HARVARD UNIVERSITY. LIBRARY OF THE MUSEUM OF COMPARATIVE ZOÖLOGY. ee u Yuma ee Se 30, A\S. Ki Dr bci: wa ; ns ARCHIV FÜR ANATOMIE UND PHYSIOLQGIE. FORTSETZUNG DES vON REIL, REIL v. AUTENRIETH, J. F. MECKEL, JOH. MÜLLER, REICHERT vw. DU BOIS-REYMOND HERAUSGEGEBENEN ARCHIVES. HERAUSGEGEBEN VON Dre. WILHELM WALDEYER, PROFESSOR DER ANATOMIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN, UND & MAX RUBNER, PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN. JAHRGANG 1912. PHYSIOLOGISCHE ABTEILUNG. WEIPZAG, VERLAG VON VEIT & COMP. 1912 ARCHIV PHYSIOLOGIE. PHYSIOLOGISCHE ABTEILUNG DES ARCHIVES FÜR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE. UNTER MITWIRKUNG MEHRERER GELEHRTEN HERAUSGEGEBEN VON Dr. MAX RUBNER, PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN. JAHRGANG 1912. MIT ABBILDUNGEN IM TEXT UND EINER TAFEL. LEIPZIG, VERLAG VON VEIT & COMP. 1912 me Wirn. FiLEHne, Die mathematische Ableitung der Form des scheinbaren Himmels- gewölbes ; W. v. BECHTEREW, Über a Lokalisation Be Sebzentenms af! der medialen Fläche des Okzipitallappens bei Hunden . Arnt KOHLRAUSCH, Über die Muskelströme bei aliliedehehen Koaktion. Dies Varianten der Versuchsbedingungen TosHIHıKo Fusıra, Einfluß der kardiopneumatischen Bergung En die imme und Stimmgebung . OswALnD PoLimAnTı, Beiträge zur ram: von Sonn ui 1. on Anrala WırH. FiLeHne, Das Weber-Fechnersche Gesetz und die wechselnde scheinbare Größe der Gestirne . StTePHANIE ROsENBLAT, Über die Warkaneiy von ‚golensauren Salen aut eanır . somen 3 G. A. Brossa, Über die Biologische ensketl der a- Nneleinssure W.R. Hess, Der Strömungswiderstand des Blutes gegenüber kleinen Deren er In WALTER FRANKFURTHER und ARTHUR HirscHrELD, Über den Einfluß der Musik auf das Plethysmogramm Feuix MEYER, Über die Wirkung Terschledener Arzneimittel auf die Coronar- gefäße des lebenden Tieres . SopHuıe MORGENSTERN, Über einige mineralische Bestandteile der Schilddrüse ArnTt KoHLRAUScH, Über das ee roter und weißer Muskeln. (Hierzu Taf. 1). ® . J. S. Berırorr, Über die ae einiger Muskeln. ie Obarsoltenkeie im Abwischreflex des Rückenmarksfrosches . ö ARTHUR HiRschrELD, Das Verhalten der Reflexe bei der Olerduschtrennung Als menschlichen Rückenmarks . OswAup PoLImANnTı, Zur Physiologie der Shiaalanpen H. Pıper, Die Blutdruckschwankungen in den Hohlräumen des Herzens uni in den großen Gefäßen j ERNST WEBER, Über aktive Andemsen ie len Blutfülle In Eangen. II. Untersuchungen an Affen und Katzen . ERNST WEBER, Über operative Herstellung eines neuen sk dıteh die Tieher STEPHANIE ROSENBLAT-LICHTENSTEIN, Über die Differenzierung von Algen mit Hilfe spezifischer Agglutinine. I. Mitteilung Erich Görsch, Über die Beziehungen des Naeh enab zur Körperoberfläche bei extremen Außentemperaturen . C. N. Stewart, Einfluß der kardiopneumatischen Bewegung aub ie Senne end Stimmgebung . WırH. FiLEBNE, Über die eheinbäre Horm de Sgonannieni Horsontebene Wırn. Fireane, Wirkliche und scheinbare Helligkeit und Farbe der Wolken. (Ein Bene zur Lehre von Weiß-Grau-Schwarz-Sehen.) : Seite 185 188 191 197 215 223 259 283 296 317 337 343 383 401 415 421 460 461 509 Be, .ald na a 2 dent go vet ‚aß Yun as Aut, f, vn Ba ‘ v2 a Mn ans es rykgRAR } BE N. & 33 BAT Himlılarnz% slnlsata ul) en aa 142 j Pe er f it Su, 3: ö x a EL % f & erh AT HT EIER % ae : I ' N) [7 * y Alten} 1 Y 3 Mi ir . Ya l 4 g aan | taylanın ale ee R AL DR Bas ı. ; gie Ä DRG Z 4sll ’ Id | € "ro +: Hr ' vn & {12 y - DT = Imtu5H [; 3 y L ei Y Kor u { p h j ; 1 “ih D> I 0 2492 & ae CAR | » fir Sr | RER v NED Y & id. 2.7 Room in ree | string, MINE, Vi be See . ia RHAGTSTENT h f ( ® | En | a TE 3 SaRcHIv FÜR HERAUSGEGEBEN voN De. WILHELM WALDEYER, PROFESSOR DER ANATOMIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN. UND Dr. MAX RUBNER, JAHRGANG 1912. | —— PHYSIOLOGISCHE ABTEILUNG. —= > ERSTES UND ZWEITES HEFT. "MIT EINHUNDERTNEUNUNDZWANZIG FIGUREN IM TEXT. LEIPZIG, VERLAG VON VEIT & COME. 1912 N \ ER EEE 2 RN a Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes. A u ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE FORTSETZUNG DES von REIL, REIL v. AUTEN RIETH, T F. MECKEL, JOH. MÜLLER, REICHERT u. DU BOIS-REYMOND HERAUSGEGEBENEN ARCHIVES. Physiologische Abteilung. ‚1912. 1. u. 1). Heft. Inhalt. e “= Seite WırH. FiLEune, Die mathematische Ableitung der Form des scheinbaren Himmels- gewoölbes „u. 0 i W. v. BECHTEREW, Über die okalaon ae Seen nn Sie de mehr Fläche des Okzipitallappens bei Hunden... . 33 ArNnT KoutRAUSscH, Über die Muskeiströme bei Willkurlicher Konkueklich, Eihise Varianten der Versuchsbedingungen . . . 39 ToskıHıko Fusıta, Einfluß der kardiopneumatishen Dee aut a ae - ‚ und Stimmgebung . . . 46 Oswarp PoLimantı, Beiträge zur Phylioloeie von eo ofkieinalis 1: un Ans 53 Die Herren Mitarbeiter erhalten vierzig Separat-Abzüge ihrer Bei- träge gratis und 30 c# Honorar für den Druckbogen zu 16 Seiten. Beiträge für die anatomische Abteilung sind an Professor Dr. Wilhelm Waldeyer in Berlin N.W,, Tirion 56, Beiträge für die physiologische Abteilung an _ Professor Dr. Max Rubner in Berlin W., Kurfürstendamm 241 “ portofrei einzusenden. — Zeichnungen zu Tafeln oder zu Holzschnitten sind auf vom Manuskript getrennten Blättern beizulegen. Bestehen die Zeich- nungen zu Tafeln aus einzelnen Abschnitten, so ist, unter Berücksichtigung der Formatverhältnisse des Archives, eine nenne un die dem Lithographen als Vorlage dienen kann, beizufügen. Die mathematische Ableitung der Form des scheinbaren Himmelsgewölbes. Von Wilh. Filehne. Im folgenden soll die „Himmelsform“ rein mathematisch behandelt werden ohne Rücksicht auf die Motive, die den sogenannten „Täuschungen“ bezüglich der wechselnden scheinbaren Größe der Gestirne und der schein- baren Himmelsform zugrunde liegen. Es wird die mathematische Erörterung, Konstruktion und Berechnung ausschließlich aufgebaut werden teils auf bereits vorliegenden sicheren und allgemein anerkannten Daten, teils auf solchen hier neu vorzubringenden Erwägungen, die allseitiger Zustimmung unzweifelhaft gewiß sind. So absonderlich es zunächst auch anmuten muß, daß eine nur schein- bare, also nicht wirkliche, sondern nur in der Vorstellung gegebene Ge- stalt experimenteller und mathematischer Behandlung unterzogen werde, so ist dies, wie wir sehen werden, bezüglich der Himmelsform doch möglich gewesen. Hobbes (geb. 1583) faßte die Form des scheinbaren Himmelsgewölbes als Oberfläche eines Kugelabschnitts auf, als Kalotte, also als Oberfläche eines durch einen ebenen Schnitt von einer Kugel abgetrennten Stückes, das kleiner als die Kugelhälfte ist. Bis in die neueste Zeit haben die späteren, die sich in streng mathematischer Weise mit der Himmelsform beschäftigten, diese Hypothese von der Kugelkalottenform des Himmels ihren Berech- nungen zugrunde gelegt. Daneben wurde in den letzten hundert Jahren gelegentlich von einigen Autoren, die aber den Gegenstand mathematisch nicht bearbeiteten, dem Himmelsgewölbe die Form eines halben Rotations- ellipsoids zugesprochen, das durch Rotation einer Ellipse um ihre kleine Achse entstanden gedacht werden kann. Es war dies z. B. der Meteorologe Kämtz (Professor in Halle), der in seinem Lehrbuche der Meteorologie Archiv f. A.u.Ph. 1912. Physiol. Abtlg. i L 2 WıILH. FILERNE: (Halle 1836) S. 45 vom Himmelsgewölbe sagte: „Mir hat es häufig ge- ‘ schienen, als ob ein durch das Zenit gehender Bogen desselben eine Ellipse wäre, deren große Achse horizontal läge.