HARVARD UNIVERSITY. LIBRARY OF THE MUSEUM OF COMPARATIVE ZOÖLOGY. PAS (ee \ N ln ER, ob - amwanı 30,190] « rt- . N wer . i . n s r 1 . 2 s E R “ .F ) - I = ah er a ı . “ , * ’ r % - . ” P 5 s B * R » + un ü j . or Datee i N ae . er Ben u % Fir dr rt 2 je od F Ü R * vi R r- De rn j A Wh Br an \ ß wu a k B r . PN NINE Fa Fr . . CHE SIR u ; u u ı » ? B Sa u g:" £ gi a # 5 * - % ta + j ’r D u . 2 . R . x = Fi % 2 we“ u r . Y f — ı ” [7 ’ x ı 4 W 1 * ” 2 ü x: 1) ur g i MON 'E u u {] . . b 5 { 5 h 7 e & Sad Pe De . \ ; tr ‘ ü hr h 'h x e ; . = 4 B E ’ = i RT id $ Ir J IE ö Fa ER ve > 5 e, ER ’ * ’ PR | Ai ‘ j . u E i % £ iR ’ J 2 En “ oz , hi ar . 2 N r ai) Pr EEE Era E fi \ E \ Er ® # > 5 ' ig = + dr: su r y j #; F 41% Fi + j Lr . KIA NGNUTTE III Pa : . = = | i 2 . R 5 - D . h Hi 5 R e 2 - i in ® I . % Zumz - | “ & r x B u N . = 5 3 F a E . j j B Pr an GE 1 j" 0% a hi {Hr r re i ARCHIV FÜR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE. FORTSETZUNG DES von REIL, REIL v. AUTENRIETH, J. F. MECKEL, JOH. MÜLLER, REICHERT vw. DU BOIS-REYMOND HERAUSGEGEBENEN ARCHIVES. HERAUSGEGEBEN VON Dr. WILHELM WALDEYER, PROFESSOR DER ANATOMIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN, UND Dr. TH. W. ENGELMANN, PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN. JAHRGANG 1906. SUPPLEMENT-BAND ZUR PHYSIOLOGISCHEN ABTEILUNG. LEIPZIG, VERLAG VON VEIT & COMP. 1906. ARCHIV FÜR PHYSIOLOGIE. PHYSIOLOGISCHE ABTEILUNG DES ARCHIVES FÜR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE. UNTER MITWIRKUNG MEHRERER GELEHRTEN HERAUSGEGEBEN VON De. TH. W. ENGELMANN, PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN. JAHRGANG 1906. SUPPLEMENT-BAND. MIT ABBILDUNGEN IM TEXT UND SECHZEHN TAFELN. - LEIPZIG, VERLAG VON VEIT & COMP. 1906. Enahsarlır, M. Grärin von Linpen, Die Assimilationstätigkeit bei Puppen und Raupen von Schmetterlingen. (Hierzu Taf. ITu.IL). } Hays Arow und Franz MÜLLER, Über die ont Orpiron des Blutfarbstoffe, (Untersuchungen mit dem Hüfnerschen Spektrophotometer.) . ae M. Sızre, Experimentelle Untersuchungen über Veränderungen des Lungen- volumens und der Lungenkapazität bei Reizung der Nasenschleimhaut. (Hierzu Taf. III—-V.). Evsen RenuriscH, Über die Reizung des Herzyasız bei Warmpliteen mi: Einzel. induktionsschlägen. (Hierzu Taf. VI.) .. CamınL LHOTAX Von LHOTA, Untersuchungen über die Tonsche Köntraktur an kontraktorische Starre des Froschmuskels. (Hierzu Taf. VII—X.) A. SamosLorr, Beiträge zur Elektrophysiologie des Herzens. (Hierzu Taf. xI uU. xI)r Berichtigung MARIA GRÄFIN VON ER, Ar Kisten) WILHELM TRENDELENBURG, Weitere Untersuchungen Aller die Be veeaneen der Vögel nach Durchschneidung hinterer Rückenmarkswurzeln. I. Die ana- tomischen Grundlagen der Untersuchungen. II. Beobachtungen über Reflexe und Tonus an den hinteren Extremitäten. (Hierzu Taf. XIII.) J. GEwis, Das Flimmern des Herzens. (Hierzu Taf. XIV.) . JExö KOLLARITS, Untersuchungen über die galvanische Muskelzuckung des Besunden Menschen i Ernst WEBER, Über den Einfuß dei Dehenzweize a Kor neun aut ai Beziehungen zwischen Hirnrinde und Blutdruck a 2 ALEXANDER STRUBELL, Über die Vasomotoren der Lungengefäße. (Eiern Taf. xV) ARTHUR BORNSTEIN, Die Grundeigenschaften des Herzmuskels und ihre Beein- fiussung‘ durch verschiedene Agentien. Erste Mitteilung: Optimaler Rhyth- mus und Herztetanus . ARTHUR BORNSTEIN, Die Granderbencchaflen des Hole und ihre Beeie flussıng durch verschiedene Agentien. Zweite Mitteilung: Das Bowditch’sche „Alles- oder Nichts“-Gesetz . . . . ee emeuhe Ep. ReicHmann, Expektoration und Kulaell: Druck . 343 vI INHALT. r Franz MÜLLER, Über die Wirkung des Yohimbin (Spiegel) auf den Herzmuskel. (Hierzu Taf. XVL). Franz MÜLLER, Ein Beitrag zur Kenntnis 18 Gefäßmuskulator Verhandlungen der physiologischen Gesellschaft 1905—1906. GANZER, Über physiologische Methoden am lebenden Zahn zum Studium der Schmelzhistogenese (mit Demonstration) . » 2... Orro CoHNHEIM, Über den Stoffverbrauch und die Wärmeproduktion, De de Verdauungsarbeit : Huco MEyErR und BickEL, DR en eines Affen ARE künstlich angelegten Magenblindsack ; ALFRED WOLrr-Eisner, Die indoteriniehen Gate ID eneneruon eines Anparies zur Herstellung steriler Organ- und Bakterienpreßsäfte) N. Zuntz, Über die Einwirkung der Muskelarbeit auf die Organe des Tierkörper nach Versuchen, welche Dr. Felix Rogozinski aus Krakau in seinem Labora- torium ausgeführt hat . Th. W. EngELmann, Einige Ergebnisse milesospektrometziächen Untersuchungen von Blutlösungen . . .. ERS FrAnz MÜLLER, Experimentelle Erfahrangeh über Yolımbin (Spiegel) (augleieh ein Beitrag zum Studium von Vasomotorenmitteln und sog. „Aphrodisiacis‘“) Seite 391 411 426 427 429 430 432 433 434 SS : Physio:. Auteilung. 1906. Supplement-Band, I. Hälfte. ARUOHIV FÜR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE | | FORTSETZUNG DES von REIL, REIL v. AUTENRIETH, J. F. MECKEL, JOH. MÜLLER, | REICHERT vw. DU BOIS-REYMOND HERAUSGEGEBENEN ARCHIVES. N HERAUSGEGEBEN VON | | De. WILHELM WALDEYER, PROFESSOR DER ANATOMIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN, UND Dr. TH. W. ENGELMANN, PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN. JAHRGANG 1906. —— PHYSIOLOGISCHE ABTEILUNG. —= SUPPLEMENT-BAND. == ERSTE HÄLFTE. = MIT FÜNFZEHN ABBILDUNGEN IM TEXT UND ZWÖLF TAFELN. “ LEIPZIG, VERLAG VON VEIT & COMP. 1906 Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Austandes. (Ausgegeben am 25. Oktober 1906.) Inhalt. Seite M. GrÄrIN von Linpen, Die Assimilationstätigkeit bei Puppen und Raupen von Schmetterlingen. (Hierzu Taf.Iu. IM). . . . 1 Hans Aron und Franz Mürter, Über die ichalsorptien des Blntfarbstoffs, (Untersuchungen mit dem Hüfnerschen Spektrophotometer.) . . . 209 M. Sıare, Experimentelle Untersuchungen über Veränderungen des en volumens und der Lungenkapazität bei Reizung der Nasenschleimhaut. (Hierzu Taf. II—V.),. . ... les Eugen RenriscH, Über die Reizung des Horse bei Warmbittern an insel. induktionsschlägen. (Hierzu Taf. VL). . . . 2192 CAmIL LHOTAK von LHoTA, Untersuchungen über die konische Kontialktr un kontraktorische Starre des Froschmuskels. (Hierzu Taf. VU—X.) . . 173 A. SAMOJLoFF, Beiträge zur Elektrophysiologie des Herzens. (Hierzu Taf. xI U XL.) N N ee RL N RS ee Berichtigung .. Re ee a2 MARIA GRÄFIN VON ones Zur Klarstellung LESS Re en Die Herren Mitarbeiter erhalten vierzig Separat-Abzüge ihrer Bei- träge gratis. Beiträge für. die anatomische Abteilung sind an Professor Dr. Wilhelm Waldeyer in Berlin N.W., Luisenstr. 56, Beiträge für die physiologische Abteilung an Professor Dr. Th. W. Engelmann in Berlin N.W., Dorotheenstr. 35 portofrei einzusenden. — Zeichnungen zu Tafeln oder zu Holzschnitten sind auf vom Manuskript getrennten Blättern beizulegen. Bestehen die Zeich- nungen zu Tafeln aus einzelnen Abschnitten, so ist, unter Berücksichtigung der Formatverhältnisse des Archives, eine Zusammenstellung, die dem Lithographen als Vorlage dienen kann, beizufügen. Die Assimilationstätigkeit bei Puppen und Raupen von Schmetterlingen. Von Dr. M. Gräfin von Linden in Bonn. (Hierzu Taf. I u. EI.) Inhalt. Einleitung. ; Vorne bei den ra erushen Beschreibung der verwendeten Puppenbehälter . Einfüllen des Gases in den Puppenbehälter h ; Analyse der Luft in dem Puppenbehälter vor und nach en Amung ; Bestimmung des Luftvolumens in dem Puppenbehälter vor und nach der Atmung Prüfung der Genauigkeit 6 edlen eo neknechen Methode Erläuterung der Versuchsanordnung und der Berechnung der Ergebnisse an einem Beispiel ; Übersicht über die Ergebnisse der Kann eversnchen in ntmospherncher Luft und in anderen Gasen . Der Gaswechsel der Puppen und der Heulen vor chiedener Sehmettarlnde in kohlensäurereicher atmosphärischer Luft . Die Atmungsversuche in kohlensäurereicher Atmosphäre ent der Monte Dezember bis März Die Atmungsversuche in Ponlenssnresercher Kenosphäte alrend er Monate März bis Juni 1. Atmungsversuche mit Papilio ers na, Eee ir. 2. Atmungsversuche mit Papilio ‚podalirius-Puppen, Serie III ' 3. Atmungsversuche mit jungen Brennnesselpflanzen Archiv f. A.u. Ph. 1906. Physiol. Abtlg. Suppl. 1 2 M. GRÄFIN VON LiINDEn: 4. Atmungsversuche mit Puppen von Sphinx euphorbiae . . . . . . 67 5. Atmungsversuche mit Puppen von Lasiocampa pin . . 2... 7 6. Atmungsversuche mit Schmetterlingsraupen . . » 2. 2.2.....7 Einfluß des Aufenthaltes in kohlensäurereicher Atmosphäre auf die Raupen und Puppen von Schmetterlingen . . . . . . nun. EEG Weitere Nachweise der Sauerstoffabscheidung im Licht bei Raupen und Puppen von Schmetterlingen . ..:.. 2. % m 2.20 UL EEE) Zusammenfassung und Schlußfolgerung . . . . ..... 1. „sr Einleitung. Unter Assimilation versteht man bei der Pflanze die Fähigkeit, die in der Atmosphäre enthaltene Kohlensäure in sich aufzunehmen, ihr den Kohlenstoff zu entreißen und diesen in organische Substanz überzuführen. Bei diesem Prozeß erfährt, wie bekannt, die Kohlensäure eine Spaltung in Kohlenstoff und Sauerstoff. Während der Kohlenstoff in erster Linie zum Aufbau von Kohlenhydraten Verwendung findet, wird der abgespaltene Sauerstoff nach außen abgegeben, oder aber bei Oxydationsvorgängen im Körper selbst verbraucht. Im ersteren Fall kann in der Atemluft eine Zu- nahme des Sauerstoffes auf gasanalytischem Wege, oder durch die, noch die geringsten Mengen freien Sauerstoffs anzeigende, Engelmannsche Bakterienmethode nachgewiesen werden, im letzteren Falle wird eine stetige, wenn auch langsame, Abnahme des Sauerstoffgehalts der Luft zu konsta- tieren sein, da die Pflanze nicht nur assimiliert, sondern auch atmet. Der gasanalytische Nachweis des gasförmigen Assimilationsproduktes der Pflanze, des abgespaltenen Sauerstoffs, ist indessen nur dann zu führen, wenn der mit dem Assimilationsvorgang gleichzeitig verlaufende Atmungsprozeß, der hier wie beim Tier auf einer Aufnahme von Sauerstoff und einer Abgabe von Kohlensäure beruht, die assimilatorische Tätigkeit nicht aufwiegt oder gar übertrifft. Ist letzteres der Fall, d. h. verbraucht die Pflanze durch die Atmung mehr Sauerstoff als bei der Assimilation abgegeben wird, und produziert sie mehr Kohlensäure als von ihr assimiliert werden kann, so sind die Spuren der assimilatorischen Tätigkeit verwischt, weil uns in diesem Fall die Analyse nur eine Vermehrung der Atmungsprodukte anzeigt. Anders verhält es sich, wenn sich beide Prozesse die Wage halten, wenn ebensoviel Sauerstoff und Kohlensäure verbraucht und abgegeben wird; wohl läßt sich auch dann die Größe des Assimilationsprozesses nicht ohne weiteres zahlenmäßig bestimmen; wir müssen aber daraus, daß die Zu- sammensetzung der Luft dieselbe bleibt, schließen, daß neben dem DIE ASSIMILATIONSTÄTIGKEIT BEI PUPPEN UND RAUPEN. 3 Atmungsvorgang der lebenden Organismen ein Prozeß verläuft, der den ersteren, was die Aufnahme und die Abscheidung von Gasen betrifft, kompensiert. Die meisten pflanzlichen Organismen assimilieren nur bei Tag, während der Nacht beschränkt sich ihr Gaswechsel auf die Aufnahme von Sauerstoff und auf die Abgabe von Kohlensäure, mithin auf die Atmung. Dieses Ver- halten ist darin begründet, daß die der Assimilation des Kohlenstoffes vorausgehende Spaltung der Kohlensäure sich nur bei Zufuhr von Energie vollziehen kann. Als Kraftquelle dient der Pflanze bei diesem Reduktions- prozeß das Sonnenlicht, und zwar sind diejenigen Strahlen am wirksamsten, welche von den, die Assimilation vollziehenden, Organen der Pflanze am stärksten absorbiert werden. Die Lichtabsorptionsmaxima entsprechen, wie Engelmann! nachwies, jeweils den Assimilationsmaxima. Daraus folgt, daß die Assimilation grüner chlorophyllhaltiger Pflanzen am stärksten durch die Strahlen zwischen den Frauenhoferschen Linien 3—C, im roten Teil des Spektrums, angeregt wird, und daß grüne Pflanzen ein zweites kleineres Assimilationsmaximum im Blau, bei der Linie #, zeigen. Allein auch die Lichtstrahlen anderer Wellenlänge können dem pflanzlichen Organismus bei der Spaltung der Kohlensäure als Energiequelle dienen, vorausgesetzt, daß sie in den Chromatophoren zur Absorption gelangen. Bei den rot, gelbbraun oder blaugrün gefärbten Diatomaceen und Oscil- larien fand Engelmann,” daß die assimilatorische Tätigkeit in den grünen oder gelben Bezirken des Spektrums am energischsten war. Für Bac- terium photometricum lag das Absorptionsmaximum im Ultrarot, entsprechend der starken Absorption, die dieser Strahlenbezirk durch den in dieser Art enthaltenen Farbstoff (Bacteriopurpurin)? erfährt. Es können somit sowohl die für unser Auge sichtbaren, wie die unsicht- baren Lichtstrahlen die Spaltung der Kohlensäure und die Assimilation des Kohlenstoffes im Pflanzenorganismus bewirken, in beiden Fällen stammt die Energie, der die Pflanze zur Ausführung der Reduktionssynthese bedarf, von der Sonne. Es gibt aber auch pflanzliche Organismen, die in ihrem Innern über Kraftquellen verfügen, die sie in den Stand setzen, ohne Lichtenergie, also im Dunkeln, zu assimilieren. Es sind dies, nach Engelmann, die Purpur- bakterien, die sowohl im Licht wie im Dunkeln Kohlensäure zu spalten ! Engelmann, Zur Technik und Kritik der Bakterienmethode. Bot. Zeitung. 1886. ® Derselbe, Farbe und Assimilation. Zbenda. 1883. Nr.1 und 2. 8. 1—12. ® Derselbe, Die Purpurbakterien und ihre Beziehungen zum Licht. Zbenda. 1588. S, 693. — Über Bakteriopurpurin und seine physiologische Bedeutung. Pflügers Archiv. 1888. Bd. XLIL S. 183, + 4 M. GRÄFIN von LINDEN: vermögen, und vornehmlich die nitrifizierenden Bakterien, die eben- falls unter Lichtabschluß den atmosphärischen Kohlenstoff in ihrem Körper fixieren. Statt der Photosynthese besteht hier eine Ohemosynthese, der Assimilationsprozeß wird hier durch chemische Kräfte ermöglicht, die bei Oxydationsvorgängen im Innern der Pflanze in Freiheit gelangen. Der Energiegewinn ergibt sich bekanntlich bei den nitrifizierenden Bakterien aus der Verbrennung von Ammoniak zu salpeteriger Säure oder durch Oxydation der letzteren zu Salpetersäure. ! Wir sehen, daß die Fähigkeit, die Kohlensäure der Luft aufzu- nehmen und den mit Hilfe fremder oder eigener Energie abgespaltenen Kohlenstoff für den Körper nutzbar zu machen, im Pflanzenreich weit ver- breitet ist, daß dies Vermögen sowohl den höchsten wie den niedrigsten pflanzlichen Organismen zukommt. Die einzige Pflanzengruppe, bei denen keine Assimilationstätigkeit gefunden worden ist, das sind die Pilze, die somit in bezug auf das Fehlen dieser wichtigen physiologischen Leistung zu den tierischen Organismen überführen, denen ebenfalls die Fähigkeit, den atmosphärischen Kohlenstoff zu assimilieren, vollkommen abgehen soll. Der Standpunkt, daß die Fähigkeit der Kohlensäureassimilation ein Reservat- recht der Pflanze bilde, war so lange berechtigt, bis Engelmann? und van Tieghem® die überraschende Entdeckung machten, daß derselbe Prozeß der Kohlensäureaufnahme und der Zerlegung, wie er bei der assi- milierenden Pflanze beobachtet wird, sich auch im Organismus einzelliger Tiere abspielt. Die ersten Untersuchungen in dieser Richtung waren an einzelligen Tieren gemacht worden, die in ihrem Organismus grüngefärbte Körper beherbergten, die später für mit dem Tier symbiotisch vergesell- schaftete Algenformen (Zoochlorellen) gehalten worden sind. Bei allen der- artige Zoochlorellen enthaltenden Tieren konnte mittels der Bakterienmethode eine Ausscheidung von Sauerstoff im Licht nachgewiesen werden. Der Assimilationsvorgang war indessen hier nicht der tierischen Zelle, sondern den symbiotisch in ihr lebenden Pflanzenorganismen zugute zu schreiben. Assi- milierend waren hier nur die Zoochlorellen tätig, die nach der Ansicht der meisten Forscher als von außen kommende, allerdings dem Protozoon nützliche Eindringlinge zu betrachten waren. Von fundamentaler Bedeutung war es daher, als zuerst van Tiesghem, ı F. Hueppe, Über Assimilation der CO, durch chlorophylifreie Organismen. Dies Archiv. 1905. Physiol. Abtlg. Suppl. 8. 33—61. ? Engelmann, Über tierisches Chlorophyll. Pflügers Archiv. 1883. XXXII. Ss. 80—96. ® van Tieghem, Bull. soc. bot. France. 1880. T. XXVII. p. 130. Zitiert nach Czapek, Biochemie der Pflanzen. Bd. I. S, 487. DIE ASSIMILATIONSTÄTIGKEIT BEI Puppen UND RAUPEN. B) im Seewasser von Roscoff eine grüne Flagellatenform: Dimystax perrieri fand, welche im Lieht Sauerstoff produzierte, und noch wichtiger war die Engelmannsche Entdeckung, einer diffus grün gefärbten Vorticelle, der ebenfalls Assimilationsvermögen zukam. Engelmann hatte dieses inter- essante Glockentierchen in einem Arm des Rheins in der Umgebung von Utrecht entdeckt und es als eine nahe verwandte Form der Vorticella campanula erkannt. Das Ektoplasma des Tierchens enthielt grünen, diffus verteilten Farbstoff, der in seinem chemischen wie spektroskopischen Ver- halten dem Chlorophyll sehr ähnlich war. Engelmann hatte die Sauer- stoffabgabe und damit die Assimilationstätigkeit des Glockentierchens ver- mittelst seiner außerordentlich empfindlichen Bakterienmethode nachzuweisen vermocht und damit den Beweis erbracht, daß es auch tierische Zellen gibt, denen das Vermögen der Kohlensäureassimilation zu- kommt. Er nimmt an, daß bei diesem synthetischen Prozeß der grüne Farbstoff der Vorticelle in ähnlicher Weise wirksam ist, wie das Chlorophyll bei der Pflanze. Außer diesen beiden niederen Lebewesen ist bis jetzt kein anderes tierisches Individuum gefunden worden, bei dem mit Sicherheit die Fähig- keit, Kohlensäure zu absorbieren und sie wie die Pflanze zu spalten, festgestellt worden wäre. Geddes! hatte allerdings eine grüngefärbte Planarienart entdeckt, der das Vermögen der Kohlensäureassimilation, auch bei der Nachuntersuchung durch Barthel&my nicht abgesprochen werden konnte Es assimilieren aber hier, wie später angenommen wurde, nicht die Zellen des Wurmes, sondern mit ihm vergesellschaftete grüne Algenzellen. Einige Jahre später behauptete Macchiati,? daß die Aphiden Chlorophyll enthielten und ebenfalls Assimilationsvermögen be- säben. Die Berechtigung oder Nichtberechtigung dieser letzteren Annahme ist meines Wissens nicht näher geprüft worden. Mit Sicherheit konnte somit bis jetzt ein der Pflanze ähnliches Assimilationsvermögen unter den vielzelligen Tieren nur bei der von Geddes beobachteten grünen Planarie und neuer- dings auch bei einem Polypen Anthea cereus nachgewiesen werden, und da der photosynthetische Prozeß, der sich bei deın zuerst genannten Wurme abspielt, auf Rechnung mit ihm vergesellschafteter Algen gesetzt wird, so kann nur der zweite Fall bei der Entscheidung der Frage, ob das höhere Tier imstande ist zu assimilieren, in Betracht kommen. Eine Aufnahme von Kohlensäure, ohne gleichzeitige Sauerstoffabgabe ist dagegen bei ‘ Geddes, Sur la fonction de la Chlorophylle avec les Planaires vertes. Compt. rend. 1879. LXXXVII. p. 1095—1097. -” Macchiati, Just. Jahresbericht. 1883. Bd. I. 8.66. Zitiert nach Czapek, Biochemie der Pflanzen. Bd. I. S. 488. 6 M. GrÄFINn von LinDEn: Tieren schon öfters beobachtet worden. Bei einer Küstenkrabbe, Gonoplex rhomboides, ist, nach den Untersuchungen Bohns, diese Fähigkeit in sanz besonders auffallender Weise ausgebildet. Die Krabben nehmen er- hebliche Mengen von Kohlensäure aus dem Wasser auf und verwenden die gebildeten Karbonate, zum Teil wenigstens, um ihren Panzer aufzubauen; ! einen andern Teil scheinen sie in ihrem Körper aufzuspeichern. Auch bei winterschlafenden Tieren ist es eine längst bekannte Tatsache, daß sie zeit- weise an Gewicht zunehmen können. Dubois? hat dieses Phänomen bei dem Murmeltier eingehend studiert und gefunden, daß die Gewichts- zunahme einer Bereicherung der Gewebe und des Blutes an Kohlen- säure zuzuschreiben se. Ob die Kohlensäure hier gespalten und zur Bildung von Reservestoffen führt, ist noch unbekannt. Allein trotz dieser wichtigen Beobachtungen und trotz der Engelmannschen Entdeckung der assimilierenden Vorticelle, die unzweideutig zeigt, dab unter Umständen auch der tierischen Zelle das Vermögen, zu assimilieren, zu- kommt, wird die Möglichkeit, daß ein derartiger Prozeß sich auch im Organismus der Metazoen abspielen könnte, wohl heute noch ziemlich all- gemein a priori verneint. Dieser ablehnende Standpunkt ist wohl dadurch begründet, daß die gasanalytischen Untersuchungen des Atmungsstoffwechsels, die namentlich durch Regnaultund Reiset?auf die verschiedensten Gruppen der Wirbellosen und der Wirbeltiere ausgedehnt worden sind, übereinstimmend Sauerstoff- verbrauch und Kohlensäureproduktion ergeben haben. Es wurde aber bereits erwähnt, daß es auch bei der Pflanze nicht immer gelingt, den Assimilationsprozeh auf gasanalytischem Wege nachzuweisen, weil auch bei der assimilierenden Pflanze häufig die Atmungstätigkeit die Assimilations- tätigkeit an Intensität übertrifft, weil dann der eine Vorgang den andern verdeckt. Diese Schwierigkeiten, die sich bei der Untersuchung des Stoffwechsels der Pflanze in den Weg stellen, sind beim Tier naturgemäß noch erheblich größer, weil hier von den animalen Funktionen die Bewegung als eine die ! G@.Bohn, De l’Absorption de !’Anhydride carbonique par les Crustaces decapodes, Soc. de Biolog. 5. Nov. 1898. ? Raphael Dubois, Etude sur la thermogendse et le sommeil chez les Mammi- feres, physiologie comparee de la Marmotte. (Annales de !’ Universite de Lyon.) 1896. — Sur Yaugmentation de poids des animaux sommis au jeüne absolu. Nozes de Physiologie, presentees a la soc. Linneenne de Lyon. — Nouvelles recherches sur l’Auto- narcose carbonique ou sommeil naturel. Critique de l’Acapnie. Notes de Physiologie, presentees ü la Soc. Lin. de Lyon. 24. Juni 1901. 3 Regnault et J. Reiset, Recherches ehimiques sur la respiration des animaux des diverses elasses. Annales de C'him. et de Phys. (3.) XXVI. 1849. DIE ASSIMILATIONSTÄTIGKEIT BEI PUPPEN UND RAUPEN. 7 Verbrennung steigernde Ursache in den Vordergrund tritt. Das Tier besitzt im tätigen Muskel eine Stätte größten Sauerstoffverbrauchs und eine Quelle der Kohlensäureproduktion, die wir bei der Pflanze nicht annähernd in diesem Umfange kennen. Es wird somit beim Tier von vornherein ein Überwiegen des Atmungsprozesses über den Assimilationsprozeß, wenn überhaupt ein solcher bestehen sollte, stattfinden müssen. Das Tier wird normalerweise immer mehr Kohlensäure abgeben wie assimilierend zersetzen, und was bei der grünen Pflanze Ausnahme ist, wird hier zur Regel. Weil diese Schwierigkeiten bestehen und beim höheren Tiere bisher noch kein gas- analytischer Nachweis der Assimilationstätigkeit erbracht worden ist, sollte aber meines Erachtens die Möglichkeit einer solchen nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Das wesentliche bei dem sich im Pflanzenorganismus abspielenden Assimilationsprozeß ist die Reduktionssynthese. Reduktions- synthesen spielen sich aber, wie Pflü- ger! schon im Jahre 1875 in seiner klassischen Arbeit: „Über die physio- logische Verbrennung in den lebenden Organismen“ hervorhob, auch im tierischen Organismus ab. „Man kann nur sagen“, schreibt Pflüger, „daß Reduktionsprozesse in beiden Reichen vorkommen und daß bei der Pflanze besonders starke derartige Arbeit in be- stimmten Organen durch die Sonne geleistet wird“ (S. 345). Wenn Unterschiede zwischen den physio- logischen Leistungen der Vertreter beider Reiche bestehen, so sind sie nach der Anschauung des großen Physiologen nur gradueller, nicht prinzipieller Natur. Dieser graduelle Unterschied, der sich in dem Überwiegen der Oxi- dationsvorgänge beim Tier offenbart, genügt schon, um einen gasanalytischen Nachweis der Assimilationsprodukte beim Tier zu verhindern, wenn nicht auch hier Ausnahmefälle eintreten, in denen der Assimilationsprozeß den der Atmung überwiegt, ebenso wie bei der Pflanze unter Umständen die Assimilationstätigkeit von der Atmung an Intensität übertroffen wird. Solche Ausnahmefälle werden wir im folgenden kennen lernen. Wir werden sehen, daß es vielzellige Organismen gibt, die Kohlensäure absorbieren und mit Hilfe des Sonnenlichts Sauerstoff abspalten können und denen, wie der Bıosair ı Pflügers Archiv. 1875. X. 8. 345. YpmM 4Ongsoasfne uoddng uop uoA oz ueuodwıpdqw ostaruasstzsqy TOP Ne AOp um Hrp “uw HFUamIosse MA HP UHFLOZ apeuTp.IO ALL NH M. GRÄFIN von LINDEx: Pflanze, die Fähigkeit zukommt, den aufgenommenen Kohlenstoff und Stick- stoff in ihrem Organismus zu fixieren. Stand der Wassersäule im SaugrohrR (vergl. Fig.1) z/brg UnR9oN UIQIEO Die Untersuchungen, deren Ergebnisse den Gegenstand dieser Abhandlung bilden, knüpfen sich an eine zufällige Beobachtung, die ich bei Ge- legenheit von Experimenten gemacht habe, welche das Studium der Varietätenbildung beiSchmetterlingenzum Zweck hatten. Es war mir gelungen, durch Sauerstoffentziehung bei jungen Puppen des kleinen Fuchs (Vanessa urticae) und des Pfauenauges (Vanessa io) aberrativ ge- färbte und gezeichnete Schmetterlinge zu erziehen.! Ich hatte zu diesem Zweck die Schmetterlingspuppen in nahezu reiner Kohlensäure oder Stickstoffatmosphäre ge- halten, und. es war mir dabei aufgefallen, das die Tiere die Sauerstoffentziehung besonders gut aushalten konnten, wenn sie sich in Kohlensäure- atmosphäre befanden. Ferner glaubte ich zu be- obachten, daß die Kohlensäure in der Atmosphäre nach dem Versuch weniger konzentriert war, wie vorher und daß eine Verringerung des Luftvolu- mens einzutreten pfleete. Um über diesen letzten Punkt Gewißheit zu erlangen, brachte ' Gräfin v Linden, Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. 1905. Bd. LXXX11. S. 411—444. 1.72% DIE ASSIMILATIONSTÄTIGKEIT BEI PUPPEN UND RAUPEN. 9 ich die Puppen in eine Absaugflasche # und verband die seitliche Öffnung der Flasche durch einen kleinen Schlauch mit einer Glasröhre AR, die in en mit Wasser goefülltes Gefäß @ eintauchte. (Vel. Fig. 1.) In der Regel wurde bereits in den ersten Stunden, nachdem das Experiment im Gange war, die Flüssigkeit in der Röhre emporgesaugt; bis zum Morgen hatte die Wassersäule ihren höchsten Stand erreicht und wurde dann wieder ausgestoßen, um gegen Abend aufs neue angesaugt zu werden. (Vgl. die beigegebene Kurve, Fig. 2, die den Verlauf des Experimentes innerhalb 24 Stunden veranschaulicht.) Da die Temperaturdifferenzen keine derartige waren, daß das Ansteigen des Wassers auf eine Zusammenziehung des Luft- volumens infolge thermischer Einflüsse hätte zurückgeführt werden können, da im Gegenteil die Luft in der Umgebung des Puppenbehälters morgens 22°C., und mittags, als das Aufsteigen der Wassersäule im Glasrohr be- gann, 24°C. betrug, so glaubte ich annehmen zu dürfen, daß die Wasser- bewegung durch die Aufnahme und Abgabe von Gasen von seiten der Puppen verursacht sei. Der Vorgang erinnerte mich an ein ähnliches Ver- halten bei assimilierenden Pflanzen, bei denen ebenfalls negative und positive Gasspannung wechselt, je nachdem sie atmen oder assimilieren.! Hier bei den Puppen schien die Aufnahme von Kohlensäure negativen Gas- druck und Ansteigen des Wassers in der Röhre, die Zersetzung derselben, wenn überhaupt eine solche stattfand, positiven Gasdruck und Fallen der angesaugten Wassersäule zur Folge zu haben. Jedenfalls glaubte ich mit ziemlicher Sicherheit auf eine Absorption von Kohlensäure von seiten der Tiere schließen zu dürfen. Den Einwand, daß die Erscheinung auf Diffusion beruhe, dachte ich dadurch entkräftet zu haben, daß ich denselben Versuch mit Papierschnitzeln (weißes Filtrierpapier) statt Puppen angestellt hatte, aber ohne Erfolg. In der Annahme einer Kohlensäureabsorption von seiten der Tiere wurde ich noch bestärkt, als es sich aus Wägungen der Puppen ergab, daß die in kohlesäurereicher Luft befindlichen Tiere weniger an Gewicht abnahmen, in einzelnen Fällen selbst eine merkliche Gewichts- zunahme zu verzeichnen hatten, als die unter normalen Bedingungen sich befindenden gleichalten Puppen. Im folgenden seien die Ergebnisse eines Teiles dieser Wägungen mitgeteilt: In atmosphärischer Luft: Seriel v. 30. VII bis 31. V1I. v.6 Uhr nachm. bis 6 Uhr nachm. — 24 Stunden Versuchsdauer, Abnahme . . 20028822 Serie Ia v.30. VII. bis 31. VII. v. 6 Uhr nachm. bis 6 Uhr chin: — 24 Stunden Versuchsdauer, Abnahme . . . = 084:5, Seriel v.31. VII bis 1. VII v. 6 Uhr nachm. bis 4 Uhr en — 22 Stunden Versuchsdauer, Abnahme . . — 0.049 ;;, ! Pfeffer, Pflanzenphysiologie. Stoffwechsel. 1897. Bd. ]. 8. 181. 10 M. GrRÄFIN von LiNnDeEn: In kohlensäurereicher Luft: Serie Ja v.31. VII. bis 1. VIII. v.6 Uhr nachm. bis 4 Uhr nachm. = 22 Stunden Versuchsdauer, Abnahme . . —. 0» 01381 In atmosphärischer Luft: SerielI v. 1. VIII. von 4 Uhr nachm. bis 7 Uhr nachm. — 5 Stunden Versuchsdauer, onen ER: = 0.015 „ Serie Ia v. 1. VIII. von 4 Uhr nachm. bis 7 Uhr nach — 3 Stunden Versuchsdauer, Abnahme ie, = 0.019 Serie II v. 30. VII. bis 31. VO. von 6 Uhr 30 Min. En. bie 5 Uhr 40 Min. nachm. = 23 Stunden Versuchsdauer Abnahme a = 0.027 Serie IIa v. 30. VII. bis 31. VI. von 6 Uhr 30 Min en. br 5 Uhr 40 Min. nachm. = 23 Stunden Versuchsdauer, Abnahme : = 0.032 Serie II v. 31. VD. bis 1. vIn. von 5 Uhr 40 Min. nachmi is 4 Uhrnachm.=22-5StundenVersuchsdauer, Abnahme = 0:032 In kohlensäurereicher Atmosphäre: Serie IIa v. 31. VII. bis 1. VIII. von 5 Uhr 40 Min. nachm. bis 4Uhr nachm.=22-5 Stunden Versuchsdauer, Abnahme = 0.003 In atmosphärischer Luft: Serie II v. 1. VIII. von 4 Uhr nachm. bis 7 Uhr nachm. = 3 Stunden Versuchsdauer, Abnahme + 2502007 ”„ Serie IIa v. 1. VIII. von 4 Uhr Tara, bis 7 Uhr nach = 3 Stunden Versuchsdauer, Abnahme . — 000 Serie III v. 7. VIII. 7?/, Uhr nachm. bis 8. VIIL 11 DEE vorm. = 151/, Stunden Versuchsdauer, Abnahme . . . = 0.075 „ In kohlensäurereicher Luft:. SerieIIla v. 7. VIII. 7?/, Uhr nachm. bis 8. VII. 11 Uhr vorm. i = 15!/, Stunden Versuchsdauer Zunahme . . . =0.050 , Dieses Verhalten der Puppen zur Kohlensäure überraschte mich in hohem Maße. Wohl konnte die weniger große Gewichtsabnahme auf eine Hemmung der respiratorischen Vorgänge durch die Kohlensäurennarkose zurückgeführt werden, eine Gewichtszunahme der Puppen ließ sich in- dessen auf diesem Wege nicht verstehen. Ich stellte mir daher die Frage, ob der Puppenorganismus am Ende dazu befähigt sei, die Kohlensäure in seinem Haushalt in ähnlicher Weise zu verwerten wie die Pflanze. Es war das Verdienst meines Kollegen Herrn Dr. Gronover, damals Assistent an der Abteilung für Nahrungsmittelehemie des chemischen Instituts der Universität, mich dazu anzuregen, die interessante Frage durch gasanalytische Messung zu entscheiden. Herr Prof. Dr. Anschütz, der Direktor des chemischen Instituts, hatte die große Liebenswürdigkeit, mir die Räume und Apparate seines Instituts zur Verfügung zu stellen, so daß ich in der Lage war, eine lange Reihe von Experimenten mit Schmetterlingspuppen verschiedensten Alters und verschiedener Arten anzustellen. Neben einer bejahenden Ant- wort auf die Frage der Kohlensäureabsorption ergaben die Experimente DIE ASSIMILATIONSTÄTIGKEIT BEI PUPPEN UND RAUPEN. 11 auch interessante Resultate über das Verhalten der Puppenatmung in ver- schiedenen Gasgemengen und in atmosphärischer Luft bei Sommer- und Winterpuppen. Auf diese letztgenannten Ergebnisse werde ich indessen hier nur kurz eingehen können. Die Versuchsanordnung bei den Respirationsexperimenten. 1. Beschreibung der verwendeten Puppenbehälter. Die zu den Experimenten bestimmten Puppen wurden in Gassammel- pipetten (Figg. 3 und 4) von verschiedenem Inhalt eingelegt. Die Pipetten waren an beiden Enden zu Röhren aa ausgezogen, die den Ansatz für Schlauchverbindungen bildeten und durch eingeschliffene Glashähne A 4’ mit Fig. 3. einfacher Durchbohrung verschlossen wurden. In der Mitte der Gassammel- pipette befand sich ein Ausschnitt d, durch den die Puppen in den Puppen- raum P eingeführt werden konnten und der durch einen eingeschliffenen Glasstöpsel zu verschließen war. Von diesen Puppenbehältern hatte ich zwei einfache von einem Kubikinhalt von 129.7 em wie Fig. 3 bzw. 159.3 cm, und zwei Doppelgefäße, wie Fig. 4, deren beide Teile durch ein kurzes, 2, IN Ill BL m | ı!’ \ | / alze All eu mer ao | Mocbem P N FIR > Ne Sr nl ZEN ee möglichst weites Zwischenstück zz’ verbunden waren. Die Verbindung konnte durch einen geschwänzten Hahn 7, mit doppelter Bohrung in den Richtungen dd und zz’ unterbrochen werden, und ebenso war es möglich, jeden der beiden Behälter getrennt mit Gas zu füllen bzw. zu entleeren. Bei dem zweiten Doppelgefäß waren die Behälter nicht eylindrisch, sondern 12 M. GrÄFIN von LINDEN: kuglig gebaut. Von diesen Doppelgefäßen hatte das eine einen Rauminhalt von: 63-2 bzw. 97.75 m, die beiden Behälter getrennt ausgemessen, das größere (Fig. 4) einen solchen von 267 bzw. 110°. Die völlige Dichtung der eingeschliffenen Hähne und Stopfen an den Gefäßen wurde durch Ein- fetten derselben erreicht. 2. Einfüllen des Gases in den Puppenbehälter. wie War nun eine abgewogene Anzahl Puppen in einen atmosphärische Luft enthaltenden Behälter eingelegt, so wurden, je nachdem die Atmung derselben in atmosphärischer Luft, oder in einem anderen Gas oder Gas- Fig. 5. gemenge untersucht werden sollte, die an beiden Enden des Puppenbehälters befindlichen Hähne aa’ geschlossen, oder aber das Gefäß mit der das ge- wünschte Gas enthaltenen Flasche # mittels Gasschlauchs in Verbindung gesetzt, vgl. Fig. 5. Der Gasstrom wurde unter dem Druck des in der Flasche # befindlichen Wassers durch den Puppenbehälter ? hindurch- geleitet. Nach etwa 10 Minuten, nachdem man annehmen konnte, dab die atmosphärische Luft aus dem Behälter verdrängt sei, wurde das eine Ende des Puppengefäßes a mit einer mit Wasser gefüllten Hempelschen Meß- burette m verbunden und 100 °® Gas aus dem Puppenbehälter, der noch immer mit den das Gas enthaltenden Druckflaschen #7’ in Verbindung DIE ASSIMILATIONSTÄTIGKEIT BEI PUPPEN UND RAUPEN. 13 stand, in die Meßburette eingeleitet. Hierauf wurden die Hähne AA A” und der Quetschhahn g geschlossen, der Puppenbehälter ? aus seiner Verbindung gelöst, und nachdem durch kurzes Öffnen eines der Hähne A % Atmosphärendruck in dem Puppenbehälter hergestellt war, blieben die Puppen sich selbst überlassen, solange, als man den Versuch ausdehnen wollte. ! 3. Analyse der Luftim Puppenbehälter vor und nach der Atmung. Die Analyse des bei Beginn und am Schluß jedes Versuchs in der Meßburette m aufgefangenen Gases wurde, um jede Berührung der Puppen mit Quecksilber zu vermeiden, nach dem Hempelschen Verfahren aus- geführt. Diese Vorsicht war geboten, da nach den Untersuchungen E. Quajats? die Lepidoptereneier ihre Entwicklungsfähigkeit bereits bei Anwesenheit sehr geringer Mengen von Quecksilberdämpfen vollkommen verlieren und es anzunehmen war, daß auch die Puppen nur ungünstig davon beeinflußt werden konnten. Außerdem wäre ein vollständiges Aus- treiben der Luft aus den Puppenbehältern mit Quecksilber überhaupt unausführbar gewesen. Eine Berührung mit Wasser hatte weder für die Schmetterlingspuppen noch für die Raupen irgendwelchen schädlichen Ein- fluß; sie trockneten rasch wieder ab und behielten nach wie vor ihre Be- weglichkeit. Für die Bestimmung der Kohlensäure war das Übertreiben der Luft durch Wasser nicht ohne Bedenken, da letzteres bekanntlich eine sehr große Absorptionsfähigkeit für dieses Gas besitzt. Den etwa ent- standenen Fehler hielt ich indessen dadurch kompensierbar, daß ich das Gas auch vor der Atmung mit Wasser in Berührung brachte, d. h. über Wasser analysierte. Bei gleicher Temperatur und Barometerstand mußte das Wasser, das vor dem Versuch an der Luft gestanden und sich also wahrscheinlich bereits mit Kohlensäure gesättigt hatte, vor der Atmung und nach der Atmung aus dem zur Analyse bestimmten Luftquantum gleich- viel Kohlensäure entnehmen, so daß im Endresultat, die durch die Atmung ! Es mag bei dieser Versuchsanordnung der Einwurf gemacht werden, daß den natürlichen Bedingungen nicht genügend Rechnung getragen war, weil die Atmung nicht im Luftstrom, sondern im abgesperrten Raum vor sich ging, allein auch Regnault ?) und P. Bert ®) haben bei Insekten mit Erfolg diese Versuchsanordnung gewählt, die namentlich für die genaue Bestimmung des am Anfang und am Ende der Versuche in dem Gefäß enthaltenen Luftvolumens große Vorteile bietet, eine Bestimmung, die für das Gesamtergebnis des Gaswechsels von sehr großer Bedeutung ist. Auch war das Verhältnis der atmenden Oberflächen zum Gesamtluftgehalt doch immer so groß und die Versuchsdauer nicht lang genug, um die Quelle beträchtlicher Fehler zu werden. a) Regnault et Reiset, S. 483. Vgl. Zitat auf 8. 6. b) Paul Bert, Observation sur la respiration du Bombyx du murier & ses differents etats. Compt. Bend. soc. Biol. 1885. p. 528—530. ? E. Quajat, Recherches sur les produits de respiration des oeufs des vers a soie. Arch. ital. d. Biol. 1897. Vol XXVIL p. 376. 14 M. GrÄFIN von LINDex: bzw. durch Assimilation der Puppen veränderte Kohlensäuremenge dennoch richtig bestimmt werden konnte. Übrigens habe ich nie beobachtet, daß das in die Meßburette eingefüllte Gasvolumen auch bei längerem Stehen über Wasser eine merkliche Volumenabnahme, die nicht auf Temperatur- veränderungen zurückzuführen gewesen wäre, erfahren hätte, jedenfalls des- halb, weil das Wasser aus der Luft bereits Kohlensäure aufgenommen hatte und weil die absorbierende Oberfläche nur eine kleine war. Bei den Analysen wurde zuerst die Kohlensäure über Kalilauge ab- sorbiert. Die Lauge befand sich in einer Hempelschen Pipette (Fig. 6), die mit der Meßburette durch enge Gummischläuche, in welche eine recht- winklig gebogene Kapillarröhre © eingesteckt war, verbunden wurde. Vor dem Einsetzen der Kapillare wurden Kapillare und Gummischläuche mit Wasser gefüllt, um jedes Eindringen oder Entweichen von Luftbläschen zu vermeiden. Die Kohlensäureabsorption war bei konzentrierter Kalilauge nach 5 Minuten schon vollkommen beendet. Wurde das Gas, nachdem es in die Meßburette übergeführt und gemessen war, nochmals über Kalilauge gebracht, so blieb sein Volumen unverändert. Nur bei verbrauchten Lösungen war ein mehr als zweimaliges Übertreiben : zur Erreichung eines konstanten Volumens not- Fig. 6. wendig. Die Differenz aus dem ursprünglich in der Meßburette enthaltenen Luftvolumen (100 °®) und dem Volumen nach erfolgter Kohlensäureabsorption ergab den Gehalt des Gas- gemenges an Kohlensäure. Die von Kohlensäure befreite Luft wurde nun in derselben Weise durch Heben des mit der Meßburette durch einen Schlauch beweglich verbundenen Wasserstandsrohrs in eine zweite, mit gelben Phosphor- stäbchen angefüllte Hempelsche Absorptionspipette (Fig. 7) übergetrieben. Diese zweite Pipette besteht aus dem mit Wasser gefüllten Phosphor- behälter A und einer zweiten, mit diesem durch ein gebogenes röhrenförmiges Zwischenstück in Verbindung stehenden, kugelförmigen Erweiterung 2, die das Wasser _ aufnimmt, das durch Einleiten des zu analysierenden Gases aus dem Phosphorreservoir verdrängt wird. Die Fig. 7. Phosphorstäbchen, die nach dem Eindringen der Luft in den Behälter und dem Hinausdrängen einer ent- sprechenden Wassermenge in unmittelbare Berührung mit dem aus der Meßburette übergeleiteten Luftquantum treten, verbrennen nun den in dem Gasgemenge enthaltenen Sauerstoff. Sofort auftretende weiße Nebel zeigen einerseits den Sauerstoffgehalt des Gases und die Funktionsfähigkeit des DIE AssIMILATIONSTÄTIGKEIT BEI PUPPEN UND RAUPEN. 15 Phosphors an, andererseits beweisen sie die Abwesenheit von schweren Kohlenwasserstoffen, bei deren Gegenwart keine Verbrennung des Sauerstoffs über Phosphor stattfindet. Die Luft blieb jedesmal so lange über Phosphor stehen, bis die im Wasser löslichen Nebel von der, nach erfolgter Sauerstoff- verbrennung in dem Phosphorbehälter wieder aufsteigenden Wassermenge absorbiert waren. Bei kühlerer Temperatur verschwanden die Nebel schneller wie bei höherer; durchschnittlich war die Sauerstoffabsorption innerhalb 20 Minuten beendigt, so dab keine Nebelbildung mehr zu beobachten war, wenn das Gas abermals über Phosphor geleitet wurde. Die Volumenabnahme, die das in der Meßburette enthaltene Gas nach seinem Verweilen über Phosphor erfahren hatte, entsprach der in ihm enthalten gewesenen durch den Phosphor verbrannten Sauerstoffmenge. Die Differenz dieser Ergebnisse vor der Atmung und nach der Atmung waren der Veränderung gleich, die der Sauerstoffgehalt der verwendeten Luft durch die Atmungs- bzw. Assimi- lationsvorgänge erlitten hatte. Der in der Meßburette nach vollzogener Kohlensäure- und Sauerstoffabsorption zurückgebliebene Luftrest wurde als Stickstoff berechnet. Die Prüfung der Atmungsgase auf Kohlenoxyd ergab wiederholt ein negatives Resultat. Bei jeder Analyse wurde die Temperatur und der Barometerstand notiert und darauf geachtet, daß die Gasgemenge vor und nach der Atmung möglichst gleichlang über den Absorptionsmitteln verblieben, um etwaige Fehler, die durch längeres Verweilen über den Absorptionsmitteln entstehen konnten, auszuschalten. Die Resultate, das heißt, die durch die Analyse vor der Atmung und nach der Atmung gewonnenen Zahlen, wurden für 0°C. und 760 "m Quecksilberdruck berechnet, unter gleichzeitiger Berück- sichtigung der Wasserdampftension, und auf das im Puppenbehälter bei Beginn und am Schluß des Experimentes enthaltene Gesamtvolumen be- zogen. Ein Vergleich, der für die verschiedenen Gase auf diesem Weg ge- fundenen Werte ergab nun die Größe der Atmungs- bzw. der assimila- torischen Tätigkeit der zu dem Experiment verwendeten Tiere. 4. Bestimmung des Luftraums des Puppenbehälters vor und nach der Atmung. Um die Größe des Luftraumes des die Puppen enthaltenden Behälters zu ermitteln, bedurfte es dreier Gewichtsbestimmungen: a) des Gewichts des leeren Puppengefäßes, b) des Gewichts der Puppen, c) des Gewichts des die Puppen enthaltenden und mit Wasser gefüllten Behälters. Das Luftvolumen entsprach dann dem Wasservolumen, das durch die Gewichtsdifferenz der Bestimmungen V=c—(a- b) in Kubik- zentimetern ausgedrückt war. 16 M. GRÄFIN von LINDen: Um das Luftvolumen am Schluß des Versuches zu bestimmen, wurde die ganze in dem Puppenbehälter enthaltene Luft in eine Meßburette über- getrieben und gemessen. Die jedesmal vor und nach der Atmung aus- geführte Volumenbestimmung zeigt sich namentlich auch für die Rolle, die der Stickstoff bei der Puppenatmung spielt, von Wichtigkeit. Es ist von Regnault und Reiset! eingeführt worden, die bei der Atmung ver- schwindende Luft als Sauerstoff zu berechnen und durch dieses Gas zu ersetzen. Wenn nun, wie es | meistens geschieht, eine im Ver- Eee gleich zum Gesamtvolumen nur i demVersuch. geringe Luftmenge, z. B. 100°", I El) der Analyse unterworfen wird, u 5 ee UT so müßte der Stickstoffverbrauch | | schon ein sehr bedeutender sein, um bei der Analyse von 100 em \ demlersuch. zur Geltung zu kommen. Wären | z. B. indem Regnault-Reiset- schen Versuch, 5000 «= zur Ver- fügung gestanden und ein Stick- stoffverbrauch von 10m ein- getreten, und auch eine Gesamt- volumenabnahme von dieser Größe erfolgt, so wäre auf 100 «m» eine Stickstoffabnahme von I i | 0.20°m entfallen, ein Betrag, —YH NG, | der die Versuchsfehlergrenze a kaum übersteigt. -- In der Regel fand sich am Z\ 2 — Schluß meiner Versuche, obwohl zz die bei der Atmung gebildete Kohlensäure während das Experi- ment im Gang war, nicht künst- lich absorbiert wurde, eine Volumenabnahme. wWiederholt wurde die Größe des negativen Gas- druckes auch dadurch gemessen, daß vor dem Übertreiben des zu analy- sierenden Gases der Puppenbehälter mit einer graduierten, mit Wasser gefüllten, Pipette (Fig. 8) durch einen Schlauch in bewegliche Verbindung gebracht wurde, so daß, nachdem der Hahn zum Puppenbehälter geöffnet war, das m gedrungene | Wassermerige LNUNRRTNN HUHN TENHOUNIRABBE IT Fig. 8. ' Regnault et Reiset, Recherches chimiques sur la respiration des animaux. Ann. chim. a. d. phys. 1849. (3) XXVI. p. 316. DIE ASSIMILATIONSTÄTIGKEIT BEI PUPPEN UND RAUPEN. 17 Wasser aus der Burette in diesen eindringen konnte, um den luftleeren Raum zu erfüllen. Indem man nun beide Flüssigkeitssäulen, diejenige im Puppenbehälter oder richtiger m dem zu einem Rohr ausgezogenen Ende des Puppen- behälters, und die in der graduierten Burette auf gleiches Niveau einstellte, konnte man am Sinken des Wasserspiegels in der Burette ablesen, wieviel Kubikzentimeter der durch die Atmung erzeugte Gasverlust, die Volumen- abnahme, betragen hatte. In vereinzelten Fällen habe ich am Schluß der Experimente auch eine Volumenzunahme, einen Überdruck, beobachtet. Prüfung der Genauigkeit der angewandten gasometrischen Methode. Um die Genauigkeit der bei den Atmungsversuchen angewandten gaso- metrischen Methode zu prüfen, wurden verschiedene Analysen von atmo- sphärischer Luft ausgeführt. Die Zusammensetzung der atmosphärischen Luft ist nach der Angabe von Bunsen: Gasometrische Methoden Braunschweig 1857, so- weit es den Gehalt an Stickstoff und Sauerstoff betrifft, bei der Analyse von 100.2: N 79 0 O = 20-96 „ Die von mir gemachte Analyse freier atmosphärischer Luft ergab: SEN 9020 2 NIE 0 0=21:0 „ 0= 20-90 „ im Mittel somit: N = 79.05 = 0O= 20.95 „ Werte, die mit der Bunsenschen Angabe nur um !/,., °” differieren. Das Versuchsfehlermaximum war 0-06", Die beiden gefundenen Werte differieren untereinander um 0-1", Die Zimmerluft unterschied sich durch etwas geringeren Sauerstoff- gehalt. Es ergaben 100°": N = 79-2 O = 20.8 Der Sauerstoffgehalt erfuhr eine weitere Abnahme, als zwei Gaslampen (Auerbrenner) im Zimmer brannten; ich fand bei drei hintereinander vor- genommenen Analysen übereinstimmend: N = 79.4 O0 = 20-6 Wir ersehen hieraus, daß die Fehlergrenze der Hempelschen Methode 1/0 = nicht übersteigt und daß die Methode für unsere Versuche an Ge- nauigkeit vollkommen ausreichend ist. Archiv f. A, u. Ph, 1906. Physiol. Abtlg. Suppl. 2 18 M. GRÄFIN VON LINDeEn: Erläuterung der Versuchsanordnung und der Berechnung an einem Beispiel. Um mein Vorgehen bei der Analyse noch besser zu erläutern, sei hier ein Beispiel ausgerechnet. Versuch Nr. 74.1 Tagesversuch vom 22. III. 05. Versuchsdauer von 9!/,® vorm. bis 5" nachm. = 7-5 Stunden. Gewicht der bei dem Versuch verwendeten Puppen von Papilio podalirius = 13-843”, Die Puppen werden in das atmosphärische Luft enthaltende Puppengefäß, Fig. 5, F eingelegt. Der Behälter wird durch den eingeschliffenen und eingefetteten Stopfen 5 ge- schlossen, der Stopfen noch mittels einer Schnur festgebunden. Das Ende a’ des Puppenbehälters wird nun durch den Schlauch s in Verbindung gesetzt mit der eine Mischung von atmosphärischer Luft und Kohlensäure ent- haltenden Flasche #. Der Verbindungshahnen % wird geöffnet und die mit Wasser gefüllte mit # durch den Schlauch s’ verbundene Flasche #° auf den Tisch 7’ gestellt, um einen Überdruck in F zu erzeugen. Das Wasser aus 7’ fließt nun durch den Schlauch s’ in F und drängt die Luft in 7 durch den Schlauch s in den Puppenbehälter, und da der Hahnen R ebenfalls geöffnet ist, wird die vorher in dem Behälter enthaltene atmosphärische Luft bei a hinausgedrängt. Der Strom des Luftgemenges in F wird während 10 Minuten mit wechselnder Schnelliekeit durch den Puppenbehälter hindurchgeleitet. Hierauf wird die Verbindung des Puppen- behälters « mit der mit Wasser gefüllten Meßburette m hergestellt und das Wasser aus dem graduierten Rohr m in das Wasserstandrohr m’ durch die nachströmende Luft hinübergedrängt. Es werden ‘auf diese Weise 100°” Luft aus dem Puppenbehälter in der Burette m aufgefangen, und, ‘wenn dies geschehen, der Quetschhahnen g und die übrigen Hähne A, A’, h’’ geschlossen. Der Puppenbehälter wird aus seinem Zusammenhang mit Gas- flasche und Mebburette gelöst und der Hahnen A auf eine Sekunde etwa geöffnet, um den möglicherweise vorhandenen Überdruck im Behälter zu beseitigen und die nun darin enthaltene Luftmenge auf Atmosphärendruck zu bringen. Das die Puppen enthaltene Gefäß wird nun am Fenster dem Licht ausgesetzt und die 100°" dem Puppenbehälter entnommene Luft werden analysiert. Temperatur bei der Analyse 15-5°C. Barometerstand 754 "", Dampf- spannung 13-1"®, In 100° ® den Puppen bei der Atmung zur Verfügung stehendem Gas waren enthalten: N = 61.2 m 0 = 11.8 ” co, = 27.0 „ 100 2 0 cem 1 Vgl. Tabellen. DIE ASSIMILATIONSTÄTIGKEIT BEI PUPPEN UND RAUPEN. 19 Nach Beendigung des Versuchs um 5° nachm. wird der Puppenbehälter ? mit dem Ende « mit einem mit Wasser gefüllten Scheidetrichter, an dessen unterem Ende ein ebenfalls mit Wasser gefüllter Gummischlauch befestigt ist, verbunden, vorher waren die beiden Endstücke a a’ des Puppenbehälters mit Wasser gefüllt worden. Das andere Ende des Puppenbehälters wird wieder mit der mit Wasser gefüllten Meßburette »» verbunden, die Hähne A / und der Quetschhahn 9 werden geöffnet, so dab das aus dem Scheidetrichter einströmende Wasser das Gasgemenge aus dem Puppenbehälter in die Meß- burette übertreibt. Es waren in dem Puppenbehälter nach der Atmung 144 °°® Luft enthalten, von diesen werden 100°” zur Analyse verwendet. Temperatur bei der Analyse 16°C, Barometerstand 754 "", Dampf- spannung 13:53 Um, Die Analyse des von den Puppen während 7-5 Stunden geatmeten Gases ergibt in 100 ° m: N we 60.4 «em (OR DR 00O,= 26-8 „ 100:0 m Danach ist die Veränderung, die die 100°“ Luft in diesem Versuch durch 7-5stündige Atmung erfahren haben: Vor der Atmung: Nach der Atmung: Differenz = Veränderung: N — 61.2 em N — 60.4 m N —0.g1m OS E82; 0721258378, OÖ +10, CO, = 27.0 , CO, 12637, C0,— 0-2 „ Um nun die Veränderung kennen zu lernen, welche die gesamte, den Puppen zur Verfügung gestandene Atmosphäre erlitten hat, müssen die durch die Analyse vor und nach der Atmung erhaltenen Ergebnisse auf Normal- temperatur (0°C), normalen Atmosphärendruck 760 "= Hg unter Berück- sichtigung der Wasserdampfspannung, reduziert und auf das ganze Luft- quantum, das vor und nach der Atmung in dem Puppenbehälter enthalten war, bezogen werden. Erst aus der Differenz der auf Grund dieser Berech- nung erhaltenen Werte ergibt sich für uns der wirkliche Betrag der von den Puppen aufgenommenen und abgegebenen Gase. Diese Berechnung geschieht nach der aus dem Mariotte-Gay- Lussacschen Gesetz abzuleitenden Formel: V.273.(p —s)\’J ‚, _ W.2713-.(p — 8) J ® 7 760-(273 + 2)-100 9 7 760.(273 + 2)-100 In dieser Formel ist v, »’ das gesuchte Volumen des Gases, reduziert auf Normal-Temperatur, -Druck und -Spannung. 7 V’ sind die bei den Analysen gefundenen Volumina, !/,,, entspricht dem Ausdehnungskoeffizienten der Gase, p—s und p’—s’ ist gleich dem bei jeder Analyse vor und 9% 20 M. GRÄFIN von LiINDeEn: nach der Atmung abgelesenen Barometerstand p bzw. p’, vermindert um den Betrag der Dampfspannung s bzw. s’. J.J° bedeutet den Luftgehalt des Puppengefäßes vor bzw. nach der Atmung. Derselbe wird nach der Atmung durch direkte Messung, vor der Atmung nach der Formel V= ce — (a+b) (vgl. S. 15) bestimmt. Die Größe der auf diese Weise berechneten Gasvolumina ist in dem vorliegenden Fall: 1. Vor der Atmung: vn — 612,213 (054 — 18,1).146,6 I 760 (273 + 15,5)-100 — 82,76 1m Senke oraase areldene ei HOT een 15,010 ar, 27 ,0°273 (754 — 13,1) -14 V.co, 2 ( ’ ) 1 6,6 ke 760 (273 + 15,5)-100 20, 2. Nach der Atmung: ar __ 60,4-273 (754 — 13,53)-144,6 _ Br An 760 (273 + 16) 100 mn ‚n _ 12,8-273 (754 4 13,53)-144,6 _' sr 760 (273 + 16) 100 zZ 10002 Inn 26,822 18 (754 13,53).144,6 W573. KuNT . 760 (273 + 16) 100 ee Vor der Atmung: ‚Ausrechnung: N-= log. 61-2 — 1:786105 OÖ = log11-8 = 1-07188 dd.' log 146-6 = 2-16613 | „aa. 7-47205 A log 273 = 2-43616 8-54393 \ log 740.9 — 2-86976 7.34096 j subt.! [ 9.25880 nlog 1-20297 = 15.95 cm log 100 =2-00000 CO, = log 27 = 1-43136 \ dd.! subt.1] 108 760 —=2-88081 | ag, 7:4720b.]0 7 log 288-5 = 2.46015 ) " 8.90341 7.34096 7-34096 uber nlog 1-91784 = 82.76 1m nlog 1-56245= 36-51 m DIE ASSIMILATIONSTÄTIGKEIT BEI PUPPEN UND RAUPEN. 21 Nach der Atmung: | Ausrechnung: N= log 60-4 = 1-78104 O = log12'8 = 110721 | aan log 144 —2-15836 | .aaı 7.464238 | 2° loe 273 = 2-43616 | “ 83-5716 ı | log 740.9 = 2-86976 7.340986 j Subt! ER] 9.245382 1 .., nloe 1-23953 = 17.001 m 7.340986 | Ubk! : n log 1- 9043 fer) 00, =126-8=1-42818 | ua, zn 8.589241 7.34096 | Üon! nlog 1-55145 = 35.6m Es waren somit in der den Puppen zur Verfügung stehenden Luft enthalten: Vor der Atmung: Nach der Atmung: NDE—392-762 2 N =80.20 «2 O2, =u152992,, Om — 17.00 CO, = 36:51 „ 60,= 35-59 , Die Zusammensetzung der Luft hatte sich somit durch die Atmung der Puppen geändert und zwar ergibt der Vergleich dieser beiden Resultate: Einen Verbrauch von Stickstoff von 2.56°”; eine Produktion von Sauerstoff von 1:-05°® und eine Absorption von Kohlen- säure von 0.92 m, Sämtliche Versuche sind in dieser Weise ausgeführt und berechnet worden. Da es bei der großen Zahl von Analysen zu weit führen würde, wenn ich jedesmal die ganze Anordnung und Berechnung in extenso aus- führen wollte, so habe ich es richtiger gefunden, die Resultate in Tabellen- form zusammenzustellen, damit die Ergebnisse der einzelnen Versuche leicht zu überblicken sind. Es können aber diese Tabellen hier nicht un- verkürzt wiedergegeben werden, ich beschränke mich darauf, aus jeder Versuchsgruppe nur die charakteristischsten Experimente herauszugreifen. Von den übrigen sollen nur die Endergebnisse mitgeteilt werden, die in den berechneten Differenzwerten zum Ausdruck kommen. Bei den Experi- menten, die eine fortlaufende Untersuchungsreihe bilden, wurden die Atmungs- und Assimilationswerte in Form von Kurven dargestellt. Der Verlauf dieser Kurven zeigt in übersichtlicher Weise an, wie sich der Gasaustausch der Versuchstiere oder -Pflanzen bei Tag und bei Nacht und bei verschieden- farbiger Beleuchtung vollzieht, in übersichtlicherer Weise, als es eine tabellarische Zusammenstellung zu tun vermag. 22 M. GRÄFIN von LINDeEn: Übersicht über die Ergebnisse der Atmungsversuche in atmosphärischer Luft und anderen Gasen. Nach dieser einleitenden Besprechung der Versuchsanordnung komme ich zur Mitteilung der Ergebnisse unserer ersten Experimente, die ich zum Teil gemeinschaftlich mit Herrn Dr. Gronover ausgeführt habe. Sie hatten den Zweck, einen Einblick in die respiratorische Tätigkeit der Schmetter- lingspuppen unter den verschiedensten Verhältnissen zu verschaffen. Diese Atmungsversuche, deren Resultate ich hier nur ganz kurz berühren kann, wurden während der Herbstmonate 1904 an den Puppen von Vanessa atalanta = Admiral, Vanessa urticae = kleiner Fuchs und einzelnen Puppen von Vanessa io = Pfauenauge, ausgeführt. Während des Winters setzteich die Versuche an Puppen von Papilio podalirius = Segel- falter, von Sphinx euphorbiae = Wolfsmilchschwärmer und von Smerin- thus tiliae = Lindenschwärmer fort. Außer in atmosphärischer Luft untersuchten wir die Atmung der Vanessen in atmosphärischer Luft mit verschieden hohem Kohlensäure- gehalt, in atmosphärischer Luft mit erhöhtem Gehalt an Sauerstoff und Kohlensäure, in reinem Stickstoff und in Stickstoff mit Kohlensäure. Die Atmungsversuche in atmosphärischer Luftergaben die interessante Tatsache, dab entgegen dem Verhalten, das bei höheren Tieren die Regel ist, die nächtliche Kohlensäureabgabe bei Puppen eine relativ höhere war, als bei Tag, während die Sauerstoffaufnahme tagsüber größer war wie in der Nacht. Im Durchschnitt fand ich bei Tagesversuchen einen respiratorischen 2 Quotienten —- von 0-664 bei einem Minimum von 0-561 und einem Maximum von 0.730. Bei den Nachtversuchen war das Verhältnis im Durchschnitt = 0:76, bei einem Maximum von 0-844 und einem Minimum von 0-644. In einem Fall, den ich bei der Durchschnittsberechnung nicht berücksichtigt hatte, wurde während der Nacht sogar mehr CO, abgegeben, wie O aufgenommen; der respiratorische Quotient war 1-09. Bei einer und derselben Puppenserie verhielten sich die respiratorischen Quotiente bei Tag und Nacht zwischen dem 8. bis 10. Oktober wie 0.561 :0.768. Bei Winter- puppen gestaltete sich das Verhältnis der abgegebenen CO, zum auf- genommenen O noch viel kleiner. Beim Segelfalter z. B. schwankte der respiratorische @uotient zwischen O0 und 0-6, d. h. es wurde hier unter Umständen überhaupt keine Kohlensäure abgegeben, ein Verhalten, das uns lebhaft an die Verhältnisse bei manchen Küstenkrabben erinnert. So berichtet Bohn und Giard!“?, dab bei diesen Tieren der respiratorische ! G. Bohn, De l’Absorption de l’Anhydride Carbonique par les Crustaces de- capodes. Soc. de Biol. 5. Nov. 1898. ” A.Giard, Sur la caleification hibernale. Comp£.rend.Soec. Biol. (10.) T.V. p.1013. DIE AsSIMILATIONSTÄTIGKEIT BEI PUPPEN UND RAUPEN. 23 Quotient auf 0-35 bis 0-57 herabsinkt, daß sich eine Krabbe Gonoplex rhomboides sogar anscheinend wie eine Pflanze verhält, indem sie erhebliche Kohlensäuremengen aufnimmt, statt sie abzugeben. Diese Aufnahme von Kohlensäure geht bier mit der Bildung von Karbonaten für den Panzer- aufbau des Tieres Hand in Hand. Für die Frage der Kohlensäureassimilation bei Schmetterlingspuppen waren natürlicherweise diejenigen Versuche von besonderer Wichtigkeit, in denen die Atemluft dieses Gas in gut meßbaren Mengen enthielt. In zwei Versuchen, die im Herbst 1904 mit den Puppen von Vanessa atalanta angestellt worden waren, ergab sich keine Kohlensäureabsorption, der erhöhte Gehalt der Atmosphäre an Kohlensäure beeinflußte die Puppen- atmung nur in der Weise, daß sie den Sauerstoffverbrauch der Tiere herab- setzte. Während 20=”% derselben Puppen zur gleichen Jahreszeit in atmo- sphärischer Luft bei Tag innerhalb 12 Stunden im Durchschnitt aus 4 Versuchen 27.8°°m Sauerstoff verbraucht hatten, sank die Sauerstoff- konsumption in den beiden Versuchen mit atmosphärischer Luft und einem Kohlensäuregehalt von über 30 Prozent auf durchschnittlich 8-3 =. Auch die Kohlensäureabgabe war eine geringere, wie bei der Atmung unter normalen Bedingungen. Die Atmungsversuche ergaben bei Tag in atmo- sphärischer Luft im Durchschnitt eine Kohlensäureproduktion von 17.36 em, Hier in der kohlensäurereichen Luft betrug dieselbe nur 6-8°®. Der respiratorische Gaswechsel wurde also durch die Anwesenheit der Kohlen- säure scheinbar hemmend beeinflußt. Eigentümlicherweise ergaben zwei Parallelversuche mit Brennesselpflanzen ein ganz ähnliches Resultat. Ich hatte erwartet, Kohlensäureabsorption und Sauerstoffabscheidung zu finden; zu meiner Überraschung übertrafen indessen unter den gegebenen Bedingungen auch hier die Produkte der Respiration diejenigen der Assi- milation. Der Sauerstoffverbrauch war sogar noch erheblich größer wie der der Puppen; auf 20®°” Substanz und 12 Stunden Versuchsdauer berechnet, betrug er in einem Fall 22.6 =, im andern 30-6°®. An Kohlensäure war in dem einen Versuch 18-5 "=, in dem andern 12.4" abgegeben worden. Sehr verschieden war das Verhalten der Vanessenpuppen zur Kohlen- säure, wenn die Atemluft sauerstofffrei war und außer der Kohlensäure nur Stickstoff enthielt. Bei acht Tagesversuchen und bei zwei Nacht- versuchen fand Kohlensäureabsorption in wechselnder Menge statt, und in einem Nachtversuch wurde Kohlensäure abgegeben. Bei allen diesen Ver- suchen war die Kohlensäure, wie wir aus den angeführten Versuchen ersehen, in sehr hohem Prozentsatz in der Atemluft enthalten. Tagesversuch Nr.3 den 18.X. 1904. 7 Stunden. Gewicht: 22.280 8m, Temperatur bei der Analyse 19° bzw. 165° C. Barometer 760" Hg. 24 M. GrÄFIN von LiINDEn: Dampfsp. 16-3 bis 13°97. Luftvolumen 139-6 vor der Atmung, 135-7 nach der Atmung. Trübe Beleuchtung. Analyse vor der Atmung: Nach der Atmung: Differenzen: Für 208% in 12Std. gemessen: berechnet: gemessen: berechnet: gemessen: berechnet: berechnet: CO, = 72-0 102.0 — 81927 5102-00 +4'2 +0-.0 +0-0 N 1954 25-7 —= ,18:8 ..23-61 —0.6 -—2:09 —3-0 II 7127ER 100-0 125.61 Tagesversuch Nr.5 den 19.X.1904. 8Stunden. 27.268”, 18 bis 19°C. 763 bis 760-9" Ag. 15-35 bis 16-34" Dampfsp. Vol.’ 100.3°m Vol.’ 70-6. Die Puppen waren über Mittag in der Sonne gelegen und hatten sich rot verfärbt. Analyse vor der Atmung: Nach der Atmung: Differenzen: Für 208”® in 12Std. gemessen: berechnet: gemessen: berechnet: gemessen: berechnet: berechnet: CO, =181°47175.23 49.8 45:60 —31-.60 —29-:.63 -—33-60 N= 18.6 17-41 20=82319=09 + 2:20 + 1-64 + 1.78 100-0 92-64 70.6 64-65 Für die übrigen Versuche ergaben sich als Differenzwerte die Zahlen!: (1) CO,— 20.17 bzw. —16-99 (2) —11-09 —9-364 (4) —4.55 — 5-9 N 19.08, 0 ern 86 1.57 +0.04 +0-044 (6) 12.95 — 23-65 (MD) — 21.1 9.02 (8) - 19.98 oHAne a nn +0:9 +1-14 — 0.14 0018 Nachtversuch Nr.9 den 17.X.bis18.X. 14 Stunden. 17 .28sm V.atalanta 15-50%.0. 7602 Hg. 13:11 22 Dampfsp. Vol. — 110-5. Vol.7— 10630. Analyse’: Analyse’: Differenz: Für 20:8’ in 12 Std. CO, = 63-4 65-15 68-2 67-20 +48 +2-05 +2.03 N= 36-0 37.00 31-3 31-355 —4-2 —5-65 — 3.62 0= 0-6 0-74 0.0 0.0 —0:6 --0-.74 —0.75 100-0 102-89 100-0 98-55 Für die übrigen Versuche ergaben sich als Differenzwerte: (10) 0, = 4:06. 3-118° (11) 2 11:39 270208 eo) 2.02 2 Die Kohlensäureabsorption betrug somit für 20 &" Puppensubstanz und 12 Stunden Versuchsdauer bei Tag im Durchschnitt 15-43 em, bei Nacht ! Die durch fette Schrift hervorgehobenen Zahlen entsprechen den auf Normal- temperatur usw. reduzierten und für das Luftvolumen berechneten Werten. Die anderen geben das Resultat für 20°” Puppen und 12 Stunden Versuchsdauer. q DIE AssıMmILATIONSTÄTIGKEIT BEI PUPPEN UND RAUPEN. 2: 4.38 m, Dieser bedeutende Unterschied läßt darauf schließen, daß die Bedingungen, wie sie am Tag gegeben sind, daß namentlich die Beleuchtung eine wichtige Rolle bei der Kohlensäureaufnahme durch die Puppen spielt. Auch die täglichen Schwankungen weisen darauf hin, daß das Licht das Eindringen der Kohlensäure, bezw. die Verarbeitung des Gases im Puppen- körper erleichtert. Daß es sich bei der verschieden hohen Absorption nicht lediglich um physikalische Prozesse, um eine dem Partialdruck entsprechende Absorption handelt, geht schon daraus hervor, dal die Resul- tate bei gleichem Kohlensäuregehalt der Atmosphäre doch ganz verschieden ausfallen können. So haben wir im Versuch Nr. 3 keine Absorption zu verzeichnen, obwohl die Luft 77 Volumprozent Kohlensäure enthielt und die Temperatur zwischen 19° und 16-.5° C schwankte. In Versuch Nr. 5 wurde dagegen 29.56 CO, absorbiert bei einem Kohlensäuregehalt der Atmosphäre von 81-4 Volumprozent und einer Temperatur von 18° bis 19°C. Hier waren die Puppen sogar den direkten Sonnenstrahlen aus- gesetzt, was für die Absorption, wegen der großen Erwärmung des Puppen- körpers, die denkbar ungünstigste Anordnung war. Die Versuche zeigen aufs deutlichste, daß die Kohlensäureabsorption von seiten der Schmetterlingspuppen in ausgesprochener Weise von der Be- leuchtung abhängig ist und daß die Absorptionswerte mit der Intensität der Beleuchtung wachsen und fallen. Die Versuche Nr. 1, 2, 5, 6, 7 und 8 sind bei meist sonnigem Wetter angestellt und ergaben die höchsten Absorptionswerte 16.99, 9.36, 33.6, 23-65, 9-02, 25.00 m, unter ihnen stehen obenan Nr. 5, 6 und 8 mit 33-6, 34-6 und 25.0°w, in denen die Puppen mehrere Stunden in direktem Sonnenlicht gelegen hatten. Die Versuche Nr. 3 und 4 entfallen auf Tage mit trüber Beleuchtung, und wir finden in einem Versuch 0.0°°“, d. h. überhaupt keine, in anderen die geringste Kohlensäureaufnahme der ganzen Versuchs- reihe 5.9 em, Auch das Alter der Puppen scheint für den Kohlensäureverbrauch nicht ganz gleichgültig zu sein, wenn es nicht ein zufälliges Zusammen- treffen ist, daß der Versuch 3, bei dem die jüngsten Puppen zur Ver- wendung kamen, sie waren 12 bis 24 Stunden alt, der einzige war, in dem überhaupt keine Kohlensäureabsorption stattgefunden hat. Es wurde bereits hervorgehoben, daß die Schmetterlingspuppen in zwei Versuchen, in denen sie der direkten Einwirkung des Sonnenlichtes aus- gesetzt waren, erhebliche Mengen von Kohlensäure absorbierten, und ich halte es für die Frage: ob das aufgenommene Gas im Puppenorganismus fixiert wird und für den Aufbau der organischen Substanz Verwendung findet, nicht bedeutungslos, daß in diesen beiden extremen Fällen in der Tat eine Gewichtszunahme der Puppen zu bemerken war. 26 M. GRÄFIN von LINDEN: Vor dem Versuch wogen die Puppen 27.26 sm Nach dem Versuch ,, N n 97.45 gm Sie hatten also eine Gewichtszunahme von 0-19: erfahren. Am folgen- den Tage, nachdem die Puppen die ganze Nacht in atmosphärischer Luft zugebracht hatten, wogen dieselben: 27-357 80 27.260 „ Differenz = 0.097 8m, Sie waren somit noch um 0-097 em schwerer wie bei Beginn des Experi- mentes. Das Gewicht des absorbierten Gases, der 29.63 «m Kohlensäure beträgt: 0.0588", es müßte also außer der Kohlensäureaufnahme noch eine Wasseraufnahme von 0-039 8m stattgefunden haben, was ja dem assi- milatorischen Vorgang bei der Pflanze vollkommen analog wäre Auch die Gewichtszunahme in dem zweiten Versuch bei direkter Sonnenbestrahlung, Versuch Nr. 6, läßt erkennen, daß mit der Kohlensäureassimilation eine erhebliche Wasseraufnahme verbunden ist; vor diesem Versuch wogen die Puppen 22.775=”=, am nächsten Morgen, also 24 Stunden nach dem Versuch 22.960 2”; sie hatten somit in diesem Experiment sogar um 0.1858” zugenommen. Das Gewicht der aufgenommenen Kohlensäure betrug 35.29 ms (17.95), das des aufgenommenen Stickstoffs 1.02 =s (6.7 m), zusammen 36-31": — 0.0368”, Es wurden demnach außer den gasförmigen Bestandteilen 0-.156®"% Wasser absorbiert. Wenn wir uns nun die Frage vorlegen, in welcher Weise die Puppen die Kohlensäure in ihren Organismus verwerten können, so wird es am nächsten liegen, daran zu denken, daß die Puppen, gerade wie die Pflanzen, die Kohlen- säure unter der Einwirkung des Lichtes zu spalten vermögen in einen kohlenstoffhaltigen Komplex und in Sauerstoff. Der Sauerstoff würde sofort in dem Körper zu Oxydationszwecken Verwendung finden, wenigstens in solchen Fällen, in denen die Gewebe ihren Sauerstoffhunger nicht auf andere Weise zu befriedigen vermögen, wie z. B. hier, wo die Atmosphäre sauerstofffrei war. Was das Schicksal des kohlenstoffhaltigen Komplexes betrifft, so wäre es ja möglich, daß dieser zu Reservestoffen als Kohlehydrat oder Fett angelagert würde Daß in der Tat in sauerstofifreier aber kohlensäure- haltiger Atmosphäre eine Sauerstoffproduktion von seiten der Puppen statt- finden kann, werden wir aus dem folgenden ersehen. Es wurde bei den Experimenten mit Kohlensäure- und Stickstoff- atmosphäre stets dadurch, daß das Gasgemisch durch mehrere Waschflaschen mit alkalischer Pyrogallollösung durchgeleitet wurde, dafür gesorgt, dab kein Sauerstoff in der Atmungsluft vorhanden war. Bei der Analyse trat dann auch über Phosphor keine Nebelbildung ein. Es war nun am Schluß DIE ASSIMILATIONSTÄTIGKEIT BEI PUPPEN UND RAUPEN. 27 der Versuche sowohl Dr. Gronover wie mir verschiedentlich aufgefallen, daß das geatmete vorher sauerstoflfreie Gas über Phosphor Nebelbildung erzeugte. In der Annahme, dab es sich um einen Versuchsfehler, um das Eindringen von Sauerstofispuren durch die Schlauchverbindungen der Kapillaren, handeln könnte, schenkten wir dieser Erscheinung anfangs weiter keine Beachtung. Allein trotz aller angewandten Vorsicht trat die Nebelbildung bisweilen so bedeutend auf, daß die Erscheinung nicht länger unberücksichtigt bleiben konnte. Sollte von seiten der Schmetterlingspuppen am Ende doch Sauerstoff abgegeben worden sein, in sehr kleinen Mengen, die erst nach längerer Dauer des Versuches gemessen werden konnten ? Zur Prüfung dieser Frage ließ ich die Puppen bei einem späteren Versuch statt S bis 12 Stunden 48 Stunden lang in der Stickstoff-Kohlensäure- atmosphäre. Der Versuch, in dem ich die Puppen von Vanessa atalanta (16.97 =®) verwendet hatte, ergab: Analyse vor der Atmung |Analysenach d. Atmung Differenz non - — — — I n Te rm ER Berechnet auf | Berechnet Substanz Ks eiunden 0°n. 760 He] Gefunden auf 0° u. | Gefunden | Berechnet | in 12 Stil in 99.6 cm in 79 ee in 12 (. 0-31 cm 760 mm Hg! CO,—=56-.2°m| 41-gem | 91.0em | 9g.68em | _95.2cm| _19-97eem| — g-geem N—-43-4 | 32-12 | 44-5 41-50 + 1-1 |-+ 9-38 ze 0= 0.0 | 90 || 85 | „8-28 +7325,, 15 3.237 | 0-95 99-6 713.72 79-0 73-36 |—20-6 |— 0-36 = Volumen- abnahme bei 0° und 760 == Hg berechnet. Es waren somit bei diesem Versuch innerhalb 48 Stunden 12.97 m Kohlensäure verschwunden und dafür 9.38" N und 3-23 em OÖ mehr aufgetreten. Die Kohlensäureabsorption war also hier in der vierfachen Zeit nicht größer wie sonst in 12 Stunden und blieb weit unter dem Tages- maximum zurück, das sonst bei günstigen Beleuchtungsverhältnissen erreicht wurde. Waren nun diese Puppen zur Kohlensäureaufnahme weniger dis- poniert, oder hatte ein Kreislauf der Kohlensäure stattgefunden in der Art, daß eine bestimmte Menge des Kohlensäuregases von den Puppen auf- genommen worden war und eine Abspaltung von Sauerstoff erfahren hatte? Wurde dieser abgespaltene Sauerstoff sofort zu Oxydationszwecken im Körper verwendet und als Kohlensäure wieder abgegeben, so mußte sich der Kohlen- säuregehalt der Atmosphäre in dem Puppenbehälter vergrößern. War nun aber nicht aller durch Spaltung der Kohlensäure entstandene Sauerstoff im Puppenorganismus festgehalten, sondern ein Teil desselben nach außen ab- geschieden worden, so mußte der von den Puppen abgegebene Sauerstoff, wie es in dem vorliegenden Fall zutrifft, sich in der Atmosphäre wiederfinden, und gleichzeitig mußte in derselben eine Abnahme des Kohlensäuregehaltes zu 28 M. GRÄFIN von LiINDen: beobachten sein, da ja das Plus an Sauerstoff aus einer Spaltung der ursprünglich der Atmosphäre entnommenen Kohlensäure stammte. Das Verschwinden der Kohlensäure und das Auftreten von Stickstoff und Sauerstoff im Gasgemenge konnte aber auch die Folge einer Diffusions- erscheinung sein. Die letztere Annahme ist um so naheliegender, da die fehlende Kohlensäuremenge in diesem Experiment fast vollkommen durch das Plus an Sauerstoff ersetzt wird (12,97:12,61°®). Dabei konnte die Kohlensäure entweder aus dem Puppenbehälter in die umgebende Luft hinausdiffundiert und die atmosphärische Luft in denselben eingetreten sein, oder die Kohlensäure war vom Puppenorganismus absorbiert und das ent- stehende Vakuum durch das Eindringen von atmosphärischer Luft wieder ausgefüllt worden. Da die Kohlensäure wegen ihres großen Volumengewichts schwer diffun- diert, vorausgesetzt, daß keine Verdichtung des Gases stattfindet, so ist selbst, wenn wir annehmen, daß der Verschluß des Puppenbehälters kein vollkommen luftdichter gewesen wäre, ein Austreten des Kohlensäuregases doch sehr wenig wahrscheinlich. Viel eher könnten die Puppen Kohlensäure absorbiert haben und atmosphärische Luft an Stelle des aufgenommenen Gases getreten sein. Allerdings müßte in diesem Fall das Verhältnis des eingedrungenen Stick- stoffs zum Sauerstoff ein ähnliches sein, wie in der Atmosphäre, wo auf einen Teil Sauerstoff fünf Teile Stickstoff kommen. Es müßten also mit dem Sauerstoffvolumen von 3.23 °em 16.15 m Stickstoff in den Behälter ein- gedrungen sein, eher noch etwas mehr, da zufolge seiner geringeren Gas- dichte dem Stickstoff bei der Diffusion weniger Hindernisse im Weg liegen wie dem Sauerstoff. Im Experiment beträgt das Plus an Stickstoff nur 9.38 cm, es findet sich somit unverhältnismäßig mehr Sauerstoff, was einem Diffusionsvorgang nicht entspricht. Auch von physiologischem Standpunkt aus halte ich es für höchst unwahrscheinlich, daß der mit der atmo- sphärischen Luft eingedrungene Sauerstoff von den Puppen unberührt ge- lassen worden wäre; es ist im Gegenteil anzunehmen, daß derselbe sofort bei der Atmung Verwendung gefunden hätte, wie es in dem Nachtversuch Nr. 9 der Fall war, wo 0.6°m des Gases im Laufe des Experimentes auf- gezehrt wurden. Die Annahme, daß die Puppen selbst den Stickstoff und Sauerstoff abgegeben haben, gewinnt aber dadurch an Wahrscheinlich- keit. Eine Abgabe von Stickstoff ist bei Tieren schon wiederholt be- obachtet worden, allerdings waren es stets nur kleine Quantitäten, und auch die vorhergehenden Experimente mit Vanessenpuppen lassen ver- schiedentlich eine Vermehrung des Stiekstoffs der Atmosphäre erkennen. Von viel weittragender theoretischer Bedeutung ist es, die Puppen als (Quelle des Sauerstoffs zu betrachten, ihnen dieselben Fähigkeiten der DIE ASSIMILATIONSTÄTIGKEIT BEI PUPPEN UND RAUPEN. 29 Kohlensäureassimilation zuzuschreiben, wie den Pflanzen. Wir haben ja ge- sehen, dab bei Einzelligen eine mit Sauerstoffabgabe verbundene Kohlensäure- absorption vorkommt, und von der durch Pflüger im Jahre 1875 vertretenen Anschauung über die Gleiehartigkeit der physiologischen Leistung bei den Ver- tretern der beiden organischen Reiche ausgehend, darf die Möglichkeit eines derartigen Phänomens auch nicht ohne weiteres bezweifelt werden. Bei keinem Wesen, scheint mir, müßte die Analogie in den Lebensvorgängen mit der Pflanze besser hervortreten, als hier bei der Schmetterlingspuppe, wo die animalen Funktionen so ganz in den Hintergrund treten. Auch biologisch könnte ich es gut verstehen, daß die Schmetterlingspuppe im Kohlenstoff und Stickstoff der Luft eine Quelle besitzt, aus der sie die zum Aufbau ihres bzw. des Organismus des Schmetterlings nötigen und durch die Atmung fortgesetzt dem Verbrauch preisgegebenen Substanzen schöpft und ergänzt. Diese Auffassung erscheint mir sogar viel wahrscheinlicher wie die Annahme, daß die Puppe aus den in ihrem Fettkörper enthaltenen Reservestoffen ihren eigenen Körper erhält, den Organismus des Schmetter- lings aufbaut und diesem noch so viel Reservematerial mitgibt, daß er tagelang ohne Nahrung leben, sich energisch bewegen und eine Anzahl von entwicklungsfähigen Eiern absetzen kann, die ihrerseits wieder, ohne Nahrungsstoffe aufzunehmen, im Gegenteil, indem sie durch Atmung solche verbrauchen, lebenskräftige Raupen entlassen. Ein solches Hungerkunst- stück wäre meiner Ansicht nach ein Wunder, die Kohlensäureaufnahme und Verwertung eine außerordentliche, zweckmäßige Analogie mit den Ernährungsvorgängen bei Pflanzen. Die Wahrscheinlichkeit, daß in dem besprochenen Versuch der Sauer- stoff von den Puppen abgegeben worden ist, wird noch dadurch erhöht, wenn wir die Versuchsanordnung im einzelnen näher betrachten. Ich war bei Beginn des Experimentes von der Vermutung ausgegangen, daß die über Phosphor auftretende Nebelbildung bei der Analyse möglicherweise von dem von der Puppe abgeschiedenen Sauerstoff herrühren könnte. Um nun den Augenblick der Sauerstoffabgabe beobachten zu können, bediente ich mich eines der Doppelgefäße, deren Konstruktion im vorhergehenden beschrieben wurde (Fig. 4). In den einen der beiden Behälter des Doppel- gefäßes wurden die Puppen verbracht, in den anderen legte ich ein Stück- chen Phosphor in etwas Wasser. Nachdem die beiden Erweiterungen des Doppelgefäßes mit dem sauerstofffreien Gas gefüllt waren, wurde der Be- hälter ins Dunkle gelegt und die Verbindung zwischen den beiden Gefäßen offen gelassen, un dem, den Puppen etwa noch anhaftenden Sauerstoff (Gelegenheit zu geben, zu verbrennen; als keinerlei Nebelbildung mehr zu beobachten war, wurde der Hahnen zwischen Puppen- und Phosphorbehälter geschlossen und das Ganze dem Licht ausgesetzt. Es war um 9 Uhr 30 M. GRÄFIN von LINDeEn: vormittags. Um 12 Uhr wurde die Verbindung zwischen den beiden Be- hältern zum erstenmal geöffnet und durch Erwärmen mit der Hand etwas Luft aus dem Puppengefäß in den Phosphorbehälter eingeleitet. Es war kaum eine Nebelbildung zu beobachten. Auch am Nachmittag waren noch keine größeren Sauerstoffmengen nachzuweisen, wohl aber gegen Abend, nachdem in dem Experimentierraum bereits die Lampen (Auergasglühlicht) angezündet waren. Wurde jetzt das Puppengefäß mit der Hand erwärmt und der Phosphor in die Nähe der offenen Verbindung der beiden Behälter gebracht, so stiegen mit jeder Luftblase, die durch die mit Wasser gefüllte Verbindung hindurchgepreßt wurde und den Phosphor streifte, kleine Nebel- wolken auf. Diese Nebelbildung erreichte ihren Höhepunkt am Nachmittag des folgenden Tages vor der um 6 Uhr nachmittags vollzogenen Analyse. So sehr indessen diese Tatsachen für eine assimilatorische Tätigkeit des Puppenorganismus sprechen, so wäre es dennoch gewagt, einen Schluß von so prinzipieller Bedeutung auf Grund eines einzigen Versuchsresultats zu stützen. Es war notwendig, die Bestätigung dieses ersten Ergebnisses durch weitere Resultate abzuwarten. Diese Bestätigung fand ich in einem Experi- ment, das vom 25. bis 26. Oktober von 8 Uhr vorm. bis 5?/, Uhr nachm. stattgefunden und somit 33-5 Stunden gedauert hatte. Verwendet wurden 18-24®’®-Puppen von V.atalanta und V. urticae, Temperatur 19°C, Barometerstand 760%, Der erste Tag war sonnig, der zweite meist trüb. Ergebnis der Analyse Differenz vor der Atmung nach der Atmung Berechnet auf NER h ni t Gefunden , das Gesamt- gefundenen erechneten a vol. bei 0° u. Gefunden Berechnet Werte Werte 760 mm Hg N=49:8 ccm 50:72 cem | 50:0 ccm 46:5 ccm + 0:2 rem OR ccm CO, =46-0 46:80 5122 470 | +5.2 + 0:20 0= AO 2-24 3:6 3:3 | +1-4 + 1:06 98-0 | 99-76 | 104-8 96-8 + 6-8 —2:96= Vol.- | | Abnahme Wir sehen, daß auch in diesem Versuch Sauerstoff abgegeben worden ist, weniger als im vorhergehenden, aber immerhin eine meßbare Menge, die die Fehlergrenze übersteigt. Wichtig ist, daß sich hier mit der Sauerstoffzunahme nicht nur keine Stickstoffzunahme, sondern eine Abnahme dieses Gases eingestellt hat. Der Sauerstoffzuwachs kann in diesem Fall jedenfalls unmöglich auf ein Eindringen von atmosphärischer Luft in den Behälter zurückgeführt werden. Die Erklärung der Sauerstofi- DIE ASSIMILATIONSTÄTIGKEIT BEI PUPPEN UND RAUPEN. 31 zunahme bietet uns hier indessen eine Schwierigkeit in anderer Richtung. Wir werden uns fragen müssen, ob auch in diesem Fall die Kohlensäure als Quelle des freigewordenen Sauerstoffs betrachtet werden kann, wo im End- resultat nicht nur keine Abnahme des Gases, sondern sogar eine Zunahme der Kohlensäure erfolgt ist. Nach meiner Ansicht läßt sich diese Frage bejahen, wenn wir berücksichtigen, daß die bei der Atmung gebildete Kohlensäure nicht unmittelbar nach ihrer Bildung abgegeben zu werden braucht. Nimmt man an, die Kohlensäure, die schon vor dem Experiment gebildet worden war, sei teilweise zurückgehalten und erst im Lauf des Experimentes abgegeben worden, so könnte, auch wenn wir eine Assi- milation der in der Atemluft gebotenen Kohlensäure voraussetzen, dennoch eine Zunahme dieses Gases in der Atmosphäre erfolgen. Der ganze Atmungsvorgang im Laufe der 33-5 Stunden Versuchsdauer ist auf der beigegebenen Kurve, Fig. 9, graphisch dargestellt. Das Puppengefäß war an seinem zu einer Köhre ausgezogenen Ende mittels eines Gummischlauchs mit einer Glasröhre und diese wieder mittels Gasschlauchs mit einer gra- duierten Burette beweglich verbunden. Das ganze System war mit Aus- nahme des Puppenbehälters mit Wasser gefüllt und die Burette so auf- gehängt, daß bei Beginn des Versuchs der Wasserspiegel in der Burette und in der Puppengefäßröhre gleich hoch stand. Die Kurve zeigt, daß tatsächlich bei Beginn des Versuchs der Wasserspiegel in der Burette an- stieg von 17 auf 19m, Das Luftvolumen in dem Puppenbehälter mußte sich also ausgedehnt haben und zwar um 2°, Die Temperatur war in dieser Zeit wohl gestiegen, allein nur um 2° C., was einer Ausdehnung der Kohlensäure von 0.804 °” entspricht. Es muß somit angenommen werden, dab eine Abgabe von Luft von seiten der Puppen stattgefunden hatte, die den Raum von rund 1.2°® ausfülltee Angenommen, die Kohlensäure hätte tatsächlich diesen Zuwachs erfahren, und es hätte keine weitere Ab- sorption des Gases stattgefunden, so müßte am Schluß des Experimentes der Kohlensäuregehalt um 1-2 °” größer geworden sein; wir finden statt dessen nur ein Plus von 0-.2°°® Kohlensäure, außerdem aber eine Sauer- stofzunahme von 1-06 °“; addieren wir beide Volumina, so ergibt sich ein Mehr von Kohlensäure und Sauerstoff von 1-26 m, ein Volumen, das somit nur um ®/,,.°® größer ist, als das von den Puppen am Anfang des Ver- suchs ausgeschiedene Gasquantum. Es läßt sich auf diese Weise sehr wohl verstehen, daß wir in einem und demselben Experiment gleichzeitig Sauer- stoffabgabe und Kohlensäureabgabe beobachten können und trotzdem die Kohlensäure der Atemluft als Quelle des Sauerstoffs betrachten dürfen, wenn nämlich, wie hier, der Organismus noch mit Kohlensäure belastet war, die ausgeatmet wurde, ehe für den Assimilationsprozeß neue Quantitäten aus der Luft aufgenommen werden konnten. M. GrÄFIN von LinDenx: 32 Was nun den weiteren Verlauf der Atmung in diesem Versuch betrifft, so lesen wir aus der Kurve ab daß auf die erste Ausatmung eine Periode ’ Fig. 9. Als der Versuch begann, stand der Wasserspiegel in der Burette auf Teilstrich 17, der hier als Nullpunkt den Ausgangspunkt der Kurve bildet. Fig. 10. Atmungskurve einer Anzahl Vanessenpuppen in einer Atmosphäre von CO, +N +0 Tagesatmung. y Ausatmung. ---- Nachtatmung. A Einatmung. [5] DIE AssSIMILATIONSTÄTIGKEIT BEI PUPPEN UND RAUTEN. PoR5) der Einatmung, der Gasabsorption folgte, die ihr Maximum um 8 Uhr abends erreicht hatte. Es war hierauf wieder Luftabgabe zu beobachten, die am folgenden Mittag um 1 Uhr auf ihrem Höhepunkt war und das Wasser in der Burette bis zu 17-.5°m gehoben hatte. Es wurde wieder eingeatmet; das Volumen des aufgenommenen Gases betrug aber diesmal nur 6“ nicht 12 m wie am ersten Tag zu gleicher Zeit, Es folgte abermals eine Periode der Ausatmung, der Wasserspiegel wurde bis auf etwa 14 “m gehoben und in diesem Augenblick der Versuch abgebrochen. Das Volumen des in dieser Zeit absorbierten Gases betrug nach der Kurve gemessen 3°“®, um so viel war der Endpunkt der Kurve von der Abszissenachse, ihrem Anfangspunkte entfernt. Bei der Analyse ergab sich zwischen Anfangs- und Endvolumen der in dem Gefäß eingeschlossenen Atemluft eine Differenz von nur 2.96", Das zweite Verfahren hatte somit einen um 0.04°°m kleineren Wert für die Menge des absorbierten Gases gegeben, eine Differenz, die sich auf Temperaturunterschiede bei der Analyse und am Schluß des Atmungsversuches zurückführen läßt. Bringen wir nämlich in Rechnung, daß der Atmungsversuch bei 16° ©. abgebrochen und bei 18° C. analysiert worden ist, so ergibt sich durch Messung eine Volumen- differenz, die die an der Kurve gemessene sogar um 0.11 ‘m übersteigt. Immerhin stimmen die Resultate soweit überein, daß die eingeschlagene Methode zur Bestimmung der Gaswechselgröße nicht ungeeignet erscheint. Der Versuch lehrt außerdem, daß es nicht richtig ist, Volumenabnahme bei der Atmung nur durch das Verschwinden von Sauerstoff aus der Atemluft zu erklären. In dem vorliegenden Fall ist der negative Gasdruck am Schluß des Experimentes allein auf Rechnung des verschwundenen Stickstoffes zu setzen. Wir haben im vorhergehenden zwei Fälle kennen gelernt, in denen bei der Atmung von Schmetterlingspuppen in einer aus Kohlensäure und Stickstoff bestehenden Atmosphäre in wechselnder Menge Sauerstoff pro- duziert worden ist. Es hat sich dabei als wahrscheinlich erwiesen, daß diese Sauerstoffzunahme wohl allein auf eine Spaltung der von den Puppen absorbierten Kohlensäure zurückzuführen ist. Die Puppen von Vanessa urticae und V. atalanta zeigen danach ein Verhalten, wie es bis jetzt nur bei Pflanzen und einzelnen einzelligen Tieren beobachtet wurde. Es scheint sich bei den Schmetterlingspuppen ein Lebensvorgang abzuspielen, es scheinen sich in dem Puppenorganismus Reduktionsvorgänge zu voll- ziehen, die in dem Kohlensäureassimilationsprozeß bei der Pflanze ein Analogon finden. Diese Analogie kann indessen nur dann als vollkommen gelten, wenn bei den Schmetterlingspuppen auch unter natürlicheren Ver- hältnissen Absorption und Spaltung der Kohlensäure zu beobachten ist, wenn die Kohlensäure keinem sauerstofffreien Gasgemenge, sondern der atmo- Archiv £. A.u,Ph. 1906. Physiol. Abtlg. Suppl. 3 34 M. GRÄFIN von LinDex: sphärischen Luft beigemischt wird. Die Experimente, die im folgenden mitgeteilt werden und sich von Ende November 1904 bis Juni 1905 er- strecken, gelten ausschließlich der Prüfung dieser zweiten Frage. Der Gaswechsel der Puppen und Raupen verschiedener Schmetterlinge in kohlensäurereicher atmosphärischer Luft. Zu diesen weiteren Versuchen verwendete ich die überwinternden Puppen von Papilio podalirius, dem Segelfalter, Sphinx euphorbiae, dem Wolfsmilchschwärmer, Lasiocampa pini, der Tannenglucke, die Puppen und Raupen der ersten Generation von Vanessa urticae, kleiner Fuchs und die grünen Raupen des ebenfalls auf der Brennessel lebenden Wicklers Botys urticata. Eine Reihe Kontrollversuche wurden gleichzeitig mit jungen Brennesselpflanzen angestellt. Die Versuche erstreckten sich über die Monate November 1904 bis Juni 1905. Während der Wintermonate No- vember bis Ende Februar beobachtete ich in 113 Experimenten mit kohlen- säurehaltiger, atmosphärischer Luft 37 mal Kohlensäureabsorption, aber nur viermal eine Abgabe von Sauerstoff. Die Monate März bis Juni waren, namentlich was die Abscheidung von Sauerstoff betraf, viel sünstiger; in 116 Versuchen wurden 63 mal eine Aufnahme von Kohlen- säure und 60 mal eine Abgabe von Sauerstoff beobachtet. Die Kohlensäure- aufnahme verhielt sich in diesen Versuchen bei Nacht und bei Tag der Häufigkeit nach, wie 43:72 bzw. 20:44, die Sauerstoffabscheidung wie 47:72 bzw. 13:44. Wir sehen schon aus diesem Verhältnis, daß die Tagesbeleuchtung auf die Aufnahme der Kohlensäure, sowie auch auf die Sauerstoflabgabe günstig einwirk. Wenn wir berücksichtigen, daß bei einem Teil der Nachtversuche das Licht nicht vollkommen abgeschlossen war, daß vielmehr die Puppen von Sonnenaufgang an belichtet waren, so zeigt sich die fördernde Wirkung des Lichtes auf die Sauerstoffabscheidung noch viel deutlicher. Es war nicht uninteressant zu vergleichen, wie sich die Pflanze in ihrer assimilatorischen Tätigkeit durch Licht und Dunkel be- einflussen ließ. Ich bediente mich, wie schon erwähnt, zu diesen Kontroll- versuchen junger Brennesselpflanzen. Die Pflanzenversuche wurden gleichzeitig und somit unter genau denselben Bedingungen ausgeführt, wie die mit Puppen und Raupen. Es wurden im ganzen 17 Experimente mit der Brennessel ausgeführt; 9 Tages- und 8 Nachtversuche. Im diesen 9 Tagesexperimenten war Tmal Kohlensäureaufnahme und 8mal Sauer- stoffabgabe zu beobachten, während der Nachtexperimente wurden 3mal Kohlensäure absorbiert und 2mal Sauerstoff abgegeben. Das Verhältnis der Häufigkeit der Kohlensäureaufnahme bei Nacht und bei Tag war daher bei der Brennessel 7:9 bzw. 3:8. Für die Sauerstoffabgabe gestaltete es DIE ASSIMILATIONSTÄTIGKEIT BEI PUPPEN UND RAUPEN. 30 sich zu 8:9 bzw. 2:8. Vergleichen wir diese Quotienten mit den vorher- gehenden bei Schmetterlingspuppen und Raupen, so ergibt sich: 1. Für Schmetterlingsraupen u. Puppen: 1. Für die Brennessel: Häufigkeit Häufigkeit der CO,-Produktion: der O-Abgabe: d. CO,-Produkt.: d. O-Abgabe: bei Tag: 0-59 0.65 0.77 0.885 bei Nacht: 0-45 0.29 0.57 0-25 Bei der Pflanze hat somit verhältnismäßig öfter Kohlensäureassimilation stattgefunden wie beim Tier, was auch der Erwartung auf Grund der physio- logischen Verschiedenheit beider Kategorien von Lebewesen durchaus ent- spricht. Nach dieser Durchschnittsberechnung reagiert die Pflanze noch empfindlicher auf Licht wie die Schmetterlingspuppe, ein Resultat das zu- ungunsten der Tiere ausfallen mußte, weil ich die Ergebnisse mit den ver- schiedensten Puppen- und Raupenformen in diese Berechnung hereinbezogen habe, von denen sich einzelne, wie wir noch sehen werden, für die Versuche als weniger geeignet erweisen. Wir werden aus dem Folgenden entnehmen, daß sich die Puppen unter Umständen noch empfindlicher zeigen auf Lichtreiz wie die Pflanze. Eigentümlich ist es, daß sowohl bei der Pflanze wie beim Tier auch in der Dunkelheit Sauerstoffabgabe stattfinden kann, und wir werden uns fragen müssen, aus welcher Quelle den lebenden Organismen in diesen Fällen die Energie zur Spaltung der Kohlensäure Nießen mag. Die Atmungsversuche in kohlensäurereicher Atmosphäre während der Monate Dezember bis März. Es wurden in der folgenden Zusammenstellung selbstverständlich nur die Versuche berücksichtigt, bei denen Versuchsfehler ausgeschlossen waren. Auch habe ich mich darauf beschränkt, hier in dieser Serie von den Winter- experimenten nur diejenigen anzuführen, bei denen eine Kohlensäureabsorption oder Sauerstoffabgabe zu beobachten war; eine Zusammenstellung des ganzen Materials hätte zu weit geführt, um so mehr, da es mir hauptsächlich darum zu tun ist, zu zeigen, daß überhaupt von den Schmetterlingspuppen Kohlen- säure aufgenommen und Sauerstoff abgegeben wird. Die Beeinflussung der Atmungsvorgänge durch die Anwesenheit größerer Mengen von Kohlensäure in der Atemluft ohne wahrnehmbare Assimilation werde ich bei anderer Gelegenheit erörtern. Es seien hier nur die wichtigsten Analysenergebnisse angeführt: 3% 36 M. GRÄFIN von LINDEn: Tagesversuch 12. 25. XII. 1904. Puppen v. Papilio podalirius Serie I. Gew. 13.48 8m, 51/, Stunden 14°C. 760" Hg. 11-90” Dampfsp. Vol. = 93.46, Vol” 87.2. Die Puppen lagen bei Frosttemperatur vor dem Fenster. Analyse‘: Analyse’: Differenz: Für 208% in 12 Std. N —-. 62 54.26 59.2 48.33 — 2:8 — 5-93 — 19.20 07—= 46277714300 13-4 10-94 — 2.6 — 3-06 — 9.90 00,=1722 19-25 15-4 12-57 — 6-6 — 668 — 21.62 1000 87-51 88-0 71-84 —12-0 — 15-67 = Vol.-Abnahme. Tagesversuch 13. 30. XI. 1904. 13.14 2% 6 Stunden. 18° C. 760"" Hg. 15-35 Dampfsp. Vol. = 92-40, Vol” = 84-4. Puppen lagen in Zimmer- temperatur. Analyse’: Analyse”: Differenz: Für 20:°% in 12 Std. N= 71:6 59-94 62.2 47.48 — 9.4 —12-46 — 37.74 O= 16-4 13.73 12-2 9.31 — 4:2 — 4-42 — 13.46 CO,= 12:0 10.05 10:0 7.63 — 2.0 — 2-42 — 7.86 100:0 83-72 84-4 64-42 —15-:6 —19-30 = Vol.-Abnahme. Tagesversuch 14. 3.1.05. 12.528”. 6 Stunden. 14 bis 15° C. 770” Hg. 11-90 bis 12.69 ®® Dampfsp. Vol’ 142.8, Vol.” 137-4. Die Puppen lagen bei —5° bzw. —8°C. vor dem Fenster. Analyse‘: Analyse’: Differenz: Für 20°” in 12 Std. N—: 7.0..627:95.65.20,71..81798261 +1.2 +2.96 +9-.45 O= 17.0 23.05 17.2 23.698 +0.2 —0-60 +1-91 C0,— 12-4. .16-80.% 11.07 15-11. 2 —1.4 —1.69 — 59-40 100.0 135-48 100.0 137.35 +1.87 = Vol.-Zunahme, Tagesversuch 15. 8.1.05. Gew.=12-528"”, 4 Stunden. 14°C. 768“m Hg. 11.90 ®m Dampfsp. Vol. 96-8, Vol.” 85-0. Puppen bei Zimmertemperatur gehalten. Analyse’: Analyse’: Differenz: Für 20°” in 12 Std. N= 55.8 49.13 50-2 40.338 —3-.6 — 8-75 —41.93 O= 11.6 10-00 9.4 7.56 —2-2 — 3-04 — 25-90 C0,= 34.6 31-60 25-4 20-4 —9-2 —11-16 — 50-56 100-0 90.73 85-0 68-38 —15-0 = Vol.-Abnahme. Tagesversuch 22. 8. L 1905. Gew. = 10.688", 7 Stunden. 14°C. 768» Hg. 11.9" Dampfsp. Vol’ 119-1, Vol.’ 118. Puppen bei Zimmer- temperatur gehalten. Analyse’: Analyse”: Differenz: Für 205% in 12 Std. N= 53.8 60-64 56-8 63-48 +3:0 -+2.79 +11-28 O—ZL-67 718.087 712-4218-85 +0.8 +0-.77 + 2-47 C0O,= 34-6 39.00 30-8 34-30 —8:8 —4-70 —15-09 100.0 112.72 100.0 111.58 —1:-14 = Vol.-Abnahme. DIE ASSIMILATIONSTÄTIGKEIT BEI PUPPEN UND RAUDPEN. ar Tagesversuch 25. 27. I. Puppen von Sphinx euphorbiae. Gew. = 25.625, 61/, Stunden. 16°C. 775 "m Hg. 13-53 Dampfsp. Vol.’108, Vol.” 128. Versuch im Doppelgefäß angestellt. Differenz Differenz im leeren Abteil: im Puppenabteil: Gesamtdiflerenz: Für 208% in 12 Std. N= +16-832 —1-30 +15.52 +25.83 O= + 4-59 —0-87 + 3-72 + 6.07 C0, = — 2-68 —2.78 — 5:66 — 9.21 35 cem Vol.-Zunahme. Tagesversuch 28. 26. II. 1905. Gew. = 59.488'". 9 Stunden. 14° C. 754mm Hg. 11-9mm Dampfsp. Vol’ 310.2, Vol.” 287° m, Analyse‘: Analyse”: Differenz: Für 20s’= in 12 Std. N= 73.910-3 15200207280 ron 250 el Oel 28.9 15.0, Mes arme 7, 23200 CC,— 10 28-8 E89 10,7 0er 0876 100 288-0 99.8 276-455 --0:-2 — 11-55 = Vol-Abnahme. In den übrigen Versuchen ergaben sich die Absorptions- bzw. Exhala- tionswerte, die im folgenden mitgeteilt sind: I. In den Tagesversuchen mit Podalirius-Puppen: (16)N = —2.93 —S-11 (17) +0-585 + 2:38 (18) —4-64 —14-95 O0 = —0.76 —2-11 —1-.51 — 5-38 —1:57 — 5-05 C0O,=—1-48 —4-10 —3:50 — 14-40 —0-.78— 2-51 (19) N = —2:34 —10:.60 (20) —1-25 —4.68 (21) 0-75 —2-59 O0 = +0-.S56 + 1.04 —1:.04 —3:89 2.55 —8-81 CO, = —2-25 — 8-45 —1.36 —5-09 2.18 —7-.53 Im Mittel für 208°” in 12Std. (23)N = —2-.31 —9-41 (24)—1-42 —5.08 N = 10.082 ON == 1.094844 — 1.84. 6.581 00. .6.11,,% C0,= —0-.52 —2-81 —0.175 —2-.68 CO,= — 7.50, I. In den Tagesversuchen für Sphinx euphorbiae-Puppen: 26) N = — 1-65 —0:-885 (27) +0-.72 +0-84 0 = — 5:62 —3-02 —1-46 —1-75 C0O,= —11-72 —6-32 —3:44 —4-03 Im Mittel für 20 == in 12 Std. Ohne Berücksichtigung des Versuches 25. N = +6-0 N = —0:97 O0 = —0-50 O0 = —2-.69 C0O,= —5-08 00,= —3:70 III. In den Nachtversuchen mit Puppen von Papilio podalirius: (29) N = —1-22 —1-27 (30) —3-08 —4-99 (31) —2-.65 —4-60 0 = —6-.47 —6-58 —1:89 —3-.06 —1:70 —2:-99 00,= —6:06 —6-39 —0.64 —1:06 —2.36 —5-66 Im Mittel für 20®°= in 12Std. (32) N = —3-.36 —5-59 (33) —1-40 —1-56 Nı7— 3.60: O0 = —2.87 —4-99 —0-.77—0:86 0 = —3.69 60,5 1.582 29:75 0-95 —i-20 C0,= —3-41 38 M. GRÄFIN von LINDEN: Überbliecken wir die Größe und die Art und Weise des Gaswechsels der in kohlensäurereicher Luft gehaltenen Segelfalterpuppen, so sehen wir, daß in den aufgeführten Experimenten außer Kohlensäure auch Sauerstoff und Stickstoff von den Insekten aufgenommen wurde. Die Sauerstoffaufnahme war durchschnittlich eine geringere, wie die der Kohlensäure und des Stick- stoffs, die Stickstoffaufnahme durchschnittlich größer, wie die Kohlensäure- absorption. Es ist eigentümlich, daß in diesen Experimenten eigentlich nicht von einem Graswechsel gesprochen werden kann, sondern nur von einer Gasaufnahme; die Schmetterlingspuppe entnimmt hier der Atmo- sphäre alle Stoffe, die sie zum Aufbau ihres Organismus nötig hat, und wenn auch in hier nicht aufgeführten, dazwischenliegenden Versuchen Kohlensäure als Oxydationsprodukt abgegeben wurde, oder eine Abscheidung von Stickstoff stattfand, so bleibt, wenn wir den Durchschnitt ziehen, doch noch ein Plus, das in einer Gewichtszunahme der Puppen in die Erscheinung tritt. Die Aufnahme von atmosphärischem Stickstoff scheint somit bei Tieren allgemein stattzufinden, sobald ihnen durch die Nahrung dieser Baustoff nicht zugeführt wird. So fanden Regnault und Reiset!, daß bei Vögeln sowohl im Hungerzustand, als auch bei plötzlich eintretendem Nahrungs- wechsel, bei der Atmung Stickstoff konsumiert wurde. Dasselbe Phänomen wurde auch bei Murmeltieren, die sich im Winterschlaf befanden, kon- statiert. Es handelte sich hier allerdings um viel kleinere Quantitäten; aber für das Prinzip der Frage genügt es, festgestellt zu haben, daß überhaupt eine Absorption dieses Gases stattfindet. Die Menge des aufgenommenen (Gases ist jedenfalls immer individuellen Schwankungen unterworfen und unterliegt auch den Voraussetzungen bei der Versuchsanordnung, namentlich bei der Volumenbestimmung der geatmeten Gase. Die Stickstoffaufnahme ist, wie wir aus den Experimenten entnehmen können, unabhängig vom Partialdruck des Gases, ebenso von der Temperatur, bei der sich die Atmung vollzog. Die beiden Absorptionsmaxima ergaben sich zwar unter ziemlich gleichen Temperaturverbältnissen, bei 18° C. (37.74 m) Versuch 13 und bei 14° (41.93) Versuch 15; die drittgrößte Absorption (19.2 m) Versuch 12 fand aber an einem Tage statt, wo die Puppen während des Versuchs dem Frost ausgesetzt waren. Viel eher kann man sagen, daß Tag und Nacht, daß auch hier die Beleuchtung die Stickstoffabsorption beeinflusse, denn die nächtliche Durchschnittsaufnahme für 208m Puppen und 12 Stunden Versuchsdauer berechnet, bleibt weit hinter der täglichen zurück; sie verhält sich zu dieser wie 1:3. Es ist eigentümlich, daß wir in den Versuchen, die von März bis Juni angestellt worden sind, eine ähnlich deutliche Beziehung zur Beleuchtung nicht mehr ! Regnault und Reiset, a.a. O0. 8. 452, 438 und 441. DıE ASSIMILATIONSTÄTIGKEIT BEI PUPPEN UND RAUPEN. 39 erkennen können. Möglicherweise, daß die Puppen zu gewissen Zeiten ihrer Entwieklung zur Stickstoffaufnahme mehr disponiert sind, wie zu anderen, wie ja auch nieht jede Art in gleicher Weise geneigt ist, dieses Gas in sich aufzunehmen. So blieben z. B. in den mitgeteilten Versuchen die Puppen von Sphinx euphorbiae in der,Stiekstoffabsorption hinter denen von P. podalirius weit zurück. Mittelwert: +6-02 bzw. —0-97: — 10.08, für 20 m Puppen und 12 Stunden Versuchsdauer berechnet. Eine deutliche Abhängigkeit vom Licht zeigt, wie zu erwarten, auch die Kohlensäure- absorption. Wir finden einen Tagesdurchschnitt von 7.5 °® und einen | 1,38 | | | | | | | | | | | — — [ +9,45 | Figiil. en] Ä + N Menge des absorbierten Gases in cbem Tebem = mm Br len: Dal 30 Val% 538 41,93” Konzentration des Gases in Volumprozenten. 1 Vol.-Prozent = 1 Quadrat. Kig.,11. Stickstoffabsorption im Verhältnis zur Konzentration des Gases in der Atemluft. evol-Erozens 7 Quadeamselacar um: nächtlichen Durchschnitt von 3-41°e®. Ähnlich verhält sich die Puppe zum Sauerstoff. Bei Tag nahmen die Puppen in diesen Versuchen durch- schnittlich 6-11 °® Sauerstoff auf, bei Nacht 3.69 «m, Sauerstoffabgabe wurde während der Wintermonate nur in vier Fällen beobachtet, zweimal nach starker Abkühlung der Puppen, Versuche 14 und 19 (dieselben lagen vor dem Fenster in einer Temperatur von —2 bis —8°.), und zweimal bei Zimmertemperatur, Versuche 22 und 25, und wir sehen daraus, daß auch in bezug auf den Sauerstoffabscheidungsprozeß . die um- gebende Temperatur, solange es sich nicht um hohe Temperaturen über 25°C. handelt, von geringer Bedeutung ist. Die Unabhängigkeit der Gas- absorption von der Temperatur läßt auch schon von vornherein den Schluß 40 M. GrÄFIN von LINDEN: zu, daß die Gasaufnahme von dem Partialdruck, den das Gas ausübt, wenig beeinflußt wird. Wir haben bereits erwähnt, daß sich die Stickstoffabsorption ganz unabhängig von dem Prozentgehalt des Gases erweist; auch für die Sauerstoffaufnahme läßt sich dies als Regel aufstellen; die verhältnismäßig größte Absorption von 25 m für 208m Puppen und 12 Stunden Versuchs- dauer berechnet, fand in Versuch 15 bei 11 Volumprozent und 14°C. statt; die verhältnismäßig geringste Aufnahme von 1.78 m für 20sm und 12 Stunden Versuchsdauer berechnet, ergab sich bei 15 Volumprozent 0 und 16°C. in Versuch 27. Die Kohlensäureabsorption scheint, innerhalb bestimmter Grenzen, von der Konzentration des Gases in der Atmosphäre beeinflußt zu werden. Wir sehen wenigstens hier in einzelnen Fällen die Absorption des Gases mit seinem Prozentgehalt in der Atmo- spbäre deutlich steigen und fallen; dazwischen treten aber auch wieder Schwankungen auf, die gegen eine direkte und einfache Abhängig- keit von Partialdruck und Absorption sprechen. So haben wir z. B. bei Versuch 12 einen Prozent- gehalt der Atemluft an Kohlensäure von 22 Volumprozent und eine Absorption von 21. 62cm | zu verzeichnen, Temperatur 14°C. In Ver- Konzentration des Gases in such 17 ist der Kohlensäuregehalt ebensogrob, Volumprozenten. die Aufnahme bei Frosttemperatur nur 14.4: m, ' een und in Versuch 19 sinkt sie ebenfalls bei Nez niederer Temperatur auf 8.45 =“. Wenn auch Sauerstoffabsorption im 3 Verhältnis für Konzentra. ANgenommen werden muß, daß das Gefrieren der 1u0g0] Y unuy 5,6 16.1647 172 "UDQI A SID '.11Q108gD Soap obua] tion des Gases in der Säfte für die Luftabsorption ungünstig war, so Atemluft. zeigt uns Versuch 26, daß dieselben Unregel- 1 Vol.-Proz = 1 Quadrat, mäßigkeiten in Zimmertemperatur bei 16°C., also ‚cm = aa unter sehr günstigen Bedingungen, vorkommen; hier entspricht einem Kohlensäuregehalt von 23.2” eine Absorption von 6.32 cm, In den beigegebenen Kurven habe ich versucht, die Abhängigkeit der Gasabsorption von Temperatur und Konzentration des Gases in der Atemluft in anschaulicher Weise zum Ausdruck zu bringen. Auf der Abszissenachse findet sich der Gehalt der Atemluft an Gas, in Volumen- prozenten ausgedrückt, abgetragen; auf der Ordinatenachse sind die Ab- sorptionswerte verzeichnet. Wenn wir alle hier besprochenen Momente berücksichtigen, so gelangen wir zu dem Ergebnis, daß die Aufnahme von Gasen von seiten des Puppen- organismus in erster Linie von dem Einfluß des Lichtes, von dem Wechsel N DIE ASSIMILATIONSTÄTIGKEIT BEI PUPPEN UND RAUPEN. 41 | \ von Tag und Nacht abhängt und sich aber auch hier mit der physiologischen \ Disposition des Tieres verändern kann. Dieselben Puppen, die heute auf N hell und dunkel scharf reagieren, zeigen sich morgen wenig beeinflußbar. | £ | =} 6 | = } Il © | | ® | | | < \ j In BEE 1 BE: Zi 5 = j | | | N 3 = 1 u ’ + } \ = | use | 3 = | ie ee = n Il = % | T I S | | - = | weer® Se, en | al + | = SS 5 | | | la) er —L. . [e=) 2. Ines | > el | | | | [ | > & & N | | | r Se Ra | } Der = es See ee | | 3 8 FB: | | S | |® if = IS I | ve Q = S E ji A =} - 5; T ei &n - So = Fe Sr I a | BI SEES | = u I u _ — = as | BI : — nn | a] | EB | | E9 E ei | | | | | 5 > S \ RERE Sn | | | n Zi = e | | | = © | = = = l | | ee Le B= = N S S 3 | | + | | = 5 @ | | 5 = = L re 2 S Ss ' —— u N z = m SSERERE rg l jsze r SS = | | S 5 \ Wr =] S3s09 Warıhq1osn sap obhapı | Insoweit auch durch andere äußere Faktoren ein physiologischer Reiz aus- geübt wird, müssen selbstverständlich auch Temperaturschwankungen, muß auch der erhöhte Partialdruck der Kohlensäure, die ja bekanntlich ein für die Lebenstätigkeit des Protoplasmas nicht indifferentes Gas darstellt, ver- | 423 M. GRÄFIN Von LINDEn: ändernd auf die Absorptionsfähigkeit einwirken. Da aber die lebendige Sub- stanz heute empfindlicher, morgen weniger empfindlich auf äußere Reize ist, so wird die Reizwirkung nie ihren Ausdruck in einer mathematischen Proportion finden können, was bei einem rein physikalischen Absorptions- prozeß der Fall wäre. Insofern niedere Temperatur die Oxydationsprozesse im Körper verlangsamt, insofern dadurch auch die Muskeltätigkeit beim Insekt herabgesetzt wird, dürfte die Aufnahme von Sauerstoff bei kühler Außentemperatur eine geringere, die Kohlensäureabsorption vielleicht eine orößere werden; es läßt sich aber nicht annehmen, daß sich in solchen Fällen die Absorptionsgröße genau proportional mit der Temperatur ver- ändert. Es ist vielmehr zu vermuten, daß, sobald eine bestimmte Empfind- lichkeitsgrenze überschritten ist, sich auch die Reaktionsfähigkeit des Orga- nismus ändert, um auch dann wieder nur innerhalb bestimmter Grenzen dieselbe zu bleiben, selbst wenn der Reiz sich verstärkt oder vermindert; jedenfalls müssen wir immer die Reaktionsbreite in Rechnung ziehen, die großen individuellen Schwankungen unterworfen ist und von den ver- schiedensten inneren und äußeren Faktoren abhängt. Die Atmungsversuche in kohlensäurereicher Atmosphäre während der Monate März bis Juni. Eine Trennung der Darstellung der während der Wintermonate und im Frühjahr ausgeführten Atmungsversuche in kohlensäurereicher Atmosphäre schien mir deshalb geboten, weil sich die Puppen, wie wir aus dem Vergleich der jetzt folgenden und der vorhergehenden Resultate ersehen werden, im Winter und Frühjahr recht verschieden verhalten. Während der Winter- monate war die Kohlensäureaufnahme eine zeitweise sehr ergiebige; allein in den wenigsten Fällen war gleichzeitig Sauerstoffabscheidung zu beobachten. Mit Eintritt des Frübjahrs änderten sich die Verhältnisse, indem sich jetzt fast regelmäßig neben der Kohlensäureaufnahme eine Abgabe von Sauerstoff wenigstens bei Tag nachweisen ließ. Möglicherweise waren auch jetzt die Versuchsbedingungen zum Sauerstofinachweis günstiger, weil ich während der Universitätsferien zu früherer Stunde analysieren konnte und so bei den Tagesversuchen die Analysen noch bei Sonnenbeleuchtung ausgeführt wurden. Um den Einfluß des Lichtes auf den Verlauf der Experimente deutlich zur Anschauung zu bringen, werden auch hier die bei Tagesbeleuchtung, bei monochromatischem Licht und bei Nacht ausgeführten Experimente ge- trennt voneinander aufgeführt und besprochen. DIE ASSIMILATIONSTÄTIGKEIT BEI PUPPEN UND RAUPEN. 43 1. Atmungsversuche mit Puppen von Papilio podalirius, Serie Il. 1. Tagesversuche: „.ı Zu . —=12.81°%, 7-.58tunden. 15-5bis16°C. 754"mAg.13-1 bis 13. 5" Dampfsp. Vol.’ 117-3, Vol. 115-4. Analyse’: Analyse”: N 061293 66-23. 59.80.263.51.. — OB 11:3.19.77. 13:20 14.02 E 002 ,57.0 29.22 27-00.528.68. + 100.0 108-22 100-00 106-211 Differenz: Für 20®® in 12 Std. 1-4 —2.72 —6 :79 1-2 +1-25 +3-12 0:0 —0.54 —1-34 — 32.01 = Vol.-Abnahme. Versuch 43. 23. III. 12.818”, 2 Stunden. 15 bis 16°C. 752 wm He. 12-69 bis 13.5 m Dampfsp. Vol’ 117-3, Vol.” 114-6. Analyse’: Analyse Differenz: Für 208" in 12 Std. DE DET. TAN NT1.82 775653 2049.91 90.74 O =15-4 16-59 16-0 16:33 +06 +0-24 + 2.94 C0,=12-2 13.19 12-2 12-83 . +0-0 —0.36 37 99.8 107-52 100-0 105-19 — 2.3 = Vol.-Abnahme. Versuch 48. 27.11.12-.88 8”, 7.5 Stunden. 16°C. 745"mHg, 13.5" Dampfsp. Vol. 117-6, Analyse’: N 73.4 78.32 027146 2.15:58 CO,= 12.0 12-80 I V:01.0 147 >2: Analyse”: 71.4 7608 — 16-0 17.05 + 12,2 712:79 + Differenz: Für 208% in 12 Std. 2.0 —2:24 —5.99 1:6 +1-47 +3-67 0:2 —0-.01 —0:.24 100.0 106-70 99.6 105.92 —0:-78 = Vol.-Abnahme. Versuch40. 20.IH. 13.088”, 8 Stunden. 16°C. 756" Hg. 13-53” Dampfsp. Vol’ 117-7, Vol.” 115-4. Die Puppen lagen in der prallen Sonne und hatten 0-5352”% an Gewicht abgenommen als der Versuch beendet war. Analyse’: Analyse”: Differenz: Für 208”= in 12 Std. N = 69.6 75-59 67.6 71-90 —2-0 —3-69 — 8:46 O = 14-4 15.64 14-6 15-54 +02 —0-10 —0.22 C0,—= 16-07 17-37 17-8 18.96 _ +1-8 +1:59 +3-64 100.0 108.60 100-0 106-40 — 2-20 = Vol.-Abnahme. Weitere Ergebnisse. Versuch: (4) N = —2.35 —5-03 (45) —1-54 —5-05 (46) —2:28 — 21:30 OÖ = +0-56 +1-22 +0.82 +2-67 +0-.53 + 4-95 C0O,= —0-.51 —1:09 —0:94 —3-06 +0:39 + 3-65 (47) N = —4:40 —10-31 (49) —3-02 —6-74 (34) —3-10 —7.00 O0 = +0-:.94 + 2-20 +1-.04 +2:.32 +0-.14 +0-31 C0O,= —0.44 — 1-03 +0-.45 +1-16 +0-.20 +0-45 44 M. GRÄFIN vVoN LiINnDER: (35) N = —0.76 —1-71 (36) —3-10 —7.93 (37) —1-94 —5-63 OÖ = +0:15 +0:33 —0:10 —0:25 +0:70 +2.03 C0,= —1-38 —3-11 +0.83 +2:12 +1:10 +3-19 (38) N = —3-56 —10-34 (39) —2-12 —5-55 (41) —3-17 —10-.71 OÖ = +0-42 + 1-22 +0:60 +1:73 +0:.16 + 0-54 C0,= —0-03 — 0:08 —0:75 —1:96 —0:.40 — 1:35 Im Mittel für 20 sw in 12 Stunden. N = -3:.62 OÖ = +1-69 00,= —0-08 2. Nachtversuche: Versuch 51. 8. bis 9. III. 12.50®'®, 14 Stunden. 14° C. 755— 750" Hg. 11.9 ®m Dampfsp. Vol’ 117-19, Vol.’ 115. Analyse’: Analyse’: Differenz: Für 208® in 12 Std. N = 76-4 32-60 . 76-4. 80-11 +0:.0 —2-.49 — 3-41 O = 18.2 19.94 16-8 17.85 —1-4 —2-.09 — 2.86 00,=, 5.40, 9-91 6-8 7-22 +1-4 +1-31 + 1-79 100-0 108-45 100-0 105-18 — 3.27 = Vol.-Abnahme. Versuch 63. 24. bis 25. II.12-81 m 15 Stunden. 17 bis 16°C. 753 bis 752mm Hg. 14-4 bis 13-5 mm Dampfsp. Vol.’ 117-3, Vol.” 113-6. Analyse’: Analyse’: Differenz: Für 208'= in 12 Std. N) —.70:4°775-55. 2.7026 18-061 +9.2 —1-94 — 2-42 O0 =. 14-6 15-67 ‚14-0 14.60. 0-6 — 1:07 — 1-33 00,= 15:0 16-10 15-4 16.06 +0-.4 — 0.04 — 0.04 100.0 107-32 100.0 104.27 — 3:05 = Vol.-Abnahme. Gemischte Nacht- und Tagesversuche: Versuch 61. 20. bis 21. III. 12-818®. 14 Stunden. 16° C, 756%" Hg. 13.53 mm Dampfsp. Vol.’ 117-3, Vol.’ 112-4. Die Puppen waren von 6 Uhr 30 Min. vorm. an belichtet. Analyse’: Analyse’': Differenz: Für 20:’= in 12 Std. Ne =6454 69.70 65.07. 67.20,0 002 086 .500.98 92098 0219.38 132837 9 1220071459 107° 11r990:0565 +0-85 C0,=20-.8 22.52 20-8 21-57 =0-0 —0. ol 98.0 106-09 99.8 1083-51 — 2.58 — Vol.-Abnahme. Versuch 53. 10. bis 11. II. 12.71s®@, 15 Stunden. 15° C. 751 bis 745 WM Hg. 12.69” Dampfsp. Vol. 117.7, Vol.’ 112-4. Analyse’: Analyse’: Differenz: Für 208” in 12 Std. N = 61-40 66-57 59.4 61.27 —2-.0 —5-30 — 6-67 07.—,31,4071]2736 12-6 13.01 +1-.2 +0.65 + 0.81 C0O,= 27.20 29.49 27.6 28.94 +0-.4 —0-55 — 0.69 100-0 108.42 99.6 103-22 — 5.20 — Vol.-Abnahme. DIE ASSIMILATIONSTÄTIGKEIT BEI Weitere Ergebnisse. a) Der reinen Nachtversuche: (52) N = —1-48S — 1:95 (54) — 2-75 O0 = —2:10 — 2-73 — 0-81 CO,= — 0-01 — 0-10 — 1:83 57)N = —1:68 —1-98 (59) — 6-78 O = —4:.98. — 5-97 — 0:03 CO,= +1:00 +1-18 + 3-77 (62) N = — 4-49 —6-23 (65) —4-10 OÖ = —0:% +1-25 +0-25 C0O,= +0-.92 +1-27 — 0.28 PUPPEN UND RAUPEN. 45 —5-05 (55) — 4-77 — 6-43 — 1-09 30.02.0202 — 2,46 +2.03 + 2.73 — 8.83 (60) —3.22 — 3.81 — 0-0 1.30. — 1.53 +4.94 +0-.26 +0-30 —6-41 (68) —1-36 — 2-49 +0:»3 1-07 - 1-43 — 0:43 — 0:02 — 0-02 b) Gemischte Nacht- und Tagesversuche: (6) N = — 4-66 — 9-61 (58) —1-91 — 1-62 (64) —4-SS —6- OÖ = +0:.94 +1-22 — 2.15 — 1:85 +0-.22 + 0- C0O,= +0-05 + 0-06 — 1-55 — 1-31 —0:.05 — 0 (66) N = —3-50 —6-04 (67) —1-38 — 2-01 O0 = —09:06 — 0:93 +0-.68 +0-65 C0O,= +2-12 +3-30 — 0:45 — 0:99 a) Mittel für 202m in 12 Std. N = —4-44 O0 = —1-41 C0O,= +0-.83 3. Versuche bei monochromat. B a) In blauem Licht: (69) N = — 2-38 —6- 0 = —1-50 —3- C0,= — 0-98 —2- = b) In rotgelbem Licht: ("D)N = —3.56 —9- 0 = +1-01 +2: C0O,= — 0-41 —1- b) Mittel für 208” in 12 Std. N = —5.03 O0 = +0-14 C0,= —0-13 eleuchtung. 2 (70) 52100 137 99 +0-06 + 0-16 69 +1-62 + 4-42 SAu7a) =2.09 AL99 79 +0-97 + 2-09 13 1.082 79:60 [2] 28 46 M. GRÄFIN von LINDEn: Atmungsversuche mit Puppen von Papilio podalirius. Serie Il. Zusammenstellung der Analysenergebnisse. Tagesexperimente. 1. Kohlensäure- 2. Sauerstofl- 3. Sauerstoff- 4. Kohlensäure- 5. Stickstoff- aufnahme: abgabe: aufnahme: abgabe: aufnahme: 1-38 0.14 0-10 0.20 3-10 0-05 0-15 0.10 0-83 0.76 0-75 0.70 Sa. 0-20 1-10 5-10 0.40 0.42 1.59 1.94 0.54 0.60 0.39 3-56 0-36 0-16 0.45 2.12 0-51 1-25 0-25 3-69 0.94 0.24 Sa Ars 3-17 0.44 1.56 2.72 0-01 0.82 2.21 Sa 5:36 0.53 2.35 0.94 1.54 1-47 2.28 1-04 4.40 0.18 2.24 Sa. 10-70 3.02 1.98 Sa. 44.18 Nachtexperimente. 0.10 0.94 2.09 1-51 2.49 0.55 belichtet 0-65 belichtet 2-10 2.03 1.48 1-83 0.65 er 0-81 0-05 belichtet 5-30 1-55 " 0.90 E, 0-02 1-00 2-75 0-95 , 0.22 4.98 DT 4.77 0.04 0-25 2-18 0.26 4.66 0-05 0.68 0-03 0.92 1-68 0.28 4.29 1.30 2.12 5; 1-91 0.455. „» 10.70 1.207 11-46 6.78 0:20 Ges.-83.14.99 0.06 4.31 22 6.00 Te Se nn 5:36 15.71 4.49 Ges.-Sa. 11-36 0.20 Rn Ges.-Sa. 15-91 4.10 3.80 1-38 1-86 59-77 44.18 Ges.-Sa. 103-95 DIE AssIMILATIONSTÄTIGKEIT BEI PUPPEN UND RAUPEN. 47 Unter rotgelber Glocke: {. Kohlensäure- 2. Sauerstof- 3. Sauerstoff- 4. Kohlensäure- 5. Stiekstoft- aufnahme abgabe aufnahme abgabe aufnahme 0-41 1-01 3-56 1-08 0:97 2.305 1-49 1-98 5-61 Unter blauer Glocke: 0-98 0-06 1-50 162 2.33 2.47 2.04 15-91 15.77 5-15 11-36 14-99 a 7:39 7-48 13-83 17-03 5-61 103 «95 117.04 Assimilatorischer Respiratorischer R . Guofient: ne Gasaufnahme: Gasabgabe: C0, 13-83 69, 371739 N =4117-02 0 7 = 00 — = —=0(.812 — = —— = 0:-.998 un Ele o, Spa gr 17.0 rrios 005 = 13-83 00,=17:.39 148-28 34.42 Es hat eine Mehraufnahme von 113.86 “m Gas stattgefunden, davon entfallen auf: N=117-.04, O=0-38. Die Mehrabgabe von CO, war = 3-56". 1. Atmungsversuche mit Puppen von Papilio podalirius, Serie II. Wir ersehen aus den Tabellen, daß in kohlensäurereicher Atmungsluft bei Tag öfters Kohlensäure absorbiert wurde wie bei Nacht, d.h. wenn die Puppen dunkel lagen, und daß namentlich, mit drei Ausnahmen, nur bei Tag Sauerstoff abgegeben wurde Während der Nacht fand in der Regel Sauerstoffaufnahme statt, die zum Teil mit einer ausgiebigen Kohlen- säureabgabe verbunden war. In 17 Tagesversuchen wurde von den Puppen 5.36 = Kohlensäure absorbiert; während der im dunkeln ausgeführten Nachtexperimente betrug die Kohlensäureaufnahme in 18 Versuchen 2.5 m, An Sauerstoff wurde in 17 Tagesexperimenten abgeschieden: 10.7 °®, in den Nachtversuchen, während denen die Puppen ganz im Dunkeln lagen, nur 1.41°®, Die Kohlensäureabgabe verhielt sich bei Tag und bei Nacht wie 4-31 “=: 11.46°°®, die Sauerstoffaufnahme wie 0-20:15-71. Wir sehen somit hieraus, daß bei den Schmetterlingspuppen bei Tag der assimilatorische Gasaustausch überwiegt. Diese Tatsache kommt noch deutlicher zum Ausdruck, wenn wir die Mittelwerte berechnen, die sich für 20 == Puppensubstanz und 12 Stunden Versuchsdauer ergeben; wir erhalten dann: 48 M. GRÄFIN von LINDEN: 1. bei den Tagesversuchen die Durchschnittszahlen: N = —8.62 0 —=7-r712169 C0O,= —0-.08 2. bei reinen Nachtversuchen: 3. bei gemischten Nachtversuchen: N = —4.44 N = 5.03 07, — rd O0 = +0-.14 CQO,= +0:83 C0,= —0-13 Die Tagesversuche ergeben die gröhbte Stickstoffabsorption, kleiner ist die Stickstoffabsorption in den gemischten Nachtversuchen, am kleinsten in den reinen Nachtversuchen. Die Stickstoffaufnahme steht somit in diesen Versuchen wieder in ganz deutlicher Abhängigkeit vom Licht. Bei Nacht ist sie nur halb so groß wie bei Tag. Sauerstoffabgabe findet bei der Durch- schnittsberechnung nur bei Tagesversuchen und bei gemischten Nacht- versuchen statt, bei den letzteren beträgt die abgegebene O-Menge den zehnten Teil derjenigen in den Tagesversuchen. Die Sauerstoffaufnahme in den reinen Nachtversuchen ist im Durchschnitt fast ebensogroß wie die Sauerstoff- abgabe in den Tagesexperimenten. Die Kohlensäureabsorption gestaltet sich merkwürdigerweise bei den gemischten Nachtversuchen größer wie bei den Tagesversuchen. In den reinen Nachtversuchen ergibt die Durchschnitts- berechnung nur Kohlensäureabgabe. Die während der ganzen Versuchsperiode abgegebene und für jeden einzelnen Versuch berechnete Sauerstoffmenge beträgt 17.03 m; die ab- sorbierte Kohlensäure ist = 13-83 °“%, Als bei der Atmung aufgenommenes Sauerstoffquantum fand ich 17.41”, an Kohlensäure abgegeben wurde 17.39 m, Der assimilatorische Quotient beträgt demnach 0.812, der respiratorische Quotient 0.998. Auch bei der Pflanze überwiegt bei der Assimilation die Sauerstoff- abgabe, so daß auch hier der assimilatorische Quotient meistens kleiner ist wie 1. Der respiratorische Quotient ist dagegen bei der Pflanze meist größer als 1. Die Kohlensäureabgabe übersteigt dann die Sauerstoff- aufnahme, doch sind auch bei der Pflanze assimilatorischer und respirato- rischer Quotient durch die verschiedensten Einwirkungen und Wachstums- bzw. Entwicklungszustände zu beeinflussen. | In seinen Untersuchungen über „Assimilation und Atmung der Pflanzen“ wurde von Kreusler! darauf aufmerksam gemacht, daß bei ! U. Kreusler, Über eine Methode zur Beobachtung der Assimilation und At- mung der Pflanzen und über einige diese Vorgänge beeinflussende Momente. Zandw. Jahrb. VII. Jahrg. 1878. 8. 913—965. 2 Taf. 6 Tabellen. — Beobachtungen über die Kohlensäureaufnahme und -Ausgabe (Assimilation und Atmung) der Pflanzen. Zbenda. XVl. Jahrg. 1887. S. 711—750. 1 Taf., und edenda. XVII. Jahrg. 1888. S. 161-175. DIE ASSIMILATIONSTÄTIGKEIT BEI PUPPEN UND RAUPEN. 49 Pflanzen auch der Atmungesprozeß bei Tag weiterläuft und daß deshalb bei der Berechnung der gefundene Betrag der assimi- lierten Kohlensäure um das, bei der Atmung abgegebene Kohlensäurevolumen zu erhöhen ist. Auf diese Weise würde sich auch hier sowohl die Kohlensäureaufnahme, als auch die Sauerstoffabgabe, wesentlich höher gestalten. Berechnung der durchschnittlichen Atmungstätigkeit aus den Nachtexperimenten, in denen nur geatmet wurde. CO,-Abgabe O-Aufnahme 1-3 ( 8- 9UN) 2-09 35. (15—14 „) 0 -00 (15—16 „) 4- 77 (17—18 „) 0-03 1 0 5» ow%mMHVD I I 26, d9-a0,) Da For as) 6:10-49 = 1-74 6:8-48—=1-41 Durchschnittliche CO,-Abgabe in 14 bis 16 Std. CO, = 1-74, in 7 bis 8 Std. = 0-87. Durchschnittliche O-Aufnahme in 14 bis 16 St. O = 1-41, in 7 bis 8 Std. = 0-70. Wenn wir annehmen, daß die tägliche Atmung der Puppe ebensogroß ist wie im Durchschnitt der nächtliche Atmungsprozeß, so wären zu den sefundenen Werten der assimilierten Kohlensäure noch durchschnittlich und abgerundet 0.80 m als die bei der Atmung produzierte Kohlensäure dazu zu zählen; 0-8°® ist das halbe Volumen der Kohlensäure das durchschnittlich während der Nachtversuche, in denen keine Assimilation stattfand, von den Puppen produziert worden ist. Die Nachtversuche hatten eine Dauer von 14 bis 16 Stunden, die Tagesversuche von 7 bis 8 Stunden, so daß angenommen werden darf, daß auch die abgegebene CO,-Menge bei Tag nur halb so groß war, wie bei Nacht. Wenn nun durch die Atmung ein Betrag von ungefähr dieser Höhe täglich abgegeben wird, so hat die Puppe dieses Quantum noch mehr zu zersetzen, ehe der Effekt der Assimi- lation positiv nachgewiesen werden kann, ehe ein Verbrauch von Kohlen- saure zu konstatieren ist. Ebenso müßte durch die Puppen in Wirklichkeit um so viel mehr Sauerstoff abgegeben werden, als bei der Atmung ver- braucht wurde, und die hier gefundenen Werte wären demnach auch für die Sauerstoffproduktion um 0.7 zu erhöhen, da 1-4 im Durchschnitt der Wert der nächtlichen Sauerstoffaufnahme darstellt. Um wenigstens ein annährend richtiges Bild von der, während der ganzen Versuchsperiode von den Puppen entwickelten Assimilationsenergie zu erhalten, sind die bei Archiv £ A.u. Ph. 1906. Physiol. Abtlg. Suppl. 4 50 M. GrÄrFIN von LINDeEn: der Atmung abgegebenen Kohlensäuremengen bzw. das verbrauchte Sauer- - stoffvolumen der absorbierten Kohlensäure und dem abgegebenen Sauerstoff zuzuzählen, was, wie wir aus den korrigierten Zahlen der Tabelle ersehen, zu höheren Werten führt. Soll nun bestimmt werden, wieviel Kohlensäure die Puppen in diesen Versuchen im Mittel zersetzen mußten, so haben wir den Durchschnitt aus den nach Kreusler korrigierten Werten der Tages- versuche zu ziehen. Es wurde bei der Atmung in 7 bis 8 Tagesstunden eine Kohlensäureproduktion von 0.8 m berechnet und ein Sauerstoffverbrauch von 0-7eem gefunden, und es ergibt danach die Assimilationstätigkeit in den Tagesversuchen vom 8. März bis 30. März im Durchschnitt eine Kohlen- säureaufnahme von 1.19 °em und eine Sauerstoffabgabe von 1.33. Es wurde an Kohlensäure aufgenommen: Es wurde an Sauerstoff abgegeben: Sal. —22,026.0 7 8. III. = 0284202 een gu, — WED Sm _2201.353,,,, 10. ,, — 20.608, 14, 13087, 11.2, 0 Lose 22, 13... — laloe Kear a 15. „0.2 leo ya u leo, 16. , — 000m: 202 2 0122,025, 18. „= lub 22m lead, 19. „nr DOW 230, eo 20. , —:.0=800% 2A. uealer, 220 0 oe DD EA 23... 01.349 200 De DA, 2208 2 NEN LES, 29.0, = IeD2 28.3, 3 WEISE, 263,5, 1.64 „, 307: 0-55 „ 2. 24,2 12 Te 19.04 N 28... le 7a ee 30. 0 Bu — Tagesdurchschnitt. = 4 Dean — Tagesdurchschnitt. Wenn die Menge des abgegebenen Sauerstofis als Maß für die bei dem Assimilationsprozeß zersetzte Kohlensäuremenge betrachtet wird, so können wir sagen, die Assimilationsenergie von 10 8”% Puppen genügte, um während 7 Tagesstunden ein Kohlensäurevolumen von 1.3 zu spalten. 1000 sm — 1*: Puppen würden danach in der Lage sein, unter gleich günstigen Be- dingungen 130m CO, zu assimilieren. Es ist dies selbstverständlich nur eine ganz approximative Bestimmung; um die genaueren Werte festzustellen, darf keine durchschnittlich gleiche Atmungstätigkeit angenommen werden, es müßte vielmehr für jeden Tag die Höhe des neben der Assimilations- tätigkeit verlaufenden Atmungsprozesses bestimmt werden. DıE AssıMmILATIONSTÄTIGKEIT BEI PUPPEN UND RAUPEN. 51 Was nun die Stickstoffabsorption betrifft, so ersehen wir aus den Analysen, daß sowohl bei Tag, wie bei Nacht Stickstoff in verhältnismäßig großen Mengen konsumiert wird; bei Nacht ist der Stickstoffverbrauch absolut ein größerer gewesen wie bei Tag; die Werte verhalten sich wie 59.77:44-18 m, Auf 20sm und 12 Stunden Versuchsdauer berechnet stellt sich dagegen die tägliche N-Aufnahme doppelt so hoch wie die nächt- liche. Diese erhebliche Stickstoffkonsumption bewirkt, daß die Summe der aufgenommenen Gase in dem in Betracht gezogenen Zeitraum um 113.86 m größer ist, wie die der abgegebenen. Aufgenommen wurde an Stickstoff 117.04, Sauerstoff 17.41 °®, Kohlensäure 13-83 °w, Abgegeben an Kohlensäure 17.39 °®, an Sauerstoff 17-03 °®, Die Gesamtaufnahme be- -Jäuft sich demnach auf 148.28 m, die Gesamtabgabe auf 34.42 m, Eine Mehraufnahme ist hier nur an Stickstoff 117.04 = und an Sauerstoff 0.38 em zu verzeichnen. Wir sahen, daß die Schmetterlingspuppen, ebenso wie die Pflanzen, um assimilieren zu können, um die Kohlensäure zu spalten, des Lichtes bedürfen. Es schien mir nun von Interesse festzustellen, ob dieser Assimi- lationsvorgang in allen Teilen des Spektrums in gleicher Stärke vor sich gehe, oder ob, wie bei der Pflanze, gewisse Lichtstrahlen diesen Spaltungs- prozeß mehr unterstützen, wie andere. Ich verbrachte die Puppen, um dies festzustellen, an zwei verschiedenen Tagen unter eine doppelwandige Gasglocke, deren Außenraum mit Kalibichromatlösung gefüllt war, die somit nur die roten, orange und gelben Strahlen hindurchdringen ließ. Zwei andere Versuche machte ich mit denselben Puppen an zwei anderen Tagen unter einer doppelwandigen Glocke, deren Außenraum Kupferoxydammoniak- lösung enthielt und nur die photochemischen Strahlen violett und blau passieren ließ. Beide Glasglocken hatte mir Herr Geheimrat Professor Dr. Straßburger in liebenswürdiger Weise zu diesem Zweck zur Verfügung gestellt. Das Resultat der Versuche war so charakteristisch, wie man es nur von einer Pflanze hätte erwarten können. Unter rotgelber Beleuchtung entsprach das Ergebnis dem Verhalten der Puppen bei Tag, d.h., es war nur Kohlensäure aufgenommen und Sauerstoff abgegeben worden, unter blau-violetter Beleuchtung verhielten sich die Puppen wie bei Nacht, die respiratorische Tätigkeit überwog hier die Assimilation. In einem der Versuche war eine sehr kleine Sauerstoffabgabe zu bemerken, mit gleich- zeitiger beträchtlicher Kohlensäureabscheidung, im andern fand eine Sauer- stoffaufnahme von 1.50 «= und eine Kohlensäureaufnahme von 0.98 «m statt. Es ist nun bei den Tages- und Nachtversuchen ebenso auffallend, wie bei den Experimenten unter monochromatischer Beleuchtung, daß häufig Kohlensäureabsorption ohne Sauerstoffabscheidung und andererseits sehr oft 4* 52 M. GrÄFIN von LINDEn: Sauerstoflabgabe ohne Kohlensäureaufnahme stattfindet. Ich schließe hieraus, daß entweder die absorbierte Kohlensäure nicht sofort weiter gespalten wird, oder aber, daß der Organismus den in den assimilierenden Geweben frei werdenden Sauerstoff nicht jedesmal gleich nach der Abspaltung entweichen läßt, ebensowenig wie bei der Atmung unmittelbar nach der Sauerstofi- aufnahme eine Kohlensäureabgabe erfolgt. Die Puppen, mit denen diese Versuche ausgeführt worden sind, befanden sich seit Ende Dezember in Kohlensäureatmosphäre. Sie hatten sehr bald schon nach Beginn des Ver- suchs eine, von den zur Kontrolle in atmosphärischer Luft gehaltenen Exemplaren, verschiedene Färbung angenommen, indem sich in ihrer Epi- dermis ein karminrot gefärbtes Pigment ausgebildet hatte. Ihre Bewegungs- fähigkeit hatten die Puppen bis zum März beibehalten, allmählich reagierten . sie indessen nicht mehr auf Reize, wie es übrigens alle Puppen tun in dem Stadium, in dem der größere Teil ihrer Muskulatur der Histolyse zum Opfer gefallen ist. Der Puppenkörper zeigte jetzt starke Turgeszenz und starre Beschaffenheit, ohne daß es indessen den Anschein hatte, als ob die Puppen eingegangen wären. Bei einzelnen Puppen waren die Hinterleibsegmente teleskopartig auseinandergezogen und der Körper so prall, daß bei unvor- sichtiger Behandlung leicht ein Platzen der Puppenhülle an den Nähten, die sich später Öffnen, um den Falter zu entlassen, Istattfand. Die Blut- zellen, die an solchen Stellen austraten, zeigten noch amöboide Beweglich- keit, so daß daraus geschlossen werden konnte, daß die Puppengewebe wirklich nicht abgestorben waren. Auch die Farbe der Puppenhülle des durchschimmernden Fettkörpers und des Blutes sprach für eine durchaus gesunde Beschaffenheit der Tiere. Dennoch schien es mir ratsam, meine Schlußfolgerung nicht allein auf die Ergebnisse aus den Experimenten mit diesen abnorm aufgewachsenen Puppen zu stützen, denn leicht konnte ihre physiologische Leistungsfähigkeit unter der Kohlensäurebehandlung gelitten haben. Ich ließ mir aus diesem Grund eine neue Serie derselben Puppenart von meinem Lieferanten Herrn Voelschow in Schwerin kommen und er- hielt sehr gesunde Exemplare, die bis dahin in Kellertemperatur gehalten worden waren und in der Zimmerwärme außerordentlich lebhaft wurden. Mit diesen Puppen führte ich dann eine, zur ersten parallele Versuchsreihe aus, deren Ergebnisse aus den folgenden Tabellen zu entnehmen sind, Il. Atmungsversuche mit Puppen von Papilio podalirius. Serielll. Es seien hier nur je zwei der charakteristischsten Beispiele gegeben: 1. Tagesversuche: Versuch 74. 22. III. Frische Puppen von P. podalirius III. Gew. = 13.848m, 7.5Stunden. 15-5° bis 16°C. 754 "m Hg. 13-1 bis 13-53 u Dampfsp. Vol! = 146-6 Vol.” = 144-0. N DIE ASSIMILATIONSTÄTIGKEIT BEI PUPPEN UND RAUPEn. 53 N | N 3" Analyse‘: Analyse’: Differenz: Für 20:"® in 12 Std. N N = 61.2 82.76 60-4 80-20 —0-.8 — 2.56 — 9.91 UN O = 11-8 15:95 12.8 17.00 +1-0 +1-05 + 2.42 j C0O,= 27:0 36-51 26.8 35-59 —0.2 —0-.2 — 2.12 N 100-0 1385-22 100.0 132.79 — 2-43 = Vol.-Abnahme. | N Versuch 75. 23. II. Gew. = 13.92s'%, 4.75 Stunden. 15 bis 16° C, N 752 um Ho. 12-69 bis 13-50”=m Dampfsp. Vol’ = 146-6 Vol.” 146. \ Analyse‘: Analyse”: Differenz: Für 208% in 12 Std. N N = 72.6 96-82 71-40 95-47 —1-20 —1-35 — 5-32 IE O = 14-4 19-47 15-60 20-91 +1-20 +1-4 +5:68 dl €e9;= 13:0 17.57 13-00: 17.42 £0-0 —0-D — 0.59 u 100-0 133-86 100-0 133+80 — 0:06 = Vol.-Abnahme. i In den übrigen Versuchen ergab sich: Versuch j (73)N = —2:.89 — 6-01 (76) —2-46 — 23:05 (77) —0-59 — 5-52 | OÖ = +0-.355 + 0'81 +0'06 + 0.36 +1-.00 + 9.36 N C0,= —5-.82 — 12.12 — 0-11 — 676 — 0:06 — 0.56 iA (EB) N = —-1-79— 4-19 (79) —3-12 — 7.21: (80) —4-8 — 16-55 N O0 = —0-.48 — 1-00 +0-14 + 1-01 +3-18 + 10-97 | C0,=-1-01— 2-36 +2-41 + 5-57 +1-26 + 4-34 | (S1)N = —-1-6 + 3-98 (82) — 0-40 — 1-37 (88) —2-00 — 6-89 | O0 =+0-.54 + 0-83 +1:053 + 3-55 — 1-70 — 5-86 CO,= +0-30 + 0-73 a Een) +1-68 + 3-65 Im Mittel f. 208” in 12Std. | (4) N = +0-4 + 0.99 (85) —0°77 — 1-77 N =-6-.06 ii O0 = —4-54 - 10-23 — 2.77 — 6-36 O = +0-88 N C0,= +0-86 + 1-97 +2-49 + 5-2 00,=-0-80 2. Nachtversuche: Versuch 87. 23. bis 24. III. 13.92sm. 13-5 Stunden. 16°C. 752m He. 13.5 ©® Dampfsp. Vol. 146-6. Vol.” 143-6. Analyse’: Analyse”: Differenz: Für 208” in 12 Std. N = 73-40 98.77 72.0 94-90 —1-4 — 8:87 — 4.94 OO = 13-80 18-57 13-0 17.14 —0.8 —1-43 — 1.82 CO,= 12:80 17.22 15.0 19.77 +2-2 +2.55 +3-25 100-00 134.56 100-0 1351-81 — 2.75 = Vol.-Abnahme. Versuch 92. 1. bis 2. IV. 13-.98&%, 14 Stunden. 14°C. 763m Hg. 11.9= Dampfsp. Vol’ 354.4 Vol.” 352-4. Analyse’: Analyse”: Differenz: Für 208” in 12 Std. N = 72 239.90 71-4 236-644 —0-:6 — 3-26 — 4-5] 9 = 15....49-97 13.0 43.06 —2-.0 — 6-91 — 8-52 E05 213 - 43-31 15:6 51-67 +2-6 +8-36 + 10.18 100 333-18 100-0 331-37 — 1-81 = Vol.-Abnahme. 54 M. GrÄFIN von LiNDeEn: In den anderen Versuchen ergab sich: (6) N = —-2.75 —3.05 (88) — 0-63 — 0.74 (89) —2- O0 = —1-23 —1-36 — 0.91 — 1-08 —0- C0O,= +0:837 +0:.96 +0-.80 +0.95 +1.- (0) N = —6-.43 —7.85 (91) — 4-20 — 4-50 (93) — 6» 0 = —4.46 — 5.44 — 5:49 — 5:89 +2. C0O,= +5.31 +4-88 +2.18 + 2-18 —1- Im Mittel für 20°”® in 12 Std. N = +4.56 O0 = +2-74 C0,= +3.05 Atmungsversuche mit Puppen von Papilio podalirius. Zusammenstellung der Analysenergebnisse. aufnahme: «82 DÄAaoo oo {a0 en en Sa. 10-34 1-24 10-34 Ges.-Sa. 11-58 s3 — 3.47 Hl lo 25 +1-53 10 — 7.48 70 + 3-31 94 —- 1-52 Serie III. Tagesexperimente. 1. Koblensäure- 2. Sauerstoff- 3. Sauerstoff- 4. Koblensäure- 5. Stickstoff- 6. Stickstoff- abgabe: aufnahme: abgabe: aufnahme: abgabe: 0.38 0.43 2.41 2.89 1-6 1-05 1.70 1-26 2.56 0.4 1.44 4.45 0-50 1-35 Sa. 2-0 1-00 2.17 1-68 2.46 0-14 Sa. 9.41 0-86 0-59 3.18 2.49 1-79 0.34 Sa. 9-00 3-12 1-03 4.80 Sa. 8-56 0-49 2.00 0-77 Sa. 22.82 Nachtexperimente. 2.70 1-23 0.87 2.75 0-0 8-56 1-43 2.55 3-87 2.0 TERRY 0.91 0.80 0.63 Sur 11-26 0-91 1.95 9. gg 08a 0 4.46 5-51 6-43 5.49 2.18 4.20 6-91 8-86 3:26 6-10 21-34 21-32 30-05 9.41 3.00 22-82 Ges.-Sa. 30-75 30-32 52.87 Assimilatorischer Quotient: Respiratorischer Quotient: CO? 11-58 CONEM 30:32 Oi mag 1 028 0, laoers = RG 0, DIE ASSIMILATIONSTÄTIGKEIT BEI PUPPEN UND RAUPEN. 55 Berechnung der durchschnittlichen Atmungstätigkeit aus den Nachtversuchen, in denen nur geatmet wurde. CO,-Abgabe: O-Aufnahme 0-87 22.—23. II. 1.325 2.55 23.—24. , 1-43 0-80 25.—26. „ 0-91 12,5 26.— 27. , 0-91 5.31 27.—28. „ 4.46 2.18 30.—3l. „ 5.49 8:36 le SDERV. 6-91 7:21:32 = 3.05. 7:21-34 = 3-05. Gesamt-Aufnahme von Gasen: Gesamtabgabe an Gasen: N = 52:87 N= 2.0 O= 30-75 ÖO= 11-26 CO, = 11-58 CO, = 30.32 95.20 8 m 43.58 cm Durchschnittliche CO,-Abgabe und ÖO-Aufnahme in 14— 16 Std. = 3.05 m n Ina 8212 HOR,, Es hat te Mehraufnahme von Ca: von 52.62 °@ statt- gefunden. Davon entfallen auf N = 50.87" 0 —el9 Age, Die Mehrabgabe an Kohlensäure war . . . 