So wird in fast allen Lehr- büchern der gerichtlichen Medien? die Umwandlung des neutralen in alkalisches Methämoglobin durch Ammoniak so dargestellt, als ob der durch Alkalizusatz entstehende Körper kein Methämoglobinderivat mehr, sondern wieder entstandenes Oxyhämoglobin wäre. Ferner hat man bei zur Blut- gasanalyse verwendetem Blut wohl häufig geglaubt, unverändertes Oxyhämo- globin vor sich zu haben, wenn die Lösung ein zweistreifiges Spectrum gab. Die Lectüre der einschlägigen Arbeiten weist aber darauf hin, dass die Untersucher schon vielfach verändertes, d. h. methämoglobinhaltiges Blut vor sich hatten, dessen Sauerstoffabsorptionsvermögen erheblich von dem des reinen Oxyhämoglobins abweicht. Zieht man zum Vergleich das spectrophotometrische Verhalten solchen Blutes mit heran, so weist der gegenüber reinem Oxyhämoglobin erheblich niedrigere Werth von —t- mit grosser Sicherheit darauf hin, dass das Blut schon theilweise in Zer- setzung übergegangen ist. Saures Hämatin. Das Spectrum besteht aus vier in ihrer Intensität sehr verschiedenen Streifen. Der stärkste und auch in verdünnten Lösungen immer noch sichtbare liest im Roth und zwar noch weiter als der entsprechende des ! H. Brat, Deutsche med. Wochenschrift. 1901. ? Casper-Liman. 1889. Bd. II. S. 147. — E.v. Hofmann. 1891. 8.434. — F. Strassmann. 1895. 8. 346. 12* 180 ERNST ZIEMKE UND FRANZ MÜLLER: neutralen Methämoglobins. In stark concentrirten Lösungen ist er durch einen Schatten mit der absoluten Verdunkelung direct verbunden. Die drei anderen Streifen liegen zwischen D und Z, und zwar sind die beiden breiteren ziemlich gleich stark und durch einen schwachen Schatten ver- bunden, während der D zunächst liegende schmäler und am wenigsten deutlich ist, so dass er in dünnen Lösungen überhaupt nicht zum Vorschein kommt. Alle vier sind als charakteristisch für das Hämatin anzusehen, da sie auch in Lösungen von krystallisirttem Hämatin (nach Nencki dar- gestellt!) beobachtet wurden; es muss dies im Gegensatz zu Lewin? hervor- gehoben werden, der zwei derselben als noch unverändertem Oxyhämoglobin zugehörig betrachtet, und sie dementsprechend auf der Tafel seines Lehr- buches viel zu stark abbildet. Alkalisches Hämatin. Das Spectrum ist einstreifig, der Streifen liegt zum grösseren Theile nach dem Roth hin über D hinaus und ist dort auch am stärksten; in dünnen Lösungen ist er sehr undeutlich. Die absolute Verdunkelung im Blau beginnt etwa in der Gegend der Z-Linie. Wenn dieses Spectrum als identisch mit dem des alkalischen Methämoglobins abgebildet wird, so kann dies nur darin seinen Grund haben, dass kein reines, krystallisirtes Pro- duct, wie wir es bei der Untersuchung des Spectrums vor uns hatten, zur Untersuchung gelangte, sondern Blut benutzt wurde, das noch theilweise unverändertes Oxyhämoglobin enthielt. Uns selbst ging es ähnlich bei der Untersuchung einer Lösung, welche das Spectrum des alkalischen Met- hämoglobins zeigte, die aber nicht, wie zu erwarten war, bei der Reduction reducirtes Hämoglobin, sondern Hämochromogen lieferte, ein Beweis dafür, dass der Körper zum Theil in Hämatin übergegangen war. Neutrales Hämatin. Das Spectrum dieses Körpers, dessen Lösung nach der von V. Arnold? angegebenen Methode aus amorphem Hämatin hergestellt war, ist dem des alkalischen Hämatins ausserordentlich ähnlich. Wir sehen nur einen breiten Streifen, der fast genau in der gleichen Spectralregion, doch dem rothen Ende etwas näher liegt. Ein Unterschied besteht dagegen in der Grenze der absoluten Verdunkelung nach Blau hin, die hier nicht bei der Wellen- länge 530, sondern etwa bei 553 beginnt. Arnold beschreibt zwei Streifen Nencki und Zaleski, Zeitschrift für physiol. Chemie. 1901. Bd. XXX. A.a. 0. 3. 218 und Toxikologie. 1897. V. Arnold, Zeitschrift für physiol. Chemie. 1900. Bd. XXIX. 8.78. BEITRÄGE ZUR SPECTROSKOPIE DES BLUTES. 181 etwa in der Gegend derjenigen des Oxyhämoglobins, die wir nicht gefunden haben. Durch Zusatz von Alkali zur Lösung des neutralen Hämatins kann man die Umwandelung des einen Spectrums in das andere deutlich verfolgen. Hämochromogen. Das Spectrum ist dadurch charakterisirt, dass von den zwei Streifen der zwischen D und # liegende der bei weitem stärkere ist, und schon in ganz verdünnten Lösungen deutlich hervortritt, während der zweite oft schattenhaft, aber wenn auch stärker, immer noch schwächer als der erste erscheint. Die absolute Verdunkelung im Blau beeinnt kurz hinter der b-Linie.e Werden Lösungen von Hämochromogen mit Luft geschüttelt, so verschwindet das Spectrum in der Regel verhältnissmässig schnell und macht einem sehr schwach angedeuteten einbandigen Platz, das der Lage nach dem alkalischen Hämatin entspricht, eine Beobachtung, welche schon von Gamgee! gemacht worden ist. Bei längerem Stehen geht das ein- bandige Spectrum von selbst wieder in das des Hämochromogens über. In alkalischen Lösungen aus altem, getrocknetem Blut, welche durch Re- duetion in Hämochromogen übergeführt wurden, kann man bisweilen beim Schütteln mit Luft an Stelle des erwähnten einstreifigen ein schwaches zweistreifiges Speetrum erhalten. Die Lagebestimmung der zwei Streifen ergab, dass es sich um die Oxyhämoglobinstreifen handelt. Man hat dem- nach in diesem Falle ein Gemisch von Hämatin und Hämoglobin vor sich. Aus altem Blut kann man Hämochromogen direct erhalten, wenn man es mit starker (33 procent.) Kalilauge kocht, wie schon E. v. Hofmann und F. Strassmann angeben. Cyanhämatin. Das Spectrum zeigt einen breiten, unscharfen Streifen, welcher fast den ganzen Raum zwischen D und # ausfüllt; die absolute Verdunkelung beginnt bei £/. Ueber die Existenz des Cyanhämatins ist viel gestritten worden. So sagt Lewin:? „Das Hämoglobin erleidet keine spectroskopisch erkennbare Veränderung unter der Einwirkung von Blausäure. Ich kann dies sowohl für das lebende Thier auf Grund von vielen Versuchen, als auch für todtes Blut angeben. Es giebt kein speetroskopisch erkennbares Cyanmethämoglobin oder Cyanhämatin.“ Und an anderer Stelle: „Unreines Cyankalium bildet im Blut Hämatin, das durch Schwefelammon in Hämo- chromogen übergeht.“ ı A. Gamgee, Zeitschrift für Biologie. 1897. N. F. Bd. XVI. 8. 518. ” Lehrbuch der Toxikologie. 1897. 3. 164. 182 ERNST ZIEMKE UND FRANZ MÜLLER: Andere Autoren, wie Strassmann!, Szigeti? und Richter? halten das Cyanhämatin dagegen für einen wohl charakterisirten Körper. Wir selbst haben nun das beschriebene Spectrum in Lösungen gefunden, welche durch Auflösen von amorphem Hämatin in Cyankalilösung hergestellt waren; das amorphe Hämatin war aus krystallisirtem Acethämin nach Nencki dargestellt. Die Existenz des Cyanhämatins kann demnach nicht mehr bestritten werden. Und dass das Cyanhämatin nicht etwa, wie Lewin meint, gleich alkalıschem Hämatin ist, ergiebt sich aus der voll- kommen verschiedenen Lage des Absorptionsbandes und aus dem ver- schiedenen Beginn der absoluten Verdunkelung im Blau. Alkalisches Hämatin hat seinen Streifen zwischen den Wellenlängen —= 611 — 582, Cyanhämatin dagegen zwischen iA = 518 — 527. Cyanhämochromogen. Das Spectrum dieses von uns so genannten Körpers entsteht durch Reduction des Oyanhämatins mit Schwefelammon u. A. Es zeigt zwei wohl charakterisirte Streifen zwischen D und Z; ihre Lage entspricht den Wellenlängen A = 517 — 562 \ = 548 — 532. Beide sind scharf begrenzt und von gleicher Intensität; die absolute Ver- dunkelung beginnt erst weit hinter #* Dieses Spectrum ist schon von vielen Untersuchern gesehen, aber fast immer für identisch mit dem des Hämo- chromogens gehalten worden, nur Preyer* und Hammer]? und neuer- dings Haldane‘ zweifeln an ihrer Identität, ohne allerdings den sicheren Beweis der Verschiedenheit führen zu können. Die anderen Untersucher hatten nämlich nicht genügend beachtet, dass das Spectrum des Hämo- chromogens gerade durch das Ueberwiegen des Streifens bei D charakterisirt ist, während die beiden Streifen des Cyanhämochromogens gleich stark sind, näher an einander liegen, und ausserdem im Ganzen mehr nach dem Roth hin verschoben sind. Dass es ein vom Hämochromogen verschiedenes 2A... 0: ? Vierteljahrsschrift für gerichtliche Medicin. 1893. Bd. VI. Suppl. 8.9. ® Prager med. Wochenschrift. 1894. Nr. 9. S. 105. * Die Blutkrystalle. Jena 1871. 8. 153. 5 Vierteljahrsschrift für gerichtliche Medicin. 1892. Bd. IV. 8.53. 6 Journal of Physiology. 1900. Vol.XXV. Nr. 3. p. 232. BEITRÄGE ZUR SPECTROSKOPIE DES BLUTES. 183 Spectrum ist, geht zur Evidenz daraus hervor, dass man beim Zusatz von Cyankalium zu einer Lösung von Hämochromogen ein Ueberspringen der Hämochromogenstreifen in die mehr nach dem rothen Theil des Spectrums gelegenen Streifen des Cyankämochromogens direct verfolgen kann. Viel- leicht am exactesten wird die Verschiedenheit der Lage der Streifen durch die spectrophotometrische Untersuchung (mit Hülfe des Hüfner’schen Spectrophotometers) erwiesen. Bestimmt man, wie auch sonst üblich, die Extinctionscoeffieienten & und &, in den zwei Spectralregionen zwischen 4) = 557.5 — 568-7 und 4 = 535-1 — 546-3, so ergiebt sich für Hämo- chromogen = 1-31, für Cyanhämochromogen = 0.61. & & Dass die Unterscheidung der beiden Spectra auch praktisch von Be- deutung sein kann, erhellt aus einem von uns beobachteten Fall von Cyankaliumvergiftung, in dem es gelang, in der Magenschleimhaut der Leiche ein undeutliches, einbandiges Spectrum zu beobachten, das ohne Weiteres nicht hätte identificirt werden können. Bei Reduction mit Schwefel- ammon ging es aber in ein zweibandiges über, dessen Absorptionsbänder die Lage der Cyanhämochromogenstreifen zeigten (Scala 9-6 — 10-1 und 10-3 — 11-3). Cyanmethämoglobin. Das Spectrum besitzt ein breites Band, welches ähnlich wie das des Cyanhämatins den Zwischenraum zwischen D und 5 fast vollkommen aus- füllt. Die Verdunkelung ım Blau beginnt wie bei diesem in der Gegend der F/-Linie. In Folge dieser grossen Aehnlichkeit haben verschiedene Autoren, wie Szigeti und Richter, das Vorkommen von Cyanmethämo- globin überhaupt bestritten. Dem gegenüber hält Kobert ! weiter an der Existenz dieses Körpers fest; er sagt: „Von einer Identität desselben mit dem Cyanhämatin kann gar keine Rede sein.“ Zum Beweise führt er eine Anzahl Methoden an, die bezwecken, Cyanmethämoglobin in redueirtes Hämoglobin und Oxyhämoglobin überzuführen und dadurch seine Zugehörig- keit zur Hämoglobingruppe zu erweisen. Wir haben diese Versuche mit dem gleichen Resultate wiederholt und können Kobert in seiner Meinung nur beipflichten, um so mehr, als wir das gleiche Spectrum beobachteten nach Hinzufügen von Cyankalium zu einer Lösung von reinem, nach v. Zeyneck hergestelltem krystallisirten Methämoglobin, die bei der Reduction reducirtes Hämoglobin und kein Hämochromogen lieferte. Dagegen gelingt es, was im Gegensatz zu Kobert gesagt werden muss, schon: allein durch Zusatz von Schwefelammon ohne Erwärmung, das Cyanmethämoglobin in Hämo- ı Pflüger’s Archiv. 1900. Bd. LXXAU. 8.615 ff. 184 ERNST ZIEMKE UND FRANZ MÜLLER: slobin überzuführen, wenn man zur Bildung des Cyanmethämoglobins nur so viel Blausäure verwendet hat, als gerade zur spectroskopischen Umwand- lung erforderlich ist. Hat man mehr Blausäure angewendet, so kann man oft nach der Reduction mit Schwefelammon unter Controle des Spectroskopes beim Einblasen von Luft eben noch vorübergehend die beiden Oxyhämo- globinstreifen zu (Gesicht bekommen, die aber sehr bald wieder einem ein- streifigen Spectrum Platz machen. Es bedarf also nicht einmal der von Kobert verwendeten umständlichen Methoden, um den Nachweis der Existenz des Cyanmethämoglobins zu führen. Photomethämoglobin. Bock! hat beobachtet, dass die braune Farbe der Methämoglobin- lösungen am Licht in eine rothe übergeht und dass der entstandene Körper ein einstreifiges Spectrum zeigt. v. Zeynek?, Kobert? und Haldane® wiederholten diesen Versuch mit demselben Resultate. Während die Spectra des Photomethämoglobins und COyanmethämoglobins genau identisch sind, glaubt Kobert, einen Unterschied bei der Reduction mit Schwefelammon constatiren zu können. Wie schon erwähnt, sollte nach ihm Oyanmethämo- globin sehr schwer und erst bei höherer Temperatur reducirbar sein, während Photomethämoglobin schon durch Spuren von Schwefelammon und bei ge- wöhnlicher Temperatur sehr rasch in redueirtes Hämoglobin umgewandelt wird. Nach dem oben Gesagten kann dieser Unterschied nicht mehr zu Recht bestehen, da Cyanmethämoglobin ja auch verhältnissmässig leicht reducirt werden kann. Nun glaubt aber Haldane gar nicht einmal an eine Verschiedenheit der beiden Körper, und wir selbst konnten in Ueber- einstimmung mit ihm feststellen, dass nur solche Methämoglobinlösungen durch das Licht verändert werden, in denen das Methämoglobin durch Ein- wirkung von Ferricyankalium auf Oxyhämoglobin entstanden war. Wurde Methämoglobin durch andere Reagentien, wie z. B. Kaliumpermanganat, Jod, Kaliumnitrit oder Pyrogallol hergestellt, so wandelte sich weder die Farbe noch das Spectrum der Lösungen nicht einmal bei Tage langem Stehen am Licht um, während eine mit Ferrieyankalium aus der gleichen Blut- mischung hergestellte Methämoglobinlösung schon nach wenigen Stunden die Umwandlung in sog. Photomethämoglobin zeigte. Nun ist aber ausser- dem die Einwirkung des Lichtes auf die Methämoglobinlösung für die I Skandinavisches Archiv. 1895. Bd. VI. S. 299. ® Dies Archiv. 1899. Physiol. Abthlg. S. 460. Sea a0. S=618 IA a0:S. 231: BEITRÄGE ZUR SPECTROSKOPIE DES BLUTES. 185 Entstehung des einstreifigen Spectrums überhaupt nicht erforderlich; denn, wie auch Haldane angiebt und wir gleichfalls feststellen konnten, entsteht bei Zusatz einer sehr verdünnten Ferricyankaliumlösung, welche einige Zeit an der Sonne gestanden hat, zu im Dunkeln aufbewahrter, sowohl neutraler wie alkalischer Methämoglobinlösung ein einstreifiges Spectrum, welches in jeder Beziehung dem Bock’schen Photomethämoglobin ent- spricht. Wir müssen uns demnach Haldane’s Annahme anschliessen, dass die Entstehung dieses Körpers wahrscheinlich auf eine Einwirkung von freier Blausäure auf Methämoglobin zurückzuführen ist, und dass die Einwirkung des Lichtes als ein secundäres Moment betrachtet werden muss. Uebrigens färbt sich auch ein Guajakkupfersulfatpapier, welches über die in der Sonne befindliche Ferrieyankaliumlösung gebreitet ist, deutlich blau, eine Reaction, welche bekanntlich das Vorhandensein freier Blausäure wahr- scheinlich macht, zumal Ammoniak und ähnlich reagirende Körper hier ' wohl ausgeschlossen werden können. Wenn wir zum Schluss nach dem Grunde suchen, weshalb die Angaben der einzelnen Autoren über so vielfach spectroskopisch untersuchte Körper so erheblich differiren, so finden wir die Möglichkeit einer Erklärung in den Erfahrungen, die wir selbst bei der Untersuchung von Blutlösungen machen konnten, die in diesem Falle nicht durch Auflösung krystallisirter Substanzen hergestellt waren. Es trat dabei mehrfach der Fall ein, dass Körper der Hämoglobin- und Hämatinreihe gemischt vorhanden waren. Ausser den früher angeführten Beispielen mögen noch folgende als Beleg gelten. 1. Ein Sodaextract aus trockenen Blutflecken, frisch untersucht, ergiebt alkalisches Methämoglobin, das bei der Reduction reducirtes Hämoglobin und durch Schütteln Oxyhämoglobin liefert; dieselbe Lösung giebt nach vierwöchigem Stehen bei kalter Temperatur wiederum alkalisches Met- hämoglobin, das nach der Reduction jetzt aber die Streifen des Hämo- chromogens zeigt. 2. Frisch bereitete Cyanmethämoglobinlösung giebt bei der Reduction Hämoglobin und nach dem Sehütteln Oxyhämoglobin; dieselbe Lösung zeigt nach 17tägigem Stehen das gleiche einstreifige Spectrum, nach der Re- duction aber Hämochromogen. Es war also das ursprünglich vorhandene Cyanmethämoglobin in Cyanhämatin übergegangen. 186 E. ZIENMmkE v. F. MÜLLER: BEITRÄGE Z. SPECTROSKOPIE D. BLUTES. Zusammenfassung der Resultate. 1. Oxyhämoglobin und alkalisches Methämoglobin können in dünnen Lösungen leicht verwechselt werden. Der Schatten vor dem ersten Streifen giebt eine sichere Unterscheidung. 2. Die Spectra des alkalischen Methämoglobins und des alkalischen Hämatins sind verschieden. 3. Die Spectra des alkalischen Hämatins und Cyanhämatins sind eben- falls verschieden; es giebt also ein Cyanhämatin. 4. Aus Hämochromogen entsteht durch Zusatz von Cyankalium das von uns so genannte Cyanhämochromogen; dasselbe kann für den Blau- säurenachweis in der Leiche von Bedeutung sein. 5. Cyanmethämoglobin und Cyanhämatin sind verschiedene Körper dagegen ist Photomethämoglobin identisch mit Cyanmethämoglobin. Neue Versuche über die Dissociation des Oxyhämoglobins. Von G. Hüfner. (Hierzu Taf. III.) Vor etwa 12 Jahren habe ich in diesem Archiv! zum ersten Male das Gesetz entwickelt, nach welchem in Wasser gelöstes Oxyhämoglobin beim Schütteln mit Stickgas in freien Sauerstoff und reducirtes Hämoglobin zerfällt. Aus einer eingehenden Betrachtung des Vorganges ergab sich, dass der Gleichgewichtszustand, der sich dabei nach einiger Zeit einstellt, nicht von einfacher Art ist. Denn es besteht Gleichgewicht 1. zwischen der Menge noch unzersetzter Substanz A und den Mengen der beiden Zersetzungs- producte 5 und ©, wo C den noch in Lösung befindlichen Antheil des los- gerissenen Sauerstoffs bedeutet. Es wird durch die Gleichung ausgedrückt: A—=KkBG en BE worin k bekanntlich eine durch die Natur der Stoffe und durch die Tem- peratur bestimmte Constante ist. Das zweite Gleichgewicht besteht zwischen der Concentration des in wässeriger Lösung befindlichen Sauerstoffs und der Concentration, die das nämliche Gas in der über der Lösung befindlichen Atmosphäre besitzt. Dieses ist durch das Absorptionsgesetz der Gase geregelt und also ein heterogenes. Der Ausdruck für die in der Volumeinheit (= 1") gelöste Sauerstoffmenge v ist deshalb durch die Formel gegeben Er Po 760 ?° oder -k, U ! Ueber das Gesetz der Dissoeiation des Oxyhämoglobins und über einige daran sich knüpfende wichtige Fragen aus der Biologie. Dies Archiv. 1890. Physiol. Abthlg. 8.1. 158 G. Hürner: worin &; den Bunsen’schen Absorptionscoefficienten bei der Temperatur £ und », den Partiardruck. des Sauerstofls in dem Schüttelgase bedeutet. Wie man, sieht, ist also für die Aufstellung einer Gleichgewichtsgleichung in unserem Falle der Umstand wichtig, dass der durch den Zerfall des Oxy- hämoelobins frei werdende Sauerstoff beim Schütteln mit Stiekgas oder sehr sauerstoffarmer Luft nicht vollständig aus der Flüssigkeit entweicht, sondern, dass so viel davon in dieser letzteren gelöst bleibt, als sein Ab- sorptionscoefficient und sein im Schüttelgase herrschender Partiardruck gestatten. Nur der gelöst bleibende Antheil ist es, dessen Menge in der (Greichgewichtsgleichung zur Geltung kommt. | Bezeichnet man nun die Concentration, d. h. die in der Raumeinheit vorhandene Gewichtsmenge! des gelösten Oxyhämogiobins mit c., diejenige des durch Dissociation entstandenen Hämoglobins mit c, und endlich die- jenige des gelöst bleibenden Sauerstofls mit dem Ausdrucke on so lassen sich beide Geichgewichtszustände in die Formel zusammenfassen: oder TREO 1) Cr Po Da man voraussetzen darf, dass der Absorptionscoefficient &; In einer längeren Reihe von Versuchen, falls sich nur Temperatur und Concentration der Lösung immer gleich erhalten lassen, ebenfalls einen constanten Werth behalten wird, so kann man endlich den in Gleichung (1) rechts vom (Grleichheitszeichen befindlichen Ausdruck in eine einzige Constante zu- sammenziehen und mit x bezeichnen, so dass wir nunmehr die einfache Gleichung haben: ce o a; | 2 C, Po Es ist dies die nämliche Gleichung, von der mit Vortheil schon in meiner früheren Arbeit? Gebrauch gemacht wurde. Sie drückt in ein- ! Wenn ich hier und in der Folge noch immer von absoluten Gewichtsmengen spreche und nicht sogleich, was die Sache allerdings klarer und übersichtlicher machen würde, von den vorhandenen Mengen der verschiedenen Molecüle, so geschieht dies um der gleichzeitigen Anwendung des Bunsen’schen Absorptionseoöffieienten willen, für dessen Definition auch nicht die Zahl der Gasmolecüle, sondern die absolute Gasmenge in Betracht kommt. — Ganz homogen würde die Bezeichnung freilich erst dann werden, wenn statt des durch den Absorptionscoöffieienten gegebenen absoluten Volumens die entsprechende Gewichtsmenge des gasförmigen Körpers eingeführt würde. Zur Gewinnung einer für meinen Zweck brauchbaren Constanten ist dies aber durchaus nicht nöthig. 2A.2.0.8.2. NEUE VERSUCHE ÜBER DIE DISSOCIATION DES OXYHÄMOGLOBINS. 189 facher Weise die gesuchte Beziehung zwischen dem Grade der Dissociation und dem Partiardrucke des Sauerstoffs aus und enthält nur Grössen, die einer verhältnissmässig leichten experimentellen Bestimmung zugänglich sind. Als ich zum ersten Male, vor etwa 13 Jahren, diese Aufgabe unter- nahm, waren die mir zu Gebote stehenden Methoden noch nicht so aus- gebildet, dass ich es hätte wagen dürfen, mit ihrer Hülfe die gesuchten Werthe direct und unabhängig von einander zu bestimmen; z. B. zog ich es damals vor, das Verhältniss >, anstatt es unmittelbar — etwa auf spectrophotometrischem Wege 2 zu ermitteln, lieber aus der Sauerstofi- menge zu berechnen, die durch die Dissociation des Oxyhämoglobins frei geworden war. Diese musste aber selber vorher auf gasometrischem und gasanalytischem Wege festgestellt werden. Wie dann diese Berechnung ausgeführt wurde und unter Zuhülfe- nahme welcher Zahlenwerthe 1. für den Absorptionscoefficienten des Sauer- stoffs für die angewandten Lösungen, 2. für das Verbindungsverhältniss zwischen Sauerstoff und Blutfarbstoff (die sogenannte „Sauerstoffcapaeität des Blutfarbstofis“), darüber sei hier auf die frühere Arbeit verwiesen. Die zweite der eben genannten Grössen ist erst seitdem genauer fest- gestellt worden;! dass aber die früher allgemein, wenn auch nur vorläufig, gehegte und benutzte Annahme, wonach der Absorptionscoöfficient des Sauer- stoffs für wässerige Oxyhämoglobinlösungen eben so gross wie für reines Wasser von gleicher Temperatur sei, unrichtig ist, dürften Beobachtungen, die weiter unten mitgetheilt werden sollen, mit Sicherheit beweisen. Jene früheren Versuche ergaben denn auch für die gesuchte Grüsse x ziemlich wechselnde Werthe. Indessen schien es doch, als ob diese Grösse regelmässig mit der Concentration der Lösung varlirte, in dem Sinne, dass sie mit wachsender Concentration zunähme und umgekehrt, — eine Er- scheinung, die allerdings mit anderweiten über Dissociationsverhältnisse gemachten Erfahrungen im Einklange stehen würde. Ich habe in den letzten Jahren mehrere Reihen neuer Versuche zur Bestimmung von x, und zwar für das Oxyhämoglobin dreier verschiedener Thiere (Hund, Rind, Pferd) durchgeführt. Betrefis der Grösse des Absorptionscotfficienten wurde bei der Be- rechnung der Resultate derselben gar keine bestimmte Annahme mehr zu Grunde gelegt; auch wurde nicht angenommen, dass derselbe in allen einzelnen gleich gross gewesen; es wurde vielmehr nur als höchst wahr- scheinlich vorausgesetzt, dass seine verschiedenen Werthe in den einzelnen I Dies Archiv. 1894. Physiol. Abthlg. 8. 130 ff. 190 G. Hürner: Versuchsreihen sich um irgend einen Mittelwerth bewegt haben möchten, dessen wirkliche Grösse zu kennen, so lange es sich nur um die Fest- stellung des Werthes von x handelt, überhaupt gar nicht nothwendig ist.! Es wurde ferner auch die Grösse c, nicht mehr auf einem Umwege aus dem Resultate der Gasanalyse unter Annahme eines bestimmten Werthes für die „Sauerstoffeapacität“ des Hämoglobins berechnet, sondern das ganze . c . . . . - Verhältniss m wurde ebenso unabhängig spectrophotometrisch ermittelt, wie ?. mit Hülfe der Gasanalyse. Endlich diente als Versuchstemperatur nicht mehr wie früher diejenige von 35°, sondern eine solche von im Mittel 37-4°, also etwa die mittlere Temperatur des gesunden lebenden Menschen; — letzteres in der höchst wahrscheinlichen Voraussetzung, dass die Dissociations- bedingungen für die Oxyhämoglobine der höheren Thiere etwa die gleichen sind, wie für dasjenige des Menschen.? Jeder einzelne Versuch zerfiel so in einen gasometrischen ta einen spectrophotometrischen Theil; der gasometrische wiederum in einen eigent- lichen Dissociationsversuch, d. h. in einen Schüttelversuch mit dem früher? beschriebenen Absorptiometer und in die Analyse des am Schlusse desselben im Apparate befindlichen Gases. Am Ende jedes Schüttelversuches galt es dem Apparate 2 Proben seines Inhaltes zu entnehmen: zuerst eine Gasprobe zum Zwecke der Be- stimmung ihres Sauerstoffgehaltes, sodann eine Probe der Lösung, um sie spectrophotometrisch auf das Verhältniss der Hämoglobin- zu den Oxyhämo- globinprocenten zu untersuchen. Das Schöpfen der Gasprobe geschah wie früher.‘ Wie dagegen dem Apparate eine Probe der Lösung entnommen, wie diese bei Luftabschluss mit ausgekochtem Wasser verdünnt und wie wiederum ein Theil dieser verdünnten Lösung in die Lichtabsorptionszelle übergeführt wurde, davon soll im Folgenden die Rede sein. /war findet man einen Theil der genannten Operationen ebenfalls bereits in einer früheren? Mittheilung beschrieben, indessen dürfte es im ! Anders liegt natürlich die Sache, wenn man die eigentliche Dissociations- constante, d.i. die Grösse %, aus der Gleichung (1) erfahren will. Siehe darüber den weiter unten folgenden Abschnitt, wo von der Bestimmung des Absorptionscoöfficienten die Rede ist. ® Ob diese Voraussetzung für alle Thiere, die überhaupt Hämoglobin in ihrem Blute führen, zutrifft, ist freilich zweifelhaft. Es wäre deshalb eine nicht uninter- essante Aufgabe, zu untersuchen, ob die betreffende Dissociation bei den Kaltblütern, namentlich bei den Fischen, nicht doch etwas anders verläuft. 3 Dies Archiv. 1894. Physiol. Abthlg. S. 130 ff. — Siehe auch Zestschrift für physiologische Chemie. 1888. Bd. XII. S. 568 ff. * Zeitschrift für physiologische Chemie. Bd. XII. 8. 577. 5 Ebenda. Bd. III. S. 1ff. NEUE VERSUCHE ÜBER DIE DISSOCIATION DES OXYHÄMOGLOBIS. 191 Interesse des besseren Verständnisses gerechtfertigt sein, hier nochmals das ganze Verfahren ausführlich und zwar an der Hand zweier Zeichnungen zu erläutern. In Taf. III, Fig. I sieht man links 3 gläserne Kugelapparate, die alle an dem gleichen eisernen Stative D befestigt und durch diekwandige (schwarze) Kautschukschläuche luftdicht unter einander verbunden sind. A ist der Kugelapparat des Absorptiometers, dessen untere Kugel mit der geschüttelten Lösung, dessen obere mit dem Schüttelgase gefüllt und mittels des metallenen Ansatzrohres d, das für gewöhnlich zur Verbindung des Ganzen mit dem Manometer dient, und eines längeren Kautschukschlauches f mit den Wasch- flaschen des Wasserstoffentwicklerss # verbunden ist. BD und C sind 2 Verdünnungsapparate aus Glas. Jeder derselben besteht aus einer grossen, zwischen 80 bis 120 °® fassenden Kugel A, dem kurzen, nicht mehr als 1° m enthaltenden Röhrenstück vo und 3 Hähnen, von denen 2 Zweiweghähne sind. Der Sinn der Aufstellung wird durch Folgendes klar. Es seien die Kugeln der Verdünnungsapparate vor ihrem Anschlusse an 4 zunächst mit ausgekochtem Wasser gefüllt!, dann nach Querstellung der mittleren Zweiweghähne beide Apparate mittels des Kautschuk- schlauches 5 unter einander verbunden. Nachdem man dann noch bei c ein stumpfwinklig gebogenes Glasrohr gleichfalls mittels Kautschuks so angefügt, dass das untere offene Ende dieses Rohres bis auf den Boden der Quecksilber enthaltenden Porzellanschale $ reicht, füllt man durch ! Um sich einen grösseren Vorrath ausgekochten Wassers zu verschaffen und dieses jeder Zeit zur Verwendung bereit zu haben, bedient man sich zweckmässig eines oder mehrerer Glaskolben von der in nebenstehender Fig. 1 abgebildeten Form und etwa '/, Liter Inhalt. Wie man sieht, ist in die Wand des Halses desselben ein Glasrohr eingeschmolzen, das im Innern bis nahezu auf den Boden reicht. Aussen ist es rechtwinklig um- und nach oben gebogen. Der Hals selber aber ist gleichfalls zu einem engen Rohre verjüngt. Ueber die Oeffnungen beider Röhren sind Kautschukschläuche gebunden, die sich durch Klemmen verschliessen lassen. — Nachdem das Wasser in solehem Kolben mehrere Stunden lang ausgekocht und die Oeffnungen desselben am Ende verschlossen worden, wird er mit dem Halse nach abwärts unter Quecksilber getaucht und in dieser Stellung mittels einer Klammer so lange erhalten, bis das Wasser sich bis auf Zimmertemperatur abgekühlt hat und man es gebrauchen will. Um aus solchem Kolben luftfreies Wasser in unseren Verdünnungs- apparat überzufüllen, wird letzterer bei mit dem eingeschmolzenen Rohre verbunden, der Hals aber bei 5 mit einem Wasserstoffentwickler in Verbindung gesetzt. Alsdann wird der Verdünnungsapparat luftleer gepumpt und, nachdem dies geschehen, dem Wasser gestattet, unter dem Drucke des nachdringenden Wasserstoffs langsam in diesen hinaufzutreten. 192 G. Hürner: Ansaugen vom Schlauche a aus das ganze enge Röhrensystem so weit mit (Quecksilber an, dass aus demselben bis weit über den Hahn r’ hinauf alle Luft verdrängt ist. Dann schliesst man den Hahn r’, damit das Queck- silber nicht wieder zurückfliesse. Nun gelingt es leicht, den die Lösung und das Schüttelgas enthaltenden Kugelapparat A unter Anwendung von Quecksilber als Sperrflüssigkeit der Art dicht mit den so vorbereiteten Ver- dünnungsapparaten zusammen zu fügen, dass ein etwaiges Eindringen von Luft in den Zwischenraum zwischen beiden vermieden ist. Jetzt kommt es nur noch darauf an, das in den engen Röhrentheilen der Verdünnungsapparate enthaltene (Quecksilber von oben her durch die dunkle Blutlösung zu verdrängen und zu ersetzen. Hierzu öffnet man erst den Verschluss des metallenen Ansatzrohres bei d, ferner die Hähne r und r’, und lässt jetzt in dem Maasse Queck- silber und unmittelbar dahinterher Blut- oder BlJutfarbstofflösung in die Porzellanschale $ ausfliessen, als oben Wasserstoffgas in den Kugelapparat nachdringt. Erst, wenn etwa 20 bis 30° = der Lösung frei ausgetreten sind, schliesst man rasch die Hähne »,7’,r” und lässt nun durch Drehung der mittleren Zweiweghähne um 90 Grad Lösung und ausgekochtes Wasser in jedem der Verdünnungsapparate zusammenfliessen. Hierauf werden die einzelnen Theile aus ihrer Verbindung wieder gelöst und zum Zwecke rascherer Vermischung ihres Inhaltes einige Minuten tüchtig hin- und her- geschüttelt. Unsere, die Anordnung des Ganzen wiedergebende Zeichnung (Taf. III, Fig. 1) veranschaulicht die Stellung, die die Hähne gerade in der kurzen Zeit besitzen, während deren die dunkle Flüssigkeit in die Porzellanschale ausfliesst. Wenn gleich das im Kugelapparate enthaltene Gasgemisch nach Be- endigung eines Schüttelversuches in der Regel selbst schon 3 und mehr Procent Sauerstoff enthielt, so war es doch nothwendig, dass der während des Ausfliessens der Lösung nachströmende Wasserstoff möglichst rein, be- sonders vor jeder Verunreinigung mit atmosphärischer Luft bewahrt blieb; denn wäre neben dem Wasserstoff irgendwo Luft eingedrungen, so hätte leicht in Folge der Erhöhung jenes Procentsatzes eine Rückbildung von Oxyhämoglobin in der Lösung eintreten können. Mit Rücksicht auf diese Möglichkeit konnte vielleicht die Anwendung der langen, frei schwebenden Kautschukschläuche (s. Taf. II, Fig. 1) einiges Bedenken erregen. Indessen hat man sich da in Erinnerung zu bringen, dass eine Kautschukmembran allerdings merklich für Wasserstoff, dagegen für Sauerstoff sehr viel weniger durchlässig ist; dass also in einer gegebenen Zeit, z. B. innerhalb 5 Minuten, vielleicht messbare Mengen Wasserstoff aus dem Inneren des Schlauches nach aussen, dagegen nur unmerkliche Spuren Sauerstofls — wenn man NEUE VERSUCHE ÜBER DIE DISSOCIATION DES OXYHÄMOGLOBIS. 