* ; X N &: H fi % Er Ei < “ x ann: an Dem en ne. HARVARD UNIVERSITY. LIBRARY OF THE MUSEUM OF COMPARATIVE ZOÖLOGY. 1383: Beugls- I NN: Bu of r ; = N “ u N N EINARUN #6, Ban Ian. Be EN rn re | - Physiologische Abteilung. 1910. Supplement-Band. ARCHIV ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE. | FORTSETZUNG DES von REIL, REIL v. AUTEN RIETH, J. F. MECKEL, JOH. MÜLLER, - REICHERT vw. DU BOIS-REYMOND HuERAUSGEGEBENEN ARCHIVES. HERAUSGEGEBEN VON j Dr. WILHELM WALDEYER, PROFESSOR DER ANATOMIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN, 5 UND Dr. MAX RUBNER, PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN. JAHRGANG 1910. . == PHYSIOLOGISCHE ABTEILUNG. — | SUPPLEMENT-BAND. MIT EINHUNDERTUNDSECHZIG FIGUREN IM TEXT UND SECHS TAFELN. “ LEIPZIG, = VERLAG VON VEIT & COMP. 1911 Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes. (Ausgegeben am 26. Oktober 1911.) Tamalt, H. Pırer, Aktionsströme vom Labyrinth der Fische bei Schallreizung. (Hierzu Taf.L) N. Ossokın, Über die Wechselbeziehunger zwischen den Hinterwurzeln des Rücken- marks und der Pyramidenbahn in bezug auf die Bewegungsregulation. (Ex- perimentelle Untersuchung.) . . . 2 Kart Tuomas, Die Banane als Volkendhrtesniktel‘ ; Oswarn PorımAntı, Beiträge zur Physiologie des Nomsängyskeins und der Be- wegung bei den niederen Tieren. II. Ciona intestinalis L. 3 M. GrÄFINn von Linpen, Der Einfluß des Kohlensäuregehaltes der Atemlafk auf di Gewiehtsveränderung und die En 7 Als des Körpers. von Schmetter-. ‚lingspuppen Auıce Hann, Wirkung von Msonestuiisullät: ChlorMorn nad Äther Auf Herz ua motorische Nerven des Frosches. (Hierzu Taf. II.). $ Lupwis HABERLANDT, Weitere Untersuchungen über die Ermidharkeit de ar haltigen Nerven. (Hierzu Taf. IL). Pauı HOFFMANN, Über die Innervation der veflektörsch ausgelösten Konkrikkikeh beim normalen und stryehninwergifteten Frosch. .. -. „le Karı Tuomas, Über das physiologische Stickstofminimum Paun Horrmann, Über die Innervation des Muskels bei Großhineenne : Fr. Kuein, Nachbilder I. Das Bild bei offenen Augen, das primäre, schaden - und tertiäre Nachbild («-Nachbilder) Fr. Kreis, Die Ursachen der deformierenden Grobenschwankugen } Kurr BRANDENBURG und Pau Horrmann, Über die Wirkung Je Digitalis an den Erregungsvorgang im Froschherzen - ÄALEXANDRA KORSUNSKY, Begünstigt die Galle die Fekorpbic. de Eisens? - Ernst Weger, Über aktive Änderungen der arteriellen Blutfülle der Lungen. I. Untersuchungen an Hunden und Katzen ARTHUR SIMoNs, Plethysmographische DL nun der Gefäßreflexe bei N: erven- kranken . ; H. Pıper, Die Altionestöne der oral! a en Ye Be Asch kurzdauernde Belichtung und Verdunkelung. (Hierzu Taf. IV—VI.) M. JoREFE, Die Nervenver au unter Hinwirkupe der Nervenmassage (Druck- massage). M. JorrE, Die Wen der Prackmassage auf die Dhsioagische Funktion de Nerven erg e se; & v Seite ...158 199 213 „1 933 249 286 294 324 s5l 363 377 429 461 467 478 Die Herren Mitarbeiter erhalten vierzig. Separat-Abzüge ihrer Bei- träge gratis und 30 ©%# Honorar für den Druckbogen zu 16 Seiten. Beiträge für die anatomische Abteilung sind an Professor Dr. Wilhelm Waldeyer in Berlin N.W., Luisenstr. 56, Beiträge für die physiologische Abteilung an Professor Dr. Max Rubner in Berlin W., Kurfürstenstr. 99a portofrei einzusenden. — Zeichnungen zu Tafeln oder zu Holzschnitten sind 'auf vom Manuskript getrennten Blättern beizulegen. Bestehen die Zeich- nungen zu Tafeln aus einzelnen Abschnitten, so ist, unter Berücksichtigung der Formatverhältnisse des Archives, eine’ Aunenengue die dem Lithographen als Vorlage dienen kann, :beizufügen. EL 35 ERDE EBMHRTURT. nor Anus unonn 13: ot Tanayı N Ben one ee au wa iron N E a Br, n® sQnBt DRLDANAN © a Me una nunaus un. ARCHIV FÜR ANATOMIE UND PIIYSIOLOGIE, FORTSETZUNG Des von REIL, REIL v. AUTENRIETH, J. F. MECKEL, JOH. MÜLLER REICHERT vw. DU BOIS-REYMOND HERAUSGEGEBENEN ARCHIVES. HERAUSGEGEBEN VON e Dr. WILHELM WALDEYER, PROFESSOR DER ANATOMIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN, UND Dr. MAX RUBNER, PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN. JAHRGANG 1910, SUPPLEMENT-BAND ZUR PHYSIOLOGISCHEN ABTEILUNG. LEIPZIG, VERLAG VON VEIT & COMP. 1911 ARCHIV FÜR PHYSIOLOGIE PHYSIOLOGISCHE ABTEILUNG DES ARCHIVES FÜR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE. UNTER MITWIRKUNG MEHRERER GELEHRTEN HERAUSGEGEBEN VON Dr. MAX RUBNER, PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN. - JAHRGANG 1910. SUPPLEMENT-BAND. MIT ABBILDUNGEN IM TEXT UND SECHS TAFELN. LEIPZIG, VERLAG VON VEIT & COMP. 1911 "J x gt Al y f j - , Ai 1 i N h # Nr y vi or $ { ö { u s r £ {} 1, |{ ; N t BR: il h L f N i a Rn, T | Ly “ Kr E ..n ' ? f ' ‚ Y L ‚4 2 ®, x & SHDATSOLDNR fl . n } } Dre" Ne Nr a RR Ge SEHR SEAT ATER \ ; eb Rn 3, x N [ ’ eg TEN RN Fa REEL ERREN E KEEE WI RE RUHR DREI KR ER URN TE NAHE Hader AN ER Kur ıT48 I ie RER RR, y I ERAE yas lei 78 a: in Inhalt. H. Pıper, Aktionsströme vom Labyrinth der. Fische bei Schallreizung. (Hierzu Taf. 1.) N. Ossoxın, Über die Wechselbeziehungen zwischen den Hinterwurzeln des Rücken- marks und der Pyramidenbahn in bezug auf die Bewegungsregulation. (Ex- perimentelle Untersuchung.) . . . . Lake Karı Tuomas, Die Banane als Vollsnahmnesuitfel, i Oswaup Porımantı, Beiträge zur Physiologie des Nerenerstens und a Be wegung bei den niederen Tieren. II. Ciona intestinalis L. M. Grärın von Linpen, Der Einfluß des Kohlensäuregehaltes der Atemluft au ie Gewichtsveränderung und die a des Körpers von Schmetter- lingspuppen Auıce Hann, Wirkung von Maonestuinsukäit, Ehlorofarıt und han at Horn ind motorische Nerven des Frosches. (Hierzu Taf. II.). Lupwıg HABERLANDT, Weitere Untersuchungen über die Bemmdhärkeit de ak haltigen Nerven. (Hierzu Taf. IIL). . . . ae: Paun Horrmans, Über die Innervation der Fe arsch en ak aoden beim normalen und strychninvergifteten Frosch . Kar THomas, Über das physiologische Stickstoffminimum { Pau Horrmann, Über die Innervation des Muskels bei Großhirnreigung i Fr. Krein, Nachbilder I. Das Bild bei offenen Augen, das primäre, sekundäre und tertiäre Nachbild («-Nachbilder) N Fr. Kıeın, Die Ursachen der deformierenden Gioßenschwankunsen : Kurr BRANDENBURG und Pausn Horrmann, Über die Wirkung der Digitalis anf den Erregungsvorgang im Froschherzen R ALEXANDRA KORSUNSKY, Begünstigt die Galle die een es Sika Ernst WEBER, Über aktive Änderungen der arteriellen Blutfülle der Be I. Untersuchungen an Hunden und Katzen ; ARTHUR SIMoNs, Plethysmographische Untersuchungen der Gefäßreflexe. ta N. erven- kranken . . H. Pırer, Die ienetrönme Kits Vosch Kr! Se netahan Bi anne "durch kurzdauernde Belichtung und Verdunkelung. (Hierzu Taf. IV—VI.) M. Jorre, Die Nervenveränderungen unter Einwirkung der Nervenmassage (Druck- massage). . M. JorrE, Die te der Druckmassage ie die Physiologie Hunktion der Nerven N N 2: Seite 153 199 213 233 249 236 294 324 351 363 377 429 461 467 418 N ale £ Ar ' h, , ’ a De ee ; DELTNCAUEN AR. un %; $ ' D D % ö y [ . w ı : ar! ug I L BN ; . en) Er y IR hi ö g ne 1 Bä En h \ » f dis] , UN e & 1 e R Aktionsströme vom Labyrinth der Fische bei Schallreizung. Von . H. Piper. (Aus dem physiologischen Institute der Universität Berlin.) (Hierzu Taf. I.) I. Einleitung. Bei den Fischen sollen einer jetzt fast allgemein akzeptierten Ansicht zufolge die Nervenendorgane des Nervus octavus durch Schallwellen nicht in Erregung versetzt werden, und die Druck- oder Dichteoszillationen des Wassers, die wir als Schallwellen zu bezeichnen pflegen, sollen diese Sinnesorgane nicht zu erregen vermögen. Man faßt die Endapparate des Saceulus und Utriculus und der Ampullen ausschließlich als Raumsinnes- organe auf und denkt sich die Vorgänge bei ihrer Erregung etwa so, wie sie in der Theorie von Mach und Breuer angenommen werden. Nur . die Schnecke der höheren Tiere soll die, Hörfunktionen zu versehen haben; da die Fische keine Schnecke haben, so ergibt sich, daß sie nicht „hören“ können, oder besser ausgedrückt, daß sie die Schallschwingungen nicht ver- mittelst ihres Labyrinthes zu perzipieren vermögen. Die experimentellen Beobachtungen über das Hörvermögen der Fische scheinen dieser Theorie zum Teil recht zu geben, zum anderen Teil aber stehen sie im Widerspruch zu derselben. Kreidl! fand, daß Goldfische, 1 Kreidl, Über die Schallperzeption der Fische. Pflügers Archiv. Bd. LXI. S. 450. Archiv f. A. u. Ph, 1910. Physiol. Abtlg. Suppl. 1 > H. Pıprer: auch nachdem sie durch Strychninvergiftung empfindlich gemacht sind, auf Töne, die im Wasser erzeugt wurden, für gewöhnlich nicht reagieren, daß aber doch unter Umständen Reaktionen, namentlich auf plötzlich einsetzende Schalle, so auf starkes Händeklatschen und auf Pistolenknall, eintreten. Die Schallschwingungen dürften bei diesen Versuchen durch den Boden und die Zimmerwände auf das Wasser des Aquariums weiter geleitet worden sein. Kreidl! ist aber der Meinung, daß es sich nicht um Erregung der labyrinthären Endorgane des Nervus octavus, sondern um sensible Erregung der Hautsinnesorgane durch die vom Knall verursachten Schwingungen handle. Auch Körner? konnte beim Angeben kurzer knackender Töne unter Wasser keine Flucht- oder sonstige Reaktionen an 25 verschiedenen Fisch- arten beobachten und schließt, daß den Tieren das Hörvermögen fehlt. Bernoulli? experimentierte an freilebenden Forellen, Aalen und Zandern. Eine elektrische Glocke wurde unter Wasser zum Tönen gebracht; die vom Klöppel ausgehenden Erschütterungen und Strömungen aber sorgfältig von den Versuchstieren abgehalten. Schallreaktionen konnten nicht beobachtet werden. Entgegengesetzt lauten die Angaben von Zenneck* und Parker.’ Zenneck beobachtete an verschiedenen freilebenden Leuciscusarten prompte Fluchtreaktionen, wenn eine elektrische Glocke unter Wasser zum Tönen gebracht wurde. Die mechanischen Erschütterungen durch die Klöppel- bewegung waren auch in diesen Versuchen sorgfältig von den Versuchstieren abgeblendet. Durch diese Beobachtungen ist freilich noch nicht entschieden, ob die Schallperzeption durch das Labyrinth oder die Hautsinnesorgane er- folgt. Das suchte Parker durch Versuche an Fundulus heteroclitus klar- zustellen. Er fand, daß typische Reflexbewegungen der Kiemen und Flossen bei Schallreizung auftraten, daß diese ausblieben, wenn das Labyrinth zer- stört oder der Nervus acusticus durchschnitten war, daß sie aber erhalten blieben, wenn das Gehörorgan intakt gelassen wurde, die Hautsinnsorgane aber durch Resektion aller zugehörigen Nerven ausgeschaltet waren. ı Kreidl, Ein weiterer Versuch über das angebliche Hören eines Glockenzeichens durch die Fische. Pflügers Archiv. Bd. LXIIL S. 581. 2 Körner, Können die Fische hören? Beiträge zur Ohrenheilkunde, Festschrift für A. Lucae. 1905. ® Bernoulli, Zur Frage des Hörvermögens der Fische. Pflügers Archw. 1910. Bd. CXXXIV. S. 633. * Zenneck, Reagieren die Fische auf Töne? Zbenda. Bd. XCV. 8. 346. 5 Parker, Hearing and allied senses in fishes. U. $. Fish Commission Bulletin. 1902. S. 45. AKTIONSSTRÖME VOM. LABYRINTH DER FISCHE BEI SCHALLREIZUNG. 3 Schließlich sind hier Versuche von Baglioni! zu nennen, die ich selbst in der Zoologischen Station zu Neapel mit anzusehen Gelegenheit hatte. Er fand, daß Ballistes capriscus nicht merklich auf Schallreize reagierte, solange das Tier überwiegend vermittelst der Augen die Vor- gänge in der Umgebung verfolgen konnte. Baglioni ist der Meinung, daß die vom Gesichtssinn ausgehenden Hemmungen so stark sind, daß die Schallperzeption nicht in Reaktionsbewegungen zutage tritt. Wurde das Tier aber geblendet, so reagierte es äußerst empfindlich schon auf ganz schwache, durch das Wasser geleitete Töne, indem es die. Kiemen- und Flossen- bewegungen sofort beschleunigte. Baglioni glaubt, der Schall werde dabei durch die Hautsinnesorgane perzipiert, nicht durch das Labyrinth, ich bin der Meinung, daß es sich um Labyrinthreaktionen handelt. Soviel scheinen mir die Versuche von Zenneck, Parker, Baglioni und zum Teil auch von Kreidl vollständig sicher zu beweisen, daß die Fische unter geeigneten Versuchsbedingungen bei Einwirkung desjenigen physikalischen Schwingungsvorganges, den wir als Schall bezeichnen und der in periodischen Dichte- oder Druckdeformationen des Wassers: besteht, in Erregung geraten, daß sie also Sinnesorgane zur Perzeption des Schalles haben. Durch die folgenden Versuche werde ich zeigen, daß die Sinnes- organe des Labyrinthes durch diesen Reiz in Erregung versetzt werden und somit sehr wahrscheinlich der Perzeption des Schalles dienen. II. Methodik. Der Beweis für die Schallempfindlichkeit des Fischlabyrinthes soll durch das Auftreten von Aktionsströmen im überlebenden Organ bei Schall- reizung erbracht werden. Die Versuche wurden am median durchschnittenen Kopf des Hechtes angestellt. Diesem Präparat sollte auf demselben Wege der Schall zugeleitet werden, auf welchem er das Tier unter natürlichen Lebensbedingungen erreicht; als Medium für die Leitung der Schwingungen von der Schallquelle bis zum Präparat mußte also Wasser dienen. Es ist unerläßlich, diese Versuchsbedingung einzuhalten, weil die Schallzuleitung durch die Luft zum Präparat vollständig unwirksam ist. Das ist auch physikalisch sehr wohl verständlich. Ein leicht ansprechendes Annahme- organ für die durch die Luft zugeleiteten Schwingungen, etwa eine in Luft ausgespannte Membran nach Art des Trommelfelles, haben die Fische nicht. Die Luftwellen werden also am Kopf des Tieres ebenso wie an einer Wasser- ‘ Baglioni, Zur Kenntnis der Leistungen einiger Sinnesorgane (Gesichtssinn, Tastsinn und Geruchssinn) und des Zentralnervensystems der Zephalopoden und Fische. Zeitschrift für Biologie. Bd. LIII. S. 277. 1 4 H. Pıper: oberfläche fast vollständig reflektiert und dringen in das viel dichtere Medium des Tierkörpers so gut wie gar nicht ein. Die Wirkung auf ein schallperzipierendes Organ kann also auch bei solcher Art der Reizung nicht merklich werden, und davon überzeugt man sich leicht, wenn man den erfolglosen Versuch macht, etwa durch sehr lautes Anschreien des Präparates Aktionsströme zu erhalten. Bekanntlich ist auch aus den- selben physikalischen Gründen, der fast vollständigen Reflektion und dem minimalen Eindringen der Luftschwingungen durch die Wasseroberfläche, der Versuch vergeblich, merkliche Schallreaktionen der intakt herum- schwimmenden Wassertiere auf Töne zu erhalten, die über dem Wasser in der Luft angegeben werden.! Die Substanz des Tierkörpers und das Wasser sind dagegen annähernd gleich diehte Medien, durch die sich der Schall mit ungefähr gleicher Geschwindigkeit fortpflanzen dürfte. Die durch Wasser zugeleiteten Schwingungen durchdringen also beim Auftreffen auf den Kopf des Tieres dessen Substanz und Organe ohne nennenswerten Reflektionsverlust an der Oberfläche und können eine intensive Wirkung auf die schallerregbaren Sinnesorgane ausüben. | Für die Schallzuleitung durch Wasser dient folgende Anordnung. Eine 100 ® lange, 60°” breite und 80°” tiefe Wanne wurde bis wenige Zenti- meter vom Rand mit Wasser gefüllt. Nahe der Schmalwand der Wanne und parallel derselben wurde ein 10 ® breiter, vollkommen steifer Blech- streifen als horizontale Tischunterlage für das Präparat so befestigt, daß seine Fläche 1°” unter der Wasseroberfläche sich befand. In den Blechstreifen war ein 6°“ im Durchmesser betragendes rundes Loch gestanzt, auf welches das Präparat gelegt wurde. Es tauchte also 1°® tief ins Wasser und bot für die herankommenden Schallwellen eine ausgedehnte Angrifis- fläche. Das Präparat wurde in sehr einfacher Weise hergestellt. Das Tier wurde dekapitiert, der Kopf median halbiert und das Gehirn unter vor- sichtiger Durchschneidung der Nervenwurzeln aus der Schädelhöhle entfernt. Bei den Teleostieren ist der Vorhof des Labyrinthes von der Schädelhöhle nur durch eine dünne Membran abgegrenzt und man sieht nach Ent- fernung des Gehirnes den großen Otholithen des Sacculus und auch den des Recessus utriculi deutlich vorliegen. Die Gunst dieser nur bei den Fischen vorkommenden anatomischen Verhältnisse ermöglicht ein leichtes Experimentieren am isolierten Labyrinth, ohne daß die Überlebenskraft des Organes durch vieles Präparieren und Freilegen, Forträumen umgebender Knochen und Knorpel usw. beeinträchtigt wird. Solche Übelstände wären 1 Kreidl, a.a.O. AXKTIONSSTRÖME VOM LABYRINTH DER FISCHE BEI SCHALLREIZUNG. 5 bei Versuchen an den Gehörorganen anderer Tierklassen wohl unver- meidlich. Das Präparat wurde mit der Außenfläche des Kopfes nach unten auf den Blechtisch der Wasserwanne gelegt, so daß es 1°m tief eintauchte, die nach oben gekehrte Schädelinnenfläche aber über Wasser blieb. Eine mit Wollfaden armierte unpolarisierbare Elektrode wurde an den Otholithen des Sacculus angelest, die andere an einem indifferenten Punkt der Schädel- innenfläche etwa 1 bis 1!/,°® von der ersten angesetzt. Die Elektroden- halter waren an einem besonderen Tisch angeschraubt, der mit der Wasser- wanne keine Berührung hatte. Die Aktionsströme wurden zum großen Einthovenschen Saiten- galvanometer abgeleitet, in das ein versilberter Quarzfaden von 6000 Ohm Widerstand eingespannt war. Die Ausschläge wurden bei 700facher ‘Vergrößerung mit Hilfe des kleinen Edelmannschen Registrierers photo- - graphisch aufgezeichnet. Um einigermaßen große Ausschläge zu erhalten, mußte die Saite des Galvanometers so weit wie möglich entspannt werden, so daß das Projektionsbild bei Anlegung von !/,00 Volt Potentialdifferenz ohne sonstige Widerstände im Stromkreis 5°® Ausschlag gab. Bei größerer Spannung der Saite konnte man die Ausschläge bei Durchleitung der Labyrinthströme wohl ganz gut beobachten, aber die registrierten Kurven waren zu klein und flach, um brauchbare Ausmessungen der Latenz usw. zu ermöglichen. Als Schallquelle diente eine Membranpfeife, die unter Wasser 260 Grund- schwingungen pro Sekunde gibt. Das Prinzip dieser Pfeifen und ihre Konstruktion stammt von Hrn. Prof. Klein! in Kiel; zwei verschieden weite Glasrohre sind nach Art der Wasserstrahlluftpumpen ineinander ge- steckt und miteinander verschmolzen. Über die Öffnung des weiteren Rohres, welche mit dem inneren in gleichem Niveau abgeschnitten ist, wird eine Gummimembran gebunden. Wird Luft mit einem Blasebalg etwa durch das innere Rohr getrieben, so kann sie nach Abdrängen der Membran von der unteren Rohröffnung durch das Außenrohr entweichen. Das Abdrängen oder Ausbuchten der Membran erfolgt periodisch, so daß sie in Schwingungen gerät und einen Ton gibt. Das geschieht auch, wenn die Pfeife nach Ein- tauchen in Wasser angeblasen wird, nur ist der Ton infolge der Belastung der Membran mit der Wassermasse erheblich tiefer als in Luft. Die Pfeife wurde in das Wasserbassin möglichst weit vom Präparat eingetaucht, so daß sie etwa 75 °® Abstand hatte. (Siehe umstehende Textfigur.) ‘ Klein, Mechanische Wirkungen schwingender Körper. Münchener medizin. Wochenschrift. 1899. Nr. 34. 6 H. Piper: Es handelte sich nun darum, den Schallreiz möglichst präzise zugleich mit den Aktionsstromkurven mit zu registrieren. Zu diesem Zweck wurde ganz nahe über der Abstromöffnung der Pfeife ein Telephon derart ange- bracht, daß die hier mit großer Intensi- tät herauskommenden Schallwellen so- fort auf die Telephonmembran auftrafen. Die Telephonströme wurden zu einem zweiten Saitengalvanometer, einem klei- nen Elektromagnetinstrument der Edel- mannschen Werkstätten, geleitet und das Projektionsbild der Saite wurde so auf den Registrierer gespiegelt, daß es sich mit dessen horizontalem Spalt kreuzte und neben das Saitenbild des ersten, für die Aufzeichnung der Ak- tionsströome dienenden Galvanometers fiel. Auf dem photographischen Papier- streifen des Registrierers schrieben also zwei Saitengalvanometer gleichzeitig ihre Stromreaktionen nebeneinander aut, das eine die Aktionsströme des Laby- rinthes, das andere den in Telephon- ströme umgesetzten Schallreiz. Zur Zeitschreibung diente entweder eine Jaquetsche Fünftelsekundenuhr, deren senkrecht gestellter Schreibhebel seinen Schatten quer über den Spalt des Registrierers warf, oder eine Stiimmgabel von 50 Schwingungen pro Se- kunde, deren einer mit einer Borste armierter Arm gleichfalls seinen Schatten so warf, daß er sich mit dem Registriererspalt kreuzte. III. Versuchsergebnisse. Wenn eine Elektrode an dem großen Otholithen des Sacculus angelest ist, die andere aber von irgendeiner indifferenten Stelle der Schädelinnen- fläche, etwa von einem Punkt 1°” vor oder hinter oder oberhalb des Otholithen ableitet, so beobachtet man in der Regel einen sehr schwachen Ruhestrom, der im äußeren Stromkreis von der indifferenten Ableitungs- stelle zum Otholithen fließt. Das Labyrinth hat also ein schwach negatives Potential im Vergleich zu seiner Umgebung. Nur sehr selten ist der Ruhestrom unmerklich oder von umgekehrter Richtung. AKTIONSSTRÖME VOM LABYRINTH DER FISCHE BEI SCHALLREIZUNG. 7 Bei Schallreizung erfolgt eine positive Schwankung des normal ge- richteten Ruhestromes, das negative Potential des Labyrinthes nimmt also zu, wie das für tätige Organe die Regel ist. Das Labyrinth wird also durch Sehallreizung in Erregung versetzt. Hat der Ruhestrom anormale Richtung (Otholith positiv, Umgebung negativ), so erfolgt bei. Sehallreizung eine negative Schwankung; also auch in diesem Fall doku- mentiert sich der Erregungszustand des Labyrinthes dadurch, daß sich im Bereich des Otholithen ein negatives Potential über das im Ruhezustand vorhandene überlagert. Da unabhängig von der Richtung des Ruhestromes das durch Schallreizung erregte Labyrinth sein Potential im Sinne einer Zunahme der Elektronegativität ändert, so gilt das von Kühne für die . Netzhaut des Auges sogenannte „Gesetz der konstanten Spannungsänderung“. Nach Aufhören der Schallreizung kehrt der Strom sogleich zu dem Wert zurück, den das Organ im unerregten Zustand gegeben hatte. Die bei Schallreizung eintretende Stromschwankung, der Aktionsstrom des Labyrinthes, ist um so größer, je größer die Schallintensität ist. Wenn man Intensität und Dauer der Schalleinwirkung systematisch varliert, so bemerkt man, daß schon sehr schwache und kurze Töne genügen, um das Labyrinth zu erregen. Ein leiser Schlag gegen die Wand des Wasser- bassins oder ein leicht klatschendes Eintauchen eines Glasstabes in das Wasser genügt, um einen Aktionsstrom des Labyrinthes von kurzer Dauer und kleiner Ausschlaggröße hervorzurufen. Schallose Erschütterungen des Präparates sind ohne elektromotorischen Erfolg, sofern eine Verschiebung der Elektroden am Präparat sorgfältig vermieden wird. Man kann durch Umrühren beträchtliche Massenverschie- bungen des Wassers und grobe Oberflächenwellen hervorrufen, die zum Präparat gelangen und dagegen treffen, ohne daß eine Labyrintherregung wie bei Schallreizung eintritt. Auch das oben erwähnte Eintauchen des Glasstabes hat nur dann einen Aktionsstrom zur Folge, wenn es so schnell erfolgt, daß ein klatschender Ton hörbar ist. Ein schalloses Eindringen ist dagegen auch dann ohne Effekt auf das Labyrinth, wenn dabei viel beträchtlichere Maässenverschiebungen und Oberflächenwellen im Wasser bewirkt werden. Wasserströmungen und gröbere mechanische Erschütte- rungen und Verschiebungen des Kopfes in toto, wie sie die Oberflächen- wellen bewirken, sind es also nicht, welche das Labyrinth in Erregung versetzen. Vielmehr die periodischen Druckwellen, welche das ganze Organ durchdringen, also diejenigen Schwingungsvorgänge, welche wir als Schall- wellen zu bezeichnen pflegen, sind es, die den wirksamen Reiz für die Erregung der Sinnesorgane im Labyrinth der Fische bilden. Die Perio- dizität von Druckoszillationen ist offenbar erforderlich für eine erfolg- reiche Reizung. Sehr auffällig ist namentlich der Kontrast zwischen der 8 H. Piper: Unwirksamkeit grober, aber schalloser Oberflächenwellen des Wassers, die das Präparat treffen, und der hochempfindlichen Reaktion auf den Schall der Pfeife oder auf leises Klopfen am unteren Teil der Wände des Bassins, beides Reizmethoden, die keine oder kaum merkliche Oberflächenwellen und strömende Massenverschiebungen des Wassers im Gefolge haben. Auch durch leisen Druck mit einem Glasstäbehen auf den Otholithen erhält man keine Aktionsströme, die sich nach Größe und Richtung wie nach Regelmäßigkeit des Ablaufes, mit den bei Schallreizung erzielten ver- gleichen lassen. Oft erhält man bei dieser Art der Reizung überhaupt keinen deutlichen elektromotorischen Effekt, manchmal beobachtet man am Galvanometer Ausschläge von derselben, manchmal von entgegengesetzter Richtung wie bei Schallreizung und fast niemals gehen diese Ausschläge nach Aufhören der Druckreizung wieder zurück. Daß Druck auf den Otholithen die unterliegenden Sinneszellen in Erregung versetzen muß, ist ja im höchsten Grade wahrscheinlich, aber daß man bei derartigen Ver- schiebungen des Otholithen die adäquate Reizung des Sinnesorganes nach- ahmt, ist nach dem Ausfall dieser Versuche und der bald fehlenden und, wenn vorhanden, sehr regellosen Reaktion des Organes nicht anzunehmen. Während man die Reizung durch Schall mit immer gleichem Erfolg mehrere Stunden lang beliebig oft wiederholen kann, bleiben die Reaktionen bei Druck auf den Otholithen nach wenigen Versuchen aus, vermutlich weil die Sinneszellen selbst bei sehr vorsichtigem Berühren des Organes bald geschädigt werden. Übrigens ist es auch schwer, bei diesem Versuch minimale Dislokationen der dem Otholithen anliegenden Elektrode zu ver- meiden und sich nicht durch so bedingte Galvanometerausschläge, die nichts mit Aktionsströmen zu tun haben, täuschen zu lassen. Liegt keine von den Ableitungselektroden dem Otholithen oder dessen unmittelbarer Umgebung an, so erhält man bei Schallreizung keine Aus- schläge. Solche beobachtet man ausschließlich, wenn das Labyrinth den einen Ableitungspunkt abgibt; auch dies beweist natürlich bindend, daß es sich um echte Aktionsströme handelt, welche die Erregung der labyrin- thären Sinnesorgane bei Schallreizung anzeigen. Alle diese Beobachtungen kann man ohne Schwierigkeit bei Verwen- dung eines hochempfindlichen Thomson- oder eines Drehspulengalvano- meters anstellen, und ich! habe bereits im Jahre 1906 über solche Versuche ı H.Piper, Aktionsströme vom Gehörorgan der Fische bei Schallreizung. Zentral- blatt für Physiologie. Bd. XX. Nr. 9. Derselbe, Über das Hörvermögen der Fische. Münchener medizin. Wochen- schrift. 1906. Nr. 36. Derselbe, Die akustischen Funktionen des inneren Öhres und seiner Teile. Medizinische Klinik. 1906. Nr. 41. AKTIONSSTRÖME vOM LABYRINTH DER FISCHE BEI SCHALLREIZUNG. 9 berichtet, in denen ein Deprez-d’Arsonval-Galvanometer als strom- messendes Instrument diente. Man kann diese Feststellungen leicht am Saitengalvanometer wiederholen, man kann aber auch die Untersuchung mit Hilfe dieses Instrumentes dadurch weiter fördern, daß man den zeit- lichen Verlauf der Aktionsströme des Labyrinthes graphisch registriert und die Stromkurven einer genauen Ausmessung unterzieht. Man findet dabei zunächst, daß vom Einsetzen des Schallreizes bis zum Manifestwerden der Labyrintherregung, d. h. bis zum Beginn der Aktionsstromsehwankung ein ziemlich kurzes, aber stets sicher konstatier- bares und ausmeßbares Latenzstadium verstreicht. Mißt man in den Kurven die Strecke aus, welche zwischen der Ordinate des Beginnes der Schallkurve und dem Punkt liest, in welchem sich die Aktionsstromkurve von der Abszisse des Ruhestromes abzuheben beginnt, so findet man dafür in der Regel Zeitwerte von etwa 0-02 Sekunden. Der kleinste Wert, der in meinen Kurven vorkommt, ist 0-017 Sekunden, der größte 0-04 Sekunden. (Fig. 1, 11) Die Stromkurve steigt dann bis zu einem Maximum an und dieses wird bis auf geringe Diskontinuitäten annähernd konstant während der ganzen Dauer der Schallreizung innegehalten, sofern die Schallintensität nur nicht variiert wird. Intensitätsschwankungen des Schallreizes haben stets auch Größenschwankungen des Aktionsstromes im Gefolge (Fig. 5, Taf. ]). Manchmal beobachtet man, daß der Aktionsstrom bei lange anhaltender konstanter Schallwirkung schon während der Reizung ganz langsam ein wenig absinkt. Das dürfte eine Ermüdungserscheinung sein. Ich habe alle Stromkurven auf das Genaueste darauf geprüft, ob sie Zacken in der Schwingungsfrequenz des Schallreizes haben. Das ist aber nicht der Fall, und es handelt sich demnach um einen stetigen Erregungsprozeß in dem Sinnesorgan. Die ersten Kurven, welche ich registrierte, schienen super- ' ponierte Zacken in der Schwingungsfrequenz des Pfeifentons aufzuweisen; diese fielen aber sofort vollständig fort, als ich das Wasserbassin auf eine dicke Filzunterlage stellte, und so Vorsorge traf, daß die Schallwellen nicht in nennenswertem Grade durch den Fußboden und die Wände direkt zum. Galvanometer geleitet und hier Schwingungen der stark entspannten Saite verursachen konnten. Nach dem Abbrechen der Schallreizung verstreicht wieder ein Latenz- stadium von 0-02 bis 0-04 Sekunden, ehe der Aktionsstrom beginnt wieder abzusinken (Fig. 1, Taf. I). Mit ungefähr demselben Gefälle, mit dem er bei Beginn der Reizung angestiegen war, kehrt der Strom dann zu dem Wert zurück, der im Ruhezustand des Organes bestand. In vielen Fällen bleibt er sogleich bei dieser Einstellung, manchmal folgen aber mehrere kleine Nachsehwankungen, die sich bei wiederholten Reizungen in immer 10 - H. Piper: gleicher Weise wieder einstellen (Fig. 3 u. 4, Taf. I). Die Bedeutung dieser Nachschwankungen, die manchmal da sind, meist aber fehlen, bleibt vor- läufig unklar. 1V. Theoretisches. Die hier mitgeteilten Versuche dürften nicht nur beweisen, daß dic Sinnesorgane des Labyrinthes der Fische durch Schallwellen in Erregung versetzt werden, und während andauernder Schalleinwirkung in ständiger Erregung bleiben, sondern sie dürfen es auch in hohem Grade wahrschein- machen, daß die Schallwellen der adäquate Reiz für diese Sinnesorgane sind. Da die Fische keine Schnecke haben, so kommen als schallperzi- pierende Organe hier nur die Endorgane des Sacculus und Utriculus und der Ampullen in Betracht. Nun wird aber jetzt fast allgemein unter dem Einfiuß der Mach-Breuerschen Lehre von der Labyrinthfunktion energisch bestritten, daß diese Endorgane etwas mit akustischen Funktionen zu tun haben. Die Otholithenorgane sollen Lageempfindungen, die Ampullenorgane Bewegungsempfindungen des Kopfes vermitteln. Außerdem werden den Cristae und Maculae acusticae noch mancherlei andere Raumsinnfunktionen zugeschrieben, die Erregbarkeit durch Schallwellen aber wird ihnen abge- gesprochen und allein der Schnecke der höheren Vertebraten zuerkannt. Nach dieser Lehre müßten die Fische „taub“ sein und der vermeintliche Nachweis dieser Labyrinthtaubheit ist seit langem ein Hauptargument zur Begründung der ausschließlichen Raumsinnfunktion der Otholithen- und Ampullenapparate gewesen. Tatsächlich aber fällt dieses vergleichend- physiologische Experimentum crucis zuungunsten der Mach-Breuerschen Lehre aus: die Schallerregbarkeit des Fischlabyrinthes, d. h. der Otholithen- und Ampullensinnesorgane kann nicht länger be- zweifelt werden.! Wenn aber bei den Fischen die Maculae und Cristae acusticae Gehörs- funktionen haben, so wird man dies auch. für die Säuger annehmen müssen, denn diesen hätte man wohl ohne die an den Vögeln und Fischen ge- wonnene Auffassung von der alleinigen Raumsinnfunktion des Labyrinthes nie die akustische Tätigkeit abgesprochen. An direkten Beweisen für die ‚Schallperzeption der Vestibular- und Ampullenorgane auch bei den Säugern fehlt es nicht. Zu erinnern ist an die klinische Beobachtung, daß bei voll- ständiger Degeneration der Schnecke die Hörfähigkeit sehr wohl erhalten sein kann, die jetzt natürlich nur durch die allein noch funktionsfähigen Vestibular- ! Vgl. auch: H. Piper, Aktionsströme vom Labyrinth der Fische bei Schall- reizung; Sitzungsbericht der Deutschen Physiologischen Gesellschaft im Zentralblatt Jür Physiologie. 1911. ÄAKTIONSSTRÖME VCM LABYRINTH DER FISCHE BEI SCHALLREIZUNG. ll und Ampullenapparate vermittelt sein kann. Ferner fand Kalischer,! daß Hunde, denen er an einer Seite das ganze Labyrinth, an der anderen die Schnecke zerstört hatte, vermittelst des nur einseitig erhaltenen Vestibular- apparates nicht nur Töne hören, sondern sogar verschiedene Tonhöhen unter- scheiden konnten. Die Tiere waren auf einen bestimmten Ton dressiert und nahmen auch nach der Operation nur ihr Futter, wenn dieser Ton erklang, verweigerten aber die Annahme bei anderen Tönen. Hensen? hat stets den Standpunkt festgehalten, daß das innere Ohr in allen seinen Teilen, also auch die Endorgane des Sacculus, des Utriculus und der Ampullen im wesentlichen Gehörsfunktionen zu versehen haben. Er und Deetjen® konnten an den freigelegten halbzirkelförmigen Kanälen der Köpfe von Kälbern und Vögeln direkt mit dem Mikroskop Lymph- strömungen beobachten, wenn der Schall dem Labyrinth vom Trommelfell aus übermittelt wurde. Hensen beobachtete ferner, daß die durch Schall hervorgerufenen Vibrationen der Fenestra ovalis die umspülende Perilymphe in so beträchtliche Strömung versetzte, daß metallene Kügelchen, die an Fäden hineingehängt wurden, noch bei beträchtlichem Abstand vom ovalen Fenster in heftige Bewegung gerieten. Wieviel mehr müssen die viel kleineren und näher befindlichen Otholithen bei Schall durch die Schwin- sungen der Steigbügelplatte einen Anstoß erfahren. Dies sind aber gerade diejenigen Zustandsänderungen an den Sinnesorganen, welche nach der Mach-Breuerschen Theorie nicht durch Schall, sondern durch Bewegungen und Lageveränderungen des Kopfes hervorgerufen werden, und welche Raumsinnempfindungen auslösen sollen. Man wird zugeben, daß diesen Hypothesen von Mach und Breuer aus allen genannten Beobachtungen über die Schallwirkung auf den Vestibular- ı Kalischer, Weitere Mitteilungen über die Ergebnisse der Dressur als physio- logische Untersuchungsmethode auf dem Gebiete des Gehör-, Geruchs- und Farbensinnes. Dies Archiv. 1909. Physiol. Abtlg. S. 303. a ?2 Hensen, Studien über das Gehörorgan der Akropoden. Zeitschrift für wissen- schaftliche Zoologie. Bd. XIII. S. 319. Derselbe, Die Empfindungsarten des Schalles. Pflügers Archiv für die ge- samte Physiologie. Bd. CXIX. 8. 282. Derselbe, Vortrag gegen den sechsten Sinn. Archiv für Ohrenheilkunde. Bd. XXXV. S. 161. Derselbe, Untersuchung über Wahrnehmung der Geräusche. Ebenda. Bd. XXI. S. 69. ‚ Derselbe, Die Fortschritte in einigen Teilen der Physiologie des Gehörtes. Ergebnisse der Physiologie. 1, 2. 8. 847. Derselbe, Über die akustische Bewegung in dem Labyrinthwasser.. Münchener medizin. Wochenschrift. 1899. Nr. 14. 3 Deetjen, Akustische Strömungen der Perilymphe. Zeitschrift für Biologie. Bd. XXXIX.- S. 159. 12 H, PıPper: apparat die größten Bedenken erwachsen. Es ist doch sehr unwahrschein- lich, daß dieselben Zustandsänderungen im Labyrinth, nämlich Strömungen. der Endolymphe, durch zweierlei ganz verschiedenartige Einwirkungen, näm- lich Lageveränderungen des Kopfes und Schallschwingungen, bewirkt werden sollen. Auch wäre es recht befremdlich, wenn zwei so heterogene Reize die gleiche Zustandsänderung im inneren Ohr hervorrufen und beide den adäquaten Reiz für die hier liegenden Sinnesorgane abgeben sollten, doch aber, wie wohl anzunehmen ist, in der Wahrnehmung verschieden perzipiert werden, nämlich als Bewegung des Kopfes und als Schall. Sie müßten also trotz gleicher Wirkung im peripheren Sinnesorgan verschiedene „spezi- fische Sinnesenergien“ (Ioh. Müller) auslösen. Auch durch mehr kritische Betrachtungen hat Hensen zu zeigen ge- sucht, daß die speziellen Annahmen der Mach-Breuerschen Theorie nieht haltbar sind. Er weist darauf hin, daß die Art, wie nach diesen Autoren Strömungen der Endolymphe in den halbzirkelförmigen Kanälen zustande kommen sollen bei Bewegungen des Kopfes und die Art, wie bei Lage- veränderungen die Otholithen auf ihre Unterlage gleiten sollen, nicht zu- treffen können, weil sie aus physikalisch und physiologisch unzutreffenden Vorstellungen von der Lage des Labyrinthes im Kopfe und von der Strömung hochvisköser Flüssigkeiten in kapillaren Kanälen abgeleitet sind. Es kann indessen natürlich nicht bestritten werden, daß das Labyrinth mit dem Raumsinn aufs engste zu tun hat. Das beweisen aufs deutlichste die schönen Exstirpations- und Reizversuche Ewalds! und seiner Nachfolger auf diesem Gebiete des Experimentes. Nur der Art, wie Mach und Breuer die Raumsinntheorie des Labyrinthes durch weitgehende Spezialisierung der Vorstellungen von den Reiz- und Frregungsvorgängen ausgestaltet haben, mub entgegengetreten werden, denn es scheint mir kaum möglich, diese Vorstellungen mit der jetzt erwiesenen Schallerregbarkeit der vestibulären Sinnesorgane zu vereinbaren. Es ist hier auch noch das folgende zu be- denken: Gerade die Fische und Vögel zeigen die Störungen der Körper- haltung und Orientierung nach Labyrinthläsion und die Zwangsbewegungen bei Labyrinthreizung so auffällig, daß die Versuche an diesen die Grund- lage für die Deduktionen der Mach-Breuerschen Theorie gebildet haben. Aus ähnlichen Versuchen an Säugern hätte man wohl kaum ein hinreichend klares, typisches und konstantes Beobachtungsmaterial für die Begründung so ins Detail entwickelter theoretischer Anschauungen gewonnen. Die Fische aber reagieren auf Schall mit den ausschließlich für den Raumsinn in An- spruch genommenen Vestibularapparaten, und das ist vergleichend-physio- ! Ewald, Physiologische Untersuchungen über das Endorgan des Nervus octavus. Wiesbaden (Bergmann) 1892. AXKTIONSSTRÖME VOM LABYRINTH DER FISCHE BEI SCHALLREIZUNG. 13 logisch um so bedeutsamer, als alle Experimente am Labyrinth der Fische als reine Versuche an den Otholithen- und Ampullenorganen, uanlzer) durch Beteiligung der Schnecke anzusprechen sind. Vielleicht wird doch noch die Anschauung sich als richtigste heraus- stellen, daß die Raumsinnfunktionen des Labyrinthes in ähnlichem Sinne der Aufgabe der Schallperzeption angegliedert sind, wie im Gebiete des Gesichtssinnes sich zur prinzipalen Aufgabe der Lichtperzeption die der optischen Orientierung fügt. Im Gebiete beider Sinne machen sich Stö- rungen der Raumsinnkomponente sehr ähnlich in Beeinträchtigung der Statik und Orientierung, Schwindelgefühl usw. geltend. Der Schall wäre hiernach der adäquate Reiz für das Labyrinth, auch für den Vestibular- apparat, in der Erregung steckt aber eine Raumsinnkomponente mit drin. | Erklärung der Abbildungen. (Taf. L.) Die Kurven sind von rechts nach links zu lesen. Die obere ist die Kurve der Telephon- ströme des Schallreizes, die mittlere die Aktionsstromkurve, unten die Zeitschreibung (in Fig. 1—3 Stimmgabel von '/,, Sekunde; in Fig. 4 Jaquetsche Uhr, !/, Sekunde.) Fig.1. Latenz des Aktionsstromes 0-03 Sek., nach Anstieg annähernd konstanter Stromwert während der Schallreizung. Bei Aufhören des Schalles Absinken mit einer Latenz von 0-0325 Sek. Fig. 2, Zwei aufeinander folgende Reizungen, Latenzen nach Beginn 0-024 und 0.022 Sek., nach Aufhören des Schalles 0-027 und 0:03 Sek. Fig. 5. Dasselbe. Deutliche Nachschwankungen. Fig. 4. Dasselbe. ' Eig. 5. Rhythmisch an- und abschwellende Intensitätsschwankungen des Schall- - reizes, rhythmische Aktionströme. Über die Wechselbeziehungen zwischen den Hinterwurzeln des Rückenmarks und der Pyramidenbahn in bezug auf die Bewegungsregulation. (Experimentelle Untersuchung.) Von N. Ossokin. (Aus der experimentell-biologischen Abteilung des kgl. pathologischen Instituts der Universität Berlin.) Zu den Grundaufgaben der Physiologie des Nervensystems gehört einerseits das Studium der Funktionen der einzelnen Teile desselben, anderer- seits die Feststellung der Wechselbeziehungen zwischen denselben bei der Verrichtung gemeinsamer Arbeit. Aus der Betrachtung der Spezialliteratur kann man sich leicht davon überzeugen, daß diese beiden Richtungen eine ungleiche Entwicklung erlangt haben. Während die Arbeiten, die sich mit der Feststellung der Funktion der einzelnen Teile des Nervensystems be- fassen, zahlreich sind und die bezüglichen Fragen eine ziemlich vollständige Beleuchtung erfahren haben, sind die Arbeiten der anderen Gruppe noch sehr spärlich, so daß zahlreiche Fragen über die komplizierteren Vorgänge der neuro-psychischen Tätigkeit, die eine gleichzeitige Beteiligung mehrerer Abschnitte desselben Nervensystems erheischt, in physiologischer Beziehung weit mangelhafter erforscht sind. Erst vor kurzer Zeit begann man auch auf diesem Gebiet sich der physiologischen Beobachtungen häufiger zu be- dienen. Zu diesen Fragen gehört diejenige des Mechanismus der Bewegungs- regulation, mit deren Erforschung sich die experimentellen Arbeiten von Luciani, Ewald, Munk, Bickel, Probst und Rothmann befaßt haben. N. OssoKIn: WECHSELBEZIEHUNGEN USW. 15 Einen Beitrag dazu soll auch die folgende Arbeit bringen, in der ich die Wechselbeziehungen zwischen den Hinterwurzeln des Rückenmarks und der Pyramidenbahn in bezug auf die Bewegungsreeulation zu studieren versuchte. Wenn wir uns die bereits bestehenden Schemen vergegenwärtigen, die die Verbindungen derjenigen Teile des Nervensystems darstellen, die den Mechanismus der Bewegungsregulation bilden, so müssen wir zugeben, daß dieser Mechanismus ein ziemlich komplizierter ist, da mindestens zu dem- selben gehören: das sensomotorische Gebiet der Rinde, das Kleinhirn und das Rückenmark, sowie die zu denselben gehörenden zentrifugalen und zentripetalen Leitungsbahnen.! Von den Rollen, die allen diesen Teilen zukommen, kennt man relativ gut diejenige Rolle, die dem peripherischen sensiblen Neuron zufällt, was zum ersten Male vor fast hundert Jahren durch das bekannte Experiment von Bell (Durchschneidung des N. infra-orbitalis) dargestellt, später von einer ganzen Reihe von Autoren an verschiedenen Tieren mittelst Durchschneidung der Hinterwurzeln erforscht wurde. Die neuesten Arbeiten, die in dieser Rich- tung ausgeführt sind, rühren von Baldi, Landois, Kornilow, Jacob, Bickel? und Lapinski? her. Die Beschreibungen, welche diese Autoren von den bei den Versuchs- tieren unmittelbar nach der Durchschneidung der Hinterwurzeln eintretenden motorischen Störungen geben, stimmen im großen und ganzen überein, und infolgedessen werde ich die bei der Durchschneidung auftretenden Er- scheinungen an der Hand der Darstellung von Bickel beschreiben, auf dessen Arbeit ich überhaupt ausführlicher eingehen muß, weil in derselben mit besenderer Sorgfalt gerade die uns interessierende Frage der Bewegungs- regulation erörtert wird. Bickel teilt den Verlauf der nach der Durchschneidung der Hinter- ' wurzeln eintretenden Störungen in drei Perioden ein: 1. pseudo-paraplek- tisches Stadium, 2. ataktisches Stadium, 3. Stadium der Ataxiekompensation. Aus dieser Teilung geht schon hervor, daß die unmittelbar nach der Ope- ration eintretenden Störungen am deutlichsten zur Geltung kommen. Bei vollständiger Durchschneidung sämtlicher Wurzelfasern erscheint das Tier wegen seiner Unfähigkeit, selbst die einfachsten lokomotorischen Bewegungen auszuführen, gleichsam paralysiert, aus welchem Grunde Hering diesen [4 ı Foerster, Die Physiologie und Pathologie der Koordination. 1902. ® A. Bickel, Untersuchungen über den Mechanismus der nervösen Bewegungs- regulation. 1903. Stuttgart, Verlag von Enke. ® M. Lapinski, Zur Frage der Ursachen der motorischen Störungen bei Läsionen der hinteren Wurzeln und des Verlaufes der Kollateralen im Rückenmark. Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 1907. Bd. XLII. 16 N. Össokiın: Zustand die zentripetale Paralyse nannte. Nichtsdestoweniger ergibt die aufmerksame Beobachtung, daß es einen paralytischen Zustand in diesen Fällen in Wirklichkeit nicht gibt, da der Hund noch imstande ist, ziemlich energische Bewegungen auszuführen, jedoch infolge der Sensibilitätsstörung die Fähigkeit eingebüßt hat, diese Bewegungen zu regieren. Bei unvoll- “ständiger Durchschneidung der Wurzeln sind die in Rede stehenden Er- scheinungen entsprechend schwächer ausgeprägt und gleichen sich bald wieder aus. Im zweiten Stadium, demjenigen der ausgesprochenen Ataxie, erlangen die Tiere die Fähigkeit, von ihren Bewegungen Gebrauch zu machen, müssen sich aber dabei sehr anstrengen und bringen ihren Körper in eine äußerst ungeschickte Lage; beim Sitzen und Liegen befinden sich die affizierten Extremitäten gleichfalls in ungewöhnlicher Lage, indem sie bald hinten, bald seitwärts vom Rumpf bleiben. Das Tier ist nicht im- stande, die abnorme Lage der affizierten Extremitäten zu korrigieren, so daß es, wenn es beispielsweise auf dem Tisch mit über den Tischrand hinunterhängenden hinteren Extremitäten liegt, dieselben nicht hochnimmt, was ein gesunder Hund stets zu tun pflegt. Beim Gehen stellt sich das Tier falsch auf die Extremitäten, indem es sich auf die dorsale Oberfläche statt auf die Palmaroberfläche stützt. Es wirft die Beine auseinander, gleitet auf glattem Fußboden aus und fällt. Noch stärkere ataktische Störungen treten bei komplizierten Bewegungen in Erscheinung, beispiels- weise beim Hinunterspringen von einer Höhe, beim Auf- und Absteigen einer Treppe, beim Überschreiten einer Lattenbrücke usw. Die Zielbewegungen, beispielsweise beim Kitzeln und anderen Reizungen, erreichen ihr Ziel nieht. Mit der Zeit werden alle diese Störungen in mehr oder minder bedeutendem Grade ausgeglichen, so daß das Tier gewöhnlich lernt, seine Bewegungen zu regieren, und fast wieder die motorische Fertig- keit entwickelt, über die es vor der Operation verfügt hat. Der Autor bemerkt hierzu, daß nicht alle Tiere, selbst wenn sie in gleicher Weise operiert worden sind, einen und denselben Grad der Kompensation er- reichen. In dem anderen Teil seiner Arbeit erklärt Biekel die Bedeutung der übrigen Bestandteile des regulatorischen Mechanismus. Die ataktischen Erscheinungen, die bei Zerstörung der Rinde beobachtet werden, vergleicht er mit denjenigen funktionellen Veränderungen, die gewöhnlich nach der Durchschneidung der Rückenmarkswurzeln zutage treten, was er durch die bestehenden klinischen Beobachtungen (Kahler, Bernhardt, Leyden, Pick) über die sogenannte Zerebralataxie zu beweisen sucht, die sich nach diesen Autoren von der Wurzelataxie bzw. von der durch Verletzung der motorischen Rindensphäre bedingten Ataxie nicht prinzipiell unterscheidet. Das Bild, welches der Hund nach beiderseitiger Zerstörung der motorischen WECHSELBEZIEHUNGEN ZWISCHEN TEILEN DES NERVENSYSTEMS. 17 Sphäre darbietet, setzt sich nach Bickel teils aus Störung des Kombinations-, teils aus Störung des regulatorischen Bewegungsapparates zusammen. Störungen des Regulationsmechanismus bleiben längere Zeit bestehen und erinnern durch ihren Charakter, wie gesagt, an diejenige Ataxie, die sich nach der Durchschneidung der Hinterwurzeln entwickelt. Es sei allerdings hier bemerkt, daß diese letztere These Bickels von seiten W. M. Bech- terews! Widerspruch erfuhr, indem letzterer glaubt, daß die bei Ver- letzung der motorischen Sphäre zutage tretenden Störungen nur paralytischer Natur seien. Die eigenen experimentellen Untersuchungen Bickels, die sich auf die Bedeutung der Hirnrinde für die Kompensation der Hinterwurzelataxie beziehen, lassen sich in zwei Kategorien einteilen: in der einen Reihe von Fällen wurden zunächst die Hinterwurzeln durchschnitten und nach dem Eintreten der Kompensation das motorische Gebiet der Rinde der ‚beiden Hemisphären zerstört. In der anderen Versuchsserie ging man in entgegen- gesetzter Richtung vor, d. h. man zerstörte das Gebiet der Rinde und schnitt erst später die Hinterwurzeln durch. Es ergab sich, daß das Tier, welches sich nach totaler oder partieller, jedoch symmetrischer Durchschneidung der Hinterwurzeln für beide Extremitäten im Stadium der Kompensation der hervorgerufenen ataktischen Störungen befindet, wieder eine analoge Störung in den Bewegungen wahrnehmen läßt, wenn man das motorische Gebiet der Rinde verletzt. Als Beispiel hierfür kann folgendes Experiment dienen: Am 12. Januar 1900 schnitt man beim Versuchshunde die zentri- petalen Wurzeln für beide hintere Extremitäten durch. Unmittelbar’ nach der Operation zeigte das Tier bedeutende Störung der Lokomotion. Diese Störungen begannen jedoch vom zweiten Tage nach der Operation sich allmählich auszugleichen, und am 1. Mai 1900 erlangte das Tier einen genügend hohen Grad von Kompensation, so daß seine Körperlage beim Gehen und Stehen normal war, die hinteren Extremitäten sich gut streckten, der Hund wieder die Fähigkeit erlangte, Treppen zu steigen und auf den Hinterbeinen zu stehen. Am 7. Mai 1900 wurde bei demselben Hunde das motorische Gebiet der Rinde der beiden Hemisphären zerstört. Die Folge dieser Operation äußerte sich darin, daß die hinteren Extremitäten fast in denselben Zustand gelangten wie nach der ersten Operation mit deutlich ausgesprochener ataktischer Natur der Bewegungen, während in den vorderen Extremitäten eine schwächere beobachtet wurde, wie sie nach Zerstörung der motorischen Sphäre allein gewöhnlich beobachtet wird. Leider konnte dieses Experiment nur eine relativ kurze Zeit über verfolgt werden, da das Tier nach einigen Tagen infolge einer interkurrenten akuten ! Prof. W.M. Bechterew, Grundzüge der Lehre von den Hirnfunktionen. 1905. Archiv f. A. u. Ph. 1910. Physiol. Abtlg. Suppl. 2 18 N. Ossokin: Erkrankung zugrunde ging. Nichtsdestoweniger geht aus der Gegenüber- stellung der ungleich ausgeprägten Intensität der motorischen Störungen der vorderen Extremitäten, denen Zerstörung der motorischen Rindensphäre zugrunde lag, und der motorischen Störungen der hinteren Extremitäten, die durch kombinierte Verletzung der peripherischen sensiblen Leitungs- bahnen und der motorischen Rindensphäre bedingt waren, deutlich genug hervor, daß der letzteren die kompensatorische Funktion bei ataktischen Störungen zufällt. Die motorische Rindensphäre, welche gleichsam ein Depot der früher angesammelten Erregungen darstellt, beginnt letztere zu verbrauchen, sobald die Funktion der peripherischen sensiblen Nerven, die einen erregenden Einfluß ausübten, ausfällt. Bei Entfernung der Rinde kann Kompensation nicht eintreten. Das zweite Experiment von derselben Kategorie ist nicht weniger lehr- reich: bei dem betreffenden Versuchshunde wurde zunächst eine partielle Durchsehneidung der Hinterwurzeln vorgenommen, wodurch unmittelbar nach der Operation eine Paraplegie nicht eintrat und alles auf die Ent- wicklung einer Ataxie beschränkt blieb. Da ein bedeutender Teil der peripherischen sensiblen Leitungsbahnen erhalten blieb, durfte man erwarten, daß sie für die Kompensation von besonderer Bedeutung sein würden; nichtsdestoweniger bewirkte auch in diesem Falle die Verletzung der korti- kalen Zentren in den beiden Hemisphären wiederum einen sehr schweren Symptomenkomplex, und das Tier war während der ziemlich langen Beob- achtungsperiode nach der zweiten Operation nicht imstande, eine kompen- satorische Tätigkeit in genügendem Maße zu entfalten. In den Bickelschen Experimenten der zweiten Kategorie wurde die Rinde vor der Durchschneidung der Wurzeln entfernt, wobei die Kompen- sation gleichfalls eine ungenügende war. Um den Umfang meines Aufsatzes möglichst zu kürzen, muß ich die interessanten Resultate der Untersuchungen über die Wechselbeziehungen zwischen Kleinhirn, dem Ohrlabyrinth, den optischen Perzeptionen und der Kompensation der ataktischen Störungen hier fortlassen. Von der Absicht ausgehend, die Wechselbeziehungen zwischen den Hinterwurzeln und der Pyramidenbahn in bezug auf die Bewegungsregulation zu studieren, faßte ich den Gedanken, diese letztere in der Gegend der Pyramiden der Medulla oblongata zu verletzen. Die Verletzung der Pyramiden der Medulla oblongata ist erst vor kurzer Zeit in die physio- logische Praxis übernommen worden, aus welchem Grunde ich trotz der relativen Einfachheit dieser Operation für notwendig erachte, einige Hin- weise auf die bestehenden Methoden zu geben und zugleich auf die erzielten Resultate hinzuweisen. Der erste, der diese Operation zu physiologischen Zwecken anwandte, WECHSELBEZIEHUNGEN ZWISCHEN TEILEN DES NERVENSYSTEMS. 19 war Starlinger.! Er schnitt die Pyramiden oberhalb des Chiasma durch, zu welchem Zwecke er im Os basilare oberhalb des Foramen oceipitale eine Trepanation machen mußte. Die Hunde, welche diese Operation überstanden, blieben einige Wochen lang am Leben, wobei es sich ergab, daß sie zu- nächst zwar motorische Störungen aufwiesen, im Laufe der Zeit aber sich von gesunden Tieren wenig unterschieden. Die Resultate seiner Experi- mente lest Starlinger! in folgender Tabelle nieder: Ort der Läsion Zerstörung der Pyramiden Ausfalls- erscheinungen Ausdehnung der deszendierenden Degeneration In Olivenhöhe Oberes Drittel der Oliven und oberhalb derselben In Olivenhöhe In der Höhe des Corpus trapezoidum | Oberhalb der Oliven In Olivenhöhe Rechts vollständig, links vollständig Rechts vollständig, links zum Teil Rechts zum Teil, links zum Teil Rechts zum Teil, links vollständig Rechts fast vollstän- dig, links fast voll- ständig Rechts vollständig, links vollständig Streift mit den Kral- len, sonst nichts be- sonders Auffälliges Nichts Auffallendes Dasselbe Schwanken des Hin- terteils, wenn Fuß unterbunden Nichts Auffallendes Ataktisch Bis zur Lende. Links schon im Hals- markstark gelichtet, rechts deutlich. Erschöpft sich unter dem Halsmark. Links bis zum Hals- mark, rechts bis zum oberen Brustmark. Oberes Brustmark. | Bis zur Lende. Die Untersuchung von Starlinger hat zum ersten Mal den Grund für die Lehre geschaffen, daß auch andere motorische Systeme bestehen, welche Lehre späterhin durch die Untersuchungen von W. A. Pawlow?, Redlich?®, M. Probst®, Bechterew u.a. eine weitere Entwicklung erfuhr. Eine weitere Methode der Verletzung der Pyramiden wurde von Rothmann° vorgeschlagen, der vorzieht, diese Operation in Höhe der Pyramidenkreuzung auszuführen. Zur Freilegung der Pyramiden nach ! Starlinger, Durchschneidung beider Pyramiden Ben Hunde. Jahrbücher für Psychiatrie. Bd. XV. ı W. Pawlow, Über die physiologische Rolle der vorderen Vierhügel. berichte. 1901. | ®2 Redlich, Beiträge zur Anatomie und Physiologie der motorischen Bahnen bei der Katze. Monatsschrift für Psychiatrie und Neurologie. 1899. 3 M. Probst, Üler den Hirnmechanismus der Motilität. 1901. * M. Rothmann, Die Zerstörung der Pyramidenbahn in der Kreuzung. Neurolog. Zentralblatt. 1900. Jahres- 9% 20 “N. Ossokis: diesem Verfahren muß sich der Hund in Rückenlage befinden. Die Haut- inzision wird in der Mittellinie des Halses angelegt, die darunter liegenden Teile werden auf stumpfem Wege abgelöst, worauf man bis zur Membrana obturateria anterior vordringt, welche die Öffnung zwischen dem Hinter- hauptbein und dem Atlanten schließt. Die Mebrana wird durchschnitten, worauf man der Mittellinie entlang die harte Hirnhaut vorsichtig spaltet. Hierauf wird die Medulla oblongata mit dem Messer verletzt. Der Autor, der nach dieser Methode an Hunden und Affen viel operiert hat, behauptet, daß diese vor derjenigen Starlingers den Vorzug habe, da bei letzterer seiner Meinung nach häufiger Nebenverletzungen beigebracht werden, was auf die Versuchsresultate von ungünstigem Einfluß sei. Nachdem er bei der Durchschneidung der Pyramiden Resultate erzielt hatte, die denjenigen von Starlinger ähnlich waren, ging er zu kombi- nierten Experimenten über. Ein bedeutender Teil dieser Experimente war der Aufklärung der Frage der Bedeutung der Pyramidenbahnen als Leitungs- bahnen für isolierte Bewegungen gewidmet, die-auf Grund der Experimente von Munk angenommen wurde. Zu diesem Zwecke entfernte Rothmann! beim Affen zunächst auf einer Seite das Rindenzentrum der oberen Extre- mität, schnitt hierauf die hintere Seitenkolumne in der Höhe des dritten Halssegments durch und verletzte schließlich die hintere Seitenkolumne der anderen Seite unterhalb der Pyramidenkreuzung. Bei diesen Experimenten konnte die motorische Innervation nur durch die vorderen Kolumnen gehen, und nichtsdestoweniger waren die isolierten Bewegungen erhalten. Diese Erhebungen finden jedoch bei den späteren Autoren keine Bestätigung. So weist Schueller?, der sich wiederum der von Rothmann vor- geschlagenen Verletzungsmethode bediente, darauf hin, daß die Durch- schneidung der Pyramiden bei Affen den Verlust der isolierten Bewegungen zufolge hat. Marinesco® nimmt ebenso wie Schueller an, daß Zerstörung der Leitung durch die Pyramidenbahn Ausfall der isolierten Bewegungen nach sich zieht. ı M. Rothmann, Über experimentelle Läsionen des Zentralnervensystems an anthropomorphen Affen. Archiv für Psychiatrie. Bd. XXXVIIl. Derselbe, Über die physiologische Wertung der cortieospinalen (Pyramiden-)Bahn. Dies Archiv. 1907. Physiol. Abtlg. ?2 Schueller, Experimentelle Pyramidendurchschneidung beim Hunde und Affen. Wiener medizinische Wochenschrift. 1906. Derselbe, Methode zur isolierten Durchschneidung der Pyramiden beim Affen. Ebenda. 1904. 8 Marinesco, Contribution & l’etude du mecanisme des mouvements volontaires et des fonctions du faisceau pyramidal. La semaine medicale. 1903. WECHSELBEZIEHUNGEN ZWISCHEN TEILEN DES NERVENSYSTEMS. 21 W.M. Bechterew! vertritt gleichfalls die Ansicht, daß die Pyramiden- bahn zur Verrichtung von isolierten Bewegungen prädestiniert sei. Ich möchte noch auf ein von Rothmann an Hunden ausgeführtes kombiniertes Experiment hinweisen, nämlich auf die gleichzeitige Verletzung der Pyramidenbahn und der Monakowschen Bahn. Unter dieser Be- dingung entwickelten sich beim Hunde spastische Erscheinungen, die sich im Laufe der Zeit wieder ausglichen. Was mich betrifft, so habe ich mich bei meinen Experimenten der von Rothmann vorgeschlagenen Methodik bedient, wobei ich die Durch- schneidung der Pyramiden mit dem Messer in meinen Experimenten durch Verletzung derselben mittelst Galvanokauters ersetzte. Bei Einhaltung dieser Methode habe ich in der gegenwärtigen Versuchsserie ebenso wie bei meinen früheren Experimenten? die Pyramiden an der einen bzw. an beiden Seiten ziemlich genau verletzen können. Am schwierigsten bei dieser Operation war es, eine Blutung aus den Gefäßen der harten Hirnhaut zu vermeiden, zu welchem Zwecke man beim Vordringen durch die Haut der Mittellinie entlang vorgehen muß. Was die vorangehende Durchschneidung der Hinter- wurzeln des Lumbalteiles betrifft, so wurde dieselbe nach derjenigen all- gemein akzeptierten Methode ausgeführt, der sich zu diesem Zwecke auch die übrigen Autoren bedient haben. Für meine Experimente nahm ich Hunde mittlerer Größe. Die Ope- rationen wurden unter strenger Einhaltung der Vorschriften der Aseptik ausgeführt: die bei der Operation gesetzten Wunden wurden nach der ge- schlossenen Methode behandelt: es wurden Nähte angelegt, die Inzisions- linie mit Jodoformkollodium übergossen, wobei die Tiere am Leben blieben. Zur Narkose wurde Äther verwendet, dessen Applikation eine subkutane Morphiuminjektion voranging. Von den ausgeführten 17 Experimenten werde ich für diese Arbeit nur drei, nämlich das 4., 6. und 9. Experiment verwenden, da nur diese den erforderlichen Bedingungen einer gewissen Beobachtungsdauer und eines gewissen Grades der beigebrachten Verletzungen in genügendem Maße entsprechen. Experiment IV. (Der Hund lebte 25 Tage.) 21. Juni. Nach partieller aber beiderseits ungefähr symmetrischer Durchschneidung der Hinterwurzeln für den Hinterkörper machte sich am Abend Unsicherheit in den hinteren Extremitäten beim Gehen bemerkbar, wobei das Tier die hinteren Extremitäten weit auseinanderstellte, sich bis- weilen auf die Dorsalfläche der Pfoten stützte und auf glattem Fußboden glitt. 1 Prof. W.M. Bechterew, Grundzüge der Lehre von den Hirnfunktionen. 1905. 2 N. Ossokin, Newrologitscheski Wjestnik. 1907. p. 152/153. 22 N. Ossokıx: Schmerzempfindlichkeit in den hinteren Extremitäten wesentlich abge- stumpft. Kniereflexe geschwächt, Muskelsinn herabgesetzt, was sich durch den Verlust der Kontrolle über die passiven Bewegungen dokumentierte. 27. Juni. Das Tier begann mit den hinteren Extremitäten besser zu ‘gehen, indem es sich richtig auf die Palmarseite der Pfoten stützte; es stellte aber noch die Extremitäten weit auseinander. Mit der rechten Extremität trat es bisweilen mit der Dorsalfläche auf. Kniereflexe ziemlich schwach, Wunde geheilt. 4. Juli. Sämtliche Bewegungen regelmäßig. Fast völlige Kompensation der Ataxie. 8. Juli. In Äthermorphiumnarkose wurde mittels Galvanokauters eine Verletzung der Pyramiden der Medulla oblongata erzeugt. Einige Stunden nach der Operation machte das Tier bereits einige Bewegungen, die jedoch hochgradig gestört waren. Der Hund konnte nicht auf den Extremitäten stehen und fiel rückwärts. 9. Juli. Der Hund führte mit den vorderen Extremitäten Bewegungen ziemlich gut aus, während die hinteren Extremitäten ziemlich geschwächt waren. Kniereflexe gesteigert. 10. Juli. Der Hund erschien ziemlich lebhaft, stützte sich beim Stehen schon auf alle Extremitäten, bei der Bewegung blieben jedoch die hinteren Extremitäten hinter den vorderen zurück. 11. Juli. Beim Stehen und Gehen zeigte sich große Sicherheit. Die hinteren Extremitäten boten jedoch noch Störung der Koordinationen der Bewegungen dar. Außerdem fiel es auf, daß der Kopf gebeugt und nach rechts gedreht war. Beim Stehen erschien der Rumpf etwas nach rechts gekrümmt. 13. Juli. Der Hund konnte laufen, zeigte dabei Unsicherheit der hin- teren Extremitäten. Kopflage wie früher. 14. Juli. Tod. Autopsie: Die Operationsöffnungen in der Wirbelsäule waren mittelst fibrösen Gewebes verwachsen. Eiter wurde nirgends nachgewiesen. Medulla oblongata und Medulla spinalis wurden herausgeholt und in Müllerscher Flüssigkeit konserviert, aus der sie zum Zwecke des Studiums der sekun- dären Verletzungen in die Marchische Flüssigkeit gebracht wurden. Die Verletzung der Medulla oblongata befand sich in der Höhe der Pyramidenkreuzung und erstreckte sich etwas nach unten auf die Vorder- säule des oberen Halsteiles. Die histologische Untersuchung des Verletzungsgebietes ergab, daß die Verletzung rechts von dem Sulcus longitudinalis anterior lag und die Gegend der basalen Bahn der Vordersäule und die Gegend der Kreuzung der Pyramidenbahn einnahm. Auf der entgegengesetzten Seite waren die entsprechenden Teile voll- kommen normal (Fig. 1). An den aus den höher liegenden Teilen‘ der Medulla oblongata hergestellten Schritten sieht man eine kleine Neben- WECHSELBEZIEHUNGEN ZWISCHEN TEILEN DES NERVENSYSTEMS. 23 verletzung in der Substantia reticularis grisea in der Gegend der Raphe. Auf den Präparaten des Rückenmarks fand man Systemverletzungen: Degeneration in deszendierender sowohl wie aszendierender Richtung. Die Schöllchen der degenerierten Fasern waren, wie an der nach einem Präparat aus dem unteren Brustteil gefertigten Abbildung zu ersehen ist, in den Hintersäulen beiderseits in der Gegend der Gollschen Bündel, in den lateralen Säulen mehr rechts in der Gegend der Pyramidenbahnen kon- zentriert, während eine geringe Anzahl .von Schöllchen in der Vordersäule, hauptsächlich im inneren Teile derselben, zerstreut war. Fig. 1. Fig. 2. Medulla oblongata in der Höhe der Brustteil des Rückenmarkes. Pyramidenkreuzung. Ungefähr die gleiche war die Verteilung der degenerierten Fasern auch im Halsteil, in seinen hinteren und lateralen Kolumnen; was die Vorder- säulen betrifft, so war hier die Degeneration etwas stärker als im Brustteil ausgeprägt. Im Lumbalteil, der den verletzten Hinterwurzeln am nächsten liegt, waren die Veränderungen in den Hintersäulen mehr ausgedehnt und be- trafen nicht nur die Gollschen, sondern auch die Burdachschen Bündel, im übrigen unterschied sich das Bild nicht von demjenigen des Brustteiles. Experiment VI. (Der Hund lebte 46 Tage.) Am 25. Juni wurden in Äthermorphiumnarkose im Lumbalteil des Rückenmarks drei Paare der Hinterwurzeln durchschnitten. 26. Juni. In den hinteren Extremitäten machte sich. beim Gehen eine Unsicherheit bemerkbar; die Empfindlichkeit in der Gegend der affizierten Extremitäten war abgestumpft. Der Hund verhielt sich gleichgültig gegen passive Veränderung der Lage seiner Extremitäten und korrigierte die den- selben beigebrachte Lage nicht. 24 N. Ossokın: 28. Juni. Die hinteren Extremitäten wurden beim Gehen etwas fester. Der Hund lief bereits, glitt jedoch auf glattem Boden aus und fiel. Knie- reflexe geschwächt. 5. Juli. Sämtliche Bewegungen des Hundes vollzogen sich regelmäßig. Die ataktischen Störungen haben sich fast ganz ausgeglichen. 7. Juli. In Äthermorphiumnarkose wurde mittels Messer in der Gegend der Medulla oblongata eine Punktion gemacht. Nach der Operation machte der Hund abends keine Bewegungen und verhielt sich gleichgültig zu pas- siven Veränderungen der Lage von verschiedenen Teilen seines Körpers. 8. Juli. Der Hund machte gar keine willkürlichen Bewegungen. Sehnen- reflexe gesteigert. 9. Juli. Status idem in den hinteren Extremitäten; mit den vorderen Extremitäten machte das Tier geringe Bewegungen. 11. Juli. Die vorderen Extremitäten funktionierten gut, in den hinteren Extremitäten machten sich kleine Bewegungen an den peripherischen Teilen bemerkbar. Stehen konnte der Hund nicht. Wenn er auf die Beine ge- stellt wurde, fiel er rückwärts. In der rechten hinteren Extremität, teilweise auch in der vorderen, machte sich Rigidität bemerkbar. Das Gefühl für die Lage der einzelnen Körperteile im Raume war rechts offenbar an beiden Extremitäten gestört. 15. Juli. Beim Versuch, aufzustehen, gab sich der Hund Mühe, sich mit der rechten Seite gegen die Wand zu stützen. Er stand unsicher mit etwas flektierten hinteren Extremitäten. Kniereflexe gesteigert. 16. Juli. Der Hund ging, indem er sich mit der rechten Seite gegen die Wand stützte. 22. Juli. Der Hund ging, versuchte zu laufen, konnte Treppen auf- und absteigen, es machten sich aber dabei Unsicherheit auf der rechten Seite und ataktische Störungen in den beiden hinteren Extremitäten be- merkbar. Die Störung des Gefühls für die Lage der einzelnen Körperteile im Raume blieb nach wie vor in den beiden Extremitäten rechts ausgeprägt. 2. August. Parese und Ataxie geringer, der Hund konnte gut gehen und laufen. An der rechten hinteren Extremität nur noch stärkere Störungen. 9. August. Mittels Chloroform getötet. Autopsie: Die Operationsöffnungen im Lumbalteile der Wirbelsäule und in der Höhe der Pyramiden waren mittelst fibrösen Gewebes über- zogen. Bei der Eröffnung des Wirbelkanals fand man nirgends Eiter. Die Medulla oblongata und die Medulla spinalis wurden herausgeholt und in Müllerscher Flüssigkeit fixiert, worauf einzelne Segmente nach der Methode von Marchi bearbeitet wurden. Die mikroskopische Untersuchung (Fig. 3) ergab, daß die Verletzung sich in der Höhe der Pyramidenkreuzung befand, wobei sie mit ihrem größeren Teile die rechte Hälfte der Medulla oblon- gata einnahm: hinten von dem Spinalbündel des N. trigeminus und der Substantia gelatinosa beginnend, nahm sie einen bedeutenden Teil der grauen WECHSELBEZIEHUNGEN ZWISCHEN TEILEN DES NERVENSYSTEMS. 25 Substanz ein und berührte an der Peripherie das Kleinhirnbündel; im medialen Teile der Medulla oblongata blieb dem Suleus longitudinalis anterior entlang ein kleiner Teil des Gewebes erhalten; an der linken Hälfte war Fig. 3. Medulla oblongata in der Höhe der Pyramidenkreuzung. die Affektion weniger intensiv ausgesprochen, indem sie nur die Gegend der Kreuzung und einen Teil der anliegenden grauen Substanz einnahm. An den aus den höher liegenden Segmenten der Medulla oblongata ge- Fig. 4. Fig. 5. Halsteil des Rückenmarks. Brustteil des Rückenmarks. fertigten Schnitten fand man Ansammlung von schwarzen Schöllchen in der Gegend des Corpus striatum und ventral von demselben an der Peri- pherie des Gehirns, hauptsächlich in den Kleinhirnbündeln; außerdem be- 26 N. Ossokix: fand: sich eine geringe Ansammlung von schwarzen Schöllchen an der der Verletzung entsprechenden Seite in der Gegend der Raphe. An den aus dem Rückenmark gefertigten Präparaten (Figg. 4, 5 u. 6) sah man in verschiedenen Höhen desselben ziemlich gleichmäßige Verteilung von degenerierten Fasern in. den Hintersäulen. Was die Verletzung der übrigen Systeme betrifft, so war dieselbe fast auf die rechte Hälfte des Ge- hirns beschränkt, indem sie ein bedeutendes Gebiet in der Vordersäule ein- nahm und im medianen Teile derselben konzentriert war; dann fand man eine relativ geringfügige Anzahl von schwarzen Schöllchen an der vorderen lateralen Peripherie des Gehirns; die größte Intensität zeigte die Verletzung in der Gegend der Columna lateralis posterior, innerhalb der Pyramiden und Monakowschen Bündel. Fig. 6. Lumbalteil des Rückenmarks. Experiment IX. (Der Hund lebte 21 Tage.) 4. Juli. Im Lumbalteil wurden drei Paare der Hinterwurzeln durch- schnitten. 5. Juli. Beide hinteren Extremitäten knickten beim Stehen unter dem Rumpf zusammen. Beim Gehen schoben sie sich seitwärts auseinander. Sensibilität in den hinteren Extremitäten abgestumpft, Kniereflexe geschwächt. 9. Juli. Die hinteren Extremitäten funktionierten etwas besser. 20. Juli. Verletzung der Medulla oblongata mittels Galvanokauters. 22. Juli. Beim Stehen kniekten die hinteren Extremitäten unter dem Rumpf zusammen. Die Parese war in der linken hinteren Extremität stärker ausgeprägt. Plantarreflex abgeschwächt. 24. Juli. Paretisch-ataktische Erscheinungen in der linken hinteren Extremität stärker ausgeprägt. 26. Juli. Tod. WECHSELBEZIEHUNGEN ZWISCHEN TEILEN DES NERVENSYSTEMS. 27 Bei der mikroskopischen Untersuchung fand man die Verletzung der Medulla oblongata in der Höhe der Olive, wobei fast die ganze linke Pyramide und ein Teil der Olive verletzt war. An den aus dem Rückenmark ge- fertigten Präparaten konnte man die in vorstehenden Protokollen beschrie- benen Degenerationen in den Hinterkolumnen und beginnende deszendie- rende Degeneration in der linken lateralen Pyramidenbahn sehen. Aus den mitgeteilten Protokollen geht hervor, daß die vitalen Erschei- nungen bei partieller Durchschneidung der Hinterwurzeln (bei der Durch- schneidung von drei Paaren) des Lumbalteiles in ataktischen Störungen, in Störung des Schmerz- und: Muskelgefühls in den hinteren Extremitäten, Herabsetzung der Kniereflexe bestanden. Ein fast gleiches klinisches Bild boten auch die übrigen Experimente dar mit Ausnahme des ersten, das sich durch schwerere motorische Störungen mit dem Charakter von Paralyse auszeichnete, wie dies unmittelbar nach der Durchschneidung der Hinter- wurzeln in den Experimenten von Mott, Sherrington, Cl. Bernard u.a. beobachtet wurde und dadurch bedingt war, daß eine größere Anzahl von Wurzeln durchschnitten wurde. Im Laufe der Zeit glichen sich die ataktischen Störungen aus, so daß- der Hund zur Zeit der zweiten Operation bereits keine bemerkbaren motorischen Störungen mehr darbot. Was die physiologischen Erhebungen über die Funktionen der Pyra- miden betrifft, so muß ich bemerken, daß es mir nicht gelungen ist, in allen Fällen eine vollkommen reine und gleichmäßige Verletzung zu er- zielen; nichtsdestoweniger verteilten sich in unseren Experimenten die un- mittelbar nach der Durchschneidung der Pyramiden auftretenden paretischen Störungen sehr typisch. In den vorderen Extremitäten, in denen die Sensibilität bis zur Durch- schneidung der Pyramiden intakt blieb, waren die paretischen Erscheinungen schwach ausgeprägt und glichen sich bald wieder aus. In den hinteren Extremitäten, wo die Sensibilität affiziert war, waren die erwähnten Störungen stärker ausgeprägt und hielten längere Zeit an. Meine Beobachtungen liefern somit einen weiteren Beweis dafür, daß die Verletzung der Pyramiden allein andauernde paretische oder ataktische Erscheinungen nicht nach sich zieht. Die im 6. Falle beobachtete einseitige Rieiditätt mußte man mit einer Nebenverletzung des Monakowschen Bündels in Zusammenhang bringen, wie dies schon von Rothmann be- wiesen wurde. f In bezug auf die Feststellung der Funktion der Pyramidenbahnen bei durch Durchschneidung der Hinterwurzeln erzeugter Ataxie geben meine Experimente Resultate, die denjenigen analog sind, die Bickel bei kom- binierter Verletzung der motorischen Sphäre der Hirnrinde und der Hinter- wurzeln heobachtet hat. Meine Experimente liefern somit den Beweis 28 N. OssoKkIn: WECHSELBEZIEHUNGEN USW. dafür, daß die Kompensation der sensiblen Ataxie nicht nur durch Ver- mittlung des Ohrlabyrinths und des Kleinhirns, wie dies früher von Bickel, Ewald, Luciani angenommen wurde, sondern auch unter Beteiligung der ' eigentlichen motorischen Sphäre der Hirnrinde zustande kommt. Die Tat- sache, daß nach der Pyramidendurchschneidung die kompensierte Hinter- wurzelataxie von neuem hervorbricht und nunmehr nur schwer einer aber- maligen Kompensation fähig ist, beweist, daß die Pyramiden Träger von Impulsen sind, die zu der Ausbildung von Ersatzerscheinungen führen, und daß die durch die Mitwirkung der Pyramiden zustande gekommenen Ersatz- erscheinungen eben den Ausgleich der Ataxie mit bewirkt haben. Die Impulse, für die die Pyramiden Leiter sind, können schließlich immer nur von den sensorisch-motorischen Zonen stammen. So ergänzen meine Beob- achtungen die Befunde Bickels über die Beteiligung dieser Hirnzentren an dem Ausgleich der Ataxie. Die mitgeteilten experimentellen Erhebungen geben aber auch den Schlüssel zum Verständnis einiger klinischer Erschei- nungen, wie z. B. der erfolgreichen Behandlung der tabischen Ataxie mit Übungen nach der Methode von Frenkel. Augenscheinlich liegt das Geheimnis dieser Methode nicht zum letzten im regulierenden Einfluß der verschiedenen Abschnitte des Nervensystems, darunter der motorischen Sphäre der Hirnrinde, die der Pyramidenbahn entlang Impulse aussendet. Die Banane als Volksnahrungsmittel. Von Karl Thomas. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Berlin.) Die Banane hat im tropischen Asien, in Afrika, Australien und den Inseln des Stillen Ozeans sowie in Ostindien als Volksnahrungsmittel Gel- tung. Sie ist ein Hauptbestandteil der Nahrung der dortigen Bevölkerung. Die einzige Nahrung der gesamten Bevölkerung bildet sie aber nur in verhältnismäßig kleinen Bezirken, im Seengebiet von Ostafrika, am Kongo und den Inseln des Stillen Ozeans, und auch hier nur zu ihrer eigentlichen Reifezeit, während der Regenperiode. Die Bananenstaude gibt allerdings das ganze Jahr hindurch genußfähige Früchte, die Hauptmenge aber vom November bis zum April. Bei den Eingeborenen findet die Frucht natür- lich die mannigfaltigste Verwendung. Nach Entfernung der Schalen, die an das Vieh verfüttert werden, wird das Mark je nach seinem Reifegrad und der Güte der Fruchtsorte roh verzehrt oder in Fett (Schaffett, Rizinusöl) gebraten, meistens aber wird aus der unreifen Frucht ein Brei gekocht. Als Zukost kommen Hirse, Bohnen (besonders in Ostafrika), Taro, Mais und Kartoffeln in Betracht. Als Kranken- und Kinderkost findet man auch ein aus den unreifen Früchten bereitetes Mehl, indem diese an der Sonne getrocknet und dann verrieben werden. Ein solches rötlich aus- sehendes und angenehm schmeckendes Produkt wird heute in Mittel- amerika (Kolumbien, Venezuela, Jamaika) im großen- für die Ausfuhr nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika hergestellt und wird auch bei uns bereits hier und da angetroffen. Unsere Bananen beziehen wir haupt- sächlich aus Jamaika. Dort werden sie unreif vom Baum genommen und müssen auf eigens für ihren Transport eingerichteten Schiffen einen Nach- reifungsprozeß durchmachen, bevor sie bei uns als im rohen Zustande ge- nußfähige Frucht auf den Markt kommen. Im großen und ganzen ist 30 KARL Taomas: aber die Verbreitung der Bananen in der Kost des Menschen nicht so groß als allgemein angenommen wird. Denn nach Semler stellt sich das Er- trägnis an Bananen in den Tropen zu dem an Kartoffeln bei uns auf gleiche Bodenfläche berechnet wie 1:3.5. Trotzdem wird der Eingeborene immer noch die Bananenplantagen den Kartoffelfeldern vorziehen, weil ihm in jenen die Frucht ohne sein Zutun in den Schoß fällt, während er diese oder andere Bodenfrüchte nur nach anstrengender Arbeit unter den Strahlen der Tropensonne erntet. Die Frucht besteht aus zwei Teilen. Das innere Fruchtfleisch ist umgeben von einer zellulosereichen Schale. Auf letztere kommt nicht ganz die Hälfte des Gewichts (45-7 Prozent). Die Schalen stellen kein wert- loses Produkt dar, wie ihre Verwendung und auch ihre Zusammensetzung ergibt. 1008” frische Substanz enthalten 12-188” Trockensubstanz. In 100 s’= Trockensubstanz sind enthalten 1-038= N, 29.71 sm Kohlehydrate (als Traubenzucker berechnet), 12.03 ®”® Glührückstand und 465-2*s-Kal. Ihres Zellulosereichtums wegen eignen sie sich nur zur Viehfütterung. In der menschlichen Kost findet ihr Kohlehydratgehalt insofern Verwendung, als aus der ganzen ungeschälten Frucht ein gegorenes Getränk bereitet wird. Die geschälte Frucht wiegt frisch 50 bis 70 ==; ihre Hauptmenge besteht aus Kohlehydraten und zwar finden sich Saecharose, Invertzucker und Stärke. Das Mengenverhältnis, in dem die genannten Stoffe zueinander stehen, ist jedoch kein konstantes. Je reifer die Frucht, desto mehr Zucker ist aus der Stärke entstanden. Die Trockensubstanz der unreifen Frucht besteht zu */, aus Stärke, die der reifen nur zu wenigen Prozent. Im Handel befindliche Produkte zeigen nun einen verschiedenen Reifegrad. König gibt für das Fruchtfleisch der reifen Banane einen Stärkegehalt (auf Trockensubstanz bezogen) von 1-85 Prozent; ich fand in einer Dauerware 3.04 Prozent. Hier war die reife geschälte Frucht in Jamaika an der Sonne getrocknet worden. Sie hatte dadurch ?/, ihres Gewichts verloren, ihr Wassergehalt betrug nur noch 31.3 Prozent. Eine halbreife Frucht, die noch nicht genügend nachgereift war, hatte 20-1 Prozent Stärke in ihrer trockenen Substanz. Und schließlich gibt es noch ein Bananenmehl, das durch Trocknen und Pulvern der vor der Reife gepflückten Frucht erhalten wird. Seine Trockensubstanz beträgt nach König zu 78 Prozent aus Stärke. | Da bei uns die Frucht in rohem Zustande genossen wird, ist der Stärkegehalt des Produktes von Bedeutung; denn diese wird unter solchen Bedingungen nur schlecht resorbiert. Ich habe daher an mir Ausnutzungs- versuche mit Bananen angestellt und einmal die überreife als Dauerware im Handel befindliche Frucht verwandt, dann die gewöhnlichen in frischem Zustande gelben und endlich die halbreifen, noch grünen Früchte. Die BANANE ALS VOLKSNAHRUNGSMITTEL. 31 A. Ausnutzung im Darm. Zum ersten Versuch wurde die oben erwähnte Dauerware benutzt. Er gestaltete sich folgendermaßen: Eınna.h me! Ausgabe | = Kot Harn = =5 R = un | ı 80 3 | = Bananen | Kal. 5 3 | =. SS S#3| N |Ral.|cem| N || 7! . 22 = gım -5 | kg 1. Tag 900 == Dauerware aan 8508-70 76-5 2.» 983 » ER) 4:82 1050 6.53176-5 3.» 780 » ” 4:58 1400 6-19 76-4 +359 » frische Frucht | 4. | | 75-0 Sa. 2080 113-82)8617-4|193-0|11-30 951-5 | | im Tag 693 | 4-61 2872-5| 64-3) 3-77,317-2) Der Bananenkot war anfangs von salbenartiger Konsistenz, später wurde er dünnflüssig. Er ist sauer, olivgrün und von den unverdaulichen rot- braunen Samenkörnern durchsetzt. Die Abgrenzung mit Milch war eine scharfe. Der erste Bananenkot zeigte sich bereits 12 Stunden nach Auf- nahme der Frucht. In 100g” trockenem Kot waren enthalten 5-86s% N, 5.53 sm Stärke, 8.84 sm Asche; sie gaben 493-0 *s-Kal.; das wäßrige Extrakt redu- zierte Fehlingsche Lösung nicht. Zur Aufnahme war ungefähr die dem Bedarf entsprechende Menge an Energie gekommen. Das Volumen der Kost ist kein übermäßiges. Jedoch tritt sehr rasch ein heftiger Widerwille gegen die alleinige Auf- nahme dieser sehr aromatischen Frucht auf. Das Unbehagen wird ver- stärkt durch die Begleiterscheinungen der Kohlehydratgärung im Darm, die häufigen, dünnflüssigen Stuhlentleerungen. Von der eingeführten Energie erscheinen 11 ‚Prozent wieder in den Ausscheidungen. Diese Bananen sind also als ungeeignet zu bezeichnen, den Hauptbestandteil einer Kost zu bestreiten. ! Alle angeführten Zahlen sind nach mit den üblichen Methoden hergestellten Doppelanalysen berechnet. Die Stärke wurde durch 3stündiges Erhitzen mit Wasser bei 31/, Atmosphären und darauffolgendes 3 stündiges Kochen am Rückfluß in 2!/, Pro- zent HC] enthaltender Lösung aufgeschlossen. Das abfiltrierte Kupferoxydul wurde mit der Rhodanatmethode titriert. 32 Karu Tomas: Versuch I. Überreife Frucht. 3 Tage. | Trocken- ns Organische substanz . Sal ae: Substanz , kg-Kal. srm gım grm SEmW al er | Einnahme 2080 13.82 63-2 66-56 2013-0 8617-4 Kot 193 11:30 10:76 17-06 175-9 951-5 Verlust 9.28%, | 81-77% | 16-98, | 25-63 %, | 8-72% | 11-04%, Beim zweiten Versuch kamen die gewöhnlichen, im Handel jetzt häufig anzutreffenden gelben reifen Früchte zur Verwendung. Sie werden bei uns in dieser Form am meisten konsumiert und zwar wird die geschälte Frucht roh gegessen. Das gleiche habe ich getan. Der Versuch gestaltete sich im einzelnen folgendermaßen: Einnahme, Ausgabe. e Körper- Bananen N Kot Harn gewicht frisch |trocken ı Kal. (rocken N Kal N grm | grın || grm gım | grm a SELL grm kg 1. Tag | 1695 2.62 | 81-6 2. » 2140 3-31 10:46 | 81-6 3.» 2080 3.21 | 2000 | 9.19, 81-4 4. » 2435 3-75 | 1210 | 7.26| S1-0 Bye?) 2440 3:77 | 1150 | 7.06 || 80-8 6. » 2545 3:93 ä 1600 | 6-95 || 80-4 Ton — = | ‚| 79-7 8a. 13335 | 3141 |l20-59 11357 | 244-1 | 11-21 1179 im Tag || 2225| 527 || 3.45 | 2271| 40-7 | 1-75| 197 | Die Abgrenzung des Versuchskotes war mit Milch und Käse am Anfang sehr gut gelungen. Die Schlußabgrenzung konnte nicht in gleicher Weise mit diesem N-reichen Material ausgeführt werden, weil ich so rasch wie möglich meinen N-Umsatz auf den kleinsten Wert herabdrücken wollte. Ich nahm daher am 7. Tage außer 1 Liter Vollmilch !/, Liter durch reichlich Karmin intensiv rotgefärbten Agar (10 Prozent) zusammen mit 3 EBlöffel Bolus alba (in Wasser aufgeschlemmt). Vom nächsten Tage an bestand dann die Kost nur aus Zucker und Stärke. Der Bananenkot wurde jedoch nur schlecht auf diese Weise von dem nachfolgenden Kohle- hydratkot geschieden. Der letzte Bananenkot erschien 61 Stunden nach der letzten Bananenmahlzeit; er war bereits dunkler gefärbt. 1 Stunde später erschien der Rest der Abgrenzung, scharf getrennt vom Anfang des DIE BANANE ALS VOLKSNAHRUNGSMITTEL. 33 Kohlehydratkotes. Dieser Mischkot! wog trocken 97.48”% und enthielt 3.12 Prozent N=3-.04®m N. Für den Abgrenzungstag setze ich als N-Ausscheidung in den Darm. den Wert 1.372 N, wie er an den folgen- den Kohlehydrattagen zur Beobachtung kam. Von dem in der Milch ein- geführten N sind 10 Prozent = 0-50°"% zu Verlust gegangen. Am 7. Tage sind also im Kot 1.37 = 4 0.50% = 1.87 8:7 N ausgeschieden worden. Somit stammen noch aus Bananen 3-04 bis 1-87 = 117 2m N, d. h. 25.5:2rm Trockensubstanz. Dazu kommen noch 218.6=m reiner Bananenkot, der in 100 °°® Trockensubstanz 4-59" N, 16.22 erm Stärke, 11.01 =® Asche enthielt und 483.0 Ye-Kal. gab; sein wäßriges Extrakt reduzierte Fehlingsche Lösung nicht. Die Ausnutzung im Darm zeigt folgende Zusammenstellung: Versuch Il. Reife Frucht. 5 Tage. Trocken- Sr | Organische | substanz = en wuui Substanz !' kg-Kal. grm grm gm grm grm Einnahme 31-41 20-59 71-93 3069-0 13197 Kot 244-1 11-21 39-60 26-88 212.2 1179 Verlust 7-77, | 54-449, | 37.37%, | 7.08%, | 893% Obwohl also das aufgenommene Nahrungsquantum ein recht beträcht- liches ist, ist der Bedarf doch nicht gedeckt worden. Es kamen pro Kilo- gramm nur ungefähr 27.7*s-Kal. zur Resorption, so daß das Körpergewicht dauernd abnahm. Unbequemlichkeiten von dem Kohlehydratreichtum der Kost habe ich nicht verspürt, dagegen von ihrem großen Volumen und dem Umstand, daß viel Zeit nötig war, um das Nahrungsquantum zu be- wältigen. In der Beziehung sind die Kartoffeln bei ungefähr gleicher Zu- sammensetzung geeigneter zur Ernährung, da ihnen durch die Form der Zubereitung Wasser entzogen und die Speise gleichzeitig reicher an Nähr- stoffen gemacht werden kann. Beim dritten Versuch kommen die Bananen in der gleichen Form, jedoch in noch nicht vollkommen ausgereiftem Zustande zur Verwendung. An zwei Tagen leste ich außerdem je 300®"" Zucker zu, um einen par- tiellen Hungerzustand und damit eine Beeinflussung des N-Umsatzes mit voller Sicherheit auszuschließen. ! Die Verschiedenheit der gesammelten Kotsorten geht deutlich aus ihrem Aschen- gehalt hervor. Es enthielt der Bananenkot 11-01 ®= Glührückstand in 100 &= Trocken- substanz, der Mischkot dagegen 40-54 ®'= und der nachfolgende Kohlehydratkot nur 6-73 8m, Archiv f,A. u. Ph. 1910. Physiol. Abtlg. Suppl. ö 3 34 Karı Tuomas: ER Einnahme Ausgabe 2} ee = a Rohr- | Milch ne ne Kot Harn Körper- S ohr- ilch- | au. ananen | Darin |. ewicht 2 zucker | zucker Stärke frisch N |Trocken- N | N 5 = substanz cem | gr | srm | grm | grm grm grm gr | gım | kg 11. | 350 | 450 | 100 1-37 | 1340 | 3-05 | 78-9 12. 350 450 100 1-37 660 2-73 || 79-0 13. 350 450 100 1-37 || 1150 | 3-22 | 79.5 14. — | = 2855 4.59 1:76 | 1050 | 3.45 | 79-7 15. || .150 150 * |. .2680 4-31 1.75 | 1840 | 3-71 80-0 16. | 150 150 2745 4-41 | 443.8 | 1-75 | 1600 | 4-00 | 79°6 17. | 350 450 100 | 0-68 | 1520 | 2-85 | 79.5 18.1 500 550 | 100 0-68 || 1300 | 2-47 | 79:0 19.!|| 475 575 100 0-63 || 1700 | 2-90 | 78-5 20.1 500 550 250 | 0.68 |) 1500 | 2-97 ? 21. 350 450 | 100 0.68 | 1700 | 2.71 | 78-7 22. 330 450 100 | 0-68 || 1680 | 2-22 | 78-8 23. | 350 450 100 3-66? ‚0.68 | 1300 2.31 Der Versuchskot war vollkommen verschieden von dem der beiden vorhergehenden Versuche. Er reagierte zwar etwas sauer und roch stark nach Buttersäure, durch die Gärungsprodukte wurde aber nicht, wie früher, die Peristaltik angeregt und ein dünnflüssiger Stuhl entleert, im Gegenteil, die unreifen Bananen hatten eine überaus starke stopfende Wirkung. Der letzte Versuchskot wurde erst drei Tage nach der letzten Bananenmahlzeit entleert. Er war hart, hellgelb und geballt. Er sah gerade so aus wie der Kot bei ausschließlicher Milchnahrung, hatte aber eine ganz andere Zusammensetzung. 1008” feuchte Substanz enthielten nur 31-6” Wasser, also eine auffallend geringe Menge. In 100:°% Trockensubstanz wurden gefunden 1-.193m N, 86-818rm Stärke, 2.338" Milchzucker, 2.92 sm Glührückstand, sie gaben bei der Verbrennung 430-9 -Kal. 1m der milchzuckerfreien Trockensubstanz = 4318 Kal. Sein Hauptbestandteil war die in rohem Zustande für die Verdauungssäfte nur schlecht angreifbare Stärke. Durch sein Aussehen und seine Zusammensetzung unterschied dieser Versuchskot sich also sehr von dem vorausgehenden und nachfolgen- den der Kohlehydratperiode, so daß seine Abgrenzung eine scharf aus- geprägte war. Ich stehe nicht an, halbreife Bananen als Mittel zur Ab- grenzung des Kotes zu empfehlen, wenn es wünschenswert ist, den N-Umsatz ı Täglich 12 Stunden Arbeit am Ergostaten. 2 In 100m Rindfleisch, fraktionierte Zufuhr. DiE BANANE ALS VOLKSNAHRUNGSMITTEL. 35 dabei möglichst niedrig zu halten. Therapeutisch könnte eine derartige Kost als Adstrigens Verwendung finden, wie es auch in manchen Teilen Chinas als Hausmittel gegen Dysenterie geschieht. Die Wirkung beruht wahrscheinlich nicht nur auf der Resistenz roher Stärke gegen die Ver- dauungssäfte, sondern auch auf dem Gerbsäuregehalt der Frucht. In Mittelamerika, wo die unreifen Früchte zu Mehl verarbeitet werden, sind deshalb alle Geräte, mit denen sie in Berührung kommen, aus Silber oder Aluminium gefertigt; eiserne würden die Frucht sofort schwarz färben und das Produkt durch seinen tintigen Geschmack ungenießbar machen. Für die Berechnung des Anteils der Bananen, der nicht resorbiert worden ist, müssen wir berücksichtigen, daß mit diesen Rohr- und Milch- zucker aufgenommen wurde. Ersteren dürfen wir als vollkommen resorbiert ansehen, dagegen läßt sich dies vom schwer löslichen Milchzucker nicht voraussetzen. Und in der Tat, während der Bananenkot sonst, auch der des ersten Versuches, der mit zuckerreichen Früchten angestellt war, nie eine positive Trommersche Probe im wäßrigen Extrakt gab, war sie dies- mal positiv. Milchzucker ließ sich jedoch qualitativ nicht nachweisen; trotzdem dürfen wir, glaube ich, die Zuckerreaktion als durch ihn bedingt annehmen. Demnach wären vom Gesamtkot 10-38rm Milchzucker ent- sprechend 40-9 ®-Kal. abzuziehen; für die Ausnutzung erhalten wir dann folgende Werte: Versuch III. Halbreife Frucht. 3 Tage. Trocken- | = | Organische | Be z sam | zu Substanz ke-Ral. er: grm | grm grm Einnahme 1969-0 12-96 | 395-7 48.24 | 1920-8 | 8386-8 Kot 433.4 5.27 | 385-2 | 12-94 |. 420-5 | 1871-5 Verlust 22-01 % | 40-66 %, | 97-349, | 26-82 %, | 21-89 %, | 22-329), Die Ausnutzung war demnach eine recht ungenügende Doch hat dieser Versuch kein Interesse für die Massenernährung. Unreife, stärke- reiche Früchte werden nicht in dieser Form konsumiert; sie eignen sich, weil um diese Zeit der hocharomatische spezifische Bananengeschmack noch weniger ausgebildet ist, dazu, gedämpft, gebraten oder sonstwie zubereitet, als Gemüse auf den Tisch zu kommen. Besonders in England versucht man in dieser Hinsicht diesen Früchten Eingang zu verschaffen. Dann - wird ihre Ausnutzung die gleiche sein, wie beim Bananenmehl, das aus ganz unreifen Früchten gewonnen wird und bei uns schon mannigfache Verwendung findet. 3* 36 KARL Taomas: B. Stickstoffumsatz bei Bananenkost. Versuch 1. Versuchstag 1 2 3 Einnahme-N 4-42 4.82 4-58 Kot-N 3.77 3-77 3-77 N resorbiert 0:65 1:06 0-81 Urin-N 8:70 6-53 6:19 Bilanz — 8:05 — 5.47 — 5.37 Versuch 1. Versuchstag | 1 | 2 | 3 4 | ARE | 6 Einnahme-N | ee esnat 3-21 3-75 3-77 3-93 en Ber 13 1-75 | 1-75 1-75 1-75 N resorbiert 1:56 1-46 2:00 2:02 2-18 Urin-N | ko Soil | 7-26 7-06 6-95 Bilanz Ian en on Versuch III. Versuchstag 14 15 16 Einnahme-N 4.59 | 4-31 4-41 Kot-N 1-76 1-75 1-75 N resorbiert 2-83 | 2.56 2.66 Urin-N 3:45 | 3-71 4.00 Bilanz ao als — 1.34 Der N-Bestand des Körpers konnte durch Bananen allein nicht gewahrt werden. An keinem der 12 Versuchstage ist eine positive N-Bilanz zu er- reichen gewesen, auch nicht, als im Versuch III durch reichliche Zucker- beigabe der N-Bedarf auf seinen kleinsten Wert herabgedrückt war, und obgleich der tägliche Verzehr so groß war, daß er beinahe die Grenze des Ertragbaren erreichte. In dieser Beziehung besteht also ein wichtiger Unterschied gegenüber unserem Volksnahrungsmittel, den Kartoffeln. Mit ihnen allein läßt sich in kurzer Zeit und mit großer Regelmäßigkeit ein N-Gleichgewicht erreichen, das leicht während längerer Zeit aufrecht er- halten werden kann. 5 Teile Kartoffel-N können 4 Teile Körper-N ersetzen.” Für Bananen-N kann in gleicher Weise eine einwandsfreie Zahl nicht angegeben werden, weil ich an keinem Tag ins N-Gleichgewicht gekommen bin. Im dritten ! Thomas, dies Archiv. 1909. Physiol. Abtlg. S. 260. Die BANANE ALS VOLKSNAHRUNGSMITTEL. 37 Versuch zeigt die N-Ausscheidung auch noch am 3. Tage eine ansteigende Tendenz, obwohl in den Kohlehydratperioden bei N-freier Kost vor und nach diesem Versuche sicher das Umgekehrte der Fall ist. Im zweiten Versuch scheint die N-Ausscheidung auch noch am 6. Tage zu sinken; ein N-Gleiehgewicht wäre also innerhalb dieser beiden Grenzwerte vielleicht zu erreichen. Für den 3. Tag im Versuch IV berechne ich dann, daß weniger als 72 Prozent des Bananen-N zum Ersatz von Körper-N verwertet werden können.! Der N-Gehalt eines Nahrungsmittels, das in so überwiegender Menge wie die Bananen den alleinigen Bestandteil der Kost bildet, ist für die Erhaltung des N-Bestandes am Körper von größter Wichtigkeit. Nur bei genügender N-Zufuhr kann der Körper arbeitskräftig bleiben. Nun ent- behrt die Eingeborenenkost nicht einzelner Eiweißträger. Robert Koch erwähnt in seinem Bericht über seine Expedition zur Bekämpfung der Schlafkrankheit, daß kleinere Fische, frisch oder gedörrt zu den Bananen im Seengebiet unseres Schutzgebietes gegessen werden, größere Fische zu fangen versuchten die Eingeborenen nicht. Allgemeine Bedeutung als Ei- weißträger hat auch in der Tat das Fischfleisch in der dortigen Kost nicht gefunden. Seine Herden, sein Stolz und Maßstab seines Ansehens und Reichtums, wird der Eingeborene nur in der höchsten Not angreifen. Mehr als einen Hammel pro Familie und Jahr schlachtet der gewöhnliche Mann selten; nur die Häuptlinge können sich mehrmals in der Woche ein Fleisch- gerieht leisten. Als bei dieser Sachlage hygienisch wertvolle und auch von den Eingeborenen hochgeschätzte Zukost kommt deshalb die Milch in Be- tracht. Jedoch dürfen wir uns keine übertriebenen Vorstellungen von der Größe ihres Verzehrs machen. Das einheimische Vieh ist nicht wie das unserige auf Milchproduktion gezüchtet worden. Darum genügt auch die täglich gewonnene Milchmenge nur gerade, daß die Familie ihre sonstige Nahrung mit ihr befeuchtet und schmackhafter macht. Immerhin bleibt sie bei dem sonstigen Verbrauch von nur eiweißarmen Nahrungsmitteln eine überaus wertvolle Bereicherung der Kost. Alles in allem wird man aber eingestehen müssen, daß die Eingeborenen- kost an N-haltigen Bestandteilen Mangel leidet. Für die gewöhnlichen Bedürfnisse und bei normalen Zeiten muß der N-Bedarf natürlich gedeckt ı N-Ausscheidung im Urin bei N-freier Kost (Mittel aus Versuchs- tat runde kr ">... Ver. 29 Lern: DazueN Ausscheidungsdureh den Darm . „Dr um... 100,5 N-Redarf . . 5 arena OEL N Versuchstag 16, Win 5. TR 5 Be a OBY Leer Durch die resorbierten 3-66 s= Bananen- N sind A ersetzt worden . 2-62:m N Biologische Wertigkeit für Bananen-N 71-6 Prozent. 38 Kar Thomas: Die BANANE ALS VOLKSNAHRUNGSMITTEL. sein, sonst wäre die Bevölkerung schon längst ausgestorben. Aber der Sicherheitsfaktor, wie Rubner! den Überschuß der Kost an N-haltigen Bestandteilen über das notwendige Minimum treffend bezeichnet hat und dessen große praktische Bedeutung er a. a. OÖ. ausführlich dartut, fehlt, und damit ist die Möglichkeit gegeben, daß bei besonderen Anforderungen oder zeitweiliger ungenügender Resorption die Kost eine ungenügende wird, der Körper abmagert und sich alle Folgeerscheinungen eines schlechten Ernährungszustandes einstellen. Das ist auch in der Tat der. Fall. Wie mir Missionare versicherten, die viele Jahre in Ostafrika mit den Ein- geborenen gelebt haben, konnten sie regelmäßig beobachten, daß eine Frau im besten Ernährungszustande, sowie sie ihr Kind stillt, rasch in einer Weise abmagert, daß das Stillgeschäft unterbrochen werden muß. In gleicher Weise macht sich auch bei der milchenden Kuh der Mangel an Kraftfutter bemerkbar. Zusammenfassung. 1. Bananen werden je nach ihrem Reifegrad und Stärkereichtum verschieden ausgenutzt. Bei reifen Früchten werden nur 9 bis 11 Prozent der eingeführten Energie nicht resorbiert, bei halbreifen, stärkereichen, wenn roh verzehrt, bis zu 23 Prozent. 2. Der N-Bedarf des Körpers kann durch Bananen allein auch bei reichlichster Zufuhr nicht gedeckt werden. ! Rubner, Volksernährungsfragen. Leipzig 1908. 8. 41 u. 118. Beiträge zur Physiologie des Nervensystems und der Bewegung bei den niederen Tieren. IT. Ciona intestinalis L. | Von Oswald Polimanti. (Aus der physiologischen Abteilung der zoologischen Station zu Neapel.) Es sind dies Tiere, die in großer Menge aus der Tiefe des Meeres heraufgeholt werden; im Aquarium vermehren sie sich reißend schnell in den verschiedenen Bassins, ja in den Röhren der Meerwasserleitung, die bisweilen mehr oder weniger durch sie verstopft werden. Der Leib der Ciona ist regelmäßig zylindrisch und seine Oberfläche mehr oder minder runzelig, je nach dem Alter des Tieres (glatt bei jungen Exemplaren, dagegen runzelig, wenn es sich um ältere Exemplare handelt). Seine Länge und sein Volumen sind ebenfalls sehr veränderlich, je nach dem Alter der Exemplare, so daß sich keine feste Norm angeben läßt. Für meine Versuche habe ich stets Exemplare von mittlerer Größe gewählt. Bei der Ciona lassen sich die äußeren Körperöffnungen leicht unterscheiden. Diese Öffnungen, zwei an der Zahl, liegt die eine an einer Stelle, die der Gegend der Fixierung fast entgegengesetzt ist (Mundöffnung), die andere auf einer der Seiten des Körpers (Kloakenöffnung); die letztere ist viel kleiner als die andere und liegt auch viel tiefer. Im Zustand der Aus- dehnung zeigen diese Öffnungen eine jede sechs Lappen, die durch ebenso viele Septa deutlich voneinander getrennt sind. Bei toten Exemplaren hält es sehr schwer, diese Öffnungen zu unterscheiden. Um sich hinsichtlich der Einteilung des Tieres zu orientieren, beachte man folgendes: der Mund- sipho stellt den vorderen Teil des Körpers dar; die Linie, welche die Mund- und Kloakenöffnung verbindet, bezeichnet die dorsale Gegend, und von diesen aus werden die anderen Teile bestimmt. Der Körper der Ciona ist 40 OSWALD POLIMANTI: mit einer Haut bedeckt, die ihrerseits stets von Fremdkörpern (Algen usw.) überzogen ist. Der Körper ist an wenigen Stellen mit der Haut verwachsen; eng mit ihr verbunden ist er nur im Niveau der Mund- und Kloaken- öffnung. Die Haut zeigt ein lederartiges Aussehen, ist von halbknorpeliger Konsistenz und, wie bekannt, ein Exsudationsprodukt der Deckhäute. Ihre Grundsubstanz besteht zum großen Teil aus Tunizin, einem Stoff, der in bezug auf seine Zusammensetzung der Pflanzenzellulose sehr nahe kommt. In der Grundsubstanz des letzteren sind Zellen, Gefäße und, wie es scheint, auch Nerven enthalten. Um die Tunica vom Körper des Tieres abzulösen, fährt: man mit einem Skalpell durch den Höhepunkt, der die Mund- und Kloakenöffnung verbindet. Man macht einen Einschnitt in der Weise, daß man nicht nur die umliegenden benachbarten Teile nicht verletzt, sondern so um die Öffnungen herumgeht, daß man sie intakt läßt und die weichen Teile ringsherum verschont bleiben; denn wenn sie mehr oder weniger verletzt werden, ist es absolut unmöglich, physiologische Untersuchungen an den Siphonen anzustellen, die so intakt als möglich bleiben müssen. Ich habe nämlich bei meinen Experimenten die Tunica nie gehoben, und wenn ich sie gehoben hatte, so habe ich stets bemerkt, daß gerade, weil meine Untersuchungen den Zweck verfolgten, die Sensibilität dieser Siphonen zu studieren, ob nun Ganglien vorhanden waren oder nicht, sie so normal als nur möglich sein mußten, um auf die leichten mechanischen Reize zu antworten, die ich auf sie einwirken ließ. Nachdem diese Einschnitte ge- macht sind, wird die Ciona vollständig enthäutet, indem man ihre Tunica von oben nach unten herabzieht. Natürlich muß man, wenn man an dieser Ciona physiologische Experimente machen will, eine gewisse Zeit (im Durch- schnitt 4 bis 5 Stunden) warten, bis sie wieder normal geworden ist, was man daraus ersieht, daß die Kanäle sich allmählich immer mehr Öffnen, bis sie das Volumen erreichen, das sie vor der Ausführung der Enthäutung hatten. Nach Entfernung der Tunica sieht man also den Körper (bei ge- wissen, vermutlich jungen Exemplaren mit einer von Fremdkörpern be- freiten Haut kann man ihn infolge der Transparenz sehen) in Gestalt eines Säckchens, das die Höhle der Tunica ausfüllt; seine Oberfläche ist von einer wenig entwickelten Tunica muscularis bedeckt, welche besteht: I. Aus einem System von Fasern, die einander im Niveau der Mund- und Kloaken- öffnung genähert und dort zerstreut sind und sich im übrigen Körper ver- flechten, wo sie divergieren und sich allmählich immer mehr voneinander entfernen, so daß sie ein sehr tiefliegendes und nicht dichtes Netz bilden. II. Aus zwei wahren und eigentlichen Schließmuskeln, der eine zum Mund, der andere zur Kloake gehörend. Auf der linken Körperseite (was man häufig auch infolge der Transparenz sieht, wenn die Ciona jung und die Haut nicht mit Fremdkörpern bedeckt ist) befinden sich in derselben Ebene BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 41 wie die Mundöffnung zwei große konzentrische Schleifen, die sich unter den Muskeln fortwährend aufrichten, sie sind die Schleifen des Verdauungs- rohres. Es ist nun interessant zu sehen — wodurch wir uns dann viele physio- logische Erscheinungen erklären können —, welche Unterschiede zwischen einer Aszidie und einem Akranier (Amphioxus) bestehen. Wenn wir eine schematische Zeichnung betrachten, so sehen wir viele Ähnlichkeiten; es sind aber wesentliche Unterschiede vorhanden, die von der sitzenden Lebens- art der Aszidie abzuhängen scheinen. Bei der letzteren bemerken wir nämlich: I. Der hintere Teil des Verdauungsrohres ist sehr eingeschränkt und lehnt sich an die Seiten der Kiemenöffnung an. II. Die Muskeln der Körperwand haben anscheinend jede Spur von Metamerie verloren. III. Es hat sich ein sehr dichter eingekapselter Schutzapparat ent- wickelt: die Tunica. IV. Die Sinnesorgane sind atrophisch geworden, und es scheint, daß nur der Tastsinn vorhanden ist. Diese Umstände machen also auf sehr klare und schematische Weise die Unterschiede verständlich, die zwischen Tunikaten und Akraniern bestehen. Zentralnervensystem oder Ganglion. Das Zentralnervensystem besteht aus einem umfangreichen Ganglion, das auf der dorsalen Linie in gleicher Entfernung von dem Mund- und Kloakenkanal liegt. Bei einer jungen Ciona oder bei durchsichtiger bzw. halbdurchsichtiger Tunica, die nicht mit Fremdkörpern bedeckt ist, sieht man dieses weiße Ganglion von der Größe eines Stecknadelkopfes sehr gut auf dem gelblichen Grund der Gegend unterhalb der Kanäle hervortreten. Natürlich besteht diese ganze weiße Masse nicht ausschließlich aus dem Ganglion. Es befindet sich nämlich senkrecht unter dem letzteren eine umfangreiche Drüse, deren Natur noch unbekannt ist, die Neural- oder Vorneuraldrüse; sie besitzt einen Ausscheidungsgang, der sich gelegentlich in die Kiemenhöhle öffnet. Die Öffnung dieses Ganges bildet den huf- eisenförmigen Schwingungsapparat nicht weit von der perikoronalen Rinne. Für einige Naturforscher ist die Neuraldrüse der Tunikaten analog der Hypophysis der Vertebraten. In der Tat sind große Ähnlichkeiten vor- handen; beide liegen unter dem Zentralnervensystem und stehen in Ver- bindung mit der Rachenhöhle. Die letztere Verbindung sehen wir bei den Wirbeltieren nur während der embryonalen Periode, bei den Tunikaten 42 OswALD POLIMANTI: während des ganzen Lebens. Außerdem hat man mikroskopisch eine Ab- sonderung von seiten dieser Drüse nach dem Typus der Zellabstoßung konstatieren können; dies ist eine Art und Weise der Absonderung, die sich sehr häufig bei niederen Tieren findet. Das Ganglion ist wie ein wahres und typisches Ganglion von Wirbellosen zusammengesetzt: wir finden die üblichen beiden Schichten, die periphere Ganglienschieht und die zentrale Nervenfasersubstanz. Das Ganglion hat eine deutlich ovale, aber sehr eingeengte Gestalt; es ist aus Ganglienzellen von verschiedener Natur gebildet, und sowohl vorne als hinten gehen von ihm ein paar Nervenäste aus, die, sobald sie das Ganglion verlassen haben, anastomisieren, sich teilen und wieder teilen, um sich zu den Kanälen, zu den Muskelfaserzellen des ganzen Körpers und auch zu den verschiedenen Organen zu begeben. Außer dem Ganglion besitzen die Aszidien auch einen ganz speziellen Teil ihres Zentralnerven- systems, den sogen. Ganglienzellstrang. Lorleberg (1907, S. 235 bis 236) beschreibt diesen Teil gut, wenn er sagt: „Der Ganglienzellenstrang (Cordon ganglionnaire visceral ou dorsal van Beneden und Julin, a. a. O.) stellt ein von vornherein medianes, unpaar angelegtes Organ dar und ist auf das bereits in den allerersten Embryonalstadien vor dem definitiven Gehirn angelegte Rückenmarksrohr, das sich in dem Larvenschwanz fortsetzt, zurückzuführen. Der eigentliche Ganglienzellstrang bildet sich jedoch nur aus dem hinteren Teil dieses primären Nervenrohres, während aus dem vorderen Teil die Flimmergrube, der Flimmergruberkanal und weiterhin das definitive Ganglion und die Neuraldrüse hervorgehen. Es bildet also der Ganglienzellstrang ursprüng- lich die direkte Fortsetzung des die Flimmergrube mit der Neuraldrüse verbindenden Kanals, wie es auch Styelopsis grossularia zeigt. Bestimmte Grenzen lassen sich jedoch für Flimmergrubenkanal und Ganglienzellen- strang nicht festsetzen . . .“ Was die mikroskopische Zusammensetzung betrifft, so sind Röhren- elemente vorhanden, die aus Fasern und Ganglienzellen bestehen. Seeliger (a. a. 0. 8.296) behauptet auf Grund von morphologischen Untersuchungen, dieser Ganglienzellstrang sei eher als ein Rudiment eines Organs vielmehr ein degenerativer Rückstand. Alle Autoren stimmen in der Behauptung überein, daß man bei der Mehrzahl der Aszidien den Verlauf irgend eines der von diesem Ganglienzellstrang ausgehenden Nerven nicht verfolgen könne. Im Gegenteil, alle Organe, alle Muskeln, kurz alle Teile des Tieres werden durch das sogen. „Gehirn“ innerviert. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 43 Die peripheren Nerven, die Nervenendigungen : und das periphere Nervensystem im allgemeinen. Über das periphere Nervensystem der Aszidien im allgemeinen, mithin auch der Ciona, ist sehr wenig bekannt. Die peripheren Nerven gehen erst im postembryonalen Leben von dem definitiven Ganglion aus. Vom Gehirn der Ciona, sowohl von dem vorderen als von dem hinteren ‘Ende, gehen ein paar Nerven aus; es sind die vorderen und hinteren dor- salen Nerven. Die vorderen, auch Mundnerven genannt, von denen der rechte ganz nahe an der Flimmergrube vorüber geht, teilen sich und teilen sich nochmals in der Wand des Mundsipho, während die hinteren oder Kloakennerven sich über dem Kloakensipho ausbreiten. Bei der Styelopsis, einer Aszidie der Nordsee, beobachtete Julin auch einen fünften unpaaren Nervenstrang (Cordon nerveux visceral) und Lorle- berg bei demselben Tier ein anderes Paar viszerale Nerven. Was die Endigungen der Nerven betrifft, so fand Seeliger bei anderen Aszidien und auch bei Ciona Muskeln, die mehr oder weniger durch Nervenfasern geschlossen und von diesen durch eine Membran getrennt sind. Diese „Nervenmuskeln“ Seeligers, wie er sie nennt, dienen dem Tiere zu nichts, sondern sie inserieren in anderen Organen und auf anderen Geweben. In Anbetracht dessen, daß diese Nervenmuskein weder dem Tonus noch den Reflexen dienen, und daß für diese Dienstleistung auch der Ganglien- zellstrang ausgeschlossen ist (bis jetzt liegen wenigstens keine diesbezüg- lichen Untersuchungen vor), legt Jordan (S. 95) großes Gewicht auf eine Untersuchung Hunters (1898, Fig. 3, S. 205), wo es heißt: „Eine Ab- bildung nervöser Elemente des Hautmuskelschlauches im pharyngealen Siphon, die sich in nichts von den Nervennetzen unterscheiden, deren Be- deutung uns Bethe kennen gelehrt hat. Es sind also jene Gebilde, denen die Funktion primitiver Zentralorgane zuzuschreiben ist, vornehmlich die Verbindung von Einfangs- mit Erfolgsorganen.“ Übrigens hatte schon Loeb (1899, 8. 26) wirklich die Aufmerksamkeit der Physiologen auf diese von Hunter gefundene anatomische Tatsache gelenkt. Jordan (1907, 8. 95) legt dem Umstand Bedeutung bei, daß „das Verhalten des ganglienlosen Hautmuskelschlauches uns jeden Rest von Zweifel an der Homologie jener Gebilde von den Nervennetzen von Medusen und Schnecken nimmt. Somit ist dargetan, daß aus anatomischen Gründen Ciona als ein Vorstadium der Gastropoden aufgefaßt werden kann.“ Es scheint nicht, wenigstens nach den bis jetzt angestellten Unter- suchungen, als ob bei den Cionen wahre und eigentliche Sinnesorgane vor- handen sind. Seeliger beschreibt Tastzellen in den Siphonen der Ciona, aber er tut dies mit großem Vorbehalt. Lorleberg untersuchte bei Stye- 44 OswALp POLIMANTI: lopsis, ob auch in den Siphonen dieser Aszidie Sinneszellen vorhanden wären. Auf S. 245 sagt er folgendes: „Daß ich mich auch intensiv mit dem Aufsuchen von Sinneszellen in den beiden Siphonen beschäftigte, deren ' Vorhandensein wohl nicht zu bezweifeln ist. Leider war auch mein Suchen vergeblich. Ich fand in einem Fall drei lange Fasern, die, aus dem Ekto- derm kommend, fast den ganzen Zellulosemantel durchsetzen, und die ich ‚ihrer Länge wegen glaubte‘ als Nervenfasern ansprechen zu müssen. Es ließ sich aber weder am oberen Ende derselben eine Nervenendigung, noch . im Ektoderm der Zusammenhang mit einer als Sinneszelle zu deutenden Zelle feststellen.“ Dennoch, obgleich die anatomischen Untersuchungen bis jetzt in dieser Hinsicht nicht sehr erfolgreich gewesen sind, müssen wir trotzdem annehmen, daß wegen der vorzüglichen Empfindlichkeit, namentlich gegen mechanische Reize, beider Siphonen im Vergleich zu den anderen Körperteilen sicher- lich sehr feine terminale Sinnesapparate vorhanden sein müssen (entweder in Gestalt von terminalen oder von freien Nervenendigungen), die dazu bestimmt sind, diese Reize zu übertragen. Vielleicht wird es einmal mit Hilfe von vervollkommneten Methoden möglich sein, sie mit Sicherheit zu entdecken. Die angestellten physiologischen Untersuchungen führen uns nämlich, wie wir noch bei Besprechung der Literatur sehen werden, bei Ciona auf physiologischem Wege zu der Annahme, daß sie in anatomischer Beziehung reich an Endorganen ist, um Empfindungen infolge von Be- rührung aufzunehmen, oder daß freie Endigungen an der Oberfläche des Epithels des ganzen Körpers, namentlich aber in der Nähe des Mund- und Kloakensipho und besonders an ihrem Rande vorhanden sind, die mit allen anderen Teilen der Aszidie verglichen, hypersensibel sind. Lorleberg hat nämlich bei der Styelopsis im Kloakenepithel gefunden: „Fehlen von Sinnes- zellen, doch freie Nervenendigungen“. Dieselben Systeme von freien Nervenendigungen hat er bei derselben Aszidie in der Flimmergrube gefunden, in die der Flimmergrubenkanal mündet, und im Kiemendarmepithel. Kurz, diese freien Nervenendigungen würden uns ein Beispiel für die einfachste und primitivste Art geben, wie ein peripherer Reiz auf das Zentrum übertragen wird. Dazu ist eben nicht Feinheit erforderlich (wie sie durch wahre und eigentliche Endigungen ver- mittelt wird); die Aszidie muß sich nur auf eine mehr oder minder grobe Weise von den Reizen Rechenschaft ablegen, die auf sie ausgeübt werden. Auch Hunter fand, daß die Flimmergrube als ein sehr feiner Rezeptor betrachtet werden muß. Dieser Teil, diese Grube öffnet sich, wie oben schon bemerkt, nicht weit von der Ingestionsöffnung in der präbranchialen Zone des Kiemendarms. Sowohl nach Hunter als nach Metcalf ist sie reich inner- viert, und diese Autoren schreiben ihr eine rezeptorische chemische Funktion zu. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 45 Julin fand nie Nerven in dieser Gegend und glaubt, die sie beklei- denden Zellen gehörten nicht zur Ordnung der geruchverbreitenden Zellen; dies ist aber, wie Lorleberg mit Recht betont, kein indirekter Beweis dafür, daß nicht freie Nervenendigungen vorhanden sein können, wie er sie in der Tat bei Styelopsis gefunden hat. Das Vorhandensein der Nerven an dieser Stelle ist, wie jedermann einsieht, von großer ökonomischer Be- deutung, weil jeder beliebige Fremdkörper, der durch den Mundsipho ins Innere der Aszidie' eindringt, sofort bemerkt und sogleich durch diesen - Sipho ausgeworfen wird durch eine Ejektionsbewegung, auf die wir noch im folgenden zurückkehren werden. Ein beliebiger Fremdkörper, der durch den Mundsipho eindringt, könnte anatomisch und physiologisch namentlich den Kiemen Schaden zufügen und muß deshalb in so kurzer Zeit als mög- lich entfernt werden; daher dieser Reichtum an Nervenfasern auf der Flimmergrube. Sinnesorgane oder wahre und eigentliche rezeptorische Organe sind absolut nicht bei Ciona gefunden wurden. Am Rande der Siphonen haben viele Beobachter einige kleine Pigmentgruppen gefunden, denen sie den Namen Ozellen gaben. Einige haben diesen Elementen eine perzeptorische Funktion zugeschrieben. Ich wollte an vielen Exemplaren von Ciona einen Versuch machen, ob sie irgend eine Kontraktion (des Zurückziehens oder der Verlängerung) des Körpers in toto oder beider Siphonen zeigten, wenn diese Aszidie der völligen Dunkelheit, in der sie sich befand, entzogen und der Einwirkung des hellen Tageslichtes oder des Sonnenlichtes ausgesetzt würde, oder auch des künstlichen Lichtes (einer elektrischen Glühlampe von 32 Kerzen). Nun habe ich nie auch nur die allergeringste offenkundige Reaktion dieser Teile wahrnehmen können, wenn sie dem Lichtreiz ausgesetzt wurden. In der Tat ist für eine solche Aszidie, die konstant auf dem Meeresgrunde lebt, der Eindruck einer Empfindung von Licht ‘oder Schatten vom ökonomischen Standpunkt aus etwas ganz Überflüssiges. Im Larvenzustand finden sich bei den Aszidien auch die Statozysten; bei dem vollständig entwickelten Tiere jedoch findet man von diesen Organen keine Spur mehr. Die Ciona nimmt, wie ich in dem Bassin beobachten konnte, wo sie, wie wir sahen, mit ihrem Fuße hängen bleibt, alle möglichen Lagen ein, horizontal und schräg mit nach unten gewendeten Siphonen. Kurz, es ist nicht ein Tier, das sich in einer bestimmten Rich- tung orientiert, und dies zeigt sich, welches auch der Boden oder der Teil ist, an dem es sich befestigt, und unter jedem beliebigen Grad von Beleuchtung. Hinsichtlich der Verteilung des Muskelsystems unterscheiden alle Autoren eine hauptsächlich aus Längsfasern bestehende äußere Zone und eine innere, die vorzugsweise aus kreisförmigen Fasern besteht. Beide Zonen sind aus Faserzellen und ziemlich großen Fasern gebildet, sind aber 46 OswALD POLIMANTI: stets vollständig voneinander getrennt. Soviel was die Verteilung der Muskel- substanz auf dem Körper der Ciona betrifft; in den Siphonen ist die Ver- teilung etwas verschieden. In den letzteren gabelt sich nämlich das System der Längsfasern, wenn es das Niveau des Mund- und Kloakensipho erreicht hat und bildet gleichsam zwei kleine Blätter, die sich auf beide Siphonen ausdehnen; inmitten dieser kleinen Blätter befindet sich eine Reihe von kreisförmigen Fasern, die derart stark und dicht sind, daß sie einen wahren und eigentlichen Schließmuskel bilden: so haben wir zwei Schließmuskeln, einen am Mundsipho und den anderen am Kloakensipho. Natürlich sind alle diese Muskelfasern reichlich innerviert; was diese Innervation betrifft, so führe ich hier an, was Lorleberg (1907, S. 243) bei Styelopsis sorg- fältig beobachtet hat. Indem er mehı oder weniger bestätigt (Seeliger) oder verwirft (Roule), was andere Autoren gesehen hatten, sagt er: „Ganz unzweifelhaft ist mir der Nachweis von motorischen Nervenendigungen am Muskel gelungen.“ Was sodann die Gestalt dieser Nervenendigungen be- trifft, so sieht er (8.244) „dreiArten von motorischen Endapparaten: knopf-, petschaft- und plattenförmige.“ Ferner sagt er hinsichtlich der Innervierung des infrazellulären Ge- webes, S. 245: „Mir erscheint im übrigen a prieri die Innervierung einer Bindegewehs- zelle als recht unwahrscheinlich, da meines Erachtens der Zweck einer solchen nicht recht einzusehen wäre;“ dies im Widerspruch zu dem, was Roule behauptet hatte. Historisches. Sehen wir nun in Kürze, welche Autoren sich mit dem Studium des (zentralen und peripherischen) Nervensystems und der Reflexe der Ciona intestinalis beschäftigt haben. Loeb exstirpierte das „Gehirn“ der Cionen, um Untersuchungen über seine Regeneration anzu- stellen. Gleichzeitig führte er aber auch physiologische Untersuchungen aus, wobei er von der bestimmten Auffassung ausging, er würde den mysteriösen Reflexmechanismus unbedingt aus dem Ganglion ausscheiden. In der Tat gelangt er infolge seiner Untersuchungen zu der. Schlußfolgerung, daß die Reflexe bei Ciona besonders durch die Struktur der Sinnesorgane oder durch die Körperoberfläche und durch die Verteilung der Muskeln bestimmt sind. Das Zentralnervensystem, das Ganglion, das „Gehirn“ beteiligen sich bei diesen Reflexfunktionen nur als Leiter und als nichts anderes. Mithin würde für Loeb, da das Zentralnervensystem nur die Übertragung der Reizungen zur Funktion hätte, im besonderen Falle der Ciona die Über- tragung des Reizes nach Entfernung des Ganglions vermittelst des Muskel- systems erfolgen, und auf diese Weise kann nach seiner Ansicht (der Reflex noch fortbestehen und bleiben. Loeb gelangte zu diesen Schlußfolgerungen in betreff der Ciona, als er sah, daß, wenn man nach Exstirpation des BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 47 Ganglions zur Reizung eines der Siphonen schreitet, der Reflexverschluß beider noch fortbesteht. Loeb verwendet als Reiz einen Tropfen Wasser, der von einer gewissen Höhe aus auf einen der Siphonen herunterfiel. Nach Loeb besteht der einzige Unterschied zwischen einer Ciona, deren Ganglion exstirpiert ist, und einer nichteperierten darin, daß man bei der ersteren den Wassertropfen aus einer größeren Höhe fallen lassen muß. Kurz, es wäre nur ein quantitativer und nicht ein qualitativer Unterschied, weil der Reiz in gleicher Weise übertragen würde; nur geschieht die Über- tragung des Reizes viel besser durch das Ganglion, und schwache Reize wären in diesem Falle imstande, dieselbe Wirkung hervorzubringen. Loebs Versuche waren irrig, weil bei seiner Reizungsmethode der Reiz nicht auf den Sipho allein beschränkt war, sondern auf die ganze Muskulatur so ein- wirkte, daß Verschluß beider Siphonen eintrat. Es traten auch gleich andere Autoren auf, welche diesen von Loeb beobachteten und beschriebenen Er- scheinungen widersprachen und sich namentlich gegen seine nihilistische Lehre von der Funktion des Zentralnervensystems wandten. Der erste war Magnus, der sah, „daß Exstirpation des Ganglions den Reflex der Aszidie aufhebt und nur noch lokale Reaktion übrig läßt.“ Magnus schreibt, und mit Recht, diese lokale Reaktion derjenigen zu, welche das Muskelsystem mechanischen Reizen gegenüber ergibt. Diese Erscheinungen bleiben bestehen, bis das Ganglion wiederhergestellt ist; dann erst kehrt der echte Reflex der Siphonen zurück. Dieser Autor übt auch eine sehr scharfe Kritik an der Art und Weise, wie Loeb experimen- tierte; wie ich oben bemerkte, beschränkt sich der aus der Höhe fallende Wassertropfen nicht darauf, einen Sipho zu reizen, sondern er reizt auch den anderen. In der Tat konnte er dies durch sehr feine diesbezügliche Experimente konstatieren, die ihn zu der Schlußfolgerung führten, daß, wenn man es vermeidet, durch die Erschütterung des aus der Höhe fallen- den Wassertropfens den zweiten Sipho zu reizen, nur der direkt gereizte Sipho sich schließt und nicht der andere; kurz, im ersten Falle würde der Reiz auf die Muskulatur einwirken. Magnus konnte diese zu ausgedehnten und nicht auf einen einzigen Sipho lokalisierten Reize vermeiden, indem er die zu reizende Stelle oder den zu reizenden Teil mit einem Stäbchen (mechanischer Reiz) oder mit einem Kochsalzkristall (chemischer Reiz) sehr vorsichtig berührte. In diesem Fall, wenn der Reiz mit allen Vorsichtsmaßregeln ausgeübt wurde, dehnt sich die Kontraktion des Siphorandes auch auf die benachbarten Muskel- gruppen aus, bleibt jedoch stets unilateral. Deshalb schließt er: „Aus dem Angeführten ergibt sich, daß eine Reizübertragung von einer Körperseite auf die andere, von einem Sipho auf den andern nach Entfernung des Ganglions nicht mehr eintritt, und daß, wenn der Reflex scheinbar zustande 48 OSwALD POLIMANTI: kommt, daran stets direkte mechanische nee der sich kontrahierenden Seite schuld ist.“ Übrigens würde dies die folgende von mir beobachtete Erscheinung bestätigen: zuweilen genügt es, wenn man ein Stäbchen auch nur leicht um eine Ciona herum schwingt, damit die letztere sofort einen oder beide Siphonen schließt: der von oben herabfallende Tropfen wird sicher dieselbe Wirkung hervorbringen. Kurz, ein Reiz kann nicht immer lokalisiert sein, er ist oft schwer zu erklären. Magnus spricht sich klar aus, wenn er sagt: „es bleibt kein Raum für die Annahme einer Erregungsleitung von Muskelfaser zu Muskelfaser.‘“ \ Bald nachher bestätigte Fröhlich nicht nur, was Magnus gesehen hatte, sondern fügte weitere Beobachtungen und Versuche hinzu, welche die Bedeutung des Ganglions als wahres und eigentliches Zentrum und nicht als ein beliebiges Mittel der Übertragung immer mehr bewiesen (1903 8.612): „Noch auffallender ist eine Eigenschaft der enthirnten Ciona, die ich fast ausnahmslos angetroffen habe. Berührt man vorsichtig den Rumpf eines operierten Tieres (ich verwendete hierzu, um jedwede Erschüt- terung zu vermeiden, Haare und Borsten verschiedener Länge, die an Glas- stäben befestigt waren), so kontrahiert sich in höchst energischer Weise die gesamte Ringmuskulatur des Tieres. Das vorher deutlich sichtbare Lumen der Kiemenhöhle verschwindet völlig. Damit geht eine Verlänge- rung des ganzen Tieres infolge Diekerwerdung der kontrahierten Ring- muskelfasern einher, die bis zu 0.5°” betragen kann.“ Das Tier wird gleichzeitig schmäler — ein Beweis, daß die Längsmuskeln nicht in Aktion treten. Die Kontraktion der Ringmuskulatur auf einen Reiz von geringer Intensität fand ich bei sorgfältig operierten Tieren stets vor. „Die leiseste Reizung bedingt eine Ausbreitung der Ringmuskelkontraktion weif&ber die Reizstelle hinaus; bei der normalen Ciona bleibt die Reaktion mehr lokali- siert. Die erhöhte Reizschwellung wird auch hier festgestellt.“ Sehr wichtig auch in theoretischer Hinsicht sind die Schlußfolgerungen, zu denen Fröhlich infolge seiner Experimente gelangt (8.614): „Recapitu- lieren wir das Verhalten der Ciona intestinalis nach Entfernung des Zentral- ganglions, so zeigt sich 1. Herabminderung des Tonus, 2. Erlöschen des echten Reflexes.. .“ Es kann demnach absolut nicht zugegeben werden, daß, wie Loeb meint, die Aszidien noch helfen können, um falsche Anschauungen über die Bedeutung der Ganglien des Zentralnervensystems höherer Tiere los zu werden. Es spiegelt wohl im Gegenteil gerade die enthirnte Ciona intesti- nalis in vielen wesentlichen Zügen das Verhalten sehr viel höher stehender Tierklassen wieder. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 49 Jordan beschäftigte sich ebenfalls nicht nur mit dem Studium der Reflexe der Ciona (Siphonen und Mantel), sondern auch (unter Anwendung der graphischen Methode) damit, die Funktion festzustellen und das Gang- lion dieser Aszidie wie auch ihren Tonus zu ergründen. Ich werde im ein- zelnen auf diese Arbeit zurückkommen, wenn ich die Reihe meiner Ex- perimente darlegen werde; einstweilen beschränke ich mich darauf, zu sagen, daß der Autor dem „Gehirn“ der Ciona eine große Bedeutung zuschrieb, das er für ein wahres und eigentliches nervöse Ganglion hält, und nicht, wie Loeb annahm, für ein beliebiges Mittel der Übertragung des Reizes. Die Reflexe. Ehe ich an das gründliche Studium der Funktion des „Gehirns“ der Ciona intestinalis heranging, wollte ich mich vergewissern, wie es sich im normalen Zustand verhält, sowie wenn es mechanischen Reizen ausgesetzt wird (ich habe nur die Reize vermittelst Glasstäbchen ausgeführt, denn da die Ciona, wie wir im anatomischen Teile gesehen haben, wie wenigstens die verschiedenen Autoren beobachten konnten, nur Nervenmechanismen zur Aufnahme dieser Reise besitzt, so ist sie absolut nicht imstande, auf Reize von anderer Natur zu antworten), kurz, welcher Natur die Reflexe sind die sie zeig. Um diese Untersuchungen auszuführen, muß man Tiere haben, die sich in möglichst normalen Verhältnissen befinden. Die Ciona befindet sich in normalen Verhältnissen, wenn sie recht angeschwollen ist; sobald sie platt zu werden beginnt, ist sie verändert und beinahe tot, muß also absolut ausgesondert werden. Der Turgor, diese Überfüllung des normalen Tieres, erklärt sich aus dem normalen Wassergehalt, spezieller aus d . Inhalt des Kiemenapparates. Die Kieme ist, wie bekannt, ein sehr kompliziertes Organ und besteht: 1. aus zahlreichen und umfangreichen inneren Längsfalten; 2. aus einem Mundsipho; 3. aus einer Speiseröhrenöffnung; 4. aus einem System von Röhren und Erhebungen, die von der Mund- öffnung bis zur Speiseröhrenöffnung gehen. | Mithin wäre die Kieme mehr als alle anderen Organe der hydraulische Regulator der Ciona, und der Mundsipho wäre gleichsam das Sicherheits- ventil dieses Regulators. Auch die Speiseröhrenöffnung ist sehr wichtig, aber im Vergleich mit dem Mundsipho ist sie ein Ventil zweiter Ordnung, das dazu dient, die Wasserversorgung im Magendarmrohr zu regulieren. Auch die Kloakenöffnung, die, wie ich schon andeutete, besonders für den Austritt des Kiemenwassers, der Geschlechtsprodukte und der Exkremente des Darmrohrs bestimmt ist, hat ihren großen Einfluß auf die hydraulische Archiv f. A.u. Ph. 1910. Physiol. Abtlg. Suppl. 4 50 OswALD POLIMANTI: Regulierung der Ciona, aber gewiß in viel geringerem Grade als die „Kieme“. Wenn man sich mit diesen Studien beschäftigt, ist es nicht schwer, wie es mir zu wiederholten Malen vorgekommen ist, vom Boden abgelöste Exemplare von Ciona im Bassin ringsherum obenauf schwimmen und mit dem Verschluß oder der Öffnung der Siphonen hierhin und dort- hin nach allen Richtungen sich wenden zu sehen. Man muß jedoch zu- geben, daß die Cions auch mit Hilfe der Siphonen nicht imstande ist, ihre Lokomotion zu regulieren; kurz, sie führt keine geeignete oder be- wußte Lokomotion aus (Ortsbewegung), wie man es auch nennen könnte. Die hydraulischen Regulatoren, die Siphonen öffnen und schließen sich ab- wechselnd spontan, ohne irgend einen Reiz und ohne bestimmten Zweck, sowohl homolateral als bilateral. Sehen wir nun im einzelnen, wie sich die Ciona verhält, sowohl wenn sie nicht gereizt wird, wie auch wenn sie ent- weder mit schwachen oder mit starken Reizen gereizt wird, indem wir die Reaktion von seiten der beiden Siphonen des oralen oder aboralen und des Kloakensipho sowohl als auch des übrigen Körpers analysieren. Wenn man Experimente bezüglich der Sensibilität der Siphonen und des Mantels macht, muß man wohl darauf achten, daß die Tiere absolut in der größten Ruhe verbleiben; das Wasser des Bassins darf deshalb auf keine Weise erschüttert werden. Zuweilen genügt die geringste Erschütterung des Wassers, in welchem die Cionen sich befinden, damit sich sofort beide Siphonen oder auch der eine oder der andere ohne Unterschied schließen; als allgemeine Regel läßt sich aber aufstellen, daß sich fast immer beide schließen. Die Erschütterung des Wassers ist schließlich ein wahrer und eigentlicher mechanischer Reiz. Man muß auch wohl Achtung geben, daß keine starken Sprünge der Temperatur erfolgen, die, wie schon Jordan (1907, S. 108) gesehen hat, die experimentellen Bedingungen und die erhaltenen Resultate sehr verändern könnten. Ich führte alle meine Experimente, wie man aus den im folgenden mitgeteilten Protokollen ersehen wird, bei einer zwischen 13 und 16° schwankenden Temperatur des Meerwassers aus, in dem die Tiere konstant gehalten wurden. Dies ist nämlich das Optimum, wie ich bei allen Klassen der von mir studierten Seetiere beobachten konnte, damit sie ihre Erregbarkeit beibehalten, und um sie mithin im bestmöglichsten normalen Zustand zu erhalten. Beobachtet man Exemplare von Ciona in- testinalis, die mit ihren Fußfäden irgend einem Teil des Bassins anhaften, so sieht man, daß sich häufig ohne Einwirkung irgend eines Reizes, wie es wenigstens den Anschein hat, plötzlich oder allmählich der eine oder der andere Sipho schließt. Fast immer schließt sich der aborale; zuweilen schließen sich beide mehr oder weniger gleichzeitig, um dann in ziemlich kurzer Zeit (im Maximum 30 bis 50”) zum ursprünglichen Zustand zurück- zukehren. Jordan gibt in seiner Arbeit nicht zu, daß dieser Verschluß BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 51 der Siphonen spontan, d. h. ohne irgend einen Reiz, eintritt; dies würde seiner Ansicht nach nur der Fall sein, wenn ein Reiz auf das Tier aus- geübt wird; er nennt es „Schutzreflex“, wie wir später sehen werden. Was die Verschlußbewegung der Siphonen betrifft, so habe ich beobachtet, daß sich zuerst mehr oder minder schnell und energisch der obere freie Rand schließt; dann bemerkt man eine Verkürzung des ganzen Sipho nach unten hin. Die Öffnungsbewegung dagegen erfolgt, indem sie allmählich von der Basis des Sipho bis zur Höhe des freien Randes fortschreitet, während gleichzeitig der ganze Sipho zu seiner ursprünglichen Länge zurückkehrt. Kurz, die Siphonen Öffnen sich trichterförmig von unten nach oben und schließen sich in umgekehrter Richtung, von oben nach unten; in beiden Fällen können diese beiden Bewegungen des Öffnens und Schließens, na- mentlich wenn die Verkürzung des Sipho in sehr deutlicher Weise erfolgt ist, mit einer peristaltischen oder antiperistaltischen Kontraktionswelle ver- glichen werden. Nur in sehr seltenen Fällen erfolgen die Verschluß- und Öffnungsbewegungen in umgekehrter Richtung. An dieser spontanen Be- wegung der Siphonen beteiligt sich der allgemeinen Regel nach der Mantel auch, indem er sich verlängert (kreisförmige Fasern) und gleichzeitig zu- sammenzieht, oder indem er sich verkürzt (Längsfasern) und gleichzeitig erweitert. In einigen seltenen Fällen konnte ich bei genauer und sehr aufmerksamer Beobachtung eine sehr leichte Verlängerung oder eine kaum merkliche Verkürzung wahrnehmen, welche die Öffnung und den Verschluß der Siphonen oder umgekehrt begleiten. Außerdem kann, wie wir später sehen werden, der Mantel sich verkürzen und sich mehr oder minder stark zusammenziehen, indem die Siphonen mehr oder weniger vollständig ge- schlossen sind oder mehr oder weniger klaffend bleiben. Diese Bewegungen des Schließens und Öffnens der beiden Siphonen bleiben so einfach, oder sie sind von einer wahren und eigentlichen Ejektionsbewegung von seiten des dem sich schließenden entgegengesetzten Sipho begleitet. Doch von diesem Ejektionsreflex werden wir im einzelnen noch später sprechen. Viele andere wichtige Umstände sind in bezug auf den Schließmechanismus dieser Siphonen zu erwähnen. Wir müssen nämlich nun von dem sogenannten Ejektionsreflex sprechen, auf den ich oben hingewiesen habe, und der eben darin besteht, daß, während einer der Siphonen (gewöhnlich der orale) sich mehr oder minder plötzlich von der Spitze bis zur Basis schließt, gleich- zeitig der andere (fast immer der Kloaiensipho) offen bleibt und die Muskeln des Mantels und des Körpers des Tieres sich mehr oder weniger zurück- . ziehen, so dab die Ciona eine gleichzeitige zurückweichende Bewegung macht. Wird also die Ausstoßbewegung von dem einen oder anderen Sipho gemacht, so öffnet sich wieder der vorhin verschlossene; dann schließen sich allmäh- lich beide wieder (entweder gleichzeitig oder zuerst einer, dann der andere 4* 52 OswALD POLIMANTI: ohne Unterschied), um sich dann wieder (gleichzeitig oder nicht) nach Ver- lauf einer bestimmten Zeit zu Öffnen. Zuweilen kommt es jedoch vor, daß der Sipho, welcher die Ejektionsbewegung gemacht hat, konstant geöffnet bleibt, und der andere, der geschlossen war, sich ganz allmählich wieder öffnet, bis das peripherische Kaliber den normalen Zustand angenommen hat. Die Ciona ist mithin imstande, eine Ausstoßbewegung von seiten des Mund- sipho mit großer Gewalt auszuführen; ich habe jedoch bemerkt, daß der Ejektionsreflex des aboralen Sipho viel stärker ist als der orale. Dies ist leicht zu verstehen, wenn man bedenkt, daß bei der Ciona, wie bei jeder beliebigen Aszidie, eine Strömung vorhanden sein muß, die sich unter nor- malen Verhältnissen durch die Kiemenhöhle vom oralen zum aboralen Sipho wendet, der nicht nur zum Ausfluß des Wassers, sondern auch zu dem der Geschlechtsprodukte und der Exkremente des Darmrohres dient. Da also, wie wir jetzt gesehen haben, der aborale Sipho namentlich zur Austreibung der Fäzes dienen soll, eines der Existenz des Tieres schädlichen Materials, so ist folglich eine größere Kraft und Geschwindigkeit erforderlich, damit die Ausstoßung von seiten dieses Sipho erfolgt. Zur Ausstoßung der Fäzes schließt die Ciona energisch den oralen Sipho und öffnet den aboralen energisch, so daß die Fäzes mit großer Leichtigkeit entfernt werden können. Beobachtet man nun sehr aufmerksam, wenn der Ejektionsreflex von seiten des oralen Sipho eintritt, so sieht man, daß sein Verschluß und seine Zu- sammenziehung nicht so stark ist wie im Falle des Ejektionsreflexes von seiten des aboralen Sipho. Folglich kann man, in Anbetracht des großen Dienstes, den der Kloakensipho im Haushalt der Aszidien leisten muß, auch ohne daß man irgend welche Versuche unternimmt, a priori folgern, daß die Expulsionskraft des aboralen Sipho größer ist als die des oralen. Der Reflex des oralen Sipho wird stärker sein für alle Reize (durch den Mund- sipho eintretende Fremdkörper usw.), die von außen nach innen gehen, wegen deren die im Niveau dieses Sipho befindlichen Nervenmechanismen imstande sein werden, gleichsam eine Art von Dynamogenie diesen Reflexen gegenüber zu liefern. Dagegen wird im aboralen Sipho der Mechanismus des Expulsionsreflexes stärker für die von innen nach außen gehenden Reize (Fäzes, Geschlechtsprodukte) sein. Vielleicht ist auch anatomisch möglich, daß ein besonderer Apparat von Flimmerepithelien vorhanden ist, der in der Richtung des Eintritts des Wassers und der Nahrungsstoffe im oralen Sipho und im aboralen in umgekehrter Richtung, von innen nach außen, geht. Gewiß ist dieser Mechanismus möglich, und er würde es viel leichter begreiflich machen, daß der Expulsionsreflex des aboralen Sipho viel stärker ist als der des oralen. Wie ich schon oben bemerkte, nimmt der Mantel tätigen Anteil am Verschluß des einen oder anderen der beiden Siphonen und zieht sich ebenfalls mit diesen mehr oder minder stark zurück; ich BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 53 habe sogar bemerkt, daß er, wenn bei der Ciona dieser Expulsionsreflex eintritt, mag sie nun frei im Bassin schwimmen oder mit einem Fußfaden letzterem anhaften, viel mehr zurückweicht, wenn dieser Reflex im aboralen als wenn er im oralen Sipho eintritt. Mithin können wir auch auf diese Weise konstatieren, daß das Tier viel größere Kraft aufwendet, um einen Fremdkörper aus dem aboralen als aus dem oralen Sipho auszustoßen. Nachdem also feststeht, daß, wenn sich die Siphonen kontrahieren, auch der ganze Mantel sich an dieser Kontraktion beteiligt, kann man sagen, daß die Rückwärtsbewegung der Ciona die Resultante aus der Austreibung des Wassers und der Kontraktion des Mantels ist. Sehr interessant wäre es gewesen zu sehen und zu messen, mit welcher Kraft das Wasser durch die beiden Siphonen ausgeschieden wird, kurz, das mechanische Äquivalent dieses Ausstoßungsaktes kennen zu lernen. Ich dachte nun, die Expulsions- kraft der Siphonen könne genau gemessen werden, wenn ich das Tier wiege und dann zusehe, welchen Weg es bei seinem Zurückweichen zurücklegt. Dies wäre aber eine sehr komplizierte und keine Sicherheit darbietende Methode, denn eine Ciona zu wiegen ist sehr schwer, wenn nicht unmög- lich; beim Übergang aus einem Gefäß ins andere verliert sie eine große Menge Wasser und schrumpft vollständig zusammen, und wenn sie auch in diesem Zustand gewogen wird, kann man doch nie mit Sicherheit die im Innern des Tieres etwa zurückgebliebene Wassermenge bestimmen. Diese absolute Kraft zu bestimmen war mir nicht möglich, auch nicht bei Verwendung sehr empfindlicher Apparate; denn welchen Apparat ich auch bei den Siphonen oder beim Mantel gebraucht hätte, so wäre in situ ein so starker Reiz ausgeübt worden, daß die erhaltenen Resultate als voll- ständig falsch betrachtet werden mußten. Ich konnte aber diese Expulsions- kraft, wenn auch nicht direkt, so doch indirekt bestimmen. Brachte ich nämlich in das Seewasser des Bassins, in welchem die zu den Experimenten dienenden Cionen aufbewahrt wurden, Bärlappsamenpulver, so blieb dieses eine mehr oder minder lange Zeit hindurch im Wasser suspendiert; nun konnte ich stets, mochten sich nun die Siphonen spontan schließen oder der eine oder der andere mechanisch gereizt werden — von diesen Reizen werden wir später noch zu sprechen haben — konstant beobachten, daß dieses Bärlappsamenpulver vom aboralen Sipho in größere Entfernung aus- getrieben wurde als vom oralen. Reizung der Siphonen und des Mantels. Methode der Reizung. Wie wir oben gesehen haben, maß Loeb die zur Schließung der Siphonen erforderliche Kraft, indem er aus einer gewissen Höhe Wassertropfen auf sie herabfallen ließ. Dies war eigentlich 54 OSWALD POLIMANTI: auch ein mechanischer Reiz, der jedoch, wie ich andeutete, nicht sehr zur Erreichung des Zieles geeignet war. Magnus verwendete, wie schon oben bemerkt, als mechanischen Reiz ein Stäbchen und als chemischen Reiz einen Kochsalzkristall.. Fröhlich verwendete zu mechanischen Reizen Stäbchen. Er ist jedoch nicht sehr genau bei der korrekten Bezeichnung dieser Reize, da er immer von leiser Berührung, starkem Reiz usw. spricht. Das sind lauter ungenaue und nicht ganz bestimmte Worte, weil sie uns keine genaue Vorstellung von dem Wesen der absoluten Kraft der von ihm verwendeten Reiz verschaffen. Der schwere Irrtum, in den alle von mir bis jetzt zitierten Autoren verfallen sind, besteht darin, daß sie nicht nur keine Reize verwendet haben, die dosiert werden konnten, um sich eine genaue Vorstellung von den Reflexen zu bilden, die sie erhielten, sondern auch nicht mit Registrierapparaten gearbeitet haben. Die bloße Beobachtung genügt natürlich nicht, und ohne die Hilfe des Chymographion und des Schreibhebels setzt man sich der Gefahr aus, falsche, nicht sichere und von anderen Forschern nicht kontrollierbare Resultate zu erhalten. Jordan war der erste, der begonnen hat, zur Untersuchung der Reflexe und des Tonus bei Ciona, dosierbare Reize und die graphische Methode zu verwenden. Er beobachtete nicht nur die Reflexe, welche eine normale Ciona zeigte, auf die kein Reiz ausgeübt worden war, sondern auch die- jenigen, welche sie zeigte, wenn chemische, elektrische und mechanische Reize auf sie einwirkten. Mit Bezug auf den mechanischen Reiz sagt er (S. 100) „am wirksamsten ist Zwicken mit einer Pinzette“. In diesem Falle war er aber auch nicht imstande uns die Dosierbarkeit dieses Reizes anzugeben, da, wie jedermann einsieht, eine Pinzette mehr oder minder zusammengedrückt werden kann. Hinsichtlich des chemischen Reizes sagt er (S. 100), „man muß Säuren nehmen, denen man Farbstoff zusetzen kann, um ihre Ausbreitung zu kontrollieren“; jedoch ist, wie allgemein bekannt, der chemische Reiz speziell der Säuren stets zu verwerfen, da er zu stark ist und die Säuren, wo sie hin kommen, alle Gewebe mehr oder weniger vollständig zerstören, so dab - die letzteren sich sogleich in einem Zustand größerer oder geringerer Zer- setzung und Degeneration befinden. Geeigneter war natürlich die elektrische Reizung, weil sie dosierbar ist, „doch (S. 100) muß man sich bei dieser (der elektrischen Reizung) über- zeugen, daß die Reaktion nicht Stromschleifen zuzuschreiben ist.