2...» ..00,= 19-74 „ Größe der Assimilationswerte nach Berücksichtigung der Atmung. Zersetzte Kohlensäure Aufgenommene Kohlensäure: — abgegebener Sauerstoff: 7 .59 com 1% og cm 1913 . 2.55 „ 1865°, D-OR,, 0261, 0-56 „ 07515, 1-40 „ 2.51, 120,00, 0-34, 1.64, 1:20, 4:68 „ BSD, 1-84 „, 9: Bas: 83 = 23.09 em 2.03 „ KO Re Er — a re re 142% Puppen vermögen täglich annähernd 2 m CO, zu zersetzen. 1000 8® ” ” ” „ 142.8 „ „ ” „ 2. Atmungsversuche mit Puppen von Papilio podalirius. Serie Ill. Auch diese dritte Versuchsreihe, die mit vollkommen frischen, lebens- kräftigen Puppen, die sich bis dahin unter normalen Verhältnissen befunden hatten, angestellt worden ist, ergab, daß bei Tag in der Mehrzahl der 56 M. GrRÄFIN Von LINDEN: Fälle die assimilatorischen Vorgänge über die respiratorischen Prozesse überwiegen. Dasselbe Resultat ergibt sich, wenn wir das Mittel aus dem täglichen und nächtlichen Gasaustausch ziehen und für 20 sm Puppen und 12 Stunden Versuchsdauer berechnen (vgl. S. 53 bis 55). BeiTag betrug die Kohlensäureabsorption in 13 Versuchen 10.34 cm; bei Nacht entfällt auf 8 Versuche eine Aufnahme von 1.24 °= CO, der Kontrast zwischen Tag und Nacht tritt somit bei dieser Versuchsreihe noch viel deutlicher hervor, wie bei der Serie II. Die Sauerstoffproduktion betrug in 13 Versuchen 8-56°® bei Tag, während der 8 Nachtexperimente wurden nur 2.70 m Sauerstoff abgeschieden. Durch Atmung verbraucht wurden bei Tag 9.41 =, bei Nacht 21.34 °m Sauerstoff, die Kohlensäure- abgabe verhielt sich während der Tages- und Nachtversuche wie 9:30. Wenn wir diese Ergebnisse mit denen der Serie II vergleichen, so sehen wir, daß bei den frischen Puppen sowohl die assimilatorische, wie auch die respiratorische Tätigkeit reger ist, und wenn wir auch hier die neben der assimilatorischen Tätigkeit einhergehende respiratorische Leistung berücksichtigen, so ergeben sich für die Höhe des assimilatorischen Gaswechsels noch viel bedeutendere Werte wie bei Serie II (vgl. 8. 48). Nehmen wir den Durchschnitt der Assimilationswerte in den Tagesversuchen, so sehen wir, daß von den frischen Puppen 2° CO, täglich absorbiert und 1-0°® zersetzt wurden, entsprechend einer ebenso großen Sauerstoff- abgabe. Der Stickstoffverbrauch war dagegen im ganzen nicht einmal halb so groß, wie bei der vorhergehenden Versuchsreihe. Für 20:"= Substanz und 12 Stunden Versuchsdauer berechnet, ergibt sich auch hier bei Tag eine größere Stickstoffaufnahme wie bei Nacht. Als wir bei Papilio podalirius Serie II das bei der Assimilation auf- genommene Kohlensäurevolumen mit der abgegebenen Sauerstoffmenge ver- glichen, so fand es sich, daß der abgeschiedene Sauerstoff die Kohlensäure an Volumen überwog; es war mehr Sauerstoff abgegeben worden, als in der absorbierten Kohlensäure enthalten war; der assimilatorische Quotient, war kleiner als 1. Hier bei den frischen Puppen finden wir das um- ° gekehrte Verhältnis, die aufgenommene Kohlensäuremenge über- trifft die des abgeschiedenen Sauerstoffs, wir erhalten als den assi- milatorischen Quotient die Zahl: 1.028. Auch bei der Atmung war hier die Sauerstoffaufnahme verhältnismäßig größer, wie die Kohlensäureabgabe, so daß der respiratorische Quotient hier kleiner ist, als in der vorhergehenden Versuchsreihe: 0.986:0.998. Die Mehraufnahme an Gas, die bei der Serie II 113.86 «= betrug, ist bei den frischen Puppen geringer, sie beläuft sich auf 52-62 m, da weniger Stickstoff absorbiert wurde und die Mehrabgabe an Kohlensäure eine sehr bedeutende ist; bei Serie II überwog die Kohlensäureabgabe die Aufnahme DIE AssıMILATIONSTÄTIGKEIT BEI PUPPEN UND RAUPEN. 57 um nur 3:56“, hier in Serie III um 19.74 m, Dem gegenüber steht ein Gewinn an Sauerstoff bei Serie II von 0.38 °m bei Serie III von 19.49 cm, Wir müssen hieraus schließen, daß hier bei den, bisher unter normalen Ver- hältnissen aufgewachsenen Puppen die oxydativen Vorgänge im Organismus viel intensiver sind, wie bei den älteren Tieren, die schon seit dem Monat Dezember der Kohlensäureatmosphäre ausgesetzt waren. Ausschlaggebend für den Verbrauch von Sauerstoff und für die Produktion von Kohlensäure ist bei den frischen Puppen ohne Zweifel auch ihre größere Bewegungs- fähigkeit, die auch am Schluß der Experimente noch vorhanden war. Um nun einen Maßstab zu haben für die, hier bei den beiden Serien von Schmetterlingspuppen mitgeteilten Ergebnisse ihrer assimilatorischen und respiratorischen Tätigkeit, sollen im folgenden die Befunde aufgeführt werden, die ich bei gleichzeitig ausgeführten Respirationsversuchen mit jungen Brennesselpflanzen erzielt habe. III. Atmungsversuche mit jungen Brennesselpflanzen. 1. Tagesversuche: Versuch 94. 25. II. 2-15 8”” Brennesselpflanze. 6°/, Stunden. 17° C. 755 um Hg. 14-4mm Dampfsp. Vol. 367.56. Vol.” 357-4. Analyse‘: Analyse’: Differenz: Für 208% in 12 Std. N 067.66997-.102. 66-0:215-60 12 1-.6r—11-50- 190,20 Der 711.92 4727020 15-8 51-6220.2. 1.6.20 3:99 + 64.83 C0,= 18-2 61-13: 18.2 -59-.46- +0-.0 — 1-67. — 17.62 100-0 335-938 100-0 326.68 — 9.25 = Vol.-Abnahme. Versuch 100. 29. III. 2-15 8%. 7 Stunden. 17° 0. .758"" Hg. 14.42 mm Dampfsp. Vol. 162.6 Vol.” 158-6. Analyse‘: Analyse”: Differenz: Für 20°” in 12 Std. N = 71.4 107.20 71-2 104 — 0-2 — 3-20 — 51-03 De =.15-.0°22-52 717-8 26.01 +2-.8 +3.49 + 55.66 CO,= 13.6 20-41 11-0 16.07 —2.6 — 4-34 — 69.21 100-0 150-13 100-0 .146-08 — 4.05 = Vol.-Abnahme. Aus den übrigen Versuchen ergab sich: (35)N = — 35.90 — 496-8380 (96)— 11-80 —158-40 (97) —3-50 — 52-09 I + 0.69 + 9-62 +4-.83 +71-89 CO,= +3-.52 + 29.00 — 3-33 — 46-47 +0-.12 + 1-78 (98) N = —3-80 —71’40 (99) — 305.30 (101) — 4-70 — 104.90 O = +1-.30 +25-23 + 4.80 +1-54 + 34-38 C0O,= — 0-34 — 7-59 — 85-39 — 3:40 — 75.90 Mittel für 20°® in 12 Stunden: (102) N = — 2:90 — 44-85 N = — 163-856 O0 = +0.33 + 5-08, O0 = + 22-90 C0O,= — 2.64 — 40-37 C0,= — 34.64 58 M. GRÄFIN Von LINDEN: 2. Nachtversuche: Versuch 105. 27. bis 28. III. 2-15 2%. 14.5 Stunden. 16° C. 745Wm Hg. 13.5 mm Dampfsp. Vol.’ 367-5 Vol.’ 331-4. Analyse’: Analyse’: Differenz: Für 20 s”= in 12 Std. N = 73.8 246-80 68-6 208-10 —5-2 — 38.70 — 298.00 O = 15-4 51-46 144 43.69 —1-.0 — 7.77 — 59.82 CO,= 10.8 36-09 17.2 52:18 +6-4+16-09 + 123.80 100-0 334-35 100.2 303.97 — 30-35 — Vol.-Abnahme. Versuch 107. 29. bis 30. III. 2.15 m, 16 Stunden. 17° bis 16-5° €, 758 mm Hg. 14-42 bis 13-97 wm Dampfsp. Vol. 162-6. Vol.” 155. Analyse’: Analyse’: Differenz: Für 20” in 12 Std. N = 71-0 106-30 69.6 99.58 —1-.4 — 6-72 — 46.89 0O = 14-8 22.17. 13-8. 19.74 —1:0 — 2.43 — 16.96 CO,= 14-2 21-77 16-6 23-75 +2-.4 +1-98 + 13-82 100-0 150-24 100.0 143.07 — 7-17 = Vol.-Abnahme. Aus den übrigen Versuchen ergab sich: (105) N = —13-40 — 1053-20 (104) — 10-50 — 363.30 OÖ = + 4-40 + 34.34 + 2.89 + 9.99 00,= + 1-92 + 14-78 — 0-31 — 1-11 (106) N = — 7.89 — 16-64 (108) — 6-00 — 41-86 O0 = — 1-48 — 11-02 + 0.83 + 5-79 C0O,= + 0.34 + 2-52 — 0:66 — 4:60 (109) N = — 6-40 — 51-03 (110) — 9-18 — 63-97 O0 = — 6.67 — 53-18 — 0.33 — 3.06 00,= + 5:39 + 42.98 — 1-57 — 10-94 Mittel für 20°’® in 12 Stunden berechnet: N = -123-18 Os C0O,= + 21-40 Atmungsversuche mit Brennesselpflanzen. Zusammenstellung der Analysenergebnisse. Tagesexperimente. 1. Kohlensäure- 2. Sauerstoft- 3. Sauerstoff- 4. Kohlensäure- 5. Stiekstoff- aufnahme abgabe aufnahme abgabe aufnahme 1-67 3.92 1-17 8.52 11.50 3-35 0-69 Sa. 1-17 0-12 8.90 0-54 4.83 Sa. 8-64 11.80 5-34 1-50 3-50 1-53 0-86 3-80 4-54 3.49 5.47 3-40 1-54 3.20 2.64 0-33 4.70 Sa. 22-59 16-96 2.90 DIE AssımILATIONSTÄTIGKEIT BEI PUPPEN UND RAUPEN. 59 Nachtexperimente. 1. Kohlensäure- 2. Sauerstoff- 3. Sauerstoff- 4. Kohlensäure- 5. Stickstoff- aufnahme abgabe aufnahme abgabe aufnahme 0-3 4.40 77 1-92 13-40 0.66 2.89 1.48 16-09 10.50 1.57 7:29 2.43 0.38 38-70 7953 16-96 0-83 1-98 7.89 22.59 Ges.-Sa. 24.25 6-67 5.39 6.72 Ges.-Sa. 25-13 On 25.76 6200 19-56 8-64 6.40 1-17 Ges.-Sa. 34-4 918 Ges.-Sa. 20-73 98-59 55-13 Ges.-Sa. 153-72. Assimilatorischer Quotient: Respiratorischer Quotient: Co, 25-13 e CO, 34-40 en = 1.086 0,7: 20.73. =.1:059 Gesamtaufnahme an Gasen: Gesamtabgabe an Gasen: N — 153 A 12 ccm N — 0 cem BZ 70a 077 24=95,,, C0O,= 25-13 „ 00, = 34-40 „ 199.58 cm 58.65 cm Nachtversuchen, in denen ausgeatmet wurde. CO,-Abgabe: O-Aufnahme: 16-09 27.—28. IH. 7-77 0-54 28.—29. „ 1.48 1-98 29.—30. „ 2.43 5-59 1.—2. IV. 6-67 4:23-80 = 5-95 4:18-35 = 4-58. Berechnung der durchschnittlichen Atmungstätigkeit aus den Durchschnittliche CO,-Abgabe = 5-95" in 14 bis 16 Stunden, & O-Aufnahme = 4-58 , „ 4 „16 „ N C0,-Abgabe!— 2.97 , „ Tu, 8 ” 5 O-Aufnahme = 2-29, 7, 75,8 N Es hat eine Mehraufnahme von beträgt und allein auf die Stickstoffbereicherung zurückzuführen ist. Sauerstoff wurde mehr ausgegeben wie aufgenommen 0 = 3-52, Kohlensäure CO, = 8.27 em, Gasen stattgefunden, die 140.93 An an Größe der Assimilationswerte nach Berücksichtigung der Atmung. Die Absorptionswerte der Kohlensäure wurden um den Betrag der durchschnittlich bei der Atmung abgegebenen Gasmenge (für 7 bis 8 Stunden 2.8°m) erhöht. 60 M. GRÄFIN von LiINDEn: Die Exhalationswerte des Sauerstoffs wurden um den Betrag des durchschnittlich bei der Atmung‘ aufgenommenen Gases (für 7 bis 8 Stunden = 2.2 em) erhöht. 2gm Brennesselpflanze vermögen täglich annähernd 4m CO, zu zersetzen. Zersetzte CO, Aufgenommene CO, 0) CO, 6-14 4.47 2.89 6-13 7-03 2.68 3-50 3.14 1.36 2-03 5-09 7.14 3-04 9-40 2.53 9.44 8:32.18: — 4..1Q,0c0 8:36-43 — Ach IV. Atmungsversuche mit jungen Brennesselpflanzen. Die für den Versuch verwendete Pflanze hatte im ganzen zwölf Blätter, die zusammen eine Oberfläche von ungefähr 42.119 «em bildeten. Das Ge- wicht der Pflanze betrug am Anfang des Versuchs 2-15 =, am Schluß der Experimente 2.468", Die Pflanze hatte somit eine geringe Gewichts- zunahme erfahren. Die Zusammenstellung der Analysenergebnisse läßt sofort erkennen, daß ein prinzipieller Unterschied in den Gaswechselvorgängen bei Schmetterlingspuppe und Pflanze, wenigstens bei den hier verwendeten Objekten, nicht besteht. Auch die Pflanze nimmt bei Tag in der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle Kohlensäure auf unter gleichzeitiger Abscheidung von Sauerstoff. Es können aber auch hier Umstände eintreten, unter denen selbst bei guter Beleuchtung am Tag der respiratorische Gasaustausch überwiegt und den Assimilationsprozeß verdeckt. Während der Nacht wird von der Pflanze, ebenso wie von der Schmetter- lingspuppe vorwiegend Sauerstoff aufgenommen und Kohlensäure abgegeben; allein auch hier finden wir in einzelnen Nachtversuchen noch deutliche Spuren von assimilatorischer Tätigkeit, Kohlensäureaufnahme und Sauer- stoffabgabe. Quantitativ zeigte sich die Pflanze in ihrem assimilatorischen, wie respiratorischen Gasaustausch den Schmetterlingspuppen erheblich überlegen, besonders der Serie II des Segelfalters. Die Kohlensäureaufnahme betrug bei Tag: 27.59 em, bei Nacht 2-54 °®, Die Sauerstoffabgabe 16-96 «m und DIE ASSIMILATIONSTÄTIGKEIT BEI PUPPEN UND RAUPEN. 61 7.29 m, Die Sauerstoffaufnahme in den Tagesexperimenten: 1.17 m, während der Nachtversuche 19.56 °®, Die Kohlensäureabgabe endlich bei Tag 8.64°®, bei Nacht 25-76 °®, Die Stickstoffabsorption war, wie in Serie II der Puppenversuche und wie auch in Serie III mit Papilio podalirius scheinbar bei Nacht ausgiebiger wie während des Tages; die Gesamtabsorption war noch etwas höher, wie bei den Segelfalterpuppen, Serie II. Auf 205" und 12 Stunden berechnet, zeigte sich indessen auch hier, daß bei Tag mehr N aufgenommen wird wie bei Nacht, daß das Licht die Stickstoffaufnahme günstig beeinflußt. Auch bei der Brennessel erhalten wir weit höhere Assimilationswerte, wenn wir bei den Versuchen die Atmungs- tätigkeit berücksichtigen. Es wurden von 28% Pflanze durchschnittlich . 4m (60, zersetzt und von 1000 "= Pflanze würde sich die zersetzte Kohlen- säure auf 2000 °® berechnen also auf mehr, als das Zehnfache der Puppen. Das Verhältnis der Kohlensäureaufnahme zur Sauerstoffabgabe bei der assimilatorischen Tätigkeit der Brennessel, das als assimilatorischer Quotient bezeichnet wird, kommt demjenigen der Segelfalterpuppen, der Serie III sehr nahe. Während wir für die Nessel den Wert 1.036 finden, hatte sich bei den Segelfalterpuppen die Zahl 1-028 ergeben. Der respiratorische Quotient ist bei der Brennessel dagegen bedeutend größer: 1-659, die Kohlensäureabgabe übersteigt somit hier die Sauerstoffaufnahme um ein be- trächtliches. Es ist eigentümlich, daß hier bei der Pflanze sowohl die Sauerstoffabgabe die Sauerstoffaufnahme übersteigt und daß auch die Aus- gabe an Kohlensäure größer ist, wie die Einnahme. Eine Mehraufnahme an Gas läßt sich hier allein für den Stickstoff feststellen, sie beträgt 153.72 ®, Die Mehrausgabe an Kohlensäure ist = 8-27 m und an Sauerstoff = 3.52 m, Es geht aus dem Vorstehenden ohne Zweifel hervor, daß, trotz der Intensitätsunterschiedeim Gaswechsel von Puppe und Pflanze, eine vollkommene Analogie ausgebildet ist, die sich in dem Vorwalten assimilatorischer Vorgänge bei Tag und dem Überwiegen respiratorischer Prozesse bei Nacht zu er- kennen gibt. Um diese Analogie und die Unterschiede des täglichen und nächtlichen Gaswechsels noch deutlicher zur Anschauung zu bringen, habe ich den Verlauf und die Größe der Assimilation und Atmung bei Tag und bei Nacht in Kurven dargestellt. Die Stickstoffkurve, die Sauerstoffkurve und die Kohlensäurekurve sind durch verschiedene Linien- und Punktsysteme bezeichnet, so daß es leicht zu übersehen ist, welche Rolle jedes Gas in dem Wechsel von Tag und Nacht, in den einzelnen Versuchserien spielt. Die Versuchsdauer ist auf der Abszissenachse abgetragen, und es entspricht hier die Länge von 3 Quadraten einer Versuchsdauer von 12 Stunden. Die Ab- sorptions- und Exhalationswerte entsprechen den Ordinaten, 1°® ist hier 62 M. GrÄFIn von LiINDen: ein Quadrat. Die Ordinaten über der Abszissenachse stellen die aus- geatmeten Gasvolumina dar, die unter der Abszissenachse die aufgenommenen Gasmengen. Die Endpunkte der Ordinaten sind durch Linien verbunden, von denen die vollausgezogenen bzw. dunkleren die Atmung bei Tag, die unterbrochenen bzw. helleren, die Atmung bei Nacht repräsentieren. Die an den Scheitelpunkten stehenden Zahlen geben die Größe der Gasaufnahme oder Abgabe in Kubikzentimetern an. Die besonderen Bedingungen, unter denen jeder Versuch ausgeführt wurde, finden sich am unteren Rand jeder Kurventafel verzeichnet. Die Kurven bringen auf diese Weise den Maßstab der Assimilations- und Atmungsgröße bei Pflanze und Tier deutlich zum Ausdruck und zeigen, daß ähnliche äußere Verhältnisse die Stoffwechselvorgänge der Vertreter beider organischer Reiche in analoger Weise beeinflussen. Wir finden näm- lich, daß, sowohl bei der Pflanze, wie beim Tier, Kurvenmaxima und -minima auf denselben Tag, bzw. auf dieselbe Nacht entfallen. Außer diesen Kurven, die eigentlich nur die Differenz zwischen Atmung und Assimilation zum Ausdruck bringen, habe ich auch noch für P. podalirius Serie II und III und für die Brennesselpflanze Kurven gezeichnet, in denen die neben der Assimilation verlaufende Atmung Berücksichtigung findet und die dadurch die volle assimilatorische Tätigkeit wenigstens an- nährungsweise darstellen. Erläuterung der Atmungs- und Assimilationskurven in kohlen- säurereicher Atmosphäre. 1. Der Puppen von Papilio podalirius Serie II. Die Kurve der Serie II mit Puppen vom Segelfalter beginnt mit einem Tagesversuch am 8. März. Es findet, wie wir aus dem Verlauf der Sauerstoff- und Kohlensäurelinie ersehen, eine geringe Abgabe beider Gase statt. Im darauffolgenden Nachtversuch ist eine erhebliche Aufnahme von Sauerstoff und eine entsprechend große Abscheidung von Kohlensäure zu beobachten, wie aus dem Abfallen der Sauerstoff- und dem Ansteigen der Kohlensäurelinie hervorgeht. Der sich anschließende Tagesversuch vom 9. März bringt eine kleine Sauerstoffabgabe von 0-15 m und eine größere Kohlensäureabsorption von 1.88 “=, In der folgenden Nacht ist die Kohlensäureproduktion eine sehr unbedeutende = 0-10 =, die Sauer- stoffaufnahme dagegen ziemlich bedeutend = 2.10 °®, Die Folge dieses Mißverhältnisses zwischen Sauerstoffaufnahme und Kohlensäureabscheidung ist im nächsten Tagesversuch vom 10. März eine für den Tagesversuch ziemlich beträchtliche Abscheidung von Kohlensäure Es findet an diesem Tag keine Sauerstoffabgabe, sondern eine sehr geringe Aufnahme des Gases DIE ASSIMILATIONSTÄTIGKEIT BEI PUPPEN UND RAUPEN. 63 statt = 0,10 °®. Der folgende Nachtversuch wurde in der Weise ausge- führt, daß die Puppen, nicht wie bisher, ins Dunkle verbracht wurden, sondern auf dem Arbeitstisch am Fenster lagen und von Sonnenaufgang an, also von 6!/, Uhr an belichtet waren. In dem Versuchsresultat drückt sich dieser Umstand in sehr charakteristischer Weise aus, anstatt einer Sauerstoffaufnahme, die in den bisherigen Versuchen während der Nacht zu beobachten war, finden wir eine Abgabe dieses Gases von 0-65 °®, die von einer fast ebenso großen Absorption von Kohlensäure begleitet ist. Während des darauffolgenden Tages war die Sauerstoffproduktion nur wenig höher, wie während der Nacht, sie betrug 0.70 «=, Gleichzeitig wurde auch Kohlensäure abgeschieden = 1.10 m. Es folgt ein Nachtversuch, indem sowohl Sauerstoff- wie Kohlensäureabsorption zu verzeichnen ist; am nächsten Tag ist die assimi- latorische Tätigkeit nur gering, es wurde nur 0-42 “m Sauerstoff produziert und 0.03 °® Kohlensäure aufgenommen. Die bisher stärkste Kohlensäure- abscheidung findet sich in der darauffolgenden Nacht vom 13. auf den 14. März. Wir finden einen Überschuß von 2.03 «m CO, bei sehr ge- ringer Sauerstoffaufnahme = 0-02 “=. Am 14. März wurden die Puppen unter blaue Beleuchtung gebracht mit dem Erfolg, daß sie 1-5 «m Sauer- stoff und 0-98 «= Kohlensäure aufnahmen. Eine Sauerstoffproduk- tion finden wir in der auf diesen Versuch folgenden Nacht, während welcher die Puppen wieder nicht dunkel gelegt worden sind. Wie in den vorher- gehenden Experimenten vom 10. bis 11. März hatten die Puppen von Sonnenaufgang an Licht und gaben infolgedessen Sauerstoff ab, anstatt solchen aufzunehmen. Auch an dem darauffolgenden Tagesversuch vom 15. März wurde assimiliert; die Puppen befanden sich unter roter Be- leuchtung, und es entsprach einer Sauerstoffabgabe von 1.01 m eine Kohlensäureaufnahme von 0-43 =, _Die stärkste Einatmung finden wir in dem sich jetzt anschließenden Nachtversuch, es wurden 4-98 «m Sauer- stoff konsumiert und 1 ° Kohlensäure abgegeben. Es folgt ein Tages- versuch unter blauer Beleuchtung mit erheblicher Kohlensäureabgabe und einer sehr geringen Abscheidung von Sauerstoff 0-06 “= und ein Nacht- experiment, bei dem die Puppen morgens belichtet waren aber dennoch vorwiegend geatmet hatten. Die Analyse des Versuches vom 17. März mußte ausfallen, und es schließt sich daher an das Nachtexperiment vom 16. bis 17. sofort dasjenige vom 17. bis 18. an, das durch die höchste Kohlensäureabgabe während der ganzen Versuchsreihe und durch geringe Sauerstoffaufnahme charakterisiert ist. Es folgt der Tagesversuch vom 18. März unter roter Beleuchtung, in dem der Assimilations- prozeß vollkommen schematisch verläuft, so daß der assimila- torische Quotient, das Verhältnis der aufgenommenen Kohlen- 64 M. GRÄFIN von LINDEn: säure zum abgegebenen Sauerstoff, kaum größer ist wie 1. Auch während des Tagesversuchs vom 19. März bleibt dieses Verhältnis erhalten. In der nächsten Nacht ist wieder eine erhebliche Sauerstoffauf- nahme zu verzeichnen: 1. 30°” bei sehr geringer Kohlensäureabgabe: 0.26", Diese steigt während des darauffolgenden Tagesversuchs auf 1.59 «m und ist von einer unbedeutenden Sauerstoffabscheidung begleitet. Im darauf- folgenden Nachtversuch findet wieder Belichtung der Puppen von Sonnenaufgang an statt, mit dem Erfolg, daß die Puppen abermals 0.95 «= Kohlensäure aufnehmen und 0.63 «= Sauer- stoff abscheiden. Die Sauerstoffabgabe steigt im nächsten Tages- experiment vom 22. März auf 1.25 =, die Kohlensäureabsorption beträgt 0.54 °m, Die Bedingungen des Nachtversuches vom 23. bis 24. März unterscheiden sich dadurch von denen der bisherigen Experimente, daß die Puppen zu Beginn desselben vielleicht eine halbe Stunde lang hellem Auerlicht ausgesetzt waren. Möglicherweise ist der Sauerstoffüber- schuß, der sich am Schluß des Experiments in dem Puppenbehälter fand, auf erwähnten Umstand zurückzuführen. Es wurde von den Puppen eine der Sauerstofabgabe annähernd entsprechende Menge Kohlensäure abge- geben. In den darauffolgenden Tagesexperimenten ist das Ergebnis der assimilatorischen Tätigkeit wieder sehr deutlich, auf 0.51 ° = aufgenommene Kohlensäure kommen 1.56 °® abgegebenen Sauerstofis. In der Nacht vom 24. bis 25. März war sowohl eine Sauerstoff- wie Kohlensäureabsorption zu verzeichnen. Am 25. März wurden zwei Tagesversuche gemacht. Der erste dauerte 5°/, Stunden. Von vormittags 11'/, Uhr bis nachmittags 5 Uhr; die Puppen hatten in dieser Zeit 0-94 «= CO, aufgenommen und 0.82 cm O abgegeben. Der zweite Versuch währte nur 2 Stunden, von 5 bis 7 Uhr nachmittags, es fand bei demselben eine Sauerstoffabgabe von 0.53 und eine Kohlensäureproduktion von 0.39 °® statt. Bei dem nun folgenden Nachtversuch war das Gas wiederum bei Auerlicht eingeleitet worden; die Analyse ergab eine geringe assimilatorische Tätigkeit. Es folgt ein Tagesversuch mit erheblicher Sauerstoffiproduktion aber sehr geringer Kohlensäureabsorption 0-01 °®, Trotzdem, daß in dem folgenden Nacht- experiment die Puppen von Sonnenaufgang an Licht empfingen, wurde be- trächtlich Kohlensäure abgeschieden (2.12 °=) und etwas Sauerstofi aufge- nommen (0.06 °®). Eine geringe Kohlensäureabgabe (0.45 °®) ist auch am folgenden Tag mit ausgesprochener Sauerstoffabscheidung verbunden. Kohlensäureabsorption findet im darauffolgenden und letzten Nachtversuch statt, in welchem die Puppen morgens Licht empfangen hatten, sie ist mit einer gleichzeitigen Abgabe von Sauerstoff verbunden. Die Stickstofflinie verläuft während der ganzen Versuchsreihe unter- T)IE ASSIMILATIONSTÄTIGKEIT BEI PUPPEN UND RAUPEN. 65 halb der Abszissenaxe und deutet in ihrem Steigen und Fallen eine fort- währende aber verschieden große Absorption dieses Gases an. Eine be- stimmte Abhängigkeit ihres Verlaufs von Tages- und Nachtversuchen ist nicht zu verzeichnen. 2. Der Puppen von Papilio podalirius Serie Ill. Die Kurve beginnt mit einem Tagesversuch am 21. März. Derselbe währte nur 3 Stunden und hatte eine erhebliche Kohlensäureabsorption von 5.82 cm und eine geringe Abscheidung von Sauerstoff von 0.38 “m zur Folge. Ein siebenstündiger Tagesversuch vom 22. März ist durch eine entsprechend stärkere Sauerstoffabgabe von 1.05 “= und eine geringere Aufnahme von Kohlensäure von 0.92 «m charakterisiert; Kohlensäure- absorption und Kohlensäurezersetzung halten sich hier ziemlich die Wag- schale, der Assimilationsprozeß ist etwas energischer als am selben Tag bei Serie III. In der folgenden Nacht vom 22. bis 23. tritt statt Assimilation Atmung ein, es werden 0.87 «m CO, ausgeatmet und 1.23 = O aufge- nommen. In zwei verschieden lang andauernden Versuchen vom 23. März ist abermals Assimilation zu beobachten, in der folgenden Nacht vom 23. bis 24. findet eine ausgiebige Atmung mit 1-43 ° Sauerstoffaufnahme und 2.55 “= Kohlensäureabgabe statt. Während eines zweistündigen Versuchs am 25. März wurde wieder assimiliert, in der darauffolgenden Nacht trat abermals der Atmungsprozeß in den Vordergrund. Am 26. war unter Tags keine Sauerstoffabgabe, wohl aber Kohlensäureaufnahme zu beobachten, in der Nacht vom 26. bis 27. wurde wieder geatmet. In dem Tagesversuch vom 27. finden wir geringe Sauerstoffabscheidung, dabei aber eine ganz erhebliche Abgabe von Kohlensäure. Eine besonders starke Atmungstätig- keit entfalten die Puppen in der Nacht vom 27. auf den 28. März. Auf 4.46 °= absorbierten Sauerstoff kommt eine Kohlensäureabgabe von 5-31 «=, Gleichzeitig erreichte auch die Stickstoffabsorption in dieser Nacht ihr Maximum mit 6.43, Es ist eigentümlich, daß auch bei dem Parallelversuch mit der Brennesselpflanze die Nacht vom 27. auf den 28. die größte Stickstoffabsorption (35-7 =) und den stärksten Atmungs- prozeß ergab. Der erheblichen Sauerstoffaufnahme folgt in dem nächsten Tagesversuch, die höchste Sauerstoffabgabe während der ganzen Versuchs- reihe (3.18 °°=) bei gleichzeitiger Kohlensäureabgabe (1-26 “"=), Sehr gering sind Sauerstoff- und Kohlensäureabscheidung am 29. März, während am 380. die Sauerstoffabgabe wieder steigt, aber nur halb so groß ist, wie die Kohlensäureabsorption. Dieser assimilatorischen Tätigkeit vom 30. März folgte in der Nacht auf den 31. energische Atmung, bei der 5.49 «m Sauerstoff verbraucht und 2.18 = CO, produziert wurden. Es ist Archiv f.A.u. Ph, 1906. Physiol. Abtlg. Suppl. 9 66 M. GRÄFIN Von LINDEn: eigentümlich, daß in den nun folgenden Tages- und Nachtversuchen vom 31. März bis 3. April nur geatmet wurde, und noch merkwürdiger, daß sich in dem Nachtexperiment vom 3. zum 4. zum erstenmal wieder eine be- trächtliche assimilatorische Tätigkeit geltend machte. Es bleibt noch her- vorzuheben, daß von den Puppen dieser Serie in der Nacht vom 1. auf den 2. März am meisten Sauerstoff veratmet (6-91) und am meisten Kohlen- säure (8-36) abgegeben wurde und daß diese maximale Atmungstätigkeit nicht nur in dieser Nacht bei den Puppen, sondern auch bei den Brenn- nesselpflanzen zu beobachten war. Stickstoff wurde am Anfang der Experimente nur aufgenommen, gegen Schluß der Versuche fand wiederholt Stickstoflabgabe statt. Der Verlauf der nach Kreusler korrigierten Assimilationskurve ändert sich nach Addition des durchschnittlich veratmeten Sauerstofis und der durchschnittlich ausgeatmeten Kohlensäure zu den erhaltenen Werten da- hin ab, daß derselbe mit Ausnahme der Tagesversuche vom 31. März, 1. und 3. April bei Tag immer Assimilation, bei Nacht immer Atmung anzeigt (vgl. Kurven). 3. Der Brennesselpflanze. Die Versuche beginnen am 25. März mit einem Tagesversuch von 6 bis 7 Stunden Dauer, dessen Ergebnis eine Aufnahme von 1:67 °cm Kohlen- säure und eine Abgabe von 3.92 «cm Sauerstoff war. Ich hatte am Nach- mittag ein zweites Experiment von 2stündiger Dauer angestellt, bei dem jedoch Kohlensäure in beträchtlicher Menge 8.52 °® abgegeben wurde und eine Sauerstofisabsorption von 1.17 «m stattfand. In der folgenden Nacht finden wir, wie in derselben Nacht bei Serie II der Podaliriuspuppen, eben- falls Sauerstoffabgabe, vielleicht daß auch hier der Umstand, daß die Pflanzen am Anfang des Experiments einige Zeit bei Auerlicht gelegen waren, das Resultat beeinflußt hatte. Mit dem Sauerstoff wurden auch 1-92 «® Kohlensäure abgegeben. Am 26. war geringe Sauerstoflabgabe und erhebliche Kohlensäureabsorption zu verzeichnen. Auch in der darauf- folgenden Nacht wurde Sauerstoff abgegeben und eine kleine Menge Kohlen- säure 0.32 °m aufgenommen. Die assimilatorische Tätigkeit stieg am folgenden Tag auf 4-83 °“® Sauerstoffabgabe, die von einer unbedeutenden Kohlensäureabscheidung begleitet war. In der Nacht vom 27. auf den 28. März erreichte die Atmungstätigkeit, wie schon erwähnt, auch bei den Segelfaltergruppen der III. Serie ihren Höhepunkt. Es folgte am 28. bei dem ersten Sstündigen Versuch dieses Tages Sauerstoffabgabe 1-30 “= und Kohlensäureaufnahme 0-34 °®, Im zweiten Versuch, der nur zwei Stunden währte, war die Sauerstoffabgabe nicht höher wie 0.86 °®, gleichzeitig fand DIE ASSIMILATIONSTÄTIGKEIT BEI PUPPEN UND RAUDPEN. 67 aber eine Kohlensäureaufnahme von 1.4 “m statt... In der folgenden Nacht wurde von der Pflanze geatmet, der Sauerstoffverbrauch verhielt sich zur Kohlensäureabgabe, wie 1.48 :0.34 °®, Sehr deutlich ist die Assimi- lationstätigkeit am 29. März, und ebenso die Atmung in der Nacht auf den 30. März, trotzdem, daß die Puppen von Sonnenaufgang an im Licht waren. In der Nacht vom 31. wurde dagegen assimiliert, 0.66 “= CO, aufgenommen und 0.83 “m abgegeben. Assimilation finden wir auch am 31. März; gesteigerte Atmungstätigkeit gab sich in der Nacht vom 1. auf den 2. April zu erkennen. Sehr gering war die Sauerstoflabgabe am 3,., sie betrug nur 0-35 °® bei einer verhältnismäßig eroßen Kohlensäure- aufnahme von 2-64 “w, In dem letzten Nachtversuch vom 3. auf den 4. April wurde neben Sauerstoff auch eine größere Menge Kohlensäure auf- genommen. Stickstoff wurde in der ganzen Versuchsreihe absorbiert in ab- wechselnd kleineren und größeren Mengen. 4. Atmungsversuche mit Puppen von Sphinx euphorbiae. Die Atmungsversuche, die während der Wintermonate zur Ausführung kamen, haben bereits gezeigt, daß auch die Puppen von Sphinx euphor- biae, des Wolfsmilchschwärmers, Kohlensäure aus der Luft aufzu- nehmen vermögen und unter günstigen Bedingungen Sauerstoff abgeben. Ich hatte mich aber in diesen ersten Versuchen immer einer größeren Anzahl von Puppen bedient, einer Anzahl, die für den zur Verfügung stehenden Luftraum im Puppenbehälter vielleicht zu groß bemessen war. Um etwaige dadurch entstandene Fehler kennen zu lernen, wiederholte ich die Experimente, indem ich jetzt nur eine oder höchstens zwei Puppen zu den Versuchen verwendete. Die Puppen, die zu diesen neuen Experimenten benützt wurden, hatten noch grün gefärbte Flügelscheiden, d. h. der Fettkörper hatte sich noch nicht in den Flügellamellen abgelagert, so daß das grüngefärbte Blut der Puppe durch die Flügelscheiden hindurchschimmerte. Ich suchte mir stets diejenigen Puppen zu den Versuchen aus, die bei Berührung durch leb- hafte Bewegung verrieten, daß sie gesund waren. Leider war es mir nur möglich, die Ergebnisse eines Teils der Experimente zu berechnen, da mir bei den späteren Versuchen einzelne Gewichtsangaben fehlten; ich ver- zichte daher darauf, die betreffenden Analysen hier wiederzugeben und be- schränke mich auf die Mitteilung der berechneten Versuche. a) Tagesversuche: Versuch 111. 28.III. Puppen von Sphinx euphorbiae 2.968", 5 Stunden. 16° bis 17°C. 750 bis 755 mm Hg. 13-5 bis 14.4 "m Dampfsp. Vol. 160-3, Vol.” 159-8. 5* 68 M. GrRÄFIN VON LINDEN: Analyse Analyse” Differenz Für 20°®% in 12 Std. N’ 5173210721 70-4 103-20 en) — 63-20 01582250 17:6 25-80 OH BIB + 61-62: 00,=12 17-6 12.00.1759 50-02 .0-01 290816 100 146-70 100-0 146.59 — 0-11 = Vol.-Abnahme. Versuch 114. 30.11. 2.968”. 5 Stunden. 16-.5°bis 17°C. 758mm Hg. 13.97 bis 14.42 "m Dampfsp. Vol. 160-3, Vol.” 157-2. Analyse’: Analyse”: Differenz: Für 20 = in 12 Std. N =69-8 102.60 69-6 100-800 -—0-2 — 1-80 — 46:42 077 = 15:02 22-09. 715227. 22201 +0:.2 — 0.04 — 11-03 C0,=15:2 22.35 14.8 21-43 -—-0-4 — 0.92 — 25-73 100-0 147.00 99.6 144-24 —0-4 — 2.76 = Vol.-Abnahme. Die beiden anderen Versuche ergaben: (112) N = +1-80+ 72.97 (113) — 0-40 — 2:96 6) + 2.60 + 105.40 + 0-50 + 6-60 — 0:96 — 38-92 — 0.53 — 7.62 I I Co, [7 Im Mittel für 208% in 12 Stunden: N = -—.. 9.90 ohne Versuch 112 N = 28.14 OO = +43:14 CO, = — 17:60 b) Nachtversuche: Versuch 118. 30. bis 31. III. 5.97 8%, 16 Stunden. 16-5° bis 150 C. 7600m Hg, 13-9 bis 12.69 m Dampfsp. Vol. 159.6, Vol. 15286, Analyse’: Analyse”: Differenz: Für 208m in 12 Std. N = 71:2 105:20 71-6 101-80 ° -+0-4 — 3-40 — 8.76 O0 =15-4 22-71 14-6 20.77 —0-.83:— 1-94 — 5.00 09, = 13:54 197657 1328211956322: 0°43 0 13 — 0.33 100-0 147.67 100-0 142-30 — 5:47 = Vol.-Abnahme. Die drei weiteren Versuche ergaben: Gemischte Nachtversuche: Reiner Nachtversuch: (115) N =—3-39 —18-33 (116) —2-60 —6-70 (117) —5-30 —13-67 OO =-+1-:07 + 5:78 +0-.24 +0-93 —2:37 — 6-11 C0O,=+1:32 + 7-13 +2:00 +5-15 —0.70 — 1:80 Im Mittel für 209% in 12 Std. «&. Reine Nachtversuche: N Ö C0,= — 1-61 il | Oo on: Oo P. Gemischte Nachtversuche: N N 00,=+ Die AssımILATIONSTÄTIGKEIT BEI PUPPEN UND RAUPEN. 69 Zusammenstellung der Analysenergebnisse. Tagesversuche. 1. 2. 3. 4, D» 6. Kohlensäure- Sauerstoff- Sauerstoff- Kohlensäure- Stickstoff- Stickstoff- aufnahme abgabe aufnahme abgabe aufnahme abgabe 0-01 3-80 0.04 3:90 1-80 0-96 2:60 98a, 0-04 0-40 Sa. 1-80. 0-53 0- 50° 1-50 0.92 8a. 6-90 Sa. 6-10 Sa. 2 42 Nachtversuche. 0-70 1-07 2-37 1-32 3-39 0-0 0.13 0.24 1-94 2.00 2.60 1:8 0.83 1531 4.31 Ges.-8a.3-32 ET ET TITR 2.42 6.90 0.04 N Ges.-Sa. 3-25 8.21 4:35 14.69 6-10 Ges -Sa. 20.79 en Quotient: Respiratorischer Quotient: C0, _ 32 x UEREIFBE or =: = 0.3959 Din a5; =+02103 (Gesamtaufnahme an Gasen: Gesamtabgabe an Gasen: Ne 20.098 1 N = 1.501 m Wer EA DaEe 0TZ7821,, 00,= 3-25 „ Uber, 28.39 com 13.33 ccm Es fand eine Mehraufnahme von Gasen statt von 15-06", An diesem Gewinn ist aber nur der Stickstoff beteiligt mit 19.29", Mehrausgabe an Sauerstoff war 3-86 =, an Kohlensäure 0.07 em, Wir ersehen aus den angeführten Resultaten, daß sich auch der Wolfsmilehschwärmer während seiner Puppenruhe, in bezug auf den Verbrauch, die Aufnahme und Abgabe von Gasen, von den Puppen des Segelfalters nicht wesentlich unterscheidet. In den vier berechneten Tagesexperimenten beobachten wir viermal Kohlensäureabsorption, dreimal Abgabe von Sauerstof. In den vier Nachtexperimenten wurde zweimal Kohlensäure aufgenommen und zweimal solche ausgeatmet. Merkwürdiger- weise fand Kohlensäureabgabe in den beiden Versuchen No. 115 und Nr. 116 statt, in denen die Puppen von Sonnenaufgang an belichtet, also nicht ganz im Dunkeln gehalten wurden. Es ist auf die Lichtwirkung zu beziehen, daß in diesen Versuchen mit der Kohlensäureabgabe auch eine solche von Sauerstoff verbunden war; in den ganz im Dunkeln ausgeführten 70 M. GRÄFIN von LINDEn: beiden späteren Nachtversuchen wurde mit der Kohlensäure auch Sauer- stoff absorbiert. Quantitativ übersteigt sowohl die nächtliche Kohlensäure- produktion die Kohlensäureabsorption und ebenso die Sauerstoffaufnahme die Abgabe; mit anderen Worten, durchschnittlich überwiegt auch bei dieser Puppengattung nachts der respiratorische, bei Tag der assimilatorische Prozeß. Einer sehr eigentümlichen Erscheinung begegnen wir bei Sphinx euphorbiae insofern, als von den Puppen dieses Schmetterlings bei Tag eine zur Kohlensäureaufnahme ganz unver- hältnismäßig große Menge von Sauerstoff abgegeben wurde. Dieses MiB- verhältnis findet seinen Ausdruck in einem sehr niederen assimilato- co 2, wie zweimal so groß, als die Kohlensäureabsorption.e Wenn es auch für den Assimilationsvorgang bei der Pflanze als charakteristisch angegeben wird, daß die Sauerstoffabgabe die Kohlensäureaufnahme übersteigt und wenn wir auch bei den Versuchen mit der Brennessel diese Angaben be- stätigt fanden, so übersteigt eine derartige Sauerstofiproduktion denn doch die Grenze des bisher Beobachteten so weit, daß wir uns fragen müssen, woher wohl die Puppe das Material zu diesem Spaltungsprozel hernehmen mag. Sind es früher angelegte Kohlensäurereserven, aus deren Spaltung der Überschuß an Sauerstoff genommen werden kann, sind es Reduktions- prozesse, die sich im Organismus vollziehen, bei denen Sauerstoff in Frei- heit gesetzt wird? Es müßte dabei in erster Linie an die Umwandlung von Kohlenhydraten in Fett gedacht werden; oder findet hier, wie bei ein- zelnen Pflanzengattungen, wie bei den Succulenten, eine Beschaffung von Kohlensäure auf Kosten der von dem Organismus gebildeten, organischen Säuren statt? Auch die Succulenten sind imstande, ohne daß sich Kohlensäure in der Atemluft befindet, Sauerstoff zu produzieren. Saussure entdeckte diese Erscheinung, indem er die Beobachtung machte, dab ein Opuntiazweig in einem, mit kohlensäurefreier Luft gefüllten Rezipienten bei Tag das Mehrfache seines Volumens an Sauerstoff abschied. Es wird an- genommen, daß bei solchen Pflanzen im Dunkeln vorherrschend Säure- produktion, im Licht überwiegend Säurezerlegung stattfindet und daß durch diesen Vorgang die der Assimilation dienende Kohlensäure gewonnen werde. Es wird ferner vermutet, daß der Apfelsäure eine Hauptrolle bei diesem Spaltungsprozeß zufall. Es scheint mir sehr wahrscheinlich, daß bei Schmetterlingspuppen mit sehr niederem assimilatorischen Quotienten ganz ähnliche Verhältnisse vorliegen; es bedarf aber einer genaueren Kenntnis der sich während des Puppenlebens abspielenden physiologischen Prozesse und der im Puppenkörper gebildeten Substanzen, um die Ursache dieses Phänomens zu ergründen. rischen Quotienten: — = 0.3959. Die Sauerstoffproduktion ist mehr DIE AssımmLATIONSTÄTIGKEIT BEI PUPPEN UND RAUPEN. at Die assimilatorischen und respiratorischen Prozesse bei Sphinx euphorbiae bleiben an Intensität nicht weit hinter denjenigen der Brennessel zurück; auf 20 g Puppensubstanz und 12 Stunden Versuchs- dauer bezogen, erhalten wir, sowohl was Sauerstoffabgabe und Kohlensäure- aufnahme betrifft, als auch, was den respiratorischen Gasaustausch anlangt, fast ebenso hohe Werte, wie bei der Pflanze, ein Beweis dafür, wie sehr der Verlauf dieser Vorgänge von der individuellen Anlage abhängig ist. Von sehr entscheidendem Einfluß auf die assimilatorischen und respiratorischen Gaswechselergebnisse ist es ferner, ob sich das betreffende Tier, in unseren Versuchen die Schmetterlingspuppe, während der Versuche ruhig verhält, oder ob es lebhafte Kigenbewegungen ausführt. Sämtliche Puppen, die bisher untersucht worden sind, verhielten sich während der Experimente meistens ganz ruhig, lebhafte Eigenbewegungen wurden nur dann beobachtet, wenn die Tiere dem Behälter entnommen oder in denselben eingelegt wurden, oder wenn eine starke Erschütterung oder plötzliche intensive Lichtwirkung einen heftigen Reiz auf die Puppen ausübte. Am beweglichsten waren die Sphingiden- puppen, am wenigsten beweglich die Segelfalterpuppen der Serie II. Durch die große Liebenswürdigkeit von Herrn Professor Dr. Anschütz, der diese Untersuchungen nach jeder Richtung zu unterstützen suchte, gelangte ich in den Besitz von sehr frischen, gesunden Puppen von Lasiocampa pini, der Tannenglucke. Es waren dies Tiere von außer- ordentlicher Reizbarkeit, die kleinste Lageveränderung genügte schon, um die ihrem Kokon entnommenen, mit einer weichen Hülle versehenen Puppen zu ausgiebigen und heftigen Bewegungen anzureizen. Da wir wissen, daß in dem sich bewegenden Muskel sehr viel Sauer- stoff verbraucht wird, daß hier dementsprechend eine bedeutende Kohlen- säurebildung stattfindet, so war das Resultat der Atmungsversuche mit diesen Puppen von vorneherein vorauszusehen. Es war anzunehmen, dab bei den sich bewegenden Puppen die Assimilationsprozesse so lange durch den Atmungsprozel verdeckt würden, als von der Puppe Muskelarbeit ge- leistet wird. Das Ergebnis der Analyse entsprach, wie aus dem Folgenden zu ersehen ist, dieser Voraussetzung in jeder Hinsicht. 5. Atmungsversuche mit Puppen von Lasiocampa pini. Versuch 130. 21. IV. 05. Puppen von Lasiocampa pini. 5.088", 9 Stunden. 13°C. 760 "m Hg. 11-16" Dampfsp. Vol’=160-7, Vol.” 155-4. Die Puppen bewegten sich nach der Analyse nicht mehr. Analyse’: Analyse’: Differenz: Für 202°” in 12 Std. N =61:.0 2-20 60-2 87-99 —0-.8 —4-21 — 22-10 0=r2— 12:87 19235 713-4 19-58 +0:6 — 0-23 — 1:20 CO, = 26-2 41-46 26-4 38-50 +0-.2 — 2-96 — 15.54 100-0 153-01 100-0 146.07 — 6-94 = Vol.-Abnahme. 72 M. GrRÄFIN voX LinDeEn: In den übrigen Versuchen ergab sich: (129)N =—0-.30 — 1-57 (131) —1-70 —11-08 (132) —1-90 — 7-92 O0 =—3:10 —16:-28 —1:49 — 9:71 —12.52 —13-28 CO, =+0:59 + 3-09 —1-:01 — 6-58 +0:10 + 0:52 (132) N = -+0-.30 + 1-57 (134) — 1:32 — 7-78 O0 = 8.34 — 17-01 — 12.34 — 13-82 0, = + 1:27 + 6-66 + 2.09 + 12:34 Im Mittel für 20” in 12 Stunden Nee 8231: Or 1288 80), — + 0.08 6. Atmungsversuche mit Puppen von Lasiocampa pini. Zu den Versuchen, deren Resultate in der tabellarischen Übersicht mitgeteilt sind, waren drei Puppen der Tannenglucke verwendet worden, davon waren zwei weiblichen und eine männlichen Geschlechts. Die weib- lichen Puppen sind bedeutend größer, wie die männlichen; alle drei Puppen wogen zusammen 5-08 g. Die Puppen zeichneten sich, wie erwähnt, durch sehr große Reizbarkeit aus, so daß schon durch den leisesten Stoß, z. B. durch das Herantreten einer Person an den Tisch, auf dem die Puppen lagen, lebhafte Bewegungen bei denselben ausgelöst werden konnten. Wir sehen nun, daß in den sechs Tagesexperimenten, die mit diesen Puppen angestellt worden sind, nur einmal eine geringe Sauerstoffabgabe gemessen worden ist. Hand in Hand damit war eine beträchtliche Kohlensäure- absorption zu beobachten. In allen übrigen Versuchen wurde Sauerstoff verbraucht, und, wie wir sehen, in ganz erheblichen Mengen. Auch eine Absorption von Kohlensäure konnte nur noch einmal am darauffolgenden Tag beobachtet werden. Es ergibt sich hieraus, daß bei Lasiocampa pini der Assimilationsprozeß durch die Atmungstätigkeit ver- deckt wird, eine Tatsache, die ich in der Lebhaftigkeit der Puppen begründet sehe. In dem einen Fall nämlich, wo Sauer- stoffabgabe nachzuweisen war, hatte die Bewegungsfähigkeit der Puppen durch einen sehr hohen Gehalt der Atmosphäre an Kohlensäure eine Lähmung erfahren, die Muskeltätigkeit war auf- gehoben, und damit die Ursache eines größeren Verbrauchs an Sauerstoff und einer ausgiebigeren Abscheidung von Kohlensäure beseitigt. Nun über- wog, wie es am Tag bei den übrigen Schmetterlingspuppen in der Mehr- zahl der Fälle eingetroffen war, der Assimilationsprozeß denjenigen der Atmung. Daß die Aufhebung der Muskeltätigkeit tatsächlich notwendig ist, um die assimilatorische Tätigkeit des tierischen Organismus zur Geltung zu bringen, ersehen wir noch deutlicher aus den hier folgenden Versuchs- ergebnissen mit Schmetterlingsraupen. DIE ASSIMILATIONSTÄTIGKEIT BEI PUPPEN UN T. a) Tagesversuche. «@) Raupen von Botys urticata: Versuch 137. 10.V. 0.2398%, DBotysraupen. 756mm Hg. 14-4" Dampfsp. Vol.’ 163-0, Vol.” 164 D RAUPEN. 3 Atmungsversuche mit Schmetterlingsraupen. 7 Stunden. 17°C. .6. Analyse‘: Analyse’: Differenz: Für 20° jn 12 Std. N =63-.6 95-23 64.2 97.07 +0-8 +1:-84 + 2640-0 O0 =16-.4 24.56 16-5 25-40 +0-.4 +0-.84 + 120-5 C0,=19.6 29-35 19-0 28-73 — 0.6 — 0.62 — 889.4 99.6 149: 4 100-0 1151-20 + 2:06 = Vol.-Zunahme. Versuch 135.) 24. 1V. 0204320 7 Stunden. 12.5%.C., 756 22 Hg. 10.s"® Dampfsp. Vol’ 165-6, Vol.” 165-0. Analyse’: Analyse”: Differenz: Für 208" in 12 Std. N = 67-83 105-30 67-6 104.70 — 0.2 — 0:60 — 478-4 WE 774.2 22.05 15-2 ..23-50 +1-0 +1-45 + 1157-0 C0,=18-0 27.95 17.2 26-60 — 0-8 — 1-35 — 1069-0 100-0 155.30 100.0 154.80 — 0-50 = Vol.-Abnahme. In den anderen Versuchen ergab sich: (136) N = —1.63 — 978.0 (138) +0-.04 + 4-88 O0 = —0-.43 — 162.80 + 0-99 + 118-2 CO, = — 1-02 — 612.00 — 0.47 — 56-12 (139) N = — 4-27 — 418.20 (140) — 3-23 — 168.60 0 =—1.06 — 93-10 —0:52 — 39.31 CO, = — 0-51 — 45-18 — 1.21 — 91-47 Im Mittel für 20°” in 12 Stunden: N =-100-.11 O0 =+183-41 CO, = — 460.52 Tagesversuch 143 in atmosphärischer Luft. 30.V. 0.307 3m, 8-5 Stunden. 25°C. 760=m Hg. 23.55 wm Dampfsp. Vol’163, Vol.” 164-2. Analyse’: Analyse”: Differenz: Für 20 e*= in 12 Std. N =350 116-30 78-6 116.00 —1-4 — 0-30 — 27.90 I =20 29-07 20-0 29-52 +0-.0 +0-45 + 41-39 C0,= 0:0 0.00 0-6 0-88 +0-6 +0-88 + 850.94 100.0 145.37 99-2 146-40 + 1-03 = Vol.-Zunahme. b) Nachtversuche: Versuch 142. 27.V. 0.389 ==, 16.5 Stunden. 19-5° bis 21°C. eo zum Hs. 16-86 bis 18.49 "m Dampfsp. Vol. 163, Vol.” 161. 74 M. GRÄFIN von LINDEN: Analyse‘ Analyse’: Differenz: Für 20 == in 12 Std. N =79.0 117-380 80-0 116-70 +1-09 —1-10 — 41-30 O0 =20-6 30.69 17-4 25.383 —3-2 —5-3 — 199160 CO, = 0:4 0-59 2.6 3-79 +2-2 +3-20 + 120.30 100.0 149. 8 100.0 145.87 — 3-21 = Vol.-Abnahme.- (141) N = +1-94 + 57-14 0 =—0-.834 — 24-74 CO, = — 0:84 — 24-74 P) Raupen von Vanessa urticae. a) Tagesversuche. Versuch 144. 10. VI. 0-635 2%. 5 Stunden. 19% his 20 CT Tore 16.34 bis 17.39 %m Dampfsp. Vol’ 130, Vol.” 144.4 m, Analyse’: Analyse’: Ditferenz: Für 20s”= in 12 Std. N =60-.4 71-54 61-2 80.40 +08 + 8-8 + 669.80 07 =12.07214.21 °° 13.721800 2 2E17 33279 + 286.50 00, = 27.61 32:69 ı 24.9 232.11 2-7 7 N DIE 100-0 118-44 99-8 1351-11 + 12-67 = Vol.-Zunahme. (145) N = —0.92 — 94.12 (146) — 7-53 — 180-4 O0 = — 0.17 — 17-39 — 7.17 — 171-7 CO, = — 0-32 — 32.74 + 6:97 + 167-0 (147) N = — 16-00 —701-50 (148) — 11-82 — 403-0 O0 = — 5-28.— 231.50 — 4:60 — 1569 C0O,= + 2-02 + 83-56 — 4-40 — 150-1 Im Mittel für 20®"® in 12 Stunden: N =-—141:-84 O0 = — 58-19 C0O,= + 14-837 b) Nachtversuch. 149) N = +4-25 + 74:78 0 = — 2.66 — 58-16 CO, =—0-.11 — 2-40 Die Experimente mit Schmetterlingsraupen wurden erst Ende April begonnen, und zwar verfiel ich zuerst auf die grünen Räupchen des in den aufgerollten Blättern der Brennessel lebenden Wicklers Botys urticata. Die Räupchen sind intensiv grün gefärbt durch den mit der Nahrung aufgenommenen, in dem Darm in Lösung übergehenden und von dem Blut der Raupe aufgenommenen Chlorophylifarbstof. Die Anwesenheit dieses, wenn auch durch die Verdauung veränderten, für die Assimilation so wich- tigen Pflanzenpigmentes schien mir einen besonders günstigen Ausfall der — nn ne —— " = ————— DIE ASSIMILATIONSTÄTIGKEIT BEI PUPPEN UND RAUPEN. "5 Experimente zu versprechen. Schon die ersten Versuche bewiesen, daß ich mich nicht geirrt hatte, und alle Experimente, die ich später auch noch mit Vanessenraupen angestellt habe, zeigten, daß tatsächlich die grünen Wicklerraupen ein ausgezeichnetes Objekt zum Studium der Kohlensäure- assimilation bei Raupen darstellen. In den sieben mit Botys urticata angestellten Tagesexperimenten fand sechsmal Kohlensäureabsorption statt, die in drei Fällen mit Sauer- stoffabgabe verbunden war. Die Sauerstoffproduktion war im ersten Versuch am gröbten, und die Raupen zeigten sich während desselben vollständig bewegungslos. Je öfter indessen mit ihnen experimentiert wurde, desto schwieriger wurde es, dieses Stadium der Lähmung zu erreichen; die Raupen blieben schließlich auch noch bei einem Gehalt an Kohlensäure von 27.6 Prozent reizempfindlich, so daß sie sich noch im Wasser krümmten, wenn die Luft aus dem Behälter in die Meßburette übergetrieben wurde. Wenn auch die Wicklerraupen als ein sehr günstiges Objekt zum Studium der assimilatorischen Vorgänge bei Raupen angesehen werden können, so ‘stehen sie an Sicherheit der Leistung doch hinter den unbeweglichen oder doch viel weniger beweglichen Puppen zurück. In den Fällen freilich, wo die äußeren Verhältnisse richtig gewählt wurden, wo der Atmungsprozeß genügend unterdrückt und der Sauerstoffverbrauch durch den sich be- wegenden Muskel eingeschränkt werden konnte, ergab sich die Assimilations- tätigkeit der Raupe als eine sehr intensive. So finden wir z. B. im ersten Versuch, daß das abgespaltene Sauerstoffvolumen, auf 20 sm Substanz und 12 Stunden Versuchsdauer berechnet, nicht weniger wie 1157 «“@ betrug, ein Volumen, das die Produktion von seiten der Brennesselpflanze weit übertrifft. Nicht weniger hoch ist das Maß für die Atmungstätigkeit der Raupe, das sich namentlich aus einem Nachtversuch, in dem die Atmungs- luft nur 0-4 Prozent des Gases enthielt, sehr deutlich zu erkennen gibt. Es hatte in diesem Fall, ebenfalls auf 20 == Substanz und 12 Stunden Versuchsdauer bezogen, ein Sauerstoffverbrauch von 199.6 «= und eine Kohlensäureabgabe von 120 = stattgefunden. Ein zweiter Versuch wurde darauf bei Tag, ebenfalls in atmosphärischer Luft, vorgenommen. Es fand sich am Schluß des Experimentes eine Zunahme an Sauerstoff von 41 und an Kohlensäure von 80 «=, auch wieder auf die Norm von 20 =” und 12 Stunden berechnet. Wir haben auch hier wieder einen Fall vor uns, wo der Sauerstoffabgabe keine Aufnahme von Kohlensäure unmittelbar vorhergeht, einen Fall, bei dem wir uns zu fragen haben, welche Zer- setzungen sich wohl im Organismus des Tieres vollziehen mußten, um dieses Mehr an Sauerstoff zu beschaffen. Einen weiteren Fall von sehr ausgiebiger Sauerstoffproduktion be- obachtete ich in einem Experiment mit Raupen von Vanessa urticae, 76 M. GrRÄFIN VON LINDEN: bei denen es sonst nicht so leicht gelungen ist, die Assimilationsvorgänge zur Anschauung zu bringen. Auf 20 m Raupen und 12 Stunden Ver- suchsdauer bezogen, hatten die Raupen 286 °°m Sauerstoff produziert. Auch in bezug auf den Stickstoffstoffwechsel bieten uns die Schmetterlingsraupen ganz interessante Abweichungen von dem Verhalten der Puppen. Während bei der Schmetterlingspuppe in der weit über- wiegenden Zahl der Fälle Stickstoffabsorption stattfand, kommt bei den Raupen fast ebenso häufig Stickstoffabgabe vor. Wir können uns dieses verschiedene Verhalten der Raupen nur dadurch erklären, wenn angenommen wird, daß wir es bei den Puppen mit hungernden Tieren zu tun haben, während der Darm der Raupen bei dem Experiment meistens noch mit Nährmaterial angefüllt war. Dies würde dem Verhalten bei höheren Tieren vollkommen entsprechen, wo allgemein beim normal ernährten Individuum Stickstoffabgabe, beim hungernden aber Stickstoffaufnahme be- obachtet wird. Einfluß des Aufenthaltes in kohlensäurereicher Atmosphäre auf die Raupen und Puppen von Schmetterlingen. Befindet sich die Pflanze in einer kohlensäurereichen Atmosphäre, so beobachtet man, daß sich ihr Organismus infolge der gesteigerten Assimi- lationsvorgänge schneller an kohlenstoffhaltigen Verbindungen bereichert. Ihr Wachstum wird ein rascheres wie unter normalen Verhältnissen, ihre (sewichtszunahme eine ausgiebigere. Wie verhält sich nun in dieser Beziehung die Schmetterlingspuppe, der ja, wie wir aus den vorhergehenden Experimenten ersehen haben, ebenfalls die Fähigkeit zukommt, der Luft die Kohlensäure zu entnehmen und unter der Einwirkung des Sonnenlichtes zu zerlegen. Findet auch bei ihr, wie bei der Pflanze, wirkliche Kohlenstoffassimilation statt, wird auch bei ihr die Kohlensäure nach der Spaltung in einen kohlenstoffhaltigen Komplex und in Sauerstoff im Organismus fixiert, in organische Substanz verwandelt? Wird der Organismus der Puppe auf diese Weise kohlenstoffreicher, ist bei der Puppe selbst ein Wachstum, eine Gewichtszunahme zu erkennen? Um festzustellen, ob eine derartige Mästung der Schmetterlingspuppe durch Kohlensäure, vielleicht auch durch Stickstoff erzielt werden kann, machte ich folgenden Versuch: Ich ließ mir eine größere Zahl gleichalter Puppen vom Segelfalter kommen und teilte dieselben in drei Serien. Eine Puppenserie wurde in meinem Arbeitszimmer des Zoologischen In- stituts auf von Zeit zu Zeit angefeuchtetem Moos bei freiem Luftzutritt und mäßigheller Beleuchtung gehalten; die zweite Serie kam in einen abge- schlossenen Behälter mit feuchter Luft zu liegen; die Atemluft wurde alle DIE ASSIMILATIONSTÄTIGKEIT BEI PUPPEN UND RAUPEN. ron 24 Stunden erneuert, und eine dritte Serie befand sich in einem zweiten Puppenbehälter, der aber nicht mit atmosphärischer, sondern mit kohlen- säurereicher Luft gefüllt war. Die Atmungsprodukte der beiden zuletzt aufgeführten Puppenserien, die tagsüber ebenfalls dem Licht ausgesetzt waren, wurden fast regelmäßig jeden Abend nach 6 Uhr analysiert, an Sonn- und Feiertagen und während der Weihnachtsferien, so oft mich also meine dienstlichen Verpflichtungen an der Ausführung dieser Arbeit nicht hin- derten, wurde auch Vormittags eine Analyse der während der Nacht ge- _ atmeten Gase angestellt. Die Ergebnisse der Analysen sind zum größten Teil, wenigstens für die in kohlensäurereicher Luft gehaltenen Puppen, in den gasanalytischen Tabellen mitgeteilt; die Ergebnisse der Puppenatmung in atmosphärischer Luft sollen für eine spätere Arbeit verwendet werden. Alle drei Serien dieser, unter so verschiedenen Verhältnissen lebenden Schmetterlingspuppen wurden in bestimmten Zeiträumen gewogen, wobei darauf geachtet wurde, daß die in feuchter Luft gehaltenen Puppen vor dem Wägen mindestens eine halbe Stunde in trockener Luft gelegen hatten. Die Ergebnisse dieser Wägungen sind im folgenden mitgeteilt. Serie I, die in trockener Zimmerluft gehalten worden war, zeigt, wie es bisher immer als normal befunden worden ist, daß die Puppen von Tag zu Tag an Gewicht abnehmen, und zwar wird die durchschnittliche Ge- wichtsabnahme mit dem Alter der Puppen größer. Vom 19. Dezember 1904 bis 7. Januar 1905 betrug die Gewichtsabnahme im Durchschnitt 0.018 er” täglich; von da an bis Ende des Versuchs bis zum 23. Januar war die tägliche Abnahme = 0,045 &", somit nahezu dreimal so groß. Während des ganzen Versuchs hatten die unter normalen Bedingungen, allerdings bei Zimmertemperatur gehaltenen Puppen 1.0764 em, also etwas weniger, wie den zehnten Teil ihres Anfangsgewichtes verloren. Leider wurde diese Kontrollserie ein Opfer der Mäuse, die ihr Zerstörungswerk in der Nacht vom 1. auf den 2. Februar vollbrachten. Serie II in feuchter atmosphärischer Luft gehalten, zeigte im Anfang des Versuchs abwechselnd Gewichtszunahme und Gewichtsabnahme. Bis zum 23. Januar blieb das Körpergewicht der Puppen hinter dem Anfangs- gewicht zurück; von diesem Zeitpunkt an aber war dann eine ziemlich schnelle Zunahme zu verzeichnen, die ihr Maximum am 22. Februar er- reicht hatte. Die Puppen wogen jetzt um 0-506 =” mehr wie zu Anfang, hatten somit um den 23. Teil an Gewicht zugenommen. Von diesem Datum an beobachten wir indessen wieder eine Gewichtsabnahme, die dadurch ver- ursacht war, daß eine tote Puppe entfernt werden mußte und daß einzelne unter den Puppen sich ausfärbten, was immer von einer Gewichtsabnahme begleitet zu sein pflest. Wir sehen aus diesen Versuchen, daß die nor- malerweise bei der fortschreitenden Entwicklung der Schmetterlingspuppen 78 M. GRÄFIN von LINDeEx: auftretende Gewichtsabnahme zum großen Teil wohl durch Wasserverlust bedingt wird, da Puppen, die sich in mit Wasserdampf gesättigter Atmo- sphäre befinden, während ihrer Metamorphose an Gewicht nicht verlieren, sondern im Gegenteil zunehmen. Vielleicht ist diese Gewichtszunahme auch mit dadurch zu erklären, daß den Puppen ihre eigene bei der Atmung abgegebene Kohlensäure für Assimilationszwecke zur Verfügung bleibt, daß sie gleichsam in einer Atmosphäre mit höherem Kohlensäuregehalt leben, wie unter normalen Verhältnissen. Ergebnisse der Puppenwägungen. Serie’l. Serie I. Serie III. Datum Gewicht Differenz 2 Differenz il Differenz TREE Wwıc | 275 z wie EHEN stm | gesamt | täglich | grm | gesamt täglich | grm | gesamt \ täglich ” —0.1516 —0-0168 lang +0-526° , +0-049 |+0°005 5. L 05) dr anga] 01602 —0:0200 Mer —0:002 |—0:0002 10-678 +0.044 |+0:0048 1 9 76g9| 01566 —0:0261 or +0.018 |+0.003 10-692 +0.0144 +0:0023 15° de 9 gaze| 0 4156 —0:0519 1 gg; 9005 +0:0006 10-722 +0:0296, +0-0037 98, | 9:552 —0.1924 —0-0451 11.799| 0084 +0:008 10-766 +0:0440 +0-011 a . = +0-096 |+0+009 +0+1900 +0-019 2. 11. „Die Puppen von den Mäusen | 11-825 10.956 f m { +0-157 ‚+0°015 +0:2270 +0-022 12 u, geiresse 12-082 11:183 +0-164 |+0-016 +0.641 ;+0:-064 22. & 12-246 e 11.824) 2 2 97 111-641 —0:605 12.069 +0.245 +0°055 8. I 2 11-751 +0-110 |+0-012 aan +0:432 |+0-048 Ma: 1+0-069 ,+0-011 > |+0:368 | +0-061 EN: 11-820, 12-869 +.0-215 |+0-053 IUO)N nee Versuch abgebrochen, um | 13-084 - Ind. Son RN die Falter zum Auskriechen | 12.549 —0:535 | geiegen SEEN zu bringen. 12.3g0, + 0331 | 0066 Die Puppen zur Analyse verschickt. Serie I. Serie Il. Anfangsgewicht 10-2316 Anfangsgewicht 11.740 er Ne Endgewicht 9-15522,; Maximalgewicht 12-246 „, 0.506 er Gewichtsabnahme 1°0764 „, Endgewicht 11-620 „, Gewichtsabnahme 0°120 „, Serie II. Anfangsgewicht . 10.555» | Maximale Zunahme Maximalgewicht . 13.084 „ J 2.499 srm Eudsewäichtir. 2.0.02 12-880 „, Gewichtszunahme am Schluß des Versuchs 2.295 „ ! Es war eine neue Puppe dazugekommen. ? Eine Puppe war krank und wurde entfernt. DIE AssıMmILATIONSTÄTIGKEIT BEI PUPPEN UND RAUPEN. 79 Von größter Bedeutung für die hier zu lösende Frage sind die Resul- tate der Serie III, der in kohlensäurereicher Luft gehaltenen Puppen. Von Anfang an nahmen die Puppen in kohlensäurereicher Luft lang- sam an Gewicht zu; bis zum 23. Januar waren die Puppen bereits um 0.181 Sm schwerer geworden. Von Ende Januar an wurde der durch- sehnittliche Gewichtszuwachs plötzlich ein viel größerer, eine Erscheinung, auf die wir schon bei Besprechung der Serie II aufmerksam gemacht hatten; auch dort war das Körpergewicht der Puppen um diesen Zeitpunkt rasch angestiegen. Am 20. März hatte das Gewicht der in kohlensäurereicher Luft gehaltenen Puppen seinen Höhepunkt erreicht; die Zunahme betrug jetzt im ganzen 2.499 &m, also den vierten Teil des Anfangsgewichtes. Diese beträchtliche Zunahme von 25 Prozent war zum Teil jedenfalls auf Rechnung der Wasseraufnahme zu setzen; es war aber nicht von der Hand zu weisen, daß auch die in dieser Zeit absorbierten gasförmigen Substanzen dabei mit in die Wagschale fallen konnten. Am 20. März machte ich mit derselben Puppenserie einen Atmungsversuch, bei dem ich sie direktem Sonnenlicht aussetzte; das Experiment hatte, wie wir aus der Tabelle ersehen, einen ganz beträchtlichen Gewichtsverlust der Puppen zur Folge, der in den nächsten Tagen zum Teil wieder kompensiert wurde. Am 25. März wurde das Experiment abgebrochen, und die Puppen zur Analyse versendet. Wenn wir die Endresultate der Serien I und III miteinander vergleichen, so sehen wir, daß tatsächlich bei Serie III durch den Kohlensäuregehalt der Atmosphäre eine Mästung der Puppen eingetreten war. Nicht nur, daß die Puppen aus Serie III nicht an (Gewicht abnahmen, wie es bei den normalgehaltenen Tieren in Serie I der Fall war; wir finden hier in der kohlensäurreichen Luft eine Gewichts- zunahme, die den vierten Teil des ganzen Körpergewichts beträgt, die somit auch mehr wie fünfmal größer ist, wie die Zunahme der Puppen in feuchter Atmosphäre. Wenn wir berechnen, daß die Puppen der Serie III ungefähr 2 2” an Körpersubstanz erspart haben, denn soviel hätte die Gewichtsabnahme normal gehaltener Puppen in diesem Zeitraum mindestens betragen, so ergibt sich für die in kohlensäurereicher Luft gehaltenen In- sekten ein Gewinn von im ganzen 4-599 sm, Die Puppen hatten danach in 3 Monaten in kohlensäurereicher Atmosphäre die Hälfte ihres Anfangs- - gewichtes teils erspart, teils neu erworben. Es ist nun natürlich sehr wesentlich, festzustellen, ob diese Ersparnisse, bzw. der Gewinn an Körper- gewicht, auf Wasseraufnahme allein zurückzuführen ist, oder ob sich auch aus dem, aus der Atmosphäre entnommenen Kohlenstoff und Stickstoff organische Substanzen aufgebaut haben. Einen Anhaltspunkt über die Art des Gewichtszuwachses, über die Qualität der gebildeten Substanzen läßt sich einmal aus der Änderung, die das spezifische Gewicht der Puppen s0 M. GrRÄFIN VON LINDEN: erfährt, ableiten, andererseits in genauerer Form aus dem Ergebnis der Elementaranalyse. So weit es mit der verhältnismäßig geringen Puppen- menge möglich war, haben diese beiden Wege, auf denen die Bestimmung versucht worden ist, wenigstens zu Anhaltspunkten über die Verwendung der absorbierten Kohlensäure und des aufgenommenen Stickstofis geführt. Was nun in erster Linie die Veränderungen des spezifischen Gewichtes der Puppen betrifft, so werden wir bei einer Zunahme der kohlenstoffhaltigen Verbindungen im Organismus nur dann eine Erhöhung des spezifischen Gewichtes beobachten, wenn der Zuwachs nicht in Fett, d. h. in spezifisch leichteren Körpern als Wasser besteht. Wir können ferner eine Erhöhung des spezifischen Gewichtes erzielen, wenn Hohlräume des Körpers, die bisher Luft enthielten, sich mit Körperflüssigkeit mit wasserhaltigen Säften erfüllen. Im letzteren Fall kann also allein schon der gesteigerte Turgor der Gewebe eine Zunahme des spezifischen Gewichtes vortäuschen. Die Puppen, die vorher durch die mit Luft erfüllten Räume in den Geweben, im Wasser schwebend erhalten wurden, sinken jetzt unter, . da die Gesamtheit der ihren Körper aufbauenden Substanzen schwerer ist wie Wasser. Ein solches Untersinken der vorher im Wasser schwebenden oder an der Oberfläche des Wassers schwimmenden Puppen wurde auch tatsächlich beobachtet, nachdem die Versuche eine Zeitlang im Gang ge- wesen waren. Ich erinnere mich nicht mehr, wann ich das Untersinken zuerst beobachtet habe, ich glaubte aber, als ich es wahrnahm, daraus schließen zu müssen, die Puppen hätten an spezifischem Gewicht zu- genommen. Die Wägungen, die ich im Laufe der Untersuchungen anstellen mußte, um das den Puppen zur Verfügung stehende Luftvolumen im Puppenbehälter zu bestimmen, gaben mir gleichzeitig das Material an die Hand, um die Veränderungen des spezifischen Gewichtes der Versuchstiere in den verschiedenen Zeiträumen zu ermitteln. Aus dem während der Versuche wachsenden absoluten Gewicht der Puppen und dem Gewicht des durch sie verdrängten Wassers ergaben sich die im folgenden zusammengestellten, dem spezifischen Gewicht der Puppen entsprechenden Zahlen: Veränderung des spezifischen Gewichts der Puppen. Serie II. 19. XI. 04. Gewicht der Puppen 10.58 sm 10.58 Gewicht des verdrängten Wassers 10-0 le Spez. Gew. 19.98, L.08 30. XU. 04. Gewicht der Puppen 10-646 „| 10-646 6 N des H,O 10-846 ER ” ” . 10-846 m, 0.9816. 2 2) r der Puppen 10.766 10.766 1; des H,O 10:866 an ) „ 10:66 — 0:990. DIE ASSIMILATIONSTÄTIGKEIT BEI PUPPEN UND RAUPEN. si ; r en. : n 12-501 „)< 12-501 e s. III. 05. Gewicht der Puppen 12-501 „ Spez. Gew. 17.501 08 des H,O 11.801 „ 53111. 05. F der Puppen 12.880 „ | 12-880 | r des H,O 12.111° , » »„ Ta. 7 1064. Serie II. 19. XII. 04. Gewicht der Puppen 11-148” N 11-148 5 ez. Gew. — — = 1:03. Gewicht des verdrängten Wassers 10-748 „| x 10.748 4 7. I. 05. Gewicht der Puppen 11.672 a e R 11-672 _ 0: 9883. 0 .:des,H,0, 2° 11-9227, ’ 11-922 22. II. 05. „ . der Puppen 12-246 „| 12.246 _ 1001 des H,O 12.256 0, ” 12-236 ö Wir ersehen aus dieser Zusammenstellung, daß die Puppen beider Serien bei Beginn der Versuche schwerer waren wie Wasser, ihre Dichte verhielt sich zu Wasser wie 1:1-04, bzw. wie 1:1-03. Während des Monats Dezember verringerte sich nun das spezifische Gewicht der Puppen auf 0-9816, bzw. 1-01. Die in kohlensäurereicher Atmosphäre befindlichen Puppen hatten somit an spezifischem Gewicht schneller abgenommen wie die in feuchter, atmosphärischer Luft gehaltenen Tiere. Wir sehen nun, daß die in kohlensäurereicher Luft befindlichen Tiere wieder schwerer werden, während die Puppen der Serie II am 7. Januar ihr niedrigstes spezifisches Gewicht erreichen. Wir haben im vorhergehenden bereits hervor- gehoben, daß die Puppen beider Serien Anfang März plötzlich große Zu- nahmen ihres absoluten Gewichtes zeigten; in derselben Zeit beobachten wir nun auch, daß sie spezifisch schwerer werden. Das Maximum ihres spezifischen Gewichtes erreicht Serie III am 25. März mit spez. Gew. 1-064, Serie II schon im Februar mit spez. Gew. 1001. Das spezifische Gewicht eines Kubikzentimeters der in kohlensäurereicher Luft gehaltenen Puppen war demnach am Schluß der Experimente um !/,,. größer geworden wie bei Beginn der Versuche. Die Puppen in feuchter Atmosphäre hatten da- gegen ihre anfängliche Dichte nicht mehr erreicht, sie blieben spezifisch leichter. Was läßt sich nun auf Grund dieser Bestimmungen über die Natur der die Gewichtszunahme bedingenden Substanzen aussagen? Besteht die ganze Änderung des absoluten Gewichtes der Puppen aus einer Zunahme der wäßrigen Bestandteile ihres Körpers, begleitet von einer Abnahme des Luftgehaltes in den Geweben? Wäre dies der Fall, so müßte, wie schon früher ausgeführt worden ist, auch das spezifische Gewicht des Puppen- körpers wachsen; dies war aber nicht zu beobachten, sondern im Gegenteil, das spezifische Gewicht war trotz des stetig wachsenden absoluten Gewichtes fast über einen Monat lang im Abnehmen begriffen. Wollten wir nun Archiv f, A, u. Ph, 1906. Physiol. Abtlg. Suppl. 6 82 M. GRÄFIN vVoN LiINDEn: trotzdem die Wasseraufnahme für das Schwererwerden der Puppen ver- antwortlich machen, so wäre es notwendig anzunehmen, daß das Wasser an Stelle eines spezifisch schweren Körpers getreten ist, daß z. B. eiweißhaltige Körper oder Kohlenhydrate verbraucht und durch wäßrige Flüssigkeiten ersetzt worden sind. In diesem Fall könnte dann das spezifische Gewicht unter 1 herabsinken. Wenn wir von der Bildung spezifisch leichter Sub- stanzen absehen, so wäre eine Abnahme des spezifischen Gewichts des Puppenkörpers auch noch dadurch erklärt, daß das gesamte Volumen der Puppen eine bedeutende Vergrößerung erführe. Ein solches Größer- werden der Puppen wird in der Tat beobachtet. Die Puppen zeigten, nachdem sie einige Zeit in der OO,-reichen Atmosphäre zugebracht hatten, ein pralleres Aussehen, die Abdominalringe zogen sich auseinander; aber alle diese Veränderungen waren zu dem Zeitpunkt am auffallendsten, als bereits wieder eine Zunahme des spezifischen Gewichts erfolgt war. Diese Volumenzunahme der Puppen läßt sich auch sehr deutlich aus den Wägungen, zwecks Volumenbestimmung der Atemluft, entnehmen. Am Anfang der Versuche enthielt das die Puppen bergende Gefäß 119.62 «m Wasser, am 21. Dezember 119.31”, am 23. Dezember 118.99 m, am 24. Dezember 118-966 «=, am 30. Dezember 118-854”, am 2. Januar 118.9916 «=, am 22. Januar 118-834 °®, am 16. Februar 118-107 cm, am 8. März 117.899 cn, am 25. März 117.589, Diese Abnahme des in den mit den Puppen gefüllten Behälters enthaltenen Wasservolumens entspricht einer ebenso großen Volumenzunahme von seiten der Puppen; die Puppen hatten in drei Monaten um nahezu 2“ an Volumen zugenommen. Im Laufe des ersten Monats betrug diese Zunahme 0. 786 «m — 0.958 Prozent des Gesamtvolumens, im zweiten Monat 0.727 m = 0.612 Prozent und im dritten Monat 0.518 ° m = 0.428 Prozent; sie wurde somit mit fort- schreitender Entwicklung geringer. Es scheint mir danach nicht aus- geschlossen, daß das Sinken des spezifischen Gewichtes in dem ersten Monat, in den die stärkste Volumenvergrößerung fällt, zum Teil vielleicht auf diese Oberflächenvergrößerung des Puppenkörpers zurückzuführen ist, auf eine Volumenzunahme, die das Wachsen der Masse des absoluten Gewichts über- trifft. Später freilich, wenn das Anwachsen des Volumens langsamer vor sich geht, während das absolute Gewicht in schnellerem Tempo zunimmt, wird das Verhältnis ein anderes, wie es auch aus der Berechnung hervor- geht, wenn wir beide Zunahmen, Volumen und Gewicht, in jedem Zeitpunkt in Prozenten ausdrücken. Das Volumenwachstum beträgt in dem ersten Monat 0.958 Prozent, im zweiten 0.612 Prozent, im dritten 0.438 Prozent des Gesamtvolumens; die Gewichtszunahme beläuft sich umgekehrt im ersten Monat auf 1-71 Prozent, im zweiten auf 6.599 Prozent, im dritten auf 12.24 Prozent des Gesamtgewichts. Wir ersehen hieraus, daß sich DIE ASSIMILATIONSTÄTIGKEIT BEL PUPPEN UND RAUPEN. 83 Volumen und Gewichtszunahme umgekehrt proportional verhalten; wir müssen aber gleichzeitig aus dem Wachstumsverhältnis schließen, daß die Gewichtszunahme auch schon im Anfang mit der Volumenzunahme nicht ganz gleichen Schritt hält, daß sie dieser vorauseilt. Daraus ist aber zu folgern, daß die Volumenvergrößerung auch am Anfang nicht genügt, um das Absinken des spezifischen Gewichtes zu erklären, vorausgesetzt, daß die Zunahme des Körpergewichtes auf eine Bereicherung der Puppen an Sub- stanzen zurückzuführen ist, die, hinsichtlich ihrer Dichte, dieselbe Beschaffen- heit zeigen, wie das Material, aus dem sich der Puppenorganismus bei Be- ginn des Versuchs zusammensetztee Wenn wir die Änderungen, die das spezifische Gewicht erfährt, ebenfalls in Prozenten ausdrücken, so finden wir im ersten Monat eine Abnahme vön 4-8 Prozent bei einer Volumen- annahme der Puppen von 0.958 Prozent und eine Zunahme ihres absoluten Gewichtes von 1-71 Prozent; im zweiten Monat finden wir eine Zunahme des spezifischen Gewichtes von 0-833 Prozent bei einer Volumenzunahme von 0-612 Prozent und einer Gewichtszunahme von 6-599 Prozent; im dritten Monat ergibt sich endlich eine Zunahme des spezifischen Gewichtes von 6-58 Prozent, bei einem Volumenwachstum von 0.438 Prozent und einer Gewichtszunahme von 12.24 Prozent. Dieses bedeutende Absinken des spezifischen Gewichtes bei einer im Verhältnis zum absoluten Gewichts- zuwachs doch immerhin geringen Volumenvergrößerung und das langsame Ansteigen desselben am Schlusse des Versuchs, wo doch die Volumen- vergrößerung fast nur noch halb so schnell wie zu Anfang erfolgt, während das Körpergewicht zehnmal rascher wächst, läßt sich nur dadurch erklären, wenn man annimmt, daß von vornherein und zwar ganz besonders im ersten Monat eine Bereicherung des Organismus an Sub- stanzen stattfindet, die spezifisch leichter sind als Wasser. In erster Linie werden wir an die Bildung von Fettkörper denken, die ja, wie bekannt, während der Metamorphose der Schmetterlingspuppe eine wichtige Rolle spielen. Auf diese Weise ließe es sich verstehen, daß die Abnahme des spezifischen Gewichtes bei der Puppe am Anfang des Versuchs größer ist, als es durch die Volumenvergrößerung bedingt wird. Diese Fettbildung scheint ferner namentlich in den Wintermonaten vor sich zu gehen, und später im März von einer Bildung spezifisch schwererer Körper gefolgt zu sein, da auch zu dieser Zeit eine Zunahme des spezifischen Ge- wichtes zu verzeichnen war. Die um diese Zeit deutlich einsetzende, assi- milatorische Tätigkeit dürfte in erster Linie auf die Bildung von Kohlen- hydraten, die Stickstoffaufnahme auf die Entstehung stickstoffreicher, eiweißartiger Körper hinweisen. Jedenfalls läßt das Steigen des spezifischen Gewichtes über 1, bzw. über die Anfangsgröße von 1-04 darauf schließen, daß die Gewichtszunahme der Puppe nicht ausschließlich auf Wasserauf- 6* 84 M. GrÄFm von Linden: nahme, sondern auch auf die Bildung spezifisch schwererer organischer Verbindungen, zurückzuführen ist. Daß es tatsächlich im Körper der in kohlensäurereicher Luft gehaltenen Puppen zu einer Zunahme kohlenstoff- und stickstoffhaltiger Körper kommt, ersehen wir auch aus dem Ergebnis der Elementaranalyse, die Herr Dr. Gronover ausgeführt hat und deren Resultate am Schluß dieses Abschnittes mitgeteilt werden. Im folgenden seien noch einiger Veränderungen Erwähnung getan, die sich mehr auf das Äußere der in CO,-reicher Atmosphäre gehaltenen Puppen beziehen. Ich | | erwähnte bereits, daß am Schluß des Experimentes das Aussehen der Puppen dadurch in eigentümlicher Weise verändert war, daß sich die | Abdominalringe teleskopartig auseinandergezogen hatten. Der Puppenkörper erhielt dadurch und durch den Turgor der Gewebe ein pralles, hartes Aussehen, das an die Veränderung in Formol konservierter Körperteile er- innerte Die Puppen aber machten trotzdem einen vollkommen gesunden | Eindruck und zeigten keinerlei dunkle Flecken, wie sie bei faulenden und gestorbenen Puppen sehr bald aufzutreten pflegen. Bei verschiedenen Puppen war die Hülle zu eng geworden, so daß an den Stellen, wo sich später die Hülle öffnet, um den Schmetterling zu entlassen, Risse entstanden, aus denen bei unsanfter Behandlung Blut auszutreten pflegte. Die amö- boiden Bewegungen der Blutzellen zeigten dabei an, daß noch Leben in der Puppe vorhanden war. Auch die mitunter hervorquellenden Fettzellen machten einen durchaus gesunden Eindruck. | Noch ehe eine Gestaltsveränderung der Puppen zu beobachten war, machte sich bereits in den ersten Wochen eine eigenartige Verfärbung der Puppen bemerkbar. Die vorher gelbgrau aussehenden Tiere nahmen eine rosarote, dann gelbrote Färbung an. In ihren Epithelzellen hatte sich ein karminroter Farbstoff gebildet, und dasselbe Pigment trat auch an den Endigungen der Muskelzellen und im Innern der Fettzellen auf. Die grün- gefärbten Flecken an den Seiten des Puppenkörpers behielten ihre intensive Färbung während der ganzen Dauer des Experimentes bei. Ich lasse es, dahingestellt, ob in dem Erscheinen des roten Farbstoffs eine Neubildung | vorliest, oder ob sich hier ein Farbenwechsel, eine Verwandlung eines \ helleren Pigmentes in den roten Farbstoff vollzieht, wie wir es unter be- stimmten Umständen bei den Raupen und Puppen von Vanessen beobachten. Ich habe versucht, auf mikroskopischem Wege festzustellen, ob sich bei den, der kohlensäurereichen Luft ausgesetzten Puppen die Bildung von Kohlen- hydraten oder Fett nachweisen ließ. Während ich in bezug auf die Fett- bildung während des Winters ein entschieden positives Ergebnis zu ver- zeichnen hatte, indem sich durch diese Behandlung der Puppen regelmäßig. eine Vermehrung im Blut schwimmender mit Jod sich grünfärbender öl- artiger Tropfen ergab, konnte ich nicht mit Sicherheit die Bildung von | ( DIE AssıMmILATIONSTÄTIGKEIT BEI PUPPEN UND RAUDPEN. 5 Kohlenhydraten, speziell von Stärke oder Zucker, nachweisen. Ich erhielt wohl des öfteren bei Behandlung der epithelialen Puppengewebe mit Jod- kaliumlösung eine schmutzig violette Färbung; auch ergaben Kupfersulfat und Natronlauge in einem Fall einen sehr deutlichen Niederschlag von Kupferoxydul in den Fettzellen; ich möchte aber auf Grund dieser vereinzelt auftretenden Reaktionen keinen allgemeinen Schluß aufbauen. Einen bestimmten Anhaltspunkt über das Schicksal des von den Puppen aufgenommenen Kohlenstofis und Stickstoffs gibt uns die Elementar- analyse der zu dem Experiment verwendeten Puppen. Wie schon erwähnt, hatte Herr Dr. Gronover, jetzt Vorstand der chemischen Untersuchungs- anstalt in Mülhausen i. E., die große Liebenswürdigkeit, dieselbe für mich auszuführen. Als Kontrollobjekt hatte ich Dr. Gronover mit den im Experiment verwendeten, gleichaltrige, aber während dem größten Teil der Zeit bei Kellertemperatur gehaltene Segelfalterpuppen zugeschickt. Das Ergebnis der mit beiden Serien vorgenommenen Verbrennungen war das Folgende: Die sechs Puppen, die zur Kontrolle verwendet werden sollten und bei Kellertemperatur überwintert, hierauf ungefähr 8 Tage lang bei Zimmer- temperatur gehalten worden waren, wogen: Gewicht von 6 Puppen = 3.8326 sm. Gewicht 1. Puppe = 0.6387 sm, Ich bezeichne diese Puppen als „Kontrollserie“, Die elf in kohlensäurereicher Atmosphäre und in Zimmertemperatur gehaltenen Puppen wogen: Gewicht von 11 Puppen = 8.9454 e®. Gewicht 1 Puppe = 0-81303 sm. Ich bezeichne diese Puppen als „CO,-Serie“. Eine Puppe der CO,-Serie war um 0-81303 | 0:17433 sm — 0-63870 | 0.174383 srm, schwerer wie eine Puppe der Kontrollserie. Sie übertraf die Vertreter der Kontrollserie um: subt. ! BE log 17-433 =1-24180 | SEES 10-6387 0-50530. 11 0.6387 n log 1-43600 = 27:29 Proz. subt.! rund 27 Prozent, also um etwas mehr wie den vierten Teil ihres Körper- gewichtes an Gewicht. Wir haben im vorhergehenden aus den regelmäßig ausgeführten Wä- gungen der CO,-Puppen ersehen, das die CO,-Puppen im Laufe des Experimentes um den vierten Teil ihres Anfangsgewichtes zugenommen hatten, ihr Körpergewicht war in 3 Monaten um 25 Prozent gewachsen. S6 M. GrÄFIN von LiNDEn: Zwischen den Puppen der Kontrollserie und der CO,-Serie ‚besteht eine Gewichtsdifferenz von 27 Prozent, die Kontrollpuppen sind also um 2 Pro- zent leichter als es die CO,-Puppen im Dezember, bei Beginn der Versuche, waren, was wohl darauf zurückzuführen ist, daß die Puppen während ihres Aufenthaltes im Keller und mehr noch bei Zimmertemperatur etwas, wenn auch noch sehr wenig, an Körpersubstanz verbraucht hatten. Hätte ich die Kontrollserie statt im Keller im Zimmer überwintert, so wäre die Gewichtsdifferenz zwischen ihnen und den Puppen der CO,-Serie viel bedeutender gewesen, denn wir haben im vorstehenden berechnet, daß die Puppen, die ich zum Vergleich der ÜO,-Serie im Zimmer gehalten hatte, schon bis zum ersten Februar, also mehr als einen Monat früher annähernd um 10 Prozent leichter geworden waren, bis Mitte März hätte diese Ab- nahme zum mindesten das doppelte, also 20 Prozent, betragen. Es ist nun wichtig, zu untersuchen, ob das Übergewicht der CO,-Puppen nur durch eine Mehraufnahme an Wasser, oder aber durch Anlagerung von Trockensubstanz bedingt ist. Nach der Bestimmung von Dr. Gronover enthielten die Puppen beider Serien: An Trockensubstanz: An Wasser: Kontrollserie . . . = 21-75 Proz. — 18-257 Broz: CO05,-Serzeru Lana er — a9 nibar ",, —= 80-3000 Die Gewebe der Kontrollserie waren danach relativ wasserärmer wie die der CO,-Serie. Auf eine Puppe berechnet ergibt sich für die Vertreter der Kontrollserie: ein Wassergehalt log 0,7825 = 0,89348—1 | log 0,6387 = 0,80598—1 J n log 0,69946—1 = 0,5005 78,25-0,6387 add.! = 0.500521 7= 3 100 ein Trockensubstanzgehalt 0,6387 — 0.1382 8m 2, — 0,5005, 0,1382 bei den CO,-Puppen: Wassergehalt log 0,8037 = 0,90509—1 | I 0.6524em —. 281:0,81808 | 7,5 0.813032 0,9100 Mn 2 x = n log 0,81518—1 = 0,6534 Trockensubstanzgehalt 0,51303 = 0-.15963 8m x, = 0,65340, 0,15963 Die CO,-Puppen enthielten somit sowohl mehr Wasser wie auch mehr Trockensubstanz. Eine Puppe der CO,-Serie übertraf eine DIE ASSIMILATIONSTÄTIGKEIT BEI PUPPEN UND RAUPEN. 87 0-6534 Puppe der Kontrollserie ee gen Wassergehalt 0+1529 0-15968 | und arm 0.18500 j bl 0.2148 Fan Trockensubstanzgehalt. Die 0-02143 am Puppe der CO,-Serie war somit um 23-94 Prozent an Wasser und um 8'359 Prozent an Trockensubstanz reicher geworden. Für die elf zu dem Versuch verwendeten Puppen würde dies eine Wasser- zunahme von 1-6819 © und eine Trockensubstanzzunahme von 0.253573 sm bedeuten; die CO,-Puppen hatten also während ihres Aufenthaltes in kohlen- säurereicher Atmosphäre ihr Gewicht in der Weise verändert, daß auf einen Teil Trockensubstanzzunahme rund 7 Teile Wasseraufnahme kamen. Die von Dr. Gronover ausgeführten Verbrennungen geben uns nun auch noch darüber Aufschluß, wie sich die Trockensubstanz beider Puppen- serien durch die abweichende Behandlung in ihrer Zusammensetzung verändert hatte. In 100% der getrockneten Puppensubstanz waren enthalten: Kontrollserie: CO, -Serie: Differenz: = 49.91 Proz. C = 50-50 Proz. C= + 0:60 Proz. ER 3261, 2; Hr, 943 5, H=-—-0.18 „ NE 9.54,, N =10:%2 „ N =+r1-.08 „ N,=10-.54 „ N,= +1:00 „ Organische Substanz . Organische Substanz — 69.06 Proz. = 10-56 Proz. = + 1:50 Proz. Zunahme —.70.48 ; bzw. +1-42 „ ; Anorganische Anorganische Bestandteile + O Bestandteile + O —= 20-94 Proz. = 19-44 Proz. bzw. 19-52 Proz. Wir entnehmen diesen Angaben, daß bei den CO,-Puppen die organischen Bestandteile, die kohlen- und stickstoffhaltigen Verbindungen relativ mehr zugenommen haben mußten wie die anorganischen und daß unter diesen wieder die größte Zunahme auf den Stickstoff entfällt. Berechnen wir nun den Kohlenstoff-, Sauerstoff- und Stickstoff- gehalt für eine Puppe beider Serien, so wird sich daraus ergeben, wie groß die absolute Bereicherung der CO,-Puppen an diesen organischen Bestandteilen war, und wie sie auf die organischen Substanzen entfällt. Eine Puppe der Kontrollserie enthielt 0.1382 sm Trockensubstanz. Diese bestand zufolge des Ergebnisses der Analyse aus: 883 M. GrRÄFIN voN LINDEn: a log 0,4991 = 0,69819—1 | C = 0.068980 = ER, 1080,1882 = 0,14051—1 | n log 0,83870—2 = 0,06898 er add.! log 0,0961 = 0,98272— 2 | log 0,1382 = 0,14051—1 | nlog = 1,12323—3 = 0,0132 em 9,61-0,1382 add.! — er 29 grm na . E7070132 C, 100 ; log 0,1882 = 0,14051—1 | N = 0.015319 m 2 iz log 0,0954 = 0,97955—2 | n log 0,12006—2 = 0,01319 am add.! Eine Puppe der CO,-Serie enthielt: 0-15965 =" Trockensubstanz. Diese bestand nach dem Ergebnis der Analyse aus: log 0,5051 = 0,70838—1 log 0,15963 = 0,20303— ı n log 0,90641—1 = 0,08062 ev VERERLR log 0,15963 = 0,203808—1 H = 0:015058m n, = en, log 0,0943 = 0,97454—2 n log 0,17757—2 = 0,01505 sin log 0,15963 = 0,20303—1 loc 0,1058 = 0.02449—1 n log 0,22752—2 = 0,01728 u „ _ 3951-0,15963 | C = 0.08062 gr" 100 ; 10,58-0,15963 _ N: 728m = N = 0:01728 Ts 100 : Eine Puppe der Kontrolltiere enthält somit an organischen Be- standteilen: C = 0-06898 ern H = 0:-01320 „, N = 0:01319 „ 0-09537 am Eine Puppe der CO,-Serie enthält an organischen Bestand- teilen: C = 0.08062 ®” sje enthält mehr an U=0-01164:." ER—70:01505=5 H = 0:00185 „, N = 0:01728 „ N =0-00409 „ 0.112953” Sie enthält mehr an organischen Bestandteilen: 0.01758 sm, Dies ent- spricht einer Bereicherung der 11 CO,-Puppen an organischen Bestandteilen von: 0.195988", Eine Puppe der Kontrollserie enthält an organischen Bestand- teilen + Sauerstoff: 0.012830 DIE AssIMILATIONSTÄTIGKEIT BEI PUPPEN UND RAUPEN. 89 Eine Puppe der CO,-Serie enthält an anorganischen Bestand- 015963 | ph: teilen + Sauerstoff: 09-1125 1°" 0-04668 sa Die Puppen der CO,-Serien sind an anorganischer Substanz + 0-04668 Sauerstoff reicher geworden und zwar um: 004283 eine geringe Zu- 0-00385 sn nahme, die wohl auf eine Aufnahme von Sauerstoff zurückzuführen ist, da anorganische Substanzen den Puppen nicht zugeführt wurden. Für die 11 CO,-Puppen würde diese O-Zunahme: -0-04235 s’” betragen. Zusammen- fassend können wir sagen: Die Puppen vom Segelfalter haben während eines 3monati- gen Aufenthaltes in kohlensäurereicher Luft an Gewicht zu- genommen, und zwar betrug diese Zunahme etwas mehr wie den vierten Teil ihres Anfangsgewichtes. Die Gewichtszunahme ist teils auf Wasser-, teils auf die Aufnahme von Kohlenstoff, Stickstoff, Wasserstoff und auch auf Sauerstoff zurückzuführen. Die Puppen bereiten aus den aufgenommenen Gasen Trockensubstanz. Auf einen Teil Trocken- substanz kommen 3 Teile Wasserzunahme Die Puppen be- reichern sich relativ am meisten an Stickstoff, absolut am meisten an Kohlenstoff. Die geringere Zunahme, welche die anorganischen Bestandteile + Sauerstoff erfahren, ist sehr wahrscheinlich auf eine Vergrößerung des Sauerstoffgehaltes zurückzuführen. Es steht somit fest, daß: 1. die Schmetterlingspuppen imstande sind, aus der Luft Kohlensäure zu absorbieren, dieselbe gleich den Pflanzen vor- züglich bei Lichtzutritt in einen kohlenstoffhaltigen Komplex und in Sauerstoff zu spalten und den Kohlenstoff ihrem Körper als organische Substanz einzuverleiben. 2. Daß es ihnen ebenso möglich ist, den atmosphärischen Stickstoff für sich nutzbar zu machen und zwar in einem Grad, wie es bis jetzt nur für die Pflanze unter Beihilfe von Bakterien erwiesen ist. Beide Funktionen sind für die Schmetterlingspuppen, denen während der Zeit ihrer Metamorphose jede andere Nahrungsaufnahme abgeschnitten ist, von fundamentaler Bedeutung. Es ist daher nicht zu verwundern, daß sowohl Schmetterlingspuppen, wie Raupen den Aufenthalt in dem Puppenbehälter, trotz des hohen Kohlensäuregehaltes, sehr gut ertrugen. Die Puppenruhe erfuhr wohl eine Verlängerung, es wurde aber beobachtet, daß die Ausfärbung der Flügel in normaler Weise erfolgte, wenn auch die Flügel selbst durch 90 M. GRÄFIN von LINDEn: die ungewohnte Behandlung leichte Verkrüppelungen erlitten. Tödlich wirkte es für die in kohlensäurereicher Luft gehaltenen Schmetterlingspuppen, wenn sie früher, als es für das Auskriechen des Schmetterlings nötig war, den gewöhnlichen Bedingungen in atmosphärischer Luft ausgesetzt wurden. Die Ursache des dann regelmäßig erfolgten Absterbens, der vorher noch gut beweglichen und lebenskräftigen Puppen ist mir noch unbekannt. Auch die in kohlensäurereicher Luft gehaltenen Raupen wuchsen schnell zu kräftigen Tieren heran, verpuppten sich und ergaben normale Falter. Weitere Nachweise der Sauerstoffabscheidung im Licht bei Raupen und Puppen von Schmetterlingen. | 1. Anwendung der Engelmannschen Bakterienmethode. Nachdem durch die gasanalytische Untersuchung festgestellt worden war, daß sowohl die Puppen, wie die Raupen von Schmetterlingen unter geeigneten Bedingungen in kohlensäurereicher Luft, besonders unter dem Einfluß des Lichtes, Kohlensäure aufnehmen und Sauerstoff abgeben, schien es mir wichtig zu untersuchen, ob dieser assimilatorische Prozeß auch unter normaleren Verhältnissen, d.h. ohne einen künstlich gesteigerten Prozent- gehalt der Atmosphäre an Kohlensäure vor sich gehe. Gleichzeitig hoffte ich darüber Aufschluß zu bekommen, ob bei der Assimilation bestimmter Gewebe der Puppe und Raupe, vielleicht die farbstoffhaltigen Epithelzellen, ausschließlich beteiligt seien. Ich bediente mich zu diesem Zweck der Engelmannschen Bakterienmethode, durch die noch die geringsten Spuren freien Sauerstoffs nachzuweisen sind, und die am ehesten Aufschluß über eine Lokalisation der Assimilationstätiskeit geben kann. Ein sehr kleines Räubehen von Botys urticata wurde in einen Tropfen Infusorien oder Heubakterien enthaltende Flüssigkeit eingeschlossen, indem ich das die Raupe und den Wassertropfen bedeckende Deckgläschen durch einen Rand von Gflyzeringelatine oder von Kanadabalsam auf den Öbjektträger, auf dem sich die Raupe in der Bakterienflüssigkeit befand, luftdicht be- festigte. Den ersten Versuch machte ich mit einer kleinen Kolonie von Paramäcium. Die Infusorien waren zuerst außerordentlich lebhaft und bewegten sich während der ersten Viertelstunde mit großer Schnelligkeit in dem Wassertropfen umher. Nach einiger Zeit ließ indessen ihre Beweg- lichkeit nach und man beobachtete, wie die Infusorien sich um einzelne, beim Anfertigen des Präparates mit eingedrungen Luftblasen scharten. Die Raupe war inzwischen bewegungslos geworden. Das Präparat war unter dem Mikroskop in der Weise aufgestellt, daß eine Seite der Raupe heller beleuchtet war wie die andere. Nach Verlauf von etwa einer Stunde waren sämtliche Paramäcien aus den peripheren Teilen des Präparates, wo sie sich vorher umhergetrieben hatten, ver- DIE ASSIMILATIONSTÄTIGKEIT BEI PUPPEN UND RAUPEN. 91 schwunden, und hatten sich an dem Raupenkörper gesammelt, und zwar so, daß sich alle auf der stärker beleuchteten Seite befanden. Ihre Beweglichkeit war vollkommen normal, obwohl sie sich nie weit von der Raupe entfernten. Wurde nun das Präparat so orientiert, daß die vorher stärker beleuchtete Seite vom Licht abgekehrt war, so konnte man schon nach einigen Minuten verfolgen, wie das eine oder andere Paramäcium Anstrengungen machte, um sich unter oder über der Raupe hinweg nach der beleuchteten Seite hinüberzuarbeiten. Bis zum Mittag waren alle Paramäcien wieder auf der beleuchteten Raupenseite zu finden und bewegten sich bis zum Abend sehr lebhaft. Den folgenden Morgen waren die In- fusorien indessen bewegungslos geworden, und kein Lichtreiz vermochte sie mehr zum Leben zu erwecken. Die Raupe selbst, die vorher schön grün war, hatte sich ins Gelbe verfärbt, sie war ebenfalls abgestorben. Den zweiten Versuch machte ich mit einer Kultur von Heubakterien. Das Experiment war genau ebenso angeordnet, wie das erste; auch der Verlauf des Versuchs war derselbe. Als ich den die Bakterien enthaltenden Tropfen zugesetzt und Raupe samt Flüssigkeit luftdicht eingeschlossen hatte, zerstreuten sich die Bakterien erst ziemlich gleichmäßig im ganzen Präparat und umringten besonders dicht die darin enthaltenen Luftblasen. Sobald der Sauerstoff des Wassers und der Luftblasen aufgebraucht war, zogen sich die Bakterien in immer dichteren Massen auf den Raupenkörper zurück und befanden sich im ganzen Umkreis desselben in lebhaftester Bewegung. Bald konnte man indessen an bestimmten Stellen der Raupe Bewegungszentren beobachten, in denen die Bakterien bis gegen Abend in lebhaftestem Schwärmen begriffen waren. Die Bakterienanhäufungen waren an diesen Stellen so dicht, daß sie schon mit bloßem Auge als trübe Flecke wahrgenommen werden konnten. Auch in der übrigen Umgebung des Körpers sah man noch schwärmende Bakterien, die Anhäufungen standen indessen hier in keinem Verhältnis zu den oben erwähnten Hauptsammel- punkten. Die größte Anziehungskraft für die Bakterien schien mir von der Umgebung der dem Licht am meisten zugekehrten Stigmenöffnungen auszugehen; auch an einer Stelle, wo die feinen Bindehäute zwischen den Abdominalringen infolge einer Krümmung des Körpers frei nach außen gekehrt waren, hatten sich schwärmende Bakterien in großer Zahl ge- sammelt. Ich schließe daraus, daß sowohl das Tracheensystem, das ähnlich wie bei den Pflanzen den ganzen Körper des Insekts durchsetzende, luft- führende feine Kanalnetz, der Sauerstoflleitung dient, daß dieser aber auch aus den dünnen, die Hinterleibsringe verbindenden Häuten herausdiffundieren kann. Für die Bildungsstätte des Sauerstoffs, für die Kenntnis der die Assimilation ausführenden Gewebe haben wir damit freilich keinen Anhalts- punkt gefunden. 92 M. GrÄFIN von LINDeEn: Da der Darm der Botysraupen mit Pflanzenzellen angefüllt zu sein pflegt, so hielt ich es für notwendig, um mich nicht auf falsche Voraus- setzungen zu stützen, die assimilatorische Tätigkeit der in dem Darm ent- haltenen und noch Chlorophyll führenden Blattstückchen zu untersuchen. In einem dritten Präparat wurde deshalb eine Raupe nebst ihrem mittels einer feinen Pinzette entnommenen Darm in einen Tropfen Bakterienflüssig- keit eingeschlossen. Ich hatte erwartet, die dem Körper entnommenen, dem Licht ausgesetzten Blattstückchen würden eine erheblich größere assimilatorische Tätigkeit entwickeln, wie der Raupenkörper. Das Ergebnis war umgekehrt. Am lebhaftesten bewegten sich die Bakterien an einer Stelle des Raupenkörpers, die dem Darm abgekehrt und dem Licht zugekehrt war; um den Darm und dessen Inhalt selbst bildeten sich keine größeren Ansammlungen. Endlich versuchte ich noch die Intensität der assimila- torischen Tätigkeit der Raupengewebe mit der der Pflanze zu messen. Ein Stückchen eines Brennesselblattes wurde mit einem Stück einer grünen Botysraupe in Bakterienflüssigkeit eingeschlossen und unter das Mikroskop gelegt. Die Bakterien sammelten sich sowohl um das tierische Gewebe, wie um das Pflanzengewebe an. Die größte Anziehungskraft wurde am Anfang entschieden von der Pflanze ausgeübt, nach einiger Zeit umschwärmten die Bakterien das Raupenstück ebenso lebhaft wie das Blatt, dessen assimi- latorische Tätigkeit aber schließlich wieder überwog. Bis zum Abend waren auch die Bakterien in der Umgebung des Blattes zur Ruhe gekommen. Es bleibt noch zu erwähnen, daß durch Abblenden des Lichtes sowohl die Bewegung der Infusorien im ersten Versuch, wie auch die Bewegung der Bakterien sehr bald verlangsamte und zum fast völligen Stillstand gebracht werden konnte. Es wäre nun noch notwendig zu untersuchen, in welcher Region des Spektrums sich die assimilatorischen Prozesse, die sich durch die Anwesen- heit freien Sauerstoffs kundgeben, mit größter Intensität vollziehen. Aus Mangel des dazu notwendigen Apparates konnte ich der Lösung dieser Frage nicht näher treten, als es schon früher durch die Versuche mono- chromatischer Beleuchtung geschehen ist. Weitere Untersuchungen in dieser Richtung dürften über die Rolle Aufschluß geben, welche den grünen und roten Körperpismenten der Raupen und Puppen bei dem Assimilations- prozeb zuzuschreiben ist. 2. Anwendung der Hoppe-Seylerschen Hämoglobinmethode. Da die Bakterienmethode nur für kleine Objekte angewandt werden kann, so bediente ich mich für Puppen neben der Gasanalyse der von Hoppe-Seyler zuerst eingeführten Hämoglobinmethode zum Sauerstoff- nachweis. DIE ASSIMILATIONSTÄTIGKEIT BEI PUPPEN UND RAUPEN. 93 In eine reduzierte Hämoglobinlösung wurde eine Puppe von Sphinx euphorbiae eingeschlossen und das gut verschlossene Reagenzglas in die Sonne gestellt. Bei Beginn des Experimentes hatte die Lösung das spektro- skopische Bild des reduzierten Hämoglobins gegeben. Nachdem das Glas eine Zeitlang der Sonne ausgesetzt war, bildete sich in der Umgebung der Puppe eine Schicht, die dem bloßen Auge schon heller rot erschien. Im Spektroskop zeigten sich in dieser Schicht die Streifen des Oxyhämo- globins, die in das Spektrum des reduzierten Hämoglobins überführten, sobald das Glas etwas umgeschüttelt wurde. Nach weiterer Liehtexposition traten aufs neue die Streifen des Oxyhämoglobins in der Umgebung der Puppe auf, konnten aber auch dann durch Umschütteln wieder zum Ver- schwinden gebracht werden. Nachdem ich denselben Vorgang mehrere Male beobachtet hatte, wurde der Versuch abgebrochen. Zusammenfassung und Schlußfolgerung. Ergebnisse der Untersuchungen. In den vorstehenden Untersuchungen sollte die Frage entschieden werden, ob die Puppen und Raupen von Schmetterlingen befähigt seien, die in der Atmosphäre enthaltene Kohlensäure gleich den Pflanzen in ihrem Körper aufzunehmen und in ähnlicher Weise wie diese, den Kohlenstoff zum Aufbau organischer Substanzen zu verwerten. Es hat sich durch die gas- analytische Methode nachweisen lassen, daß bei den Puppen von Papilio podalirius und bei denen von Sphinx euphorbiae und ebenso bei den Raupen von Botys urticae und Vanessa urticae in kohlensäurereicher Atmosphäre Kohlensäureabsorbiertund Sauerstoffabgegeben wurde. Diese Sauerstoffabgabe bei vorausgehender oder gleichzeitiger Kohlensäure- absorption legt den Gedanken nahe, daß die Kohlensäure hier in ähnlicher Weise eine Spaltung erfährt wie bei der Pflanze. Sie läßt vermuten, daß auch der Insektenorganismus imstande ist, die Kohlensäure mit Hilfe fremder oder eigener Energie in Kohlenstoff und Sauerstoff zu zerlegen. Ferner wurde sowohl auf gasanalytischem Wege wie auch durch die Engelmann- sche Bakterienmethode und die Hoppe-Seylersche Hämoglobin- methode gezeigt, daß die Abspaltung des Sauerstoffs sich vorzugsweise bei Tag vollzieht, daß das Insekt, ebenso wie die Pflanze, die Lichtenergie benützt, um in seinem Organismus diesen Reduktionsprozeß auszuführen. Als Folge einer derartigen assimilatorischen Tätigkeit hat sich beiden Puppen Gewichts- zunahme und eine Steigerung ihres Kohlenstoffgehaltes ergeben. Es wurde ferner gefunden, daß die Puppen in kohlensäurereicher Luft außer dem Kohlenstoff auch Stickstoff aus der Atmosphäre aufnehmen 94 M. GrRÄFIN von LINDen: und daß ihr Organismus dadurch eine erhebliche Bereicherung an stickstoft- haltigen Substanzen erfahren kann. Die hier untersuchten Insekten nahmen somit Kohlenstoff und Stickstoff, Wasser- und Sauer- stoff in sich auf, um daraus organische Substanz zu bilden, sie zeigten sich befähigt in der Zeit, in welcher ihnen jede andere Nahrungszufuhr versagt ist, die für den Aufbau des neuen Organismus nötigen Stoffe aus der Atmosphäre zu schöpfen und so nicht nur einen großen Teil der durch Atmung verbrauchten Substanzen zu ergänzen, sondern auch ihren anfänglichen Gehalt an Trockensubstanz zu vergrößern. Dieses Verhalten erinnert uns leb- haft an den Assimilationsprozeß der Pflanze, der dort allerdings in noch viel ausgiebigerer Weise zu einer Vermehrung der Trockensubstanz führt. Die äußeren Bedingungen, welche die Kohlensäureaufnahme regeln und beeinflussen, die Art und Weise, wie die Kohlensäure im Insektenorganismus verarbeitet wird, bietet uns ebenfalls eine Reihe von Analogien mit dem Assimilationsprozeß der Pflanze. Wenn wir die Assimilationsintensität von Schmetterlingspuppe und Pflanze vergleichen, so ist sie bei der Pflanze größer, wenigstens den Segelfalterpuppen gegenüber. Die Ergebnisse mit den Puppen des Wolfsmilchschwärmers und die Assimilationswerte bei den Wickler- raupen deuten indessen an, daß auch bei den Insekten die Intensität des Assimilationsprozesses bedeutenden individuellen Schwankungen unterworfen ist. Wie groß die Schwankungen sein können, ergibt sich am deutlichsten, wenn wir die maximalen Beträge der absorbierten Kohlensäure und des abgegebenen Sauerstoffs miteinander vergleichen: Für 20 gm Puppensubstanz und 12 Stunden Versuchsdauer berechnet, erhalten wir bei Serie II vom Segelfalter ein Absorptionsmaximum von Kohlensäure von 3.06 cm bei Serie III ergibt sich als Maximum 12.12 bei der Brennesselpflanze ergibt sich als Maximum 85-39 bei den Wolfsmilchschwärmerpuppen ergibt sich als Maximum 38-00 bei den Wieklerraupen ergibt sich als Maximum 1069-00 ” ” ” P2 Für die Sauerstoffabgabe erhalten wir die Maxima in gleicher Weise berechnet: Segelfalterpuppen Serie II 4.93 Cu A a 10597 Brennesselpflanze 71-89 „, Wolfsmilchschwärmerpuppe 105-40 „, Brennesselwickler 1157-00 „, | } DIE ASSIMILATIONSTÄTIGKEIT BEI PUPPEN UND RAUPEN. 95 Mit der höheren assimilatorischen Tätigkeit finden wir fast regel- mäßig eine höhere respiratorische Tätigkeit verbunden, was aus den Werten für Sauerstoffaufnahme und Kohlensäureabgabe bei den Nacht- versuchen hervorgeht. Für 20 sm Puppen und 12 Stunden Versuchsdauer waren die maximalen Werte: Für die Für die Sauerstoffaufnahme: Kohlensäureabgabe: Segelfalterpuppen Serie II 5-97 4.94 er ses 8.52 10-18 Brennessel 59.82 123-8 Wolfsmilchschwärmerpuppen 6-11 7.13 Brennesselwickler 199-16 120.30 Mit Ausnahme der Wolfsmilchschwärmerpuppen ordnen sich die untersuchten Organismen nach ihren maximalen Leistungen in der Atmung in derselben Reihenfolge an, wie vorher bezüglich der Assimilation. Auch in den assimilatorischen Durchschnittswerten ist die Pflanze den beiden Segelfalterpuppenserien weit überlegen, den Puppen von Sphinx euphorbiae möglicherweise nicht, doch fehlt uns hier eine größere Versuchsreihe, um Bestimmtes aussagen zu können. Für die Absorption des Stickstoffs zeigt sich die Pflanze am besten geeignet, die von ihr aufgenommenen Stickstoffmengen übertreffen bei weitem die Leistungen der Schmetterlingspuppen. Es wird angegeben, daß das von der Pflanze bei der Assimila- tion abgeschiedene Sauerstoffvolumen nahezu ebenso groß sei wie das der absorbierten Kohlensäure. Derselbe Satz kann auch für den assimilatorischen Gaswechsel der Puppen von Papilio podalirius aufgestellt werden. Bei Serie II erhielten wir als assimilatorischen Quo- tienten die Zahl . — (0.812, bei Serie III =1-028, bei der Brennessel 2 ergab sich — > =]:.056. Sehr klein war der assimilatorische Quotient beiSphinxeuphorbiae. Die Puppen des Wolfsmilchschwärmers hatten unverhältnismäßig viel mehr Sauerstoff abgegeben; das Verhältnis des ab- j x CO, gegebenen Sauerstoffs zur aufgenommenen Kohlensäure war —, - = 0.395. 2 Ein ähnliches Verhalten findet sich, wie schon erwähnt, bei bestimmten Pflanzengattungen, den Succulenten, bei denen hauptsächlich während der Nacht organische Säure gebildet wird, die unter dem Einfluß des Sonnenlichtes der Spaltung anheim fällt und eine Kohlensäurequelle für die Pflanze darstellt. Auch bei Sphinx euphorbiae muß an eine Spaltung im Organismus gebildeter Kohlensensäure gedacht werden, um die die Kohlen- 96 M. GRÄFIN von LINDEn: säureabsorption weit übersteigeude Sauerstoflabgabe verstehen zu können, oder aber an die Umwandlung von Kohlehydraten in Fett, bei der ja eben- falls Sauerstoff und Wasser frei wird, ohne daß es allerdings, soweit wir wissen, für gewöhnlich zu einer Abscheidung von Sauerstoff kommt. Während beim Tier der respiratorische Quotient unter normalen Verhältnissen kleiner ist wie 1, pflegt er sich bei der Pflanze meist über 1 zu erheben. Diese Verschiedenheit kommt hier bei Puppen und und Brennesselpflanze sehr deutlich zum Ausdruck. In den beiden Puppen- serien des Segelfalters finden wir die respiratorischen Quotienten: Serie II - = 0.998, Serie II n = (0.986, bei der Pflanze er- 2 gibt sich dagegen die Zahl 2 = 1.659. Hinsichtlich des nächtlichen respiratorischen Gaswechsels, es handelt sich hier ausschließlich um Nachtversuche, scheinen somit die Schmetter- lingspuppen, die für die normale tierische Atmung charakteristische Eigen- tümlichkeit zu bewahren. Unter den äußeren Einflüssen, welche auf die Kohlensäureassimilation bei der Schmetterlingsraupe und -Puppe einwirken, spielt das Licht eine Hauptrolle. Wie von der Pflanze, so wurde auch von Puppe und Raupe vorherrschend bei Tag assimiliert und bei Nacht geatmet. Be- sonders die Sauerstoffabgabe, die den Spaltungsvorgang der Kohlensäure anzeigt, ist von der Beleuchtung abhängig. Nur wenige Stunden Licht können bei den untersuchten Tagfalterpuppen genügen, um die während der Nacht produzierten Atmungsprodukte zu verarbeiten, um den Assimi- lationsprozeß in den Vordergrund treten zu lassen. Dies zeigen die Nacht- versuche, in denen die Puppen nicht dunkel gelegt waren und von Sonnenaufgang an Licht und mit ihm die nötige Energie, um die Kohlensäure zu spalten, empfangen hatten. Am reinsten wird durch die Puppen vom Segelfalter der Serie III dieser Einfluß von Tag und Nacht, von Licht und Dunkel illustriert, besser sogar als durch die Versuche mit der Brennesselpflanze, denn nur einmal fand hier während eines Nachtexperimentes Kohlensäureaufnahme und Sauerstoflabgabe statt. Es wurde bereits gesagt, daß besonders die Sauerstoffabgabe von der Wir- kung des Lichtes abhängt. Immerhin wird auch die Kohlensäure- absorption von der Beleuchtung in deutlicher Weise begünstigt, es macht aber den Eindruck, als ob sich dieser Prozeß auch im Dunkeln abspielen könnte. Allein nicht nur die Quantität, auch die Qualität der Beleuch- tung beeinflußt bei der Schmetterlingspuppe die Kohlensäureabsorption und die Sauerstoffabgabe. Auch hier vollziehen sich beide Prozesse analog. wie bei den Pflanzen, energischer unter der Einwirkung der roten Strahlen, wie unter dem Einfluß blauer Beleuchtung. Es begünstigen beim Insekt DIE ASSIMILATIONSTÄTIGKEIT BEI PUPPEN UND RAUPEN. 97 die weniger brechbaren Strahlen größerer Wellenlänge die Assimi- lation, die brechbareren Strahlen kleinerer Wellenlänge die Atmung und es muß als eine höchst zweckmäßige Einrichtung betrachtet werden, daß die Puppenhüllen für die Strahlen im roten Teil des Spektrums am meisten durchlässig sind. Von sehr großem Einfluß auf das Hervortreten der asssimilatorischen Tätigkeit bei der Schmetterlingspuppe und -Raupe ist ferner die umgebende Temperatur. Hohe Temperaturgrade regen den Atmungsprozeß an, so sehr, daß auch unter sonst günstigen Beleuchtungsverhältnissen die assimilatorischen Vorgänge verdeckt werden. Sehr deutlich zeigte sich diese Tatsache in einem Versuch, den ich am 20. März mit Puppen des Segelfalters der Serie II angestellt habe. Ich exponierte das Gefäß mit den Puppen den ganzen Mittag der direkten Sonne, um, wie ich meinte, besonders günstige Bedingungen für die Assimilation herzustellen. Wie erstaunt war ich, als ich gerade das Gegenteil erreicht hatte: bedeutende Kohlensäureabgabe und eine, wenn auch geringe Sauerstoffaufnahme. Genau den- selben Mißerfolg hat Kreusler! in seinen schönen Untersuchungen über die „Assimilation und Atmung der Pflanzen‘ beschrieben. Wie in Kreuslers Versuch die Pflanze, so hatten auch in meinem Experiment die Puppen viel Wasser abgegeben und an Turgeszenz und Gewicht be- deutend verloren. Bei beiden Organismen, bei Pflanze und Tier, gestaltet sich somit das Verhältnis: zwischen Assimilation und Atmung bei steigen- der Temperatur zu ungunsten des ersteren, da die Atmung bei der Pflanze, ' wie auch beim Tier, bis an die Lebensgrenze dauernd zunimmt. Tempe- raturen von 14° bis 17°C. haben sich mit als die geeignetsten erwiesen, um die Assimnilationstätigkeit zu studieren, bei Pflanzen scheint das Optimum für die Assimilation zwischen 16° und 25°C. zu liegen, doch ist bei ihnen Kohlensäurezersetzung auch noch bei Graden unter Null beobachtet worden; dasselbe läßt sich auch von den Schmetterlingspuppen behaupten, auch bei ihnen fand ich Sauerstoffabgabe bei Temperaturen, die unter Null lagen. Ein weiterer, den Assimilationsprozeß bei den Schmetterlingspuppen und namentlich bei der Schmetterlingsraupe beeinflussender Faktor ist der Konzentrationsgrad der Kohlensäure in der Atmosphäre, insofern - als ein höherer Kohlensäuregehalt den Atmungsprozeß, der bei den lebhaft beweglichen Tieren leicht in den Vordergrund tritt, hemmend beeinflußt. Für die weniger lebhaften Puppen des Segelfalters, wie für die Brenn- nesselpfanze, ergaben sich keine wahrnehmbaren Unterschiede, ob der Prozentgehalt der Luft an Kohlensäure etwas höherer oder niederer war, 1 U. Kreusler, Über eine Methode zur Beobachtung der Assimilation und At- mung der Pfianzen und über einige diese Vorgänge beeinflussende Momente. Landw. Jahrb. VII. Jahrg. 1876. S. 944 ff. Archiv £ A.u. Ph. 1906. Physiol, Abtlg, Suppl. 7 98 M. GRÄFIN von LINDEN: wohl aber machten sich schon kleinere Differenzen bei den Schmetter- lingsraupen geltend, bei denen es eines bestimmten Kohlensäuregehaltes in der Luft bedurfte, um die Ursache gesteigerten Sauerstoffverbrauchs und erhöhter Kohlensäureproduktion, die Bewegung der Muskeln auszu- schalten. Nicht ohne Bedeutung scheint mir auch die Jahreszeit auf den Assimilationsprozeß der Schmetterlingspuppen zu sein. Die Zeit des üppigsten Pflanzenwachstums, das Frühjahr, ist auch bei der Puppe am günstigten, um den Assimilationsprozeß zu studieren. Als ein wichtiger Faktor, der bei dem Studium der assimilatorischen Vorgänge bei den von mir untersuchten tierischen Organismen nicht zu vernachlässigen ist, hat sich auch das Alter, der Entwicklungszustand der Puppen, erwiesen, denn mit zunehmendem Alter, oder besser in der letzten Periode der Puppenentwicklung, pflegt ein Stadium einzusetzen, in dem die oxyda- dativen Vorgänge so sehr gesteigert werden, daß sie die Assimilation völlig verdecken. Die Perioden weniger intensiver Atmungstätigkeit sind daher die für den Assimilationsprozeß günstigsten. Es bleibt noch zu erwähnen, daß wie bei der Pflanze, so auch bei der Schmetterlingspuppe und -Raupe, der Wassergehalt der Atmosphäre für den Verlauf der Assimilation von großer Bedeutung ist. Bei den ersten Versuchen, die von mir im Herbst und Winter des vergangenen Jahres gemacht worden sind, war der Puppenbehälter vor dem Einlegen der Puppen stets sorgfältig getrocknet worden. Die Erfolge, die dabei erzielt wurden, waren viel weniger günstig als die der späteren Experimente, bei denen sich die Puppen in feuchter Atmosphäre befanden. Daß tatsächlich beim Assimilationsprozeß Wasser verbraucht wird, ist schon daraus zu er- sehen, daß in Fällen ausgiebiger Assimilation die vorher feuchten Wände des Puppenbehälters dem Auge trocken erschienen, während sie mit kleinen Tröpfchen beschlagen waren, wenn die Puppen nicht oder nur schwach assimiliert hatten. Auch die rasche Gewichtszunahme der Puppen läßt darauf schließen, daß neben den gasförmigen Substanzen auch Wasser aufgenommen wird, Ganz analog sind die bei der Pflanze gemachten Befunde, und wir sehen somit, daß beide Organismen in dieser wich- tigen physiologischen Leistung in derselben Weise und durch dieselben Faktoren beeinflußt werden. Im Vordergrund steht bei Pflanze und Tier die Wirkung des Lichtes, die strahlende Energie, deren beide sich bedienen, um den Kohlenstoff seiner Verbindung der Kohlensäure zu entreißen und für ihren Orga- nismus nutzbar zu machen. Mehr wie bei der Pflanze kommt natürlich beim Tier der physiologische Zustand der Bewegung oder der Ruhe in Betracht, da in der tierischen Muskeltätigkeit DIE ASSIMILATIONSTÄTIGKEIT BEI PUPPEN UND RAUPpEn. 99 eine Höhe des Sauerstoffverbrauchs und der Kohlensäureproduk- _ tion erreicht wird, die höchstens in der blühenden Pflanze ein Analogon findet. Alle Einflüsse, die bewegungshemmend oder anregend wirken, werden demnach auch günstig oder ungünstig aufden Verlauf des Assimilationsprozesseseinwirken müssen, sie werden ihm Geltung verschaffen oder ihn verdecken. Dahin wirken z. B. die Temperatur und der Konzentrationsgrad der Kohlensäure in der Atemluft, und nicht weniger der Entwick- lungszustand der Puppen. Viel weniger beeinflußbar von äußeren Verhältnissen wie die Assimi- lation der Kohlensäure zeigt sich die des Stickstoffs. Hier scheint in erster Linie das Bedürfnis des Organismus zu entscheiden. Fast in allen Versuchen mit Schmetterlingspuppen beobachten wir eine Aufnahme des Gases, während bei den Raupenversuchen Aufnahme und Abgabe wechseln. In den Versuchen, in denen eine regelmäßige Aufnahme statt- fand, zeigte sich die Stickstoffaufnahme entschieden vom Licht abhängig, bei Tag wurde, wie die Durchschnittsberechnung ergab, regelmäßig mehr Stickstoff absorbiert wie bei Nacht. Auch die Pflanze zeigte gegenüber dem atmosphärischen Stickstoff dasselbe Verhalten. Die Tatsache, daß auch in den Pflanzenversuchen von der Brennessel regelmäßig Stickstoff absorbiert worden ist, scheint insofern auffallend, als von der Mehrzahl der Pflanzen- physiologen eine Assimilation des elementaren atmosphärischen Stickstoffs wenigstens ohne die Mithilfe von Bakterien bestritten wird. Bei den Schmetter- lingspuppen ist dieses Ergebnis weniger wundernehmend, da es bereits für die verschiedensten Tiere festgestellt wurde, daß im Hungerzustand Stickstoff- aufnahme stattfindet. (Vgl. Regnault u. Reiset pag. 438, 441, 452.) Als Folgen der Kohlensäure- und Stiekstoffassimilation bei Schmetter- lingspuppen haben wir in erster Lirie Veränderungen im Äußeren der Puppen wahrgenommen, Bildung eines karminroten Farbstoffs in den Epidermiszellen und Größenwachstum bzw. Ausdehnung der Puppen. Durch Wägungen ließ sich ferner feststellen, daß die Puppen in Kohlensäureatmo- sphäre beständig an absolutem Gewicht zunahmen, bis sie um den vierten Teil ihres Anfangsgewichtes schwerer geworden waren. Dieses Er- gebnis ist um so überraschender, als die Puppen unter normalen Verhältnissen während ihrer Metamorphose an (Gewicht bedeutend abzunehmen pflegen. Mit dem Ansteigen des absoluten Gewichtes war erst ein Fallen des spezifischen Gewichtes verbunden, dann war aber ein Steigen des- selben eingetreten. Die Puppen waren am Schluß des Versuches spezifisch schwerer wie am Anfang. Sie hatten Wasser auf- genommen und organische Substanz gebildet. Als das wichtigste Resultat können wir wohl das der Elementaranalyse 7* 100 M. GrÄFIN von LiINDEn: bezeichnen. Die in kohlensäurereicher Luft gehaltenen Puppen hatten im - Vergleich zu einer zweiten Serie normal gehaltener und bei niederer Tem- peratur überwinterter Tiere um 0-6 Prozent an Kohlenstoff und um 1 Prozent bis 1-08 Prozent an Stickstoff zugenommen. Dies ent- spricht, auf das Gewicht der Puppen berechnet, einer Zunahme der CO,- Puppen von 0-12804 e” (, 0.020358” H, 0.04499 erm N und 0.042385 em anorganische Substanz bzw. Sauerstoff. Damit halte ich es für be- wiesen, daß die Puppen sowohl den aus der Kohlensäure ab- gespaltenen Kohlenstoff wie auch den aus der Atmosphäre ent- nommenen Stickstoff in organische Substanz zu verwandeln vermögen; welcher Art die gebildeten Stoffe sind, das ist eine andere Frage, deren Lösung noch aussteht. Wahrscheinlich kommt die Bildung von Fett als dem ersten sicher nachweisbaren Assimilationsprodukt zuerst in Frage, wie aus dem abnehmenden spezifischen Gewicht der in CO,-reichen Luft gehaltenen Puppen hervorzugehen scheint, und wie es auch der mikro- skopische Befund, Vermehrung der Öltropfen nach Kohlensäurebehandlung, nahelegt; möglicherweise entsteht aber auch erst ein Kohlenhydrat, das dann in zweiter Linie in Fett verwandelt wird. Noch schwieriger ist es, eine richtige Vermutung über die Schicksale des aufgenommenen Stickstofis auf- zustellen. Neben dieser wichtigen, physiologisch-chemischen Frage bleibt noch zu entscheiden, an welche Gewebe bei der Schmetterlingspuppe und -Raupe die Assimilationsfähigkeit gebunden ist, ferner ob, wie bei der Pflanze, die in den Geweben, namentlich in den Epithelgeweben vorkommen- den Pigmente, vielleicht auch die Blutfarbstoffe eine Hauptrolle bei dem Assimilationsprozeß spielen. Ich halte eine derartige Bedeutung der Farb- stoffe für die Assimilation nicht für ausgeschlossen, um so mehr, da die gesteigerten, assimilatorischen Vorgänge bei der Puppe auch farbstofferzeugend wirken. Auch die Versuche mit Botys urticata, den grünen Wickler- raupen, legen die Annahme nahe, daß das in ihrem Blut enthaltene Pig- ment sie zur assimilatorischen Tätigkeit besonders befähigt. Sollte sich diese Vermutung als richtig erweisen, so würden die Pigmente der Schmetter- linge nicht nur ihrer Genese nach sondern auch ihr Funktion entsple len auf das Chlorophyll zurückführen. Schließlich haben wir uns noch zu fragen, ist es anzunehmen, daß sich dieselben assimilatorischen Vorgänge auch normalerweise bei Schmetterlings- puppen abspielen? Spricht das, was wir über die Physiologie der Puppen- ruhe wissen, gegen oder für eine solche Annahme? Es ist bekannt, daß die Schmetterlingspuppen während ihrer Meta- morphose ganz bedeutend an Gewicht abnehmen, daß dieser Gewichtsverlust hauptsächlich auf die Abgabe von Wasser, aber auch auf eine Abnahme der Trockensubstanz zurückzuführen ist. DıE ASSIMILATIONSTÄTIGKEIT BEI PUPPEN UND RAUPEN. 101 Kellner!, der über die Entwicklung und Ernährung des Seidenspinners chemische Untersuchungen angestellt hat, fand, daß sich das Gewicht der Puppe exkl. Kokon zu dem des fertigen Schmetterlings verhält wie 1:0-49, das Trockengewicht beider wie 1:0-.65. Die Puppe verliert somit, wenn wir die Angabe Kellners zugrunde legen, die Hälfte ihres Gewichtes vor- züglich durch die Abgabe von Wasser. Von den festen Bestandteilen des Puppenkörpers unterliegt nahezu ein Drittel dem Verbrauch, während der Umwandlung in den Schmetterling. In erster Linie bezieht sich der Sub- stanzverbrauch während der Metamorphose auf die N-freien Extraktstoffe, auf die Kohlenhydrate; diese schützen nach den Ergebnissen der Kellner- schen Untersuchung das Körperfett der Puppe vor dem Einschmelzen. Es unterlag in den mitgeteilten Fällen nur der siebente Teil des Körperfettes der Konsumption. Auch die Eiweißkörper der Puppe erfuhren nur in ge- ringem Umfang eine Zersetzung. Wir sehen hieraus, daß während der Puppenperiode die Lebensfunk- tionen des werdenden Schmetterlings vorherrschend auf Kosten der Kohlen- hydrate unterhalten werden. Aus den Untersuchungen Farkas? über die „Energetik der Ontogenesen“ beim Seidenspinner ergibt sich, daß der Stoffwechsel der Puppe sich in dieser Hinsicht sowohl von demjenigen der hungernden Raupe wie auch von demjenigen des Eies unterscheidet. Das Ei und besonders die hungernde Raupe verbrauchen beide in erster Linie das Fett. Die Puppen nehmen somit in bezug auf das von ihnen verwendete Nährmaterial eine Sonderstellung ein. Es ist indessen nicht ausgeschlossen, daß die Puppen dennoch mehr Fett verbrauchen als gefunden wurde, daß dieses Fett aber durch Ver- wandlung von Kohlenhydraten oder auf assimilatorischem Wege wieder ersetzt wird. Ob während der Metamorphose neben dem Stoffverbrauch auch ein Stoffansatz stattfindet oder nicht, darüber sagen die bisherigen Unter- suchungen nichts aus. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, daß der Fett- überschuß von 10.5 Prozent, den die Seidenspinnerraupe vor ihrer Ver- puppung aufweist und der nicht aus der Nahrung stammt, bereits auf assimilatorischem Wege gebildet wurde und nicht aufeine Umwandlung N-freier Extraktstoffe zurückzuführen ist. Nur so viel läßt sich bestimmt feststellen: ein vollkommener Ersatz des verbrauchten Materials findet nicht statt, sonst würden die Puppen nicht an Gewicht abnehmen. Um ‘ O. Kellner, Chemische Untersuchungen über die Entwicklung und Ernährung des Seidenspinners (Bombyx mori). Landwirtschaftliche Versuchsstationen. Bd. XXX. S. 59, und Bd. XXXIII. S. 381. ” R. Farkas, Beiträge zur Energetik der Ontogenese. Pflügers Archiv. 1903. Bd. XCVII. S. 525. 102 M. Grärin von LINDex: eine eventuell teilweise eintretende Kompensation des Kohlenstoffverbrauchs nachzuweisen, müßte der Kohlenstofigehalt der Puppen am Anfang und am Ende der Puppenruhe bestimmt und die während der ganzen Ruhezeit abgegebenen Kohlensäuremenge gemessen werden. Hätten die Puppen dann mehr Kohlenstoff abgegeben, als die Differenz des Kohlenstoffgehaltes der Puppen am Anfang und am Ende der Entwicklung ausmacht, so müßte auch ohne das Ergebnis gasometrischer Messung mit Notwendigkeit auf eine assimilatorische Tätigkeit geschlossen werden. Es sind noch eine Reihe von Beobachtungen nach anderer Richtung gemacht worden, die uns die Lösung der Frage, ob die Schmetterlingspuppe unter normalen Bedingungen ihr Assimilationsvermögen auszunutzen ver- steht, näher bringen. Wie jeder Schmetterlingszüchter weiß, ist es eine der ersten Bedingungen, um namentlich überwinternde Puppen zur Ent- wicklung zu bringen, daß dieselben in feuchter Atmosphäre gehalten werden. Im Trockenen aufbewahrte Puppen gehen meistens zugrunde, oder sie er- fahren, wie Urech! feststellte, eine Verkürzung der Puppenruhe, ähnlich wie es nach den Untersuchungen von Pictet, auch bei im Raupenstadium schlecht ernährten Tieren der Fall ist. Würde das vom Puppenorganismus aufgenommene Wasser nicht die Rolle eines Nahrungsmittels spielen, so müßte trockene Luft für die Erhal- tung der Puppen mit langer Puppenruhe nur günstig sein, da durch das Aufbewahren der ruhenden Organismen im Trockenen eine „vita minima“ mit geringstem Stoffverbrauch eingeleitet wird, eine vita minima, wie sie bei einer Reihe von Tieren und auch bei Pflanzen die Ruhe- und Dauer- zustände kennzeichnet. Ist dagegen das Wasser unentbehrlich für die Bildung von Assimilationsprodukten, für die Ernährung des Organismus, so wird ein Mangel desselben empfindliche Schädigungen nach sich ziehen. Die große Abhängigkeit der Puppen von der Feuchtigkeit läßt auf eine derartige Verwendung des Wassers zur Bildung organischer Substanzen schließen. Wie bereits erwähnt, wurde von Urech! nachgewiesen, daß Wassermangel unter Umständen die Puppenruhe verkürzt, daß er den Ab- lauf der Lebensprozesse bei der Metamorphose in ähnlicher Weise beeinflußt, wie die Wärme. Dieses Resultat ist höchst auffallend, da Wärme im all- gemeinen stoffwechselsteigernd, Trockenheit im Gegenteil die Entwicklung und die Lebenstätigkeit hemmend wirkt. Trotzdem zeigt das Experiment, daß beide sonst entgegengesetzt wirkende Agentien unter bestimmten Um- ständen zu einem und demselben Ergebnis führen. Unter zwei Bedingungen ! Urech, Chemisch-analytische Untersuchungen an lebenden Raupen, Puppen und Schmetterlingen und an ihren Sekreten. Zoologischer Anzeiger: 1890. Bd. XIII... S. 257 und 258. DIE ASsSIMILATIONSTÄTIGKEIT BEI PUPPEN UND RAUPEN. 103 wäre es auch denkbar, dab Wärme und Trockenheit den Stoffwechsel der Schmetterlingspuppen in gleicher Richtung veränderten, erstens, wenn die Puppen Kohlensäure assimilierten und zweitens, wenn der Moment des Auskriechens beim Schmetterling durch den Aufbralch der in der Puppe enthaltenen ernährenden Substanzen bestimmt würde. Bei erhöhter Tem- peratur würden die Puppen durch den regeren Stoffwechsel, bei trockener Luft durch Verhinderung des Ersatzes der verbrannten Substanzen früh- zeitiger ihre Subsistenzmittel aufgebraucht haben, in beiden Fällen müßte aus diesen Eingriffen entweder der Tod der Puppen oder eine Verkürzung der Puppenperiode folgen. Für die Richtigkeit dieses Schlusses liefern die Experimente Pictets den direkten Beweis, in denen er zeigt, daß sich vor- her schlecht ernährte Tiere, deren Reservestoffvorrat ein kleinerer ist, geradeso verhalten wie andere, die durch Wärme getrieben oder durch Trockenheit ursprünglich beeinflußt werden. Zugunsten einer assimilatorischen Tätig- keit der Schmetterlingspuppen spricht auch die Abhängigkeit vieler Arten vom Licht. Es sind vor allem die Puppen aus der Familie der Tagfalter besonders der Papilioniden, dann auch die der Psychiden, die zu ihrer Entwicklung der Sonne bedürfen. Sonne und Feuchtigkeit bilden aber andererseits für assimilierende Pflanzen die besten Bedingungen für ihr Gedeihen. Die Wirkung der Sonnenstrahlen wird durch die Puppenhülle der Schmetterlinge in keiner erheblichen Weise beeinträchtigt, da dieselbe, selbst wenn sie, wie bei den Sphingiden, eine beträchtliche Dicke besitzen, doch noch für die für den Assimilationsprozeß wichtigsten roten Strahlen durchlässig sind, wie leicht auf spektroskopischem Wege nachgewiesen werden kann ... Während also für die Puppen sehr vieler Tagfalter gesagt werden kann, daß die günstigsten Assimilationsbedingungen auch gleichzeitig die günstigsten Lebensbedingungen für sie darstellen, treffen wir bei einer großen Zahl von Schmetterlingspuppen Verhältnisse an, die einem photosynthetischen Vorgang, eine etwaige Kohlen- säureaufnahme und Zersetzung von vornherein ausschließen. Ich meine alle jene Puppen, die, wie z. B. der Totenkopf, ihr Puppenleben in Erd- höhlen oder Erdkokons verbringen, wo kein Sonnenstrahl eindringt, um ihnen die zur Ausführung der Kohlensäurespaltung notwendige Energie zu leihen. Sollten auch diese Puppen fähig sein zu assimilieren? Wir haben bei unseren Versuchen gesehen, daß sogar bei Tagfalterpuppen und ebenso bei der Brennesselpflanze, in einigen Fällen auch bei Nacht, wenn die Puppenbehälter in einer Schublade ganz im Dunkeln aufbewahrt waren, Aufnahme und Spaltung von Kohlensäure beobachtet wurde, und wir werden uns fragen müssen, ob am Ende schon die bei der Atmung frei werdenden Energiemengen genügen, um einen Teil der von der Puppe ausgeatmeten Kohlensäure wieder aufzunehmen und 104 M. GRÄFIN von LiINDEn: zu spalten? Ähnlich wie es von Hueppe! zuerst für nitrifizierende Bakterien nachgewiesen worden ist, und wie er es kürzlich in einem in Wien gehaltenen Vortrag aufs neue ausgeführt hat. Würde die Puppe aus den sich in ihrem Organismus abspielenden Oxydationsvorgängen die nötige Kraft gewinnen können, um den ausgegebenen Kohlenstoff wieder in sich zu fixieren, so hätten wir hier einen Fall von einer Ökonomie des Stoffwechsels vor uns, wie er wohl bei keinem anderen Tiere angetroffen wird. Unter dieser Voraussetzung müßte die kohlensäurereichere und gleich- mäßigere feuchte Bodenluft den denkbar günstigsten Aufenthaltsort für assi- milierende Puppen darstellen. Daß es für die Schmetterlingspuppe nicht gleichgültig ist, ob sie sich in einer kohlensäureärmeren oder kohlensäure- reicheren Atmosphäre befindet, zeigt die Beobachtung Kellners?, der fand, daß schlecht ernährte Seidenspinnerpuppen, die keinen abgeschlossenen Kokon herstellen konnten, stets !/, bis zur Hälfte von ihrer Trockensubstanz wäh- rend der Metamorphose verloren. Wir wissen aber durch die Untersuchungen Regnards?, daß die Atmosphäre des Seidenspinnerkokons 2 Prozent CO, enthält und es scheint mir dieser Befund ein schlagender Beweis dafür zu sein, daß die Puppen jedenfalls einen Teil ihrer ausgegebenen CO,, wenn ein Diffundieren verhindert wird, wieder aufzunehmen vermögen. Wenn es auch bei einem derartig haushälterischen Stoffwechsel wohl kaum zu einer Gewichtszunahme kommen kann, so ist es doch zu verstehen, daß Puppen teils ausnahmsweise, teils regelmäßig mehrmals überwintern, daß sie sogar bis zu 7 und 8 Jahren im Puppenzustand, also ohne feste Nahrung aufzunehmen, lebend verharren können. Auch die Ergebnisse der Respira- tionsversuche in atmosphärischer Luft sprechen nicht dagegen, daß die Puppen auch unter normalen Verhältnissen assimilieren. Es ergab sich z. B., daß Puppen, die sich in atmosphärischer Luft befanden, bei Nacht durch- schnittlich erheblich mehr Kohlensäure abgaben, wie bei Tage. .Die Respirationstätigkeit der Puppen war also durch das Licht beeinflußbar und zwar gerade in der Weise, wie es zu erwarten sein mußte, falls von den Puppen bei Tage nicht nur geatmet, sondern auch assimiliert wurde, in derselben Weise, wie wir es von der Pflanze kennen. In Versuch Nr. 143 finden wir sogar bei den grünen Raupen von Botys urticata bei Tage in atmosphärischer Luft eine, wenn auch geringe Vermehrung des Sauer- ! Hueppe, Über Assimilation der CO, durch chlorophylifreie Organismen. Dies Archiv. 1905. Physiol. Abtlg.. Suppl.-Bd. 8. 33—61. ®? Kellner, Chemische Untersuchungen über die Ernährung und Entwicklung des Seidenspinners (Bombyx mori). Il. Die landwirtschaftlichen Versuchsstationen. Bd. XXXIIL 8. 381—392. >M. T. Regnard, Sur la qualite de l’air contenu dans les cocons de vers & soies. Compt. BRend. soc. Biol. 1888. T. XL. p. 787—788. Die ASSIMILATIONSTÄTIGKEIT BEI PUPPEN UND RAUPEN. 105 stoffs. Auch die Bakterienmethode bestätigte diesen Befund und zeigte sowohl für die Botys urticata-Raupen, wie für die Pflanze Sauerstoff- abgabe an. Dasselbe Resultat ergab die Prüfung von Schmetterlings- puppen nach der Hoppe-Seylerschen Hämoglobinmethode. Es erscheint mir danach mehr wie wahrscheinlich, daß die Schmetter- lingspuppen imstande sind, auch unter normalen Verhältnissen, wenn sie sich in atmosphärischer Luft befinden, aus ihrem Assimilationsvermögen Nutzen zu ziehen und daß sie es auf diese Weise vermögen, besonders bei langer Puppenruhe wenigstens einen Teil der zerfallenden Körpersubstanz wieder zu ersetzen. Bei einer derartigen Ökonomie des Stoffes und der Kraft ist es auch zu begreifen, daß Puppen in einem vielleicht auf das doppelte ausgedehnten Winterschlaf nicht ihren ganzen Vorrat an Brenn- material, der auf eine viel kürzere Zeit berechnet war, verbrauchen und auch dem Schmetterling noch Stoff und Energie zur Entwicklung einer reichen Nachkommenschaft mitgeben können. Weitere Untersuchungen werden lehren, wie weit die Schmetterlings- puppen dieses Vermögen, Kohlensäure zu absorbieren und zu spalten, aus- nutzen. Weitere Versuche werden aber auch noch dartun, daß das Assi- milationsvermögen der Kohlensäure im Tierreich eine viel größere Rolle spielt, als heute noch angenommen wird. Schon wenn wir die jetzt be- kannten Fälle zusammenfassen, in denen Kohlensäureaufnahme und Fixierung, sei es auch nur zur Bildung von Karbonaten, die wie bei manchen Krabben (Gonoplax) in den Panzer abgeschieden werden, nachgewiesen worden ist, so führen uns die Spuren dieser Fähigkeit heute schon von den einzelligen Tieren hinauf bis zu den Crustaceen und Insekten. Sehr wahrscheinlich ist auch die Beobachtung von Pater Gredler, daß Schnecken während des Winterschlafes zunehmen, auf eine Bereicherung, vielleicht auch auf eine Verwertung der gebildeten Kohlensäure zurückzuführen, auf eine Verwertung bei der Bildung von Schalensubstanz oder aber von Reservestoffen. Nicht weniger beachtenswert sind die Ergebnisse der Untersuchungen von Raphael Dubois, die uns lehren, daß die zuerst von Valentin beobachtete Gewichts- zunahme der Murmeltiere im Winterschlaf ebenfalls auf eine Bereicherung sämtlicher Gewebe und des Blutes dieser Tiere an Kohlensäure zurück- zuführen ist. Ja selbst bei hungernden Tieren, in einem Fall auch beim Menschen, wurden von Dubois, Bouchard und Chauveau Gewichts- zunahmen beobachtet, bei denen nach der Ansicht von Dubois auch eine vermehrte Aufspeicherung der CO, eine Rolle spielt. Dies alles läßt darauf schließen, daß die Kohlensäure eine hochwichtige Rolle auch im Organismus des Tieres spielt; zahlreiche französische Forscher haben gezeigt, welche Bedeutung ihrer Anhäufung in den Geweben und den Säften für die Erscheinung des Schlafes, des Winterschlafes und der 106 M. GRÄFIN von LINDEN: Puppenruhe zuzuschreiben ist, und die vorliegenden Ausführungen lehren, wie die Kohlensäure durch ihre Spaltung und Verarbeitung zur Nahrungs- quelle für den fastenden Organismus werden kann. Damit eröffnet sich dem Physiologen und vielleicht auch dem Arzt eine weite Perspektive, ein weites Feld neuer Arbeit. Je höher wir im Tierreich hinaufsteigen, desto schwieriger wird naturgemäß die Beobachtung dieser Phänomene werden, denn mit der Intensität der animalen Lebensäußerungen erschwert sich auch der Nachweis der Assimilationsprodukte. Und eben darin, in diesem Überwiegen der respiratorischen Vorgänge gegenüber den assimilatorischen, liegt der Unterschied in der physiologischen Leistung beim Tier und bei der Pflanze, der zu der Anschauung führen mußte, daß das Tier atmet und daß nur die Pflanze assimiliert. Es bleibt mir noch die angenehme Pflicht, der hohen königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin meinen ganz ergebenen Dank auszusprechen für die Unterstützung, die sie mir zur Ausführung dieser Arbeit zuteil werden ließ. Nicht weniger verpflichtet fühle ich mich Hrn. Professor Dr. Anschütz, dem Direktor des chemischen Instituts der Universität, der mir zu diesen Untersuchungen sowohl die Räume, wie auch die Apparate des chemischen Instituts in liebenswürdigster Weise zur Ver- fügung gestellt hat. Hr. Professor Anschütz wie Hr. Professor Rimbach, der mich mit größtem Entgegenkommen in sein Laboratorium aufnahm, und ebenso Hr. Dr. Gronover, der mir zu diesen Untersuchungen die An- regung gab, mich in die gasometrische Methode einführte und die Elementar- analyse der beiden Puppenserien für mich ausgeführt hat, haben durch Rat und Tat wesentliches zum Zustandekommen der Arbeit beigetragen. DIE ASSIMILATIONSTÄTIGKEIT BEI PUPPEN UND RAUPEN. 