193 namentlich dessen fünffach geringeren Druck bedenkt — von aussen nach innen diffundiren konnten. Es mag ferner bemerkt werden, dass die ganze Operation von der Herausnahme des grossen Kugelapparates aus dem Wasser- ständer an bis zur Mischung.der Lösung mit dem Verdünnungswasser selten mehr als eine Minute Zeit in Anspruch nahm, und endlich, dass alle Stellen, wo ein Schlauch über Glas gezogen oder wo ein durchbohrter Stopfen verwendet werden musste, zur weiteren Sicherheit gegen das Ein- “dringen atmosphärischer Luft noch mehrfach mit Collodium überstrichen wurden. Der Grad der jedes Mal nothwendigen Verdünnung war durch die jeweilige Concentration der zum Schüttelversuche angewandten Lösung: be- dinst. Da diese letztere, im Falle ausgeschleuderte Blutkörperchen das Versuchsmaterial bildeten, in der Regel so hergestellt wurde, dass man 1 Volumen der Körperchen durch Wasserzusatz bis auf 2 Volumina Lösung brachte, so genügte für die photometrische Untersuchung wohl im All- gemeinen eine hundertmalige Verdünnung; doch kamen auch andere Con- centrationen der ursprünglichen Lösung vor, die nun einen anderen Ver- dünnungsgrad nöthig machten. Aus diesem Grunde habe ich mir in der vortrefflichen Werkstatt von Franz Müller in Bonn eine Reihe verschieden grosser Verdünnungsapparate anfertigen lassen, deren Werth durch Cali- brirung der einzelnen Abschnitte mit Quecksilber ermittelt wurde. Be- zeichnet man das Volumen des die Kugel und die mittlere Hahnbohrung erfüllenden Verdünnungswassers mit /, dasjenige der in dem kurzen Rohr- stück enthaltenen concentrirten Lösung mit v, so ist nach gleichmässiger Mischung der beiden der Grad der Verdünnung n V+v ® Die. »-Werthe der einzelnen Apparate waren 170.85, 167.42, 120.62, 120.58, 99.15, 92-44, 84-775, 81407. Wie aus Taf. III, Fig. 1 ersichtlich, wurden für jeden Versuch gleich- zeitig zwei Apparate gefüllt, so dass für die spectrophotometrische Unter- suchung jedes Mal zwei verschieden verdünnte Proben zur Verfügung standen. Um eine Probe der verdünnten Lösung unter Luftabschluss vor das Spectrophotometer zu bringen, wendet man das gleiche Verfahren an, das schon einmal vor Jahren an anderer Stelle! beschrieben wurde. Es kommt dabei Alles darauf an, 1. von dem Wege, auf dem die Lösung zur verschliessbaren Lichtabsorptionszelle befördert werden soll, und 1 Zeitschrift für physiologische Chemie. 18719. Bd. IH. S.1ff, Archiv £. A. u. Ph. 1901. Physiol. Abthlg. Suppl. 13 194 G&. Hürner: ebenso aus der Zelle selbst vorher alle Luft durch ein indifferentes Gas, am Besten wiederum durch Wasserstoff, zu verdrängen und 2. wiederum dieses letztere in dem Maasse in den Verdünnungsapparat nachdringen zu lassen, wie die Lösung aus ihm ausfliesst. Zu diesem Zwecke wird zunächst das kurze röhrenförmige Stück des Verdünnungsapparates, nach passender Drehung des Zweiweghahns, für sich entleert und werden dann über die Mündungen der beiden entgegengesetzten Ansatzröhren (oben und unten) desselben 2 enge, aber diekwandige schwarze Schläuche (Taf. III, Fig. 2 a und 5) gezogen, die an ihrem anderen Ende, jeder mit einem Zweige eines an einem Halter befestigten Gabelrohres g ver- bunden sind. Das Gabelrohr hat den Zweck, den von den Waschflaschen her eintretenden Wasserstoflstrom in 2 Hälften zu theilen. Durch den’ vom oberen Zweige des Gabelrohres herströmenden Wasserstoff kann die Luft, bei passender Stellung des oberen Zweiweghahnes, aus dem oberen Ansatzrohre des Verdünnungsapparates und durch den vom unteren kommenden kann sie aus der unteren Abtheilung desselben und weiter, da der mittlere Zweiweghahn vermittelst des engen Schlauches e mit der Absorptionszelle 3 verbunden ist, bei abermals passender Stellung der Hähne, auch aus dieser vertrieben werden. Wie aus Taf. III, Fig. 2 ersichtlich, ist endlich an das obere Ende der Absorptionszelle mittels Kautschukschlauches ein enges Glas- röhrchen / angefügt, das unter Wasser in der Porzellanschale mündet, so dass Luft und Wasserstoff unter Wasser auszutreten gezwungen sind. Sobald man annehmen darf, dass alle bezüglichen Röhrentheile voll- kommen von atmosphärischer Luft befreit sind, — was nach einer 10 bis 15 Minuten langen Dauer eines raschen Wasserstoffstromes immer der Fall ist —, wird durch Umstellung der Zweiweghähne der Wasserstoffstrom in die Kugel des Verdünnungsapparates hinein und die verdünnte Lösung aus dieser in die Absorptionszelle hinübergeleitet. Diese Ueberleitung unterbricht man wiederum erst dann, wenn bereits einige Cubikcentimeter der verdünnten Lösung durch das Röhrchen in die Porzellanschale aus- geflossen sind. Die schon früher ! beschriebene, durch 2 Metallhähne verschliessbare Licht- absorptionszelle, die aus 4 einzelnen Stücken, einem metallenen Rahmen, 2 planparallelen Glasplatten und dem Schulz’schen Körper besteht, und die nur durch den Druck einer Metallfeder zusammengehalten wird, schliesst, wenn sie einmal mit Flüssigkeit gefüllt ist, so dicht, dass ein Eindringen von Luft in dieselbe nicht zu besorgen ist. Atmosphärische Luft wird während der photometrischen Untersuchung namentlich dann nicht ein- \ Zeitschrift für physiologische Chemie. Bd. 111. 8.8. NEUE VERSUCHE ÜBER DIE DISSOCIATION DES OXYHÄMOGLOBIS. 195 dringen, wenn sich zwischen dem Metallrahmen und jeder der angedrückten ‘ Glasplatten eine Flüssigkeitsschicht von minimaler Dicke befindet, durch die allein sie diffundiren müsste. Die Geschwindigkeit, mit der sich ein Sauerstofftheilchen bei mittlerer Temperatur innerhalb einer ruhenden Wasserschicht vorwärts bewegt, beträgt nach eigenen früheren Messungen ! etwa nur 16” pro Tag, und da der Rahmen der Zelle eine Breite von 5um besitzt, so würde ein Sauerstofftheilchen, um von aussen in’s Innere zu gelangen, mehr als 7 Stunden Zeit brauchen. Um indessen auch diese Möglichkeit auszuschliessen, wurden alle Fugen der Zelle vor jeder Füllung noch mit einer dicken Schicht Collodium überstrichen. # Taf. III, Fig. 2 zeigt die Anordnung der einzelnen Theile in dem Augenblicke, wo die Lösung aus der Kugel des Verdünnungsapparates in die Absorptionszelle hinübergedrückt wird. Setzt man die Gesammtmenge des theils als Hämoglobin, theils als Oxyhämoglobin vorhandenen Farbstoffs = 100, so lässt sich, wie unlängst? gezeigt wurde, das Verhältniss der Hämoglobin- (z) zu den Oxyhämoglobin- procenten (100 — x) leicht dadurch ermitteln, dass man in zwei für beide Farbstoffe charakteristischen aaa des Spectrums die Extinctions- coöfficienten & und e&’ ihrer Lösung bestimmt und den (Quotienten _ berechnet. Jedem zwischen 1°578 und 0-762 liegenden Werthe desselben entspricht dann ein bestimmter Werth von x. Man braucht also nur in einer Tabelle, die in der einen Spalte alle in Betracht kommenden Werthe & 5 5 B LER von — , in der zweiten die zugehörigen z-Werthe zusammengestellt ent- € hält, den im einzelnen Falle gefundenen Quotienten aufzusuchen, um sofort das fragliche Verhältniss feststellen zu können. In dieser Weise wurde in der That in der vorliegenden Untersuchung verfahren. Es ist indessen bereits angegeben, dass bei jedem Versuche zum. Zwecke der Controle nicht bloss eine einzige, sondern 2 verschiedene verdünnte Proben untersucht wurden, so dass man am Ende 2 Zahlen erhielt, die mehr oder weniger nahe bei einander lagen und die Wahl eines Mittelwerthes gestatteten. Wie nahe in der Regel die für 2 verschiedene Verdünnungen ge- fundenen Quotienten übereinstimmten, davon in folgender Tabelle einige Beispiele. Darin bedeutet » immer den Verdünnungsgrad. ı Wiedemann’s Annalen. 1897. Bd. LX. 8. 134 ff. ? Dies Archiv. 1900. Physiol. Abthlg. 8. 39 ff. 132 196 G. Hürner: Tabelle 1. Versuchs- E Mittelwerth | nummer F e2 d. Quotienten | Blutart 1 1002 17250 "1.258 Hundeblut 170-85 1-267 gE=D|s. 0120-6B 1-187 an N | 92-44 1.184 g 120.62 1-377 1-381 £ 92-44 1:3836 ä 92-44 1-332 ee N 84-75 1-320 n 120.62 | 1:319 N f 92-4 | 1.320 r 120-62 1-281 Be i 92-44 1-286 | Es braucht kaum bemerkt zu werden, dass auch Fälle vorkamen, wo die an 2 Verdünnungen festgestellten Quotienten weniger gut mit einander übereinstimmten. So z. B. in einem bei grosser Sommerwärme mit einer Lösung von Hundeblutkörperchen ausgeführten Versuche, wo die gefundenen Werthe 1265 und 1319 betrugen. In diesem Falle hatte aus irgend einem Grunde Methämoglobinbildung stattgefunden, was daraus hervorging, dass die Proben nach dem Schütteln mit Luft nicht wieder den Quotienten des reinen Oxyhämoglobins (1-578), sondern wesentlich geringere Werthe lieferten. Desswegen wurde auch die Concentration der ursprünglichen Lösung jedes Mal am Ende des ganzen Versuches durch photometrische Untersuchung der verdünnten Lösungen nach dem Schütteln derselben mit Luft bestimmt. Ergab sich dabei wieder der normale Quotient des Oxyhämoglobins, so war nun erst der Beweis geliefert, dass der Farbstoff während des Versuches nicht verdorben, der ganze Versuch also überhaupt brauchbar war. Die angewandte Lösung war entweder eine solche von Blut- körperchen, die unmittelbar nach der Entnahme des Blutes aus dem lebenden Thiere, sei dieses Hund oder Rind, ausgeschleudert worden waren, oder eine solche von Blutkrystallen. Die letzteren waren meist aus Rinder-, seltener aus Hundeblut, zuletzt auch aus Pferdeblut dargestellt. NEUE VERSUCHE ÜBER DIE DISSOCIATION DES OXYHÄMOGLOBINS. 197 Die Blutkörperchen wurden entweder in ausgekochtem Wasser! oder in !/o-procent. Sodalösung bis zu solehem Volumen gelöst, dass dieses un- gefähr dem ursprünglichen Blutvolumen gleichkam; nur in einigen Fällen wurden verdünntere Lösungen angewandt. Das Stickgas, mit dem die Lösung geschüttelt werden sollte, war in bekannter Weise durch Erwärmen eines gelösten Gemisches von gleichen Theilen Ammoniumnitrat, Natriumnitrit und Kaliumbichromat gewonnen. Die Beschiekung des Kugelapparates mit Blutlösung und Stick- gas geschah in derselben Reihenfolge wie früher?; nur war es für den jetzigen Zweck nicht nöthig, alle Räume vorher mit Wasserstoff zu füllen; man liess ‚vielmehr die Blutlösung sogleich durch ein 2 Mal rechtwinklig umgebogenes Trichterrohr, das durch einen kurzen Kautschukschlauch mit dem Apparate in Verbindung stand, von unten auf in die Blutkugel ein- fliessen, so lange, bis. auch die mittlere Hahnbohrung damit angefüllt war, und beschickte hierauf die Gaskugel nach dem Auspumpen der gewöhn- lichen Luft in der früher beschriebenen Weise. Nachdem dies geschehen, wurde der Apparat in den grossen Wasser- ständer von constanter Temperatur gebracht und ohne vorherige Messung des eingeschlossenen Gases mit Hülfe der bekannten Vorrichtung sogleich mehrere Minuten lang tüchtig hin- und hergeschüttelt. Eine Messung des vorhandenen Gasvolumens vor dem Schütteln, wie sie bei den Dissociationsversuchen der älteren Art stets ausgeführt werden musste, war bei den neuen Versuchen überflüssig, da unsere Gleichung EURE ja nur den am Ende des Schüttelns herrschenden Gleichgewichts- . zustand ausdrückt, es also nur darauf ankam, den Partiardruck p. zu be- stimmen, der nach dem Eintritte dieses Gleichgewichtszustandes im Appa- rate herrschte. ? Hierauf erst fand die Verbindung des Apparates mit dem Manometer statt und erfolgte die Beobachtung von Volum, Druck und Temperatur des Gases. Nach dieser wurde die Verbindung der beiden abermals gelöst und der Kugelapparat von Neuem geschüttelt. Das Schütteln und die einzelnen ! Der Umstand, dass sich sowohl Blutkörperchen wie Blutkrystalle leichter in ausgekochtem Wasser, als in ungekochtem lösen, hängt jedenfalls mit den Spuren von Alkali zusammen, die das Wasser während des Kochens aus dem gewöhnlichen Ge- rätheglase aufnimmt. ® Dies Archiv. 1894. Physiol. Abthlg. S. 158 ff. 3 Aus dem gleichen Grunde durfte man es auch als überflüssig unterlassen, das zu verwendende Stiekgas vor dem Gebrauche erst nochmals über glühendes Kupfer zu leiten, um es von etwa noch beigemengten Spuren von Sauerstoff zu befrei en. 198 G. Hürner: Ablesungen wurden abwechselnd so lange wiederholt, bis der Stand des Quecksilbers im Manometer unverändert blieb, bis namentlich die im ge- schlossenen Manometerschenkel stehende Quecksilbersäule nicht mehr sank. Wie bereits oben bemerkt, war als Versuchstemperatur die Normal- temperatur des lebenden Menschen gewählt. Um diese gleichmässig zu erhalten, dazu diente ein Flüssigkeits- thermostat, der nach Ostwald’s! Vorschlag mit einer 10 procent. Chlor- calciumlösung beschickt war. Für die gleichmässige Vertheilung der dem Wasser des Ständers von unten zugeführten Wärme sorgte der fleissige Gebrauch des Schüttelapparates. Wegen dieser hohen Versuchstemperatur musste an dem abgelesenen und mit Hülfe der Calibrirtabelle corrigirten Gasvolumen jedes Mal noch eine besondere Correetur angebracht werden. Alle von Glas umschlossenen Räume des Apparates waren nämlich früher bei 20° calibrirt worden; auch besass die Lösung beim Einfüllen in die Kugel in jedem Versuche eben dieselbe Temperatur. Wurde daher der gefüllte Kugelapparat bei offener Bohrung des mittleren Hahnes in das wärmere Wasser des Ständers ein- gesenkt, so dehnte sich sowohl die Flüssigkeit, wie der von Glas um- schlossene Hohlraum selber aus, und war endlich der Kugelapparat mit dem Manometer verbunden, so galt dies nicht bloss für die die Lösung enthaltende Glaskugel, sondern auch für den ganzen, aus der zweiten Glas- kugel und dem mit ihr communieirenden Manometerschenkel zusammen- oesetzten Hohlraum, welcher das Gas enthielt. Da nun die Flüssigkeit sich stärker ausdehnt als das Glas, so trat ein Theil der Flüssigkeit in den Gasbehälter über und verminderte so dessen Volumen. In dem von mir benutzten Apparate betrug z. B. das Volumen der Blutkugel bei 20° 205.69 m, Werden nun 205.69 = Wasser von 20° bis 37.5° er- wärmt, so dehnen sie sich bis zu 205-69.1-0052 = 206.76 aus. Der Hohlraum einer bei 20° 205.69 m fassenden Glaskugel dehnt sich aber bei der Erwärmung um eben so viel Grade nur bis zu 205-69.1.00045 — 205.78 m aus. Es mussten daher 206.76 — 205.78 = 0.98 Lösung in den Gasraum übertreten, — natürlich immer vorausgesetzt, dass der Ausdehnungscoöfficient der wässerigen Blutlösung gleich demjenigen des reinen Wassers ist. Das Volumen des ganzen von Glas umschlossenen (rasraumes ergab sich nach der Calibrirtabelle in einem sogleich zu er- wähnenden Beispiele zu 254-95°®, Dieser Raum wächst bei der Er- wärmung um 17.5° bis zu 254-95.1-00045 = 255-06°“® an. Da nun hiervon 0°98°® von der Flüssigkeit eingenommen wurden, so war das Ostwald, Hand- und Hilfsbuch zur Ausführung physico-chemischer Messungen. Leipzig 1893. 8. 70. NEUE VERSUCHE ÜBER DIE DISSOCIATION DES OXYHÄMOGLOBIS. 199 wirklich vorhandene (nicht reducirte) Gasvolumen 255-06 — 0-98 — 254.08 em! Das Zahlenbeispiel eines am 26. Juni 1900 mit einer Lösung von Hundeblutkörperchen ausgeführten Versuches wird das bisher über die Methodik Gesagte am besten erläutern. I. Endgültige Messung des Gases nach dem Schütteln. Die beobachteten Daten und ihre reducirten Werthe waren folgende Temperatur des Wassers im Ständer . a ale Barometerstand br = 128.8 mm Temperatur am Barometer Te 20,0) Barometerstand, reducirt auf 0° bu, 120.9 0 Quecksilberniveau im Manometer, links? 2 =881:057, x rechts? 7432,88 0,6. 0058 tkm der Beren Höhen (!— r) ii = 0-45, Derselbe, redueirt auf 0°. : ee, VA Quecksilberniveau, rechts, Maromelerceln A, Dampitensionche a u 2 er Er DEZE AU 425, Wirklicher Gasdruck (, +5, — 0") : p. = 6719-30 , Volumen des Gasraumes, nach Calibrirtabelle . . . 7,, = 254: 95m Dasselbe, corrigirt mit Rücksicht auf die Erwärmung yon Klüssiskeit und Glas . . 2.210200. 20 An — 294:08,, Letzteres, redueirt auf: O%.und 7607@ „2... 905 199.82, I. Analyse der nach der Messung entnommenen Gasprobe. Ver p 2 Kol Gas im Absorptionsrohre . . . . 190-135 704-3 20.7 124-48 Nach Behandlung mit Lauge . . 183.61 717-1 20-3 122.56 Gas im Eudiometer . . .... 80719 437-4 20-1 125-97 Nach Zusatz von Wasserstoff ....868-.37 500-8 19-7 172.07 Nach Explosion mit Knallgas . . 346-30 479.4 19.7 154-85 ! Allerdings war die Messung des Gasvolumens für das Endresultat nicht so unmittelbar nothwendig, wie die Messung des Gasdruckes; indessen, um auch die ge- sammte Sauerstoffmenge kennen zu lernen und damit eine Controle des Endresultates auf dem früheren Wege zu gewinnen, war es immerhin wünschenswerth, sie jedes Mal gleichfalls auszuführen. ® Abgelesen auf der Scala des Kathetometers. ® Inwiefern die Annahme berechtigt ist, dass über der Lösung der Körperchen die volle Tension des gesättigten Wasserdampfes herrsche, darüber vgl. dies Arche: 1894. Physiol. Abthlg. S. 154, 200 G. Hürner: Hiernach bestand das Gas nach dem Schütteln aus: Stickstoff va Sem, 2299398 rocent Sauerston . ame DENE 1° „U WERRASWNNE Kohlensaure MLSuRmBElN.! I MAR ZEN 100.0 Der Partiardruck des Sauerstoffes betrug demnach im Zustande des (Gleichgewichts: __..679-3..4-48 Po 100 — 30-4 0, III. Spectrophotometrie der dem Versuche unterworfen gewesenen Lösung. Es werden 2 verschieden verdünnte Proben untersucht. rn bedeutet im Folgenden wieder den Grad der Verdünnung. n | & & 4 —- [3 120-62 | 0.7009 | 0-92444 | 1.319 92-4 | 0.871466 | 1-15114 1.320 Mittel = 1-320 Dem Mittelwerthe der beiden Quotienten, = 1-32, entspricht nach der in diesem Archive !' gegebenen Tabelle I ein Verhältniss von 23.22 Procent Hämoglobin zu 76.78 Procent Oxyhämoglobin. Eine dritte Probe der Lösung, die zum Schüttelversuche gedient, giebt, hundertfach verdünnt und mit Luft geschüttelt, die Werthe &e = 076788 € = 1:22660. Aus & berechnet sich die Concentration c der ursprünglichen Lösung zu 0.159, aus € dagegen zu 0-161, im Mittel also zu 0-160. Endresultat. Setzt man in Gleichung —=y% € Po ! Dies Archiv. 1899. Physiol. Abthlg. 8. 42. NEUE VERSUCHE ÜBER DIE DISSOCIATION DES OXYHÄMOGLOBINS. 201 die für nn und für p. gefundenen Zahlenwerthe, so erhalten wir j 76-78 23-22.30-43 In der eben beschriebenen Weise wurden im Laufe der letzten 2 Jahre 5 Versuchsreihen durchgeführt und zwar 3 mit Lösungen von Oxyhämo- globinkrystallen, 2 mit solchen von ausgeschleuderten Blutkörperchen. Ich stelle im Folgenden die Resultäte der einzelnen Versuchsreihen in Tabellen zusammen. —= 0.1087. x = I. Versuche mit gelösten Blutkörperchen. A. Blutkörperchen des Hundes. EURE Concen- Ver- Tempe- : suchs- ratur |tration der x Bemerkungen nummer | in» c,. | Farbstoff E z lösung | e4 £ 3 u 1 37.65 0.188 0-1180 | Frische Körperchen, gelöst in '/,, procent. Sodalösung. 2 37.20 0:168 0:1150 | Ebenso. 3 37-60 0-124 0-0710 | Körperchen vom gleichen Aderlass wie vor- her, 1 Tag lang in der Kälte aufbewahrt. 4 37-835 0-163 0:1550 | Frische Körperchen, in ausgekochtem Was- ser gelöst. b) 37:05 0076 0-1279 | Ebenso. 6 37.30 0-160 0:1087 | Frische Körperchen, in 0-07 proc. Sodalösg. | gelöst, 1 Nacht in der Kälte aufbewahrt. 37202 1, 0121 0-0873 | Lösung wie vorher bereitet, 2 Tage lang im Eise aufbewahrt. 8 37:60 0:060 | 0.0879 | Rest der gleichen Lösung auf’s Doppelte | verdünnt. Mittel: 37-37 0.133 0:1089 B. Blutkörperchen des Rindes. 1 37-45 0:099 0-1520 | Körperchen von frisch getödtetem Thier, | in ausgekochtem Wasser gelöst. 2 | 37:70 0-113 0:1430 | Ebenso. 3 37.40 0:146 0:0964 5 4 37:25 0-125 0-1027 53 5 37:20 0156 0:0968 2 6 37-70 0156 0:1024 an 7 37-45 0161 01317 5 I ER) 0:104 0:0821 > 9 37.20 0-172 0:0851 R Mittel: 37-45 0-137 01102 «e ' Allerdings bedeuten c, und c, einer oben gegebenen Definition gemäss die in der Volumeinheit vorhandenen Gewichtsmengen an Oxyhämoglobin, bezw. Hämoglobin, c allein der Quotient En muss ja natürlich den gleichen Werth haben, wie unser spectro- . photometrisch festgestellter Quotient u 202 G. Hürner: Bei Betrachtung der vorstehenden Versuchsreihen fällt sofort die wichtige Thatsache in die Augen, dass bei nahezu gleicher Temperatur und fast gleicher Concentration des gelösten Farbstoffes beide Arten von Blut- körperchen fast gleiche Mittelwerthe für die Grösse x geliefert haben. Allerdings sind die Schwankungen, die die einzelnen Zahlen in jeder der beiden Versuchsreihen um ihren Mittelwerth zeigen, erstaunlich gross, und man möchte fast fragen, ob es überhaupt gerechtfertigt sei, unter solchen Umständen Mittelwerthe zu ziehen; allein da ein Einfluss der Concentration oder geringer Temperaturunterschiede auf die Grösse von x aus diesen neuen Versuchen durchaus nicht erhellt, da die Schwankungen im Gegen- theile völlig regellos sind und da endlich beide Versuchsreihen eben doch nahezu identische Mittelwerthe geben, so liegt andererseits kein Grund vor, dies nicht zu thun. Auch werden Beobachtungen, deren Mittheilung weiter unten erfolgen wird, darüber Aufschluss geben, auf welche Weise leicht Schwankungen des gesuchten Werthes zu Stande kommen können, die von derselben Grösse wie die wirklich gefundenen sind. Von ganz anderer Art waren die Resultate, die ich bei erneuten Ver- suchen mit schwach alkalischen Lösungen von Oxyhämoglobinkrystallen erhielt. Auch diese sind im Folgenden tabellarisch zusammengestellt. ll. Versuche mit Lösungen von Oxyhämoglobinkrystallen. A. Oxyhämoglobin aus Hundeblut, durch Zusatz von Alkohol in der Kälte zur Krystallisation gebracht. I I Ver- | Tempe- a | suchs- ratur se * | Bemerkungen nummer in °C. lösung 1 37-40 | 0+086 1-30 Feucht gelöst in 0-1 procent. Natronlauge. 2 37-0 | 11 0-27 ‚ Desgleichen; nur waren die Krystalle durch | | Schütteln mit eiskaltem Wasser mög- liehst von Alkohol befreit. 3 37-85 0-174 0-62 Krystalle vor ihrer Lösung 5 Tage lang auf einer Trockenplatte im Eisschranke auf bewahrt. 4 37-80 0-174 2-50 Krystalle vor der Lösung 13 Tage lang unter eiskaltem Wasser aufbewahrt. Betrachtet man die grossen und dazu noch weit aus einander liegenden x-Werthe der vorstehenden Tabelle, so steigt natürlich sogleich der Ver- dacht auf, dass das in diesen Versuchen benutzte Oxyhämoglobin, wenn nicht zersetzt, doch zum Mindesten in Methämoglobin umgewandelt ge- wesen sei. Dem widersprach aber das Resultat der photometrischen Unter- NEUE VERSUCHE ÜBER DIE DISSOCIATION DES OXYHÄMOGLOBINS. 203 suchung; denn in allen 4 Versuchen konnte nach dem Schütteln der ge- brauchten Lösung mit Luft wiederum das normale Oxyhämoglobinspectrum beobachtet und der Gehalt der Lösung an Oxyhämoglobin direet photo- metrisch bestimmt werden. Dass trotzdem die Dissociation eine geringe und dazu bei gleicher Concentration in den 3 letzten Versuchen auch noch eine so schwankende war, kann wohl nur durch die Darstellungsart und die nachherige verschiedene Behandlungsweise der Krystalle bedingt worden sein. Etwas andere und zwar bessere Resultate lieferte eine Reihe von Ver- suchen, die ich mit Lösungen von Rinderblutkrystallen anstellte. B. Krystalle aus Rinderblut, gleichfalls mit Hülfe von Alkohol in der Kälte gewonnen. Ver- Tempe- |, Concen- suchs- ratur. |wration. der x “ Bemerkungen i Farbstoff- = nummer in °C. lösung 1 37:40 0-292 0-477 Feucht gelöst in 0-1 procent. Natronlauge. 2 37-75 0:184 0-221 Ebenso. 3 37-55 0219 0-333 > 4 37-32 0190 0:186 Krystalle, mehrere Wochen lang in wässe rig-alkoholischer Lösung aufbewahrt. a Der frische Krystallbrei wurde am Abend > uss0, Ost | 05203 | vor der Lösung jedes Mal auf Saugsteine 6 37-40 | 0:090 | 0.236 aufgegossen und früh in O-1proc. Soda- j i | ä lösung gelösi; Alles bei einer kaum über { a 0° betrasenden Temperatur. Die Ergebnisse dieser letzten Versuchsreihe erinnern in der That, schon mehr an diejenigen, die ich vor mehr als 12 Jahren nach dem alten Ver- fahren erhalten hatte!, namentlich auch in sofern, als es wiederum scheinen will (vgl. besonders die 3 ersten Versuche), als ob der Werth von x eine von der Concentration der Lösung abhängige Grösse wäre. Allein, wenn eine solche Regel auch von vornherein wahrscheinlich ist, so widersprechen ihr doch im vorliegenden Falle noch zu sehr die übrigen Zahlen. Da nun ferner auch die 3 letzten Versuche obiger Tabelle, die absichtlich zum Ver- gleiche mit den in den Tabellen I A und I B aufgeführten angestellt wurden, und in denen das Mittel der angewandten Concentrationen 0-150 + nn EN. 132, also wieder nahe ebenso viel wie in den beiden ersten Versuchsreihen betrug, doch immer noch viel höhere «-Werthe (im Mittel 0.207) geliefert haben, ı Vgl. dies Archiv. 1890. Physiol. Abthlg. 8. 12. 204 G. Hürner: als jene, so wird nur von Neuem der oben ausgesprochene Verdacht er- weckt, dass gerade in der vorherigen Darstellung des Farbstoffes in krystal- linischer Form und zwar in der speciellen Darstellungsweise selbst, vielleicht gar in der dabei vorkommenden Anwendung des Alkohols, der Grund dieser auffallenden Erscheinung zu suchen sei.! Wenn diese letztere Vermuthung, namentlich in Betreff des schädlichen Einflusses des Alkohols, richtig war, so durften Krystalle, die sich ohne Beihülfe von Alkohol gebildet hatten, keine Aenderung ihres Dissociations- bestrebens erfahren haben. Ich benutzte zur Darstellung solcher Krystalle frisches Pferdeblut, von dem mir Herr Prof. Gmelin an der Königl. Thierarzneischule in Stuttgart wiederholt grössere Quantitäten in liebenswürdigster Weise geliefert hat; und zwar gewann ich sie nach zweierlei Verfahren: 1. durch Zusatz einer gesättigten Lösung von Ammonsulfat zu einer Goncentrirten wässerigen Lösung ausgeschleuderter Körperchen, 2. ohne allen Zusatz fremden Ma- teriales, bloss durch Einwirkung von Kälte auf eine eben solche Lösung. War das Hämoglobin unter dem Einflusse des Ammonsulfates aus- krystallisirtt — es kamen dabei auf 1 Volumen Körperchen 1 Volumen Wasser und 2 Volumina der gesättigten Salzlösung —, so wurde es mit Hülfe der Centrifuge zuerst ausgeschleudert, alsdann, nachdem man die überstehende Flüssigkeit abgegossen, noch einige Male, erst mit !/,, dann mit !/, gesättigter Ammonsulfatlösung, zuletzt mit eiskaltem Wasser auf- gerührt und dazwischen jedes Mal wieder centrifugirt, um endlich in 0.1 procent. Sodalösung klar gelöst zu werden. Auch in dem Falle, wo der Farbstoff einfach durch Kälte zur Krystalli- sation gebracht worden war, wurden die Krystalle zunächst ausgeschleudert und decantirt und zuletzt in der genannten Sodalösung aufgelöst. Die Ergebnisse dreier Dissociationsversuche mit solchen Krystallen finden sich in der nachstehenden Tabelle. C. Krystalle aus Pferdeblut, ohne Alkohol gewonnen. Ver- Tempe- Coneentrat. suchs- ratur der Farb- * Bemerkungen nummer | in ° C. |stofflösun 1 37-30 | 0-122 | 0-0857 Krystalle mit Ammonsulfat ausgesalzen. 2 37-45 1 OL 0-0935 Ebenso. 3 37-50 0.109 0-1236 | Krystalle bloss durch Anwendung von | Kälte gewonnen. Mittel: | 37-42 | 0-124 | 0-1009 ! Die Vermuthung, „dass die Bindungsfähigkeit des Hämoglobins für Sauerstoff, wie durch einige andere Momente, so auch durch die zur Darstellung des Hämoglobins NEUE VERSUCHE ÜBER DIE DISSOCIATION DES OXYHÄMOGLOBINS. 205 Die verhältnissmässig nahe Uebereinstimmung des in dieser Tlabelle gegebenen mittleren <-Werthes mit den oben an Lösungen von Blut- körperchen gefundenen ist zunächst ein Beweis dafür, dass die Fähigkeit des arteriellen Blutfarbstoffes sich zu dissociren durch die Reindarstellung desselben in krystallinischer Form an sich durchaus keine Verminderung erfährt; sie macht es ferner aber im höchsten Maasse wahrscheinlich, dass, wann und wo eine solche Verminderung bei Lösungen krystallinischen Oxyhämoglobins beobachtet wird, dieselbe in der That auf Rechnung des Alkohols kommt, durch dessen Zusatz die Ausscheidung der Krystalle er- zwungen wurde. Nach Harry C. Jones! ist „vielleicht mit Ausnahme des Wasserstoff- superoxydes das Wasser der stärkste Ionisator; demnächst folgt die Ameisen- säure. Unter den gewöhnlichen Lösungsmitteln dissociirt der Methylalkohol in viel höherem Grade als der Aethylalkohol u. s. w.“ Nach solchen Er- fahrungen liegt es nahe, zu vermuthen, dass die Zumischung gewöhnlichen Alkohols zur wässerigen Lösung des Oxyhämoglobins auch den Zerfall dieses letzteren hindernd beeinflusst. Nachdem nun 3 verschiedene, mit verschiedenartigen Lösungen arteriellen Blutfarbstoffes angestellte Versuchsreihen für die Grösse x Mittelwerthe geliefert haben, die nahe genug übereinstimmen, dass wir aus ihnen den 0-1089 + 0-1102 + 0-1009 3 scheinlichsten ableiten dürfen, drängt sich nun ernstlich die Frage auf, woher es dann kommen mae, dass die Schwankungen der gefundenen Werthe gerade innerhalb der einzelnen Versuchsreihen selber so bedeutende sind. Die Antwort auf diese Frage lässt sich unschwer finden, wenn wir uns erinnern, wie wir überhaupt zur Formulirung der Grösse x ge- kommen sind. Wir hatten zunächst die Gleichung €, . 760 ce, 0 Po — 0.11 als den wahr- gemeinsamen Mittelwerth ’ worin k die eigentliche Dissociationsconstante bedeutet, eine Grösse also, die — wenigstens der Definition nach — für denselben Stoff bei gleicher erforderlichen Manipulationen sich leicht ändert, und zwar im Sinne einer festeren Bindung des Sauerstofis an den Blutfarbstoff “, findet sich auch schon ausgesprochen in einer vorläufigen Mittheilung des Hın. Dr. A. Loewy, Centralblatt für Physiologie. 1899. Bd. XIII. S. 449. 1 American Chemical Journal. 1901. Vol. XXV. p. 232—249. Citirt nach dem Referat in der Naturwissenschaftlichen Rundschau. 1901. Jahrg. XVI. S. 320. 