“ Ich finde es ganz richtig, wenn er folgenden Versuch anrät, um zu sehen, ob dies eintritt oder nicht: „Man bringt zur Kontrolle die Elektroden in die Nähe des kleinen Sipho, in diesem Falle das Seewasser als Leiter be- nutzend.“ BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 55 Und zuletzt (S. 104) sagt er: „Mit mechanischer oder chemischer Reizung erhalten wir die gleichen Resultate: die elektrische ist jedoch — vor allem der Dosierung wegen — die bequemere.“ Um den Verlauf der Reflexe zu sehen, verwendete ich von Anfang an nur mechanische Reizungen. Ich nahm Stäbchen von verschiedenen Dimen- sionen, bestimmte ihren Umfang mit dem mit einem Okularmikrometer versehenen Mikroskop, und die Kraft des Druckes, indem ich eine Schale einer Präzisionswage so lange einstellte, bis das Glasstäbchen eine bestimmte Krümmung annahm. Auf diese Weise ist der Reiz, wie Allrutz schon sah, vollkommen dosierbar, und ich verstehe absolut nicht, daß Jordan auf S. 103 die „Undosierbarkeit dieses Reizes‘“ (Borste) behauptet. Ich konnte vermittelst dieser Methode konstatieren, daß Reize unter 0-75 bis Lem Druck keine oder wenigstens eine unsichere Wirkung auf die Kontraktion der Siphonen und des Mantels haben. Um richtige und sichere Resultate zu erhalten, kann man sich nichts Besseres wünschen als die Reizungen mit diesem Druck von 0-75 bis 1="” auszuüben. Reizungen mit einem diese Grenze überschreitenden Druck sind zu stark und müssen absolut ausgeschaltet werden. Ich strich über die Ciona oder besser noch, ich drückte darauf, bis das Glasstäbchen den bestimmten Kreis beschrieben hatte; dabei vermied ich es, das Tier zu stechen. Dies zu betonen ist nicht unwichtig; denn wie wir später sehen werden, bei Verwendung des einen oder des anderen Reizes (Druck — Stechen) erhält man ganz ver- schiedene Resultate. Ich führte meine Versuche, um mit Hilfe mechanischer Reize die verschiedenen Reflexe der Siphonen und des Mantels zu studieren, aus, indem ich die Cionen stets im Seewasser frei oder auf irgend einem Gegenstand befestigt ließ, wie sie aus dem Meere kamen. Ich verstehe es nicht, wie Jordan zu der Schlußfolgerung gekommen ist, daß die Resultate seiner Untersuchungen gut seien (8. 100) „in Wasser so gut wie in der Luft“. Wenn man aber im Wasser lebende Tiere in die Luft bringt, so geschieht dies nicht ohne Gefahr, da letztere als anormaler Reiz wirkt, und man darf nicht glauben, daß die erhaltenen Resultate von Irrtümern frei sind. Dies wäre gleichbedeutend mit der Behauptung, man erhalte dieselben: Resultate bei einem unversehrten Tier, das in der Luft lebt und das physiologischen Untersuchungen unterzogen wird, wenn man es voll- ständig in Wasser eintauche. Meiner Ansicht nach wird niemand be- haupten wollen, daß die Resultate, welche man erhält, wenn das Tier sich in den beiden Elementen befindet, gleich seien; dasselbe läßt sich von einem unversehrten Seetier sagen, das statt in Seewasser in Süßwasser ge- bracht und in dieser Umgebung Reizungen ausgesetzt wird, um seine Reflexe zu studieren. Jedes Tier muß in seiner Umgebung studiert werden und in keiner anderen als dieser. Dazu kommt, daß, von welcher Natur 56 OswALD POLIMANTE: auch der auf das Tier ausgeübte Reiz sein mag, er es zuweilen schon an und für sich in nicht allzu günstige Verhältnisse versetzt, um gut zu „antworten“; nun kann man sich denken, was geschehen muß, wenn es sich auch nicht einmal in seinem natürlichen Element befindet. Jener Zustand von „Turgor“, in welchem sich die Cionen konstant befinden, kurz jener tonische Zustand wird auf reflektorischem Wege aufrecht erhalten durch ihre Umgebung, das Wasser. Kaum sind sie aus dem Wasser, so werden sie sogleich schlaff, nicht nur weil sie das Wasser, das sie enthielten, mehr oder weniger vollständig verlieren, sondern auch — und dies sieht man wohl aus dem Zustand mehr oder minder vollständiger Erschlaffung der Siphonen — weil die Nerven nicht mehr vollkommen gereizt werden und nicht mehr die durch das Wasser hervorgerufene Dynamogenie haben, welche bewirkt, daß der Tonus sich normal erhält. Die Resultate dieser Experimente an den Siphonen und am Mantel, die ich nun vortragen will, sind von mir oftmals an mehreren Exemplaren kontrolliert worden. Min- destens sechs Beobachtungen stellte ich an, ehe ich zu einer genauen Schlußfolgerung gelangte und sie als gewiß annahm. In den meisten Fällen beschränkte ich mich jedoch nicht auf diese Zahl von Versuchen, sondern führte deren viel mehr aus. Die Temperaturverhältnisse des See- wassers, in welchem die Cionen sich befanden, waren, wie bei allen Experi- menten, die ich an diesen Tieren machte, stets die gleichen, oder die Temperatur schwankte zwischen 13 und 16°C, die bekanntlich das Optimum - bei Experimenten an Seetieren darstellt. Diese Versuche an den Siphonen nahm ich stets an Cionen vor, die frisch aus dem Meere kamen und einige Tage in Ruhe gelassen wurden; dann erst begannen die Versuche. Sie hatten auch immer ihren Mantel, weil, wie wir später besser einsehen werden, dieser Teil des Tieres bzw. dieses Organ eine wichtige Funktion hinsichtlich seiner Erregbarkeit hat. Sehen wir nun zu, wie die Siphonen sich verhalten, wenn sie gereizt werden. Bei den Untersuchungen, die ich mit mechanischen Reizen an den Siphonen anstellte, um zu beobachten, wieviel Zeit sie zur Rückkehr in die normale Lage brauchen, berechnete ich stets die Zeit, die der Sipho brauchte, um vom völligen Verschluß zum ursprünglichen Kaliber zurück- zukehren, und nicht nur die Zeit, die erforderlich war, damit sich der Sipho einfach wieder ein wenig öffnete. Die zur Öffnung der Siphonen bei Ciona intestinalis erforderliche Zeit ist nicht nur von Tier zu Tier ver- schieden, sondern bleibt auch bei demselben Tiere nie konstant, ja schwankt von Stunde zu Stunde. Zuweilen kontrahieren sich auch die beiden Siphonen, wenn man mit einem Stäbchen an die Ciona herantritt, um sie zu reizen, ehe das Stäbchen den Reiz ausübt. Dies hängt sicher ab entweder von einer spontanen Kontraktion oder von dem Umstand, daß man mit dem BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 57 Stäbchen eine Bewegung des Wassers verursacht, dessen Wellen direkt die Siphonen reizen (mechanischer Reiz infolge von Erschütterung). Man muß die Erscheinungen wohl voneinander unterscheiden, die man beobachtet, je nachdem die mechanischen Reize schwach (0-75 bis 1®”=) oder stark (oberhalb dieser Werte) sind. Streicht man über den Sipho oder drückt man ihn leicht zusammen mit einem Glasstäbchen, das einen geringeren Druck als 0-75 bis 12% ausübt, so schließen sich die Siphonen nie; stechen wir sie dagegen mit demselben Glasstäbchen und mit derselben Kraft, so kontrahieren sie sich sofort mehr oder minder stark, je nach der Gewalt, mit welcher der Stich ausgeführt wurde. Der erste Reiz hat also eine Art von Kitzeln der Nervenfasern veranlaßt und ist ohne irgendwelche Wirkung geblieben, während dagegen das Stechen, wie uns aus der Phy- siologie des Menschen und der niederen Tiere wohl bekannt ist, als Reiz eine viel größere Wirkung hat. 1. Ein auf einen Sipho ausgeübter sehr schwacher Reiz kann nur den Verschluß desjenigen bewirken, der gerade gereizt wird, und den anderen nicht gereizten läßt er offen. 2. Zuweilen wurde beobachtet, daß, wenn ein sehr schwacher Reiz längs des Randes der Siphonen ausgeübt wird, der dem Reiz entgegengesetzte sich schließt, während der leicht gereizte sich anfangs nur ein wenig schließt, um sich dann weit zu öffnen und einen Wasserstrahl auszusenden; dieser dient . dazu den sehr kleinen auf diesen Sipho ausgeübten Reiz zu entfernen. Gleichzeitig macht die Ciona infolge der Ausstoßung des Wassers, wie schon oben erwähnt, eine starke Bewegung nach rückwärts. Auf diese Weise flieht sie vor dem Reiz und das aus dem Sipho entsandte Wasser dient in gewisser Hinsicht dazu, den auf einen der Siphonen ausgeübien Reiz aufzuheben. und zu entfernen. 3. Bisweilen, wenn man die Siphonen leicht berührt, entweder den einen oder den anderen oder beide, schließen sie sich halb, aber nach wenigen Sekunden schließen sich entweder nur die gereizten oder auch beide hermetisch. 4. In anderen Fällen schließt das Tier den Sipho, wenn der Reiz einwirkt, und während es ihn wieder - öffnet, zieht es sich von neuem stark zurück und macht Versuche, ihn wieder zu schließen; dann öffnet es ihn in einem zweiten Zeitabschnitt von neuem und bleibt so, bis er sich wieder spontan schließt; in diesem Zu- stand verharrt es, bis ein weiterer Reiz von neuem den Verschluß bewirkt oder bis es den Sipho spontan schließt. — Ferner ist: zu bemerken, daß bei Reizung der Mund- oder Kloakenöffnung sich außer dem gereizten Sipho oft auch der nicht gereizte schließt, der sich dann stets lange vor dem gereizten (Differenz 1 bis 5” je nach den Fällen) wieder öffnet. Sehr oft habe ich sowohl bei schwachen (0-75 bis 1°°®) als auch bei starken (ober- halb dieser Werte) Reizen den Verlauf der Reizung von einem Sipho zum anderen beobachtet. Jordan (S. 100) hatte gesehen, daß er bei Reizung 58 OSWALD POLIMANTI: des großen Sipho (er sagt jedoch nicht, welchen Reiz er angewendet hat) den Übergang der Kontraktion „erst auf den Sipho selbst, dann auf den Rumpf und endlich auf den kleinen Sipho verfolgen konnte“. Diese Erscheinung konnte ich zu wiederholten Malen beobachten; ich habe aber auch den umgekehrten Weg beobachtet. Reizt man den kleinen (Kloaken-)Sipho, so geht der Reiz auf den Körper über, auf den Fuß, und steigt von hier zum großen (Mund-)Sipho hinauf. Werden starke Reize (über 0-75 bis 18m) auf die Siphonen ausgeübt, so erhält man zuweilen dieselben Resultate wie mit schwachen Reizen, obschon natürlich deutlicher ausgesprochen, oft aber, wie wir später sehen werden, ganz verschiedene Resultate. Ist der Reiz leicht, so kann sich auch der Sipho allein schließen; ist der Reiz dagegen stark, so zeigt sich: 1. Außer dem Sipho schließt sich und zieht sich zurück auch der ganze darunter gelegene Teil und zu- gleich ein großer Teil des Mantels. 2. Wird die Ciona sehr stark an einem Riesa. Sipho gereizt, so schließt sie diesen sehr stark und ist imstande ihren Körper zu verkürzen, indem sie dabei den anderen Sipho offen hält. 3. Zu- weilen habe ich gesehen, daß bei Reizung des oralen oder des aboralen Sipho diese sich viel eher als der nicht gereizte Sipho wieder öffnen. 4. Eine sehr starke Reizung des aboralen Sipho führt zunächst zum Ver- schluß beider Siphonen, dann zur Verkürzung der Ciona und endlich zur Öffnung des oralen Sipho und zum Ausströomen von Wasser aus ihm (Fig. 1); bisweilen kann der Verschluß beider Siphonen fehlen. 5. Eine starke Reizung des oralen Sipho führt zunächst zum Verschluß ‘der beiden Siphonen, dann zur Verkürzung der Ciona und endlich zur Öffnung des aboralen Sipho und Ausströmen von Wasser aus ihm. 6. Sehr starke Reizungen bewirken, daß die Ciona viel Zeit braucht, ehe sie zum nor- malen Zustand zurückkehrt, während sie hingegen nach schwachen Reizungen fast sofort zum ursprünglichen Zustand zurückkehrt. Läßt man nämlich sehr starke Reize auf einen Sipho einwirken, so öfinet er sich viel später wieder als der andere nicht gereizt. Wirkt ein sehr starker Reiz auf beide Siphonen, so zeigt sich: 1. Aus beiden (bei denen auch eine Zusammenziehung erfolgt) kommt ein sehr starker Wasserstrahl heraus, so BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 59 daß das Tier mit sehr großer Kraft zurückweichen kann. 2. Wenn der Reiz sehr stark ist, schrumpft die Ciona vollständig zusammen und be- schränkt sich nicht nur auf das Schließen und Öffnen der Siphonen, son- dern es erfolgt die vollständige Kontraktion des Tieres; der Mantel nimmt, wie wir oben sahen, einen sehr wichtigen Anteil an dieser Erscheinung der Kontraktion. Mithin erfolgt bei einer Ciona, wenn der Reiz schwach ist, nur Kontraktion des Randes des Sipho, während dagegen, wenn der Reiz stark ist, der ganze Sipho zusammenschrumpft; ist der Reiz sehr stark, so schließt sich nicht nur der Sipho in toto, sondern das ganze Tier zieht sich vollständig zurück. Läßt man den Reiz auf die Siphonen ein- wirken, so kann die Ciona zusammenschrumpfen und gleichzeitig infolge der Wirkung der kreisrunden Fasern sich verlängern, wie sie sich auch infolge der ‚Kontraktion der longitudinalen Muskelfasern verkürzen kann; im allgemeinen schrumpft sie bei schwachen Reizen zusammen und ver- längert sich, während sie bei starken Reizen sich verkürzt. Ich wollte auch sehen, ob, wenn ich stets einen und denselben Reiz einwirken ließe, der Verschluß und das folgende Öffnen der Siphonen immer in demselben Zeitabschnitt oder in verschiedenen Zeiten erfolgte. Kurz, diese Versuche dienten dazu, die verschiedene Erregbarkeit des oralen und des aboralen Sipho nachzuweisen. Die Reizung erfolgte stets mit demselben Glasstäbchen an beiden Siphonen unter einem Druck von 0.758", und ich verzeichnete genau die Zeit in Sekunden, die vom Schließen des Sipho bis zu seiner vollständigen Wiederöffnung verfloß. nlenmern ul, Zonpeaiee 5 Oraerimn, mn Abprle 1 15-0° 10 20 2 14.5° 20 15 3 15.0° 10 10 4 148° 17 30 5) 14.7 25 30 6 14.9° 15 25 7 15-0 13 23 8 15.0° 13 25 Aus diesen Experimenten ergibt sich, daß der orale Sipho viel emp- findlicher ist als der aborale. Schreitet man zur Reizung des Mantels mit Glasstäbchen, so sieht man, daß — wenn man stets mit einem Druck von 0-75 bis 1: reizt — der zunächst an den Siphonen gelegene Teil viel empfindlicher ist als die unterhalb der Siphonen gelegenen anderen Teile. Berührt man eine Ciona sehr leicht längs des Mantels, so zeigt sich oft nichts Bemerkenswertes; 60 ; OSWALD POLIMANTI: kaum reizt man jedoch ziemlich stark am Mantel entlang (z. B. mit einer Glasspitze), so schließen sich die Siphonen sogleich und zeigen zuweilen, namentlich der orale, eine wahre und eigentliche Ejektion, während der Kloakensipho sehr wenig reagiert und sich viel früher als der Mundsipho wieder öffnet. Zuweilen ist es aber auch umgekehrt. Reizt man leicht längs des Mantels, so erhält man sehr oft gar keine Wirkung; kaum reizt man aber ein wenig energisch, so kontrahiert sich der ganze Mantel in der Längsrichtung oder er verkürzt sich, und dies alles geschieht auch, ohne daß die Siphonen irgend welchen Anteil an dieser Erscheinung haben. Kaum hat dieser Reiz auf den Mantel aufgehört (der zuweilen nicht einmal sehr stark ist), so kehrt dieser in sehr wenigen Sekunden zur Stellung des normalen Tonus zurück. Dieser zu einer Verkürzung führende Reflex des Mantels rührt hauptsächlich von der Einwirkung der Längsfasern her, die eine Verkürzung erfahren. Zuweilen, namentlich wenn der auf den Mantel ausgeübte Reiz ziemlich schwach ist, kurz, wenn man eine Art Kitzel Fig. 2. ausübt, kann statt einer Verkürzung auch eine Verlängerung eintreten, wie dies gut aus Fig. 2 zu ersehen ist, die in halber Lebensgröße eine Ciona zeigt,”.welche sich um ca. 4” verlängert hat. Diese Verlängerung ist durch die: Einwirkung der Querfasern und der kreisförmigen Fasern zu er- klären; das Tier wird also mehr eingeengt und verlängert sich gleichzeitig. Dies wäre der Verlängerungsreflex des Mantels, infolgedessen auf letzterem Längsstreifen auftreten, die wie ebenso viele Stränge aussehen. Um jedoch diesen Reflex zu erhalten, muß der Reiz sehr leicht, fast ein Kitzeln sein; denn wenn man einen sehr starken Reiz ausübt, zieht sich die Ciona sofort zurück, kontrahiert die Längsfasern und verkürzt sich deshalb sogleich. Der durch die Annäherung der kreisförmigen Muskeln des Mantels entstandene Reflex verschwindet sehr schnell; aber der durch die Einwirkung der Längsfasern enstandene, der zur Verkürzung des ganzen Tieres führt, ist ein Reflex, der sehr spät verschwindet. Ich habe konstant beobachtet, daß die Sensibilität des Mantels bzw. seine Rückkehr zur nor- malen Lage, wenn die Ciona gerade verkürzt oder verlängert ist, von neuem zum normalen Stand zurückkehrt, wenn die Siphonen ihr normales Kaliber und ihre normale Länge wieder erlangt haben; mithin ‚besteht hier eine BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 61 Beziehung. Reizte ich den Mantel mit schwachen (0-75 bis 18®) oder starken (oberhalb dieser Werte) mechanischen Reizen, so ging der Reiz von ihm auch auf die beiden Siphonen über, die sich mehr oder weniger gleichzeitig schlossen (namentlich bei starken Reizen); zuweilen verbreitete er sich, wenn der Reiz schwach war und auch, wenn er an der Mitte des Mantels einwirkte, auf beide Siphonen, die sich mehr oder weniger schlossen, kurz, die Wirkung war nur homolateral. Reizte ich den Mantel auf beiden Seiten mit schwachen Reizen, so schloß der Sipho auf der gereizten Seite sich halb und kontrahierte sich mehr oder weniger. Endlich zeigte sich mehrmals bei einigen Cionen, wenn der Reiz schwach war, nur eine Ver- kürzung oder Verlängerung des ganzen Tieres, während die Siphonen voll- ständig offen blieben und sich an den Reflexen des Mantels gar nicht be- teiligten; dies geschah jedoch sehr selten. Ich habe schon oben auf die große Bedeutung des Mantels bei den Aszidien hingewiesen; nur wollte ich genauer den Einfluß der Enthäutung auf die Erregbarkeit der Ciona intestinalis studieren. 30.X. 07. 3% 30° nachm. Temp. 15°C. Bei sieben Cionen wurde der Mantel vollständig entfernt. Kaum werden sie in das Bassin gebracht, so schrumpfen sie vollständig zusammen, namentlich die Siphonen, die herme- tisch geschlossen bleiben. 4b 20’. Vier Cionen beginnen die Siphonen halb zu öffnen, während die drei anderen sie noch vollständig geschlossen halten. Einige normale Exemplare von Ciona mit dem Mantel, die sich in demselben Bassin be- fanden, hatten die Siphonen vollständig geöffnet, während die ohne Mantel alle vollständig zusammengeschrumpft waren; dies hängt davon ab, daß bei den mantellosen die Sensibilität der Oberfläche viel stärker ist, weil Teile ihres Körpers, die unter normalen Verhältnissen durch den Mantel geschützt sind, in direkte Berührung mit dem Seewasser gekommen sind. Meiner Ansicht nach wird jedoch dieses Zusammenschrumpfen verursacht zunächst durch die Enthäutung, die alle Gewebe verletzt, in höherem Grade aber die Nerven der Oberfläche des Ciona; an zweiter Stelle tritt noch der schädliche Einfluß des Seewassers hinzu, das auf alle verletzten Gewebe einwirkt und dieses Zusammenschrumpfen verursacht. ‚ 31.X. 07. 4b 10° nachm. Temp. 15°C. Vier Cionen sind vollständig zum normalen Zustand zurückgekehrt, obwohl ihre Siphonen noch nicht voll- ständig entfaltet sind; zwei sind wieder ziemlich normal, und eine ist sehr heruntergekommen, wenn auch die Siphonen noch ziemlich empfindlich sind. Die in derselben Umgebung erhaltenen Cionen mit Mantel erhielten sich in durchaus normalen Verhältnissen. 1.XI. 07. 102 vorm. Temp. 14-8° C. Zwei Cionen sind völlig tot und in Zersetzung begriffen, drei sind halbtot mit halb zusammengeschrumpften Siphonen, und zwei erhalten sich in ziemlich normalen Verhältnissen. Bei den zwei normalen öffnen sich die beiden oralen Siphonen wieder nach 10” auch nach einem sehr starken mechanischen Reiz, während die aboralen Siphonen bei einem Exemplar sich wieder nach 25” öffnen, seit der mecha- 62 OswALp POLIMANTI: nische Reiz ausgeübt wurde, und bei einem anderen nach 30°. Die zwei normalen Cionen zeigen sehr deutlich den Reflex der Verlängerung, wie auch den der Verkürzung des Tieres, jedoch erfolgen beide sehr langsam, oder sie haben eine viel längere Zeit der latenten Reaktion als bei der Ciona mit normalem Mantel. Ferner schließen sich die Siphonen nicht vollständig, sondern bleiben halb offen, und zwar nicht nur wenn sie gereizt werden, sondern auch, wenn die Ciona sie vollständig aus eigenem Antrieb schließt. Auch erfolgt der vollständige Verschluß der Siphonen, wenn er zu seltenen Malen eintritt, nicht so heftig und mit solcher Kraft als wenn der Mantel vorhanden ist, sondern vielmehr ganz langsam. Mithin ist das Verfahren Jordans, der, obwohl er die große Bedeutung des Mantels be- tonte (8. 111), bei einigen seiner Experimente die Cionen enthäutete, bei anderen mehr oder minder tiefgehende Operationen vornahm und dann an diesen Tieren Experimente über die Sensibilität machte, als eine nicht absolut sichere Untersuchungsmethode zu betrachten. Die Ciona intestinalis muß sich nicht nur, wie alle anderen Tiere, in den richtigen Verhältnissen der äußeren Umgebung befinden, um gut auf Reize zu reagieren, sondern sie muß auch ihren Mantel haben. Diese Anschauung ist übrigens vollständig bestätigt worden durch eine Reihe von direkten Versuchen an Exemplaren von Ciona intestinalis mit und ohne Mantel, wobei die Sensibilität mechani- schen Reizen des oralen und des aboralen Sipho geprüft wurde. Aus dem oben Angeführten darf man also mit voller Sicherheit schließen, daß eine Ciona ohne Mantel hinsichtlich der Längs- und Quer- reflexe, der Öffnung der Siphonren usw. erst 7 bis 8 Tage nach der plötz- lichen Enthäutung wieder normal wird; anderenfalls war sie zuerst nicht vollkommen normal. Erst nach 7 bis 8 Tagen beginnt sie nämlich den normalen Turgor wieder anzunehmen; sie ist rund und die Außenränder der Siphonen beginnen ziemlich gut zu vibrieren, wenn etwas durch sie ausgetrieben wird. Der Verlängerungsreflex ist viel stärker als er bei einer Ciona mit Mantel angetroffen wird, und auch der Verkürzungsreflex ist viel stärker, weil ohne die Vermittelung des Mantels die an der Oberfläche des Körpers befindlichen kleinen Nervenfäden direkt erregt werden. Vergleich zwischen der-Sensibilität der Siphonen der unver- letzten Cionen und der Cionen ohne Mantel. (Wert des Druckreizes 0-75 bis 15.) Ciona intestinalis Nr.1. 31.X. 07. Temp. 15°. 12% mittags. Es sind 5” erforderlich, damit sich die Siphonen nach einem mechanischen Reiz vollständig wieder öffnen. 4" nachm. Der Mantel wird entfernt. 1.XI. 07. 9b 45’ vorm. Temp. 14-8° Die Siphonen sind fast voll- ständig geschlossen, und das Tier reagiert sehr langsam; es scheint zur Ausführung dieses Versuches durchaus ungeeignet zu sein. Diese Ciona wurde noch weiter während der folgenden Tage bis zum Nachmittag des BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 63 4. XI. 07 beobachtet. Sie blieb aber stets in schlechtem Zustand mit fast immer halb geschlossenen Siphonen, auch wenn sie durch sehr starke mecha- nische Reize gereizt wurden. Ciona intestinalis Nr.2. 31.X. 07. Temp. 15°. 12% 15’ mittags. Mechanisch gereizt, öffnen sich die beiden Siphonen erst nach 10” wieder. 4% nachm. wird der Mantel entfernt. 1.XI. 07. 9% 45° vorm. Temp. 14-8°. Mechanisch gereizt, öffnet sich der orale Sipho erst nach 20”, während dagegen die Untersuchung des aboralen Sipho sich als sehr unsicher herausstellt. 2h 35° nachm. Temp. 15°. Die Ciona ist vollständig zusammen- geschrumpft. Nach einem mechanischen Reiz öffnet sich der orale Sipho wieder erst nach 20”, während dagegen bezüglich des aboralen Sipho keine Schlußfolgerung möglich ist. 2.XI. 07. 9% 30° vorm. Temp. 14-8°. Nach einem mechanischen Reiz öffnet sich der orale Sipho wieder nach 17” und der aborale nach 20”. 3.XI. 07. 95 30° vorm. Temp. 15°. Die beiden Siphonen öffnen sich normal wieder nach 15”, wenn immer der gewöhnliche mechanische Reiz ausgeübt wird. Ciona intestinalis Nr. 3. 31.X. 07. Temp. 15°. 12% 15’ mittags. Temp. 15-5°. Mechanisch gereizt, kehren beide Siphonen nach 15” zu den ursprünglichen Dimensionen zurück. 4% nachm. wird der Mantel entfernt. 1.XI. 07. 9% 45’ vorm. Temp. 14.8°. Das Tier ist vollständig zusammen- geschrumpft und in schlechten Verhältnissen hinsichtlich der Erregbarkeit. Nach mechanischer Reizung der beiden Siphonen öffnet sich der orale voll- ständig wieder nach 20”, der aborale nach 25”. 4h 35’ nachm. Das Tier ist in schlechtem Zustand. Wenn es me- chanisch gereizt wird, zieht es die Siphonen zurück, schließt sie aber nicht. Der Versuch mit dieser Ciona wird deshaib abgebrochen. Ciona intestinalis Nr. 4. 31.X. 07. Temp. 15°. 12® 15’ mittags. Mechanisch gereizt, öffnen sich die beiden Siphonen der orale sowohl als der aborale, nachdem sie sich vollständig geschlossen hatten, beide wieder nach 10”. 4% nachm. Temp. 15°. Das Tier wird enthäutet. 1:XI. 07. 9b 45° morgens. Temp. 14-8°. Auch wenn die Siphonen sehr energisch gereizt werden, schließen sie sich nie ganz und öffnen sich infolgedessen auch nicht so weit wieder, daß sie das ursprüngliche Volum erreichen. 2b 35’ nachm. Temp. 15°. Die Ciona ist noch immer in denselben Verhältnissen; deshalb ist es absolut unmöglich, Experimente an ihr zu machen. 2.XI. 07. 9% 30°’ vorm. Der mechanisch gereizte orale Sipho kehrt erst nach 17”, der aborale erst nach 18” zum ursprünglichen Volumen zurück. 3.XI. 07. 9% 30’ vorm. Mechanisch gereizt, schließen sich die beiden Siphonen wieder und kehren erst nach 15” zum ursprünglichen Kaliber zurück. 64 OSWALD POLIMANTI: Aus diesen Versuchen folgt als Bestätigung des oben Dargelegten, daß die Enthäutung der Ciona bei ihr zu einer sehr schweren Störung führt, so daß die Beobachtung 3 Tage nach erfolgter Enthäutung zeigt, daß der Wert, der zwischen Schließen und Öffnen der Siphonen verstrichenen Zeit stets viel höher ist, als der im normalen Zustand, d.h. als die Ciona den Mantel noch hatte, beobachtete. Auch bei enthäuteten Cionen besteht der Verlängerungsreflex noch, ist aber von kurzer Dauer, weil sofort die Verkürzung eintritt und diese auf eine stärkere und schnellere Weise er- folgt, als es bei einer normalen Ciona der Fall ist; kurz, sie steht absolut in keinem Verhältnis zu dem ausgeübten Reize, und ein minimaler Reiz genügt, daß das Tier sofort beinahe ganz zusammenschrumpft. Nach dem oben bezüglich der Reflexe in den Siphonen der Ciona Ge- sagten kann man gewiß nicht umhin, die große Ungenauigkeit der Be- schreibung dieses Reflexes bei Baglioni zuzugeben, der (19067 8. 47 bis 48) sagt: „Ein Reflex, den man an diesen Tieren durch äußere Reize erzielen kann, ist folgender: Nach Berührung eines beliebigen Punktes des vorderen Teiles des Körpers (z. B. eines Sipho) erfolgt prompt Schluß der beiden Siphoöffnungen und Retraktion des ganzen Tieres.“ Natürlich beschreibt er uns hier, wie man leicht einsieht, und auch noch sehr ungenau, diejenige Antwort auf den mechanischen Reiz, welche nur bisweilen bei der Ciona zu konstatieren ist. Höchstwahrscheinlich wollte der Autor nur das berichten, was er bei anderen Autoren gelesen hat, ohne selbst diesbezügliche Experimente zu machen, oder wenn er sie ausgeführt, so hat er sich darauf beschränkt, einen sehr starken Reiz ein- wirken zu lassen, und weiter nichts. In der Tat deutet er dies auch etwas weiter unten an, indem er über das berichtet, was Magnus gesehen hat (1907, S. 48): „Nur, wenn man unvorsichtig die ganze Muskulatur — wie Loeb durch seine Reizmethode immer tat — direkt reizt, dann findet Schluß beider Siphoöffnungen statt.“ Durch meine Untersuchungen an Cionen vermittelst mechanischer Reize ist mir also der Nachweis dafür gelungen, daß diese vollkommen dosierbar sind und daß man, wie groß auch der bei Reizung der Siphonen oder des Mantels bei Anwendung schwacher oder starker Reize erhaltene Unterschied ist, sehr vorsichtig bei der Beurteilung dieses Unterschiedes sein muß. Man darf es nicht machen wie viele Autoren, die entweder nur von „mechanischem Reiz“ sprechen, wobei sie ihn unbestimmt lassen (und nicht sagen, ob er durch Zusammenpressen, Stecken, Kneifen usw. ausgeübt wurde), und auch wenn sie diese Einzelheit angeben, nur sagen, diese Reize seien „schwach oder stark“ gewesen und nie das mechanische Äquivalent des Reizes angeben, wie ich es bei diesen meinen Versuchen getan habe. Im Verlauf der Experimente, die ich ausführte, um den BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 65 Einfluß mechanischer Reize auf den Schluß der Siphonen und auf die Kontraktion des Mantels zu studieren, konnte ich oft konstatieren, daß viele Exemplare von Ciona nicht mehr auf einen Reiz antworteten, einige auch dann nicht, wenn diese sehr stark gewesen waren. Die Ciona hielt ihre Siphonen mehr oder weniger weit offen und den Mantel absolut un- beweglich. Diese Umstände schreibe ich „Ermüdungserscheinungen“ von seiten des Tieres zu, dem, was Jordan (S. 108) „Tendenz zu ermüden“ nennt, ohne jedoch irgend eine Erklärung dafür zu geben. Meine Absicht war, diese Erscheinung der Ermüdung in ihren verschiedenen Einzelheiten und ihren Kundgebungen etwas eingehender zu studieren. Zunächst wollte ich mir darüber Klarheit verschaffen, ob andauernde und wiederholte Reize zu dieser Ermüdung geführt haben. Der allgemeinen Regel nach trifft dies zu; oft aber genügen bei einer Ciona auch ein oder zwei selbst leichte Reize, namentlich, wenn sie auf die Siphonen ausgeübt werden, damit sie absolut nicht mehr antwortet. Diese Erscheinung hängt also ab von der größeren oder geringeren Erregbarkeit, die dem Tiere eigen ist. Deshalb wollte ich sehen, ob die Ciona irgend ein Merkmal an sich habe an dem man diese ihre größere oder geringere Resistenz gegen Reize, diese ihre größere oder geringere Ermüdung erkennen könne. In der Tat konnte ich, als ich dieses Tier zunächst im normalen Zustand und dann, wenn es gereizt wurde, genau beobachtete, konstatieren, daß, mit je größerer Kraft der Ejektionsreflex von seiten des aboralen Sipho ausgeführt wird, die Ciona desto widerstandsfähiger ist und desto weniger spät ermüdet. Eine Ciona nämlich, welche diesen Reflex mit großer Kraft ausführt, was man, wie oben bemerkt, leicht an der größeren oder geringeren Kraft der Rück wärts- bewegung erkennt, die das Tier macht, wird sehr schwer und sehr spät müde. Ehe ich also irgend ein Experiment machte, um zu sehen, wie die Ciona auf Reizungen der Siphonen, wie auch des Mantels, mit und ohne Ganglion reagierte, nahm ich eine gewisse Anzahl von Exemplaren, schaltete nach eingehender und längerer Beobachtung die aus, die keinen schnellen und starken Ejektionsreflex des aboralen Sipho zeigten, und führte dann meine Versuche mit den Exemplaren aus, bei denen dieser Reflex so normal als möglich war. Dies ist also ein ganz sicheres Anzeichen, auf welches wir unsere Beobachtungen stützen können. Ein weiterer sehr zu beach- tender Umstand ist der, daß man, welchen Reiz (mechanisch oder elektrisch) man ausübt, immer zwischen einem Reiz und dem anderen eine gewisse Zeit verfließen läßt; bei mir schwankte sie zwischen 1’ und 2’, d.h. der Zeit, welche erforderlich war, damit der ganze Körper des Tieres zu nor- malen Verhältnissen zurückkehrte. Ein sicheres und augenfälliges Anzeichen davon ist es, wenn die Siphonen nach der Reizung zum ursprünglichen Kaliber zurückkehren, zu dem ganz charakteristischen normalen Zustand Archiv f.A.u. Ph. 1910. Physiol. Abtlg. Suppl. 5 66 OswALD POLIMANTI: des Turgor, zur normalen Kontraktion des Mantels, kurz zu demjenigen Zustand des „Tonus“, mit welchem wir uns im folgenden zu beschäftigen haben. Die zu Versuchen dienenden Cionen wurden in kleinen Bassins mit fortwährender Strömung von Seewasser, also unter den bestmöglichen Verhältnissen hinsichtlich der Temperatur und der Zufuhr von O0, ge- halten. Jordan teilt in seiner Arbeit über die Ciona (S. 87), indem er von einem ganz speziellen Gesichtspunkt ausgeht, die Tiere in „reilexarme‘ und „reflexreiche“ ein, im Hinblick auf die Reflexe, welche sie darbieten können. Reflexreiche sind nach Jordan diejenigen, welche „ein in jeder Beziehung reichgegliedertes Nervensystem besitzen‘; ‚viele und vielerlei Rezeptoren übertragen je nach Ort und Art verschiedene Reize auf den großen Rangierbahnhof, Zentralnervensystem genannt“. „Hier wird die durch jenen Reiz bedingte Erregung, je nach lokaler oder quantitativer Beschaffenheit, auf eine zentrifugale Bahn geleitet.“ „. .. ganz anders sind die „reflexarmen“. Zwar besitzen auch sie der- artige typische Reflexe, Organe mit individuell bestimmten Bahnen, Zentrum und Empfangs- wie Erfolgsapparaten. Allein, es sind solcher Einrichtungen nicht viele; und auch noch wichtiger ist: es spielen typische, d.i. indi- viduelle Reflexe, im Verhältnis zu einer anderen Gruppe von Ba keine große Rolle.“ Dies ist eine absolut unzulässige Einteilung. Alle Tiere sind reflex- reich und reflexarm: „reflexreich“ sind sie im Vergleich mit den tiefer auf der zoologischen Skala stehenden, „reflexarm‘“ verglichen mit den- jenigen, welche höher stehen als sie. Ferner sind alle „reflexarm“. Nehmen wir z. B. den Menschen selbst, der auf der zoologischen Skala am meisten entwickelt ist und das am meisten entwickelte Nervensystem besitzt, das wir kennen. Wir haben kein Organ, das wie der Kompaß durch den Erd- magnetismus beeinflußt wird, keins, das uns von den Röntgenstrahlen, von den ultravioletten oder ultraroten Strahlen benachrichtigt. Wir gelangen nur auf indirektem Wege (durch die Magnetnadel, chemische Mittel, photo- graphische Platten, usw.) zur Kenntnis dieser Erscheinungen. Kurz, sie treten ein, ohne daß unser Organismus irgend etwas von ihnen wahrnimmt, als ob sie nicht existierten. Blicken wir dagegen unter uns, welcher Reichtum an Reflexen, an Mechanismen zeigt sich da im Vergleich mit der elementaren anatomischen Zusammensetzung! Wahrlich, man denkt mit einem Gefühl der Befriedigung und des Erstaunens daran, was aus der Menschheit hätte werden können, wenn sie durch so und so viele Reize direkt beeinflußt worden wäre, die wir nur auf indirektem Wege kennen lernen. Mithin kann eine klare Unterscheidung zwischen reflexarm und reflexreich weder im anatomischen noch im physiologischen Sinne bestehen. Mit Bezug auf die Welt und die uns umgebenden Naturerscheinungen kann BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 67 man sagen, daß die Reflexe gering an Zahl sind, und daß die größere Intensität, mit der die wirklich vorhandenen eintreten, für alle entschädigt, die fehlen, und die natürlich in größerer Anzahl bei den höheren Tieren angetroffen werden. Mit Recht habe ich deshalb gesagt, alle Tiere seien an und für sich arm an Reflexen, aber verglichen mit den unter ihnen stehenden reich an Reflexen. Funktion des &anglions. Um die Funktionsfähigkeit des Ganglions zu untersuchen, schritt ich zu seiner Exstirpation und reizte es elektrisch, oder ich behandelte es mit Alka- loiden von verschiedener Natur. Um diese Erscheinungen gleich anfangs zu sehen, beschränkte ich mich darauf, zu beobachten, wie sich die Siphonen verhielten (Zeit der auf einen Reiz folgenden Schließung und Öffnung): als Reiz ließ ich auf die Siphonen stets den mechanischen einwirken unter einem Druck von 0-75 bis 15m, Die Methode bei der Exstirpation des Ganglions war sehr einfach; vermittelst einer kleinen sichelförmig gekrümmten Pinzette drang ich durch den Mantel hindurch zwischen beiden Siphonen ein und gerade auf das Ganglion los, das ich zwischen die beiden Arme der Pinzette nahm und herausriß. Diese Operation führte ich aus, indem ich die Ciona entweder außerhalb des Wassers hielt oder auch zuweilen in dasselbe eintauchte. Ich führte die Exstirpation an Tieren mit und ohne Mantel aus; die von mir gemachten Beobachtungen will ich in Kürze beschreiben. Beschreibung einer Ciona intestinalis mit dem Mantel und ohne Ganglion. Kaum ist die Operation ausgeführt und das Tier wieder ins Wasser gebracht, so schrumpft es ganz zusammen, und zwar nicht nur infolge des erlittenen Wasserverlustes, sondern, wie ich glaube, infolge der Operation an und für sich. Auch während der folgenden Tage erlangt die Ciona den ursprünglichen Turgor und Tonus nicht wieder, sondern bleibt stets zusammengeschrumpft; sie kehrt nie zum normalen Zustand zurück und auch die Siphonen zeigen nicht mehr den ursprünglichen Tonus, sondern sie sind gleichsam erschlafft. Ich habe ganz konstant beobachtet, daß nach Exstirpation des Ganglions beide Siphonen wie halbgeschlossen bleiben und nicht mehr in jenem offenen, tonischen, kurz in jenem glänzenden, durchsichtigen Zustand sind, welcher der charakteristische Zustand aller Cionen vor Entfernung des Ganglions ist. Kaum ist das Ganglion entfernt, so schrumpft das Tier, wie schon bemerkt, vollständig zusammen und wird schlaff, und dies sieht man speziell, mehr als auf dem Mantel, auf den 5* 68 OSWALD POLIMANTI: Siphonen, weil sie durchsichtiger sind. Eine von mir stets bemerkte kon- stante Erscheinung war, daß nach Entfernung des Ganglions die Siphonen nie mehr den Durchmesser und die Größe erreichten, welche sie vor der Exstirpation des Ganglions hatten. Auch hinsichtlich des Mantels zeigen sich Abweichungen; der Verlängerungsreflex ist vorhanden, aber er ist von kürzerer Dauer, weil sogleich auch bei den geringsten Reizen der Ver- kürzungsreflex oder die Wirkung der Längsmuskeln hinzutritt. Das Cha- rakteristische besteht darin, daß die Tiere völlig und immer zusammen- geschrumpft sind, einige mehr und andere viel weniger. Bei Cionen ohne Ganglion ist der Längs- und Querreflex viel lebhafter, weil er dazu dient, sie gegen äußere Reize zu schützen, und zwar weit mehr, wenn sie das Ganglion nicht haben; kurz, dies wäre ein Verteidigungsrellex, der viel entwickelter bei Cionen ohne Ganglion ist, es fehlt also nun der Regulator des ganzen Muskel-Nervensystems, wie sich ganz klar ergibt. Beschreibung einer Ciona intestinalis ohne Mantel und ohne Ganglion. Auch diese Tiere sind stets völlig zusammengeschrumpft; sie sind nicht mehr so gespannt und so glänzend, wie sie dies im normalen Zustand waren. Auch die Siphonen sind nicht so gespannt und konisch wie im normalen Zustand, sondern fast vollständig erschlafft. Der Verlängerungs- und der Verkürzungsreflex erfolgten auf dieselbe Weise wie bei den Cionen mit Mantel und ohne Ganglion. Einfluß der Exstirpation des Ganglions auf das Schließen der Siphonen. Für diese Reihe von Versuchen verwendete ich Cionen ohne Mantel und Cionen mit Mantel, oder solche in völlig normalem Zustand. A. Cionen ohne Mantel. Bei drei am 30.X. 07 zwischen 3% und 3% 30° nachm. enthäuteten Cionen prüfte ich zuerst die Sensibilität ihrer Siphonen gegen mechanische Reize (Druck 0-75 bis 18”, wenn keine Gegenindikation ge- geben war) und exstirpierte dann das Ganglion am 1.11. 07 zwischen 3% 15' und 3b 30° nachmittags. Ciona intestinalis IL. 1.XI. 07. Temp. 15°. 3% nachm. Nach einem mechanischen Reiz kehrt der orale Sipho nach 10” und der aborale nach 12” zum normalen Zustand zurück. 3% 15° nachm. Die Exstirpation des Ganglions wird mit einer Pinzette vorgenommen. 2.XI. 07. 9& vorm. Temp. 14.5°. Die Ciona befindet sich in ziemlich gutem Zustand und ist normal gespannt. Nach dem mechanischen Reiz kehrt der orale Sipho nach 30”, der aborale nach 50” zum ursprünglichen Volumen zurück. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 69 3.XI. 07. 9% 15’ vorm. Temp. 14°4°. Bei steter Anwendung des ge- wöhnliehen mechanischen Reizes kehrt der orale Sipho nach 30”, der aborale nach 50” zum normalen Zustand zurück, während um 31 30° nachm. des- selben Tages der orale Sipho nach 20” und der aborale nach 30” zum nor- malen Zustand zurückkehrte. 4.XI. 07. 9% vorm. Temp. 14-4°. Das Tier antwortet fast nicht auf sehr schwache Reize; die Siphonen schließen sich nämlich unvollständig und kehren nach 5 bis 10” im Maximum zum normalen Zustand zurück, während dagegen nach starken Reizen wenigstens 20” erforderlich sind, und zwar für beide Siphonen. 4.XI. 07. 3# 30’ nachm. Temp. 14.5°. Mit schwachen und mit starken Reizen erhalte ich die gleichen Resultate wie bei der letzten Beobachtung, d.h. bei schwachen Reizen kehren die Siphonen nach 5 bis 10” zum nor- malen Zustand zurück, während es dagegen bei starken Reizen (über 1 sm Druck) bei beiden Siphonen 20” dauert, bis sie zum normalen Zustand zurückgekehrt sind. 5.XI. 07. 9% 30’ vorm. Temp. 14-6°. Ich erhalte dieselben Resultate wie am vorhergehenden Tage; deshalb wird das Experiment abgebrochen. Ciona intestinalis Nr. 2. 1.X1I. 07. Temp. 15°. 3® nachm. Temp. 15°. Nach mechanischer Reizung des oralen Sipho dauert es 15”, bis er zum normalen Zustand zurückkehrt, nach Reizung des aboralen Sipho dagegen 20”. 3% 18° nachm. ‚Mit einer Pinzette wird die Exstirpation des Ganglions vorgenommen. 2.XI. 07. 9% vorm. Temp. 14-5°. Die Ciona ist zu ziemlich guten Verhältnissen zurückgekehrt. Nach mechanischer Reizung des oralen Sipho wird dieser erst nach 60” wieder normal, der aborale erst 90” nach der Reizung. Kaum wird diese Ciona gereizt, so schließt sie die Siphonen, öffnet sie dann wieder, schließt sie dann wieder stark und schrumpft so zusammen, daß sie nur mehr die Hälfte des ursprünglichen Volumens hat. Ich zähle natürlich, wie ich schon bemerkte, die Zeit, welche seit dem Beginn der Reizung bis zur Rückkehr des normalen Volumens der Siphonen vergeht. | Man muß annehmen — und in dieser Beziehung ist es nötig, sehr genau achtzugeben —, daß der Sipho wieder normal wird, wenn auch die Ciona in ihrer Gesamtheit das ursprüngliche Volumen wieder angenommen hat. Die von mir oben beschriebenen Erscheinungen habe ich sowohl beim oralen als beim aboralen Sipho beobachtet. 3b 45’ nachm. Temp. 14.5°. Nach mechanischer Reizung kehrt der orale Sipho nach 35”, der aborale nach 60” zum normalen Zustand zurück. Auch jetzt zeigt sich dieselbe Erscheinung, wie sie heute morgen bemerkt wurde, nämlich, daß die Siphonen, sobald sie gereizt werden, sich schließen, dann sich wieder öffnen; dann zieht sich das Tier gleichzeitig vollständig auf die Siphonen zurück, öffnet sie allmählich wieder, und in diesem Zu- stand verbleiben sie permanent, bis ein neuer Reiz sie trifft. 70 OswALD POLIMANTI: 3.XI. 07. 92 15’ vorm. Temp. 14.4°. Das Tier verhält sich stets auf die gewöhnliche Weise, was Öffnung und Schluß der Siphonen betrifft. Auch heute habe ich beobachtet, dab die Reaktionszeit immer sehr lang ist; dann schließt sich endlich I Sipho wieder, öffnet sich wieder, schließt sich stark, indem das ganze Tier sich zusammenzieht; dann verlängert sich die Ciona wieder und öffnet die Siphonen vollständig. Nach mechanischer Reizung öffnet sich der orale Sipho wieder nach 30”, der aborale nach 45”. 3" 30° nachm. Temp. 14-5°% Es zeigen sich immer dieselben Erschei- nungen hinsichtlich Öffnung und Schluß der Siphonen und der Körper der Ciona beteiligt sich gleichzeitig an den Erscheinungen in den Siphonen (Verlängerungs- und Verkürzungsreflex).. Nach mechanischer Reizung öffnet sich der orale Sipho erst nach 30” wieder, der orale nach 55”. 4. XI. 07.: 9b vorm. Temp. 14-4°. Nach minimalen mechanischen Reizen kehren die Siphonen nach 5 bis 10” zum normalen Zustand zurück, während hingegen nach starken mechanischen Reizen (über 1 2’% Druck) der orale 25” und der aborale 20” brauchen. 4" nachm. Ich erhalte stets die gleichen Resultate. 5.XI. 07. 9" 30” vorm. Temp. 14-6°. Die Erregbarkeit der Siphonen ist stets im gleichen Grade erhalten. Deshalb wird das Experiment ab- gebrochen. Ciona intestinalis Nr. 3. 1.XI. 07. 36 15’ nachm. Temp. 15°. Sowohl der orale als der aborale Sipho kehren nach mechanischer Reizung nach 10” zum normalen Zustand zurück. 3% 30’ nachm. Das Ganglion wird mit einer Pinzette exstirpiert. 2XI. 07. 9" vorm. Temp. 14-5°. Die Ciona ist vollständig zusammen- geschrumpft und antwortet absolut nicht auf irgend einen mechanischen Reiz, auch dann nicht, wenn er sehr stark ist. Aus diesen Versuchen schließe ich, daß das Ganglion einen sehr wichtigen Einfluß auf den Verschluß der Siphonen der Ciona intestinalis hat. B. Exstirpation des Ganglions bei Exemplaren von Odya intestinalis mit Mantel. Die Operation der Entfernung des Ganglions ist nicht besonders schwer und wird stets nach der gewöhnlichen, oben beschriebenen Methode aus- geführt. Die folgenden Experimente wurden an vier Exemplaren von Ciona intestinalis gemacht. 1.XI. 07. 11" 30° vorm. bis 12”. Temp. 14-5°. Mit einem Glasstäbchen wurde bei den vier Cionen 6mal die Erregbarkeit der beiden Siphonen mechanischen Reizen gegenüber erprobt. Daraus wurde das Mittel gezogen, das ich hier anführe. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 71 Zeit des Schlusses und der Öffnung Wert in Sekunden) Nummer der Ciona Oraler Sipho Aboraler Sipho 1 17 18 2 22 25 B) 22 20 4 25 24 3% 30’ nachm. Temp. 15°. Die Cionen liegen auf dem Boden des Bassins mit völlig zusammengeschrumpften Siphonen. Wird ein Reiz aus- geübt, so sind sie absolut unempfindlich; nur der Mantel bleibt ziemlich empfindlich gegen mechanische Reize, schrumpft zusammen und zieht sich stets sehr deutlich zurück. 2.XI. 07. 9% 30’ vorm. Temp. 14-5°. Die Siphonen werden mecha- nisch gereizt. Nummer der Ciona Oraler Sipho Aboraler Sipho 1 60 65 2 55 65 3 65 75 4 30 BP) Die Cionen sind vollständig zusammengeschrumpft, mit Ausnahme der vierten, die zu ziemlich normalen Verhältnissen zurückgekehrt ist (wie man aus der besseren Erregbarkeit der Siphonen ersieht). 3h 45’ nachm. Temp. 14-5°%. Die mechanischen Reize werden von neuem ausgeübt. Nummer der Ciona Oraler Sipho Aboraler Sipho 1 60 65 2 55 65 NE: 50 50 4 30 35 Die Cionen sind immer vollständig schlaff und zusammengeschrumpft, mit Ausnahme der vierten, die sich in ziemlich guten Verhältnissen be- findet. 3.XI 07. 9% 30. Temp. 14-4°. Die mechanischen Reize werden wieder ausgeübt. Nummer der Ciona Oraler Sipho Aboraler Sipho 1 (tot) 2 55 60 3 40 50 4 30 35 Die Tiere sind vollständig schlaff und zusammengeschrumpft. Ist der Reiz . speziell etwas stark gewesen, so Öffnen die Cionen zuerst leicht ihre Siphonen, dann schließen sie sie wieder heftig, um sie hierauf ganz all- mählich wieder zu öffnen. 12 OswAuD POLIMANTI: 3% 30’ nachm. Temp. 14-5°. Die mechanischen Reize werden wieder ausgeübt. Nummer der Ciona Oraler Sipho Aboraler Sipho 2 53 57 3 40 50 4 ; 30 35 Die Cionen sind völlig zusammengeschrumpft. Das Experiment wird abgebrochen. Aus diesem Experiment schließe ich, daß das Ganglion bei Ciona intestinalis eine sehr große Bedeutung: hat, und daß ohne das Ganglion die Öffnung der Siphonen nach einem mechanischen Reiz immer nach einem längeren Zeitabschnitt erfolet, als wenn das Ganglion vorhanden ist. Im allgemeinen läßt sich als Schlußfolgerung aufstellen, daß die Cionen ohne Ganglion weniger erregbar sind als diejenigen, welche ihr Ganglion haben. Was sodann die vermittelst Entfernung des Ganglions bei Cionen ohne Mantel gemachten Experimente betrifft, so hat sich bei diesen Tieren nach dem, was wir gesehen haben, auch wenn sie ohne Mantel im Besitz des Ganglions waren, die Erresbarkeit stets in viel höherem Grade erhalten als bei den Cionen, die ebenfalls ohne Mantel das Ganglion nicht mehr besaßen. Bei einer anderen Reihe von Experimenten wollte ich sehen, welchen Einfluß verschiedene Gifte auf das Ganglion ausübten, kurz, wie bei ihrer Anwendung die Erregbarkeit schwanke. Als Gifte, die ich stets in Seewasser löste, so daß ich eine 2 prozentige Lösung erhielt, verwendete ich: Curare, Kokainchlorhydrat, Morphiumchlorhydrat, Chininchlorhydrat und Strychninnitrat. Diese Lösungen wurden dann mit Thionin gefärbt, um genau zu sehen, wo sie sich ausbreiteten, wenn sie mit dem Tier in Berührung gebracht wurden. Dabei verwendete ich zwei Untersuchungs- methoden, die sich voneinander unterschieden sowohl in bezug auf die Art und Weise, wie das Gift in direkte Berührung mit dem Ganglion gebracht wurde, als auch in bezug auf die Art und Weise, wie die Erregbarkeit dieses Ganglions erprobt wurde. I. Methode. Vermittelst einer Pravazschen Spritze brachte ich in die Gegend des Ganglions eine sehr kleine Menge Gift, so daß das ganze Ganglion dadurch vollständig in jedem Teile durchtränkt wurde. Dann untersuchte ich vermittelst der gewöhnlichen mechanischen Reizung durch Glasstäbchen (Druck 0-75 bis lem) die Erregbarkeit der Siphonen (Zeit des Schließens und Öffnens) vor und nach der Vergiftung des Ganglions. Ich muß jedoch darauf hinweisen, daß ich nach Ausführung der Injektion stets wartete, bis die Siphonen ihr ursprüngliches Kaliber und Volumen wiedererlangt hatten; dann erst wurden sie von neuem gereizt. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 13 II. Methode. Mit einem Griff der sichelförmig gebogenen Pinzette legte ich das Ganglion frei und brachte mit einem kleinen Pinsel die ver- schiedenen Gifte darauf. Vermittelst eines tetanisierenden Stromes, den ein mit zwei Kaliumbichromatelementen versehener du Bois-Reymondscher Schlitten lieferte, reizte ich das Ganglion direkt vor und nach der Wirkung des Giftes und sah zu, ob und wie die Kontraktion der Siphonen unter der Zusammenziehung des elektrischen Reizes erfolgte. Wirkung der Gifte auf das Ganglion der Ciona intestinalis. Erste Reihe von Experimenten. (Mechanische Reize.) I. Wirkung des Curare auf das Ganglion von Ciona intestinalis. Ciona intestinalis Nr. 1. 12. X. 07. 3b 45’ nachm. Temp. 15°. Durch einen mechanischen Reiz berührt schließen sich die Siphonen sofort und brauchen 1’, um sich wieder zu öffnen. 32 49°. Ich injiziere !/, °® Curare in die Nähe des Ganglions. 3% 58°. Die Siphonen bleiben halb offen. 4" 1’. Die Siphonen sind noch immer halb offen, gereizt schließen sie sich nie vollständig und kehren nach 30” zum ursprünglichen Durchmesser zurück. 4" 4’. Sie werden viermal mit einem Glasstäbchen berührt; nach 30” sind sie halb offen zum ursprünglichen Durchmesser zurückgekehrt. 44h 12’. Sie werden einmal mit einem Glasstäbchen berührt; nach 10” kehren die Siphonen halb offen zum ursprünglichen Durchmesser zurück. 4" 25’. Die Siphonen sind noch nicht zu demselben Durchmesser wie im Anfang zurückgekehrt; gereizt kehren sie immer nach 10”. halb geöffnet zu ihrem Zustand zurück. Ah 27°’ bis AP 40”. 12” nach Berührung der Siphonen kehren sie zum ' ursprünglichen Durchmesser zurück. Sie bleiben jedoch fortwährend halb geöffnet. 13.X.07. 11% 30’ vorm. Temp. 150. Nach Reizung kehren die Siphonen, die sich heute vollständig schließen, nach 7 bis 10” zum normalen Zustand der Öffnung zurück. \ 14.X. 07. 11% vorm. Temp. 15-2°. Es sind 15” erforderlich, damit die Siphonen nach der Reizung den ursprünglichen Durchmesser wieder an- nehmen. 15.X. 07. 11% vorm. Mechanisch Bares kehren die Siphonen erst nach 1’ zum normalen Zustand der Öffnung zurück. Die Ciona befindet sich nicht in guten Verhältnissen und das Experiment wird abgebrochen. Aus diesem Versuch schließe ich, daß Curare eine erregende Wirkung auf das Ganglion der Ciona intestinalis ausübt. 74 OSWALD POLIMANTI: Ciona intestinalis Nr. 2. 14.X. 07. Temp. 15-5°. Zeit, welche die beiden Siphonen brauchen, um nach einer mechanischen Reizung zum nämlichen normalen Durchmesser zurückzukehren. Oraler Sipho Aboraler Sipho 3" 35’ nachm. Be 20 20 3649 „ Injektion von !/,°® Curarelösung. 420° ,„ Die Siphonen haben sich vollständig und normal wieder geöffnet. Ana. 20 20 any, 20 20 15.X. 07. Temp. 15-3°. 9h 10’ vorm. 8 12—15 3% 44’ nachm. 18—20 20 Während der folgenden Tage hat sich der Zeitwert für das Schließen der beiden Siphonen nach einer mechanischen Reizung stets konstant auf 20” erhalten. Während der ganzen Dauer des Experimentes dieses Tages hat die Temperatur des Wassers zwischen 15-3 und 15-.5°C geschwankt. Aus diesem Experiment schließe ich, daß Curare eine erregende Wirkung auf das Ganglion von Ciona intestinalis ausübt. Ciona intestinalis Nr.3. 22.X.07. Temp.14-2°. (Zeit des Schließens und der Öffnung der Siphonen, in Sekunden ausgedrückt.) Oraler Sipho Aboraler Sipho 10% 30’—40’ vorm. 30—15—30 30—20—35 12% 53° nachm. Injektion von !/, °® Curarelösung. PL TR 10 10 23. X. 07. 2% nachm. Temp. 15-0°. 18 immer geschlossen. 24. X. 07. 44 20°’ nachm. Temp. 15.0°. 20 ; 3% 25.X. 07. 8% 45’ vorm. Temp. 14-8°. 50—55 40—45 4% 5’ nachm. Temp. 15-0°. 58 56 26. X. 07. 9h 15’ vorm. Temp. 14-9°. 30 . 830 Ciona intestinalis Nr..4&. 25.X.07. Temp. 15-0°. Oraler Sipho Aboraler Sipho 20 20—15 1% 40’ nachm. Injektion von !/, °® Curarelösung. DE: 30 immer geschlossen DES ? 20 15 3a Da 20 Resultat ungewiß 5 10 15 9% vorm. Temp. 14-9°, 30 20 BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERYENSYSTEMS. 75 Während der Reizung hat sich die Ciona infolge Einwirkung der kreis- förmigen Fasern vollständig zusammengezogen und leicht verlängert. Oraler Sipho Aboraler Sipho 1% 45’ nachm. 25 30 27.X. 07. 9h 8’ vorm. Temp. 14-0°. 30 25 1% 50° nachm. 30 35 28. X. 07. 9h 45’ vorm. Temp. 14-4. 30 25 2% 10’ nachm. Temp. 14.8°. 20 20 Ciona intestinalis Nr. 5. 27.X. 07. Oraler Sipho Aboraler Sipho 8h 35’ vorm. Temp. 14-0°. 10 10 8b 59° ,„ Injektion von !/, “m Curarelösung. ee, unempfindlich 30 ge |, n 35 10850 25 20 1% 40° nachm. 25 20 DIUSDRINE, Temp. 15-0°. 10 15 54 N 7 7 ZIER. 01. 9h 50° vorm. Temp. 14-4°. 10 10 Ciona intestinalis Nr.6. 28X. 07. Oraler Sipho Aboraler Sipho 3b 10’ nachm. Temp. 14-5°. 15 15 3220.27, Injektion von !/, °® Curarelösung. 55 N 20 20 ZIER. 207. 8 35’ vorm. Temp. 14-5°. 15 20 3b 10°’ nachm. Temp. 15-5°. 5 10 30807. 95h vorm. Temp. 14-0°. 5 10 3" 30° nachm. Temp. 14.8° 5 10 ENRE 07. 10" 35’ vorm. Temp. 14-0°. 10 10 Aus allen diesen Experimenten schließe ich, daß Curare unzweifelhaft eine erregende Wirkung auf das Ganglion von Ciona intestinalis ausübt, eine Hyperexzitation, die eine vorzüglichere Sensibilität der Siphonen ver- anlaßt; zuweilen gibt sich diese erregende Wirkung sofort zu erkennen, zuweilen tritt sie aber auch viel später ein; diese Hyperexzitation kann lange Zeit andauern oder auch vollständig und ganz verschwinden. 76 OswALD POLIMANTI: II. Wirkung des Kokains auf das Ganglion von Ciona intestinalis. Ciona intestinalis Nr. 1. 12. X. 07. 3h 30° nachm. Temp. 15°. Mechanisch gereizt, öffnen sich die beiden 3h 42’ Sl2537 2 ” Siphonen wieder nach 15”. Injektion eines Tropfens Kokainlösung in die Gegend des Ganglions. Die Siphonen haben sich vollständig wieder geöffnet. Zeit, welche zur Wiederöffnung der beiden Siphonen erforderlich ist (ausgedrückt in Sekunden). Oraler Sipho Aboraler Sipho 3" 59’ nachm. 20 20 a 20 20 Ana 18 20 Kran, 20 20 Aha , 28 28 Au 30 30 SER 0T. 11% 55’ vorm. Temp. 15°. 15 15 Ciona intestinalis Nr. 2. 14.X. 07. 322307 Sad 3n 437 2537 aan 44297 4b 427 5h Oraler Sipho Aboraler Sipho nachm. Temp. 15-2°. 4 4 5 Injektion eines Tropfens Kokainlösung ins Ganglion. H 10 15 5; 6 10 „ 10 12 » 4 7 „ 6 6 4 4 ” Aus diesen beiden Experimenten schließe ich, daß Kokain eine anästhe- tische Wirkung auf das Öffnen und Schließen der Siphonen ausübt. Ciona intestinalis Nr. 3. 24.X. 07. 4h 24 4h 48’ Se 5a 4 5h 35° 68 6 30° nachm. ” Oraler. Sipho Aboraler Sipho Temp. 15° 10—8 15—10 Injektion von einem Tropfen Kokainlösung in die Gegend des Ganglions. Die Siphonen haben sich beide wieder vollständig geöffnet. 20 20 20 20 15 15 10—15 10—15 Ciona intestinalis Nr. 4. 25.X. 07. Oraler Sipho Aboraler Sipho 1" 15° nachm. Temp. 15° 30 30 12357 ” Injektion von einem Tropfen Kokainlösung in die Gegend des Ganglions. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. U 2b 20° nachm. Die Siphonen sind geöffnet und auch längs des Mantels berührt, das Tier antwortet absolut nicht auf die stärksten mechanischen Reize. Auch sind die Siphonen ganz unempfindlich. Oraler Sipho Aboraler Sipho 2% 36° nachm. 35 35 3 ae 32 35 5A n 30 59 a0 35 40 30°, 30 30 Ciona intestinalis Nr.5. 27.X. 07. 84 30° vorm. Temp. 14°. 20—15 10—15 852° „ Injektion eines Tropfens Kokainlösung in die Gegend des Ganglions. 20.410. 0% Die Siphonen sind noch nicht ganz nach innen gebogen, . sondern fast vollständig geschlossen. 1% 30 nachm. Temp. 15°. Die Siphonen haben sich zum normalen Zustand wieder geöffnet. aa 20—25 25—15 ga s 25 25 930 -„ 20 20 ah ji 15 15 Ara, 15 12 Ciona intestinalis Nr. 6. 28.X. 07. Ss machm. "Temp. 15%. 10—15 8 Sua o.;; Injektion eines Tropfens Kokainlösung. SuLWDr 20 vollständig geschl. 3h45 , | 15 15 a 5 15 15 Auge 15 15 Sb 10 10 Aus den an Ciona intestinalis mit Kokain ausgeführten Experimenten schließe ich, daß dieses Alkaloid eine stark anästhetische Wirkung auch auf das Ganglion des Tieres ausübt. Diese anästhetische Wirkung ver- schwindet allmählich immer mehr im Zeitraum von 1 bis 2 Stunden. II. Wirkung des Morphiums auf das Ganglion von C(iona intestinalis. Ciona intestinalis Nr. 1. 14.X. 07. Zeit, welche zum Wiederöffnen der beiden Siphone erforderlich ist (in Sekunden ausgedrückt). Oraler Sipho Aboraler Sipho 3b 40° nachm. Temp. 15-2° 10 10 u Injektion eines Tropfens Morphiumlösung in die Gegend des Ganglions.. 78 OswAup POLIMANTI: 3h 51° nachm. Die Siphonen werden auf normale Weise wieder geöffnet. Oraler Sipho Aboraler Sipho ua ı 4 15 15 AN 10 10 1920 9h 10° vorm. Temp. 15-3° 4 6—10 3h 44° nachm. 10 10 Ciona intestinalis Nr. 2. 24.X. 07. 12% 40° nachm. Temp. 15° 18—20 18—23 NEE Injektion eines Tropfens Morphiumlösung in die Gegend des Ganglions. Die beiden Siphonen der Ciona bleiben vollständig geschlossen bis gegen 1" 30°; dann beginnen sie sich allmählich zu öffnen und sind um 2% normal geöffnet. 2 De 15 15 BI, U, 15 15 Suslog a7 18 nn h 20 20 Ciona intestinalis Nr. 3. 24.X. 07. 3h 10° nachm. Temp. 15° 25 20 SEHIU SU EE Injektion eines Tropfens Morphiumlösung in die Gegend des Ganglions. A920 „ 6 10 DSH 10 10 6h h 15 15 25.X. 07. 8h 45° vorm. Temp. 14.8° 35 20— 25 4" 10° nachm. Temp. 15° 25 20 Ciona intestinalis Nr.4. 25.X. 07. 1% 30° nachm. Temp. 15° 17—20 15 LASSEN, Injektion eines Tropfens Morphiumlösung in die Gegend des Ganglions. De 35 33 ER 30 12 Sun. . 20 30 Si 3 20 30 26. X. 07. 9% 10° vorm. Temp. 14.9° 10 12 1® 45° nachm. Temp. 15° 10 15 2X OR. 9h 10° vorm. Temp. 14° 15 20 1" 50° nachm. Temp. 15° 10 10 BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 719 28. X. 07. Oraler Sipho Aboraler Sipho 9h 45° vorm. Temp. 14.4° 10 17 2h 35° nachm. Temp. 14-5° 15 15 23ER 07. 8b 50° vorm. Temp. 14-5° 15 15 Diese mit Morphium ausgeführten Experimente führten mich zu der Schlußfolgerung, daß dieses Alkaloid eine stark erregende Wirkung auf das Ganglion der Ciona intestinalis ausübt. Wie man aus den Experimenten ersieht, tritt diese Wirkung sofort oder fast augenblicklich nach gemachter Injektion oder auch im Abstand von einem Tage ein. Ciona intestinalis Nr.5. 27.X. 07. Oraler Sipho Aboraler Sipho 8b 50° vorm. Temp. 14° 15 15 sh 57° ,„ Injektion eines Tropfens Morphiumlösung in die perigang- lionäre Gegend. 915° ,„ Die Siphonen der Ciona haben sich bis zum normalen Zustand geöffnet. BB dia 35 1 25 25 1% 40° nachm. Temp. 15° 40 30 ua _ 35 35 28. X. 07. 9h 59° vorm. Temp. 14.4° 40 40 26h 15° nachm. Temp. 14-5° 15 15 Ciona intestinalis Nr. 6. 28. X. 07. 2% 55° nachm. Temp. 14-5° 1 15 SER, Injektion eines Tropfens einer Morphiumlösung in die periganglionäre Gegend. Ange, 67 69 ER NE 40 40 6h h 35 35 ao, 35 35 29.X. 07. sh 35° vorm. Temp. 14.5° 25 25 2b 35° nachm. Temp. 15° 25 25 30. X. 07. 8h 30° vorm. Temp. 14° ts 15 Aus diesen beiden Experimenten schließe ich, daß Morphium eine narkotische Wirkung auf das Ganglion der Ciona intestinalis ausübt; diese narkotische Wirkung kann eine mehr oder minder lange Zeit andauern, zuweilen, wie aus unseren Tabellen hervorgeht, auch länger als einen Tag. 80 OSWALD POLIMANTI: IV. Wirkung des Chinins auf das Ganglion von Ciona intestinalis. Ciona intestinalis Nr. 1. 14.X. 07. Zeit, welche die Siphonen nach erfolgter mechanischer Reizung zur voll- eandisen Öffnung brauchen (in Sekunden ausgedrückt). Oraler Sipho Aboraler Sipho 32 40° nachm. Temp. 15-2 10 10 SusAg va Injektion eines Tropfens Chininlösung in die perigang- lionäre Gegend. 5. iR Die Siphonen sind zum normalen Zustand zurückgekehrt. BEN tr 20 20 (De 2 20 20 ERT0T. 9h 10° vorm. Temp. 15-3° 4 4 3% 44° nachm. 4 4 16. X. 07. 95 47° vorm. Temp. 15° 10 10 Ciona intestinalis Nr. 3. 24.X. 07. 3% 00° nachm. Temp. 15° 30 35 Bu DD. Injektion eines Tropfens Chininlösung in die peri- ganglionäre Gegend. 415 |, Die Siphonen sind fast normal wiedergeöffnet. Aa. 10 vollständig geschl. Ba 5 „ 15 ” „ 2 2 Url, 8% 45° vorm. Temp. 14-8° 45 20 4" 15° nachm. 30 20 26. X. 07. 8% 45° vorm. Temp. 14.9° 5) 35 Ciona intestinalis Nr. 4. 25.X. 07. | 1" 20° nachm. Temp. 15° 20—25 17—25 ala 2 Injektion eines Tropfens Chininlösung in die perigang- lionäre Gegend. 220 Er Nieht nur die Siphonen, sendern auch das ganze Tier vollständig zusammengeschrumpft. 30 Die Siphonen beginnen sich wieder zu Öffnen. SI 25 vollständig geschl, 5 „ 25 ” ” 26. X. 07. 9% 15° vorm. Temp. 14-9°. 30 30 Das Tier hat infolge Kontraktion der Längsfasern in der Länge sehr abgenommen. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. sl Oraler Sipho Aboraler Sipho 1® 45° nachm. 20 20 21. X. 07. 95 15° vorm. Temp. 14° 22 a 1% 55° nachm. Temp. 15° 15 15 28.X., 01. 94 vorm. Temp. 14-4° 12 "25 2% 30° nachm. Temp. 14-5° 15 15 IX. 07. 8% 45° vorm. Temp. 14.5° 20 20 30.X. 07. 11% 15° vorm. Temp. 14° 20 20 Ciona intestinalis Nr.5. 28.X. 07. 2: 55° nachm. Temp. 14-5° 15 25 3220... Injektion eines Tropfens Chininlösung in die perigang- lionäre Gegend. a1 Die Siphonen sind noch vollständig geschlossen und das Tier ist absolut unempfindlich gegen jeden Reiz. A HUnF RE, Die Siphonen sind vollständig geöffnet. 5h x 35 35 RN DSEONE | 8h 35° vorm. Temp. 14.5° 25 25 5% nachm. Temp. 15° 25 25 Aus diesen Experimenten mit Chinin schließe ich, daß letzteres fast ımmer eine narkotische Wirkung auf das Ganglion von Ciona intestinalis ausübt, und daß es nur sehr selten eine erregende Wirkung zu er- kennen gibt. V. Wirkung des Strychnins auf das Ganglion von Ciona intestinalis. 5. XI. 07. (Zeit des Schließens und der Wiederöffnung der Siphonen in Sekunden ausgedrückt.) Nummer der zum Experiment dienenden Ciona 1 | 2 | 3 Oraler Aboraler, Oraler |Aboraler| Oraler |Aboraler Sipho | Sipho | Sipho | Sipho | Sipho | Sipho 10515 vorm. Temp. 145° | 15-17 | ı2 | 18° | 20 | 10 | 1 10220 , Injektion von zwei Tropfen einer Strychninlösung in die periganglionäre Gegend. Archiv f. A. u. Ph. 1910. Physiol, Abtlg. Suppl. 6 82 OswALD POLIiMANTI: Um 10% 45° waren die Siphonen der drei Cionen noch fast vollständig geschlossen. Um 11® hatten sie sich vollständig wieder geöffnet; hierauf wurde bei allen drei Cionen sowohl der orale als der aborale Sipho mit einem Glasstäbehen gereizt. Diese Reizungen wurden um 11# 15’, 11" 30, 125, 25, 3% und 4% wiederholt (Temp. 14-5 bis 15-5°). Bei allen drei Siphonen der drei Cionen mit demselben mechanischen Mittel hinsichtlich der längeren oder kürzeren Zeit des Schließens der beiden Siphonen erprobt wurde, erhielt ich dieselben Resultate wie am ersten Tage vor der Injektion des Strychnins. Aus diesem Experiment schließe ich, daß das in der Nähe des Ganglions der Ciona injizierte Strychnin sicher eine ausgeprägte erregende Wirkung auf das Ganglion und auf indirektem Wege auch auf die Siphonen ausübt, die zum Verschluß weniger Zeit brauchen, wenn sie mechanisch gereizt worden sind. Endlich wollte ich versuchen, ob es, wenn ich eine gewisse Menge Strychnin in Seewasser auflöste, so daß ich eine sehr verdünnte Lösung erhielt, auch mit diesem Mittel gelänge, eine Hypersensibilität bei der Zeit des Schließens und Öffnens der Siphonen zu erhalten. In der Tat zeigte sich, als ich die Tiere in Strychninlösungen in Seewasser (1 bis 2,5:10000) gebracht hatte und sie sich im Durchschnitt 1 Stunde lang darin befanden, daß bei Reizung des oralen Sipho 10” dazu genügten, daß er sich schloß, und beim aboralen 15”; im normalen Seewasser dagegen, ehe sie in das mit Strychnin vergiftete gebracht wurden, waren -beim oralen Sipho 15” und beim aboralen 20” erforderlich, damit sie sich nach mechanischer Reizung wieder vollständig öffneten, indem sie zum ursprüng- lichen Kaliber zurückkehrten. Aus diesen Experimenten schließe ich, daß Strychnin unzweifelhaft einen hyperexzitierenden Einfluß auf Schließen und Öffnen der Siphonen ausübt, wenn diese mechanisch gereizt werden; in diesem Falle wird es wohl auf die peripherischen Nervenendigungen der Siphonen einwirken, die übermäßig gereizt werden, und auch auf das Ganglion, das sich sicher in einem Zustand von größerer oder geringerer Hyperexzitation befinden wird. Ich bringe hier zwei Protokolle über zwei von den vielen Versuchen, die ich an verschiedenen der Wirkung des Strychnins ausgesetzten Exemplaren von Ciona gemacht habe, um zu zeigen, welchen Einfluß dieses Alkaloid auf die Erregbarkeit des Nervensystems dieses Tieres ausübte. 2. Experiment. 24.XI.09. 2"50’ nachm. Temp. des Seewassers 15°C. In diesem kleinen Bassin befanden sich 10 Exemplare von Ciona intestinalis. Die verschiedenen Siphonen schlossen sich spotan alle 1 bis 2. Sowohl BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 83 nach mechanischer Reizung (Druck 0-75 8”) als auch, wenn sie sich spotan schließen, um sich vollständig wieder zu öffnen, end sie im Mittel 5 bis 10”. 3%. Ich bringe in das kleine Gefäß eine Lösung von ale are Stryehnin, so daß die Cionen in eine 2-5promillige Lösung dieses Salzes eintauchen. Sie schließen sich alle sofort mit großer Energie, und die Aus- treibung aus beiden Siphonen eines jeden Exemplars ist sehr stark. Die kleinsten Exemplare schließen sich zuerst und treten sogleich in sehr starke Kontraktionen ein,, besonders in der Längsrichtung, aber auch quer; etwas (1 bis 2°) später tun auch die größeren Exemplare das gleiche. 3% 5°. Die Siphonen befinden sich noch immer im Zustande halber oder vollständiger Kontraktion. Aus beiden Siphonen erfolgen sehr starke Ejektionen; dann zeigen sie das Streben, sich von der Peripherie nach der Mitte sehr energisch und sehr stark zu verengern. Hierauf dehnen sie sich wieder ganz langsam von der Mitte nach der Peripherie hin aus, um sich mit großer Kraft in umgekehrter Richtung zurückzuziehen. Bei dieser Be- wegung treten sowohl die Längsfasern als die kreisförmigen Fasern der Siphonen in Tätigkeit. Diese Bewegung des Schließens und Offnens erfolst bei den Cionen wenigstens 4 bis 5mal in der Minute, besonders aber bei den größeren Exemplaren, weil die kleinen fast immer im Zustande des vollständigen oder wenigstens halben Verschlusses verharren. Strychnin hat also das Vermögen, ohne die Mitwirkung irgend eines Reizes diesen Rjektions- reflex beider Siphonen zu steigern und gleichzeitig eine viel intensivere Kontraktion nicht nur in den Siphonen (wo die Wirkung sich an den Längs- und kreisförmigen Fasern zeigt), sondern auch am Körper des Tieres zu veranlassen (auch hier Wirkung auf die Längs- und kreisförmigen Fasern). Dies sieht man deutlich, weil sowohl die Siphonen als der Körper des Tieres zurückgezogen (Kontraktion der Längsfasern) und gleichzeitig auch sehr eingeengt (Kontraktion der kreisförmigen Fasern) sind. Die Wirkung dieser beiden Arten von Fasern gibt sich viel deutlicher in den Siphonen zu er- kennen, weil sie viel durchsichtiger sind, als alle anderen Körperteile. 3b 12. Ohne daß je irgend ein Reiz einwirkt, verengern sich die Siphonen und öffnen sich wenigstens fünfmal in der Minute. Die Wirkung des Strychnins scheint viel stärker bei den Längs- als bei den kreisförmigen Fasern zu sein, weil nämlich sowohl die Siphonen als der Körper des Tieres mehr verkürzt als verengert erscheinen. 32 20°. Einige Siphonen, namentlich von größeren Cionen, bleiben jetzt mehr oder weniger weit offen; kaum wird aber ein mechanischer Reiz ausgeübt, so schließen sie sich sofort wieder mit großer Geschwindigkeit und Kraft. Auch wenn einige Exemplare sich ausdehnen, so bleiben sie doch stets in schräger Richtung zusammengeschrumpft (als ob sie gebogen wären) und sind nicht so vollkommen gespannt, strotzend und verlängert, wie sie vor der Einwirkung des Strychnins waren. Wird ein mechanischer Reiz auf den einen oder anderen der Siphonen ausgeübt, so erfolgt das Schließen plötzlich — blitzschnell — nicht aber das Öffnen, das in derselben Zeit erfolgt wie als sie normal waren (d.h. alle 5 bis 10 Sekunden). 4b, Die Tiere sind enorm verkürzt, fast auf die Hälfte des ursprüng- lichen Volumens geschrumpft, und öffnen und schließen nicht mehr so häufig wie zuerst die beiden Siphonen. 6*F 84 ; OswAup POLIMANTI: 4" 1%. Sie bleiben noch immer sehr verkürzt. Jedes Exemplar, ohne irgendwie gereizt zu sein, schließt und öffnet seine Siphonen wenigstens 3 rk Abnen jede Minute. Dam Tempel ne: „Die Tiere sind fortwährend auf die Hälfte des normalen Volumens zusammengeschrumpft. Sie schließen und öffnen fort- während die Siphonen wenigstens 4 bis 5 mal in der Minute, einige jedoch, namentlich die kleinsten, nur 1—2—3 mal in der Minute. Die große Ver- minderung des Volumens hat meiner Ansicht nach ihren Grund in diesen fortwährenden Ejektionsbewegungen, die seitens beider Siphonen erfolgen. 25.XI. 09. Temp. 15°. Die Cionen sind alle zusammengeschrumpft bis auf die Mitte und !/, ihres normalen Volumens. Mechanisch gereizt, bleiben die Siphonen absolut unbeweglich, Von Zeit zu Zeit verkürzt sich der Leib langsam. Das Experiment wird abgebrochen. Dieses Experiment beweist, daß durch Einwirkung des Strychnins, ohne daß irgend ein anderer Reiz auf die Ciona ausgeübt wird, die Be- wegungen des Schließens und darauffolgenden Öffnens der Siphonen im Vergleich zu der normalen Ciona sehr vermehrt werden. 5. Experiment. 25. XI. 09. 8"15’ vorm. Temp. des Seewassers 13°C. Eine Gruppe von 7 Cionen von verschiedener Größe befindet sich in einem kleinen Bassin. Die Siphonen schließen und öffnen sich spontan alle 5 bis 10” einmal. 8130’. In das Seewasser wird eine Lösung von salpetersaurem Strychnin gebracht, so daß eine 2-5 promillige Lösung entsteht, in welche die Cionen eintauchen. Kaum ist das Stryehnin ins Wasser gebracht, so schrumpfen alle zusammen, dann schließen und öffnen sich die Siphonen rhythmisch wenigstens 3 bis Amal in der Minute, namentlich der orale. Alle Tiere sind vollständig in der Längsrichtung zurückgezogen und erscheinen deshalb mehr oder weniger zusammengeschrumpft. Kaum werden die Siphonen . mechanisch gereizt, so schließen sie sich sofort blitzschnell und öffnen sich wieder nach 5 bis 10”. 8357 Obgleich ich mich jeder Reizung enthalte, bemerke ich stets die andauernde Verkürzung, das Schließen und Öffnen der Siphonen; oft ist es auch von der Verkürzung des ganzen Tieres begleitet. Einige Exemplare verengern sich sehr in schräger Richtung, statt sich in der Längsrichtung zurückzuziehen (infolge Kontraktion der Längsfasern), so daß sie spindel- förmig gestaltet und verlängert werden (Kontraktion der kreisförmigen Fasern). Die Siphonen sind nicht nur hypersensibel gegen den mechanischen Reiz mit einem Glasstäbcehen, sondern wenn zufällig eine Ciona, während sie sich ausdehnt, die Siphonen einer anderen berührt, so zieht sich die berührte blitzschnell mit großer Heftigkeit sowohl mit den Siphonen wie auch mit dem übrigen Körper zurück (Schließen und Zurückziehen der Siphonen und Zurückziehen der ganzen Ciona in der Längsrichtung). Aber nach 5 bis 10” dehnen sich sowohl die Siphonen als der Leib allmählich wieder aus. 8h 45‘. Nur bei den größten Cionen stehen die Siphonen noch weit offen, die sich dann verengern und hierauf 2 bis 3 mal in der Minute wieder öffnen. Die kleinsten dagegen bleiben immer verhältnismäßig zurückgezogen BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 85 mit geschlossenen und spindelförmigen Siphonen. Aber auch diese (es sind vier 2 bis 3% lange Exemplare) schließen wenigstens einmal in der Minute ihre Siphonen und ihr ganzer Leib verkürzt sich. Bei den großen Cionen ist zu beobachten, daß sie, wenn sie die Siphonen verengern und sich in der Längsrichtung zurückziehen, mit viel größerer Kraft zurückweichen, als eine normale Ciona. Obwohl ihre Siphonen vollständig geschlossen und sie mehr oder weniger in der Längsrichtung zurückgezogen sind, so sind sie immer noch imstande, sich von neuem in der Längsrichtung zurückzuziehen. Wenn sie sich verlängern und die Siphonen wieder öffnen, kehren die letzteren zum ursprünglichen Kaliber *zurück; diese Erscheinung (die Rückkehr zum ursprünglichen Kaliber) beweist uns, daß die vom Strychnin auf die Ciona ausgeübte Wirkung der Kontraktion durchaus nicht von einem möglichen Einfluß abhängt, den es auf wahrscheinlich vorhandene Geschmackszellen - ausüben könnte, denn wenn dies der Fall wäre, d.h. wenn das Strychnin wirklich bitter für die Ciona wäre, so würde sie die Siphonen konstant geschlossen halten. Nach meiner Beobachtung vergehen vom vollständigen Schließen der Siphonen bis zur Rückkehr ihres normalen Kalibers 6 Zeit- abschnitte: 1. Schließen der Siphonen. 2. Verkürzung der Siphonen. 3. Verkürzung des ganzen Tieres. 4. Zusammenziehen der Ciona in schräger Richtung. 5. Verlängerung der Ciona, die allmählich ihre ursprünglichen normalen Proportionen wieder annimmt. | 6. Verlängerung der Siphonen zum normalen Zustand. 9h 45°. Temp. 13°C. Die fünf größten Exemplare sind zu ihrem ur- sprünglichen Volumen zurückgekehrt und dehnen sich aus und verkürzen sich fortwährend mit den Siphonen wenigstens einmal in der Minute. Anfangs hatten sie sehr an Volumen abgenommen, weil sie infolge des fortwährenden Ausstoßens fast nichts mehr in ihrer Höhlung hatten. Auch jetzt schließen sie ihre Siphonen mit viel größerer Heftigkeit, als dies im normalen Zustande geschieht, weshalb sie auch viel mehr zurückweichen. Die kleinsten sind vollständig verkürzt. 10" 45°. Die größten Exemplare haben wenigstens einmal jede Minute ihre Siphonen geschlossen. Dann sind die letzteren halb offen geblieben, nicht vollständig geschlossen und ganz unbeweglich. i 11" 35. Temp. 14°C. Die Tiere sind alle mehr oder weniger zu- sammengeschrumpft, die Siphonen bleiben halb offen, sie ziehen sich alle 5 bis 6° zurück und schließen sich stets ohne Unterschied. Werden die Siphonen mechanisch gereizt, so schließen sie sich nie vollständig. Sie er- . scheinen wie ebenso viele Würmer, die ohne Pause fortwährend peristaltische Bewegungen ausführen, die von Zeit zu Zeit von mehr oder minder voll- ständiger Zurückziehung der Siphonen begleitet sind. 4% 30° nachm. Temp. 16°C. Sie liegen alle vollständig zusammen- geschrumpft auf dem Boden des Bassins, unbeweglich mit ganz geschlossenen Siphonen. Die Vergiftung scheint eine vollständige zu sein und hat ganz besonders die kleinsten Exemplare ergriffen. Nur zwei von den größten Cionen haben die Siphonen halb geschlossen und sind halb ausgespannt; 86 OswALD POoLIMANTI: alle 3 bis 4° ziehen sie sich mehr oder weniger vollständig zurück und ver- engern gleichzeitig die Siphonen. 26. XI. 09. 8% vorm. Temp. 14° C. Sie sind alle vollständig ab- geplattet, zusammengeschrumpft und unempfindlich gegen jeden Reiz. Auch bei diesem Experiment hat also das Strychnin eine Hyperexzitation bei den Cionen hervorgerufen, so daß sie die Siphonen viel heftiger schlossen und sich häufiger und mit größerer Energie zurückzogen, ohne daß irgend ein anderer Reiz auf sie ausgeübt wurde. 15. Experiment. 26. XI. 09. Temp. 14° C. In einem kleinen Bassin befinden sich kleine, 3 bis 6 °® lange Exemplare von Ciona, die ihre Siphonen sehr selten (alle 5 bis 10° einmal) nach und nach schließen. Sie erlangen, wenn die Siphonen mechanisch gereizt werden, oder auch spontan, das ur- sprüngliche Kaliber nach 5 bis 10” wieder. 9h 26° vorm. Ich bringe in das Bassin eine Lösung von salpetersaurem Strychnin, so daß ich eine 1-5 promillige Lösung erhalte. Infolge der statt- gefundenen Erschütterung ziehen sich alle Exemplare von Ciona völlig zurück, verlängern sich aber wieder nach 30”, indem sie sowohl mit ihrem Leib als mit den Siphonen zum normalen Zustand zurückkehren. Hierauf ziehen sie sich 2 bis 3mal in der Minute vollständig zurück; auch ziehen sie die Siphonen zurück, indem sie sie gleichzeitig schließen, ohne daß jemals irgend _ ein Reiz ausgeübt wird. Um zum normalen Zustand zurückzukehren, er- weitern sie zuerst die Siphonen und verlängern dann den Leib. Wenn ich auf das Becken schlage, ziehen sie sich nicht zusammen. Reize ich jedoch die Siphonen mechanisch (Druck 0.75 8”%), so schließen sie sich blitzschnell und öffnen sich im Durchschnitt nach 5” wieder. 9h 39. Die Tiere sind mehr oder minder zusammengeschrumpft und sehr in der Längsrichtung verengert. Jedes Exemplar zieht jedoch die Si- phonen zusammen und zieht sich ‘wenigstens dreimal jede Minute zurück. Um die letztere Bewegung auszuführen, vollziehen sie sie entweder sehr schnell oder in 3 bis 4 Zeitabschnitten (Verkürzung des Sipho, Verengerung des freien Randes, Verkürzung des ganzen Tieres). Zuweilen verengern sie sich auch in seitlicher Richtung, so daß sie sehr dünn werden. 10". Sie schließen fortwährend die Siphonen und verengern (wenigstens 2 bis 3mal in der Minute) die Siphonen und den ganzen Körper; zuweilen werden sie auch sehr dünn, da sie sich in schräger Richtung verengern. Im Vergleich mit dem Beginn des Experimentes hat ihr Kaliber sehr ab- genommen; sie sind sehr dünn geworden und zusammengezogen. 10% 25°. Sie sind zu Verhältnissen des normalen Volumens zurück- gekehrt; ihre Siphonen halten sie fast immer weit offen, schließen sie aber wenigstens einmal in der Minute. 10% 45°. Sie bewahren stets das normale Volumen, ziehen jedoch wenigstens einmal in der Minute sowohl die Siphonen als den ganzen Leib sehr stark zurück. Mithin ist das Strychnin, unabhängig von jedem auf die Ciona etwa ausgeübten Reiz, imstande, das Tier in einen solchen Zustand der Hyperexzitabilität zu versetzen, daß es sich in toto und ebenso die Siphonen viel häufiger als im normalen Zustande zurückzieht. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 87 11". Status idem. Ar 1% 20° nachm. Die Siphonen schließen sich wenigstens 2 bis 3mal in der Minute und so erfolgt auch gleichzeitig das Zurückziehen der ganzen Ciona. 3545’. Die Siphonen stehen vollständig offen; nur bei einigen Exemplaren ziehen sie sich alle 1 bis 2 Minuten einmal allmählich zurück. Werden die Siphonen mechanisch gereizt (0-50 3"%), so schließen sie sich nicht; bei einem Reiz von 12’% und darüber Druck schließen sie sich blitzschnell. 5%. Status idem. 27. XI. 09. 9% vorm. Temp. 14°C. Dreiviertel der Tiere sind ganz zusammengeschrumpft und halten die Siphonen vollständig geschlossen; die anderen haben sich sehr verlängert und mithin in schräger Richtung ver- engert. Sie bewegen die Siphonen spontan, wobei sie eine Art von wurm- förmiger Bewegung ausführen; werden sie dagegen durch die stärksten mechanischen Reize gereizt, so bleiben sie absolut unbeweglich. 4h 45’ nachm. Temp. 14°C. Beobachtet man die Cionen von Zeit zu Zeit, so sieht man, daß ein Drittel von ihnen die Siphonen fortwährend wellenförmig nach allen Richtungen bewegen, namentlich den oralen, und zwar wenigstens einmal in der Minute. Zuweilen ziehen sie, während der Sipho sich auf seiner Basis wellenförmig bewegt, den Sipho selbst mehr oder weniger nach seiner freien, offen stehenden Fläche hin zusammen. Das sind wahre und eigentliche durch das Strychnin beeinflußte Bewegungen. Werden die Siphonen dagegen mechanisch gereizt, so bleiben sie absolut unbeweglich. 28.XI. 09. 11% vorm. Temp. 15° C. Alle Cionen sind völlig erweicht,, zusammengeschrumpft und unbeweglich, sowohl spontan als auch nach den stärksten mechanischen Reizen. Dieses Experiment bestätigt nur, was die anderen bewiesen haben, nämlich, daß Stryehnin nicht nur auf dem Reflex- wege, sondern auch direkt imstande ist, das Nervensystem hyperexzitabel zu machen und die Bewegungen der Retraktion des Körpers sowie der -Retraktion und des Schließens der Siphonen zu vermehren. Eine konstante Erscheinung habe ich bei den Cionen beobachtet, und zwar sowohl bei denen, deren Ganglion direkt mit Strychnin vergiftet worden war, als auch bei denen, die ich vergiftet hatte, indem ich sie in eine mehr oder minder starke Strychninlösung brachte. Diese Cionen schließen nämlich die Siphonen häufiger als es unter normalen Verhält- nissen geschieht. Und der Ejektionsreflex des oralen und aboralen Sipho erfolgt, wenn er ohne gleichzeitige Einwirkung irgend eines Reizes eintritt, mit viel größerer Kraft als unter normalen Verhältnissen. Die Temperatur- verhältnisse blieben die gleichen, und es wurde unbedingt kein Reiz irgend welcher Art ausgeübt; also muß man auf eine größere und erhöhte Erreg- barkeit des Ganglions schließen, auf die wir noch später zurückkommen werden. Einstweilen mag es uns genügen, auf diese Erscheinung auf- merksam gemacht zu haben. Die Siphonen schlossen sich sehr schnell und heftig unter einer wahren und eigentlichen Form von Tetanus, wenn wir 88 OswALD POLIMANTI: diesen Ausdruck gebrauchen wollen, indem wir sie mit der Wirkung ver- gleichen, die das Strychrin bei den höheren Tieren ausübt. Sie schlossen sich sofort vom freien Rand bis zur Basis oder umgekehrt, und zwar so- gleich, und sie öffneten sich sehr selten wieder langsam und nach und nach. Zweite Reihe von Experimenten. (Mechanische Reize.) Nimmt man eine Ciona aus dem Wasser und bringt die Nadelelektroden unterhalb ihres Ganglions so an, daß dieses darauf ruht und ihn ganz bedecken, so sieht man, wenn man es mit einem mehr oder weniger inten- siven, tetanisierenden Strome reizt, der von zwei Bichromatsäulen (wie in meinem Falle) und einem du Bois-Reymondschen Schlitten geliefert wird, daß dabei eine Retraktion der beiden Siphonen stattfindet. Natürlich sind die Siphonen mehr oder minder vollständig geschlossen, wenn die Ciona außerhalb des Wassers ist und obendrein bei der Anbringung des Ganglions auf die Elektroden vielen Mißhandlungen (sehr starken mecha- nischen Reizen) ausgesetzt war. Man könnte denken, daß die Reizung in diesem Falle direkt auf die Muskelfasern übertragen würde. Wenn man jedoch bei gleicher Intensität des Stromes die vordere Hälfte der Ciona an allen Stellen reizt, bemerkt man keine Kontraktion, weder in den Siphonen noch im Mantel. Sobald man aber das Ganglion elektrisch reizt, tritt so- fort eine Erhebung und Verlängerung der beiden Siphonen mit folgender Verkürzung und (namentlich) Zusammenziehung des ganzen unteren Teiles der Ojona ein. Als ich dieses Experiment mehrmals bei vielen Tieren ausführte, erhielt ich stets das gleiche, konstante Resultat. Daraus schließe ich, daß „das Ganglion der Ciona intestinalis elektrisch reizbar ist“; auch wenn man (besonders mittels sehr starker tetanisierender Ströme) durch Reizung längs des Mantels in den nahe den Siphonen gelegenen Teilen einige leichte Kontraktionen erhält, so sind diese absolut minimal im Vergleich zu der, die man von den Siphonen erhält, wenn man das Ganglion direkt mit der- selben Intensität des Stromes reizt. Ich habe auch vermittelst einer stark vergrößernden Linse versucht, die verschiedenen vom Ganglion ausgehenden Nervenäste zu isolieren und mithin zu reizen, aber es war mir unmöglich, — wie es auch Jordan (S. 106) nicht gelungen ist — sie auf irgend eine Weise zu isolieren oder zu durchschneiden, weshalb ich mich bei allen ‘ meinen Experimenten auf die reine und einfache elektrische Reizung des Ganglions beschränken mußte. Alle Versuche dieser Reihe wurden an Exemplaren von Ciona intestinalis gemacht, die ich aus dem Wasser heraus- genommen hatte, um zu verhindern, daß bei ihrem Verbleiben im Wasser und Reizung mit dem elektrischen Strom das Meerwasser als Leiter gedient BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 89 ‘hätte. Die Tiere wurden in einer Art feuchter Kammer aufbewahrt, damit die Verdunstung die Resultate nicht ungünstig beeinflußte,;, auch wurde stets die Temperatur der Umgebung berücksichtigt. Die verwendeten Gifte wurden, wie bei der ersten Reihe von Experimenten, so in Meerwasser ge- löst, daß ich eine 2 prozentige Lösung erhielt. Dann wurden die verschie- denen Gifte auf das Ganglion gebracht; nachdem die benachbarten Gewebe mit einer hakenförmig gekrümmten Pinzette isoliert und bloßgelegt und mittels eines Pinselchens mit Thionin gefärbt worden waren, konnte ich gut sehen, wo das Gift anzubringen war. Zuweilen machte ich auch eine Injektion mittels der gewöhnlichen Pravazschen Spritze wie bei der ersten Reihe von Experimenten; in diesem Falle wurde es aber stets in den Proto- kollen bemerkt. Die Spritze wurde durch das vorher im Mantel gebohrte Loch geführt, und durch dieses hindurch ließ ich das Reizmittel zur Prü- fung der Erregbarkeit des normalen Ganglions hineingelangen. Bei Reizung des Ganglions der Ciona mit einem elektrischen Strom zeigt sich dessen motorischer Einfluß gleichmäßig in beiden Siphonen, nicht vorwiegend in einem von beiden. Das: Ganglion ist zu klein: auch wenn man kleine Elektroden verwendet, kann man nie den Reiz in nur einem Teile desselben verstärken (und wie könnte man auf einem so kleinen Gebiet die Über- tragung begrenzen oder vermeiden?). Ich halte es jedoch nicht für aus- geschlossen, daß man eines Tages durch geeignete kleine Apparate die elektrische Reizung auf nur einen bestimmten Teil des Ganglions be- schränken kann, und daß es so gelingen wird, nachzuweisen, daß z. B. ein Teil des Ganglions größeren Einfluß auf den oralen Sipho (namentlich der in seiner Nähe befindliche Teil) hat als auf den aboralen, und umgekehrt. So ist es auch nicht unwahrscheinlich, daß eines Tages mittels geeigneter kleiner Apparate gelingen wird, die von diesem Ganglion ausgehenden Nervenbahnen zu reizen. Kurz, es könnte gelingen, eine wahre und eigent- - liehe anatomisch - physiologische Topographie dieses Ganglions und seiner Äste zu erhalten, indem man z. B. nur physiologische Methoden anwendet, einen Teil dieser Bahnen kokainisiert und andere nicht usw. I. Wirkung des Kokains auf das Ganglion von Ciona intestinalis. Ciona intestinalis Nr. 1. 3. XI. 07. 10% 30° vorm. Umgebungstemperatur 15°. Nachdem das Ganglion dieser Ciona auf die Elektroden gebracht ist, zeigt sich, daß bei Reizung mit einem tetanisierenden elektrischen Strom, den zwei Grenetsche Elemente und ein du Bois-Reymondscher Schlitten liefern (Rollen- abstand 8-5), eine Retraktion der beiden Siphonen zu bemerken ist; ein Verschluß ist natürlich nicht zu sehen, weil wegen der auf das Tier ein- wirkenden mechanischen Reize die beiden Siphonen schon vollständig ge- 90 OswALD POLIMANTI: schlossen waren. Dies soll nicht heißen, daß die elektrische Reizung direkt auf die Muskelfasern übertragen wurde; denn wenn man mit der gleichen Stromintensität an allen Stellen reizt, so bemerkt man in diesem vorderen Teil der Ciona keine Kontraktion. Kaum schreitet man aber zur Reizung des Ganglions in der geschilderten Weise, so zeigt sich sofort eine Erhebung und Verlängerung der beiden Siphonen mit folgender Zusammenziehung- des ganzen oberen Teiles des Tieres. Als dieses Experiment mehrmals wieder- holt wurde, erhielt ich stets das gleiche, konstante Resultat. 10% 54° vorm. Ich reize mit derselben Stromintensität, aber das Tier reagiert nicht auf den Reiz. 11"4°. Ich versuche mit Schlitten 4 zu reizen, erhalte aber keine Kontraktion. 11" 9. Schlitten 4. Sehr deutliche Kontraktion, stärker sogar als anfangs. 11% 14‘. Schlitten 4. Die Kontraktion ist nicht mehr so stark wie zuvor. Ciona intestinalis Nr. 2. 3. XI. 07. 11% vorm. Temperatur 15°. Bei einer Prüfung der Heizbarkeit des Ganglions ergibt sich, daß sie bei Anwendung des Schlittens 4 ihr Maximum erreicht. Es erfolgt nämlich eine sehr starke Kontraktion und Retraktion der beiden Siphonen, namentlich des aboralen. 11® 5. Leichte Kokainisierung des Ganglions. 11% 8. Von Zeit zu Zeit prüfe ich seine Erregbarkeit mit Schlitten 4, erhalte aber keine Kontraktion. 11% 14°. Die Siphonen beginnen sich wieder leicht zu kontrahieren. 11% 18°. Schlitten 4 Die Kontraktion der Siphonen ist wieder normal geworden. Ciona intestinalis Nr.3. 3. XI. 07. 11% 20° vorm. Temp. 15°. Die Erregbarkeit des Ganglions wird mit dem elektrischen Strom geprüft; das Optimum zeigt sich bei 4 *” des Schlittens. Die beiden Siphonen verlängern sich bedeutend und ziehen sich zusammen, in welchem Zustand sie ungefähr 2” verharren, ehe sie zur normalen Lage zurückkehren. | 11% 24. Schlitten 4. Von neuem gereizt, zeigt es eine sehr starke Spannung. 11% 26°. Kaum war die das Kokain enthaltende Spritze eingeführt, so erhebt sich das Tier, als ob es gereizt worden wäre, fällt aber dann all- mählich wieder zusammen; namentlich die Siphonen ziehen sich sehr zusammen. 11% 34°. Schlitten 4. Es antwortet absolut nicht auf den Reiz. 11% 40°. Schlitten 4. Es antwortet ziemlich gut, wird aber ziemlich rasch erschöpft. 11% 58°. Die Erregbarkeit wird wieder mit dem elektrischen Strom geprüft (Schlitten 4); die Siphonen heben sich wieder normal und ich be- merke, daß die Erregung wieder zum normalen Zustand zurückgekehrt ist. Ciona intestinalis Nr. 4 3.XI. 07. 12% 30° mittags. Temp. 15°. Bei oftmaliger Reizung des Ganglions mit Schlitten 5 erfolgt eine ziemlich energische Kontraktion der Siphonen; auch bei Reizung längs des Mantels zeigen sich einige Kontraktionen, BEITRÄGE ZUR PHYsioLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 91 die aber minimal sind im Vergleich zu der Kontraktion der Siphonen bei direkter Reizung des Ganglions. 12" 59°. Injektion eines Tropfens Kokainlösung ins Ganglion. 12 3. Schlitten 5. Das Tier ist durchaus unerregbar. 1" 16°. Schlitten 5. Die Siphonen beginnen sich zu kontrahieren. 1% 30. Schlitten 5. Die Kontraktion der Siphonen ist wieder normal geworden. Ciona intestinalis Nr.5. 3. XI. 07. 1% 30° nachm. Temp. 15°. Mit Schlitten 5 erhalte ich eine sehr schöne Kontraktion der Siphonen. 1% 32°. Ich injiziere einen Tropfen Kokainlösung in die periganglionäre Gegend. 1% 35°. Schlitten 5. Nach Reizung des Ganglions kontrahieren sich die Siphonen sehr wenig. 2b, Schlitten 5. Ich reize von neuem und beobachte, daß die Ciona, wenigstens soweit es die Kontraktion der Siphonen betrifft, zum absolut normalen Zustand zurückgekehrt ist. Ciona intestinalis Nr. 6. 4. XI. 07. 10% 39° vorm. Temp. 15-2°. Als das Ganglion durch Anlegen der Rollen des Schlittens 10 a wird, zeigen sich sehr schöne Kontraktionen der beiden Siphonen. 1040’. Injektion eines Tropfens Kokainlösung in die periganglionäre Gegend. 105 42°. Der Schlitten muß auf 7 gestellt werden, um eine Kontraktion wie vorher zu erhalten. 10% 51°. Schlitten 8.5. Ich erhalte dieselbe Kontraktion wie beim normalen Zustand. 11% 6. Schlitten 10. Die Siphonen kontrahieren sich wieder in nor- maler Weise. Das Ganglion der Ciona ist bis 2% 11° nachm. fortwährend von Zeit zu Zeit gereizt worden, und um stets denselben Kontraktionszustand der Siphonen zu erhalten, mußte ich einen elektrischen Strom anwenden, bei welchem der Abstand der Rollen des Schlittens zwischen 10 und 9 war. Aus diesen Experimenten, welche die der ersten Reihe bestätigen, ziehe ich also die Schlußfolgerung, daß das Kokain eine starke anästhetische Wirkung auf das Ganglion der Ciona ausübt. Reizt man es vor und nach der Kokainisierung mit einem tetanisierenden Strom, so beobachtet man, daß man, um dieselbe motorische Wirkung in den Siphonen zu erhalten, nach der Vergiftung einen stärkeren elektrischen Strom anwenden oder lange Zeit warten muß, bis die Reizschwelle wieder zur Norm zurückkehrt. Il. Wirkung des Curare auf das Ganglion von Ciona intestinalis. Ciona intestinalis Nr. 1. 3.XI. 07. 11® 4’ vorm. Temp.15°. Ich erhalte bei Stellen des Schlittens auf 8-5 eine richtige Kontraktion der Siphonen. 92 OswALD POLIMANTI: 11®.4°. Ich injiziere einen Tropfen Curarelösung in die periganglionäre Gegend. 11° 7°. Um eine Kontraktion der. Siphonen wie im ursprünglichen Zustand zu erhalten, muß ich die beiden Rollen des Schlittens einander um 9m nähern. 11% 14. Sehon mit Schlitten 10-2 erhalte ich die normale Kontraktio der Siphonen. 11" 24. Schlitten 11-5. Normale Kontraktion der Siphonen. 11®45’. Schlitten 11-5. Derselbe Kontraktionszustand der Siphonen. Die Erregbarkeit des Ganglions der Cionen bleibt stets die gleiche. 4" nachm. Temp. 15-2°. Schlitten 9. 4» 30. Schlitten 8-5. Die Erregbarkeit des Ganglions der. Ciona wird allmählich immer mehr normal. Ciona intestinalis Nr.2. 4. XI. 07. 2h 7’ nachm. Temp. 15°. Ich reize das Ganglion mit Schlitten 5; die Siphonen kontrahieren sich sehr gut. 24 8. Injektion eines Tropfens der Curarelösung. 25 10°. Schlitten 5. Das Ganglion reagiert ziemlich gut auf den Reiz, denn die Siphonen kontrahieren sich vielleicht noch stärker als vorher. 2b 14’. Schlitten 5. Das Tier reagiert stets sehr gut auf den Reiz, da es seine Siphonen ziemlich energisch bewegt. 25 20°. Schlitten 5. Nach Reizung des Ganglions reagieren die Siphonen nicht sehr gut, so daß ich das Experiment mit diesem Tiere abbreche. Aus diesen Experimenten bezüglich der Wirkung des Curare schließe ich, daß dieses Gift einen erregenden Einfluß ausübt, der mehr oder minder stark ist, je nach dem Zustand des Tieres; bisweilen sind jedoch, wie man aus dem Protokoll ersieht, die beobachteten Schwankungen gering, was aber nicht ausschließt, daß auch in diesem Falle das Curare seine große er- regende Wirkung ausgeübt hat. IH. Wirkung des Morphiums auf das Ganglion von Ciona intestinalis. Ciona intestinalis Nr.1. 3. XI. 07. 11% 15’ vorm. Temp. 15-2°. Die Siphonen kontrahieren sich schon sehr gut beim Rollenabstand 10. 11" 6. Injektion eines Tropfens der 2 prozertigen Morphiumlösung in die periganglionäre Gegend. 11% 25°. Nur bei Rollenabstand 11 des Schlittens erhalte ich die gleiche Kontraktion der Siphonen wie zuerst, ehe das Gift auf das Ganglion ein- gewirkt hatte. 11% 35’. Schlitten 10-5. Es erfolgt eine ziemlich gute Kontraktion der Siphonen. 11548. Schlitten 10. Die Kontraktion der Siphonen ist zum nor- malen Zustand zurückgekehrt. | Ciona intestinalis Nr. 2. 4. XI. 07. 2b 22° nachm. Temp. 15°. Schlitten 5. Es erfolgt eine richtige Kon- traktion der Siphonen. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 93 2524’. Injektion eines Tropfens der Morphiumlösung in die peri- ganglionäre Gegend. 25 34°. Schlitten 5. Die Siphonen kontrahieren sich ziemlich gut, jedoch scheint mir, als ob die Erregbarkeit etwas abgenommen hat. 25 40°’. Schlitten 5. ‚Die Erregbarkeit der Siphonen ist fast zur nor- malen zurückgekehrt, weshalb das Experiment abgebrochen wird. Nach diesen mit Morphium am Ganglion der Ciona intestinalis ge- machten Experimenten gelange ich zu der Schlußfolgerung, daß das Mor- phium auf die Erregbarkeit des Ganglions des Tieres eine leicht herabsetzende Wirkung ausübt. IV. Wirkung des Chinins auf das Ganglion von Ciona intestinalis. Ciona intestinalis Nr. 1. 3. XI. 07. 2% 40°’ nachm. Temp. 15°. Die Siphonen kontrahieren sich normal bei 5°® Rollenabstand. 24 41’. Injektion eines Tropfens der Chininlösung. 2h 44’. Das Tier reagiert ziemlich stark auf Schlitten 3. 2% 50°. Schlitten 3. Die Erregbarkeit hat allmählich abgenommen. 3h 30°. Die Siphonen kontrahieren sich auf normale Weise. Ciona intestinalis Nr. 2. 4. XI. 07. 11" 20’ vorm. Temp. 15-2°. Die Siphonen reagieren sehr gut bei Schlitten 11. 11" 30°. Injektion eines Tropfens der Chininlösung. Ich führe hier neben der Zeit, in welcher die Reizung erfolgte, den Rollenabstand des Schlittens an, bei welchem eine ziemlich energische Kontraktion der Siphonen, wie im normalen Zustand, eintrat. 11® 25° vorm. Schlitten 11-6 ale ae 5 11-1 12172 Zmitass.ı,) „ 9.9 128922 , lose a, + 10-4 1% 26° nachm. ” 10 a, LO an ” „ 11.8 ah 10 2 „ 6 Ciona intestinalis Nr.3. 4. XI. 07. 115 26’ vorm. Temp. 15.2°. Die Siphonen reagieren ziemlich gut mit Schlitten 10-04. 11" 26°. Injektion eines Tropfens Chininlösung in die periganglionäre Gegend. Ich bringe hier in Tabellenform neben der Zeit der Reizung den Rollen - abstand des Schlittens, bei welchem eine motorische Wirkung ähnlich der normalen vor der Injektion erzielt wurde. 94 OswALD POLIMANTI: 11# 50’ vorm. Schlitten 10-8 12% 3’ mittags 5 11-8 12493 er ee 1255 Vale, 9-5 1% 26’ nachm. Temp. 15-4° „, 10-1 ST f 8-4 An „ » 8 ah40 , som iD Aus diesen mit Chinin gemachten. Experimenten schließe ich, daß dessen Wirkung auf das Ganglion der Ciona intestinalis eine leicht erregende ist. Zuweilen zeigt sich dieses erregende Vermögen erst lange Zeit nach stattgefundener Injektion. V. Wirkung des Strychnins auf das Ganglion von Ciona intestinalis. Ciona intestinalis Nr. 1. 4.XI. 07. 9b 56’ vorm. Temp. 15-2°. Ich erhalte eine EICRUSE Kontraktion der Siphonen bei Rollenabstand 10.16 des Schlittens. 9h 57°. Zwei Tropfen Strychninlösung werden in Alle periganglionäre Gegend injiziert. 9h 59°. Starke Kontraktion bei Rollenabstand 10-21 des Schlittens. 10% 4’. Bei derselben Stellung des Schlittens kontrahieren sich die Siphonen sehr gut; dasselbe Resultat zeigte sich 10% 9°, 10% 207, 10% 27’ und 10" 37’, während um 10" 53’ die Siphonen schon sehr wenig reagieren. Um 11% 9’ versuche ich mit Schlitten 0 zu reizen, aber das Resultat ist absolut gleich Null, weil die Siphonen nicht mehr reagieren. Ciona intestinalis Nr.2. 4.XI. 07. 10% 15’ vorm. Temp. 15-2°. Ich erhalte eine mäßige Kontraktion bei Rollenabstand 10 des Schlittens. 10" 16. Injektion eines Tropfens der Strychninlösung in die peri- ganglionäre Gegend. 10% 18°. Um eine Kontraktion der Siphonen wie im normalen Zustand zu erhalten, muß ich den Schlitten auf 10.4 bringen. Dieselben Resultate erhalte ich um 10" 26’, 10% 37’ und, wenn auch etwas schwach, ebenfalls um 10" 53’ bei immer gleichem Rollenabstand des Schlittens. 11® 11”. Ich muß den Strom verstärken, indem ich die Rollen des Schlittens auf 7-5 stelle, um dasselbe Resultat der Kontraktion und des Verschlusses der Siphonen zu erhalten. Ciona intestinalis Nr.3. 4.XI. 07. 10° 25’ vorm. Temp. 15-2°. Ich muß die beiden Rollen des Schlittens auf 6-2 stellen, um eine richtige Kontraktion der Siphonen zu erhalten. 10% 26°. Injektion eines Tropfens der Strychninlösung in die peri- ganglionäre Gegend. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 95 10% 27°”. Schon bei einem Rollenabstand von 11-4 erhalte ich eine mäßige Kontraktion der Siphonen. Dasselbe Resultat erhalte ich um 10% 37’, 10% 53, 11% 11‘, und endlich um 11" 21’ erhalte ich eine sehr schöne Kon- traktion der beiden Siphonen, als ich das Ganglion bei Rollenabstand 11-4 des Schlittens reize. Bis 10® 40’ prüfe ich von Zeit zu Zeit die Erregbarkeit des Ganglions der Ciona vermittelst des elektrischen Stromes, wobei ich aber stets den Schlitten (Induktionsrolle) auf 8 bis 10-3 stellen muß, um eine der ursprüng- lichen gleiche Kontraktion zu erhalten. Ich erhielt folgende Resultate: 11% 45’ vorm. Schlitten 9-8 I er os) 12% 20° mittags TER 2.500 # 9.2 1" 24° nachm. : 9.1 24 10’ ” ” ) fe) ) RE ah he 56 30’. Mit Schlitten 6 erfolgen dieselben Kontraktionen wie bei Be- ginn des Experimentes. Aus diesen Experimenten schließe ich, daß das Strychnin eine sehr stark erregende Wirkung auf das Ganglion von Ciona intestinalis ausübt. Resümieren wir nun in Kürze die Experimente und die oben ange- führten Resultate, um zu sehen, welchen Einfluß die verschiedener Gifte auf das Ganglion von Ciona intestinalis ausgeübt haben, welchen Einfluß dessen Vergiftung auf die Empfindlichkeit beider Siphonen gegen mecha- nische Reize gehabt hat und endlich welchen Einfluß sie auf die Empfind- lichkeit gegenüber direkt auf das Ganglion einwirkenden elektrischen Reizen gehabt hat. — — — Das gebrauchte Alkaloid Kokain hat, wenn es auf das Ganglion gebracht wird, stets eine offenbare anästhetische Wirkung, und zwar sowohl wenn die afferenten Bahnen (Siphonen) mittels mechanischer Reize gereizt wurden, als auch wenn das Ganglion direkt gereizt wurde. In allen Fällen ergreift die Narkose mehr oder minder lange Zeit hindurch das Ganglion und lähmt momentan seine Funktion. Bei der ersten Reihe von Experimenten mit dem auf das Ganglion gebrachten Kokain wurde also der Reflexbogen unterbrochen, der dann, mittels der efferenten Bahnen, die Siphonen in Be- wegung setzen sollte. Bei der zweiten Reihe von Experimenten reagierte das narkotisierte Zentrum nur dann auf die Reize, wenn die Narkose mehr oder weniger verschwunden war, kurz, solange die Nervenzellen dem elek- trischen Reiz den Durchgang nicht gestatteten, um ihn dann auf die effe- renten Bahnen zu übertragen, worauf sich ein motorisches Resultat ergab. Im ganzen genommen hätte also das Kokain auch im Ganglion der Ciona dieselbe narkotische Wirkung ausgeübt, die ich beobachtet habe, als ich es 96 OswALp POLIMANTI: bei höheren Tieren (Katze und Hund) in die Vierhügel und in die Varols- brücke injizierte. Ich verstehe nicht, wie Jordan bei seinen Experimenten mit Kokain zu der Schlußfolgerung gelangt ist (S. 108): „Ein wirklicher, durch das Kokain bedingter Rückgang al sich nie nachweisen, oft nimmt die Reizbarkeit sogar zu.“ Vielleicht ist dieses Resultat durch Fehler der Technik zu erklären; besonders wäre es denkbar, daß er außer den Muskelfasern des Körpers der Ciona auch das Ganglion direkt gereizt hat. Die Erregbarkeit der Ciona wurde wieder normal wenige Stunden oder auch einen Tag nach Anwen- dung des Kokains. Diese große Verzögerung erklärt sich vielleicht außer durch die Wirkung des Giftes auch durch die Erschöpfung, welche die periganglionären Gewebe, was ja leicht denkbar ist, infolge der Injektion hatten erfahren müssen. Man muß auch bedenken, daß, wenn es sich um Tiere so niederer Art handelt, oft eine ihrem Nervensystem zugefügte mini- male Läsion zu einer starken Herabsetzung ihrer Erregbarkeit führt. Ich bin durchaus nicht der Ansicht Jordans, der glaubt (S. 108): „Der Eingriff (nämlich die Bepinselung) ist für die Reizbarkeit nicht sehr ein- schneidend.“ Ferner war es ein schwerer Irrtum Jordans, das Ganglion der Ciona, das „Gehirn“, mit den beiden Ganglion der Schnecke zu vergleichen. Bei letzterer haben wir nämlich zwei Ganglien: das Cerebralganglion und das Podalganglion. Ich nehme an, daß man auch bei diesem Tiere „das Cere- bralganglion als Hemmungszentrum der Reizbarkeit gegenüber“ betrachten muß, und daß auch in diesem Ganglion „im Momente, wo die Lähmung vollkommen ist, die Reizbarkeit in die Höhe springt wie beim enthirnten Tiere“. Es kann sehr wohl der Fall sein, daß dies eintritt, wenn man auch annimmt, daß das Üerebralganglion, was seine Funktion betrifft, viel höher als das Podalganglion liegt, und daß es eine viel höhere und viel vollkommenere Funktion als dieses hat. Aber wie kann man, sage ich, das so entwickelte Nervensystem der Schnecke mit dem der Ciona ver- gleichen, das kaum aus einem Ganglion besteht, dem einzigen Zentrum im ganzen Körper des Tieres, das in sich alle wichtigen, fundamentalen Funk- tionen des Organismus vereinigen muß? Dieser Vergleich ist meiner Ansicht nach absolut unzulässig. Es sind Tiere, die auf der zoologischen Skala zu weit voneinander entfernt sind, wie auch in bezug auf ihre anatomische Konstitution, als daß wir sie miteinander vergleichen könnten. Bei der Schnecke ist eine wahre und eigentliche weitere Teilung der Funktionen des Nervensystems vorhanden, weil man sagen kann, daß zwei Zentren existieren, von denen eines noch höher steht als das andere; bei der Ciona aber sind alle Funktionen in ein einziges Zentrum zusammengedrängt, und dieses muß alle versehen. Sodann bringt die größere Entwicklung des BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 97 Nervensystems der Schnecke es mit sich, daß dieses sehr reich an Bewe- gungen, kurz, an Reflexen ist, während bei der Ciona, einem vollkommen stillsitzenden Tier, in seinem ganzen postembryonalen Leben diese Reflexe stets sehr gering an Zahl und jedenfalls sicher von einer weit geringeren Ordnung sind als diejenigen, welche wir bei der Schnecke antreffen. Also können diese Vergleiche, wie ich schon früher sagte, durchaus nicht heran- gezogen werden. Nachdem Jordan die Reflexerregbarkeit vor und nach der Exstirpation des Ganglions (S. 103), die direkte Reizbarkeit ($. 105), die Vergiftung des Ganglions (Kokain) und ihren Einfluß auf die Reizbar- keit (S. 107), die Erregbarkeit und die Temperatur (S. 108) studiert hatte, gelangte er zu der Schlußfolgerung (S. 110 bis 111), „daß das Ganglion von Ciona keine Eigenschaft mit dem Zerebralganglion der Schnecken ge- meinsam hat, daß es also die Bewegungen des Tieres unmittelbar in keiner Weise beeinflußt“. — — — Diesen Versuchen Jordans fehlt es aber durchaus nicht an Einsicht; nehmen wir z. B. seine Untersuchungen über die Temperatur (S. 108—111), bei welcher Gelegenheit er sagt: ‚Die normale Kurve ist von der Außen- temperatur in hohem Maße abhängig. Ihre Reaktionsänderungen, bedingt durch Schwankungen der Temperatur, vermag das Zentralnervensystem nicht zu beeinflussen. Normales und enthirntes Tier verhalten sich in gleicher Weise“. Dies kann man auch gelten lassen, wie es auch meine Experimente beweisen, die ich im folgenden besprechen will. Dagegen kann ich nicht mit Jordan übereinstimmen, wenn er annimmt, daß .das „Reaktionsoptimum“ von Ciona zwischen 21-5 und 24°C der Temperatur des Wassers liegt. Meine Experimente beweisen dagegen, daß das Reaktions- optimum bei 15°C des Wassers liegt, wie die Experimente beweisen, über die ich in Kürze berichte. Experimente zur Auffindung des Reaktionsoptimums der ver- schiedenen Temperaturen ausgesetzten Ciona intestinalis. Die Tiere wurden verschiedenen Temperaturen ausgesetzt; dann be- stimmte ich durch mechanischen Reiz (0-.758” Druck), den ich auf den oralen und den aboralen Sipho einwirken ließ, die Zeit der Öffnung und des Verschlusses der Siphonen. Wie man sehen wird, ergibt sich, wenn man das Mittel aus den erhaltenen Resultaten bestimmt, daß das Reaktions- optimum bei 15° C liegt, also bei der Temperatur, bei welcher man die besten Reaktionen bei allen Seetieren erhält, bei der Temperatur, die man auf hoher See (wenigstens im Golf von Neapel) antrifft, und die im Maxi- mum zwischen 14 und 15° variiert. Ich beschränke mich hier auf die Anführung einiger Protokolle der Versuche, die sehr beweiskräftis und charakteristisch ausgefallen sind. Archiv f. A.u. Ph, 1910. Physiol, Abtlg, Suppl. 7 98 OswALD POLIMANTI: 3. Experiment. 26. II. 09. Wassertemperatur 14° C. 9% 45’ vorm. In einem kleinen Bassin befinden sich 5 Exemplare von Ciona intestinalis, die spontan im Durchschnitt alle 30”—50”—1” die Siphonen öffnen und schließen. Als die letzteren mit einem der gewöhnlichen Glasstäbehen ge- reizt werden, die einen von 0-75 bis 1-08 schwankenden Druck ausüben, öffnen sie sich wieder, nachdem sie vollständig geschlossen waren, in einem Zeitraum, der von 10” bis zu 1°5” variiert. Sie befinden sich in aufrechter Stellung senkrecht über dem Boden des Bassins. Um 10" wird die Tem- peratur von 14°C auf 23°C erhöht. Die Cionen haben in dem Maße, wie die Temperatur zunahm, die aufrechte Stellung nach und nach aufgegeben und sich gelegt, bis sie vollständig auf dem Boden des Bassins in der Längs- richtung liegen. Während sie allmählich zum Boden sinken, Öffnen und schließen sie fortwährend (alle 15”—10”) beide Siphonen. Wenn die Siphonen gereizt werden, öffnen sie sich wieder nach 5”—10”. Die Wärme hätte also die Wirkung ausgeübt den „Tonus“ der Ciona, ihren „Turgor“ herab- zusetzen. 10. 40‘. Temp. ?2°C. Die Tiere liegen noch immer horizontal auf dem Boden und schließen alle 2°—3” spontan die Siphonen. Der „Ejektions- reflex“ ist auf Seite des aboralen Siphos ziemlich ausgeprägt. Als ich auf die Siphonen einen mechanischen Reiz (1 8”% Druck) einwirken lasse, brauchen sie 1’—2’ um sich wieder zu schließen. 11%. Temp. 21°C. Alle Exemplare beginnen eine schräge Lage an- zunehmen, während sie vorher horizontal gelagert waren. Verschluß und Retraktion der Siphonen erfolgen spontan alle 1 bis 2 Minuten. Bei mecha- nischer Reizung (Druck 0-.758’%) der Siphonen mit einem Glasstäbchen öffnen sich diese wieder nach 5” (dieser Wert repräsentiert das Mittel aus den vielen Beobachtungen, die am oralen und aboralen Sipho der fünf zum Experiment dienenden Cionen gemacht wurden). 11? 20. Temp. 21°C. Status idem. Alle 1”—2’ erfolgt Ejektion aus beiden Siphonen. 11" 25. Das Gefäß wird erwärmt, bis um 11" 35° die Temperatur von 30°C erreicht ist. Die Cionen, welche vorher die schräge Lage an- genommen hatten, liegen wieder auf dem Boden in horizontaler Lage. Ganz allmählich schrumpfen alle vollständig zusammen. Spontan erfolgen alle 1— 2’ Ejektionen aus dem einen oder dem anderen der Siphonen; als letztere mechanisch gereizt werden (Druck 0-758'”), öffnen sie sich wieder nach 30”—1‘. Um die schräge Lage aufzugeben und auf den Boden zu gelangen, machen sie fortwährend Ejektionen aus den Siphonen, insbesondere aber aus dem aboralen. Also führt Steigerung der Temperatur zu einer großen Ab- nahme der Sensibilität; das Zusammenschrumpfen aber, die Ermattung der Teile und die horizontale Lage sind nichts anderes als offenbare Anzeichen der Narkose. 11" 52°. Temp. 27°C. Die Siphonen der fünf Cionen stehen immer halb offen; die Tiere sind alle mehr oder weniger zusammengeschrumpft und retrahiert. Vier liegen fortwährend vollständig auf dem Boden; das fünfte hat eine schräge Lage angenommen; alle 1’—2° erfolgt eine Bjektion aus einem oder dem anderen Sipho. Die zurückgezogene schräge Ciona braucht, wenn ihre Siphonen gereizt werden, 1” oder 2” um zum normalen Zustand zurückzukehren. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 99 125 25. Temp. 25°C. Es erfolgen alle 2°—3’ Ejektionen aus dem einen oder anderen Sipho. Bei mechanischer Reizung öffnet und schließt sich ein Sipho spontan; um diesen Zyklus auszuführen, braucht er immer im Durchschnitt 20”—25”—30”. \ 1" 55°. Temp. 23°C. Status idem. Das Seewasser des Bassins wird erneuert. 24 20°. Temp. 16°C. Die fünf Cionen befinden sich in guter Ver- fassung; wenigstens einmal in der Minute erfolgt eine Ejektion aus dem einen oder anderen der Siphonen. Sowohl spontan als auch wenn letztere mechanisch gereizt werden (Druck 0-75 8%), brauchen sie 3”—4”—5” um sich vollständig wieder zu öffnen. 36 7°. Temp. 25°C. Im Vergleich mit ihrem vorigen Zustand be- ginnen sie etwas zusammenzuschrumpfen, sie sind nicht mehr so strotzend wie im normalen Zustand, die Siphonen stehen jedoch fortwährend offen. Sowohl spontan als auch wenn sie auf die gewöhnliche Weise mechanisch gereizt werden, brauchen sie 4”—5”, bis sie das normale Kaliber wieder- erlangen. Spontan schließen sie die Siphonen wenigstens einmal in der Minute. 3h 16. Temp. 30°C. Die Siphonen schließen und öffnen sich (wenig- stens 3—4 mal in der Minute), viel häufiger als bei einer niedrigeren Tem- peratur. Vielleicht geschieht das, um einen lästigen Reiz zu entfernen, wie es der einer hohen Temperatur sein kann. 34 18°. Temp. 32°C. Sie beginnen immer mehr zu erschlaffen; bei mechanischer Reizung schließen sich die Siphonen sehr langsam wieder (50”—40”—30”) und öffnen sich erst nach 30” —1” wieder. Es gibt sich immer eine starke ejektorische Tätigkeit kund, namentlich auf Seite des ab- oralen Siphos. 3h 21°. Temp. 35°C. Sie sind sehr zusammengeschrumpft, sowohl in transversaler als in longitudinaler Richtung. Sie verhalten sich vollständig still, auf dem Boden in horizontaler, vertikaler oder schräger Richtung liegend mit ganz offen stehenden Siphonen, die aber nicht so weit offen stehen wie zuerst bei der Temperatur von 14°C. Spontan erfolgt nie eine Ejektion, sondern sie bleiben ganz unbeweglich. Als ich sie berührte und die Siphonen durch sehr starke mechanische Reize (Kneifen) reizte, blieben sie vollständig unempfindlich. Meiner Ansicht nach würde dies die Höhe- punktsperiode der durch Wärme bewirkten Anästhesie sein, der, wie wir gesehen haben, eine bei etwa 30°C eingetretene Hyperästhesie vorausging. 3h 32°. Temp. 33-5°C. Sie sind stets unbeweglich und unempfindlich sowohl spontan als auch nach sehr starken mechanischen Reizen (Kneifen). 3" 42°. Temp. 32°C. Die Siphonen beginnen sich etwas zu erheben und spontan einige kleine Kontraktionen auszuführen. Sowie ich sie aber berühre, zeigen sie sich vollkommen unempfindlich. 447’. Temp. 28°C. Die Tiere, namentlich die Siphonen, haben eine mehr rundliche Form angenommen; sie sind nämlich nicht mehr zusammen- geschrumpft, wie sie es bei einer höheren Temperatur waren. Auch der Mantel hat eine mehr runde Form angenommen und ist nicht mehr zu- -sammengesehrumpft wie vorher. Die Siphonen bleiben jedoch absolut un- beweglich; sie reagieren nicht mehr auf die stärksten mechanischen Reize. 7* 100 OswALD POLIMANTI: 4" 26° Temp. 22°C. Die Siphonen machen noch immer spontan keine Bewegung; wenn sie mechanisch gereizt werden, ziehen sie sich ein wenig zurück, aber nicht vollständig. Di Temp. 22°C. Status idem. Das Experiment wird abgebrochen. Die hohe Temperatur hat, wie es scheint, diese Veränderungen ver- ursacht (vielleicht Gerinnung einiger: Eiweißstoffe), infolge deren die Sen- sibilität vollständig aufgehoben is. Auch nachdem die Temperatur im Bassin wieder auf 14° C zurückgekehrt ist, sind die Exemplare von Ciona vollständig unempfindlich; ich konnte niemals eine Bewegung zum spon- tanen Verschluß des einen oder anderen Siphos wahrnehmen. 5. Experiment. 27.11.09. Temp. 15°C. 10% vorm. In ein kleines Bassin sind fünf Exemplare von Ciona intestinalis gebracht worden. Die Siphonen werden spontan wenigstens einmal alle 3 bis 5 Minuten ge- schlossen; sonst sind sie immer vollständig geöffnet. Nachdem sie durch den gewöhnlichen mechanischen Reiz (Druck 0-75 bis 18”) gereizt worden sind, öffnen sie sich wieder vollständig, nachdem sie 5 bis 7 Sekunden ge- schlossen waren. 10% 40° beginne ich das Bassin zu erwärmen. 10" 47°. Temp. 22°C. Nach mechanischer Reizung der Siphonen (Druck 0-75 bis 18) öffnen sie sich vollständig erst nach 8 bis 10 Sekunden; also wäre die Reaktion eine viel langsamere. 11% 40. Temp. 22°C. Die Siphonen schließen sich spontan wenig- stens einmal alle 3 bis 4 Minuten; wenn sie geschlossen waren, öffnen sie sich erst nach 5 Sekunden wieder. Werden sie dagegen nach der gewöhnlichen Methode gereizt, so brauchen sie 8 bis 10 Sekunden, um sich vollständig wieder zu öffnen. 12" 15. Temp. 30°C. In dem Maße wie die Temperatur allmählich steigt, ermatten sie immer mehr und schließen mit größerer Häufigkeit spontan die Siphonen (wenigstens einmal jede Minute). Als jedoch die Temperatur von 30°C erreicht ist, werden die Ejektionen allmählich sehr selten und auch die Empfindlichkeit gegen mechanische Reize zeigt sich nun sehr ab- geschwächt. 12% 30. Temp. 29°C. Die Siphonen schließen sich spontan sehr selten (einmal alle 5 bis 6 Minuten), sind immer halb geöffnet; werden sie mechanisch gereizt, so reagieren sie sehr langsam und schließen sich nie hermetisch. Was die von den Tieren angenommene Lage anbetrifft, so be- merke ich, daß ein einziges vertikal zum Boden des Bassins geblieben ist. 4h 35. Temp. 20° C. Alle sind erschlafft, in transversaler und longi- tudinaler Richtung zusammengeschrumpft. Die Siphonen bleiben immer fast unempfindlich gegen mechanische Reize. Also beweist auch dieses Experi- ment, daß eine höhere Temperatur als 15°C einen ausgeprägt betäubenden Einfluß auf Ciona intestinalis ausübt; dieser Betäubung geht stets eine Periode von Hyperexzitabilität voraus, die sich um 22 bis 25° herum be- merkbar macht. Kurz, auch in diesem Falle tritt das ein, was sich bei den höheren Tieren stets hinsichtlich der Narkose durch Äther und Chloroform zeigt, daß ihr immer eine mehr oder minder lange Periode der Hyperexzi- tabilität vorausgeht. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 101 Ich wollte auch Versuche über die mechanische Erregbarkeit der Siphonen bei Temperaturen von 10—15° C anstellen und kühlte das Wasser ab, in welchem sich die Cionen befanden. Dabei fand ich nun, daß gegen 10° herum die Resultate sehr ungewiß sind. Denn wenn die Siphonen gereizt werden, schließen sie sich, dann öffnen sie sich wieder, schließen sich zuweilen von neuem, um sich wieder zu öffnen, so daß es sehr schwer hält, die Zeit zu berechnen, die zwischen dem Reiz und der vollständigen Öffnung der Siphonen vergeht. Die Resultate sind also sehr ungewiß, weil die Siphonen sich fort- während. schließen und öffnen. Ferner muß man, wenn man fehlerfreie Resultate erhalten will, eine kurze Zeit warten, bis eine bestimmte Temperatur auf die Ciona einwirkt; man darf also den Versuch nicht sofort beginnen, sobald die Temperatur, bei der man experimentieren will, erreicht ist. Sodann ist es unumgänglich notwendig, daß man den Einfluß der verschiedenen Temperaturen stets bei einer und derselben Ciona erprobt, weil die Erregbarkeit der Siphonen mechanischen Reizen gegenüber von Tier zu Tier variiert. Die erhaltenen Resultate gelten also für ein und dasselbe Tier und können nicht mit den bei anderen Tieren erhaltenen verglichen werden. — — — Was das Curare und das Strychnin anbelangt, haben diese Stoffe die Erregbarkeit des Ganglions bedeutend gesteigert, so daß sie es eine mehr oder minder lange Zeit hindurch hypersensibel machten. Wie allgemein bekannt, sind beide Gifte, welche die Erregbarkeit des Zentralnervensystems erhöhen. Was das Curare betrifft, so haben Pagano, Sergi und ich gesehen, daß es, in verschiedene Teile des Zentralnervensystems von höheren Tieren (Kleinhirn, Nucleus caudatus, Thalamusopticus, Vierhügel, Varolsbrücke) ‘ injiziert, in diesen eine sehr ausgeprägte erregende Wirkung ausübt, und zwar sowohl nach der motorischen wie auch nach der psychischen Seite hin. Mithin bestätigen meine Beobachtungen am „Gehirn“ von Ciona nur diese Untersuchungen, nach denen das Curare, ein Stoff von offenbar paralysierender Wirkung (Wirkung auf die nervöse Endapparate des Muskels), wenn es in Kontakt mit dem Zentralnervensystem gebracht wird, dagegen ein Stoff von (motorisch-psychischer) erregender Wirkung wird. Diese Tat- sache ist interessant, weil bei Tieren, die auf der zoologischen Skala so weit voneinander entfernt sind, die fundamentalen Funktionen und alle Faktoren, die sie modifizieren können, stets gleich bleiben. Die Eigen- schaften der Nervenzelle sind also stets die gleichen, mag letztere nun einem höheren oder einem niederen Tiere angehören. Die erregende Wirkung des Strychnins auf das Zentralnervensystem ist schon lange bekannt, wie. in jedem Handbuch der Pharmakologie (dem von Schmiedeberg z. B.) 102 OswALD POLIMANTI: zu lesen ist. Diese größere Erregbarkeit ist bei Ciona direkt und nicht ein Reflex; in diesem Falle wenigstens läßt sich nicht behaupten, was Baglioni ($. 81) für den Frosch annimmt: „daß die Tätigkeit des Zentral- nervensystems auch unter diesen Zuständen äußerster Erregbarkeitserhöhung lediglich eine reflektorische ist“. Übrigens haben sich schon viele Autoren gegen diese Behauptung Baglionis ausgesprochen, soweit sie die Wirkung des Strychnins auf das Zentralnervensystem betrifft. Diese Tatsache der direkten Hyperexzitabilität des Ganglions von Ciona infolge Strychninvergiftung spricht für die Lehre von der automatischen Tätigkeit des Zentralnervenelementes und ist eine Bestätigung dieser Lehre. Also nehmen bei Ciona, wie wir gesehen haben, unter dem Einfluß der Strychninvergiftung zu, ohne daß irgendwelehe weitere Reize einwirken: 1. Der Verschluß eines oder beider Siphonen mit mehr oder weniger großer Retraktion des Tieres (was wir zuerst mit dem Namen „Schutzreflex“ be- zeichnet haben). 2. Der Verschluß eines Siphos (fast immer des oralen) und starke Kontraktion aller Muskeln, die zu einer Retraktion des ganzen Körpers des Tieres mit gleichzeitiger vollständiger Öffnung des anderen Siphos führt (was wir oben mit: dem Namen „Ejektionsreflex“ bezeichnet haben). Was das Morphium und das Chinin betrifft, so haben sie sich bald erregend, bald narkotisierend gezeigt. Dies stimmt aber vollkommen mit dem Wirkungsmechanismus dieser Alkaloide überein. In der Tat haben neuere Studien bezüglich des Morphiums sowohl als auch des Chinins nach- gewiesen (Gaglio und Nardelli), daß sie in mehr oder minder starken Dosen krampferregende, in schwachen Dosen deprimierende Wirkung haben. In unserem Falle der Ciona erhöhten große Dosen von Morphium oder Chinin, die in Berührung mit dem Gänglion gebracht wurden, seine refiek- torische Erregbarkeit, während hingegen kleine Dosen diese reflektorische Erregbarkeit mehr oder minder stark herabsetzten. — — — Nachdem ich diese erste Reihe von Versuchen ausgeführt hatte, be- gann ich die Frage des „Tonus“ der Ciona zu studieren, und zu unter- suchen, welchen Einfluß die Reizung des einen oder des anderen Siphos, die Exstirpation des Ganglions auf das Tier hat, und welche Modifikationen sich ergäben, wenn das Ganglion mit den verschiedenen Giften, deren Wirkung ich früher beobachtet hatte (Curare, Kokain, Morphium, Chinin, Stıychnin), behandelt würde. Zu diesem Zwecke bediente ich mich natürlich der graphischen Methode. Ich hielt es für durchaus überflüssig, einen so komplizierten Apparat zu verwenden, wie den von Jordan (S. 115) benützten, da mit den gewöhn- lichen graphischen Methoden dieselben, vielleicht auch noch genauere Re- sultate erzielt worden sind. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 103 Die Ciona B wurde mit dem Fuß an einem kleinen Stativ 4 mit Basis aus Blei befestigt, so daß der Fuß durch einen kleinen Klemmer umschlossen wurde, der das Tier festhielt. Dieser Apparat mit der Ciona wurde in ein großes, ca. 4 Liter enthaltendes Glas gebracht, in welchem fortwährend Meerwasser zirkulierte, das bei einer konstanten Temperatur Fig. 3. Apparat für die Versuche an Ciona intestinalis. von 12 bis 15°C erhalten wurde. Vermittelst einer ganz feinen Nadel nähte ich dann mit einem ebenfalls ganz feinen Faden die äußere Fläche wenige Millimeter unterhalb des Randes der Siphonen (den Rand selbst kann man nicht nähen, weil dies, wie ich mich überzeugen konnte, einen sehr starken Reiz ausübt und zu sehr ungenauen Resultaten führt), der 104 OswAup POLIMANTI: auf diese Weise gut fixiert war. Diese Fäden CC’ leitete ich dann über zwei Verkleinerungsrollen DD’, die vermittelst eines anderen Fadens mit zwei gewöhnlichen Hebeln ZE’ in Verbindung gesetzt wurden (an jedem dieser Hebel war ein Gewicht von 55 befestigt); die Spitze 77° derselben streifte über ein geschwärztes Papier, das an einem gewöhnlichen Rothe- Heringschen Apparat G aufgewickelt war. Um die Schwankungen des vom Tier gezeigten Tonus zu sehen, brachte ich keine Stütze unter diesen Hebeln an, sondern ließ sie vollständig frei; nur einige Male, wenn ich nur den Wert der Kontraktion der beiden Siphonen ersehen wollte, d. h. die Höhe, welche diese Kontraktion erreichte, legte ich die Stützen unter beide Hebel. Die Reizung bestand darin, daß ich mit ‘einem Glasstäbchen den freien Rand des einen oder anderen der beiden Siphonen reizte. Ich ver- wendete ein ganz kleines Stäbchen, welches konstant einen Druck von 0-758 ausübte. Vermittelst eines elektrischen Signals verzeichnete ich in der Kurve die ganze Zeit, während welcher dieser Druck ausgeübt wurde. Wegen der verschiedenen Manipulationen, die ich mit der Ciona vornehmen mußte, um sie für das Experiment vorzubereiten (Befestigung des Fußes, Nähen der Siphonen) und der unzarten Behandlung, der sie natürlich dabei ausgesetzt war, wartete ich stets ?/, Stunde, ehe ich mit dem Experiment begann. Diese Zeit war erforderlich, damit sich das Tier vollständig von den ausgeübten mechanischen Reizen erholte.! 1. Über die Erregbarkeit des oralen und aboralen Siphos. Diese Experimente wurden gemacht, um zu sehen, welcher von den beiden Siphonen in höherem Grade erregbar wäre; es wurde stets derselbe mechanische Reiz an ihrem freien Rande ausgeübt. Einige Male wurde der Reiz auch nicht nur an den beiden Siphonen, sondern auch längs des Mantels ausgeübt. Das Glasstäbehen war imstande, einen Druck von 0.753 auszuüben. In Form einer Tabelle folgen hier die bei dieser Reihe von Experi- menten erhaltenen Resultate (O bedeutet den oralen Sipho, A den aboralen und C den Körper). 1. Experiment. Ciona intestinalis Nr. 1. 18. XI. 07. Temp. 11°. . Höhe der Kontraktionskurve Manns Zeit Ver le a in Millimetern : unde Experimentes Er r oraler Sipho | aboraler Sipho 1 3» 17’ nachm. — O | 10 14 | 6 2 SERga u A 10 0 | 5 3 sE2 ..-:0 10 15 25 ! In allen Kiguren bezeichnen die Linienzüge, von oben nach unten gesehen: die Kon- traktion des Sipho oralis, die des Sipho aboralis, die Reizmomente und die Zeitin Sekunden. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 105 N Te Zeit Dauer des Reizes u 2 a Experimentes n Sekunden oraler Sipho | aboraler Sipho 4 35 37’ nachm. — A 10 6 11 5 a re) 10 23 31 6 Zune RT IMALLG) 10 12 15 7 SEI an A 10 9 44 8 4b 6 »„ 0 10 20 25 9 ana 0 — 0 20 15 21 10 4419’ a .\ 10 4 31 11 A ee 10 4 17 (Fig. 4) 13 A 10 26 29 (Fig. 5) 14 AN 10 9 39 (Fig. 6) Figg. 4, 5, 6.! (Hier fehlt die Linie der Reizmomente.) 2. Experiment. Ciona intestinalis Nr. 2. 19. XI. 07. Temp. 12°. Auch dieses Experiment sollte zeigen, welcher der beiden Siphonen in höherem Grade erregbar war. | Höhe der Kontraktionskurve Nummer ; Dauer des Reizes in Millimetern des Zeit Mn Experimentes es oraler Sipho | aboraler Sipho A. 95 37’ vorm. — © 10 | 35 9 B. GRAN 10 | 12 1 (68 30R Dies 0 7 | 8 0 D. 1081027 ,,— A 6 | 45 7 E. ee 0) 10 5 16 F. May, en 19 13 11 G. de 5) 4 2 9 Et 04H A 14 | 17 5 % MORE re Ü 16 | 0 | 4 1 Sämtliche Kurven sind, der bequemen Reproduktion wegen, auf '/, reduziert. 106 OswALD POLIMANTI: 3. Experiment. Ciona intestinalis Nr. 3. 19. XI. 07. Temp. 12°. Auch dieses Experiment wurde gemacht, um zu sehen, welcher der beiden Siphonen in höherem Grade erregbar war. \ | Höhe der Kontraktionskurve a} an Dauer des Reizes in Millimetern Experimentes | enden oraler Sipho aboraler Sipho 1 2522’nachm. — O| 7 18 5 (Fig. 7) 2 Das eg e) 23 7 (Fig. 8) 3 Das a er 4 3 19 (Fig. 9) 4 One 4 l 12 5 5 Kanal RER 4 l 2 25 6 BR RO) 13 | 17 6 7 she Pr 23 | 9 31 8 a ed 28 | 4 25 (Fig. 10) 9 3hasanı m C 26 | 21 43 10 | 34 49' 23e) 35 | 9 7 Pie, 89. Fig. 10. Um 3» 54° wird das Ganglion der Ciona mittels einer Hakenpinzette exstirpiert. Operation erholt. Ich lasse das Tier lange Zeit in Ruhe, damit es sich von der Am folgenden Tage (20. XI. 07. T. 12-1°) beginne ich wieder die Siphonen zu reizen, um ihre Erregbarkeit zu erproben. Höhe der Kontrakti Sun Der Dauer des Reizes an A a [0 ei in Sekunden En 2 Experimentes oraler Sipho | aboraler Sipho ut 9b 15’ vorm. — OÖ 13 l 0 12 9997. nA 34 7 7 13 ) 11 | 2 1 14 a ee 15 || 3 1 15 Omar) 10 | 4 1 16 at 55 —A 16 | 0 1 NZ ei 15 | 8 2 18 aaa. N | 19 | 4 1 19 10826 m —2C) 29 | 9 0 20 KOTERı 2 ae 8 2 0 BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE USW. 8. Experiment. Ciona intestinalis Nr. 8. 22. XI. 07. Temp. 11-7°. 1. 382 16° nachm. Reizung des oralen Siphos, 5 Sekunden lang; ich erhalte eine Kontraktionskurve, welche die Höhe von 24 "= erreicht hat und dann allmählich immer mehr gesunken ist, bis sie auf der Höhe von 6"" oberhalb der Abszisse verblieb; der aborale Sipho hat gar nicht reagiert. 2. 3%.22°. Reizung des oralen Siphos während der Dauer von 11 Sekunden; der ab- orale bleibt jedoch absolut unbeweglich, wäh- rend der orale Sipho eine Kontraktionskurve ergibt, die auf 5mm gestiegen ist und während der ganzen Dauer des Experimentes auf 4 "m “ stehen bleibt. 3. 38 27°. Der aborale Sipho wird 6 Se-. kunden lang gereizt; sofort nach Beendigung des Reizes ergab er eine Kontraktion, die sich bis zur Höhe von 43%" erhob und nach etwa 2° zum O. zurückkehrte. Der orale Sipho ergab eine Kontraktionskurve von der Höhe von 10 =", die sich während der ganzen Dauer des Ex- perimentes auf der Höhe von 3” erhielt. 4. 3%38°. Der orale Sipho wird 6 Sekunden lang gereizt. Seine Kontraktionskurve hat sich zu einer Höhe von 34"M erhoben, die dann allmählich sank, bis sie nach etwa 1 Minute den Nullpunkt erreichte; dann stieg sie von neuem bis zur Höhe von 6%", sank wieder auf 5" und erhielt sich auf dieser Höhe wäh- rend der ganzen Dauer des Experimentes. Der aborale Sipho ergab eine Kontraktionskurve, die eben 15"" erreichte und den Nullpunkt nach 1” erreichte. Dann stieg sie wieder bis auf 20m, worauf sie ganz allmählich wieder auf den Nullpunkt sank. (Fig. 11.) 5. 31 58°. Reizung des aboralen Siphos, die 5” dauerte; er ergab eine Kontraktionskurve, die bis auf 55"%® stieg und den Nullpunkt nach 2’ erreichte. Der orale Sipho ergab eine Kontraktionskurve von einer Höhe von 11", die dann allmählich sank, sich jedoch bis zum Ende des Experimentes auf der Höhe von 4 ®" erhielt. (Fig. 12.) 6. 429°, Reizung des oralen Siphos, die 12” dauerte; sie ergab eine Kontraktionskurve, die bis 5"%® anstieg und sich während der ganzen Dauer des Experimentes auf dieser Höhe Figg. 12, 13, 14. 11, oO oO 108 OswALD POLIMANTI: erhielt; der aborale Sipho dagegen ergab eine Kontraktionskurve von 27 = und sank nach etwa 2° auf den Nullpunkt. (Fig. 13.) 7. 44 21°. Der orale Sipho wird 8” lang gereizt; er ergab eine Kon- traktion von einer Höhe von 13”®, die bis zum Ende der Beobachtung auf der Höhe von A" blieb. Der aborale Sipho dagegen reagierte mit einer Kontraktionskurve, welche die höchste Höhe von 45% erreichte und nach etwa 1 Minute auf den Nullpunkt sank. (Fig. 14.) 8. 44 27°. Der aborale Sipho wird 7” lang gereizt; er reagierte mit einer Kontraktionskurve von einer Höhe von 31" und kehrte nach einer Minute zum Nullpunkt zurück. Der orale Sipho ergab eine Kontraktionskurve von einer Höhe von 11”, die rasch wieder den Nullpunkt erreichte. 9. 4450. Ich reizte den oralen Sipho 11” lang; er ergibt eine Kontraktion, welche eine Höhe von 17 “%® erreichte und nach etwa 30” zum Nullpunkt zurück- kehrte. Der aborale Sipho reagierte mit einer Kontraktionskurve von einer Höhe von 18”", die nach etwa 30” zum Null- punkt zurückkehrte. (Fig. 15.) iin 10. Ah 53°. Reizung des aboralen Fig. 15. Siphos: Dauer 9”; es folgt eine Kontrak- tion von einer Höhe von 40“, die nach etwa 30” zum Nullpunkt zurückkehrte. Der orale Sipho dagegen ergab eine Kontraktion von A”® Höhe und einer Dauer von etwa 20”. 11. 4" 56°. Ich reize den oralen Sipho 10” lang; er ergab eine Kon- traktion von der Höhe von 15”®, die nach 50” zum Nullpunkt zurückkehrte. Der orale Sipho dagegen zeigte eine 50 "" hohe Kontraktionskurve, die den Nullpunkt nach etwa 3” erreichte. 12. 5% 2. Reizung des aboralen Siphos, Dauer 17”; er reagiert durch eine 16m hohe Kontraktionskurve, die nach etwa 1’ zum Nullpunkt zurück- kehrte. Der orale Sipho zeigte eine Kontraktionskurve von einer Höhe von 5m, die rasch wieder den Nullpunkt erreichte. 13. 5% 18°. Ich reize den oralen Sipho 8” lang; die Kontraktionskurve zeigte eine Höhe von 1”” und sank rasch wieder auf den Nullpunkt. Der aborale Sipho dagegen ergab eine Kontraktion von 3”, die sehr rasch den Nullpunkt wieder erreichte. Aus diesem Experiment schließe ich, daß der aborale Sipho empfind- licher als der orale ist. Aus den Protokollen über die von uns ausgeführten Experimente und aus der Prüfung der dabei erhaltenen Kurven können wir also ziemlich interessante Schlußfolgerungen ziehen. 