107 \ Erklärung der Abbildungen. (Taf. I u. IL.) Kurventabellen für die Puppen von Papilio podalirius. Serie II. Tafel I. Fig. 1 stellt den Verlauf des respiratorischen und assimilatorischen Gaswechsels der in kohlensäurereicher Atmosphäre befindlichen Segelfalterpuppen dar. Die abgetragenen Werte der absorbierten und exhalierten Gase entsprechen den nach dem Ergebnis der Analyse berechneten Werten. Es ist dabei nicht darauf Rück- sicht genommen, daß die Puppen in den Tagesversuchen, in denen assimiliert wurde, auch gleichzeitig geatmet haben und deshalb eine größere assimilatorische Arbeit leisten mußten, als in den gefundenen und berechneten Analysenwerten ausgedrückt ist. Fig. 2. In diesen Kurven sind die nach dem Vorgang von Kreusler korri- gierten Assimilationswerte eingetragen. Es wurde eine mittlere Atmungstätigkeit der Puppen berechnet, die in 7 bis 8 Stunden Versuchsdauer 0-7 m Kohlensäure produ- ziert und 0-8 °°= Sauerstoff absorbiert. Die Absorptionswerte der Kohlensäure wurden um 0-7 =, die Exhalationswerte des Sauerstoffs um 0-8 °°® erhöht. Kurventabelle für die Puppen von Papilo podalirius. Serie III. Fig. 3 stellt den Verlauf des respiratorischen und assimilatorischen Gaswechsels der in kohlensäurereicher Atmosphäre befindlichen Segelfalterpuppen dar. Die abgetragenen Werte der absorbierten und exhalierten Gase entsprechen den nach dem Ergebnis der Analysen berechneten Werten. Es ist dabei nicht darauf Rück- sicht genommen, daß die Puppen in den Tagesversuchen, in denen assimiliert wurde, auch gleichzeitig geatmet haben und deshalb eine größere assimilatorische Arbeit leisten mußten, als in den gefundenen und berechneten Analysenwerten ausgedrückt ist. Fig. 4. In diesen Kurven sind die nach dem Vorgang von Kreusler korrigierten Assimilationswerte eingetragen. Es wurde eine mittlere Atmungstätigkeit der Puppen berechnet, die in 7 bis 8 Stunden Versuchsdauer 1-5 °® Kohlensäure produziert und ebensoviel Sauerstoff absorbiert. Die nach dem Ergebnis der Analyse für Kohlensäure- absorption und Sauerstoffabgabe berechneten Werte wurden um den entsprechenden Betrag erhöht. 108 M. GrRÄFImM von LINDEN: DIE ASSIMILATIONSTÄTIGKEIT USW. Kurventabelle für die Brennesselpflanze. Tafel II. Fig. 5 stellt den Verlauf des respiratorischen und assimilatorischen Gaswechsels der in kohlensäurereicher Luft befindlichen Brennesselpflanze dar. Die abgetragenen Werte der absorbierten und extrahierten Gase entsprechen den nach dem Ergebnis der Analysen berechneten Werten. Es ist dabei nicht darauf Rücksicht genommen, daß die Pflanze in den Tagesversuchen, in denen assimiliert wurde, auch gleichzeitig ge- atmet hat und deshalb eine größere assimilatorische Arbeit leisten mußte, als in den gefundenen und berechneten Analysenwerten ausgedrückt ist. Fig. 6. In diesen Kurven sind die nach dem Vorgang von Kreusler korri- gierten Assimilationswerte eingetragen. Es wurde eine mittlere Atmungstätigkeit der Pflanze berechnet, die in 7 bis 8 Stunden Versuchsdauer 1-5 °®@ Kohlensäure produziert und nahezu ebensoviel = 2-2 °” Sauerstoff absorbiert. Die nach dem Ergebnis der Analyse für Kohlensäureabsorption und Sauerstoffabgabe berechneten Werte wurden um 2.8 m bzw. 2.2 °°m erhöht. Über die Liehtabsorption des Blutfarbstoffs. (Untersuchungen mit dem Hüfnerschen Spektrophotometer.) Von Hans Aron und Franz Müller. (Aus dem tierphysiologischen Institut der kgl. landwirtschaftlichen Hochschule zu Berlin. Vorstand: Geh.-Rat N. Zuntz.) Im Verlauf einer Reihe von Untersuchungen am Hüfnerschen Spektro- photometer, bei denen es auf sehr genaue Ermittlung des Blutfarbstofi- gehalts ankam, sind wir zu Ergebnissen gelangt, welche einige wichtige Angaben Hüfners über die Konstanz des spektralen Verhaltens des Blut- farbstoffs in Frage stellen mußten. Wir sahen uns daher zu einer ein- gehenden Beschäftigung mit dieser Methode genötigt, zumal sie ja unter den zahlreichen zur Bestimmung der Konzentration des Blutfarbstoffs angegebenen Methoden wohl allgemein als die genaueste gilt. Rühmt man ihr doch außerdem vor der einfachen Farbenvergleichung, wie sie Welcker, Hoppe- Seyler, Gowers, von Fleischl und ihre Nachfolger empfohlen haben, den Vorzug nach, daß sie neben der Konzentrationsbestimmung auch Aufschluß darüber gibt, inwieweit etwa der Blutfarbstoff Änderungen er- fahren hat. | Die endgültige Form, die Hüfner dem Spektrophotometer unter wesentlicher Verbesserung der Vierordtschen Anordnung gegeben hat, ist von ihm in der Zeitschrift für physikalische Chemie Bd. III, Seite 562 im Jahre 1889 beschrieben worden. Wir können hier auf eine ausführ- liehe Darlegung der Methodik verzichten und wollen nur zum Verständnis unserer Resultate das folgende anführen: In der einen Hälfte des Gesichtsfeldes wird polarisiertes Licht bestimmter Wellenlänge nach Durchgang durch eine Farbstofflösung durch Drehung eines Nikols in seiner Intensität derartig modifiziert, daß es die gleiche Helligkeit 110 Hans ARON UND FRANZ MÜLLER: annimmt, wie in der anderen Hälfte des Gesichtsfeldes Licht derselben Wellen- länge, das dieselbe Lösung in 10facher Schichtdicke passiert hat. Aus dem Drehungswinkel @ des analysierenden Nikols berechnet sich der Extinktions- koeffizient der untersuchten Lösung nach der Gleichung: e= — log cos? y. I. Das Absorptionsverhältnis des Blutfarbstoffes (7 -®). 0 Hüfner wählt zur Untersuchung zwei im Spektrum das Oxyhämo- slobins besonders charakteristische Bezirke, nämlich den zwischen den Wellenlängen 569 bis 557 u entsprechend der Mittelregion zwischen den beiden Absorptionsstreifen, und den Bezirk zwischen 546 bis 534 u ent- sprechend der dunkelsten Partie des im Grün gelegenen sogenannten P-Streifens. Er gibt an, daß der Quotient der heiden Extinktionskoeffizienten oder das Absorptionsverhältnis g = a für Rinder-, Schweine- und Kaninchen- 0 blut konstant 1.578 beträgt. Er sagt wörtlich!: „.... niemals kommt, nach zahlreichen Messungen, die in den letzten Jahren beinahe täglich, sei es von mir selbst, sei es von meinen Schülern, mit meinem neuen Apparate ausgeführt wurden, bei frischem, unverdorbenem Blute (von Rindern, Schweinen, Kaninchen) der Fall vor, daß im Spektrum einer mit !/. prozentiger Sodalauge bereiteten und mit Luft are Lösung der Quotient = oder, was dasselbe, der Quotient 5 wesentlich kleiner als 1.578 wäre.“ Sobald er mehr als 2.5 Br des Wertes, d.h. um 0-04, tiefer liege, enthalte die Lösung bereits verdor- benes, unter Methämoglobinbildung in Zersetzung begriffenes Material.? Beim reinen Methämoglobin ist nämlich das Verhältnis des Extinktions- koeffizienten: 1-18 bis 1-19.° Nachdem der eine von uns (M.) von Herrn Professor Hüfner selbst in die Handhabung des Spektrophotometers eingeführt war, eine Liebens- würdigkeit, für welche ihm nochmals aufs beste gedankt sei, und nach einiger Zeit eine gewisse Sicherheit in den Ablesungen gewonnen hatte, gelang es ihm bei Verwendung von ganz frischem Blut doch nicht, die von Hüfner geforderte Konstanz und die angegebene Zahl für g zu er- halten. Die Werte schwankten fast immer stärker und fielen stets erheb- lich niedriger als 1-578 aus. Es war natürlich das nächstliegende zu glauben, daß mangelnde Übung oder Fehler in der Aufstellung des Appa- rates schuld, oder sonst in unserer Versuchsanordnung doch irgend etwas I Dies Archiv. 1894. Physiol. Abtlg. S. 132. ” Ebenda. 8. 134. ® v. Zeynek, Ehenda. 1899. 8. 464 ff. ÜBER DIE LICHTABSORPTION DES BLUTFARBSTOFFS. 111 verfehlt sei. Die folgende Tabelle I zeigt aber, daß die in verschiedenen Jahren vorgenommenen Vergleichsbestimmungen von Chromalaunlösungen, welche Herr Prof. Hüfner mit dem Apparat in Tübingen auszuführen die Güte hatte, mit den unsrigen durchaus identische Werte lieferten. Ein Besuch des Erbauers des Spektrophotometers, des Herrn Universitätsmechanikers Albrecht aus Tübingen, bot uns dann später eine erwünschte Gelegenheit, die Frage nochmals zu prüfen. Er konstatierte, daß unser Spektrophotometer tadellos aufgestellt sei und machte selbst an ihm einige mit den unsrigen übereinstimmende Ablesungen. Tabelle I. Bestimmungen von Chromalaunlösungen im Bezirk der D-Linie. las | p=Drehungswinkeldes Nikolsin Grad Lösung 1b dem | Mittel Ss Apparat Datum Beobachter aus je 5 Ablesungen a aus Nr. en | en 10 links rechts Ablesungen I | Tübingen | 10.XIL.02 | Hüfner 15-38 75-66 75-52 I | Belin | 6XI.o2 Müller 75-59 15-54 19250 I | 18. 104] 5: 75-88 | 15.36 | 75-62 I » 118. IL 04 Albrecht 69-30 | 69-05 | 69-17 II > 13. Il. 04 Müller 68:67 68.83 68:75 So dürfen wir uns also auf die Zuverlässigkeit der von uns ein- geschlagenen Methodik verlassen. Stellen wir nun zunächst einmal sämtliche Werte für das Absorptions- n . € . . D 2 verhältnis g = Er zusammen, die wir bei der Untersuchung ganz frischen 0 Blutes erhielten, (Tabelle II), so zeigt sich, daß die Mittelwerte bei den verschiedenen Tierarten nur unerheblich voneinander ab- weichen, und daß auch die Resultate der beiden Untersucher keine be- deutenden Differenzen aufweisen.! ! Wir möchten gleich hier einige Erfahrungen mitteilen, welche vielleicht geeignet sind, über den subjektiven Fehler der doch auf Vergleichung mittlerer Helligkeitswerte beruhenden Methode Aufschluß zu geben. Im allgemeinen lasen beide Beobachter die gleichen Werte ab, und übereinstimmend mit ihnen auch andere Untersucher (Dr. L. Mohr, Zeitschrift für experimentelle Pathologie. Bd. UI; Dr. A. Strigel), die an unserem Apparat eine Anzahl Bestimmungen ausführten. Doch gibt es bestimmte Konzentra- tionen, so für Aron die weniger als 55°, für Müller die über 65° Drehungswinkel des analysierenden Nikols liefernden, bei denen wir — natürlich stets ganz unabhängig voneinander arbeitend — nicht mehr die gleichen Zahlen erhielten. M. hat dann zweifel- 112 Hans ARON UND Franz MÜLLER: Tabelle I. Mittelwerte für das Absorptionsverhältnis =, U) : | | Zahl ae Nummer Tierart | gq | Bestimmungen Beobachter 1 Kalb | 1465 | 3 Müller 2 | R | 1.479 | 73 Aron 3 | Hund | 1-467 19 Müller 4 ss 1:460 3 Aron 5 Kaninchen 1-458 15 Müller 6 R | 1.491 3 Aron Ü Katze | 1.421 5 Müller 8 > | 1-477 3 Aron 9 Pferd | 1-437 | 4 Aron 10 Lama | 1414 | 1 Müller | | Dagegen weichen nicht wenige unserer Einzelwerte für g recht erheblich von diesen Mittelzahlen ab, obwohl wir stets die von Hüfner empfohlene Vorsicht beachteten, nur innerhalb der Bezirke von un- gefähr 50 bis 70° Drehungswinkel abzulesen, vollkommen klare und ungetrübte Lösungen zu benutzen, und zur Ermittlung von &, und e', den Mittelwert aus je 10 Ablesungen in Betracht zu ziehen, deren eine Hälfte im linken, deren andere im rechten Abschnitt des Teilkreises erhalten war. Wir mußten uns daher die Frage vorlegen, ob diese Schwankungen des Absorptionsverhältnisses (1-36 bis 1-60) durch in der Methodik liegende Ungenauigkeiten bedingt sein können: Findet man bei Doppelbestimmungen im Mittel von je 10 Ablesungen, die nicht mehr als die Hüfnerschen differieren, die Drehungswinkel: Nr. 1 | 69-45 69.220 oe 01309 78-26 en 57-09 4 | 6541 65-76 Er} dann muß man wohl Abweichungen von 0-4° als möglich und erlaubt durch- los die Neigung, in dem dunkleren Gebiet, in dem &’, bestimmt wird, zu kleine Drehungs- winkel abzulesen, wodurch der Wert y = = natürlich herabgedrückt wird, obwohl die 0 einzelnen Ablesungen stets befriedigend übereinstimmen. Um recht zuverlässige Zahlen zu erhalten, muß sich daher jeder Untersucher ein ziemlich begrenztes Ablesungsgebiet auswählen, das seinem Auge am besten zusagt. ÜBER DIE LICHTABSORPTION DES BLUTFARBSTOFFS. 113 gehen lassen. Eine einfache Überlegung! ergibt aber,daß dann Abweichungen im Absorptionsverhältnis von allerhöchstens 0.05 = 3-5 Prozent des Wertes durch methodische Fehler bedingt sein können. Doppelbestimmungen von demselben, völlig frischen Blut, die vom gleichen Untersucher am gleichen Tage angestellt waren, lieferten uns, wie Tabelle III zeigt, innerhalb dieser Fehlergrenze übereinstimmende Werte. Tabelle III. Werte für das Absorptionsverhältnis bei Doppelbestimmungen mit ganz frischem Blut. (Der gleiche Beobachter an dem gleichen Tage, die gleiche oder fast gleiche Verdünnung mit 0-1 proz. Sodalösung.) 1 2 | RE ee | 6 | on g3 1.44 1-478 | 1-507 | 1-48 | 1-480 | 1-507 | 1-444. | 1-476a) | 1-49 14467 1.470. | 11-459 | 1.487 1.537 1-446 1.4656) r51 Dagegen weicht das Absorptionsverhältnis in den verschiedenen Stäben (1 bis S) der Tabelle III so bedeutend voneinander ab, daß man hier wohl nicht mehr.an methodische Fehler denken kann. Ergeben sich doch diese Zahlen aus Ablesungen, gegen deren Richtigkeit kaum etwas einzuwenden sein dürfte. Das möchten wir dadurch belegen, daß wir die Einzelablesungen einiger Versuche geben und sie den wenigen Beispielen gegenüberstellen, die wir in Hüfners Arbeiten gefunden haben. Hüfner Aron Aron | Müller F p » | a. | ee» | A | 9 = 2 2l2|2/2|2|2| 2 2|. 2 links rechts | S |. 518 | eE|2|3|12 |5:|3|:|8 SEIEN De Fe EEE 58-8 58-8 58-3158-1| 62-4 62-7 | 12-2 72-3 58-158-9 |67-2167-5 62-7 63-0 | 69-6 69-7 59.0. 58-5.58-3.58-0 |62-6.62-9 72-5 71-8 58-758-8 | 67-2)67-4 |63-3,63-0 | 69+7.69-4 59-158-6,58-358-1 | 62-6.62-8 | 71-9 71-8 58-5.58-2 | 67-7.67-6 | 63-0,62-8 | 69-8 69-5 8.1586 58-4 58-4 62-5,62-7 72-372-0 58-8158-1|67.767-663-0,62-5 | 69-5,69-7 3-8.58-8,58-5,58-4,62-8.62-3 71-9 72-4 |58-2)58-7 | 67-2167-4 | 63-2,63-2 | 69-5,69*6 ! Es sei in zwei Bestimmungen gefunden: I | u Po 61.09 | 60.69 ps 69-4 | 69-8 Dann wirdg| 1-48 | 1:49 Differenz 0.052 ® Verdünnung nicht genau gleich. ® a) Verdünnung ?),o0> B) */aoo- Archiv f. A. u.Ph. 1906. Physiol. Abtlg. Suppl. > 114 Hans ARON UND FRANZ MÜLLER: Mittelwerte von zwei Ablesungen (je einer in der linken und rechten Hälfte des Teilkreises) Hüfner | Aron | Maler: a Be Pı IR N En Yı | ei I | Pi 6 76-15 64-55 72-25 65-00 71-10 64-4 76-35 64.35 | 72:20 | 64-95 71-10 64-4 76-30 64-60 72-40 65-10 -71-40 64-2 76-15 64-50 72.15 || 65-35 71-55 64-1 76-10 64-55 72-20 65-00 71-50 Noch evidenter el die folgende Zusammenstellung einer größeren Anzahl von Werten, die von demselben Beobachter an anscheinend gesunden Tieren der gleichen Art gewonnen sind, daß das Absorptionsverhältnis be- deutend mehr schwankt, als durch methodische Fehler erklärbar ist. Tabelle IV. Drehungswinkel @ im Spektralgebiet A 569—557 u Tierart Beobachter, | | 155—60 9 60—65 9 65— 70 9 710— 76° Kalb | Aron Mittelwert von g. . . 1.462 11-463 | 1.490 |1-485 ' Zahl der Bestimmungen 11 I il 23 I Tiefster Wert . . . .\1-360 |1-391 | 1-425 |1-380 Höchster Wert . . .|I1-584 |1:598 | 1-589 |1-593 ' Größte Abweichung . . |0:174 |0-207 | 0-164 |0-213 \ Mittel der Abweichungen | 0-0158 | 0-0138 | 0-008 | 0-0092 Hund ı Müller | Mittelwert von g. . . 11-454 |1-456 | 1-487 Zahl der Bestimmungen | 7 5 6 ı Tiefster Wert . 1 Höchster Wert 11 Größte Abweichung . . 0- Mittel der Abweichungen | 0 -402 |1°397 | 1-42%7 485 |1°507 1.600 083 |0-110 | 0.173 012 |0-022 | 0-029 Kaninchen | Müller ı Mittelwert von q. h 11-459 1-455 | 1.449 Zahl der Bestimmungen | 7 4: ld | Tiefster Wert . . . .||1-434 |1-431 | 1-409 Höchster Wert . . . \1-494 |1-486 | 1-488 Größte Abweichune . . 0:060 0:055 | 0.079 | | ‚ Mittel der Abweichungen. 0. 009 !0-014 | 0.040 Die Tabelle rei, daß die Schwankungen nicht, wie man vielleicht annehmen könnte, durch Variationen in der Konzentration der Lö- sungen und dadurch der Helligkeit des Gesichtsfeldes bedingt sind, da innerhalb der verschiedenen Konzentrationsgebiete ganz ähnliche Maximal- und Minimalwerte gefunden wurden. Auch sind die Schwankungen bei den drei aufgeführten Tierarten durchgängig gleich stark. ÜBER DIE LICHTABSORPTION DES BLUTFARBSTOFFS. 1415 Es muß betont werden, daß das Blut, welches die stärksten Abweichungen ergab, nach der Versuchsanordnung als absolut frisch zu bezeichnen war, und genau so gewonnen und verarbeitet wurde, wie das, welches mit dem Mittel- wert übereinstimmende oder ihm naheliegende Zahlen lieferte. Auch sei noch- mals darauf hingewiesen, daß die der Berechnung zugrunde gelegten Werte der Drehungswinkel g und g’ das Mittel aus je 10 Ablesungen darstellen, die höchstens 1° auseimanderliegen. Schwankungen des Absorptionsverhältnisses von 0-15 erfordern aber schon unter Zugrundelegung der S. 113, Anm. 1, ausgeführten Betrachtung einen Fehler des Mittelwertes der Ablesungen von 1-29, eine Fehlergröße, die natürlich von der Hand gewiesen werden muB. Es fragte sich weiter, ob so abweichende Quotienten vielleicht dauernd bestimmten Individuen zukommen, oder ob der Quotient zu verschiedenen Zeiten verschieden hoch ist. In Tabelle V sind eine Anzahl Bestimmungen an Kälberblut zusammengestellt. Trotz des großen Materials läßt sich die Frage noch nicht entscheiden, ob einer oder beide Faktoren das Absorp- tionsverhältnis beeinflussen, da dasselbe Tier zu verschiedenen Zeiten oft ebenso große Differenzen aufweist wie verschiedene Tiere. MaelikesN. Bestimmungen im Blut desselben Tieres (Kalb) zu verschiedenen Zeiten.! Verdünnung 1:100°°® Sodalösung (0-1 Prozent). A. ı 30. IV. 08 1-44 18 30-X1.04 1.450 1.V. 08 1-46 24. I. 05 1514 IV 24. V. 04 1-391 9 3. XII. 04 1411 4. VI. 04 1.459 24. III. 05 1.583 V 24.V. 04 1.493 1 28.1. 05 1.518 4. VI. 04 | 1.477 25. 1. 05 1.519 xVI STEVE 04T 11.349 14. III. 05 1.472 27. VL 04 1.470 8 3. XII. 04 1-380 15 30. XI. 04 | 1.434 13. III. 05 1-506 8.IL 05 | 1-529 2 30. XI. 04 1-425 Ss. III. 05 1.558 13. III. 05 1546 12 3. XI. 04 1.419 1b 8. 1.0505. 1) 1»410 2.II. 05 | 1.528 1. IH. 05 1-504 6. IV. 05 | 1.591 10 28.0 05 1-501 5 23. XII. 04 | 1+411 | 8.IL 05 | 1-467 2.1. 05 | 1.536 3 23. XII. 05 1389 6. IV. 05 1-518 28.I 05 1-491 19 20. III. 05 1.593 6 I SOSXT. 04 1-436 6. IV. 05 1.598 MS | 710193 ! Unter den Kälbern befinden sich einige, die infolge Ernährung mit ihnen nicht g* 116 Hans ARON UND FRANZ MÜLLER: Die Mehrzahl unserer Bestimmungen für g liegt nun aber doch in nicht allzuweiten Grenzen um den Mittelwert herum. Das soll die folgende graphische Darstellung noch besonders erläutern, aus der hervorgeht, wie häufig die einzelnen Zahlen gefunden wurden. Als Abszisse ist das Ab- sorptionsverhältnis, als Ordinate die Zahl eingetragen, welche angibt, wie oft die betreffenden Werte erhalten wurden. Der Darstellung liegen 142 einwandsfreie Bestimmungen an frischem Kälber-, Hunde-, Pferde-, Katzen- und Kaninchenblut zugrunde. Die Mehrzahl derselben (61 Prozent) liegt zwischen 1.44 und 1.50, schwankt also kaum mehr als unsere Doppel- bestimmungen am gleichen Blut, und liefert somit einen innerhalb der methodisch bedingten Fehlergrenzen als konstant anzusehenden Quotienten von 1-47. RD: T T T 20: Ss oı SL oO oo | Bi =] | 136 138 10 W2 Wr 16 ME 150 152 754 156 158 160 71,62 ——> Absorptionsverhältris Eoleo >} —— > Zahl der Bestimmungen Übrigbleiben 55 unter 142 Bestimmungen, die außerhalb des Ge- bietes von 1.44 bis 1-50 liegen. Wir müssen auch diese Zahlen für zu- verlässig halten, da das Blut frisch, alle Kautelen gewahrt und irgendwelche Krankheitserscheinungen nicht bekannt waren. Es ist ja aber recht schwer, bei den uns als Versuchstiere dienenden Individuen etwas Bestimmtes über ihren Gesundheitszustand auszusagen, wenn evidente Störungen fehlen. Und doch haben wir vielleicht pathologische Tiere vor uns. So läßt sich also nicht mit Bestimmtheit entscheiden, ob die großen Abweichungen durch uns unbekannte pathologische Prozesse bedingt oder noch bei „normalen“ Individuen möglich sind. Jedenfalls müssen wir konstatieren, daß an- zusagendem Heu heruntergekommen waren. Da das Absorptionsverhältnis nur un- wesentlich von dem der gesunden kräftigen Individuen abweicht, glaubten wir die Werte hier gemeinsam aufführen zu dürfen. r ÜBER DIE LICHTABSORPTION DES BLUTFARBSTOFFS. at scheinend gesunde Tiere häufig Abweichungen vom Mittelwert aufweisen. Andererseits haben wir Beweise dafür, daß pathologische Zustände auf das Absorptionsverhältnis einwirken. So hatten mit Äther narkotisierte Katzen einen Quotienten zwischen 1-290 bis 1-357, während nicht narkotisierte 1-385 bis 1.490 aufwiesen, gewiß ein äußerst merkwürdiges Verhalten. Wir fanden ferner ein Herabgehen des Quotienten bei künstlich durch Uransalze erzeugter Nephritis (Hund) 1-320 bis 1-367, bei einzelnen Formen der Anämie (Mensch) 1.321, wäh- rend durch Aderlässe anämisch gemachte Tiere ein nur unwesentlich. oder gar nicht verändertes Absorptionsverhältnis hatten. (So z. B. Katze am 9.1.04 normal 1.448, darauf Aderlaß (!/, der Blutmenge), am 7. IV. 04 1.480, wieder Aderlaß. Am 12. IV. 04 sehr anämisch 1.435.) Diese wenigen Beobachtungen deuten vielleicht darauf hin, daß der Blutfarbstoff bei Erkrankungen leicht in nicht zu vernachlässigender Weise verändert wird, Erfahrungen, die zurzeit eine nähere Bearbeitung finden. Endlich liegt nun aber, abgesehen von den eben diskutierten Schwankungen, dieser Mittelwert für g=1-470 erheblich tiefer als Hüfners Normalzahl.! Suchen wir nach den Ursachen, so wäre zunächst das Vorhandensein von reduziertem Hämoglobin (mit Hain Wert g= 0:76)? von Einfluß. Sehr wahrscheinlich war diese Annahme von vornherein nicht, da wir die Blut- lösung stets kurz vor der Bestimmung kräftig mit Luft durchschüttelten. Aber auch ohne diese Vorsicht konnten so nur geringe Abweichungen zu- standekommen, wie der folgende Versuch erweist: Hundeblut: Verdünnung 1:100 Sodalösung (0-1 Fun) en veeonune lg | 1. Ganz frisch; mit ausgekochter DOsao DDR verdünnt, ohne Schütteln zur Bestinmnng eingefüllt 1-419 2. dito; mit Sauerstoff gesättigter Solange Herden 2 | 1.458 3. Blut 1 Tag alt, neue Verdünnung mit ausgekochter Sodalösung . 1-474 4. Blut 1 Tag alt, mit Sauerstoff maximalgesättigter Sodalösung erdhhne 1:464 Ebensowenig drücken geringe Abweichungen in der Konzentration der zur Verdünnung benutzten Sodalösung das Absorptionsverhältnis herab (Tab. VI). Erst erhebliche Steigerung des Alkaligehaltes bewirkt zuweilen ! Ebenso fand Mohr mit unserem Apparat im Mittel von 7 Bestimmungen an normalen Hunden 1-48. ® Hüfner, Dies Archiv. 1900. 8. 39 ff. 118 Hans ARON UND FRANZ MÜLLER: Veränderung des Farbstoffs.2 Da wir uns aber streng an die Vorschrift hielten und nur 0-1 proz. Sodalösung verwendeten, so kommt auch diese Fehlerquelle für unser Resultat als Erklärung nicht in Betracht. Tabelle VI. Änderung des Quotienten durch verschiedenartige Verdünnungsflüssigkeiten. | | | I. | ur Tier | Kaninchenblut IX aus Carotis ganz frisch, Hund am 5. II. 03 verblutet, Verdünnung 1: 100 | Verdünnung 1:100 22. VI. 04 | Bestimmungen ‘am 9. 11. | Mit Äther vorher lackfarben | | gemacht | | Zusatz | Destill. | 0-1%, | 0-3% 0.6, | 1%, || Destill. | 0-1% | 0.29% | 0-5% S Wasser | Soda Soda Soda | Soda | Wasser Soda | Soda | Soda Quotient| 1.459 | 1-458 | 1-494 | 1-443 | 1-451 | 1.429 | 1-427 | 1-432 | 1-384 II. | In: | V. Tier | Hund II, am 10. II. 03 ae Rinderhämoglobin- bestimmt | 3. III. 03 \ kristalle, frisch Verdünnung 1:150 |in Sodalösung gelöst \ Destill. | 0-19, 0-29, | 0-59, | Destill.| 1%, |0-5%, |0-1%, |0-389/,|0- 760), Wasser Soda | Soda | Soda | Wasser | Soda | Soda | | | Quotient || 1-415 | 1-467 1-408 1-171) 1-40 | 1-38 | 1-44 | 1-47 | 1-42 | 1-44 | | | Verdünnung 1: 100 Zusatz Weiter soll nach v. Zeynek”? schon ganz kurze Zeit nach Entnahme des Blutes Methämoglobinbildung einsetzen können und am Herabgehen des Quotienten & kenntlich sein. Tab. VII zeist nun aber, daß der 0 Quotient selbst bei längerer Aufbewahrung des Blutes durchaus nicht immer abnimmt. ! Bohr (Skand. Archiv. Bd. III. S. 10 ff.) nimmt, gestützt auf Untersuchungen von Torup mit dem Glanschen Spektrophotometer, an, dab schon durch so geringe Schwankungen der Alkaleszenz, wie sie durch die wechselnden Mengen der in den verschiedenen Blutproben enthaltenen alkalischen Salze bedingt sein köunen, der Punkt der stärksten Lichtabsorption verschoben wird. Wir haben hierfür keine Anhaltspunkte gefunden. ° Dies Archiv. 1899. Physiol. Abtlg. S. 473. ÜBER DIE LICHTABSORPTION DES BLUTFARBSTOFFS. 119 Tabelle VI. Änderung des Absorptionsverhältnisses bei Aufbewahrung von Blut. Verdünnung mit Sodalösung (0.1 Prozent). Pferdeblut- | Pferdeblut- Kalb v : |© Keibt ee a Hund, | | hämo- hämo- Tier | Entnahme | Entnahme | globin- | globin- | Entnahme 29. I. 03 AST 04 | JA 05 | kristalle 1) |kristalle 2) | ART | vom 12.1]. || vom 19.1. 18. 11. 03 | | E faulig = a | SEINE RADE 5 114. VI.|5. VI. 14. II1.]15. IIL| Datum 03 gg m. Sauer- 042 | 004 05: | 05 | 13]k | | 15.1. 19.1. 20.1. stoff ge- | sättigt | | | Quotient | 1.427 |1-467 1-456 11-477 | 1473 11-467 1.517149 1-44, 1.57 1:02 Einmal hatte also zweifellos faulig riechendes, einen Monat auf- bewahrtes Hundeblut nach Arterialisierung noch denselben Wert wie im frischen Zustande! Bemerkenswert ist allerdings, daß Lösungen von kristallisiertem Hämo- globin bedeutend schneller ein Herabgehen des (uotienten zeigen als Blut- lösungen, und zwar oft, aber nicht regelmäßig, verbunden mit dem Auftreten des charakteristischen Methämoglobinstreifens im Rot. Es scheint demnach das kristallisierte Oxyhämoglobin leichter zersetzlich zu sein als der im roten Blutkörperchen oder in lackfarbener Lösung befindliche Blut- farbstof. Ähnliche Beobachtungen hat Pflüger gemacht und bei rein spektroskopischen Untersuchungen kürzlich wiederum Ville und Derrien.! Worauf es beruht, dab unser Mittelwert für das Absorptionsverhältnis von ganz frischem Blut bei 1-47, also erheblich niedriger als bei Hüfner liegt, das ist also durch das Vorstehende nicht geklärt. Wir sind bisher leider nicht in der Lage, einen plausiblen Grund dafür anzugeben. Aus unseren Versuchen hat sich ergeben: Anscheinend gesunde Tiere weisen relativ häufig für das Absorptionsverhältnis Abweichungen vom Mittelwert auf. Außerdem nimmt das Absorptionsverhältnis selbst bei längerer Aufbewahrung des Blutes nicht immer ab. Es kann daher die Hüfnersche Forderung, daß das Absorptionsverhältnis bei frischem Blut nicht mehr als 2-5 Prozent unter dem Mittelwert liegen darf, nicht aufrecht erhalten werden. Zweifellos ist es eine Überschätzung der für das Absorptionsverhältnis erreichbaren Genauig- ! Pflüger, sein Archiv. Bd. I. S. 78; Ville vu. Derrien, Bull. Soc. Chim. T. XXXIV; Derrien, 7%ese. Montpellier 1906. p. 23. 120 Hans ARON uUnD FRANZ MÜLLER: keit, wenn man geringen Abweichungen nach unten (1.548 statt 1.578) eine so große Bedeutung beimißt, daß man nur daraufhin ein frisches Blut nicht mehr für einwandfrei hält, dabei aber viel größere Abweichungen nach oben bis zu 1-66 zuläßt.! II. Beziehungen zwischen Eisengehalt und Lichtabsorption des Blutfarbstoffs. Hämoglobinbestimmungen mit dem Spektrophotometer. Will man die in den Blutkörperchen enthaltene Farbstoffmenge mittels des Spektrophotometers bestimmen, so liegt es am nächsten, den Apparat mit einer Lösung des rein dargestellten Farbstoffs zu eichen. Wir müssen also von kristallisiertem Hämoglobin ausgehen und machen dabei die Voraus- setzung, daß dieses sich in seinem Lichtabsorptionsvermögen gleich verhält dem in den Blutkörperchen enthaltenen Farbstoffe, den wir mit Bohr? kurz „Hämochrom“ nennen wollen. Gegen diese Identität hat Bohr allerdings gewichtige Bedenken geäußert.” Aber selbst, wenn wir von diesen absehen, stellen sich noch andere Schwierigkeiten in den Weg. Einmal wissen wir nicht, welche Darstellungsmethode (Zusatz von Alkohol oder Äther usw.). den Blutfarbstoff am wenigsten verändert, andererseits bietet die Bestimmung der Trockensubstanz bzw. des Kristallwassers eine weitere Fehlerquelle. Wie der eine von uns bei Gelegenheit der Prüfung des Miescher- schen Hämometers dargelegt‘, wandten die verschiedenen Autoren, welche Hämoglobin zum Zwecke der Konzentrationsbestimmung trockneten, ver- schiedene Temperaturen an, so Hoppe-Seyler® 110°, Hüfner ebenfalls 110° im Wasserstoffistrom, von Noorden® bis 100°, Bunge, wie es scheint, 120°, Veillon? dampfte die Lösung im Vacuum bei 60° ein und trocknete dann 5 Tage lang im Luftbad bis zur Gewichtskonstanz, die Temperatur gibt er nicht an. Es wurde auch schon gesagt, daß das Resultat unserer Konzentrationsbestimmungen durchaus unbefriedigend ausfiel. 1 Dies Archiv. 1899. 8. 483. ® Nagels Handbuch der Physiologie. Bd. I, 1. 8. 88. 3 Nagels Handbuch der Physiologie. Bd. 1], 1. 8. 88, und besonders Skand. Archiv. Bd. Il. 4 Dies Archiv. 1901. Physiol. Abtlg. S. 443. 5 Medizinisch-chemische Untersuchungen. 1868. 3. Heft. S. 370. 6 Zeitschrift für physiol. Chemie. Bd.1. 8.389; Bd. III. 8.3; Bd. IV, 8.15. ? Mieschers Arbeiten. Leipzig 1897. S. 450. ÜBER DIE LICHTABSORPTION DES BLUTFARBSTOFFS. 121 Tabelle VII Kristalle von Pferde-Hämoglobin (vom Alkohol durch Dialyse befreit). 19.1. 1901. 2 Proben. Probea Probe IN ET. bei) sey;öhnlicher Temperatur ne Proz. Proz. bis zur Konstanz"... er. . Di 0.1597 2. Dann bei 55° bis zur Konstanz 0.1521 | 0.1520 3. Zuletzt bei 116 ° bis zur Konstanz al: 1447 Io: 1446 Troekensubstanzgehalt der angewandten Lösung Wir kamen bei jeder der Temperaturen, bei der wir die Trocknung vornahmen, zu einer Konstanz. Die Trockensubstanz der bei gewöhnlicher Temperatur im Vakuum getrockneten Lösung gibt aber bei 116° noch 14.35 Prozent Wasser ab. Wir wissen nun nicht, ob bei Anwendung so hoher Temperaturen vielleicht flüchtige Bestandteile fortgehen, und können daher diesen niedrigsten Trockensubstanzgehalt nicht ohne weiteres als den richtigen annehmen. Da also eine Eichung auf Basis der Trocken- substanz nicht mit Sicherheit durchführbar ist, mußten wir eine andere Grundlage wählen. Als einen der wichtigsten Bausteine des Blutfarbstoffmoleküls dürfen wir wohl das Eisen ansehen, um so mehr, als es wahrscheinlich auch in naher Beziehung zur Sauerstoffbindung steht. Außerdem besitzen wir in der Neumannschen Methode einen äußerst exakten Weg zur Bestimmung kleiner Eisenmengen.” Um mit Hilfe von Eisenbestimmungen die Eichung des Spektrophotometers vorzunehmen, müssen wir aber voraussetzen, dab Lichtabsorptionsvermögen und Eisengehalt des Hämoglobins einander pro- portional sind. Bohr hat in der Beziehung zwischen Lichtabsorption und Eisen sowohl für Blut wie für Hämoglobinpräparate eine Inkonstanz ge- funden. Stellt man sich auf seinen Standpunkt, so ist eine Eichung auf diesem Wege unmöglich. Nehmen wir aber mit Hüfner und anderen Autoren eine konstante Beziehung an, so ist eine bequeme Methode zur Eichung des Spektrophotometers gegeben. Zuerst wandten wir hier eine Lösung von kristallisiertem Hämoglobin an, deren Eisengehalt Herr Dr. A. Neumann selbst zu bestimmen die Güte hatte. Das Hämoglobin war bei ganz niedriger Temperatur hergestellt, ohne Zusatz von Alkohol oder Äther kristallisiert, und trotzdem war der Quotient der Extinktionskoeffzienten ‚selbst nach unseren Anschauungen ein abnorm niedriger. ı Zeitschrift für physiol. Chemie. Bd. XXXVI. 8. 115, und Verhandlungen der physiol. Gesellschaft zu Berlin. 5. Dezember 1904. 122 Hans ARON UND FRANZ MÜLLER: Tabelle IX. Lösung von Pferdebluthämoglobinkristallen: 100.270 0675 82 Me. | | 1 1 Verdünnung | ah | ei ee | ne | u | Fir | | Al | I 0 ZRere & 1:1 Sodalösung | 56-67 | 63-62 |0-52012 | 0-.70460 | 6459 4790 | 1355 1:2 | 41.55 | 53-62 |0-34146 |0-45368 | 6589 | 4960 | 1-329 2 | | Wir hatten schon früher erwähnt, dab Hämoglobinlösungen sehr empfindlich sind und sich viel leichter als Blutlösungen zersetzen. Ein besonderer Versuch zeigte uns, in welcher Phase des Verfahrens, das zur Darstellung von Hämoglobinkristallen diente, das Herabgehen des Quotienten es auftritt (s. TabelleX). Nach der ersten Kristallisation aus 20 prozentigem 0 Alkohol hatten die Kristalle einen zwar niedrigen, aber noch zulässigen Quotienten. Nachdem sie in Wasser gelöst und die Schatten durch Zentrifugieren entfernt waren, war er am folgenden Tage gleichfalls brauch- bar. Die Lösung wurde zur zweiten Kristallisation aus 20 prozent. Alkohol in die Kälte gestellt und lieferte nun am dritten Tage einen so niedrigen (uotienten, daß wohl an Zersetzung gedacht werden mußte. Tabelle X. Blutkörperchen von Pferd, frisch ? Verdü | ‘ I. 88% =o mit 3proz. Kochsalzlsg. gewaschen Genua 2 ae 2 20 | | I} 8. I. bis 11. I. dialysiert. 12.]. Hämoglobinkristalle aus 20 proz. Alkohol | Sodalösung 67-05. 74+61 0-81804.1-15224 11-409 13.1. Schatten durch Zentri- | fugieren entfernt, umkristalli- ® 5 ‚68-10 75-77.0-85662|1-21878 1.428 siert, feucht gelöst 1:1 Sodalösung 56-67 63-62. 0-52012.0-70460 11-355 0-45368.1-329 14. I. Lösung der Hämoglobin- | kristalle \I1:2 “ 147:5553-62 0-34146 In den späteren Versuchen gingen wir direkt vom frischen Blut aus, und vermieden so die Gefahr, daß sich der Farbstoff bei der Darstellung möglicherweise zersetzt. Der Eisengehalt des Serums darf, wie wir uns auch durch eigene Prüfung überzeugten, vernachlässigt werden. [60 «m Serum verascht, in reiner Salzsäure gelöst, geben mit Rhodankali eine minimale Rosafärbung. ] Die so gefundenen Werte stellen wir in der Tabelle XI zusammen. ! Auf Verdünnung 1:100 berechnet. 123 ÜBER DIE LICHTABSORPTION DES BLUTFARBSTOFFS. 94 su 816*P PA wı “zsı-e 9A Zu 795-4 | 9A au 9P8-G | ppm wu 9% Zu 9,1 :G 9 sumarr-e |“ " ger-c pm we l91 su 987-C 9 au 089-8 | er8eez 1m me (91 su 814-3 © 302-7 9% Zu 616°6 | “ 94 Zur 066°6 PM w 94 5m09L- HS © © L0rH PM mu | 94 au F6L-F uaypeggus Zunsorf AP oo OOL eosuasırt | “« “ ELF a au 666 *P uagjeygu9 Sunsyrf AP wo 0% 10-088 «m Blut enthalten 6486 I50L 0888 1869 g0#6 G169 gLr8 6801 0997 0019 c0CF 6849 0997 1319 c68F | 8189 GeHr 1089 Ga5r LL89 650% 0789 9087 | 8199 Lelr 879 287 8189 0457 1248) G6lr 1889 00L:T 'PIOA ne gouypaaog a | a 61868 .0 868880 66986 0 | 008160 F794P0- 1 98L0L-0 F9L50-T sr660-T 91808 +0 001880 9191-1 69489 -0 81609-0 9PPTO-T PLLII-I 946041 03 N) 980890 60489 +0 SSLIL-0 88421 -0 SSLSL +0 86F87.0 86I1L-0 VE68L°0 901990 08694 0 98641 +0 686880, 908680 81G19-0 BE68L°0 9166-0 001 :813°6 VOL: 816-6 G01:088-8 001 :088°% 668 66 : 6286 °0 ?POS I:Zoq[dsse(] 68866 : 6286-0 668.66 : 0286 0 008 : FL6L-S 008 : FL6L-& 091: FL6L-S \ gG:8 fyuunp.aoA oyıoMm 0-001:498*1 0-OL:1I sunuumpaoA u mn nn ‘op "TRAaJ10goL yzypl ‘yoewasgsanp UO1NOJ -uJ 95jojur uopoLıodıogery F Ana 099uq “TIL PIOJT "IIA ‘op “IIIA P-AJT "IA ‘op “ITA PASJd "A ‘op ‘TA PL "AI ‘op ‘puny "II "Sunso[epog “word gu gaunpıoa “ıoru -LIQIPp SH oqn purng "II 929114808 "Ss[epog "Tpiwmoad ur gyauıp sıı7) ZUBS :uoouruuyy "7 UOA UI 'sıoJomojoydornyyads sap Sunyaıy IX 9TI94®L 124 Hans ARON UND FRANZ MÜLLER: Aus den Versuchen I bis VI ergeben sich folgende Mittelwerte: Fe Fe &o 2 Kaninchen 6405 4224 Rind’ 8 26503 4194 Hund= . 6308 4336 Bierdee, 2.0024 4677 Die für Kaninchen-, Rinder- und Hundeblut gefundenen Zahlen stimmen recht gut überein. Sie differieren nicht mehr als die einzelnen Bestimmungen vom Blut desselben Tieres, also innerhalb der mit dem Spektrophotometer erreichbaren Genauigkeit.! Hingegen liegen die Zahlen des Pferdeblutes beträchtlich höher, so daß an eine abweichende Eigenschaft im Blutfarbstoff des Pferdes gedacht werden muß. Dafür spricht, daß das Blut der drei normalen Versuchstiere IV bis VI solche abweichende, aber untereinander recht gut stimmende Werte lieferte, die außerdem fast identisch sind mit den früher an Pferdehämoglobin kristallen gewonnenen Zahlen (s. Tab. IX). Es ist also entweder der Eisengehalt des Pferdehämoglobins etwas größer oder die Lichtabsorption in den von uns benutzten Spektralgebieten etwas geringer als im Blutfarbstoff der anderen untersuchten Tierarten. Weiter scheinen aber unsere Versuche an Pferdeblut auf eine kon- stante Beziehung zwischen Eisengehalt und Lichtabsorption für den Blutfarbstoff dieses Tieres hinzuweisen. Den kleinen spektrophoto- metrisch festgestellten Verschiedenheiten der Liehtabsorption? entsprechen nämlich bei den 3 normalen Tieren analoge im Eisengehalt: Fe &9 Fe mg bei gleicher Verdünnung & in 10-088 «® Blut 0:9325: 99-822 5176 0-71198 7.270 5.264 0-72728 17-238 5.442 0.173234 T-481 Wir möchten auf Grund dieser noch geringen Zahl von Versuchen vor- läufig kein definitives Urteil fällen, ob die eine oder die andere Ansicht zweier so erfahrener Forscher, wie Hüfner und Bohr, über Konstanz bzw. Inkonstanz des Blutfarbstoffes mehr Wahrscheinlichkeit für sich hat. Wir ! Die aus unseren Eisenbestimmungen resultierenden Fehler betragen (s. letzten Stab der Tab. XI) gleichfalls im Maximo 3 Prozent des Wertes, ® Aus bald zu erörternden Gründen (s. S. 125/126) wird nur der Wert Fe/e, zu- grunde gelest, d.h. die Lichtabsorption bei A = 569—557 u. ÜBER DIE LICHTABSORPTION DES BLUTFARBSTOFFS. 125 sind damit beschäftigt, zur endgültigen Lösung dieser Frage die Zahl der Versuche zu erweitern. ! Unsere Versuche genügen aber jedenfalls, um sie einer Eichung des Spektrophotometers zugrunde zu legen. Es ist üblich, den Hämo- globingehalt einer Lösung durch den Farbstoffgehalt und nicht durch den Eisengehalt auszudrücken. Dazu müssen wir nun den Eisengehalt des Hämo- globins kennen. Seiner Bestimmung stellen sich aber dieselben Schwierig- keiten wie der der Trockensubstanz (siehe S. 125) entgegen, vorausgesetzt, daß der Eisengehalt des Blutfarbstoffs überhaupt ein konstanter ist. Von den verschiedenen Autoren werden Werte zwischen 0-33 und 0-47 angegeben.” Wenn wir von Eisen auf Hämoglobin umrechnen wollen, so müssen wir uns für einen entscheiden. Wir wählen vorläufig mit Hüfner den Mittelwert der zahlreichen Jaquetschen Analysen 0-336? Die Kon- stante, welche wir so aus Fe:e, finden, nennen wir mit Hüfner A,, die Busplier:, — A: So berechnen sich die in Tab. XII enthaltenen Werte: (s. folgende Seite.) Vergleichen wir unsere Resultate. mit den Hüfnerschen Eichwerten 4A’, = 1266 — 1348, so ergibtsich, daß die Differenzen unserer Bestimmungen ungefähr ebenso groß sind wie bei Hüfner und daß unser Mittelwert für A’, von Hüfners Mittelzahl: A’, = 1312 nicht bedeutend, der A,-Wert dagegen etwas mehr von dem seinigen, A, = 2070, abweicht, und zwar ungefähr so viel, wie unserem niedrigeren Wert für das Absorptionsverhältnis = = zZ entspricht. ® Eigentlich ist aber von den beiden Werten A, und A’, bei Änderungen des Absorptionsverhältnisses A, der konstantere. In Tab. XII (Pferd III) führen wir einen Versuch an einem Blut mit abnorm niedrigem Absorptions- verhältnis an; nehmen wir hierzu noch die an Pferdehämoglobinkristallen gefundenen Werte, die ja auch ein niedriges Absorptionsverhältnis ergaben, so sehen wir, wie 4, fast konstant bleibt, 4’, sich dagegen ändert. Es erschien auch von vornherein wahrscheinlicher, daß 4’, mehr schwankt als 4,; denn die Umwandlung des Spektrums des Oxyhämoglobins in das des alkalischen Methämoglobins gibt sich mehr zu erkennen in dem Bezirk des sogenannten P-Streifens, in dem man ja e’, bestimmt, als in der Gegend zwischen beiden Streifen, in der &, abgelesen wird. Um diese Änderung tatsächlich zu eruieren, haben wir einige Male zu einer normalen Blutlösung ein wenig ! Anm. bei der Korrektur: Weitere Versuche an Hundeblut ergaben gleichfalls Konstanz von Fe/e,. * Siehe Zusammenstellung bei Bohr, Skand. Archiv. Bd. III. 8. 9. 3 Jaquet, Diss. Basel 1889, und Zeitschrift f. physiol. Chemie. Bd. XII. 3. 285. * Dies Archiv. 1894. Physiol. Abtle. 8. 137, 126 Hans ARON UND FRANZ MÜLLER: Ferricyankalium zugesetzt und dadurch das Blut vollkommen in Methämo- globin übergeführt. Tabelle XIII zeigt, daß allerdings &, auch etwas sinkt, erheblich mehr aber e',. Der Raum zwischen den Streifen wird also etwas heller, jedoch viel mehr das Gebiet des -Streifens. Tabelle XII. 4, | AR Tierart | f ı Berechnet Mittel | Berechnet Mittel Eio8 | = Ra |. 0.001901 ' 0-001249 | BE 1058 Kaninchen \ | 0.001919 | 0001906 | J.001265 | 9001257 1.519 | | | \ 0.001850 0.001232 1:502 Rind 0.001913 | 0-001897 | 0-001231 | 0.001248 | 1.554 ‘| 0-001927 0-001282 1-503 | 0.001887 0.001260 1-498 Hund | 0.001868 | 0-001877 | 0-001287 | 0-001291 | 1+455 0.001877 | \ 0.001326 1-416 | 0-002047 0001456 1-406 0.002002 \-0-001387 | = Ilo-ooigsg | 9092708 |\'o.001340 | SS er 0.001994 | 0.001387 | 1-438 i Be ‚| o-ooıssı | | 0.001420 | 1-355 Pferdehämoglobinkristalle || 0-001961 0-001946 0-001491° 0.001456 1:329 ) | | \ 0.002093 | 0:001629 1-261 | 0-002076 ' 0.001608 1-291 Pferd II, s. Tab. XI || 9.002073 | 0:002082 || 9.001601 | 0001608 rasg 0.002091 0.001595 1-311 Tabelle XII. Änderung von e und € durch Methämoglobinbildune. "Be ı Verdünnung mit | 6 5 Tierart 0-1 proz. Soda Zusatz | @ 7 & &o n Katze 0-93248:100-19 7: 59-21 68-10 | 0-58164 | 0-85662 | 1490 '0-93248:100-19 | Ferricyankalium | 56-46 | 60-47 | 0-51530 0-61425 | 1-192 ee | 0-93248:100-19 —— 55-24 | 63-77 | 0-51196 | 0-70920 | 1-385 0-93248:100-19 | Ferrieyankalium | 53-45 57-67 | 0-45020 | 0-54362 | 1-207 I j I Dementsprechend hat auch v. Zeynek für Methämoglobin A„ = 2080 gegen A, = 2070, dagegen für Am = 1754 gegen 4, = 1312 gefunden.! ! Dies Archiv. 1899. Physiol. Abtlg. S. 464. ÜBER DIE LICHTABSORPTION DES BLUTFARBSTOFFS. 127 Es erscheint an dieser Stelle angezeigt, darauf hinzuweisen, daß Bohr das Lichtabsorptionsvermögen nur im Spektralgebiet der Wellenlänge 2 = 544 u oder 545 u bestimmt hat, also gerade dort, wo unser & bzw. A’ ermittelt wird. Da wir nun bei unseren zahlreichen Versuchen an frischem Blut relativ häufig recht bedeutende Schwankungen des Quotienten €',/& fanden und, wie wir soeben sahen, solche Schwankungen sich fast ausschließlich im dem bei A = 545 u gefundenen Lichtabsorptionsvermögen (€) geltend machen, so ist es leicht verständlich, daß Bohr im Gegensatz zu uns eine Inkonstanz für die Beziehung Fe zu Lichtabsorption des Blut- farbstofis gefunden hat. Unsere Konstanz bezieht sich ja auch vornehmlich auf &, bzw. A,, also das Wellengebiet (A = 569 u — 557 u). Hüfner dagegen bestimmt die Lichtabsorption in beiden Spektralgebieten und verwirft alle Werte mit abweichendem, niedrigem Absorptionsverhältnis, das wir aber wie gesagt an frischem Blut ziemlich häufig beobachten konnten, unter dem Verdacht einer Methämoglobinbildung. Er findet so in dem Blut mit „normalen“ Quotienten eine konstante O,-Bindung pro Gramm Hämoglobin. Bohr aber, der ein solches Kriterium wie Hüfners Extinktions- koeffizientenverhältnis nicht besitzt, zieht ganz mit Recht alle Werte in den Kreis seiner Betrachtungen und findet wechselnde O,-Bindung. Bohr fand weiter, daß, wenn die Lichtabsorption für eine bestimmte Eisenmenge kleiner wird, auch die maximal gebundene O,-Menge kleiner wird. Wir konnten zeigen, daß ein Absinken des Lichtabsorptionsvermögens im Bohrschen Gebiet 4 = 545 u, bezogen auf eine gleiche Eisenmenge mit Herabgehen des Quotienten e',/s, verbunden ist, und daß durch Methämo- globinbildung gerade in diesem Spektralgebiet 545 u das Absorptionsver- mögen einer Blutfarbstofflösung bei gleichbleibendem Fe-Gehalt abnimmt. Nach Bohrs und unseren Resultaten könnte also im normalen Blut ein Körper vorhanden sein, der auf gleichen Eisengehalt ein geringeres Lichtabsorptionsvermögen im Gebiet A = 545u und geringere O,-Bindung zeigt, alsö in seinen Eigenschaften dem Methämoglobin sehr ähnlich ist.! Diese heute allerdings noch zu wenig fundierte Annahme des Vor- kommens wechselnder Mengen von Methämoglobin? oder eines dem Met- hämoglobin sehr nahestehenden oder sehr leicht in solches übergehenden Farbstoffes im normalen Blut würde nicht nur die von uns gefundenen Schwankungen des Extinktionskoeffizientenverhältnisses &,/&,, sondern auch den Widerspruch in den Hüfnerschen und Bohrschen Befunden erklären. ! Vgl. Franz Müller, Pflügers Archiv. 1904. 8. 569. ® Auf Grund, wie es scheint, recht genauer spektroskopischer Untersuchungen sind Ville und Derrien (a. a. ©.) zur gleichen Auffassung gekommen. 128 Hans ARON UND FRANZ MÜLLER: Vielleicht dürfen für die Möglichkeit einer zeitweisen Anwesenheit von Methämoglobin im Blut und der Wiederumwandlung in Oxyhämoglobin auch die Verhältnisse bei den Methämoglobinbildung hervorrufenden Vergiftungen und der Wiedererholung von diesen angeführt werden, wenn auch von anderer Seite im letzteren Falle ein Zerfall bis zum Fe und Wiederaufbau des Hämo- slobinmoleküls vermutet wird. IIl. Bestimmung des Hämoglobins im Blut. Mit Hilfe dieser so berechneten Konstanten, die einen Einzelfehler von höchstens 3 bis 5 Prozent involvieren, sind wir imstande, Konzentrations- bestimmungen des Blutfarbstoffes auszuführen (On = A,» = A ,:,). Wir wollen aber nochmals betonen, daß die absoluten Werte der Hämoglobin- konzentration sich auf die Bestimmung des Eisengehaltes im Blutfarbstoff stützen und daher die gleiche Unsicherheit besitzen wie diese. Bei der Berechnung wurden die beiden, sich durch Multiplikation von &, mit 4,, sowie von 8, mit A’, ergebenden Hämoglobinkonzentrationen bestimmt. Bei frischem, normalem Blut, wenn der Quotient — innerhalb 0) der von uns für zulässig erklärten Grenzen schwankt, müssen beide \WVerte von C als gleich richtig angesehen werden. Liegt der Quotient tiefer als 1-40, und will man die Hämoglobinmenge spektrophotometrisch ermitteln, so ist dem Wert A,-s, der Vorzug zu geben, da sich ja bei Variationen des Absorptionsverhältnis &, viel weniger als &’, ändert (in Tab. XIII ein- geklammert). Wir stellen in Tab. XIV einige Zahlen zusammen, welche wir mittels dieser Konstanten für anscheinend gesunde Tiere im frischen Blut ge- wonnen haben (Kalb, Katze): Aus diesen Zahlen erhellt, daß der Hämoglobingehalt individuell innerhalb sehr weiter Grenzen schwanken kann. So zeigt die Katze Schwankungen von 8.92 bis 17.46, das Kalb von 5-67 bis 15-70. Das Blut entströmte bei den Kälbern (Schlachthoftieren) den großen Halsgefäßen, bei den Katzen der Carotis. Etwaige vasomotorische Einwirkungen auf die Blutkörperchenverteilung sind also sicher nicht so stark gewesen, daß sie die großen Abweichungen erklären könnten. Bei pathologischen Verhält- nissen, besonders bei Anämie, fanden wir, wie leicht erklärlich, immer sehr niedrige Zahlen, so bei Kälbern bis zu 2-8 Prozent herunter, bei Menschen mit hämorrhagischer Diathese 3-7 und 4-4 Prozent, bei perniziöser Anämie 2.57 und 2-93 Prozent. In einem Fall von Hyperglobulie dagegen waren 26.99 Prozent Hämoglobin im Blut. ! Es wurde mit dem Mittelwert der an Kälber-, Hund- und Kaninchenblut ge- fundenen Zahlen gerechnet. ÜBER DıE LICHTABSORPTION DES BLUTFARBSTOFFS. 129 Tabelle XIV. Hämoglobinkonzentration im Blut. u) In 100 Blutsindent- In 100 Blutsind ent- a8 halten Hämoglobin halten Hämoglobin E E Mierart Alter in g berechnet aus in g berechnet aus 23 Dress are Ge ig | & Er & 89 p | 25 Kalb ca. 9 Monate| 9-75 | 9-66 | Katze 1. | 12-76 12-51 Bi>®E| „ on 8-48 | 8-56 „2% | 13-85 | 13-70 Bann Sa, ar. 1710:02 | [949] | o „. >80 1149| 11-85 Sun 39, 3* , =113-00 7712-83 » 4 | 11-04 | [10-58] 2) = er ee re 5 W „ 5. | 12-52 | [11-82] 43 Dear, 5-67 | 5-51 „6. | 17-46 | [16-19] Be eo .5 | 12-82] 12-36] » 7. | 15-37 | [14-02] 3) a Re er LEST » 8. | 11-83 | 12-28 1.|S Ber, 227202 2710=687 1710-37 EPEG, 8-92 8-73 Bale Bo, 1 3. 15-02: |. [14=88] 9. een, 1 0019-84 | 12-50 | 10. | Ochse | „ 3 Jahre | 13-63 | [13-06] Tabelle XV. Einfluß der Konzentration auf die Genauigkeit. Parallel- beobachtungen am gleichen Tage. Zu ee TR 38 sa | | Berechnet auf Ver- | Proz. Hä- ne E = | dünnung 1:100 moglobin | 5 |52 Tierart 235 FR berechn. aus) $ |, 2723| P Pı i Zee OS, ee A345 € & see i 2 [2.2 | &, En &o IE Kaninchen I 100 166-7775-50 0-80808|1-20280 1-488115-26116-04 15-65 150 57-89 66-79.0-8233811-21317 1-474 15-55 16-18|15-87 N Kaninchen 2 100 60-19,69-39.0-60706.0-90690 1-494 11-46 12-10 11-78 150 52-30,60-73.0-64024 0-93228 11-455 12-09112-44 12-27 kei Kaninchen 3 100 61-24 70-28.0-63546 0-94364 1-486 11-99 12-59 12-29 133 56-49 64-810-68800 0-9892811-438.12-99 13-2013-11 16-5 Hund 4 100 \69-1977-3310-89888 1-8177811-466116-97117-58 17-28 A 150 ‚60-4569-53|0-921121-36884 1-485|17-09 18-26 17.091%°8 Hund 5 | 100 \67-33|75-36,0-82812|1-19464|1-443115-63115-94 15-79 | , | 150 _|58-53167-3610-84687|1-2488311-468|15-90 16-59116-29 | ° \ Kalb 6 | 66-44 52-67|61-420-28868 0-42628|1-476, 5-45| 5-39) 5-42 49-86 60-03 ,68-79.0-30067 0-44045 1-465| 5-68) 5-70 HERR) Kalb XVI 49-445 69-45[78-09 0-44958 0-6775011-507) 8-48| 8-56| 8-52 98-83 54-15.62-94 0-45947|0-67645|1-470| 8-67) 8-55, 8-61 [0 Pferdehämoglobin 1:100 56-67,63-62)0-52012.0-70460 1-355.11-44|11-56,11-50 | 1:150 \47-55.53-62 051219 0-6805211-32912-03)11-77 11-90) ° Archiv f, A.u. Ph. 1906, Physiol, Abtlg. Suppl. B) 130 Hans ARON UND FRANZ MÜLLER: Zwecks Feststellung der Genauigkeit der Methode war zu untersuchen, ob die Konzentration, in welcher der Blutfarbstoff zur spektrophotometrischen Untersuchung kommt, einen Einfluß auf das Resultat ausüben kann. Tabelle XV zeigt, daß Doppelbestimmungen bei verschiedener Konzentration befriedigende Übereinstimmung liefern. Es war weiter interessant, festzustellen, wie sich die einfache kolorimetrische Messung des Blutfarbstoffes, mit Hilfe des Miescherschen Hämometers zur spektrophotometrischen Bestimmung in bezug auf Genauigkeit verhält. ! Dieser Vergleich mit 2 Glaskeilen ausgeführt (alter Keil, im Besitz von Geh. Rat H. Munk, und neuer Keil) zeigt, daß beim Spektrophotometer die Differenz der Doppelbestimmungen nicht wesentlich ge- ringer, der wahrscheinliche Fehler also auch nicht viel kleiner ist, als beim Miescherschen Apparat (s. Tab. XVI). Das tritt deutlich bei der Betrachtung von Bestimmungen desselben Blutes bei verschiedenen Konzentrationen hervor. Inwieweit aber die absoluten Hämoglobin- werte, wie sie sich aus der dem Hämometer beigegebenen Tafel ergeben sollen, richtig sind, hängt wie beim Spektrophotometer von dem Eisenwert ab, den wir im Hämoglobin annehmen. Nach unserer Annahme eines Fe-Gehaltes im Hämoglobin von 0-336 Prozent liegen die Werte um 20 Prozent tiefer als dort angegeben; nimmt man 0-42 Prozent Fe im Hämoglobin an, so sind sie gleich. Unser früher abgegebenes Urteil über das Mieschersche Hämo- meter kann also vollinhaltlich bestätigt werden. Wir sagten: „Das Instrument ist für relative Hämoglobinbestimmungen, wie sie in der Klinik ja ausschließlich vorgenommen werden, sehr gut verwendbar.“ Wir möchten hinzufügen, daß für solche Zwecke eine Verwendung des Spektrophotometers im allgemeinen überflüssig erscheint. Wenn es aber für bestimmte physiologische oder pathologische Fragen darauf ankommt, möglichst exakt die Blutfarbstoffmengen in einem Blut zu bestimmen, dessen Farbstoff Veränderungen in seinen optischen Eigen- schaften etwa durch Methämoglobinbildung erlitten hat, dann dürfte das Spektrophotometer vorzuziehen sein. Dieses hat den Vorzug, uns an- zuzeigen, wenn ein beträchtlicher Teil des Blutes in Methämoglobin ver- wandelt ist, und uns auch in diesem Fall durch A,-s, die vorhandene Farbstoffmenge anzugeben, während das Hämometer hier zu niedrige Werte liefert. Wir haben ja gesehen, daß das Lichtabsorptionsvermögen einer Methämogiobinlösung gegenüber dem einer Oxyhämoglobinlösung von gleicher Konzentration zurücksteht. Mittels der Spektrophotometer- werte &, und s, und der Konstanten A’, und A, für Oxyhämoglobin ! Vgl. die früheren Bestimmungen, dies Archiv. 1901. Physiol. Abtlg. S. 443. ÜBER DIE LICHTABSORPTION DES BLUTFARBSTOFFS. 131 Tabelle XV1l. Pferde- - Mieschers Hämometer | Spektrophotometer hämoglobin = — | — — — og (15. I. 1901.) 5 R= _ nr s® ' Hämoglobin in Proz. s$ SE- mn Es gs} & saae e | „rrerecimekane‘ ISSs, Sodalöung 5 o mar A Mae ? | Aa ra UBBE: B SR = | a) Er = |} Alter | 9-42 +0+6 10:10 \|Nener| 9-84 +5+1 . J}Alter | 8-68 | —T.3 I. | Lk I. —2-5 KO a Neuer] 9-42] > 30] rose (0 I AT 4.5 haner |" nragı DR Mittel 7-097 15:10 || Neuer| 10-12) +81 Pferde- | hämoglobin | (19. I. 1901.) | | | | | Alter | 14-26 | —0*2 | | IE 10% 10:10 || Neuer) 14-96 I +46 | | 11-44 12-03 1. —2-2 Alter |13-45 I 5.9 |[1570) m. VL IL +2-8 10:15 || Neuer! 14-97 (1429| za | WA 1.56 | 11-77 mL.-1ee (0:50 [Alter [18-74 — 3.9 1°9 1 Mittelt1-50 Mittell1-90.1V. +0-6 = 1 Neuer 14-39 +0-7 | Gesamtmittel 11-70 sowie A’„ und 4„ für Methämoglobin [nach von Zeynek] läßt sich dagegen a AAN er An er Am) auf Grund der Vierordtschen Formel (, = 100 IRA AA auch in stark methämoglobinhaltigem Blut die Oxyhämoglohinkonzentration und zugleich der Gehalt an Methämoglobin annähernd ermitteln, und ganz analog für Kohlenoxydhämoglobin oder reduziertes Hämoglobin ent- haltende Blutlösungen.? Gewinnung des Blutes zur Konzentrationsbestimmung. Zum Schluß seien noch einige Bemerkungen über die Gewinnung des Blutes zur Konzentrationsbestimmung angefügt. Es ist üblich, das Blut, nachdem es aus der Ader gelassen ist, durch Schlagen mit Holz oder Glas zu defibrinieren, von den Fibrinflocken abzugießen und diese eventuell aus- zupressen. Bei einer großen Zahl von Bestimmungen hat sich nun gezeigt (siehe Tab. XVII), daß die so ermittelten absoluten Werte niedriger liegen als die kurze Zeit danach erhaltenen, bei denen man das Blut durch Schütteln mit Quecksilber defibrinierte.e Es wurden deshalb Vergleiche angestellt, teils mit durch Schlagen defibriniertem Kälberblut, teils mit Blut, welches in einem Stöpselglase mit wenig Quecksilber geschüttelt und so defibriniert wurde. Änderungen in der Konzentration, bedingt durch Wechsel ! Berechnet nach der den einzelnen Apparaten beigegebenen Tabelle. ° Hüfner, Dies Archiv. 1900. Physiol. Abtlg. 8. 39. 132 Hans ARON UND FRANZ MÜLLER: LICHTABSORPTION USW. Tabelle XVII Prozent | Hämo- | _ Mier Methode der 'Konzen- globin | 8 B n e1 Defibrinierung tration ‚berechnet S | a | aus er r || | IR, NEE & rn :100 4-96|4-91/4-94 :100 4:24.4.18/4-21 :100 8-15/7-94/8-05 \Carotisblut. — Die Fibrinmasse :1005-23|5-365-30 | wurde nicht ausgeprebt V. | Über Hg defibr. » ' Durch Schlagen VI. | Über Hg defibr. re Durch Schlagen | Is ugularisblut PO Sa u Aus dem ausgepreßten Fibrin von etwa '/, Liter Blut konnten durch 13. | Über Hg defibr. 2:100 8-9818-72/8-85|| Zerhacken in Sodalösung noch Durch Schlagen 2:1006°466°44,6-45 exirahiert werden: ge 50 g Hb 11°A7f 70 S00: [ER | Verlust etwa 2-3 Proz. | XVII. | Über Hg defibr. 1:100 9. 75,9-66|9°71 » Direkt hämolysiert |Paguaristut in Soda 1:10019-8919-52/9-71 XVL | Über Hg defibr. 2:100 8-40|8-64|8-52 5 Direkt hämolysiert in Soda 2:100,8-48/8-56|8-52 Carotisblut = Direkt hämolysiert SrQUlEN in Soda :100/8-67/8:55 8-61 Durch Schlagen :1007-56/7-667-61 3. | Über Hg defibr. :100 5-675-56)5°62 \genlachtblut Direkt hämolysiert |1-5:100/5-46/5-40,5-43 | der Blutmischung bei der Blutentnahme, waren ausgeschlossen, da das aus der Jugularis oder Carotis fließende Blut direkt hintereinander in zwei Ge- fäßen aufgefangen wurde. Zur Kontrolle dienten Vergleichsproben, bei denen das Blut, ehe es gerinnen konnte, abgemessen und durch Sodalösung verdünnt wurde. Es ergab sich, daß die auf dem letztgenannten Wege gewonnenen Werte, die man wohl sicher als die richtigen ansehen darf, voll- kommen übereinstimmen mit den nach Defibrinieren mit Quecksilber er- haltenen. Dagegen enthielt das durch Schlagen vom Fibrin befreite Blut stets weniger Farbstoff. Er steckt, wie der Versuch an Kalb 13 der Tabelle XVII zeigt, im Fibringerinnsel; in diesem Falle ließ sich noch un- gefähr die fehlende Menge Hämoglobin aus den zerhackten Gerinnseln mit 0.1 Prozent Sodalösung extrahieren. Die Tabelle zeigt übrigens nochmals, wie gut übereinstimmende Werte die spektrophotometrische Methode in Doppelbestimmungen gleicher Konzentration liefert. Es empfiehlt sich daher bei allen quantitativen Untersuchungen des Blutes, wenn man es nicht direkt in Sodalösungen auffangen kann, die Defibrinierung mittels Quecksilber und nicht, wie bisher üblich, durch Schlagen vorzunehmen. “ Ir Dame Experimentelle Untersuchungen über Veränderungen des Lungenvolumens und der Lungenkapazität bei Reizung der Nasenschleimhaut. Von Privatdozent Dr. med. M. Sihle in Odessa. (Aus dem physiologischen Institut zu Odessa. Direktor: Prof. Werigo.) (Hierzu Taf. III—V.) Es ist eine bekannte Tatsache, daß die in die Nasenschleimhaut ein- gebetteten Nervenendigungen zum Atemzentrum in enger Beziehung stehen und das Atmungsgeschäft wesentlich zu modifizieren imstande sind. Aber nicht nur die Lungenventilation, sondern auch die Lungenzirkulation er- leidet durch Trigeminusreize Veränderungen. Die Bearbeitung dieser Fragen beansprucht sowohl physiologisches, als auch — und zwar in noch weit höherem Maße — klinisches Interesse und ist geeignet, wie wir das später sehen werden, zum Teil ganz neue Streiflichter zu werfen auf Atemstörungen, welche im Zusammenhang stehen mit Katarrhen der Respirationsschleimhaut, mit Emphysem, Asthma und schließlich mit Herzinsuffizienz. Die vorliegende Arbeit steht zum Teil in naher Beziehung zu meinen „Studien über den Alveolardruck der Lurgen und den Druck im Pleura- raum“, welche im Archiv für (Anatomie und) Physiologie (1905) zum Ab- druck gelangt sind. In dieser Arbeit hatte ich gefunden, daß jede periphere Vagusreizung (am Halse) eine Steigerung des Intrapleuraldruckes zur Folge hat, die längere Zeit andauern kann. Zuweilen geht der Steigerung eine kurzdauernde Senkung des Intrapleuraldruckes voraus. Das Merkwürdigste ist, daß in vielen Fällen, insbesondere nach doppelseitiger Vagusreizung, aus dem negativen Intrapleuraldruck ein stark positiver wird (bis über 20°® H,O-Druck), und zwar nicht nur im Exspirium, sondern auch im Inspirium, ohne daß Exspirationshindernisse vorlagen. (Das Tier atmete 134 M. SIHLE: vermittelst einer Trachealkanüle aus einer 50 Liter fassenden Atemflasche.) Bei der Deutung dieses Phänomens, welches in der Physiologie bisher un- bekannt zu sein scheint, kam ich zu dem Schlusse, daß die starke Druck- steigerung im Pleuraraume zum Teil durch Blutüberfüllung der Lungen, als Folge der Einwirkung des Vagusreizes aufs Herz, hervorgebracht werde. Die Physiologie lehrt bis jetzt, daß ein positiver Druck im Pleuraraume nur dann herrschen könne, wenn dem Exspirium Hindernisse in den Weg ge- legt werden, wie wir das z. B. beim Nießakt und bei Hustenstößen be- obachten, in welchen Fällen das Ausströmen von Luft aus .der Lunge durch zeitweiligen Verschluß der Glottis behindert ist. In unseren Versuchen mit Vagusreizung beobachteten wir dagegen, daß, ohne Exspirationshindernisse, der Pleuradruck hochgradig positiv werden kann und zwar nicht nur in Exspirationsphase, wie das beim Nießen und Husten geschieht, sondern auch in Inspirationsphase, und daß diese Drucksteigerung nach Aufhören des Vagusreizes noch während 10 bis 20 Respirationsphasen andauern kann. Sollte es nun wirklich unwahrscheinlich sein, daß eine blutüberfüllte Lunge den Pleuradruck positiv machen kann? Die Lunge ist ja elastisch, und diese Elastizität ist es daher auch, welche den negativen Druck im Pleuraraum unter normalen Verhältnissen bedingt, aber eben nur unter normalen. Man müßte doch annehmen, daß eine blutüberfüllte Lunge an (rewicht zunimmt und daß dieses Plus an Blutquantum die Lunge dehnen muß, der Elastizität also entgegenzuwirken imstande ist. Bei einer ge- steigerten Blutanhäufung in der Lunge müßte dann doch einmal der Moment eintreten, wo die Elastizität gleich Null wird. Die Lunge enthält aber außer dem Zirkulationsröhrensystem noch die luftführenden Wege, und es fragt sich, wie äußert sich die Blutüberfüllung der Lunge in bezug auf die Luftkapazität derselben. v. Basch meint, dab eine Blutüberfüllung der Lunge auch den Alveolarraum dehne. Die Lunge, als Ganzes genommen, müßte in dem Falle noch viel bedeutender in ihrem Volumen zunehmen, welcher Umstand dazu geeignet wäre den Pleuradruck um ein weiteres in die Höhe zu treiben. Diese Erwägungen leiteten mich, alsich an die Untersuchungen heran- trat behufs Lösung der Frage, wie sich das Lungenvolumen und die Lungen- kapazität verhalten, wenn Reize auf Nerven der Nasenschleimhaut appliziert werden, da ja diese Nervenendigungen zum Atmungsvorgang in enger Be- ziehung stehen. Die Untersuchungen wurden im Odessaer physiologischen Institut vor- genommen und spreche ich hierbei dem Direktor des Institutes, Prof. Werigo, für die liebenswürdige Erlaubnis dazu meinen verbindlichsten Dank aus. Zum näheren Verständnis unserer Ausführungen ist es wichtig, zunächst einige Worte über die Begriffe „Lungenvolumen“ und „Lungenkapazität“ VERÄNDERUNGEN DES LUNGENVOLUMENS U. DER LUNGENKAPAZITÄT. 185 zu sagen. Änderungen .des Lungenvolumens erkennen wir dadurch, daß wir den Pleuradruck und die Thoraxexkursionen messen. Noch einwands- freier wäre es, wenn dabei zugleich auch die Zwerchfellbewegungen registriert würden. Doch können wir davon absehen, da, wie aus unseren Kurven hervor- geht, aus dem Verhältnis von Thoraxumfang zum Pleuradruck allein schon gewisse Rückschlüsse auf den Umfang der Lungen gezogen werden können. Anders steht die Sache, wenn wir Änderungen der Lungenkapazität beurteilen wollen. Hier genügt die Messung des Pleuradruckes und des Thoraxumfanges nicht. Unter Lungenkapazität schlechtweg verstehen wir die Luftkapazität der Lungen. Diese Luftkapazität kann nun, abgesehen von solchen pathologischen Veränderungen wie Exsudat, Infiltration, Tu- moren usw., in hochgradiger Weise durch Änderungen der Blutkapazität beeinflußt werden. Ich verweise hier auf den heißen Streit zwischen der v. Baschschen Lehre einerseits und der klinischen Auffassung andererseits. Während ersterer und sein Schüler Großmann behaupten, eine Blutstauung der Lungen vergrößere die Atmungsoberfläche, somit also auch die Luft- kapazität der Lungen, so kann nichtsdestoweniger die Klinik mit dieser Theorie sich nicht befreunden und glaubt, daß im Gegenteil eine Blutstauung der Lungen den Luftgehalt derselben vermindere. Um nun also die Änderungen der Luftkapazität der Lungen zu be- urteilen, müssen wir nicht allein den Pleuradruck und den Thoraxumfang messen (wodurch wir ja nur über das Lungenvolumen Auskunft erhielten), sondern wir müssen auch das Respirationsquantum messen. Aus dem Ver- hältnis des verminderten bzw. vergrößerten Luftgehaltes der Lungen zum Pleuradruck und Thoraxumfang können wir dann brauchbare Anhaltspunkte gewinnen, wie beim gegebenen experimentellen Eingriff Luftkapazität und Blutkapazität der Lungen sich beeinflussen. In dieser Arbeit nun haben wir es uns zunächst zur Aufgabe gemacht, zu prüfen, wie die Lungenkapazität und das Lungenvolumen sich verhalten, wenn Reize auf die Nasenschleimhaut appliziert werden, da ja durch solche Reize nicht nur die Atmung, sondern auch die Zirkulation betroffen wird. Die Versuchsanordnung war eine ähnliche, wie wir sie in unserer vorhin erwähnten, im Archiv für (Anatomie und) Physiologie (1905) er- schienenen Arbeit beschrieben haben, nur mit dem Unterschiede, daß außer der Messung des Respirationsguantums und des Pleuradruckes auch die Ex- kursionen des Thoraxumfanges registriert wurden. Nur an Hunden wurde experimentiert. Um unerwünschte und störende Eigenbewegungen der Ver- suchstiere auszuschließen, wurden dieselben tief narkotisiert (Morphium). Die Trachea wurde durchschnitten und dieselbe vermittelst einer zweiarmigen, mit Kränen versehenen, Kanüle mit einer 50 Liter fassenden Atmungs- fiasche verbunden. Nach jedem Versuch wurde der zur Atmungsflasche 136 M. SIHLE: führende Kran geschlossen und der andere geöfinet, so daß das Tier Zimmer- luft respirierte. Die Flasche war außerdem mit Nebenschläuchen versehen, durch welche jederzeit der Flascheninhalt durch Zimmerluft ersetzt werden konnte. Von der Flasche führte ein Schlauch zu einer Registrierkapsel, welche die Druckschwankungen in der Atemflasche am Hürthleschen Kymographen aufzeichnete. In die rechte Pleurahöhle wurde eine Kanüle eingeführt und ebenfalls mit einer Schreibekapsel verbunden. Die Kanüle ist in unserer vorher zitierten Arbeit genau beschrieben. Schließlich wurde am Tiere ein Thorakograph befestigt, der seinerseits die Thoraxexkursionen aufzeichnete. Die Vagi blieben selbstverständlich intakt. Tabelle I. Die Atmungsexkursionen der obersten Reihe sind im Ver- hältnis zu den beiden unteren Reihen im entgegengesetzten Sinne zu deuten. Während in der oberen Reihe die Inspirationen durch nach oben gerichtete Linien dargestellt werden, sind dieselben in den beiden unteren Reihen durch die Richtung nach unten gekennzeichnet. Die Reizung der Nasen- schleimhaut geschah in der Weise, daß in jedes Nasenloch je eine Elektrode 2 bis 3% weit hineingeschoben wurde. Es lag nicht in unserer Absicht ganz bestimmte Stellen der Nasenhöhle zu treffen. Wir wollten uns vor- läufig nur überzeugen, ob überhaupt Nasenreize eine in die Augen fallende Rückwirkung auf die Lunge zur Folge haben und welcher Art diese Reizwirkung ist. Gereizt wurde in diesem Falle bei einem Rollenabstand von, Zunächst sehen wir, daß mit der Reizung eine sehr heftige und aus- giebige Respiration einsetzt, wobei der Pleuradruck in Exspirationsphase positiv wird. Sogleich mit Aussetzen der Reizung fällt der Druck im Pleura- raume bedeutend unter die Norm. Zugleich sehen wir, daß der T'horako- graph einen stärkeren Druck anzeigt, der Thorax sich also bedeutend er- weitert hat. Hätten wir nicht die untere Kurve vor Augen, so könnte man annehmen, daß der Druck im Pleuraraume nur deshalb gesunken sei, weil der Thorax in einen höheren Grad von Inspirationsstellung übergegangen ist. Entsprechend solch einer stärkeren Erweiterung des Thorax müßte nun die Lunge mehr Luft aus der Atemflasche angesogen haben und demgemäß der Druck in der Atemflasche gesunken sein. Wir sehen aber genau das Entgegengesetzte. Der Druck in der Atemflasche ist bedeutend gestiegen, mit anderen Worten, aus der Lunge ist trotz der stärkeren Inspirations- stellung des Thorax ein gewisses Quantum von Luft in die Flasche gedrängt, wodurch der Druck in der letzteren in die Höhe getrieben wurde. Wir sehen also als Folge der Nasenreizung folgende Konstellation: Erweiterung des Thoraxumfanges, Sinken des Pleuradruckes und Verdrängung eines ge- wissen Luftquantums aus der Lunge. Aus diesen drei Momenten können und müssen wir schließen, daß trotz der Vergrößerung des Brustumfanges VERÄNDERUNGEN DES LUNGENVOLUMENS U. DER LUNGENKAPAZITÄT. 187 die Luftkapazität der Lunge sich verkleinert hat. Doch das ist nur die nächste Folge der Reizung. Betrachten wir die Kurven weiterhin, so sehen wir, daß der Pleuradruck bald darauf wieder gestiegen ist und bei « annähernd die Höhe erlangt hat, die er bei ruhiger Atmung vor der Reizung aufwies. Bei «a zeigen die Kurven eine lange Respirationspause. Hätten wir nur die Pleurakurve vor uns, so könnte man vermuten, daß beia das normale Gleichgewicht in der Lunge wieder hergestellt sei. Doch das ist, wie wir aus dem Vergleich mit den anderen Kurven ersehen können, nur scheinbar. Der Thorakograph zeigt, daß bei a während der Respirationspause der Brustumfang noch um ein Bedeutendes größer ist, als während des Inspirationsmaximums vor der Reizung. Man müßte daher, falls hier schon normale Verhältnisse vorliegen, erwarten, dab der Pleuradruck während der Respirationspause a entsprechend niedriger sei als auf der Tiefe des Inspiriums vor der Reizung. Das sollte man um so mehr erwarten, als auch der Druck in der Atemflasche noch um ein Bedeutendes höher ist, als vor dem Reiz, die Lunge also immer noch weniger Luft enthält, als bei normaler Atmung. Trotz des bedeutend er- weiterten Thorax, trotz der bedeutenden Verringerung der Luftkapazität der Lunge ist der Pleuradruck annähernd auf die Höhe zurückgekehrt, die er vor der Reizung einnahm. Die Lunge hat folglichermaßen sich erweitert, denn im anderen Falle müßte bei der genannten Konstellation der Pleura- druck bedeutend geringer sein, als er tatsächlich ist. Da nun die Luft- kapazität der Lungen um ein Bedeutendes verringert bleibt, so kann die Erweiterung der Lungen natürlich nicht durch größeren Luftgehalt bedingt sein, sondern es muß ein anderes Moment hinzugekommen sein, durch welches das Volumen der Lunge an Umfang wieder zunehmen konnte. Dieses andere Moment kann in einer stärkeren Blutfüllung bestehen. Sie ist es, welche der Elastizität der Lunge entgegenwirkt und infolgedessen die Schwellung bzw. Dehnung des Organs verursacht. Ob aber die größere Blutfülle der Lunge die alleinige Ursache der Luftkapazitätsverminderung ist, kann bezweifelt werden. Möglicherweise spielt dabei eine gewisse Ver- engerung der luftführenden Wege auch eine Rolle — Verfolgen wir jetzt die Kurve weiter. \Wir sehen, daß in dem Moment, wo die nächste Reizung der Nasenschleimhaut einsetzt, die Verhältnisse in der Lunge sich noch nicht ausgeglichen haben. Der Thoraxumfang ist im Verhältnis zur Normal- stellung (siehe den Anfang der Kurve) noch vergrößert, der Druck in der Atemflasche ist noch erhöht, doch zeigt er deutliche Tendenz zum Sinken. Die Luftkapazität der Lungen ist also noch verringert, die Blutkapazität noch um ein Gewisses erhöht. Der Reiz setzt mit derselben Stärke ein (10 °” Rollenabstand), und das Tier atmet während der Reizdauer forziert, wobei der Pleuradruck in Exspirationsphase stark positiv wird. Nach Auf- 138 M. SIELE: hören des Reizes verring.rt sich der Thoraxumfang. Diesem Sinken der thorakographischen Kurve, so sollten wir erwarten, müßte ein Steigen der Pleurakurve entsprechen. Wir sehen aber, daß, trotz stärkerer Exspirations- bewegungen des Thorax (bei 5), der Pleuradruck bedeutend gesunken ist. Zugleich ist wiederum der Druck in der Atemflasche stark gestiegen. In diesem Falle haben wir es daher zunächst mit einer Verkleinerung des Lungenvolumens, als Folge der Nasenreizung, zu tun. Bald darauf steigt jedoch wieder der Pleuradruck, und zum Schlusse des Versuches (bei e) ist er sogar höher als normal. Dieser höhere Druck könnte abhängen von der stärkeren Exspirationsstellung des Thorax, denn bei e steht die Kurvenlinie des Thorakographen niedriger, als vor der Reizung am Anfang der Tabelle. Doch diese Annahme wäre falsch. Denn wenn wir die oberste Kurvenreihe mit der untersten vergleichen, so sehen wir, daß die vom Thorakographen, z. B. bei ce und d, wiedergegebenen Inspirationsmaxima bedeutend höher sind, als die Inspirationsmaxima ganz zu Anfang ‘der Tabelle. Dement- sprechend müßten die Inspirationsmaxima bei c und d der untersten Kurven- reihe bedeutend tiefer ausgefallen sein, als zu Beginn des Versuches. Dem ist aber nicht so. Der Druck in der Atemflasche ist während der In- spirationen (bei e.und d) bedeutend höher und zwar nicht nur während der Inspirationsmaxima, sondern auch sogar noch höher, als während der Exspirationsmaxima zu Anfang der Tabelle. Da nun trotz des so hochgradig verringerten Luftgehaltes der Lunge (bei fehlender starker Exspirationsstellung des Thorax) der Pleuradruck während der Respirationspause (bei e) dennoch gestiegen ist, so kann es sich hier nur um eine Lungendehnung, eine Blutüberfüllung der Lunge handeln. Die Blutkapazität der Lunge ist also, und zwar als zweite Folge des Nasenreizes, gestiegen. Wir haben es mit einer Lungenschwellung zu tun. — Nur fragt es sich hierbei, ob die hochgradige Luftverdrängung aus der Lunge einzig durch eine Hyperämie zu erklären ist. Bei dem Buchstaben «a (unterste Kurvenreihe) sehen wir, daß der Druck in der Atemflasche um ein Bedeutendes höher ist als vor der Reizung. Nach unseren Messungen entspricht diese Druckhöhe einem aus der Lunge verdrängten Luftquantum von etwa 70cm, Das Tier wog 5200 8”. Demnach können wir annehmen, daß das Gesamtblut des Tieres ungefähr 4008” betragen haben könnte. Setzen wir 70° m Blut = 708m, so folgt daraus, daß etwa !/, des Gesamt- blutes zu dem Lungenblut hinzugekommen sein muß. Ob das möglich ist, daran könnte man zweifeln und müßte dann annehmen, daß ein ge- wisser Teil der verdrängten Luft auf Rechnung eines durch den Trigeminus- reiz bedingten Bronchialkrampfes zu setzen wäre. Werfen wir noch einen Blick auf eine eigentümliche Erscheinung dieses Versuches. Wir sehen auf der mittleren Kurvenreihe, daß der Druck im VERÄNDERUNGEN DES LUNGENVOLUMENS U. DER LUNGENKAPAZITÄT. 159 Pleuraraum hochgradige periodische Schwankungen aufweist (c-c', d-d’), welche kein entsprechendes Äquivalent auf den anderen Kurven haben. Freilich, wenn wir nur die Inspirationsmaxima im Auge haben (vergl. auf den drei Kurvenreihen die Strecken ce und d), so ist eine gleichartige Tendenz im Fallen und Steigen des Druckes unverkennbar. Anders steht es mit den Exspirationsmaxima (die Strecken c’ und d’). Während auf der mittleren Kurvenreihe der Pleuradruck im Exspirationsmaximum periodisch von subnormalen negativen zu deutlich positiven Werten aufsteigt, sehen wir auf den anderen Kurvenreihen eigentlich nichts Derartiges ausgesprochen. Die Exspirationsmaxima der thorakographischen Kurvenreihe weisen zwar gewisse geringfügige Schwankungen auf, aber nicht immer in der, der Pleuradruckkurve entsprechenden, gleichsinnigen Weise, während die Exspi- rationsmaxima des Atemflaschendruckes unter sich ganz gleich sind und eine fortlaufende, fast gerade Linie darstellen. Wir sehen also bei hoch- eradigen Schwankungen des Pleuradruckes im Exspirationsmaximum nur geringe entsprechende thorakographische Druckschwankungen und gar keine Änderungen im Atemflaschendruck. Das ist merkwürdig. Sollte in diesem Falle das Zwerchfell eine Extraleistung vollzogen haben? Doch Derartiges anzunehmen geht kaum an. Das Zwerchfell wirkt hauptsächlich durch Inspirationszug. Die stärkeren Senkungen des Pleura- druckes könnte man zur Not durch tiefere Stellung des Zwerchfells erklären, aber warum sinkt dann nicht auch der Druck in der Atemflasche? Ferner könnte man sich denken, daß die periodische bedeutende Steigerung der Exspirationsmaxima im Pleuraraum durch Anwendung der Bauchpresse zustande gekommen sei. Aber auch hier müssen wir uns dann fragen, weshalb in solch einem Falle der Atemflaschendruck nicht steigt. Eine eventuelle abwechselnde Wirkung von Zwerchfell und Bauchpresse können wir daher ausschließen, Eine Ursache muß aber der rätselhafte Wechsel im Pleuradruck doch haben. Ich glaube, wir kommen der Wahrheit am nächsten, wenn wir hierbei an zwei andere Möglichkeiten denken. Wir können annehmen, dab wir es im gegebenen Fall entweder sozusagen mit einem Kampf zwischen dem Zirkulationsröhrensystem und dem Respirationsröhrensystem der Lunge zu tun haben, oder daß es sich allein um periodische Zirkulationsschwankungen in der Lunge handelt. Zur Erläuterung möge für die erste Annahme folgende Überlegung dienen: Wir sehen in diesem Versuche, und werden es auch in den folgenden sehen, daß die Luftkapazität der Lunge in gleichartiger Weise beeinflußt wird sowohl durch eine Kontraktion der Muskulatur der luftführenden Wege als auch durch Blutüberfüllung der Lunge. Beide Vorgänge bewirken eine Verminderung des Luftgehaltes der Lunge. Wir stellen uns mit dieser unserer Behauptung in einen schroffen Gegensatz 140 M. SIALE: zur Lehre v. Baschs und seines Schülers Großmann. Doch darauf kommen wir später noch zurück. Nehmen wir zunächst an, daß die Lungenverkleinerung durch Kon- traktion der glatten Respirationsmuskulatur zustande kommt. Jede Lungen- verkleinerung steht in engem Zusammenhang mit Lungenanämie. Wir wissen, daß bei Verengerung bzw. beim Zusammendrücken der Art. pul- monalis der Atemdruck steigt, daß also ein gewisses Luftquantum der Lunge entweicht. Die Lunge verkleinert sich dabei dank ihrer Elastizität. Um- gekehrt können wir folgern, daß, wenn die Lunge durch Kontraktion der Muskulatur des Respirationsröhrensystems sich kontrahiert, em gewisses Blutquantum aus der Lunge verdrängt wird. Dabei muß der Pleuradruck sinken. Läßt die Kontraktion nach, so füllt sich die Lunge wieder mit Blut, diese stärkere Blutfüllung bedingt eine Anschwellung der Lunge und läßt den Pleuradruck ansteigen, zugleich wirkt sie aber auch einer Ver- gröberung der Luftkapazität entgegen und erhält den Atemdruck hoch. Dieses wäre die eine Erklärung dafür, daß bei starkem Druckwechsel im Pleuraraum der Atemdruck unverändert hoch bleiben kann. Als andere Möglichkeit zogen wir periodische Zirkulationsschwankungen der Lunge in Betracht. Da nun der Tonus der Lungengefäße ein sehr geringer ist, so können wir zur Erklärung des fraglichen Phänomens von einer selbständigen Wirkung der Lungenvasomotoren absehen. Wir müssen auf eine periodische Störung der Herzaktion rekurrieren. Großmann! fand, daß bei Reizungen des ersten und zweiten Trigeminusastes, sowie des N. laryngeus superior, der Druck sowohl im Ventrikel, wie im Vorhof steigt, welcher Umstand eine Blutstauung der Lunge, eine Lungenschwellung, nach sich zieht. Dieses Resultat seiner Untersuchungen hat keinen Widerspruch erfahren, wohl aber die weiteren Folgerungen, die er aus diesem Resultat zieht. Uns interessiert hier nur die Lungenschwellung als Folge der Reflex- wirkung des Trigeminusreizes aufs Herz. Diese Lungenschwellung müßte eine Drucksteigerung im Pleuraraum bedingen, würde aber nicht, wie wir es in unserem Falle sehen, die Periodizität dieser Drucksteigerung erklären, es sei denn, daß man annimmt, daß auch die Arbeit der Ventrikel und Vorhöfe periodisch gegenseitig wechselt. Wir brauchen jedoch solches nicht vorauszusetzen, da wir wissen, daß der Trigeminusreiz reflektorisch den ganzen Vagusstamm zu erregen imstande ist, und daß ein Vagusreiz nicht nur die Herzaktion beeinflußt, sondern auch die Bronchialmuskulatur zur Kontraktion zu bringen vermag. Da sonst keine Deutungsmöglichkeit, wenigstens vorläufig, vorliegt, so ! Großmann, Über Änderung der Herzarbeit durch zentrale Reizung von Nerven. Zeitschrift für klinische Medizin. Bd. XXXI. Heft 3 und 4. VERÄNDERUNGEN DES LUNGENVOLUMENS U. DER LUNGENKAPAZITÄT. 141 glauben wir der Wahrheit wohl am nächsten zu kommen, wenn wir be- haupten, daß in unserem Falle durch die Reizung der Nasenschleimhaut in der Tat ein Wettstreit zwischen Respirationsröhrensystem und Zirku- lationsröhrensystem hervorgerufen wurde, wobei schließlich das letztere die „Oberhand“ bekommt. Denn werfen wir noch einen Blick auf die Tabelle I, so sehen wir, daß die Volumschwankungen der Lunge, wie sie deutlich auf der Pleuradruckkurve (c’ und d’) ausgeprägt sind, eigentlich nur eine Wiederholung der Druckschwankung bei d darstellen. Bei Ö ist das Lungen- volumen am kleinsten, bei c’ hat es sich vergrößert, bei d’ ist es am größten. Die Lungenschwellung tritt allmählich in den Vordergrund. An- deutungen dieser Volumschwankungen finden wir noch bei 5’ und kurz 02. — Bei der Beschreibung der übrigen Tabellen können wir uns kurz fassen. Tabelle II. In diesem Falle wurde die Nasenschleimhaut mit einem schwächeren Strom (12‘°® Rollenabstand) gereizt. Wir sehen, dab sich im allgemeinen das Bild von vorhin wiederholt. Es fehlen nur die mit dem Einsetzen des Reizes auf der Pleurakurve deutlich ausgesprochenen initialen hochgradigen Respirationsexkursionen, welche den Pleuradruck in Exspirationsphase positiv werden lassen. Die inspiratorische Ausdehnung des Brustumfanges vergrößert sich (Thorakograph), die Lungenkapazität nimmt trotzdem ab, wodurch der Druck in der Atemflasche hochgradig steigt, zugleich sinkt der Pleuradruck um ein Bedeutendes. Die Lunge hat sich also zunächst deutlich verkleinert. Bald darauf steigt wieder der Pleuradruck und hat bei a seinen normalen Stand annähernd erreicht. Der Thoraxumfang ist wie vor der Reizung, die Luftkapazität der Lunge ist aber noch hochgradig herabgesetzt. Die Lunge ist in das Stadium der Schwellung übergegangen. Bei 5 sehen wir eine deutliche Neigung zur Er- weiterung des Thorax (die Linien der Respirationspausen zeigen eine Tendenz zum Steigen). Entsprechend dieser Erweiterung des Thorax nimmt die Luftkapazität der Lungen wieder zu (Sinken des Druckes in der Atemflasche). Doch erreicht diese Kapazität noch nicht den normalen Stand, da die Lunge noch blutüberfüllt ist (höherer Stand der Pleuradruckkurve, als zu Anfang des Versuches). — Tabelle III. Gereizt wurde mit einem noch schwächeren Strom (13° Rollenabstand). Auch hier sehen wir alle die vorher erwähnten Er- scheinungen sich wiederholen, wenn auch in bedeutend schwächerem Grade. Es ist eine nähere Erläuterung daher überflüssig. 142 M. SIHLE: Wenden wir uns jetzt Versuchen ‚zu, bei welchen die Nasenschleimhaut nicht elektrisch gereizt, sondern die Reizung dadurch hervorgebracht wurde, daß wir in beide Nasenlöcher kleine, mit Ammoniak getränkte Watte- bäusche einführten. Nach einer kurzen Zeit (10 bis 15 Sekunden) wurden die Wattebäusche wieder entfernt. Da die Tiere tracheotomiert waren und die Trachea mit der Atemflasche in Verbindung stand, so konnten die Ammoniakdämpfe nicht inhaliert werden und die direkte Einwirkung der Dämpfe konnte nur in den Nasenhöhlen statthaben. Es muß noch hinzu- gefügt werden, daß mit der Entfernung der Wattebäusche selbstverständlich nicht gleich die ganze Ammoniakwirkung aufhörte, da die Nasenschleim- haut eine zeitlang noch mit Ammoniak benetzt blieb. Ein derartiger Ver- such sei im folgenden geschildert. Tabelle IV. Ein Blick auf die Tabelle genügt, um zu sehen, daß der Ammoniakreiz eine hochgradige Veränderung aller drei Kurvenreihen hervorgebracht hat. Mit Einführung des Wattebausches steigt sofort der Druck in der Atemflasche und im Pleuraraum und erreicht in der Respi- rationspause (bei c) das Maximum. Die Luftkapazität der Lunge hat sich bedeutend vermindert, der Pleuradruck ist bis zum Atmosphärendruck ge- stiegen und verbleibt während der ganzen Respirationspause auf dieser Höhe. Wenn man mit den beiden unteren Kurvenreihen die obere ver- gleicht, so sieht man, daß die thorakographische Linie bei c eine niedrigere Stellung hat, als vor dem Reize. Der Thoraxumfang hat sich also ver- kleinert. Man könnte nun zunächst glauben, daß eventuell nur entsprechend der stärkeren exspiratorischen Stellung des Thorax bzw. auch möglicher- weise infolge von Inkrafttreten der Bauchpresse der Druck in der Atem- flasche und im Pleuraraum gestiegen ist. Demgegenüber müssen wir erstens darauf hinweisen, daß auch bei stärkster Exspirationsstellung der Druck im Pleuraraum, dank der Elastizität der Lungen, niedriger als der Atmosphären- druck sein muß, falls nicht Exspirationshindernisse vorliegen. Wenn nun im vorliegenden Falle der Pleuradruck dem Atmosphärendruck gleich ge- worden ist, so muß ein gewisser Elastizitätsverlust der Lungen vorliegen. Freilich könnte man einwenden, daß in unserem Versuche eigentlich doch wohl Exspirationshindernisse vorlagen, da das Tier in eine Atemflasche, welche 50 Liter faßt, ausatmete. Je mehr Luft aus der Lunge in die Atemflasche abfloß, desto höher als der Atmosphärendruck war der Druck in der Flasche. Dieser höhere Druck mußte natürlich auf die Lungen- elastizität zurückwirken und die Lunge dehnen. Daß auch dieses Moment nicht ausreicht, um die vorliegende Steigerung des Pleuradruckes zu erklären, beweist folgendes: Während der Phase der Ammoniakeinwirkung macht das Tier bei a und 5 hochgradige Inspirationsbewegungen (sichtbar auf der thorako- U BD cz VERÄNDERUNGEN DES LUNGENVOLUMENS U. DER LUNGENKAPAZITÄT. 143 graphischen Kurve). Diese hochgradigen thorakographischen Exkursionen haben ein nur sehr geringes Äquivalent auf den beiden unteren Kurven. Man sieht, daß trotz der starken Inspirationsversuche des Thorax nicht nur nicht Luft im die Lunge eindringt, sondern im Gegenteil kontinuierlich aus der Lunge abfließt. Der Druck in der Atemflasche wird hoch und höher, trotz angestrengter Inspirationsbewegungen des Thorax. Zugleich zeigt auch ein Vergleich des Charakters der Exspirationsbewegungen (a und 5) auf den unteren Kurven mit den Exspirationsbewegungen des T'horako- graphen, daß die stärkere Exspirationsstellung des Thorax zur Erklärung des bei c erreichten hohen Standes im Pleuraraum allein nicht genügt. Wir müssen uns nach einer anderen Erklärung umsehen. In einem Falle, wo bei starken Respirationsbewegungen des Thorax die Luft weder in die Lunge eindringt, noch aus ihr heraustritt, könnte man geneigt sein zu glauben, daß man es mit einem Verschluß der Bronchien zu tun hat. Doch diese Annahme ist hier durchaus zurück- zuweisen. Wenn die Bronchien verschlossen wären, so müßte bei einer inspiratorischen Erweiterung des Thorax der Druck im Pleuraraum noch tiefer sinken, als bei den Inspirationen vor dem Verschluß. Wir sehen genau das Umgekehrte. Bei beiden Respirationsbewegungen (a und D) steigt der Druck im Pleuraraum stufenweise hinauf, zugleich steigt auch stufenweise der Druck in der Atemflasche. Es handelt sich hier offen- bar um eine äußerst schnell erfolgende starke Blutanhäufung in den Lungen. Mit Einsetzung des Ammoniakreizes beginnt die Lunge zu schwellen. Aus der Lunge wird dank dieser Schwellung Luft verdrängt, wodurch der Atemflaschendruck gradatim ansteigt. Die Lungenschwellung bedingt andererseits ein Steigen des Pleuradruckes. Bei a macht das Tier eine starke Inspirationsbewegung. Da das Blut in immer größeren Massen in der Lunge sich ansammelt, so wird das Luftquantum, welches ent- sprechend der starken Inspiration bei « (Thorakograph) hätte in die Lunge dringen müssen, durch ein entsprechend zugeströmtes Blutquantum er- setzt. Die Luftkapazität hat sich nicht geändert und auf der Druckkurve der Atemflasche finden wir diesen Vorgang, in welchem Luftkapazität durch Blutkapazität ersetzt ist, ausgedrückt in einer horizontalen Linie a. Bei db (Thorakograph) macht das Tier eine zweite starke Inspirationsbewegung. Das Inspirationsmaximum 5 ist zwei- bis dreimal so hoch, wie vor dem Ammoniak- reiz. Auf der Pleurakurve dagegen sehen wir, daß das Inspirationsmaximum db nicht nur nicht tiefer ist, als vor dem Reiz, sondern im (Gregenteil bei- nahe bis zum Atmosphärendruck aufgestiegen ist. Wenn wir außerdem auf der thorakographischen Kurve die Respirationspause zwischen a und 5 mit der Respirationspause c vergleichen, so sehen wir, daß der Druck ein gleicher ist. Auf der Pleurakurve dagegen sehen wir den Druck von a 144 M. SIHLE: bis c kontinuierlich ansteigen. Es ist daher klar, daß wir es im gegebenen Fall mit einer beträchtlichen Lungenschwellung zu tun haben, bedingt durch den Ammoniakreiz auf die Nasenschleimhaut. Nur fragt es sich, ob damit die ganze Deutung erschöpft ist. Daß der hohe Druck im Pleuraraum offenbar nicht allein der Lungenschwellung zuzuschreiben ist, sondern die Bauchpresse auch einen Anteil an der Drucksteigerung gehabt haben muß, vermuten wir aus dem weiteren Verlauf der Kurven. Beim Entfernen der mit Ammoniak getränkten Wattebäusche aus der Nase vollführt das Tier wiederum forzierte Respi- rationsbewegungen. In Inspirationsphase sinkt der Druck im Pleuraraum tief hinab, in Exspirationsphase wird er dagegen hochgradig positiv. Die Annahme, daß eventuell die Bauchpresse allein imstande sei, den Pleuradruck positiv zu machen, ist zurückzuweisen, denn wir haben in unseren Versuchen, auch bei stärkster manueller Kompression des Abdomens, niemals einen positiven Druck im Pleuraraum erzielen können. Dieses Positivwerden des Pleuradruckes in Exspirationsphase bei Abwesenheit von Exspirationshinder- nissen (Glottisverschluß) ist eine in der Literatur bisher nicht beschriebene Tatsache. Wir beobachteten sie nicht nur in den vorliegenden Versuchen, sondern beschrieben sie auch in unserer vorhin erwähnten Arbeit, in welcher die Wirkung peripherer Vagusreizung auf den Pleuradruck studiert wurde. Dort begegneten wir einer noch stärkeren Drucksteigerung im Pleuraraum. Dieser positive Pleuradruck, wie er bei Trigeminus- und Vagusreizung beobachtet wird, kann nur erklärt werden durch den Elastizitätsverlust der Lungen. Die stärkere Blutfülle wirkt der Elastizität entgegen. Bei den Exspirationsbewegungen kann der Blutüberschuß der Lunge nicht so schnell entweichen, wie die Lungenluft, und es entsteht ein initialer Überdruck in der Pleurahöhle. Nicht auf diese Weise zu erklären ist die Erscheinung, wie wir sie auf Tabelle I zu Beginn der Nasenreizung gesehen haben. Mit Einsetzen des Reizes wurde sofort der Pleuradruck in Exspirationsphase positiv. Es ist nicht anzunehmen, daß zugleich mit dem Reiz sofort auch eine Blut- überfüllung der Lunge statthaben kann. Dazu bedarf die Lunge denn doch etwas mehr Zeit. Offenbar steht diese Erscheinung in Zusammenhang mit einer durch den Trigeminusreiz bedingten Verengerung der Bronchiolen, doch läßt sich vorläufig eine einwandsfreie Erklärung dieses Phänomens nicht geben. Welche praktische Nutzanwendung können wir aus unseren Versuchen ziehen ? Zunächst müssen wir auf Grund unserer Befunde an der vorhin schon ausgesprochenen Behauptung festhalten, daß eine gesteigerte Blutfülle der Lungen die Luftkapazität derselben verringert und daß, je mehr Blut sich VERÄNDERUNGEN DES LUNGENVOLUMENS U. DER LUNGENKAPAZITÄT. 145 in der Lunge ansammelt, desto mehr der Lungenluftgehalt sinkt. Trotz der gegenteiligen Lehre von v. Basch und Großmann halten wir an dieser Behauptung fest, zumal sie auch der klinischen Auffassung entspricht und die Klinik sich bis jetzt durchweg mit der v. Baschschen Lehre nicht be- freunden konnte. Zugleich weisen wir darauf hin, daß man auf Grund eines Steigens des Atemdruckes noch nicht berechtigt ist, wie Einthoven! es tut, Schlüsse auf Verengerung des Bronchiallumens zu ziehen. Einthoven geht sogar so weit, dab er bei der durch Vagusreizung erzielten Atemdruck- steigerung eine Einwirkung der Zirkulation ganz ausschließt. Wir dagegen haben gefunden, daß die Atemdrucksteigerungen, wie wir sie in der vor- liegenden Arbeit bei Trigeminusreizen und in unserer früheren Arbeit bei Vagusreizen beobachtet haben, nicht so sehr durch Bronchialkrampf, als vielmehr in einem bedeutend höheren Grade durch Zirkulationsänderungen in der Lunge zu erklären sind. Ferner geht es nicht an zu behaupten, daß, wenn bei Vagusreizung eine Vergrößerung des Thoraxumfanges eintritt, diese Vergrößerung ein Zeichen für eingetretene Lungenblähung sei. Wir sehen auf Tabelle I und II, wo der Trigeminus elektrisch gereizt wurde — und der Trigeminusreiz wirkt ja reflektorisch auf den Vagus —, daß der Thorax sich erweiterte, die Lunge dagegen sich anfangs verkleinerte und dem- gemäß Luft aus der Lunge herausgedrängt wurde. Also Zunahme des Brust- umfanges ist an und für sich noch gar kein Beweis für Lungenblähung, wenn nicht dabei das Quantum der ausgeströmten Luft und der Pleuradruck gemessen wird. Wenn nun Trigeminus- und Vagusreize eine Blutfülle der Lungen im Gefolge haben, so werden wir in der Therapie derjenigen pathologischen Vor- gänge, in welchen die Endigungen der genannten Nerven im Reizzustande sich befinden (Schnupfen, Laryngitis, Bronchitis), diesem Umstande. mehr Rechnung tragen müssen. Denn, wie wir gesehen haben, bedingt eine stärkere Blutfülle eine dementsprechende Abnahme der Luftkapazität. Der Gasaustausch wird erschwert, und wir beobachten ja tatsächlich diese Er- scheinung bei den meisten an Katarrhen der Luftwege Erkrankten. Ferner sind die Resultate unserer Untersuchungen geeignet, den Vor- gang der Expektoration verständlicher zu machen. Die Herausbeförderung von Schleim aus der Lunge erfolgt durch zwei Faktoren: erstens durch Flimmer- bewegung der Bronchialepithelien und zweitens durch den Hustenstoß. Einige Autoren wollen noch einen dritten Faktor herangezogen wissen und zwar eine peristaltische Bewegung der Bronchialmuskulatur. Diese letztere An- nahme hat sich nicht einbürgern können und erscheint denn doch auch ! Einthoven, Über die Wirkung der Bronchialmuskeln, nach einer neuen Me- thode untersucht usw. Pflügers Archiv. 1892. Bd. LI. Archiv f. A.u. Ph. 1906, Physiol. Abtlg. Suppl, 10 146 M. SIELE: etwas zu apokryph. Die Rolle der Flimmerbewegung ist einleuchtend, sie reicht jedoch nicht allemal aus, besonders wenn Katarrhe und Entzündungen die Flimmertätigkeit in hochgradiger Weise gestört haben. Der Hustenstoß ist es. dann, welcher den Schleim herauswirft. Es ist bis jetzt aber noch nicht gelungen, den Vorgang, wie er sich beim Husten abspielt, zu erklären. Krehl! sagt über den Husten folgendes: „Der Husten beginnt mit einer tiefen Inspiration, darauf folgt eine gewaltsame krampfhafte Exspi- ration, und diese findet im Anfange gegen die verschlossene Glottis statt. In ihrem Verlauf öffnet sich die Stimmritze, und nun schießt durch den engen Spalt die innerhalb der Lunge unter hohem Druck stehende Luft nach außen. Da der weiche Gaumen den Nasenrachenraum abschließt, so reißt der Luftstrom alles, was sich innerhalb von Kehlkopf und Luftröhre befindet in den Mund hinein. Vielleicht mag er auch den Inhalt der Bronchien, wenigstens der großen, direkt auszuschleudern. Aber sicher sind in diesen die Druckverhältnisse hierfür viel weniger günstig. Denn hier wird ein Fremdkörper nicht nur in der Richtung nach der Trachea gepreßt, sondern erhält zugleich Druck von der Bifurkation her, und es kommt für den Erfolg dann ganz darauf an, welcher Einfluß überwiegt. Unseres Er- achtens spielt in der Beförderung von Bronchialinhalt bis nahe zur Bifur- kation hin die Flimmerbewegung die Hauptrolle.“ Diese Ansicht, die der allgemeinen Anschauung wohl so ziemlich entspricht, huldigt der Annahme, daß durch der Hustenstoß wohl der Inhalt des Kehlkopfes, der Trachea, viel- leicht auch noch der großen Bronchien, herausgeschleudert werden kann. Alles, was tiefer liegt, könne durch den Überdruck von der Bifurkation her eventuell in die Bronchien noch tiefer hineingepreßt werden. Aron? hat in einer experimentellen Arbeit darauf hingewiesen, dab zur Erklärung der Expektoration der beim Hustenstoß zu konstatierende positive Pleuradruck herangezogen werden müsse, da dieser positive Druck den in der Tiefe der Lungen befindlichen Inhalt stromaufwärts hinauspresse. Reichmann? wendet sich energisch gegen diese Auffassung Arons und weist darauf hin, daß in Exspirationsphase, bei geschlossener Glottis, der Druck im Pleuraraum immer noch geringer sein müsse, als der Druck in der Trachea, und zwar um so viel geringer, als die Elastizität der Lunge ausmacht. Wenn auch für den ersten Augenblick die Ansicht Reichmanns richtig zu sein scheint, so erweist es sich, daß sie doch nicht stichhaltig ist, in der Auffassung Arons dagegen ein durchaus wahrer Kern steckt. ! Krehl, Pathologische Physiologie. 1904. 8. 231. 2 Aron, Zur Mechanik der Expektoration. Zeitschrift für klinische Medizin. Bad. LIV. I. und II. Heft. ® Reichmann, Zbenda. Bd. LVI. II. und IV. Heft. VERÄNDERUNGEN DES LUNGENVOLUMENS U. DER LUNGENKAPAZITÄT. 147 Unsere Versuche zeigen zur Evidenz, daß bei Reizungen des Trigeminus und Vagus eine Blutfülle der Lungen eintritt, daß die Blutfülle der Ela- stizität der Lungen entgegenwirkt, und daß schließlich der Pleuradruck in Exspirationsphase, wohlgemerkt ohne Glottisverschluß, deutlich positiv werden kann. Die Elastizität der Lungen geht bei stärkerer Blutfülle verloren, und es besteht ein Überdruck im Pleuraraum, somit auch in der Tiefe der Lungen. Bei katarrhalischen Zuständen der Respirationsschleimhaut besteht ein andauernder Reiz der in der Schleimhaut befindlichen Nervenendigungen, was gemäß unseren Versuchen eine gewisse andauernde Blutfülle der Lungen zur Folge haben muß. Die Elastizität ist durch diesen Umstand schon um ein Gewisses verringert. Nun kommt noch ein Extrareiz hinzu, eben der Reiz, der den Husten auslöst. Dieser Reiz bedingt eine erneute Zufuhr von Blut zu den Lungen, es beginnt die Phase, wo bei noch geöffneter Glottis der Pleuradruck in Exspirationsphase schon positiv wird. Durch den größeren Blutgehalt der Lungen sinkt die Luftkapazität, der Alveolarraum verkleinert sich, es besteht schon eine Tendenz zum Hinauspressen des Lungen- inhaltes. Es beginnt eine neue Exspirationsphase, und bei schon vorhandenem positiren Druck im Pleuraraum schließt sich die Glottis. Der Pleuradruck und Trachealdruck steigen gewaltig an, doch bleibt der Pleuradruck um soviel höher als der Trachealdruck, um wieviel er höher vor dem Glottis- verschluß war. Jetzt öffnet sich die Stimmritze, der Druck in der Trachea sinkt plötzlich und aus der Tiefe der Lungen wird dank dem Überdruck der Inhalt hinausgeschleudert. Wenn in Arons Hustenversuchen die posi- tiven Druckwerte im Pleuraraum bei geschlossener Glottis während der Ex- spirationsphase um ein Geringes niedriger ausfallen, als der Trachealdruck, so rührt es daher, daß die Lungen gesund sind, d.h. daß keine durch Ka- tarrhe bedingte Blutfülle vorliegt. Weiterhin besitzt die Blutfülle, wie sie in gesteigertem Maße bei Reizungen der Respirationsschleimhaut, unseren Befunden gemäß, eintritt, noch eine andere Bedeutung. Diese stärkere Blutfülle kann als eine direkte Schutzvorrichtung für den Alveolarraum angesehen werden. Denn wenn tatsächlich, wie bis jetzt angenommen wird, auch bei katarrhalischem Husten- stoß der Pleuradruck niedriger wäre als der Druck in der Trachea, so müßte man sich wundern, daß nicht bei jedem irgendwie erheblicheren Husten jedesmal eine Lungendehnung sich ausbildet. Die Bedingungen zu einer schnell sich ausbildenden Dehnung des Alveolarraumes wären dann ja in idealer Weise erfüllt. Liegt dagegen eine Blutfülle der Lungen vor, wodurch die Luftkapazität vermindert wird, der Alveolarraum also enger wird, und ist zugleich der Pleuradruck höher als in der Trachea, so müssen diese Momente die Alveolen ja selbstverständlich vor zu starker Dehnung schützen. Diese Schutzvorrichtung hat jedoch auch ihre Grenzen. Sind 10* 148 M. SIHLE: die Reizursachen chronisch geworden, so muß, unserer Logik gemäß, auch die gesteigerte Blutfülle ins chronische Stadium übergegangen sein. Dadurch werden neue Bedingungen geschaffen für Ernährungsstörungen des Lungen- gewebes. Es kann hier jedoch nicht unsere Aufgabe sein, das vorliegende Thema in dieser Richtung weiter zu verfolgen. Wir möchten hier nur noch einige Worte über Emphysem und Asthma sagen. Als die Arbeit von Einthoven! erschien (1892), standen die meisten bei der Beurteilung des asthmatischen Vorganges unter dem Einfluß dieser Arbeit. Man glaubte endlich das Problem des Asthmaanfalles, wenigstens was die Erscheinungen in der Lunge anlangt, gelöst. In diesem Sinne sprechen sich die meisten Autoren in den Lehrbüchern aus, und auch in einzelnen Monographien wird auf die Untersuchungsresultate Einthovens hingewiesen. Selbst ein so zuverlässiger Forscher, wie Krehl,? ist von der Richtigkeit der Untersuchungsergebnisse Einthovens, daß nämlich. ein Bronchialkrampf alle Erscheinungen des Asthmaanfalles erkläre, überzeugt. Er sagt in seiner „Pathologischen Physiologie“, nachdem er ausgeführt hat, daß auch katarrhalische, beziehentlich vasomotorische Schwellungen der Bronchialschleimhaut bestehen, folgendes: „Krämpfe der Bronchialmuskeln erklären alle Erscheinungen des Anfalles: Atemnot, Verlängerung der Respirationsphasen, vorwiegende Erschwerung der Exspiration und Lungen- blähung..... Besonders scheint uns die Entstehung der Lungenblähung bei Krämpfen der Bronchialmuskulatur durch Einthovens Beobachtungen mit Sicherheit dargetan .... ein Bronchialkrampf erklärt alles, gegen seine Existenz spricht nichts, denn die glatten Muskeln können stundenlang in tetanischer Kontraktion verweilen“. % Schon vor einigen Jahren begannen in mir Zweifel rege zu werden, ob wirklich der Bronchialkrampf allein alle Erscheinungen des Asthma- paroxysmus zu erklären imstande ist. Auf Grund eines ziemlich reich- haltigen Beobachtungsmateriales, wobei auch sorgfältige Blutdruckmessungen vorgenommen wurden, kam ich zur Überzeugung?, daß außer Bronchial- krampf und Veränderungen an der Bronchialschleimhaut auch noch, durch Innervationsstörungen des Herzens und der Gefäße bedingte, Zirkulations- änderungen einen Anteil an dem asthmatischen Bilde haben müssen. In einer späteren experimentellen Arbeit, wobei unter anderem bei Vagusreizung Luft in die Lunge eingetrieben wurde*, habe ich in einer Hinsicht eine ! Einthoven, 2.2.0. ° Krehl, Pathologische Physiologie. 1904. 8. 243. ® Sihle, Zur Pathologie und Therapie des Asthma. Wiener klinische Wochen- schrift. 1903. Nr. 4. * Derselbe, Experimenteller Beitrag zur Physiologie des Brustvagus usw. Ebenda. 1903. Nr. 43. VERÄNDERUNGEN DES LUNGENVOLUMENS U. DER LUNGENKAPAZITÄT. 149 falsche Schlußfolgerung gemacht, indem ich nämlich aus dem Umstande, daß beim Eintreiben von Luft bei Vagusreizung häufig eine gewisse Be- hinderung zu bemerken ist, folgerte, diese Verzögerung des Lufteinströmens sei allein durch Bronchialkrampf bedingt. Ich bin dabei einem ähnlichen Irrtum verfallen, wie Einthoven, der bei Steigerung des Atemdruckes nach Vagusreizung diese Drucksteigerung lediglich einem Bronchialkrampf zuschreibt. Bei einer anderen experimentellen Arbeit,! wo mit anderen Methoden experimentiert und andere Zwecke verfolgt wurden, trat es deutlich zutage, daß Vagusreizungen auch hochgradige Änderungen des Blutgehaltes der Lunge zur Folge haben. Die vorliegende Arbeit bestätigt die letztere Tatsache zur Evidenz und wir müssen daher sagen, daß die Änderungen des Blutgehaltes der Lungen nach Vagus- und Trigeminusreizen bei der Beurteilung des asthmatischen Vorganges nicht mehr außer Acht gelassen werden dürfen. Es ist bekannt, daß es eine nasale Form des Asthmas gibt. Wenn wir auch nicht zu denjenigen gehören, die in einer Nasenschleimhaut- affektion den bei weitem häufigsten Grund zur Auslösung der Asthmaattacke sehen, so ist es doch sichergestellt, daß einige Asthmaformen in der Nasen- schleimhautveränderung ihren Grund haben. Wir sahen, daß Nasenreizungen in unseren Versuchen jedesmal eine Veränderung in den Lungen zur Folge hatten. Elektrische Reizungen bewirkten zunächst eine Lungenverkleinerung und darauf eine Zunahme des Organvolumens.. Ammoniakreize scheinen nur in letzterer Art zu wirken. Die Abnahme des Volumens erklärten wir mit Kontraktion bzw. Anämie, die Zunahme mit Schwellung. Es wäre wünschenswert, weiterhin zu untersuchen, ob verschiedene Reizqualitäten auch dementsprechend differente Rückwirkung auf die Lunge haben. Ob nun die Lunge sich kontrahiert, oder ob sie durch Blutanhäufung schwillt, der Effekt ist in beiden Fällen ein gleichartiger. Hier wie dort nimmt die Luftkapazität ab. Wenn nun daher nach dem Reiz der Atem- druck steigt, und wenn man diese Drucksteigerung als eine Folge des Bronchialkrampfes ansieht, so hat das seine Richtigkeit, doch nur zum Teil. Wenn man aber außerdem nach der Reizung eine Zunahme des Thorax- umfanges konstatiert und daraufhin auf eine Lungenblähung schließt, so ist das, wie wir gesehen haben, unstatthaft, denn der Beweis, daß gleich nach Vagusreizung eine Luftanhäufung in der Lunge statthat, ist noch nicht . erbracht und ist offenbar wohl auch nicht zu erbringen. Unsere Versuche zeigen im Gegenteil, daß sowohl Vagus- wie Trigeminusreize den Luftgehalt der Lunge verringern. ! Sihle, Experimentelle Studien über den Alveolardruck der Lungen und über den Druck im Pleuraraum. Dieses Archiw. 1905. Physiol. Abtlg. Suppl. 150 M, SIHLE: Wie soll man sich nun nach alledem den asthmatischen Anfall, der unserer heutigen Auffassung nach als Vagus- bzw. Vagus-Trigeminusneurose sich dokumentiert, auffassen ? Wir sind jetzt, unseren Ausführungen gemäß, zu der Ansicht gedrängt worden, daß es beim Asthma sich nicht um eine Lungenblähung im gewöhn- lichen Sinne handeln kann, sondern um eine, sozusagen, relative Blähung, wobei zu Anfang der Attacke das absolute Luftquantum freilich verringert ist, aber nicht genügend gelüftet werden kann und teilweise inkarzeriert bleibt. Die Behinderung des Luftausströmens ist dabei, wie aus unseren Versuchen zu ersehen, nicht durch einen Bronchialkrampf allein zu erklären, es muß noch ein erschwerendes Moment hinzukommen. Wir finden dieses Moment in einer Schleimhautschwellung der Bronchien. Jetzt sind alle Bedingungen für die qualvolle Attacke gegeben: Einerseits Krampf, andererseits Lungen- schwellung. Die Luftkapazität hat abgenommen, das reduzierte Luftquantum kann dank der geschwollenen und eine zähe Masse absondernden Schleim- haut nicht genügend ventiliert werden. Infolge der verringerten Luft- kapazität hat der Kranke das Bestreben, dieselbe zu vergrößern, er strengt alle Inspirationsmuskeln an, der Thorax nimmt eine maximale Inspirations- stellung ein — die Beschwerden haben ihren Höhepunkt erreicht. Zum Schlusse sei noch darauf hingewiesen, daß unsere Methode der Bestimmung des Lungenvolumens und der Lungenkapazität sich eignen dürfte, gewisse Herzmittel auf ihre Wirksamkeit zu prüfen. Es könnte dabei festgestellt werden, in wieweit die einzelnen Herztonika die im Gefolge einer Herzinsuffizienz auftretende Lungenstauung zu beeinflussen imstande sind. Ferner könnten Untersuchungen von Interesse sein, die sich zur Auf- gabe machen, zu prüfen, wie die Rückwirkung auf die Lunge sich gestaltet, wenn andere Bezirke, als der Trigeminus oder Brustvagus, gereizt werden. Reizungen des Magens, des Darmes, des Uterus, gewisse Hautreize, wie z. B. Abkühlungen, kämen in Betracht. Die Ergebnisse unserer Ausführungen lassen sich kurz folgendermaßen zusammenfassen: 1. Reize, welche die Nasenschleimhaut trefien, beeinflussen in erheb- licher Weise sowohl das Lungenvolumen, wie auch die Lungenkapazität. 2. Auf den Reiz folgt, unabhängig vom Respirationswechsel, zunächst meist eine Verkleinerung, darauf eine Vergrößerung der Lunge über das Normalmaß hinaus. Es kann die Lunge auch gleich nach dem Reiz sich vergrößern, oder aber es wechseln Verkleinerung und Vergrößerung periodisch ab. VERÄNDERUNGEN DES LUNGENVOLUMENS U. DER LUNGENKAPAZITÄT. 151 3. Die Verkleinerung erfolgt durch reflektorische Kückwirkung auf den Vagus, wodurch die glatte Muskulatur des Respirationsröhrensystems sich kontrahiert. Es mag bei dieser Verkleinerung der Lunge aber außerdem auch Anämie des Organes eine Rolle spielen. 4. Die Vergrößerung des Lungenvolumens erfolgt durch vermehrte Blut- ansammlung in den Lungengefäßen. Es entsteht eine Lungenschwellung. Diese vermehrte Blutanhäufung ist durch reflektorische Rückwirkung auf den Herzvagus bedingt. 5. Kontraktion und Schwellung beeinflussen die Luftkapazität der Lungen in gleichartiger Weise. Durch beide Momente wird die Kapazität vermindert. 6. Die Lungenschwellung wirkt der Lungenelastizität in erheblicher Weise entgegen, und es kann dabei der Pleuradruck in Exspirationsphase stark positiv werden, ohne daß Exspirationshindernisse vorliegen. 7. Der durch die Lungenschwellung erzeugte positive Pleuradruck macht die beim Hustenstoß erfolgende Expektoration verständlich. Ss. Die durch Trigeminus- bzw. Vagusreizung bedingten Veränderungen des Lungenvolumens und der Lungenkapazität haben eine große Bedeutung für die Beurteilung verschiedener pathologischer Vorgänge, wie Katarrhe der Respirationsschleimhaut, Emphysem, Asthma, Herzinsuffizienz. Über die Reizung des Herzvagus bei Warmblütern mit Einzelinduktionsschlägen. Von Dr. Eugen Rehfisch in Berlin, (Aus der speziell physiologischen Abteilung des physiologischen Instituts in Berlin.) (Hierzu Taf. VI.) Nachdem ich meine Untersuchungen über die Reizung des Herzvagus mit kurzen tetanisierenden Strömen, über deren Resultat an anderer Stelle (Berl. klin. Wochenschr. 1905) berichtet wurde, beendet hatte, veranlaßte mich Herr Prof. Schultz, der zurzeit Abteilungsvorsteher des Instituts war, die Wirkung von Einzelinduktionsschlägen auf den Vagus zu eruieren. An diesen experimentellen Versuchen hatte sich H. Prof. Schultz mit so regem Interesse beteiligt, daß wir beschlossen, die gewonnenen Resultate gemeinschaftlich zu publizieren. Allein durch den so unerwartet erfolgten Tod von Schultz wurde eine gemeinsame kritische Durcharbeitung des erhaltenen Materials unmöglich. H. Geheimrat Engelmann übernahm es an seiner Stelle sich mit mir der Prüfung dieses Materials zu unterziehen. Da hierbei in einigen Punkten Zweifel bezüglich der Vollkommenheit der angewandten Methodik und damit auch hinsichtlich der Deutung unserer Beobachtungen sich ergaben, so folgte ich gern der Aufforderung des Hrn. Geheimrat Engelmann, die Versuche nochmals aufzunehmen und sie zugleich noch in einigen Rich- tungen zu erweitern. Es ist mir aber Bedürfnis, an dieser Stelle dem allzu früh dahin- geschiedenen Prof. Schultz herzlichste Worte des Dankes für das Interesse, das er meinen Arbeiten stets entgegengebracht hat, nachzurufen. EuGEn ReHFIscH: ÜBER DIE REIZUNG DES Herzvacus usw. 153 Literatur. In der Literatur habe ich nur eine einzige ausführliche Arbeit gefunden, die unseren Gegenstand behandelt. Dieselbe wurde von Donders im Jahre 1868 veröffentlicht.! Donders untersuchte mit seinem Schüler Place beim Kaninchen die Wirkung einzelner Induktionsschläge auf den Herzvagus. Die Herzschläge wurden bei uneröffnetem Thorax mittels einer auf die Stelle des Herzstoßes applizierten vereinfachten Mareyschen Kapsel (Luftkissen) und einem Mareyschen Kardiographen registriert. Die erhaltenen Kardiogramme waren, wie die abgebildeten Kurven zeigen, sehr klein, die größten Erhebungen selien mehr als 2=; doch war der Beginn jeder Ventrikelsystole scharf genug markiert, um die Dauer jeder Herzperiode genau bestimmen zu können. Bei der von Donders u. Place der Schreibfläche des Registrierzylinders ge- gebenen Geschwindigkeit von 50—60 "" konnte mit Hilfe einer gleichzeitig schreibenden Stimmgabel von 30 Schwingungen in der Sekunde diese Dauer bis auf etwa !/ ,, Sekunde genau berechnet werden. Es ließ sich auf diese Weise jedoch nichts weiter feststellen als der Einfluß der Vagusreizung auf die Dauer der Perioden des Herzstoßes, also nur chronotrope Effekte. Aber auch rücksichtlich dieser konnte begreiflicherweise nicht weiter entschieden werden, ob sie primärer oder sekundärer Natur, ob sie rein chronotroper Art oder etwa durch Leitungsstörungen im Herzen kompliziert waren. Da jedoch zu jener Zeit weder von inotropen, noch von dromotropen und bathmotropen Wirkungen des Vagus etwas bekannt war, hatte Donders keine Veranlassung, sich um andere als die rein zeitlichen Verhältnisse der Herzperioden zu kümmern. Was aber in dieser Beziehung ermittelt werden konnte, hat er in exaktester Weise getan und ebenso genial verwertet. Gelang es ihm doch aus seinen Versuchen mittels der von ihm angegebenen „Methode der größten Minima und kleinsten Maxima“ die Dauer des Latenz- stadiums der Vagusreizung auf die Kammer — bezüglich, unter Annahme eines konstanten Intervalls zwischen Vorkammer- und Kammerkontraktion (4,—V, nach jetzt gebräuchlicher Terminologie) für die Vorkammer zu berechnen und außerdem den zeitlichen Verlauf der negativ chronotropen Vaguswirkung für einen einzelnen Induktionsschlag festzustellen und eine der Zuckungskurve des Muskels analoge Kurve des Verlaufs dieser Hemmungs- wirkung zu konstruieren. Donders verglich außerdem die Wirkung des Schließungs- und Öff- nungsschlages bei auf- und absteigender Richtung im Strom und auch bei verschiedener Stromstärke und kam in dieser Hinsicht zu folgenden Sätzen: ı F. C. Donders, Zur Physiologie des Nervusvagus. Pflügers Archiv. 1868, Bd. I. 8.334. 154 EUGEN REHFIscH: 1. Der Erfolg des Öffnungsschlages ist im allgemeinen größer als der des Schließungsschlages; nur bei aufsteigender Richtung und großer Strom- stärke kann sich das Verhältnis umkehren. 2. Die absteigende Richtung hateinen stärkeren Effekt als die aufsteigende, und zwar ausnahmslos für den Schließungsschlag, bein Öffnungsschlag mit der Beschränkung, daß für die stärksten Ströme die Richtung ohne Einfluß wird. 3. Der Schließungsschlag in absteigender Richtung wirkt wenigstens bei starken Strömen etwas schwächer als der Öffnungsschlag in aufsteigender Richtung. Seit dieser für ihre Zeit mustergeiltigen Untersuchung von Donders hat sich wie bekannt durch Einführung der Suspensionsmethode und der mittels dieser ermöglichten graphischen Erforschung des gleichzeitigen Ver- haltens aller einzelnen Herzabschnitte unsere Einsicht in die physiologische Mechanik der Herzbewegungen und der Abhängigkeit dieser vom Nerven- system in ungeahnter Weise erweitert und vertieft. Aus diesem Grunde er- schien es wünschenswert, die Untersuchung über die Wirkung der Reizung des Vagus mit Einzelinduktionsschlägen vom gegenwärtigen Standpunkt aus wieder aufzunehmen. Operationsmethode und Versuchseinrichtung. Für unsere Untersuchungen wurden fast nur Kaninchen und zwar solche mittlerer Größe verwandt. Nach Einspritzung von 1“ Chloralhydrat zur Hälfte in die Ohrvene des Versuchstieres, zur Hälfte subkutan, wurde in der Mittellinie ein Schnitt geführt vom Ringknorpel bis über den Processus xiphoideus des Brustbeins hinaus. Sodann wurde in die Trachea eine Kanüle eingebunden, die Vagi beiderseits freipräpariert und vorläufig nur mit Fäden angeschlungen. Hierauf wurde das Sternum von der Mus- kulatur freipräpariert, mit einem spitzen Haken angezogen und durch Ein- schnitte in die Rippenknorpel entfernt. Durch einen Sperrhaken, der an seinem unteren Ende fixiert war, wurden die beiden Thoraxhälften ausein- ander gehalten, die nunmehr erscheinende Thymus stumpf entfernt, das Pericard gespalten und an beide Seiten des Thorax festgenäht. Das jetzt freiliegende Herz wurde nach der Suspensionsmethode mit zwei Serres fines, von denen die eine am rechten Ventrikel, die andere am rechten Herzohr befestigt war, an einem Doppelhebel angehängt. Die Bewegungen von Kammer und Vorkammer wurden auf der be- rußten Papierfläche eines Ludwig-Baltzerschen Kymographions verzeichnet, nachdem durch geeignete Wahl der Hebelvergrößerung und der Belastung der beiden Schreibhebel die Exkursionen der schreibenden Spitzen auf das für die Registrierung geeignete Maß herabgesetzt waren. Die Länge der schrei- benden Hebelarme betrug 18.5”. ÜBER DIE REIZUNG DES HERZVAGUS BEI WARMBLÜTERN. 155 Nunmehr wurden die beiden Vagi, die in ihrer ganzen Halslänge vom Ganglion cervicale superius bis zum Ganglion stellatum freigelegt waren, kurz unterhalb des oberen Ganglion durchschnitten, und die peripheren Enden mit Fäden angebunden. Um zu vermeiden, daß die Nerven speziell an ihrem oberen Teile mit dem Körper des Versuchstieres in Berührung kamen, wurden sie auf Gummiunterlagen isoliert und etwa 4" unterhalb der Schnittfläche auf Nickelinelektroden, die zur bipolaren Reizung dienten, gelegt. Die intrapolare Strecke betrug 8", Die Elektroden selbst waren mittels eines Stativs, das an dem Brette des Versuchstieres befestigt war, so fixiert, daß während des ganzen Versuches die Nerven unverrückt liegen bleiben konnten. Gereizt wurden die beiden peripheren Vagusstümpfe mit einem du Bois- schen Schlitteninduktorium, in dessen primären Kreis zwei Akkumulatorzellen mit je 2-1 Volt Klemmspannung eingeschlossen waren. In den sekundären Kreis war eine Wippe mit Kreuz eingefügt, deren Umlegen es gestattete, sowohl für den Schließungs- als auch für den Öffnungsschlag dieselbe Strom- richtung beizubehalten. Ein Pfeilsches Signal, das in den primären Kreis eingeschlossen vertikal unter den Schreibhebeln an der Trommel zeichnete, gab den Moment der Reizung an. Eine Stimmgabel von !/,, Sekunden Schwingungsdauer diente als Zeitschreiber. Vorjedem Versuche wurde möglichst dafür gesorgt, daß alle vier Schreiber, d.h. die Vorkammer- und Kammerhebel, Reiz- und Zeitschreiber genau vertikal untereinander standen, und außerdem, um ganz sicher bestimmen zu können, In welche Phase der Herzbewegung die Vagusreizung ge- fallen war, bei stillstehendem Zylinder unter Abblendung des Stromes der sekundären Spirale, von dem Reizschreiber durch Schließen des primären Stromes ein kurzer vertikaler Strich auf der Reizlinie verzeichnet. Nachdem dann durch Verwendung von Jodstärkepapier die Richtung des induzierten Stromes, mit dem gereizt wurde, ein für allemal festgestellt war, fand die Reizung mit Einzelinduktionsschlägen in der Weise statt, dab zunächst mit dem Schließungsschlage in absteigender Richtung begonnen wurde. Hierauf wurde an der sekundären Spirale der Strom abgeblendet, die Wippe umgelegt, die Abblendung wieder aufgehoben, und nun erst der Öffnungsschlag ausgeführt. So erhielten wir die Wirkung des Schließungs- und Öffnungsschlages bei derselben Stromriehtung, d.h. zunächst bei ab- steigender. Für die Reizung mit aufsteigendem Strome wurde die Lage der Wippe entsprechend geändert, und im übrigen ebenso verfahren. Um eine Ermüdung möglichst zu vermeiden, ließ ich in sehr vielen Fällen zwischen einem Schließungs- und Öffnungsschlage etwa eine halbe Minute oder mehr Zeit verstreichen. Die erste Hälfte einer Trommelumdrehung wurde für die Reizung in absteigender, die zweite für die in aufsteigender Richtung verwandt. 156 ‘EUGEN RehHrısch: Die Bemühungen, mit einem einzelnen Induktionsschlage irgend eine Vaguswirkung zu erzielen, blieben häufig erfolglos. Obwohl ich 20 Kanin- chen lediglich für diesen speziellen Zweck verbrauchte, gelang es mir nur bei 3 von denselben, eine größere Reihe wirksamer Einzelreizungen zu er- halten. In sehr vielen Fällen reagierten die Nerven auf den ausgeübten Reiz nur ein- oder zweimal, und bei 6 Versuchstieren war es überhaupt nicht möglich, auch nur die geringste Wirkung nach einem einzelnen Induktions- schlage zu erkennen, ohne daß sich ein Grund hierfür in der Beschaffenheit oder dem sonstigen Zustande des Versuchstieres hätte nachweisen lassen. Wenn ich dagegen auch nur sehr kurz und schwach tetanisierte, blieb der Erfolg nie aus. Ergebnisse. Wir behandeln zunächst die von uns beobachteten chronotropen Wirkungen und zwar in erster Linie die auf die Vorkammer. Eine Zu- sammenstellung unserer hierauf bezüglichen Versuche geben die folgenden Tabellen. Es sind darin nur die Versuche an den 8 Kaninchen auf- genommen, bei denen die Vagusreizung Erfolg hatte, und auch von diesen mit Ausnahme von Versuchstier III und VIII nur die Versuche von da an, wo die wirksame Reizschwelle gefunden war. Bei allen Tieren wurde zu- nächst mit unwirksamen Rollenabständen angefangen und möglichst rasch bis zu wirksamen fortgeschritten. Bei den Versuchstieren III und VIII sind auch die ersten 8 bzw. 6 unwirksamen Reizungen mit verzeichnet. Die Tabellen sind in 9 Rubriken verteilt. Die erste enthält Datum des Versuches und Nummer des Versuchs- tieres; aus der zweiten ist die Anzahl der Reizungen ersichtlich, die bei jedem Tiere ausgeführt wurden. Die Zahlen der dritten Rubrik geben für jeden Versuch den Rollenabstand der sekundären von der primären Spirale in Zentimetern an. Die vierte zeigt die mittlere Dauer der letzten drei Herz- perioden vor der Reizung in 25tel Sekunden; in der fünften ist die Rich- tung des Stromes angegeben, des absteigenden durch y, des aufsteigenden durch A. Rubrik 6 und 7 belehren uns über die Wirkung des Schließungs- schlages, und zwar ist in der sechsten Spalte mit L.-Zeit das ganze Intervall bezeichnet, das zwischen dem Moment der Reizung und dem Eintritt der ersten verspätet einsetzenden Vorkammersystole (4,) lag. Dagegen gibt Rubrik 7 die wirkliche Verzögerung der Kontraktion der Vorkammer in 2ötel Sekunden an, d.h. die Zeit zwischen dem Moment, in dem die A, hätte eintreffen sollen, und dem, in welchem sie wirklich kam. Analog zeigen die Rubriken 8 und 9 die Wirkungen des Öffnungsschlages an. ID | " P no || 15 8 |10s ur EUER N - ı® z&p op Sunı | | | erke a a | Br is a SI =Z| -930Z1a\ — an = eo 55 1ezl ar 2] ee a ke are Were ze ER EIER 2.2) P ap Sunı Hmmanr a J|ala | lee | Brcas| - almrzeean em lEcos] on &b -IIOZIIA m Arien | .8:5 A SsiEs| MZI Se a ea ae ae a ee See ae 2 IT — — —— — = s9moL 15 en u en ee en a an m nn ‚Zunzioy 19p 0A + opormdzaafg A9p voso oo 0 - rem mm DOW MO WWW 0 a0 ao mn m m WO WO 0 aD aD aD aD ‚ ION] PAOlyyım ÜBER DIE REIZUNG DES HERZVAGUS BEI WARMBLÜTERN. R I9J9WwTu za le BUT DO HHULO DR mnmaaadı aaaanın mn aıuoo SOoHtd non m aa puejsqeuajoy & uasunz atom co atomoa zwonoa-t on oaxo AHOoDO oadomo -9y op [yezuy - Hmmm aa aan nn m rar) bar nn u ES Hm rmmoa Pe] „oo Wo au og) x Io) =) a FE = j= 4 = zAs = E* 3.8 8 & 8 En I. & nn -— -— —_ — De — 2 MS ra Fa Fa in) 25 A Aa Br Br- > Pr —— & 5 wos" un &, a &y Jap Sunı ee Sr laeer Be eeenle ze] elle 33| ‚Bozen aan = RER ES, Maz-I (easel® =: 3 ae lest leer] > F | 23,08 Ei 213% op dunı len ea sele]:len alerts een ee an an| SZ 55 ge ee = elaleleisleeelale Kelesssel el =; | ” 2 en 2 i SIWOAg 2 15 8 >72 > 7222 > >22 >72 +><-+ >>. Eu sap sunyyard E feel SUnZzIay I9Pp OA = = |aporodzıaf Op Bitzerseteür=arsstsre Dos an m m an m m m Batzarr Darmasamer E Tone 91a & je) .. ra Une ZEul aacaaaaaacaı -mm-oo00 aaudrr- HTmoo0o SESOES:S Dan an an m puegsqeuojjfoyqy a uodunz ATOEDOAHOo aoawo no atom oawrweo »ooax awomwo _i = = Zr er Is =o& u 52 I 348 E 4: = = 4 m a Bee = = ng He en | a [6's) © © © 18 > Pr > - [or) I} A} le: 92 | D» 1 SE, 308° un a a ee a ee er en | =z| -»3gzı0 1 2 n En . - au -i - - a -.--m.oa > oO OO 0 Bi Sea oz zn ee a ee ee = ns = z 9 | = 2,208, ul prä &n -930719 < E N SB F ee 4 |sı&3| wzı SIE Bo] = a we le ann © ra a z = BD : SIWOAIS S Ye} sop Sungyary —><><- 2><—— << BT re en er ie a a a SI Ian en sn = " N —— =) Sunziay A0p A0A Ed + opoLmdzıaf A9p DIT ät=er> a mn nm m m m nn m m m m wm nn mn m m m co oo co oovovowovo© JOnel] Olyyım n = Be ea] . E A U199UI}U9Z Ur 5 ° puregsqwuaffog HHRnm acacacacaa aauadırr TmTooo00 SOor - 000000 zZ I S ——— u — — El 5 uasunz atom oaıdomo atonmoa dwowvoax ato »oawomo au fa} -794 op [yezuy rnmnrm aaaacdın mr rMrmmacaa mare ei Zeze ZeTER [ea ————— = = _ ———— = —— —— —— = ®. fee] = . BR Pan [ea] RR Ar) HS u au a vo 2a” = PER Se BE = “2 = FisE: 3 3... A [ae) BHm jae) Bm ae) n D un. ne Ha Im Ha © u {9} > = > EUGEN ReHrıscH: 160 ‘ ERIESER 5 &’p op Sunı SEE SSESEEE| “rn nr Hmm rnm Mar n Salzen else BE VA EIN —| dc 2 I — nn Je m 58 : : > m 0 © fer) zı88 OIOZzEUN = Besen = re reales leer |>® Bi | 2,108 °ı u . un &0 IOZIIA 33 en .|.4.2 : 55 n Sen AWZT Za= leere Se er a Are © 107) 2 SIMOAIS : Ss sop Sungyary > >02. > +27 >27 +20 < >12 +70 + +20 Ssunzioy Ip IOA + |oponmdzıog A2p oo oo © era Sär Sr SID > I TS Ba BSD r>2ätsöreäre Zr IONB(T 9AOJJJLN SSL SZELT oo orr-reo DO cn Dia Hm BT un) wann en oaaaa “= puegsqwuopjog] uydunz Ho» oax o»oam oSo»voauaxseo autom o ouautwomno atom o | 10 1op [yezuy auanın cn HEN en Nette) Armen ma aaacdaıın ii ii >; Bi: u De) s2” = Ye) HS au for) er Ss.» - o Zum» + > Eu 2.8 = a AB: 3 3 Sk mi — — al — Be Big [ae] m sma ra m Ba Ze) o 5) z > = | an DEI ur R - 57 Rp op Zunı earr De PS Ze ee BE se Ben © EL VACHN — ee 7 38 N | . oO mo So or. E = YA el ern Sn a a Keen lee el ee = 2,208 °), ur = =) 8 P dop Sun br ee Fe ei Bez] I a ee | Beine 2 5 on &0 -DBOZIOA I ae 3 ——— F =3 = sea) MzT a a a a I = Eee | De ra 2 E . in SIWoALIS = 5 op Sunguyoıy >> 2.272 >02 .0— >12 >70 27 <->. a I N ——— — —— — — = Junziay dOp OA un + oponmdzıioH op EB BO vovoo0o0o WW Om WEM m mM WW Wo wo 2 done] PO 2 ee gen 3= _ . A ., WIopmmuoz ur mM m m» = = | purgsqeuajfoyy HMrHmrme Hmmm Oo 0575 an m ar sa ca ca aa SESITSHSES je) En == _— — r— — u —— ——n — — —— Te Ss je A uadunz ateoeRno adomonm domoa awowon zwowmoaxN ovo»oax fair 107 10p [yezuy nm mn Mm = AHEAD D Damm DD -n- Hmmacda aanan nm je} ——— -—— — = — — — —— —— m m u} . - 4 S = mo Ps mO # Ne) oo „SO m au or) 5 Bir = er B . .ıZ er - =. 3 a 3 ER: = S u — — =] — — ii sr [ea 2) sAA 8) [s) Bis Bis er) I) > > Archiv f. A. u. Ph. 1906. Physiol. Abtlg. Suppl, 162 EUGEN ReHrIscH: Aus den oben stehenden Tabellen ereibt sich zunächst, daß in den 312 nach Feststellen der Reizschwelle angestellten Versuchen nur in 158 Fällen eine Wirkung beobachtet wurde, also in kaum etwas mehr als der Hälfte. Von diesen 158 positiven Resultaten kommen auf Versuche mit ab- steigender Stromrichtung 84 Fälle = rund 53 Prozent, auf solche mit aufsteigender nur 74 = rund 47 Prozent, ein Resultat, das nach Donders’ am Ventrikel gewonnenen Ergebnissen zu erwarten war. Der Schließungs- schlag (S) erwies sich in 76 von 158 Fällen = 48 Prozent, der Öffnungs- schlag (O0) 82 mal = 53 Prozent wirksam. Auch diese Beobachtung befindet sich mit Donders Resultaten in guter Übereinstimmung. Unter den 76 Fällen wirksamer Reizung durch den Schließungsschlag kamen 46 = rund 29 Prozent auf die absteigende, 30 = rund 19 Prozent auf die aufsteigende Richtung. Von den 82 Fällen wirksamer Reizung durch den Öffnungsschlag entsprachen 48 = rund 91 Prozent der absteigenden, 34 = rund 21 Prozent der aufsteigenden Richtung. Nach der Häufigkeit der Wirksamkeit geordnet folgen sich somit : Oy mit 48 Fällen = 31 Prozent Sy „ 46 „ = 29 „ 0 A „ 34 „ = 21 „ SA „ Su „ = 19 „ 158 Fälle 100 Prozent Bei gleichem Rollenabstand wurde OA in 12 Fällen wirksam gefunden, während SA nichts ergab, andererseits SA in 9 Fällen wirksam, während OA keinen Erfolg hatte. Ein Einfluß der Reizstärke oder des Ermüdungs- zustandes des Präparates machte sich hierbei nicht bemerklich. Oy hatte bei gleicher Stromstärke 18 mal eine Wirkung, wobei SY erfolglos blieb. Sy zeigte 14mal einen Erfolg, ohne daß Oy vor oder nachher einen Effekt gehabt hätte. Auch hier schienen Stromstärke und Zustand des Nerven ohne Einfluß zu sein. Im allgemeinen hatte also der Öffnungsschlag öfter einen Effekt gezeigt als der Schließungsschlag. Die Häufigkeit der Wirksamkeit von Sy verglichen mit der von OA, welche nach Donders’ Versuchen wenigsteus bei starken Strömen etwas geringer zu erwarten gewesen wäre, entsprach dieser Erwartung nicht. Es kamen zwar 11 Fälle vor, in denen 5) keinen, OA aber wohl Erfolg hatte. Andererseits aber fanden sich auch genau 11 Fälle unter Sy wirksam, OA aber unwirksam war. Sowohl Sy als auch OY zeigten 32mal, Sy und OA 21mal bei gleicher Stromstärke einen Effekt. ÜBER DIE REIZUNG DES HERZVAGUS BEI WARMBLÜTERN. 163 Wie die Häufigkeit der wirksamen Fälle, war auch die Größe der negativ chronotropen Wirkung, gemessen an der Dauer (f) der ersten Pausenverlängerung (vgl. 6. u. 8. Rubrik) durchschnittlich für den absteigen- den Strom größer als für den aufsteigenden. Und zwar betrug durch- schnittlich 2 für Oy 1-6 Stimmgabelschwingungen im Mittel aus 48 Versuchen >>) Sy 1-5 ”„ „ „ „ 46 „ „ 0 4 1.4 ” „ » „ 34 „ l E „ SA 1.2 ” ” ” „ 30 „ r 2 Auch hier zeigt sich wieder das Übergewicht des Öffnungsschlages über den Schließungsschlag, und zwar für beide Richtungen. Ob der Befund von Donders, daß bei aufsteigender Richtung und großer Stromstärke der Schließunesschlag stärkere Wirkung haben kann, vielleicht mit der größeren Länge der intrapolaren Strecke in seinen Ver- suchen (bei Donders 11, bei uns S”m) zusammenhängt, wage ich nicht zu entscheiden. Die Überlegenheit desÖffnungsschlages über den Schließungsschlag besteht auch, wie Donders’ Versuche für den Ventrikel gezeigt haben, in Hinsicht auf die Gesamtdauer der negativ chronotropen Wirkung auf die Vorkammer- periode. Da wir jedoch nur einen kleinen Teil unserer Kurven nach dieser Richtung hin ausgemessen haben, so begnügen wir uns mit dieser allgemeinen Bemerkung um so mehr, als nach einem einzigen Induktionsschlage über- haupt nur sehr wenige Vorkammerperioden eine Verlängerung zeigten, häufig nur eine oder zwei, selten mehr als drei. Aus eben diesem Grunde auch verzichten wir darauf, eine Kurve des Verlaufs der chronotropen Vaguswirkung auf die Atriumkontraktionen zu konstruieren in der Weise, wie dies Donders für die der Ventrikel getan hat. Nur wollen wir hervorheben, daß im allgemeinen die erste Pause, welche eine Verlängerung zeigte, auch die am meisten verlängerte ist, sehr selten die zweite; bei den folgenden zeigt sich die Verlängerung in immer ge- ringerem Umfange. Offenbar steigt also die negativ chronotrope Wirkung rasch bis zum Maximum an und sinkt sogleich aber mit geringerer Ge- schwindigkeit. Es ähnelt also die ihren Verlauf ausdrückende Kurve der von Donders konstruierten, sowie auch dem Verlauf der Kurve für die negativ inotrope Wirkung auf das Atrium, wie sie Gaskell und in besonders in- struktiver Weise Engelmann! beim Frosche unmittelbar graphisch zur Darstellung brachten. ! Th. W.Engelmann, Weitere Beiträge zur näheren Kenntnis der inotropen Wirkungen der Herznerven. Dies Archiv. 1902. Physiol. Abtlg. 8. 443. 