206 G. Hürner: Temperatur und gleicher Concentration seiner Lösung immer gleich bleiben muss, wie auch die -Werthe von «, und p, sich ändern mögen.! Setzt man nun, wie wir oben gethan haben, © ka, 0 — — — =%, 6.0, 160 so wird z sich mit «& ändern müssen. Wird der Absorptionscoöffieient der Lösung für Sauerstoff, auch bei gleichbleibender Temperatur, aus irgend einem Grunde, z. B. wegen wachsender Salzmenge, die gleichzeitig in Lösung ist, kleiner, so wird auch x kleiner ausfallen; wird er dagegen wegen Ver- minderung des Salzgehaltes und wegen Verminderung der Concentration überhaupt grösser, so muss auch < grösser gefunden werden. Und so kann es auch kommen, dass der Einfluss, den vielleicht eine Aenderung der Concentration des Farbstoffes auf die Grösse von Ak, der eigentlichen Dissociationsconstanten, ausübt, durch Multiplication von k mit & im einzelnen Falle unkenntlich gemacht, compensirt, ja sogar übercom- pensirt wird. In den oben angeführten Versuchsreihen hat natürlich, wie für die Concentration der Hämoglobinlösung, so auch für dem Absorptions- coöfficienten ein gewisser mittlerer Werth bestanden, um den die in den einzelnen Versuchen gültigen Zahlen mehr oder weniger hin und her schwankten. Wäre uns dieser Mittelwerth für &, bekannt, so könnten wir aus der Gleichung unter Anwendung des auf experimentellem Wege gefundenen Mittelwerthes von x auch die eigentliche Dissociationsconstante A? berechnen, und wir würden dann umgekehrt, nach Einsetzung des so berechneten A-Werthes, durch Einführung wechselnder Werthe von «&, in die obige Gleichung, ganz wie in unseren Versuchen, zu verschiedenen Werthen von x gelangen. Es muss freilich als ein sehr schweres, ja beinahe hoffnungsloses Be- ginnen erscheinen, die Grösse des Absorptionscoefficienten des Sauerstoffes für Hämoglobinlösungen genau bestimmen zu wollen. ! Allerdings liesse sich denken, dass bisweilen ausser der Verminderung des Druckes auch noch besondere katalytische Einflüsse auf die Dissociation des Oxy- hämoglobins beschleunigend wirken, um so mehr, als wir das letztere als eine Art Peroxyd betrachten können, ähnlich dem Wasserstoffsuperoxyd, das ja gleichfalls unter dem Einflusse von Katalysatoren zerfällt. Freilich wird das Wasserstoffsuperoxyd durch Druckverminderung nicht zersetzt, nicht einmal durch das Vacuum. Hier fehlt also die Analogie. 2 Was ich hier als Dissoeiationsconstante bezeichne, ist immer eine Grösse vom reciproken Werthe derjenigen, die gemeinhin mit diesem Namen bezeichnet wird. NEUE VERSUCHE ÜBER DIE DISSOCIATION DES OXYHÄMOGLOBINS. 207 Der Sauerstoff findet in Flüssigkeiten, die organische Substanzen gelöst ent- halten, so häufige und so wechselnde Gelegenheit zu Oxydationen, dass aus der Menge des während eines einzelnen Absorptionsversuches verschwin- denden Sauerstoffes in der Regel kein Schluss auf die Grösse des bloss physikalisch absorbirten Antheiles möglich ist; selbst dann nicht, wenn man mehrere Versuche mit demselben Materiale unter verschiedenen Drucken anstellt, in der Hoffnung, aus den Resultaten derselben unter Anwendung der bekannten Gleichung v=a+bp, worin v das ganze von der Flüssigkeit aufgenommene Sauerstoffvolumen, a den chemisch gebundenen und Ö den physikalisch absorbirten, vom Drucke p abhängigen Antheil bezeichnet, die Grösse 5 berechnen zu können; denn a wird vermuthlich gar keine constante Grösse, sondern wahrschein- lich eine mit der Dauer des Versuches wachsende sein. Trotz dieser geringen Aussicht auf Erfolg habe ich doch einige Ver- suche gewagt. Ich wählte als Versuchsflüssigkeiten 1. Lösungen von Rinder- blutkrystallen in 0-1 procent. Sodalösung, 2. wässerige Lösungen aus- geschleuderter Rinderblutkörperchen, 3. eben solche Lösungen ausgeschleu- derter Hundeblutkörperchen. In allen 3 Lösungen galt es zunächst das Oxyhämoglobin zu tödten, d. h. durch Umwandlung in Methämoglobin functionsunfähig zu machen. Dies geschah wie bei meinen Versuchen, den Absorptionscoöfficienten des Kohlenoxydes für Hämoglobinlösungen zu bestimmen!, dadurch, dass man in die in einem Stopfencylinder befindliche wässerige Lösung unter öfterem heftigen Umschütteln einen Strom von Stickoxydgas einleitete, bis die Lösung die Farbe des Englischen Porters angenommen hatte und das bekannte sogenannte neutrale Methämoglobinspectrum mit dem kräftigen dunklen Streifen im Roth zeigte.” Nachdem sich der reichlich gebildete Schaum nach mehrstündigem Stehen etwas gesetzt hatte, wurde die Flüssig- keit filtrirt und, wie in den früheren Versuchen, mit einer kräftigen Wasser- luftpumpe luftleer gepumpt, was jedes Mal mindestens einen halben Tag in Anspruch nahm. Zuletzt wurde sie, abermals ganz wie früher, in die Blutkugel desselben Kugelapparates eingesaugt, der zu den Dissoeiations- versuchen gedient hatte, und mit reinem Sauerstoff, der unmittelbar darauf in die zweite Kugel eingeleitet worden war, unter Wasser geschüttelt. Die Temperatur war natürlich dieselbe wie in den Dissociations- versuchen. 1 Dies Archiv. 1895. Physiol. Abthlg. $S.-209 ff. ° Nur in einem Versuche (siehe die Tabelle auf S. 208) diente Ferrideyankalium als Mittel zur Umwandlung. 208 G. Hürner: Jeder Versuch zerfiel in 2 Hälften, in sofern die Lösung zuerst unter einem höheren und dann unter einem niederen Drucke geschüttelt und beide Male Druck, Volumen und Temperatur des Gases notirt wurden. Ergab sich aus beiden Versuchshälften der gleiche oder nahezu gleiche Absorptions- coefficient, so durfte man das Resultat mit einigem Vertrauen aufnehmen; wichen dagegen beide Zahlen stark von einander ab, fand man namentlich den gesuchten Werth in der zweiten Hälfte des Versuches trotz erniedrigten Druckes noch bedeutend gewachsen, so war damit sicher bewiesen, dass der aufgenommene Sauerstoff nicht bloss physikalisch absorbirt, sondern auch chemisch in Beschlag genommen, der ganze Versuch deshalb un- brauchbar war. Ich gebe im Folgenden die Resultate der betreffenden Versuche. Versuche zur Bestimmung des Absorptionscoöfficienten des Sauerstoffes für Lösungen Krystallinischen Farbstoffes und von Blutkörperchen. | ern Sauer erg or nahe, |Tempe-| Con- Versuchs- | "atur |centrat.) St r Bemerkungen tao 5 druck = in °C. des Hb Er | — ———— ın Bam Sem m ——— —— x z — ———— — me = ul. x 2 R 1653-1 0-01278 | Rinderblutkrystalle, auf Trockensteinen ab- 1. März | 87:5 | 0-112) 599.4 | 0-01295 | gesaugt, dann in ?/,„procent. Sodalösung == gelöst und mit Stickoxydgas in Methämo- Mittel: 0-01286 globin umgewandelt. u 7 | „cf, 655-3 | 0-01641 | Gelöste Rinderblutkörperchen, mit Ferrid- 1. März | 37-5 | 0-128) 61-8 |0-02040 | eyankalium behandelt. Lösung enthielt am Ende 0-12 Procent dieses Salzes. Y [, 661-8 | 0-02618 | Rinderblutkörperchen, in '/,, proe. Sodalös. fär P\ 0-144 = 2 3 10 9. März | 37-5 \\583-2 |0-02914 | gelöst, mit Stickoxydgas behandelt. | e 667-4 |0-01771 | Rinderblutkörperchen, in Wasser gelöst 10. März | 37-5 | O-151) | ,99-4 '0-01708 | und mit Stickoxydgas behandelt. Mittel:) 0-01739 12. März |. r 122! 658-6 0-03035 | Hundeblutkörperchen ebenso behandelt. (Vormitt.) | 373 >| 584-1 | 0-03390 12: März) .2,41|9 122 649-9 0-03127 | Rest der vorherigen Lösung. (Nachmitt.)) ? 560-0 | 0-03695 672-2 | 0-01099 | Frische Hundeblutkörperchen, wie oben be- 588-5 | 0-01067 | handelt. Mittel: 0-01083 14. März | 37-5 0-129| 651-0 0-02736 | Rest der vorherigen Lösung, frisch aus- 15. März | 37-5 | 0.1291 583-3 0-02952 | gepumpt. NEUE VERSUCHE ÜBER DIE DISSOCIATION DES OXYHÄMOGLOBINS. 209 Aus dieser Reihe von Versuchen sind, wie man sieht, nur 3 brauch- bar. In jedem dieser 3 aber konnte man aus den 2 erhaltenen Zahlen unbedenklich einen Mittelwerth ziehen, während in den übrigen Versuchen offenbar ein fortlaufender Oxydationsprocess im Gange war. Die Temperatur betrug in den 3 brauchbaren Versuchen genau 37-5°, die Concentration des gelösten Farbstoffes im Mittel 0-112 + eu 30-129 1° 0-13, also annähernd so viel wie in den Dissociationsversuchen, aus denen der Mittelwerth für < gewonnen wurde; der gesuchte Absorptionscoefficient «; aber schwankte in weiten Grenzen um die Zahl 0:01286 0:01739 0:01083 z 2 ; Kerze — 0.01369.1 Rundet man letztere Zahl der Kürze halber auf 0-014 ab und setzt diese ebenso wie den Mittelwerth von x in die Gleichung ko, 760 ein, so dass en | | Dal ze wird, so erhalten wir zunächst 760 .0-11 k= og 591, und vermögen uns nun durch Einführung dieser Constante in den Ausdruck 760, einen Begriff davon zu verschaffen, wie gross die Schwankungen im Werthe von x werden können, wenn der Absorptionscoöfficient &; Werthe annimmt, die in ähnlicher Weise wie die oben experimentell gefundenen von einander abweichen. Folgende kleine Tabelle giebt davon eine übersichtliche Vorstellung. k = 5971 &; % 0-01800 0-1414 0-01400 0.1100 001300 0-1021 001200 0-0943 0-01100 0-0864 001000 0-0785 ! Der Absorptionscoöffieient des Sauerstoffs für reines Wasser von 375° be- trägt nach Winkler 0-02378, nach Bohr und Bock 0-02403 (beide Zahlen von mir geradlinig interpolirt). — Vgl. Landolt und Börnstein, Physikalisch-chemische Tabellen. Berlin 1894. 8. 256. Archiv f. A.u. Ph. 1901, Physiol, Abthlg. Suppl, ‚4 210 G. Hürner: Vergleicht man mit dieser Reihe von x-Werthen diejenigen aus den Ver- suchsreihen IA, IB und IIC’ (s. oben S. 205), so sieht man, dass die Unterschiede zwischen den einzelnen hier in der That von der gleichen Grössenordnung sind wie in jenen 3 Reihen. Es fragt sich aber jetzt, ob denn der Absorptionscoöfficient in meinen Dissociationsversuchen auch wirklich in ähnlicher Weise, wie hier an- genommen, geschwankt habe und geschwankt haben könne. Um dies äusserst wahrscheinlich zu finden, braucht man sich nur an den Einfluss zu erinnern, den die Gegenwart gelöster Substanzen auf das Absorptionsvermögen des reinen Lösungsmittels für Gase ausübt. Ich er- innere zunächst an meine eigenen Versuche über die Löslichkeit des Kohlen- oxydgases in Hämoglobinlösungen!, aus denen hervorging, dass der Ab- sorptionscoöfficient dieses Gases für Lösungen, die die Blutkörperchen von 100 em Blut in 300 «m Wasser enthielten, bei einer Temperatur von rund 20° um 10 Procent geringer war als der für reines Wasser. Ferner aber fand Bohr? den Absorptionscoöfficienten des Sauerstoffes für eine 2 procent. wässerige Hämoglobinlösung bei 15° = 0-02249, während dieser für reines Wasser nach Bohr und Bock? bei der gleichen Temperatur = 0°03497, also um 50 Procent grösser ist. Namentlich aus diesem letzteren Ver- hältniss lässt sich schliessen, dass selbst kleine Schwankungen der Con- centration der Lösung den Absorptionscoöfficienten des Sauerstoffes für die- selbe sehr wesentlich zu beeinflussen vermögen. In den oben mitgetheilten Versuchen über die Dissociation von Pferde- blutkrystallen, die nach verschiedenen Verfahren dargestellt waren, ergaben sich für x folgende Werthe: 0.0857, 00935, 0°1236. Die niedrigen Werthe erhielt ich bei Versuchen mit Krystallen, die durch Zusatz einer gesättigten Lösung von Ammonsulfat zur Lösung der Körperchen gewonnen worden, den höheren in dem Falle, wo die Krystallisation ohne Anwendung von Salz, bloss in Folge der Anwendung niedriger Temperatur gelungen war. In der ersteren blieb der Lösung noch Salz beigemischt und daher war ihr Absorptionscoefficient herabgesetzt. Eben deshalb fiel in diesen beiden Versuchen nun aber auch x kleiner aus. Die Veranlassung, weshalb der Werth von x in einzelnen Ver- suchen kleiner ausfallen kann, braucht aber nicht nothwendig ein that- sächlich kleinerer, sie kann auch ein nur scheinbar kleinerer Ab- sorptionscoßfficient sein. ı Dies Archiv. 1895. Physiol. Abthlg. S. 209 ff. ° Experimentelle Untersuchungen über die Sauerstoffaufnahme des Blutfarb- stoffes. Kopenhagen 1885. 8. 37. ® Vgl. Landolt und Börnstein, Physikalisch-chemische Tabellen. Berlin 1894. D. 256. NEUE VERSUCHE ÜBER DIE DISSOCIATION DES OXYHÄMOGLOBISS. 211 Betrachten wir, um uns dies klar zu machen, nochmals die Gleichung, von der wir ausgegangen sind: ec, 760 o 8 Po — = bekanntlich den Po reciproken Werth der absoluten Sauerstoffimenge, die unter dem Partiar- drucke p, und bei dem Absorptionscoöfficienten &; der Lösung für Sauer- stoff in der Raumeinheit der letzteren vorhanden sein sollte. Nun kann es aber sehr wohl möglich sein, dass diese Menge in dem Augenblicke, wo die Lösung zum Zwecke der photometrischen Untersuchung verdünnt wird, thatsächlich schon nicht mehr vorhanden, vielmehr durch die Anwesenheit Sauerstoff zehrender Stoffe (vielleicht sogar von Bakterien) bereits merklich verringert ist, ja sich von da ab fortgesetzt noch weiter vermindert. In Folge dieser starken Verminderung des gelösten Sauer- stoffes würde aber die Dissociation des Oxyhämoglobins selber Fortschritte In dieser Gleichung bedeutete der Ausdruck machen und damit der Quotient 2 sich allmählich verkleinern. Der vorher, unmittelbar zum Schlusse des Schüttelversuches, durch Beobachtung fest- gestellte Partiardruck p.! würde dann dem innerhalb der Lösung be- stehenden Verhältnisse der einzelnen Stofimengen keineswegs mehr ent- sprechen, sondern zu gross dafür sein, und so müssen, wie wir sehen, in der That zuletzt alle durch eine solche Sauerstoffzehrung bedingten Ver- änderungen einzelner in der Gleichung Ce ko, Be vorkommenden Factoren nothwendig zu einer Verkleinerung des Werthes von x führen. Physiologische Folgerungen. Wir nehmen den durch die obigen Versuche für die durchsehnittliche Concentration einer Oxyhämoglobinlösung von 0-13 (das ist ungefähr der normale Gehalt des Blutes der höheren Thiere) ermittelten Werth von #= 0-11 nunmehr als richtig an und berechnen mit seiner Hülfe, wie es in der früheren Arbeit über den gleichen Gegenstand mit einem damals sefundenen Werthe geschah, für jeden möglichen Partiardruck des in der Atmosphäre vorhandenen Sauerstofles die Procente an gelöstem Oxyhämo- globin, die bei diesem Drucke dissocirt sind. ! Durch die Beobachtung des Gesammmtdruckes ist p, ja mitbestimmt, wenn auch die Gasanalyse noch nicht ausgeführt ist. 14* 212 ’ G. Hürner: Wir geben zu diesem Zwecke unserer Gleichung wieder die Form worin x» die fragliche Procentzahl bedeutet, und erhalten daraus 100 le 1.272705 Die zu einander gehörigen Werthe von p,, x und 100 — x sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt. = Partiardruck | Dissociirte | Nicht disso- | Partiardruck | Dissociirte | Nicht disso- d. Sauerstoffs Procente eürte Proc. |d. Sauerstoffs | Procente eiirte Proc. inmm Hg (x) (100 — x) inmm Hg (x) (100 — x) 5-0 63-9 | 86-1 70-0 11-5 88-5 10-0 | 47-6 52-4 | 75-0 10-8 89-2 15-0 37-7 62-3 | 30-0 10-2 39-8 20-0 31-2 68-8 | 35-0 9-7 90-3 25-0 26-7 13-3 90-0 9.2 90-8 30-0 23°3 76-7 | 95-0 8-7 91-3 35-0 20-6 79-4 | 100-0 8-3 91-7 40-0 18-5 31.5 | 110-0 1-6 92-4 45-0 16-8 83-2 ) 120-0 7-0 93-0 50-0 15-4 34-6 | 130-0 6-5 93.5 55-0 14-3 85-7 | 140-0 6-1 93-9 60-0 13-2 s6-8 | 150.0 5-7 94-3 65-0 12-3 87-7 | 160-0 | 5+4 94-6 Zu bequemerer Uebersicht des Verlaufes, den unsere Dissociation nimmt, diene die beigefügte Curventafel (Fig. 2). Die Curve giebt den reinen, gesetzmässigen Verlauf der Dissociation wieder, wie er bei einem Oxyhämo- globingehalte der Lösung und wahrscheinlich auch des Blutes von 13 Procent und bei einer Temperatur von 37-4° sich gestalten würde, wenn ausser den Druckänderungen keine anderen Umstände, wie Gegenwart redueirender, vielleicht auch katalytisch wirkender Substanzen, ihn störend beeinflussen würden. Man wird daher auch nicht erwarten dürfen, dass jedes einzelne oder zufällige Versuchsresultat anderer Forscher streng mit den Forderungen jenes Idealverlaufes übereinstimme. Vergleieht man das Ergebniss dieser neuen mit demjenigen meiner früheren Untersuchung, so findet man, dass es von jenem in sofern ab- weicht, als es zeigt, dass die Dissociation bei allen unter 100 wm liegenden Partiardrücken in der That bereits eine viel bedeutendere ist, als aus dem früheren hervorging. So beträgt z. B. die Zahl der dissocirten Procente NEUE VERSUCHE ÜBER DIE DISSOCIATION DES ÖXYHÄMOGLOBINS. 213 bei einem Partiardrucke von 25"® nach der neuen Untersuchung bereits 27 Procent, während sie nach der früheren kleiner als 10 sein sollte. Die neue Zahl stimmt dafür ziemlich mit dem Resultate überein, das vor Kurzem Herr Loewy! in einer nach einem ganz anderen Verfahren mit Menschen- blut angestellten Versuchsreihe erhalten hat, wonach z. B. bei einem Partiar- drucke von 26.79 mm der „Sättigungsgrad des Blutes“ mit Sauerstoff 76.37 Procent, das Deficit also 23-63 Procent betrug. 10 90 80 70 60 50 40 30 Nicht dissocürte Procente Oxyhämoglobin. il ehe l uber [7] 70 20 30 40 50 60 70 80 90 100: 310°. 120 30 140 Partiardruck des Sauerstoffs in Millimetern Quecksüber, Fig. 2. 150 160 An dem Ergebnisse der neuen Versuche ist aber besonders:bemerkens- werth, dass nach dem durch sie festgestellten Dissociationsgesetze bei dem Normaldrucke des Sauerstoffes = 159.3" bereits mehr als 5 Procent dissocirt, ja dass selbst bei einem Sauerstoffdrucke von 900%, einem Drucke, wie ihn einst Lothar Meyer? bei einem seiner Absorptions- versuche anwandte, erst 99 Procent der vorhandenen Hämoglobinmolecüle mit Sauerstoff verbunden sind. Ich komme zum Schlusse noch einmal auf die Frage zurück, weshalb Menschen an den Erscheinungen des Sauerstoffmangels in Höhen erkranken können, wo gewisse grössere Säuger, wie Vicunna’s, Alpaca’s u. s. w., oder gar Vögel, offenbar nichts weniger als Unbehagen und keine Störung ihrer ! Centralblatt für Physiologie. Bd. XIII. S. 449. ® Lothar Meyer, Die Gase des Blutes. Inaug.-Diss. Göttingen 1857. 8. 52. 214 G. Hürner: körperlichen Leistungsfähigkeit verspüren. Ich habe schon früher betont, dass die Ursache dieses etwaigen Sauerstoffmangels nicht in einer hoch- gradigen Dissociation des Oxyhämoglobins liegen könne, und ich darf diese Ueberzeugung auch jetzt noch festhalten, nachdem ich mich überzeugt habe, dass der Verlauf der Dissociation ein etwas anderer ist, als ich früher an- nehmen zu müssen glaubte. Nimmt man den Gehalt unserer Lungenluft an Sauerstoff zu rund 16 Procent und die Spannung des ihr beigemengten Wasserdampfes gleich der des gesättigten Dampfes von 37-5°, d. h. also zu etwa 47.5 wm an, so berechnet sich z. B. für einen Barometerstand von 406 ®", entsprechend einer Höhe von 5000”, der in der Lunge herrschende Partiardruck des Sauerstoffes zu (406 — 47-.5).0-.16 = 57.4", Diesem Drucke entspricht nach unserer Curve ein Sättigungsgrad unseres Blutes mit Sauerstoff, der immer noch mehr als 85 Procent, jedenfalls viel mehr als °/, der voll- kommenen Sättigung beträgt. — Dass aber in der genannten Höhe die Symptome der Anoxyhämie sehr gewöhnlich und bedenklich empfunden werden, ist bekannt. Andererseits hat man die Erfahrung gemacht, dass Menschen ohne Erstickungsgefahr bis zu Höhen von nahezu 7000 X emporklimmen können. So ist der 6835" hohe Vulkan Acongagua in den Chilenischen Anden von dem Engländer Fitzgerald und seinem Schweizer Führer Zurbriggen thatsächlich vor einigen Jahren erstiegen worden, und in Hochasien pflegt der Besuch derartiger Höhen durch Menschen sogar durchaus nicht so selten zu sein.! In den „Mittheilungen des D. u. Oest. Alpenvereins‘“ vom Jahre 1900 wird S. 742 eines Aufsatzes des Herrn Douglas W. Freshfield über seine Rundreise um den Kanchinjinga Erwähnung gethan. ‚Werthvoll,“ heisst es im Berichte darüber, „sind die Bemerkungen des Herrn F. über den Einfluss der verdünnten Luft auf die etwa 50 Theilnehmer der Expedition, den er zu beobachten um so mehr Gelegenheit hatte, als ein Pass von 21 000 englischen Fuss unter schwierigen Schneeverhältnissen überschritten und 2 Mal in einer Höhe von 20000 Fuss übernachtet werden musste. Er kommt zu dem Schlusse, dass eine grosse Anzahl Menschen Höhen von 22000 Fuss ganz gut erreichen können, wenn in Bezug auf Diät, Marsch- tempo und Ruhe keine Fehler gemacht werden. Nach der Meinung des Herrn F. steht selbst der Erreichung von Höhen bis zu 29000 Fuss unter obigen Voraussetzungen nichts im Wege.“ — Ein überaus erfahrener und unbefangener Naturbeobachter, der be- kannte, nunmehr verstorbene Omitholog Heinrich Gätke, schreibt in ' Vgl. hierüber auch Paul Bert, La pression barometrique. Zecherches de physiologie experimentale. Paris 1878. p. 138— 172. NEUE VERSUCHE ÜBER DIE DISSOCIATION DES OXYHÄMOGLOBINS. 215 seinem „Die Vogelwarte Helgoland“ betitelten Werke!; da wo von der „Höhe des Wanderfluges“ die Rede ist (S. 54), „dass die Vögel ohne Aus- nahme sich beim Aufbruch zu ihren grossen Wanderflügen sofort über ihre alltäglichen Flugregionen erheben und zwar die überwiegende Mehrzahl von ihnen unverzüglich zu Höhen, die sie jeder sinnlichen Wahrnehmung vollständig entziehen“; und weiter heisst es dort (S. 63): „Alle Erfahrungen sind demnach mit Sicherheit dahin zusammen zu fassen, dass... die Vögel aus eigenem freien Willen sich bis zu Höhen von 35000 bis 40000 Fuss erheben können und daselbst unter anstrengender Muskel- thätigkeit beliebig lange auszudauern vermögen u. s. w.“ Um eine Vorstellung von den Druckverhältnissen zu gewinnen, die bier in Frage kommen, braucht man nur in der nachfolgenden Tabelle nachzusehen, in welcher ich die den. einzelnen Höhen entsprechenden . Barometerstände und. zugleich die sowohl im Freien wie in der Lunge? herrschenden Partiardrücke des Sauerstoffes mit den zugehörigen Procent- zahlen an unzersetztem Oxyhämoglobin zusammengestellt habe. Höhe über Meer | Barometerstand _ Partiardruck Bm Unzer az : ; ‚ des Sauerstoffs | » Procente an Im m inmm Hg in mm in, der Lunge Oxyhämoglobin In mm ) | 760 | 159-3 114-0 92-6 500 | 714 149-9 106-6 99-1 1000 | 670 140-7 99-6 | 91-6 2000 | 591 124-1 86-96 90-5 3000 | 522 109-6 75-9 89-3 4000 460 96-6 66-0 87-9 5000 | 406 85-3 57-4 86-8 6000 | 358 75-2 49-7 | 84-5 7000 | 316 66-4 43 +1 82-6 8000 | 279 58-6 37-0 80-3 9000 ING 51-7 31-8 77-8 10000 | 217 45-6 27-1 714-9 Da sieht man, dass bei einer Höhe von 10000” allerdings immer noch ein Sauerstoffdruck von 27 "m in der Lunge und damit ein Sauer- stoffvorrath des Blutes von etwa 75 Procent des idealen möglich ist; allein, ob dieser hinreicht, den durch die ungeheure Muskelanstrengung des Wandervogels bedingten Sauerstoffverbrauch viele Stunden lang zu ! Die Vogelwarte Helgoland. Von Heinrich Gätke. Herausgegeben von Prof. Dr. Rudolf Blasius. 2. vermehrte Auflage. Braunschweig 1900. ? Berechnet unter den nämlichen Voraussetzungen, wie auf 8. 214. 216 G. Hürner: decken, dürfte doch sehr fraglich erscheinen, falls nicht ganz besondere Momente dem T'hiere zu Hülfe kommen. Sollte der Vogel etwa im Stande sein, den Schaden der Luftverdünnung durch eine vermehrte Geschwindig- keit des Fluges auszugleichen ? Ueber die „Schnelligkeit des Wanderfluges“ finden sich in Gätke’s Vogelwarte Angaben, die in der That fast an das Unglaubliche streifen, die aber doch wohl Beachtung verdienen, da sie von einem so erfahrenen Naturbeobachter, wie der Verfasser des Werkes war, herrühren. „Schon von einem so schwerfälligen Flieger, wie die Krähe... kann“, heisst es dort (S. 67), „eine Wandergeschwindigkeit von 27 Meilen in der Stunde nachgewiesen werden.“ Die Krähen überfliegen nämlich nach Gätke auf ihrem Herbstzuge die S0 geographische Meilen breite Nordsee zwischen Helgoland und der ihm gegenüberliegenden Küste von England innerhalb dreier Stunden, von 8 Uhr Morgens bis 11 Uhr am Vormittag. Viel bedeutender sei aber noch die Leistung eines kleinen Vögelchens, des nordischen Blaukehlehens (Sylvia suecica), dem sich eine Wander- geschwindigkeit von 45 geographischen Meilen in 1 Stunde nachweisen lasse!; denn es fliege in einer kaum 9 Stunden dauernden Frühlingsnacht 400 geographische Meilen weit, — von Aegypten bis Helgoland (!). Das gäbe etwa eine Geschwindigkeit von 95” in der Secunde und überträfe die Geschwindigkeit des Adlers, die nach den Angaben phy- sikalischer Lehrbücher? = 37 — ist, noch um das Zweieinhalbfache. Berechnet man den Druck?, den ein Luftstrom bei einer Geschwindig- keit von 90 = auf eine senkrecht dagegen gerichtete Fläche von 1m ausübt, so findet man denselben = 960%. Da nun der Druck, den die ruhende Atmosphäre auf eine eben so grosse Fläche am Meeresstrande ausübt, = 103338 ist, so würde derselbe in einer Höhe von 6000”, also bei einem Barometerstande von 358", in Folge der Geschwindigkeit der 960.358 10 333 Grösse also, die den Partiardruck des Sauerstoffes in der Lunge nur von 49.7 bis 55"", daher auch den Procentgehalt des Blutes an Oxyhämo- globin nur von 84-5 bis 386 Procent erhöhen könnte. Fragt man dagegen umgekehrt, wie schnell sich ein Luftstrom gegen eine senkrecht entgegenstehende Fläche bewegen müsste, um durch die Luftbewegung von 90 — um —= 33.35 mm zunehmen, — um eine 1 A.2.0. 8.68. ° Kollert, Katechismus der Physik. Leipzig 1895. S. 18. ® Die hierzu benutzte Formel lautet: P=4edFv?, wo ce ein mit der Grösse # der Fläche von 1-86 bis 3 wachsender Coöffieient, d die Dichte, vo die Geschwindigkeit der Luft ist. Siehe Kollert, a. a. ©. 8. 116 ff. NEUE VERSUCHE ÜBER DIE DiIsSOCIATION DES OXYHÄMOGLOBINS. 217 Geschwindigkeit seiner Bewegung den Ausfall an Druck zu ersetzen, der in einer Höhe von nahezu 6000” durch Erniedrigung des normalen Atmosphärendruckes auf die Hälfte, = 5166*® auf 1%, bedingt wäre, so ergiebt sich unter Anwendung der gleichen Formel als Resultat der Rechnung die Zahl 295 —, also eine Geschwindigkeit, die noch 38 Mai grösser sein müsste als die angebliche Fluggeschwindigkeit des nordischen Blaukehlchens. Da indessen die hier benutzte Formel den Technikern zur Benutzung des Druckes dient, den der Luftstrom auf senkrecht gegen ihn ge- richtete Flächen, als Wände von Gebäuden, Windräder u. s. w. ausübt, so stimmt die ihr zu Grunde geleste Voraussetzung natürlich keineswegs mit den für den fliegenden Vogel geltenden Bedingungen; denn die Hemmung, die dieser vermöge seines Baues durch den Gegendruck der Luft erfährt, ist gewiss nur unbedeutend, und deshalb wird umgekehrt auch dieser Gegen- druck durch die vermehrte Geschwindigkeit des Fluges nur in weit ge- ringerem Maasse, als unter der obigen Voraussetzung berechnet wurde, gesteigert werden. Die Voraussetzung einer senkrecht gegen den Luftstrom gerichteten Fläche würde vielleicht nur dann einigermaassen auch für den Vogel zutreffen, wenn seine Lungen nichts als ein mit stets offener Mündung direct gegen den Wind gekehrter, hinten geschlossener Sack wäre. Wenn daher der bei so niedrigem Luftdrucke eine so erstaunliche Arbeit leistende Vogel sein erhöhtes Sauerstoffbedürfniss gleichwohl voll- kommen zu befriedigen vermag, so scheint er hierzu lediglich durch seinen Athemmechanismus befähigt zu sein, der allerdings, was das erreichte Maass von Ventilation anlangt, demjenigen der Säugethiere bedeutend überlegen ist.! ! Vgl. Max Bär, Beiträge zur Kenntniss der Anatomie und Physiologie der Athemwerkzeuge bei den Vögeln. /naug.-Diss. Tübingen 1896. (Separatabdruck aus: Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. Bd. LXI.) Ueber die erholende Wirkung von Alkalisaccharat- und Alkalifrucetosat-Lösungen auf isolirte Herzen. Von A. Schücking. (Aus dem physiologischen Institute der Universität Bern.) Ob das isolirte und durchspülte Kalt- und Warmblüterherz bei seinen Contractionen von den in der Muskelzelle aufgehäuften Spannkräften zehrt, oder ob das zu den Stoffwechselvorgängen erforderliche Material den nicht fortgespülten Blutresten des Herzens entnommen wird, soll zunächst der Gegenstand unserer Untersuchungen sein. Ein zwingender Nachweis in dem einen oder anderen Sinne konnte erst durch Versuchsanordnungen erbracht werden, die nicht nur das ständige Vorhandensein der Nährflüssig- keiten während der Herzthätigkeit nachweisen liessen, sondern auch den Zusammenhang zwischen der Gegenwart von Blutbestandtheilen und der Function des Herzens ausser Zweifel stellten. Die im Nachstehenden mitgetheilten Versuche wurden zur Lösung der oben gestellten Frage an Frosch-, Kröten-, Schildkröten-, Kaninchen-, Katzen- und Schweineherzen angestellt. Zu diesen Untersuchungen diente bei Kaltblütern der bekannte Kronecker’sche Froschherzapparat. Nach- dem in das Organ die Perfusionscanüle eingebunden war, wurde sie mittels ihrer Gummischlauchenden einerseits mit den Füllbüretten, andererseits mit dem Quecksilbermanometer verbunden. Ferner wurde das geschlossene plethysmographische Glasgefäss, in dem das Herz badet, mit dem Schlauch einer Marey’schen Schreibluftkapsel verbunden und an die elektrischen Reizvorrichtungen ein du Bois-Reymond’sches Schlitteninductorium, dessen Oeffnungsinductionsschläge in regelmässigen Intervallen dem Herzen zugeführt wurden, angeschlossen. Die Wirkungen, welche der Wechsel in der Beschaffenheit der Perfusionsflüssigkeit, in der Dauer des Zuströmens, A. ScHückin@: WIRKUNG VON ALKALISACCHARAT-LÖSUNGEN U.S.w. 219 sowie der verschiedenen mechanischen und elektrischen Reize auf die Thätig- keit des Herzens ausübt, fanden ihren Ausdruck in den kymographischen oder plethysmographischen Curven. Das Herz selbst befand sich während der Dauer des Versuches am tiefsten Punkte der Stromleitung, konnte also durch Oeffnen des Ablaufes nicht völlig entleert werden. Um dies zu zeigen, löste ich in einer grösseren Anzahl von Fällen und in verschiedensten Zeitabschnitten das Frosch- oder Krötenherz mit der Canüle vorsichtig von allen Verbindungen, nament- lich auch den beiden engen Endschläuchen. Ich legte dann einen Ring von Fliesspapier um den aus dem Herzen ragenden Theil der Canüle, also zwischen Gabelrohr und Herz. Die Canülenmündung wurde nunmehr nach unten gehalten und das vor direeter Berührung gehütete Herz drückte ‘ durch seine Contractionen seinen Inhalt auf ein untergestelltes Uhrgläschen aus, während von der Aussenfläche des Herzens absickernde Tröpfchen vom Papierringe aufgefangen wurden. Um vom Herzen ausgepresste Tröpfchen nicht bei der Diastole wieder in die Canüle zurücktreten zu lassen, brachte ich das weite freie Ende der Herzcanüle in Berührung mit dem Object- träger, so "dass die ausgetriebene Flüssigkeit auf dem Glase sich verbreitete. Die so entleerten Tröpfchen liessen mikroskopisch Blutkörperchen erkennen, auch wenn kurz vorher die Spülflüssigkeit am Apparate völlig wasserhell abgeflossen war. Auch durch chemische Reactionen (Biuretreaction, Xantho- protheinreaction, Millon’s Reaction) waren in der Flüssigkeit, die aus dem umgekehrten Herzen abgetropft war, genuine Eiweisskörper nachweisbar. Jedoch enthielt ein Froschherz, das 24 Stunden lang in Intervallen durch- spült worden war, mehr Blutreste als ein anderes, das in den Ruhepausen zweistündiger Durchspülung umgekehrt aufgebängt worden war. Nach solcher Entleerung kräftiger Froschherzen waren viele nach wenigen Minuten nahezu völlig erschöpft und zwar trat diese Erschöpfung nicht nur bei nachfolgender Durchspülung mit neutraler Kochsalzlösung, sondern, wenn auch etwas langsamer, bei Ringer’s und Howell’s Lösung ein. Zu meiner Ueberraschung beobachtete ich einige Male, dass auch nach wiederholtem Austropfen die mikroskopische und mikrochemische Untersuchung noch deutliche Blutreste ergab. So lange Herzen noch schwache Contractionen ausführten, konnte ich stets noch deutliche Blut- reste nachweisen. Ich darf wohl sagen, dass die Erschöpfung früher ein- trat als die Auswaschung ganz vollendet war. Bei den Herzen der Schild- kröten (Testudo graeca) konnte ich die Erschöpfung durch die von mir angewandte Manipulation nicht so schnell erreichen. Die Herzen der Schildkröte waren entweder in derselben Weise auf eine etwas grössere Perfusionscanüle gebracht worden, oder es war eine Canüle in die Vena cava, eine andere in einen Aortenast eingebunden worden. Die Kalt- 220 A. SCHÜCKING: blüterherzen konnten nicht nur durch die erwähnte Behandlung ebenso gründlich erschöpft werden, als wenn sie Stunden lang sich im Apparat befunden hatten — auch das Durchspülen des am Apparate aufgerichteten Herzens, der Art, dass die Herzspitze die höchste Stelle in der Stromleitung einnahm, pflegte eine raschere Erschöpfung zu bewirken. Wie haben wir diese Befunde zu erklären? Schon Brücke und nach ihm Engelmann haben auf den capillären Bau der feineren Herzspalten hingewiesen. Die Ernährungsverhältnisse des Schildkrötenherzens sind nicht nur durch die stärkeren Muskeln von denjenigen der Frösche verschieden, sondern auch durch die Versorgung mit Blutgefässen. Während beim Frosch durch Hyrtl die Vena bulbi posterior (Vena cardiaca) entdeckt worden ist, welche in der That Blut aus dem Ventrikel abfliessen lassen kann, konnte ich beim Schildkrötenherzen von der Aorta aus einen reich verästelten Arterienstamm injieiren, der, auf der Herzwand sich verbreitend, auch Zweige in den Muskel sendet. (Auch Wiedersheim bildet ihn ab, ohne ihn zu beschreiben.) Uebrigens fand ich, dass der ganze Ventrikel des Schildkrötenherzens von innen ernährt werden kann. Als ich an einem in situ befindlichen Froschherzen vorsichtig die äusserste Herzspitze abtrennte, ohne die Herzhöhle anzuschneiden, eröffnete ich einige durch feine Blutstreifen gekennzeichnete Herzspalten der peri- pheren Cortiealschicht. Obgleich das Herz ungestört weiter schlug und bei der Diastole sich röthete, floss kein Tropfen Blut durch die Capillarspalten ab. Wohl sammelte sich eine minimale Quantität Blut langsam auf der Schnittfläche an; aber erst als ich eine weitere Schicht der Musculatur abtrug, floss das Blut periodisch aus den breiteren Theilen der Spalten ab, doch trat es nicht sofort zu Beginn der Diastole, sondern erst auf der Höhe derselben aus. Die Wiederholungen des Versuches ergaben stets dasselbe Resultat und damit dürfte erwiesen sein, dass das Blut zwar in das weitere Maschenwerk des Herzmuskels periodisch eintritt, allerdings später als es in die centrale Höhle einfliesst — dass aber in den feineren noch deutlich sichtbaren Capillarspalten das Blut sich continuirlich hält. Als ich ein schlagendes in situ belassenes Herz mittels feiner Pravaz’scher Nadelcanüle von der Kammerspitze aus durchstochen und aus der angesetzten Bürette Methylenblau-Kochsalzlösung einfliessen liess, schimmerte wohl der Inhalt durch die Wandung blau durch, während das Herz, ohne Flüssigkeit durch die schräge Stichöffnung austreten zu lassen, weiter schlug. Wenn im schlagenden Herzen die Methylenblaulösung nicht erneut wurde, so ent- färbte sie sich durch Reduction binnen wenigen Minuten. Die nach kurzer Injeetion angeschnittenen Capillarspalten waren noch ungefärbt, als an eine Reduction noch nicht gedacht werden konnte, und blieben es daher auch nach Zutritt der atmosphärischen Luft. Wenn ich das Methylenblau bis WIRKUNG VON ALKALISACCHARAT-LÖSUNGEN AUF ISOLIRTE HERZEN. 