1. Beobachten wir vor allem den Typus der Kontraktionskurve der beiden Siphonen. Es zeigen sich hier zwei Typen: bei dem einen (III. Exper. Nr. 1—2—-3), wenn entweder der orale Sipho (1—2) oder der aborale ge- reizt wird, steigt die Kurve mehr oder minder rascher und, nachdem sie BEITRÄGE‘ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 109 das Maximum erreicht hat, sinkt sie allmählich mehr oder minder lang- sam. Dies ist der Typus der Kontraktionskurve der Siphonen. Der Typus der Kontraktionskurve des aboralen Siphos unterscheidet sich von der des oralen, weil sie rascher ansteigt. Sodann ist ein anderer Kurventypus, und dieser wurde erhalten, als mit demselben mechanischen Reiz längs des Körpers gereizt wurde. Alsdann reagierte der aborale Sipho, der die Auf- gabe hat, alle heterogenen Stoffe, namentlich Fäzes, auszutreiben, auf einen mehr oder minder starken Reiz, der auf seinen Körper einwirkte, durch eine energische Kontraktionskurve; kurz, es entstand ein wahrer und eigent- licher Ejektionsreflex. Natürlich konnte die Ciona wegen ihres sehr primi- tiven Nervensystems nicht unterscheiden, ob der Reiz ein innerer war oder von außen kam, und da sie ihn für einen dem Organismus nachteiligen Reiz hielt, antwortete sie mit dem aboralen Sipho mit einem energischen Reflex, und dann sank die Kurve allmählich und langsam. Gleichzeitig reagierte der orale Sipho mittels einer normalen Kontraktionskurve (III. Exper. Nr. 8). 2. Was die Latenzzeit betrifft, die zwischen der mechanischen Reizung der Siphonen und der Kontraktionskurve verging, diese variierte sehr, nicht nur von Ciona zu Ciona, sondern sie hing auch von der größeren oder‘ geringeren Frische des Tieres ab. Im allgemeinen zeigt eine Ciona, bei der schon eine Reizung vorgenommen wurde, wenn nach mehr oder weniger kurzer Zeit eine neue erfolgt, eine viel längere Zeit der latenten Reaktion als bei Beginn des Experimentes (III. Exp. Nr. 1—2). Die be- treffende Latenzzeit ist viel kürzer auf Seite des aboralen Siphos (III. Exp. Nr. 3) als auf Seite des oralen (III. Exp. Nr. 1—2) und ist dann länger, wenn man längs des Körpers reizt (III. Exp. Nr. 8). Im allgemeinen kann man annehmen, daß die Zeit der latenten Reaktion für den oralen Sipho 4”, für den aboralen 2” und für den Körper der Ciona 15” beträgt. Dies ist das Mittel aus allen meinen Beobachtungen und aus allen von mir er- haltenen Kurven. Auch hier versteht man, daß der aborale Sipho, der zur Austreibung der dem Tiere nachteiligen Stoffe bestimmt ist, sie in so kurzer Zeit als möglich austreiben muß, sobald der Reiz erfolgt; viel weniger ist dies natürlich der Fall beim oralen, der von einem von außen nach innen gehenden Strome durchzogen wird und sehr spät auf die den Körper treffen- den Reize antwortet; bezüglich dieser Reize ist nämlich die Tätigkeit der Siphonen fast gleich Null. 3. Ohne Zweifel ist die Sensibilität des Körpers der Ciona viel stumpfer als die der Siphonen, und bestätigen indirekt die hinsichtlich der Zeit der latenten Reaktion erhaltenen Resultate. Verfährt man nämlich wie in unserem Falle (I. Exp. Nr. 11—13—14), so sieht man, daß die Antwort, welche die Siphonen geben, wenn man den Körper und die Siphonen eine gleich lange Zeit hindurch reizt, viel unbedeutender bei jenem als bei 110 OswALD POLIMANTI: _ diesen ist. Mithin ist auch die Sensibilität des Körpers der Ciona stumpfer, kurz ihres Mantels, der die Latenzzeit noch mehr verzögert. 4. Was die Antwort auf den Reiz im allgemeinen betrifft, so reagiert stets viel stärker der Sipho, der gerade gereizt wird, indem er eine viel größere Kontraktionskurve ergibt als der andere, der nicht gereizt wird (I. Exp. Nr. 14; III. Exp. Nr. 1—2; VIII. Exp. Nr. 4--5). Zuweilen je- doch antwortet der gereizte mit einer viel kleineren Kurve als der nicht . gereizte (I. Exp. Nr. 13; III. Exp. Nr. 3; VIII. Exp. Nr. 6—7). Oder bisweilen antworten beide Siphonen fast mit der gleichen Kon- traktion, wenn auch nur einer von beiden gereizt wird (VIII. Exp. Nr. 9). Es versteht sich von selbst, daß der gereizte Sipho derjenige ist, welcher mit einer größeren Kontraktionskurve antwortet, kurz, der eine viel stärkere Reaktion zeigt. Ist er es doch, der den Reiz in größerer Nähe empfindet, weshalb eine größere Kontraktion erfolgen muß. Bisweilen reagiert jedoch, wie ich schon bemerkte, der gereizte Sipho weniger, und in diesem Falle ist es fast immer der orale Sipho, der eine kleinere Kontraktionskurve ergibt, während der aborale eine viel stärkere, eine viel besser ausgeprägte zeigt. Dies steht immer im Einklang mit der Bestimmung des aboralen Siphos, von der wir oben gesprochen haben. 5. Zuweilen erfolgt, nachdem der eine oder der andere der beiden Siphonen gereizt wurde und eine Kontraktion der beiden erfolgte, nach einem gewissen Zeitabschnitt und wenn die Kurve zum Nullpunkt zurückgekehrt ist, eine weitere Kontraktion beider Siphonen, die viel ausgeprägter ist in dem Sipho, der gereizt worden ist. Es ist eine posthume Reaktion, die auf den Reiz folgt, der ausgeübt wurde, eine zweite reagierende Antwort auf .den ersten Reiz, der auf einen der Siphonen der Ciona eingewirkt hat (VIII. Exp. Nr. 4). Aus diesen Experimenten schließe ich auch, daß endlich das Ganglion einen direkten und sehr großen Einfluß auf die Reizbarkeit der Ciona hat. Wenn dieser große direkte Einfluß nicht vorhanden wäre, so würde auch der reflektorische Einfluß gering oder gleich Null sein. Jordan folgert deshalb mit Unrecht (S. 106): „Das Ganglion von Ciona intestinalis hat auf die ‚direkte Reizbarkeit‘ überhaupt keinen Einfluß.“ Nachdem ich gesehen hatte, von welchem Typus die Kontraktionskurve der beiden Siphonen unter Einwirkung der verschiedenen Reize ist, wandte ich meine Aufmerksamkeit der Frage zu, welchen Einfluß das Ganglion auf den Tonus der Ciona ausübt. Loeb sagt (S. 38): „Hat man einer Ciona | das Ganglion exstirpiert, so bleibt sie zunächst maximal kontrahiert. Nach einiger Zeit, im günstigen Falle schon am nächsten Tage, streckt sie sich jedoch wieder aus.“ Fröhlich (S. 609) ist nicht dieser Ansicht. Nach ihm hat sich das Tier wieder normal ausgestreckt, wenn die Operation BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 111 richtig ausgeführt wurde, !/,—1 Stunde nach erfolgter Operation, bisweilen aber auch schon nach zwei Stunden. Er hebt hervor, daß auch während des Zustandes der Kontraktion ein großer Unterschied zwischen einer Ciona mit und einer ohne Ganglion vorhanden ist, weil bei letzterer der „Tonus“ viel niedriger sei als beim normalen Tiere. „Während letztere (normale kontrahierte Cionen) sich so stark zusammenziehen, daß sich das Tier der Kugelgestalt nähert, bemerkt man an operierten Tieren bei näherem Zu- sehen, daß der Mantel gewissermaßen schlotterig das Tier umgibt.“ Also zeigten nach Fröhlich Cionen ohne Ganglion eine Abnahme des Tonus. Auch wenn man mit einem starken Reiz einen Sipho einer operierten Ciona reizt, Öffnet sich dieser wieder beinahe sofort, während ein normales Exemplar stets mit einem maximalen Verschluß des Siphos und einer an- dauernden Kontraktur der ganzen Muskulatur antwortet. Der von Fröh- lich ausgeübte Reiz ist, wie ich schon an anderer Stelle andeutete, nicht quantitativ bestimmt, gemessen; er spricht nur von „leiser Berührung“, „starkem Reiz“ usw., lauter: Worte, die uns keine Vorstellung von dem quantitativen Wert des angewandten mechanischen Reizes geben. Die Unterschiede zwischen einer Ciona ohne Ganglion und einer normalen werden in Zahlen ausgedrückt, welche die Zeit angeben, die vom Verschluß bis zur vollständigen Wiederöffnung der Siphonen vergeht. Und dann fügt er hinzu (S. 610): „Das Verhalten der operierten Ciona kann wohl nur dahin gedeutet werden, daß (abgesehen von der von Loeb konstatierten Erhöhung der Reizschwelie) nach Entfernung des Ganglions eine sehr be- trächtliche Herabsetzung des Tonus eingetreten ist.“ Jordan (8. 111) schließt aus den von ihm erhaltenen Resultaten, daß er nicht den Beob- achtungen und Schlußfolgerungen Fröhlichs zustimmen kann hinsichtlich des Tonus, den die Ciona vor und nach der Entfernung des Ganglions zeigt. „Daß nach dem Eingriff der Mantel „schlotterig‘“ das Tier umgibt, ist leicht durch die Operationswunde zu erklären: Der Turgor des normalen Tieres ist durch den Gehalt an Wasser, vornehmlich des Kiemendarms be- dingt. Man reizt das Tier, es kontrahiert sich, schließt aber vorher die Siphonen. Das nämliche tritt natürlich ein, wenn man eine Ciona operiert. Doch nunmehr preßt die Muskulatur das Wasser aus dem Kiemendarm durch die Operationswunde aus. Damit ist alles erklärt.“ Jordan konnte mit bloßem Auge nicht sehen, ob die Ciona nach erfolgter Operation, wenn die Periode der Reizung vorüber ist, zum Zustand normaler Ausdehnung zurückkehrt. Er ist jedoch der Ansicht, daß diese „postoperatorische Re- traktion“ nichts mit dem Tonus zu schaffen hat, der sogar nach den aus- geführten Operationen statt abzunehmen, nach Jordan nach einer be- stimmten Zeit zunimmt. Fröhlich schließt nach seinen Untersuchungen, die er nach der Methode der Zeit ausführte, die nach Ausübung des Reizes ® 112 - » OSWALD POLIMANTIT: . zum Schließen und Öffnen der Siphonen erforderlich war (Zeitversuche, Reiz- lösung), aufeine Verminderung des Tonus. Diese Untersuchungen haben jedoch, wie Jordan (S. 112) ganz richtig bemerkt, und wie auch ich glaube, mit dem Tonus nichts zu schaffen. Wenn Fröhlich mit quantitativ bestimmbaren Reizen experimentiert hätte, wie wir schon mehrmals andeuteten, und einen Apparat für Registrierungen verwendet hätte, so wären nach Jordans Ansicht die Resultate Fröhlichs ganz anders ausgefallen. Als Jordan mit „ana- tomischer Anordnung“ experimentierte, sah er klar, daß nach der Exstirpation des Ganglions „die Fallzeit infolge der Operation wieder zugenommen hatte“. Ähnliche Untersuchungen, die er mit dem Chymographion anstellte, führten ihn zu denselben Resultaten: das ausgespannte Tier wird gereizt und man erhält die „Reizlösungskurve“; das Ganglion wird exstirpiert und man wartet, bis die Kurve zur Abszisse zurückgekehrt ist, worauf man von neuem reizt. (S. 112) „einige Male ist mir ziemlich gut gelungen, in beiden Vergleichungsfällen die nämliche Höhe zu erzielen“. „Stets ist ein Unterschied in der Steilheit kaum nachzuweisen, stets aber ist es eher die Kurve der enthirnten Ciona, die die weniger steile Kurve gibt.“ Er beob- achtete, daß die normale Ciona bisweilen kleine spontane Schwankungen zeigt (S. 113), wie ich dies auch beobachtet und oben beschrieben habe. Diese spontanen Kontraktionskurven erklären sich auch daraus, daß sie so- fort entnommen wurden oder kurze Zeit nachdem der Schreibhebel die Ciona berührte, was gewiß einen abnormen Reiz verursacht. Um diese „spontanen“ Kurven zu vermeiden, ist es besser, wenn man stets eine ge- wisse Zeit wartet. Bis zu einem gewissen Punkt würde es sich dagegen um wahre und eigentliche künstliche Kurven infolge von Reizungen handeln, und wir hätten es mit wahren und eigentlichen Reflexen zu tun. Dann fügt er hinzu, er habe in diesem Falle längere Zeit gewartet, ehe er nach Ausführung der Operation die Kurve entnahm, und die Kurve sei auch viel höher und viel größer geworden. Weiter sagt er, es hätte vielleicht auch nicht gelingen können nachzuweisen, daß „enihirnte‘“ Cionen sich nicht kontrahieren, nicht schneller als normale erschlaffen. (8. 112): „So bewiese der Versuch doch nicht das geringste für Verminderung des Tonus, oder sagen wir desjenigen Vermögens, welches wir bei Everte- bratenmuskeln Tonus zu nennen gezwungen sind“. Jordan hat Recht, wenn er sagt (S. 112): „Ich gebe zu, mit dem Begriff Tonus wird im allgemeinen recht willkürlich verfahren; das mag daher kommen, daß für verschiedene Muskelkategorien der relative Ver- kürzungszustand, der dauernd beibehalten wird, verschiedenen Gesetzen ge- horcht.“ „Für Fröhlich, der keine Definition des Tonus gibt (Jordan, S. 112), ist Tonus offenbar der Widerstand, den der gereizte Muskel seiner Wiederausdehnung entgegensetzt.“ BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 113 Nach Jordan ist diese Definition jedoch nicht richtig für die niederen Tiere, für die „reflexarmen“. Jordan, der hauptsächlich die Beobachtungen von v. Uexküll und Bethe berücksichtigt, sagt vom Tonus (8. 112—113): „Es ist dies der Widerstand, den der nicht gereizte Muskel einem Drucke leistet, der ihn auszudehnen strebt.“ Der Tonus wäre nach Jordan bei diesen Tieren eine überaus wichtige Funktion. „Sie gibt — sagt er auf S, 114 — dem skelettlosen Tiere die eigenartige Konsistenz, ersetzt gewissermaßen das Skelett. Dem sich stets anpassenden Tonus verdankt ferner das Tier die Regelung des Innen- druckes. In all diesem ist ein Wechselspiel notwendig, bedingt durch Tonus einerseits, andererseits durch den Widerstand, den die Leibeshöhlenflüssigkeit eben unter Tonusdruck bietet (Schnecken). — Bei Ciona scheint dieser Gegendruck wenigstens teilweise Leistung des Mantels zu sein.“ Er betont hier die Bedeutung des Mantels und ich verstehe nicht, daß Jordan seine Versuche so häufig an mantellosen Tieren ausgeführt hat. S. 113 sagt er: „Der Tonus ist nun auch zu definieren als das Be- streben des ruhenden Muskels, einen bestimmten Verkürzungsgrad beizu- behalten, trotz ausdehnender Kräfte; allerdings so, daß diese Kräfte den Verkürzungsgrad wiederum bedingen.“ Dies bedeutet, daß einem be- stimmten Gegendruck stets ein bestimmter Verkürzungsgrad entspricht. Weiter S. 113: „Es drückt sich der Tonus aus: a) bei bestimmter Be- lastung durch die Länge des Muskels; b) bei bestimmter Länge des Muskels durch das Maximalgewicht, welches an dieser Länge nichts ändert.“ Ein Muskel mit einem bestimmten Tonus, der von einer bestimmten Länge ist _ und unter einem nicht genügenden Drucke steht, verkürzt sich infolge dieser beiden Faktoren, solange das Gleichgewicht nicht wiederhergestellt ist; im Sinne Jordans wäre also nur ein bestimmtes, einziges „Maximal- gewicht“ vorhanden. Jordan gibt dann weitere Aufklärungen über die Vorstellung, die er sich vom ‚„Tonus‘“ gebildet hat. In dem Falle, in welchem man ein übermäßiges Gewicht an einem Muskel anbringt, treten nach ihm zwei Reaktionen ein (S. 113): „l. Der Muskel paßt sich mit reinem Tonus der Last an, nach dem, was wir sahen. 2. Der Tonus selbst wird durch die Last verändert, nämlich vermindert. Nun können wir den Tonus nicht messen, denn obige Gleichungen enthalten zwei Unbekannte: Tonus und relative Verkürzung. Letztere aber ist nicht feststellbar, da die absolute Länge des Tonusmuskels niemals meßbar ist.“ Er fügt hinzu, daß eine Reihe von Größen gemessen werden könne und daß sie dem Tonus proportional seien (S. 114): „Vergleichen wir zwei Tiere, eins mit, eins ohne Ganglion, so erhalten wir als Vergleichsresultat nicht nur Differenzen im bestehenden Tonus, es zeigt sich auch der Archiv f.A.u.Ph, 1910. Physiol. Abtlg. Suppl. 8 114 OSWALD POLIMANTI: während des Versuches von dem Zentrum auf diesen Tonus aus- geübte Einfluß.“ Der Tonus Fröhlichs hat mit diesen Werten nichts zu schaffen: dar- aus entstehen nach Jordan die Unterschiede zwischen seinen und Fröh- lichs Untersuchungen (S. 114): ‚Die Wiederausdehnung nach Reizung setzt sich aus zwei Komponenten zusammen: 1. dem tonischen Widerstand, der auch unter der Bedingung wirkt... .. 2. dem Abklingen der Erregung, proportional der Erregung, also einem Faktor, der bedingt wird durch Reizintensität und — Dauer, Rezeptivität, Leitung usw.“ — Er nimmt dann als unerörterte Behauptung an (S. 114): „Erschlaffungs- geschwindigkeit nach Reizung ist kein Indikator für den Tonus.“* Bei seinen Untersuchungen über den Tonus der Ciona machte Jordan mit seinem Apparat eine „niedrige Belastung“ und eine „Hochbelastung“. 8.117—118: „An der Wage ist für Ciona das Verhalten unter „niedriger“ Belastung nicht immer leicht zu zeigen, da die Last, die der Muskel aus eigenem Tonus zu tragen vermag, gering ist. Von diesem Vermögen aber hängt die Grenze zwischen hoher und niedriger Belastung ab. Ob dieser geringe Normaltonus der Ciona eine Eigentümlichkeit des Tonus ist oder ob er bedingt wurde durch die relativ hohe Zimmertemperatur des Neapler Hochsommers (29° C), weiß ich nicht.“ Ich glaube übrigens, und dies werden wir später noch genauer aus- führen, daß es ein sehr schwerer Irrtum ist, wenn man ein Seetier, von welcher Art es auch sein mag (auch ein so wenig entwickeltes wie die Ciona) einer Temperatur von 29° C aussetzt, indem man es aus der nor- malen, mittleren Temperatur von 15°C, in der es sich im Meer befindet, fortnimmt, und daß dieser Irrtum zu ganz falschen Resultaten führt. Diese hohe Temperatur erklärt uns schon ganz allein, daß der Tonus der Ciona fortwährend ein so niedriger geblieben ist. Über eine „‚Ciona unter niedriger Belastung“ sagt er (S. 119): „Stets bleibt die enthirnte Ciona hinter der normalen in ihrer Dehnung zurück“. Und von einer Ciona „unter Hoch- belastung“ sagt er (S. 119), daß „das normale Tier sich vorab schnell ausdehnt; dann hemmt es seine Dehnung bald plötzlicher, bald allmählicher. Im Gegen- satz dazu dehnt sich die ganglienlose Ciona vorab viel weniger schnell, aber sie dehnt sich konstant aus und überholt zuletzt die Kurve der normalen.“ Jordan wollte dann den „Tonus von Tieren sehen, weiche die Ope- ration längere Zeit überstanden haben“ (S. 120): „wie bei Aplysia, so nimmt auch bei Ciona der Tonus mit der Zeit nach der Operation zu. Einer Aplysia sieht und fühlt man das an, denn die Muskulatur umgibt einen abgeschlossenen Raum, so daß bei eintretender Verkürzung das Tier nicht nur kleiner, sondern vor allem hart wird. Anders Ciona, da hier die Leibes- BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 115 höhle gegen den Kiemendarm ganz zurücktritt; dieser aber ist offen: so werden die Tiere kleiner, der Zellulosemantel liegt „schlotterig‘“ an, man erhält den Eindruck, als seien die Tiere atrophisch, nicht aber im Zustande gesteigerten Tonus. Dieser Tonus läßt sich bei Ciona mit Bestimmtheit nur durch Messung nachweisen; Angaben ausschließlich auf Grund des Augenscheines sind wertlos.“ Bei dieser Reihe von Untersuchungen sah er nach ausgeführter Operation der Entfernung des Ganglions (S. 121): „Es hatte also auch hier der Tonus stark zugenommen,..,. So sehen wir den Zeiger der normalen Ciona unmitiel- bar rapid fallen, während der Zeiger der enthirnten sich gar nicht rührt.“ So sagt Jordan in seinen Untersuchungen über den Tonus und die Entlastung belasteter Tiere. Gleich dem Einfluß, den nach ihm das Schneckenpodalganglion ausübt, soll auch bei Ciona (8. 121) „die Zunahme des Tonus nach Entlastung‘ eintreten; dann sagt er, indem er einen Ver- gleich mit einer normalen Ciona anstellt (S. 122): „Es dürfte auf den ersten Blick sichtbar sein, daß vorab das normale Tier weniger an Tonus zunimmt als das hirnlose.“ Auch er ist der Ansicht, daß bei diesen Versuchen die Temperatur einen großen Einfluß hat (S. 123); „Im Winter mag es noch leichter sein, dies Ziel zu erreichen.“ Ich resümiere nun in Kürze meine Resultate über den Tonus der Ciona mit oder ohne Ganglion. 15. Experiment. Ciona intestinalis Nr, 15. 25. XI. 07. Temp. 11-7, 1. 9% 50° vorm. Der orale Sipho wird 10” lang gereizt; er antwortet mit einer Kontraktionskurve, die sich rasch bis zu einer Höhe von 43 un erhebt und nach etwa 1’ zum Nullpunkt zurückkehrt. Der aborale Sipho dagegen ergab eine minimale Kontraktions- kurve, die sich kaum bis zu 8%" hob und nach 1’ den Nullpunkt erreicht hatte. (Fig. 16.) 2. 9% 57°. Der aborale Sipho wird 14” lang gereizt; beide Siphonen ant- worten mit zwei energischen Kontraktions- kurven. Die des oralen hat eine Höhe von 15% erreicht, worauf sie ganz all- mählich unter den anfänglichen normalen Tonus herabsank. Die Kontraktionskurve des aboralen Siphos erreichte die Höhe von 21 =” und erreichte den Nullpunkt nach etwa 2 Minuten. Fig. 16. 10" 2°. Mit einer hakenförmig ge- krümmten Pinzette wird das Ganglion herausgerissen. Die Ciona zeigt ziemlich zusammengeschrumpfte Siphonen, wenn auch die Operation vollkommen gelungen ist. g*r 116 OswALD POLIMANTI: 3. 10" 9°. Reizung des oralen Siphos, 19” lang; man kann sagen, daß keiner der beiden Siphonen auf den Reiz reagiert hat, abgesehen von einigen leichten Erhebungen der Kontraktionskurve, die nicht einmal die Höhe eines Millimeters erreicht hat. (Fig. 17.) Big. 17 4. 10" 15°. Ich reize den oralen Sipho 11” lang; dieser antwortet mit einer Kontraktion von einer maximalen Höhe von 2”, die kaum 5” dauert. Der orale Sipho antwortete mit einer Kontraktionskurve, die sofort nach Beendigung der Reizung allmählich anstieg, und nach 1’ die Höhe von 5 um erreichte; auf dieser Höhe erhielt sie sich während der ganzen weiteren Dauer des Experimentes. 5. 10424. Der orale Sipho wird 23” lang gereizt; während dieser Zeit der Reizung hat der orale Sipho mit einer Kontraktionskurve geant- wortet, die bis zu 2” anstieg, dann rasch sank und während der ganzen Fig. 19. weiteren Dauer des Experimentes immer auf dem Nullpunkt blieb. Der aborale Sipho reagierte gar nicht auf den Reiz; seine Kontraktionskurve war vielmehr absolut gleich Null. (Fig. 18.) 6. 106 31°. Ich reize den oralen Sipho 12” lang; während der Dauer der Reizung ergab er eine 6" hohe Kontraktionskurve, die dann allmählich sank, um langsam eine Höhe von 9" zu erreichen und dann nach etwa BEITRÄGE zuUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 117 2° zum Nullpunkt zurückzukehren. Sofort nach Beendigung der Reizung reagierte der aborale Sipho durch eine Kontraktionskurve, die etwa 2° dauerte, jedoch kaum eine Höhe von 5" erreichte. (Fig. 19.) Aus diesem Experiment schließe ich, daß das Ganglion von Ciona intestinalis einen großen Einfluß auf die Erregbarkeit ihrer Siphonen ausübt. Ferner schließe ich aus diesem Experiment, daß nach der Exstirpation des Ganglions die Erregbarkeit der Siphonen enorm vermindert ist, sowie daß der Tonus des ganzen Tieres sehr gesunken ist. Erst gegen Ende des Experimentes, d. h. ungefähr !/, Stunde nach Exstirpation des Ganglions, begannen sowohl die Erregbarkeit der Siphonen als der Tonus von neuem zu steigen, jedoch erreichten weder jene noch dieser je das Normale, wie sich ganz deutlich aus unseren Kurven ergibt. Am Ende des Experimentes erfolgte eine unbedeutende spontane Kontraktion von seite beider Siphonen, die stärker im oralen Sipho war. Wie immer reagierte auf den Reiz mit einer viel größeren (höheren und längeren) Kontraktionskurve der gereizte Sipho im Vergleich zu dem anderen nicht gereizten. 16. Experiment. Ciona intestinalis Nr. 16. 25. XI. 07. Temp. 11-7°. 1. 2b 3° nachm. Der orale Sipho wird 8” lang gereizt; er antwortet mit einer Kontraktion, die rasch bis zu 24" ansteigt und schnell unter den normalen Tonus sinkt. Der aborale Sipho dagegen hat gar nicht reagiert. 2. 25 8°. Ich reize 9” lang den aboralen Sipho, der mit einer Kon- traktionskurve antwortet, die etwa 2° gedauert und die Maximalhöhe von 12mm erreicht hat. Die Kontraktionskurve des oralen Siphos dauerte eben- falls ungefähr 2° und stieg bis zu 19”” an. Figg. 20, 21. Fig. 22. 2b 14°, Mit einer hakenförmig gekrümmten Pinzette wird die Exstir- pation des Ganglions ausgeführt. 3. 4. Um 2% 26° reize ich den oralen Sipho 15” lang, und um 2" 31’ wird der aborale Sipho 15” lang, stets mit dem gewöhnlichen mechanischen Reiz, gereizt. Beide Male erfolgte aber keine Antwort; die Kontraktions- 118 ; OswALD POLIMANTT: kurve sank vielmehr fortwährend, um dann immer stationär zu bleiben. (Figg. 20—21). 5. 2% 41”. Ich reize den aboralen Sipho 16” lang; er antwortete mit einer raschen Kontraktionskurve, die bis zu,55"" anstieg und etwa 2° dauerte. Der aborale Sipho ergab eine Kontraktion von einer Höhe von 80m, die auch 3’ dauerte. (Fig. 22.) 6. 2% 50°. Ich reize den aboralen Sipho 22” lang, er antwortet mit einer Kontraktionskurve, die 18 "= hoch ist und etwa 3’ dauerte, während der orale Sipho eine 80 "= hohe Kurve ergeben hat und auch 3’ dauert. Fig. 23. 7. 2% 57. Der orale Sipho wird 36” lang gereizt; er antwortet mit einer Kontraktionskurve, die 10 ®” hoch ist und etwa 1’ dauert. Der ab- orale Sipho hat auf den Reiz gar nicht reagiert. (Fig. 23.) 8. 32 8°. Ich reize den aboralen Sipho 22” lang; er antwortet aber gar nicht auf den Reiz, während der orale Sipho eine 7"M hohe Kurve er- geben hat, die sich am Ende des Experimentes auf einer Höhe von 4 erhält. Figg. 24, 25. 9. 3% 14. Reizung des oralen Siphos, 17” lang; er antwortet mit einer 7 m hohen Kontraktionskurve, die nach etwa 2’ am Ende des Experimentes sich noch auf einer Höhe von 4” erhielt. Der aborale Sipho dagegen reagiert gar nicht auf den Reiz, sondern sein Tonus hat fortwährend ab- genommen, bis er gegen Ende des Experimentes auf den Nullpunkt sank. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 119 10. 3% 32°. Der aborale Sipho wird 7” lang gereizt; er beantwortet den Reiz mit einer Kontraktionskurve, die allmählich bis zur Höhe von13 "” gestiegen ist, und nach 2’ zum Nullpunkt zurückkehrt, um dann eine spon- tane Kontraktion von einer Höhe von 13”" zurückkehrt, um dann eine spontane Kontraktion von einer Höhe von 5" zu ergeben. Der orale Sipho antwortete mit einer Kontraktionskurve, die bis zu 6” anstieg und nach etwa 2’ den Nullpunkt erreichte, um dann mit einer spontanen Kon- traktion bis auf 25"" zu steigen. (Fig. 24.) 11. 35 45’. Ich reize den oralen Sipho 19” lang; keiner der beiden Siphonen hat auf den Reiz reagiert. (Fig. 25.) Aus diesem Experiment schließe ich, daß nach Entfernung des Gan- glions sofort eine Übererregbarkeit des Tieres eintritt, die jedoch kurze Zeit dauert, weil sie bei Fortführung des Experimentes allmählich immer mehr abnimmt. Dieses Experiment führt uns zu sehr interessanten Ergebnissen. Ich habe die normalen Kontraktionskurven der Siphonen nicht angeführt, weil sie als Typus durchaus den schon zu wiederholten Malen angegebenen von normalen Cionen gleich sind. Kaum war die Exstirpation des Ganglions ausgeführt und ich übte kurze Zeit nachher einen mechanischen Reiz auf die Siphonen aus, so reagierten diese gar nicht mehr auf ihn; wohl aber bemerkte man, daß der Tonus des ganzen Tieres stufenweise sank (Fig. 17, 18). Läßt man eine gewisse auch kurze Zeit vorübergehen und reizt dann die Siphonen von neuem, so antworten diese mit einer energischen Kon- traktionskurve, die sogar 10 bis 20 mal größer als die normale war, wobei natürlich eine sehr starke Erhöhung des Tonus eintritt (Fig. 22). Fährt man jedoch fort zu reizen, so treten auch Ermüdungserscheinungen bei der Ciona ein; nicht nur reagieren die Siphonen nur mehr wenig auf den Reiz, einige sogar gar nicht (der aborale, Fig. 20), auch wenn sie direkt gereizt werden (Exper. 16./8.), sondern der Tonus nimmt auch nach und nach enorm ab. Wird das Experiment noch weiter fortgeführt, so werden die Kon- traktionskurven immer kleiner (Fig. 24, 25); dies überzeugt mich noch mehr davon, daß es sich um Ermüdungserscheinungen handelt, die infolge der mit allzu großer Häufigkeit aufeinanderfolgenden Reize eintreten, die zu einer Abnahme der Erregbarkeit und des Tonus der Ciona führen. Auch wenn die Ciona diese Erscheinungen von Ermüdung, d. h. von geringerer Erregbarkeit und erniedrigtem Tonus zeigt, ist sie imstande (Fig. 24), nach- dem die auf eine Reizung folgende Kontraktionskurve beendet ist, Kurven der spontanen Kontraktion zu ergeben, die sogar an Höhe und Weite die auf eine Reizung folgenden übertreffen. 17. Experiment. Ciona intestinalis Nr. 17. 26. XI. 07. Temp. 12°. 1. 10% 4’ vorm. Der orale Sipho wird 14” lang gereizt; er antwortet mit einer Kontraktionskurve, die rasch bis zu 46 "= ansteigt und sich auf 120 OswAup POLIMANTI: dieser Höhe erhält. Der aborale Sipho dagegen steigt allmählich bis zu einer Kurve von 24" an und verbleibt während der ganzen Dauer des Experimentes auf dieser Höhe. (Fig. 26.) 2. 10% 12°. Ich reize den aboralen Sipho 10” lang; er antwortet mit einer Kontraktionskurve, welche eine Höhe von 10%" erreicht und während der ganzen Dauer des Experimentes sich darauf erhält. Der orale Sipho dagegen ergibt eine Kontraktionskurve, die kaum eine Höhe von 1” er- reicht. (Fig. 27.) 3. 10% 19”. Reizung des oralen Siphos, 9” lang; er reagiert mit einer schönen Kontraktionskurve, die rasch zu einer Höhe von 28 "m ansteigt und während der ganzen Dauer des Experimentes auf dieser Höhe bleibt. (Fig. 28.) 10% 25°”. Mit einer sichelförmig gekrümmten Pinzette wird das Gan- glion der Ciona ausgerissen; die Operation ist vollkommen gelungen. 4. 11" 7’. Der orale Sipho wird 20” lang gereizt; beide Siphonen haben keine Antwort auf den Reiz gegeben, ja ihr Tonus hat allmählich ganz abgenommen. Figg. 26, 27, 28. 5. 11% 14‘. Ich reize den aboralen Sipho 26” lang; er antwortet gar nicht auf den Reiz, während der orale eine Kontraktionskurve ergibt, die die höchste Höhe von 1" erreicht. 6. 11" 19. Der orale Sipho wird 14” lang gereizt; er reagierte 20” nach Aufhören der Reizung durch eine Kontraktionskurve, die eine Höhe von 15%” erreichte und dann rasch auf den Nullpunkt sank. Der aborale Sipho dagegen hat gar nicht auf den Reiz reagiert. Aus diesem Experiment schließe ich, daß das Ganglion von Ciona intestinalis einen ausgeprägten Einfluß auf die Erregbarkeit der beiden Siphonen hat. Was die Erregbarkeit der Siphonen wie auch den Tonus der Ciona anbelangt, so ergibt sich klar aus diesem Experiment, ohne daß ich die vollkommen denen der vorhergehenden Experimente ähnlichen Kurven an- zuführen brauche, daß sie nach Exstirpation des Ganglions enorm ab- nehmen und erst eine gewisse Zeit nach Ausführung der Operation ein BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 121 wenig wieder ansteigen, ohne jedoch die ursprünglichen Werte jemals zu erreichen. Wie die Figg. 11, 12 und 13 beweisen, bietet uns dieses Experi- ment ein sehr interessantes Beispiel für den Verlauf der Ermüdung bei Ciona intestinalis. Wenn die Ciona nach einer schönen Kontrak- tion ihrer Siphonen von neuem gereizt wird, verfällt sie rasch in einen Zu- - stand der Erschöpfung und reagiert gar nicht mehr auf mechanische Reize; sie erlangt jedoch in sehr kurzer Zeit ihre ursprüngliche Erregbarkeit wieder. Diese Erscheinung der raschen Erschöpfung und der raschen Er- holung ist interessant; man beobachtet sie z. B. nie bei den Muskeln der höheren Tiere, die, wenn sie der Ermüdung verfallen, lange Zeit brauchen und verschiedenartige Behandlung (O,, Abwaschungen usw.) erfordern, da- mit sie den ursprünglichen Zustand der Erregbarkeit, ihren früheren Tonus und ihre frühere Kontraktion wiedererlangen. Bei der Ciona dagegen ver- schwinden Erregbarkeit und Tonus rasch, kehren aber auch rasch wieder zum normalen Zustand zurück. Deshalb schließe ich aus diesen Experi- menten, die den Einfluß des Ganglions auf die Erregbarkeit und den Tonus der Ciona intestinalis nachweisen sollten, daß kurze Zeit nach Vornahme der Exstirpation beide eine sehr starke Abnahme zeigen, und daß dies da- von abhängt, daß, wie schonend auch die Exstirpation des Ganglions er- folet, dennoch das Tier eine Mißhandlung erleidet und eine gewisse Wasser- menge aus seinem Mantel und aus seinen Siphonen (namentlich aus dem Kiemenapparat) verliert. Aber auch die Erregbarkeit des Nerven- und Muskelsystems, wie auch der Tonus, werden dadurch vermindert; ist ein gewisser Zeitabschnitt seit der Operation vergangen, so nehmen sowohl die Erregbarkeit als der Tonus nach und nach wieder etwas zu. Ferner ist zu bemerken, daß bei einigen Exemplaren die ursprünglichen Werte nie erreicht werden, während sie bei anderen sogar übertroffen werden. Die Verzögerung der Rückkehr zum normalen Zustand hängt auch von der größeren oder geringeren Mißhandlung ab, die das Tier während der Ope- ration erlitten hat; dagegen ist für uns die Rückkehr zur normalen Erreg- barkeit und zum normalen Tonus, zuweilen aber auch die Überschreitung des letzteren, ein Anzeichen dafür, daß nach Entfernung des Ganglions die inhibitorische oder Hemmungserscheinungen nun fehlen, infolge deren die Ciona auf jeden minimalen Reiz durch eine starke, viel größere Kontraktion ihrer Siphonen als die normale reagiert, und folglich auch ihr Tonus sich über dem normalen erhält. Diese Experimente stimmen zum Teil mit dem überein, was Jordan beobachtet hat, der, wie ich oben andeutete, konstant sah, daß nach Ab- tragung des Ganglions bei Ciona intestinalis eine beständige Zunahme des Tonus bei Tieren eintritt, welche diese Operation erlitten haben. Wir haben oben gesehen, welchen Einfluß die verschiedenen von uns viel studierten 122 OswAup POLIMANTI: Gifte (Kokain, Morphium, Chinin, Curare, Strychnin) auf die Erregbarkeit der Ciona intestinalis (Siphonen) ausübten, wenn sie ins Ganglion injiziert wurden. ‘Ich verweise also sowohl hinsichtlich der das Thema betreffenden Literatur als auch bezüglich der Art der Injektion auf das früher Gesagte. Was sodann den Einfluß dieser Alkaloide auf den Tonus betrifft, so hat nur Jordan unter Verwendung der beschriebenen graphischen Methoden sich damit beschäftigt, den Einfluß des Kokains auf das Ganglion und folg- lich auch auf den Tonus zu untersuchen. Anstatt es jedoch in die Gegend des Ganglions zu injizieren, durchschnitt Jordan mit einem Rasiermesser den Mantel und legte das Ganglion bloß, das er mit einer 2°/,igen Kokain- lösung einpinselte. Indem er eine normale Ciona als Kontrolltier wählte, versah er ein jedes der anderen Tiere mit einem Hebel und konnte so aus den nach Ausübung des Reizes erhaltenen Kurven den Unterschied richtig feststellen. Jordan hat (S. 124) „bei Aplysia und Helix gezeigt, daß schwache Kokainisierung des Pedalganglions den Tonus min- dert. Lähmen wir jedoch dieses Zentrum durch das Alkaloid, so er- halten wir das Bild des ganglienlosen Tieres. Das nämliche Verhalten zeigt Ciona. Dieser Eingriff muß natürlich bei niedrigster Belastung, besser ohne jede Belastung ausgeführt werden, da nach eingetretener Dehnung, wie wir wissen, jede Schädigung und Entfernung des Ganglions an sich Tonusfall bedingt. Dann nämlich dankt das Tier seinen höheren Tonus dem Zentrum, und muß beide zusammen einbüßen. Wir müssen das Gan- glion also in einem Zustande beeinflussen, in dem es normalerweise den Tonus mindert, also ehe Dehnung stattgefunden hat, wenn wir nicht etwas Selbstverständliches beweisen wollen“. Er brachte die normale Ciona und die zu kokainisierende in Verbindung mit leichten Hebeln und jede mit einem Gewicht von 18. Als er nun sehr leicht kokainisierte und die Resultate bei der normalen und der ver- gifteten Ciona miteinander verglich, sah er nach der elektrischen Reizung, daß der Tonus bei der letzteren sehr herabgesetzt war; am Ende des Expe- rimentes war das vergiftete Ganglion noch erregbar. Er schreibt weiter (S. 125): „Hatten wir jedoch das Ganglion wie zur Reaktionslosigkeit ver- giftet, so erzielten wir mit 18 Belastung des Hebels beim vergifteten noch gar keinen Zeigerfall.“ S. 125: „Diese Verhältnisse erklären die, wie wir schon andeuteten, festgestellte Zunahme der (reflektorischen) Reizbarkeit nach Kokaini- sierung des Ganglions: Verminderter Tonus bedingt stets (wie bei den anderen diesbezüglich untersuchten Tieren) gesteigerte Erreg- keit und umgekehrt. Daß es sich wirklich nicht um spezifische Ganglionwirkung auf die Erregbarkeit handelt, geht daraus hervor, daß Kokainisierung BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 123 der Peripherie die Reizbarkeit noch wesentlich mehr in die Höhe gehen läßt.“ I. Experimente mit Kokain. 9. Experiment. Ciona intestinalis Nr. 9. 23. XI. 07. Temp. 12-2°. 1. 12% 4°. Ich reize den oralen Sipho 6” lang; er antwortet sofort mit einer Kontraktion, die bis zu 55 %® ansteigt, hierauf rasch wieder sinkt und sich dann auf einer Höhe von 1°“ über dem anfänglichen Tonus erhält. Der aborale Sipho dagegen hat eine Kontraktionskurve ergeben, die etwa 15" unter den normalen Tonus gefallen ist. 2. 12% 9°. Reizung des aboralen Siphos, 16” lang; dieser antwortete mit einer Kontraktionskurve, die sich bis zu 1%” erhob und nach etwa 12” wieder auf den Nullpunkt herabging. Der orale Sipho dagegen hat mit einer Kontraktionskurve geantwortet, die bis zu einer Höhe von 27" an- stieg, dann allmählich herabging, aber den Nullpunkt nicht erreichte, weil sie sich während der ganzen Dauer des Experimentes etwa 3” über dem anfänglichen Tonus erhielt. / ! ! - [ - / } l Figg. 29, 30. 3. 12" 15°. Ich reize 14” lang den oralen Sipho, der sofort mit einer energischen Kontraktionskurve von 43 WM antwortet, die dann ganz allmäh- lich sinkt, und bis zum Ende des Experimentes 1°“ über dem ursprüng- lichen Tonus sich erhält. Der aborale Sipho dagegen ergab eine Kontrak- tionskurve, die kaum bis zu 6"%® anstieg und nach 15” den anfänglichen Nullpunkt wieder erreichte. (Fig. 29.) 4. 12% 24°. Reizung des aboralen Siphos, 11” lang; dieser Sipho ergab sofort eine Kontraktionskurve, die bis zu 19%" anstieg, dann ganz allmäh- lich wieder sank und sich bis zum Ende des Experimentes 1°% über der anfänglichen normalen Kurve erhielt. Der orale Sipho hingegen antwortete mit einer kleinen Kontraktionskurve von einer Höhe von 12", die dann allmählich sank, bis sie sich während der ganzen Dauer des Experimentes 5m über der anfänglichen normalen Kurve erhielt. (Fig. 30.) 12430’. Injektion von !/,,„° einer 2°/,igen Kokainchlorhydrat-Lösung in die Gegend des Ganglions. 5. 126 33°. Ich reize 10” lang den oralen Sipho, der sofort mit einer Kontraktionskurve von einer Höhe von 17" antwortet, die allmählich ab- 124 . OswAuD POoLIMANTT: steigt und sich dann, wenigstens solange das Experiment noch dauert, über dem anfänglichen normalen Tonus erhält. Der aborale Sipho ergab eine Kontraktionskurve, die nicht einmal die Höhe von 1”" erreichte und im ganzen 20” dauerte, worauf sie zum anfänglichen Tonus zurückkehrte. 6. 12h 44, Ich reize 9” lang den aboralen Sipho, der mit einer kaum 3m hohen und 5” dauernden Kontraktionskurve antwortet; diese Kurve sinkt dann allmählich unter den anfänglichen Tonus hinab, wenn auch nur wenig. Der orale Sipho dagegen ergab keine nenne sondern beinahe eine gerade Linie mit hier und da einer kleinen Erhebung, die nicht einmal eine Höhe von 1'"® erreichten. (Fig. 31.) 7. 12% 58. Der orale Sipho wurde 13” lang gereizt; seine Kontrak- tionskurve erhob sich bis zu einer Höhe von etwa 2m und blieb auf ihr während der ganzen Dauer des Experimentes. Der aborale Sipho dagegen ergab ei nach Beginn der Reizung eine Kontraktionskurve, die auch unter den ursprünglichen Tonus Binabsank. Fig. 32. 8. 1% 52”. Ich reize den oralen Sipho 8” lang; er ergibt eine Kon- traktionskurve, die bis zu 1"” ansteigt und während der ganzen Dauer des Experiments auf dieser Höhe bleibt. Die Kontraktionskurve des aboralen Siphos dagegen zeigte sofort nach Beginn der Reizung ein rasches Sinken bis unter den normalen Tonus. 9. 1% 55’. Der aborale Sipho wird 11” lang gereizt; er reagiert erst gegen die Mitte der Reizung durch eine kleine Kontraktionskurve, die kaum 5” dauert und eine Maximalhöhe von !/,®” erreicht. Der orale Sipho ergab auch gegen die Mitte der Reizung eine Kontraktionskurve, welche eine Maximalhöhe von 4” erreichte und sich während der ganzen Dauer des Experimentes auf dieser Höhe erhielt. (Fig. 32.) 11. Experiment. Ciona intestinalis Nr. 11. 24. XI. 07. Temp. 12°. 1. 10% 33° vorm. Mit dem gewöhnlichen Glasstäbehen wird der orale Sipho 11” lang gereizt; sofort antwortet er mit einer Kontraktion, welche eine Maximalhöhe von 45"=® erreicht und dann nach etwa !/, Minute zum Nullpunkt zurückkehrt. Der aborale Sipho hat eine negative Kontraktion ergeben, die 4" unter den Nullpunkt hinabgegangen und dann sofort nach Beendigung der Reizung zum normalen zurückgekehrt ist. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 125 2. 10% 37. Der aborale Sipho wird 16” lang mit dem gewöhnlichen Glasstäbehen gereizt; er reagiert sofort durch eine rasche Kontraktion, die fast unmittelbar zu einer Höhe von 16 ”"” ansteigt und erst nach etwa 2’ zum Nullpunkt zurückkehrt. Der orale Sipho ergab eine Kontraktionskurve, die ganz allmählich bis zu einer Höhe von 61”® anstieg und nach unge- fähr 2° zum Nullpunkt zurückkehrte. (Fig. 33.) Fig. 33. 10% 45. Ich injiziere 3 Tropfen einer 2°/,igen Kokainhydrochlorat- Lösung in die Gegend des Ganglions. 3. 10% 53’. Ich reize den oralen Sipho mit dem Glasstäbchen 13” lang; er antwortet sofort mit einer raschen Kontraktion, die ganz allmählich bis auf 35 %M ansteigt und nach etwa 3° zum Nullpunkt zurückkehrt. Auch der aborale Sipho hat durch eine Kontraktion reagiert, die eine Maximal- höhe von 7 =" erreicht; auch diese Kurve kehrte nach etwa 3’ zum Normal- punkt zurück. Figg. 34, 35. 4. 11" 3’. Ich reize 13” lang den aboralen Sipho, der erst nach Be- endigung der Reizung mit einer Kontraktion antwortet, die eine Höhe 'von kaum 3"Mm erreicht und nach etwa 1’ zum Nullpunkt zurückkehrt. Der orale Sipho dagegen hat fast gleich bei Beginn der Reizung durch eine Kontraktion reagiert, die eine Höhe von 35%% erreichte und nach ungefähr 2’ zum Nullpunkt zurückkehrte. (Fig. 34.) 126 : OswALD POLIMANTI: 5. 11% 11”. Ich reize den oralen Sipho 15 Sekunden lang; ungefähr gegen die Mitte der Reizung mit dem Glasstäbehen antwortet er mit einer Kontraktion, die eine Maximalhöhe von 13" erreicht und nach etwa 30” wieder auf den Nullpunkt herabsinkt. Der aborale Bipho dagegen ergab eine Kontraktion von kaum 2"® Höhe, die nach etwa 20” zum Nullpunkt zurückkehrte. (Fig. 35.) 21. Experiment. Ciona intestinalis Nr. 21. 27. XI. 07. Temp. 12-3. 1. 9% 12° vorm. Mit dem gewöhnlichen Glasstäbehen wird der orale Sipho 9” lang gereizt; er reagiert durch eine Kontraktionskurve, die rasch bis zu einer Höhe von 17%” ansties und während der ganzen Dauer des Experimentes darauf verblieb. Der aborale Sipho antwortete mit einer Kon- traktionskurve, die rasch eine Höhe von 8" erreichte und ebenfalls während der ganzen Dauer des Experimentes darauf verblieb. 2. 9% 15”. Der aborale Sipho wird 12” lang gereizt; er antwortet mit einer Kontraktionskurve, die ganz allmählich bis auf 10 %% ansteigt und während der ganzen Dauer des Experimentes auf dieser Höhe verbleibt. Auch der aborale Sipho ergab eine Kontraktionskurve, die langsam bis auf 14 wm stieg und während der ganzen übrigen Dauer des Experimentes auf dieser Höhe blieb. (Fig. 36). Fig. 86. Pie. 37. 9% 20°. Injektion von !/, „“” einer 2° Joigen Kokainhydrochlorat-Lösung in die Gegend des Ganglions. 3. gi 26. Der orale Sipho wird mechanisch 11” lang gereizt; er reagiert durch eine kleine Kontraktion, die kaum eine Höhe von 5" er- reicht und während der ganzen Dauer des Experiments darauf verbleibt. Der aborale Sipho dagegen antwortet mit einer Kontraktionskurve, die noch kleiner ist, da sie nur bis auf 3"® steist und bis zum Ende des Experi- ments auf dieser Höhe bleibt. 4. 9% 40°. Der aborale Sipho wird 12” lang gereizt; er ergibt eine Kontraktion, die sich ganz langsam bis zu einer Höhe von 3 %® erhebt und während der ganzen Dauer des Experiments auf ihr verbleibt. Der orale Sipho ergab eine kleine Kontraktionskurve von einer Höhe von 3 Tu, die jedoch nur 2” anhielt und sich, solange das Experiment fortgesetzt wurde, auf einer Höhe von 2” erhielt. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 127 5. 9447’. Der orale Sipho wird 12° lang gereizt und ergibt eine Kontraktion, die bis zu 3"@ ansteigt und während der ganzen Dauer des Experiments auf dieser Höhe bleibt; die Kontraktionskurve des aboralen Siphos erhob sich nur bis zu 2" und blieb auf dieser Höhe. (Fig. 37.) Diese drei Experimente, bei denen das Ganglion der Ciona intestinalis durch Kokain vergiftet wurde, ergeben für uns sehr wichtige Resultate. Was die Sensibilität des Tieres (Siphonen) anbelangt, so nimmt sie ohne Zweifel in allen Fällen allmählich ab, wie wir schon bei der früheren Reihe von Versuchen gesehen haben. Die Siphonen antworten auf den mecha- nischen Reiz mit einer viel kleineren Kontraktionskurve, nachdem das Gan- glion vergiftet worden ist. Um sich gerade von dieser Tatsache zu über- zeugen, braucht man nur die Protokolle über unsere Experimente durch- zulesen. Was sodann das Reagieren der beiden Siphonen auf den Reiz betrifft, so antwortet gewöhnlich immer derjenige besser, welcher gereizt wird, zuweilen aber der andere nicht gereizte, und das bestätigt, was wir in dieser Hinsicht gesehen haben. Ein sehr schönes Beispiel der raschen Erschöpfung der Erregbarkeit und des plötzlichen Eintretens der Ermüdung zeigt uns das 9. Experiment. Bei diesem Experiment und bei den dazu gegebenen Figuren kann man das rasche Eintreten der Ermüdung und die allmähliche Erschöpfung der Ciona gut verfolgen. Während nämlich der mechanische Reiz stets derselbe blieb, wurde die Antwort von seite der beiden Siphonen immer geringer, bis sie am Ende des Experimentes gleich Null wurde (Figg. 29, 30, 31, 32). Dies erklärt sich durch den Einfluß der Kokainvergiftung auf das Ganglion und auf die Nervenfasern. Was den Verlauf des „Tonus“ anbelangt bei der Ciona, deren Ganglion durch Kokain vergiftet wurde, so ist folgendes zu konstatieren: 1. Einige Male bleibt er auch nach der Vergiftung stationär (21. Exper., Fig. 36 und 37). 2. Zu anderen Malen erfährt er eine ganz leichte Erhöhung (9. Exper., Fig. 29 und 32). 3. Mitunter ist endlich die Zunahme des Tonus der Ciona nach der Vergiftung des Ganglions sehr groß; diese Zunahme tritt aber erst lange Zeit nach der Vergiftung des Ganglions’ein (11. Exper., Figg. 33, 34 und 35). Also ist der Tonus von der Erregbarkeit absolut unabhängig. Letztere wird nämlich, wie wir schon gesehen haben, nach der Vergiftung des Gan- glions durch das Kokain herabgesetzt, während der Tonus, wie wir ebenfalls gesehen haben, gleichzeitig erhöht oder vermindert sein oder stationär bleiben kann. Mithin sind zwei Faktoren absolut voneinander unabhängig und der eine hat nichts mit dem andern zu schaffen; es besteht also keine Be- ziehung zwischen Tonus und Reizbarkeit, wie Jordan behauptet. Also 128 j Oswaup POLIMANTI: hat das Ganglion einen direkten und sehr starken Einfluß auf die Reizbarkeit der Siphonen, weil, wenn ersteres durch das Kokain ausgeschieden ist, die Reizbarkeit bedeutend abnimmt. Kurz, es fehlt dann das Zentrum, das als Bahnung für die mechanischen Reize dient, die auf die Siphonen ausgeübt werden. Was den Einfluß des Ganglions auf den Tonus betrifft, so bleibt letzterer stationär und erleidet keine Veränderung, wenn die Kokainisierung des Ganglions sehr stark war (21. Exper.). Gleich- zeitig ist auch die Reizbarkeit herabgesetzt. War dagegen die Kokainisierung mehr oder weniger leicht, so tritt eine mehr oder weniger starke Erhöhung des Tonus ein; gleichzeitig ist jedoch die Reizbarkeit konstant mehr oder weniger herabgesetzt. Kurz, in diesem Falle hat sich der Einfluß des Gan- glions auf den Tonus mehr oder minder stark fühlbar gemacht und seine Wirkung war noch zum Teil eine lebhafte und äußerte sich augenfällig. Mithin hat das Ganglion, wenn es mehr oder weniger funktioniert, einen erheblichen Einfluß auf den Tonus der Ciona, indem es ihn stets auf einer größeren oder geringeren Höhe hält (gleichzeitig ist aber sein Einfluß auf die Reizbarkeit der Siphonen mehr oder minder gleich Null, da die Erreg- barkeit der letzteren in höherem oder geringerem Grade herabgesetzt ist). Gehen wir nun dazu über zu untersuchen, welchen Einfluß auf den Tonus alle anderen Alkaloide haben, die, wie wir schon gesehen haben, wenn sie ins Ganglion injiziert werden, die Eigenschaft besitzen, die Reizbarkeit der Siphonen zu erhöhen. Zu dieser 'Schlußfolgerung gelangte ich bei Ver- wendung der graphischen Methode, wovon man sich durch Betrachtung unserer Kurven und gleichzeitiges Durchlesen unserer Protokolle überzeugen kann. Ich führe nun in Kürze die anderen Resultate meiner Experimente an. U. Experimente mit Chinin. 7. Experiment. Ciona intestinalis Nr. 7. 22. XI. 07. Temp. 11-7°. 1. 8% 47’ vorm. Ich reize 9” lang den oralen Sipho, der durch eine Kontraktion reagiert, welche sofort bis zu einer Höhe von 14"”® ansteigt und dann allmählich wieder sinkt, bis sie während der ganzen Dauer des Experiments konstant auf 7%% verbleibt. Der aborale Sipho reagiert gar nicht auf den Reiz. (Fig. 38.) 2. 8% 58°. Der aborale Sipho wird 13” lang gereizt; er verhielt sich aber vollständig unempfindlich gegen den Reiz, wie beim vorigen Experi- ment, während der orale Sipho eine Kontraktionskurve von 5!/,"” ergab, die dann während der ganzen Dauer des Experiments konstant auf 3 "m stehen blieb. 9 5°. Injektion von !/,,°® einer 2°/,igen Lösung von Chininhydro- chlorat. 3. 9% 25°, Ich reize den oralen Sipho 10” lang; er antwortet sofort mit einer Kontraktionskurve, die allmählich bis auf 14 ®® ansteigt und dann BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 129 während der ganzen Dauer des Experiments konstant auf 7m verbleibt. Der aborale Sipho ergab eine kleine Kontraktion von einer Höhe von 2 um, die dann fast immer konstant während der ganzen Dauer des Experiments auf dieser Höhe blieb. (Fig. 39.) 4. 9% 35°. Ich reize den aboralen Sipho 10” lang; er antwortet mit einer Kontraktionskurve, die bis zu 8” ansteigt und am Ende des Experi- mentes noch eine Höhe von 3” zeigt. Der orale Sipho dagegen ergibt eine energischere Kontraktionskurve, die bis zu 11” ansteigt und dann konstant auf 8%% verbleibt. 7 an. XLOr. Fig. 38. Fig. 39. 5. 9% 36. Der orale Sipho wird 10” lang gereizt und ergibt eine kleine Kontraktionskurve, die ganz allmählich bis auf 15 "" ansteigt und während der ganzen Dauer des Experiments konstant auf 12” verbleibt. Der aborale Sipho ergibt eine bis zu 4" ansteigende Kontraktionskurve, die während der ganzen Dauer des Experiments stationär auf 2 um verbleibt. 6. 9% 38°. Der aborale Sipho wird 9” lang gereizt; er antwortet sofort mit einer Kontraktion, die bis zu 7" ansteigt und während der ganzen Dauer des Experimentes auf diesem Punkte stehen bleibt. Der orale Sipho dagegen ergibt eine Kontraktionskurve, die bis auf 17.”” ansteigt und während der ganzen Dauer des Experimentes auf dieser Höhe bleibt. Aus diesem Experiment schließe ich, daß das Chinin eine leicht er- regende Wirkung auf das Ganglion von Ciona intestinalis und folglich auf ihre Siphonen ausübt. 13./14. Experiment. Ciona intestinalis Nr. 13. 24. XI. 07. Temp. 12°. 1. 2% 41° nachm. Der orale Sipho wird 9” lang gereizt; er ergibt eine Kontraktion, welehe die Maximalhöhe von 6” erreicht und 10” dauert. Der aborale Sipho hat gar nicht auf den Reiz reagiert. 2. 2841. Der orale Sipho wird 9” lang gereizt; er antwortet mit einer Kurve, die rasch bis zu einer Höhe von 49 =” ansteigt und dann kon- stant auf der Höhe von 5" verbleibt. Der aborale Sipho ergibt eine Kon- Archiv f£. A.u.Ph, 1910, Physiol. Abtlg. Suppl. te) 130 OswAup POLIMANTI: traktionskurve, die ganz allmählich bis zu 5” ansteigt, auf welchem Punkte sie während der ganzen Dauer des Experimentes verbleibt. 3. 21. 49°, Ich reize den aboralen Sipho 9” lang; seine Kurve erhebt sich ganz langsam bis zu A!/, =" und verbleibt während der ganzen Dauer des Experimentes auf dieser Höhe. Der orale Sipho ergab eine Kontrak- tionshöhe, die bis zu 5!/, ”® anstieg und 12” dauerte. (Fig. 40.) Fig. 40. Fig. 41. 4. 2b 54°. Der aborale Sipho wird 10” lang gereizt; er ergibt eine Kontraktionskurve, die allmählich bis zu 15 “® ansteigt und sich dann kon- stant auf 4uwm erhält. Der orale Sipho dagegen ergab eine höhere Kon- traktionskurve, denn sie steigt bis auf 17" und dauerte im ganzen 50”. (Fig. 41.) 2459”. Injektion von !/„“ der Chininhydrochloratlösung in die Gegend des Ganglions. Fig. 42. 5. 3b 5°, Der orale Sipho wird 9” lang gereizt; er antwortet mit 4 Kontraktionskurven, die aufeinanderfolgen, eine Höhe von 20 bzw. 32, 15 und 20" erreichen, indem sie immer die Abszisse mehr oder weniger berühren, und eine jede etwa 15” dauern. Der aborale Sipho hat gar nicht reagiert. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 131 6. 38 12°. Der aborale Sipho wird 11” lang gereizt; er antwortet mit einer Kontraktionskurve, die eine Höhe von 9“" erreicht und während der ganzen Dauer des Experimentes konstant auf einer Höhe von 7 "= verbleibt. Der orale Sipho dagegen antwortet mit einer Kontraktionskurve, die 28 "= erreicht und, indem sie immer leicht aufwärts und abwärts zieht, endlich fast immer konstant auf 16%" verbleibt. (Fig. 42.) 7. 3b. Ich reize den oralen Sipho 11” lang; er ergibt eine Kontrak- tionskurve, die allmählich zur Höhe von 20 "” ansteigt und dann fast immer konstant während der ganzen Dauer des Experimentes auf 10 %% verbleibt. Der aborale Sipho dagegen ist ganz unempfindlich geblieben. Aus diesem Experiment schließe ich, daß das Chinin auf das Gan- slion von Ciona intestinalis und mithin auf ihre Siphonen eine leicht er- regende Wirkung ausübt. 19. Experiment. Ciona intestinalis Nr. 19. 26. XI. 07. Temp. 14-5°. 1. 2% 47’ nachm. - Ich reize 17” lang den oralen Sipho, der sofort mit einer Kontraktionskurve antwortet, die etwa 50” dauert und die Maximal- höhe von 15”® erreicht. Der aborale Sipho hat auf diesen Reiz gar nicht reagiert. 2. 26 59°. Ich reize den aboralen Sipho 16” lang; er reagiert gar nicht auf den Reiz, während der orale Sipho eine Kontraktionskurve ergibt, die sich fast immer auf einer Höhe von 11%” erhält und fast 40” dauert. 2% 57°. Injektion von !/,, °® einer 2°/,igen Lösung von Chininhydro- chlorat. 3. 3h 14°. Reizung des oralen Siphos, die 16” dauert; er antwortet mit einer sehr langen Kontraktionskurve, die sich fast immer auf einer Höhe von 16m erhält und eine Gesamtdauer von etwa 2’ hat. Der aborale Sipho hat auch diesmal gar nicht reagiert. 4. 34 22. Der aborale Sipho wird 14” lang gereizt; er antwortet mit einer sehr kleinen Kontraktionskurve, die 1” hoch ist und etwa 2” dauert. Der orale Sipho dagegen ergibt eine Kontraktionskurve von einer Maximal- höhe von 8=m und einer Dauer von etwa 10”. 5. 3b 30°. Ich reize den oralen Sipho 13” lang; seine Kurve steigt fast sofort an und erreicht eine Höhe von 12"; auf dieser Höhe verbleibt sie etwa 20” und fällt dann rasch auf den Nullpunkt. Aus diesem Experiment schließe ich, daß das Chinin eine leicht er- regende Wirkung auf das Ganglion von Ciona intestinalis und demzufolge auch auf ihre Siphonen ausübt. 23. Experiment. Ciona intestinalis Nr. 23. 27. XI. 07. Temp. 12-5°. 1. 1 50° nachm.. Der aborale Sipho wird 13” lang gereizt; er ergibt eine Kontraktionskurve von einer Höhe von 5"", die beim Ende des Experi- mentes auf einer Höhe von 4“ geblieben ist. Der orale Sipho hingegen ergab eine 12m hohe Kontraktionskurve, die auf der Höhe von 7” blieb. 2. 12 55°. Ich reize den oralen Sipho 8” lang; er antwortet mit einer 20mm hohen Kontraktionskurve, die am Ende des Experimentes auf 3” 9* 132 OswALD POLIMANTI: gesunken war. Der aborale Sipho dagegen ergab eine 11" hohe Kon- traktionskurve, die am Ende des Experimentes auf 5"" gesunken war. 3. 1° 57°. Reizung des aboralen Siphos, die 10” dauert; sie ergab eine Kontraktionskurve von einer Höhe von 11", die am Ende des Experi- mentes auf 4"" sank. Der orale Sipho dagegen ergab eine Kontraktion, die 11 ®® hoch war und am Ende des Experimentes eine Höhe von 5" beibehielt. (Fig. 43.) 2% 5°. Injektion von !/,,°® einer Lösung von Chininhydrochlorat in die Gegend des Ganglions. 4. 2% 19%. Ich reize 10” lang den oralen Sipho, der eine 12" hohe Kontraktionskurve ergibt, die dann am Ende des Experimentes auf einer Höhe von 6" blieb. Die Kontraktionskurve des aboralen Siphos war 10 = hoch und am Ende des Experimentes auf A" sefallen. 5. 2% 27°. Der aborale Sipho wird 9” lang gereizt; er ergibt eine Kontraktionskurve, die 15"m hoch ist und am Ende des Experimentes noch eine Höhe von 4m zeigt. Der orale Sipho dagegen ergab eine Kontrak- tionskurve von einer Höhe von 13"®, die am Ende des Experimentes auf 6m sesunken war. 6. 26 34°. Der orale Sipho wird 20” lang gereizt; er antwortet‘ mit einer 18m hohen Kontraktionskurve, die während der ganzen Dauer des Experimentes auf einer Höhe von 16 "“ verblieb. Der aborale Sipho ergab ebenso wie der orale eine Kontraktionskurve, die stufenförmig anstieg und eine Höhe von 13” erreichte, auf der sie während der ganzen Dauer des Experimentes verblieb. (Fig. 44.) 7. 25 40. Der aborale Sipho wird 11” lang gereizt. Beide Siphonen ergeben jeder eine Kontraktionskurve, die ganz allmählich bis zu einer Höhe von 12 "m ansteigen, dann leicht absteigen und sich während der ganzen Dauer des Experimentes auf einer Höhe von 10" erhalten. Aus diesem Experiment schließe ich, daß das Chinin einen leicht er- regenden Einfluß auf das Ganglion von Ciona intestinalis und mithin auch auf die Erregbarkeit ihrer Siphonen ausübt. Dieses Experiment beweist BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 133 außerdem, daß das Chinin imstande ist, den Tonus der Siphonen sehr hoch zu erhalten. Aus unseren Protokollen und Figuren ergibt sich ganz klar, daß das Chinin einen großen Einfluß ausübt, wenn es ins Ganglion injiziert wird, und zwar indem es nicht nur die Reizbarkeit der Siphonen erhöht (dies “ bestätigt, was wir oben bei anderen Experimenten angeführt haben), son- dern auch den Tonus des Tieres sehr erhöht. Die Kontraktionskurven zeigen vor und nach der Anbringung des Chinins im Ganglion groBe Unter- schied. Die Siphonen antworten nämlich auf jeden mechanischen Reiz, der sie trifft, nicht nur mit einer höheren Kontraktionskurve, sondern auch der Tonus steigt von neuem, sobald das Chinin mit dem Ganglion in Be- rührung gebracht wird, sogar lange Zeit nach Vornahme der Injektion. Die Kontraktionskurve der Siphonen bleibt stets abnorm hoch und erreicht nie die Abszisse, wie beim Beginn des Experiments. Ill. Experimente mit Curare. 5. Experiment. Ciona intestinalis Nr. 5. 20. XI. 07. Temp. 12-1. 2. 2% 29° nachm. Der orale Sipho wird 10” lang gereizt; er ant- wortet sofort mit einer Kontraktionskurve, die bis zu 12"” ansteigt und dann nach fast 1” zum Nullpunkt zurückkehrt. Der aborale Sipho dagegen reagiert gar nicht auf den Reiz. 2. 2% 40. Der aborale Sipho wird 15” lang. gereizt; er antwortet sofort mit einer Kontraktionskurve, die rasch auf 5" steigt und dann allmählich heruntergeht, bis sie nach etwa 45” den Nullpunkt erreicht. Der orale Sipho dagegen hat eine energischere Kontraktionskurve ergeben, da sie sofort bis zu 13” anstieg; dann sank sie allmählich um einige Milli- meter, blieb hierauf etwa 30” lang auf einer Höhe von 8” und kehrte rasch zum Nullpunkt zurück. 3. 2% 47’. Der orale Sipho wird 12” lang gereizt; er antwortet sofort mit einer Kontraktion, die rasch bis zu 43%" ansteigt und allmählich nach etwa 2° zum Nullpunkt zurückkehrt. Der aborale Sipho hat gar nicht auf den Reiz reagiert. 2% 51°. Injektion von !/,, °” einer Curarelösung in die Gegend des Ganglions. 4. 36 3°. Ich reize 9” lang den oralen Sipho, der mit einer 5" hohen Kurve antwortet, welche etwa 2° nach Beginn der Reizung zum Nullpunkt zurückkehrt. Der aborale Sipho hat gar nicht auf den Reiz reagiert. 5. 34 9, Der aborale Sipho wird 15” lang gereizt, ergab aber eine sehr geringe Kontraktion, die kaum eine Höhe von 3" erreichte und etwa 30” dauerte. Der orale Sipho dagegen ergab eine Kontraktionskurve, welche bis zu 21” anstieg und etwa 80” dauerte. 6. 32.21”. Ich reize den oralen Sipho 10” lang. Seine Kontraktions- kurve erreichte die Höhe von’43""”, sank nach etwa 1’ auf 27%” und 134 OswAup POLIMANTI: kehrte dann allmählich zum Nullpunkt zurück; sie hatte eine Dauer von 31/5 Minuten. Der aborale Sipho hat gar nicht reagiert. . 36 36°. Ich reize 10” lang den aboralen Sipho, der eine Kontrak- BE ehe ergibt, die rasch bis zu 5" ansteigt und dann ganz allmählich sinkt; sie hat ungefähr 30” gedauert. Der orale Sipho ergab ebenfalls eine Kontraktionskurve, die bis zu 16%” anstieg und dann allmählich zum Null- punkt zurückkehrte; sie dauerte ungefähr 1 Minute. 8. 34 40”. Der orale Sipho wird 12” lang gereizt; während der aborale Sipho gar nicht reagierte, ergab der orale eine schöne Kontraktionskurve, die bis zu 30 WM anstieg und ungefähr zwei Minuten dauerte. Aus diesem Experiment schließe ich, daß das Curare eine ausgesprochene erregende Wirkung auf das Ganglion von Ciona intestinalis und mithin auch auf ihre Siphonen ausübt. 10. Experiment. Ciona intestinalis Nr. 10. 23.XI. 07. Temp. 12-4. 1. 3b 24” nachm. Ich reize 10 Sekunden lang den oralen Sipho, der sofort mit einer 4% hohen Kontraktion antwortet, die dann nach etwa 15” zum Nullpunkt zurückkehrt. Der aborale Sipho hat eine Kontraktionskurve ergeben, die zuerst auf 3", hierauf fast unmittelbar auf 16" anstieg und auf dieser Höhe während der ganzen Dauer des Experimentes verblieb. 2. 3b 31°. Der aborale Sipho wird 8” lang gereizt; er antwortet mit einer Kontraktionskurve, die ganz allmählich bis auf 18”"" ansteigt und während der ganzen Dauer des Experimentes auf dieser Höhe verbleibt. Der orale Sipho dagegen hat mit einer kleinen Kontraktionskurve geant- wortet, die kaum eine Höhe von 5m erreichte und dann allmählich wieder sank; sie dauerte ungefähr 10 Sekunden. 3. 3b 34°. Der orale Sipho wird 8” lang gereizt; er antwortet mit einer Kontraktionskurve, die rasch bis zu einer Höhe von 18"%® ansteigt und dann nach ungefähr 1 Minute wieder zum Nullpunkt zurückkehrt. Der aborale Sipho ergab eine Kontraktionskurve, die rasch eine Höhe von 37“%% erreichte, dann langsam sank und sich während der ganzen Dauer ERNEUT des Experimentes auf einer Höhe von 2 mu Fig. 45. erhielt. (Fig. 45.) 34 38°. Injektion von !/,, °°® einer 2 °/,igen Curarelösung in die Gegend des Ganglions. 4. 3% 53°. Der orale Sipho wird 6” lang gereizt; er ergab sofort eine Kontraktionskurve, welehe die Maximalhöhe von 16” erreichte und dann allmählich wieder auf den Nullpunkt sank. Auch der aborale Sipho ergab eine rasche Kontraktionskurve, die bis auf 46" stieg und dann allmählich sank, aber sich während der ganzen Dauer des Experimentes auf einer Höhe von y mm erhielt. 5. 3% 56°. Reizung des aboralen Siphos, 8” lang; er antwortet sofort mit einer raschen Kontraktionskurve, die 38m erreicht, dann leicht sinkt, BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 135 aber sich während der ganzen Dauer des Experimentes, wenigstens solange dieses fortgesetzt werden konnte, auf einer Höhe von 1%” erhielt. Der orale Sipho ergab eine Kontraktionskurve, die eine Höhe von 15% er- reichte und dann allmählich zum Nullpunkt nach einer Dauer von etwa 50” zurückkehrte. 6. 3% 59°. Ich reize den oralen Sipho 19” lang; es folgt eine Kon- traktionskurve, die sofort eine Höhe von 8" erreicht, 4” auf dieser Höhe bleibt und dann sofort auf 23 =" steigt; dann kehrt sie allmählich zum Nullpunkt zurück. Der aborale Sipho ergibt eine Kontraktionskurve, die eine Höhe von 18”" erreicht, auf diesem Punkt etwa 5” verweilt und dann rasch bis zu 34"M ansteigt: hierauf sinkt sie langsam, um bis zum Ende des Experimentes auf einer Höhe von 2""® zu bleiben. (Fig. 46.) Figg. 46, 47. 7. 42 5°. Ich reize den aboralen Sipho 17” lang; er antwortet sofort mit einer Kontraktionskurve, die bis zu 46% ansteigt und dann langsam wieder sinkt, um sich am Ende des Experimentes auf einer Höhe von 25 um zu erhalten. Der orale Sipho reagiert durch eine 43 @® hohe Kontraktions- kurve, die dann nach einer Dauer von ungefähr 1 Minute den Nullpunkt erreicht. (Fig. 47.) Aus diesem Experiment schließe ich, daß das Curare eine stark er- regende Wirkung auf das Ganglion von Ciona intestinalis und folglich auch auf die Erregbarkeit der Siphonen ausübt. 18. Experiment. Ciona intestinalis Nr. 18. 26.XI. 07. Temp. 142°. 1. 11% 55° vorm. Der orale Sipho wird 12” lang gereizt; er antwortet mit einer 13=" hohen Kontraktionskurve, die nach etwa 30” zum Null- punkt zurückkehrt. Der aborale Sipho dagegen hat keine Antwort gegeben. (Fig. 48.) 2. 11% 58°. Ich reize den aboralen Sipho 12” lang; er antwortet mit einer 3” hohen Kontraktion, die dann rasch immer mehr abnimmt; der orale Sipho dagegen antwortet mit einer 25% hohen Kontraktion, die nach und nach sinkt, bis sie bis zum Ende des Experimentes auf einer Höhe von 12m verbleibt. 136 OswALD POLIMANTI: 12% 3°. Injektion von !/,,°® einer Curarelösung in die Gegend des Ganglions. 3. 12% 25°. Der orale Sipho wird 12” lang gereizt; er reagiert durch eine Kontraktion, die rasch bis auf 32 "m ansteigt und dann bis zum Ende des Experimentes auf einer Höhe von 12”” verbleibt. Der aborale Sipho hat gar nicht reagiert. (Fig. 49.) lan 18 xl 1y8 4. 12% 30°. Der aborale Sipho wird 20” lang gereizt; er antwortet mit einer 3% hohen Kontraktionskurve, die ganz allmählich wieder auf den Nullpunkt sinkt. Der aborale Sipho hat eine 34 “= hohe Kontraktions- kurve ergeben, die dann allmählich sehr langsam fiel und am Ende des Experimentes auf einer Höhe von 18" verblieb. Fig. 50. Fig. 51. 5. 12% 48°. Ich reize 9” lang den oralen Sipho, der sofort nach der Reizung mit einer 16”® hohen Kontraktion antwortet, die dann allmählich langsam gesunken ist, um bis zum Ende des Experimentes auf einer Höhe von 5”M zu verbleiben. Auch der aborale Sipho hat gleich mit einer 6 wm hohen Kontraktionskurve geantwortet, die sich während der ganzen Dauer des Experimentes auf 5" Höhe erhalten hat. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 137 6. 12" 54°. Reizung des aboralen Siphos, die 13” dauert; er antwortet mit einer 16”"" hohen Kontraktion, die am Ende des Experimentes auf einer Höhe von 7”== verbleibt. Der orale Sipho ergab eine 11" hohe Kontraktion, die am Ende des Experimentes ebenfalls auf einer Höhe von za verblieb. 7. 1% 5. Reizung des Mantels längs des aboralen Siphos, 50” lang. Der aborale Sipho ergab eine Kontraktionskurve, die ganz allmählich an- stieg, bis sie am Ende des Experimentes auf einer Höhe von 5%” verblieb; der orale Sipho hingegen reagierte gar nicht. (Fig. 50.) 8. 14 15°. Der orale Sipho wird 20” lang gereizt; er antwortet mit einer 15"M hohen Kontraktionskurve, die am Ende des Experimentes auf mm gesunken war. Der aborale Sipho dagegen antwortet mit einer Kon- traktionskurve von 9"” Höhe, die am Ende des Experimentes auf einer Höhe von 4" verblieb. 9. 121”. Ich reize den aboralen Sipho und leicht auch den oralen 6” lang. Der orale antwortet mit einer 21 ”® hohen Kontraktion, der aborale mit einer 22 "m hohen Kurve. Beide verblieben am Ende des Experimentes auf einer Höhe von 20", (Fig. 51.) Aus diesem Experiment schließe ich, daß das Curare eine leichte er- regende Wirkung auf das Ganglion von Ciona intestinalis und folglich auch auf ihre Siphonen ausübt. Ferner ergibt die längs des Mantels eines der Siphonen ausgeübte Reizung eine Kontraktionskurve, die ganz langsam all- mählich ansteigt. Werden beide Siphonen mehr oder minder gleichzeitig gereizt, so werden die Kurven ihrer Kontraktion fast gleich. 24. Experiment. Ciona intestinalis Nr. 24. 27.XI. 07. Temp.12:5°. 1. 32 20° nachm. Ich reize den oralen Sipho 13” lang; er ergibt eine 11” hohe Kontraktionskurve, die am Ende des Experimentes noch 4” hoch ist. Der aborale Sipho ergibt wie der orale eine Kontraktionskurve; Figg. 52, 53. sie ist bis zu einer Höhe von 13” gestiegen, erhält sich etwa 10” auf dieser Höhe und sinkt dann ganz allmählich. 2. 3%. 24°. Der orale Sipho wird 12” lang gereizt; er ergibt eine 11" hohe Kontraktionskurve, die dann langsam nach etwa 30” wieder zum Null- 138 OswALD POLIMANTI: punkt zurückkehrt. Der orale Sipho dagegen hat eine Kontraktionskurve ergeben, die kaum bis zu 3”” angestiegen ist und während der ganzen Dauer des Experimentes auf dieser Höhe verbleibt. (Fig. 52.) 3" 28°. Injektion von !/,,°® einer Curarelösung in die Gegend des Ganglions. 3. 36 54°. Der orale Sipho wird 20” lang gereizt; er antwortet mit einer Kontraktionskurve, die während der ganzen Zeit der Reizung fort- dauert und eine Höhe von 20%” erreicht. Der aborale Sipho ergab eine Kontraktionskurve, die rasch bis zu 21” anstieg und dann ganz allmählich sank, bis sie nach etwa 70” den Nullpunkt wieder erreichte. (Fig. 53.) 4. 4h 2°. Reizung des aboralen Siphos: Dauer 22”; gleich nach Beginn der Reizung ergibt letzterer eine Kontraktionskurve, die rasch bis zu 15 m“ ansteigt und dann langsam wieder bis zum Nullpunkt herabgeht. Der orale Sipho dagegen hat gar nicht reagiert. 5. 4" 7’. Der orale Sipho wird 18” lang gereizt; sofort nach Beginn der Reizung steigt seine Kontraktionskurve bis auf 15", fällt sofort nach Beendigung der Reizung auf 9" und verbleibt während der ganzen Dauer des Experimentes auf dieser Höhe. Der aborale Sipho hat gar nicht reagiert. 6. 44 13°. Ich reize den aboralen Sipho 15” lang. Keiner der beiden Siphonen hat eine Antwort gegeben. Die Ciona ist vollständig. zusammen- geschrumpft. Aus diesem Experiment schließe ich, daß das Curare eine leicht er- regende Wirkung auf das Ganglion von Ciona intestinalis und mithin auch auf ihre Siphonen ausübt, daß aber diese Erregung rasch wieder ver- schwindet. Auch das in die Gegend des Ganglions injizierte Curare hat, wie das Chinin, eine starke erregende Wirkung auf die Reizbarkeit der Siphonen ausgeübt, was die frühere Reihe von Experimenten bestätigt. Diese Reiz- barkeit nimmt jedoch zuweilen (24. Exper.) rasch ab, während sie in anderen Fällen wieder stets hoch bleibt, auch lange Zeit nach Vornahme der In- jektion. Gleichzeitig mit der Reizbarkeit ist auch der Tonus sehr erhöht und man kann sagen, daß er gleichen Schritt mit ihr hält. Reizt man den Mantel, so ist die Reizbarkeit fast gleich Null, weil die Kontraktion eine sehr kleine Kurve ergibt. Reizt man gleichzeitig die beiden Siphonen, so antworten beide gut mit einer Kurve von der gleichen Höhe. Endlich ist noch zu bemerken, und dies gilt für alle Vergiftungen des Gan- glions, daß der Typus der Kontraktionskurven der Siphonen stets vom An- fang bis zum Ende des Experiments gleich bleibt, mag das Ganglion ver- eiftet sein oder nicht. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 139 IV. Experimente mit Morphium. 6. Experiment. Ciona intestinalis Nr. 6. 20. XI. 07. Temp. 12°. 1. 42 15° nachm. Der orale Sipho wird 6” lang gereizt; während der aborale Sipho gar nicht auf den Reiz reagiert, ergibt der orale eine Kurve, die bis zu einer Höhe von 30 == ansteigt und etwa 50” andauert. (Fig. 54.) 2. 4% 20”. Der aborale Sipho wird 16” lang gereizt; beide Kontrak- tionskurven haben eine Höhe von 3%” erreicht und haben fast gleiche Zeit, nämlich etwa 20”, gedauert. 3. 3% 25°. Ich reize den aboralen Sipho 10” lang; er antwortet sofort mit einer 1%” hohen Kontraktionskurve, die 4” dauert, während der orale Sipho gar nicht auf den Reiz reagiert. 4% 26°. Injektion von !/,„°® einer Lösung von Morphiumhydrochlorat in die Gegend des Ganglions. 4. 4b 35°. Ich reize den oralen Sipho 15” lang; er antwortet sofort mit einer raschen Kontraktion, die bis zu 50=® ansteigt und 45” dauert; Fig. 54. Figg. 55, 56. der aborale Sipho hat eine Kontraktionskurve ergeben, die rasch eine Höhe von 4%M erreichte und während der ganzen Dauer des Experimentes auf dieser Höhe verblieb. (Fig. 55.) 5. 4" 39. Der aborale Sipho wird 6” lang gereizt; er ergibt wie beim vorigen Experiment eine 4%@ hohe Kontraktionskurve, die während der ganzen Dauer des Experimentes auf dieser Höhe verbleibt; der orale Sipho dagegen hat eine 23”m hohe Kontraktionskurve ergeben, die ungefähr 40” gedauert hat. (Fig. 56.) 6. Ah 43°. Der orale Sipho wird 12” lang gereizt; der aborale hat gar nicht reagiert, der orale aber hat eine 11" hohe Kontraktionskurve er- geben, die 30” gedauert hat. 7. 4" 46°. Reizung des aboralen Siphos: Dauer 5”; er antwortet mit einer Kontraktionskurve, die während der ganzen Dauer des Experimentes konstant auf einer Höhe von A4"" verbleibt. Der orale Sipho ergibt eine 140 OSWALD POLIMANTI: Kontraktionskurve von einer Maximalhöhe von 30"=, die 30” dauert. (Fig. 57.) Aus diesem Experiment schließe ich, daß das Morphium anfangs eine erregende Wirkung auf das Ganglion von Ciona intestinalis ausübt, welche Wirkung dann aber allmählich immer mehr abnimmt und verschwindet. 12. Experiment. Ciona intestinalis Nr. 12. 24. XI. 07. Temp. 12°. 1. 12% 5° mittags. Der orale Sipho wird 14” lang mit dem gewöhn- lichen Glasstäbehen gereizt; er ergibt sofort eine Kontraktionskurve, die bis auf 34®m steigt; nach etwa 1” hat der Tonus derart abgenommen, daß sie unter den Nullpunkt herabgeht. Der aborale Sipho hat während der ganzen Dauer dieser Reizung nicht reagiert, und erst 10” nach Beendigung der letzteren ist seine Kontraktionskurve weit unter die Abszisse herabgegangen, auf welchem Punkt sie während der ganzen Dauer des Experimentes ver- blieben ist. Fig. 57. Fig. 58. 2. 12% 55°. Der aborale Sipho wird 10” lang gereizt; er antwortet sofort mit einer Kontraktionskurve, die bis zu einer Höhe von 10%® an- steigt und nach etwa 15” wieder bis auf den Nullpunkt sinkt; gleichzeitig reagiert der orale Sipho durch eine Kontraktionskurve, die eine Maximal- höhe von 25”® erreicht und dann ganz allmählich wieder auf den Null- punkt zurückgeht; vom Beginn bis zum Ende dauerte sie etwa 2’. (Fig. 58.) 3. 184. Der orale Sipho wird 8” lang mit dem gewöhnlichen Glas- stäbchen gereizt; er antwortet mit einer sehr schönen Kontraktion, die bis zu einer Höhe von 55 "” ansteigt; während dieser Anstieg rasch erfolgte, ge- schah der Abstieg dagegen sehr langsam und vollständig bis zum anfänglichen Tonus, den sie beibehielt. Der aborale Sipho ergab eine kleine Kontrak- tionskurve von einer Maximalhöhe von 11””%, deren Tonus am Ende des Experimentes der gleiche wie am Anfang desselben war. Die Dauer der beiden Kurven betrug nicht ganz 2 Minuten. 1% 7°. Injektion von !/,„“® einer 2°/,igen Lösung von Mor- phiumbydrochlorat. Die Injektion erfolgte ins Ganglion und in seine Um- gebung. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 4. 1% 24°. Ich reize den oralen Sipho 9” lang mit dem Glasstäbchen; er antwortet sofort mit einer Kurve, die rasch bis auf 50 “M ansteigt und dann ganz allmählich sinkt, bis sie den Null- punkt erreicht, und indem sie den anfänglichen Tonus beibehält; die Dauer der Kurve betrug ungefähr 3 Minuten. Der aborale Sipho re- agierte ebenfalls durch eine Kurve, welche eine Höhe von 10” erreichte und dann ganz all- mählich auf den Nullpunkt herabsank. Im ganzen betrug ihre Dauer etwas mehr als 1 Mi- nute. (Fig. 59.) 5. 1% 36°. Der aborale Sipho wird 14 lang gereizt; er antwortet sofort mit einer Kontraktionskurve, die eine Höhe von 7 "m erreicht; nachdem sie auf den Nullpunkt ge- sunken ist, hat sie den anfänglichen Tonus beibehalten; ihre Dauer betrug ungefähr 1 Mi- nute. Der orale Sipho ergab eine Kurve, die rasch bis zu 21% anstieg und dann ganz all- mählich sank; als sie den Nullpunkt erreichte, behielt sie den anfänglichen Tonus bei; ihre Gesamtdauer betrug wenig mehr als 1 Minute. (Fig. 60.) 6. 1". 40°. Der orale Sipho wird 7” lang gereizt; er antwortet sofort mit einer Kurve, die rasch bis zu einer Höhe von 40 "” ansteigt und dann ganz allmählich bis auf Null sinkt; auf diesem Punkte angelangt, behält sie den nämlichen Tonus wie im Anfang bei. Der ab- orale Sipho antwortete fast augenblicklich mit einer Kontraktionskurve, die eine Höhe von 6 mm erreichte, sich fast immer auf derselben Höhe erhielt und nach etwa 1 Minute den Null- punkt erreichte; sie ging nicht unter den an- fänglichen Tonus hinunter. (Fig. 61.) Aus diesem Experiment schließe ich, daß das Morphium eine leicht herabsetzende Wir- kung auf das Ganglion von Ciona intestinalis ausübt und daß demzufolge auch die Reizbar- keit der Siphonen beträchtlich abnimmt. 20. Experiment. Ciona intestinalis Nr.20. 26..Xx1. 07. "Temp. 12%. 1. 345’ nachm. Ich reize den oralen Sipho 14” lang; er antwortet mit einer Kon- traktionskurve, die eine Maximalhöhe von SW" erreicht und etwa 8” dauert, worauf sie zum Nullpunkt zurückkehrt. aborale Sipho hat absolut nicht reagiert. (Fig. 62.) 141 ITTTTPEITTPENTUETRITITETTIRTITPIRTETTETETEEEIREERTTERTEITEUTTITCERTIT Der | : | | 3 | EI | Figg. 59, 60, 61. 142 OSWALD POLIMANTI: 2. 37 50°. Ich reize den aboralen Sipho 15” lang; er antwortet mit einer etwa 5%” hohen Kontraktionskurve, die den Nullpunkt nach etwa 20” erreicht. Der orale Sipho hat eine kleine Kontraktionskurve ergeben, die kaum 1” hoch war und etwa 2” dauerte. Fig. 62. Fig. 63. 3% 53°. Injektion von !/,,“® Morphiumhydrochlorat (2°/,ige Lösung). 3. 42 12°. Der orale Sipho wird 14” lang gereizt; er antwortet sofort mit einer 19%% hohen Kontraktionskurve, die dann den Nullpunkt 25” nach Beginn des Experimentes erreicht. Der aborale Sipho ergibt eine kaum 1 wm hohe Kontraktionskurve, die etwa 10” dauert. (Fig. 63.) 4. Ab 17’. Reizung des aboralen Siphos: Dauer 10”; er antwortet mit einer 6% hohen Kontraktionskurve, die sich noch etwa 30” nach Beginn des Experimentes auf einer Höhe von 1%” erhält. Der aborale Sipho kon- trahiert sich, indem er eine Kurve ergibt, deren Maximalhöhe 7 %% erreicht, und die dann etwa 20” nach ihrem Beginn zum Nullpunkt zurückkehrt. Fig. 64. Fig. 65. 5. 4430. Der aborale Sipho wird 11” lang gereizt; er antwortet mit einer Kontraktionskurve, die 6%” erreicht und rasch zum Nullpunkt zurück- kehrt. Der orale Sipho ergibt eine Kontraktionskurve, die eine Höhe von 5mm erreicht und dauert ungefähr 30”. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 143 6. 4230’. Reizung des oralen Siphos: Dauer 15”; er antwortet mit einer Kontraktionskurve, die eine Maximalhöhe von 9%” erreicht und 25” dauert. Der aborale Sipho reagiert durch eine Kontraktionskurve, die kaum wm erreicht und 2” dauert. (Fig. 64.) Aus diesem Experiment schließe ich, daß das Morphium eine er- regende Wirkung auf das Ganglion von Ciona intestinalis und folglich auch auf ihre Siphonen ausübt. 22. Experiment. Ciona intestinalis Nr. 22. 27. XI. 07. Temp. 12.3". 1. 10% 4 vorm. Der orale Sipho wird 11” lang gereizt; er antwortet sofort mit einer Kontraktionskurve, die ein Maximum von 17" erreicht und dann ganz langsam nach etwa 1’ wieder auf den Nullpunkt fällt. Der aborale Sipho dagegen ergibt eine Kontraktionskurve, die langsam ansteigt, _ aber nur 5m erreicht und auf dieser Höhe während der ganzen Dauer des Experimentes verbleibt. (Fig. 65.) 2. 10% 6. Reizung des aboralen Siphos: Dauer 11”; er ergibt eine Kontraktionskurve, die rasch bis zu einem Maximum von 11" ansteigt, um dann sehr schnell zu fallen und sich konstant auf einer Höhe von 5" zu erhalten. Der orale Sipho ergab eine kaum 1" hohe Kontraktionskurve, die etwa 4” dauerte. 10% 10°. Injektion von !/,„“® Morphiumhydrochlorat in die peri- ganglionäre Gegend. Fig. 66. Fig. 67. 3. 10% 27°. Der orale Sipho wird 10” lang gereizt; er ergibt eine Kurve, die rasch bis auf 27 wm ansteigt und dann allmählich sinkt, bis sie nach 60” den Nullpunkt erreicht. Der aborale Sipho ergab eine Kontrak- tionskurve, die ganz allmählich bis zu einer Höhe von 8" anstieg und sich dann während der ganzen Dauer des Experimentes auf einer Höhe von 5mm erhielt. (Fig. 66.) 4. 10% 35°. Der aborale Sipho wird 16” lang gereizt; er antwortet mit einer Kontraktionskurve, die allmählich bis zu einer Höhe von S"" an- steigt und ganz langsam wieder zum Nullpunkt zurückgeht. Der orale Sipho ergab eine Kontraktionskurve, die 5” dauerte und eine Maximalhöhe von 5 um erreichte. 144 OswAuLD POLIMANTI: 5. 10% 37°. Ich reize den oralen Sipho 10” lang; er ergibt eine Kon- traktion, die ziemlich rasch bis zu einer Höhe von 16" ansteigt und dann nach etwa 1° zum Nullpunkt zurückkehrt. Der aborale Sipho ergibt auch eine kleine Kontraktionskurve, die kaum 3%" erreicht und während der ganzen Dauer des Experimentes auf dieser Höhe verbleibt. (Fig. 67.) Aus diesem Experiment schließe ich, daß das Morphium eine leicht erregende Wirkung auf das Ganglion und auf die Siphonen von Ciona in- testinalis ausübt. — — — Was den Einfluß des Morphiums auf die Reizbarkeit des Ganglions und folglich der Siphonen anbelangt, so haben wir schon früher gesehen, daß es eine erregende oder deprimierende Wirkung hat. Zur Erklärung dieser Erscheinungen, die auch bei dieser Reihe von Experimenten bei Cionen ein- traten, deren Ganglion mit Morphium vergiftet war, brauche ich nur auf das oben Gesagte hinzuweisen, weil diese Experimente dessen vollständigste Bestätigung sind. Was sodann den Tonus betrifft, so zeigte das Morphium, wie sich augenfällig aus unseren Kurven und aus den Protokollen unserer Experimente ergibt, wahrhaft das Bestreben ihn fortwährend zu erhöhen, wenn es mit dem Ganglion in Berührung gebracht wurde. Vielleicht ist es die narkotisierend-erregende Wirkung dieses Alkaloids, die sich durch diese Zunahme des Tonus des ganzen Tieres kundgibt. V. Experimente mit Strychnin. 4. Experiment. Ciona intestinalis Nr. 4. 20. XI. 07. Temp. 12°. 1. 11% 15° vorm. Der orale Sipho wird 9” lang gereizt; er ‚antwortet sofort mit einer Kontraktionskurve, die bis auf 11%” ansteigt und dann ganz allmählich sinkt, bis sie sich auf einer Höhe von 3”® erhält. Der ab- orale Sipho hat gar nicht reagiert. Fig. 68, 69, 70. 2. 11% 21‘. Der aborale Sipho wird 7” lang gereizt und antwortet 4” nach Beendigung der Reizung mit einer Kontraktionskurve, die rasch bis auf 10% m ansteigt und etwa 25” auf dieser Höhe verbleibt; dann sinkt sie ganz allmählich, bis sie den Nullpunkt erreicht. Der orale Sipho ergab eine BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 145 Kontraktionskurve, die sehr langsam bis auf 20”” anstieg und dann lang- sam sank; sie erhielt sich bis zum Ende des Experimentes auf einer Höhe von 5", (Fig. 68.) 11% 25°. Injektion von !/,, “” Strychninsulfat (2°/,ige Lösung). 3. 11% 37°. Der orale Sipho wird 6” lang gereizt; er ergibt sofort eine energische Kontraktion von einer Höhe von 24"”, die etwa 90” dauert, worauf sie zum Nullpunkt zurückkehrt. Der aborale Sipho dagegen ant- wortet mit einer Kontraktion, die kaum 2"m erreicht und während der ganzen Dauer des Experimentes auf dieser Höhe verbleibt. (Fig. 69.) 4. 11% 43°. Der aborale Sipho wird 13” lang gereizt; er antwortet mit einer Kontraktion, die rasch bis auf 10” steigt und während der ganzen Dauer des Experimentes auf dieser Höhe verbleibt. Der orale Sipho ergab eine 40%® hohe Kontraktionskurve und erhielt sich auch während der ganzen Dauer des Experimentes auf dieser Höhe. (Fig. 70.) Aus diesem Experiment schließe ich, daß das Strychnin die Reizbarkeit des Ganglions von Ciona intestinalis und folglich auch die Reizbarkeit der Siphonen stark erhöht. — — — Auch bei dieser Reihe von Experimenten mit Strychnin hat letzteres zur Bestätigung des bei den anderen Experimenten Beobachteten eine sehr erregende Wirkung auf das Ganglion und folglich auf die Siphonen aus- geübt, die sich nach der Injektion des Giftes unendlich mehr reizbar zeigten. Auch der Tonus war nach Injektion des Strychnins enorm erhöht. Jordan hat, indem er von den an Medusen und Schnecken erhaltenen Resultaten ausging, um die Physiologie des Ganglions von Ciona zu be- handeln, sich die folgende Frage gestellt, auf die ich oben schon hindeutete (S. 125): „Hat das Ganglion von Ciona eine derjenigen des Zentralnerven- systems der Schnecken analoge Funktion, und wie verhält sich jenes eine Ganglion zu diesen zweien?“ Diese Frage beantwortet er in der Synthese seiner Arbeit folgendermaßen (S. 125): „Ciona intestinalis ist ein durchaus nach dem Typus der ‚„reflexarmen“ Tiere gebautes Geschöpf. Einige wenige (individuelle) Reflexe sind anatomisch an das Zentrum gebunden; vor allem an eine bestimmte Verknüpfung der Bahnen im Zentrum. Allen übrigen Reaktionen kommt Ubiquität zu; wählen sie auch in der Norm die langen Bahnen zum Wege, so laufen sie qualitativ doch in der gleichen Weise ab, wenn diese Bahnen ihnen abgeschnitten sind. Sie beanspruchen also, im Gegensatz zu den individuellen Reflexen, keinerlei anatomische Differenzierung ihres Weges. Denn über irgendwelche Differenzierung verfügen die ihnen genügenden Nervennetze in keiner Weise.“ Nach Exstirpation des Ganglions unterscheiden sich nach Jordan diese „generellen“ Reflexe von den Normen, oder sie haben eine höhere Schwelle. Er ist der Ansicht, daß der Hautmuskelschlauch von Ciona ein „System I. Ordnung“ ist (S. 126), „vergleichbar einerseits der Meduse (wahrscheinlich Archiv £, A. u. Ph. 1910, Physiol. Abtlg. Suppl. 10 146 OswALD POLIMANTI: wenigstens), andererseits dem Hautmuskelschlauch der Schnecken. Zu diesem System I. Ordnung tritt das Ganglion. Es übernimmt zwar die Leitung der Reflexe, ihnen den besseren Weg bietend, beeinflußt sie al in keiner Weise unmittelbar“. In dieser Hinsicht kann ich mit Jordan nicht übereinstimmen, da wir gesehen haben, wie sehr das Ganglion vielmehr direkt die Reflexe von Ciona und namentlich ihrer Siphonen beeinflußt. Man braucht nur meine Protokolle über meine Experimente und die Schlußfolgerungen durchzulesen, die ich daraus gezogen habe. Jordan nimmt bezüglich dieser Reflexe an, daß das Ganglion von Ciona dem Hirnganglion der Schnecke nicht ähnle, hinsichtlich dessen er sagt (S. 126): „Halbgelähmt macht sich sein hem- mender Einfluß noch deutlicher geltend als gewöhnlich , lähmen (oder entfernen) wir es ganz oder erregen wir es durch Kochsalz, so erhalten wir Steigerung der Reizbarkeit. All das sind Funktionen, für die Ciona Analoges nicht aufzuweisen hat“. Nach Jordan wäre dagegen, wie wir oben gesehen haben, das Gan- glion von Ciona analog dem Podalganglion der Schnecke, wie wir schon an- gedeutet haben und später noch besser sehen werden. Bezüglich des Tonus glaubt Jordan ($. 126) „das Ganglion von Ciona übt hingegen volle Herrschaft über den Tonus der Muskulatur aus“. Nach Jordan soll bei der Schnecke das Zerebralganglion ein System I. Ordnung darstellen, das, stets auf reflexivem Wege, fortwährend kleine Mengen von Tonus erzeugen soll, dessen Überschuß dann durch das Podalganglion fort- während annulliert würde, so daß der tonische Zustand des ganzen Tieres stets mehr oder minder konstant bleibt. 8. 126: „Schon unmittelbar nach Enthirnung zeigt Ciona vermehrten Widerstand gegen Belastung (Taf. II, Fig. 1). Doch allmählich erst steigt der Tonus an, und ein auffallendes Übermaß läßt sich erst nach Tagen nachweisen (Taf. II, Fig. 4).“ Auch ich gelangte nach meinen an Ciona mit und ohne Ganglion ge- machten Experimenten zur Schlußfolgerung, daß letzteres einen großen Ein- fluß auf den Tonus ausübt. Kaum ist das Ganglion herausgerissen, so tritt eine starke und plötzliche Verminderung des Tonus ein, der seinen ursprüng- lichen Wert nie erreicht, wenigstens während der ganzen Zeit, so lange ich eine zum Experiment dienende Ciona beobachtet habe. Ich konnte nie be- merken, daß nach einer starken Herabsetzung des Tonus, die sofort nach Exstirpation des Ganglions eintritt, eine Zunahme über die Norm hinaus sich gezeigt hätte oder daß die Norm auch nur erreicht worden wäre. Nach Jordan würden jedoch in dem Falle, wenn mittels „Hochbelastung‘‘ der Tonus der Muskulatur vernichtet würde, an einem bestimmten Punkte die Beziehungen zwischen normaler und frisch operierter Ciona geändert. Die BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 147 letztere folgt sacht aber beständig der Überlastung, während hingegen die normale, die sich anfangs viel schneller als die ohne Ganglion dehnte, un- verzüglich diese Bewegung hemmt und sich von der operierten Ciona über- treffen läßt (Jordan, Taf. II, Figg. 2 bis 3). Daraus folgert Jordan (8. 127): „Von einem gewissen Dehnungsgrade an speist also das Ganglion die Muskulatur. mit Tonus (bildlich gesprochen), so daß das normale Tier dem enthirnten gegenüber im Vorteile ist.“ Dieselben Resultate erhielt Jordan, als das Gewicht Cionen abge- nommen wurde, die schon nach der Dehnung belastet worden waren, oder nachdem der Tonus verändert oder mehr oder weniger aufgehoben worden war. Es tritt sofort Zunahme des Tonus ein (8. 127): „Diese Tonus- zunahme wird, war die initiale Dehnung gering, vom Ganglion reduziert (verglichen mit enthirnten. War hingegen die Dehnung eine ergiebige, so treibt das Ganglion die Tonuszunahme noch über denjenigen Wert hinaus, dessen das System I. Ord. allein fähig ist.“ Daraus schließt er also (S. 127): „Kurz, das Cionenganglion ist in jeder Beziehung funktionell dem Pedalganglion der Schnecke ana- logisierbar.“ Diesen Versuchen Jordans ähnliche Experimente habe ich nicht ge- macht und folglich kann ich in dieser Hinsicht die von diesem Autor ge- machten Beobachtungen weder bestätigen noch ihnen widersprechen. Auf jeden Fall will ich noch einmal versichern, daß ein Vergleich zwischen dem Ganglion von Ciona und dem Pedalganglion der Schnecke, weil die physiologischen Verrichtungen und ihre Funktionen ähnlich sind, durchaus nicht von Irrtümern frei, ja sicher gewagt ist. Es ist also überflüssig, hier nochmals zu wiederholen, was ich in dieser Hinsicht in den verschiedenen Teilen dieser Arbeit gesagt habe und was mich immer mehr in meiner oben erwähnten Ansicht bestärkt. Hinsichtlich der Beziehungen zwischen Zentrum und Peripherie sagt Jordan (S. 127): „Dieses Verhältnis läßt sich ‚auffassen als ein Bestreben nach Gleichgewicht (Ausgleich) im ‚aktiven Zu- stande‘ vom Zentrum und Peripherie.“ Peripherie und Zentrum stehen immer in aktivem Verhältnis zuein- ander und gleichen sich fortwährend aus: in der Peripherie gibt sich der aktive Zustand als Muskeltonus kund, der dem aktiven Zustand der Nerven- elemente proportional ist: wenn der letztere in der Peripherie sehr groß ist, setzt das Ganglion ihn herab, erhöht ihn dagegen, wenn er gering ist. Setzen wir den Tonus an der Peripherie herab, so erhöht das Ganglion ihn sogleich; setzen wir den aktiven Zustand des Ganglions herab, so setzen wir auch den aktiven Zustand in der Peripherie herab, und umgekehrt. 8.128: „Der aktive Zustand innerhalb des tonischen Systems (dem der Muskeltonus stets proportional ist) ist eine, uns im Wesen unbekannte, 10* 148 OswALD POLIMANTI: Energieform, die dem universellen Gesetz vom Energieausgleiche folgt (vgl. v. VUexkülls Hypothesen).“ Interessant ist natürlich auch, was Jordan nun am Ende bemerkt (8. 128): „Von Interesse ist es, daß wir hier einen komplizierten Tonus- apparat haben bei einem Tiere, welches keinerlei statisches Organ besitzt. Mögen Statozysten anderer Tiere den Tonus beeinflussen, die Tonusfunktion als solche untersteht ihnen nicht. Ihr Einfluß dürfte nur „Methode“ sein, dem Tiere das Gleichgewicht garantieren zu können.“ Unzweifelhaft stehen Zentrum und Peripherie immer in inniger Be- ziehung zueinander und der Tonuszustand des ganzen Tieres ist eben die Resultante dieser Beziehungen. Man versteht deshalb, daß nach Entfernung des „Zentrums“ der „Tonus“ der Peripherie wenn nicht ganz aufgehoben, so doch wenigstens bis unter die Norm herabgesetzt werden muß. Wird der aktive Zustand des Ganglions (vermittelst der Gifte) vermindert oder erhöht, so wird gleichzeitig auch der tonische Zustand der Peripherie erhöht oder vermindert. Die Ciona ist nun ein sehr interessantes Tier, weil sie uns eben zeigt, daß sie ohne besondere statische Apparate, die allen höheren Tieren ge- meinsam sind, imstande ist, durch ihr Ganglion allein nicht nur den „Tonus“ des ganzen Tieres zu erhalten, sondern auch zu bewirken, daß er nach oben oder unten variiert. Wir können vielleicht, ohne zu fürchten uns zu irren, behaupten, daß das „Ganglion“ der Ciona einen, wenn auch sehr beschränkten Embryo eines „Gehirns“ darstellt, das in sich auf- gespeichert, wenn auch nicht so und so viele mehr oder minder kompli- zierte Mechanismen, so doch wenigstens so viel Energetik enthält, daß sie für sich allein die Verwaltung der Hauptfunktionen des ganzen Tieres be- sorgen kann. Da die Ciona nun ein Tier ist, das immer fortdauernd am Boden haftet und keine anderen Bewegungen als das Schließen und darauf folgende Öffnen der Siphonen ausführt, so braucht sie keine komplizierten anatomischen Mechanismen, wie sie z. B. ein Tier braucht, das sich viel bewegt. Deshalb ist sie ein Tier, das uns auf jeden Fall beweist, daß einige fundamentale Funktionen des Nervensystems (der „Tonus“, wie in unserem Falle) gleichgut nicht nur durch komplizierte anatomische Mecha- nismen mit komplizierter physiologischer Funktion (wie z. B. die Statozysten) beherrscht und verwaltet werden können, sondern auch durch die in bezug auf die Elemente einfachsten anatomischen Formen, wie es eben ein Ganglion ist. Natürlich treffen wir, wenn wir höher auf der zoologischen Skala steigen, Tiere an, die, statt immer an einer Stelle unbeweglich zu verweilen, sich mehr oder minder stark bewegen; alsdann kommen zu dem primitiven „Ganglion“ noch andere Werkzeuge (z. B. Statozysten), weil auch die funda- mentalen Funktionen des Nervensystems (z. B. der Tonus, wie in unserem BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 149 Falle) auf die bestmögliche Weise auch mit der größten Ökonomie versehen werden können. Weiterhin fügt Jordan hinzu (S. 128—129): „Ciona ist eine Schnecke ohne Zerebralganglion.... Daß das Cionenganglion in jeder Beziehung dem Pedalganglion der Schnecke funktionsgleich ist, dürfte nach obigem außer Zweifel sein.“ Da die Ciona befestigt ist, so brauchte sie nach Jordan keine Regu- lierung vonseiten des Zerebralganglions: (S. 130) „es bleibt die Reflexerreg- barkeit“. Ferner drückt sich Jordan folgendermaßen aus (S. 129): „Da ist freilich der Leitsatz dieses Abschnittes nicht so zu verstehen, als befände sich Ciona in dauerndem Zustande der Übererregbarkeit, gleich einer hirn- losen Schnecke. Wir haben bei Helix usw. eine regulierte, bei Ciona eine unregulierte Funktion.‘ Hier ist der schwere Irrtum: alle Tiere befinden sich immer in voll- kommenem und vollständigem Gleichgewicht mit dem äußeren Medium, alle werden in bezug auf ihre Funktionen vollkommen reguliert und im Gleichgewicht gehalten und man kann nicht behaupten, daß eine Form einer anderen gegenüber nicht reguliert wird. Daraus ergibt sich klar, daß die Vergleichung eines Tieres mit einem anderen, wenn sie auf der zoolo- gischen Skala so weit voneinander entfernt sind, zu gewagten und ungenauen Schlußfolgerungen führt. Und Jordans Gedanken beruhen auf irrtümlichen Schlußfolgerungen. Er sagt: bringen wir eine Helix und eine Ciona auf 40°, so reagiert erstere, letztere nicht; das Nichtreagieren der letzteren, fügt er hinzu, erklärt sich durch das Fehlen des Zerebralganglions. S. 129: „Bei der Schnecke ist das normale Verhalten dem Zerebralganglion zuzu- schreiben, wie ich zeigte, bei Ciona das abnorme Verhalten offenbar dem Fehlen einer Regulation.“ Er glaubt, das Optimum der Reaktion bei Ciona sei bei 22° C., während dieselbe Temperatur bei Helix zu einer ungünstigen Reaktion führen würde. S.129—130: „Also ein äußeres physikalisches Agens auf Grund einer ebenso starren unveränderlichen inneren Einstellung verhindert hier übertriebene Reaktion in der Wärme; eine Einstellung auf Grund genereller, d. i. phylo- genetischer Anpassung. Bleibt die Temperatur in ihren natürlichen Grenzen, so wird hierdurch erreicht, was zu erreichen ist: genügende und nicht über- triebene Reaktion.“ Aber Jordans Untersuchungen über den Einfluß der Temperatur auf Ciona sind nicht vollkommen genau, und in diesem Fall sollten sie wahr sein? Eine Temperatur von 40°C. verursacht bei einer Ciona Betäubung, bei einem anderen Tier (Helix) dagegen eine motorische Wirkung? Bei Ciona tritt eine wahre und eigentliche Wärmelähmung ein, weil sie sich nicht bewegen kann und in dieser Temperatur aushalten muß; kann die Helix dieser schädlichen Temperatur entfliehen ? 150 OswAaup POLIMANTI: Ferner fügt er hinzu (S. 131): „Vorab sind auch innerhalb normaler Temperaturen die Reaktionen einander nicht gleich.“ In diesem Falle müßte er, auch wenn seine Versuche über den Einfluß der Temperatur auf Ciona genau wären, um die Helix mit der Ciona zu vergleichen, sie befestigen und dann beobachten, welche Erscheinungen sie, gleichen Temperaturen ausgesetzt, zeigen. S. 130: „Hier bei Ciona prä- stabilierte Harmonie zwischen Organismus und Temperatur, dort, bei Helix, automatische Regulation; Ciona ein festsitzendes, Helix ein freilebendes Tier.“ — Ich stimme mit ihm überein hinsichtlich der Funktion, die er dem Ganglion zuschreibt ($. 139): „Aufgabe der Ganglien ist Regulation schlecht- weg; daß sie dies in der Norm durch „Hemmung“ tun, ist, wenn ich so sagen darf, nur eine Methode. Sie hemmen und steigern, je nach der Art, in der das Gleichgewicht verschoben ist. Es arbeiten diese Tiere für ge- wöhnlich mit einem Überschuß an Energie (Erregung und Tonuserzeugung)“. „Bahnung“ und „Hemmung“ sind eben die beiden Funktionen, die wir, wie man wohl sagen kann, in einem Nervenelement vereinigt finden, das von der einfachsten, elementaren Nervenzelle hinauf in die Höhe bis zu den feinsten und kompliziertesten Aggregationsformen dieser Zellen geht: beim Menschen. Vermittelst „Bahnung“ und „Hemmung“ werden alle Lebens- erscheinungen von seiten des Zentralnervensystems reguliert. Und in bezug auf diese beiden Grundfunktionen sind untereinander absolut gleich sowohl das Ganglion von Ciona, als eine Gruppe von Nerven- zellen, die in einem beliebigen Zentrum eines höheren Tieres liegt. Dies ist einer der Punkte, bei welchen das Studium der vergleichenden Physio- logie eine große Bedeutung gewinnt; denn sie ermöglicht es uns vermittelst dieses Studiums in die Funktion des Nervensystems der niederen Tiere einzudringen und uns das Verhalten der Funktionen des Nervensystems auch der höchsten Vertebraten zu erklären. Diese in italienischer Sprache geschriebene Arbeit war schon im Mai 1910 vollendet, aber Übersetzung und Drucklegung verzögerten sich. Inzwischen ist die Arbeit von Toosaku Kinoshita! erschienen, die ich aus dem an- geführten Grunde nicht mehr bei meinen Ausführungen berücksichtigen konnte. ! Toosaku Kinoshita, Über den Einfluß mehrerer aufeinanderfolgender wirk- samer Reize auf den Ablauf der Reaktionsbewegungen bei Wirbellosen. I. Mitteilung. Pflügers Archiv für Physiologie. 1910. Bd. CXXXIV. S. 501—530 (ausgegeben am 26. September 1910). BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS. 151 Literaturverzeichnis. 1. 8. Baglioni, Zur Analyse der Reflexfunktion. Wiesbaden, Bergmann, 1907. 2. van Beneden et Julin, Le systeme nerveux central des Ascidies adultes. Bull. Acad. Roy. de Belgique. 3. Serie. T. VIII. 1884. 3. A. Bethe, Allgemeine Anatomie und Physiologie des Nervensystems. Leipzig, Thieme, 1903. 4. A. Fröhlich, Beiträge zur Frage der Bedeutung des Zentralganglions bei Ciona intestinalis. Pflügers Archiv. 1903. Bd. XCV. S. 609. 5. Gaglio e Nardelli, Azione di aleune sostanze iniettate sotto la dura madre cerebrale. Archivio di farmacologia e Scienze affini. Anno III. 1904. p. 366. 6. G. W. Hunter jr., Notes on the peripheral nervous system of Molgula manhattensis. Journ. compar. Neurol. 1898. Vol. VIIL. p. 202. 71. Derselbe, Zool. Bull. Boston. Vol. II. p. 99. 8. H. Jordan, Über reflexarme Tiere. (Ein Beitrag zur vergleichenden Physio- logie des zentralen Nervensystems, vornehmlich auf Grund von Versuchen an Ciona intestinalis und Oktopoden.) Zeizschrift für allgemeine Physiologie. 1908. Bd.VII. 8.86. 9. C. Julin, Recherches sur l’organisation des aseidies simples. Recherches sur l’hypophyse et quelques organes, qui s’y rattachent. Archives de Biologie. II. 1881. 10. J.Loeb, Untersuchungen zur physiologischen Morphologie der Tiere. II.Organ- bildung und Wachstum. Würzburg, G. Hertz, 1892. 11. Derselbe, Einleitung in die vergleichende Gehirnphysiologie und vergleichende Psychologie. Leipzig, J. A. Barth, 1899. 12. 0. Lorleberg, Untersuchungen über den feineren Bau des Nervensystems der Aszidien. Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. 1907. Bd. LXXXVIII. 3.212. 13. R. Magnus, Die Bedeutung des Ganglions bei Ciona intestinalis. 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Seeliger, Tunicata (Manteltiere) in Bronns Klassen und Ordnungen des Tierreichs. III. Bd. Supplement 1897—1905. 21. S. Sergi, L’azione del Curaro sulle zone eccitabili del cervello della cavia. Archivio di farmacologia e Scienze affini. Anno I. 1902. Der Einfluß des Kohlensäuregehaltes der Atemluft auf die @ewichtsveränderung und die Zusammensetzung des Körpers von Schmetterlingspuppen. Von Prof. Dr. M. Gräfin von Linden in Bonn. (Abteilungsvorsteher am Hygienischen Institut der Universität.) I. Die @ewichtsveränderung der Schmetterlingspuppen. Es ist eine bekannte Tatsache, daß die Puppen von Schmetterlingen während ihrer Verwandlung in den Falter an Gewicht abnehmen und zwar mehr oder weniger viel und mehr oder weniger schnell, je nachdem sie sich in warmer oder kalter, in trockener oder feuchter Umgebung aufhalten. Diese Gewichtsabnahme ist durchaus verständlich, wenn wir bedenken, daß sich die Puppen während dieser Ruheperiode in einem Zustand befinden, in dem sie weder feste noch flüssige Nahrung aufzunehmen vermögen, und wenn wir berücksichtigen, daß sich in dem Puppenorganismus fortgesetzt Oxydationsprozesse abspielen, die einen Abbau der Körpersubstanz und eine Bildung und Abscheidung von Kohlensäure zur Folge haben. Ganz anders wie unter normalen Bedingungen verhalten sich, wie ich schon früher ausgeführt habe!, die Schmetterlingspuppen, die in einer an Kohlen-. säure reichen Atmosphäre gehalten werden und die gleichzeitig in der Lage sind Wasser aufzunehmen: Statt einer Gewichtsabnahme beobachten wir unter solchen Umständen ein fortgesetztes Schwererwerden der Puppen. Es liegen mir jetzt im ganzen fünf Reihen eigener Versuche vor und außerdem die Versuchsresultate Dr. von Brückes, und alle führen zu einem und demselben Resultat: daß es möglich ist, die Schmetter- _ lingspuppen durch Kohlensäure- und Wasseraufnahme in der Veränderung ihres Körpergewichtes wesentlich zu beeinflussen, daß es möglich ist, da die Puppen die Bestandteile der Kohlen- säure und des Wassers auch assimilieren, sie auf diese Weise zu mästen. 1 Dies Archiv. Physiol. Abtlg. 1906 u. 1907. 154 M. GrRÄFIN von LINDEn: Aus der folgenden Zusammenstellung (S. 157 bis 164) sind die Ge- wichtsveränderungen zu ersehen, die die Schmetterlingspuppen in den ver- schiedenen Versuchsjahren und unter den verschiedenen Versuchsbedingungen erlitten haben. Die Anordnung der Experimente war dabei die folgende: I. Versuche in CO,-reicher Luft: Die Puppen, die vor dem Versuch, d. h. jedesmal vor Einfüllung des Gases in das Gefäß mit Wasser benetzt wurden, befanden sich in einem luftdicht verschließbaren Gefäß, daß bei Beginn der Versuche atmosphärische Luft enthielt und in das dann die gewünschte Menge von Kohlensäure eingeleitet wurde. Für meine Versuche hatte ich als Puppenbehälter eine Gassammelpipette gewählt, von einem der Puppengröße und -menge entsprechenden Rauminhalt.! Die Pipetten waren an beiden Enden zu Röhren ausgezogen, die den Ansatz für Schlauch- verbindungen bildeten, und durch eingeschliffene Gashähne mit einfacher Durchbohrung verschlossen wurden. In der Mitte der Pipette befand sich ein Ausschnitt, durch den die Puppen in den Behälter eingeführt werden konnten, und der durch einen eingeschliffenen Glasstöpsel zu verschließen war. Die Puppenbehälter waren nach meinen Angaben von der Firma Dr. Geissler in Bonn angefertigt worden. Alle Hähne wurden durch Einfetten luftdicht schließbar gemacht und waren vollkommen durchsichtig, was darauf hinwies, daß der luftdichte Abschluß ein vollkommener war. Als Fett bediente ich mich des in dem chemischen Institut gebräuchlichen Vakuumexsikkator - Fettes. Dieser Puppenbehälter wurde mit einer Gas- flasche in Verbindung gebracht, die das Luftkohlensäuregemisch von be- kannter Konzentration enthielt. Das Gas wurde unter dem Druck des in der Flasche befindlichen Wassers hindurchgeleitet, bis angenommen werden konnte, daß die atmosphärische Luft aus dem Behälter verdränst und durch das Gasgemenge ersetzt war. Durch Analyse des dem Puppen- _ behälter entströmenden Gases wurde festgestellt, daß nach 10 Minuten die atmosphärische Luft durch die Gasmischung ersetzt war. Der Puppen- behälter wurde sodann aus seiner Verbindung mit der Gasflasche gelöst und nachdem durch kurzes Öffnen eines der Hähne der durch das Durch- leiten des Gases erzeugte Überdruck beseitigt und Atmosphärendruck in dem Behälter hergestellt war, blieben die Puppen sich selbst überlassen, so lange als ich den Versuch ausdehnen wollte. v. Brücke wählte sich zu seinen Versuchen in CO,-reicher Luft einen Exsikkator als Puppenbehälter. Nachdem der gut gefettete Deckel des Exsikkators aufgesetzt und fest angepreßt war, verband er die Tubulatur des Deckels mittels Gasschläuchen mit dem oberen Hahnenansatz einer Gasbürette, die zuvor mit gewaschener CO, aus einem Kippschen Apparat ! Vgl. meine Arbeit: Die Assimilationstätigkeit bei Puppen und Raupen von Schmetterlingen. Dies Archiv. 1906. Physiol. Abtlg. Suppl. 8. 11ff. DER EınrLuss DES KOHLENSÄUREGEHALTES DER ATEMLUFT. 155 gefüllt worden war. Der unten gleichfalls mit einem Hahn versehene An- satz der Gasbürette wurde dann mittels eines zweiten Gummischlauches mit einem Niveaugefäß mit Quecksilberfüllung verbunden. Nach Öffnung aller Hähne wurde die Kohlensäure durch Heben des Niveaugefäßes in den Exsikkator übergetrieben. Mehrmaliges Hin- und Hertreiben des Luft- kohlensäuregemisches zwischen Exsikkator und Gasbürette bewirkte, wie durch Probeanalysen festgestellt wurde, eine vollkommene Durchmischung. Zum Schluß wurde der Exsikkator geschlossen, der Schlauch von dem Ansatzrohr abgenommen und durch kurzes Öffnen des Hahnes das Gas- gemisch, das vorher im Exsikkator unter Überdruck stand, auf den Atmo- sphärendruck gebracht.! Sowohl in meinen Experimenten, wie auch in dem v. Brückeschen Versuch wurde das Gasgemisch täglich erneuert und die Puppen täglich mit Wasser benetzt. v. Brücke experimentierte außerdem mit einer Puppen- serie, die sich in demselben Raum mit den feucht gehaltenen CO,-Puppen befand, die aber nicht benetzt wurde. Der Gehalt des Luftkohlensäuregemisches an Kohlensäure war ver- schieden groß. In meinen ersten Versuchen schwankte der Kohlensäure- gehalt erheblich, ich verwendete Mischungen, die zwischen 9 bis 34 Prozent Kohlensäure enthielten. Am häufigsten wurde mit Mischungen experimen- tiert, in denen 12 bis 16 Prozent CO, enthalten war. Bei meinen Experi- menten vom Jahre 1906/7 verwendete ich mit wenig Ausnahmen Luft- gemische mit 11 Prozent Kohlensäuregehalt, ebenso in den Experimenten vom folgenden Jahr. Das in dem v. Brückeschen Versuch gebrauchte Gemisch enthielt 12 Prozent Kohlensäure. II. Versuche in atmosphärischer Luft: Die Versuche, bei denen ich die Puppen in atmosphärischer Luft halten wollte, waren so angeordnet, daß die Puppenbehälter ventiliert waren. In dem ersten Experiment vom Jahr 1904/5 hatte ich die Segelfalterpuppen in einem mit Moos belegten Kasten liegen, das Moos wurde von Zeit zu Zeit angefeuchtet. In den späteren Versuchen verbrachte ich die Puppen in einen gleichen Behälter wie die Kohlensäurepuppen, ließ aber die beiden Hähne desselben offen, um einen steten Luftwechsel zu ermöglichen, außerdem suchte ich eine möglichst vollständige Ventilation auch dadurch zu erreichen, daß ich das Gefäß tagsüber öfters mit der einen Öffnung nach unten kehrte, so daß die am Boden liegende schwerere Kohlensäure abfließen konnte. Die Puppen wurden bei diesen Versuchen täglich angefeuchtet, so daß die Feuchtigkeits- verhältnisse dieselben waren wie bei den Kohlensäurepuppen. 1 Vgl. v. Brücke, Über die angebliche Mästung von Schmetterlingspuppen mit Kohlensäure. Dies Archiv. 1908. Physiol. Abtlg. S. 437. 156 M. GRÄFIN von LINDEN: IIL Versuche in atmosphärischer Luft, aber bei geschlos- senem Puppenbehälter: Im ersten Versuchsjahr habe ich außer dem Versuch in atmosphärischer Luft bei offenstehendem Gefäß auch einen solchen gemacht, bei dem sich die Puppen in einem abgeschlossenen Ge- fäß befanden. In diesem Gefäß mußte sich im Laufe des Experimentes die Atmungskohlensäure ansammeln, so daß den Puppen, auch wenn die von ihnen zu einer Zeit ausgeschiedene Kohlensäure zur andern wieder resorbiert: wurde, jedenfalls im Verlauf des Experimentes ein geringer Kohlensäure- gehalt zur Verfügung stand. Die in dem abgeschlossenen Behälter ge- haltenen Puppen wurden wie die in den oben beschriebenen Versuchen täglich angefeuchtet. Auch v. Brücke hat diesem Experiment entsprechende Versuche in abgeschlossenen Behältern gemacht, sie aber unrichtigerweise als Versuche in atmosphärischer Luft bezeichnet. Er wählte als Puppenbehälter ein großes mit einem eingeschlifienen Deckel versehenes Präparatenglas und verbrachte in dasselbe zwei Puppenserien, von denen die eine an- gefeuchtet, die andere trocken gehalten wurde. Während die angefeuchtete Serie unter denselben Bedingungen sich befand, wie die in verschlossenem Gefäß gehaltenen Puppen aus meinen Versuchen, hatte v. Brücke in den im gleichen Behälter untergebrachten, aber trocken gehaltenen Puppen eine neue Versuchsanordnung eingeführt, die, wie wir sehen werden, auch wesentlich andere Resultate ergab.! IV. Im Versuchsjahre 1905/6 machte ich außer den Versuchen in kohlensäurereicher und atmosphärischer Luft auch noch Experimente, in denen ich die Puppen in einem Raum liegen hatte, in dem eine mit Kali- lauge gefüllte Kochschale aufgestellt war. Die Puppen befanden sich auf einem Drahtnetz, das über dieser Schale ausgespannt war. Ich hatte diese Versuchsanordnung in der Absicht gewählt, um die Pnppen in einem von Kohlensäure befreiten Raum zu erziehen, und ich rechnete damit, daß die bei der Atmung ausgegebene schwerere Kohlensäure nach unten sinke und von der Kalilauge absorbiert würde. Da die Kalilauge aber auch sehr stark wasserentziehend auf die Puppen einwirkte, so suchte ich eine zu lang andauernde \Wasserentziehung dadurch zu verhindern, daß ich die Puppen vom dritten Versuchstage an regelmäßig mit Wasser bespritzte und in dem Puppenraum auch noch außerdem eine Schale mit Wasser aufstellte. V. Die Versuche mit dem Buchenkahnspinner wurden dadurch varüiert, daß ich die in atmosphärischer Luft gehaltenen Serien zum Teil im Licht, zum andern Teil im Dunkeln hielt. Die Versuchsergebnisse waren, wie wir sehen werden, dadurch verschieden. ! Vgl. v. Brücke, a.a. 0. S. 436. 157 DER EInFLUss DES KOHLENSÄUREGEHALTES DER ATEMLUFT. 9-3 — = or8-0+ = here == ner = DL ya :omwyeugYy 'AI :owyeunz "III :owyeugYy "II ‚owyeunz I :I2J0uoq yoıLary :701yonaJoq Yyoru sangesuojyoysdunwsy + oangsaojyoyssunwyvy + :494onoJoq YIypoıru jun; oyosraeydsowsvy 37un] oyostaeygdsowy4vy J7nT Toyoreı-°QQ uf AOIfeyog meuossofyoses uf 199]eyog WOUAsSso]yU9seS uf :207[eJJoe og ‘8061 —LO6T UoA eyonsien\ sexonig 'A ‘A %/,9-9L — = III '8SI— IT %09-9 + = II 'CZ- 11% IhF-E I —-= 009° + = III '9T— IT :HuUgeugVy "II :HWUBUNZ I :193]87]9898 "LOBT— 9061 UoA yonsıeA 9 a 00°GL + = IH 'ET— [08 ß ee 00° +="I '6T-1:08 oT —-= ri —= "he = 8 —10% :owygeugV 'III :owyeugV "II :owyeunz °T :upoyundg wı 47nTT aoyosıaeydsowse uf ‚ıouurdsuyeyuoayong ie oT —= IM EI-I U eG er) /o98 — = IL 'E—"T'11 re +t=IM'8 —I'0I :owgeugV "III :ougeuqV "II :ougeunz 'T 47m] I9TO1JLoSsSsem sduejue pun -%09 uI :199[eJJe898 "906T— 9061 uoA eyonsuen 'd 09-2 + = II 'F— 1 93 :1owaemyosyojrwuszfoM : ıne9 == %o #&+ = II 6T— IX '6L = /o@+ = IH FT-—IIX '6I % 1I-=I3—-UX 61 %, 83 + = I FIX El hr.0o+= 06 —= eo ne :ouyeunz :owygeugy ‚owgeunz : :199]87]9998 :I249u0q YToLLse} :I299usq yoıoey :IZ99u0gq yoıLoay sınEsuojyoyssunwgy pun JynT aoyosııeyds -omw4e }Tm A09[eyog woUueassoyoseS uf "III yjn’] aoyostaeydsomge uf 'JI gan aoyorea°og ul I’ "S06T —-F0681 UoA eyonsieA 'V "9SSTUNISTASNINSIHOA AOP Zunjjogsuommesnz 158 M. GRÄFIN von LiINDEn: AII. Versuche in atmosphärischer Luft, 1904/5. Segelfalter (Papilio podalirius). Abnahme Ge Zeit des An- # vonWiege- Datum Zahl nicht Tage 1 Puppe fangs- tag zu täclich gewichtes | Wiegetag 2 inayı) in %, 19. XII. 04 12 10-2316 0.862 30. XII. 04| 10-0118 11 0.854 2.2 2-20 0.20 11. I. 05 9.763 22 0.813 45 2.50 0-22 21. I. 05 9.347 32 0.779 8-6 4.20 0-42 2.11. 05 9-155 44 0.762 10-7 2.05 0-17 Abnahme: 1-076®% in 44 Tagen = 10-7°/,; in 100 Tagen 2.44 em — 24:3, im An- fangsgewicht. AIII. Versuche in kohlensäurearmer Luft, in geschlossenem Behälter. Segelfalter (Papilio podalirius). Zunahme Bi. m Zahl Ge- Zeit | des Anfangs- von Prozentuale wicht | Tage | gewichtes | Wiegetag zu Zunahme in % Wiegetag täglich 24.XIIL.04| 14 | 11-650 30. XII. 04 11-684 6 | 0-30 0:30 0-05 11.1. 05 11.690 18.) 0-35 0-05 0-005 21.1, 05 11-701 28 0.44 0-09 0009 2. II. 05 11-825 40 1-50 1-10 0-09 12. II. 05 | 12.082 50 | 3.70 2-18 0:218 22. II. 05 12.246 60 5-11 1:35 0:135 4. III. 05 12-283 To 5.43 0.30 0-03 14. III. 05 12.225 80 4-93 0-47 0.04 Zunahme: 0.570 in 70 Tagen = 4-93°/,; in 100 Tagen 0-81 = = 7°), des An- fangsgewichtes. DER EINFLUSS DES KOHLENSÄUREGEHALTES DER ATEMLUFT. 159 AI. Versuche in kohlensäurereicher Luft, 1904/5. Segelfalter (Papilio podalirius). | Gewicht Zunahme der ur- Zeit des An- lee | Datum Zahl ge- Be. Tage fangs- tag zu täglich fundenes | °PUNS gewichtes | Wiegetag in % | lichen Zahl in % in %, 19.X1I.04| 13 | 10-585 | 10-585 57 30. XII. 04 |' 10.646 10.646 al 0-57 0-57 0:05 27205 10:692 10.692 22 1°01 : 0-43 0:04 21.1. 05 10-731 10-731 32 1-38 0:36 0:036 2.11. 05 10-956 10-956 44 3:51 2.09 0:17 12. II. 05 11-183 | 11-183 54 5.65 2:07 0:20 22. 1I. 05 R 11-824 11-824 64 11-98 6:29 0-63 4. III. 05 12-345 12-345 74 16.64 4.4 0-44 14. III. 05 12-869 12-869 84 "21:59 4-2 0.42 19. III. 05 13:084 13-084 89 23:62 1:68 0-33 25. III. 05 12.880 12.880 95 21-69 — 1:56 | — 0:26 Zunahme: 2.295 grm in 95 Tag. 21-69%,,. Zunahme in 100 Tagen 2-4 :’= in Prozenten des Anfangsgewichtes: 23/,. A’I. Versuche in kohlensäurereicher Luft, 1904/05. Wolfsmilchschwärmer (Sphinx euphorbiae). Gewicht Zunahme in Prozenten Zeit - Datum Zahl der ur- des An- | von Wiege- gefunden |sprünglich. Tage fangs- tag zu täglich Zahl gewichtes | Wiegetag %. 1.05 16 25.62 25-62 : 329. 1.05 25-63 25.63 3 0-351 0:35 0-11 2. I. 05 27:22 27:22 7 6:23 5:99 1:5 12. II. 05 27-35 27:35 17 6:56 0:31 0-03 18. II. 05 27:39 27:39 23 6:78 0.17 0-03 27. 11. 05 27:52 27:52 32 7:44 0:61 0:07 4. III. 05 27-59 27:59 37 7.68 0-26 0-05 Zunahme: 1-.97erm I. 05 I. 05 2. II. 05 II. 05 18. II. 05 27.. II. 05 4. III. 05 AU. 14 Versuche in atmosphärischer Luft. Abnahme in Prozenten 29-857 | 22-668 22-2] 22-36 22.18 20-04 19-95 22.86 22-66 22-21 22-36 22-18 21-50 21.41 37 2.87 2.18 2.98 5.93 6.32 0.87 1-32 0.82 3-05 0-41 in 37 Tagen = 7-68°%,; in 100 Tagen 5-3erm = 20-8°/, des Anfangsgewichtes. 0-21. 0-13 0-13 0-34 0-08 Abnahme: 1.45:= in 32 Tagen = 6-32°/,; in 100 Tagen 4-5&= = 20°, des Anfangsgewichtes. 160 M. GrÄFIN von LiINDeEn: BI. Versuche in atmosphärischer Luft, 1905/06. Segelfalter (Papilio podalirius). Gewicht Abnahme in Prozenten Datum | Zahl A BE 2,2|8e8| = ar : Tage |< og | N0®» 2 gefundenes | sprünglich.|einer Puppe „a2 End u . 2a SeE|la$ E| ® s|E 10. 1. 06| 43 32-036 32-036 0-745 19. 1.06| 43 31-987 31-987 0-7438 9 0-15 0-15 0-01 26. I. 06| 43 31-851 31-851 0.7407 16 0.57 0-43 0-06 5. II. 06 | 43 31-779 31-779 0-7389 26 0-80 0-30 0-03 16. II. 06 | 43 31-309 31-309 | 0.7282 37 2.26 1.47 0-16 26. 11.06 | 43 30-982 31-932 0.7205 47 3.29 1-04 0-10 8. III. 06 20 14.699 31:600 0.7350 57 1-36 | +1-99| +0-19 13. III. 06 | 16 10-691 28-728 0.6681 62 10-32 9-00 1:80 Abnahme der 43 Puppen: 3.35m, I. 06 I. 06 I. 06 »1%%706 II. 06 II. 06 . III. 06 . III. 06 23. III. 06 100 Tagen 5-3&m = 16-6°/, des Anfangsgewichtes. BI. Versuche in kohlensäurereicher Luft. 43 43 43 43 43 43 35 28 30 33-854 33-612 33-673 33-816 33-93 34-37 283-844 22-902 24-66 33° 33° 33. 33° 33.» 34° 35° 35° 35° 854 612 673 816 93 37 479 165 34 0.787 0.781 0.783 0.786 0.789 0.799 0.825 0.827 0.822 72 1 Puppe: 0-0768"® in 62 Tagen = 10-32 °/,; in Zunahme in Prozenten — 0.7 +0-18 0-61 0-95 2.25 5.40 4:62 5.14 — 0.7 +0-18 0-42 0.34 1-29 3.22 — 0.88 0-50 — 0.1 0-06 0-02 0-04 0-13 0-32 — 0-07 Zunahme der 43 Puppen: 1-738'm, 1 Puppe: 0-042m in 727 Tagen = 5+14%,; in 100 Tagen 2-6:® = 8°/, des Anfangsgewichtes. BIlIl. Versuche in kohlensäurefreier Luft, 1905/06. Abnahme in Prozenten 15. 1.06| 16 | 14-266 | 14-266 0-891 191.206 .16 | SI12220 01162205 Bon 4 | 21°34| 21-34| 5-26 De LoeH te | Tears | Arad 0698 11 | 21-655) 0-40| 0-06 5. 1. 06| 16 | 11-092 | 11-092 0.698 | 21 | 22-12] 0-76) 0-08 16. II. 06| 16 | 10.946 | 10-946 0.688 | 82 | 28-27| 1-48| 0-16 26. 11. 06| 16 | 10-68 10-68 0.667 42 | 25-14) 2-37) 0-24 28. II. 06| 16 | 10-61 10-61 0.668, 44 | 25-64| 0-65| 0-05 3. I. 06 | 16 | 10-598 | 10.598 0.662 47 | 25-72| 0-11| 0-03 Abnahme der 16 Puppen: 3-6688=, 1 Puppe: 0-229erm jn 47 Tagen = 25-72°/,; in 100 Tagen 85m = 55%, des Anfangsgewichtes. Der EinFLUss DES KOHLENSÄUREGEHALTES DER ATEMLUFT. 161 BU. Versuche in atmosphärischer Luft, 1905/06. Die Puppen von Hylophila prasinana waren dem Licht ausgesetzt. Gewicht Abnahme in Prozenten o 3 on Zeit | be |\£ 8 Datum | Zahl der ur- Ss FR E= 5 1 ä 1 Tage Sg on S gefundenes | sprünglich.| einer Puppe ers Ma ses | 0 o 3 gie E > =! = S 20.. 1.06) 29 | T-164 | 7.164 | 0.248 | | 297] on 7.100 7.100 0.247 9 0-89 | 0-89 | 0-09 8. I. ”> 7.043 7.043 0-243 19 1:68 0-73 | 0.08 19-211: 16699 6.659 0.230 30 7.04 5.43 | 0.50 Abnahme: 0.5058”, 1 Puppe: 0-018®= in 30 Tagen = 7-05%,; in 100 Tagen 1.680 — 23-5°, des Anfangsgewichtes. B’ Ill. Die Puppen von Hylophila prasinana waren im Dunkeln gehalten. 20. 1.06) 28 | 5.507 5-507 0.196 Ba 25.2542 11.5254 4508188 9 | 4.58 | 4-58 | 0.50 San a Zocken | Alsela We 19 | 10.10 | 5.70 | 0.57 | | | | | Abnahme: 0.5558”, 1 Puppe: 0-.020®” in 19 Tagen = 10-10°/,; in 100 Tagen 3erm — 550%), des Anfangsgewichtes. BI. Versuche in kohlensäurereicher Luft. Hylophila prasinana. 26... 1. 06). ‚27 6.614 6.614 0.241 2IDHT. > 6°668 6.669 | 00T | 9 0-82 | 0.82 | 0.09 es. JUR be 6.769 6.769 0-21 19 2.34 | 1:50 | 0-15 19, TUE ” 6.945 6:95 0.257 30 5:00 | 2-63 | 0.24 26.11: 26 6-898 7.168 | 0+265 37 8:30 | 3-11 0.44 5. II. » 7056 7.327 | 0.271 44 10.78 | 2-30 | 0.33 112,008 > 7.119 17:392 | 0.278 52 10-78 | 0-83 | 0-11 Zunahme: 0-778:m, 1 Puppe: 0-033:= in 52 Tagen = 11-78%,; in 100 Tagen 1.5em — 92.6°/, des Anfangsgewichtes. Archiv f. A. u. Ph, 1910. Physiol. Abtlg. Suppl. 11 162 M. GrÄFIN von LinDen: CH. Versuche in atmosphärischer Luft, 1906/07. Segelfalter (Papilio podalirius). Gewicht Abnahme in Prozenten Datum | Zahl der AR PB: &D en B- inglieh.|ei Tage | = 10.49), CIL = 22-300 Puppen nicht befeuchtet DI. n = 2.) Dlkei>99pAsralne Puppen nicht befeuchtet: - Puppen befeuchtet: DIV. podalirius = 5°/), Abnahme DII. = 1-8°/, Zunahme AT’ euphorbiae = 20-5°/, Zunahme ‘ AIL’ = 20: %, Abnahme im Licht: BI. Prasinana = 22.6°/, h BI 232505 R im‘ Dunkeln: BIIL’ = 53 un ” Wie die Zusammenstellung dieser Versuchsergebnisse zeigt, war der Gewichtszuwachs, den die Puppen in kohlensäurereicher Atmosphäre erfahren hatten und ebenso die Gewichtsabnahme der in atmosphärischer Luft ge- haltenen Tiere verschieden groß bei einer und derselben Puppenart in den verschiedenen Jahren und bei den gleichzeitig an verschiedenen Puppen- arten ausgeführten Experimenten. Ausschlaggebend für Zu- oder Abnahme der Puppen war, wie aus den Versuchsreihen I. und Il. ersichtlich ist, die Anwesenheit oder Ab- wesenheit von Koblensäure in der Atemluft bei gleichzeitiger Gegenwart von Wasser. Vermehrter Kohlensäuregehalt bei Abwesenheit von Wasser hatte, wie der v. Brückesche Versuch IV mit nicht benetzten Puppen zeigt, keine Gewichtszunahme der Puppen zur Folge, wohl aber in gleicher Zeit einen um ein Drittel geringeren Gewichtsverlust als er unter gleichen Feuchtigkeitsbedingungen bei den in atmosphärischer Luft gehal- tenen Versuchstieren beobachtet wurde (vgl. DII und DIV). ‘Die größten Zunahmen der Segelfalterpuppen wurden im ersten Versuchsjahr erzielt, in dem sich die Puppen während drei Monaten in einer Atmosphäre von wechselndem aber manchmal sehr hohem Kohlen- säuregehalt befanden und wie bei allen Versuchen dieser Reihe täglich befeuchtet wurden. Der Kohlensäuregehalt schwankte in diesem Versuchs- jahr, wie bereits erwähnt, zwischen 9 bis 34 Prozent, die Gewichtszunahme DER EINnFLUSS DES KOHLENSÄUREGEHALTES DER ATEMLUFT. 165 betrug nach drei Monaten 22 Prozent, auf 100 Tage Versuchsdauer be- rechnet 23 Prozent, war aber, wie auch aus den Kurven hervorgeht, am Ende des Experimentes sehr viel größer als am Anfang. Auch bei den übrigen Experimenten in COQ,-reicher Luft finden wir, daß am Schlusse des Versuches ein schnelleres Ansteigen der Kurven zu verzeichnen ist. Diese maximalen Zunahmen pflegen in dieselbe Zeit zu fallen, in der die größten Abnahmen der Luftpuppen beobachtet werden. Es ist außerdem aus den Kurven zu ersehen, daß die Größe der Gewichtszunahmen mit der Ver- suchsdauer wächst. Die relativ kleinsten Zunahmen ergaben sich in meinen Versuchen bei A III, in den v. Brückeschen Versuchen bei D III. Die Puppen befanden sich in beiden Fällen in einem abgeschlossenen Gefäß, das während 24 Stunden nicht ventiliert wurde, in dem sich also die bei der Atmung produzierte Kohlensäure ansammeln konnte. Die Puppen wurden wie bei den Versuchen der Reihe I täglich benetzt. Versuch A III währte fast drei Monate, Versuch D III nur halb so lang. Auf 100 Tage Versuchsdauer berechnet, ergab sich in meinem Versuche eine Gewichts- zunahme der Puppen von 7 Prozent in dem v. Brückeschen Versuche von 1-8 Prozent. Auch bei der Gewichtsabnahme der Schmetterlingspuppen zeigte sich der Feuchtigkeitsgehalt der Luft von sehr großem Einfluß. In Versuch A II, wurden die Puppen täglich mit Wasser benetzt, lagen aber in einem Behälter (Holzkiste), durch den das Wasser leicht verdunsten konnte, was daraus ersichtlich war, daß der Boden des Behälters am folgenden Tag immer trocken war, die Puppen hatten daher auch be- reits nach dem ersten Monat über 8 Prozent ihres Körpergewichtes ver- loren. In dem v. Brückeschen Versuch D II befanden sich die Puppen in einem verschlossenen Glas, dessen Luft mit Wasserdampf gesättigt war, da in demselben Behälter auch die Serie des Versuches D III untergebracht war, die täglich mit Wasser besprengt wurde. Die Gewichtsabnahme der Puppen betrug nur 3 Prozent während einer Versuchsdauer von 2 Monaten. Auf 100 Tage Versuchsdauer berechnet, hätten die gut ventilierten Puppen 24 Prozent, die in feuchter Atmosphäre nur 6-9 Prozent verloren. Die Puppen verlieren während ihrer Metamorphose somit um so mehr an Gewicht, je trockener die Luft ist, in der sie sich befinden. Die größten Verluste sind natürlich dann zu verzeichnen, wenn dafür gesorgt wird, daß die Atemluft der Puppen sowohl von Kohlensäure wie von Wasser befreit wird. In Versuch B III wurde dies dadurch erreicht, daß die Puppen auf ein Drahtnetz gelegt wurden, das über einem Behälter mit Kalilauge ausgebreitet war. Die auf diese Weise gehaltenen 166 M. GRÄFIN Von LINDEN: Puppen entwickelten sich zu normalen Faltern, verloren aber in dieser Zeit, da sie in den ersten Tagen des Versuches nicht angefeuchtet worden waren, mehr als das Doppelte an Gewicht verglichen mit den in atmosphärischer Luft gehaltenen Tieren. Dazu kommt noch, daß ihre Entwicklung zehn Tage früher beendigt war, als die der Kontrollpuppen. Es liegt hier eine Beschleurigung der Entwicklung vor, wie sie im Hunger- zustand beobachtet wird, eine Erscheinung, auf die ich an einer anderen Stelle zu sprechen komme. Es ist auf den Verlauf der Gewichtskurve auch nicht ohne Einfluß, ob sich die Puppen im Licht oder in der Dunkelheit entwickeln, jedenfalls haben wir in Versuch B’ III bei den in Dunkelheit gehaltenen Puppen des Buchenkahnspinners in atmosphärischer Luft in ?/, der Zeit eine um 3 Prozent höhere Abnahme zu verzeichnen als bei den im Licht unter sonst gleichartigen Bedingungen gehaltenen Vergleichspuppen. In 100 Versuchstagen würden die im Licht gehaltenen Puppen um 24 Pro- zent, die im Dunkeln gehaltenen um 53 Prozent, also um mehr als das Doppelte abgenommen haben. Außerdem war auch hier zu beobachten, daß die schneller an Gewicht abnehmenden Tiere eine um 11 Tage kürzere Puppenruhe hatten, daß also ihre Entwicklung zum Falter eine beschleu- nigte war. Es hat aber nicht nur der Feuchtigkeitsgehalt der Luft Einfluß auf die Dauer des Puppenstadiums. Wir finden, wenn wir die verschiedenen Versuchsreihen miteinander vergleichen, ausnahmslos, daß auch der Kohlen- säuregehalt der Atemluft die Dauer der Puppenperiode beeinflußt, und zwar derart, daß die in kohlensäurereicher Luft gehaltenen Puppen die längste Puppenruhe aufweisen. Der Versuch wurde bei den einzelnen Vergleichsserien jeweils dann abgebrochen, wenn eine Anzahl Puppen sich ausgefärbt hatte, und bereit schien, ihre Puppenhüllen zu verlassen. In den Versuchen B, Bl und C übertraf die Puppenruhe der Kohlensäurepuppen die der Kontrollpuppen um 10 bzw. 22 und 7 Tage. Der Versuch AI—AII hat nach dieser Richtung kein Resultat ergeben, weil die Kontrollpuppen bereits im Januar von Mäusen aufgefressen wurden und nicht zur vollen Entfaltung gekommen waren. Gegenüber den in Atmungskohlensäure gehaltenen Puppen hatten die in kohlensäurereicherer Luft eine Entwicklungsverlängerung von 25 Tagen. Der Versuch v. Brückes kann hier nicht herangezogen werden, weil v. Brücke die Puppen, noch ehe sie sich ausgefärbt hatten, unter andere Versuchsbedingungen ver- brachte. Wenn wir die erhaltenen Resultate zusammenstellen, so ergibt sich die folgende Übersicht über die die Puppenentwicklung verlangsamenden Faktoren: | DER EINFLUSS DES KOHLENSÄUREGEHALTES DER ATEMLUFT. 167 Einfluß äußerer Faktoren auf die Schnelligkeit der Puppenentwicklung. BI. = 72 Tage BI’ =52 Tage CI = 63 Tage = Versuchsserien in über 6°/, CO, haltiger feuch- ter Luft. Hl — 62, _, BIl2 7300. CI. = 48 „ = Kontrollserie in atmo- sphärischer Luft bei langsamer Ventilation. 10 Tage 22 Tage 15 Tage = Entwicklungsver- längerung der Ver- suchspuppen inCO,- reicher Luft. AI. = 95 Tage = Versuchsserie in kohlensäurereicher Luft ANL=70 ,„ = Kontrollserie in Atmungskohlensäure 25 Tage = Entwicklungsverlängerung der Versuchspuppen. BI. = 62 Tage = Kontrollpuppen in atmosphärischer Luft bei schwacher Ventilation BIII. = 47 ,„ = Versuchspuppen in CO, freier Luft bei anfänglicher Wasser- entziehung 15 Tage=Entwicklungsverlängerung der Kontrollpuppen bei wenig CO,. BIL” = 30 Tage = Kontrollserie in atmosphärischer Luft im Licht, schwache Ventilation BII’= 19 „ = Versuchsserie in atmosphärischer Luft im Dunkeln 11 Tage = Entwicklungsverlängerung im Licht gehaltener Puppen. Die Puppenruhe verlängernd. wirken somit: Anwesenheit von Kohlen- säure in der Atemluft, Feuchtigkeit und Belichtung. Beschleunigt wurde die Puppenruhe umgekehrt in kohlensäurefreier Luft, wenn also auch die durch die Puppenatmung entstehende Kohlensäure absorbiert wurde, ferner in trockener Atmosphäre und im Dunkeln. Es sind also hier dieselben . Faktoren: Kohlensäure, Wasser und Licht, die auf die Dauer des Puppen- zustandes und das Puppengewicht Einfluß haben, die auch bei der Pflanze die Assimilation des Kohlenstoffes bedingen und eine Gewichtszunahme in destilliertem Wasser stehender, von der Wurzel aus somit nicht ernährter Pflanzen zur Folge haben. Wenn es nun die Gegenwart der Kohlensäure wäre, die den entwicklungsverlangsamenden Einfluß ausüben würde, so könnte man denken, worauf ich schon früher hingewiesen habe, daß die Kohlensäure lähmend auf die Lebenstätigkeit des Plasmas einwirke, daß sie die Stoffwechselvorgänge verlangsame und dadurch den Stoffverbrauch ver- mindere. Es ließe sich dann dadurch auch erklären, daß Schmetterlings- puppen, die in einer kohlensäurereichen Atmosphäre gehalten werden, weniger an Gewicht abnehmen, als Puppen, die sich in atmosphärischer Luft befinden. v. Brücke will auch die Tatsache, daß die in kohlensäure- 168 M. GRÄFIN VoN LINDEN: reicher Luft gewesenen Puppen einen höheren Gehalt an organischem Material aufweisen als die Kontrollpuppen, auf den geringeren Substanz- verbrauch der sich langsamer entwickelnden Kohlensäurepuppen zurück- führen, er läßt allerdings dabei außer acht, daß bei der Elementaranalyse der Puppen des Versuches A Luftpuppen zum Vergleich herangezogen worden sind, die bei Kellertemperatur überwintert hatten und vor der Analyse nur während acht Tagen in Zimmertemperatur gehalten worden waren. Diese Puppen konnten, da sie bei Kellertemperatur erfahrungs- gemäß in ihrer Entwicklung stehen bleiben, keinenfalls weiter vorangeschritten sein, als die seit Dezember im warmen Zimmer befindlichen Kohlensäure- puppen, und waren es auch nicht, wie ich für die Entwicklung ihrer Schuppen und Flügelmembranen festgestellt habe. Wir werden auch aus den folgenden Ausführungen ersehen, daß es sehr viel besser den wirklichen Verhältnissen entspricht, wenn wir den die Entwicklung verzögernden Einfluß, den Kohlensäure, Wasser und Licht bewirken, durch die Annahme erklären, daß die unter den angeführten Bedingungen gehaltenen Puppen mit längerer Puppenruhe in der Lage waren, sich in einem besseren Ernährungszustand zu erhalten als die anderen, deren Falter bälder schlüpften. Sie hatten das Material, um eine längere Puppenruhe aushalten zu können. Unter natürlichen Verhältnissen, d. h. in freier Natur schlüpfen die Puppen des Segelfalters in den Monaten Mai und Juni, die natürliche Entwicklungsdauer der Puppen dieses Schmetter- lings ist daher eine sehr viel längere als die unserer Kontrollpuppen, bei denen sich die entwicklungsbeschleunigende Wirkung der Zimmertemperatur geltend macht. Im warmen Zimmer spielen sich die Lebensprozesse schneller ab, die Reservestoffe werden schneller aufgebraucht und die Puppen müssen sich entweder früher in den Falter verwandeln, oder verhungern. Sind nun die Puppen in der Lage diesen beschleunigteren Abbau ihrer Reservestoffe durch einen Aufbau, d. h. eine Anlagerung organischer Substanz zu kom- pensieren, so werden sie auch ihre Puppenruhe ausdehnen und den natür- lichen Termin ihrer Verwandlung eher einhalten können. In dieser Lage befinden sich aber diejenigen Puppen, denen Wasser und Kohlensäure ge- boten wird. Die durch die Assimilation besser ernährten Puppen haben naturgemäß eine längere Puppenruhe als die unter schlechteren Ernährungs- bedingungen gehaltenen Kontrollen. Wenn wir die längere Puppenruhe durch einen besseren Ernährungs- zustand zu erklären glauben dürfen, so wäre es doch wichtig festzustellen, ob in den Ergebnissen der experimentellen Forschung Analoga dafür zu finden sind, aus denen hervorgeht, daß bessere Ernährung die Ent- wicklung zum geschlechtsreifen Tier verzögern kann, und ob umgekehrt dieses Endstadium bei schlechterer Ernährung früher erreicht wird. DER EINFLUSS DES KOHLENSÄUREGEHALTES DER ÄTEMLUFT. 169 In P. Bachmetjews „Experimentellen entomologischen Studien“, Sophia 1907, sind in bezug auf diese Frage die Ergebnisse der Untersuchungen einer Reihe von Forschern zusammengestellt. 1885 stellte C. F. Morgan mit der Reblaus Versuche an und fand, daß die mangelhafte Ernährung die Entwicklung der geflügelten Weibchen beschleunige, während reichliche Nahrung dieselbe verlangsame. Dieselbe Erfahrung machte zu derselben Zeit Göldi bei anderen Pflanzenläusen (Pemphigus xylostei u. a.), auch er konnte feststellen, daß diese Blattläuse bei Nahrungsmangel die geflügelte Form viel früher ergaben, als es sonst vorkommt. Auch Pictet machte die Erfahrung, daß die Puppen der Schmetterlinge, deren Raupen unter günstigen Ernährungsbedingungen gestanden hatten, sich später in den Falter verwandelten als solche, die aus schlecht ernährten Raupen hervor- gegangen waren. Aber auch bei höheren Tieren ist es beobachtet worden, daß Metamorphosen sich unter dem Einfluß des Hungers schneller abspielen.. Ich erwähne die Untersuchungen von Barfurth 1887 über die Verwand- lung der Froschlarven, die ihn zu dem Schluß bringen, daß der Hunger die Entwieklung beschleunigt. Ähnliche Beobachtungen sind auch im Pflanzenreich gemacht worden. So finden sich z. B. in einer neueren Arbeit über die Entwicklung der Champignons die Angaben, daß Exemplare, deren Ernährungsverhältnisse weniger gut sind, ihre Entwicklung rascher abschließen und schneller zur Fruktifikation gelangen als gut ernährte. Es scheint demnach ein für das ganze organische Reich gültiger Satz zu sein, daß der Ernährungszustand über die Dauer der Meta- morphose entscheidet. Um auf die für unseren Fall als Analogon besonders wichtigen Er- gebnisse der Pictetschen Untersuchungen an Schmetterlingen zurück- zukommen, so ist hier nicht zu bezweifeln, daß den gut ernährten Raupen mehr Reservestoffe zur Verfügung stehen als den hungernden Exemplaren, woraus zu folgern ist, daß sie dadurch auch in der Lage sind, länger im Puppenzustand zu verweilen, als weniger gut ernährte Individuen, bei denen der Hunger der Gewebe den Reiz zu schnellerer Entwicklung erteilt. In ähnlicher Lage wie die gut ernährten Tiere sind die in kohlensäure- reicher Atmosphäre befindlichen Puppen, die aus der umgebenden Luft Kohlenstoff und Wasser entnehmen und, wie wir aus dem Folgenden er- sehen werden, daraus Reservestoffe bilden. Diese Deutung der Frage ist auch schon aus dem Grunde die richtige, weil ich, wie schon früher betont, nicht beobachtet habe, daß die Kohlen- säure in der Konzentration, in der sie in den hier in Frage kommenden Versuchen verwendet worden ist, lähmend auf die Puppen eingewirkt hätte. Im Gegenteil, die Puppen schienen sich, wie ich auch bereits in meiner Veröffentlichung aus dem Jahre 1907 S. 178 hervorgehoben habe, „eher in 170 M. GrRÄFIN von LINDEN: einem Stadium nervöser Erregung zu befinden‘. Sie verhielten sich viel lebhafter als alle übrigen und reagierten sowohl in dem Puppenbehälter, wie auch außerhalb desselben auf jeden Reiz durch oft außerordentlich heftige Bewegungen ihres Hinterleibes. (Vgl. dieselbe Arbeit S. 174.) „Ich beobachtete z. B., wie sich eine Puppe, nachdem ich sie dem Behälter ent- nommen und auf weißes Fließpapier gelegt hatte, das von der Sonne grell beschienen war, in den Schatten wälzte, und dabei einen Weg von 12°” zurücklegte. Jedesmal wenn ich den Behälter berührte, fingen die Puppen an sich zu bewegen, ebenso wenn der CO,-haltige Luftstrom durch den Behälter geleitet wurde. Die Puppen der beiden anderen Serien waren während ihrer ganzen Entwicklung nahezu reaktionslos geblieben“. Es ist nicht uninteressant, festzustellen, in welchem Verhältnis die maximalen Zunahmen der Kohlensäurepuppen zu den maxi- malen Abnahmen der Luftpuppen stehen, und zu untersuchen, ob diese Beziehungen in irgend einer Abhängigkeit von den entsprechenden Versuchszeiten gebracht werden können. Die maximalen Zunahmen geben den Zeitpunkt an, auf dem ein Schwererwerden der Versuchspuppen nicht mehr zu erzielen war, weil die Puppen auf dem Entwicklungsstadium standen, wo die Flügel sich aus- färben und der Stoffverbrauch im Puppenorganismus ein sehr großer wird und infolgedessen die respiratorischen Prozesse im Puppenkörper die assi- milatorischen Vorgänge überwiegen. Die maximale Abnahme der Kontrollpuppen war mit dem Tag erreicht, wo die ersten Puppen vor dem Ausschlüpfen standen und der Versuch abgebrochen werden mußte, um nicht an Material für die Analyse zu verlieren. Beide Zeitpunkte sind demnach nicht willkürlich gewählt, sondern entsprechen bestimmten Etappen in der Puppenentwicklung. Das Verhältnis der maximalen Zunahmen und Abnahmen in den ein- zelnen Jahren war: Gewicht: annähernd “ Eu se auf 100 Tage age | | 1905/06 Segelfalter (+) 5°4:(-)10 =1:2| 57 |62=1:1| 8 :16-6=1:2 1905/06 Buchenkahnsp. |(+)12 :(-—) 7 =2:1 54 [30=2:1| 22-6:23-5=1:1 1906/07 Segelfalter (+) 67:(—)14 =1:2| 58 |63=1:1| 10-4:23-3=1:2 1907/08 Ye (+) 1-7:(—) 3-2=1:2) 56 |46=1:1| 3 : 6-9=1:2 von Brücke | Wir sehen aus dieser Zusammenstellung, daß die maximalen Ab- und Zunahmen, wenn sie in gleiche Zeiträume fallen, sich annäherungsweise verhalten wie 1:2, d.h. die Abnahme der in atmosphärischer Luft DER EINFLUSS DES KOHLENSÄUREGEHALTES DER ATEMLUFT. 