“ Eug. Reisann!) (1890), der unter Benutzung der Kugelkalottenhypothese unsern Gegenstand sowohl experimentell wie mathematisch behandelte, widersprach dieser Auffassung, die sich darauf gründe, daß ‚die Himmelsfläche gegen den Horizont senkrecht und nicht unter spitzem Winkel? geneigt sei. Ich“, sagt Reimann, „kann dieser Wahrnehmung von Kämtz nicht beipflichten, da ich bei dunstfreiem Horizont diesen Neigungswinkel stets spitz gefunden habe.“ Wir kommen auf diese Frage noch ausführlich zu sprechen. Vorweg- genommen sei hier kurz folgendes: Wenn man einen dicht über dem Horizont gelegenen Punkt des Himmels mit ruhendem Blicke betrachtet, so steht die Himmelsfläche zweifellos senkrecht gegen den Horizont: dann aber sieht man kein „Gewölbe“, sondern nur ein Stück Wand, also weder Kugelkalotte noch Halbellipsoid. Wenn man aber, um sich das „Gewölbe“ zum Bewußtsein zu bringen, den Blick vom Zenit in der Richtung nach dem Horizontrande hin gleiten läßt und den Blick wieder zurück zum Zenit erhebt, noch bevor die Blicklinie den Horizontrand erreicht hat —, dann hat man die Vorstellung von einem Gewölbe, und die Himmels- fläche ist unter einem Winkel gegen die Horizontebene geneigt, der kleiner als ein Rechter, also spitz ist. Ebenfalls ohne eine mathematische Ableitung zu liefern, haben später einige Physiologen gelegentlich das halbe Rotationsellipsoid als die Form bezeichnet, die für sie der Himmel habe. Helmholtz gehört nicht zu diesen. Er spricht: „Die vage — — — Vorstellung von der flachkuppel- förmigen Wölbung des Himmels.“* Obschon solche subjektiv gehaltene Formbewertungen ja von sehr geringer wissenschaftlichen Bedeutung sind, will ich doch für meine Person bekennen, daß auch mir z. B. die sicht- bare Hälfte des Himmelmeridians als eine halbe Ellipse erscheint, deren halbe kleine Achse von der Zenithöhe gebildet wird; — sehr erheblich erscheint ja aber die Abweichung von der Kreisbogenform jedenfalls nicht. Wie bemerkt, ist von seiten der Ellipsenanhänger keine mathematische Ableitung irgendwelcher Art erfolgt. Kämtz* sagt: „Ich habe bereits erwähnt, daß es mir — vorgekommen ist, als ob der Durchschnitt eine Ellipse sei, jedoch wird die Berechnung beider Achsen derselben sehr weit- \ Programm des Kgl. Gymnasiums zu Hirschberg i. Schl. Ostern 1890. 8.13, ” Man betrachte in Fig. 1 8. 8 bei Punkt S einerseits die stark gezeichnete Ellipse: sie steht rechtwinklig zum Horizontdurchmesser NS, — andererseits den schwach dargestellten Kreisbogen: er bildet in 8 einen spitzen Winkel mit NS. ® Handbuch der physiolog. Optik. 2.Aufl. 1896. 8.775 (1. Aufl. S. 631). * A.2.0. 8.47. MATHEMATISCHE ABLEITUNG DER FORM DES SCHEINBAREN HIMMELS. 3 läufig, so daß ich bei dieser — — — Schätzung nicht länger verweilen will.“ Als erster, der eine mathematische Ableitung vom Standpunkte der Kreis- bogenhypothese aus gegeben hat, ist Rob. Smith (1728) zu nennen.! Er ging einerseits von der Kreisbogenhypothese, andrerseits von folgender Tatsache aus: Wenn ein Unbefangener den Bogen eines Himmelsquadranten nach dem Augenmaße zu halbieren ‚sucht, so bezeichnet er einen Punkt — bzw. Stern — als Mitte, der nicht 45° sondern nur 23° vom Horizonte entfernt ist. Smith hatte aus dieser Tatsache und jener Kreisbogenhypo- these bereits abgeleitet, daß die scheinbare Entfernung des Horizont- himmels sich zur scheinbaren Entfernung (Höhe) des Zenits verhälte wie 10:3=3-333 .... Ohne die Beobachtungen am Himmel zu wiederholen, aber mit ver- besserter Konstruktions- und Berechnungsmethode fand (1854) Drobisch’? dieses Verhältnis gleich 37:11 = 3.363, also im wesentlichen ebenso. Aus diesen Zahlen wäre natürlich ohne weiteres abzuleiten gewesen (s. w. unten), daß wir Menschen z. B. den Durchmesser des Mondes am Horizonte etwa 31/, mal größer ausdeuten müssen, als in Zenithöhe, da wir beide Male den Durchmesser tatsächlich unter ein und demselben Sehwinkel (31 Winkel- minuten)? erblicken. Hatte Rob. Smith offenbar nur einige wenige und wenig methodisch "angestellte Beobachtungen ausgeführt, -die ihm die scheinbare Quadranten- mitte bei 23° über dem Horizont lieferten, so wurde seiner Entdeckung erst die richtige Unterlage und seiner Winkelgröße von 23° eine Richtig- stellung zuteil durch die im Jahre 1890 beginnenden Veröffentlichungen von Eug. Reimann.“ Diese Beobachtungen Reimanns sind ebenso zahl- reich wie sorgfältig. Sie erhalten aber ihre besonders hohe Bedeutung dadurch, daß Herr Prof. Reimann als Versuchsperson offensichtlich in seiner Person alle die Eigenschaften vereinigt, die für den vorliegenden Zweck erforderlich sind: gutes Auge, gutes Augenmaß, Unbefangenheit, psychische Selbstdisziplin usw. Die Hunderte von Einzelbestimmungen, die er selbst geliefert hat, würden Tausende von Angaben beliebig zusammen- gesuchter Versuchspersonen überwiegen. Und so wolle er und der Leser es mir nicht verargen, wenn ich gelegentlich Zahlen verwerfe, die Reimann ! Siehe die deutsche Bearbeitung von G. Kästner, 1755. Vollständiger Lehr- begriff der Optik nach Hrn. Rob. Smiths usw. 8. 416—418. 2 Berichte der Verhandlungen der Kgl. sächs. Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig. Mathem.-physik. Klasse. Jahrg. 1854. 8. 107—127. ® Die tatsächlich vorhandene geringfüge Abweichung ist zu vernachlässigen. * Programm des Kgl. Gymnasiums zu Hirschberg i. Schl. Ostern 1890, 1891 und 1901. 1 x 4 WıLHh. FILEHNE: an anderen Versuchspersonen gewonnen hat, und mich nur auf seine eignen Zahlen stütze. Reimann hat nicht nur den eigentlichen Grundversuch Rob. Smiths wiederholt, sondern hat, Anregungen Drobischs in wesentlich verbesserter Form folgend, außer dem Quadranten auch — vom Horizont aus ge- rechnet — Bögen von 20°, 30°, 40° und 50° halbiert. Er hat ferner ermittelt, daß wechselnde meteorologische Verhältnisse, Jahreszeit, Be- wölkung usw. modifizierend auf das Resultat wirken. 1891 schreibt er (gegen Schluß) folgendes: „Vergleichen wir nun die erhaltenen Mittelwerte von m!, so zeigen dieselben überall eine durchaus genügende Übereinstimmung, um der Smith- schen Hypothese das Wort zu reden. Die scheinbare Gestalt des Himmels- gewölbes am Tage ist somit als die einer Kugelkalotte zu betrachten, bei welcher die Mitte des vertikalen Bogens zwischen Horizont und Zenit eine durchschnittliche Höhe von 21-22° besitzt.“ In anerkennenswerter Zurückhaltung spricht Reimann hier nicht von einem für die Richtigkeit der Kreisbogenhypothese erbrachten „Beweise“. Seine Versuche reden eben der Hypothese das Wort, nicht mehr. Reimann? hat das Verhältnis des Horizontradius zur Zenithöhe mit 3.5:1 berechnet, und zwar dies nicht aus dem genannten allgemeinen Mittelwerte von 21°.22, sondern aus dem für ganz heitern Himmel gefundenen Winkel von 22°.33 abgeleitet. Daher muß dieser der „Reimannsche Winkel“ genannt werden. Man sieht, daß auch die Zahl 3.5 für den Horizontradius, Zenithöhe = 1, nicht sehr von den Zahlen Rob. Smiths und Drobischs — 3.333 bzw. 3-363 abweicht. Aus der Zahl 3-5 ergibt sich ohne weiteres, daß der Durchmesser eines Gestirns am Horizonte 3.5 mal so groß erscheinen muß, wie wenn es im Zenit - steht, — wie ich auch hier hervorheben möchte; denn der Winkel, unter dem es gesehen wird, ist beide Male der gleiche; fällt man ein Lot vom Knotenpunkte des beobachtenden Auges auf die Mitte des Gestirndurch- messers und zieht Linien vom Auge an die beiden Endpunkte des Durch- messers, so lat man am Zenit und am Horizonte zwei Paar rechtwinklige Dreiecke; die langen Katheten am Horizonte verhalten sich zu denen am Zenite wie 3-5:1, und alle Winkel sind entsprechend gleich: die Dreiecke unten sind also denen oben ähnlich; folglich verhalten sich die kurzen Katheten d.i. die halben, also auch die ganzen Durchmesser unten zu denen am Zenite wie 3-5:1. 