221 10 Minuten lang in der Herzkammer gelassen hatte, war der Farbstoff in vielen, aber keineswegs allen Spalten nachzuweisen. Die mikroskopische Untersuchung bestätigte den makroskopischen Befund. Einzelne Spalten zwischen den Muskelrippen zeigten deutlich blauen Innenraum mit spärlichen blaugefärbten Blutkörperchen, während die plasmatischen Wandschichten heller und blauröthlich erschienen. Leukocyten sah ich nur spärlich. Fassen wir alles Vorstehende zusammen, so können wir uns vorstellen, dass die verhältnissmässig geringe, zur Ernährung des Herzens selbst dienende Quantität Blut während der Diastole zunächst in das gröbere Maschenwerk und sodann in die mittelweiten Spalten eindringt. Die Ver- suche von Saltet, Handler und Finn haben gezeigt, dass während der Diastole des Froschherzens das Hämoglobin des wandständigen Blutes reducirt wird, sodann die lähmende Kohlensäure sich anhäuft, dass aber das schlagende Herz die lähmenden Stoffe aus seiner Wand presst und dafür aus seinem Mittelraume weniger alterirte Ernährungstheile der Wand zutreibt. Hierdurch war ja Bowditch’s „Treppe“ erklärt worden. Diese Verhältnisse ändern sich mit einem Schlage, sobald der centrale Kammer- raum künstlich entleert worden ist. Der Innendruck ist beseitigt und die Capillarspalten entleeren allmählich ihren Inhalt in den centralen Raum. Die auf diesen Vorgang schnell eintretende Erschöpfung scheint uns den Beweis zu liefern, dass die Thätigkeit des isolirten Herzens von dem Vor- handensein eines bestimmten Restes von Blutbestandtheilen abhängt. Wenn wir durch eine so einfache Manipulation das Herz gegebenen Falles in einer halben Minute gründlicher erschöpfen können als es nach den üb- liehen Ausspülungen in zwölf oder unter Umständen selbst 24 Stunden erschöpft wird, so kann schon aus diesem Grunde die Hypothese, dass die in den Muskelzellen aufgehäuften Spannkräfte des Herzens der Arbeit dienen, wohl nicht mehr aufrecht erhalten werden. Wir sind gezwungen sie zunächst für das der untersuchten Kaltblüter fallen zu lassen. Mehrere Beobachter berichten, dass sie wiederholt durch vorsichtige Massage das Herz bezw. Streifen des Schildkrötenherzens, die auf Reize nicht mehr reagirt, zu noch weiteren Contractionen befähigt hätten. Diese Beobachtung konnte ich wiederholt bestätigen. Wir können nur an- nehmen, dass die Massage hier wie überall die intercellulären Gewebssäfte fortbewegt, die Circulation unterstützt und damit schädliche Stoffwechsel- producte entfernt, auch das vorhandene Ernährungsmaterial besser eireuliren lässt — auf die intercellulären chemischen Vorgänge im Protoplasma kann die Massage gewiss keinen directen Einfluss ausüben. Noch einen anderen Gesichtspunkt möchten wir an dieser Stelle hervor- heben: Man hat bei der Frage, die uns beschäftigt, meines Erachtens einen Factor nicht genügend berücksichtigt, der für die Ernährung des Herzens DD 186) DD A. SCHÜCKING: eine wichtige Rolle spielen muss, ich meine die Lymphbewegung innerhalb der Herzwandungen. Die Gewebsflüssigkeit, welche die Capillarspalten um- giebt, dürfte eine nur langsamer sich bewegende Reserve als die Blutreste in den Capillarspalten selbst darstellen. Daher ist diese Gewebsflüssigkeit den Auswaschungsversuchen weniger direct zugänglich als der Inhalt der Blutspalten. Für die Indienststellung dieser Gewebsflüssigkeit ist gerade die Massage von besonderer Bedeutung. Durch Lähmung der Muskellagen (als Folge toxischer Wirkungen oder Kälte u. s. w.) können die Spalten der Art aus einander treten, so dass durch die unversehrte Wand Blut aus dem Ventrikelinnern in das Bad rinnen kann. Auch Warmblüterherzen versuchte ich zu durchspülen. Zwei Kaninchen-, zwei Katzen- und ein Schweineherz perfundirte ich wie Langendorff, indem ich in die Aorta, kurz oberhalb der Semilunarklappen, eine Canüle passender Grösse eimband. Durch den Druck der Flüssigkeitssäule wird der Schluss der Semilunarklappen bewirkt. In den rechten Vorhof band ich eine weite Abflusscanüle. Den Durchspülungsapparat hatte ich meinen Zwecken entsprechend sehr vereinfachen können. Von zwei Irrigatoren, die mit verschiedenen auf 38° C. erwärmten Perfusionsflüssiekeiten gefüllt waren, konnte jeder mit dem in einer körperwarmen Kochsalzlösung auf- gehängten Herzen in Verbindung gebracht werden. Zuvor wurden die beiden Ventrikel und Vorhöfe ausgespült. Beim Kaninchen- und Katzenherzen ver- wandte ich 1'/, bis 21/, Liter, beim Schweineherzen 4 Liter der später an- gegebenen Lösungen unter einem Druck von 100 "= Hg zur Ausspülung. Die Perfusionsflüssiekeit floss verhältnissmässig bald klar ab. Das erste Kaninchen- herz versagte überhaupt sehr bald. Das zweite pulsirte !/, Stunde lang, während 1/, Liter Ringer’scher Lösung durch das Coronargefässsystem ge- flossen war. Nur !/, Liter floss gefärbt aus, der folgende wasserhell. In der spärlichen Flüssigkeit, die ich schliesslich nach Sistirung der Durchspülung aus der abführenden Canüle erhielt, waren Blutreste aufzufinden. Das erste Katzenherz pulsirte bei der Durchspülung mittels verschiedener an- organischer Flüssigkeiten, auch mit Alkali-Saccharaten, nach einer Periode des Wogens etwa 20 Minuten lang. Nachdem etwa 2 Liter Flüssigkeit klar abgeflossen waren und die Herzschläge schwach und unregelmässig ge- worden, sistirte ich die Durchspülung, hob das Herz mit einem in heisses Wasser getauchtes Stück Gaze aus dem Bade und benutzte die letzten Zuckungen, um den aus der ableitenden Canüle entleerten Rest von Flüssig- keit aufzufangen. Das zweite Katzenherz schlug längere Zeit. Bei diesem nahm ich dieselbe Procedur nach Abfluss von 2 Litern vor. Zum Schluss liess ich eine ziemlich eoncentrirte Methylenblaulösung durchfliessen. Auch in der letzten Spülflüssigkeit fand ich noch Blutkörperchen. Das Schweine- herz erwies sich nicht sehr ausdauernd. Ich hatte Ringer’s Lösung WIRKUNG VON ALKALISACCHARAT-LÖSUNGEN AUF ISOLIRTE HERZEN. 223 angewandt und davon etwa 2 Liter gebraucht. Als ich dann eine Methylen- blau-Kochsalzlösung in die Aorta schickte, hörte das Herz zu schlagen auf. Ich spülte trotzdem noch ein weiteres Liter Methylenblaulösung durch die Coronargefässe. In frischen Zerzupfungspräparaten der Warmblüterherzen und auch in der abeetropften Flüssigkeit fand ich Blutreste. Eine Anzahl von Capillaren und selbst von feineren Arterien erwies sich bluthaltig. Selbst in den wegsamen Gefässen zeigten sich noch blaugefärbte Blut- körperchen und in manchen Capillarenzweigen hellröthliche plasmatische Randschichten und das Lumen von rothen Blutkörperchen angefüllt. Wir konnten also direet nachweisen, dass nicht einmal das gesammte Coronar- gefässsystem an den betreffenden Warmblüterherzen vollständig von Blut zu befreien war, um so weniger kann die Gewebsflüssigkeit oder die Lymphe vom Coronargefässsysteme aus verdrängt werden. Wir wissen, dass das Lymphgefässsystem am Säugethierherzen besonders reich entwickelt ist, dass namentlich unter dem Pericard auf der Muskelschicht ein wohl aus- gebildetes System von Lymphgefässen vorhanden ist. Auch Herzsubstanz und Endocard besitzen Lymphgefässe, die am Endocard den Bau von Capillaren haben und weitmaschige Netze. bilden. Unter den gegebenen Umständen kann man beim Warmblüterherzen durch Erschöpfungsversuche, wie ich sie bei Kaltblüterherzen anstellte, nicht nachweisen, dass sie auf Kosten der intertrabeculären Nährstoffe arbeiten. Die Säugethierherzen vertragen Blutleere nicht lange Zeit. Durch diese vorausgeschickten Beobachtungen und Ueberlegungen wird gezeigt, dass die Herzspalten und Gefässsysteme die Nährreste sich ausser- ordentlich schwer entziehen lassen. Suspendirt man ein nicht ausgespültes Herz in einem Bade von anorganischer Lösung, so kann das Herz unter Umständen noch Tage lang lebensfähig bleiben. Dass uns in der vor-' sichtigen Massage ein Mittel zur Verfügung steht, das in gewissen Fällen erst die wiederbelebende Wirkung aller Nähr- und anorganischen Lösungen zur Geltung bringt, haben wir schon oben bemerkt, auch bereits auf die grosse Bedeutung dieses Factors für die Theorie der Erschöpfung aufmerk- sam gemacht. Roy, Martins und von Ott haben bekanntlich gefunden, dass Blut und Serum ziemlich gleiche Nährmittel für das Herz sind. Ich habe diese Angabe bestätigen können. Auch habe ich in Uebereinstimmung mit den genannten Autoren gefunden, dass Blut, mit der doppelten Menge phy- siologischer Kochsalzlösung verdünnt, das Herz kräftiger erhält als Blut (von Kälbern oder Kaninchen) im unverdünnten Zustande, dass aber stärkere Verdünnungen nicht ganz so günstig wirken. Ringer’sche Lösung erhielt das Blut in hohem Grade nährfähig, selbst wenn ich es bis um das Sfache verdünnte. Kochsalzlösungen, welche 224 A. SCHÜCKING: kleine Mengen von Alkali-Saecharaten enthielten, wirkten, wie ich ent- deckt habe, und in der Folge näher ausführen werde, noch maximal, wenn ihnen auch nur der 16. oder 24. Theil Blut zugesetzt war. v. Ott hat Untersuchungen über den Einfluss der Eiweisskörper der Milch auf das Froschherz angestellt. Die Milch enthält nach Sebelieu im Lactalbumin einen dem Serumalbumin nahestehenden und nur durch eine bedeutend niedrigere specifische Drehung (D) = — 37° ausgezeichneten Stoff. Ein weiterer Bestandtheil der Milch, das Lactoglobulin, hat, soweit es bisher untersucht worden ist, die Eigenschaften des Serumglobulins, mit dem es vielleicht identisch sein dürfte. Die erwähnten Versuche habe ich aufsenommen; auch fand ich, dass die Leistungsfähigkeit des mit Molke ernährten Herzens in allen Fallen recht erheblich hinter der durch Blut- serum erzielten zurückbleibt. Meine Versuche mit Ringer’s Lösung bestätigten die Beobachtungen meiner Vorarbeiter. Ich hielt mich bei der Herstellung von Ringer’s Lösung an die Vorschriften des Erfinders. Für die ältere Lösung gab er folgende Vorschrift: 100 Theile 0-75 procent. Kochsalzlösung mische man mit 5 Theilen einer 0-25 procent. Chlorcaleiumlösung und 2-5 Theilen einer 0-5 procent. Natriumbicarbonatlösung, sowie 0-75 Theilen einer 1-O procent. Chlorkaliumlösung. Von späteren Mischungen Ringer’s be- nutzte ich folgende: NaCl:0-6 Procent, CaCl,:0-026 Procent, KCl: 0.04 Procent, NaHÜO,: 0-003 Procent. Ich gebrauchte nach dem Vor- gang Ringer’s sorgfältig redestillirtes Wasser, in dem keine Spur von metallischen Beimengungen, namentlich von Kupfer und seinen Ver- bindungen, nachzuweisen war. Die gebrauchten Salze aus besten Bezugsquellen waren chemisch rein und wiederholt umkrystallisirt. Das leicht zerfliessliche Chlorcaleium erhielt - ich in frischen Krystallen, von denen ich sofort eine 1 procent. Stamm- lösung herstellte, ebenso wie ich von den anderen Salzen zunächst 1 procent. Lösungen anfertigte. Zugleich mit den Lösungen Ringer’s prüfte ich die von Howell und Greene angegebenen Abänderungen. Diese Modification besteht aus 0.7em NaCl, 0.0268" CaCl, und 0-03 8m KÜl auf 1003” redestillirten Wassers. Während einfache Kochsalzlösung das frische Froschherz in etwa 1!/, Stunden erschöpfte, und alkalische Kochsalzlösungen das Herz bis zu etwa 6 Stunden schlagen liessen, vermochten die Ringer’schen Lösungen das Froschherz weit über 6 Stunden, ja bis 24 Stunden im Apparat lebens- fähig zu erhalten. Wenn ich isolirte, aber nicht durchspülte Herzen an einem Vorhofzipfel in einem Bade von einer der oben beschriebenen Lösungen aufgehängt hatte, so konnte ich sie bis zu 5 Tagen schlagfähig WIRKUNG VON ALKALISACCHARAT-LÖSUNGEN AUF ISOLIRTE HERZEN. 225 erhalten, während, wie früher erwähnt, das ausgespülte und umgekehrt in das Bad gestellte Herz nach 1 oder 2 Stunden völlig erschöpft war. Auch am Katzenherzen constatirte ich gelegentlich meiner später zu erwähnenden Perfusionsversuche die Ueberlegenheit der Lösung Ringer’s über die Kochsalzlösung. Die nach Anwendung isotonischer Kochsalzlösung schwachen Pulse wurden nach dem Gebrauch Ringer’scher Lösung kräf- tiger. Ueber die Wirksamkeit des Chlorcaleium und des Chlorkalium in der Ringer’schen Lösung machte ich folgende Beobachtungen: Wenn man frische Frosch- und Schildkrötenherzen mit modificirter Ringer’scher Lösung (0-04 bis 0-05 Procent CaCl, enthaltend) ausgespült hat, findet man die Pulse höher als mit gewöhnlicher Ringer’scher Lösung. Er- schöpften Herzen wird (wie auch Greene beobachtet hat) durch höheren Chlorcaleiumgehalt nicht geholfen. 0-7 procent. Kochsalzlösung mit 0.02 Procent Chlorkalium erhöhte bei dem durch einfache Kochsalzlösung äusserst geschwächten Froschherzen zunächst in mässigem Grade die Puls- frequenz, vermochte indess das Herz nur noch kurze Zeit in Thätigkeit zu erhalten. ° Wenn ich zu der vorgenannten Lösung 0-003 bis 0-012 Procent Natronbicarbonat setzte, so schlugen die meisten Herzen kräftiger. 0.7 proc. Kochsalzlösung mit 0.03 Procent Chlorkalium wirkte ausgesprochen un- günstig auf das durch Kochsalzlösung erschöpfte Herz. Das noch sehr schwach pulsirende Herz stand nach der Durchspülung mit der Chlor- natrium-Chlorkaliumlösung nicht selten sofort still. Wenn wir auch nicht behaupten können und wollen, dass das Chlor- kalium in der angewandten Dosis auf ein frisches mit Blut genügend versorgtes Herz giftig wirke, so ist seine Schädlichkeit für das ausgespülte, nur noch schwach pulsirende Herz doch nachweisbar. Howell meint, dass das Kochsalz nur der osmotischen Spannungsverhältnisse halber, das Chlor- calcium als contractionsanregendes Mittel und das Chlorkalium als er- schlaffendes, die Erregbarkeit des Herzmuskels herabsetzendes Constituens in der Perfusionslösung anwesend sein müsse. Die Bestimmung, die dem Chlorkalium zugeschrieben wird, würde an die Rolle erinnern, die im nervösen Apparat des Herzens dem Vagus zufällt. Den Beweis dafür, dass das Chlornatrium in der Lösung als indifferentes, nur die Isotonie her- stellendes Salz. anzusehen sei, bleibt uns Howell schuldig. Wir stimmen mit ihm überein, dass das Calcium stärkere und frequentere Pulsationen auslöst, halten uns aber keineswegs berechtigt, das Calcium nur als „Reiz- mittel“ zu bezeichnen. Entgegengesetzt den Resultaten, die Howell er- halten hat, sind die Ergebnisse, die wir über die Wirkung des Kali in der Spülflüssigkeit erhielten. Seitdem im Jahre 1863 von Bernard und Grandeau die Giftigkeit der in die Blutbahn gebrachten Kalisalze zuerst festgestellt worden, hat man die schädliche Wirkung des Kali auf das Archiv f£.A.u. Ph. 1901. Physiol. Abthlg. Suppl. 15 226 A. SCHÜCcKING: Herz genügend untersucht. Auffallend blieb, dass das kalireiche Blut das Herz nicht vergiftet. Die Blutzellen halten es fest und das Serum enthält nur 0.0323 Procent.! Die 2 bis 3s= Kali, die bei gemischter Kost täglich mit dem Harne ausgeschieden werden, stammen grösstentheils aus den zerfallenen Formbestandtheilen der Gewebe, namentlich aus den Muskelzellen und den gelösten Blutkörperchen. Mit einem Male in die Blutbahn gebracht, würde dieses Quantum an Kalisalzen den Tod herbeiführen. Beachtenswerth ist es, dass Zufuhr von Kalisalzen deren Ausfuhr sogleich entsprechend steigert. KCU nu nananannnanäant dann nanan anna NAnAMNAMN/NANAANMINANTA u—- Fig. 1. Froschherzkammer nach vielstündiger Ausspülung mit 0-6procent. NaCl-Lösung (N). Am Schlusse (links) wird das Herz mit obiger Kochsalzlösung, der 0-03procent. KCl beigemengt war, gefüllt. (Alle Curven sind von rechts nach links zu lesen.) Meine Versuche zeigten, dass das Kali in der Spülflüssigkeit weder noth- wendig, noch nützlich ist. Es übt unzweifelhaft eine erschlaffende Wirkung auf das Herz aus und kann, wenigstens beim frischen Herzen, dazu dienen, die erregenden Wirkungen zu grosser Calciumdosen auszugleichen. Das nahezu erschöpfte Herz wird durch minimale Dosen Kali getödtet. N.S. NS.+KCeL ZH Annan Ann AaMAN MAN A, MAMA A } NY\ IN IN N A fi nA | N ULAM NL AA ANAN \ IN ap | MILIEU) Y Fig. 2. Nach langer Reihe wechselnder Ausspülung Natriumsaccharat (NS). Sodann: Natrium- saccharat mit O-Olprocent. KCl. Nochmals die gleiche Perfusion, endlich reine NS- Lösung erfolglos. In der Perfusionslösung, die sich mir als beste erwies, bedurfte ich dieses Herzgiftes nicht mehr. Im Uebrigen habe ich mich davon überzeugen können, dass wir eine grosse Anzahl von Mischungen herstellen können, die ebenso geeignet sind, die Thätigkeit des nicht erschöpften Herzens zu unterhalten wie die Lösung Ringer’s. Ich habe z. B. mit einem Salzbrunnen (Pyrmonter Salzbrunnen), der 0-65 Procent Kochsalz, 0-06 Chlormagnesium, 0-05 schwefelsaures Natron, 0-04 schwefelsauren Kalk, 0-05 kohlensaures Natron, 0°07 kohlensauren Kalk enthält, nach Ent- fernung der Kohlensäure aus dem Wasser beim frischen Herzen ganz ähn- liche Wirkungen erzielt wie mit der Lösung Ringer’s bezw. Howell’s; I Vgl. Kronecker’s Vortrag auf dem Balneologencongresse zu Berlin. Deutsche med. Wochenschrift. 1882. Nr. 19. u uk 2 Wr u m WIRKUNG VON ALKALISACCHARAT-LÖSUNGEN AUF ISOLIRTE HERZEN. 227 dem erschöpften Herzen ist es ungünstig. Besonders nachtheilig wirkten andere von mir untersuchte Mineraiquellen, die grössere Mengen von schwefelsaurem Kalk enthalten. SB H NAnNnfn U! IN Lee UULLU le ie! Fig. 3. Schildkrötenherzkammerpulse zuerst mit Howell’s Lösung (H) pulsirend, sodann mit Pyrmonter Salzbrunnen (S.B.). Rückblick auf früher gebrauchte Perfusionsflüssigkeiten. Die Aufgaben, die bei der Zusammenstellung einer geeigneten Spül- flüssigkeit für das Herz berücksichtigt werden sollen, sind sehr verschieden- artig gestellt worden. Anstatt der früher von Magendie, Falck sen. u. A. angewandten Infusionen von reinem Wasser hatten Ranke (1865) und Kronecker (1868) Froschmuskeln mit 0-7 und 0-5 procent. Koch- salzlösung ausgespült. Bowditch füllte das Froschherz mit gummi- haltiger Kochsalzlösung (1871) und Kronecker wusch (1874) Frosch- herzen mit O-6procent. Kochsalzlösung aus. Cohnheim durchspülte die Gefässe des Kaninchenohres mit 0-5 procent. Kochsalzlösung, ohne Oedem zu erhalten (1872). Er injieirte sodann mit Lichtheim (1877) Hunden und Kaninchen, denen kein Blut entzogen war, durch die Vena jugularis ausserordentlich grosse Mengen (bis 92 Procent des Körpergewichtes) einer 0-6 procent. blutwarmen Kochsalzlösung, ohne Hautödem zu erhalten. — Nach Angabe Kronecker’s und seiner Mitarbeiter wirken anorganische Spülflüssigkeiten nur dann erholend, wenn sie die Reste der Nährflüssig- keit verwerthbar machen und lähmende Kohlensäure binden. Gaule glaubte nachweisen zu können, dass alkalische Salze Nährmittel seien. Martins fand Zusatz von 0.003 bis 0-005 Natriumcarbonat nützlich, 0°005 Natriumhydrat dagegen schädlich, während Gaule diese Mischung als die günstigste bezeichnete. Heffter hielt — wie Bowditech — eine gewisse Viscosität der Flüssigkeit nützlich. Ringer verlangte speciell die Reizwirkung des Caleium.! Ausserdem führte er das Kalium als ! Neuerdings zieht er dem Chlorcaleium dreibasisches Caleiumphosphat vor. 15* 228 A. SCHÜCKING: Bestandtheil der Lösungen ein und legte besonderen Werth auf die Rein- heit des destillirten Wassers und der gebrauchten Salze. Da das Absterben des Herzens durch CO,-Vergiftung bewirkt wird, so bemühte ich mich, eine Perfusionslösung aufzufinden, die das Herz durch chemische Bindung der Kohlensäure von dieser befreit. Für die Kohlensäurebindung sind die Globulin-Alkaliverbindungen von grösster Bedeutung. Die Globuline, die, wenn auch schwache Säuren, die Kohlensäure austreiben, aber auch selbst von grösseren Aequivalent- mengen dieser ausgetrieben werden können, sind in ausgespülten Herzen jedenfalls nur in verdünnten Resten enthalten. Man kann sich vorstellen, dass die in unmittelbarer Berührung (in den feinsten Spalten) mit dem Herzmuskel befindlichen Globulintheilchen durch die vom Plasma gebildete Kohlensäure gefällt und darum fester gehalten als die kräftigende Lösung von Serumalbumin. Wenn aber alkalisches Perfusionswasser die Nieder- schläge des Globulins gelöst hat, kann diese den Herzmuskel wieder er- nähren. In der That hat ja Saltet nachgewiesen, dass das bluthaltige ermüdete Froschherz wieder leistungsfähig wird, wenn man seinem Inhalte die giftige Kohlensäure durch Na,CO, entzogen hat. Andererseits hat Martius gezeigt, dass ausgewaschene Herzen auch durch schwach alkalische Lösungen geschädigt werden, wie Kronecker und Sander schon bei ihren lebenrettenden Infusionen bemerkt hatten. So blieb also das unangenehme Dilemma: Entweder die schädliche CO, zum grossen Theile im Gewebe zu lassen, oder das Gewebe durch das Ent- giftungsmittel zu schädigen. Blut und Serum freilich befreien das durchströmte Gewebe sehr voll- kommen von der CO,. Man darf dabei verhindern, dass O zugeführt wird (McGuire). So kann man die Leistungsfähigkeit wieder herstellen. Aber dabei führt man Nährmittel zu und vermag deshalb nicht zu entscheiden, welchem Factor die günstige Wirkung zuzuschreiben ist. Hier scheinen nun die Alkali-Saccharate und Fructosate beweis- kräftig zu wirken. In ihnen fand ich die gesuchten, durch Kohlensäure leicht zersetzbaren, in Lösungen dennoch genügend beständigen und im Uebrigen nicht deletär wirkenden Verbindungen, deren Alkali in ähnlicher Weise, wie das Alkali der Globulinverbindungen, von zutretender Kohlen- säure mit Beschlag belegt wird. Die Alkali-Saccharate und Fructosate sind, mit Ausnahme des im Handel vorkommenden und für unsere Zwecke unbrauchbaren Calciumbisaccharats, bisher weder pharmakologisch noch physiologisch untersucht worden. Das ! Die betreffenden Präparate habe ich von den chemischen Fabriken von de Haön in Hannover und E. Merck in Darmstadt herstellen lassen. Nur sorgfältigst gereinigte Präparate dürfen gebraucht werden. WIRKUNG VON ALKALISACCHARAT-LÖSUNGEN AUF ISOLIRTE HERZEN. 229 Natriumsaccharat hat nach Lippmann folgende Formel: C,H, NaO,,- Durch Fällen einer alkoholischen Zuckerlösung mit concentrirter Natron- lauge erhält man dies Alkalisaccharat: eine gelatinöse, nicht süsse, in Wasser, Zuckerwasser und Weingeist lösliche, in starkem Alkohol unlösliche Verbindung, welche viele Körper, z. B. zahlreiche Metalloxyde erheblich III) || Li — Fig. 4. Froschherz mit CINa-Solution (N) geschwächt, mit 2 Natrium-Calciumsaccharat- perfusionen erholt. zu lösen vermag und durch Kohlensäure in Zucker und Alkali- carbonat zerlegt wird. Auch der elektrische Strom zersetzt diesen Körper. Im Uebrigen zeigen die Alkalisaccharate auch in verdünnten Lösungen grosse Beständigkeit, worauf schon ihre hohe Bildungswärme hin- weist. Versetzt man nämlich 100° m einer 50 procent. Zuckerlösung bei M.CS. NGS. i II ii IN | | ||) \ I, | BL Fig. 5. Froschherz in etwas vorgeschrittenem Ermüdungsstadium. Natrium-Caleiumsaccharat (NCS) wirksam, Howell’s Lösung (H) unwirksam. 20° C. mit 500°: m Natronlauge vom speeifischen Gewicht 1-4, so steigt die Temperatur auf 38°C. Wir geben hier noch die Darstellung des Natriumsaccharats durch Pfeiffer und Tollens wieder: „Je 5s" Rohr- zucker wurden in 25 °® Wasser gelöst, mit 0.7 &” Natrium als Alkoholat zersetzt und mit Alkohol gefällt und zwar 3 bis 5 bis 7 Mal.“ Das Natriumfructosat C,H,,NaO, erhält man aus absolut alkalischer Fructoselösung und Natriumäthylat bei 50°, als weissliche, zerreibliche, sehr zerfliessliche Masse. Für das Froschherz ist in der Perfusionsflüssigkeit das Calcium- saccharat erheblich günstiger als das Chlorcalcium. Von den verschiedenen Caleiumsaccharaten erwies sich am förderlichsten für Erhaltung der Herz- 230 A. SCHÜCKING: energie das Caleiummonosaccharat. Seine Formel ist C,,H,,Ca0 + 2H,O. Wenn man es vorsichtig trocknet, verliert es bei 100° C, sein Krystall- wasser. Versuche mit dem Doppelsalze: Chlornatriumsaecharat, dessen Formel C,,H,,ONaCl + 2H,O lautet, ergaben bisher kein positives Resultat, sollen indessen noch fortgesetzt werden. N.G.S. | Mn Nn nnnn Ti IININ II, mn Val IM || ll |! Vu br INN Ian N Fig. 6. Schildkrötenherz, zuerst mit Natrium-Caleiumsaccharatlösung, dann mit Howeile Lösung durchspült. Als günstigste Perfusionslösung erwies sich 0-7 procent. Kochsalzlösung mit Zusatz von 0-025 bis 0.035 Procent Natriumsaccharat, 0-025 bis 0.035 Procent Calciumsaccharat oder eine 0-7 procent. Kochsalzlösung mit Zusatz von 0:04 bis 0.05 Natriumfruetosat und 0025 bis 0-035 Cal- ciumsaccharat. Mit der schwächsten Lösung ist zu beginnen. |j"** 1 | | IN] IN) | ) MW I Ih Fig. 7. Froschherz, zuerst mit Ringer’s (R), sodann mit Natriumsaecharatlösung durchspült. Ich habe die erwähnten Lösungen vielen Herzen von Fröschen, Kröten, Schildkröten und vier Katzenherzen perfundirt. Sowohl frische als auch erschöpfte Herzen werden von den Saccharat- und Fructosat- Lösungen günstiger beeinflusst als von irgend welchen anderen bisher angewandten Lösungen. Besonders bemerkenswerth war ihre belebende Wirkung auf scheinbar völlig erschöpfte Herzen. Solche wurden durch eine Lösung von 0-025 bis 0-035 Procent Natriumsaccharat ohne Cal- ciumsaccharat in 0-7 procent. Kochsalzwasser günstiger beeinflusst als durch Ringer’s oder Howell’s Modification. Wiederholt konnte ich Froschherzen, die bereits einen Tag und eine ganze Nacht im Kochsalzwasserbade gelegen hatten und anscheinend abgestorben waren, mit der Natriumsaccharat-Koch- WIRKUNG VON ALKALISACCHARAT-LÖSUNGEN AUF ISOLIRTE HERZEN. 231 salzlösung! zu Pulsationen befähigen und sodann noch einen ganzen Tag zu Experimenten verwenden, ohne der Spülflüssigkeit Blut zusetzen zu brauchen. Einmal fand ich eine an einer Mastdarmgeschwulst wahrscheinlich am Tage zuvor gestorbene Schildkröte. Das freigelegte Herz schlug nicht mehr und hatte ein graubläuliches Aussehen. Als ich das Herz ausgeschnitten und seinen Venensinus mit einer Canüle versehen hatte, machte es die ersten schwachen Zuckungen. Ich spülte nunmehr mit Howell’s Flüssig- keit aus. Die sehr schwachen Pulsationen blieben schwach. Ich per- fundirte nunmehr meine Lösung. Sogleich traten Pulse ein, die bald grösser Fig. 8. Herz einer an Mastdarmgeschwulst Tags zuvor gestorbenen Schildkröte, durch Ringer’s Lösung (R) nicht belebt, schlägt mit Zucker-Salzlösung (NCS). wurden. So konnte dieses Herz ohne Zuleitung von Blut oder Serum noch etwa 12 Stunden am Leben erhalten werden. Möglicher Weise würde ich das Herz noch länger schlagend erhalten haben, wenn ich nicht wiederholt Ringer’s Lösung für Vergleichsdurchspülungen eingeschoben hätte. Letz- tere liess die Pulse stets fast bis zum völligen Verschwinden sinken, „Alkalisaccharatlösung“ wieder in minderem Grade steigern. 1] IL | M.CS. N are Fig. 9. Froschherzventrikel mit Howell’s Lösung (H) durchspült und mit wiederholten (III) oder einfachen (I) Stössen zu Pulsen veranlasst. Nach Perfusion von Na-Ca-Saccharat- solution (NCS) spontane hohe Pulse. Die Herzkammer von Frühlingsfröschen (April) fanden wir besonders reizbar. Howell’s Lösung (H) tonisirte die wiederholt damit durchspülte Herzkammer. Dieselbe war aber dabei nur schwer erregbar. Starke - einfache (I) oder wiederholte (III) mechanische Reize lösten einzelne Pulse aus. Wenn danach Natrium-Caleium-Saccharat-Kochsalzlösung (NCS) durch 1 0-04 sm Natriumsaccharat, 0:04 em Caleiumsaccharat und 0-7 sem Chlornatrium in 100 em Wasser. 