11* 164 EUGEN REHFIScH: Das von Engelmann hierfür angewandte Verfahren lehrte zugleich die wichtige Tatsache, daß die Phase der Herzperiode, in welche die Reizung fällt, Keinen merklichen Einfluß auf Größe, Dauer und Verlauf der negativ inotropen Wirkung hat.! Leider läßt sich dasselbe Verfahren für die Prüfung dieser Frage hinsichtlich des chronotropen Effekts nicht oder doch nicht in gleich anschaulicher Weise anwenden. Ein Vergleich unserer Kurven lehrt; jedoch so viel, daß Größe und zeitlicher Verlauf der chrono- tropen Wirkung auf die Atrien anscheinend von der Phase unabhängig sind, in welche der Reiz fiel. Bei oberflächlicher Betrachtung kann natürlich die Phase einen Ein- fluß zu haben scheinen; denn auch bei ganz gleich verlaufendem Hemmungs- prozeß muß je nach dem Zeitintervall, das bis zur ersten verspätet ein- setzenden 4A, verläuft, die Größe dieser ersten Pausenverlängerung und ihr Verhältnis zu den Verlängerungen der darauf folgenden Atriumperioden ein verschiedenes sein. Fällt der Reiz beispielsweise kurz nach Ende der Vor- kammerdiastole (4,) ein, so folgt die nächste A, zur rechten Zeit und erst die nächste ist — und zwar beträchtlich — verlängert. Trifft der Reiz aber die Systole der Vorkammer, so kann schon die erst folgende 4, merklich, wenn auch in der Regel nicht auffällig verlängert sein usw. Dies führt uns zur Besprechung der Frage nach der Latenz der negativ chronotropen Vaguswirkung auf die Vorkammer. "Zur genauen Ermittlung dieser Zeit würden wir uns der von Donders angegebenen „Methode der kleinsten Maxima und größten Minima“ haben bedienen müssen. Doch erschien uns dies nicht angezeigt, da in unseren Versuchen wegen der schon durch das Bloßlegen des Herzens verursachten relativen Schädigungen das Präparat sich nicht längere Zeit in konstanter Reaktionsfähigkeit erhalten ließ. Wie unsere Tabellen zeigen, bedurfte esin jedem Falle mit fortschreitender Dauer des Versuches eines immer geringeren Rollenabstandes, um merkliche Wirkungen zu erzielen, und die Größe dieser Wirkungen ändert sich aus gleichem Grunde in nicht zu beherrschender Weise. Da aber ohne Zweifel die Dauer der Latenz innerhalb gewisser Grenzen mit Zunahme der Inten- sität der Reizwirkung abnehmen wird, würde es einer außerordentlich großen Zahl von Messungen bedurft haben, um den aus der ungleichen Größe der Wirkungen entstehenden Fehler einigermaßen zu korrigieren. Auch gestatten die meisten unserer Kurven nicht, Zeitunterschiede von weniger als '/,, Sekunde zu messen. Es erschien uns daher für diesen Zweck aus- sichtsreicher, das Minimum der Latenzzeit unter unseren Versuchen zu eruieren. Aus Donders’ Versuchen berechnet sich für die Latenzzeit der negativ ıA.2.0. 8.461 fl. Figg. 8-11. ÜBER DIE REIZUnG DES HERZVAGUS BEI WARMBLÜTERN. 165 chronotropen Vaguswirkung auf das Atrium nach Anwendung der notwen- digen Korrekturen und Reduktionen ein Wert von !/, Sekunde. Der niedrigste von uns beobachtete Wert beträgt noch weniger, näm- lich ®/,, Sekunde = 0.12”. Aber auch dieser ist noch zu hoch, da einmal nach dieser Zeit die Wirkung bereits eine ziemliche Höhe erreicht hatte (}/s; Verzögerung), und es außerdem fraglich ist, ob die Verzögerung nicht teilweise noch auf Rechnung eines anderen Vorganges, nämlich einer negativ dromotropen Wirkung zu setzen ist. Eine genaue Betrachtung unserer Atriumkurven lehrt in der Tat, daß der letztere Umstand mitspielen kann, indem nämlich aus der Gestalt dieser Kurven sich ergibt, daß der 4, noch eine Kontraktion vorausgeht, die nichts anderes sein kann als eine der Kontraktion des Sinusgebietes des Froschherzens entsprechende Systole. Während für gewöhnlich bei den von uns mittels des Suspensionsverfahrens geschriebenen Vorkammer- kurven diese Systole, die wir mit S%, bezeichnen wollen, sich nicht bemerklich zu machen pflegt, wird sie bei einer Pausenverlängerung durch Vaguswirkung vorübergehend deutlich erkennbar als eine der A, unmittelbar vorausgehende kleine Erhebung. Fig. 2, Taf. VI, die von einem Hundeherzen stammt, zeigt diese Erscheinung schon bei den normalen Atriumperioden (obere Kurve) als eine links am Fuß jeder systolischen Erhebung der Vorkammer gelegene, kleine, wellenförmige Erhebung von weniger als 1"= Höhe und etwa !/,,” Dauer. Zwischen ihrem Gipfel und dem steil aufsteigenden Schenkel der Vorkammerkurve befindet sich eine schwache Einsenkung. In der Pause aber nach der kleinen Extrasystole, welche durch einen 4m oberhalb des Atriums auf die Vena cava superior applizierten Schließungsschlag erzeugt wurde (die 5 4, von links), ist Si, deutlicher ausgeprägt und durch ein etwas tieferes Tal von der folgenden A, abgehoben. Ebenso deutlich ist dies aus Fig. 3, Taf. VI, (Kaninchenherz), zwar nicht aus der normalen Periode, aber doch am Ende der ersten durch einen Vagus- reiz (Schließungsinduktionsschlag S, 3. Periode von links) verlängerten Pause erkennbar. Hier ist die S-Welle durch ein relativ tiefes und breites Tal vom aufsteigenden Schenkel der A, getrennt." In der nächsten Periode, deren Pause nur sehr wenig verlängert ist, scheint sie ebenfalls noch kenntlich, doch ist das Tal nur schwach angedeutet. In der dritten und vierten auf den Reiz folgenden Periode ist sie kaum noch und weiterhin bei normalen Herzperioden gar nicht mehr sichtbar. Nachdem aber bei O der Vagus aufs neue (durch einen Öffnungsinduktionsschlag) gereizt wird, erscheint sie ! Die unmittelbar auf den absteigenden Schenkel jeder A, folgende ziemlich große Welle, die auch in Figg. 1 und 4 sehr ausgeprägt ist, rührt von Schleuderung (Rück- prall) des Hebels her. 166 EUGEN REHFIScH: am Ende der ersten verlängerten A-Pause sofort wieder und ist auch in den nächsten Perioden mit abnehmender Deutlichkeit erkennbar. Ganz dasselbe zeigt eine aufmerksame Betrachtung von Figg. 5 und 6 in den auf die Vagusreizungen S und O folgenden A-Perioden. Diese Fälle, die wir leicht noch durch viele andere Kurven belegen könnten, lehren zwei wichtige Dinge. Erstens: Es gibt auch beim Kaninchen- und Hundeherzen ein dem Sinusgebiet des Froschherzens physiologisch ent- sprechendes, selbständig klopfendes Gebiet, dessen Kontraktion der des rechten Atriums unmittelbar (!/,,.” etwa) vorausgeht. Zweitens: Die Leitung von diesem Gebiete zum Atrium kann durch Vagusreizung verzögert werden. Die erstere Tatsache kommt nicht unerwartet. Ist es ja doch schon längst bekannt, daß die großen Hohlvenen auch der Warmblüter nach Abtrennung von den Atrien selbständig pulsieren können. So hat auch H. E. Hering! bei einem Kaninchen, dessen Herzkontraktionen durch Kälte künstlich verlangsamt waren, nach Anheben des Herzens sogar direkt be- obachten können, daß sich die großen Venen regelmäßig vor den Atrien kon- trahierten. Dieser Vorgang scheint nun nach unseren Versuchen schon unter normalen Bedingungen stattzuäünden, und wenn er bisher nicht beobachtet wurde? und graphisch nur selten zum Ausdruck kommt — ich habe ähn- liche &-Wellen nur noch in den von Muhm? veröffentlichten Kurven ge- funden — so liegt dies wesentlich an der Schwierigkeit der Registrierung dieser relativ sehr schwachen und kurz dauernden Bewegungen, die nament- lich bei Herzen mit großer normaler Frequenz, also sehr kurzer A-Pause, wie beim Kaninchen, durch die soviel stärkeren Bewegungen des Atriums verdeckt werden. Es zeigt sich also auch hier wie schon auf so zahlreichen Punkten der Herzphysiologie beim Warmblüterherzen nichts prinzipiell Verschiedenes gegenüber dem Froschherzen. Somit werden wir auch beim Säugetierherzen nicht die Atrien, sondern schlages. Pflügers Archw. 1900. Bd. LXXXI. S. 21. ? Nachträgliche Anmerkung: Die inzwischen erschienenen wichtigen Arbeiten von Wenckebach (Beiträge zur Kenntnis der menschlichen Herztätigkeit. Dies Archiv. 1906. Physiol. Abtlg. S. 297) und Langendorff (Der Stanniussche Versuch am Warmblüterherzen. Pflügers Archiv. 1906. Bd. CXl1I. S. 353), welche zu den- selben Ergebnissen führen, wurden mir erst nach Abschluß meines Manuskriptes bekannt. 3 Theod. Muhm, Beitrag zur Kenntnis der Wirkung des Vagus und Accelerans auf das Säugetierherz. Dies Archiv. 1901. Physiol. Abtlg. S. 235. ÜBER DIE REIZUNG DES HERZVAGUS BEI WARMBLÜTERN. 167 darf, als Sitz der normalen Ursprungsreize betrachten müssen und die Atrienkontraktionen als fortgeleitete in ihrem Rhythmus durch den vom Si bestimmten aufzufassen haben. Zur Entscheidung, ob ein beliebiger, regelmäßig pulsierender Organ- teil seine Reize selbst erzeugt, oder nur sekundär durch Leitung von außen her erregt wird, hat Engelmann die Methode der Extrasystolen ange- geben." Da, wo auf direkte wirksame Reizung eine kompensatorische Pause folgt, sind die normalen Pulsationen dureh periodisch von außen her zugeleitete Reize hervorgerufen; dort jedoch, wo der Extrakontraktion keine „kompensato- rische‘“, sondern eine von der gewöhnlichen Dauer nicht oder doch nicht nennens- wert verschiedene Pause folgt, hat man den Sitz der Ursprungsreize im betreffenden Teil selbst zu suchen. Daß auch für das Warmblüterherz dieser Sitz in der Gegend der großen Hohlvenen zu suchen sei, im be- sondern an der Stelle ihrer Einmündung in das Atrium, lehrten schon die Versuche von Cushny? und Matthews und von H. E. Hering? mit lokalisierter Reizung der Vena cava superior bei Kaninchen und Hunden. Eine schöne Bestätigung der Richtigkeit des Prinzips der Methode der Extrasystolen geben auch die Versuche von H. E. Hering* bei überlebenden. Säugetierherzen, deren Vorhöfe abgetrennt waren. Den hier durch Reizung der Ventrikel erzeugten Extrasystolen folgte keine kompensatorische Pause. Ebenso ergaben die nach der von Gaskell zu gleichem Zwecke zuerst angegebenen Methode der lokalen Erwärmung von H. Adam? an Katzen- und Kaninchenherzen angestellten Versuche eine zwischen den beiden großen Hohl- venen gelegene Stelle als wahrscheinlichen Sitz der normalen Ursprungsreize. Ich selbst habe gleichfalls mehrere Versuche zur Ermittlung dieses Sitzes der normalen Ursprungsreize nach der Engelmannschen Methode der Extrasystolen an Kaninchen und Hunden angestellt. Nachdem ich die Reizschwelle für Extrasystolen des Ventrikels festgestellt hatte, wurden zwei bis kurz vor der Spitze durch Lack isolierte feine Nadeln in die Vena cava superior eingeführt und dieselbe dann mit Einzelschlägen gereizt. Zunächst fand ich, daß die nach einer Extrakontraktion auftretenden Pausen erheb- ! Th. W. Engelmann, Über den Ursprung der Herzbewegungen usw. Pflügers Archiv. 1897. Bd. LXV. 8. 111. ® Cushny und Matthews, On the efiects of the electrical stimulation of the mammalian heart. Journal of Physiology. Vol. XXI. 1897. ® H. E. Hering, Zur experimentellen Analyse der Unregelmäßigkeiten des Heız- schlages. Pflügers Archiv. 1900. Bd. LXXXIL 8. 21. * Derselbe, Nachweis der Autumatie der mit den Vorhöfen oder Vorhofresten in Verbindung stehenden Kammern bsw. Verbindungsfasern des Säugethierherzens durch Auslösung ventrikulärer Extrasystolen. Zbenda. Bd. CVII. S. 108. 5 H. Adam, Experimentelle Untersuchungen über die Ausgangspunkte der auto- matischen Herzreize beim Warmblüter. Zbenda. Bd. CXL 8. 607. 165 EUGEN RenHrıscH: lich verkürzt waren. Hierbei war es gleichgültig, ob ich die zwischen den beiden Hohlvenen gelegene Stelle des Atriums selbst, oder die Vena cava superior oder inferior mehr oder minder vom Vorhof entfernt reizte. Eine Extrasystole des Herzens war immer zu erzielen, solange ich mich, und dies gilt im besonderen für die Reizung der Vena cava superior, vor der Anheftungsstelle des Pericards vom Herzen aus gerechnet, befand. Jen- seits derselben hatte keine Reizung einen Erfolg. Dann aber hatte ich auch, ebenso wie H.E. Hering Gelegenheit, bei Reizung der Vena cana superior in einer Entfernung von 3 bis 4" vor ihrer Einmündung ins Atrium wiederholt zu beobachten, daß auf eine Extrasystole von Atrium und Ventrikel überhaupt keine verlängerte Pause folgte, daß vielmehr nach der Extrasystole die nächste Kontraktion in demselben Intervall einsetzte, der dem Rhythmus entsprach, daß also hier auch dieselbe Erscheinung zutage trat, wie wir sie nach Extrasystolen im Venensinus des Froschherzens finden. Hierfür möge die schon besprochene Fig. 2 als Beispiel dienen. Dieselbe stammt von einem Hunde, dessen Vena cana superior 4" oberhalb ihrer Einmündung ins Atrium gereizt war. Die obere Reihe zeigt die Atrium-, die untere die Ventrikelbewegungen. Nach beiden Extrasystolen folgt die nächste Kontrak- tion fast genau in dem früheren Intervall von 9 Stimmgabelschwingungen. Somit werden wir auch durch diese Beobachtungen dazu geführt, als Gebiet der normalen Ursprungsreize für das Warmblüterherz eine Gegend in den großen Venen nahe ihrer Einmündung in die Vorkammer anzunehmen. Unsere jetzigen Versuche zeigen aber (s. die Figg. 2, 3, 5, 6) zu- gleich, daß dieses Gebiet nicht mit dem Atrium selbst physiologisch ein- heitlich verschmolzen ist, sondern durch besondere Leitungsbahnen mit ihm verbunden sein muß, ähnlich wie das Atrium mit dem Ventrikel. Wenn auch die Leitungsgeschwindigkeit der motorischen Erregung von Si nach A in der Norm sehr groß ist, so erscheint sie doch offenbar kleiner als die innerhalb des Si-Gebietes selbst, oder innerhalb der Vorkammer und namentlich — und das führt uns zum zweiten oben formulierten Resul- tat — kann sie durch Vagusreizung nicht unwesentlich verlangsamt werden. Die Wirkung eines einzelnen Induktionsschlages auf den Vagus kann somit außer einer primär negativ chronotropen auf S? — und zufolge dieser sekundär auf A und V — auch eine negativ dromotrope auf die Bahn S8—A sein. Eine völlige Aufhebung der Leitung von Si? nach A wurde im Gegen- satz zu der Leitung A—V (siehe später in Fig. 5) durch einen Einzelreiz nie bewirkt, und es betrug auch die Verzögerung der Leitung, d.h. die Verlängerung des Intervalls S,— 4A, bestenfalls nicht mehr als etwa 1/,,”. Sehr genaue Messungen dieser Verzögerung lassen sich in unseren Kurven nicht ausführen, da der Moment des Anfangs der S, wie auch der A, sich ÜBER DIE REIZUNG DES HERZVAGUS BEI WARMBLÜTERN. 169 kaum genauer als auf !/, Schwingung der Stimmgabel bestimmen läßt. Die Breite und Tiefe des Tales, das auf die kleine Erhebung des Vorkammer- schreibhebels folgt, die der 5%, entspricht, zeigt aber jedenfalls unter dem Einfluß der Vagusreizung eine so beträchtliche Zunahme, daß an der Tat- sache der Leitungsverzögerung kein Zweifel bestehen kann. Der maximale Betrag ergibt schätzungsweise aus unseren Versuchen etwa 1—1}/, Schwingungen. Unsere Beobachtung, daß jeder A, eine Si, in der Norm um etwa !/,,” und nach einem Vagusreiz infolge eines einzelnen Induktionsschlages bis um etwa die doppelte Zeit vorausgeht, läßt nun auch die oben diskutierte - Dauer der Latenz der negativ chronotropen Vaguswirkung auf die Vorkammer in neuem Lichte erscheinen. Da diese Wirkung nur eine sekundäre ist, die primäre aber sich im ‚Si-Gebiet äußert, so ist die Latenz dieser letzteren, auf die es doch im wesentlichen ankommt, um so viel kürzer als die 5, der A, vorausgeht, d.h. um etwa !/,.” bis ?/,,” geringer, als die Ausmessung der Atriumperioden ergeben hatte. Wir werden deshalb nicht sehr irren, wenn wir annehmen, daß die Zeit, innerhalb welcher eine Reizung des Vagus mit einem einzelnen Induktionsschlage sich in einer Verzögerung bemerkbar machen kann, etwa !/,.” beträgt. [25 Die Verlängerung der A-Perioden nach einer Vagusreizung ist hiernach ein kompliziertes Phänomen, und zwar verursacht durch wenigstens zwei Mo- mente: die primäre negativ chronotrope Wirkung auf Si und die negativ dromotrope auf die Leitung Si—A. Unsere obigen Untersuchungen über die Abhängigkeit der Häufigkeit, der Dauer, des zeitlichen Verlaufes usw. der negativ chronotropen Wirkung auf die Vorkammer von der Art, Rich- tung und Stärke der reizenden Induktionsströme beziehen sich demnach sämtlich nur auf das zusammengesetzte Phänomen, und es würde demnach erforderlich sein, festzustellen, wieviel von den beobachteten Einflüssen in jedem einzelnen Falle auf Rechnung der chronotropen und wieviel auf Rechnung der dromotropen kommt. Indem jedoch eine genaue Beantwortung dieser neuen Frage besonderen Untersuchungen vorbehalten werden muß, bei denen eine schärfere graphische Trennung der $:, und A, als sie in den meisten unserer Versuche besteht, zur Bedingung gemacht wurde, können wir auf Grund unserer in dieser Beziehung nicht voll genügenden Kurven nur folgendes sagen: Erstens: Im allgemeinen kommt der primär negativ chronotropen Wirkung auf Si wohl der Hauptanteil an der Verlängerung der 4-Perioden zu. Eine Leitungsverzögerung von etwa !/,,” bis ?/,, Dauer war, wie bereits erwähnt, schätzungsweise das in unseren Versuchen erreichte Maximum, während die Verlängerung der A-Perioden etwa °/,, betragen konnte. 170 EUGEN ReHrıscH: Zweitens: Negativ chronotope Wirkung auf Si und negativ dromotrope auf S— A scheinen ungefähr gleichzeitig aufzutreten, gleich schnell ihr Maximum zu erreichen und etwa gleich rasch abzuklingen. Beide Wirkungen pflegen bald nach Anfang am stärksten zu sein, d. h. die der ersten (maximal) verlängerten ‚Si-Periode zunächst folgende A, ist auch durch das längste Intervall von der zugehörigen Si, getrennt. Beide Wirkungen erstrecken sich bestenfalls auf 4 Perioden, und es erfolgt bei beiden die Ab- nahme langsamer als der Anstieg. Außer den beiden bisher behandelten Wirkungen trat weiter in nicht wenigen unserer Versuche als dritter Erfolg ein unverkennbar negativ inotroper Einfluß auf die Vorkammer ein, der jedoch auch da, wo er deutlich war, nur mäßige Grade erreicht. Niemals kam es — wie so leicht bei tetanischer Vagusreizung beim Frosche — zu einer vollständigen oder fast vollständigen Vernichtung der A,. Als vierter, aber noch seltenerer und stets nur ganz geringer und rasch verschwindender Erfolg, der deshalb nur eben erwähnt werden möge, zeigte sich eine Schwächung der V,, die ja auch nach tetanischer Vagusreizung beim Frosch beobachtet worden ist. | Dagegen zeigte sich als fünfte Wirkung infolge einer Vagusreizung öfter ein gänzlicher Ausfall von einer oder mehreren V, bei fortbestehender 4,. Ein solcher ist in Fig. 5 abgebildet. Die Deutung dieser Erscheinung, welche ja beim Froschherzen längst bekannt und auch beim Herzen der Warmblüter wiederholt konstatiert ist, wird nicht leicht. Da es sich offenbar um eine Unterbrechung der Reiz- übertragung von A nach / handelt, kann man wohl den Ausfall der P, als eine negativ dromotrope Wirkung auf die A und 7/ verbindende Bahn bezeichnen und hierbei zunächst an eine Leitungshemmung in den Brücken- fasern denken, um so mehr als eine Verlangsamung der Leitung von Anach V, die sich in einer Vergrößerung des Intervalls A,— V, ausspricht, öfter nach- weisbar ist (s. die erste Periode nach der Reizung S in Fig. 5). Inzwischen ist es auffällig, daß in manchen Fällen von einer deutlichen Verlangsamung der Leitung A—V sich in den dem Ausfall der Vs unmittelbar vorher- gehenden oder folgenden Perioden nichts bemerklich macht. Aus diesem Grunde mußte man noch an andere Möglichkeiten denken, die den Vs-Aus- fall verursacht haben könnten. Entweder an eine Schwächung der Energie des Leitungsreizes, die ja nach den Erfahrungen an Nerven und Muskeln nicht notwendig mit einer Verzögerung der Leitungsgeschwindigkeit ver- bunden zu sein braucht, oder aber an eine Herabsetzung der Anspruchs- fähigkeit der Kammermuskulatur selbst bzw. der A mit /verbindenden Brücken- fasern. Im letzteren Falle würden wir eine negative bathmotrope Wirkung infolge des Vagusreizes vor uns haben. Für diese Auffassung spricht auch ÜBER pıE REIZUNG DES HERZVAGUS BEI WARMBLÜTERN. ara der Umstand, daß negativ bathmotrope Wirkungen, und zwar unabhängig von gleichzeitig chronotropen, inotropen und dromotropen beim Herzen des Frosches von Engelmann und dann auch bei Warmblütern, u. a. von Me. William! bei der Katze nach Vagusreizung beobachtet worden sind. Daß in der Tat auch beim Warmblüter diese Unabhängigkeit der einen Vaguswirkung von einer anderen nicht so selten ist, hierfür möge Fig. 4 als Beleg dienen. Die sonst gewohnte negativ chronotrope Wirkung auf die 4-Perioden fehlt hier ganz. Dagegen zeigt sich deutlich in hervor- ragenderem Maße nach dem Schließungsschlage (S), in geringerem Grade nach dem Öffnungsschlage (0) eine negativ dromotrope Wirkung der Vagus- reizung auf A—YV. An dem aufsteigenden Schenkel der V, setzt sich die A, deutlich ab. Fassen wir nunmehr die hauptsächlichsten Ergebnisse unserer Unter- suchungen kurz zusammen, so können wir sagen: Durch einen hrehen Induktionsschlag, der das cn Stück des durchschnittenen Vagus am Halse trifft, können beim Kaninchen folgende Arten von Hemmungswirkungen im Herzen hervorgerufen werden: 1. Chronotrope und zwar a) primär chronotrope auf ein selbständig klopfendes, als Sitz der normalen Ursprungsreize zu betrachtendes, dem Sinusgebiet des Froschherzens entsprechendes Gebiet an den Mündungen der großen Venen; b) sekundär chronotrope auf A und V. (Letztere schon von Donders und Place genau untersucht). 2. Dromotrope. a) auf die Leitung zwischen & und 4; b) auf die Leitung von A nach V. 3. Inotrope auf A und in geringerem Maße auf V. 4. Bathmotrope auf V oder die Brückenfasern von A nach V. Die letzteren Wirkungen sind möglicherweise als dromotrope aufzufassen. Zum Schluß sei es mir gestattet, Hrn. Geheimrat Engelmann für die so liebenswürdige Unterstützung bei dieser Arbeit meinen herzlichsten Dank auszusprechen. ! J.Me. William, on the rhythm. of the mamalian heart. Journ. of the Physiolog. Bad. IX. 172 EuGEn REHFISCH: ÜBER DIE REIZUNG DES HERZVAGUS USW. Erklärung der Abbildungen. (Taf. VL) In allen Kurven schreibt die obere Linie die Vorkammer, die untere die Kammer. S = Schließungsschlag. O = Öffnungsschlag. Mit Ausnahme der Fig. 2, die von einem Hunde herrührt, stammen alle anderen von Kaninchen. Fig. 1 und 6 gelten als Paradigma einer typischen Vagusreizung. Fig, 2 (vom Hunde). Nach einer Reizung der Vena cava superior, 4 ®® oberhalb ihrer Einmündung ins Atrium, folgt wohl eine Extrakontraktion von A und P, aber keine kompensatorische Pause. Fig. 3 zeigt das Auftreten der S-Wellen nach einer Vagusreizung und ihr all- mähliches Abklingen. (Derselbe Vorgang ist, wenn auch nicht so prägnant, aus Figg. 5 und 6 ersichtlich.) Fig. 4 enthält lediglich negativ dromotrope Wirkungen von A nach V. Negativ chronotrope Einflüsse auf A sind nicht nachweisbar. Fig. 5 zeigt den Ausfall von zwei V, nach einer Vagusreizung. Gleichzeitig besteht bei $ negativ dromotrope Wirkung von A nach V. Untersuchungen über die tonische Kontraktur und kontraktorische Starre des Froschmuskels. Von Privatdozent Dr. Camill Lhotäk von Lhota, Assistenten des Instituts, (Aus dem pharmakologischen Institute der böhm. Universität zu Prag.) (Hierzu Taf. VII—X.) T. Die vorliegenden Untersuchungen schließen sich unmittelbar an die vor einigen Jahren in diesem Archive mitgeteilten an.! Bereits in dieser sowie in anderen inzwischen veröffentlichten Abhand- lungen habe ich es versucht, das Zustandekommen und die Bedingungen der verschiedenen Kontrakturen näher zu bestimmen. Dabei hatte ich immer mit der Schwierigkeit zu kämpfen, eine völlig charakterisierende Bezeichnung aller in Frage stehenden unter den Namen Kontraktur sub- sumierten Muskelerscheinungen zu finden. Es ist immer noch nicht genug klar, ob man jeden Verkürzungsrück- stand, oder nur eine besondere Modifikation des Kontraktionsvorgangs z. B. eine vorübergehende Tonizitätserhöhung als Kontraktur bezeichnen soll. In der Regel bezeichnet man jeden übermäßig verlängerten Kon- traktionsvorgang als Kontraktur. Nach dieser Bezeichnungsweise sind aber unter dem Namen Kontraktur sehr heterogene Erscheinungen zusammen- gefaßt, welche außer den gemeinsamen Beziehungen auch sehr scharfe Unterschiede aufweisen. 1 Dies Archiv. 1902. Physiol. Abtlg. Suppl. S. 45. 174 CAMILL LHOTÄK von LHO0oTA: Es wäre also möglich, den gemeinsamen Namen Kontraktur für alle länger dauernden Kontraktionsvorgänge noch weiter zu behalten, aber auf Grund der zahlreichen Unterschiede eine Reihe von untergeordneten Typen aus allen diesbezüglichen Muskelzuständen abzuleiten. Es ermöglichen schon die ältesten Untersuchungen über die Muskel- funktion eine Anordnung der verschiedenen Typen von Muskelkontrakturen. Aus Helmholtzs Abhandlung! ist bereits bekannt, daß der absteigende Teil der Zuckungskurve (die sogen. Dekreszente) schon beim frischen Muskel keine einfache Fallkurve ist. Eine solche würde viel steiler abfallen. Durch die Veränderungen, welche die fortschreitende Ermüdung im Muskel hervorruft, weicht die Dekreszente noch mehr von dem Charakter einer freien Fallkurve ab. Der Muskel gleicht zuletzt einer teigartigen Masse, welche mit großer Trägheit dem Zug folgt, welcher sie aus Form der Verkürzung zur ursprünglichen Form der Ruhe zurückzuführen strebt. Funke, welcher diese Verhältnisse eingehend studiert hatte, deutet sie so, daß jede Kontraktion eine Alteration des Muskelgewebes erzeugt, welche der Wiederausdehnung des verkürzten Muskels Hindernisse entgegen- gesetzt.” Dieser Widerstand ist beim frischen Muskel gering und wird nach Ablauf der Zuckung in kürzester Frist beseitigt. Im Verlaufe einer ermüdenden Reihe von Kontraktionen scheint nun die Beseitigung dieses Widerstandes allmählich schwieriger zu werden und längere Zeit in Anspruch zu nehmen, so daß es, sobalä letztere größer wird als das Zuckungsintervall, zu einer Summierung des hypothetischen Widerstandes kommt, wodurch die Verlängerung des Muskels mehr und mehr erschwert wird. Diese Vorstellung stimmt genau mit der Anschauung Hermanns über das Wesen der gewöhnlichen Kontraktion, wonach dieselbe ein der Starre durchweg analoger, aber rasch vorübergehender Zustand ist. Darnach wäre die in Rede stehende Kontraktionsveränderung als abnorme Ver- längerung dieses Zustandes, somit als ein Übergangszustand im der Richtung zur wirklichen Erstarrung aufzufassen.? Wir sind also nach dem Gesagten imstande, schon aus den gewöhn- lichen Funktionsänderungen des Muskels einen untergeordneten Typus der Kontraktur abzuleiten, nämlich jenen, welcher sich auf Grund eines dauernden Verkürzungsrückstandes entwickelt. Dieser könnte als Typus von kontrak- torischer Starre bezeichnet werden. 1 Wissenschaftliche Abhandlungen. Bd. II. S. 764. ® Funke, Pflügers Archiv. Bd. VII S. 213. ’ Hermann, Zbenda. Bd. XIH. 3. 369. KONTRAKTORISCHE STARRE DES FROSCHMUSKELS. 175 Nach dem Umstande, daß dabei die dauernde Verkürzung nicht durch den eigentlichen Kontraktionsvorgang, sondern durch einen vermehrten Widerstand verursacht wird, können wir diese Kontraktur auch eine passive benennen. Gegenüber dieser Kategorie von kontraktorischen Erstarrungen können wir eine Kategorie der tonischen Kontrakturen aufstellen. Wir sehen sehr oft, daß das Anfangsstück der myographischen Kurve abwechselnd konkave und konvexe Stellen aufzuweisen pflegt. Diese sekun- däre, schon von Helmholtz und Fick beschriebene und von Funke als „Nase“ bezeichnete Elevation wurde besonders durch Yeo und Cash! studiert. Diese Autoren kamen zu dem Schlusse, daß bei einer richtigen Anordnung des Versuches jede Muskelkurve einen doppelten oder doch wenigstens einen flachen Gipfel aufweist. Durch bestimmte Versuchsanordnungen ist es möglich, das Einsetzen des zweiten Gipfels (oder des Höckers in der Kreszente) und seine Größe zu ändern. Im ganzen kann man sagen, daß jede Bedingung, welche die Latenzdauer der Zuckung verlängert (wie Ermüdung, große Belastung usw.) auch den sekundären Gipfel deutlicher werden läßt. Mit gewisser Restriktion ist auch das Gegenteil wahr: Einflüsse, durch welche die Latenzdauer sich verkürzt, erhöhen den ersten Teil der Kurve. In dieser Hinsicht sind die durch Veränderung der Temperatur er- zeugten Modifikationen der Muskelreaktion sehr belehrend. Wärme unter- drückt vollständig die sekundäre und vergrößert die primäre Erhebung, während Abkühlung den aufsteigenden Schenkel verkürzt und die zweite Elevation der Kurve bedeutend erhöht. Diese und noch andere Tatsachen, (z. B. der eigentümliche tonische Charakter der Zuckung gewisser Muskeln von der Kröte und Schildkröte) führten Yeo und Cash zur Annahme, daß der ersten und zweiten Elevation in der Muskelkurve auch zwei verschiedene physiologische Ursachen zugrunde liegen. Sie bezeichneten deshalb den ersten Gipfel als „klonischen“, den zweiten als „tonischen“. Im engsten Zusammenhange mit dieser als tonisch bezeichneten Funktionstätigkeit des Froschmuskels stehen gewisse Kontrakturen, welche sich auf Grund des verstärkten Auftretens des zweiten Gipfels der Kurve entwickeln. Wir können sie geeignet als tonische oder in Hinsicht auf ihren aktiven Ursprung auch als aktive Kontrakturen bezeichnen. ı Journal of Physiology. Vol. IV. p. 198. 176 CAMILL LHOTAK Von LHOTA: II. Tonische oder aktive Kontrakturen. 1. Die mildeste Form der tonischen Kontraktur bietet uns der durch Kohlendioxyd vergiftete Muskel dar. Ich habe schon die wichtigsten Ver- änderungen der Muskelfunktion in einer CO,-Atmosphäre ausführlich be- handeit (l. c.). Hier will ich nur noch einige Bemerkungen von der auf- fallenden Übereinstimmung der durch Kohlendioxyd und durch Ermüdung hervorgebrachten Erscheinungen hinzufügen. Wenn wir den Muskel der Kohlendioxyds- und Ermüdungswirkung abwechselnd aussetzen, zeigt sich die Änderung der myographischen Kurve gleich, als ob nur einer von genannten Faktoren zur Wirkung kommen würde Die durch die beiden Faktoren hervorgerufenen Veränderungen summieren sich in demselben Sinne wie die Wirkungen einer und derselben Ursache. Es ist möglich, einen anfänglich mit CO, unvollständig ver- gifteten Muskel durch weitere Anwendung einer Ermüdungsreihe von Kon- traktionen zu demselben Grade der Funktionsänderung zuzuführen, welchen uns ein vollkommen durch CO, vergifteter Muskel zeigt — und umgekehrt — ein nicht vollkommen ermüdeter Muskel, ermüdet bis zum Verschwinden der Reaktion durch eine weitere Wirkung des Kohlendioxyds. Ein Unterschied in der Entstehungsweise des Endresultates zeigt sich erst in der Art und dem Verlauf der Erholung. Der durch Kohlendioxyd vergiftete bzw. betäubte Muskel erholt sich viel schneller und leichter als der durch Arbeit ermüdete Muskel. Interessant ist noch zu bemerken, daß in den beiden angeführten Fällen die veränderte Muskelfunktion zur Norm zurückkehrt, wenn wir den betreffenden Muskel gelinde erwärmen. Es zeigt sich dann, daß der Muskel anstatt mit verlängerter Kontraktion wieder normalerweise mit einer nur wenig erhöhten Zuckung reagiert, obwohl der die Muskelfunktion verändernde Faktor nicht beseitigt wurde. 2. Weit bestimmtere Anhaltspunkte für das Studium der tonischen Kontraktur als der mit CO, behandelte bietet uns der durch Veratrin vergiftete Muskel. Schon Bezold vergleicht die Reaktion eines veratrinisierten Muskels mit der Kontraktion eines glatten Muskels. Durch die Forschungen Ficks und Böhms sowie anderer Autoren wurde gezeigt, daß die Veratrinreaktion sehr veränderlich ist. Im ganzen kann man in der Reaktionsweise eines veratrierinisierten Muskels folgende Typen aufstellen: I. Typus der zwei- gipflichen Kontraktion, deren Kurve einen sehr ausgeprägten Höcker zeigt. Den extremsten Fall dieser Reaktionsweise bildet die Doppelkontraktion, bei welcher sich der Muskel nach einer anfänglichen Erschlaffung aufs neue kontrahiert und so zwei distinkte Kurven zeichnet. II. Den zweiten KONTRAKTORISCHE STARRE DES FROSCHMUSKELS. 177 Typus stellt die Reaktion dar, deren Kurve eine sehr stark aufsteigende Kreszente aufweist, nach welcher eine mehr oder weniger regelmäßige aber immer sehr lange Dekreszente folgt. Auch diese Form der Veratrinkurve besitzt manchmal im aufsteigenden Teile einen Höcker. Diese zwei häufigsten Formtypen der Veratrinkurve wurden von Mostinsky! als Folge einer verschieden starken Giftwirkung erkannt und ihre gegenseitigen Verwandlungen als Funktion der Reizgröße und Reizfrequenz bestimmt. III. Die Veratrinkurve des dritten Typus ist bezüglich der Form einer normalen Kontraktion ähnlich, jedoch höher und gedehnter, zuweilen mit einem Höcker in der Kreszente. (Analog reagiert manchmal der normale, aber stark abgekühlte Muskel.) Für die Veratrinwirkung ist am meisten charakteristisch die Reaktion des ersten Typus d. h. die Doppelkontraktiion — von welcher die erste der normalen Zuckung, die zweite der tonischen Kontraktion entspricht. Es ist gewiß, daß die eigentliche durch Veratrin erzeugte Funktionsver- änderung uns die zweite, allmählich wachsende Kontraktion vorstellt, denn die anfängliche Zuckung ist mit der normalen Muskelreaktion in ihrem Verlaufe vollkommen kongruent. Ich habe also vor allem versucht, die tonische Reaktion eines veratrini- sierten Muskels ohne die erste Zuckung „rein“ zu erzeugen. Nach den Untersuchungen Bottazzis ist es möglich, den isolierten Muskel durch Begießen mit einer sehr verdünnten Lösung von salpeter- saurem Veratrin in eine kontraktorische Verkürzung zu bringen. Jedoch ist die auf eine solehe Weise erzeugte tonische Kontraktur in ihren wichtigsten Bestandteilen unbestimmbar aus dem Grunde, weil das Gift in diesem Falle gleichzeitig den Reiz bildet. Dabei verändert sich in jedem Momente des Versuches sowohl die Vergiftungs- wie die Reizstärke. Es war also nötig, zum Zwecke der Bestimmung der Bedingungen und Eigenschaften der tonischen Kontraktur eine andere Versuchsanordnung zu wählen. Ich habe die gewöhnlichste benützt, d. h. die Injektion des Giftes in den Rückenlymphsack und nachheriges Untersuchen der Reaktion des isolierten Muskels mittelst eines elektrischen Reizes. Die Bedingungen der tonischen Kontraktur zeigten sich dabei ziemlich kompliziert und in ihrem Zusammenhange nicht immer beherrschbar, so daß es verhältnismäßig selten eine selbständige tonische Kontraktur her- vorzurufen gelingt. Bestimmend sind dabei: 1. Ein schwacher Reiz. 2. Nicht zu starke Vergiftung. 3. Geringe Belastung. 4. Ein kräftiger (nicht durch ! Archiv für experimentelle Pathologie und Pharmakologie. Bd. XLI. S. 310. Archiv £.A.u. Ph. 1906. Physiol. Abtlg. Suppl, 12 178 CAMILL LHOTÄK VON LHOTA: lange Haft erschöpfter Frosch.). 5. Mäßige Temperatur z. B. 16° C. (besser noch etwas niedrigere). Am wichtigsten sind die ersten zwei Bedingungen, denn durch eine starke Reizung oder bei tiefer Vergiftung entsteht immer gleich eine Doppel- kontraktion oder aber auch eine Reaktion des zweiten Typus. Wenn wir nun die charakteristischen Merkmale der auf erwähnte Weise erzeugten tonischen Kontraktion näher betrachten, so finden wir vor allem, daß sie sehr allmählich entsteht und wächst. Ihre Latenzdauer ist sehr groß — einige Hundertstel bis Zehntel einer Sekunde. Die Kreszente dauert 2 bis 4 Sekunden — die Dekreszente 20 Sekunden und mehr. Die Höhe der Kontraktion ist nicht zu groß, meistens nur so hoch wie die der gewöhnlichen Zuckung (siehe Fig. 1 in den Tafeln). Zweitens: Die Kreszente einer solchen tonischen Kontraktur bildet niemals einen Höcker und weist weder bei der Ermüdung noch durch die größere Belastung einen solchen auf. Drittens: Die tonische Reaktion vermindert und erschöpft sich ver- hältnismäßig sehr schnell durch Arbeit (bei derselben Reizgröße). Dabei können wir aber niemals eine normale Zuckung erzielen, wie es bei der Reaktion des II. Typus regelmäßig der Fall ist. Als viertes, noch nicht genug bestimmtes Merkmal einer tonischen Reaktion können wir folgendes anführen: Wenn wir einen tonisch reagierenden Muskel regelmäßig in einem bestimmten Intervalle z. B. in 1!/, Sekunden reizen, so beobachten wir außer der schnellen Verminderung der Reaktions- höhe auch eine auffallende Schwankung der Reaktionsgröße. Es wäre mög- lich, daß diese Schwankungen in gewissem Grade durch die Unregelmäßig- keit der elektroinduzierten Reizung bedingt seien, obwohl auch bei einer Doppelkontraktion (Typus D), wo die erste Kurve sich ganz regelmäßig bei der Tätigkeit verändert, die zweite der tonischen Reaktion entprechende Kurve unregelmäßige Schwankungen zeigt (siehe Fig. 7, Taf. VII). Im ganzen erscheint die tonische Kontraktur abweichend sowohl von der normalen Zuckung als auch von den bereits angeführten Typen der Veratrinkurven. Wir können sie also mit Recht als einen vierten Reak- tionstypus des quergestreiften Muskels bezeichnen, welcher nur durch eine bestimmte Zusammenwirkung mehrerer Bedingungen erzielt werden kann. Ich habe schon erwähnt, daß diese Reakion nur bei einer schwachen Erregung entsteht — im allgemeinen muß der Reiz ungefähr zehnmal schwächer sein als bei einer indirekten Reizung eines normalen Muskels. 3. Charakteristisch e und für unsere Meinung von der spezifischen Natur der tonischen Kontraktur des Typus IV wichtige Veränderungen entstehen, wenn wir den minimalen Reiz (auf welchen der betreffende Muskel mit einer tonischen Kontraktur reagiert) allmählich bis zur gewöhn- lichen Höhe verstärken. In einem solchen Falle finden wir im Anfange KONTRAKTORISCHE STARRE DES FROSCHMUSKELS. 179 der Reizverstärkung, daß die Kontraktionshöhe wächst und daß dabei auch die Kreszente steiler und steiler wird. Eben dieser Faktor ist es, welcher auch die Verkürzung der (mechanischen) Latenzdauer bedingt. Im gewissen Stadium der weiteren allmählichen Reizverstärkung er- scheint momentan vor der tonischen Kontraktur eine schnelle normale Zuckung. So entsteht aus der reinen tonischen Kontraktur eine Doppel- kontraktion, welche wir schon als den I. Typus der Veratrinreaktion kennen gelernt haben (siehe Fig. 5, Taf. VIN. In dieser Doppelkontraktion ist die erste von ganz gleichem Charakter wie die normale Kontraktion, die zweite ist eine fast unveränderte tonische Kontraktur. Die erste Zuckung ist schnell — dauert nur einige Hundertstel einer Sekunde — in der Kreszente weist sie gewöhnlich einen Höcker auf, ihre Dekreszente endet manchmal mit einigen elastischen Oszillationen. Die zweite Kontraktion (Kontraktur) entsteht sehr allmählich, weist eine lange Latenzdauer auf und besitzt niemals in der Kreszente einen Höcker. Auf verschiedene Eingriffe reagiert die erste Kontraktion ganz gleich wie die normale Zuckung, wobei die zweite sich wie eine reine tonische Kontraktur verhält. Außer dem charakteristisch schnellen Verschwinden der tonischen Kontraktur bei einer ermüdenden Reihe der Erregungen, von welchem ich schon bei der Gelegenheit der Schwankung der tonischen Reaktionshöhe gesprochen habe, ist auch das Verhalten der beiden Kon- traktionen bei der verschiedenen Belastung sehr wichtig und charakteristisch. Die erste Kontraktion (Zuckung) verändert sich durch die Belastung ganz regelmäßig in bekannter Weise: bei größerer Belastung vergrößern sich die Latenz und die Kreszente; der Höcker wird ausgeprägter und die Zuckungshöhe kleiner. Auf der zweiten Kurve beobachten wir bei der größeren Belastung nur eine enorme Verlängerung der Latenzdauer und zwar um 5 oder mehr Hundertstel einer Sekunde. Übrigens z. B. in der Höhe verändert sich die tonische Kontraktur nicht in bestimmter Weise; manchmal erscheint sie bei größerer Belastung kleiner, manchmal auch höher. (Overend! gibt an, daß durch vermehrte Belastung die zweite Erhebung der Veratrinkurve verhindert wird). Nur die Latenzdauer ist immer länger als bei der kleineren Belastung und zwar im Verhältnis zur normalen Zuckung sehr bedeutend, d. h. um die fast ganze Länge der normalen Zuckung (siehe Fig. 6, Taf. VII). Diese Veränderlichkeit der Latenzdauer können wir auch für ein charakteristisches Merkmal der tonischen Kontraktur erklären. Auf dieses Verhalten der tonischen Kontraktur lenkte schon Brunton? die Aufmerk- ı Overend, Archiv für exp. Pathal. u. Pharm. Bd. XXVI. 8.1. ® Journal of Physiol. Vol. IV. p.1. 12* 180 CAMILL LHOTAÄK von LHOTA: samkeit durch die Beobachtung, daß der Abstand zwischen der ersten und zweiten Kontraktion in verschiedenen Doppelkontraktionen (Typus I der Veratrinreaktion) sehr verschieden ausfällt. 4. Wenn wir im Stadium der aus Typus IV entstandenen Doppel- kontraktion die Reizgröße noch weiter verstärken, so wächst nicht nur die erste normale Zuckung, sondern auch die tonische Kontraktur. Dabei ver- kürzt sich die Latenzdauer der tonischen Kontraktur so, daß ihre Kurve sich auf die vorgehende normale Zuckungskurve aufsetzt. Dadurch entsteht aus einer Doppelkontraktion ein zusammengesetzter Reaktionstypus, welchen wir schon als zweiten Typus der Veratrinkurve angeführt haben (siehe Fig. 2, Taf. VII). Dieser II. Typus, d. h. normale Zuekung mit einer super- ponierten tonischen Kontraktur ist die gewöhnlichste Reaktion eines vera- trinisierten Muskels. Schon Brunton! erklärte den ersten Teil dieser Veratrinkurve für die Kreszente einer normalen Zuckungskurve und erst den Gipfel und die Dekreszente betrachtete er als die eigentliche durch die Veratrinvergiftung bewirkte Reaktion. Zu dieser Annahme führte ihn besonders die Be- obachtung, nach welcher sich der erste Teil dieser zusammengesetzten Kurve bei verschiedenen Temperaturänderungen ganz ähnlich verhält, wie die normale Muskelzuckung, wobei der zweite kontraktorische Teil der Reaktion ganz abweichend und selbständig reagiert. Es gelang ihm zu zeigen, daß eine milde Erwärmung den tonischen Teil der Reaktion erhöht und eine milde Abkühlung denselben erniedrigt. Aber wie die extreme Abkühlung, so vernichtet auch eine hohe Erwärmung den kontraktorischen Teil der Veratrinkurve so, daß nur die durch Erwärmung oder Abkühlung ver- änderte normale Zuckung zurückbleibt. Außer dieser Beobachtung Bruntons ist hier am Platze, noch anderer von Bezold, Fick, Locke, Marfori gebrachten Belege zu erwähnen, welche alle noch bestimmter beweisen, daß der zweite Teil dieser Veratrin- kurve (der Typus II) auf verschiedene Einflüsse ganz anders reagiert als der erste. Wenn wir z. B. einen veratrinierten Muskel, welcher mit der Kontraktion des II. Typus reagiert, in einem regelmäßigen, nicht zu großen Intervalle (z. B. in 1!/, Sek.) arbeiten lassen, so finden wir ohne Ausnahme, daß in einer größeren oder kürzeren Frist der zweite Teil der Muskelkurve verschwindet und nur die normale Zuckung zurückbleibt. Wir sehen es z. B. auf der Fig. 8, wie der Muskel gleich auf den ersten Reiz mit einer hohen und dauernden Zusammenziehung (des II. Typus) antwortet. Fast auf derselben Reaktionshöhe beharrt der Muskel auch bei dem zweiten, - IA 2220, IKONTRAKTORISCHE STARRE DES FROSCHMUSKELS. 181 dritten und weiteren Reize, bis er erst bei dem fünften Reize mit einer vorübergenden kleinen Kontraktion reagiert, in der ursprünglichen Reaktions- höhe des Typus II nur wenig nachlassend. Die sechste Kontraktion ist schon merkbar kräftiger und die urspüngliche Reaktion des zweiten Typus schon beträchtlich kleiner. Endlich nach dem letzten (21.) Reize erscheint eine fast normale Zuckung und geringe Reaktion des Typus II (hier schon eigentlich nur ein Verkürzungsrückstand, in welchen die ursprüngliche tonische Verkürzung übergegangen ist.) Dieser Verkürzungsrückstand vermindert sich noch beträchtlich durch die nachfolgende Ruhe, aber niemals erreicht derselbe Muskel seine ursprüngliche Länge. Von einem Teile der tonischen Reaktion (des II. Typus) können wir also sagen, daß derselbe in einem dauernden Verkürzungs- rückstande fixiert wurde. Dieser Versuch wird uns verständlich, wenn wir als richtig annehmen, daß die Reaktion des II. Typus eine teilweise tonische Reaktion ist, welche sich durch die dauernde Reizung leicht erschöpft (wenigstens viel leichter als der der normalen Zuckung entsprechende Teil). Die normale Reaktion kann also erst nach einer wiederholten Reizung als eine von der tonischen Kontraktur befreite gewöhnliche Zuckung erscheinen. Die teilweise Fixation der tonischen Kontraktur in einem dauernden Verkürzungsrückstande unterstützt die Annahme, nach welcher die Veratrin- wirkung nicht nur die tonische Kontraktionsfähigkeit erweckt, sondern auch einen dem normalen Erschlaffungsprozeß entgegenwirkenden Widerstand unter der Mitwirkung der Tätigkeit bildet, dessen Teil endlich in einem unüberwindlichen Verkürzungsrückstande beharrt. Wenn in der Kreszente dieser Veratrinkurve (des II. Typus) ein Höcker auftritt, so findet man, daß seine Stelle und Form immer dieselbe bleibt. Endlich geht er auch in die Kreszente der gewöhnlichen Zuckung über, zum Beweise, daß die Kreszente der typischen Veratrinkurve gänzlich der Kreszente der normalen Zuckung entspricht (siehe Fig. 8, Taf. VI]). Von der vorübergehenden Unerregbarkeit des Muskels, welcher sich auf der Höhe der Reaktion des zweiten Typus befindet, können wir ver- muten, daß sie durch enorme Verkürzung des Muskels, welche gleich einer künstlichen Unterstützung wirkt, verursacht wird. Es gelingt nämlich im Stadium, wo die Reaktion durch die Ermüdung sich vermindert und der Muskel wieder mehr und mehr erregbar erscheint, durch die passend hohe künstliche Unterstützung den Muskel wieder unerregbar bzw. minder er- regbar zu machen, und zwar in demselben Grade, wie er bei der entsprechend großen tonischen Verkürzung war (siehe Fig. 9, Taf. VII). 5. Bisher hatten wir nur die typischen Reaktionen eines veratrinisierten Muskels behandelt, wie sie beim kräftigen Frosche nach einer mittleren 182 CAMILL LHOTÄK Von LHOTA: Gabe innerhalb einiger Stunden am quergestreiften Muskel erscheinen (z. B. in der zweiten Stunde nach der Injektion 0,0001 8" von veratrinum hydro- chloricum). Etwas anders erscheint die Veratrinkurve, wenn der Muskel von einem nur wenig vergifteten Frosche stammt, oder wenn die Veratrinwirkung mit anderen Einflüssen kombiniert wird. Zwei bis drei Dezimillieramme Veratrin sind die für Frösche tödliche Dosis. Das Vergiftungsbild ist bekannt. Die Tiere zeigen anfänglich deut- liche motorische Unruhe, die aber in wenigen Minuten dem Zustande von Halblähmung und endlich der totalen Lähmung Platz macht. Wenn wir nun die Reaktion eines aus dem halbgelähmten oder vollständig gelähmten Frosche vorkommenden Muskels untersuchen, so sehen wir fast immer, daß ein solcher Muskel nach dem Typus III reagiert, d. h. daß die Veratrin- kurve der normalen Zuckungskurve sehr ähnlich, nur höher und länger ist. Ein wichtiges Merkmal dieser Reaktion ist noch, daß man dieselbe durch Ermüdung nie in eine normale Zuckungskurve verwandeln kann, sondern es zeigt sich, daß die charakteristische Form der Kurve noch aus- gepräster wird, d.h. daß die Dekreszente gedehnter und die Reaktionshöhe kleiner erscheint. (Dieses Verhalten erinnert an die von Kollett be- schriebene nicht anpassende Erholung eines normalen Muskels.) Schon nach diesem eben angeführten Merkmale könnten wir vermuten, daß die Reaktion des III. Typus aus einer Kombination der Ermüdung und Veratrinwirkung hervorgeht. Wir haben aber noch überzeugendere Beweise dafür. Wenn wir z. B. einen nach dem ersten Typus reagierenden Muskel über 2 Minuten mit kräftigen Induktionsschlägen reizen und dann die Reaktion wieder untersuchen, so finden wir in der Mehrzahl der Fälle, daß die Reaktion des I. Typus in eine Reaktion des Typus III übergegangen ist (siehe Fig. 10, Taf. VII). Übrigens können wir auch an einem mit ununterbrochener Blut- zirkulation versehenen Muskel zeigen, daß der dritte Reaktionstypus nur durch die Ermüdung eines veratrinisierten Muskels entsteht. Wenn wir nämlich auf einer Seite, vor der Injektion, den Plexus ischiadicus durch- schneiden, so behält der zugehörige Muskel die Reaktion des zweiten Typus zu der Zeit, wo der andere mit den Nervenzentren in Verbindung stehende und dadurch tätige Muskel teilweise oder vollständig nach dem Typus III reagiert. (Als teilweise Reaktion des dritten Typus können wir eine solche Reaktion bezeichnen, bei welcher sich der anfänglich erste oder zweite Reaktionstypus durch die Tätigkeit sehr schnell in den Reaktionstypus III verwandelt.) Den Verlauf desselben Versuches können wir noch beschleunigen und sein Resultat noch bestimmter machen, wenn wir den mit Nervenzentren KONTRAKTORISCHE STARRE DES FROSCHMUSKELS. 183 verbundenen Muskel durch künstliche Reizung schnell in den Ermüdungs- zustand bringen. In diesem Falle entsteht nicht nur eine Verwandlung der Reaktionen (aus dem II. in den III. Typus), sondern auch ein Verkürzungs- rückstand, wie wir ihn bisher nur am ausgeschnittenen Muskel gesehen haben. Die bisherigen typischen Reaktionen des veratrinisierten Muskels, welche sich besonders durch die Tätigkeit und verschiedene Intensität der Reizung veränderten, entstanden insgesamt nach einer mittleren Gabe des Veratrins. Nun können wir auch die Reaktionen kurz erwähnen, welche bei sehr schwachen Veratrinvergiftungen entstehen. Nach der Intensität der Vergiftungen können wir die verschiedensten Übergänge zwischen dem I. und II. Reaktionstypus finden. Die schwächste Vergiftung äußert sich in einem gewissen Verkürzungsrückstande, welcher aber gleich nach der zweiten oder dritten Kontraktion vollständig ver- schwindet, zum Beweise, daß in diesem Falle die tonische Kontraktions- fähigkeit sehr wenig erhöht würde, so daß sie gleich nach der ersten kleinen tonischen Kontraktion erschöpft wurde (siehe Fig. 12 II, Taf. VII). Von Mostinsky! wurde dasselbe Phänomen beim Beginn der starken Vergiftung beobachtet und als Rückstandskontraktion beschrieben. ‚ (Diese Rückstandskontraktion geht beim weiteren Vergiftungsverlaufe in eine sekundäre Kontraktion über, wodurch sie sich von einem vorüber- gehenden Verkürzungsrückstande unterscheidet). Manchmal sehen wir bei kleinen Vergiftungen auch eine Doppel- | kontraktion, in welcher aber der tonische Teil sehr unbedeutend sowohl in ‘ der Höhe als auch in seiner Länge erscheint (siehe Fig. 12 I, Taf. VIII). Die Reaktion des Typus III habe ich bei schwachen Vergiftungen nie beobachtet. 6. In der rhythmischen Reaktion eines durch Veratrin vergifteten | Muskels können wir zwei verschiedene Formen unterscheiden. Erstens einen Rhythmus von größerer Frequenz, welcher graphisch am Ende der Reaktion Typus II oder I durch Wellen dargestelit wird, welche die Dauer von je 8 bis 10 Hundertstel einer Sekunde haben. Weil wir den zweiten Teil der betreffenden Reaktionstypen als eine tonische Kontraktur bezeichnet hatten, können wir sagen, daß diese Wellen (in der Länge ungefähr einer gewöhnlichen Zuckungsdauer) uns eine rhyth- mische Schwankung des Muskeltonus vorstellen. Welche Bedingungen das Entstehen dieser rhythmischen Reaktion be- günstigen, ist noch unsicher. Ich habe sie unter sehr verschiedenen Um- ständen beobachtet, aber ich war niemals imstande, ihr Entstehen voraus- 2A 08 184 CAMILL LHOTÄK von LHoTA: zusagen. Es gelang mir nur festzusetzen, daß sie sich durch eine Ver- größerung der Belastung bis in das Plateau der Kurve erheben, ja daß sie sogar, wenn wir bei größerer Belastung noch die Reizintensität erhöhen, bis in die Kreszente fallen können (siehe Fig. 13 II, Taf. VII). Niemals habe ich solche rhythmische Schwankungen an einem er- müdeten Muskel beobachtet, sondern immer nur an einem frischen und stark vergifteten Muskel, und zwar bei verschiedenen Temperaturen z. B. auch im Winter bei niedrigeren Wärmegraden (12°C). Brunton, welcher zum ersten Male diese periodischen Schwankungen beschrieben hatte, meint, daß hohe Temperatur (30—35° C) in hohem Maße ihr Entstehen begünstigt, was ich nicht konstatieren konnte. Einen anderen Typus von rhythmischer Reaktion beschrieb Santesson!. Nachdem er den Frosch stark mit Veratrin vergiftet hatte, umwickelte er noch den ausgeschnittenen Muskel mit einem in Veratrinlösung getränkten Wattebäuschel. Ein solcher im Myographion aufgehängter Muskel zeichnete nunmehr sehr langgezogene distinkte Wellen, die mit Intervallen von 1 bis 2 bis 3 Minuten aufeinander folgten. Ich bin der Meinung, daß dieselbe langsame periodische Schwankung schon Schönlein? an einem normalen Froschmuskel beobachtet hatte und daß auch die nicht selten vorkommenden rhythmischen Bewegungen eines im unvollkommenen Tetanus sich befindenden Muskels (welche besonders an der die einzelnen Kurvenfußpunkte verbindenden Linie ausgeprägt er- scheinen) hierher gehören. Diese Schwankungen kommen im bestimmten Stadium des unvollkommenen Tetanus als selbständige Wellen zum Vor- schein, welche sich über mehrere einzelne Zuekungen des Muskels erstrecken. Sie dauern eine gewisse Zeit, um beim Übergange des feinzackigen in einen glatten Tetanus gewöhnlich zu verschwinden. Beim Untersuchen der tetanischen Reaktion eines veratrinisierten Muskels fand ich dieselben rhythmischen Schwankungen noch öfter als beim normalen Muskel und gewöhnlich noch markanter und von längerer Dauer (siehe Fig. 14, Taf. VIII). Bei dieser Gelegenheit ist es zweckmäßig, noch die tetanischen Reaktionen eines veratrinisierten Muskels kurz zu erwähnen. Die tetanische Reaktion eines veratrinisierten Muskels stimmt voll- kommen mit dem überein, was wir vom einzelnen Kontraktionsverlaufe ! Zentralblatt für Physiologie. 1902. Bd. XVI. S. 225. * Dies Archiv. 1882. Physiol. Abtlg. S. 369. KONTRAKTORISCHE STARRE DES FROSCHMUSKELS. 185 wissen. Ein genügend mit Veratrin vergifteter Muskel reagiert auf eine tetanische Erregung (auch von kleiner Frequenz) immer mit einem voll- kommen glatten Tetanus, denn die Reaktion besteht am Anfange bloß aus einer starken tonischen Kontraktur (des II. Typus), welche erst allmählich, wie sie durch die Ermüdung nachläßt, auch einen normalen Reaktionsmodus gestattet. So entsteht eine paradoxe Erscheinung, daß ein glatter Tetanus durch die dauernde Tätigkeit in eine feinzackige tetanische Reaktion, ja endlich auch in die einzelnen Zuckungen sich auflöst (siehe Fig. 15, Taf. VII). Allerdings ist es nötig zu betonen, daß auf diese Weise nur ein nicht ermüdeter, veratrinisierter Muskel reagiert, denn wo sich die Vergiftung mit Ermüdung kombiniert, entsteht auch eine vollkommen normale tetanische Reaktion, d. h. ein unvollkommener Tetanus geht durch die Tätigkeit in einen glatten Tetanus über, was uns übrigens sehr leicht auch aus dem dritten Reaktionstypus begreitlich wird. 7. Zusammenfassung. Nach den Ergebnissen der mitgeteilten Untersuchungen können wir folgende fünf Typen der Veratrinreaktionen aufstellen, in welchen alle bis- herigen Erfahrungen über die Veränderungen der Muskelfunktion bei der Veratrinvergiftung zusammengefaßt werden können. I. Typus der zweigipfligen Reaktion oder eine Doppelkontraktion. Diese Veratrinkurve ist aus einer normalen Zuckung und einer mehr oder weniger getrennt verlaufenden tonischen Reaktion zusammengesetzt. Bei geringer Tätigkeit verändert sich diese in der Richtung zur normalen Zuckungskurve, bis endlich auch nur normale (nur wenig durch Ermüdung veränderte) ‚, Zuckung zurückbleibt. Durch Reizverstärkung geht dieser erste Reaktions- | typus gewöhnlich in die folgende Reaktion des zweiten Typus über. Il. Typus. Eine schnell anwachsende und lange Zeit dauernde Ver- ‚ kürzung, welche zuweilen zum Schlusse im bestimmten Rhythmus schwankt. ‚ Diese Veratrinkurve ist auch eine zusammengesetzte Reaktion, und zwar ‚ besteht dieselbe aus der Kreszente der normalen Zuckung und aus der ' Kreszente und Dekreszente der tonischen Kontraktur. Bei nicht zu inten- ‚siver Tätigkeit geht sie in eine normale Zuckung über, wobei manchmal ‚ein Teil der tonischen Kontraktur als ein dauernder Verkürzungsrückstand zurückbleibt. Bei intensiver Tätigkeit geht diese Reaktion in die des dritten ' Typus über. Durch Verstärkung des Reizes wächst diese Reaktion sowohl "in die Höhe, wie auch in die Länge, wobei auch manchmal der in der Kreszente vormals gut erkennbare Höcker verschwindet. III. Typus (Ermüdungsreaktion mit der Veratrinwirkung kombiniert) "äußert sich durch eine hohe und lange Zuckung, analog wie beim einfach 186 CAMILL LHOTÄK voX LHOTA: abgekühlten Muskel. Durch wiederholte Reizung wird die Zuckung kleiner und gedehnter. IV. Eine reine tonische Kontraktur stellt sich als eine allmählich wachsende und sehr lange dauernde Muskelverkürzung dar, mit einer ver- änderlichen Latenzdauer. Niemals kommt es in der Kreszente zu einem Höcker. Durch die wiederholte Reizung erschöpft sie sich sehr rasch und verschwindet. Bei der Reizverstärkung kombiniert sie sich mit einer nor- malen Zuckung so, daß daraus eine zusammengesetzte Reaktion des I. oder II. Typus hervorgeht. Diese kontraktorische Reaktion können wir für eine Grundlage aller übrigen Veratrinreaktionen erklären. ” V. Reaktion bei der schwächsten Vergiftung erscheint entweder als ein vorübergehender Verkürzungsrückstand oder als eine Doppelkontraktion. Der Verkürzungsrückstand und auch der tonische Teil der Doppelkontraktion sind sehr gering und verschwinden gleich nach den ersten Kontraktionen. Durch Reizverstärkung gehen diese Reaktionen nicht in andere Reaktions- typen über. 8. Zum Schlusse will ich noch in diesem Kapitel einige Bemerkungen von der Wirkung der Abkühlung auf den veratrinisierten Muskel anführen. Es ist schon aus den angeführten Versuchen Bruntons bekannt, daß die tonische Kontraktionsfähigkeit durch die Abkühlung verhindert, ja ganz vernichtet werden kann. Einige Kurven, welche Brunton als Belege dieser Tatsache reproduziert hatte, zeigen uns wirklich sehr anschaulich, wie ein abgekühlter, veratrinisierter Muskel anstatt mit einer typischen Veratrin- kurve mit einer normalen, nur durch die Abkühlung veränderten Zuckung reagiert. (Zum Beispiel die auf der Tafel VI gezeichneten Kurven.)! Wichtig ist aber, daß einige von den Reaktionen, welche Brunton als normale, nur durch Abkühlung veränderte Zuckung betrachtet, schon bei einem sehr mäßigen Grade der Abkühlung gewonnen wurden, z. B. durch Ernest. der Temperatur von 18° C. auf 15° C. (Taf. IL. 1. c.). Es kann als festgestellt gelten, daß durch bloße Abkühlung des Mus- kels die Reaktion sich in dem Sinne verändern kann, wie es Brunton voraussetzt, d.h. die ganze Zuckung erscheint so gedehnt, daß sie einer tonischen Kontraktion nicht unähnlich aussieht, aber das geschieht nur bei einer starken Abkühlung des Muskels (z. B. von 20° C. auf 4° C., jedenfalls einer stärkeren als in dem zitierten Versuche Bruntons der Fall war. Es scheint also die Erklärung vorteilhafter, nach welcher ein mit Veratrin vergifteter Muskel bei der Abkühlung seine normale Zuckungs- ı Journal of Physiol. Vol. IV. =] KONTRAKTORISCHE STARRE DES FROSCHMUSKELS. 18 fähigkeit früher als seine tonische Kontraktionsfähigkeit einbüßt, so daß in günstigen Fällen auch bei einer sehr mäßigen Abkühlung eine (nicht reine) tonische Verkürzung entsteht, wie sie beim normalen Muskel nur nach viel stärkerer Abkühlung gewonnen werden kann. Kurz gesagt: ich betrachte manche von den durch Kombination der Veratrinwirkung und Abkühlung entstandenen Muskelreaktionen als eine tonische Kontraktion von selbständigem Typus, ähnlich dem, mit welchem auch ein stark abgekühlter normaler Muskel reagiert. Ich habe es durch eine große Reihe von Untersuchungen versucht, über das Zustandekommen dieses kombinierten Typus der Kontraktur nähere Aufschlüsse zu gewinnen, ohne daß es mir gelang, zu bestimmten Resultaten zu kommen, was dadurch erklärlich ist, daß die Wirkung der Abkühlung nach der Individualität und verschiedenen anderen nicht beherrschbaren Faktoren sehr veränderlich ist — was auch z. B. in dem Vorkommen der Tiegelschen Kontraktur zum Ausdruck gelangt. 11l. Kontraktorische Starre. 1. Aus den im experimentellen Teile des vorstehenden Kapitels nieder- gelegten Beobachtungen ergibt sich die Erfahrung, daß ein quergestreifter Muskel sich unter bestimmten Umständen bezüglich der Reaktion beinahe wie ein glatter Muskel verhält, d. h. daß er mit einer reinen tonischen Kontraktur reagieren kann. Weiter haben wir gesehen, wie aus dieser Funktionsänderung des quergestreiften Muskels, wenn sie sich mit einer normalen Zuckungskurve kombiniert, eine ganze Reihe von neuen Reaktionsformen entstehen kann. Der besseren Übersichtlichkeit wegen haben wir fünf Formentypen aufgestellt, nach welchen wir alle möglichen Formen der tonischen Kon- trakturen näher bestimmen und bei zusammengesetzten Formen dieselben auch in ihre Bestandteile zerlegen können. Nur nebenbei haben wir auch den zuweilen entstehenden dauernden Verkürzungsrückstand erwähnt. Dieser Verkürzungsrückstand, welcher sich schon bei intensiver Tätigkeit am normalen Muskel zeigt, erreicht durch die Wirkung einiger Gifte einen solchen Grad, daß er endlich die Funktions- fähigkeit des Muskels gänzlich unterdrückt und als eine selbständige Re- aktion zustande kommt, so daß wir dann von einer Kontraktur und zwar von einer starreähnlichen Kontraktur sprechen können. Ein ausgeschnittener Muskel, welcher z. B. konzentrierten Chloroform- dämpfen ausgesetzt wird, verkürzt sich allmählich mehr und mehr, wobei seine Reaktion allmählich unterdrückt wird, in derselben Weise, als ob 188 CAMmILL LHOTAK voN LHOoTA: man sein unteres Ende stückweise abschneiden würde oder als ob man den Muskel höher und höher unterstützen würde (siehe Fig. 16, Taf. VIM). Wenn schon die gewöhnliche toxische Starre, wie sie unter der Ein- wirkung des Äthers oder Chloroforms entsteht, manche Beziehungen zur tonischen Kontraktur aufweist, so kann man es noch in größerem Maße von der sogenannten Arbeitsstarre! behaupten. Besonders die Funktionsänderungen des Muskels, welche unter der Einwirkung der Monobromessigsäure (oder des monobromessigsauren Na- triums) entstehen, sind zum Studium der kontraktorischen Starre geeignet. Das monobromessigsaure Natrium erzeugt bei direkter Berührung mit der Muskelsubstanz keine Veränderung derselben ?, führt aber von der Blut- bahn aus, nach Pohl?, zur Starre. Merkwürdigerweise entsteht diese Starre nur unter der Bedingung, daß der Muskel erregt wird. Am kurarisierten Frosche tritt nach Pohl keine Starre auf. Der mit Monobromessigsäure vergiftete kurarisierte Muskel muß tetanisiert werden, um starr zu werden. Durch myographische Kurven zeigte Pohl, daß jedesmal nach der Kontraktion die Erschlaffung eine minder vollständige wird und schließlich ganz ausbleibt. Dieses Verhalten erinnert, wenngleich nur entfernt, an jenes des Veratrinmuskels. Beim Veratrinmuskel tritt jedoch die Erschlaffung immer wieder ein, wenn auch nach ungewöhnlich langer Kontraktionsdauer. Beim Monobromessigsäuremuskel erfolgt die Erschlaffung sofort nach Auf- hören der Reizzufuhr, ist aber nur unvollständig, d. h. es bleibt immer eine größere und größere Rückstandskontraktur.* 2. In meinen Versuchen habe ich reine Monobromessigsäure in ver- schiedenen Quantitäten (von einigen Milligrammen bis zu 5 Zentigrammen) verschiedenen Gattungen von Fröschen intraperitoneal injiziert; — es zeigte sich nämlich, daß bei dieser Vergiftungsweise das Gift schneller und voll- ständiger resorbiert wird, als bei der gewöhnlichen Injektion in den Rücken- Iymphsack. Wie schon Pohl konstatierte, zeigt sich der Frosch bei starker Ver- giftung innerhalb weniger Minuten, bei kleineren Mengen des Giftes inner- halb einiger Stunden gelähmt und endlich starr. Dabei arbeitet das Herz noch fort. In einigen Fällen steht das Herz still, und zwar entweder in starrer Systole oder in erschlafftem Zustande. Nach meinen Untersuchungen ist ein solches mit erschlafften Wänden stillstehendes Herz noch immer erregbar und geht allmählich in eine starre ! Santesson, Archiv für exp. Pathologie u. Pharmakologie. Bd. XXX. S. 411. ? v. Fürth, Ebenda. Bd. XXXVII. 8. 389. ® Pohl, Ebenda. Bd. XXIV. S. 142. 2P.0,hlMa.ra.20: ui KONTRAKTORISCHE STARRE DES FROSCHMUSKELS. 159 Systole über. Vielleicht können wir als primäre Wirkung der Monobrom- essigsäure auf das Herz den Stillstand desselben im erschlafften Zustande betrachten. In einigen Fällen habe ich gleich nach der Injektion des Giftes in die Bauchhöhle ein krampfhaftes Öffnen des Mundes beobachtet, welches als Wirkung der Erregung der in der Bauchhöhle verlaufenden Nerven erklärt werden könnte, denn es stellte sich niemals nach der Injektion des Giftes in dem dorsalen Lymphsack ein. Zunächst werden wir den Vergiftungsverlauf besprechen, wie er sich zeigt, wenn wir die nötige Gabe der Monobromessigsäure nach vorherigem Durchschneiden des Plexus ischiadieus oder nach vollständiger Kurarisierung injizieren. Schon nach Pohls Untersuchungen müssen wir erwarten, dab in einem solchen Muskel in gewisser Zeit eine Neigung zum Erstarren sich entwickelt — wir können sagen, daß durch die Monobromessigsäure eine Modifikation der Muskelsubstanz entsteht, welche sich in der Fähigkeit des Muskels zum Erstarren manifestiert. Diese Modifikation ist allerdings latent und ein solcher Muskel unterscheidet sich auch nicht im geringsten vom normalen Muskel. Er ist von normaler Konsistenz, ist glatt, glänzend und von pfirsichroter Färbung. Erst wenn wir ihn durch einen starken Reiz in Tätigkeit bringen, erscheint sein Erstarrungspotential d. h. die latente Modifikation verwandelt sich in kurzer Zeit in eine patente Starre. Derselbe Muskel ist dann opak, verkürzt, nicht biegsam, seine Oberfläche erscheint wachsglänzend und rauh, ja sie ist manchmal quergerunzelt. Die Modifikationsgröße, welche wir nur nach der Größe der Erstarrung messen können, ist sehr verschieden je nach der Intensität der Vergiftung und nach der Individualität des Tieres. Bei schwacher Vergiftung ist auch die Modifikation gering. Die kleinste Dosis, nach welcher noch eine ge- nügende Modifikation entstehen kann, kann man auf ein Milligramm der Monobromsäure schätzen (berechnet auf einen mittelgroßen Frosch). Nach einem oder mehreren Zentigrammen entsteht schon eine sehr starke Modi- | fikation. Weitere Steigerung der Gabe bewirkt nur noch einen früheren - Stillstand des Herzens. Es ist bemerkenswert, daß das Anwachsen der Modifikationsgröße ein Optimum der Entwicklung aufweist. Nach dem Erreichen dieser optimalen ‘ Entwieklungsgröße nimmt die Modifikation allmählich ab. Wenn wir bei ' zwei analogen Muskeln eines mit Monobromessigsäure vergifteten Frosches ' wahrnehmen, daß der früher (z. B. nach 20 Min.) ausgeschnittene Muskel | weniger erstarrt als der später (z. B. 30 Min. nach der Injektion) heraus- ‘geschnittene, so ist das im ersteren Falle leicht erklärlich aus dem geringeren Vergiftungsgrade. Es kommt aber auch vor, daß der stärker vergiftete (später herausgeschnittene) Muskel weit weniger als der früher ausgeschnittene 190 CAMILL LHOTAK von LHOTA: erstarrt. Das können wir nur so erklären, wenn wir annehmen, daß ent- weder die Modifikation in einem mit Blut versorgten Muskel auf eine noch unbekannte \eise aufgehoben wird, oder daß auch der ruhende Muskel ohne Tätigkeit sozusagen „spontan“ erstarrt. Diese letztere Annahme können wir leicht beweisen. Jeder mit Mono- bromessigsäure vergiftete Muskel, auch wenn er nach einer vollständigen Kurarisation oder nach dem Durchschneiden des betreffenden Nerven sich in einer relativen Ruhe befindet, erstarrt in einer gewissen Zeit ohne künstliche Reizung. Es läßt sich nicht allgemein sagen, in welcher Zeit- dauer sich in einem solchen Falle die Erstarrung entwickelt — meistens dauert es aber mehrere Stunden. Dabei erstreckt sich der Erstarrungs- verlauf nicht über diese ganze Zeitdauer, sondern es zeigt sich, daß der Anfang der Erstarrung erst in den letzten Minuten eintritt und daß sich der Erstarrungsverlauf mit beinahe derselben Schnelligkeit vollzieht, wie bei der durch die Tätigkeit ausgelösten Starre (siehe Figg. 17, 18). Diese Tatsache zeigt uns, daß auch ein ruhender, zur Erstarrung ge- neigter Muskel endlich erstarrt und daß die Tätigkeit nur das Einsetzen der Starre beschleunigt (die Starre nur auslöst), daß sich aber der Er- starrungsverlauf in jedem Falle fast mit derselben Schnelligkeit verwirklicht. Von der Annahme, nach welcher in einigen Fällen die Modifikation aufgehoben wird, werden wir erst im Kapitel von der Erholung handeln. 3. Für die Versuchsergebnisse ist die Froschart gleichgültig; dieselbe bedingt keine nennenswerten Unterschiede im Vergiftungsverlaufe. Es scheint, daß die individuellen Reaktionsunterschiede entscheidender sind als die Artunterschiedee Bei Winterfröschen, wie es zu erwarten war, ent- wickelt sich ihrer Unbeweglichgeit wegen allmählich eine große Modifikation auch ohne Kurarisation und ohne Durchschneiden der Nerven. Es sind schon viele Untersuchungen angestellt worden bezüglich der Abhängigkeit der Starre von der Tätigkeit. Die Arbeitsstarre wird zwar durch die Tätigkeit ausgelöst, aber nur in seltenen Fällen ist es möglich, die Beschleunigung ihres Verlaufes durch die Tätigkeit klar zu demonstrieren (Fig. 21). (Interessant ist es zu bemerken, daß die Beschleunigung des Erstarrungsverlaufes in einigen Fällen auch dann entsteht, wo der Muskel schon soweit erstarrt ist, daß er auf die Reizung nicht mehr mit Kon- traktion reagiert.) Ein weit wichtigerer Faktor des Erstarrungsverlaufes ist die Temperatur. Durch starke Abkühlung des mit Monobromessigsäure vergifteten Muskels ist es möglich, die Verwandlung der Modifikation in Starre auch bei ununter- brochener Tätigkeit auf eine ganze Stunde aufzuhalten (siehe Figg. 19, 20). Durch nicht zu hohe Erwärmung kann man die Starre nicht nur beschleunigen, sondern auch früher auslösen. KONTRAKTORISCHE STARRE DES FROSCHMUSKEIS. 191 4. Wenn wir nun zur Betrachtung der Veränderungen übergehen, welche bei der Erstarrung im eigentlichen Kontraktionsverlaufe entstehen, so können wir im allgemeinen sagen, daß die Starre die Kontraktions- fähigkeit anfangs hemmt und endlich ganz aufhebt. Die anfängliche Verminderung der Kontraktionshöhen erscheint immer früher als die durch die Starre verursachte Verkürzung des Muskels, ja bei einer sehr starken Reizung können einzelne Kontraktionen vollständig ver- schwinden, bevor die Starreverkürzung zum Vorschein kommt. Die durch die Starre verursachten Veränderungen des Kontraktions- verlaufes können wir nur an einzelnen Zuckungskurven studieren, wenn das Reizungsintervall nicht zu klein gewählt wird. Die durch die Starre veränderten Zuckungskurven erscheinen verhältnis- mäßig lang, denn die Zuckungshöhe wird bei der Erstarrung schneller ver- kleinert als die Zuckungsdauer (siehe Fig. 22c). Im allgemeinen gleicht der Verlauf der durch die Starre bedingten Formveränderung der myographischen Kurve einer durch künstliche Unterstützung bewirkten Verminderung der Zuckungkshöhe; nur daß im ersteren Falle die Hemmung des Kontraktions- verlaufes sich schneller und vollkommener vollzieht als wie wir es bei einer bloßen Unterstützung sehen. Wir können also annehmen, daß in der Starre eine Art von Selbstunterstützung des Muskels eintritt, daß aber gleichzeitig dabei noch ein Faktor mitwirkt, welcher den schnelleren Verlauf und längere Fixation der Veränderungen bedingt. In der Zeit, wo die einzelnen Kontraktionen sich zu erniedrigen be- ginnen, ist schon der Erstarrungsprozeß ausgelöst, obwohl kein Merkmal davon noch zum Vorschein kommt. Wir können uns von dieser Tatsache leicht überzeugen, wenn wir im Anfange der Verminderung der Kontraktionen die Reizung einstellen. Es zeigt sich in solchen Fällen ausnahmslos, daß nach einer kurzen Zeit der Muskel zu erstarren d. h. sich zu verkürzen beginnt und, was auch sehr interessant ist, daß die Starre sich mit der- selben Schnelligkeit vollzieht, als wenn der Muskel ununterbrochen gereizt würde (siehe Fig. 22). Diese Tatsache bekräftigt die schon früher gemachte Beobachtung, daß die Tätigkeit hauptsächlich einen die Starre auslösenden Moment darstellt. Noch eine Tatsache sei hier erwähnt. Ein bei der Tätigkeit erstarrender Muskel verliert seine Leistungsfähigkeit weit früher als ein beim Erstarrungs- verlaufe nicht arbeitender Muskel. 5. In verschiedenen Stadien des Erstarrungsprozesses finden wir den Muskel in verschiedenem Maße verkürzt, opak und mit verminderter Er- regbarkeit. Einen solchen Muskel bezeichnen wir als nicht vollkommen erstarrt. Das wichtigste Merkmal für cine nicht vollkommene Starre im 192 CAMILL LHOTAK von LHOTA: Gegensatz zur vollkommenen ist danach eine noch erhaltene wie auch immer unbedeutende Erregbarkeit. Endlich erscheint ein erstarrender Muskel auch für den stärksten Reiz unerregbar; außerdem ist ein solcher, wie wir sagen, vollkommen erstarrter Muskel stark verkürzt, verdickt und ziemlich hart — seine Oberfläche ist rauh. Von diesen Merkmalen der vollkommenen Starre sind die Unerregbar- keit — Verkürzung (und Steifheit) die wichtigsten. Es zeigt sich nämlich bei dem im Körper vollkommen erstarrten Muskel, besonders wenn sich die Starre bei erhaltener Zirkulation entwickelt hatte, daß er zwar unerrgebar und verkürzt, sonst aber von normaler Beschaffenheit sein kann. Aber auch beim vollkommen erstarrten Muskel ist die Erregbarkeit nicht dauernd vernichtet, denn wie wir sehen werden, erholt sich ein solcher Muskel bei einer gut erhaltenen Blutzirkulation manchmal vollständig. Aber noch mehr; wir können auch beim ausgeschnittenen vollkommen er- starrten Muskel beobachten, daß er wieder für den ursprünglichen Reiz anspruchsfähig wird. Es zeigt sich närlich in günstigen Fällen, wenn wir einen vollkommen erstarrten Muskel mit großer Kraft bis zur ursprünglichen Länge ausdehnen oder auch nur massieren, daß er wieder erregbar wird, und zwar auch für die ursprüngliche Reizstärke (siehe Fig. 23 II und Ill). (Ein so von Starre „erholter“ Muskel kehrt nach einiger Zeit wieder in den Starrezustand zurück.) Für den positven Erfolg des Experimentes heben wir besonders folgende Bedingungen hervor: erstens eine nicht zu lange Dauer des Starrezustandes und zweitens eine nicht zu rasche Entwicklung desselben. Es zeigt sich nämlich, daß ein ausgeschnittener Muskel, welcher über 30 Min. in der vollkommenen Starre verharrte, oder bei welchem sich die Starre sehr rasch z. B. in einer Minute entwickelt hatte, nur schwer und ausnahmsweise seine ursprüngliche Erregbarkeit wieder erlangt. Die angeführten Versuche ergeben also, daß im erstarrenden Muskel die Kontraktionsfähigkeit gehemmt, ja auch vollständig behindert, nicht aber vernichtet ist. Auch ein vollständig unerregbarer, erstarrter Muskel kann seine Erregbarkeit wieder erlangen. Nur unter einigen ungünstigen Umständen (z. B. beim raschen Erstarrungsverlaufe) vernichtet die Starre die Erregbarkeit des Muskels für immer und ein solcher Muskel erholt sich auch bei erhaltener Blutzirkulation nicht mehr, sondern verfällt der Fäulnis, wie ein abgestorbener Muskel. Danach müssen wir außer den Kategorien der vollkommen und nicht vollkommen erstarrten Muskeln noch eine be- sondere Kategorie der erstarrten und nicht erholbaren Muskeln unter- scheiden. KONTRAKTORISCHE STARRE DES FROSCHMUSKEIS. 193 6. Im Anschluß an das Gesagte muß noch auf eine besondere Reaktion eines erstarrenden Muskels hingewiesen werden. In seltenen Fällen können wir beobachten, daß sich die Zuckungskurve eines nach Monobromessigsäure erstarrenden Muskels plötzlich um mehrere Hundertstel Sek. verzögert (z. B. von 9 Hundertstel Sek. auf 22 Hundertstel Sek.). Diese Dehnung des Zuckungs- verlaufes, welche besonders den Erschlaffungsvorgang betrifft, beginnt mit dem Verschwinden der elastischen Oseillationen und bleibt nicht im weiteren unverändert, sondern vergrößert sich noch und zwar unregelmäßig. Der Erstarrungsverlauf ist dabei auch nicht im mindesten gestört (siehe Fig. 20 II bei a und Fig. 24). Im ganzen erscheinen die Muskelkurven zweigipflig und gleichen fast vollständig der zweigipfligen Kurvenform eines veratrinisierten Muskels. Auch darin stimmt diese Reaktionsform eines erstarrenden Muskels mit der bekannten Veratrinreaktion überein, daß sie sich bei weiterer Tätigkeit, besonders wenn der betreffende Muskel nicht zu stark erstarrt, in eine normale Zuckung verwandelt (siehe Figg. 25 und 26). Sehr selten erscheint diese Reaktion (welche wir als eine veratrinoide be- zeichnen könnten) als ein vorübergehender Verkürzungsrückstand, wie er so oft bei schwacher Veratrinvergiftung auftritt (Fig. 23 I). Die veratrinoide Reaktion ist sehr selten. Ich habe sie zwischen 221 über die Arbeitsstarre angestellten Versuchen nur fünfmal und immer nur zufällig beobachtet. Ich hatte eine große Reihe von Untersuchungen speziell zur näheren Determination dieser Reaktion angestellt, ohne daß es mir ge- lungen ist, ihre Bedingungen auch nur annähernd zu bestimmen. Ich untersuchte, ob die Reaktion von verschieden großen oder verschieden applizierten Gaben des Giftes abhängt, oder ob ihr Auftreten durch vorher- gehende Ermüdung, Abkühlung usw. begünstigt wird —- alles ohne Erfolg. Von der Kompliziertheit der Bedingungen, unter welchen die veratrinoide Reaktion auftritt, zeugt am besten, daß sie niemals an beiden analogen Muskeln desselben Frosches auftritt, sondern immer nur bei einem bald rechten, bald linken, wobei der andere regelmäßig ohne irgend welche Ab- weichung des einzelnen Zuckungsverlaufes erstarrt (siehe Fig. 26). 1. Zusammenfassung. Wenn wir nun die experimentellen Ergebnisse der in diesem III. Kapitel niedergelegten Untersuchungen zusammenfassen, so können wir behaupten, daß dem Eintritte der Arbeitsstarre eine latente Modifikation des Muskels, eine Neigung zur Starre (oder eine Potenz zur Starre) vorausgeht. Die Verwandlung dieser Potenz in die Arbeitsstarre kann man sehr leicht durch Erregung des Muskels auslösen, aber sie kann sich auch ohne Erregung sozusagen „spontan“ vollziehen. Wenn der Erstarrungsprozeß einmal aus- gelöst wird, so kann man ihn nur durch eine starke Abkühlung des Muskels aufhalten. Archiv £.A,u. Ph. 1906. Physiol. Abtlg. Suppl. 13 194 CAMILL LHOTAK vVoN LHOTA: Die durch die Monobromessigsäure verursachte Modifikation des Mus- kkels ist durch kein sichtbares Merkmal charakterisiert. Auch ein sehr stark zur Erstarrung geneigter Muskel sieht ganz normal aus. Wir können also auf die Größe der Modifikation nur aus der Größe der erfolgten Starre schließen. Nach diesem Kriterion beurteilt, erscheint die Modifikation als ein latenter Muskelzustand, welcher sich nach der Vergiftung allmählich ent- wickelt, und nachdem er eine gewisse optimale Größe erreicht hatte, wieder allmählich verschwindet. Der Verlauf der Monobromessigsäurearbeitsstarre unterscheidet sich nicht von anderen toxischen Erstarrungsverläufen. Die Zuckungshöhe wird immer durch die Starre vermindert, ja endlich auch vollständig zum Ver- schwinden gebracht, wobei ais wichtiger Faktor die Selbstunterstützung des erstarrenden Muskels auftritt. Wenn aber auch endlich die Kontraktionsfähigkeit eines erstarrenden Muskels vollständig behindert wird, so dass der Muskel als ein vollkommen erstarrter Muskel bezeichnet werden kann, so ist doch seine Erregbarkeit keineswegs vernichtet, denn es ist auch bei einem vollkommen erstarrten Muskel möglich, durch gewaltsame Dehnung oder Massage die erloschene Kontraktionsfähigkeit wieder zustande zu bringen. Nur wenn der Muskel in einem Starrezustande längere Zeit verharrt, oder wenn er zu rasch er- starrt — geht auch seine Kontraktionsfähigkeit unwiderruflich verloren — und der Muskel ist nach einiger Zeit tot. Von besonderer Wichtigkeit ist die Beobachtung, daß die Kontraktion eines erstarrenden Muskels in seltenen Fällen dem Kontraktionsverlaufe eines veratrinisierten Muskels vollkommen gleicht. Durch diese Überein- stimmung der beiden Reaktionen bildet sich eine tatsächliche Verbindung zwischen der Arbeitsstarre und Tonizität des Muskels. Die Erfahrung, daß weder die erhökte Tonizität, noch die Arbeitsstarre die normale Zuckungsfähigkeit des Muskels vernichtet, sondern nur vorüber- gehend hemmt, gestattet uns zu schließen, daß in beiden dieser Muskel- zustände die normale Kontraktionsfähigkeit nicht unmittelbar teilnimmt, sondern daß sie erst sekundär und sozusagen passiv verändert wird. Um die den Kontraktionsvorgang hemmenden Einflüsse der Arbeits- starre dem Verständnis näher zu bringen, können wir annehmen, daß die der Arbeitsstarre zugrunde liegende Gerinnung der Muskelproteine sich nur in einem bestimmten strukturellen Anteil des Muskels vollzieht, welcher nicht unmittelbar am Zuckungsverlaufe teilnimmt. Das entstandene Ge- rinnsel verhindert nur das richtige Funktionieren der eigentlichen struktu- KONTRAKTORISCHE STARRE DES FROSCHMUSKELS. 195 rellen Zuckungselemente, und wenn man durch gewaltsame Dehnung oder Massage das Gerinnsel zerreißt, so können die jetzt wieder befreiten Ele- mente ihre noch erhaltene Zuckungsfähigkeit erscheinen lassen. Die veratrinoide Reaktion des erstarrenden Muskels läßt noch ver- muten, daß die Gerinnung der Muskelproteine, bei der Arbeitsstarre wenig- stens!, in demselben strukturellen Teile des Muskels zustande kommt, welcher der tonischen Reaktion zugrunde liest. (Ob es sich nach Er- örterungen Bottazzis dabei um das Sarkoplasma handelt, läßt sich nicht entscheiden.) IV. Erholung. 1. Wenn wir einen mit Monobromessigsäure vergifteten Muskel in Verbindung mit den Nervenzentren belassen, so verwandelt sich die ent- standene Modifikation durch die aus den Zentren erweckte Muskeltätigkeit allmählich in einen Starrezustand. Im verschiedenen Stadien der Vergiftung erscheint ein solcher Muskel in verschiedenem Grade erstarrt, und soweit er in eine vollkommene Starre nicht übergegangen ist, weist er immer auch einen Rest von Modifikation, d. h. eine mehr oder weniger große Neigung zur Erstarrung auf. Besonders die im Winter sehr allmählich erstarrenden Muskeln zeigen immer eine größere Modifikation als die im Sommer unter- suchten, was aus der geringeren Beweglichkeit der Winterfrösche leicht erklärlich ist. - Ä Wir haben schon früher davon Erwähnung gemacht, daß sich ein durchbluteter, vollkommen erstarrter Muskel in seinen Eigenschaften von einem außerhalb des Körpers erstarrten Muskel in mancher Hinsicht unter- scheidet. Es zeigt sich nämlich in einigen Fällen, daß ein im Körper er- starrter Muskel seine normale Farbe und seinen normalen Glanz behält. Auf Grund der v. Fürth? gemachten Befunde von der gerinnungs- hemmenden Wirkung des Blutes ist es möglich, sich vorzustellen. daß sich die Gerinnung der Muskelproteine in einem durchbluteten Muskel in einer die Muskelelemente minder entstellenden Weise entwickelt als in einem entbluteten Muskel — oder man könnte auch der Meinung sein, daß es sich im Falle eines erstarrten, aber teilweise sein normales Aussehen be- haltenden Muskels um den Anfang der Erholung handelt. Diese Vor- stellung erhält durch die Erfahrungen von der erholenden Wirkung des Blutes eine starke Stütze. Es sind außer den älteren diesbezüglichen Unter- suchungen Brown-Sequards, von Schipiloff? Beobachtungen mitgeteilt ! Ein nach Monobromessigsäure erstarrter Muskel kann durch die Erwärmung auf 60° C. noch zur weiteren Starreverkürzung gebracht werden. Zen 27320. ® Zentralhlatt für die med. Wissenschaften. 1882. XX. Jahrg. S. 291. 13% 196 CAMILL LHOTAÄK von LHO0TA: worden, nach welchen durch Injektion von 0-1 bis 0-2 Prozent Milchsäure erzeugte Muskelstarre durch Blutzirkulation zum Verschwinden gebracht wurde. Auch von Sackur! ist angegeben worden, daß die nach 2 Prozent Koffein erstarrten Kaninchenmuskeln allmählich nach hergestellter Blut- zirkulation wieder etwas weicher wurden. Daß auch die Arbeitsstarre der erholenden Wirkung des Blutes zu- gänglich wird, können wir umsomehr erwarten, wenn wir uns erinnern, in wie schonender und allmählich fortschreitender Weise sich die Starre in einem mit den Nervenzentren verbundenen Muskel entwickelt, wobei sie noch dem starrehemmenden Einflusse des Blutes fortwährend ausgesetzt wird. Den erholenden Einfluß des Blutes können wir nach den zitierten An- gaben als festgestellt betrachten — zu entscheiden ist es aber, ob auch ein vollkommen erstarrter Muskel sich erholen kann, und auf welche Weise überhaupt die Erholung eines erstarrten Muskels zustande kommt. Zur Entscheidung dieser Fragen schien mir die durch Monobromessig- säure erzeugte Starre geeignet, weil sie noch bei erhaltener Herzbewegung eintritt und von ihr meistens weit überdauert wird. Ich habe also eine Reihe der Versuche über den erholenden Einfluß des Blutes angestellt, deren Resultate ich nachstehend anführe. Die Ver- suche wurden immer mit zwei analogen Muskeln desselben Tieres vor- genommen, um sich an einem von ihnen von vollkommener Starrheit der Muskeln zu überzeugen. Es wäre vielleicht möglich, auch an einem und demselben Muskel den ganzen Versuch von der Erholung durchzuführen, wenn es gelingt, bei einem festgespannten Frosche den Blutumlauf in gutem Zustande über die ganze Versuchsdauer zu erhalten. In dies- bezüglichen Versuchen zeigte sich aber immer, daß die Blutzirkulation be- sonders in späteren Stadien des Versuches stockt. Es wurde also der Ver- such an zwei analogen Muskeln desselben Tieres vorgenommen, in der Voraussetzung, daß die Erregbarkeitsänderung und der Vergiftungsverlauf in beiden Muskeln beinahe die gleichen sind. In der Regel wurde der Versuch so angestellt, daß einer von beiden analogen Gastroknemi in der Zeit, wo der Frosch alle Merkmale der vollkommenen Starre geboten hat, herausgenommen und an dem Myographion der Untersuchung unter- zogen wurde. Der zweite noch im Körper belassene Muskel wurde erst später, wenn die Muskeln des Tieres wieder biegsam wurden, heraus- geschnitten und geprüft, ob die Erholung schon eingetreten ist. In den meisten in dieser Weise durchgeführten Untersuchungen wurde der zweite Muskel noch als vollkommen unerregbar gefunden. Nur in seltenen Fällen erschien der zweite Muskel in verschiedenem Grade erholt. ! Virchows Archiv. 1895. Bd. CXLI. S. 479. KONTRAKTORISCHE STARRE DES FROSCHMUSKEIS. 197 Als erste Stufe der Erholung können wir die Erholungsform bezeichnen, bei welcher ein vollkommen erstarrt gewesener Muskel nicht nur seine ur- sprüngliche Länge, Farbe usw., sondern auch Spuren von Leistungsfähigkeit wieder gewinnt (siehe Figg. 28. 29. 30, Taf. X). Merkwürdig ist es, daß ein in solcher Weise erholter Muskel schon durch sehr geringe Tätigkeit sich erschöpft, und daß er weder bei der Tätigkeit noch bei ununter- brochener, z. B. fünf Minuten langer Reizung im Stadium der Erschöpfung erstarrt. Durch dieses Verhalten, welches ihm mit den anderen Stufen der Erholung gemeinsam ist, unterscheidet sich ein jeder von der Starre er- holte Muskel sehr bestimmt von einem nickt vollkommen erstarrten Muskel, welcher auch eine nur kleine Leistungsfähigkeit aufweisen kann, dabei aber immer doch im weiteren Stadium des Versuches erstarrt. Für eine zweite Stufe können wir die Erholungsform halten, bei welcher der Muskel schon eine mehr zur ursprünglichen Höhe zurück- gekehrte Leistungsfähigkeit aufweist. Von einer normalen Reaktionsweise unterscheidet sich aber seine Kontraktion besonders durch die Leichtigkeit, mit welcher sich ihr absteigender Teil schon nach geringer Tätigkeit in seinem Verlaufe dehnt (siehe Fig. 31, Taf. X). Am meisten erinnert dieses Verhalten auf die Reaktion eines von der Ermüdung nicht vollkommen er- holten Muskels.! Die dritte Stufe bildet die Erholungsform, bei welcher der Muskel kein Zeichen der vorausgegangenen Starre mehr aufweist und vollkommen normal reagiert. Diese Rückkehr ad normam wurde nur bei einem nicht vollkommen er- starrten Muskel beobachtet, denn nach den zur vollkommenen Erstarrung nötigen Vergiftungsgaben der Monobromessigsäure starb der Frosch immer ab, bevor die Erholung zu diesem Grade gelangen konnte. Dieser Art der Versuche von der Erholung treten sehr große Hinder- nisse entgegen, so daß ich die Mehrzahl von ihnen, ohne den beabsichtigten Erfolg zu erreichen, gemacht habe. Die größte Schwierigkeit bildet außer der frühzeitigen Einstellung der Herzbewegungen besonders noch die Un- auffindbarkeit einer richtigen Dosierung des Gifte. Manchmal erstarrt der Frosch schon nach einigen Milligrammen der Monobromessigsäure. Es kommt aber in nicht seltenen Fällen vor, daß auch nach zwei Zentigrammen der Monobromessigsäure überhaupt keine vollkommene Starre sich entwickelt, sondern nur eine Halbstarre, in welcher das Tier bis zum endlichen Ver- schwinden der Herzbewegungen bleibt. Dieses Verhalten des Muskels ent- steht besonders, wenn die Gabe des Giftes zu groß gewählt wurde und wenn die kräftigen Herzbewegungen beinahe über den ganzen Vergiftungs- ! Rollett, Pflügers Archiv. Bd. CLXIV. S. 507. 198 CAMILL LHOTAK von LH0TA: verlauf dauern. In einem solchen Falle kommt es nur zu einer unvoll- kommenen Erstarrung, aus welcher sich der Muskel sofort zu erholen be- ginnt. Dabei erstarrt er aber wieder von neuem durch die weiter resor- bierte Monobromessigsäure, so daß es endlich zu einem Gleichgewicht zwischen der Starre und Erholung kommt. Ein in solcher Weise erholter Muskel unterscheidet sich von einem noch nicht vollkommen erstarrten Muskel nur dadurch, daß er in diesem Zustande nach sehr langer Ver- giftungsdauer des Giftes aufgefunden wird, wo im gewöhnlich verlaufenden Falle eine vollkommene Starre oder Erholung entstehen würde (Fig. 27, Taf. X). Um den günstigen Erfolg der Erholungsversuche von der Starre sich gewissermaßen versichern zu können, wäre es nötig, eine solche Vergiftungs- gabe zu wählen, welche in der Zeit der entstandenen Muskelstarre resor- biert würde, so daß keine weitere Starre entstehen könnte. Durch eine Reihe von Versuchen gelang es mir, eine solche Dosis zu finden. Nach 2 bis 4er der Monobromessigsäure erholt sich ein mittel- großer Frosch (von 608” Gewicht) bei mäßiger Temperatur (16° C.) ver- hältnismäßig häufig (in 25 Prozent der Fälle. Wenn wir z. B. in einem solchen Versuche den Nerven an einer Seite durchschneiden, während der analoge Muskel der anderen Seite mit den Nervenzentren in Verbindung bleibt, so zeigt es sich nach 4 bis 5 Stunden der Vergiftung, daß der von den Zentren isolierte Muskel bei der Tätigkeit vollkommen erstarrt, wäh- rend der mit Nervenzentren verbundene mit normaler oder veränderter Kontraktion reagiert und weder durch eine Tätigkeit, noch durch eine Reizung im Stadium der Erschöpfung zur Starre gebracht werden kann (Fig. 32, Taf. X). Gegen die Interpretation eines solchen Versuches als Beweises einer Erholung aus vollkommener Starre kann man einwenden, daß es sich dabei nur um eine nicht vollkommene Erstarrung gehandelt hatte. Man kann sich nämlich vorstellen, daß der mit den Nervenzentren verbundene Muskel nur allmählich erstarrt, wobei die geringen Grade der Starre stufenweise durch Erholung gleich zum Verschwinden gebracht werden. In der Mehr- zahl der Fälle ist es so. Es wurden auch diese Versuche nicht zum be- weise der Erholung von einer vollkommenen Starre angestellt, dazu sind die früher angeführten Untersuchungen ganz genügend. Es sollte nur eine Versuchsanordnung ausfindig gemacht werden, welche gestatten würde, den von der Starre sich erholenden Muskel leicht dem Experimentieren zu- gänglich zu machen. 2. Nach den bisher über die Arbeitsstarre angeführten Erfahrungen können wir einen idealen Vergiftungsverlauf in folgender Figur schematisch darstellen. KONTRAKTORISCHE STARRE DES FROSCHMUSKELS, 199 Nehmen wir an, daß ein mäßiges Quantum der Monobromessigsäure in dem Zeitabschnitte a, 5 resorbiert wird. Im dieser Zeit bildet sich eine Modifikation a, d, c. Sie erreicht im Momente 5 ihren Höhepunkt c. Wenn der betreffende Muskel mit den Nervenzentren in Verbindung steht, d.h. wenn er mäßig tätig ist, so verwandelt sich die Modifikation in einen Starre- zustand. Bei erhaltener Blutzirkulation wird die entstandene Starre durch das Blut fortwährend gelöst und zwar am Anfange, sofern die Starre sehr gering ist, so vollständig, daß die Starreverkürzung anstatt im Momente d erst in / beginnen wird. Das unregelmäßige Viereck d, f, g, 5 begrenzt die Fläche, um welche die ganze Fläche der Erstarrung d, d, e durch die Erholung vermindert wird. Wenn im Momente 5 alle injizierte Monobromessigsäure resorbiert war, so entsteht schon keine weitere Modifikation, und der Rest im Momente 5 noch bestehender Modifikation verwandelt sich in eine Starre, so daß im Momente Ah keine Neigung zur Starre mehr besteht. Von dieser Zeit an erholt sich der Muskel von der Starre mehr und mehr, bis im Momente © eine kleine leicht erschöpfbare Leistungsfähigkeit wieder erscheint. In dem mit II bezeichneten Zeitabschnitte befindet sich der Muskel an der zweiten Stufe, und im III. Zeitabschnitte an der dritten Stufe der Erholung. Nach diesem schematischen Vergiftungsverlaufe können wir uns leicht veranschaulichen, wie weit veränderte Muskeln wir in jedem Momente des Vergiftungsverlaufes antreffen können. Zum Beispiel, wenn der Muskel im Momente « ausgeschnitten wird, so erscheint seine Erregbarkeit mehr oder weniger vergrößert (denn die Monobromessigsäure vergrößert anfangs die Muskelerregbarkeit). Außerdem wird derselbe Muskel bei der Tätigkeit stark erstarren auf Grund der ziemlich großen Modifikation j, f- Im Momente $ würde derselbe Muskel schon weniger erstarren, weil die Modifikation A, Z schon kleiner als im Momente « ist. Die Reaktions. fähigkeit des Muskels würde schon ziemlich gehemmt auf Grund der schon 200 CAMILL LHOTAK Von LHOTA: entstandenen Erstarrung. Ein solcher Muskel könnte also als nicht voll- kommen erstarrt bezeichnet werden. Im Momente 7 wäre derselbe Muskel schon vollkommen erstarrt. Im Momente ö wäre er von ursprünglicher Länge und Beschaffenheit und von leicht erschöpfbarer Leistungsfähigkeit, und bei der Tätigkeit würde er: nicht mehr erstarren. 3. Die einfachste Abweichung von diesem typischen Vergiftungsverlaufe bietet uns der Fall, wo die beiden Hüftnerven vor der Injektion der Mono- bromessigsäure durchgeschnitten wurden. Dann sollte sich eigentlich nur eine Modifikation entwickeln, welche nach vollständiger Resorption des Giftes auf ihrer maximalen Höhe bleiben sollte. Das ist aber nicht der Fall. Es zeigt sich vielmehr, daß die Modifikation, nachdem sie eine gewisse Höhe erreicht hatte, wieder allmählich verschwindet. Dieses Verhalten können wir aus den schon früher gemachten Beobachtungen so erklären, daß sich die entstandene Modifikation auch spontan in einen Starrezustand verwandelt, wobei die Starre fortwährend durch die Blutzirkulation weggeschafft wird. So wird die Modifikation durch die Starre und Erholung allmählich verzehrt. 4. Ich komme nun zur Mitteilung der Befunde von der Erholung nach Chloroform-, Äther-, Veratrin- und Kohlendioxydvergiftung. Aus der Äther- und auch Chloroformnarkose erholt sich ein aus- geschnittener Muskel durch bloßes Entfernen der narkotischen Dämpfe, be- sonders wenn seine Erregbarkeit noch nicht vollständig unterdrückt wurde. Dabei möge hier eine Beobachtung erwähnt werden, welche die schon früher gemachte Annahme von einem verschiedenen Substrate der Starre und Kontraktionsveränderungen noch gewissermaßen bestätigt. Es zeigt sich nämlich, daß die Kontraktur (Starre) sofort nach der Entfernung des Äthers nachläßt, während sich die Kontraktionsfähigkeit noch weiter vermindert, als ob der Äther nicht ganz beseitigt gewesen wäre und mit unverminderter Kraft noch weiter wirkte (siehe Fig. 34, Taf. X). In der Erholungsweise eines mit Veratrin vergifteten Muskels können wir nach dem Reaktionstypus des zu erholenden Muskels bedeutende Unter- schiede beobachten. Der Formtypus I und II ändert sich bei der Erholung in der Weise, als ob sich die Vergiftung allmählich vermindern würde. Ein stark (z. B. mit 1@ws Veratrin) vergifteter Frosch erholt sich gewöhnlich in 48 Stunden. In den ersten 24 Stunden bleibt die Reaktion des Typus I oder II beinahe unverändert, und erst in folgenden 24 Stunden treffen wir die Reaktion des Typus V oder auch die normale Reaktion an. Bei diesen Untersuchungen ist es vorteilhaft, den Frosch zum Vermeiden des III. Reaktionstypus zu kurarisieren. KONTRAKTORISCHE STARRE DES FROSCHMUSKELS. 201 Der dritte Reaktionstypus geht durch die Erholung in eine normale Reaktion über, d. h. die Zuckungskurve verkürzt und vermindert sich. Wenn aber die Erholung nicht vollkommen ist, kehrt die Reaktion des Typus III bei der Tätigkeit wieder zurück. Als den wichtigsten Faktor der Erholung von einer Veratrinvergiftung können wir außer der entsprechend kleinen Giftgabe besonders den gut er- haltenen Blutumlauf bezeichnen. Zur Erholung des Muskels von der Wirkung des Kohlendioxyds genügt die Entfernung des Kohlenoxyds durch ein indifferentes Gas (Fig. 33). So- wohl durch Kohlendioxyd wie auch durch Äther bewirkte Muskelveränderungen erfordern nicht notwendig den gut erhaltenen Blutumlauf, um zu ver- schwinden. Als festgestellt können wir also betrachten, daß der Muskel sich aus einem geringen Tonus- und Starrezustande durch die ihm selbst zu Gebote stehenden Mittel erholen kann. Nur wenn der Tonus oder die Starre einen hohen Grad erreicht haben, kann sich der Muskel nur noch durch die Blutzirkulation erholen, aber dann kann er sich auch von einem maximalen Tonus und von einer maximalen Starre erholen. 202 CAMILL LHOTAK von LH0TA: Erklärung der Abbildungen. (Taf. VII-X.) Alle Kurven sind auf ein Drittel verkleinert und verlaufen von links nach rechts. Die Trommelumdrehung, wo es nicht anders angegeben wird, dauerte 1-5 Sekunden. Durch eine Mareysche Unterbrechungsvorrichtung wurden die Zuckungskurven nach- einander im Intervalle der Trommelumdrehung aufgezeichnet. Fig. 1. Temporaria. Winterfrosch. Vergiftung mit 0-065 : Veratrinum hydro- chloricum. Injektion in den Rückenlymphsack vor 2 Stunden 45 Min. Eine tonische Kontrakturkurve, Typus IV, beginnt bei a und dauert (ohne daß der Muskel weiter noch gereizt wurde) mindestens zehnmalige Umdrehung der Trommel, d.h. 15 Sek. Die Kreszente selbst dauert 1-5 Sek. Fig. 2. Veratrinkurve des Typus Il. Dieselbe wurde aus der in Fig. 1 ab- gebildeten Kurve durch die fünffache Verstärkung des Reizes gewonnen. Bei jeder (neuen) Trommelumdrehung, d. h. im Intervalle von 1-5 Sek., wurde der Muskel gereizt. Aber erst bei der sechsten Trommelumdrehuns, d.h. auf der sechsten Abszisse von oben gerechnet, erfolgt eine kleine Reaktion, welche sich weiter noch ziemlich verstärkt. Fig. 3. Eine gewöhnliche myographische Kurve zum Vergleich mit tonischen Kontrakturen. Unten sind die Hundertstel einer Sekunde markiert. Fig. 4. Temporaria. Sommerfrosch. Kurarisiert. Injektion von 1 =® Cevadin vor 40 Min. Reaktion des Typus IV beginnt bei a, wächst ungefähr während der ersten 3 Sek., um dann allmählich sich zu vermindern. Fig. 5. Derselbe Muskel reagiert auf einen zehnfach verstärkten Reiz mit einer Doppelkontraktion. Bei a die normale kurzdauernde Zuckung, welche bei 5 in eine allmählich wachsende tonische Kontraktur übergegangen ist. Bei zweiter Trommel- umdrehung entsteht nach einer zweiten Reizung nur eine kleine Erhebung der schon nach erstem Reize entstandenen Reaktionskurve. Die tonische Kontraktur wächst noch weiter, bis sie bei d ihren Höhepunkt erreicht. Dann vermindert sich der Tonus, wobei der Muskel auf jeden im Intervalle von 1-5 Sek. erfolgten Reiz mit einer mehr und mehr einer normalen Zuckung ähnlichen Kontraktion reagiert. Die letzte Reaktion dieser Figur bei f ist schon einer normalen Zuckungskurve beinahe gleich. Fig. 6. Temporaria. Mit 0-1”: Veratrin vor 6 Stunden vergifteter Winterfrosch. I. Ein beinahe II. Reaktionstypus. Eine normale Zuckung, welche bei a in eine tonische Kontraktur übergeht. II. Derselbe Muskel reagiert bei zehnfacher Vergrößerung der Belastung beinahe mit der Reaktion des Typus I. Normale Zuckung erscheint verkleinert. Die tonische Kontraktur ist zwar vergrößert, aber sie beginnt später (bei 5), als in der Fig I («). Zum Schlusse weist dieselbe die rhythmischen Schwankungen auf (von ce beginnend). KONTRAKTORISCHE STARRE DES FROSCHMUSKELS. 203 Fig. 7. Temporaria. Ein abgekühlter Sommerfrosch. Vor 7 Stunden wurde ihm 0-1 8 Veratrin in den Rückenlymphsack injiziert. Der erste Reiz ruft eine Reaktion des Typus II hervor. Dieselbe beginnt bei « und weist in ihrer Kreszente einen Höcker auf. Bei der zweiten Trommelumdrehung und dem zweitem Reiz dauert noch der zweite Reaktionstypus fort und der Muskel reagiert nicht im mindesten. Erst nach der dritten Reizung erfolgt eine kleine Kontraktion (auf der dritten Abszisse von oben) und nach dem achten Reize eine Doppelkontraktion b—c. Bei weiterer Tätigkeit ge- winnt die erste Kontraktion immer mehr und mehr an Deutlichkeit, wobei sich die tonische Reaktion unregelmäßig von e beginnend vermindert. In der Ruhe bleibt der Verkürzungsrückstand d zurück. Fig. S. Temporaria. Ein abgekühlter, durch Injektion von 0-1 "= Veratrin vor 6 Stunden vergifteter Sommerfrosch. Zweiter Reaktionstypus mit einem Höcker in der Krescente. Bei jeder Trommelumdrehung wurde der Muskel gereizt. Aber erst bei starker Verminderung der Reaktion Typus II antwortet der Muskel mit einer beinahe normalen Zuckung. Der Verkürzungsrückstand vermindert sich zwar noch wenig in der Ruhe, teilweise aber dauert er fort. Fig. 9, Esculenta. Mit 0-065 ®® Veratrin vor 2 Stunden vergiftet. Der Muskel beginnt bei a nach dem zweiten Typus zu reagieren. Bei der zweiten Trommelumdrehung wurde der Muskel wieder gereizt, wobei er mit einer beinahe normalen Zuckung reagiert (bei 5). Darauf wurde er in Ruhe gelassen, bis die Reaktion Typus II verschwunden war. In demselben Momente wurde der Muskel bis zur Höhe der ursprünglichen Reaktion, also bis zur Abszisse c, künstlich unterstützt. Bis zur Höhe der Abszisse ec unterstützter Muskel reagiert mit beinahe derselben Kurvenform (bei d), mit welcher er im vorausgehenden Falle der kontraktorischen Unterstützung reagiert hatte. Fig. 10. Temporaria. Ein Dezimilligramm Veratrin wurde dem Frosche vor 48 Stunden injiziert. I. Der Muskel reagiert mit einer Doppelkontraktion, d. h. mit einer Zuckung (bei a), welche sehr schnell in eine tonische Reaktion übergeht. Bei der zweiten Trommelumdrehung und bei zweiter Reizung ist der Muskel so hoch durch die tonische Kontraktur unterstützt, daß er sich beinahe gar nicht kontrahieren kann (bei b). Nach wiederholter Reizung vermindert sich der Tonus so weit, daß endlich eine beinahe normale Reaktion zustande kommen kann (bei e). II. Derselbe Muskel reagiert (bei a) nach 70 Kontraktionen und der 15 Minuten dauernden Ruhe mit normaler Zuckung und mit einer nur geringen tonischen Kontraktur. Durch weitere Tätigkeit entsteht der dritte Reaktionstypus. Fig. 11. Esculenta. Vor 4 Stunden durch 18 Veratrin vergiftet. Reaktion des Typus II geht bei der Tätigkeit in die Reaktion Typus IIl über. Fig. 12. I. Temporaria. Vor 15 Min. mit 0-1 = Veratrin vergiftet. Der Muskel reagiert mit einer Doppelkontraktion, deren tonischer Teil sehr schwach erscheint und bei weiterer Tätigkeit verschwindet. II. Temporaria. Ein großes Exemplar. 0-12 ”® Veratrin vor 45 Minuten injiziert. Nach der ersten Kontraktion bleibt ein kleiner Verkürzungsrückstand, welcher gleich nach der zweiten Kontraktion verschwindet. Fig. 13. Temporaria. Winterfrosch, Vor 6 Stunden mit 0-1 ”& Veratrin vergiftet. I. Zweiter Reaktionstypus mit einem ausgeprägten Höcker — beinahe eine Doppel- kontraktion. Am Ende der Dekreszente erscheinen die rhythmischen Schwankungen. II. Derselbe Muskel mit zehnfach vergrößerter Belastung; rhythmische Schwan- kungen rücken bis auf das Plateau der tonischen Kontraktur empor. 204 CAMILL LHOTAK von LHO0TA: Fig. 14. Sehr kleine Umdrehungsgeschwindigkeit der Trommel (ungefähr 7 "m pro Sek.). Temporaria. Kurarisiert. Vor 5 Stunden mit 0-12”® Veratrin vergiftet. Auf tetanische Reizung reagiert der Muskel mit einem glatten Tetanus, welcher weiter in einen unvollkommenen Tetanus übergeht. Bei a beginnt eine rhythmische Schwan- kung, welche sich im weiteren verstärkt, dann wird sie schwächer, um endlich ganz zu verschwinden. Fig. 15. Kleine Umdrehungsgeschwindigkeit der Trommel. Der analoge Muskel von der anderen Seite desselben Frosches. Ein glatter Tetanus geht bei der Tätigkeit in einen nicht vollkommenen Tetanus über. Fig. 16. Esculenta. Sommerfrosch. (Temperatur des Zimmers 25°C.) Der Muskel befindet sich von a in Chloroformdämpfen und verkürzt sich durch allmählich fortschreitende Erstarrung. Die Schnelligkeit des Erstarrungsprozesses wird immer kleiner, besonders in der Zeit, wo die Reizung eingestellt wird. Die nacheinander ge- zeichneten Abszissen sind dann besonders dicht übereinander gelagert (bei d).. Durch wiederholte Tätigkeit beschleunigt sich wieder der Erstarrungsverlauf. Die Abstände zwischen den einzelnen Abszissen sind größer bei a als bei b. Fig. 17. Eine kleine Umdrehungsgeschwindigkeit der Trommel. Der Frosch wurde vor 90 Minuten durch die intraperitoneale Injektion von 4 ° Monobromessig- säure vergiftet. Der rechte N. ischiadicus wurde vor der Injektion durchgeschnitten. Der rechte Gastroknemius reagiert auf die tetanische Reizung nur wenig und erstarrt dabei. Mit dem Fortschreiten der Starre verliert der Muskel die Reaktionsfähigkeit, bis er endlich auch auf die stärkste tetanische Reizung nicht mehr reagiert (auf der 6. Abszisse von unten). Fig. 18. Kleine Umdrehungsgeschwindigkeit der Trommel. Temporaria. Vor 95 Minuten wurden 4° Monobromessigsäure intraperitoneal injiziert und der rechte N. ischiadieus durchgeschnitten. KRechtsseitiger Gastroknemius erstarrt „spontan“, ohne gereizt zu werden. Die Erstarrung entwickelt sich nur wenig langsamer als beim Muskel in Fig. 17. Fig. 19. Esculenta. Vor 15 Minuten durch 4° Monobromessigsäure vergiftet. Beide Hüftnerven wurden vor der Injektion durchgeschnitten. (Zimmertemperatur 31° C.) I. Der Muskel erstarrt regelmäßig auch nach dem Einstellen der Reizung. I. 1. Der analoge Muskel der anderen Seite ist schon 10 Min. vor dem Beginn der Reizung einer starken Abkühlung (bis auf 5°C.) ausgesetzt. Der Kontraktions- verlauf ist durch die Abkühlung typisch verändert und der Muskel erstarrt nicht. (Der Muskel wurde mit derselben Reizintensität gereizt wie der Muskel I.) II. 2. Derselbe Muskel erstarrt auch bei verstärkter Intensität nicht. (Zwischen II. 1. und II. 2. wurde eine 5 Minuten dauernde Ruhe eingeschoben.) II. 3. Erst als der Muskel durch die warme Luft auf die Temperatur des Zimmers gebracht wurde, begaun er zu erstarren. (Die Reizung beginnt bei «.) Fig. 20. Esculenta. Beide N. ischiadiei durchgeschnitten. 4° Monobromessig- säure wurden vor 25 Minuten intraperitoneal injiziert. (Zimmertemperatur 23° C.) I. Der Muskel wurde allmählich bis auf 40°C. erwärmt. Die Reaktionshöhe erscheint vergrößert im Vergleich zum analogen Muskel II, welcher nieht erwärmt wurde. Die Erstarrung beginnt früher und verläuft schneller als beim II. Muskel. II. Der analoge Muskel erstarrt in gewöhnlicher Weise. Im Verlaufe der Er- starrung dehnt sich in einigen Zuckungskurven plötzlich die Dekreszente, z. B. bei a. KONTRAKTORISCHE STARRE DES FROSCHMUSKEIS. 205 Fig. 21. Kleine Umdrehungsgeschwindigkeit der Trommel. Temporaria. Vor 2 Stunden wurde der Hüftnerv durchgeschnitten und 4 ° Monobromessigsäure injiziert. Der Muskel wurde erst in der Zeit tetanisch gereizt, als er schon „spontan“ zu erstarren begonnen hatte. Es zeigte sich an den Abständen zwischen den einzelnen Abszissen, wie in diesem Falle der Erstarrungsverlauf durch die Tätigkeit beschleunigt wurde. Fig. 22. Temporaria. Durch 4° Monobromessigsäure vor 45 Minuten vergiftet. Pl. ischiadieus vor der Injektion durchgeschnitten. Der Muskel wurde nur bis zum Beginn der Erniedrigung der Kontraktionshöhen gereizt. Nach der letzten Kontraktion (bei p) beginnt der Muskel erst nach 25 Sekunden zu erstarren. Der Erstarrungsverlauf unterscheidet sich nicht vom Erstarrungsverlaufe eines tätigen Muskels. Wie aus den Kontraktionen bei e ersichtlich ist, behält der in der Ruhe erstarrte Muskel auch bei großer Starreverkürzung seine Leistungsfähigkeit. Fig. 23. Esculenta. Vor 10 Minuten wurde der Plexus ischiadicus durchge- schnitten und 4° Monobromessigsäure injiziert. I. Der Muskel reagiert mit einer hohen Kontraktion, nach welcher ein kleiner Verkürzungsrückstand zurückbleibt, welcher aber gleich nach der zweiten Kontraktion verschwindet. II. Derselbe Muskel erstarrt bei der Tätigkeit und verliert seine Leistungsfähigkeit endlich so vollständig, daß er auch durch die stärkste Reizung nicht zur Kontraktion gebracht werden kann (bei a). III. Derselbe Muskel wurde mit großer Kraft bis auf die ursprüngliche Länge gedehnt. Seine Leistungsfähigkeit kehrte gleich zurück (d, c) und zwar auch für die ursprüngliche Reizintensität. Fig. 24. Esculenta. Vor 32 Minuten wurden 4° Monobromessigsäure intra- peritoneal injiziert. Die Hüftnerven wurden durchgeschnitten. Beim Erstarrungsverlaufe dehnen sich plötzlich einige Dekreszenten so aus, daß eine der Veratrinreaktion ähn- liche Kurvenform entsteht. Fig. 25. Kurarisierte Temporaria. Vor 45 Minuten mit 4° Monobromessigsäure vergiftet. Der linksseitige Gastroknemius reagiert mit langer Kontraktion (Reihe «—b), welche im weiteren sich verkürzt. Durch die Ermüdung kann der Muskel beinahe zur normalen Reaktion (Reihe c—d) gebracht werden. Eine nur unbedeutende Erstarrung. Fig. 26. Der rechte Gastroknemius desselben Frosches reagiert mit normalen Kontraktionen und erstarrt ganz regelmäßig bis zur Höhe der Abszisse c. Fig. 27. Kleine Umdrehungsgeschwindigkeit der Trommel. Esculenta. Durch 4° Monobromessigsäure vor 5 Stunden vergiftet. Der linke Pl. ischiadicus wurde vor der Injektion durchgeschnitten. In der Zeit des Versuches mit Muskel I sind noch die Herzbewegungen erhalten. I. Der linke Gastroknemius erstarrt bei tetanischer Reizung sehr schnell und hoch. II. Bei derselben Reizung erstarrt der rechte Gastroknemius, welcher mit den Nervenzentren in Verbindung blieb, viel weniger und verliert auch seine Leistungs- fähigkeit schneller als der Muskel I, auf Grund der schon im Körper stattgefundenen Erstarrung. Fig. 28. Zwei Frösche (von beinahe derselben Größe) wurden je mit 4“ Mono- bromessigsäure vergiftet. 115 Minuten nach der Vergiftung wurde beiden Fröschen der linke Gastroknemius herausgeschnitten. Einer von ihnen (I) reagiert mit sehr ge- ringen Kontraktionen und erstarrt nicht. Der andere (II) reagiert mit geringen Kon- traktionen und erstarrt in der Ruhe bis zur Abszisse ec. 206 CaAmMILL LHOTAK von LHOTA: KONTRAKTORISCHE STARRE USW. Fig. 29. Aus denselben Fröschen wurden 175 Minuten nach der Vergiftung beide rechten Gastroknemii zum Versuche genommen. I. Der Muskel reagiert mit höheren Kontraktionen als der analoge rechte Muskel vor einer Stunde (der Muskel I von der Fig. 28) und erschöpft sich sehr schnell. II. Der dem II. aus der Fig. 28 entsprechende Muskel reagiert gar nicht und ist vollkommen erstarrt. Fig. 50. Temporaria. Durch 4° Monobromessigsäure vergiftet. Beide Hüft- nerven wurden durchgeschnitten. Nach 12 Minuten wurde der rechte N. ischiadieus bis zur vollkommenen Starre der hinteren Extremität tetanisch gereizt. Nach 25 Minuten wurde der linke N. ischiadieus ebenso gereizt. 40 Minuten nach der Injektion der Monobromessigsäure wurden beide Gastroknemii herausgeschnitten. I. Der linke Gastroknemius reagiert mit sehr kleinen Kontraktionen auch bei intensiver Reizung. II. Der rechte Muskel, welcher früher zum Erstarren gebracht und somit der erholenden Wirkung des Blutes länger ausgesetzt wurde, reagiert mit fast normalen Kontraktionen, welche sich bei der Tätigkeit schnell vermindern. Weder der I. noch der II. Muskel erstarren. Fig. 31. Temporaria. Mit 4% Monobromessigsäure vor 95 Minuten vergiftet. Vor der Injektion wurde der rechte Hüftnerv durchgeschnitten. I. Der rechte Gastroknemius erstarrt bei der Tätigkeit ganz regelmäßig. II. Der analoge linke Muskel, welcher während des Vergiftungsverlaufes mit den Nervenzentren in Verbindung geblieben war, erstarrt nicht und zeigt bei der Tätigkeit einen sehr gedehnten Kontraktionsverlauf. Fig. 32. Kleine Umdrehungsgeschwindigkeit der 'Trommel. Esculenta. Vor 4 Stunden wurden dem Frosche 4-5 ®8 Monobromessigsäure intraperitoneal injiziert und der linke Hüftnerv durchgeschnitten. I. Der linke Gastroknemius reagiert auf eine tetanische Reizung mit einem nicht vollkommenen Tetanus und erstarrt sehr schnell dabei. II. Der analoge rechte Gastroknemius, welcher beim Vergiftungsverlaufe mit den Nervenzentren in Verbindung war, reagiert auf dieselbe tetanische Reizung mit einem nicht vollkommenen Tetanus, welcher schnell in einen glatten Tetanus übergegangen ist. Nach dem Einstellen der Reizung dehnt sich der Muskel wieder zur ursprüng- lichen Länge und erstarrt weder bei der Tätigkeit, noch in darauffolgender Ruhe. Derselbe ist auch von normaler Konsistenz und Farbe und um ein Drittel länger als der erstarrte linke Muskel I. Fig. 33. Temporaria. Kurarisiert. I. Eine Serie von zehn normalen Muskel- zuckungen. II. Eine Serie von Muskelzuckungen in einer Kohlendioxydatmosphäre Ill. Derselbe Muskel, aber nach der Entfernung des Kohlendioxyds durch die Luft und nach der 2 Minuten dauernden Ruhe. Die Dekreszente der Muskelkurve verkürzt sich allmählich und die Zuckungshöhe wächst. 5 Fig. 34. I. Der normale Kontrollmuskel. II. Der analoge Muskel von e in Atherdämpfen. Bei Z wurde der Ather durch die Luft entfernt. Die Starreverkürzung läßt nach, aber die Zuckungshöhe vermindert sich noch weiter. —im Beiträge zur Elektrophysiologie des Herzens. Von Prof. Dr. A. Samojloff. (Aus dem physiologischen Laboratorium der physiko-mathematischen Fakultät der Universität in Kasan.) (Hierzu Taf. XI u. XII) Während die mechanischen Leistungen der Herztätigkeit in verschie- denen Richtungen und von verschiedenen Gesichtspunkten aus untersucht werden, bleiben die elektrischen Äußerungen des tätigen Herzens relativ im Hintergrunde Die elektrophysiologischen Methoden werden bei der grundlegenden von Gaskell und Engelmann angebahnten Umgestaltung der Herzphysiologie fast gar nicht oder jedenfalls nur sehr wenig berührt. Die Frage nach dem Ursprung und der Leitung der Herzreize in dem Sinne, welcher mit der Alternative von der Neurogenie oder Myogenie ver- knüpft ist, die Erscheinungen der refraktären Periode, der kompensatorischen Pause u. dgl. sind im Lichte der elektrophysiologischen Untersuchungs- methoden noch nicht geprüft worden. Es seien im folgenden einige Versuche beschrieben, die sich mit dies- bezüglichen Fragen beschäftigen. Die elektrischen Effekte des Herzens wurden vermittelst des Kapillar- elektrometers auf photographischem Wege registriert. Sämtliche unten an- geführten Kurven sind Negative; es wurde direkt auf Brompapier, welches 208 A. SAMOJLOFF: auf einer Trommel aufgespannt war, photographiert. Da die Aufnahmen mit Objektiv und Projektionsokular gemacht wurden, so erschien das Bild der Kapillare nicht umgekehrt, sondern in natürlicher Lage mit der Spitze nach unten und es entsprechen somit die dunklen Teile der Aufnahmen der Schwefelsäüre, die hellen dem Quecksilber. Sämtliche Versuche wurden mit einer und derselben Kapillare ausgeführt, die bereits seit einigen Jahren zu verschiedenen Versuchen diente und deren Eigenschaften viele Mal zur Prüfung kamen. Die Einstellungszeit des Hg-Meniskus auf ein bestimmtes Potential war sehr gering. An Aufnahmen bei schnell rotierender Trommel konnte man finden, daß beispielsweise bei 20 Millivolt, 70 Prozent des Gesamtausschlages schon nach 0-02 Sek. vollendet waren, nach 0-03 Sek. — 85 Prozent, nach 0-04 Sek. — 93 Prozent und nach 0-06 Sek. — 100 Prozent. Bei der Geschwindigkeit der Trommelbewegung, bei der die Aktionsströme des Herzens registriert wurden (ungefähr 1°® in 1 Sek.), konnte man infolge der Schnelligkeit der Einstellung des Meniskus überhaupt keine Eichungs- kurve erhalten, denn die Ausschläge (auch bei Einschaltung der großen Widerstände der unpolarisierbaren Faden-Tonelektroden) scheinen an den Kurven fast vertikal sich zu erheben und nur zuletzt eine geringe Ab- rundung aufzuweisen, s. Fig. I, Taf. XI. Es wurde deshalb die Korrektur nach Einthoven unterlassen. An der Fig. 1, Taf. XI sehen wir vier Aus- schläge, die den Potentialgrößen 10, 20, 30 und 40 Millivolt entsprechen; man kann sich nebenbei überzeugen, daß die Größen der Ausschläge mit genügender Präzision den Spannungsgrößen proportional sind. Das Garten- sche Liniennetz der Originalkurven ist durch die Reproduktion nicht wieder- gegeben. Die Zeit wurde an den Schattenbildern des Zeitmarkierers am unteren Rande der Kurven gemessen; die Zeitmarken in Form kurzer scharfer Linien entsprechen überall !/, Sek., in einem Falle sind die Zeitmarken in Form gedrängter Wellen aufgenommen; jede Welle entspricht !/, Sek. Die Figuren sind von links nach rechts zu lesen. Die Kurven sind mit Zeissschem Objektiv C und Projektionsokular 2 bei 150 = Distanz zwischen dem Objekt und der Projektionsfläche auf- genommen. Sämtliche Versuche sind an Herzen entbluteter bzw. schwach kurare- sierter blutdurchströmter Frösche ausgeführt. Die Herzbewegungen wurden nach der Suspensionsmethode als Schattenbilder zweier Hebeln mitphoto- graphiert; das untere Bild entspricht in den meisten Figuren dem Vorhof, das obere dem Ventrikel. Die Ableitung zum Kapillarelektrometer geschah vermittelst unpolarisierbarer Tonelektroden, an welche in physiologischer Kochsalzlösung getränkte Fäden umschlungen waren; am herabhängenden Ende des Fadens wurde mit scharfer Schere ein Schnitt gemacht und der BEITRÄGE ZUR ELEKTROPHYSIOLOGIE DES HERZENS. 209 Faden mit der Schnittfläche an den abzuleitenden Punkt des Herzens angelegt. Der Faden macht die Bewegungen des Herzpunktes mit und bleibt eine genügende Zeit an derselben Stelle liegen. Abgeleitet wurde in sämtlichen Fällen so, daß der proximale Herzteil mit dem Quecksilber der Kapillare und der distale Teil mit der Säure in Verbindung kam; bei normaler Leitungsrichtung der Reize im Herzen bewegte sich entsprechend der früheren Erregung des proximalen abgeleiteten Punktes der Hg-Meniskus bei jeder Herzaktion zunächst nach oben. Sämtliche Figuren sind zweimal kleiner als die Originalkurven. Entblößt man das Herz eines Frosches und leitet von zwei Punkten der Ventrikeloberfläche zum Kapillarelektrometer ab, so bekommt man im allgemeinen, wenn das Herz nicht absichtlich gerade verletzt wurde, einen diphasischen Aktionsstrom, wie das bereits vielfach von verschiedenen Autoren geschildert wurde. Die besondere Art des Absterbens der Herzmuskel- fasern, die eigentümliche Eigenschaft derselben, zusammen zu leben und einzeln zu sterben, wie es Engelmann ausgedrückt hat, bringt es mit sich, daß man auch nach Verletzungen, früher oder später anstatt eines anfänglichen monophasischen, einen diphasischen Strom vor sich hat. Will man aber die Form des Elektrokardiogramms näher charakterisieren, so stößt man auf Schwierigkeiten; letztere bestehen darin, daß das Elektro- kardiogramm ein ungemein wechselndes Bild darstellt. Vergleicht man Bilder von Elektrometerkurven verschiedener Herzen, so ist das Auffälligste dabei die Mannigfaltigkeit der Kurvenformen. Beobachtet man die Tätig- keit eines und desselben Froschherzens längere Zeit, z. B. ein paar Stunden oder noch länger unter gleichen Bedingungen, so kann man schon aus dem Spiel der projizierten Hg-Kuppe, oder noch besser auf Grund einer Reihe photographischer Kurven erkennen, daß wir es mit einer Erscheinung zu tun haben, die sehr allmählich, aber ununterbrochen wechselt. Auf die Unbeständigkeit der elektrischen Kurven des Herzens wurde bereits von A. D. Waller! hingewiesen. Der Übergang von der einen Form in die andere geschieht selbstverständlich mit einer verschiedenen in verschie- denen Fällen und im allgemeinen sehr geringen Geschwindigkeit. Ver- gleicht man nun in einem lange dauernden Versuch die Kurven des Elektro- meters miteinander einerseits und die gleichzeitig registrierten Hebelkurven des suspendierten Herzens anderseits, so fällt bei den letzteren die Form- konstanz auf, wogegen die ersteren durch ihre Formverschiedenheit impo- ı A.D. Waller, On the Elektromotiv Changes connected ete. Philosophie. transactions of the KR. Society of London. 1889. (B) Vol. CLXXX. p. 169, ef. p. 175. Archiv £. A, u. Ph, 1906. Physiol, Abtlg. Suppl. 14 210 A. SAMOJLOFF: nieren. Ein solcher Vergleich spricht unter anderem auch dafür, daß man für irgend welche ausgezeichnete Punkte der Kontraktionskurve keine ent- sprechenden Punkte in der elektrischen Kurve finden kann. Die diphasische Form des Aktionsstromes hängt davon ab, daß die ab- geleiteten Punkte zu verschiedenen Zeiten negativ werden. Die endgültige Form der elektrischen Kurve muß deshalb vom zeitlichen Ablauf und von der Intensität der Negativität des einen und des anderen Punktes, sowie von der Leitungsgeschwindigkeit der Erregung abhängen. Es spielen hier somit sehr viele Faktoren mit, die als Resultat die Elektrometerkurve be- dingsen. Haben wir es in einem Versuch mit einem entblößten Herzen zu tun, so üben die Temperaturen, der Grad der Feuchtigkeit, die unver- meidlichen Traumen u. dgl. ihren Einfluß aus. Die Verunstaltung der Kurve durch Temperatureinflüsse wurde eingehend von Bayliss und Starling! untersucht. Die wechselnden, die Kurve beeinflussenden Momente fallen fort, wenn man die Herzströme von einem unversehrten Tiere oder Menschen ableitet, wie es von A.D. Waller? und W. Einthoven? geschehen ist. In diesem Falle bekommt man, wie ich mich auch selbst gelegentlich überzeugen konnte, Elektrokardiogramme, die im Laufe langer Zeit ihre Form unver- ändert behalten. Die Beständigkeit des Elektrokardiogramms am unversehrten Tier im Vergleich zur wechselnden Form des entblößten Herzens hängt vermutlich noch von einem anderen Momente ab. Wenn wir am entblößten Herzen die Elektroden an irgend zwei Punkte der Herzoberfläche anlegen, so resul- tiert unsere Kurve von denjenigen Änderungen des elektrischen Zustandes, die sich bloß in den abgeleiteten Punkten abspielen. Jeder Einfluß, der in irgend einer Richtung den Zustand des einen von den beiden abgeleiteten Punkten ändert, kann somit auch die Form des Elektrokardiogrammes ändern. Ganz anders gestalten sich die Verhältnisse im Falle der nach A. D. Wallers Schema abgeleiteten zwei verschiedenen Körperteile eines unversehrten Tieres. Hier wird nicht von zwei bestimmten Herzpunkten, sondern gewissermaßen von sämtlichen Punkten der Herzoberfläche ab- geleitet. Die resultierende Kurve der Herzströme muß deshalb als eine Durchschnittskurve, auf deren Form unzählige Punkte des Herzens während seiner Aktion einen Einfluß ausüben, betrachtet werden. Das Elektro- ı W.M. Bayliss and E.H. Starling, On the electromotive phenomena of the Mammalian heart. Internationale Monatsschrift für Anatomie und Physiologie. 1892. Bd. IX. S. 256. ® A. D. Waller, a.a. O. > W. Einthoven, Über die Form des menschlichen Elektrokardiogramms. Pflügers Archw. 1895. 8. 101. BEITRÄGE ZUR ELEKTROPHYSIOLOGIE DES HERZENS. El kardioeramm des unversehrten Tieres muß deshalb, gerade weil es eine Durchschnittskurve darstellt, eine größere Beständigkeit besitzen, als das mehr individuelle von zwei Punkten abgeleitete Elektrogramm des ent- blößten Herzens. Von demselben Gesichtspunkte aus können wir auch die oben angeführte Beobachtung, daß die Hebelkurven des suspendierten Herzens beständiger als die Elektrokardiogramme sind, betrachten: die Hebelkurve ist auch in gewissem Sinne eine Durchschnittskurve, deren Gestalt von der Kontraktion sämtlicher Punkte des Herzens abhängt. In dem wechselvollen Bilde der Kurve bei Ableitung von zwei Ventrikel- punkten finden wir einen nie fehlenden Teil: eine rasche Erhebung der Kurve. Von einem immer sehr deutlich markierten Punkte steigt die Kurve steil nach oben und im Falle eines diphasischen Stromes sinkt sie ebenfalls rasch nach unten, wodurch eine Zacke entsteht. Trotz des mehr- fach von vielen Autoren geschilderten und im allgemeinen wohlbekannten Verlaufes des diphasischen Ventrikelstromes, macht es nicht selten im kon- kreten Fall doch Schwierigkeiten, eine gegebene Kurve richtig zu deuten. Die Ursache davon rührt manchmal daher, daß die geschilderte scharf an- setzende Zacke in vielen Fällen sehr klein ist und daß die Kurve nicht eine, sondern zuweilen zwei Zacken besitzt. Leitet man vom Vorhof und Ventrikel ab, so ist die richtige Deutung der Kurven noch umständlicher. Wir kommen weiter unten noch auf diesen Punkt zu sprechen. Ich habe oft Gelegenheit gehabt, zu beobachten, daß wenn man das Herz schonend entblößt und vorsichtig die ableitenden Fäden an die Herz- oberfläche anlegt, man keine starken Ausschläge bekommt; die ganze Form der Kurve erinnert dann an das menschliche Elektrokardiogramm in der von Einthoven gegebenen Form. Sowie man aber anfängt, mit dem Herzen zu manipulieren, namentlich wenn dabei die Ventrikelvorhofsgrenze mehrfach berührt wird, so werden die Ausschläge sofort groß. Überläßt man dann das Herz sich selbst, so beobachtet man, wie die Ausschläge immer kleiner werden und der anfänglichen Größe sich nähern. Nehmen wir nun an, wir leiten zum Elektrometer zwei Punkte des Ventrikels, von Basis und von der Spitze ab und erhalten ein entsprechendes Elektrogramm. Es fragt sich nun, wie gestalten sich die Verhältnisse, wenn wir jetzt die Basiselektrode auf den Vorhof umlegen und also vom Vorhof und von demselben Punkt der Basisspitze wie vorher ableiten. Ich finde bei den Autoren keine deutliche Antwort auf diese Frage. Auf Grund meiner Kurven kann man schließen, daß die erwähnte Veränderung der Ableitung keine nennenswerte Veränderung bewirkt, sämtliche Teile des Ventrikelelektrogramms bleiben bestehen in der früheren Form und es kommt nur eine kleine Vorhofsschwankung in Form einer kleinen Zacke hinzu. Auf der Fige. 2 und 3, Taf. XI ist das deutlich zu sehen. Es sei 14* 212 A. SAMOJLOFF: hier nebenbei auf die große Ähnlichkeit der Kurve Fig. 3, Taf. XI mit den Einthovenschen Elektrokardiogrammen vom Menschen hingewiesen. Eint- hoven deutete auf Grund besonderer Umstände sein Elektrokardiogramm als aus Vorhof- und Ventrikelschwankungen bestehend. Infolge der er- wähnten Ähnlichkeit seiner Kurven mit der in Fig. 3, Taf. XI wieder- gegebenen ist es leicht, der Einthovenschen Deutung gemäß anzugeben, welche Teile der Gesamtperiode der Vorhof- und welche der Ventrikel- schwankung angehören können. Die Richtigkeit einer solchen Deutung kann an meinen Kurven unmittelbar demonstriert werden, weil an letzteren die Kontraktionen des Vorhofs und des Ventrikels einzeln registriert sind. Wie zu ersehen ist, bestätigt der Vergleich der elektrischen und mecha- nischen Kurven der Fig. 3, Taf. XI die Deutung von Einthoven voll- ständig. Es wurde bereits von einigen Autoren angegeben, daß die Aktions- ströme des Vorhofes bedeutend schwächer sind, wie die des Ventrikels. In einer früheren Arbeit von Engelmann, in welcher die Aktionsströme des Herzens vermittelst des Differentialrheotoms beobachtet wurden, finden wir die Angabe, daß bei direkter Ableitung vom Vorhof die elektromotorische Kraft des Vorhofstromes im Vergleich zu der des Ventrikels höchst gering ist.! Ähnliches kann man auch schließen auf Grund einiger schematischer Zeichnungen und Photographien von A. D. Waller.® Ich fand dasselbe. Merkwürdig ist es aber, daß, wenn man vom Vorhof und der Ventrikelspitze ableitet, man nicht selten bloß die Ventrikelschwankung vom Elektrometer angezeigt, findet, dagegen keine Spur von Vorhofschwankung. Um diese Verhältnisse bequemer prüfen zu können, stellte ich einige Versuche an, in welchen drei Punkte des Herzens vermittelst dreier Elektrodenfäden zu einer Wippe abgeleitet waren. Die drei Punkte lagen im Vorhof, in der Atrioventrikulargrenze und an der Ventrikelspitze. Die Wippe ermöglichte während eines Trommelumganges die Ableitung so zu ändern, daß man blodB vom Ventrikel oder bloß vom Vorhof oder auch vom Vorhof und Ventrikelspitze ableiten konnte, wobei die Richtung des Stromes im Kapillar- elektrometer dieselbe blieb, d.h. gemäß den früheren Angaben der zuerst in Erregung kommende Herzteil mit dem Quecksilber der Kapillare ver- bunden war. Es stellte sich dabei heraus, daß tatsächlich bei direkter ı Th. W. Engelmann, Über das elektrische Verhalten des tätigen Herzens. Pflügers Archiv. 1878. Bd. XVII. 8. 68, vgl. S. 74. ® A.D. Waller, On the Action of the Exceised Mammalia Heart. Philosophical Transactions of the BR. Society of London. 1887. (B) Vol. CLXXVII. p. 215, vgl. p. 242. Siehe auch: A.D. Waller, On the Electromotiv Changes connected with the Blat of the Mammalian Heart and of the Human Heart in particular. Zbenda. 1889. (B) Vol. CLXXX. p. 169, vgl. p. 170. BEITRÄGE ZUR ELEKTROPHYSIOLOGIE DES HERZENS. 