1 m ist die (Bogen-)Höhe des Halbierungspunktes des Quadranten. 2 Programm 1901. 8. 34. MATHEMATISCHE ABLEITUNG DER FORM DES SCHEINBAREN HIMMEILS. 5 Es ist nun sehr erfreulich, daß Reimann! gelegentlich eines Sommer- aufenthaltes (Juli 1894) im Seebade Colberg auf die Idee kam, vergleichende Messungsversuche an der Sonne, — mittags = 55° über dem Horizonte und kurz vor Untergang = 0° — (durch Vergleich mit Pappscheiben) zu improvisieren. So gut wie den augenblicklichen Verhältnissen nach es nur geschehen konnte, war ja die Einrichtung der Versuche. Aber es versteht sich von selbst, daß in der Technik wesentliche Verbesserungen denkbar — und wünschenswert sind. Immerhin ist das Ergebnis interessant und wird für uns von besonderer Wichtigkeit werden. Reimann selbst hat es für seine Rechnungen nicht verwertet. Zwei Versuchspersonen machten jene Vergleichung: Herr Reimann und ein Arzt. Nehmen wir aus den vorher angegebenen Gründen die Resultate einzeln durch, und lassen wir zu- nächst, soweit sie nicht völlig übereinstimmen, nur die Reimannschen gelten: Wenn s, der scheinbare Durchmesser der Sonne am Horizont, s;, der scheinbare Sonnendurchmesser mittags bei 55° Sonnenhöhe, so war bei Reimann das Verhältnis > = = — bei dem Arzte = — Da, wie 55 wir sahen, des Gestirns Durchmesser s, am Horizonte 3-5mal größer ist als s,, im Zenite — notabene bei Herrn Reimann —, so kann, sofern diese Zahl auch für den andern Herrn gültig sein sollte, bei 55° das Ver- A 3-5 hältnis nur kleiner sein, als °°. Bei Versuchsperson Reimann trifft 1 10 3-61 dies zu >), bei der andern nicht; dort ist sie größer Fr), — also 1 müßte sie entweder unrichtig sein, oder — was wahrscheinlicher ist — die Norm ist bei dieser Versuchsperson eine andere und deshalb ihre An- gaben für uns hier nicht verwertbar. Weiter unten werden wir die genaue | rechnerische Verwertung der bei Herrn Reimann (und dem andern Herrn) gefundenen Zahlenwerte vornehmen. Aber man sieht schon jetzt ungefähr, daß bei Herrn Reimann die Sache im wesentlichen stimmt, daß also die Zahl 3-10 für seine Norm annähernd richtig sein muß. Wir wollen uns bevor wir an unser Thema herantreten, zunächst über einige Ausdrücke einigen, damit wir alle mit diesen Ausdrücken dieselben Begriffe verbinden. Wenn wir sagen, daß der Horizontrand etwa 3!/, mal so entfernt er- scheine, wie der Zenit, so wird in diesem Satze mit dem Worte „erscheine“ allerseits der gleiche Begriff verbunden. Nicht aber gilt dies, wenn davon ! Programm 1901. 8.26. ? Diese Werte sind durch ‚Rechnung abgeleitet. In Wirklichkeit wurde in Col- berg die wechselnde Entfernung der Pappscheibe vom Auge gemessen, 6 WILH. FILEHNE: gesprochen wird, in welcher Form der Horizontrand oder der Himmel „gesehen“ wird. Fragte ich unbefangene Durchschnittsmenschen, die nicht Maler oder Zeichner sind, in welcher Form sie den Horizontrand „sehen“, so lautete — gleichviel ob wir in geschlossenen Räumen uns befanden, oder ob wir das Objekt draußen im Freien unmittelbar vor Augen hatten — die Antwort ausnahmslos: „als Kreis“. Landschaftsmaler und Zeichner brauchte ich nicht erst zu fragen, denn wie diese den irdischen Horizontrand „sehen“, haben sie ja schon in ihren Bildern beantwortet, nämlich: „als horizon- tale gerade Linie“. Und nur so — nur als gerade Linie „sehen“ wir alle ihn. Freilich, wenn wir uns hoch genug in einem Luftballon erhöben, bekämen wir eine gekrümmte Linie zu „sehen“; das können wir aber bequemer haben: die Kreisfiguren von Sonne und Mond sind für uns, die wir „hoch“ über ihnen schweben (oder „unter‘“ ihnen) wahre „Horizonte“ „auf“ diesen Gestirnen; diese „sehen“ wir (z. B. bei Vollmond) stets als Kreis. Jene Nichtmaler wollten also nicht sagen, daß sie den irdischen Horizontrand je in einem bestimmten Momente als Kreis optisch wahr- senommen haben, sondern, daß sie bei sukzessivem Umbherblieken schließlich. die Vorstellung gewonnen haben, er sei ein Kreis. Das wollen wir im folgenden nicht mit „sehen“ bezeichnen. Genau im gleichen Sinne ist das „Himmelsgewölbe“ nichts, was jemand im strengen Sinne des Wortes zu „sehen“ bekommt. Auch dieses ist eine sekundär entstandene Vorstellung beim Umherblicken, gewonnen durch sukzessives „Sehen“ von Einzelbildern des Himmels. Wie schaut nun ein solches Einzelbild eines Himmelsstückes bei ruhendem Blicke aus? Wie das wirklich gesehene Einzelbild des Horizontrandes eine gerade, zur Blickrichtung rechtwinklig stehende hori- zontale Linie ist, so ist das .Einzelbild des Himmelsstücks eine senk- recht zur Blicklinie stehende, das ganze Gesichtsfeld ein- nehmende Ebene. Das ist nun keineswegs etwas neues, sondern alt anerkanntes: siehe Helmholtz, Handbuch der physiologischen Optik,! ferner Filehne? und Pernter, Meteorologische Optik? Die Einigung über diesen Punkt ist für die mathematische Konstruktion von grund- legender Wichtigkeit. Wer nur den. geringsten Zweifel hegt, überzeuge sich von der Richtigkeit dieser Darlegung. Nichts, absolut nichts ist bei völlig ruhendem Blicke in diesem Einzelbilde des Himmelsstückes, was ı Zweite Auflage 8. 775 ff. (erste Auflage S. 630 ff.). '?® Pflügers Archiv. 1894. Bd. LIX. S. 286 f. ® Wien und Leipzig 1910. 8.5. MATHEMATISCHE ABLEITUNG DER FORM DES SCHEINBAREN HIMMELS. 7 als eine Krümmung zu deuten wäre, so wenig, wie am gesehenen Einzel- bilde (gerade Linie) des Horizontrandes. Wir gehen jetzt an unsere eigentliche Aufgabe. Für die Konstruktion benutzen wir an Stelle des ganzen Himmelsgewölbes nur die sichtbare Hälfte eines der durch Zenit und Nadir gehenden größten Kreise, z. B. den Halbmeridian, der gewissermaßen den Längsschnitt des Gewölbes dar- stellt, während der Horizontkreis den Querschnitt bedeutet. Statt der zur jedesmaligen Blicklinie senkrechten Ebenen, die als Teilbilder des gesamten „Himmels“ bei ruhendem Blicke gesehen werden und die für das Ge- wölbe Tangentialebenen sind, haben wir dann am Halbmeridiane — ganz wie am Horizontkreise — Tangenten (als Längsschnitte jener Tangential- ebenen). Gleich wie am Horizontrande, sobald wir uns um unsere Achse drehen und uns umschauen, die vielen, ‘von uns gleichweit entfernten ge- raden horizontalen Linien des Einzelbildes als Tangenten einen Kreis ein- schließen oder bilden, ebenso bilden oder umschließen jene Tangenten des Halbmeridians, wenn wir den Blick vom Horizont zum Zenit wandern lassen, eine gekrümmte Linie, die aber nicht ein Halbkreis ist. Für die mathematische Konstruktion sind, meiner Meinung nach, am Halbmeridian also zwei Einflüsse darzustellen: der eine würde beim Wandern