232 A. SCHÜCKING: das Herz geleitet worden war, so fing es spontan in grossen Schlägen zu pulsiren an. Wiederholte Durchleitungen dieser NCS-Lösung oder auch nur Natrium- Saccharat-Kochsalzlösung (NS) brachten das Herz zur Contractur, so dass sich auf die Krampfeurven die Systolen und unvollkommenen Diastolen aufsetzen. ‚N f I = IE, a nn nn Fig. 10. Froschherzventrikel mit Na-Sacch.-Na-Solution (NS), dann mit Howell’s Lösung (H), dann wiederholt mit NS durchspült. Mechanische einfache (T) oder wiederholte (II) Reize lösen einfache Systolen oder Pulsanfälle aus. “ Wenn man während dieses Zustandes den Abschlusshahn Öffnet, so sinkt der Gesammtdruck auf den Werth des Burettenniveau und nur die aufgesetzten kleinen Druckschwankungen täuschen kleine Gesammtpulse vor. Für diese Fälle geben die plethysmographischen Herzapparate unver- fälschte Curven. N Ill \ || U IM INN Il) IN) II Jun KU uU ua Inn N en il Inh | Fig. 11. Froschherzkammer zuerst 1. bis zur Erschöpfung mit Howell’s Lösung (H), sodann 2. bis zur Erschöpfung mit NCS ausgewaschen, worauf wiederholte Perfusion von mit Kochsalzlösung verdünntem Kaninchenblute (Bl) das Herz immer mehr kräftigt. Wenn Kochsalzlösung, sowie Ringer’s (Howell’s) Flüssigkeit (H) und Alkalisaccharatlösungen (NCS) das Herz nicht mehr zu kräftigen ver- mögen, so stellen bluthaltige Salzlösungen (Bl) die Herzenergie wenigstens theilweise wieder her. Reine Fructose bis zu 0-2 Procent den Alkalisaccharat- und Alkali- fructosat-Lösungen zugesetzt beeinflusste die Herzenergie nicht, in grösseren Mengen aber beschränkte Fructosezusatz die Dauer der Schlagfähigkeit des Herzens. WIRKUNG VON ALKALISACCHARAT-LÖSUNGEN AUF ISOLIRTE HERZEN. 233 Auch ohne Perfusion sah ich meine Lösung im Herzbade durch die Herzwand hindurch günstig wirken, Ähnlich wie Saltet im alkalischen Bade; ich fand aber, dass, wenn ein Bad von Ringer’s Lösung nicht mehr half, ein Alkalisaccharatbad noch das Froschherz belebte. Die vier Katzenherzen, deren Coronargefässsystem ich nach der früher (S. 222) beschriebenen Langendorff’schen Methode durchspült hatte, machten nach Perfusion mit der Alkalisaccharat-Kochsalzlösung eine Reihe ausgiebiger Pulsationen. Der Effect der Saccharate, den ich nur nach dem Augenschein (der event. mehr leisten kann als unvollkommene graphische Apparate) beurtheilt habe, übertraf die Wirkungen von Soda-Kochsalzlösung und Ringer’s Lösung. Nachdem Hamburger, Laschkewitz, Eykmann und Hedin nachgewiesen haben, dass die rothen Blutkörperchen nur in völlig mit dem Serum isotonischen Lösungen ihr Volumen unverändert behalten und die Isotonie erst durch eine Lösung von rund 9 pro Mille NaCl hergestellt wird, benutzte ich bei Warmblütern 0-7- bis O-Sprocent. Kochsalzlösungen. Nach meinen späteren Versuchen scheint es allerdings nicht gestattet, über den Chlornatriumgehalt des Serums hinauszugehen und vielmehr geboten, die Isotonie durch andere Zusätze herzustellen. Rudolf Virchow hat schon 1853 die Beobachtung gemacht, dass scheinbar abgestorbene Flimmerzellen in der Trachea menschlicher Leichen durch Alkalien wieder beweglich werden. Cantani hatte zur Infusion bei Cholerakranken eine Lösung von 4sm NaCl und 38m Na,CO, auf 1 Liter Wasser empfohlen. Solche Lösung reizt — wie Aronsohn fand — heftig die Nasenschleimhaut. Sie dürfte für die meisten Gewebe gefährlich sein. Samuel’s Lösung, die 68”® NaCl und 15m Na,CO, auf 1 Liter Wasser enthielt, wirkt nicht reizend, aber nicht besser als die O-6procent. Koch- salzlösung. Daher blieb man bei der 0.73procent. Kochsalzlösung. E. Schwarz hat lebenrettende Salzwasserinfusionen, wie sie Kronecker und Sander an Thieren ausgeführt, zuerst beim Menschen mit gutem Erfolge zur Rettung von acuten Anämien in der Hallenser Frauenklinik angewendet. Die in Vorstehendem mitgetheilten Untersuchungen sind durch die letzten Veröffentlichungen von Howell und Greene wesentlich ergänzt worden. Die Arbeiten bringen interessante Aufschlüsse über das Verhalten von Herzmuskelstücken der bunten Sumpfschildkröte (Öhrysemys picta), die nach den mitgetheilten Details ausserordentlich widerstandsfähig gegenüber gewissen anorganischen und organischen Lösungen zu sein scheint. Die Verfasser glauben sicher zu sein, dass solche Muskelstückchen, welche frischen oder von den Venen her ausgewaschenen Herzen entnommen und dann 234 A. ScHÜückıne: 1 bis 2 Stunden in O-7procent. Kochsalzlösung gebadet waren, kein Nähr- material mehr enthalten. Die Verfasser haben nicht den Ventrikel unmittelbar ausgewaschen; von den Vorhöfen aus ist es unmöglich, das Herz von Blut zu befreien. Das lehrte schon Kühne, welcher durch die Vena abdominalis eines Frosches herzwärts einen Tag lang Salzwasser fliessen liess und darnach rothe Blutzellen in der aus dem peripheren Venenende ausfliessenden Kochsalz- lösung sah. Schildkrötenherzen lassen sich auf solchem Wege noch schwerer erschöpfen als Frosch- oder Krötenherzen, weil die Schildkröten ein Coronar- gefässsystem besitzen, welches viel deutlicher ausgeprägt ist als das ganz rudimentäre (Hyrtl’s Venae bulbi cordis ant. et post.) bei den Fröschen und Kröten. Ausgeschnittene Herzstreifen, im Bade oder in der feuchten Kammer aufgehängt, halten unzweifelhaft in ihren Balkennetzen Blutreste zurück, wenn das Herz nicht zuvor unter Druck sorgfältigst ausgespült worden ist. Greene und Howell halten es für undenkbar, dass contractile Ge- webe lediglich auf Kosten der in ihnen zurückgehaltenen Nährflüssigkeit mehrere Tage energisch thätig sein können. Dazu müssten sie von ihrem eigenen Stoffe zehren. Greene und Howell glauben, dass die Muskel- arbeit ausschliesslich auf Kosten einer im Muskelgewebe vorhandenen „con- tractilen Substanz“ geschieht. Sicherlich können durch grosse oder lange Arbeiten Muskeln abge- nützt werden, gerade so wie Maschinentheile und wie Kronecker (1870) mehrere Tage lang gereizte Schenkelmuskeln lebender Frösche wachsartig degenerirt fand; aber es wäre doch unverständlich, weshalb mit unschäd- lichen Lösungen ausgewaschene Muskeln ihre Leistung einstellen sollten, wenn ihre in unveränderter Structur vorhandenen Gewebe die Leistung bestreiten könnten; und weshalb sollten sie ihre Leistungsfähigkeit wieder gewinnen, sobald wir ihnen Nährmaterial zuführen? Man kann doch un- möglich annehmen, dass es in wenigen Secunden „Organeiweiss“ wird. Auch kann man die Kochsalzlösung nicht als schädliche Flüssigkeit be- trachten, denn es genügt ja, ihr wenig Blut zuzusetzen, um sie ernährend wirken zu lassen. Greene fragt, weshalb das Herz sich nicht so verhalten könne wie jeder andere Muskel, der zugestandener Weise („admittedly“) auch auf Kosten seiner contractilen Substanz zu arbeiten fähig sei. Wer hat dies bewiesen? Viele Beobachtungen lehrten, dass Muskeln ihre Leistungsfähig- keit bald verlieren, lange bevor sie in ihrer Structur leiden. Lukjanow konnte nicht länger als 15 Minuten den vom Blut abgesperrten Muskel zur Contraction anregen. Kronecker zeigte in seiner Ermüdungsarbeit (1871), dass ermüdete Muskeln nicht durch Kochsalzlösung, wohl aber durch Blutperfusion zu weiterer Leistung befähigt werden. J. Brinck fand in WIRKUNG VON ALKALISACCHARAT-LÖSUNGEN AUF ISOLIRTE HERZEN. 235 London, dass Froschschenkelmuskeln im Kochsalzbade wie Herzen sich ver- halten, und Zabludowski wies nach, dass ermüdete Muskeln nach Massage viel leistungsfähiger sind, als nach gleich langer Ruhe. Greene glaubt die Richtigkeit seiner Anschauung durch eine Berechnung beweisen zu können, die er über die Arbeitsleistung von drei Streifen von Schildkröten- herzkammern angestellt hat. Er maass in Grammcentimetern die geleistete Arbeit, sodann das Energieäquivalent derselben und vergleicht dieses mit dem Wärmewerth des zur Verfügung stehenden Nährmaterials. Unter der von ihm beliebten Voraussetzung, dass 10 Procent der vom Muskel auf- gewendeten Energie in Form von mechanischer Arbeit erscheine, hat Howell 1854 den Gehalt an Serumalbumin in 5° Schildkrötenserum auffallend niedrig zu 0-69 Procent gefunden, während er 4-66 Procent Paraglobulin nachweisen konnte. Berücksichtigen wir nur das Serumalbumin, so müssten die Muskelstreifen 9 bis 13 Procent Blut enthalten haben, um nach Greene’s Berechnung den Arbeitsbedarf zu decken. Howell fand im Mittel von seinen Bestimmungen des Gesammteiweiss im Schildkrötenserum 5.39 Proc. Wenn man diese Menge als Arbeitsmaterial nach Greene’s Schätzungen verwerthbar annimmt, so brauchte man nur vorauszusetzen, dass etwa 1-3 Procent des Herzmuskelgewichtes als Serum in den Spalten stecke, um die Arbeit damit zu decken. Nirgends hat aber ein Mitarbeiter von Kronecker gesagt, dass einzig das chemisch bestimmbare Serumalbumin dem Herzmuskel die Arbeits- energie zu liefern befähigt sei. Julia Brinck hat nach Hammarsten’s Vorschrift Serumalbumin aus Blutserum dargestellt und fand (S. 22): „Diese Lösung ernährte das Froschherz nicht.“ Schon v. Ott hatte künstliches Serumalbumin von den besten Bezugsquellen unwirksam gefunden wie „Globulin und Paraglobulin“. Brinek kam zu dem Schlusse, „dass durch die physiologische Reaction auf Serumalbumin, nämlich durch die Eigenschaft dieses Eiweisskörpers, Muskeln leistungsfähig zu machen, dasselbe besser charakterisirt wird als durch die üblichen chemischen Prüfungsmittel“. In den Arbeiten meiner Vorgänger sind alle genuinen Eiweiss- körper des Serum, der Lymphe und Milch unter dem Namen Serum- albumine zusammengefasst worden, und es gilt der Begriff (wie Sallet fand) sogar nur für frisches oder kurz zuvor getrocknetes Serum. Die Grundlagen von Greene’s Berechnungen sind überhaupt un- annehmbar. Zunächst hat Greene gar nicht nachzuweisen gesucht, dass der von ihm gefundene Gewichtsverlust der gearbeitet habenden Herz- streifen der contractilen Substanz oder überhaupt festen Theilen zuzu- schreiben ist. Wir haben zu ermitteln gesucht, wie viel feste Substanz die Herzkammer einer handgrossen Schildkröte (Testudo graeca) enthält. Unsere 236 A. SCHÜCKING: Wägungen ergaben folgendes Resultat: Gewicht des contrahirten auf- geschnittenen, von anhängenden Tropfen befreiten Ventrikels = 0-6731 sm; Gewicht des bei 90 bis 100° C. getrockneten Ventrikels = 0-1003 sm, Die festen Theile machen also nur ?!/g.ı der feuchten Herzkammer aus. Da die Muskeln der Kaltblüter ungefähr 80 Procent Wasser enthalten, also nur !/, feste Theile, und hiervon die Hüllen, die Kerne, die Endothel- zellen, die doppelbrechende Substanz, die nervösen Theile und die Salze als jedenfalls unverwerthbar für die Muskelarbeit abgehen, so darf man wohl getrost annehmen, dass das schwammige Gewebe (man vergleiche Gompertz’ schöne Abbildungen der Froschherzmuseulatur) so viel „eir- culirendes Eiweiss“ in seinen Spalten birgt, wie möglicher Weise verwerth- bares „Gewebseiweiss“ (Voit). Greene giebt an, dass seine Muskelstreifen während ihrer Arbeit in Ringer’s Lösung etwa !/, ihres Gewichtes eingebüsst hätten. Seine Be- funde will ich nicht bezweifeln, aber dieser Verlust kann sich unmöglich auf feste Substanz, geschweige denn auf contractile Substanz beziehen. Wenn er also die Annahme, die Serumalbumine dienen als Kraftspender, für absurd hält, so führt sein Satz: The terapin’s heart contracts at the expense of an antecedent contractile substance stored up in its own tissue (S. 121) erst recht „to an absurdity“ (S. 119). Nebenbei bemerkt, beruht seine Berechnung der Arbeit seiner Streifen auf fehlerhafter Voraussetzung. Das eine Gramm, welches seine Streifehen heben, hängt als Belastung, nicht als Ueberlastung (Helmholtz) an dem Muskel, dehnt ihn also. Die Reihe der Zuckungen, welche niedriger sind als die Dehnungsgrösse, braucht also der Muskel nur mit der Energie, welche weniger als 1 "= überwindet, auszuführen und zwar wird das zu hebende Gewicht desto kleiner, je weniger er es hebt. H. Kronecker hat in seiner Ermüdungsarbeit das Verhältniss genau besprochen und nachgewiesen, dass unter der Voraussetzung voll- kommener Elasticität des Muskels die Ermüdungsgesetze auch für die Con- tractionen im Dehnungsbereiche gelten. Es ist also die von Greene an- gegebene Arbeitssumme zu gross; um wie viel, liesse sich nur ermitteln, wenn man wüsste, wie viel ein Gramm jene Muskelstückchen gedehnt hat und diese Muskelstreifehen können, wie Greene Nevori-Din gar nicht ent- fernt als parallelfaserige angesehen werden. Ich darf die bisher erhaltenen Resultate in folgende Sätze zusammen- fassen: 1. Im Herzen der untersuchten Kaltblüter (Frosch, Kröte, Schildkröte) existirt ein Capillarspaltensystem, in dem ein Theil des Blutes, ähnlich wie in den Capillaren der Warmblüter, festgehalten wird. 2. Aus der Spitze des Herzens wird das Blut durch den Strom der Per- fusionscanüle nicht völlig verdrängt, ausser wenn man das Herz verkehrt WIRKUNG VON ALKALISACCHARAT-LÖSUNGEN AUF ISOLIRTE HERZEN. 237 aufgehängt hat. Dann fliessen die durch jede Systole ausgepressten Blut- reste zur Mündung der Canüle und werden ausgewaschen. So kann man das Herz ziemlich schnell erschöpfen. 3. Auch nach vielstündigem Auswaschen oder Tage langem Baden von Froschherzen kann man noch Blutkörperchen in den Spalten sehen. Noch weniger möglich ist es, die letzten Blutkörperchen oder Plasmareste aus dem Üoronarkreislaufe der Säugethierherzen zu entfernen. 4. Serum erhält in hoher Verdünnung (bis !/,,) Froschherzen noch schlagfähig, falls günstige Salzlösungen es verwerthbar halten. 5. Besser als alle bisher untersuchten Salzlösungen wirken Alkali- saccharate mit physiologischer Kochsalzlösung (0-25 bis 0-35 pro mille Cal- ciumsaccharat + 0-25 bis 0-35 pro mille Natriumsaccharat oder + 0-4 bis 0.5 pro mille Natriumfructosat). Auch mit diesen Lösungen aber konnte das Herz, von seinen Nährmitteln befreit, unfähig zur Arbeit werden. 6. So völlig ausgewaschene Herzen können oft nicht mehr durch Blut oder Serum wieder schlagfähig gemacht werden. 7. Die wichtigsten Eigenschaften einer geeigneten Perfusionslösung sind: Isotonie und das Vorhandensein von alkalischen kohlensäurebindenden Substanzen. Im Blut wird die letztere Aufgabe in erster Reihe von den Globulin-Alkaliverbindungen erfüllt. Zusätze von Natronbicarbonat und -carbonat oder von Spuren von Natronlauge können diese Wirkung der Globulinalkaliverbindungen nicht ersetzen. 8. Kalium wirkt auf das erschöpfte Herz ungünstig ein, sollte daher in Perfusionslösungen keine Verwendung finden. 9. Eine möglichst vollkommene Ergänzung der Globulin-Alkaliverbin- dungen bieten die Alkali-Saccharate und Fructosate, da sie leicht dissociabel, in Lösungen beständig und unschädlich sind und durch Kohlensäure in Zucker und Alkalicarbonate zerlegt werden. Die an Kalt- und Warmblüterherzen angestellten Beobachtungen haben diese Annahme in vollem Maasse bestätigt. 10. Stärkere Alkalisaccharat- und Fructosatlösungen reizen das ausge- waschene Herz oft bis zur Contractur, von der es aber erholt werden kann. Mit wenig Blut regen die Saccharate und Fructosate häufige kraftvolle Pulse an. 11. Zusatz von Fructose zu den Alkalifructosatlösungen bis zu 0°2 Proc. beeinflusst bei Kaltblütern die Herzpulsationen nicht. Grössere Zusätze von Fructose beschränken die Dauer der Schlagfähigkeit des Herzens. Zum Schluss möchte ich Hrn. Professor Kronecker für gütige Unter- stützung bei dieser Arbeit, sowie den Herren Prof. Friedheim, von Lipp- mann, Heffter und Dr. Lenz für freundliche Rathschläge meinen herz- lichsten Dank ausdrücken. 238 A. ScCHÜCKING: WIRKUNG VON ALKALISACCHARAT-LÖSUNGEN U. $.W. Litteraturverzeichniss. Aubert, Hermann’s Handbuch der Physiologie. Bd. IV. 8. 371. Aubert und Dehn, Pflüger’s Archiv. 1872. 8. 153. Brinck, Zeitschrift für Biologie. 1889. Bd. XXV. N.F. Bd. VII. S. 453. H. Busch, Pflüger’s Archiv. Bd. LXXIU. S. 535. J. Cohnheim und Lichtheim, Virchow’s Archiv. 1887. Bd.V. 8.69. O.Cohnheim, Die Eiweisskörper. 1900. E. v. Cyon, Methodik der physiologischen Experimente. Giessen 1876. S. 134. Dastre et Loye, Arch. de Physiol. 1888. p. 93. Th. W. Engelmann, Archiv für die gesammte Physiol. 1875. Bd. XI. 8. 415. Gaule, Dies Archiv. 1878. Physiol. Abthlg. S. 291. Gaupp, Anatomie des Frosches. 1896. Gompertz, Dies Archiv. 1884. Physiol. Abthlg. Greene, Amer. Journ. of Physiol. 1898. Vol.I. p. 86. A. Gürber, Sifzungsber. der Würzburger physiol.-med. Ges. 1895. Bd. V. H. J. Hamburger, Zeitschrift für Biologie. Bd. XXVIIL — Dies Archiv. 1894. Physiol. Abthlg. Hayem, Presse medicale. 1896. p. 661. A. Heffter, Archiv für experimentelle Pathologie. 1891. Bd. XXIX. S. 41. Howell, Amer. Journ. of Physiol. 1898. Vol. II. p. 47. Kronecker und Stirling, Beiträge zur Anatomie und Physiologie. Festschrift für Ludwig. 1875. 8. 173. Kronecker, Zeitschrift für Biologie. 1897. C. Lehmann, Loewy und Zuntz, Pflüger’s Archiv. Bd. LVIL. v. Lippmann, Chemie der Zuckerarten. 1898. Marey, Methode graphique. F. Martius, Dies Archiv. 1882. Physiol. Abthlg. S. 543. Merunowicz, Arbeiten aus der physiolog. Anstalt zu Leipzig. 1875. 8. 252. O. Nasse jun., Anatomie und Physiologie der quergestreiften Muskelsubstanz. Leipzig 1882. S. 82. v. Ott, Dies Archiv. 1883. Physiol. Abthlg. 8.1. Popoff, Zeitschrift für Biologie. 1889. Bd. XXV. N.F. Bd. VII. S. 427. Ringer, Journ. of Physiol. 1883. Vol.IV. p. 39. Samuel, Die subeutane Infusion als Behandlungsmethode der Cholera. Stutt- gart 1883. E. Schwarz, Habilitationsschrift. Halle 1881. R. Virchow, Virchow’s Archiv. 1853. Bd. VI. Wiedersheim, Vergleichende Anatomie der Wirbelthiere. 1883. Schücking, Verhandlungen der naturwissensch. Gesellsch. zu Bern. 189. Ueber die normale und pathologische Architectur der Knochen. (Nach einem, mit Demonstration von Projectionsbildern, am 14. Juni 1901 in der Berliner physiologischen Gesellschaft gehaltenen Vortrag.) Von Dr. Julius Wolff, a. 0. Professor der Chirurgie und Geh. Medicinalrath zu Berlin. Bei den Erörterungen, welche in der neueren Litteratur der Lehre von den Wechselbeziehungen zwischen der Form und der Function der Knochen, insbesondere der Lehre von der functionellen Knochengestalt und von der Transformation der Gestalt und Architeetur der Knochen unter abnormen functionellen Verhältnissen zu Theil geworden sind, hat der grösste Theil der betreffenden Autoren viel zu wenig auf die Präparate Bezug genommen, aus deren Untersuchung ich jene Lehre hergeleitet habe, und an welche sich meine Darlegungen überall eng und direct angeschlossen haben. Unter solchen Umständen ist es mir wünschenswerth erschienen, die zum Theil von mir bereits in der Berliner medicinischen Gesellschaft! und auf der Aachener Naturforscherversammlung ? demonstrirten Projections- bilder meiner Präparate bezw. der Röntgenaufnahmen dieser Präparate heute auch der physiologischen Gesellschaft zu zeigen. Die Demonstration ist mir auch deswegen besonders wünschenswerth erschienen, weil die Projectionsbilder das Meiste von dem, worauf es mir bei meinen Darlegungen ankommt, noch schärfer erkennen lassen, als dies durch die bildlichen Reproductionen der Präparate, welche sich in den von mir veröffentlichten Arbeiten befinden, geschieht. 1 J. Wolff, Bemerkungen zur Demonstration von Röntgenbildern der Knochen- architeetur. Berliner klinische Wochenschrift. 1900. Nr. 18 u. 19. ? Derselbe, Ueber die Wechselbeziehungen zwischen der Form und der Func- tion der einzelnen Gebilde des Organismus. Leipzig 1901. 240 JULIUS WOLFF: Die ersten beiden Bilder zeigen neben einander die Architectur des coxalen Femurendes auf dem Röntgenbilde eines frontalen Längsfournier- blattes, und die Zeichnung, welche bekanntlich Culmann’s Schüler, ohne die Architeetur des Oberschenkels zu kennen, für einen dem Oberschenkel ähnlich geformten und ähnlich belasteten Krahn gezeichnet haben. Ich benutze die erneute Demonstration dieser Figuren, um einen Ein- wand zu besprechen, der neuerdings wieder gegen die Annahme erhoben worden ist, dass die in Fig. 1 zur Erscheinung kommende Gesetzmässigkeit Fig. 1. der Anordnung der Spongiosabälkchen auf die in Fig. 2 gezeichneten Tra- jectorien zurückzuführen sei. Nachdem der bereits 1892 von Zschocke! gegen die Auffassung Culmann’s erhobene Einwand, nach welchem im Innern des Knochens keinerlei Zugwirkungen vorkommen sollen, die Knochensubstanz vielmehr überall nur Druckspannungen auszuhalten haben solle, durch Roux? und mich? als völlig unrichtig erwiesen worden war, ist der Techniker Prof. ! Zschocke, Untersuchungen über das Verhältniss der Knochenbildungen zur Statik und Mechanik des Vertebratenskelets. Zürich 1892. ” Roux, Gesammelte Abhandlungen zur Entwickelungsmechanik der Organismen. Leipzig 1895. Bd.I. 8. 211. ® J. Wolff, Die Lehre von der functionellen Knochengestalt. Virchow’s Archiv. 1899. Bd. CLV. S. 307, 309. DIE NORMALE. UND PATHOLOGISCHE ARCHITECTUR DER KNOcHEn. 241 Mohr in Dresden mit einem neuen Einwande gegen die Richtigkeit der Culmann’schen Entdeckung hervorgetreten. Mohr hatte sich schon im Jahre 1885 in seiner Arbeit über die „Theorie des Fachwerkes“! hinsichtlich der „Berechnung der Träger mit vollerWand‘“folgendermaassen geäussert: „Eine genaue Bestim- mung der Deformationen der Träger mit voller Wand, ins- besondere der Blechträger, bie- tet unüberwindliche Schwierig- keiten. Die Blechwand ist fast niemals homogen, sondern sie besteht aus der eigentlichen Wand und den Versteifungs- ständern, welche namentlich an den Lastpunkten nothwen- die sind. Jene Ständer bilden mit den Gurtungen viereckige Rahmen oder Fächer, deren Verschiebung durch die Blech- wand verhindert werden soll. Bei der Deformation wider- steht die Blechwand in der einen Diagonale eines jeden Faches auf Zug und in der anderen auf Druck, und in der Regel wird aus nahe- liegenden Gründen der zuerst genannte Widerstand über- wiegen. Der Vorgang ist je- doch so verwickelt, dass er durch die Rechnung nicht genau verfolgt werden kann, ‚fi : und jedenfalls ergiebt die auf Fig. 2. die gebräuchliche Biegungs- theorie eines homogenen Balkens basirte Berechnung der Spannungen und Deformationen auch nicht einmal ein angenähertes Bild der Wirklichkeit. ! Mohr, Beitrag zur Theorie des Fachwerkes. Der Civilingenieur. Jahrgang 1885. Heft 5. Archiv f. A.u. Ph, 1901. Physiol. Abthlg. Suppl. 16 242 JULIUS WOLFF: Es hat daher keinen Werth, auf dem bezeichneten Wege ebenso lange wie unrichtige Formeln abzuleiten. Auf kürzerem Wege wird man ohne Zweifel ein genaueres Resultat erzielen, wenn man für den Zweck der Berechnung der Deformationen und der statisch nicht bestimmbaren Auflagerdrücke den Blechträger in ein Fachwerk verwandelt, indem man die den Gurtungen und den Versteifungsständern zunächst liegenden Blechstreifen mit diesen Constructionstheilen zu Fachwerkstäben vereinigt und einen Theil — etwa die Hälfte oder zwei Dritttheile — des Restes der Blechwand eines jeden Faches zu einem Diagonalstabe umformt.“ „In den meisten Fällen wird die Deformation der Füllungstheile eines solchen Fachwerkes wegen der verhältnissmässig grossen Querschnitte der- selben einen verschwindend kleinen Einfluss auf das Resultat der Rechnung ausüben und daher vernachlässigt werden dürfen.“ „Aus einer Mittheilung der Zeitschrift für Bauwesen (Jahrgang 1884, S. 375) ist zu ersehen, dass das hier angedeutete Verfahren bei der Be- rechnung der Brückenträger für die Berliner Stadtbahn bereits angewendet worden ist.“ Den hier dargelegten Umstand nun, dass unorganische Versuchskörper „eine Deformation“, — und zwar, wie Lüders, Kirsch, Mohr selbst, Hartmann u. A. gezeigt haben, durch „Gleitung grösserer Massentheile entlang der Richtung der sogenannten ‚Fliesslinien‘“! erleiden, und den weiteren Umstand, dass „beim Knochen niemals der compacte und wenig- stens einigermaassen homogene Körper gegeben ist,“ in dem — wie Mohr glaubt — „sich die typischen Spannungsrichtungen entwickeln könnten“, hat Mohr — so berichtet zunächst Gebhardt? nach einer ihm zugegangenen brieflichen Mittheilung Mohr’s — „sogar als einen Gegengrund gegen die Culmann’sche Auffassung der Knochen-Architectur em- pfunden“, ! Die an einem gleichartigen Körper nach Ueberschreiten der Elasticitätsgrenze zu beobachtenden Formveränderungen erstrecken sich nicht auf die kleinsten Theile des Körpers. Sie bestehen vielmehr darin, dass Körpertheile von endlicher Ausdehnung in zwei Gruppen von Gleitschichten sich gegen einander verschieben.. Die Spuren dieser Gleitschichten an der Oberfläche des Körpers bilden die Fliessfiguren. Vgl. Hartmann, Distribution des deformations dans les mefaux soumis a des efforts. Paris et Nancy 1896, ferner Kirsch, Beitrag zum Studium des Fliessens. Mittheilungen aus den kgl. technischen Versuchsanstalten zu Berlin 1887—1889, und Mohr, Welche Umstände bedingen die Elastieitätsgrenze und den Bruch eines Materials? Zeitschroft des Vereins deutscher Ingenieure. 1900. Jahrgang XLIV. 2. Hälfte. S. 1524 ff. u. S. 15728. ® Walter Gebhardt, Ueber functionell wichtige Anordnungsweisen der gröberen und feineren Bauelemente des Wirbelthierknochens. Roux’ Archiv für Entwickelungs- mechanik der Organismen. 1901. Bd. XIL 8.191. DIE NORMALE UND PATHOLOGISCHE ARCHITECTUR DER KNOocHEn. 243 Alsdann hat Hr. Geheimrath Mohr auf meine an ihn gerichtete Bitte, sich genauer über die Culmann’sche Entdeckung der Uebereinstimmung des Verlaufes der Spongiosabälkchen mit den Richtungen der Spannungs- trajectorien im Oberschenkelähnlichen Krahn zu äussern, die Güte gehabt, seine Stellung zur Culmann’schen Entdeckung in mehreren an mich ge- richteten Briefen ausführlich zu erörtern. Zugleich hat mir derselbe freund- lichst die Genehmigung zur Veröffentlichung dieser seiner brieflichen Mit- theilungen ertheilt. „Kurz vor der Veröffentlichung meines Aufsatzes über die Theorie des Fachwerkes“ — so heisst es in dem ersten Schreiben vom 13. Julid. J. — „war von verschiedenen Seiten versucht worden, die Formveränderungen, insbesondere die Druckbiesungen der im Brückenbau verwendeten Blech- balken auf Grund der Theorie, die auch in den Culmann’schen Trajectorien zum Ausdruck kommt, genau zu berechnen. Ich hielt einen solchen Versuch für aussichtslos, weil die Versteifungsständer, welche die dünnen Blech- wände gegen Faltungen sichern müssen, zu einer von jener Theorie ab- weichenden und nicht genau zu verfolgenden Spannungsvertheilung Ver- anlassung geben.“ „Nicht dieselben, wohl aber ähnliche Bedenken, können meines Er- achtens gegen die Culmann’sche Annahme erhoben werden, dass die im Bau der Spongiosa zur Erscheinung kommende Gesetzmässigkeit auf jene Trajectorien zurückzuführen sei. Die Spongiosa ist keine homogene Sub- stanz; sie besteht aus einem Netz von Knochenstäbchen, und bildet also nach der Ausdrucksweise des Ingenieurs ein räumliches Fachwerk, von dem unsere modernen Brücken, der Eiffelthurm u. s. w. Beispiele geben. Ohne allen Zweifel ist auch Culmann sich dieser Thatsache bewusst ge- wesen. Er macht aber die nicht erwiesene und wahrscheinlich uprichtige Voraussetzung, dass ein Fachwerk zweckmässig angeordnet sei, wenn seine Hauptstäbe dem Linienzuge jener Trajeetorien folgen. Auf den ersten Blick mag diese Voraussetzung Manchem plausibel erscheinen, wenn er nämlich irrthümlich annimmt, dass die Fachwerkstäbe nur bei dieser An- ordnung in einfachster Weise gegen Zug und Druck in ihrer Längsrichtung zu widerstehen haben, und dass zugleich die sogenannten Scheerkräfte durch jene Anordnung unschädlich gemacht werden. Wenn ein solcher Vortheil bestände, so würde er sicherlich auch bei den Bauconstructionen des In- genieurs in Betracht gezogen, und, wenn möglich, ausgenutzt worden sein.“ „Selbstverständlich wird das von Ihnen vertretene Princip hierdurch in keiner Weise berührt, und es ist sogar sehr wahrscheinlich, dass die Anordnung der Spongiosa auch in statischer beziehung als zweckmässig anzuerkennen ist. Die Aehnlichkeit mit den Culmann’schen Trajec- torien würde dann aber als zufällig zu bezeichnen sein.“ 16* 244 JULIUS WoLFE: Ich theilte nach Empfang dieses Schreibens Hrn. Geheimrath Mohr meine Bedenken gegen seine Auffassung, und namentlich gegen die Annahme einer nur „zufälligen“ Aehnlichkeit mit. Auch übersandte ich ihm die Abschrift der von mir als werthvolles Andenken aufbewahrten Briefe !, welche Culmann in der Zeit vom 27. December 1869 bis zum 20. Mai 1570 an mich gerichtet hatte, und welche die Grundlage meiner mathe- matischen Darlegungen im 50. Bande von Virchow’s Archiv? bezw. in meinem Werke über das Transformationsgesetz? gebildet hatten. Darauf bemerkte Hr. Geheimrath Mohr in einem seiner späteren Schreiben, am 11. August d. J., noch Folgendes: „Der Hauptpunkt der Culmann’schen Darlegungen“ (in seinen an mich gerichteten Briefen) „dürfte in dem Satze enthalten sein, dass die inneren Kräfte eines Körperelementes durch einen Pfosten und ein dazu rechtwinkelig gerichtetes Zugband übertragen werden können, und dass folglich das Körperelement durch zwei solche Organe ersetzt werden kann.‘ Dies ist — unter gewissen Voraussetzungen — zwar richtig; aber ich ver- misse den Beweis, dass ein auf solche Weise entstehendes Fachwerk zweckmässig sei, d.h. mit einem Minimum von Material ein Maximum von Widerstandsfähigkeit verbinde Wie ich neulich schon bemerkte, mag dies annähernd riehtig sein; dies ist aber nur meine Vermuthung, nicht eine wissenschaftliche Ueberzeugung. Sie finden den Beweis darin, dass die Spongiosalinien in auffallender Weise den Culmann’schen Trajectorien gleichen, und dass sie auch die Bedingung der rechtwinkeligen Kreuzung erfüllen, — was freilich von anderen fachkundigen Beobachtern nicht zu- gegeben wird. Nach meiner Ansicht würde auch dieser Punkt nicht ent- scheidend sein. Denn man wird meines Erachtens nicht annehmen dürfen, dass von den unendlich vielen Beanspruchungen eines Knochens ein be- ! Es sei mir gestattet, hierbei daran zu erinnern, dass kein Satz meiner mathe- matischen Darlegungen im 50. Bande von Virchow’s Archiv sich befindet, der nicht entweder von Culmann selbst abgefasst gewesen ist, oder den er nicht zuvor seiner maassgebenden Beurtheilung unterzogen hätte. Meine mathematischen Darlegungen wurden von mir i. J. 1870 erst veröffentlicht, nachdem Culmann mir am 20. Mai 1870 Folgendes geschrieben hatte: „So wie Ihr Aufsatz sich jetzt gestaltet hat, ist er gewiss recht klar, und er ist besser geworden, als wenn einer von uns ihn geschrieben hätte, indem Sie viel besser das hervorzuheben verstanden, was Laien vor Allem deutlich gemacht werden muss.“ ?2 J. Wolff, Ueber die innere Architeetur der Knochen. Virchow’s Archiv. 1870. Bd. L. 8. 389 ff. ® Derselbe, Das Gesetz der Transformation der Knochen. Herausgegeben mit Beihülfe der kgl. preuss. Akademie der Wissenschaften. Berlin 1892. Fol. * Vgl. Virchow’s Archiv a. a. 0. S. 406, 407. — Gesetz der Transformation der Knochen. 