171 gehaltenen Puppen ist in gleicher Entwicklungszeit ungefähr doppelt so groß als die Zunahme der in CO, befindlichen Tiere. Umgekehrt finden wir, daß in einem Fall, wo Zu- und Abnahme, auf 100 Tage Versuchsdauer berechnet, gleich groß waren, die in kohlensäurereicher Luft gehaltenen Puppen die doppelte Zeit gebraucht hatten, um den Grad der Entwicklung zu erreichen, auf dem die Aus- färbung der Flügel beobachtet wird. Ich komme nun auf die v. Brückeschen Versuche zu sprechen, aus denen sich der Anteil der Kohlensäure bei der Gewichtszunahme der CO,-Puppen besonders gut ersehen läßt. Dem Verfasser selbst ist es merkwürdigerweise entgangen, welch ausgezeichnete Unterlage seine Versuchsergebnisse für den Beweis einer Assimilation der Kohlensäure durch die Schmetterlingspuppe ergeben, denn er kommt zu dem Schluß, „daß dem Kohlensäuregehalt der Atemluft bei einer (Gewichtszunahme der Schmetterlingspuppen, wie sie in den v. Lindenschen Experimenten beob- achtet wurde, keinerlei kausale Bedeutung zukommen kann, wenn man nicht die unwahrscheinliche Annahme machen will, daß die naß gehaltenen Puppen leichter Kohlensäure unter Ausnutzung der Lichtenergie ‚assimi- lieren‘ als trocken gehaltene Puppen“.! v. Brücke stand offenbar zu sehr im Bann der „allgemein anerkannten Tatsachen der Physiologie“, um die Tragweite seiner eigenen Versuche entsprechend würdigen zu können. Wenn wir bei den v. Brückeschen Wägungen die prozentualischen Zu- und Abnahmen miteinander vergleichen, nachdem wir dieselben auf gleiche Zeiträume berechnet haben, die hier mit dem ersten und letzten Tag des Experimentes der in trockener Luft gehaltenen Puppenserie ge- geben sind — es ist dies der Zeitraum vom 30.1. bis 16. bzw. 17. III. —, so finden wir folgendes: Die Zunahme der in kohlensäurereicher Luft gehaltenen Puppen ist gerade doppelt so groß als die Gewichts- zunahme der unter gleichen Feuchtigkeitsbedingungen angeblich in atmo- sphärischer Luft gehaltenen Puppen. In Wirklichkeit hatten sich Ja die Puppen in abgeschlossenem Behälter in einem die Atmungskohlensäure enthaltenden Raume befunden. Ferner ergaben die v. Brückeschen Zahlen, daß die Abnahme der in kohlensäurereicher, aber trockener Luft gehaltenen Puppen um ein Drittel geringer war als die Ab- nahme der in atmosphärischer Luft trocken gehaltenen Tiere. Schon allein aus diesen Beziehungen ist zu schließen, daß der Anwesenheit von Kohlensäure ein ganz bestimmter Anteil bei der Gewichts- veränderung der Schmetterlingspuppen zugeschrieben werden ! Th. von Brücke, Über die angebliche Mästung von Schmetterlingspuppen mit Kohlensäure. Dies Archiv. 1908. Physiol. Abteilung. 8. 440. 172 M. GRÄFIN von LINDEn: muß. Aus den v. Brückeschen Versuchen läßt sich aber auch zahlen- mäßig feststellen, wieviel Prozent bei der Gewichtszunahme auf Kohlen- säureaufnahme entfällt. Gewichtsabnahme E Gewichtszunahme | za RN] | | | BER | af 7 r + 4 ! al | ZEN | / ih I | h | | | im Fir: i 104 \ I 1 ! h ü \ | lebt 17} | let | & -+F+ = N 1 IM d Ar 1 A j i A | 1 ne i + | — | : ji 1 _ | mm H u Fk i / | L- fi! + | RER] Legen) er BEN ER RL N Al M Q | ra AS \ R 1 Fa \ 1 N al | ! u u Ei } i \ I de - E SEE | | Si KaleR IBESRESEHEIE \ B ER 2 R 4 a Ari \ 4 4 IS 4 \ at al Le] ae 1 N + { —— INS ii : Kal ai 1 IS) T if T = T SH |® f + IL = | 1 ı hı ? = AA 7 2 St [Sl i E I l 7 D {} 4 +— I 7 JE Z 1 \ j a F7 „ & i I 3 S | 7 ıS| il ! ! 1818 11 I ; SER3 \ h i i SO SI N] » / r TS ; u E 4 i i @| SQ IA Q l a S ja a S| IK 5 P2 | Ä SEE 2 Se a SI S . S R - R SS, S | S Ss iS ES T SI I Si T = S SeReeeeRe SEES SE - =. Ss _ SS & a (=) ii il ai! STIER: DS A. I. Zunahme der Puppen in feuchter CO,-reicher Luft — 15405 — 0.84 „ IT. Zunahme der Puppen in feuchter CO,-armer Luft. durch CO, bedingter Unterschied = 0-70°/, DER EInFLUss DES KOHLENSÄUREGEHALTES DER ATEMLUFT. 173 B. II. Abnahme der Puppen in trockener CO,-armer Luft . . =3.27°/, IV. Abnahme der Puppen in trockener CO,-reicher Luft. . =2-12 , Durch CO, bedingter Unterschied = 1-15°/, C. V. Abnahme der Puppen in trockener CO,-reicher Luft . — 912217 _ VI. Zunahme der Puppen in feuchter CO,-reicher Luft = 1-54, Durch Wasser bedingter Unterschied = 3-66°/, D. VII. Abnahme der Puppen in trockener CO,-armer Luft . . = 3-27, VIII. Zunahme der Puppen in feuchter CO,-armer Luft = (0:84 „ E. IX. Zunahme der Puppen in feuchter CO,-reicher Luft . . =1-54°], X. Abnahme der Puppen in trockener CO,-armer Luft . . =3-27 , Durch Kohlensäure und Wasser bedingter Unterschied = 4-81°/ Aus dieser Aufstellung läßt sich folgendes schließen: A. Wurden die beiden Puppenserien unter gleichen Feuchtigkeits- bedingungen aber bei verschiedenem Gehalt der Atemluft an Kohlen- säure gehalten, so übertraf die Gewichtszunahme der in kohlensäure- reicher Luft gehaltenen Puppen die in Kohlensäure armer Luft befind- lichen um annähernd die Hälfte, absolut, um 0-.70°;),. Diese 0.70°/, Ge- wichtszunahme ist allein auf die Mehraufnahme von Kohlensäure durch die Puppen zurückzuführen, da für die Wasseraufnahme bei beiden Puppen- serien gleiche Versuchsbedingungen bestanden hatten. Der Anteil der Kohlensäure beträgt also hier bei der Gewichtszunahme der feucht gehaltenen Puppen, 0-70°/, oder etwas weniger als die Hälfte der Gesamtszunahme. | B. Wurden die Puppen trocken in CO,-armer und trocken in C0,- reicher Luft gehalten, so nahmen die letzteren um !/, weniger an Gewicht ab als die ersteren. Der höhere Gehalt an Kohlensäure hatte demnach eine Gewichtsersparnis von 1-15°/, zur Folge. Der Anteil der Kohlensäure an der geringeren Gewichtsabnahme der beiden Puppenserien betrug so- mit 1-15°/, und war um 0-45°/, größer als der CO,-Anteil bei der Ge- wiehtszunahme. Während in den Differenzen A. und B. der Anteil zum Ausdruck kommt, den die Kohlensäure an der Gewichtsveränderung der Puppen hat, sind die Versuchsbedingungen in den Zusammenstellungen C. und D. dahin geändert, daß für ein verschiedenes Verhalten der jeweils zusammen- 174 M. GrÄFIN Von LINDEN: gestellten Puppenserien nicht mehr der verschiedene Gehalt an Kohlen- säure, sondern der verschiedene Feuchtigkeitsgrad in Frage kommt. Die Differenzen in C. und D. bringen somit hier den verschiedenen Wasseranteil bei der Veränderung des Puppengewichtes bei beiden Serien zum Ausdruck. C. Aus C ersehen wir, daß die naßgehaltene, in CO,-reicher Luft befindliche Puppenserie von der trocken gehaltenen um 3.66°/, des An- fangsgewichtes differiert. Bei den in CO,armer Luft befindlichen Puppen erhöht sich dieser Unterschied auf 4-11°/,. In CO,-armer Luft ist also die Gewichtsdifferenz, die durch den verschieden großen Feuchtigkeitsgrad, bzw. durch die verschieden große Möglichkeit der Puppen, Kohlensäure auf- zunehmen, bedingt wird, um 0.45°/, größer als in CO,-reicher Luft. Diese Differenz kommt, wie schon aus: dem Vergleich der Werte von A. und B. hervorgeht, allein auf Rechnung der größeren Gewichtsabnahme der trocken gehaltenen Luftpuppen. Der Wasseranteil an der Gewichtsveränderung ist darnach bei den in kohlensäurereicher Luft befindlichen Puppen kleiner als bei den Luftpuppen. Die extremsten Gewichtsveränderungen kommen in der Zusammen- stellung der Serien IX und X zum Ausdruck. Die Kohlensäurepuppen stehen hier unter den günstigsten Bedingungen für eine Gewichtszunahme die Luftpuppen unter den günstigsten Bedingungen für eine Gewichtsabnahme. Der Gewichtsunterschied, den beide Serien am Ende des Versuches erfahren haben, ist 4-11°/,, er ist also um 0-70°/, größer als die Gewichtsdifferenz der trocken und feucht gehaltenen Luftpuppenserien. Da diese letztere mit 4.11°/, dem Feuchtigkeitsanteil bei der Gewichtsveränderung der Luft- puppen entspricht, so haben wir den Rest von 0.70°/, als Kohlensäure- anteil bei der Gewichtsveränderung der Kohlensäurepuppen anzusehen, wie er sich bereits aus der Zusammenstellung der Serien I und II ergeben hat. Es geht somit aus den Versuchen v. Brückes mit größter Deut- lichkeit hervor, daß das Schwererwerden der Schmetterlingspuppen in kohlen- säurereicher Luft sowohl auf Wasseraufnahme, wie auch auf Kohlensäure- aufnahme und der Folge zurückzuführen ist. Aus den Versuchen läßt sich dieses Verhältnis der Kohlensäure- und Wasseraufnahme bzw. Assimilation anch berechnen. Wenn wir mit v. Brücke voraussetzen wollen, daß die Hauptzunahme der in Luft gehaltenen Puppen allein auf Wasseraufnahme zurückzuführen ist, und wenn wir weiter annehmen, daß die unter den gleichen Feuchtigkeitsbedingungen gehaltenen CO,-Puppen ebensoviel Wasser wie die Luftpuppen aufgenommen haben, so verhält sich bei ihnen die Kohlensäurezunahme zur Wasserzunahme wie 70:84. Wasser- und Kohlen- säurraufnahme sind also hier annähernd gleich groß. Da die im verschlossenen DER EINFLUSS DES KOHLENSÄUREGEHALTES DER ATEMLUFT. 175 Gefäß gehaltenen Luftpuppen ebenfalls in der Lage waren, die aus ihrer Atmungstätigkeit stammenden kleinen CO,-Mengen aufzunehmen, so ist ein Teil der Luftpuppenzunahme jedenfalls auf CO, zu beziehen, so daß das Verhältnis von CO, und Wasseraufnahme noch gleichartiger wird. Wenn wir daraus berechnen, in welchem Verhältnis der aufgenommene Kohlen- stoff zu dem aufgenommenen Wasser steht, so ergibt sich: In der Kohlen- säure ist: =12 0=32 44 In 44 Teilen Kohlensäure befinden sich also 12 Teile Kohlenstoff. ” 70 ” ” ” ” ” 19 „ ” Auf 19 Teile Kohlenstoffaufnahme kommen 84 Teile Wasseraufnahme. „ 1 Teil 2) „ 4.4, „ Der aufgenommene Kohlenstoff steht somit zu dem aufgenommenen Wasser in dem Verhältnis von 1:4-4. Die in kohlensäurereicher Luft gehaltenen Puppen haben demnach viereinhalb mal mehr Wasser bei ihrer Gewichtszunahme aufgenommen, als Kohlen- stoff. Wenn wir dieses Resultat mit den Ergebnissen vergleichen, die sich aus der Elementaranalyse meiner früheren Versuche ableiten lassen, so sehen wir, daß das Verhältnis der Kohlenstoff- und Wasserbeteiligung am Scehwererwerden der Kohlensäurepuppen im von Brückeschen Versuch sehr gut mit dem übereinstimmt, das sich für die Puppen des Segelfalters aus meinen Experimenten vom Jahre 1905/6 ergeben hat, in den anderen Versuchsjahren war die Wasseraufnahme eine verhältnismäßig größere. Wir finden bei den in kohlensäurereieher Luft gehaltenen Puppen dieses Ver- suchsjahres eine Gewichtszunahme pro Puppe von 0.0905 =“, davon sind 0-.06%1sm auf Woasseraufnahme zu beziehen. In den restlichen, dem Trockensubstanzzuwachs entsprechenden 0.0234 = sind 0.014853 sm Kohlenstoff enthalten. Kohlenstoff- und Wasserzunahme stehen also in dem Verhältnis von 1485:6%710 =1:4-5. Die Wasserzunahme war also auch hier viereinhalb mal größer als die Kohlenstoffzunahme. Diese Übereinstimmung der Ergebnisse, die in einem Fall aus der Ge- wichtsveränderung der unter verschiedenen Bedingungen gehaltenen Schmet- terlingspuppen abgeleitet, im anderen Falle aus der Elementaranalyse der Puppen gewonnen wurden, zeigen, daß von Brücke unbewußt die glück- lichste Versuchsanordnung und Variation der Bedingungen getroffen hat, um auf einfachstem Weg einen weiteren Beweis dafür zu erbringen, daß Schmetterlingspuppen, die in einer Atmosphäre von erhöhtem Kohlensäuregehalt erzogen werden, Kohlensäure in sich auf- nehmen und damit ihr Körpergewicht vergrößern. 176 M. GrÄFIN von LINDEn: II. Die Veränderung des Trockensubstanzgehaltes der Schmetterlingspuppen bei verschiedenem Kohlensäuregehalt der Atemluft. Aus den vorstehenden Ausführungen ging hervor, daß Schmetterlings- puppen der verschiedensten Arten, wenn ihnen während ihrer Entwicklung Kohlensäure und Wasser zur Verfügung steht, an Gewicht zunehmen. Sie unterscheiden sich darin, wie bereits erwähnt, sehr wesentlich von normal gehaltenen, im Zimmer überwinterten Puppen, deren Entwicklung sich in atmosphärischer Luft vollzieht, und die von Tag zu Tag leichter werden. Aus den von Brückeschen Versuchen ließ sich ferner berechnen, daß ein Teil dieser Gewichtszunahme auf die Aufnahme der Bestandteile des Wassers, ein anderer auf die Aufnahme der Bestandteile der Kohlensäure zurückzuführen war. Das Verhältnis der Wasseraufnahme zum Anteil des Kohlenstoffes bei dieser Gewichtsveränderung beträgt in dem einen aus dem von Brückeschen Versuch berechneten Beispiel 4:1, d.h. auf vier Teile Wasser kam ein Teil Kohlenstoff. | Dieses Verhalten der Schmetterlingspuppen legt es nahe, anzunehmen, daß durch den Aufenthalt dieser Tiere in einer an Kohlensäure reichen Atmosphäre nicht nur ihr Wassergehalt, sondern auch ihr Gehalt an kohlen- stoffhaltiger Trockensubstanz eine Vermehrung erfährt, und zwar wären hier auch wieder zwei Möglichkeiten zu berücksichtigen. Es könnte der Kohlenstoff in einer anorganischen Verbindung, in der Asche der Puppen gefunden werden, oder aber in organische Substanz verwandelt sein, und in Form von Kohlenhydrat, Fett oder Eiweißkörper ein Assimilat des Puppenorganismus bilden. An eine rein physikalische Absorption der Kohlensäure durch die Körperflüssigkeit der Puppen ist nicht zu denken, da die Quantitäten, die durch die Körpersäfte hätten verschluckt werden können, viel zu klein sind, um die Gewichtszunahme zu erklären. So wogen in dem ersten Versuch 100 Versuchspuppen 17.43 sm mehr als die Kontrollpuppen. Ihr Wassergehalt betrug 65-34 em = 15.36 gm mehr als der der Kontrollpuppen. Nehmen wir nun an, die Körpersäfte der Versuchspuppen hätten, wie es bei der Pflanze der Fall ist, 1?/, ihres Volumens Kohlensäure absorbiert, so wären in 65.34 m 81.57 m = 154.9 mem Kohlensäure enthalten gewesen, eine Gewichtszunahme, die viel zu gering ist, um die wirkliche Zunahme des Trockengewichtes von 2-07 &®% zu er- klären. Bei den übrigen Versuchen war der Wassergehalt der Puppen ein geringerer und die Gewichtszunahme durch Kohlensäureabsorption würde noch weniger ausschlaggebend gewesen sein. Die im folgenden mitgeteilten Ergebnisse der Elementaranalyse meiner Versuchs- und Kontrollpuppen zeigen, daß wirklich eine Trockensubstanz- DER EINFLUSS DES KOHLENSÄUREGEHALTES DER ATEMLUFT. 177 vermehrung bei den Versuchspuppen stattfindet, und daß bei dieser die Zunahme der kohlenstoffhaltigen Bestandteile eine Hauptrolle spielen. Vermehrung der Trockensubstanz und ihrer Bestandteile bei den in kohlensäurereicher Atmosphäre gehaltenen Schmetterlings- puppen in den Versuchen der Jahre 1904-1907. 1904—1905. Versuch mit den Puppen des Segelfalters: Zur Analyse wurden verwendet: CO,-Versuchspuppen; 11 Stück. Gewicht vor der Analyse: 8.9434 srm 1 Puppe = 0-81303 sm Gewicht von 100 Puppen = 81-303 sm 100 2% Puppen enthalten an Trockensubstanz: 19.63 sm 100 gm " # 5 Wasser: 80.37 8m daraus folgt: ! Trockensubstanz in 100 Puppen = 15.96 sm Wasser „ 100 DE 569.934 Br Kontrollpuppen: 6 Stück. Gewicht vor der Analyse: 3.8326 srm 1 Puppe = 0.6387 sm Gewicht von 100 Puppen = 63.87 sm 100 8”® Puppen enthalten Trockensubstanz: 21.75 gm 100 sm a s Wasser: 78-258” daraus folgt: ? Trockensubstanz in 100 Puppen = 13.89 8m Wasser 1.00 .; —Ay on 100C0,-Versuchspuppen enthalten (15-96—13-.89)=2-07®’"% mehr Trockensubstanz und (65:34—49.98) = 15-368"” mehr Wasser als 100 Kontrollpuppen. Verhältnis der Trockensubstanz zur Wasservermehrung = 1:7. 1905—1906. Versuch mit den Puppen des Segelfalters: Zur Analyse wurden verwendet: CO,-Versuchspuppen: 9 Stück. Gewicht vor der Analyse = 6.997 8m Gewicht 1 Puppe = 0.7774 8m I | Gewicht von 100 Puppen = 77.74 sm 1008” Puppen enthalten Trockensubstanz: 22.6 8"” 100 grm A Ä; Wasser: 77.43” daraus folgt:° Trockensubstanz in 100 Puppen = 17-57 8 Wasser „ 100 hs — 00 gen 1181-303 = 1-91009 2 163-87 = 1:80530 119.63 = 129292 121.75 = 133746 nl 3-20301 = 15-96 nl 3-14276 = 13-89 3 1 77:74 = 1-89064 122.60 = 1-35411 nl 3:24475 = 17:57 Archiv f. A. u. Ph. 1910. Physiol. Abtlg. Suppl. 12 178 M. GrÄrFIn von LiINDEn: Kontrollpuppen: 16 Stück. Gewicht vor der Analyse = 10-9876 8:” 1 Puppe = 0-6867 E" Gewicht von 100 Puppen = 68.67 sm 100 8% Puppen enthalten Trockensubstanz: 22.16 2" 100 sm Wasser: 77.8480 daraus folgt:! Trockensubstanz in 100 Puppen = 15.57 8” Wasser 100 a — En 3 IE 100 Versuchspuppen enthalten (17-57 — 15-57) = 2.00 8” mehr Trockensubstanz und (60-17 — 53-10) = 7.078% mehr Wasser als 100 Kontrollpuppen. Das Verhältnis der Trockensubstanzzunahme zur Wasserzunahme ist — 183-3. Puppen in CO,-freier Luft: 8 Stück. Gewicht = 4.777 8 Gewicht 1 Puppe = 0.5971 8m Gewicht von 100 Puppen = 59-71 ?m 100 8°” Puppen enthalten Trockensubstanz: 25.2 ES” 100 grm n Wasser: 74.80 8m daraus folgt:? en ae in 100 Puppen = 15:05 8" Wasser „ 100 4 —= 44.665 m Die in kohlensäurefreier Luft gehaltenen Puppen enthalten(15-57— 15-05) — 0-52 sm Trockensubstanz weniger alsdie Kontrollpuppen und (17.57 — 15-05) = 2.52 sm weniger Trockensubstanz als die in kohlensäurereicher Luft ge- haltenen Tiere. Ihr Wassergehalt ist um (53-10 — 44.66) = 8.44 8m niedriger als der der Kontrollpuppen und um (60-17 — 44.66) = 15-518" niedriger als der der in kohlensäurereicher Luft gehaltenen Tiere. 1906—1907 Versuche mit den Puppen des Segelfalters: Zur Analyse wurden verwendet: CO,-Versuchspuppen: 104 Stück. Gewicht vor der Analyse: 93.1 sem Gewicht 1 Puppe = 0-8952 sm Gewicht von 100 Puppen = 89:52 sm Analysiert wurden, nachdem ein kleiner Teil der getrockneten Substanz durch Umfallen der Schale verloren gegangen war: 13-6 8”" Trockensubstanz. Es enthielt deshalb eine Puppe mehr als 0-1307 8% Trockensubstanz. 100 Puppen mehr als 13.07 20 [= 17-7, vgl. 8.182] Trockensubstanz. 100 Puppen weniger als 76-45&= [= 70-15, vgl. 8. 182] Wasser. Kontrollpuppen: 86 Stück. Gewicht vor der Analyse =56.3 2m 1 Puppe = 0.652 8” Gewicht von 100 Puppen = 65-20 ®m 1168-67 = 1-33677 2 159.71 = 1-77605 122.16 = 1-34557 125.20 =!1-40140 ul 3-19234 = 15:57 nl 3-17745 = 15:05 DER EINFLUss DES KOHLENSÄUREGEHALTES DER ATEMLUFT. 179 Die Puppen ergaben 9.88% Trockensubstanz. 1 Puppe enthielt danach: 0-114"% Trockensubstanz. 100 Puppen enthielten: 11-48” H 100 N ii 53.887m Wasser. Die in kohlensäurereicher Atmosphäre gehaltenen Puppen übertreffen die Kontrollpuppen um mehr als (13-07 — 11.40) = 1-6% E'® an Trocken- substanz und um weniger als (76.45 — 53.80) = 22.65 8"" an Wasser- gehalt. i Zusammenfassung: Versuchsjahr: Trockensubstanzzunahme Wasserzunahme der CO,-Versuchspuppen: 1904—1905 100 Puppen: 2.07 8m 15.86 57m 1905—1906 100 3 2-00 7.07 1905—1906 100 " 2.52 15-51 1906—1907 100 A größer als 1-67 kleiner als 22.65 Wir sehen aus dem vorhergehenden, daß der Trockensubstanzgehalt der Puppen in den verschiedenen Versuchsjahren variiert, daß er einmal höher und einmal niedriger gefunden wurde, wir sehen aber auch, daß in jedem Jahr die in kohlensäurereicherer Luft gehaltenen Puppen die andern an Trockensubstanzgehalt übertreffen. Aus dem Versuch des Jahres 1905/6 ersehen wir außerdem, daß bereits die Menge der Kohlensäure, die für ge- wöhnlich in der Atmungsluft den Puppen zur Verfügung steht, für die Größe der Trockensubstanzzunahme ausschlaggebend ist. In der einen Puppenserie hatte den Puppen die selbsterzeugte Atmungskohlensäure jedenfalls teilweise zur Verfügung gestanden, bei einer zweiten war die Atmungskohlensäure den Puppen durch Kalilauge sofort entzogen worden, die erstere Puppenserie übertraf die zweite um 0-52 3"= an Trockensubstanz. Die dritte Versuchsserie hatte sich in einer Atmosphäre von durchschnittlich 80 Prozent CO, entwickelt, ihr Trockensubstanzgehalt hatte um 2.52 sm zugenommen, der Zuwachs war also hier gegenüber der in atmosphärischer Luft + Atmungskohlensäure gehaltenen Puppen fünfmal größer als die Trockensubstanzzunahme, die diese letzteren verglichen mit den in kohlen- säurefreier Luft erzogenen Puppen zu verzeichnen gehabt hatten, denn es ist hervorzuheben, daß der Zuwachs an Trockensubstanz bei den Puppen, die in einer Atmosphäre von künstlich weit über das natürliche Maß er- höhtem Kohlensäuregehalt gelebt hatten, in jedem Jahr annähernd derselbe war. Er betrug für 100 Puppen 2s!=. Bei dem letzten Versuch, wo sich 123 180 M. GrÄrIn von LiINDEn: nur ein Überschuß von 1-67 8m ergeben hatte, ist ausdrücklich zu be- merken, daß ein kleiner Teil der Trockensubstanz durch einen unglücklichen Zufall verloren gegangen ist. Nach den gut übereinstimmenden Resultaten der Vorjahre zu urteilen, müßte der Trockensubstanzverlust etwa 0-33 2m betragen haben. Versuche mit den Puppen des Buchenkahnspinners: 1905— 1906. CO,-Versuchspuppen: 27 Puppen. Gew.= 7.39218% 1 Puppe= 0.273438" Gewicht von 100 Kuüppen 30 An 100 2% Puppen enthalten Trockensubstanz: 34.2 s’% 100 8m n x Wasser: 65.88”, daraus folgt: Trockensubstanz in 100 Puppen = 9.348 Wasser „100 „ — On Kontrollpuppen: Gewicht einer Puppe = 0.237 sm Gewicht von 100 Puppen = 23.7 sm 1002'® Puppen enthalten Trockensubstanz: 23.35 "m Ko 2 5 Wasser: 76-65 8%, daraus folgt: Trockensubstanz in 100 Puppen = 5.538” Wasser ».300 h — Diein kohlensäurereicher Luft gehaltenen Puppen enthalten (9-34 — 5-53) —= 3.81 "m mehr Trockensubstanz als die Kontrollpuppen, sie werden von den letzteren an Wassergehalt um 0.19” übertroffen. Auch der Versuch mit dem Buchenkahnspinner zeigt, daß der Trocken- substanzgehalt von Schmetterlingspuppen, die ihre Entwicklung in einer an Kohlensäure reichen Atmosphäre durchmachen, größer ist als der der in atmosphärischer Luft befindlichen Kontrolltiere. Wenn wir berücksichtigen, daß das Gewicht einer Buchenkahnspinnerpuppe nur den vierten Teil des Gewichtes einer Segelfalterpuppe beträgt, daß aber der Trockensubstanz- gewinn der in kohlensäurereicher Luft befindlichen Puppen fast das Doppelte von dem der Segelfalterpuppen ist, so müssen wir annehmen, daß die Fähigkeit Kohlensäure zu assimilieren, bei den Buchenkahnspinnerpuppen auf das ganze Körpergewicht bezogen, nahezu achtmal so groß ist, als beim Segelfalter. Dieser Schluß ist aber nur dann richtig, wenn wir den Trocken- substanzzuwachs mit dem Gesamtgewicht vergleichen, nicht wenn wir ihn auf das Gewicht der Trockensubstanz allein beziehen, denn die Puppen des Buchenkahnspinners sind trockensubstanzreicher als die des Segelfalters. Werden in den verschiedenen Versuchen die Gewichte der Trockensubstanz durch die Gewichte des jeweils erzielten Trockensubstanzzuwachses dividiert, so ergeben sich die folgenden Zahlen: Der EınrLuss DES KOHLENSÄUREGEHALTES DER ATEMLUFT. 181 ‚ Buchenkahnuspinner: 6-88:3-85 = 2-0. Segelfalter 1904/5: 15-96:2-07 = 17-7. 2 1905/6: 17.57:2.00 = 8-78. A 1906/7: 13-07:1-67 = 17-8, Wir müssen aus diesen Quotienten den Schluß ziehen, daß der Zu- wachs an Trockensubstanz bei den Versuchspuppen umgekehrt proportional ist zur Gesamttrockensubstanz, daß er mit anderen Worten kleiner wird, wenn der Trockensubstanzgehalt der Puppen größer ist. Puppen mit sehr hohem Trockensubstanzgehalt würden demnach relativ weniger assimilieren als Puppen mit geringerem Trockensubstanzgehalt. Dieses Ergebnis ist insofern überraschend, als man annehmen sollte, daß Puppen mit hohem Gehalt an Trockensubstanz, der einen Reichtum an organischem Material ausdrückt, in der Lage sein sollten, den AssimilationsprozeßB ausgiebiger- zu besorgen, als solche von geringerem organischen Substanzgehalt. Wenn der Trockensubstanzgehalt angeben würde, wieviel assimilierendes Gewebe im Puppenkörper vorhanden ist, so wäre zu erwarten, daß trockensubstanz- reichere Puppen auch mehr assimilieren. Der Trockensubstanzgehalt ist aber nicht nur das Maß für die im Puppenkörper enthaltenen assimilieren- den Gewebe, er gibt auch an, wieviel Assimilate z. B. als Reservestoffe, im Puppenkörper enthalten waren. Hat aber der Puppenkörper einen hohen Vorrat von Reservestoffen, so wird sein Bedürfnis, neue zu bilden, weniger groß sein, als wenn diese ihm fehlen. Er wird sogar nicht so viel assimi- lieren können, weil der Puppenkörper nicht beliebig wachsen kann, sondern durch die feste Puppenhülle darauf angewiesen ist, einen ganz bestimmten Raum auszufüllen. Es wird darnach zu erwarten sein, daß sich verschiedene Puppenarten, die sich in bezug auf die Ansammlung von Reservestoffen, z. B. in bezug auf ihren Fettgehalt unterscheiden, bei der Bildung von Trockensubstanz aus Kohlensäure und Wasser ganz verschieden verhalten und diese Verschiedenheit dadurch zum Ausdruck bringen werden, daß bei gleichem Trockensubstanzgehalt sie relativ weniger oder mehr Trocken- substanzzunahme zeigen. Ferner ist es anzunehmen, daß bei einer und der- selben Puppenart und unter gleichen physiologischen Verhältnissen — bei vorausgegangener gleichartiger Ernährung und zur selben Jahreszeit — die Mengen der durch Assimilation gebildeten Trockensubstanzen umgekehrt proportional zum Gesamtgehalt an Trockensubstanz bleiben werden. Die Ergebnisse aus den Versuchen mit dem Segelfalter bestätigen diese Aus- führungen. Es wurde gefunden, Versuch 1904/5: Trockensubstanz, Trockensubstanzzuwachs: —= 15-96:2.07 = 7-7 1905/6: = 17.57:2-00 = 8.78. 182 M. GrÄFINn von LINDEN: Wenn in den beiden Versuchen die Puppen der Voraussetzung ent- sprechen, so muß sich die Trockensubstanz der Puppen 'von 1904/5 zur Trockensubstanz der Puppen von 1905/6 verhalten, wie die Quotienten 7:.7:8.78. Diese Bedingung ist auch annähernd erfüllt: 15-96:17-.57 = 7:7:8.78 15-96:17-57 = 1-11. 7-.7:8.78 = 1-14. In dem Versuche von 1906/7 ergibt sich als Quotient der Trocken- substanz und des Trockensubstanzzuwachses = 13-07:1-67 = 7.8. Diese Zahl ist aber, auf die beiden ersten Versuche bezogen, viel zu groß. Hätten die Puppen in dem Jahre 1906/7 ihre Trockensubstanz in demselben Ver- hältnis vermehrt wie in den beiden vorhergehenden Jahren, so hätte sich als Quotient die Zahl: 15-96:13-07 =1T-.T :x.x=6-3 17.57:13-07 = 8-.18:x-x = 6-5 ergeben. Dieser Quotient von 6-5 würde dann aber einem Trockensubstanz- zuwachs von: 13-07:x = 6-5-x = 2012” bzw. 13.07:x = 6-3-x = 2.07 2m entsprechen. Ich habe im vorhergehenden erwähnt, daß in dem Versuch vom Jahre 1906/7 durch ein Versehen ein kleiner Teil der Trockensubstanz der in kohlensäurereicher Luft gehaltenen Puppen verloren gegangen ist, daß also das nachträglich gefundene Gewicht tatsächlich zu niedrig ist. Wir haben ferner gesehen, daß die absolute Trockensubstanzzunahme der Ver- suchspuppen in den beiden anderen Versuchsjahren 22”, in dem dritten Jahr aber nur 1-67 2%, somit 0.33 2”® weniger betrug und wir haben an dieser Stelle bereits in Erwägung gezogen, daß dieser Fehlbetrag wohl dem Gewicht der verloren gegangenen Trockensubstanz entsprechen dürfte. Diese Annahme wird durch die relativ zur Gesamttrockensubstanz berechneten Zuwachswerte der beiden anderen Serien als annähernd zutreffend bestätigt, denn wir hatten gefunden, daß die Versuchspuppen aus dem Jahre 1906/7 einen Trockensubstanzzuwachs von 2-01 bzw. 2.07 s”= gehabt haben mußten, falls ihre Zunahme in einem, den ersten Versuchen ähnlichen Verhältnis zur Gesamttrockensubstanz der Puppen gestanden hatte. Nehmen wir an, der Trockensubstanzzuwachs der in Frage stehenden Puppen, hätte das Mittel von 2-01 und 2-07 also 2.04 8= betragen, so verhält sich auch in diesem letzten Versuch der Trockensubstanzzuwachs zum Trockensubstanz- zuwachs in den späteren Experimenten wie die dem Zuwachs entsprechen- den Gewichte der Gesamttrockensubstanzen: 15-96:13-44 = 7.7:6-58 17.57:13-44 = 8-78: 6-58 1-17 = 1.17 1-30 — 1-33 DER EINFLUSs DES KOHLENSÄUREGEHALTES DER ATEMLUFT. 183 Wir können demnach für die Puppen des Segelfalters sagen, daß die Trockensubstanzzunahme für 100 Puppen in kohlensäurereicher Luft durch- schnittlich 28” beträgt und wir sehen, daß diese Zunahme deshalb so konstant ist, weil sie bei niederem Gesamttrockensubstanzgehalt der Puppen verhältnismäßig größer ist als bei höherem. Bei dem Buchenkahnspinner ist das Verhältnis von Gesamttrocken- substanz zu Trockensubstanzzunahme ein vom Segelfalter verschiedenes. Trockensubstanz und Zuwachs stehen hier in dem Verhältnis: 6-88:1-35 = 5-0. Würde die Zunahme im gleichen Verhältnis zur Trocken- substanz stehen wie beim Segelfalter, so müßte sich in der Proportion: 15-96:6-88 = 7-T:x für x der Wert 5-0 ergeben, das ist aber nicht der Fall, denn x ist = 3-4. Es ist somit hieraus der Schluß zu ziehen, daß bei dem Buchenkahnspinner die Trockensubstanz eine andere Zusammen- setzung hat, daß sie weniger assimilierendes Gewebe und mehr Reserve- stoff enthält und daß hier wohl aus diesem Grunde eine Neubildung von kohlenstoffreichen Assimilaten während des Puppenlebens in relativ be- schränkterem Maße stattfindet. Ich habe im vorhergehenden gezeigt, daß die Zunahme des Kan gewichtes der in kohlensäurereicher Luft gehaltenen Puppen nicht nur auf eine größere Zunahme an Wasser, sondern auch auf eine größere Zunahme an Trockensubstanz zurückzuführen ist. Ich habe dabei voraus- gesetzt, daß dieser größere Gehalt an Wasser und Trockensubstanz auf einer Vermehrung, d. h. auf einer Aufnahme von Wasser und einer Neubildung von Trockensubstanz beruht, nicht auf einer geringeren Abgabe der Puppen an beiden Substanzen. Ich halte mich hierfür be- rechtigt, weil ja schon das steigende Körpergewicht der Puppen und das Ergebnis der Gasanalyse angezeigt haben, daß bei den in kohlensäurereicher Luft gehaltenen Puppen mehr hinzukommt als ausgegeben wird. Wer aber meine früheren Arbeiten nicht kennt, der könnte aus den Gewichtsbestim- mungen schließen, daß die Zunahmen allein auf Wasseraufnahme bei gleich- bleivendem Trockensubstanzgehalt beruhen, und daß die Differenzen im Trockensubstanzgehalt beider Puppenserien nur auf einen Unterschied im Verbrauch zurückzuführen seien. Es liegt nahe, zu schließen: Die Versuchs- puppen waren durch den höheren Kohlensäuregehalt in einen lethargischen Zustand versetzt, in dem sehr wenig an Körpersubstanz verbraucht wurde, während die unter denselben Wärmebedingungen sich befindenden Kontroll- puppen einer schnellen Entwicklung entgegengingen. Wir haben bereits erörtert, daß dieser Standpunkt unhaltbar ist, schon allein deshalb, weil die Voraussetzungen des lethargischen Zustandes nicht zutreffen. Aber selbst dann, wenn wir dieses ganz außer acht lassen und uns auf den von Herrn von Brücke vertretenen Standpunkt des lethargischen Zustandes stellen, 184 M. GrÄFIN von LinDEn: so zeigt eine einfache Rechnung, daß der erhaltene Überschuß an Trocken- substanz viel zu groß ist, als daß es sich hier um eine Substanzersparnis handeln könnte. Das Gewicht der ausschlüpfenden Falter verhält sich in meinen Ver- suchen zu dem der Puppen am ersten Tage des Versuches wie 0-759:0-889, es sind somit 0-1308® oder der siebente Teil des Anfangsgewichtes der Puppen verloren gegangen. Nach den Untersuchungen Kellners verlieren die Seidenspinnerpuppen während ihrer Metamorphose die Hälfte ihres An- fangsgewichtes, davon sind ?/, Wasser und !/, Trockensubstanz. Nehmen wir an, beim Segelfalter wäre das Verhältnis ein ähnliches wie beim Seiden- spinner, so müßten die Puppen !/,-Y/; = !/,, ihrer Trockensubstanz ein- gebüßt haben. Würden die Versuchspuppen diese Trockensubstanzmenge erspart haben, so könnte ihr Gehalt an Trockensubstanz um diesen Betrag größer sein als der der Kontrollen. In Wirklichkeit hat sich aber heraus- gestellt, daß die Versuchspuppen die Kontrollen um: 2-.07:13.89 = !/,, 2:15.57 = !/,, 2:11-4=!/, an Trockensubstanz übertreffen. Der Mehr- gehalt an Trockensubstanz überschreitet daher die Menge, die hätte erspart werden können, um das dreifache. Da aber, wie wiederholt erwähnt, die Entwicklung der in kohlensäurereicher Luft erzogenen Puppen durchaus nicht stillesteht, so ist anzunehmen, daß ihre assimilatorische Leistung eine noch wesentlich höhere war, als aus den Trockensubstanzbestimmungen ge- schlossen werden kann. Es scheint demnach für die einzelnen Arten eine bestimmte Grenze zu bestehen, innerhalb welcher eine Vermehrung der Trockensubstanz mög- lich ist und unter geeigneten äußeren Bedingungen geschieht. Es erfährt indessen nicht nur die Trockensubstanz der in kohlensäure- reicher Luft gehaltenen Puppen eine Vermehrung, auch der Gehalt der CO,-Puppen an Wasser wird größer, und die Zunahme des Wassergehaltes übertrifft die der Trockensubstanz ganz bedeutend. In dem ersten Versuch, wo als Kontrollpuppen bis dahin im Keller gelegene Puppen verwendet worden sind, ist das Verhältnis der Trockensubstanz zur Wasserzunahme wie 1:7, in den übrigen Versuchen wie 1:3, 1:6, 1:12. Nachdem nun in allen Versuchen festgestellt worden ist, daß die in kohlensäurereicher Luft gehaltenen Schmetterlingspuppen eine Zunahme ihrer Trockensubstanz und zwar eine für die Puppenart bestimmte Zunahme erfahren und damit bewiesen wurde, daß die Gewichtsveränderung der in dieser Weise erzogenen Puppen nicht allein auf eine Bereicherung des Körpers an Wasser zurückzuführen ist, bleibt es festzustellen, welche der die Trockensubstanz zusammensetzenden Elemente vermehrt werden. Nach dem Ergebnis meiner gasanalytischen Ausführungen und auf Grund der im vorstehenden mitgeteilten Resultate des v. Brückeschen Experimentes Der EınFrLuss DES KOHLENSÄUREGEHALTES DER ATEMLUFT. 185 muß angenommen werden, daß es hauptsächlich der Kohlenstoff und Stickstoff ist, der vom Puppenkörper aufgenommen und in Trockensubstanz verwandelt wurde. Die vorhergehenden Ausführungen lassen ebenfalls er- warten, daß die Elementaranalyse der Puppenkörper eine Vermehrung des Kohlenstoff- und Stickstoffgehaltes zum Ausdruck bringt. Um diese Frage einwandsfrei zu entscheiden, wurde bei allen Versuchen die Elementar- analyse der Puppen ausgeführt. Die Analysen in den Jahren 1904/5 und 1905/6 wurden an dem chemischen Untersuchungsamt in Mühlhausen i. E. durch Herrn Dr. Gronover, die Analyse des letzten Versuches, durch Herrn Dr. Neubauer, Direktor der Versuchsstation des Landwirtschaftlichen Vereines der Rheinprovinz, gemacht. Die Analysen ergaben in bezug auf die elementare Zusammensetzung der Puppen- serien folgendes: Segelfalter 1904/05 1905/06 1906/07 oruch| Kon- Differenz Versuch Kon- Differenz ash Kon- Ditferenz trolle trolle trolle © 50.50 | 49-91 +0-59 ||52-02 |50-27 | +1-75 51-06 49-87 | +1-19 H 9.43 9-61 |—0-18 || 7-62 7:20 | +0-42 7.34 7:18 | +0-16 N 10-54 9.54 | +1-00 10-24 |10-50 |—0-26 ||10-17 10-98 | —0-81 Ö 27:08 |27-60 | —0-52 19-44 |19-78 | —0-34 30-12 |32.03 | —1-91 N A 4-35 4:37 | —0:.02 Auf 100 Puppen berechnet ergibt sich: Trock.-||15-96 |13-89 | 2-07 17.57 |15-57 2:0 13-40 |11-40 | 2-0 Subst. | C 8-06 | 6-932| +1-128| 1-140| 7-827 | 41.313) 6-842| 5-685 +1-157 H 1.505 | 1-33 | +0-175| 1-339| 1.121| 2o.218|| 0-983, 0.818, +0-165 N 1.682 | 1.325) +0-357|) 1.799 | 1-635 | o-164|| 1°363| 1-252| +0-111 10) 3.642 | 3°146 +0-496 A+0O| 3-103, 2-747 | +0-356|| 5282| 4.987 10-305| A | 0:582 | 0-°498 | +0-084 Buchenkahnspinner 1905/06 in Prozenten: Für 100 Puppen C 52-94 32.84 +0.10 3.646 2-925 ER... 7-15 7-61 — 0.46 0.462 0.421 Aus dieser Zusammenstellung geht hervor, daß die in kohlensäure- reicher Luft erzogenen Puppen nicht nur relativ, sondern auch absolut an Kohlenstoff reicher sind als die in atmosphärischer Luft erzogenen Kontroll- puppen. Die Kohlenstoffzunahme der Versuchspuppen beträgt bis zu !/, des Kohlenstofigehaltes der Kontrollpuppen. Zu der Vermehrung der Trockensubstanz steht die des Kohlenstoffes bei den verschiedenen Versuchsserien in folgendem Verhältnis: 186 M. GrÄFIN von LiNDEn: 1904/05 1905/06 Trockensubst. C H,O Trockensubst. C H,O 100 Puppen: 2.0730 1.1628m 15-36 2.008m 1.4838 7.07 2 : 1 3 13 1-5 5 1 2» 0 Aw5 1906/07 Trockensubst. C H,0 100 Puppen: 2-04Em 1.22m1 99.18 (1-67) 2 £ 1 : 22 Bei der Trockensubstanzzunahme der in kohlensäurereicher Luft ge- haltenen Puppen beträgt die Kohlenstoffvermehrung somit durchschnittlich die Hälfte des Trockensubstanzüberschusses. Die andere Hälfte ist auf eine Vermehrung der übrigen Elementarbestandteile zurückzuführen. Bei den letzten Versuchen war der Aschengehalt der Versuchspuppen ein etwas höherer als der der Kontrollen, wenigstens absolut genommen, relativ zum Kohlenstoffgehalt der Puppen war dagegen der Aschengehalt der Versuchs- puppen kleiner als der der Kontrollen. Im ersten Fall verhielt sich die Asche zum Kohlenstoff wie 1:11-7, im zweiten Fall wie 1:11-4. In den Differenzwerten der Versuchs- und Kontrollpuppen verhält sich das Mehr an Asche zu dem an Kohlenstoff wie 1:13. In der neugebildeten Substanz steht somit die Asche zum Kohlenstoff in einem ganz verschiedenen Ver- hältnis wie im gesamten Puppenkörper. Ich schließe aus diesem Verhalten der Aschenbestandteile, daß die Versuchspuppen während ihres Aufenthaltes in kohlensäurereicher Atmosphäre ihre Körperbeschaffenheit dahin geändert haben, daß die aschearmen Bestandteile ihres Organismus vermehrt worden sind. Wenn wir aus den Differenzwerten die prozentualische Zusammen- setzung der neugebildeten Substanz berechnen, so ergibt sich für die ver- schiedenen Versuchsjahre: 1904/5 1905/6 1906/7 -C 53-5 65-65 57-85 H 8-45 10-90 8-25 N 17.24 8.2 5.55 6) 24-80 A+O 17.20 15-20 A 4.20 Wir ersehen hieraus, daß die neugebildete Substanz kohlenstoffreicher ist als der Puppenkörper in seiner Gesamtheit. Ferner ergibt sich aus diesen Zahlen, daß der Kohlenstoffgehalt in allen drei Versuchen etwas mehr als das 6fache des Wasserstoffgehaltes beträgt. Der Stickstoffgehalt ist sehr schwankend, während der Sauerstoffgehalt nicht unter den vierten Teil des Kohlenstoffgehaltes herabsinkt. ! Zuwachs nach Ergänzung der Trockensubstanz um die verloren gegangene Menge. Der EINFLUSS DES KOHLENSÄUREGEHALTES DER ATEMLUFT. 187 Das Verhältnis, in dem Kohlenstoff und Wasserstoff zueinander stehen, erinnert an das Verhalten dieser beiden Elemente in den Fettsäuren von der Formel: CnH,nO,. Der Überschuß an Wasserstoff und Stickstoff, der sich indessen in allen drei Fällen ergeben hat, läßt darauf schließen, daß sich außer Fettsäuren auch noch andere Substanzen, namentlich Eiweiß- körper, gebildet haben. Über die Natur dieser Substanzen gibt uns die Substanzanalyse Aufschluß. Die Ergebnisse der Substanzanalyse der in kohlensäurereicher Atmosphäre und in atmosphärischer Luft gehaltenen Puppen- serien aus dem Versuchsjahr 1906/7. Die Substanzanalyse wurde, wie auch die Elementaranalyse der in Frage stehenden Puppen, von Hrn. Dr. Neubauer, dem Direktor der Ver- suchsstation des Landwirtschaftlichen Vereins für Rheinpreußen ausgeführt. Es enthielten in Prozenten der im Eksikkator über Schwefelsäure ge- trockneten Substanz: Versuchspuppen: Kontrollpuppen: analysierte analysierte Differenz Trockensubstanz- | Trockensubstanz- ||zugunsten der menge menge Versuchs- 13.687m 9.germ puppen in 9, 100 Puppen in %, 100 Puppen Kohlenstoff . . . . .| 51:06 | 6.842 49-87 | 5-685 Hakan Wasserstoff . . . . . 7:34 0°.983 7-18 0.818 + 0°165 Siesta „ou „rien. 10-17 | 1.368 10:98 1:252 +0-111 Mineralstoffe, erhalten bei Verbrennung für die Ele- mentaranalyse. . . . 4-35 0.5829 4-37 0.498 + 0.0849 Mineralstoffe, Veraschung in gewöhnlicher Weise 4-22 4.24 Leeithin, berechnet als. Distearyl-Leeithin . . 2-50 0-335 4-77 0.5438 — 0.2083 FehlingscheLösung direkt reduzierende wasserlös- liche Stoffe, als Trauben- zucker berechnet . . . 2-90 0.3886 1:90 0-2166 + 0:1720. Glykogen. . . . . .|| 0-86 0.1152 1-47 0.1676 || — 0-0524 Alkoholextrakt TU HERR 28-93 3.8766 23-10 2.6334 + 1:2432 Atherextrakt. . . . . 14-13 1.8934 10-00 1-1400 | + 0.734 Stickstoff in wasserlös- | licher Form . . .. 3-62 0.485 2-99 0.341 + 0.144 durch neutrales Kupfer- sulfat nicht fällbarer Stickstoff». ..0..,40% 1.87 0-251 1.87 0-213 + 0-038 Stickstoff in Form von Nukleinen . . . . .|. 2°18 0.292 2.84 0.324 — 0:032 188 M. GRÄFIN Von LiNDEn: Zu den vorstehenden Ergebnissen bemerkt Dr. Neubauer folgendes: „Die Bestimmungen von Kohlenstoff und Wasserstoff wurden nach Dennstedt, die des Stickstoffes nach Kjeldahl ausgeführt. Die Zahlen sind das Mittel aus gut übereinstimmenden Doppelanalysen. Die übrigen Bestimmungen wurden wegen Mangel an Substanz nur einfach ausgeführt. Es wurde folgendermaßen verfahren: Leeithinphosphorsäure: 3gm Substanz wurden durch Extraktion mit absolutem Alkohol er- schöpft. Das alkoholische Extrakt wurde getrocknet, gewogen und darin nach Zerstörung der organischen Substanz mit Salpetersäure und Schwefel- säure die Phosphorsäure nach v. Lorenz bestimmt. Fehlingsche Lösung direkt reduzierende, wasserlösliche Stoffe: Ein wäßriges Extrakt wurde direkt mit Fehlingscher Lösung nach der für Traubenzucker gültigen Vorschrift gekocht und das abgeschiedene Kupfer gewichtsanalytisch bestimmt. Glykogen: Die Bestimmung wurde mit 38” Substanz, dem Rückstand der Lecithinbestimmung, nach Polenska-Mayerhofer ausgeführt. Nach diesem Verfahren wurden gewonnen aus Probe 1:1-.04 und aus Probe 2:2.00 Prozent Glykogen. Da es aber augenscheinlich noch nicht rein war, wurde es nach Pflüger in Traubenzucker verwandelt und dieser mit Fehlingscher Lösung gewichtsanalytisch bestimmt. Durch Multiplikation der gefundenen Menge Traubenzucker mit 0.927 wurde das oben an- gegebene Resultat erhalten. Ätherextrakt (Fett) wurde nach Dormeyer bestimmt. Stickstoff in der Form von Nukleinen war der nach der künstlichen Verdauung mit Pepsinsalzsäure nach Stutzer- Kühn unlöslich zurückbleibende Stickstoff. Für die Bestimmung der Harnsäure waren leider nur etwa 2erm von jeder Probe verfügbar, also eine für gewöhnlich angewandte Methoden gänzlich ungenügende Menge. Um über die Menge dieses wichtigen Be- standteiles aber wenigstens einen Anhalt zu bekommen, wurde folgender- maßen verfahren: Um von dem kostbaren Material nichts zu vergeuden, machten wir zunächst Versuche an anderen, uns zu diesem Zwecke zur Verfügung gestellten Schmetterlingspuppen, nachdem diese getrocknet und pulverisiert worden waren. Nach verschiedenem,. vergeblichem Herum- DER EINFLUSS DES KOHLENSÄUREGEHALTES DER ATEMLUFT. 189 probieren glaubten wir endlich in der von Guerin für die Harnsäure- bestimmung im Harn beschriebene Methode! eine gefunden zu haben, die etwas abgeändert, zu brauchbaren Nährungswerten für den Harnsäuregehalt der Puppen führen könnte. Wir schlugen also folgenden Weg ein: 1em des getrockneten und fein zerriebenen Puppenpulvers wurde in ein Becher- glas von etwa 500 °°® Inhalt gebracht, mit 200 °°® einer 1 prozent. Lösung von Natriumkarbonat und 10°” einer 1prozent. Natriumhydroxydlösung versetzt, zum Sieden erhitzt und näch dem Erkalten filtriert. Das Filtrat wurde mit 50°® einer Sprozent. Ammoniumnitratlösung und 10°" 10pro- zentigem Ammoniak versetzt und mindestens 48 Stunden stehen gelassen. Nach Verlauf dieser Zeit schied sich eine kristallinische gelblichbraune Masse aus, die sich durch die Murexidprobe und andere Reaktionen als Ammoniumurat erwies. Der Niederschlag wurde durch gereinigten Asbest filtriert mit einer Lösung, die 10 Prozent Ammoniumnitrat und 1 Prozent Ammoniak (NH,) enthielt, ausgewaschen und mit dem Asbest in ein Erlenmeyersches Kölbchen übergeführt. Sodann wurden 50 m Wasser und 20 «m 5prozent. Schwefelsäure zugefügt, das Ganze auf etwa 50° er- wärmt und mit einer 0-15prozent. Lösung von Kaliumpermanganat bis zur Rosafärbung titriert. 1°°® der Permanganatlösung entspricht 3-56 8” Harnsäure. Alle diese Manipulationen versprachen nach den Beobachtungen an den zur Übung verwendeten Puppen auch ein brauchbares Ergebnis an dem eigentlichen Untersuchungsmaterial zu liefern. Zu unserem Erstaunen erhielten wir aber bei beiden Proben trotz sehr langen Stehenlassens der Lösung keine deutliche Fällung von Ammoniumurat. Wir müssen daraus schließen, daß die beiden Proben nur sehr geringe, auf dem angegebenen Weg der Bestimmung nicht zugängliche Mengen Harnsäure enthielten. Das übereinstimmende Verhalten der Versuchspuppen war jedenfalls ganz verschieden von dem der Vergleichspuppen. Auch in den letzteren war der Harnsäuregehalt allerdings nicht sehr hoch, er betrug nach unserer Schätzung zwischen 1 und 2 Prozent. Ganz durchgeführt haben wir eine quantitative Bestimmung auch den Vergleichspuppen nicht, da es uns nach dem vielen Herumprobieren schließlich auch hier an Material fehlte. Schließlich sei noch bemerkt, daß eine Bestimmung der Mineralstoffe in der üblichen Weise durch Veraschung in einer Platinschale an der Luft Ergebnisse lieferte, die nur ganz unwesentlich niedriger waren als sie die Wägungen der Rückstände bei den Elementaranalysen ergeben hatten. Die direkten Aschebestimmungen bestätigten aber — und das ist wichtig — die auffällige Übereinstimmung des Mineralstoffgehaltes beider Puppenserien. Wir versuchten endlich noch den Calciumgehalt zu bestimmen, erhielten 1 Journal de Pharmacie.. 6. Ser. 23 (1906). p. 516. 190 M. GrRÄFIN von LiINDEn: aber auch nach langem Stehen nur kaum erkennbare Trübungen von Caleiumoxalat, so daß wir von der Wägung Abstand nehmen mußten.“ Aus den Bestimmungen geht hervor, daß die Versuchspuppen an Lecithin, Glykogen und Stickstoff in Form von Nukleinen abgenommen hatten, daß dagegen ihr Gehalt an Fett und Fettsäuren beträchtlich, an Zucker, Stickstoff in wasserlöslicher Form und durch neutrales Kupfersulfat nicht fällbar, ebenfalls deutlich gewachsen war. Mit andern Worten: Die Versuchspuppen hatten sowohl an Eiweiß wie auch an Fett und Kohlehydrat zugenommen, verloren hatte ihr absoluter Gehalt an phosphorhaltigen Eiweißkörpern (Nuklein) und Fettkörpern (Leeithin). Im folgenden soll nun berechnet werden, wie groß die Zunahme der Versuchspuppen bzw. wie groß ihr Verlust an Körpern der verschiedenen Gruppen gewesen ist und inwieweit dabei nur eine Vermehrung organischer Substanzen durch Umlagerung der Elementarbestandteile verloren gegangener Körper, oder aber eine Neubildung mit Hilfe aus der Atmosphäre entnom- mener Elementarbestandteile stattgefunden hat. Die Versuchspuppen an Versuchs- | Kontroll- ME e puppen puppen : Mehr |Weniger Mimeralbestandteie a m nn | 0.5829 04982 0.0847 Leeithin4. BERKER DE, ALTER ARE 0.3350 0.5438 0.2088 Zucker aan ee a ee 03886 0.2166 0.172 Glykosen en EN RE an. 01152 0.1676 0.0524 Fett und Cholesterine (Ätherextrakt). . | 1.5580 | 0.5960 | 0-962 Alkoholextrakt abzüglich Fett, Zucker, Leit In een er > N EL 1.5950 1.2770 0-318 Eiweißkörper N als Serumglobulin be- nechnieieisr a 1 ee or 4.6440 3.4950 1.1490 Nuklein \ dr-.are Sa a Ehre EICH 2.1240 0-208 Bestimmte Substanz : - . -. . . „|| 11-1347 89182 2.6857 0:4692 Trockensubstanz . - . -» 2 2...» 18-4000 | 11-40000 | 2-0000 EUnbestiarme 2.2 er We wa 2.2653 2.4818 0.2165 Bei oberflächlichem Vergleich der gebildeten und verloren gegangenen Substanzmengen ist bereits zu ersehen, daß die Elementarbestandteile der letzteren nicht ausreichen konnten, um die entstandenen Körper aufzubauen. Aus 0.268’ verschwundenem Leecithin und Glykogen konnten z. B. nicht 1sm Fett und Zucker geworden sein. Allein schon diese Gewichtsunter- schiede zwischen den gebildeten und verschwundenen Substanzen zeigen, daß den Puppen noch aus einer anderen Quelle die Elemente zum Aufbau ihrer Körpersubstanz zugeflossen sein mußten. Da aber die Puppen während ihrer Ruhezeit keine Nahrung aufnehmen, so bleibt die Annahme unab- Der EinFLuss DES KOHLENSÄUREGEHALTES DER ATEMLUFT. 191 weislich, daß die Versuchspuppen den fehlenden C,H, N,O aus der sie umgebenden Atmosphäre entnommen haben. Die Substanzanalyse hat gezeigt, daß es sich um die Bildung von Körpern aus den Gruppen des Eiweißes der Fette und der Kohlenhydrate handelt. Die Menge des Eiweißüberschusses der Versuchspuppen ist ge- geben durch den Überschuß an wasserlöslichem Stickstoff, wovon ein Teil der durch neutrales Kupfersulfat fällbare, den eigentlichen Eiweißkörpern, ein anderer Teil, der durch neutrales Kupfersulfat nicht fällbare Stickstoff den Umwandlungsprodukten der Eiweißkörper entspricht. Ich berechne die gebildeten Eiweißkörper als Serumglobulin, das bei Insekten nachgewiesen worden ist und in bezug auf seinen Gehalt an C und N ungefähr die Mitte hält. Der N-Überschuß, der sich durch die Substanzanalyse ergeben hat, beträgt zusammen 0.182 sm, von diesen fallen 0.144 em auf durch neu- trales Kupfersulfat fällbare und 0.038 8”= auf nicht fällbare Eiweißkörper. Als Serumglobulin berechnet ergibt dieser N-Überschuß einen Eiweißzuwachs der Versuchspuppen von 1.14908= (vgl. 8.196). Da indessen aus der Bestimmung des Gesamtstickstoffs beider Puppenserien hervorgeht, daß die Versuchspuppen nur um O-1118’® an Stickstoff reicher sind als die Kon- trollpuppen, so müssen bei der Bildung der überschüssigen Biweißkörper auch die im Puppenkörper zerfallenen stickstoffhaltigen Substanzen ihren Stickstoff zu dem Aufbau der im Puppenkörper vermehrten N-haltigen Substanzen geliefert haben. Im Nuklein (S. 196) sind, wie die folgende Zusammenstellung zeigt, 0-0328"=, im verschwundenen Leeithin (8. 196) 0.023298 N enthalten, durch den Abbau dieser beiden Substanzen können somit dem Puppenkörper 0-05529s” Stickstoff! zu anderer Verwendung zur Verfügung gestanden haben. Es waren 0-182sm N zur Bildung des überschüssigen Eiweißes verwendet worden; ziehen wir davon die aus den verschwundenen Substanzen stammenden Stickstoffmengen ab, so bleiben 0.126718 übrig, von denen aber nur 0.111” aus der Luft entnommen sein können und 0-.01571®"% noch aus dem Körper selbst: gewonnen sein müssen. Die Zusammenstellung der gebildeten und verlorenen Substanzen im Körper der Versuchspuppen zeigt uns, daß außer den in der Analyse bestimmten Körpern bei den Versuchspuppen ein Fehlbetrag von 0.2145 sm einer unbestimmten Substanz zu verzeichnen war. In diesem nicht näher seiner Zusammensetzung nach bekannten Rest sind die wasser-, alkohol- und ätherunlöslichen Gerüstsubstanzen enthalten, dieser Rest besteht dem- nach jedenfalls seiner Hauptmasse nach aus Chitin, oder dem von Griffith bei Schmetterlingspuppen gefundenen Pupin. Im Chitin ist der Stickstoff- gehalt = 12-5 Prozent, im Pupin = 10 Prozent. In der fraglichen Sub- stanz müßten in 0.2145 8” Substanz 0-01571 sm N enthalten sein. Das 192 M. GrÄrın von LinDen: Verhältnis des Stickstoffes zu 100 e””= Substanzmenge ist hier = 13 Prozent. Es bandelt sich somit um einen Körper, der in bezug auf seinen Stickstoff- gehalt am meisten dem Chitin entspricht, der jedenfalls bedeutend stick- stoffreicher ist als das Pupin. Berechnen wir den fehlenden Restkörper als Chitin, so ergibt sein N-Gehalt 0-016418”® eine Menge, die den zur Eiweißbildung fehlenden Stickstoff noch um 0.0007 er" übertrifft, eine Differenz, die in die Fehler- grenze fällt. Auf Grund dieser Ausführungen kofämen wir zu dem Schlusse, daß die Versuchspuppen 1.149 s”= Eiweiß gebildet haben und dafür “/, des Stickstoffes aus der Luft entnehmen mußten, da die durch Um- wandlung der Körpersubstanzen selbst verfügbar gewordenen Stickstoffmengen nicht mehr als !/, des verbrauchten Stickstofls betragen. Wieviel Kohlenstoff, Sauerstoff! und Wasserstoff bei der Bildung des Eiweißes außerdem verbraucht worden ist, ergibt die folgende Zusammen- stellung: Gebildet: C H N (0) 1:149 g Eiweiß 0-6053 0:08259 0:182 0:2678 Verloren: 0-210 g Nuclein 0:.07837 0.008834 0.0320 0-07081 0-2088 g Leeithin 013660 0:.00362 0-02329 0.03720 0-2145 g Chitin 0.06799 0-01758 0-01641 0.11260 Zusammen 028296 0-03004 0-07170 0-22061 Verbraucht 0.6053 0-08259 0.182 0.2678 Gewonnen 0.28296 0-3004 0-07170 0-.22061 Aus der Luft assimiliert 0-32234 0-05255 0.1105 0-04719 Die Elementaranalyse ergab einen Überschuß: C H N 0 Für Eiweiß 1.150 0.1650 0.1110 0-49600 Verbraucht 0.322354 0.0585 0.1108 0.019 Rest 0-83466 0.112455 0.0007 044881 Aus dieser Zusammenstellung ist zu ersehen, daß über die Hälfte des in dem gebildeten Eiweiß enthaltenen Kohlenstoffes aus der Luft assimiliert sein muß, wenn wir annehmen wollten, daß aller in den verloren gegangenen Substanzen enthalten gewesene Kohlenstoff zur Bildung der Eiweißkörper _ beigetragen haben würde. Wenn wir die zur Eiweißbildung verbrauchten Elemente, von den in der Elementaranalyse als Zuwachs bezeichneten Elementarbestandteilen der Versuchspuppen abziehen, so bleibt ein Rest, der in dem Zuwachs, den die Versuchspuppen an Ko aus der Fett- und Kohlehydratgruppe erfahren haben, enthalten sein muß. DER EINFLUSS DES KOHLENSÄUREGEHALTES DER ATEMLUFT. 193 Der Ätherextrakt beträgt 0-962 sw, Da wir das Leeithin bereits ab- gezogen hatten, so sind in demselben nur noch die Fette und Cholesterin enthalten. An Zucker wurde von den Versuchspuppen 0.172 8% gebildet. Dafür verloren sie an Giykogen 0-0524 em, C H 10) Der gebildete Zucker enthält 0.068830 0-01147 0-09173 das verlorene Glykogen „ 0-02329 0-003235 0-02588 es wurde aus der Luft entnommen 0-04551 0:008235 006587 C H 0) Es bleibt danach für Fettbildung 0-83466 0.112450 Zu 0-44881 davon geht ab der Zucker, 0-04551 0.008235 0-06587 es bleibt zur Fettbildung 0.178915 0-104215 0.38294 Da nun in den Ätherextrakt sowohl die Fette wie auch die Cholesterine übergehen, so wird es sich fragen, ob wir es hier mit der einen oder anderen Substanz, oder mit einer Mischung beider zu tun haben. Im Olein, um das es sich hier handeln könnte, besteht zwischen dem C und H das Verhältnis von 1:6-58, im Cholesterin wie 1:7-042. In der fraglichen Substanz kommen 7-418 Gewichtsteile Wasserstoff auf einen Gewichtsteil Kohlenstoff. Kohlenstoff und Wasserstoff stehen somit hier annähernd in demselben Verhältnis wie im Cholesterin. Das Cholesterin ist aber eine an Sauerstoff arme Substanz, es enthält davon nur 4.14 Prozent, während die uns zur Berechnung vorliegende Substanz an Sauerstoff sehr reich ist und einen O-Gehalt von 32.15. Prozent aufweist. Wir haben es also jeden- falls mit einem Gemisch von Körpern zu tun, in dem die Gewichtsteile des Wasserstoffes und Kohlenstoffes sich ähnlich verhalten wie im Chole- sterin, von denen aber der eine besonders sauerstoffreich ist. Von Fetten oder Fettsäuren, die dieser letzteren Forderung entsprechen, ist es die Ameisensäure, die hier in Betracht kommen könnte, und die auch bei Lepidopteren nachgewiesen worden ist. Nehmen wir an, die fragliche Sub- stanz wäre eine Mischung von gleichen Teilen Cholesterin und Ameisen- säure, so würden in 100 Teilen enthalten sein: Cholesterin: Ameisensäure: Mischung: Fragliche Substanz: C 83-94 26:09 55.02 59-79 H 11.92 4.35 8:13 8:06 O 4-17 69:56 36-85 32-15 100.00 100.00 100.00 100.00 Die Übereinstimmung der Zusammensetzung dieser Mischung mit der Zusammensetzung der zu bestimmenden Substanz ist so groß, dab mir Archiv f. A.u. Ph. 1910, Physiol, Abtle. Suppl. 13 194 M. GRÄFIN VON LINDEN: die Annahme, daß es sich hier wirklich in dem ätherlöslichen Körper um eine Mischung von Cholesterin mit der Ameisensäure handelt, nicht unbe- rechtigt erscheint. Auf 0-962srm Ätherextrakt berechnet, ergibt sich ein Aufwand an C,H, OÖ von: C H 0) 0.52930 007821 0.3545 bringen wir diese Werte von dem übrigen C, H, O in Abzug, so bleibt als Rest: C H 10) 0-78915 0.104215 0.33294 0.25930 0.078210 0-35450 bleibt für 0.318 2"= Alkoholextrakt 0.25985 0.026015 002844 Addiert ergeben die restlichen Gewichtsteile an C, H,O 0.314 8m, somit annähernd das Gewicht der noch zu bestimmenden Substanz. Schwie- riger ist es, einen Ausdruck für den im Alkoholextrakt enthaltenen Körper zu finden. Die Substanz ist nicht ätherlöslich, da diese ja bereits mit dem Ätherauszug in Abzug gebracht wurde, es kann sich also um keinen Fettkörper handeln. Kohlenstoff- und Wasserstoffgehait verhalten sich in demselben wie 1:10, Kohlenstoff- und Sauerstoffgehalt wie 1:9. In Gewichts- Prozenten berechnet, setzt sich die fragliche Substanz aus 83 Prozent C, 8 Prozent H, 9 Prozent O zusammen. Fassen wir die vorstehenden Ergebnisse zusammen, so ergibt sich: Die Versuchspuppen (CO,-Puppen) hatten an Substanzen mehr gebildet als die Kontrollen besaßen und dabei verbraucht: C H N 0 Eiweiß 1-1496m 0.6053 0-08259 0.182 0.2678 Zucker 0-172 „ 0-0688 0-01147 0-09173 Fett 0.962 „, 0.5293 0-07821 0-35450 Alkoholextrakt 0.318 „ 0.259855 0-02601 0-02844 Organische Substanz 2-601 „ 1-46325 019828 0.182 0-74247 Die Versuchspuppen (CO-Puppen) hatten verloren: C H N 10) Nukleine 0.210 em 0.073837 0.00884 00320 0-07081 Leeithin 0.2088 „, 0.13660 000362 0.02329 0-03720 Chitin 0.2145 „, 006799 0.01758 0-01641 011260 Glykogen 0.0524 „, 0.02329 0-00323 0.025883 Organische Substanz 06857 „, 030625 0.03327 0.07170 024648 Die Versuchspuppen (CO,-Puppen) hatten also durch Assimilation der Elementarbestandteile aus der Luft gebildet: DER EINFLUSS DES KOHLENSÄUREGEHALTES DER ATEMLUFT. 195 C H N ‘Oo Eiweiß * 0.7003erm 0:3691 005037 0.111 0:1634 Zucker 0.1138 „, 0-04551 0.00758 0-06068 Cholesterin, Fett 0-962 „ 052930 0-07821 0-3545 Alkoholextrakt I 0:25985 0026015 002844 | 2.099 „ 1.208716 016218 0-11 060702 Es können dabei von im Körper schon vorhandenen Stoffen noch ver- wendet worden sein: C = 0-04678 und O = 0-11102 sm, | Wenn wir aus dem Plus an Stickstoff aus den beiden vorhergehenden Versuchen, bei denen nur Elementaranalysen der verschiedenen Versuchs- serien vorliegen, das gebildete Eiweis berechnen, so ergibt sich für die Versuchsserie vom Jahr 1904/5 ein N-Überschuß der Versuchspuppen von 0.3708, der einer Bildung von Eiweiß von 2.252 "=, als Serumglobulin berechnet, entsprechen. Da aber in diesem Jahr der ganze Zuwachs an Trockensubstanz nur 2-07 8”= beträgt, so ist entweder der Wert für den Stickstoff zu hoch berechnet, oder es handelt sich um N-reichere Substanzen als das Serumglobulin. In dem folgenden Versuchsjahr 1905/6 hatten die Puppen einen Stickstoffzuwachs von 0-164, was einer Zunahme an Eiweiß von 1.034 sm entspricht, bei einer Trockensubstanzzunahme von 2.008=, Es ist also auch in diesem Versuchsjahr etwas mehr Eiweißkörper gebildet worden als im folgenden 1906/7. Wenn wir den C, O, H-Gehalt für eine Eiweißmenge von 1.034 ®"m ausrechnen, so haben die Versuckspuppen von 1905/6 von ihrem Überschuß an Elementarbestandteilen dazu verwendet: c H N 0) Eiweiß 1.034 em enthält 05454 0-0742 0-14 0.2418. Es bleibt für die Bildung anderer nicht N-haltiger Körper noch übrig: C H 0 Die Elementaranalyse ergab 1.313 0-218 0:305 davon ab für Eiweiß 0.5454 0:07442 0.2413 bleibt für Fette und Kohlenhydrate 0.7676 01436 00637 Nehmen wir an, es wären nur Fette gebildet worden, eine Annahme, die mir wegen des relativ hohen Kohlenstoff- und Wasserstoffgehaltes der restlichen Substanz nicht unwahrscheinlich vorkommt, so hätte aus 0.7676 sm Kohlenstoff eine Ölsäuremenge von 1.002 sm entstehen können. Dazu waren nötig: CH H 10) 0.7676 0.1208 0.1137 Es blieben also übrig | 0-0228 H und es müßten aus dem Zerfall sauerstoffreicher Substanzen aus dem Körper entnommen sein 0-.058m 0. 13* 196 M. GRÄFIN von LiINDEn: Da in den früheren Versuchen keine Substanzanalysen gemacht worden sind, so lassen sich natürlich keine genauen Berechnungen anstellen, um zu erfahren, welche Körper aus dem der Luft entnommenen Stickstoff und Kohlenstoff gebildet worden sind, es läßt sich nur aus dem Ergebnis der Elementaranalysen und, wenn wir diese mit dem Resultat der Substanz- analysen des letzten Versuches vergleichen, schließen, daß in jedem Ver- suchsjahr die in kohlensäurereicher Atmosphäre erzogenen Ver- suchspuppen erhebliche Mengen von Eiweiß- und Fettkörpern gebildet haben, wozu sie die Elementarbestandteile aus der ihnen zur Verfügung stehenden Atemluft und dem Wasser, mit dem sie benetzt wurden, entnehmen mußten. Berechnungen. 1. Eiweißkörper: 0.1828’"M Stickstoff entsprechen einer Serumglobulin- menge von: Serumglobulin = 052.71 H7-01 N15-85 02332 81-1. 1 aut N _ 100.0-.182 L18-2 = 1:.26007 15-.85:0-.182 = 100:x x= —,.5; 115-85=1-20008 nl = 0-06004 = 1.149 0.1828” N entsprechen 1.1498” Serumglobulin. In 1.149 em Serumglobulin sind enthalten: L 1.149 = 0-06004 L1.149 — 0-06004 L52-71 = 1-72189 L7.01 = 0-85687 : ————— C = 0-60530 nl = 1.781938 = 9° nl = 0-91691 =" H= 0.08259 L 1.149 = 0.06004 L1-149 = 0- 06004 N = 0-18200 123.32 — 1-36773 L1-10 = 0-.04139 al Be 26:78 j ; 1°263 ER 2. Nuklein: 0.032 S’” Stickstoff entsprechen einer Nukleinmenge von: Nuklein = in °/, 037.32 H4-21 N15-24 033.59 P9.62. EIGEN __ 0:032.100 L 3-2 = 0-50515 15.24:0.082 = 100:x x= u. 1115-24 =1.18298 nl = 9.32217 =0-21008" 0.032802 N entsprechen 0-21008”% Nuklein. In 0-21008'”% Nuklein sind enthalten: 137.32 = 1-57194 L4-21 = 0-62428 L 0-210 = 0-32217 — 1 nl = 0-89411 = 0:07837 L33-59 = 1-52621 L 0-210 = 0:32217 — 1 nl= 0-84838 = 0-07081 LO-210 = 0-32217 — 1 nl = 0:94645 = 0-00884 L9.62 = 0-98318 LO-210 = 0-32217 — 1 nl = 0-30535 = 0-02000 DER EinFrLuss DES KOHLENSÄUREGEHALTES DER ATEMLUFT. HozHoa len SO 7975975 197 07837 - 00884 :03200 :07081 -02000 -21002 Leeithn: C44 H90 NPO9. In 0.2088®"” Leeithin sind enthalten: log log log log log log log log log log log log C = 528 ‚= % N= 14 O = 144 P= 31 807 0-2088 = 0:-31973 — 1 log 528 —= 2-72263 log 2.04236 807 = 2.90687 log nl 9.13549 = 0-.13660 0.2088 = 0:31973 — 1 log 14 = 1-14613 log 0-46586 807 —= 2.90687 log nl 7-55899 = 0-003622 C = 0-13660 H = 0.02329 N = 0.008362 0.= 0-03720 P = 0.00802 0-20873 0.2088 = 0-31973 — 1 90 — 1.95424 | 1-27397 807 — 2.90687 nl 8-36710 = 0-02329 0-2088 = 0-31973 — 1 144 — 2.15836 1-47809 807 — 2.90687 nl 8-57122 = 0.0372 log 0.2088 = 0-31973 — 1 log . 31 ‚= 1-49136 0-81109 log 807 — 2-90687 nl 7-90422 = 0:008021 Chitin: In 0-2145 em sind enthalten: Chitin= C = 116 H= 30 N 728 O = 198 366 0.2145 = 0-33143 — 1 log 116 = 2.06446 log 1-39589 366 —= 2:56348 log nl 8-83241 = 0-06799 0.2145 = 0.33143 — 1 log 28 — 1-44716 log 0-77859 366 — 2.56348 log nl 8-21511 = 0-01641 C = 006799 H = 0-01758 N = 0-01641 O =.0:.11260 0.21458 0.2145 = 0:-33143 — 1 30 = 1-.47712 0-80855 366 — 2.565348 nl 8-24507 = 0:01758 0.2145 = 0-33143 — 1 192 = 2.28330 1-.61473 366 = 2.563948 nl 9.05125 = 01126 198 M.GräÄrFIN von LINDEN: EINFLUSS DES KOHLENSÄUREGEHALTES USW. Glykogen: n(C6 H10 O5) in 0-0524 8% sind enthalten: C=172 C = 0-02329 Hm 10 H = 0.003235 0= 80 O = 0.025880 162 0.052405 log 0.0524 = 0.711933 — 2 log 0-0524 = 0.711933 — 2 log 72 = 1-85733 log 10 — 1:00000 0.57666 0.729353 —1 log 162 —= 2-.20952 log 162 = 2-20952 nl 8-36714 = 0-.02329 nl 7:50981 = 0-00323 log 0.0524 = 0-711933 — 2 log 80 21230303 0.62242 log 162 —= 2.20952 nl 8.41290 = 0.0258 Zucker: C6 H12 06, in 0.1728” Zucker sind enthalten: 0=72 C = 0.06880 H=12 H = 0-01147 0,7965 O = 0-09173 180 - 0.17200 log 0.172 = 0.23553 | log 0-172 = 0:-23553 log 72 = 1-85733 log 12 = 1-.07918 1-09286 | 0-31471 log 180 = 2:.25527 | log 180 — 2.25527 nl 8-83759 = 006880 nl 8-05944 = 0-01147 log 0.172 = 0-23553 log 96 = 1-98227 1-21780 log 180 = 2:.25527 nl 8- 96253 = 0:09173 Wirkung von Magnesiumsulfat, Chloroform und Äther auf Herz und motorische Nerven des Frosches. Von Alice Hahn. (Aus dem Hallerianum der Universität Bern.) (Hierzu Taf. II.) Die Frage, ob die Herzpulse und die Leitung derselben von einer Abteilung des Herzens zur anderen myogener oder neurogener Natur sind, ist noch umstritten. Hr. Professor Kronecker riet mir die Wirkung der obengenannten Nervenmittel: MgSO, + 7H,O, CHC], und C,H,OC,H, auf das Froschherz zu untersuchen. Hr. Prof. S. J. Meltzer hat mit Prof. John Auer schon seit 11 Jahren „die hemmenden und anästhesierenden Eigenschaften der Magnesiumsalze“! untersucht. Er faßte in seinem Vortrage die bis 1906 gewonnenen Resultate in folgende Sätze zusammen: „Sehr kleine Dosen der Magnesiumsalze, direkt ins Blut gespritzt, hemmen die Atmung, lähmen den ganzen Körper. — Lokale Applikation auf den Nervenstamm hebt die Erregbarkeit und Leitungsfähigkeit der be- troffenen Nervenstelle auf. — Subkutane Einspritzungen verursachen eine tiefe Narkose mit vollkommener Muskelerschlaffung, und in spinaler Ein- spritzung bewirkt das Salz fast unmittelbar eine Lähmung und Anästhesie der unteren Extremitäten. Alle diese hemmenden und lähmenden Er- scheinungen können wieder vollständig verschwinden.“ ! Vortrag von Professor S. J. Meltzer, gehalten am 7. Dezember 1905 in der Academy of medecine, New-York (Berliner klinische Wochenschrift. 1906. Nr. 3). 200 Auıce Hann: In der Arbeit von Meltzer und Auer (Mai 1908) kommen die Ver- fasser zu dem Schlusse: „Ihe facts, ag known at present, are ill in harmony with the theory, that magnesium favors essentially inhibitory processes in the animal body.“ Auch J. Loeb! hat im Jahre 1899 die Ansicht aufgestellt, daß Calcium und Magnesiumionen rhythmische Muskelkontraktionen hemmen. Er beobachtete, daß die rhythmischen Kontraktionen eines Froschgastro- knemius, der in Kochsalzlösung getaucht war, durch Kali und Kalkzusatz gehemmt werden und ferner auch durch Zusatz alkalischer Erden. In seiner Abhandlung vom Jahre 1906 (The dynamies of living matter p. 79) sagte er: „wir verdanken es den Kalk- und Magnesiumsalzen in unserem Blute, daß sich unsere Skelettmuskeln nicht rhythmisch kontra- hieren wie unser Herz.“ I. Wirkung von Magnesiumsulfatlösung auf das Froschherz. Die nachfolgenden Protokolle erklären Gang und Erfolg der Versuche mit MgS0,+7H,0. | Die Froschherzkammer schrieb bei allen Versuchen, mit der Perfusions- kanüle versehen, an Kroneckers Herzapparat ihre Pulse vermittelst Queck- silbermanometer auf einen Kymographionzylinder. Das Magnesiumsulfat wurde in Kalbsserum oder Kalbsblut oder Ringersolution gelöst. Induktions-. ströme dienten als Reize. Durch die primäre Spirale floß der Strom einer Gülcherschen Thermosäule von 24 Elementen. Die Reizgrößen sind in Kroneckers Einheiten des Induktionsapparates angegeben. Tabelle I. Konzen- ER . Puls- 2 Minimale 0 a Ioo frequenz ul Reizstärke. Anmerkungen Kalbsserum MI Einheiten Herz Il. 0-0 30 15 Gruppen von etwa 20 Pulsen mit Pausen | von etwa 1 Minute. 0-075 25 15—10 | 600 Gruppen vonetwa 22Pulsen in 2Minuten Intervallen. 0:15 24 15—12 700 Gruppen von etwa 14—17 Pulsen in etwa 1 Minute Intervallen. 0-3 12—6 15—14 Gruppen mit abnehmenden Pausen, endlich Einzelpulse. 1 J. Loeb in Ficks Festschrift abgedruckt. Studies in general physiology. Chicago 1905. II. p. 518. WIRKUNG VON MAGNESIUMSULFAT, CHLOROFORM UND ÄTHER. 201 Tabelle I (Fortsetzung). Konzen- f Puls- R Minimale 0 an Ioo frequenz one Reizstärke. Anmerkungen Kalbsserum 1 Einheiten Herz Il. 0-0 14 17 Während 3 Minuten 2 Gruppen von 14 und 7 Pulsen. 0-5 12—10 17 700 5 Gruppen von etwa 6 Pulsen in Pausen von 44 Sekunden. 1:0 4 17 Gruppen von 2 Pulsen. 20 Sekunden- Intervalle. Endlich Einzelpulse. 2-0 1-55 | 17-15 Gruppen von 2 Pulsen (Pausen 20 Sek.), die in eine regelmäßige Pulsreihe über- gehen. - 5.0 50 14 1 Pulsgruppe, dann Ruhe für 7 Minuten. 0-0 6 15 Serumperfusion. Mehrere frequente Pulse, dann vereinzelte. 5.0 60 8 1 Pulsgruppe, dann 7 Minuten Stillstand. ( \ Herz Ill. 0-0 12 12—14 5-0 0:75 14—17 3 Einzelpulse, dann 9 Min. 5 Sek. Ruhe. 30 9—11 2 Gruppen von etwa 7 Pulsen, in Pausen von 4 Minuten. 0:0 18 13 Nach einer Gruppe ziemlich regelmäßige | Pulsreihe. 10-0 24 9 Nach 7 Minuten Stillstand 1 Gruppe von 8 Pulsen, dann 2 Gruppen von 3 Pulsen, in Pausen von 3 Minuten. 20-0 6 2000 Nach einem Stillstande von 4 Minuten 5 Sekunden, 2 Pulse in 14 Minuten Inter- vall, dann nur auf Reize Pulse. 50-0 unerregbar | Die stärksten Reize (14000) sind un- wirksam. 0.0 21 10 Unregelmäßige Gruppen. Herz IV. 0-0 21 12 Gruppen von etwa 5 Pulsen mit Pausen von etwa 20 Sekunden. 5-0 13—10 Einzelne Pulse, wechselnd mit Puls- paaren in etwa 1 Minute Intervallen. 10-0 10—6 2500 1 Puls, dann Pause von 2 Minuten, 1 Gruppe, dann Einzelpulse in wachsen- den Intervallen. 20-0 10 2500 Pulse nur auf Reize. 30:0 7 3000 desgl. 40-0 1 7000 desgl. 0.0 5—14 "nn 10 Herzbad bis Versuchsende in schmelzen- dem Schnee. 5.0 7 2500 Die Perfusionsflüssigkeit 18°; 2 Einzel- pulse, dann 12 Minuten Stillstand. 202 Auıc Hann: Tabelle I (Fortsetzung). Konzen- al: E Puls- = Minimale {) Baton Ioo frequenz Baleuibe Reizstärke. Anmerkungen Kalbsserum 1 Einheiten 20-0 8 4500 Pulsiert nur auf Reize. 30-0 unerregbar 14000 Einheiten ohne Wirkung. 0-0 4—6 11 Herz V. 0-0 18 18 600 Gruppen von etwa 6 Pulsen. Pausen von etwa 50 Sekunden Dauer. 5-0 10—7 |700—2000 | Ungereizt 45 Minuten Ruhe, dann auf 1500 1 Reiz Gruppe von 7 Pulsen. 10-0 10 2000 Pulse nur auf Reize. 20-0 14000 Reize ohne Wirkung. 0-0 18 16—9 4 Gruppen von 11—3 Pulsen. | Herz VI. Konzentra- Das Serum wurde 1 Tag unter fließen- tion in dif- dem Brunnenwasser, 2 Tag in dreimal fundiertem täglich gewechseltem destilliertem Kalbsserum Wasser diffundiert und auf 0-6°/, Koch- salzgehalt gebracht. 0-0 14 11 0-6 prozent. Kochsalzlösung perfundiert. Lange Reihe spontaner Pulse. 0°0 13 22 2000 Diffundiertes, auf 0-60/, Kochsalzgehalt gebrachtes Serum durchgeleitet. 3 Grup- pen tonischer Pulse; 1 Gruppe auf 1 Reiz. 0) etwa 6 7000 Pulsiert nur auf Reize, bleibt nach jedem Reize in tonischer Kontraktion. 0-0 15 1500 Pulsiert nur auf Reize. 0-5 etwa 7 8000 desgl. 0.0 4 11 1500 3 Minuten Stillstand, nach 2 Reizen längere Pulsreihe. 5.0 6 1500 Pulsiert nur auf Reize. 0-0 18 2000 51 Min. Pause, dann auf Reize tonische Pulse. Herz VII. e) 15 Normalserum perfundiert. 0-0 2-5 12 4000 Die Pulse werden immer seltener, zuletzt tonische Pulse in Pausen von 5 Minuten. 0:05 11—1 2500 Tonische Pulse, nur auf Reize, zuletzt keine Pulse, trotz stärkster Reize. 10 6 Normales Serum stellt die Pulse wieder ; her. 5.0 5—1 2500 Pulse nur auf Reize. etwa 5 10 Normales Serum. Pulsiert in Gruppen. 0-5 11—3 Anfangs Stillstand, zuletzt 10 Pulse in 1 Minute. 0-0 Stillstand mit diffundiertem Serum. ° WIRKUNG VON MAGNESIUMSULFAT, CHLOROFORM UND ÄTHER. 203 Tabelle I (Fortsetzung). Konzen- 0. - Puls- a Minimale Dr "oo frequenz nn Reizstärke. Anmerkungen Kalbsbut | Mi Einheiten Äyl Herz VII. 0-0 3-5 20 10.0 20 1500 Pulsiert nur auf Reize. 20-0 14—7 10000 desg]. 30-0 unerregbar 14000 Einheiten erregen nicht. 0-0 1500— 600 Pulse nur auf Reize. 0-0 etwa 13 20 Blut in Ringerlösung perfundiert. Regel- mäßige Pulse. Herz IX. 0-0 45 24 400 10-0: 1 20 5000 Auf Reiz 1 Gruppe von 13 Pulsen. 10-0 900 1 Puls, dann Pulse nur auf Reize. 20-0 18 15 1500 2 Gruppen von 19 und 30 Pulsen mit einer Pause von 1 Min. 40 Sek. Nach Stillstand von 3-5 Minuten auf Reiz 1 Gruppe von 15 Pulsen. 30*0 2 Pulse nur auf Reize. 30.0 unerregbar 14000 Einheiten ohne Wirkung. 0:0 50—22 13 800 |Nach wiederholter Durchleitung 2 Grup- pen von 75 und 11 Pulsen mit Pause von 1 Minute. Ringer- lösung Herz X. 0-0 7 11—5 Ringerlösung perfundiert. 5-0 10 2—1 a a 1 Gruppen von 3—4 Pulsen in Pausen von etwa 20 Sekunden. 0-0 5 11—4 Ausspülung mit Serum. 10-0 unerregbar 14000 Einheiten reizen nicht. 0-0 10 Ringerlösung perfundiert. 9 Minuten Stillstand, sodann auf 1 Reiz 4 Pulse. 10-0 0-5 3 6 Tropfen perfundiert. Herz XI. In allen weiteren Versuchen wurde zum Ausspülen eine Mischung von 1 Teil Blut und 2 Teilen Ringerlösung gebraucht. 0-0 30 12 5-0 2 Pulse nur auf Reize. 0-0 7—24 18 10-0 2 Einzelpulse und Gruppen von 4 Pulsen auf Reize. 20-0 unerregbar 14000 Einheiten reizen nicht. 0:0 10—12 ? Pulse nur auf Reize (mechanisch gereizt). 204 | Auıce Hann: Tabelle I (Fortsetzung). LANZEL- Puls- 5 Minimale ei 2 frequenz pP sichühe Reizstärke. Anmerkungen lösung in 1’ Einheiten Herz XI. 00 | 17 10—12 Hundeblut. 5:0 | 8 700 Pulse nur auf Reize. 10-0 4 500 desgl. 10-0 1 2 20-0 1 600 desgl. 0-0 14 12—6 400 Unregelmäßige Gruppen. 20-0 2 11—5 400 30-0 0-5 600 Pulse nur auf Reize. 0-0 13 14—5 Kalbsblut. Gruppen von 14 u. 6 Pulsen in Pausen von etwa 1 Minute. 40-0 5 unerregbar 14000 Einheiten reizen nicht. 0.0 | 7 12—5 Gruppen von 5—15 Pulsen in Intervallen von 40 Sekunden. Herz XIII. 0-0 24 5 350 Regelmäßige Pulse, die in Gruppen übergehen. 25-0 10 15 400 4 Minuten Stillstand, dann auf einen Reiz 22 Pulse. 10-0 1 700—300 Pulse nur auf Reize. 20.0 unerregbar 14000 Einheiten reizen nicht. 0-0 12 6 | Herz XIV. 0-0 9 25 Pulsiert in langen Gruppen mit un- regelmäßigen Intervallen. 10:0 14 25 3 Minuten Stillstand, dann 1 Gruppe von 13 Pulsen. 10-0 22 1300 Pulse nur auf Reize. 20-0 15 1300 desgl. 30-0 1 5000 desg]. 30-0 0-5 6000 desgl. 0-0 6 25 Beifolgende Kurventafel illustriert die Wirkung von Magnesiumsulfat im Kalbsserum auf die Froschherzkammer. Mit reinem Serum pulsierte das Herz in eis Zusatz von halb- prozentiger Magnesiumsulfatlösung brachte es zur Ruhe. Auf jeden starken Induktionsschlag antwortete es mit einem Pulse. Dabei war nach langen Pausen die Pulshöhe vermindert. Reizungen in kurzen Intervallen gaben wachsende Pulse (Treppe). . Einprozentige Magnesiumsulfatlösung minderte WIRKUNG VON MAGNESIUMSULFAT, CHLOROFORM UND ÄTHER. 205 die Reizbarkeit um 500 Einheiten. Magnesiumsulfat in zweiprozentiger Konzentration hob nicht nur die spontanen Pulsationen auf, sondern ver- minderte die Reizbarkeit um das siebenfache und auch die Leistungsfähig- keit bis fast zum Verschwinden der Pulse. Dreiprozentige Magnesium- sulfatlösung lähmte das Herz gänzlich. Es war aber keineswegs geschädigt. Normales Serum stellte sogleich seine Leistungsfähigkeit wieder her bis zu Pulshöhen über die Anfangsnorm, ließ aber die Reizbarkeit noch 2 Minuten lang unter der Anfangsnorm, so daß die Reizschwelle noch etwa je 10 Stunden lang um 1000 Einheiten erniedrigt war. Nachfolgende Zusammenstellung der Resultate von Versuchen mit MgSO,-7H,O an 14 Froschherzen geprüft zeigt, daß die Wirkung des Bittersalzes durch das Lösungsmittel modifiziert wird. Im diffundierten Kalbsserum, das auf 6 Promille Kochsalzgehalt gebracht worden, wird durch sehr verdünnte (0-5 Promille) Magnesiumsulfatlösung die Reizbarkeit erhöht, die Leistungsfähigkeit aber sehr gemindert. Tabelle II. IEEE Reiz- Lösungsmittel ® = 3| schwelle Pulshöhe Bemerkuugen &=a,| Einheiten =7 ı Teil Kalbsblut, | 10-0 | 500-900 unverändert Herzpulse nur auf Reize 2 Teile NaCl- | 20-0 1500 fast unverändert De Lösung 30-0 | 2000 minimal bis 0 u re Kalbsserum 5:0 | 800—1500 unverändert BES Ks 5-0 | spontan. fast unverändert Seltene Pulse 20-0 10 000 minimal Herz puls.nur auf Reize 30-0 14 000 > en pe De 40-0 14 000 0 WRLENEN Re ” Diffundiertes Kalbs- | 0-0 2000 hoch, tonisch mom nn» serum auf 0-6%, | 0-5 | 1000-700 | sehr klein, tonisch | „ » »» » NT ZB ll sehr klein bis 2 a ee bracht verschwindend klein 0-0 2000 hoch, tonisch le Ringerlösung 10-0 1300 unverändert 20-25 | „2 000» - 1 20-0 | 1300—300 verringert 3 MRERL FRRSAERETE.,; 30:0 | 5000 sehriniedrie bis’ 0 || 5». > is öl Mit normalem Kalbsserum vertragen die Herzen die zehnfache Menge (5 Promille) von Magnesiumsulfat, ohne daß ihre Energie gemindert: wird: 206 Auıce Hann: erst bei 20 Promille Magnesiumsulfat werden die Pulse minimal und nur durch Reize auslösbar. Im Kalbsblute läßt die gleiche Salzmenge die Pulshöhe fast unver- mindert, erst 30 Promille Magnesiumsulfat machen sie minimal. In Ringerlösung lassen 10 Promille Magnesiumsulfat die Pulshöhe unvermindert, 20 Promille verringern sie. In allen Fällen pulsiert das mit irgend 'einer Magnesiumsulfatlösung gefüllte Herz nur auf Reize. II. Perfusion von ätherhaltigen Nährflüssigkeiten. Dr. Mac Gregor Robertson?! hat 1881 mit Hrn. Prof. Kronecker die Wirkung von Äther in verdünntem Kaninchenblute auf das Froschherz untersucht. Tabelle II. Konzen- Puls- Pulshöhe | Minimale tration oo frequenz in Reizstärke Anmerkungen in a " Kalbsblut | Pro 1’ mm Einheiten F Herz XXIX. 0-0 15 20 Gruppen von 2 bis 5 Pulsen in etwa | 14 Sek. Intervallen. 1-5 10 20 Doppelpulse in Intervallen von 12 Sek. 5-0 18—12 15—20 Regelmäßige Pulsreihe, die in Su pulse übergeht. 10-0 20 10—15 | Regelmäßige Pulsreihe. 20-0 33% 1—5—10 | Gelähmt. Pulse nur auf Reize (mechan.), dann regelmäßige Pulsreihe. 30.0 Gelähmt. Pulse nur auf Reize. 32 12—8—10 ‚Zuletzt Pulse immer gedrängter. Kalbsserum Herz XXX. 0-0 36 | 17 200 Gruppen (von 6—7 Pulsen) Intervalle: | 44 Sekunden. 2-5 21 | 19 Gruppen (von 2—3 Pulsen) Intervalle: | 20 Sekunden. 5-0 De 5 300 5-0 138,12 300 | Regelmäßige Pulsreihen, dann Gruppen | ‚(von 4 Pulsen) in Intervallen von 12 Sek. 10-0 10—21 | 15—12 ‚ Regelmäßige Pulsreihen, dann Gruppen ‚(von 2—4 Pulsen) in Intervallen von 10 Sekunden. 20-0 13 7 1500 Gelähmt. Pulse nur auf Reize, sodann spontane. 30-0 3 2500 Pulse nur auf Reize. 40-0 1 3500 55 7) = 50-0 | 0-5 4000 br a ı Dies Archiv. 1881. Physiol. Abtlg. S. 354. WIRKUNG VON MAGNESIUMSULFAT, CHLOROFORM UND ÄTHER. 207 Zusammenstellung der Resultate von 8 Herzversuchen mit ätherhaltigem Blute und Serum. Tabelle IV. Lösungsmittel Be Pulsfrequenz Pulshöhe 8 on E 1 Teil Kalbsblut, 2°5 | groß | unverändert 2000 2 Teile NaCl 5.0 | größer fast unverändert 10-0 | s; | verringert 15-0 viel größer rs 20-0 | keine spontanen Pulse stark verringert 30-0 N »» & minimal 1300 Kalbsserum | 2+5 groß wachsend 200 | 5.0 größer verringert 300 ' 10-0 sehr groß 1. | 20-0 | keine spontanen Pulse stark verringert 2500 | 40-0 m 2 I: minimal 3500 | 50-0 | „ “€ „ minimal bis verschwindend 4000 | klein | Er fand, daß 10 Promille Äther den Puls beschleunigte, 15 Promille die Pulse verlangsamte, 20 Promille das Herz lähmte. Auf 5° abgekühlte Herzen erfordern stärkere Ätherkonzentration: 15 Promille beschleunigen, 25 Promille lähmen. Auf 35° erwärmt, konnte das Herz schon durch 10 Promille Ätherlösung gelähmt werden. Wenn CO,-haltiges Blut 1 Prozent Äther enthielt, so wurde damit das Herz schon gelähmt. Meine Resultate bestätigen im allgemeinen die von Mac Gregor mit gleichen Methoden entdeckten. 2.5 Promille änderten kaum die Schlagfolge, vergrößerten etwas die Energie. 5 Promille machten die Pulse kleiner und frequenter; 10 Promille noch kleiner und frequenter; 15 Promille viel kleiner und etwas seltener; 20 Promille lähmten. Mechanische Reize Zen ien niedrige Pulse an, ebenso nach 30 Promille Ätherblutperfusion. ‚Die zwei vorstehenden Protokolle geben ein Paradigma für die acht Ätherversuche. Die Experimente wurden unter denselben Bedingungen ausgeführt wie die Magnesiumsulfatversuche. III. Perfusion von chloroformhaltigen Nährlösungen. Chloroform vermehrte, sowohl in Blut wie in Serum gelöst, die Puls- frequenz schon bei 2-5 Promille Gehalt. Dabei wurden die Systolen klein, bei Konzentration von 5 Promille unmerklich. Auch stärkere Reize blieben 208 AvıcE Hann: erfolglos. Sogar verdünnte Chloroformblutlösungen (2-5 Promille) schädigten das Herz derart, daß es, auch nach längerer Perfusion mit frischem Blute, nicht zur früheren Pulshöhe gebracht werden konnte. Es schädigt das Chloroforın also dauernd, während Äther vollkommene Erhaltung zuläßt. Die vier nachfolgenden Protokolle geben ein Paradigma für die 11 Chloroformversuche. Die Experimente wurden unter denselben Bedingungen ausgeführt wie die Magnesiumsulfatversuche. Tabelle V. Konz "Puls N aan Ioo frequenz Bon nn Anmerkungen Kalbsblut | Pro 1 Herz XV. 0-0 etwa 10 19 2°5 etwa 14 6—15 7-5 9 1—4 200—400 | Regelmäßige Pulse, dann während 4 Min. 2 Sek. Gruppen von 5 Pulsen, wieder regelmäßige Pulsreihe, die in Gruppen übergehen, zuletzt Gruppen auf Reize. 5-0 15—16 4 4000 Gruppen von etwa 8—10 Pulsen. 10-0 15 1 4000 A u IE 20-0 unerregbar | Reize von 14.000 Einheiten erregen nicht. ! Herz XIX. 0-0 28 19 —20 Gruppen von 22—25 Pulsen. 2-5 15 14 Regelmäßige lange Pulsreihe. 2-5 24—18 1—4 Löstlange Reihegleichmäßiger, wachsen- der Pulse aus. 0:0 8 12 Seltenere Pulse, die in Gruppen über- 20 16 gehen. 5.0 27 3 10 Tropfen erniedrigen, 20 Tropfen läh- men bis zur völligen Unreizbarkeit. 0-0 13—5 5—10 Kalbsserum Herz XXIII. 0.0 5 10—16 Anfangs eine Reihe gleichmäßiger Pulse, 33 dann Gruppen von 13 Pulsen in Pausen von etwa 1 Minute. 2-5 15 16—7 Regelmäßige Pulse. 2-5 20 6—5 desgl. 0-0 16 11—14 Anfangs eine Reihe regelmäßiger Pulse, 30 dann Gruppen von 3 Pulsen in Inter- vallen von 8 Sekunden. 5.0 22 2—1 Eine Reihe regelmäßiger Pulse. 5.0 20 0-5 desgl. 0-0 22 6—10 desgl. 10-0 0-.5—0 Unerregbar. Die stärksten Reize (14000 Einheiten) bleiben ohne Erfolg. WIRKUNG VoN MAGNESIUMSULFAT, ÜHLOROFORM UND ÄTHER. 209 Tabelle V (Fortsetzung). Konzen- | puls- 1 iR Ioo frequenz le | Anmerkungen Kalbsserum Po 1 | 0-0 35 3—4 Eine regelmäßige Pulsreihe. 0-0 33 12—9 Einzelne Pausen. 0-0 27 12-10 desgl. Bi ana Herz XXIV. Serum ri 15 Serum. Eine Reihe regelmäßiger Pulse. 0-0 \22 14—15 Gruppen. 2-5 5 2—1 Eine Reihe regelmäßiger Pulse. 5-0 15 0-5 Etwas gruppiert. 0-0 10 il 0-0 10 10—12 Blut. 2-5 15 0-25—0+5 0-0 12 10 Serum. 2-5 13 0-25—0:5 Tabelle V1. Zusammenstellung der Resultate von Versuchen mit CHC]l, an Froschherzen. | Gehalt Puls- Lösungsmittel On frequenz Pulshöhe Reizschwelle 1 Teil Kalbsblut und 2.5 groß niedrig 2 Teile NaCl desgl. 5-0 sehr groß | minimal bis O desgl. 10-0 minimal bis 0 desgl. 0-0 mäßig hoch desgl. 20-0 0 stärkste Reize desgl. 0-0 0 unwirksam Kalbsserum 2-5 groß niedrig desgl. 5-0 sehr groß Iniedrig bis kaum| stärkste Reize bemerkbar desgl. 10-0 minimal bis 0 unwirksam desgl. 0.0 mäßig hoch IV. Nervenlähmende Wirkung der durch das Gefäßsystem des Frosches geleiteten Lösung von Magnesiumsulifat. Über die nervenlähmende Wirkung der Äther- und Chloroformlösungen wurde schon seit längerer Zeit berichtet. Archiv f. A. u. Ph. 1910. Physiol. Abtlg. Suppl. 14 210 | Auıce Hann: „Ihe ether effect“ nennt Bowditch! folgende Erscheinung: Wenn man einem aufgehängten Frosche einen Schenkel in !/,prozent. Ätherlösung getaucht hat und sodann ihn mit schwachen Induktionsströmen reizt, so wird der Schenkel gestreckt, der Tarsus abduziert, wie am unvergifteten Schenkel; nach längerer Ätherwirkung wird der gereizte Schenkel flektiert und der Tarsus abduziert; nach 20 Minuten hat die Reizung gar keinen Erfolg. Bowditch erklärt dies dadurch, daß schwache Reizungen nur die Nerven der Beuger erregen. „Que le chloroforme agisse sur le muscle m&me, ind&pendemment de ses ölöments nerveux, c’est ce qui est facile & verifier en operant sur la pointe du coeur de la grenouille separee physiologiquement du reste de Vorgane.“? „Während die Kontraktilität und das Leitungsvermögen“, sagt Bieder- mann, „vom Äthermuskel in der Regel schon nach 10 bis 15 Minuten gänzlich erloschen zu sein pflegen, läßt sich, selbst nach stundenlanger Einwirkung von Ätherdämpfen, nur eine sehr geringe Schwächung des Demarkationsstromes nachweisen, was um so bemerkenswerter ist, als man sonst sieht, daß ganz allgemein alle diejenigen Einflüsse, welche die Erreg- barkeit herabsetzen, auch schwächend auf den Muskelstrom einwirken.? „Der Äthermuskel hat aber nicht nur die Fähigkeit, sich bei Reizung zu verkürzen, vollständig eingebüßt, sondern er ist auch gänzlich leitungs- unfähig geworden.“ Joteyko und Stephanowska haben im Institut Solvay gefunden, daß unter dem Einflusse der Anaesthetica der Muskel noch direkt erregbar ist, wenn der Nerv unerregbar geworden ist.‘“® Claude-Bernard konstatierte, daß der Äther, wie das Nervenplasma, so auch das Muskelplasma zur Gerinnung bringt. Intermuskuläre Ein- spritzung macht den Muskel ebenso hart wie die Totenstarre.® Infolgedessen wurden von mir die Versuche über die nervenlähmende Wirkung der Äther- und Chloroformlösungen nicht wiederholt. Die Wirkung der magnesiumsulfathaltigen Flüssigkeiten auf die Nerven dagegen ist bis jetzt noch wenig bekannt. ! The action of Sulphurie on the peripheral nervous System. Amer. Journ. of the Medical Sciences. Avril 1887. 2 Zitat von Dastre in seinem Buche Zes Anaesthesiques. Paris 1890, nach einer Bemerkung von Sidney Ringer. Praetitioner. Bd. XXVI u. XXVII. s Die elektromotorischen Wirkungen der Muskeln. Elektrophysiologie. Bd. I. Erste Abteilung. 1895. S. 383. * Ebenda. S. 306. 5 Travail fait & P’Institut Solvay. Annales de la Soc. Royale des Sc. med. et nat. de Bruxelles. T. X. 1901. & Richet, Dietionnaire de Physiologie. 1902. T.V. p. 882. WIRKUNG VON MAGNESIUMSULFAT, ÜHLOROFORM UND ÄTHER. 211 Folgende Versuche geben eine Vorstellung davon. - Versuceh I. In den Bulbus aortae eines Frosches wurde eine Kanüle eingeführt, ebenso in die Herzspitze, durch die Aorta eine 5prozentige Magnesium- sulfatkalbsserumlösung perfundiert, welche auf venösem Wege durch den Sinus, rechte Vorkammer und Kammer ausfloß. Kammer und Vorkammer, sowie der Sinus pulsieren normalerweise. Nach 5 Minuten langer Durchleitung war die Pulsation der Kammer seltener seworden, noch mehr nach 20 Minuten. Kneifen der Pfoten veranlaßte energische Bewegung der Schenkel. Vorhöfe und Sinus pulsierten unverändert. Nunmehr wurde stärkere (25 promillige) Magnesiumsulfatlösung perfun- die. Nach 27 Minuten ruht der Ventrikel; die Vorhöfe pulsieren sehr selten (20 Pulse pro 1 Minute), der Sinus 60 mal in der Minute. Kneifen der Pfoten verursacht noch Reflexbewegungen. Nach 32 Minuten dauernder Durchleitung pulsieren die Vorkammern etwa 9mal in 1 Minute. Nach 37 Minuten langer Durchleitung erfolgte nur ab und zu ein Puls der Vor- kammern, der Sinus pulsierte wie anfänglich. Die Kneifreflexe sind immer noch lebhaft. Nach 40 Minuten ruhen die Vorhöfe gänzlich. Der Sinus pulsiert wie anfangs. Die Reflexe auf Kneifen etwas schwächer. Auf mechanische Reize kontrahieren sich nur die betroffenen Herzabteilungen. Nach 50 Minuten langer Perfusion pulsiert der Sinus seltener, Auch die Kneifreflexe werden schwächer. Aber auch nach 70 Minuten langer Durch- leitung kontrahierte sich der Sinus noch. Die Kneifreflexe aber sind jetzt erloschen. Der Ventrikel reagiert weder auf mechanische noch elektrische Reize, die Vorhöte nur vom Rande des Sinus aus. Öffnungsinduktionsschläge von nur 50 Einheiten lassen direkt gereizte Muskeln des Oberschenkels zucken. Die stärksten Reize (14000 Einheiten), die den ganzen Oberkörper des Frosches zu den stärksten Zuckungen bringen, lassen die Herzkammer, welcher die Elektroden anliegen, vollkommen ruhig. Die Vorhöfe reagieren schwach. Nach 1 Stunde und 40 Minuten dauernder Perfusion pulsiert der Sinus sehr selten und schwach. Die Wirkung der Stromesschleifen vom Ober- . schenkel aus zeigt sich in folgender Weise: Bei 100 Einheiten nur der Oberschenkel. Bei 300 Einheiten Ober- schenkel stark, Unterschenkel schwach. Bei 500 Einheiten zuckt der ganze Schenkel energisch, bei 2000 Einheiten die ganze Froschhälfte, bei 10000 Einheiten der ganze Frosch. Versuch I. 10 Uhr vormittags wurde unter die Rückenhaut eines Frosches eine 30 promillige Magnesiumsulfatlösung in 6 promilligem Kochsalzwasser in- jiziert. Kneifen der Pfote löst Reflexe aus. 50 promillige Magnesiumsulfat- lösung in Kochsalzwasser vernichtet auch noch nicht ganz die Reflexe. Hier- auf wurde das Herz freigelegt (kein Zeichen von Hautempfindung). Vorhöfe pulsieren, Kammer nicht. In die linke Aorta wurde unter 30% Wasser- druck 30 promill. Magnesiumsulfat- in 6 promill. Kochsalzlösung perfundiert. Blut ausgewaschen. Die Vorkammern pulsieren nicht mehr. Kneifreflexe er- loschen. Spülflüssigkeit schwach rosa. 12 Uhr Plexus sacralis freigelegt. Durchschneidung der Wirbelsäule mit Rückenmark geschieht ohne Reaktion. 14” 212 ALIıcE HAHN: WIRKUNG VON MAGNESIUMSULFAT USW. Plexus sacralis mit 10000 Einheiten starken Öffnungsinduktionsschlägen löst keine Muskelbewegung aus. Auch der gereizte Ischiadikus ist ohne Wirkung, soweit nicht Stromschleifen benachbarte Muskelgebiete erregen. Dagegen sind die Muskeln des Ober- und Unterschenkels direkt höchst erregbar. Öffnungsinduktionsschläge von 30 Einheiten, ja selbst von 25 Einheiten geben Zuckungen. Die schwächsten Reize bringen, interessanterweise, nur die getroffenen Muskelfasern zur Kontraktion. Reiz des ruhenden Herzens mit 10000 Einheiten bleibt erfolglos, während die Stromschleifen die Kehlmuskulatur zur Kontraktion bringen. Auch der Magen kontrahiert sich auf stärkste Reize nicht. Diese Versuche beweisen, daß Magnesiumsulfat auch die motorischen Nerven lähmt, die direkte Erregbarkeit der Muskeln aber völlig intakt läßt. Ebenso wie in Kühnes Zweizipfelreizung an dem Beckenende des Sartorius nur die gereizte Muskelhälfte sich kontrahiert, so sahen wir bei minimalen Reizen der Magnesiummuskeln nur diejenigen Faserbündel sich zusammenziehen, denen die Elektroden angelegt waren. Aus meinen Versuchen lassen sich folgende Sätze ableiten: 1. Magnesiumsulfat mindert die nervöse Erregbarkeit des Frosch- herzens derart, daß die natürlichen Reize (Salze der Durchleitungsflüssig- keiten) nicht mehr genügen, um die Pulse auszulösen. 2. Die Energie des Herzmuskels wird nicht dauernd gemindert. 3. Äther, in Konzentrationen von 15 bis 25 Promille im Blute oder Serum erhöht die Pulsfrequenz. 20 Promille machen das Herz pulslos, es bleibt aber reizbar. (Im Bestätigung der Versuche von Mc Gregor- Robertson.) 4. Die Pulse werden durch Alltarlösnnen von 5 bis 10 Promille niedriger. Lösungen von 40 bis 50 Promille machen sie unmerklich. 5. Chloroform vermehrt, schon in 25promill. Lösung, die Pulsfrequenz, mindert aber die Höhe. 6. Chloroform schädigt die Herzmuskulatur dauernd, so daß Perfusion mit normalem Kalbsserum oder Blut das Herz nicht mehr erholt. 7. Mit serösen Magnesiumsulfatlösungen ausgespülte Frösche verlieren die Erregbarkeit ihrer Nerven, während die Muskeln hochreizbar bleiben. 8. Schwache Reize bringen nur diejenigen Muskelbündel zur Kon- traktion, auf denen die Elektroden lagern. 9. Die Herzen der mit Magnesiumsulfatlösungen durchspülten Frösche pulsieren nicht mehr koordiniert, sondern der Sinus am häufigsten, die Vorkammern dreimal seltener, die Kammer ruht in Diastole. (Vgl. Satz 2.) Wiederum ist bewiesen, daß das Herz nur unter Einfluß von nervösen Organen pulsiert. Zum Schlusse der Arbeit ergreife ich die Gelegenheit, meinem ver- ehrten Lehrer, Hrn. Prof. Dr. Kronecker, innigsten Dank auszusprechen. Weitere Untersuchungen über die Ermüdbarkeit des markhaltigen Nerven. Von Ludwig Haberlandt. (Aus dem physiologischen Institute der Universität Berlin.) (Hierzu Taf. III.) In einer früheren Abhandlung! habe ich Versuche mitgeteilt, in denen das Verhalten der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Nervenerregung bei länger andauernder Tätigkeit des Nerven untersucht werden sollte. Es kam hierbei eine große Anzahl von Zuckungskurven bei abwechslungsweiser distaler und proximaler Nervenreizung zur Anschreibung, deren genaue Ausmessung in den meisten Fällen eine Zunahme der Differenz der Latenz- stadien am Schlusse einer solchen Zuckungsreihe ergab, die nach einer kurzen Pause nicht mehr nachgewiesen werden konnte. Ob sich bei diesen Versuchen tatsächlich eine Verzögerung der Leitungsgeschwindigkeit im Nerven als wirkliches Ermüdungssymptom entwickelt hat, konnte jedoch daraus nicht ganz sicher gefolgert werden, da hierzu doch die Umdrehungs- geschwindigkeit des zur Verfügung gestandenen Kymographions eine zu geringe war. Wenn ferner auch’Kontrollversuche das Moment einer lokalen Ermüdung an den Reizstellen selbst bei den Hauptversuchen als kaum in Betracht kommend erwiesen hatten, so mahnte trotzdem besonders auch der Umstand zu doppelter Vorsicht in den Schlußfolgerungen, daß nämlich bei diesen Versuchen immerhin die Beanspruchung des Nerven eine verhältnis- mäßig geringfügige war. Es kamen ja dabei nur Einzelinduktionsschläge, wenn auch in kontinuierlicher Aufeinanderfolge längere Zeit hindurch zur Anwendung. ! L. Haberlandt, Versuche über die Ermüdbarkeit des markhaltigen Nerven. Archiv für die gesamte Physiologie. 1911. Bd. CXXXVII. S. 435. 214 LupwıG HABERLANDT: Im Anschlusse hieran führte ich nun Versuche mit tetanischen Dauerreizungen aus, über die hier berichtet werden soll. Ich benutzte dazu das Engelmannsche Pantokymographion in Ver- biadung mit dem rhythmischen Polyrheotom, womit seinerzeit Engelmann! seine Untersuchungen über die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Nerven- erregung angestellt hat. Die durch die Schleudervorrichtung erzielte, sehr bedeutende Trommel- geschwindigkeit schwankte zwischen 1200 und 1250”=”® pro Sekunde an der in Betracht kommenden Stelle derselben; meist erreichte sie den letzteren Wert. In einer und derselben Versuchsreihe erwies sie sich aber als völlig konstant, wovon ich mich abgesehen von der mit einer Hundertschwingungs- stimmgabel oftmals ausgeführten Kontrolle auch in der Weise überzeugte, daß ich über derselben Abszisse in wiederholter Aufeinanderfolge Zuckungs- kurven anschreiben ließ, deren Abhebungspunkte sich bei sonstiger Kongruenz dann vollkommen deckten; andererseits. findet ja hier die Reizauslösung stets an genau derselben Stelle statt, wenn die Kontakte in ihrer Stellung auf der Rheotomscheibe nicht verändert werden. Dieselben waren ein für allemal derart eingestellt, daß bei der gewählten Federspannung eben un- gefähr die größte Geschwindigkeit ausgenützt werden konnte. Für die so allein in Betracht kommende Trommelgegend ergab die Ausmessung zahl- reicher Stimmgabelkurven als Entfernung zweier benachbarter Gipfelpunkte in der Mehrzahl der Fälle eine Länge von 12.5", so daß demnach eine Wegstrecke von 1" einer Zeitdauer von 0-0008 Sekunde (0-80) entsprach. Der Elektrodenträger bestand aus einer 83" langen Ebonitplatte und wurde bei vielen Versuchen durch ein Ansatzstück vorne noch um ungefähr 10=m verlängert. Als Elektroden für die Prüfungsreize verwendete ich 0.5"m dicke Platindrähte in 0-5””® Entfernung. Das distale Elektroden- paar befand sich dabei in einem Abstande von 12”m yon dem unteren Ende des Reizträgers, das proximale Elektrodenpaar war vom distalen 39 mm entfernt. Das dritte Elektrodenpaar für die tetanischen Dauerreizungen bestand ebenfalls aus ganz dünnen Platindrähten mit ungefähr Im” Ab- stand, seine Entfernung vom zweiten, für den zentralen Prüfungsreiz be- stimmten Elektrodenpaar konnte beliebig variiert werden; dieselbe betrug meist 10 bis 20 "m, Zur Registrierung wurde ein isotonischer Muskelhebel nach Grützner? ı W. Engelmann, Graphische Untersuchungen über die Fortpflanzungsgeschwin- digkeit der Nervenerregung. Dies Archiv. 1901. Physiol. Abtlg. S.1. s ® P. Grützner, Ein neues Myographion. Archiv für die gesamte Physiologie. 1887. Bd. XLI. 8. 281. ÜBER DIE ERMÜDBARKEIT DES MARKHALTIGEN NERVEN. 215 verwendet. Er war im ganzen 12m Jang und bestand aus einem stählernen Anfangsstück von 4.3°® Länge, dem ein mit einer feiner Stahlspitze ver- sehener Strohhalm angesetzt war. An diesem Ende des Stahlstückes inserierte die mäßig stark gespannte Feder, deren Zugrichtung schräg nach abwärts gerichtet war, während der Muskel mittels Faden in einer Entfernung von 1°® von der Drehungsachse des Hebels angrif. Da derselbe auf einem Anschlag auflag, wurde der Muskel im Ruhezustande dem Zuge der Feder entzogen, so daß also eine Überlastung statthatte. Sowohl Schreibhebel wie Muskelhalter waren an einem massiven, eisernen Stativ befestigt, an dem auch der Elektrodenträger angebracht wurde. Die Prüfungsreize erfolgten durch Öffnungsinduktionsschläge unter Ver- wendung eines Akkumulators und bei einem Rollenabstande von 160 bis 180==, wobei der Eisenkern aus der primären Spule des Induktoriums entfernt war. Durch Umlegen einer Wippe konnten bei entsprechender Einübung der Handgriffe sehr rasch hintereinander je zwei Zuckungen, von der unteren und oberen Nervenstelle ausgelöst, über derselben Abszisse aufgezeichnet werden. Von einem zweiten, großen Du Bois-Reymondschen Schlitteninduk- torium wurden ebenfalls unter Benutzung eines Akkumulators die tetani- schen Dauerreizungen besorgt; dabei betrug der Rollenabstand 150 bis 220 mm (auch ohne Eisenkern). Entweder wurde mit der bei dem Apparate srößt- möglichsten Frequenz tetanisiert, die wohl kaum viel mehr als 20 pro Sekunde betragen haben dürfte, oder es wurde ein Bernsteinscher Unterbrecher benutzt, wobei dann eine Frequenz von ca. 80 bis 100 pro Sekunde gewählt wurde. Die Stelle des Nerven, an welcher längere Zeit hindurch der tetanische Dauerreiz gesetzt wurde, lag, wie bereits früher erwähnt, 1 bis2 = zentralwärts von der oberen Prüfungsreizstelle; andererseits war sie stets mindestens einige Millimeter von der Durchtrennungsstelle des Nerven entfernt. Um nun das Vordringen der tetanischen Dauerreize muskelwärts zu verhindern, wendete ich die Blockade mittels des konstanten Stromes an, den ich dem Nerven vor seinem Eintritt in den Muskel durch unpolarisier- bare Pinselelektroden zuführte. Dabei wurde die Blockade mit einem stärkeren Strome eingeleitet, den ich dann bedeutend abschwächte, sobald die Leitungsfähigkeit des Nerven an dieser Stelle ganz aufgehoben war. Dieses Verfahren gewährt, wie bereits Wedensky! gefunden hat, den außer- ordentlichen Vorteil, daß der Nerv beim Öffnen des konstanten Stromes meist momentan seine Leitungsfähigkeit zurückerhält. Dies war ja natür- ı N. Wedensky, Wie rasch ermüdet der Nerv? Zentralblatt für die medizin. Wissenschaften. 1884. 8. 65. 216 LupwıG HABERLANDT: lich bei diesen Versuchen unbedingtes Erfordernis, um sofort nach dem Tetanisieren die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Nervenprinzips bestimmen zu können. Deshalb waren selbstverständlich auch die anderen Blockierungs- mittel wie Abkühlung oder Narkose von Anfang an für diesen Zweck aus- geschlossen, da hierbei eine so rasche Restitution unmöglich ist. Die dies- bezüglichen, näheren Verhältnisse bei der Blockade mittels des konstanten Stromes sollen später noch eingehender besprochen werden. Als Stromquelle dazu diente ein Akkumulator, nach Eintritt der Leitungs- unfähigkeit wurde sodann die Stromstärke durch Einschaltung eines Wider- standes von bis 10000 2 im Hauptkreis abgeschwächt. Die Stelle, an welcher der blockierende Strom dem Nerven zugeleitet wurde, war stets möglichst weit von der distalen Prüfungsreizstelle entfernt; der Abstand davon betrug meist 10 bis 15"", größer konnte er selten, auch nicht bei den längsten Nerven, gewählt werden. Es waren zu diesen Versuchen ja ohnehin recht große Frösche (R. esculenta aus Ungarn) notwendig, von denen die in gewöhnlicher Weise hergestellten Nervmuskelpräparate des M. gastroenemius mit dem N. ischiadieus benutzt wurden. Die Nerven wurden durch eine deckelartige, kleine feuchte Kammer sicher vor Aus- troeknung behütet, der Teil derselben in der Nähe des Muskels, wo die Pinselelektwden angelegt wurden, war mit von physiologischer Kochsalz- lösung durchtränkter Watte überdeckt. Die Zimmertemperatur betrug 16 bis 19° C. | | Die Versuche wurden zunächst in der Weise ausgeführt, daß zuerst meist mehrere Kurvenpaare aufgezeichnet wurden. Ergab sich hierbei, daß von beiden Prüfungsstellen des Nerven aus kongruente oder fast kongruente Zuckungen erzielt werden konnten, so wurde hierauf mit der Blockade be- gonnen. Die Erreichung jener Grundbedingung war auch hier allerdings oft mit nicht geringen Schwierigkeiten verbunden, bisweilen war in dieser Hinsicht bei ungleichen Zuckungshöhen eine kleine Änderung in der Lage des Nerven auf den Elektroden von Erfolg. Übrigens stellte sich dabei heraus, daß offenbar geringfügige Unterschiede in den Zuckungshöhen von keiner nennenswerten Bedeutung sind. Um darüber ein sicheres Urteil zu gewinnen, führte ich auch Versuche in der Weise aus, daß ich wiederholt hintereinander Zuckungen, von derselben Nervenstelle ausgelöst, über der- selben Abszisse anschreiben ließ; hierbei zeigte sich, daß die Abhebungs- punkte der Kurven von derselben vollkommen übereinanderfielen, auch wenn die Zuckungshöhen bei der gegebenen Vergrößerung bis zu 3m differierten. In den Hauptversuchen handelte es sich aber nur um Diffe- renzen von fast stets weniger als 1”®, wenn nicht überhaupt die Zuckungs- höhen ganz gleich groß waren. Anderenfalls war aber überdies die be- stehende Differenz bei den in Betracht kommenden Kurvenpaaren meist in ÜBER DIE ERMÜDBARKEIT DES MARKHALTIGEN NERVEN. 217 fast gleichem Maße ausgebildet, so daß auf jeden Fall ein Vergleich er- möglicht war. Aus den so erhaltenen Anfangskurven berechnete sich in den meisten Fällen der Wert für die Fortpflanzungsgeschwindigkeit im Nerven auf rund 26 bis 30” pro Sekunde, was ja den als Normalzahlen angegebenen Größen entspricht. Als Beispiel dafür mögen die in Fig. 1 (Taf. III) abgebildeten drei Kurvenpaare dienen, die von demselben Präparate bei einem Rollenabstande von 160%” erhalten wurden." Die Ausmessung derselben, die stets ganz knapp oberhalb der Abszisse erfolgte, ergab als Differenz der Latenzstadien eine Distanz von 1-8”, was einer Zeitdauer von 0-.00144 Sekunden gleich- kommt, da nach der Stimmgabelkurve an dieser Stelle 1 "= 0.0008 Sekunden gleichzusetzen ist. Aus diesen Muskelkurven erhält man sonach für die Fortpflanzungsgeschwindigkeit im Nerven einen Wert von 27.08” pro Sekunde, nachdem, wie schon früher bemerkt, die bei diesen Versuchen in Betracht kommende Nervenstrecke 39 "m betrug. Es seien hier noch die einzelnen Zuckungshöhen angegeben, die bei diesen drei Kurvenpaaren nur um ganz weniges differierten, insofern die von der oberen Nervenstelle aus- gelösten Zuckungen um 0-4 bis 0.5 ®® höher ausfielen. Die nachstehenden Zahlen geben als Zuckungshöhen die an den Kurven unmittelbar ge- messenen, also nicht reduzierten Ordinaten der Gipfelpunkte an. Sie be- tragen für das erste Paar 27.0 bzw. 27.5wm, für das zweite Paar 27-2 bzw. 27.6", und für das dritte Paar 27.6 bzw. 28.1 "m. Es ist bereits oben erwähnt worden, daß sich so geringe Differenzen als bedeutungslos erwiesen haben. Vor Einleitung der Blockade wurde ferner noch der Rollenabstand bestimmt, bei dem sich eben die Tetanisation wirksam zeigte, für welchen dann die Blockierung hergestellt wurde. War dies erreicht, so konnte dann meist: der tetanische Dauerreiz durch Verringerung des Rollenabstandes noch verstärkt werden, was jedoch nie in beträchtlichem Maße stattfand, da eine direkte Schädigung des Nerven an der Tetanisationsstelle vermieden werden sollte. So wurden, wie schon früher angegeben, Rollenabstände von 220 bis 150” zur Dauerreizung gewählt. Es sei übrigens hierzu nochmals betont, daß ja dieselbe stets 1 bis 2 «® zentralwärts von der oberen Prüfungsstelle stattfand, so daß für letztere eine etwaige lokale Ermüdung oder direkte schädliche Beeinflussung durch den tetanisierenden Strom nicht in Betracht kommen konnte. Hier soll noch einiges über die Blockade angeführt werden. Zunächst war es bei den zahlreichen Versuchen, die darüber angestellt wurden, auf- ! Sämtliche Figuren sind etwas verkleinert reproduziert; die Messungen wurden durchwegs an den Originalkurven ausgeführt. | 218 LupwıG HABERLANDT: fallend, daß sich bisweilen die Nerven der Blockade gegenüber recht ver- schieden verhielten. Während es bei der Mehrzahl einige Minuten bedarf, um für den eben wirksamen tetanischen Dauerreiz eine vollkommene Leitungsunfähigkeit zu erzielen, wurde diesin anderen Versuchen erst beträcht- lich später erreicht, bei einer dritten Gruppe endlich war dagegen fast momentan die Blockierung vollständig entwickelt. Dabei waren aber stets die Versuchsbedingungen, soweit sie hierfür in Betracht kommen, annähernd dieselben. Ferner sei hier bemerkt, daß der blockierende Strom meist in aufsteigender Richtung dem Nerven zugeführt wurde, da sich diese gewöhn- lich als wirksamer erwies. Ein gewichtiges Hindernis bestand nun aber bei vielen Versuchen in dem nicht allzu seltenen Auftreten eines Ritterschen Öffnungstetanus, der oft länger andauerte und damit die unmittelbar nach dem Dauerreiz an- zustellende Prüfung der Fortpflanzungsgeschwindigkeit vereitelte. In einer anderen großen Anzahl von Fällen blieb aber der Öffnungstetanus auch vollständig aus. Oder es trat derselbe auch nur nach der ersten Blockade auf, während er späterhin nicht mehr entstand. Aus diesem Grunde wurde auch oft, sobald jene erreicht war, zunächst der blockierende Strom auf einige Zeit geöffnet, dann das Verschwinden des etwaigen Öffnungstetanus abgewartet und darauf erst wieder der konstante Strom geschlossen. Es tritt ja dadurch sehr rasch — oft auch sofort — abermals vollkommene Leitungsunfähigkeit ein, so daß dann gleichzeitig oder wenigstens sehr bald darauf mit der Dauertetanisation begonnen werden konnte.. So wurde dann meist nach Beendigung derselben der störende Öffnungstetanus nicht beob- achtet, wodurch unmittelbar danach Bestimmungen der Fortpflanzungs- geschwindigkeit gewöhnlich in Zeitintervallen von halben oder ganzen Minuten ermöglicht waren. Jene Disposition des Nerven, nach einer einmal vollständig erreichten Blockade rasch wieder in denselben Zustand versetzt werden zu können, verbleibt ihm eine gar nicht unbeträchtliche Zeit lang, so daß man doch jedenfalls darin den Ausdruck für eine länger andauernde, wenn auch gewiß sehr geringfügige Änderung in seiner inneren Konstitution erblicken muß.! Darauf soll später noch bei Besprechung eines anderen Umstandes zurückgekommen werden. Sobald die Blockade voll ausgebildet war, wurde in einzelnen Inter- vallen, wie schon früher erwähnt, ein bis zu 10000 @ anwachsender Wider- stand eingeschaltet, so zwar, daß dabei vollkommen die Blockierung ge- wahrt blieb. Der so abgeschwächte Strom genügte dann auch meist nach einer etwaigen Pause dieser Bedingung vollauf, sonst wurde er zunächst für kurze Zeit wieder entsprechend verstärkt, ! Siehe M. Cremer in Nagels Handbuch der Physiologie des Menschen. Bd. IV. S. 957, über die depressive Kathodenwirkung. ÜBER DIE ERMÜDBARKEIT DES MARKHALTIGEN NERVEN. 219 Es wurde bereits oben bemerkt, daß unter diesen Bedingungen nach dem Öffnen des blockierenden Stromes die Leitfähigkeit des Nerven so gut wie momentan zurückkehrt. Dies kann aber doch nur mit einer gewissen Einschränkung gelten. Es wird ja allerdings einer oberhalb der blockierten Stelle gesetzten Erregung nach Öffnen des konstanten Stromes der Durch- tritt meistens sofort freigegeben, es erleidet jedoch die Fortleitung derselben an dieser Stelle eine gewisse Verzögerung, wie bereits seinerzeit v. Bezold! gefunden hat. Dies macht sich in einer Verlängerung der Gesamtlatenz bemerkbar, obwohl sich die Zuckungshöhen nach der Blockade meist etwas größer gestalten. Wenn sich nun dies bei beiden Prüfungsreizungen, bei zentraler ebenso wie bei peripherer, in gleichem Maße geltend machen würde, dann wäre es auf die Größe der Differenz der Latenzstadien, auf die es ja bei diesen Versuchen allein ankommt, von keinem Einfluß. Wie aber die Mehrzahl der daraufhin angestellten Versuche ergab, war dies nicht der Fall. Es fiel nämlich meist der Kurvenabstand eines zusammen- gehörigen Myogrammpaares nach Aufhebung der Blockade merklich kleiner aus als vor derselben, so daß, nach dem Kurvenbilde zu urteilen, auf eine Zunahme der Fortpflanzungsgeschwindigkeit geschlossen werden müßte, die aber nicht erklärt werden könnte. Daß eine solche vorgetäuscht wurde, dürfte indessen dadurch bewirkt werden, daß wohl die Latenz der von der distalen Prüfungsstelle ausgelösten Zuckung eine etwas stärkere Verlängerung erleidet als jene, die von der proximalen, von der Blockade bedeutend weiter entfernten Reizstelle aus erhalten wird. Es wurde ja stets auch die Entfernung der unteren Reizstelle von dem Orte der Blockade möglichst groß gewählt; sie fiel jedoch, wie schon oben erwähnt wurde, auch bei den längsten Nerven meist nicht größer als 15" aus, da ja andererseits aus bereits angeführten Gründen auch der Abstand der Tetanisationsstelle von der oberen Prüfungsstelle entsprechend groß genommen werden mußte. So waren auch die Nerven der größten Tiere für diese Versuche eben lang genug, während bei kleineren ohnehin diese Abstände verringert werden mußten. Diese hier besprochene, elektrotonische Nachwirkung des blockierenden Stromes hielt bei meinen Versuchen in der Regel einige Minuten so gut wie unverändert an; dies dürfte wohl mit der schon früher hervorgehobenen Tatsache zusammenhängen, daß der Nerv eine Zeitlang nach der Blockade sich in einer gewissen latenten Zustandsänderung befindet, die sich in der Eigenschaft äußert, sofort wieder leicht blockiert werden zu können (s. S. 218). ı A. v. Bezold, Untersuchungen über die elektrische Erregung der Nerven und Muskeln. Leipzig 1861. 8. 177. 220 LupwıG HABERLANDT: In Fig. 2 (Taf. III) sind drei Kurvenpaare reproduziert, die einen Beleg für das Gesagte abgeben. Das erste Paar war vor der Blockade, das zweite unmittelbar nach derselben und das dritte nach einer Pause von einer Minute aufgezeichnet worden. Die Einwirkung des blockierenden Stromes währte in diesem Versuche 8 Minuten und fand in einem Abstande von 14m von der peripheren Prüfungsstelle statt. Der Kurvenabstand, der beim ersten Paar 1-8” mißt, verringert sich bei den beiden anderen Paaren nach beendigter Blockade auf 1-4", Demnach würde anscheinend der Anfangswert für die Leitungsgeschwindigkeit von 27-08” pro Sekunde eine Steigerung auf 34-82” pro Sekunde erfahren haben. Was. endlich die Zuckungshöhen betrifft, so erwiesen sich dieselben beim ersten Kurven- paar vollkommen gleich; sie betrugen bei beiden Muskelkurven 30.7 m, Nach der Blockade zeigten sie — wie meistens — beim zweiten Paar eine Zunahme auf 36 bzw. 37m, beim dritten Paar eine solche auf 33 bzw. . 989.2 ”m, Die von der oberen Nervenstelle ausgelöste Zuckung fiel demnach auch hier um ein Geringes (1 bzw. 0.2 mm) höher aus. Überdies sei an dieser Stelle noch erwähnt, daß nach der Blockade die Zuckungen stets einen gedehnteren Verlauf nahmen als vor derselben. Es ergibt sich aber so ohne weiteres, daß die soeben besprochenen Verhältnisse bei der Beurteilung unserer Hauptfrage, ob nach längerer tetanischer Dauerreizung eine Abnahme der Fortpflanzungsgeschwindiskeit der Nervenerregung als Ermüdungssymptom auftritt, in erster Linie berück- sichtigt werden müssen. Die Myogramme, die unmittelbar nach längerem Tetanisieren erhalten wurden, können demnach nur mit jenen in Vergleich gezogen werden, die sich nach Einwirkung des blockierenden Stromes allein - ergaben. Die tetanischen Dauerreizungen wurden hierbei meist auf 5 Minuten bemessen, da doch bei einer noch länger andauernden Blockade die nach- wirkenden Einflüsse des konstanten Stromes für diese Zwecke zu ausgeprägte und störende gewesen wären. Aber auch bei dieser verhältnismäßig nicht langen Dauerreizung fiel _ eine Reihe von Versuchen derart aus, daß es zunächst dadurch zum mindesten wahrscheinlich gemacht wird, daß sich eine Verringerung der Nervenleitungsgeschwindigkeit als Ermüdungserscheinung ent- wickeln kann. | Während sich nämlich in den Kontrollversuchen nach alleiniger Blockade die Kurvenabstände je eines Zuckungspaares meistens derart verringern, daß die aus den Anfangskurven berechnete Fortpflanzungsgeschwindigkeit von rund 26 bis 30” in der Sekunde eine scheinbare Steigerung auf un- gefähr 32 bis 40” pro Sekunde erfährt, trat dies bei jenen Kurven, die sofort nach Schluß der Tetanisation angeschrieben wurden, in einer Anzahl von Fällen nicht ein. Hier fiel dann unmittelbar nach dem tetanischen ÜBER DIE ERMÜDBARKEIT DES MARKHALTIGEN NERVEN. 221 - Dauerreiz der Kurvenabstand beiläufig gleich groß oder noch etwas größer aus als in den ersten Aufnahmen des Versuches, um dann aber rasch — bereits schon nach einer halben Minute — auf jenen kleineren Wert zurück- zugehen, der durch die Blockade an und für sich bedingt wird und der somit hier als eigentlicher Ausgangswert anzusehen ist. Während sich aber letzterer meist einige Zeit konstant erhält, spricht wohl besonders auch das rasche Verschwinden jenes relativ höheren Wertes und das Zurückgehen auf den kleineren für die Auffassung, daß darin ein Ausdruck für eine stattgehabte Ermüdung des Nerven zu erblicken sein dürfte. Eine bei diesen Versuchen nach der Tetanisation auftretende und durch diese bedingte etwaige Abnahme der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Nervenleitung kann unter diesen Umständen demnach überhaupt nicht in absoluten Zahlen aus den betreffenden Kurven ermittelt werden. Wie bereits mitgeteilt, würde sie in jenen positiven Versuchen etwa 25 Prozent oder auch noch mehr betragen, was immerhin eine nennenswerte Ver- zögerung bedeuten würde. Hier sollen noch die in Fig. 3 (Taf. III) wiedergegebenen Kurven eine nähere Besprechung finden. Das erste vor der Tetanisation registrierte Kurvenpaar ergab bei der Ausmessung einen Kurvenabstand von 1.8 "m, was einer Fortpflanzungsgeschwindigkeit von 27.08” pro Sekunde entspricht. Die Zuckungshöhen dieses Myogrammpaares waren vollkommen gleich und betrugen 30.8"m, In diesem Versuche trat die Blockierung fast sofort vollkommen ein, so daß ohne weiteres mit der Tetanisation begonnen werden konnte. Dieselbe erfolgte bei einem Rollenabstande von 150" und einer Reizfrequenz von fast 100 pro Sekunde durch 5 Minuten hindurch. Unmittelbar nach Beendigung derselben wurde das zweite Myo- grammpaar erhalten, dessen Kurvenabstand 2.2 "m beträgt, woraus sich eine Leitungsgeschwindigkeit von 22-15” pro Sekunde berechnen würde. Nach einer Pause von einer Minute ist sodann in der dritten Aufnahme dieser Differenzwert auf 1.4 "m zurückgegangen, was sich in den Kontroll- versuchen als durch die Blockade an und für sich bedingt erwiesen hat. Dieser kleinere Wert, der eine Zunahme der Fortpflanzungsgeschwindigkeit auf 34.82 pro Sekunde erschließen lassen würde, muß aber, wie aus dem Früheren hervorgeht, als Ausgangswert angesehen werden; im Vergleich zu diesem erscheint demnach die Leitungsgeschwindigkeit unmittelbar nach der tetanischen Dauerreizung beträchtlich herabgesetzt. Der Effekt derselben würde sich also auf diese Weise nur in verdeckter Form kundgeben. In bezug auf die Zuekungshöhen ist bereits früher erwähnt worden, daß dieselben bei dem ersten Kurvenpaar vollkommen gleich groß (30.8"") waren; bei den anderen fielen die von der proximalen Nervenstelle aus- gelösten Zuckungen ein wenig höher aus, die Differenz betrug aber nur 222 Lupwıg HABERLANDT: 0-2 bis 0-6”=, Der Vollständigkeit halber seien auch hier die betreffenden Werte genau angeführt. Sie betrugen bei dem zweiten Paar 32-8 bzw. 33.0=m und bei dem dritten Paar 32.2 bzw. 32.8m, Ich habe übrigens die Versuche noch in folgender, modifizierten Weise ausgeführt. Hierbei beschränkte ich mich darauf, nur die von der proximalen Prüfungsstelle ausgelösten Zuckungen zu registrieren, deren Kurven über derselben Abszisse zur Aufschreibung gelangten. Da jedoch die Zuckungs- höhen vor und nach der Blockade gewöhnlich verschieden groß ausfielen, wobei dieselben meist nach der Blockade eine Zunahme aufwiesen, mußte ich mich damit begnügen, nur Muskelkurven naclı Beendigung der Blockade bzw. Schluß der Tetanisation auf derselben Abszisse in rascher Aufeinander- folge anzuschreiben und diese allein zum Vergleich heranzuziehen. Dies wäre aber ohnehin auch bei vollkommen gleichen Zuckungshöhen vor und nach der Blockierung nötig gewesen, da ja durch diese allein schon eine Latenzverlängerung bewirkt wird. Es zeigte sich hier nun wieder, daß nach zunächst alleiniger Blockade bei den gegebenen Versuchsbedingungen jener größere Latenzwert wenigstens innerhalb des für die Versuche in Betracht kommenden Zeitraumes von einigen Minuten meist nicht merklich zurückgeht, die einzelnen Kurven daher sich in ihrem Abhebungspunkte von der Abszisse dann vollkommen deckten. Im Gegensatze dazu trat bei den analogen Versuchen mit tetani- scher Dauerreizung in einigen, allerdings nur wenigen Fällen ein wenigstens teilweises Zurückgehen schon innerhalb der ersten Minute nach beendigter Tetanisation deutlich in Erscheinung, was wohl die Erholung von dem Ermüdungsreiz bedeuten dürfte. Denn unter Berücksichtigung der Kon- trollversuche mit alleiniger Blockade müßte jener Anteil der Latenz- vergrößerung, der nach einer kurzen Pause rasch wieder verschwindet, auf eine Verzögerung der Leitungsgeschwindigkeit innerhalb der tetanisierten Nervenstrecke bezogen werden. Von den vielen in dieser Art durchgeführten Versuchen waren die meisten jedoch nıcht verwertbar, weil bei ihnen nach der Blockade bzw. nach der Tetanisation die einzelnen Zuckungshöhen der zu vergleichenden Muskelkurven zu sehr variierten. In einer weiteren Anzahl von Fällen, in denen dies nicht der Fall war, ergab sich endlich kein diesbezüglicher Unterschied zwischen den Versuchen mit Dauer- tetanisation und den Kontrollversuchen mit alleiniger Blockade; hier hatte demnach die tetanische Dauerreizung jedenfalls keinen konstatierbaren Ein- fluß auf die Fortpflanzungsgeschwindigkeit im Nerven ausgeübt. | Wie aus dem Mitgeteilten hervorgeht, sind die Ergebnisse all’ dieser Versuche, die zwar in großer Zahl angestellt wurden, doch nicht derartige, ÜBER DIE ERMÜDBARKEIT DES MARKHALTIGEN NERVEN. 223 daß daraus ein ganz sicherer Schluß gezogen werden dürfte. Es muB dabei auch hervorgehoben werden, daß andererseits in einer beträchtlichen Anzahl von Versuchen kein positives Resultat erhalten wurde. Dies könnte ja eventuell darauf beruhen, daß überhaupt die Ermüdbarkeit individuell verschieden groß ist, bzw. daß bei diesen Versuchen nur die in dieser Hin- sicht empfänglichsten, also widerstandsschwächsten Nerven zur Ermüdung gebracht wurden. Daß in dieser Beziehung individuelle Verschiedenheiten bestehen dürften, ist wohl nicht unwahrscheinlich und wäre auch nicht besonders auffallend. Weiterhin muß berücksichtigt werden, daß zu diesen Versuchen Winterfrösche verwendet wurden, die, wie dies Thörner! ge- funden hat, an und für sich bedeutend schwerer ermüdet werden können als die Sommertiere. Dazu kommt noch, daß die Dauer des Ermüdungs- reizes, wie bereits angegeben, aus bestimmten, in der Natur der Versuchs- bedingungen liegenden Gründen immerhin eine ziemlich beschränkte war. Auf jeden Fall werden jedoch durch die Notwendiekeit der Einführung einer Blockade bei diesen Versuchen stets, wie oben näher ausgeführt worden ist, komplizierte und schwierige Verhältnisse geschaffen, die eine auf diese Weise herbeizuführende, endgültige Entscheidung der in Rede stehenden Frage vielleicht überhaupt vereiteln können, zum mindesten aber recht unwahrscheinlich erscheinen lassen. Aus diesem Grunde habe ich dazu einen anderen Weg eingeschlagen, ‘der von Anfang an aussichtsreicher erschien, worüber noch im folgenden kurz berichtet werden soll. Anschließend an die besprochenen Versuche habe ich nämlich diese Untersuchungen mit dem Saitengalvanometer fortgesetzt. Da ich dabei nur mit dem Nerven allein experimentieren konnte, fiel ja die Hauptschwierigkeit der früheren Versuche, die in der Blockade ge- legen war, dadurch weg. So wurden die Verhältnisse nicht nur wesentlich vereinfacht, es stand damit auch einer längeren tetänischen Dauerreizung niehts im Wege. Zu den Versuchen wurden ebenfalls die Hüftnerven von Eskulenten verwendet; die Ableitung der Aktionsströme erfolgte vom Längsquerschnitt aus, vor Beginn des Versuches wurde stets das betreffende Nervenende mit einem glühenden Metallstab versengt. Die Prüfungsreize bestanden in Öffnungsinduktionsschlägen, die dem Nerven in einer Entfernung von 38 bis 45 “= von der Ableitungsstelle zu- ı W. Thörner, Weitere Untersuchungen über die Ermüdung des markhaltigen Nerven: Die Ermüdung und die Erholung unter Ausschluß von Sauerstoff. Zeitschrift für allgemeine Physiologie. 1910. Bd. X. 8.351. 224 LupwıG HABERLANDT: geführt wurden. Als Elektroden dienten dabei ganz dünne Platindrähte mit einem Abstande von 0-5". Das Induktorium war mit einem Akkumu- lator versorgt, der Rollenabstand betrug stets 100%, wobei der Eisenkern aus der primären Spule entfernt war. Der tetanische Dauerreiz währte bei diesen Versuchen 10 bis 15 Minuten. Damit dabei ganz sicher jegliche Schädigung des Nerven am Orte der Tetanisation vermieden werde, wurden vor allem nur mäßige Reizstärken in Verwendung gezogen. So war der Rollenabstand am Induktionsapparat, der für die Ermüdungsreize bestimmt, ebenfalls nur mit einem Akkumulator versehen war, entsprechend groß gewählt. Meist wurde die Tetanisation bei einem Rollenabstande von 200” begonnen und derselbe im Laufe der Dauerreizung allmählich auf 150” verringert. Auch hier fehlte in der primären Spule der Eisenkern. Um aber in der genannten Hinsicht mit besonderer Vorsicht zu verfahren, wurde der tetanisierende Strom dem Nerven durch unpolarisierbare Pinselelektroden zugeführt. Außerdem war die Tetanisationsstelle vom Orte des Prüfungsreizes stets 5 bis 10" ent- fernt. Durch alle diese Vorsichtsmaßregeln dürfte wohl eine lokale Er- müdung oder schädliche Beeinflussung des Nerven durch das Tetanisieren an der in dieser Beziehung allein in Betracht kommenden Stelle des - Prüfungsreizes sicher verhindert worden sein. Zur Registrierung wurde der Cremersche photographische Fall- apparat benutzt. Die Ausmessung der gleichzeitig angeschriebenen Kurven einer 250-Schwingungsstimmgabel ergab in den meisten Fällen an der be- treffenden Stelle der Platte als Abstand zweier benachbarter Gipfelpunkte einen Wert von 6.7 "m, woraus sich eine Geschwindigkeit von 1675 ı" pro Sekunde für diese Stelle berechnet. Bei dieser großen Geschwindigkeit leisteten die äußerst lichtempfindlichen Lumiereplatten sehr gute Dienste. Außerdem kam bei jeder Aufnahme auch der Ausschlag eines Pfeilschen Signales zur Abbildung. Der genaue Moment des Prüfungsreizes war jedoch, wenn auch in verschieden deutlichem Maße, an der Hauptkurve selbst durch den Reizeinbruch in den Galvanometerkeis an einer kleinen Vorzacke ersichtlich. Das Saitengalvanometer — als solches kam das große Edelmannsche Modell in Verwendung — war mit einem versilberten Quarzfaden beschickt, dessen Widerstand etwa 5000 @ betrug. Die Fadenspannung wurde bei allen Versuchen so gewählt, daß ein Strom von 1 Millivolt einen Ausschlag von 5”m bei der vorhandenen Vergrößerung bewirkte. Die Versuche wurden in der Weise ausgeführt, daß zunächst eine oder mehrere Aufnahmen zu Beginn gemacht wurden, um zu ersehen, ob in jeder Hinsicht geeignete Kurven erhalten werden. War dies der Fall, dann wurde sofort mit dem tetanischen Dauerreiz eingesetzt, der, wie bereits ÜBER DIE ERMÜDBARKEIT DES MARKHALTIGEN NERVEN. 225 erwähnt, 10 bis 15 Minuten lang währte. Dabei wurde durch einen Bern- steinschen Unterbrecher eine ziemlich hohe Frequenz (ungefähr 80 pro Sekunde) erzielt. Unmittelbar nach Schluß der Tetanisation wurde sodann möglichst rasch eine weitere Aufnahme gemacht, sowie eine letzte nach einer mehr oder minder langen Erholungspause, die meist einige Minuten betrug. Es wäre schließlich noch zu erwähnen, daß selbstverständlich der Nerv während des Versuches vor Austrocknung geschützt war, indem über ihn eine große feuchte Kammer gestellt wurde, in die auch die Reiz- und Ableitungselektroden zu liegen kamen. Diese Versuche haben nun wenigstens in einem Teil der Fälle sicher ergeben, daß tatsächlich nach längerer tetanischer Dauerreizung die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Nervenerregung in merklichem Maße abnimmt, während sie nach einer Ruhepause wieder ihren ursprünglichen Wert erreicht. Es tritt also diese Verzögerung der Leitungsgeschwindigkeit als typisches Ermüdungs- symptom in die Erscheinung, da bei den früher erwähnten Kautelen eine lokale Ermüdung oder direkte Schädigung des Nerven durch die Tetanisation wenigstens an der in Betracht kommenden Prüfungsreizstelle wohl aus- geschlossen ist. Die Größe der Verzögerung darf auf 20 bis 25 Prozent veranschlagt werden, in manchen Versuchen betrug sie auch noch mehr. Daß endlich in einer weiteren Anzahl von Versuchen ein deutliches, positives Resultat nicht ersichtlich war, spricht ja auf keinen Fall gegen die anderen Fälle. Es dürfte dies doch wahrscheinlich auf individuelle Ver- schiedenheiten bezogen werden. Da ferner diese Versuche an den auch sonst schwerer ermüdbaren Nerven von Winterfröschen angestellt wurden, würden sie voraussichtlich an Sommerfröschen noch deutlichere Ergebnisse liefern. Auf das hier Mitgeteilte beziehen sich die drei in Figg. 4, 5 und 6 (Taf. III) reproduzierten Kurven, von denen die erste vor, die zweite un- mittelbar nach der tetanischen Dauerreizung (von 10 Minuten) erhalten worden war, während die letzte Aufnahme nach einer Erholungspause von einigen Minuten gemacht wurde. Die Versuchsbedingungen waren jene, wie sie oben bereits im allgemeinen angegeben worden sind. Hier sei nur noch besonders dazu bemerkt, daß bei diesem Versuche die Stelle, an welcher der Prüfungsreiz gesetzt wurde, 44” von dem Nervenende entfernt war, an dem die Ableitung zum Galvanometer erfolgte. Der Abstand der Tetanisationsstelle vom Orte des Prüfungsreizes betrug in diesem Falle 8 "m, Die Ausmessung dieser Kurven, an den Originalplatten ausgeführt, ergab nun folgendes. Während bei der ersten Aufnahme die Entfernung von der Markierung des Reizmomentes (an der Galvanometerkurve selbst als eine leichte Senkung bemerkbar; in den Figuren außerdem mit unterbrochenen Linien bezeichnet) bis zu Beginn der negativen Schwankung Archiv f. A. u. Ph. 1910, Physiol, Abtlg, Suppl. 15 226 LupwıG HABERLANDT: 2-7 mm beträgt, vergrößert sie sich bei der zweiten Aufnahme unmittelbar nach der Tetanisation auf 3-5”"=, um bei der dritten Aufnahme nach er- folgter Ruhepause wieder auf den ursprünglichen Wert zurückzugehen. Da sich an jener Stelle der Platte die Fallgeschwindigkeit auf 1675 =m pro Sekunde beläuft, berechnet sich aus diesen Zahlen die Anfangsgeschwindig- keit der Nervenleitung zu 27-16” pro Sekunde, die nach der tetanischen Dauerreizung auf 20-95 © pro Sekunde herabsinkt, und nach der Erholung wieder den ersten Wert erreicht. In diesem Falle war demnach die Ver- ringerung der Fortpflanzungsgeschwindigkeit recht deutlich ausgebildet, selbst wenn man annehmen wollte, daß vielleicht bei der Ausmessung der Unter- schied etwas zu groß gefunden worden sei. Er zeigt sich jedoch in einem solchen Maße ausgeprägt, daß er auf jeden Fall außerhalb des Fehler- bereiches der Messung zu liegen kommt, mag man letzteres noch so groß veranschlagen. Es genügt ja auch eine alleinige Betrachtung der Kurven ohne Maßstab, um die Differenz wahrzunehmen. Außerdem fallen an ihnen aber noch ‚zwei weitere Umstände auf, die besonders bei diesem Versuche deutlicher hervortreten, während sie sonst oft weniger oder fast nicht merklich waren. Es ist ohne weiteres ersichtlich, daß sich die Aktionsstromkurve nach der Tetanisation sowohl etwas niedriger als auch in ihrem Verlaufe gedehnter erweist als vor derselben. Was diese Dehnung des Verlaufes der Negativitätswelle betrifft, so bezieht sich dieselbe sowohl auf den ansteigenden als auch den absteigenden Teil, so daß sich der Ablauf der negativen Schwankung, der anfänglich eine Zeitdauer von ungefähr 0-006 Sekunde beansprucht, nach der tetanischen Dauerreizung etwas langsamer vollzieht. — War es durch die zuerst hier beschriebenen Versuche am Kymographion zum mindesten wahrscheinlich gemacht, so dürfte es nun durch die mit dem Saitengalvanometer ausgeführten wohl sichergestellt sein, daß nach starker Beanspruchung des markhaltigen Nerven durch längere tetanische Dauerreizungen u. a. auch eine Abnahme der Fort- pflanzungsgeschwindigkeit der Nervenerregung als Ermüdungs- symptom auftritt. Zum Schlusse soll hier noch erörtert werden, worin dafür das ursäch- liche Moment liegen dürfte. Es scheint wohl berechtigt zu sein, dabei in erster Linie die Kohlen- säure in Betracht zu ziehen. Bereits Waller! hatte es als wahrscheinlich ! A. D. Waller, Observations on isolated nerve. PAhilosophical Transactions. Vol. CLXXXVIH. Ser. B. London 1897. — Tierische Elektrizität. Leipzig 1899. — Die Wirkung der Kohlensäure auf die negative Schwankung des Nervenstromes. Zentral- blatt für Physiologie. 1898. Bd. XII. 8.745. ÜBER DIE ERMÜDBARKEIT DES MARKHALTIGEN NERVEN. 227 hingestellt, daß bei der Tätigkeit des Nerven CO, entstehe. Dies folgerte er aus der Analogie, die sich in seinen Versuchen einerseits bei schwacher Kohlensäurewirkung, andererseits bei längerem Tetanisieren des Nerven kundgab. Er fand nämlich in beiden Fällen eine Zunahme der tetanischen negativen Schwankung am Kapillarelektrometer, die nach dem Prinzip der scheinbaren Erregbarkeitssteigerung! als erstes Zeichen beginnender Er- müdung aufgefaßt werden muß, wie dies besonders auch Thörner? näher erwiesen hat. Später wurde dann tatsächlich mit Hilfe des Mikro- respirationsapparates von Thunberg® die CO,-Entwickelung im Warm- blüternerven nachgewiesen; eine Mehrproduktion bei der Tätigkeit konnte allerdings noch nicht aufgefunden werden. Auch Thörner* kommt aber bei seinen Untersuchungen über die Nervenermüdung zu derselben Annahme und macht eben die Kohlensäure für die Ermüdungserscheinungen verant- wortlich. f Dies mag wohl auch das Naheliegendste sein, da doch sowohl im gewöhn- lichen, zumal aber im gesteigerten Stoffwechsel der lebendigen Substanz hauptsächlich dieses Gas zur Bildung gelangt, dessen lähmende Wirkung ja andererseits auch gut bekannt geworden ist. So würde also der Er- müdungszustand des Nerven einer ganz leichten Narkose durch Kohlen- säure entsprechen. Nachdem nun schon Boruttau° und dann Fröhlich® bei der Äther- narkose bereits in dem Stadium, in welchem die Leitfähigkeit bei Prüfung mit Einzelreizen noch nicht verändert erschien, eine Verringerung der Fortpflanzungsgeschwindigkeit im Nerven gefunden hatten, war es sehr wahrscheinlich, daß sich auch bei Kohlensäureeinwirkung letztere verhältnis- mäßig früh ausbilden dürfte. Andererseits hat Boruttau® mittels des Rheotoms bei Einwirkung der ! Fr. W. Fröhlich, Das Prinzip der scheinbaren Erregbarkeitssteigerung. Zeit- schrift für allgemeine Physiologie. 1909. Bd. IX. (Sammelreferat.) ® W. Thörner, Weitere Untersuchungen über die Ermüdung des markhaltigen Nerven: Die Ermüdung in Luft und die „scheinbare Erregbarkeitssteigerung“. Zbenda. 1910-.Bd. X, 8.29, 3 T. Thunberg, Mikrorespirometrische Untersuchungen. Zentralbl. für Physio- logie. 1904. Bd. XVIIL. S. 553. — Ein Mikrorespirometer. Ein neuer Respirations- apparat, um den respiratorischen Gasaustausch kleinerer Organe und Organismen zu bestimmen. Skandin. Archiv für Physiologie. 1905. Bd. XVII. 8.74. * W. Thörner, Zeitschrift für allgemeine Physiologie. 1910. Bd.X. 8.351. 5 Boruttau, Die Aktionsströme und die Theorie der Nervenleitung. Archiv für die gesamte Physiologie. 1901. Bd. LXXXIV. S8. 309. $ Fr. W. Fröhlich, Die Verringerung der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Nervenerregung durch Narkose und Erstickung des Nerven. Zeitschrift für allgemeine Physiologie. 1904. Bd. IIL. S. 455. 5% 228 LupwIG HABERLANDT: Kohlensäure auf den Nerven gefunden, daß die Dauer des Aktionsstromes verlängert wird, und auch Garten! wies mit Hilfe des Kapillarelektrometers unter dem Einflusse der Kohlensäure einen gedehnteren Verlauf des Aktions- stromes am Olfaktorius des Hechtes nach. Daß aber letztere Erscheinung auch bei den hier mitgeteilten Versuchen nach längerem Tetanisieren wenigstens in manchen Fällen, wenn auch nur in geringem Maße, zutage getreten ist, wurde bereits früher erwähnt. Was ferner das Verhalten der Nervenleitungsgeschwindigkeit betrifft, so habe ich in daraufhin angestellten myographischen Versuchen gefunden, daß schon bei verhältnismäßig kurz andauernder Kohlensäurewirkung eine deutliche Verlangsamung der Fortpflanzungsgeschwindigkeit auftritt, die durch genügende Sauerstoffzufuhr wieder zum Verschwinden gebracht werden kann. Die in Figg. 7” und 8 (Taf. III) dargestellten Muskelkurven lassen dies deutlich erkennen. Das erste Kurvenpaar der Fig. 7 wurde vor der CO,- Einwirkung erhalten. Aus seinem Kurvenabstande von 1-.6”® ergibt sich für die Fortpflanzungsgeschwindigkeit im Nerven ein Wert von 27.34 pro Sekunde, da die hier in Betracht kommende Nervenstrecke 35 "” betrug; andererseits entsprach an jener Trommelstelle — bei diesen - Versuchen wurde ebenfalls das Engelmannsche Pantokymographion benützt — die Wegstrecke von 1” einer Zeitdauer von 0-80, wie aus der Stimmgabel- kurve (mit 100 Schwingungen in der Sekunde) hervorgeht. Die Zuekungen wurden auch hier durch Öffnungsinduktionsschläge, in diesem Versuche bei einem Rollenabstande von 170m (ohne Eisenkern und mit einem Akkumulator) ausgelöst. Die Kohlensäureeinwirkung auf den Nerven fand in einer kleinen Glaskammer von 54”= Länge statt, in welche zwei dünne Platinelek- trodenpaare eingeschmolzen waren. Der Abstand derselben voneinander be- trug, wie schon erwähnt, 35m, Die beiden engen Öffnungen dieser Glas- kammer wurden mit in physiologischer Kochsalzlösung getränkter Watte verschlossen, nachdem der Nerv hindurchgezogen war. So konnte ein genügender Abschluß hergestellt werden, ohne daß dadurch der Nerv in nennenswertem Maße gedrückt wurde. Bevor das Gas aus dem Kohlen- säureapparat in die kleine Glaskammer gelangte, mußte es ein U-förmig gebogenes, mit physiologischer NaCl-Lösung gefülltes Rohr passieren, um einen entsprechenden Feuchtigkeitsgrad zu erlangen. Überdies wurden auch in die Glaskammer selbst stets einige ebenfalls mit physiologischer Kochsalz- lösung durchfeuchtete Fäden eingebracht, so daß der sich darin befindliche Nerv vor Austrocknung sicher geschützt war. Um aber andererseits ein direktes Eindringen der Flüssigkeit in die Glaskammer zu verhindern, war ! Garten, Beiträge zur Physiolögie des marklosen Nerven, nach Untersuchungen am Riechnerven des Hechtes. Fischer, Jena 1903. S.43—46. ÜBER DIE ERMÜDBARKEIT DES MARKHALTIGEN NERVEN. 