des Blieks aus den vielen Längsschnitten der Tangentialebenen genau so einen Halb- kreis entstehen lassen, wie dies beim Horizontrande geschieht, sobald wir an ihm unsern Blick um 180° wandern lassen. Der andere Einfluß ist mathematisch so darzustellen, daß er den Radius variabel werden läßt, so daß er z. B. entweder die mehr vertikalen Strahlen schrumpfen läßt, oder die mehr horizontalen Strahlen dehnt, oder beides veranlaßt — was alles rechnerisch ja auf das gleiche hinauskommt. Bevor wir aber dies darzustellen unternehmen, wollen wir die Kreis- bogenhypothese auf ihre Zulässigkeit prüfen. I. Die Vorstellung: Halbmeridian als Kreisbogen von weniger als 180°. Die im ersten Teile des folgenden Abschnitts in Kürze zu entwickelnden Werte @ (Winkelgröße des Himmelsbogens) und r (zum. Himmelsbogen ge- höriger Radius) könnten zwar aus der von E. Reimann! gegebenen Tabelle abgelesen oder durch Interpolation gewonnen werden. Aber im Interesse des Zusammenhangs und auch zur Kontrolle für den Leser sollen sie vor "seinen Augen entstehen. Unsere mathematische Voraussetzung ist — neben Zulassung der Kreisbogenhypothese — das Reimannsche Längenverhältnis: 1 A.a.0, 1890. 8.4. 8 WıuLH. FILEHNE: die subjektiv wahrgenommene (also doch auch nur scheinbare) Länge des Horizontradius! zur scheinbaren Zenithöhe sei gleich 3-5 zu 1. In Figur 1 sei O der Standpunkt des Beobachters, N$ die Nord-Südlinie _ des Horizontes, OZ= Zenithöhe; der Kreisbogen? NZS sei der — der Hypothese nach — als Kreisbogen gesehene Halbmeridian, während der schwach ausgezogene, um O mit OS als Radius geschlagene graduierte Kreis den astronomischen Meridian darstellen möge. M ist der Mittelpunkt desjenigen Kreises, zu dem der Kreisbogen NZ$ gehört. Der Winkel SUO= NMO (= Bogen ZS = ZN) heiße p. Der Radius r des um M geschlagenen Kreises werde vorläufig als Maßeinheit genommen, also WMZ=MN=MS=1. Kie- 1. Unsere mathematische Voraussetzung (Reimannsche Zahl 3-5) it 08$=3-5.0Z. Nun ist O8 aber gleich dem Sinus des Winkels SMZ=sing und OZ= MZ- MO=1-— cosg. Also sing =3-.5.(1— c0sp). Da sing = Y1 — cos? g, ist: Vi - cos? =3-5.(1 — c0sg); V1-—cos?g =3-5—3-5.cosy; quadriert und geordnet gibt dies: c0s?p — 1-84905.cosp-+ 0-84905 = 0. — Dies gibt bei Auflösung der Gleichung: cosp = 0-8490532. Also OZ = 1 — 0. 8490532 = 0-.1509468. Machen wir jetzt an Stelle des Radius die Zenithöhe OZ ! Da ein Horizontradius von objektiv 20%= in seinen uns näheren 10m länger erscheint, als in der ferneren Strecke von ebenfalls 10%®, so ist für so große Distanzen überhaupt nur von scheinbaren Längen zu sprechen: die objektive Länge der Strecke ist gleichgültig. ° Die stärker ausgezogene Halbellipse NZS kommt vorläufig noch nicht in Frage. MATHEMATISCHE ABLEITUNG DER FORM DES SCHEINBAREN HIMMEILS. % zur Maßeinheit, so ist der Radiusr=1-+r.cosg, also: r (L— cosp) =1, 1 1-cosp Interesse werden. Der Winkel bzw. der Bogen Z$ = ZN berechnet sich aus dem Werte c0Ss$ = 0-8490532 auf 31° 53’ 28”. _ In der Figur 1 ist dieser Winkel bzw. Bogen in seiner richtigen Größe oder Kleinheit gezeichnet. Die Winkelneisung der Sehne N$ in den Punkten $ und N zum Peripherieansatz ist genau ebenso groß — ebenso spitz; der von der Tangente 7’7’ in N mit der Sehne gebildete Winkel beträgt nämlich ebenfalls 31° 53’ 28°; Beweis: der Tangentenwinkel 7 N$ ist gleich ‘ Jedem beliebigen auf dem Kreisbogen NS stehenden Peripheriewinkel im entgegengesetzten Kreisabschnitte und also auch gleich dem halben zu- gehörigen Zentriwinkel NMS, also = SZ= NZ=31° 53’ 28”. Daß aber das Himmelsgewölbe bzw. der Meridian mit der Horizontal- ebene einen so spitzen Winkel bilde, ist glatt abzulehnen. Im Grunde genommen steigt der „Himmel“ senkrecht von der Ebene auf; in der Ein- leitung haben wir allerdings zugestanden, daß man bei einer gewissen Be- trachtungsweise den Winkel als spitz d. h. kleiner als 90° erfasse. Also einige Grade sind wir bereit, uns hier von den 90° eines Rechten weg- disputieren zu lassen — aber doch nicht gleich fast 60° d. h. fast 66?/, Pro- zent! Da der Winkel nun aber einmal so spitz ausfällt, sobald man von der Kreisbogenhypothese ausgeht, weil eben der Horizontradius 3-5 mal so groß wie die Zenithöhe erscheint, so ist die Kreisbogenhypothese unhaltbar. Trotzdem wollen wir sie zu retten suchen, wenn sie noch zu retten ist. alo r = = 6-6248. Dieser Wert. wird später für uns von Für ein rechtwinkliges Koordinatensystem lautet die Gleichung unseres Kreises (s. Fig. 1), wenn der Mittelpunkt M zum Koordinatenanfang und OZ als Einheit genommen wird und wenn wir den Radius mit r, = 6- 6248 (s. oben), bezeichnen, für die » und y der einzelnen Peripheriepunkte: 7? + y? — pr, Verschieben wir die «-Achse parallel mit sich selbst, so daß der Koordinatenanfang von M nach O, dem Orte des beobachtenden Auges, gelangt, während die x-Achse mit der Sehne NS zusammenfällt, so ist in den x-Werten nichts geändert, und für einen Punkt x, y, des Bogens NZS bleibt x, = x aus dem vorigen Systeme. Dagegen haben sich die y-Werte um die Strecke MO vermindert. Es ist also y, =y— MO. Nun ist aber, wenn wir den Winkel OMS$ wieder mit » bezeichnen, WO =r.c0sg, also y =y-r.cosp oder y=y, +r.cosy, während z= x,. Setzen wir dies in die vorige Kreisgleichung ein, so gilt jetzt für unsern Bogen NZS die Gleichung: 10 Wırha. FILERNE: 2?+(y, + r-csp’ =r? (1) z?+Yy° +2r-008g9-y +r’co’p=T? 2°’ +9? + 2r-cosp-y =r?(l — c0s?y) 2°’ +9° + 2r-008p-y, = r?-sin?p (2) Daß dies die Gleichungen des Bogens NZS wirklich sind, läßt sich bestätigen, da wir für drei auf ihm gelegene Punkte die Werte für z, und y, genau kennen: erstens für Punkt O, woz, = O und y, =r—r.c08p wird; dann für Punkt 8, wo y, =0 und x, =[r-sing, und für N, wo y, ebenfalls =0 und z= —r-sing wird. Setzen wir in Gleichung (2) für y, den Wert 0, so erhalten wir xz,?=r?-sin?g, was sowohl für Punkt N als für $ sich als zutreffend erweist. Setzen wir ferner in Gleichung (1) x = 0, so geht _ diese Gleichung über in (y, + r.cosp)?= r?. Ziehen wir beiderseits die Quadratwurzel, so erhalten wir: y, + r.cosy =r, Y =TT:C089, was wiederum zutreffend ist. a Die Gleichungen (1) und (2) gestatten die Prüfung, ob die sie zusammen- setzenden Elemente sich mit den Daten und Erwägungen vertragen, über die wir uns von vornherein geeinigt haben. Die Strecken x, und y, in ihrer Beziehung zueinander sind Gegen- stand unmittelbarer sinnlichen Wahrnehmung: x, ist die Bodenstrecke, y, die Erhebung des Himmelsmeridianpunktes über dem Endpunkte jener Strecke. Hier ist nichts zu bemängeln. Auch die Größe r-sinp wird quä Horizont- radius sinnlich wahrgenommen — allerdings ohne irgendwelche Beziehung zupundr, Aber um die Vorstellung von einem tatsächlich nicht existierenden Kreisbogen von etwa 32° zu bilden, bedarf die Psyche noch des Elementes r.cosg. Selbstverständlich kann aus der Formel 2° +Yy + 2r.c08p.Y, = r?.sin?y nicht der ästhetische Eindruck abgeleitet werden, den jener Kreisbogen macht. Aber wenn wir, die wir hier die Figur 1 diskutieren, eben diese Figur betrachten, so sehen wir an ihr r und r'cosg. Auch wer nicht weiß, was ein Kosinus ist, nimmt in der Figur sinnlich das wahr, was r.CoSg ist. Wer aber unter freiem Himmel den Quadranten des Himmels- meridians — also einen Winkelbogen von 90° — betrachtet, sieht doch ‚nicht den Radius » des konstruierten Kreises, jenen Radius, der 6-6248 mal so lang wie die Zenithöhe ist; er sieht auch keinen Bogen von 31° 53° 28” —, der ja gar nicht existiert, und vom Kosinus dieses Winkels existiert erst recht nichts. Und doch braucht er das Material, das wir mit r und cosp bezeichnen, um die Vorstellung eines nicht existierenden Kreisbogens über- haupt und eines solchen von gerade 31° 53’ 28” zu bilden. Und dann MATHEMATISCHE ABLEITUNG DER FORM DES SCHEINBAREN HIMMELS. 