219 Ableitung vom Vorhof man immer, wenn auch zuweilen sehr schwache Ausschläge bekommt. Leitet man aber vom Vorhof und Ventrikelspitze, so werden nicht selten Vorhofschwankungen vermißt, die bei direkter Ab- leitung ganz ansehnlich sein können. Auf Grund eines Vergleiches meh- rerer diesbezüglicher Kurven konnte man dabei folgende Beziehung regel- mäßig auftreten sehen. Bei Ableitung vom Vorhof und Ventrikelspitze tritt die Vorhofschwankung dann deutlich ausgeprägt auf, wenn der Be- sinn der Vorhofskontraktion den Hg-Meniskus ungefähr in Nullstellung trift. Fällt dagegen die Vorhofskontraktion in diejenige Periode, wo der Quecksilbermeniskus in rascher Bewegung irgendwelche Phase der Ventrikelschwankung aufzeichnet, so wird die Vorhofschwankung gewisser-. maßen verschluckt. In Übereinstimmung damit finde ich in den wenigen bis jetzt publizierten Elektrogrammen, in welchen die Vorhof- und Ventrikel- schwankung als gesonderte Teile der Gesamtkurve auftreten, die Vorhof- schwankung meistens zu einer Zeit auftreten, wo die Ventrikelschwankung vollständig abgelaufen ist.! Die geschilderten Verhältnisse werden sehr gut durch die Fig. 4, Taf. XI illustriert. Die Kurve der Fig. 4 stammt von einem Versuch, in welchem das Herz eines kuraresierten blutdurchströmten Frosches an der Atrioventrikulargrenze vermittelst einer Klemme allmählich gequetscht wurde. Die Elektroden lagen am Vorhof und Ventrikelspitze. Beim Drehen der Schraube, die die Quetschung reguliert, bemerkt man eine starke Verlangsamung der Leitung, und namentlich eine Zunahme der Zeit für die Leitung vom Vorhof zum Ventrikel, weshalb es in der Fig. 4, Taf. XI den Anschein hat, als ob die Vorhofkontraktion nach der Ventrikel- kontraktion zustande kommt. Man sieht am Elektrokardiogramm ganz deutlich die Spitze, die den Anfang der Ventrikelschwankung markiert und auch ziemlich starke Ausschläge der Ventrikelschwankung. Dreht man die Schraube weiter und steigert dadurch den Grad der Quetschung, so beginnt nach einem kurzen Stillstand der Ventrikel mit einem selbständigen Rhyth- mus zu schlagen, dagegen setzt der Vorhof seine Kontraktionen ununter- brochen in früherem Tempo fort. Wir haben also hier einen Fall vor uns, wo die Vorhofschwankung auf verschiedene Phasen der Ventrikelschwankung fällt. Es ist an der Kurve sehr deutlich zu sehen, daß die Vorhofschwan- kung nur dann gut ausgeprägt ist, wenn sie zu einer Zeit auftritt, zu welcher der Quecksilbermeniskus ungefähr in der Nulllage sich befindet und keine rasche Bewegung ausführt. Wie oben gezeigt ist, wird der Charakter des Ventrikelelektrogranıms durch Hinzukommen der Vorhofschwankung nicht wesentlich geändert. Dieses Ergebnis ist eigentlich sehr merkwürdig und kann jedenfalls nicht ıA.D. Waller, 2.2.0. vgl. 8.242. W. Einthoven, a.2. 0. 214 A. SAMOJLOFF: ohne weiteres als verständlich betrachtet werden. Nehmen wir an, wir haben vor uns ein erregbares und leitungsfähiges Gebilde, dessen zwei Punkte a und 5 zum Elektrometer abgeleitet sind. Das Elektrometer ist imstande, bloß diejenigen elektrischen Zustandsänderungen wiederzugeben, die in den Punkten a und 5 sich vollziehen; das Instrument ist aber nicht imstande, die Zustandsänderungen eines zwischen a und 5 liegenden Punktes ce wiederzugeben, denn wenn der Punkt c durch Erregung elektro- negativ geworden ist, so sind die Punkte a und 5 beide elekropositiv und das Elektrometer gibt dementsprechend keinen Ausschlag. Anders werden sich die Verhältnisse gestalten, wenn wir eine Kombination vor uns haben, die aus zwei getrennten erregbaren Gebilden a5 und dc, die einander im Punkte c berühren und durch einen äußeren Mechanismus nacheinander erregt werden. Im ersten Fall würden wir einen diphasischen Strom, im anderen zwei einander folgende diphasische Ströme bei der Ableitung von a und 5 erhalten. Wenn wir diese Überlegung auf die Verhältnisse am Herzen übertragen, nämlich auf den Fall, daß die Ableitung von einem Vorhofspunkt a und einem Punkt der Ventrikelspitze d geschieht, so muß man sich die Frage vorlegen, ob es sich hier um ein einziges erregbares Gebilde, in welchem die Erregung von Punkt zu Punkt die Strecke a5 durchläuft, handelt, oder ob man das System Vorhof-Ventrikel aus zwei getrennten, bzw. durch eine in- differente Masse zusammengehaltenen erregbaren Teilen zusammengesetzt denken kann. Ist ersteres der Fall, dann könnte man bei Ableitung vom Vorhof und Ventrikelspitze nur einen diphasischen Strom erwarten; der Verlauf desselben müßte von dem bei alleiniger Ableitung vom Ventrikel sehr abweichen. Im zweiten Fall hätten wir dagegen ein System vor uns, das zwei einander folgende diphasische Schwankungen geben würde, wobei abwechselnd der Ventrikel die Rolle einer Elektrode für den Vorhof und darauf der Vorhof die Rolle einer Elektrode für den Ventrikel spielen würde. Auf Grund dieser Überlegung und in Anbetracht der Kurvenform bei Ableitung vom Vorhof und Ventrikel hätte man schließen können, daß im Herzen der Vorhof und der Ventrikel nicht durch unmittelbare Reiz- übertragung von einem Teil auf den anderen, sondern durch irgend einen anderen äußeren regulativen Mechanismus harmonische Kontraktionen aus- führen. Wir kommen somit konsequent zu der Fragestellung, ob die An- sicht von der unmittelbaren, allerdings an einer Stelle sehr verlangsamten muskulären Reizleitung von einem Herzteil auf den anderen, nicht im Widerspruche mit denjenigen Folgerungen steht, die wir auf Grund der Form des Elektrokardiogramms machen können. Wie oben auseinander- gesetzt ist, könnte man im Falle einer ununterbrochenen Reizleitung vom Vorhof auf den Ventrikel und bei Ableitung vom Vorhof- und Ventrikel- BEITRÄGE ZUR ELEKTROPHYSIOLOGIE DES HERZENS. 21:5 spitze einen diphasischen Strom erwarten, dessen Verlauf von den Erregungs- prozessen bloß der abgeleiteten Punkte abhängig ist. Unter den gegebenen Bedingungen erhalten wir aber, wie die Versuche zeigen, zwei einander folgende Schwankungen, die eine vom Vorhof, die andere vom Ventrikel. Dieses Resultat würde für eine unterbrochene Leitung zwischen den Herz- abteilungen sprechen. Es ist aber klar, daß, bevor man eine Entscheidung in dieser Frage trifft, man über einige Punkte ins klare kommen muß. Wie leicht einzusehen ist, handelt es sich vor allem um die Möglichkeit, daß die starke Verlangsamung der Reizleitung durch die Übergangsfasern eine zweiteilige Form des Elektrogramms verursachen kann. Es fragt sich also, ist es möglich, in einem muskulären Gebilde durch starke Verlang- samung der Leitung an einer umgrenzten Strecke solche Bedingungen her- zustellen, die eine zweiteilige Form des elektrischen Effektes analog dem System Vorhof-Ventrikel ergeben würden. Um diese Frage zu entscheiden, war eine Reihe von Versuchen an- gestellt, in welchen immer zwei Punkte der Ventrikeloberfläche zum Elektro- meter abgeleitet waren und darauf auf verschiedene Weise die Reizleitung an einer zirkumskripten Stelle zwischen den abgeleiteten Punkten möglichst verlangsamt wurde. Wir gelangen auf diesem Wege zu einigen Versuchs- anordnungen, die schon vor langer Zeit allerdings in einem ganz anderen Zusammenhange und aus anderer Veranlassung von J. Burdon- Sander- son und F. Page! verwirklicht wurden. Diese Autoren beschrieben eine Anzahl von Versuchen über die elektrischen Ströme des Schildkrötenherzens; zwei dieser Versuche berühren sehr nahe die von uns diskutierte Frage und müssen hier angeführt werden. Zwischen zwei abgeleiteten Ventrikelpunkten wurde der Ventrikel quer, aber nicht vollständig durchschnitten, so daß an einem Rande eine Brücke bestehen blieb. Es war dadurch, wie ersichtlich, weniger eine Verlangsamung einer zirkumskripten Stelle, als vielmehr eine Verlängerung des Weges für den Reiz geschaffen. Beim Vergleich der Kurven vor und nach der Ausführung des Schnittes war eine Veränderung des anfänglichen diphasischen Stromes nur insofern zu konstatieren, daß das Einsetzen der zweiten Phase entsprechend dem längeren Wege für die Propagation des Reizes etwas später erfolste (die entsprechende Kurve s. Figg. 14 und 15, Taf. VIII der zitierten Arbeit). Eine zweiteilige Form der Kurve bildete sich also nicht aus. Der zweite Versuch bestand in folgendem. Quer zur Achse des Ven- trikels zwischen zwei abgeleiteten Punkten war ein linearer Druck von 100 8m ausgeübt. Infolge des ausgeübten Druckes war die lineare Stelle ı J. Burdon-Sanderson and F. J. M. Page, The Journal of Physiology. Vol. IV. p. 327. 216 A. SAMOJLOFF: für den Reiz unpassierbar geworden; nach Wegnahme des drückenden Ge- wichtes stellt sich die Leitung ein und man bekommt im Resultate eine Kontraktion des ganzen Ventrikels mit einer verlangsamten Leitung an einer Stelle. Die entsprechenden Kurven des elektrischen Vorganges (siehe Fig. 17, Taf. VIII der zitierten Arbeit) lassen eine Verlangsamung der Lei- tung erkennen, aber auch in diesem Falle war die Veränderung der Kurve nicht derart, dad man in derselben eine Analogie mit der Vorhof-Ventrikel- kurve erblicken könnte. In meinen Versuchen wurden zur Hervorrufung der Verlangsamung der Leitung verschiedene Mittel angewandt: quere partielle Durchschneidung, quere lineare, starke Kühlung und endlich quere lineare Quetschung des Ventrikels. Positive unzweideutige Resultate wurden nur in Versuchen mit linearer Quetschung erzielt. Die Quetschung wurde vermittels einer besonders zu diesem Zwecke konstruierten Klemme ausgeführt, welche mit einer Schraube zum Regulieren der Stärke der Quetschung versehen war. Wenn man am kuraresierten Frosch die Quetschung zwischen zwei zum Elektrometer abgeleiteten Ven- trikelpunkten vornimmt, so erreicht man nach kurzer Zeit das Stillstehen der Spitze. Beim bloßen Beobachten der projizierten Kuppe des Queck- silbermeniskus sieht man, wie der anfängliche diphasische Aktionsstrom in einen monophasischen und zwar in einen ziemlich ausgiebigen monopha- sischen Strom sich umwandelt. Wenn die Quetschung nicht zu stark war, so kann man jetzt, indem man mit derselben nachläßt, beobachten, wie beim Erwachen der Tätigkeit der Ventrikelspitze der monophasische wiederum in den diphasischen übergeht. Diese Übergänge lassen sich mehreremal. wiederholen; es sei hierbei erwähnt, daß man diesen Versuch sehr schön zu Demonstrationszwecken anwenden kann. — Führt man die Quetschung mit großer Kraft aus, so scheint die Spitze definitiv still zu stehen, und läßt auch nach Abnahme der Klemme keine Bewegungen mehr beobachten. Gewöhnlich aber ist die Bewegungslosigkeit nicht definitiv; wahrscheinlich bleiben auch nach sehr starker Quetschung Elemente mit erhaltener Leitungsfähigkeit wach, so daß früher oder später die Spitze an den Herz- kontraktionen sich zu beteiligen anfängt. An kuraresierten Fröschen sieht man häufig am folgenden Tage nach einer starken Quetschung folgendes. Eine Zeitlang klopft nur der basale Teil des Ventrikels, nach einigen Hunderten von Kontraktionen beginnt dann auch der Spitzenteil sich zu kontrahieren. Hierbei kann man leicht beobachten, daß die Spitze im Laufe einer Zeit nur halb so viel mal Kontraktionen ausführt, wie der basale Teil des Ventrikels und daß darauf wiederum Perioden mit voll- ständig konformer Kontraktion des basalen Ventrikelteils und der Spitze folgen. Das Auftreten der !/, Rhythmus der Spitze spricht entschieden BEITRÄGE ZUR ELEKTROPHYSIOLOGIE DES HERZENS. 2. für eine erhebliche Verlangsamung der Reizleitung vom proximalen zum distalen Herzteil und entsprechend dem Sinne der ganzen oben gegebenen Auseinandersetzung ist es klar, daß für die Aufklärung der aufgestellten Frage gerade diejenigen Präparate, die diesen Halbrhythmus der Spitze aufweisen, ganz besonders wertvoll sind. In Fie. 5, Taf. XI sehen wir eine photographische Aufnahme von Kurven, die an einem Versuche mit dem geschilderten Präparate erhalten wurde. Wir sehen hier auf der linken Seite die konform ablaufenden, sehr ähnlichen und gegeneinander ver- schobenen Hebelkurven des basalen Teils des Ventrikels (untere Kurve) und der Spitze (obere Kurve). Auf der rechten Seite der Fig. 5, Taf. XI, kommt auf zwei Kontraktionen des basalen Teils nur eine Kontraktion des spitzen Teils des Ventrikels. Die elektrometrische Kurve zeigt auf der linken Seite deutlich, daß wir es hier mit einer zweiteiligen kombi- nierten Form zu tun haben. Es besteht hier jede Periode aus einer wohl ausgebildeten diphasischen Schwankung und einer ihr vorausgehenden kleinen nach unten gerichteten Zacke. Wenn wir nur die letztere berück- sichtigen, so finden wir, daß dieselbe mit wohl erhaltenem Rhythmus und gleichem Aussehen auch auf der rechten Seite der Figur sich wiederholt. Dagegen tritt die diphasische Schwankung rechts in einem zweimal lang- sameren Rhythmus auf und ist nicht so stark, wie linkerseits. Die kleine nach unten gerichtete Zacke stellt selbstredend den elektrischen Effekt des proximalen Ventrikelteils, die größere diphasische Schwankung den des distalen dar. Es bleibt dabei unklar, weshalb die Schwankung des basalen Teils monophasisch und mit der Spitze nach unten gerichtet ist; möglich, daß die erste Phase bei der geringen Stärke der Schwankung nicht zum Ausdruck gelangte. Warum auf der rechten Seite der Figur die zwei- phasische Schwankung geringer erscheint, ist unklar, die Erscheinung selbst aber ist ziemlich konstant, und ich habe dieselbe unter den geschilderten Versuchsbedingungen oft sogar stärker ausgeprägt gesehen. Um sicher zu sein, daß die Leitung der Reize vom proximalen zum distalen Ventrikelteil in dem beschriebenen Versuche tatsächlich auf direktem unmittelbarem Wege von Punkt zu Punkt geschieht und nicht etwa durch mechanischen Reiz auf die Spitze infolge starker Dehnung der Wände des mit Blut überfüllten Ventrikels wurden einige Versuche in derselben Art, aber an entbluteten Fröschen vorgenommen. Die erhaltenen Kurven ent- sprachen durchaus derjenigen der Fig. 5, Taf. X1. Die Versuche an Ventrikeln mit Verlangsamung der Leitung durch partielle Querschnitte und durch Kühlungen ergaben Kurvenformen ohne Auftreten des kombinierten zweiteiligen Typus. Der Ausgangspunkt der beschriebenen Versuche war folgender: in einem muskulären Gebilde sollten lokale Verlangsamungen der Reizleitung 218 A. SAMOJLOFF: bewirkt werden, um auf diese Weise eine Aufklärung über die Beziehungen zwischen der Reizleitung und Entstehung der elektischen Kurve des Herzens bei Ableitung von Vorhof und Ventrikel zu erlangen. Auf Grund der Versuche mit linearer Quetschung scheint die gestellte Aufgabe gelöst zu sein und wir können sagen, daß die Kurve des elek- trischen Vorganges beim Ableiten der Ströme vom Vorhof und Ventrikel- spitze nicht gegen eine ununterbrochene Leitung vom Vorhof zum Ven- trikel spricht. Seit Mareys Untersuchungen ist es bekannt, daß der Herzmuskel während seiner Tätigkeitsperiode bzw. des größten Teils derselben für Reize unempfänglich ist, d.h., daß er eine refraktäre Periode besitzt. Die Un- empfänglichkeit während der refraktären Periode wird hier im Sinne einer mechanischen Beantwortung seitens des Herzens verstanden. Es fragt sich, ob der Herzmuskel auch in bezug auf seine elektrische Reaktion refraktär ist. Letzteres ist sehr wahrscheinlich, denn gewöhnlich treten die mecha- nischen und elektrischen Äußerungen eines erregbaren muskulären Gebildes als Folgeerscheinungen eines gemeinsamen ursächlichen Momentes zusammen auf; dennoch gibt es Fälle, in denen die genannten Äußerungen unter bestimmten Bedingungen getrennt erscheinen können, weshalb die aufgestellte Frage vollständig berechtigt ist. Die Beantwortung der Frage konnte in sehr einfacher Weise geführt werden. Es wurden in einigen Versuchen am suspendierten, spontan sich kontrahierenden Herzens eines kuraresierten Frosches die Herzspitze mit Extrareizen in Form einzelner Induktionsschläge behandelt und der Effekt am Elektrometer beobachtet. Ein störendes Moment bilden allerdings die Stromschleifen der reizenden Induktionsschläge, die in das Elektrometer hineinbrechen können. Das Engelmannsche Prinzip der Schleifenamor- tisation konnte hier nicht angewandt werden, denn es erzielt nur einen Schutz gegen die physiologische Wirkung der Schleifen durch Minderung der Stromdichte der Schleifen. Immerhin wäre die Anwendung dieses Prinzips der schärferen Reizlokalisierung wegen wünschenswert, würde aber zu sehr das Anlegen der ableitenden Elektroden erschweren. In einem derartigen Versuch, der durch die Fig. 6, Taf. XI illustriert wird, war die Frequenz der künstlichen Reize etwas größer als die Frequenz der spontanen Herzschläge, weshalb sich hier nach einigen Reizen, die unwirksam geblieben sind, weil sie in die refraktäre Periode fielen, ein neuer Rhythmus mit Umkehrung der Richtung der Kontraktionsfolge ein- stellt. Die Hebelkurven (untere- Vorhof, obere -Ventrikel) bieten in ihren Beziehungen zueinander ein identisches Aussehen mit denjenigen, welche BEITRÄGE ZUR ELEKTROPHYSIOLOGIE DES HERZENS. 219 seinerzeit Engelmann! zum Beweis der reziproken Reizleitung und der Rolle des refraktären Stadiums bei der Umkehr der Reizleitung im Herzen gegeben hat. Die Ausschläge des Elektrometers sind nicht stark, weil die Elektroden, um dieselben möglichst weit vom Reizort zu halten, ziemlich nahe aneinander in der Nähe der Ventrikelbasis gelagert wurden. Man sieht deutlich, wie die drei ersten Reizungen, die in die refraktäre Phase fallen, ohne mechanischen und elektrischen Effekt bleiben. Der vierte Induktionsschlag bewirkt zum erstenmal einen Reizeffekt, wobei die Umkehr der Reizleitung sowohl an den Vorhof- und Ventrikelkurven, sowie auch am Elektrogramm abzulesen ist. Zwar sind die elektrischen Kurven vor und während der Einwirkung der künstlichen Reize nicht gerade Ordinaten- umkehrbilder, das könnte man auch kaum erwarten, aber die Umkehr der Reizleitung ist deutlich zu sehen: die erste rasche Erhebung vor den wirksamen Reizen tritt während der Einwirkung derselben als rasche Senkung auf. Nach Aufhören der künstlichen Reize entwickelt sich die kompen- satorische Pause: der von oben kommende Reiz fällt in die refraktäre Periode des Vorhofs, letzterer und der Ventrikel bleiben still. Die kompen- satorische Pause ist auch an der Elektrometerkurve zu sehen. Man kann bei dieser Gelegenheit beobachten, ob der elektrische Prozeß, der eine Tätigkeitsperiode des Herzens begleitet, in der Grenzen der Zeitperiode der Kontraktion vollendet ist oder nicht. In dem Falle Fig. 6, Taf. XI trifft das im großen und ganzen zu; in anderen Fällen dagegen (s. w. unten) dauert der elektrische Vorgang länger. Es sei hier noch ein Punkt berührt. Bekanntlich hat Langendorff? darauf hingewiesen, daß nach einer kompen- satorischen Pause die erste Kontraktion gedehnter und stärker ist wie die vorhergehenden. Ich habe bemerkt, daß so eine „kompensatorische Systole“ auch von einer gedehnteren und stärkeren elektrischen Schwankung gefolgt ist. Zuweilen ist sogar dieser Sachverhalt an dem Elektrogramm deutlicher wie am Myogramm. In unserem Fall der Fig. 6, Taf. XI scheint letzteres der Fall zu sein. Die erste Schwankung nach der kompensatorischen Pause ist unzweifelhaft gedehnter als die zweite, sie wird gewissermaßen frühzeitig von der zweiten folgenden unterbrochen. ! Th. W. Engelmann, Beobachtungen und Versuche am suspendierten Herzen. Dritte Abhandlung. Refraktäre Phase und kompensatorische Ruhe in ihrer Bedeutung für den Herzrhythmus. Pflügers Archiv für die gesamte Physiologie. 1895. Bd. LIX. S. 309, vgl. S. 339, Figg. 17 und 18. ? 0. Langendorff, Über elektrische Reizung des Herzens. Dies Archiv. 1885. Physiol. Abtlg. S. 284. Untersuchungen am überlebenden Säugetierherzen. III. Vorüber- gehende Unregelmäßigkeiten des Herzschlages und ihre Ausgleichung. Pflügers Archiv für die gesamte Physiologie. 1898. Bd. LXX. 8.473. Siehe auch Bottazzi, Über die postkompensatorische Systole. Zentralblatt für Physiologie. 1896. Bd. X. 8. 401, 220 A. SAMOJLOFF: Nicht weniger deutlich sind die geschilderten Erscheinungen in einem anderen Versuch, der durch Fig. 7, Taf. XI illustriert wird. Es wurden hier die Aktionsströme von der Ventrikelbasis und von der Spitze abgeleitet; die reizenden Elektroden lagen am Vorhof. Die Schließungsschläge waren abgeblendet, es gelangten zur Wirkung nur Öffnungsschläge. Die Öffnung und Schließung des Primärstromes geschieht nicht in regelmäßigen Zeit- intervallen; der Moment der Öffnung entspricht dem Punkte in der Figur, wo die breite weiße Linie nach unten verschoben erscheint. In diesem Versuch waren leider Stromschleifen vorhanden, wie man das an den schwachen Zacken der Elektrometerkurve entsprechend dem Momente des Einbrechens des Öffnungsschlages sieht.! Von den sechs Reizen, die in der Fig. 7 Taf. XI vorkommen, bleiben der erste und der fünfte wirkungslos, weil dieselben in die refraktäre Periode des Vorhofes fallen; das Ausbleiben der Wirkung dokumentiert sich auch am Elektrogramm. Die übrigen vier Reize fallen auf verschiedene Momente der Vorhofperiode und lösen Extrasystolen des Vorhofes aus, die von Extrasystolen des Ventrikels begleitet sind. Die kompensatorische Systole ist hier nicht stärker und nicht pro- trahierter wie vor der Reizung, dagegen ist die elektrische Reaktion nach der kompensatorischen Pause ganz bedeutend stärker und gedehnter, wobei, wie es scheint, die Verstärkung parallel mit der Dauer der kompensato- ‚rischen Pause zunimmt. Eine sehr zu beachtende Eigentümlichkeit der Versuche Fig. 7, Taf. XI besteht noch darin, daß die elektrische Kurve, die dem Extrareiz entspricht, einen ganz abweichenden Charakter im Ver- gleich zu den die spontanen Kontraktionen begleitenden Aktionsströmen besitzt. Letzterer Umstand ist um so merkwürdiger, als die Aktionsströme vom Ventrikel, der nicht direkt vom Reize getroffen wird, sondern vom Vorhof her zur Tätigkeit angeregt wird, abgeleitet sind. Allerdings erreichen die Stromschleifen den Ventrikel; man sieht das deutlich an den kleinen den Momenten des Hereinbrechens der Öffnungsschläge entsprechenden Zacken. Nichtsdestoweniger kann man sich auf Grund des zeitlichen Ver- laufes des Elektrogramms und der Hebelkurven leicht überzeugen, daß die Ventrikelkontraktion nicht direkt durch den Öffnungsschlag, sondern durch den vom Vorhof kommenden Reiz hervorgerufen wird. Es wäre deshalb kaum anzunehmen, daß die Ursache des abweichenden Verlaufes der Extraelektrogramme in den Stromschleifen zu suchen sei. Eher könnte man schon an die Mitreizung der im Vorhof verlaufenden Vagusfasern denken. Wenn es auf Grund der oben angeführten Ursache keinem Zweifel mehr unterliest, daß das Herz auch in bezug auf den elektrischen Effekt ! Bei der Reproduktion nicht wiedergegeben. BEITRÄGE ZUR ELEKTROPHYSIOLOGIE DES HERZENS. 921 eine refraktäre Periode besitzt, so schien es doch wünschenswert, die Ver- suche in einer anderen Anordnung zu wiederholen, um vor allem die störenden Momente bei den beschriebenen Experimenten mit künstlichen Extrareizen, wie die Stromschleifen und das wahrscheinliche Mitreizen der Vagusfasern zu umgehen. Es wurden deshalb Versuche mit Erwärmung bzw. Kühlung ver- schiedener Herzteile angestellt, um auf diese Weise die elektrischen Effekte während der Erscheinung ganzzähliger Änderung des Kontraktionsrhythmus des Ventrikels beobachten zu können. Man bewirkt bekanntlich durch Temperatureinflüsse in der einfachsten Art durch Beschleunigung der Schläge des Sinus und des Vorhofes bzw. durch Verlangsamung des Kon- traktionsablaufes des Ventrikels eine Störung der normalen Herzkontraktionen, bei der der vom Vorhof kommende Reiz in die refraktäre Periode des Ventrikels fällt und unbeantwortet bleibt. Dementsprechend wurde der Sinus erwärmt, bzw. die Vorhofsventrikelgrenze gekühlt, bzw. gleichzeitige Erwärmung des Sinus und Abkühlung der Vorhofsventrikelgrenze in der von v. Kries! angegebenen Weise vorgenommen. Die Versuche dieser Reihe sind von Bedeutung nicht nur für die Beantwortung der oben gestellten Frage über refraktäre Periode bezüglich des elektrischen Effektes seitens des Herzens, sondern bieten ein gewisses Interesse auch in anderen Be- ziehungen, wie es aus der Besprechung der Kurven zu ersehen sein wird. Figg. 8a und 82, Taf. XI, stammen von einem Versuch mit Er- wärmung des Sinus und Kühlung der Vorhofventrikelgrenze an einem kuraresierten Frosch. Beide Figuren sind Ausschnitte aus einem und dem- selben Blatt; der Raumersparnis wegen ist der Zwischenraum zwischen «a und 5, der 20 Ventrikelsystolen enthält, weggelassen worden. Die Wirkung der Erwärmung und Kühlung ist bereits am Anfange der Fig. 8a zu sehen. Die Vorhofschläge werden frequenter, der Ventrikel folgt anfangs der Frequenzzunahme, wobei aber der Anfang der Vorhofkontraktionen, wie es auf der Figur sehr deutlich, gewissermaßen gegen die Ventrikelkontraktionen verschoben erscheint, so daß schließlich der vom Vorhof kommende Reiz in die refraktäre Periode des Ventrikels fällt und daher ohne Wirkung bleibt. Es entsteht auf diese Weise der halbe Rhythmus des Ventrikels. Letzterer erstreckt sich im weiteren Verlaufe auf den ganzen fehlenden Zwischenteil und erscheint dann wiederum in Fig. 85. Es sei beiläuig bemerkt, daß die Vorhofkontraktionen in a etwas langsamer erfolgen als am Ende der Fig. 85, obwohl die Durchleitung von kaltem und warmen Wasser ununterbrochen fortgesetzt wurde. Diese Erscheinung der zu starken ı J.v. Kries, Über eine Art polyrhythmischer Herztätigkeit, Dies Archiv. 1902. Physiol. Abtlg. 8. 477. 222 A. SAMOJLOFF: Frequenzzunahme der Vorhofschläge am Anfange einer einigermaßen raschen Erwärmung trat in meinen Versuchen regelmäßig auf. Es ist wahrschein- lich dasselbe Phänomen, welches Engelmann am Froschbulbus beobachtete.! Trotz der geringen Abnahme der Vorhofkontraktionen in Fig. 85 ist der Ventrikel infolge der fortgesetzten Kühlung seinen !/, Rhythmus aufrecht zu erhalten nicht imstande; er führt zwei Kontraktionen, die man als !/, Rhythmus deuten kann und geht wiederum in !/, Rhythmus über. Ich möchte hier erwähnen, daß die Versuchsanordnung mir 'gestattete, das Phänomen der polyrhythmischen Tätigkeit im Sinne von von Kries zu beobachten. Ich sah oft den Ganzrhythmus sprungweise in !/,, in !/, zuweilen auch in !/, Rhythmus übergehen. Der !/, Rhythmus kam, wenn überhaupt, nur selten zum Vorschein und nur als eine flüchtige, ein bis zwei Kontraktionen dauernde Zwischenperiode im Übergangsstadium vom Rhythmus !/, zum Rhythmus !/, oder zurück zum Rhythmus !/,, wie im vorliegenden Falle. Gehen wir zur elektrischen Kurve der Figg. 8a und 82, Taf. XI über. Schon am Anfange der Fig. 8a, Taf. XI sehen wir gleichzeitig mit der Änderung der Frequenz der Herzkontraktionen eine eigentümliche Änderung des Elektrogramms des Ventrikels. Allerdings nimmt die Höhe der Zacken fortwährend ab, es scheint aber auch ohne Messung klar hervorzugehen, daß bei der Abnahme der Periodenlänge die einzelnen Schwankungen nicht proportional in ihrer ganzen Konfiguration abnehmen, sondern, daß die Abnahme sich hauptsächlich auf einen bestimmten Teil der Kurve be- schränkt. Es ist hier in der überzeugendsten Weise eine Antwort auf eine Frage gegeben, die Hofmann? bezüglich der Form des Kontraktions- verlaufes gestellt hat, ob nämlich „die Kontraktionskurve der frequenteren. Reizung ein verkleinertes Abbild von der einer selteneren Reizung dar- stellt“. Man sieht deutlich, dab in bezug auf den Verlauf der Aktions- ströme die Veränderung mit der Zunahme der Frequenz nicht nach dem Prinzipe des verkleinerten Abbildes geschieht, sondern in einer ganz eigen- tümlichen Weise zum Vorschein kommt. Ein näheres Eingehen auf diese Verhältnisse führt uns zur Frage nach der Dauer des elektrischen Vorganges im Vergleich zur Dauer der Systole + Diastole des Ventrikels. Was den quergestreiften Muskel anbetrifft, so ‘ Th. W. Engelmann, Der Bulbus Aortae des Froschherzens. Pflügers Archiv für die gesamte Physiologie. 1882. Bd. XXIX. 8.425, vgl. S. 456—458. Siehe auch Ph. Knoll, Sifzungsberichte der Akademie der Wissenschaften. Math.-naturw. Klasse. Wien. 1893. Heft I bis X. S. 387, vgl. S. 393. ® F. B. Hofmann, Über die Änderung des Kontraktionsablaufes am Ventrikel und Vorhöfe des Froschherzens bei Frequenzänderungen und im hypodynamen Zustande. Pflügers Archiv für die gesamte Physiologie. Bd. LXXXIV. 8.130, vgl. S. 144, 145. BEITRÄGE ZUR FLEKTROPHYSIOLOGIE DES HERZENS. 223 steht es fest, daß der größte Teil der Schwankung schon während der mechanischen Latenzperiode abgelaufen ist. Ganz anders ist es beim Herzen. Auch bei der kürzesten Dauer der Schwankung nimmt dieselbe einen großen Teil der Tätigkeitsperiode des Herzens. Es gibt aber Fälle, die am ungezwungendsten so zu deuten sind, daß die Schwankung von längerer Dauer ist, wie die Kontraktionsperiode (s. z. B. die Fig. 9, Taf. XII. In unserem Falle der Fig. S, Taf. XI scheinen die Verhältnisse so zu liegen, daß die diphasische Schwankung von kürzerer Dauer ist, wie die Periode der Herztätigkeit und endet mit einem Stück ungefähr auf der Nullhöhe. Allerdings läuft dieses Stück in dem ersten kleineren Teil der Fig. 8a, Taf. XI nicht der Abszisse parallel, nimmt aber im späteren Verlauf eine parallele Richtung ein. Auf Kosten dieses Stückes, welches also den Kurventeil nach dem Ablauf der ganzen Schwankung darstellt, geschieht hier die Ver- kürzung der Periode. In der letzten Periode vor dem Auftreten des /,-Rhythmus des Ventrikels ist von diesem Kurventeil nur ein ganz kleines Stück zu sehen; würde der Ventrikel noch weiter die frequenten Vorhof- schläge beantworten und nicht in den !/,-Rhythmus übergehen, so würde die Verkürzung der Periode auf Kosten der Schwankung selbst zustande kommen müssen. Letzteres geschieht von vornherein in denjenigen Fällen, in welchen die Ventrikelschwankung beim normalen Ablauf der Kontraktion die Dauer der letzteren übertrifft, wie z. B. in der Fig. 9, Taf. XI. Betrachten wir die erste Kontraktion des !/,-Rhythmus des Ventrikels in Fig. 8a, Taf. XI. Entsprechend den Vorstellungen über die Funk- tionen des Herzens muß man annehmen, daß hier eine Reizbeeinflussung, die vom Vorhof kommt, in die refraktäre Periode des Ventrikels fällt und deshalb vom letzteren unbeantwortet bleibt. Den unmittelbaren Beweis für eine derartige Entstehung der ersten Kontraktion des Ventrikels im !/,-Rhyth- mus, für eine Zusammensetzung derselben aus einer Kontraktion ähnlich der vorhergehenden im Ganzrhythmus und darauffolgenden ebensolange dauernden Pause liefert der entsprechende Verlauf des elektrischen Vor- ganges. Der Verlauf des letzteren ist zusammengesetzt aus einer der vor- gehenden identischen Schwankung und einer Pause, die sich als eine der Abszisse parallele Linie dokumentiert. Es ist hier ein unmittelbarer Beweis dafür gegeben, daß eine Kontraktion fehlt, daß wir es hier mit einer reinen Ausfallserscheinung zu tun haben. Die zweite und die folgenden Kon- traktionen des !/,-Rhythmus illustrieren den Tatbestand nicht so deutlich, weil das Bild des Tätigkeitsablaufes des Ventrikels entsprechend der Ver- langsamung im !/,-Rhythmus sich ändert. Noch hübscher und absolut durch keine Umstände getrübt ist die Entstehung des !/,-Rhythmus in beiden Kontraktionen der Fig. 85, Taf. XI zu sehen. Es sei hier noch auf einen Punkt der Fig. 8, Taf. XI eingegangen. 224 A. SAMOJLOFF: Wenn man auf einer und derselben Fläche die Kontraktionskurve und den Verlauf des elektrischen Vorganges aufgezeichnet vor sich hat, so ist es leicht zu entscheiden, ob irgendwelche ausgezeichnete Punkte der einen Kurve mit solchen der anderen fest aneinander gebunden sind. Ist letzteres der Fall, so müßte bei Frequenzänderungen wie in unserem Falle, bei der veränderten Konfiguration der Kurven ein solcher Zusammenhang sich deutlich dokumentieren. Betrachtet man die Kurven der Fig. 8, Taf. XI von diesem Gesichtspunkte aus, so ist es ohne weiteres zu erkennen, daß ein derartiger Zusammenhang nicht vorhanden ist. Fig. 9, Taf. XII rührt von einem Versuch, der in ähnlicher Weise an- gestellt ist, wie der vorhergehende. Der Aktionsstrom ist hier monophasisch. Im übrigen wiederholen sich hier die vorhin geschilderten Erscheinungen und wir haben wiederum einen typischen Fall einer sprungweisen Rhythmus- änderung durch Ausfall. Die Schwankung überdauert hier aber bereits von vornherein die Periode der Tätigkeit des Ventrikels, weshalb wir im Ventrikelelektrogramm entsprechend der ersten Kontraktion im !/,-Rhyth- mus keine Pause, keinen Ausfall in Form einer zur Abszisse parallelen Linie wie in Fig. 8 haben; anstatt der parallelen Linie entwickelt sich hier in ungestörter Form die Fortsetzung der Schwankung, die in den vorher- gehenden Perioden infolge der kurzen Dauer derselben nicht zustande kommen konnte. Gegen diese Deutung des ersten Ventrikelektrogramms im !/,-Rhythmus als eine ungestörte Fortsetzung der Schwankung würde man hervorheben können, daß es sich in diesem Falle möglicherweise um einen Ruhestrom gehandelt hat und daß während der Pause der: Hg- Meniskus in die Gleichgewichtslage entsprechend dem Potentiale des Ruhe- stromes hinstrebte. Es ist dem gegenüber zu erinnern, daß die Einstellungs- zeit des Kapillarelektrometers sehr kurz ist und die Einstellung auf ein gegebenes Potential bei der in Rede kommenden Bewegungsgeschwindigkeit der Trommel fast in einer Vertikallinie geschieht, wie es in Fig. 1, Taf. XI dargestellt ist. Die in den zwei obigen Versuchen geschilderte Form der Rhythmus- änderung der Ventrikelschläge und die durchaus klaren Verhältnisse der elektrischen Effekte, die dabei beobachtet wurden, traten aber nicht in sämtlichen Versuchen auf. Daß der Übergang vom Ganzrbythmus zum !/,-Rhythmus in verschiedener Weise geschehen kann, hat bereits Tren- delenburg! auf Grund seiner Versuche mit künstlicher Reizung am iso- lierten Herzen festgestellt. Die Übergangsform, die in seiner Arbeit in ı W. Trendelenburg, Untersuchungen über das Verhalten des Herzmuskels bei rhythmischer elektrischer Reizung. Dies Archiv. 1903. Physiol. Abtlg. S. 271, vgl. S. 284 und 291. BEITRÄGE ZUR ELEKTROPHYSIOLOGIE DES HERZENS. 225 Fig. XI, Taf. V angegeben ist, stimmt vollständig mit der in Figg.8 (Taf. XI) und 9 (Taf. XII) dargestellten überein. Eine andere Übergangsform der ganz- zahligen Rhythmusänderung, die ich als zweite typische Form bei der von mir benutzten Versuchsanordnung oft zu sehen bekam, ist nicht ohne weiteres als eine Ausfallerscheinung zu deuten, denn das was hier am meisten auf- fällt, ist nicht der Ausfall einer Kontraktion, sondern vielmehr eine Art Verschmelzung zweier Kontraktionen zu einer einzigen. Die Fig. 10 (Taf. XII) rührt von einem Versuch an einem kuraresierten Frosch mit Erwärmung des Sinus und Kühlung der Vorhofventrikelgrenze her. Man sieht hier keine Zunahme der Frequenz der Vorhofkontraktionen. Wahrscheinlich rührt das davon her, daß in diesem Falle auch ein großer Teil des Vorhofs abgekühlt war und die schnell aufeinanderfolgenden vom erwärmten Sinus herrührenden Reize zum Ventrikel schon in einer hal- bierten Zahl gelangten. Was die Ventrikelkontraktion anbetrifit, so besteht die erste Änderung des Rhythmus darin, daß sich in eigenartiger Weise neben dem ursprünglichen noch ein !/,-Rhythmus ausbildet. Es entwickelt sich nämlich ein !/,-Rhythmus, der anfangs sich nur darin äußert, daß bei jeder zweiten Kontraktion der Ventrikelhebel die Abszisse nicht erreicht, wodurch eine große Periode, gewissermaßen die Unteroktave entsteht. Die beiden Teile, die in der großen Periode enthalten sind, besitzen anfangs gleiche Höhe, später werden sie ungleich, indem jede zweite um ein ge- ringes niedriger wird. Zu gleicher Zeit tritt die Trennung der beiden Kontraktionen immer weniger ausgesprochen auf und es kommt zu einer wahren Verschmelzung und im Resultate zum !/,-Rhythmus. Beim Betrachten der elektrischen Kurven läßt sich erstens leicht fest- stellen, daß die Erscheinung des Auftretens einer neuen Periode von doppelter Dauer schon zu einer Zeit auftritt, wo man an den Verkürzungs- kurven kaum eine Änderung wahrnimmt. Das Vorhandensein der neuen Periode äußert sich zuerst darin, daß die Stromschwankungen sich zu Paaren ordnen; im weiteren Verlauf verliert sich mehr und mehr die Ähnlichkeit der das Paar bildenden Teile und es kommt schließlich auch hier zu einer Verschmelzung, Es sei hier bemerkt, daß das Stadium der ungleich aussehenden einander folgenden Schwankungen, von denen die eine z. B. höher, die andere niedriger, die dritte wiederum höher usw., bei Änderungen des Rhythmus von 1 zu !/, eine sehr häufige und zuweilen sehr lange dauernde Erscheinung ist. Es kommt nicht selten vor, dab nachdem in der geschilderten Weise eine Verschmelzung eingetreten ist, sofort am Elektrogramm eine viermal längere Periode gewissermaßen die zwei Unteroktave sich ausbildet. In anderen Fällen konnte ich beobachten, daß nach dem Auftreten der ersten ungleich aussehenden miteinander wechselnden Schwankungen der weitere Prozeß der Verschmelzung ab- Archiv £ A.u. Ph, 1906. Physiol. Abtlg. Suppl. 15 226 A. SAMOJLOFF: gebrochen wird und ein 1/,-Rhythmus durch Ausfall, wie früher be- schrieben, auf einmal und anhaltend auftritt. In der Mehrzahl der Fälle ist aber‘der Gang der Erscheinungen der wie in Fig. 10, Taf. XI. Die Un- gleichheit der Einzelteile der großen Periode wird während der Dauer weniger Kontraktionen so stark, daß man in der großen Periode die dieselbe komponierenden Teile nur mit Schwierigkeit erkennt. Die Ausschläge des Elektrometers werden dabei ungemein groß; diese Erscheinung während der Übergangsperiode zum !/,-Rhythmus durch Verschmelzung ist etwas ganz Typisches. Sowie man während des Versuches die großen langperiodigen Ausschläge am Projektionsbilde sieht, kann man sicher sein, daß der Ventrikelhebel gespaltene bzw. schon verschmolzene Kurven schreibt. Die geschilderte Form des Übergangs und zwar vom !/, zum \/,"Rhythmus ist sehr schön in der Fig. 11, Taf. XII zu sehen, die von einem in derselben Art wie der vorher beschriebene angestellten Versuche herrührt. Wenn man sich über die Natur und die Ursache der großen Schwankungen bei den beschriebenen Versuchen fragt, so könnte man in Anbetracht der gespaltenen Form der Ventrikelkure auf den Gedanken kommen, daß eine Muskelfaser des Herzens, die vor der Beendigung einer Kontraktion zu einer erneuerten Tätigkeit angeregt wird, die eigenartige superponierte Form der elektrischen Schwankung auftreten läßt. Diese Möglichkeit ist aber nicht anzunehmen, denn bei den Versuchen mit künstlicher Reizung und Hervorrufung von Extrasystolen sah ich kein einziges Mal elektrische Effekte seitens des Ventrikels, die irgend eine Ähnlichkeit mit den bei der Verschmelzung geschilderten hätten (vgl. Fig. 7, Taf. XI). Anderseits liegen keine Gründe vor, die erwähnten großen Schwankungen auf Kältewirkung zurückzuführen. Daß in unserem Falle die elektrischen Effekte des Übergangsstadiums nicht als direkte Kältewirkung zu betrachten sind, geht aus folgendem hervor. Wenn man in einem Versuch den Übergang in den !/,-Rhythmus bewirkt hat und nun mit dem Abkühlen und Erwärmen aufhört, so findet man, daß beim Übergang vom !/,-Rhythmus zum Ganzrhythmus an der Ventrikelkurve dieselbe gespaltene Form und am Elektrogramm dieselben großen Schwankungen auftreten, aber natürlich alles in umgekehrter Richtung. In Fig. 12, Taf. X1I, die von demselben Versuche wie dieFig. 11, Taf. XII stammt, haben wir den vorhin geschilderten Vorgang in umgekehrter Richtung mit allen Einzelheiten wiederholt, vor uns. Es handelt sich hier nicht um den Übergang einer einfachen Kon- traktion in die Form, die wir vorhin als eine verschmolzene bezeichneten, sondern umgekehrt, eine große Ventrikelkurve spaltet sich hier in zwei kleinere. Die besondere Art der großen Ausschläge des Elektrometers, die uns jetzt interessiert, rührt also nicht von der Kältewirkung als BEITRÄGE ZUR ELEKTROPHYSIOLOGIE DES HERZENS. 227 solcher, sondern von den durch lokale Temperaturänderungen bewirkten Rhythmusänderungen her. Was die Übergangsform der Ventrikelkurve anbetrifft, so könnte man dieselbe verstehen, wenn man, wie das bereits von Gaskell und Trendelen- burg! geschehen ist, annimmt, daß nicht immer sämtliche Ventrikelfasern in einem und demselben Rhythmus sich zusammenziehen. Man kann sich also vorstellen, daß infolge ungleichzeitiger Ausbreitung derjenigen Ein- flüsse, die die sprungweise Rhythmusänderung bewirken (in unserem Falle die Temperatur), ein Teil der Ventrikelfasern schon den Rhythmus !/, angenommen hat, während der übrige Teil noch im Ganzrhythmus schlägt; mit jedem Herzschlag vermindert sich die Zahl der Fasern des !/,-Rhyth- mus auf Kosten der Zahl der Ganzrhythmusfasern. Dazu kommt noch der wichtige Umstand hinzu, daß die Kontraktionen der Fasern mit dem !/,-Rhythmus gedehnter sind als die der Ganzrhythmusfasern. Auf diese Weise läßt es sich am einfachsten und ungezwungensten die gespaltene Form der Kontraktionskurven im Übergangsstadium erklären. Wenn wir diese Erklärung annehmen, so kommen wir zum Schluß, daß der Über- gangsmodus vom Ganz- zum !/,-Rhythmus, der das Bild einer Verschmelzung darbot, im Grunde ebenfalls, wie der erste Übergangstypus, eine Ausfalls- erscheinung ist mit dem Unterschiede nur, daß in einem Falle der Aus- fall einer Kontraktion in sämtlichen Fasern gleichzeitig, im anderen Falle dagegen nur partiell erfolgt. Was die elektrischen Kurven anbetrifft, so konnte ich keine schematische Konstruktion finden, die das Aussehen der großen Schwankungen in allen Einzelheiten erklären würde. Nichtsdestoweniger scheint mir, daß die Form der Schwankungen, die das gleichzeitige Erscheinen zweier Rhythmen deutlich auftreten läßt, mit der Annahme partieller Kontraktion der Ven- trikelfasern sich am ehesten verträgt. Es ist wohl möglich, daß die Erscheinung der Verschiedenheit des Rhythmus der Kontraktionen einzelner Ventrikelteile sehr häufig vorkommt. Man sollte jedenfalls an diese Möglichkeit immer denken, wenn der Ver- lauf der Stromschwankung eine komplizierte Form und Auftreten mehrerer backen aufweist. Bei Experimenten am entblößten Herzen, welches ver- schiedenen äußeren Einflüssen ausgesetzt ist, können wohl die erwähnten Störungen auftreten und entweder sehr große Ausschläge, wie wir das ganz am Anfange erwähnt haben, oder Schwankungsformen, die an Tetanus er- innern, resultieren. Bei partiellen Temperaturänderungen des Herzens be- kommt man oft solche tetanusartige Schwankungen zu sehen; zuweilen kommt es zu einer wahren elektrischen Unruhe, die schwer in einen Zu- 17A,2. 0: 15% 228 A. SAMOJLOFF: sammenhang mit der gleichzeitig geschriebenen Verkürzungskurve zu bringen ist. In Fig. 15, Taf. XI, die zu einem anderen Zwecke hier angeführt ist, tritt diese Unruhe zur Zeit der Rhythmusänderung des Ventrikels, aller- dings als eine flüchtige Erscheinung, auf; ich sah zuweilen eine derartige elektrische Unruhe beinahe die Länge des ganzen Papierstreifens einnehmen. Die Fig. 13, Taf. XII stammt von einem Versuch am entbluteten Frosch. Es wurde vom Ventrikel zum Blektrometer abgeleitet, der Vorhof und der Ventrikel einzeln suspendiert und der Sinus allein alternierend erwärmt und gekühlt. Der erste breite vertikale Streifen zeigt den Anfang der Erwärmung, der zweite der Kühlung und der dritte wiederum der Erwärmung des Sinus an. Man sieht hier, daß auch ohne Kühlung der Vorhofventrikel- grenze, wie in den früheren Versuchen, bloß durch Erwärmung des Sinus und Vermehrung der Zahl der zum Ventrikel gelangenden Reize, der Ventrikel sofort beide Male den !/,-Rhythmus annimmt. Wir sehen hier also die im schnellen und im langsamen Tempo auf- einanderfolgenden Kontraktionen des Ventrikels und die entsprechenden elektrischen Effekte seitens des Ventrikels. Das Wichtigste an der Fig. 13 scheint das Ergebnis zu sein, daß die elektrische Schwankung während der ganzen Zeit mit Ausnahme der kurzdauernden Übergangsperioden dieselbe Dauer und unveränderten Verlauf aufweist. Daß die Erwärmung des Sinus nicht erfolglos war, sieht man an der sehr starken Zunahme der Frequenz der Vorhofschläge, der Erfolg der Sinuskühlung ist auch deutlich. Wir sehen also, daß in dem Versuch, welcher durch die angegebene Figur illustriert wird, die lokale Änderung der Temperatur derjenigen Stelle, von welcher die Reize zum Ventrikel gelangen, keine Veränderung des Erregungs- ablaufes im Ventrikel bewirkt. Man gelangt somit zu einer Schlußfolgerung, deren Gültigkeit bezüglich des Nerven und des quergestreiften Muskels be- reits festgestellt ist.! Es scheint somit, daß die Annahme, nach welcher die Veränderung des zeitlichen Verlaufes der Erregungswelle bei lokalisierter Beeinflussung auf die beeinflußte Stelle beschränkt bleibt, eine allgemeine Bedeutung besitzt. Es muß allerdings hinzugefügt werden, daß es Fälle gibt, in welchen man bei derselben Versuchsanordnung auch ein negatives Resultat zu sehen bekommt. Ich glaube aber, daß in der berührten Frage ein positives Re- sultat mehr Bedeutung hat, als ein negatives. Eine Veränderung des Er- ! 1L.Hermann, Handbuch. 1.1 8.39; U. 1. 8.23. — T.Verwej, Dies Archiv. 1893. Physiol. Abtlg. S.504. — H. Boruttau, Pflügers Archiv. 1896. Bd.LXV. 8.15. — Derselbe, Zeitschrift für allgemeine Physiologie. Bd. IV. S. 289. BEITRÄGE ZUR ELEKTROPHYSIOLOGIE DES HERZENS. 229 regungsablaufes im Ventrikel bei verschiedener Temperierung des Sinus kann schon durch eine geringe Übertragung der Erwärmung oder Kühlung auf den Ventrikel zustande kommen, andererseits aber muß man damit rechnen, daß die Änderung der Schlagfolge des Ventrikels an sich schon ein Moment darstellt, welches in den meisten Fällen zu Änderungen des Erregungsverlaufes führt. Um so wertvoller erscheinen diejenigen Fälle, die, ungetrübt durch die erwähnten störenden Momente, die Gültigkeit des obigen Satzes auch für das Herz wahrscheinlich machen. Den Inhalt der vorliegenden Untersuchung kann man in folgenden Worten resumieren: 1. Es wird die Form der elektrischen Schwankung beim Ableiten vom Vorhof und Ventrikel diskutiert und durch Versuche gezeigt, daß diese Form der Annahme einer ununterbrochenen Reizleitung vom Vorhof zum Ventrikel nicht widerspricht. 2. Es wird auf Grund von Versuchen mit künstlicher Reizung und Temperaturwirkungen am spontanschlagenden Herzen gezeigt, daß der Ven- trikel auch in bezug auf seine elektrischen Äußerungen eine refraktäre Periode besitzt. - 3. Es werden zwei Typen der ganzzahligen Rhythmusänderung der Ventrikelschläge beschrieben und in ihren Beziehnungen zum elektrischen Effekt analysiert. 4. Es wird auf Grund der elektrischen Ventrikelschwankungen dic Annahme wahrscheinlich gemacht, daß auch im Herzmuskel die Verände- rung des zeitlichen Verlaufes der Erregungswelle durch lokale Temperatur- einflüsse auf den Ort der Beeinflussung beschränkt bleibt. Berichtigung. Die kürzlich in diesem Archiv, Physiolog. Abteilung Supplem. 1906, S. 1 erschienene Mitteilung von Fräulein Dr. M. Gräfin von Linden: „Die Assimilationstätigkeit bei Puppen und Raupen von Schmetterlingen“ schließt mit einem Dank unter anderem an die Unterzeichneten dafür, daß sie „durch Rat und Tat wesentliches zum Zustandekommen der Arbeit bei- getragen“ hätten. Dieser von der Verfasserin sicher gut gemeinte Passus wurde uns leider erst heute durch einen Sonderabdruck der Abhandlung bekannt und er könnte zur Auffassung führen, als ob wir an dem experimentellen Teil der Arbeit beteiligt wären. Allein wir haben die Untersuchung von Gräfin von Linden nicht verfolgt und unsere Unterstützung beschränkte sich, abgesehen von der bereitwilligen Gewährung eines Arbeitsplatzes und der Hilfsmittel des che- mischen Instituts der Universität, auf gelegentliche, von der Verfasserin übrigens nicht benutzte Ratschläge über vorsichtigere Anordnung und Aus- gestaltung der Apparatur. Bonn, den 1. August 1906. R. Anschütz. E. Rimbach. Zur Klarstellung. Von Dr. Maria Gräfin von Linden. Zu der „Berichtigung“ der Herren Professoren Anschütz und Rimbach habe ich zu bemerken, daß die Schlußworte meiner Arbeit, die den Dank gegen die beiden genannten Herren und Hrn. Dr. Gronover enthalten, soweit sie sich auf Hrn. Professor Anschütz und Hrn. Professor Rimbach beziehen, lediglich als ein in solchen Fällen üblicher Akt der Courtoisie aufzufassen sind. Es lag mir fern, diesen beiden Herren irgend einen Anteil an meiner Arbeit zuzuerkennen. Zeitschriften aus dem Verlage von VEIT & COMP. in Leipzig. Skandinavisches Archiv für Physiologie, Herausgegeben von Dr. Robert Tigerstedt, o. ö. Professor der Physiologie an der Universität Helsingfors, Das „Skandinavische Archiv für Physiologie“ erscheint in Heften von 5 bis 6 Bogen mit Abbildungen im Text und Tafeln. 6 Hefte bilden einen Band. Der Preis” des Bandes beträgt 22. #%. Centralblatt für praktische AUGENHEILKUNDE Herausgegeben von Prof. Dr. J. Hirschberg in Berlin. Preis des Jahrganges (12 Hefte) 12 4; bei Zusendung unter Streiiband direkt von der Verlagsbuchhandlung 12% 80 2. Das „Centralblatt für praktische Augenheilkunde“ vertritt auf das Nachärück- liehste alle Interessen des Augenarztes in Wissenschaft, Lehre und Praxis, vermittel! den Zusammenhang mit der allgemeinen Medizin und deren Hilfswissenschaften und gibt jedem praktischen Arzte Gelegenheit, stets auf .der Höhe der rüstig fortschrei- tenden Disziplin sich zu erhalten. DERMATOLOGISCHES CENTRALBLATT. INTERNATIONALE RUNDSCHAU AUF DEM GEBIETE DER HAUT- UND GESCHLECHTSKRANKHEITEN.. Herausgegeben von Dr. Max Joseph in Berlin. Monatlich erscheint eine Nummer. Preis des Jahrganges, der vom Oktober des einen bis zum September des folgenden Jahres läuft, 12 #. _ Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und a sowie direkt von der Verlagsbuchhandlung. Nenrologisches (entralblatt. Übersicht der Leistungen auf dem Gebiete der Anatomie, Physiologie, Pathologie und Therapie des Nervensystems einschließlich der Geisteskrankheiten. Herausgegeben von Professor Dr. E. Mendel in Berlin. Monatlich erscheinen zwei Hefte. Preis des Jahrganges 24 #. Gegen Finsen- dung des Abonnementspreises von 24 # direkt an die Verlagsbuchhandlung let regelmäßige Zusendung unter Streifband nach dem In- und Auslande. Zeitschrift Hygiene und Infektionskrankheiten. Herausgegeben von Prof. Dr. Robert Koch, Geh. Medizinalrat, Prof. Dr. C. Flügge, und Dr. G. Gaffky, Geh. Medizinalrat und Direktor Geh. Medizinalrat und Direktor des des Hygienischen Instituts der Instituts für Infektionskrankheiten Universität Breslau, zu Berlin, Die „Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten“ erscheint in zwanglosen Heften. Die Verpflichtung zur Abnahme erstreckt sich auf einen Band im durchsehnitt- lichen Umfang von 30—35 Druckbogen mit Tafeln; einzelne Hefte sind nicht käuflieh. Das ARCHIV für ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE, Fortsetzung des von Reil, Reil und Autenrieth, J. F. Meckel, Joh. Müller, Reichert und du Bois-Reymond herausgegebenen Archives, erscheint jährlich in 12 Heften (bezw. in Doppelheften) mit Abbildungen im Text und zahlreichen Tafeln. 6 Hefte entfallen auf die anatomische Abteilung und 6 auf die physiolo- | gische Abteilung. Der Preis des Jahrganges beträgt 54 MW. Auf die anatomische Abteilung (Archiv für Anatomie und Entwicke- lungsgeschichte, herausgegeben von W. Waldeyer), sowie auf die physio- logische Abteilung (Archiv für Physiologie, herausgegeben von Th.W. Engel- mann) kann besonders abonniert werden, und es beträgt bei Einzelbezug der Preis der anatomischen Abteilung 40 A, der Preis der physiologischen Abteilung 26 MW. Bestellungen auf das vollständige Archiv, wie auf die einzelnen Ab- teillungen nehmen alle Buchhandlungen des In- und Auslandes entgegen. Die Verlagsbuchhandlung: Veit & Comp. in Leipzig. Druck von Metzger & Wittig in Leipzig. 1882 Physiol. Abteilung. 1906. Supplement-Band, II. Hälfte. FE EG 7 WEN LT nn er ma oem nanaate — - — —— — - - - - —— ARCHIV FÜR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE. FORTSETZUNG DES von REIL, REIL v. AUTENRIETH, J. F. MECKEL, JOH. MÜLLER, REICHERT v. DU BOIS-REYMOND HERAUSGEGEBENEN ARCHIVES. HERAUSGEGEBEN VON Dr. WILHELM WALDEYER, PROFESSOR DER ANATOMIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN, UND Dr. TH. W. ENGELMANN, PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN. JAHRGANG 1906. —— PHYSIOLOGISCHE ABTEILUNG. — SUPPLEMENT-BAND. —— ZANEITE HAÄGPTEE,. —— MIT NEUNUNDSIEBZIG ABBILDUNGEN IM TEXT UND VIER TAFELN. - LEIPZIG, VERLAG VON VEIT & COMP. 1906 Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes. (Ausgegeben am 31. Dezember 1906.) EEE Be IE / / BER” Diesem Hefte ist die Tafel VI zum Archiv für Physiologie (bezw. Physiologische Abteilung des Archivs für Anatomie und Physiologie) nochmals beigefügt, da durch ein Versehen dieselbe in einer Anzahl von Exemplaren des sechsten Heftes 1906 einzuheften unterlassen worden war. "BB Enhalt. Seite WILHELM TRENDELENBURG, Weitere Untersuchungen über die Bewegung der Vögel nach Durchsehneidung hinterer Rückenmarkswurzeln. I. Die ana- tomischen Grundlagen der Untersuehungen. II. Beobachtungen über Reflexe und Tonus an den hinteren Extremitäten. (Hierzu Taf. XOL) . 234 J. Grwiıs, Das Flimmern des Herzens. (Hierzu Taf. XIV.). 247 JEnö KoLrArırs, Untersuchungen über die galvanische Muskelzuelaune des: ge- sunden Menschen ; 276 ERNST WEBER, Über den Einfuß de ehe And Fortbenogungsant anf die Beziehungen zwischen Hirnrinde und Blutdruck et 309 ALEXANDER STRUBELL, Über die Vasomotoren der Lungengefäbe. ‘Bien Taf. XV.) 328 ARTHUR BORNSTEIN, Die nen des ns il and de Be flussung durch verschiedene Agentien. Erste Mitteilung. Optimaler Rhyth- mus und Herztetanus . a A end ARTHUR BORNSTEIN, Die Grundeisenschaften des Home und ihre Beeinflussung durch verschiedene Agentien. Zweite Mitteilung. Das Bowditch’sche „Alles- oder Nichts“-Gesetz Bu Ep. Reıchwmann, Expektoration und intrapleuraler Druck 2? 387 FRANZ Mütter, Über die Wirkung des Yohimbin (Spiegel) auf den Horzuackel (Hierzu Taf. XVI) : 391 FRANZ MÜLLER, Ein Beitrag zur Kenain der oe bnaskafaidr 411 Verhandlungen der physiologischen Gesellschaft zu Berlin 1905—19(6 426 Ganzer, Über physiologische Methoden am lebenden Zahn zum Studium der ‘Schmelzhistogenese. — Orro ConxHEm, Über den Stoffverbrauch und die Wärmeproduktion bei der Ver dauungsarbeit. — Huco MEIER und BIckEL, Demonstration eines Affen mit künstlich angelestem Magenblindsack. — ALFRED WOLFF-EIsNnER, Die Endotoxinlehre. — N. Zusez. Über die Ein- wirkung der Muskelarbeit auf die Organe des Tierkörpers. — ENGELMANN, Über .einige Ergebnisse mikrospektrometrischer Untersuchungen von Blut- lösungen. — Franz Mürrer, Experimentelle Erfahrungen über Yohimbin. Dıe Herren Mitarbeiter erhalten vierzig Separat-Abzüge ihrer Bei- träge gratis. Beiträge für die anatomische Abteilung sind an Professor Dr. Wilhelm Waldeyer in Berlin N.W., Luisenstr. 56, Beiträge für die physiologische Abteilung an Professor Dr. Th. W. Engelmann in Berlin N.W., Dorotheenstr. 35 portofrei einzusenden. — Zeichnungen zu Tafeln oder zu Holzschnitten sind auf vom Manuskript getrennten Blättern beizulegen. Bestehen die Zeich- nungen zu Tafeln aus einzelnen Abschnitten, so ist, unter Berücksichtigung der Formatverhältnisse des Archives, eine Zusammenstellung, die dem Lithographen als Vorlage dienen kann, beizufügen. Weitere Untersuchungen über die Bewegung der Vögel nach Durchschneidung hinterer Rückenmarkswurzeln. I. Die anatomischen Grundlagen der Untersuchungen. II. Beobachtungen über Reflexe und Tonus an den hinteren Extremitäten. Von Dr. Wilhelm Trendelenburs, Privatdozent und Assistent am Institut. (Aus dem physiologischen Institut zu Freiburg i. B.) (Hierzu Taf. XIII.) I. Die anatomischen Grundlagen der Untersuchungen. 1. Aufgabe der fortgesetzten Untersuchungen. Wie ich in der Nachschrift zu meiner Arbeit „über die Bewegung der Vögel nach Durchschneidung hinterer Rückenmarkswurzeln“! mit- geteilt habe, wurde ich nach Abschluß der Untersuchung darauf aufmerk- sam, daß die anatomische Grundlage eines Teiles der Beobachtungen Ein- wände gegen die Deutung der Resultate zuließ und ich habe deshalb umfassende Nachuntersuchungen angestellt, um die bestehende Unsicher- heit nach Möglichkeit zu beseitigen. Es handelt sich darum, daß nach den Beinoperationen, wie ich die Hinterwurzeldurchschneidungen am Lendenmark nannte, Erweichungen im Rückenmark eintraten, die zwar vorwiegend den Hinterstrang und das Hinterhorn betrafen, aber auch in die dorsalen Partien des Seitenstranges übergriffen. Durch den letzteren Umstand war die Befürchtung nahege- legt, daß der Ausfall absteigender, motorischer, Bahnen die Symptome der ! Siehe dies Archiv. 1906. Physiol. Abtlg. S. 1—126. Diese Arbeit wird im folgenden bei der Anführung mit I. bezeichnet. 232 WILHELM TRENDELENBURG: Durchsehneidung der zentripetalen Nerven komplizierte, wenn auch von vornherein nicht behauptet werden kann, daß der Ausfall von Seiten- strangbahnen an sich schon bleibende oder vorübergehende Bewegungs- störungen im Gefolge haben muß. Bei der Taube sind auch im Lenden- mark noch sehr kräftige absteigende Vorderstrangbahnen vorhanden, welche den Ausfall im Seitenstrang ohne weiteres ersetzen könnten. Daß aber tatsächlich auch im Seitenstrang bei der Taube lange absteigende Bahnen liegen, ist von Münzer und Wiener! gefunden worden; ich habe mich hiervon an eigenen Degenerationspräparaten ebenfalls überzeugt. Der Grund für das Eintreten der Ernährungsstörung ist darin gelegen, daß sich die Durchschneidung der kleinen Arteriae radicales dorsales (s. I, S. 16 u. 68) nicht vermeiden ließ. Die Veranlassung dazu, daß diesem Umstand, wie sich herausstellte, nicht genügend Rechnung getragen wurde, lag darin, daß im Gebiet der Halsanschwellung die Verhältnisse der Blutversorgung wesentlich günstigere sind, indem dort eine so reiche Anastomosenbildung vorhanden ist, daß die dorsalen zuführenden Gefäße sogar beiderseits durch- schnitten werden dürfen, ohne daß das Resultat von vornherein gefährdet wird. Die Voraussetzung einer gleichguten Gefäßversorgung im Lenden- mark entspricht aber, wie sich zeigte, den Tatsachen nicht, da hier schon die einseitige Durchschneidung der Dorsalgefäße Ernährungsstörungen gibt, so daß also weder zwischen den ventralen und dorsalen Gefäßen jeder Seite, noch auch zwischen den entsprechenden Gefäßen der beiden Seiten ge- nügende Anastomosen bestehen. Wie stark aber offenbar die anastomotischen Verbindungen der Wurzelgefäße an der Halsanschwellung sind, zeigte mir eine Beobachtung, welche ich schon früher öfters bei den Operationen machen konnte, daß nämlich aus einer durchschnittenen dorsalen Wurzel- arterie das Blut herzwärts austritt infolge des Überdrucks in den Ana- stomosen. Ich habe die angestellten Nachuntersuchungen nicht nur auf die Be- wegungsstörung der hinteren Extremitäten beschränkt, sondern gebe auch die anatomischen Belege für die bei den Flügeloperationen dargestellten Symptome auf Grund einer möglichst kritischen Methode, der Degenera- tionsmethode von Marchi. Da sich diese nur eine gewisse, bei der Taube kurze Zeit nach der Operation anwenden läßt, so habe ich auch am Flügel- gebiet neue Operationen ausgeführt. ? E. Münzer und H. Wiener, Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Zentralnervensystems der Taube. Monatsschrift für Psychiatrie und Neurologie. 1893. Bd. III. 8. 379—406. BEWEGUNG DER VÖGEL NACH HINTERWURZELDURCHSCHNEIDUNG. 11. 233 2. Flügeloperationen nebst anatomischem Befund. In der vorigen Untersuchung kam es vor allem darauf an, das Maxi- mum der Symptome festzustellen, das eintritt, wenn alle Nerven durch- schnitten sind, welche mit den bewegten Teilen in Beziehung stehen; da sich auf anderem Wege die Grenzen für die notwendigen Durchschneidungen nicht mit genügender Sicherheit ermitteln ließen, hatte ich früher diese immer weiter ausgedehnt, bis ich sicher sein konnte, genügend Wurzeln durchschnitten zu haben. Es zeigte sich (I, S. 19), daß das Maximum der Symptome schon erreicht ist, wenn die Wurzeln 11 bis 15 (beide ein- schließlich) durchschnitten sind. Ich habe nun zunächst untersucht, ob nicht weitere Einschränkungen möglich sind, ohne daß von den Symptomen auch nur irgend eins in Wegfall kommt. Es war dies wünschenswert, einerseits um das anatomisch Wesentliche vom etwa Unwesentlichen zu trennen, andererseits aber besonders, um die Zerlegung in Schnittserien nicht unnötig zu erschweren. Verschiedene Kombinationen von Durchschneidungen, auf die ich hier im einzelnen nicht einzugehen brauche, zeigten nun, daß es vollständig genügt, die Wurzeln 12, 13 und 14 zu durclhschneiden, um alle von mir beschriebenen Symptome zu erhalten, daß also die kleinen Wurzeln 11 und 15 keinen Einfluß auf das Resultat haben. Ich habe nun an je zwei Tauben die genannten Wurzeln einseitig und doppelseitig durchschnitten, die Tiere 14 Tage darauf getötet und das Rückenmark nach der Marchi- methode untersucht. Für die Wahl des Zeitraumes von 14 Tagen waren die Erfahrungen von Friedländer! maßgebend, mit denen meine eigenen übereinstimmen. Da zu dieser Zeit die Degenerationen schon auf der Höhe sind, war ein längeres Abwarten um so weniger nötig, als die Symptome, wie aus der früheren Darstellung bekannt, sich nicht erst allmählich aus- bilden; ferner könnte in noch späterer Zeit das anatomische Bild durch die Folgen einer etwa eintretenden leichten Narbenkompression getrübt werden, auf welche die beobachteten Symptome ihrer Unveränderlichkeit wegen natürlich nicht bezogen werden können. Im ganzen kann behauptet werden, daß symptomatisch die Folgen einer Narbenkompression auch nach Jahr und Tag bei den Flügeloperationen fehlen. Anatomisch findet sich zunächst makroskopisch schon nach 14 Tagen zwischen der vernähten Mus- kulatur und dem Rückenmark eine ziemlich bedeutende Bindegewebs- schwiele. Bei früheren Operationen habe ich zum Teil die Vernähung der Muskulatur unterlassen, es ist dann nur eine relativ durchsichtige Binde- ' A. Friedländer, Untersuchungen über das Rückenmark und das Kleinhirn der Vögel. Neurol. Zentralblatt. 1898. Bd. XVll. S. 351—359 und 397—409, 234 WILHELM TRENDELENBURG: gewebsmembran über dem Rückenmark zu finden, die aber gelegentlich zu einer stärkeren Kompression führte. Es ist deshalb eine sorgfältige Ver- nähung der bei der Operation möglichst geschonten Muskulatur vorzuziehen, wobei man sich aber auch vor einer zu festen Naht zu hüten hat, zu der das Bestreben, eine möglichst geringe Narbenbildung zu erreichen, verleiten kann. Ich verlor durch zu festes Zunähen mehrere gut gelungene Opera- tionen und mußte darauf öfters auf einen fortlaufenden Schluß der Muskel- naht verzichten, wodurch natürlich das Wachstum des Narbengewebes be- günstigt wurde. Den früher geschilderten Symptomenkomplex der Flügeloperationen kann ich nach den neuen Operationen in allen Stücken nur bestätigen. Ich kann also im Interesse der Kürze auf eine erneute Schilderung ver- zichten und mich mit der Hervorhebung einiger Punkte begnügen. Der Gang der Tiere war von der ersten Untersuchung an dauernd völlig normal. Bei doppelt operierten Tieren fehlte der balancierende Flügelschlag auch bei der ersten Untersuchung (4 Stunden nach beendeter Operation). Beim einseitig operierten Tier war die Vergrößerung des Flügelreflexes auf der Öperationsseite schon am zweiten Tage sehr ausgesprochen. Einige er- gänzende Bemerkungen sind nur über die Flügelhaltung bei hängendem Tier zu machen. Zu dem früher (I. S. 24) Geschilderten möchte ich noch hinzufügen, daß ein Unterschied in dem Verhalten beider Flügel im Hänge- versuch dann hervortritt, wenn man sie aus der Kuhelage abwärts zieht. Während der Flügel der normalen Seite vom Tier wieder angelegt wird, bleibt der Flügel der Operationsseite in der neuen Haltung; auch hier wird also die „ungewöhnliche Stellung“ nicht korrigiert, worin sich der Versuch einem anderen früher beschriebenen (I. S. 25) anschließt. Ferner läßt sich feststellen, daß das Tier dem Abziehen des normalen Flügels einen ziemlich beträchtlichen Widerstand entgegensetzt, wovon auf der operierten Seite nichts zu bemerken ist. Das Ausbleiben normaler, reflektorisch aus- gelöster Gegenbewegungen, das auch eintritt, wenn man bei stehendem Tier auf der Öperationsseite den Flügel seitlich abzieht oder ausbreitet (I. 8. 31), steht in gutem Einklang mit der Deutung, welche der Ver- größerung des Flügelreflexes auf der Operationsseite gegeben wurde. Das Rückenmark der vier erwähnten Tauben wurde an der Operations- stelle in lückenlose Serien von 50 u Dicke geschnitten. Um vor dem Übersehen irgendwelcher Störungen sicher zu sein, wurden die Segmente, die sich kranial und kaudal an die 12. bzw. 14. Wurzel anschließen, mit in die Serie einbezogen. Außerhalb der Operationsstelle wurde die auf- steigende Degeneration, sowie die absteigende bis zum Lendenmark an jeder Wurzeleintrittsstelle, zum Teil auch zwischen den Wurzeln, untersucht. Es ließ sich zunächst feststellen, daß selbst bei der doppelseitigen Operation BEWEGUNG DER VÖGEL NACH HMNTERWURZELDURCHSCHNEIDUNG. Il. 235 Erweichungen im Rückenmark nicht eintreten! Was die mit der Marchi- methode nachgewiesenen Degenerationen angeht, so wäre von einem Ideal- fall zu erwarten, daß nur die direkten intrazentralen Fortsetzungen der Hinterwurzeln degeneriert wären, sonstige lange oder kurze Fasersysteme aber sich als intakt erwiesen. Für die langen absteigenden Bahnen gilt dies in unseren Fällen; daß im Gebiet der Seitenstrang-Kleinhirnbahn einige Fasern degeneriert sein können, ist symptomatisch natürlich belanglos, da dies indirekte Hinterwurzelfortsetzungen sind. Hingegen finden sich über den Querschnitt des Seiten- und Vorderstranges zerstreut; in mäßiger Anzahl Bahnen degeneriert, und zwar in einer auf den einzelnen Quer- schnittshöhen sehr verschiedenen Menge. Aus dem letzteren Umstand, sowie daraus, daß die Fasern meist vorwiegend in der Nähe der grauen Substanz liegen, ist zu schließen, daß es kurze Bahnen sind. Ich muß in diesen Degenerationen den Ausdruck einer leichten unvermeidlichen Kom- pression durch die Narbe sehen, gegen welche sich einige Fasern nicht widerstandsfähig genug erweisen. Natürlich kann einem solchen Befund keine besondere Bedeutung beigemessen werden, zumal da schon durch die früher mitgeteilte Kontrolloperation (I. S. 22) gezeigt ist, daß die aus- gedehnte Wunde und die Folgeerscheinungen ihrer Heilung an sich auf die Bewegungen ohne jeden Einfluß sind.” Sehr deutlich sprieht in dem- selben Sinne der Umstand, daß bei den einseitigen Operationen die frag- lichen Degenerationsprodukte sich auf beiden Seiten finden, die Bewegungs- störungen aber nur einseitig. Ferner steht mir ein Fall zur Verfügung, bei dem beiderseits die Wurzeln 11 und 12 durchschnitten wurden, und dazu die Naht noch etwas zu fest zugezogen wurde (ich war auf dies Moment damals noch nicht aufmerksam geworden). Die fraglichen De- generationen waren hier in viel reichlicherer Weise ausgebildet, wie in den Fällen, um die es sich hier handelt; und doch konnte das Tier noch sehr gut fliegen! (der Verlust der beiden Wurzeln ist auf die Bewegungen ohne merklichen Einfluß). Daraus geht deutlich hervor, daß diesem Nebenbefund keine Bedeutung für die Bewegungsstörungen, zukommt. Im übrigen waren in den vier Fällen der Nachprüfung Degenerationsprodukte, von denen hier die Rede ist, an Wurzel 12 etwas reichlicher vertreten, wie an der übrigen Öperationsstrecke. Es ist das darauf zurückzuführen, daß die Wirbelsäule ! Bei einem der einseitig operierten Tiere lag bei Wurzel 13 ein ganz kleiner Herd in der Spitze des Hinterhorns, der wohl durch Zerrung an der Wurzel bei der Operation entstanden war. Wegen Lage und Ausdehnung desselben, sowie auch wegen Abwesen- heit einer Störung in den anderen Fällen kommt diesem Befund keine Bedeutung zu, doch wollte ich nicht unterlassen, ihn der Vollständigkeit halber anzuführen. ! Es muß hier auch die Möglichkeit betont werden, daß Fasern trotz positiver Marchireaktion in ihrer Funktion nicht beeinträchtigt sind. 236 WILHELM TRENDELENBURG: gerade hier freie Beweglichkeit erhält, sowie eine Krümmung nach unten erfährt, beides Momente, die Kompressionserscheinungen natürlich begün- stigen. In einem doppelt operierten Falle ist hierdurch das Vorderhorn der einen Seite an dieser Stelle etwas stärker beeinträchtigt, wodurch es zur Degeneration einiger Vorderwurzelfasern gekommen ist. Im übrigen sind die vorderen Wurzeln überall intakt. Auf den ganzen Verlauf der Hinterwurzelfortsetzungen gehe ich hier nicht ein; ich werde an anderer Stelle auf diese anatomischen Fragen auf Grund meiner Degenerationspräparate zurückkommen.! Zur Veranschaulichung der besprochenen anatomischen Grundlagen meiner Operationen dienen die Abbildungen 1 bis 3 auf Taf. XII. Von einem doppelt operierten Fall wurden Schnitte hinter der hintersten (Fig. 1) und vor (kranialwärts) der vordersten (Fig. 3) der durchschnittenen Wurzeln, sowie aus der Mitte des Durchschneidungsgebiets (Fig. 2) ausgewählt. Auf. die Wiedergabe eines einseitig operierten Falles glaube ich hier verzichten .. . . - . » zu können; ich werde einen solchen in der geplanten anatomischen Mit- teilung abbilden,. worauf hier verwiesen sei. 3. Beinoperationen nebst anatomischem Befund. Um mich zunächst darüber zu orientieren, ob und inwieweit für die beschriebenen Symptome der Beinoperationen, wie ich früher die Hinter- wurzeldurchschneidungen im Gebiet des Lendenmarks nannte, eine Läsion motorischer Elemente verantwortlich zu machen ist, wandte ich Kokain am Rückenmark an und erhielt tatsächlich mit größter Übereinstimmung die Symptome des Anfangsstadiums der früheren Operationen. Natürlich konnte dieses Beweismittel nur eine Art Notbehelf in Ermangelung besserer dar- stellen, da es nicht sicher genug ist, daß das Kokain nur zentripetal lei- tende Apparate ausschaltet.” Die ergebnislose Anwendung dieses Mittels an einem Tier nach vorausgegangenen Hinterwurzeldurchschneidungen machte dies zwar gleich sehr wahrscheinlich, doch brauche ich hierauf nicht näher einzugehen, da ich bessere Beweismittel beibringen kann, die sich auf neue Operationen und anatomische Untersuchungen stützen. Es wurde auch hier untersucht, ob die Zahl der zu durchschneidenden Wurzeln eingeschränkt werden kann, ohne daß die ataktischen Symptome des Anfangs- oder Spätstadiums eine Änderung erfahren. Da dann auch die Zahl der verletzten Gefäße vermindert war, konnte vielleicht ein Aus- bleiben der Ernährungsstörung im Rückenmark erwartet werden. Es zeigte ! Voraussichtlich in der anatomischen Abteilung dieses Archivs. ” Nach dem Ergebnis einwandfreier Hinterwurzeldurchschneidungen (s. unten) ist dies allerdings der Fall. BEWEGUNG DER VÖGEL NACH HINTERWURZELDURCHSCHNEIDUNG. 11. 237 sich so auf Grund einer Anzahl von Operationen, in denen die Durch- schneidung stets verschiedener Wurzeln kombiniert wurde, daß die Wurzeln 23, 24 und 25 die maßgebenden sind. Während bei den Flügeloperationen auch bei erneuter Wiederaufnahme eine Vermeidung der Gefäßdurch- schneidung sich als ausgeschlossen (aber auch als belanglos) erwies, zeigte sich hier die Vermeidung zunächst wenigstens größerer Gefäße möglich, und so erhielt ich einen Fall von Durchschneidung der Wurzeln 23, 24 und 25, in welchem die Symptome im Verlauf von 5 Wochen nicht nur genau denen des Anfangs- und Spätstadiums der früheren Operationen ent- sprachen, sondern auch der anatomische Befund von den früheren Mängeln durchaus frei war; es fand sich lediglich eine Degeneration der direkten intrazentralen Fortsetzungen der durchschnittenen Hinterwurzeln. Damit waren sogar noch etwas günstigere Resultate erzielt, wie bei den Flügel- operationen. „Der Wunsch, mit größerer Sicherheit anatomisch einwandfreie Ergeb- nisse regelmäßig zu erzielen, veranlaßte mich dann nach diesen Feststellungen die Operationen nochmals aufzunehmen und eine Verbesserung der Methode zu versuchen. In der Tat gelang es nun nach weiterer Einübung, unter Anwendung der binokularen Lupe! und künstlicher Beleuchtung, die dor- salen Wurzelgefäße nicht nur an den „maßgebenden Wurzeln“ (s. 0.), son- dern auch an der vorn und hinten anschließenden zu schonen. (Die Durch- schneidungen umfaßten also die Wurzeln 22 bis 26, beide einschließlich; noch weitere Wurzeln zu durchschneiden war nicht notwendig, da hiermit schon das Maximum der Symptome erreicht war.) Die Öperationsmethode war demnach folgende. Sie entspricht bis zur Freilegung der Wurzeln (einschließlich) der früher (I. S. 69) geschilderten, mit dem einzigen Unter- schied, daß die innere Knochenlamelle schon unter der Lupe entfernt wird. Ich verwendete eine etwa vierfach vergrößernde Leitzsche Binokularlupe, unter der man noch fast das ganze Operationsfeld überschauen kann, und Beleuchtung mit Nernstlicht. Man sieht nun die kleinen dorsalen Wurzel- gefäße aus der Tiefe über die Hinterstrangkante (man erinnere sich der eigentümlichen Gestalt des Lendenmarks, vgl. auch die Figg. 4 und 7 der ! In der vorigen Arbeit (I. S. 14) wird die Anwendung der Lupe abgelehnt wegen Länge der Operationsstrecke, Blutungen usw. Wie besonders aus der Angabe über die Länge der Operationsstrecke hervorgeht, bezieht sich diese Bemerkung eigentlich nur auf die Flügeloperationen, bei denen ich auch jetzt noch keinen Gebrauch von der Lupe machte; besonders ist auch die gelbliche künstliche Beleuchtung an diesen blut- reichen Teilen sehr ungünstig. Um bei den Beinoperationen sicher einwandfreie Re- sultate zu erzielen, erwies sich mir aber die Lupe als unentbehrlich; die künstliche Beleuchtung ist hier von den Unannehmlichkeiten frei, da die dorsalen Wurzelgefäße sich sehr gut von dem weißen Untergrunde der Rückenmarksubstanz abheben. 238 WILHELM TRENDELENBURG: Tafel XII) umbiegen, im allgemeinen der Wurzel kaudal anliegend; an den vorderen Wurzeln zog das Gefäßchen oft mitten durch die Wurzelfäden hindurch, doch so, daß diese von ihm abgehoben werden konnten. Es wurde nun eine möglichst feine Sonde unter die Wurzel, oder oft unter die einzelnen Fäden einzeln, geschoben und diese mit der anderen Hand mittels eines feinen Messers durchschnitten. Er ließ sich das nach der nötigen Übung ohne Gefäßverletzung ausführen, so daß die Durchschnei- dungsstelle nachher vollständig klar dalag. Strikte Notwendigkeit ist dabei, daß das Tier bei der Durchschneidung vollkommen reaktionslos bleibt, da die geringste Abwehrbewegung den Erfolg nur zu leicht vereitelt; die Atem- bewegungen sind schon störend genug. Es ist hier das Ziel nur bei sehr tiefer Narkose zu erreichen. Die Operationsstelle muß gut feucht und warm gehalten werden. Um besonders den Gliawulst zu schonen, der bei beider- seitiger Operation ganz freiliegt, und durch Auflegen von feuchter Watte leicht gedrückt wird, empfahl es sich, warme Kochsalzlösung lediglich aufzuträufeln. So war der Gliawulst am Schluß der Operation völlig intakt, ohne die bei geringstem Druck in der Tiefe sichtbaren Petechien aufzu- weisen. Da bei den Durchschneidungen kein Blutaustritt erfolgt, wird unmittelbar nach der letzten Durchschneidung genäht; die übrige Behand- lung entspricht dem früher Gesagten. Die Symptome, welche sich bei den mit dieser verbesserten Methode einseitig operierten Tauben zeigten, entsprechen nun so genau den- jenigen der früher geschilderten Tiere, daß hier nur wenige Bemerkungen nötige sind. Es lassen sich kaum Punkte angeben, in denen die jetzigen Tiere den früheren überlegen sind. Manchmal schien es mir, als ob jetzt das Anfangsstadium schneller beendet wäre, doch ist ein Urteil hierüber bei dem allmählichen Übergang nicht mit Sicherheit möglich, auch waren darin jetzt ebenso wie früher recht große Unterschiede vorhanden. Immerhin ist die frühere Angabe, daß das Anfangsstadium 2 bis 3 Wochen dauere (I. S. 72) als Maximum anzusehen. Die folgenden kurzen Be- merkungen sollen nur zur Ergänzung der früheren Darstellung dienen, die in allen Stücken aufrecht erhalten werden muß. (Einige neue Beobach- tungen, die nicht direkt die Spontanbewegungen der Tiere betrefien, sind im folgenden Kapitel zu finden) Das Herabhängen des Beins der Ope- rationsseite im Flug war bei allen Tieren deutlich, wenn sie in geringer Höhe über den Boden hinflogen, erhoben sie sich zu etwas größerer Höhe (unter die Decke), so wurden beide Beine angezogen, das normale aber stärker. Bei dem Niederlassen auf den Boden war dann sehr schön zu sehen, daß das Bein der ÖOperationsseite schon früher die Beugestellung verließ, als das normale. Zu dem Gang der Tiere habe ich niehts Neues zu bemerken, das Zuhochheben des Beins der Operationsseite, der Rhythmus BEWEGUNG DER VÖGEL NACH HINTERWURZELDURCHSCHNEIDUNG. Il. 239 und alle anderen Eigentümlichkeiten, wie sie beschrieben und abgebildet wurden, waren bei diesen Tieren genau so wiederzufinden. Auch bei den doppelseitigen Beinoperationen (Durchschneidung der Hinterwurzeln 22 bis 26 inkl.) haben sich der früheren Darstellung gegenüber keine wesentlichen Änderungen ergeben hinsichtlich der Be- wegungsstörungen. In einem Punkt wurden allerdings viel günstigere Ergebnisse erzielt, nämlich in der Lebensdauer der Tiere nach dieser Operation. Während früher bei doppelseitiger Beinoperation die längste erzielte Lebensdauer 10 Tage, die durchschnittliche 5 Tage betrug (I. 8. 90), konnten die drei in Betracht kommenden Tiere jetzt ohne Schwierigkeiten 14 Tage am Leben erhalten werden, ja sie wurden bei bestem Wohlsein getötet, so daß ich nicht zweifle, daß sie noch wesentlich länger hätten erhalten werden können, wenn nicht der besondere Zweck eine Beendigung der Beobachtungen zu dieser Zeit notwendig gemacht hätte. Was die übrigen Erscheinungen angeht, so war bei den jetzigen Tieren ebenso wie bei den früheren das Gehen und Stehen ganz unmöglich, die Tiere lagen mit vorgestreckten Beinen am Boden, waren aber im allgemeinen etwas lebhafter bei den Bewegungsbemühungen. Die Beine wurden sehr aus- siebig bewegt, vermochten aber den Körper nicht zu heben, rutschten vielmehr nach hinten aus, so daß der Körper nur etwas vorgeschoben wurde Dabei wurde das Fortkommen mit den ausgebreiteten Flügeln unterstützt. Später wurden die Tiere etwas ruhiger und zeigten dann ganz das früher geschilderte Bild. Bei zwei ausgewachsenen Tieren habe ich jetzt ebensowenig wie früher eine Änderung der Symptome im Verlauf der Beobachtungszeit gefunden. Etwas anders verhielt sich ein noch nicht ausgewachsenes jüngeres Tier, welches die Operation dauernd auffallend gut überstand, und noch nach 14 Tagen einen sehr kräftigen Pektoral- muskel hatte. Es zeigte von vornherein eine sehr große Lebhaftigkeit, ohne aber zunächst in den Symptomen von den anderen abzuweichen. Dann gelang es ihm unter Hilfe von Flügelschlägen bei den Gehversuchen den Körper vom Boden abzuheben und schließlich unter starkem Schwanken, das besonders in der Längsrichtung erfolgte, einige Schritte zu gehen (etwa vom 10. Tage an). Ich glaube, daß sich hierin eine größere Leistungs- fähigkeit des jugendlichen Nervensystems ausspricht, auf die ich auch sonst gelegentlich bei Operationen an Tauben aufmerksam wurde; immerhin muß aber darauf hingewiesen werden, daß dieser letztbesprochene Fall derjenige ist, der sich als anatomisch einwandfrei erwies (s. u.). Bei der anatomischen Untersuchung war es wünschenswert, das Lendenmark in Zusammenhang mit den umhüllenden Knochen zu schneiden, da eine Präparation ohne Zerrungen und Zerreißen der Wurzeln unmöglich erscheint. Ich entfernte schon vor dem Einlegen in die Müllersche Flüssig- 240 WILHELM TRENDELENBURG: keit den Knochen nach Möglichkeit, was sich ventral und dorsal gut aus- führen ließ, während seitlich die Knochenleisten stehen bleiben mußten. Leider geht die Entkalkung in Müllerscher Flüssigkeit nur langsam und bei hartem Knochen nur unvollständig vor sich; Entkalkung mit 1 prozentiger Chromsäure verhinderte die nachträgliche Osmierung, so daß die Fälle unbrauchbar wurden. Am vorteilhaftesten war es, ausgewachsene aber noch junge Tiere, deren Knochen noch weich waren, zu verwenden, bei denen in Müllerscher Flüssigkeit in mehreren Wochen genügende Ent- kalkung erzielt werden konnte; nur einmal operierte ich ein noch nicht erwachsenes Tier (s. 0.). Von drei einseitig und drei doppelseitig operierten Tieren wurden Serien des nach Marchi behandelten Lendenmarks geschnitten (Schnittdicke 50 p). Die Wurzeln 27 und 21, welche sich dem Durchschneidungsgebiet kranjal und kaudal direkt anschließen, wurden mit in die Serie einbezogen. Zunächst bei den einseitigen Operationen gelang es nun tatsächlich, die früheren Fehler zu vermeiden.! Auf Taf. XIII, Fig. 4 gebe ich eine Abbildung aus der Mitte des Operationsbereichs (Wurzel 24), welche die ausschließliche Degeneration im Hinterstrang der rechten Seite erkennen läßt, abgesehen von den spärlichen Fasern, die auch im linken Hinterstrang unter dem Einfluß der Vernarbung zugrunde gegangen sind, die aber auch keinen konstanten Befund darstellen, indem sie in den anderen Fällen fehlen, und die zudem nach ihrer Lage den Wurzeln kaudal vom Innervations- bereich der Beine zugehören. In Fig. 5 der Tafel XIII ist ein Schnitt von Wurzel 21, also oberhalb des Operationsbereiches dargestellt, welcher die aufsteigende Hinterstrangdegeneration enthält. Die Wiedergabe weiterer Abbildungen unterlasse ich hier des Raumes wegen und möchte darauf hinweisen, daß ich in der späteren rein anatomischen Arbeit Bilder von einem anderen der hierher gehörigen Fälle zu geben gedenke. Erwähnt sei noch, daß sich nirgends eine Degeneration auch nur einer einzigen vorderen Wurzelfaser findet, und daß von den Fasern der vorderen Kom- missur, die vom Gliawulst abgesehen, die einzige Verbindung der beiden : In einem Falle war an einer kleinen Stelle zwischen Wurzel 24 und 25 die äußerste Spitze des Hinterhorns etwas lädiert, wohl infolge einer Zerrung bei der Durchschneidung; irgend eine Bedeutung für das Zustandekommen der Bewegungs- störung kommt diesem Befund natürlich nicht zu. Das gleiche gilt für einen kleinen Herd, der in dem zweiten Falle im rechten Seitenstrang (Operationsseite) zwischen Wurzel 25 und 26 liegt, am Ende also des für die Innervation der Beine in Betracht kommenden Bereichs. Hier lag keine Gefäßverletzung bei der Operation vor, sondern es hatte ein kleiner Knochensplitter zu einer lokalen Kompression geführt, wie die mikroskopische Untersuchung zeigte. Der dritte Fall war auch von diesen belanglosen Störungen frei. — Zu irgendwelehen Kompressionswirkungen durch die Narbe kommt es bei den Operationen am Lendenmark nie. BEWEGUNG DER VÖGEL NACH HINTERWURZELDURCHSCHNEIDUNG. Il. 241 fast getrennten Hälften des Lendenmarks bilden und die deshalb bei ge- ringen Formänderungen durch Narbenzug gefährdet werden könnten, in einem Fall einige degeneriert sind, wodurch es zu einer vorwiegend auf- steigenden Degeneration einiger Fasern im linken Vorderstrang kommt. Bei den doppelseitigen Operationen, die auch nach den ein- geführten Verbesserungen noch sehr mühsam und anstrengend sind, gelang es in einem Falle das gesteckte Ziel zu erreichen.! Auf der ganzen in Serien geschnittenen Strecke zwischen einschließlich Wurzel 26 und 21 fand sich keine Spur von Ernährungsstörungen. Die vorderen Wurzeln waren alle intakt. In Fige. 6, 7 und 8 der Tafel sind Schnitte bei Wurzel 26, 24 und 21 wiedergegeben; das einzige, was sich an Degenerations- produkten findet, die nicht zu den direkten Hinterwurzelfortsetzungen ge- hören, sind solche in der Kommissur, am meisten bei Wurzel 24, nach unten in abnehmender Menge bis Wurzel 26, nach oben nur bis Wurzel 23 nachweisbar, ebenfalls nach oben hin schnell an Menge abnehmend. Auch im Gebiet des Maximum sind aber noch reichlich normale Fasern in der Kommissur vorhanden; aus diesem Grunde, ferner wegen der vorwiegend aufsteigenden Degenerationsrichtung und wegen der viel geringeren Zahl der betreffenden Fasern in den beiden anderen, symptomatisch im wesent- lichen übereinstimmenden Fällen kann hierin keine das Resultat trübende Komplikation gesehen werden. Der Grund für diese Degeneration liegt nicht etwa in einer direkten Verletzung vielleicht durch Druck, denn der über der Kommissur liegende Gliawulst blieb völlig intakt, sondern in einer nach außen gerichteten Zugwirkung der Narbe, also jedenfalls in einem wohl unvermeidlichen Umstand. Ich glaube hiermit meinen Untersuchungen über die Bewegungs- störungen der Vögel nach Durchschneidung hinterer Rückenmarkswurzeln auch von der anatomischen Seite her eine gesicherte Grundlage gegeben zu haben; ich würde mich freuen, wenn spätere Untersucher in diesem oder jenem Punkte meine anatomischen Operationsresultate verbessern würden; ich glaube aber nicht, daß sie symptomatisch zu wesentlich anderen Ergebnissen kommen werden und schließe deshalb meine Nach- untersuchung hiermit ab. Im folgenden werden noch einige symptomatische Nachträge über früher weniger berücksichtigte Fragen gegeben. ! Im zweiten Fall war ein Herd im Seitenstrang wahrscheinlich dadurch ent- standen, daß etwas Kollodium durch die Naht auf das Rückenmark gelangte und zu Gefäßverschluß führte. Eine Gefäßverletzung hatte ber der Operation nicht statt- gefunden. Im dritten Fall waren zwei kleine Herde im Seitenstrang zu finden, ein belangloser bei Wurzel 26, durch Gefäßzerreißung bei der Operation entstanden, und ein ebenfalls kleiner bei Wurzel 22, dessen Herkunft nicht feststellbar war. Beide liegen auf der linken Seite des Querschnitts. Archiv f. A.u. Ph. 1906. Physiol. Abtlg. Suppl. 16 242 WILHELM TRENDELENBURG: Ii. Beobachtungen über Reflexe und Tonus an den hinteren Extremitäten. 1. Steigerung der Reflexerregbarkeit nach Hinterwurzel- durchschneidung. Als „Hebebewegung‘“ wurde die Erscheinung bezeichnet (I. S. 78), daß einseitig operierte Tauben bei leichter Beunruhigung das Bein der Ope- rationsseite bald mehr, bald weniger vom Boden abheben, ohne daß das andere Bein eine Bewegung erkennen läßt. Es war hieraus auch für die zentralen Innervationswege der Beinmuskulatur geschlossen worden (I. S. 94), daß nach der Hinterwurzeldurchschneidung durch den Wegfall normaler Dauerhemmungen die Wegsamkeit für reflektorische (und spontane) Er- regungen erhöht ist. Ich habe diese Hebebewegung noch in einer sehr charakteristischen Weise, in rein reflektorischer Form, beobachtet, die das Gesagte noch erläutern dürfte. Stehen die Tauben (im Kompensations- stadium nach einseitiger Beinoperation) ganz ruhig da, und klopft man dann leicht auf den Boden, so wird das Bein der Operationsseite blitzschnell etwas abgehoben und wieder aufgesetzt, ohne daß die Taube sonst irgend eine Bewegung erkennen läßt, die durch den Reiz hervorgerufen wäre; das Tier nimmt von dem ganzen Vorgang sozusagen gar keine Notiz. Der Versuch gelingt um so besser, und dann mit großer Regelmäßigkeit, je weniger das Tier den Beobachter beachtet. Es handelt sich bei dem Versuch vorwiegend um den akustischen Reiz, wenigstens konnte ich bei kombiniert operierten labyrinthlosen Tauben den Reflex nicht hervorrufen. Es zeigt sich hier also deutlich die beträchtliche Erhöhung der Reflex- erregbarkeit auf der Seite der Hinterwurzeldurchschneidungen; am normalen Bein ist ja keine Bewegung zu bemerken. 2. Reflektorische Gegenbewegungen. Bei einseitiger Durchschneidung der zentripetalen Nerven des Flügels ließ sich feststellen (I. S. 31), daß der Widerstand, den die Tiere‘ dem Ausbreiten oder seitlich Abziehen des Flügels entgegensetzen, auf der Öperationsseite aufgehoben ist. Der normal vorhandene Widerstand gegen solche passive Bewegungen, der in einer reflektorisch ausgelösten antago- nistischen Bewegung besteht, kann kurz als „Gegenbewegung“ bezeichnet werden. Es lassen sich nun auch an den hinteren Extremitäten solche (regenbewegungen leicht feststellen, über die hier einiges nachgetragen sei, da ich sie früher weniger beachtete, und da sie geeignet sind, frühere theoretische Erörterungen zu veranschaulichen. Faßt man eine normale BEWEGUNG DER VÖGEL NACH HINTERWURZELDURCHSCHNEIDUNG. ll. 243 Taube so, daß der Rücken, nach abwärts gerichtet, in der Hohlhand ruht, und bewegt man nun mit dem Finger, der hinter das eingezogene Bein (s. u. unter Tonus): geschoben wird, dies nach vorn (im Sinne des Tieres), so innerviert das Tier die der passiven Bewegung antagonistischen Muskeln, kenntlich an dem beträchtlichen elastischen Widerstand, den man fühlt. Hat man das Bein so weit wie möglich nach vorn bewegt, am besten mit einem leichten Ruck, so tritt als weitere Erscheinung eine aktive Krümmung der Zehen hinzu. Nach einseitiger Durchschneidung der Hinterwurzeln des Lendenmarks sind diese Gegenbewegungen nun auf der gleichen Seite stets dann aufgehoben, wenn die für den Eintritt der charakteristiischen Bewegungsstörungen maßgebenden Wurzeln durch- schnitten wurden. Das betreffende Bein ist dann schlaff und in viel größerem Umfang beweglich, als das normale, welches ganz normales Verhalten erkennen läßt. Bei doppelseitiger Operation ist die Veränderung auf beiden Seiten vorhanden. Eine weitere Gegenbewegung ist bei jeder normalen Taube zu finden, wenn man bei gleicher Lage des Tieres den eingezogenen Fuß an den Zehenspitzen anfaßt, mit leichtem Ruck nach hinten zieht und sofort wieder losläßt. Dabei fühlt man, daß der passiven Bewegung ein gewisser Widerstand entgegengesetzt wird; nach dem Los- lassen aber zieht das Tier den Fuß augenblicklich wieder an den Leib. Auch diese Reaktion fehlt vollständig am Bein, dessen zentripetale Nerven durchschnitten sind, und es wird auch dem Zug gar kein Widerstand entgegengesetzt. Für die Deutung der abnormen Beinhebung im Gehen dürfte aus diesen Erscheinungen zu schließen sein, daß die normale, reflektorisch durch die Bewegung selbst ausgelöste Bewegungshemmung (I. S. 93) jeden- falls nicht nur eine intrazentrale Hemmung, sondern auch eine Hemmung durch Antagonistenkontraktion ist. Der gleiche Schluß dürfte wohl auch für die Flügel aus den entsprechenden Beobachtungen zu ziehen sein. 3. Tonus. Zum Schluß dieser symptomatischen Ergänzungen seien einige Beob- achtungen über Tonushaltung der Beine und ihre Abhängigkeit von den hinteren Wurzeln mitgeteilt. Faßt man eine normale Taube etwa an den über den Rücken zu- sammengelesten Flügeln, so werden die Beine an den Leib angezogen ge- halten, wenn das Tier keine Bewegungen macht, um sich zu befreien. (Diese Bewegungen werden am besten durch Verdecken des Kopfes mit der Hand verhütet.) Diese Tonusstellung ist in Textfigur 1 wiedergegeben (die Photographie wurde ebenso wie die folgenden unmittelbar nach Los- lassen des Kopfes vor Eintreten der Abwehrbewegungen aufgenommen). 16* 244 WILHELM TRENDELENBURG: Die gleiche Stellung zeigt sich nach Durchschneidung des Dorsalmarks. Die folgenden Abbildungen zeigen nun die Änderung der Haltung nach rechtsseitiger (Fig. 2), und nach beiderseitiger (Fig. 3) Durchschneidung der hinteren Wurzeln des Lendenmarks (Wurzel 22 bis 26), Man sieht, daß die Beugestellung der Extremität nur bei erhaltenen Hinterwurzeln vor- handen ist, es liegt also ein Reflextonus vor. Nach Durchschneidung der Hinterwurzeln entspricht die Haltung etwa der des toten Tieres. Die Er- schlaffung der Muskulatur ist besonders bei doppelseitig operierten Tieren auch gut daran zu erkennen, daß die Beine bei Hin- und Herbewegungen Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3. Haltung der Beine bei der normalen Taube (Fig. 1), nach rechtsseitiger Durchschneidung der Hinterwurzeln (Fig. 2), und nach doppelseitiger gleicher Operation (Fig. 3). Die normale Tonushaltung wird durch Hinterwurzeldurchschneidung aufgehoben. des Körpers in ausgiebige pendelnde Bewegungen geraten, die natürlich bei der Tonushaltung nicht eintreten können. Bei einseitiger Operation führt dementsprechend auch nur das Bein der Operationsseite die Pendel- bewegung aus. Es entspricht der hier dargestellte Tonus genau dem von Brondgeest! am Frosch entdeckten und zu den Hinterwurzeln in Be- ziehung gesetzten Tonus; aber es dürfte kein Objekt bekannt sein, an dem sich die Abhängigkeit des Tonus der Extremitätenmuskulatur von den zentripetalen Nerven so anschaulich darstellen ließe, wie es hier möglich ist. ı P.J. Brondgeest, Untersuchungen über den Tonus der willkürlichen Muskeln. Dies Archiv. 1860. Physiol. Abtlg. S. 703-704. BEWEGUNG DER VÖGEL NACH HINTERWURZELDURCHSCHNEIDUNG. 1]. 245 III. Zusammenfassunse. 1. Die anatomische Untersuchung des Rückenmarks nach einseitiger und doppelseitiger Flügeloperation (Behandlung nach Marchi) ergibt außer unwesentlichen Erscheinungen einer leichten Rückenmarkskompression nur eine Degeneration der direkten Fortsetzungen der durchschnittenen Hinterwurzeln. Die Bewegungsstörungen sind also nur auf den Ausfall der letzteren zurückzuführen. 2. Es gelang, die bisher nicht einwandfreien Beinoperationen zu verbessern und die Gefäße zu schonen. Die nun erhaltenen Symptome stimmen sowohl bei einseitiger wie bei doppelseitiger Operation mit den früher erhaltenen in allen wesentlichen Punkten vollkommen überein. Anatomisch findet sich (von einigen Zufälligkeiten abgesehen) nur Degene- ration direkter Hinterwurzelfortsetzungen. Auch hier sind die Bewegungs- störungen nur auf den Ausfall der zentripetalen Nerven zu beziehen. 3. Für die Steigerung der Reflexerregbarkeit nach Hinterwurzeldurch- schneidung werden weitere Beobachtungen angeführt. 4. Die normalen „Gegenbewegungen“ fehlen nach Hinterwurzeldurch- schneidung. Die normale, reflektorisch ausgelöste Bewegungshemmung kommt vorwiegend durch Antagonistenkontraktion zustande. 5. Der Beugetonus der Extremitäten ist nach Hinterwurzeldurch- schneidung aufgehoben. Druckfehlerberichtigung. In meiner Arbeit, dies Archiv. 1906. Physiol. Abtlg. S. 122, Zeile 11 von oben, lies „zweizeitiger“ statt „zweiseitiger‘“. 246 WILHELM TRENDELENBURG: BEWEGUNG DER VÖGEL USW. Erklärung der Abbildungen. (Taf. XIIL.) Vergrößerung 12?/,fach. Behandlung des Rückenmarks nach Marchi. Figg. 1 bis 3. Durchschneidung der Hinterwurzeln 12 bis 14 beiderseits an der Taube. Fig. 1. Schnitt zwischen Wurzel 14 und 15. Fig. 2. » bei Wurzel 13. Eig.y3. » zwischen Wurzel 11 und 12. Figg. 4 und 5. Durchschneidung der Hinterwurzeln 22 bis 26 rechts, an der Taube. Fig. 4. Schnitt bei Wurzel 24. Fig. 5. « BE 55 Dil" Figg. 6 bis S. Durchschneidung der Hinterwurzeln 22 bis 26 beiderseits, an der Taube. Fig. 6. Schnitt bei Wurzel 26. Fig. 7. 2 Fig. 8. u 0 Aa Das Flimmern des Herzens. Von Dr. J. Gewin in Utrecht. (Hierzu Taf. XIV.) Aus der großen über unser Thema vorliegenden Literatur! erwähne ich hier vorläufig nur die Abhandlung Bätkes, ? in welcher gezeigt wird, daß es keinen fundamentalen Unterschied zwischen dem „Wogen“ des Herzens kaltblütiger Tiere und dem „Flimmern“ des Säugetierherzens gibt. Diese Arbeit war für mich der Grund beim Studium jener Er- scheinung neben dem Warmblüterherzen auch das Kalthlüterherz zu berücksichtigen. Ich benützte insbesondere Kaninchen’, Igel?, Frösche, Schildkröten und Teichmuscheln; beschränke mich in dieser Abhandlung jedoch auf die Beschreibung der Verhältnisse beim Kaltblüter. $ 1. Versuche mit Fröschen. Nachdem das Versuchstier durch Vernichtung von Gehirn und Rücken- mark getötet war, wurde es auf einer Korkplatte befestigt und in ein zinkenes Schälchen gelegt, welches mit einer Lösung von NaCl (0:6 Prozent) so hoch gefüllt war, daß das ganze Tier gerade untergetaucht war. Bei * Eine Zusammenstellung siehe bei J. Gewin, De Woelbewegingen van het hart. Inaug.- Diss. Utrecht 1906. ?® Bätke, Über das Flimmern des Kaltblüterherzens. Pflügers Archiv. 1898. Bd. LXXL S. 412. ® Siehe meine /naug.- Diss. Kurvenfiguren 1-4. * Ebenda. Kurvenfiguren 5—7. 248 J. GEwIN: Anwendung der Suspensionsmethode befand sich dann das Herz eben ober- halb der Flüssigkeit und konnte durch zeitweiliges Befeuchten vor Aus- trocknen geschützt werden. Bei fast all meinen Experimenten wendete ich elektrische Reizung an. In dem Ventrikel wurden zwei feine kupferne Häkchen, welche als Elek- troden dienten, an dünnen Drähten befestigt. Das zinkene Schälchen befand sich auf einem elektrischen Ofen, welcher das Ganze auf eine Tem- peratur erwärmte, die an einem in der Flüssigkeit hängenden Thermometer abgelesen werden konnte. Bekanntlich hat die Temperatur großen Einfluß auf die Frequenz des Herzrhythmus (Langendorff,! Bätke?). Auch ich habe diesen Einfluß studiert; die Frequenz nimmt innerhalb gewisser Grenzen in gleichem Sehritt mit der Temperatur zu. Über 28—30°C. geht die Beschleunigung träge und über 32°C. sinkt die Frequenz oft wieder. Bei 40° sind die Pulsationen immer sehr schwach. Das Maximum der Frequenz wird bei 13—25° C. erreicht, wobei jedoch zu beachten ist, daß, wenn das Herz längere Zeit der Einwirkung höherer Temperaturen ausgesetzt war, die Frequenz sich nicht unerheblich verringerte. Vergleicht man hiermit den Effekt faradischer Ströme auf das Froschherz, so sehen wir, daß auch hier- durch Beschleunigung auftritt; erwärmt man das Herz und nimmt der Reiz zu, so sieht man allmählich mit der Temperatursteigerung aus dem unregelmäßigen langsamen ‚„Wühlen“ sich das regellose schnelle „Flimmern“ entwickeln, so wie man es bei den Säugetieren beobachtet. Als Temperatur- Optimum, wobei das Flimmern ganz und gar dasselbe Bild gibt wie bei warmblütigen Tieren, fand ich 30—32°C. Bätke? gibt ein Optimum von 32—34°C. an. Mit der Möglichkeit, beim Frosche echtes Flimmern zu verursachen, verschwindet der Unterschied, den viele Forscher zwischen dem Wogen bei kaltblütigsen und dem Flimmern bei warmblütigen Tieren angenommen haben. Beide Erscheinungen können also nicht fundamental verschieden sein, wie übrigens auch aus anderen Beobachtungen hervorgeht. Bekamen wir beim unerwärmten Froschherzen keine direkte Nachwirkung des elek- trischen Reizes, nach Erwärmung des Tieres dauerte der Effekt wieder- holt länger als der Reiz (Fig. 1, Taf. XIV), einmal sogar 6!/, Minuten. Im letzteren Falle kamen die normalen Pulsationen erst nach Herz- massage wieder, während sonst spontan Erholung auftrat, alles dieses immer nach einer kleinen Ruhe der Herzteile, welche ihren Rhythmus ge- i Langendorff, Über den Einfluß von Wärme und Kälte auf das Herz der warmblütigen Tiere. Pflügers Archiv. 1898. Bd. LXVI. S. 281. ® Bätke, 2.2.0. Das FLIMMERN DES HERZENS. 249 ändert hatten. Nur einmal kam es vor, daß ein Herz sich nicht erholte, nachdem es zum Wühlen gebracht worden war. Wichtig für das Studium des Wühlens ist auch das Verhalten des Herzens, wenn es durch einen elektrischen Strom gereizt wird, der nicht stark genug ist, um Wühlen zu verursachen. Wie gesagt, tritt zuerst eine, nur selten ganz regelmäßige Beschleunigung des Rhythmus auf (Fig. 2, Taf. XIV). Wird der Strom etwas stärker, dann zeigen sich Andeutungen von Gruppenbildung (Fig. 3, Taf. XIV) oder Pulsus alternans (Fig. 4, Taf. XIV). Übrigens sieht man oft, wenn der Reiz anfängt einzuwirken, zuerst Be- schleunigung eintreten, welche bald in Wühlen übergeht (Fig. 5, Taf. XIV). Registrieren wir ein wühlendes Herz, so sehen wir, daß oft während der Erscheinung mehr oder weniger koordinierte Herzkontraktionen auftreten (Fig. 6, Taf. XIV). Alles dies deutet auf eine innige Beziehung zwischen Wühlen und normalen Systolen. Im Gegensatz zu einigen Untersuchungen, nach welchen das Wühlen ein Phänomen ganz anderer Art ist als die normalen Herz- pulsationen, will ich nachdrücklich auf diese Übergangserscheinungen hin- weisen. Bei meinen Versuchen bin ich auch zu dem Resultate gekommen, daß der Reiz, welcher ein erwärmtes Herz zum Wühlen bringt, schwächer ist als der, den wir zu gleichem Zweck auf das kalte Herz anwenden müssen. Wie nachher mitgeteilt wird, war gewöhnlich eine mittlere Stromstärke von 0-226 Milliampere nötig, während Neumann!, welcher mit dem un- erwärmten Tiere experimentierte, 0.540 Milliampere, d.h. einen mehr als doppelt so starken Strom nötig hatte. Der elektrische Reiz wirkt, wie wir sahen, sehr stark auf die Frequenz des Herzrhythmus ein, er hat zuerst einen positiv-, nachher einen negativ- chronotropen Einfluß, während das Wühlen das Zwischenglied bildet. Doch war ich in der Gelegenheit zu beobachten, daß auch die Größe der Systolen durch den elektrischen Reiz verringert wird: also eine negativ- inotrope Wirkung. Fig. 7, Taf. XTV demonstriert diese Erscheinung. Versuch vom 27. Februar 1906. Rana esculenta, auf die oben beschriebene Weise behandelt. Elektrische Reizung der Kammer, welche dann wühlt. Die Vorkammer klopft in unverändertem Rhythmus. Die Kammer erholt sich nach kurzer Pause, zieht sich dann aber nieht eben so stark zusammen wie zuvor; erst nach + 7 Sek. ist die Schlaggröße des Herzens dieselbe. Nach dem Wühlen entsteht eine Kammerpause, während welcher der Ventrikel sich in vollkommener Diastole befindet, und zwar ist die Er- ‘ Neumann, Untersuchungen über die Wirkung galvanischer Ströme auf das Frosch- und Säugetierherz. Pflügers Archiv. 1886. Bd. XXXIX. S. 408. 250 J. GEwiIN: schlaffung bestimmt ausgiebiger als jene nach normaler Kammerpause (Fig. 6, Taf. XIV), so daß man von „aktiver Diastole“ sprechen möchte. Während der faradischen Reizung der Kammer verhält die Vorkammer sich verschieden. In den meisten Fällen pulsierten die Vorkammern in unver- ändertem Rhythmus weiter, oft aber wurde die Frequenz auch größer (Fig. 8, Taf. XIV). Es ist beachtenswert, daß die Pause dann auch bei den Vorkammern eintritt, während kein Stillstand erfolgt, wenn sie ihren Rhythmus nicht geändert haben. Da Aubert und Dehn!, Mac William?, Braun? u. a. durch Kali- vergiftung beim Säugetier Herzflimmern erzeugten, habe ich versucht, ob beim Frosch analoge Resultate zu bekommen seien. Dazu durchströmte ich das isolierte Herz mit etwas modifizierter Ringerscher Nährlösung. NaCl 0-7 Proz.; CaCl 0-02 Proz.; KC1 0-03 Proz.; NaHCO, 0.01 Proz.; dazu noch etwas Glykose. Die Salze waren chemisch rein. Ich benutzte die Kroneckersche Kanüle, einen Manometer, zwei Glasventile und eine Mareysche Kapsel zur Registrierung der Manometer- Bewegungen. Den Druck, unter welchem die Flüssigkeit zugelassen wurde, konnte ich willkürlich modifizieren. Ein T-Stück mit Hahn machte es möglich, die Ringersche Flüssigkeit abzuschließen und aus einer zweiten Flasche eine Lösung zuzuführen von Salzen, deren Einwirkung ich das Herz aus- setzen wollte. Das Herz ließ ich in derselben Flüssigkeit hängen, welche es in dem Augenblicke durchströmte. Nachdem ich mich versichert hatte, daß das Herz gut pulsierte, wenn es mit Ringerscher Flüssigkeit gespeist wurde, verringerte ich die Quantität KC1 bis auf 0-01 Prozent. Dies hatte keinen Einfluß. Ließ ich aber alles KC] weg, dann fing das Herz an unregelmäßig zu arbeiten, indem man deutlich einen starken negativ-chronotropen und negativ-inotropen Effekt beobachten konnte. Sobald aber Ringersche Flüssigkeit wieder durchgeführt wurde, erholte sich der frühere Rhythmus und schlug das Herz gleich kräftig und regelmäßig wie zuvor. Wichtiger für meinen Zweck war aber der umgekehrte Versuch, nämlich die in der Flüssigkeit vorhandene Quantität KCl zu vergrößern. Ich steigerte sie allmählich, jedesmal um 0-03 Prozent KC], zu gleicher Zeit dafür Sorge tragend, die Flüssigkeit isotonisch zu halten, indem ich ebensoviel NaCl entzog, wie KÜl zugefügt wurde. Das Herz reagierte ! Aubert und Dehn, Über die Wirkungen des Kaffees, des Fleischextraktes und der Kalisalze auf Herztätigkeit und Blutdruck. Pflügers Archiv. 1874. Bd. IX. 8. 115. ® Mac William, Fibrillar contractions of the heart. Journal of Physiology. 1887. Vol. VIII p. 296. 3 Braun, Über die Wirkung der Kalisalze auf das Herz und die Gefäße von Säugetieren. Pflügers Archiv. 1904. Bd. CII. S. 476. Das FLIMMERN DES HERZENS. 251 fast nicht abnorm auf eine Durchströmung mit einer Flüssigkeit, worin 0-06 Prozent KCl, ausgenommen vielleicht mit einem geringen negativ- inotropen Effekt. Bei Steigerung bis zu dem 10 fachen der ursprünglichen Quantität KCl, also 0-3 Prozent, stand das Herz fast unmittelbar still. Die Quantität KCl variierend, bekam ich wechselnde Resultate. Bei Durch- strömung mit 0-09 Prozent KCl nahm die Frequenz ab; die Kammer und die Vorkammer hatten aber nicht dieselbe Frequenz. Bei Durchströmung mit Ringerscher Fiüssigkeit kam gleich Erholung. Bei einem anderen Versuchstier hatte dieselbe Quantität KC] wieder einen anderen Effekt. Die Kammer klopfte weiter, während die Bewegung der Vorkammern kaum zu sehen war. Nach einigen Minuten stand die Kammer still und klopften nur die Vorkammern schwach. Auch hier gleich Erholung des alten Rhythmus bei Durchströmung mit ungeänderter Ringerscher Flüssigkeit. Bei Steigerung bis zu 0-12 und 0-15 Prozent KCl in der Flüssigkeit werden die Pulsationen noch schwächer und spärlicher. Vergrößerte man die Quantität KCl noch mehr, so stand das Herz still. Bei allen diesen Versuchen keine Spur von Wühlen; die kleinste An- deutung sogar fehlte. Daher steigerte ich die Temperatur der Durch- strömungsflüssigkeit bis 28° bis 32° C., d.h. zum Optimum für das Auf- treten von Wühlbewegungen. In derselben Weise experimentierend, habe ich in dieser Versuchsreihe ebensowenig eine Andeutung von Wühlbe- wegungen bei Steigerung der Quantität KCl in Ringerscher Flüssigkeit erhalten. Außer der durch den höheren Wärmegrad verursachten Steigerung der Frequenz sah ich als Folge des größeren KC] Reichtums der Flüssigkeit dieselbe Unregelmäßigkeit, welche beim unerwärmten Herzen vorkommt. Diese Beobachtungen beweisen, daß im Gegensatz zum Säugetier- herzen, das Herz des Frosches nicht zum Wühlen übergeht, wenn ihm große Quantitäten KCl zugeführt werden. $ 2. Versuche mit Schildkröten. Für meine Versuche mit Schildkröten benutzte ich die italienische Sumpfschildkröte (Emys orbicularis). Als regelmäßige Folge der Anwendung von faradischen Strömen auf das Schildkrötenherz beschrieb Mills! eine Beschleunigung; war der Reiz sehr stark, so konstatierte er eine „intervermiform action“. Auch berichtet er noch über das Auftreten von weißen Fleckchen im Herzmuskel, an der Stelle, wo die Elektroden befestigt waren. Diese Tatsachen habe ich bei meinen Versuchen zurückgefunden, nur der Ausdruck „intervermiform action“ könnte zu Mißverständnis Anlaß bieten. Allerdings ist beim unerwärmten Schildkrötenherzen, auf das ein elektrischer Strom einwirkt, wogende Bewegung zu sehen; es ist aber nicht ! Wesley Mills, The rhythm and innervation of the heart of the Sea-turtle. Journal of Anatomy and Physiology. 1887. Vol. XXI (D). p.l. 252 J. GEwIN: immer so. Oft habe ich, als Reaktion auf den faradischen Reiz, das Herz „fimmern‘“ sehen, gerade wie das eines Säugetiers. Auch Bätke,! welcher unter seinen Experimenten mit erwärmten Froschherzen einige Versuche mit Schildkröten beschreibt, sah es bei zweien seiner Versuchstiere. Es ist wieder ein Beweis, wie graduell der Übergang bei den verschiedenen Tieren in betreff dieses Phänomens ist. Wie mit dem Frosche habe ich auch bei der Schildkröte Versuche angestellt, um den Einfluß von Temperaturerhöhung auf den Herz- rhythmus zu beobachten. Snyder,? welcher zu seinen Untersuchungen gerade Schildkröten nahm, schloß, daß der Prozeß, welcher den Grund zur Herztätigkeit bildet, chemischer Art sein müsse. Die Zunahme der Frequenz findet dem Gesetze von van ’t Hoff-Arrhenius? gemäß statt: Frequenz bei 7 (n + 10) Frequenz bei 7 n = 2:3. Dieses gilt aber nur für die Zunahme der Temperatur innerhalb eines gewissen Bereiches. Für sehr geringe und sehr hohe Temperaturen ist die Formel nicht gültig. Bevor ich die Snydersche Abhandlung kennen lernte, hatten meine Versuche bereits analoge Resultate geliefert. Bis 30° C. steigert sich die Frequenz im gleichen Schritt mit der Temperatur; wird die Erwärmung höher, so ist die Zunahme der Herzfrequenz relativ klein und bald tritt (bei + 35°C.) eine Verringerung der Frequenz ein. Die Grenze zwischen Vermehrung und Verringerung der Frequenz ist individuell verschieden und besonders auch hier wie beim Frosche finden wir, daß, wenn die Erwärmung länger dauert, eine ziemlich große Frequenzabnahme auftritt, wie das auch Snyder ausführlich in seinem Artikel mitteilt. Beachtung verdient es, daß die Grenztemperatur für Steigerung der Frequenz ungefähr dieselbe ist wie die Optimumtemperatur für Wühlen. So wie beim Frosche ist 30°C. der günstigste Wärmegrad, um bei der Schildkröte (Fig. 9, Taf. XIV *) das Wühlen auftreten zu sehen. Die Er- scheinung ist der beim Säugetier ganz ähnlich. Die Versuche an der Schildkröte wurden in derselben Weise wie beim Frosch angestellt. Nur entfernte ich, um das Herz freizulegen, das ganze Bauchschild und öffnete das Pericard. ®? Snyder, On the influence of temperature upon cardiac contraction and its relation to the influence of temperature upon chemical reaction-velocity. University of California Publications. 1905. Il. p. 125. 3 Siehe Cohen, Voordrachten over Physische Scheikunde voor geneeskundigen. 1901. * Das Versuchstier erhielt in diesem Falle zuvor 3 8 Sulf. atrop. intraabdominal. Das FLIMMERN DES HERZENS. 253 Es zeigte sich, daß der Strom, welcher das Wühlen erzeugt, im allge- meinen stärker sein muß als der, welcher diese Erscheinung beim Frosch hervorruft, „im allgemeinen“, denn — wie ich schon mit Bezug auf den Temperatureinfluß sagte — es gibt bei diesem Versuchstier manche indi- viduelle Unterschiede. Die Fähigkeit, mit Wühlen auf einen elektrischen Reiz zu reagieren, nimmt bei der Schildkröte sehr schnell ab und daher sind schließlich starke Ströme nötig, um die Erscheinung zu erzeugen, besonders, wenn die Reize schnell nacheinander angewendet werden; des- halb sorgte ich auch stets dafür, dem Herzen nach einer Reizung einige Zeit Ruhe zu geben; oft bis 20 Minuten. Wie Fig. 9, Taf. XIV zeigt, nimmt die Vorkammer an der Rhythmus- änderung teil; wühlt die Kammer, dann wird bei der Schildkröte der Vor- kammerrhythmus unregelmäßig beschleunigt. Unter all meinen Versuchen habe ich keine Ausnahme von dieser Regel gefunden. Doch beteiligt sich die Vorkammer nicht immer sogleich an der das Wühlen vertretenden Frequenzänderung der Kammer (Fig. 10, Taf. XIV). Konstant zeigt sich auch bei der Schildkröte nach dem Wühlen die Pause, welche ich schon bei meinen Froschversuchen erwähnte. Ich schalte eine Reihe von Beobachtungen ein, welche eigentlich nicht unmittelbar zu der Herzerscheinung gehören, welche wir studieren, die aber später für die Erklärung des Wühlens von großem Wert sein werden. Sie alle beziehen sich auf die Eigenschaft des Herzmuskels, welche bei der Schildkröte besonders entwickelt zu sein scheint, nämlich die Automatie einzelner Teile!, insbesondere des Atrioventrikularbündels und seiner direkten Umgebung. Hatte ich das Herz und speziell die Kammer einige Male gereizt, dann war in vielen Fällen die Folge, daß Kammer und Vorkammer sich zu gleicher Zeit kontrahierten, ohne Zweifel, weil der Impuls für die Kontraktionen in diesen Fällen aus den Blockfasern hervorging. Auch bei einem Schildkrötenherzen, welches ich, nach Untertauchen des ganzen Tieres in Salzlösung, erwärmt hatte, habe ich eine analoge Beobachtung gemacht. Versuch vom 20. Dezember 1905. Emys orbicularis. Das Versuchstier, dessen Bauchschild entfernt und Pericard geöffnet ist, liegt ganz untergetaucht in Salzlösung von 0-6 Prozent. Allmählich steigere ich die Temperatur. 14°C. Die Reihenfolge der Kontraktionen ist normal A,—V,. 25°C. Unter den normalen Pulsationen treten Kontraktionen auf von A. und 7”. zugleich. ! Die hierauf bezügliche Literatur ist in meiner Inaugural-Dissertation S. 48—50 zusammengestellt. 254 J. GEwin: 28°C. Sehr regelmäßig wechseln drei gewöhnliche Herzkontraktionen As—V, mit 4 bis 6 Kontraktionen von A. und /. zugleich ab. Während letzteres geschieht, sieht man deutlich, daß das Herz sich nicht gut entleert. Es tritt keine ordentliche Systole auf, sondern es bleibt ein halb-diastolischer Zustand, besonders für die Kammer. Die Vorkammern sind sämtlich stark ausgedehnt. Diese Beobachtung läßt sich am einfachsten durch die Annahme deuten, daß abwechselnd der Impuls der Herzbewegung von dem Sinus und der Atrioventrikulargrenze ausging, es herrschte sozusagen zwischen diesen beiden ein Kampf um die Suprematie. Nicht aber nur die Muskelbrücke, welche Kammer und Vorkammer verbindet, und die unmittelbar an dieselbe grenzenden Teile besitzen eine starke Automatie, unter gewissen Umständen können sich alle Herzteile selbständig kontrahieren und Ausgangspunkte für die ganze Herzwirkung bilden: „all parts of the mammalian heart are endowed with independent rhythmic power“ (Max William)." Meine Versuche erweisen dieses auch für die Schildkröte. Hiervon ist oft Antiperistaltik und Dyschro- nismus die Folge.? $ 3. Versuche am Herzen der Teichmuschel. (Anodonta fluviatilis.) Ich arbeitete mit Tieren mäßiger Größe (8—13 °® Länge). Durch Entfernung eines Teils der Schale und des das Herz bedeckenden Mantel- teils wurde das Herz bloßgelest. Das Muschelherz pulsiert sehr träge, nur 6 bis 1Omal pro Minute. Um die Temperatur des Tieres zu erhöhen, legte ich es in Wasser und erwärmte in früher beschriebener Weise auf einem elektrischen Ofen. Der Einfluß dieser Erwärmung (bis 25° a 30° C.) auf die Frequenz des Herzschlags war gering; eine Erhöhung von 10°C. rief eine Beschleunigung um einige wenige (2 bis 4) Kontraktionen pro Minute hervor. Im allgemeinen fanden die Fxperimente an der Muschel ohne Tem- peraturerhöhung statt. Reizung mit schwachen faradischen Strömen brachte eine sehr bedeutende Beschleunigung zustande. Die Frequenz stieg oft bis zur dreifachen Höhe derjenigen des nicht gereizten Herzens. Etwas stärkere Ströme gaben den Kontraktionen einen bestimmt wogenden Charakter, während die Kammer in toto leicht-systolischen Zustand zeigte. ! Mac William, On the rhythm of the mammalian heart. Journal of Physio- logy. 1888. Vol. 5% P- 167. ? Einige interessante Beispiele hiervon sind in meiner Inaugural-Dissertation 8.50f. mit Kurvenbelegen mitgeteilt. DAs FLIMMERN DES HERZENS. 255 Dieses war dem „Wogen‘“ des unerwärmten Froschherzens ganz Ähnlich. Nur einmal dauerte die Wühlbeweeung nach der Einwirkung des Reizes länger, gewöhnlich aber stellten die normalen Kontraktionen im früheren Rhythmus sich unmittelbar wieder ein, nachdem man zu reizen aufgehört hatte. Zweimal sah ich nach dem Wühlen eine deutliche diastolische Pause der Kammer im vollkommen derselben Weise, wie sie das Herz anderer Tiere zeigt. Da die Frequenz der Herzkontraktionen so gering ist, war es oft sehr scliwer zu bestimmen, ob man nach dem Wühlen wirklich be- rechtigt war, von einer abnorm verlängerten Pause zu sprechen; wie gesagt, zwei Experimente hoben allen Zweifel auf, daß auch beim Muschel- herzen eine post-undulatorische Pause besteht. Wurde der Reiz noch mehr verstärkt, so trat ein Tonus der Kammer auf, aus welchem das Herz sich nur langsam, bisweilen erst nach einigen Stunden erholte. Dann und wann führt dieser Tonus zum bleibenden Stillstand. Die tonische Kontraktion des gereizten Herzteils entsteht manchmal auch nach Berührung; sie ist eine der Ursachen, welche das Experimen- tieren mit Anodonta in so hohem Grade zeitraubend macht. Nie be- teiligten sich die Vorkammern an der Beschleunigung, weiche die Kammer bei faradischem Reiz zeigte; immer behielten sie ihren eigenen Rhythmus. An der Stelle, wo die Pole auf dem Herzen ruhten, und in ihrer un- mittelbaren Umgebung zeigten sich dann und wann weiße Fleckchen, welche bei der Herzbewegung ganz passiv blieben. Kontrahierte sich die Kammer, so blieben diese Stellen ausgedehnt. Lokal ist offenbar eine dauernde Paralyse eingetreten. Besonders geschah dieses nach starken Reizen und wenn lange mit einem Herzen experimentiert worden war. Ich habe versucht, ein Herz, welches solche paralytische Fleckchen zeigte, zu färben. Es gelang mit einer wäßrigen Lösung von Methylenblau, welche ich in die Herzhöhle einspritzte und dazu noch auftröpfelte. Die paralytischen Stellen imprägnierten sich stark, so daß sie nach wenigen Stunden eine tiefblaue Farbe angenommen hatten, während das Übrige des Herzens, welches unterdessen aufgehört hatte zu pulsieren, sich nur sehr wenig färbte. An den Stellen, wo der elektrische Strom am intensivsten einge- wirkt hatte, mußte also eine bleibende Änderung der Muskelsubstanz ein- getreten sein, die in den übrigen Teilen des Herzens fehlte. $ 4. Mechanismus des Wühlens. Wenn man erwägt, welchen lokalen Einfluß ein faradischer Strom auf den Herzmuskel ausüben kann, so ergeben sich unmittelbar zwei Möglich- keiten: der Strom wirkt entweder direkt oder indirekt durch die Stromwärme. Andere Kapitel der Physiologie lehren, daß eben die Stromwärme bei vielen Prozessen eine bedeutende Rolle spielt, z. B. die Wirkung des elek- 256 J. GEwiIn: trischen Stromes auf das Blut! und den Fleischl-Effekt nach Cremerscher? Auffassung. Um zu prüfen, welche der genannten beiden Möglichkeiten in meinem Falle die wahrscheinlichste ist, mußte ich kennen: a) die Stromstärke, der ich mich bediente; b) den Widerstand des Herzens. Für die Bestimmung der Stromstärke benützte ich Webers Elektro- dynamometer und eichte damit den näher zu beschreibenden Induktions- apparat und den von mir verwendeten Wasserinterruptor. Webers Elektrodynamometer besteht bekanntlich in der Hauptsache aus einer festen und einer beweglichen Drahtrolle. Der elektrische Strom durchläuft beide nacheinander. Zwei Metalldrähte, die auch die bifilare Aufhängung bilden, führen den Strom zur beweglichen Rolle. Im Gleich- gewichtszustande stehen beide Rollen mit ihren Windungen senkrecht auf- einander. Ein durch beide Rollen geleiteter Strom gibt‘ der beweglichen eine Drehung, proportional dem Quadrate der Stromstärke. Bei Änderung der Stromrichtung in beiden Rollen bleibt die Drehung gleichsinnig. Ein kleiner an der bewegbaren Rolle befestigter Spiegel macht es möglich, mit Fernrohr und Skala die Ablenkung auf der Skala und dadurch die Stromstärke zu messen. Mit einem konstanten Strom geprüft, ergaben sich die folgenden Werte: Eichung des Induktionsapparats mit Wasserinterruptor. Tabelle 1 Ablenkungen der beweglichen Rolle des Elektrodynamometers, abgelesen auf der Skala, wenn ein konstanter Strom von bekannter Stärke durch die zwei Rollen des Apparates geleitet wurde. Stromstärke in m. A. Ablenkung (in Skalateilen). 1:00 2-50 1.5 9.50 2-00 10-10 2-25 12-85 2-50 15-75 2-75 18-85 3:00 22-65 3.25 26-50 3:00 27:90 3-50 30-55 > 4:00 40:10 ! Rollett 1863, Neumann 1865. Hermann 1899. Pflügers Archw. Bd. LXXIV. S. 164. ? Cremer, Weitere Studien zum Fleischl-Effekt. Zeitschrift für Biologie. 1905. Bd. (XLVL) XXVIL 8.77. Das FLIMMERN DES HERZENS. 257 Tabelle ll. Ablenkung der beweglichen Rolle des Elektrodynamometers, abgelesen auf der Skala, wenn der in der früher beschriebenen Weise mit Induktions- apparat und Wasserinterruptor erzeugte Induktionsstrom durch die zwei Rollen des Elektrodynamometers geleitet wurde. Interruptions- Rollendistanz Ablenkung |Interruptions- Rollendistanz Ablenkung zahl in in zahl | in | in in + Sek. Millimetern Skalateilen in 4 Sek. Millimetern | Skalateilen 20 50 0.10 20 25 2-90 40 50 0-11 40 25 4».45 60 50 0-15 60 25 725 so 50 0-25 so 25 10:20 100 50 0-55 100 25 13-70 sal0 40 0:05 sal0 20 1.45 20 40 0-40 20 20 4:30 40 40 0-55 40 20 7.00 60 40 0-80 60 20 10:65 s0 40 1:15 s0 20 15°05 100 40 1-50 100 20 20:90 S&10 35 0-20 8a10 15 1-85 20 35 0:80 20 15 5:60 40 35 1:20 40 15 9+25 60 35 | 1:85 60 | 15 14:20 s0 35 2-75 80 | 15 20-10 100 | 3D, 3:95 100 15 26°95 salı0 | 30 0-55 3&10 10 2-35 20 30 1:80 20 10 6-70 40 30 2-65 40 10 11:70 60 30 4-15 60 10 17:60 s0 30 5-80 s0 | 10 | 25.30 100 | 30 7-60 100 | 10 88.20 sä10 25 | ..1-00 100 | 0) | 40-10 Die Korrektion für die etwas veränderten Widerstände bei meinen nachher zu beschreibenden Versuchen mit Froschherzen berechnete ich nach der Formel J:i= W,: W,, worin J = die Stromstärke bei meinem Versuche, i= die Stromstärke, welche wir mit dem Elektrodynamometer fanden, wenn wir alle Umstände gleich ließen, ausgenommen den Widerstand im sekundären Kreis, W, = der Widerstand der sekundären Rolle des Induktionsapparats + Widerstand des Elektrodynamometers, W, = der Widerstand der sekundären Rolle + Widerstand des Herzens. Archiv f, A,u. Ph, 1906. Physiol. Abtlg. Suppl. 17 258 J. GEwIn: Ich suchte in erster Linie die minimale Stromstärke zn bestimmen, welche beim Frosch genügte, um Herzwühlen zu erzeugen. Da, wie vorher schon bemerkt, ein Froschherz schwerer zum Wühlen zu bringen ist, wenn schon eine Reihe von Reizen darauf angewendet wurde, d. h. daß eine größere Stromstärke angewandt werden muß, um die Erscheinung hervorzurufen, habe ich versucht, das Herz zum Wühlen zu bringen, bevor ich dessen Reizbarkeit durch längeres Experimentieren verringert hatte. Nur in dieser Weise war einigermaßen die Möglichkeit vorhanden, das Minimum zu finden, daher gibt es unter den angegebenen Werten wahrscheinlich einige, die zu hoch sind: man kann ja nicht mit Sicherheit sagen, ob vielleicht nicht eine geringere Stromstärke schon das Wühlen hätte hervorrufen können. Nachdem dem Frosche Gehirn und Rückenmark zerstört worden waren, fensterte ich das Versuchstier, öffnete das Pericard und befestigte in der Herzkammer zwei kleine kupferne Häkchen, welche als Pole meines In- duktionsapparates zu dienen hatten. Das Tier wurde dann in eine Salz- lösung (0-6 Prozent) gelegt in der Weise, daß der Teil der Kammer, in dem die Häkchen befestigt waren, nicht untergetaucht war und dann wurde das Ganze bis 30° C. erwärmt. Ich benutzte einen Schlittenapparat! nach du id ohne Neefschen Hammer mit neu gewickelten Rollen. Die primäre Rolle hatte einen Widerstand von 0-58 Ohm, bei einer Drahtdicke von 1 "® und einer Länge der Rolle von 7.9 =, Die sekundäre Rolle hatte einen Widerstand von 200 Ohm und eine Länge von 7.2°%; der Draht war 0,25” dick. In der primären Rolle befand sich ein 25 "= dicker Kern von 320 lackierten Eisendrähten, welche je 10°= lang und 1“ dick waren. Als Stromwechsler benutzte ich den van Huffelschen Wasserinter- ruptor: der Wasserstrahl bringt ein Rad in Bewegung, welches vier Schaufeln trägt, deren Endpunkte beim Drehen einen Augenblick im Quecksilber untergetaucht werden (Spülkontakt). Durch Regulierung der Wasserzufuhr war ich imstande, die Umdrehungsgeschwindigkeit ziemlich stark zu variieren. Es wurde meistens mit einer Unterbrechungszahl von 2 bis 30 p. Sekunde gearbeitet. Durch Änderung der Unterbrechungszahl und der Entfernung der sekundären von der primären Rolle konnte ich, ohne in dem primären Kreis etwas zu ändern, alle die für meine Versuche erforderlichen Stromstärken erzeugen. Im primären Kreis befand sich außer einem Widerstande von 3 Ohm (einer Widerstandsbank entnommen) noch ein Pfeilsches Signal, welches die Zahl der Unterbrechungen auf einem berußten Zylinder aufschrieb, während ein Akkumulator den Strom lieferte. ! Die hier aufgegebenen Mabe sind dieselben, wie sie die aus der Fabrik von D. B. Kagenaar sen. in Utrecht herrührenden Schlittenapparate immer besitzen. Das FLIMMERN DES HERZENS. 259 Nachdem ein Versuch gemacht war, wurde gleich nachher der Wider- stand des Herzens nach der Kohlrauschschen Methode bestimmt, ohne die Stellung der Häkchen zu ändern. In der folgenden Tabelle sind die Ergebnisse von 15 regulär verlaufenen Versuchen zusammengestellt. Tabelle der schwächsten Stromstärken, bei denen das Froschherz in Wühlen über- geht, und die daraus berechnete Stromwärme. ! Rollenentfernung Unterbrechungs- Widerstand Stromstärke Wärme” Q ä a zahl | ER ß 10° kl. Kal. in Millimetern ass in Ohm in m. A. pro Sek. 15 13 | 900 0.409 36-0 40 82 | 1400 | 0.188 11-8 15 11 | 1400 | 0-219 16+1 10 | 12 | 1400 | 0.281 26-4 35 26 1400 | 0.281 26-4 15 15 1800 0225 21-8 35 110 1800 | 0-250 26*8 30 72 2000 | 0.273 39-1 20 29 | 2200 | 0.229 27-6 35 110 | 2400 | 0.192 21-1 20 | 32 2600 | 0-214 28-6 25 | 32 2600 | 0-178 22-1 40 106 2600 0.125 9-6 25 | 96 3400 | 0-181 26-6 15 | 23 | 3400 | 0.153 191 Wenn wir nun den wahrscheinlichen Fehler berechnen DZ Ss—l (worin „= 0.6745; I 2? die Summe der Quadrate der Abweichungen der Messungen und $ die Zahl der Beobachtungen), so finden wir, falls wir den Effekt des faradischen Reizes nehmen als Folge seiner chemischen Ein- wirkung auf den Muskel, welcher Effekt der Stromstärke unmittelbar pro- portional ist W=0-045906 oder 20-2 Prozent. Im Falle wir voraussetzen, daß die durch den elektrischen Strom hervorgerufene Wärmeentwickelung das Wühlen erweckt, beträgt der wahrscheinliche Fehler bei meinen Be- obachtungen 5,4547 x 10-® oder 21,6 Proz. DE ! Nach der Formel Q = 0-24, o, in welcher © die Stromstärke in Amp., » der Widerstand in Ohm. ® In der Inaugural-Dissertation irrtümlich in kl. Kal. We 260 J. GEwIN: Nehmen wir an, der Widerstand des durchströmten Herzteiles hätte nicht zwischen 900 und 3400 Ohm variiert, sondern wäre absolut konstant geblieben, so müßte nach der Formel &=0-24.?”o die Variation von ® hauptsächlich von der Variation von ? abhängen. Wenn also @ (die Wärme) mit einem wahrscheinlichen Fehler von 21 Prozent das Bestimmende unserer Erscheinung ist, so schwankt notwendig in solch einer Versuchsreihe das © mit einem kleineren wahrscheinlichen Fehler um eine mittlere Stromstärke. . Umgekehrt, wenn die chemische Wirkung des faradischen Stromes, mit einem wahrscheinlichen Fehler von 20 Prozent, die Ursache des Wühlens ist, muß in obenstehender Versuchsreihe die Variation der aus diesen Stromstärken berechneten Wärme einen viel größeren wahrscheinlichen Fehler zeigen. Die Variationsbreite bei. der Gruppe von Ziffern (von Q und ;) ist nahezu gleich groß. Dieses findet seinen Grund im kompensierenden Ein- fluß des Widerstandes. Würdigt man diesen, so stellt sich heraus, dab die Erscheinung mehr direkt von @ als von ’ abhängt. Der Teil des Herzmuskels jedoch, über welchen die Stromwärme sich tatsächlich verteilt, läßt sich ebensowenig feststellen, als der Teil, über welchen das z (die Stromstärke) sich geltend macht. Ich denke sie mir vorläufig sehr klein, lasse sie und daher auch die faktisch zustande ge- brachte Temperaturerhöhung, außer aller weiteren Diskussion. Wir folgern: Das Wühlen während der Anwendung eines faradischen Stromes auf das Herz ist bedingt durch die Stromwärme. Zur Unterstützung dieses Satzes will ich einige Erscheinungen mit- teilen, deren Erklärung mit dieser Theorie leicht zu geben ist, und andere, die uns sogar zwingen, in dieser Weise die Wirkung des elektrischen Stromes auf das Herz zu erklären. a) Die Aqwivalenz zwischen Erwärmung und faradischem Reiz. Es besteht eine ’große Übereinstimmung zwischen dem Einfluß der Erwärmung eines Herzens und dem, welchen der faradische Reiz ausübt. Beider Folge ist Beschleunigung des Rhythmus. Bei Temperaturerhöhung ist das ganze Herz, beim elektrischen Reiz nur der Teil, welcher unter dem Einfluß des Stromes steht, der Erwärmung ausgesetzt. Ist der Strom genügend intensiv, d. h. ist die durch ihn produzierte Wärme genügend groß, so tritt Wühlen auf. Unter gewissen Umständen auch spontan bei Temperaturerhöhung des ganzen Herzens. Es sei noch auf eine Beob- achtung von Langendorff! verwiesen. ! Langendorff, Über den Einfluß von Wärme und Kälte auf das Herz der warmblütigen Tiere. Pflügers Archiw. 1897. Bd. LXVI. S. 384. Das FLIMMERN DES HERZENS. 261 Diese Parallele zwischen Erwärmung und Reizung mit einem Induk- tionsstrome tritt in der S. 254 beschriebenen Beobachtung zutage. Durch Temperaturerhöhung trat Automatie in einem sonst nicht automatisch tätigen Herzteil auf, vollkommen analog mit dem, was wir sehen, wenn ein Herz elektrisch gereizt wird. b) Die negative Inotropie des Herzschlags nach dem Wühlen. Auch die zunächst bestehen bleibende Schwächung der Zusammen- ziehung des Herzens nach dem Wühlen (Fig. 7) erklärt sich aus dem Einfluß der Stromwärme E. Cyon!, welcher den Effekt von Temperatur- veränderungen auf die Kraft des Herzschlages studierte, fand, daß bei steigender Temperatur die Kraft der Herzbewegung anfangs größer wird. Über 30°C. nimmt die Kraft rasch wieder ab (l. c. S. 277). 30°C. ist nun eben die Temperatur, bei welcher die meisten meiner Versuche angestellt wurden; auch das hier oben beschriebene Experiment. c) Der Unterschied der Stromstärke, welche nötig ist, um in einem kalten und in einem erwärmten Herzen das Wühlen hervorzurufen. Neumann’, der am kühlen Froschherzen experimentierte, brauchte eine Stromstärke von 0.540 Milliampere, um Wühlen zu erwecken, während in meinen Versuchen bei bis 30°C. erwärmten Herzen die Erscheinung schon bei einer Stromstärke von 0-226 Milliampere wahrgenommen wurde. d) Der vorübergehende tonische Stillstand des Herzens unter Einfluß eines sehr starken elektrischen Stromes. Oben wurde mitgeteilt, daß bei faradischer Reizung eines unerwärmten Froschherzens ein vorübergehender Herzstillstand entstehen kann, wenn nämlich der Strom sehr stark ist. Auch dieses möchte ich aus der Wirkung der Stromwärme erklären. Bekanntlich sind im Muskel zwei Eiweißstoffe vorhanden:” Muskulin und Myosin, deren Gerinnungstemperatur verschieden ist. Muskulin erstarrt bei +45°C. Myosin dagegen erst bei 55°C. Wäre es nicht möglich, daß der vorübergehende Herzstillstand, welchen wir bei einem stark gereizten Froschherzen beobachten, auf einer vorübergehenden Gerinnung eines oder beider Eiweißstoffe beruhte? In Übereinstimmung hiermit ist der Befund Langendorffs*, daß das Froschherz, welches ı E. Cyon, Über den Einfluß der Temperaturänderungen auf Zahl, Dauer und Stärke der Herzschläge. Berichte über die Verhandlungen der königl. Sächs. Gesell- schaft der Wissenschaften zu Leipzig. 