229 das derselben zugekehrte Ende des U-Rohres kugelig erweitert. In diesem weiteren Teile befand sich nebst einiger feuchten Watte noch ein kleines Thermometer, um die im Apparat herrschende Temperatur kontrollieren zu können, die sich übrigens während eines Versuches als konstant erwies. Sie betrug bei diesem Versuche 18-5°C. Die aus der Glaskammer aus- strömende Kohlensäure wurde endlich noch durch ein Wassergefäß geleitet, so daß bequem durch Zählen der austretenden Gasblasen die Durchleitungs- geschwindigkeit beobachtet und nötigenfalls variiert werden konnte. Meistens war dieselbe so gewählt, daß in der Minute 40 bis 80 Gasblasen gezählt wurden. Das zweite Kurvenpaar, das 2 Minuten nach Beginn der Kohlensäure- einwirkung zur Aufzeichnung gelangt war, weist schon einen größeren Kurvenabstand von 1.9"m auf, was einer Leitungsgeschwindigkeit von 23-03 ® pro Sekunde entsprechen würde. Derselbe fiel aber bei dem dritten Kurvenpaar nach einer weiteren halben Minute bereits noch merklich größer aus, indem er nun 2-1” beträgt, woraus sich eine Fortpflanzungs- geschwindigkeit von 20-83 ® pro Sekunde berechnet. Aus den beiden folgenden Kurvenpaaren auf Fig. 8, die nach 3!/, bzw. 4 Minuten langer CO,-Einwirkung registriert wurden, ist ersichtlich, daß die Leitungsgeschwindig- keit noch weiterhin abgenommen hat. Die betreffenden Kurvenabstände von 2-3 bzw. 2-6 ”” lassen eine Abnahme derselben auf 19.02 bzw. 16-82 ” pro Sekunde erschließen. Hier trat nun bei diesem Versuche das Stadium ein, in dem bei noch weiter fortgesetzter Kohlensäureeinwirkung plötzlich die zentral ausgelöste Zuckung bedeutend niedriger ausfiel als die von der peripheren Nervenstelle aus bewirkte, weshalb sofort mit der CO,-Zufuhr aufgehört wurde. Der Zeitpunkt, in dem sich dies einstellte, variierte bei den einzelnen Versuchen in ziemlichem Maße. Nach Beendigung der Kohlensäurezufuhr wurde sodann durch einen Blasebalg ein kräftiger Luft- strom durch die Gaskammer einige Zeit lang hindurchgetrieben. Das letzte Kurvenpaar zeigt nun, wie dadurch wieder die Leitungsgeschwindigkeit auf ihren anfänglichen Wert zurückkehrt; mit seinem Kurvenabstande von 1-.6=” entspricht es dem ersten Paare vor der CO,-Einwirkung, so daß also nach der O-Zufuhr im Nerven wieder die ursprüngliche Fortpflanzungs- geschwindigkeit von 27.34 = pro Sekunde erreicht wurde. Was endlich die Zuckungshöhen betrifft, so waren bei allen Kurven- paaren die von der proximalen Nervenstelle ausgelösten Zuckungen etwas höher; die Differenz betrug aber nur 0-5 bis 0-7=m, Im einzelnen ergab die Messung folgende Zahlen: für das 1. Kurvenpaar 30-5 bzw. 31.2 "m „on 2 „ 32.7 „ 88-1, „on % „ 32.8 „ 33.3 „ 230 LupwıG HABERLANDT: für das 4. Kurvenpaar 32-8 bzw. 33.3 mm „on % 2) 33-0 „ 833-5 „ „nn 6. ” 29.7 „ 830.3, Die Versuche wurden übrigens auch in der Weise ausgeführt, daß nur von der proximalen Nervenstelle aus Zuckungen ausgelöst wurden, die über derselben Abszisse zur Registrierung kamen. Dabei konnte sich die COQ,- Beeinflussung auf die ganze Nervenstrecke vom oberen Elektrodenpaar bis zum vorderen Ende der Gaskammer geltend machen; da das distale Elektroden- paar 12m von letzterem entfernt war, so betrug demnach jene 47 m, Dadurch wurde die Wirkung noch erhöht. Fig. 9 (Taf. III) zeigt in recht ausgeprägtem Maße die im Verlaufe der Kohlensäureeinwirkung sich entwickelnde Verringerung der Fortpflanzungs- geschwindigkeit, die sich in diesen Versuchen als Verlängerung der Gesamt- latenz kundgibt. Die erste Kurve (von links aus) wurde vor der CO,-Zu- leitung aufgeschrieben, die übrigen nach Beginn derselben in Zwischen- räumen von je einer Minute. Die dabei auftretende Verzögerung beträgt hier bei der letzten Kurve gegenüber der ersten 0-00296 Sekunde. Dabei waren aber die Zuckungshöhen nach Beginn der Kohlensäurezufuhr etwas größer als vor derselben; sie betrugen 16-0 bis 16.2 m” gegenüber einer Zuckungshöhe von 15-5°" bei der ersten Aufnahme. Daher war die Latenzverlängerung nicht durch eine etwaige Abnahme der Zuckungshöhen bedingt. Aus den darunter befindlichen Kurven ist endlich das Verschwinden dieser Kohlensäurewirkung nach genügender Sauerstoffzufuhr klar ersichtlich. Es wurde hier zunächst unmittelbar nach Beendigung der CO,-Zuleitung noch eine Zuckung angeschrieben, welche die größte Latenz aufweist, sodann mit der Luftzufuhr begonnen und erst nach 10 Minuten die nächste Muskel- kurve registriert, die den erfolgten Rückgang der Latenzvergrößerung er- kennen läßt. Zwei letzte Kurven nach noch längeren Pausen zeigen nur noch eine ganz geringfügige, weitere Latenzabnahme. Die Zuckungshöhen schwankten hier ebenfalls zwischen 16-0 und 16-2 m, So haben diese Versuche ergeben, daß die Leitungsgeschwindig- keit im Nerven durch direkte Kohlensäureeinwirkung auf den!'- selben schon nach kurzer Zeit eine beträchtliche Verringerung erleidet. Dadurch erfährt aber wohl die Annahme eine gewisse Stütze, daß die Verzögerung der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Nerven- erregung, wie sie nach starker Inanspruchnahme desselben durch längeres Tetanisieren als Ermüdungserscheinung auftritt, wahrscheinlich durch eine Anhäufung von mehr gebildeter Kohlensäure verursacht sein dürfte. ÜBER DIE ERMÜDBARKEIT DES MARKHALTIGEN NERVEN. 231 Erklärung der Abbildungen. (Taf. III.) (Sämtliche Figuren sind in der Reproduktion etwas verkleinert.) Fig. 1. Drei Paare von Muskelkurven, aus deren Kurvenabständen sich die Lei- tungsgeschwindigkeit im Nerven auf 27-08” pro Sek. berechnet. Darunter die Zeit- - schreibung (?/‚oo Sek.) Vgl. S. 217. Fig. 2. Das erste Kurvenpaar, vor der 8 Min. langen Einwirkung des blockieren- den Stromes registriert, ergibt denselben Wert für die Fortpflanzungsgeschwindigkeit, der Nervenerregung wie die in Fig. 1 reproduzierten Kurvenpaare. Das zweite Kurven- paar, unmittelbar nach Öffnen des blockierenden Stromes aufgenommen, sowie das dritte Kurvenpaar nach einer Pause von 1 Minute ‚zeigen merklich kleinere Kurven- abstände, nach denen die Leitungsgeschwindigkeit eine scheinbare Steigerung auf 34.82" in der Sekunde erfahren hat. Zeitschreibung wie in Fig. 1. Vgl. 8. 220. Fig. 3. Aus der ersten Aufnahme vor dem tetanischen Dauerreiz wird derselbe Anfangswert für die Nervenleitungsgeschwindigkeit wie früher erhalten. Das zweite Kurvenpaar unmittelbar nach der Tetanisation von 5 Minuten Dauer (Reizfrequenz ungefähr 100 pro Sek.) weist einen etwas größeren Kurvenabstand auf; derselbe ist in der dritten Aufnahme nach einer Pause von 1 Minute auf den kleineren Wert zurück- gegangen, der durch die Blockade an und für sich bedingt wird, wie aus den in Fig. 2 dargestellten Kurven hervorgeht; somit erscheint die Leitungsgeschwindigkeit sofort nach dem tetanischen Dauerreiz verringert. Zeitschreibung wie oben. Vgl. S. 221. Fig. 4. Aktionsstromkurve des Nerven vor der Tetanisation. (Längs-Querschnitts- ableitung.) Zu oberst die Galvanometerkurve, darunter die Zeitschreibung (!/,,. Sek.; retuschiert), zu unterst die Reizmarkierung. — Entfernung von der Markierung des Reizmomentes (an der Galvanometerkurve selbst mit einer unterbrochenen Linie be- zeichnet) bis zum Beginn der negativen Schwankung 2-7 ==; dies entspricht einer Zeitdauer von 000162 Sek. (bei einer Nervenstrecke von 44”m Länge). Daraus be- rechnet sich eine Leitungsgeschwindigkeit von 27:16“ pro Sek. — Von rechts nach links zu lesen. Vgl. S. 225 u. 226. Fig. 5. Aktionsstromkurve, aufgenommen unmittelbar nach 10 Minuten langer Tetanisation des Nerven bei einer Frequenz von ungefähr 80 pro Sek. Abstand der Tetanisationsstelle von der Prüfungsreizstelle 8==. Vergrößerung der Entfernung von der Markiergng des Reizmomentes bis zum Beginn der negativen Schwankung auf 3.5 ®”@ (entsprechend 0-0021 Sek.); demnach Verringerung der Fortpflanzungsgeschwin- 232 LupwıG HABERLANDT: ÜBER DIE ERMÜDBARKEIT USW. digkeit im Nerven auf 20-95” in der Sekunde. Außerdem zeigt die Kurve eine Ab- nahme des Aktionsstromes und einen etwas gedehnteren Verlauf desselben. Vgl, S. 225 bis 226. Fig. 6. Aktionsstromkurve, aufgenommen nach der Erholungspause. — Ent- fernung von der Markierung des Reizmomentes bis zum Beginn der negativen Schwan- kung wieder 2-7 == (entsprechend 0-00162 Sek.) wie in der ersten Aufnahme (Fig. 4) vor der Tetanisation; somit Rückkehr zur Anfangsgeschwindigkeit der Nervenleitung von 27-16” in der Sekunde. Vgl. S. 225—226. Figg. 7 u. 8. Verringerung der Fortpflanzungsgeschwindigkeit im Nerven bei Kohlensäureeinwirkung auf denselben. Aus dem ersten Kurvenpaar ergibt sich ein Anfangswert von 27-34” pro Sek. Die weiteren vier Kurvenpaare wurden nach 2 bis 4 Minuten langer CO,-Zuleitung registriert und weisen stetig anwachsende Kurven- abstände auf. Denselben entspricht eine Abnahme der Leitungsgeschwindigkeit vom obigen Wert bis auf 16-82” pro Sek. Das letzte Kurvenpaar zeigt, wie nach ent- sprechender Luftzufuhr wieder der ursprüngliche Wert von 27-34” pro Sek. erreicht wird. Länge der in Betracht kommenden Nervenstrecke 35 ==. — In Fig. 7 darunter die Stimmgabelkurve wie in Figg. 1-3. Vgl. S. 228—230. Fig. 9. Ausbildung der Verlängerung des Latenzstadiums im Verlaufe der Kohlensäureeinwirkung auf den Nerven. Die erste Muskelkurve vor: derselben, die weiteren nach Beginn der CO,-Zuleitung in Zeitintervallen von je 1 Minute aufgezeich- net. Die Verzögerung in der letzten Kurve beträgt 0-00296 Sek. bei einer beeinflußten Nervenstrecke von 47”” Länge. Die darunter befindlichen Kurven lassen das Ver- schwinden jener Verzögerung nach genügender Luftzufuhr erkennen. Zu unterst die Zeitschreibung (!/;oo Sek.). Vgl. S. 230. Über die Innervation der reflektorisch ausgelösten Kontraktionen beim normalen und strychninversifteten Frosch. Von Dr. Paul Hoffmann. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Berlin.) Die Funktion der motorischen Zellen des Rückenmarks in Hinsicht auf die Art und Zahl der abgegebenen Impulse zu untersuchen hat zuerst wirklich erfolgreich Piper in seinen Arbeiten über den willkürlichen Muskel- tetanus beim Menschen unternommen. ! Der bei der Untersuchung einzuschlagende Weg ist vorläufig notwendig ein indirekter. Die Vorgänge in der Ganglienzelle sind unserem Experiment nicht zugänglich, dagegen können wir die Erregungen im Nerven und Muskel durch die Aktionsströme mit großer Genauigkeit feststellen. Grundsätzlich muß dabei angenommen werden, daß die in der Ganglienzelle und im Nerven entstehenden Erregungen identisch sind. Es ist dies streng experimentell nicht ohne weiteres zu beweisen, schon deshalb, weil Ganglienzelle und Achsenzylinder eine funktionelle Einheit bilden. Gerade aus diesem Grunde wird die Supposition aber wieder so wahrscheinlich, daß man sie, da sie mit den bisher gefundenen Resultaten vollkommen übereinstimmt, als berechtigt anerkennen muß. Daß die im Muskel entstehenden Erregungen innerhalb der in Betracht kommenden Grenzen mit den im Nerv auftretenden übereinstimmen, ist sicher. ı Piper, Pflügers Archiv. 1907. Bd. CXIX. 8. 301. 234 PAuL HOFFMANN: Es ist durch die Versuche von Piper an menschlichen Muskeln strikt erwiesen, daß bei willkürlicher Kontraktion die Erregungen des Muskels vom Zentralnervensystem bestimmt werden. Eine Bestätigung dafür brachte Dittler, indem er bewies, daß die Rhythmen der Aktionsströme im Zwerch- fellmuskel und im Nervus Phrenicus bei normaler Atmung genau die- selben sind. Der Zweck der vorliegenden Versuchsreihe war wesentlich der, zu untersuchen, ob der Tetanus des mit Strychnin vergifteten Frosches dem des Normalen ähnlich oder gleich ist, oder ob zwischen beiden ein funda- mentaler Unterschied besteht. Zuerst mußte festgestellt werden, wie sich das Rückenmark normal verhält. Welche Art von Impulsen sendet es bei willkürlichen Kontraktionen aus? Diese Frage ist‘ gerade beim Frosch sehr schwer direkt experimentell zu beantworten. Sobald man einen Frosch fesselt, ist man kaum imstande, ihn so prompt zu einer willkürlichen Bewegung zu veranlassen, daß man die Aktionsströme gut registrieren könnte. Ich habe deshalb auf die Unter- suchung der willkürlichen Kontraktionen ganz verzichtet. Es mußte die Kontraktion also durch Reizung ‚des Zentralnervensystems ausgelöst werden. Hierfür sind zwei Wege brauchbar: 1. Reizung des Rückenmarks möglichst weit von der Austrittstelle der Nerven; 2. Reflektorisch durch Reizung eines zentralen Nervenstumpfes. Die Methodik war folgende: Ein Frosch wurde dekapitiert und auf einem Brettchen befestist. Ein Muskel des Beins wurde freipräpariert (Trizeps oder Gastroknemius) und mit einem Hebelchen verbunden, das seinen Schatten mit auf den Spalt des photographischen Registrierers warf, mit dem die Saitengalvanometerkurve des Aktionsstroms aufgenommen wurde. Die Ableitung der Ströme zum Galvanometer erfolgte in der oft beschriebenen Weise durch in Kochsalzlösung getränkte Wollfäden, die um den Muskel geschlungen wurden. Die eine Elektrode kam stets an den Ansatz des Muskels, die andere auf die Mitte des Muskelbauchs. Für den Gastroknemius habe ich nach- gewiesen, daß man durch diese Art von Ableitung beim Ablauf einer ein- zelnen Erregungswelle einen doppelphasischen Strom erhält.! Für den Trizeps ist es nach meinen Versuchen ebenfalls sicher. Das reagierende Instrument war ein Saitengalvanometer mit einem versilberten Quarzfaden von 2800 Ohm Widerstand. ! Hoffmann, Elektromyogramm des Gastroknemius vom Frosch. Dies Archiv. 1909. Physiol. Abtlg. S. 499. INNERVATION BEIM NORMALEN UND STRYCHNINVERGIFTETEN FRoscH. 235 A. Versuche an unvergifteten Fröschen. Die vom Rückenmark ausgehenden Impulse bei Reizung einer kopfwärts gelegenen Stelle des Markes selbst. Um durch Reizung des Rückenmarks im Muskel Kontraktionen zu erzeugen, muß man im allgemeinen ziemlich starke Reizströme anwenden. Auch wenn man die Elektroden ganz in der Nähe der Medulla oblongata anlegt, so kommt man doch leicht zu Stromstärken, die durch Strom- schleifen auch die Nerven selbst reizen, die außerordentlich viel leichter reagieren .als das Rückenmark. Vor solchen Fehlerquellen muß man also sehr auf der Hut sein. Indem man die Elektroden nicht an das Rücken- mark anlegt, sondern an einer für Stromschleifen womöglich noch gün- stigeren Stelle ansetzt und versucht, ob die Nerven erregt werden, kann man sich die Sicherheit verschaffen, daß nichts derartiges vorliegt. Die Reizung erfolgte meist in der Weise, daß die beiden Pole an die beim Dekapitieren entstandene Schnittfläche des Rückenmarks angelegt wurden. Es ist günstig, bei den Versuchen Kaltfrösche zu verwenden, die, wie bekannt, eine größere Reflexerregbarkeit zeigen als im Zimmer gehaltene. Reizt man das Rückenmark in der angegebenen Weise mit einem Einzelinduktionsschlag, so erhält man eine Einzelerregung des Muskels. Wendet man Reihen von Induktionsschlägen an, so läßt sich in vielen Fällen eine Bahnung erkennen. Ein einzelner Reiz bleibt bei einer ge- wissen Stärke unwirksam, aber Reihen von solchen erzeugen schließlich immer stärkere Reaktionen. Während der Bahnung nimmt die Stärke der Erregungswellen, die sich in der Größe der Ausschläge des Galvanometers ausspricht, bis zu einem Maximum zu. Im ganzen sind die erhaltenen Kurven sehr ähnlich denen, die man vom Krebsscherenmuskel bei Reizung vom Nerven aus erhält.! (Siehe Fig. 1.) Wir sehen also ganz deutlich, wie die Ganglienzelle mehrere ihr zu- gesendete Reize mit immer stärkeren Erresungen beantwortet. Anfangs bleibt die Erregung noch unterschwellig; jedenfalls kommt der Muskel nicht in Aktion. Dann werden sie immer stärker bis zu einem Maximum. Je schwächer ich den Reiz mache, um so später beginnt die Reaktion; ist der Reiz sehr stark, so erhalte ich von Anfang an maximale Zuckungen. Wie es beim Krebsscherenmuskel der Fall, ist auch hier die Frequenz der Reizung von ausschlaggebender Bedeutung. Bei geringen Reizintensi- ! Siehe W. F. Ewald, dies Archiv. 1911. Physiol. Abtlg. 8. 181. 236 PAuu HoFFMAnN: täten ist eine minimale Frequenz festzustellen,‘ die erreicht werden muß, wenn ein Eflekt sich einstellen soll. Diese muß um so höher sein, je ge- ringer die Reizstärke ist. | Es galt weiter festzustellen, bis zu welcher Frequenz die motorische Zelle des Vorderhorns imstande ist, den vom Rückenmark hergeschickten Impulsen zu folgen. Es wurden also die Ströme des Muskels bei verschiedener Frequenz der Rückenmarksreize untersucht. Bis zu einer Schnelligkeit, die der sogenannten „Eigenperiode“ des Muskels entspricht, ist die Ganglienzelle imstande, den Reizen zu folgen. Fig. 1. Reizung des Rückenmarks mit wenig frequenten Induktionsschlägen. Oben Zeit 0-2 Sekunden, darunter Reizfrequenz, weiter die Kurve der Kontraktion; zu unterst die Galvanometerkurve. Die Verschiebung der Ruhelage der Saite rührt von Elektrodenverschiebung durch die Kontraktion her. Die Bahnung ist sehr deutlich. Wie alle Kurven dieser Abhandlung von links nach rechts zu lesen. Also bei Zimmertemperatur bis zu etwa 100 pro Sekunde. Diese Frequenz wird aber nur sehr kurze Zeit ertragen. Die Ermüdung erfolgt rasch. Eine vollkommene Gleichmäßigkeit, was Stärke der Impulse betrifft, ist nur ganz am Anfang beim eben präparierten Frosch zu erzielen. Schon nach wenigen Sekunden Reizung werden die Oszillationen der Saite unregelmäßig. Der Muskel zeigt zwar noch für jeden Reiz eine Erregung an, doch ist die Größe der Oszillationen, d. h. die Stärke der vom Rückenmark ausgesandten Impulse, verschieden. Setzt man die Reizung mit so hohen Frequenzen längere Zeit fort, so wird der Rhythmus der Oszillationen immer langsamer. Er geht herunter auf eine Frequenz von 20—30 pro Sekunde und weniger. INNERVATION BEIM NORMALEN UND STRYCHNINVERGIFTETEN Frosch. 237 Ich möchte hier noch einer Erscheinung gedenken, die sich oft beob- achten läßt. Wendet man sehr starke Reize an, und läßt sie im Abstande von etwa 0,1—0,2 Sekunden wirken, so erfolgt anfangs, wie beschrieben, für jeden Reiz eine Erregungswelle im Muskel. Setzt man die Reizung aber in gleicher Weise einige Sekunden lang fort, so ändert sich das Bild. Der Muskel kommtin einen ziemlich schnellen Erregungsrhythmus, der mit der Zahl der dem Rückenmark erteilten Reize wenig mehr zu tun hat. Die Frequenz dieses Rhythmus beträgt beim Kaltfrosch etwa 50 pro Sekunde. Die einzelnen Erregungen sind ziemlich stark, wie man aus der Größe der Ausschläge des Galvanometers erkennen kann. (Fig. 2.) LA a b Fig. 2. Das dicht an der Medulla oblongata durchschnittene Rückenmark eines Kaltfrosches ist 10 Sekunden lang mit Induktionsströmen geringer Frequenz, aber sehr großer Stärke (50 "m Rollenabstand), gereizt worden. Die Kurve zeigt die Aktionsströme des M. gastro- knemius am Ende: der Reizung und 5 Sekunden danach. Ziemlich frequenter Rhythmus, große Stärke der Impulse bei a, langsames Abklingen bei b. In diesem Faile sendet also die Nervenzelle auf einen empfangenen Impuls deren 5—6 aus. Die Unabhängigkeit der Aktion der Nervenzelle von den Reizen wird noch weiter dadurch klar, daß die Erregung beim Aufhören des Reizes nicht sofort schwindet. Dabei bleiben die Aktions- ströme im Beginn der Nacherregung, wie sie während der Wirkungszeit des Reizes waren. Nach einigen Sekunden erst nehmen sie an Stärke ab, und werden in ihrem Rhythmus sehr unregelmäßig. Schließlich nimmt die Frequenz stark ab und man findet nur noch wenige Aktionsstromstöße in der Sekunde. Durch die bei diesem Versuche nötigen hohen Reizstärken ermüdet man das Rückenmark sehr schnell. Daher kann man den Versuch nur noch -wenige Male an einem Präparat wiederholen. 238 PAuu HorrMmAnn: Die Erregungen im Muskel, die reflektorisch durch Reizung eines sensibeln Nerven erzeugt werden. Für die Untersuchung der eigentlich reflektorischen Erregung mußte ein Muskel gewählt werden, der leicht in dieser Weise gereizt werden kann.! Als besonders günstig erweist sich der Trizeps femoris (dieser wurde z. B. von Fröhlich in seinen Versuchen über Tonus, Bahnung und Hemmung benutzt). Die Reizung kann von beiden Ischiadieis her erfolgen. Am leichtesten gelingt sie vom Ichiadicus der gleichen Seite aus. Sonst war die Anordnung wie oben beschrieben. Es ist bekannt, daß man beim Kaltfrosch schon durch Reizung, mit einem Einzelinduktionsschlag einen kurzen Tetanus reflektorisch hervor- rufen kann; die Untersuchung dieses Tetanus erscheint von vornherein sehr interessant, da die Impulse in diesem Falle großenteils von der Ganglien- zelle selbständig gebildet werden. Bei Reizung mit Induktionsströmen ist der Rhythmus doch mehr oder weniger stets ein erzwungener. Es zeigt sich nun aber, daß die Aktionsströme dieser auf Einzelschlag erfolgenden Kontraktionen sehr wenig charakteristisch sind. Die Aktionsstromkurven dieser Tetani zeigen verschieden hohe Zacken, die sich eigentlich regellos folgen. Meist sind die Abstände ziemlich groß, so daß etwa 20—30 pro Sekunde im Höchstfalle herauskommen. Aus den Kurven von Ishikawa geht hervor, daß der Tetanus auch mechanisch nicht immer im ganzen Verlaufe stetig zu sein braucht. Dem entspricht, daß die Aktionsströme ganz unregelmäßig sind. Durch Reizung eines Nerven kann man beim Kaltfrosch, wie bekannt, reflektorische Tetani, wenn auch manchmal von nur kurzer Dauer, hervorrufen. Besonders günstig ist es, wenn den Tieren am Tage vorher das Rückenmark durchschnitten worden ist und sie erst kurz vor dem Versuch in Zimmerwärme kommen. Die Vorschriften finden sich bei Fröhlich. Prüft man in derselben Weise, wie oben für die Rückenmarksreizung beschrieben ist, bis zu welcher Frequenz die Ganglienzelle imstande ist, auf jedem Reiz einen Impuls zu bilden, also bis zu welcher Frequenz ein reflektorischer Tetanus möglich ist, so kommt man zu etwa denselben Resul- taten, wie ich sie für die Rückenmarksreizung beschrieben habe. Man kann die Nervenzellen dazu bringen, bis 100 Innervationen in der Sekunde auszusenden. Eine solche Frequenz wird aber nie längere Zeit eingehalten. Die Aktionsstromstöße werden immer unregelmäßiger und es kommt hier nicht mehr auf jeden Reiz eine Reaktion. (Fig. 3.) Es kann ı F. W. Fröhlich, Beiträge zur Analyse der Reflexfunktion des Rückenmarks. Zeitschrift für allgemeine Physiologie. 1909. Bd. X. 8.72. _ INNERVATION BEIM NORMALEN UND STRYCHNINVERGIFTETEN Frosch. 239 dann auf jeden zweiten Reiz eine Erregung erfolgen, so daß die Frequenz etwa 50 beträgt. Wir können die Ganglienzelle durch reflektorische Reizung auch dahin bringen, daß sie Spontanerregungen aussendet. Besonders Fröhlich hat darauf aufmerksam gemacht, daß nach einer Reizung des den Reflex hervorrufenden Nerven der Muskel nicht sofort wieder in den Ruhezustand tritt. Es bleibt längere Zeit eine Verkürzung, die er als Tonus bezeichnet. Von Fröhlich ist schon angenommen, daß dieser Tonus durch Tätigkeit der Ganglienzellen hervorgerufen wird. Weiter kommt derselbe Autor auf Grund zahlreicher Versuche zu der Ansicht, daß dieser Tonus auf diskontinuierlicher Erregung beruht. Ich habe zahlreiche Fig. 3. Aktionsströme des M. trizeps. Reizung des N. ischiadieus der gleichen Seite mit 70 pro Sekunde. Oben Zeit, 0-2 Sekunden. Die Kurve zeigt unregelmäßige Ausschläge, die teils den Reizen folgen, teils nicht. Das Präparat, von dem die Kurve stammt, ist bereits einige Sekunden gereizt. derartige, die Reizung überdauernde Erregungen auf ihre Aktionsströme untersucht. Es zeigt sich evident die vollkommene Richtigkeit der An- schauungen Fröhlichs. Die Oszillationen dauern nach dem Aufhören der Reizung fort. Be- sonders leicht geschieht das nach langdauernder zur evidenten Ermüdung führenden Erregung. Die Oszillationen des Tonus („Nachtetanus“) ent- sprechen denn auch ganz denen eines ermüdeten Muskels. Sie sind klein und frequent, dabei recht unregelmäßig. Da die den reflektorischen Tetanus übermittelnden Ganglienzellen schon während der Reizung ermüden, so ist die Art der Oszillationen während und nach der Reizung ziemlich gleich. Auf die Reizfrequenz des tetanisierenden Stroms kommt es erklärlicher 240 Pıuu HorrmaAnn: Weise gar nicht an. Bei sehr geringen Frequenzen (bis 20 pro Sekunde) ist ein Nachtetanus überhaupt schwer zu erhalten. Bei höheren Frequenzen ist die Reaktion des ermüdeten Präparats schon an und für sich kaum verschieden. Um so mehr ist dies für die persistierende Erregung zu er- warten, die ja direkt nicht mehr von dem Reiz beeinflußt wird. Aus den beim Nachtetanus registrierten Kurven kann man keinen Schluß auf die normale Innervation ziehen. Es liegst dies eben daran, daß man ein ermüdetes Rückenmark vor sich hat. Die von diesem ausgesendeten Impulse sind nicht mehr rhythmisch und entsprechen auch nicht der grund- legenden Forderung, daß die gesamten einen Muskel innervierenden Nerven- zellen sich salvenmäßig entladen. B. Versuche mit strychninvergifteten Fröschen. Über die Aktionsströme reflektorisch erzeugter Muskelzuekungen beim strychninvergifteten Frosch liegen zahlreiche Untersuchungen vor. Die ersten Versuche in dieser Richtung sind von Loven mit dem Kapillarelektrometer angestellt worden. Er fand beim voll entwickelten Tetanus 8 Schwankungen des Aktionsstroms pro Sekunde! v. Kries konnte die Ergebnisse von Loven vollkommen bestätigen. Weiter konnte er feststellen, daß zu Beginn der Strychninwirkung einzelne auffallend langdauernde Ausschläge des Kapillarelektrometers auftreten. Auch ist der Rythmus während der Krämpfe nicht gleichmäßig, Am Anfang des An- falles findet man 8—9 Schwankungen, gegen Ende aber nur 3—4 in der Sekunde. ? Weiter gefördert wurde unsere Kenntnis durch Burdon-Sandersson und Buchanan.? Nach ihren Ergebnissen sind die im Stadium der vollen Giftwirkung auftretenden Rythmen von 9 in der Sekunde in vielen Fällen kurze Tetani. Es finden sich auf jede der von Kries und Loven beschrie- benen Schwankungen des Kapillarelektrometers mehrere kleine aufgesetzt. Diese letzteren haben eine Frequenz von 43—90. Ebenso konnten sie fest- stellen, daß die v. Kries beschriebenen auffallend langen Schwankungen tetanischer Natur sind. Von den letztgenannten Autoren ist auch versucht worden, den eigen- artigen Doppelrythmus des typischen tetanischen Strychninanfalles zu deuten. Durch besondere Versuche (verschiedene Temperierungen des Rückenmarks 1 Nordiskt. med. Arkiv. 1879. Vol. XI. Nr. 14. 2 v. Kries, dies Archiv. 1884. Physiol. Abtlg. S. 370. ®Burdon-Sandersson und Buchanan, Journal of Physiology. 1901. Vol. XXVII. p. 9. INNERVATION BEIM NORMALEN UND STRYCHNINVERGIFTETEN Frosch. 241 und des Muskels) kamen sie zu dem Schlusse, daß der Rhythmus von 9 pro Sekunde zentral, der von 45—90 dagegen peripher im Muskel ent- stände. Die tatsächlichen Angaben, wie sie hier zusammengestellt sind, konnte ich in allen meinen Versuchen bestätigt finden. Ganz besonders möchte ich hier noch auf die Angabe von v. Kries hinweisen, die die Variabilität der großen Schwankungen des Strychnintetanus betont. Gegen das Ende hin läßt sich stets eine Abnahme der Frequenz finden, ich habe nie gesehen, daß ein Tetanus plötzlich abbricht, ohne daß etwas derartiges geschehen wäre. Im Laufe der fortschreitenden Vergiftung mit einer stärkeren Dosis (0,2”s in den Rückenlymphsack) ist das Verhalten der Aktionsströme der auftretenden Zuckungen etwa folgendes. Wenn die Reflexsteigerung so deutlich zu werden beginnt, daß eine stärkere Berührung (Schlag mit einem Hölzchen auf ein Bein) prompt eine Reflexzuckung auslöst, so ist diese anfangs eine Einzelzuckung, doch wird sie sehr bald tetanischer Natur. In noch früherem Stadium bewirkt direkte Reizung des Ischiadicus mit Einzel- induktionsschlag Einzelzuckung. In diesem Stadium ist es möglich, durch tetanische Reizung eines Nerven reflektorische Tetani mit sehr frequenten Einzelerregungen hervor- zurufen. Bis zu einer Frequenz von 100 reagieren die Nervenzellen auf jeden Reiz. Dabei ist beachtenswert, dab beim vergifteten Rückenmark die sonst bei solchen Versuchen nach kurzer Zeit auftretende Ermüdung und Verminderung der Zahl der Innervationsstöße nur langsam zustande kommt. Die Periode der Einzelzuckungen geht meist ziemlich rasch vorüber, es beginnen ganz kurze Tetani aufzutreten. Diese sind dadurch charakte- risiert, daß die erste Galvanometerschwankung die zwei oder drei folgenden an Höhe um ein vielfaches übertrifft. Nach einiger Zeit beginnt nun der tetauische Strychninkrampf. Die Aktionsströme zeigen danı zwei verschie- dene Perioden. 1. Die großen, die schon von Loven und v. Kries fest- gestellt sind und weiter die 2. kleinen, die Burdon-Sandersson und Buchenau beobachteten.! Die einzelnen Stöße des Rhythmus 1 brauchen nicht notwendig tetanischer Art zu sein. Namentlich im Beginn der scheinbar spontan auftretenden Tetani findet man lange Reihen von Einzel- zuckungen, die im Rhythmus 1 ablaufen. Sehr bald dagegen verschwindet dies. Der Tetanus beginnt nun mit einer langdauernden Erregung, dessen Aktionsströome im Rhythmus 2 ablaufen. (Siehe Fig. 4) Erst nach einer gewissen Zeit beginnt der Rhythmus 1 einzusetzen und es folgen sich nun in langer Reihe kurze Tetani, die durch vollkommene Ruhe des Muskels ! Ich werde die beiden Rhythmen stets einfach mit den Zahlen bezeichnen. Archiv f, A. u. Ph. 1910, Physiol. Abtlg. Suppl. 16 242 PAıuL HorFrMmAnn: abgerrennt sind. Der Rhythmus kann sehr lange in vollkommener Gleich- mäßigkeit fortbestehen. Gegen das Ende des Krampfes wird er aber regelmäßig langsamer. Dies geschieht allmählich, nicht sprungweise. Das Einsetzen der Verlang- samung istein sicheresZeichen, daß der Krampf bald zu Ende geht. Worauf beruht nun diese Teilung der Aktions- ströme des Strychnintetanus in zwei Rythmen. Burdon - Sandersson und Buchanan machten besondere Versuche, um fest- zustellen, ob der eine dieser Rhythmen zentral und der andere peripher sei. Und zwar kühlten sie das Rücken- mark isoliert ab, so daß es eine andere Temperatur be- kam als der Muskel. Sie be- merkten dann, daß der Rhyth- mus 1 verlangsamt war, wäh- rend 2 derselbe blieb. Sie schließen daraus, daß 1 den Impulsen des Zentralnerven- systems entspricht und 2 die Eigenschwingungen des Mus- kels sind. Wenn man nun beim Strychninkampf die Aktions- ströome des Ischiadikus re- gistriert, so erhält man ganz ähnliche Kurven wie vom Muskel. Man kann auch hier beide Arten von Rhythmen feststellen. Damit ist soweit mög- lich bewiesen, daß beide Rhyth- men zentral bedingt sind. Nach den gegebenen Re- sultaten kann man nun be- “snuegayurugoKrg uoyosıdAy saure ATUgaSssuorNy pun yoeu uuep -[ snmug4gyg sap Sunppiqsuy ypeu -uopunyog Z-.0 ‘oz ueyun ‘“snuwego], due] Iyos um Sugzuy UY IR R En Ve | INNERVATION BEIM NORMALEN UND STRYCHNINVERGIFTETEN FROScH. 243 urteilen, wie sich der Tetanus des normalen Frosches zu dem des strychnin- vergifteten stellt. Es ist wohl erlaubt, zu behaupten, daß beide von Grund aus ver- schiedene Vorgänge sind. Eine charakteristische Eigenschaft des Strychnin- tetanus ist die stoßweiße Innervation. Beim normalen Tier kann man eine derartige durch regelmäßig wiederkehrende Ruhepausen unterbrochene Reihe von starken Impulsen nicht hervorrufen. Es werden also durch die Ver- giftung Veränderungen der Innervationsart hervorgerufen, die wir auf an- derem Wege zu erzielen nicht imstande sind. Anhang. Versuch über die Wirkung von Nervenreizungen während des Strychninkrampfs. Es ist bekannt, daß man während des Strychninkrampfs leicht Hemmung hervorrufen kann indem man einen Nervenstamm reizt. Der Tetanus hört dann schnell auf. Nach Beendigung der Reizung beginnt er von neuem. Dieser Versuch gelingt nicht in allen Fällen und bei allen Stärken des Hemmungsreizes. Auch sind die verschiedenen Stadien der Vergiftung un- gleich günstig für das Gelingen des Experiments. Wie verhalten sich die Impulse die das Zentralnervensystem aussendet, in diesem Falle? A. Wenn der Versuch den Krampf zu hemmen nicht gelingt, kann unter Umständen gar keine Änderung in der Art der Aktionsströme auf- treten. Beide Rhythmen 1 und 2 bestehen fort als wenn überhaupt nichts erfolgte. Dies ist bei unterschwelligen Reizen natürlich, aber man findet es auch bei sehr großer Stärke derselben. Es ist dies aber eine Ausnahme. In den meisten Fällen wird der Rhythmus 1 stark beeinflußt und zwar wird er beschleunigt. Es ist nun sehr bemerkenswert, daß sich mit Leichtigkeit feststellen läßt, daß diese Beschleunigung mit der Stärke des Reizes zu- nimmt. Die Ausschläge des Saitengalvanometers für den Rhythmus 1 sind so langsam, daß man sie sehr gut mit dem Auge verfolgen kann. Die beste Art den Versuch anzustellen ist deshalb folgende. Während eines gut entwickelten Tetanus reizt man den einen Ischiadikus mit Induktions- strömen. Mar bemerkt beim Beginn der Reizung deutlich ein Ansteigen der Frequenz. Wenn man nun den Rollenabstand des Induktoriums ver- mindert so bemerkt man deutlich ein weiteres Ansteigen der Frequenz mit der Abnahme des Rollenabstandes, rückt man die Rollen auseinander so nimmt die Frequenz wieder ab. 167° 244 Pıur HorFMAnN: Die Einstellung auf den frequenteren Rhythmus folgt dem Einsetzen des Reizes nicht immer momentan. In Fig. 5 ist ein Fall dargestellt. Die Frequenz des Rhythmus 1 ist im Beginn 5 in der Sekunde. Wenn die Reizung des Ischiadikus beginnt (70 pro Sekunde), erfolgen 2 kleine Os- zillationen der Saite, die dann beginnen, wenn die Oszillationen des Rhyth- mus 1 wieder, diesmal etwa 3 mal so schnell, einander folgen wie vor der Reizung. | | — ——hl Be w w \ A _ ARE m "on VYVamANNYYAN Fig. 5. Wirkung von auf den zentralen Ischiadieusstumpf applizierten Indüktionsströmen auf die Frequenz des Rhythmus 1. Unten Zeit, 0-2 Sekunden und die Kurve eines Pfeil- schen Signals, die das Einsetzen des Reizes markiert. B. In dem Falle, daß wirklich eine Hemmung der Kontraktion eintritt, wird man ein anderes Verhalten der vom Rückenmark ausgesendeten Im- pulse erwarten müssen. In Fig. 6 sehen wir einen derartigen Fall dar- gestellt. Am Abfang ist der Rhythmus 1 voll entwickelt. Beim Einsetzen der Reizung erkennt man deutlich eine Beschleunigung des Rhythmus 1 der sehr bald ein fast vollständiges Stillstehen der Saite folgt. Mit dem Ver- schwinden der Aktionsströme geht ein Absinken der Kontraktionskurve Hand in Hand. Besonders beachtenswert erscheint mir in der abgebildeten Kurve (Fig. 6) die deutlich zunehmende Schnelligkeit der einzelnen Schläge des Rhythmus 1. Bei unbeeinflußten Rhythmus erfolgen die Erregungen im Abstande von 0-15 Sekunden. Nach Beginn der Reizung sind die Ab- stände 0-08, 0-06, 0-055, 0-04. Der letzte Ausschlag besteht aus zweien, die sich unmittelbar folgen. Der Rhythmus 1 ist verschwunden und damit hört der Strychnintetanus INNERVATION BEIM NORMALEN UND STRYCHNINVERGIFTETEN FROSCH. 245 auf. Während der nun weiter noch ca. 2 Sekunden dauernden Reizung sieht man nur kleine unregelmäßige Aktionsströme auftreten. Diese haben nichts von dem sonst bei Strychninvergiftung so charakteristischen Ver- halten. Ähnliche Ströme finden wir sonst nur beim unvergifteten Frosch im Falle großer Ermüdung. Einige Zeit nach dem Aufhören der Reizung beginnt wieder der typische Strychnintetanus. Die Stärke der Erregungen des Rhythmus 1 nimmt langsam an Stärke zu. Die Frequenz derselben bleibt dabei merklich gleich. Nicht immer läßt sich bei Hemmung durch Nervenreizung die Be- schleunigung des Rhythmus 1 wahrnehmen. Es hängt dies ganz davon ab wie schnell die Hemmung eintritt. Sie kann fast unmittelbar nach der Reizung einsetzen, dann ist natürlich gar keine Zeit zu einer Fort- setzung des Rhythmus 1. Es erfolgen in solchem Falle nur wenige Fig. 6. Hemmung während des Strychninkrampfes durch Reizung des Ischiadieus, Beschleunigung des Rhythmus 1. Nach dem Aufhören der Reizung war in der Verlängerung der Kurve die Wiederherstellung des am Beginn herrschenden Rhythmus sichtbar. An der Stelle des Pfeils beginnt die tetanische Reizung des N. ischiadicus der anderen Seite. sehr frequente Aktionsstromstöße worauf Ruhe eintritt. Was können uns nun die Aktionsstromkurven bei Hemmung durch Nervenreizung lehren? Sie bilden eine vorzügliche Bestätigung der von der Verwornschen Schule besonders von F. W. Fröhlich vertretenen Auffassung, daß die Hemmung durch Nervenreiz auf Erregung beruht. Jede Erregung hinterläßt in der Nervenzelle ein Refraktärstadium. Auch unterschwellige, keinen Effekt er- zeugende Reize hinterlassen eine refraktäre Periode. Diese Anschauung paßt vollkommen zu dem Verhalten der Im- pulse die die Ganglienzelle in der Strychninvergiftung aussendet. Es steht fest, daß die Ganglienzellen des Rückenmarks während des voll- entwickelten Strychnintetanus in der Sekunde etwa 8 mal 2 bis 5 Im- pulse in den Nerven schicken. Die Innervation erfolgt also stoßweise 246 PAıuu Horrmann: und es kommen auf jeden Stoß mehrere Einzelimpulse. Die Frequenz dieser letzteren, des Rhythmus 2 wird dadurch bestimmt, daß die Nerven- zelle bis zu dieser Schnelligkeit ihr zugesendete Reize mit je einer Er- regung beantwortet. Die Zelle sendet also im Strychninkrampf die Impulse mit der größtmöglichen Frequenz aus. Wie kommt aber der Rhythmus 1 zustande. Irgendeinem besonderen Nervenrhythmus entspricht er nicht. Wir sehen ihn beim normalen Frosch nie auftreten. Mit der willkürlichen Innervation hat er sicher nichts zu tun. Wir finden niemals derartige durch kurze Ruhepausen unterbrochene hochfrequente Tetani beim normaler. willkürlichen oder reflektorischen Bewegungen. EEE EEE FICHTE IN oa ee eng ea Ze ae TEN | Vu N LAN A Se LITER Key) N N Na | N A | EEE RERTREREEE Biomie Phenolvergifteter Frosch. Stadium der entwickelten klonischen Krämpfe. Auf einen geringen Reiz hin erfolgen zahlreiche Innervationsstöße, die im vorliegenden Falle sämtlich tetanischer Natur sind. Die Art der Tetani ist recht unregelmäßig und auch der Rhythmus des Einsetzens wechselt stark. Ich bin der Ansicht, daß die eigentümliche Innervation bei starker Vergiftung durch temporäre Ermüdung der Ganglienzellen zustande kommt. Diese Ermüdung kann entweder in den motorischen Ganglienzellen, deren Aktion wir indirekt registrieren, statthaben, oder in davor liegenden, d.h in zwischen die sensibeln und motorischen Elemente des Rückenmarks eingeschobenen Zellen liegen. Betreffs dieser Frage lassen sich aus meinen Ergebnissen keine Schlüsse ziehen. Der Rhythmus der mctorischen Zellen kann ebensogut originär wie imponiert sein. Sehr deutlich ist die Ab- hängigkeit der Dauer des Refraktärstadiums von der Stärke der sensibeln Reizung. Je stärker der Reiz wird, umso kürzer wird die refraktäre Periode. Aus alledem geht mit Sicherheit hervor, daß der Rhythmus kein Organ- rhythmus ist. Er wird lediglich durch die Art und Stärke der zugeführten Reize bestimmt. INNERVATION BEIM NORMALEN UND STRYCHNINVERGIFTETEN FROSCH. 247 Unbegrenzt kann man die Freguenz des Rhythmus 1 durch sensible Reizung nicht in die Höhe treiben. Wird eine gewisse maximale Schnellig- keit überschritten, so tritt Hemmung ein. Man kann an diesen Erschei- nungen sehr deutlich das Verhältnis von Erregung, Hemmung und Re- fraktärstadium zueinander erkennen. Daß bei der Strychninvergiftung noch andere Symptome auftreten als die bloße Reflexsteigerung geht mit Sicherheit aus den Versuchen mit Phenolvergiftung hervor. Wie nach den Ergebnissen von Baglioni zu er- warten ist, verhalten sich die vom Rückenmark ausgesendeten Impulse bei dieser Vergiftung anders als im Strychninkrampf. Die Fig. 7 zeigt einen derartigen Versuch. Die Bedingungen sind analog. Es fällt als Unter- schied sofort ins Auge, daß der charakteristische Rhythmus fehlt. Wir finden wohl alle Begleiterscheinungen einer starken Steigerung der Reflexe. Es können auf einen Reiz viele Impulse von der motorischen Ganglien- zelle ausgesendet werden. Bei tetanischer Reizung erhält man unregel- mäßige klonische Zuckungen die teils Tetani teils Einzelerregungen sind wie aus den Aktionsstromkurven hervorgeht. Manchmal findet man aller- dings auch ziemlich gleichmäßige Rhythmen, deren einzelne Stöße Tetani oder Einzelerregungen sein können, sogar die Frequenz dieser Innervations- stöße ist der des Rhythmus 1 bei Strychninvergiftung recht ähnlich. Doch habe ich nie die Regelmäßigkeit so weit gehen sehen, wie es bei dieser letzteren durchaus die Regel ist. Zusammenfassung. 1. Der bei Strychninvergiftung erzeugte reflektorische Tetanus ist fun- damental verschieden von dem reflektorisch durch Nervenreizung beim nor- malen oder Rückenmarksfrosch zu erhaltenden. | 2. Die Ergebnisse von v. Kries betreffend Zahl und Verhalten des lang- samen Rhythmus’ konnte vollkommen bestätigt werden. Ein gleiches gilt von den Versuchen von Burdon-Sandersson und Buchanan, die er- kannten, daß in den meisten Fällen die Einzelschläge des langsamen Rhythmus 1 Tetani sind. 3. Beim normalen Frosch läßt sich ein den Reizen glatt folgender reflektorischer Tetanus von einer Frequenz von 100 pro Sekunde erzeugen. Die Ermüdung erfolgt aber bei dieser Reizschnelligkeit sehr rasch und man findet bald Halbierung und schließlich werden die Innervationen völlig un- regelmäßig. 4. Bei Rückenmarksreizung (im oberen Brustmark) erhält man durch- aus gleiche Resultate. 248 PAUL HOFFMANN: INNERVATION USW. 5. Im Beginne der Strychninwirkung finden wir eine Reaktion der motorischen Nervenzelle auf jeden ihr zugeführten Reiz (bis 100 pro Sekunde). Später wird der Strychninrhythmus nicht mehr direkt von den zugehen Erregungen bestimmt. 6. Während des Strychninkrampfs kann man durch Reizung eines Nerven (auch Berührung der Haut) eine Beschleunigung der groben Schwan- kungen des Galvanometers herbeiführen. Wird die Folge dieser zu schnell, so tritt Hemmung ein und Aufhören der Aussendung von Impulsen aus dem gereizten Rückenmark. Die Ansicht Fröhlichs, daß die Hemmung durch Erregungen entsteht die die Nervenzellen in einem Refraktions- stadium erhalten, weil sie so frequent sind, daß keine Erholung wieder eintreten kann, wird hierdurch gestützt. Über das physiologische Stickstoffminimum. Von Karl Thomas. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Berlin.) I. Theoretischer Teile Ergebnisse. Die günstigsten Bedingungen für eine möglichst kleine N-Ausschei- dung bestehen bei N-Hunger und genügender Deckung des Energiebedarfs durch leicht resorbierbare Kohlehydrate. Dabei werden beim Menschen pro Kilogramm Lebendgewicht nur 40 bis 308 N im Urin! ausgeschieden. Es ist dies die Summe des N, um den die Körperzellen täglich ihren Bestand verringern, er fällt bei der Arbeitsleistung als weiterhin un- brauchbar ab, gleichgültig, ob Ersatz dafür da ist oder nicht. Diese N-Menge zusammen mit dem unvermeidlichen N-Verlust durch Haare, Speichel, durch die Abschieferung des Epithels des Verdauungstraktus, der Bildung von Schweiß und anderer Sekrete (Verdauungsdrüsen) nennt Rubner? die Abnutzungsquote des N-Umsatzes. Das physiologische N- Minimum wird also dann gegeben sein, wenn der Nahrungs-N diese N-Ausscheidung eben ersetzt. Dabei können verschiedene Umstände den N-Umsatz in die Höhe treiben. Diese Beziehungen sucht die vorliegende Arbeit genauer festzulegen. Sie zerfällt demnach in zwei Abschnitte. Der erste hat; die Verhältnisse zu. besprechen, bei denen der N-Umsatz auf den Wert der Abnutzungsquote herabgedrückt werden kann, der zweite befaßt sich mit den Umständen, die zu beachten sind, wenn die Abnutzungsquote durch den N der Nahrung ersetzt wird und dabei der N-Umsatz nicht in die Höhe gehen soll. ! Siehe Tabelle. Dies Archiv. 1909. Physiol. Abtlg. S. 244. ? Archiv für Hygiene. Bd. LXVL 8. 37. 250 Kırıu Tuomas: Wie die bekannten Versuche, bei denen nur Fleisch verfüttert wurde, gezeigt haben, wird dieses bzw. seine Spaltprodukte, die Aminosäuren und Peptide, sofort nach der Resorption in zwei Teile zerlegt. Zuerst wird der N abgespalten, da dem Körper für diese Verbindungen im allgemeinen keine ergiebigen Vorratskammern zur Verfügung stehen, der N-freie Rest wird wie die Kohlehydrate und Fette je nach Bedarf zur Deckung des Energiebedarfs herangezogen. Nur ein kleiner Teil des Nahrungseiweißes bleibt als solches be- stehen und wird zum Ersatz des durch Abnutzung verloren gegangenen ver- braucht. Dieses wird dauernd gebraucht, wie Organeiweiß auch dauernd ver- loren geht. Voraussetzung für das Bestehen eines N-Gleichgewichtes ist also, daß allezeit, auch in den letzten Stunden des Versuchstages noch Spaltungs- produkte‘ des Nahrungseiweißes sich in der Zirkulation befinden, die ihren N noch nicht verloren haben. Die Menge dieses „Vorratseiweißes“ — wie es Rubner genannt hat, onne mit dieser Bezeichnung über die „Eiweiß“- natur desselben etwas aussagen zu wollen — wird abhängen von der Menge des Nahrungseiweißes. In der Zirkulation muß aber stets mehr sein, als der Abnutzungsquote entspricht. Denn vom resorbierten Eiweiß wird ja dauernd der größte Teil sofort seines N beraubt. Es ist also klar, daß der niederste N-Umsatz, d.h. die Abnutzungsquote erst dann erreicht werden kann, wenn dieses „zirkulierende“ Vorratseiweiß aus dem Körper ausgeschieden ist. Bei N-Hunger und Kohlehydratkost wird dies am schnellsten zu erreichen sein. Eigene und in der Literatur von Siven, Landergren, Roehl, C. Tigerstedt, Folin u. a. niedergelegte Versuche zeigen, daß die niederste N-Ausscheidung ungefähr vom dritten Tage dieser Kostordnung an erreicht ist. Bis dahin hat der Körper je nach der Höhe des voran- gegangenen N-Umsatzes verschiedene N-Mengen verloren. Doch handelt es sich dabei gewöhnlich nur um wenige Gramm. An der alten An- schauung Voits, daß die Menge des zirkulierenden Eiweißes allein die Höhe des N-Umsatzes regle, ist aber nicht mehr festzuhalten. Denn dann müßte mit dem von Tag zu Tag kleiner werdenden Bestand an Vorrats-N seine Ausscheidung im gleichen Verhältnis abnehmen,! bis er aufgebraucht und die Abnutzungsquote als N-Umsatz erreicht ist. Rechnet man die betreffenden Versuche durch, so findet man keine Regelmäßigkeit in der Ausscheidungsweise des Vorrats-N. Einige Male nimmt der Bestand bis zum Ende, meistens sprungweise ab, ein andermal aber fällt der N-Umsatz in den letzten Tagen verhältnismäßig viel langsamer. Dies ist besonders dann der Fall, wenn der Organismus kurz vorher einen großen N-Verlust wieder ersetzt hat. Es muß dabei noch ein anderer Faktor von Einfluß ! Siehe bei Frank u. Trommsdorf, Zeitschrift für Biologie. 1902. Bd. XLIII. S. 283. a ÜBER DAS PHYSIOLOGISCHE STICKSTOFFMINIMUM. 251 sein. Aufschluß darüber gibt in einer demnächst erscheinenden Arbeit Rubner.! Er zeigte bereits früher,” daß die Aufspaitung des Vorrats- eiweißes nicht nach seiner augenblicklichen Menge, sondern in Rücksicht auf die Bedürfnisse der Zelle stattfindet. Die Zelle ersetzt erst ihren un- vermeidlichen Verlust, bringt dann ihren N-Bestand auf seinen optimalen Bestand: „setzt an“, bildet gegebenenfalls neue Zellsubstanz, erst wenn dann noch ein Rest vom Nahrungseiweiß verbleibt, wird er seines N be- raubt und wenigstens noch dynamisch verwertet. Umgekehrt im N-Hunger, wenn alles Vorratseiweiß ausgeschieden ist, greift der Körper zum Ersatz der Abnutzungsquote in erster Linie das eben erst angesetzte Organeiweiß an, weil es erst teilweise assimiliert und in den Verband des übrigen Zell- proteins noch nicht fest aufgenommen worden ist. Die Tatsache läßt sich leicht zeigen, wenn zwischen zwei Perioden reiner Zuckerkost mit der Abnutzungsquote als N-Ausscheidung eine mehrtägige Periode reiner Fleischkost eingeschaltet wird. In dieser wird N angesetzt, da der Körper durch die Vorperiode an N verarmt ist. Die N-Ausscheidung geht darauf in der Nachperiode sofort herunter, bis sie die Abnutzungsquote beinahe erreicht hat, die Differenz ist nicht auf die relativ geringfügige Erhöhung des N-Bestandes zurückzuführen. Von da an sinkt sie nur langsam bis zur Abnutzungsquote selbst herab. Rubner nimmt daher an, daß dieses noch nicht vollständig von der Zelle assimilierte Organeiweiß den zur Abnutzung kommenden N des Zellbestandes auch noch nicht in gleichen Mengenverhältnissen ersetzen kann, noch nicht die gleiche „biologische Wertigkeit“ besitzt wie vollständig assimiliertes und dem Zell- bestand regelrecht einverleibtes Organeiweiß. Also die wahre Abnutzungsquote des N-Umsatzes ist bei N-Hunger und Zuckerkost erst dann erreicht, wenn alles Vorratseiweiß und auch das frisch angesetzte Organeiweiß ausgeschieden bzw. aufgebraucht ist. Aus meinen Versuchen ergibt sich noch ein drittes Moment, das ich jedoch nicht definieren kann. Im Verlauf der letzten 2!/, Jahre habe ich sieben derartige Versuche an mir ausgeführt, die teilweise bis zu 9 Wochen hinter- einander gedauert haben, während deren ich also meinen Energiebedarf nur in Kohlehydraten gedeckt habe und Fett sowohl als Eiweiß in der Nahrung beinahe vollständig ausgeschlossen war. Die Abnutzungsquote ist regelmäßig von Versuch zu Versuch gefallen; von 4-63 auf 3-99, 3-22, 3-00 und 2.22grm N. Die einzige, objektiv nachweisbare Änderung im Körperzustand ist eine Zunahme des Körpergewichts von 70 auf 75*® gewesen, diese geringfügige Verschiebung des Verhältnisses, in dem Eiweiß und Fett im 1 Dies Archiv. 1911. Physiol. Abtlg. S. 65. 2 Archiv für Hygiene. 1908. Bd. LXVI. 8.43. 252 Kıru Toaomas: Körper vorhanden sind, zugunsten des letzteren, kann nicht, jedenfalls nicht allein in Betracht kommen. Dagegen läßt sich eine andere Erklärung dieses Befundes nicht ganz von der Hand weisen. Die neueren schönen Untersuchungen über den Abbau von Fett- und Aminosäuren im inter- mediären Stoffwechsel haben gezeigt, daß letztere über die entsprechenden a-Ketonsäuren abgebaut werden. Dabei kam Knoop! in allerjüngster Zeit zu der bemerkenswerten Tatsache, daß manche &-Ketonsäuren — er ver- :fütterte Y-Phenyl-«-Keto-Buttersäure”? — den Organismus wieder in Form der entsprechenden acetylierten Aminosäure verlassen. Knoop’s verfütterte Säuren kommen normalerweise im Organismus nicht vor; es wäre daher der Einwand berechtigt, daß solche Umwandlungen nur bei körperfremden Ketonsäuren entstehen. Doch ist er es wahrscheinlich nicht mehr nach den Untersuchungen von Embden und Schmitz,° die in der über- lebenden Leber aus den betreffenden Ketonsäuren Alanin, Phenylalanin und Tyrosin gebildet erhielten. Für diese in den Organismus mit dem Eiweiß der Nahrung normalerweise eingeführten Aminosäuren wäre also ebenfalls eine synthetische Bildung im Organismus möglich. Für andere, wie das Tryptophan, hat Abderhalden? bewiesen, daß sie nicht möglich ist. Unter Berücksichtigung dieser Tatsachen erhalten wir eine andere Auffassung von dem verschiedenen N-Minimum bei Kohlehydrat- und bei ausschließ- licher Fettkost. Die Kohlehydrate werden nach O. Neubauer und From- herz° vielleicht über ‘die Brenztraubensäure abgebaut; aus dieser kann aber Alanin entstehen. Es wäre also denkbar, daß bei ausschließlicher Ernährung mit Kohlehydraten im intermediären Stoffwechsel N-freie Spaltprodukte von der Art der «-Ketonsäuren in solcher Menge entstehen, daß mit ihrer Hilfe ein Teil des N, der bei der „Abnützung“ ausgeschieden wird, zur synthe- tischen .Bildung von Aminosäuren wieder benutzt werden kann. Aus dem Fett entstehen nach der Anschauung von Knoop keine in dieser Weise wieder verwertbare Substanzen, daher bei Fettkost kein N wieder eingespart werden kann. Die N-Ausscheidung bei Fettkost würde also der „Ab- nützungsquote des N-Umsatzes“ entsprechen, so wie sie von Rubner definiert worden ist;° dann würde die bei Kohlehydratkost nur dem Teil der Abnützungsquote entsprechen, der aus solchen Aminosäuren frei geworden 1 Zeitschrift für physiol. Chemie. 1910. Bd. LXVII. S.489 und 1911. Bd. LXXI. S. 252. ? Anmerkung bei der Korrektur: und laut brieflicher Mitteilung Phone 201, ® Biochemische Zeitschrift. 1910. B. XXIX. S. 423. * Zeitschrift für physiol. Chemie. 1907. Bd. LIII. S. 470 u. 480 und 1908. Bd. LVII. S. 364. ®? Ebenda. 1910. Bd. LXX. S. 350. 6 Archiv für Hygiene. Bd. LXVI. ÜBER DAS PHYSIOLOGISCHE STICKSTOFFMINIMUM. 253 ist, die im Tierkörper nicht wieder synthetisch hergestellt werden können. Bei meinen mehrfachen Versuchen, bei denen der Körper während längerer Zeit einseitig nur mit Kohlehydraten ernährt wurde, hat er vielleicht immer mehr die Fähigkeit erlangt, einen Teil des N der Abnützungsquote wieder zu synthetischen Prozessen zu verwerten. Der Umsatz wäre also stets der gleiche geblieben, nur die N-Ausscheidung ist von Versuch zu Versuch kleiner geworden. Je stärker die Maschine arbeitet, desto stärker wird sie abgenutzt. Auch die Zelle verliert mehr N von ihrem Bestand, wenn sie eine größere Arbeit leistet. Denn die Abnutzungsquote ist veränderlich mit der Größe der Gesamtarbeitsleistung des Körpers, wie ich in einem dreitägigen Selbst- versuch zeigen konnte. Wenn der als Abnutzungsquote zu Verlust gehende N durch den Nahrungs-N eben ersetzt wird, so befindet sich der Körper im niedersten N-Gleichgewicht. Die Bedingung, daß der N-Umsatz dabei nieht in die Höhe geht, ist nur erfüllbar, wenn Nahrungs-N und Körper-N sich im gleichen Verhältnis ersetzen können. Dies Verhältnis, ich habe es bio- logische Wertigkeit genannt, ist für die N-Substanzen der verschiedenen Nahrungsmittel ein ganz verschiedenes. Im manchen Nahrungsmitteln (z. B. Fleisch, Milch) kann der N den Körper-N im Verhältnis 1:1 er- setzen, bei anderen vorwiegend vegetabilischen Nahrungsmitteln arbeitet der Körper mit einem Verlust von bis zu 60 Prozent der Nahrunes-N. Auf diesen Faktor will ich hier nicht weiter eingehen, er ist in meiner früheren Arbeit! ausführlich besprochen worden. Eine zweite Beziehung, die zwischen der Abnutzungsquote und der kleinsten sie ersetzende N-Menge der Nahrung besteht, läßt sich bereits aus dem Begriff Abnutzungsquote ableiten. Dieser N geht dauernd zu Verlust, soll er. ersetzt werden, muß also auch dauernd Nahrungs-N zirkulieren. Da der Körper keine Vorratskammer für N besitzt, darf also nur die augenblicklich nötige Nahrungsmenge in der Zirkulation vorhanden sein, ein Überschuß käme ja zur Ausscheidung. Im Experiment muß ich mich damit begnügen, zu erreichen, daß nur die in der Zeiteinheit nötige N-Menge der Nahrung zur Resorption gelangt. Die bei der Zelltätigkeit zu Verlust gehende N-Menge, deren Summe unsere Abnutzungsquote darstellt, wird nicht gleich- mäßig, während der einzelnen Tagesstunden ausgeschieden. Wahrscheinlich wird sie auch entsprechend den Tagesschwankungen der Körpertemperatur und den Kraftleistungen des Körpers ungleichmäßig gebildet, ich werde es ' also praktisch nie erreichen können, daß an dem Ort, wo im gegebenen. ! Über die biologische Wertigkeit der Stickstoffsubstanzen in verschiedenen Nah- rungsmitteln. Dies Archiv. 1909. Physiol. Abtlg. 8. 219. 254 Karı Taomas: Moment Nahrungs-N gebraucht wird, auch dieser und zwar nur dieser in der gewünschten Menge vorhanden ist. Daß der N-Umsatz bei fraktionierter N-Zufuhr kleiner ist als bei ein- maliger, habe ich bereits in der vorigen Arbeit gezeigt (S. 231 unten). Wäre ich experimentell imstande die Bildung von überschüssigem zirku- lierendem Nahrungseiweiß vollständig auszuschließen, so müßte — gleiche Wertigkeit von Körper-N und Nahrungs-N (z. B. Fleisch) vorausgesetzt — der Umsatz trotz N-Zufuhr unverändert bleiben. Es muß dies der Fall sein, gleichgültig ob der Energiebedarf des Körpers durch Kohlehydrate gedeckt ist und der N-Umsatz daher die Abnutzungsquote darstellt, oder ob zur Be- streitung der energetischen Aufgaben ausschließlich Fett gereicht wird, und dabei außerdem noch zu dynamischen Zwecken etwas Körpereiweiß zer- fällt.! Ja, selbst im Hungerzustande, wo Körpereiweiß je nach dem Er- nährungszustand in größerer Menge zu dynamischen Zwecken zersetzt wird, sollte nach diesen Anschauungen die N-Verarmung des Körpers durch Fleisch aufgehoben werden können, ohne daß der N-Umsatz dabei in die Höhe geht, wobei nach wie vor der Körper seinen Energiebedarf durch Einschmelzen seines eigenen Fetts bestreitet. Für Zuckerkost habe ich Versuche bereits mitgeteilt; nach Zufuhr von Fleisch bleibt der N-Umsatz der gleiche wie im N-Hunger, da hierbei die Periode der N-Zufuhr nur 2 Tage dauerte, stellte ich zwei neue Versuche in der Absicht an, dieses niedrige N-Gleichgewicht längere Zeit durch- zuführen. Es ist mir dies nicht gelungen. Beidesmal ging vom 2. Tage an der N-Umsatz — allerdings nur ganz allmählich — in die Höhe. Beim Hund gelang mir die Durchführung des Versuches ebenfalls nicht, da hier eine gleichmäßig niedrige N-Ausscheidung bei reiner Kohlehydratkost für längere Zeit nicht zu erreichen wäre. In dem entsprechenden Selbstversuch mit Fettkost ging die N-Aus- scheidung bei fraktionierter Fleischzufuhr nur um 26-5 Proz. (von 8-10 8m auf 10-25 8”=) in die Höhe. Die gleiche geringe Steigerung des N-Umsatzes (19 Prozent) war zu beobachten, als ich einen Hund im protrahierten Hungerzustand ausschließ- lich mit Fleisch ins niedrigste N-Gleichgewicht brachte. Ich selber konnte allerdings mit einer Fleischzufuhr, die das 2!/,fache meiner Hungerzersetzung betrug, noch nicht ins N-Gleichgewicht kommen. Dafür hatte der Hund vor Beginn des Versuchs bereits einen beträchtlichen Teil seines N-Be- standes eingebüßt, während mein N-Bestand nicht weit vom optimalen entfernt war und daher nur eine geringe Anziehung für das in der Zeit- einheit überschüssig auftretende Vorratseiweiß bestand. ! Rubner, Archiv für Hygiene. Bd. LXVI. S. 38. ÜBER DAS PHYSIOLOGISCHE STICKSTOFFMINIMUM. 255 Aus diesen Betrachtungen ziehen wir den Schluß, daß die Höhe des physiologischen N-Minimums durch die drei Faktoren, die biologische Wertigkeit des Nahrungs-N, die Bildung von Vorratseiweiß und die Größe des Energieumsatzes des Körpers bestimmt wird. Das physiologische N-Minimum ist gleich der Abnutzungsquote, wenn Nahrungs-N und Körper-N sich in gleichen Mengenverhältnissen vertreten, wenn durch fraktionierte Eiweißzufuhr die Bildung von Vor- ratseiweiß vermieden wird und wenn die Versuchsbedingungen beiN-Hunger und bei eben gedecktem N-Bedarf gleichgehalten werden, so daß der Kraftbedarf des Körpers sich nicht ändert. II. Experimenteller Teil. a) Bestimmung der Abnutzungsquote des N-Umsatzes. Bei der vorhergehenden Betrachtung ist gezeigt worden, welche theore- tische Bedeutung diesem kleinsten N-Umsatz zukommt. Seine Höhe für den betreffenden Versuch einwandsfrei festzulegen, ist daher sehr wichtig. Man darf sich nicht begnügen, bei N-armer Kost einen sehr niedrigen N-Umsatz erzielt zu haben, sondern muß eine Zeitlang absoluten Mangel jedes N-haltigen Nahrungsmittels in der Kost eintreten lassen und dabei die energetischen Bedürfnisse des Körpers durch Kohlehydrate bestreiten. Sicher erreicht man sein Ziel bei einer genügenden Zufuhr von reinem Zucker. Diese Kost hat man so lange fortzusetzen, bis einige Tage hinter- einander die N-Ausscheidung vollkommen gleiche Werte zeigt. Es ist leicht einzusehen, daß uns für derartige Experimente das gewöhnliche Ver- suchstier in der Ernährungsphysiologie, der Hund oder das Kaninchen, im Stich läßt. Der Hund nimmt Zucker allein oder Zucker-, Fett- bzw. Stärke-Fettmischungen wohl einige Zeit, aber wochenlang und Tag für Tag in kalorisch reichlicher Menge diese Kost ihm zuzuführen, ist nicht möglich. Dem Kaninchen konnte die genügende Kohlehydratmenge durch die Schlundsonde leicht eingeführt werden. Doch kämen wir auch dann nicht zum Ziel. Je kleiner nämlich das Versuchstier ist, ein desto größerer Anteil an den Stoffzersetzungen kommt verhältnismäßig auf das Eiweiß. In gleichen Zeiten verbrauchen kleine Tiere verhältnismäßig viel mehr von ihrem N-Bestand als große. Eine Änderung des N-Bestandes drückt sich aber sofort in der Größe des N-Umsatzes bei sonst gleich bleibenden Verhältnissen aus. Wenn sich also der N-Bestand des Tieres in kurzer Zeit bereits stark ändert, so werden unsere Versuchsergebnisse noch durch einen Faktor beeinflußt, dessen Störung wir rechnerisch nur unscharf eliminieren können; beim Menschen dagegen können wir die Änderung 256 Kıaru Taomas: des N-Bestandes außer Betracht lassen, denn auch in langen Versuchs- zeiten von N-Hunger und Kohlehydratkost ändert er sich bei einem Anfangs- bestand von über 2000 == N prozentisch nur wenig. Wie eben bemerkt, kann die- Abnutzungsquote des N-Umsatzes erst erreicht sein, wenn die Reste des vorausgegangenen Nahrungseiweißes den Körper wieder vollständig verlassen haben. Die N-Ausscheidung fällt mit der N-freien Kost. Es werden, bis der niederste N-Umsatz erreicht ist, im ganzen verschiedene N-Mengen ausgeschieden, je nach dem N-Gehalt der vorausgegangenen Kost. Im allgemeinen handelt es sich dabei nur _ um wenige Gramm. Dieser Stickstoff muß aus dem von der letzten Nahrungsaufnahme übrig gebliebenen Vorratseiweiß frei geworden sein. Er verläßt den Körper je nach seiner Menge mit verschiedener Geschwindigkeit. Deshalb wird im Verhältnis zu dem im Körper noch vorhandenen Vorrats- eiweiß keine gleichmäßige Ausscheidung beobachtet. Rechnet man einige Versuche, bei denen die Abnutzungsquote bestimmt wurde, in der Weise durch, daß man die in 24 Stunden ausgeschiedene N-Menge des Vorrats- eiweißes (d. h. die N-Menge des Urins vermindert um den Betrag der Abnutzungsquote) in Prozenten des an diesem Tage noch vorbandenen Be- standes an Vorrats-N ausdrückt, so erhält man keine regelmäßige Zahlen- reihe. Am 1. N-Hungertage Landergrens im Versuch IV ! waren im Körper noch 18.14 m Vorrats-N vorhanden, davon sind ausgeschieden worden am 1. Tag 83-7 Prozent. Von dem noch verbleibenden Rest am nächsten Tag 81-3 Prozent, von diesem Rest wieder 151.7 Prozent, dann 166-7 Prozent und schließlich am fünften und letzten Tag der Rest, d.h, 200 Prozent des mittleren Bestandes an orrats-N dieses Tages. Die ent- sprechenden Zahlen an meinem Kohlehydratversuch IV? sind 70.6 Prozent, 61-4 Prozent, 188.4 Prozent, 200-0 Prozent und an einem gleichartigen 1 Skandin. Archiv für Physiologie. Bd. XIV. 8.120. Tag Urin-N Abnutzungs- | Ausgeschiedenes Mittlerer Bestand In Prozent quote Vorrats-N an Vorrats-N |ausgeschieden 1 13.70 3-0 10-70 | 12-79 83.7 2 1:30 | 3-0 4-30 | 5.29 81-3 3 | 5.70 3.0 2.70 1.78 151-7 Br ER Er 3.40 3-0 0-40 0-24 166-7 5 3.04 3-0 0-04 0-02 200:0 2 Dies Archiv. 1909. Physiol. Abtlg. 8. 234. = 6.46 3.02 | 3.44 | 4:87 70-6 2 | rl) 3-02 | 1.48 | 2-41 61-4 a N. 1-62 12.865 188-4 4 "BOT 3.02 | 0-05 | 0-025 200-0 ÜBER DAS PHYSIOLOGISCHE STICKSTOFFMINIMUM. 257 anderen Versuch (5.1. 1910)! (66-8 Prozent, 82:9 Prozent, 182.8 Prozent, 200 Prozen)t. Man sieht, in den drei Versuchen wird weder an den ein- zelnen Tagen einer Serie, noch an den entsprechenden Tagen der drei Serien die gleiche Menge Vorrats-N im Verhältnis zu seinem mittleren an dem betreffenden Tage vorhandenen Bestand ausgeschieden. Das heißt aber, daß die Menge eines „zirkulierenden“ Eiweißes nicht die Höhe der Zersetzung bestimmt, sondern daß hierfür auch andere Momente in Be- tracht kommen müssen. Nicht verantwortlich hierfür ist das Ausscheidungs- und Resorptionssystem, wie .es bei den Versuchen von Frank und Tromms- dorf offenbar von Bedeutung ist. Ich habe es ja nur mit 24stündigen Perioden zu tun, wo also Verschiedenheiten dieser Art die Resultate kaum beeinflussen können. Dagegen sieht Rubner eine Ursache in den Bedürf- nissen der Zelle, die nicht passiv aus dem sie umspülenden Nahrungsstrom aufnimmt, was sich ihr bietet, sondern die selbständig wählt, die nur das nimmt, was sie im Moment gerade braucht. Das aufgenommene Vorrats- eiweiß wird dann Organeiweiß und ersetzt einmal das als Abnutzungsquote verloren gegangene und ferner bringt es die Zelle ihrem optimalen N-Be- stand näher. Bevor es aber regelrecht in den Zellverband eintritt, muß es umgearbeitet, assimiliert werden; solange dies noch nicht der Fall ist, wird es bei eintretendem N-Hunger als noch nicht vollwertig zuerst ab- gestoßen.” Es kann aber den N der Abnutzungsquote noch nicht zu gleichen Gewichtsteilen ersetzen; d. h. schließe ich einen N-Hungerversuch an eine Periode mit hohem N-Umsatz an, in der der Körper reichlich N angesetzt hat, so fällt die N-Ausscheidung anfangs sehr rasch, bis alles Vorratseiweiß ausgeschieden ist, von da an bestreitet das eben erst an- gesetzte, aber noch nicht vollwertige Organeiweiß die N-Bedürfnisse des Körpers und ist dann dieses aufgebraucht, wird die N-Ausscheidung mit der Abnutzungsquote identisch. Bei dem Versuch, der diese Verhältnisse klar legte, wurde zwischen zwei Perioden von reiner Zuckerkost und der Abnutzungsquote als N-Auscheidung eine mehrtägige Periode von reiner Fleischkost eingeschaltet. Die N-Ausscheidung im Urin betrug in der Vor- periode 2.22 sm N. In 4 Tagen, in denen insgesamt 304 sm N zur ! Versuch vom 15. I. 1910. Siehe unten S. 280. : Abnutzungs- | Ausgeschiedenes Mittlerer Bestand) In Prozent Im Bu quote Vorrats-N an Vorrats-N | ausgeschieden 1 5.69 0 sea es | 668 2 4.57 . 3-0 | 1-57 | 1.895 82-9 3 406 3-0 | 1-06 | 0.58 . 182-8 4 3-05 3:0 0-05 0-025 - 200-0 ? Rubner, Die Beziehungen zwischen Eiweißbestand des Körpers und der Eiweib- menge der Nahrung. Dies Archiv. 1911. Physiol. Abtlg. Heft 1/2. S. 65. Archiv f. A.u. Ph. 1910. Physiol. Abtlg. Suppl, 17 258 Karu THomas: Resorption kamen, wurden 65-8:”= im Körper zurückbehalten. Am letzten Fleischtag kamen im Urin 77 sr= N zur Ausscheidung. Die N-Ausscheidung fällt dann stark bei N-Hunger und Zuckerkost, aber nach 8 Tagen, während der 65-58® N zur Ausscheidung gekommen, d.h. der größte Teil des N vom Vorratseiweiß, beträgt die N-Ausscheidung im Urin noch 3.53, hat also noch nicht ihren vorhergehenden niederen Stand erreicht: leider konnte die einförmige Zuckerkost nicht noch länger ertragen werden; ich bin überzeugt, daß sonst die N-Ausscheidung immer kleiner geworden wäre, daß sie wieder auf der Abnutzungsquote von 2-22”= N angekommen wäre, einen Wert, den sie 10 Tage später ohne einen nenneswerten N-Verlust in der Zwischenzeit erreicht hat. Datum 19.1.10| 20.1. | 25.1. ee are 29.1. 30-15 nalslE Versuchstag | 22 23 28 29 30 31 32 33 34 Einnahme N _ 3:66 76-02) 88-59 84-92] 71-44 P= = — Kot-N 0:68 | 0-68 3:49 4:80 4:60 3.87 0-58 0:58 0-58 N resorbiert — 2:98 72-53] 83-79 80-32] 67-57 — — _ Urin-N 2-221 2:31] 28-96) 59-21| 72-47| 77-73) 28-31] 10-70| 5-15 Bilanz — 2:90 |+0:67| +43:47| +24:58|+7-85|—10:16)— 28:89 —11:28I— 5:73 Fleischzufuhr Datum 1.7.72. 16) 3. 10) £M. °5.1. | 14.10.15. 127 See Versuchstag 35 36 37 38 39 48 49 50 51 Einnahme N _ _ — _ — —_ _ _ 2-89 Kot-N 0-58] 0-58| 0-:58| 0-58| 0-58 0-73 0:74| 0.73 0:74 N resorbiert _ —_ —_ = —_ SM — = 2-15 Urin-N 5:16| 4:72| 4-17 3:93| 3.46 3:06 2-31 2:16 2:23 Bilanz — 5.74 |—5-30 |—4-75 |—4-51 4:04 | —3:79 | —3:05 | — 2-89 | —0-08 Fleisch Bei der Berechnung dieses Versuches analog den früheren mache ich die — wie wir unten sehen werden — dieses Mal nicht zutreffende Voraussetzung, daß die Abnützungsquote des N-Umsatzes dauernd 2.22m N betragen habe. i Abnutzungs- | Ausgeschiedenes Mittlerer Bestand] Ausgeschieden Urin-N, in Prozent quote Vorrats-N an Vorrats-N | ges mittleren Wertes 28-31 2-22 26-09 31-81 82-0 10:70 2.22 8:48 17:52 48-4 515 2-22 | 2.93 | 11-82 24.8 5-16 2-22 2:94 8-88 33-1 4-72 2:22 2-50 | 6-16 40:6 4-17 | 2.22 1:95 | 3:94 49»5 3.93 | 2-22 1-71 2-10 81-4 3.46 2:22 | 1:24 0:62 200:0 ÜBER DAS PHYSIOLOGISCHE STICKSTOFFMINIMUM. 259 Die Angaben der letzten Spalte würden noch etwas kleiner, wenn wir in der Rechnung berücksichtigen könnten, daß am letzten Tage das frühere N-Minimum noch nicht erreicht war, der Bestand an Vorrats-N also tat- sächlich etwas größer gewesen ist. Doch auch dann bleibt eine deutliche Abweichung gegen die früheren Versuche. Während in diesen die N-Menge des Vorratseiweißes, die täglich zur Ausscheidung kam, mit dem kleiner werdenden Bestand zunimmt, nimmt sie hier anfangs ab. Der scheinbare Widerspruch verschwindet aber sofort, wenn wir beachten, daß Vorrats-N kaum unverändert während voller 8 Tage in der Zirkulation geblieben sein kann. Wir haben es hier mit zwei verschiedenen „Eiweiß“arten zu tun. Nur in den ersten 3 Tagen ist Vorrats-N ausgeschieden worden. Dann war bereits die Abnutzungsquote des N-Umsatzes erreicht. Da sie aber jetzt nicht wie vor der Fleischperiode aus fertigen Zellbestandteilen, sondern aus dem eben assimilierten Eiweiß von geringerer biologischer Wertigkeit gebildet wurde, so wurde mehr N verbraucht. In dem Maße, als das „Übergangseiweiß“! aufgebraucht wird, wird ein immer größerer Teil echten Örganeiweißes zerstört, infolgedessen nähert sich die N-Ausscheidung immer mehr der früheren Abnützungsquote. Bei dieser Art der Betrachtung er- halten wir dann aus unseren Zahlen gut zu deutende Werte: An den ersten 3 Tagen beträgt die Abnützungsquote des N-Umsatzes, die vom Übergangseiweiß allein bestritten wird, 5-15 sm N; vom Vorratseiweiß werden also ausgeschieden 23-168= und 5-55 =%, das sind — bezogen auf den mittleren Bestand an dem betreffenden Tage — 135-2 Prozent bzw. 200 Prozent. Am vierten Tage beginnt bereits eine Beteiligung des eigentlichen vollwertigen Zellbestandes an dem N-Umsatz; dabei ersetzt er allmählich das in immer kleinerer Menge vorhandene Übergangseiweiß. Es wird der N-Umsatz bestritten vom Übergangseiweiß vom ursprünglichen Zellbestand am 31.1. zu 100 Prozent _ — -AuR „ 100 35 — 2, 107 285 Ss zu 15 Prozent 3.11. a en ID 4. 11. 58 es u 74 > 5.1. AR, Bi SHagtsl, 14.0. 30, ;; ra ARE IE 16. 11. —_ > 100 % GN ?” Siehe Rubner, Die Beziehungen zwischen dem Eiweißbestand des Körpers und der Eiweißmenge der Nahrung. Dies Archiv. 1911. Physiol. Abtlg. Heft 1/2. S. 66 17* 260 Kıru Taomas: Während der Fleischperiode waren 65-8s"m N angesetzt, davon sind als Vorrats-N. wieder zum Vorschein gekommen 28.7 sm — 43.6 Prozent, als Übergangseiweiß dagegen etwas mehr als 85.08: — 53.2 Prozent, da ja die Beobachtung in gleicher Weise nicht lang genug fortgesetzt werden konnte Zum vollwertigen Ansatz ist also trotz reichlicher Zufuhr kaum ein kleiner Bruchteil des Nahrungs-N gekommen. b) Stickstoffbedarf bei Muskelarbeit. Die Beziehungen zwischen N-Umsatz und körperlicher Arbeit nehmen in der Literatur der Stoffwechselphysiologie einen breiten Raum ein. Hier kommt nicht in Betracht, wie das Protein zur Arbeit ausgenutzt wird, auch nicht die N-Retention, die bei länger dauernder Muskelarbeit, beim Training, in Form des Muskelansatzes zur Beobachtung kommt, sondern wir be- schäftigen uns nur mit der Frage: Findet bei einmaliger kräftiger Muskelarbeit ein vermehrter Verbrauch von Körpereiweiß statt? Weitaus die meisten Arbeiten behandeln das Thema nicht von diesem Gesichtspunkt aus und können daher ohne weiteres übergangen werden. Andere haben zwar unsere Fragestellung, doch zeigen sie eine Versuchs- anordnung, die einwandsfreie Resultate nicht erzielen läßt. Dafür ist Vor- bedingung: 1. Daß das Vorratseiweiß aus der dem Versuch vorher- gehenden Nahrung vollständig ausgeschieden ist. Denn der Körper braucht während der Arbeitstage mehr Wasser, um die überschüssige Wärme ab- geben zu können. Er wird dabei mehr aufnehmen als hierzu unbedingt nötig ist. Mit dem dünneren Urin könnte aber unter Umständen Stick- stoff ausgeschieden werden, der nicht der Abnutzungsquote angehört. 2. Daß der Glykogenvorrat des Körpers in der Ruhe- und Arbeitsperiode der gleiche ist. Er ist abhängig von dem Kohlehydratreiehtum der Kost. Diese muß also stets gleichartig zusammengesetzt sein. 3. Daß die Kost auch an den Arbeitstagen energetisch genügt. Sonst müßte der Körper seinen Fettbestand angreifen, wodurch einmal die Qualität der Kost geändert wird und dadurch der N-Umsatz in die Höhe gehen kann und andererseits mit der Auflösung von Körperfett auch etwas N-Substanz eingeschmolzen wird. 4. Daß in der Nahrung nicht mehr Eiweiß enthalten ist, als für seine stofflichen Aufgaben, den Ersatz der Abnutzungsguote gerade not- wendig ist. Die Literatur ist in jüngster Zeit von Tigerstedt in Nagels Handbuch I, 442 und von Magnus-Levy in v. Noordens Handbuch I zusammengestellt und kritisch gesichtet worden. Wie wenig die vorliegenden Experimente eine sichere Beantwortung der vorliegenden Frage gestatten, geht schon daraus hervor, daß beide Kritiker zu verschiedenem Resultat kommen. Tigerstedt kann sich nicht davon überzeugen, daß bei Muskel- arbeit eine Vermehrung des N-Umsatzes eintritt, während Magnus-Levy ÜBER DAS PHYSIOLOGISCHE STICKSTOFFMINIMUM. 261 dies für wahrscheinlich hält. Unsere Bedingungen einer exakten und ein- wandsfreien Beweisführung sind nicht erfüllt bei allen Experimenten, bei denen sich die arbeitende Person im vollständigen oder partiellen Hunger- zustand befand, weshalb wir die geringe Steigerung des N-Umsatzes, die as den Arbeitstagen beobachtet wurde, nicht als durch die Arbeit allein bedingt, ansehen dürfen. Eine Durchrechnung der Versuche von Voit,! von Voit und Pettenkofer,? Krummacher,? Kellner,* Argutinski,° Munk® erübrigt sich deshalb; das gleiche ist der Fall bei den Arbeiten von Krummacher,’” Pflüger,® Kaup,?’ Dunlop-Paton-Stockman und Maccadam,!’ Zuntz, Frentzel und Loeb,!! Zuntz-Schum- burg!? und den zahlreichen Bilanzversuchen von Atwater und Benedikt, weil hier der N-Umsatz weit über der Abnutzungsquote liegt und ein während der Arbeit vermehrter N-Bedarf des Körpers dadurch verdeckt worden sein kann. Hirschfeld! hat einige Versuchsreihen mit N-armer, kohlehydratreicher Kost. Doch dauert eine derartige Periode bei ihm nur 2 Tage und ist in eine mit eiweißreicher Kost eingeschaltet. Die an den N-armen Versuchstagen ausgeschiedenen Mengen von Vorrats-N stören daher das Resultat. Frentzel!* fütterte einen Hund (33 Fe) mit 150% Fett, was dem Bedarf seines Ruhestoffwechsels ungefähr entspricht. Nachdem die N-Ausscheidung konstant geworden war, ließ er das Tier auf der Tretbahn laufen. Es leistete dabei in 2 Tagen 200 974 =ks — 473 Kal.. bei 33 Prozent Nutzeffekt hat es also 768"= Fett im Tage mehr verbraucht, die es, da die Kost die gleiche blieb, von seinem Körper nehmen mußte. Die geringe Steigerung des N-Umsatzes (von 6-11 :”® mit 6-68”) kann daher die Folge dieses partiellen Hungerzustandes sein. Es fehlt also ein Versuch, bei dem die Abnutzungsquote des N-Umsatzes einmal in der Ruhe und dann an den Arbeitstagen direkt bestimmt ist. Die N-Menge des Urins kommt dann in beiden Perioden nur aus dem Zellmaterial, das 1 Zeitschrift für Biologie. 1866. Bd. II. S. 339. 2 Fbenda. 8.459. 3 Pflügers Archiv. 1890. Bd. XLVII. S. 454. * Landwirtschaftliches Jahrbuch. 1879. Bd. VIII. 8. 701. 5 Pflügers Archiv. 1890. Bd. XLVI. S. 652. 6 Dies Archiv. 1890. Physiol. Abtlg. S. 557. ” Zeitschrift für Biologie. 1896. Bd. XXXIIl. S. 108. 8 Pflügers Archiv. Bd. L. 8.98 und Bd. LXXIX. 8.537. 1900. ® Zeitschrift für Biologie. 1902. Bd. XLIII. S. 221. 10 Journ. of Physiol. 1897. Vol. XXII. p. 68. I! Dies Archiv. 1894. Physiol. Abtlg. S. 541. 12 Ebenda. 1895. Physiol. Abtlg. 8.379 und Physiologie des Marsches. 1901. 18 Virchows Archiv. 1890. Bd. CXXI. S. 501. 12 Pflügers Archiv. 1897. Bd. LXVIIL S. 212. 262 Kırı Thomas: bei dem Lebensprozeß der Zellen abgefallen ist. Bei Muskeltätigkeit wird nun in einem Teil der Körperzellen eine Steigerung der chemischen Prozesse eintreten. Es ist denkbar, daß dabei auch Zellmaterial in vermehrter Menge zur Abnutzung und damit zur Ausscheidung kommt. Der Versuch kam also in folgender Weise zur Ausführung: Ich drückte durch mehrtägige reine Zuckerkost meinen N-Umsatz auf die Abnutzungs- quote herunter; an diese Vorperiode schloß sich die 3tägige Hauptperiode, in der ich eine mittlere ergostatische Arbeit leistete, dessen Aufwand durch vermehrte Zuckerzufuhr reichlich gedeckt war. Da ich am 1. Tage dieser ungewohnten Anstrengung in starkes Schwitzen kam, so verrichtete ich an den folgenden Tagen die Arbeit im kalten Raume und nur leicht bekleidet im Wind eines starken Ventilators stehend. So vermied ich mit Sicherheit die Bildung von tropfbar flüssigem Schweiß. Eine N-Bestimmung in der Hautabsonderung dieser Tage wurde nicht gemacht. Auf die Arbeitstage folgten als Ruhetage wieder solche mit der gewöhnlichen Laboratoriums- arbeit unter Beibehaltung der reinen Zuckerkost. Datum 5.1. 10 6.1. Ta 81. 9.1. RE IA. Versuchstag 8 g 10 11 12 13 17 Einnahme N | ri) — —.. ag) = — — . Kot-N 137.110 437 1-37 | 1-37 1-37 | 1-37 0-68 N resorbiert | — | — ee = Urin-N 5:69 | 4+57 4-06 3+05 2.73 3:22 2-85 | | Bilanz —7:06 | —5-:94 | —5-43 | —4-.42 | —4-10 | —4:59 | — 3.53 Datum 15-01. 16. 1. ITadla 18. 1 19. 1. 20.1. Versuchstag 18 19 20 21 22 23 Einnahme N — — _ — —_ 3-66 Kot-N 0-68 0.68 | 0-68 0-68 0-68 0-68 N resorbiert _— N _ n— — 2-98 Urin-N In 227007292290 2.97 2.71 2.22 2-31 Bilanz 13-15 | —3+58 —3-65 — 3.39 — 2-90 +0-67 Ergostatenarbeit| 97 076 105 000 136 000 mkg | | | Im Urin kamen folgende N-Mengen zur Ausscheidung: a) Vorperiode, Ruhe, N-Hunger. | 3-05, 2.73, 3-22, 2-85 8m = 11.85 8m in 4 Tagen, im Tag 2-96 sm, b) Nachperiode, Ruhe, N-Hunger. 2.71, 2.22, 2.31 sm = 7.2429 in 3 Tagen, im Tag 2-41 em, c) Hauptperiode, Arbeit, N-Hunger. 2.47, 2.90, 2.97 8m — 8.3489 in 3 Tagen, im Tag 2.78, ÜBER DAS PHYSIOLOGISCHE STICKSTOFFMINIMUM. 263 —= 2.735”, an den Arbeitstagen Also in den Ruhetagen — — 2.785”, mithin findet keine Steigerung der Abnutzung von Zellmaterial statt. Betrachten wir aber die N-Ausscheidung an den einzelnen Tagen, so erhalten wir einen anderen Eindruck. Am 16. Versuchstag kam 4-00: N im Urin zur Ausscheidung bei negativer N-Bilanz und einer Kost, die lediglich aus Bananen bestand. Am nächsten Tag ist die N-Ausscheidung stark ge- 3-05 +2-.73+3-22 3 bestand, und auch den folgenden Tag sinkt die Ausscheidung trotz der körperlichen Arbeit. Daß Muskelarbeit die N-Ausscheidung der nach- folgenden Ruheperiode beeinflußt, haben bereits Argutinski und Zuntz- Schumburg dargetan. In der Nachperiode sinkt sie ebenfalls weiter, um am 2. Tag auf dem niedersten Stand 2.22s"= N anzugelangen, auf dem sie dann auch trotz Fleischzufuhr bleibt. Legen wir diese Menge => +2-31 anal N) als Abnutzungsquote während der Ruheperiode unserer Betrachtung zugrunde, und schalten wir den 1. Arbeitstag, weil an ihm das N-Minimum vielleicht noch nicht erreicht gewesen war und mit der reichlichen Schweißmenge — die Arbeit kam, wie gesagt, im warmen Zimmer zur Ausführung — eine unbekannte Menge N mehr zur Ausscheidung gekommen sein kann! — aus, so erhalten wir für die Abnutzungsquote am Arbeitstag —— — 2.945m N; d.h. für eine ergostatische Arbeits- leistung von !P oO +36 _ 199000: sind 2.94 — 2.27 — 0.672 N mehr durch Abnutzung in den Zellen verloren gegangen. Der Ergostat ist kein exakter Arbeitsmesser; doch versuchen wir eine grobe Überschlags- rechnung: 241 000%: — 564 Kal. bedeuten bei 25 Prozent mechanischer Aus- nutzung der Arbeit, (was, da ich ungeübt war, voraussichtlich noch zu hoch gegriffen ist) einen Mehrumsatz von 5 x 564 = 2820 Kal., für 1410 Kal. sind also 0-67 sm N mehr zur Ausscheidung gekommen, d. h. für 100 Kal. Muskelarbeit 418 N. Andererseits sind an den Ruhetagen mit mittlerer Laboratoriumsarbeit bei 3000 Kal. Tagesumsatz 2-26 == N zur Abnutzung gekommen, mithin für 100 Kal. 75"s N. Die beiden Werte stimmen nicht überein, doch fehlen zur exakten Berechnung die experimentellen Unterlagen. Der Versuch soll unter Berück- sichtigung des C-Stoffwechsels und der N-Abgabe durch die Haut wieder- sunken unter den Wert des N-Bedarf, wie er vor 4 Tagen = ! Vgl. hierzu die Arbeiten von Argutinski, Zuntz-Schumburg, Atwater- Benedikt, Loewy und Cramer, bei denen eine größere N-Abgabe im Schweiß bei Muskelarbeit zur Beobachtung kan. - 264 Kırı Taomas: holt werden. Von dem N,. der als Abnutzungsquote im Urin zur Aus- scheidung kommt, stammt nur ein Bruchteil, dessen Größe uns unbekannt ist, aus der Muskulatur. Es ist möglich, daß die Muskelzelle bei ihrer Arbeit ihr Material nicht in dem Maße abnutzt, wie andere Körperzellen mit anderen Funktionen. Wird doch gerade von ihr eine wechselnde Arbeitsleistung verlangt, der sie sich angepaßt haben kann. Es ist also theoretisch nicht zu verlangen, daß bei den verschiedenen Arbeitsleistungen der reinen Muskelarbeit einerseits und der Lebenstätigkeit der Körperzellen (= Drüsenarbeit) einschließlich einer unbekannten Größe von Muskelarbeit andererseits das Zellmaterial gleiche Abnutzung erfährt. Diesem Gedanken gab bereits Landergren! Ausdruck. Er fand bei seiner kohlehydratreichen an N ungenügenden Kost die N-Ausscheidung — die beinahe der Abnutzungsquote gleichkam — zur Tageszeit nur wenig vermehrt, gegenüber der in der Nachthälfte ausgeschiedenen Menge, ob- gleich tagsüber eine kräftige körperliche Arbeit geleistet war. ‚Jedenfalls scheint bei genügender N-freier Kraftzufuhr sowohl körperliche wie geistige Arbeit mit einem nur minimalen N-Verbrauch einherzugehen. Ich halte es deshalb für sehr wahrscheinlich, daß unter den genannten Verhältnissen der Stoffwechsel in den Drüsen eine bedeutende Rolle für die Größe des Minimal-N spielt.“ c) Vermeidung der Bildung von überschüssigem zirkulierendem Nahrungseiweiß durch fraktionierte Fleischzufuhr. Im N-Hunger, wenn der N-Umsatz auf die Abnutzungsquote herunter- gedrückt ist, bestreitet die Zelle ihre energetischen Aufgaben lediglich aus den Kohlehydraten der Nahrung. Lege ich nun die dem N-Umsatz ent- sprechende Fleischmenge der Nahrung zu und führe sie gleichmäßig ver- teilt ein, so wird in jedem Augenblick so viel N zur Resorption kommen, als auch gerade zum Ersatz der Abnutzungsquote gebraucht wird, verläuft die Resorption nicht kongruent dem Bedarf, wird in einem Moment mehr N resorbiert als eben gebraucht wird, so wird von dem Nahrungs-N nur ein Teil die Abnutzungsquote decken, der Rest bleibt in der Zirkulation und verfällt der Spaltung; dieser Rest des Nahrungseiweißes geht also dann für seine stoffliehe Aufgabe — den Ersatz von Körpereiweiß — ver- loren. Die Geschwindigkeit der Resorption den Bedarf anzupassen, haben wir kein Mittel. Wir können nur die Zufuhr so regeln, daß ein leicht resorbierbares Nahrungseiweiß, wie es das Fleisch ist, möglichst gleichmäßig in die Zirkulation gelangt. Im Darm wird das Nahrungseiweiß in seine N-haltigen Bausteine zerlegt und gelangt so zur Resorption. Die Ge- 1 Skandin. Archiv für Physiologie. 1903. Bd. XIV. 8.116. ÜBER DAS PHYSIOLOGISCHE STICKSTOFFMINIMUM. 265 .schwindigkeit der Resorption ist aber abhängig nicht nur von seiner Zu- sammensetzung, sondern naturgemäß auch von den übrigen Vorgängen, die sich während dieser Zeit im Darmkanal abspielen. Jüngst haben nun London und Sivre! am Fistelhund einwandsfrei gezeigt, daß Stärke- beigabe die Geschwindigkeit der Resorption von Fleisch-N im Dünndarm unbeeinflußt läßt, während Fett sie verlangsamt. Ich werde also bei Kohlehydratkost oder bei Hunger durch häufige Nahrungsaufnahme leichter eine Überschwemmung des Körpers mit resorbiertem Nahrungs-N ver- meiden können als bei Fettkost, wo die Darmverdauung sich über eine unbestimmte Zeit hinzieht. Dementsprechend muß sich der Einfluß einer Fraktionierung der Zufuhr auf die Höhe des N-Umsatzes bei Hunger und bei Kohlehydratkost deutlicher zeigen lassen als bei Fettkost. Dennoch hielt ich es für richtig, bei allen drei Ernährungsarten die Versuche durch- zuführen. Gelingt es nämlich mit derselben N-Menge, die im Hunger zersetzt wird, allein N-Gleichgewicht zu erzielen, so ist damit gezeigt, daß das Eiweiß in der Kost seine stofflichen Aufgaben erfüllen kann, voll- kommen unabhängig von den energetischen Bedürfnissen des Körpers, für die die N-freien Nährstoffe allein vollauf genügen. 1. Physiologisches N-Minimum bei Kohlehydratkost. Hierbei habe ich nicht die Absicht, die absolute Größe des physio- logischen N-Minimums für den Menschen bei einer Kost anzugeben, bei der die energetischen Bedürfnisse ausschließlich aus Kohlehydraten be- stritten werden. Dessen Höhe hängt ja von verschiedenen Bedingungen ab. Hier soll gezeigt werden, daß eine Fleischmenge, die bei fraktionierter Zufuhr eben N-Gleiehgewicht eintreten läßt, dies bei einmaliger Zufuhr nicht bewirken kann. Ein weiterer Beweis für den Einfluß einer Fraktio- nierung der Zufuhr ist dann gegeben, wenn es gelingt, den N-Verlust der Abnutzungsquote durch N-Zufuhr gerade zu ersetzen, ohne daß der N-Umsatz hierbei in die Höhe geht. Ein derartiger Versuch ist auch deshalb von besonderem Interesse, weil dabei das niederste N-Gleichgewicht besteht, das sich überhaupt denken läßt. Den experimentellen Beweis für beide Behauptungen habe ich bereits in der früheren Arbeit ($. 236) gegeben. Während bei einer einmaligen Zu- fuhr von 7.045s’m Fleisch-N im Urin 7.5s”= N zur Ausscheidung kamen und der Körper an diesem Tage noch 1’3®= N verlor, konnte mit der gleichen Menge bei fraktionierter Zufuhr eine N-Ausscheidung von 3.68 im Urin erreicht worden. Der Körper verlor also nicht nur keinen N, sondern hielt noch 2-6”, d.h. 42 Prozent der Einfuhr zurück. 1 Zeitschrift für physiol. Chemie. 1909. Bd. LX. S. 216. 266 Kırı Tuomas: Tägliche Einnahme: außer der geringen Fleischmenge 850 8” Kohlehydrate. Datum 27. Vl. 28. VI. 29. VI. 30. VI. Versuchstag 1 2 3 4 5 Einnahme N — 3-52 7:04 7.04 7-04 Kot N —_ 0-85 0-85 0-85 0-85 N resorbiert = 2.67 6-19 6-19 6-19 Urin N 3:99 3-86 3.59 59.88 7-47 Bilanz —1.19 +2°60 +0:»31 —1.28 Wie sich aus der Tabelle ergibt, ging der N-Umsatz im Vergleich zum N-Umsatz bei N-Hunger, d.h. zur Abnutzungsquote, trotz der reichlichen N-Zufuhr nicht in die Höhe, sondern fiel sogar am 2. Fleischtage (28. Juni) noch um einige Zehntelgramm. Am nächsten Tage jedoch war dies bei dem großen Überschuß an Nahrungs-N zwar der Fall, doch bestand immer noch eine positive N-Bilanz. Der Körper war also am 3. Tag im denkbar kleinsten N-Gleichgewicht. N-Umsatz bei N-Hunger und bei N-Zufuhr waren gleich groß. Leider war die Anordnung des Versuchs so getroffen, daß dieser Zustand nur diesen einen Tag zur Beobachtung kam. Ein gleicher Versuch, bei dem ich aber ebenfalls wieder nur einen Tag mit der N-Menge, die bei N-Hunger abgegeben wurde, ins N-Gleichgewicht kam, ist S.250 angeführt; hier wurde als N-haltige Nahrung neben den Kohlehydraten Kuhmilch ge- geben; bei N-Hunger kamen 3-99 sm N als Mittelwert aus dem 3.—5. Ver- suchstag im Urin zur Ausscheidung, bei Milchzufuhr änderte sich der N-Umsatz nicht, indem 4.008" N ausgeschieden wurden. Als wahrschein- lich darf bei diesem Versuch angenommen werden, daß dieses niedere N-Gleich- gewicht weiter bestanden hätte, wäre der Versuch weiter durchgeführt worden. Denn trotz vermehrter Milchzufuhr am 2. Tag war die Menge des ausge- schiedenen N kleiner und erreichte den Wert der Abnutzungsquote. Datum 16. VI. 17. VI. 18. VI. 19. VI. 20. VI. | 7.VI. |, 8. VI. Versuchstag 1 2 3 4 5 22 23 Einnahme N _ _ _ _ 4:00 6-24 7-28 Kot N 0-97 0:97 0:97 0.97 0:65 1:34 1:33 N resorbiert — — — — 3:35 4:91 5:95 Urin N 6-51 4-30 3.89 4.21 3.87 4-64 4-01 Bilanz —0:52 +0.27 +1:94 Weizen- Kuhmilch mehl Bei dieser Sachlage war es nötig, zu versuchen, dieses kleinste N-Gleichgewicht während längerer Zeit zu erhalten. Ein derartiger Ver- ÜBER DAS PHYSIOLOGISCHE STICKSTOFFMINIMUM. 267 such liegt in der Literatur nicht vor. Siven! war während mehrerer Tage in einem sehr niedrigen N-Gleichgewicht, das kleinst mögliche ist es jedoch nicht gewesen, ‚da die N-Substanz seiner Nahrung aus Vegetabilien stammte und den Körper-N nicht im Verhältnis 1:1 ersetzen kann. Bei - einem zweiten Versuch? kam er nicht ins N-Gleichgewicht. Seine Ab- nutzungsquote hat er direkt nie bestimmt. Klemperer benutzte ebenfalls kein vollwertiges Nahrungseiweiß. Andere Autoren wie C. Tigerstedt, Renvall, Roehl, Folin, af Klercker benutzen das Landergrensche Kostregime, bei dem nur 1—2:” N eingeführt und also N-Defizit besteht. Das niederste N-Gleichgewicht dagegen bestimmen Michaud? sowie Zisterer* und E. Voit und Zisterer.°? Aber ersterer vergleicht es mit dem N-Umsatz bei N-freier Kohlehydratfettnahrung, deren Energieinhalt zum größeren Teil vom Fett bestritten wurde und die daher den N-Um- satz nicht bis auf die Abnutzungsquote herabdrücken konnte, Zisterer dagegen mit der N-Ausscheidung im Hunger, zur Erzielung des niedrigsten Gleichgewichts fügte er aber reichlich Kohlehydrate der Nahrung zu. In den folgenden zwei Versuchen wurden daher die früheren oben erwähnten wieder- holt, jedoch mit dem Unterschied, daß die Fleischzufuhr die Abnutzungs- quote nur um ein geringes übertraf. Natürlich wurde die N-Zufuhr über den Tag gleichmäßig verteilt und sollte mehrere Tage andauern. Datum IT 20.1. 21 L, 22.1. 23.1. 24.1]. Versuchstag 22 23 24 25 26 27 Einnahme-N — 3.66 3.15 3-66 3-66 3-66 Kot-N Dres 60-08 0-68 0-68 0-68 0-68 N resorbiert a dr: 2.47 2.98 2-98 2-98 Urin-N I 222 2-31 | 250 | 27T ı 3-39 | 8-88 Bilanz Sue a ER 20:50 Rindfleisch Datum 15.11. 16.1. =: 18. II. 19. 11. 20°M. | 20.1. Versuchstag 49 50 51 52 53 54 54 Einnahme-N 2 a 2.89 | 2.89 | 2-61 | 2-61 u Kot-N 0:74 0:73 0-74 0-73 0.74 0:73 0:74 N resorbiert San 2.15 0 216 1-87 1-88 = Urin-N 2.31 | 2-16 2-23 2.48 ı 2-56 3:13 3.49 Bilanz —3:05 — 2:89 —0:08 —0.32 | —0°69 | —1.25 | 4-23 Ausgewaschenes Rindfleisch ı Skandin. Archiv für Physiologie. Bd.X. 8.121. 2 Ebenda. Bd. XI. 8.316. ® Zeitschrift für physiol. Chemie. Bd.LIX. 8.405. * Zeitschrift für Biologie. Bd LIIl. 8. 157. 5 Ebenda. 1909. 8. 457. 268 Karu Taomas: Die Tabellen zeigen, daß sich in beiden Versuchen das gleiche Resultat ergab; auch bei dieser Anordnung, wo die N-Zufuhr möglichst niedrig im Gegensatz zu den früheren Versuchen gehalten wurde, bestand am 1. und 2. Tag der fraktionierten Fleischzufuhr N-Gleichgewicht, dann stieg aber der N-Umsatz ganz langsam in die Höhe, wobei der Körper dauernd etwas N verlor. Auf fraktionierte Zufuhr wurde sorgfältig geachtet. Daß die Extraktivstoffe des Fleisches für das Mißlingen des Versuches in Betracht kommen, schließt der zweite Versuch, bei dem nur gewaschenes Fleisch gegessen wurde, aus. Vielleicht war die Anziehungskraft der Zelle für das Nahrungseiweiß nicht energisch genug. Ich hatte den Versuch in gutem Ernährungszustand begonnen und bis zur ersten Fleischzuckerperiode 91 8” N, bis zur zweiten 102 sm N verloren, also nur wenige Prozent des N-Bestandes (vgl. hierzu weiter unten das N-Minimum bei vollständigem Mangel N-freier Nahrungsstoffe). 2. Physiologisches N-Minimum bei Fettkost. Bei ausschließlicher Fettfütterung ist der N-Bedarf des Körpers ein größerer. Er beträgt ungefähr das Dreifache der Abnutzungsquote (Rubner,! Landergren).” Ich werde also auch nur ein entsprechend höher liegendes physiologisches N-Minimum erwarten dürfen, wenn ich zum Fett Fleisch in fraktionierter Zufuhr zulege. Die meisten Versuche der Literatur, die den niedersten N-Umsatz bei Fleisch-Fettdiät bestimmen, vergleichen ihn mit der N-Zersetzung im Hunger. Das ist keine einwandsfreiere Versuchs- anordnung. Denn wenn auch die Art der Ernährung bei beiden Perioden die gleiche ist, indem zur Deckung des Kraftbedarfs beide Male Fett ver- brannt wird, so braucht doch im Hunger der N-Umsatz nicht auf den kleinsten bei Fettkost möglichen Wert heruntergedrückt zu sein. Denn das Körpereiweiß beteiligt sich im Hunger nicht stets im gleichen Ver- hältnis am Stoffumsatz. Das Fett wird im Hunger eher angegriffen als der Eiweißbestand. Aber, ist einmal der Fettvorrat nur noch gering, so nimmt entsprechend mehr Körpereiweiß an den Verbrennungsprozessen teil. Die Höhe des N-Umsatzes im Hunger ist also abhängig von der Zusammen- setzung des Körpers, speziell von seinem Fettreichtum, also individuell ver- schieden. Trotzdem lassen sich die Versuche, bei denen der N-Umsatz im Hunger mit dem bei Fett-Fleischkost verglichen wird, bei unseren Betrach- tungen verwerten. Das Körpereiweiß wird nämlich zu energetischen Auf- gaben in größerem Umfange erst dann herangezogen, wenn der Fettvorrat des Körpers schon ziemlich erschöpft ist. Glücklicherweise war aber der Ernährungszustand der betreffenden Versuchstiere ein guter. ‘ Rubner, Gesetze des Energieverbrauchs. 8.294 und E. Voit, Zeitschrift für Biologie. Bd. XLI. ?” Skandin. Archiv für Physiol. 1903. Bd. XIV. 8.112. ÜBER DAS PHYSIOLOGISCHE STICKSTOFFMINIMUM. 269 Ein anderer Einwand gegen einen Vergleich der beiden Größen liegi in der Beobachtung, daß reine Fettkost den N-Umsatz gegenüber dem Hungerumsatz in die Höhe treibt. C. Voit! meinte dies aus seinen Versuchen am Hund schließen zu dürfen und Weintraud? schloß sich dieser Erklärung an, als bei seinen Diabeteskranken der N-Umsatz in die Höhe ging, sobald er die Kohlehydrate der Kost durch Fett ersetzte. Landergren® sieht die Ursache der N-Steigerung im Glykogenmangel, der gerade an der Tagen der Fettzufuhr ein so hochgradiger geworden sei, daß der N-Umsatz an und für sich in die Höhe gegangen wäre. Doch besteht diese N-umsatzsteigernde Wirkung der Fettzufuhr nicht jedesmal, wie folgende Versuche Rubners am Hunde zeigen. Ein Versuch von ihm an Kaninchen* kann wegen unregelmäßiger Harnentleerung außer Betracht bleiben. Ein Hund von 7% hungerte einige Zeit, bekam dann mehrere Tage 100" Fett, wobei sich der Stoffumsatz trotz der reichlichen Kost nicht geändert hat, dann erhielt er einen Tag lang Knochen, darauf hungerte er einen Tag. Die N-Ausscheidung an diesem Hungertag betrug 2-41 8“, am letzten Fettag 2.358%,5 Ein anderer Hund hungerte 2 Tage, bekam dann 2 Tage lang Speck in einer den Bedarf nicht übersteigenden Menge, worauf er wieder 1 Tag hungerte. Die N-Ausscheidung am 2. und 5. Versuchstag, also im Hunger, betrug, auf den Tag berechnet, 2.43 =", am Fettag 2.14 sm, 6 Also wiederum keine Vermehrung des N-Umsatzes durch Fettzufuhr. Die gleiche Tatsache läßt sich feststellen, selbst wenn der Energieüberschuß der Kost 151 Prozent beträgt und dadurch eine Steigerung der Wärme- » produktion des Tieres von 18:4 Prozent eintritt. Am 2. und 3. Hunger- tage schied ein Hund 1.64 und 1-698= N, im Mittel also 1.67 "© aus; am folgenden Tag bei Zufuhr von 200 sm Speck 1.68 80,7 Ein anderer Hund® hungerte 4 Tage, bekam dann die seinem Kraft- bedarf entsprechende Speckmenge 4 Tage lang, darauf 4 Tage lang Fleisch in isodynamer Menge, worauf er wiederum 4 Tage lang hungerte. Die N-Ausscheidung der ersten Hungerperiode betrug 2-40 :"”, die der zweiten 1-.58:=, während die der dazwischen liegenden Fettperiode 1.82 s"” betrug. Es ist also durch Fettzufuhr der N-Umsatz nicht in die Höhe gegangen. Das Verhältnis, in dem N-Zersetzung im Hungerzustande und bei reiner 1 Zeitschrift für Biologie. Bd. V. 8. 354. 2 Bibl. Med. TI.I. U.1. S. 34. ® Skandin. Archiv für Physiologie. Bd. XIV. S. 130. * Zeitschrift für Biologie. Bd. XIX. S. 333. 5 Ebenda. S. 334. 6 Ebenda. 8. 332. ? Zeischrift für Biologie. Bd. XIX. S. 328. ® Rubner, Gesetze des Energieverbrauchs. S. 318. 270 Karı THomas: Fettkost zueinander stehen, ist bei gleichbleibendem Kraftwechsel abhängig allein vom Ernährungszustand des Tieres. Ist er ein schlechter, so wird im Hunger verhältnismäßig mehr Körpereiweiß auch zu energetischen Aufgaben gebraucht. Bei Fetinahrung, bei der die Relation zwischen Eiweiß und Fett in der Zirkulation zugunsten des letzteren verschoben ist, wird der N-Umsatz daher kleiner werden. Welche Bedeutung dem Ernährungszustand zukommt, zeigt besonders klar ein weiterer Versuch Rubners.! Während im Hunger- zustand das Körpereiweiß zu 1-11 Prozent eingeschmolzen wurde, war dies bei genügender Fettfütterung nur zu 0-90 Prozent der Fall. Bei einem Gesamtverlust von 13-5 Prozent hatte also das Fett schon einen den Eiweiß- verbrauch dämpfenden Einfluß. Auch beim Menschen geht bei gutem Ernährungszustand infolge von Fettfütterung die N-Zersetzung nicht in die Höhe, wie nachfolgender Ver- such zeigt. Am 3. XI. (dem 30. Versuchstag) hatte ich 125®”" N verloren, bei einer Speckzufuhr von 450% (mit 1-.16:’= N) betrug die N-Ausschei- dung des Urins 7-86 und 7.29", an den folgenden 2 Tagen 6-85 und 7.47sm, im Kot kamen täglich 0-528”® N zur Ausscheidung. Durch die Speckzufuhr ist also die Gesamt-N-Ausscheidung von 7-68 8m auf 8.10 8m gestiegen, d.h. um nur 5-5 Prozent. Bei der ungleichmäßigen N-Menge des Urins ist dieser kleinen Steigerung kein Wert beizumessen. Andere Versuche Rübners zeigen den Einfluß der Kraftwechselgröße auf den N-Verbrauch. Sie sind zwar an ein und demselben Hund durch- geführt, der bei der gleichen Kost jedesmal eine Reihe von Tagen gehalten wurde, doch folgen die Perioden nicht direkt aufeinander; die Änderung des Körpergewichts und des Ernährungszustandes in der Zwischenzeit war aber keine große. Während des 2. bis 5. Hungertages (17. bis 20. Okt. 1889) betrug die N-Ausscheidung eines kleinen Hundes 1-12 sm, 1.00 8m, 0.86 8, 1-08sm, im Mittel 1-02="®, Das Körpergewicht war zu Anfang des Ver- suchs 46108”, der Energieumsatz eines Tages 261 Kalorien.” 6 Monate später (3. bis 7. April 1890) bekam der gleiche Hund? 5 Tage lang 40 8" Speck, d.h. für seinen Bedarf eine abundante Menge. Er setzte Fett an, der Energieverbrauch war im Tag 299 Kalorien, das Körpergewicht schwankte zwischen 4980 bis 4800 ®””, Die N-Ausscheidung betrug 0-90 8°”, 1.12 sm, 1-24 sm, 1.78 87m, 1.598”, also im Durchschnitt der letzten 3 Tage 1.548", also 0-52srm N mehr als im vorigen Hungerversuch. Inzwischen war zwar das Tier 400 8"= schwerer geworden, doch kann darauf die deutliche Steige- rung des N-Umsatzes durch die abundante Fettkost allein nicht beruhen, sondern ist eine Folge der Steigerung des gesamten Kraftwechsels. ! Archiv für Hygiene Bd. LXVI. S. 44. ? Zeitschrift für Biologie. Bd. XXX. 8. 119. 3 Ebenda. 8.123. ÜBER DAS PHYSIOLOGISCHE STICKSTOFFMINIMUM. 271 Datum SERIE 4.XlI. 5.Xl. 6.Xl. Versuchstag 30 31 32 33 Einnahme-N 1-16 1-16 — _ Kot-N 0-52 0-52 0-52 0-52 N resarbiert 0:64 0-64 — -_ Urin-N 7.86 7.29 6-85 T°47 Bilanz . —1.22 —6.65 . — 1:37 — 17:99 Speck Hunger Da also bei den Versuchen der Literatur, die das kleinste N-Gleichgewicht bei Fett- und Fleischzufuhr im Vergleich zum Hunger-N-Umsatz zu bestimmen suchten, ‘weder infolge des Ernährungszustandes des Tieres ein relativ hoher N-Umsatz während des Hungerns noch infolge der Fettdarreichung an und für sich ein solcher während dieser Periode wahrscheinlich zur Beobachtung gekommen ist, so dürfen wir ihre zahlenmäßigen Angaben hier in Rechnung ziehen. C. Voits! Hund von 73! gab im Hunger 5-658® N ab. Er verlor bei einer seinen Bedarf wenig überschreitenden Kost von 250 8” Fleisch und 2508” Speck (8.5:&= N) 0.698m im Tag, bei 450 =”% Fleisch und 25082 Speck (15.38 N) setzte er 3-608”% N an. Das physiologische N-Minimum war also höher als 9-.10==, d. h. das 1-628’®fache der Hungerzersetzung und niedriger als 11-.70e8®, d.h. das 2-07 ermfache der Hungerzersetzung. Rubners Hund? zersetzte 4-66 5”” N im Hunger, bei Fleisch-Fett- zufuhr (10-20 sm N) setzte er 0-66 8m N an, das physiologische N-Minimum war also kleiner als 9.54 sm, d. h. dem 2-04 fachen der Hunger- zersetzung. Versuche eigens zur Beantwortung unserer Frage stellten E. Voit und Korkunoff? an. Sie schalteten die Periode, in der sie ihren Hund mit ausgewaschenem Fleisch fütterten, in zwei Hungerperioden von einigen Tagen ein. Als physiologisches N-Minimum bestimmten sie das 1-93, 1-57, 1.61, > 1-63 und < 1-.62fache des Eiweißzerfalls im Hunger. Bei diesen Versuchen wurde das Fleisch auf einmal zu Anfang des Ver- suchstages gereicht. : Einen Vergleich des N-Umsatzes bei Fettzufuhr mit dem niedersten bei Fleisch-Fettzufuhr gestatten mehrere Versuche Rubners. Der oben erwähnte kleine Hund schied bei Fettzufuhr 1-83sm N aus. Vom 30. Juli bis 10. August 1889 bekam er 818m Fleisch (2.728m N) und 1 Zeitschrift für Biologie. Bd. V. 3. 357. 2 Ebenda. Bd. XIX. 8.371. ® Ebenda. Bd. XXXII. S. 102. * Ebenda. Bd. XXX. S8. 127. | 22 Kıru Thomas: 308m Speck. Sein Gewicht schwankte während des Versuchs zwischen 4981 m und 48108". Die Kost war reichlich bemessen, er setzte Fett an und kam vom 3. Tage ins N-Gleichgewicht mit einer N-Ausscheidung von 2.59s'm, d. h. dem Zweifachen der Hungerzersetzung. Doch ist es wahrscheinlich, daß der N-Umsatz nur infolge der großen N-Zufuhr so be- deutend vermehrt war. Am ersten Tag der Fleisch-Fettkost schied er nur 2.12sm N aus, d.h. das 1-.59fache der Hungerzersetzung. Ein anderer Hund! erhielt täglich die gleiche Kost wie oben, die seinen Erhaltungs- umsatz um 58-7 Prozent überstieg. Seine Wärmeproduktion stieg um 11-02 Prozent. Mit dem Eiweiß des Fleisches hatte er sich aber erst in den letzten 3 Tagen etwa ins Gleichgewicht gestellt, während er anfänglich abgab. An diesen 3 letzten Tagen der Fleisch-Fettkost gab er 3-0, 3-01, 2.982, d.h. 3.08m N ab, während er im Hunger 1-4 und 1.72 =, d.h. 1.558" zersetzte. Sein physiologisches N-Minimum betrug also ungefähr das 2fache des Hungerumsatzes. Zum gleichen Resultat kam ich in einem Selbstversuch, der weiter unten ausführlich besprochen wird. Bei reiner Fettkost schied ich 8-10s’”m N aus, bei der gleichen Kost, aber mit einer Zulage von 250 8” Rindfleisch (= 9-68 °”%) die am Anfang des Versuchs- tages auf einmal genommen wurde, ging der N-Umsatz auf 11.238m N in die Höhe, d. h. um 47 Prozent, dabei bestand kein N-Gleichgewicht mehr. Als Ergebnis dieser Betrachtungen ergibt sich daher, mit der 1-6 bis 2 fachen N-Menge, als sie im Hunger zersetzt wird, ist bei einmaliger Zufuhr während des Tages und bei Deckung des Energiebedarfs durch Fett das kleinste N-Gleichgewicht bisher erreicht worden. Dafür, daß alle Versuche nicht mit der Genauigkeit zu der gleichen Verhältniszahl führen, wie es bei den oben erwähnten Kohlehydratversuchen der Fall war, kommen zwei Momente in Betracht. Einmal ist die Höhe der N-Zufuhr und wahrscheinlich auch die Geschwindigkeit der Resorption nicht bei allen Versuchen die gleiche gewesen, was sich in der verschieden großen negativen Bilanz ausdrückt. Das heißt, die Periode des Versuchstages, in der kein Vorratseiweiß mehr vorhanden war, hat verschieden lange gedauert. In der Zeit aber, wo noch Vorratseiweiß vorhanden ist, wird stets etwas mehr Eiweiß zerstört als unbedingt zum Er- satz von verloren gegangenen nötig wäre. Der Umsatz des Tages ist also von der Dauer dieser Periode. beeinflußt. Das andere Moment ist darin zu suchen, daß der N-Bestand der Versuchstiere in den verschiedenen Experi- ımenten verschieden groß war und daher das N des Vorratseiweißes mit wechselnder Stärke von der Zelle angezogen, d. h. vor zweckloser Spaltung bewahrt worden ist. Die Menge des Vorratseiweißes konnte also den N-Umsatz verschieden stark beeinflussen. Bei stark reduziertem N-Bestand ! Rubner, Gesetze des Energieverbrauchs. 8. 251. ÜBER DAS PHYSIOLOGISCHE STICKSTOFFMINIMUM. 273 wird das Nahrungs-N viel besser im Umsatz ausgenutzt. Darauf hat, durch einwandsfreie Experimente gestützt, bereits Rubner ausführlich hingewiesen.! Bei einmaliger Zufuhr einer kleinen, neben Fett gereichten Fleischmenge hat sich dieser N-Umsatz zum Hungerumsatz verhalten wie 145 bzw. 139 zu 197 und wie 100 zu 100. Bemerkenswert ist, bei vorhergegangenem starken N-Verlust wurde das überschüssige N der Nahrung in dem Maße zum Ansatz benutzt, daß keine Steigerung des N-Umsatzes eintrat. Wir dürfen also erwarten, daß fraktionierte N-Zufuhr die N-Zersetzung wenig in die Höhe gehen läßt, auch bei einem von optimalen nicht weit entferntem Abstand. Datum 6.X. TAX. 8.X. IR 10.X 11.X. Versuchstag 2 3 4 5 6 2 Einnahme-N — | — —_ _ — = Kot-N 0-52 | 0-52 0.52 0-52 0-52 0-52 N resorbiert u == rn = _ en Urin-N 10-74 | 10-42 9.28 7:88 7.64 9.48 Bilanz — 11:27 — 10.94 — 9:80 — 8.40 — 8:16 — 10.00 Höunsser Datum 21.X. 22.X. 23.X. 24.X. 25.X. 26.X. 27.X. Versuchstag 17 18 19 20 21 22 23 Einnahme-N 9.85 9-85 10-05 13-79 10-24 10-11 11-92 Kot-N 0-52 0.52 0-52 0-52 0-52 0-52 0-52 N Resorbiert 9.33 9.33 9.53 13-27 9.72 | 9.59 11-40 Urin-N 19-25 14.04 13.05 12-67 10-71. | 11-53 9-75 Bilanz — 9.92 —4:711 | —3-52 +0:60 | —0:99 | —1°94 | +1-65 Fleisch + Speck, 3stündliche Zufuhr Datum 2ER. SINE TER 1 SLIREN | EERT.ENE2.. TEN SIR WANT. Versuchstag 24 25 26 27 28 29 30 31 Einnahme-N 11°40 | 11-40 | 11-40 | 11-53 11-43 | 11-91 1-16 1:16 Kot-N 0-52 0-52 0.52 0-52 0-52 0.52 0-52 | 0.52 N resorbiert 10-88 | 10-88 | 10-83 | 11-01 | 10-91 | 11-39 0-64 0-64 Urin-N 11-61 | 10.67 9.93 | 11-21 , 13-06 |; 11-73 7:86 7:29 Bilanz — 0-73 | +0-21 | +0-95 | —0-20 | —2-15 | —0°34 | —7-22 | —6+65 Fleisch + Speck, desgl. nicht Speck 3stündliche Zufuhr fraktioniert I Archiv für Hygiene. Bd. LXVI. 8.45. Archiv f.A. u. Ph. 1910, -Physiol. Abtlg. Suppl. 18 274 Kırı Thomas: Datum 5.xXlI. 6. XI. 7.Xl. 8. Xl. 9. XT. | 10. XT 2 Zu xE Versuchstag 32 33 34 35 36 37 38 Einnahme-N _ — 8-18 9.94. 9.94 7.92 9.68 Kot-N 0-52 0-52 0-52 0-52 0-52 0-52 0-52 N resorbiert — — 7.66 9.42 9:42 7.40 9.16 Urin-N 6-85 | Te4T 9.06 9.68 9:79 10-45 10:76 Bilanz — 7:37 —1.99 —1.40 —0:26 | —0:37 | —3:05 | —1:60 Hunger Fleisch + Speck franktioniert |desgl. nicht fraktion. Die Versuchsanordnung war eine den früher erwähnten Kohlehydrat- versuchen entsprechende. Einen Überblick gestattet die Tabelle. Vom 21. bis 31. Oktober nahm ich nur Rindfleisch und geräucherten fleischfreien Speck zu mir, welch letzterer dem Kraftbedarf des Körpers entsprach. Die N-Zufuhr war gleichmäßig über den Tag in 3stündlichen Zwischenpausen verteilt. Nach 4 Tagen stellte ich mich auf eine gleichmäßige N-Ausschei- dung ein, die 11.29 em betrug. Sie war um 24-2 Prozent gegenüber der Hungerzersetzung von 9-098= N (Tag 4 bis 7) gesteigert. Da diese aber 3 Wochen vorber bestimmt war und der Körper in der Zwischenzeit 125sm N verloren hatte, so konnte sich der N-Bedarf bei Fettkost ge- ändert haben und dieser N-Umsatz muß der kleinstmögliche sein. Dies war in der Tat der Fall wie die nächsten Tage lehrten. 2 Tage mit reiner Fettkost bestimmten den N-Umsatz dabei zu 8-108”®, 2 Hungertage zu 7.688%, Dem gegenüber steigt der N-Umsatz bei fraktionierter Fleisch- Fettzufuhr (ca. 20)8"® Rindfleisch = 9.94 "m N, womit beinahe N-Gleich- gewicht erreicht wurde) auf 10.252”, d.h. um 33-5 Prozent im Verhältnis zu obiger Hungerzersetzung, um 26-5 Prozent im Verhältnis zu der bei Fett- kost. Die gleiche Menge Fleisch, zu Beginn des Versuchstages auf einmal gereicht, läßt den N-Umsatz in die Höhe gehen, wie die beiden folgenden Versuchstage zeigen. Der Einfluß der Fraktionierung der Zufuhr ist jedoch nicht so bedeutend wie in den entsprechenden Kohlehydratversuchen. Durch das Fett der Kost wird die Resorption des Fleisches im Darm gehemmt, es wird also trotz einmaliger Zufuhr keine solch plötzliche Über- schwemmung mit Nahrungs-N eintreten, wie wenn statt dessen Stärke ge- reicht wird, welche die Fleischverdauung des Darmes vollkommen unbeeinflußt läßt. Auf wie lange Zeit sich die Resorption der im obigen Versuch ge- reichten 200 bis 2508'% Fleisch neben dem Fett erstreckt, ist nicht be- kannt. Am 1. und 2. XI. (28. und 29. Versuchstag) war mir der Versuch mißglückt. Ich hatte das Fleisch mit dem Speck gemischt und die ganze Tagesportion zum Beginn des Versuchstages im Verlauf einer Stunde gegessen. Der N-Umsatz des ersten dieser beiden Tage ist natürlich höher, da er ja noch unter der Wirkung der letzten Fleischfraktionen des vorhergehenden ÜBER DAS PHYSIOLOGISCHE STICKSTOFFMINIMUM. 275 Tages steht. Am 2. Tag ist aber der N-Umsatz nur unbedeutend höher als an den Tagen mit fraktionierter Zufuhr. Das mag daher kommen, daß sich die Resorption des Fleisches bei dieser Anordnung über die 24 Stunden hinzieht. Ich richtete deshalb bei der zweiten Periode (10. und 11. XI, 37. bis 38. Versuchstag) die Nahrungsaufnahme so ein, daß zu Beginn des Versuchstages das ganze Fleisch gegessen wurde, die Fett- portion dagegen erst 9 bzw. 12 Stunden später. Lassen wir wieder den 1. Tag (10. XI.) außer Betracht, so ist bei dieser Versuchsanordnung der N-Umsatz von 8-10 auf 11-288”®, d.h. um 39.3 Proz. oder um 46.9 Proz., bezogen auf die Hungerausscheidung von 7.68 5’m N gestiegen. Der Einfluß der Fraktionierung der N-Zufuhr ist also auch bei dieser Art der Ernährung vorhanden, wenn auch nicht so deutlich ausgeprägt. Daß er, in Prozenten ausgedrückt, bei einmaliger Fleischzufuhr im Verhältnis zum N-Hunger- umsatz hier nicht in dem Maße gesteigert ist, wie bei den Versuchen, wo der Energiebedarf durch die Kohlehydrate der Kost gedeckt ist, liegt nur daran, daß der N-Hungerumsatz größer ist. Die absolute Steigerung be- trägt bei beiden Kostarten 3 bis 4 sm N. 3. Physiologisches N-Minimum bei Ausschluß N-freier Nahrung. C. Voits! Hund (33 ®) brauchte nach der Berechnung von E. Voit und Korkunoff? auf 100 Teile Hunger-N > 324 Teile Fleischeiweiß-N, um ins niederste N-Gleichgewicht mit Fleisch allein zu kommen. Andere Hunde E. Voits? brauchten 377 und 332 und? 368 Teile; das niederste N-Gleichgewicht war also bei alleiniger Fleischzufuhr erst mit der 3 bis 4fachen N-Menge zu erreichen, die im Hunger zersetzt wurde. E. Voit legte seinen Berechnungen (und dem letzten seiner Versuche) extraktiv- stofffreies Fleisch zugrunde Für die Berechnung ist es gleich, ob ihr der N des unveränderten oder des ausgewaschenen Fleisches zugrunde gelegt wird, da der prezentige Gehalt des Fleisches und des im N-Hunger zerfallenden Körpereiweißes an Extraktiv-N ungefähr derselbe ist. Ob das niederste N-Gleichgewicht im letzten Versuche E. Voits mit einer wesent- lich verschiedenen Fleischmenge erreicht worden wäre, wenn er extraktiv- stoffhaltiges unausgewaschenes Fleisch verfüttert hätte, vermag ich nicht zu sagen. Doch ist es nicht wahrscheinlich, da die Verhältniszahl 3-68 mit den bei den anderen Versuchen erhaltenen, wo frisches Fleisch ver- füttert wurde, gut übereinstimmt. ! Zeitschrift f. Biologie. Bd. Ill. S.1. ? Ebenda. Bd. XXXII. 8. 105. 8 Kbenda. 8.61 u. 102. 18* 276 Kırıu Thomas: In den besprochenen Versuchen war das Fleisch dem Tier auf einmal bei Beginn des Versuchstages gereicht worden. Damit N-Gleichgewicht eintreten konnte, mußte also ein Teil des Nahrungseiweiß als Vorratseiweiß irgendwo im Körper bleiben und seinen N-Verlust in der Zeit nach be- endeter Resorption ersetzen. Da aber der Körper für Eiweiß jedenfalls nicht in dem Umfange Vorratskammern besitzt, wie für Fett und Kohle- hydrate, so wird von dem überschüssig zirkulierenden Nahrungseiweiß dauernd ein Teil gespalten und dynamisch verwertet. Das niederste N-Gleichgewicht wird also erst mit der N-Menge der Nahrung zu erreichen sein, die noch am Schluß des Versuchstages, kurz vor der neuen N-Zufuhr, genügend Vorrats-N ungespalten in der Zirkulation vorhanden sein läßt, um den zu Verlust gehenden Körper-N zu ersetzen. Passe ich nun die Zufuhr dem Bedarf möglichst an, führe ich alle paar Stunden einen Teil des Fleischbedarfes ein, so wird in der Zeiteinheit auch nur eine verhältnis- mäßig kleine Menge von Nahrungs-N überschüssig in die Zirkulation ge- langen und gespalten werden, ohne Körper-N ersetzt zu haben; physio- logisches N-Minimum bei alleiniger Fleischzufuhr und N-Ausscheidung im Hunger werden sich nähern und im günstigsten Fall gleich werden. Beim Hund ist mir ein derartiger Versuch gelungen. Die N-Ausscheidung bei alleiniger fraktionierter Fleischzufuhr betrug das 1-2fache der Hunger- N-Ausscheidung als eben N-Gleichgewicht bestand, ein deutlicher Beweis für die Bedeutung, die fraktionierte Eiweißzufuhr für die Höhe des N-Um- satzes hat. Um mit einer möglichst kleinen Menge Nahrungs-N schon N-Gleichgewicht zu erreichen, müßte die Anziehung der Zellen für dieses möglichst gesteigert werden, der Körper also von seinem optimalen N-Be- stand bereits vor dem Versuch einen großen Teil verloren haben, doch darf der Körper dabei nicht fettarm werden, da dann der N-Umsatz leicht höhere Werte annimmt.! Ein junger Hund von mittlerem Ernährungszustand bekam deshalb 26 Tage lang eine N-freie, kohlehydratreiche Kost, die seinen Energiebedarf ungefähr deckte. Sein Körpergewicht betrug am Anfang dieser Periode 14.2®:, am Ende 12.9, mithin hat er 1-3%: = 9.2 Prozent seines Anfangsgewichtes verloren. Der N-Verlust in dieser Zeit betrug 59 sm; wird der N-Bestand am Anfang zu 14-2 x 30 = 426 S= angenommen, so sind 13.9 Prozent eingeschmolzen worden. Nun hungerte das Tier 7 Tage lang und verlor weiter 165" N, im ganzen sind also jetzt 7T5s"" N = 17.6 Prozent des N-Bestandes verloren gegangen. Der durchschnitt- liche N-Verlust dieser Hungerperiode während eines Tages betrug im Urin 2.5952" N, im Kot 0-108s® N, in Summa also 2-7038” N. Jetzt folgte eine 5tägige Periode, in der dem Tier nichts weiter als 100 s"® frisches, fett- und ! Rubner, Zeitschrift für Biologie. 1881. Bd. XVII. S. 214. ÜBER DAS PHYSIOLOGISCHE STICKSTOFFMINIMUM. 277 sehnenfreies Rindfleisch (= 3-711:8® N) gereicht wurde und zwar bekam es alle 3 Stunden, auch während der Nacht, den achten Teil der Tages- ration. Die N-Ausscheidung im Urin betrug im Durchschnitt, auf den Tag berechnet, 3-175&® N, im Kot 0.1083 N, die Summe der Aus- scheidungen also 3.283sm N. Zurückbehalten wurden im Tag 0-428sm N. Es folgte eine weitere Stägige Periode, in der nur 758””= Fleisch (=3- 1448” N) in gleicher Weise eingeführt wurden. Die N-Ausscheidung änderte sich in den ersten 2 Tagen nicht, doch bestand kein N-Gleichgewicht mehr. Später nahm die N-Zersetzung langsam zu. Die in der ersten Fleischperiode ein- geführten 3-7srm N stellten also wirklich die Menge dar, mit der unter den gegebenen Umständen eben N-Gleichgewicht erzielt werden konnte. Die N-Zersetzung hatte sich während dieser 10 tägigen Fleischperiode nicht geändert, da die Änderung vom N-Bestand des Körpers nur eine un- bedeutende war. Deshalb kamen an dem ihr folgenden 2. Hungertage im Urin die gleiche Menge N zur Ausscheidung, wie in der früheren Hunger- peride.e. Wir haben also im Urin eine N-Ausscheidung während des Hungerns von 2-60: N, während des niedersten N-Gleichgewichts mit Fleisch von 3-18 = N, d. h. eine Mehrausscheidung von 0-58 8m N — 22.3 Prozent des Hungerverbrauchs. Unter Berücksichtigung des Kot-N beträgt die Mehrausscheidung 21-5 Prozent. Da nur bestes Fleisch und in kleiner Menge eingeführt wurde, so konnte die Resorption als voll- ständig angesehen und der durch den Kot verursachte N-Verlust für die ganze Hunger- und Fleischperiode als gleichmäßig in Rechnung gesetzt werden. Datum SU, NIE | BI WALDE NA ER NAE | ZRNATE Ere Versuchstag 27 28 29 30 31 32 33 Einnahme-N _ | —_ _ | — a _ | _ Kot-N 0-11 | „011 Oz | 0 grily 0-01 0-11 N resorbiert _ _ a — — | _ | — Urin-N ? 2-60 2-61 2-39 | 3:04 | 2-47. |, 2-45 Bilanz 2 (Mae 2.72 | —2:50 | -3-15 || —2-58 | 3-56 Hunger Datum 6. VI. | ZONE | 8, VII VERER 10. VE | 18 VIM. Versuchstag 34 aa 835 36 37 38 39 Einahme-N | 31 | 31 | 31) 9 3-71 3.14 Kot-N | Wosmapa en 0511 0-1 oa 0-11 0-11 N resorbiert 3.60 | 3-60 3.60 | 3-60 3-60 3.08 Urin-N 2-41 3-33 3-15 ‚3-40 | 3-59 3.19 Bilanz +1-19 +0:27 | +0-45 +0:.18 | +0-01 —0-16 Fleisch fraktioniert 278 Kıru THaomas: Datum 12311. |: 13: VULS) 14: VID, 215. VII. | 16.00 Sie Versuchstag 40 41 42 43 44 45 Einnahme-N 3-14 | 312 | s10 | 08-14 Ba Kot-N O-41.0.|.4., 0:13 50.0.1150 900.11 Et N resorbiert 3-03 3-03 3-03 3:03 — | — Urin-N 3-02 3.30 3.44 3.79 2-87 2-62 Bilanz 0-01 —0-27 | 0 —0-41 2100-76 —2:98 —2:73 Fleisch fraktioniert Hunger Nachdem es also beim Hunde möglich war, durch fraktionierte Fleisch- zufuhr N-Gleichgewicht zu erreichen ohne wesentliche Steigerung des N-Um- satzes, wobei der Körper zum Bestreiten seines Energiebedarts in gleicher Weise wie vorher sein eigenes Fett benutzte, versuchte ich das gleiche am Menschen zu zeigen. Datum mr] ri RR Re Versuchstag 4 5 6 ar | 9 10 Einnahme-N Al 2a a unsigegg | Wersalrede Kot-N 0.52 | 0-52 0-52 0-52 0-52 | 0-52 | 0-52 | | | 1} N resorbiert | —..) -_ ze — | 8-11 110109811 Urin-N 9.28 | 1-88 7-64 | 9-78 | 12-90 | 13-46 |; 14-42 Bilanz —9:80 | —8-40 | —8-16 | —10-00 en —5:35 | —6-31 — 3stündlich — Fleisch — Datum 15.X 1x | me |. x Nee Versuchstag 11 12 1 15 16 Einnahme-N 15-54 17-27 18-39 | 18-40 18-39 19-23 Kot-N 0-52 0-52 0-52 0-52 0-52 0-52 N resorbiert 15-02 16-75 17-88 17-88 17-88 18-71 Urin-N 16-81 18-92 20-85 | 21-50 21-52 21-25 | Bilanz —1-79 | Ds | 9.07.) 3.62 | 0 en — 3stündlieh — Fleisch — 2stündlich — Es ist mir dies nicht gelungen, obgleich auf eine regelmäßige Ver- teilung der Zufuhr, die anfangs alle 3, später alle 2 Stunden erfolste, aufs sorgfältigste geachtet wurde. Um eine gleichmäßige Mischung vom Eiweiß-N und Extraktiv-N zu garantieren, kam späterhin rohes Fleisch zur Verwendung. Doch konnte auch hierbei selbst mit der mehr als doppelt so großen N-Menge, als sie im Hunger ausgeschieden wurde, kein N-Gleich- gewicht erzielt werden. Als Ursache für dies verschiedene Verhalten von ÜBER DAS PHYSIOLOGISCHE STICKSTOFFMINIMUM. 279 Hund und Mensch kommt vielleicht die verschiedene Anziehung der Zelle für den N der N rung in Betracht. Denn der Hund hatte zu Beginn des Fleisch-Hungerversuches bereits 17-6 Prozent seines ursprünglichen N-Bestandes verloren und wirtschaftete daher mit seinem Vorratseiweiß sorg- fältiger, während ich aus naheliegenden Gründen in gutem Ernährungs- zustande an den Selbstversuch ging. Am 16. Versuchstag, also während der 6tägigen Hunger- und der 9tägigen Fleisch-Hungerperiode hatte ich erst 104m N verloren, d.h. bei einem N-Bestand von 75 - 30 = 2250” 4.6 Prozent. Der Versuch kam in folgender Weise zur Ausführung: Zuerst hungerte ich 6 Tage lang. An den letzten 4 Tagen wurde im Durchschnitt täglich im Urin 8.57 s’® N, im Kot 0.52sm N, insgesamt 9.09 stm aus- geschieden. In den nächsten 3 Tagen stieg bei einer mit 3stündlichen Pausen erfolgenden Zufuhr von 250 e= Fleisch (= 8-6 8°” N) die N-Menge im Urin auf 14.42%,. Von da ab ging ich mit der Fleischmenge langsam in die Höhe, folgend der N-Menge des Urins, die an dem betreffenden Versuchstag jeweils 2 bis 3&”= N mehr betrug. Trotzdem kam ich in kein N-Gleich- gewicht. Am zweitletzten Tag (dem 15. Versuchstag) verlor der Körper bei einer Aufnahme von 500s’= Fleisch (= 18-4®"= N) noch 3.6sm N; am folgenden Tage wäre der N-Umsatz bei der vermehrten Zufuhr sicher weiter in die Höhe gegangen, hätte ich nicht bereits von mittags ab mit dem Fleisch 300 sm Speck zu mir genommen. Karu THuomaAs 280 "wu d ugoTT S1q "ULB 4096 Fasozum aoyonzuoy GLr | -JonyeapÄyoigoy yuuaıy A9YOnzgajLm qıg -99 NS UOABp “JONUAULURE "WE 1088 89.0 | 06-2 | 0021 oyıeIS OOL — | @.#L | 61 "1 '9I "syu 91016 = “or “ “ 0009 AONInZzıyoy 008 sc I DZ nodungeapun ESPl Aoyonzyom 046 WE yorzl SIQ WC yoglT E4SoSıM 89.0 | L#+Z | 0081 ONIEIS 00T — || 0-8L || 81 "I 'SI IONONZIUON 088 aoyonzym OG#F 89:0 | 98-3 | 08891 OYIEIS aus OOL — 1%, | 11 #1 Joyuaueugg "UNE yos8 T'ol ‘goygeapkyoyoy T’TI a9yonZ + uouwurg —_ 9I—F1| TI 'ET—TI LE-T | 60-8 OCIL uoneN '[989A — | @.@) || EI "TOT -Suejydanp '[3s9p "w'd ug LE-T | 81-3 | 099 uomeNn "19891 — 0-9, | 21 1'6 aayonzıgoy 0G8 Se] aeyonzuoN 08% | LE-L || GO-E | 0881 911845 001 Sr; 6°FL Ir '1'8 ‘[9sop "wd „Ol o > [0] Te: "goyyeapkyolyoy SI a9yonzıyoy 008 pun Sunzusısqy 1op gnyog "wdyos8 || 20 S, JZONOnZzup]LM 00F "Zunzus1sgy UL JoNuouruBg "we 46 58 | LET | 90-7 | 0@#1 . oyıeıg 001 . — || @»Ch || Ol I Zz B, aoyonzıyoY 00F + JONONZUp]IN 048 ‚goyuaueueg "ud ug 5 LE-T | LG-F | 0011 y1eıS 001 I De ‘19 A9yonzıyoy og | : ‘yoyuoueueg "u du, LE-T || 69-4 | 0981 anzu! u.a 0G8 — |, | 8 a: "eqpe snjog U or ı Fr sıq ıgdenıuneyy Sunzuarsgegngypg ınz u9ugugg 60 IIX 08 1918 was u = rer N u109 N go. uesunyıouoag seuw N 24 2 2% wnyeq un 2 — =o 08 & 30% uleyH pbuyeunurg N [7 yeıpÄyoiyoy I yansıaAa4Ssq[es -9j[oyoJoAdsyonsaoA "III 281 ÜBER DAS PHYSIOLOGISCHE STICKSTOFFMINIMUM. [3s9p "wd yel1 ‘Joygostopg "ud ug goygeapÄnopgoy "UL "T 1058 "uopIaMyosoquadem "oylaq.re -9äypımp "I '7z/'gg WOA YUoeN Arc ‘Jsoy] 9Ip U9099 UAJ[IMI9PIM "[3S9p "WU 1088 ‚3onreipkgalgoy "WR 1088 "su 000981 = ayıı LI DZ uosunyaıpunm 0008 "wd gosTT Stq "wdgo,T Peposıq "ara 000901 = a1. GT NZ uodungoıpmp) 0002 zusgsqnsusyooLL, wıs G-9PP N ws °11 ZueIsqnsusy901], wis 1-961 N ws3817°L L8°8& 09-7 08-7 67°8 89-0 89-0 89-0 89-0 89-0 89-0 89-0 89.0 eL-LL LI» oL 88-8 68-8 LL»6 09-5 T8°6 60°6 IL»6 16*6 0908 0888 0087 0085 OFr6L 0881 00FL 0081 0081 0891 00L1 0087 N wa I8-Ig = sdojy g18 N wa3 89.68 = uoYergsgwgY OPL N ws 08:05 = Yosiopgpuıy 019 | N wa 18-Ig = sdoy 609 N ws 18:38 = USYelgqsajeyi 429 N wı08°05 = y9stoypurg 019 N m 00:08 = Sdofy 084 ! 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Wir wissen nun, daß der Muskel imstande ist, viel frequentere Erregungen durchzumachen, wenn er nur den Anstoß dazu bekommt. Es muß also die Zahl der Erregungen vom Zentral- nervensystem bestimmt werden. Es fragt sich nun, wodurch und in welchen Elementen wird sie bestimmt. Es könnte sein, daß die motorischen Zellen des Vorderhorns zwangsweise in diesem Rhythmus ihre Erregungen aus- senden müssen und einer größeren Schnelligkeit der Reaktion nicht fähig sind. Um hierüber zu entscheiden, habe ich speziell beim Frosch fest- gestellt, wie hoch die Frequenz der Schwingungen reflektorisch hervor- gerufener Tetani zu treiben möglich ist. Es ergab sich nun, daß die größte Schnelligkeit, in der die Nervenzelle Erregungen aussenden kann, etwa der entspricht, in der der Muskel jedem Reiz noch glatt folgen kann. Beim Frosch also bis 100 pro Sekunde. Um nun festzustellen, ob im Zentralnervensystem Zellverbände existieren, die besonders auf den charakteristischen Rhythmus von 50 in der Sekunde eingestellt sind, habe ich die Aktionsströme eines passenden Skelettmuskels bei einer durch Großhirnreizung hervorgerufenen Kontraktion untersucht. Methodik. Die Versuche wurden sämtlich am Hunde ausgeführt. Es mußte ein Muskel gefunden werden, der verschiedenen Anforderungen entspricht. 1. Muß er bei Reizung der Großhirnrinde möglichst prompt und gleich- mäßig in Kontraktion geraten. ! Dies Archiv. 1910. Physiol. Abtlg. Suppl. 8. 233. PAun HoFFMANN: INNERVATION BEI GROSSHIRNREIZUNG. 287 2. Soll er möglichst parallelfaserig sein. 3. Muß er für die physiologische Prüfung einen nervösen Äquator haben. Die Prüfung wird in der Weise vorgenommen, daß man den Muskel vom Nerven aus mit Einzelinduktionschlägen reizt. Das Galvanometer soll in diesem Falle bei passender Stellung der Elektroden auf dem Muskel für jeden Reiz einen einfachen doppelphasischen Strom anzeigen. Nur bei solchem Ergebnis ist man berechtigt, aus der Zahl der Kurvenwellen auf die, der dem Muskel zugesendeten Innervationsstöße, zu schließen. Es zeigt sich, daß der äußere Kopf des Sartorius diesen Anforderungen am besten entspricht. Man findet ziemlich leicht die Stelle der Großhirnrinde, von der aus er prompt in Kontraktion gebracht werden kann. Wenn man eine Elektrode auf das patellare Ende des Muskels, die andere auf die Trennungslinie des distalen und mittleren Drittels setzt, so zeigt das Galvanometer bei Reizung mit einem Induktionsschlag einen einfachen doppelphasischen Strom. Um die Ströme vom Muskel abzuleiten, wurde die Haut über diesem durch- trennt und beiseite gezogen. Der Muskel wurde nicht von seiner Umgebung isoliert, sondern nur von den ihn oberflächlich bedeckenden Faszien befreit. So blieb er fast ganz unter normalen Bedingungen. Die unpolarisierbaren Elektroden wurden durch in Kochsalzlösung ge- tränkte Wollfäden verlängert und diese letzteren direkt auf die Oberfläche .- des Muskels aufgelegt. Das Bein des Hundes wurde so festgeschnallt, daß es sich bei der Kontraktion fast gar nicht bewegen konnte, geringe Verschiebungen bedeuten auch nichts, da die Elektroden der Bewegung folgen. Die Widerstandsfähigkeit der einzelnen Versuchstiere gegen die wieder- holte Reizung ist sehr verschieden. Bei manchen treten schon nach 2—3 kräftigen Reizungen allgemeine Krämpfe auf, mit anderen kann man stunden- ‚lang experimentieren, bis es dazu kommt. Resultate. Es zeigte sich in den Versuchen, daß durch die Frequenz der die Hirnrinde reizenden Induktionsströme, die Art der dem Muskel zufließenden Erregungen beeinflußt werden kann. Allerdings geht die Möglichkeit des Einflusses nicht annähernd so weit wie bei der reflektorischen Reizung eines Muskels. Immerhin ist er deutlich genug. Reizung mit geringen Frequenzen (15—25). Die Reaktion auf geringe Reizfrequenzen 15—25 ist verschieden, meistens finden wir, daß die Aktionsstromstöße den Reizen nicht folgen sondern frequenter sind. In der Fig. 1 ist ein sehr deutliches Beispiel dieses Ver- 288 PıuL Horrmann: haltens gegeben. Die Reizfrequenz beträgt hier 13 pro Sekunde. Schon vor dem Beginn der Reizung sehen wir kleine Ausschläge des Galvano- meters. Es rühren diese von schwachen Zuckungen her, die bei diesem Tiere zwischen den Reizungen bestehen blieben. Die Frequenz dieser Aktionsströme ist sehr unregelmäßig. Auf den Beginn des Reizes erfolgt sehr bald die Reaktion. Anfangs macht das Galvanometer unregelmäßige Ausschläge, die eine geringe Amplitude zeigen und den vorausgegangenen ähnlich sind. Bald darauf beginnt aber ein deutlich regelmäßiger Rhythmus. Und zwar folgt dieser vollkommen den Reizen. Etwa °/,,. Sekunden nach jedem Induktionsschlag beginnt ein ziemlich starker Aktionsstrom. Dies Fig. 1a. | (EEE Fig. 15. Reizung mit 18 pro Sek. Erklärung im Text. 5 ist die Fortsetzung von a. Unten sind die Reize angezeigt. Wie alle Kurven dieser Abhandlung von links nach rechts zu lesen. wiederholt sich einige Male, dann sehen wir mehrere deutliche Zacken für einen Reiz (es waren nur die Öffnungsschläge wirksam) auftreten. Der Rhythmus wird unregelmäßig und man kann nicht immer sehen, daß ein Aktionsstrom einem Reiz entspricht, d. h. daß eine bestimmte Zeit nach dem Induktionsschlag die Reaktion einsetzt. Dann sieht man für einige Zeit sich einen schnelleren Rhythmus etablieren, und zwar kommen jetzt auf jeden Reiz zwei Erregungen. Doch auch bei dieser Frequenz bleibt der Rhythmus nicht stehen, sondern es macht sich deutlich bemerkbar, daß eine weitere Beschleunigung erfolgt. Schließlich finden wir dann drei Erregungen für jeden Reiz. Dabei kommt aber der Muskel nicht in eine INNERVATION BEI GROSSHIRNREIZUNG. 289 wirklich gleichmäßige Tätigkeit, sondern es findet ein fortwährendes Schwanken statt. Eine weitere Tendenz zur Vergrößerung der Frequenz liegt nicht mehr vor. Es ist hier wieder an die Voraussetzung zu erinnern, die der Deutung der Kurven zugrunde liest. Wenn wir von den Aktionsströmen auf die Tätigkeit der Ganglienzelle schließen wollen, so müssen wir annehmen, daß die Entladungen der zu einem Muskel gehörigen Ganglienzellen salvenmäßig erfolgen. Es ist dies bei unermüdetem Zentralnervensystem im allgemeinen der Fall. Ich glaube annehmen zu dürfen, daß auch in der vorliegenden Kurve jeder großen Zacke eine Erregung in jeder Muskelfaser entspricht. Diese Meinung gründet sich auf die Gleichmäßigkeit der Zacken, die an mehreren Stellen der Fig. 1 recht groß ist; ferner auch auf den Ver- gleich mit Fig. 2. 15 Sek. Fig. 2. Reizung mit 18 pro Sekunde. Erklärung im Text. Glattes Mitgehen der Impulse mit den Reizen. Die Kurve wurde kurz nach Fig. 1 von demselben Tiere aufgenommen. Fig. 2 zeigt eine Kurve, die bei einem ganz analogen Versuch an dem- selben Tiere erhalten wurde. Hier ist das Bild ein ganz anderes. Es besteht ein Rhythmus, der glatt den Reizen parallel läuft. Den großen Ausschlägen sind stets mehrere kleine aufgesetzt. Diese Kurve wurde er- halten nach mehrmaliger Reizung, sie ist also offenbar die eines ermüdeten Nervensystems. Hier kann man wohl mit Gewißheit sagen, daß die auf- gesetzten Zacken den Erregungen einzelner Fasergruppen entsprechen. Es sieht also eine Kurve mit sicher nicht ganz exakt salvenmäßiger Innervation des Muskels ganz anders aus als Fig. 1. Die dem Muskel zugesendeten Innervationsstöße würden sich also bei Großhirnreizung mit 20 Induktionsschlägen etwa folgendermaßen verhalten. Das frische Nervensystem zeigt die Tendenz, mehr Erregungen aus- zusenden, als es Reize erhalten hat. Zum Erreichen dieser Frequenz braucht es aber eine gewisse Zeit, während der es jedem Reiz entsprechend einen Impuls aussendet. Mit Leichtigkeit produziert es bis 40 Impulse in der Sekunde, 60 scheinen ihm schwerer zu werden, denn die Kurven sind dann Archiv £. A.u.Ph. 1910. Physiol. Abtlg. Suppl. 139 290 a em nicht mehr so regelmäßig. Schon bei geringen Graden von Ermüdung beschränkt es sich darauf, für jeden Reiz einen Impuls zu erzeugen. ' Die Erregungen erfolgen dann vollkommen synchron mit der Reizung. Zahlreiche, auf die großen Schwankungen des Galvanometers aufgesetzte Zacken beweisen, daß die Innervation nicht mehr völlig salvenmäßig erfolgt. Es ist bemerkenswert, daß der Beginn der Aktionsstromstößbe in jedem Falle 0-033 Sekunden nach dem Reize erfolet. Dieses würde also nach Abzug der Leitungszeit im Rückenmark und Nerven + der Latenz des Muskels die Latenz des Rindenfeldes ergeben. Es muß aber betont werden, daß diese Gleichmäßigkeit der Latenzzeit nur bei den für jeden Reiz nur einen Impuls anzeigenden Kurven zu finden ist. Nimmt man die Leitungs- geschwindigkeit der Erregung im Rückenmark gleich der im peripheren Nerven, so würde die Leitungszeit bei 70°” Strecke 0-0058 Sekunden be- tragen. Rechnet man dazu 0.004 Muskellatenz und 0-010 Übertragungs- zeit im Rückenmark an der motorischen Zelle des Vorderhorns, so kommt man etwa zu 0-01 Sekunde für den oben bezeichneten Wert. Er würde also von derselben Größenordnung sein wie die „reine“ NReflexzeit des Rückenmarks. Der oben angegebene Wert stimmt recht gut zu den von Richet, Exner u.a. für die Großhirnreizung erhaltenen Latenzzeiten. Diese Autoren fanden etwa 0-04 Sekunden für die Kontraktion. Reizung mit mittleren Frequenzen (ca. 40—60 pro Sekunde). Daß die Zahl der ausgesendeten Impulse bis zu diesen Frequenzen den Reizen parallel gehen kann, ist schon aus dem vorher Gesagten mit Eau u im SEE Fig. 3. Reizung mit 50 pro Sekunde, außerordentlich regelmäßige Folge. Sicherheit zu?erschließen. Wir sahen bei der Reizung mit niederen Frequenzen eine Produktion von Impulsen, die das Dreifache der Reize betragen kann. INNERVATION BEI GROSSHIRNREIZUNG. 291 Fig. 3 zeigt eine Reaktion auf 50 Reize pro Sekunde. Es gehen in diesem Falle die Impulse den Reizen in vollkommener Weise parallel. Der Rhythmus der Aktionsströme ist gerade in diesem Falle erstaun- lich regelmäßig. Es ist gerade eine Besonderheit der Reizfrequenzen zwischen 40 und 60, daß sie so regelmäßige Kurven geben. In der Fig. 2 sehen wir auch einen regelmäßigen Rhythmus, aber wir finden jeder Aktions- stromzacke mehrere kleinere in unregelmäßiger Weise aufgesetzt. In der Fig. 3 dagegen macht die Saite fast durchweg ganz einfache Schwingungen. Man hat danach entschieden den Eindruck, als ob diese Schnelligkeit, die Impulse auszusenden, der Natur der Ganglienzellen besser entspräche. f enden Fig. 4. Reizung mit 65 in der Sekunde. Reizung mit höheren Frequenzen. Eine derartig elegante Übereinstimmung der Reize und der Innervation, wie man sie in dem Intervall zwischen 40 und 60 findet, ist bei höheren Zahlen nicht mehr zu erreichen. In Fig. 4 beträgt die Reizfrequenz 65 pro Sekunde. An einzelnen Stellen entspricht die Innervation genau den Reizen. Teilweise kommt es aber zu einer Halbierung des Rhythmus, d.h. für jeden zweiten Reiz wird ein Impuls zum Muskel gesendet. Je höher man nun die Frequenz der Reizung treibt, um so seltener und kürzer werden die Kurvenabschnitte, in denen die Innervation den Reizen parallel geht. Bei 100 pro Sekunde gelingt es kaum mehr nach- zuweisen, daß auch nur hin und wieder auf jeden Reiz ein Aktionsstrom- stoß kommt. Zu einem irgendwie regelmäßigen Rhythmus kommt es bei 19* 292 PAuL HOFFMANN: diesen hohen Frequenzen nicht. In Fig. 5 ist die Wirkung einer Reizung mit etwa 100 pro Sekunde, wie sie sich im allgemeinen zeigt, zu erkennen. Vollkommen deutlich ist zu sehen, daß der Muskel weniger Impulse erhält als die Hirnrinde Reize empfangen hat. RP haNM a Ries. Reizung mit 100 in der Sekunde. Wirkung der Ermüdung. Die Impulse während der allgemeinen oder lokalisierten Krämpfe. Es ist bekannt, daß nach kräftiger Reizung der Großhirnrinde oft in den entsprechenden Muskelgruppen Krämpfe auftreten, die einige Zeit an- halten. Nach häufig wiederholter Reizung kann es zu allgemeinen kloni- schen und tonischen Krämpfen kommen. Ich habe auch die Aktionsströme derartiger Kontraktionen mehrfach registriert. Meistens sind die von diesen erhaltenen Kurven viel unregelmäßiger als die während der Reizung selbst aufgenommenen. Manchmal zeigt sich deutlich die Neigung zu einer Periodenbildung, wie wir sie etwa beim Strychnintetanus sehen. Eine solche Kurve ist in Fig. 6 abgebildet. ‘Es V5Sek Fie. 6. Nach Beendigung der Reizung fortdauernder Krampf. Eigenartiger Doppelrhythmus. sind hier zwei Rhythmen zu unterscheiden, ein grober von 10 und ein feiner von etwa 4 mal höherer Frequenz. Einen erheblichen Einfluß auf die Innervation hat die Ermüdung. Es ist aus den Versuchen von Piper! bekannt, daß die vom ermädeten Zentralnervensystem ausgesendeten Impulse sich von denen des normalen 1 Dies Archiv. 1909. Physiol. Abtlge. 8. 491. INNERVATION BEI GROSSHIRNREIZUNG. 293 deutlich unterscheiden. Beim Menschen sinkt die Zahl der dem Muskel zugesendeten Innervationsstöße bei hochgradiger Ermüdung bis auf die Hälfte der Normalen. Zugleich wird die salvenmäßige Innervation gestört. Die bei Großhirnreizung beim Hunde dem Muskel zufließenden Innervations- stöße zeigen nur ganz ähnliche Veränderungen. Die Kurven bestehen aus regellos einander folgenden Zacken. An eine Feststellung der ausgesandten Impulse ist dann nicht mehr zu denken. Zusammenfassung. Reizt man die Großhirnrinde mit etwa 20 Reizen pro Sekunde, so sendet das Zentralnervensystem meist mehr (bis zu 60) Innervationsstöße zum Muskel. Bei 50 Reizen pro Sekunde findet man ebensoviel ausgesendete Impulse. Steigt die Reizfrequenz über 60, so ist deutlich eine Tendenz bemerk- bar weniger Erregungen auszusenden, als Reize empfangen wurden. Eine Besonderheit der Frequenz von 50 zeigt sich weiter darin, daß man bei dieser Reizfreguenz sehr regelmäßige Kurven mit ebensoviel Wellen erhält. Nachbilder I. Das Bild bei offenen Augen, das primäre, sekundäre und tertiäre Nachbild (z-Nachbilder). ! Von Fr. Klein. (Aus dem physiologischen Institute zu Kiel.) Einleitung. — Eine durch Auswertung verschiedener Beobachtungen vorbereitete und in den Grundzügen bereits entwickelte Ergänzungshypothese zur Theorie des Sehens fordert für das Zustandekommen der Nervenleitung und damit der Empfindung eine „wechselstarke‘“ Belichtung der Sehzellen und sieht diese Forderung erfüllt durch intermittierendes (durch Licht be- dingtes und Licht absorbierendes) Eigenlicht der Netzhaut. Je mehr Tatsachen sich mit der angedeuteten Hypothese zwanglos in Einklang bringen lassen und je weniger es bisher möglich gewesen ist, diese Tatsachen auf andere, ebenso präzise und einheitliche Annahmen zurückzuführen, um so eher wird damit gerechnet werden dürfen, daß die Hypothese von anderer Seite nachgeprüft wird. Das geeignetste Material, um Wert oder Unwert der Hypothese zu erweisen, dürfte in der Fülle von Tatsachen gegeben sein, welche die Be- obachtung der Nachbilder zutage gefördert hat. Ich habe dieses Material durchgearbeitet: Nirgends haben sich dabei Widersprüche mit den Grundideen ergeben. Einige der bisherigen An- nahmen haben, wie nicht anders zu erwarten, in Anpassung an die Tat- sachen eine weitere Ausbildung erfahren: Überall sind dadurch die An- schauungen präziser, nirgends unbestimmter geworden. An keiner Stelle ist es erforderlich gewesen, eine Annahme ad hoc zu machen: Immer haben sich Beispiele anderer Art gefunden, die durch dieselbe Annahme und nur durch diese eine Erklärung fanden. ! Die vorhergehende Mitteilung: „Das Eigenlicht der Netzhaut usw.