8.19. DIE NORMALE UND PATHOLOGISCHE ARCHITECTUR DER KNOCHEN. 245 stimmtes System von inneren und äusseren Kräften und das zugehörige Trajectoriensystem maassgebend sei. Wenn man aber annimmt, dass die Spongiosalinien dem mittleren Verlaufe der Zug- und Druckeurven folgen, so würde es nicht nöthig sein, bei dieser Vermittelung die Bedingung der rechtwinkelisen Kreuzung festzuhalten.“ Zu den hier ausführlich mitgetheilten Auseinandersetzungen Mohr’s bemerke ich zunächst, dass mir mit der Versicherung desselben, „es werde selbstverständlich durch seine Stellungnahme zur Culmann’schen Entdeckung das von mir vertretene Princip in keiner Weise berührt“, ganz und gar nicht gedient ist. Meine Lehre von der „functionellen Knochengestalt“, das von mir dar- gelegte „Gesetz der Transformation der Knochen“ und meine Lehre von der „functionellen Pathogenese und der functionellen Orthopädie der De- formitäten“ sind in ihren hauptsächlichsten Punkten auf der Annahme der Richtigkeit der Culmann’schen Entdeckung aufgebaut. Wenn also die Culmann’sche Entdeckung fiele oder auch nur wankend würde, so würden damit zugleich meine betreffenden Lehren arg berührt werden, und zum Mindesten ebenfalls in ein bedenkliches Schwanken gerathen müssen. Allerdings bin ich zugleich der Meinung, dass Solches keineswegs zu befürchten ist, dass vielmehr jedes Rütteln an der Culmann’schen Ent- deckung ein für alle Male ein vergebliches sein und bleiben wird. Culmann’s Zeichnung galt für einen homogen gedachten Balken, und Mohr bestreitet für einen solchen natürlich keineswegs die Richtigkeit der Culmann’schen Zeichnung. Mohr ist nur der Meinung, dass die Zeichnung für nicht homogene Körper nicht ebenfalls stimme. Nun ist es allerdings richtig, dass der Knochen kein homogener Körper ist, dass er vielmehr ein „räumliches Fachwerk“ darstellt. Indess ist es dabei dem verehrten, auf seinem eigenen Gebiete sehr hochgeschätzten, mit den anatomischen und physiologischen Verhältnissen aber natürlich nicht genügend vertrauten Techniker entgangen, dass auch in statischer Beziehung ein gewaltiger Unterschied zwischen einem todten und einem lebendigen Knochen besteht. Dass für den todten Knochen die statischen Beziehungen ähnlich liegen mögen, wie es Mohr für die „Blechwand und die Versteifungsständer derselben‘ gezeigt hat, dass also beim todten Knochen die Inhomogenität des Materials, die derselbe mit der Blechwand gemein hat, dieselben De- formationen und dieselbe Unmöglichkeit der genauen mathematischen Be- rechnung, wie bei der Blechwand, bedingt, das zu bestreiten liegt mir natürlich fern. Ganz anders indess, als für die Blechwand und den todten Knochen 246 . JULIUS WOLFE: liegen die statischen Verhältnisse, obwohl es sich auch hier um eine nicht homogene Substanz handelt — für den lebendigen Knochen. Im lebendigen Knochen besitzt, wie dies auch bereits Gebhardt Mohr gegenüber betont hat!, jedes allerkleinste Partikelchen die Fähigkeit der Reaction auf Reize, vor Allem der Reaction auf den „trophischen Reiz der Function“. Während beim belasteten Blechkrahn und beim belasteten todten Knochen lediglich von aussen her kommende Einwirkungen denkbar sind, combinirt sich beim belasteten lebendigen Knochen die Einwirkung von aussen her mit der Bethätigung der soeben bezeichneten Fähigkeit aller kleinsten Partikelchen.! Während der Techniker bei der praktischen Ausführung seiner Bauten mit einem passiven Material hantiren muss, d.i. mit einem Material, welches in seinen kleinsten Theilchen nicht mitthätig ist, und welches in diesen kleinsten Theilchen entweder unverändert bleibt oder höchstens passiv, und alsdann in einer für den vom Techniker geplanten Bau zweckwidrigen Weise sich verändert?, hat es die Natur beim lebendigen Knochen mit einem in seinen kleinsten Theilchen aetiv höchst beweglichen Material zu thun, d.i. mit einem in diesen kleinsten Theilchen durch den trophischen Reiz der Function dirigirbaren, uud demgemäss im Dienste eben dieser Function in zweckmässiger Weise mitthätigen Material. Die ganz unzweideutigen Verhältnisse der Knochenarchitectur zeigen uns, dass trotz der Inhomogenität des Materials die Natur mit dem leben- digen Knochen ganz anders fertig zu werden vermag, als der Ingenieur mit seinem todten Material, dass nämlich die Natur mit dem nicht homogenen Stoff genau ebenso fertig wird, als wenn es sich um einen homogenen Stoff handelte, und dass dieselbe demgemäss das anscheinende Wunder vollbringt, in dem nicht homogenen Knochen genau dieselben Linien herzustellen, welche nach der Berechnung des Mathematikers eigentlich nur für homogene Körper eine volle Richtigkeit haben sollten. Dieser Thatsache gegenüber, mag uns dieselbe noch so sehr als „Wunder“ erscheinen, bleibt für uns nur eine einzige Aufgabe bestehen, die Aufgabe nämlich, die Einzelvorgänge zu erforschen, mittels welcher die Natur dies „Wunder“ zu Stande bringt. Auch liegen für eine solche Erforschung bereits, wie wir weiter unten sehen werden, in den Unter- suchungen Gebhardt’s die allerbesten Anfänge vor. ! Vgl. unten S8. 254. ® Nach einer bezüglichen, mir von Hrn. Regierungsrath Geitel zugegangenen Mittheilung „macht sieh die Deformation der Structur von Eisen und Stahl u. dergl. beim Eintritt von Belastungen ‚leider häufig unangenehm‘ bemerkbar“. DIE NORMALE UND PATHOLOGISCHE ARCHITECTUR DER KNOCHEN. 247 Nun bestreitet es Mohr ja allerdings, dass die Natur in Wirklichkeit dies Wunder vollbrinst. Er bezweifelt die thatsächliche, aus unseren beiden Figuren ersichtliche Identität der von Culmann für den homogenen Körper gezeichneten Linien mit den im nicht homogenen Knochen vorhandenen Linien. Er möchte allenfalls eine „Aehnlichkeit“, auch selbst eine „auffallende Aehnlichkeit“ zugestehen. Aber er sieht diese Aehnlichkeit nur als eine oberflächliche, als eine scheinbare und täuschende, oder, wenn sie überhaupt vorhanden sei, nur als eine „zufällige“ an. Diese Anschauung Mohr’s hat aber lediglich in der nicht genügend genauen Kenntniss und Betrachtung der bezüglichen Knochenpräparate ihren Grund. Hierfür liefert schon der eine Umstand einen hinreichenden Beweis, dass Mohr zu der unrichtigen Meinung gelangen konnte, es sei von „anderen fachkundigen Beobachtern“ die von mir im Jahre 1869 festgestellte rechtwinkelige Kreuzung der Knochenbälkchen, beispielsweise in unserem Präparate (Fig. 1), mir „nicht zugegeben“ worden. Meines Wissens hat es bisher noch keinen Mediciner oder Mathematiker gegeben, der — ausser Mohr selbst — jemals einen Zweifel an der betreffenden rechtwinkeligen Kreuzung geäussert hätte. Unter Anderen sagt der Mathematiker Ritter bei der Beschreibung einer der in meiner Arbeit im 50. Band von Virehow’s Archiv befindlichen und von ihm reproducirten Photographie des Bälkchenverlaufes auf dem Frontallängsschnitt durch das coxale Femurende Folgendes: „Ueberall, wo ein Stäbchen des linksseitigen Büschels einem Stäbchen des rechtsseitigen begegnet, da durchkreuzen sie sich unter rechtem Winkel, so dass sie zusammen stets quadratische oder rechteckige Hohlräume bilden.“ ! Mohr legt übrigens, wie aus seinem Schreiben vom 11. August d. J. hervorgeht, überhaupt kein grosses Gewicht darauf, ob die betreffende Bälkchenkreuzung rechtwinkelig ist oder nicht. Er will damit, wenn ich ihn recht verstehe, sagen, dass meine Beweis- führung, falls sie überhaupt in seinen Augen richtig wäre, auch ohne die rechtwinkelige Kreuzung richtig bliebe. Um so grösseres Gewicht lege indess ich selbst auf die thatsächlich für Jeden, der die bezüglichen Präparate, und der auch nur die einzige hier projicirte Fig. 1 genau betrachtet, unbestreitbare rechtwinkelige Kreuzung. ! Ritter, Anwendungen der graphischen Statik. Nach Culmann. ]. Theil. Zürich 1888. 8. 129. 248 JULIUS WOoLFF: Dass es auch Abweichungen von der rechtwinkeligen Kreuzung der Bälkchen giebt, darauf habe ich selbst seit 1870 wiederholentlich hinge- wiesen. Es handelt sich hierbei nicht bloss um die von mir erörterten scheinbaren Abweichungen an allen Stellen, an welchen die Winkel abge- rundet sind, sondern auch um wirkliche Abweichungen, überall da, wo mehrere Bälkchensysteme sich durchkreuzen. Die Spongiosa des coxalen Femurendes ist in der Hauptsache — und zwar in Folge der, wie Gebhardt? richtig zeigt, thatsächlich statt- findenden „Auswahl“ der gestaltbestimmenden unter den stets multiplen mechanischen Momenten — für die Hauptbeanspruchung des Ober- schenkels, nämlich für diejenige beim Stehen und Gehen ausgestaltet. Aber es ist doch zugleich die Oberschenkelarchitectur in alle — bei den ver- schiedenen Stellungen des Oberschenkels und bei den verschiedenen Wir- kungen der sich am Oberschenkel ansetzenden Muskeln — möglichen Beanspruchungen „hineingerechnet“. Es müssen unter solchen Umständen verschiedene Bälkchensysteme, öfters unter Störung der Orthogonalität der Bälkchenrichtung, sich durchkreuzen, wie dies beispielsweise meine Ab- bildungen der inneren Architectur des Trochanter major mehrfach zeigen.? Aber hierdurch wird bezüglich der offenkundigen Thatsache der recht- winkeligen Kreuzung des für die Hauptbeanspruchung des Oberschenkels bestimmten Bälkchensystems ganz und gar nichts geändert. Es kann in dieser Beziehung kein treffienderes Wort herbeigezogen werden, als dasjenige des Mathematikers Ritter.® „Freilich lassen sich“ — so sagt derselbe — „nicht sämmtliche Fasern bis an’s Ende deutlich verfolgen; sie bewegen sich stellenweise etwas unsicher und gehen auch gelegentlich ganz verloren; ferner besitzen die einzelnen Zellen keine mathematisch genau rechtwinkelige Form. Aber wie im Wasser- falle die einzelnen Wasserfäden sich durch einander schlingen und am Rande zerstäuben, während doch die Masse als Ganzes die parabolische Linie des freien Falles verfolgt, so springen auch in der Spongiosa des Hüftknochens bei allen Unregelmässigkeiten im Einzelnen, sobald man das Ganze über- blickt, die zwei charakteristischen Curvensysteme auf’s Unver- kennbarste in’s Auge.“ Aber auch in jeder anderen Beziehung, als bloss derjenigen der erörterten rechtwinkeligen Kreuzung, ist die Identität der Culmann’schen Linien für den Oberschenkelähnlichen Krahn mit den Linien der betreffen- den Oberschenkelspongiosa eine ganz unbestreitbare. IS. unten S. 253. ?° Vgl. Virchow’s Archiv. 1870. Bd. L. S. 397 und Bd. CLV. 8. 298. — Gesetz der Transformation der Knochen. 8.11 u. 12. 2A. 2.0.8. 129. DIE NORMALE UND PATHOLOGISCHE ARCHITECTUR DER KNOcHEn. 249 Betrachtet man auf das Genaueste die beiden hier neben einander pro- jieirten Bilder (Figg. 1 und 2), von denen namentlich das erstere — mittels Ausnutzung der Methode der Herstellung von Fournierblättern auf der Elfen- beinsäge-Dampfmaschine und zugleich der Methode der Röntgendurchstrahlung der Fournierblätter ! hergestellte — sich Ihnen in der Projection in seiner vollen Pracht zeigt, so sieht man mit überwältigender Bestimmtheit, dass an jedem beliebigen Vergleichspunkte die Richtungen aller Linien der beiden Figuren und die Richtungen der Seiten aller einzelnen durch die Kreuzungen entstandenen Rechtecke und Quadrate identisch sind. Wie die Linien der Krahnzeichnung, so stehen auch in der Knochen- figur unten, d.i. an den Stellen der Maxima der Maximaldruck- bezw. Maximal- zugspannungen die Bälkchen parallel zu einander und zur neutralen Knochen- axe. — Die Bälkchen stellen hier die Corticalis dar, welche, wie schon Hermann von Meyer richtig bemerkte, nichts Anderes bedeutet, als eine sehr enge Zusammendrängung der Bälkchen der Spongiosa. — Oben dagegen, d.i. an der Stelle der Minima der Zerrungen und Pressungen sind die Bälkchen, — wiederum ganz ebenso, wie die Linien der Krahnzeichnung —, aus einander gefaltet, stehen sie überall senkrecht zu einander und zur Ober- fläche des Knochens und schneiden sie die neutrale Knochenaxe unter Winkeln von 45° — In beiden Figuren endlich schliessen die unten be- findlichen Anfangstheile der Curven einen linienfreien Raum ein, wie wir ihn am Knochen als Markhöhle bezeichnen. Bezüglich des letzterwähnten, den linienfreien Raum betreffenden Punktes ist noch als besonders wichtig hervorzuheben, dass die Culmann’sche Zeich- nung für einen ursprünglich voll, — also nicht für einen, dem Knochen gleich, innen hohl, — gedachten Krahn angefertigt wurde. Es dürfte nicht ohne Interesse sein, hier die eigenen Worte zu hören, welche mir Culmann, indem er mir zugleich die Pause der von seinen Schülern construirten Originalzeichnung übersandte, am 10. Januar 1870 bezüglich der betreffenden Construction, und namentlich bezüglich der ur- sprünglichen Annahme des voll gedachten Querschnittes geschrieben hat: „Beifügen will ich hier noch“ — so heisst es in dem betreffenden Schreiben —, „dass die Construction der Zug- und Druckcurven an einer Zeichnung vorgenommen wurde, die einen vorhandenen Knochen genau in doppeltem Maassstabe darstellte. Nur wurde der Trochanter abgebrochen. Wie aus der Pause hervorgeht, so gründet sich die Construction auf eine Belastungs- annahme von 30*®, die den bestehenden Verhältnissen ziemlich entspricht. Auch die Querschnitte sind eine doppelt vergrösserte Zeichnung der wirk- lichen Querschnitte. Sie sind ursprünglich voll angenommen worden; allein diese Annahme führte zu Zug- und Druckcurven aussen, d.h. zum bestehenden in der Mitte hohlen Querschnitt.“? Es geht aus allen diesen meinen Darlegungen hervor, dass Mohr’s Zweifel an der absoluten Uebereinstimmung der Liniensysteme in unseren beiden Figuren hinfällige sind. | Damit allein ist aber auch zugleich die Hinfälligkeit der weiteren ! Vgl. J. Wolff, Berliner klinische Wochenschrift. 1900. Nr. 18. ? Vgl. Virchow’s Archiv. Bd.L. 8.411. — Transformationsgesetz. 8.21. 250 JULIUS WOLFF: Aeusserung Mohr’s, dass die von ihm zugestandene „auffallende Aehnlich- keit“ der beiden Linienschaaren auf einem „Zufall“ beruhen könne, ohne Weiteres erwiesen. Die überaus seltsame Herbeiziehung der Möglichkeit eines Zufalles ist nichts als ein Zeichen der Unsicherheit, die Mohr bezüglich seines Stand- punktes Culmann gegenüber wohl selbst empfunden hat. Uebrigens kommt nebenbei für die Zurückweisung der Mohr’schen Annahme der Möglichkeit eines „Zufalles“ auch noch der bereits erwähnte Umstand in Betracht, dass — wie Culmann und Ritter! berichten — die betreffende Krahnzeichnung (Fig. 2) gar nicht von Culmann selbst angefertigt worden ist, sondern von seinen Schülern, welche die Knochen- präparate v. Meyer’s zuvor gar nicht gesehen hatten. Und wie sollte man es sich auch vorstellen können, dass dem „Schöpfer der graphischen Statik“, dessen Werk über die graphische Statik „seinen Namen weit über die Grenzen des deutschen Sprachgebietes hinaus bekannt gemacht hat‘‘?, die Möglichkeit einer bloss „zufälligen“ Uebereinstimmung der Zeichnung seiner Schüler mit der OÖberschenkelspongiosa hätte entgangen sein können? Culmann hat mit Recht in der Oberschenkelspongiosa nichts Anderes gefunden, als diejenige Bestätigung der Richtigkeit seiner grapho- statischen Zeichnung, die als die sicherste und werthvollste anzusehen ist, nämlich die Bestätigung dieser Richtigkeit durch die Natur selbst. So wenig hat Culmann einen Zufall hierbei für denkbar gehalten, dass ihm — ebenso wie Prof. Zeuner — vielmehr die aus meinen Prä- paraten ersichtlich gewesene Lösung des mathematischen Problems durch die Natur dazu geeignet erschien, „zur Belehrung in der Theorie der Mechanik verwendet zu werden“? „Dass mich dieser Gegenstand ungemein interessirt‘“ —- so schrieb mir Culmann am 27. December 1869 — „darf Sie nicht wundern. Bestätigt doch die Bildung der Spongiosa in den Knochen auf unwider- legliche Weise die Theorie über die Vertheilung der Kräfte im Innern des Balkens. Und wenn diese richtig ist, so muss ja auch die des Fachwerkes, des Gewölbes u. s. w. richtig sein, und wir dürfen den alten verrosteten Praktikern gegenüber mit viel mehr Nach- druck auf die Resultate unserer Forschungen hinweisen. Wenn hierdurch auch noch der Medicin ein Dienst geleistet wird, so kann dies nur beiden Theilen lieb sein.“ 1 Vgl. Ritter, a. a. 0. S. 130. 2 Ebenda. Vorwort 8. III u. IV. ® Virchow’s Archiv. Bd.L. 8.418. — Zransformationsgesetz. 8. 147. DIE NORMALE UND PATHOLOGISCHE ARCHITECTUR DER Knochen. 251 Schon aus dem, was ich bis hierher erörtert habe, dürfte es hervor- gehen, dass die Discussion der Einwendungen Mohr’s unmöglich zu etwas Anderem wird führen können, als dass die Culmann’sche Entdeckung nur noch sicherer, als bisher, in den Augen der medicinischen und der gesammten übrigen wissenschaftlichen Welt als zu Recht bestehend und als unvergänglich wird erscheinen müssen. Indess ist doch mit den bisherigen Erörterungen die Fülle der Beweise für die Richtigkeit der Culmann’schen Entdeckung noch keineswegs erschöpft. Es giebt noch einen weiteren wichtigen Beweis der Richtigkeit dieser Entdeckung. Derselbe ist darin zu suchen, dass bezüglich der Culmann’- schen Entdeckung auch überall, so zu sagen, die Probe auf das Exempel stimmt. Auf Grund der Culmann’schen Entdeckung ist es mir, wie ich dies in meinem Werke über das Transformationsgesetz ausführlich dargelegt habe!, möglich gewesen, die folgenden wichtigen Gegenstände aus dem Gebiete der Knochenlehre vorauszubestimmen, noch ehe ich zur thatsächlichen Feststellung der Richtigkeit der zunächst rein mathematischen Vorausbestimmungen durch anatomische und klinische Untersuchungen gelangt war. Es handelte sich: 1. um die hier bereits erörterte, der Orthogonalität der Druck- und Zuglinien der graphischen Statik entsprechende rechtwinkelige Kreu- zung der Spongiosabälkchen; 2. um den neutralen — parallel und senkrecht zur Knochenoberfläche gerichteten — Verlauf der Spongiosabälkchen in der neutralen Faserschicht der auf Biegung in Anspruch genommenen Knochen, und zwar sowohl unter normalen Verhältnissen, wie am coxalen Femurende, als auch unter pathologischen Verhältnissen, wie bei rachitisch verbogenen Knochen; ? 3. um die Transformationen der inneren Architectur der Knochen bei pathologischen Veränderungen der äusseren Knochenform; 4. um die Lehre von der functionellen Bedeutung der Gestalt aller unter normalen oder pathologischen Verhältnissen functionirenden Knochen; 5. um die Möglichkeit der therapeutischen Ausnutzung der sogen. „Lransformationskraft“ — d.i. der mittels der functionellen Anpassung die Formen der Knochen umgestaltenden Kraft — für die Heilung der Deformitäten, und namentlich auch für die Heilung der schwersten Formen gewisser Deformitäten ausgewachsener Individuen. ı A.a.0. 2. bis 5. Abschnitt, sowie die betr. Uebersicht auf $S. 100. ” 3. unten 8. 257 u. 258 und Figg. 3 u. 4. 252 JULIUS WOLFF: Ich habe diese Vorausbestimmungen niemals anders aufgefasst, als in dem Sinne, dass eine Bezugnahme auf mathematische Betrachtungen, Formeln und Zeichnungen in medicinischen Dingen immer nur dann eine Berechtigung hat, wenn zugleich durch die directen anatomischen und unter Umständen auch klinischen Untersuchungen die Richtigkeit der Herbeiziehung der mathematischen Betrach- tungen dargethan wird. Kann aber — und so ist es bezüglich der Culmann’schen Entdeckung geschehen — jene Richtigkeit in der That auch anatomisch und klinisch bewiesen werden, dann gewinnt die mathematische Beweisführung für die medicinischen Betrachtungen einen höheren Werth, als sie irgend einer anderen Art der Beweisführung zukommen kann. Zum Schlusse meiner Bemerkungen zu den Mohr’schen Auseinander- setzungen habe ich nur noch einen Punkt, der für uns ein viel geringeres Interesse darbietet, als die bisher erörterten Gegenstände, in Kürze zu er- örtern. Der Punkt betrifft die praktische Nutzanwendung der Trajectorien der graphischen Statik für die Bauten der Techniker. Mohr meint, wie oben mitgetheilt wurde, „die Annahme, dass die inneren Kräfte eines Körperelementes durch einen Pfosten und ein dazu rechtwinkelig gerichtetes Zugband übertragen werden können, und dass folglich das Körperelement durch zwei solche Organe ersetzt werden kann, sei zwar, unter gewissen Voraussetzungen‘ und ‚annähernd‘ richtig; aber der Beweis, dass ein auf solche Weise entstehendes Fachwerk zweckmässig sei, d. h. mit einem Minimum von Material ein Maximum von Widerstands- kraft verbinde, sei nicht geliefert.“ „Wenn ein solcher Vortheil für die zweckmässige Anordnung des Fach- werkes bestände“ — so sagt Mohr zugleich —, „so würde er sicherlich auch bei den Bauconstructionen des Ingenieurs in Betracht gezogen, und, wenn möglich, ausgenutzt worden sein.“ Es liegt für den Mediciner keine Möglichkeit vor, hinsichtlich dieser Frage, deren Erörterung in technischen Kreisen in Zukunft nicht wird ausbleiben können, mit dem hervorragenden Techniker in die Discussion einzutreten. Aber es wird doch der Hinweis darauf gestattet sein, dass mir die betreffenden Aeusserungen Mohr’s mit seinem eigenen 1885 gemachten Vorschlage, „für den Zweck der Berechnung der Deformationen und der statisch nicht bestimmbaren Auflagerdrücke den Blechträger in ein Fach- werk zu verwandeln“, und mit seiner Bemerkung, dass das betreffende DIE NORMALE UND PATHOLOGISCHE ARCHITECTUR DER KNOcHEN. 253 Verfahren „bei der Berechnung der Brückenträger für die Berliner Stadt- bahn‘ — also doch für die praktische Herstellung eines sehr zweckmässigen Baues — „bereits angewandt worden sei“, im Widerspruch zu stehen scheint. Auch darf ich nicht unerwähnt lassen, dass der Pauly’sche Brücken- träger!, der beispielsweise bei der Mainzer Eisenbahnbrücke über den Rhein in Anwendung gebracht ist, auf der Theorie der Zug- und Drucklinien basirt ist, und dass, wie Geitel? 1889 mittheilte, für die staatlichen Bauten der meisten Länder die graphische Berechnung neben der analytischen vor- geschrieben ist. Im Uebrigen dürfte gerade in dem ganz gewiss praktisch sehr zweckmässigen Bau des Knochens der beste Beweis der Möglichkeit einer praktischen Verwendung der Spannungstrajectorien zu finden sein. Ich beschliesse damit meine eigenen Widerlegungen der Mohr’schen Auseinandersetzungen, um nunmehr darüber zu berichten, dass diesen Aus- einandersetzungen auch durch Gebhardt in seinem neuesten, oben citirten Werke eine sehr eingehende Widerlesung zu Theil geworden ist. Der von Gebhardt bei seiner Widerlegung eingeschlagene Weg ist ein ganz anderer, als der von mir eingeschlagene, insofern Gebhardt’s Weg auf der bezüglichen Untersuchung der Mikrostructur der Knochen beruht. Aber dieser Weg hat genau zu demselben Ziele geführt, wie mein hauptsächlich die makroskopischen Architeeturverhältnisse verfolgender Weg. Gebhardt bemerkt zu den Mohr’schen Erörterungen im Civilingenieur 1855 und in dem an ihn selbst gerichteten, oben erwähnten Schreiben Mohr’s Folgendes: „Der Knochen könne allerdings nicht schlechthin in Bezug auf die Spannungsverläufe mit den homogenen Versuchs- und Rechnungskörpern identifieirt werden.“ „Aber gerade die Erkenntniss dieser Differenz eröffnet uns das Ver- ständniss für die „Auswahl“ der gestaltbestimmenden unter den stets multiplen mechanischen Momenten.“ ? ‚„Es habe sich aus seinen Untersuchungen zur Evidenz ergeben, dass die zu dauernden Gestaltungen. führenden Reactionen des lebenden Knochens auf die mechanischen Einflüsse etwas total Anderes sind, als lediglich passive Deformationen, welche andere feste Körper — und ! Vgl. Culmann, Die graphische Statik. Zürich 1866. 8. 393—417. — J. Wolff, Virchow’s Archiw. Bd.L. S. 408, 409. Taf. III, Figg. 7 u. 8. — Gesetz der Trans- ‚formation der Knochen. S.20 und Taf. II, Fig. 20 u. 21. ” Geitel, Polytechnisches Centralblatt. 1889. Nr. 1. ® Vgl. Gebhardt, a.a.0. Bd. XII. 8.198. 254 JULIUS WOoLrF: auch der Knochen eventuell unter dem unmittelbaren Einflusse mechanischer Insulte, wie z. B. bei Knochenbrüchen, — erleiden.“ ! „Den grob mechanischen Einwirkungen gegenüber verhalte sich zu- nächst der Knochen durchaus so wie ein todter Körper, und er zeige auch quantitativ genau die gleichen Deformationen, wie ein solcher — d. h. der Bruch z. B. erfolge genau so, wie bei jenen, durch Gleitung des Materials in gröberen Theilen in den Richtungen der ‚Fliesslinien‘“? „Ganz anders liegen die Dinge bei den physiologischen Beanspruchungen des Knochens.“ | „Hier habe die vorgebildete Structur des Knochens einen Einfluss auf den Spannungsverlauf im Knochen, insofern durch gewisse Structur- verhältnisse der Verlauf der Spannungen in einzelnen Richtungen kaum wesentlich gestört, in anderen dagegen mehr oder weniger gehemmt werde.“ „Speeiell für die tubulös angelegten Knochen treffe der Mohr’sche Einwand, dass die durch die Knochenarchiteetur dargestellten Spannungs- verhältnisse nur in soliden Versuchskörpern, nicht aber im heterogen zu- sammengesetzten spongiösen Knochen zu Stande kommen können, nicht zu.“ „Die tubulöse Structur unterscheide sich quer zur Röhrchenrichtung, die Spongiosa pilosa in allen Richtungen, nur durch höhere Elastieität dies- bezüglich von einem massiven Versuchskörper. Die dimensionale Ausbildung der Röhrchen und anderer besonders gestalteter Einzelelemente habe eine Art Auslese unter den gestaltbestimmenden mechanischen Momenten zur Folge, vermöge deren die schliessliche Architectur den Verlauf nur einer oder zweier Spannungsgattungen zum Ausdruck bringt, obwohl die Beanspruchung vielleicht eine sehr vielseitige ist.“ ? „Demgemäss erscheine — im Gegensatz zu den eine Deformation durch Gleitung entlang den Fliesslinien erleidenden unorganischen Versuchskörpern — die Knochenarchiteetur — mit wenigen, bisher nicht richtig gewürdigten Ausnahmen — durchaus durch die Verlaufrichtungen von Normal- maximalspannungstrajectorien, also der Zug- und Drucklinien bestimmt.“ „Die Function sei auch im feineren Ausbau der Knochen ein ganz hervorragend wichtiger Factor für die Entstehung, Erhaltung, Rückbildung und Umbildung der Gestaltungen und schliesslich auch der Zerstörung der feinen und feinsten Theile.“ 5 „Die Architectur sei somit das Resultat einer physiologischen Reaction des Gewebes auf den trophischen Reiz der Function‘, und die bekannten I Vgl. Gebhardt, a. a.0. Bd.XII. 8.203: ?2 Ebenda. S. 192. 3 Ebenda. 8. 207. * Ebenda. S. 191. 5 Ebenda. S8. 203. ® Ebenda. S. 206. DIE NORMALE UND PATHOLOGISCHE ARCHITECTUR DER KNOcHEN. 255 Architeeturbilder seien demgemäss in der That die Effecte der mecha- nischen Umstände des betreffenden Skelettheiles.“! „Gerade also in den Inhomogenitäten des Materials liege der Schlüssel zu dem von anorganischen Versuchskörpern abweichenden Ver- halten des Knochens. Zugleich liege in diesen Inhomogenitäten auch die Erklärung der bis jetzt völlig unverständlich gewesenen quantitativen Eigenschaften der betreffenden Construction, sowie auch ihrer zweifellosen ‚Unvollkommenheiten‘.“? Aus dem Vergleiche der beiden vorhin projieirten Bilder mit einander habe ich auch noch — neben den von mir gelieferten anatomischen Be- weisen der functionellen Bedeutung der normalen und der patho- logischen Gestalt der Knochen — den mathematischen Beweis der functionellen Knochengestalt hergeleitet. Wie die Oberfläche des Krahns die Verbindungslinie der Endpunkte aller einzelnen Druck- und Zuglinien, und somit die letzte Curve des ganzen Systems darstellt, so ist auch die Oberfläche des Knochens als das letzte Bälk- chen oder das Abgrenzungsbälkchen des ganzen Bälkchensystems aufzufassen. Da nun die Anordnung der Spongiosabälkchen der Function des Knochens, und zwar dem zweckentsprechenden Widerstande derselben gegen die maxi- malen Druck- und Zugspannungen dient, so muss auch das Abgrenzungs- bälkehen des ganzen Systems, d. i. die äussere Gestalt des Knochens, der Function dienen. Der Knochen hat somit eine functionelle Gestalt. Dieser Beweis gilt nicht bloss für die normalen, sondern auch für die pathologisch geformten Knochen, bei denen, wie nachher meine Bilder zeigen werden, eine ebenso vollkommene Harmonie zwischen der äusseren Gestalt, der inneren Gestalt und der inneren Architectur be- steht, wie bei dem normal geformten Knochen. Die Veranlassung dazu, heute auf die Beweise der Lehre von. der functionellen Knochengestalt in Kürze zurückzukommen, wird mir durch einen Irrthum Gebhardt’s, den ich hier berichtigen möchte, gegeben. Gebhardt hat mich in einen grundsätzlichen Gegensatz zu Roux ge- stellt.” Ich soll — nach Gebhardt — Roux gegenüber den Standpunkt der ausschliesslichen Gestaltbestimmung durch die Function ver- treten, weil ich an einer Stelle meines „Gesetzes der Transformation der Knochen“ gesagt habe, dass „die Art, in welcher der Knochen aufgebaut ist, die einzig mögliche Architectur desselben darstellt.‘ ? Mit diesem Satze habe ich indess nur, — in gleichem Sinne wie Roux u Vol. Gebhardtya. ar0. Bd. X1T. 28.191. 2A a0. 37A7.2.:.0% Bd. XIL, S#1,u. 1203. * 8.25; vgl. auch Virchow’s Archiv. Bd. L. 8.397 u. 417. 256 JULIUS WOLFF: mit seiner sehr treffenden Bezeichnung, dass „Nichts der Function Fremdes dem Knochen angefügt ist“, — das allgemeine Gesetz des Knochenbaues kennzeichnen und keineswegs zugleich sagen wollen, dass nicht auch gewisse Ausnahmen von der Regel vorkommen können. Ich habe an anderen Stellen meiner Arbeiten mehrfach selbst auf solche Ausnahmen hingewiesen, beispielsweise auf die nicht überall recht- winkelige Bälkchenkreuzung !, auf die knöchernen Scheiden der Gefässe an gewissen Stellen der Spongiosa, namentlich im Schenkelhals, und auf die von Zschocke u. A. beschriebenen und von mir zuerst abgebildeten, den Epiphysenlinien parallelen „Verdichtungszonen“.? Bei der Erörterung des allgemeinen Gesetzes jedes Mal der das (Gesetz selbst nicht im Geringsten in Frage stellenden, — durch andere, gleichzeitig wirkende Componenten bedingten — Ausnahmen zu gedenken, ist ebensowenig unbedingt nothwendig?, wie es beispielsweise erforderlich wäre, bei der Erläuterung des Gravitationsgesetzes jedes Mal von den „am Rande des Wasserfalles sich zerstäubenden Wasserfäden“ und von der „in die Höhe fliegenden Flaumfeder“ zu sprechen.* Allerdings habe ich mich dahin ausgesprochen, dass Roux für einzelne nach seiner Auffassung nicht functionelle Strueturen und Formen den aus- reichenden Beweis der Richtigkeit seiner Auffassung nicht geliefert hat, so beispielsweise für die normale Tibia, — bezüglich welcher ich Roux durch H. H. Hirsch für widerlegt erachte —, für die Phalangen und Metatarsi einiger Vierfüsser u. dergl. m.? Das ist aber kein grundsätzlicher Gegensatz; der Gegensatz bezieht sich lediglich auf das Quantum der von der rein functionellen Form und Architectur vorkommenden Abweichungen. ! Vgl. oben 8. 247; Gesetz der Transformation der Knochen. 8. 