11 gesellt sich das schwere, bereits erörterte Bedenken dazu, daß die Vor- stellung vom Kreisbogen nur möglich sein würde, wenn das Himmels- gewölbe mit der Horizontebene einen so spitzen Winkel,. nämlich von 31° bis 32° zu bilden schiene, was schlechterdings nicht der Fall ist. Aber abgesehen davon, daß die Kreisbogenhypothese tatsächlichem widerspricht und unserem Sehvermögen Leistungen zumuten muß, deren es schon deshalb nicht fähig, weil ihm in der Wahrnehmung das hierzu _ erforderliche Material nicht geboten wird, so läßt sie zwei positive und zwar sehr wertvolle, sich sinnlich aufdrängende Hilfsmittel unseres optischen Vorstellungsvermögens unberücksichtist, die sich am Horizontraude von so ausschlaggebender Wirkung erwiesen haben; zunächst: die Umwandlung im Rundblicke wahrgenommener unzähligen Tangenten oder Polygon- seiten zu einem Kreise, wenn der Rundblick 360°, bzw. zu einem Halb- kreise, wenn er 180° beträgt. Dieses nachgewiesene Hilfsmittel unseres Vorstellungsvermögens muß doch selbstverständlich bei der mathematischen Darstellung der Entstehung unserer Halbmeridiansvorstellung benutzt werden. Wie schon oben hervorgehoben, sind hier eben zwei Einflüsse darzustellen: der eine würde den Halbmeridian bei Blickwanderung, z. B. um 180°, zu einem Halbkreise formen; der andre macht in unserer Vorstellung den Radius dieses Halbkreises variabel. Der Reimannschen Zahl 3-5 ent- sprechend variiert der Strahl von 3-5 bis 1.0 — oder umgekehrt von 1 bis 3-5. Und zweitens: auch die psychische Ausnützung der bei sonstigen Seh- vorstellungen so ungemein wirksamen, unterbewußt von den sensiblen Muskelnerven her empfundenen Drehwinkel von z. B. 90° — oder je nach- dem mehr oder weniger —, um die wir den Blick, den Kopf usw. gewendet haben, muß mathematisch zum Ausdruck gebracht werden. Und diese wertvollen, zweifellos wirksamen Unterlagen muß die Kreisbogenhypothese unverwertet, unbeachtet lassen. So bleibt nichts übrig, als diese Hypothese trotz ihres ehrwürdigen Alters von 300 Jahren fallen zu lassen. II. Die Vorstellung: Halbmeridian eine halbe Ellipse. Die Annahme, der Halbmeridian (und ebenso die anderen halben größten durch den Zenit gehenden Kreise) erscheine uns als eine halbe Ellipse, deren große Achse der Horizontdurchmesser, z. B. der Nordsüd- durchmesser des Horizontkreises, und deren halbe kleine Achse die Zenit- höhe sei, könnte sich möglicherweise mit E. Reimanns Ermittelungen nicht vertragen — vielleicht aber doch. Dies soll später untersucht werden, vorläufig aber unerörtert bleiben, jedoch selbstverständlich mit dem be- 12 WıcH. FILEHNE: stimmten Vorbehalte, daß dies später nachzuholen ist. Wir übernehmen also für unsere analytisch-geometrische Prüfung die Zahl 3-5, — obwohl sie unter der Voraussetzung berechnet ist, der Halbmeridian erscheine als Kreisbogen und nicht als Halbellipse. Wir bedienen uns wiederum rechtwinkliger Koordinaten, nehmen den Mittelpunkt der Ellipse, d. i. den Ort des beobachtenden Auges als Koordi- natenanfaug und bezeichnen den Horizontradius als halbe große Achse mit a, die Zenithöhe als halbe kleine Achse mit 5, wobei a = 5.3-5 ist. Die Achse a wird als x-Achse, 5 als y-Achse benutzt; es lautet dann — bekanntlich — die Gleichung dieser Ellipse (s. Fig. 1) x? 2 ik Auch hier ist selbstverständlich das ästhetische der Ellipse, der sinn- liche Eindruck, den gerade diese Ellipse oder überhaupt eine Ellipse macht, aus der Gleichung nicht herauszulesen. Aber sie enthält die Bezeichnung aller Elemente, die die Psyche braucht, um die Vorstellung gerade dieser Ellipse zu erzeugen. In der Gleichung ist nichts genannt, was unser Seh- vermögen nicht unmittelbar sinnlich wirklich wahrnimmt: die x sind die gesehenen Fußbodenstrecken; die y sind die scheinbaren Höhen des Himmels über den Endpunkten der »-Strecken; a ist der Horizontradius, 5 die (schein- bare) Zenithöhe: lauter sinnlich wahrgenommene Größen. Hier ergeben sich also keine Unzulässigkeiten wie bei der Kreisbogenhypothese, Auch sonst ist die Halbellipse an sich psychologisch unangreifbar, — was aber nicht beweist, daß sie richtig ist, d. h. daB man an dem, was als Himmels- gewölbe erscheint, nachweisen kann, es entspreche einem halben Rotations- ellipsoide, also einem Körper, dessen Querschnittsgrundfläche ein Kreis (der Horizont) und dessen sämtliche Längsschnitte kongruente halbe Ellipsen sind. Um dies herauszubekommen, wollen wir etwas anders vorgehen, als wir es der Kreisbogenhypothese gegenüber getan haben. Wir wollen hier analytisch-geometrisch zu ermitteln suchen, welcher Natur diejenige Kurve ist, die entsteht, wenn wir zunächst beim Umherblicken — ganz wie am Horizontrande den Kreis — so beim Halbmeridiane den Halbkreis in der Vorstellung — sozusagen im Keime -— als gegeben setzen, während sofort schon im Entstehen dieser Halbkreis durch jenen andern Einfluß modi- fiziert wird, der sich in der Reimannschen Zahl 3.5 dokumentiert. Es soll, dieser Zahl 3-5 entsprechend, der Radius des im Entstehen begriffenen Halbkreises in der Richtung vom Horizonte zum Zenit von 3-5 zu 1 variieren, um wieder vom Zenit an bis zum Horizonte von 1 zu 3-5 zu wachsen. Diese Polarkoordinatenaufgabe können wir auch im Rahmen des recht- winkligen Koordinatensystems wie folgt lösen. MATHEMATISCHE ABLEITUNG DER FORM DES SCHEINBAREN HIMMEILS. 13 Um den Koordinatenanfang O schlagen wir über der Abszissenachse mit dem Halbmesser 5 einen Halbkreis. Solange 5 konstant belassen wird, wächst, während wir den Winkel » von 90° (bei Z auf der y-Achse) im rechten oberen Kreisquadranten nach der (rechten) positiven Seite bis 0° (bei $ auf der «-Achse) abnehmen lassen, die Abszisse x im Verhältnisse von C0Sgy, und x ist stets gleich 5.cosy. Wenn wir jetzt den Strahl OZ, der hier bei Punkt O, wo x = 0, gleich 5 ist, mit abnehmender Größe des Winkels g gleichmäßig wachsen lassen, so erreicht er bei = 0, wo auch y=0 ist, ein Maximum. Aber in eben demselben Verhältnisse, in dem der Strahl wächst, wächst auch, im Vergleiche zu dem früheren z, die Größe der neuen Abszisse x,. Bei einer beliebigen Größe von p heiße am wachsenden Strahle der bewegliche Endpunkt P,. Die Größe der Abszisse x, dieses Punktes P, steht zu der Abszisse = desjenigen Punktes P auf der Kreisperipherie, welcher mit ?, demselben Werte von 9 zugehört, in dem- selben Verhältnisse, wie die Länge OP, des Strahles zu 6. Wächst also der Strahl von 90° bis 0° im Verhältnisse von 5:5.3-5=1:3-5, so wächst auch die neue Abszisse x, von O aus in der Richtung nach rechts, nach ‚S im Verhältnisse von #:#.3-5 =1:3-5. Es wird also die Abszissen- achse über $ hinaus um das 3!