“ findet sich in diesem Archiv. 1911. Physiol. Abtlg. S. 191—243. Fr. KLem: NAcHBILDER ]. 295 (Beschränkung des Stoffes). — Da es nicht zweckmäßig erscheint, das ganze Material auf einmal mitzuteilen, beschränke ich die vorliegende Untersuchung auf die bekanntesten Nachbilder, das primäre, sekundäre und tertiäre, die nach kurzer normalstarker Belichtung im wiederverdunkelten Auge auftreten, berücksichtige jedoch die höchst auffallenden Abweichungen; welche diese Bilder bei schwächerer und besonders bei sehr starker Be- lichtung aufweisen. Ich gehe weder ein auf die Streifung des primären Nachbildes, noch auf die unter Umständen in den Nachbildern sichtbare helle und dunkle Aderfigur, noch auch auf die „deformierenden“ Größenschwankungen der Nachbilder; diese Dinge sollen jedes für sich abgehandelt werden. Nur in einem Falle, wo die Aderfigur für ein Nachbild besonders charakteristisch ist, wird sie in die Untersuchung einbezogen. Übersicht der zu untersuchenden Tatsachen. Im folgenden sind außer allgemein bekannten auch solche Beobachtungen herangezogen, welche für die Theorie der Nachbilder bisher nicht verwertet worden sind. Ich möchte aber glauben, daß sie keinem, der sich eingehen- der mit Nachbildern beschäftigt hat, fremd sind. Die nach kurzer Belichtung im völlig verdunkelten Auge auftretenden Nachbilder zeigen Unterschiede, je nachdem die Belichtung normal (mittel- stark), unter- oder übernormal ist. Die nähere Beschreibung der weniger bekannten Dinge bleibt den betreffenden theoretischen Abschnitten und den Protokollen vorbehalten. Normale (mittelstarke) Belichtung: 1. Primäres, positiv-gleichfarbiges Nachbild, „voranlaufendes“ Bild. 2. Dunkles Intervall (kann fehlen). 3. Sekundäres, positiv-komplementäres Nachbild (Purkinjesches Nach- bild, „nachlaufendes“ Bild, recurrent vision, ghost, Satellit). 4. Dunkles Intervall (kann fehlen). 5. Tertiäres, positiv-gleichfarbiges Nachbild. 6. Dunkles Intervall (kann fehlen). 7. (Schwaches positives Nachbild.) Schwächere Belichtung, Auge einigermaßen dunkeladaptiert: a) In einem positiv-komplementären Nachbild treten oft reichverzweigte dunkle Gefäße auf, welche entweder ohne Änderung nach !/,” verschwinden oder vorher ganz oder teilweise in hell umschlagen. Dieselben Erschei- 296 FR. KLEix: nungen in bezug auf die Gefäße treten auf, wenn das Auge offen bleibt, doch fehlen sie häufig bei völliger Dunkeladaptation. b) Noch schwächere Belichtung: Auf das positiv-komplementäre Nachbild folgt oft, aber nicht regel- mäßig ein negatives Nachbild. Darin können leuchtend helle Gefäße auf- treten; das Bild kann einen leuchtend hellen scharfen Rand besitzen. Starke Belichtung des dunkeladaptierten Auges, farbiges Objekt (grüner Garten mit gelblichen Kieswegen): 1. Einfarbig-rotgelbes Nachbild mit geringen Helliskeitsdifferenzen. 2.'„Schneelandschaft“; alle hellbeleuchteten Stellen sind weiß. 3. Nachbild in den gewöhnlichen Farben. (Etwas anders ist der Verlauf bei abnehmender Dunkeladaptation und bei etwas schwächerer Belichtung.) Wird das dunkeladaptierte Auge auf den sehr hellen Himmel gerichtet und kurz belichtet, so wird zu allererst ein verwirrendes, im ganzen sehr helles Bild sichtbar, in welchem ein dichtes Netz blendend heller Gefäße besonders auffällt. Nach Fällen mit etwas langsamerem Verlauf zu urteilen scheinen helle und dunkle Gefäße mehrmals miteinander abzuwechseln. Später kann die Aderfigur noch einigemal hell oder dunkel auftreten. Recht oft erscheint sie nach 2 bis 3”, reich verzweigt, in einem sehr großen Teil des Gesichtsfeldes dunkel auf hellem Grunde In diesem Bilde ist nicht ganz selten der blinde Fleck als scharfbegrenzte runde Scheibe sichtbar, die heller als der Grund ist. Theoretischer Teil. In früheren Mitteilungen! sind Beobachtungen sehr verschiedener Art wiedergegeben, welche sich einheitlich erklären lassen durch die Annahme von Eigenlicht, das in mehr als einer Netzhautschicht auftreten kann. In der sechsten dieser Mitteilungen (‚das Eigenlicht der Netzhaut“) sind in den Abschnitten 40 bis 41 die bis dahin gewonnenen Resultate zusammengestellt. 11. Dies Archiv. 1908. Physiol. Abtlg. 8.445 (Druckphosphen). 2. Ebenda. 1908. Physiol. Abtlg. Suppl. S.161 (Druckphosphen). 3. Ebenda. S.219 (Nachbilder). 4. Ebenda. S. 223 (Größenschwankungen). 5. Ebenda. 1910. Physiol. Abtlg. S.531 (Druckbilder). 6. Ebenda. 1911. Physiol. Abtlg. 8.191 (Eigenlicht). Ferner Münchener med. Wochenschrift. 1908. Nr. 34 (und andere). NACHBILDER ]. 297 Abschnitt 42 handelt von den quantitativen Beziehungen zwischen Außenlicht und Eigenlicht beim normalen Sehen, führt den Begriff der Reizgröße A ein und definiert das primäre Nachbild. Den Inhalt der Abschnitte 40 bis 42 setze ich als bekannt voraus, wiederhole aber die Resultate des Abschnitts 42. Unter welchen Bedingungen führt Belichtung der Sehzellen zur Lichtempfindung? — „Schwarzes Licht“. Licht von gleichbleibender Stärke würde an und für sich in den Seh- zellen kontinuierliche „gleichstarke‘ Prozesse auslösen, die nicht zur Nerven- leitung führen, also auch keine Empfindung geben. Passiert aber das Licht vorher eine Netzhautschicht, in welcher (durch das Licht ausgelöst und quantitativ davon abhängige) intermittierendes Eigenlicht auftritt, so verlaufen in den Sehzellen unter der Bedingung „wechselstarke“ zur Nerven- leitung führende Prozesse, daß die Wirkungen des äußeren Lichtes und des Eigenlichtes verschieden stark sind. Die beiden Lichtarten summieren niemals ihre Wirkungen, sondern das Eigenlicht absorbiert in den Momenten des „Leuchtens‘“ das äußere Licht, dieses erreicht also die Sehzellen nur in den Intervallen. Ich will hier die paradox klingende Bezeichnung „schwarzes Licht“ einführen, um einen kurzen Ausdruck für den Fall zu haben, daß die Sehzellen zwar Licht erhalten, aber keine Helliskeitsschwankungen er- leiden. Da die Stärke der Zersetzung in den Sehzellen notwendig in jedem Zeitabschnitt der Lichtstärke parallel gehen muß, so muß jene Zersetzung „gleichstark“ oder „wechselstark“ sein, je nachdem die Sehzellen von gleich- starkem oder wechselstarkem Licht getroffen werden. Nun führen (ich betone das wiederholt, denn es ist der leitende Gedanke der hier ver- tretenen Anschauung), nur wechselstarke Prozesse in den Sehzellen zur Nervenerregung (und damit zur Empfindung), gleichstarke dagegen nicht. Gleichstarke Zersetzungen in den Sehzellen geben also ebenso vollständig die Empfindung! „schwarz“, als wenn darin gar keine Prozesse abliefen. Es lassen sich theoretisch mehrere Fälle konstruieren, in denen „schwarzes Licht“ auftreten müßte: 1. Die Sehzellen erhalten ausschließlich das Eigenlicht einer kon- tınuierlich leuchtenden Netzhautschicht; bei genügender Stärke läßt es kein Licht durch, mag es von außen oder aus einer oberflächlicheren Schicht 1 Wir empfinden Schwarz als etwas Positives wohl nur im räumlichen oder (bei sehr kurzen Zeiten) auch zeitlichen Gegensatz zu Hell. Von einer Leitung durch den Sehnerven ist dabei nach meiner Ansicht keine Rede. — Mit Herings Hypothese läßt sich meine Anschauung nicht vereinigen. 298 . Fr. Kueix: stammen. Dieser Fall dürfte vorliegen beim Auftreten des dunkeln Inter- valls nach dem primären Nachbild (vgl. weiter unten S. 304) und bei den Dämmerungserscheinungen;! er liegt ferner vor in der dunkeln (undurch- sichtigen) Phase der periodischen Lichterscheinungen: Beim Fixieren eines Linienmusters aus drei sich kreuzenden Parallelsystemen (Dreiecke) sieht man die Linien abwechselnd verschwinden und wieder auftauchen, einzeln und in Gruppen, während die sichtbaren Linien segmentiert sind (a. a. 0. 8. 234). Bei sehr geringer Stärke ist das Eigenlicht nicht ganz undurchlässig (vgl. den Abschnitt über das sekundäre Nachbild S. 307). 2. Die Sehzellen erhalten Eigenlicht aus zwei Netzhautschichten: Eine nähere Sehicht leuchtet intermittierend, eine fernere (dem Glas- körper nähere) leuchtet kontinuierlich und ohne Intensitätsschwankungen. Die Wirkung beider Lichtarten auf die Sehzellen ist gleichstark. Das Licht der ferneren Schicht wird von dem intermittierenden Licht vollständig absorbiert; in den Intervallen der Lichtblitze wird es durch- gelassen. Die Prozesse in den Sehzellen verlaufen in gleichbleibender Stärke: keine Nervenerregung; (kein sicheres Beispiel). 3. Die Sehzellen erhalten intermittierendes Eigenlicht einer (näheren) Schieht und in den Intervallen äußeres Licht von gleichstarker Wirkung» (Synehron intermittierendes Licht einer ferneren Schicht kommt nicht zur Wirkung, weil es. vollständig absorbiert wird.) — Dieser Fall tritt bei „wiederbelebten“ (y-)Nachbildern ein: Ein solches Nachbild ist bei einer ganz bestimmten (mäßig starken) Belichtung tiefschwarz; bei jeder anderen Lichtstärke, mag sie größer oder geringer sein, ist das Nachbild weniger dunkel. Gegen den Ausdruck „schwarzes Licht“ wird man vielleicht einwenden, daß es auch keine „lautlosen Töne“ gibt: In dem bekannten Nörremberg- schen Interferenzversuch wird der durch ein verzweigtes Rohr geleitete Ton einer Stimmgabel ausgelöscht, wenn die Länge der Zweige sich um eine halbe Wellenlänge unterscheidet. Es treten in diesem Fall keine Schwan- kungen des Luftdrucks auf, die allein eine Tonempfindung herbeiführen. Ebenso sind bei „schwarzem Licht“ die Schwankungen in der Intensität der Prozesse beseitigt, die das Licht direkt oder indirekt in den Sehzellen auslöst. Weiter aber geht die Ähnlichkeit nicht: Ein durch Interferenz ausgelöschter „lautloser“ Ton unterscheidet sich in nichts von konstantem Luftdruck und übt überhaupt keine Wirkung irgend welcher Art auf das Gehörorgan aus, während das „schwarze“ Licht (zum Unterschied von völligem Lichtmangel!) in den Sehzellen ganz zweifellos ebensogut Zersetzungen be- wirkt, wie wechselstarkes. (Den Beweis dafür liefern die Größenschwan- kungen, vgl. die folgende Mitteilung.) 1 Dies Archiv. 1911. Physiol. Abtlg. S. 221 und 231. NACHBILDER |]. 299 Das normale Sehen. Bezeichne ich wie früher! mit A die Wirkung des äußeren Lichtes, mit EZ die des Eigenlichtes, und setze ich die Ordinaten A und Z pro- portional der Stärke der Wirkung in den Sehzellen, so haben die Prozesse in diesen abwechselnd (dem Tempo des intermittierenden Eigenlichts entsprechend) die relativen Geschwindigkeiten A und F; die Schwankungen in der Stärke dieser Prozesse sind also um so größer, je verschiedener A und E sind (und umgekehrt). — Je größer aber die Schwankungen der Prozesse in den Sehzellen, um so stärker die Erresung (Leitung) im Nerven, und um so stärker die Hellempfindung. Die Größe der Schwankungen ist gleich der Differenz zwischen 4 und Z; ich habe diese Differenz die „Reizgröße‘‘ genannt und mit 4 be- zeichnet. Der Reizgröße entspricht die Stärke der Empfindung. Für das normale Sehen, also für das Sehen des vom dioptrischen Apparat entworfenen Netzhautbildes, nehme ich, gestützt auf die Anfangs- helliskeit des primären Nachbildes (vgl. S. 301) an, daß die Wirkung des Eigenlichtes Z halb so stark, wie die des Außenlichtes A ist, also Z = !/, A. ‚Dann ist auch die Reizgröße A=!,A (vgl. 8.316, Fig. 5 [1] und [2]). Also sehen, empfinden wir das ruhende Netzhautbild der Außendinge nicht, weil es objektiv hell ist, und nicht, weil es überhaupt Zersetzungen in den Sehzellen hervorbringt, sondern Bine daß ein im Auge befind- licher Unterbrecher es in schnellem Tempo abwechselnd absorbiert und durchläßt, ihm dadurch Helligkeitsschwankungen erteilend, welche in den Sehzellen „wechselstarke“, tetanische, den Nerven erregende Prozesse auslösen. Daß der Unterbrecher außerdem noch selbst leuchtet, ist für das nor- male Sehen gewissermaßen ein Nebenbefund: Verglichen mit einem selbst- leuchtenden würde ein nicht leuchtender Uuteehuec her den stärkeren Reiz ' setzen, aber kein Nachbild geben. Der zeitliche Verlauf und die Zahl der Folgeerscheinungen der Belichtung ist von deren Stärke und dem Zustand des Auges abhängig. Bevor zu einer Analyse der einzelnen Nachbilder geschritten werden kann, muß an einige wohlbekannte Tatsachen erinnert werden: Je stärker ein primärer Lichteindruck ist, um so stärker und an- haltender (zahlreicher) sind die Folgeerscheinungen und um so schneller 1 Dies Archiv. 1911. Physiol. Abtlg. S. 218. 300 Fr. KuLeis: ist ihr Verlauf.” Auch der Adaptationszustand des Auges spielt dabei eine Rolle. Nach kurzer schwächerer Belichtung treten im wieder verdunkelten Auge im allgemeinen nur drei gut abgegrenzte und langsam verlaufende Nachbilder auf. Ganz anders bei stärkster kurzer Belichtung des dunkeladaptierten Auges. Die ersten Nachbilder folgen einander so schnell, daß es schwierig ist, sich über den ersten sehr hellen und wenigstens anfangs verwirrenden Gesamt- eindruck Rechenschaft zu geben. Die folgenden Nachbilder verlaufen um ein vielfaches langsamer, und noch spät, zwei, drei und mehr Sekunden nach der Belichtung, wechseln länger andauernde Bilder von verschiedenem Aussehen miteinander ab. Immerhin ist die Reihe der „spontan“ (d.h. im völlig verdunkelten Auge erscheinenden Bilder nach kurzer starker Belichtung im allgemeinen bald zu Ende. Belichtet man dagegen lange (etwa 30 bis 40”) und stark, so kann die Zahl der spontanen (5-)Nachbilder bis zu 25 betragen und sich bis gegen das Ende der vierten Minute erstrecken. Das primäre positiv-gleichfarbige Nachbild. Die Lichtempfindung beim normalen Sehen ist oben auf die ab- wechselnde und verschieden starke Wirkung zweier Lichtarten zurück- geführt worden, des konstanten äußeren Lichtes(A) und des intermittierenden Eigenlichtes (2). Es wurde gesetzt Z=!/,A und dementsprechend die Reizgröße A=4—-#=1],4. (Begründung:) Nimmt man nämlich an, daß bei plötzlicher Ver- dunkelung (Wegfall des äußeren Lichtes) der intermittierende Eigenlicht- prozeß sich noch eine Zeitlang in unveränderter Stärke fortsetzt, so wechselt während dieser Zeit die Stärke der in den Sehzellen ausgelösten Prozesse ! Die erste Antwort des visuellen Organs auf einen einzelnen momentanen Reiz ist in allen Fällen (selbst bei sehr schwachem Lichtreiz) eine Reihe von Sensationen von sich vermindernder Intensität, die schnell aufeinander folgen. Die Reihe ist um so länger und die Anfangsstadien sind um so kürzer, je intensiver der Reiz war. (Me Dougall, Brit. journ. of psychol. I, T8—113, 1905, nach Hermanns Jahresb.) — Ferner: Nach kurzer Belichtung tritt eine Reihe von Erscheinungen ein, zeitlich mehr oder weniger zusammengedrängt und mehr oder weniger vollständig, je nach Helligkeit, Belichtungsdauer und Zustand des Auges. Geringe Helligkeit und ganz kurze Belichtung gibt die Anfangsglieder der Reihe und nur diese; .... bei größerer Helligkeit folgen diese Stadien zu schnell aufeinander, um unterschieden zu werden. (Klein, dies Archiv. 1905. Physiol. Abtlge. S. 169). NACHBILDER |]. 301 zwischen Null und E. Für die Reizgröße A des primären Nachbildes ergibt sich aus Z= !/, A Also ist AA, 2,4 oder: Die Reizgrößen von Bild und primärem Nachbild sind gleich. Die Reizgröße bestimmt die Hellempfindung; diese dürfte aber während einer kurzen Zeitspanne nach der Verdunkelung dieselbe sein, wie während der Belichtung. Ich selbst wenigstens habe, besonders nach kurzer Be- lichtung, durchaus diesen Eindruck. Eine geeignete kinematographische Vorführung, durch schnelle Augen- bewegungen in Einzelbilder zerlest, läßt das Bild und die nächsten Nach- ° bilder für mein Auge gleich hell erscheinen. Ferner: Ein bewegter Licht- punkt gibt im ruhenden Auge ein Bild, dessen erste Strecke (von der nicht immer erkennbaren Streifung abgesehen) gleichmäßig hell erscheint. Auf dem subjektiven Eindruck, daß Bild und Anfangsstadium des primären Nachbildes gleich hell sind, beruht die Annahme, daß beim nor- malen Sehen die Wirkung A des äußeren Lichtes auf die Sehzellen doppelt so groß ist, wie die Wirkung Z des Eigenlichtes. Diese quantitative Annahme ist soweit unsicher, als es die subjektive Schätzung ist. Es hat sich aber als zweckmäßig erwiesen, ganz bestimmte Voraussetzungen für das normale Sehen zu machen, da man von diesen aus zu ebenso bestimmten Annahmen über den Sehapparat unter abnormen Bedingungen gelangt: Man vergleiche „Eisenlicht‘““ Abschnitt 48 bis 45 (a. a. O. 8. 220f). Ganz besonders wird sich der Nutzen zahlenmäßig bestimmter Voraussetzungen bei der Analyse der „wiederbelebten“ (-)Nach- bilder zeigen (spätere Mitteilung). An sich würden sich alle theoretischen Folgerungen auch auf einer quantitativ anderen Grundlage aufbauen lassen: Gesetzt, die subjektive Hellig- keit des primären Nachbildes sei anfangs nur halb so sroß, wie die des Bildes, so würde Z= !/, A anzunehmen sein. Dann wäre 4 = 4A -HE= ?/,A die Reizstärke des Bildes und 4, = #— 0 = !/,A die Reizstärke des primären Nachbildes. Das primäre Nachbild und überhaupt die positiven Nachbilder werden allgemein als „Nachwirkung“ angesehen; diese setzt im Moment der Ver- dunkelung ein; ich betone das im Gegensatz zu der Forderung, daß zwischen Bild und primärem Nachbild ein dunkles Intervall liegen müsse. An welcher Stelle der Netzhaut die Nachwirkung stattfindet, lassen die Autoren unbestimmt. Sie darf meines Erachtens keinesfalls in die Seh- zellen selbst verlegt werden: Eine längere Nachwirkung in diesen würde mit ihrer Aufgabe, als stets bereiter Aufnahmeapparat zu dienen, nicht im 302 FR. KLEis: Einklang stehen. Die „Nachwirkung“ geht also nach meiner Auffassung unter allen Umständen von Netzhautelementen aus, die nicht mit den Sehzellen identisch sind. Diese Elemente sind, wie sich aus dem Auftreten der Aderfigur in gewissen Nachbildern ergibt, in der Nähe der großen Ganglienzellen zu suchen. Die Farbe des primären Nachbildes. — Das primäre Nachbild ist positiv und, wenn das erzeugende Licht farbig war, mit diesem gleich- farbig. In den Sehzellen soll nach meiner Hypothese keine Nachwirkung irgend welcher Art stattinden. Wenn sie sehen, so muß objektives wechselhelles (intermittierendes) Licht auf sie einwirken; wenn sie bei verdunkelten Augen sehen, so muß dieses Licht aus anderen Netzhaut- schichten (Leuchtschichten) stammen; und da die Sehzellen bei verdunkelten Augen nicht nur Hell und Dunkel, sondern auch Farben sehen, so muß das Eigenlicht dieser Schichten selbst farbig sein. Durch Übertragung bekannter Anschauungen gelangt man zu der Auffassung, daß nicht nur in den Sehzellen (mindestens) drei auf Licht verschiedener Wellenlänge eingestellte Substanzen vorhanden sind, sondern daß eine analoge Dreiteilung auch für die Leuchtschichten gilt. Trifft also z. B. rotes Licht die Netzhaut, so wird in den Nachbild- schichten vorwiegend die Substanz sowohl gebildet,! als auch zersetzt, deren Zersetzungsprodukt, vorsichtig ausgedrückt, wie rotes Licht auf die Seh- zellen wirkt. Diese Annahme, die Übertragung der Dreifarbentheorie auf die Leuchtschichten, erweist sich als unentbehrlich und ausreichend auch für die Deutung anderer Vorgänge, welche in dieser und den folgenden Mitteilungen über Nachbilder besprochen werden. Die auf das primäre Nachbild folgenden Intervalle und Nach- bilder. — Eine zweite „leuchtende“ Schicht. Manche Tatsachen sprechen dafür, daß das Eigenlicht der Netzhaut nicht nur in einer, sondern in mehreren Netzhautschichten auftreten kann: Die untereinander sehr verschiedenen Druckbilder (vgl. Anm. 8.296) versteht man nur unter der Annahme, daß der Druck in mehreren Schichten „Leuchtprozesse‘“ auslöst. — Ferner: Ist im Auge ein latentes Nachbild vorhanden, und wird der Druck in absoluter Dunkelheit aus- ı Es sei daran erinnert, daß die Vorgänge, die ich als „Eigenlicht“ bezeiehne, in doppelter Beziehung vom äußeren,Licht abhängen: Sowohl die Assimilation, als auch die Dissimilation der betreffenden Substanzen findet unter dem Einfluß des Lichtes statt. Für die Assimilation habe ich dies, wie ich glaube einwandfrei, bei der Unter- suchung des Druckphosphens nachgewiesen: Die Regeneration erfolgt schnell im Licht, sehr langsam im Dunkeln. (Dies Archiv. 1908. Physiol. Abtlg. S. 448.) NACHBILDER ]. 303 geübt, so erscheint meist in einem dieser Druckbilder das alte Nachbild, während vor- und nachher andere nachbildfreie Druckbilder sichtbar werden. — Ferner: Die Dämmerungserscheinungen (runde oder ovale, meist zackige, dunkle Flecke) können zugleich mit periodischen Lichterscheinungen auftreten: Soweit sie zusammenfallen, verdrängt der zweite Vorgang den ersteren; daraus konnte mit recht erheblicher Wahrscheinlichkeit geschlossen werden, daß der zweite in einer anderen tieferen Schicht sich abspielt (vgl. auch 8. 318#f.). Alle anderen Nachbilder und Intervalle lassen sich aus Vorgängen in nur einer Netzhautschicht ableiten, das sekundäre Nachbild nicht: Das sekundäre positiv-komplementäre Nachbild dürfte auf Vorgängen in zwei, und nicht mehr als zwei Schichten beruhen, einer ober- flächlicheren, dem Glaskörper näheren, derselben, mit Z, zu bezeichnenden Schicht, die für das Sehen mit offenen Augen und für das primäre Nach- bild in Anspruch genommen ist, und einer tieferen Z,. Nur unter dieser (durch die angeführten Beispiele gestützten) Voraus- setzung ist die Farbe des sekundären Bildes zu verstehen (8. 307). Während für die oberflächlichere Schicht Z, die Annahme gemacht ist, daß sie beim normalen Sehen mit offenen bewegten Augen die wichtige Rolle eines Unterbrechers spielt, ist dies für die tiefere Schicht Z, unwahr- scheinlich, denn sie beeinnt erst relativ spät, eine meßbare Zeit nach dem Verdunkeln zu „leuchten“. Auch das primäre Nachbild tritt beim gewöhn- lichen Sehen mit offenen, mäßig schnell bewegten Augen nicht auf,! sondern die Stärke des Eigenlichtes (7) paßt sich sehr schnell der wech- selnden Stärke des äußeren Lichtes (4) an, so daß das Verhältnis A: E im allgemeinen konstant ist. Die hemmende Wirkung von Augenbewegungen erstreckt sich sehr weit: Alle Nachbilder, die Druckbilder, die Dämmerungs- erscheinungen, die periodischen Lichterscheinungen im geschlossenen und im offenen Auge werden dadurch unterdrückt. Das Verhalten der tieferen Schicht L,; Übersicht. Es erleichtert die weitere Darstellung, wenn ich vorgreifend und ohne Begründung schon hier einen Überblick über die Prozesse gebe, welche meiner Ansicht nach in der Schicht Z, verlaufen und sie als die eigent- liche Nachbildschicht erscheinen lassen. Hiernach verläuft in Z, eine (je nach Dauer und Stärke der Belich- tung kürzere oder längere) Reihe von Einzelprozessen (1, 2, 3 ....), die ohne Pause aufeinander folgen. ! Das jeweilige Bild würde mit den Nachbildern benachbarter Gegenstände zu- sammenfallen; ein deutliches Sehen wäre ausgeschlossen. 304 Fr. KLEIN: Sie sind durch zweierlei charakterisiert: Erstens: Der Leuchtprozeß setzt nicht sofort mit voller Intensität ein, sondern beginnt mit einem Stadium geringerer Intensität. Dieses Stadium (z) geht mit kurzem steilem Anstieg (5) in das Endstadium (ec) über. Man kann allenfalls die drei Stadien a, d, ce kurz als die des „Glimmens“, „Glühens“ und „Leuchtens“ unterscheiden, muß sich aber bewußt sein, daß die Worte in einem andern als dem gewöhnlichen Sinne zu verstehen sind. Ihre Bedeutung ergibt sich aus folgendem Schema: hwach, für anderes Licht Kontinuierliches Eigen- | sechwac ür anderes Lic teilweise durchlässig . . . - . »Glimmen« licht, an sich nicht reizend. | = es Pa mittelstark, undurchsichtig . . . »Glühen« Intermittierendes Eigenlicht,{stark, für sich allein reizend . . »Leuchten« Zweitens: Die Prozesse 1, 2,3... als ganzes werden, wenigstens bis zum zweiten, stärker; im ersten Prozeß kommt es überhaupt nur bis zum „Glühen“. Eine Zusammenstellung der Prozesse (1) und (2) macht dies deutlich: | Sat a drum Prozeb | | | | b | ER A BO (1) Latenzzeit Oclinnlen® ?) „Glühen“ (2) „Glimmen“ „Glühen‘ „Leuchten“ Ich stelle jetzt in Tabelleniorm die in einer oberflächlicheren Schicht Z, und einer tieferen, den Sehzellen näheren Z, angenommenen objektiven Vorgänge den dadurch bedingten subjektiven Erscheinungen gegenüber und sehe dann auf diejenigen Intervalle und Nachbilder ein, an welchen die Schicht Z,, allein oder mit Z, zusammen, beteiligt ist (s. Tabelle S. 305). Das dunkle Intervallzwischen primärem und sekundärem Nachbild. Das Ende des primären Bildes wird meines Erachtens nicht herbei- geführt durch Aufhören des Prozesses in Z,, sondern durch den Beginn des Leuchtvorganges in der tieferen Schicht Z,. Der Prozeß in Z, besteht noch (oder wieder) mindestens während der Dauer des sekundären Bildes. Das „dunkle Intervall“ zwischen primärem und sekundärem Bilde stellt aber keine Unterbrechung der Leuchtprozesse dar, sondern ist etwas Posi- tives: Es ist „schwarzes Licht“, d. h. kontinuierliches, nicht zur Reizung, nicht zur Ne ae führendes, bei offenem Ms: für die Außendinge undurcehsichtiges Eigenlicht der Schicht Z,. Die Undurchsichtigkeit des Intervalls erkennt man, wenn bei offenen Augen typische Nachbilder auftreten: 305 NACHBILDER |]. ‚808 '8 I a DALLERLE/D)>) LITE) “PIqEN SOFLqAwzyDLD0]S-"sod "4109. - TOLL I Bor Kite aan) [Ie4s “puororyrurrogup ef 9 pe “ Ze E | en ee E S | Srppis $ ’8oE 'S “IEAIOJUT sopyunp yuvysuoy ‘7 sue nu |-yompun “oy.ıegs “yuegsuoyp wel gq = z: ss h ige) 108 °8 (7 suw ındgoures dqre,] uopua.toru 5 € SE DEE puaroyyıu urMmunsuron)"7 |-LWwop AP [Io], Uou amu Yıoıq1os PILATOUN "Iuauropdunoy-sod "7a8 -10JUI sau Jupıry ‘jduoy -qe ‘youMmıos ayos “gurgsuoyg "we © 2 “ | PuozIo.L gyoru Zigypıs FoOE'S EATOJUT Sopgunp yuegsuos 7 suw nu | -yoanpun $yregspoggrur guwgsuoyp ul) 0 = 2 3 a 2) | | (uouyoo.t 3 nz 9 .19p0 v nz) unıpegsssaesitogN | (9) a x - : = = 5 ne: 2 008 'S pu9.rorygueu (Stisyp.ınp 9SL 2 ‘PILgTOeN SOSLqm}1010]9-'sod "urrıd -TOJUL "7 sne nu |/4qOLJOS oIp “winıpegszuogern) uru| m» “ uıoN ‘(663 'S “uoyog ofeuniou Se) Ir swe puororyyrun uosny uauoyyo Toq PITEL „lOyTosy09M“ pun uogne uoA (SıgOISgI.ANp IST Iydıyag ap) urou -19JUT ef ‚Sungyorpog] Top, SON] sop | ; 7, ogyuaeuy yjuny.Lof 3, En a oieäder ul 2 | 7 2yooS Top AOTLLSoLT AuatoS ap soxogny uo][ozupog 1op Sumyapg uodunuroqos.109s[ogT aAıyyolqng yneyzy9N Aoap ur oSuwZıor 9aALY3yolgQ gyoıpuosum m rrr,1]1, un, (IE 'S ndLy amp *[84) Sunyyorpog zozıny toyıegspeunou 104 PIrgyoex pun pfrg Archivf. A. u. Ph. 1910, Physiol. Abtlg. Suppl. 306 FR. KLEis: Ich habe früher ! zwei Beobachtungen nächtlicher Gewitter mitgeteilt. In dem einen Falle (Prot. 85) sah ich durch ein offenes Fenster nur den Himmel, die Blitze selbst dagegen nicht. Das Fenster war ohne Blitz sehr deutlich und scharf als helles Viereck zu sehen; wenn es blitzte, war es von manchmal gewaltiger, gleichmäßiger Helligkeit.‘ Dann folgte eine Pause von vollkommener Dunkelheit, in der vom Fenster (bei offenen Augen) gar nichts zu sehen war. Dann tauchte das Fenster blaßbläulich und scharf wieder auf (und wurde „mächtig größer“). Aus der anderen Beobachtung (Prot. 84) ist noch anzuführen, daß die dunkle Pause recht plötzlich kommt und geht. Ihr Anfang und ihr Ende wurde auf 0-5 und 1° nach dem Blitz geschätzt. (Das darauffolgende Nachbild wurde „mit höchst auffallender Bewegung zuerst viel größer, dann wieder kleiner.“) Aus der Reihenfolge der Erscheinungen, dem Auftreten des dunkeln Intervalles zwischen dem positiv-leichfarbigen und dem positiv-komple- mentären Bilde ergibt sich zur Evidenz, daß es sich um das normale Intervall handelt. Aber dieses Intervall ist vollkommen undurchsichtig: Die Augen sind offen und sehen doch keine Spur des Fensters. Ich erwähne in diesem Zusammenhange auch noch das Druckphosphen: Ruft man es durch Druck mit dem Finger als dunkeln Fleck mit hellem Rande hervor, so entspricht die dunkle Mitte zweifellos dem stärksten Druck, also auch der stärksten Zersetzung. Die Mitte ist dunkel und für die Außen- dinge fast oder ganz so undurchsichtig, wie das dunkle Intervall, und auch, meines Erachtens, aus derselben Ursache: In der dunkeln Mitte ist das Eigenlicht kontinuierlich, also „schwarz“, am Rande, dem Orte des schwächeren Druckes und der schwächeren Zersetzung, ist es intermittierend, also leuchtend. Das „schwarze Licht“ der Mitte geht dem Anschein nach aus intermittierendem Eigenlicht etwa in der Weise hervor, daß die ver- stärkten und verlängerten Einzelprozesse zu einem kontinuierlichen Prozeß verschmelzen: An die Stelle des schwarzen Lichtes tritt nämlich helles, intermittierendes Licht sowohl, wenn der Druck verringert wird, als auch, wenn durch anhaltendes Reiben die Vorräte an zersetzbarer Substanz auf- gebraucht sind.” Hiernach fällt also das Ende des primären Nachbildes und der Anfang des dunkeln Intervalles mit dem ersten merklichen Auftreten des Eigen- lichtes der Schicht Z, zusammen. Während der Dauer des primären Nachbildes (das lediglich auf intermittierendem Leuchten von Z, beruht) ist der erste Prozeß in Z, im Latenzstadium (a). Dann tritt mit steilem Anstieg (5) ® das erste „Glühen“ (c) auf. Aber noch ist der Prozeß unternormal, er besitzt noch ı Dies Archiv. 1908. Physiol. Abtlg. S. 240, Prot. 84 u. 85 ® Näheres vgl. dies Archiv. 1908. Physiol. Abtlg. S. 445—456 und Suppl. Ss. 161—172. 3 Subjektiv nicht erkennbar. NACHBILDER 1. 307 nicht den intermittierenden Typus, gibt keine Hellempfindung (es kommt noch nicht zum „Leuchten‘); doch ist das Eigenlicht stark genug, um für Lieht undurchläßig zu sein. So entsteht das erste dunkle Intervall. Ich fasse noch einmal zusammen: Während das dunkle Intervall be- steht, „glüht“ die Schicht Z,; ihr Eigenlicht ist konstant („gleichstark“) und führt nicht zur Nervenleitung und Empfindung; außerdem läßt es kein Licht durch, mag es von außen oder aus der Schicht Z, stammen. Wir sind temporär blind, nicht aus Mangel an Licht, sondern aus Mangel an „wechselstarker“ Belichtung der Sehzellen. — Das dunkle Intervall hat die Eigenschaften eines negativen Nachbildes. Das sekundäre positiv-komplementäre Nachbild. Mit dem Ende des dunklen Intervalls tritt in der Schicht Z, der zweite Prozeß auf. Er setzt mit kontinuierlichem „Glimmen“ (a) ein, schwach im Vergleich zu dem vorhergehenden „Glühen‘‘ (Prozeß 1c), sehr schwach im Vergleich zu dem gleichzeitig auftretenden intermittierenden Eigenlicht der Schicht Z,, aber stark genug, um letzteres zum Teil zu absorbieren. Gerade dieser Umstand bedingt die auffallende Farbe des sekundären Nachbildes. (Die Farbe des sekundären Nachbildes). — Um zu verstehen, wie die komplementäre Färbung des sekundären Nachbildes zustande kommen kann, ist folgendes zu beachten: Erstens: Wir haben es beim „Leuchten“ der Schicht Z, (primäres Nachbild) nicht mit einem, sondern mit drei voneinander unabhängigen Prozessen zu tun; sie sind untereinander gleichstark, wenn das primäre Nachbild farblos ist, verschieden stark, wenn es gefärbt ist. Zweitens: Ist das Außenlicht farbig, und verlaufen dementsprechend die drei „farbigen‘‘ Prozesse verschieden stark, so verlaufen sie auch ver- schieden schnell; der stärkere verläuft schneller, sowohl in bezug auf Neubildung, wie auch auf Zersetzung. Das ist nur die notwendige Folge- rung aus bekannten Tatsachen (vgl. S.299 „der zeitliche Verlauf usw.“. Unter Berücksichtigung dieser Punkte ergibt sich für das sekundäre positiv-komplementäre Nachbild mit einiger Wahrscheinlichkeit folgendes: Ist das einwirkende Licht der Schicht Z, etwas farbig, überwiegt also Licht bestimmter Wellenlänge, so wird die Wirkung dieses Anteils auf die Schicht Z, früher und stärker eintreten, als die des übrigen Lichtes. Das Eigenlicht der Schicht Z, wird also anfangs eine relativ stärkere farbige Beimischung besitzen als das äußere Licht und das gleichfarbige Eigenlicht von Z.. 20* 308 Fr. Kueix: Es kommt nun auf den zeitlichen Verlauf und die Stärke der beiden Prozesse an: In der Schicht Z, dauere das Leuchten noch an. Die zweite, den Sehzellen nähere Schicht Z, beginne sehr schwach kontinuierlich zu „glimmen‘‘! (2a), und zwar vorwiegend in der dominierenden Farbe des ursprünglichen Bildes. Bei einer bestimmten, sehr geringen Stärke würde das Eigenlicht von Z, (selbst wenn es intermittierend wäre) noch keine merkliche Wirkung auf die Sehzellen ausüben, wohl aber einen Teil des von Z, ausgesandten Lichtes absorbieren, und zwar vorwiegend die dominierende Farbe, denn Licht wird von gleichfarbigem Licht absorbiert.? Das aus Z, stammende, von Z, durchgelassene Licht muß also (an- nähernd) die Komplementärfarbe besitzen. Hiernach würde also das sekundäre positiv-komplementäre Nachbild auf Prozessen in zwei Netzhautschichten beruhen. Es gelingt durchaus nicht, die komplementäre Färbung aus Vorgängen in nur einer Schicht abzuleiten. Das dunkle Intervall zwischen sekundärem und tertiärem Nachbild. Das dunkle Intervall kann fehlen: Je nachdem der zweite Prozeß aus dem Stadium des „Glimmens‘“ (2a) langsamer oder schneller in das des „Leuchtens“ (2c) übergeht, wird das Zwischenstadium des „Glühens“ (22) subjektiv als dunkles Intervall bemerkt werden oder nicht. Bei langsamem Anstieg „glüht‘“ die Schicht Z,, d. h. ihr Eigenlicht ist konstant, also nicht reizend, und stark genug, um das etwa noch vor- handene Eigenlicht der Schicht Z, zu absorbieren. Auch dieses Intervall hat den Charakter eines negativen Nachbildes. Das tertiäre positiv-gleichfarbige Nachbild. Aus dem Stadium des „Glühens“ (25) geht die Schicht Z, in das des „Leuchtens“ (2c) über: Das Eigenlicht ist stark und intermittierend, führt also zur Nervenleitung und zur Empfindung. Alle drei farbigen Prozesse ! Für das sekundäre Nachbild im verdunkelten Auge würde intermittieren- des Eigenlicht der Schicht Z, denselben Erfolg haben, falls die Prozesse in Z, und L, synchron verlaufen. Da das Bild aber auch bei offenen Augen ebenso deut- lich komplementär gefärbt ist, so fällt diese Möglichkeit aus. ® Und zwar ist schon Licht von sehr geringer Stärke imstande, sehr starkes gleichfarbiges Licht zu absorbieren. Als Beleg dafür habe ich schon des öfteren die Fraunhoferschen Linien angeführt. In dem uns beschäftigenden Fall würde die stärker leuchtende Schicht Z, mit dem Kern der Sonne zu vergleichen sein, die schr schwach glimmende Schicht Z, mit der kälteren Hülle. NACHBILDER I. 309 haben sich zur vollen Höhe entwickelt: Das Nachbild ist also gleichfarbig mit dem ursprünglichen Bild und dem primären Nachbild. Ob während der Sichtbarkeit des tertiären Nachbildes die Schicht Z, noch „leuchtet“, ist nicht zu entscheiden. Wenn sie aber intermittierend leuchtet, so geschieht es höchstwahrscheinlich synehron! mit Z,. In diesem Falle würde von Z, ausgesandtes Eigenlicht von Z, vollkommen absorbiert werden, und die Sehzellen würden lediglich das intermittierende Eigenlicht der Schicht Z, erhalten. Demnach ist auch das tertiäre Nachbild ein gleichfarbiges. Wodurch es sich vom primären ebenfalls positiv-gleichfarbigen Nachbild subjektiv unterscheidet, kann erst später, zusammen mit dem Auftreten der Ader- figur in Nachbildern, erörtert werden. Vieles spricht dafür, daß die für das tertiäre Nachbild angenommenen Ursachen auch für diejenigen Nachbilder gelten, welche nach etwas längerer starker Belichtung minutenlang in periodischer Wiederholung spontan auf- treten (5-Nachbilder) und nachher noch lange Zeit (°/, Stunden) in latentem Zustande fortbestehen können (;-Nachbilder, Wiederbelebung durch Licht oder Druck). Besonderheiten der Nachbilder bei schwächerer Belichtung: Ein negatives Nachbild nach dem sekundären. (Beobachtungen:) — Bei geringer Helligkeit folgt auf das sekundäre positiv-komplementäre Nachbild ein negatives Bild. Zur Beobachtung ge- eignet ist eine von außen durch schwaches Tageslicht oder durch Lampen- licht beleuchtete Mattscheibe in der Tür eines ziemlich dunkeln Zimmers. Nur so habe ich oft mit Sicherheit vor dem negativen Nachbild das _ sekundäre positiv-komplementäre Bild gesehen. ? Dieses Bild ist eins der interessantesten Nachbilder überhaupt: Es können darin leuchtende Gefäße? auftreten — sie ermöglichen eine Lage- bestimmung der Eigenlichtschichten Z, und Z,; außerdem kann es einen vollkommen scharfen, schmalen, leuchtenden Rand haben — dieser Rand ist für die Theorie der Größenschwankungen von sehr wesentlicher Bedeu- tung (vgl. die nächste Mitteilung). Unter gewissen Bedingungen können Gefäße und Rand verwaschen auftreten; diese nicht minder interessante ! Für den Synchronismus zweier gleichzeitig intermittierend leuchtender Schichten sprechen auch andere Beobachtungen, vgl.dies Archiv. 1911. Physiol. Abtlg. S.233 unten. ® Vgl. z.B. dies Archiv. 1908. Physiol. Abtle. 8.236 ff. Prot. 64, 65, 71. 3 Sehr regelmäßig treten im negativen Nachbild nach längerer schwacher Be- lichtung leuchtende Gefäße auf, ohne daß vorher positive Nachbilder sichtbar sind. Dieser Fall wird hier nicht berücksichtigt. 310 Fr. KLEm: Erscheinung wird in einer späteren Mitteilung (über das Pigmentepithel) ihre Erklärung finden. Die Bedingungen für das Auftreten des hellen Randes scheinen enger zu sein als für die helle Aderfigur; er erscheint erheblich seltener als diese. (Theoretisches:) — Was nur die Erklärung des negativen Nachbildes nach kurzer schwacher Belichtung betrifft, so muß verlangt werden, daß sie nicht lediglich auf diesen speziellen Fall zugeschnitten ist, sondern daß sie auf Annahmen fußt, deren Wahrscheinlichkeit oder Notwendigkeit sich bereits bei der Untersuchung der normalen Nachbilder ergeben hat. Der Inhalt dieser Annahmen ist der, daß in der Schicht Z, Prozesse auftreten, deren Zahl, Intensität und zeitlicher Verlauf von der vorauf- gehenden Belichtung abhängig ist (vgl. S.299 und 303 £.). Bei schwächerer Belichtung verlaufen alle Prozesse langsamer und weniger intensiv und gehen früher zu Ende Der in Z, angenommene „zweite“ Prozeß durchläuft normal die Stadien des „Glimmens“ (a), „Glühens“ (4) und „Leuchtens“ (c) (vgl. S. 304); doch kann auch («) sehr plötzlich in (c) übergehen, so daß (d) nicht bemerkt wird. Nun ist es recht wahrscheinlich, daß bei schwacher Belichtung das Stadium (c) des „Leuchtens“ überhaupt nicht erreicht, dagegen das Stadium (5) des „Glühens‘ verlängert wird. Es scheint in der Dämmerung nur einer sehr geringen Helliskeits- _ änderung zu bedürfen, um den Prozessen je nachdem den Charakter des konstanten „Glühens“ oder den des intermittierenden „Leuchtens“ zu geben: Die Randpartien der dunkeln Flecke, welche in tiefer Dämmerung in der Mitte des Gesichtsfeldes auftreten, weisen helle, langsamer oder schneller ihren Ort wechselnde Stellen, sich bewegenden Schlangen nicht unähnlich, auf, die als ein Hin- und Herschwanken zwischen dem intermittierenden und konstanten Typus des Eigenlichtes, oder zwischen „Glühen“ und „Leuchten“ aufgefaßt wurden. Wenn wir hiernach annehmen dürfen, daß dem Stadium (a) des „Glimmens“ (während dessen das sekundäre positiv-komplementäre Nachbild sichtbar ist) ein verlängertes Stadium des konstanten „Glühens“ an den vorher belichteten Stellen folgt, so sind damit die Bedingungen hergestellt für ein langes „dunkles Intervall“. Dieses dunkle Intervall ist aber nichts anderes als ein negatives Nachbild: Es möge f (Fig. 1 S. 311) dem Nachbilde eines Fensters, « dem der viel dunkleren Umgebung entsprechen. Dann leuchtet Z, im Gebiet f relativ stark, im Gebiet « schwach intermittierend. Dementsprechend ver- laufen auch die Prozesse in Z,: Bei f kommt es zum konstanten „Glühen“, bei u höchstens zum „Glimmen“. Demnach ist f dunkel (das intermit- NACHBILDER ]. 3ll tierende Licht von Z, wird nicht durchgelassen, das konstante Lieht von . Z, reizt nicht); « ist: schwach hell (denn das intermittierende Licht von Z, wird in Z, nicht oder nicht vollständig absorbiert). f en Baar re Be er ee L, 2, Sehzellen | dunkel schwach hell Bio. Die helle Aderfigur im negativen Nachbild. (Beitrag zur Lage- bestimmung der Eigenlichtschichten.) — Für das Auftreten der hellen oder dunkeln Aderfigur bei ofienen oder verdunkelten Augen finde ich keine andere Erklärungsmöglichkeit, als daß die gesehenen Gefäßäste zwischen den Schichten Z, und Z, liegen. Die Gefäße sind zweifellos weniger durchsichtig, als alle übrigen Netz- hautelemente einschließlich der Leuchtschichten im Ruhezustande. Die Schicht Z, (Fig. 2) erhält also an den von den Gefäßen (g) beschatteten Stellen weniger Licht von außen und von Z,, als an den übrigen Stellen. Der Eigenlichtprozeß in Z, wird also im Gefäßschatten langsamer und schwächer verlaufen. Zur Zeit, wo er im übrigen Gebiet f bereits im Stadium des „Glühens“ ist, wird er im Gefäßschatten noch im Stadium des „Glimmens“ sein. Das starke intermittierende Eigenlicht der Schicht Z, (durch dicke Punkte angedeutet) wird also an dieser Stelle nur zum kleinen Teil absorbiert, und die Sehzellen werden von relativ starken Helligkeitsschwankungen getroffen. Also wird die Aderfigur hell gesehen, (erheblich heller als das Gebiet ). j fa u 0 + Sehzellen wenig| dun- |hell dun-| wenig hell hell | kel kel Fig. 2. Nach kurzer Zeit steigt aber der Prozeß in Z, auch im Gefäßschatten mehr oder minder plötzlich bis zum „Glühen“ an, die Stellen werden un- durchsichtig, uud die Aderfigur verschwindet. In der Tat habe ich sehr oft ein recht plötzliches Verschwinden der hellen Aderfisur beobachtet. 312 Fr. Keim: Die hier vertretene Auffassung des negativen Nachbildes ist nicht die einzig denkbare und auch nicht die einfachste, aber sie ist diejenige, welche am besten in den Rahmen der Gesamterscheinungen paßt. Ob sie aber das Wesen der Erscheinung erschöpft, ist zweifelhaft: Die Gefäße (und auch der helle Rand) erscheinen mir oft heller, als das ursprüngliche Objekt. Nun sieht ja allerdings eine schmale helle Linie auf dunklem Grunde immer heller aus als eine größere gleichhelle Fläche; wenn ich aber andere Be- obachtungen heranziehe (beispielsweise beginnen die mäßig hellen Stäbe eines Rohrsessels bei genauem Fixieren bald zu leuchten), so scheint es richtig, die Frage noch nicht als endgültig erledigt anzusehen. Nach der soeben entwickelten Auffassung ist das negative Nachbild identisch mit dem „dunkeln Intervall“ zwischen sekundärem und tertiärem Nachbild. Hier erhebt sich eine Schwierigkeit: Mit der Bezeichnung „dunkles Intervall“ ist allgemein Dunkelheit gemeint; beim negativen Nachbild sind die Helligkeitsverhältnisse zum Teil umgekehrt. (Selbstverständlich gibt aber ein wirklich schwarzes Objekt niemals ein helles Nachbild, sondern überhaupt kein Nachbild!) Man könnte danach meinen, es sei leicht zu entscheiden, ob ein dunkles Intervall oder ein negatives Nachbild vorliegt. Aber das ist nicht der Fall: Die dunkeln Intervalle sind hauptsächlich bei bewegten hellen Objekten beobachtet. Bei diesen ist aber eine Unterscheidung zwischen dunkelm Intervall und negativem Nachbild unmöglich. Es bleiben also die Nachbilder ruhender Objekte. Nun finde ich aber bei Durchsicht der Protokolle gerade da das Fehlen der dunkeln Intervalle vermerkt, wo die Nachbilder am lichtstärksten sind. Ein schwaches negatives Nachbild wird aber überhaupt nur schwer von einem dunkeln Intervall zu unter- scheiden sein. Vielleicht würde es gelingen, etwa an einer Mattscheibe mit halbheller Mittelleiste die Frage zu entscheiden. Wenn das hier beschriebene negative Nachbild einem dunkeln Intervall entspricht, so würde auch das erste dunkle Intervall als negatives Nachbild aufgefaßt werden müssen. Die hier gegebene Auffassung hat nur Gültigkeit für negative Nach- bilder im verdunkeiten Auge nach vorausgegangener kurzer Belichtung. Für die „wiederbelebten“ (,-) Nachbilder, die nach vorausgegangener starker und langer Belichtung später bei schwacher Belichtung des offenen oder geschlossenen Auges erscheinen, trifft sie durchaus nicht zu; vgl. oben 8. 298 bei [3]. Diese (z-) Nachbilder, die ich schon vor Jahren ein- gehend bearbeitet habe, geben vielleicht den besten Prüfstein für die von mir vertretene Hypothese ab (spätere Mitteilung). NACHBILDER I. 313 Besonderheiten der Nachbilder bei starker Belichtung des dunkeladaptierten Auges; weitere Beweise für ‚farbiges“ Eigenlicht. (Hierzu Prot. S7—91. S. 322.) Den folgenden Ausführungen liegt die wohl kaum anzuzweifelnde An- nahme zugrunde, daß das völlig dunkeladaptierte Auge maximal angereichert ist in bezug auf alle durch Licht zersetzbaren Substanzen. „Schneelandschaft“. — Wir sehen weiß, wenn die drei lichtempfind- lichen Substanzen der Zapfen gleichstark zersetzt werden, oder vielleicht richtiger, wenn die den drei Grundfarben entsprechenden Opticusfasern ! von den Zapfen aus gleichstark erregt werden. Bei zureichender Licht- stärke gibt also Licht beliebiger Zusammensetzung, auch einfarbiges, die - Empfindung Weiß. Im vorhergehenden ist die Annahme gemacht, daß auch das „Eigen- licht“ der „Leuchtschichten“, (um es kurz auszudrücken) aus drei „farbigen‘ Komponenten besteht. Hiernach würde es denkbar sein, daß nach starker farbiger Belich- tung des dunkeladaptierten maximal angereicherten Auges jede der drei Komponenten die maximale Wirkung auf die Zapfen ausübt. Dann müßte aber ein weißes Nachbild eines farbigen Objektes erscheinen. Das ist nun in der Tat der Fall: Blicke ich mit dunkeladaptiertem Auge für etwa 0-3” in einen sonnenbeschienenen Garten mit grünem Laub und hellockergelben Wegen, so erscheint unter den Nachbildern eins, das aufs täuschendste den Eindruck einer Schneelandschaft macht. Alle hell- beleuchteten Teile sind weiß, wie frischgefallener Schnee; das Bild ist um so natürlicher, als die Stellen, die vom Licht nicht direkt getroffen werden, im allgemeinen auch bei Schneefall frei von Schnee bleiben. (Bei schwächerer Belichtüng und geringerer Dunkeladaptation ändert sich das Bild; vgl. 8. 314, Anm. 2.) Soweit würden also Theorie und Beobachtung im besten Einklang stehen! Aber die gegebene Erklärung umfaßt nur einen Teil des wirklich Be- obachteten: Die „Schneelandschaft“ ist im allgemeinen nicht das erste Nach- bild, sondern es geht ihr, (ob immer, steht noch dahin, vgl. Prot. 89) ein ‘ anderes voraus, das womöglich noch auffallender als die „Schneelandschaft“ ist: Dieses Bild ist ganz und gar einfarbig; seine Farbe ist eine Art Rotgelb, etwa zwischen Kupfer und Messing; es fehlen ihm zwar nicht die Umrisse der Dinge, aber alle tieferen Schatten; das Ganze macht einen höchst verwirrenden Eindruck. 1 Man müßte denn annehmen, daß mit Hilfe einer einzigen Faser ein „farbiger“ Eindruck, etwa in Form einer zusammengesetzten Erregungswelle, übertragen würde. 314 | Fr. KLEIN: Der Schneelandschaft ‚folgt ein schwächeres positives Nachbild in den natürlichen Farben. Die Reihenfolge ist also: 1. Rotgelbes Nachbild; 2. Schneelandschaft; 3. Nachbild in den natürlichen Farben. (Im ersten der mitgeteilten Protokolle ist anfangs, bei bester Dunkel- adaptation, nur (1) und (3), später nur (2) und (3) beobachtet.) Das rotgelbe Nachbild. — Es ist nun zu versuchen, im Rahmen der schon gemachten Annahmen zu einem Verständnis des rotgelben Nach- bildes zu gelangen. Aus dem bekannten farbigen Abklingen des Weiß schließe ich nicht auf eine Nachwirkung der Erregung in den Zapfen (diese müßte sich auch bei offenem bewegtem Auge deutlich zeigen), sondern ich beziehe es auf Vorgänge in den „Leuchtschichten“ (die durch Bewegungen beeinflußt werden). ; Wenn in diesen die Zersetzung der drei „farbig leuchtenden“ Sub- stanzen verschieden schnell schwächer wird und zu Ende geht, so müssen, wie es tatsächlich unter normalen Verhältnissen der Fall ist, dem ersten farblosen Nachbilde gefärbte Bilder folgen.! Was für das „Abklingen“ gilt, darf auch für das „Anklingen“ ver- mutet werden. Ja, es muß geradezu als unwahrscheinlich bezeichnet werden, daß drei Prozesse, die verschieden schnell ablaufen, genau gleich schnell bis zur maximalen Höhe ansteigen. Dies zugegeben, ist aber das Ver- ständnis für das rotgelbe Nachbild gewonnen: Überwiegt im Anfang das „rote“ (und „grüne“) Figenlicht, so kann sehr wohl ein rotgelbes Nachbild gesehen werden.? Unterschiede der Schichten Z, und BR Die drei bekanntesten Nachbilder und ihre Varianten haben sich mit der Annahme von zwei und nicht mehr als zwei Eigenlichtschichten er- klären lassen, einer oberflächlicheren Z, und einer tieferen Z,. ! Eine hell beleuchtete Mattscheibe, 5 bis 40 Sekunden fixiert, gibt bis zu 25 meist (aber nicht immer) durch dunkle Intervalle getrennte Nachbilder von wechselnder Farbe. — Besonders stark gefärbte Nachbilder gibt eine Uviol-Lampe. ? Ich habe es für ausreichend gehalten, nur die extremen Fälle zu untersuchen. — Bei trübem Wetter ist das erste Nachbild nicht so auffallend gefärbt, sondern vähert sich bereits der „natürlichen“ Färbung. Ihm folgt eine wenig brillante „Schnee- landschaft‘“ (wie tauender Schnee). Die Farbe des „Schnees“ auf den Blättern wird bei abnehmender Dunkeladaption deutlich rosa, also komplementär zu dem Grün der Blätter. Hierdurch ist die Schneelandschaft als sekundäres Nachbild charakteri- siert; ihr Auftreten an zweiter Stelle steht damit in Einklang. NACHBILDER ]. 315 Die erste Schicht bringt mit dem äußeren Licht zusammen das Bild bei offenem Auge hervor, für sich allein das primäre Nachbild; die erste und zweite zusammen das sekundäre Nachbild und das darauf folgende dunkle Intervall oder negative Nachbild; die zweite Schicht allein das tertiäre Nachbild. Soll diese Auffassung gelten, so verlaufen die Prozesse in den beiden Schichten in mehr als einer Beziehung sehr wesentlich verschieden. Die oberflächlichere, dem Glaskörper nähere Schicht Z,. — Wenn meine Forderung, daß nur „wechselstarkes“ Licht einen Reiz ausübt, zu Recht besteht, so müssen (bei offenen Augen) die Prozesse in Z, direkt und unmittelbar vom (äußeren) Licht abhängig sein. Sie müssen mit dem Moment der Belichtung einsetzen, sie müssen intermittierend sein, sie müssen sich quantitativ (auch in bezug auf die ‚farbigen‘‘ Komponenten) der wechselnden Stärke des äußeren Lichtes anpassen, so daß innerhalb normaler Grenzen das Verhältnis von Außenlicht zu Eigenlicht konstant bleibt. Diese Anpassung muß schnell erfolgen, aber (wie schon der An- blick eines. rollenden Rades lehrt) nicht blitzschnell. Ebenso schnell und ebenfalls quantitativ vom äußeren Licht abhängig muß die verbrauchte Substanz ersetzt werden. Nur bei plötzlicher Verdunkelung, und auch dann vielleicht nur nach vorhergehendem Fixieren, überdauert der Prozeß in L, regelmäßig das äußere Licht, jedenfalls bis zum Verschwinden des sekundären Nachbildes. Ob das intermittierende Eigenlicht von Z, auch noch während des tertiären Nachbildes anhält, ist nicht zu entscheiden. Ebenso ist es noch ungewiß, ob bei der über mehrere Minuten sich erstreckenden Reihe der spontanen (?-)Nachbilder die Schicht Z, beteiligt ist oder nicht; ich neige stark zu der letzteren Ansicht. So gut wie sicher scheint es mir, daß Z, am Auftreten der durch Licht „wiederbelebten“ (-)Nachbilder keinen en hat. Daß nach schwacher kurzer Belichtung das Eigenlicht von Z, vor dem Erlöschen kontinuierlich werden kann, halte ich für alseheiniioh? sollte es doch der Fall sein, so würde sich daraus eine weitere Entstehungs- möglichkeit für das negative Nachbild im verdunkelten Auge ableiten lassen. Die Eigenschaft der tieferen Schicht Z, (vgl. S. 3051.). — In bezug auf die Schicht Z, hat die Untersuchung der Nachbilder zu An- nahmen geführt, die schon sehr ins Einzelne gehen. Bei offenem bewegtem Auge und normaler Helligkeit „leuchtet“ Z überhaupt nicht, wohl aber unter Umständen bei Belichtung des unbewegten offenen Auges. 316 Fr. KLEis: (Verhalten der Schicht Z, bei verdunkelten Augen nach kurzem Fixieren) — Nur im unbewegten Auge löst Belichtung die Eigenlicht- prozesse der Schicht Z, aus. Augenbewegungen verhindern oder unter- drücken sie ganz oder für die Dauer der Bewegungen. Der Verlauf der Prozesse in den Schichten Z, und Z, ist in der Fig. 3 schematisch dargestellt. Darunter ist die Belichtungsart der Sehzellen (die Reizgröße) und die zugehörige subjektive Empfindung an- gegeben. Die eingeklammerten Zahlen des Textes beziehen sich auf die Figur. (Man vergleiche auch die Tabelle S. 305; in welchem Sinn die Ausdrücke „Glimmen“, „Glühen“ und „Leuchten“ gebraucht sind, ergibt das Schema S. 304.) —— A=kanstantes äufseresLicht ‚| All INIININHININUN U IM MING=+ un Il ErhA [E-»A hE< aA ZweikerProzefs |Drikker Prozels |Vierter a b e «w bh [N | Leuchten‘ | GLühen" | Leuchten] „Klühen" nndurchsicht undurchs: Erster Proze[s Latenz stadium durchsichtid „@lühen” | ‚Glimmen“| Gab: undurchs- | Leilweise | un- durchsicht | durch inkermikE- |konst|inkermitt: Belichtung „wechselstark“ |intermihtier- Kanstank konstark |inkermikt:) kouskant dersehzellen |“ AundL, nurL; nur la FastnurlLi; InurLa | nur Lı nerlLa rur la nur La R eizpröfse = >o o >o o prim- pos-| dunkles | sek: pas-- |d-I |berk-pos- | dunkles | späberes | ala.ll gleiche. Nb | Intervall | kompt-Nb |(negN| QLeich.Nb | Intervall | pas. Ns. | 1 2 3 4: 252.126 LBS Fig. 3. Bei (1) ist das Auge offen, nur in Z, tritt intermittierendes Eigen- lieht auf, es st = A— E=!/,A. Bei (2) ist das Auge verdunkelt, es ist anfangs 4 = E— 0 = !/,A, gegen Ende ist 4 < !/,A, (primäres Nachbild). Dem Auftreten des Eigenlichts in Z, geht ein Latenzstadium (1 und 2) voraus, dessen Ende mit dem des primären Nachbildes zusammenfällt. Dem Latenzstadium folgt (3) ein Stadium „schwarzen Lichtes“, (Stadium des „Glühens“) entsprechend dem dunkeln Intervall. Das heißt, das Eigen- licht in Z, setzt, nicht intermittierend, sondern konstant, in einer Stärke ein, die genügt, um das Eigenlicht von Z, (und gegebenen Falles auch das äußere Licht) zu absorbieren. NACHBILDER ]1. 317 Darauf folgt (4) ein Stadium erheblich schwächeren ebenfalls kon- tinuierlichen „Glimmens“ in der dominierenden Farbe des ursprünglichen Bildes, (Stadium a des zweiten Prozesses); das durchgelassene komplementäre Licht von Z, bringt das sekundäre positiv-komplementäre Nachbild hervor. Darauf steigt das Eigenlicht von Z, mehr oder minder plötzlich an (5), während des Anstieges noch kontinuierlich „glühend“ und undurchsichtig werdend; das Stadium entspricht dem dunkeln Intervall zwischen sekundärem und tertiärem Nachbild (S. 308) oder einem negativen Nachbild (S. 309). Bei sehr plötzlichem Anstieg würde das dunkle Intervall (5) unmerk- lich werden. Das nunmehr erstarkte und intermittierend gewordene „leuchtende“ Eigenlickt von Z, ergibt (6) das tertiäre, positiv-gleichfarbige Nachbild. Wenn dabei (wie im der Figur willkürlich angenommen) auch Z, noch intermittierend leuchtet, so muß es synchron mit Z, geschehen. Wiederholt sich der Wechsel zwischen kontinuierlichem (7, 8) und intermittierendem Eigenlicht (9) noch öfter, so ist damit die Entstehung der langen Reihe der (#-)Nachbilder erklärt. Überlegt man, daß es sich nicht eigentlich um einen, Stärke und Charakter periodisch ändernden Prozeß handelt, sondern um drei „farbige“ Vorgänge, und daß deren Perioden sehr wohl verschieden lang sein können, so hat man auch den Schlüssel für die wechselnden Farben der spontanen (#-) Nachbilder. Verhalten der Schicht 7, bei offenem unbewegtem Auge. — Fixiert man möglichst genau ein farbiges Objekt, etwa ein Stück Papier, so wird es bei passend gewählter Farbe nach kurzer Zeit grau, zeitweise ohne jede Spur einer farbigen Beimischung. (Ich habe eine große Reihe solcher Versuche, auch mit intermittierender Belichtung, ausgeführt, darf aber die Tatsachen als bekannt voraussetzen.) Nimmt man an, daß in Z, schwaches gleichfarbiges „Glimmlicht“ auftritt, so würde dieses einen größeren oder geringeren Teil der gleichen Farbe absorbieren. Das durchgelassene Licht muß sich also mehr dem Weiß nähern. Dies deckt sich mit dem tatsächlich Beobachteten. Bliekt man jetzt auf eine weiße Fläche, so wird, wenn der farbige Prozeß in Z, noch andauert, aus dem Weiß dieselbe Komponente wie vorher absorbiert. Es bleibt die Komplementärfarbe. (Entsprechende Resultate erhält man mit Schwarz und Weiß.) Die Theorie steht also mit den Tatsachen in Einklang. Tiefendimension der Schicht L,. — Man kann die Frage aufwerfen, ob die geschilderten, periodisch sich wiederholenden Prozesse, die ich in eine „Schicht Z,“ verlege, dauernd genau in derselben Tiefe stattfinden, oder ob sie etwa innerhalb enger Grenzen nach der Tiefe oder nach der 318 FR. Kein: Oberfläche fortschreiten. Mit anderen Worten: Behält die „glimmende“, „glühende“ oder „leuchtende“ Stelle ihren Ort bei, wie das Licht einer Glühlampe, oder ändert sie ihn, wie die Flamme eines Streichholzes? Das letztere ist das wahrscheinlicher. Drückt man vorn auf den Bulbus, so können unter den Druckbildern solche auftreten, die sich genau so ändern, wie das mikroskopische Bild eines dickeren Schnittes beim allmählichen Einstellen verschiedener Ebenen; dunkle Striche z. B. verblassen und ver- schwinden vom einen Ende, um am anderen zu wachsen.! Ferner sind beim Auftreten der Aderfigur in Nachbildern zwar die Hauptformen immer dieselben, aber nicht immer die Verästelungen: Wo in dem einen Nachbild ein größerer Ast erscheint, sind in einem anderen gleichartigen Bilde zahlreichere kleinere Zweige sichtbar, während jener fehlt. Diese Tatsachen lassen die folgende Auffassung der Vorgänge in der Schicht Z, als berechtigt erscheinen: Die Prozesse durchlaufen jedesmal ein beschränktes Gebiet der Tiefe nach (in welcher Richtung, bleibt dahingestellt), um dann von neuem an der ursprünglichen Stelle einzusetzen. Jeder einzelne Punkt würde die Stadien des „Glimmens, Glühens und Leuchtens“ durchmachen. Ein ein- maliges Durchlaufen des Gebiets der Tiefe nach würde einem Prozeß ent- sprechen. Wenn dies Fortschreiten in die Tiefe (oder umgekehrt) nicht überall in der Fläche gleichschnell erfolgt, so ist damit ein Verständnis gewonnen für die große Verschiedenheit im einzelnen (Anordnung von Strichen u. a.) bei Druckbildern gleichen Charakters. Die mutmaßliche Zahl der Leuchtschichten. — Für die hier be- sprochenen Nachbilder hat sich die Annahme von zwei Leuchtschiehten als notwendig und ausreichend erwiesen. In die tiefere dieser Schichten Z, habe ich auch die spontan sich wiederholenden Prozesse verlegt, welche zum Auftreten einer langen Reihe von (%-)Nachbildern führen können. Auch für die mehrfach erwähnten, nur durch Belichtung (oder Druck) sichtbar zu machenden „wiederbelebten“ (y-)Nachbilder ist die nächst- liegende Annahme die, daß sie derselben Schicht /, angehören, welche infolge der vorausgehenden Belichtung „umgestimmt“ sein würde.? ! Dies Archiv. 1910. Physiol. Abtlg. S. 536 oben. ® Man könnte versucht sein, die „Umstimmung“ dahin zu präzisieren, daß man eine durch die ursprüngliche anhaltende Belichtung in reichlicher Menge entstandene Vorstufe der Leuchtsubstanz annimmt, die durch erneute Belichtung schnell umgewan- _ delt und unter Leuchten zersetzt wird. — Es muß aber hinzugefügt werden, daß die Latenzzeit der Wiederbelebung mit dem Alter der Nachbilder zunimmt, und daß oft nicht die erste, sondern etwa erst die sechste Belichtung ein Nachbild gibt. Dies deutet auf ebenso interessante, als verwickelte chemische Verhältnisse und wird seiner- zeit zu verwerten sein. NACHBILDER |. 319 Grewisse Beobachtungen (vgl. die vorige Mitteilung) sprechen aber dafür, daß noch eine dritte Leuchtschicht vorhanden ist: Bei starker Belichtung des dunkeladaptierten Auges erscheint in der Mitte des Gesichtsfeldes ein von regelmäßigen dunkeln Punkten auf hellem Grunde gebildetes Oval von wohl stets gleicher Form. Bei etwas schwächerer Belichtung sind die Punkte mehr verwaschen. Verwaschene Punkte sind, wenigstens zuweilen, auch erkennbar in dem mehr oder.minder dunkeln bis tiefschwarzen, runden, ovalen oder mehr gestreckten Fleck mit zackigem Rande, der in der Dämmerung beim Öffnen’ des Auges auftritt. Bei noch tieferer Dämmerung wird die Form des Fleckes unregel- mäßiger und ist schnellem Wechsel unterworfen. Da aber die drei Erscheinungen durch Übergänge miteinander ver- bunden sind, so wird man sie als im Grunde gleichartig ansehen und in eine und dieselbe Netzhautschicht verlegen müssen. Von den jetzt angeführten wesentlich verschieden ist eine andere Er- scheinung: Diese, nur indirekt vom Licht abhängig und im geschlossenen Auge auftretend, zeigt in periodischem Wechsel helle und dunkle Wellen oder andere Formen, die sich bei der Wiederholung nur langsam ändern; die hellen Formen sind intermittierendes, die dunkeln konstantes, „schwarzes“ Eigenlicht. Öffnet man in der Dämmerung, während letztere Vorgänge bestehen, das Auge, so tritt gleichzeitig der dunkle Fleck auf. Fällt nun die helle Phase der periodischen Erscheinung auf einen Teil des dunkeln Fleckes, so erscheint die Stelle hell. Da der dunkle Fleck an sich kein Licht durchläßt, so folgt, daß die periodischen Erscheinungen in einer tieferen, den Sehzellen näheren Schicht vor sich gehen. Die Frage ist nun, ob etwa das punktierte Oval und die dunkeln Flecke Vorgängen in der Schicht Z,, die periodischen Prozesse solchen in Z, entsprechen, oder ob eine andere Annahme wahrscheinlicher ist. Sie treten beide nicht im Moment der Belichtung, sondern mit einer in vielen Fällen sicher nachgewiesenen -Latenzzeit auf. Eine Latenzzeit ist aber charakteristisch für die Schicht Z,, während, mindestens unter normalen Verhältnissen, Z, im Moment der Belichtung sofort intermittierend leuchtet. In der, dem dunkeln Fleck voraufgehenden Latenzzeit werden die Außendinge gesehen, nach seinem Auftreten nieht mehr — er ist un- durchsichtig (oder auch halbdurchsichtig). Es liegt also sehr nahe, ihn auf Vorgänge in Z, zu beziehen; man würde dann dieselben Verhältnisse haben, die das dunkle Intervall zwischen primärem und sekundärem Nachbild bedingen, und es würde anzunehmen sein, daß die Schicht Z, unter 320 Fr. KLeis: allen Umständen, der äußeren Lichtstärke entsprechend, inter- mittierend leuchtet. Dann aber müssen die periodischen Vorgänge in einer noch tieferen Schicht verlaufen, die mit Z, bezeichnet werden möge. Die hier ausgesprochene Ansicht steht u. a. auch mit dem stück- weisen Auftreten der spontanen (#-)Nachbilder im Einklang (spätere Mit- teilung). Zusammenfassung. Im Vorstehenden ist der Versuch gemacht, eine einheitliche und mit keiner überhaupt bekannten Tatsache in Widerspruch stehende Auffassung der ersten nach kurzer Belichtung im verdunkelten Auge auftretenden (c-) Nachbilder anzubahnen; die Erklärung der folgenden spontanen (3-) und der „wiederbelebten“ („-) Nachbilder ist angedeutet. Eine Übersicht über die untersuchten Tatsachen findet sich S. 295; eine Anzahl von Erscheinungen wurde zurückgestellt; sie sind einer Er- klärung auf derselben Basis zugänglich. Das Hauptinteresse beanspruchen das sekundäre positiv-komplementäre Nachbild, ein unter Umständen bei schwacher Belichtung darauf folgendes necatives Nachbild mit heller Aderfigur (und hellem Rande) und die höchst auffallenden, wohl wenig bekannten Nachbilder nach starker Belichtung des dunkeladaptierten Auges, ein erstes einfarbiges (rotgelbes) und ein zweites an den beleuchteten Stellen reinweißes („Schneelandschaft“). Diese Nachbilder, in erster Linie das sekundäre positiv-komplementäre Bild, verlangten die Annahme von zwei Leuchtschichten Z, und Z,, deren Lage in der Netzhaut in erster Annäherung dahin bestimmt werden konnte, daß die größeren Gefäße zwischen beiden verlaufen. Unter Hinzunahme der Resultate der vorigen Mitteilung erweitert sich die Zahl der vermuteten Leuchtschichten auf drei. Wenn: man gewisse, ferner liegende Möglichkeiten unberücksichtigt läßt, so leuchtet Z, beim normalen Sehen, bei offenen bewegten Augen intermittierend, in direkter quantitativer Abhängigkeit vom äußeren Licht und ohne nachweisbare Latenzzeit; im geschlossenen Auge setzt sich der Prozeß wenigstens bis zum Verschwinden. des sekundären Nachbildes fort. Die beiden anderen Schichten sind wesentlich nur im unbewegten Auge tätie. Z, ist die typische Nachbildschicht; ihr Eigenlicht tritt nicht sofort, sondern wohl immer mit nachweisbarer Latenzzeit auf. Die tiefste Schicht Z, ist die der periodischen Lichterscheinungen (an die sich Phantasiebilder anschließen); sie ist relativ unabhängig vom äußeren Licht. Die Farben der Nachbilder (des sekundären positiv - komplementären, des rotgelben Nachbildes, der „Schneelandschaft“, der verschiedenfarbigen NACHBILDER |]. 321 spontanen (#-) Nachbilder) haben zu einer Übertragung der Dreifarben- theorie auf die „Leuchtschichten“ geführt. Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß der intensivere Prozeß schneller verläuft, und daß jede Farbe bei genügender Helligkeit die Empfindung weiß gibt, ließ sich eine Er- klärung aller in Betracht kommenden Tatsachen geben. Einige weitere Mitteilungen werden über spontane (#-) Nachbilder, über „wiederbelebte‘“ (y-) Nachbilder und über die Aderfigur in Nachbildern handeln. Es sei noch bemerkt, daß meine Auffassung der Nachbilder mit den herrschenden Theorien keineswegs in Widerspruch steht: Wer die vorsichtig abwägende. Darstellung der Nachbilder kennt, die v. Kries (in Nagels Handbuch) gegeben, hat, der weiß, daß die Ausdrücke „Nachwirkung“, „Stimmung“, „Umstimmung“, „innere Reize“ absichtlich so gewählt sind, daß sie nieht mehr aussagen, als dem derzeitigen Stand der Heiahrungen entspricht. Die ‚inneren Reize“, welche auf der „umgestimmten“ N Netzhaut das negative Nachbild hervorbringen, bezeichnet beispielsweise Wundt direkt als „Lichtreize“, v. Kries nicht mit größerer Zurückhaltung von „in ihrer Wirkung derjenigen des Lichtes vergleichbaren‘ inneren Reizen. — Im Grunde genommen kommt aber keiner der Autoren, die eine Erklärung des negativen Nachbildes im verdunkelten Auge versucht haben, um die Annahme „innerer Lichtreize“ — also doch wohl von neun der Netz- haut — herum. Unter Heranziehung bisher nicht berücksichtigter Tatsachen habe ich versucht, den Inhalt der oben genannten Ausdrücke zu präzisieren, wenn ich auch die Ausdrücke selbst nicht verwendet habe. Ich mache noch auf einige im Text verwendete abkürzende Bezeich- nungen aufmerksam: „Schwarzes Licht“ S.297 u. 298; „Glimmen, Glühen, Leuchten“ S. 304. Eine Übersicht über die Entstehung der Nachbilder gibt die Tabelle 8.305 und die Figur 8. 316. Die nächste Mitteilung wird die Theorie der „deformierenden Größen- schwankungen“ bringen. Protokolle.! Die Versuche sind morgens mit ziemlich gut dunkeladaptierten Augen angestellt. Das bis dahin verdunkelte (tiefdlämmerige) Zimmer wurde erhellt und das Fenster geöffnet; dann wurde ein Auge, auf den Garten gerichtet, für je etwa 0-3” freigegeben. ! Die Nummern schließen sich an die früher mitgeteilten Protokolle an, vgl. dies Archiv. 1908. Physiol. Abtlg. S. 240. Archiv f. A.u, Ph. 1910. Physiol. Abtlz. Suppl. 21 322 FR. KLEis: 87. 21. VIII. 09. Im ersten Moment ein Bild, sehr hell, ich meine mit einem Ton halb wie Messing, halb wie Kupfer, mit geringen Helligkeits- differenzen, aber einer Zeichnung, die wohl von den Blättern der Büsche herrühren kann. Aber nirgends im Bilde größere Schatten. Dann trat das Nachbild des Gartens in den gewöhnlichen Farben, aber mit wenig Detail auf, oben der helle Himmel, Büsche dunkelgraugrün, Wege gelblich. Ich meine, beide Augen gaben dasselbe. Nach einigen Versuchen war das erste Bild (der erste Moment) anders: Die hellen Stellen der Objekte waren sämtlich blendend weiß. Das Bild machte ganz genau den Eindruck wie eine beschneite Landschaft, die Wege und die Blätter mit Schnee bedeckt und hell beleuchtet. Jedesmal schloß sich an diese Schneelandschaft ein positives Nachbild ohne Schnee an, so daß also die Wege hellockergelb, die beleuchteten Teile der Blätter grün waren. Dieser Versuch gelang mit jedem Auge mehrere Male. Später war das Bild dem gewöhnlichen schon ähnlicher. 88. 24. VIII. 09. (Einige Minuten nach dem Versuch geschrieben.) L. A. Ich sehe beim Freigeben des Auges zuerst die Sträucher in einer sehr hellen Farbe, einer Art rotgelb, (ich kann aber noch nicht ganz sicher sagen wie, auch nicht, inwieweit die Details der Form der äußeren Objekte entsprechen oder Zutaten des Auges sind). Beim ersten Mal sah ich ein dickes, dunkles Gefäß, doch weiß ich nicht, ob sofort oder in dem auf das erste Bild folgenden Nachbild. Dieses Nachbild folgt etwas weniger als 1” vom Moment der Belichtung an. Es ist die schönste „Schnee- landschaft“; dann folgt (Erinnerung ungenau) ein schwächeres positives Nachbild in den richtigen Farben, aber wenig differenziert. R. A. Ebenso, aber die „Schneelandschaft“ folgte schneller auf das erste Bild. Ich habe die „Schneelandschaft‘ mit jedem Auge recht oft, etwa zehnmal gesehen. Aber bei den späteren Versuchen war das Bild beim Öffnen des Auges nicht mehr rötlich, sondern zeigte schon eher die natür- lichen Farben. Ich erinnere mich, daß in einem Falle das Laub ein sehr weißliches Grün zeigte. Aber darauf folgte die charakteristische „Schnee- landschaft“. 89. 25. VIII. 09. Trübes regnerisches Wetter. Im ersten Moment sah ich nicht eine so auffallende Farbe des Laubes. Ich meine, es war schon einigermaßen grün, wenigstens in den etwas späteren Versuchen. An zweiter Stelle Schneelandschaft, aber längst nicht so brillant! Immerhin deutlich Schnee, etwa im Beginn des Tauens. Sehr bald bemerkte ich, daß der „Schnee“, d.h. die hellen Stellen der grünen Blätter, aufs deutlichste rosa war. Darauf trat ein lichtschwaches positives Nachbild (Laub schwarzgrün) mit wenig Detail auf. 90. 26. VIII. 09. Trübes Wetter. Schneelandschaft, ähnlich wie gestern. (Die ersten Male nicht darauf geachtet) — Zu einer Zeit des Nachbildes fiel mir auf, daß ein dunkler Teil des Bildes, ein ovales Beet, jedesmal (nach rechts) ins Helle hineinwuchs (Größenschwankung). Ferner sah ich, wenn ich darauf achtete, von den Nachbildern Lichterscheinungen übrigbleiben; die Form schien mit dem Bilde (nachher) keine Ähnlichkeit mehr zu haben, NACHBILDER 1. 323 Die Lichterscheinungen schienen nicht periodisch, sondern direkt vom Bilde abhängig zu sein. 91. 10. III. 11. (Vorher längere Zeit Beobachtungen am hollen Himmel, ebenfalls mit kurzen Belichtungen.) Ich richtete dann die verdunkelten Augen auf den Garten und belichtete: Das erste helle Bild war ein wenig rotgelb, dann wurde es blasser, und dann hob sich recht plötzlich seine Helligkeit wieder auf eine sehr bedeutende Höhe, wenn auch vielleicht nicht ganz auf die Anfangshöhe; dabei macht es ein wenig den Eindruck einer Schneelandschaft; mehrere Male beobachtet. Der Himmel war bedeckt, mäßig hell. Zu den (vollständig und ohne Änderung wiedergegebenen) Protokollen ist zu bemerken, daß sie, mit Ausnahme des letzten, die ersten Beobach- tungen überhaupt darstellen. Durch zahlreiche spätere, nicht protokollierte Versuche gleicher Art ist der im Text geschilderte Verlauf sichergestellt. 21* Die Ursachen der deformierenden Größenschwankungen, Von Fr. Klein. (Aus dem physiologischen Institut zu Kiel.) Die vorliegende Mitteilung dient zur weiteren Begründung der mehr- fach (zuletzt dies Archiv, 1911, physiol. Abtlg. S. 215ff. und kürzer S. 239, Anfang der Inhaltsübersicht) skizzierten Ergänzungshypothese zur Theorie des Sehens. Sie bildet die Fortsetzung der folgenden mit 1 bis 7 bezeich- neten Arbeiten: 1. Das Druckphosphen beruht nicht auf mechanischer Reizung der Stäbchen und Zapfen. Das „Wegreiben“ des Druckphosphens. Dies. Arch. 1908, Physiol. Abtlg., S. 445. 2. Das Wegreiben des Druck- phosphens und seine Bedeutung für die Theorie des Sehens. Ebenda 1908, Suppl., 8.161. 3. Nachbilder, Übersicht und Nomenklatur. Ebenda, $. 219. 4. Die deformierenden Größenschwankungen der «-Nachbilder usw. Ebenda, S. 223. 5. Druckbilder der Netzhaut. Ebenda 1910, S. 531. 6. Das Eigen- licht der Netzhaut, seine Erscheinungsformen, seine blindmachende und bild- fälschende Wirkung. Ebenda 1911, 8. 191. 7. Nachbilder I. Das Bild bei offenen Augen, das primäre, sekundäre und tertiäre Nachbild (a-Nachbilder). Ebenda 1910, Suppl. S. 294. Vgl. ferner (die Anfänge der Hypothese): Das Wesen des Reizes. Ebenda 1904, 8. 305 und 1905, 8. 140; Übersicht: Münchener med. Woch., 1908, Nr. 34. | I. Allgemeiner Teil (1—10). 1. Zu den Tatsachen, welchen die bisherigen Theorien des Sehens auf keine Weise gerecht werden, gehören die „deformierenden“ Größenschwan- kungen. Weniger auffallend, als die Druckbilder, sind sie lange übersehen worden; einmal erkannt, sind sie an Bildern und Nachbildern jeder Art, sowie an mehreren, einem äußeren Objekt nicht entsprechenden subjektiven Erscheinungen leicht festzustellen. FR. KLein: Die ÜRSACHEN D. DEFORMIER. GRÖSSENSCHWANKUNGEN. 395 Bewegte Objekte, die für manche Zwecke weit brauchbarer sind, als ruhende, eignen sich nicht zum Nachweis der Größenschwankungen. In der früheren Mitteilung habe ich die Größenschwankungen der Bilder bei offenen Augen nur kurz erwähnt und betont, daß die einfach- sten Verhältnisse bei den Nachbildern im völlig verdunkelten Auge vor liegen, insofern hier die Mitwirkung des dioptrischen Apparates wegfällt. Auf diese («-)Nachbilder, das primäre, sekundäre und tertiäre, bin ich dort etwas näher eingegangen. 2. Begriff der deformierenden Größenschwankung. Indem ich auf jene Mitteilung verweise, wiederhole ich zunächst, was unter einer deformierenden Größenschwankung oder -änderung zu verstehen ist. Sie besteht darin, daß die hellen und die dunkeln Teile des Bildes oder Nachbildes ihre Größe gleichzeitig in entgegengesetztem Sinne ändern, so daß entweder die hellen Teile kleiner und die dunkeln größer, oder jene größer und diese kleiner werden. Wenn im folgenden gesagt wird, ein Nachbild wird kleiner (oder größer), so ist damit immer ein Kleiner- (oder Größer-)werden der hellen Teile gemeint. Das größere und das kleinere Nachbild sind einander geometrisch nicht ähnlich.! 3. Frühere Feststellungen. Was die aus dem Auftreten der Größenschwankungen zu ziehenden Folgerungen betrifft, so habe ich dazu bisher unter Ausschluß aller anderen Beobachtungen nur diejenigen Größenschwankungen verwertet, welche im verdunkelten Auge an den drei ersten positiven Nachbildern auftreten. Auf Grund dieses Materials bin ich zu einer Reihe von Feststellungen gelangt: 1. Das äußere Licht ist nicht die direkte Ursache der deformierenden Größenschwankungen. — 2. Ihre Ursache liegt nicht im Gehirn. — 3. Sie beruhen nicht ausschließlich auf Vorgängen in den Sehzellen. — 4. Das Pigmentepithel ist an ihrem Zustandekommen nicht beteiligt. — 5. Die deformierenden Größenschwankungen beruhen auf Vorgängen in der Netz- haut.? 4. Die für die Größenschwankungen in Betracht kommenden Netz- hautelemente. Das Sehen von Bildern und Nachbildern beruht auf Zustandsänderungen von Netzhautelementen. Als solche kommen nicht nur die Sehzellen, son- ı Vgl. a.a. 0. 8.228 ff. Figg. 1 und 2 und in dieser Mitteilung Fig. 1a, und 5,. ? Begründung a. a. O. 8. 230 ff. 326°. FR. KLEin: dern auch andere, zwischen diesen und dem Glaskörper liegende Schichten in Betracht, welche „Eigenlicht“ erzeugen. Solcher Schichten verlangt nach früheren Untersuchungen das Druck- phosphen wenigstens eine, das normale Sehen eine, die Nachbilder zwei, gewisse, unter besonderen Bedingungen beobachtete Erscheinungen (vgl. „Das Eigenlicht usw.“, 8.232, „Nachbilder I“, S.318ff.) drei, die Druek- bilder mehrere. Die letzten Untersuchungen haben den Anfang der Bestimmung dieses Gebietes gebracht. Von den beiden Schichten Z, und Z,, welche die Nachbilder beanspruchen, muß die oberflächlichere Z, nahe am Glaskörper in der Gegend der großen Ganglienzellen liegen, da die großen Gefäße zwischen beiden Schichten verlaufen.! . Es fragt sich nun, welche der genannten, die Bilder und Nachbilder erzeugenden Elemente für die Größenschwankungen in Betracht kommen, ob nur die Sehzellen oder nur die leuchtenden Schichten oder beide. Ich zeige zuerst, daß höchstwahrscheinlichbeide in Betracht kommen. Wenn nämlich die deformierenden Größenschwankungen auf Ver- änderungen beruhten, die das Licht in einem einzigen System unterein- ander gleichartiger Elemente hervorbrächte, so wäre zu erwarten, daß der Verlauf der Schwankungen bei verschiedenen Lichtstärken nur quantitative Unterschiede aufwiese, daß aber die Reihenfolge bei allen Lichtstärken dieselbe wäre. Das ist aber ganz sicher nicht der Fall. Die ersten Folgen plötzlicher stärkerer Belichtung sind, wie durch zahllose Versuche festgestellt ist, ceteris paribus dieselben, einerlei ob das Auge nachher offen bleibt oder wieder verdunkelt wird. In beiden Fällen tritt sehr regelmäßig eine besonders deutliche und energische Bewegung auf: Das helle Bild oder Nachbild wird kleiner. (Eine sehr interessante scheinbare Ausnahme bilden die zu Nachbilder, vgl. Abschnitt 19 u. 20.) Wenn ich die Fälle ausscheide, bei denen der erste Eindruck aus hier nicht zu erörternden Gründen ein unbestimmter, verwirrender ist,” so bleibt eine sehr große Anzahl sicherer Beobachtungen übrig, bei welchen das energische Kleinerwerden die erste Änderung ist; diese Fälle entsprechen mittlerer oder höherer Belichtungsstärke. Ihnen stehen ebenso sichere bei geringerer Helligkeit gemachte Be- obachtungen gegenüber, bei denen das Bild oder Nachbild zuerst mäßig ! Vgl. „Nachbilder I“ S. 311; „Druckbilder“, dies Archiv. 1910. Physiol. Abtlg. Taf. IX—XI. ? Auch sonst gelingt es, besonders bei zahlreichen kleinen Größenschwankungen, durchaus nicht immer, über das Gesehene ins klare zu kommen. DIE URSACHEN DER DEFORMIERENDEN. GRÖSSENSCHWANKUNGEN. 327 schnell, schnell oder blitzschnell größer wird, um dann erst jene ener- gische Bewegung des Kleinerwerdens zu zeigen. Aus diesen Unterschieden bei größerer und bei geringerer Helligkeit glaube ich schließen zu sollen, daß die Größenschwankungen auf Vorgängen in wenigstens zwei ra aan Geweben beruhen, deren Ver- änderungen unter dem Einfluß wechselnder Lichtstärken nicht parallel gehen. Deformierende Größenschwankungen infolge von Formveränderungen der Sehzellen (5—). 5. Ich berücksichtige zunächst nur solche Ursachen deformierender Größenschwankungen, die sich aus Änderungen der Sehzellen ergeben. Sie würden für sich allein ausreichen, um die bei normaler Belichtung im offenen Auge auftretenden Größenschwankungen zu erklären; sie versagen aber teilweise gegenüber den Erscheinungen bei schwächerer Belichtung. Es darf als feststehend betrachtet werden, daß die Sehzellen, auch die des Menschen, unter dem Einfluß des Lichtes kürzer und dicker werden.! In den am Frosch ausgeführten Versuchen verläuft diese Reaktion aller- dings träge. Es ist aber wohl erlaubt anzunehmen, daß im normalen menschlichen Auge ihre Anfänge, also geringe Grade der Verdickung, schon sehr kurze Zeit nach dem Beginn der Belichtung. vorhanden sind. 6. Die subjektiven Folgen zunehmender Belichtung. Es sollen die Veränderungen untersucht werden, welche ein Netzhautbild erleidet, wenn die Sehzellen unter dem Einfluß der Belichtung dieker werden. Es soll dazu die nicht streng realisierbare Annahme gemacht werden, daß Auge und Objekt sich nicht bewegen, daß der Fixationspunkt mit vollkommener Genauigkeit festgehalten wird, und daß das vom dioptrischen Apparat entworfene Netzhautbild seinen Ort nicht ändert. Das Objekt sei etwa ein Fenster mit hellen Scheiben und dunklem Kreuz. Das Auge werde für einige Zeit verdunkelt. Die Stäbchen und Zapfen sind dann sämtlich gleichmäßig dick. Jetzt werde das Auge plötz- lich freigegeben. Alsbald werden die belichteten Sehzellen kürzer und dicker. Dadurch werden die an den Grenzen des Bildes gelegenen Sehzellen aus dem Bereich des Lichtes hinausgedrängt; diese Sehzellen werden wieder dünner. Die Zahl der vom äußeren Licht getroffenen Stäbchen und Zapfen in den hellen Teilen nimmt demnach so lange ab, bis die der vorhandenen Belichtung entsprechende maximale Verdickung erreicht ist. In den dunkeln ı Vgl. u.a. Dittler, Pflügers Archw. Bd. CXVI. 328 ; Fr. KrLem: Teilen des Bildes nimmt die Zahl der Sehzellen entsprechend zu; sie sind dort schlank und werden von den belichteten und verdickten Sehzellen mechanisch zusammengedrängt. Die Größe des Bildes, das wir sehen (mit dem Gehirn sehen!), hängt aber ausschließlich ab von der Zahl der vom Licht getroffenen Sehzellen. Wird diese geringer, so sehen wir die hellen Teile des Bildes kleiner werden; gleichzeitig werden die dunkeln Teile größer, entsprechend der dort zu- . sammengedrängten größeren Menge von Sehzellen. nicht will KA. ug belichlel yguagp L GGG <= Geb... del REEL LINIE IE > nn alien nollll 22 en 6; Fig. 1. a, = Moment der Belichtung; die Sehzellen sind noch nieht durch Licht verändert. b, = etwas später; die belichteten Sehzellen sind kürzer und dicker geworden, die nicht belichteten sind zusammengedrängt. a, und 5, sind die entsprechenden subjektiven Bilder. Fig. 1 gibt diese Verhältnisse schematisch wieder: Bei a, (Moment der Belichtung) sind noch alle Sehzellen gleich dick; angedeutet durch senk- rechte Striche in gleichen Abständen; das gesehene subjektive Bild ist a,. Bei ö, sind die belichteten Sehzellen dicker geworden (Striche mit größeren Abständen) und zum Teil aus dem Bereich der hellen Stellen des objek- tiven Bildes hinausgedrängt, in den dunkeln zusammengedrängt; das gesehene Bild ist d,. Die beiden Bilder a, und d, sind einander geometrisch nicht ähnlich: Es hat eine „deformierende“ Größenänderung stattgefunden. DIE URSACHEN DER DEFORMIERENDEN GRÖSSENSCHWANKUNGEN. 329 Während sich die Dimensionen der Sehzellen und das subjektive Bild in der angegebenen Weise ändern, bleibt nach den gemachten Voraus- setzungen das vom dioptrischen Apparat entworfene Netzhautbild unver- ändert. „Optisches“ und ‚‚nervöses‘“ Bild. — Man kann sich also ein Netz- hautbild in deren zwei zerlegt denken, die man als „optisches“ und „ner- vöses‘‘ oder subjektives unterscheiden könnte. Das erstere ist das vom dioptrischen Apparat entworfene Bild, dessen Dimensionen, wenn es scharf eingestellt ist, von seiner Helligkeit unabhängig sind. Die Größe des „nmervösen“ (subjektiven) Bildes wird bestimmt durch die Zahl (und An- ordnung) der von dem „optischen“ Bilde bedeckten Stäbchen und Zapfen; sie läßt sich nicht in Flächenmaß ausdrücken. Die Größe des „ner- vösen“ Bildes ändert sich mit der Lichtstärke, auch ohne daß das „optische“ Bild sich ändert. Wir sehen nur die Änderung des nervösen Bildes. — Es ist auch der Fall denkbar, daß das optische Bild sich ändert, indem es größer und heller, oder kleiner und lichtschwächer wird, während das nervöse Bild der Größe nach unverändert bleibt. 7. Die subjektiven Folgen abnelımender Belichtung. — Dem Kleiner- werden des (hellen) Bildes müßte bei offenbleibendem Auge ein Größer- werden folgen, auch wenn außer den Stäbchen und Zapfen kein anderer Netzhautbestandteil am Zustandekommen der Größenschwankungen beteiligt wäre. Denn dem Lichteinfall folgt (relativ spät) eine Verengerung der Pupille und damit eine Abnahme der Helligkeit des Netzhautbildes. Also werden die Sehzellen wieder schlanker, sie rücken zusammen, ihre Zahl in der Flächeneinheit nimmt zu, wir sehen das Bild wieder größer werden.! Der Verengerung der Pupille folgt eine geringe Wiedererweiterung; daraus ergibt sich eine stärkere Belichtung der Sehzellen, die, wie vorher dargelegt, mit einem Kleinerwerden des Bildes einhergeht. Somit würden bereits drei Größenänderungen erklärt sein. Man würde erwarten, das Bild bei offenen Augen der Reihe nach zuerst erheblich kleiner, darauf größer und endlich wieder etwas kleiner werden zu sehen. 1 Die Folgen der Pupillenverengerung und die Folgen plötzlich abnehmender Be- liehtung überhaupt sind möglicherweise verwickelter, als die obige Darstellung erkennen läßt: Werden infolge verringerten Lichteinfalls die Sehzellen etwas schlanker, so wandern vom Rande her unbelichtete Sehzellen in das helle Bild ein, und das „nervöse“ (subjektive) Bild wird größer. Aber sofort werden diese neu eingewanderten Sehzellen etwas dicker und müssen deshalb zum Teil wieder auswandern: Das nervöse Bild wird wieder etwas kleiner. — Diese Doppelbewegung würde nur zu erwarten sein, wenn zwischen Belichtung und Verdickung eine merkliche Zeit vergeht. 330 FR. KLEis: Diese Bewegungen werden tatsächlich sehr häufig beob- achtet. Dennoch ist die gegebene Ableitung unzureichend, weil, wie schon ge- sagt, die erste Folge schwacher Belichtung im allgemeinen nicht in einem Kleinerwerden, sondern in einem schnell verlaufenden Größerwerden besteht. Diese Änderung läßt sich durchaus nicht in das gegebene Schema ein- fügen; es müssen dafür andere Netzhautelemente mit in Betracht kommen: Es sind die Schichten Z, und Z,, welche nach meiner Ansicht im ver- dunkelten Auge durch ihr Eigenlicht die Nachbilder hervorbringen. 8. Die Schichten /, und Z,; Verdickung der Sehzellen durch Eigen- licht, objektiv leuchtendes Nachbild. Schon die erste Untersuchung der Größenschwankungen hat im engsten Anschluß an die Beobachtungen zu einer Anzahl wichtiger Feststellungen geführt: Es wurde dort die Annahme weiter verfolgt, ein Nachbild beruhe ausschließlich auf Vorgängen in den Sehzellen und es sei dabei keine andere Netzhautschicht beteiligt; sie erwies sich als ganz unvereinbar mit der deformierenden Größenschwankung der Nachbilder im vollkommen verdunkelten Auge. Ferner konnte mit recht großer Sicherheit festgestellt werden, daß die deformierenden Größenschwankungen nicht auf Prozessen im Gehirn be- ruhen. | Wenn demnach die Größenschwankung der Nachbilder auf Prozessen in der Netzhaut beruhen muß, aber nicht auf Prozessen in den Sehzellen allein beruhen kann, so muß am Zustandekommen der Nachbilder min- destens noch eine andere Netzhautschicht beteiligt sein. Die Untersuchung der Nachbilder (vgl. 8.302ff.) hat aber zu der An- nahme geführt, daß dabei zwei Schichten, Z, und Z,, beteiligt sind, daß diese Schichten unter dem Einfluß des äußeren Lichtes Eigenlicht hervor- bringen, und daß dieses Eigenlicht — welches eben das objektive Nachbild darstellt — auf die Sehzellen wirkt, wie äußeres Licht. Dagegen kann das Nachbild von diesen Schichten aus keinesfalls auf nervösen Bahnen direkt; zum Gehirn und auch keinesfalls auf nervösen Bahnen direkt zu den Stäb- chen und Zapfen gelangen, denn ununterbrochene nervöse Bahnen lassen keine Möglichkeit zur Entstehung deformierender Größenschwankungen erkennen.! | Stellt man sich dagegen auf den Standpunkt, daß jene Schichten in- folge von Belichtung in den Grenzen und in der relativen Stärke des vom ı Vgl. dies Archiv. 1908. Physiol. Abtlg. Suppl. S. 232. DIE URSACHEN DER DEFORMIERENDEN GRÖSSENSCHWANKUNGEN. 331 dioptrischen Apparat entworfenen Bildes selbst leuchten, auch nachdem das Auge wieder verdunkelt ist, daß sie also ein objektiv leuchtendes Nachbild hervorbringen, so darf man annehmen, daß die Sehzellen sich unter dem Einfluß des Eigenlichtes genau so verhalten, wie unter dem des äußeren Lichtes: Sie werden dicker und rücken auseinander, wenn das Figen- licht stark ist, und. umgekehrt. Man würde hiernach verstehen, daß ein Nachbild bei völligem Licht- abschluß entsprechend der jeweiligen Belichtungsstärke (nicht Reizstärke!) seine Größe ändert. Die wirklich beobachteten Bewegungen sind aber mannigfaltig und zum Teil anders, als nach jenen Überlegungen zu erwarten wäre. Es ist deshalb noch eine weitere Ursache der deformierenden Größenschwankungen zu vermuten: Sie liegt in den Schichten Z, und Z, selbst. 9. Formveränderung als Begleiterscheinung der Zelltätigkeit. Wenn wir die Annahme machen, daß die Eigenlicht erzeugenden Elemente der Schichten Z, und Z, semipermeable Grenzschichten besitzen, so ergibt sich folgendes: Jede in diesen Elementen ablaufende Reaktion, mag sie exotherm oder endotherm sein, mag sie zu einer Spaltung oder zu einer Synthese (zu einer Vermehrung oder Verminderung der Molekülzahl) führen, ist mit einer Störung des osmotischen Gleichgewichts verbunden: Der wärmere Teil (um von der Vermehrung der Moleküle nicht weiter zu reden) quillt auf Kosten der kälteren Umgebung. Es ist dabei einerlei, ob die Erwärmung einen osmotisch abgegrenzten Teil einer Zelle (ein Zellorgan, einen Zellausläufer), eine ganze Zelle oder einen Zellkomplex betrifft. Es liegt hiernach durchaus im Bereich der Wahrscheinlichkeit, daß die Elemente der Schichten Z, und Z, genau so wie die belichteten Sehzellen der Fläche nach auseinanderrücken, wenn sie tätig sind. 10. Gleichzeitige Formveränderungen der Sehzellen und der selbst- leuchtenden Elemente als Ursachen deformierender Größenschwankungen der («-) Nachbilder. Vorher ist gezeigt worden, daß deformierende Größenschwankungen von Nachbildern im verdunkelten Auge im allgemeinen schon einer Er- 'klärung zugänglich sind, wenn angenommen wird, daß nur die Sehzellen unter dem Einfluß des Eigenlichts ihre Dicke ändern. Verwickelter werden die Verhältnisse, wenn auch die Elemente, von denen das Eigenlicht ausgeht, ihre Dimensionen ändern. Ich entwickle die Folgen zuerst schematisch unter Berücksichtigung nur einer leuchtenden Schicht. 332 FR. KLEis: Die Augen seien verdunkelt, sämtliche Netzhautelemente haben die Dimensionen des Ruhezustandes. Nun werde ein Auge für einen Moment (!/,,” oder weniger) belichtet, und es werde angenommen, eine als Größenänderung erkennbare Quellung finde erst nach der Wiederverdunkelung statt. In dem vorher stark belichteten Gebiet ab Fig. 24 tritt starkes inter- mittierendes Eigenlicht auf, in der dunkleren Peripherie ist es schwach. q b 'e n 5 in a h az U. : a I u m u an = B © Fig. 2. Z = Eigenlichtschicht; 8 = Sehzellen. — Die leuchtenden Elemente der Schicht Z und die von diesen belichteten Sehzellen sind hell gezeichnet, das übrige schraffiert. Die Folgen der Quellung der leuchtenden Elemente und der Sehzellen sollen zuerst jede für sich untersucht werden. l. Gesetzt, nur die tätigen Elemente der Schicht Z quellen (Fig. 22), so würden sie sich der Fläche nach ausdehnen, und das objektiv leuchtende Stück a,d, würde eine größere Anzahl von Sehzellen decken: Das gesehene nervöse oder subjektive Nachbild würde größer werden. 2. Gesetzt, nur die Sehzellen quellen (Fig. 2C), so würden sie, kürzer und dicker werdend, zum Teil aus den Grenzen ad hinausgedrängt werden, die Zahl der von Z intermittierend beleuchteten Sehzellen würde abnehmen, und das nervöse Bild würde kleiner werden. Die Quellung der leuchtenden Elemente bedingt also für sich allein eine Vergrößerung, die der Sehzellen für sich allein eine Verkleinerung des nervösen (subjektiven) Bildes. Wenn nun, wie ich annehme, beide, sowohl die leuchtenden Elemente, als auch die Sehzellen quellen, so sind die Folgen für das Sehen * nicht mehr vorauszusehen. Träten die beiden Änderungen gleichzeitig und in gleicher Stärke auf, so würden sie sich aufheben; es würde überhaupt keine Gröbenänderung gesehen werden. Träten sie gleichzeitig, aber in verschiedener Stärke auf, so würde die stärkere überwiegen, das Nachbild würde entweder größer, oder kleiner werden. DIE URSACHEN DER DEFORMIERENDEN GRÖSSENSCHWANKUNGEN. 333 Träten sie nacheinander auf, so würde das Nachbild zuerst größer und dann kleiner, oder zuerst kleiner und dann größer werden. Es ist auch noch folgendes zu beachten: Die Prozesse, welche das Licht einerseits in den Sehzellen, andererseits in den leuchtenden Elementen auslöst, sind verschieden. Es ist deshalb unwahrscheinlich, daß die Verhältnisse der Quellung (Grad und Geschwindig- keit) beider Gewebe zueinander bei verschiedenen Lichtstärken dieselben bleiben; ändern sie sich, so würde je nach der Belichtungsstärke und -dauer die eine oder die andere der obigen Annahmen Geltung haben können. II. Spezieller Teil: Die Analyse der beobachteten Größenschwankungen. 11. Die Vorgänge bis zum Ablauf des primären Nachbildes. Das Auge sei verdunkelt, der Quellungszustand der Netzhautelemente sei gleichmäßig. (Beliehtung.) — Plötzlich falle für einen Augenblick ein helles Bild auf die Netzhaut. Es erregt in der oberflächlichen Schicht Z, intermittie- rendes Eigenlicht. Wenn mit A die Wirkung des äußeren Lichtes auf die Sehzellen bezeichnet wird, so ist die des Bigenlichts = !/, A.! Die tätigen Netzhautelemente quellen, die Schicht Z, dehnt sich der Fläche nach aus und deckt eine größere Menge von Sehzellen; dies würde zu einer Vergrößerung des subjektiven Bildes führen, wenn die Quellung der Schicht Z, früher eintritt, als die der Sehzellen. — Ich nehme an, daß dies nur bei schwacher Belichtung der Fall ist, denn nur dann wird im allgemeinen an erster Stelle eine Vergrößerung gesehen. Die Lichtmenge, welche die Sehzellen erhalten, setzt sich aus dem äußeren Licht = A und dem intermittierenden Eigenlicht = !/, 4 zusammen. Sie wirken nicht gleichzeitig, sondern abwechselnd, denn in den Zeiten, wo Z, leuchtet, wird das äußere Licht absorbiert. Wenn der Einfachheit halber angenommen wird, daß das äußere und das Eigenlicht (was nicht genau zutrifft) gleich lange auf die Sehzellen wirken, so kann die Stärke ihrer Be- liehtung durch A + 1/,A=?/), A ausgedrückt werden. Sie werden dem- entsprechend dicker und wandern zum Teil aus den Grenzen des hellen Bildes aus; dadurch muß das subjektive Bild kleiner werden. Da die Verkleinerung die bei schwacher Belichtung vorangehende Ver- größerung übertrifft, so schließe ich, daß die Quellung der Sehzellen die der leuchtenden Elemente übertrifft. Da ferner bei größerer Helligkeit über- ı Vgl. 8.300 und dies Archiv. 1911. Physiol. Abtlg. S. 220. 334 FR. KLem: haupt keine Vergrößerung vorausgeht, so nehme ich an, daß unter diesen Bedingungen die Quellungsgeschwindigkeit der Sehzellen wenigstens ebenso- groß als die der leuchtenden Elemente ist. (Verdunkelung.) — Im wiederverdunkelten Auge dauert das inter- mittierende Eigenlicht der Schicht Z, zunächst in unveränderter Stärke an; es wird das primäre Nachbild gesehen. Die Schicht Z, wird also ihren Quellungszustand nicht ändern und ihre vorige Flächenausdehnung bei- behalten. | Anders die Sehzellen: Während der Belichtung erhielten sie abwechselnd die Lichtstärken 4 und !/, A, zusammen °/,4; nach der Verdunkelung sind die Lichtstärken abwechselnd Null und !/, 4, zusammen !/,A. Die Prozesse in den Sehzellen müssen also an Stärke abnehmen, ihre Quellung muß zurückgehen, sie werden schlanker und rücken zusammen, vom Rande her wandern mehr Zellen in das Gebiet des hellen Nachbildes ein, und das nervöse (subjektive) Bild wird größer.! Es sei noch daran erinnert, daß zwar die Belichtungsstärke der Seh- zellen bei offenem Auge (?/, A) etwa dreimal so groß ist wie nach der Ver- dunkelung (!/, 4), daß aber die subjektive Helligkeit beidemal etwa die gleiche ist. Denn diese hängt von der „Reizgröße“, den Intensitätsunter- schieden der Prozesse in den Sehzellen ab. Bei offenem Auge ist die Reizgröße A= A— 1,A=!/,A; im verdunkelten Auge ist sie A, = !/, A — 0 = 1!/,4A, also ebensogroß.? Der Quellungsgrad der Sehzellen ist nur abhängig von der Gesamt- lichtstärke, aber unabhängig von deren Schwankungen; umgekehrt ist die subjektire Empfindung nur von der Größe der Schwankungen abhängig. Vom Moment der Belichtung bis zum Ende des primären Nachbildes, dessen Stärke (subjektive Helligkeit) als gleichbleibend angenommen wird, würden sich nach dem Gesagten folgende Größenänderungen ergeben: a) bei geringer Lichtstärke: 1. größer (unter Umständen blitzschnell), 2. energisch kleiner, 3. größer. b) bei größerer Lichtstärke: 1. energisch kleiner, 2. größer. (An letzter Stelle könnte in beiden Fällen eine geringere Verkleinerung folgen, vgl. Anm. S. 329.) 12. Größenänderungen des sekundären Nachbildes. In der früheren Mitteilung über deformierende Größenschwankungen finden sich über das sekundäre Nachbild Ansichten, die einer Berichtigung bedürfen: | ‘ Das Bild könnte gleich nachher wieder etwas kleiner werden, vgl. Anm. $. 329. ?® Über Reizgröße vgl. S. 299 und dies Archiv. 1911. Physiol. Abtlg. S. 218. DIE URSACHEN DER DEFORMIERENDEN GRÖSSENSCHWANKUNGEN. 335 Dort sind alle Nachbilder, welche mehr oder minder komplementär gefärbt sind, als sekundäre Nachbilder bezeichnet.! Das ist in dieser Allgemeinheit falsch und widerspricht auch dem Wortlaut mehrerer der dort mitgeteilten Protokolle (58, 63, 65, 71, l.c. S. 234 ff), in denen ausdrücklich gesagt ist, daß das komplementäre Nach- - bild „sich unmittelbar an das direkt gesehene Bild anschließt“ oder „beim Verdecken sofort“ erscheint (vgl. auch Protokoll 74). Ein komplementäres Nachbild ist nicht notwendig ein sekundäres: Nach der Zeit des Auftretens würde es sich um primäre Nachbilder handeln. Ihre ungewöhnliche Farbe erklärt sich durch die Methode der Beobachtung: Es sind immer viele Einzelbeobachtungen nacheinander gemacht worden; jedes Protokoll gibt die Resultate einer solchen oft sehr langen Reihe. Dabei kann sich die Nachwirkung der Nasen Belichtungen bei den folgenden bemerkbar machen. Besonders auffallend ist dies bei sehr hellen farblosen Objekten. Sie geben bekanntlich nach kurzer Belichtung nur anfangs farblose Nachbilder; sehr bald sind sie von vornherein stark gefärbt (vgl. auch Protokoll 68). Durch die früheren Belichtungen ist die Netzhaut „umgestimmt“. Die Umstimmung betrifft die tiefere Schicht Z,. Diese spielt beim normalen Sehen, wozu nach meiner Ansicht Bewegungen des Auges gehören, über- haupt keine Rolle, wohl aber im möglichst unbewegten offenen? oder ge- schlossenen Auge. Bei erstmaliger kurzer Belichtung tritt der Erfolg in der Schicht L, erst eine Weile nach der Wiederverdunkelung ein. Diese Latenzzeit nimmt das primäre (auf intermittierendem Leuchten der Schicht Z, beruhende) Nachbild ein. Dann erst tritt schwaches, noch teilweise durch- sichtiges Eigenlicht in Z, auf, welches, vorwiegend in der dominierenden Farbe des Objekts „glimmend“, im wesentlichen eben diese Farbe absorbiert und die Komplementärfarbe durchläßt. (Näheres S. 307; über „Glimmen“, „Glühen“, „Leuchten“ vgl. S. 304.) Unter diesen „normalen“ Verhältnissen erscheint also an erster Stelle ein positiv-gleichfarbiges, an zweiter ein positiv-komplementäres Nachbild. Durch viele schnell aufeinander folgende Belichtungen des unbewegten Auges wird aber der Zustand der Schicht Z, (wie später durch die „wieder- belebten“ Nachbilder überzeugend bewiesen wird) dahin geändert, daß er- neute Belichtung die Schicht viel leichter und schneller zur Tätigkeit bringt. Der Zustand des „Glimmens“ tritt dann ohne merkliche Latenzzeit auf ! Vgl. Tabelle II und III a.a. O. S. 227. ?2 Vgl. die abnormen bei unbewegtem Auge eintretenden Erscheinungen, Ver- schwinden von Linien und Punkten, Fälschung des Bildes u.a. Dies Archiv. 1911. Physiol. Abtlg. S. 208. 336 FR. KLem: und erteilt bereits dem primären positiven Nachbild eine annähernd komple- mentäre Färbung. i Hiernach würde die Frage. nach der Größenänderung des sekundären Nachbildes nur durch Versuche mit langen Pausen, am besten wohl mit Hilfe farbiger Objekte zu lösen sein. Man könnte vermuten, daß das wirklich sekundäre positiv komple- mentäre Nachbild etwas größer würde, denn, da die „glimmende“ Schicht Z, etwas Eigenlicht von Z, absorbiert, so erhalten die Sehzellen etwas weniger Licht, werden ‚schlanker und rücken zusammen. Das negative Nachbild mit hellem Saum und heller Aderfigur (15—17). 13. Beobachtungen. — In der Reihe der «-Nachbilder erscheint, wenn mit geringen Lichtstärken gearbeitet wird, häufig ein negatives Nachbild. In einer und derselben Versuchsreihe können ohne merkliche Änderung der Bedingungen abwechselnd Fälle ınit und solehe ohne negatives Nachbild zur Beobachtung kommen. Das negative Nachbild kann auf das sekundäre, doch auch schon auf das primäre Nachbild folgen. In dem negativen Nachbild können leuchtend helle Stücke der Aderfigur auftreten, und zwar konnte einige Male fest- gestellt werden, daß diese glänzenden Linien bereits in dem Momont er- scheinen, wo das vorhergehende helle Nachbild gerade in das dunkle um- schlägt, und daß sie eher wieder verschwinden, als das negative Nachbild. Das negative Nachbild kann von einem hellen leuchtenden Saum um- geben sein. Der Saum kann nach innen und außen messerscharf abgesetzt sein, er kann auch nach außen mehr oder minder verwaschen sein. Bei dem Nachbilde einer Mattscheibe ist der Eindruck teilweise so, als läge ein kleineres dunkles Viereck auf einem größeren hellen. Das kleinere Viereck kann über die ganze Fläche tiefdunkel sein, oder nur nach dem Rande zu, während die übrige Fläche wie schwarzer Atlas glänzt. Entweder erscheint nur die leuchtende Aderfigur, oder nur der leuchtende Saum, oder auch beide gleichzeitig. Wenn an dem negativen Nachbild mit hellem Saum eine Größen- änderung gesehen wurde, so war es immer ein Größerwerden: Es schien, als würde das Nachbild mit einem Ruck nach allen Seiten auseinander- gezogen. 14. Die Ursachen des negativen Nachbildes. Was die Entstehung des negativen Nachbildes betrifft, so verweise ich auf S.309 und Fig. 3, S. 316 (Nachbilder I). Nach der dort gegebenen DIE URSACHEN DER DEFORMIERENDEN GRÖSSENSCHWANKUNGEN. 337 Darstellung ist dieses negative Nachbild (wenn es auf das sekundäre Nach- bild folgt) identisch mit dem dunkeln Intervall zwischen sekundärem und tertiärem Nachbilde Wenn die Schicht Z, aus dem Stadium des „Glimmens“ (a) langsam in das des „Leuchtens“ (c) übergeht, so kommt das Übergangsstadium (5) des „Glühens“ zur Beobachtung. Während dieses Stadiums ist das Eigenlicht der Schicht 7, nieht mehr durchsichtig und noch nicht intermittierend; die Sehzellen sind konstant belichtet, es erfolgt kein Reiz („schwarzes Licht“). Tritt ein solches negatives Nachbild, etwa einer einzigen hellen Fläche, in völlig dunkler Umgebung auf, so ist es von einem dunklen Intervall nicht zu unterscheiden.! Aber schon ein Fenster mit mehreren Scheiben zeigt den wahren Charakter der Erscheinung: Die dunkeln Sprossen sind im Nachbild heller als die Scheiben. Das Eigenlicht der Schicht Z, ist sehr empfindlich gegen Änderungen der Lichtstärke; ein geringes Minus an Licht gibt eine Ver- langsamung der Prozesse, und während an den im Objekt hellen Stellen bereits das undurchsichtige Stadium (5) des „Glühens“ vorhanden ist, sind die dunkleren höchstens bis zum durchsichtigen „Glimmen“ gelangt. Für diese Stellen liegen also noch die Bedingungen des sekundären Nachbildes vor, und dem entspricht auch ihre subjektive Helligkeit. In manchen Fällen tritt das negative Nachbild schon nach dem ersten positiven Nachbild auf. Es dürften die Fälle sein, wo, wie vorher be- sprochen, in den späteren Versuchen einer Reihe schon das erste positive Nachbild gefärbt ist. Geht dann das teilweise durchsichtige „Glimmen“ der Schicht Z, in das undurchsichtige „Glühen“ über, so erscheint schon nach Ablauf des primären (aber komplementär gefärbten) Nachbildes ein negatives Bild. 15. Die helle Aderfigur im negativen Nachbild. In den dunkeln Teilen des negativen Nachbildes können helle Gefäße erscheinen. Die Erklärung dafür habe ich schon früher gegeben (vgl. Nach- bilder I, S. 311): Im Schatten der größeren Gefäße bleiben die Prozesse der Schicht Z, zuweilen merklich zurück; dann bleiben diese Stellen durch- sichtig für das intermittierende Eigenlicht der Schicht Z/, und erscheinen leuchtend hell. 16. Der helle Saum des negativen Nachbildes. Die jetzt zu untersuchenden höchst auffallenden Erscheinungen sind meines Erachtens theoretisch von ganz hervorragender Wichtigkeit. Zu einem Verständnis derselben gelangt man auf Grund folgender Überlegungen: ! Vgl. Prot. 84, 85, dies Archiv. 1908. Physiol. Abtlg. S. 240. Archiv f. A, u.Ph. 1910. Physiol. Abtlg. Suppl. 22 338 Fr. KLEis: Die Belichtung regt das Eigenlicht der beiden Schichten Z, und Z, an. Der Erfolg tritt in Z, sofort in voller Stärke ein, in Z, mit Latenz- zeit und in Absätzen sich steigernd. Der Prozeß in Z, führt zu einer Quellung der leuchtenden Elemente; diese überschreiten a allen Seiten die Grenzen des VULansE EEE vom dioptrischen Apparat gelieferten Bildes (d) Fig. 3. In der Schicht Z, sei der Prozeß bis zum „Glühen“ (zur selben Zeit im Schatten der Gefäße erst bis zum „Glimmen“) gediehen. — db --_L, Eigenlicht intermittierend mg ——— L, Eigenlicht konstant car sehzellen u u fast | A |dunkel| A |dunkel | A | fast dunkel dunkel Ries: b bezeichnet die Größe des vorausgegangenen vom dioptrischen Apparat entworfenen hellen Bildes. g = Gefäß; R = heller Saum; A’ = helles Gefäß; u = Umgebung des Nachbildes, fast dunkel. Im Stadium des „Glühens‘“ ist das Eigenlicht von Z, konstant, nicht reizend, undurchsichtig für das intermittierende Eigenlicht von Z,, und schwächer als in dem späteren Stadium des intermittierenden „Leuchtens“. Dem schwächeren Prozeß entspricht auch die geringere Quellung und Flächenausdehnung der Schicht /,. Die intermittierend „leuchtende“ Fläche der Schicht 7, überragt also die konstant „glühende“ Fläche der Schicht Z, nach allen Seiten. Nur in diesem Randgebiet (und im Gefäß- schatten) kommt das intermittierende Eigenlicht von /, ungehindert zur Wirkung auf die Sehzellen, erregt in ihnen wechselstarke Prozesse und führt zur Nervenleitung und Hellempfindung. Zur weiteren Erläuterung des Gesagten dient Fig. 4a und b. Fig. 4a stellt die objektive Belichtung der Sehzellen durch das Eigen- licht der Schichten Z, und 7, dar. | Die obere Hälfte der Figur gibt den Moment z, wieder, wo die Schicht Z, aufleuchtet, die untere den Moment Z,, wo sie nicht leuchtet. (Die Zeit {, +, mag etwa !/,, oder weniger betragen.) Das kleinere Viereck entspricht dem konstanten von Z, ausgesandten Eigenlicht. In seinem Bereich erhalten die Sehzellen, mit Ausnahme der DIE URSACHEN DER DEFORMIERENDEN GRÖSSENSCHWANKUNGEN. 339 von der Aderfisur beschatteten Stellen, dauernd die gleiche Lichtmenge; die in ihnen verlaufenden „gleichstarken“ Prozesse setzen keinen Reiz; das intermittierende Eigenlicht der Schicht Z, wird von Z, absorbiert. Nur soweit die Schicht Z, die Sehicht 7, überragt, erreicht das inter- mittierende Eigenlicht von Z, die Sehzellen: Im Randgebiet und ebenso am Ort der Aderfigur schwankt deren Belichtung zwischen hohen Werten (im Zeitabschnitte &) und Null (im Abschnitte z,); in der Peripherie schwankt sie zwischen sehr geringen Werten und Null. ITÜÜ Dem entsprechen die Helliskeitsverhältnisse des subjektiven Bildes, Fig. 4b: Die subjektive Helligkeit ist vollkommen unabhängig von der Licht- menge, welche die Sehzellen in der Zeiteinheit erhalten, und ausschließlich abhängig von der Größe der Helligkeitsschwankungen, welche die Seh- zellen erleiden. Der Saum und die Aderfigur sind subjektiv leuchtend hell, weil hier die stärksten objektiven Helligkeitsschwankungen vorhanden sind, die übrige Fläche ist, obwohl objektiv nicht unerheblich belichtet, schwarz, weil die Helligkeitsschwankungen fehlen; die Peripherie, das Gebiet außerhalb des Nachbildes, ist, obwohl objektiv weitaus am schwächsten belichtet, doch nicht völlig schwarz, weil die schwache Belichtung intermittierend ist. 17. Das Größerwerden des hellumsäumten negativen Nachbildes. Ich beziehe mich auf ein Protokoll vom 25.4. 07, St5’ pm, ziemlich weit vorgeschrittene Dämmerung; eine Mattscheibe; Belichtung 0”, 3. 99% az 340 Fr. KLEix: Ich sah das (erste) helle Nachbild „in gewöhnlicher Weise“ kleiner werden, dann plötzlich umschlagen in ein dunkles Nachbild mit ganz schmalem hellem Rande. Dieses dunkle hellgesäumte Nachbild dehnt sich von dem Moment, wo es auftaucht, mit einem kleinen Ruck aus, so, als wenn man die helle Grenze nach allen Seiten plötzlich auseinanderzöge. Ich füge hinzu, daß in diesem und in anderen Fällen der helle Saum seine Breite nicht änderte. Das subjektive („nervöse“) Nachbild wird nur dann größer, wenn die Zahl der belichteten Sehzellen zunimmt. Dies kann geschehen, indem die leuchtenden Schichten quellen, sich der Fläche nach ausdehnen und eine größere Zahl von Sehzellen bedecken, oder indem die Sehzellen schlanker werden, so daß in der gleichen Fläche deren mehr enthalten sind. Die erste Ursache setzt eine Zunahme, die zweite eine Abnahme des Eigen- lichts voraus. In der Schicht Z, besteht der Eigenlichtprozeß bereits vom Moment der Belichtung an; die Ausdehnung dieser Schicht gibt sich zuweilen durch die blitzschnelle Vergrößerung zu erkennen, die der (auf Quellung der Sehzellen beruhenden) starken Verkleinerung vorangehen kann. Zur Zeit des negativen Nachbildes ist also von einer Ausdehnung der Schicht Z, sicher nieht mehr die Rede. Mit einer Ausdehnung der Schicht Z, kann aber die Vergrößerung des Nachbildes ebensowenig zusammenhängen: Gesetzt, sie dehnte sich aus, so würde der helle Rand schmaler werden und verschwinden müssen. Die Schicht Z, dehnt sich also zu dieser Zeit, im Stadium des „Glühens“, noch nicht merklich aus. Es bleibt also nur die zweite Ursache, ein Zusammen- rücken der Sehzellen infolge schwächerer Belichtung. Und wirklich erhalten auch die Sehzellen von dem Moment an, wo das negative Nachbild auftritt, weniger Licht als vorher. Denn vorher erhielten sie das intermittierende Licht der Schicht Z, in voller Stärke, oder höchstens um etwas geschwächt durch das eben beginnende „glimmende“ Eigenlicht der Schicht Z,. Nun aber, mit dem Auftreten des negativen Nachbildes, ist das Eigenlicht von Z, so stark geworden, daß es das Eigen- licht von Z, vollständig absorbiert. Die Sehzellen erhalten also in dem dunkeln Gebiet gar kein Licht von Z,, sondern nur das jedenfalls sehr viel schwächere konstante Eigenlicht der Schicht 2/,. Also werden in der ganzen subjektiv dunkeln Mitte die Sehzellen schlanker, so daß notwendig eine Einwanderung der Sehzellen von der Peri- pherie her stattfinden muß. Damit ist aber die Vergrößerung des Nach- bildes ohne Änderung der Breite des hellen Randes vollkommen erklärt. Mitunter ist der helle Saum nach außen verwaschen: Die Erklärung dafür wird eine über die Rolle des Pigmentepithels handelnde Mitteilung liefern. Dıe URSACHEN DER DEFORMIERENDEN GRÖSSENSCHWANKUNGEN. 341 Obwohl ich bisher keine Tatsache kennen gelernt habe, welche im Widerspruch mit der hier vertretenen, mit mehreren Eigenlichtschichten rechnenden Hypothese stände, so scheint mir doch das hellumsäumte negative Nachbild in ganz besonderem Maße für ihre Brauchbarkeit zu ‚sprechen. Man versuche für dies Nachbild irgendeine andere Erklärung zu finden, möge sie auch nur dieser einen Erscheinung Rechnung tragen! 18. Die Größenänderung des tertiären Nachbildes. . Das tertiäre positiv-gleichfarbige Nachbild wird entweder größer, oder es taucht, wenn ihm ein dunkles Intervall vorausgeht, von vornherein in sehr bedeutender Größe auf. Nicht selten sehe ich es vor dem Verschwinden wieder kleiner werden. Ich habe (vgl. Nachbilder I, S. 308) das tertiäre Nachbild auf inter- mittierendes „Leuchten“ der Schicht Z, zurückgeführt: Aus dem Stadium (a) des „Glimmens“ geht der Prozeß in Z, (mit oder ohne ein merkliches Übergangsstadium [2] des „Glühens“) in das Stadium (c) des intermittierenden „Leuchtens“ über. Hierbei dehnt sich die Schicht 7, der Fläche nach aus und deckt eine größere Menge Seh- zellen: Das subjektive Bild wird größer. Unter dem Einfluß der stärkeren Belichtung verdieken sich auch die Sehzellen und wandern zum Teil aus dem belichteten Gebiet aus: Das subjektive Bild wird wieder kleiner. Ob diese letzte Änderung zur Beobachtung kommt, wird u.a. von der Dauer des tertiären Nachbildes abhängen. Größenschwankungen der „wiederbelebten‘“ (z-) Nachbilder (19—20). Da über „wiederbelebte“ Nachbilder eine eigene Mitteilung erfolgen wird, beschränke ich mich hier auf die nötigsten Angaben; an wiederbelebten Nachbildern habe ich die Größenschwankungen überhaupt zuerst gesehen. 19. Beobachtungen. — Nach längerem Fixieren eines sehr hellen Ob- jektes (Mattscheibe) erscheint im wiederverdunkelten Auge eine oft sehr lange Reihe „spontaner“ (5-)Nachbilder. Wird nach deren Ablauf das ge- schlossene (oder offene) Auge für einen Augenblick schwach belichtet, so erscheint ein negatives dunkles Nachbild. Genauere Beobachtungen lehren, daß es mit einer Latenzzeit auftritt. Das dunkle negative Nachbild wird ausnahmslos mit kräftiger Be- wegung erheblich kleiner, dann langsam wieder größer. Beim Wiederverdunkeln taucht ein helles positives Nachbild auf, das. erst größer, dann wieder kleiner wird. 342 Fr. KLeis: Diese Größenschwankungen sind gerade umgekehrt, wie die an Objekten mit offenen Augen und an positiven «-Nachbildern beobachteten. Bei den letzteren werden (mit oder ohne Vorausgehen einer kurzen entgegengesetzten Bewegung) die hellen Teile mit kräftiger Bewegung kleiner, die dunkeln größer, beim wiederbelebten negativen Nachbild werden die dunkeln Teile mit derselben kräftigen Bewegung kleiner! Die Größenschwankungen der wiederbelebten Nachbilder sind so, wie beschrieben, von sehr vielen Beobachtern gesehen worden. 20. Erklärung. — Ich habe schon früher (S. 320) die Schicht Z/, als die eigentliche Nachbildschicht bezeichnet: In ihr bringt das Licht bei ge- nügend langer und starker Einwirkung, und wenn Augenbewegungen ver- mieden werden, tiefgreifende und langanhaltende Veränderungen, „Um- stimmungen“ hervor, die man in erster Annäherung etwa so auffassen könnte, daß eine Vorstufe der Leuchtsubstanz oder diese selbst in beträcht- licher Menge gebildet wird, so daß nur ein geringer Anstoß durch äußeres Licht nötig ist, damit starkes Eigenlicht auftritt." Man findet leicht eine (mäßige) Belichtungsstärke, welche ein voll- kommen schwarzes wiederbelebtes Nachbild hervorruft. In diesem Fall sind die Sehzellen nicht gereizt, sie sind nicht ‚„wechselstark“ belichtet. Aber sie sind relativ stark belichtet, stärker als in der subjektiv helleren Peripherie: An sich kann ein schwarzes (negatives) Nachbild im belichteten Auge durch recht schwaches Eigenlicht der Schicht 7, zustande kommen, wenn dies Eigenlicht nur konstant und undurchsichtig ist (vgl. vorher). Das „wiederbelebte‘“ schwarze Nachbild beruht aber im Gegensatz hierzu auf intermittierendem (!) stärkeren Eigenlicht der Schicht 2,. Das ist zu begründen: Nach früheren Auseinandersetzungen erregt die Belichtung in erster Linie ohne nachweisbare Latenzzeit das intermittierende Eigenlicht der Schieht Z,; und es ist die Wirkung £, dieses Eigenlichts = !/, 4, wenn 4 die Wirkung des Außenlichtes ist. Wenn sogleich nach /, auch die Schicht .Z, intermittierend zu leuchten beginnt, und wenn die Prozesse beider Schichten synchron verlaufen (dies ist eine schon früher als unerläßlich bezeichnete Forderung), so erreicht das Eigenlicht der Schicht Z, die Sehzellen überhaupt nicht, braucht also nicht weiter berücksichtigt zu werden. ! In Wirklichkeit liegen die Verhältnisse weniger einfach: Die Wirkung des „wiederbelebenden“ Lichtes tritt präzise nur dann ein, wenn die Pause zwischen je zwei Belichtungen kurz ist; andernfalls bleibt sie entweder ganz aus oder zeigt sich erst nach mehrmals in kurzen Abständen wiederholter Belichtung. DIE URSACHEN DER DEFORMIERENDEN GRÖSSENSCHWANKUNGEN. 348 Die wirksame Stärke Z, des Eigenlichts der tieferen Schicht Z, hängt aber nicht ausschließlich von der neuen „wiederbelebenden“, sondern in sehr hohem Grade von der vorausgegangenen langen und starken „um- stimmenden“ Belichtung ab. Im allgemeinen ist 2, > !/),A. DBei einer bestimmten Stärke des „wiederbelebenden“ Lichtes ist , = 4, lo A=4A-E=0, d.h. das Nachbild ist schwarz. Ich wiederhole dasselbe mit anderen Worten: Erregt äußeres Licht irgendeiner Stärke in der durch die vorausgehende Belichtung „umgestimmten“ Schicht Z, intermittierendes Eigenlicht derselben Stärke, die Stärke ge- messen an der Wirkung auf die Sehzellen, so erhalten diese dauernd Licht von gleichstarker Wirkung, und zwar abwechselnd von außen und von der Schieht Z,. In den Sehzellen verlaufen also keine wechselstarken Pro- zesse, die „Reizgröße“ A ist gleich Null, es kommt nicht zur Nervenleitung, also auch nicht zur Hellempfindung.! In der nicht umgestimmten nachbildfreien Bosiphene erregt das äußere Licht nur in der Schicht Z, intermittierendes Eigenlicht von der Stärke BZ Inder. Porter ist also die Reizgröße 1=A—- E =!/,4, die Peripherie ist normal hell. Dagegen ist die Gesamtbelichtung in der Peripherie (mit °/, 4) geringer, als im Gebiet des Nachbildes (2 A). Also sind die Sehzellen im Gebiet des subjektiv schwarzen Nachbildes stärker (aber nicht wechselstark!) belichtet, als in der subjektiv helleren (weil wechselstark belichteten) Peripherie. Die stärker belichteten Sehzellen sind aber auch die diekeren: Aus dem objektiv helleren Gebiet des subjektiv schwarzen Nachbildes werden die äußersten derselben hinausgedrängt in das objektiv weniger helle peri- phere Gebiet, und das subjektiv dunkle Nachbild wird kleiner, und zwar um so kleiner, je stärker die Belichtung; aber nur bei der einen oben angegebenen Belichtungsstärke ist das Nachbild schwarz! Die nachfolgende Vergrößerung dürfte auf Rechnung der Pupillen- verengerung (abnehmende Lichtstärke, Zusammenrücken der Sehzellen) zu setzen sein. Wiederverdunkelung. — Daß es sich wirklich um intermittierendes Eigenlicht handelt, das im Verein mit äußerem Licht ein schwarzes Nach- bild gibt, lehrt die Wiederverdunkelung: Es tritt ein helles Nachbild auf. Ein solches setzt aber wechselstarke Vorgänge in den Sehzellen voraus; ! Man vergleiche hierzu Abschnitt 45 der Mitteilung über das Eigenlicht der Netzhaut. Dies Archiv. 1911. Physiol. Abtlg. Die dort S. 225 und Fig. 39 S. 227 unter „erste Möglichkeit“ gegebene Erklärung der dunkeln Punkte usw. ist mit der obigen identisch. 344 FR. KLEis: sie sind in dem Augenblick vorhanden, wo das wiederbelebende äußere Licht wegfällt, denn nun ist die Reizgröße nicht mehr 1=4— E,=(, sondern A =, —0=E,. Ein helles Nachbild beim Verdunkeln ist durchaus nicht zu verstehen, wenn man das schwarze beim Belichten auftretende Nachbild etwa mit konstantem Eigenlicht zu erklären sucht. Das helle (positive) Nachbild beim Verdunkeln wird erst größer, dann kleiner: Größer dürfte es werden, weil die vom Moment der Verdunkelung an höchstens noch halb so stark belichteten Sehzellen dünner werden, so daß deren mehr in das belichtete Gebiet einwandern. Kleiner könnte es nachher werden, weil mit dem Schwächerwerden des Prozesses in 7, die Elemente dieser Schicht sich auf eine kieinere Fläche zusammenziehen, gleichzeitig vielleicht auch, weil die neu eingewanderten schlanken Sehzellen der Randteile durch die Belichtung dicker werden und teilweise wieder über die Grenze gedrängt werden (vgl. Anm. 8. 329). Größenschwankungen des „dunklen (gezackten) Flecks“. (21—22.) 21. Ergänzung der Beobachtungen. Bei schwacher Belichtung des dunkeladaptierten Auges tritt an der fixierten Stelle, mit oder ohne Latenz- zeit, ein für die Außendinge undurchsichtiger Fleck von wechselnder Form, Größe und Dunkelheit auf; vgl. „das Eigenlicht der Netzhaut“, Abschnitt 10-15 (8. 197 ff.) und 44 (S. 221), Taf. XIV, XV, Fig. T7—17. Nach neueren Beobachtungen scheint bei erstmaliger Belichtung regel- mäßig eine Latenzzeit vorhanden zu sein, nach öfter wiederholter Belichtung aber nicht mehr. Nach der Wiederverdunkelung erscheint kein helles Nachbild des dunkeln Flecks,!' wohl aber habe ich den Fleck zuweilen auch nach dem Wiederverdunkeln dunkel auf schwach erhelltem Grunde gesehen (neue Beobachtung). An dem dunkeln Fleck sind sehr häufig Größenschwarkungen beob- achtet worden: Unmittelbar nach dem Erscheinen wird er mit kräftiger Bewegung erheblich kleiner, um dann langsam wieder etwas größer zu werden. Statt der starken Größenschwankungen des dunkeln Flecks können aber (was früher nicht erwähnt ist) auch ganz unbedeutende Schwankungen auftreten und sie können auch ganz fehlen. ! Dies ist in der früheren Beschreibung (,„Eigenlicht“, Abschnitt 15 a.a. 0. 8.200) noch etwas unsicher gelassen; die Gründe siehe dort. DIE URSACHEN DER DEFORMIERENDEN GRÖSSENSCHWANKUNGEN. 345 Ich habe durch neue Beobachtungen festgestellt, daß jene auffallenden Größenschwankungen (ebenso wie die Latenzzeit) im wesentlichen nur am Anfang einer Beobachtungsreihe erscheinen. Über die unbedeutenden Größenschwankungen ist schwer ins klare zu kommen; des öfteren habe ich den Eindruck gehabt, als folgten drei kleine Änderungen, beginnend mit einem Größerwerden, aufeinander. 22. Die Ursachen des dunkeln gezackten Flecks. — In den vorher- gehenden Mitteilungen sind verschiedene Entstehungsmöglichkeiten des dunkeln Flecks und des mit ihm verwandten punktierten Ovals erwogen worden. Eine sichere Entscheidung konnte nicht getroffen werden. Das Auftreten der Latenzzeit erlaubte aber, die beiden Erscheinungen in die eigentliche Nachbildschicht Z, zu verlegen, für deren Eigenlicht, im Gegen- satz zu der Schicht Z,, eine Latenzzeit charakteristisch ist (vgl. S. 316 ft. „Nachbilder I). Mit Hilfe der Größenschwankungen gelingt es, die Möglichkeiten noch erheblich einzuschränken. Die erste energische Verkleinerung des dunkeln Flecks, die vor- wiegend in den ersten Versuchen einer Reihe zur Beobachtung kommt, geht der Pupillenverengerung vorauf, kann also nicht die Folge einer Ver- ringerung der Belichtung sein. Sie macht, nach Anfangszeit, Geschwindig- keit und Umfang ganz denselben Eindruck, wie die ersten Größenänderungen sowohl von hellen Objekten und hellen positiven Nachbildern bei mittlerer und stärkerer Belichtung, als auch von ‚‚wiederbelebten‘“ dunkeln Nach- bildern heller Objekte. Für diese Fälle habe ich als wahrscheinliche Ursache die Verdickung der Sehzellen infolge stärkerer Belichtung angenommen: Indem sie zum Teil aus den Grenzen des Nachbildes hinausgedrängt werden, wird das sub- jektive Bild kleiner. Ist die stärkere Belichtung „wechselstark“, so ist das gesehene Bild oder Nachbild hell, ist sie „gleichstark“, so ist das Nachbild dunkel. Der letztere Fall liest bei den „wiederbelebten“ dunkeln negativen Nachbildern vor (vgl. Abschnitt 19 und 20). Dies auf den (gezackten) dunkeln Fleck angewandt, würde folgendes ergeben: Ist der Fleck schwarz, so erleiden die Sehzellen gar keine, ist er grau, so erleiden sie geringe Helligkeitsschwankungen; wird er gleichzeitig beim Auftreten energisch kleiner, so sind die Sehzellen, mag der Fleck schwarz oder grau sein, objektiv stärker belichtet, als die (subjektiv hellere) Um- gebung. 346 Fr. KLein: Es soll zunächst auf den theoretisch einfachsten, aber nicht gerade häufig zur Beobachtung kommenden Fall eingegangen werden, daß der Fleck nicht nur dunkel, sondern schwarz ist. Auch die „wiederbelebten“ negativen Nachbilder sind bei einer ge- wissen Stärke des wiederbelebenden Lichtes völlig schwarz; auch in diesem Fall erleiden die Sehzellen keine Helligkeitsschwankungen, sind nicht „wechselstark“ belichtet. Aber es besteht ein tiefgreifender Unterschied zwischen dem schwarzen gezackten Fleck und dem schwarzen wiederbelebten Nachbild: Beim wieder- belebten Nachbild erhalten die Sehzellen abwechselnd Außenlicht und ebenso stark wirkendes intermittierendes Eigenlicht der Schicht /,; denn nach dem Wiederverdunkeln bleibt regelmäßig ein helles, auf dem intermittierenden Eigenlicht von 7, beruhendes Nachbild übrig (vgl. S. 343 1f.). Der schwarze gezackte Fleck dagegen beruht auf konstantem Eigen- licht der Schicht Z,, denn beim Verdunkeln erscheint kein helles, sondern nur zuweilen ein dunkles Nachbild (ein helles Nachbild kann aber durch periodische Lichterscheinungen vorgetäuscht werden). Daß der dunkle zackige Fleck auf dem Eigenlicht der Schicht 7,, der eigentlichen Nachbildschicht, beruht, läßt sich noch weiter begründen. Bei erstmaliger Belichtung des unbewegten Auges tritt das Eigenlicht dieser Schicht erst nach einem Latenzstadium auf („Nachbilder I“ S. 315); je nach der Belichtungsstärke kommt es nur bis zu undurchsichtigem kon- tinuierlichem Eigenlicht (‚„Glühen“) oder bis zu intermittierendem Eigenlicht („Leuchten“). Häufigere kurze Belichtungen versetzen aber die Schicht Z, in den Zustand, der sich in ausgesprochener Weise (nach langer und starker Be- lichtung) bei den „wiederbelebten“ Nachbildern zu erkennen gibt (8. 342): Das relativ lange Latenzstadium fällt weg, und die Schicht 7, gerät bei jeder neuen Belichtung (fast) sofort in Tätigkeit. Für die Nachbilder nach kurzer Belichtung hat das zur Folge, daß schon das allererste derselben komplementär gefärbt ist (S. 334). Ganz ähnlich dürfte auch das Verhalten des dunkeln Flecks sein: Wird das dunkeladaptierte Auge zum erstenmal belichtet, so tritt er mit Latenzzeit auf; dies kann sich des Öfteren wiederholen. Später aber ist die Schicht Z, „umgestimmt‘“, und der Fleck erscheint sofort, ohne erkennbare Latenzzeit. Aus dem Auftreten oder Fehlen der Größenschwankungen lassen sich Schlüsse auf die Stärke des Eigenlichts der Schicht 2, ziehen: An sich könnte der gezackte Fleck schwarz sein, auch wenn das Eigen- licht auf die Sehzellen schwächer wirkte, als das Außenlicht, falls es nur konstant (nichtreizend) und für das Außenlicht undurchsichtig wäre. Aber DIE URSACHEN DER DEFORMIERENDEN (GRÖSSENSCHWANKUNGEN. 347 dann würde nicht eine energische Verkleinerung, sondern eine Vergrößerung des dunklen Flecks auftreten müssen, denn die Sehzellen der subjektiv hellen Peripherie würden stärker quellen, als die im Bereich des dunkeln Flecks. Es würden also Sehzellen in dies Gebiet hineingedränst werden, und es würde subjektiv größer werden. Also muß, wenn jene charakteristische Verkleinerung auftritt, das Eigen- licht der Schicht Z, für sich allein auf die Sehzellen der subjektiv dunkeln Netzhautmitte stärker wirken, als das Außenlicht und das intermittierende Eigenlicht der Schicht 2, auf die Sehzellen der subjektiv hellen Umgebung des Flecks. Da diese beiden Lichtarten abwechselnd die Wirkung A und !/, A, also im Mittel etwa ®/, A enthalten, so muß das Eigenlicht von Z, jeden- falls stärker sein, als °/, 4. Wenn die energische Verkleinerung des dunklen Flecks übernormales Eigenlicht anzeist, so muß das Fehlen der Größenänderung ebenfalls mit der Stärke des Eigenlichts zusammenhängen: Sind die Sehzellen im Bereich des dunkeln Flecks genau so stark belichtet, wie in der subjektiv hellen Umgebung, so ist ihr Quellungszustand in beiden Gebieten derselbe, und sie würden weder in das Gebiet des dunkeln Flecks einwandern, noch aus ihm hinausgedrängt werden; es würde demnach keine Größenänderung gesehen werden. Wenn endlich das Eigenlicht noch schwächer würde, so müßte als erste Änderung eine Vergrößerung des dunkeln Flecks auftreten (vgl. die oben angeführten, noch unsicheren Beobachtungen); dieser Fall würde der Fig. 35 („Eigenlicht“, Abschnitt 44 a. a. O. 5. 222) entsprechen. Der energischen Verkleinerung folgt eine träge Vergrößerung: Wie jene auf einer Zunahme, kann diese auf einer Abnahme des Eigenlichts be- ruhen. Eine relative Abnahme gegenüber der Peripherie wird vielleicht schon der Pupillenverengerung folgen; sie muß aber unabhängig davon mit dem Abflauen der Erscheinung (die im allgemeinen etwa nach 2—12” zu Ende geht) früher oder später eintreten. Auch an eine Ausbreitung des Eigenlichtprozesses ist zu denken, denn nicht selten geht der verhältnismäßig scharf begrenzte Fleck in die unbestimmtere Form über, die bei tieferer Dämmerung zu erscheinen pflegt. Hiernach bleibt in bezug auf die träge Vergrößerung einstweilen noch eine gewisse Unsicherheit. Mit Berücksichtigung der Größenschwankungen ergibt sich hiernach etwa folgende Auffassung des dunkeln gezackten Flecks: | Im dunkeladaptierten, maximal angereicherten Auge bewirkt schwache Belichtung (mindestens) zwei Prozesse: In der ganzen Schicht 7, tritt sofort intermittierendes Eigenlicht normaler Stärke auf (Z, = !/, A). In der tieferen Schicht /, besteht ein Unterschied zwischen Mitte und Peripherie: Ein variabel N ucnerniek mittleres Gebiet beginnt nach Ab- 348 Fr. KLEIs: lauf einer kurzen Latenzzeit starkes (übernormales) kontinuierliches und undurchsichtiges Eigenlicht hervorzubringen; je nachdem dies Eigenlicht geringe oder keine Intensitätsschwankungen aufweist, werden die von ihm belichteten Sehzellen eine geringe Lichtempfindung (grau) oder gar keine (schwarz) vermitteln. Fig. 38d, e! gibt diese Verhältnisse wieder, wenn man unter E das Eigenlicht der Schicht /, versteht und annimmt, daß dieses Eigenlicht über- normal und nicht, wie gezeichnet, unternormal ist. Bei wiederholter Belichtung tritt das Eigenlicht der Schicht Z, früher oder später ohne Latenzzeit auf („Umstimmung“ S. 342). Außerdem nimmt seine Intensität ab, das Auge ist nicht mehr maximal angereichert (Fehlen der energischen Verkleinerung). 23. Das „punktierte Oval‘. — Das punktierte Oval ist mit dem dunkeln gezackten Fleck durch Übergänge verbunden. Es ist deshalb anzunehmen, daß es ebenfalls auf übernormalem Eigenlicht der Schicht /, beruht. Dagegen bleibt es unentschieden, ob dies Eigenlicht intermittierend, nach dem Schema der Fig. 39 oder konstant ist, nach Fig. 39a.? Ob die dunkeln Punkte Größenschwankungen ausführen, kann ich nicht sagen. Die Vorgänge in der Netzhautmitte des dunkeladaptierten Auges bei schwacher Belichtung würden sich ohne Berücksichtigung der Größen- schwankungen sowohl durch übernormales, wie durch unternormales Eigen- licht erklären lassen. Die erste charakteristische Verkleinerung des dunkeln Flecks verlangt aber übernormales Eigenlicht. Aus ganz anderen Gründen mußte auch für die Vorgänge in der Peri- pherie bei starker Belichtung übernormales Eigenlieht angenommen werden; vgl. „Schneelandschaft“ und „rotgelbes Nachbild“ (Nachbilder I S. 313). Somit ist für die gesamten Vorgänge bei schwacher sowohl wie bei starker Belichtung eine einheitliche Auffassung gewonnen. 24. Größenschwankungen der Druckbilder. Wenn ich im geschlossenen Auge ein Druckbild erzeuge und dann plötzlich auf eine helle Fläche blicke, so macht das projizierte Druckbild eine „mit einem ungemein scharfen Ruck einsetzende“ Größenschwankung.? 1 Dies Archiv. 1911. Physiol. Abtlg. S. 222. ? Ebenda. S. 227 und 229. ® Ebenda. 1910. Physiol. Abtig. S. 538. DIE URSACHEN DER DEFORMIERENDEN GRÖSSENSCHWANKUNGEN. 349 Die Art der Schwankung habe ich noch nicht festgestellt, da die Auf- merksamkeit auf die Bilder selbst gerichtet war. Daß überhaupt unter diesen Bedingungen (plötzliche Zunahme des äußeren Lichtes) Größenschwänkungen auftreten, ist auf Grund der Aus- einandersetzungen dieser Mitteilung nicht zweifelhaft. Ob ihre genauere Beobachtung etwas Neues bringen wird, ist nicht vorauszusehen. Inhaltsübersicht. Wenn bei einem Bilde oder Nachbild die hellen und die dunkeln Teile ihre Größe gleichzeitig in entgegengesetztem Sinne ändern, so liegt eine deformierende Größenänderung oder -schwankung vor; bei dieser sind die aufeinander folgenden Bilder einander geometrisch nicht ähnlich. Die Größenschwankungen haben ihre Ursache in Dimensionsänderungen morphologischer Bestandteile der Netzhaut. Die Diekenzunahme der Sehzellen unter dem Einflnß des äußeren Lichtes und des Eigenlichts der Netzhaut bewirkt für sich allein, daß, ihre Zahl in dem belichteten Gebiet ab-, in dem nicht belichteten zunimmt. Dadurch werden die hellen Teile des subjektiven Bildes kleiner, die dunkeln größer, denn die Größe des subjektiven (nervösen) Bildes wird durch die Zahl der belichteten Sehzellen bestimmt. Die Dickenzunahme der tätigen Elemente der Eigenlichtschichten führt zu einer Ausdehnung des leuchtenden Gebietes der Fläche nach und damit zur Belichtung einer größeren Menge von Sehzellen, bewirkt dem- nach bei Nachbildern für sich allein eine subjektive Größenzunahme der hellen Teile, wirkt also den Folgen der Verdickung der Sehzellen entgegen. Die beobachteten Größenschwankungen machen es wahrschein- lich, daß die Dieckenzunahme der Sehzellen die der leuchtenden Elemente übertrifft, daß aber diese bei schwacher Belichtung früher beginnt. Der an dunkeln negativen Nachbildern mitunter zu beobachtende scharfe leuchtende Rand läßt sich nur durch die Annahme von zwei tätigen Eigen- lichtschiehten (Z, und Z,) erklären, deren Tätigkeits- und Quellungsgrad verschieden ist. Mit den gemachten Annahmen stehen die wirklich beobachteten Größen- schwankungen des primären und tertiären, der negativen und der „wieder- belebten“ negativen und positiven Nachbilder im Einklang. Für das sekun- däre positiv-komplementäre Nachbild sind neue Beobachtungen erforderlich (in dem zur Verfügung stehenden älteren Beobachtungsmaterial sind irriger- weise alle komplementären Nachbilder als sekundäre bezeichnet). 350 Far. KLeIn: DIE URSACHEN D. DEFORMIER. GRÖSSENSCHWANKUNGEN. Die früher mitgeteilten Beobachtungen des „gezackten dunkeln Flecks“ (schwache Belichtung des dunkeladaptierten Auges) sind ergänzt; für die Auffassung des Flecks hat erst die Berücksichtigung der Größenschwankungen die Entscheidung gebracht: Er dürfte auf starkem kontinuierlichen Eigenlicht der Schicht 2, beruhen; dann würde auch das ihm verwandte „punktierte Oval“ (starke Belichtung des dunkeladaptierten Auges) auf starkem Eigenlicht beruhen müssen. Die Größenschwankungen der projizierten Druckbilder sind erwähnt. Die deformierenden Größenschwankungen stellen eine weitere Stütze für die Annahme mindestens zweier Eigenlicht hervorbringender Netzhaut- schichten dar. Die nächstfolgende Mitteilung wird vom Pigmentepithel handeln. Über die Wirkung der Digitalis auf den Erregungsvorgang im Froschherzen. Von Prof. Dr. Kurt Brandenburg und Dr. Paul Hoffmann, (Aus dem physiologischen Institut der Universität Berlin.) Wir haben uns die Aufgabe gestellt, beim Froschherzen die Wirkung verschieden starker Digitalisgaben auf das Elektrokardiogramm zu unter- suchen und durch entsprechende Variation der Versuchsbedingungen mög- lichst eine wesentliche Komponente der Giftwirkung zu ermitteln. Die Wirkung von Digitaliskörpern auf das Elektrokardiogramm ist schon von H. Straub zum Gegenstand einer Untersuchung gemacht worden. Seine Resultate, die wir für das freigelegte Froschherz bestätigen konnten, sind kurz folgende. Als ersten Effekt der Wirkung findet man eine Ver- änderung der Nachschwankung (7), diese zeigt ganz im Anfange eine er- höhte Positivität und geht im weiteren Verlauf in eine sehr konstante Negativität über. In schwereren Vergiftungsstadien findet man dann eine allgemeine Trägheit aller Zacken des Elektrokardiogramms. Schließlich erhält man äußerst unregelmäßige Bilder. Es kommt zu großen Schwan- kungen der Galvanometerseite, die unter Umständen direkt doppelphasische Ströme anzeigen. Es stellt sich hiernach das Bild der Vergiftung als ein recht kompliziertes dar. Die Verstärkung der Positivität der Nachschwankung ist nach den Versuchen von Seemann! mit ziemlicher Sicherheit auf eine veränderte 1 J. Seemann, Über das Elektrokardiogramm des isolierten Froschherzens. Sitzungsbericht der Gesellschaft für Morphol. und Physiol. in München. 