12. ® Vgl. Virchow’s Archiv. Bd. CLV. S. 298, 299 u. 301. ° Man könnte beispielsweise in Gebhardt’s Sinne seinen eigenen Ausspruch (a.2.0. Bd. XII. S. 206), dass sich .‚die schliessliche Architeetur als das Resultat einer physiologischen Reaction der Gewebe auf den trophischen Reiz der Function darstelle“, ebenso deuten, wie er meinen Ausspruch von der „einzig möglichen“ Archi- teetur gedeutet hat. Denn Gebhardt hat hier ebenfalls nicht ausdrücklich der Aus- nahmen gedacht. * Vgl. oben 8.248; Virchow’s Archiv. Bd. CLV. S. 306. 5 Virchow’s Arckiv. Bd. CLV. 1899. S. 301. — Bezüglich der Sirenenrippe, die Roux ursprünglich ebenfalls für wahrscheinlich nicht functionell gebaut ansah, haben er selbst und Gebhardt (a.a.0. Bd. XI. 8.498 und Bd. XII. 8.210) sich neuer- dings dahin ausgesprochen, dass das vermehrte Knochengewicht der massiven Sirenen- rippe gegenüber derjenigen anderer Wassersäuger sich, entsprechend der von den anderen Wassersäugern abweichenden Art der Anpassung der Sirenen an das Wasser- leben, als eine „vortheilhafte Anpassung“ darstellt. — Ueber das Nähere dieses interessanten Gegenstandes vgl. Gebhardt (a. a.-O.). DIE NORMALE UND PATHOLOGISCHE ARCHITECTUR DER KNOocHen. 257 Von den insgesammt 43 Bildern der normalen menschlichen Knochen- architectur, der Architectur schief geheilter Fracturen, der Architectur der Ankylosen der verschiedenen grossen Gelenke, des Genu valgum, des Klump- fusses, der Spondylitis, der rachitisch verbogenen Knochen u. dergl. m.!, sowie endlich der Knochenarchitectur auf Röntgenbildern lebender, mit Deformitäten behaftet gewesener und nach den Grundsätzen der functio- nellen Orthopädie behandelter Individuen, welche ich am 14. Juni 1901 in der Berliner physiologischen Gesellschaft mittels des Projectionsapparates gezeigt habe, gebe ich an dieser Stelle nur noch vier Bilder wieder. Diese vier Bilder findet man zwar ebenso, wie die obigen Figg. 1 und 2, schon in meinen früheren Arbeiten. Ich komme aber doch auf dieselben hier noch einmal wieder zurück, weil die sehr genaue Betrachtung gerade vorzugsweise dieser wenigen Bilder und ihre Herbeiziehung Seitens anderer Autoren bei späteren Erörterungen der Ver- hältnisse der normalen und pathologischen Knochenarchitectur mir ganz besonders wünschenswerth erscheint. Das erste dieser vier Bilder (Fig. 3) stellt die Architectur der neu- tralen Faserschicht auf dem aus der Mitte des coxalen Femurendes in Sagittaler Richtung herausgesägten Fournierblatt dar. Sie sehen hier ein aufrecht stehendes Gitter senkrecht aufsteigender, der Knochenaxe paralleler, und horizontal gestellter, die ersteren rechtwinkelig kreuzender Bälkchen. Diese von mir festgestellte Anordnung entspricht nach Culmann’s Ausspruch derjenigen Anordnung der Druck- und Zuglinien, welche der Mathematiker darstellen würde, wenn er graphisch die Neutralität, d. i. das Gleichgewicht zwischen Druck und Zug ausdrücken wollte.? Das neben diesem befindliche Bild (Fig. 4) zeigt die Architeetur der neutralen Faserschicht auf einem Schnitt, der mitten zwischen concaver und convexer Seite hindurch durch eine in Folge von Rachitis ver- bogene Tibiadiaphyse geht. Die Architectur ist dieselbe, wie in der neutralen Faserschicht des nor- malen coxalen Femurendes. Unter ganz neuen, in der Norm nicht vorkommenden Verhältnissen tritt in der hier getroffenen Schicht des rachitisch verbogenen Knochens eine lediglich mathematische Analogie mit einer bestimmten Stelle des normalen ! Der grösste Theil der Fournierblätter, deren Röntgenbilder ich am 14. Juni 1901 in der Berliner physiologischen Gesellschaft am Projectionsapparat demonstrirt habe, wurde von mir im Jubiläumsjahre der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie — 1896 — dieser Gesellschaft geschenkt, und befindet sich in der Wandelhalle des Langenbeck- hauses. ® Vgl. Virchow’s Archiv. Bd.L. 8.411. — Gesetz der Transformation der Knochen. 8.21. Archiv f. A.u. Ph. 1901. Physiol. Abthlg. Suppl. 7 258 JULIUS WOLFF: Skelets ein, und zwar die analoge Neutralität zwischen der sich hier das Gleichgewicht haltenden Druck- und Zugbeanspruchung der Knochenbälkchen. Lediglich diese mathematische Analogie ist es, welche beide Male, dort unter normalen, hier unter ganz neu entstandenen Verhältnissen die gleiche Knochenarchitectur bedingt.! Das folgende Bild zeigt Ihnen eines meiner schönsten Fournierblätter von Schenkelhalsfracturen.! Es handelt sich um eine mit Dislocation geheilte Fractur. Die Bruchlinie befindet sich an der Insertionsstelle des Collum femoris an den Trochanteren. Die mediale Corticalis des oberen Fragments ist in die Spongiosa des unteren eingekeilt. Die durch den Bruch veranlasste primäre Formstörung, die zu einer vollständigen und dauernden Störung der statischen Beanspruchung des ganzen Knochens den Anlass gab, besteht im Wesentlichen darin, dass der Schenkelkopf bis zum Niveau der Trochanter- spitze herabgesunken ist. Im Verlaufe der Heilung sind nun secundäre Formveränderungen ein- getreten, die sich mit der primären Formstörung zur Bildung der gegen- ‘ Wechselbeziehungen zwischen Form und Function a. a. O. 8. 10—12. DIE NORMALE UND PATHOLOGISCHE ARCHITECTUR DER KNOcHEnN. 259 wärtigen Gestalt des Knochens combinirt haben. Die Unebenheiten der Oberfläche an der Bruchstelle sind ausgeglichen. Die dreieckige Lücke, die zwischen dem herabgesunkenen kleinen oberen und dem grossen unteren Bruchstück bestanden haben muss, ist ausgefüllt, bis zum Verschwinden der Lücke ausgefüllt. Die Bruchflächen, von welchen die laterale durch die mediale weit überragt gewesen sein muss, haben eine einander genau entsprechende Breite angenommen, derart, dass die Bruchstelle gar nicht mehr bestimmt erkannt werden kann. Das ganze obere Femurende hat Fig. 5. wieder eine regelmässige, wenn auch gegen die Norm sehr veränderte Krahnform gewonnen. Zugleich hat sich an der gefährdetsten Stelle des Knochens, am Adams’schen Bogen, ein mächtiger Stützwulst neu gebildet. Die innere Architeetur des Knochens stellt ein vom normalen sehr ver- schiedenes, aber doch wieder ganz regelmässiges, neu entstandenes, genau in die neue Form und zugleich in den neugebildeten Stützwulst hinein- gepasstes Trajectoriensystem dar. Nirgends mehr findet sich eine Spur der Continuitätstrennung, des Abgebrochenseins, des mangelnden Correspondirens der zerbrochenen Bälkchenstücke mit einander, wie solches sich, als die Fractur geschehen war, zunächst geltend gemacht haben musste. Die Bälk- chen kreuzen sich vielmehr wiederum rechtwinkelig, und sie verlaufen in ein- heitlicher Richtung aus dem einen der beiden ehemaligen Bruchstücke in das andere, und bis zu der rechtwinkelig von ihnen getroffenen Oberfläche des Knochens, bezw. bis zur Oberfläche des Stützwulstes. 260 JULIUS WOLFF: Wo das obere Fragment auf dem Stützwulst aufruht, da ist eine neue sehr dieke Corticalis entstanden, von welcher aus büschelförmig nach allen Richtungen hin, in das Caput, in das Collum, in den Trochanter major, in die untere Partie der lateralen und medialen Spongiosa und in den Stütz- wulst die Bälkehen ausstrahlen. — Damit ist der Stützwulst, den man bisher immer als den Ueberrest einer fehlerhaft vermehrten Callusbildung angesehen hat, zur Genüge als funcetionelle Bildung gekennzeichnet. Schliesslich ist zu beachten, dass mitten in der neugebildeten Spongiosa, und zwar im Collum femoris oberhalb des Stützwulstes, eine neue kleine Markhöhle sich gebildet hat, wie solche unter normalen Verhältnissen da- selbst nicht vorhanden ist. Das letzte Bild stellt ein frontales Fournierblatt aus der Tibia bei Genu valgum dar. Fig. 6. Die bei dieser Deformität neu entstandene Form der Tibia ist durch die abnorm starke Concavität der lateralen und die abnorme Convexität der medialen Seitenwand, sowie durch die veränderte Winkelstellung beider Seitenwände zur oberen Gelenkfläche des Knochens gekennzeichnet. In diese neue Form zeigt sich das neugebildete Trajectoriensystem der Spongiosabälkchen harmonisch hineingepasst. Es hatten überall sehr durchgreifende Transformationen vor sich gehen müssen, um dies neue System zu erzeugen. Unter denselben fällt ganz besonders die geschehene Umwandlung der nach innen gekehrt gewesenen Concavität der an der lateralen (eoncaven) Seite des Knochens befindlichen Bälkehen in eine nach aussen gekehrte Concavität in die Augen. DIE NORMALE UND PATHOLOGISCHE ARCHITECTUR DER KNOCHEN. 261 Trotz dieser so mächtigen Transformationen kreuzen sich die von der late- ralen Seite aufsteigenden Bälkchen mit den von der medialen (convexen) Seite aufsteigenden wiederum rechtwinkelig. Die Markhöhle hat eine excentrische, nach der medialen Seite hin ver- schobene Lage angenommen. An der concaven lateralen Seite, der Seite des vermehrten Druckes, ist die Öorticalis verdickt und die Spongiosa verdichtet, an der entgegen- gesetzten Seite dagegen, der Seite des verminderten Druckes, ist die Corti- calis verdünnt und die Spongiosa aufgelockert. Die sogenannte „Drucktheorie* — d. ii. die Theorie des Knochen- schwundes durch vermehrten Druck und der Knochenanbildung durch Druck- entlastung — findet durch dies Bild eine sichere und vollkommene Wider- legung. Ich unterlasse es, meine in meinen früheren Arbeiten bereits ausführ- lich dargelegten Schlussfolgerungen aus den Verhältnissen der demonstrirten Bilder für die Lehre von der Fracturenheilung, von der Rachitis, von der Entstehung und Behandlung der Deformitäten u. dergl. m. hier zu wieder- holen. Ich möchte nur den Wunsch aussprechen, dass diesen aus den un- zweideutigen Bildern sich in bestimmtester Weise ergebenden Schlussfolge- rungen in Zukunft mehr Beachtung zu Theil werden möge, als es bisher geschehen ist. In vielen Specialarbeiten hervorragender Forscher ist zwar meinen Darlegungen der functionellen Bedeutung der Form und Architeetur der normalen und pathologischen Knochen volle Zustimmung zu Theil geworden, so auch neuerdings wieder in der vorhin mehrfach citirten ausgezeichneten Arbeit Gebhardt’s.! Aber bei nicht wenigen Autoren lässt doch das Verständniss meines Gesetzes der Transformation der Knochen noch sehr Vieles zu wünschen übrig. ? ! „Eine die verschiedenen Lebensalter,‘ — so heisst es bei Gebhardt (a.a. 0. Bd. XII. S. 205) — „verschiedene Individuen und verschiedene Arten vergleichende Untersuchung ergiebt ebenso für den gröberen, wie den feineren Bau der Knochen den durchgehends sehr wichtigen Einfluss der Function, und erweitert und bestätigt insofern das von Wolff für den Menschen Gefundene.“ ? Als Beispiel hierfür führe ich an, dass neuerdings von Solger (Deutsche med. Wochenschrift. 1901. Nr. 4.) eine ganz nebensächliche Aeusserung Roux’ vom Jahre 1893, die einen rein formalen Gegenstand, und zwar eine von mir gebrauchte Rede- wendung in einem bestimmten Satz betraf, und die überdies an sich auch von Seiten Roux’ keineswegs gut angebracht oder berechtigt gewesen ist, in dem Sinne wieder- holt worden ist, als hätte es sich bei der betreffenden Aeusserung Roux’ um einen Einwand gegen das Transformationsgesetz, — der diesem ua thatsächlich dabei ganz fern gelegen hat, — gehandelt. 262 J. WOoLFF: DIE NORMALE U. PATHOL. ARCHITECTUR DER KNOCHEN. Auch muss ich leider bemerken, dass die medicinischen Lehr- und Handbücher in den Capiteln der Fracturen, der Rachitis und der Deformitäten fast durchweg noch auf dem alten „verrosteten“ Standpunkt stehen, der vor der Zeit der Culmann’schen Entdeckung gerechtfertigt erscheinen konnte, den wir aber heutigen Tages glücklicher Weise in der Lage sind, als einen gänzlich verfehlten zu erkennen. Bei der Lehre von der Rachitis werden in den Lehrbüchern auch heutigen Tages noch gerade so, wie früher, die Erzeugnisse des Erweichungs- processes mit denen des Transformationsprocesses vermengt. Im Capitel der Deformitäten ist die alte irrthümliche „Drucktheorie‘“!, nach welcher die Deformitäten entstehen sollten, und nach welcher sie auch sollten geheilt werden können, immer noch weit von ihrer vollständigen Verbannung aus der Chirurgie entfernt. Insbesondere auch in den Capiteln der Behandlung der Deformitäten fehlt es meistens noch gänzlich au dem Verständniss derjenigen Aufgaben, welche uns von der „functionellen Orthopädie“ gestellt werden. Die Fracturenheilung endlich wird von vielen heutigen Verfassern von Lehrbüchern noch ziemlich genau ebenso aufgefasst, wie es zu Galen’s Zeiten geschah, nämlich als eine blosse Verkittung der Bruchstücke durch eine Art von Leim oder Siegellack, in welchem nach einem alten Irrthum, der nunmehr bereits Jahrhunderte überdauert hat,. die Natur nachträglich wieder unter allen Umständen eine Markhöhle herstellen soll. Möchten meine heutigen Demonstrationen, bezw. die noch in hohem Maasse zu vermissenden genaueren Betrachtungen meiner Knochenpräparate und meiner Röntgenbilder lebender, mit Deformitäten behafteter Individuen, dazu beitragen, die grossen Irrthümer, innerhalb welcher man sich auf den genannten Gebieten auch heutigen Tages noch vielfach bewegt, zu beseitigen — sie zu beseitigen im Lichte unserer gegenwärtigen Kenntniss der functionellen Bedeutung, welche der Form und Architectur aller Gebilde des Organismus, — nicht bloss der Knochen, sondern auch der Weichgebilde —, eigen ist! 1 S. oben S. 261. Verhandlungen der physiologischen Gesellschaft . zu Berlin. Jahrgang 1900— 1901. XIV. Sitzung am 14. Juni 1901. Hr. cand. med. G. Arnpr (a. G.) demonstrirt seine Präcisions- säge zur Herstellung mikroskopischer Präparate harter Sub- stanzen und mit dieser angefertigte Schnitte von Knochen, Zähnen, Schalen von Kokos-, Steinnuss u. s. w., die sich hinsichtlich ihrer Dicke nicht von Schleifpräparaten unterscheiden, dagegen sämmtlich nur in wenigen Augenblicken bis Minuten hergestellt sind. Das kleine Instrument ist eine besonders construirte Säge mit zwei (für gleichzeitige Erzielung von zwei Schnitten drei) parallel neben einander stark gespannten Metallsägeblättern von besonderem Querschnitt, deren gegenseitiger Abstand, durch eine eigene Stellvorrichtung variiıbar, die Dicke der zwischen den Sägen entstehenden Präparate bestimmt. Letztere werden durch den Vorgang des Sägens zugleich polirt und sind ohne Weiteres mikroskopirbar. Durch Einspannen von schmalen, scharf geschliffenen Stahlbändern an Stelle der Sägen erhält man ein Doppelmesser. Herstellung und Vertrieb des ca. 15 Mk. kostenden Instruments erfolgt durch die Firma J. Thamm, Berlin, Karlstrasse 14. XV. Sitzung am 28. Juni 1901. Hr. J. Karzenstein: „Ueber die functionelle Structur der wahren und falschen Stimmlippe.“ Die Stimmlippen werden durch die Schliesser, Erweiterer und Spanner des Kehlkopfes für die Zwecke der Phonation und Respiration dienstbar gemacht. Die Wirkung der Schliesser und Erweiterer kommt dadurch zu Stande, dass die Pars membranacea der Stimmlippe ihren hinteren Ansatz am Processus vocalis der Cartilago arytaenoidea erhält und dass letztere mit der Cartilago cricoridea das Crico-Arytaenoid-Gelenk bildet. Das Crico- 264 VERHANDLUNGEN DER BERLINER Arytaenoid-Gelenk ist nach Will das Beispiel eines Cylindergelenkes. In einem solchen Gelenk lassen sich zwei Bewegungen ausführen, eine Rota- tionsbewegung, welche um die Axe des Volleylinders, und eine Gleitbewegung, welche in der Richtung der Längsaxe des Volleylinders stattfindet. Bei dem Crieo-Arytaenoid-Gelenk bildet die Gelenkfläche der Cartilago ericoidea den Volleylinder, die der Cartilago arytaenoidea den Hohleylinder. An dem Crico-Arytaenoid-Gelenk lässt sich nun die Cartilago arytaenoidea so um den in einem Winkel von 50 bis 60 Grad schräg abfallenden Gelenktheil der Cartilago cericoidea drehen, dass der Processus vocalis gehoben und der Processus muscularis gesenkt wird und umgekehrt. Bei der ersten Be- wegung erfolgt eine Erweiterung, bei der zweiten eine Verengerung der Stimmlippen; in beiden Fällen werden die Stimmlippen mit der jeweiligen Bewegung auch gedehnt. Diese Dehnung wird erzielt durch die Wirkung der Spanner, der Mm. thyreo-criceoidei. Durch die Wirkung dieser Muskeln wird die Cartilago cricoidea an die Cartilago thyreoidea herangezogen, gleichzeitig aber die Cartilago thyreoidea etwas nach vorn und unten umgebogen. Um die Dehnung der Stimmlippen sowohl in der Beanspruchung durch den Zug nach vorn und hinten, um ferner die Bewegungen der Adduction und Abduction der Stimmlippen zu unterstützen, ist an der Anheftungsstelle der Stimmlippen an der Cartilago thyreoidea ein dreieckiger Knorpel ein- geschaltet, dessen histologische und functionelle Structur für die Bewegung der Stimmlippen von Bedeutung zu sein scheint Vortragender untersuchte diesen dreieckigen Knorpel, der schon früher durch C. Meyer, C. Gerhardt, Henle, Verson, Luschka, W.Krause, B. Fraenkel, E. P. Friedrich beschrieben war, an 31 Serien von mensch- lichen Kehlköpfen, menschlichen embryonalen Kehlköpfen von 38, 46, Kehlköpfen von ausgewachsenen, neugeborenen, embryonalen Ratten, Katzen- und Kaninchenkehlköpfen. Gefärbt wurden die einzelnen Schnitte fast aus- schliesslich nach der Weigert’schen Fuchsinmethode. Der Verlauf der elastischen Fasern in dem dreieckigen Knorpel lässt sich am besten an einem Schema erörtern (Fig. 1). Nachdem die elastischen Fasern an der vorderen Commissur dichte achtenförmig gestaltete Bündel gebildet haben, gehen sie in den Knorpel- zellen des dreieckigen Knorpels in Bogenform von der einen Stimmlippe zur anderen (aa,) und senden an den Punkten be senkrecht zu den Bogen aa’ verlaufende Fortsätze bb’, ec‘ bis fast an die Knorpelzellen der Cartilago thyreoidea heran. An der vorderen Seite des dreieckigen Knorpels befinden sich die elastischen Fasern wiederum in Bogen dd’ angeordnet und die senkrechten Ausstrahlungen ee‘, ff’ gehen von dort an die lateralen Theile des Schild- knorpels. Wenn nun auf den dreieckigen elastischen Knorpel durch die Stimm- lippen ein Zug ausgeübt und er in Folge dessen verlängert wird, so stellen die elastischen Faserzüge ee’, ff‘, bb’, cc Hemmungen gegen die Verlänge- rung, die Bogen aa‘, dd’ dagegen Hemmungen gegen die Verbreiterung des dreieckigen Knorpels dar. Der dreieckige Knorpel ist also im Stande, die Bewegungen der Stimm- lippe bei den Beanspruchungen durch Zug und Spannung, d. h. beim Aus- PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — J. KATZENSTEIN. 265 einandertreten der Endpunkte der Stimmlippen an der Cartilago thyreoidea und der Cartilago arytaenoidea sowie die Bewegungen der Adduction und Abduction zu hemmen: es dürfte deshalb gerechtfertigt sein, ihn Processus vocalis anterior zu nennen. dd dd. d, Ber ES, 2 Eig. 1. Die functionelle Structur des elastischen Gewebes in der menschlichen Stimmlippe selbst findet nach Reinke ihren Ausdruck darin, dass j. die elastischen Fasern des Ligamentum vocale entsprechend der constanten Richtung des Zuges und senkrecht zur constanten Richtung des Druckes stark ausgebildet sind, dass 2. die Propria der Schleimhaut anstatt Papillen Leisten trägt, die in der Richtung des constanten Zuges sich ausgebildet haben und dass 3. die elastischen Fasern sowie die Gefässe der Propria parallel der Richtung der Leisten ebenfalls der constanten Zugrichtung entsprechend verlaufen. Im elastischen Processus vocalis posterior kreuzen sich nach Reinke die medialen und lateralen elastischen Fasern des Periosts in Öurven, die sich im rechten Winkel schneiden, sie verlaufen also wie bei der Spongiosa nach dem Princip der Culman’schen Trajectorien. Im mittleren Theile des Processus vocalis posterior durchkreuzen sich die elastischen Fasern und nehmen dann parallele sagittale Richtung an. Ich möchte dem hinzufügen, dass, wenn wir z. B. den linken Processus vocalis posterior der Betrachtung zaı Grunde legen, die lateral vom Periost verlaufenden elastischen Fasern als Hemmungen bei der Adduction (Fig. 2) der Stimmlippe, die medial am Periost verlaufenden Fasern als Hemmungen bei der Abduction (Fig. 3) wirken. Bei Zugbeanspruchung der wahren Stimmlippe wird auch die falsche Stimmlippe gedehnt. Diese Dehnung wird dadurch ermöglicht, dass die 266 VERHANDLUNGEN DER BERLINER wahre Stimmlippe den M. vocalis umfasst und ihr horizontal verlaufender oberer Theil gegen den Boden des Ventrikels und weiterhin in die falsche Stimmlippe ausstrahlt. Der Zug an der wahren Stimmlippe übt demnach seine Wirkung auch auf die falsche Stimmlippe aus. Dadurch wird die Abduktion Adduktion linker Uunker Proc. vocalis post. Proc.vocalis post. Fig. 2. Fig. 3. Möglichkeit gegeben, dass der Raum zwischen wahrer und falscher Stimm- lippe vollständig zum Schwinden gebracht werden kann, und dass die falsche Stimmlippe als Dämpfung bei der Tonbildung auf der wahren liegt. XVI. Sitzung am 12. Juli 1901. 1. Hr. Dr. L. BLumREIicH (a.G.) und Hr. Dr. Leo Zuntz: „Zur Methodik der Hirnreizung mit Demonstration.“ (Referent Hr. L. Zuntz.) Die Versuche, die ich in Gemeinschaft mit Hrn. Dr. Blumreich an- gestellt habe, verfolgten in erster Linie den Zweck, einen Beitrag zur Patho- genese der Eklampsie zu liefern. Dieselben haben aber Einiges sowohl nach der Seite der Methodik, als auch in Bezug auf die Resultate ergeben, was auch in diesem Kreise interessiren dürfte. Wir gingen von der Erwägung aus, dass es sich bei der Entstehung von Krämpfen, die ja das Hauptsymptom der Eklampsie bilden, entweder um eine Vermehrung der auf das Centralnervensystem einwirkenden Reize, oder aber um eine Erhöhung der Reizbarkeit des letzteren handeln könne. Die erste Möglichkeit ist nach den verschiedensten Richtungen hin experi- mentell geprüft worden, ohne dass man bisher zu einwandsfreien Resultaten gekommen wäre. Der zweiten Frage ist die experimentelle Forschung bisher noch nicht näher getreten. Wir haben daher die Frage zu beantworten versucht: Wirken gleich starke Reize auf gravide Thiere stärker als auf nicht gravide? Nach dem klinischen Bilde sowohl, als auch nach den Untersuchungen von Landois muss der Angriffspunkt der Reize bei der Eklampsie die corticalen Centren der Grosshirnrinde sein. Es sollten daher vergleichende Reizungen dieser vorgenommen werden. Als Reizmittel benutzten wir das PHYSIOLOG. GESELLSCHAFT. — L. BLUMREICH UND LEO Zuntz. 267 Kreatin, da seine Wirkungsweise durch die Untersuchungen Landois’ ge- nau studirt und bekannt ist. Wir möchten aber ausdrücklich betonen, dass uns der Schluss Landois’, weil Kreatin urämie- bezw. eklampsieartige Krämpfe hervorbringt, ist es der Erreger der Eklampsie, völlig fern liegt. Wir benutzten das Kreatin nur als Indicator. In einer ersten Versuchsreihe wurde bei trächtigen und nichtträchtigen Kaninchen in gleicher Weise die Gegend der motorischen Centren einer Seite durch Trepanation frei gelegt. Durch elektrische Reizung wurde die Lage des motorischen Rindenfeldes innerhalb der vorliegenden Gehirnober- fläche genau localisirt. Auf diese Stelle wurde dann mittels eines schmalen Spatels aus einem Wiegegläschen eine kleine Menge Kreatin aufgetragen. Durch Wägung des Gläschens vor und nach der Entnahme wurde die jedes Mal verbrauchte Menge festgestellt. Die Aufstreuung wurde, wenn kein Effect eintrat, in etwa !/,stündigen Pausen so lange wiederholt, bis ent- weder allgemeine Convulsionen auftraten, oder relativ grosse Dosen ohne Erfolg verbraucht waren. Die Resultate dieser ersten Versuchsreihe waren folgende: Bei den 8 graviden Thieren wurden ohne Ausnahme typische, allgemeine Krämpfe erzeugt. Die dazu nöthigen Mengen waren 4.5, 3-0, 2-4, 5-9, 3+3, 3-0, 1-6, 1-5%. Nur ein Thier fällt also mit 5°9%8 stark aus der Reihe. Unter den 13 nicht trächtigen Thieren bekamen 5 überhaupt keine allgemeinen Krämpfe, trotz relativ hoher Dosen, nämlich 8:4, 25-0, 13-6, 12-8 und 9.-2=8. Bei den 8 übrigen wurden bis zum Eintritt von all- gemeinen Krämpfen verbraucht 12-0, 9.7, 7.2, 7-8, 1-3, 6-2, 6-5, 6-6”8. Auch hier fällt das eine Thier mit 1-3”®8 stark aus der Reihe. Durchschnittlich war, wenn wir bei den nicht trächtigen Thieren die- jenigen, die keine Krämpfe bekamen, mit den aufgestreuten, noch zu kleinen Mengen mit in Rechnung setzen, bei diesen etwa 4 Mal so viel Kreatin nöthig, damit allgemeine Krämpfe auftraten, als bei den trächtigen. Dabei war das Gewicht der letzteren durchschnittlich 3000 &%, gegen 2000 2” bei den nicht trächtigen. Waren auch die erhaltenen Resultate ziemlich eindeutig, so konnten wir uns doch nicht verhehlen, dass sie in Bezug auf die quantitative Ge- nauigkeit mit gewissen Fehlerquellen behaftet seien. Selbst bei sorgfältigster und vorsichtigster Ausführung der Versuche ist es unmöglich, zu verhindern, dass kleine Mengen des aufgestreuten Kreatins nicht genau auf die beabsichtigte Stelle fallen. Von dem aufgestreuten Salz kann zunächst nur der direct der Hirnoberfläche aufliegende Theil einwirken. Kommt es allmählich durch die aus den Subarachnoidalräumen hervorquel- lende Flüssigkeit zur Auflösung des Kreatins, so können unbestimmbare Mengen desselben nach anderen Theilen der Hirnoberfläche fortgeschwemmt werden. Dazu kommt, dass die Tiefenwirkung bei verschiedenen Individuen eine verschiedene sein kann. Vor Allem aber ist die Art der Einwirkung des Reizes, wenn auch in allen Versuchen eine gleichartige und daher ver- gleichbare, doch eine ganz andere, als unter den natürlichen Verhältnissen, wo die Reize vom Blute aus die Zellen angreifen. Aus allen diesen Gründen hielten wir es für nothwendig, das erhaltene Resultat mittels einer Versuchsmethode nachzuprüfen, die sich den natür- 268 VERHANDLUNGEN DER BERLINER lichen Verhältnissen möglichst näherte. Wir gingen daher auf den Rath von Hrn. Prof. Dr. Zuntz dazu über, eine Kreatinlösung von bekannter Concentration in die Bahn des zum Gehirn fliessenden arteriellen Blutes, d. h also in die Carotis interna einzubringen. Die Versuchsanordnung gestaltete sich folgendermaassen. An dem auf dem Öperationsbrett aufgebundenen Thier wurde die Carotis communis in der Höhe des oberen Kehlkopfrandes freigelegt und kopfwärts bis zu ihrer Theilungsstelle in die Carotis externa und interna verfolgt. Es liegt beim Kaninchen die Externa regelmässig nach vorn und aussen und ist ausserdem kenntlich daran, dass sie sich nach kurzem Verlauf in mehrere Aeste gabelt. Unmittelbar vor dieser Gabelung wird das Gefäss abgebunden, die Blut- zufuhr durch eine vorläufige Ligatur der Carotis communis sistirt und ein dritter Faden unter der Carotis externa zwischen ihrem Ursprungsort und der Unterbindung durchgeführt. Darauf wird das Gefäss geschlitzt, eine möglichst feine Canüle so weit eingeschoben, dass ihre Spitze eben in das Lumen der Carotis communis hineinragt, und mit dem vorher untergelegten Faden befestigt. _ Die Canüle geht in einen diekwandigen Gummischlauch mit capillarem Lumen über, an welchen sich eine Pravazspritze schliesst. Nach Beendigung der Operation wird das Thier in einen Zwangsstall gesetzt, der allzu ausgiebige Bewegungen des Kopfes und der Extremitäten, durch die ein Ausreissen der Canüle erfolgen könnte, verhindert. Aller- dings ist die Beobachtung eintretender Krämpfe etwas erschwert. Gewöhn- lich nahmen wir daher, wenn wir den Eintritt derselben bemerkten, die Thiere heraus und beobachteten sie frei, auf die Gefahr hin, dass über kurz oder lang die Canüle herausgerissen würde und das Thier sich ver- blutete. Wir hatten uns von dem Kreatin eine eoncentrirte Lösung hergestellt — 1 Theil löst sich in 72 Theilen Wasser — und von dieser durch wei- teres Verdünnen mit Wasser eine Y/,, 1/,, Y/,, Y/, und !/, eoncentrirte Lö- sung. Der Versuch ging nun in der Weise vor sich, dass zunächst eine Spritze !/, eoncentrirter Lösung injieirt und eventuell in Pausen von etwa !/, Stunde zu stärkeren Concentrationen übergegangen wurde, bis, wie bei der ersten Versuchsserie, entweder allgemeine Krämpfe auftraten, oder meh- rere Spritzen der concentrirten Lösung ohne Erfolg verbraucht waren. In zahlreichen Fällen überzeugten wir uns davon, dass die Injeetion den Weg ins Gehirn nahm, indem wir zum. Schluss des Versuches das Thier tödteten und eine Fuchsinlösung injieirten. Stets wurde die entsprechende Hirnhälfte stark, die andere schwach roth gefärbt gefunden. Nur in einem Falle, in dem ein schwangeres Thier keine Krämpfe bekam, stellte sich bei der Injection am Schlusse heraus, dass die Canüle irrthümlich in die Interna eingebunden, die injieirte Lösung also in die Externa gespritzt worden war. Bemerkenswerth ist, dass die Wirkung des Kreatins von der Blutbahn aus nicht die gleiche ist, wie bei direeter Aufbringung auf’s Gehirn. Neben der krampferregenden macht sich eine narkotisirende und lähmende Wir- kung in verschieden starkem Maasse bemerkbar. Es beruht dies wohl dar- auf, dass ja nicht nur die corticalen, sondern auch viele andere Centren des Gehirns unter den Einfluss des Kreatins gesetzt werden. PHYSIOL. GESELLSCH. — L. BLUMREICH V. LEO ZUNTZ. — THORNER. 269 Die Resultate dieser zweiten Versuchsreihe waren folgende: Bei den 5 hochschwangeren Thieren traten regelmässig schwere Allgemeinzustände auf. Die Menge und Concentration der dazu nöthigen Kreatinlösung betrug 1 bis 3 Spritzen !/,, bezw. 1 Spritze !/, und !/,, höchstens !/, eoneentrirter Lösung. Von den 8 nicht schwangeren Thieren kam es bei 7 überhaupt zu gar ‚keinen oder nur leichten Erscheinungen, wie partiellen Krämpfen, eben angedeuteter Narkose. Dabei stiegen wir bei diesen Thieren stets bis zu einer oder mehreren Spritzen concentrirter Lösung auf. Nur ein Thier bekam nach 1 Spritze concentrirter Lösung typische, allgemeine Krampf- anfälle. Nachdem wir mit dieser zweiten ungleich einwandsfreieren Methode noch unzweifelhaftere Resultate erhalten haben, als in der ersten Versuchs- serie, glauben wir uns keiner Unvorsichtigkeit schuldig zu machen, wenn wir sagen, dass das Gehirn der schwangeren Thiere sich in einem Zustande erhöhter Erregbarkeit befindet. 2. Hr. Dr. Tuorner (a. G.): „Demonstration eines stereosko- pischen Augenspiegels.