/,fache in allen ihren Teilen gedehnt, während der Punkt O unverrückt und die y-Achse ungedehnt bleibt. ‚Die neuen Koordinatenwerte sind also £& — 3.B.z, also = — und y, =y, also y=y.. Setzen wir diese Werte in die Gleichung des Kreises: x” u y? be: ba, so geht diese für die neue Kurve über in SE 3-70 tn Dividieren wir hier durch 52, so erhalten wir: x 2 Y 2 x B.3-5)° u Dies ist aber für rechtwinklige Koordinaten die Gleichung einer Ellipse, deren halbe große Achse = 5.3-5 und deren halbe kleine Achse = 5 ist. Der im Entstehen begriffen gewesene Halbkreis ist in eine Halbellipse umgewandelt worden. Wenn also festgestellt wäre — oder wenn mir der Nachweis noch gelingen sollte, daß der Halbmeridian des Himmels wirklich als eine Halb- ellipse erscheint, so würde das Entstehen dieser Halbellipse — rein analytisch-geometrisch gesprochen — ganz klar sein. Alsdann wäre die 14 WıLH. FILEHNE: nächstliegende Frage psychologischer Natur: welches sind die Motive, die zur Dehnung der Abszissen Anlaß geben? Ich habe nun zwar von vorn- herein in der Einleitung erklärt, daß wir unser Thema rein mathe- matisch behandeln wollen ohne auf psychologische Motive einzugehen, die nicht ganz allgemein anerkannt sind, und glaube, bis heute noch kein Recht zu haben, meine psychologische Himmelsformtheorie als allgemein anerkannt zu betrachten. Jedoch will ich zur Vervollständisung des Gesamtbildes, ganz nebenbei, den klaren Zusammenhang zwischen jener „Dehnung der Abszissen“ und der Entwicklung unseres räumlichen (körperlichen) Sehens kurz berühren. Das neugeborene Kind — oder ein blindgeborener Erwachsener, der durch eine Operation das Sehvermögen erhalten hat, haben zunächst noch keine Raum-, keine Tiefenwahrnehmung, zumal für die Ferne; ihnen fehlt noch die „dritte Dimension“. Allmählich entsteht für sie der „Raum“, er vertieft sich, er dehnt sich. In horizontaler Richtung, am Fuß- boden, d. h. dort, wo für die Ferne fortwährend und ausgiebig weite Strecken wirklich zu sehen sind, werden selbstverständlich die Abszissen weit stärker ausgedehnt, als die vertikalen Ordinaten, da für die Ferne in vertikaler Richtung — also hinauf in die Höhe — das Auge nicht dauernd Gelegenheit hat, kilometerlange Strecken aufzufassen. Daher die Halbellipse statt des Halbkreises. III. Reimanns Zahl 3-10 aus seinen Vergleichungsversuchen über die scheinbare Größe des Sonnendurchmessers. Wir hatten weiter oben über die vergleichenden Messungsversuche berichtet, die Reimann mittels Vergleichsscheibe an der Sonne einerseits um die Mittagszeit bei 55° über dem Horizonte, andrerseits bei Sonnen- untergang angestellt hat, und die dazu führten, den Quotienten der schein- baren Größen des Durchmessers an den beiden Stellen auf 3-10 zu be- stimmen. Diese Ermittlungen sind von dem Standpunkte aus, zu dem wir in den vorstehenden Ausführungen gelangt sind, auf das dankbarste zu be- grüßen. Ist ja doch diese Ermittlung, diese Zahl 3-10, rein aus Beobach- tung und Messung und vollkommen frei und unabhängig von der Kreis- bogenhypothese gefunden. Dies ermöglicht uns, nach Verwerfung dieser Hypothese, ebenfalls unabhängig von ihr, diese Zahl für die uns interessierende Frage zu benutzen. Reimann selbst hat, wie bereits erwähnt wurde, die Zahl 3-10 nicht in seine Berechnungen einbezogen. Wir wollen diese Zahl zunächst im Sinne Reimanns, also unter Zugrundelesung der Kreis- bogenhypothese, verwerten. MATHEMATISCHE ABLEITUNG DER FORM DES SCHEINBAREN HIMMELS. 15 Wir wollen dieses Mal, weil es sich eben um Sonnenuntergang handelt, nicht den Halbmeridian, sondern den zu ihm rechtwinklig stehenden Ost- Westkreis — EZW — beachten. In Fig. 2 seien die Bezeichnungen im übrigen die bisherigen. O, der Knotenpunkt des beobachtenden Auges, sei der Koordinatenanfang, Winkel POW=55° werde mit x, Bogen ZW=ZE werde wieder mit 9 bezeichnet. OZ heiße 5, OW sei a. Die Linien 8, W$, und 8,PS, sind Ausdruck der scheinbaren Größen des Durch- Fig. 2. messers des Gestirns (oder Sternbildes), vom Punkte O aus gesehen.! Winkel 80W=8,0W =38,0P=8,0P. Femer MZ=r und OP=o. Es sei 8,8, senkrecht auf OW, 8,S, senkrecht auf OP. 8W = 8,W, &,P=&,P. Es ist Dreieck OS,W ähnlich Dreieck 08,P und Dreieck 08, ähnlich Dreieck 08, P. Also DEIN ERS a8 DW WimaS, 7 Se Die mathematische Voraus- St setzung ist: Ss | a mi ' ‚ewä Also: sl am: Da wir © zum Koordinatenanfang gewählt haben, ist für die x und y des Kreisbogens, wie wir im vorigen Para- sraphen gesehen haben, 2? + y? + 2r-C089.% = r?-sin? g. (1) ! Die Winkel S,0S, und 8,08, sind absichtlich — der Deutlichkeit wegen — vergrößert; sie hätten, wenn S, S, und $8,S, die Sonne darstellen sollen, nur etwa ı), Grad groß zu sein. Statt der Sonne denke man sich also ein großes Sternbild. — In unseren Breiten würde überdies die Sonne mittags nicht im West-Ost-Kreise stehen; man nehme also an, wir seien in den Tropen an einem Orte, wo die Sonne mittags im Zenit stehen würde, und es handle sick um eine Beobachtung um 9" 40” vor- mittags oder 2" 20 = nachmittags, wo eben die Sonne im West-Ost-Kreise 55 Winkel- grade über dem Horizonte steht. 16 WırH. FILEHNE: Nun ist aber OW, d.i. a=r.sing; ferner gelten für » und y des Punktes ? folgende Gleichungen: 2? +y = OP: = 0? 2 = 0.0054, y=o.sny. Setzen wir diese Werte in die Gleichung (1) “ so erhalten wir: ? +2r.C089.0.8iny = a?. oa OZ=b=r-—r.c08gp, so ist 2r. cosp = 2r -2b=2 (r—b). Ferner würde, wenn M mit W verbunden wäre, im Dreiecke M WO ge- geben sein: r=a+(r—b)”=a’+r’—2rb +b?, also: a? — 2rb +5=0 2rb =a2 +0 es b?-92B: PR N r — ‚daherr —b= 2 Au = 26, BEE Setzen wir — b) diesen Wert in die obige Gleichung 5 en 2 ” . ” ” 2r.cosp=2(r — 5), so haben wir: 2r.cosg = —— Dies in die Glei- chung " 0? + 2r.C0Sgp.o-siny = a? eingesetzt, gibt 2 = 4. a ae a 5.10, daher @- + 3.10 Nach Umformung und Ausrechnung gibt ie Nun ist aber o = siny = a?. _ .sing — 2-7774195-a? — ab-siny = 0. Durch z siny dividiert und mit 5 multipliziert: Bi a —-52—0. Es ist aber siny = sin 55° = 0-819152. Nach Auflösung der Gleichung für atJist a = 5.3.6640. Also - = 3.66406. Das Gestirn würde also im Punkte W 3-66406 mal so groß, wie in Z (90°) und 3-10mal so groß, wie in ? (55°) erscheinen, und in 55° erschiene es 1-18146 mal so groß wie im Zenit. Dies bedeutet: aus den vergleichend-messenden Versuchen Reimanns an der Sonne ergibt unsere Rechnung, daß der Radius: des Horizontes 3-66 mal so groß sei wie die Zenithöhe, notabene wenn man annimmt (Reimann), daß der Halbmeridian ein Kreisbogen, der Himmel eine Kugel- kalotte sei. Unter der gleichen Voraussetzung berechnete aber Reimann andrerseits aus seinen Bogenhalbierungsversuchen, daß der Horizontradius 3-5 mal so groß wie die Zenithöhe ist. Sonach scheint — Verbesserung der Versuche vorbehalten — die Zahl 3-10 in den ver- ! Die andere Wurzel gibt die negative Größe, die 3-66406 mal kleiner ist als b. MATHEMATISCHE ABLEITUNG DER FORM DES SCHEINBAREN HIMMELS. 