1911. 7. U. >52 KURT BRANDENBURG UND PAUL HoFFrMmAnK: Füllung des Herzens zu beziehen. Die Negativität der Nachschwankung ist ein bekanntes Symptom, doch wissen wir im einzelnen nicht, wodurch sie zustande kommt. Beim Menschen würde man der von Kraus und Nikolai gegebenen Theorie der Allodromie des Erregungsablaufes beitreten. Beim Frosch spielen ersichtlich die Zustände an den einzelnen Stellen des Myokards eine sehr erhebliche Rolle, wie schon daraus hervorgeht, daß es bei diesem Tier nicht gelingt, in allen Fällen bei Extrasystolen doppel- phasische Ströme zu erhalten, sondern daß im Gegenteil die Nachschwankung in einer bestimmten Versuchsperiode immer nach derselben Seite zu liegen kommt. Es mag sich um einen normalen Schlag handeln oder um eine an beliebiger Stelle gesetzte Extrasystole. Aus der veränderten Nachschwankung ist also für die Analyse der Veränderung der Erregung vorläufig nichts zu entnehmen. Ebenso erscheinen die vollkommen atypischen diphasischen Elektrokardiogramme für die Aktion des unter Digitaliswirkung schlagenden Herzens weniger bedeutungsvoll, denn sie zeigen nur eine vollkommene Veränderung der Erregunesart des Herzens, dieses ist offenbar in diesem Stadium schon schwer geschädigt. Im Gegensatz zu diesen Veränderungen erschien uns die Untersuchung der Verlangsamung der Zacken wohl einer näheren Untersuchung wert, besonders da sie auch direkte brauchbare Rückschlüsse auf die Tätigkeit des Myokards zu ziehen erlaubt. Es galt vor allem festzustellen, bis zu welchen niedrigsten Grenzen der Vergiftung es möglich ist, die Verlangsamung der Zacken festzustellen, ob sie durch Veränderung der Bedingungen näher erklärt werden kann und ob man aus dieser Eigenschaft einen Schlüssel für das Verhalten des Herzens in den höheren Stadien der Vergiftung finden kann. Methodik. Die Versuche wurden an kurarisierten frischgefangenen Fröschen unter- nommen. Zur Ableitung der Ströme wurde das Herz freigelegt und Vor- hof und Ventrikel an zwei Hebeln suspendiert, deren Bewegungen mit der Galvanometersaite zugleich photographisch registriert wurden. Die Elek- troden waren durch in Kochsalzlösung getränkte Wollfäden verlängerte Du Boissche unpolarisierbare Elektroden. Die Anlegung der Fäden erfolgte in fast allen Fällen an der Basis und Spitze des Herzens. Eine nähere Beschreibung erfordert die Art der Vergiftung. Es ist bekannt, daß sich verschiedene Stämme von Fröschen sehr verschieden resistent gegen die Dieitaliswirkung erwiesen. Der von uns benutzte (aus Köpenik) erwies sich als sehr widerstandsfähig. Eine Dosis von 10 Tropfen ÜBER DIE WIRKUNG DER DIGITALIS USW. 333 der von uns stets verwendeten Iproz. Lösung von Digitalin Merk war für sie nicht tödlich. Nachdem die anfänglichen heftigen Erscheinungen vor- übergegangen waren, überlebten die Tiere noch tagelang. Eine Dosis von 5 Tropfen bewirkte noch keine sichtbare Veränderung der Herzaktion. Die Aufnahme der Aktionsstromkurven erfolgte in keinem Falle früher als 3 Stunden, nachdem das Gift in den Rückenlymphsack gespritzt worden war. Ergebnisse. Es ließ sich feststellen, daß die Verlangsamung der Zacke J eine durchaus allgemeine Erscheinung, bei der. Digitaliswirkung ist, die in bezug auf den frühen Eintritt und das Erscheinen bei geringen Dosen wohl mit dem Negativwerden der Nachschwankung wetteifern kann. Fig. 1. Elektrokardiogramm bei Vergiftung mit großer Dosis. Starke Verlängerung aller Zacken, negative Nachschwankung. Zeit !/, Sekunde. Fig. 1 zeigt die hochgradige Entwicklung der Erscheinung bei einem mit 10 Tropfen der Lösung vergifteten Frosche. Fig. 2 ist das Blektrokardiogramm eines normalen Frosches. Die ver- wertete Registriergeschwindigkeit ist, wie ersichtlich, eine recht große. Fig. 2. Elektrokardiogramm vom normalen Frosch. Steile, kurze Initialschwankung. Zeit '/, Sekunde. . Fig. 3 zeigt ein Elektrokardiogramm eines mit 5, Fig. 4 ein solches eines mit 3 Tropfen der Lösung vergifteten Tieres. Geringere Dosen gaben uns keinen sicheren Effekt mehr. Man kann natürlich erst dann eine Archiv f.A.u. Ph, 1910. Physiol. Abtlg. Suppl. 23 354 KURT BRANDENBURG UND PAUL HOFFMANN: sichere Verlängerung der Zacken erkennen, wenn der normale Frosch im allgemeinen kürzere Zeiten finden läßt, denn auch beim normalen Tier ist die Länge der 1. Zacke variabel. Die festzustellende Verlängerung ist im allgemeinen recht erheblich. In den abgebildeten Kurven sind die Maße Fig. 3. Elektrokardiogramm eines mit 5 Tropfen der 1 prozentigen Lösung vergifteten Tieres. Zeit !/, Sekunde. folgende. Fig. 2 (normal) 0-05 Sekunden Anstiegszeit, Fig. 4 (3 Tropfen) 0.066, Fig. 3 (5 Tropfen) 0.14 Sekunden. Der Unterschied zwischen dem normalen und dem mit 5 Tropfen ver- gifteten Tiere ist sehr evident und außer allem Zweifel. Der Unterschied zwischen dem normalen und dem mit 3 Tropfen vergifteten Tier ist an- SG per re Sagen gi IE Io IE Te ES Te FREE ET TSG Fon Deere mm ee, Fig. 4. Elektrokardiogramm eines mit 3 Tropfen der 1 prozentigen Lösung vergifteten Tieres. Zeit '/, Sekunde. fechtbar und wir würden ihn nicht für sicher halten, wenn nicht die mono- phasische Ableitung, wie später zu zeigen sein wird, bessere Resultate lieferte. Aus der Länge der Zacke J direkt einen Schluß auf eine Veränderung in der Tätigkeit des Myokards zu ziehen, ist nicht angängig. Die Länge der Zacke wird von zwei Variabeln bestimmt, die nicht ohne weiteres von- einander abhängig sein müssen. Der Anstieg der Zacke J wird hervorgerufen durch den Anstieg der Negativität an der Basis des Herzens, der Wiederabfall dadurch, daß die Negativität sich bis zur Spitze, zur anderen Elektrode fortgeleitet hat. Wenn es auch höchst unsicher ist, das gesamte Elektrokardiogramm nach den an den beiden Elektroden auftretenden Negativitäten zu zerlegen, so ÜBER DIE WIRKUNG DER DIGITALIS USW. 355 ist dies doch bei der Initialschwankung (J) sicherlich erlaubt. Man kann nun die Zacke J in sehr verschiedener Weise durch das Hintereinander- auftreten zweier Negativitäten an den beiden Elektroden entstanden denken, denn es ist ja nicht einmal sicher, daß die Kurven der Veränderungen an den beiden Elektroden vollkommen übereinstimmen müssen. Man wird also zum Zwecke einer näheren Erklärung suchen müssen, die Negativität an einer Stelle möglichst isoliert zu registrieren. Es geschieht dies durch ‚Ausschaltung der Muskelsubstanz an einer der beiden Elektroden und durch Anlegung an einen Querschnitt. Da es sich um genauere Feststellung der Entwicklung der Negativität an der Basis handelt, so legt man den Quer- schnitt an der Spitze an. (Ein an der Basis angelegter Querschnitt gibt, wie auch aus den Versuchen von Seemann ersichtlich, keine eindeutigen Resultate, es findet sich offenbar in der Herzmuskelsubstanz neben den Fibrillen so viel leitendes Gewebe, daß auch in der Nähe auftretende elek- | Fig. 5. Negative Schwankung eines normalen Froschherzens. Zeit !/, Sekunde. trische Schwankungen mit abgeleitet werden, wenn an den Fibrillen ein vollkommener Querschnitt angelegt ist. Der Reichtum der Herzmuskelfasern an Sarkoplasma ist ja bekannt.) Es muß die Aufnahme der Stromkurven, will man die Wirkung der am Querschnitt liegenden Elektrode einigermaßen vollkommen ausschalten, unmittelbar nach der Anlegung des Querschnittes erfolgen. Die Restitution des normalen Hlektrokardiogramms aus der negativen Schwankung erfolgt ja bekanntermaßen sehr schnell. Betrachten wir nun die negative Schwankung des Froschherzens bei Ausschaltung der an der Spitze gelegenen Elektrode in verschiedenen Stadien der Digitalisvergiftung. In Fig. 5 ist die negative Schwankung eines nor- malen Herzens abgebildet. Der Anstieg der Ventrikelschwankung ist hier 'sehr steil, die Anstiegszeit beträgt 0-034 Sekunden. Unter Anstiegszeit verstehen wir die Zeit von der ersten Erhebung der Kurve von der Ab- szissenachse ab bis zum ersten Gipfel. Eigentlich sollte ja die negative Schwankung gar keinen solchen Gipfel haben, wie ihn die Kurven 5, 6 und 7 zeigen, sondern sie sollten glatt bis zum Plateau ansteigen, es ist 235 356 KURT BRANDENBURG UND PAUL HOFFMANN: dies offenbar darum nicht der Fall, weil der am Herzmuskel angelegte _ Querschnitt nie vollkommen funktioniert, wegen der raschen Rückbildung zum Normalzustand. Fig. 6 zeigt die negative Schwankung von demselben Herzen, von dem Fig. 4 stammt, das Tier war mit 3 Tropfen der Digitalislösung vergiftet. Die Anstiegszeit beträgt hier 0.07 Sekunden. Man erkennt, wenn man diese Kurve mit Fig. 3 vergleicht, deutlich, daß die negative Schwankung des Herzens die Verlangsamung des Anstiegs deutlicher zu erkennen gibt, als die vom normalen Herzen abzuleitende Aktionsstromkurve. Fig. 6. Negative Schwankung des Herzens eines mit 3 Tropfen der 1 prozentigen Lösung vergifteten Tieres. Zeit !/, Sekunde. "Fig. 7 stellt schließlich die negative Schwankung desselben Herzens dar, von dem auch Fig. 3 stammt, hier ist die Anstiegszeit noch weiter, bis zu 0-089 Sekunden, verlängert. NEAR Negative Schwankung des Herzens eines mit 5 Tropfen der 1 prozentigen Lösung vergifteten Tieres. Zeit '/; Sekunde. Außer auf die verlangsamte Anstiegszeit müssen wir auch noch darauf aufmerksam machen, daß der Abfall der Kurve vom Plateau flacher als beim normalen Herzen ist. Den abgebildeten Kurven ist speziell eigen, daß sie kein ausgesprochenes Plateau haben. Es scheint dies aber keine allgemeine Eigenschaft der vergifteten Herzen zu sein, denn z. B. die negative Schwankung bei einem viel hochgradigeren Vergiftungsstadium (sie stammt von demselben Herzen wie Fig. 1) hat ein ausgesprochenes Plateau. Auch bei dieser Kurve (Fig. 8) ist der verlängerte Anstieg, er “ ÜBER DIE WIRKUNG DER DIGITALIS Usw. 357 dauert bei Abzug des wellenförmigen Teils etwa 0-20 Sekunden, sichtbar. Worauf die kleinen einen Teil der Erhebung der Kurve einnehmenden Wellen zu beziechen sind, ist nicht ohne weiteres feststellbar, wahrschein- lich sind sie auf das Übergreifen der Erregung auf einzelne Fasersysteme und Ventrikelteile zu beziehen. Bei geschädigten Herzen von Schildkröten findet man ähnliches recht oft. Gerade bei diesen Herzen ist nun der Bau des Ventrikels recht kompliziert und die oben gegebene Deutung dürfte mit großer Wahrscheinlichkeit zu Recht bestehen. Es ist zu bemerken, daß die Fadenspannung und sonstigen Verhält- risse bei der Aufnahme der zusammengehörenden Kurven 5, 6 und 7 die gleichen waren. Sämtliche bisher gegebenen Kurven, mit Ausnahme von =Hie. 8 Negative Schwankung eines stark vergifteten Herzens. Fig. 1 und 8, stammen von Herzen, die hinsichtlich ihrer mechanischen Tätigkeit keine Anomalien boten. Die Schlagfolge war regelmäßig, der Schlag selbst für die einfache Betrachtung nicht verlangsamt, die Frequenz war meist etwas herabgesetzt, auch die Überleitungszeit A, bis V, war etwas verlängert. | Es fragt sich nun, was man aus diesen Veränderungen der Kurven mit Sicherheit entnehmen kann. Die negative Schwankung des Basisteils ist zum allergrößten Teil der Ausdruck einer Negativität der Basis. Die Erregung mag in beliebigen Fasersystemen laufen, eine Verlangsamung des Anstiegs der Negativität bedeutet eine Verlangsamung des Anstiegs der Erregung an der Basis. Die Verlangsamung des Anstiegs ist nicht allein auf eine Verlangsamung der Leitung im Herzen zu beziehen. Diese besteht wohl sicher noch nebenbei wenigstens in den später zu erwähnenden schwereren Vergiftungsstadien. Wir glauben, daß es sich sowohl um eine dromotrope Komponente, wie auch um eine tatsächliche Verlangsamung des Beginns der Erregung in einem Herzmuskelelement handelt. Neben der Verlangsamung des Erregungsanstiegs treffen wir nun bei der Ver- giftung auch noch ein früheres und langsameres Nachlassen der Erregung. Wenn man also das Diagramm der Erregung eines normalen und eines mit Digitalis. vergifteten Elements des Herzmuskels miteinander vergleicht, so ergibt sich folgende schematische Figur (9). 358 KURT, BRANDENBURG UND PAUL HorFMmaAnN: Dabei ist bemerkenswert, daß eine Verlängerung der systolischen Er- regung, die irgendwie bedeutend wäre und auf die man die erhöhte Leistungs- fähigkeit des Herzens beziehen könnte, nicht zu bemerken ist. Selbst bei Verlangsamung der Schlagfolge verlängert die Digitalis in geringeren Dosen die Dauer der negativen Schwankung nicht wesentlich. 2) Bie.u9, Schema der Erregungsart in einem Element eines normalen und eines mit Digitalis vergifteten Tieres. a) Normal. b) Vergiftet. In stärkeren Vergiftungsstadien kann die Erschwerung der Erregung so weit gehen, daß es zu einem Erlöschen derselben im Verlauf des Über- greifens über den Ventrikel kommt. Es zeist dann der Aktionsstrom des unverletzten Herzens eine Negativität der Basis an, der aber keine der Spitze folgt. Man erhält dann also auch vom unverletzten Herzen einphasische Ströme (siehe Fig. 10). Die Figur zeigt außerdem eine sehr eigenartige Abhängigkeit dieser Erscheinung von der Dauer der vorhergegangenen Er- Fig. 10. Abortive Elektrokardiogramme in dem Falle, daß der Ventrikel nicht Zeit gehabt hat, sich zu erholen. Oben Suspensionshebelkurve des Ventrikels, dann die des Vorhofs, darunter das Elektrokardiogramm. Unten Zeit, ganze Sekunden. holungspause. Wenn das Herz vorher genügend Zeit gehabt hat, sich vollkommen zu erholen, so kommt es zu einem normalen Schlage, ist die Pause aber zu kurz gewesen, so erhält die Erregung im Herzen ein so starkes Dekrement, daß sie auf dem Wege erlischt. , Es ist bemerkenswert, daß der Aktionsstrom einer Extrasystole beim Frosch kürzer ist als der des normalen Schlages, und zwar ist er um so kürzer, ÜBER DIE WIRKUNG DER DIGITALIS USw. 359 je früher nach Ablauf der refraktären Periode er wieder einsetzt. Die Verkürzung ist verschwin- dend, wenn die Extrasystole zu einer Zeit erfolgt, zu der der folgende spontane Schlag zu erwarten wäre. Es ist also die Verkürzung des Aktions- stroms nicht ohne weiteres eine Eigenschaft der Extrasystole, sondern sie ist abhängig von der durch den vorausgehenden Schlag erfolgten Änderung des Zustandes des Herzens. Beim normalen Froschherzen sind diese Veränderungen verhältnismäßig nicht sehr bedeutend, doch bei dem mit Digitalis vergifteten haben sie einen großen Einfluß auf die Art des Herzschlages. Man erkennt in der Kurve, daß jedesmal, wenn das Myokard eine längere Pause gemacht hat, ein vollkommenes Elektrokardiogramm, d. h. ein vollkommener Herzschlag folgt. Kommt vom Vorhof die Erregung kurz nach Ablauf der vor- hergehenden an, so kommt es nur zu einem abortiven Herzschlag mit einem einphasischen, stark verkürzten Elektrokardiogramm. Dies ist so entstanden zu denken, daß die Erregung wohl die Basis ergreift, aber im Herzen ein so starkes Dekrement erfährt, daß sie auf dem Wege erlischt. Es braucht nun die Veränderung nicht immer so stark zu sein, daß es zur Ausbildung von voll- kommen abortiven Elektrokardiogrammen kommt, die anzeigen, daß die Erregung sich gar nicht über das gesamte Herz ausgebreitet hat. Es kann die Erregung auch noch durch das gesamte Herz laufen, aber sie tut es nicht mehr in der normalen Weise. Demgemäß verändern sich die Aktionsstromkurven des Ventrikels nach der Zeit, die dem Ventrikel gegeben ist, sich nach dem vorhergehenden Schlage auszuruhen. (Fig. 11.) Es ist also evident, ‚daß durch eine schwerere Digitalisvergiftung das Herz in seiner Fähigkeit, sich wieder zu erholen, beschränkt wird. Worauf die Veränderung der Form des Elektrokardio- i gramms im einzelnen beruht, ist wegen des Fehlens der vollkommenen Analyse des Elektro- Man erkennt, daß die Herzschläge um so weniger normale Oben Zeit, sonst wie- Fig. 10. Fig. 11. lektrokardigramme bei Vergiftung mit hohen Dosen. je geringer der Abstand vom vorhergehenden ist. elektrische Effekte zeigen, Unregelmäßige E 360 KURT BRANDENBURG UND PAUL HOFFMANN: kardiogramms nicht feststellbar. Sicher handelt es sich um eine Ver- langsamung der Überleitung im Herzen, ob dazu noch eine Allodromie im Sinne von Kraus und Nikolai kommt, möchten wir nicht entscheiden. Es ist zu bemerken, daß die abortiven Systolen schon durch einfache Besichtigung des schlagenden Herzens erkannt werden können, ebenso ist das verlangsamte Übergreifen der Erregung in den höheren Vergiftungs- stadien deutlich sichtbar. Der Vorteil, den man mit den genauen elektrischen Registriermethoden erreicht, ist der, daß man zeigen kann, daß eine Veränderung der Reaktion des Herzmuskels in allen Stadien der Vergiftung erkennbar ist, und daß die stärkere Ausbildung desselben die eigentümlichen Erscheinungen hervor- ruft, die bei schwerer Vergiftung auftreten. Es ist nun noch die Stellung unserer Befunde zu den Ergebnissen der genauen Untersuchung der mechanischen Reaktion des vergifteten Herzens, wie sie in den Abhandlungen von Straub und Magnus-Sowton be- schrieben sind, festzulegen. In einer kürzlich erschienenen Arbeit über die Elementarwirkung der Digitaliskörper von R. Magnus und 8. C. Sowton! gehen diese nochmals auf die zwischen Gottlieb und Magnus einerseits und H. Straub anderer- seits entstandene Differenz, bezüglich der Wirkung der Digitalis auf die Kontraktion des Herzens ein. Gottlieb und Magnus hatten am nach der Langendorffschen Methode durchspülten Katzenherzen gefunden, daß das Herz unter dem Einflusse von Strophantin sowohl größere Volumen, als auch größere Druckpulse entwickelt. H. Straub kam hingegen auf Grund von Versuchen am so gut wie intakten Säugerherzen zu dem Schlusse, daß eine Zunahme der Ventrikel- druckpulse nicht statthat, und daß nur die Anspannung schneller erfolgt als in der Norm. Nach H. Straub zieht sich der Ventrikel unter der Wirkung der in Rede stehenden Mittel nicht mit größerer Energieentfaltung zusammen, sondern nur rascher als gewöhnlich. In der oben erwähnten Arbeit untersuchen nun Magnus und Sowton dieselbe Frage nochmals mit bester Methodik (Franksches elastisches Manometer) und finden, daß in allen Fällen eine Steigerung der bei der Kontraktion erzeugten Druckwerte durch Strophantin bewirkt wird. Durch die Untersuchung der Druckwerte ist es möglich, ein klares Bild über die Leistungsfähigkeit des Herzens zu bekommen. Über die Entwicklung der Erregung und den Ablauf derselben über den gesamten Herzmuskel liefern die Aktionsstromkurven ein besseres Bild. "R. Magnus und C. Sowton, Zur Elementarwirkung der Digitaliskörper. Archiv f. experim. Pathologie und Pharmakologie. Bd. LXIII. S. 255. ÜBER DIE WIRKUNG DER DIGITALIS usw. 361 Es ist nicht zu leugnen, daß zwischen den Befunden dieser Autoren und den unsrigen eine Diskrepanz besteht, die der Erklärung bedarf. Straub und übereinstimmend mit ihm Magnus und Sowton fanden, daß eine Beschleunigung der Kontraktion des Herzens durch Digitalis- präparate hervorgerufen wird. (Die Versuche sind allerdings im Gegensatz zu den unsrigen an Warmblütern angestellt.) Wir finden bei Untersuchung der Aktionsströome gewissermaßen das Gegenteil, insofern das Myokard des mit Digitalis vergifteten Frosches langsamer in Erregung gerät als das des normalen. Wir können nichts darüber aussagen, ob die Frösche in dem gewählten leichten Vergiftungsstadium die gleichen mechanischen Effekte zeigen, wie sie die genannten Autoren bei Warmblütern beschrieben haben. Bei der Suspension ließen sich derartige feinere mechanische Änderungen an unseren Froschherzen nicht nachweisen. Die Ergebnisse der elektro- kardiographischen Registrierung wiesen anscheinend nach der entgegen- gesetzten Richtung, denn sie zeigten eine Verlangsamung des Eintretens der Erregung an bei der Vergiftung der Tiere mit geringen, weit unter der tödlichen Dose liegenden Digitalisgaben. Bei größeren Giftdosen ist diese Verlangsamung der Kontraktion und des Erregungsablaufs jedenfalls sinn- fällig und mit den gröberen Registriermethoden der Doppelsuspension ohne weiteres erweisbar. Allein es sind weitere Möglichkeiten denkbar, die die beiden anscheinend unvereinbaren Befunde, Verzögerung des Erregungseintritts und Beschleu- nigung der Kontraktion nicht so gegensätzlich erscheinen lassen. Nun ist zu sagen, daß die Verlangsamung des Eintretens der Erregung, wenn sie auch durch die Registrierung der elektrischen Erscheinungen sehr merklich ist, doch im Verhältnis zu der Gesamtlänge der Systole sehr wenig zu bedeuten hat. In den Stadien der Vergiftung, die man therapeutische nennen kann, beträgt die Verlängerung des Anstiegs 4 bis 5mal !/,oo Se- kunde, während die gesamte Dauer der Systole fast */, Sekunden ist. Die Veränderung beträgt also 5 Prozent. Es ist erklärlich, daß sich eine der- artige Veränderung in den mechanischen Kurven gar nicht ausdrückt. Bei diesen wird die Steilheit des Anstiegs weniger davon abhängen, ob der Be- ginn der Erregung im Herzen !/,, Sekunden länger dauert, als davon, ob die Qualität der Erregung eine andere geworden ist. Wir sehen also in unseren Versuchen keinesfalls einen Widerspruch zu denen der oben genannten Autoren. Man könnte weiter der Meinung. sein, daß das verlangsamte Einsetzen der Erregung eventuell das Herz instand setzen könnte, mit größerer Leichtickeit gegen hohen Druck zu arbeiten. Man würde sich dann vorzustellen haben, daß gewissermaßen der Stoß des Herzmuskels gegen die Blutsäule ein weniger plötzlicher wäre, ebenso wie man eine große Masse ökonomischer durch langsam wachsenden Druck in Bewegung setzt 362 KURT BRANDENBURG U. PAUL HOFFMANN: ÜBER DIE WIRKUNG Usw. als durch plötzlichen Stoß. Die Richtigkeit dieser Überlegung wird aber gerade durch die Ergebnisse von Straub und Magnus-Sowton sehr zweifelhaft, und man wird auf einem ähnlichen Gedankengang wie oben zu der Meinung kommen, daß eine Verlängerung der Systole um !/,, der Ge- samtlänge keinen irgend erheblichen Effekt auf die mechanische Wirkung ausüben wird. Zusammenfassung. Ein allgemeines Symptom der Digitalisvergiftung ist beim Froschherzen die Verlangsamung des Anstiegs der Erregung im Ventrikel. Es läßt sich deutlich ein Parallelgehen dieser Erscheinung mit der Dosis, die das Ver- suchstier erhalten hat, zeigen. In weiterer Ausbildung führt dann diese Erscheinung zu den bei schwerer Digitalisvergiftung auftretenden Unregel- mäßigkeiten der Herzaktion, indem gewissermaßen die Erschwerung des Anstiegs der Erregung so bedeutend wird, daß es zu einem starken Dekre- ment im Herzen kommt, was zu abortiven Kontraktionen führt. Bemerkenswert ist die Abhängigkeit des Zustandes des Herzmuskels von der Länge der vorausgegangenen Ruhepause. Hat der Ventrikel Zeit gehabt, sich zu erholen, so erfolgt ein normaler Schlag mit vollständigem Elektrokardiogramm, ist die Pause zu kurz gewesen, so werden die Aktions- stromkurven unregelmäßig, doppelphasisch und schließlich durch das Er- löschen der Kontraktionswelle einphasisch. Da auch beim normalen Herzen eine derartige Abhängigkeit angedeutet ist, so handelt es sich bei der Ver- giftung um eine Erschwerung der Erholung des Myokards. Begünstigt die Galle die Resorption des Eisens? Von Alexandra Korsunsky aus Tula, Rußland. (Aus dem physiologischen Institut Zürich.) Ausgangspunkte dieser Fragestellung. Es darf gegenwärtig als völlig erwiesen betrachtet werden, daß das Eisen sowohl in anorganischer wie in organischer Form resorbiert wird. Zahlreiche Autoren waren bestrebt nachzuweisen, an welchem Orte und auf welche Weise dies geschieht. Hall,’ Gaule,® Hochhaus und Quincke?3 haben auf dem mikrochemischen Wege bewiesen, daß das in den Magen eingeführte Eisen im Darm, und zwar im Duodenum resorbiert wird. Die- jenigen Autoren, die außer dem Duodenum noch im Dünndarm die Eisen- resorption konstatiert haben, sind jedoch darin einig, daß im Duodenum die Eisenresorption sehr stark vor sich geht. Diese Tatsache legt den Gedanken nahe, ob vielleicht im Duodenum besondere Vorbedingungen vorhanden sind, welche daselbst die Resorption des Eisens begünstigen. Ist dazu das Epithel des Duodenums speziell ekeignet? Oder sind die sich hier ergießenden Sekrete des Pankreas und der Leber von Bedeutung? Wirkt vielleicht die Galle oder einige ihrer Bestandteile begünstigend bei der Aufnahme des Fe durch das Epithel? Diese Vermutungen werden in ı Hall, Über das Verhalten des Eisens im tierischen Organismus. Dies Archiv. 1896. Physiol. Abtlg. S.4. ? Gaule, Über den Modus der Resorption des Eisens und das Schicksal einiger Eisenverbindungen im Verdauungskanal. Deutsche medizinische Wochenschrift. 1896. Nr. 19. S. 289. ® Hochhaus und Quincke, Über Eisenresorption und Ausscheidung im Darm- kanal. Archiv für experiment. Pathologie und Pharmakologie. Bd. XXXVII. S. 159. 364 ALEXANDRA KORSUNSKY: gewissem Grade begründet durch die Untersuchungen von Gaule! über den Weg des resorbierten Eisens. Nachdem das Fe vom Duodenalepithel aufgefangen wurde, geht es durch die Lymphspalten in den zentralen Lymphkanal, gelangt von hier aus in den Lymphstrom, durchwandert die mesenterialen Drüsen und erscheint im Ductus thoracicus. Aus dem Ductus thoracicus gelangt das Fe ins Blut. Aus dieser Darstellung ist es ersicht- lich, daß das resorbierte Fe denselben Weg wie das Fett geht. Solcher Parallelismus scheint etwas zu bedeuten. Denn nach Pflüger? spielt die Galle eine große Rolle bei der Fettresorption. Nach seiner Auffassung muß das Fett erst durch Enzyme gespalten und in wasserlösliche Stoffe verwandelt werden. In dieser Form wird es von den Epithelien aufgesogen und als- dann durch synthetische Arbeit der resorbierenden Zellen in Fette zurück- verwandelt. Die Überführung in wasserlösliche Körper geschieht seiner Lehre gemäß so, daß aus neutralem Fett das wasserlösliche Glyzerin sowie die in Wasser unlöslichen Fettsäuren entstehen. Diese Fettsäuren werden nun teils mit Hilfe des Alkalis der Darmsäfte in wasserlösliche Seife über- geführt, teils, falls das Alkali nicht ausreicht, als freie Säure durch Tauro- cholsäure und andere noch unbekannte Bestandteile der Galle in Lösung gebracht und erhalten. In seinen weiteren Arbeiten über die Fettresorption stellte Pflüger? fest, daß die Fettsäuren bei Körpertemperatur von kohlen- saurem Alkali nur außerordentlich langsam verseift werden. Es ist die Galle, die die Verseifung beschleunigt. Diese Tatsachen: die Resorption des Fe im Duodenum, das Gelangen des Fe ins Blut durch den Ductus thoracicus auf dieselbe Weise wie das Fett, die notwendige Beteiligung der Galle in dem Prozesse der Fettresorp- tion erwecken den Gedanken, daß vielleicht in den Bedingungen zum Ein- tritt in das Epithel etwas Gemeinsames für die beiden liege. Es entsteht die Frage: ob der Galle bei dem Prozesse der Fe-Resorption eine Bedeu- tung zukommt. Bevor ich zur Beschreibung meiner Experimente, die zur Lösung der Frage dienen sollen, übergehe, möchte ich über die Arbeiten, welche eine Anregung zu dieser Arbeit gaben, eine kurze Darlegung vorausschicken. . : Gaule, Der Nachweis des resorbierten Eisens in der Lymphe des Ductus thora- cicus. Deutsche medizinische Wochenschrift. 1896. N.24. 8. 373. ® Pflüger, Der gegenwärtige Zustand der Lehre von der Verdauung und Re- sorption der Fette usw. Pflügers Archiv für die gesamte Physiologie. Bd. LXXXI. S. 303. ® a) Derselbe, Die Resorption der Fette vollzieht sich dadurch, daß sie in wässerige Lösung gebracht werden. Zbenda. Bd. LXXXVI S.1. b) Derselbe, Fortgesetzte Untersuchung über die in wasserlöslicher Form sich vollziehende Resorption der Fette. Zbenda. Bd. LXXXVIIl. S. 299. BEGÜNSTIGT DIE GALLE DIE RESORPTION DES EIsEns? 365 Historischer Teil. Hall,! nachdem er die Überzeugung gewonnen hatte, daß unter dem Einflusse der organischen Fe-Präparate eine bedeutende Fe-Anhäufung im Organismus stattfindet, stellte sich die Aufgabe, sowohl die Resorption als auch die Verbreitung des Fe im Organismus zu verfolgen. Dazu hat er statt der bisher gebrauchten chemischen Methoden die mikrochemische Untersuchungsmethode angewandt. Zur Anfertigung der mikroskopischen Präparate fixierte Hall die Gewebsstücke in einer Mischung von Schwefel- ammon und Alkohol (30° ® NH,SH und 70cm Alcohol. abs. oder 5 «m NH,SH, 25°® H,O und 70° m Alc. abs.) während 24 Stunden, behandelte dann mit Alkohol von verschiedenen Konzentrationen, bettete in Paraffin ein. Die Schnitte wurden von neuem entweder mit Schwefelammon oder mit Ferrocyankalium und Salzsäure behandelt. Bei dieser Methode wurden die löslichen Fe-Verbindungen in den Geweben in unlösliche umgewandelt und dort festgehalten. Bei seinen Versuchen bediente sich der Autor weißer Mäuse, die er mit einem künstlich hergestellten eisenfreien Futter unter Zusatz von Carniferrin (das 30 Prozent Fe enthält) ernährte Gegen Ende der ersten und dritten Woche tötete der Autor die Mäuse, sonderte (den Darm ab, spülte ihn mit physiologischer NaQl-Lösung aus und behandelte ihn in der beschriebenen Weise. Von seinen Ergebnissen ist für mich folgendes von Interesse: 1. Aus dem dem Futter beigemengten Carniferrin wird das Fe durch das Darmepithel aufgenommen. la. Das aufgenommene Fe läßt sich in dem Protoplasma der Darm- epithelien in Form von eisenhaltigen Körnchen nachweisen. Die Resorption ist somit eine echte Resorption, welche durch den Stäbchensaum hindurch in das Protoplasma der Zellen geht. 1b. Das Fe scheint hierbei in eine andere Bindungsform überzugehen, da es im Darmlumen auf dem Stäbchensaum aufliegend in diffuser Form, in dem Protoplasma der Zellen aber in Körnchen von den Reagentien nachzuweisen ist. ; Die Fe-Resorption ist stets in den Epithelien des Duodenums, nie in denen des Jejunums und Iliums nachweisbar. In den unteren Abschnitten des Darmes findet sich doch eisenreicher Inhalt genug, so daß man die Abwesenheit der Resorptionsvorgänge nicht dadurch erklären kann, daß alles Fe schon oberhalb resorbiert sei. Es bleiben zwei Erklärungen möglich. ! a) Hall, Über die Resorption des Carniferrins. Dies Archiv. 1894. Physiol. Abtlg. 8. 455. b) Derselbe, Über das Verhalten des Eisens im tierischen Organismus. Ebenda. 1896. Physiol. Abtlg. 8. 4. 366 ÄLEXANDRA KORSUNSKY: Entweder die Epithelien des Jejunums und Ileums sind zur Resorption von Fe weniger befähigt als die des Duodenums, oder das Fe geht bei seiner Wanderung durch den Darm rasch aus seiner resorptionsfähigen Bindungs- form in eine unlösliche Bindungsform über, in der es nicht resorbiert werden kann. Das könnte unter dem Einfluß der Darmsäfte und der Fäulnisvorgänge geschehen (die Bildung von Schwefeleisen z. B.). Das aufgenommene Fe wird teils zur Bildung von Hämoglobin ver- wendet, teils in der Milz und Leber abgelagert. Bald nach dem Erscheinen dieser Arbeit veröffentlichte Gaule! die Re- sultate seiner Experimente an Kaninchen. Zu seinen Versuchen brauchte der Autor je drei Kaninchen, von denen er einem mit der Sonde 200 ccm Wasser und 0-15 s’= Carniferrin (50 ”® Fe enthaltend), einem anderen 200 «= Wasser mit Beimischung von 0-12 sm Fe,C], (40”8 Fe enthaltend) ein- führte, während er das dritte Kaninchen als Kontrolltier benutzte. Zwei Stunden nach der Fe-Einführung tötete der Autor die Tiere und unter- suchte Magen, Darm, Leber, Milz und Niere nach der Hallschen Methode. Dabei kam Gaule zu folgenden Schlüssen: 1. Nicht nur organische Fe-Verbindungen, sondern auch anorganische werden resorbiert. 2. Ferrum sesquichloratum wird nur resorbiert, nachdem es sich im Magen mit der organischen Substanz zu einer organischen Fe- Verbindung verbunden hat. 3. Das Fe wird durch die Darmepithelien resorbiert und tritt dann in den zentralen Lymphkanal der Zotte ein. Die Resorption geschieht nur im Duodenum. 4. Schon zwei Stunden nach Beginn der Resorption läßt sich das Vor- handensein des Fe in der Milz nachweisen. 5. Die Resorption des Fe ist ein vollständig normaler Prozeß, zu dessen Erklärung eine Störung der normalen Tätigkeit der Darmepithelien nicht angenommen werden darf. | | Es kommt also heraus, daß Gaule auch solche Resultate wie Hall erhalten hat, d. h. daß bei innerlicher Zufuhr von Fe (organischem und anorganischem) der Eintritt desselben in das Duodenalepithel unmittelbar zu verfolgen ist, und daß das Fe von dort aus durch den zentralen Lymph- kanal vom Lymphstrom durch den ganzen Organismus getragen und zu- nächst in der Milz abgelagert wird. In der Leber lagert sich das Fe nur bei anhaltenderer Fe-Anhäufung im Organismus ab. ! @aule, Über den Modus der Resorption des Eisens und das Schicksal einiger Eisenverbindungen im Verdauungskanal. Deutsche. medizinische Wochenschrift. 1896. Nr. 19.737289. BEGÜNSTIGT DIE GALLE DIE RESORPTION DES EISENS? 367 Der Umstand, daß das Fe zuerst in der Milz und erst dann in der Leber abgelagert wird, spricht fraglos gegen die Möglichkeiten des Fe- Eintrittes durch das Pfortadersystem, da es in diesem Falle sich zuerst in der Leber ablagern müßte. Um sich davon zu überzeugen, daß das Fe wirklich in die Lymphe des Ductus thoraeicus eintritt, stellte Gaule! weiterhin folgende Versuche an. Er narkotisierte Kaninchen mit Chloralhydrat, legte den Ductus thora- cicus an der Vereinigungsstelle der Vena jugularis und der Vena subelavia bloß und sammelte die tropfenweise abfließende Lymphe. Dabei wurde festgestellt, daß die Lymphe sıch vor der Einführung des Fe in den Magen unter der Einwirkung des Schwefelammons nicht veränderte... 20 Minuten nach Beginn des Experimentes führte der Autor 200 °® Wasser und 0.12 sm Fe,Cl, mit der Sonde in den Magen ein. Danach wurde der Lymphstrom allmählich stärker und erreichte nach !/, Stunde das Maximum. Die Lymphe, die in den ersten 30 bis 40 Minuten nach der Fe-Einführung gesammelt war, veränderte sich unter Zusatz von Schwefelammon nicht. Die 40 Minuten nach Fe-Einführung ausfließende Lymphe änderte sich unter der Einwirkung des NH,SH ziemlich rasch, und nach einer Stunde wurde ein schwarzer Niederschlag erhalten. Dieses Experiment wurde sechsmal mit demselben Resultat wiederholt. In dem aus dem Herzen stammenden Blute erhielt Gaule keine Fe- Reaktion. Gaule meint, daß das Fe rasch aus dem Blute ausgeschieden werde und daß die Milz das Organ der Fe-Ablagerung bilde. In den Fällen, wo der Ductus thoracicus vor der Fe-Einführung isoliert war, so daß die eisen- reiche Lymphe nicht ins Blut gelangen konnte, gab die Milz nur eine schwache Reaktion mit Schwefelammon. Diese Tatsache spricht zweifellos dafür, daß das Fe hauptsächlich in den Ductus thoraeicus und nicht in die Pfortader eintritt. Eine scharfe Fe-Reaktion erhielt Gaule auch in den rings um die Cysterna chyli gelegenen Lymphdrüsen des Mesenteriums. Hochhaus und Quincke? fanden nach Fütterung mit verschiedenen Fe-Präparaten auf mikrochemischem Wege bei Mäusen eine starke Fe- Reaktion im Duodenum, Coecum und Colon und eine schwache Reaktion an denselben Organen bei den Tieren mit normalem Futter. Die Autoren meinen, daß das Fe sich im Blind-Dickdarm auf dem Wege der Ausscheidung befindet. Dabei fußen sie hauptsächlich darauf, daß die Epithelien des Blind- und Diekdarmes nur selten, stellenweise, eine ! Gaule, Der Nachweis des resorbierten Eisens in der Lymphe des Ductus thoracieus. Deutsche medizinische Wochenschrift. 1896. Nr. 24. 8. 373. ®2 Hochhaus und Quincke, Über Eisenresorption und Ausscheidung im Darm- kanal. Archiv für experiment. Pathologie und Pharmakologie. Bd. XXXVII S. 159, 368 ALEXANDRA HNORSUNSKY: Fe-Reaktion bieten, und daß die intensivste Reaktion in der Faltentiefe zu . beobachten ist. Die Fe-Ausscheidung vollzieht sich mit Hilfe eisenhaltiger Leukozyten. Mit der Ansicht von Hochhaus und Quincke über die Fe-Ausschei- dung im Colon stimmt die Mehrzahl der anderen Autoren (Abderhalden,! Swirsky,® Hofmann,? Nathan u. a.) überein. Jetzt möchte ich in der Kürze über die Rolle der Galle bei der Re- sörption des Fettes noch der Pflügerschen Lehre erwähnen. Pflüger bewies in seinen zahlreichen Arbeiten, daß das Fett nur in gelöster Form resorbiert wird, und daß zum Zustandekommen der Resorp- tion und nämlich der Resorption der Fettsäuren die Gegenwart der Galle notwendig ist. Der Autor? stellte die Versuche. der Verseifung der Fettsäuren mit Zusatz der Galle sowie ohne dieselbe an. Er beschäftigte sich zuerst mit der Ölsäure. Dieselbe wurde mit der äquivalenten Menge von verdünnter Sodalösung 8 Tage lang einer Temperatur von 37°C ausgesetzt. Es kam dabei nicht zur vollständigen Verseifung. Im Gegensatz dazu wurde die Überführung der Ölsäure in wasser- lösliche Form außerordentlich beschleunigt, wenn außer der äquivalenten Menge Soda noch Galle beigemischt war. 100°“ frische Ochsengalle lösen mehr als 10 sm Ölsäure, wenn gleichzeitig eine der Ölsäure äquivalente Menge von Sodalösung hinzugefügt wurde, während 100° frische (also alkalische) Ochsengalle ohne Sodazusatz nur 4 bis 5sm Ölsäure zu lösen vermochten. Denselben Wert lieferte neutrale und schwach saure Galle. Zur Erzielung der größeren und rascheren Löslichkeit der Ölsäure sind also sowohl Galle als auch Soda erforderlich. Die Soda soll in annähernd äquiva- lenter Menge sein. Auffallenderweise besteht aber die terdennde Einwirkung der Galle auf die Lösung der Ölsäure nicht in einer Begünstigung der Verseifung der- selben, sondern in einer Lösung der Ölsäure als solcher. Denn es wurde festgestellt, daß die Verseifung der Ölsäure durch Galle nicht größer war, ı Abderhalden, Die Resorption des Eisens, sein Verhalten im Organismus, seine Ausscheidung. Zeitschrift für Biologie. Bd. XXXIX. S. 150. ? Swirsky, Über die Resorption nnd Ausscheidung des Eisens im Darmkanal. Pflügers Archiv. Bd. LXXIV. S. 466. > Hofmann, Über Eisenresorption und Ausscheidung im menschlichen und tierischen Organismus. Virchows Archiw. Bd. CLI. S. 488. * Nathan, Über die Aufnahme und Ausscheidung des Eisens der Eisensomatose im tierischen Organismus. Deutsche medizinische Wochenschrift. 1900. 5 Pflüger, Die Resorption der Fette vollzieht sich dadurch, daß sie in wässerige Lösung gebracht werden. Pflügers Archiv. Bd. LXXXVI 8.1. BEGÜNSTIGT DIE GALLE DIE RESORPTION DES EISENS? 369 als wenn die äquivalente Menge von Sodalösung ohne Galle angewandt wurde. i Was die festen Fettsäuren anbetrifft, so bekam Pflüger folgende Er- gebnisse. Wenn die Stearinsäure mit einer äquivalenten Menge von Soda- lösung auf 37° erwärmt wurde, so war erst nach 4 bis 5 Tagen eine Spur von Verseifung zu bemerken. Selbst Galle mit der äquivalenten Menge von Sodalösung auf Stearinsäure angewandt, gab nur eine schwache, in sehr langsam fortschreitender Verseifung sich äußernde Wirkung. Eine starke Wirkung erhielt Pflüger erst, wenn zu den festen Fettsäuren außer Galle und äquivalenter Menge Soda aueh noch Ölsäure hinzugefügt wurde. Diese Wirkung war schon äußerlich daran erkennbar, daß die festen Fettsäuren, welche als spezifisch leichtere Schicht auf der Flüssigkeit schwammen, all- mählich verschwanden und statt dessen eine sehr mächtige Bodensatz- schicht sich ausbildete, die aus den spezifisch schweren Natronseifen der festen Fettsäuren bestand. Bei den festen Fettsäuren äußert sich demnach die Einwirkung der Galle in einer starken Begünstigung der Verseifung, wenn außerdem noch Ölsäure vorhanden ist. (Die fördernde Wirkung der Ölsäure selbst ohne Galle auf die Verseifung der festen Fettsäuren wurde von Pflüger als unbedeutend konstatiert.) Methodik. Zuerst wollte ich unter Abschluß der Galle zum Darminhalte die Re- sorption des Nahrungseisens bestimmen. Dazu sollte ich eine Gallenfistel anlegen und die gewonnenen Resultate mit denen bei einem Kontrolltier vergleichen. Die Nahrung wurde selbstverständlich für die beiden Tiere gleich verabreicht.: Gegen diesen Plan hatte ich schon voraus das Bedenken, daß die erhaltenen Zahlen zu klein würden, um daraus irgend einen Schluß ziehen zu können. Meine Voraussetzung hat sich in der Tat bestätigt, als ich zwei Versuche nach dieser Methode ausführte, und ich kam dann zum Entschluß, einen anderen Weg einzuschlagen. Dieser zweite Weg bestand in der künstlichen Darreichung des Eisens von bestimmtem Quantum so- wohl dem Versuchstiere mit der Gallenfistel wie dem ohne die Gallenfistel. Als Versuchstiere wurden Kaninchen gebraucht. Die Kaninchen wurden von gleicher Zucht, Alter, Geschlecht und annähernd gleichem Gewicht gewählt. Einige Tage vor der Ausführung des Versuches waren sie mit Hafer und Wasser genährt, bis ein konstantes Gewicht sich feststellte. Die Gallenfisteloperation wurde unter der Narkose (12 bis 13 *® 5pro- zentige Chloralhydratlösung per Rectum) auf folgende Weise ausgeführt. Das narkotisierte Kaninchen wurde in der Rückenlage auf geeignetem Brette befestigt, die Operationsstelle rasiert und gründlich ausgewaschen. Ein Archiv f. A. u. Ph, 1910. Physiol, Abtlg. Suppl. 24 370 ALEXANDRA KORSUNSKY: Schnitt wurde längs der Linea alba geführt und die Bauchhöhle vom Pro- cessus xyphoideus bis zum Nabel geöffnet. Der aufgesuchte Duetus chole- dochus wurde stumpf abpräpariert und drei Fäden in einiger Entfernung voneinander unter ihn eingeschoben. Der eine wurde etwas näher gegen die Gallenblase als Schlinge geknüpft, um den Austritt der Galle in die Bauchhöhle während des Einsetzens der Kanüle zu verhüten. Dazu brauchte ich gewöhnlich einen roten Faden, um ihn mit den anderen nicht zu ver- wechseln. Der zweite Faden sollte die Einmündung des Ductus eholedochus in das Duodenum verschließen; hier wurde ein fester Knoten gemacht und die Enden des Fadens abgeschnitten. Der dritte Faden, der zwischen den beiden obengenannten lag, diente zum Einbinden der Kanüle. Um die Kanüle einzusetzen, machte ich vorsichtig einen Querschnitt mit der spitzen Schere am Ductus choledochus nächst der Einmündung ins Duodenum; führte dann unter Leitung des Finders eine gläserne, mit dünnem Gummi- schlauch versehene Kanüle hinein; knotete den Faden um die Kanüle fest. Die Enden dieses Fadens befestigte ich mittels eines neuen Fadens an der Kanüle, wo die letztere und ihr Schlauch zusammentreffen; die Enden von beiden Fäden verknotete ich miteinander. Dann wurde die rote Schlinge losgelöst. Die Galle kam momentan in der Kanüle zum Vorschein und begann auszufließen. Das Operationsfeld wurde mit physiologischer NaCl- Lösung abgetupft; dann die Muskelränder und Faszien durch eine Knoten- naht vereinigt, mit Sublimatlösung abgetupft und die Haut darüber vernäht. Der Schlauch wurde an die Haut angenäht, um der Abkniekung der Kanüle vorzubeugen. Die Naht wurde mit Jodoform bestreut und ein Verband angelegt. Nach der Operation wurde das Kaninchen in einen blechernen Kasten mit Gitter gesetzt. Der Kasten war so eingerichtet, daß die Ausscheidungen in ein außen befindliches Gefäß abfließen konnten. Alle Versuchskaninchen verweilten in solchen Kästen bis zum Ende des Experimentes; dabei be- kamen sie Hafer und Wasser. Ich habe früher konstatiert, daß 6 Stunden nach Anlegen der Gallen- fistel keine Galle im Darmtraktus nachzuweisen ist, indem ich den ganzen Darm in vier Teile geteilt und dessen Inhalt mit den Reaktionen Petten- kofers, Gmelins, Schmidts und Hupperts gesondert untersucht habe, wobei sich negative Resultate ergaben. Ich wartete trotzdem 24 Stunden ab, bevor ich weiter mit dem Experimente vorging, um dem Kaninchen etwas Zeit zur Erholung von der Narkose und dem chirurgischen Eingriffe zu geben. Also nach Ablauf der 24 Stunden kam ich zur Eisendar- reichung. Dieselbe wurde folgendermaßen ausgeführt. Das Kaninchen wurde in der Rückenlage auf dem Brette angebunden, in ‘sein Maul ein Klotz eingesetzt, durch das Loch des Klotzes eine Schlundsonde bis zum BEGÜNSTIGT DIE GALLE DIE RESORPTION DES EiIsEns? 371 Magen eingeführt. Zum Einfließen brauchte ich eine frisch vorbereitete 0-O6prozent.. Ferr. sesquichlorat-Lösung, die auf 40° erwärmt, langsam mit Hilfe einer Spritze in den Magen befördert wurde (180 oder 150°"), Es kostete mir viel Mühe, bis ich zu diesem Verfahren gekommen war. Anfangs gingen die Tiere zugrunde an Erstickung, was sich bei der Sektion heraus- stellte. Denn ich habe sie nicht an das Brett angebunden, sondern einfach halten lassen, und leicht möglich wurde dabei der Brustkorb durch die haltenden Hände des Mithelfers komprimiert. “ Chemischer Nachweis des Eisens im Magendarminhalte. 24 Stunden nach der Fe-Darreichung wurde das Kaninchen durch Äther getötet. Der Magendarminhalt wurde sorgfältig in die Porzeilan- schale gebracht, gewogen und in dem Trockenschrank bei einer Temperatur von 110° bis zum vollständigen Austrocknen gelassen. Ein konstantes Gewicht ergab sich gewöhnlich nach 48 Stunden. Dann folgte die Ver- aschung, indem die ausgetrocknete Substanz in einem Nickeltiegel auf die Flamme gestellt wurde so lange, bis die Kohle sich vollständig in Asche verwandelt hat. Manche Veraschungen (in den Versuchen I, II und VII, VIII) wurden mehr kompliziert ausgeführt. Die nach kurzdauerndem Er- hitzen gewonnene Kohle wurde erkalten gelassen, darauf unter Zusatz von Wasser in einer Porzellanschale fein zerrieben, nach Zufügen von mehr Wasser zum Sieden gebracht, abfiltriert und mit heißem Wasser aus- gewaschen. Die Kohle mit dem Filter wurde im Trockenschrank getrocknet. Dann sowohl das Erhitzen der Kohle mit dem Filter zusammen als auch das Erkalten, Zerreiben, Auswaschen usw. wurden in obenbeschriebener Weise wiederholt. Nach dem zweiten Filtrieren und Austrocknen wurde die Kohle verbrannt bis zur vollständigen Umwandlung in die Asche. Die beiden Filtrate wurden eingedampft und mit der Asche erhitzt. Der Asche wurde 2prozent. HCl hinzugesetzt und während 2 Stunden auf dem Wasserbad in einer Porzellanschale erwärmt. Nach der Filtration bekam ich eine helle farblose Flüssigkeit, die zum weiteren Nachweis auf Fe dienen sollte. (Tierfelder.) Um den. Fe-Gehalt des Auszuges zu bestimmen, bediente ich mich der jodometrischen Methode. Ein abgemessenes Quantum des salzsauren Aschenauszuges wurde in eine ca. 200° m fassende Flasche mit seitlicher Öffnung eingegossen, mit Natronlauge teilweise neutralisiert. Der NaOH sollte vorsichtig, tropfen- weise, in die genannte Lösung hinzugesetzt werden, um einen unerwünschten Niederschlag von Ferrihydroxyd zu vermeiden; denn dieser beteiligt sich nicht an der chemischen Umsetzung, die sich bei der Jodometrie abspielt, 24* 372 ALEXANDRA KOoRSUNSKY: wodurch ein Fehler in der Bestimmung der Fe-Menge unvermeidlich ent- stehen könnte. Durch den Pfropf der Flasche war eine lange beiderseits offene Glas- röhre hindurchgeführt. Das innere Stück derselben wurde bis in die Flüssigkeit getaucht; das äußere winklig abgebogen und durch den Gummi- schlauch mit einem kohlendioxydzuführenden Apparat verbunden. Ferner wurde die Luft durch das Einleiten von CO, verdrängt und 1 bis 2srm Jodkalium hinzugesetzt. Dabei bemerkte ich eine gelbe Ver- färbung der Flüssigkeit, die sich einmal intensiv, das andere Mal schwach auszeichnete, je nachdem der Versuch mit oder ohne Fe-Darreichung an- gestellt wurde (also Versuche III bis VIII oder I und II). Die Flasche wurde sofort zugestöpselt, geschüttelt und 20 Minuten lang in der Kälte stehen gelassen. Nachher begann ich die Flüssigkeit zu titrieren. Dazu brauchte ich !/,., normale Natriumthiosulfatlösung und Stärkelösung (0-5 &”= Stärke auf 250° Wasser). Nach dem Verschwinden der Blaufärbung wurde noch CO, eingeleitet, die Flasche verschlossen und beobachtet, ob nach einigen Minuten eine Nachbläuung zum Vorschein kommt. Ist die Blaufärbung erschienen, so wurde sie durch Zusatz von Na,S,0,-Lösung entfärbt. Die Flasche wurde verschlossen und beobachtet, ob die Blau- färbung zurückkehrt. War dies der Fall, so wiederholte ich denselben Versuch von neuem unter Zusatz von etwas JK. (Treadwell.) Versuche. Versuch |]. 18. November 1909. Das Kaninchen (männl. Geschlechts) wurde 2 Stunden ohne Futter gelassen, dann durch Ather getötet und in der obenbeschriebenen Weise behandelt. Sektionsbefund normal. Das Gewicht des Tieres 2250.0 8m ” 3 „ Magendarminhaltes 277-8 „ 4 % 5 5 nach Trocknen 56-4 „- Der Wassergehalt des ,, also 221-4 „ Eisengehalt des Inhaltes 2-36 ”s nach Titration mit Y/,oo n. Na,8,0,. „ .n „ 4.184 "8 auf 100 8” Trockensubstanz ausgerechnet. Versuch I. Am 9. November 1909 um 11 Uhr vorm. wurde dem Kaninchen (männl. Geschlechts) die Gallenfistel angelegt, nach 24 Stunden durch Äther getötet. Sektionsbefund normal. Das Gewicht des Tieres 2400 sm en rn .„ Magendarminhaltes 284 „ e “ r “ nach Trocknen 78 „ Der Wassergehalt des „, also 206 „ Eisengehalt des Inhaltes 1-116"”® nach Titration mit !/,„n. und ?/,.on. Na,8,0,. a ; 3, 1:430 „ auf 1008” Trockensubstanz ausgerechnet. BEGÜNSTIGT DIE GALLE DIE RESORPTION DES EısEns? 373 Versuch II. Am 22. November 1909 wurde dem Kaninchen (männl. Geschlechts) in zwei Gaben 180 °® 0.06 prozentige Fe,Cl,-Lösung! dargereicht, und zwar: um 10!/, Uhr vorm. 90 “® und um 4 Uhr nachm. 90 “m, also mit einer Pause von 5!/, Stunden. Am 23. Nov. um 4 Uhr nachm. wurde das Tier durch Äther getötet. Sektionsbefund normal. Das Gewicht des Tieres 2400-0 Em h nn „ Magendarminhaltes 206-1 „ N h Br g nach Trocknen 43-6 „ Der Wassergehalt des $„, also 162-5 „ Fe-Gehalt des Inhaltes 16.8"® nach Titration mit !/,o, a. Lösung. 37.0 "8 Fe eingeführt, 16-8 „ „ im Darm verblieben, also: 20-2 8 Fe resorbiert oder 54-6 Prozent des eingeführten Eisens. Versuch IV. Am 1. Dezember 1909 um 10!/, Uhr vorm. wurde dem Kaninchen (männl. Geschlechts) die Gallenfistel angelegt. Am 2. Dezember um 10!/, Uhr vorm. wurden 90 °® und um 4 Uhr nachm. noch 90 °®, also 180 °® 0.06 prozentige Fe,Cl,-Lösung! eingeführt. Am 3. Dezember wurde das Tier getötet. Das Gewicht des Tieres 2620.0 sm B 1" „ Magendarminhaltes unbekannt, hs ” er Ds nach Trocknen 54-2 „ Fe-Gehalt des Inhaltes 16-24 s nach Titration mit !/,,, n. Lösung. 37.0 %8 Fe eingeführt, 16-24 ®& Fe im Darm verblieben, also 20.76 ©3 Fe resorbiert oder 56-1 Prozent des eingeführten Eisens. Versuch V. Am 4. Februar 1910 wurde dem Kaninchen (männl. Geschlechts) auf einmal 150 °® 0.06 prozentige Eisenchloridlösung bei der Temperatur von 40° eingeführt. Der Gehalt des Fe in dieser Menge der Fe,Cl,-Lösung = 30"8. Nach 24 Stunden wurde das Tier durch Ather getötet. Sektionsbefund normal. Das Gewicht des Tieres 2500.0 gm r 55 „ Magendarminhaltes 262-8 „ „ „ „ e nach Trocknen 62-75 „ Der Wassergehalt des „, -. also 200-05 „ Fe-Gehalt des Inhaltes 5”® nach Titration mit !/,,, n. Lösung. 30 ”® Fe eingeführt, 5, „ Im Darm verblieben, also 25 ws Fe resorbiert oder prozentisch 83-3 Prozent des eingeführten Eisens. 13725 Fe enthaltend. 374 ALEXANDRA KORSUNSKY: Versuch VI. Am 3. Februar 1910 um 11 Uhr vorm. wurde dem Kaninchen (männl. Geschlechts) die Gallenfistel angelegt; nach 24 Stunden 150 °°® Eisenchlorid- lösung, auf 40° erwärmt, eingeführt; nach 24 Stunden, also am 5. Februar, getötet. Sektionsbefund normal. Das Gewicht des Tieres 2490-0 8m 5 5 „ Magendarminhaltes 267-8 „ 2 nach Trocknen 50-5 „ Der Wassergehalt des „ also 217.3 „ Fe-Gehalt des Inhaltes 12-368 nach Titration mit Y/,,o n. Lösung. 30-0 "8 Fe eingeführt, 12-36 ”® Fe im Darm verblieben, also 17.64 ®8 Fe resorbiert oder prozentisch 58-8 Prozent des eingeführten Eisens. Versuch VII. Am 9. Februar 1910 um 10!/, Uhr vorm. wurde dem Kaninchen (männl. Geschlechts) 150 “= Eisenchloridlösung (30 ”® Fe enthaltend) eingeführt; nach 24 Stunden durch Ather getötet. Sektionsbefund normal. Das Gewicht des Tieres 2400-0 sm MH RR „ Magendarminhaltes 258-0 „ h et nach Trocknen 37-5 „ Wassergehalt % also 220-5 „ Fe-Gehalt des Inhaltes 11-4" nach Titration mit 1) 00 2. Nay8,0,-Lösung. 30.0 "8 Fe eingeführt, 11-4 „ ,„ im Darm verblieben, also 18.68 Fe resorbiert oder prozentisch 62 Prozent des eingeführten Eisens. Bemerkung.. Bei der Veraschung kleiner Subslanzuez le) infolge des Durchbrennens des Tigels stattgefunden. Versuch VI. Am 8. Februar 1910 10!/, Uhr vorm. Gallenfisteloperation. ed a > 55 z, „ Eiseneinführung (150 °®). DO, ” \ „ das Tier (männl. Geschlechts) ge- tötet. Sektionsbefund Amel. Das Gewicht des Tieres 2380.0 8m E 5; „ Magendarminhaltes 234-2 „ 5 7 | nach Trocknen 34-0 „ Wassergehalt s also 200-2 „ Fe-Gehalt des Inhaltes 15. 78 ms nach Titration mit !/,,. n. Lösung. 30-0 ®® Fe eingeführt, 15-78 ,, „ im Darm verblieben, 14.228 Fe resorbiert oder prozentisch 47 .4 Proz. des eingeführten Eisens. Die Resultate meiner Versuche sind kurz folgende. Der Fe-Gehalt des Magendarminhaltes bei den Kaninchen ohne innerlicher Darreichung von Fe: beim Tiere ohne Gallenfistel 2.360”: oder 4-184”e auf 1008” ausgerechnet, 20m mit MD) 121162870, 1,4502:9, ”.. MD) BEGÜNSTIGT DIE GALLE DIE RESORPTION DES EisEns? 375 Es ist ersichtlich, daß aus diesen beiden Versuchen kein bestimmter Schluß über die Gallenwirkung bei der Resorption des Nahrungseisens zu ziehen ist. Denn die Zahlen schwanken zwischen 1-0 bis 2-4”®, also sehr minimalen Größen, welche zu bekommen chemisch-technisch sehr schwer war. Die Resultate der Versuche an Kaninchen mit der Fe-Darreichung sind folgende. Aus dem eingeführten Fe wurde resorbiert prozentisch: bei Tieren mit Gallentistel bei Tieren ohne Gallenfistel im Versuch IV 56-1 Prozent im Versuch III 54-6 Prozent „ „ VI 58.8 „ ” „ V 83-8 ”„ er n VIII 47-4 an ” x VII 62 25 Es ergibt sich, daß die Resorption des eingeführten Fe sowohl bei den Tieren mit der Gallenfistel als bei den normalen Tieren vor sich geht. Bei dem ersten Paar der Tiere (IV und III) wurden annähernd gleiche Mengen von Fe resorbiert. Den beiden Tieren wurden je 37 = Fe eingeführt; davon etwas mehr als 20”8; 20.2 ”s bei IV und 20.76 ”s bei III resorbiert. Bei dem zweiten Paar der Tiere (VI und V) ist ein Unterschied in der Fe-Resorption vorhanden, und zwar beim Tiere ohne Gallenfistel wurden 83.3 Prozent, beim Tiere mit der Gallenfistel dagegen 58-8 Proz. des eingeführten Fe resorbiert. Den beiden Kaninchen wurden je 30 "*® Fe eingeführt, wobei beim Tiere ohne der Gallenfistel 25 ”® Fe, beim Tiere mit der Gallenfistel 17-.64"”s Fe resorbiert. Beim dritten Paar der Tiere (VIII und VII) besteht ebenfalls ein Unterschied in der Fe-Resorption: beim Tiere ohne Gallenfistel wurden 62 Prozent, beim Tiere mit der Gallenfistel 47.4 Prozent des eingeführten Fe resorbiert. Den beiden Kaninchen wurden je 30 %® Fe eingeführt, davon beim Tiere ohne Gallenfistel 18-60 "3 Fe, beim Tiere mit der Gallenfistel 14-22 vs Fe resorbiert. Schlußfolgerung. Soweit die geringe Anzahl meiner Versuche einen Schluß zu ziehen erlaubt, scheint es, daß die Galle eine befördernde Einwirkung für die Resorption des Eisens hat. i Ich bin mir bewußt, daß meine Versuche nur einen Anstoß bedeuten für die Lösung der aufgestellten Frage. Bei der Menge der einzelnen Handreichungen, wie Anlegung der Gallenfistel, Darreichung des Eisens, Wäeung, Trocknung, Veraschung des Darminhaltes, Bestimmung des Eisen- gehaltes desselben, gelang es mir indessen nicht, eine größere Anzahl von vollständigen Versuchen anzustellen. 376 ALEXANDRA KORSUNSKY: BEGÜNSTIGT DIE GALLE USW. Nachschrift. Die vorliegenden Versuche von A. Korsunsky genügen natürlich nicht, um die Frage „ob die Galle die Resorption des Eisens begünstigt oder nicht?“ zu entscheiden. Es werden daher die Versuche in meinem Laboratorium fortgesetzt und es wird dort auch nach einer etwas ab- geänderten Methode der Einfluß der Galle auf die Resorption des Eisens festzustellen versucht. Die Publikation der Versuche von Fräulein Korsunsky geschieht wesentlich wegen der ihnen zugrunde liegenden Fragestellung. Wenn man einerseits die Erörterungen von Pflüger! über die Resorption der Fette und den Einfluß der Galle hierauf, dann die Be- funde von mir,? daß das Eisen bei seiner Resorption denselben Weg nimmt wie das Fett, nämlich den durch die Lymphgefäße und den Ductus tho- racicus und endlich die von Hall? und die von Hochhaus und Quincke,* daß das Eisen im Duodenum resorbiert wird, d. h. an dem Ort, an dem die Galle in den Darm ergossen wird, wenn man dies alles berücksichtigt und einander gegenüberstellt, so liegt es nahe, an den Einfluß der Galle auf die Resorption des Eisens zu denken. Jedenfalls muß diese Frage ge- prüft werden, und dies veranlaßte mich, diese Versuche in Angriff zu nehmen.. Sie bieten allerdings nach der chemischen wie der experimentellen Seite gewisse Schwierigkeiten dar. Zürich, Juli 1911. 2 Justus Gaule. ı E. Pflüger, Der gegenwärtige Zustand der Lehre von der Verdauung und Resorption der Fette. Pflügers Archiv. Bd. LXXXIIL S. 303. ® J. Gaule, Der Nachweis des resorbierten Eisens in der Lymphe des Ductus thoracieus. Deutsche medizinische Wochenschrift. 1896. Bd. XXIV. S. 373. > W. Hall, Das Verhalten des Eisens im tierischen Organismus. Dies Archiv. 1896. Physiol. Abtlg. 8.4. * Hochhaus und Quincke, Über Eisenresorption und Ausscheidung im Darm- kanal. Archiv für experimentelle Pathologie und Pharmakologie. Bd. XXXVI. 8.159. Über aktive Änderungen der arteriellen Blutfülle der Lungen. I. Untersuchungen an Hunden und Katzen. Von Prof. Ernst Weber, Oberassistent des Instituts. (Aus dem physiologischen Institute der Universität Berlin.) 1. Zur Methodik. 2. Reflektorische Temperaturwirkungen. S$. 396. 3. Wirkung von Arzneimitteln. S, 408. 4. Wirkung von Nervenreizungen. S. 420. I. Zur Methodik. In den folgenden Ausführungen wird nicht nur zwischen Änderungen der venösen und der arteriellen Blutfülle der Lungen, sondern auch zwischen aktiver und passiver Zunahme der arteriellen Blutfülle der Lungen unter- schieden, und.es soll zunächst kurz erklärt werden, was hier darunter verstanden wird. Daß zunächst die Blutfülle der Lungen in ihrer Gesamtheit abhängig ist von den Schwankungen des Druckes in der Aorta, ist bekannt, wie weit aber diese Abhängigkeit auch in den geringfügigsten Einzelheiten gehen kann, ist aus den Kurven in Fig. 1 zu ersehen. Wie die Kurve der Blut- fülle der Lungen gewonnen wurde, wird später erörtert werden, es soll hier nur gezeigt werden, wie diese Blutfülle alle größeren oder geringeren Schwankungen des allgemeinen Blutdrucks mitmacht, die ihrerseits bei diesem Tiere spontan entstanden infolge von ungewöhnlich starken Schwan- kungen im Tonus der Blutgefäße des Splanchnicusgebietes. In physiologischen Lehrbüchern findet sich bisweilen die Angabe, daß eine derartige Zunahme der Blutfülle der Lungen bei allgemeiner Blut- 378 ERNST WEBER: drucksteigerung infolge der Verengerung eines größeren Gene auf zweierlei Weise herbeigeführt werde. Einmal pflanze sich die Drucksteigerung in der Aorta rückwärts auf die Lungenvenen fort, indem bei der Erhöhung des Widerstands z. B. im Ge- biet der Splanchnicusgefäße die linke Herzkammer nicht mehr so vollständig entleert werde wie vorher, so daß infolgedessen auch der Abfluß vom linken Vorhof in die linke Kammer erschwert werde und eine Stauung in den Lungenvenen entstehe, also eine Zunahme der venösen Blutfülle der Lungen. Blutdruck in Carotis Blutfülle eines Lungen- lappens Fig. 1. Passive Änderung der Butfülle der Lungen durch Schwankungen des Blutdrucks. Außerdem aber gelange infolge des vermehrten Blutdrucks in der Aorta durch andere nicht verengte Gefäßgebiete eine größere Menge von Blut in das rechte Herz und die Lungenarterien, so daß also auch eine Zunahme der arteriellen Blutfülle der Lungen eintrete, und diese überwiege vermutlich an Bedeutung den durch Rückstauung vom linken Herzen aus erzeugten Einfluß, oder sei allein wirksam. Wie wir aus den im folgenden besprochenen Kurven sehen werden, ist dies indessen keineswegs immer richtig, sondern nur in Ausnahmefällen. Bevor ich darauf näher eingehe, sei noch erwähnt, daß, wie angegeben wird, besonders immer auch dann eine Rückstauung vom linken Herzen nach den Lungen zu eintritt, also eine Zunahme der venösen Blutfülle der Lungen, wenn der linke Ventrikel in seiner Arbeit nachläßt, schwächer oder langsamer schlägt und infolgedessen nicht mehr alles ihm aus dem AKTIVE ÄNDERUNGEN DER ARTERIELLEN BLUTFÜLLE DER LUNGEN. 379 Blutdruck in Carotis Blutfülle eines Lungenlappens Fig. 2a. Von + bis — Reizung des peripheren Endes des ungleichseitigen N. Vagus. Katze. Blutdruck in Carotis IM Il | Blutfülle eines Lungen- lappens Fig. 2b. Spontane Erlahmung des Herzen. Katze. linken Vorhof aus der Lunge zufließende Blut in die Aorta. hinausbefördert. Daß auch dies durchaus nicht immer richtig ist, en die Kurven in den Figg. 2a und 22. 380 +: ERNST WEBER: In Fig. 2a ist die untere Kurve die der Blutfülle eines linken Lungen- lappens einer Katze, bei der das periphere Ende des rechten N. vagus elektrisch gereizt wurde. Deutlich ist an der Kurve des Blutdrucks in der Aorta die Pulsverlangsamung und Drucksenkung als Folge davon zu er- kennen, noch deutlicher ist aber die gleichzeitig eintretende Abnahme der Blutfülle des Lungenlappens, die nach der Theorie zunehmen müßte. In Fig. 25 ist als Gegenstück dazu eine spontan eintretende Erlahmung des Herzens wiedergegeben. Die Pulse der Blutdruckkurve werden immer kleiner, und gleichzeitig nimmt die Blutfülle der Lungen immer mehr ab. Im letzteren Falle ist der Grund der nicht eintretenden Rückstauung nach den Lungen zu offenbar der, daß gleichzeitig infolge Lähmung des Vasomotorenzentrums eine starke Erweiterung im Gefäßgebiet der Aorta eintritt, so daß trotz der geringeren Herzarbeit den Lungen immer mehr Blut entzogen wird. Anders aber bei der Vagusreizung in 2a, bei der derartige Gefäß- erweiterungen nicht eintreten konnten, da das Herzende des durchschnittenen Vagus gereizt wurde, also Depressorreizung nicht in Frage kam. Auch eine etwaige direkte Beeinflussung der Lungengefäße war dabei unmöglich, da der Vagus der Seite gereizt wurde, auf der die Blutfülle nicht registriert wurde. Der Befund erklärt sich hier nur daraus, daß die Hemmung des Herzens bei Vagusreizung sich in völlig gleicher Weise am rechten wie am linken Herzen geltend macht, so daß die Blutfülle der Lungen auch hier- bei ausschließlich von den Schwankungen des Druckes in der Aorta abhängt. Daß auch eine lange fortgesetzte viel stärkere Reizung des gleichen Vagus, die zum völligen Herzstillstand führt, an diesem Verhalten nichts ändert, zeigt Fig. 3, bei der die Reizung des Vagus ebenso lange dauerte, als die Abnahme der Blutfülle der Lunge. Auf die vollkommen gleichmäßige Beeinflussung beider Herzhälften, die aus diesen Experimenten hervorgeht, komme ich später wieder zurück. Daß eine Rückstauung des Blutes vom linken Herzen aus nach den Lungen sicherlich aber dann stattfinden kann, wenn der Widerstand in der Strombahn der Aorta erhöht wird, ist schon seit den Experimenten Wallers! unter Ludwig bekannt, der bei Reizung des Halsmarks und infolge davon eintretender Gefäßverengerung im Aortensystem Drucksteige- rung im linken Vorhof eintreten sah. Nimmt man, wie ich es auf den folgenden Seiten beschreibe, neben der Blutdruckkurve der Aorta die Kurve der Blutfülle eines Lungen- lappens auf, so kann man bei jeder derartigen Blutdrucksteigerung und ! Waller, Dies Archiv. 1882. Physiol. Abtlg. 8. 27. AKTIVE ÄNDERUNGEN DER ARTERIELLEN BLUTFÜLLE DER LUNGEN. 381 infolge davon eintretender Zunahme der Blutfülle der Lunge leicht erkennen, ob diese Zunahme durch eine Rückstauung des Blutes vom linken Herzen aus herbeigeführt wurde, oder durch eine Vermehrung des Blutzuflusses zum rechten Herzen, wie das oben ausgeführt wurde, und es wird sich dann zeigen, daß weitaus am häufigsten die Rückstauung vom linken Herzen aus die Ursache ist. Wenn nämlich ausschließlich eine solche Rückstauung auf die. Blut- fülle der Lungen wirkt, muß diese Wirkung fast zu gleicher Zeit mit der Entstehung der Drucksteigerung in der Aorta eintreten, da es sich dann nur um sehr geringe Entfernungen handelt, und die Wirkung an’ den Lungen wird ebenso schnell aufhören, wie die Drucksteigerung in der Aorta. Blutdruck in Carotis Blutfülle eines Lungenlappens Fig. 3. Stärkere Reizung des N. Vagus wie in Fig. 2. Hund. Anders aber, wenn die Zunahme der Blutfülle der Lungen durch Ver- mehrung des Zuflusses zum rechten Herzen bewirkt wird. Bei Verengerung. eines Gefäßgebietes der Aorta wird dieser Zufluß zum rechten Herzen zu- nächst sogar etwas geringer, und erst infolge der Drucksteigerung in der Aora kann dann auf den anderen Gefäßbahnen bei gesteigerter Herztätigkeit oder Erweiterung dieser Gefäßgebiete eine größere Menge von Blut;in. die Venen ‚des Aortensystems und, nachdem es diese durchflossen hat, zum rechten Herz und zu den Lungenarterien gelangen. Zu alledem. ist. aber eine verhältnismäßig beträchtliche Zeit nötig, und ist a priori zu erwarten, daß diese Wirkung auf die Lungen erst zu einer selbst auf den Kurven deutlich erkennbar späteren Zeit: eintreten wird, als die Blutdrucksteigerung EB vum ERNST WEBER: in der Aorta, und daß sie auch das Zurückgehen der Drucksteigerung in der Aorta überdauern wird. | -» ‚Auf diese Ausführungen sich stützend, kann man ohne weiteres er- kennen, daß z. B. bei Fig. 1, die oben besprochen wurde, die Blutfülle der Lungen: ausschließlich auf dem Wege der Rückstauung vom linken Herzen aus durch die verschiedenen Steigerungen des Blutdrucks in der Aorta be- einflußt wurde, denn die Schwankungen der beiden Kurven beginnen genau zur gleichen Zeit und gelangen zu gleicher Zeit wieder zum Nullpunkt. Der Unterschied der beiden Wege der Beeinflussung der Blutfülle der Lungen sei durch die beiden Figuren 4a und 42 illustriert. In beiden Figuren ist die unterste Kurve die der Blutfülle der Lungen. Die Blutdrucksteigerung in 4a wurde durch künstliche Erregung eines Blutdruck in Carotis Blutfülle eines Lungen- lappens Fig. 4a. Blutdrucksteigerung infolge von sensibler Reizung. sensiblen Nerven und dadurch vermittelte Gefäßkontraktion im Stromgebiet der Aorta herbeigeführt. Wie ersichtlich, beginnt die Zunahme der Blut- fülle der Lungen genau zu gleicher Zeit wie die Blutdrucksteigerung in Aorta und kommen beide zu gleicher Zeit wieder auf ihren Nullpunkt zurück; die Blutfülle der Lungen wurde also ausschließlich durch Rück- stauung vom linken Herzen aus vermehrt. Eine auch nur mitwirkende Vermehrung des Blutzuflusses zum rechten Herzen hätte bewirkt, daß die Zunahme der Blutfülle der Lungen wenigstens eine kurze Zeit länger dauerte, als die Blutdrucksteigerung in Aorta. Diese Beeinflussungsart liegt aber allein, oder wenigstens fast allein letztere in Fig. 45 vor und wurde nur selten von mir beobachtet. In Fig. 45 ist die oberste Kurve die Volumkurve der Pfote des Tieres, die unterste die der Blutfülle der Lungen und die mittlere die des Aorten- blutdrucks, an der zwei spontan entstandene Steigerungen sichtbar sind. AKTIVE ÄNDERUNGEN DER ARTERIELLEN BLUTFÜLLE DER LUNGEN. 383 Diesen beiden Steigerungen entspricht eine zweimalige Zunahme der Blutfülle der Lungen, die aber viel langsamer als die Drucksteigerungen in Aorta entstehen und erst längere Zeit nach ihnen wieder zu ihrem Null- punkt zurückkehren. Ihren Höhepunkt erreicht diese Zunahme der Blut- fülle der Lungen jedesmal erst lange nachdem der Blutdruck die seinige erreicht hat (ca. 25 Pulse später), ja sogar erst nachdem der Blutdruck den Nullpunkt wieder erreicht hat. - Blutfülle einer Pfote Blutdruck in Carotis N Il 1 Ih Blutfülle eines Lungenlappens Fig. 4b. Spontane Blutdrucksteigerungen. Dagegen trifit diese Welle der Zunahme der Blutfülle der Lungen zeitlich fast genau überein mit der Welle der Volumkurven des Beines, das infolge des steigenden Blutdrucks völlig passiv an Blutfülle zunimmt; ihre Gipfel stehen gerade untereinander. Allerdings ist zu erkennen, daß die Zunahme der Blutfülle der Lungen jedesmal schon gleichzeitig mit der Blutdrucksteigerung sanft zuzunehmen beginnt, während die Zunahme der Blutfülle des Beines jedesmal beträchtlich später erst beginnt und: deshalb muß geschlossen werden, daß bei der Zunahme der. Blutfülle der Lungen hier auch eine geringe Rückstauung vom linken Herzen aus mitwirkt, aber. 384 ERNST WEBER: aus der sonstigen genauen Übereinstimmung der Kurven der Blutfülle des Beines und der Lunge und daraus, daß die Steigerung der Blutfülle der Lunge die des Blutdrucks lange überdauert, geht mit Sicherheit hervor, daß der gleiche Einfluß, der das Beinvolumen vermehrte, auch auf die Lunge wirkt. Daß die Zunahme der Blutfülle beider Teile zeitlich zusammenfällt, obwohl das Blut, bevor es zum rechten Herzen und zur Lunge gelangt, erst noch die Venen zu durchlaufen hat, - während das Beinvolumen schon bei..der Ausdehnung der kleinen Arterien und Kapillaren zunimmt, hat seinen Grund offenbar darin, daß das Blut von der Aorta zum rechten Herzen teilweise auch durch Kapillarnetze gelangt, die den Lungen be- deutend näher gelegen sind, als die des Beines. Wie gesagt tritt diese ganze Erscheinung aber sehr selten auf. Alle diese Betrachtungen werden später bei der Erörterung der von mir angewendeten Methodik wichtig, hier sollen sie nur zeigen, daß die fast immer bei derartigen Blutdrucksteigerungen allein und in allen Fällen wenigstens beteiligte Art der Beeinflussung der Blutfülle der Lungen die durch Rückstauung des Blutes vom rechten Herzen aus ist. Es besteht eine solche Zunahme der Blutfülle der Lungen wie in Fig. 1 und 4a also in einer völlig passiven Überfüllung der Lunge mit venösem Blut. Die andere eben erörterte Art der Beeinflussung der Blutfülle der Lungen bei Blut- drucksteigerung in der Aorta, die nur selten und wohl immer nur gemein- sam mit der ersten Art eintritt, bezeichne ich gleichfalls als passive Änderung der Blutfülle der Lungen, obwohl durch sie ja die Lungen vom rechten Herzen aus mit einer größeren Menge von arteriellem Blut ver- sehen werden. Es entsteht dann eine passive Zunahme der arteriellen Blutfülle der Lungen unter dem Einfluß der Blutdrucksteigerung in die Aorta. Mit diesen beiden passiven Arten der Zunahme der Blutfülle der Lungen beschäftigen sich die folgenden Ausführungen nicht. Nach Ausschließung dieser Möglichkeiten kommen dann nur noch Änderungen der Blutfülle der Lungen in Frage, die völlig unabhängig sind von den Veränderungen des Blutdrucks in der Aorta und derartige Änderungen wären theoretisch auf zweierlei Weise möglich. Es könnte zunächst eine aktive Veränderung im Kontraktionszustand der Lungengefäße selbst eintreten und ferner könnte das rechte Herz unab- hängig vom linken Herzen seine Arbeitsleistungen verändern, seine Kon- traktionen könnten z. B. kräftiger werden, ohne daß die des linken Herzens sich irgendwie verändern, und dann müßte die Blutfülle der Lunge ebenso zunehmen, wie bei aktiver Erweiterung der Lungengefäße. AKTIVE ÄNDERUNGEN DER ARTERIELLEN BLUTFÜLLE DER LUNGEN. 385 In beiden Fällen würde es sich natürlich nur um Zunahme der arte- riellen Blutfülle der Lungen handeln. Das Eintreten der einen oder der anderen Wirkung ist mit Sicherheit dadurch zu erkennen, daß man neben der Blutfülle der Lungen und dem Aortendruck auch noch den Druck in der Pulmonalarterie registriert. Liegt die Ursache der Zunahme der Blutfülle der Lungen dann in einer isolierten Mehrarbeit des rechten Herzens, so muß der Pulmonalisdruck steigen, liegt sie in aktiver Erweiterung der Lungengefäße, so muß er sinken. Wir werden aber später ‚bei Erörterung der Experimente selbst sehen, daß bei den in Frage kommenden Veränderungen so vieles für die aktive Änderung der Weite der Lungengefäße spricht und gegen -eine Änderung der Arbeitsstärke des rechten Herzens bei völlig gleichbleibender Arbeits- kraft des linken Herzens, daß man selbst ohne Registrierung des Pulmo- nalisdrucks zu hinreichend klaren Anschauungen über diese Verhältnisse kommt und erkennt, daß es sich um aktive Veränderungen der arteriellen Blutfülle der Lungen handelt. Nur einer dieser Punkte sei vorläufig schon hier erwähnt. Wie wenig bei unseren Experimenten eine isolierte Verän- derung der Arbeitsstärke nur der einen, und zwar der rechten Herzhälfte zu erwarten ist, geht schon aus den oben auf S. 380 besprochenen und in den Figuren 2a und 3 illustrierten Versuchen mit Vagusreizung hervor, durch die, auch wenn sie noch so lange fortgesetzt wurden, die Arbeits- leistung beider Herzhälften immer in vollkommen gleichmäßiger Weise herabgesetzt wurde. Es ist danach sehr wahrscheinlich, daß auch die Nerven, deren Erregung die Arbeitsleistung des Herzens steigert, beide Herzhälften in gleichmäßiger Weise beeinflussen. Bestätigt wird dies noch dadurch, daß auch bei eintretender Herz- schwäche das Lungenvolumen genau entsprechend dem Aortendrucke ab- nimmt, ‚wodurch bewiesen wird, daß auch hierbei die Abnahme der Be an beiden Herzhälften genau die eiiehe ist. (Siehe Figg. 25 und 6.) Daß dagegen die Lungengefäße einer aktiven Erweiterung fähig sind. dafür sprechen schon die seit langem bekannten Experimente Lichtheims, . Liehtheim konnte bis zu ®/, des gesamten Gefäßgebiets der Lungenarterien durch. Unterbindung ausschalten, und trotzdem ‚gelangte dann noch die gleiche Menge Blut, wie vorher, durch die Lunge zum linken Herzen. Daß dabei nicht etwa eine Mehrarbeit des rechten Herzens diese Blut- menge durch den noch erhaltenen Teil der Lungengefäße trieb, ging daraus hervor, daß gleichzeitig der Druck in der Arteria pulmonalis fast gar nicht stieg. Es bleibt also nichts anderes übrig, als zur Erklärung dieses Experi- mentes eine starke aktive Erweiterung der noch durchströmten kleinen Lungengefäße und Kapillaren anzunehmen, die reflektorisch bei der Ver- Archiv f. A,u. Ph. 1910, Physiol, Abtlg. Suppl, 25 386 ERNST WEBER: kleinerung des Stromgebietes in der Lunge eintrat. Dies würde eine Fähig- keit der Lungengefäße voraussetzen, die offenbar bei der alles überwiegenden Wichtigkeit der genügenden Versorgung des Blutes mit Sauerstoff bei vielen Gelegenheiten von eminenter Nützlichkeit für die Erhaltung des Lebens sein würde und vom teleologischen Standpunkt aus eher gefordert werden müßte, als die nachweisliche aktive Erweiterungsfähigkeit vieler anderer Gefäßbezirke. Nur infolge der besonderen Schwierigkeiten, die die Unterneh des Verhaltens der Blutgefäße der Lungen bietet, sind die späteren Experimen- tatoren dazu gekommen, aktive Veränderungen der Lungengefäße ganz oder teilweise zu leugnen, so daß bis in die letzte Zeit daran gezweifelt werden konnte, ob es überhaupt Gefäßnerven für die Lungen gebe. Indem ich die älteren Arbeiten übergehe, nenne ich als ausführlichste Arbeit, in der gleichzeitig der Blutdruck in Aorta und Pulmonalarterie ge- messen wurde, die von Bradford und Dean! vom Jahre 1894. Gelegent- lich wurde dabei auch der Druck im zentralen Ende einer Lungenvene gemessen. Aus diesen Versuchen, die meist in Nervenreizungen bet kamen die Autoren zu dem Schlusse, daß es zwar aktive Veränderungen an den Lungengefäßen, also vasomotorische Nerven für sie gebe, daß dieser Mecha- nismus aber nur sehr schwach entwickelt sei und nur —_ geringe wu samkeit habe. Sehr deutlich gehen diese Ergebnisse aus den Versuohän und den beigegebenen Kurven keineswegs hervor. Auf den meisten Kurven sind die Veränderungen des Pulmonalisdruckes so gering, daß sie kaum oder gar nicht zu erkennen sind. Diese geringe Beeinflußbarkeit des Pulmonalis- druckes, der an sich schon sehr gering ist, war auch schon längst bekannt und macht diese Untersuchungsmethode ungeeignet, Auskunft über das Verhalten der Lungengefäße zu geben. Auf Einzelheiten aus diesen Untersuchungen komme ich später noch zurück. Eine ganz andere Methode wendeten zur Tatereueinme dieser Ver- hältnisse in neuester Zeit Brodie und Dixon? an. Die Methode ist von Brodie im Journal of Physiology 1903 be- schrieben worden und besteht darin, daß ein isoliertes Organ durch ein geeignetes Pumpwerk unter dauernd gleichem Drucke künstlich durchblutet und die Menge des aus der Vene des Organs wieder ausfließenden Blutes dauernd volumetrisch registriert wird. | 1 Bradford and Dean, Pulmonary Circulation. Journal of Physiology. 1894. ® Brodie and Dixon, Contribution to the physiology of the Lungs. Part. II. on the innervation of the Pulmonary blood vessels. Zbenda. 1904. AKTIVE ÄNDERUNGEN DER ARTERIELLEN BLUTFÜLLE DER LUNGEN. 387 Da der Druck, unter dem das Blut in das Organ hineingepumpt wird, wie gesagt, ein gleichmäßiger ist, so kann eine Verringerung der Menge des ausfließenden Blutes nur von einer aktiven Verengerung der Blutgefäße des betreffenden Organs abhängen und eine Vermehrung des Ausflusses von ihrer Erweiterung. Die Autoren hatten nun nachgewiesen, daß die Gefäßnerven der ver- schiedensten Organe noch längere Zeit nach dem Tode erregbar sind, so daß sie bei Reizung der betreffenden Nerven solcher Organe, von denen es bekannt ist, daß sie Gefäßnerven besitzen, noch 2 Stunden nach dem Tode des Tieres die Wirkung an der Veränderung der Menge der aus dem Organ ausfließenden Durchblutungsflüssigkeit sehr deutlich erkennen konnten. Wurden dieselben Versuche aber an den Lungen vorgenommen, so zeigte es sich, daß niemals solche Wirkungen eintraten, die von den Ge- fäßnerven vermittelt werden und die Autoren kamen zu dem Schlusse, daß die Lungengefäße keine Gefäßnerven besitzen, also keiner aktiven Verände- rung ihres Kontraktionszustandes fähig sind. Die letzten Experimente auf diesem Gebiete endlich sind die von A. Krogh aus dem Jahre 1910.! Die hier in Frage kommenden Experimente Kroghs bestanden aus- schließlich in elektrischer Reizung und späterer Durchschneidung der Nervi vagi. Die angewendete Methode bestand gleichfalls in Messung der Blut- menge, die in der Zeiteinheit aus der Lungenvene ausfließt, war aber eine völlig andere, als die Brodies. Sie wurde am lebenden Tiere, das mit Ma üeher Atmung versehen war, vorgenommen und der Blutdruck in Carotis wurde gleichzeitig registriert. | ‚ Von der-Menge des aus der Vene ausfließenden Blutes wurde nicht direkt mechanisch eine Kurve gewonnen, sondern es wurde in gewissen Zwischenräumen die Zeit bestimmt, in der eine gewisse Menge von Blut aus der Vene ausfloß. Die Versuche wurden ferner zukhließlieh an Schildkröten vorgenommen, also an Tieren, die die früheren Experimentatoren zu derartigen Ver- suchen nicht benutzt: hatten. Krogh fand bei diesen Versuchen, daß bei der Schildkröte im N. vagus verengernde Nervenfasern für die Blut- gefäße der Lunge derselben Seite verlaufen und daß diese Gefäßnerven einen Tonus besitzen, da sich die Lungengefäße nach ihrer Durchschneidung erweiterten. Obgleich die Versuche der beiden zuletzt besprochenen Arbeiten an ‚4 August Krogh, On the mechanism of the gas-exchange in the lungs of the tortoise. Skandinavisches Archiv für Physiologie. 1910. 25* 388 © ERNST WEBER: beträchtlich voneinander verschiedenen Tieren vorgenommen wurden, muß es doch sehr auffallen, daß die Resultate einander völlig widersprachen. Ich habe nun schon früher in diesem Archiv! bei Erörterung der vaso- motorischen Verhältnisse der Hirngefäße und des Wertes der verschiedenen dabei angewendeten Untersuchungsmethoden gezeigt, daß die indirekten Methoden der Untersuchung vasomotorischer Verhältnisse bisweilen zu sicher fehlerhaften Ergebnissen führen können, ohne daß man immer nachweisen kann, worin der Fehler der Methode liegt. Die sicherste Untersuchung des vasomotorischen Verhaltens eines Ge- fäßgebietes muß immer die sein, die die direkteste ist, und dies ist die plethysmographische Messung dieses ganzen Gefäßgebietes bei gleichzeitiger Ausschließung der von Veränderung der Herztätigkeit ausgehenden Einflüsse. Pletbysmographische Untersuchungen der Lungen sind früher bereits von Brodie und Dixon vorgenommen worden, aber nicht zum Zwecke der Untersuchung des Verhaltens der Blutgefäße, sondern der Bronchial- muskeln der Lungen. Brodie und Dixon? versahen ihre Tiere mit künstlicher Atmung und schlossen einen Lungenlappen in eine Kapsel luft- dicht ein, ohne daß die zu dem Lungenlappen führenden Bronchien und Blutgefäße beschädigt wurden. Dann wurde das Volumen des Lungenlappens registriert, in den die Atmungsluft bei jedem Stoß der Atmungsmaschine eindrang und dadurch sein Volumen sehr stark vergrößerte. Da der Druck der Atmungsluft immer der gleiche war, konnten Änderungen der jeweilig in dem Lungen- lappen befindlichen Luftmenge nur von Veränderungen des Kontraktions- zustandes der Bronchialmuskeln des Lungenlappens herrühren, die z. B. durch ihre Kontraktion der eingetriebenen Luft den Eintritt erschwerten und zu Änderungen an der Kurve führten. Natürlich wird bei dieser Methode mit den Änderungen der Luftmenge, die sich in dem Lungenlappen befindet, auch die seiner Blutfülle gleich- zeitig gemessen. Die Autoren meinen aber mit Recht, daß die Änderungen der Blutfülle nur äußerst geringen Einfluß auf das Volumen im Vergleich zu den großen Änderungen der Luftmenge des Lappens haben können, und daß sie bei ihren Experimenten völlig vernachlässigt werden können (zit. oben 8. 105). In der Tat ist bei dieser Versuchsanordnung auch bei Ergeb- nissen, dieauf eine Zunahme der Blutfülle im Lungenlappen deuten könnten, "niemals auszuschließen, ob oder wie stark Änderungen der Luftfülle davon 1 Weber, Die Selbständigkeit des Gehirns in der Regulierung seiner Blutver- sorgung. Dies Archiv. 1908. Physiol. Abtlg. S. 510 und vorhergehende. i ?2 Brodie and Dixon, The bronchial muscles, their innervation, and the action of drugs upon them. Journal of Physiology. 1903. AKTIVE ÄNDERUNGEN DER ARTERIELLEN BLUTFÜLLE DER LUNGEN. 389 die Ursache sind. So nehmen Brodie und Dixon auch z. B. bei einer derartigen Kurve (zitiert oben S. 131) ohne weiteres an, daß das Ansteigen der Kurve dadurch verursacht wird, daß in den betreffenden Lungenalveolen infolge von Kontraktion ihrer Bronchialmuskeln eine vollständige Exspiration immer schwieriger und dadurch das Luftvolumen in dem Lappen immer größer wird. . . Die Autoren nehmen nur dann Änderungen der Blutfülle an, wenn der Aortenblutdruck eine gleichsinnige Änderung zeigt (zitiert oben $. 129). Da sie diese Methode also zur Untersuchung des Verhaltens der Lungen- gefäße für untauglich hielten, wendeten die beiden Autoren für deren Unter- suchung, die ein Jahr später veröffentlicht wurde, die Methode der künst- lichen Durchströmung an, die oben ausführlich geschildert wurde, mit der sie zu einem völlig negativen Resultat über das Vorhandensein von Gefäß- nerven der Lungen kamen. | Ich selbst habe nun doch die plethysmographische Untersuchung zur Beobachtung der Schwankungen der Blutfülle der Lungen angewendet, indem ich eine einfache Änderung vornahm, die den Einfluß der Atmung auf den gemessenen Lungenlappen rad nämlich die Verschließung der ausführenden Bronchien durch Unterbindung. Die Versuche wurden an Hunden und Katzen vorgenommen. Kaninchen sind ungeeignet, da an ihren Lungen zu leicht Blutungen auftreten und die Lungen auch sonst sich nicht leicht in das Onkometer einschließen lassen. Die Tiere waren alle kurarisiert und mit künstlicher Atmung versehen. Die Brusthöhle wurde an einer Seite weit geöffnet, und ein Lungen- lappen von seiner Umgebung möglichst isoliert. Am geeionetsten war meist ein Lappen der linken Seite, da er den relativ längsten Stiel besaß. Dann wurde vorsichtig der Bronchus des Lappens isoliert, ohne daß Nerven und Gefäße verletzt wurden, und unterbunden. Ob dies im Inspirations- oder Exspirationsstadium des Lappens geschah, wird später erörtert. Mein Onkometer glich dem Brodies, bestand aus zwei aneinander zu fügenden Teilen, und mit Anwendung einer reichlichen Menge eines ‚steifen Fettes (Lanolin-Anhydrit) war leicht eine vollkommen luftdichte Ab- diehtung zu erzielen. Schwierigkeiten machte oft nur die Kürze des Stieles des Lappens und man kann sich dann das Einlegen in das Onkometer dadurch erleichtern, daß man das Ende des Fadens, mit dem man den Bronchus unterbunden hat, stehen läßt und an dieser Handhabe den Lungenlappen festhält. Da nach der Abbindung des Bronehus natürlich immer mehr oder weniger abgeschlossene Luft sich in dem Lungenlappen befindet, könnte man daran denken, daß doch noch eine Veränderung der Volumkurven durch Kontraktion der Bronchialmuskel bewirkt werden könnte, indem da- 390 ERNST WEBER: durch die Luft innerhalb des Lungenlappens zwar nicht herausgedrängt, aber komprimiert werden könnte, so daß eine Abnahme des Volums des Lappens entstehe. Dagegen muß bemerkt werden, daß bei den Hantierungen mit dem Lungenlappen bei den vorbereitenden Operationen es gar nicht zu vermeiden ist, daß öfter ein Druck auf das weiche Lungengewebe ausgeübt wird, so daß ein großer Teil der Alveolen und kleinen Bronchien zusammengedrückt und verklebt ist. Würde nun wirklich ein starker Druck durch Kontraktion der Bronchialmuskel auf die im Lungenlappen noch befindliche Luft aus- geübt werden, so würde es viel eher, als zur Komprimierung der Luft, die sich übrigens vor der Volumkurve kaum bemerkbar machen könnte, dazu kommen, daß die Luft in die zusammengedrückten Lungenteile getrieben würde, wodurch am Volumen des gesamten Lappens nichts geändert würde. Zudem könnte durch Komprimierung der Luft immer nur eine Volum- verminderung herbeigeführt werden, wir werden aber sehen, daß bei den verschiedenen Arten der Beeinflussung der Lungen meist nur Volumzu- nahme eintritt. Diese Betrachtungen ließen es als unnötig erscheinen, die Versuche bei völliger Luftleere des Lappens zu wiederholen, die durch Füllung des Lappens mit Sauerstoff vor der Abbindung erreicht werden kann, da dieser schnell resorbiert wird. Wie schon oben eingehend besprochen, mußte natürlich immer gleich- zeitig mit der Volumkurve des Lungenlappens die Kurve des Blutdruckes in der Carotis registriert werden, damit die passiv von Veränderungen des Aortendruckes herbeigeführten Änderungen der Blutfülle der Lungen aus- geschieden werden konnten. Dagegen verzichtete ich auf Registrierung des Druckes in der Arteria pulmonalis, da ja, wie gleichfalls oben erwähnt, die Änderungen des Druckes in der Pulmonalis bei den verschiedenen Einwirkungen. kaum erkennbar und fast Null sind. Wie man auch ohne dieses allein durch Registrierung ie Yankas der Lunge und des Blutdruckes in der Carotis zu völlig sicheren An- schauungen über das Verhalten der Blutgefäße kommen kann, soll hier an einem Beispiel gezeigt werden, zu dem ich die Wirkung des Alkohols auf die Lungengefäße auswähle, die deshalb ausführlich durchgesprochen werden soll. Es muß hier jedoch eingefügt werden, daß ich bei meinen zahlreichen Volumaufnahmen der Lungen zwei sehr voneinander verschiedene Arten von Kurven erhielt, je nachdem der Bronchus des gemessenen Lungen- lappens im Exspirationsstadium der Lunge zugebunden wurde, oder im teilweise oder ganz vollendeten Inspirationsstadium. AKTIVE ÄNDERUNGEN DER ARTERIELLEN BLUTFÜLLE DER LUNGEN. 391 Im ersteren Falle, in dem also nur sehr wenig Luft in dem Lappen sich befand, erhielt ich bei den verschiedenen Einwirkungen überhaupt keine Volumänderungen des Lungenlappens, dafür aber besonders deutliche Veränderungen der Größe der einzelnen Pulse der Lungengefäße, während ich in letzterem Falle, bei denselben Einwirkungen besonders sehr deutliche Volumänderungen a Dieser Unterschied erklärt sich offenbar dadurch, daß bei dem Vorhandensein von nur sehr wenig Luft im Lappen, zumal durch die Berührungen des Lappens bei der Operation der Lappen schon stark gedrückt wurde, die Wände des größten Teiles der Alveolen mit- einander fest verkleben, und daß dadurch ein großer Teil der Kapillargefäße ausgeschaltet und die anderen Gefäße durch die Zerrung an ihrer freien ‚Beweglichkeit gehindert werden, so daß nur die größeren und mittleren Gefäße beweglich bleiben und durch ihre Kaliberänderung mehr die Ver- größerung und Verkleinerung der einzelnen Volumpulse bewirken, als Volum- änderungen des ganzen Lappens. Daß übrigens die durch Fingerdruck teilweise luftleer gewordenen Lungenläppchen sehr oft zusammenkleben, fand auch Brodie (zit. oben), der bei seinen Untersuchungen der Bronchial- muskeln feststellte, daß ein gewisser Überdruck bei der Einpumpung der Atmungsluft in einen solchen Lappen ade ist, um die verklebten Teile wieder zu öffnen. Gerade die Möglichkeit aber, willkürlich bei den plethysmographischen Aufnahmen des Lungenvolumens bald deutlichere Volumänderungen im ganzen zu erhalten, bald deutlichere Veränderungen der Pulsgröße, läßt uns viel sicherere Schlüsse ziehen, ob aktive Veränderungen des Kontraktions- zustandes der Lungengefäße selbst die Veränderungen verursachen, oder ob eine isolierte Veränderung der Kontraktionsstärke des rechten Herzens vor- liegt, sie ersetzt uns also gewissermaßen die Messung des Pulmonalisdruckes. Zunächst sei an Fig. 5 gezeigt, wie selbst eine solche Volumänderung der Lunge bisweilen verwertet werden kann, die von einer gleichsinnigen Veränderung des Blutdruckes in der Carotis begleitet wird. . Es kommt oft vor, wie wir sehen werden, daß aktive Veränderungen der Blutfülle der Lungen mit passieren, die von Änderungen im Aorten- druck verursacht werden, gleichzeitig auftreten, und wie oben erwähnt wurde, sind Kurven von derartigen Experimenten meist für unsere Zwecke un- . brauchbar wegen der Schwierigkeit, beide Einflüsse, wenn sie gleichzeitig wirken, zu unterscheiden. An dieser Kurve ist das anders. Die untere Kurve ist die des Lungenvolums. Hier, wie an fast allen anderen Kurven .des Lungenvolums sind die Atemschwankungen deutlich zu erkennen, die in Fig. 5 je vier Pulse umfassen, und man könnte denken, daß der Bronchus des Lappens nicht völlig unterbunden ist und Atmungsluft noch in den Lappen ‚gelangt. 392 ERNST WEBER: Wäre dies der Fall, so würden die Atemschwankungen etwa 10 mal größer ausfallen. Die Ursache ist hier nur die, daß die anderen weiter atmenden Lungenlappen, deren Volumen nicht gemessen wird, bei der At- mungsbewegung einen Druck auf den Gefäßstiel des gemessenen Lappens ausüben, da dieser durch das Onkometer in einer bestimmten Lage ihnen gegenüber festgehalten wird. In Fig. 5 flossen 5 °°= einer 90 prozentigen Lösung von Alkohol lang- sam in die Jugularvene des Tieres hinein. Unmittelbar darauf erhebt sich die Kurve des Blutdruckes leicht zu einer zweimaligen Steigung, senkt sich unter Pulsverkleinerung bis deutlich unter die Höhe des Blutdruckes vor dem Beginn des Experimentes, steigt allmählich wieder etwas an, um dann langsam zum Anfangsstand zurück- I I = Blutdruck in Carotis ! LTM NN Kae ) Fig. 5. Wirkung einer Injektion von 5°” 10°),igen Alkohols in die Vene. Hund. zukehren. Die Volumkurve der Lungen steigt gleichfalls sofort an und bleibt mit kleinen Schwankungen während der ganzen folgenden Zeit in beträchtlicher Höhe über ihrem Anfangsstande. | Wäre nun die gesamte Veränderung der Blutfülle des Lungenlappens ausschließlich eine passive, die von der Steigerung des Aortendruckes be- wirkt wurde, so müßten sich beide Kurven in ihrer Form mehr entsprechen, wenigstens müßte zu der Zeit, in der die Blutdruckkurve bis unter ihre anfängliche Höhe sinkt, auch die Volumkurve wenigstens bis zu ihrer Null- linie absinken. Selbst wenn hier eine der seltenen Arten der Beeinflussung der Blutfülle der Lungen über das rechte Herz hinweg in Frage käme, wie sie oben (8. 381 ff.) besprochen und durch Fig. 4a illustriert wurde, wobei der Erfolg an den Lungen erst etwas später eintritt, als an der Blutdruck- kurve, so müßte während der langsam eintretenden und langsam wieder . zurückgehenden Senkung der Blutdruckkurve unter ihre Nullinie in Fig. 5 auch die Volumkurve Zeit finden, bis auf ihre Anfangshöhe zu sinken, AKTIVE ÄNDERUNGEN DER ARTERIELLEN BLUTFÜLLE DER LUNGEN. 393 Nun kann aber die passive Wirkung in Fig. 5 auf die Lungen in Fig. 5 höchstens durch Rückstauung vom linken Herzen aus eingetreten sein, denn wir sehen die Volumkurve gleichzeitig mit der Blutdruckkurve sich erheben und ungefähr gleichzeitig mit ihr den höchsten Punkt erreichen — auf der Figur ist die Spitze der Volumerhebung nur scheinbar nach rechts verschoben, da der Schreibhebel bei seiner Erhebung einen Kreis- bogen beschreibt. Bei derartiger passiver Beeinflussung muß aber die Volumkurve. so prompt den Schwankungen der Blutdruckkurve folgen, wie wir es in Fig. 1 und Fig. 4a sehen, und die Volumkurve in Fig. 5 müßte erst recht sinken. Sicherlich ist also die Volumzunahme der Lunge in Fig. 5 nicht völlig eine passive Folge der Blutdrucksteigerung. Blutdruck in Carotis Blutfülle Fig. 6. Katze. Von + bis — laufen 10° von 20°/,igem Alkohol in die Vene. Noch einwandsfreier wird dies durch die Kurven von Fig. 6 bewiesen. Hier sehen wir die Blutdruckkurve von Beginn an immer mehr sinken und ihre Pulse immer kleiner werden, es lag eine immer zunehmende Herzschwäche des Tieres vor. Daß nicht etwa eine Gerinnung im Blutdruckschreiber vorlag, die der- artige Pulsverkleinerung vortäuschen kann, ging daraus hervor, daß zunächst auch die Volumkurve der Lungen unter Pulsverkleinerung dauernd sinkt und die Blutdruckkurve später bei Erholung des Tieres (nicht mehr ab- gebildet) wieder völlig normal wurde. Beim Zeichen + bis — liefen 10°” einer 20 Brozenuigen Lösung von Alkohol in die Vene ein. 394 } ERNST WEBER: Obgleich nun die Blutdruckkurve noch weiter sinkt und die Herztätig- keit noch immer weiter sich abschwächt, wie aus der fortschreitenden Buls- verkleinerung hervorgeht (erst beträchtlich später nimmt sie wieder zu), sehen wir sofort eine sehr starke und andauernde Zunahme des Volums des Lungenlappens eintreten, die also ‚unmöglich irgendwie von ger ne änderung des Aortendruckes abhängen kann. Man muß hier daran denken, ob nicht die Zunahme der Blutfülle de Lungen hierbei durch eine Anstauung von Blut in den Lungen und im linken Vorhof infolge der immer schwächer werdenden Arbeit des linken Herzens möglich wäre. Ich habe aber schon oben gezeigt, daß bei verminderter Herzarbeit, wie bei Vagusreizung und bei eintretender Herzschwäche das Lungenvolumen genau entsprechend der Senkung der Blutdruckkurve sinkt, wie dies aus den Figg. 2a, 25, 3 zu ersehen ist. Das gleiche Verhalten sehen wir hier im ersten Teile der Fig. 6 und es kann keinesfalls angenommen werden, daß infolge der Alkoholinjektion plötzlich dieses als normal anzusehende Verhalten des Herzens gestört wird und allein die Funktion des rechten Herzens dadurch gesteigert wird, im Gegensatz zu der des linken, denn wir wissen, daß der Alkohol ganz anders auf den Körper wirkt. In genügend starker Dosis führt er nämlich zu einer kürzer oder länger dauernden Blutdrucksenkung, wie sie in Fig. 5 und besonders Fig. 7 deutlich wird, und diese wird verursacht durch ausgedehnte Erweiterung der Blut- gefäße des Körpers infolge einer Lähmung des allgemeinen Vasomotoren- zentrums in der Medulla. men Es ist also ausgeschlossen, daß die Blutdrucksenkung, die bei Alkohol eintritt, eine Folge von Abschwächung der Tätigkeit des rechten Herzens ist, sondern hat eine ganz andere genau bekannte Ursache, deshalb kann aber auch unmöglich eine passive Zunahme der Blutfülle der Lungen infolge Stauung des venösen Lungenblutes eintreten. Die trotzdem eintretende Zunahme der Blutfülle muß also eine;aktive sein, eine Folge von aktiver Erweiterung der Lunsenge JE, oder von iso- lierter Mehrarbeit des rechten Herzens. i Da nun sowohl bei Vagusreizung als bei spontan iubsefend Has schwäche ein vollkommen gleichmäßiges Verhalten des rechten und des linken Herzens bei den Veränderungen der Stärke ihrer Tätigkeit .nach- gewiesen wurde (siehe Figg. 2a, 25, 3, 6), und eine derartige Wirkung des Alkohols unbekannt, dagegen seine erweiterude Wirkung auf alle anderen Blutgefäße des Körpers bekannt ist, so ist es nicht anders möglich, als eine aktive Erweiterung der Lungenfäße als Ursache der hierbei festgestellten Zunahme der Blutfülle der Lungen zu bezeichnen. ei AKTIVE ÄNDERUNGEN DER ARTERIELLEN BLUTFÜLLE DER LUNGEn. 395 Das geht besonders deutlich auch noch aus Fig. 7 hervor, die im Gegensatz zu den Kurven in Figg. 5 und 6 keine Volumänderungen, da- gegen um so deutlicher die Veränderungen der Pulsgröße zeigt, da bei diesem Versuche, wie oben (8. 391) Bi Bi ausführlich erörtert, die in dem ge-- messenen Lungenlappen eingeschlos- sene Luftmenge im Vergleich zu den beiden Versuchen von Figg. 5 und 6 äußerst gering war. Bei dem Versuch von Fig. 7 — liefen vom Zeichen + bis — 10m : ‚einer 20 prozent. Alkohollösung in die Vene und sogleich sehen wir die Blutdruckkurve unter Pulsverkleine- rung absinken, ohne vorher zu steigen, gleichzeitig aber die Volumpulse der Lungen sich sehr stark vergrößern. Das Sinken des Blutdrucks wieder-: holt sich sogleich darauf, dauert viel länger an und geht erst gegen Ende der Kurve zur Norm zurück. Ent- sprechend der zweiten, länger dauern- den Blutdrucksenkung ‘sehen wir. wieder die Volumpulse der Lungen sich vergrößern und allmählich in genau demselben Verhältnis, in dem die Blutdruckkurve wieder zur anfäng- ‚lichen Höhe ansteigt, auch ihrerseits wieder zu ihrer anfänglichen Puls- größe zurückkehren.‘ Da wir wissen, daß diese Blutdrucksenkung von einer allgemeinen Erweiterung der Blut- gefäße des Körpers herrührt, so kön- nen wir an dieser Kurve sehr schön beobachten, wie die Erweiterung der Lungengefäße, die ihrerseits auch zur Herbeiführung der Blutdrucksenkung beiträgt, genau dem Grade nach paral- lel geht der Erweiterung der anderen "Gefäße des Körpers, die die Blutdruck- senküung hauptsächlich verursachen. = - Fig. T. = -Von + bis — laufen 10 = von 20%,igem Alkohol in die Vene. eines Lungen- lappens An (>) 36 un SE je Bi. Blutfülle 396 ERNST WEBER: .. Wiederum beweist das genaue Zusammenstimmen der’ Kurven auch, daß die Vergrößerung der Volumpulse bei diesen Kurven wirklich von aktiver Erweiterung der Lungengefäße herbeigeführt wird. Schon durch diese Versuche mit Alkohol dürfte mit Sieberiten: die Existenz von Gefäßnerven durch die direkte Messungsmethode bewiesen sein. . Ich wende mich nun zur kürzeren Besprechung der anderen Ainpenk mente, die ich vorgenommen habe. ’ II. Die reflektorische Wirkung von Temperaturreizen. ' Unter den von mir vorgenommenen Versuchen waren. die Wirkungen der Temperaturreize auf die Lungengefäße verhältnismäßig schwächer, als die der wirksamen Medikamente und der wirksamen Nervenreizungen, aber das lag in der Natur der Sache und war auch eine Folge des kürarisierten Zustandes und der unvermeidlichen starken allgemeinen Abkühlung der Tiere. Immerhin waren die Effekte deutlich genug, nur traten sie aus. den angedeuteten Gründen nicht bei allen Tieren mit gleicher Regelmäßigkeit auf, bei manchen Tieren waren durch Temperaturreize überhaupt ' keine Wirkungen zu erzielen, wie das ja auch bisweilen bei Nervenreizungen »so'ist. Bei allen derartigen Experimenten, besonders solchen, die mit so ein- greifenden Operationen verbunden sind, bei denen, wie hier z. B,,:die ge- samte Brusthöhle dauernd weit eröffnet bleibt, können - viele ‘Umstände den positiven Ausfall des Experimentes verhindern. Die negativ ausfällenden Versuche zählen daher nicht, und nur die, bei denen irgend eine Wirkung eintrat, haben zu gelten. Die Wirkungen auf die Lungengefäße bei den im A be- sprochenen Kurven sind also meist nicht so deutlich, wie die in den Figg. 6 und 7 von Alkohol, aber es muß im Auge behalten werden, daß die Existenz von Gefäßnerven für die Lungen durch obige Versuche allein schon bewiesen ist, daß ferner eine isolierte Veränderung: der Kontraktions- energie des rechten Herzens allein nach allem oben Gesagten als aus- geschlossen erscheint. Es liegt daher schon dann die Berechtigung vor, eine aktive Veränderung der Lungengefäße als Ursache einer vorliegenden Volumänderung der Lungen anzusehen, wenn eine passive Beeinflussung des Lungenvolumens von seiten einer gleichzeitigen Änderung des Blut- drucks in der Aorta in jeder Weise sicher ausgeschlossen ‚werden: kann. Zunächst einige Worte über die bereits bekannten Wirkungen von thermischen Reizen auf das Verhalten der Blutgefäße der. wegsglündinen Organe. Nachdem schon Brown-Sequard und Tholozow: ‚1854: eafesckn hatten, daß nach Beibringung eines Kältereizes an den einen Arm sich auch AKTIVE ÄNDERUNGEN DER ARTERIELLEN BLUTFÜLLE DER LUNGEN. 397 die'Gefäße des anderen verengten und bei Wärmereiz erweiterten, ist dann später besonders von Otfried Müller! festgestellt worden, daß diese gleichsinnige Reaktion der äußeren Blutgefäße sich auf die ganze Körper- oberfläche erstreckt. An den Gefäßen der Bauchorgane konnte O0. Müller durch Partial- wägungen und durch Anwendung des,von mir angegebenen inneren Darm- Plethysmographen gleichzeitig das entgegengesetzte Verhalten feststellen, also bei äußerem Kältereiz Erweiterung usw. Dies fand er auch bei Tier- versuchen bestätigt, von denen eine sehr schöne Kurve auf S. 672 der zitierten Arbeit abgebildet ist. O. Müller? untersuchte auch die Wirkung der durch Trinken von kaltem und warmem Wasser herbeigeführten inneren Temperaturreize und fand bei kalt nach kurzer Verengung der äußeren Gefäße eine Erweiterung der äußeren Gefäße und das Umgekehrte bei warm. Er sagt ausdrücklich, daß infolge der Kontraktion der inneren Gefäße, die bei der Abkühlung des Magendarmkanals eintrete, das Blut nach der Körperperipherie ge- trieben werde. Auf das Verhalten der Lungengefäße könnte nur eine einzige Mit- teilung O. Müllers® Bezug haben, nach der bei den Partialwägungen des Menschen, bei denen die verschiedenen Körperteile gleichzeitig jeder durch eine besondere Wage gewogen werden, die Brust bei äußeren Temperatur- reizen ihr Gewicht annähernd behielt. Ich habe aber schon früher“ darauf hingewiesen,. daß diese Messungsart nicht völlig sicher ist, wenn nicht die Änderungen der Atmung, die ja für das Gewicht der Brust natürlich besonders wichtig sind, gleichzeitig regi- striert werden, und das ist bei diesen Messungen nicht geschehen. Immer- hin ist aber der negative Befund an der Brust bemerkenswert. Übrigens ist OÖ. Müller der Ansicht, daß die Lungen keine Gefäßnerven besitzen, daß aber bei äußerer Abkühlung auch zu ihnen das Blut von außen hin- gedrängt werde (zitiert oben S. 718/719). Ich untersuchte bezüglich der Einwirkung auf die Lungengefäße natürlich zunächst auch die Einwirkung der äußeren Temperaturreize. Leider waren, wie erwähnt, Kaninchen zu allen diesen Untersuchungen überhaupt niet zu brauchen. Bei ihnen würden vermutlich äußere Temperaturreize größere Wirkung gehabt haben, als bei Hunden und Katzen, bei denen diese +40, Müller, Sammlung klinischer Vorträge. Nr. 606/608. 1910. Beiträge zur ‚Kreislaufsphysiologie des Menschen, besonders zur Lehre von der Blutverteilung. 20. Müller, zit. oben und Deuisches Archiv für klin. Medizin. Bd. LXXXI. ‚. ® Zit. oben S. 640. ''& Weber, Der Einfluß psychischer Vorgänge auf den Körper. Berlin 1910. S. 212 fl. 398 ERNST WEBER: Wirkungen nur sehr schwach waren. Bei Katzen erhielt ich überhaupt niemals einen Effekt, sondern nur von 4 Hunden ‘und von diesen. ist aus später zu erörternden Gründen noch ein Hund auszuschalten. Blutdruck in Carotis | Blutfülle eines Lungenlappens Fig. 8a. Bei + Guß von Eiswasser auf Bauchhaut. Hund. Blutdruck in Carotis l Blutfülle eines SV Na Lungenlappens ARMMARN ANNIE LANE Fig. 8b. Wie in Fig. 8a. Anderer Hund., ‘Wenn aber überhaupt eine Wirkung der äußeren Temperaturreize auf die Lungengefäße eintrat, so war es bei allen diesen Hunden immer eine gleichsinnige. Die Versuche. wurden. so vorgenommen, daß ein kurzdauernder Guß von Eiswasser oder warmem Wasser (38° bis 40°) der, wenn nötig vorher AKTIVE ÄNDERUNGEN DER ARTERIELLEN BLUTFÜLLE qdER LUNGEN. 399 rasierte, Bauchhaut des Hundes appliziert wurde. Wie erwähnt, waren alle ‚Tiere kurarisiert. ' In Figg. 8a und 85 ist der Erfolg eines solchen kalten Gusses an zwei verschiedenen Hunden zu sehen. In Fig. 85 ist die Abnahme des Lungenvolums nicht so hervortretend wie in Fig. 8a, dafür tritt aber in- folge des sensiblen Reizes bei 85 eine gleichzeitige Blutdrucksteigerung ein, durch die eigentlich das Lungenvolumen passiv vermehrt werden müßte, so daß hier die Gefäßkontraktion in Lunge sicher stärker war, als in Fig. 8a, bei der der Blutdruck gleichmäßig bleibt, oder höchstens eine sehr geringe Steigerung zeigt. Bei Fig. 9 wird beim Zeichen + ein heißer Guß auf die Haut aus- geführt, und es tritt eine Volumzunahme der Lunge ein, die völlig unab- Blutdruck in Carotis Blutfülle An r ; AANAnNN | ! AA N HUN Y\ AAN lappens AanaM uni N N Fig. 9. Bei + heißer Guß auf Bauchhaut. Hund. hängig von den gleichzeitigen Veränderungen des Blutdrucks ist, da dieser nicht ansteigt, sondern eher sinkt. Die Volumkurve steigt nach kurzer Zeit gleichfalls aktiv noch bedeutend stärker an, indessen habe ich eine so starke Volumzunahme nur dies eine Mal bei äußeren Wärmereizen beob- achtet, sonst waren die Änderungen bei Wärme- nicht größer als die bei Kälteapplikation. Obwohl dies nur sehr wenige positiv ausgefallene Versuche sind und sowohl Wärme- als Kältereize der Haut, gleichzeitig nur bei einem Hunde deutliche Wirkung auf die Lungengefäße hatten, da schon nach dem ersten Reiz :meist Äbstumpfung gegen äußere Temperaturreize eintritt, spricht doch der: gleichsinnige Ausfall aller positiven Versuche dafür, daß ein äußerer Kältereiz ‚eine Verengerung der Lungengefäße herbeiführt und ein äußerer Wärmereiz eine Erweiterung. 400 spe! ERNST WEBER: Es würden sich also die Lungengefäße hierbei umgekehrt verhalten, wie die Gefäße der Bauchorgane und die Lehre, daß sich bei Temperatur- reizen die inneren Körpergefäße in ihrer Gesamtheit entgegengesetzt ver- halten, wie die äußeren Gefäße, die besonders Otfried Müller vertritt, würde für die Lungengefäße zunächst bei äußeren Reizen nicht zutreffen. Blutdruck in Carotis TE Blutfülle eines Lungenlappens Fig. 10a. Bei + heißer Guß in geöffnete Bauchhöhle. Katze. Blutdruck in Carotis Blutfülle eines Lungen- lappens Fig. 105. Wie in Fig. 104. Andere Katze. Meine nächste Versuchsreihe bestand darin, daß die Temperaturreize anstatt von außen, von innen auf den Körper wirken sollten, und zwar wurden: zunächst die gleichen kalten und heißen Güsse nach Baal der Bauchhöhle in diese Leibeshöhle direkt verabfolgt. AKTIVE ÄNDERUNGEN DER ARTERIELLEN BLUTFÜLLE DER Lungen. 401 Dabei ist es nun gar nicht zu vermeiden, daß infolge des sensiblen Reizes in jedem Falle eine stärkere oder schwächere Steigerung des Blut- drucks eintritt, und es darf deshalb eine gleichzeitig eintretende Volum- zunahme der Lungen als aktive Veränderungen nur dann angesehen werden, wenn sie die Blutdrucksteigerung so lange überdauert, daß sie unmöglich mehr eine Folge der Blutdrucksteigerung sein kann. Ein solches Verhalten zeigen die Kurven in Figg. 104 und 105, die beide von Katzen stammen, bei denen, außer bei Hautreizen, die Wirkungen der Temperatureinflüsse ebenso häufig waren, wie bei Hunden. Volumen des Darmes Blutfülle eines Lungen- lappens IM IN ANUINAIIAMN — Blutdruck in Carotis Fig. 11. Kalter Guß in geöffnete Bauchhöhle, Hund. In Fig. 10a sehen wir gleichzeitig mit der Blutdruckkurve die Volum- kurve ansteigen, nachdem bei + das heiße Wasser in die Bauchhöhle ge- gossen war, aber während nach kurzem die Blutdruckkurve bis weit unter ihre anfängliche Höhe sinkt und da verharrt, offenbar infolge einer aus- gedehnten Gefäßerweiterung im Körper, bleibt die Volumkurve dauernd auf ihrer erreichten Höhe, so daß man mit Sicherheit nach den oben ent- wickelten Grundsätzen auf eine aktive Erweiterung der Lungengefäße schließen kann. Archiv f. A,u. Ph, 1910, Physiol. Abtlg. Suppl. 26 402 | ERNST WEBER: In Fig. 105 sinkt der Blutdruck zwar nicht wieder völlig zur Null- linie, aber der Unterschied zwischen seiner höchsten und der nachherigen Höhe ist so groß, daß die Volumkurve bei Abhängigkeit von dieser Steige- rung auch ihrerseits einen ausgesprochenen Gipfel zu ungefähr gleicher Zeit aufweisen müßte, was keineswegs der Fall ist. Im Gegenteil zeigt sich die Unabhängigkeit der Volumkurve vom Blutdruck dadurch, daß sie erst dann allmählich wieder zu sinken beginnt, als die Blutdruckkurve wieder leicht ansteigt. Die Wirkung des kalten Gusses in die offene Bauchhöhle zeigt Fig. 11, die von einem Hunde stammt und auf der außer der Blut- druckkurve, die die unterste ist und der Volumkurve des Lungenlappens, die in der Mitte steht, als oberste noch die Volumkurve einer Darmschlinge verzeichnet ist, die das gleichzeitige Verhalten der Gefäße der Bauchorgane wiedergibt. Bei dem Zeichen + erfolgte der kalte Guß in die offene Bauchhöhle und wir sehen sogleich eine in 2 leichten Wellen auftretende Blutdruck- steigerung eintreten, die offenbar verursacht wird durch eine Kontraktion besonders der Bauchgefäße, die sich an der Volumkurve der Bauchorgane jedesmal durch Volumabnahme kennzeichnet, die gleichfalls in 2 Wellen verläuft, die zeitlich genau den Wellen der ne riechen, aber ihnen natürlich entgegengesetzt gerichtet sind. Gleichzeitig mit der Blutdrucksteigerung sehen wir aber das Lungen- volumen deutlich sinken und erst wieder gleichzeitig mit der Blutdruck- kurve zu ihrer anfänglichen Höhe zurückkehren. Es ist kein Zweifel möglich, daß diese Volumverminderung von einer aktiven Kontraktion der Lungengefäße herrührt, die durch ihre Kontraktion auch mit zu der gleich- zeitigen Blutdrucksteigerung beitragen, wie das Zusammenfallen beider Ver- änderungen beweist. Es geht aus diesen Versuchen hervor, daß bei Einwirkung der Temperaturreize an der Innenseite der offenen Bauchhöhle die gleichen Wirkungen an den Lungengefäßen eintreten, wie bei den Temperaturreizen an der äußeren Haut; bei Kältereizen verengen sie sich und bei Wärme- reizen erweitern sie sich. Die Lungengefäße verhalten sich also bei Ein- wirkung der Reize vom Innern der Bauchhöhle aus gerade so wie die Blut- gefäße der Bauchorgane selbst, im Gegensatz zu der Wirkung der äußeren Reize, bei denen sie sich umgekehrt verhielten. Es gab noch andere Möglichkeiten der Beibringung von Temperatur- reizen, zunächst die Art des Einlaufenlassens von kaltem und warmem Wasser in den Magen. Die physiologischen Wirkungen des „kalten Trunkes“ haben immer viel Interesse erweckt, man konnte aber früher nur feststellen, daß er eine Blutdrucksteigerung herbeiführen kann, und daß, wie schon ns erwähnt, AKTIVE ÄNDERUNGEN DER ARTERIELLEN BLUTFÜLLE DER LUNGEN. 403 bei kaltem Trunk am Menschen nach vorübergehender Verengerung eine Erweiterung der äußeren Gefäße eintritt, die als Folge der Verengerung der inneren Gefäße angesehen wurde. Bei heißem Trinken wurde das Um- gekehrte festgestellt. Da ich bei Einwirkung des kalten Wassers im Inneren der geöffneten Bauchhöhle neben der Verengerung der Bauchgefäße auch eine Verengerung der Lungengefäße gefunden hatte, so erwartete ich auch bei Eingießen von kaltem Wasser in den Magen eine Verengerung der Lungengefäße ein- treten zu sehen und bei heißem Wasser das Umgekehrte. Der Erfolg war aber erstaunlicherweise ein völlig anderer. Blutfülle eines LAANAAAAh! N IM Ah! f NN NN lappens Blutdruck in Carotis Fig. 12. Von + bis — läuft Eiswasser durch Schlauch in den Magen. Die Versuche wurden so angestellt, daß eine Magenschlauch in den Magen des Tieres eingeführt wurde und eine nicht zu große Menge von Eiswasser oder Wasser von 38 bis 39° unter geringem Druck durch die Magensonde in den Magen entleert wurde. Nach Beendigung des Ein- gießens floß der größte Teil der Flüssigkeit von selbst wieder aus dem Magen heraus. Ich überzeugte mich, daß die Anfüllung des Magens keinen mecha- nischen Einfluß auf die Volumkapsel und die Lungen ausübte, der ja auch bei kalt und warm der gleiche gewesen wäre. Natürlich entstand auch bei diesen Versuchen infolge des sensiblen Reizes meist eine reflektorische Blutdrucksteigerung, die das Erkennen einer aktiven Volumzunahme der Lungen erschwerte, aber deren Einfluß auch hier bei verschiedenen Versuchen mit Sicherheit ausgeschieden werden konnte. Bei Fig. 12 lief von + bis — Eiswasser in den Magen des Tieres und ausnahmsweise sinkt der sehr unruhige Blutdruck hierauf, so daß die 26* 404 ERNST WEBER: Volumzunahme des Lungenlappens, die gleichzeitig auftritt, nur auf eine aktive Erweiterung der Lungengefäße zu beziehen ist. nie ae or 29 SE +6 un Fr saure Sıapmid sSOmIgA sap usumjoA "SL ‘314 ‘OSB Uap Ur Yonefgog Yoınp Josswasırg une — stq + von In Fig. 13 sei gezeigt, daß diese Gefäßerweiterung in den Lungen nach dem kalten Einlauf in den Magen auch sehr lange andauern kann. Die Erhebung der Volumkurve der Lungen, die hier die mittlere Kurve AKTIVE ÄNDERUNGEN DER ARTERIELLEN BLUTFÜLLE DER LUNGEN. 405 ist, ist unabhängig von den Schwankungen des Blutdruckes, der untersten Kurve, denn wir sehen, daß sie auch dann noch bestehen bleibt, als der Blutdruck im zweiten Teil der Kurve stark absinkt. Die oberste Kurve, die des Volums der Bauchorgane, steigt von Beginn bis Ende der Figur im ganzen dauernd an, besonders stark gleichzeitig mit dem Ansteigen der Volumkurve der Lungen. Ich beobachtete immer, meist noch deutlicher als in dieser Figur, ein solches Ansteigen der Volumkurve der Bauchorgane, also ein gleichsinniges Verhalten der Bauch- und Lungengefäße bei diesen Reizen vom Magen aus. Die Blutdrucksteigerung, die oft dabei eintritt, wird in diesen Fällen von der gleichzeitigen Verengerung der äußeren Gefäße des Körpers ver- anlaßt, die ja auch Otfried Müller als erste Wirkung des kalten Trunkes Blutdruck in Carotis N Mh) MM I Fig. 14. Von + bis. — Jäuft heißes Wasser durch den Schlauch in den Magen. beim Menschen foststellte, wie oben erwähnt wurde. O. Müller bezeichnet diese Wirkung zwar nur als vorübergehend, sie dauert aber auf seinen eigenen Kurven! beträchtliche Zeit und nicht viel kürzer, als die Verengerung der- selben Gefäße bei äußerem Kältereiz. Die entgegengesetzte Wirkung des Einlaufens von heißen: Wasser in den Magen illustriert Fig. 14. Hier tritt nach Beginn des Einfließens eine leichte Blutdrucksteigerung ein und trotzdem sehen wir das Lungenvolumen deutlich sich vermindern, also die Lungengefäße sich verengern. Es wurde demnach bei Temperaturreizen von der Innenseite des Magens aus die umgekehrte Wirkung auf die Lungengefäße festgestellt, wie von der Innenseite der eröffneten Bauchhöhle aus, bei der Magen und Darm ‘ von der Außenseite berührt werden. ! Deutsches Archiv für klinische Medizin. Bd. LXXXII. 406 ERNST WEBER: Es konnte daran gedacht werden, daß die in den Magen einlaufende Flüssigkeit beim Passieren des Ösophagus die in der Nähe liegenden Lungen vielleicht direkt beeinflußt, obwohl dies sehr unwahrscheinlich war. Als Wirkung könnte man sich dann aber nur bei kalt eine Verenge- rung der Lungengefäße und bei warm eine Erweiterung vorstellen, und wir sehen hier das Gegenteil eintreten. Daß die direkte Wirkung der Temperatureinflüsse auf die Lungen die zu erwartende wirklich ist, darauf deuteten auch einige meiner Versuche hin. Fig. 15 illustriert einen Versuch, bei dem ich von + bis — vorsichtig etwas warmes Wasser auf die frei liegenden Lungenlappen der Seite, auf Blutfülle eines Lungen- lappens Blutdruck in Carotis . ' \ Mi ‘Fig. 15. Von + bis — fließt warmes Wasser auf einen frei liegenden Lungenlappen. der der eine Lappen volumetrisch gemessen wurde, laufen ließ, und zwar so, daß möglichst die Flüssigkeit nicht in Berührung mit dem Herzen kam. Wie zu erkennen, sinkt der anfänglich gestiegene Blutdruck bald unter die Anfangshöhe und trotzdem bleibt das Volumen des Lungenlappens stark vermehrt, so daß wir daraus auf eine aktive Erweiterung seiner Gefäße schließen müssen. Wenn nun die Ursache der verschiedenen Wirkung der Temperatur- reize in der offenen Bauchhöhle und im Magen auf die Lungengefäße darin !jegt, daß einmal der Reiz an der Innenfläche des Magendarmkanals, das andere Mal an der Außenfläche auf das Peritoneum wirkt, so würden wahrscheinlich die gleichen Temperaturreize, die als Klystiere/auf die Innen- AKTIVE ÄNDERUNGEN DER ARTERIELLEN BLUTFÜLLE DER Lungen. 407 fläche des untersten Teiles des Darmkanals wirken, ebenso wirken, wie die Eingießungen in den Magen. In der Tat fand ich dies bestätigt. Der Erfolg ist allerdings durchaus nicht bei allen Tieren festzustellen, aber darüber habe ich schon zu Beginn des Abschnittes gesprochen. Un- angenehm ist es auch, daß selbst bei den empfindlichen, also in geeignetem Zustande befindlichen Tieren meist nur der erste, selten mehrere Temperatur- reize erfolgreich sind, da man, um überhaupt bei den arg malträtierten Tieren ‚Erfolge zu erzielen, so starke Temperaturreize anwenden muß, daß meist das Aufnahmeorgan dann für die späteren Temperaturreize abgestumpft ist. 1 1 ET SSL NDR f in Carotis ” LT re Blutfülle eines Lungen- IEAREINL. |) LU LCIUITHEFAUFRERERTER lappens Fig. 16. Bei + Klystier von Kiswasser. Immerhin habe ich auch bei den Temperaturreizen durch Klystiere mehrere hinreichend deutliche Wirkungen gesehen, von denen ein Beispiel in Fig. 16 wiedergegeben ist. Am Blutdruck ist auf dieser Figur nach der Eingießung des Klystiers von Eiswasser keine Änderung zu sehen, er fällt gleiehmäßig unter Puls- verkleinerung ab, an der Volumkurve der Lungen tritt aber deutlich die Volumzunahme hervor, die nach kurzem wieder zum Anfangsstande zurück- kehrt und entsprechend der Blutdrucksenkung gleichfalls in eine absteigende Linie übergeht. | Es spricht also alles dafür, daß der Unterschied in der Wirkung der von innen wirkenden Temperaturreize auf die Lungengefäße davon abhängt, ob der Reiz auf das Peritoneum wirkt, oder auf die Innenfläche des Magen- . darmkanals. Endlich muß ich noch erwähnen, daß der Ausfall aller dieser Versuche über die Wirkung von Temperaturreizen auf die Lungengefäße insofern nicht ein vollkommen einheitlicher war, als bei 2 Tieren, 1 Hund und 408 ERNST WEBER: 1 Katze, die Resultate zum Teil andere waren. Bei diesen beiden Tieren trat nämlich bei allen Reizen immer nur eine Verengerung der Lungen- gefäße ein, niemals eine Erweiterung. Also z. B. bei Kältereiz vom Magen oder Mastdarm aus verengten sich die Lungengefäße, während sie sich bei allen anderen Tieren erweiterten. Daß es sich aber bei diesen beiden Tieren um abnorme Ausnahmefälle handelt, wird sich aus dem Folgenden ergeben, in dem gezeigt werden wird, daß bei diesen Tieren auch bei solchen medikamentösen Einwirkungen Verengerung der Lungengefäße auftrat, die sonst immer zu starker Erweiterung führten, und daß bei ihnen auch ab- norme Eigenschaften der Gefäßnerven durch deren Reizung direkt nach- gewiesen werden konnten. Die Ergebnisse der Temperaturreize bei diesen beiden Tieren konnten deshalb im Vorstehenden völlig beiseite gelassen werden. Ich versuchte endlich noch, den Einfluß der Einatmung von stark abgekühlter Luft auf die Lungengefäße zu untersuchen, da dies ja klinisches Interesse hat. Um den Unterschied deutlich zu machen, empfahl es sich, zunächst erwärmte und dann plötzlich kalte Luft von dem nicht im Onkometer liegenden Lungenlappen atmen zu lassen. Durch Anwendung von Über- druck und Quecksilberventilen läßt es sich erreichen, daß der Druck der eingepumpten Luft vor und nach dem Wechseln der Luftzufuhr völlig gleich ist. Es gelang mir aber nicht, trotz Durchleitung der Atmungsluft durch eine in Kältemischung liegende Kupferschlange von 3” Länge eine hinreichende Abkühlung der Luft zu erreichen. Dies würde sich aber viel- leicht durch Anwendung von flüssiger Luft erreichen lassen und ebenso würde man auf solche Weise den Einfluß der Beimischung der verschiedenen in Frage kommenden Gasarten zu der Atmungsluft auf die Lungengefäße untersuchen können. | III. Die Wirkung von Arzneimitteln. Der Einfluß des Alkohols auf den Kontraktionszustand der Lungen- gefäße wurde schon im ersten Teil aufs ausführlichste hespiunleug und braucht deshalb hier nicht wieder erwähnt zu werden. Die gelösten Medikamente wurden vorsichtig in die Vena jugularis injiziert und die Wirkung der dadurch herbeigeführten Vermehrung der Flüssigkeits- menge im rechten Herzen wurde natürlich jederzeit, auch durch Probever- suche mit indifferenten Flüssigkeiten, von der vasomotorischen Wirkung der Medikamente mit Sicherheit ausgeschieden. Überdies begann die Wir- kung an den Lungengefäßen oft erst etwas später und hielt natürlich viel länger an, als die Wirkung der Injektionsflüssigkeit an sich. AKTIVE ÄNDERUNGEN DER ARTERIELLEN BLUTFÜLLE DER LUNGEn. 409 Zunächst bespreche ich die Wirkung derjenigen Medikamente, bei denen ich in mehreren Versuchen immer die gleiche Wirkung auf die Lungen- gefäße feststellte Es waren dies außer dem Alkohol das Adrenalin, das Morphin, das Ergotin und das Nitroglyzerin. Brodie und Dixon! fanden bei ihrer Me- thode der künstlichen Durchblutung nach Injek- tion von Adrenalin in allen anderen untersuchten Organen Verengerung der Blutgefäße, die durch Erregung der Endigungen 'der Vasokonstriktoren in diesen Organen bewirkt wird. Bei den Lungen fanden sie im Gegensatz dazu Erweiterung und schließen daraus, daß die Lungengefäße keine Vasomotoren besitzen, da diese Erweiterung eine passive sei. Zu der Annahme, daß bei Adrenalin wirklich nur eine Erweiterung der Lungengefäße eintritt, wenn auch stark verspätet, würde man nach der hier abgebildeten Fig. 17 kommen, die von einem meiner Versuche stammt, bei denen nur ‚sehr wenig Luft in dem gemessenen Lungen- lappen abgeschlossen war und daher, wie oben ‚erörtert, keine Volumänderungen, sondern nur Änderungen der Pulsgröße hervortreten. Beim Zeichen + wird dieser Katze 0-0002 Adrenalin injiziert und sofort beginnt die Blutdrucksteigerung, die das Zeichen für den Beginn der konstrik- torischen Wirkung des Adrenalins auf die Ge- fäße ist. Vorläufig tritt aber noch keine Veränderung an der Größe der Lungenpulse ein und das zeigt, daß keine passive Veränderung infolge der Blut- drucksteigerung bei ihnen sichtbar wird. Erst bedeutend später, als der Blutdruck schon wieder zu. sinken beginnt, setzt eine starke Vergröße- rung der Lungenpulse ein, die eine aktive Er- ‘weiterung der Lungengefäße bedeutet, auch noch Katze. Fig. 17. Bei + Injektion von 0-0002 Adrenalin. = = 3 3 E\ 5; es E =! = 3 = = = anhält, als der Blutdruck auf seine anfängliche -& © Höhe wieder gesunken ist und dann allmählich <= “ag u 2 28, ! Zit. oben. Journal of Physiology. 1904. es = 410 ERNST WEBER: zurückgeht. Wohlgemerkt tritt die Erweiterung der Lungengefäße schon ein, als die anderen Gefäße des Körpers noch stark und noch längere Zeit hindurch kontrahiert sind. | Bei Aufnahme der echten Volumkurve zeigt sich jedoch, daß der Er- weiterung der Lungengefäße bei Adrenalin eine kurzdauernde Verengerung vorausgeht, die auf den anderen Kurven nicht deutlich zum Ausdruck ge- kommen war, da sie weniger hervortritt. Auf Fig. 17 könnte als Wirkung dieser Verengerung höchstens der Umstand angesehen werden, daß die Lungenpulse unter der Blutdruck- steigerung nicht passiv vergrößert werden. In Fig. 18 ist deutlich die sofort nach der Injektion eintretende Gefäß- verengerung der Lungengefäße zu erkennen und ebenso ist, wie in Fig. 17 a Mn | ie u ja m" _ Il A ng, in Carotis ! ı Blutfülle | DEHHTHRERT Mi all) Lunge Inn un NUN Wr un N Ih Ay ) Mn 11) An Ha j wi u Hi lappens AH Fig. 18. Bei + Injektion von 0.0002 Adrenalin. schon deutlich war, zu erkennen, daß die nachfolgende viel bedeutendere - Volumzunahme nicht'nur durch ein Nachlassen der Kontraktion der Lungen- gefäße und dann wirksam werdende passive Beeinflussung durch die Blut- drucksteigerung herbeigeführt wurde, sondern durch aktive Erweiterung der Lungengefäße, da diese, später beginnend, auch länger als die Blutdruck- steigerung dauert und ne ihren Kulminationspunkt bedeutend später hat, als jene. Noch deutlicher tritt die vorausgehende kurze Gefäßverengemmen in der Lunge bei Adrenalin bei einem anderen Versuche hervor, der in Fig. 19 abgebildet ist. | Während durch die Versuche mit Alkohol, die im ersten Abschnitt ausführlich beschrieben wurden, die Existenz von gefäßerweiternden Nerven für die Lungen bewiesen wurde, ist durch diese Versuche mit Adrenalin, im Gegensatz zu den Ergebnissen der indirekten Methode Brodies, auch die Existenz von konstriktorischen Nerven für die Lunge bewiesen. AKTIVE ÄNDERUNGEN DER ARTERIELLEN BLUTFÜLLE DER Lungen. 4ll Ich wende mich nun zu der Wirkung des Morphins, das deshalb hier von Interesse ist, da es häufig bei Lungenbluten verabreicht wird. Bei dem Versuche, der in Fig. 20a illustriert ist, wurden einem mittel- großen Hunde 0-01" Morphin injiziert und zwar in der Zeit vom Zeichen + bis —. Der Blutdruck sinkt darauf stark ab und setzt das Sinken bis zum Ende der abgebildeten Kurve fort. Das Lungenvolumen sinkt zunächst, offenbar passiv, auch, steigt aber nach kurzem unter Pulsvergrößerung immer weiter an, direkt entgegen dem Verhalten des Blutdruckes. Das gleiche Verhalten sehen wir auf Fig. 20b, bei der von + bis — einer Katze 0.2s’m Morphin injiziert wurde, nur daß hier das Ansteigen ll) 1,1 Blutdruck mann) I RR 11) nl) in Carotis Blutfülle eines Lungen- lappens Fig. 19. Bei + Injektion von 0-0002 Adrenalin. des Lungenvolums sofort nach der Injektion beginnt, was offenbar davon herrührt, daß die Blutdrucksenkung nicht so stark ist und nicht so schroff abfällt, wie in Fig. 20a. Es geht aus diesen Versuchen hervor, daß Morphin zu einer reinen aktiven Erweiterung der Lungengefäße führt. Das Ergotin ist gleichfalls hier von Interesse, da es bei Lungenbluten häufig gegeben wird, in der Idee, daß es kontrahierend auf die Lungen- gefäße wirke. Aus diesem Grunde untersuchten seine Wirkung auch schon Brad- ford und Dean,! die, wie oben erwähnt, den Druck in Arteria carotis 1 Zit. oben. Journal of Physiology. 1894. » 412 . ERNST WEBER: und Arteria pulmonalis maßen. Sie fanden, wie sie sagen (die Änderungen des Pulmonalisdruckes sind äußerst gering), nach Ergotin bei fallendem Drucke in Carotis eine geringe Steigung des Pulmonalisdruckes. Blutdruck ın Carotis "Blutfülle eines Lungen- lappens 11 A MEHRUN I Y KANN $ J ven A A Ü | N \ MN \ANNI y \N AA WN FE la a \ uf I l Jhd HN EN Fig. 20 a. Von + bis — Injektion von 0-01 Morphin. hydrochl, Hund. Blutdruck Min j ii „ Ir, mM ; 5 UINUNINUNNN I hl) LAN INTITLE im Carotis uuummun u n TUT a + 2 ie | |; ll Ä einen N an 1 hy Lungen- lappens Fig. 20 5. Von + bis — Injektion von 0-2 Morph. hydrochl. Katze. Ich selbst fand bei mehreren Versuchen eine reine Erweiterung der Lungengefäße infolge von Ergotin. In Fig. 21 ist ein solcher Versuch ab- gebildet. In der Zeit vom Zeichen + bis — wurden 0.06 em Ergotin injiziert, dieselbe Dosis, die Bradford und Dean angewendet hatten. AKTIVE ÄNDERUNGEN DER ARTERIELLEN BLUTFÜLLE DER Lungen. 413 Es tritt auch die bekannte Blutdrucksenkung ein und gleichzeitig eine deutliche Volumzunahme der Lunge, also aktive Erweiterung ihrer Gefäße ohne jede vorhergehende Gefäßverengerung. 3 i= E _ oO &0 E co 3 > E e S E = 3 S N = Ss -i a 5 E 3 Dee) 3 „20 a 3 = Eı R> E Pen e = 3 3 = 3 = 3 = | > E d E e= E a Ei 2 WE E 5 =z or zu — — 3 | = > E —_ EB = = E SE = „8a Pe} | == SomS, 38 =.ag5s =o 3533 Pape | Blutdruck in Carotis Blutfülle eines Lungen- lappens Es zeigt dies deutlich, wie wenig maßgebend die kaum erkennbaren Änderungen des Pulmonalisdruckes gegenüber den Resultaten der direkten Volummessung sind. Ich untersuchte ferner die Wirkung des Nitroglyzerins, weil dies häufig bei Asthma gegeben wird. In Fig. 22 wurden bei + einem Hunde 0.001 '® Nitroglyzerin inji- Bei + Injektion von 0-001 Nitroglyzerin. 414 ERNST WEBER: ziert und wir sehen, daß ohne eine Veränderung im Blutdruck, der nur allmählich schwächer wird, eine starke und anhaltende Volumzunahme der Lungen eintritt, die nur auf aktiver Gefäßerweiterung beruhen kann. In anderen Fällen ist die Wirkung nicht so deutlich, da meist gleichzeitig eine geringe Blutdrucksteigerung eintritt. Blutdruck in Carotis LIT Me TANTE Blutfülle eines Lungen- lappens Fig. 23a. Bei + Injektion von 0-0005 Atropin. Katze. Blutdruck in Carotis Blutfülle eines Lungen- lappens un 2 ww Na ‚aha ah yuhN Khnpuhhhlah Di Fig. 235. Bei + Injektion von 0.001 Atropin nach vorhergehender Wirkung einer größeren Alkoholdosis. Katze. Ich füge hier ein, daß die oben beschriebenen Effekte der Medikamente auch eintraten, nachdem beide Vagi am Hals durchschnitten waren. Se stammt 2.B. die eine der beiden über die Wirkung des Morphins beigegebenen Kurven, die Fig. 20a, von einem Hunde, dessen beide Vago-Sympathici durchschnitten waren. Ich komme im nächsten Abschnitt auf diesen Umstand zurück. Abgesehen vom Adrenalin, das zunächst eine Verengerung der Lungen- gefäße bewirkt, führen also Alkohol, Morphin, Ergotin und Nitroglyzerin AKTIVE ÄNDERUNGEN DER ARTERIELLEN BLUTFÜLLE DER LUNGEN. 415 zu einer' starken Erweiterung der Lungengefäße, und zwar diese wurde bei allen Versuchen festgestellt. In gewissem, wenn auch wohl nur graduellem Gegensatze dazu stehen drei andere Medikamente, zu denen ich jetzt komme, nämlich Atropin, „Koffein und Nikotin, die bei der ersten Anwendung auch zu einer, wenn auch geringeren Erweiterung der Lungengefäße führen, deren erweiternde Kraft aber begrenzt ist und sogar ins Gegenteil umschlagen kann, wenn die gefäßerweiternden Nerven der Lungen durch vorhergehende Einwirkungen stark ermüdet sind. Ich will nicht behaupten, daß es völlig unmöglich sei, durch sehr oft wiederholte Anwendung großer Dosen einzelner der bisher besprochenen Mittel nicht auch eine solehe Umkehrung der Wirkung herbei- zuführen, obwohl ich bei Alkohol z. B. auch bei häufig wiederholter Gabe sehr großer Dosen immer nur Erweiterung, nie Verengerung der Lungen- gefäße eintreten sah, aber sicherlich ist die zu Beginn erweiternde Wirkung der jetzt zu besprechenden Mittel schon an sich eine bedeutend schwächere, als bei den anderen Mitteln. In Fig. 23a ist die Wirkung von 0-0005 == Atropin auf eine Katze ab- gebildet. Während der Blutdruck nach kurzer Steigung dauernd sinkt, tritt deutlich die, wenn auch geringe, aktive Gefäßerweiterung in der Lunge hervor. Die Wirkung in Fig. 23b, die von 0.001 8”% Atropin gleichfalls bei Katze herrührt, war nicht die Wirkung einer ersten Injektion von Atropin. Kurz vorher war dem Tier eine große Dosis Alkohol injiziert worden und hatte die sehr starke und langdauernde Erweiterung der Lungengefäße herbeigeführt, die oben in Fig. 6 abgebildet wurde. Wir sehen in Fig. 23b nach der kurzen, sicherlich passiven Volum- zunahme eine starke und langdauernde Gefäßverengerung in der Lunge auftreten, die allmählich, gegen den sanft sinkenden Blutdruck wieder zurückgeht. Es ist kaum zweifelhaft, daß die Ermüdung der erweiternden Gefäß- nerven der Lunge infolge der starken Alkoholwirkung es bewirkte, daß der schon an sich geringe erweiternde Erfolg des Atropins hier in das Gegen- teil umschlug. Ähnlich gering ist die erweiternde Wirkung des Koffeins für die Lungen- gefäße. ... In Fig. 24a wurden von + bis — der frischen Katze 0-05 5” Koffein injiziert und obwohl die Blutdruckkurve kurz danach unter ihren Anfangs- stand sinkt, bleibt das Volumen dauernd vermehrt. Der Versuch von 245 wurde an einer Katze vorgenommen, bei der kurz vorher eine äußerst starke und sehr langdauernde aktive Erweiterung der Lungengefäße (nicht mit abgebildet) infolge einer Injektion von 0.001 8m Strychnin stattgefunden hatte. 416 ERNST WEBER: Bei der hierauf erfolgenden Injektion von 0-05 em Koffein bei + sehen wir nach einer kurzen Volumzunahme eine starke und langdauernde Volum- abnahme eintreten, die von Blutdruckänderungen völlig unabhängig ist, obwohl der Blutdruck zunächst eine Kleinigkeit gesunken ist, aber sich bald wieder sanft erhebt, während die Volumkurve zu sinken noch lange fortfährt. Blutdruck in Carotis utfülle a ; Im aa Y / Ei) N U) lappens nn 4 pn Fig. 24a. Bei + Injektion von 0:05 Koffein. Katze. Blutdruck in Carotis Blutfülle eines f N \ “ Lungen > lappens Fig. 24 b. Bei + Injektion von 0-05 Koffein nach vorhergehender Wirkung von 0-001 Strychnin. Die kurze Volumzunahme vorher erweist sich bei näherer Betrachtung als höchstwahrscheinlich durch kurze aktive Erweiterung der Lungengefäße veranlaßt, im Gegensatze zu der kurzen passiven Volumzunahme der Lungen in Fig. 23b. So schlägt also nach starker Ermüdung der gefäßerweiternden Nerven AKTIVE ÄNDERUNGEN DER ARTERIELLEN BLUTFÜLLE DER LUNGEn. 417 der Lunge die ursprünglich schwach erweiternde Wirkung des Kofieins auf die Lungengefäße gleichfalls in eine verengende Wirkung um, im Gegensatz zu der Wirkung des Atropins scheint ihr aber, ich habe es öfter beobachtet, auch dann eine kurzdauernde aktive Erweiterung der Lungengefäße voraus- zugehen. EEE 2 377 Blutdruck MAN AHHTDTNUNNTENENTTNTCTentannnsarnununnen in Carotis Blutfülle eines Lungen- lappens Fig. 25. Bei + Injektion von 0-03 Nikotin. Katze. Blutdruck in Carotis NW m Blutfülle eines Lungen- lappens Fig. 255. Bei + Injektion von 0-03 Nikotin. Katze. Eine andere Stellung als diese beiden Mittel nimmt endlich das Nikotin ein. Es ist das einzige von mir untersuchte Medikament, bei dessen erster Wirkung sich anscheinend ein gewisser Unterschied an Hund und Katze zeigte. Fig. 25a ist eine der Kurven, bei denen man anstatt der Volumände- rung besonders deutlich die Veränderung der Größe der Lungenpulse sieht. Archiv f. A.u. Ph. 1910. Physiol. Abtlg. Suppl. 27 418 ERNST WEBER: Bei dieser frischen Katze wurden 0-03 =” Nikotin bei + injiziert und die Wirkung spricht sehr für eine aktive Erweiterung der Lungengefäße. Die entsprechende Wirkung sehen wir auch an der Volumänderung bei gleicher Dosis an einer Katze in Fig. 252. Bei einem frischen Hunde dagegen bewirkte die Injizierung von 0.02 sm Nikotin, wie aus Fig. 26 zu ersehen ist, nach kurzer passiver Erweiterung eine deutliche Verengerung der Lungengefäße. Nach starker Ermüdung der erweiternden Gefäßnerven infolge langer und starker aktiver Gefäßerweiterung nach Strychnin zeigte sich bei nach- folgender Injizierung von 0-038”= Nikotin bei einer Katze die Wirkung, Blutdruck in Carotis Blutfülle eines Lungen- lappens u _ IM! yylh M IN 1 I I IN | N! | In) Au = = IM Ih NH Fig. 26. Bei + Injektion von 0-02 Nikotin. Hund. die in Fig. 27 abgebildet ist. Bei geringer Blutdrucksenkung sinkt hier das Volumen zunächst weit stärker, als es von der geringen Blutdruck- senkung bewirkt werden könnte und steigt dann bis hoch über den Anfangs- stand wieder hinauf. Wie an anderen Versuchen noch deutlicher war, ist die Ursache dieser zunächst eintretenden Volumabnahme eine aktive Verengerung der Lungen- gefäße, der dann ihre aktive Erweiterung folgt. Zu beachten ist der Gegen- satz zwischen dieser Wirkung und der des Koffeins nach vorheriger ermüden- den Strychninwirkung, die auf Fig. 245 dargestellt ist, bei der umgekehrt nach kurzdauernder Erweiterung die Verengerung der Lungengefäbe eintritt. Einmal sah ich allerdings auch in derartigem Ermüdungszustand der Vaso-Dilatatoren der Lungen bei Nikotin reine Verengerung der Lungen- gefäße eintreten, wie bei Atropin, im allgemeinen ist aber die Verschieden- AKTIVE ÄNDERUNGEN DER ARTERIELLEN BLUTFÜLLE DER LUNGEN. 