1863. Bd.XV. S. 256. ® R. Neumann, Untersuchungen über die Wirkung galvanischer Ströme auf das Frosch- und Säugetierherz. Pflügers Archiv. 1886. Bd. XXXIX. S. 403. ® Siehe Pekelharing, Voordrachten over Weefselleer. 8.403. * Langendorff, a.a. 0. 262 J. GEwiK: durch sehr hohe Temperatur zum Stillstehen gebracht ist („Wärmelähmung“), sich durch Abkühlung erholt. Nur wenn die Temperatur sehr hoch wird, erholt auch das Froschherz sich nicht (Aristow).! Langendorff macht auch besonders aufmerksam auf die Einwirkungsdauer hoher Temperatur: ein Herz erholt sich oft nach Einwirkung größerer Wärmemengen, als es ertragen kann, wenn die Wärme nur kurz eingewirkt hat. Dies ist bei meinen Versuchen der Fall; der elektrische Strom wird nur während einiger Sekunden durch das Herz geführt und kann also durch die an ganz um- schriebenen Stellen entwickelte Wärme, welche dem Quadrate der Strom- stärke proportional ist, sehr gut eine kurze „Wärmelähmung“ zustande bringen. e) Die weißen Fleckchen um die Elektroden. h Die weißen Fleckchen, welche ein elektrisch gereiztes Froschherz an der Stelle, wo die Elektroden aufgesetzt sind, zeigt, können auf dieselbe Weise erklärt werden. Bei den Versuchen mit Anodonta haben wir etwas Analoges gesehen. Diese Flecken, welche sich mit Methylenblau färben ließen, sind vielleicht auch der Koagulation von Eiweiß durch die ganz lokalisiert bleibenden Stromwärme zuzuschreiben. Hier als bleibender Zustand. f) Die Beschleunigung des Herzschlags während der Reizung. Die kleine Beschleunigung, welche ein unerwärmtes Froschherz zeigt, wenn es dann und wann faradisch gereizt wird, kann auch auf die Wirkung der Stromwärme zurückgeführt werden. &) Eine Verringerung der Leitungsfühigkeit im Herzmuskel. Wie wir vorher sahen, entsteht oft unter Einfluß eines faradischen Reizes Verringerung der Leitungsfähigkeit, auch hierfür scheint nur die Stromwärme verantwortlich. Wir werden sehen, daß bisweilen auch durch Erwärmung allein negative Dromotropie auftritt. Es hat sich also erwiesen, wie viel sich durch die Wärmewirkung der faradischen Reize erklären läßt, aber der wichtigste Teil unserer Auseinander- setzung fehlt noch: wie führt die Stromwärme zum Wühlen und was ver- ursacht den vorübergehenden Herzstillstand, welcher nach dem Wühlen eintritt? Um zunächst die Ursache der Herzbeschleunigung bzw. des Wühlens zu ermitteln, welches auftritt, wenn ein Herz elektrisch gereizt wird, d. h. ! Aristow, Einfluß plötzlichen Temperaturwechsels auf das Herz und Wirkung der Temperatur überhaupt auf die Einstellung der Herzkontraktionen. Dies Archiv. 1879. Physiol. Abtlg. 8. 198. Das FLIMMERN DES HERZENS. 263 wenn lokal eine gewisse Quantität Wärme produziert wird, so werden wir uns noch einmal die Frage stellen, was an solch einem Herzen zu beob- achten ist. | Ein bis 30°C. erwärmtes Froschherz mit mäßig starkem Induktions- strome gereizt, beschleunigt seinen Rhythmus. Versuch vom 27. September 1905. Rana esculenta. Temperatur 30° ©. Frequenz 34 pro Minute. Bei faradischer Reizung der Kammer Frequenz 86 pro Minute. Unterdessen klopft die Vorkammer im ursprünglichen Rhythmus. Sechs Sekunden, nachdem der Reiz aufgehört hat, stellt sich nach kurzer Pause dieser auch bei der Kammer wieder her. Hier gibt es zwei Möglichkeiten: entweder der vom Sinus kommende Impuls, welcher der Vorkammer und den Blockfasern entlang die Kammer erreicht, wird dort in einen Rhythmus von viel größerer Frequenz um- gewandelt, oder die Kammer nimmt, kraft der durch die Stromwärme er- weckten Automatie einen neuen Rhythmus an. Wie bei der Beschreibung meiner Versuche bereits mitgeteilt wurde, senügt Temperaturerhöhung allein schon, um Automatie eines Herzteiles, namentlich der Kammer, hervorzurufen. Diese Temperaturerhöhung wird hier lokal veranlaßt durch den faradischen Reiz. Wenn wir diese Er- klärung annehmen, ist es auch klar, warum die Beschleunigung bzw. das \Wühlen den Reiz überdauern kann. Wäre es der elektrische Strom selbst, welcher den Rhythmus der Kammer beschleunigte, so würde es schwer zu verstehen sein, warum diese Beschleunigung noch nach Aufhören der Reizung fortdauerte. Und Automatie muß es sein, welche erweckt wird, denn auch bei Fröschen, wobei die sogenannte erste Ligatur von Stannius angelegt wurde, so daß kein Impuls des Sinus die Vorkammer erreicht, sieht man das Wühlen, wenn die Kammer faradisch gereizt wird (Fig. 11), wie wiederholt von mir konstatiert werden konnte. Einen anderen Beweis für ganz selbständige nachdauernde Automatie der Kammer bei Wühlen lasse ich hier folgen. Versuch vom 9. März 1906. Emys orbieularis in Kochsalzlösung 0-6 Prozent. Temperatur 30°C. Die Kammer wühlt. Die Vorkammer klopft in beschleunigtem Rhythmus. Sobald der elektrische Strom aufhört, einzu- wirken, hört auch das Wühlen auf. Zuerst kontrahiert sich dann die Kammer, 8/15 Sek. später die Vorkammer. Das folgende Intervall V,—4A; beträgt 7/16 Sek. Dann kontrahieren sich Kammer und Vorkammer einmal zu gleicher Zeit. Nachher ist es wieder die Vorkammer, welche der Kammer ihren Rhythmus gibt (Fig. 12). An anderer Stelle! habe ich Versuche erwähnt, welche meines Er- 1 J. Gewin, Jnaug.-Diss. S. 50. 264 J. GEWwIRN: achtens unwiderlegbar dafür sprechen, daß sich in der Kammer unter dem Einfluß des faradischen Stromes Automatie entwickelt hat. Öfters bot sich die Gelegenheit, dergleichen Beobachtungen zu machen. Dabei mischten sich oft Wühlen und Beschleunigung des Herzschlages durcheinander. Aber, wie schon früher gezeigt ist und noch einmal ausdrücklich wieder- holt sei, es gibt zwischen Wühlen und Beschleunigung des Rhythmus nur einen graduellen Unterschied. Erhöhen wir die Intensität des elektrischen Stromes entweder durch Verkleinerung des Rollenabstandes oder durch Beschleunigung der Umdrehung des Interruptors, so sehen wir den Rhyth- mus sich beschleunigen, bis Wühlen auftritt. Dieses kennzeichnet sich durch ungleichzeitige Kontraktion der verschiedenen Muskelbündel, wodurch die Herzbewegung einen unregelmäßig wogenden Charakter bekommt. Bis jetzt sprach ich fast ausschließlich von Wühlen des gereizten Herz- teiles. Sehr wichtig für die richtige Auffassung von dem, was im Herz- muskel vorgeht, ist die Beachtung des Rhythmus, welchen die Vorkammer während des Wühlens der Kammer besitzt. Wie bei der Beschreibung meiner Versuche gesagt wurde, nimmt die Vorkammer sehr häufig an der Änderung teil, welche in der normalen Kammeraktion aufgetreten ist. Jedoch nicht immer, denn wie wir sahen, klopft beim Frosch die Vor- kammer meistens in ihrem eigenen Rhythmus weiter. Wie soll man sich die Rhythmusänderung der Vorkammer denken, wenn diese doch nicht gereizt wird? Auch hier wieder gibt es zwei Möglichkeiten: entweder sind Stromschleifen wirksam, welche den Block- fasern entlang die Vorkammer erreichen, oder die Kammer zwingt die Vorkammer, einen neuen Rhythmus anzunehmen. Ursprünglich glaubte ich, daß die erste Voraussetzung die richtige sei. Hierfür sprachen das inkonstante Auftreten und die willkürliche Größe der Vorkammerbeschleuni- gung. Auch Battelli! scheint dieser Meinung zu sein; er glaubt, daß die Distanz der Elektroden von den Vorkammern bestimmt, ob letztere teilnehmen oder nicht. Deshalb habe ich noch einige Versuche angestellt, wobei das eine Mal beim selben Herzen die Elektroden an der Herzspitze, das andere Mal nahe der Atrioventrikulargrenze lagen. Nie habe ich einigen Einfluß hiervon auf die Größe der Vorkammerbeschleunigung gesehen. Im weiteren Lauf meiner Versuche ist mir aus anderen Gründen deutlich ge- worden, daß es nicht Stromschleifen waren, welche der Vorkammer ihre Beschleunigung gaben. Folgender Versuch erweist, daß es in der Tat die Kammer ist, welche die Vorkammer zu einem neuen Rhythmus zwingt. ! Battelli, Les tr&mulations fibrillaires du coeur chez differentes especes animales. Journ. de Physiol. et de Pathol. gen. 1900. T.II. p. 422. Das FLIMMERN DES HERZENS. 265 Versuch vom 8. März 1906. Emys orbieularis in Kochsalzlösung 0-6 Prozent. Temperatur 50°C. Zweiter Versuchstag. Es ist die Leitungsfähigkeit in den Blockfasern herabgesetzt: nicht nach jeder Vorkammerkontraktion folgt die Kammer, sondern ziemlich regelmäßig erst nach jeder zweiten. Außerdem ist das Intervall 4,—F, sehr groß. Wenn ich nun einen faradischen Reiz auf die Kammer anwende (Fig. 13), bekomme ich Wühlen der Kammer, nicht der Vorkammer: die Vorkammer behält ihren ursprünglichen Rhythmus. Liegt es nicht auf der Hand, das Ausbleiben der Vorkammerbeschleu- nigung der negativen Dromotropie der Blockfasern zuzuschreiben? Außer- dem weise ich darauf hin, daß nach dem Aufhören des Wühlens die Kammer sich erst nach zwei Vorkammersystolen wieder kontrahiert. Durch den Reiz ist die negative Dromotropie noch vergrößert. Zudem liefern die Versuche von Philips!, der das eine Mal mit elektrischem, das andere Mal mit mechanischem Reiz die Wühlbewegungen erweckt und in beiden Fällen die Vorkammer einen unregelmäßig beschleunigten Rhythmus an- nehmen sah, wohl den besten Beweis, daß Stromschleifen nicht die Ur- sache der Vorkammerbeschleunigung bilden. Noch bleibt uns übrig zu erklären, warum während des Wühlens der Muskel sich nicht gleichmäßig, wie unter normalen Umständen, kontrahiert. Hier sind, glaube ich, drei Erklärungen möglich. 1. Unterschiede der Reizbarkeit der einzelnen Muskelbündel, 2. Unterschiede der Leitungsfähig- keit, 3. Wirkung von Stromschleifen. Trendelenburg? huldigt der ersten Auffassung. Er erklärt die ungleichzeitige Kontraktion der Muskelbündel, indem er eine Verkürzung ihres refraktären Stadiums annimmt, während „die einzelnen Muskelbündel unter gewissen Umständen nachweisbar eine individuell verschieden hohe Erregbarbeit besitzen“ (Hoffmann?). Was den Unterschied der Leitungsfähigkeit der verschiedenen Muskel- bündel betrifft, ist es deutlich, daß, wo die durch den faradischen Strom erzeugte Erwärmung nicht überall dieselbe ist, die Leitungsfähigkeit, welche ja durch Erwärmung geändert wird, in den verschiedenen Muskelpartien auch verschieden sein muß. Daß auch das Optimum der Leitungsfähig- keit und das Maximum der Frequenz nicht immer bei derselben Tem- peratur erreicht werden, ergibt sich aus den folgenden Beobachtungen. ! Philips, Les trömulations fibrillaires des oreillettes et des ventricules du coeur du chien. .Arch. internat. de Physiol. 1905. T.U. p. 271. ° Trendelenburg, Untersuchungen über das Verhalten des Herzmuskels bei rhythmischer elektrischer Reizung. Dies Archiv. 1903. Physiol. Abtlg. 8.271. ® F. B. Hoffmann, Allgemeine Physiologie des Herzens in Nagel, Handbuch der Physiologie des Menschen. 1905. 1. 1. 266 J. GEwIN: Versuch vom 15. Dezember 1905. Emys orbieularis in Kochsalz- lösung von 0-6 Prozent erwärmt. Während gewöhnlich die Temperatur der Salzlösung bis zu 30° C. aufgeführt wurde, geschah es diesmal aus Versehen bis zu 44°C. An- fänglich Frequenzvermehrung von 20 auf 105 pro Minute. Bei 44°C. fiel periodisch eine von zwei aufeinanderfolgenden a aus (negative Dromotropie, ‘Fig. 1#). Versuch vom 10. März 1906. Absichtliche Erwärmung bis auf 45°C. Bei 30°C. traten schon einige Unregelmäßigkeiten in der Leitungs- fähigkeit auf, später mehr. Ze Kurven aus diesem Versuche füge ich bei. In der zweiten (Fig. 16) sehen wir, daß die Leitungsfähiskeit in den Blockfasern total aufgehoben worden ist. Dies geschieht bei 51°C. Während die Vorkammer sich regelmäßig kontrahiert, zeigt die Kammer keine Spur von Bewegung. Die erste Kurve aus diesem Versuche (Fig. 15) bietet noch eine Merkwürdigkeit, welche übrigens auch in anderen Figuren deutlich ist: Automatie der Kammer. Hier erirsseht nur die hohe Temperagur (Arae)) die Automatie. Zuletzt könnte noch an die dritte Erklärung gedacht werden: es könnten Stromschleifen auftreten und die verschiedenen Muskelbündel un- gleich erwärmen. Wahrscheinlich aber ist die Stromwärme solcher Strom- schleifen nicht nur verschwindend klein, sondern auch noch sprungweise verteilt. Die drei Erklärungen schließen einander nicht aus und die drei Momente werden vielleicht nebeneinander Einfluß ausüben. Jede definitive Erklärung der hier besprochenen .Herzerscheinung muß also diese Ele- mente enthalten: lokal verschiedene bathmotrope, dromotrope und chrono- trope Änderungen. $5. Mechanismus der postundulatorischen Pause. Es ist auffallend, daß über die postundulatorische Pause nur wenig Angaben in der Literatur vorliegen.! Vielleicht liegt dies daran, daß viele ! Es sei hier sogleich bemerkt, daß die Pause nicht ausschließlich nach Wühlen auftritt, sondern auch nach Beschleunigung des Rhythmus durch faradische Ströme (Fig. 10), ja sogar bisweilen, wenn bloß eine Extrasystole die Folge des elektrischen Reizes ist (Fig. 17, Taf. XIV). Versuch vom 30. November 1905. Emys orbieularis. Temperatur 30°C. Auf die Kammer wird ein mäßig starker Reiz angewendet, welcher zu einer Extrasystole mit kompensatorischer Pause führt; danach steht, während der Strom noch einwirkt, die Kammer still und erholt sich spontan erst wieder einige Sekunden nach Aufhören der Reizung. Es liegt auf der Hand anzunehmen, daß hier der N. Vagus durch den Strom gereizt worden ist, darum erwähne ich, daß diesem Tiere 16 Minuten zuvor 3=E Sulfas atropini ins Abdomen eingespritzt worden war. i Das FLIMMERN DES HERZENS. 267 auf die Pause keinen Wert legen. Möglicherweise auch, daß man auf Grund der apodiktischen Äußerungen einiger älteren Untersucher meinte, die Pause sei eine Vaguspause. Schon Ludwig und Hoffa!, die ersten, welche die Wühlbewegungen des Herzens beobachteten und auch die Pause erwähnten, setzten voraus, daß der Vagus hierin eine Rolle spielt. 25 Jahre später schrieb Vulpian?, welcher die Pause gleichfalls erwähnt, „les parois des ventricules et des oreillettes etant dans la resolution“, dieser „temps d’arrät“ sollte reflek- torisch durch Reizung des N. vagus entstehen. Seitdem hat sich diese Meinung je länger je mehr verbreitet, ohne eigentlich recht begründet zu sein. Ein einziger Untersucher, welcher über die Pause schrieb, fand noch andere Wege zur Erklärung. Fonrobert? nennt drei Möglichkeiten. Außer der hemmenden Wirkung des N. vagus als Ursache, könnte man die Pause auch auffassen als ein Analogon der kompensatorischen Pause oder als eine Ruhezeit für das Herz, worin sich dieses von der Erschöpfung erholt. Ich habe gemeint, in erster Linie entscheiden zu müssen, ob hier wirklich von einem Nerveneinfluß die Rede sein kann. Dazu wurden einige Versuche mit atropinisierten Schildkröten angestellt. In verschiedener Weise ward dieses Gift angewendet. Angefangen wurde mit Auftröpfeln einer wässerigen Lösung (1 Prozent) von Sulfas atropini. Das Tier lag, wie früher beschrieben, in einem Schälchken mit Kochsalzlösung (0-6 Prozent), so daß die Lösung im Salzwasser diffundierte und so allmählich eine all- gemeine Wirkung hervorrief, nachdem sie das Herz erst lokal vergiftet hatte. _ Die Pause blieb bestehen. Auch auf das Wühlen selbst hatte das Atropin keinen Einfluß. Dann habe ich die Lösung auch eingespritzt, intrapleural, intraperitoneal, intramuskulär; obwohl die Quantitäten ziemlich groß waren (5 bis 108 Atropin), blieb die Pause immer bestehen. Bei der Schild- kröte ist der Verlauf des N. vagus verschieden von dem anderer Tiere, namentlich der seiner Endzweige im Herzen. Wenn der Nerv den Sinus erreicht hat, wo Ganglienzellen angehäuft sind, geht er zu den Vorkammern, während das letzte Stück des Vagus außerhalb des Herzmuskels, über die Verbindungsbrücke der beiden Vorkammern zur Kammer geht, um sich dort, nahe bei der Atrioventrikulargrenze im Muskelgewebe der Herzwand ! Ludwig und Hoffa, Einige neue Versuche über Herzbewegung. Zeitschrift für PEN Medizin. 1850. Bd. IX. S. 107. ®? Vulpian, Note sur les effets de la faradisation directe des ventricules du coeur chez le chien. Arch. de Physiol. 1874. T.I. p. 975. ® Fonrobert, Über die elektrische Reizung des Herzens. Inaugural- Dissertation. Rostock 1895. 268 J. GEwIs: zu verlieren. Dieser Teil des Vagus.ist ein echt postganglionärer Nerv, denn die Ganglienzellen liegen proximal. Um mich zu überzeugen, daß im Verlaufe des N. coronarius in der Kammerwand keine Ganglienzellen aufgenommen sind, habe ich noch folgenden Versuch gemacht. Versuch vom 14. April 1906. Emys orbieularis. Nachdem das Tier durch Vernichtung von Gehirn und Rückenmark getötet war, nahm ich das Bauchschild weg und öffnete das Pericard, dann hob ich das Herz, so daß der N. coronarius sichtbar wurde. Vorsichtig schob ich zwei feine kupferne Elektroden unter den Nerv, welche während des ganzen Versuchs so liegen blieben. Nach etwa fünf Minuten reizte ich mit dem faradischen Strom des oben beschriebenen Schlittenapparates (Rollendistanz 35%; sechs Unterbrechungen in der Sekunde). Die Folge war, daß die Kammer anfing, sehr schwach zu klopfen; verstärkte ich den Strom (Rollendistanz 30”, sechs Unterbrechungen in der Sekunde), so stand die Kammer still. Nach einigen Sekunden erholte sich der normale Rhyth- mus. Nun tröpfelte ich zwei Tropfen einer Nikotinlösung (1 Prozent) auf das ganze Herz, welches Alcaloid bekanntlich! bei einem „autonomie nerve“ die Ganglienzellen lähmt. Die Folge war, daß ein kurzer Herzstillstand eintrat, woraus es sich mit einiger Unregelmäßigkeit erholte. Auf die Ursache hiervon werde ich nicht näher eingehen. Nachdem das Herz sich erholt hatte, reizte ich wieder. Sofort stand die Kammer still. So tröpfelte ich in 19 Minuten elf Tropfen Nikotin auf das Herz. Außerdem spritzte ich noch 3 *% derselben Lösung intraabdominal ein. Nach vier Minuten stand die Kammer auf Reizung des N. coronarius wieder still. (In all diesen Fällen war die Stromstärke dieselbe, Rollen- distanz 30”, sechs Unterbrechungen in der Sekunde.) Nach diesem Versuch dürfen wir sicher annehmen, daß der Nervus . eoronarius ein postganglionärer Nerv ist. Um sicher zu sein, daß bei faradischer Reizung des Herzens eines atropinisierten Tieres nicht durch Axonreflexe die postundulatorische Pause entsteht, wurde der N. coronarius durchschnitten; meine Absicht war, das peripherische Stück dieses Nerven degenerieren zu lassen und dann zu sehen, ob die Pause nach dem Wühlen noch bestehen blieb. Versuch vom 15. Januar 1906. Emys orbicularis. Vorsichtig nahm ich bei einer Schildkröte den Bauchschild weg, dafür Sorge tragend, daß die dabei auftretende Blutung so gering wie möglich blieb. Dann spaltete ich das Pericard und hob das Herz nach oben, so daß die Verbindungsbrücke der beiden Vorkammern mit dem darüber- gehenden N. coronarius sichtbar wurde. Diesen Nerv schnitt ich dann durch. Hierbei trat eine kleine Blutung auf aus den Gefäßen, welche den Nerv begleiten. ! Langley, The autonomie nerves. Nederl. tydschr. voor geneesk. 1905. XLI. 2. p. 1018. Das FLIMMERN DES HERZENS. 269 Danach brachte ich das Herz wieder in seine vorige Lage zurück und konnte mich davon überzeugen, daß es von diesen Manipulationen nicht gelitten hatte. Das Herz klopfte während und nach der Durchschneidung ungestört weiter. Den Bauchschild befestigte ich wieder mit Gummi-Bändcehen auf dem Tiere und hielt es ruhig in einem wenig erwärmten Zimmer. Am siebenten Tage starb die Schildkröte. Denselben Versuch habe ich dann wiederholt, doch tötete ich das Tier in diesem Falle am sechsten Tage nach der Operation. Ich erwärmte bis 30°C. und wendete auf das Herz, welches sehr schwach klopfte, elektrische Reizung an. Die Folge war Wühlen und darauffolgend die Pause. Nachdem ich mich mehrmals überzeugt hatte, daß dieser Herzstillstand konstant eintrat, wurde das Herz weggenommen und nach der Methode von Marchi behandelt. Es erwies sich, daß noch keine Degeneration ein- getreten war, so wie auch a priori zu erwarten war, weil viel mehr als sechs Tage dazu nötig sind. Da es mir nicht möglich war, die Versuchs- tiere nach der Operation länger am Leben zu erhalten, mußte ich auf diese Art des Experimentierens verzichten und versuchen, mein Ziel auf anderen Wegen zu erreichen. Wenn ich beweisen konnte, daß der ganze N. vagus, namentlich der N. coronarius durch Atropin gelähmt wird, durfte ich hieraus schließen, daß die Pause, welche ja auch bei atropinisierten Schildkröten bestehen bleibt, nicht auf Vagusreizung beruht. Darum ward folgender Versuch angestellt. Versuch vom 22. Februar 1906. Emys orbieularis. Nach Vernichtung des Gehirns und Rückenmarks wurde der Bauch- schild entfernt, das Pericard geöffnet und das Herz emporgehoben durch eine Serrefine, die in der Herzspitze befestigt von einem Draht gehalten wurde. Zwei feine Metall-Elektroden ‚wurden unter dem N. coronarius durchgeführt und mit der sekundären Rolle des oben beschriebenen Induk- tionsapparats in Verbindung gebracht. Das Unterbringen der Elektroden hatte einen leicht verlangsamenden Effekt auf den Herzschlag. Nachdem der alte Rhythmus sich wieder hergestellt hatte, wurde gereizt bei einer Rollendistanz von 30”® und 22 Unterbrechungen in 4 Sekunden. Die Folge war, daß die Frequenz der Kammer abnahm. Bei einer Rollendistanz von 20”® mit 22 Unterbrechungen in 4 Sekunden stand die Kammer still. Nun wurde in 14 Minuten eine Lösung von 1 Prozent Sulfas atropini auf das Herz getröpfelt, total 28 Tröpfehen. Auch bei 10" Rollendistanz, 22 Unterbrechungen in 4 Sekunden war keine Frequenzabnahme merkbar. Also Lähmung des R. coronarius durch Atropin. Ich brachte das Herz in seine normale Lage zurück, ohne die Serrefine zu entfernen und spülte während 2!/, Stunden langsam mit NaCl 0-6 Prozent aus, wobei 6 Liter verbraucht wurden. Um mich wirklich zu überzeugen, daß das Atropin ausgewaschen war, reizte ich den Nerv in der eben be- schriebenen Weise aufs neue bei derselben Stromstärke (20 "" Rollendistanz, 27 Unterbrechungen in 4 Sekunden). Es erfolgte Stillstand der Kammer. 270 J. GEwiIs: Wichtig war es, nachzusehen, ob sich bei diesem Tiere die postundu- latorische Pause zeigte, bevor das Tier wieder mit Atropin vergiftet wurde. Dazu befestigte ich in der Kammer zwei Häkchen, welche in leitender Verbindung standen mit der sekundären Rolle des Induktionsapparats. Er- wärmung bis auf 30°C. Bei Reizung (20 “® Rollendistanz, 36 Unter- brechungen in 4 Sekunden) trat Wühlen auf, gefolgt von einer diastolischen Pause. Diesen Versuch wiederholte ich mehreremale Dann vergiftete ich das Tier stark mit Atropin durch Auftröpfeln einer Lösung von 1 Prozent auf das Herz (158 Sulfas atropini), dazu wurden noch 108 in die Bauch- höhle injiziert. Als ich wieder mit derselben Stromstärke reizte (20 um Rollendistanz, 36 Interruptionen in 4 Sekunden), entstand Wühlen und trat die postundulatorische Pause auf. War der Vagus wohl sicher gelähmt? Wieder schob ich die feinen Elektroden unter den N. coronarius und reizte nach einigen Minuten Warten (Rollendistanz 20%, Unterbrechungszahl 36 in 4 Sekunden): ohne Erfolg. Auch bei Stromverstärkung (Rollendistanz zum, 36 Unterbrechungen in 4 Sekunden) trat keine Verlangsamung des Rhythmus auf. Außerdem präparierte ich noch den rechten N. vagus am Halse und reizte nach dessen Durchschneidung das periphere Ende, ohne daß einige Änderung im Herzrhythmus zu spüren war. Wirklich war also der ganze Vagus durch das Atropin gelähmt. Aus diesen Versuchen folgt, daß die postundulatorische Pause nicht durch eine Reizung des N. vagus verursacht wird. Noch ein dergleicher Versuch ergab dasselbe Resultat. Nun wir aber mit Sicherheit festgestellt haben, daß die Pause nicht von einem Vagusreiz abhängt, bleibt uns übrig zu finden, wie sie wohl entsteht. | Es wäre daran zu denken, daß in der Anwendung und Stärke des elektrischen Reizes ein Faktor gelegen sei, welcher auf die Dauer der Pause Einfluß ausübte. Bei all meinen Versuchen erwies es sich aber, dab die Dauer der elektrischen Einwirkung keinen Einfluß hatte. Zum Belege mögen einige Beispiele folgen. Die Versuche beziehen sich alle auf Schildkröten, welche in der oben beschriebenen Weise in einer erwärmten Lösung von NaCl (0-6 Prozent) untergetaucht waren. Versuch vom 24. November 1905. Emys orbieularis. Temp. 23° C. Dauer der Reizung: Dauer der Pause: 5°/, Sek. 1°/, Sek. 31/, Sek. 1?/, Sek. Versuch vom 25. November 1905. Emys orbieularis. Temp. 25° C. Dauer der Reizung: Dauer der Pause: 11!/, Sek. 1!/, Sek. 6 Sek. ar 1!/, Sek. Das FLIMMERN DES HERZENS. 271 Versuch vom 28. Februar 1906. Emys orbicularis. Temp. 29° C. Dauer der Reizung: Dauer der Pause: 1!/, Sek. */, Sek. 6 Sek. 1 Sek. Versuch vom 29. Oktober 1905. Emys orbieularis. Temp. 30°C. Dauer der Reizug: Dauer der Pause: 93/, Sek. 2!/, Sek. 71/, Sek. 2°/, Sek. Versuch vom 7. Dezember 1905. Emys orbicularis. Temp. 28°C. Dauer der Reizung: Dauer der Pause: 1?/, Sek. 1!/, Sek. S!/, Sek. Ir, 2Sck, Es wäre nun auch möglich, daß die Stärke des elektrischen Stromes auf die Dauer der Pause Einfluß hätte. Bei meinen Versuchen hatte ich bemerkt, daß, wenn ein stärkerer Strom wie gewöhnlich benutzt wurde, der Herzstillstand manchmal länger Aauerte. Ich wählte Beobachtungen, wobei die Geschwindigkeit des Rhyth- mus nicht zu große Unterschiede zeigte (siehe unten) und fand folgendes: Bei einer Rollendistanz von 0 “%@ dauerte durchschnittlich die Pause 21°6/, , Sekunden, bei einem von 2. °@ durchschnittlich 217%/,,, Sek., 5 31,—41, em s 95 oao N „ „ „ 6) un „ : 240 „ „ „ ” 6 a ir) PR ”„ Mit Verringerung der Stromstärke verkürzt sich also die postundulatorische Pause. Von der Distanz der Elektroden habe ich nie einigen Einfluß auf die Dauer der Pause gesehen. Ist die Dauer des Wühlens von Einfluß auf die Länge der Pause? Eine Antwort hierauf fand sich in meinen früheren Versuchen mit Kaninchen und in denjenigen der Versuche bei Kaltblütern, wobei das Wühlen den Reiz lange, in einigen Fällen sogar eine halbe Stunde, über- dauerte Wenn die Pause durch Ermüdung des Herzens verursacht würde, eine Möglichkeit, an die Fonrobert! auch denkt, so könnten wir erwarten, daß in den Fällen, worin das Herz durch langes Wühlen erschöpft sein müßte, eine lange Pause folgen würde. Dieses ist nicht so. Die Pause ist immer ungefähr gleich lang, gleichviel, ob das Herz lang oder kurz wühlte. Bei der Schildkröte, bei der man die Dauer der Wühlbewegungen ziemlich beherrscht, habe ich dies öfters absichtlich verfolgt und immer mit demselben Resultate. ı Fonrobert, 2.2.0. 12 J. GEwin: Es gab noch eine andere Weise, um zu untersuchen, ob Ermüdung des Muskels Einfluß auf die Länge der postundulatorischen Pause habe, nämlich durch Vergleichung der Länge der Pause am Anfang und am Ende eines Versuchs. Dazu habe ich 40 Werte von Pauselängen am Anfang, in der Mitte und am Ende eines Versuchs verglichen, bei 19 verschiedenen Schildkröten. ; Ä Die Länge der Pause betrug bei diesen Beobachtungen im Anfang bzw.: 2, 1°, 2, 2,,1°/,, 2%, 3a, 2, 2,2, 3, 3, 21, Sekunde ware: schnittlich 27/,, Sekunde. In der. Mitte bzw.: 3, 21,11, 3, 1°). 2,21 wos Elson 21/,, 12/,, 2, 3, 2!/, Sekunde, durchschnittlich 27/,, Sekunde. Am: Ende bzw.: 12/,, 3, 1. 11, 12), 23, al Bossa 2°/, Sekunde, durchschnittlich 27/,, Sekunde. Aus diesen Zahlen geht hervor, daß wir keinen Grund haben, anzu- nehmen, die Dauer der Pause nehme während eines Versuches zu. Auch nicht, daß die Pause durch Ermüdung des Herzmuskels entsteht. Dann wurde noch der Einfluß der Geschwindigkeit des Fehythmus auf die Dauer der Pause geprüft. Dazu habe ich drei Zahlengruppen verglichen. a) Bei einer Frequenz von 2 oder weniger als 2 Kontraktionen in 4 Sek. war die Länge. der Pause: 2°/,, 4,:3°/,, 3: 22. all, 12021 2025 1!,,, 3, 3, 3, 21/,, 21/,, 3, 21/, Sek. durchschnittlich also 2?1/,, Sek. b) Bei einer Frequenz von 2—3 Kontraktionen in 4 Sek. war die Länge der), Pause: '2,7:3, 2,.11/,,:2,1%/, 1/, 3 202 22121 2 1?/, Sek. durchschnittlich also 2!/,, Sek. c) Bei einer Frequenz von 3 oder mehr Kontraktionen in 4 Sek. war die Länge der Pause: 2, 1°/,, 2, 22/,, 2, 1!/,, 1!/,, 22/,, 1272 Sek-zdureh schnittlich also 1?°/,, Sek. Aus diesen Zahlen folgt, daß die Länge der Pause von der Frequenz des Herzrhythmus abhängt; je länger die Herzperiode, desto länger die Pause. Wird aber der Herzschlag unregelmäßig (Intermissionen oder Gruppen- bildung), dann wird die Pause ungleich lang, aber es ist dann auch ein anderer Faktor wirksam: die Leitungsfähigkeit ist in diesen Fällen meistens aufgehoben. Und damit nähern wir uns der Frage, ob nicht das Leitungsvermögen sroßen Einfluß auf die Dauer der postundulatorischen Pause hat. Könnte nicht durch den elektrischen Strom eine Verringerung der Leitungsfähigkeit verursacht werden, vielleicht durch die Stromwärme? Eine solche Erklärung würde für den Kammerstillstand genügen, also in Das FLIMMERN DES HERZENS. 273 den Fällen, in welchen die Kammer dem Einfluß der faradischen Reizung unterliegt und die Vorkammer nicht einen neuen Rhythmus annimmt, also z. B. bei den meisten Fröschen und bei vielen Schildkröten. Für die viel zahlreicheren Fälle, wobei auch die Vorkammer unter Einfluß des Wühlens ihren Rhythmus ändert, gilt diese Erklärung aber nicht. Denn was würden wir dann annehmen müssen? Eine negative Dromotropie in den Muskelfasern, welche Sinus und Vorkammer scheiden. Diese müßte dann durch direkte elektrische Erwärmung hervorgerufen sein, während wir doch sahen, daß Stromschleifen von solcher Stärke, daß sie den Rhythmus der Vorkammer beschleunigen konnten, die Atrien nicht trafen. Die Leitungsfähigkeit wird ja erst geschädigt durch Temperaturen von 40°C. und mehr; man kann nicht annehmen, daß Stromschleifen, vorausgesetzt, daß sie den basalen Teil der Vorkammer erreichten, auch nur lokal eine ausreichende Temperaturerhöhung produzieren würden. Noch eine andere Eigenschaft des Herzmuskels kann vielleicht in Frage kommen. Ist es nicht sehr gut möglich, daß während der Pause die Erresbarkeit (des Herzens so abgenommen hat, daß es sich auf den doch immer schwachen Impuls, welcher vom Sinus ausgeht, nicht mehr kontra- hieren kann? Um zu untersuchen, ob dies wirklich so sei, habe ich in folgender Weise experimentiert. Ich reizte die Kammer eines Schildkrötenherzens mit einem Induktions- schlag von eben hinreichender Stärke, um eine Extrasystole hervorzurufen. Wenn ich nun in der Pause nach dem Flimmern diesen Extrareiz wirken ließ, und das Herz reagierte nicht darauf, durfte ich daraus schließen, daß die Erregbarkeit in dieser Pause geringer war als zuvor. In erster Linie mußte also das Herz zum Wühlen gebracht werden. Dazu wurden wie gewöhnlich zwei Häkchen in der Herzkammer fixiert. Diese Häkchen waren mit der sekundären Rolle meines früher beschriebenen Induktions- apparates verbunden. Wenn ich eine Pohlsche Doppelwippe umwarf, konnte ich diese Häkchen in Verbindung bringen mit der sekundären Rolle eines anderen Schlittenapparates von du Bois-Reymond, der den zur Erregung einer Extrasystole bestimmten Induktionsschlag liefern sollte. Diesen ließ ich das Herz selbst zustande bringen in folgender Weise: den Hebelarm, welcher zur Registrierung der Herzbewegung nach der Sus- pensionsmethode diente, ließ ich jedesmal, wenn die Diastole nahezu voll- kommen war, d.h. wenn die Hinterseite des Hebearmes emporging, eine kleine Metallfeder von ihrer Unterlage abheben, so daß dadurch die primäre Kette des Schlittenapparates geöffnet wurde. Die Kammer bekam dann einen Öffnungsschlag im Moment, worin ihre Diastole fast vollkommen war; die Folge war eine Extrasystole des Ventrikels. Archiv f££ A. u. Ph. 1906. Physiol. Abtlg. Suppl. 18 274 J. GEwIN: Durch Umwerfen der Wippe konnte ich nach Willkür erst den fara- dischen Strom einwirken lassen, das Herz zum Wühlen bringen und gleich nachher den Extrareiz anwenden. Wenn wir Fig. 18 betrachten, so finden wir hierin dargestellt: die wühlende Kammer, den Extrareiz, die Vor- kammer, die beim Wühlen der Kammer mit beschleunigtem Rhythmus pulsiert, die Zeit in Sekunden. (Rollendistanz für den Wühlreiz 15", Rollendistanz für den Extrareiz 7-6"®.) Die Kammer wühlt; im Augen- blick, wo dieses aufhört und das Herz erschlafft, tritt die Pause auf, un- geachtet eines Extrareizes. Ist die Pause vorüber und spontan wieder eine Kontraktion aufgetreten, dann sind die Extrareize wirksam, dreimal zeigt die Kammer eine Extrasystole; dann schalte ich den Strom aus, eine kompensatorische Pause tritt auf, wie sie sich normal nach jeder Extra- systole zeigt. Wir sehen also, daß in diesem Falle der Extrareiz nicht stark genug ist, um in der Pause eine Systole hervorzurufen, während bei gewöhnlichem Herzrhythmus ein gleich starker Induktionsschlag dieses wohl vermag. Steigern wir aber die Intensität des Induktionsschlages durch Verringerung der Rollendistanz bis auf 7ww, dann tritt eine Extra- systole auf. Auch in den Beobachtungen, welche Kurve 19 und 20 zeigen, tritt die Extrasystole auf; hier war der Induktionsschlag ebenso stark wie im oben beschriebenen Falle, d. h. die Rollendistanz war 7.6"m, aber die Stromstärke, welche das Wühlen erweckte, kleiner (bzw. 20 und 25mm Rollendistanz mit derselben Unterbrechungszahl). Wie wir früher sahen, hängt die Dauer der Pause von der Stärke des Stromes ab, welcher das Wühlen hervorruft, d.h. der elektrische Strom schwächt die Erregbarkeit um so mehr, je stärker er ist. Dieses stimmt ganz mit den oben mitgeteilten Beobachtungen überein, denn hier ist der Reiz nicht stark genug, um die Reizbarkeit dermaßen zu verringern, daß der Induktionsschlag der genannten Intensität von keiner Extrasystole ge- folgt würde; als die Rollendistanz 15” betrug, war ein gleich starker Reiz nicht imstande eine Herzkontraktion hervorzurufen, Noch können wir uns fragen, in welcher \Veise der faradische Strom die Erregbarkeit des Herzens schwächt. Ich glaube, dieses geschieht nicht durch die Stromwärme, denn, wie bereits gesagt, übt die Dauer der Ein- wirkung des Stromes keinen Einfluß auf die Dauer des Herzstillstandes aus. Wäre es die Stromwärme, welche die Erregbarkeit verringerte, so müßten wir erwarten, daß, je länger der Strom einwirkte, also je mehr Wärme produziert wurde, desto länger auch die Pause dauern würde. Vielleicht ist es aber der Einfluß des faradischen Reizes auf den chemischen Prozeß. Zwei Faktoren bestimmen ja die Dauer unserer Pause: a) die mittlere Stromstärke, b) die bereits vorhandene Frequenz. Letztere Eigenschaft Das FLIMMERN DES HERZENS. 275 wird unter anderem durch die Erregbarkeit des Herzmuskels beherrscht, welche selbst wieder abhängt von der Vollkommenheit der rezeptiven Substanz. ! So gibt es einen Nexus, welcher elektrischen Reiz, Unerregbarkeit des Herzmuskels und postundulatorische Pause verbindet, in welche Kette wahr- scheinlich Langleys rezeptive Stoffe als Zwischenkette eingefügt werden müssen. Ob es diese selbe Pause ist, welche übermäßig verlängert nach dem Wühlen des Säugetierherzens zu bleibendem Stillstande führt, wage ich nicht zu entscheiden; unwahrscheinlich wäre dies keineswegs. Als Endergebnis der vorstehenden Versuche und Erwägungen dürfen wir den Satz aussprechen: die postundulatorische Pause ist nicht die Folge eines Vagusreizes, sondern beruht auf Verringerung der Erregbarkeit des Herzmuskels. ! Langley, On the reaction of cells and of nerve-endings to certain poisons, chiefiy as regards the reaction of striated muscle to nicotine and to curari. Journal of Physiology. 1906. Vol. XXXIIL p. 374. 18* Untersuchungen über die galvanische Muskelzuckung des gesunden Menschen. Von Dr. Jenö Kollarits, Assistent der Klinik. (Mitteilung aus der königl. ungar. Universitätsnervenklinik zu Budapest. [Direktor: Prof. E. Jendrässik.]) Die physiologischen Untersuchungen über Muskelzuckungen sind meistens am ausgeschnittenen Froschmuskel, seltener am lebenden Kaninchenmuskel ausgeführt worden und haben reiche Resultate gegeben. Es war verlockend, die auf diese Weise gewonnenen Kenntnisse auf den Menschen und in die klinische Beobachtung zu übertragen. Mendelsohn! hat solche Ver- suche als erster an Menschen angestellt, ihm folgten dann Edinger?, G.terMeulenundBinnendyk°, Amydon, Rosenbach und Schtscher- bak.° Ich habe in dieser Arbeit physiologische Daten am lebenden Men- schen gesammelt und will in einer nächsten Publikation die Veränderungen in verschiedenen Krankheiten studieren. ! Mendelsohn, Recherches cliniques sur la periode d’exeitation latente des muscles dans differentes maladies nerveuses. Archives de physiol. norm. et pathol. 1880. p. 198. — Untersuchungen über die Muskelzuckung bei Erkrankungen des Nerven- und Muskelsystems. Znaug.- Diss. Dorpat 1884. — Sur les types pathologiques de la courbe de secousse musculaire. Comptes rendus des s. de l’academie des sciences. 1891. 10. Aus. — Nouvelles recherches cliniques sur les variations pathologiques de la courbe de secousse musculaire. ev. neurel. 1903. No. 3. 15. Febr. ® Edinger, Untersuchungen über die Zuckungskurve des menschlichen Muskels. im gesunden und kranken Zustande. Zeitschrift f. klin. Medizin. 1883. Bd. VI. S. 139. 3 G. ter Meulen u Binnendyk, Zum Verhalten der Reflexerregbarkeit und der Sehnenreflexe der paretischen Seite bei zerebraler Hemiplegie. Zbenda. Bd. V. S. 89. * Amydon, The myography of nerve degeneration in animals and man. Archiv of Medicin. VIII. 1882. New York. ref. Archives de neurol. Bd. V. S. 242. 5° Rosenbach u. Schtscherbak, Graphische Untersuchung der Muskelzuckung bei Entartungsreaktion. Neurologisches Zentralblatt. 1886. 8. 337. JENö KOLLARITS: ÜBER DIE GALVANISCHE MUSKELZUCKUNG usw. 277 Versuchsanordnung. Die Versuchsanordnung (Fig. 1) wurde von Herrn Prof. Jendrässik zusammengestellt, die Instrumente entstammen von Ch. Verdin. Die Muskelzuckung wurde mit Mareys Myograph, einer mit einem Knopf versehenen Kautschuktrommel, aufgenommen. Diese war mit der Trommel des Schreibapparates mittels einem 125°” langen Gummirohres verbunden. Der zuckende Muskel übte auf den Knopf des angelegten Myographs einen Druck aus, dadurch wurde die in demselben enthaltene Luft in die Trommel des Schreibapparates gebracht. Somit wurde der Schreibhebel dieser Trommel durch den vorspringenden Muskel in Bewegung gesetzt und schrieb auf dem mit berußtem Papier bedeckten Zylinder eine Kurve. Der Zylinder (C) il Rie. 1. B Trockenelement. — B, Batterie, welche den Strom zur Erregung des Muskels gibt. — E Elektroden. — N Neef-Hammer. — H Quecksilberbehälter. — 7 Inter- ruptor. — D Deprezsches elektromagnetisches Signal. — C Zylinder, mit be- rußtem Papier bedeckt. wurde von einem mit Foucaultschem Regulator versehenen Uhrwerk einmal in der Minute um seine Achse gedreht. Zur Zeitmessung diente ein von Verdin modifizierter Deprezscher elektromagnetischer Signalapparat (D), welcher mit einer in der Minute zehnmal schwingenden Stimmgabel in einen von einem Trockenelemente (2) gespeisten Stromkreis eingeschaltet war. Beim Schließen des Stromes wurde die Zeit vom Schreibapparat des Signals auf dem berußten Papier des sich drehenden Zylinders aufgeschrieben. Zur Erregung des Muskels wurde der galvanische Strom eines Elek- trisierapparates (5) benutzt, welcher in den zur Beleuchtung dienenden Strom eingeschaltet und mit einem Galvanometer versehen war. Im Strom- kreise dieses Apparates war ein Neefscher Hammer (N) eingeschaltet. 278 JENÖ KOLLARITS: Der Strom wurde geschlossen, wenn der Hammer des Apparates im Queck- silber (7) eintauchte. Das geschah mit Hilfe einer elektromagnetischen Vorrichtung, welche den Hammer an sich zog. Zu diesem Zwecke diente ein von Trockenelementen gespeister Strom, in welchem der Elektromagnet des Neefschen Hammers und ein mit Zahn- rädern versehener Mareyscher Interruptor (J) eingeschaltet war. Als die am Zahnrade angebrachten Nägel einen Metallhebel hoben, schloß dieser den Stromkreis. Somit wurde der Neefsche Hammer durch den Elektromagnet zu sich gezogen: und in das Quecksilber getaucht. Der dadurch geschlossene Strom dauerte so lange, bis der Nagel des Interruptors mit dem Hebel in Berührung stand und der Hammer in das Quecksilber getaucht war. Der Stromkreis wurde geöffnet, wenn der Hebel fiel und der Hammer aus dem Quecksilber emporschnellte. Da das Zahnrad des Mareyschen Interruptors in das Zahnrad des vor- liegenden Zylinders eingriff, war der Stromschluß automatisch immer in derselben Phase des Rundganges eingestellt. Mit dieser Einrichtung konnte auch die Dauer der Stromeinwirkung aufgezeichnet werden, wenn anstatt des untersuchten Individuums ein Deprezscher Signalapparat eingeschaltet wurde. Beim Stromschluß wurde der Elektromagnet dieses Apparates magnetisch, zog die Schreibfeder an sich und hielt dieselbe so lange fest, als der Strom vom Neefschen Hammer geschlossen gehalten wurde; sobald der Strom hier geöffnet war, wurde auch die Schreibfeder des Signals losgelassen. Diese Bewegung der Schreibfeder schrieb den Eintritt, die Dauer und das Ende der Stromein- wirkung auf den Zylinder auf. | Der Signalapparat und der Schreibhebel werden von einem Träger (chariot & poulie) geführt, welcher sich derart weiter bewegte, daß die Kurven nach jedem Rundgange des Zylinders genau untereinander geordnet waren. Die einzelne Untersuchung wurde folgendermaßen ausgeführt (s. die Abbildungen). Zuerst brachte ich in einer Reihe um den Zylinder den Abdruck der Stimmgabelschwingungen mit dem Signalapparate an. Dann wurden in drei Reihen untereinander der Anfang, die Dauer und der Endpunkt des Reizes aufgeschrieben. Die Anfangspunkte dieser Zeitbestimmung wurden miteinander mit einem Striche verbunden, und dieser wurde dann weiter bis zum Ende des Zylinders geführt, dasselbe geschah am Endpunkte der Reizung. Diese Striche bezeichneten also den Anfang und das Ende der Stromeinwirkung für sämtliche Kurven. Die Federn des Schreibapparates und des elektromagnetischen Signals mußten untereinander in derselben Linie stehen. Dieser Umstand konnte kontrolliert werden, wenn man mit dem Signalapparate einen senkrechten Strich auf dem Zylinder zog. Der mit dem Schreibhebel in derselben Richtung gezogene Strich muß genau mit dem vorigen zusammenfallen. Der Schreibhebel muß ferner senkrecht auf dem Zylinder stehen. Eine dazu geeignete Methode ist in der Arbeit Edingers angegeben. Mendelsohn hat seine ersten Versuche mit Mareys pince myogra- phique angestellt, hat aber später mit dem Myograph gearbeitet, mit welchem auch meine Versuche gemacht wurden. Mendelsohn hat später auch dieses Instrument fehlerhaft gefunden und dasselbe mit einem von ÜBER DIE GALVANISCHE MUSKELZUCKUNG DES GESUNDEN MENSCHEN. 279 Marey zusammengestellten „explorateur“ vertauscht. Der Fehler des Myo- graphs soll darin bestehen, daß man denselben. nicht genau auf den Muskel anbringen kann, daß der Muskel daher verfehlt werden kann, und daß die Trommel nicht immer mit demselben Drucke aufgelegt werden kann. Mendelsohn hat nämlich gefunden, daß die Intensität des Druckes nicht nur die Höhe, sondern auch die Form der Kurve beeinflussen kann. Ich muß dementgegen behaupten, daß ich den Muskel mit einiger Umsicht nie verfehlt habe und daß ich auch eine Methode gefunden habe, mit welcher der auf den Muskel ausgeübte Druck genügend gleichmäßig war. Auch ich konnte bestätigen, daß der Druck des Myographs einen Einfluß auf die Kurve ausübt. Ich habe zu diesem Zwecke auf dem M. tibialis anticus Versuche angestellt. Die Trommel wurde zuerst in der Weise appliziert, daß der Knopf den Muskel eben berührte, dann wurde stufenweise mit I” vorgerückt. Mit jedem Druck wurden einige Kurven aufgenommen. Diese Untersuchung zeigte, daß die mit einfacher Berührung aufgenommene Kurve niedrig und kurz, die Latenzzeit aber lang war. Die mit übermäßigem Drucke aufgenommenen Kurven zeigten dieselben Eigen- schaften, mit dem Unterschiede, daß sie kürzer waren. Die höchsten und längsten Kurven wurden erzielt, wenn die Gummiplatte des Trommels in derselben Ebene lag, in welcher der Rand der Trommel stand. Das ein- fache Anliegen der Trommel ohne jeden Druck ist also nicht verwendbar, da dabei ein Teil des aufsteigenden Schenkels verloren geht. Der über- mäßige Druck hingegen hat zur Folge, daß der Muskel diesen Druck be- wältigen muß, wodurch die Kurve verändert werden kann. Die oben beschriebene Einstellung der Trommel schien mir hinreichend genau zu sein. Ich hatte somit keinen Grund, meinen Apparat für ungenau zu halten. Ich habe an der Applikation des Instrumentes von Marey nur eine Abänderung vorgenommen. Ich habe nämlich den Myograph nicht mit einer Binde an die Extremität gebunden, sondern denselben neben der Extremität auf einem fixen Halter befestigt. Die Extremität war auch in der Weise fixiert, daß der Muskel vom Knopfe des Myographs nicht weichen konnte. Der Grund dieser Abänderung war, daß der M. tibialis antieus länger ist, als die Binde breit war. Daher wurde die Binde, wenn sie auf den Unterschenkel gebunden war, mit dem Halter des Myographs bei jeder Zuckung gehoben, welcher Umstand zum Verluste eines Teiles der Kurve führte. Denselben Fehler hätte ich auch dann begangen, wenn ich das Holzstäbchen Bracelet, welches bei Mendelsohn beschrieben ist, verwendet hätte. Dieser Apparat hat auch noch einen anderen Fehler. Wenn ich bei einer Peroneuslähmung den schwach reagierenden M. tibialis antieus mit starkem Strome reizte, so trat eine Zuckung in den übrigen gesunden Unterschenkelmuskeln ein, welche größer war als die Zuckung des erkrankten Muskels. Wenn nun das Holzstäbehen Bracelet, welches den Unterschenkel umgibt, nicht erlaubt, daß diese Muskeln bei ihrer Verdiekung in der normalen Richtung vorspringen, so müssen sie auf die benachbarten Muskeln einen Druck ausüben, wodurch eine Verwölbung nur in der einzigen freien Richtung möglich ist. Die nicht untersuchten Muskeln schieben also den untersuchten an den Knopf des Myographs, wodurch sie auf die Kurve Einfluß nehmen. Wir bekommen dann nicht die Kurve des kranken Muskels, 280 JENÖ KOLLARITS: sondern die Bewegung, welche dieser infolge des auf ihn ausgeübten Druckes der benachbarten Muskeln ausführt. Beim Studium der Latenzzeit mußte ich daran denken, daß ein Teil derselben dadurch bedingt ist, daß der Schreibhebel und der Myograph durch einen 125°% Jangen Gummischlauch miteinander verbunden waren und daß es eine gewisse Zeit dauert, bis der Luftdruck durch den Schlauch zur Trommel des Schreibhebels gelangt. Die Zeit, welche zwischen der Anfangs- bewegung des Myographs und der Bewegung des Schreibhebels vergeht, habe ich in folgender Weise berechnet. Die Schreibfeder des Signalapparates und der Hebel des Schreibapparates wurden in einer Linie untereinander eingestellt. Der Signalapparat und der Myograph wurden in einen Strom- kreis eingeschaltet. Dieser Stromkreis wurde seschlossen, als ich mit einer Metallelektrode auf den Knopf des Myographs schlug. Ich bekam in dieser Weise auf dem rotierenden Zylinder zwei Aufzeichnungen untereinander. Der Stromschluß erzeugte eine Bewegung der Schreibfeder des Signal- apparates. Die Bewegung des Myograph-Knopfes erzeugte eine Bewegung der Schreibfeder. Der Unterschied in der Zeit dieser zwei Aufschreibungen ergab die Zeit, welche im 125°“ langen Gummischlauch verloren ging. Dieser Unterschied war so klein, daß er an den Kurven nicht meßbar war. Ich habe daher von diesen Kurven Diapositivbilder verfertigt und dieselben mit einem Projektionsapparate projiziert. Die dadurch entstandene Ver- größerung erlaubte mir, die besagte kurze Zeit genau zu messen. Diese wurde zu 0-0046” bestimmt. 0-0046” mußten also von der Latenzzeit bei jeder Kurve abgerechnet werden. Bei der Bestimmung der Zeit der Zusammenziehung mußte ich daran denken, daß der Schreibhebel sich nicht senkrecht erhebt, sondern daß er an einem Punkte befestigt ist, den Anfang eines Kreises beschreibt. Daher bekommt man statt dem senkrechten Strich einen Bogen. Infolgedessen habe ich zuerst am ruhenden Zylinder diesen Bogen aufgezeichnet und bestimmt, wie weit die verschiedenen Punkte des Bogens von der auf dem Anfangspunkt gezogenen vertikalen Linie stehen. Die so gewonnene Zahl mußte an den Kurven vor der Zeit der Zusammenziehung abgerechnet werden. Diese Abweichung war die folgende. In der Höhe von 1— 5" 0.00 ®® In der Höhe von 2 mn lnn RS] ”„ „ 6 „ 0.25 „ I) 2] „ 26—27 ” 4.00 „ a) „ „ er) „ 0.50 3) 309) „ „ 28 „ 4.25 „ PR) „ ” 10:11 „ 0.75 2) 23009) „ „ 29 „ 4.50 „ „.» ” „ 12—13 „ 1.00 „ ee) „ I) 30 ” 5.00 „ „9 „ „ 14 ” 1.25 „ ) „ „ 31 „ 5.50 „ Da: Te 5 on EU. ET en 32m, oo N) 2) „ 17—20 „ 2.00 2) „9 „ „ 33 „ 6.00 ” De) ” „ 21 „ 2.50 „ 3a) „ „ 39 „ 3.50 „ De) „ ” 22 —23 ” 3.00 ” „» ” ” a1 ” 10.50 ”„ ”.» „ „ 24 „ 3.25 ” Die Versuche von Edinger zeigten, daß die Spannung der Muskeln die Zuckungskurve beeinflußt. Ich mußte daher darauf achten, daß der Muskel in den einzelnen Untersuchungen immer in demselben Spannungsgrad bleibt. Ich habe daher die Extremität immer in jene Stellung gebracht, ÜBER DIE GALVANISCHE MUSKELZUCKUNG DES GESUNDEN MENSCHEN. 281 welche Jendrässik! in seiner Arbeit Mittelstellung genannt hat. Diese entspricht der mittleren Stellung zwischen der maximalen Beugung und Streckung des Extremitätsabschnittes. Mendelsohn hat bewiesen, daß die verschiedenen Muskeln verschiedene Kurven zeigen, ich mußte also meine Untersuchungen immer an demselben Muskel ausführen. Zu diesem Zwecke eignete sich der M. tibialis antieus am besten. Im folgenden soll ausschließlich von diesem Muskel gesprochen werden. Auch ich konnte die Differenzen in den von ver- schiedenen Muskeln aufgenommenen Kurven beobachten, daher sind die gewonnenen Resultate mit Kurven anderer Muskeln nicht vergleichbar. Bewegt der M. tibialis anticus einen frei hängenden Extremitätsabschnitt, so führt dieser nach der Zuckung eine Pendelbewegung aus. Diese Bewe- gungen zeigen sich am absteigenden Schenkel der Kurve. Das kann nur dadurch verhindert werden, daß die Extremität fixiert wird. Ich habe bei der Untersuchung des M. tibialis ant. den Patienten auf einen Stuhl gesetzt, das Knie an dem Sessel und den Fuß auf einem feststehenden Schemel be- festigt. So wurde der Fuß bei der Kontraktion des Muskels nicht gehoben. Nachdem ich sämtliche Untersuchungen in dieser Stellung ausgeführt hatte, habe ich zwar keine absoluten Werte bekommen, doch können meine Daten als Ver- gleichsmaterial zum Vergleiche mit den auf dieselbe Weise aufgenommenen kranken Muskeln dienen. Besonders zu bemerken ist, daß die Kurven nicht der Verdiekung, sondern dem Vorspringen des Muskels entsprechen. Bei der Befestigung der Extremität wurde kein Druck auf den Muskel ausgeübt. Ich gehe nun zur Beschreibung meiner Experimente über. 1. Hat die Dauer der Einwirkung des galvanischen Stromes einen Einfluß auf die Muskelzuckung? Versuch am 29. August 1903. K. E. Mädchen, 11 Jahre alt, leidet an Littlescher Krankheit. Die Kurven wurden vom motorischen Punkte des M. tibialis ant. aufgenommen. Bu | r | b a+b | e GL. es | (a | | ee Strom Roses a | | : - ı mm | Sek. ı mm | Sek. | mm | Sek. | mm | Sek. | mm in Sek. | | | | | Ka8. 0-135 | 1-25 0-019| 6-25 0-125| 28-75 |0-575| 35-0 [0-7 | 11-0 6 MA. 1-5 0.024 | 6-5 0-18 24-5 |0-49 31-0 |0-62 11-5 0-68 | 1-5 |0-024| 5-5 0-11 |25-0 |0-5 |80-5 |0-61 ‚10-0 1-75 |0-029 | 5-75 0-115| 22-5 |0-45 | 28-25 0.565 | 11-0 2-4 1-5 10-024 6-5 0-13 127-0 0-54 33-5 |0-67 |10-5 1-75 |0-029| 6-5 0-13 23-75 | 0-475 30-25 0-605 10-75 ! Jendrässik, Das Prinzip der Bewegungseinrichtung des Organismus. Beiträge zur allgem. u. spez. Muskelphysiologie. Zeitschr. f. Nervenheilk. 1904. Bd. XXV. 8.347. ® = Latenzperiode a= die Zeit der Zusammenziehung in Sekunden und die Länge der Projektion des aufsteigenden Schenkels auf die Abszisse in Millimetern. b = die Zeit der Erschlaffung des Muskels in Sekunden und die Länge der Projektion des absteigenden Schenkels auf die Abszisse in Millimetern... «+5 = dieselben Daten für die ganze Zuckung. ce = die Höhe der Kurve. 282 JENÖ KOLLARITS: Versuch am 7. September 1903. M. E. Knabe, 13 Jahre alt, leidet an Enuresis nocturna. Die Kurve wurde von einem 3% unter dem mo- torischen Punkte liegenden Punkt aufgenommen: Dauer | 1 r | B Be ma ut des | Strom Reizes | - | | | In Sek. | mm | Sek. | mm | Sek. | mm | Sek. || mm | Sek. ı mm KaS. 0-154 | 0-75 |0-011|| 2-75 |0-06 |22-0 |0-484| 24-75 0-544 | 8-75 10 MA. 0-154 || 0-5 ,0-005|| 3-0 10-099 121-5 |0-473 24-5 ı 0:572 | 8:75 2-02 0:75 10:011|| 3-0 0.099) 23-25 0-511| 26-25 | 0-577 SORT 2-02 | 0-75 \0-011)| 2-75 |0-06 |23-5 |0-517 26-25 0-577 | 8-75 Versuch am 29. August 1903. J. G. Mädchen, 25 Jahre alt, leidet an Epilepsie. Die Kurven wurden von einem 3°" unter dem motorischen Punkte liegenden Punkte aufgenommen. | beos: l | a | b a+b IBc a (| a EEE See in Sek, | am Sek. | mm | Sek. | mm | Sek. , mm | Sek mm KaS. | 0.165 | 0-5 |0-005| 8-0 |0-176 23-25 |0-511|131-25 | 0-687 170 6 MA. || 0-165 || 0-75 |0-O11 | 7-25 10-159 || 25-75 |0-566 133-0 |0-725 17-0 | 0-759 | 0:75 [0-O11 7-75 10-17 22:5 |0-495 30-25 0-665| 17:0 | 2618 || 0-75 |0-o11!| 7-75 \o-ı7 ||a8-5 |o-517 31-25 |0-687]| 17-5 Aus diesen Versuchen ist ersichtlich, daß im ersten Falle die ver- schiedene Dauer, 0-135, 0-68, 2-4” des galvanischen Stromes beiläufig gleiche Kurven gab. Auch die Kurven der zweiten Untersuchung, bei welcher der Strom 0.154 bis 2:02” lang einwirkte, waren nicht wesentlich verschieden. In der dritten Untersuchung dauerte der Strom 0-165, 0.759, 2-618” lang, ohne daß dadurch ein Unterschied in der Kurve ent- standen wäre. Somit ist es sichergestellt, daß die Dauer der Einwirkung des salvanischen Stromes in den Grenzen der angestellten Ver- suche keinen Einfluß auf die Zuckungskurve hatte. In dieser Hinsicht kann bei Anwendung eines starken Stromes ein Irrtum entstehen. Der Kranke zieht nämlich infolge des Schmerzes seine Muskeln zusammen, wodurch die Erschlaffung derselben verzögert wird. ÜBER DIE GALVANISCHE MUSKELZUCKUNG DES GESUNDEN MENSCHEN. 283 2, Verschiedene Punkte desselben Muskels. Es ist wichtig zu wissen, welcher Punkt des Muskels aufgenommen werden soll. Zu diesem Zwecke mußten von verschiedenen Punkten des- selben Muskels Kurven aufgenommen werden. Ich habe die Kurven des motorischen Punktes der Mitte des Muskels, und der bei der Zuckung am meisten vorspringenden Sehne des Muskels am M. tibialis ant. miteinander verglichen. Nachdem sämtliche Unter- suchungen zu demselben Resultate führten. werde ich nur die Ergebnisse von drei Fällen mitteilen. N. V. Mädcehen, 15 Jahre alt, litt an hysterischen Anfällen, ist aber zur Zeit der Untersuchung, am 4. Dezember 1904, ohne Klagen. 5" = 0-1", jum — 0:02”, 1. Kurven der Sehne: Strom- | l a b a+b e E i AL. | u 5 | Art | a | Sck. Sek. Sek. Sek. mm Kas 5 | 0.08 0:06 | 0:88 0-44 19-0 4 | 0.045 0-06 0-18 0.19 | 3.0 4 | 008 0-07 0-12 0.19 3.0 Ans 0.00 0-075 045005 | 20 9 10.085 0.06 | 046. | 0-52 | 27-0 9. | 0-02 0.04 | 0+4 0.44 24-0 Ss .0.08 0-06 042 | 048 16-0 7 0-03 0.065 0-5 | 0-38 8-5 6 9.035 0-07 0.27 | 0-34 3-0 Strom- | l a | b a+tb | e | | | Stärke | 3 | E | Art in MA. Sek. Sek | Sek Sek. | mm Kas 6 005 | ©05 | os | one | 95 5 0+025 0-055 037500048 | 65 4 ..00 | 0-08 0.28 0-36 1-5 Ans, 8 008 0.07 0.41 | 0-48 6-5 8 0-03 0-07 0.45 | 0:32 65 7 0-05 0.07 0:32 00:39 4-5 7 0-035 0-07 0-31 0-38 5+0 6 0-085 0-09 0-27 0-36 2-0 284 3. Kurven des motorischen Punktes: JENÖ KOLLARITS: Strom- l a b a+b e Stärke 2 Art in MA. Sek. Sek. Sek. Sek. mm Kas!” & 8 0-025 0-04 0-4 0.44 12-0 | 7 0-025 0-045 0-385 0-48 — 7 0-025 0-05 0-33 0-38 6-0 | 6 0-03 0-05 0-3 0-35 3-5 6 0-03 0-05 0-3 0+35 3-0 Ans 2010 0-02 0-075 0-31 0:388 | 4-82 A. F. Mädchen, 16 Jahre alt, leidet an Hysterie, wurde am 4. De- zember 1904 untersucht. 1. Kurven der Sehne: Strom- l a b a+b ce Stärke SE Art NINA. Sek. Sek. Sek. Sek. mm Kassa. 210 0-016 0-07 0-37 0-44 18-0 9 0-016 0-084 0-351 0.435 14+5 8 0-016 0.089 0.351 0-44 11-0 | 8 0.016 0095 0346 0.441 12-5 | 8 0.021 0-11 0-247 0°357. 1 025:0 Ans. |: ka 0-026 0-084 0-41 0-494 16-5 14 0-032 0-08 0-4 0-48 15-0 13 0-026 0-13 0-31 0-44 9-0 re 0:026 0-11 0-23 0-34 2:0 2. Kurven der Mitte des Muskels: Strom- 2 a b a+b ce : Stärke \ B 8 Art in MA. Sek. Sek. Sek. Sek. mm KaS. | 12 0-016 0-06 0-38 0-44 12-0 12 0-016 0-06 0-49 0-55 12-0 11 0-016 0-068 0-351 0-419 10-0 10 0-026 0-07 0-31 0-38 5-0 9 0-026 0-095 0:26 0-355 2°5 AnS. 16 0-016 0-04 0+5 0-54 16-0 15 0.032 0-047 0-4 0-447 8-0 15 0-026 0-058 0-35 0-408 6+5 14 0+026 0-058 0-31 0.368 5+5 12 0-037 0-048 0-21 0.294 2-5 ÜBER DIE GALVANISCHE MUSKELZUCKUNG DES GESUNDEN MENSCHEN. 285 3. Kurven des motorischen Punktes: Strom- l a b a+b | e Art | | Stärke Sek Sek Sek Sek | Fe . in MA | Kas 16 0005 0:052 0:44 0:492 | 16 15 0005 0:058 0:42 0.478 | 15 14 0.026 0-08 0:35 0-43 6 Ans. 16 |. 0021 0-06 0-33 0-39 | 6 L. J. Mädchen, 16 Jahre alt, leidet an Polyarthritis, welche die Unter- extremitäten verschont ließ. Versuch am 8. und 9. Dezember 1904. 1. Kurven der Sehne: Strom- l a b a+b c Art a Sek. Sek. Sek. Seh Et KaS. | 15 0.017 0-066 0-407 0-473 25-5 | 12 0-017 0-055 0-385 0-44 175 11 0-027 0-061 0-36 0-421 16-0 10 0-027 0-071 0-352 0-423 11-5 10 0-027 0066 0-325 0-391 10-0 10 0.034 | 0.055 0-335 0-39 8-0 9 0-034 0065 0-28 0345 75 5 0-034 0-071 0.242 0-313 2-5 5 0:034 | 0-066 0-22 0286 2-0 | Ans. 17 0-027 0.049 0-418 0-467 29-0 16 0-028 0-055 0-4 0-455 14+5 15 0:0238 0.066 0-34 0406 7-5 14 0:028 | 0-08 | 0-297 | 0.385 4-0 2. Kurven des motorischen Punktes: | | | Strom- U REN b a+b e = | | = Stärke | ar | a Art in Ma. | Sek. | Sek | Sek. Sek mm Kas. 150.006 1 0:08 | 0-41 | 0+459 14 15 0.006 0-049 0-4 0.449 14 14 0-012 0-049 0-39 | 0439 8 10 0.017 0-055 0-37 | .0+425 5 Ans. 17 0-017 0-055 0-407 0.462 16 0-017 0-055 0.32 | 035 7 15 0-027 0-066 0-33 0.396 4 286 Beim Vergleiche dieser Kurven sind Veränderungen der Form wahr- Die Kurve der Sehne hat eine regelmäßige -Form, sie ist hoch. Die Kurve der Mitte des Muskels ist niedrig und zeigt wellenförmige Schwankungen. Der motorische Punkt besitzt die niedrigste und am wenigsten regelmäßige Kurve. Die folgende Tabelle stellt die mit gleicher Stromstärke aufgenommenen nehmbar. JENÖ KOLLARITS: Kurven nebeneinander. Strom- 2 a b a+b ce Era ı Der Aufnahmepunkt Art RE Sek. Sek. Sek. Sek. mm KaS 6 Mitte des Muskels | 0:025 0-05 0+»51 0-56 9-5 Motorischer Punkt | 0-03 0:05 0-3 0-35 3-5 5 5 Sehne 0-03 | 0:06 | 0-38 | 0-44 | 19-0 Mitte des Muskels | 0-025 0-055 | 0-375 | 0-43 6+5 = 4 Sehne 0°:045 0-06 0:13 0:19 3:0 Mitte des Muskels 0:034 | 0-08 0:28 0:36 1°5 Ans 10 Sehne 0:02 0-075 | 0-425 | 0-5 27-0 Motorischer Punkt | 0-02 0°075 , 0-31 0:385 4-5 R 8 Sehne 0-025 0-06 | 0-42 | 0-48 | 16-0 Mitte des Muskels | 0-05 | 0-07 | 0-43 | 05 6+5 5, 7 Sehne 0:03 0-065 | 0:275 | 0-34 8-5 Mitte des Muskels | 0:035 | 0:07 0-32 0-39 4-5 > 6 Sehne 0.035 | 0-07 | 0-27 | 0-34 3-0 Mitte des Muskels | 0-035 0-09 | 0-27 | 0-36 2-0 KasS. 10 Sehne 0:016 0-07 0:37 0.44 18:0 Mitte des Muskels | 0°026 0-07 0-31 0-38 5.0 4 9 Sehne \0-016 0+089 | 0-349 | 0-538 | 14-5 Mitte des Muskels | 0°:026 0-095 | 0.26 | 0-355 2-5 AnS. 16 Mitte des Muskels |) 0-016 0-04 0-5 0-54 16-0 Motorischer Punkt | 0-021 0-06 | 0:33 | 0:39 6:0 = 14 Sehne 0-026 0.084 | 0-41 | 0-494 | 16-5 Mitte des Muskels | 0-026 | 0.058 , 0-31 | 0.368 5+5 ER 12 Sehne 0°026 0Oe1l 0:23 0:34 2:0 Mitte des Muskels || 0-037 | 0:084 | 0»21 0-294 2°5 KaS. 10 Sehne 0-027 | 0-075 | 0-352 | 0-423 | 11-5 Motorischer Punkt | 0-017 | 0:055 | 0-37 | 0-425 5-0 AnS. 17 Sehne 0-027 | 0-049 0-418 | 0-467 | 29-0 Motorischer Punkt | 0:017 | 0-055 | 0-407 | 0-462 9.0 a 16 Sehne 0-028 0-055 | 0-4 | 0-45 | 14+5 Motorischer Punkt 0-017 | 0:055 | 0-32 0:375 7:0 1 15 Sehne 0-028 | 0.066 | 0-34 | 0-406 | 7-5 Motorischer Punkt || 0-017 | 0-055.| 0-32 | 0-375 7:0 ÜBER DIE GALVANISCHE MUSKELZUCKUNG DES GESUNDEN MENSCHEN. 287 Diese Daten beweisen, daß die Kurven der Sehne die höch- sten sind, die Kurven des motorischen Punktes die niedrigsten. Die Kurven der Mitte des Muskels nehmen eine Mittelstellung zwischen den beiden ein. Dieses Ergebnis ist die Folge von den mechanischen Verhältnissen des M. tibialis ant. Die Latenzperiode war in einem Falle dieselbe an der Sehne und am motorischen Punkte, in 4 Fällen um 0-01 bis 0-O11 Sekunden am motorischen Punkte kürzer, als an der Sehne. Diese Differenz der Latenzperiode hat des- halb eine Bedeutung, weil die Verkürzung an der niederen Kurve vorhanden war, trotzdem daß die niederen Kurven im allgemeinen eine verlängerte Latenzperiode besitzen. Die Sehne springt also später vor, als der moto- rische Punkt. In der Zeit der Zusammenziehung konnte keine gesetzmäßige Veränderung gefunden werden. Die einzelnen diesbezüglichen Daten sind in der Tabelle ersichtlich. Die Zeit der ganzen Zuckung war an der Sehne in 4 Fällen um 0.0053, 0-04, 0.085, 0-285 Sekunden kleiner, als am motorischen Pünkte. Die Kurven der Mitte des Muskels nehmen einen mittleren Platz zwischen den beiden ein. 3. Der Einfluß der passiven Spannung des Muskels auf die Kurve. Die Mittelstellung des M. tibialis ant. ist diejenige Stellung, in welcher der Unterschenkel des sitzenden Patienten senkrecht herunterhängt. Dieser Muskel ist passiv gespannt, wenn der Fuß des untersuchten Patienten voraus geschoben wird, wobei der Unterschenkel schräg voraussteht und der Schenkel in horizontaler Lage bleibt. Wenn der Fuß verschieden weit vorausgeschoben wird, entsteht eine verschiedene Spannung im Muskel. Die Erschlaffung des Muskels versuchte ich derart zu erreichen, daß ich den Fuß des Patienten zurückzog. Das gelang aber selten gut, da der M. tibia- lis ant. sich dabei oft aktiv zusammenzog. Nachdem die Ergebnisse der Untersuchungen über den Einfluß der Spannung auf die Kurve überein- stimmen, werde ich nur 5 Untersuchungen mitteilen. 1. MM. Mann, 18 Jahre alt, hat eine leichte rechtseitige Hemiparese. Die Kurven wurden am gesunden M. tibialis ant. 3 *% unter dem motorischen Punkte aufgenommen (12. Oktober 1908). 3.75" = 0:1”, 1" = 0.021”. Grad der Strom- | I | a | h | a+b 2 : Span- 23 | | | i AL nung Art ==) mm Sek. | mm | Sek. | mm | Sek. | mm | Sek. | mm | a N = | | | al | Mittel- KaS. 12) | | | stellung 1-0. 0:016| 2-5 0.05) 20-0 | 0-42] 22-5 | 0-47) 12-0 | 8-0 Passiv | | | | | | gedehnt 1-5 0026| 3-75 0-09] 20-75] 0-48] 24-5 0-51] 9-5 | 5-53 Unter- | | f | | schied +0:5 #001 +1*25 +0:03 +0°75+0°01)+2°0 |+0°04|+2°5 |—2°44 +0:70 an N 288 JENÖ KOLLARITS: | son Bee | | = | om- a | | a | Grad der | ”” IE | | | & | b a+b | = I2.<& | N, == SDanUUnS Art = mm | Sek. | mm | Sek. je Sek. | mm | Sek. | mm Ka: 7 | arz | - | | j T | M 1 I Mittelstellung 'KaS8. 10| 1°5 | 3-25] 0-07. 12-25 0- 26. 15.5 | 0-33 5-5 || 3-77] 2-88 # Passiv gedehnt | \ 1-5 |0-026| 45 | 0-09 18-5 | 0-39| 23-0 | 0-48) 5-5 | 4-11) 4-18 | | | Unterschied I 0 0 |+1-25|+0-0214+6-25,+0-131+7-5 |+0-25|1 0 |+0-37/+1.26 | Mittelstellung | „ | 7| 1-75 0- os1| 3.0 0-06 10-25 0- .22|18-25| 0.28 1.75 3-42) 757 Passiv gedehnt | 2-0 |0- 037. 4-0 | 0-08|16-0 | 0-4 | 20:0 | 0-48 1-0 | 4-0 |20-0 Unterschied +0-25|+0- 06.41. 0 |+0-021+5-75|+0-18146°75| 0-2 | 0-75|+1°421 12 | || | | | | | j | | | 2. M. J. Mann, 19 Jahre alt, leidet an leichter rechtseitiger Hemi- parese und Jackson - Epilepsie. Zur Untersuchung diente der gesunde linke M. tibialis ant. Die Kurven wurden 3°” unter dem motorischen Punkte auf- genommen (3. November 1903). 5W® = 0.1”, 1"" = 0.02”. | | || | | | || adden Strom- l | a | b | a+b | ec (0 Spannung | Art ED mm | Sek. | mm | Sek. | <. || mm | Sek. | mm | x ’ IZP-' | | Mittelstellung |Ka8. 10) 1-0 0-017 2-25 0-05 18-75 0-41) 21-0 | 0+46|14-0 | 8-29 1-5 Passiv gedehnt | | 2-0 0.039) 5.25 0- 13 24:75 0-53 30-0 | 0-66 11-5 | 4-71] 2-61 Unterschied +10 +0.022)43+0 |#0°08 +6°0 +0°12| 49-0 40-2 2-5 3:28 41-1 Mittelstellung | „ | 9 1-5 0028| 2-0 | 0-04 19-0 | 0-42) 21-0 | 0-46|13-75| 9-5 | 1.53 Passiv gedehnt| | 2-0 0.039, 5-25 0.12 21-75 0.47] 27°0| 0-59]10-0 | 4-14| 27 Unterschied +0-5|#0-0111+3-25.40°08, 2:75 0-05 146.0 49.13 Be +1) Mittelstellung | » 8| 1-5] 0-028, 2.25| 0-05 15-75 0-35 18:0| 0-4 | 775 70 | 2:06 Passiv gedehnt | 2-0] 0.089] 5-0 | 0-11/16-5 | 0-36 21-5 | 0-47] 3-0 | 3-3 | 7-17 Unterschied | +0-5|+0-011|+2-75|+0-05|| 0-75/+0-01)+3-5 |+0-07 4.25)3.74| Sell 3. T.A. Frau, 32 Jahre alt, leidet an Hysterie. Untersuchung am | 17. Oktober 1904 am motorischen Punkte des Muskels. | Strom) 1 | b | rom- | b a | | a+ ce | Spannung Art EB] mm | Sek. | mm Sek. Sek. | mm | Sek. | mm | a E nr ”e IKER= 1 ie Er aa | = |! j 2 | Mittelstellung Ka8.| 4 | 1-25 0-023 | 5-0 0-11 24-0 | 0-53429-0 0-64] 12-5 || 4-8 | 2:32 Passivgedehnt| | | 1-25.0-028|| 4-25) 0-09 28-75] 0-6383-0 | 0-72) 5-0) 6-76) 66 | Unterschied || 0 0 \—1-75-0-02 44-75|70-1 |+4-0 | 0.08| -7-5|t1-86 +4 28 || || | | | | | | | Mittelstellung | „ | 3 | 15 |0-028|| 5-5 | 0-12|16-5 | 0.36122-0 | 0-48) 4-5| 3-0 | 484 Passiv gedehnt | 1-5 |0°028| 45 | 0-1 |24+5 | 0-54129-5 0-64) 3-0| 5-44) 76 Unterschied 10 01.0 \—0-02\+8°0 \+0° 16\+7°5 +0-16, —1+5 |+2-66. +2: 66 N a 289 ÜBER DIE GALVANISCHE MUSKELZUCKUNG DES GESUNDEN MENSCHEN. | m 89-2+ | SF-I+ | 0-3— ||@91-0+ = 281.0+ = 00-04 —+:,.'600-.0— — | parypsaoyun || || | | | | 9.21 [96-7 |0-a | 24-0 | 0.83 |1e7-0 | <-08 660-0 G:F 1880°0 GET | yuuwdso3 aısseg '$ 87 1-8 10% 1888-0 | 981 1964-0 0-FI 960-0 GF LEO-O 02 | “ Sanpogspagtimt "7 28-5+ | 81-.0+ | 9.8— ||687*0+ — E91 -0+ == 9309-04 er 600 :.0— = poryasaoguf) gL-L | 68-9 || 0-F 889.0 | 0.18 |jE88-0 9:95 660°0 Gr 1880-0 1 | | yuuvdsos Assug 'g = 88-1 11.9. | 8-21 |865-0 9.88 | 87-0 0:08 |8L0-0 G.8 || 280-0 022. = 87,020 SUNPFPHIN "S 19.4 | 29-0— || 9-EI— |\998-0+ — | FIE.0+ = I70-0+ — 800.04 ee | | poryosıogufn] e9e |zrL |0-11 || 88-0 | 0-05 |182-0 G.GE |660°0 G-F 830-0 1 | | yuuwdsos AISSUT "€ 60-1 60-8 | 6-78 G29:0 0-18 197-0 68-066 860-0 GL°6 950-0 I) | “ ) Sanpjegspoyyit "3 s8-0+ | 08-°2+ | 0-F1— || 997.04 06704 — ||2380°0+ — ‚1#00:.0— | | ze UOLDSIMZ 93-04 | 8E-1I— | 0-8 || 801.04 | 0-94 |620-0+ | S2-E+ ||920-.0+ | 93-T+ |600-0+ | 83-0+ a— 1) porgosaogun %8 |Lr8 0-8 | 66-0 | 0-C# |Ie88-0 | 2-07 |801-0 | yeryps "T = | | Ri EF-E+ | F8-L+ | 0-FT— ||#96-0+ = 888-0+ = 920-0 == 600 :.0— = 8a] UONosımz E 6s-0+ | 68-1— | 0-8— ||981-0+ | 9-F+ ||601-.0+ | 2a-E+ ||980-0+ | 82-1 + || 10.04 | -0+ —rlponpsaogun | | | || ° 98.7 Gel | 0-ST |89F-T | 0-79 608-1 9.64 1660-0 G-F |L10-0 0-1 | yuugdsos Aıssug '8 % 88-0 98-4 0-68 | #790 0:37 | 117-0 G:08 810-0 G:8 1980-0 GT || SunyjoJspo4i "3 = 19-0 GL-L || 0-28 ||609-0 G-61 1898-0 | E4-L1 |L70:°0 | 63-3 |910-0 0-1 01 |'SUy Hellos "Ts | MIUL FR ULUI | "NOS HUT | "y uud "9 u vnu I . 9 vo» | | 178 PS | 178 105 ya) TV Sunuuvdg ee — EEE | al Be a Bu u _ Be Ss q D q | || . Nr IF r | g+® | q 5 N „wong Kp pPuın d | B XS & “Jaynjossne FOGT AOqWOZOK "I we Juw sıpergi N uoyu Sop ouyog op uw opanm sunyons -197ug] og orsdoprdgg-uosspowp yıwı osoawdımory Aosıyıosgyooa aogyorop uw gopıop m oayup gg uuun eV | || | | | | | | | | 6&L+ | 96-0— || 0-1— 1808-04 | 92-84 |981-0+ | 62-C+ |220°0+ | 9-E£+ \910-0+ $2-.0+ | poryosaogufn] 29-31 | 19-2 0°3 999.0 93-95 || 10-0 03-81 | H91-0 0-L 8800 GL-L yuaedsd3 Alsseq 88-4 19-8 0-8 398-0 0°91 ||4L23-0 G-21 || 220-0 G+8 210-0 0-1 q s Sunpjogs[ogytpt 2 882 0-9 927.07 |. 0-84 1.07 | 9-97 920-077 | 9-87 |TI0-07 | 0-.I+ | paıqosaayun 0.9 91-8 0+F 319-0 0.98 087-0 GL-61 281-0 03-9 830-0 GI yuuwdso3 AISSeI 8-1 r9.4 0-01 968-0 08T 988-0 02-61 1190-0 G1°7 LIO-O 01 9 e: Zunjjogspoggum Ai 80:8+ | 16-8 || 0-9— |1e1-0+| 9+6+ | 90-0+| sa-2+ |170-:0+| g3-8+ \780-.0+ | 0-I+ pargosaogun a Geh 69-8 0-9 969-0 0-L3 |897-0 02:18 |931-0 GL-g 830-0 Ge] | yuuedsos Aıssug 3 16+0 9-L 0:88 817-0 G-T8 |817+-0 0-61 || EC0-0 0.3 ?00-0 Go 8 s Sunjfogspoggt hl LE8+ .| &8-P— || 9-2 — ||770-.0+ | 0-04 ITIO-0— | 9-1 ||660.0+ | 9-2+ | 81.04 | 82.0+ porgostogun 9 18*P g8- + 0.9 919-0 | 0-83 co |.c1-23 ||91TT-o | c2-C 220.0 | az-ı yuuvdsos Arsseg a r0-1 g97+8 0:73 314:0 0:93 || 114-0 3-83 || 190-0 GL°7 r00-0 ET) 6 £ Sunpjo3spoggim 6-54 | 18-8 || 9-88 — ||880-04+ | 0-L+ |880-0— | 83-I— || 80-04 | 83-3+ |8I0-0+ | 6L-0+ | porqosaogun] 18-8 34-7 G-L 889-0 0-63 |234:0 | sı-es ||9IT-0 | eu-E ||8%0-0 | 82-1 | yuuwdso3 ATSSYI 86-0 888 0:08 1919-0 0:83 89:0 0-3 1990-0 0-8 700-0 0.0 01 | 'sey Sung[ogspo4gt = — — m. — = >= — — —r — — == u en — — — m — —— A — —— wu "49 LITT "39 wu "9 wITU "yo wur j N a L v v 108 105 108 108 Oy18Ig NV Sunuuedg Fa | i P) q+» q v N -WO.AIS re) 290 sıpergry "N SEP Puyag aop u opınm Sunyonsaoyuf) 9Ld 'Jaynjoösne ‘uw -eO9rygwmnea} SISOANON Ue JopIOL ‘Ne vayep 9z uuen v9 'G ÜBER DIE GALVANISCHE MUSKELZUCKUNG DES GESUNDEN MENSCHEN. 291 Aus diesen fünf Untersuchungen können folgende Schlüsse gezogen werden. Die Zeit der Zusammenziehung ist beim schlaffen Muskel kurz, in der Mittelstellung länger, und bei passiver Spannung noch länger. Der Unterschied in betreff der Zeit der Zusammenziehung zwischen schlaffem Muskel und der Mittelstellung beträgt 0.026 Sekunden. Der Unterschied zwischen Mittelstellung und passiver Spannung ist in den einzelnen Fällen der folgende: im ersten Falle 0-03, 0-02, 0.02” „ zweiten „ 0-08, 0-08, 0-05” „ vierten „ 0.026, 0-026, 0:031, 0.026, 0-005” „ fünften „ 0-05, 0-055, 0-071, 0.076, 0.077” Die kleinste dieser Zahlen ist 0-02, die größte 0-08”. Die Zeit der Erschlaffung ist am schlaffen Muskel kurz, in der Mittelstellung länger, und am passiv gespannten Muskel die längste. Dieses Resultat ist übereinstimmend in betreff des gespannten Muskels und des Muskels in der Mittelstellung in dem ersten und zweiten Falle bei dreierlei Stromstärken an Kurven, welche 3°" unter dem moto- rischen Punkte aufgenommen wurden, dann im dritten Falle, am moto- rischen Punkte des Muskels, dann im vierten Falle an der Sehne des Muskels bei fünf verschiedenen Stromstärken, und im fünften Falle an der Sehne des Muskels bei drei verschiedenen Stromstärken. Zwei Resultate des fünften Falles stimmen mit diesen Ergebnissen nicht, hier war die Zeit der Er- schlaffung am gespannten Muskel wenig kürzer. Der Unterschied der Zeit der Erschlaffung zwischen dem schlaffen Muskel und dem Muskel in der Mittelstellung war 0.079 bis 0-109. Der Unterschied in der Zeit der Erschlaffung zwischen Mittelstellung und passiver Spannung ist im ersten Falle 0-01, 0-13, 0-13” „ zweiten „ 0-12, 0-05, 0-01” „ dritten‘ „ 0-01, 0.18” „ vierten „ 0.838, 0.439, 0.314, 0.164, 0.157” „ fünften „ 0-05, 0-1, 0-126”. Die kleinste dieser Zahlen ist 0-01, die größte 0.838”. Die zwei nicht stimmenden Zahlen sind 0-011 und 0.028”. Der Unterschied in der Zeit der Erschlaffung zwischen passiv gespanntem Muskel und in der Mittelstellung ist viel größer, als der Unterschied in der Zeit der Zusammenziehung. 19* 292 JENÖ KOLLARITS: Die Zeit der ganzen Zuckung ist am schlaffen Muskel kurz, in der Mittelstellung länger, am passiv gespannten Muskel die längste. In dieser Hinsicht stimmen sämtliche Resultate überein. Der Unterschied der Zeit der ganzen Zuckung zwischen schlaffem Muskel und der Mittelstellung ist 0-095 bis 0-135”. Der Unterschied der Zeit der ganzen Zuckung zwischen Mittelstellung und gespanntem Muskel ist im ersten Falle 0-04, 0-15, 0-20” „ zweiten „ 0-2, 0-13, 0.07” „ dritten „ 0-08, 0.16” „ vierten „ 0-964, 0.465, 0.355, 0-187, 0.162” „ fünften „ 0-022, 0.044, 0.121, 0-176, 0.203”. Die kleinste dieser Zahlen ist 0-022, die größte 0.964”. Der schlaffe Muskel besitzt die höchste Kurve, die Kurve des Muskels in der Mittelstellung ist weniger hoch, die des ge- spannten Muskels ist nieder. Alle Resultate stimmen in dieser Be- ziehung überein. Der Unterschied in der Höhe zwischen schlaffem Muskel und dem Muskel in der Mittelstellung ist 3". Der Unterschied der Höhe zwischen der Mittelstellung und passiven Spannung ist im ersten Falle 2.5, 0-75" „ zweiten „ 2-5, 3.75, 4.75um „” dritten emo nn „ werten ),.0,14.14,213-5, 8.5, 2um „fünften. 0,,26222500:5..0, 6,2. Die kleinste Zahl ist 1, die größte 22.5mm, Auffallend ist, daß in den meisten Fällen an den mit großer Stromkraft erzeugten Kurven der Unterschied größer ist, als an den niederen Kurven. Der Grund davon ist, daß an den niederen Kurven die Dimensionen überhaupt klein sind, und daher auch der Unter- schied nicht groß sein kann. Die Verhältniszahl © = ) 7 Areblatung verändert sich am ge- a Jusammenziehung spannten Muskel, doch konnten in dieser Beziehung keine übereinstimmenden Zahlen gefunden werden. Die Verhältniszahl (4 Dr I der großen Zuckung ist am gespannten Muskel größer. Alle Daten sind in dieser Hinsicht über- einstimmend. ÜBER DIE GALVANISCHE MUSKELZUCKUNG DES GESUNDEN MENSCHEN. 293 @+? ist am schlaffen Muskel klein, in der Mittelstellung größer, und am passiv gespannten Muskel die größte, d.h. die Kurve wird länger und verliert dabei von ihrer Höhe. Der Unterschied zwischen Mittelstellung und passiver Spannung ist im ersten Falle 0-7, 1.25, 12.43 S zweisene „. “12112 1217,52 „ dritten „ 4-28, 2.66 „ vierten „ 8-49, 2-32, 2-61, 5-87, 7-88 „ fünften „ 2.94, 3.27, 3.583, 4-7, 7.29. Daraus ist ersichtlich, daß in den meisten Fällen der Unterschied der Verhältniszahl “ = ’ an den niederen Kurven größer ist. Wir haben oben das Resultat bekommen, daß an den niederen Kurven die Höhe bei der Spannung des Muskels weniger verliert, als an den hohen Kurven. Wenn Länge Höhe die niederen Kurven sich bei der Spannung verhältnismäßig bedeutender verlängern, als die hohen. Die Erklärung dieser Erscheinung ist, daß die größere Stromstärke die Spannung des Muskels leichter besiegt, als die kleinere. Die Verhältniszahl e ist in der Mittelstellung um 0-22 bis 0-25 Sekunden länger, als am schlaffen Muskel. Die Latenzzeit war in den zwei Untersuchungen in der Mittelstellung länger, als am schlaffen Muskel. Bei der passiven Spannung konnte ich keine einstimmigen Resultate erhalten. trotzdem die Verhältniszahl größer wird, so bedeutet das so viel, daß 4. Die Kurven der Sehne des M. tibialis ant. am gesunden Menschen. Ich habe zur Feststellung der normalen Kurve die folgenden Fälle untersucht. 1. K.B. Mann, 18 Jahre alt, leidet an einer Lähmung des linken N, radialis. Die Untersuchung des vollkommen gesunden M. tibialis ant. wurde am 11. Januar ausgeführt. 2. R.A. Mann, 20 Jahre alt. Der Kranke litt einige Monate vor der Untersuchung an einer sehr leichten rechtseitigen Hemiparese, von der bei der Untersuchung keine Spur mehr vorzufinden war. Nur Reste einer Aphasie waren noch vorhanden. Der linke M. tibialis ant. wurde am 17. Dezember 1904 untersucht. 3. Sz. L. Mann, 42 Jahre alt, leidet an Arthritis des linken Schulter- gelenkes. Untersuchung am M. tibialie ant. am 4. März 1905. 3 294 JENÖ KOLLARITS: 4. N. V. Mädchen, 13 Jahre alt, wurde am 4. Dezember 1904 unter- sucht, als die Kranke ihre hysterischen Symptome verloren hat. 5. A.F. Mädchen, 16 Jahre alt, wurde am 4. Dezember 1904 unter- sucht, als die hysterischen Beschwerden verschwunden waren. 6. L.J. Mädchen, 16 Jahre alt, litt an Polyarthritis, welehe die Unter- extremitäten verschonte. 7. Gy. J. Mädchen, 23 Jahre alt, litt an Hysterie. Die Untersuchung geschah am 29. Dezember 1904. 8. K.L. Frau, 21 Jahre alt, war als ambulante Kranke wegen leichter Neurasthenie behandelt. Untersuchung am 11. März 1905. Die folgende Tabelle faßt sämtliche Fälle zusammen. Die Kurven sind nach der Höhe geordnet. KaS.-Kurven. 5 Il & | © | = 5 I a b a+b. | e 5 || Name = 2 De ul = & En mm Sek. |mm| Sek. mm | Sch mm Sek. |mm|| * | 2 1\K.L. | Frau |21 0-5 0-006 |2-5 .0-055 26-5 0-583 29-0 |0-63839-0110-6 | 0-74 al .& » 21/0°5 0-006 13-0 ‚0-066|25-0 0-55 28-0 |0-616137-5| 8-33] 0-74 3||8z. L.| Mann |42|1-0 0.016 3-25 0 068 21-75 0-457 125-0 0-525131-0| 6-69) 0-81 4\K.B. | ,„ |,1810-750-012 3-5 0-077|22-5 0-495 26-0 |0-572131-0) 6-43] 0-84 5|8z.L.| „ |42/1-250-021 3-750-079|20-0 0-42 |23-75/0-499'29-0| 5-33) 0-82 Bil » 4211-0 00-016 8-75 0-079 20-25.0-425 24-0 [0-50428-5| 5-04] 0-84 TIR.A. | „ 201-5 /0-028 3-5 |0-077 19-5 0-429 23-0 \0-506)26-0| 5-57 0-88 8|L. J. | Frau [161-0 0-017/3-0 ‚0-066|18-5 0407 21-5 |0-473125-5| 6-17] 0-84 9| „ » 16/1-5 0-028|3-0 0-066 117-5 0-39 20-5 0-456122-0| 5-83| 0-93 10| 1». 161-5 |0-028|3-0 0-066 17-0 0-374 20-0 |0-44 |21-0| 5-66| 0-95 11/82. L. | Mann |42|1-25.0-021 4-0 0-084 20-0 0-42 |24-0 0-504.20-0| 5-0 |1-2 12 5)» .)21/1-0 [0-017 14-0 0-088|18-0 0-374|21-0 |0-462|20.0] 4-25) 1-05 13\K.B. || „ 181-0 |o-017|3-5 0-077 16-0 0-352 19-5 |0-429|20-0| 4-57) 0-97 14 N. V.| Frau |131-750-03 3-0 ‚0-066 19-0 0-38 |22-0 |0-446119-0| 6-33 1-15 15 Ag.J. | „ |26|1-0 0-017|2-5 0-055 16-5 0-863 19-0 |0-418118-0| 6-6 |1-0 16 |A.F. | „ [161-0 0.016 13-5 0-077|17-5 0-37 21-0 |0-447118-0| 5-0 | 1-17 17\L.J. | „ 161-0 10-017 2-5 0-055|17-5 |0-385|20-0 \0-44 |17-5| 7-0 | 1-14 18 ,Sz. L., Mann 42 1-5 |0-026 13-75 0-079 119- 75. 0-415 23-5 |0-494.17-0| 5-26) 1-37 19|K.B.| „ |181:0 |0-017 13-5 |0-077 15-5 |0-341 19-0 0-a18]16-5|| 4-43)1-15 20|L. J. | Frau | 16 11-250-027 2-75 0-061 16-5 0-36 |19-250-421116-0| 6-0 1-2 231\K.L. | „ |210-750-011 3-0 |0-066,16-0 10-352 119-0 |0-418|15-0| 5-33| 1-21 22 |A.F. | „ 1161-0 10-016 |4-250-08916-750-351 21-0 0-44 |14-5| 3-94 1-45 23 K.L. | „ 21|1°0 10-017 4-0 ‚0-088 15-0 0-33 19-0 |0-418|14-5| 3-75) 1-31 24 |R.A. | Mann |20| ? | >? 8-75/0-082 115-250-336 19-0 |0-418113-5| 4-07) 1-41 25 6. J. | Frau 23 1-0 |0-017 2-5 [0-055 13-5 |0-29716-0 |0-35213-0|| 5-04| 1-21 26 A.F. | „ 161-0 /0-016 4-5 |0-095|16-5 0-345 21-0 10-44 |12-5| 3-64| 1-68 27|R. Lo 0 211-0 |0-017|3-5 10-077 14-0 0-305 17-5 0-382112-0| 4-0 | 1-46 28 A.F. | „161-0 |0-016 4-25/0-089 |16-754-351 21-0 0-44. 12-0) 3-94! 1-91 ÜBER DIE GALVANISCHE MUSKELZUCKUNG DES GESUNDEN MENSCHEN. 295 3 | | = |, | l | a b a+b e E | Name Ss E MD en) B 5 |a+b 3 ı 8 || a at E I a: zZ | = | cn] Sek. um Sek. | mm | Sek. Bann Sek. |mm 29 |K. B. | Mann | 18 11-0 |0-O1713.5 0.077 114-0 |0-308 117-5 0-385 11-5 4-0 | 1-52 30 'L. J. | Frau | 16|1-25)0°022 13.250.071 116-0 |0-352|19-25]0-423 11-5 4-92) 1-67 31|A.F. | „ |l161-0 j0°06 je. 250. 089 116-750-351|21-0 |0-44 |11-0|3-94| 1-91 32 Sz. L.| Mann | 422-5 |0°047/3.750-079 118-750-289 117-5 10-368 11-0) 8-61| 1-51 33 R.A.| „ |2012-750°05 2.75/0-065 |14-75/0-325 |17-75/0-39 10-0] 5-36) 1-72 34 |L. J. | Frau || 16 |1-25/0°027 13.0 |0-066 |14-7510-325 |17-75[0-391 10-0 4-8 |1-77 35 R.A. | Mann | 2012-750°08 2-750-061|15-0 0-33 |17-75,0-391 | 9-0 5-45| 1-99 36 \L. J. | Frau |16|1-750°088 2.5 |0-055 |15-250-335 117-75'0-39 | s-0|6-1 2-22 37) u ||.» |16]1-75/0-083 2.750.065 |18-0 0-28 15-75/0-345| 7.5|4-9 |2-1 38 R.A. | Mann | 18 1-25/0°022 3.0 |0-066 112-75.0-281 15-75.0-347 | 7-0 4-25| 2-25 39 |82.L.| „ |42]2-5 |0°04 |3-5 10-074 13-5 |0-283 117-0 |0-357 | 6-5]13-86| 2-62 40, K.L. | Frau |21/1-0 |0-0174.0 |0-088113-0 10-286 17-0 |0-374 || 6-5|13-25| 2-61 4 4) 21)1-0 |0-01714.0 10-088 112-0 |0-264 116-0 |0-352 | 6-01 3-0 | 2-67 ‚42|R.E. |Mann 120 | ? | ? 13-0 |0-066112-0 0-264|15-0 0-33 | 5-5j4-0 |2-73 43 A. F. | Frau 16 |1-25/0-021 15-25j0-11 |11-75.0-247|17-0 |0.357|| 5-012-24 3-4 44| K.B. | Mann |18 1-5 |0-028 3-0 |0-066 |10-5 [0-281 13-5 |0-297 | 3-018-5 |4-5 45 N. V. | Frau | 13|1-75,0-08 |3-5 [0-07 || 6-0 0-12 | 9-5 0-19 || 3-0] 1-72] 3-17 46\R.A. |Mam 18) ? | ? |8-0 j0-066| 9-0 l0-198 12.0 o-264| 2-513-0 |4-4 41, L. J. | Fran 16 11-75.0-083|18-25/0-072 111-0 |0-242|114-250-314| 2-53-38| 5-7 48 R.A. | Mann 18 ? | ? 18-0 0-066 | 8-0 10-176 11-0 10-242|| 2-0|2-66| 5-5 49 L. J. | Frau 116) ? 0-0393-0 10-066 |11-0 ‚0-22 13-0 |0-286 | 2-0] 3-66| 6-5 50 .K. B. | Mann | 18|1-5 00-028 3-5 |0-077| 7-0 \0-154 10-5 |0-231| 1-012-0 [1-5 AnS-Kurven. S | 3 | 2 | a b a+b e n A = ‚Name| 3 131 | | b \a+ fe} I 2 Id | RE | £ a c z | & | mm| Sek. mm Se I Sek. Sek. | mm 1 K.B. Mann 18 1-0 0-017 3-5 0-077 18-5 0-407|21-0 0-484 31-0 5-28|0-68 2 K.L. Frau 21 1-0 0-017 18-0 0.066 18-0 0-396 121-0 0+462|30-0| 6-0 0-7 3!L.J. | „ 161-250-027 2.250.049 19-0 0-428|21-25.0-467 |29-0| 8-44.0-73 4\N.V.| „ 18|1-250-02 |8-750-075 21-25. 0-425|25-0 0-5 127-0] 5-670-98 5 Sz. L. Mann 42 1-0 0-016|4-0 0.084 16-5 0+346 20-5 0-43 125-0 4-12|0-82 6, N. V. Frau |13 1-250-02 |1-750-04 |20-250-4 |22-0 0-44 |29-0]11-6 0-92 7 Sz.L. Mann |42 1-0 '0-016|3-75.0-079 19-25.0-404 23-0 0-488|23-5| 5-110-98 S K.L. | Frau 21 1-0 |0-017|3-0 0-066 16-0 0-852|19-0 |0-418|21-0, 5-330-9 9 K.B. |Mann 18 1-0 0-017 3-5 0-077 16-5 0-363 20-0 0-44 \v1-0| 4-71l0-95 10 K.L. | Frau 21 1-0 0-017 3-0 |0-066 114-0 0-308 17-0 |0-374|20-0| 4-660-85 111A.F.| „ 161-5 0.026 4-0 10-084 19-5 .0-41 |23-5 |0-494 16-51 4-8811-42 12|K.L. 21 1-0 10-017|3-0 10-066 13-0 10-286 16-0 |0-352|16-0| 4-33]1-0 13,N.V. | „ 181-5 0-025 3.0 0-066 21-0 0-42 24-0 |0-486 16-0) 7-0 1-5 14 \A.P. » .16.1-75.0-032 3-750-08 19-0 |0-4 |22-75/0-48 \15-0| 5-071-52 296 JENÖ KOLLARITS. | © In | | | | © | Isle l a | b | a+b ce ä|Name| 3. |2 | ae pe? I OLE I) ! 2 | 2 \mm| Sek. mm Sek. | mm | Sek. | mm | Sek. am % = 15|| L. J. | Frau | 16 1-5 |0-028|2-5 0.055 18-0 |0-4 20-5 .0-455114-5 7-2 1-41 16, Sz. L. Mann 42 1-25/0-021 14-0 0.084 16-0 |0-336 20-0 0-42 14-0 4-0 1-43 17, K.B.| „ 181-0 0.017 3-5 10-077 16-0 0-352 39-5 |0-429 113-0 4-57 1-5 18 Sz.L.| .„ |42|1-5 0.026 13-5 0-074 16-0 |0-336 | 19-5 0-41 \12-0)4-57| 1-62 19| K.L. | Frau 21 1-0 0-017|3-0 10-066 13-0 0-286| 16-0 |0-352 11-0 4-33) 1-45 20, 8z. 1. Mann 42 1-25.0-021 4-250-089 15-25.0-32 19-5 0-409 11-0,3-58 1.77 21 | A. F.|| Frau 16 1-5 10-026 6-0 0-13 15-0 0-31 |21-0 0-44 | 9-0 2-33| 2-32 22, N.V.| „ |13)1-75[0-08 |3-250-065 15-750-275 17-0 0-84 | 8-5 4-23 2-0 23 L.J. | „161-5 |0-0283-0 0-066 15-5 0-34 |18-5 |0-406 | 7-5|5-16 2-5 24 | K.B. Mann |18 1-25,0-022 3-0 |0-066 116-0 10-362 |19-0 10-428, 7-0 5-33) 2-71 25| Sz.L.| „ 42 1-250-021|4-750-1 |14-250-299| 19-0 |0-399 | 5-513-0 | 3-46 26 K.L. | Frau |21 1-0 0-0173°0 |0-066 11-5 a 14:5 0-319 | 5-0 3-37 2-9 27| L.J. | .„ |16|1-5.\0-028 4-0 |0-08813-5 |0-297|17-5 0-385| 4-0|3-37| 4-37 28| N.V. „ 132-0 00-085 |3-5 10-07 |13-5 0-27 | 17-0 0-34 | 3-0 3-86) 5-66 29 | K.B. | Mann |18 1-5 0-028|4-5 |0-099 111-5 0.253 16-0 0-352 | 2-5 2-55 6-4 30) A. F.| Frau |16 1-5 0-026 5-5 0-11 |11-0 0-23 |16-5 0-34 | 2-012-0 |8-25 31, K.B.| Mann |18 2-0 |0-043 13-0 |0-066 | 9-0 09-198 12-0 0.264. 1-5|3-0 | 8-0 32) 5. 0%.11812°0 ,0-048 3-0 |0-066 || 4-0 00-088 || 7-0 |0-154 || 0-5 1-33| 5-26 Betrachten wir nun die Einzelheiten dieser Kurven. Die Kurve des M. tibialis ant. des gesunden Menschen ändert sich infolge der Stromstärke. Am meisten empfindlich ist in dieser Hinsicht die Höhe, welche z. B. im ersten Falle von 31 "= auf 1 = abfällt, während die Stromstärke der KaS von 9MA auf 4MA sinkt. Die Kurve, welche mit größeren Stromstärken aufgenommen wird, ist also hoch, und wird beischwächeren Stromstärken niedriger. Dieses Ergebnis stimmt mit dem Ergebnisse von anderen Autoren, namentlich mit den Untersuchungen, welche Mendelsohn am Menschen ausgeführt hat, überein. Mendelsohn hat bei seinen mit einzelnen Induktionsschlägen gemachten Untersuchungen gefunden, daß die einzelnen Elemente der Zuckung infolge der wechselnden Stromstärke Veränderungen zeigen, welche mit der Höhe der Kurve Hand in Hand gehen. Auch ich bin zu diesem Resultate ge- langt und denke, daß es beim Vergleich der gesunden Kurven untereinander genügt, wenn anstatt der Stromstärke, die Höhe der Kurven angegeben wird. Die Latenzperiode ist gegen die Stromstärke viel weniger empfindlich. So z. B. dauerte diese Zeit im ersten Falle mit KaS 9 MA 0.012 Sekunden, mit KaS 8, 7-5 und 7 MA 0-017 und mit 4 MA 0.028 Sekunden. Wenn man die Daten mit der Höhe der Kurven vergleicht, so sehen wir, daß in demselben Falle 20, 16.5, 11-5 =” hohe Kurven dieselbe Latenzperiode ÜBER DIE GALVANISCHE MUSKELZUCKUNG DES GESUNDEN MENSCHEN. 297 besitzen, und daß ferner die Latenzperiode der 3 "® hohen Kurve ebenso hoch ist, als der 1 @® hohen. Die AnS-Kurven desselben Falles zeigen hei der Höhe von 31, 21, 15 ® dieselbe Latenzperiode, wenn man sämtliche Aufnahmen von gesunden Muskeln zusammenfaßt. Es kann nicht darüber gesprochen werden, wie lang die Latenzperiode des M. tibialis ant. am gesunden Menschen ist, sondern man muß bei der Angabe einer Zahl auch die Höhe der Kurve nennen. Mendelsohn schreibt über das Verhältnis der Stromstärke zur Latenzperiode, daß die Latenzperiode bei sehr starkem Strome kürzer ist. In den Versuchen Edingers mit einzelnen Induktionsschlägen konnte kein Zusammenhang zwischen lLaatenzperiode und Stromstärke gefunden werden. Aus meinen Untersuchungen habe ich Durchschnitte ausgerechnet. Diese sind die folgenden: An 40—55.5 mm hohen KaS-Kurven ist Z= 0.006” „ 3 „ „ FR) „ „ = 0.017 „ 30—25-.5 „ 3) „ 2) „ 2=0.021 „ 25—20.5 „ „ „ ) „ I= 0.028 „ 20—15-.5 „ ” » „ „ = 0.022 „ 15—10-5 „ ” ” „ „ T=0.021 „ 10— 5-5 „ „ „ „ „ I= 0.034 2) 5— 0-5 „ „ ”„ „ „ != 0:03. An 31 mm hohen AnS-Kurven ist Z= 0-017” „ 30—25-5 „ „ „ ” ” != 0.022 » 25—20.5 „ „ „ „ „ != 0.018 ” 20—15-5 „ „ „ „ „ != 0:029 „ 15—10-5 iR) 9 „ „ „ ! = 0.022 „ 10— 5-5 „ „ „ „ ” I = 0.026 ” 5— 0.5 „ „ „ ”„ 2) != 0.032. Es ist daraus ersichtlich, daß bei der Höhe zwischen 30 bis 10.5" die Latenzzeit der Ka S.-Kurven annähernd gleich ist, bei der Höhe von 40 bis 31" ist dieselbe kleiner, in der Höhe von 10 bis O-.5"m größer. An den An S.-Zuckungen kann die Latenzperiode bei 30 bis 5-5" Höhe annähernd gleich genannt werden. An den Kurven über 30"m ist dieselbe kürzer, unter 5"" länger. Die Latenzperiode der mittleren Höhen ist also beiläufig gleich, über 30“ Höhe wird dieselbe kürzer, unter 10 bis 5=m Höhe größer. Die Bestimmung der Latenzperiode ist nicht leicht, wenn die Kurve sich nicht plötzlich erhebt, sondern allmählich aufsteigt. In diesem Falle 298 JENÖ KOLLARITS: kann man den Anfangspunkt der Kurve nicht genau bezeichnen. Nach Edinger ist hier ein Irrtum bis 0.002” möglich. Dabei muß noch daran gedacht werden, daß beim langsamen Aufsteigen der Kurve ein Teil der- selben in der Abszisse verloren geht. In diesem Fall bedeutet die Ver- längerung der Latenzperiode nicht mehr, als daß die Kurve erst später ganz hoch aufsteigt, um meßbar zu werden. Darum möchte ich beim Vergleiche die gleich hohen Kurven nebeneinander stellen, ob zwar dabei dem Umstande noch immer nicht ganz Rechnung getragen wird, daß die pathologischen langsam aufsteigen. Ganz exakt kann die wahre Latenzperiode, wie das schon von Mendelsohn richtig hervorgehoben wurde, überhaupt nicht bestimmt werden. Beim Vergleich mit den Resultaten anderer Autoren muß ich darauf hinweisen, daß sich meine Zahlen nur auf die Sehne des M. tibialis ant. beziehen. Die Stromstärke, d. h. die Höhe der Kurve steht mit der Zeit der Zusammenziehung in keinem festen Zusammenhange, doch sind diese Zeiten an den niederen Kurven im ganzen größer. An 40-—35-5um hohen Ka8.-Kurven ist = = 0-06” „ 31 ” „ „ „ 0 = 0.072 „ 30—25-5 , „ ae: „ a= 0.075 „ 25— 20.5 „ „ „ „ a = 0.066 ol inn,, „ „ „ a= 00-072 „ 15—10-5 , a» a „ == 02078 „ ‚10— 5-5, „ ) „ a = 0-069 „ 9-05, „ „ „ a=0-075. An 3] mm hohen AnS.-Kurven ist a = 0.077 a R ‚a .04063 „ 2520-5, „ „ „ a = 0.069 „ 20—15-5,, se . „ «= 0202 „ 15—10-5,, 5 > „ 4 = 0.004 „ 10—:5-5,, „ „ „ a = 0.086 „9.3020, ” ” „ a=0-081. Mendelsohn hat die Zeit der Zusammenziehung zwischen 0-035 bis 0.045 Sekunden bestimmt. Edinger hat als Minimum 0-029 Sekunden gefunden, und als Durchschnitt 0.045 Sekunden angenommen, doch sind in seiner Arbeit auch höhere Zahlen, so z. B. 0-069 Sekunden zu finden. Edinger hält die hohen Ziffern für fehlerhaft, denn sie wurden an solchen Kurven festgestellt, welche abgeflacht waren, und daher die Bestimmung ÜBER DIE GALVANISCHE MUSKELZUCKUNG DES GESUNDEN MENSCHEN. 299 des höchsten Punktes der Gipfel so zu sagen von der Willkür des Beobachters abhängt. Beide Autoren sagen, daß die Zeit der Zusammenziehung von der Höhe der Kurve unabhängig sei. Meine Zahlen sind im ganzen höher, als die Zahlen dieser Autoren, wenn ich aber 0-026 Sekunden, d.h. den Unterschied der Zusammenziehung zwischen schlaffem Muskel und dem Muskel in der Mittelstellung, abziehe, so stimmen meine Zahlen mit jenen ziemlich überein. Auch bei der Bestimmung der Zeit der Zusammenziehung ist der Umstand in Betracht zu ziehen, daß der Anfangspunkt des aufsteigenden Schenkels nicht pünktlich zu bestimmen ist. Die Form des aufsteigenden Schenkels hat Mendelsohn beschrieben. Auch an meinen Kurven konnte beobachtet werden, daß er zuerst rasch steigt, und die Steigung vor dem Erreichen des Gipfels oft langsamer wird. Die Durchschnitte der Zeit der Erschlaffung sind in meiner Untersuchung die folgenden gewesen: An 40—35-5mm hohen KaS8.-Kurven ist 5 = 0-566 „ 31 ” ” „ „ b=0-.4i6 „ 30—25-5 „ „ ” „b=0-.42 „ 25—20-.5 „ ” ” „ b=0.382 „ 20—15-.5 „ „ „ „ db=0-.316 Sl r 5.204332 „10 3:3, ” „ „ b= 0.296 ie I „b= 0.198 An 31 „m hohen AnS.-Kurven ist 5 = 0.407” „.90—25-5 , „ ” „ b=0-.413 „ 29—20-5 „ ” ” „ b=0-.313 20.5,r 5 „ „b=0-365 ee ei „5b= 0.338 „ 10— 5.5 „ „ ” „ 5= 0.315 El 27 „ „ „ b=0-.227 Diese Daten zeigen, daß die Zeit der Erschlaffung an mit stärkerem Strome aufgenommenen hohen Kurven länger, und an mit schwachem Strome aufgenommenen Kurven kürzer ist. Aus diesen Zahlen und aus den oben mitgeteilten Tabellen ist es dabei ersichtlich, daß bei gleich langer Erschlaffungszeit die Höhe der Kurve verschieden sein kann, und daß hier ziemlich große in- dividuelle Schwankungen möglich sind. 300 JENÖ KOLLARITS: So ist z. B. im Falle Sr. L. die Zeit der Erschlafflung an 29 und 20” hohen Kurven gleich 0-42”, an 14 und 12” hohen Kurven 0.336”. Im Falle K. B. war die Zeit der Erschlaffung an 13 und 7mm hohen Kurven gleich 0.352”. Über die individuellen Schwankungen geben folgende Zahlen Auskunft: Beim Falle L. J. ist die Erschlaffung der 25-.5um hohen Kurve 0-407”, bei Sr. L. hat die 17wm hohe Kurve eine 0-415” dauernde Erschlaffungszeit. Beim Falle G. J. hat die 13”",m hohe Kurve eine 0.297” lange Erschlaffungszeit, bei L. J. ist an der 8”= hohen Kurve dieselbe Zeit 0-335”. Ähnliche Unterschiede können aus der oben mit- geteilten Tabelle mit großer Zahl nebeneinander gestellt werden. Die Beschreibung des absteigenden Schenkels im Werke Mendel- sohns stimmt mit meinen Befunden überein. Diese fällt anfangs rasch, dann langsam und erreicht im spitzen Winkel die Abszisse. Edinger hat an dem absteigenden Schenkel einige, mindestens zwei Nachschwingungen beobachtet und denkt, daß diese mit der Elastizität des Muskels im Zu- sammenhange stehen können, möglicherweise aber auch die Folge eines Fehlers des Schreibhebels sind. Diese Nachschwingungen kann auch ich bestätigen. Die Zeit der Erschlaffung war bei Edinger 0-3 bis 0-45”, bei Mendelsohn 0-05 bis 0-06”. Das Ende des absteigenden Schenkels ist schwer zu bestimmen, er fällt manchmal nicht bis zur Abszisse herab, sondern läuft nach einem ge- wissen Sinken parallel mit dieser. Bei solchen Kurven habe ich, Mendel- sohns Rat folgend, den Punkt als Endpunkt der Kurve bestimmt, wo der absteigende Schenkel mit der Abszisse parallel zu laufen beginnt. Einigemal fiel der absteigende Schenkel unter die Abszisse, oft war dabei ein Fehler der Luftübertragung in dem die zwei Trommeln verbindenden Schlauche die Schuld. Nach Beheben dieses Fehlers wiederholte sich das nicht. Über die Zeit der ganzen Zuckung mögen folgende Durchschnittswerte Auskunft geben: An 40—35-5um hohen Ka8.-Kurven ist « +5 = 0:626” el eh, r „ ak 5106548 ag2lon. sale. , „a+b= 0.495 ee r „at 5b=0MAs oa R ee eyuuig N N „arb- 0. He E „a+rb= 0.365 EL E ab 0 ÜBER DIE GALVANISCHE MUSKELZUCKUNG DES GESUNDEN MENSCHEN. 301 An 31 mm hohen AnsS.-Kurven ist «+5 = 0.484” „ 30—25-5 „ 55 n „ a+b= 00-4714 „ 25—20-5 „ 5 u „ a+b= 0-442 „ 20—15-5 „ . Er „ @+b= 00-437 „ 15—10-5 „ 7 re „at+b=0-412 „10 59.955, I) „ „ a+tb=0-.401 PP 3 a U 12 DEF ” „ „ a+5= 0.308. Diese Daten zeigen, daß die Zeit der ganzen Zuckung an hohen, d. h. mit starkem Strome aufgenommenen Kurven hoch, an niederen, mit schwachem Strome erzielten Kurven niedrig ist. Aus den einzelnen Zahlen ist es ersichtlich, daß bei gleich großer Zuckungszeit am selben Individuum bis zu einer gewissen (renze verschieden hohe Kurven entstehen können. So ist z.B. die Zeit der Zuckung an den 25 bis 15-5"m hohen Kurven gleich. Wenn man verschiedene Individuen vergleicht, so sind große Schwankungen zu bemerken. So ist z. B. die Zuckungszeit im Falle Sr. L. an einer 5.5" hohen AnS.-Kurve 0-299”, und im Falle K. L. an 16" hohen AnSs.-Kurven 0.286”. Ähnliche Zahlen können in den einzelnen Fällen in großer Zahl zusammengestellt werden. Nachdem oben bewiesen wurde, daß die Zeit der Zusammenziehung beim Wechsel der Höhe sich kaum verändert, so ist die Veränderung der Zuckungszeit hauptsächlich die Folge der Veränderung der Zeit der Erschlaffung. In der Arbeit Mendelsohns ist der Durchschnittswert der ganzen Zuckung 0-08 bis 0-1”. Edinger fand am M. biceps 0-287 bis 0-441”. Mendelsohn behauptet, daß zwischen der Höhe und Länge der Kurve kein Zusammenhang besteht und beruft sich auf den Umstand, daß die 19=m hohe Kurve 0-12”, die 26”m hohe nur 0-1” Jang dauerte. Ähn- liche Zusammenstellungen können auch aus meinen Tabellen herausgenommen _ werden, dadurch wird aber der Wert der Durchschnittszahlen nicht auf- gehoben. Wenn ich von meinen Zahlen 0.095 bis 0-136”, als den Unter- schied zwischen schlaffem und mittelmäßig gespanntem Muskel, abstrahiere, so stehen meine Zahlen denjenigen Edingers nalıe. Ich habe das Verhältnis der Höhe und Länge der Kurve mit einer Verhältniszahl veranschaulicht, welche zeigt, wie oft die Höhe der Kurve in der Länge derselben erhalten ist. 302 JENÖ KOLLARITS: Die Verhältniszahl = ist an 40-35 "m hohen KaS.-Kurven 0-74 ol 5; i, % 0-82 „ 30—25-5 , ; ; 0.84 „ 25—20-5 , 5; .; 0.94 „ 20—15-5 , 2 , 121 „ 15—10-5 „, e . 1-52 „ 10— 5-5 „ # s 2.27 „ 5—0-5, Fi hs 4.21 an 31 mm hohen AnS.-Kurven 0-68 „ 30—25-5 „ s F 0-8 „ 25—20-5 „ „ ; 0.9 „ 20—15-5 , 5 u 1.26 „ 15—10-5,, x R 1-53 „2 102 49-55 r y 2.6 » 5— 0-5, x y; "5.98. Daraus ist ersichtlich, daß die Verhältniszahl ° +? an den niederen Kurven höher ist, d. h. die Kurve verliert bei schwachem Strome mehr von der Höhe, als von der Länge. Ich wollte auch das Verhältnis der Erschlaffung zur Zusammenziehung mit einer Verhältniszahl veranschaulichen. — bedeutet, wie oft die Zeit der Zusammenziehung in der Zeit der Erschlaffung enthalten ist. Die Verhältniszahl 2 ist an 40—35.5mm hohen Ka8S.-Kurven 9.47 „si une 4 6-56 ri r 5.53 oe en E 5.74 „2015 By 5.44 El x 4.38 el £ 4-5 a. h DT ÜBER DIE GALVANISCHE MUSKELZUCKUNG DES GESUNDEN MENSCHEN. 303 an 3l mm hohen AnS.-Kurven 9.28! „ 30— 25.5 ”„ „ ” 6.7 ” 25— 20.5 „ ” „ 6.13 ” 20—15-.5 „ „ ih) 9.19 MR 2 : 4.68 10 ; 4.01 ale . 2.49. Erschlaffung Die Verhältniszahl wird im Durchschnitt an den zZ Zusammenziehung niederen Kurven kleiner, doch stimmen hier nicht alle Daten, da n an den 25 bis 20-.5"" hohen Kas.-Zuckungen 5-74, an den 30 bis 25.5 mm hohen nur 5-53 war. Dasselbe Verhalten findet sich bei den ersten drei Zahlen der AnS.-Zuckungen. Dadurch wird aber die allgemeine Regel nicht umgestoßen. Beim Vergleiche zwischen Kathode und Anode benutzen wir zuerst die mit gleich starkem Strome aufgenommenen Kurven. Die folgende Tabelle zeigt mit wieviel die einzelnen Teile der AnS.- Zuckung länger (+) oder kürzer waren als die der Kathode. Stroms | I | a b | a+b | e Fall tä k | \ | | stärke Sek. Sek. Sc. | Sek | mm K. B 9 +0-016 | +0-022 | —0-242 | -0:22 | —28-5 R 38) +0.082 | —0-011 | —0.154 | —0-165 | —18-5 . T | +0-082 | —0-011 | —0-:22 0:31 | —35 Sz. L. 10 | +0:008 | +0:013 | —0-141 | —0-115 | —195 Es ist aus dieser Tabelle ersichtlich, daß die mit gleicher Strom- stärke aufgenommene AnS.-Z. eine längere Latenzperiode be- sitzt, als die KaS.-Z. Die Zeit der Zusammenziehung ist un- regelmäßig. Die Erschlaffung und die Zeit der ganzen Zuckung ist an der Anode kürzer. Die AnS.-Z.-Kurve ist weniger hoch, als die der Kathoden SZ. Nachdem aber die einzelnen Teile der Kurve von der Höhe derselben abhängen, sagen diese Zahlen nicht mehr, als daß die AnS. eine schwächere Einwirkung ist, als der Ka8. Wir müssen deshalb nicht die mit gleicher Stromstärke erhaltenen, sondern die gleich hohen Kurven miteinander vergleichen. Darüber gibt die folgende Tabelle Auskunft. ! Ich habe nur eine 31 mm hohe Kurve. 304 JENÖ KOLLARITS: 2 a b a+b | ce | | Strom , t | 103 2b Sek. Sek. Sek. Sek. mm Te Be KaS. ' 0.006 0:06 | 0+566 0-626 | 40-35-0 | 9-47| 0-74 Ka. | 0014| 0.072 | 0.476 | 00-548 | 6.56 0-82 Ans. ' 0.017 0.077 0-407 0.484 N 31 5-28 0-68 Unterschied | -+0-003 | +0*005 0°069 \ —0-064 — 1:28 —0*14 Kas. | o-o21 | 0-05 | 0-42 | 0.495 5.53 0-84 AnS. 0.022 0.063 0.418 0.476 |00-2:5| 6-7 | 028 Unterschied | +0-001 | —0-012 | —0.007 | —0:019 +1-17 |—0.06 KaS. ' .0-028 | * 0-066 0.382 0:448 | | 5-74 0-94 AnS. | 0.018 | 0.069 0-373 | 0-442 [20-25 | 6-13, 0+9 Unterschied | —0°01 | +0°003 | —0°009 | —0.006 +0:39 —0°04 Kas. | 0-022 | o-or2 | 0.376 | 0-48 | 5.44 1-1 AnS. | 0.029 0.072 0.365 0-437 10-15 ) 5-19 | 1-26 Unterschied | +0-008 0 —0-011 | —0-011 | —0:25 +0°06 KaS. |. 0°021| ' 0.078 | 0-332 | 0-41 4-38 | 1-52 AnS. | 0-022 | °0-074 0-338 | 0+412 | | 4-68 1-53 Unterschied | +0-001 | —0-004 | +0-006 | +0-002 +0°3 |+0°01 KaS8. | 0.084 0.069 0296 | 0-365 | 4.5. | 2-27 Ans. 0.026 0-086 0-315 | 0.401 110-5 | 4-01 | 2:6 Unterschied | —0-008 | +0-017 | +0-019 +0°636 | —0+49 |+0+33 Kas. 0-03 0-075 0-198 | 0-273 2-77, 4-21 AnS. | 0.082 0-081 0.227 0.308 | 5—0+5 2.49 | 5.98 Unterschied | +0-002 | +0°006 | +0029 | +0-035 | — 0:28 +1+77 In diesen Fällen ist die Latenzperiode und die Zeit der Zusammenziehung manchmal an der Kathode, manchmal an der Anode länger. Die Zeit der Erschlaffung und der ganzen Zuckung ist an den 31 bis 15-.5=® hohen Kurven an der Anode kürzer, als an der gleich hohen Kathode, an den Kurven unter 15mm ist das Verhältnis das entgegengesetzte. Rosenbach und Schtscherbak sprechen über die Verschiedenheit der Anode- und Kathode-Zuckungen. Diese Autoren haben in der Latenz- periode des M. biceps brachii keinen Unterschied gefunden (0-013”) zwischen AnS.-Z2. und KaS.-Z2. Die Zeit der ganzen Zuckung war an Kas.-Z. 0.214 Sekunden, an der AnS.Z. 0-191 Sekunden. Ich denke aber, daß in diesem Falle nicht die gleich hohen, sondern die mit gleicher Strom- stärke erhaltenen Kurven verglichen sind. In meinen Fällen aber ist der Unterschied an den gleich hohen Kurven vorhanden. ÜBER DIE GALVANISCHE MUSKELZUCKUNG DES GESUNDEN MENSCHEN. 305 Zusammenfassung. 1. Die Dauer der Einwirkung des galvanischen Stromes hat von 0-135” bis 2.4” keinen Einfluß auf die Zuckungskurve des Muskels. 2. Die Kurven des M. tibialis ant. sind an verschiedenen Punkten dieses Muskels verschieden. Die Sehne (s. Fig. 2) springt später vor, wie der motorische Punkt. Die Zuckung der Sehne dauert ein wenig länger, wie die Zuckung des motorischen Punktes. Diese Verlängerung der Kurve ist von der Verlängerung der Erschlaffung bedingt. Infolge der Lage [\ BVZ EI CKKREN N 7 | 1.\ Biza zz 177 er A! N FF NSERETTIDEFTIREN) [INEN ESSEN re] Fig. 2. Fig, 3. Kurven von der Sehne des gesunden M. Kurven, welche 3 °® unter dem motorischen tibialis ant. mit verschiedener Stromstärke. Punkte des M. tibialis ant. aufgenommen Die vierte Zuckung ist durch eine spontane sind. Die erste Gruppe bezieht sich auf Zuckung verlängert. den Muskel in der Mittelstellung, die zweite auf den gespannten Muskel. des Muskels ist die Kurve der Sehne höher, als diejenige des motorischen Punktes. Die Kurven der Mitte des Muskels nehmen einen Mittelpunkt zwischen derjenigen der Sehne und des motorischen Punktes ein. Da die Kurven der Sehne zum Vergleiche am meisten geeignet sind, beziehen sich die folgenden Untersuchungen auf die Sehne des M. tibialis ant. 3. Der verschiedene Grad der passiven (Fig. 3) Spannung des Muskels hat folgende Veränderungen zur Folge. Die Zeit der Kontraktion ist am schlaffen Muskel kurz, in der Mittelstellung länger, und am passiv gespannten Muskel noch länger. Der Unterschied zwischen schlaffem Archiv f£. A. u. Ph. 1906, Physiol. Abtlg. Suppl. 20 306 JENÖ KOLLARITS: Muskel und dem Muskel in der Mittelstellung beträgt beiläufig 0.026”. Die Kontraktion des gespannten Muskels dauerte je nach dem Grade der Spannung um 0-02 bis 0-08” ‚länger, als die Kontraktion des in der Mittelstellung befindlichen Muskels. Die Zeit der Erschlaffung des schlaffen Muskels ist kurz, die des Muskels in der Mittelstellung ist länger, die des passiv gespannten Muskels noch länger. Die Erschlaffung des Muskels in der Mittelstellung dauerte in meinen Fällen um 0.079 bis 0-109 Sekunden länger, wie beim schlaffen Muskel. Die Erschlaffung des passiv gespannten Muskels dauerte je nach dem Grade der Spannung um 0-01 bis 0-838 Sekunden länger, als bei der Mittelstellung. Die Zeit der ganzen Zuckung ist natürlicherweise denselben Ver- änderungen unterworfen. Die Zuckung des Muskels in der Mittelstellung ist um 0.095 bis 0-135 Sekunden länger, als die beim schlaffen Zustande. Die Zuckung des gespannten Muskels ist je nach dem Grade der Spannung um 0-022 bis 0:964 Sekunden länger, als die Zuckung in der Mittel- stellung. Der Unterschied ist an niederen Kurven kleiner als an hohen. Der schlaffe Muskel hat bei derselben Stromstärke die höchste Kurve, der Muskel in der Mittelstellung hat eine weniger hohe Kurve, dieser Unter- schied beträgt 3"=. Die Kurve des Muskels in der Mittelstellung ist je nach dem Grade der Spannung um 1 bis 22.5" höher, als diejenige des gespannten Muskels. Dieser Unterschied ist an den höheren mit größerer Stromstärke aufgenommenen Kurven größer, als an den niederen Kurven. Das Verhältnis nn ist an schlaffen Muskeln klein, in der Mittel- stellung größer, und am passiv gespannten Muskel am größten. Der Unterschied zwischen dem schlaffen Muskel und dem Muskel in der Mittel- stellung beträgt 0-22 bis 0.25, zwischen dem passiv gespannten Muskel und dem Muskel in der Mittelstellung je nach dem Grade der Spannung 0-7 bis 12.43. Diese Verhältniszahl verändert sich mehr an den niederen Kurven, als bei den hohen. Die niederen Kurven verlängern sich also bei der Spannung des Muskels im höheren Grade, als die mit stärkerem Strome erzielten hohen Kurven. Der Grund dieses Verhaltens ist in dem Umstande zu suchen, daß die heftigere Zuckung den Widerstand der Spannung leichter besiegt. Die Verhältniszahl: Ereelalun8 am gespannten Muskel kürzer. Kontraktion Eine konstante Veränderung der Latenzperiode konnte ich an den Kurven des gespannten Muskels nicht auffinden. Vielleicht ist meine Ver- suchsanordnung zu diesem Zwecke nicht genau genug. | 4. Die Kurven der Sehne des M. tibialis ant. in der Mittelstellung aufgenommen (Fig. 2) zeigen folgende Eigenschaften. Die Höhe der Kurve ÜBER DIE GALVANISCHE MUSKELZUCKUNG DES GESUNDEN MENSCHEN. 307 sinkt beim Sinken der Stromstärke. Da die Höhe der Kurve einen ent- schiedenen Einfluß auf die Form und Länge derselben ausübt, muß man zum Vergleiche gleich hohe Kurven wählen. Die Latenzzeit ist an hohen Kurven kleiner, an niederen Kurven größer. Doch nur ein großer Unterschied in der Höhe bewirkt einen Unter- schied. So war z. B. die Latenzzeit der 10-5 bis 30mm hohen KaS.-Kurven ziemlich eleich zwischen 0.021 bis 0.028 Sekunden. Die Latenzperiode von 31 bis 40” hohen KaS.-Kurven war 0-006 bis 0-014 Sekunden, in der Höhe von 0.5 bis 10"= 0.03 bis 0-034 Sekunden. An den AnS.- Kurven waren diese Zahlen 0-017 bis 0-032. Die Zeit der Kontraktion schien mit der Stromstärke, d. h. mit der Höhe der Kurve in keinem festen Zusammenhang zu sein. Doch habe ich an den niederen Kurven im Durchschnitte höhere Zahlen erhalten. Die Kontraktion der Ka8S.-Kurven dauerte 0-06 bis 0°078, der AnS.-Kurven 0-07 bis 0-081 Sekunden. Wenn ich von dieser Zeit 0-026 Sekunden für den Unterschied zwischen schlafen und in der Mittelstellung befind- lichen Muskeln abrechne, so kommen diese Zahlen denen von Mendelsohn und Edinger nahe. Die Zeit der Erschlaffung ist an den mit starkem Strome aufge- nommenen hohen Kurven länger, an den niederen Kurven kürzer. Ein Unterschied ist jedoch nur bei großer Differenz der Höhe zu beobachten. Die Zeit der Erschlaffung dauert an 0-5 bis 31” hohen Ka8.-Kurven 0.198 bis 0-476 Sekunden, an AnS.Kurven 0.227 bis 0-407 Sekunden. Die Dauer der ganzen Zuckung ist an hohen Kurven größer, an niederen kürzer. Dieser Unterschied besteht aber nur bei großer Differenz der Höhe. So ist bei 15-5 bis 25”"” hohen Kurven die Zeit der Zuckung gleich lang. Die Zeit der Zuckung dauerte an 0-5 bis 31" hohen Kas.- Kurven 0.273 bis 0-548 Sekunden, an AnS.-Kurven 0:308 bis 0:484 Se- kunden. Wenn ich von diesen Zahlen infolge des Unterschiedes zwischen schlaffem Muskel und dem Muskel in Mittelstellung 0°095 bis 0-135 Se- kunden abziehe, so stimmen diese Daten mit jenen von Edinger, welche am M. biceps gewonnen wurden. Die Verlängerung der ganzen Zuckung ist hauptsächlich die Folge der Verlängerung der Erschlaffung. Die Verhältniszahl: Dr wächst, wenn die Kurve niederer wird, d.h. die Kurve verliert, wenn der Strom schwächer wird, weniger von der Länge, als von der Höhe. Nachdem die Kurve bei schwachem Strome hauptsächlich durch Verkürzung der Erschlaffungszeit kürzer wird, wird die Verhältniszahl Erschlaffung : beim schwachen Strome kleiner. Zusammenziehung 20* 308 Jenö KOLLARITS: ÜBER DIE GALVANISCHE MUSKELZUCKUNG USW. Die KaS.-Kurve ist von der AnS.-Kurve verschieden. Wenn man die mit gleicher Stromstärke aufgenommenen Kurven vergleicht, so ist es er- sichtlich, daß die AnS.-Kurve eine längere Latenzperivde, eine kürzere Er- schlaffungszeit, eine kürzere Zuckungsdauer besitzt, und daß dieselbe weniger hoch ist. Diese Daten bedeuten aber nicht mehr, als daß die KaS. einen größeren Reiz ausübt, als die Ans. Deshalb müssen wir nicht die mit gleich großem Strome aufgenommenen, sondern die gleich hohen Kurven miteinander vergleichen. Dieser Vergleich zeigt, daß die Latenzperiode und die Kontraktionszeit an den gleich hohen Kurven keinen gesetzmäßigen Unterschied zeigen. Die Zeit der Erschlaffung verhält sich verschieden an den hohen, und an den niederen Kurven. An 15-5 bis 3lmm hohen Kurven ist die Erschlaffung, und daher die Zeit der ganzen Zuckung bei AnS. kürzer als bei KaS. An 0-5 bis 15”"" hohen Kurven sind dieselben Zahlen größer. Die Differenz beträgt an den hohen Kurven — 0.064, — 0.019, — 0.006, — 0-011 Sekunden, an den niederen + 0.002, + 0:036, + 0.035 Sekunden. Über den Einfluß der Lebensweise und Fortbewegungsart auf die Beziehungen zwischen Hirnrinde und Blutdruck. Von Dr. Ernst Weber, Assistent des physiologischen Instituts zu Berlin, Wie kürzlich an dieser Stelle näher ausgeführt wurde, kann man durch elektrische Reizung bestimmter Bezirke der Großhirnrinde bei einer keihe von Tieren eine in der Carotis zu messende Blutdrucksteigerung herbei- führen, die von einer Vermehrung des Volumens der Extremitäten und einer Verminderung des Volumens der Bauchorgane begleitet ist. Als Ursache dieser Blutdrucksteigerung durfte also die Kontraktion der Blut- gefäße der Bauchorgane angesehen werden, was auch der Erfolg der Durch- schneidung der N. splanchnici vor der Rindenreizung zu bestätigen schien. Die Versuche, von denen berichtet wurde, waren an Hund. Katze und Kaninchen vorgenommen worden, und es hatte sich ergeben, daß die den Blutdruck beeinflussende Rindenzone beim Hunde immer auf der motorischen Zone für Beine lag, bei der Katze dagegen regelmäßig nur ganz vorn auf dem Stirnhirn, während beim Kaninchen die Blutdrucksteigerung nur unregelmäßig auftrat und im Vergleich zu der bei den anderen Tieren immer viel geringer war. Diese auffallenden Verschiedenheiten bei den drei Tierarten sollen nun näher untersucht und möglichst die Ursachen erforscht werden, von denen sie abhängen. Es wurden zu diesem Zwecke eine Reihe der verschiedensten Tier- arten untersucht, bei deren Auswahl jedoch bestimmte Gesichtspunkte im Auge behalten wurden, deren Berechtigung sich aus anderen, im folgenden kurz erörterten Experimenten zu ergeben schien. Wie gleich hier einst- weilen vorausgenommen sei, wurde auch beim Affen und anderen Tieren die den Blutdruck beeinflussende Rindenzone an derselben Stelle gefunden, die der motorischen Zone für Bewegung der Extremitäten entspricht, so daß die Möglichkeit nicht abzuweisen war, daß der Vorgang dieser Blutdruck- 310 ERNST WEBER: steigerung und der mit ihr verbundenen Erscheinungen, wie Volumenvermeh- rung der Extremitäten und Volumenverminderung der Bauchorgane, in einer gewissen Beziehung auch zur physiologischen Erregung dieser Zonen bei der Ausführung von willkürlichen Bewegungen steht. Wenn dies der Fall wäre, so würde der Nutzen dieser gleichzeitigen vasomotorischen Vorgänge der sein, daß durch die Kontraktion der meist einen sehr großen Teil der gesamten Blutmenge in sich schließenden Bauchgefäße dieses Blut zu den äußeren Körperteilen, also besonders auch zu den Extremitäten und Muskeln des Rumpfes gedrängt wird. Während ausgiebiger und längerer Bewegungen sorgt aber die größere Blutmenge, die dann dort vorhanden ist, besser für den Ersatz der bei der Bewegung verbrauchten Stoffe und kann diesen Ersatz längere Zeit durchführen,‘ als eine kleinere Menge von Blut, die Ermüdung der Muskeln wird dann also später eintreten. Daß diese Blutdrucksteigerung, die durch die gleichzeitige Vermehrung des Volumens der Extremitäten und Verminderung des Volumens der Bauch- organe deutlich genug charakterisiert ist, wirklich in Beziehung zu der willkürlichen Ausführung von Bewegungen steht, konnte Verfasser durch Versuche an Menschen nachweisen, die an anderer Stelle ausführlicher behandelt sind.! Diese Versuche bestanden darin, daß vollständig lokali- sierte Bewegungen bestimmter Muskelgruppen wirklich ausgeführt, bei denen der größte Teil des Körpers unbeweglich blieb und besonders kein Druck auf den Bauch ausgeübt wurde. Trotz dieser Vorsichtsmaßregeln wurde dabei regelmäßig eine Erhöhung des Blutdrucks mittels Tonometer fest- gestellt, ferner gleichzeitig eine Vermehrung des Volumens des Armes, der im Plethysmographen unter Beobachtung aller möglichen Kontrollmaßregeln lag, und endlich auch eine gleichzeitige Verminderung des Druckes in der Bauchhöble gefunden, letzteres mit Hilfe eines kleinen Gummisackes?, der schlaff in den Mastdarm der Versuchspersonen eingeführt und dann durch einen gesteiften Schlauch aufgeblasen und mit einer starken Marey- schen Kapsel verbunden, ziemlich genau die Druckschwankungen, sogar die Pulse in der Bauchhöhle angab. Daß diese Vorgänge nicht eine Folge der Bewegung selbst waren, sondern daß sie gleichzeitig mit der Bewegung durch die Funktion allein der Hirnrinde ausgelöst wurden, wie ja auch beim Tier, das durch Ver- giftung mit Kurare bewegungslos gemacht worden war, die Drucksteige- rung allein durch Reizung der Hirnrinde bewirkt wurde, konnte gleichfalls durch Versuche! bewiesen werden. Die Versuchspersonen wurden tief ı Weber, Das Verhältnis von Bewegungsvorstellung zu Bewegung bei ihren körperlichen Allgemeinwirkungen. Monatshefte für Psychiatrie und Neurologie. ? Eine neue Methode zur Untersuchung der Druckschwankungen in der Bauch- höhle. Zentralblatt für Physiologie. 1906. Nr. 10. EINFLUSS DER LEBENSWEISE UND FORTBEWEGUNGSART. all hypnotisiert und ihnen bei vollständiger Bewegungslosigkeit suggestiv nur die lebhafte Vorstellung einer bestimmten Bewegung beigebracht, und regel- mäßig trat dabei eine Blutdrucksteigerung und Vermehrung des Volumens des Armes ein, die sogar meist noch viel höher war, als bei wirklicher Aus- führung von Bewegung, was sich durch die Abwesenheit aller im Wach- zustande störenden Einflüsse erklärt. Dasselbe konnte auch öfter im Wachen durch absichtliche lebhafte Vorstellung gewisser Bewegungen ohne Ausführung derselben bewirkt werden, und zur Kontrolle dienten endlich Versuche, die zeigten, daß ohne Mitwirkung der Hirnrinde die Ausführung der Bewegungen allein die Blutdrucksteigerung nicht herbeifübrte. Wenn im hypnotischen Zustand die Aufmerksamkeit durch entsprechende Suggestionen abgelenkt wurde, so konnte noch so kräftige passive Bewegung derselben Muskel- gruppen, deren willkürliche Bewegung vorher Blutdrucksteigerung herbei- geführt hatte, keine solehe mehr bewirken. Nach den Ergebnissen dieser Versuche ist es berechtigt, anzunehmen, daß die den Blutdruck beeinflussenden Rindenzonen der Tiere in direkter Beziehung zur Ausführung von Bewegungen stehen, da ja die Begleit- erscheinungen der Blutdrucksteigerung, die bei ihrer Reizung auftritt, die- selben sind, wie die bei der Vorstellung willkürlicher Bewegung beim Menschen, und auch der ganze Vorgang für die Ausführung der Bewegung vorteilhaft ist und sie erleichtert. Unter diesen Voraussetzungen aber lag es nahe, daran zu denken, daß die so verschiedenartigen Befunde betrefis der den Blutdruck beeinflussenden Rindenzone bei Hunden, Katzen und Kaninchen vielleicht in der ver- schiedenen Lebensweise dieser Tierarten und in ihrer Bevorzugung bestimmter Bewegungsformen seine Erklärung findet, und dies führte dazu, daß zu den weiteren Untersuchungen besonders solche Tierarten herangezogen wurden, welche die Eigenschaften, von denen eine Beeinflussung der bier untersuchten Verhältnisse vermutet wurde, entweder in möglichst über- triebener Weise oder möglichst wenig besaßen. Wenn dann im ersteren Falle die schon vorher bekannten Verhältnisse in verstärktem Maße oder mindestens in derselben Weise vorgefunden wurden, im letzteren Falle aber gar nicht oder in bedeutend schwächerer Weise, so mußte dies die Wahr- scheinlichkeit des Einflusses der betreffenden Eigenschaft stark vermehren. Zunächst unterscheidet sich das Hauskaninchen von Hund und Katze außerordentlich durch seine Lebensweise. Das Hauskaninchen lebt meist eingeengt in seinem Stall oder kleinen Gehege, während Hund und Katze meist völlige Freiheit in der Bewegung haben. Während man Katzen oft auf Dächer klettern und Vögel anspringen sieht, und Hunde an Schnellig- keit und Ausdauer Pferde übertreffen können, läuft das Hauskaninchen auch getrieben nur ganz kurze Strecken, um dann wieder zu ruhen. Da 312 ERNST WEBER: nie sehr ausgiebige und lange dauernde Bewegungen vom Hauskaninchen ausgeführt werden, ist offenbar eine Erleichterung dieser Bewegungen durch die Zuführung einer größeren Blutmenge zu den Muskeln nicht so wertvoll als bei Hund und Katze, und deshalb scheint die Funktion der Hirnrinde beim Hauskaninchen in dieser Hinsicht nicht so ausgebildet zu sein als bei Hund und Katze. Diese Annahme ist leicht zu prüfen, denn es gibt Ver- treter derselben Tierart, die in wildem Zustande leben, bei denen also die Lebensweise eine vollständig andere ist, denn das wilde Kaninchen wird von unzähligen Feinden verfolgt und kann sich nur durch seine Schnellig- keit retten, da es mit Verteidigungswaffen ungenügend ausgestattet ist. Es wurden nun Versuche an zwei wilden Kaninchen gemacht, die erst un- mittelbar vorher gefangen worden waren, und es fand sich in der Tat bei diesen beiden wilden Kaninchen eine etwa zweimal höhere Blutdruck- steigerung als bei Hauskaninchen, und das bei sehr viel schwächeren Reizen. Beim wilden Kaninchen war außerdem die den Blutdruck beeinflussende Rindenzone viel umfangreicher als beim Hauskaninchen. Bei allen hier be- sprochenen Versuchen wurde vor der Kuraresierung der Tiere die Lage der motorischen Rindenzonen durch elektrische Reizung mit Hilfe des amerikanischen Modells des Schlittenapparates festgestellt, wobei meist bipolare Elektroden benutzt wurden, bisweilen aber auch zur Kontrolle unipolare, ohne daß sich dabei Unterschiede zeigten. Dann wurden die Tiere vollständig kuraresiert, mit künstlicher Atmung versorgt und dann zur Reizung behufs Feststellung der den Blutdruck beeinflussenden Zonen nur bipolare Elektroden benutzt, weil dabei sensible Reizungen unwahr- scheinlicher waren. Bei absichtlicher Reizung der Dura usw. zeigten sich zwar auch bisweilen durchaus nicht immer Blutdrucksteigerungen infolge sensibler Reizung, diese waren aber stets weit geringer als die anderen und niemals mit ihnen zu verwechseln. In nebenstehender Fig. 1, ist nun die durch- schnittliche Blutdrucksteigerung bei Reizung der motorischen Zone für Bein- bewegung mit sehr starken Strömen von nur 60 “= Rollenabstand abgebildet, darunter in Fig. 2 aber eine mittelhohe Drucksteigerung bei Reizung der- selben Gegend bei den beiden wilden Kaninchen mit dem sehr schwachen Strom. von 150”® Rollenabstand. Diese viel höheren Drucksteigerungen, die mit demselben Gadschen Druckschreiber kurz nach der Registrierung der Kurve in Fig. 1 ge- schrieben wurden, traten sehr gleichmäßig und regelmäßig hei beiden: wilden Kaninchen auf, während selbst die geringen Steigungen beim Haus-. kaninchen nur unregelmäßig erschienen. Wenn diese Ergebnisse nun auch sehr für unsere Annahme über den Einfluß der Lebensweise auf die Be- ziehüngen zwischen Hirnrinde und Blutdruck ins Gewicht fallen, so war es doch sehr erwünscht, noch mehr Belege dafür zu erhalten, und zwar sen unralinun" En EINFLUSS DER LEBENSWEISE UND FORTBEWEGUNGSART. 3l3 möglichst durch ähnliche Parallelversuche, wie beim zahmen und wilden Kaninchen. Besonders geeignet schienen dafür Versuche am Hausschwein, das ja ganz besonders träge ist, und an der Wildsau zu sein, indessen wurde davon aus äußeren Gründen vorläufig Abstand genommen. Auch ein Faultier, dessen Untersuchung sehr erwünscht gewesen wäre, konnte nicht beschafft werden. Dagegen wurden die Versuche auf die Vögel ausgedehnt, da sie ja in ihrer Fortbewegungsweise die größten Gegensätze zeigen, wie 140 120 Fig. 1. Hauskaninchen. Blutdrucksteigerung bei Rindenreizung mit 60 = Rollenabstand. NB. Alle beigegebenen Kurven sind von links nach rechts zu lesen. ll) 1! AND 2% vun ul ImuM a, f! u, u) a Fig. 2: Wildes Kaninchen. Blutdrucksteigerung mit Rindenreizung mit 150 ®® Rollenabstand. z. B. die Hausente und der Raubvogel und es in dieser. Klasse auch Exemplare derselben Familie im domestizierten und wilden Zustand gibt, wie die Enten. Allerdings war von vornherein anzunehmen, daß der Unter- schied zwischen Haus- und Wildenten nicht so groß sein würde, wie zwischen Haus- und Wildkaninchen, denn die häufigste Fortbewegungsart der Enten, das Schwimmen, wird auch von den Hausenten meist hinreichend ausgeübt und die Bewegungsform, zu der eine größere Muskelanstrengung nötig ist, das Fliegen, wird zwar von den Wildenten bedeutend mehr aus- geübt, als von den Hausenten, und deshalb ist auch eine höhere Ent- wicklung der Blutdrucksteigerung zu erwarten, aber sie ist doch auch bei der \Wildente nicht die einzige und häufigste Bewegungsform, sondern die ist 314 ERNST WEBER: auch bei ihr das Schwimmen, wozu eine verhältnismäßig geringe Muskel- anstrengung schon meist genügt, zumal die Wildente kaum je genötigt ist, bei Verfolgung schnell zu schwimmen, sondern sich dann zwischen dem Schilfrohr versteckt. Von vornherein aber war der größte Unterschied in der Stärke der Blutdrucksteigerung zwischen Hausente und Raubvogel zu erwarten, der die größte Schnelligkeit im Fliegen erreicht und fast nie von einer anderen Bewegungsform Gebrauch macht. Die Ergebnisse unserer Versuche bestätigten dies vollkommen. a von oben. b von hinten. Fig. 3. Papageiengehirn nach Kalischer als Schema des Vogelgehirns. Die eingezeichneten Zonen sind die vom Verfasser gefundenen. Bevor indessen diese Ergebnisse näher erörtert werden, müssen einige Bemerkungen vorausgeschickt werden, da bei den Vögeln gewisse störende Vorgänge berücksichtigt- werden müssen. Es seien deshalb hier gleich sämtliche Vogelarten zusammengenommen, deren Hirnrinde auf ihre Be- ziehungen zum Blutdruck untersucht wurden. Es waren dies drei Wild- enten, fünf Hausenten, ein Bussard und ein Kakadu. Bei jeder Vogelart wurden vor der Kuraresierung die Lage der moto- rischen Rindenzone festgestellt, und es wurden bei jeder Vogelart mehrere Zonen gefunden, durch deren Reizung die Bewegung bestimmter Muskel- gruppen herbeigeführt werden konnte. Die Lage dieser Zonen war bei den verschiedenen Vogelarten annähernd die gleiche, so daß für die folgenden EINFLUSS DER LEBENSWEISE UND FORTBEWEGUNGSART. 315 Betrachtungen allen gemeinsam das in Fig. 3 abgebildete Vogelgehirn zu- grunde gelest werden kann, in dem die vier gefundenen Zonen schraffiert angegeben sind. Indessen waren nicht bei allen Vogelarten alle diese vier Zonen gleichzeitig vorhanden. Bei den verschiedenen Tierarten ließen sich durch Reizung der vier Rindenzonen folgende Bewegungen auslösen. Bei den Wildenten erfolgte auf Reizung von Zone 1 (Fig. 3) Bewegung der Flügel und des Beines gleichzeitig, seltener auch Schnabel- und Schwanzbewegungen. Bei Reizung der Zone 2 trat Beinbewegung und bei der von Zone 3 mit schwächeren Strömen Bewegung der Flügel ein, mit stärkeren auch des Beines und des Schnabels. Bei Zone 4 trat nur auf Reizung mit stärkeren Strömen als bei den 3 anderen Zonen Bewegung des Beines und des Schwanzes ein. Bei den fünf Hausenten fand sich besonders der Unterschied, dab die Flügelbewegung, die bei Wildenten schon bei den schwächsten Reiz- strömen zu bemerken war, bei den Hausenten überhaupt nirgends hervor- zurufen war. Im einzelnen verhielten sich die Rindenzonen so, dab bei Reizung von Zone 1 Bewegungen der Beine, von Zone 2 mit schwächeren Strömen des Beines, mit stärkeren auch des Rumpfes, von Zone 3 des Beines und von Zone 4 mit stärkeren Strömen des Beines und des Schnabels (einmal Stimme) auftraten. Die Ergebnisse sind übersichtlich in beistehendem Schema geordnet. Zone 1 Zone 2 | Zone 3 Zone 4 Wildenten | Flügel. | Bein. Flügel. Nur mit stärk. Str. Bein. | Mit stärk. Str. auch: Bein. | Bein, Schnabel. Schwanz. Hausenten Bein. | Bein. Bein. 'Nur mit stärk. Str. Mit stärkeren Str, | Bein. | Rumpf. | Schwanz. Endlich konnte bei dem Bussard nur durch Reizung der Zone 1 eine Bewegung herbeigeführt werden, und zwar Flügel-, Schwanz- und Bein- bewegung, beim Kakadu bei 1 Bewegung des Schnabels, bei 3 Bein- und Schwanzbewegung und ebenso bei 2, aber nur mit stärkeren Strömen. Außer diesen Bewegungen konnte aber bei den acht Enten und dem Bussard durch Rindenreizung eine bestimmte Federbewegung hervorgerufen werden, die an anderer Stelle ausführlicher behandelt ist." Diese Bewegung bestand fast immer in einem festen Anlegen aller Konturfedern bei Reizung ! Zentralblatt für Physiologie. 1906. Heft 8. 316 “Ju doptaısoreiny 19q Sunzmoauopung o3jorur Zundomogtopag 19 SUunastejsypnipmig Fard x, x: I 3 =. = Z 5. S x ERNST WEBER: der Zone 4 (Fig. 3). Das kräf- tigste Anlegen der Federn er- folgte immer mit schwächeren Strömen von Zone 4 aus, und zwar meist von dem medialeren Teile dieser Zone aus, bisweilen erfolgte sie aber auch bei Rei- zung von Zone 2 mit stärkeren Strömen, sehr selten auch bei Reizung der Zone 1. Indessen trat fast immer dieses Anlegen der Federn erst bei Rindenreizung nach vollständiger Kuraresierung der "Tiere ein. Nur bei einer Ente und dem Bussard erfolgte es schon vorher, bei allen ande- ren konnten auch stärkere Reiz- ströme- es nicht hervorrufen, während nach Kuraresierung schon schwächere Ströme wirk- sam waren. Die Ursachen, die wahrscheinlich dieser Erschei- nung zugrunde liegen, wurden an anderer Stelle ausführlicher behandelt. ! Hier interessiert uns diese Erscheinung deshalb, weil sich bei den Untersuchungen über die Beziehungen zwischen Hirn- rinde und Blutdruck heraus- stellte, daß dieses Anlegen der Federn bei Rindenreizung von einer außerordentlich hohen Blut- drucksteigerung begleitet ist, von der es unwahrscheinlich ist, daß sie dieselbe Bedeutung und dieselben Ursachen hat wie die bisher besprochenen Blutdrucksteigerungen. Obenstehende Fig. 4 gibt eine Vorstellung von der außerordentlichen Höhe dieser Blutdruck- ! Zentralblatt für Physiologie. 1808. INS: EINFLUSS DER LEBENSWEISE UND FORTBEWEGUNGSART. 317 steigerung beim Federanlegen infolge Reizung der Zone 4 am vollständig kuraresierten Tiere. Es ist zu berück- sichtigen, daß diese Feder- bewegung am kurare- sierten Tiere durch Kon- traktion der glatten Hautmuskeln erfolgt, die an jeder einzelnen Kon- turfeder inserieren und deren Zahl am einzelnen Vogel ca. 12000 betragen soll.! Bei Kontraktion dieser Hautmuskeln müs- sen aber auch die un- zähligen kleinen Blut- gefäße der Haut zusam- mengepreßt werden und daraus könnte sich diese Blutdrucksteigerung er- klären. Die Kontraktion der Gefäße des Splanch- nieusgebietes könnte da- neben mit wirksam sein und zur Erreichung einer solchen Höhe der Druck- steigerung beitragen und einige Versuche schienen dies zu bestätigen. Es wurde, um darüber Klar- heit zu schaffen, der schon oben erwähnte Gummisack mit einer hohlen Sonde armiert, höhle bei kuraresierter Ente, Blutdrucksteigerung bei Federbewegung infolge Rindenreizung mit gleichzeitiger Druckerniedrigung in der Bauch- - an nr 32 === mo durch den After der 2 oE TAB E R 2 35 23 Ente in die Bauchhöhle ==3 Se k 309 um gestoßen, dann aufge- a en blasen und mit einer Mareyschen Kapsel verbunden und die Druckschwankung der Bauchhöhle * Bronn, Klassen und Ordnungen des Tierreichs. 318 ERNST WEBER: während dieser Blutdrucksteigerung beim Federanlegen beobachtet. Einige- male war keine Veränderung des Druckes, der auf den Gummiball aus- geübt wurde, dabei zu bemerken, was wohl nicht maßgeblich ist, da viel von der zufälligen Lage des gewaltsam durch den After in die Leibeshöhle eingeschobenen Gummiballes ankommt, aber einigemale war deutlich Druck- senkung in der Bauchhöhle während der Blutdrucksteigerung bei Feder- bewegung zu bemerken. Vorstehende Fig. 5 zeigt eine auf diese Weise gewonnene Kurve. Daß die Kontraktion der Blutgefäße der Bauchhöhle, die offenbar die Ursache dieser Druckerniedrisung in der Bauchhöhle ist, nicht die einzige sie bewirkende Ursache ist, geht daraus hervor, daß diese Gefäßkontraktion bei keiner anderen Tierart so starke Drucksteigerung bewirkt und dab diese Gefäßkontraktion in der Bauchhöhle der Ente nach den Kurven ver- hältnismäßig nicht wirksamer zu sein scheint, als bei den anderen Tier- arten. Es bewirken also vermutlich zwei verschiedene Ursachen zugleich diese Blutdrucksteigerung, die deshalb auch eine ungewöhnliche Höhe er- reicht. Da aber keine Möglichkeit besteht, die Stärke der Wirkung der einen Ursache von der der anderen zu unterscheiden, so können alle Blut- drucksteigerungen, die mit Federbewegungen verbunden sind, für unsere Untersuchungen nicht verwendet werden, denn es handelt sich bei unseren Untersuchungen nur um die Blutdrucksteigerungen, die infolge der Kon- traktion der Bauchgefäße bei Rindenreizung auftreten. Es wurden nun aber auch Blutdrucksteigerungen bei Rindenreizung an Vögeln beobachtet, die nicht von Federbewegungen begleitet waren und deshalb auch längst nicht deren Höhe erreichten. Bevor aber auf diese Drucksteigerungen näher eingegangen 'wird, seien zwei höchst auffallende Ausnahmen erwähnt, in denen bei Rindenreizung an Stelle der Blut- drucksteigerungen in der Carotis Blutdruckerniedrigungen registriert wurden. Diese Senkungen der Kurve des Blutdruckes traten bei einer Ente bei allen den Reizungen der den Blutdruck beeinflussenden Rindenzonen ein, die nicht von einer 'sehr kräftigen Federbewegung begleitet waren. Nur bei dieser trat Blutdrucksteigerung ein, aber auch bei schwacher Federbewegung erfolgte die Erniedrigung und regelmäßig bei Reizung der Zone 3 (Fig. 3), von der aus eine Federbewegung zu erzielen war. Außer- dem trat Senkung der Kurve auf bei Reizung der Zone 1 (Fig. 3) beim Kakadu, die zur Schnabelbewegung in Beziehung steht, während bei Reizung der Zonen 2 und 3 regelmäßig Drucksteigerung eintrat. Die Zonen 1 und 2 stießen dabei fast aneinander, so daß von Reizpunkten, die nur 2"" voneinander entfernt waren, die entgegengesetzte Wirkung hervorgebracht werden konnte. Eine solche Kurvensenkung ist in Fig. 6 abgebildet. EINFLUSS DER LEBENSWEISE UND. FORTBEWEGUNGSART. 