17 gleichenden Messungsversuchen Reimanns um etwas zu groß — oder vordem seine Zahl 3-5 zu klein ausgefallen zu sein. Alles dies gibt uns immerhin ein Recht, die Zahl 3-10 als jedenfalls annähernd richtig an- zusehen. Sie ist unabhängig von der Kreisbogenhypothese ge- funden, und wir dürfen sie daher unserer Rechnung zugrunde legen, auch wenn wir die Kreisbogenhypothese verwerfen. Es wird nun interessant sein, unter Zugrundelegung der von Reimann direkt gefundenen Zahl 3-10, das Größenverhältnis von scheinbarem Hori- zontradius und scheinbarer Zenithöhe an dem halbellipsoidischen Himmel zu berechnen. Fig. 3. In Fig. 3 gelten alle Bezeichnungen wie in Fig. 2 nur mit dem Unter- schiede, daß ? nicht auf einem Kreisbogen, sondern auf dem Ellipsen- quadranten liegt. Wir bezeichnen jetzt die Zenithöhe sofort als halbe kleine Achse und nennen sie 5; die Linie O W, den Horizontradius, nehmen wir als halbe große Achse a. Der Winkel POW=y ist wieder = 55°; die Winkel S0W, 8,0W, S,OP, S,OP sind einander gleich; OW und OP stehen auf dem Gestirnsdurchmesser senkrecht, die zwei rechtwinkligen Dreiecke mit der langen Kathete OW sind wieder den beiden Dreiecken mit der langen Kathete OP ähnlich, es verhält sich also die Linie OP zuOW wie PS, u WS = a | Der Strahl OP = o und der Winkel y können variabel gedacht werden, womit wir zu Polarkoordi- 4 S& ! Für die andere Colberger Versuchsperson berechnet sich aus ihrer Sonnen- durchmesserverhältniszahl 3-61 bei 0° und 55° das Verhältnis des Horizontradius zur Zenithöhe sogar auf 4-30:1 (statt Reimanns Zahl 3-.5:1 bzw. 3-66:1). Archiv f. A.u.Ph. 1912. Physiol. Abtlg. 2 18 WıLH. FILERNE: naten übergehen würden, wo wir dann den vorliegenden Strahl als o,, be- zeichnen würden, und @,, 05 würde a bzw. 5b bedeuten. Unser Winkel 4 = 55° könnte mit y,, bezeichnet werden. mathematische Voraus- setzung ist die Zahl Reimanns 3-10, d.h. - = 3-10. Also auch = 3-10, Co, = Gehen wir von n für rechtwinklige Ko- 03 3.10 10° ordinaten (mit O als Anfang) gültigen Gleichung unserer Ellipse 2 2 2 - a zu Polarkoordinaten über, indem wir z = 0.C08y, y = 0.8iny setzen, so 2 2 geht die letztgenannte Gleichung über in: o? = Per Nehmen ‚2 wir die Zenithöhe 5 als Einheit, so ist o?,, = Fe Da [44 . . aber 055 = 3.70 186, so ist: a \2 a? a? a? | |= = zer0 , also: Feen) 2570) 3-10 a”.sin°55° + cos“ 55 9-61 a*.sin“ 55° + cos“ 55 d.h. 9-61 = a?.sin?55° + cos?55°. Nun ist sin?55° = 0-67101, cos?55° 2 _. 961 — 0-32899 E — 0.32899, also a? = Deo va 3.71906. Unter Zugrundelegung der Kreisbogenhypothese hatten wir bei Hrn. Reimann für a die Zahl 3.66406 gefunden. Man sieht, der Unter- schied ist ein sehr geringer: 0-0550. Die Zahlen verhalten sich wie 1-0150:1-0000 (= + 1!/, Prozent). (Wenn wir statt des bei Hrn. Prof. Reimann an Wertes So ı = 3-10 die für das Krisinaee] Sonnendurchmesserverhältnis bei seinem S55 Versuchsgefährten — dem Arzte — gefundene Zahl 3-61 unserer Rechnung zugrunde legen, so erhalten wir — rund — 4.5, während wir am Kreis- bogen für ihn 4-3 fanden.) Selbstverständlich kann man jetzt, da wir, für = 0Z=1, den Wert von a wissen, für jeden beliebigen Winkel „ den zugehörigen Wert von o — sowohl für die Ellipse als für den Kreisbogen! — berechnen. Wir wollen zur besseren Unterscheidung die o-Werte der Ellipse mit o, und die des Kreisbogens mit o, bezeichnen. Zur Berechnung von 9, und 0, dienen dann die oben entwickelten Gleichungen: a? a 2 9 My es Basie: a?.sin?y + cos’y’ 0x. + (a — 1).siny.o, —a _ ' Die Werte „a“ sind also für Kreisbogen und Ellipse um eine Kleinigkeit (1'/, °/,) verschieden. DB 779 a 7 6 wird, wenn 5b = 1 gesetzt wird, gleich (a? — 1). MATHEMATISCHE ABLEITUNG DER FORM DES SCHEINBAREN HIMMELS. 19 Beispielsweise gibt die Rechnung für den Reimannschen Winkel des Quadrantenhalbierungspunktes, = 22° 20’, 0,5=02:2019; 0, —=1:99785. Die Differenz o.— o, ist hier = 0-.20405 (= 8?/, Prozent). Es ist hier darauf aufmerksam zu machen, daß diese Differenz von rund !/, der Zenithöhe, abgesehen davon, daß die Werte von o, und o, am Himmel nicht zur optischen Vergleichung gleichzeitig zur Verfügung stehen, — auch an sich der sinnlichen Wahrnehmung, wenigstens direkt, entzogen sind, da diese Strecken in der Richtung des Blickes und nicht senkrecht zu ihr liegen. Nur insofern wären sie, indirekt, wahrnehmbar, als an der Ellipse in dem gleichen Verhältnisse — 8?/, Prozent — das Sternbild oder Gestirn — weil scheinbar um ebensoviel weiter entfernt — größer erschiene, als wenn wir den Hobbes-Smith-Reimannschen Kreisbogen in unserer Vor- stellung hätten. f Bei y = 90° ist g.= 1 und auch og, = 1, also die Differenz gleich 0. Bei y = 0° würde die Differenz o.— o, wieder (annähernd) = O0 (hier = 0-0550). Haben sich die Größen der Gestirne oder Sternbilder, die wir mit s,, S;,; und s,, bezeichneten, je nach der Bogenhöhe, die diese über dem Hori- zonte hatten, bei der Kreisbogenhypothese verhalten wie 3-66:1-18:1.00, so verhalten sie sich an unserer Rllipse wie 3-72:7.20:1.00. Dies ist der ganze Unterschied. Unter Benutzung der obengenannten Formeln habe ich nun noch für mehrere andere Winkelgrößen sowohl am Kreisbogen, wie an der Ellipse die Werte von o, und o, berechnet, um annähernd bestimmen zu können, wo, d.h. bei welchem Werte des Winkels z die Differenz 0, — o, ein Maximum ist. Ich gebe eine kleine Tabelle, die zeigt, daß das Maximum etwa bei 8°, sicher zwischen 7° 45’ und S° 15” gelegen ist. Winkel z 0, | 0, Differenz 0° 3.71906 | 366406 0-0550 20 3.6903 | 3.453178 0-237 6° 3.482917 | 3.071414 | 0-4115 7 | 3-40843 2.9840 0-424 LEE Te 3.368996 2.941794 | 0-427502 79 45' 3.348961 2.920539 0.428422 go 3.328338 2.899981 0-42957 80 15’ 3.307694 2.87918 0.428514 80 30’ 3.283678 2.868793 0.427987 12° 2-98273 2.593042 0-3897 220 20’ 2.2019 : 1-99785 0-20405 550 1-19676 1181935 0-014825 90° 1-00 1-00 0-00 9*+ 20 WırH. FILEHNE: Das Auftreten dieses Maximums rührt von zwei Faktoren her, nämlich von den Eigentümlichkeiten der beiden Reihen der o,- und der o,-Werte. Nehmen wir zuerst die o,-Werte vor. Schon aus der Fig. 2, namentlich aber aus der Gleichung 02° + (a? — 1).3iny..— a’ = 0 ersieht man die strikte Abhängigkeit der o,-Werte, bei gegebener Größe des a, von dem Werte siny; o, muß sich umgekehrt proportional sin z verhalten. Wie der Sinus eines von 0° an wachsenden Winkels zuerst sehr schnell und dann immer langsamer wächst, so muß o, von 0° aus zuerst schnell und dann immer langsamer abnehmen. Mustern wir die Reihe der o,-Werte für sich allein (ohne o,-Werte), so zeigt sich dies deutlich: Winkel y 0, | Differenz Differenz für 1° () = $ ” ae 0.210882 0.105441 & en 0-381764 ...0-095441 70 2.9840 0:087414 0-087414 ir BE 0-084019 0.084019 0-306939 0.076734 120 2.593022 ; | 0.595192 0-057599 220 20 1-99785 Eh ei 0.815915 0-024977 900 1-00 0-181935 0-005198 Das hier, d.h. an einem so flachen Kreisbogen von weniger als so hohe Differenzmaximum pro 1° liest also bei 0° des Polarwinkels. Ganz anders die Reihe der o,-Werte: Zwar die Länge der Strahlen nimmt auch hier von 0° gegen 90° hin ab. Aber die Längendifferenzen der Strahlen wachsen bei ihnen im Anfange, von 0° aus, und erst später bei 11 bis 12° nehmen auch bei ihnen die Längendifferenzen ab. Die Gleichung 2 an. Sr a?’.sin?y + cos?y Nahe bei 0° ist der Wert des rechts stehenden Bruches, dessen Zähler konstant ist, so gut wie ausschließlich von cos?y abhängig, d. h. dort, wo cosy nahezu = 1 ist, da sin?y verschwindend klein ist und die Multipli- kation von sin?y mit der großen Zahl a? den Nenner nicht wesentlich erhöht. Je mehr sich x von 0° entfernt, verliert zwar cosy (bzw. c0s?y) zuerst nur langsam an Wert, aber a’sin?y wächst schnell mit dem wachsen- den Sinus und bestimmt bald den Wert des Bruches, um so mehr, als cos% (bzw. cos?y) bei größeren Werten von x immer schneller abzunehmen und sich der Null zu nähern beginnt, wo dann das Wachsen des Sinus sich bedeutend verlangsamt. zeigt deutlich den Unterschied gegen die vorige Reihe. MATHEMATISCHE ABLEITUNG DER FORM DES SCHEINBAREN HIMmMELS. 