419 heit der Wirkung der drei Mittel im Ermüdungszustand der Vaso-Dilatatoren der Lungen recht charakteristisch. Ich erwähne endlich noch, daß ich von Vasotonin auch in großen Dosen keine Wirkung auf die Lungengefäße gesehen habe. — Übersehen wir die Wirkungen der Medikamente, so können wir offenbar drei Gruppen unterscheiden. In der ersten Gruppe steht allein das Adrenalin, das bei völlig frischen Tieren immer zu einer aktiven Verengerung der Lungengefäße führt, bevor diese in eine aktive Erweiterung übergeht. Blutdruck in Carotis a - „3 et ‚ll Blutfülle eines Lungen- lappens Fig. 27. Bei + Injektion von 0-03 Nikotin nach vorhergehender Wirkung von Strychnin. Katze. In der zweiten Gruppe stehen die Medikamente, die immer zu starker aktiver Erweiterung der Lungengefäße führen, auch bei wiederholter An- wendung. Es sind dies besonders der Alkohol, ferner das Morphin, das Ergotin und schließlich auch das Nitroglyzerin. Die Mittel der dritten Gruppe wirken von vornherein nur schwach erweiternd, am schwächsten wirkend und bisweilen wirkungslos ist das Atro- pin, etwas stärker das Koffein, noch stärker das Nikotin bei der Katze, das dagegen beim Hund von vornherein verengend wirkt. Nach starker Er- müdung der gefäßerweiternden Nerven der Lunge schlägt die Wirkung aller drei Mittel mit gewissen Verschiedenheiten in das Gegenteil um und wirkt völlig oder zum Teil konstriktorisch auf die Lungengefäße. DR 420 ERNST WEBER: IV. Die Wirkung von Nervenreizungen. Reflektorische Einwirkungen durch elektrische Reizung des N. ischiadicus oder N. cruralis blieben immer erfolglos bezüglich des aktiven Verhaltens der Lungengefäße. Ebenso sah ich nie eine Wirkung von Reizung der Nasenschleimhaut durch Ammoniakdämpfe. Elektrische Reizungen der einzelnen Partien des Rückenmarks nach entsprechenden Durchschneidungen des Marks sind bei Anwendung der hier beschriebenen Methode der Lungenuntersuchung technisch sehr schwierig und muten dem schon durch die weite Eröffnung der Brusthöhle ange- sgriffenen Tiere sehr viel zu. Ich habe sie deshalb vorläufig unterlassen und mich auf die Untersuchung des Vago-Sympathicus beschränkt, der ja von Blutdru ck A: in Carotis MM 49a Blutfülle eines Lungen- lappens Fig. 28a. Elektrische Reizung eines intakten Vago-Sympathicus. Katze. manchen früheren Autoren und im vorigen Jahre auch von Krogh! als der Nery bezeichnet wird, in dem vasomotorische Nervenfasern zur Lunge verlaufen und der seinen anatomischen Verhältnissen nach auch wohl zu- nächst dafür in Frage kommt. Wenn bisher überhaupt Gefäßnerven für die Lunge angenommen wurden, so sollten sie also direkt im Vagus zur Lunge verlaufen, müßten also auch nach Durchschneidung dieses Nerven bei Reizung des peripheren Endes wirk- sam werden und einen Tonus besitzen, der sich bei der Durchschneidung zeigen müßte. ! Krogh, zit. oben. AKTIVE ÄNDERUNGEN DER ARTERIELLEN BLUTFÜLLE DER Lungen. 491 | Ich fand zunächst bei Reizung der intakten Vago-Sympathici nicht bei allen Tieren Einfluß auf die Lungengefäße, was ja nach dem früher Ge- sagten nicht auffällig ist. Zu verschiedenen Malen fand ich aber auch sehr deutlichen Einfluß, und zwar überwog bei bestimmten Tieren der ver- engernde Einfluß, bei der Mehrzahl aber der erweiternde. Ich gebe von jeder der beiden Wirkungen sowohl von Hund als Katze Abbildungen bei, also von vier verschiedenen Tieren. Die Wirkungen der Vagusreizung, die in Fig. 23a und 285 abgebildet sind, traten sowohl bei Reizung des Vagus ein, an dessen Seite durch das Onkometer ein Lungenlappen gemessen wurde, als auch bei Reizung des der anderen Seite. Ebenso später bei den beiden Hunden. Blutdruck em —— Blutfülle eines Lungen- lappens Fig. 285. Elektrische Reizung eines Vago-Sympathicus. Andere Katze. In Fig. 28a sinkt der Blutdruck während der Vagusreizung und trotz- dem steigt deutlich das Lungenvolumen an. Es liegt eine aktive Erweite- rung der Lungengefäße vor. Daß das nicht in einer Anstauung des venösen Blutes im linken Vorhof seine Ursache hat, zeigt sich, wie im ersten Ab- schnitt besprochen, an den viel zahlreicheren Fällen, bei denen die vaso- motorischen Fasern der Lungen im Vagus nicht mehr erregbar sind und das Lungenvolumen unter dem Einfluß der Blutdrucksenkung bei der Vagusreizung völlig passiv sich stark vermindert. Kurven darüber wurden oben in Fig. 2a und Fig. 3 auf Seite 379 und 381 beigegeben. Bei einer anderen Katze sehen wir in Fig. 285 bei der gleichen Vagus- reizung eine deutliche Volumabnahme nach Beendigung der Vagusreizung 422 ERNST WEBER: und nachdem der Blutdruck längst seine alte Höhe wieder erreicht hat, andauern, die wir in Vergleichung mit Figg. 2a und 3 nur auf eine aktive Kontraktion der Lungengefäße beziehen können. Figg. 29a und 295 zeigen dieselben Verhältnisse an 2 Hunden. Wieder wirkten die Vagi beider Seiten in gleicher Weise In Fig. 29a sehen wir den Blutdruck nach der Vagusreizung bis zum Ende der Figur stark erhoben bleiben (infolge gleichzeitiger Reizung der den Blutdruck steigernden sensiblen Fasern des Vago-Sympathicus), trotz- dem sinkt die Volumkurve nach kurzer passiver Steigerung bis deutlich unter ihr anfängliches Niveau, während sie über ihrem anfänglichen Niveau Blutdruck RL PEN) II" UT ill -- IN in Carotis Blutfülle | ı | 1 | ji 1 1\ I N — mm In 1) il N Fig. 29a. Reizung eines intakten Vago-Sympathicus bei Hund. bleiben müßte, wenn sie nur vom Blutdruck abhängig wäre. Es muß also aktive Verengerung der Lungengefäße vorliegen. Umgekehrt muß bei Fig. 29b aktive Erweiterung der Lungengefäße Ursache der starken und langdauernden Volumsteigerung nach der Vagus- reizung sein, die ganz allmählich wieder zur Norm zurückkehrte (nicht voll- ständig abgebildet), während der Blutdruck sofort nach dem Ende der Reizung die anfängliche Höhe wieder erreichte. War schon bei diesen Reizungen auffallend, daß die Reizung beider Vago-Sympathici wirksam war, während ein Vago-Sympathicus, der direkte Vasomotoren zur Lunge hinabführt, doch wohl nur Fasern für die Lunge AKTIVE ÄNDERUNGEN DER ARTERIELLEN BLUTFÜLLE DER LUNGEN. 433 seiner Seite führen sollte, so war. es noch auffälliger, daß niemals die gleich- zeitige Durchschneidung beider Vagi irgend eine Wirkung auf die Lungen- Fig. 29. Reizung eines intakten Vago-Sympathicus an einem anderen Hund. ‘= “u 4. 3& . 38 ie) 3 [ae] Blutfülle eines Lungenlappens 424 { ERNST WEBER: gefäße hatte, daß also kein, Tonus bestand, und daß ferner die Reizung der peripheren, also Lungenenden der. durchschnittenen Vagi niemals irgend eine Wirkung hatte. Auch bei den 4 Tieren, von denen oben die Reizwirkungen abgebildet wurden, war kein Effekt durch Reizung des peripheren Stumpfes zu erzielen. Fig. 30 zeigt zum Beispiel an demselben Hunde die Wirkung der Rei- zung des peripheren Endes des durchschnittenen Vagus, dessen Reizung vor der Durchschneidung jedesmal die starke Gefäßerweiterung ergab, die in Fig.295 auf vorhergehender Seite abgebildet ist. Das Lungenvolumen verhält sich jetzt völlig passiv. Blutdruck in Carotis Blutfülle eines Lungen- lappens Fig. 30. Reizung des peripheren Endes des durchschnittenen Vago-Sympathieus desselben Hundes, wie in Fig. 295. Es sind also keine direkten im Vagus zur Lunge verlaufenden Vaso- motoren, die die Reizwirkungen am intakten Vagus vermitteln, die Wirkung kann daher nur auf reflektorischem Wege vor sich gehen, es müssen sen- sible Fasern des Vago-Sympathieus sein, die erregt werden und reflektorisch die Vasomotoren der Lunge in Funktion setzen, die auf anderen Wegen die Lunge erreichen. In der Tat gelang es mir auch durch Reizung der zentralen Stümpfe der durchschnittenen Vagi sowohl Verengerung, als auch Erweiterung der Lungengefäße herbeizuführen, je nachdem vorher bei Reizung des intakten Vagus des betreffenden Tieres Verengerung oder Erweiterung der Lungen- gefäße eingetreten war. AKTIVE ÄNDERUNGEN DER ARTERIELLEN BLUTFÜLLE DER LUNGEN. 425 Bekanntlich sind bei derartigen reflektorischen Reizungen nach Durch- schneidungen die Effekte nicht mehr sehr groß, sie waren aber groß genug, um völlig sicher zu sein. | Fig. 31. Reizung von + bis — des zentralen Stumpfes des durchschnittenen Vago-Sympathicus bei demselben Hunde, wie in Fig. 29a. Blutfülle eines un S3 Ein IS & 5 —i As ‚Ich will hier nur die Abbildung des einen konstriktorischen Effektes der Reizung des zentralen Vagusstumpfes bei dem Hunde vorführen, von 496 ERNST WEBER: dem die Wirkung der Reizung des intakten Vagus oben in Fig. 29a ab- gebildet war. In Fig. 31 wurde der Stumpf vom Zeichen + bis —, also sehr lange, elektrisch gereizt. Es entsteht eine starke Blutdrucksteigerung, die nach Ende der Reizung etwas sinkt, aber bis Ende beträchtlich über der anfäng- lichen Höhe bleibt. Das Volumen steigt gleichfalls zunächst passiv an, aber sehr wenig, in keinem Verhältnis zur Höhe der Blutdrucksteigerung. Bald geht sie, trotz des gleich hoch bleibenden Blutdruckes, auf ihre Anfangshöhe nieder und sinkt vor Ende der Abbildung noch beträchtlich darunter, obwohl sie, wenn allein vom Blutdruck abhängig, noch weit über ihrem anfänglichen Niveau stehen müßte. Es kann also nur eine aktive Kontraktion der Lungengefäße vorliegen. Nach alledem erscheint es sicher, daß im Vago-Sympathicus keine direkten Vasomotoren für die Lungen verlaufen, sondern nur sensible Nerven- fasern, welche die auf anderem Wege an die Lungen herantretenden Vaso- motoren reflektorisch beeinflussen. Das macht auch die im vorigen Abschnitt auf Seite 414 erwähnte Beobachtung verständlich, daß Durchschneidung der Vagi nichts an der Wirksamkeit der Medikamente auf die Lungengefäße ändert. Andererseits ist es auch durch die Nervenreizungen erwiesen, daß es sowohl verengende, wie erweiternde Gefäßnerven für die Lungen gibt, und daß durch Reizung der sensiblen Vagusfasern bei manchen Tieren die ver- engenden, bei manchen die erweiternden stärker beeinflußt werden. Es bestehen darin also Verschiedenheiten unter den Individuen. Weitaus am häufigsten ist aber das Vorkommen der erweiternden Wirkung der Vagusreizung. Die beiden Tiere, bei denen die Verengerung der Lungengefäße eintrat, waren die einzigen, bei denen ich dies Verhalten fand, und sie hatten sich auch sonst durch die Neigung ausgezeichnet, bei Reizen mit Verengerung der Lungengefäße zu antworten, auf die alle anderen mit Erweiterung reagierten. Von ihnen war im zweiten Abschnitt auf Seite 408 erwähnt worden, daß sie allein z. B. auf Kältereiz im Magen oder Mastdarm mit Verengerung der Lungengefäße reagierten, während bei allen anderen Tieren das Gegen- teil eintrat. Jetzt erklärt sich dies Verhalten, muß aber als abnormer Ausnahmefall gelten. Das Normale scheint das Überwiegen der erweiternden Nerven- fasern für die Lungengefäße bei Hund und Katze zu sein, vielleicht bei Katze in noch höherem Grade. (Siehe das Verhalten bei Nikotin.) AKTIVE ÄNDERUNGEN DER ARTERIELLEN BLUTFÜLLE DER LUNGEN. 497 Das vorwiegende Eintreten einer aktiven Erweiterung der Lungengefäße fällt auch sehr bei der Wirkung der Medikamente auf, die bei frischen Tieren fast nur in einer Erweiterung besteht. Vielleicht ist eine teleologische Erklärung dieses Vorwiegens der erweiternden Funktion der Gefäßnerven für die Lungen darin zu suchen, daß eine Erweiterung der Lungengefäße eine Verbesserung der Sauerstoffzufuhr zum Körper bedeutet und. daß diese 2. B. bei Erschwerung des Zirkulationsvorganges in einzelnen Lungenteilen und auch anderen Zuständen des Körpers von lebenserhaltender Bedeutung sein kann. Die praktischen Folgerungen dieser Une schungen ergeben sich aus dem Gesagten von selbst. Es ist klar, daß das bisweilen bei Lungenbluten verordnete Schlnaken von Eisstückehen gerade den entgegengesetzten Erfolg hat, als den ge- wünschten, da sich die Lungengefäße bei Kältereiz im Magen. erweitern. Auch Morphin und Be wird in solchen Fällen nur schädlich wirken. Da die Verengerung der Gefäße nach Adrenalin zu kurz dauert und auch in Erweiterung übergeht, alle anderen, außer vielleicht Nikotin, erst dann verengend wirken, wenn die gefäßerweiternden Nerven der Lungen übermüdet sind, so wird man lieber von Medikamenten in solchen Fällen ganz absehen und lieber durch Eisumschläge und heiße Klistiere wirken, die beide, nach den oben beschriebenen Tierversuchen verengernd auf die Lungengefäße wirken. Daß Alkohol die Lungengefäße stark erweitert, läßt an die Möglichkeit denken, daß nach Alkoholgenuß die Gefahr einer katarrhalischen Erkrankung der Lungen vergrößert ist und spricht gleichzeitig gegen die Anwendung von Alkohol als Exeitans bei Lungenaffektionen, bei denen man Gefäß- erweiterung in den Lungen vermeiden will. Besonders interessant dürften die Resultate dieser Untersuchungen für die Theorie der Erkältung sein. Daß man nicht mehr nur eine „passive Kongestion“ der Lungen annehmen muß, bei der nur durch Verengerung der äußeren Gefäße eine größere Menge von Blut zu den Lungen gedrängt wird, ist ohne weiteres klar. Es sei nur kurz noch auf die Untersuchungen Kißkalts! hingewiesen, nach denen Bakterien sich bei arterieller Hyperämie eines Organs besonders stark entwickeln, und ihre Entwicklung durch Herbeiführung von venöser ' Hyperämie durch künstliche Stauung oft gehemmt wird. ! Kißkalt, Archiv für Hygiene. Bd. XXXIX. 8. 142, 428 ERNST WEBER: AKTIVE ÄNDERUNGEN USW. Da nun die durch aktive Erweiterung der Gefäße der Lunge dort herbeigeführte Zunahme der arteriellen Blutfülle der Lungen in Wirklich- keit natürlich einen venösen Charakter hat, so würde bei Eintreten jeder aktiven Erweiterung der Lungengefäße, die ja, wie oben gezeigt wurde, be- sonders leicht und auf verschiedene Arten herbeizuführen ist, der Zustand entstehen, der der Entwicklung der Bakterien nach Kißkalt und anderen ungünstig ist. Allerdings sind nach den Untersuchungen an Hunden und Katzen, wenn auch sicher im allgemeinen, so doch nicht in allen Einzelheiten, die gleichen Wirkungen der verschiedenen Reize auf das Verhalten der Lungen- gefäße auch beim Menschen anzunehmen, und ich werde deshalb zu- nächst untersuchen, ob die Resultate dieser Untersuchungen an Affen die gleichen sind. — Anmerkung. Es ist hinzuzufügen, daß M. Cloetta (Archiv f. exper. Pathol. u. Pharm. Bd. LXIII. S. 147—155) kurz beschreibt, wie er Volumkurven der Lunge gewonnen hat. Er benutzte einen Plethysmographen, der von deın von mir beschriebenen beträchtlich verschieden war. Auch wurde der Bronchus des gemessenen Lungenlappens nicht abgebunden, und die Atmung wurde für gewisse Zeit dadurch ermöglicht, daß Sauerstoff unter gleichmäßigem Druck in den Bronchus gepreßt wurde. Der einzige Versuclı, der mit dieser Methodik angestellt wurde, war aber nur der einer einmaligen Vagusreizung. Plethysmographische Untersuchungen der Gefäßreflexe bei Nervenkranken. Von Arthur Simons. (Aus dem Physiologischen Institut der Universität Berlin [Geheimrat R. Rubner] und der Poliklinik für Nervenkrankheiten ‚von Prof. H. Oppenheim und Privatdozent R. Cassirer.) II. Das Armvolumen bei den neurovaskulären Erkrankungen. H. Oppenheim! bezeichnet als ‚„neurovaskuläre“ Erkrankungen die vasomotorischen Neurosen, die Akroneurosen und die organischen Angio- pathien, in deren Entstehung das nervöse Element und die angeborene An- lage eine entscheidende Rolle spielt. Die innigen Beziehungen dieser Zustände zu dem Nervensystem kommen in dieser Bezeichnung sprachlich und teilweise noch genauer im Plethysmo- gramm schriftlich zum Ausdruck. Plethysmographische Untersuchungen sind bisher bei den neurovasku- lären Erkrankungen nur selten gemacht worden und die aufgenommenen Kurven und ihre Deutung widersprechen einander. Die erste Untersuchung machte vor 15 Jahren Camillo Verdelli? an zwei Kranken mit Morbus Raynaud; ein dritter Kranker konnte nicht genügend oft untersucht werden. Es waren leichte Fälle ohne Gangrän, aber mit Akrosynkope, Akroasphyxie ı H.Oppenheim, Zur Lehre von den neurovaskulären Erkrankungen. Deutsche Zeitschrift für Nervenheilkunde. 1911. Bd. XLI. 2 C, Verdelli, Contributo allo studio dell’asfissia, eecc. Archivo ıtalsano di Olinica medica. Jahrg. XXXV. 1896. Der Autor ist versehentlich von R. Cassirer, der die Lite- ratur bis 1900 vollständig in seiner Monographie gebracht hat, nur mit dem Vornamen angegeben und so weiter zitiert worden. Durch einen gütigen Hinweis von Geh.-Rat Ziehen, der die Arbeit s. Z. im Neurologischen Zentralblatt. 1896: S. 857 ausführlich referierte, konnte ich die Originalarbeit aus der Universitätsbibliothek in Jena entleihen. 430 ARTHUR SIMONS: und auch mit trophischen Störungen. Die Untersuchungen mit dem Mosso- schen Apparat gab Verdelli nach seinen Erfahrungen beim Gesunden aus verschiedenen Gründen auf. Er konstruierte sich selber einen Apparat nach Angaben Rivas, der kompliziert und im Verhältnis zu den jetzt benutzten plethysmographischen Instrumenten sehr umständlich zu bedienen war. Die abgebildeten Kurven zeigen seine geringe Empfindlichkeit und die Beobach- tung der Gefäßreflexe war entsprechend unvollkommen. Bemerkenswert ist, daß sich die Hand direkt im Wasser befindet und die Volum- veränderungen durch Erhitzung und Abkühlung dieses Wassermantels oder eines zweiten, der ihn umgibt, geprüft wurden. Später prüfte Verdelli auch die konsensuelle Gefäßreaktion durch Eintauchen der freien Hand in Eiswasser. Auch das Fingervolumen hat er gemessen. Er fand keinen Unterschied der Gefäßreflexe bei Gesunden und Kranken, wie aus einer Zusammenstellung von 13 Versuchsprotokollen hervorgeht. „Mein Zweck, bei den Raynaudkranken eine Übertreibung (Esagerazione) der Getäßreflexe festzustellen, die von der Übererregbarkeit der spinalen, vasomotorischen Zentren unter dem Einfluß von besonderen Reizen wie Kälte und Hitze abhängt, wurde nicht erreicht, aber dafür eine Tonusinstabilität der Gefäße festgestellt, die nicht bei Gesunden vorkommt. Diese Tatsache zeigt uns unbestreitbar, daß die vasomotorischen Zentren bei diesen Kranken anormal erregbar waren unter bestimmten, vielleicht psychischen Reizen, die wir vorläufig nicht präzisieren können und die ich nicht weiter verfolgen konnte, die aber wohl auch bei Gesunden vorkommen können.“ . Sieht man sich nun die Schwankungen, die Verdelli mit seinem primi- tiven Apparat aufgenommen hat, in den abgebildeten Kurven an, so sind es in der Tat mit großer Wahrscheinlichkeit Tonusschwankungen, die man bei labilem Gefäßsystem und auch bei normalem zeitweise sieht, voraus- gesetzt, daß man denselben Menschen genügend häufig untersucht. Es wäre aber auch möglich, daß die beobachteten Tonusschwankungen von der Atmung abhingen, deren Einfluß Verdelli gar nicht berücksichtigt hat. Bei seinem Apparat war die Aufnahme der us sicher doppelt notwendig. Man kann aber wohl überhaupt nicht entscheiden, ob die Gefäßreflexe bei seinen Kranken wirklich ebenso abliefen wie beim Gesunden oder ob der Apparat den Unterschied zwischen beiden nur nicht zum Ausdruck brachte. Gleichzeitig und uiehkngig von Verdelli plethysmographierten P. F. Castellino und Cardi! zwei Kranke mit symmetrischer Gangrän. ı P. F, Castellino e Cardi, Sulla gangrena simmetrica delle estremitä. Il. Morgagni. Jahrg. XXXVII. 1895. p. 625. PLETHYSMOGRAPHISCHE UNTERSUCHUNGEN DER GEFÄSSREFLEXE. 431 Gegenüber den ausführlichen Mitteilungen von Verdelli finden sich hier nur kurze Tabellen mit den Ergebnissen ohne Kurven. Sie fanden bei schmerzhaften faradischen Reizen und Eisreizen keine oder nur geringe Volumyerringerung des Armes bei ihren Kranken im Gegensatz zu den ausgiebigen Veränderungen beim Gesunden. Sie kommen zu dem Schluß, daß es sich um einen Torpor der Gefäßreflexe handelt, der durch einen „dauernden Spasmus“ der Hautgefäße verursacht ist, der wieder seinerseits von einem Reizzustand der vasomotorischen Zentren abhängt. Castellino und Cardi haben aber Schwerkranke im Anfall untersucht. Wendet man nun bei diesen Kranken, bei denen eine Vasokonstriktion infolge des Anfalls bereits in hohem Grade besteht, noch schmerzhafte Reize an, so kann es natürlich nur noch zu einer sehr geringen oder gar keiner Verengerung der Gefäße kommen. Aus der graphischen Aufnahme in einem solchen Zustand läßt sich daher für die Pathogenese der Raynaud’schen Krank- heit kein Schluß ziehen. Man sieht nur den gestörten Reflex im Anfall. Vielleicht kommen für die Veränderung der Gefäßreflexe auch noch die mikroskopisch festgestellten Wandveränderungen der Gefäße der beiden Kranken mit in Betracht. (Vgl. die Krankengeschichten a. a. O.) Viele Jahre nach diesen Untersuchungen prüfte H. Curschmann! das funktionelle Verhalten der Gefäße bei troplischen und vasomotorischen Neurosen: bei fünf Fällen vor Morbus Raynaud (zwei schwere, zwei mittel- schwere Fälle, und ein Morbus Raynaud im Beginn), einem Falle von Sklerodermie mit Raynaudsymptomen, drei Kranken mit Akroparästhesien (bei einer als Folge einer Polyneuritis alcoholica), zum Teil mit erythro- melalgischen Erscheinungen, zwei Fällen von intermittierendem Hinken, endlich einer Frau mit angioneurotischem Ödem der Arme und Hände. Er untersuchte die Reflexe mit dem Plethysmographen von O. Müller, „wenn irgend möglich, bei jedem Patienten zwei- bis dreimal zu ver- schiedenen Zeiten“. In allen Fällen von Raynaud’scher Krankheit war die Radialarterie eng, mäßig rigide, nicht geschlängelt. Curschmann fand bei allen seinen Kranken mit Morbus Raynaud und Sklerodermie mit Raynauderscheinungen konstant Fehlen der Gefäßreflexe auf Temperatur-, Schmerz- und psychische Reize, trotz des verschiedenen Grades des Leidens und des verschiedenen Alters der Kranken. Auch bei den Akroparästhesien (mit Ausnahme der Akroparästhesie infolge toxischer Ursachen) fehlte jede thermische Reaktion, während bestimmte psychische Reize regelmäßig eine normale, aber wenig ausgiebige Volumveränderung bewirkten. Es war gleich, ! H. Curschmann, Untersuchungen über das funktionelle Verhalten der Gefäße bei trophischen und vasomotorischen Neurosen. Münch. med. Wochenschr. 1907. Bd. LI. Vgl. auch Curschmann, Vasomotorische und trophische Erkrankungen in seinem Lehrbuch der Nervenkrankheiten, besonders S. 839. 432 ARTHUR SIMONS: ob die Kranken gerade einen Anfall gehabt hatten oder frei von subjektiven Störungen waren. 2 Einmal beobachtete Curschmann auch auf Wärmereiz eine paradoxe Vasokonstriktion statt der normalen Vasodilatation. Während Curschmann bei seinen Kranken mit intermittierendem Hinken das Fehlen der Gefäß- reflexe aus der vorhandenen Arteriosklerose entsprechend den Befunden Ottfried Müllers! erklärt, betont er mit Recht das Verhalten der Gefäß- reflexe aus den anderen Kranken, da bei manchen (9- und 12 jährigen Pa- tienten mit hereditärem Morbus Raynaud) eine Arteriosklerose als Ursache - der fehlenden Reflexe wohl auszuschließen war. Selbst wenn man bei den Fällen Curschmanns die zuletzt von Kolisch? anatomisch festgestellten Wandveränderungen bei einem 6 monatlichen Säugling, der nach Beck® an Morbus Raynaud litt, und noch stärkere voraussetzt, so würden sie doch wohl nicht ausreichen, ein dauerndes völliges Fehlen der Gefäßreflexe zu erklären. (Die Andeutung einer Wärmereaktion bei dem Kranken mit beginnendem Morbus Raynaud darf wohl vernachlässigt werden.) Cursch- mann zieht aus seinen Untersuchungen den Schluß, daß es sich bei seinen Kranken um eine dauernde Tonusveränderung in Form einer Vasokonstriktion handelt. E. Phleps* hat in seiner sehr eingehenden Arbeit über vasomotorisch- trophische Störungen die Befunde Curschmanns nicht berücksichtigt. Auch er untersuchte einen Kranken mit Morbus Raynaud im Anfall und nach seinem Abklingen. Er fand im Anfall in Übereinstimmung mit Castellino und Cardi keine Volumveränderung, während er in der Re- konvaleszenz normale Volumschwankungen fand. Mit aller Reserve hält es Phleps für möglich, daß in seinem einen Plethysmogramm eine zentrale Innervationsstörung zum Ausdruck kommt, man aber zur wirklichen Be- stätigung noch eine große Anzahl von plethysmographischen Untersuchungen machen müßte. Bei der Besprechung der Befunde Castellinos und Cardis betont auch Phleps die Fehlerquelle des Schmerzes. Endlich hat auch H. Stursberg® ein 25jähriges Mädchen mit Morbus ı 0. Müller, Zur Hunktenspauung der Arterien. Deutsche med. Wochenschrift. 1906. Nr. 38, 39. ® E. Kolisch, Zur Kenntnis der sogenannten Raynaud’schen Krankheit. Frank- furter Zeitschrift für Pathologie. 1910. Bd.V. 8.571. 3'C. Beck, Raynaud’sche Erkrankung beim Säugling. Jahrbuch für Kinder- heilkunde. Bd. LXXII. S. 84. * E. Phleps, Über vasomotorisch- Arad Störungen. oral für Psychologie und Neurologie. 1910. Bd. XVI. Heft 3/4, 5/6. >H. Stursberg, Plethysmographische Untersuchungen bei Raynaud’scher Krankheit. Sitzungsberichte der Niederrheinischen Gesellschaft für Natur- und Heil- kunde zu Bonn. Med. Abtlg. 21. Februar 1910. \ PLETHYSMOGRAPHISCHE UNTERSUCHUNGEN DER GEFÄSSREFLEXE. 433 Raynaud und leichter Sklerodermie untersucht. Er fand zunächst: eine normale Gefäßreaktion, dann aber bei mehreren an einem Tage aufgenom- menen Kurven ein sehr unregelmäßiges Verhalten: bald normale Reaktion, bald Neigung zu spastischer Kontraktion, bald nahezu völliges Fehlen einer Reaktion auf Kältereize (Bäder von 13°), Stursberg deutet das nahezu völlige Fehlen der Reaktion in der gleichen Weise, wie ich es mir in den Fällen von Castellino und Cardi vorgestellt habe, daß nämlich bereits eine nahezu maximale Gefäßkontraktion bestand, die unter der Einwirkung der Kälte nicht mehr nennenswert zunehmen konnte. Er schloß dies auch aus der Kleinheit der Pulse im Plethysmogramm und der ausgesprochenen Verfärbung der Hände, wenn die Gefäßreflexe fehlten. Bemerkenswert ist seine Erklärung der paradoxen Konstriktion auf einen Wärmereiz, die er ebenso wie Curschmann beobachtete. Er hält sie für psychogen, weil das, warme Bad (42°) bei der Kranken unangenehme Empfindungen in den Fingern hervorrief. Damit stimmt, überein, daß der stärkste Abfall bei Wärmeanwendung dann eintrat, wenn die Schmerzen am stärksten waren. Stursberg erinnert bei der Gelegenheit auch an das nicht allzu seltene Absinken des Volums beim Gesunden im Beginn einer Wärmereaktion, wie es ©. Müller! bereits festgestellt hatte und auch ich bestätigen kann. Dies sind die Ergebnisse der bisherigen plethysmographischen Unter- suchung bei den neurovaskulären Erkrankungen. ‚Ich selber hatte Gelegenheit, in den letzten 1!/, Jahren neun Kranke mit Morbus Raynaud, zwei mit Akroparästhesien und Raynaud-Symptomen, eine Kranke mit Akroasphyxia chronica und Muskelatrophie, endlich zwei Kranke mit intermittierendem Hinken plethysmographisch eingehend zu untersuchen. Über die klinischen Bilder der Kranken möchte ich mich an dieser Stelle nicht eingehend verbreiten, da sie von R. Cassirer nach dieser Richtung für die 2. Auflage seiner Monographie über vasomotorisch-trophische Neurosen verwertet werden. Über den einen besonders interessanten Fall mit intermittierendem Hinken hat Oppenheim bereits a. a. O. berichtet. Die Raynaudkranken befanden sich mehr in den leichten und mittelschweren Stadien; ein Teil war aber auch so schwer betroffen und vorgeschritten (zum Teil durch frühere Anfälle, zum Teil durch komplizierende sklero- dermatische Prozesse), daB sie dauernd arbeitsunfähig waren. Sämtliche Kranke sind nur im anfallsfreien Stadium untersucht worden, aus Gründen, die ich bereits bei der Besprechung der bisherigen Kasuistik erwähnt habe. Die kürzeste Beobachtungsdauer zweier Kranken ı 0. Müller, Über die Blutverteilung im menschlichen Körper unter dem Ein- flusse thermischer Reize. Deutsches Archiv für klinische Medizin. Bd. LXXXI. Vgl. auch O. Müller und E. Veiel, Beiträge zur Kreislaufphysiologie usw. Volk- manns Sammlung klinischer Vorträge. 1910, 1911. Archiv f. A. u. Ph. 1910. Physiol, Abtlg. Suppl. 28 434 ARTHUR SIMONS: war 3 Wochen. Alle übrigen Fälle sind monatelang, einige über 1 Jahr lang immer wieder plethysmographiert worden, so daß ich von diesen Kranken förmlich Tagebücher ihres Gefäßlebens besitze. Über die Technik der Untersuchung der Gefäßreflexe bei Nerven- kranken habe ich! einiges bereits in einer früheren Abhandlung gesagt, auf die ich verweise, um Wiederholungen zu vermeiden. Doch sind noch einige Ergänzungen nötig, die sich aus der Eigenart dieser Kranken er- geben. Sie sind ja besonders empfindliche Thermometer, und es ist daher für viele eine etwas höhere Temperatur in dem den Arm umgebenden Wassermantel erforderlich, wie man denken sollte. Die Gefäßreflexe beim Gesunden verlaufen in weiten Temperaturgrenzen des umgebenden Mediums noch normal. Bei einem Gesunden z. B., der minutenlang seinen Arm in Eiswasser hält und dann peripher mit Eis ge- reizt wird, verengern und erweitern sich, wie ich-sah, die Gefäße zwar wenig, aber noch deutlich. Anders beim Raynaudkranken. Man ist er- staunt, wie mancher Kranke Unterschiede von !/, und 1° gegenüber seiner Bluttemperatur bereits unangenehm empfindet. Man muß daher durch öfteres Befragen des Kranken bei Beginn und während des Versuches fest- stellen, ob die Temperatur des den Arm umgebenden Wassers ihm durchaus behaglich ist. Bei der Mehrzahl meiner Kranken lag diese Temperatur bei etwa 39 bis 40°. Andere Kranke brauchten im Winter eine noch etwas höhere Temperatur. Nun kühlt sich immer während der Versuchs- dauer das Wasser ziemlich erheblich ab, oft in kurzer Zeit um 6, 8 und 10°, durch die metallne Hülle des Apparates selber und durch die kalten Glieder, die die meisten Kranken in den Apparat hineinbringen. Da- durch kann man, wie ich mehrfach gesehen habe, experimentell eine akute Synkope und Akroasphyxie erzielen, so daß der Patient am Ende des Ver- suches den schmerzenden Arm mit einer hlassen oder blauen Hand aus dem Apparate herauszieht. Gewöhnlich fehlt dann auch unter diesen ver- kehrten Versuchsbedingungen der normale Gefäßreflex. Bringt man jetzt die Temperatur auf die dem betreffenden Kranken angepaßte Höhe, so verschwindet die Vasokonstriktion, und man erhält nun normale Gefäß- reflexe. Diese künstlich erzeugte Insuffizienz der Gefäße kann natürlich auch zu dem Schlusse verleiten, daß es sich bei Kranken überhaupt um einen dauernden Spasmus der Gefäße handelt. Da bisher diese Fehlerquelle von keiner Seite erwähnt ist, könnte sie möglicherweise in einem Teil der bisher untersuchten Fälle in Betracht kommen. "A. Simons, Plethysmographische Untersuchungen der Gefäßreflexe bei Nerven- kranken. ° I. Das Armvolumen nach Verletzungen der Armnerven. Dies Archiw. 1910. Physiol. Abtlg. S. 559. PLETHYSMOGRAPHISCHE UNTERSUCHUNGEN DER GEFÄSSREFLEXE. 435 Die neurovaskulär Erkrankten ermüden meist auch leichter für thermische Reize als Gesunde; es ist daher ein unbedingtes Erfordernis, daß man beide Arme oder Beine gleichzeitig aufnimmt, denn die Abweichung, die man unter Umständen erst an dem zuletzt untersuchten Arme findet, kann u.a. auch eine einfache Ermüdungserscheinung 'sein.. Ferner weiß man nicht, wenn man das Volumen z. B. der Arme nacheinander bestimmt, ob der ‚beobachtete, vielleicht pathologische, Reflex gleichsinnig in beiden Armen ablaufen würde, oder ob es sich um eine wirkliche Dissoziation der Reflexe . in beiden Armen handelt. Die Notwendigkeit einer gleichzeitigen Volumaufnahme der Extremitäten bei diesen Kranken ist bisher gar nicht betont worden. Die hierzu erforder- lichen zwei Schreibkapseln sind miteinander niemals vollkommen vergleich- bar, natürlich auch nicht die von ihnen gelieferten Kurven. Während jeder Untersuchung müssen daher die Kapseln beider Plethysmographen öfters miteinander vertauscht werden. Wenn beide Kapseln, die beim Gesunden die normale Blutverschiebung richtig darstellen, dieselbe Abweichung an demselben Arm (Bein) immer wieder anzeigen, so ist ein Versuchsfehler . ausgeschlossen. Alle von mir festgestellten Befunde sind u. a. auch in dieser Weise kontrolliert worden. Die benutzten Schläuche beider Plethysmo- graphen waren gleich lang und dick, so daß gröbere Pulsdifferenzen nicht durch sie vorgetäuscht werden konnten. Die Umwechselung der Kapseln wurde bei der gleichzeitigen Aufnahme beider Arme mit einem Vierwege- hahn vorgenommen, der an einem festen Stativ angebracht und in den Verlauf der Schläuche vom Plethysmographen zur Schreibkapsel eingeschaltet ist. So wird der Versuch nicht mehr wie bei einer manuellen Umwechselung der Schläuche unterbrochen. Über den anzuwendenden Reiz ist noch einiges zu sagen: Wohl unter dem Eindruck der E. Weberschen Untersuchungen hat Citron Nervenkranke ausschließlich mit psychischen Reizen untersucht. Citron! hat seine alten und neuen Befunde kürzlich in einem Vortrage? als patho- logisch-psychophysische Blutverschiebungen gedeutet; ich habe bereits in der Diskussion zu diesem Vortrag darauf hingewiesen, und kann es hier nur wiederholen, daß die klinische Untersuehung von Kranken ausschließ- lich, mit psychischen Reizen durchaus ungenügend ist. Denn ohne Prüfung mit peripheren Reizen kann überhaupt nicht festgestellt werden, ob die ı Zit. bei Ernst Weber, Der Einfluß psychischer Vorgänge auf den Körper 8. 359. ? Zur Pathologie der psychophysischen Blutverschiebung, Sitzung des Vereins für innere Medizin. 19. VI. 19f1. Vortrag z. Z. noch nicht veröffentlicht. Diskussions- protokoll in der Deutschen med. Wochenschrift. 1911. Nr. 34. 8. 1577. 28* 436 . ARTHUR SIMONSs: EN GENAtNe. veränderte Blutverschiebung die Folge einer anderen Verarbeitung des psychischen Geschehens ist (nur. in diesem Falle handelt es.sich. ja.um eine pathologisch - psychophysische Blutverschiebung), oder ..ob’ die Störung im Rückenmark resp. Sympathikus sitzt und ‚der normale kortikofugale Impuls erst durch die niederen Zentren. verkehrt übertragen wird. En Die plethysmographische Untersuchung: eines: Falles hat Aaker a der funktionellen Prüfung dieser niederen Zentren. zu beginnen, Sie erfordert zunächst den Ausschluß stärkerer Arteriosklerose,. bei der die Reflexe fehlen oder sehr abgeschwächt sind, ferner von Sensibilitätsstörungen und Leitungsunterbrechungen auf dem Wege, den der vasomotorische Im- puls läuft; dann wird die Reaktion auf thermische Reize beobachtet. Ich verwende hierzu ausschließlich das Eis als Testreiz, schon weil die Diffe- renz gegenüber der Hauttemperatur eine viel een Inlane ist, als bei An- wendung der Wärme, die noch ohne Schaden ertragen wird. Deshalb setzt auch die Reaktion auf den lokalen Wärmereiz nach längerer Zeit ein und klingt langsamer ab. Schon Ottfried. Müller,! der diese, Methode zuerst zu. einer Funktionsprüfung der Gefäße benutzte, betonte, daß, der Warm- reiz nieht den gleichen Wert für die Funktionsprüfung der Gefäße habe, sondern sich mehr zur Kontrolle und Bestätigung der mit der. Kältereaktion festgestellten Ergebnisse eigne. Infolge | des Eisreizes nun tritt bei Jedem Gesunden eine rasche Verengerung der ganzen, ‚Peripherie ein, die nach Aufhören des Reizes durch eine Erweiterung abgelöst wird,: so daß das Armvolumen bald dasselbe ist wie am Anfang des Versuches; häufig. er- weitert sich der Arm nach den Feststellungen O. Müllers auch noch etwas stärker. Diese Späterweiterung dauert nur kurze Zeit., Es handelt sich bei dieser Reaktion um einen „unbedingten“ Reflex im Sinne Pawlows.? Die den Eisreflex begleitende Empfindung, die übrige Verfassung des Gehirns und der höchsten vasomotorischen enkan ist für den Ablauf des Reflexes völlig gleichgültig, höchstens der Schmerz bei langdauerndem Eis- reiz könnte noch die Kontraktion der Gefäße ‚ also die Volumverringerung, verstärken. Der Untersuchte mag geistig und körperlich noch so ermüdet sein, es mag sich um einen Paralytiker, einen Idioten, ein eben geborenes Kind, ein enthirntes und narkotisiertes Tier handeln, der Reflex tritt. regel- mäßig ein, sobald es sich nieht um Arteriosklerose oder syphilitische Gefäß- veränderungen handelt und die niederen Zentren nicht künstlich für den Kältereiz ermüdet sind. Der letzte Punkt kommt aber praktisch überhaupt nicht in Betracht, da, wie erwähnt, selbst nach minutenlangem Eintauchen (s ! Ottfried Müller, a.a. ©. ee er 2 J. Pawlow, Naturwissenschaft und. Geha orraen usw. 1910, en von J. F. Bergmann. \ PLETHYSMOGRAPHISCHE UNTERSUCHUNGEN DER GEFÄSSREFLEXE. 437 des Armes in Eiswasser trotz des enormen Kältereizes und Schmerzes beim Gesunden’ noch eine deutliche’ Gefäßverengerung und Erweiterung bei peri- pherer. Reizung mit einem Eisstück möglich ist. Dadurch eben, daß der niedere 'Reflex''ein unbedingter ist, gelingt der Peripherie die en BR EMIINE auf äußere Reize. ‘Finden sich: nun 'bei dieser Bruins und ach Ausschluß ash ge- nateirizistände) ‚Störungen, so beweist das eine Insuffizienz der niederen 'Zentren. Es kommen da die verschiedensten Abweichungen vor (siehe später). Betritt jetzt ein normaler Hirnimpuls auf seinem Wege zum Gefäß diese schwache Stelle, so entsteht unter Umständen auf den normal verarbeiteten psychischen Reiz eine pathologische Blutverschiebung, die in Wirklichkeit intra- oder extramedullär bedingt ist. In fast allen Fällen, die Citron untersucht hat, handelte es sich in der Tat um Reflex- störungen der niederen vasomotorischen Zentren. Für die Syringomyelie zeigte das soeben Stursberg.! i Der große Vorteil der Anwendung des starken Eisreizes ist also zu- nächst die Unabhängigkeit von psychischen Einflüssen. Ferner beginnt bei seiner Anwendung immer nur ein Wechselspiel zwischen zwei Gefäß- gebieten, der äußeren und inneren Peripherie: alle äußeren Gefäße ver- engern, alle inneren erweitern sich (das „aktive“ Verhalten der Gehirngefäße ist allerdings wohl noch nicht sicher entschieden; vgl. dazu die neuen ex- perimentellen Untersuchungen von Stursberg).? Bei Prüfung mit psychischen Reizen handelt es sich aber um ein aktiv verschiedenes Verhalten mehrerer Gefäßgebiete, das gleichzeitig durch den Reiz ausgelöst wird. Am stärksten wirkt bei jedem psychischen Geschehen die Innervation des Splanchnikusgebietes, in dem sich das meiste Blut befindet. Verengern und erweitern sich hier die Gefäße, so wird Blut passiv in die Glieder und den Rumpf nachgefüllt oder aus ihnen ab- gesogen. Dadurch wird das Splanchnikus zum Hauptregulator der normalen psychophysischen Blutverschiebung, zu der die Innervationsveränderung in den übrigen ‘Gebieten, die zum Teil nicht einmal den Blutdruck steigert, nieht ausreichen würde. Eine normale psychopbysische Blutver- schiebüung am Arm beweist also beim Gesunden auch einen normalen Splanchnikustonus. Es ergibt sich aber auch aus diesen Andeutungen, daß eine „pathologische“ psychophysische Blutverschiebung im Arm auch vorgetäuscht werden kann durch einen veränderten Splanchnikus- tonus, der ja bei manchen funktionellen Neurosen sicher selbständig besteht. ı H.Stursberg, Untersuchung über die Art und Ursache bei Reflexstörungen bei ee nyene“ Deutsches Archiv für klinische Medizin. 1911. Bd. CI. 8. 609. »:..2!/Derselbe, Über den Einfluß von Kältereizen auf den Liquordruck und die Gehirngefäße. Archiv für experimentelle Pathologie. 1911. Bd. LXV. S8. 164. 438 "ARTHUR SIMons: Man muß also auch die innere Peripherie mit dem Darmplethysmographen unter Umständen untersuchen, um festzustellen, ob. die verkehrte Blutver- schiebung auf einen psychischen Reiz zu beziehen ist. Dies ist erst der Fall, wenn die äußeren und inneren Gefäßgebiete auf periphere Reize normal reagieren. Nach dieser Feststellung besteht aber noch folgende Schwierig- keit der Beurteilung einer abweichenden psychophysischen Blutverschiebung. Die augenblickliche allgemeine Verfassung der Hirnrinde (z. B. latente Er- müdung) und andere jeden psychischen Reiz begleitende Empfindungen oder durch ihn geweckte Vorstellungen können die Blutverschiebung, die dem betreffenden psychischen Reiz normalerweise entspricht, verdecken oder verändern, ohne daß es sich dabei immer um ein klinisch verwertbares Volum- kurve des rechten ALEUTEUNTRMTMANTNETNN UNTIL ; ar Armes NN ANAANAAAAN Fig. 1 FallA.F.: Claudicatio intermittens nach Rückbildung (vgl. Oppenheim, 2.2.0. 8.393 ff.), aufgenommen 7. IX. 1810 morgens; Wassermantel 39° C. Der linke Arm zeigte dieselben Verhältnisse; die gleichzeitige Aufnahme beider Arme war aus äußeren Gründen unmöglich. Von + bis — Eisreiz der Stirn. pathologisches Zeichen handelt. Ein fehlender oder verkehrter Gefäßreflex auf einen Eisreiz ist immer pathologisch. Er kann durch nichts vorge- täuscht werden; das gleiche bei einem psychischen Reiz kann die Folge einer Ermüdung, eines Mangels an Konzentration und Aufmerksamkeit (Frankfurther und Hirschfeldt),! eines störenden Überwiegen noch normalen psychischen Geschehens, aber auch einer wirklichen pathologischen kortikalen Verarbeitung des Reizes oder einer Insuffizienz der höchsten und niedrigsten vasomotorischen Zentren sein. Am eindeutigsten von den ! Frankfurther und Hirschfeldt, Über den Einfluß der Arbeitsintensität; auf die Größe der Blutverschiebung bei geistiger Arbeit. Dies Archiv. 1909. Physiol. Abtlg. 8. 407. [s} " Volum- kurve des linken Armes Volum- kurve des rechten Armes PLETHYSMOGRAPHISCHE UNTERSUCHUNGEN DER (GBFÄSSREFLEXE. 439 psychischen Reizen ist der unangenehme Geschmacksreiz, weil gegenüber der durch ihn erzeugten starken Unlust andere psychische Begleiterschei- nungen zurücktreten, so daß die Abweichung einer Blutverschiebung infolge dieses Reizes wohl ebenso pathognomonisch ist wie die auf den Eisreiz. Bei der Anwendung anderer psychischer Reize ist jedenfalls immer eine nach- \ \ r Me BBETTERLNY \ az Fig. 2. Fall D.: Claudieatio intermittens. Gleichzeitige Aufnahme beider Arme; bei + Eisreiz der Stirn, bei — Aufhören des Reizes. 10. III. 1911 morgens; Wassermantel 39° C; Atmung normal, Kurve aus Raumgründen nicht wiedergegeben. trägliche psychische Kontrolle erforderlich, um die möglichen Fehlerquellen während der Reizung auszuschließen. Ich habe übrigens niemals, wie Curschmann, gesehen, daß ein psychischer Reiz da noch Erfolg hat, wo der thermische versagt. Die psychischen Reize, die bei dieser Untersuchung in Betracht kommen, wirken schwächer wie die peripheren, die noch sehr gesteigert werden können. Mit der eben kurz erwähnten komplizierten Entstehung der normalen psychophysischen Blutverschiebung und der Schwierigkeit, die erhaltenen 440 ARTHUR SIMonNs: Kurven immer richtig zu deuten, hängt es wohl zusammen, daß man mit der einfachen, aber eindeutigen peripheren Reizung bereits in verschiedenen Stadien derselben Krankheit mannigfache Abweichungen feststellt, während 5 2 nn .<4 © DuEs Par BE38 Bess sEoB 2 meB & © . =} B ‘68 [eguuuntasse A "JOpfTgesge yyaIu HAInyJWeIY HAfew.Iou ZıfoA 9Ip IST org yonYy ‚sazioy SOp uSIOUMY — Toq ‘ug 1op Zteisiy + Tog su931ou ‘O3 ], U9TYgds wOUTD UB HmIY IopIaq amyeumy Asıezyplofn) "OyaBıy 9Q[aSIaCT 1 bei psychischen Reizen unter diesen Umständen noch immer dieselbe Veränderung der Volumkurve erscheint. Ich habe bisher besonders die peripheren Reize für die Erzeugung eines Gefäßreflexes empfohlen, wie das jeder tun wird, der die plethysmo- graphische Analyse eines klinischen Falles versucht. Es liegt mir aber PLETHYSMOGRAPHISCHE UNTERSUCHUNGEN DER GEFÄSSREFLEXE. 441 durchaus fern, die Vorzüge der psychischen Reizung für bestimmte Fragen zu leugnen oder geringer einzuschätzen. Nur brauchen wir für die Rücken- markspathologie keine psychischen Reize, wohl aber für die genauere Feststellung der Beherrschung peripherer Gefäßgebiete durch den Kortex. Volum- kurve des rechten Armes Volum- kurve des linken ‚Armes Atmung Fig. 4. Fall Sch. Akroparästhesien mit M. Raynaudsymptomen. Aufgenommen 30. V. 1911. Wassermantel 38°C. Von + bis — Eisreiz der Stirn. So zeigte E. Weber,! daß bei gesunden Blinden bei gesteigerter Tastauf- merksamkeit sich nur die Gefäße dieser Hautteile erweitern, während sich ! Ernst Weber, Ein automatischer Regulationsmechanismus der Empfindungs- stärke. Dies Archiv. 1910. Physiol. Abtlg. S. 455. 442 | ARTHUR Sımons: die übrigen Körpergefäße verengern. Es wird also hier für bestimmte Fragestellungen ausschließlich die eindeutige normale psychophysische Blutverschiebung zur Beantwortung benutzt. Ob die Blutverschiebung: bei pathologischen Hirnvorgängen weitere klinische Aufschlüsse gibt, ähnlich Volum- kurve des rechten Armes Nö | je ann, "un N Val Volum- kurve des linken Armes h na 5 Fa ä Km n es -. l th IM Lu Fig. 5a. Derselbe Fall. Aufgenommen 17. V. 1911. Erster Reflex; von + bis — Eisreiz der Stirn. den bisher von Ernst Weber bei der „Ermüdung“ festgestellten ,‚ muß sich noch zeigen. Die Aufnahme einer Atemkurve ist nicht unbedingt erforderlich, wenn bei der gleichzeitigen Volumaufnahme beider Arme sich Differenzen zwischen beiden Armen ergeben, da die Atmung beide Volumina ja nur gleichsinnig beeinflussen kann. Doch habe ich sie regelmäßig mit auf- genommen, schon mit Rücksicht auf die neuen experimentellen Unter- PLETHYSMOGRAPHISCHE UNTERSUCHUNGEN DER GEFÄSSREFLEXE. 443 suchungen Ernst Webers,! aus denen die Notwendigkeit der Aufnahme einer Atemkurve bei derartigen Untersuchungen wieder hervorgeht. Bei mageren Armen benutzte ich, wie schon früher, zum Abschluß der zu weiten Armöffnung des Apparates eine für den betreffenden Arm zugeschnittene Pappmanschette, die entsprechend am Apparate befestigt wird. Volum- kurve des linken Armes Volum-: kurve des rechten Armes Atmung Fig. 5 b. Derselbe Fall. Fortlaufend aufgenommen. Dritter Reflex; von + bis — Eisreiz der Stirn. Ich komme nun zur Mitteilung meiner eigenen Ergebnisse und beginne mit den Fällen von intermittierendem Hinken. Über den einen Mann hat Oppenheim a.a. O. klinisch berichtet. Für die Beurteilung der Volum- kurve resp. der während einer dreiwöchigen Beobachtung, bei oft wieder- holten Untersuchungen und auf alle Reize immer fehlenden Blutverschiebung ist daran zu erinnern, daß das intermittierende Hinken sich zurückgebildet . ! Die Arbeit erscheint in diesem Archiv. 1911. Physiol. Abtlg. MIA ans ARTHUR SIMONS: hatte; der Kranke konnte längere Zeit gehen, ohne unterbrechen zu müssen. Die Röntgenaufnahme zeigte eine geringe Kalkeinlagerung in die Art. tib. post., und die Fußpulse waren wieder beiderseits, besonders rechts deutlich zu fühlen. Der 35 jährige Patient hatte noch normalen Blutdruck, normale Herzgrenzen — der zweite Aortenton war nicht verstärkt, im Urin kein Eiweiß. Wie aus den Pulsen der Volumkurve (Fig. 1) hervorgeht — sie Volum- kurve des linken Armes fl | ae mn! hy a Volum- kurve des rechten Armes Atmung Fig. 5. Derselbe Fall. Fünfter Reflex; von + bis — Eisreiz der Stirn. sind nicht erst durch besondere Einstellung des Schreibhebels vergrößert — handelt es sich wohl nicht um ein enges Gefäß. Eine stärkere Arterio- sklerose im Armgebiet war auszuschließen, trotzdem fehlte jede Reaktion auf periphere und psychische Reize bei jeder Untersuchung. Daraus kann man den Schluß ziehen, daß es sich um eine latente Insuffizienz der vaso- motorischen Zentren für die Arme handelt. Sie sprechen auf den Reiz nicht an, die vielleicht vorhandene Wandveränderung spielt für das Fehlen PLETHYSMOGRAPHISCHE UNTERSUCHUNGEN DER GEFÄSSREFLEXE. 445 des Reflexes die geringere Rolle. Ob es sich um einen Dauer- oder vor- übergehenden Zustand hierbei handelt, ist bei der Beobachtungsdauer von einigen Wochen natürlich nicht zu entscheiden, doch will ich gleich hier erwähnen, daß man auch beim Morbus Raynaud nicht bloß tage-, sondern auch wochenweise ein Fehlen aller Gefäßreflexe im anfallsfreien Intervall Volum- Kalkan NM nl KULT Mm kurve des rechten uk! N 4 Armes Im eh, Be - Volum- kurve des linken Armes se Mt il N N ulm [IN NE NP) e A u Atmung Fig. 5d. Derselbe Fall. Kontrollaufnahme; von + bis — Eisreiz der Stirn. feststellen kann, bis dann allmählich oder plötzlich eine normale Reaktion einsetzt (vgl. später. Deshalb möchte ich auch hier, da eine stärkere Wandstarre der Armgefäße fehlt, der Kranke erst Mitte Dreißig ist, noch nicht mit einer dauernden Reflexstörung rechnen. Für die allgemeine vasomotorische Insuffizienz dieses Kranken sprach auch, außer der von Oppenheim schon erwähnten Hyperhidrosis, daß er Volum- kurve des rechten Armes Volum- kurve des linken Armes ARTHUR SIMons: 446 @ I w) u — nv u Mi Fall Gr. a 2 m N, in Fig. 6. Morbus Raynaud. Aufnahme 31. III. 1911. Von + bis — Eisreiz der Stirn. PLETHYSMOGRAPHISCHE UNTERSUCHUNGEN DER GEFÄSSREFLEXE. 447 unter dem Einfluß der Sonnenstrahlen in der Ebene leicht Rötung und Blasenbildung im Gesicht und den Händen bekam. Bei dem zweiten, 43jährigen Kranken bestand während der Zeit der plethysmographischen Beobachtung Claudicatio intermittens. Der Kranke kam oft hinkend zur Untersuchung und mußte dann längere Zeit ruhen, ehe sein Armvolumen gemessen werden konnte. Während im Anfall und Volum- kurve des rechten Armes Volum- kurve des linken N Fi Armes ; Mu nahe, a Fig. 7a. Fall OÖ. Morbus Raynaud. Aufgenommen 3. II. 1911. Bei + Essigreiz, — Neutralisation. auch im Intervall die Gefäßreflexe wegen der vorhandenen, schon fühlbaren Wandstarre der Beingefäße, resp. der spastischen Kontraktion hier erfahrungs- gemäß völlig oder fast ganz fehlen — ich selber konnte aus äußeren Gründen das bei dem Kranken nicht nochmals bestätigen —, zeigte sein Armvolumen zeitweise vollkommen normale Verhältnisse (vgl. Fig. 2). Man sieht deutlich (Fig.2) die Pulsverkleinerung, die prompte Verengerung und Erweiterung; eine stärkere Arteriosklerose der Armgefäße ist damit ausgeschlossen. Die an beiden Armen verschieden starke Volumverminderung beruht auf der verschiedenen Elastizität der Kapseln und wechselte entsprechend nach ihrem : Austausch. 448 ARTHUR SIMons: Bei einer späteren Aufnahme (Fig. 3) ist die Gefäßerweiterung träge, beachtenswert ist in allen Aufnahmen die geringere Gefäßerweiterung im rechten Arm. Sie hing nicht von der Kapsel ab; denn sie bestand auch 2 5 & BezS Eu ES BeErEB gsıe BES Eee aw®r um®r © ® B B nf“ a7 | 92 5 ? BP | F B = ze \ DI & ad = Do Bo Eur = > | > S [7 S fi = Em & Soon z = no z $ | SE etz R i 25 | z_ = 5: We ; un ® | 8 I u “ Sm Eee / 2 | in EN, < | EEE 5 Kar f E & noch nach Vertauschung der Kapseln, deren vollkommen ausreichende Elastizität für normale Veränderungen ja immer festgestellt wurde. W "Die eben geschilderte Abweichung, die oft bei dem kranken, und nur an diesem Arm vorkam, die zeitweise mangelhafte Erweiterung beider Arme trotz normaler Versuchsbedingungen (Wassermantel 39°; keine Schmerzen;) PLETHYSMOGRAPHISCHE UNTERSUCHUNGEN DER GEFÄSSREFLEXE. 449 zeigt doch wohl bereits eine Insuffizienz der Zentren an. Hierfür spricht noch das Fehlen einer Verengerung auf den Essigreiz, der doch beim Ge- sunden in seiner Wirkung gleich hinter dem Eisreiz kommt. Allerdings kann der Geschmacksreiz nicht so gesteigert werden wie der Eisreiz, sonst bekommt man eine Schleimhautverätzung, und gerade die nachdrückliche Steigerung des Reizes ist bei diesen Kranken oft erforderlich. Am beweisendsten Volum- kurve des rechten Armes Volum- kurve ken an, nr Mm, Armes ' Mu EN, ", Er n „u, a at m, m Fig. Te. Derselbe Fall. Aufgenommen 1.1II. 1911; von + bis — Eisreiz der Stirn. ist bei diesem Kranken, daß die Reflexstörung nur zeitweise zu beobachten ist. Wäre daran eine Wandveränderung schuld, so müßte die Abweichung, wie bei der Arteriosklerose, konstant sein. Sie beweist jedenfalls schon an einer scheinbar normalen Stelle eine Insuffizienz des vasomotorischen Apparates, die in einem anderen. Bezirk mit stärkerer Arteriosklerose auch zum Hinken führt. Der Kranke hatte übrigens an Armen und Händen klinisch nicht die geringsten Störungen. Archiv f. A,u. Ph, 1010, Physiol. Abtlg. Suppl. 29 450 ARTHUR SIMONS: Die plethysmographische Analyse der übrigen Kranken (Morbus Ray- naud, Akroparästhesien und verwandte Zustände) ergab in der langen Be- obachtungszeit von Monaten bis zu 1!/, Jahren bei 520 Aufnahmen immer den gleichen Befund. Die Gefäßreflexe auf Eis oder Essigreiz fehlten immer nur zeitweise und auch das ist nicht häufig. Niemals vermißt man sie dauernd bei demselben Kranken, wenn man ihn oft und lange genug untersucht. Die Beobachtungsdauer der Fälle Cursch- manns, der ein dauerndes Fehlen der Gefäßreflexe fand und darin die + Volumkurve des linken Armes | I N !ı "N f Y Volumkurve des rechten Armes Fig. 7d. Derselbe Fall. Aufgenommen 14. Il. 1911. Bei + Essigreiz, — Neutralisation. E Ursache der Opportunität zur Nekrose der peripheren Teile sah, ist daher zu kurz gewesen. Auch der arbeitsunfähige Raynaud-Kranke hat in der Ruhe, außerhalb seines Anfalls bei seltener und oberflächlicher Prüfung Gefäßreflexe wie der Gesunde. Je häufiger man sich aber mit demselben Kranken beschäftigt, um so mehr finden sich doch kleine und große Abweichungen vom Normalen, Am bemerkenswertesten ist die von mir beobachtete häufige Disso- ziation der niederen Zentren: Bei der gleichzeitigen Volumaufnahme beider Arme verhalten sich die Gefäße jeder Körperseite auf denselben Reiz nicht mehr gleichsinnig, sondern verschieden. Es verengert sich: der»ieine PLETHYSMOGRAPHISCHE UNTERSUCHUNGEN DER GEFÄSSREFLEXE. 451 Arm oder bleibt stumm und der andere erweitert. sich u. a.m. (Vgl. die folgenden Kurven und Erläuterungen.) Man kann daher ohne Übertreibung sagen, bei den neurovasku- lären Erkrankungen ist das Beständige der Wechsel der Reflexe, Volumkurve des rechten Armes PM N BEN Va a a WEL NEN RER N BE “N NN NO Ali I N Volumkurve des linken Armes 5 } AN A u \ a" N, a! H REN Mn ar Atmung Fig. 8. Fall S. Akroasphyxia chronica mit Muskelatrophie. Aufgenommen 29. III. 1911. Von + bis — Eisreiz der Stirn. Ich habe bei diesen Beobachtungen anfangs an einen Versuchsfehler gedacht. Doch wurden diese Abweichungen auch nach wochen- und monate- langen Pausen bei denselben Kranken immer wieder, meist an demselben Arme, gefunden. Viele sind 30- bis 50 mal untersucht worden. Die Schreib- kapseln der beiden Plethysmographen sind, wie erwähnt, immer auch beim Gesunden geprüft worden, ob ihre Elastizität zur Darstellung der normalen Blutverschiebung ausreicht; dann sind sie beim Gesunden und Kranken 29* 452 ARTHUR SIMOnNS: vertauscht worden. Endlich wurden dieselben Abweichungen auch von Ernst Weber, der einige Kranke liebenswürdigerweise nachkontrollierte, erhoben. Das kann kein Zufall oder eine Täuschung sein, wie aus der Be- trachtung der folgenden Kurven hervorgehen wird. Sie bringen nur eine Auswahl der beobachteten Abweichungen, die bei jedem Kranken vorkommen können. Volumkurve des rechten Armes Volumkurve des linken Armes Atmung Med Fall Gr. Morbus Raynaud (schwer); dauernd arbeitsunfähig. Aufgenommen 30.III. 1911. Von + bis — Eisreiz der Stirn. Fig. 4. zeigt die Volumkurve beider Arme einer jungen Frau mit Akroparästhesien, Akroasphyxie und Synkope. Das Verhalten beider Arme war an diesem Tage völlig gleichsinnig und normal, und doch hat die Frau eine schwere Insuffizienz ihrer vasomotorischen Zentren, wie sich an einem anderen Tage aus den fortlaufend aufgenommenen Kurven der Patientin ergibt. Bei dem ersten Reflex auf den Eisreiz (Fig. 5a.) sieht man wieder normale Verhältnisse beider Arme. Schon bei dem dritten Reflex (Fig. 5b.) bleibt bereits der linke deutlich zurück. Bei einem der folgenden Reflexe (Fig. 5c.) findet man einen etwas rascheren Anstieg mit ‚der normalen (Gegenreaktion am rechten Arm, und wieder das Nachhinken des. linken PLETHYSMOGRAPHISCHE UNTERSUCHUNGEN DER GEFÄSSREFLEXE. 453 Armes. Vertauscht man jetzt die Kapseln (Fig. 5d.), so sieht man über- zeugend, wie die Kapsel, die bisher das normale rechte Arm- volumen geschrieben hatte, auch das Zurückbleiben des linken Armes deutlich anzeigt. Das beweist die Dissoziation der ner- vösen Zentren. Bemerkenswerterweise hatte die Frau im Anfall im linken Arm subjektiv die stärkeren Beschwerden. Die plethysmographische Ab- weichung im Latenzstadium beschränkte sich ebenfalls nur auf den linken Arm. Volumkurve des linken Armes Volumkurve des rechten Armes Fig. 10a. Fall G. Morbus a (schwer); dauernd arbeitsunfähig. Aufgenommen 20. I. 1911. Von + bis — Eisreiz der Stirn. Die Kurven in Fig. 6. stammen von einer völlig arbeitsunfähigen Ray- naud-Kranken. Sie sollen zeigen, man sieht das sehr oft, daß die ersten Reizungen :keinen oder nur einen geringen Erfolg haben, bis allmählich, oder; wie hier plötzlich, der normale Reflex abläuft. Man muß wohl an eine Bahnung denken, denn die Lösung eines vorhandenen Krampfes ist unwahrscheinlich, da die Pulsgröße sich nicht verändert. Diese allmähliche Einstellung des Zentrums ist gewissermaßen das Gegenstück zu seinem langsamen (oder auch in anderen Fällen Nun) Versagen bei der vorigen Kranken. 454 ARTHUR SIMONS: Die Fig. 7a—d. erläutern das wechselnde Verhalten der Gefäße beider Arme bei einem leichten Fall von M. Raynaud. In Fig. 7a. sieht man die Volumveränderungen beider Arme auf einen psychischen ‚Reiz. Am rechten Arm tritt nach kurzer a eine Er- weiterung ein, links bleiben die Gefäße kontrahiert. | . Die Kurven der Fig. 7b. zeigen die perverse Innervation beider Aa auf einen Eisreiz. Volumkurve des rechten Armes N a nf! zahl" Pf Volumkurve des linken Armes Atmung MOMENT, Fig. 10.b. Derselbe Fall. Aufgenommen 9. II. 1911. Von + bis — Eisreiz der Stirn. In Fig. Te. ist die normale Verengerung in die ihr folgende über- triebene Erweiterung des rechten Armes gut zu sehen; am linken Arm fehlen ' die‘ Reflexe. In Fig. 7d. verhält sich der rechte Arm ol 8: normal, der Yinke hinkt nach. Man beachte auch die großen Pulsdifferenzen an den einzelnen Tagen und bei der gleichen Tageszeit, trotz gleicher Einstellung der Sehreib- hebel und gleicher Beschaffenheit der Schläuche; auch bei anderen Kranken war das nicht selten. Aus den abgebildeten (und auch den nicht abgebildeten) Rikken dies Kranken ergibt sich die stärkere und häufigere Abweichung am linken Arm. Er schmerzte auch im Anfall mehr und war auch öfters'allein betroffen, PLETHYSMOGRAPHISCHE UNTERSUCHUNGEN DER GEFÄSSREFLEXE. 455 Auch:;diese Kranke hatte öfters und längere Zeit an beiden Armen voll- kommen normale Reflexe. ».» In der Kurve der Fig. 8. sieht man die normalen Gefäßreflexe bei einer jungen Kranken mit Akroasphyxia chronica. Weiter zeigt die Kurve, daß die kleinen Pulse, die mit derselben Einstellung der Schreibhebel ge- wonnen wurden wie die großen Pulse anderer Kurven, nicht immer einen Volumkurve des rechten Armes I il \) H \ Volumkurve des linken Armes Atmung Fig. 10c. Derselbe Fall. Aufgenommen 10. II. 1911. Von + bis — Eisreiz der Stirn. Gefäßkrampf bedeuten und auch keinen normalen Reflex ausschließen. Die zahlreichen Schwankungen der Kurve, die an beiden Armen sich aber genau entsprechen, zeigen gut die vollkommene Synergie der Zentren. Fig. 9. beweist die zeitweise normalen Gefäßreflexe bei einer schweren ni. Kranken mit sklerodermatischen Veränderungen. -; Die Figg. 10 a—c. zeigen nochmals die Dissoziation der Zentren einer Kränken, die wegen ihres M. Raynaud invalidisiert wurde, und zwar in den ‘Kurven der Fig. 10a. am linken Arm die unvollkommene Erweiterung, während am rechten Arm gleichzeitig die Gegenreaktion übertrieben abläuft. 456 ARTHUR SIMoNS: In Fig. 10b. sieht man wieder die normalen Reflexe. Endlich ist in Fie. 10c. das Verhalten des rechten Armes normal, aber''der linke: hinkt nach. Klinisch bestanden im linken Arm stets mehr Beschwerden wie im rechten. Volumkurve des rechten. Armes Volumkurve des linken Armes Be N ort UNNA AN AAN: Fig. 11a. Fall L. Morbus Raynaud. Aufgenommen 6. II. 1911 morgens. Von + bis — Eisreiz der Stirn. Die Kurven der Figg. 11a. und b. stammen von einem schweren Fall von M. Raynaud mit Sklerodermie. Bei fast allen Aufnahmen, die zum Teil monatelang auseinanderlagen, zeigte sich fast immer eine Dilatation am linken Arm auf den Eisreiz. Die Kurve 11 b. ist noch mit abgebildet, um zu zeigen, daß die Erweiterung des Volumens der rechten Armes keine Bewegungszacke ist, wie man vielleicht in Fig. 11a.:auf den’ ersten Blick glauben könnte. PLETHYSMOGRAPHISCHE UNTERSUCHUNGEN DER GEFÄSSREFLEXE. 457 Die Fig. 12. zeigt das zeitweise Fehlen der Gefäßreflexe bei einer schweren Raynaud-Kranken mit Sklerodermie. Die Kurve ist aber vor allem wegen des meines Wissens noch nicht beobachteten Vagusreflexes wiedergegeben. Bei dieser Kranken nämlich, die an einer leichten Herz- insuffizienz auf myokarditischer Basis litt, kam es fast regelmäßig bei peri- pherer Eisreizung zu Unregelmäßigkeiten der Schlagfolge des Herzens, die sich im Plethysmogramm (mit = bezeichnet) in charakteristischer Weise äußerten. Auch außerhalb der plethysmographischen Untersuchung konnte Volumkurve des linken Armes Volumkurve des rechten % FE Armes Fig. 11b. Derselbe Fall. Aufgenommen 17. III. 1911 morgens. Von + bis — Eisreiz. Normale Atmungskurve wie in Fig. 11a; nicht nochmals abgebildet. man auskultatorisch feststellen, daß in der Ruhe nur minutenweise Inter- mittenzen auftraten, die prompt einsetzten und sich häuften, wenn man der Kranken Eis auf den Nacken legte. Ich habe diesen Vagusreflex unter im ganzen 1250 Aufnahmen nur bei dieser Kranken beobachtet. Die Beobach- tung ist wohl analog den extrasystolischen Unregelmäßigkeiten bei Reizung des Darmes und des Bauchfells. Sie werden von Kraus und Nicolai! als 1 Kraus und Nicolai, Das Elektrokardiogramm. 8.311. 458 | ARTHUR Sımons: „Hyperästhesie‘“ des Herzmuskels gedeutet. Die Kranke konnte bisher nicht elektrokardiographiert werden, so daß der Sitz der Allodromie noch nieht genauer bestimmt ist. mal Volum- kurve des rechten Armes Volum- kurve des linken Armes Fig. 12. Fall R. Künstliche Erzeugung von Arrhythmien durch einen De Bisreiz. . Reizdauer von + bis —; Extrasystolen bezeichnet mit = a So ergibt die lange fortgesetzte plethysmographische Analyse bei den neurovaskulären Erkrankungen auch im Latenzstadium eine funktionelle Schwäche der nervösen Zentren, die sich im Schwanken der Reflexe, in einem versteckten. Hinken eines oder beider Zentren, . einer anderen Ver- PLETHYSMOGRAPHISCHE UNTERSUCHUNGEN DER GEFÄSSREFLEXE. 459 arbeitung der Reize, einer rascheren Ermüdung usw. verrät; der stärkste Ausdruck der Funktionsstörung ist vielleicht die Asynergie der niederen Zentren auf periphere Reize. Über die Bedeutung der mitgeteilten Stö- rungen im klinischen Bilde und für die Pathogenese wird an dieser Stelle nicht eingegangen; auch kann das ja nur im Verein mit der 2 an Symptomatologie geschehen. | : Der zentrale Sitz der Störungen ist natürlich nicht weiter zu diffe- renzieren. Für die Annahme einer erhöhten Selbständigkeit oder eines ver- änderten Tonus der Muskelwand des Gefäßes, die Lewandowsky erwägt, liegt beim Menschen kein Anhalt vor, so beachtenswert auch die Aus- führungen Lewandowsky’s sind.! Gegen die veränderte Tätigkeit der Gefäßwand spricht vielleicht auch die völlige Wirkungslosigkeit sehr starker Vasotonindosen (bei einzelnen Kranken 50 und mehr Injektionen). Ich habe wenigstens bei unseren Erkrankten niemals einen Erfolg gesehen. Nun wirkt aber nach Tierver- versuchen von F. Müller? das Mittel gerade auf die Gefäßwand und er- weitert so die Strombahn. Selbstverständlich läßt sich auch im Tier- experiment nicht entscheiden, ob das Mittel am Muskel oder an den ner- vösen Gebieten der Gefäßwand angreift. Ich verdanke wieder meinem Chef, Professor Oppenheim, die aus- giebige Benutzung der Kranken, dem Abteilungsvorsteher des physiologischen Instituts R. Du Bois-Reymond manchen Hinweis; ganz besonders bin ich aber Ernst Weber für seine außerordentlich freundliche Unterstützung verpflichtet. Nachtrag. Im ersten Teil meiner plethysmographischen Untersuchungen (a. a. O.) hatte ich auch gezeigt, daß und wie man das Verhalten der Gefäßreflexe benutzen kann, um beim Menschen einen gemischten peripheren Nerv auf seinen Gehalt an vasomotorischen Fasern zu unter- suchen. Die Funktionsprüfung bei entsprechenden klinischen Fällen ergab, daß die Vasomotoren nur im Medianus und Ulnaris, aber nicht im Radialis verlaufen. H. Curschmann hat mich nach dem Erscheinen der Arbeit brieflich darauf hingewiesen, daß er im medizinisch - naturwissenschaftlichen ! Lewandowsky, Die Funktionen des Zentralnervensystems. S. 98. ? Müller-Fellner, Über Vasotonin usw. Therapeut. Monatshefte. 1910, Juni. 460 ARTHUR SIMONS: PLETHYSMOGRAPHISCHE UNTERSUCHUNGEN USW. Verein in Tübingen am 18. Februar 1907 (vgl. Sitzungsprotokoll in der Münchener med. Wochenschrift 1907, Nr. 19) einen Fall von leichter Läsion des Medianus mit schweren trophischen Störungen der Gelenke, Knochen und der Haut bei normalem elektrischem Verhalten der Muskeln vorgestellt hat. Er sprach bei der Gelegenheit auch die Vermutung aus, daß wohl besondere in verschiedenen Nerven sehr verschieden zahlreiche und wirksame trophische Faserbündel anzunehmen seien. Ich kannte leider diese Demonstration nicht und habe auch die von H. Stursberg im Verein zu Bonn erst nach Abschluß meiner Unter- suchungen nur zufällig durch die freundliche Zusendung eines Sonder- abdruckes Mitte dieses Jahres erfahren. | Die Aktionsströme der Vogel- und Säugernetzhaut bei Reizung durch kurzdauernde Belichtung und Verdunkelung. Von H. Piper. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Berlin.) (Hierzu Taf. IV— VI.) Bei der vergleichenden Untersuchung! der Aktionsströme der Amphibien-, Reptilien-, Vögel- und Säugernetzhaut stellte sich die auffallende Tatsache heraus, daß der Stromverlauf bei den meisten Säugern (Katze, Hund, Kaninchen) durch gewisse Abweichungen gegenüber den anderen Verte- bratenklassen ausgezeichnet ist. Der Netzhautstrom verläuft bei Amphibien, Reptilien und Vögeln prinzipiell übereinstimmend, und zwar tritt bei Be- lichtung zuerst eine schnell ablaufend negative, dann sogleich folgend eine positive Schwankung des Ruhestromes ein. Diese sinkt wieder ab und es folst nun die langsam ansteigende sekundäre positive Erhebung, welche auf einem erreichten Maximalwert während der fortgesetzten Belichtung verharrt oder in sehr langsames Wiederabsinken übergeht (Brücke und Garten); bei Verdunkelung tritt eine abermalige positive Schwankung ein und darauf fällt der Strom ab bis zu dem Wert, welcher vor der Belich- tung bestand (Fig. 1, Taf. IV). Beim Säugerauge (Hund, Kaninchen, Katze) wird die erste negative Belichtungs- und die positive Verdunkelungs- schwankung vermißt. Der Netzhautstrom verläuft also bei Belichtung in Form einer ersten, sogleich wieder absinkenden positiven Belichtungs- schwankung, auf welche die sekundäre Erhebung in mehr oder weniger deutlicher Ausprägung folgt. Bei Verdunkelung tritt zuerst eine mit steilem Gefälle einsetzende negative Stromschwankung ein und alsdann sinkt der Strom langsam weiter ab bis zu dem Wert, der vor der Belichtung vor- ı H. Piper, Über die Netzhautströme. Dies Archiv. 1905 u. 1911. Physiol. Abtlg. Siehe auch dort die einschlägige Literatur. 462 H. Pıper: handen war (Fig. 2, Taf. IV). Nur die vom Auge des Makakus Rhesus auf- genommenen Stromkurven zeigten zwar nicht regelmäßig, aber doch manch- mal einen minimalen, eben merklichen negativen Belichtungs- und positiven Verdunkelungsausschlag, und dieser Befund hat sich in einem neuerdings von mir am Affenauge angstellten Versuch auch wieder ergeben. Das Vorhandensein der negativen Belichtungs- und der positiven Ver- dunkelungsschwankung bei Amphibien, Reptilien und Vögeln, ihr Fehlen bei den Säugern machte sich in ausgesprochener Weise in den Stromkurven bemerklich, welche bei Flimmerreizung der Netzhaut registriert wurden. Es zeigte sich, daß der Aktionsstrom der Reizfrequenz mit gleich vielen Oszillationen zu folgen vermag, solange die Intermittenzzahl der Reize unter einer als „Verschmelzungsfreguenz“ bezeichneten Schwelle bleibt; bei höheren Reizzahlen pro Zeiteinheit reagiert die Netzhaut nach dem Verlauf des Aktionsstromes zu urteilen ebenso, als ob stetig belichtet worden wäre. Bei Reizfrequenzen nun, die unter der Verschmelzungsschwelle liegen, welche also gleich viele Aktionsstromwellen hervorrufen, findet man, daß bei Am- phibien, Reptilien und Vögeln immer die sinkende Phase jeder Strom- welle dem Einsetzen des Flimmerlichtreizes, die ansteigende Phase aber dem Ende des Lichtreizes als Wirkung zugeordnet ist, daß also jede Welle aus einer negativen Belichtungs- und einer positiven Verdunkelungs- schwankung besteht. Anders bei den Säugern; hier ist die ansteigende Phase jeder Stromwelle als Effekt des Einsetzens des Lichtreizes, die sinkende aber als Effekt der Wiederverdunkelung erweisbar und somit besteht bei Flimmerlichtreizung der Aktionsstrom in einer Serie positiver Belichtungsschwankungen; das Fehlen der negativen Belichtungs- und der positiven Verdunkelungsschwankung ist also auch in diesen Ver- suchen evident. \ Ich habe diese Differenzen in neuen Versuchen weiter verfolgt, indem ich die Aktionsstromschwankungen der Kaninchen- und der Taubennetzhaut bei Reizung mit kurzen Lichtblitzen und bei Einschaltung einer kurz- dauernden Verdunkelung in eine längere Belichtungsperiode verglich. Unter diesen Bedingungen der Reizung kommen die Unterschiede des Strom- verlaufes zwischen Säugern und Vögeln wohl am eklatantesten zur Dar- stellung. Die Technik der Versuche ist vollständig die gleiche, welche in meiner kürzlich veröffentlichten! Untersuchung über die Netzhautströme zur Verwendung kam. Es darf also auf jene Mitteilung hier verwiesen werden, an welche sich die jetzt zu besprechenden Versuche ergänzend an- schließen. ' "A.a.0. Dies Archiv. 1911. Physiol. Abtlg. DıE AKTIONSSTRÖME DER VOGEL- UND SÄUGERNETZHAUT. 463 1. Reizung mit Lichtblitzen. eine inan is: Taubenauge mit Lichtblitzen von etwa 0-1 Sekunde ton so zeigt der Aktionsstrom zuerst die kleine negative, dann die positive Beliehtungsschwankung (Fig. 3, Taf. IV). Diese geht wieder zurück und damit ist der elektromotorische Erfolg der Reizung beendigt. In seltenen Fällen vermißt man den ersten negativen Belichtungsausschlag. Die positive Ver- dunkelungsschwankung ist bei so kurzen Belichtungen in der Stromkurve ‚nicht, sichtbar. Es ist aber anzunehmen, daß sie in der positiven Belichtungs- schwankung mit drinsteckt und das Gefälle des absteigenden Schenkels flacher gestaltet oder den Gipfel erhöht. Bei etwas längeren Belichtungen, etwa von 0-2 Sek. Dauer, tritt die positive Verdunkelungsschwankung schon deutlich hervor und reizt man noch etwas länger, so folgt auf den ersten negativen und den positiven Belichtungseffekt noch während der Belichtung auch der Ansatz zur sekundären positiven Erhebung (Fig. 6, Taf. V). Bei Verdunkelung tritt eine sehr deutlich ausgeprägte positive Verdunkelungs- schwankung ein (Figg. 4—6). Beträchtlich abweichend gestaltet sich der Stromverlauf unter gleichen Bedingungen der Reizung beim Kaninchen. Bei sehr kurz dauernder Licht- reizung (0-04 bis 0-08 Sek.) tritt einfach eine positive Schwankung ein, welche sogleich bis zu dem Stromwert wieder abfällt, welcher vor der Be- licehtung bestand (Fig. 7, Taf. V). Der negative Vorschlag, welcher beim Taubenauge typisch auftritt, fehlt, und ebenso vermißt man einen positiven Verdunkelungseffekt. Belichtet man etwas länger (etwa 0-2 Sek.), so tritt wiederum eine positive Schwankung ein, der Wiederabfall erfolgt aber zu- nächst in flacherem Gefälle, als bei ganz kurzdauernder Reizung, so daß ein sehr wenig geneigtes Plateau auf der positiven Erhebung der Strom- kurve entsteht (Figg. 8 und 9, Taf. V).. Bei Verdunkelung geht aber dieses flache Gefälle in einem deutlich markierten Knick in einen steileren Abfall über, welcher die negative Verdunkelungsschwankung repräsentiert (Fig. 10, Taf. V). Dann fällt der Strom langsam weiter ab bis zu dem von ‚der Belichtung innegehabten Wert. Bei noch länger ausgedehnter Belichtung (0-5 Sek.) beobachtet man bei Belichtung eine positive Schwan- kung ohne negativen Vorschlag; diese fällt ein wenig wieder ab, geht dann aber in die sekundäre positive Erhebung über. Bei Verdunke- lung fällt der Strom zuerst schnell, dann langsamer wieder ab, und dieses Verhalten kommt in der Stromkurve darin zum Ausdruck, daß sie von der bei der Belichtung erreichten Höhe in einem Knick zuerst steil, dann in flachem Gefälle wieder absinkt. Ein positiver asmlelmeinıe- schlag fehlt auch unter diesen Bedingungen der Reizung vollständig (ie 11, Taf. V). 464 H. Pıper: Ganz ähnliche Kurven, wie vom Kaninchenauge, erhält man bei kurz- dauernden Belichtungen des Affenauges. Ein negativer Belichtungsvorschlag ist manchmal vorhanden, besonders wenn zwischen je zwei Reizungen eine längere Pause eingeschaltet wird. Eine deutlich abgesetzte positive oder negative Verdunkelungsreaktion ist dagegen bei kurzen Belichtungen nicht erkennbar. % 2. Reizung mit Verdunkelungsblitzen. Schaltet man in eine Periode anhaltender, stetiger Netzhautbelichtung kurze Verdunkelungen ein, so erhält man vom Taubenauge ganz analoge Aktionsstromeffekte, wie ich sie unter gleichen Bedingungen der Reizung am Froschauge beschrieben habe.! Zuerst tritt eine positive Verdunkelungs- schwankung ein; diese wird abgebrochen durch die negative Belichtungs- schwankung, welche sich als erste Wirkung der wiedereinsetzenden Licht- reizung einstellt. Auf diese folgt die positive Belichtungsschwankung, welche in bekannter \eise wieder abfällt und manchmal in eine sehr flache „sekundäre Erhebung“ übergehen kann. Man hat also zwei aufeinander- folgende positive Kurvengipfel, die positive Verdunkelungs- und die Be- lichtungsschwankung, und diese sind durch eine negative Zacke, die negative Belichtungsschwankung, getrennt (Figg. 12—16, Taf. V u. VI). Je länger die Verdunkelung dauert, um so mehr gewinnt die positive Belichtungsschwankung gegenüber dem Verdunkelungsausschlag an Größe (Fig. 16, Taf. VI). Ganz anders ist das Kurvenbild des Stromverlaufes, welches man bei gleicher Art der Reizung vom Kaninchenauge erhält. Als Effekt der Ver- dunkelung tritt eine negative Schwankung ein und die wiederkehrende Belichtung kommt in einer positiven Belichtungsschwankung zur Geltung. Bei Reizung durch einen Verdunkelungsblitz beobachtet man also einfach einen Abfall und Wiederanstieg des Stromes; die Ausschläge sind um so kleiner, je kürzer die Verdunkelung gedauert hat (Figg. 17—19, Taf. V]). Die Einfachheit dieses Stromverlaufes, welche für das Säugerauge, gegen- über dem am Vogel- und Amphibienauge beobachteten Doppelausschlag charakteristisch ist, beruht in leicht ersichtlicher Weise darauf, daß beim Säugerauge der negative Belichtungs- und der positive Verdunkelungsaus- schlag im allgemeinen fehlt. Beim Affenauge, welches in meinen Versuchen nur einen minimalen und keineswegs regelmäßig auftretenden positiven Verdunkelungsausschlag nach längeren Belichtungen ergab, stellte sich bei sehr kurzdauernden Ver- dunkelungsblitzen (0-04 Sekunde) überhaupt kein deutlicher Stromeffekt ein; bei etwas länger dauernden (0-08 Sek.) konnte manchmal ein minimales ıH. Piper 24.2.0. Die AXKTIONSSTRÖME DER VOGEL- UND SÄUGERNETZHAUT. 465 Ansteisen, Wiederabsinken und nochmaliges Wiederansteigen des Stromes konstatiert werden, so daß man in der Kurve mit einigem guten Willen einen positiven Verdunkelungs- und einen positiven Belichtungseffekt wieder- erkennen konnte. Doch sind die Ausschläge so nahe der Schwelle der Merklichkeit und bei so vielen Reizversuchen überhaupt nicht nachweisbar, daß ihre Existenz zweifelhaft bleiben mußte. Was die theoretische Deutung der hier beschriebenen Differenzen der elektromotorischen Belichtungs- und Verdunkelungsreaktionen zwischen den Augen der Säuger und den übrigen Vertebratenklassen betrifft, so möchte ich hier nur auf die Hypothese! verweisen, welche ich über den Aufbau des abgeleiteten Netzhautstromes aus mehreren interferierenden Teilströmen ent- wickelt habe und in welche sich die hier besprochenen Befunde, wie mir scheint, wohl einordnen lassen. Erklärung der Abbildungen. (Taf. IV—VI) Alle Kurven sind von rechts nach links zu lesen. Zeitschreibung: Stimmgabel von 50 Sehwingungen pro Sekunde. Tafel IV. Fig. 1. Positive Verdunkelungsschwankung vom Taubenauge. Fig. 2. Negative Verdunkelungsschwankung vom Kaninchenauge. Fig. 5. Aktionsstrom des Taubenauges bei kurzer Belichtung (0-11 Sek.). Nega- tive und positive Belichtungsschwankung. Fig. 4. Dasselbe. Reizdauer 0-23 Sek. Negative und positive Belichtungs-, positive Verdunkelungsschwankung. Fig. 5. Dasselbe. Reizdauer 0-27 und 0:28 Sek. Tafel V. Fig. 6. Dasselbe. Reizdauer 0-72 Sek. Negative und positive Belichtungs- schwanknng, dann sekundäre positive Erhebung. positive Verdunkelungsschwankung. Fig. 7. Aktionsstrom vom Auge des Kaninchens. Reizdauer 0-1 Sek. Einfache positive Schwankung. Fig. S. Dasselbe. Reizdauer 0-11 Sek. ! Vgl. hierzu auch: H. Piper, Verlauf und Theorie der Netzhautströme. Zentralblatt für Physiologie. 1911. Archiv f.A.u.Ph, 1910, Physiol. Abtl&. Suppl, 30 466 H. PıpEr: Die AKTIONSSTRÖME DER VOGEL- UND SÄUGERNETZHAUT. Fig. 9. Dasselbe. Reizdauer 0-17 Sek. Positive Belichtungsschwankung, im absteigenden Schenkel ein Knick, durch die negative Verdunkelungsschwankung bedingt. Fig. 10. Dasselbe. Reizdauer 0-18 Sek. Negative Verdunkelungsschwankung deutlicher. Fig. 11. Dasselbe. Reizdauer 0-5 Sek. Positive Belichtungsschwankung, dann beginnende sekundäre Erhebung. Deutlich abgesetzte negative Verdunkelungsschwankung. Fig. 12. Aktionsströme vom Taubenauge bei Reizung mit Verdunkelungsblitzen. Dauer der Verdunkelung 0-04 Sek. Positive Verdunkelungsschwankung, abgebrochen durch negative Belichtungsschwankung, dann positive Belichtungsschwankung. Fig. 13. Dasselbe. Dauer der Verdunkelung 0-06 Sek. Fig. 14. Dasselbe. Dauer der Verdunkelung 0-06 Sek. Tafel VI. Fig. 15. Dasselbe. Dauer der Verdunkelung 0-08 Sek. Fig. 16. Dasselbe. Dauer der Verdunkelung 0-1 Sek. Die positive Belichtungs- schwankung überwiegt an Größe. Fig. 17. Aktionsstrom vom Kaninchenauge bei Reizung mit Verdunkelungs- blitzen. Dauer der Verdunkelung 0:115 Sek. Negative Verdunkelungs-, positive Be- lichtungsschwankung. Fig. 18. Dasselbe. Dauer der Verdunkelung 0-1 Sek. Fig. 19. Dasselbe. Dauer der Verdunkelungen 0-06 und 0-14 Sek. Die Größe der Ausschläge nimmt mit der Reizdauer zu. Die Nervenveränderungen unter Einwirkung der Nervenmassage (Druckmassage). Von Dr. med. M. Joffe, Assistent der Klinik. (Aus der Chirurgischen Universitätsklinik zu Dorpat [Jurjew] Direktor: Prof. Zoege von Manteuffel.) Die Druckmassage wird ausschließlich bei Neuralgie angewandt. Zur Behandlung der idiopathischen Neuralgie, deren pathologisch-anatomischer Grund uns noch nicht vollkommen bekannt ist, wurden mehrere Methoden vorgeschlagen und zwar: physikalische, diätetische, pharmakologische und chirurgische. In früheren Zeiten hat man Salben angewandt, die auf die Nerven einen Reiz ausüben sollten. Unter den physikalischen Heilmethoden wären zu nennen: die Lichtbehandlung, Heißluft- und Schwitzkuren, Fango, Moor- und Sandbäder, Duschen mit wechselndem Druck, Galvanisation, Faradisation und die von Benedikt erprobte Akupunktur. Im Jahre 1897. hat Leopold Freund (1) die Behandlung der Neuralgie mit Röntgen- strahlen zuerst empfohlen. Sehr großer Beliebtheit erfreuten sich die Ein- spritzungen mannigfacher Art um und in der Nervenscheide. Die subkutane Injektion mit Morphium und Kreosot hatten zuerst Rynd (2) und später Wood angewandt; auch andere Alkaloide benutzte man zur Injektion, z. B. Narcein, Heroin, Atropin, Strychnin, Curare usw. Auch andere Substanzen wie Äther, Chloroform, Tinct. jodi, Osmiumsäure, Luft, Sauerstoff, Alkohol, Kochsalz und destilliertes Wasser wurden in den Nerven eingespritzt. In letzter Zeit ist man sowohl von allen Narcotica, wie auch von den anderen stark wirkenden Substanzen abgekommen und benutzte nur noch indifferente Mittel. Die Mehrzahl der Autoren kamen zu der Überzeugung, daß es sich bei diesen Injektionen um rein mechanische Wirkungen handele. | 30* 468 M. JoFFE: Was nun die Nervenveränderung unter dem Einfluß der Injektion betrifft, so hat Finkelenburg (3) immer eine Degeneration des Nerven gefunden. Er spritzte nämlich seinen Kaninchen Alkohol, Kochsalz, Kokain ein und beobachtete, daß durch Alkohol die stärkste Degeneration hervor- gerufen wurde. Nach allen Injektionen folgte stets eine Lähmung des Nerven. Das häufige Fehlen der Lähmungserscheinungen der Nerven im menschlichen Körper erklärt er dadurch, daß die injizierte Flüssigkeit nicht in den Nerven selbst, sondern nur in seine Umgebung gelangt; es ist auch experimentell, an Versuchstieren, sehr schwierig, den Nerven selbst zu treffen. Infolge der auftretenden Lähmungserscheinungen warnt also Finkelenburg vor der Injektion in die gemischten Nerven. Im Jahre 1872 hat Nußbaum (4) eine neue Heilmethode der Neuralgie, die Nervendehnung;, veröffentlicht. Die mikroskopischen Unter- suchungen der gedehnten Nerven zeigten eine Degeneration (Witkowsky [5)). Der Meinung des letzteren nach wirkt die Dehnung auf das Nervengewebe gleich einer partiellen Durchschneidung. Ähnliche Veränderungen beobachteten auch: Cattani (6), Virniceci (7), Consentino (8). Von den chirurgischen Heilmethoden der Neuralgie möchte ich auf die früher angewandte Neurotomie, Neurektomie, Neurexaerese (Thiersch [9]) und auf die Methoden von Bardenhauer (10) und Baracz (11) verweisen. Aus der kurzen Übersicht der Heilmethoden der idiopathischen Neur- algie ist ersichtlich, wie kompliziert die Frage ist. Als eine Heilmethode der Neuralgie kommt hauptsächlich die Nerven- massage (Druckmassage) in Betracht. Schon dem Laien ist es bekannt, daß Druck und Reiben der Schmerzpunkte lindernd auf die Schmerz- empfindung wirken, ja den Anfall kupieren können. So drücken z. B. bei der Trigeminusneuralgie manche mit einem Tuch auf die Schmerzpunkte, andere auf die Schläfen, andere wieder auf die Wangen von innen mit dem Finger. Schuh (12) linderte den Anfall dadurch, daß er die Zunge gegen das obere Zahnfleisch und harten Gaumen drücken ließ. Kühn erzählt von einem Patienten, der 14 Jahre lang an einer linksseitigen Gesichts- neuralgie litt, daß er eine krumme Nase bekam, da er den Schmerz durch energisches Reiben der linken Wange zu lindern suchte. Als Therapie für die Neuralgie wurde die Druckmassage früher sehr selten angewandt, da ganz leichte Handgriffe infolge der zu tiefen Lage des Nerven ihren Zweck verfehlten, und man sich vor energischen fürchtete. Außerdem muß man die Ursache für die seltene Anwendung der Massage darin suchen, daß sie als gewerblicher Beruf aufgefaßt wurde und infolge- dessen in medizinischen Kreisen gering geachtet wurde. Überhaupt wurde in der Literatur die Massage wenig berührt, obwohl viele Ärzte über ihre glänzenden und dauernden Heilerfolge berichten konnten. Indessen hat NERVENVERÄNDERUNGEN UNTER EINWIRKUNG DER NERVENMASSAGE. 469 man doch allmählich die Überzeugung gewonnen, daß die Massage bei einzelnen Formen der Neuralgie gute Erfolge hat. Wenn wir die Literatur über Nervenmassage verfolgen, so können wir sehen, wie sich die Zahl der Anhänger dieser Methode immer mehr vergrößert hat. Edinger (13) sagt: „Die Ischias ist recht eigentlich das Paradefeld für die Massage- behandlung.“ Von den Anhängern der Nervenmassage möchte ich auf Sabludowsky (14), Beuster (15), Schreiber (16), Schüler (17), Hilt- brunner (18), Wullenweber (19), Wolff (20), Sachs (21), Naegeli (22) u.a. m. verweisen. Mein sehr verehrter Chef und Lehrer, Herr Prof. Zoege von Manteuffel hat die besten Erfolge bei der Heilung der Ischias durch Massage erzielt. Als einen großen Anhänger der Druckmassage darf man Cornelius (23) nennen, der sagt: Die Nervenmassage ist und bleibt eine Behandlung, mit deren Erfolgen keine andere Methode auch nur im mindesten konkurrieren kann. Die Hauptwirkung der Nervenmassage wird von dem auf den Nerven ausgeübten Druck bedingt. Daß dieser Faktor, die Druckstärke, die Haupt- rolle spielt und daß von ihm auch der Effekt der Massage abhängt, haben schon viele Autoren bemerkt. Alle Heilmethoden der Neuralgie, aus- genommen die chirurgischen und äußeren Mittel, wie Dehnung und Injek- tionen in die Umgebung des Nerven oder in die Neuralscheide, kommen . auf dieselbe Wirkung hinaus wie die Massage, nämlich die Druckwirkung. Zederbaum (24) bewies, daß die Nervendehnung nichts anderes als ein Druck der Nervenhüllen auf die Nervenfasern bedeute; es kommt nämlich hierbei zur Verengerung der Schwannschen Scheide, die auf Markscheide und Achsenzylinder drückt. Auch Lange (25) behauptet, daß all die Injektionsmethoden keine pharmakodynamischen Wirkungen hervorrufen, sondern lediglich Druckwirkungen seien, die die injizierte Flüssigkeit auf den Nerven ausübt. Es wirken also Injektionen ebenso wie blutige oder unblutige Nervendehnung ähnlich der Nervenmassage. Kleen (26) sagt: Ebensowenig wie wir etwas über die Entstehung der Neuralgie wissen, wissen wir wie die Nervenmassage die reine Neuralgie (ohne jede anato- mische Veränderung) zu Besserungen, ja sogar zur Heilung bringen kann. Im Einverständnis mit Kleen müssen wir annehmen, daß die experimentelle Untersuchung der durch Massage behandelten Nerven die therapeutische Wirkung aufklären würde. Indessen sind bis jetzt experimentelle Unter- suchungen über Nervenmassage nicht vorgenommen, obgleich dieses der einzige Weg zur Aufklärung der Massagewirkung ist. Unsere Aufgabe in den Experimenten war die Ausübung der Druck- massage auf tierische Nerven und die Untersuchung der eingetretenen anatomischen Veränderungen. Zum Experiment nahmen wir ein Kaninchen, dem die Nervenmassage des Ischiadicus gemacht worden ist. Wir wählten a0 M. JOFFE: den Ischiadieus deshalb, weil er der stärkste und geeignetste hierfür zu sein schien. Unsere Experimente können wir in 3 Gruppen einteilen: I. bei gleicher Zahl der Behandlungstage, aber bei verschiedenem Druck; II. bei gleichem Druck, aber bei verschiedener Zahl der Behand- lungstage; III. bei verschiedenem Druck und verschiedener Zahl der Behandlungs- tage, bei denen die Untersuchung nicht wie bei I und II am Tage nach dem Experiment, sondern nach verschiedenen, längeren Intervallen vor- genommen wurde. Die ersten beiden Gruppen hatten den Zweck, den Nerven sofort nach dem Trauma, die dritte im Laufe der Ausheilung zu untersuchen. Zur Bestimmung der Größe des angewandten Druckes haben wir folgenden Apparat gebaut: Wir verbanden zwei Bretter von 1-09” Länge und 0.18 Breite an einem Ende mit Scharnieren; zwischen den anderen Enden brachten wir einen Dynamometer an, der die Stärke des Massagedruckes angeben sollte. Das Bein, auf welches der Druck ausgeübt werden sollte, wurde so auf das obere Brett gelegt, daß die Stelle des Druckes sich ge- rade in der Mitte des Brettes und gleichzeitig auch über dem Dynamo- meter befand. Beim Experiment hält der Assistent das Kaninchen hängend und folst dem Zeiger des Dynamometers, der während der ganzen Zeit den Maximaldruck zeigt. Der Apparat weist allerdings einige Fehlerquellen auf, die aber für unsere Experimente nicht von Belang sind. Die Stärke des Druckes haben wir mit ganz minimalen Reizen be- sinnend so zunehmen lassen, daß sie am Schlusse ein Gewicht von 120008" entsprach. Die Zahl der Behandlungstage von 3—56. Bei diesen Experi- menten haben wir in verschiedenen Intervallen und mit verschiedener Kraft die Nerven massiert und sie nach 7 bis 98 Tagen untersucht. Im ganzen haben wir 52 Experimente vorgenommen. Wie aus den obigen Experimenten ersichtbar ist, ist zwischen der kleinsten und größten Druckstärke eine bedeutende Differenz vorhanden. Es ist daher wohl anzunehmen, daß der Druck, den wir bei der Massage des menschlichen Körpers ausüben (bei Ischias 60—80 Pfd.), innerhalb der von uns im Tierexperiment angewandten Stärken liest, zumal die Nerven im menschlichen Körper viel dünner sind und auch oberflächlicher liegen, als der N. Ischiadicus des Kaninchens. Deshalb eben begannen wir zu- nächst mit einem leichten Druck, den wir bis zur Zerstörung des Nerven verstärkten. Am Schlusse des Experimentes untersuchten wir die massierten Nerven des getöteten Kaninchens — wir hatten es durch einen Schlag ins Oceiput getötet — und gleichzeitig auch die nicht massierten Nerven der anderen NERVENVERÄNDERUNGEN UNTER EINWIRKUNG DER NERVENMASSAGE. 41 Extremität. Wir fixierten die Nerven nach den Angaben von Flemming, Orth (Müller-Formol) und Müller und schlossen die Präparate in Zelloidin ein. Als Färbung bedienten wir uns der Methoden von Weigert mit der Modifikation von Dürk, ferner von van Gieson und Marchi. Machen wir uns eine kurze Übersicht der Nervenveränderungen, die durch den Druck hervorgerufen wurden, so ergibt sich: In der 1. Gruppe haben wir 7 Experimente mit verschiedenem Druck von 1200 bis 12000sm angestellt; dabei wiederholten wir die Massage zehnmal. Nach diesen Experimenten fanden wir folgende Veränderungen: zuerst sieht man eine Hyperämie und eine Schwellung des bindegewebigen Stroma und der Fasern selbst, dann nimmt der Nerv eine blutig-braune Färbung an und wird viel dicker als der normale. Je mehr Kraft wir an- wenden, desto mehr fällt uns die rein mechanische Zerstörung des Nerven auf: wir bemerken kapilläre Blutergüsse im Nerven selbst, in seinem Binde- gewebe, zwischen den einzelnen Fasern und zwischen Nerv und seinen Hüllen. Bei einem Druck von 12000:% kann man einen frischen Blut- erguß zwischen Nerv, Perineurium und einzelnen Fasern sehen. Bei. diesem Druck kann man schon makroskopisch die beginnende mechanische Zerstörung beobachten. An der Stelle des Druckes finden wir den Nerven zerquetscht und das zerschmetterte Nervengewebe nach dem oberen und unteren Abschnitt auseinandergewichen. Unverletzt blieb nur das wider- standsfähige bindegewebige Stroma. Bei einem Druck von 1200: zeigt das Nervengewebe noch keine Veränderung, aber bei einem Druck von 2500 sr= beginnt eine Veränderung der Myelinscheide und es treten einzelne Kügelchen auf; die Fasern, schwellen an. Bei zunehmender Druckkraft tritt der Zerfall des Myelins immer deutlicher hervor, eine immer größere Zahl von Fasern wird zerstört und beim Druck von 12000. finden wir keine einzige Faser mit normaler Myelinscheide mehr. Überall sieht man nur Klümpchen und kleine Hohlräume. Dasselbe beobachten wir auch in dem Achsenzylinder. Bei einem Druck von 45008”% bemerkt man schon stellenweise abgerissene Stücke und viele Fasern zeigen eine Struktur- veränderung. Bei 12000” finden wir keinen einzigen normalen Achsen- zylinder mehr. Die Zellen der Schwannschen Scheide verändern sich bereits bei einem Druck von 4000 s’“, wenn die Myelinscheide schon in einzelnen Fasern zerrissen ist, und gruppieren sich um die veränderten Fasern. Je größer die Zahl der zerstörten Fasern ist — und das hängt von dem angewandten Druck ab —, desto größer ist auch die Zahl dieser Zellen. Es treten demnach in dieser Gruppe von Experimenten mit sehr starkem Druck mechanische Zerstörung des Nerven, Faserzerreißungen und Blutergüsse auf. Bei einem geringeren Druck als 9000 2"” bemerkt man 412 M. JoFFE: nur Blutergüsse, aber keine Faserzerreißungen. Die mitunter bemerkbaren Unterbrechungen der Achsenzylinder sind als sekundäre Erscheinungen im Laufe eines degenerativen Prozesses anzusehen. In der 2. Gruppe haben wir 29 Experimente angestellt; sie besteht wiederum aus 3 Untergruppen. In jeder Untergruppe war der Druck während der ganzen Zeit derselbe, die Zahl der Behandlungstage ver- schieden. Die Untergruppen unterscheiden sich durch die Kraft des an- gewandten Druckes: leichtes Streichen, Druck von 12008 und endlich Druck von 4000 sr”, Beim leichten Streichen tritt eine Veränderung der Gefäße und des den Nerv umgebenden Bindegewebes ein; nämlich eine Hyperämie, Schwel- lung des Bindegewebes, stellenweise auch Blutergüsse als Folge der mecha- nischen Einwirkung. Erst 35 tägiges Streichen, bewirkt eine Veränderung des Nervengewebes selbst und einer geringen Zahl von Fasern, allerdings nur an einzelnen Stellen. Der Prozeß beginnt mit einer Veränderung des . Myelins, der Bildung von Kugeln und Ellipsoiden. Die Achsenzylinder verlieren nirgends ihre Kontinuität und zeigen nur stellenweise Auftrei- bungen. Die Zellen der Schwannschen Scheide jedoch vermehren sich. Dieser ganze Prozeß ist nur geringfügig und wir können keine einzige Faser finden, die in ihrer ganzen Ausdehnung eine Veränderung der Be- standteile aufweist. In der zweiten Untergruppe war der Druck in allen Experimenten 1200:”%, die Zahl der Sitzungen 3 bis 56. Hier ist wieder die Reaktion des den Nerven umgebenden Bindegewebes und der Gefäße auffallend: das Bindegewebe schwillt an, und nach längerem Druck fängt eine Vermehrung der Zellen an (Mitose). Die Gefäße sind erweitert, der Nerv selbst dicker. Alle diese Veränderungen beobachten wir in allen Präparaten, und je länger der Druck ausgeübt wird, desto schärfer treten sie hervor. Das Nerven- gewebe zeigt folgendes: das Myelin ist gegen den Druck sehr empfindlich und schon vom 5. Tage an reagiert es schlecht auf Osmiumsäure. Vom 14. Tage an bemerken wir einen Zerfall, der mit zunehmender Zahl der Behandlungstage fortschreitet. Die Zahl der Myelinklüämpchen wächst, und es bilden sich Hohlräume, die durch eine dünne Myelinmembran vonein- ander getrennt sind. Anfangs sind diese Veränderungen nur stellenweise vorhanden, die Fasern sind normial oder nur wenig verändert, später aber verlieren die Fasern ihre Myelinscheide. Nach 56tägiger Massage zeigt die Mehrzahl der Fasern kein oder verändertes Myelin, aber es gibt auch einige, die von normalen nicht zu unterscheiden sind. Die Achsenzylinder folgen den Myelinveränderungen. Sie zeigen anfangs Schwellungen, lokale Auftreibungen, mit dem 28. Tage lokale Zerreißungen. Wir finden in den NERVENVERÄNDERUNGEN UNTER EINWIRKUNG DER NERVENMASSAGE. 473 Hohlräumen Trümmer von Achsenzylindern von verschiedener Form und Größe: stäbchen-, punkt- und bogenförmige. Nach 56tägiger Massage sind sie in mehreren Fasern nicht zu erkennen, in anderen verändert, wieder in anderen, wo das Myelin fehlt, haben sie lokale Auftreibungen ohne Verlust ihrer Integrität; in vielen Fasern aber sind sie ganz normal. Die Schwannschen Scheiden reagieren mit Vermehrung ihrer Zellen. Je länger das Experiment dauert, um so mehr Zellen häufen sich an und zwar am meisten längs der veränderten Fasern; sie finden sich innerhalb und außerhalb der letzteren. Man sieht auch Zellen, die Myelinsubstanz ent- halten. In der dritten Untergruppe haben wir innerhalb von 3 bis 42 Tagen einen Druck von 40008: angewandt. In dem Bindegewebe und den Ge- fäßen sehen wir dieselben Veränderungen wie in den vorigen Experimenten. Nach dem 3. Tage finden wir schon einzelne Myelinklümpchen und die Myelinscheide unregelmäßig. Mit dem 21. Tage finden wir dann alle Stadien des Myelinzerfalls: in vielen Fasern färbt es sich schlecht, in anderen liegen stark mit Osmium gefärbte Klümpchen und Hohlräume, andere be- stehen gleichsam nur aus einer Kette solcher Hohlräume, in vielen schließ- lich fehlt das Myelin ganz, Nach 35tägiger Massage hat keine einzige Faser eine normale Myelinscheide mehr. Die Fasern erscheinen fibrös ver- ändert. Der Achsenzylinder zeigt schon mit dem 10. Tage lokale Zer- reißungen, bei 42tägiger Massage finden wir in der Mehrzahl der Fasern gar keine Achsenzylinder oder höchstens veränderte Bruchstücke von solchen. Die Schwannsche Scheide zeigt Zellvermehrung und bietet dasselbe Bild dar wie in der vorigen Gruppe. In allen besprochenen Versuchen können wir die Veränderungen der Nerven von ganz minimaler, Hyperämie und Schwellung des Bindegewebes, bis zu den allerschwersten, der vollständigen Zerstörung der Struktur, ver- folgen. Je länger das Experiment dauert, um so deutlicher treten die Veränderungen hervor. Wenn wir einen starken Druck ausüben, tritt die Degeneration der Nervenfasern um so früher auf, und die qualitative und quantitative Veränderung ist um so größer, je stärker der Druck war. Es ist interessant zu bemerken, daß bei einem Druck von 4000 8:® im Laufe von 42 Tagen nicht alle Fasern degenerieren: neben den degenerierten Fasern finden sich auch, allerdings nur in geringer Zahl, ganz normale, so dab also eine vollständige Zerstörung nicht eintritt. Zu der dritten Gruppe gehören die Experimente, bei denen die Nerven nicht am nächsten Tage nach Schluß des Experimentes, sondern erst nach verschiedenen Zeitintervallen, nämlich 7 bis 98 Tage, untersucht wurden. Diese Gruppe enthält zwei Untergruppen, die sich durch die Kraft des an- gewandten Druckes voneinander unterscheiden. In der 1. Untergruppe 474 M. JoFFE: wandten wir jedesmal einen Druck von 4000 =, in der 2. Untergruppe von 90008" an. Die Zahl der Behandlungstage ist in der 1. Untergruppe 7 bis 28, in der 2. Untergruppe 5 bis 21. Die Aufgabe dieser Gruppe war, die Veränderung der Nerven nach der Massage zu verfolgen, und außer- dem festzustellen, ob die Nerven in den normalen Zustand zurückkehren. In der 1. Untergruppe bleibt der Nerv bei 7 tägiger Massage nach 21 Tagen fast normal, die Gefäße sind erweitert, das bindegewebige Stroma ist ver- diekt. Bei 14 tägiger Massage ist der Nerv auch nach 56 Tagen nicht ganz normal und bei 28tägiger Massage wird der Nerv erst nach 98 Tagen normal. In der 2. Untergruppe sehen wir keinen normalen Nerven. Aus dieser Gruppe ist ersichtlich, daß das Zurückkehren des Nerven zum nor- malen Zustand um so länger dauert, je stärker der Druck ist. Es sei hier erwähnt, daß auch andere Autoren sich mit dem Nerven- druck beschäftigt haben, um die De- und Regeneration, wie auch die Physiologie des Nerven zu studieren. Aber die Autoren haben dabei an Nerv-Muskelpräparaten gearbeitet oder sie ließen den Druck nur auf die Strecke von Millimetern oder Bruchstücken von diesen einwirken. Gewöhn- lich benutzten sie zu diesem Zwecke einen seidenen Faden oder ein Haar. Andere Autoren hingegen übten einen Druck auf größere Strecken mit Hilfe besonderer Apparate aus (Calugareanu (27), van Lier (28), Büng- ner (29), Stroebe (30), Ziegler (31), Bethe (82) u. a. m.). Diese Resul- tate können nicht mit unseren verglichen werden, da sie an entblößten und in der Mehrzahl der Fälle an Froschnerven ausgeführt wurden. Unsere Experimente ergeben also stets folgende 3 Faktoren: 1. Hy- perämie mit Schwellung des bindegewebigen Stroma, 2. Degeneration mit folgender Regeneration des Nerven, endlich 3. die Umwandlung nur eines Teils der Nervenfasern, wenn der Druck nicht sehr stark war. Die Hyperämie finden wir in allen Präparaten unabhängig von der Dauer des Experimentes und der Kraft des angewandten Druckes. Diese Hyperämie bleibt auch nach Beendigung der Massage zurück und auch dann, wenn der Nerv in den normalen Zustand zurückkehrt. Die Hyperämie wird nicht nur an der Stelle beobachtet, wo der Nerv und das umgebende Gewebe massiert wird, sondern auch zentral- und peripherwärts davon. Diese Hyperämie muß sich auf Grund der anatomischen Bedingungen nach oben und unten auf eine große Strecke hin ausdehnen (Tonkoff [33]). Der ganze Nerv-Muskelapparat bildet in bezug auf die Blutzufuhr eine Ein- heit und die Hyperämie eines Teiles greift somit auf die ganzen Gefäße über. Es müssen hier auch die vasomotorischen Nerven eine große Rolle spielen. Bei einem Reiz, der in gleicher Weise auf die Vasokonstriktoren und Dilatatoren einwirkt — die nebeneinander liegen — fällt das Über- gewicht stets auf die letzteren. Die Vasodilatatoren sind leichter reizbar NERVENVERÄNDERUNGEN UNTER EINWIRKUNG DER NERVENMASSAGE. 475 als die Vasokonstriktoren, so daß als Resultat des Druckes immer eine Hyperämie zustande kommen muß. Die zweite Erscheinung, die wir als Resultat der Massage bemerken, ist der degenerative Prozeß; diesen Prozeß können wir als Resultat des Trauma ansehen, welches durch die Massage hervorgerufen ist. Ferner haben wir gezeigt, daß nicht alle Fasern degenerieren; auch nach genügend starkem Druck finden wir neben veränderten Fasern ganz normale. Man nimmt an, daß nicht alle Fasern dem Trauma unterworfen sind. Diese Hypothese haben schon viele Autoren, die die Physiologie der Nerven nach dem Druck studiert haben, aufgestellt; andere Autoren jedoch glaubten, man hätte es hier mit Fasern verschiedener Funktion zu tun und zwar würden die sensiblen Fasern schneller umgewandelt als die motorischen. Da es nun anatomisch unmöglich ist, die zentrifugalen Fasern von den zentripetalen zu unterscheiden, so ist es nur auf physiologischem Wege möglich zu prüfen, welche Fasern dem Trauma gegenüber mehr oder wenig widerstandsfähig sind. Die Aufgabe der zweiten Arbeit ist die physiologische Untersuchung der Widerstandsfähigkeit der einen oder anderen Fasern gegenüber der Druckmassage. 476 M. JoFFE: Literaturverzeichnis. 1. L. Freund, Röntgenbehandlung der Ischias. Wiener klinische Wochenschrift. 1897. Nr. 51. 2. Zit. nach Kurzwelly, Die Behandlung der Ischias durch subkutane und paraneurotische Injektionen. Dissertation. Leipzig 1904. 3. Finkelenburg, zit. Offerhaus, Die Technik der Injektionen in die Trige- minusstämme und in das Ganglion Gasseri. Archiv für klinische Chirurgie. 1910. Bd. XCH. 4. Nussbaum, Bloßlegung und Dehnung der Rückenmarksnerven. Deutsche Zeitschrift für Chirurgie. 1872. Bd.1. 5. Witkowsky, Zur Nervendehnung. Archiv für Psychiatrie und Nerven- krankheiten. :1881. Bd. XI. 6. Cattani, Aleune ricerche sperimentali intorno alla distensione ineruenta dei nervi. Ref. Zentralblatt für Chirurgie. 1885. Nr. 22. 7. Virniechi, Examen histologique des lesions des nerfs immediatement consecu- tives & leur elongation. Ref. Ebenda. 1902. Nr. 29. 8. Consentino, Lesioni dei centri nervosi in rapporto con lo stiramento eruento dei nervi. Ref. Zbenda. 1903. Nr. 94. 9. Thiersch, Über Nervenextraktion. Ref. Zbenda. 1889. Suppl. Nr. 29. 10. Bardenheuer, Operative Behandlung der traumatischen Ischias. Berliner lelinische Wochenschrift. 1901. Nr. 39. Derselbe, Ischias, ihre Behandlung mittels der Nervinsarkokletis, Einlagernng der Nerven in Weichteile und ihre Ursache. Deutsche Zeitschrift für Chirurgie. 1902. Bd. LXVI. 11. Baracz, Ein Vorschlag für operative Behandlung der Ischias. Zentralblatt für Chirurgie. 1902. Nr. 9. 12. Schuh, zit. Conrads, Über Neuralgien. Dissertation. Siegburg 1889. 13. Edinger, Behandlung der Krankheiten im Bereiche der peripheren Nerven. Handbuch der speziellen Therapie. Penzoldt u. Stintzing, Jena 1896. 14. Sabludowsky, Die Bedeutung der Massage in der Chirurgie und deren physiologische Grundlagen. Archiv für klinische Chirurgie. 1883. Bd. XXIX. Derselbe, Physiologische Wirkungen der Massage und allgemeine Betrachtungen über dieselbe im Dienste der Chirurgie, ihre Indikationen und Technik. Zbenda. 1885. Bd. XXXI. 15. Beuster, Über den therapeutischen Wert der Massage bei zentralen und peripheren Nervenkrankheiten. Deutsche medizinische Wochenschrift. 1884. 16. Schreiber, Praktische Anleitung zur Behandlung durch Massage. Wien 1883 NERVENVERÄNDERUNGEN UNTER EINWIRKUNG DER NERVENMASSAGE. 477 17. Schüller, Über Massagebehandlung der Ischias. Deutsche medizinische Wochenschrift. 1886. Nr. 24. 18. Hiltbrunner, Die Ischias und ihre Behandlung. Dissertation. Berlin 1898. 19. Wullenweber, Nervenmassage. Deutsche medizinische Wochenschrift. 1905. Nr. 41. 20. Wolff, Die mechanische Behandlung der Ischias und ihre diagnostische Be- deutung. Wiener medizinische Wochenschrift. 1905. Nr. 23. 21. Sachs, Zur mechanischen Behandlung der Neuralgien. Ebenda. 1905. Nr. 5. 22. Naegeli, Therapie von Neuralgien und Neurosen durch Handgriffe. 1894. 23. Cornelius, Die Nervenmassage. T’herapeutische Monatshefte. 1905. Nr. 5. Derselbe, Die Nervenpunktlehre. Leipzig 1909. 24. Aederbaum, Nervendehnung und Nervendruck. Dies Archiv. 1883. 25. Lange, Therapeutische Beeinflussung der Ischias und anderen Neuralgien. Deutsche medizinische Wochenschrift. 1906. Nr. 48. Derselbe, Beitrag zur Therapie der Ischias. Münchener medizinische Wochen- schrift. 1904. Nr. 52. Derselbe, Behandlung der Ischias und anderer Neuralgien durch Injektionen unter hohem Druck. Neurologisches Zentralblatt. 1907. 26. Kleen, Handbuch der Massage. Berlin 1890. 27. Calugareanu, Contribution & l’Etude de la Compression des Nervs. Jour- nal de Phys. et de Pathol. generale. 1901. p. 413. 28. van Lier, Über Nervenkompression. Beiträge für klinische Chirurgie. 1905. Bd. XLVI. 3. Heft. 29. Büngner, Über die Degenerations- und Regenerationsvorgänge an Nerven nach Verletzungen. Ziegler’s Beiträge. 1891. Bd.X. p. 321. 30. Stroebe, Experimentelle Untersuchungen über Degeneration und Regenera- tion peripherer Nerven nach Verletzungen. Zbenda. 1893. Bd. XIII. 31. Ziegler, Untersuchungen über die Degeneration des Achsenzylinders durch- trennter peripherer Nerven. Langenbeck’s Archiv für Chirurgie. 1896. Bd.LI. 32. Bethe, Über die Regeneration peripherer Nerven. Archiv für Psychiatrie 1901. Bd. XXXIV. 33. Tonkoff, Internationale Monatsschrift für Anatomie und Physiologie. 1898. Bad. XV. Die Wirkung der Druckmassage auf die physiologische Funktion der Nerven. Von Dr. med. M. Jofie aus Jurgew (Dorpat). (Aus dem Physiologischen Institute der Universität Berlin.) Die Frage, welche Wirkung die Nervenmassage auf die physiologische Funktion des Nerven hervorruft, ist bei der Heilung der Neuralgie durch Massage eine äußerst wichtige. Von den anatomischen und physiologischen Veränderungen des Nerven hängt der ganze Effekt der Massage ab. Diese Frage ist noch besonders dadurch wichtig, daß in der letzten Zeit Cor- nelius und seine Schüler die Heilung der Neuralgie durch Massage sehr begünstigen, da sie dieselbe für die geeignetste Behandlung halten. Die Nervenmassage ist nichts anderes als die Druckmassage. Die "blutige und auch unblutige Dehnung der Nerven, die Einspritzung in die Umgebung des Nerven beruhen ebenfalls auf Druck; und zwar in dem ersten Falle drückt die ausgedehnte Schwannsche Scheide auf die Mark- scheide und Achsenzylinder (Zederbaum), in dem zweiten Falle übt die eingespritzte Flüssigkeit einen Druck auf den Nerven aus (Lange). Die experimentell vorgenommene Nervendehnung zeigt (nach Omboni, Fiorani, Meolini [1]), daß eine schwache Dehnung nur auf die zentri- petalen Fasern und das Zentrum einwirkt, während sie die zentrifugalen Fasern schont. Hehn glaubt, daß wir durch die Nervendehnung die Reizbarkeit des Nerven und des Rückenmarks vermindern, und seiner Ansicht nach ist dieser Faktor sehr wichtig. Chauvel bewies, daß nach der Dehnung der tierischen Nerven mit verschiedener Kraft und bei verschiedener Dauer die Sensibilität herabgesetzt ist, aber je nach der Kraft der Dehnung am M. JorrE: Die WIRKUNG DER DRUCKMASSAGE Usw. 479 nächsten Tage oder später zurückkehrt. Die Reizbarkeit des Nerven kann vorübergehend oder auch dauernd durch langsame, aber starke und wieder- holte Traktionen zerstört werden. Die mäßige Dehnung bedingt eine vor- übergehende Anästhesie in dem Bezirk der ausgeübten Nervendehnung, ohne bemerkbare Störung der motorischen Fähigkeit; eine starke Dehnung bedingt eine langdauernde oder für immer bleibende Anästhesie. Alle Autoren, die sich mit der Untersuchung der gedehnten Nerven in physio- logischer Hinsicht beschäftigt haben, kommen zu dem Resultat, daß bei schwacher Dehnung die Nervenreizbarkeit gesteigert, bei starker Dehnung vermindert wird (Vallenton, Haber, Ranke, Cornet, Schleich, Tut- schek, Conrad). Conrad zeigte, daß bei starker Dehnung die motorische Funktion erhalten bleiben kann (Tigerstedt, Vogt [2]). Zahlreiche Autoren haben die Experimente mit Nervendruck viel- mals vorgenommen. Fontane betonte besonders im Jahre 1797, daß all- mählich verstärkter Druck auf den Nerven seine Leitungsfähigkeit ab- schwächt. In den zentripetalen Fasern ruft der Druck zuerst eine Erhöhung der Reizbarkeit hervor, die nach dem starken Druck verschwindet. Weber fand auch eine Zerstörung der Leitungsfähigkeit bei starkem Druck, der eine Steigerung der Reizbarkeit voranging. Weir Mitchell versuchte die Kraft des Druckes festzustellen, die notwendig ist, um die Leitfähigkeit in den zentrifugalen Nerven aufzuheben. Nach dem Aufhören des Druckes kehrt die Leitfähigkeit wieder zurück. Die Zerstörung der Leitfähigkeit in den zentrifugalen Nerven aber erwähnt er nicht. Billroth (3) hebt her- vor, daß bei der Paralyse des Nervus radialis infolge Druckes der Krücke in den beobachteten Fällen die Sensibilität erhalten ist, die motorische Funktion dagegen aufgehoben. Lüderitz (4) stellte an Kaninchen Versuche an: er unterband beim Kaninchen den Nerven mit der umgebenden Muskulatur, aber ohne die Gefäße (er nahm nur den gemischten N. ischiadicus) mit Gummi- bändehen oder einem seidenen Faden und untersuchte die zentrifugale und zentripetale Funktion, indem er die zentrifugale durch Reizung des. zentralen Teiles von der Ligatur prüfte, die zentripetale durch Reizung peripher von der Druckstelle aus. Die zentrifugale Funktion erkannte er an der Kontraktion der am Unterschenkel und Fuß befindlichen Mus- keln, die sensible an einer Schmerzzuckung, mit der das Tier reagierte. Er übte den Druck mit verschiedener Kraft aus und bemerkte dabei, daß — wenn es ihm gelang, die Leitungsfähigkeit zu unterbrechen — dies zuerst für die zentrifugalen und dann erst für die zentripetalen Fasern geschehen ist. Die zentripetale Leitung blieb auch manchmal wie vor dem Experiment unversehrt. Das Gegenteil hat er nie gesehen. Die Anästhesie ist gewöhn- lich kurze Zeit. nach der zentrifugalen Paralyse eingetreten, manchmal aber, 450 M. JoFFE: auch nach 10 bis 30 Minuten. Bei der Untersuchung der Sensibilität be- merkte man Erscheinungen, die für die Verlangsamung der Leitungsfähig- keit an der Druckstelle sprachen, — die Schmerzreaktion folgte 1 bis 1!/, Sekunden nach begonnener Reizung. Nach Beseitigung der Ligatur kehrte oft die motorisch-sensible Leitungsfähigkeit sehr schnell zurück und dabei so, daß bei noch geringer motorischer Funktion die Sensibilität schon vorhanden war. Zederbaum kam gerade zu den entgegengesetzten Resul- taten in seinen Experimenten wie Lüderitz. Er kommt zu dem Schluß, daß die elektrische Erregbarkeit der zentrifugalen Nerven noch erhalten ist, wenn sie in den zentripetalen gleich null ist. Die Experimente nahm er an Nervenmuskelpräparaten von Kaninchen und Fröschen vor, und übte den Druck auf den N. ischiadieus aus. Zu ebensolchen Resultaten kam auch Efron (5), welcher seine Experimente an Nervenmuskelpräparaten von getöteten Fröschen vornahm. Ducceschi (6) und Calugareanu wieder- holten diese Experimente im Jahre 1901. Der erste umschnürte den N. ischiadieus des Frosches mit einem Seidenfaden, an dessen Ende er ein bestimmtes Gewicht anhing. Auf Grund seiner Experimente ist er der Ansicht, daß es gelingt, den motorischen Impuls im Nerv zu unterbrechen ‘oder die Intensität des Impulses abzuschwächen, wenn man einen bestimmten Druck auf den Nerven ausübt. Das Zurückkehren der Funktion hängt mehr oder weniger von der Dauer und Intensität des Druckes ab. Die Leitungsfähigkeit schwindet zuerst in den zentripetalen, dann in den zentri- fugalen Fasern. Der Umstand, daß sich beim Druck bestimmter Teile der Nervenfaser die Leitungsfähigkeit verliert, erklärt sich durch ungleich- mäßigen Druck auf die konzentrischen Nervenschichten. Calugareanu umschnürte den freigelegten N. ischiadieus in einer Ausdehnung von ?/, um, 1””" und 90 x mit einem Seidenfaden oder Pferdehaar; die Experimente stellte er an Torpedo, Kaninchen und Fröschen an. Er hat im Gegensatz zu Zederbaum und Ducceschi das Stadium der Reizung vor besinnen- dem Verschwinden der Leitungsfähigkeit nieht gesehen. Van Lier hat ähnliche Experimente am N. ischiadieus vorgenommen; er benutzte hierzu ein Nervenmuskelpräparat und kam zu denselben Resul- taten wie die vorigen Autoren. Wir wollen hier noch die Experimente anführen, durch die man die Leitungsfähigkeit der zentrifugalen und zentripetalen Nerven zu prüfen ver- suchte, indem man sie verschiedenen schädlichen Einwirkungen (chemische Substanzen, Temperatur) aussetzte.e Pereles und Sachs wirkten auf die beiden Arten von Fasern mit Äther, Chloroform und Alkohol ein; Grütz- ner, Gad, Vallentin, Rosenthal, Affanassieff, Weber, Hafe- man (7) durch hohe Temperaturen. Alle Autoren kamen zu dem Schluß, daß die zentrifugalen Fasern widerstandsfähiger gegen alle erwähnten schäd- WIRKUNG DER DRUCKMASSAGE AUF DIE FUNKTION DER NERVEN. 481 . liehen Einwirkungen sind. Als Ursache des ungleichmäßigen Verhaltens der Fasern zum Druck haben verschiedene Autoren Verschiedenes ange- nommen. Die einen geben hierfür die vikariierende (L&tievont) und rekurrierende (Arloing, Tripier) Sensibilität, die anderen das gar nicht selten differente Verhalten des Nervenverlaufes an, die dritten dachten, nicht jeder Teil des Nervenquerschnittes sei in gleich hohem Grade be- troffen. Lüderitz erklärt es durch die physiologische Differenz, Schiff durch die ungleiche Regenerationsfähigkeit der beiden Arten der Nervenfasern. Aus den Experimenten der erwähnten Autoren sehen wir, daß fast alle mit Ausnahme von Lüderitz die Experimente an kaltblütigen Tieren (Fröschen) und an freigelegten Nerven des vorher getöteten Frosches vor- genommen haben. Bei der Paralyse, die nach dem Druck der Krücken, ebenso auch der Narben und Geschwülste auftrat, bemerkt man zuerst eine zentrifugale Paralyse, später erst eine zentripetale. Den Unterschied zwischen den Beobachtungen in der Klinik und in den Experimenten sehen viele Autoren darin, daß man es in der Klinik mit veralteten Fällen zu tun hat und deshalb die Resultate der Experimente auf die Klinik nicht direkt übertragbar sind. Wir halten diese Erklärung für eine künstliche und glauben die Ursache in der Einrichtung des Experimentes selbst suchen zu müssen, da die mikroskopischen Veränderungen der dem Druck unter- worfenen Nerven völlig dem entspricht, was man in den durch Narben zerdrückten Nerven bemerkt (van Lier, Nonne [38)). Um dasselbe beobachten zu können wie bei dem Kranken, müssen wir das Experiment bei einem warmblütigen Tiere und in vivo anstellen und dann in derselben Weise die Funktion des Nerven untersuchen. Der Druck auf den Nerven in der Ausdehnung von einem Millimeter oder seiner Bruch- teile wird in der Klinik nicht beobachtet, gewöhnlich ist eine größere Strecke des Nerven dem Druck unterworfen. Vielleicht liegt darin der Grund, daß wir beim Kranken andere Beobachtungen machen als beim Experiment. Wir haben uns die Aufgabe gestellt, die Wirkung des Druckes auf die physiologische Funktion des Nerven zu untersuchen und die Veränderungen an dem Kaninchen in vivo zu verfolgen. Wir übten einen Druck auf den N. ischiadicus aus; um die Kraft zu messen, benutzten wir einen Apparat der im vorigen Abschnitt beschrieben ist. Er besteht aus 2 Brettern, die an einem Ende mit Scharnieren verbunden sind, an den beiden anderen Enden ist in einer Rinne, die an beiden Brettern angelegt war, ein Dynamo- meter befestigt, wie er gewöhnlich zur Messung der Händekraft ange- wandt wird. Über dem Dynamometer wird das Bein des Kaninchens auf das obere Brett gelegt, auf dessen N. ischiadicus wir mit dem Finger den gewünschten Archiv f.A. u, Ph, 1910. Physiol. Abtlg. Suppl. 31 482 M. JoFFE: Druck ausüben. Unser Experiment haben wir in 2 Gruppen eingeteilt, mit starkem und schwachem Druck. .Der starke Druck betrug nach dem Dynamo- meter 50, der schwache 25. Den Druck haben wir täglich einmal wähsend 1 bis 11/, Minute ausgeübt. Die Untersuchung der Nerven haben wir nach verschiedenen Zeitintervallen — von 3 bis 14 Tagen bei starkem Druck, von 3 bis 21 Tagen bei schwachem Druck — vorgenommen. In beiden Fällen haben wir je ein Experiment mit Unterbrechung angestellt, d. h. wir ließen das Kaninchen nach Beendigung des Experimentes 7 Tage in Ruhe und haben erst dann das Kaninchen untersucht. Im ganzen haben wir 16 Experimente vorgenommen: 7 mit starkem, 9 mit schwachem Druck. Wir haben die zentrifugale und zentripetale Leitungsfähigkeit untersucht. Der Reiz wurde durch den elektrischen Strom hervorgerufen, die Strom- stärke wurde gemessen mittels des Schlittenapparates von du Bois-Rey- mond, die zentripetale bei Reizung des Nerven peripher von der Druck- stelle, die zentrifugale zentralwärts von derselben. Nach dem Vorschlag des hoehverehrten Herrn Prof. Weber untersuchten wir die Wirkung der zentripetalen Reizung auf den Blutdruck. Aus der Physiologie ist es bekannt, daß bei jeder zentralwärts wirkenden Reizung des Nerven eine reflektorische Blutdrucksteigerung hervorgerufen wird. Wenn die zentri- petale Leitung unterbrochen ist, kann natürlich das vasomotorische Zentrum nicht mehr reagieren. Bei starker Erregbarkeit der zentripetalen Fasern muß dieser Reflex bei Reizung durch schwächeren elektrischen Strom erscheinen, bei Herabsetzung der Erregbarkeit müssen wir einen Reiz durch einen stärkeren elektrischen Strom ausüben, um den Reflex hervorzurufen. Bei gleicher Stromstärke muß der Reflex auf der Seite stärker sein, auf welcher die Erregbarkeit des Nerven eine größere ist. In jedem Falle wird das Ergebnis der Reizung des behandelten Nerven mit dem der entsprechenden Reizung des unbehandelten Nerven der anderen Seite verglichen. Zur Untersuchung der Funktionen der zentripetalen Fasern wurde dem ° Tier in die V. jugularis Kurare eingespritzt, nach vorheriger Tracheotomie zur künstlichen Atmung mittels Blasebalg. Die Art. carotis wird geöffnet, in dieselbe wird eine Kanüle gesteckt, die mit einem Manometer verbunden ist; letzteres schreibt auf einer Drehtrommel den Blutdruck als Kurve auf. Beide N. ischiadici werden an beiden Beinen vom Austritt aus dem Becken bis zur Fossa poplites auspräpariert. Der Reiz wird auf derselben Stelle an beiden Beinen abwechselnd ausgeübt. Die Verdickung des Nerven infolge der Behandlung tritt an der Grenze zwischen mittlerem und oberem Teile des unteren Drittels hervor. Peripher von dieser Verdickung wurde auch der Reiz ausgeübt. An diesen kurarisierten Tieren konnten wir freilich die zentrifugale Leitung nicht untersuchen. Die Funktion der zentrifugalen Fasern haben wir bei nicht kurarisierten Tieren durch Reizung des zentral- WIRKUNG DER DRUCKMASSAGE AUF DIE FUNKTION DER NERVEN, 485 wärts von der Verdickung gelegenen Abschnittes des Nerven untersucht, der beim Austritt aus dem Becken durchschnitten war. Bei der Reizung des zentralen Nervenabschnittes mittels des elektrischen Stromes beob- achteten wir, in welchem Rollenabstand die erste Zuckung des Beines er- folgte. Durch Vergleich mit der normalen Seite erkannten wir den Zustand der zentrifugalen Leitung. In den Experimenten, in denen das Tier nicht kurarisiert war, konnte die Untersuchung der zentripetalen Leitung durch Blutdruck nur mit be- sonderer Vorsicht vorgenommen werden, wegen der Bewegungen des Tieres — hier mußten wir vor der Untersuchung der zentrifugalen Funktion die zentripetale prüfen. Was die Schmerzreaktion anbetrifft, so untersuchten wir, bei welehem Rollenabstand die ersten Schmerzzuckungen auf der be- handelten und auf der normalen Seite erfolgten. Die beiliegende Tabelle und Kurven illustrieren die Resultate unserer Experimente. Zahl der Starker Druck Schwacher Druck Behand- lungstage (Dynamometer 50) (Dynamometer 25) 3 Erhöhte Erregbarkeit. Erhöhte Erregbarkeit. Versuch I. S. n. 15 R.-A. 70° m.15 „ 50° Mean. »15, 2, 89° m.ldn 8010 Versuch XI (Kurare) [1 | Schwächere Erregbarkeit. Versuch X. 8. n. 12 R.-A. Erhöhte Erregbarkeit. Versuch XII (Kurare). mes des, Versuch II (Curare) siehe die Kurve. Mn. 12, ME 5 Schwächere Erregbarkeit. z Schwächere Erregbarkeit. Versuch IX. 8. n. 12 R.-4. Versuch VII. S.n. 18 R.-A. Ta PR) a NO M.n. 22 ,„ 40° Men. 2522,50 im.f 115147, an-ltdee, 10 Sehr schwache Erregbarkeit. Schwächere Erregbarkeit. Versuch XVI. S.n. 24 R.-A. Versuch XV. S.n. 16 R.-A. 55 Ill. m. 5 „ | il ER) (Kurare) M.n.25 „ 300 M. n. 25 „ az m, 3 Ei | m, 15 ” 3 484 _ M. JoOFFE: “ in eier Starker Druck Schwacher Druck undeläe (Dynamometer 50) (Dynamometer 25) 14 Keine Erregbarkeit. Schwächere Erregbarkeit der zentri- _ Versuch IV. 8. n. 18 R.-A. fugalen Fasern. m. 0 „ Keine Erregbarkeit der zentripetalen M.n. 25 „20° a mo Versuch VI. S.n. 20 R.-A. Siehe die Kurve. Der ee M: a5 m. 02%, Versuch XIII. S.n. 24 , 10° m. 6-5, M.n. 24 ,„ m. 0% 21 wis Schwächere Erregbarkeit der zentri- fugalen Fasern. Keine Erregbarkeit der zentripetalen Fasern. Versuch XIV. S.n. 12 R.-A, m. 6 „ M.n. 25 „ 20° ma200% 14 Schwächere Erregbarkeit der zentri- Schwächere Erregbarkeit. Pause fugalen Fasern. Versuch VIII. S.n. 16 R.-A. 7 Tage | Keine Erregkarkeit der zentripetalen mn, Fasern. M B* IB Versuch V. 8. n. 21 R.-A. Fe = 3 3 . Er) NR in Erklärung der Tabelle. S. = zentripetale Leitung. M. = zentrifugale Leitung. n. = normaler Nervus ischiadicus. m. = massierter „ > In den Versuchen, wo wir nur die zentripetale Leitung untersucht haben, also bei den kurarisierten Tieren, stellten wir in Klammern „Kurare“. Das Resultat des Druckes kann in diesen Versuchen nur an der Kurve des Blutdruckes beurteilt werden. Wir führen als Beispiel die Kurve des Versuches II an. » = normaler Nerv. Z,l = massierter Nerv. 485 WIRKUNG DER DRUCKMASSAGE AUF DIE FUNKTION DER NERVEN. "snorpergost "N AoIaıssew = 77 ‘Tofemıou = 4 "yOnSsIoA "AT za "snoIperyost "N TojIaIssem = 7 “lofemıou = “ "Umso "II Ta 486 M. JorFFE: Aus unseren Experimenten können wir einen Schluß ziehen auf die Wirkung des Druckes auf die zentrifugalen und zentripetalen Leitungen und auf die verglichene Widerstandsfähigkeit der beiden Faserarten gegen- über dem Druck. Zuerst wollen wir vorausschicken, daß wir an den nor- malen Nerven nicht in allen Experimenten dieselbe Erregbarkeit beob- achteten, so z. B. in dem Experiment Nr. X, wo wir die zentripetale Reak- tion beim Rollenabstand 12 bekamen, bei dem Experiment Nr. XVI schon bei 24-Rollenabstand. Dasselbe können wir auch über die zentrifugale Leitung sagen. Ferner erscheinen die zentripetalen und zentrifugalen Reaktionen nicht immer bei gleichem Rollenabstand, z. B. im Experiment Nr. X ist schon ein und dieselbe Reaktion bei Rollenabstand 12 zu bemerken, im Experi- ment Nr. IX die zentripetale bei Rollenabstand 12, die zentrifugale bei 22-40. Wovon dieser Unterschied herrührt, ist schwer zu sagen. Wahrscheinlich aber spielt hier Wuchs, Alter des Tieres u. a. m. eine Rolle, so daß die Vergleichung der absoluten Ziffer des einen Experimentes mit dem anderen unmöglich ist. Man kann nur das Verhältnis des Rollenabstandes der normalen Seite zu dem Rollenabstand der massierten Seite bei dem einen Experiment mit demselben Verhältnis bei dem anderen vergleichen und dabei noch besonders für die zentrifugalen und zentripetalen Fasern. Die absolute Ziffer zweier Experimente kann man nur dann vergleichen, wenn die Reaktion des Nerven auf der normalen Seite in beiden Fällen gleich ist. Außerdem muß man bei der Übersicht der Ziffern bedenken, daß die genaue Dosierung des Druckes schwierig ist; hierin liegt auch eine Fehler- quelle. In einem Falle liegt das Kaninchen ruhig und der Druck ist die ganze Zeit auf den Nerv konzentriert, im anderen bewegt es sich, und man muß den Druck unterbrechen. Ferner müssen wir den Schichten eine Bedeutung zuschreiben, welche den Nerven bedecken: Muskeln, Unterhaut- fettgewebe, Haut, durch welche der ausgeübte Druck hindurchwirken muß. Deshalb bekamen wir auch im Experiment X bei einem 5 Tage wiederholten Druck dieselbe Abschwächung der Sensibilität wie beim Experiment IX bei Ttägigem Druck. Diese Ungenauigkeiten sind jedoch für unsere Zwecke ohne Belang; denn um die Einwirkung des Druckes auf die zentripetale und zentrifugale Leitung zu bestimmen, brauchen wir nur die Ziffer des Rollenabstandes der normalen und massierten Seite innerhalb eines Experi- mentes zu vergleichen. Um den Unterschied in dem Verhalten der zentri- petalen und zentrifugalen Fasern zu bestimmen, wiederholen wir den Druck solange, bis wir auf Grund der uns bekannten anatomischen Veränderungen den Verlust der Leitfähigkeit annehmen können, da man nur bei Verlust einer Leitung und Erhaltung der anderen mit Sicherheit von einem Unter- schied in der Widerstandsfähigkeit sprechen kann. WIRKUNG DER DRUCKMASSAGE AUF DIE FUNKTION DER NERVEN. 487 Ziehen wir nun alles oben Gesagte in Betracht, so können wir an unseren Experimenten folgendes sehen: Unter der Einwirkung kurzdauernder Behandlung wird im Vergleich zum normalen die Erregbarkeit des Nerven erhöht; diese Erregbarkeit ist gleichmäßig in den zentripetalen und zentri- fugalen Fasern bemerkbar (siehe Experiment Nr. XI, XII, I und Kurve des Ex- perimentes II). Die Dauer dieses Stadiums hängt von der Kraft des Druckes ab. Bei schwachem Druck bemerken wir noch am 5. Tage eine erhöhte Erregbarkeit, bei starkem Druck aber finden wir am 5. Tage schon eine Herabsetzung der Erregbarkeit (Experiment Nr. X). Bei schwachem Druck beginnt die Herabsetzung der Erregbarkeit erst am 7. Tage; diese Herab- setzung wird immer größer bis sie null erreicht; freilich tritt bei starkem Druck das Fehlen der Erregbarkeit früher auf als bei schwachem. Bei starkem Druck haben wir schon nach 14 Tagen einen vollständigen Ver- lust der Erregbarkeit, was bei schwachem (siehe Kurve Fig. 2) Druck nicht der Fall ist. Diese Erregbarkeit des Nerven kehrt nach Beendigung der Druckbehandlung wieder zurück und zwar um so schneller, je kleiner das Trauma war, dem der Nerv unterworfen war (vgl. Experiment Nr. V mit Nr. VII). Diese Erscheinung ist für die zentrifugale Leitung in unseren Experimenten mit schwachem Druck zu ersehen: Nach 3 bis Stägiger Druck- behandlung ist die Erregbarkeit erhöht, nach 7 tägiger ist die Reaktion herab- gesetzt; bei l4tägiger ist sie gleich null; nach 7tägiger Unterbrechung bekommen wir wieder eine Reaktion. Die Einwirkung des Druckes auf die zentripetalen Nerven illustrieren die Experimente mit starkem Druck; nach 3tägiger Druckbehandlung ist die Erregbarkeit erhöht — nach 6 tägiger herab- gesetzt; nach 14tägiger ist sie gleich null; untersuchen wir den Nerv nach 7 Tagen, so ist die Erregbarkeit, wenn auch nur ganz schwach, wieder vorhanden. Um diese Reaktion zu bekommen, mußten wir den Nerven mit sehr starkem Strom reizen (nämlich Rollenabstand 3). Interessant ist zu be- obachten, daß die Veränderung der Erregbarkeit nicht nur bei Reizung in unmittelbarer Nähe der Druckstelle, sondern auch in größerem Abstande nach oben und unten hervortritt. | Beim Vergleich der Reizungen zentral- und peripherwärts von der Druck- stelle bekamen wir stets gleichzeitig die Erhöhung der Reaktion. Die Druck- stelle ist leicht zu erkennen durch die Verdickung des Nerven an dieser Stelle. Ferner hatten wir in unseren Experimenten die Empfindlichkeit der zentripetalen und zentrifugalen Nerven beim Druck zu verfolgen, d.h. welche Art von diesen beiden früher unter ein und derselben Druckkraft leidet. Wir beobachten im Gegensatz zu der Mehrzahl der Untersucher der letzten Jahre und in Übereinstimmung mit der älteren Anschauung in einigen unserer Experimente, daß die zentripetale Leitung mehr leidet und früher schwindet ‘ als die zentrifugale. Die Experimente Nr. VI, XIII, V bestätigen dies. 488 M. JoFrFE: Die WIRKUNG DER DRUCKMASSAGE USW. Bei schwachem Druck haben wir dagegen schon nach 14 Tagen Fehlen der zentrifugalen Leitung, während die zentripetale Leitung noch er- halten, aber stark herabgesetzt ist. Nach 21 Tagen ist noch immer eine schwache zentripetale Leitung vorhanden, bei Fehlen der zentrifugalen. Die Wiederherstellung der zentripetalen Leitung ging auch schneller von statten als die der zentrifugalen. Im Experiment V, mit Unterbrechung von 7 Tagen nach 14 tägiger Druckbehandlung, war schon eine zentripetale Leitung, wenn auch stark herabgesetzt, zu bemerken, während die zentrifugale Leitung vollständig fehlte. Welche Bedeutung die beschriebenen Erscheinungen in der Be im besonderen bei der Massage, haben können, will ich hier nicht besprechen, sondern ich überlasse diese Frage den Praktikern zur Entscheidung. Am Schlusse halte ich es für meine angenehme Pflicht, Herrn Prof. R. du Bois-Reymond meinen aufrichtigen Dank für die Leitung und Unterweisung bei der Ausführung dieser Arbeit auszudrücken. Auch Herrn Prof. Weber, der mir mit Rat und Tat behilflich war, statte ich gern meinen Dank ab. Literaturverzeichnis. 1. Omboni, Fiorani, Meolini, Ref. Zentralblatt für Chirurgie. 1883. Nr. 37. 2. Zit.nach Zederbaum, Nervendehnung und Nervendruck. Dies Archiv. 1883. Physiol. Abtlg. ; 3. Billroth, Wiener medizinische Wochenschrift. 1867. Nr. 69. 4. Lüderitz, Versuche über die Einwirkung des Druckes auf die motorischen und sensiblen Nerven. Zeitschrift für klinische Medizin. 1881. Bd.II. Heft 1. 5. Efron, Beiträge zur allgemeinen Nervenphysiologie. Pflügers Archiv. 1885. Bd. XXXVI. &. Dueceschi, Über die Wirkung engbegrenzter Nervenkompression. Archiv für die gesamte Physiologie. 1901. Bd. LXXXIIUI. 1. Hafeman, Erlischt das Leitungsvermögen motorischer und sensibler Frosch- nerven bei derselben T’emperäturerhöhung? Zbenda. 1908. Bd. CXXH. Heft X u. XI. 8. Nonne, Klinisches und Pathologisch-anatomisches zur Lehre von der kombi- nierten Schulterlähmung. Archiv für klinische Medizin. 1887. Bd. XL. Berichtigung. Ein den Sinn entstellender Druckfehler ist zu verbessern: Auf Seite 384 Zeile 18 von oben muß es statt „rechten“ heißen „linken Herzens“. Ar gs 3 | | | | | | | $ } | | es je rap nee Je Archiv I Anat. u. Phys. 1910. Phys. Abtly Suppl = — € — = E IST Veit &Comp ii anal al um MER M LU UNI. Archiv f.inat. u. Phys.1970 Plys.: lg. Suppl ZINN Tak IT 1, 00 123060789 2000 2000 1500 2000 ] 98 20.94.39 nn: 7500 2000 2000 206 ) 76L S+Mg 1% 2000 7, 900 800 U 2000 900 800 | 700. 800 700 72 ezaa EHLERS ALLE LAUNE I | 7200 200 2060 S+ Mg, 2 0.5 % 700 700 800 500 LM IIRRTIANNTRTTT m) l MULEIULUNDULLULUUUFELE ULLA U NL BRUNS 5} LithAnstvEAFin } A 1 A ee Archiv f. Anat. u. Phys. 1910. Phys. Abtlg. Suppl. Taf. II. Fig. 4. Fig. 5. Fig. 7. Fig. 9. Verlag von VEIT & COMP. in Leipzig. Archiv fAnat. u. Phys.1910 Phys. Abtlg. SupptL. zB NINITAEIN WARLWANLVAWLWAVAVANIWANAWLNANLWANLWIWANANITÄNLNLNLWLNLWW) TEANINUNLEINLERAUINLELNLSANLVINLNINAVETIVATVGSINIRLNINAFLNIWIER N ER RR TA ZT TANTE NT RN TR TR DT AR TAN AR RR a. N AANLM N ARANNANTNNNN N NNNAANADENN Nan: haft zu WATAVATRTAYATATATAVAVATATATATGTATR IV BTBVAVRVAWATAVAVAVAT. Tanaraıe® WEUATRURTAVAUAWAVATAVATAVAVAVDVAVAVAERD ITS ITTIITSTIISIIDIII DISISSISPITIITITIIITTIDIIIIIITTIIIITPIILLIIIIIIIIG YVVVV AR Verlag Veit KC omp. E eipzig. 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Professor der Physiologie an der Universität Helsingfors, hy: Das „Skandinavische Arckiv für Physiologie“ erscheint in Heften von 5 bis 6 Bogen mit Abbildungen im Text und ‚Tafeln. 6 Hefte bilden einen Band. Der | Pe des Bandes beträgt 22 #.. Con lBlatt . für praktische 7 AUGENHEILKUNDE : Herausgegeben von Be. ‚Prof. Dr. .d. Hirschberg in Berlin. Preis des Jahrganges (12 Hefte) 12 .#, bei Zusendung unter Streifband ‚direkt von . der Verlagsbuchhandlung 12% 80.92. 1 Dis ‚‚Centralblatt für praktische Augenheilkunde“ vertritt ei: das Nachdrück- lichste alle Interessen des Augenarztes in Wissenschaft, Lehre’ und Praxis, vermittelt den Zusammenhang mit der allgemeinen Medizin und deren Hilfswissenschaften und gibt jedem praktischen Arzte Gelegenheit, stets auf der Höhe: der rüstig fortschrei- ‚tenden Disziplin sich zu erhalten. DERMATOLOGISCHES CENTRALBLATT. INTERNATIONALE RUNDSCHAU AUF DEM GEBIETE DER HADT- UND GESCHLECHTSKRANKHEITEN. Herausgegeben von er - en Dr. Max Joseph in Berlin. | "Monatlich erscheint eine Nummer. Preis des Jahrganges, der vom Oktober es "einen bis zum September des folgenden Jahres läuft, 12 #. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes, sowie direkt von der Verlagsbuchhandlung, Nenrologisches. (entralblatt. eerche der Leistungen auf dem Gebiete der Anatomie, Physiologie, Pathologie und Therapie des Nervensystems einschließlich der Geisteskrankheiten. Begründet von Prof. E. Mendel. Herausgegeben von ” Dr. Kurt Mendel. Preis des Jahrganges 28 .#. Gegen Einsen- 9 Monailich erscheinen zwei Hefte. dung des Abonnementspreises von 28 4 direkt an die Verlagsbuchhandlung erfolgt regelmäßige De zucun unter Streifband nach dem In- und Äuslande. Jieitsehrift für iygiene und Infektionskrankheiten, > % Een Herausgegeben yon Prof. Dr. C. Flügge, wnd Prof. Dr. G. Gaffky, Geh. Medizinalrat und Direktor Geh. Obermedizinalrat und Direktor 23 Hygienischen Instituts der des Instituts für Infektionskrankheiten Universität Berlin, zu Berlin, | Die „Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten“ erscheint in zwanglosen ‚Heften. Die Verpflichtung zur Abnahme erstreckt sich auf einen Band im durchschnitt- | lichen Umfang von 30—35 u mit Tafeln; aselle Hefte sind nicht käuflieh. ARCHIV für ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE, Fortsetzung des von Reil, Beil und Autenrieth, J. F. Meckel, Joh. Müller A Reichert und du age herausgegebenen Archives, erscheint jährlich in 12 Heften (bezw. in Doppelheften) mit EUER im Text und zahlreichen Tafeln. 4 6 Hefte entiallen auf die anatomische Abteilung. und 6 auf die physilo. | gische Abteilung. Der Preis des Jahrganges beträgt 54 M. Auf die anatomische Abteilung «(Archiv für Anatomie und Te & lungsgeschichte, herausgegeben von W. Waldeyer), sowie auf .die physio- "logische Abteilung (Archiv für Physiologie, herausgegeben von Max Rubner) kann besonders abonniert werden, und es beträgt bei Einzelbezug der ; Preis der anatomischen Abteilung 40 c%#, der Preis der Piyalheinchen | Abteilung 26 A. Bestellungen auf das vollständige Archiv, wie auf die einzelnen Ab- | teilungen nehmen alle Buchhandlungen des In- und Auslandes entgegen. Die Verlagsbuchhandlung: Veit & Comp. in Leipzig. Druck von Metzger & Wittig in Leipzig. nn =g Dee Goes et SMITHSONIAN INSTITUTI TI 3 9088 01470 3 Ei ie "£ ® NR m © WR ; 3 se { a 3 E En rer.