319 Wie erwähnt, kam diese ungewöhnliche Reizwirkung nur bei einer Ente außer dem Kakadu zur Erscheinung und fand sich bei den Säuge- tieren niemals in dieser Form. Auf die Möglichkeit der Erklärung dieses Vorganges soll hier nicht weiter ein- gegangen werden, da wir uns hier nur mit der gewöhnlichen Reizwirkung, der Blutdrucksteigerung zu beschäf- tigen haben. Blutdrucksteigerungen ohne Eig. 6. eichvaitsen Rederbesasune traten Abnorme Blutdruckerniedrigung SER on 5 Nee bei Rindenreizung ohne Federbewegung bei den Wildenten bei Reizung der Derknte: Zone 3 (Fig. 3), bisweilen auch der Zonen 2 und 1 ein, bei den Hausenten desgleichen, beim Bussard bei Reizung von Zone 1 und beim Kakadu der von Zone 2 und 3. Die Lage dieser den Blutdruck beeinflussenden Zonen wird später noch eingehender betrachtet Fig. 7. Blutdrucksteigerung ohne Federbewegung bei Rindenreizung a) bei Hausente, 5) bei Wildente, c) bei Bussard. werden, hier kommt es zunächst darauf an, die Höhe dieser Blutdruck- steigerungen bei Hausente, Wildente und Bussard zu vergleichen, wie es schon beim Hauskaninchen und Wildkaninchen geschehen war. Da die Größe der benutzten Hausenten, Wildenten und des Bussards ziemlich die gleiche war, so konnten. die Kurven direkt miteinander ver- gliehen werden. Bei allen Vögeln wurde in kurzen Zwischenräumen immer 320 ERNST WEBER: derselbe Blutdruckschreiber von Gad benutzt, dessen Angaben, wie die Eichungen zeigten, in dieser Zeit nur unbedeutende Abweichungen von- einander aufwiesen, außerdem kamen die Vögel in vermischter Reihen- folge zur Operation. In Fig. 7 ist von jeder Tierart eine typische Blutdrucksteigerung wiedergegeben, bei der nicht die geringste Federbewegung zu bemerken war. Figg. Ta und 7b zeigen den Erfolg der Reizung der Zone 3 (Fig. 3) bei Hausente und Wildente und Fig. 7c den der Reizung von Zone 1 bei Bussard. Mit stärkeren Reizströmen konnten keine höheren Blutdruck- steigerungen dieser Art erzeugt werden. Die Blutdrucksteigerung bei Wildente ist schon beträchtlich höher als bei Hausente, am auffallendsten ist aber die Höhe der Steigerung bei Bussard im Vergleich zu der bei den Enten, und es läßt sich kaum ab- weisen, als Ursache davon die Lebensweise des Bussards anzusprechen, der als Raubvogel die größte Geschwindigkeit und Ausdauer im Fliegen er- reicht, und für den also die Muskelbewegung von viel größerer Wichtig- keit ist, da viel größere Ansprüche an sie gestellt werden und ihre Funktion deshalb auch durch stärkeren Blutzufluß im Bedarfsfalle mehr erleichtert werden muß als bei den Enten, ganz besonders den Hausenten. Stellt man diese Ergebnisse zusammen mit denen der Vergleichung der Haus- und Wildkaninchen, so muß wohl zugegeben werden, daß die Wahrscheinlichkeit eine große ist, daß die Verschiedenheit der Lebensweise den ihr hier zugeschriebenen Einfluß auf die Höhe der Blutdrucksteigerung besitzt, die bei elektrischer Reizung bestimmter Rindenbezirke beim kurare- sierten Tiere auftritt. — Wenden wir uns nun der Bedeutung der Lage dieser Bezirke auf der Großhirnrinde der verschiedenen Tierarten zu. Durch die Ergebnisse der Versuche am Menschen ist wohl erwiesen, daß diese in ihren Begleiterscheinungen ziemlich genau charakterisierte Blutdrucksteigerung zu der Intention willkürlicher Bewegungen, also wohl auch zu den motorischen Zonen der Hirnrinde in gewisser Beziehung steht. Nun war allerdings festgestellt worden, daß beim Hunde und beim Kaninchen, soweit sie da überhaupt vorhanden war, die den Blutdruck beeinflussende Rindenzone auf dem motorischen Rindenbezirk für Beine lag, bei der Katze aber lag diese Zone ausschließlich auf dem Frontalhirn. Es ist aber bereits von Munk! darauf hingewiesen, daß beim Hunde (und Affen) die motorischen Rindenzonen nicht auf die Region für die Muskeln ! Munk, Sitzungsberichte der kgl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin. 1882. S. 753 ff. EINFLUSS DER LEBENSWEISE UND FORTBEWEGUNGSART. 321 der Beine um den Suleus eruciatus herum beschränkt sind, sondern daß man durch elektrische Reizung des Frontalhirns besonders auch isolierte Bewegung der Muskulatur des Rumpfes hervorrufen kann. Allerdings mußte er, um zu diesem Erfolg zu gelangen, bei der Rindenreizung des Frontalhirns Stromstärken von einem Rollenabstand des Schlittenapparates von 50— 40" anwenden, während zur Hervorrufung der Beinbewegungen durch Reizung der Gegend um den Sulcus eruciatus beim Hund schon ein Rollenabstand von 120 "m genügte. Diese Befunde bestätigten nur die Anschauungen, die man von der Bedeutung der motorischen Rindenzonen für die Ausführung willkürlicher Bewegung hatte, denn nach dieser Anschauung mußte neben der Mus- kulatur der Extremitäten auch die des Rumpfes (hier ganz abgesehen von der für die Fortbewegung unwichtigen des Kopfes und Nackens) ihre Ver- tretung auf der Hirnrinde haben. Die Art dieser Beziehungen zwischen Hirnrinde und willkürlicher Bewegung läßt es aber natürlich erscheinen, daß die wichtigeren und häufiger von der Hirnrinde aus intendierten Bewegungsformen in ihren Verbindungen mit der Hirnrinde mehr aus- geschliffen und deshalb auch schon durch schwächere künstliche Reize an den betrefienden Rindenstellen auszulösen sind als weniger häufig benutzte Bewegungsformen. Offenbar stimmt dies mit den Befunden Munks beim Hund und auch beim Affen überein, wobei man immer ins Auge fassen muß, dab die Funktion der Rumpfmuskulatur, soweit sie für Lokomotion in !Be- tracht kommt, im Krümmen der Wirbelsäule besteht, wie es zum Klettern und Springen notwendig ist. Der Hund pflegt nun beides nicht zu tun, sondern seine einzige Fortbewegungsart ist das Laufen, und deshalb ist durch Reizung der motorischen Rindenzone für Beine diese Bewegung schon mit viel schwächeren Reizströmen zu erreichen als die der Rumpfmuskulatur von der ihr zugehörigen Zone, ebenso wie die Blutdruck- steigerung durch Rindenreizung auch nur der Zone für Beine zu er- reichen ist, weil eben bei dieser Bewegungsform allein eine Erleichterung der Bewegung durch schnelleren Ersatz der verbrauchten Stoffe zeitweilig nötig und nützlich ist. Der Affe lebt zwar auf Bäumen, aber er ist kein Klettertier in dem Sinne, daß geschmeidige Rumpfbewegung zum Klettern dient, sondern er ist ein Turner, der sich fast ohne Hilfe der Rumpfmuskeln mit Hilfe seiner Arme und seines Schwanzes von Ast zu Ast schwingt, und diese Art der Fortbewegung ist außerordentlich verschieden von der z. B. des Eichhörnehens, das sich durch fortwährende Krümmungen der Wirbel- säule sehr geschwind forthilft, oder der wilden Vertreter des Katzen- Archiv x A. u, Ph. 1906. Physiol. Abtlg. Suppl. 21 322 ERNST WEBER: geschlechts, die, nachdem sie sich geschmeidig, unhörbar durch das Dickicht geschlichen haben, zum letzten Sprung zusammenkrümmen, niemals aber bei Fehlsprung ihre Beute verfolgen, weil sie sich der geringeren Aus- dauer ihrer Beine bewußt sind. Diese größere Wichtigkeit der Rumpf- muskulatur für die Katzentiere usw. scheint auch den Umstand zu erklären, daß die den Blutdruck beeinflussende Rindenzone bei den Hauskatzen aus- schließlich auf dem Frontalhirn gelegen ist. Man muß daran denken, daß diese die Muskelbewegung erleichternde Verschiebung der größeren Blut- masse nach den äußeren Teilen für die geringen Bewegungen, wie sie etwa das Stallkaninchen ausführt, nicht nötig ist, sondern nur für ungewöhnlich anstrengende Bewegungen, wie für Jagd oder Flucht, und deshalb ist es verständlich, wenn sie nur durch Erregung derjenigen Rindenzonen hervor- . gerufen werden kann, von denen vermutlich die Intentionen zu solchen Bewegungen ausgehen. Das ist aber beim Hund die motorische Zone für Beine und bei Katze für Rumpf. Daß bei Katze von der motorischen Zone für Beine‘ gar keine Blutdrucksteigerung zu erzielen ist, hängt offenbar damit zusammen, daß die Katze domestiziert ist, ihren bestimmten Wohn- platz hat und nicht des Futters wegen weitere Strecken zu Jagdzwecken zurückzulegen hat. Man sieht in der Tat Hauskatzen selten weitere Strecken laufen, sondern sie fast nur Kletter- und Springbewegungen ausführen. Dann müßte bei wildlebenden Klettertieren (die, wenn sie wirkliche Kletterer, nicht Turner, wie die Affen sind, auch immer Springer sind) die Blut- drucksteigerung, außer durch Reizung der Rumpfzone, auch der Beinzone bewirkt werden können, da sich ja wildlebende, jagende Tiere immer über längere Strecken auch laufend fortbewegen müssen. Später werden wir dies durch Untersuchungen bestätigt finden. Nach alledem wäre aber auch zu erwarten, dab bei der Hauskatze durch elektrische Reizung leichter Bewegungen der Rumpfmuskulatur zu bewirken sind als bei Hund und Affe, die beide keine eigentlichen Klettertiere (durch Rumpfbiegungen) sind, und bei denen also diese Reizversuche weniger Aussicht hätten. Es wurden 6 Katzen, die in geeigneter Weise narkotisiert waren und vorher Morphin erhalten hatten, in dieser Hinsicht untersucht, und es fand sich in der Tat, daß bei elektrischer Reizung des Stirnhirns un- verkennbar isolierte Bewegungen der Rumpfmuskulatur herbeizuführen waren. Wie Munk am Hund und Affen gefunden hatte, bestanden diese Bewegungen in kräftiger Streckung und Seitwärtsbiegung der Wirbel- säure, aber während Munk dazu beim Hund und Affen die Reizstärke eines Rollenabstands von 40 bis 50 “= des Schlittenapparates bedurfte, war bei der Hauskatze dazu nur ein Rollenabstand von 80 bis 100 m nötig. Dies beweist vollkommen die größere Empfindlichkeit dieser Rindenzone bei der Katze. EINFLUSS DER LEBENSWEISE UND FORTBEWEGUNGSART. 323 Der Zusammenhang aber der Wichtigkeit der Rumpfmuskulatar mit dem Vorhandensein einer den Blutdruck beeinflussenden Rindenzone auf dem Frontalhirn konnte nur dadurch sehr wahrscheinlich gemacht werden daß andere Tiere verschiedener Art daraufhin untersucht wurden, bei denen die Rumpfmuskulatur denselben oder möglichst noch einen höheren Grad von Wichtigkeit für das Leben besitzt als bei der Hauskatze. Wenn unsere Vermutung richtig war, mußte dann ebenfalls bei diesen Tierarten eine den Blutdruck beeinflussende Zone auf dem Frontalhirn liegen. Als Tiere, deren Rumpfmuskulatur besonders ausgebildet zum ge- schickten Klettern durch abwechselndes Krümmen und Strecken der Wirbel- säule und zum unhörbaren, geschmeidigen Anschleichen ‘der gejagten Tiere ist, wurden gewählt das Eichhörnchen, das Frettehen und der Stein- marder. Bei allen diesen Tieren wurde zuerst die Lage der motorischen Zone festgestellt, dann wurden sie kuraresiert und auf das Vorhandensein von Fig. 8. Blutdrucksteigerung bei kuraresiertem Eichhorn auf Reizung des Frontalhirns. Rindenzonen untersucht, die den Blutdruck beeinflussen. Natürlich wurde das Frontalhirn immer durch Entfernung der anstoßenden Wände der Nasen- höhle usw. soweit freigelegt, daß durch die Elektroden nur das Frontalhirn selbst berührt wurde, ferner wurden immer wieder zum Vergleich die um- gebenden Teile und die Dura gereizt, um Verwechslung mit sensiblen Reizen auszuschließen, die sich, wenn überhaupt merkbar, immer durch ihre viel geringere Wirkung und auch andere Wirkungsform ausscheiden ließen. Es wurden mehrere Eichhörnchen untersucht, und es fand sich vor der Kuraresierung ausschließlich ganz vorn auf dem Frontalhirn ein kleiner Bezirk, durch dessen Reizung regelmäßig Bewegung des Rumpfes zu bewirken war. Durch Reizung anderer Rindenteile konnte keine Be- wegung hervorgerufen werden. Nach Kuraresierung der Tiere konnte nun regelmäßig durch Reizung derselben Zone schon mit schwächeren Strömen eine Blutdrucksteigerung bewirkt werden, was von keinem anderen Punkte der Hirnrinde aus möglich war. Aus der in Fig. 8 abgebildeten 21* 324 ERNST WEBER Kurve ist zu ersehen, wie außerordentlich hoch diese Drucksteigerung im Verhältnis zur Größe des Tieres und der Pulse ist. Das Frettchen und der Marder unterschieden sich in ihrer Bewegungs- art von Katze und Eichkatze dadurch, daß bei ihnen, als gewissermaßen Berufsjagdtieren, das Laufen außer dem Klettern eine größere Rolle spielt als bei jenen, denn die Hauskatze jagt nur, wenn das Wild ihr bequem zur Hand ist, und macht sich keine größeren Wege deshalb, weil sie auch ohne Jagdbeute an Nahrung keinen Mangel leidet. In der Tat fand sich sowohl bei Frettchen als Marder eine erregbarere Rindenzone für Rumpf- Fig. 10. (Gehirn des Frettchens. Gehirn des Steinmarders (natürliche Größe). 1 = motor. Zone für Rumpfbewegung. 1 = Zone für Rumpfbewegung. 2 = motor. Zone für Beinbewegung. 2 = Zone für Beinbewegung. (Vorderbein mehr lateral, Hinterbein mehr medial.) bewegung auf dem Frontalhirn, und außerdem eine andere für Bein- bewegung an anderer Stelle, durch eine unerregbare Zone von jener getrennt. In obenstehender Fig. 9 ist das Gehirn des Frettchens und in Fig. 10 das des. Steinmarders abgebildet und die erregbaren beiden Rindenzonen sind schraffiert. Nach Kuraresierung der Tiere trat bei Reizung beider Zonen schon bei Anwendung sehr schwacher Reizströme von 150"® Rollenabstand beträchtliche Blutdrucksteigerung ein. In nebenstehender- Fig. 11 sind die Kurven dieser Blutdrucksteigerungen wiedergegeben. Dies war bei diesen Tieren nach den hier entwickelten Anschauungen zu erwarten und bekräftigt ihre Wahrscheinlichkeit, denn bei diesen Tieren hat die Bewegungsform des Kletterns und Anschleichens dieselbe Wichtig- EINFLUSS DER LEBENSWEISE UND FORTBEWEGUNGSART. 325 keit wie die des Laufens, und da beide Bewegungsarten von diesen Jagd- tieren in sehr starkem Maße angewendet werden, bildete sich zur Erleichte- rung ihrer Funktion die Fähigkeit auch der Rinde des Frontalbirns aus, Fig. 11. Blutdrucksteigerung bei Reizung des Frontalhirns bei Rollenabstand von 150 m, a) bei Frettchen. 5) bei Steinmarder. auf Reizung Blutzufluß zu den äußeren Teilen zu bewirken, welche Reiz- wirkung nach unseren Versuchen beim Menschen wohl mit der Wirkung der Intention dieser Bewegung gleichzusetzen ist. Vom Affen wurde bereits oben erwähnt, daß er kein Klettertier wie die eben erwähnten Tiere ist, denn er klettert nicht mit Hilfe von Beugung und Streeckung der Wirbelsäule, sondern schwingt sich ausschließlich mit Fig. 12. Affengehirn nach Ferrier. (Geschwänzter Affe.) 1, 2 = Hinterbein. 4, 5 = Vorderbein. 3= Schwanz. Hilfe seiner Beine und seines Schwanzes von Ast zu Ast. Deshalb war auch nicht zu erwarten, daß die Beziehungen zwischen Rumpf und Stirn- hirn so innig sind wie zwischen Extremitäten und Scheitelhirn und daß 326 ERNST WEBER: Blutdrucksteigerung von dort aus zu erreichen ist. Es wurde ein Rhesus mit besonders langem und kräftigem Schwanz untersucht und die Lage der motorischen Zonen entsprach annähernd der in Fig. 12!wiedergegebenen, auch Reizungen hinter 140 120 I. MM LINE) P= der Zentralfissur hatten Erfolg. Fig. 13. Blutdrucksteigerung bei Reizung der motorischen Zone für Extremitäten beim Affen. Nach Kuraresierung des Tieres trat bei Reizung der Zonen für Beine und Schwanz Blutdrucksteigerung ein, die bei fortgesetzten Reizungen am längsten auf beiden Hemisphären vor der Gegend der Zone 3 (Fig. 12) aus zu erreichen war, von wo vor der Kuraresierung öfter isolierte Schwanz- Fig. 14. Gehirn des Igels nach Flatau-Jakobsohn, Handbuch des Zentral- nervensystems der Säuge- tiere. — Die eingezeich- neten Zonen 1, 2, 3 sind die vom Verfasser fest- gestellten Rindenzonen. Hautmuskeln, die das Abgesehen von diesem bewegung zu erreichen war, wie auch Ferrier fand. In Fig. 13 ist eine solche Blutdrucksteige- rung beim Affen wiedergegeben. In keiner direkten Beziehung zu den beiden hier erörterten Fragen standen gleichartige Versuche an Igeln, die deshalb nur ganz kurz berührt werden sollen. Im Gegensatz zu den Angaben Manns! wurden bei verschiedenen Igeln, die in Fig. 14 mit 1, 2, 3 bezeichneten motorischen Rindenzonen fest- gestellt, unter denen besonders bei Reizung von 3 leicht Beinbewegung auftrat. Bei Reizung dieser Zone trat auch nach Kurarisierung regelmäßig eine Blutdrucksteigerung ein, indessen konnte dieser Blutdrucksteigerung keine Bedeutung beigemessen werden, denn sie war fast immer von einem Aufrichten der Stacheln be- gleitet, und so konnte diese Blutdrucksteigerung auch durch die Kontraktion der zahlreichen glatten Stachelaufrichten bewirkt, verursacht worden sein» negativen Ergebnisse genügen aber wohl die oben ! Mann, Journ. of Anat. and Physiol. Vol. XXX. \ n EINFLUSS DER LEBENSWEISE UND FORTBEWEGUNGSART. 3271 besprochenen Versuche an sieben verschiedenen. Tierarten aus der Klasse der Säugetiere, um die Richtigkeit der hier vorgetragenen Anschauung sehr wahrscheinlich zu machen. Trotzdem wäre es aber natürlich erwünscht, wenn weitere Untersuchungen in dieser Richtung vorgenommen würden. So würde man z.B. nach der hier vertretenen Ansicht erwarten, daß bei der Wildkatze, im Gegensatz zum Befunde bei Hauskatze, auch bei Reizung der motorischen Zone für Beine eine Blutdrucksteigerung eintritt. Hauptsächlichste Ergebnisse. 1. Die Vergleichung der Untersuchungsergebnisse von Hauskaninchen und Wildkaninchen, sowie von Hausente, Wildente und Raubvogel macht es wahrscheinlich, daß die Höhe der Anforderung, die durch die Lebens- weise einer Tierart an die Muskulatur gestellt wird, in bestimmtem Ver- hältnis zu der Höhe der Blutdrucksteigerung steht, die bei Reizung der- jenigen Hirnrindenbezirke eintritt, die zu der betreffenden Bewegungsform in Beziehung stehen. 2. Bei Hauskatze, in noch höherem Grade bei Eichhorn, Frettchen und Marder, sind Rumpfbewegungen von der Rinde des Frontralhirns aus schon mit weit schwächeren Reizstärken zu erhalten als bei Hund und Affe, und nach Kuraresierung tritt bei Reizung derselben Stelle nur bei den erstgenannten Tieren Blutdrucksteigerung ein. Dies deutet darauf hin, daß bei denjenigen Tierarten, bei denen die besonders durch präzise Funktion der Rumpfmuskeln ermöglichte Fortbewegungsart des Kletterns und An- schleichens eine überwiegende Wichtigkeit erlangt hat, die Beziehung zwischen Stirnhirn und Rumpfbewegung eine innigere ist als bei anderen Tierarten, und sich bei ihnen auch die Fähigkeit ausgebildet hat, daß bei Intendierung dieser Rumpfbewegung ein Blutzufluß zu den äußeren Körper- teilen erfolgt, der die kräftigere Muskelbewegung erleichtert. Über die Vasomotoren der Lungengefäße. Von Alexander Strubell in Dresden. (Aus dem Laboratorium für experimentelle Pathologie des weiland Prof. S. von Basch in Wien.) (Hierzu Taf. XV.) Die Frage nach dem Vorhandensein von Vasomotoren in den Lungen- gefäßen führt uns in ein Gebiet, das wohl eines der dunkelsten in der Lehre vom Kreislauf genannt werden darf. In der Tat ist die Existenz dieser Vasomotoren bisher noch immer mehr hypothetisch angenommen, als wissenschaftlich bewiesen worden. Wohl fanden die Anatomen Muskel- fasern in den Lungengefäßen, aber es fehlen strikte Beweise sowohl dafür, daß dieselben in Aktion treten, als auch dafür, welche Nerven es sind, die dieselben beherrschen. Die ersten Versuche über diesen Gegenstand wurden von Badoud im Laboratorium von Fick angestellt. Badoud fand, daß durch Reizung des Halsmarkes der Druck in der Pulmonalarterie ebenso hoch gesteigert wird, wie in der Karotis und zieht daraus den Schluß, daß die Lungen- arterien sich ebenso kontrahieren wie die kleinen Arterien des großen Kreis- laufs. Den Einwand, daß die Drucksteigerung der Lungenarterie durch die Steigerung des Karotisdruckes sekundär entstehen könne, weist Badoud zurück und schreibt den Lungengefäßnerven einen Tonus zu, wie den Vaso- motoren des großen Kreislaufes. Lichtheim fand ebenfalls Drucksteigerung in der Lungenarterie bei Reizung des Halsmarkes, doch erreichte dieselbe nicht entfernt die Höhe des Karotisdruckes, auch war der absolute Druck ALEXANDER STRUBELL: ÜBER DIE VASOMOTOREN DER LUNGENGEFÄSSE. 329 in der Lungenarterie bedeutend niedriger, als bei Badoud, ebenso wie bei Halsmarkdurchschneidung kein so beträchtliches Absinken des Blutdruckes eintrat. Openchowski bestätigt diese Resultate Lichtheims und führt die Verschiedenheit seiner und Lichtheims Ergebnisse von denen Badouds auf die Verschiedenheit der Methoden zurück. Badoud hat nämlich den Druck direkt im rechten Herzen gemessen und die durch eine Linie ver- bundenen systolischen Kurvenspitzen als den ungefähren Druck in der Pulmonalis angesehen, während Lichtheim und Openchowski den Lungenarteriendruck direkt gemessen haben. Dadurch hat Badoud infolge des Schleuderns seines Manometers zu hohe Werte erhalten. Lichtheim kam zu dem Schlusse, dab für die Existenz von Lungengefäßnerven nur ein Versuch beweisend sein könne, indem es gelänge, den Druck in der Lungenarterie zu steigern, ohne gleichzeitig am Zustande des großen Kreis- laufes etwas zu ändern. Er setzte zu diesem Zwecke bei unterbundener Aorta die Atmung aus: der Druck in der Karotis stieg nicht, während der Druck in der Lungenarterie ebenso anstieg wie bei nicht unterbundener Aorta. Lichtheim hält danach die Existenz von Nerven in den Lungen- gefäßen für erwiesen. Hofmokl meint dazu, daß diese Drucksteigerung in der Lungenarterie entweder auf Gefäßkontraktionen derselben oder aber durch Fortpflanzung des Druckes vom großen Kreislauf her bedingt sein könne. Zuntz hat die Richtigkeit des Lichtheimschen Beweises in Zweifel gezogen. Waller fand, daß die Tetanisierung des Halsmarkes den Blut- strom in den Lungen beschleunigt und daß eine Verengerung der kleinen Lungenarterien nicht stattfindet. Das unzweifelhafte Verdienst aber, die Lichtheimsche Beweisführung zu Fall gebracht zu haben, ist Openchowski und Wagner zuzuschreiben. Sie wiesen nach, daß die von Lichtheim beobachtete Drucksteigerung in der Arteria pulmonalis in der Tat nicht durch eine Kontraktion der Lungen- gefäße, sondern durch Rückstauung vom linken Herzen her bedingt wird. Während der linke Ventrikel infolge des hohen Arteriendruckes und der Sauerstoffverarmung des Blutes erlahmt, kommt es zu einer Stauung in den Lungengefäßen, in denen der Druck demgemäß steigt, da der rechte Ven- trikel zunächst noch weiter arbeitet. Die Existenz von Vasomotoren in den Lungengefäßen ist somit durch die Liehtheimschen Versuche nicht er- wiesen und die ganze Frage bedurfte aufs neue der Klärung.... In Frankreich hatte Brown-Sequard bereits vor 30 Jahren die Entstehung von Ecehymosen und Hämorrhagien in der Lunge bei Hirn- afektionen gezeigt: Diese Erscheinungen verschwinden nach Exstirpation der oberen Ganglia thoracica des Sympathikus. Brown-Söquard schloß daraus, daß die zentralen Reizungszustände einen Vasomotorenkrampf in der Lunge hervorrufen und daß die Nerven, die diesen Reiz übermitteln, 330 ALEXANDER STRUBELL: nicht auf der Bahn des Vagus, sondern auf der des Sympathikus verlaufen. Danach hat Francois Franck im Jahre 1881 die Existenz von Vasomotoren der Lungengefäße nachweisen zu können geglaubt. Er fand, daß Reizung des Sympathikus Drucksteigerung in der Pulmonalarterie und Sinken des Druckes im linken Vorhof hervorrufen kann, zwei Symptome, die er als die notwendige Folge einer Vasokonstriktion der Lungengefäße hinstellt. Gleichzeitig sinkt der Druck in der Aorta, trotzdem die Tätigkeit sowohl des rechten, wie des linken Ventrikels vermehrt ist. Diese Erschei- nungen erklärt Francois Franck durch eine Verengerung der Lungen- gefäße, obwohl das Volum der Lunge gleichzeitig größer wird. Die Volumsvergrößerung führt er auf eine Dehnung der großen Lungengefäße infolge Konstriktion der kleinen zurück. Die Dehnung der großen arte- riellen Gefäßstämme soll in ihrem Einfluß auf das Lungenvolum den der Retraktion des übrigen Lungengewebes übertreffen und überkompensieren. Francois Franck nennt diese Erscheinungen und seine Erklärung dafür: Le paradoxe volumö6trique. Er wendet sich besonders gegen die Aus- führungen Openchowskis, der den Gegensatz der Wirkungen der Sym- pathikusreizung auf den Pulmonalarterien- und den Karotisdruck einer verschiedenen Wirkung der Reizung auf den rechten und den linken Ven- trikel zuschreibt. Bradford und Dean fanden, daß bei Reizung des Rückenmarkes oder der oberen Brustnerven der Druck in der Aorta und der Lungenarterie sich verschieden zueinander verhielten je nach der Segmenthöhe, in der die Reizung stattfand. Der Pulmonalarteriendruck stiee stets um 2 bis 6m, während der Aortendruck z. B. bei Reizung des siebenten Brustnerven um 150", bei Reizung des fünften Brustnerven nur um 10” stieg, bei Reizung des dritten Nerven sogar sank. Durch diese Versuche sei nach- gewiesen, daß die Drucksteigerung in der Lungenarterie durchaus nicht immer eine passive Folge einer Drucksteigerung in der Aorta zu sein braucht, denn der Umfang jener steht zu der Druckzunahme in der Aorta in keinem direkten Verhältnis. Hierin aber einen entscheidenden Beweis dafür zu sehen, daß für die Lunge gefäßverengernde Fasern in den oberen Brustnerven enthalten sind, wie das Bradford und Dean tun, ist, wie Tigerstedt ausführt, nicht zulässig. Man könne sich ja denken, dab die betreffenden Nerven die Blutgefäße der Leber innervieren: wenn diese Gefäße sich kontrahieren, müssen sie Blut nach dem rechten Herzen treiben und also den Druck in der Lungenarterie steigern, ohne daß darum der Aortendruck in einem nennenswerten Grade zuzunehmen braucht. Die Tragweite dieser Einwendungen, meint Tigerstedt, können wir indessen erst dann beurteilen, wenn wir von der Einwirkung dieser Nerven auf die ÜBER DIE VASOMOTOREN DER LUNGENGEFÄSSE, 33l Leber nähere Kenntnis besitzen. — Knoll hält die Versuche von Bradford und Dean nicht für beweisend, weil der Druck in der Pulmonalis von der Leistung des Herzens abhängt, indem einerseits bei leistungsunfähigen Herzen schon eine geringe Erhöhung der Widerstände im großen Kreislauf zu einer merkbaren Rückstauung im kleinen Kreislauf Anlaß geben kann, während andererseits selbst eine sehr große Steigerung des Aortendruckes ohne jede Erhöhung des Druckes in der Pulmonalis ablaufen kann. Knoll glaubt nicht an die Existenz von Vasomotoren im kleinen Kreislauf. Couvreur untersuchte beim Frosch die Weite der Lungengefäße unter dem Mikroskop und fand, daß Reizung des Vagus die Blutströmung in demselben aufhob und zwar selbst dann, wenn die nach dem Herzen ver- laufenden Vagusäste vorher durchschnitten waren. Cavazzani beobachtete bei künstlicher Zirkulation durch die beiden Lungen oder am lebenden Tier die durch einen Lnngenlappen in der Zeiteinheit durchströmende Blutmenge. Bei Kaninchen nahm dieselbe bei Reizung des Halsvagus ab, bei Reizung des Halssympathikus zu. Jener müßte also konstriktorische, dieser dilata- torische Fasern enthalten. Beim Hunde sah Cavazzani als Folge der Vago-Sympathikusreizung nur Gefäßerweiterung. Henryquez fand bei Reizung des Vagus von Hund und Kaninchen, daß der Druck im linken Vorhof anstieg und in der Lungenarterie sank, daraus schließt er auf ge- fäßerweiternde Fasern, die die Vagi den Lugen zuführen. Bokai sah, daß die Lungen bei Durchschneidung des Sympathikus erröten, bei Reizung dieses Nerven erblassen und fügt hinzu, daß die hierbei tätigen Fasern aller Wahrscheinlichkeit nach vom Ganglion thoraecicum primum nach dem Vagus und mit diesem nach der Lunge gehen. (Zitiert nach Tigerstedt.) Tigerstedt gelangt angesichts dieser verschiedenen Angaben zu der Ansicht, daß die Frage nicht spruchreif ist, jedenfalls schienen aber die vorliegenden Untersuchungen darzutun, daß die etwa. vorhandenen gefäbß- verengernden Nerven der Lunge nicht sehr stark entwickelt sind. Nach ihm ist es gestattet anzunehmen, daß die Weite der Lungengefäße in keinem größeren Grade vom zentralen Nervensystem direkt beinflußt wird. In einer späteren Arbeit warnt Openchowski davor, die Erfahrungen des großen Kreislaufes ohne weiteres auf den kleinen zu übertragen. Er hält auf Grund seiner Versuche mit Helleborein, Digitalis usw. die Behaup- tung aufrecht, daß die Existenz von Lungengefäßnerven nicht bewiesen ist, wenigstens läßt seiner Meinung nach der Ursprung derselben aus dem Halsmarke (nach Lichtheim, Brown-Sequard, Francois Franck) manche Bedenken zu. Öpenchowski weist besonders darauf hin, wie leicht man sich bei diesen komplizierten Versuchen irren kann. Bei den jetzigen Kenntnissen von der Autonomie sämtlicher Herzteile werden, wie er meint, auch die Quellen der Fehler, welche bei der Reizung des Hals- 332 ALEXANDER STRUBELL: markes oder des Ganglion thoracicum vom Herzen selbst herrühren können, nicht leicht zu eruieren sein. Vor allen Dingen liegen noch keine ver- gleichenden anatomischen Untersuchungen über den feinsten Bau und die Innervation.der Lungengefäße vor. Openchowski schließt seine Ausführungen mit dem Satz, daß, wenn dem rechten Herzen eine selbständige Stellung eingeräumt werden muß, eine solche auch seinem Gefäßgebiete gebührt. In einer weiteren Arbeit bespricht Frangois Franck die auf Reizung des Endokards und der Intima der Aorta hin entstehende reflektorische Dyspnoe, in deren Verlaufe nach ihm auch Laryngospasmus, Bronchial- krampf und Krampf der Lungengefäße auftritt. Nach ihm treten die Erscheinungen des Bronchialkrampfes und der Kontraktion der Lungen- gefäße stets gemeinschaftlich auf und sind voneinander nicht zu trennen. Er erinnert an seine früheren Untersuchungen, wo er Steigen des Pulmonalarteriendruckes, Sinken des Druckes im linken Vorhof bei Reizung des Brustsympathikus beobachtet hatte. Dasselbe Resultat hat er bei Tieren gesehen, denen er die Intima der Aorta reizte. Er ergeht sich hier in einer sehr weitgehenden Anwendung dieser experimentellen Ergeb- nisse, zum Teil auch auf das klinische Gebiet, ein Weg, auf dem wir ihm hier nicht folgen können, um so mehr, als seine Erörterungen wesentlich spekulativer Natur sind. Die Lehre von der lungengefäßverengernden Wirkung des Sympathikus hat Francois Franck nun aber noch in einer neueren Arbeit noch aus- führlicher zu begründen gesucht. Er konstatierte in Versuchen jüngeren Datums wieder das Steigen des Druckes in den Pulmonalarterien, das Sinken des Aorten- und des linken Vorhofsdruckes und: le para- doxe volume6trique: die paradoxe Vergrößerung des Lungen- volums, die er auf das Anschwellen der großen Lungenarterien- stämme infolge der Kontraktion der kleinen Äste zurückführt. Neben oder besser vor dem Sinken des Aortendruckes infolge der Verengerung der Lungen- gefäße sah Francois Franck aber oft ein Steigen des Aortendruckes, das er auf eine durch die Sympathikusreizung bedingte stärkere Tätigkeit des Herzens zurückführt, denn auch der rechte Ventrikel arbeitet nach ihm kräftiger. Also: vermehrte Leistung des Herzens (rechts wie links) und Verengerung der Lungenarterien sind die Ursache des von ihm beobachteten Symptomen- bilde. Francois Franck wendet sich scharf gegen Openchowski, der den beiden Ventrikeln verschiedene physiologische Eigenschaften zu- schreibt und hält daran fest, daß beide Ventrikel gleichartig innerviert sind und gleichmäßig arbeiten. Einen besonderen Beweis für seine Anschauungen sieht Frangois Franck in der gleichzeitigen volummetrischen Beobachtung eines rechten und eines linken Lungenlappens bei abwechselnder Reizung bald des rechten, ÜBER DIE VASOMOTOREN DER LUNGENGEFÄSSE. 339 bald des linken Sympathikus. Wenn es feststeht, sagt er, dab die Ver- mehrung des Lungenvolums aus dem Überwiegen der Erweiterung der großen Gefäßstämme über die Retraktion des Lungengewebes resultiert, so muß man erwarten, daß dieses Phänomen deutlicher ist auf der Seite, wo die Einwirkung auf das Herz nicht durch den Einfluß auf die Vasokonstrik- toren vermindert wird. Das gereizte Herz entwickelt eine stärkere Tätigkeit, auf welcher Seite auch man den Sympathikus reizen mag, und wirft seine Wellen mit der gleichen Energie in die beiden Lungen und dehnt in dem- selben Grade die Arterienstämme ‘der rechten und der linken Lunge aus. Die Vergrößerung des Lungenvolums wird also auf beiden Seiten gleich sen. Wenn aber in einer der beiden Lungen eine Gefäßverengerung auf der Seite des erregten Sympathikus eintritt, so kann man voraussehen, daß der Effekt der vermehrten Herzaffektion weniger deutlichen Einfluß auf das Volum hat, da das Gewebe einen stärkeren Widerstand leistet, und das konnte Francois Franck in der Tat auch beobachten. Er sah, daß, wenn er den linken Sympathikus reizte, daß dann die linke Lunge dem verstärkten Herzschlag mehr widerstand, während die rechte Lunge passiv gedehnt wurde und umgekehrt. Mit diesem Versuche gibt Francois Franck eigentlich die Kritik seiner eigenen Theorie, seines eigenen Paradoxon, mit dem er die für ihn paradoxe Erscheinung der Vergrößerung des Lungenvolums nach Sym- pathikusreizung zu erklären beflissen ist. Wenn wirklich die Erweiterung der großen Lungenarterienstämme infolge Vasokonstriktion der kleinen Arterien einen größeren Einfluß auf das Lungenvolum haben sollte, als die Retraktion des Lungengewebes infolge der aktiven stärkeren Entleerung seiner Gefäße durch deren Kontraktion, so müßte die Lunge der gereizten Körperseite sich stärker vergrößern, als die nur passiv gedehnte. Nun ist es aber ohne weiteres verständlich, daß die wenigen großen Arterienstämme, auch wenn sie stark gedehnt werden, viel weniger Blut aufnehmen können, als ihre unzähligen kleinen Verzweigungen. Das Lungengewebe mit den vielen kleinen Gefäßen ist wie ein Schwamm, der sehr viel Flüssigkeit auf- saugen und aus dem man, wenn er überfüllt ist, viel Blut auspressen kann. Die gesamten Querschnitte der kleinen Lungengefäße sind aber natürlich viel beträchtlicher als die Querschnitte der selbst gedehnten großen Arterien- stämme. Das sind so einfache physiologisch-physikalische Tatsachen, daß man sie nur anzuführen braucht, um Francois Francks paradoxe Er- klärung des paradoxe volumetrique ad absurdum zu führen. Niemals werden die gedehnten Lungenarterienstämme ein so großes Volumen aus- machen, daß eine durch kräftige (bisher hypothetische und auch dureh Francois Francks Untersuchungen nicht bewiesene) Vaso- konstriktion der kleinen Lungengefüße bedingte Retraktion des Lungen- 334 ALEXANDER STRUBELL: gewebes überkompensiert und das Lungenvolum statt verkleinert, vergrößert würde. Und damit fällt auch die ganze Grundlage, auf die Francois Franck den Beweis der Existenz einer vasomotorischen Konstriktion der Lungengefäße aufgebaut hat, zusammen. Sinken des Arteriendruckes und des Druckes im linken Vorhof, Steigen des Pulmonalarteriendruckes und des Lungenvolums bei verstärkter Herzaktion, die so stark ist, daß sehr oft sogar der Aortendruck anfänglich beträchtlich gesteigert ist, könnte man ebenso gut auf eine Erweiterung der Arterien, sowohl des großen, wie des kleinen Kreislaufs beziehen, die im großen Kreislauf infolge der stärkeren Aktivität der Vasodilatatoren zur Drucksenkung in der Aorta führt, im Lungenkreislauf, bei der vorauszusetzenden geringeren Wirkung etwa vorhandener gefäßerweiternder Nerven durch die verstärkte Leistung des rechten Ventrikels überkompensiert wird (Pulmonalarteriendruck steigt) und nun folgerichtig zur Vergrößerung des Lungenvolums führt. Es ist nicht der Zweck dieser Arbeit, die Resultate des Herrn Francois Franck oder gar seine paradoxe Erklärung über diesen Punkt zu erklären. Aber soviel ist wohl sicher, daß sein Versuch, eine Kontraktion der Lungen- gefäße nach Sympathikusreizung bei vergrößertem Lungenvolum nachweisen zu wollen, als mißglückt angesehen werden muß. Diese Ver- suchssynıptome würden viel eher für eine Vasodilatation überkompen- siert durch vermehrte Herztätigkeit sprechen. Ich habe vor nunmehr fünf Jahren im Laboratorium meines kürzlich verstorbenen, hochverehrten Lehrers, Prof. von Basch einen Symptomen- komplex beobachtet, der besser als die Beweisführung Francois Francks geeignet erscheint, die von uns behandelte Frage zu entscheiden. Ich be- beobachtete gelegentlich einer längeren Versuchsreihe über Digitaliskörper bei Experimenten, die sich mit den Wirkungen des Strophantins beschäf- tigten, einen Zustand, wie ihn Popper in seinen gleichfalls dem Labora- torium von Baschs entstammenden Versuchen bereits früher gesehen hatte. Ich fand, wie Popper, daß nach Einwirkung von Strophantin bei Hunden ein Stadium eintritt — oder richtiger eintreten kann, — in dem die periphere Vagusreizung, ohne Pulsverlangsamung zu erzeugen, den Arteriendruck zum Sinken bringt. In diesem Stadium also, wo die puls- verlangsamenden, herzhemmenden Vagusfasern bereits gelähmt sind, tritt die Senkung des Arteriendruckes ohne Veränderung des Herzrhythmus auf, eine Erscheinung, über welche man, wie Popper sich ausdrückt, ohne weitere Versuche nichts aussagen kann. Popper meinte, man könne diese Blutdruckerniedrigung im Sinne der Versuche von Coats, Heidenhain, Weinzweig, Pawlow, als einen Effekt von Nerven ansehen, die im Stamme des Nervus vagus verlaufen, die Energie der Herzkontraktionen herabsetzen. Es wäre aber auch möglich, daß das Sinken des. arteriellen I I; N | | \ ÜBER DIE VASOMOTOREN DER LUNGENGEFÄSSE. 335 Blutdruckes von einer Kontraktion der Lungengefäbe abhinge. Durch eine solche, schreibt Popper, könnte die Füllung des linken Ventrikels beeinträchtigt werden, und es könnte auf diese Weise ebenfalls zu einer Erniedrigung des arteriellen Blutdruckes kommen. — Diese Frage mußte demnach durch weitere Versuche entschieden werden. Solche Versuche habe ich denn auch angestellt, und zwar an der Hand einer raffinierteren Methodik, als sie Popper angewendet hat, vermittelst der mit der Arteriendruckmessung kombinierten Messung des Druckes im linken Vorhof nach von Basch. Es ist mir im Verlaufe einer längeren Reihe von einschlägigen Versuchen einige Male geglückt, den Moment ab- zupassen, wo der herzhemmende, pulsverlangsamende Einfluß des Vagus infolge der Strophantinwirkung erschöpft war und wo dennoch ein mehr oder minder beträchtliches Sinken des Karotisdruckes ohne Pulsverlangsamung eintrat. Unter diesen Versuchen habe ich bei einigen ein deutliches, wenn auch geringes, einige Male ein höchst eklatantes Sinken des Druckes im linken Vorhof beobachten können. Das Phänomen ist, wenn es ganz deutlich ausgesprochen auftritt, im höchsten Maße auffallend und es fragt sich nur: Wie verhalten sich die Drücke der anderen Abschnitte des Kreis- laufes? Es könnte sich ja doch um eine Erweiterung der Gefäße des großen Kreislaufes handeln, die sowohl den Karotisdruck wie den im linken Vorhof zum Sinken brächte. Eine solche Wirkung der Vagusfasern ist mir aller- dings nicht bekannt. Dieselben müßten dann aber folgerichtig ein Sinken des Venendruckes zur Folge haben. Das ist aber nicht der Fall, der Venendruck steigt vielmehr. Es bleibt also, wenn wir dies ausschließen dürfen, nur die Annahme übrig, daß dem Herzen aus der Lunge weniger Blut zufließt, denn eine depressorische Wirkung dieser Vagusreizung auf das Herz selbst müßte ein beträchtliches Steigen des Druckes im linken Vorhof zur Folge haben, ist also ohne weiteres auszuschließen. Wenn aber dem Herzen aus der Lunge weniger Blut zufließt, so muß, da ja auch der Venendruck erhöht ist, die Ursache hierfür im kleinen Kreislauf zu suchen sein. Eine depressorische Wirkung auf das rechte Herz allein dürfen wir ausschließen, denn dann müßte der Druck in der Arteria pulmonalis fallen: Derselbe hält sich aber auf der gleichen Höhe oder zeigt die Tendenz zu steigen. Man wird nach allem, was wir über den rechten Ventrikel wissen, nicht erwarten dürfen, daß diese Steigerung des Pulmonaldruckes in Millimeter Hg. ausgedrückt, eine sehr beträchtliche ist. Dazu ist der rechte Ventrikel viel zu schwach, dazu arbeitet er zu gleichmäßig und dafür ist auch, wie wir annehmen dürfen, das vorhin eingeschaltete Hindernis nicht bedeutend genug. Es genügt schon, daß er um ein Geringes steigt, daß er nicht fällt, denn die Steigerung des Venen- druckes zeigt uns schon eine geringe sekundäre Insuffizienz des 336 ALEXANDER STRUBELL: rechten Ventrikels an, die wir auf ein vor demselben liegendes Hindernis beziehen dürfen. Dieses Hindernis besteht nicht, wie z. B. in den Versuchen Lichtheims, in einer Rückstauung vom linken Herzen her, da ja der Druck im linken Vorhof deutlich, daher auch in den Lungen- venen gesunken ist, vielmehr muß es in der Bahn der Arteria pulmonalis liegen. In dieser Meinung werden wir bestärkt durch die höchst ein- leuchtende und in meinen Versuchen entgegengesetzt denen Francois Francks durchaus nicht paradoxe Verhalten desLungenvolumens, welches sich unter dem Einflusse der besprochenen Phänomene deutlich verkleinert. Das Lungengewebe zieht sich also zusammen, da nach der Seite des rechten Herzens die Drücke steigen, auf der des linken sinken. Diese Verkleinerung des Lungenvolumens darf man aber nicht, wie vielleicht nahe läge, einer Bronchokonstriktion zuschreiben. Wir wissen aus der ausgezeichneten Arbeit von Theodor Beer, aus von Baschs Laboratorium, daß Reizung des peripheren Vagus allerdings ein Steigen des intratrachealen Druckes zur Folge hat, das aber keiner Ver- kleinerung des Lungenvolumens entspricht, da ja die phreno- graphische Kurve ein Herabsteigen des Lungenrandes, d. h. ein Ge- blähtwerden des Lungenparenchyms anzeigt. Wie sich die beiden Phänomene: Vasokonstriktion der Lungengefäße und Broncho- konstiktrion zueinander verhalten, das werden spätere Untersuchungen lehren müssen. Ob dieselben stets gemeinschaftlich und untrennbar von- einander auftreten, wie Francois Frank dies behauptet, ist nach meinen Erfahrungen zum mindesten zweifelhaft. Im Gegenteil glaube ich, daß man imstande sein wird, durch graphische Registriermethoden die Wirkungen des Bronchialkrampfes und der Gefäßkontraktion voneinander zu differenzieren, um so mehr als Beobachtungen von Theodor Beer und von mir dahin zu deuten sind, daß die periphere Vagusreizung die beiden Phänomene durchaus nicht immer nebeneinander, sondern auch nacheinander ent- stehen läßt. Einem Einwande muß ich noch begegnen: Daß nämlich, da meine Versuche ja am Hunde ausgeführt sind, wo der Sympathicus im Stamme des Vagus verläuft und präparatorisch nicht von demselben getrennt werden kann, die geschilderten zirkulatorischen Phänomene einer Sympathikus- reizung, nicht einer des Nervus vagus zuzuschreiben seien. Dem gegenüber muß ich hinzufügen, daß die Symptome, die ich als beweisend für die Existenz einer vasomotorischen Kontraktion in den Lungengefäßen angesprochen habe, durch Injektion von Atropin zum Schwinden gebracht werden. Es kann somit keinem Zweifel unterliegen, daß es die periphere Reizung des Nervus vagus selbst ist, die unter den geschilderten Kautelen die Aktion der Vasomotoren der Lunge zur Evidenz bringt. ÜBER DIE VASOMOTOREN DER LUNGENGEFÄSSE. 337 Es ist nun durchaus nötig, auf die Beschreibung der Versuche des näheren einzugehen, und ich will gleich vorauschicken, daß dieselben sämtlich an Hunden gemacht wurden, die, wie ich mit besonderer Betonung hinzufüge, durch genügende Mengen einer subkutan applizierten Morphiumlösung narkotisiert und dann erst kurarisiert und künstlich geatmet wurden. Ich füge das ausführlich und mit Betonung hinzu, weil neulich ein antivivisektorisches Blatt meine Versuche über den Aderlaß! zum Anlaß von gröblichen Invektiven (Tierquälerei usw.) gegen den ver- storbenen Professor von Basch und gegen mich genommen hat, wobei der anonyme Autor dieses Artikels einfach unterschlägt, daß die Tiere morphinisiert, d. h. unempfindlich gemacht worden waren, wie auf Seite 133 der genannten Monographie deutlich zu lesen ist. Also ich wieder- hole, nicht für den Fachmann, sondern für den Laienleser, der nach Agitationsstoff in dieser Arbeit sucht: Die Tiere dieser Versuchsreihe waren, wie alle Versuchstiere, im Laboratorium von Basch ausgiebig durch Morphium narkotisiert, d.h. unempfindlich gemacht. Es wurden nun bei den Tieren meist der Arteriendruck, der Druck im linken Vorhof nach von Basch, der intrathorakale Druck nach Luciani und Rosenthal, in einigen Versuchen aber auch der Venendruck, oder statt des Vorhofsdruckes der in der Arteria pulmonalis registriert. Karotis- und Pulmonalisdruck wurden mit Hg-Manometern, die Drücke der übrigen Gefäßabschnitte in Millimeter H,O (Natrium citriecum-Lösung zur Verhütung der Gerinnung) gemessen, der intrathorakale Druck im Oesophagus mit einem von Baschschen Kautschukfedermanometer geschrieben. Selbstver- ständlich war es nicht möglich, alle Drücke auf einer Kurve zu vereinigen. Meine obigen Angaben stützen sich daher auf die Kombination einer größeren Anzahl Kurven. Ich gebe auf zwei Tafeln kürzere Abschnitte aus zwei Kurven wieder, auf denen das Sinken des Vorhofsdruckes besonders deutlich ist. Tafe] XV, Versuch vom 14./4. 1902 zeigt bei einem Hunde von 62008, dem allmählich geringe Dosen einer !/, prozentigen Lösung von Strophantin Merck beigebracht wurden, die Veränderungen, welche die periphere Reizung der beiderseits durchschnittenen Vagi auf den Karotis- und linken Vorhofsdruck ausübt. Die Veränderungen am Lungenvolumen, gemessen durch die Bestimmung des intrathorakalen Druckes geben auf dieser Kurve keine besonderen charakteristischen Ausschläge. Die oberste Linie gibt das Zeitmaß in Doppelsekunden, die zweite von oben, die Schwankungen des intra- thorakalen Druckes, die nächste den Druck im linken Vorhof, die folgende den ! Siehe meine Monographie: Der Aderlaß. 3. Teil. Berlin, Verlag von Hirsch- wald. 1905. Archiv f. A.u.Ph. 1906. Physiol. Abtlg. Suppl. 22 338 ALEXANDER STRUBELL: Karotisdruck, während die unterste Linie die Abszisse bezeichnet, auf der mittels eines Tasterhebels der genaue Zeitpunkt jeder einzelnen Phase des Versuchs markiert werden kann. Ich bemerke, daß in diesem Falle der Karotisdruck 3 ®® nach links vom Zeichen auf der Abszisse zu suchen ist, während zu gleicher Zeit der linke Vorhofsdruck noch 40 "m rechts vom Zeichen ist. (Der Abstand der beiden Manometer betrug 43 "m,) Die Kurven sind von rechts nach links zu lesen, das Zeichen der Vagusreizung besteht in einer kürzeren oder längeren Erhebung des Tasterhebels, der die Abszisse schreibt. Ein ganz kurzes Zeichen bedeutet Injektion von Strophantin. Man sieht bei diesem Versuch, wie im Anfang (I) auf Vagus- reizung der Karotisdruck unter starker Pulsverlangsamung be- deutend sinkt, während der Vorhofsdruck entsprechend der Hemmung der Herztätigkeit beträchtlich steigt: Die Herzarbeit wird also deutlich verschlechtert. Die Phänomene der Kurve sind so anschaulich, daß ich darauf verzichtet habe, sie auf den Millimeter rechnerisch in Tabellenform beizufügen. Auch die folgende Vagusreizung zeigt dasselbe Bild. Gleich darauf folgt das kurze Zeichen: Strophantin- injektion intravenös. Nun fehlt ein beträchtliches Stück der Kurve: Die nächste Vagus- reizung zeigt noch starke Pulsverlangsamung und sehr tiefes Sinken des Karotisdruckes, aber der allerdings im ganzen viel höhere linke Vorhofs- druck reagiert bereits mit einer viel geringeren Steigung. Kurz darauf ein kürzeres Zeichen auf der Abszisse: Strophantininjektion. Bei IV hat die Vagusreizung noch den pulsverlangsamenden arteriendruckerniedrigenden Effekt, aber der Vorhofsdruck zeigt unregelmäßige Schwankungen, teils Steigen, teils Sinken desselben. Bei V ist die Verlangsamung der Herz- schläge und das Sinken des Arteriendruckes bereits viel geringer, der Druck im linken Vorhof aber sinkt deutlich. Ganz exquisit ist diese von mir oben beschriebene Erscheinung aber bei VI, wo auf eine aus- giebige Vagusreizung keine oder jedenfalls nur ganz unbedeutende Pulsverlangsamung auftritt, während der Karotisdruck nur wenig, aber deutlich sinkt. Der Druck im linken Vorhof aber dagegen stürzt in dem Momente, wo die Vagusreizung eintritt, ganz beträcht- lich, etwa um 60 =m Wasser, um erst mit dem Aufhören der Reizung staffelförmig zur ursprünglichen Höhe zurückzukehren, ja dieselbe zu überschreiten. Bei der letzten V1I. Reizung, die ich hier wiedergebe, stürzt der Vorhofsdruck um reichlich 80"m Wasser herab, während die Senkung des Hg-Manometers, das den Karotisdruck registriert, nur eine unbedeutende ist (wobei man freilich nicht vergessen darf, daß 1 == Hg gleich 13,5 wm Wasser ist). L) ÜBER DIE VASOMOTOREN DER LUNGENGEFÄSSE. 339 Daß die Schwankungen des intrathorakalen Druckes hier keine be- sonders charakteristischen Ausschläge geben, liegt an der zu starken künst- lichen Atmung in diesem Falle, die die relativ geringen Veränderungen meist nicht zur Erkenntnis kommen läßt. Immerhin ist bei VII ein geringes Sinken desselben deutlich wahrzunehmen. Das Phä- nomen, das nach Lähmung der herzregulatorischen Fasern des Vagus bei der peripheren Reizung dieses Nerven auftritt: Druck- senkung in den Arterien ohne Pulsverlangsamung und Druck- senkung im linken Vorhof, ist auf dieser Kurve jedenfalls außer- ordentlich deutlich zu erkennen. Nicht minder deutlich als auf der ersten Kurve ist das Resultat des auf Tafel II wiedergegebenen Versuches vom 3. März 1902. Einem Hunde von 6,5 f® Körpergewicht wurde von einer Lösung !/, prozent. Strophantin mehrmals !/, Pravazspritze intravenös injiziert und in regelmäßigen Ab- ständen die peripheren Enden der durchschnittenen Vagi gereizt. Gemessen wurden erstens Karotisdruck (in Millimeter Hg) und zweitens Druck im linken Vorhof in Millimeter Wasser. Die Kurve ist geschrieben von rechts nach links. Ich habe auf dieser Tafel, des deutlichen Verständnisses halber, die korrespondierenden Stellen der Karotis- und Vorhofsdruckkurven beim Beginn und zum Schluß der Vagusreizung markiert und mit den ent- sprechenden Punkten der Abszisse durch senkrechte Linien verbunden. Gleichnamige Stellen des Arterien- und Vorhofsdruckes (ADr. und VDr.) sind durch Haken verbunden mit dem Vermerk: Beginn der Vagusreizung, Schluß der Reizung. Bei I tritt im Verlaufe der kurzen, nur wenige Sekunden dauernden Reizung Pulsverlangsamung, Sinken des Karotisdruckes und mäßiges Steigen des Vorhofsdruckes auf. Das bereits vorher injizierte Strophantin hat hier noch nicht seine Wirkung entfalten können. Bei II sinkt im Verlauf der etwas längeren Vagusreizung der ADr. deutlich, aber bereits ohne besondere Pulsverlangsamung, während der VDr. noch ansteigt. Aber bereits bei III haben wir ein anderes Bild: Geringfügiges Sinken des ADr. ohne Rhythmusänderung und auffälliges Sinken des VDr. Noch deutlicher wird dieses Bild bei IV., wo der ADr. exquisit deutlich sinkt, ohne daß wesentiche Freqguenzänderungen eintreten, während der VDr. mit dem Ein- setzen der Reizung staffelförmig fällt, um mit dem Aufhören derselben ebenso staffelförmig anzusteigen und die ursprüngliche Höhe dann noch zu überschreiten. Diese Erscheinungen werden aber noch übertroffen durch die längere Reizung bei V, wo der ADr. zunächst, wohl infolge der besonders starken Kontraktion der Lungengefäße steigt, um sehr rasch im Verlauf der Reizung abzusinken, an deren 29% 340 ALEXANDER STRUBELL: Schluß er dann wieder etwas ansteigt. Der VDr. stürzt mit Beginn der Reizung ganz unvermittelt um etwa 100 "= von seiner Höhe herab, bleibt bis zum Schluß der Reizung niedrig und steigt beinahe ebenso rasch als er gefallen zum früheren Werte wieder an. Auch bei VI und VII ist das Sinken des VDr. eklatant, während das Fallen des ADr. bei VI von Steigungen unterbrochen ist, bei VII aber deutlich gesehen wird. Es kann für jemanden, der diese beiden Kurven auch nur oberflächlich betrachtet, keinem Zweifel unterliegen, daß es sich hier um etwas ganz Besonderes handeln muß. Eine Hemmung der Herztätigkeit kann hier nicht vorliegen, sonst müßte der Vorhofsdruck, wie im Anfang, wo das Strophantin noch nicht gewirkt hat, ansteigen, und eine Gefäßerweiterung ist, wie wir bereits ausgeführt haben, ebenfalls auszuschließen. Selbst eine ungleiche Aktion der beiden Ventrikel anzunehmen, ist unmöglich, wobei der rechte Ventrikel gehemmt würde (Steigen des Venendruckes) und der Abfluß aus dem linken (Sinken des Vorhofsdruckes) beschleunigt würde, denn dann müßte ja der Karotisdruck während der Reizung deutlich steigen. Kurz, es bleibt von allen ‘Möglichkeiten nur die von uns an- genommene der vasomotorischen Kontraktion der Lungengefäße übrig. Hinzufügen möchte ich, daß ich in einem Falle während der Vagus- reizung eine plötzliche, brüske Bewegung des den intrathorakalen Druck schreibenden Hebels beobachtet habe, eine momentan auf- tretende Vergrößerung des Lungenvolumens, die ich als eine durch Bronchokonstriktion hervorgerufene akute Blähung der Alveolen im Sinne Theodor Beers deuten zu müssen glaubte. Die Blähung ging ziemlich rasch vorüber und es blieb eine beschränkte Exkursionsfähig- keit derAtembewegungen zurück, die jedoch bald vorüberging. Der intrathorakale Druck, d.h. das Lungenvolumen wurde im Verlaufe dieser Erscheinungen dann deutlich kleiner, der Vorhofsdruck sank. Das spricht also dafür, daß die Erscheinungen der Bronchokonstriktion (Lungenblähung) und der Vasokonstriktion (Lungenvolumen- verkleinerung und Sinken des Vorhofsdruckes) nacheinander zur Beobachtung kommen können, nicht aber, wie das Francois Franck behauptet, untrennbar miteinander verbunden sind. ÜBER DIE VASOMOTOREN DER LUNGENGEFÄSSE. 341 Literaturverzeichnis. 1. Badoud, Verhandlungen der Physikalisch - medizinischen Gesellschaft in Würzburg. Neue Folge. Bd. VII. 2. Lichtheim, Die Störungen des Lungenkreislaufes und ihr Einflu6 auf den Blutdruck. Berlin 1876. 3. Oppenchowski (und Wagner), Über die Druckverhältnisse im kleinen Kreislauf. Pflügers Archiv. Bd. XXVII. S. 233 ft. 4. Hofmokl, Strickers Medizinische Jahrbücher. 1875. Zuntz, Pflügers Archiv. Bd. XVII. S. 398, Anmerkung. Waller, Dies Archiv. 1878. Physiol. Abtlg. Frangois Franck, These du Docteur Lalesque. Masson Ed. Paris 1881. Bradford and Dean, Proceedings of the Royal Society. 1889. Vol. XLV. p. 369— 377. 9. Tigerstedt, Lehrbuch der Physiologie des Kreislaufs. Leipzig 1893. S. 493. 10. Knoll, Sitzungsberichte der kaiserl. Akademie der Wissenschaften. Mathem.- naturwissenschaftliche Klasse 99. 1890. Abtlg. III. S. 11—30. 11. Couvreur, Comptes rendus de la Societe de biologie. 1889. p. 731. 12. Cavazzani, Archives italiennes de biologie. 1891. Vol. XVI. p. 32—49, 13. Henriquez, Skandinavisches Archiv für Physiologie. 1892. Bd. IV. 8.229 bis 240. 14. Bokai, Orvosi hetilap. 1880. Nr. 13. 15. Oppenchowski, Zeitschrift für klinische Medizin. 1889. Bd. XVI. S. 201ff. 16. Francois Franck, Archives de Physiologie. 1890. Ser. V. Vol.II. p. 508 ff. 17. Derselbe, ebenda. 1895. Vol. VII. p. 744 ff. 15. Popper, Zeitschrift für klinische Medizin. 19. Theodor Beer, Dies Archiv. 1892. Physiol. Abtlg. Suppl. S. 100 ff. 20. Strubell, Über vasomotorische Einflüsse im kleinen Kreislauf. Verhand- lungen des 20. Kongresses für innere Medizin in Wiesbaden. 1902. mp Rn 342 ALEXANDER STRUBELL: ÜBER DIE VASOMOTOUREN DER LUNGENGEFÄSSE. Nachtrag. Die vorliegenden Experimente stammen aus den Monaten März, April und Mai des Jahres 1902. Mein Vortrag in Wiesbaden wurde gehalten während des Kongresses für innere Medizin am 15.—18. April 1902. Als diese ausführlichere Arbeit bereits fertig war, wurde ich auf eine Publikation von Brodie und Dixon! aufmerksam gemacht, die mit einem von Brodie früher beschriebenen Apparat? die Ausflußmenge aus den Venen über- lebender, künstlich durchströmter Organe zum Kriterium der Gefäßweite in diesen Organen benutzen. Brodie und Dixon kamen auf Grund dieser Durchströmungsversuche hinsichtlich der Lungengefäße zu der Ansicht, daß weder Erregungen vom Sympathicus noch vom Vagus irgend einen ver- mindernden Effekt auf die Ausflußmenge haben, ebensowenig Injektion von Adrenalin, Pilocarpin und Muscarin, die vielmehr Dilatation der Lungen- gefäße im Gefolge hat. Nur Baryumchlorid, welches auf die Muskelfasern selbst Einfluß hat, habe eine Vasokonstriktion hervorgerufen, während die anderen eben erwähnten Mittel auf die Nervenendigungen Einfluß hätten. Brodie und Dixon sprechen also den Lungengefäßen jede vasomotorische Innervation ab. Ich brauche wohl kaum darauf hinzuweisen, daß negative Resultate, wie sie Brodie und Dixon bei ihren Durchströmungsversuchen an der überlebenden Lunge gehabt haben, gegen die positiven Ergebnisse meiner Arbeit nichts beweisen können. Ich erinnere daran, daß D. Gerhardt bei seinen Versuchen mit Adrenalin und Baryumchlorid mit einer anderen Methodik im Gegensatz zu Brodie und Dixon keinerlei Effekt auf die Lungengefäße hat beobachten können, weder im Sinne der Dilatation noch der Konstriktion. Hier steht also Aussage gegen Aussage. Daß die über- lebenden Lungengefäße eventuell doch ganz anders reagieren als die im physiologischen Zusammenhang erhaltenen, wird auch durch die Gründe der beiden englischen Autoren nicht unwahrscheinlich gemacht; aber, wie gesagt, die negativen Befunde können natürlich nicht die positiven, mit exakter Methodik erhobenen, umstoßen. ! Brodie und Dixon, Journal of Physiology. 1904. Vol. XXX. p. 476. — Die- selben, Contribution to the Physiology of the lungs. Ebenda. 1903. Vol. XXIX. p. 97. ? Brodie, The Perfusion of sur-viving organs. Zbenda. p. 266. Die Grundeigenschaften des Herzmuskels und ihre Beeinflussung durch verschiedene Agentien. Erste Mitteilung. Optimaler Rhythmus und Herztetanus. Von Dr. Arthur Bornstein, Laboratoriumsassistent der medizinischen Universitätsklinik in Genf. (Aus der speziell-physiologischen Abteilung des physiologischen Instituts zu Berlin.) Inhalt. I. Vorbemerkungen 8.343. — II. Chloralhydrat S. 345. — III. Alkohol 8. 350. — IV. Kochsalz S. 351. — V. Atropin 8. 355. — VI. Caleium S. 357. — VII. Tempera- tur S. 361. — VIII. Ermüdung S. 366. — IX. Die Kontraktur S.367. — X. Theorie des Tetanus S. 368. — XI. Zusammenfassung S. 375. I. Vorbemerkungen. Während sich der Analyse des Tetanus beim Skelettmuskel erhebliche Schwierigkeiten entgegenstellen, die gegenwärtig erst zum Teil überwunden sind, sind die Bedingungen, unter denen der Herzmuskel ausnahmsweise veranlaßt wird, in echten Tetanus zu geraten, relativ einfache. Eine Be- schreibung derselben haben in jüngter Zeit Rhodius und Straub! für das mit Muskarin vergiftete Herz gegeben; sie fanden, daß der Muskarintetanus auf eine Vertiefung der Bowditchschen Treppe? zurückzuführen ist. Reizt man den ruhenden Herzmuskel mittels Induktionschlägen in kurzen Intervallen z. B. von °/, Sek., so sieht man bekanntlich, wenn man den Rhythmus verlangsamt (z. B. auf 3—6 Sek.), daß die Kontraktionen allmählich größer werden; es entspricht dabei jeder bestimmten Reizfrequenz ı Pflügers Archiv. Bd. CX. 8.422. Leider hatte ich diese schöne Arbeit bis zu einer Zeit übersehen, zu der ich schon im Besitze meiner Hauptresultate war. ® Bowditch, Leipziger Arbeiten. 1871. 8. 71. 344 A. BoRNSTEIN: eine bestimmte Kontraktionshöhe Geht man jetzt zu einem noch lang- sameren Rhythmus über (z. B. 30 Sek. bis 5 Min.), so sieht man die Kon- traktionshöhe wieder fallen. Umgekehrt: beschleunigt man einen Rhythmus von 5 Min. zu etwa 3 Sek., so sieht man die Kontraktionen allmählich an Größe zunehmen („Bowditchsche Treppe“). Es soll im folgenden diejenige Reizfrequenz, bei welcher die Kon- traktionen des Muskels am höchsten sind, als optimaler Rhythmus, schnellere Frequenzen als superoptimale, langsamere als suboptimale Rhythmen, desgleichen die dazugehörigen Kontraktionen als optimal, super- optimal („pessimal“), suboptimal (‚„Treppenzuckungen“) bezeichnet werden. Von den Höhen der beim Übergang von einem Rhythmus zum andern auftretenden Zuckungen soll hier vorläufig abgesehen werden, es handelt sich nur um die definitiven Höhen von Zuckungen, die sich mit ihrem Rhythmus ins Gleichgewicht gesetzt haben. Da dieser Gleichgewichtszustand beim Skelettmuskel sehr oft überhaupt nicht eintritt (s. z. B. Tiegel, Leip- ziger Arbeiten. 1875. S. 51), so wird man die zu vergleichenden Höhen hierbei aus den Anstiegs- bzw. Abfallskurven nach den Bohrschen Regeln berechnen müssen (s. Bohr, Dies Archiv. 1882. Physiol. Abtlg. S. 233. Buckmaster, ebenda. 1886. 8. 459). Zu den folgenden Versuchen wurde meist die nach Bernstein! abge- klemmte Herzspitze, die ja keine Spontankontraktion ausführt, gelegentlich auch der herausgeschnittene, am Bulbus fixierte Ventrikel und in einigen Versuchen die herausgeschnittene Herzspitze von Fröschen (Temporarien und Eskulenten) verwendet; dieselben wurden nach der Engelmannschen Methode? suspendiert und mittels Induktionschlägen gereizt; die Bewegungen wurden auf der Trommel des Engelmannschen Pantokymographions® mittelst eines leichten, 0-45 8” wiegenden Hebels verzeichnet, der Hebel war meist unbelastet, nur selten war es nötig, zur Vermeidung von Schleuderung ein Gewicht von 1 3’ an der Achse anzubringen. Der Einfluß der Be- lastung auf den Verlauf des Tetanus wurde nicht untersucht; ich hoffe, über diesen Teil der Frage in nicht zu langer Zeit berichten zu können. ! Zentralblatt für die medizinischen Wissenschaften. 1876. 8.385 ff. Wendet man eine Klemme dazu an, so fallen die von Ohrwall (Skandin. Archiv. Bd. VIII. S. 51ff.) beschriebenen Nachteile fort, man kann namentlich auch ganz dicht unterhalb der Atrioventrikulargrenze abklemmen, ohne Spontankontraktionen befürchten zu müssen. Schließt man die Klemme völlig, so kann man die unten beschriebenen Er- müdungserscheinungen beobachten; öffnet man vorsichtig, so daß etwas Blut einströmen kann, so kann man oft stundenlang ohne Ermüdung an den Präparaten arbeiten. Tritt derselbe doch ein, so genügt kurzes Entfernen der Klemme, um das Präparat wieder brauchbar zu machen. ? Pflügers Archiv. Bd. LI. 8. 357. ® Ebenda. Bd. LX. S. 28. ÜPTINMALER RHYTHMUS UND HERZTETANUS. 345 Ich werde zuerst einige der wichtigsten Zustände beschreiben, unter denen man Tetanus am Herzmuskel erhält, dann auf einige. den Tetanus hindernde Irritamente hinweisen und zuletzt eine Zusammenfassung der allgemeinen Eigenschaften dieser Tetani geben. Auf ein näheres Eingehen auf die Literatur kann ich verzichten, da dieselbe sich bei Walther!, dem Entdecker des Muskarintetanus, zusammengestellt findet; auf einige neuere Arbeiten werde ich jeweils an Ort und Stelle zu sprechen kommen. II. Chloralhydrat. In einer aus dem Heidelberger pharmakologischen Institut stammenden Arbeit beschreibt Rohde? das Vorkommen von Superposition und Tetanus am mit Chloralhydrat vergifteten Herzen und zieht daraus Schlüsse, die, falls sie sich als richtig herausstellen sollten, von großer Bedeutung für die Physiologie und Pathologie des Herzens sein würden. Er argumentiert folgendermaßen: Chloralhydrat hebt die refraktäre Phase auf (soll wohl heißen: setzt die refraktäre Phase herab, denn von einem Aufheben ist in den abgebildeten Figuren nichts zu sehen, auch ich konnte immer nur ein Herabsetzen konstatieren®), es hebt ferner das Bowditchsche „Alles- oder Nichts“-Gesetz auf und ist so befähigt, Tetanus zu erzeugen.* Das Herz hat ferner, wie Rohde annimmt, die Fähigkeit verloren, Dauer- reize in rhythmische umzusetzen, verhält sich also wie ein Skelettmuskel. Rohde meint nun, mittelst des Chlorals eine funktionelle Ausschaltung der nervösen Centren in der Herzspitze erreicht zu haben, wodurch der Herz- muskel seine charakteristischen Eigenschaften einbüße, so daß seine Be- obachtungen als Stütze der neurogenen Theorie der Herzbewegung dienen könnten. Ich werde die Abweichungen vom „Alles- oder Nichts“-Gesetz in der nächsten Mitteilung besprechen und mich hier auf den Chloraltetanus beschränken. Es wird sich zeigen, daß man denselben weder als Stütze für noch gegen die neurogene Theorie benutzen kann; derselbe beruht nämlich, wie der Muskarintetanus auf einem Phänomen, das der Herz- ı Pflügers Archiv. Bd. LXXVII. S. 597. ® Archiv für erperimentelle Pathologie. Bd. LIV. S. 104 ff. ® Nachschrift. Das gleiche fand Howell, Journal of the Americ. med. .4ssoc. 1906. XLVI. p. 1670, zit. nach Carlson. * Ein oft wiederholter Satz lautet, daß refraktäre Phase und „Alles- oder Nichts“- Gesetz das Herz hindern, Superpositionen zu geben. Das ist natürlich nicht richtig. Ein von einem gerade maximalen Induktionsschlage getroffener Skelettmuskel kontrahiert sich nicht stärker, wenn ınan den Reiz vergrößert, folgt also dem „Alles- oder Nichts-“ Gesetze. Reizt man einen derartigen Skelettinuskel am Anfang der Dekreszente, also zu einer Zeit, wo der Herzmuskel nicht mehr refraktär ist, so erhält man Super- position. Der Grund, warum der Herzmuskel gewöhnlich keine Superposition gibt, hat jedenfalls nichts mit dem Bowditchschen Gesetz zu tun. 346 A. BornsTEıx: muskel sowohl wie der kurarisierte Skelettmuskel zeigt: auf der Bowditch- schen Treppe. Chloralbydrat vertieft die Bowditchsche Treppe. Ein Bei- spiel dafür gibt Fig. 1A B.! Nach einer Ruhe von 10 Min. verhält sich ge nach 10 Min. Ruhe übereinander schrieben 1?/, Std. nach subkut. Injekt. von 3 °= Chloralhydratlösung. keine Superposition. C. Sofort nach B. 3 Min. Ruhe. Am Anfang der Treppe Superposition, später nicht mehr. A. Treppe nach 10 Minuten Ruhe vor der Vergiftung; B. Erste und letzte Zuckung der Treppe dort am normalen Herzen die erste Zuckung nach der Ruhe zur Zuckung auf der Höhe der Treppe wie 5:7, nach der Vergiftung wie 1:7; in Fig. 1F gar nach nur 5 Min. Ruhe wie 1:12. Nun hat schon Walther? darauf hingewiesen, und auch ich habe es ! Alle Figuren sind von links nach rechts zu lesen. ® Pflügers Archiv. Bd. LXXVIIL S. 597 ff. 347 ÜPTIMALER RHYTHMUS UND HERZTETANDS. "z08 "1 Zungrayosyoz -Zunwmo[yqy Sydsursgsung "Zung}Lsioaferogg) awynyqns urdomY au FO {NIOISTIBINY TOBMyds ’ızıodma], '8Z YOnsIoA "T aa -uosne[ 93uep yoaınp adderz, 19p ueIIyseN Suejuy my ‘oddaı] Ip 9yoH Ip me syny ‘up g yeu n yoeu wapyyrmun ‘7 q eu wgjoypwan 7 -u9dunyonzZ UAUJZul) UP uorostmz uasne | 9due] yoınp adderz, op uorıysem "qay ur g Sunypsro‘ Aop uursog ru pIstıa '7 rechnen en nn“ ‘ { Be Vorhern. aen ff! Van acal tätigt gefunden, daß es sogar am normalen Herzen am Anfang >) oft be Superposition und da die Zuckungen eine Tendenz zum Ansteigen gelingt, einer gut ausgebildeten Treppe Tetanus hervorzurufen, 348 - A. BORNSTEIN: haben. Indem durch das Chloralhydrat die Treppe vertieft wird, erhält man schon nach kurzen Ruhepausen Superpositionen. Fig. 1C zeigt dies. Während vor der Vergiftung durch eine Pause von 10 Min. keine Superposition zu erzielen war, sieht man am vergifteten Tier nach 3 Min. Ruhe eine Reihe von Superpositionen auftreten. Während die Zuckungen durch die Tätigkeit allmählich an Größe zunehmen, bleibt die superponierte Zuckung im Vergleich zurück, so daß die beiden Zuckungen bald gleich groß werden und später sich das Verhältnis sogar umkehrt. Wenn nun das Herz durch die Vergiftung immer mehr unter Treppen- bedingungen versetzt wird, gelingt es leicht, durch Reizintervalle von ge- eigneter Größe die Treppe zu maskieren. In Fig. 1 D ist eine derartige „maskierte Treppe“ abgebildet. Es genügen die jeweiligen Pausen zwischen den einzelnen Reizen, um die exzitierenden Wirkungen der vorhergehenden Systolen fast ganz aufzuheben. Daß das Herz sich aber tatsächlich tief im „Treppenschlaf“ befindet, zeigt Fig. 1E, die einige unmittelbar auf 1 D folgende durch frequentere Reizung hervorgerufene Kontraktionen zeigt, durch welche die Zuckungshöhe fast bis zur Höhe der Zuckungen des un- vergifteten Muskels gehoben wird. Das gleiche zeigt Fig. IF. Je weiter nun die Vergiftung fortschreitet, desto kleiner können die Pausen zwischen den einzelnen Kontraktionen sein; man kann es dann ohne genaue Analyse der Kurven nicht bemerken, daß man sich unter Treppenbedingungen be- findet. (Vergl. z. B. Fig. 4C.) In diesem Stadium der Vergiftung sind die meisten der von Rohde! abgebildeten Figuren. Trotzdem ist die Treppe noch gut zu erkennen. So messe ich z. B. bei seiner Fig. 6: Höhe der 1. Kontraktion: 8-0 "m, Höhe der 2. Kontraktion: 8.3 m. Es folgt eine Extrasystole, durch die erregende Wirkung derselben steigt die Höhe der 3. Kontraktion auf: 8.7 um, Höhe der 4. Kontraktion auf: 8.9 mm, ! A.a.0. Die Fig.8 von Rohde beweist aus technischen Gründen nichts. Ich möchte hier darauf hinweisen, daß die pharmakologisch exaktere Vergiftung durch intravenöse Injektion, wie Rohde sie meist anwandte (und wie ich sie auch gelegent- lich benutzte), meist zu stürmische Erscheinungen setzt, um diesen Verlauf der Ver- giftung in Ruhe studieren zu können. Ich injizierte gewöhnlich subkutan und brauchte mehrere Stunden, um zu dem Vergiftungsgrade zu gelangen, den Rohde schon nach einigen Minuten erhielt. Sehr bequem erweist sich auch das Betupfen mit der ver- giftenden Lösung, das ich namentlich bei der Kochsalzvergiftung viel angewandt habe. ÜPTIMALER RHYTHMUS UND HERZTETANTS. 349 Dann Tetanus, dem eine Pause von der Dauer zweier Systolen folet, durch diese Pause wird die erregende Wirkung des Tetanus überkompen- siert und so sinkt die Höhe der 5. Kontraktion auf: 8.2 mm, Höhe der 6. Kontraktion auf: 8.5 wm, Hierbei erreicht in der Abbildung Rohdes die höchste Tetanushöhe von 9.5 "m nicht die Höhe von mindestens 11.0" der optimalen Zuckung vor der Vergiftung. Auch die Form seiner Kurven ist überall die typische Form der Treppenkurven (näheres s. u.). Wie alle Treppenerschejnungen kann auch der Chloraltetanus durch Atropin leicht zum Schwinden gebracht werden (s. Fig. 2). Rohde gibt zwar an, daß Atropin keinen Einfluß auf den Chloraltetanus hat (l. c. S. 107), NEN TI T Im n IN nnimon mono. 4. ®/, Std. nach subkutaner Injektion von 2. 20 Min.nach Betupfen mit !/;proz. Atropin 3°® 5proz. Chloralhydrat. 3 Min. Ruhe. sulf. in Ringerscher Lösung 10 Min. Ruhe. Fig. 2. Versuch 38. Temporar. schwach kurarisiert. Bernsteinsche Abklemmung. Zeit 1!/, Sek. doch kann ich dies nicht bestätigen. Man muß die Herzspitze nur mit genügend starken Lösungen (!/, bis 1°/, Atropin sulf. in Ringerscher Lösung) betupfen, um sichere Atropinwirkung zu erhalten. (Rohde hatte 0,4 bis 0,53 Atropin subkutan gegeben.) Die Anspruchsfähigkeit des mit Chloral vergifteten Herzens bleibt lange Zeit normal (ebenso wie die Höhe der optimalen Kontraktion anfangs nur langsam sinkt), um später ziemlich rasch abzunehmen. Es ist auch dies nicht für das chloralisierte Herz charakteristisch, denn schon Bowditch hatte vor vielen Jahren (a.a.0.) gefunden, daß die Anspruchsfähigkeit des durch Muskarin unter Treppenbedingungen gesetzten Herzens nicht herab- gesetzt ist. ! ! Rhodius und Straub geben (a. a.0.S.500) an, daß Muskarin die Anspruchs- fähigkeit sogar erhöht; doch sind die von ihnen mitgeteilten Zahlen nicht absolut be- weisend. Die Erhöhung der Anspruchsfähigkeit könnte auch mit der Verlängerung des Intervalls zwischen den Systolen (von 1-7 Sek. auf 27-0 Sek.) zusammenhängen. 350 A. BORNSTEIN: Weitere Untersuchungen über den Chloraltetanus habe ich nicht an- gestellt, da die viel ausgesprocheneren Erscheinungen, die unter anderen Verhältnissen (Kochsalzvergiftung, Wärmewirkung) auftreten, sich weit besser zur Analyse dieser eigentümlichen Zustände eignen. III. Alkohol. Roy! hat zuerst Superposition am mit Alkohol vergifteten Froschherzen beschrieben und sie nur allgemein zu erklären gesucht aus einer molekularen Änderung des Muskelplasmas, infolge welcher seine Elastizität und Kon- traktilität durch jede Kontraktion modifiziert. werden sollte. Seitdem ist meines Wissens die Frage nicht mehr untersucht worden. Die Verhältnisse liegen beim Alkohol ähnlich, wie bei dem ihm chemisch und physiologisch nahestehenden Chloralhydrat, so daß ich mich kurz fassen kann. Schon Fig. 3. Versuch 42. Temporar. schwach kurarisiert. Abgeklemmte Herzspitze. Betupfen mit 2 proz. Alkohol in 0-6 proz. Kochsalzlösung. Nach 5 Min. Ruhe. Zeitschreibung 1!/, Sek. in den Kurven, die Roy abbildet, lassen sich deutlich Treppenerscheinungen _ nachweisen, und tatsächlich gerät der Herzmuskel durch Alkohol unter Treppenbedingungen. Da Roy nur Superpositionen abbildet, gebe ich in Fig. 3 einen Tetanus nach längerer Ruhepause wieder, man bemerkt, wie die dem Tetanus folgenden Systolen höher sind, als die erste Kontraktion des Tetanus, zugleich sieht man die treppemachende Wirkung der dem Tetanus folgenden Pause, wodurch die nächste Systole etwas kleiner wird als der Tetanus, die späteren Systolen steigen wieder an. Der zweite Tetanus ist zwar absolut ebenso hoch wie der erste, zeigt aber wegen der kürzeren, vorangehenden Pause nur geringe Überhöhung. Auch der Alkohol macht also Superposition und Tetanus, indem er den Herzmuskel unter Treppenbedingungen versetzt. ı Journal of Physiol. Vol. I. p. 487. ÜPTIMALER RHYTHMUS UND HERZTETANDS. 351 IV. Kochsalz. Superpositionen bei Kochsalzvergiftung haben Ringer und Sainsbury! beobachtet; einen Tetanus, von dem es allerdings nicht sicher war, ob er von CaCl, oder von NaCl herrührte, hatte Ringer? schon vorher be- schrieben. Betupft man eine nach Bernstein abgeklemmte Herzspitze mit einer 1 bis 2prozentigen Kochsalzlösung, so sieht man zuerst einen geringen Abfall der Höhen der optimalen Systolen, also eine negativ-inotrope Wirkung ein- treten: Später gerät dann das Herz allmählich, wie schon oben bei Chloral und Alkohol beschrieben, unter Treppenbedingungen (s. Fig. 4A u. B). Die Treppe vertieft sich; am Anfang der Treppe sind Tetani leichter und nach kürzeren Pausen zu erzielen als vor der Vergiftung. Die Pausen, die nötig sind, um eine Treppe von bestimmter Tiefe zu erzeugen, werden bei fortschreitender Vergiftung immer kleiner: Bedurfte es anfangs Pausen von mehreren Minuten, so genügen schließlich schon Pausen von einigen Sekunden: Pausen, die zuletzt nicht größer sind als der optimale Rhythmus vor der Vergiftung. Der vorber optimale Rhythmus ist zu einem suboptimalen geworden; waren optimale Kontraktionen am normalen Herzen bei einem Reizintervall von 6 Sek. zu erzielen, so genügen bald 2 Sek., bald sogar 1 Sek. oder gar !/, Sek. zur Erzeugung der höchsten Kontraktionen, während, wenn man zu der vorher optimalen Reiz- frequenz von 6 Sek. zurückkehrt, man die kleinen suboptimalen Zuckungen erhält. (S. Fig. 4 C.) In dem jetzt, auf der Höhe der Vergiftung, optimalen Rhythmus von !/, Sek. haben natürlich die Einzelzuckungen keine Zeit, wieder zur Abszisse zurückzukehren. Man erhält also, wenn man von einem Rhythmus von etwa 2 Sek. zu einem solchem von !/, Sek. übergeht, die typischen Tetani, so daß in diesem Stadium die erhaltenen Kurven von den Kurven eines Skelettmuskels höchstens durch die flache Form der Einzelzuckungen zu unterscheiden sind. Durch Betupfen mit Ringerscher Lösung sind übrigens alle Ver- giftungserscheinungen zum Verschwinden zu bringen. (S. Fig. 4 D.) Die Erscheinungen, wie sie in Fig. 40 abgebildet sind, sind äußerst charakteristisch. Sie lassen sich sehr einfach mit der Sicherheit eines Vorlesungsversuches hervorrufen, wenn man die ausgeschnittene, suspendierte Herzspitze eines Frosches 5 bis 15 Min. lang in 2prozentige Kochsalzlösung taucht und sie dann elektrisch reizt. 1 Journal of Physiol. Vol. IV. p. 350. ?2 Ebenda. Vol. IV. p. 29 ff. B. Betupfen mit 1-6 proz. NaCl-Lösung. Beginn der 3 Du Vergiftung. Nach 5 Min. Ruhe. Tetanus am Anfang ©. Höhe der Vergiftung. Beschleunigung des optimalen Rhythmus. Fig. 4. Versuch 44. Temporar. schwach kurarisiert. Abgeklemmte Herzspitze. Zeitschreibung 1'/, Sek. ÜPTIMALER RHYTHMUS UND HERZTETANDS. 353 Man kann nun an den mit Kochsalz vergifteten Herzen, die in einem Rhythmus schlagen, der vor der Vergiftung optimal war, alle Eigenschaften der suboptimalen oder Treppenpulse nach- weisen. Am normalen Herzen hat F. B. Hof- N) mann! diese Verhältnisse am genauesten Inch Kl IL studiert. Er fand, daß suboptimale Zuckun- | \ u \ gen sich außer durch ihre geringe Höhe user: ie nn noch folgendermaßen von optimalen unter- scheiden: 1. Die suboptimalen Zuckungen ver- laufen gedehnter, sie sind namentlich in der Kreszente weniger steil und Fig. 4D. ; . . Zurückgehen der Vergiftungserschei- erreichen, trotzdem sie weniger hoch B ß Ä % i nungen durch Abspülen mit physio- steigen, den Gipfelpunkt später als die logischer Kochsalzlösung. optimalen. 2. Die suboptimalen Zuckungen besitzen eine größere Latenz. Der träge Kontraktionsverlauf ist auch bei den mit Kochsalz vergifteten Herzen, übrigens auch am Chloralherzen (s. o.), gut zu erkennen; in Fig.5 habe ich einige derartige Kurven in dem für das unvergiftete Herz opti- malen Rhythmus übereinander geschrieben. Fig. 5. Versuch 117. Temporar. schwach kurarisiert. Abgeklemmte Herzspitze. Übereinandergeschriebene Kurven. Rhythmus 10 Sek. 1. Vor der Vergiftung. 2. 5 Min. nach Betupfen mit 2proz. NaCl in Ringerscher Flüssigkeit. 3. 10 Min. später. Was nun die Latenzbestimmungen betrifit, so hat F. B. Hofmann, soviel ich sehe (a.a.0.S.166 ff.), dieselben immer mit Stromstärken ausgeführt, die für die Dauer des ganzen Versuches konstant gehalten, im übrigen aber nur von mäßiger Stärke waren (z. B. Fig. 1 von Hofmann Reizschwelle bei 18°= Rollenabstand (= RA.), Reizung mit 16°” RA... Nun hängt ja ı Pflügers Archiv. Bd. LXXXIV. S. 130. Archiv f. A.u. Ph. 1906. Physiol. Abtlg. Suppl. 23 354 A. BoRNSTEIN: einerseits die Größe der Latenz von der Stärke des Reizes ab, andererseits liegt aber die Schwelle für suboptimale Rhythmen, wie wohl allgemein be- kannt ist, niedriger als für optimale, so daß ein gleich starker Reiz für sub- optimale Zuckungen relativ schwächer sein würde, als für optimale. Schon hierdurch könnten die Unterschiede bei den Latenzbestimmungen bedingt sein. Um diese Fehlerquelle auszuschalten, muß man mit physiologisch gleichen Reizen arbeiten. Es stehen uns dazu am Herzen im Gegensatz zum Skelettmuskel zwei Wege zur Verfügung: entweder die Anwendung minimaler Schwellenreize oder „maximaler“ Reize, womit (wegen des Alles- oder Nichts-Gesetzes) lediglich Reize verstanden sein mögen, die so groß sind, daß eine weitere Vergrößerung die Latenz nicht mehr ändert. Mit beiden Methoden erhält man prinzipiell die gleichen Resultate; mit beiden konnte ich die Angaben Hofmanns für das unvergiftete Herz be- stätigen. Hier sind einige Zahlenbeispiele: — . a an m A ers Rhyth Reize ythmus ythmus ythmus nalen. 3 Sek. 30 Sek. 300 Sek. 89 | 0.10 Sek. 0-155Sek. | 0.185 Sek, minimal 87 11,20=1057 5 02.155 2;,; 22 170-2722 r 106 0:085 „ Gala. 5 | 03145 maximal Ähnlich findet man nun auch bei dem mit NaCl vergifteten Herzen ohne Änderung des Rhythmus Verlängerung der Latenzen, da das Herz ja schon im normalen Rhythmus unter Treppenbedingungen gerät, z. B.: Versuch 105. Bernsteinsche Abklemmung. Maximaler Reiz. Rhyth- mus 3 Sek. Vor der Vergiftung Latenz 0-14 Sek. Nach „ R Br ” Die Verlängerung der Latenz durch die Vergiftung kann sehr be- ! Von den mehr als tausend Latenzbestimmungen, .die ich im Laufe dieser Arbeit ausgeführt habe, gebe ich nur einige beliebig herausgegritfene Beispiele. Die Kurven wurden auf die schnell rotierende Trommel des Pantokymographions aufgeschrieben, der Reizmoment von einem Pfeilschen Signal von 0-0015 Sek. Latenz notiert. Zeit- schreibung mittels Engelmannscher Stäbe. Genauigkeit bis 0-01 Sek. (s. F. B. Hof- mann, a.a. 0.). Die angegebenen Zahlen sind immer Mittelzahlen aus mehreren gut übereinstimmenden Versuchen. Derartige Latenzbestimmungen sind ja mehr als Vor- arbeiten zu einer Theorie der Latenz des Herzmuskels zu betrachten und machen na- türlich keinen Anspruch darauf, mit Bestimmungen nach der Tigerstedtschen oder Bernsteinschen Methode verglichen zu werden. ? Derartige relativ große Unterschiede habe ich immer nur bei minimalen oder nahezu minimalen Reizen gefunden. Erklärung dazu in der nächsten Mitteilung. ÖPTIMALER RHYTHMUS UND HERZTETANDS. 355 trächtlich werden, ich habe in einem Falle bis 0,9 Sek. beobachtet.! Man wird übrigens nicht fehl gehen, wenn man zum mindesten einen Teil dieses Treppenphänomens als scheinbar durch langsameres Abheben der Kurven von der Abszissenachse bedingt ansieht.? Die refraktäre Phase wird durch Kochsalz, wie schon Ringer und Sainsbury (a.a. O.) angeben (die übrigens auch schon die Verlängerung der Latenz wahrgenommen hatten), verkürzt. Von einem Verschwinden der refraktären Phase ist natürlich keine Rede, selbst die stärksten Reize werden erst ganz am Ende der Systole wirksam. V. Atropin. Atropin hebt, wie schon Bowditch (a.a.0.) festgestellt hat, die Treppe auf. Es wird also der optimale Rhythmus immer langsamer, so daß man zuletzt Ruhepausen von mehreren Minuten einschalten muß, um optimale Fig. 6. Versuch 72. Temporar. Bernsteinsche Abklemmung. Rhytlmus 3 Sek. 1. Vor der Vergiftung. 2.—4. Verschiedene Stadien der Vergiftung durch Betupfen mit 1proz. Atropin sulfur. in Ringerscher Flüssigkeit. Zuckungen zu erhalten. Sucht man am unvergifteten Herzen den optimalen Rhythmus auf und reizt dann, während man mit Atropin vergiftet, in diesem Rhythmus weiter, so erhält man Kurven, die eine gewisse Ähnlich- keit mit den Kurven haben, die F. B. Hofmann (a.a.0.) beim Vergleich ‘ Da bei dem nach Bernstein abgeklemmten Herzen durch Stromschleifen ent- stehende Extrasystolen des Vorhofs nicht auf die Herzspitze fortgepflanzt werden, so kommt dies hier nicht in Betracht. ?® Siehe z.B. Bernstein, Pflügers Archiv. Bd. LXVII. S. 207. DD 356 A. BORNSTEIN: von optimalen mit superoptimalen Zuckungen erhielt. Die Kurven werden anfangs etwas kleiner, ohne wesentlich ihre Form zu ändern; später wird der Anstieg sowie der Abfall flacher und auch die Anstiegszeit verlängert, so daß in manchen Fällen die Kurven sogar eine gewisse Ähnlichkeit mit Treppenkurven bekommen können; doch ist bei Treppenkurven der Abfall nie so stark abgeflacht wie bei Atropinkurven: bei der Atropinkurve ist Anstieg und Abfall ziemlich gleichmäßig beeinflußt (s. Fig. 6). Reizt man ein mit Atropin stark vergiftetes Herz nach längerer Ruhe- pause in einem bestimmten Rhythmus, so muß die erste Kontraktion die höchste sein, während die folgenden Kontraktionen weniger hoch werden. In der Form der Kurven sind dabei große Unterschiede nicht zu erkennen (s. Fig. 7), ganz im Gegensatz zu den bei der Kalkvergiftung erhaltenen Fig. 7. Versuch 72. Sofort nach Fig. 6 aufgenommen. 1. und 8. Zuekung nach 15 Min. Ruhe. Rhythmus 3 Sek. Kurven, die, was Hubhöhe anbelangt, sich wie die Atropinkurven verhalten. Das Stadium der mechanischen Latenz wird durch die Atropinvergiftung verlängert, z. B. Versuch 116. Temporar. Abgeklemmte Herzspitze. Maximalreiz. Rhythmus 3 Sek. Vor der Vergiftung: Latenz = 0-07 Sek. 5 Min. nach Betupfen mit 1 proz. Atropin sulf. in Ringerscher Flüssig- keit: Latenz = 0-115 Sek. Reizt man ein atropinisiertes Herz nach einer Ruhepause rhythmisch, so hat die erste, höchste Zuckung auch die kleinste Latenz, z. B. Versuch 79. Temporar. Abgeklemmte Herzspitze. Reizung im Rhyth- mus von 3 Sek. nach 20 Min. Ruhe. Zuckung Latenz Sek. 18 . 2. ” „ 3. ” „ 4 1 5) ” SS DD MON W I elle „ „ ÖPTIMALER RHYTHMUS UND HERZTETANDS. 357 VI. Caleium. Der Einfluß der Kalksalze auf das Herz ist seit den klassischen Unter- suchungen Ringers oft studiert worden. Über die allgemeinen Wirkungen, die das CaCl, auf die abgeklemmte Herzspitze ausübt, kann ich mich daher kurz fassen. Langendorff und Hueck! fanden, daß das mit CaCl, vergiftete Herz auf schwächere mechanische Reize reagiert, als das unvergiftete. Ich habe das oft auch für den elektrischen Reiz bestätigt gefunden, z. B. Versuch 90. Akkumul. m =4V., im sek. Kreis 10°.2. Rhythmus 3 Sek. Bernsteinsche Abklemmung. Vor der Vergiftung Reizschwelle bei Rollenabstand 9-5 m. 5 Min. nach Betupfen mit 0-3 proz. CaCl, Reizschwelle bei Rollenabstand 13.7, Versuch 104 wie vor. Vor der Vergiftung Reizschwelle bei Rollenabstand 7-1", 5 Min. nach Betupfen mit 0-3 proz. CaCl, Reizschwelle bei Rollenabstand 9. Eine Verstärkung der Kontraktionen haben wohl alle Forscher wahr- genommen, die am Herzen von Wirbeltieren mit CaCl], gearbeitet haben.? Auch ich habe das regelmäßig beobachtet und kann hinzufügen, daß diese positiv-inotrope Wirkung des Calcium keine scheinbare ist, die dadurch hervor- gerufen wäre, daß ein vorher superoptimaler Rhythmus durch die Vergiftung optimal wird (das normale Herz pulsiert ja immer in einem superoptimalen Rhythmus), sondern daß die kräftigende Wirkung des CaCl, auch nach- weisbar ist, wenn man optimale Rhythmen miteinander vergleicht. In den spätesten Stadien der Vergiftung sinkt dann allerdings Zuckungshöhe und Anspruchsfähigkeit wieder. Auf die eigentümlichen Veränderungen der Zuckungsform komme ich weiter unten zu sprechen. Am Anfang der Vergiftung vertieft CaCl, die Treppe etwas und wirkt so tetanusbefördernd? (Fig. SAB). Es erklären sich so die Tetani, die Ringer* am mit CaCl, vergifteten Herzen nach langen Ruhepausen be- ı Pflügers Archiv. Bd. XCVI. S. 473ff., dort auch Literatur. ?2 Am Herzen von Limulus hat Carlson neuerdings gefunden (Americ. Journ. of Physiol. XVI. p. 378 ff.), daß Caleium deprimierend wirkt — ein Beispiel, daß man nicht immer die Eigenschaften des Arthropodeherzens auf das Wirbeltierherz übertragen darf. Carlson meint, Caleium wirke deprimierend auch auf alle anderen Wirbeltier- organe, nur das Herz mache eine Ausnahme. Das ist sehr allgemein gesprochen. Overton hat (Pflügers Archiv. Bd. CV. 8.220 ff.) dem gegenüber gezeigt, daß CaCl, unter gewissen Umständen stimulierend auf den Gastrocnemius des Frosches wirken kann. ® Dieses Stadium ist, wie aus den Angaben Walthers (a.a. 0.) zu schließen, am Herzen des Hechtes sehr ausgeprägt. * Journ. of Physiol. IV. p. 29 fl. BORNSTEIN: A 358 Ei EN] ie UL — re nn nennen A. Vor der Vergiftung. B. ', Std. nach Betupfen mit 0-2proz. CaCl, in D. Rückgang der Vergiftungserschei- Treppe nach 3 Min. Ruhe. physiologischer Kochsalzlösung. Superpositionen am nungen durch Öffnen der Klemme, wo- Beginn der Treppe nach 3 Min. Ruhe. durch das CaCl, aus der Herzspitze ausgespült wird. Nach 3 Min. Ruhe. 21, Std. nach Beginn der Vergiftung. Nach 10 Min. Ruhe keine Treppe. Geringe Superposition durch Kontraktur. Fig. 8. Versuch 34. Temporar. schwach kurarisiert. Bernsteinsche Abklemmung. Zeit 1!/, Sek. ‚| | ÖPTIMALER RHYTHMUS UND HERZTETANDS. 359 obachtet hat. Übrigens geht dieses Stadium der Vergiftung sehr schnell vorüber und ist sehr häufig auch bei vorsichtigster Vergiftung nicht nach- weisbar. Später sieht man, wie die Treppe allmählich flacher wird, und schließ- lich ganz verschwindet, so daß Calcium wie Atropin die Treppe aufhebt. Dabei kann es dennoch zu einer gewissen Überhöhung durch tetani- sierende Reize kommen, dieselbe ist aber, wie Fig. SC zeigt, durch die eigentümliche Neigung des CaCl, bedingt, Kontrakturen zu erzeugen. Durch Abspülen mit Ringerscher Flüssigkeit läßt sich die Kalkwirkung wieder zum Verschwinden bringen (s. Fig. SD). Ähnelt das Caleium dem Atropin darin, daß es die Bowditchsche Treppe aufhebt und den optimalen Rhythmus verlangsamt, so sind die Fig. 9. Versuch 72. Temporar. schwach kurarisiert. Abgeklemmte Herzspitze. Rhythmische Reizung alle 3'/, Sek. Jeder 10. Reiz nach längerer Ruhepause notiert. 1. Vor der Vergiftung. 2—10. Verschiedene Stadien der Vergiftung mit 0-3proz. CaCl, in Ringerscher Lösung. Veränderungen, die der Kalk setzt, doch komplizierterer Natur, als die Wirkungen des Atropins, das im Herzmuskel ja im Wesentlichen nur den optimalen Rhythmus verändert. Charakteristisch sind die auch am spontan schlagenden Herzen in geringem Grade auftretenden Kontrakturen, die, wie man zu sagen pflegt, die Systole begünstigen und die Diastole erschweren. Schreibt man derartige Kurven, wie es in Fig. 9 geschehen, übereinander, so sieht man, daß vom Anfang der Vergiftung an die Kontraktion steiler und auch höher (s. o.) ansteigt (Kurve 2 in Fig. 9). Schreitet die Ver- giftung weiter, so bleibt diese Art des Anstiegs ziemlich lange unverändert, hingegen verharrt jetzt der Muskel länger und immer länger in dieser Kontraktion, so daß sich ein breites, kaum merklich sinkendes Plateau bildet; es ist dabei oft unmöglich, einen bestimmten Punkt der Kurve als Gipfelpunkt zu bezeichnen (Kurve 3 bis 9 Fig. 9). Der weitere Abfall der 360 "uoqalımosasrne "yog °,g uoA “g', “z "IT IP Ist-oyny "um g Yen "Sungpsaayr-[geg 10p ayoH FI SIE PIM ZL YonsıoA “er sumggÄgy we Sunyonz ‘msn ‘FI °OT SI >ı DER HhNBSTEg, LE bunszony A. BORNSTEIRN: Kurve in der Diastole geht zwar ebenfalls - verlangsamt, aber doch im Verhältnis zu dem trägen Sinken des Plateaus schneller vor sich; die Kurve des vergifteten Mus- kels sinkt dabei überhaupt nicht völlig zur Abzisse des normalen herab. Im. letzten Stadium der Vereiftung wird schließlich der Anstieg der Kurve flacher, die erreichte Höhe geringer, die Kontraktur ebenfalls weniger ausgesprochen (Kurve 10, Fig. 9). Die weitere Analyse dieser systolischen Kontraktur zeigt, daß dieselbe im hohen Grade davon abhängig ist, ob der Muskel längere Zeit geruht, oder ob er schon eine Reihe von Kontraktionen ausgeführt hat. Nach einer Ruhepause ist die Kon- raktu r bei der'ersten Zuckung am größten (desgleichen, wie beim Atropin, auch die Kurvenhöhe), um allmählich kleiner zu werden und nach 15 bis 25 Pulsen ganz zu verschwinden. Also: Ruhe erhöht, Arbeit vermindert die systolische Kontraktur (s. Fig. 10). Eine derartige Erscheinung ist, soviel mir bekannt, am Herzmuskel bis jetzt nicht beschrieben worden. Sie ließe sich am ehesten noch in Analogie stellen mit der Wirkung des Veratins! und des Nikotins? auf den Ske- lettmuskel; diese Gifte erzeugen bekannt- lich Kontrakturen, die durch die Ruhe befördert, durch die Zuckung verkleinert werden. Es steht nichts im Wege, in Analogie zu Botazzi?, anzunehmen, daß die Kalkkontraktur wie die Tiegelsche Kontraktur, im Sarkoplasma entsteht, doch muß man sich beim weiteren Ver- 1 So z. B. Biedermann, KHlekirophysio- logie. Bd. I. S. 94. ® Langley, Journ. of Physiol. XXXILU. p. 374. 8 Dies Archiv.1901. Physiol. Abtlg. 8.377 fl. [2 ÜPTIMALER RHYTHMUS UND HERZTETANDS. 361 gleich mit der physiologischen Kontraktur immer vergegenwärtigen, daß die Ausbildung der Kalkkontraktur durch die Ruhe, die der physiologischen gerade durch die Reizung begünstigt wird. Die Latenz wird durch Ca-Cl, regelmäßig verkürzt, z. B.: Versuch 104. DBernsteinsche Abklemmung. Rhythmus 3 Sek. Minimalreiz. Bepinseln mit 0.2 proz. Ca0],. Vor der Vergiftung Latenz 0.16 Sek. Direkt nach der Vergiftung Latenz 0-09 Sek. 5 Min. nach der Vergiftung Latenz 0.035 Sek.! Diese Abnahme der Latenz ist sogar in dem Stadium der Vergiftung noch wahrnehmbar, in welchem die Kurvenhöhe schon unter die normale gesunken ist, z. B.: Versuch 106. Bernsteinsche Abklemmung. Rhythmus 3 Sek. Minimal- reiz. Bepinseln mit 0-3 proz. CaC],. Vor der Vergiftung Latenz 0.085 Sek. Kurvenhöhe 7.0, Nach „ „ „ 0.04 ” „ 9.2 , Über gewisse Änderungen in der Erregungsleitung werde ich in der nächsten Mitteilung berichten. VII. Temperatur. Den durch Wärme hervorgerufenen Tetanus des Herzens hat Schelske? zuerst erwähnt und v. Cyon? dann genauer beschrieben. Seine Existenz ist seitdem meines Wissens nach niemals in Zweifel gezogen worden. Später haben Aristow* und Klug? die darauf bezüglichen Angaben Cyons be- stätigt und erweitert. Über die Bedeutung dieser Erscheinung lauten die Ansichten allerdings verschieden. Während v. Cyon® mehrfach das Phänomen als einen der eklatantesten Beweise für die neurogene Theorie in Anspruch genommen hat, glaubt Klug, daß dasselbe eher für die myogene Theorie spricht. Nun, wir werden sehen, daß es, wie so viele derartiger Beweise weder für die eine, noch für die andere zu verwerten ist. ! Es ist dies die kürzeste Latenz, die ich zu beobachten Gelegenheit hatte: sie wäre durch Maximalreiz wahrscheinlich noch kleiner geworden. ® Zitiert nach Cyon, Journ. de physiol. et path. gen. 1100. p. 404. ® Gesammelte Abhandlungen. 8.1. * Dies Archiv. 1879. Physiol. Abtlg. S. 198. 5 Pflügers Archiv. Bd. IC. S. 616. ® Journ. de physiol. et path.gen. 1900. p. 395 ff. Pflügers Archiv. Ba. LXXXVIII. S. 2T5fi.; Les nerfs du coeur. Paris 1905. p. 187. 362 A. BoRNSTEIN: Zu den Versuchen über den Einfluß der Temperatur benutzte ich ent- weder den ausgeschnittenen Ventrikel oder die ausgeschnittene Herzspitze. Ich befestigte das Versuchsobjekt in einem Gefäße, welches ich mit Kaninchen- blut oder mit Ringerscher Flüssigkeit von der gewünschten Temperatur füllte und durch welches ich einen langsamen O,-Strom leitete. Dies Gefäß setzte ich in einen größeren mit Wasser von der gleichen Temperatur ge- füllten Topf. Die Reizung geschah mittels Platinelektroden in der Flüssigkeit. Fig. 11. Versuch 118. Eseulenta.: Ausgeschnittene Herzspitze. Zeit Y,5Sek. In Ringerscher Flüssigkeit von 28°C. suspendiert. Beschleunigung des optimalen Rhythmus. Fig. 12. Versuch 118. Wie Fig. 11. Tetanus bei 28°C. Fig. 13. Versuch 94. Esculenta. Ausgeschnittene Herzspitze in Ringerscher Lösung von 32°C. Tetanus. Erwärmte ich nun, bei + 3° C. anfangend, das Herz allmählich? so konnte ich folgendes Verhalten des optimalen Rhythmus feststellen: Bei niedrigen Temperaturen sind die höchsten Zuckungen bei einer Reizfreguenz von 15 bis 20 Sekunden zu erhalten; von dieser Höhe sinken sie, wenn man den Rhythmus verlangsamt oder beschleunigt, nur langsam herab; Zuckungen von 10 Sekunden oder 25 Sekunden Reizintervall sind also erst gerade merklich von den optimalen Zuckungen zu unterscheiden. Erwärmt man, so wird der optimale Rhythmus allmählich schneller, bei ÖPTIMALER RHYTHMUS UND HERZTETANDS. 363 10° ist er meist 8 bis 10 Sek., bei 20° meist 2 bis 4 Sek. (am ausgeschnit- tenen Herzen‘). Erwärmt man noch weiter, so sind bei etwa 27° die höchsten Zuckungen in Intervallen von 0-5 Sek. zu erhalten (s. Fig. 11), bei noch höheren Temperaturen (35 bis 40° gar in Intervallen bis zu 0-1 Sek. Hierbei wird die Zeit des optimalen Rhythmus im Gegensatz zur Kälte sehr distinkt, d.h. schon geringe Verminderung des Rhythmus macht relativ beträchtliche Unterschiede in den Zuckungshöhen. Man bekommt daher, genau wie bei der NaCl-Vergiftung typische Tetani beim Übergang von niedrigen zu hohen Reizfrequenzen, wie es in Figg. 12 u. 13 abgebildet ist. Man kann dies kurz so ausdrücken, daß auch der Wärme- tetanus von einer Beschleunigung des optimalen Rhythmus herrührt. Es ist dabei müßig, angeben zu wollen, von welcher Temperatur an man Wärmetetanus erhält. Geht man von einem Rhythmus von 3 Sek. 4. 28°C. Auf jeden Reiz vier Einzel- B. 27°C. 1"), Min. nach A. Auf jeden kontraktionen. Reiz drei Kontraktionen. C. 26°C. 3 Min. nach B. Auf jeden D. 20°C. !/, Min. nach C. Auf jeden Reiz Reiz zwei Kontraktionen. eine Kontraktion. Fig. 14. Versuch 109, Temporar. Ausgeschnittener Ventrikel, am Aortenbulbus fixiert, in Ringerscher Lösung. Keine Spontankontraktionen. Rhythmische Reizung mit Öff- nungsinduktionsschlag alle 3 Sek. zu einem solchen von ?!/, Sek. über, so gelingt es oft schon, bei 24° C. Tetani mit mäßiger Superposition zu erzielen; bei 28° habe ich an allen untersuchten Präparaten Tetanie bekommen. Es ist dabei bemerkenswert, daß die Erwärmung eine gewisse, nur langsam verschwindende Nachwirkung entfaltet; so konnte ich an einem Präparate noch 5 Min., nachdem ich es von 35° auf 12° C. abgekühlt hatte, Superpositionen hervorrufen. Durch die Erwärmung werden gleichzeitig die automatisch tätigen Ge- bilde an der Atriovenirikulargrenze stark erregt. Das äußert sich darin, daß der ruhende Ventrikel oft bei der Erwärmung spontan zu pulsieren ! Der optimale Rhythmus der ausgeschnittenen Herzspitze ist meist schneller als der der abgeklemmten. 364 | A. BORNSTEIN: beginnt, in anderen Fällen reagierte er auf Einzelinduktionsschläge mit Gruppen von Kontraktionen, die sich mit großer Regelmäßigkeit oft viele Minuten lang hervorrufen ließen (s. Fig. 14) und die bei Abkühlung wieder verschwanden. Auf diese Eigentümlichkeit des erwärmten Herzens, einen schwachen Induktionsschlag oft mit Gruppen von Pulsationen zu beant- worten, sowie aus der Veränderung des optimalen Rbythmus wird man wohl zwanglos die Tetani des spontan schlagenden Herzens erklären können. Die Dauer der refraktären Phase, die beim abgekühlten Herzen mehrere Sekunden betragen kann, nimmt beim erwärmten Herzen, wie v.Cyon bemerkt, bis zu 0-1 Sek. ab. Das ist an und für sich nur zu erwarten, da wir Anhaltspunkte dafür haben, daß auch beim direkt gereizten Skelett- muskel die refraktäre Phase durch Temperaturunterschiede innerhalb relativ gleicher Grenzen variiert werden kann.! Hingegen läßt sich gerade beim Herzmuskel gut beobachten, daß die Abnahme der refraktären Phase durch die Wärme, zum großen Teil eine scheinbare ist, da Reize auch bei hohen Temperaturen immer erst auf dem Gipfel der Kontraktion wirksam werden: die Unterschiede in der refraktären Phase beruhen also im wesentlichen auf der allbekannten Tatsache, daß der Zuckungsverlauf bei niedrigen Temperaturen gestreckt und langsam, bei hohen aber steil und schnell erfolgt. Was die Abhängigkeit der Kontraktionshöhe von der Temperatur be- trifit, so habe ich darüber einige vorläufige Versuche angestellt. Es geht aus den obigen Ausführungen hervor, daß man immer nur Zuckungen in dem für die betr. Temperatur optimalen Rhythmus miteinander vergleichen kann. Hierbei ergibt sich, daß die Höhe der optimalen Kontraktionen von + 3° C. an (niedrigere Temperaturen habe ich nicht untersucht) langsam ansteigt bis zu einem bei 18 bis 20° gelegenen Maximum, um von da aus wieder zu sinken. Es zeigt also der Herzmuskel in dieser Beziehung eine Ähnlichkeit mit dem Verhalten, das P. Schultz? für den glatten Muskel festgestellt hat, im Gegensatz zu den von Marey? zuerst abgebildeten und von Gad und Heymans* später genauer studierten Erscheinungen des Skelettmuskels. Diese Autoren fanden bekanntlich, daß beim quergestreiften Muskel die Hubhöhen von einem Maximum bei 0° bis zu einem relativen Minimum bei 19° sinken, von da aus wieder steigen, bei etwa 30° ein zweites Maximum erreichen, um dann wieder zu sinken. 18. z.B. Brünings, Pflügers Archiv. Bd. XCIII. S. 302 ff. ® Dies Archiv. 1897. Physiol. Abtlg. 8. 1. ’ Travaux du Laboratoire. 1876. p. 142. * Dies Archiv. 1890. Physiol. Abtlg. Suppl. S. 59. ÖPTIMALER RHYTHMUS UND HERZTETANTS. 365 Es ist nun nicht unmöglich, daß der eben angeführte Unterschied zwischen glatter und Herzmuskulatur einerseits und Skelettmuskel anderer- seits nur ein scheinbarer ist. Reizt man nämlich den Herzmuskel in einem konstanten bei 3° gerade noch optimalen Rhythmus, z. B. von 20 Sek., so wird die Zuckungshöhe bei Steigerung der Temperatur, durch zwei Faktoren beeinflußt: einmal dadurch, daß der anfangs optimale Rhythmus von 20 Sek. suboptimal wird, wodurch die Zuckungshöhe sinkt, andererseits durch den direkten Temperatureinfluß, durch den die Amplitude der Kontraktion bis etwa 20° zunimmt. Ich habe nun beobachten können, daß der erste Faktor manchmal bis zu einer Temperatur von etwa 10° überwiegt, so daß die Zuckungen bis zu diesem Punkte kleiner wurden und es zu einem relativen Minimum bei 10° kam; von da aus wuchsen die Zuckungen dann wieder bis zu 16 bis 18°, erreichten dort ein zweites Maximum, um dann sehr rasch wieder zu fallen. Noch ein zweiter Umstand scheint mir dafür zu sprechen, daß dieser Unterschied zwischen Herz und Skelettmuskel nur ein scheinbarer: ist. Gad und Heymanns fanden nämlich (a. a. O.), daß im Tetanus, d. h. bei einer für den Skelettmuskel etwa optimalen Reizfrequenz, genau wie beim Herzmuskel, ein relatives Minimum nicht zu finden war, sondern daß die Hubhöhen kontinuierlich bis zu 30° stiegen, um dann wieder zu sinken. Alle derartigen Kombinationen tragen natürlich einen sehr hypothe- tischen Charakter. Aufgabe weiterer Untersuchungen wird es sein, diese Verhältnisse genauer zu analysieren. Was die Latenz anbetrifft, so kann ich nur allgemein sagen, daß sie, wie es Waller und Reid! auch für das Säugetierherz angaben, die Tendenz zeigt, mit steigender Temperatur abzunehmen, z. B. Versuch 103. Rhythmus 3 Sek. Ventrikel. Temporarie. Schwellenreiz. Bei 9.5° Latenz 0-22 Sek. „> 13.5! „ 0-205 „ 2208 018 Versuch 98. Rhythmus 4 Sek. Herzspitze. Temporarie. Schwellenreiz. Bei 19° Latenz 0.23 Sek. EA E In den meisten Fällen werden die Erscheinungen aber dadurch kom- pliziert, daß man nicht Latenzen in optimalen Rhythmen miteinander ver- gleichen kann, da diese Rhythmen bald so schnell werden, daß man keine Latenzen mehr ausmessen kann; man ist so gezwungen, Latenzen bei kon- stantem Reizintervall miteinander zu vergleichen, wobei sich der Einfluß des Reizintervalls auf die mannigfachsten Arten, ähnlich wie bei der Kon- 1 Philosoph. Transact. "Vol. CLXXVII (B). S. 215. 366 A. BORNSTEIN: traktionshöhe mit dem Einflusse der Temperatur kombinieren kann; benutzt man Schwellenreize, so kommt, wie in der nächsten Mitteilung ausgeführt werden soll, noch die Änderung der Leitungsgeschwindigkeit hinzu. VIII. Ermüdung. Für gewisse Fragen ist es nützlich, den Einfluß der Ermüdnng auf den optimalen Rhythmus zu kennen. Ich habe deswegen eine Reihe von Versuchen so angestellt, daß ich eine nach Bernstein stark abgeklemmte oder ausgeschnittene Herzspitze durch einige hundert Reize ermüdete und vorher und nachher die optimale Reizfrequenz bestimmte. Es stellte sich dabei heraus, daß dieselbe durch geringe Ermüdung wenig beeinflußt, durch starke mäßig verlangsamt wurde. So sank sie in einem Falle, während die Zuckungshöhe von 7.8"m auf 2.8” fiel, von 6 Sek. auf 10 Sek., ein anderes Mal von 7 Sek. auf 11 Sek., ein drittes Mal von 4 Sek. auf 7 Sek. usw. Was die Form der Ermüdungs- kurven betrifft, so ist bei derselben, wie schon Hofmann! und Engel- Fig. 15. mann? beschrieben haben, sowohl der Versuch 127. Eseulenta. Ausgeschnittene Anstieg wie der Abfall verkürzt und Herzspitze. Ermüdung. Rhythmische Rei- namentlich der Anstieg abgeflacht. zung alle 4'!/, Sek. Jede 6. Kontraktion i 8 i h . N erzsichnen Die Latenz ist bei maximalen Reizen nicht stark, bei Schwellenreizen jedoch häufig bis zu ganz extremen Werten verlängert, so maß ich in einem Fall am frischen Präparate, bei einem Rhythmus von 5 Sek. eine Latenz von 0.145 Sek., am ermüdeten eine solche von 0-46 Sek. An einer ausgeschnittenen Herzspitze sah ich einmal während der Er- müdung Kontraktionen von der typischen Form der Treppenzuckungen auf- treten; ich möchte dies für eine Absterbeerscheinung halten. Überhaupt ist wohl der Einfluß der Ermüdung auf den optimalen Rhythmus ein recht komplizierter: O, = Mangel, CO, = Stauung, Fehlen von Brennmaterial und Anhäufung von Abfallsprodukten mögen sich je nach den Versuchs- bedingungen in der mannigfaltigsten Weise kombinieren und so schließlich in ihrer Gesamtheit die oben beschriebene geringere oder größere Verlang- samung des optimalen Rhythmus setzen. Vom O,-Mangel wissen wir durch die Untersuchungen von Öhrwall®, daß er Treppenerscheinungen begünstigt, eine Untersuchung der anderen Faktoren steht jedoch noch aus. ı Pflügers Archiv. Bd. LXXXIV. 8. 151. 2 Verhandlungen der Berliner Akademie der Wissenschaften. 1905. “ ® Öhrwall, Skandin. Archiv. Bd. VII. 8. 223ff. Bd. VIIL 8. 1ff. | | | | | | ÖPTIMALER RHYTHMUS UND HERZTETANDS. 367 IX. Die Kontraktur. Kontrakturen habe ich oft in geringerem oder stärkerem Grade gleich- zeitig mit dem Tetanus erhalten; und ich will sie hier, obwohl ich nur längst Bekanntes bringen kann, kurz erwähnen, weil ihre Erscheinungen doch gelegentlich falsch gedeutet worden sind. Im Gegensatz zum Skelettmuskel kehrt ja der Herzmuskel schon auf einen Einzelreiz hin nur recht langsam zu seiner ursprünglichen Länge zurück." Kontrakturen sind daher bei ihm durch starke, tetanisierende Reize relativ leicht zu erhalten. Die Kontrakturen erreichen in maximo meist etwa die Höhe der optimalen Zuckung, können dieselbe jedoch auch bedeutend überragen (s. Fig. 16). Fig. 16. Versuch 41. Esculentas schwach kurarisiert. Bernsteinsche Abklemmung. nr = 2 Volt. Die 2 ersten Zuckungen R.-A. = 6°“, dann R.-A. = 3%, zuletzt R.-A = 0. Kontraktur, die sich im Laufe von etwa 5 Min. wieder zur Abszisse senkt. Die Anspruchsfähigkeit des in Kontraktur befindlichen Herzens ist stark herabgesetzt, Kontraktionen sind im Zustand der Kontraktur nur durch starke Reize hervorzurufen; die Amplitude derartiger Kontraktionen ist dann bedeutend kleiner, als die Amplitude normaler Zuckungen. Die Kontraktur sinkt sehr langsam wieder ab; eine einigermaßen ausgebildete Kontraktur braucht mehrere Minuten, um wieder bis in die Nähe der Abszisse herab- zufallen. Durch Ba-C], und CaÜl, (etwa 5 pro Mille) wird die Fähigkeit des Herzmuskels, in Kontraktur zu geraten, verstärkt. ? Hier ist der Ort, um eine von Rohde in seiner schon mehrfach zitierten Arbeit über den Chloralzustand des Herzens aufgestellte Behaup- tung zu erwähnen. Dieser Autor glaubt gefunden zu haben, daß das mit Chloral vergiftete Herz auf den konstanten Strom nicht mit rhythmischen ! Frank, Sifzungsberichte der Gesellschaft f. Morphologie. München 1897. ® Nachschrift. Desgleichen, wie neuere Versuche mich lehrten, auch durch NaJ. 368 A. BoRNSTEIN: Zuckungen, sondern ähnlich wie der Skelettmuskel reagiert; das Herz sei also der „Fähigkeit der Umsetzung von Dauerreizen in rhythmische“ (a. a. 0. S. 120) beraubt. Er geht dabei offenbar von der Anschauung aus, daß die Erregung im Herzen eine Funktion der Stromstärke “%, im Skelett- muskel eine Funktion von = ist. Ohne auf diese bekanntlich nicht zu- treffende Ansicht näher einzugehen, will ich nur die Kurve besprechen, die er zum Beweise bringt. Er reizt zuerst die Herzspitze mit einem schwachen, konstanten Strom und erhält nur eine Schließungszuckung, was ja weiter nichts Sonderbares ist. Dann reizt er das gleiche Herz mit einem starken, konstanten Strom und erhält, wie er meint, keinen Rhythmus, sondern eine einfache „Dauerkontraktion (Kontraktur)“ (a. a. O. 8. 117). Dieselbe hat etwa folgende Form: E20 Die Höhe, die für sie nach den Höhen der übrigen Zuckungen der Figur zu erwarten war, war etwa 2.9 "m, sie erreichte in Wirklichkeit die Höhe von 4-1”, nachdem sie bei 2.9=m einen kleinen Knick gemacht hat!, um sich weiter in einer mittleren Höhe von etwa 3"” zu halten; nach Öffnung des Stroms kehrt sie in einigen Sekunden zur Abszissenachse zurück. Nun kehrt eine Kontraktur von dieser Höhe immer erst im Laufe von mehreren Minuten zur Abszisse zurück; kopiert man über diesen Abfall der „Kontraktur“ den Abfall einer benachbarten Zuckung, so sieht man, daß höchsens einige Zehntel Millimeter davon Kontraktur‘ gewesen sein kann, und in der Tat haben wir einen aus mindestens 4 Einzelkontraktionen bestehenden Tetanus vor uns! Das Präparat Rohdes besaß also „die Fähigkeit der Umsetzung von Dauerreizen in rhythmische.“ X. Theorie des Tetanus. 1. Anfangstetanus. Geht man von einer suboptimalen Reizfrequenz zu einer optimalen über, so passen sich die Pulshöhen nicht sofort dem neuen Rhythmus an, sondern der Übergang geht allmählich in der Form der Bowditchschen Treppe vor sich, das Herz durchläuft also sozusagen alle zwischen den beiden Extremen gelegenen Pulsformen. Komplizierter ist der Vorgang beim plötzlichen Übergang von einem suboptimalen zu einem superoptimalen Rhythmus. Die typische Form ist auch hier das Durchlaufen aller Zwischenstadien, so daß am Anfang eine Superposition mehrerer Zuckungen bis ungefähr zur Höhe der optimalen Zuckung statt- findet, worauf die Kurve wieder sinkt (s. Fig. 17, Andeutungen auch im 2. Tetanus in Fig. 2A). Eine derartige Kurve ist also nur in den ersten Zuckungen als Tetanus zu betrachten und sie mag als „Anfangstetanus“ ! Derselbe ist in der obigen Reproduktion etwas zu stark geraten. ÖPTIMALER RHYTHMUS UND HERZTETANDS. 369 bezeichnet werden, wobei es vorläufig dahingestellt sein soll, ob sie zu dem von F, B. Hofmann! am Skelettmuskel beschriebenen Anfangstetanus in irgend welcher Beziehung steht. Im allgemeinen erreichen diese Anfangstetani nicht die Höhe der opti- malen Zuckung, sondern fallen schon viel früher; es kommt dabei eben zu einer Art Wettstreit zwischen der superpositionsbefördernden Wirkung der Bowditehschen Treppe und der die Kontraktionshöhe senkenden Tendenz des superoptimalen Rhythmus (Andeutungen davon in Figg. 8B; 1E; 4A). 2. Mehrgipflige Kurven. Tetanisiert man den normalen, oder schwach mit Chlorsalz oder Kochsalz vergifteten Herzmuskel mit dem du Boisschen Induktorium, so erhält man oft mehrere Superpositionen, worauf die Kurve, wie beim Anfangstetanus,. wieder sinkt. Im weiteren Verlauf kann sich dann das refraktäre Stadium verlängern, so daß der Rhythmus sich wieder verlangsamt und die Gipfelhöhe steigt: man erhält auf diese Art zweigipflige Kurven; es mag auch hier vorläufig nicht diskutiert werden, ob dieselben ein Analogon zu dem von F. B, Hoffmann bei super- optimaler Reizung des Skelettmuskels beschriebenen, mehrgipfligen Tetanus sind. i 3. Nachwirkungen des Tetanus. Tetanisiert man das in einem mäßig schnellen Rhythmus pul- sierende mit NaCl stark vergiftete oder erwärmte Herz, so nehmen bei Rückkehr zum alten Rhythmus die Kontraktionen, wie schon Rhodius und Straub (a. a. O0.) für Muscarin beschrieben, erst allmählich ihre ursprüngliche Höhe wieder an, so daß man eine durch 2 bis 5 Kontraktionen erkennbare, positiv-ino- trope Nachwirkung des Tetanus erhält (s. Fig. 4C bei z und bei c). Man kann das Phänomen zweck- Big. 17. Versuch 30. Temporar. schwach kurarisiert,. Abgeklemmte Herz- spitze. 5 Min. nach subkutaner Injektion von 3 °m 5 prozentiger Chloralhydratlösung. Anfangstetanus nach 5 Min. Ruhe. Zeit 1'/, Sek. mäßig in Analogie zur gewöhnlichen „aufsteigenden Treppe“ als „ab- steigende Treppe“ bezeichnen. Auch dies scheint ein bemerkenswertes Analogon zum Tetanus des Skelettmuskels zu sein, bei dem ja eine solche Nachwirkung oft noch lange Zeit nach dem Tetanisieren vorhanden ist. Durch geeignete Wahl der Pause nach dem Tetanus kann man die Nachwirkung natürlich maskieren .oder sogar überkompensieren, wie es in den Abbildungen, die Rohde (a. a. O.) bringt, zu sehen ist, Fig. 4B bei 5). 1 Pflügers Archiv. Bd. XCII. S. 186. Archiv f. A. u. Ph. 1906, Physiol. Abtlg. Suppl. (Vgl. auch 24 ea Fig. 18. Versuch 113. Temporarie. Ausgeschnittener, spontan pulsierender Ventrikel. Mit 2proz. NaCl vergiftet. Reizung im Rhythmus von !/, Sek., wobei auf der Höhe des Tetanus nur jeder 2. Reiz beantwortet wird. Nach 1 Min. Tetanus mit Reizfrequenz ‚!/,_Sek., ‚wobei ebenfalls nur jeder 2. Reiz wirksam. = A = an Zi ee] ° ja < Fig. 19. Versuch 120. Esculenta. Ausgeschnittene Herzspitze in Rilngerscher Flüssigkeit von 24° C. Reizfrequenz im Tetanus abwechselnd in '/, und '/, Sek. Zeit '/, Sek. = or) Fig. 20. Versuch 120. Wie Fig. 19 bei 26°C. ÖÜPTIMALER RHYTHMUS UND HERZTETANDS. Tl 4. Ermüdung. Am herausgeschnittenen Herzen, sowie an der sehr stark abgeklemmten Herzspitze beobachtet man oft Ermüdungserscheinungen, die man an der gut mit Blut durchströmten Herzspitze nicht wahrnimmt. So kann es vorkommen, daß die dem Tetanus folgenden Kontraktionen viel kleiner sind, als die vorhergehenden und erst mit der Zeit wieder ihre alte Höhe erreichen (s. Fig. 18). 5. Superoptimale (pessimale) Tetani. Bei mäßiger Erwärmung oder noch nicht zu weit fortgeschrittener NaCl-Vergiftung hat man Gelegen- heit, den Rhythmus über den optimalen hinaus zu beschleunigen, ohne durch die Refraktärphase behindert zu sein. Die Theorie verlangt für diesen Fali, daß der Tetanus im superoptimalen Rhythmus niedriger sein soll, als im optimalen, was auch tatsächlich der Fall ist (s. Figg. 18, 19, 20). Man kann natürlich keine großen Unterschiede verlangen, da die zu erlangende Steigerung der Reizfrequenz wegen des refraktären Stadiums nur gering ist, doch sind die Unterschiede in den abgebildeten Figuren und in einer großen Reihe anderer Kurven, die ich besitze, sehr deutlich. Auch hier stoßen wir auf eine überraschende Analogie zum Verhalten des tetanisierten Skelettmuskels. Wedenski! und F. B. Hofmann? hatten gefunden, daß der Tetanus des Skelettmuskels bei etwa 60 Reizen in der Sekunde seine größte Höhe erreicht, reizt man in schnelleren Intervallen, so wird die Tetanushöhe geringer. Durch gewisse Gifte ließ sich dieser „optimale Rhythmus“ verlangsamen. Der Übersicht halber stelle ich die Verhältnisse in Form einer kleinen, schematischen Tabelle dar: Muskel Optimaler Rhythmus Atropinisiertes Herz 300:0 Sek. Abgekühltes Herz 15.0 y Normales Herz 8-3 » Mit NaCl vergiftetes Herz 0+5 = Erwärmtes Herz 0-1 „ Kurarisierter Froschmuskel 0203.01, Normaler Froschmnskel 0°:015015, Kaninchenmuskel mindestens 0°005 Aus dieser Tabelle geht hervor, daß der Herzmuskel sich in dieser wichtigen Eigenschaft, auf der seine Unfähigkeit zum Tetanus im normalen Zustande beruht, nur quantitativ, nicht qualitativ vom Skelettmuskel unterscheidet und daß diese Unterr- schiede sogar relativ gering sind, verglichen mit den Unterschieden, die der gleiche Herzmuskel selbst nur bei verschiedenen Temperaturen auf- weisen kann. ! Arch. de physiol. 1891. p. 686. Pflügers Archw. Bd. C.. 8.1. ® Pflügers Archiv. Bd. XCIII. S. 186;. Bd. XCV. 8. 484; Bd. CI. 8. 291. 247 372 A. BORNSTEIN: Erwägt man zu alledem einerseits die nahen Beziehungen, die sich bei diesen Untersuchungen zwischen Bowditchscher Treppe und Herztetanus herausgestellt haben, andererseits die Gleichheit in der Anstiegsform, die nach den Untersuchungen von Buckmaster (a.a. O.)! zwischen Bowditchscher Treppe und Tetanus des Skelettmuskels bestehen, so dürfte folgende Frage- stellung gerechtfertigt erscheinen: Sind beim Skelettmuskel in den Erscheinungen der Zusammensetzung der Zuckungen Elemente vorhanden, die den oben beschriebenen Super- positionen des Herzmuskels analog sind? Man würde, wenn man diese Frage bejahen wollte, die Einzelzuckung des willkürlichen Muskels für eine „suboptimale“ Treppenzuckung ansehen müssen, den Tetanus für einen optimalen oder nahezu optimalen Rhythmus, den Anstieg des Tetanus für eine Bowditchsche Treppe.“? Dies Problem ist schon einmal von v. Frey? diskutiert worden. Er frug sich, ob „bei den kleinen Reizintervallen, welche zur Zusammensetzung der Zuckungen nötig sind, die Treppe entsprechend wirksamer würde.“ Er glaubte diesen Erklärungsversuch dadurch widerlegt zu haben, daß beim Vergleich zwischen. Zuckungstreppe und Tetanuskurve der Höhenzuwachs für den einzelnen Reiz in beiden Fällen etwa derselbe ist, z. B.: Zuwachs in Millimetern: Zuckungsreihe Tetanus 10. bis 20. Reiz 0:95 1.07 2030, 0:80 0-78 1092820. 2, 0-95 0.78 20901800055 0-51 0-31 Nun muß man bei einer Würdigung dieser Versuche sich vergegenwärtigen, daß nach dem 10. Reiz im neuen Rhythmus, selbst wenn der Tetanus zehn- mal so hoch ist, wie die Einzelzuckung (s. z. B. Fig. 8), die Treppe d.h. die Übergangserscheinung vom langsamen Rhythmus zum schnellen, im wesent- lichen schon vorüber ist und die Kurve sich jetzt nur noch ganz allmählich ihrem Maximum nähert. Vom Standpunkt unserer Theorie aus würde man gerade so gut sagen können, daß die Treppe während der ersten 10 Reize, wie aus der Steilheit des Anstiegs ersichtlich, sehr stark, später aber nur ungefähr gleich wirksam beim Tetanus wie bei der Zuckungsreihe gewesen ist. Man kann von dieser Anschauung aus v. Frey sogar darin zustimmen, ! Bestätigt von v. Frey, Zestschrift für Ludwig. Leipzig 1887. S. 61. ® Von dieser Theorie bin ich oben schon bei der Diskussion über den Einfluß der Temperatur auf die Stärke der Kontraktionen ausgegangen. ® Dies . Archiv. 1888. Physiol. Abtlg. 8. 213. ÖPTIMALER RHYTHMUS UND HERZTETANDS. 373 wenn er sagt, „daß die Erhebung der zusammengesetzten Kurve über die einfache nicht als eine Wirkung der Treppe angesehen werden kann.“ Unsere Fragestellung ist doch eine etwas andere. Wir stellen uns den Tetanus vor als entstanden aus einem Übergang von einem langsamen, suboptimalen zu einem schnelleren, mehr optimalen Rhythmus, dieser Über- gang ist wie jeder Übergang von einem suboptimalen zu einem schnelleren Tempo von einer Treppe eingeleitet: der Tetanus ist also nicht eine Wirkung der Treppe, sondern die Treppe nur eine Begleiterscheinung bzw. Vorstufe des Anstiegs zur optimalen Höhe. Unwesentlich ist es dabei, ob die Kurve zwischen den einzelnen Zuckungen Zeit hat, zur Abszisse zurück- zukehren — unwesentlich, wie ich ausdrücklich betonen möchte, nur für dieses Element des Tetanus, nicht jedoch für die anderen, z. B. Selbst- unterstützung, Kontraktur usw. Es deckt sich dies mit der Auffassung Wedenskis:! „Augenscheinlich hört die erste Zusammenziehung auf, sobald die zweite in Wirksamkeit tritt.“ Man kann dabei der Ansicht Hofmanns, daß die Erscheinungen des superoptimalen Rhythmus durch Ermüdung hervorgerufen sind, in gewissem Sinne auch für den Herzmuskel beipflichten. Es war oben (S. 17) darauf hingewiesen worden, daß der optimale Rhythmus durch die Ermüdung ver- langsamt wird, daß man also am ermüdeten Herzmuskel schon bei lang- samerem Reiztempo superoptimale (pessimale) Zuckungen erhält als beim frischen. Ähnlich liegen die Verhältnisse auch beim Skelettmuskel, wie F. B. Hofmann gezeigt hat. Andererseits muß man aber auch bedenken, daß der Rhythmus, in dem das Herz normalerweise pulsiert,. ein super- optimaler ist, und man braucht nicht Teleologe zu sein, um eine Ansicht abzulehnen, nach der der Herzmuskel zeitlebens im Stadium der Ermüdung arbeitet. Wir müssen also jedenfalls annehmen, daß die Ermüdung, die durch superoptimalen Rhythmus eintritt, sich in manchen Punkten, von der gewöhnlichen Ermüdung unterscheidet. Hier wird, wie oben angedeutet, durch eine genaue Analyse der Ermüdungserscheinungen manches aufgeklärt werden können. Schließlich ist es ja vorläufig auch nicht nötig, sich für eine bestimmte Auffassung von der Ursache dieser rhythmischen Erscheinungen zu ent- scheiden; es mag genügen, daß man eine große Anzahl Tatsachen vom Begriff des optimalen Rhythmus aus beschreiben kann, wie man ja sogar die mechanischen Erscheinungen vom Standpunkt des Newtonschen Ge- setzes oder die elektrischen vom Standpunkt der Maxwell-Helmholtzschen Feldgleichungen aus beschreibt, ohne dabei über das Zustandekommen dieser Gleichungen etwas zu sagen. ! Zitiertt nach Hofmann, Pflügers Archiv. Bd. CI. S. 331. 374 A. BoRNSTEIXN: Es ist selbstverständlich, daß bei indirekter Reizung des Skelettmuskels noch komplizierende Vorgänge im Nerven und im Nervenendorgan zu be- rücksichtigen sind, die beim Herzmuskel, den wir ja direkt reizen,! nicht vorkommmen. Derartige Erscheinungen sind in großer Anzahl von Wedenski, Kaiserund Hofmann beschrieben worden; doch ist hierbei zu er- wägen, daß gerade ein Teil der Erscheinungen, die Hofmann als Ermüdung des Nervenendorgans deutet und die große Ähnlichkeit mit dem superoptimalen Tetanus des Herzmuskels haben, möglicherweise auf Vorgänge im Muskel zu beziehen sind. Hofmann untersucht nämlich den Einfluß, der Curare und Nikotin auf den superoptimalen Tetanus haben nnd findet, daß durch diese Gifte der optimale Rhythmus des Skelettmuskels verlangsamt wird, so daß Reizfrequenzen, die früher einen optimalen Tetanus gaben, nach der Vergiftung einen superoptimalen erzielten. Er schließt nun daraus auf Vorgänge im Nervenendorgan, da Curare und Nikotin das Nervenendorgan lähmen. Nun ist seitdem von Langley”? mit guten Gründen die Ansicht ausgesprochen worden, daß diese Gifte auf gewisse Teile des Muskels, und nicht auf das Nervenendorgan wirken. Sollte dies sich bestätigen, so wäre die Analogie zwischen dem Tetanus des Skelettmuskels und dem des Herz- muskels eine noch größere. Nach diesen mannigfaltigen Ähnlichkeiten zwischen Tetanus des Herzens und des Skelettmuskels bin ich wohl berechtigt zu fragen: Sind beim Skelettmuskel in der Erscheinung der Zu- sammensetzug der Zuckungen Elemente vorhanden, die dem oben beschriebenen Tetanus des Herzmuskels analog sind? Man wird diese Frage mit großer Wahrscheinlichkeit bejahen müssen.® ! Auf die Ansicht einiger Neurogeniker, daß der Herzmuskel überhaupt nur in- direkt reizbar ist, gehe ich hier nicht näher ein. Es wäre dies ein Verhalten, das dem Herzmuskel eine Ausnahmestellung jeder anderen kontraktilen Substanz gegenüber ein- räumen würde, die sogar das mit Vorliebe zum Vergleich herbeigezogene Herz von Limulus nicht zeigt. Auch sonst gibt es mancherlei Eigentümlichkeiten, die der Herz- muskel mit dem direkt gereizten Skelettmuskel gemeinsam hat. So ist der Herzmuskel wie der direkt gereizte Skelettmuskel zur Tiegelschen Kontraktur befähigt, nicht jedoch der indirekt gereizte Skelettmuskel. ® Journ. of Physiol. Vol. XXXUI. p. 374 ff. ® Es liegt mir fern, eine Analogie bis in die kleinsten Einzelheiten anzunehmen. So wäre es z.B. sehr gut möglich, daß NaCl, das den optimalen Rhythmus des Herz- muskels beschleunigt, den optimalen Rhythmus des Skelettmuskels herabsetzt usw. Ebensowenig will ich die Tetani, die Rouget sowie O. Frank (Zeitschrift für Bio- logie. Bd. XXXVIII. S. 300) bei gleichzeitiger Vagus- und Herzreizung, ferner die- jenigen, die Danilewski (Pflügers Archiv. Bd. CXI. 8.597) durch Stromschwan- kungen von geringer Steilheit erzielt hat, mit diesen Erscheinungen in Parallele setzen. Über tetanusartige Erscheinungen bei Tonusschwankungen s. Porter, Amer. Journ. of Physiol. Vol. XV. p. 1. ÖPTIMALER RHYTHMUS UND HERZTETANDS. 35 XI. Zusammenfassung. Der bei Chloralvergiftung, Alkoholvergiftung, Kochsalzvergiftung, schwacher Kalk- vergittung, höheren Temperaturen beobachtete Tetanus des Herzens entsteht dadurch, daß die Bemieteche Treppe vertieft und optimale Kontraktionen, anstatt im Rhythmus von S bis 3 Sek., in einem Rhythmus von 0-1 bis 1 Sek. erhalten werden: Be- schleunigung des optimalen Rhythmus. Alle Theorien, die einen Einfluß der Herznerven bei der Entstehung des Herztetanus annehmen (v.Cyon, Rohde), sind falsch. | Durch niederige Temperaturen, Ermüdung, Atropinvergiftung (Bowditch), höhere Grade der Kalkvereiftung wird die Bowditchsche Treppe verflacht oder ganz aufgehoben und der optimale Rhythmus verlangsamt. Kaleium bewirkt außerdem eine eigen- tümliche, systolische Kontraktur, die durch Ruhe vermehrt, durch Tätigkeit verinindert wird. Die tetanusartigen Erscheinungen bei höheren Graden der Kalkvergiftung beruhen nur auf Kontraktur. Die refraktäre Phase des Herzmuskels ist beim Tetanus zwar etwas verkürzt, jedoch nicht aufgehoben. Zu ihrer Erklärung hat man es nicht nötig, den Einfluß von Nerven heranzuziehen, da sie eine Grundeigenschaft der quergestreiften Muskelfaser ist.! Das Verhalten des Tetanus des Herzmuskels zeigt zahlreiche Ähnlich- keiten mit dem Tetanus des Skelettmuskels, so daß die Vermutung nahe liegt, daß im Tetanus des Skelettmuskels dem Herztetanus analoge Elemente enthalten sind. Herrn Geheimrat Engelmann, meinem hochverehrten Lehrer, gestatte ich mir für die Anregung zu dieser Arbeit, Herrn Dr. Nicolai für seine mannigfachen Ratschläge meinen ergebensten Dank auszusprechen. ! Daß die refraktäre Phase innerhalb gewisser Grenzen äuch von Nerveneinflüssen abhängig ist, ist übrigens nur eine banale Folge der Annahme bathmotroper Nerven- wirkungen. 376 A. BoRNSTEIN: ÖPTIMALER RHYTHMUS UND HERZTETANDS. Nachschrift. Während der Drucklegung erschien eine neue Arbeit von Carlson: „On the action of chloralhydrate on the heart with reference to the so-called physiological properties of heart muscle,“ Amer. Journ. of Physiol. Vol. XVII. p. 1, in der der Autor meint, die oben analysierte Ansicht Rohdes durch den Befund stützen zu können, daß bei Limulus daß Chloralhydrat zuerst die nervösen Herzapparate, und erst später den Herzmuskel schädigt. Wie unzulässig solche Schlüsse vom Limulusherzen auf das Wirbeltierherz sind, habe ich schon oben ausgeführt; im übrigen glaube ich ausführlich gezeigt zu haben, daß der Chloraltetanus am Froschherzen ein durchaus myogenes Phänomen ist. Die Grundeigenschaften des Herzmuskels und ihre Beeinflussung durch verschiedene Agentien. Zweite Mitteilung. Das Bowditch’sche ‚Alles- oder Nichts“-Gesetz. Von Dr. Arthur Bornstein, Laboratoriumsassistent der medizinischen Universitätsklinik in Genf. (Aus der speziell-physiologischen Abteilung des physiologischen Instituts zu Berlin.) I. Gilt das Bowditchsche Gesetz für die ganglienfreie Herzspitze? In einer an anatomischen Tatsachen reichen Arbeit über die Herz- nerven geben J. Dogiel und Archangelsky! an, daß der von den Bidderschen und Intraventricularganglien befreite Ventrikel des Frosches dem Bowditchschen Gesetze nicht folge. Das gleiche Verhalten zeige ein während der Diastole mittels einer Schere abgetragener, nur die unteren 2/, in sich schließender Teil der Herzkammer. Ein solches Verhalten erschien mir, nachdem ich eine große Zahl von Versuchen an der nach Bernstein abgeklemmten Herzspitze angestellt hatte, bei denen ich nie derartige Erscheinungen hatte wahrnehmen können, sehr merkwürdig, und ich versuchte, diese Experimente nachzuprüfen, um so mehr als dieselben, falls sie sich bestätigen sollten, von unübersehbarer Bedeutung für die Physiologie des Herzens sein würden. J. Dogiel und Archangelsky tetanisierten die Herzspitze mit einem du Bois-Reymondschen Induktorium; sie waren dabei der Ansicht, durch Verschieben der sekundären Spirale einen „Induktionsstrom von gleicher 1 Pflügers Archw. Bd. CXIIIL S. 13f., 92 fl. 378 A. BORNSTEIN: Schlagfolge, aber von verschiedener Stärke“ zu erhalten (a.a.0. S.13, 92) — was bekanntlich nicht der Fall ist. Sie erzielten dadurch bei schwachen Strömen Einzelzuckungen „ähnlich einer durch faradische Reizung erhaltenen Skelettmuskelkontraktion“ oder Zuckungen mit Plateaubildung, „so daß die Kurve das Aussehen einer Tetanuskurve erhält“. Hierbei ist zu bemerken, daß derartige Abweichungen in der Form auch beim ganglienhaltigen Herz- muskel vorkommen, daß eine solche Plateaubildung, wie schon Marey ge- zeigt hat, nichts mit Tetanus zu tun hat, und daß diese verschiedenen Zuckungsformen durch gewisse Eingriffe ineinander übergeführt werden können.! Etwas stärkere Ströme geben, wie Dogiel und Archangelsky berichten, rhythmische Kontraktionen, die zuweilen Gruppenbildung zeigen. bei fortgesetzter, noch stärkerer Reizung werden die rhythmischen Kon- traktionen frequenter, aber weniger stark. ‘Bei noch stärkeren Strömen ist die Anfangskontraktion am höchsten, ihr schließen sich, während der Schreib- hebel nicht wieder zur Abszisse zurückkehrt, wellenförmige Kontraktionen an, die allmählich seltener und höher werden. „Somit erhielten wir,“ schließen Dogiel nnd Archangelsky, „anstatt des ‚Alles- oder Nichts‘- Gesetzes ... an einem solchen seiner Bidderschen und intraventrikulären Ganglien beraubten Ventrikel durch verschiedene Reizung verschiedenartige Zuckungen, wie sie auch am Skelettmuskel zur Beobachtung gelangen.“ Demgegenüber werde ich leider nachweisen müssen: 1. Daß diese Tatsachen nichts gegen das „Alles- oder Nichts“-Gesetz beweisen. | 2. Daß man die gleichen Erscheinungen. auch am ganglienhaltigen Herzen erhält. 3. Daß nach der Methode, die Dogiel und Archangelsky benutzten, die Gültigkeit des Bowditchschen Gesetzes gar nicht geprüft werden kann. 4. Daß man unter Einhalten gewisser Kautelen auch an der BRneNEN, freien Herzspitze das Bowditchsche Gesetz nachweisen kann.? 1. Das Bowditchsche Gesetz besagt bekanntlich, daß die Größe einer in einem bestimmten Augenblicke vom Herzmuskel auslösbaren Zuckung unabhängig ist von der Reizstärke, wenn dieselbe nur genügt, überhaupt eine Zuckung hervorzurufen. Abhängig ist die Zuckungshöhe von der Belastung, von der Zeit, die seit der letzten Kontraktion verflossen, von der Größe der vorhergehenden Zuckung, vom Partialdruck der O, und der CO, im Muskel, von der Temperatur, von der Zusammensetzung des ! Siehe z. B. Frederieg, Arch. intern. de physiol. T. III. ? Ganglienfrei soll hier, wie bei Dogiel und Archangelsky die von den großen Ganglien befreite Herzspitze heißen, ohne Rücksicht auf möglicherweise vorkommende vereinzelte Ganglienzellen. Das BoWDITCH’SCHE (GESETZ. 