“ Vor etwa zwei Jahren hatte ich die Ehre, Ihnen einen Augenspiegel vorzuführen, bei dem es durch ein besonderes Prineip gelungen war, alle Reflexe, die sonst beim Ophthalmoskopiren auftreten, zu beseitigen; und nach diesem Princip war es möglich geworden, ein einem astronomischen Fernrohr ähnliches System zur Beobachtung des Augenhintergrundes an- zuwenden, so dass sich ein Gesichtsfeld von 37 ° bei der Vergrösserung des aufrechten Bildes ergab. Wenn ich es noch einmal kurz zusammenfasse, bestand dieses Princip darin, dass das Licht in den Apparat nur durch eine Oeffnung von der Grösse der halben erweiterten Pupille eintreten konnte. Diese Oeffnung wurde mit Hülfe eines Beleuchtungssystems und eines total reflektirenden Prismas auf der halben Pupille des beobachteten Auges scharf abgebildet. Diese beleuchtete Hälfte bildete sich dann wieder durch das Beobachtungssystem dicht vor dem Auge des Beobachters ab. Hier befand sich aber eine undurchsichtige Scheibe, so dass alle Strahlen, die von der be- leuchteten Pupillenhälfte herkamen, also auch alles an der Oberfläche ge- spiegelte Licht, sich ebenfalls hier sammelte und so unschädlich gemacht wurde, während man durch eine Oeffnung, die wiederum der dunklen Pupillenhälfte conjugirt war, hindurchsah. — Es lag nun nahe, nach demselben Prineip auch zu versuchen, die Auf- gabe der stereoskopischen Betrachtung des Augenhintergrundes zu lösen. Bekanntlich spielt gerade beim Ophthalmoskopiren die Wahrnehmung der Tiefenverhältnisse, besonders in der Gegend der Sehnervenpapille, eine grosse Rolle; bedeutend mehr, als dies bei vielen anderen optischen Beobachtungs- instrumenten der Fall ist. Bisher hat man sich damit geholfen, dass man entweder im aufrechten Bilde die Refraction der einzelnen Punkte des Augen- hintergrundes bestimmte, was aber ein ziemlich umständliches Verfahren ist, oder durch Anwendung der sog. parallactischen Verschiebung, d. h. man macht mit der zur Betrachtung im umgekehrten Bilde verwandten Convex- linse kleine Bewegungen, und sieht nun eine relative Bewegung derjenigen Theile des Augenhintergrundes zu einander, die in verschiedenem Niveau liegen, jedoch hat man dabei natürlich keinen körperlichen Eindruck. — 2TO VERHANDLUNGEN DER BERLINER Der einzige bekannte binoculare Augenspiegel ist der von Giraud- Teulon, von dem ich Ihnen hier ein Exemplar vorlege. Bei diesem wird mit der gewöhnlichen Convexlinse im umgekehrten Bilde beobachtet. Die Öeffnung im Hohlspiegel ist etwas grösser als gewöhnlich, und sämmtliche Liehtbündel werden in zwei Paaren von total reflectirenden Prismen so ge- spiegelt, dass sie in beide Augen des Beobachters fallen, und zwar von, jedem Strahlenbündel, das von einem beliebigen Punkte des Augenhinter- grundes herkommt, geht die Hälfte in das linke, die Hälfte in das rechte Auge des Beobachters. Man hat nun behauptet, dass dieser Augenspiegel überhaupt keine stereoskopische Wirkung haben könnte. Das ist entschieden nicht richtig. Man sieht bei sehr tiefer Excavation, etwa der der Kaninchen- papille, deutlich das Zurücktreten des Bodens derselben; jedoch beim Men- schen ist unter gewöhnlichen Verhältnissen absolut nichts von einer stereo- skopischen Wirkung zu sehen, und zwar liegt dies, wie leicht einzusehen ist, daran, dass die Basis, welche zur Betrachtung des Augenhintergrundes verwandt wird, nur das Bild der Spiegelöffnung ist, welches durch die Con- vexlinse auf der Pupille des Beobachteten entworfen wird. Da die Spiegel- öffnung etwa 6”" Durchmesser hat, und diese drei Mal verkleinert wird, so werden also nur 2"” der Pupille des Beobachteten als Basis benutzt, was zumal bei der schwachen Vergrösserung des umgekehrten Bildes eine viel zu geringe Tiefenwahrnehmung ergiebt. Im aufrechten Bilde würde der Giraud-Teulon’sche Augenspiegel bedeutend bessere Resultate ergeben, jedoch lässt er sich im aufrechten Bilde praktisch absolut nicht verwenden wegen der zu grossen Schwierigkeit der Einstellung und des zu kleinen Gesichtsfeldes. — Wenn man nun den Ihnen früher vorgestellten reflexlosen Augenspiegel in einen stereoskopischen Apparat umwandeln will, ist es zunächst noth- wendig, das Beleuchtungsrohr nach oben zu verlegen, so dass durch die obere Hälfte der Pupille das Licht eintritt, während die untere Hälfte die Basis für die binoculare Beobachtung abgiebt. Das Beleuchtungsrohr be- steht wieder wie bei dem anderen Apparat aus drei Convexlinsen von 75 ®” Brennweite und je 75 ®® Abstand von einander. Auf das Auge des Beobachteten wird das Licht durch Spiegelung in einem Prisma gelenkt. Am oberen Ende befindet sich die halbmondförmige Blende, welche bei diesem Apparate verdeckt ist. Von hier geht ‘ein horizontales Rohr aus, das zur Lampe führt. Dieses ist nur aus technischen Gründen an diesem Apparate angebracht, weil es bei Verwendung einer Petroleumlampe nicht gut möglich ist, dieselbe am Ende des Beleuchtungsrohres anzubringen, da dieselbe dann gerade an dem Kopfe des Beobachters sich befinden würde. Es wird also durch dieses Rohr vermittelst zweier Linsen und eines Spie- gels noch einmal ein Bild der Lichtflamme auf der halbmondförmigen Blende erzeugt. Dieses würde bei Verwendung elektrischen Lichtes fortfallen können. Zur Spaltung der Strahlenbündel in eine rechte und linke Hälfte sind hier wie beim Giraud-Teulon’schen Augenspiegel zwei Prismenpaare angebracht, die die Lichtstrahlen parallel mit sich selbst um die halbe Augendistanz nach jeder Seite hin verschieben, nur sind die Prismen wesentlich grösser, um von dem grossen Gesichtsfeld möglichst wenig zu verlieren. Es folgen dann zwei gleich gebaute Beobachtungsrohre, die aus einem Öbjectiv von 75»® Brennweite und einem zusammengesetzten Ocular von 50" Brenn- r PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — THORNER. oTl weite bestehen. Ich hatte ursprünglich die Absicht, dieselben ebenso wie beim monocularen Apparate zu verwenden, d. h. mit der Vergrösserung des aufrechten Bildes; jedoch hat sich herausgestellt, dass die Tiefenwahrneh- mung noch eine bessere wird, wenn man die Vergrösserung etwas steigert; und so ist denn hier eine 1!/,fach so starke Vergrösserung als im auf- rechten Bilde verwandt, d. h. man sieht den Augenhintergrund in 24 facher Linearvergrösserung. Natürlich sind mit so starker Vergrösserung auch wieder andere Nachtheile verbunden, ein etwaiger fehlerhafter Bau des Auges tritt deutlicher hervor, als bei schwächerer Vergrösserung, denn wir müssen ja die Augenspiegelvergrösserung stets nur als Ocularvergrösserung ansehen, da das Objectiv, nämlich die optischen Theile des Auges des Be- obachteten, immer dasselbe bleibt. — Nach dem Austritt aus diesen Rohren wird aber eine nochmalige Um- kehrung des Bildes in der Richtung von rechts nach links nothwendig, damit keine pseudoskopische Wirkung entsteht, und dies wird erreicht, indem man in beiden Rohren durch ein zunächst dem eigenen Auge be- findliches, total reflectirendes Prisma parallel der Hypotenuse desselben hin- durchsieht. Das Bild des Augenhintergrundes, das so entsteht, ist dem- nach weder aufrecht, noch umgekehrt, sondern es sind Oben und Unten vertauscht, während Rechts und Links im wahren Verhältniss zu einander stehen. — Ziemlich complicirte Bewegungen der einzelnen Apparattheile zu ein- ander sind nothwendig, um eine Aenderung der Pupillendistanz zu be- wirken, ohne dass das Gesichtsfeld sich ändert; es geschieht dies durch Bewegen eines Hebels in der Richtung von vorn nach hinten. Die scharfe Einstellung für die verschiedenen Refractionszustände geschieht durch Aus- und Einschieben der beiden Beobachtungsrohre. Ausserdem gehört eine complieirte Suchereinrichtung dazu, um die Stellung des Apparates zur Pupille des Beobachteten controliren zu können, auf die ich aber hier nicht näher eingehen will. Natürlich ist immer eine künstliche Erweiterung der Pupille nothwendig, um die stereoskopische Wirkung hervorzubringen. — Ich will Ihnen hier einige Fälle mit dem Apparate vorführen, muss jedoch bemerken, dass eine ziemlich genaue Einstellung der Pupillendistanz bei der Kleinheit der Austrittspupille erforderlich ist, um den Hintergrund wirklich stereoskopisch zu sehen. Der Berechnung nach ergiebt sich eine 18 Mal so empfindliche Tiefenwahrnehmung, als beim Giraud-Teulon’schen Augenspiegel, und man sieht auch in der That bei richtiger Einstellung nicht nur die Excavationen am Sehnerven sehr deutlich, sondern es er- scheint auch, wenn zwei Gefässe über einander ziehen, deutlich das vordere von dem hinteren abgehoben, und ich hoffe, dass das Instrument sowohl über physiologische, wie pathologische Verhältnisse des Auges in geeigneten Fällen neue Aufschlüsse zu geben im Stande sein wird. 272 VERHANDLUNGEN DER BERLINER XVII. Sitzung am 26. Juli 1901. 1. Hr. E. Rost: „Zur Kenntniss des Stoffwechsels wachsender Hunde.“! Die in Gemeinschaft mit Hrn. Weitzel und Hrn. Dr. Prall angestellten Versuche an 3 wachsenden Hunden (Geschwistern) haben zu folgenden Ergebnissen geführt: Die nach dem Entwöhnen am 56. Lebenstage an Fleisch- und Fett- nahrung gewöhnten, anfänglich mit steigenden, aber pro Körperkilo gleichen Nahrungsmengen gefütterten Thiere erhielten vom 98. Lebenstage an für jedes Thier gleichbleibende Mengen von Stickstoff nm (Pferde- fleisch), Fett, Knochensalzen und Wasser. Der Bruttowärmewerth der Nahrung wurde nach den calorimetri- schen Versuchen A. Köhler’s an Pferdefleisch und denen Rubner’s an Rindfleisch berechnet. Auf 100 2% frisches Pferdefleisch kommen so viel Rohcalorien, als der analytisch gefundene Stickstoffwerth bei Vervielfältigung mit 52-475 ergiebt (d. h. bei einem Stickstoffgehalt von 3-3 bis 3-4 Procent 114 bis 117 Calorien in 100 &”% frischem Pferdefleisch; die entsprechenden, direct ermittelten Werthe Köhler’s betrugen für 3 Fleischsorten zweier verschiedener Pferde 107 bis 118 Calorien). Der physiologische Wärme- werth wurde nach Rubner durch Vervielfältigung des Stickstoffs mit 25.98 erhalten. (Physiologischer Nutzeffect 75 Procent.) Der Brennwerth des ausgeschmolzenen Schweinespeckes ist 9.42 (Rubner), der Nutzeffeet beträgt 100 Procent. Die Harnmengen (2tägige Werthe) sind bei einer (willkürlichen) Thei- lung des Versuches in 3 Abschnitte von je 14, 14 und 16 Doppeltagen: l I ‚In Proc. des n ‚In Proc. des) vu In Proe. des 1899 | h | Nahrungs- ; Nahrungs- : Nahrungs- 1 Scchm wassers | cem wassers | ccm wassers 1. (Juli) | 885 58 | 354, |. ..09.. || Vosan un 2. (August) 384 53 352 59 | 566 57 3. (September) || 439 | 60 | 422 70 | 648 66 Gegen Ende des ersten Halbjahres scheiden diese wachsen- den Thiere also 60 bis 70 Procent des Nahrungswassers (Wasser und Fleischwasser) dureh die Nieren aus; die entsprechenden Werthe meiner analog gefütterten ausgewachsenen Hunde? betrugen 85-7, 89.0, 91.9 Procent, d. h. 88-8 Procent im Durchschnitt. Die Ursache für die am Ende auftretende Steigerung der Harnmenge ist im Wesentlichen ein Concentrirterwerden des Organismus, d. h. eine vermehrte Flüssigkeitsabgabe des Organismus, nicht etwa allein eine Harnvermehrung auf Kosten der anderen Wasserausscheidungsstätten. Verglichen mit dem Stickstoff der Nahrung gehen im Koth an Stick- stoff zu Verlust 3-8 Procent; im Einzelnen: ! Der Vortrag erscheint ausführlich in den Arbeiten aus dem Kaiserl. Gesund- heitsamt. Bd. XVIlI. Heft 2. ® Dies Archiv. 1901. Physiol. Abthlg. S. 534. PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — E. Rost. 27T I 23. man av. Ei I aBrockt ‚Proc eli Broo: 1 3-6 4-1 3:6 2 3:6 4:6 3.9 3+4 | 4-1 Bol. Mittel | 35 | 4+3 3-7 d.h. Werthe, die nur unbedeutend unter sich differiren. Vom Stickstoff der Nahrung erscheinen im Harn und Koth nicht wieder: | R | IT. | VI. IE | Proc. Proc Proe. 1 23 | 26 23 2. 18 19 20 a 14 | 14 16 Von diesen Werthen sind — um ein Bild des Ansatzes zu erhalten — noch etwa 3 Procent des Nahrungsstickstoffs abzuziehen (Stickstoffmenge des in den Käfigen eingetrockneten Harns; nach Versuchen berechnete Mittel- zahl). Es zeigt sich, dass ein grosses Missverhältniss besteht zwischen der Menge des nicht ausgeschiedenen Stickstoffs und derjenigen Stickstoffmenge, welche man erhält, wenn man aus der Körpergewichtszunahme unter der Voraussetzung, es sei nur Muskelsubstanz angesetzt worden, den zurückgehaltenen Stickstoff berechnet: I: II. VIE | srm grm | grm Beobachtete ne RR | 3080 | 2440 | 4600 Der nicht zur Ausscheidung gelangte Stick. | stoff würde Material für ? Muskelsub- | STANZWBEDENE 2 > ee | 4700 | 3870 5400 Zur Erklärung sind hierfür auf der einen Seite die Entwässerung der Gewebe und auf der anderen die für das Wachsthum charakteristische Bildung ‚von Organen und Zellen der verschiedensten Art, d.h. Protoplasma, das einen weit höheren Stickstoffgehalt als Muskel- substanz aufweist, heranzuziehen. Aehnliche Verhältnisse, d. h. grössere Stickstoffzurückhaltung als aus der Gewichtszunahme sich ergiebt, sind bei Typhusgenesenden (Svenson), bei einem Diabetiker (Lüthje), der 394 8m N zurückhielt und nur 1900 &®”% an Gewicht zunahm, bei Mastkuren (White und Spriggs), auch sonst von Siven, von Noorden, R. OÖ. Neumann und Rosemann am Menschen beobachtet worden. Es wurden eingeführt: \ Bei Hund I Bei Hund II | Bei Hund VII | Rohecalorien Rohealorien | Rohcalorien | absolut | in Proc. absolut | in Proc. absolut in Proc. In Eiweiss . | 400 63 | 292 50 | 6 Inrketty.. 2.1 24957 STERNE AATGCO ir ES Archiv f.A.u. Ph, 1901. Physiol, Abthlg. Suppl. 274 VERHANDLUNGEN DER BERLINER | Es stehen zur | Vom physiologischen Verfügung ‚ Wärmewerth kommen ass pro Kilo| pro qm. | pro Kilo | pro qm Zunahme | Körper- | Ober- | Körper- Ober- Mr ai gewicht fläche | gewicht fläche Cal. | Cal. || "Cal. | I | Bei Beginn des Versuches 198 | 2600 | 178 2260 } a: Am Ende des 1. Theiles . 142 2070 | 124 1860 \ 34 15 Am Ende des 2. Theiles . DT 1820 | 102 1570 |) 08 11 Am Ende des Versuches . 101 1650 88 1440 II. Bei Beginn des Versuches | 205 2360 179 2030 146 95 Am Ende des 1. Theiles . | 129 1730 112 1490 \25 12 Am Ende des 2. Theiles . | 108 1530 92 1320 14 6 Am Ende des Versuches . | 97 | 1430 84 1230 Vu. | Bei Beginn des Versuches | 216 | 3070 187 2630 } 73 39 Am Ende des 1. Theiles . 144 2340 125 2000 50 18 Am Ende des 2. Theiles . | 118 | 2050 102 1750 | DE, Am Ende des Versuches . 102 1860 89 1590 I Abgesehen von Schwankungen im Verlaufe des Versuches wirthschaften diese 3 Thiere unter gleichen äusseren Bedingungen mit den ihnen zu Gebote stehenden Calorien gleich; am Ende des Versuches stehen jedem noch 97 bis 102 Rohcalorien pro Körperkilo und Tag zur Verfügung. Heubner fand, dass für Säuglinge während des ersten Lebensviertel- jahres der Energiequotient (d.i. die auf 1 ‘® Körperwicht kommenden Calorien) durchweg über 100 betrug; nach Lambling stellt sich der Energie- quotient für ein 3 Monate altes Kind auf 91, nach Vall&e für dasselbe Kind im Alter von 15 Monaten auf 109. Nach Rubner’s und Heubner’s mustergültigen Untersuchungen konnte während 9 Tagen ein dürftig an der Brust genährtes Kind mit 70 Calorien pro Kilo und Tag gerade seinen Bedarf decken, ein künstlich genährtes Kind erzielte in 7 Tagen mit 96 Ca- lorien pro Kilo ein geringes Wachsthum. Die 3 Thiere, welche anfänglich 3200, 2200 und 4150 8% wogen, haben bei qualitativ und am 1. Versuchstage auch pro Körperkilo gleicher Nahrung 96, 110 und 110 Procent an Gewicht zungenommen, d.h. Hund II hat nach 74 und Hund VII nach 68 Tagen sein Anfangsgewicht verdoppelt. Die Oberfläche der 3 Thiere ist in demselben Zeitraume um 57, 65 und 64 Procent gewachsen. Gegen Ende des Versuches, wo pro Kilo und Tag noch 100 oder etwas mehr Calorien zugeführt worden, werden noch immer nicht unbeträchtliche Gewichtszunahmen erzielt, sie betragen aber doch nur, wie dies ja auch für den menschlichen Säugling gilt, Bruchtheile eines Procentes vom vorauf- gehenden Gewicht. PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — E. Rost. — F. BLUMENTHAL. 275 2. Hr. F. BrumentHau: „Ueber Glycuronsäureausscheidung.“ Die Arbeiten von Schmiedeberg, Thierfelder u. A. haben in uns die Anschauung hervorgerufen, dass die Glyeuronsäure im Organismus ins- besondere aus dem Eiweiss entsteht; im Gegensatz dazu bringt sie Paul Mayer mit der Traubenzuckeroxydation in Verbindung. In seinen verdienst- vollen Arbeiten über diesen Gegenstand kommt er zu dem Ergebniss, dass die Glycuronsäure durch Oxydation des Traubenzuckers im Organismus sich bildet, und dass das vermehrte Erscheinen der Glycuronsäure im Harn zeigt, dass aus irgend einem Grunde die Oxydation des Zuckers nur bis zur Glycuronsäure und nicht weiter gegangen sei. Dies kann geschehen erstens durch Medicamente, welche die Glycuronsäure ge- wissermaassen in statu nascendi abfangen, zweitens durch Behinderung der | oxydativen Kräfte des Organismus. Von grosser klinischer Bedeutung ist hierbei, dass Paul Mayer die vermehrte Glycuronsäureausscheidung im letzteren Falle in Verbindung bringt mit dem Diabetes. Er meint, dass diejenigen Menschen, welche viel Glycuronsäure ausscheiden, d. h. einen Harn mit verzögerter Trommer’scher Probe, hohem spec. Gewicht, ver- zögerter ÖOrcinsalzsäurereaction und Linksdrehung, gewissermaassen die zukünftigen Diabetiker seien, indem sie jetzt noch die Fähigkeit besitzen, den Zucker bis zur Glycuronsäure zu oxydiren, diese selbst aber nicht mehr völlig oxydiren können. Diese Anschauung ist von höchster theoretischer und klinischer Be- deutung, und da eine Reihe einwandsfreier Experimente für sie sprechen, so hat sie auch seiner Zeit gelegentlich des Vortrages von Hın. Franz Müller über Acetonglycosurie den Beifall zahlreicher Discussionsredner in dieser Gesellschaft gefunden. Ich bin ihr damals entgegengetreten, indem ich den Beweis dafür vermisste, dass die Glycuronsäure, die niemals allein, sondern stets gepaart im Harn erscheint, das Primäre sei, wenn es sich um eine Vermehrung derselben handelte, und nicht einer ihrer Paarlinge. Nor- maler Weise erscheint die Glyeuronsäure im Harn, wie P. Mayer und C. Neuberg gezeigt haben, an Phenol und Indoxyl gebunden. Es können nun unter Umständen diese Paarlinge vermehrt sein; so tritt, wie das früher von Salkowski und mir gezeigt wurde, bei vermehrter Darmfäulniss manchmal mehr Phenol im Harn auf, als Aetherschwefelsäuren insgesammt ausgeschieden wurden. Dieses Plus an Phenol dürfte als Glycuronsäure aus- geschieden werden. Zugleich trat in meinen Fällen Linksdrehung des Harns auf. Auch Strauss beschreibt Beobachtungen, wonach bei Geisteskranken Linksdrehung der Harne mit hohem Indicangehalt einherging. Auch in diesen Fällen bezieht Strauss die Indoxylbildung und die dadurch vermehrte Glyeu- ronsäureausscheidung auf die Darmfäulniss. Diese Resultate allein vermögen zwar schon die Theorie, dass Glycuronsäureausscheidung immer eine ver- minderte Oxydation des Organismus bedeute, zu erschüttern, aber es dürfte wohl bei der Deutung dieser Fälle auch keine Meinungsverschiedenheit dar- über herrschen, dass hier das Indoxyl das Primäre und die Glycuronsäure das Secundäre sei. Es bleiben jene Fälle übrig, in denen es sich nicht um klinisch sofort sichtbare abnorme Darmfäulniss handelt, oder in denen nach Vergiftungen mit Curare z. B. oder Kohlenoxyd Glycuronsäure vermehrt im Harn auftritt. Wenn gezeigt werden kann, dass auch bei solchen Ver- siftungszuständen ohne Darmfäulniss Vermehrung der Paarlinge der Glycuron- 18* 276 VERHANDLUNGEN DER BERLINER säure auftritt, so ist in der That möglich, dass auch ohne Darmfäulniss und ohne gestörte Oxydationskraft Glycuronsäure im Harn vermehrt erscheinen kann. Schon Senator betont das starke Auftreten von Indoxyl bei Con- sumptions- und Inanitionszuständen ohne sichtbare Darmfäulniss, und auch viele Erfahrungen von Salkowski und mir sprechen für die Bildung von Phenol durch blossen Zellzerfall. Neuerdings fand Harnack nach Oxalsäureinjeetion vermehrte Indicanurie beim Hunde und macht ebenfalls, wenn auch mit Reserve, den Schluss, dass Indoxyl im Organismus ohne Darmfäulniss ge- bildet werden könnte. In all diesen Fällen war aber nicht auf Glycuron- säure geachtet worden. Ich untersuchte deshalb die Frage der Phenol- und Indoxylbildung im Organismus ausserhalb bakterieller Thätigkeit von neuem und zugleich die Frage, ob vermehrte Phenol- und Indoxylausscheidung mit vermehrter Glycuronsäureausscheidung einherging. Bei diesen Untersuchungen, welche ich in Gemeinschaft mit Hrn. ©. Lewin ausführte, tappten wir in- sofern im Dunkeln, als weder über Phenol- und Indolbildung bei Stoff- wechselstörungen, noch über Glycuronsäurebildung etwas Sicheres bekannt war. Wir wollten ja durch unsere Versuche diese Verhältnisse erst auf- zuklären versuchen. Wir stellten unsere Experimente mit Phlorhizin an, da dieses eine starke Alteration des Stoffwechsels hervorruft, und in der That fand sich, was wir erwartet hatten. Bei Kaninchen, welche in der Vor-, Versuchs- und Nachperiode genau die gleiche Nahrung zugewogen erhalten hatten, zeigte sich nach subeutaner Phloridzineinspritzung stets eine starke Phenolvermehrung bis über 200 Procent.! Ebenso bekamen die Kaninchen in der Phloridzinperiode Indoxylurie, wenn solche vorher nicht bestand. Beim Versuche am Menschen stieg ebenfalls nach subeutaner Phloridzin- darreichung die Phenolmenge auf das Doppelte. Zugleich zeigte sich in der Phloridzinperiode meist die Glyeuronsäuremenge und das Indoxyl stark vermehrt. Dagegen zeigte sich keine Congruenz zwischen der Phenol- und der Glyeuronsäureausscheidung, indem die Vermehrung der Glycuronsäure- ausscheidung länger währte als die Vermehrung der Phenolausscheidung. Nun wissen wir aber dass die Glyeuronsäure, Sk dies auch neuerdings wieder Neubauer betont, an die verschiedensten Körper, wie Aldehyde und Ketone, sich paaren kann. Es können bei einer solchen Stoffwechsel- störung, wie die Phlorhizinvergiftung, neben dem Phenol und Indoxyl ge- wiss noch zahlreiche Paarlinge der Glycuronsäure entstehen. Nun könnte man aber auch annehmen, die Glycuronsäure sei das Primäre, nicht der Paarling. Es werden zwar bei gleichbleibender Nahrung unter gleichen Verhältnissen gleiche Mengen Phenol und Indol gebildet und resotBi aber wenn mehr Glyeuronsäure "entsteht, so braucht sie Phenol und Indol, welche sonst oxydirt worden wären, zur Paarung, und diese erscheinen so in ver- mehrter Menge im Harn. Um diese Anschauung zu prüfen, erhielten drei Kaninchen 2.7 ®"" Glycuronsäure subeutan, und am nächsten Tage noch einmal 2 &’”®, die Phenolausscheidung war in dieser Zeit nicht vermehrt. Daraus geht hervor, erstens, dass die Glycuronsäure nicht das Primäre ist bei der Paarung mit Phenol, zweitens, dass Phenol und Indol auch ohne bakterielle Processe im Organismus entstehen können. ! Wir benutzten die Methode von Kossler und Penny mit der Modification von Neuberg. PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — F. BLUMENTHAL. Da Während in den früheren oben eitirten Versuchen noch die Möglichkeit vorlag, dass die Phenol- und Indoxylvermehrung nur eine scheinbare sei durch primäre Entstehung von Glyeuronsäure, muss dies jetzt als ausgeschlossen gelten. Zugleich ist nun auch gezeigt, dass bei einer schweren Stoffwechsel- störung, wie bei dem Phloridzindiabetes, es zur vermehrten Bildung von Paarlingen der Glyeuronsäure kommt (Indoxyl, Phenol), so dass also in solchen Fällen die Glyeuronsäurevermehrung nicht auf eine verringerte Zucker- oxydation bezogen zu werden braucht.! Was nun die Frage anbelangt, ob die Harne mit hohem spec. Gewicht, verzögerter Trommer’scher Probe, Orcinsalzsäurereaction und Linksdrehung, d. h. ob solche glyeuronsäurehaltigen Harne immer Verdacht eines be- ginnenden Diabetes erwecken, so fand ich in 6 Fällen Folgendes: 1. O. B., seit Jahren als leichter Diabetiker angesehen, früher wenig Zucker constatirt.. Seit etwa !/, Jahr nieht mehr. Trommer positiv Linksdrehung 0-15 Procent Spee. Gewicht 1027 Indoxyl sehr stark. Gährung 0 Oreinsalzsäureprobe? stark. 2. Eng. seit 1 Jahr chron. Diekdarmeatarrh, abgewiesen wegen Ver- dachts auf Diabetes von der Lebensversicherung. Trommer positiv Linksarehung 0-35 Procent Spec. Gewicht 1035 Indoxyl sehr stark. Gährung 0 Oreinprobe stark. 3. P., in der Familie viel Diabetes; lebt ziemlich streng aus Furcht auch Diabetiker zu werden. , Trommer positiv Linksdrehung 0-15 Procent Spec. Gewicht 1035 Indoxyl sehr stark. Gährung 0 Öreinprobe sehr stark. Wird von mir auf gemischte zuckerreiche Diät gesetzt, nach zwei Tagen Trommer 0 Linksdrehung 0-05 Procent Spec. Gewicht 1022 Indoxyl schwach. Gährung 0 Oreinprobe schwach. 4. Frau J., periodische Verrücktheit. Angeblich vor Jahren Spuren Zucker. Trommer positiv Linksdrehung 0-15 Procent Spec. Gewicht 1025 Indoxyl sehr schwach. Gährung 0 Oreinprobe stark. " Diese Versuche werden mit Protokollen an anderer Stelle mitgetheilt werden. ” Nach vorheriger Spaltung des Harns mit Salzsäure, 278 " VERHANDL. D. BERLINER PHYSIOL. GESELLSCH. — F. BLUMENTHAL. 5. Frau R., Verdacht auf Diabetes. In Russland wiederholt sehr ge- ringe Mengen Zucker gefunden. Trommer positiv Linksdrehung 0.2 Procent Spec. Gewicht 1033 Indoxyl sehr stark. Gährung 0 Öreinprobe stark. 6. Frau 8., völlig gesund. Trommer positiv Linksdrehung 0-15 Procent Spec. Gewicht 1032. Indoxyl sehr stark. Gährung 0. Oreinprobe sehr stark. Die Indicanprobe wurde nach Jaff& und nach Obermayer angestellt. In allen diesen Fällen war neben der vermehrten Glycuronsäure eine starke Indoxylurie vorhanden. Da das Indoxyl, wie wir oben sahen, nicht die Glyeuronsäure das Primäre ist, so genügt die starke Indoxylbildung, um die Vermehrung der Glyeuronsäureausscheidung zu erklären. Mit Aus- nahme vielleicht von Fall 1 möchte ich in allen diesen Fällen keinen Zu- sammenhang zwischen der Glycuronsäureausscheidung und einem Diabetes sehen. Im Fall 3 schwindet sogar bei zuckerreicher Diät die Glycuron- säure, zugleich auch das Indoxyl, was einen Zusammenhang zwischen Indoxylausscheidung und Glycuronsäure, wie ihn schon Strauss beobachtet hat, wahrscheinlich macht. Fall 4 habe ich in den letzten Jahren wiederholt untersucht und nie Traubenzucker gefunden, dagegen bestehen seit Jahren Unregelmässigkeiten des Stuhls. Im Fall 5 heisst es in den russischen Analysen: sehr geringe Mengen Zucker. Auf welche Weise diese identifieirt wurden, ist nicht bemerkt. Ich will nun aber aus diesen Untersuchungen — ich verfüge noch über zahlreiche andere, die ich an anderer Stelle mittheilen werde — nicht etwa schliessen, dass die Glycuronsäure gar nichts zu thun hat mit dem Zucker- stoffwechsel; ich glaube sogar sicher, dass auch bei der diabetischen Stoff- wechselsstörung vermehrte Glycuronsäurebildung auftreten kann, aber es giebt eine Reihe klinischer Fälle, in denen die vermehrte Glycuronsäure- ausscheidung sicherlich nicht abhängig ist von der Fähigkeit des Organis- mus, Zucker zu verbrennen.! Es handelt sich in diesen Fällen um eine vermehrte Bildung des Paarlings der Glycuronsäure, häufig des Indoxyls. In der abnormen Bildung dieses Paarlings besteht die Stoff- wechselstörung, nicht etwa in der verminderten Kraft des Orga- nismus, Zucker zu oxydiren. ' Loewi zeigt neuerdings, dass der beim Phlorhizindiabetes entstehende Zucker nicht die Quelle für die Glycuronsäurebildung ist. (Sitzungsberichte der Marburger naturwissenschaftlichen Gesellschaft. 1901. Juni.) Archiv £Anat.u Phys.1901. Phys. Abtilg. Suppl, Kandel Verlag Veit &Comp. Leipzig. IEIBIR u ! Archiv fAnatu.Phys.1901. Phys. Abihlg. Suppl. (® 10) E b F 660 650 640 630 620 60 600 590 380 370 560 550 540 530 520 510 500 490\ 480 Val Bone, ' ahnen! | 6 71 Ä ] R 9 10 N ES Oayhämoglo- bin. Hämoglo bin 1-596_543 Neutrales _ | Methämoglobin 30 - 620 alkalisches 5 Methämoglobin. | -605-579 %.589-379 | saures Himatin 3 % =644_634 \ alkalisches Hämatin 2.:61_582 %=530> Hämochromo - | gen 554 | 2 | Cyanhämatin | A=578-527 Cyanhämo - Cyanmethä- mmoglobin | 2 =579-520 | | Photomet - hämoglobin n 09 200 A =5060- 9° neutrales saures Hamato - as! porphyrın 7 =608 -394 Kohlenoxydhä- moglobin %.= 579-564 %=548_530 Verlag Veit &Comp Taf: IT. Archiv fAnat.u. Phys. 1901. Phys.Abthlg Suppt. Taf. 11: Fig.1. E i Fig. 2. Verlag Veit &Comp. Leipzig _ 3 e _ Zeitschriften aus dem Verlage von VEIT & COMP. in Leipzig. Skandinavisches Archiv für Physiologie. Herausgegeben von Dr. Robert Tigerstedt, 0..ö. Professor der Physiologie an der Universität Helsingfors, Das „Skandıinavische Archiv für Physiologie‘ erscheint in Heften von 5 bis 6 Bogen Stärke in gr. 8 mit Abbildungen im Text und Tafeln. 6 Hefte bilden einen Band. Der Preis des Bandes beträgt 232 Mb. Centralblatt für praktische AUGEN HEILKUNDE Herausgegeben von Prof. Dr. J. Hirschberg in Berlin. \ Preis des Jahrganges (12 Hefte) 12 .#; bei Zusendung unter Streifband direkt von der Verlagsbuchhandlung 12 .# 80 2. Das „Üentralblatt für praktische Augenheilkunde‘ vertritt auf das Nachdrück- lichste .alle Interessen des Augenarztes in Wissenschaft, Lehre und Praxis, ‚vermittelt den Zusammenhang mit der allgemeinen Medizin und deren Hilfswissenschaften und giebt jedem praktischen Arzte Gelegenheit, stets auf der Höhe der rüstig fortschrei- tenden Disziplin sich zu erhalten. DERMATOLOGISCHES CENTRALBLATT. INTERNATIONALE RUNDSCHAU AUF DEM GEBIETE DER HAUT- UND GESCHLECHTSKRANKHEITEN. Herausgegeben von Dr. Max Joseph in Berlin. Monatlich erscheint eine Nummer. Preis des Jahrganges, der, vom October des einen bis zum September des folgenden Jahres läuft, 12 .%#. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes, sowie direct von der Verlagsbuchhandlung. Venrologisches (entralblatt. Übersicht der Leistungen auf dem Gebiete der Anatomie, Physiologie, Pathologie und Therapie des Nervensystems einschliesslich der Geisteskrankheiten. Herausgegeben von Professor Dr. E. Mendel in Berlin, Monatlich erscheinen zwei Hefte, Preis des Jahrganges 24 %#. Gegen Einsen- dung des Abonnementspreises von 24 .# direkt an die Verlagsbuchhandlung erfolgt regelmäßige Zusendung unter Streifband nach dem In- und Auslande. Zeit sc hrift "Hygiene und Infectionskrankheiten. Herausgegeben von Dr. R. Koch, wd Dr. C. Flügge, Director des Instituts 0. 6. Professor und Director - für Infectionskrankheiten des hygienischen Instituts der zu Berlin, Universität Breslau. - Die Zeitschrift für Hygiene und Infectionskrankheiten‘“ erscheint in zwanglosen Heften. Die Verpflichtung zur Abnahme erstreckt sich auf einen Band im durchschnitt- lichen Umfang von 30—35 zn mit Tafeln; einzelne Hefte sind nicht käuflich. ARCHIV für ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE. Fortsetzung des von Reil, Reil und Autenrieth, J. F. Meckel, Joh. Müller, Reichert und du Bois-Reymond herausgegebenen Archives, erscheint jährlich in 12 Heften (bezw. in Doppelheften) mit en im Text und zahlreichen Tafeln. 6 Hefte entfallen auf den anatomischen Theil und 6 auf den physiolo- gischen Theil. Der Preis des Jahrganges beträgt 54 M. Auf die anatomische Abtheilung (Archiv für Anatomie und Entwickelungs- geschichte, herausgegeben von W. His), sowie auf die physiologische Abtheilung (Archiv für Physiologie, herausgegeben von Th. W. Engelmann) kann separat abonnirt werden, und es beträgt bei Einzelbezug der Preis der anatomischen Abtheilung 40 c#, der Preis der physiologischen Abtheilung 26 #. Bestellungen auf das vollständige Archiv, wie auf die einzelnen Ab- theilungen nehmen alie Buchhandlungen des In- und Auslandes entgegen. Die Verlagsbuchhandlung: Veit & Comp. in Leipzig. Druck von Metzger '& Wittig in Leipzig. Ei N Reh EN AIR; AN Era N "INN 3 Date Due