379 Blutes bzw. der Speisungsflüssigkeit, von der Ermüdung sowie noch vielen anderen Faktoren — nicht abhängig dagegen von der Reizstärke. Um diesen Satz prüfen zu können, muß es möglich sein, den Herz- muskel mindestens zweimal in einen Zustand zu versetzen, in dem alle die oben genannten Komponenten der Kontraktion gleich sind; man muß den Muskel in diesen beiden Augenblicken durch Einzelreize verschiedener Stärke zur Kontraktion veranlassen und dann je nach der Hubhöhe sagen, ob der Satz gilt. Das aber haben Dogiel und Archangelsky nicht getan. Sie tetanisierten das Herz mit Induktionsschlägen verschiedener Stärke und erwarteten, daß die Kurven, die sie so erhielten, gleich sein würden, wenn das Bowditchsche Gesetz gilt! Und da bei verschiedenen Stärken des tetanisierenden Stromes die Kurven, die sie erhielten, verschieden waren, so schlossen sie, daß das Bowditchsche Gesetz für ihr Präparat un- gültig sei. ur Selbst angenommen, das Herz habe sich im Augenblicke des Beginns der Reizung mit verschiedenen Stromstärken jedesmal in demselben Zustande befunden — was sicher, wie wir unten sehen werden, nicht der Fall war — so hätte man nur erwarten können, daß die erste der Reizung folgende Zuckung unabhängig von der Reizstärke sei; dann jedoch wird je nach der Stromstärke der tetanisierende Reiz (wegen der Abhängigkeit des Refrak- tärstadiums von der Reizgröße) an verschiedenen Punkten der Dekreszente wirksam werden, so daß schon die zweite Zuckung bei verschiedenen Reiz- stärken verschieden groß sein wird. Über das Bowditchsche Gesetz sagen derartige Kurven also gar nichts aus. 2. Daß Kurven, wie sie Dogiel und Archangelsky abbilden, auch am ganglienhaltigen Ventrikel durch schnell aufeinanderfolgende Induktions- schläge zu erhalten sind, ist eine schon lange bekannte Tatsache, so daß ich nur auf die Arbeiten von Kronecker und Stirling! sowie von Marey? hinweisen kann, denen ich nichts hinzuzufügen habe. 3. Um das Bowditchsche Gesetz zu prüfen, ließ ich zuerst die ab- geschnittene untere Hälfte des Ventrikels einfach ihre Bewegungen auf- schreiben, wie es auch Dogiel und Archangelsky taten. Ich suspen- dierte die Herzspitze mit einer Serrefine, die ich mit einem Hebel aus Celluloid in Verbindung setzte; der Hebel wog 0.458” und vergrößerte die Kurven 25fach. Ich reizte die Herzspitze mittels Platinelektroden in einem durch das Polyrheotom erzeugten Rhythmus, wobei ich die Schließungs- schläge abblendete und nur Öffnungsinduktionsschläge benutzte. Nachdem die Kurven die Höhe, die ihnen ihr Rhythmus vorschreibt, erreicht hatten, 1 Festschrift für Ludwig. Leipzig 1874. ®? Marey, Traveaur du laboratoire. T. Il. p. 69. 380 A. BORNSTEIN: Fig. 1. Versuch 118. Esculenta. Abgeschnittene Herzspitze. Rhythmus 5 Sek. Reizschwelle (R.-8.) bei Rollenabstand (R.-A.) 5-3 =, Reizung in der Reihenfolge R.-A. 5-3, 5m, 3m, 0%, Je größer der Reiz, desto kleiner die Latenz. (Das Gleiche gilt auch für Figg. 2 und 3.) Ermüdung: bei größeren Reizstärken geringere Kurvenhöhe. Fig. 2. Versuch 91. Tempor. abgeschnittene Herzspitze in Kaninchenblut. Rhythmus 6 Sek. R.-S. = 8-6. Reizung in der Reihenfolge R.-A. = 8.65%, 5m, 2.5m, gem 8.0. Fig. 3. Versuch 86. Tempor. abgeschnittene Herzspitze in Kaninchenblut. Rhythmus 8 Sek. R.-S. = 6-1 =, Reizung in der Reihenfolge R.-A. = 6-19, 3%, 0m, ul a u nn u Das BOWDITCH'SCHE GESETZ. 381 d.h. nach etwa 15 bis 20 Reizen, schrieb ich erst eine Kurve mit dem Schwellenreiz! auf und darauf mehrere Kurven, ohne den Rhythmus zu unterbrechen, mit stärkeren Reizfrequenzen über diese Kurve. Ein Beispiel hiervon gibt Fig. 1. Sie zeigt, daß nach jeder Zuckung, wenn man ohne weitere Kautelen das Präparat rhythmisch reizt, der Herz- muskel nicht, wie wir postuliert hatten, merklich in denselben Zustand zurückkehrt. Ob man mit aufsteigenden oder absteigenden Reizstärken arbeitet, immer sinkt kontinuierlich die Kurvenhöhe. Wegen der stark in den Vordergrund tretenden Ermüdung eignet sich eine derartige Anordnung analog den Versuchen von Dogiel und Archangelsky nicht zur Ent- scheidung unserer Frage. 4. Um die Ermüdung zu vermeiden, stehen uns zwei Wege offen: entweder wir stellen die Versuche an einer vorsichtig nach Bernstein abgeklemmten Herzspitze an, oder wir versenken das Präparat in gut mit Sauerstoff beschicktes Kaninchen- oder Froschblut. Beide Methoden führen zum gleichen Resultate: das Bowditchsche Gesetz gilt auch für die ganglienfreie Herzspitze. Figg. 2 und 3 zeigen dies. Beide sind von der abgeschnittenen Herz- spitze (untere Hälfte des Ventrikels) gewonnen; die Differenzen in den Höhen sind jeweils kleiner als die Dicke der Abszisse. II. Ausnahmen vom Bowditchschen Gesetze. ? Ausnahmen vom Bowditchschen Gesetze sind öfters beschrieben worden. Zuerst hat Mays? derartiges am Ventrikel gesehen, später hat Engelmann‘ das Gleiche an der V. pulmonal. beobachtet und auch seine Bedeutung erkannt. Letztbin nun hat Rohde? diesen Vorkommnissen großes Gewicht beigelegt. Bei Chloralvergiftung hatte er neben echtem Tetanus auch Ausnahmen vom „Alles oder Nichts‘‘-Gesetze wahrgenommen und dies, verbunden mit einem vermeintlichen Aufhören der Rhythmizität auf Dauerreiz darauf zu beziehen versucht, daß durch Chloralhydrat die Herznerven gelähmt und dadurch der Herzmuskel seiner charakteristischen Eigenschaften beraubt wurde. ! D. h. demjenigen Reize, der gerade ausreicht, den gewünschten Rhythmus aufrecht zu erhalten. ? Durch meine Abreise von Berlin verhindert, diese Versuche weiter fortzusetzen, gebe ich sie in dieser unvollständigen Form wieder. Der Mangel an direkten Bestim- mungen der Fortpflanzungsgeschwindigkeit macht sich dabei deutlich bemerkbar, ® Dies Archiv. 1883. Physiol. Abtlg. S. 265. * Pflügers Archiv. Bd. LXV. S. 125. 5 Archiv für experimentelle Pathologie. Bd. LIV. S. 104. 382 A. BORNSTEIRN: Ich habe in der vorhergehenden Mitteilung nachgewiesen, daß der Tetanus des mit Chloral vergifteten Herzens auf Eigenschaften des Herz- muskels zurückzuführen ist, die sicher myogenen Ursprungs sind. Ferner konnte ich zeigen,. daß das angebliche „Erlöschen der Rhythmizität“ auf einer falschen Deutung der erhaltenen Kurven beruhte. Damit fielen auch die — übrigens schon früher von v. Cyon versuchten — neurogenen Er- klärungen dieser Erscheinungen. Wir haben uns jetzt der Analyse der Ausnahmen des „Alles oder Nichts“-Gesetzes zuzuwenden. Wenn bei der komplizierten Erscheinung der Kontraktion zahlreicher in den verschiedensten Richtungen verlaufender Muskelelemente das einfache Gesetz gelten soll, daß die Gesamtkontraktion unabhängig von der Reizstärke ist, so müssen natürlich eine Anzahl von Vorbedingungen erfüllt sein, von denen ich einige aufzählen will. 1. Das Bowditchsche Gesetz gilt für das einzelne Muskelelement. 2. Jeder überhaupt wirksame Reiz wird von jeder Stelle des Muskel- schlauches zu jeder anderen geleitet: Wäre dies nicht der Fall, so würde man nämlich die durch „Leitungsreiz“ unerregbaren Stellen bei Verstärkung des elektrischen Reizes durch Stromschleifen direkt reizen können. 3. Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Kontraktion ist so groß, daß sich sämtliche Muskelelemente merklich gleichzeitig kontrahieren. Zucken nicht sämtliche Elemente gleichzeitig, so muß bei Schwellenreiz die Kurve weniger hoch, dafür aber gedehnter werden; man erhält dann durch stärkeren elektrischen Reiz wieder Stromschleifen, so daß schließlich alle Elemente sich gleichzeitig kontrahieren, und man bei schwachem Reiz niedrige, bei starkem hohe Kurven erhält. Wäre das Herz ein parallelfasriger Muskel, so müßte das Bowditchsche Gesetz sich hierbei darin offenbaren, daß die von den Kurven und der Abszissenachse eingeschlossenen Flächen gleich groß wären. 4. Der Einfluß der Kontraktur ist zu vernachlässigen. Auch dies ist bei starken Reizen nicht immer der Fall (siehe z. B. Fig. 16 der ersten Mitteilung). h Was die erste und wesentlichste Voraussetzung: das Bowditchsch Gesetz für das Muskelelement anbelangt, so ist, soviel ich sehe, bis jetzt keine Tatsache bekannt, die man gezwungen ist, als Ausnahme vom „Alles- oder Nichts“-Gesetz für das Muskelelement an- zusehen. Wir werden ihm also bis auf weiteres unbedingte Gültigkeit zuerkennen müssen. Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Kontraktion (Voraussetzung 3) muß ja eigentlich, wenn man nur genügend feine Untersuchungsmethoden anwendet, immer von Einfluß auf die Kurvenhöhe sein. Andeutungen davon Das BOowWDITCH’SCHE GESETZ. 383 kann man gelegentlich wahrnehmen. Doch überschreiten dieselben nie wesent- lich die Fehlergrenze (so sind z. B. in Figg. 2 und 3, wenn man die Fuß- punkte der Kurven mit der Lupe aufsucht, die Kontraktionen bei schwachen Reizen um ein Geringes niedriger. als bei starken). Stärker jedoch macht sich der Einfluß der Fortpflanzungsgeschwindigkeit auf zwei andere Faktoren geltend: auf die mechanische Latenz und auf die Anstiegsdauer. Tigerstedt! hat nachgewiesen, daß erst dann eine merkliche Erhebung der Zuckungskurve eines Muskels von der Abszissenachse stattfindet, wenn bereits ein großer Teil der Muskelelemente sich in Tätigkeit befindet; infolge- dessen muß das Latenzstadium bei starker Reizung kleiner sein, wo wir durch Stromschleifen im ganzen Herzen zahlreiche Nebenkathoden schaffen und so eine große Anzahl Elemente des Herzmuskels direckt reizen, während bei schwachem Reiz gerade nur die Stelle erregt wird, wo der Strom aus dem Muskel austritt, so daß von dort aus der Reiz sich erst auf viele Elemente fortpflanzen muß, bevor die Kurve ansteigen kann. Analog erklärt sich die längere Anstiegszeit der Kurven bei schwachen Reizen. Einige Bei- spiele davon sind in Tabelle I gegeben.? T:ab’elle-=T. Rollenabsiand | Latenz Anstiegszeit Bemekilen em | Sek. | Sek. nee 8-6 0-15 0:78 Versuch 91. 8-0 0-12 0-76 Ausgeschnittene Herzspitze 5:0—0 0:08 0-74 in Kaninchenblut. 6+1 0-15 0:69 Versuch 86. 3-0 0-10 0:67 Ausgeschnittene Herzspitze 0 0-09 0-66 in Kaninchenblut. Je kleiner nun die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Kontraktion in- folge irgend welcher Schädigungen wird, desto größer werden auch die Unterschiede in der Latenz und der Anstiegszeit bei verschieden starken Reizen, desto weniger gilt schließlich auch das Bowditchsche Gesetz. 1 Dies Archiv. 1885. Physiol. Abtlg. Suppl. ® Nimmt man mit Engelmann die Fortpflanzungsgeschwindigkeit im aus- geschnittenen Ventrikel des Froschherzens zu 40”= in der Sekunde an, den größten Weg, den die Kontraktionswelle im Muskel zurückzulegen hat, zu 4=m, so müßte der Unterschied in der Summe zwischen maximaler Latenz und Anstiegszeit gegenüber der Summe zwischen minimaler Latenz und Anstiegszeit etwa 0-1 Sek. sein. Dies trifft auch ungefähr zu. 384 "99 TONSIHA "uopyLıSdg uagIoIsqy m OZYEy] Tours JONLIUOA UNO mp Sne yonya ygoru 973 zI080N SOgOsyoITpMog '7og F mumÄug A. BORNSTEIN: Tabelle I. © | am. S R- S 2 | oa 8 an 23 c I | H | Bemerkungen cm | mm | Sek. | Sek. | 8-5 | 2-0 | 0-41 | 0-52 | Versuch 106. Tempor. schwach 8-0 | 2-8 | 0.22 | 0-46 kurarisiertt. Abgeklemmte, im 3-0 | 3-0 | 0-18 | 0-44 Absterben begrifiene Herzspitze. 0 | 3-2 | 0-16 | 0-42 Rhythmus 8 Sek, Einflüsse, die die Leitfähigkeit in diesem Sinne be- einflussen, sind in großer Menge bekannt. Daß beim ermüdeten Herzen der Unterschied zwischen maximaler und minimaler Latenz ungewöhnlich groß ist, ist schon in der vorhergehenden Mitteilung erwähnt worden. Am genauesten studiert ist in dieser Beziehung die Verlang- samung der Leitung zwischen Atrium und Ventrikel. Wie von vielen Giften, so wissen wir auch vom Chloral- hydrat!, daß es die Fortpflanzung der Kontraktion vom Atrium zum Ventrikel sehr erschwert, so daß schon hierdurch die Ungültigkeit des Bowditchschen Gesetzes bei Chloralhydrat genügend erklärt wäre. Es kann jedoch beim Absterben oder durch gewisse Gifte die Fortpflanzung der Kontraktion so stark be- hindert werden, daß nur einzelne Teile des Muskels auf einen schwachen Reiz sich kontrahieren, während bei stärkeren Reizen — man wird wieder annehmen müssen wegen der Stromschleifen — der ganze Herzmuskel arbeitet. Dies konnte ich sehr gut bei einem absterben- den Katzenherzen beobachten, von dem Fig. 4 herrührt. Das Tier war, nachdem es zu anderen Versuchen gedient hatte, durch Ersticken getötet worden. Ein etwa 10° langes und 2°” breites Stück aus der Wand des rechten Ventrikels wurde ohne besondere Kautelen suspendiert und eine Zeitlang rhythmisch gereizt. Nach etwa 15Min., als die Anspruchsfähigkeit schon stark herabgesetzt war, konnte man, während Fig. 4 aufgeschrieben wurde, deut- lich mit bloßem Auge sehen, wie sich bei schwachen ! Böhme, Archiv für exper. Pathologie und Pharmakol. Bd. LII. 8. 364, dessen Angaben hierüber ich bestätigen kann. Das BowDITcH’SCHE GESETZ, 385 Reizen nur einzelne Fibrillen, bei stärkeren jedoch das ganze Muskelstück kontrahierte. Ähnliches hat übrigens schon Mays (a. a. O.) beobachtet. Schädigungen der Leitfähigkeit von dieser Stärke kommen häufig vor. So wird bei sehr starker CaCl,-Vergiftung manchmal — begünstigt durch die kontrakturfördernden Eigenschaften des Kalkes — infolge des elek- trischen Reizes an den Reizstellen eine starke Kontraktur erzeugt, so daß nach einigen Reizen die Reizleitung von diesen Stellen aus ganz aufgehoben ist, während, wenn man die Elektroden an anderen Stellen anlegt, noch kräftige Kontraktionen zu erhalten sind. Nach einigen Minuten hat sich dann die erste Stelle so weit erholt, daß das Herz wieder von ihr aus reizbar ist. Wie stark die Leitfähigkeit dabei geschädigt ist, geht aus den großen Latenzen bei diesen im äußersten Stadium der Kalkvergiftung be- findlichen Herzen hervor; so maß ich einmal an einer nach Bernstein abgeklemmten Herzspitze eine Latenz von 0-84 Sekunden. Ä Ähnliches zu sehen hatte ich später Gelegenheit, als ich Hrn. Franz Müller! bei seinen Versuchen über die Yohimbinvergiftung am Frosch- herzen assistierte. Der mit Yohimbin vergiftete Herzmuskel neigt außer- ordentlich leicht zu Kontrakturen; schon ein leichter mechanischer Reiz genügt, um langdauernde, lokale Kontraktur zu erzeugen. Auch in diesem Falle war durch die verminderte Leitfähigkeit, die sich außerdem noch in einer Verlangsamung der Überleitung vom Vorhof zur Kammer dokumen- tierte, das „Alles- oder Nichts“-Gesetz ungültig geworden. Nun kann man auch am mit Chloralhydrat vergifteten Herzen manch- mal — durchaus nicht immer — mit der Lupe partielle Kontraktionen beobachten, so daß mir durch alle diese sich mannigfach kombinierenden Einflüsse das Verhalten des Chloralherzens genügend geklärt erscheint. Ich habe in Übereinstimmung damit Ausnahmen vom Bowditchschen Gesetze nur in den letzten Stadien der Chloralvergiftung wahrnehmen können, wenn die Anspruchsfähigkeit sowie die Höhe der Kontraktionen aufs äußerste gesunken war, ähnlich wie es Rohde (a.a.0.) in seiner Fig. 4 abbildet. Dem widerspricht die Angabe Rohdes, daß schon bei noch völlig unveränderter Anspruchsfähigkeit und Hubhöhe Ausnahmen vom Bowditchschen Gesetze vorkommen. Der Beweis, den Rohde bringt, geht dabei von Gesichtspunkten aus, denen ich mich nicht anschließen kann. Er ruft am spontan schlagenden, suspendierten Herzen eine Extrasystole hervor und findet dieselbe am chloralisierten Herzen größer als die vorhergehenden spontanen Systolen, woraus er den Schluß zieht, daß das Bowditchsche Gesetz nicht gilt! Denn Extrasystolen, meint Rohde offenbar, sind gewöhnlich kleiner als ! Fr. Müller, Dies Archiv. 1906. Physiol. Abtlg. Suppl. Archiv f. A.u. Ph. 1906, Physiol. Abtlg. Suppl. 25 3836 A. Bornsteim: Das BowDITcH’sSCHE GESETZ. normale Systolen; wenn sie größer sind, so kann dies nur daran liegen, daß der künstliche Reiz größer und wirksamer ist, als der natürliche, und somit das Bowditchsche Gesetz nicht gilt! Hiergegen lassen sich sofort folgende Einwände machen: 1. Die Engelmannsche Suspensionsmethode ohne besondere Vorsichts- maßregeln gestattet nicht, zwei Hubhöhen einfach miteinander zu vergleichen, wovor schon Engelmann! in seiner ersten Arbeit über diese Methode eindringlich gewarnt hat. 2. Angenommen, die Amplituden seien wirklich den Kontraktionen proportional gewesen, so muß man in erster Linie daran denken, daß der Füllungsgrad des Ventrikels bei der Extrasystole ein anderer war, als bei der spontanen Systole, die beiden Kontraktionen also bei einer verschiedenen Belastung vor sich gingen. 3. Angenommen selbst, der Einfluß der wechselnden Belastung sei zu vernachlässigen, so beweist der Befund immer noch nichts gegen das Bowditchsche (Gesetz, denn dieses setzt, wie oben ausführlich erörtert, voraus, daß die zu vergleichenden Zuckungen isorhythmisch sind. Gerät das Herz nun, wie es bei der Chloralvergiftung in der Tat der Fall ist, unter Treppenbedingungen, so muß, nach den Hrörterungen der vorher- gehenden Mitteilung, die Extrasystole größer sein, als die Spontankontraktion. Über das Bowditchsche Gesetz sagen derartige Versuche überhaupt nichts aus. Es bleibt also dabei, daß das chloralisierte Herz vom „Alles oder Nichts“- Gesetz nur dann abweicht, wenn es durch die Vergiftung aufs äußerste geschädigt ist. Und von diesem Standpunkte aus reiht sich der durch Chloralvergiftung geschaffene Zustand des Herzmuskels zwanglos den anderen Zuständen an, in denen Ausnahmen vom Bowditchschen Gesetze be- obachtet sind. ı Pflügers Archiv. Bd. LVI. Expektoration und intrapleuraler Druck. Von Dr. Ed. Reichmann, Oberarzt der inneren Abteilung des St. Marienkrankenhauses in Berlin. In seiner sehr interessanten Arbeit über Veränderungen des Lungen- volumens und der Lungenkapazität bei Reizung der Nasenschleimhaut! kommt Sihle unter anderem auch auf die von mir ausgesprochene An- sicht über Mechanik der Expektoration bzw. auf die zwischen mir und Aron erörterte Meinungsdifferenz über diesen Punkt zu sprechen. Ich möchte mit einigen Worten auf seine diesbezüglichen Bemerkungen ein- gehen, da er meine Ansicht für nicht stichhaltig erklärt. Aron? hatte behauptet, daß zur Entleerung der Alveolen, der blinden Endigungen der Bronchiolen von Sekreten der intrapleurale Druck mit- wirken müsse, indem dieser die Lunge komprimiere und somit durch Kom- pression der Alveolen deren Entleerung von Schleim usw. begünstige. Ich? habe, entgegen dieser Meinung, der Ansicht Ausdruck gegeben, daß der intrapleurale Druck eine derartige Wirkung nicht haben könne, daß er viel- mehr stets niedriger sein müsse als der intrapulmonale Druck und zwar in jedem Augenblicke um so viel niedriger, wie die Elastizitätskraft der Lunge jeweils beträgt. Demgemäß könne eine Kompression von seiten des niedrigeren Plauradruckes auf den höheren intrapulmonalen Druck nicht erfolgen. Die Kraft, welche die Entleerung des Sekrets aus den blinden Bronchiolenendigungen bewirkt, fand ich vielmehr hauptsächlich darin, daß der zu Anfang des Hustens, bei geschlossener Glottis, durch Wirkung der Exspirationsmuskeln maximal gesteigerte intratracheale, intrabronchiale und intrapulmonale Druck nach Sprengung der Glottis sich: plötzlich ausgleicht, dabei in negative Werte umschlägt und somit die Sekrete mit sich reißt. ! Dies Archiv. 1906. Physiol. Abtlg. Suppl. S. 133. ® Zeitschrift für klin. Medizin. Bd.LIV. Heft1u.2 und Bd. LVIII. Heft 1u.2. 8 Ebenda. Bd. LVI. Heft 3 u. 4 und Bd. LVIH. Heft 5 u, 6. 25* 388 Ep. REICHMANN: Auf diesen letzteren Punkt brauche ich jetzt nicht zurückzukommen, da- gegen verlangt der erstere, das Verhältnis des intrapleuralen Druckes zur Expektoration, noch eine kleine Besprechung, weil in bezug hierauf Sihle zu neuen Tatsachen gekommen ist, welche er dahin deutet, daß die An- sicht Arons gegenüber der meinigen auf Richtigkeit und Anerkennung Anspruch haben müsse. Um kurz zu rekapitulieren, fand Sihle, daß bei Reizungen des Trige- minus und Vagus eine Blutfülle der Lunge eintritt, welche der Elastizität der Lunge entgegenwirkt und den Pleuradruck bis zu positiven Werten ansteigen läßt, auch wenn die Glottis nicht geschlossen ist. Beim Husten schließt sich alsdann die Glottis, der Pleura- und der Trachealdruck steigen gewaltig an, wobei aber der Pleuradruck um so viel höher als der Tracheal- druck bleibt, als er vorher bei noch geöffneter Glottis höher war. Wird nun die Glottis durch den Hustenreiz gesprengt, dann sinkt der Tracheal- druck plötzlich und „aus der Tiefe der Lungen wird dank dem Überdruck der Inhalt hinausgeschleudert“. Somit kommt Sihle zu dem Schlusse, daß angesichts des wirklich nachgewiesenen erhöhten Pleuradruckes die Meinung Arons von der Kompression der Alveolen durch den höheren intrapleuralen Druck bei der Expektoration einen „durchaus wahren Kern“ enthalte. Wenn man diese Ausführungen liest, dann könnte man auf den ersten Blick annehmen, daß hierdurch meine Ansicht, der Pleuradruck könne die Lunge niemals komprimieren, vollkommen widerlegt sei, zumal ich von der Voraussetzung ausging, der intrapleurale Druck sei deshalb dazu nicht imstande, weil die Lunge infolge ihrer Elastizität das Bestreben habe, die beiden Pleurablätter auseinanderzuziehen und demgemäß den intrapleuralen Druck um den Wert ihrer Elastizitätskraft ‚gegenüber dem intrapulmonalen Druck vermindere. Da im Gegensatz zu dieser Ansicht von Sihle ge- funden wurde, daß unter gewissen Verhältnissen der Pleuradruck doch höher werden kann, als meinen Voraussetzungen entspricht, so könnte es scheinen, als ob. damit meine ganzen Schlußfolgerungen unhaltbar ge- worden seien. Und doch ist dies durchaus nicht der Fall, wie sich aus folgenden Überlegungen ergibt: Wenn infolge der vermehrten Blutfülle das Volumen der Lunge zu- und ihre Elastizität abnimmt, so steigt zwar der intrapleurale Druck an, wie sich aus Sihles Versuchen ergeben hat und was auch ohne weiteres verständlich ist. Aber was ist die eigentliche Ursache dieser Ver- mehrung des Pleuradruckes? Doch nur die Tatsache, daß die Lunge an- schwillt und ihrerseits auf den Pleuraraum einen Druck ausübt. Je mehr die Lunge an Volumen zunimmt, desto mehr komprimiert sie den Pleura- raum und um so höher steigt der intrapleurale Druck, je mehr sie aus irgend einer Ursache wieder an Volumen abnimmt, desto weniger kom- EXPEKTORATION UND INTRAPLEURALER DRUCK. 389 primiert sie dann den Pleuraraum und um so mehr sinkt alsdann der Pleuradruck. Das An- und Absteigen des Pleuradruckes geschieht, um mich so auszudrücken, in passiver Weise und ist vollkommen abhängig von den Volumschwankungen der Lunge. Nicht der Pleuraraum kom- primiert die Lunge, sondern umgekehrt die Lunge komprimiert den Pleura- raum, wir haben also bei den diesbezüglichen Beweisführungen Sihles wieder eine Verwechselung von Ursache und Wirkung vor uns, gleichwie ich das bereits früher von der Ansicht Arons nachgewiesen habe. Anders wäre die Sache, wenn der Druck innerhalb der Pleurahöhle, um analog wie vorher zu sprechen, in aktiver Weise ansteigen könnte, wenn die respiratorische Erhöhung des Druckes von der Pleurahöhle selbst ausgehen würde; dann könnte allerdings eine Kompression der Lunge von seiten dieses erhöhten Pleuradruckes stattfinden. Bei der gewöhnlichen Expektoration ist dies jedoch niemals der Fall, selbst dann nicht, wenn durch raumbeengende Prozesse d.i. Exsudate, Tumoren usw. der Pleura- druck schon von vorneherein erhöht ist. Denn unter diesen letzteren Um- ständen sind die respiratorischen Schwankungen dieses abnorm erhöhten Pleuradruckes auch nur sekundärer Natur, bedingt durch die Volum- schwankungen des Thorax und der Lunge, wie ich das bereits auseinander- setzte. Die durch den raumbeengenden Prozeß bedingten Verhältnisse zeigen sich dann nur darin, daß die Lunge überhaupt ein kleineres Volumen einnehmen kann, nicht aber darin, daß gerade während der Expektoration die Lunge mehr komprimiert bzw. „ausgepreßt“ und von Sekret besser entleert wird. Ich brauche wohl kaum an das Beispiel zu erinnern, daß Patienten mit Pleuraergüssen durchaus nicht leichter expektorieren können als andere. In naher Beziehung mit der hier behandelten Frage steht eine andere Behauptung Sihles, nämlich die, daß die vermehrte Blutfülle der Lunge nach Trigeminus- und Vagusreizung als eine direkte Schutzvorrichtung für den Alveolarraum angesehen werden könne. „Denn wenn tatsächlich, wie bis jetzt angenommen wird, auch bei katarrhalischem Hustenstoß der Pleura- druck niedriger wäre als der Druck in der Trachea, so müßte man sich wundern, daß nicht bei jedem irgendwie erheblicheren Husten jedesmal eine Lungendehnung sich ausbildet.“ Auch hier ist dem Pleuradrucke eine Rolle zugewiesen, welche ihm in Wirklichkeit nicht zukommt. Es gilt hier ebenso wie bei den vorhin besprochenen Verhältnissen, daß der intrapleurale Druck nur in sekundärer „passiver‘“‘ Weise hervorgerufen wird, daß er aber bezüglich Kompression der Lunge usw. keinerlei aktive Wirksamkeit ausüben kann. Die Ursache, warum bei Husten usw. für gewöhnlich keine Lungen- dehnung sich ausbildet, liegt im Widerstand des knöchernen Thorax im Verein mit den Exspirationsmuskeln; hierdurch wird einer abnormen Aus- 390 Ep. REICHMANN: EXPEKTORATION UND INTRAPLEURALER DRUCK. dehnung der Lunge entgegengearbeitet, nicht aber durch den Pleuraraum. Als Beweis für diese Behauptung kann ich diejenigen Fälle von Lungen- hernien anführen, welche auf traumatischem Wege ohne Verletzung der Hautpartien, des knöchernen Thorax und der Pleura zustande gekommen sind, wie ein solcher erst kürzlich von Germer! beschrieben worden ist, in denen also die intakte Pleura nicht verhindern konnte, daß eine über- mäßige Dehnung der Lunge an der befallenen Stelle eintrat. Wenn aber die Pleura bei einem Hustenstoß einreißt, so tritt bekanntlich die Luft aus der Lunge in den Pleuraraum über — ich erinnere hiermit zum dritten Male an dieses Beispiel, da weder Aron noch Sihle darauf eingingen — als Beweis dafür, daß der Pleuradruck keine Kompression der Lunge beim Husten verursacht und auch nicht verursachen kann. | Schließlich sei mir nochmals der Hinweis darauf gestattet, daß der Pleuraraum als solcher in Wirklichkeit normaliter überhaupt nicht existiert, da ja die beiden Pleurablätter in der Norm eng aneinander liegen. Somit kann schon aus diesem Grunde von einem — „aktiven“ — Pleuradrucke nicht die Rede sein und alle Behauptungen und Beweisführungen, welche den Pleuradruck als Ursache von Kompressionserscheinungen usw. bei der gewöhnlichen Respiration oder Expektoration zugrunde legen wollen, wie dies von Aron und Sihle geschehen ist, müssen schon aus diesem Grunde als unhaltbar angesehen werden. Diese Autoren haben, wie ich zur Genüge auseinandergesetzt zu haben glaube, einesteils Ursache und Wirkung gegen- einander verwechselt, andernteils dem Pleuradruck eine Rolle zugewiesen, die in Wirklichkeit den Exspirationsmuskeln und dem knöchernen Thorax zufallen muß. Bezüglich dieser Beurteilung des Pleuraraumes bzw. des Leugnens eines „aktiven“ intrapleuralen Druckes befinde ich mich in Übereinstimmung mit den Angaben von Roth?, welcher durch seine Versuche nachgewiesen hat, daß ein eigentlicher intrapleuraler Druck nicht als vorhanden ange- sehen werden kann, weil in der Norm infolge des Aneinanderliegens der Pleurablätter ein wirklicher Pleuraraum nicht besteht. Wenn von früheren Autoren ein intrapleuraler Druck gemessen worden ist, so haben diese nach Roths Ergebnissen bei dem Hineinschieben ihrer Instrumente zwischen die Pleurablätter künstlich die Adhäsion der letzteren gelöst und dadurch erst einen Hohlraum gemacht, in welchem sie die Druckmessung vor- genommen haben. ! Münchner med. Wochenschrift. 1906. Nr. 37. ?® Zitiert nach Hochhaus in Schwalbes Jahrbuch der praktischen Medizin. 1906, 8. 164. Über? die Wirkung des Yohimbin (Spiegel) auf den Herzmuskel. Von Franz Müller (Berlin). (Aus der speziell-physiologischen Abteilung des physiologischen Instituts zu Berlin.) (Hierzu Taf, XVI.) Das der Yohimbeherinde entstammende Alkaloid Yohimbin, über dessen Einfluß auf den Kreislauf und die Genitalsphäre an anderer Stelle! berichtet wird, beeinflußt in hohen toxischen Dosen auch die Herztätigkeit. Oberwarth? hat dies zuerst nach Injektion sehr großer Yohimbindosen gesehen. Kürzlich kam Kakowski? in einer unter Koberts Leitung angefertigten Arbeit auf Grund von Beobachtungen des im Williamsschen Apparat schlagenden Froschherzens zu dem gleichen Schluß wie Oberwarth. Die Verschlechterung der Herztätigkeit nach Yohimbin, welche sich im Sinken der geförderten Menge und Verlangsamung der Schlagfrequenz äußert, sei nicht von der Erregung intrakardialer Hemmungsapparate, sondern von der Lähmung des motorischen Apparates bedingt. Für die therapeutische Anwendung des Mittels kommt diese erst nach schwerer Schädigung der Atmung eintretende Herzwirkung nicht in Be- tracht. Es haben sich aber bei der eingehenderen Beschäftigung mit ihr einige pharmakologisch interessante Tatsachen ergeben, die vielleicht auch für die Physiologie des Herzens nicht ohne Bedeutung sind. ! Archives internat. de pharmakodynamie. Vol. XVI. ® Oberwarth, Virchows Archiw. 1898. Bd. CLII. ® Archives internat. de pharmakodynamie. 1905. Vol. XV. p. 72. 392 FRANZ MÜLLER: Injiziert man einem Frosch — R. esculenta und temporaria verhalten sich prinzipiell gleich — 0-1 bis 0-28 des leicht löslichen Yohimbinum lacticum in die Bauchvene oder 1 bis 2=s in den Lymphsack!, so ist der Effekt äußerst gering (Herabsetzung der Frequenz von etwa 49 auf 47-5 pro Minute, ohne sonstige Änderungen der Herztätigkeit,. Die Frequenz kehrt bald zur Norm zurück. Dieselben Dosen erzeugen bei empfindlicheren Individuen, ebenso wie größere bei den erstgenannten stärkere und länger andauernde Verlangsamung (von 50 auf 43, von 55 auf 42 pro Minute), bei der eine stärkere Füllung der Kammer auffällt, noch größere Gift- mengen plötzlich eintretenden diastolischen Ventrikelstillstand, ohne daß zuvor Unregelmäßigkeiten beobachtet werden. Dabei schlagen Sinus und Vorkammer in gleichmäßigem Tempo mit oft nur wenig herabgesetzter Frequenz weiter. Die Folge ist hochgradige Stauung im Ventrikel. Beim höchsten Grade der Vergiftung stehen auch die Vorkammern in Diastole still, und nur der starkgefüllte Sinus schlägt noch in regelmäßigem, lang- samem Tempo fort. Die Erholung geht so von statten, daß, wie ja meist nach Schädigungen des Herzens, zunächst die Vorkammern vereinzelte Systolen ausführen. Diese werden häufiger, bis die Hälfte der normalen Frequenz erreicht ist. Erst nach den Vorkammern nimmt die Kammer unter Gruppenbildung ihre Tätigkeit wieder auf, indem eine immer sehr kräftige Ventrikelsystole, die den Inhalt restlos in die Arterien entleert, anfangs auf 5 oder 4, dann auf 3, endlich auf 2 jetzt fast normal frequente Atriumsystolen kommt. Diese Halbierung bleibt oft längere Zeit erhalten. Dann kehrt unter Gruppenbildung durch zuerst 2, dann immer zahlreichere Atrium-Ventrikelsystolen die normale Aufeinanderfolge zurück. Aber auch jetzt fällt noch hin und wieder eine Ventrikelsystole aus und die Frequenz bleibt im Vergleich zum unvergifteten Zustand ein wenig verlangsamt. Die beschriebene Giftwirkung verläuft in prinzipiell gleicher Weise beim schwach curaresierten Frosch mit bloßgelegtem Herzen, nach Atropinisierung, Zerstörung des Rückenmarks oder bei dem im Williamsschen Apparat schlagenden isolierten Organ. Die Wirkung ist also unabhängig von den extra- kardialen Nerven und den nervösen Hemmungsapparaten im Herzen und ist in vielen Punkten der kürzlich von Alcock und Meyer studierten Carpainvergiftung vergleichbar. ? ! Lösungsmittel: 0-7 proz., mit Leitungswasser hergestellte Kochsalzlösung. Die Lösungen wurden immer kurz vor dem Gebrauch frisch bereitet. Bei intravenöser Injektion wurden nur kleine Flüssigkeitsmengen verwendet und langsam injiziert, so daß der Füllungsdruck nicht wesentlich vermehrt wurde, Vorsichtsmaßregeln, auf die Straub (Archiv für exp. Pathologie. Bd. XLV. 8.351) noch besonders aufmerksam gemacht hat. ®? N. H. Aleock-und H. Meyer, Dies Archiv. 1903. Physiol. Abtlg. S. 225. WIRKUNG DES YOHIMBIN (SPIEGEL) AUF DEN HERZMUSKEL. 393 Die genauere Untersuchung des nach Engelmann an Vorkammer und Kammer suspendierten Froschherzens ergab nun zunächst, daß bei der durch kleine Yohimbindosen erzeugten Verlangsamung der Frequenz alle drei Herzabschnitte vollkommen regelmäßig weiterarbeiten und daß ihre Systolendauer völlig gleich ist. Es liegt also eine Hemmung der Reizerzeugung vor. Diese ist übrigens auch nach Anlegung der zweiten Stanniusligatur bei Vergiftung des wieder spontan schlagenden Ventrikels zu konstatieren. Etwas später als die Reizerzeugung, aber meist erheblicher als sie, wird die Reizleitung zwischen den verschiedenen Herzteilen in inhibito- rischem Sinne beeinflußt. Das zeigen die Kurvenbeispiele 1 bis 41, sowie die folgende Tabelle I. In ihr beweist eine Verlängerung des Intervalls As-V, (Beginn der Atriumsystole bis Beginn der Ventrikelsystole) die ab- solute Verlangsamung der Leitung zwischen Vorkammern und Kammer, während das Anwachsen des Verhältnisses zwischen diesem Intervall und der — die Schädigung der Reizleitung im Ver- p gleich zur Herabsetzung der Reizerzeugung demonstriert. (In diesen Fällen schlugen Sinus und Vorkammern gleich schnell). ganzen Herzperiode (4,) Tabelle T. . | | l | \ .=:8 | Frequenz | 4,—V, I | 2 Vorbehand- | 5 3 pro Minute yor| nach ZI | : | Froschart Ss: | | Bemerkungen = z lung = & | vor| nach | Vergiftung vor jnach|| = | | 3 Vergiftung | in Sekunden |Vergiftg.| 1aTemporaria 0-5®eCurare| 0-001 | 42 34 0-48) 0-43 [0-3 0-24| Kurven 1,2 ' 0.002 A| 11-16—1-20] 0-52) c | | | 0-8—0.9 | 0-35, Erholung Bi „, 0 0.001 61-541—430-19| 0-5 |0-2 .0-33|1-10’nachnj. | | | | | | ‚ 3a) Esculenta Tags zuvor | 10-0002) 50 ı 43 /0-.10 0-54 10-080-39| '/;-7 nach I b 1 Curare [10-0004 #0 | | 0-36. | )0-64| 3° nach II e 39 | 0-86 0566 „ U d 50 || 0-82 |0-68|20° „ U 4 Temporaria Rückenmark 0.0001 49 44 0-27 0-30. 0.220.22| Kurven 3, 4 | zerstört | Im Falle 1a sehen wir Frequenzabnahme ohne Zunahme von A-V;, in Fall 4 nehmen beide gleichmäßig ab, in den anderen Fällen ist die ! In den Figg. 1 bis 9 stehen die Schreibspitzen der zwei Hebel genau über- einander; alle Kurven sind von links nach rechts zu lesen. 394 FRANZ MÜLLER: JULUUUL u. Un 5 VS Normal Demporaria , Uran Ss ® NEN bel lage) | Bea Fig. 1. Fig. 2. Obere Kurve: Ventrikel. Mittlere Kurve: Atrium. Untere Kurve: Zeit in Sekunden. Originalgröße. Näheres Tabelle I Nr. 1a. ıS7 Sunshine AAAAAM A RANAANAAANAANAHA AAN ANA na nnnad Fig. 4. Obere Kurve: Ventrikel. Mittlere Kurve: Atrium. Untere Kurve: Zeit in Y/,. Sekunden. Originalgröße. Fig. 3 normal, Fig. 4 eine Minute nach der Injektion],von O+1feem !/o0oo Yoh. lact. Näheres Tabelle I Nr. 4. Der Pfeil auf Fig. 3 in der Atriumkurve bedeutet eine Schleuderungswirkung. WIRKUNG DES YOHIMBIN (SPIEGEL) AUF DEN HERZMUSKEL. 38395 Reizleitung verhältnismäßig stärker geschädigt als die Reizerzeugung. Fall3d zeigt dann noch das Andauern der Leitungsstörung, nachdem die Frequenz wieder normal geworden ist. Wird das Intervall A,-V, länger und länger, so kommt es zu mehr oder weniger langem Ventrikelstillstand, dessen Dauer bei kürzerem Still- stand immer ein ganzes Vielfache der gleichzeitigen Vorkammerperiode beträgt. So nimmt in Figur 5 (auf der folgenden Seite) das Intervall A, zu von 1-08” auf 1-15”, 1-20”, 1-20” Ber 0:3” . 0:50%,.0-56%, 0-65”. Die Pause dauert 4 4, (1-30”, 1-35”, 1-41”, 1-41”). Dabei ist die Stauung des Blutes im Atrium deutlich am Höherrücken der Kurvenfuß- punkte zu erkennen. Es folgt eine Ventrikelsystole (4-7, 0-74”, A, 1-41”) und (nicht mehr reproduziert) zwei Pausen von je 3 A,, die Ventrikelsystolen zeigen A,-7/, 0-82”, A, 1-41”. Nun setzt sofort Halbierung mit Ausfall genau einer Atriumperiode ein (Fig. 6), wobei der erste der zweigipfligen Ventrikelpulse, scheinbare Extrasystole, durch Stauung im Atrium hervor- gerufen ist (A,-V, 0-98” u. 1-00”). Bei der regelmäßigen Folge von Atrium- und Kammerpulsen am Ende von Fig. 6 ist zuerst A,-Y, 0-80”, A» 1-45” und bleibt so fünf Minuten hindurch, dann wird A,-V, 0:33”, 4A, 1-60”. Fünfzehn Minuten nach der Vergiftung ist 4,-V,, d. h. die Reizleitung, wieder normal (0-30”) geworden, während die Verlangsamung, die Hemmung der Reizerzeugung, fortbesteht (4, 1-47”). Oft wenn der Ventrikel nur ganz kurze Zeit stillsteht, treten während der Erholung bei stark verlängertem Intervall A,-V, (1-2” gegen 0-4”) Gruppen von 4, dann von immer mehr regelmäßigen Herzrevolutionen auf. In solchen Fällen ist das letzte Intervall A,-V, vor der Pause, die genau eine Herzrevolution beträgt, stets länger als innerhalb der Gruppen (1.2” gegen 0-9”) und die unbeantwortete Atriumsystole kommt dementsprechend später (A, 2-6” gegen 2-5”) (Fig. 7). Auch weiterhin ging hier jeder Pause ein allmähliches Anwachsen von A,-Y, voran. So betrug A,-Vs: 1-6”, 1.6”, Ausfall einer Systole, 1-0”, 0.8” elfmal, 1-0”, 1.2”, Ausfall einer Systole, 1-0”, 0-8” usf. Dabei waren die Systolenhöhen gleich hoch. Es scheinen hier also periodisch wiederkehrende Leitungsstörungen vorzu- kommen. Weitere Beispiele der Leitungsbehinderung zwischen Vorkammern und Kammer nach Aufhören des Ventrikelstillstands gibt Tabelle II und Fig. 8. In dieser beträgt: 4,-V, 1.1” gegen zuvor 0-4”, A,-4, 8-3”, V,-V, 17.0”, 16-2”, 15-3”, 8-0”. FRANZ MÜLLER: 396 ‘rouropytoa *, u -1yeds oynuıp 9uto “(gxo], oyars) G 'FIg uoA 94 Zunzps}ıoA "SOIXAT, sop ayıag OBLIOA OgaIs sOTyeN PEL "YOA suG-0 = -uaopunyog °%, ur 1oZ :oAımy 9loyun) "wnLYy :OAIny OXofIyLm 3317 Ur oIM AOL], 9q[osseT "PgQAS[BULSLIO 'ga1d m» 3.0 UA uonNolug yoeu Y1oJog -[OyLIuoA :9AIny 91990 VrmmanAnannnnEennRenAnAnAnAnnAnr 397 WIRKUNG DES YOHIMBIN (SPIEGEL) AUF DEN HERZMUSKEL. °(IO8] "TOR au E ae) sOpwegsjjigspoyLgugA Sop usIoyguy yoeu Zıny erwcodway, "zaouojy1oa 9%, mm uapunyag ur oz :eAıny 910juN) "wnLıy :oAımy Sdapygıpy ToyLIyuoA :oAıny P1qgO 8'311 PUTTIRTTTTITTORITORERITTTITE Sara. '4X9], WI GEE 'S Ay9IS BEIBTEN NR 'YOR zug Hu Zunyyrsro‘ yowu Sunjoyisg "erteıodurss, Vgoizfeustg "Uapunyag UI M9Z :9Aıny 9ıaguf "wmnLy :oAınyy oIpyyIm "ToytiyuoA :o9AImy 91gO "LA AA Rena SATT ANA UEINANDHLL In ti Al) era Du Sen VNA: FRANZ MÜLLER: 398 “opungg ?, aoqn 08 qarq PILg SEAL °N%L "YOR zu 8-0 UOA uoryolug 1osousAeıyur goeu uaynummy GT (q “uognumm 2 (® HTOLSTLULSLIQ "uapuanas Or), ur gIaZ OyLIuoA mOPuogeIsITIIs Tag “Yıoıy gm ToIs Snurg Jap UAUAP June “usAmywmıYy Z ‘OL "UA TOAS[eULSLIQ "8 "ISLA UOA SUnzpSoT 6 "LT Armen Aereananpe a el Free ee elle IT ne WIRKUNG DES YOHIMBIN (SPIEGEL) AUF DEN HERZMUSKEL. 399 Tabelle II. Yohymbin- | Dauer der 4,— v, 4,9, Froschart dosis | Ventrikel- | vor Vergif- Be der | Bemerkungen intravenös pause in Sek. Se Temporaria | 6"8imganzen 1a An - 0:85 101,12 162 | bei Halbierung om 1 8,477 01) 0-99—0-95 | bei Gruppen stehen still | Esculenta ne | 18 4% | 03 |! 0 bei 1:3 Thythmus | \ 0+5 bei Halbierung Fig. 8 enthält gleichzeitig eine Halbierung der Vorkammertätigkeit von 26 auf 13 Schläge pro Minute. In der Fig. 9, der Fortsetzung von 8, sehen wir dann den Ausfall einzelner Atriumsystolen. (4,-V,: 8.3”, 4:4”, 8.3”, 4-4”, 8.3”). Die Vorkammerkurven Fig. 10 a u. b, bei still- stehendem Ventrikel geschrieben, geben ein weiteres Beispiel von Vorkammer- halbierung, 7 und 15 Minuten nach intravenöser Vergiftung eines Esculenten- herzens mit 0-S”® Yohimbin lacticum. Wie beim Antiarin! und anderen Schädigungen des Herzens tritt diese Leitungsstörung zwischen Sinus und Vorkammer immer erst auf höhere Dosen oder später ein, als zwischen Vorkammer und Kammer. Es nimmt also auch beim Yohimbin „die Toxi- zität für die einzelnen Herzabschnitte von Ventrikel gegen die Hohlvenen zu kontinierlich ab“ (Straub). Die Art und Weise, wie Leitungsstörungen zu Halbierung und Gruppenbildung führen, ist von Straub bei der Antiarin- vergiftung, von v. Kries? bei den Versuchen mit partieller Abkühlung des Herzmuskels, und von Alcock und Meyer für die Carpainwirkung aus- führlich erörtert worden. Beim Yohimbin haben wir es wahrscheinlich, wenigstens in gewissen Stadien der Wirkung, mit Leitungsstörungen ohne Herabsetzung der Anspruchsfähigkeit (s. weiter unten), bei stärkerer Ver- giftung mit beidem zu tun. Dementsprechend wird man sich die Ent- stehung der Rhythmusänderung jeweils etwas verschieden zu erklären haben. Gegenüber Antiarin und Carpain ergab das Bild der Yohimbinwirkung beim Froschherz insofern Unterschiede, als vor Stillstand der Kammer keine Gruppen beobachtet wurden, die auf die Pausen folgenden Ventrikelpulse nicht höher, sondern eher niedriger ausfielen als bei regelmäßiger Auf- einanderfolge von Atrium- und Ventrikelsystole, und daß endlich die Gruppen nie von treppenartig anwachsenden Pulsen gebildet wurden. Schwerer festzustellen als die Leitungsbehinderung zwischen den Herz- abschnitten ist eine Leitungsveränderung im Kammermuskel selbst. ı W. Straub, Archiv für exp. Pathologie. 1901. Bd. XLV.. 8. 346. ® Dies Archiv. 1902. Physiol. Abtlg. S. 477. 400 FRANZ MÜLLER: Für eine Störung derselben unter dem Einfluß des Yohimbins könnte sprechen, daß allerdings nur bei hochgradiger Vergiftung mit langanhalten- dem Ventrikelstillstand der Punkt, an welchem die Elektroden der Kammer anliegen, trotz Vermeidung übermäßiger Stromstärken sehr bald lokale Kontraktion zeigt, die sich nicht in die Umgebung fortpflanzt, eine Er- scheinung, die ja auch sonst beim geschädigten Herzen bekannt ist. Der Wulst ist als weißlich verfärbter Strich sogar noch an der Kammer zu beobachten, die schon wieder seit längerer Zeit ihre spontane Tätigkeit auf- genommen hat. Wenden wir uns weiter zur Beeinflussung der Anspruchsfähigkeit unter dem Einfluß des Yohimbin: Am schlagenden Herzen ist diese bekannt- lich wegen der unter dem Einfluß von Systole und Diastole schwankenden Reizschwelle nur äußerst schwierig festzustellen‘. Ich habe daher nach wenigen unbefriedigenden Versuchen von der Erzeugung von Extrasystolen ‚durch Ventrikelreizung in einem bestimmten Moment der Diastole und Be- stimmung der wirksamen Reizstärke ganz abgesehen und nur am künstlich rhythmisch gereizten Ventrikel nach Anlegung der ersten Stanniusligatur oder an der abgeschnittenen Herzspitze gearbeitet. Als Stromquelle dienten Akkumulatorenbatterien mit 2 bis 6 Volt Klemmen- spannung. Zur Vermeidung von Änderungen in der Stromintensität wurde in den sekundären Kreis ein 100000 Ohm-Widerstand eingeschaltet und auch durch breite Berührung der Elektroden mit der Ventrikelwand dafür gesorgt, daß die Stromdichte sich nicht erheblich änderte. Der Ventrikel wurde ver- mittelst der von der Aorta aus eingeführten Doppellaufkanüle des Williams- Apparates zunächst etwa 20 Minuten lang bei minimalem Druck mit 0-7 proz. Kochsalzlösung (Leitungswasser) durchspült und der optimale Rhythmus und die Reizschwelle festgestellt. Dann folgte ohne Änderung des Druckes oder Sistierung der Durchspülung Umschaltung auf die Giftlösung, die mit Hilfe der gleichen Kochsalzlösung hergestellt war, und unter graphischer Registrie- rung die Ermittlung der Reizschwelle bei dem gleichen Rhythmus. Das folgende Protokoll und zugehörige Diagramm (Fig. 10a) eines derartigen Versuches zeigt nun, wie nach 20 Minuten währender Kochsalzspeisung An- spruchsfähigkeit und Zuckungshöhe — der höchste der Treppenpulse ist gemeint — etwas gesunken sind. Die folgende, 10 Minuten dauernde Spülung mit Y/,;oo Yohimbin erhöht die Anspruchsfähigkeit ein wenig, setzt dagegen die Zuckungshöhen stark herab. Das Bild bleibt unverändert, während der weiteren 25 Minuten der Vergiftung. Die Anspruchsfähigkeit ist selbst nach der nun folgenden, 23 Minuten dauernden Kochsalzspülung deutlich höher als im Anfang, die Systolenhöhe bleibt niedriger. Ver- ! Siehe Engelmann, Die bathmotropen Wirkungen der Herznerven. Dies Archiv. 1902. Physiol. Abtlg. Sep.-Abdr. 8. 5. WIRKUNG DES VOHIMBIN (SPIEGEL) AUF DEN HERZMUSKEL. 401 N / giftung mit Y/,o00 Yohimbin erhöht weiter die Anspruchsfähigkeit erheblich und vermindert die Zuckungshöhe. HH Zuckungshöhe des höchst. . Pulses der Treppefmm) Fig. 10a. Protokoll: Esculenta, Rückenmark zerstört. Stannius I, Doppellauf- kanüle in Ventrikel, Auslauf ganz frei, Ventrikel nicht gedehnt. Strom: 4 Volt. Sek. Kreis: 100000 Ohm Widerstand, Platinelektroden an Mitte der Kammer. 4 Sekunden Rhythmus. Reizschwelle Zuckungshöhe des, höchsten der Treppen- Rollenabstand "pulse (Vergrößerung Zeit wirksam unwirksam 1:20 etwa) | ner ungen mm | mm | mm | 12538° | 60-0 SE ae | ohne Spülung Bu 12 58 57.0 57-5 | >321:0 \ 125 40'—1#:0-7proz. NaCl Archiv f, A, u.}Ph. 1806. Physiol. Abtlg. Suppl. 26 402 FRANZ MÜLLER: Reizschwelle Zuekungshöhe des, 4, Molenastand ütisien der Tieppen Zeit wirksam junwirksam ° 1:20 etwa) Bemerkungen mm mm mm 1817 1] 59-0 60-0 | 20.6.0, y 3 3 60-0 61-0 19-1 Nee 14 60-0 61-0 18-7 soo Yohimbinum lacti- 165 58-0 59-0 17-5 rn 1 10 61-5 62-0 16-2 | 1 58 64-5 65-0 14-0 1135’—1®58':0-7proz. NaCl 203 670 68-0 12-0 | j an 69+5 70.0 11-8 | Be 2) 9. D . | a 5 5 1 | in Sa ne 000 Yohimbinum lacti- | | cum 2 12 | 73:5 740 10.0 | 216. | 21020 73-0 9.6 | 2 22 | 75-0 76-0 8.9 Wir haben also hier, wie auch in einem weiter unten folgenden Ver- such, zu dem die Figg. 13 gehören, die Kombination von positiv bathmotroper und negativ inotroper Wirkung, wie sie Engelmann an der spontan schlagenden Vorkammer in einigen Fällen von Vagusreizung konstatiert hat. Während er dort die Steigerung der Anspruchsfähigkeit nicht unbedingt durch primär bathmotrope Nervenwirkungen erklären konnte, da wahrscheinlich die durch eine wirksame Systole erzeugte Erregbarkeits- abnahme um so kleiner wird, je schwächer die Systole ist, die Erregbar- keitszunahme also sekundär durch die Abnahme der mechanischen Leistung bedingt sein konnte, scheint mir diese Annahme hier am künst- lich gespeisten und im 4 Sekunden-Rhythmus gereizten Ventrikel weniger wahrscheinlich. Näher liegt es, die Zunahme der Anspruchsfähigkeit und die Abnahme der Arbeitsgröße als zwei gesonderte, nicht in kausalem Zu- sammenhang stehende Giftwirkungen aufzufassen. Dafür spricht auch, daß Anspruchsfähigkeit und mechanisches Leistungsvermögen durchaus nicht dauernd in entgegengesetztem Sinne beeinflußt waren. So nahm ja die An- spruchsfähigkeit im Anfang des Versuchs bei Kochsalzspülung gleichzeitig mit der Arbeitsgröße ab, und das gleiche wurde unter der Einwirkung höherer Yohimbindosen beobachtet, wie das folgende Protokoll, die Fort- setzung des vorigen, zeigt (s. Tabelle nächste Seite). Das Resultat ist insofern interessant, als primär bathmotrope Wirkungen bisher selten beobachtet sind und hier besonders klar hervoriritt, wie von den verschiedenen Kardinalfunktionen des Herzmuskels eine Jede nach eigenen Gesetzen durch das Gift beeinflußt wird. WIRKUNG DES YOHIMBIN (SPIEGEL) AUF DEN HERZMUSKEL. 408 Reizschwelle \ Zuckungs- I . } . | . Zeit wirksam unwirksam höhe Bemerkungen mm mm | mm 23h 41 46-0 47 82 Pe E 2 46 45-0 46 8.2 oe 2 50 44-5 45 7.0 BE > Ys00 Yohimbinum laeticum 2 56 34-0 36 6-9 er 3 22.0 23 6-9 302 7-0 S 6-4 Der negativ inotrope Effekt des Yohimbins, d. h. Herabsetzung der mechanischen Leistungsfähigkeit, sowie Änderungen im Verlauf der Kontraktionen des Herzmuskels, treten in den folgenden Kurvenbeispielen (Figg. 11 bis 13) sehr deutlich hervor. Der Ventrikel des Tieres, dessen Rückenmark zerstört war, wurde nach Anlegung der I. Stanniusligatur in 4 bis 6 Sekunden-Rhythmus mit Hilfe . des Polyrheotoms am Pantokymographion gereizt. Der Rollenabstand betrug 1 bis 2”® weniger, als der Reizschwelle entsprach. In den sekundären Kreis waren wiederum 100000 Ohm Widerstand eingeschaltet. Zunächst wurde ohne Registrierung so lange gereizt, bis die Systolen nicht mehr zu- nahmen (2 Trommelumdrehungen von je etwa 26 Sekunden Dauer) und dann, ohne das Kymographion anzuhalten, 6 Zuckungen bei einer Trommel- umdrehung verzeichnet.!, Die Kammer wurde, wie vorher beschrieben, mit 0-7 proz. Kochsalzlösung. durchspült. Die Abnahme der Systolenhöhen ist daher zum Teil auf die schädigende Wirkung der nicht indifferenten Durch- spülungsflüssigkeit zu beziehen, doch erfolgt der Abfall unter dem Einfluß des Giftes erheblich schneller, als durch 0-7 proz. reine Kochsalzlösung. Auch Erstieckung, Kohlensäureanhäufung, wirkt negativ inotrop. Sie dürfte aber beim dauernd mit neuer Lösung durchspülten Herzen kaum in Betracht kommen. Der Herzmuskel wird bei der Vergiftung erheblich dehnbarer, so daß die Schreibspitze des Hebels nach jeder Trommelumdrehung stark gehoben werden mußte, um die Einzelzuckungen nahe beieinander wiedergeben zu können. Wir sehen nun in den Kontraktionen der Fig. 11 geringe Abnahme der Zuckungshöhe schon bei Vergiftung mit der Verdünnung !/, 00 stärkere Abnahme (!/,,) bei !/-s„, noch stärkere (*/, der ursprünglichen Höhe) bei soo. Dagegen sank die Anspruchsfähigkeit selbst bei !/,,, noch nicht merk- lich, auch die Latenzperiode blieb unverändert. Anders in der Fig. 12. Hier nehmen schon bei !/,,0o Verdünnung Erregbarkeit und Arbeitsgröße sehr schnell ab. Die Verlängerung der Latenzperiode ist selbst ohne Be- ! Es ist mir eine Freude, meinem Kollegen Dr. A. Bornstein auch an dieser Stelle für seine liebenswürdige Hilfe bei diesen Versuchen bestens danken zu können. 26% FRANZ MÜLLER: 404 (you Iyora aoygds YuypIazıoA yyoru “usjogskg auwyuods 9yToZulo1dA ‚SE ug Sig) "Zanyonz oyJunz pun oyıoıy "u9so] NZ sgu991 gosu syur ‘uogo gowu uayun uoA uopunyag 9z NOySıpurmyososssungerpuf] "wopunyog °Y/, ur graz, "OINIELU OSSIZzsSqY AOyOIO]S June dapueuraoqn Jeusıg SoOyds[ToFg yoınp (snwygAyy-uopunyag °/,F) exggosssunuyo "wm QF pumonep puegsgeusjjoy "Zunuuedsusurmojyyp oA F WJuomnasg 'aJlag PSFTIoA HgeIs Funupiougsysmsio‘ Op Sungwapsag -grouropgıoA °/, Jam) IL "SHE "IOEN "z0old,.0 emaN :034L 3 TAN i 3X v Y 13 ‚CI us SIQ us WAMY BR “IN . 7 * r 00OL/ .) . . - j) per 'yor + IDEN ZoadL-O :,LT 18 SIA ‚CS ul j! 6 iq Y G OF us SQ Iaus M9AInY ‘zoep yor %%, + IDEN 'zo1dL-0 :,8# us SIq 18 0% AS AU VEN IV VUUUU UV U VATI TV TUUNVUTVUVUN EU UN VUU VDE UT VE win ven EI EL I: a ee | ug stq 8Fug UaAıny per 'yor 9%, + IDeN 'zoidL-0 2,13 u€EStq ‚LF uZ > 40 RZMUSKEL. \ u GEL) AUF DEN HE DES YOHIMBIN (SPIE UNG RK Wu (uojogsÄg auryuodg :,1 mwN) "Bul (LI SE uT (HT osuagd u O2 EVA 3,SE GL (EL FT "a 83 "PA OAYOg UR ZI :,TC UST (ET au 08V 2,08 BT (ZT "uwguodg (II "u ZI "FU :CR usı (Ol O0 'VA 387 usl pun ‚BE nal (6 8 "um OR VE IE HB (L OWL 508 u8L (9 um OT Logan OEMSZRN :,83 „GI uoyuıs sppundgag “wqugop joytıguoy uwuods [IL "zZ :,23 ua (GC uojogsig ouryuods uoS[oy SUNZOYy AT :#8 ugI (pp oe yor 9 + Zunsg'f-[yeN uaqjosıop yıu Sungndsyoinq :0T ul ıq 88 usl (08 uEl) "um LE zog ‘Op SIPMUSZION :peuuon (S—1 ‚Sunyonz 99sg9as pun oyJung "IyoyLo ozyrdsqraugog op uoyonLIaggy Yoanp uaAıny Aop opyundemg 1oyep “trwqugop yoıgoqıs Sungyäror 10q pum Ziopgp “uoyun dyoIs *PuposydaMm puvgsqv -uojpoy "Funuuedsuswumapyy oA GE "nme uopunyag p :Sunzıomp *(IXOT, oyars) 11 "SL TOq OIM Sanupiouwsuonsio‘A WIUOMOSTT “grompopyIoa °/, me) Zr "dd FRANZ MÜLLER 406 alas mau "ag “© 85 “ 8 9IM O][Jg oprapa op “OL “ 87 R "HI ADPUE “u 95 : ZI "8 = gsnasuogreaguoy dopayo] “wgFonounggauns para aays ap 9“ 3 7; 29 “ ‘9 “ "83 ull (O1 85 ull (6 Cut @ :O0Lull :Zull (ee LNZNBAJUON OL MOL men (6) »z104 TEN, OP ALISZIONT ) ull (€ -OE ur opug "per 'yor 0%, um Sunpndsyoangg op uursag :,86 OT "wm r :ZRA um CH VO OTEAYOSZRY ",8Cy0L "IWULION (@ “1 -Zunyonz, Aorta sıq OoMmz "puwgsgeuajjoyy Aopupsıpom "Zunuuwdsuowmopyt OA S "zT pun 17 3817 Om Sanuprouwsqonsioy "B}UONosZ] c -(gIOmoTy13A °), Jue) EI "STE NER AA AV EN VERL Ve Va VELVET FE VERS EEE WIRKUNG DES YOHIMBIN (SPIEGEL) AUF DEN HERZMUSKEL. 407 rücksichtigung des durch nicht exakte Reizmarkierung gemachten Fehlers bei Vergleich der Normalsystolen 1 und 2 mit Systolen 14 oder 16 von Fig. 12 (beide Male leicht überschwellige Reize) mit bloßem Auge deutlich erkennbar. In dem zu den Kurven Fig. 13 gehörenden Versuch endlich stieg die Erregbarkeit anfangs bei Vergiftung mit !/,oo0 Yohimbin. Reizschwelle normal: R.-A, 45 um, Bw Minuten nach Vergiftung 72m, ” ” ” 65 ” 12 er er, M 65, Gleichzeitig sinkt die Zuckungshöhe beträchtlich unter Er- scheinungen lokaler Kontraktur. An einer benachbarten, sofort darauf gereizten Stelle ist zwar die Höhe normal, die Erregbarkeit sinkt indes jetzt rapide. An ihr und anderen, dann geprüften Stellen sind keine lokalen Kontrakturen bemerkbar, doch ist überall Reizschwelle und Zuckungshöhe erheblich gesunken. Ein Vergleich der Normalsystolen I und 2 mit Systolen Nr. 10 ergibt, daß die Latenzperiode von 0-26” bis auf 0-27” und bei jeder folgenden Reizung weiter auf 0-35”, dann 0.45” angestiegen ist. Endlich soll noch eine Beobachtung angefügt werden, welche zeigt, daß bisweilen am vergifteten Herzen Ausnahmen vom Alles- oder Nichts- Gesetz auftreten: Die isolierte Herzspitze schlug in einer Mischung von Frosehblut und 0-7 proz. Kochsalzlösung. Es wurde mit Hilfe des Polyrheotoms gereizt und die Kurven verzeichnet. Nach Vergiftung mit Y/,ooo Yohimbin in der gleichen Mischung sank die Zuckungshöhe nach 10 Minuten bei unveränderter Reizstärke bis fast zur Abszisse. Der Herzmuskel war sehr leicht ermüdbar und ergab nun bei wechselnden Reizstärken im 6 Sekunden- Rhythmus folgende Zuckungshöhen: N Erste Kontraktion bei Rollenabstand: 50 mm — 4.2"m Höhe. Zweite „” B) » 50 PRATER 1-2 ” „ Dritte 5 B ” 50 „ — 0-4, Vierte n ee - 30. — 1-1 „ Fünfte 5 % % 0 — Ih Im Gegensatz zum normalen Verhalten ist also hier der Reizerfolg von der Reizstärke abhängig.! Die Wirkung des Yohimbins auf das Herz des Warmblüters wurde, wie oben schon erwähnt, zuerst von Oberwarth? beobachtet. Er sah in seinen Blutdruckversuchen nach intravenöser Zufuhr von 1 bis 2°, oder bei subkutaner Injektion von 5 bis 6° pro Kilo starke Abnahme der Pulszahl, die weder durch Vagusdurchschneidung am Halse noch durch intravenöse Atropininjektion verhindert werden konnte. Die Tiere ’starben ! Bezüglich der Deutung s. die vorhergehende Arbeit von A. Bornstein. A580! 408 FRANZ MÜLLER: an Herzlähmung, wenn der Tod infolge der zuerst eintretenden Atem- lähmung mit Hilfe künstlicher Atmung verhindert war. Das isolierte Herz des Warmblüters verhält sich dem Yohimbin gegenüber sehr ähnlich wie das Froschherz. Derartige Versuche an nach Langendorff gespeisten Kaninchen- und Katzenherzen finden sich in Kakowskis Arbeit.! Er konstatierte nach kleinen Giftmengen (1:4 Millionen) nur Abnahme der Pulshöhe, nach etwas größeren auch Abnahme der Frequenz ohne Störungen des Rhythmus. Ich selbst beobachtete?, daß auch beim Warmblüter durch nicht sehr hohe Dosen außer der Reizerzeugung hauptsächlich die Kammermuskulatur und die Überleitung von Vorkammer auf Kammer geschädigt wird, wenig oder gar nicht dagegen die Vorkammer. Anders aber als beim Frosch- herzen sehen wir schon vor Eintritt des diastolischen Ventrikelstillstandes (Gruppen, der negativ inotrope Effekt ist beim Säugetier stärker ausgeprägt, und die auf Pausen folgenden Pulse sind höher als innerhalb einer Gruppe. Das Bild ist fast genau gleich dem der Carpainvergiftung und unterscheidet sich von der Antiarinwirkung nur durch das Fehlen der dort zum systo- lischen Stillstand führenden Kontrakturen. Ich kann mich daher kurz fassen und auf eine Beschreibung der Kurven 1a bis d der Tafel XVI be- schränken. Das Herz schlug in einem kleinen, von Brodie konstruierten gläsernen Durchspülungsapparat, in dem Druck und Temperatur viele Stunden hindurch fast absolut konstant erhalten werden können. Die Kontraktionen wurden mittels Häkchenschreibung von der Ventrikelspitze aus registriert. Die unter den Kurven der Tafel befindlichen Marken bedeuten Viertelminuten. Ihre Höhe gibt zugleich die geförderten Flüssigkeitsmengen an. Kurve la zeigt im Anfangsteil (links) die bei Speisung mit Lockescher Lösung vorher stundenlang (!) regelmäßige, normale Herztätigkeit. Es wird (siehe die Strich-Marken auf der Zeitkurve) 0-029 Yohimbinsalz während 1!/, Minuten bei einem Strom von 0.6 °“ pro Minute zugeführt (=1:500000), ohne daß Druck oder Temperatur sich irgendwie ändern. Daraufhin nehmen die Pulshöhen fortschreitend ab. 75 Sekunden nach Beginn der Vergiftung flimmert der diastolisch gefüllte Ventrikel, die Zuckungshöhen sind fast auf Null gesunken. Es wird frische Lockesche Lösung durch- gespült. Die Systolen nehmen unter Ausfall von zuerst 6, dann 3 Pulsen an Höhe zu. Es folgen längere Pausen mit fast normal hohen Systolen (auf Kurve 1b, der Fortsetzung von 1a). Nach 3!/, Minuten schlägt die ! ]oe. eit. ?® Diese Versuche wurden im physiologischen Laboratorium der Medical School for Woman in London unter T. G@. Brodies Leitung ausgeführt. Ihm wie Miss W.C. Cullis, Leeturer on Physiology am gleichen Institut, bleibe ich für ihre un- eigennützige Hilfe zu großem Danke verpflichtet. WIRKUNG DES VYOHIMBIN (SPIEGEL) AUF DEN HERZMUSKEL. 409 Kammer wieder regelmäßig, mit halber Frequenz und nun wieder niedrigeren Exkursionen. Wie beim Carpain überwiegt in diesem Fall bei Entstehung ‘der Vergiftung die negativ inotrope, bei fortschreitender Erholung zunächst die negativ dromotrope Wirkung. Nach erneuter Gruppenbildung bei fast normaler Zuckungshöhe schlägt nun die Kammer in alter Frequenz, aber die Systolen bleiben doch noch längere Zeit etwas niedriger als vor der Vereiftung. Kurve 1c der Tafel XVI zeigt die '/, Stunde später ausgeführte Ver- eiftung mit der gleichen Giftmenge, aber in doppelter Verdünnung (s. die Striche auf der Zeitkurve) und bei entsprechend doppelt solange dauernder Durchspülung mit der Verdünnung !/, Million. 1!/, Minuten nach Beginn werden die wieder normal hohen Zuckungen schwächer, 2 bis 3 Minuten nach Beginn sehen wir Gruppen von 6, 5, 4, 3, 2 Pulsen. Es wird mit frischer Lösung durchspült; das Flimmern hält nur ganz kurze Zeit an, es folgen wieder Gruppen und allmähliche Zunahme der Zuckungs- höhen (auf Kurve 1d, der Fortsetzung von 1c). Interessant ist, wie auch hier bei vorübergehend normaler Frequenz die Höhen nochmals abnehmen, um bei langsamerem Tempo sofort größer zu werden. In diesem Versuch hat also mechanische Leistungsfähigkeit und Frequenz ziemlich gleichzeitig ab- und zugenommen. Nach 4 Minuten ist die Frequenz regelmäßig, normal schnell, die Zuckung normal hoch (Kurve 1d). Bemerkenswert sind nur noch leichte Wellen in dem Gipfel der Kurve (1d) und wellen- fürmiges Zu- und Abnehmen der geförderten Mengen, was bei normaler Tätigkeit des Herzens oder nach anderen Vergiftungen von Brodie bisher nie beobachtet wurde. In anderen, hier nicht in Kurvenform wiedergegebenen Fällen, nahm ähnlich wie in Kurve 1a zunächst die mechanische Leistungsfähigkeit ab ohne Verlangsamung der Frequenz. Erst kurz vor Eintritt des Flimmerns wurden die Schläge seltener. Bei der Erholung war aber, ein wenig anders als in lb, die Frequenz schon wieder völlig normal, die Reizleitung also vollkommen wieder hergestellt, während die Systolenhöhe, die mechanische Leistungs- fähigkeit, noch eine Zeitlang stark unternormal blieb. Zusammenfassung. Yohimbin vermindert die Zahl der Kontraktionen aller drei Herz- abschnitte (negativ chronotroper Effekt). Die Reizleitung zwischen den ver- schiedenen Herzabschnitten wird verlangsamt (negativ dromotrope Wirkung). Dabei wird am intensivsten die Leitung zwischen Atrium und Ventrikel geschädigt. Auch die mechanische Leistungfähigkeit der Kammer wird in inhibitorischem Sinne verändert (negativ inotrope Wirkung). Beim Frosch 410 Franz MÜLLER: WIRKUNG DES YOHIMBIN (SPIEGEL) USW. überwiegt meist die negativ dromotrope, beim Säugetier die negativ inotrope Beeinflussung. Die Anspruchsfähigkeit ist in gewissen Stadien der Ver- siftung bei gleichzeitig herabgesetzter Arbeitsgröße erhöht (positiv bathmo- trope Wirkung), in höheren Stadien der Giftwirkung dagegen vermindert (negativ bathmotrop). Bei hochgradiger Vergiftung scheint auch innerhalb der Kammermuskulatur die Reizleitung von Zelle zu Zelle zu leiden. Wie durch Carpain, so werden auch durch Yohimbin die vier Kardinal- funktionen des Herzmuskels „der Zeit und Stärke nach jeweilig verschieden und voneinander unabhängig“ (Alcock und Meyer) und hier sogar zeitweise in entgegengesetztem Sinne beeinflußt, ein Resultat, das durchaus in Übereinstimmung steht mit der Engelmannschen Auffassung von der gegenseitigen Unabhängigkeit dieser vier Funktionen. Zum Schluß sei mir gestattet, Herrn Geh. Rat Th. W. Engelmann herzlichst für das Interesse zu danken, das er dem Fortgang meiner Ver- suche entgegengebracht hat. Ein Beitrag zur Kenntnis der Gefäßmuskulatur. Von Franz Müller (Berlin). (Aus der speziell-physiologischen Abteilung des physiologischen Instituts zu Berlin.) Während unsere Kenntnisse der Physiologie der glatten Muskeln sich auf Grund von Untersuchungen an Wirbellosen, sowie am Ureter, der Blase und der Darmmuskulatur von Wirbeltieren im Laufe der letzten Dezennien erheblich vermehrt haben!, hat der glatte Muskel der Gefäßwand der Säuge- tiere bisher nur in wenigen Fällen als Versuchsobjekt gedient, obwohl doch die an ihm gesammelten Erfahrungen, abgesehen vom rein muskelphysio- logischen Interesse, von unmittelbarer Bedeutung für Fragen der Kreis- laufslehre sind. So berichtet Bayliss? über onkometrische Versuche an entnervten Organen, bei denen auf die durch plötzliche Erhöhung des Aortendrucks hervorgerufene kurz dauernde Gefäßerweiterung eine Reaktion im entgegen- gesetzten Sinne — Verengerung der Strombahn — folgte, während bei schneller Senkung des Aortendrucks eine Dilatation die anfängliche Ab- nahme der Organvolumen ablöste. Kennte man bei diesen Versuchen noch den Einwand erheben, daß nicht Verengerung oder Erweiterung der Strom- bahn, sondern Erleichterung oder Erschwerung des Venenabflusses die gegensinnigen Volumänderungen bedingt haben könnten, so ist die Gefäß- erweiterung nach Drucksenkung, die Gefäßverengerung nach Drucksteigerung einwandfrei als muskulärer Regulationsmechanismus erwiesen durch die Tatsache, daß genau das gleiche Resultat von Bayliss an ausgeschnittenen ! Siehe Grützner, Die glatten Muskeln. Ergebnisse der Physiologie von Asher- Spiro. 1904. II, Abtlg. — Paul Schultz, Dies Archiv. 1903. Physiol. Abtlg. Suppl. Ss. 1—148. ? Journ. of Fhysiology. 1902. Vol. XXVIIIL. p. 220, 412 FRANZ MÜLLER: Arterien erzielt wurde. Diese Erklärung entspricht den Resultaten von Mac Williams! ausgedehnten Versuchen über den Einfluß der Spannung und Spannungsänderung auf die Länge ausgeschnittener, in Blut überlebend erhaltener Gefäße. Ganz kürzlich hat endlich v. Frey über Beobachtungen berichtet”, die OÖ. Meyer unter seiner Leitung an Arterienmuskeln angestellt hat, welche viele Tage lang (bis zu 10 Tagen) in Ringer-Lösung elektrisch erregbar erhalten werden konnten. Bei der allgemeinen Bedeutung solcher Versuche könnte man fast auf die Vermutung kommen, daß wohl eine größere Anzahl von Beobachtungen existieren, aber infolge unbefriedigender Resultate nicht publiziert worden sind. Gerade um zu zeigen, ein wie Jaunenhaftes und schwer zu be- herrschendes Versuchsobjekt der überlebend erhaltene Arterienmuskel ist, sollen die von mir gewonnenen Ergebnisse ganz kurz mitgeteilt werden. Versuchsanordnung: Die auf dem Schlachthof oder im Laboratorium sofort oder ganz kurz nach dem Tode entnommenen Gefäße? — Carotis, Jugularis, Art. coeliaca, renalis, V. portae von Rind, Kalb, Pferd, Hund — wurden in gut arterialisiertem Blut desselben Tieres oder in mit Sauerstoff ge- sättigter Ringer-Lösung aufbewahrt und nach Entfernung des fremden Gewebes so schnell als möglich zur Untersuchung benutzt. Die nicht ge- brauchten Stücke blieben in der Kälte. Zum Versuch wurde ein etwa 6 bis 10mm breiter Ring entnommen, aufgeschnitten und an 2 festen Serre-fines (Abstand im ungedehnten Zustand 10 bis 15"=) in Ringer- Lösung von konstanter Temperatur (35 bis 40°) versenkt.* Seltener wurde in feuchter Kammer gearbeitet. Die obere Klemme stand mittels Fadens mit einem sehr leichten und leicht beweglichen Schreibhebel in Verbindung, der die Längenänderungen des Muskels in 6- bis 17facher Vergrößerung auf dem langsam laufenden Kymographion verzeichnete. Die Flüssigkeit bedeckte gerade den Muskelstreifen und ließ die als Elektrode dienende obere Klemme frei. Die untere Klemme stand durch gut isolierte leitende Ver- bindung mit dem zweiten Pol der sekundären Spirale des Schlittenapparats in Zusammenhang. Als Stromquelle diente eine Akkumulatorenbatterie von 2 bis 8 Volt Klemmenspannung; der Rollenabstand betrug höchstens 25 ww. ! Proc. Roy. Soc. 1902. Vol. LXX. p. 109. Proc. physiol. Soc. 1906, Juni. ” Sitzungsberichte der phys. med. Gesellschaft Würzburg. 1905. 8. 11. ® Herrn Obertierarzt Bongert und Herrn Dr. Perkuhn, Assistent am patho- logischen Institut der Tierarzneischule, bin ich für ihr freundliches Entgegenkommen und ihre Unterstützung bei Beschaffung des Materials zu großem Danke verpflichtet. * Versuchsanordnung ähnlich der von P. Schultz. Dies Archiv. 1897. Physiol. Abtlg. Eın BEITRAG ZUR KENNTNIS DER GEFÄSSMUSKULATUR. 413 Schwächere Ströme hatten beim Arbeiten in Flüssigkeit keinen Effekt; die Notwendigkeit relativ so hohe Stromstärken zu verwenden, erklärt sich eben aus der durch die Flüssigkeit gegebenen Nebenschließung. Die in der feuchten Kammer verwendeten Stromstärken waren dementsprechend weit geringer. Bei Einzelreizen war Öffnung bzw. Schließung abgeblendet, bei intermittierender Reizung wirkte der Wagnersche Hammer als Unterbrecher. Die Belastung betrug 10 bis 508. Nachdem die Temperatur sich längere Zeit konstant gehalten hatte und der Muskel seine Länge nicht mehr erheblich änderte, wurde unter dauernder Sauerstoffzuleitung mit dem Versuch begonnen. Es sei gleich hier bemerkt, daß trotz Verwendung ganz frischen Materials von anscheinend gesunden, nicht zu alten Tieren, Aufbewahrung im Eisschrank und Verwen- dung von Ringer-Lösungen verschiedener Zusammensetzung! die Muskeln nie länger als höchstens 4 Tage elektrisch erregbar erhalten werden konnten. Die Form der Zuckungskurve: Wie von verschiedenen Autoren ausführlich erörtert?, wechselt die Form der Zuckungskurve des glatten Muskels sehr erheblich, je nach dem Kon- traktionszustand, der Spannung, Temperatur und Art des Reizes. Auch beim Ringmuskel der Arterie ist nur die eine Erscheinung konstant, daß bei isotonischem Regime die Crescente viel kürzer ist als die Decrescente. Kurven mit gleichschenkligem An- und Abstieg sah ich nach elektrischer Reizung nie. Sonst ist das Aussehen der Zuckung aber sehr verschieden. Im allgemeinen wird der Anstieg um so steiler, je größer die Reizstärke, die Erschlaffung erfordert um so mehr Zeit, je kleiner die Belastung. Meist ist der Öffnungsinduktionsstrom wirkungsvoller als der Schließungsschlag. Die Form der Zuckung entspricht im letzteren Fall der durch einen schwachen Öffnungsschlag ausgelösten. Die beifolgenden Figg. 1, 2 geben Beispiele des Zuckungsverlaufs von einem kurz nach dem Tode untersuchten Carotis-Stück. Trotz der starken Belastung ist die Kurve sehr lang gestreckt, vornehmlich infolge der lang- gezogenen Decrescente, die 30 bzw. 20 mal länger ist als der Anstieg, während dies Verhältnis im allgemeinen bei glatten Muskeln 1:5 bis 6 ! Lösung 1a: 0-9proz. NaCl purissimum (Kahlbaum), 0-042proz. KCI purissi- mum (Kahlbaum), 0-024proz. CaCl,. Kurz vor Gebrauch dazu 0-02proz. NaHCO,. Lösung Ib: Dasselbe mit gewöhnlichem Kochsalz. Lösung Ic: 0-7proz. NaCl, 0-03proz. KClI, 0-03proz. CaCl,, 0-6proz. N,CO,. Alle Lösungen mit und ohne O0-1proz. Glukose. ® Biedermanns Zlektrophysiologie. — W. Straub, Pflügers Archiv. 1900. Bd. LXXIX. 8. 379. — Paul Schultz, loc. cit. — Mislawsky, Zeitschrift für allgemeine Physiologie. 1906. p.1. 414 FRANZ "us 0C FUNYST[OT “407ST[Pq y4g Jos ‘pur woA Sıo1MeN © — x x = 39 098 1 _ [e 0) » o © >) e ; & NS u © > = on [3 = [> ua D un dr u © = [m en ©: :: a = + BE ss u! m > R Se 1) ml ; > 5 I} = = [e-) ie B © It tn ni "YpueIgqdsgqe Sungamgog Zunuyg "9:7 SUnIagg1s.ro‘ "Ppaspgasgqe Sunuygo “Fungargog ‘gjoA 8 Sunauedstowwol] 0 .:V-:U MÜLLER: beträgt. Im einzelnen beträgt in Kurve 1 die Latenz 3”, der Anstieg 54”, das Plateau 16”, der Abstieg bis zum Schnittpunkt mit der Abszisse 27’ 10”, in Kurve 2 die La- tenz 5”, der Anstieg 40”, der Abstieg bis zum Schnittpunkt mit der Abszisse 12’50”. Kurve 1 dauerte im ganzen 281/, Minuten, Kurve 2 dauerte im ganzen 13!/, Minute. Ein refraktäres Sta- dium scheint der Ar- terienmuskel nicht zu be- sitzen. In jedem Punkte des Kontraktionsablaufs konnte ein Reizeffekt erzielt werden, der um so stärker war, je näher zum Gipfel während des An- stiegs gereizt wurde. Als äußerst ‚störend für die Beobachtungen erwiesen sich die auf den Öffnungs- schlag auch bei nicht stark überschwelligen Reizen ein- tretenden Dauerkontraktionen (Figg. 3, 4). Der Anstieg ver- lief in diesen Fällen zunächst etwas steiler, als bei Kurven- form 1, 2, und ging dann in im einzelnen verschiedener Art in dauernden Tonus über. — Mehrere kurz hintereinander folgende Öffnungsschläge sind wirkungsvoller alseineinzelner, wenn auch stärkerer Schlag (Mislawsky, Schultz), doch sah ich gerade dann oft Dauerverkürzung (Fige. 5, 6). Die Form der Tetanuskurve entspricht der anderer glatter Muskeln: EIN BEITRAG ZUR KENNTNIS DER GEFÄSSMUSKULATUR. 415 Sie setzt sich zusammen aus einem sehr steilen Anstieg, kurzem Gipfel, steilem Abfall, der aber bald in den langgestreckten, sich nur allmählich der Abszisse nähernden asymptotischen Teil fortsetzt (Figg. 7 bis 10). Die LAAAAAAAAARLALRUEAALLRLUAALLRANLALANLAD ALLAN LALELADNANLLLUUAALAIGRLNIALLAAEAELLUDD RA LLLLNLANNNLN: Fig. 3. Carotis vom Rind. 2® post mortem. Belastung 15®’"=”, Ringer Ia. Klemmenspannung Ss Volt. R.-A. 25=® (R.-A. 50 ohne Wirkung). Vergrößerung 1:6. Zeit: 5 Sek. T. 37-5° Öffnung, Schließung abgeblendet. ENTTITSIEITENITETENEEINSIEILIO REIS ISTNIN Fig. 4. Carotis vom Rind. 4 Tage post mortem. Belastung 50®'=, Ringer Ia + 0-1 Proz. Traubenzucker. Klemmenspannung 8 Volt. R.-A. 0. T. 38-0°. E Vergrößerung 1:16. Zeit: 5 Sek. Öffnung, Schließung abgeblendet. ER En re Fingern, Fig. 5. Fig. 6. Jugularis vom Rind. Ringer Ia. Belastung Carotis vom Rind. 1 Tag post mortem. 15®=, T.36-0°, Klemmenspannung 8 Volt. Ringer Ia+ 0-1 Proz. Traubenzucker. Be- R.-A. 0. Vergrößerung 1:6. Zeit: 5 Sek. lastung 15 ©”. Klemmenspannung 8 Volt. s Offrungen, Schließung abgeblendet. R.-A. 0. Vergrößerung 1:6. Zeit: 5 Sek. 6 Öffnungen, Schließung abgeblendet. Länge dieses letzten Abschnitts hängt von der Belastung ab, sie ist kleiner bei großer, größer bei kleiner Last. Sind die Ermüdungserscheinungen beim glatten Muskel im 416 FRANZ MÜLLER: Fig. 7 (auf !/, verkleinert). Carotis vom Rind. 2" post mortem. Ringer Ia-+ 0-1 Proz. Traubenzucker. Belastung 158m, Klemmenspannung 7 Volt. R.-A. 25" =. Vergrößerung 1:16. T.34-9°, Zeit: 5 Sek. Tetanisiert bis zum dauernden Absinken. una ENRUULEN RER UNURILENNEH nat! ARIINIESITRETTEEATRRRSENTTERSPFERREIPTTNTE u a m Fig. 8 (auf '/, verkleinert). Wie Fig. 7, aber Belastung 50:’=. T.36-8°. | FANAnnEAnaEAR OR RaAnnAannnnnsHAHNALNAANAAAAENRANKANEARNNNR.Nn. a ; 7 i 1 AUT nn I Fig. 9. Jugularis vom Rind. Ringer Ia. Belastung 15®”, Klemmenspannung S Volt. R.-A. 0. Vergrößerung 1:6. T.36-0°. Zeit: 5 Sek. Tetanisiert 5 Sekunden lang. Eın BEITRAG ZUR KENNTNIS DER GEFÄSSMUSKULATUR. 417 allgemeinen schon äußerst störend, so ist diese Gefahr beim ausgeschnittenen Arterienmuskel trotz dauernder Sauerstoffzuleitung besonders groß und erschwert das Arbeiten ungemein. Stücke, die 1 bis 4 Stunden nach dem Tode untersucht wurden und bis dahin im arterialisierten Blut in der Kälte gelegen hatten, zeigten bei in großen Zwischenräumen (30 bis 40 Minuten AAEEUNDBDUNLLULNAUDAANAALLLILLIILULMALLLLLUNLLHNS UN SEE ELDELEELDDDELTERIEITE DILL IL DE DENE DUIDOUDDDEN SEEN) M INN. ©) Fig. 11. Carotis vom Rind. 48® post mortem. Belastung 15°”. Ringer Ia. + 0-1 Proz. Trauben- zucker. Klemmenspannung” Volt. R.-A.0. Vergrößerung1:6. Tetanisiert, bis Kurvesinkt. Fig. 10. Unvergiftet. T. 38-9° bis 39-0°. Fig. 11. 1® in 0-05 proz. Atrop. sulf. in der gleichen Ringerlösung. T. 37-5°. und länger) aufeinanderfolgenden Einzelreizen mit nicht zu starken Strömen schnelle Abnahme der Erregbarkeit und der Zuckungshöhe, Zunahme der Latenz und des asymptotischen Teils der Decrescente. Die reproduzierten Kurven stammen daher, um diese Ermüdungssymptome zu vermeiden, von Muskeln, die vorher nicht elektrisch gereizt waren. Der Einfluß von Giften: I. Adrenalin. Zur Feststellung des Angriffspunktes eines Vasomotorengiftes begnügte man sich früher mit der Entscheidung, ob das Gift zentral oder peripher wirke. Zurzeit ist man bemüht, die Analyse weiter zu führen. Vor allem auf Grund der Arbeiten englischer Autoren steht jetzt die Frage nach der Wir- kung auf verschiedenartige Teile der Gefüßwand sowie nach dem Grund Archiv f,A.u.Ph. 1806. Physiol. Abtlg. Suppli. 27 418 Franz MÜLLER: der verschiedenartigen Wirkung in verschiedenen Gen im Vorder- grund des Interesses. So bewirkt Adrenalin intravenös gegeben nur in den vom Bauch- sympathikus innervierten Gebieten, nicht in den von den anderen Abschnitten des autonomen Systems versorgten Verengerung!, und Chrysotoxin? lähmt die motorischen Fasern nur des zuerst genannten Bezirks. Diese, sowie weitere mit Nikotin oder Curare gemachte Erfahrungen? führten dazu, eine in verschiedenen Muskelgebieten verschiedene spezifische Nervenendigung an- zunehmen, die nach Durchschneidung des Nerven nicht degeneriert, von der kontraktilen Muskelsubstanz selbst verschieden ist und den Angrifis- punkt für den lokalen elektrischen Reiz und für einige Gifte darstellt. IUATTITTEDDEDDSDDETDERERDITIDLLIERUDETENIG OD EDEN DL. Fig. 12. Carotisvom Rind. 2"post mortem. Ringer Ia +0-1Proz. Traubenzucker. Belastung 15:"”. Vergrößerung 1:16. Zeit: 5 Sek. Stark gedehnt. T. 34-2°,. !/, em Suprarenin !/,oo0 Auf 200 °® Lösung zugesetzt. Im Gegensatz dazu hat nun OÖ. Meyer unter v. Freys Leitung* beim überlebenden Arterienmuskel gewisse Unterschiede zwischen elek- trischer Reizung und Adrenalinwirkung beobachtet, und v. Frey spricht daraufhin die Vermutung aus, daß Gift und elektrischer Reiz auf ver- schiedene Teile der Gefäßwand wirken. So fand Meyer, daß die durch Adrenalin erzielte Verkürzung des isolierten Gefäßmuskels flacher verläuft, als bei elektrischer Reizung. Während diese in 3 bis 6 Minuten den Gipfel erreiche, dauere es bei Adrenalin 10 bis 20 Minuten und länger. Auch die Erschlaffung verlaufe hier bedeutend langsamer und sei von der Span- nung wenig oder gar nicht abhängie. ! Lewandowsky, Dies Archiv. 1899. Physiol. Abtlg. S. 360. — Langley, Journ. of Physiol. 1901. Vol. XXVII. p. 237. — Elliott, ebenda. 1905. Vol. XXXII. p- 401. ® Dale, Journ. of Physiol. 1906. Vol. XXXIV. p. 163. ® Langley, ebenda. 1890. Vol. Xl. p. 147; 1901. Vol. XXVI. p. 224; 1906. Vol. XXXIII. p. 374. *A2,2.10. Eın BEITRAG ZUR KENNTNIS DER GEFÄSSMUSKULATUR. 419 Diese Unterschiede konnte auch ich oft konstatieren.! Meist erzeugte Adrenalin eine sanft an und absteigende Kurve (Fig. 12), doch war das nicht ıegelmäßig der Fall. Bisweilen steigt die Adrenalinkurve kaum weniger steil an (Fig. 13) und erreicht den Gipfel kaum später, als die elektrische Zuckung desselben unermüdeten Stückes. Denn nur die Wirkung auf das gleiche Muskelpräparat glaubte ich vergleichen zu dürfen, da selbst Teile derselben Arterie ceteris paribus sehr verschiedenartige Zuckungskurven liefern. Die Länge der Adrenalinkurve scheint allerdings von der Spannung weniger, als die elektrische Zuckung beeinflußt zu werden, doch ist sie von ihr durchaus nicht unabhängig. OÖ. Meyer beobachtete weiter, daß die elektrische Erregbarkeit beim Absterben des Arterienmuskels erheblich später erlischt, als die Reaktion auf Adrenalin. Übereinstimmend damit erzielte auch ich bisweilen schwache, aber deutliche oder sogar stärkere Öffnungs- zuckungen und Tetanuskurven bei Ausbleiben der Adrenalinverkürzung. Doch war dies Re- sultat bei mir durchaus nicht die Regel. oft erzeugten die stärksten Ströme ebenso wie VEHÄRAAARNIARALLIRÄNLLAA AANELAN, eine sicher ausreichende Menge gut wirksamen ER Adrenalins nur schwache Verkürzung, oft ver- sagten beide schon 1 bis 2 Tage nach der Fig. 13. Entnahme, oft auch fehlte die elektrische Anderes Stück derselben Arterie Erregbarkeit und die Adrenalinverkür- an en Den ; urz danach. Ungedehnt. zung trat noch, wenn auch schwach, ein. m, 38-50, Wenn Adrenalin versagte, erzeugte Chlorbaryum Alles andere wie bei Fig. 12. bisweilen noch eine langsam zunehmende Verkürzung. In diesen Fällen war der Muskel immer noch elektrisch erregbar. (Diese letzte Beobachtung entspricht den Befunden von Brodie und Dixon’, die bei Durchspülung isolierter Organe nach Lähmung der Gefäßnerven- enden mit Apokodein die Adrenalinwirkung vermißten, während Chlor- baryum wirkte.) Ammoniak erzeugt in kleinen Dosen Zunahme des Tonus des Arterien- muskels, im großen totale Erschlaffung (Fig. 14, hier bedeutet der Pfeil die Richtung, in welcher der Hebel künstlich verschoben wurde). Der so er- ! Es wurde meist Suprarenin (Höchst), seltener Adrenalin von Parke, Davis & Co. verwendet. Unterschiede in der Wirkung wurden nicht beobachtet. ® Journ. of Physiol. 1904. Vol. XXX. p. 476. 20% 420 FRANZ MÜLLER: schlaffte Muskel reagierte weder auf elektrischen Reiz, noch auf Chlorbaryum oder auf Adrenalin. An künstlich durchbluteten Organen hatte ich beobachtet!, daß Yohimbin während der Dauer der Adrenalinkontraktion Dilatation hervorbringt, und daß umgekehrt Adrenalin während der Yohimbinerweiterung gefäßverengend wirkt. Beim überlebend erhaltenen Arterienmuskel sah ich nun nach ein- bis zweistündigem Aufenthalt in Ringer-Lösung mit Yohimbinzusatz von Y/ 0000 eine geringe Abnahme der elektrischen Erregbarkeit, dagegen völliges Fehlen der Adrenalinwirkung. Waren die Stücke längere Zeit in Yohimbin- lösungen aufbewahrt, so fehlte die Anspruchsfähigkeit für beide Reize, auch Chlorbaryum war wirkungslos. 2 | (| | | ni Ian AU LE EN u Fig. 14. Carotis vom Rind. 24" post mortem. Ringer Ia + 0-1 Proz. Glukose. 158", Vergr. 1:16. Zeit: 5 Sek. T. 34-8°., Erste Marke: 0.2 = konzentrierte NH,-Lösung zu 40 °® Ringer. Zweite „, 0-4 „ a „ RR, Bo Dritte ss 0-9 „, „” ”„ 9» iD) Vierte ® Wiederholte Öffnungen und. "Schließ, en (8 Volt. R.-A 0). Fünfte , Tetanisiert. Sechste „ 1° = Suprarenin !/,ooo- Die mit Pfeilen versehenen Kurvenstücke zeigen die künstliche Verschiebung der Hebel an, zuerst von oben nach unten, dann viermal von unten nach oben. So sind also die Differenzen zwischen der Reaktion auf Adre- nalin und auf elektrischen Reiz zu wenig prägnant, um die Folgerung zu rechtfertigen, daß Adrenalin an anderen als den durch den elektrischen Reiz erregten Punkten der Gefäßwand seine Wirkung entfaltet. Die in diesem Sinne sprechenden Ergebnisse sind ferner zu inkon- stant, um als Beweise betrachtet werden zu können. ! Arch. internat. de pharmakodynamie. 1906. Eım BEITRAG ZUR KENNTNIS DER GEFÄSSMUSKULATUR. 421 ll. Atropin. Atropin erzeugt schon in Verdünnungen von !/, bis 1 pro Mille Er- schlaffung des isolierten Gefäßmuskels, wie sie auch Schultz bei stärkerer Konzentration am Magenring beobachtet hat. Er nimmt an, daß Pinseln mit 1 bis 5prozentiger Lösung zwar die nervösen Elemente im Muskel lähme, den Muskel selbst aber völlig unberührt lasse. Demgegenüber erscheint bemerkenswert, daß schon ganz kurzer Aufenthalt in 0.05 bis O-1pro- zentiger Atropinlösung, abgesehen von einer Herabsetzung der Erregbarkeit für elektrischen Reiz!, regelmäßig eine charakleristische Änderung der Zuckungskurre erzeugt. So sehen wir in Fig. 11 (s. S. 417), die nach einstündigem Verweilen in O-1prozentiger Lösung unter sonst genau den gleichen Bedingungen und am gleichen Objekt wie Fig. 10 erhalten war, die Form der Tetanuskurve in dem Sinne geändert, daß die Erschlaffung verzögert wird und dauernder Tonus auf den ersten Anstieg folgt. Nach Schultzs Auffassung ist dies ein myogener „Substanztonus“, der nach Atropinisierung noch erhalten bleibt, wenn der durch „neurogenen Tonus“ hervorgerufene Rhythmus beseitigt ist, eine Angabe, deren allgemeine Gültigkeit allerdings von Grützner und Mislawsky bestritten wird. Wir haben jedenfalls bei Vergleich des nicht atropinisierten mit dem atropini- sierten Arterienmuskel eine Änderung in diesem „Substanztonus“ zu ver- zeichnen, eine Beohachtung, die meines Erachtens wenigstens kaum anders gedeutet werden kann, als daß Atropin selbst in relativ kleinen Dosen die kontraktile Substanz des Arterienmuskels beeinflußt. Nebenbei sei noch erwähnt, dass nach Atropin entgegen dem gewöhn- lichen Verhalten der Schließungsschlag noch wirksam war, wenn der Öffnungsschlag keine Zuekung mehr hervorrief. Spontane Kontraktionen: Glatte Muskeln geraten bekanntlich leicht in spontane Zuckungen. Vom Arterienmuskel aber betont von Frey? ausdrücklich, daß er „niemals spontane Bewegungen rhythmischer oder auch unregelmäßiger Art beob- achtet habe, gleichgültig für welche Temperatur und Spannung die Ein- stellung ins Gleichgewicht erfolgt sei“. Um so überraschender war die tolgende Beobachtung, die durch Figg. 15 bis 18 belegt ist: Sie wurde an einem Stück Karotis vom Rind gemacht, das etwa 14 Stun- den nach der Entnahme auf Einzelreiz Kurven, at den unter Nr. 1 und 2 abgebildeten, geliefer thatte.e Nach Zusatz von !/,go0u Yohimbinum lacticum änderte sich die durch den Öffnungsschlag ausgelöste Zuckung ein wenig » ' Siehe auch Grützner, Ergebnisse. 1904. S. 59; Mislawsky, a.a. O. ®2 A.2.0. S. 13 unten. FRANZ MÜLLER: 422 Fig. 15 (auf */, verkleinert). {5} Carotis vom Rind (10 ®= langes Stück). Zeit 2 Sek. Vergr.1:6. 2 Tage post mortem. 508". T.38-8° bis 38-5°. Von 11" 34 bis 1® 48’ beobachtet. Fig. 16 (auf */, verkleinert). Wie Fig. 15, ein Tag darauf, 3 Tage post mortem. Seit 30’ mit 50em belastet. Vormittags. T. 36-1° bis 359°. IN TTEITETTIEREINERTTAETIERIEETTEERTESTREETOETITONeRENAMmEETEneRTEEEEeTEeSURTeZETTeTeTENGERTETTERRTTTENTARRTENTTERRTETTTITENETTENTERATTFATTEETTTITTITTTTTeT TTTTIITTITSTIITTETETTTTTSTTETTTERTORTTDT AITIEPRTTITTIIEREREEEEEEENTREETTeRETEee Teen TeeTTeTeemaeTmeTeeRemmTEermme Tem Fig. 17 (Originalgröße). Wie Fig. 16. Nachmittags. 50°". T. 37-2°, Fig. 18 (auf ®/, verkleinert). Wie Fig. 17, kurz danach. 208". T.37.2°. Eım BEITRAG ZUR KENNTNIS DER GEFÄSSMUSKULATUR. 423 im Sinne stärkerer Dehnbarkeit des Muskels. Nach etwa einstündigem Verweilen in der Giftlösung wurde das Stück über Nacht in der Kälte in mit Sauerstoff gesättigter Ringerscher Lösung aufbewahrt. Am nächsten Morgen nun, dem zweiten nach der Entnahme, zeigte es bei der gleichen Belastung (50 ?), wie Tags zuvor, das durch Fig. 15 illus- trierte Verhalten: Stundenlang erfolgten rhythmische Zuckungen von nicht ganz genau gleicher Dauer bei langsam zunehmender Verlängerung des Präparats. Die Wellen blieben bestehen, wenn die Sauerstoffzuleitung unterbrochen und jede Erschütterung im Zimmer vermieden wurde, wenn das Kymographion im verschlossenen Raum ohne Aufsicht weiterarbeitete. Ein zweites Stück der gleichen Arterie, das in der gleichen Ringerlösung aufbewahrt, aber nicht Tags zuvor mit Yohimbin in Berührnng gekommen war, zeigte keine spontanen Bewegungen. Nachdem das erste Stück über Nacht wiederum in der Kälte in frischer Lösung aufbewahrt war, dauerten die Zuckungen am zweiten Beobachtungstage, dem dritten nach der Ent- nahme, an, (Fig. 16), wurden am Nachmittag bei 50g Belastung schwächer (Fig. 17), aber bei 20 g Last wieder deutlich (Fig. 18). Am vierten Tage post mortem waren sie verschwunden, doch erfolgte auf Öffnungsinduetions- reiz keine Einzelzuckung, es schlossen sich vielmehr an den ersten Anstieg der Kurve mehrere spontane Kontraktionen bei langsam fortschreitender Erschlaffung an. Trotz mannigfacher Variationen der Versuchsbedingungen, Änderung in der Zusammensetzung der Ringerlösung, Untersuchung verschiedenartigen Materials, hatte ich nicht wieder Gelegenheit, ausgebildete spontane Kontrak- tionen zu beobachten, so daß die Prüfung der Wirkung des Atropins (Schultz), Cocain (Mislawsky) u. a. m. auf den Rhythmus vereitelt wurde. Ebensowenig sah ich von Giften eine derartige Wirkung. (Pilo- carpin 0-01°/,, Cocain 1°/, usw.).. Nur Physostigmin (0-01°/,) bewirkte bisweilen außer starker Allgemeinverkürzung niedrige spontane Kontraktionen, die aber, was Stärke und Regelmäßigkeit betrifft, den beschriebenen nicht an die Seite gestellt werden können.! Die Beobachtung, daß der Gefäßmuskel spontane Kontrak- tionen auszuführen imstande ist, scheint mir für die Kreis- laufslehre nicht ohne Bedeutung zu sein. Bekanntlich sind am lebenden Tier örtliche, vom Blutdruck, dem Herzen, der Atmung und der Arbeit quergestreifter Muskeln unabhängige Schwankungen in der Gefäßweite ! Die Wellen entsprechen ungefähr denen der von Magnus in Fig. 22, Pflügers Archiv. Bd. CVIIL S. 31 abgebildeten Kurve des plexusfreien Katzendarmes nach Physostigminvergiftung. 424 FrANnZz MÜLLER: vereinzelt beobachtet worden, so an den Venen der Flughaut des Fledermaus- flügels!, an der Mittelarterie des Ohres und der Arteria saphena des Kaninchens, an der Schwimmhaut und den Mesenterialarterien des Frosches?. Engelmann sah an den Arterien der Schwimmhaut amputierter Froschfüße und denen der abgeschnittenen Membrana nictitans des Froschauges öfters „spontane“ oder nach Druck lange anhaltende periodische Kontraktionen.” Ferner haben Cohnheim und Roy vom Blutdruck unabhängige Volumschwankungen der Niere, sowie Roy große, langsam verlaufende Wellen der Milzvolum- Kurve beschrieben. Ähnliches habe ich selbst beim Studium der Yohimbin- wirkung auf die Blutströmung in der Niere gesehen*: periodisch sich wiederholende Zu- und Abnahme der Strömungsgeschwindigkeit in der Arteria renalis bei unverändertem Aortendruck. Man hat diese lokalen Pulsationen meist durch die Tätigkeit hypothetischer „peripherischer Gefäß- centra“ zu erklären gesucht und nur vereinzelt (Engelmann, Luchsinger) als Resultat rein muskulärer Regulation der Gefäßweite gedeutet. Nachdem nunmehr aber feststeht, daß die überlebenden (ganglienfreien) Arterien sich bei bestimmten Spannungsverhältnissen spontan verengen und erweitern können, sollte in der Kreislaufsphysiologie die myogene Natur der Schwankungen der Gefäßweite beim lebenden Tier mehr als bisher in Erwägung gezogen werden. Fragen wir weiter, welche Teile der Gefäßwand wohl die Eigenschaft der „Automatie“ besitzen, so ist in unserem Falle nicht zu entscheiden, ob „echt nervöse“ fibrilläre Gebilde zwei oder drei Tage nach dem Tode in Ringer-Lösung noch ihre Anspruchsfähigkeit und Leitfähigkeit für Reize bewahrt haben. Sicher ist nur, daß die Arterienwand der Carotis des Rindes und wohl auch die der anderen benutzten Gefäße keine Gang- lienzellen besitzt.” Die Mehrzahl der Autoren glaubt zurzeit an die Mög- lichkeit rein myogener rhythmischer Kontraktionen, und auch Sertoli® hat die von ihm noch 4 bis 5 Tage post mortem beobachteten Tonus- schwankungen des ganglienfreien Retractor penis in diesem Sinne gedeutet. Nur Schultz hielt sie für neurogener Natur, da er sie nach Atropin ver- schwinden sah, doch heben Grützner und Mislawsky, wie schon erwähnt, hervor, daß dies durchaus nicht immer der Fall ist. Im Hinblick auf die früher genannten englischen Arbeiten wird man heute ! Zusammengestellt bei Engelmann, Pflügers Archiv. Bd. LXV. S. 564 und Tigerstedt, Physiologie des Kreislaufs. 8. 441. ® Ebenda. 8.538 und Engelmann S. 565. ® Pflügers Archiv. Bd. II. S. 292; Bd. XXIX, S. 426. * Archiv. internat. de pharmakodynamie. 1906. Diagramm C. 5 B. Henneberg, Anatomische Hefte. LV. Abtlg. 1. Bd. XVII. 8.429. 1901. 6 Arch. ital. de Biol. III. p. 82. Eın BEITRAG ZUR KENNTNIS DER GEFÄSSMUSKULATUR. 425 die Frage vielleicht schärfer fassen dürfen. Die Fähigkeit spontane rhyth- mische Kontraktionen auszulösen ist danach entweder eine Funktion der kontraktilen Substanz des Muskels oder abhängig von im Muskel liegenden, nicht kontraktilen Elementen, welche noch nach Degenera- tion oder Lähmung der extramuskulär gelegenen fibrillären und der intra- muskulären zellulären nervösen Gebilde (inkl. Nervenendplatte) reaktions- fähig bleiben, mag man sie nun als myoneural junction (Elliott), receptive substance (Langley) oder ultraterminale Fibrillen (Apathy) auffassen. Während vieles dafür spricht, daß die bisher daraufhin geprüften Gifte die kontraktile Substanz des Gefäßmuskels nicht direkt angreifen, dürfte es zur Erklärung der spontanen Kontraktionen ausreichen, die Fähigkeit auto- matischer Pulsation als Grundeigenschaft des kontraktilen Gewebes anzu- sehen. Doch muß zugegeben werden, daß eine sichere Entscheidung über diese letzte Frage zurzeit noch aussteht. Zusammenfassung: Heben wir zum Schluß nochmals die gewonnenen Resultate hervor, so ergab sich, daß 1. der ausgeschnittene, überlebend erhaltene Gefäßmuskel unter ge- wissen Umständen spontane rhythmische Kontraktionen ausführt, 2. die Beobachtungen am ausgeschnittenen, überlebenden Gefäßmuskel zu inkonstant sind, um einen bindenden Schluß bezüglich des Angrifispunktes des Adrenalins an bestimmten Teilen der Gefäßwand zu gestatten, 3. Atropin schon in schwacher Verdünnung die kontraktile Substanz des Gefäßmuskels beeinflußt. Verhandlungen der physiologischen Gesellschaft zu Berlin. Jahrgang 1905—1906 IX. Sitzung am 2. März 1906. Hr. Ganzer (a. 6.) berichtet in seinem Vortrage: „Über physio- ogische Methoden am lebenden Zahn zum Studium der Schmelz- histogenese“ (mit Demonstrationen).! Vortr. geht von folgenden Voraussetzungen aus: Der junge, neugebildete Schmelz ist weich und schneidbar; erst im Laufe seiner Entwicklung geht er durch Ablagerung von Kalksalzen in das bekannte, harte Gewebe über, ohne das bisher eine scharfe Grenze zwischen beiden Gewebsabschnitten sichtbar gemacht worden wäre. Ein Hilfsmittel hierzu ist die physiologische Injektion, wenn folgende Vermutung sich bestätigt: Überschwemmt man den Organismus des Tieres mit einem Farbstoff, welcher in manche Ex- und Sekrete übergeht, so ist es mög- lich, daß dieser Farbstoff auch in den jungen Schmelz mit den ernährenden Säften eindringt. Unter keinen Umständen aber wird er den fertigen Schmelz erreichen, der ja in keinem Stoffwechselverhältnis zum Körper mehr steht. Diese Erwartung tritt in der Tat ein. Aus den Resultaten der Ver- suche lassen sich folgende Schlüsse ableiten: 1. Es findet ein lebhafter Stoffwechsel in dem jungen Schmelze statt durch: a) eine Saftströmung von den Schmelzbildungszellen aus zum jungen Schmelz. eine Saftströmung in umgekehrter Richtung. 2. Mit der Imprägnation des Gewebes mit Kalk wird es ein totes, d.h. es tritt aus dem Stoffwechselverhältnis zum Körper aus. 3. Junger und fertiger Schmelz gehen nicht mit glatter Grenze in- einander über, sondern mit einem gefransten Saum, der sich bei näherem Studium darstellt als eine Reihe von Leisten und Röhren, die vom fertigen Schmelz aus gleich einer Reihe Eiszapfen sich allmählich verjüngen, um sich schließlich in einzelne Kristalle aufzulösen. 4. Die Schmelzzellen liefern ein kalkhaltiges, wenn auch nicht kalk- reiches Produkt. Dasselbe wird durch die Tätigkeit der Schmelzzellen all- mählich mit löslichen Kalksalzen gesättigt, bis diese ausgefüllt werden. 5. Der Vorgang der Schmelzbildung ist ein doppelter, nämlich die Abscheidung einer weichen Masse, in welche sekundär Kalk eingelagert wird; nicht aber ein einfacher, indem etwa die Erhärtung nur durch Wasser- entziehung stattfindet, so wie es z. B. beim Chitin der Fall ist. ! Der Vortrag ist bereits erschienen im Anat. Anz. 1906. Bd. XXVIIl. 8. 436 ff. (op m VERH. DER BERL. PHYSIOL. GES. — GANZER. — OTTO ÜCoHnHEIM 427 6. Der Schmelz ist kein „Sekret“ sensu strieto, denn ein solches steht in keinerlei Stoffwechselverhältnis mehr zu dem Körper; andererseits ist er aber auch kein reines Umwandlungsprodukt der Zellen, denn es besteht eine scharfe Grenze zwischen dem Protoplasma der Ameloblasten und jungem und jüngstem Schmelz. Es handelt sich vielmehr um ein Zwischen- ding zwischen beiden, nämlich um eine Abscheidung in die Zelle hinein. Die Tätigkeit der Schmelzzellen würde also dahin zu präzisieren sein, daß sie in ihren Protoplasmaleib hinein ein Abscheidungsprodukt liefern, dieses mit Salzen imprägnieren und dadurch den Schmelz liefern. Ist diese Funktion der Zellen beendet, dann degenerieren sie und bilden das Schmelz- oberhäutchen. X. Sitzung am 16. März 1906. Hr. Orro ConxHeım (Heidelberg) (a.G.): „Über den Stoffverbr auch und die Wärmeproauktion bei der Verdauungsarbeit.“ Verf. hat im vergangenen Jahre! Versuche an einem ösophagotomierten Hund beschrieben, der scheingefüttert und dessen Stickstoffausscheidung bei Hunger und Scheinfütterung bestimmt wurde. Es ergab sich, daß die Stick- stoffausscheidung bei Scheinfütterung nicht größer war als bei Verdauungs- ruhe, obwohl bei der Scheinfütterung die Speicheldrüsen, der Magen, das Pankreas und der Dünndarm in Tätigkeit gerieten. Die Tätigkeit seiner Organe beansprucht eine ebensowenig vermehrte Eiweißverdauung wie die der Muskeln. Um diesen Schluß zu ziehen, war es nötig, auch den Gesamtumsatz des Körpers bei der Scheinfütterung zu bestimmen. Auf diese Weise konnte aber auch weiterhin ein Beitrag zu der einen Frage geliefert werden, wie groß dann die Verdauungsarbeit selbst und im Verhältnis zu den sonstigen Umsetzungen im Tierkörper ist. Speck?, Zuntz und v. Mering? und Magnus-Levy* haben in kurzdauernden Versuchen eine beträchtliche Steigerung des Sauerstöffverbrauchs durch die Nahrungsaufnahme gesehen, Rubner° hat aber gezeigt, daß diese Steigerung nicht auf die Verdauungs- arbeit bezogen zu werden braucht, weil die gesteigerte Nahrungszufuhr zu den Zellen auch ohne Verdauungsarbeit Änderungen im Stoffwechsel be- dingt. Auch für diese Frage war es interessant, die Verdauungsdrüsen ohne gleichzeitige Nahrungszufuhr arbeiten zu lassen. Die Versuche wurden im hygienischen Institut der Universität Berlin angestellt in dem Rubnerschen Respirationskalorimeter. Als Versuchstier wurde eine Hündin von 4-5 bis 5 ®® Gewicht mit einer Magenfistel am Rücken, einer Ösophagotomie und freigelegter Harnröhrenmündung. Es wurden ! Zeitschrift für physiol. Chemie. 1905. Bd. XLVI. 8.9. C. Speck, Archiv für exrper. Pathol. u. Pharmakol. 1874. Bd. II. Kery! Mering und N. Zuntz, Pflügers Archiv. Bd. XIV und XV. * A. Magnus- Levy, Ehenda. Ba. EV: 5 M. Rubner, Gesetze des Energieverbrauches bei der Ernährung. Leipzig und Wien, 1902. ww 423 VERHANDLUNGEN DER BERLINER zwei Versuchsarten angestellt (eine dritte mißglückte), in der ersten fanden sich zugleich Hunger und Scheinfütterung, in der zweiten Scheinfütterung und wirkliche Fütterung. Die Resultate sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt. Die Versuche dauerten je 3 Stunden. Am 30. und 31. Januar und 3. Februar wurde das Tier morgens hungernd, nachmittags nach vorheriger Scheinfütterung in den Apparat gesetzt, am 1. und 2. Februar war die Scheinfütterung morgens. In der zweiten Reihe wurde der Hund morgens bloß scheingefüttert, nachmittags scheingefüttert und ihm außerdem 50 2" feingeschabtes Fleisch in die Fistel gesteckt. Der dritte Doppelversuch der zweiten Reihe verteilte sich auf 2 Tage, an denen jeder der Hunde 5 Stunden im Kalorimeter war. In der darunter stehenden Reihe ist der Wert auf 3 Stunden berechnet. Die Scheinfütterung selbst außerhalb des Kalorimeters, in der Latenzzeit von 5 Minuten, die nach Pawlow zwischen Beginn der Fütterung und Beginn der Magensaftsekretion liegt. Von den Zahlen sind die für Kohlensäure ganz exakt, die für den Harnsticktstoff nicht auf Milligramme gemessen, da die Blase vor und nach dem Katheterisieren nicht ausgefüllt wurde. Die Wärmezahlen sind nicht genau, da aus der Ösophagusfistel Speichel nachfließen konnte. Infolge seiner Unsicherheit ist auch die direkte Kalorimetrie nicht verwertbar, die übrigens in der ersten Reihe einen steileren Anstieg der Wärmeproduktion bei Schein- fütterung erkennen ließ, als bei Hunger. Tabelle I. 1. Reihe. Hunger Scheinfütterung Datum | co, 0 | 8 co, H,0 N grm grm grm grm grm grm 30. I. | 12-690 | 35-82 0:125 | 13-744 | 41-51. | 0172 31. 1. 12-218 27-81 0-127 12-305 30-49 0-144 i. I. 10-672 29-53 0-.136 | 12-831 37-40 0.132 2.31: 10-296 27-34 0-200 || 11-362 27-14 0.211 8&]. 9.702 19-17 0.132 | 10-259 27-48 0-137 Durchschnitt | 11-116 | 27-93 | 0.144 | 12-100 | 32-s0 | 0.159 2. Reihe. Scheinfütterung | Wirkliche Fütterung Davsm co, H,0 N co, H,0 N grm grm gım grm grm grm 1. H. 11722 | 36-04 | 00-061 | 12-093 | 33-88 | 0+295 8. II. 10-926 | 38-76 | 0+145 11-458 33-21 0-331 9.10.11. | 17-507 | 34-61 0.221 17-678 | 37-66 0-412 9.110.11.3Std. | 10-508 | 20-77 0.132 | 10-607 22-60 0-247 Durchschnitt || 11-05 31-86 0-113 | 11-363 | 29-SS | 0.291 Aus den Zahlen für Kohlensäure und für Stickstoff berechnet sich der kalorische Wert mit Hilfe der von Rubner angegebenen Konstanten! wie folgt. ' M. Rubner, a.a. O. sowie Zeitschrift f. Biol. 1883. Bd. XIX. PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — HuGo MEIER UND BicKEL. 429 Tabelle I. 1. Reihe. Hunger Scheinfütterung Datum Aus Fett Aus Eiweiß Summa | Aus Fett Aus Eiweiß Summa Kal. | Kal. Kal. || Kal. Kal. Kal. 30, I. 38-6: |, Bel (Ale. | 10-6 4:3 44-9 Sılele 37-2 3-2 40-4 | 36-7 3:6 40-3 TER 31-5 3-4 34:9 | 39-9 3-3 42-1 2. IT. 28-2 5°0 33:2 | 31-4 5°3 36-7 BP SAm 28-4 3.3 31-7 || 30-1 34 | 3 Durchschnitt 32-8 36 | 364 | 355 40 39-5 2. Reihe. Scheinfütterung | Wirkliche Fütterung | Datum .., Aus Fett Aus Eiweiß Summa | Aus Fett Aus Eiweiß Summa Kal. Kal. ::| _ Kal. | Kal. | Kal. Kal. Rare 3774 | 15 339 | 303 | —7 38.0 SH. 32-1 | 3-6 359°7 27-1 8-6 35+7 9.10.11. 34-3 I 271 4 335 Durchschnitt 33-5 2-8 36-3 | 282 | 7.6 35-7 Durch die Scheinfütterung wurde also die Produktion des Körpers um 3*1 Kalorien oder 0.9842" CO, oder 0-.353”" Fett gesteigert, das sind 9 Pro- zent des minimalen Rohwertes bei hoher Außentemperatur. Die Stickstoff- ausscheidung aber war auch in dieser Reihe nicht gesteigert. Es läßt sich hieraus folgern, daß die Verdauungsarbeit in der Tat eine weitere Menge Energie und Stoff erfordert, mit der freilich die Verdauungsarbeit nicht ausreicht, um die gesamte Steigerung der Verbrennung nach der Nahrungs- aufnahme zu erklären. (Ausführliche Publikation im Archiv für Hygiene 1906.) XI. Sitzung am 6. April 1906. 1. Hr. Hv6o MEIER und Hr. BıckeL: „Demonstration eines Affen mit künstlich angelegtem Magenblindsack.“ Hugo Meier demonstriert einen Affen (Hundpavian), dem Adolf Biekel und Hugo Meier einen Magenblindsack angelegt hatten. Die Versuche, welche vom Standpunkt der vergleichenden Physiologie aus unter- nommen wurden, ergaben, daß prinzipielle Unterschiede in bezug auf die Funktion der Magenschleimhaut zwischen Hund und Affen nicht bestehen, sowohl der Hund wie auch der Affe sondern im nüchternen Zustand wenig. oder gar keinen Magensaft ab, auf die Reizung der Magenschleimhaut, sei es direkt oder reflektorisch, sondern beide einen Magensaft ab, welcher so- wohl freie Salzsäure, als auch gebundene Säuren enthält, der Affenmagen- saft enthielt wie andere Magensäfte Schleim, er zeigte eine gegen 100 liegende Gesamtazidität. Da der Affe in der Säugetierleiter gleichsam eine Brücke zum Menschen bildet, haben diese Versuche den praktischen Wert, 430 VERHANDLUNGEN DER BERLINER daß die am Hund gesammelten Erfahrungen auf den Menschen bis zu einem gewissen Grade übertragbar sind. Die Parallelversuchsanordnung, die Schein- fütterung, konnte in der experimentell-biologischen Abteilung an einem Scheinfütterungsmädchen, welches durch einen glücklichen Zufall zu thera- peutischem Zwecke operiert wurde, genau studiert werden, prinzipielle Unter- schiede zwischen Hund und Mensch konnten auch hier in bezug auf Magen- saftsekrete nicht konstatiert werden. Was die Technik der Affenoperation angeht, so ist hervorzuheben, dab diese, bedingt durch die geringe Größe und durch die geringe Dehnbarkeit des Affenmagens, welcher etwa die Größe eines Kaninchenmagens von einem 1 kg schweren Kaninchen hatte, sehr erschwert war. Der Blindsack hatte etwa die Größe eines Fingerhutes; die Operation wurde ohne Narkose aus- geführt. Die Aufbewahrung von Affen im Klemeneziewiezschen Affen- käfig hat sich sehr bewährt. 2. Hr. ALrkep WoLrr-Eisser: „Die Endotoxinlehre“ (mit De- monstration eines Apparates zur Herstellung steriler Organ- und Bakterien- prebsäfte). Im Anschluß an den Experimentalvortrag von Buchner gibt er eine kurze Darstellung der Endotoxinlehre, weist auf ihre klinische Bedeutung hin und auf die Anerkennung, die sie jetzt in der „Klinik“ zu finden beginnt. Die Endotoxinlehre muß nach ihm die Indikationen für jede bakterizide Serumtherapie geben. Die Endotoxine bilden keine Antitoxine, sondern die Reinjektion eines Endotoxins bewirkt Überempfindlichkeit, die jedoch von der bei den Toxinen beobachteten Toxinempfindlichkeit Ver- schiedenheiten aufweist. Die Endotoxinlehre mußte eine Erweiterung erfahren, als die Unter- suchungen des Vortr. ergaben, daß bei der Injektion von körperfremden Organzellen die gleichen Erscheinungen der Überempfindlichkeit wie bei Bakterien auftraten. Bei der wiederholten Injektion von Serum haben v. Pirquet und Schick die Erscheinungen einer besönders genauen Unter- suchung unterzogen und sehen das Charakteristische der „Serumkrankheit“ in der verstärkten und beschleunigten Reaktion. In der Giftwirkung der einzelnen Eiweißsubstanzen bestehen quantitative Unterschiede (Spezifizität der Giftwirkung). Die Giftwirkung von Bakterienendotoxinen ergibt sich als die gleiche, wie die jeder körperfremden Eiweißsubstanz. Sobald man systematische Versuche mit der Injektion körperfremder Eiweißsubstanzen anstellte, kam in die Verhältnisse sehr bald Klarheit, die früher darum so lange nicht eintreten wollte, weil die Vermehrungsfähigkeit der Bakterien- substanz komplizierte Versuchsbedingungen schuf. Die Frage, wodurch die verstärkte und beschleunigte Reaktion auf- tritt, ist nicht leicht zu beantworten. Bei der Beobachtung von reinjizierten Bakterien, Spermatozoen, kernhaltigen roten Blutkörperchen usw. können wir morphologisch eine beschleunigte Lyse beobachten. Es erscheint einer- seits plausibel, einen Analogieschluß auf gelöste Eiweißsubstanzen zu machen, und zweitens daran zu denken, daß die Folgen der beschleunigten Resorption sich direkt äußern, indem die Giftsubstanz schneller an die Stellen der Wirkung gelangt. Schließlich wird bei der beschleunigten Resorption die Wirkung der Leukozyten ausgeschaltet. Dabei soll auf Versuche hingewiesen PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. werden, die ergeben, daß zerkleinerter Gehirnbrei noch in Mengen nicht giftig wirkt, in denen Gehirnpreßsaft schon den Tod des Tieres herbeiführt; es läßt dieser Versuch kaum eine andere Deu- tung zu, als daß die Erleichterung und Beschleunigung der Resorption die Ur- sache der Giftwirkung darstellt. Zur Metschnikoffschen Phago- zytenlehre ergibt sich aus diesen An- schauungen jedoch ein prinzipieller Unter- schied. Nach Metschnikoff tritt bei reinjizierten, d.h. „immunen“ Tieren eine beschleunigte Phagozytose auf. Dies trifft aber nur in gewissen Fällen zu, in zahl- reicheren Fällen ist bei reinjizierten Tieren die Lyse mit dem Infreiheitsetzen endotoxischer Substanzen vor dem Hinzu- treten der Leukozyten schon beendet. Des weiteren wird auf die Labilität der endotoxischen Substanzen verwiesen, die nur in statu nascendi ihre volle Wirkung haben. Es wird dadurch man- cher Widerspruch in älteren Literatur- angaben verständlich. Speziell verändert die aseptische Autolyse, wie Versuche des Vortragenden mit Gehirnsubstanz erwiesen haben, die spezifische Giftwir- kung des Eiweißes. Die pathologisch-anatomischen Be- funde, die physiologische Wirkungsart der Endotoxine und die Beziehungen der Endotoxine zur Bailschen Agressinlehre werden wegen der vorgerückten Zeit nur gestreift. Im allgemeinen gelangt körper- fremdes Eiweiß nur im Experiment in den Tierkörper, doch kann durch Schlangen- biß, durch Stiche von Flöhen, Mücken, Moskitos, durch Biß von Skorpionen, durch Brennesseln und vor allen durch Bakterien körperfremdes Eiweiß in den Körper gelangen. Die Beziehungen der verstärkten und beschleunigten Reaktion zur „Immunität“ sind hier von Interesse. Bakterien gegenüber ist die verstärkte Reaktion in der Mehrzahl der Fälle eine zweckmäßige Einrichtung, weil die mit ihr verbundene vermehrte Bakteriolyse die — ALFRED WOoLrFF-EIsNER. 451 ml Eu | a ı| Fig. 1. Durchschnitt dureh den Apparat zur Her- stellung steriler Preßsäfte. Der ganze Apparat wird in eine hydrau- lische Presse bei 100 bis 200 Atmo- sphären Druck gestellt. a ManteldesPreßgefäßes. b Preßstempel. ce nutzbarer Preßraum. d Ablauf für den Preßsaft. e Gefäß zum Auffangen des sterilen Preßsaftes. f unteres Widerlager derhydraulischen Presse. g oberes Wider- lager der hydraulischen Presse. Verbesserte Ablaufvorrichtung (vgl. d in Fig. 1). 432 VERHANDLUNGEN DER BERLINER Vermehrung des organisierten Eiweißes abschneidet und damit das Übel von Grund auf beseitigt. Die Kenntnis der Dosis letalis minima gibt hier die Indikation für jede bakterizide Serumtherapie. Gegenüber nicht vermehrungsfähigem Eiweiß liegen die Verhältnisse anders. Es wird hier auf die Serumkrankheit, die Eklampsie, die Urticaria und das Heufieber Bezug genommen und die Bedeutung der Endotoxinlehre für die Klinik gestreift. Die Endotoxinlehre wurde bisher durch zahlreiche indirekte Beweise gestützt. Es war zu allen Schlußfolgerungen jedoch immer noch _ eine Deduktion notwendig. Direkte Beweise brachten Mac Fadyen und Rovw- land, doch haben die Nachuntersucher ihre Befunde nicht bestätigen können. Buchner hat in seinem neulichen Vortrage in der Physiologischen Gesell- schaft auf die Wichtigkeit der Anstellung von Presseversuchen mit pathogenen Bakterien hingewiesen, und Vortr. hat in der sich anschließenden Diskussion bemerkt, daß er gemeinsam mit Hrn. Rosenbaum an der Konstruktion eines Apparates beschäftigt sei, der sterile Organe und Bakterienpreßsäfte zu liefern vermag. Der Apparat besteht aus einem breiten Mantel, in welchen die Preßmasse hereingebracht wird und erlaubt gefahrloses Arbeiten und Gewinnung steriler Preßsäfte. Der Apparat ist von der Firma F.&M. Lautenschlaeger hergestellt. Die Untersuchungen, welche mit diesem neuen Apparat in bezug auf die Endotoxintheorie ausgeführt werden müssen, werden kurz gestreift. Die Vorzüge der Methode beruhen darin, daß man absolut unverändertes frisches Organ- und Bakterieneiweiß gewissermaßen in statu nascendi erhält. XII. Sitzung am 11. Mai 1906. Hr. N. Zuntz: „Über die Einwirkung der Muskelarbeit auf die Organe des Tierkörpers“ nach Versuchen, welche Dr. Felix Rogozinski aus Krakau in seinem Laboratorium ausgeführt hat. Anlaß zu den Versuchen gaben die Erfahrungen, welche bei den Studien im Hochgebirge über den Einfluß des Muskeltrainings auf das Körpergewicht gesammelt waren. Es hatte sich bei jenen Versuchen heraus- gestellt, daß angestrengte Muskelarbeit, bei nicht zu reichlicher Ernährung, zu einer Abnahme des Körpergewichtes, unter gleichzeitigem Ansatz von Eiweiß, führte. Da anderweitige Beobachtungen es wahrscheinlich machten, daß der Wassergehalt des Körpers unter diesen Bedingungen keine wesentliche Änderung erfährt, wurde die Gewichtsabnahme auf Fettverlust bezogen. Es erschien nun zur Prüfung der Richtigkeit dieser Deutung wichtig, fest- zustellen, ob nicht etwa, wie das vielfach angenommen wird, beim Training eine Verarmung des Körpers an Wasser eintritt. Die Versuche wurden in der Art ausgeführt, daß zwei einander möglichst ähnliche Hunde zunächst längere Zeit so gefüttert wurden, daß ihr Körper- gewicht bei Ruhe konstant blieb Dann wurde das eine der Tiere täglich auf dem Tretwerk zur Arbeit angehalten und eine dem Arbeitsverbrauch entsprechende Futterzulage in Gestalt von Fett gegeben. Die tägliche Arbeit betrug 5213 X Weges mit 1487 ” Steigung. PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — N. ZUNTZz. — ENGELMANN. 433 Trotz der Fettzulage bewirkte die mehrwöchige Arbeit in beiden Ver- suchsreihen eine Abnahme des Körpergewichts, was dafür spricht, daß die andauernde Arbeit die Organe etwas wasserärmer macht. Die direkte Unter- suchung der Muskeln der setöteten Tiere bestätigte diese Annahme. Die Muskeln waren beim Arbeitstiere in der ersten Versuchsreihe erheblich, in der zweiten nur sehr wenig wasserärmer als beim ruhenden Kontrolltier. Folgende Daten und Prozente der frischen Muskelsubstanz. Trocken- | au. | IR | Kahstanz | Stickstoff Fett Glykogen Asche Erste Reihe: Arbeit | 28-25 3.52 5-40 043 | 1.35 Ruhe 23.90 2.77 5-86 0.46 | 0.9 Zweite „ Arbeit 27-36 3-25 4-81 0-70 , 1-00 Ruhe 26.54 3+57 3-00, | * 10°.60 "7 »>1861 Die genaueren Daten werden in der Biochemischen Zeitschrift Bd. I Heft 3 veröffentlicht. XII. Sitzung am 25. Mai 1906. 1. Hr. EnGELMANN berichtet über „einige Ergebnisse mikrospektro- metrischer Untersuchungen von Blutlösungen.“ Die Ankündigung des Vortrags der Herren Aron und F. Müller für die heutige Sitzung veranlaßte mich, aus gelegentlich, schon vor 9 Jahren, mittels meines Mikrospektrophotometers angestellten Messungen des Absorptionsver- mögens von Blutlösungen, die Extinktionskoeffizienten e und e” für die Bezirke A 555—565 und A 535—545 zu berechnen. Indem ich wegen des Apparats und der allgemeinen Methodik der Messungen auf frühere Publi- kationen! verweisen darf, betone ich nur, daß die Zahl der Einzelmessungen, auf die sich in jedem Versuch die Berechnung des Wertes von e’ bzw. e gründet, zwar im Durchschnitt nur etwa vier, die Abweichung der Einzel- werte der gemessenen Spaltbreiten vom jedesmaligen Mittelwert inzwischen durchschnittlich weniger als 4 Prozent des letzteren Wertes betrug, also ent- fernt nicht groß genug ist, um die auch von mir gefundenen großen Diffe- . . e [ . .. renzen des Verhältnisses FR auf Messsungsfehler zurückzuführen. Das Blut wurde jedesmal in der Maßpipette einer Zeißschen Zähl- kammer mit 0-1 prozentigen Sodalösung auf das 100- oder 50 fache, zuweilen ! Untersuchungen über die quantitativen Beziehungen zwischen Absorption des Lichtes und Assimilation in Pflanzenzellen. Botan. Zeitung. 1884. Nr. 6. Das Mikrospektrometer. Zeitschr. f. wiss. Mikr. 1889. Bd.V. 8. 289. Jon A. Velichi, Quantitative Spektralanalyse des roten Blutfarbstoffs bei wirbel- losen Tieren. Dissertation. Berlin, Ebering 1900. H. Siedentopf, Über ein Mikrospektralphotometer nach Engelmann mit Gitterspektrum. Sitzungsberichte der kgl. preuß. Akademie der Wissenschaften vom 26. Juni 1902. 3 N. Gaidukow, Über den Einfluß- farbigen Lichtes auf die Färbung lebender Oszillarineen. Abhandlungen der kgl. preuß. Akademie der Wissenschaften. 1902. Acrhiv £ A.u. Ph, 1906. Physiol, Abtlg, Suppl. 25 434 VERHANDLUNGEN DER BERLINER (bei Untersuchung in sehr dünner Schicht) auch weniger verdünnt, unmittelbar vor Einfüllung in die Glaszelle stark mit Luft geschüttelt und die Messung sogleich vorgenommen. Denn es zeigte sich bald, daß mit längerem Ver- weilen der Blutlösung in der hermetisch geschlossenen Glaszelle das Ver- ERTENET A \ ; ; : . hältnis — allmählich kleiner wird, also im Sinne einer zunehmenden e Reduktion des O-Hgb bezüglich Methämoglobinbildung sich ändert, und zwar bei verschiedenen Blutproben ungleich schnell. Die meisten Messungen wurden an meinem eignen Blut angestellt, von dem jedesmal ein Tropfen unter den bekannten Kautelen aus einer Finger- beere durch Einstich gewonnen wurde. Einige Versuche beziehen sich auf defibriniertes Blut vom Rind, vom Kaninchen und vom Frosch. Eine ausführlichere Mitteilung und Diskussion auf spätere Gelegenheit verschiebend, will ich heute nur eine tabellarische Zusammenstellung der MC u. Te auf das Verhältnis Da bezüglichen Messungen geben, Es betrug dieses Verhältnis für: menschliches Blut im Mittel aus 96 Messungen an 14 Blutproben 1-46 Rinderblut N is 6 % | R 1.54 Kaninchenblut n Re LO Ki a A, 1-46 Froschblut a i a 116 ER 1-54 Für den Menschen schwankte das Verhältnis zwischen 1-29 und 161 (also fast genau innerhalb derselben Grenzen wie in den Versuchen von Aron und Müller) und zwar betrugen die Einzelwerte, nach ihrer Größe geordnet: 1-29, 1-29, 1-34, 1-38, 1-41, 1-42, 1-45, 1.47, 1-54, 1-56, 1-56, 1-56, 1-57, 1-61. Bei einem Frosch wurde 1-52, bei einem anderen 1.57 gefunden. 2. Hr. Franz Mürter: „Experimentelle Erfahrungen über Yohimbin“ (Spiegel) (zugleich ein Beitrag zum Studium von Vasomotoren- mitteln und sog. „Aphrodisiacis“). Das genauere Studium der Wirkung von Yohimbin erschien interessant, da es in kleinst wirksamen Dosen (Hund: 0-1 "8 subkutan oder 0-005 bis 0.018 intravenös, bei Katzen ein wenig mehr) einen sehr charakteristischen Einfluß auf die Blutfülle der Genitalien männlicher Tiere hat, (A. Löwy) und auch zur Erzeugung der Erektion von klinischer Seite vielfach empfohlen wird, andererseits aber namhafte Neurologen keine sicheren Resultate erzielten. I. Atmung: Sie wird schon nach den kleinsten Dosen beschleunigt, vertieft; nach höheren Dosen zeigt sich Cheyne-Siokes-Typus, keine Dyspnöe. Urethan bringt sofort Beruhigung. Die Wirkung ist zentral. II. Blutverteilung: Der Blutdruck sinkt ein wenig nach den kleinsten Dosen, die den therapeutisch verwendeten entsprechen, infolge peripherer Gefäßerweiterung, steigt dann wieder. Erst bei sehr viel höheren, auch sonst toxischen Dosen wird das Herz betroffen im Sinne einer Herzmuskel- schädigung. Diese ist leicht am isolierten Säugetierherzen und am Frosch- herzen zu verfolgen und wird zur Zeit eingehend studiert. Die genauere Prüfung der einzelnen Organe ergab durch Kombination von Untersuchung des ÖOrganvolumens, von Durchblutung des isolierten PHYSIOLOGISCHEN GESELLSCHAFT. — FRANZ MÜLLER. 435 Organs post mortem mit Registrierung der Blutstromgeschwindigkeit in den Organen intra vitam (nach Brodie) das in folgender "Zusammenfassung kurz wiedergegebene Resultat:! (Die Atmung war durch Urethan ruhig gestellt.) Extremität Niere | Dünndarm |Milz|| Lunge el a | ee ee Sales, OSIS S a BEZ N BR = || | g | »tadien =} ri Im Ad Ale 8A | m E pro kg S 5 32238525 Se = sels22| E SZ# der u | Dt | = Be | : || R Hund: = 5 es FE: E Ze |lE $8le=23| 5 K= u Wir- r als |5E1283,.|<5 | EEE | BE 28.| 5282| intravenös | 2 2 == 382 > Ei > 2ElE8% $ 558 kung s|ı AM S | | Ar var A ER EN Bee a RT & KLEE Br | a Pe 1 BE l 0:005 bis [|| + bo) + oJ). | Anfang unter 18 IE er U) er 0 Dauer | 0 | 0 0 0 d. | 0:10: 0 \ Ende le is et ee — \ Anfang be el er lee ze leo] Dauer | —ı + 0 | +(0) Wellen ++ 0 | \— Ende Bei den Durchblutungen post mortem hatte Adrenalin nach Yohimbin die gewöhnliche Wirkung und umgekehrt wirkte Yohimbin nach Adrenalin. Yohimbin wirkt in den angewendeten Dosen also rein peripher auf bestimmte Teile der Gefäßwand. Obwohl beim narkotisierten Tier keine Erektion beobachtet wurde, war die Blutdurehströmung des Penis, an der Vena dorsalis penis gemessen, doch er- heblich gesteigert, ähnlich wie nach Reizung des Nn. erigentes (Eckhard). Die Untersuchung zeigte, wie notwendig es für das Studium von Vasomotorenmitteln ist, das Ergebnis der rein onkometrischen Messung des Örganvolumens durch Bestimmung der Blutstromgeschwindigkeit in den Organen intra vitam und durch künstliche Durchblutungsversuche post mortem zu ergänzen und zu kontrollieren. Die Kurven, welche in der ausführlichen Publikation (Archives intern. de pharmakodynamie) gegeben werden, sollen das illustrieren. III. Genitalreflexe: Bekanntlich kann, wie Eckhard, Goltz, Lang- ley, Anderson u. A. beobachteten, durch Berühren des Penis eine Erektion hervorgerufen werden, die auf Reflexzuckung quergestreifter Muskeln beruht, ohne daß zugleich Vasodilatation im Penis stattfinden muß. Dieser sowie einige andere Reflexe in der Umgebung der Genitalien wurden an Tieren nach Stieh ins Rückenmark in der Gegend der Membrana obturatoria bei künst- licher Atmung oder nach Verschwinden der Shockwirkung bei natürlicher Atmung geprüft. Es zeigte sich nach Yohimbininjektion in kleinsten Dosen eine Steigerung dieser Reflexe (Sakralmark), ohne daß die Patellarreflexe und andere Reflexe des Lendenmarks gesteigert waren. Die minimal wirk- ! Es bedeutet: O keine Anderung oder Rückkehr zur Norm. + Zunahme des Volumens oder des Blutstromes. ++ stärkere Zunahme derselben. — Abnahme des Volumens, des Stromes oder Sinken des Druckes. —— stärkere Abnahme oder Sinken des Druckes. * Diese Wirkung auf die Tungengefäße trat erst nach maximalen Dosen ein, wie sie beim intakten Tier nie zur Verwendung kamen. 28* 436 VERHANDLUNGEN DER BERLINER PHYSIOL. GES. — FRANZ MÜLLER. samen Mengen erzeugen also eine isolierte Steigerung der Erregbarkeit des Sakralmarks. Diese Versuche weisen einen Weg, wie man die Wirkung von Arznei- stoffen auf die Genitalsphäre prüfen kann, was bisher nicht exakt durch- führbar war. Zugleich ergab sich das Bedürfnis, das Phänomen der „Erektion“ schärfer, als es meist bisher geschehen, im Anschluß an die Arbeiten von Langley und Anderson, in seine Teilphänomene zu zerlegen und diese der Untersuchung zugänglich zu machen. IV. Wirkung der sog. „Aphrodisiaca“: Es wurde die Wirkung einiger als genitalerregende Stoffe angegebener Arzneimittel auf die Genital- reflexe geprüft. Diese allerdings erst in geringer Zahl angestellten Ver- suche ergaben bei keinem Stoff eine isolierte Steigerung dieser Reflexe, es war immer zugleich allgemeine Reflexsteigerung vorhanden. Die Kombination von Gefäßfülle der Genitalien mit isolierter Erregbarkeitsteigerung im Sakralmark fehlte bei allen untersuchten Mitteln, außer bei Yohimbin. Die beim nicht narkotisierten Tier und beim Menschen zu beobachtende Wirkung therapeutischer, kleinster Yokimbinmengen ist noch komplizierter. Es kommt der Einfluß der erregten Atmung auf die Blutverteilung hinzu und wahrscheinlich auch eine Wirkung auf gewisse Teile des Gehirns, die mit der Genitalsphäre in Beziehung stehen (Steigerung der libido sexualis). Letztere Beeinflussung ist schwer einwandsfrei zu beweisen. Zeitschriften aus dem Verlage von VEIT & VOMP. in Leipzig. Skandinavisches Archiv für Physiologie. Herausgegeben von Dr. Robert Tigerstedt, o. ö. Professor der Physiologie an der Universität Helsingfors, Das „Skandinavische Archiv für Physiologie“ erscheint in Heften von 5 bis 6 Bogen mit Abbildungen im Text und Tafeln. 6 Hefte bilden einen Band. Der Preis des Bandes beträgt 22 4. Cortralblait für praktische AUGENHEILKUNDE. Herausgegeben von Frof. Dr. J. Hirschberg in Berlin. Preis des Jahrganges (12 Hefte) 12 .%#; bei Zusendung unter Streifband direkt von der Verlagsbuchhandlung 12 #6 80 #2. - Das s „Centralblatt für praktische Augenheilkunde“ vertritt auf das Nachdrück- liehste alle Interessen des Augenarztes in Wissenschaft, Lehre und Praxis, vermittelt den Zusammenhang mit der allgemeinen Medizin und deren Hilfswissenschaften und gibt jedem praktischen Arzte Gelegenheit, stets auf der Höhe der rüstig fortschrei- tenden Disziplin sich zu erhalten. DERMATOLOGISCHES CENTRALBLATT. INTERNATIONALE RUNDSCHAU AUF DEM GEBIETE DER HAUT- UND GESCHLECHTSKRANKHEITEN. . Herausgegeben von Dr. Max Joseph in Berlin. Monatlich erscheint eine Nummer. Preis des Jahrganges, der vom Oktober des einen bis zum September des folgenden Jahres läuft, 12 .#. Zu beziehen dureh alle Buchhandlungen des In- und Auslandes, sowie direkt von der Verlagsbuchhandlung. Nenrologisches Gentralblatt. Übersicht der Leistungen auf dem Gebiete der Anatomie, Physiologie, Pathologie und Therapie des Nervensystems einschließlich der Geisteskrankheiten. Herausgegeben von Professor Dr. E. Mendel in Berlin, Monatlich erscheinen zwei Hefte. Preis des Jahrganges 24 #. Gegen Einsen- dung des Abonnementspreises von 24 %.direkt an die Verlagsbuchhandlung erfolgt regelmäßige Zusendung unter Streifband nach dem In- und Anslande. Zeitsehrift für Hygiene und Infektionskrankheiten. Herausgegeben von Prof. Dr. Robert Koch, Geh. Medizinalrat, Prof. Dr. C. Flügge, und Dr. G. Gaffky, Geh. Medizinalrat und Direktor Geh. Obermedizinalrat und Direktor des Hygienischen Instituts der des Instituts für Infektionskrankheiten Universität Breslau, zu Berlin, Die „Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten“ erscheint in zwanglosen Heften. Die Verpflichtung zur Abnahme erstreckt sich auf einen Band im durchschnitt- lichen Umfang von 30—35 Druekbogen mit Tafeln; einzelne Hefte sind nicht käuflieh. ARCHIV für ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE. Fortsetzung des von Reil, Reil und Autenrieth, J. F. Meckel, Joh. Müller, Reichert und du Bois-Reymond herausgegebenen Archives, erscheint jährlich in 12 Heften (bezw. in Doppelheften) mit Abbildungen im Text und zahlreichen Tafeln. 6 Hefte entfallen auf die anatomische Abteilung und 6 auf ir re gische Abteilung. Der Preis des Jahrganges beträgt 54 M. Auf die anatomische Abteilung (Archiv für Anatomie und Biitwicke- lungsgeschichte, herausgegeben von W. Waldeyer), sowie auf dıe physio- logische Abteilung (Archiv für Physiologie, herausgegeben von Th.W.Engel- mann) kann besonders abonniert werden, und es beträgt bei Einzelbezug der Preis der anatomischen Abteilung 40 4%, der Preis der Phyeolagechen Abteilung 26 MW. Bestellungen auf das vollständige Archiv, wie auf die einzelnen Ab- tei lungen nehmen alle Buchhandlungen des In- und Auslandes entgegen. Die Verlagsbuchhandlune: Veit & Comp. in Leipzig. Druck von Metzger & Wittig in Leipzig. x EEE TE en Te ee an Da a co, Icbera= Quadrat Exhalierte Absorriertr Gasmengen Gasmengen ckatof! O = Sauerstofl. 12 St. = 3Quadr. N = 8: Versuchsdauer in Stunden: ges Archiv‘ Anat.u.Phys.1906. Phys. Abtig.Suppl. = Kohlensäure, Icbcem=IQuadrat u Vie il i il - & zen, 3 tz 02 = = ZE zZ Sale ad ar | = Ti 101 Ei = Pu z a 2 I Il r 149 | | 1 1 | El | MMISSt TAN 31. TUNnS l 1 je 7 ZUSRURSST. PEATSSE DRSIITSSE | T . | | I I EINER 1. Dor Siam von Papilio AN [ podalirius, Serie II (vom 8.—30.IIL. 1905 2717556 7802 4,5SL. BasanE upper. Del 1 | | 24 762 nat T T S ! Fan T 336 \ le] In iD: / —ı T g Ip | er Det) 120 3 | h | 1 | | jar _ Bote ei | au! ! I | | | I 4-—— 4 a = Traing all az IS 127588. 1.7St. 19-20 W115580 20m $ St. 237551. 25.1215 St. 235,381. SEC M5 St. Erhalierte Gasmengen Icbem=]; Absorbierte TON ITEST, NIESSE THAMMSt MNGSSL ie II (vom 8,— | T t | T 7 | ILL 1905). Exhalierte Ichem=1@uadrat Absorbierte Gasmengen mengen. den um die durchschnittlich bei dı um den Betrag des durchschnittlich T T - [eat TE u = Zr 2 Tee] | | 15 ia | | an 1 = t k — = j et il \ oA 2 \ Een EPABE = i a ES | 10; Na \ | \ S 7 | I 5 I BOIR IS ap äl IL x \ N | ei | Er 3 te T 1 al | Erlezil | SET BEER SER dm: NZEnT _ ZI ZRMLIUSST Respiratorischer und assimilatorischer Gaswechsel in C0,-reicher Atmosphäre. 2. Der Puppen von Papilio podalirius, Serie III (vom 21.IIL bis 3.IV. 1905). ASS UMTS SUN S1. 30 DHL Verlag Veit &Comp. Leipzig SZInISM. ZA TE5RL ELTAR FETT VER 737 EL ETTTG EBBE TAGS ITS ET TTS Nach Kreusler korrigierte Assimilationswerte der Puppen von Papilio podalirius, Serie III (vom 21.III. bis 3.1V. 1905). Die Assimilationswerte der Kohlensäure wurden um den Betrag der durchschnittlich bei der Atmung abgegebenen Gasmenge (für 7—8 Stunden = 1,5 ccm) erhöht. Die Exhalationswerte des Sauerstoffs wurden um den Betrag des durchschnittlich bei der Atmung aufgenommenen Gases (für 7—8 Stunden = 1,5 cem) erhöht. LihAnst.vE\A Funke Leipeig, 3M33t, INES T2IVI8 Archiv £Anat. u. Phys.1906. Phys. Abtlg. Suppl: si 11 eure] Tal. 0, = Kohlensäure ff. ‚allerte Gasmengen. I Sauer, to Ä ne Exhalierte Gasmengen. © & 3 FR I z & 3 1} &S ER: : En x s B Ss is EM Sr © e 4—t u Versuchsdauer in Stunden: RR BLAUEN. ZU SL ERHOLEN AHMEI ARULESL TZNEMSL av 725 SATNBE SIMAISE DSLKMENSSM MUSS CMS STIESSEN. ZRMSSLASE: A. U.TSSL. 29.78. 22 30IEI6St, HnmRSsE ASS. L2IHST. Az NASE MMS. SEIMMS. ZU AH SSL. Nach Kreusler korrigierte Assimilationswerte der Brennessel. Respiratorischer und assimilatorischer Gaswechsel in CO,-reicher Atmosphäre bei der Brennessel Die Absorptionswerte der Kohlensäure wurden um den Betrag der durchschnittlich bei der Atmung abgegebenen Gasmenge 1 0 (für 7—8 Stunden = 2,8 cem) erhöht. Die Exhalationswerte des Sauerstoffs wurden um den Betrag des durchschnittlich bei (vom 25. III. bis 3. IV. 1905). der Atmung aufgenommenen Gases (für 7—8 Stunden = 2,2 cem) erhöht. Verlag Veit &Comp. Leipzig LubAnst vE Anlabelegeig Archiv Anal. u.Phys.1906. Phys. Abtlg. Suppl. Tahelle I. SESS N KERE ss Ss SS | Ill) ini vr m | Verlag Veit &Comp. Leipzig A u Ey De BEE Archir"Anat.u.Phyjs 1906. Phys. Abllg. Suppl. Taf IV. Tabelle. IT. Tabelle IT. z S S N = > = Sa Thorueograpl. b | 15 a » Thoraeograpl. Y > S 2 I (Attmosphkärenudruch) (Alhmospwrender N Bee Be ee en ee: SPtersalruckh Pleuradnich. B Ko Inspirium <— Exspirium Inspinium ———> Krspirukn Atkenftasche. b Albernflasche Inspiream: &— —>- Exrspirium Unspirium —— Brgmtum N) Verlag Veit &Comp. Leipzig iihAnst rE Afishelegeg | Taf: V. Archiv f Anal.u.Phys.1906. Phys. Abtlg. Suppl. Waithänschchen mit NH; mn die Nasenhöhlen Tabelle IV. nn [73 b wuem.adsuy Thoraeograpph umnadsacz, he ir] R | N Tee 2 2 ||| EEE EEE ER RRE S $ $ Pleuradruck de S S 2 Athemflasche ie DE sadsup Lith. Anst.vE.AFunke,Leipzig Verlag Veit &Comp. Leipzig ALLEIN h NANEUTEUUEURUUEENNEN MINI DOWN dla hl l/h INN Ih | f w | in NN I i M I NNNNINNNIN | rRuT UN, RUNDUM IUMN UNI & RE aan un | m iron NULL 11 ITLTLTTOSORMERTOITTIILDDRLUENUITLINDTULLNTUNTLUTETURTUEOITETUN TG Mm LUMDULITTELLT UA AEROUL LU am A anna vv NÜNROORBRANRERRNNRRNRRDRERRBTEN DIVERSE NENNEN EROBERN ÄNNNRRRRIADVORNNNE NER Archiv £ Anat. u. Phys.1906. Phys. Abtlg. Suppl. Tar. Vil. zz z,z—k\‚\"—- ZZ ——————en SESSSERN - ee en mung Veit «Comp. | in“ w 2 [af VM. DLR TONPRDE-..0 / Y u.[Rys.1906. Phys. Abtlg. Suppl. $ & EN % 2 RS RER RR 75 5% 0% % I) RS > > N omp.L£E7 [N r Veit Archiv f.Anat. u. Phys.1906. Phys. Abtlg. Suppl. OKI IKK 19. Taf: IX. UN u. W RX RX \ ANA NANAIAN, RRLHLRT rlag Veit &Comp. [ ei 2 I 70 I “ A: Fe in ri Archiv f.Anat. u. Pliys.1906. Phys. Abllg. Suppt. ak RATE a2 ' STSTESDERTRN III 2% (BER, ZEITEN IT NOZLTZTZZEZ =, TRSTÄTCHER 777 77797 WIND IX SEITERTTEN ? = aan —— 129. ! Ih ı Veit &Comp. Archiv [. Anal. u. Phys.1906. Phys. \btlg. Suppl Taf X Annmunnrerrenarn vu NER TEE PEN NENENNRENNENNE Veit &Comp. Lei Archiv f. Anat. u. Phys.1906. Phys. Abtig. Suppl Tat! XI. An Ann Aue an 12. ul) NV UN N UN N) N\ NIMM NN Verlag Veit &Comp. leipzig ih Archiv£ Anat.u.Ph ys. 1906. Phys. Abtlg. Suppl. Taf X. Fig. Verlag Veit Comp. . LithAnstv EA Funke, Leipzig. Leipzic g De a ie „_ u u =. .n, Archiv £ Anatıır. Phys. 1906. Phys. Abtlg. Suppl. Ventr. N NyNE namen Taf XIV. ey 2 s N | & | ee: Zen nn = N N f a s E en, a} “KUNA ANUUUUNANAN 7 | AAN NN md en \ zur N TE U N ul Jul IERNIUMUN NUN N U al ger ELR. n AU Annan Annan UL Sie | Be ELR. - FR 19. N 4 = sone NN] © = er ee, Fe 1 at 130c g) er lo! in 18. Rz = En N An Me Ann \) au) AfA ei fa Beau nee ER Re EA 4 A: FIR. H EN, Mer ZeuR) Mm e., NULL JUL - rom ILUIÄL E Zi IT HH] ae 4 ii zei, | INN NN NN NN NN Ventr nn ann NNCDUN I. asee, U RT NE a A en 21, Pe RE, 1Sec. —H Gone Ventr. Ventr. Verlag Veit Komp. Lepay IrbletvElfsiolgar L) Archiv £ Anat. u. Phys.1906. Phys. Abtlg. Suppl. Hund von 6.200 ** morphinisiert, kurarisiert; Vagusreizung (peripher) vor und Taf XV 1. Versuch vom 14.IV. 1902. nach Injektion von '/,proz. Lösung von Strophantin (Merck). Geschrieben sind: 1. Carotis, 2. 1. Vorhof, 3. intrathorakaler Druck (von unten nach oben). AAAAAAAAH AHA Ha au En Eu En Cr Eng op Dom bu Eu Du On Ei Pi Ei En Er Ei Ba Fa Br En Pa Fo Pc Ein Eon Er Boa Era Bin Er En Er Ey by by Ey Een Ya Pia Oi En >78 017 07T 707 90 = CB BR 70 Ts BTL pn U a in BL TE Ta ee u En mn ne irn AA HH He mm TITTTINITTTTNTTUNTITNINN) een Dr. — CarDr Vorhofsdruck Carotisdruck u JE Fe a 7]! 2 za 3 N fl Il Hund von 6-500*. Injektion von Strophantin (Merck) !/, proz. Lösung, 2. Versuch vom 3. III. 1902. inehrmals eine halbe Pravazspritze; Vagusreizung in regelmäßigen Abständen: gemessen 1. Arteriendrack (Carotis), 2. Druck im 1. Vorhof nach vox Bascn. u ya yamssuln Sauna u en a a REES ERROR KERET LER LOGOSSONAEE BOHREN [ESEL EEE LE EOS TE FEHELGTETEIGTGLOTGEUTULETUTCLHRTRREKRIGTGTEREIGLELEIELBTSLOIGTETGTETAULELETELETELDDEEHTDIELR ELTERN [ESOLETELOIET WELLE ENETELUSTELETD DETET OT ETET ET —_— Vorhofsdruck | Y Arter.Druck A.Dr. I I} I 1770 an I Adn | Wr VDr a ie | ı Vagus Reizung | | I I I | I | { r F Dr H N | | ı 1 n der Vaqusreizung eg ] ‚Schlass der Reizung ' ö Schluss der Keizung i Tan derVagusreizung -Begun derVagusreizung feginn derlagusreizung Schluss der Reizung Schluss der Remung ; 2 Schluss der Reizung Verlag Veit & Comp. Leipzig: \ : Bi fer Vagusreizung Erfh AnstvEAFunke Teiprig Archiv f. Anat.u.Phys.1906. Phys. Abtlg. Sup) l Ta£.XVl. TINIT! Wall) | IL IN, iu Iı \ : HAN ji INES AN Al AAN Wl MN UL A hl LNDI klk N j 1 ERSHNINNININ II] I 1 11411111111 1133 HRMIHIN N nn HN Ze N ah een “ Hl Ba F \ I ||! INN! INTTITTIINN) I) IN) AI I: NN M Anl! IN IM II\IN\INN) IK INN Il) INN Il MALEN en RER EAST U ı Veit &Comp IA: v2 A u = “ NEN ir j A v u) R OR 3 RB OL; A yes IUINMNNMNLNNN 3 2044 093 332 310