21 Ellipsenstrahlen, Winkel y 0, Differenz für 1° 00 371906 TE a ans 0-01438 i 0-051845 6 3.48291 0-074487 7° 3.40843 0-08005 ee Re 0-0852035 10° 3.157973 en 11° 3.07039 0-08780 110 30’ 3.02649 0:08752 120 2.98273 0.086837 13° 2.895893 0-0843045 150 2.727284 es 220 20 2.2019 0-010361 550 1-19676 asp 90° 1:00 Pi Das Maximum der Längendifferenzen der o,-Strahlen, d. h. die größte Geschwindigkeit im Wachsen bzw. Abnehmen von o, ist also etwa bei 11° 30’, sicher zwischen 11 und 12°. Daher ist die abweichende Lage des Maximums in den Differenzen zwischen den zu gleichen y-Werten gehörigen o,- und o,-Werten, die wir oben nicht bei 11 bis 12°, sondern bei etwa 8° fanden, durch Interferenz- wirkung an den beiden o-Reihen bedingt. Der Unterschied aber im Gange der o-Werte einerseits an der Kugel- kalotte, andererseits an dem Rotationsellipsoid wird für uns später von Wichtigkeit werden. IV. Kontrolle der im vorigen Abschnitt gelieferten Zählen. ‘Im folgenden soll eine Kontrolle des vorgehenden, aber nicht nur diese, gebracht werden. Es soll die Unterlage des gebotenen verbreitert und be- festigt werden, und es soll die Gleichheit, die Identität der großen Achse unserer Ellipse mit der Sehne, und die der kleinen Halbachse mit dem von der Sehne abgeschnitienen Stücke des auf ihr senkrecht stehenden Halbmessers am Reimannschen Kreisbogen hergestellt werden. Denn im vorigen Para- graphen war die Größe a in der Ellipse immerhin um 0-055 größer als das @ des Kreisbogens. Wir hatten im”vorigen Paragraphen erkannt, daß die ohne die Kreisbogenhypothese, rein durch Beobachtung und Messung ermittelte Verhältniszahl 3-10 der scheinbaren Durchmesser der Sonne bei 0° und 55° Höhe sich benutzen läßt, um sowohl für den Fall der Kreis- bogen- als für den Fall der Halbellipsenform des Halbmeridians das Ver- 22 WırH. FILEHNE: hältnis zwischen Horizontradius und Zenithöhe zu berechnen. Die so ermittelten Zahlen waren für beide Formen kaum nennenswert verschieden und stimmten überdies genügend überein mit der Zahl 3-5, die Reimann in seinen Bogenhalbierungsversuchen für den Kreisbogen ermittelt hatte. Bedenkt man nun, daß die letzteren Versuche in weit größerer Zahl und in sorgfältigster Weise angestellt und durchgeführt waren, während die improvisierten Versuche Reimanns über die scheinbare Größe des Sonnen- durchmessers bei 0° und 55° aus den früher besprochenen Gründen bei weitem weniger Gewicht in die Wagschale legen und daß seine hier gewonnene Zahl 3-10 auch für den Kreisbogen etwas zu hoch ist, so sind wir zweifellos nicht nur berechtigt, sondern geradezu verpflichtet, wenigstens vorläufig die aus den Bogenhalbierungsversuchen gewonnene Zahl Reimanns — 3-5 — als das wenn nicht tatsächlich richtige, so doch gewiß richtigere Längen- verhältnis aufzunehmen. Und obschon diese Zahl 3-5 unter Zugrunde- legung der Kreisbogenhypothese berechnet ist, haben wir doch gesehen, daß unsere Ellipse, wenigstens in ihrer Totalität, infolge der Eigentümlich- keit ihrer Maßverhältnisse keinen allzu nennenswerten Unterschied im Vergleich zu den Verhältnissen des Smith-Drobisch-Reimannschen Kreisbogens von 31° 53° 28” bietet. Die kleinen Unterschiede sind vorläufig um so mehr zu vernachlässigen, als es sich bei den Bogenhalbierungs- versuchen um im einzelnen mehr oder weniger unsichere Schätzungen handelt, bei denen die einzelne Bestimmung um einen ganzen Grad und mehr unsicher ist: wir haben es hierbei eben mit Schätzungen und nicht mit astronomischen Messungen zu tun, die nicht nur bis auf Grad und Minuten, sondern sogar bis auf Bruchteile von Sekunden genau wären. Ich setze zur Unterstützung des soeben Gesagten die Worte des Meteoro- logen Pernter! hierher, der sich in der ganzen Frage völlig auf den Standpunkt E. Reimanns stellt: „— so muß man andererseits doch zu- geben, daß die Prüfung Reimanns das leistet, was bei der Unsicherheit derartiger Beobachtungen ... geleistet werden kann. Wir können jedenfalls auf Grund dieser Prüfung sagen, daß die scheinbare Gestalt des Himmels- gewölbes nicht weit von der Form einer Kugelkalotte abweichen kann. Sie kann sicherlich nicht ein halbes Rotationsellipsoid sein, und falls sie Kalotte eines solchen sein sollte, dann gewiß nur eines solchen, das sich einer Kugel recht nahe anschließt.‘ So nehmen wir denn für unsere Ellipse (s. Fig. 1 S. 8) die halbe kleine Achse (Zenithöhe) als Maßeinheit und geben der halben großen Achse (Horizontradius) den Wert 3-5. 1 Meteorologische Optik. Von J. M. Pernter (und Felix M. Exner). Wien und Leipzig 1910. 8.17 (in diesem Wortlaut schon 1901 erschienen). MATHEMATISCHE ABLEITUNG DER FORM DES SCHEINBAREN HIMMELS. 23 Da wir in den Berechnungen des vorigen Paragraphen nicht 3-5, sondern 3.719 als Länge der großen Halbachse gewonnen und benutzt hatten, so muß sich nunmehr eine kleine Verschiebung in den zu errechnen- den Werten zeigen. Wir werden sehen, daß die Änderungen unerheb- lich sind. Wir konstruieren (s. Fig. 1) in folgender Weise. An einem Kreise trennen wir durch eine Sehne NS einen Bogen von zweimal 31° 53’ 28” ab. Vom Mittelpunkte dieses Kreises fällen wir ein (die Sehne halbierendes) Lot auf die Sehne und verlängern dies bis zur Peripherie nach Z (Zenit). Der Mittelpunkt der Sehne heiße O0. Er wird unser Koordinatenanfang. Wenn wir OZ zur Einheit wählen, ist jetzt, wo Bogen Z& = 31° 53’ 28”, wie wir wissen, 0OS=3-5. Die Gleichung des Kreisbogens NZS (NZ=Z$S = g) lautet für rechtwinklige Koordinaten nunmehr wieder: =? +y° + 2r.c08p.y = r?.sin?g, (1) worin x und y sowie r und 9 die frühere Bedeutung haben. Mit OZ als kleiner und O8 (bzw. ON) als großer Halbachse wird um O als Mittelpunkt die Ellipse geformt, deren Gleichung jetzt, wenn wir die Abszissen mit & und die Ordinaten mit 7 und zur Abkürzung O8 mit « und OZ mit 5 bezeichnen, lautet: &? 2 Brut Wir wollen jetzt untersuchen, wie sich die Differenzen zwischen den - Ellipsenordinaten 7 und den Kreisbogenordinaten y, 7—y, gestalten, wenn wir für x verschiedene zwischen 0 und 3-5 liegende Werte willkürlich wählen und wollen sehen, bei welchem Wert von x diese Differenz ein Maximum wird, wobei zu bedenken ist, daß stets & = x ist. Wir setzen dementsprechend in der Ellipsengleichung statt & den Wert x und haben: 2 2 un (2) _ Aus Abschnitt I wissen wir, daß jetzt, wenn OZ = 1 gesetzt wird, r = 6-62458. Da 9 = 31°53’ 28”, ist c0s p = 0: 8490532, r?sin?p = 12-2468 und 2r.cosp = 11-2497. Hierdurch geht die Gleichung (1) über in: z? + y? + 11-2497 y — 12.2468 = 0. Indem. wir für x beliebige Werte zwischen 0 und 3-5 einsetzen, ergibt sich aus der Gleichung die Größe des zugehörigen y. Und indem wir in die Gleichung (2) den gleichen willkürlich gewählten Wert x = einsetzen und für a die Zahl 3-5, für 5 den Wert 1 in Rechnung bringen, erhalten wir aus > | 12-25 En Ne 2 1 = I» 77412223 2A WıLH. FILEHNE: sofort den Wert für „ und bilden die Differenz „—y. Beix = 0 ist y=n=1lund7—y= (0; von da an bis z = 2.0 ist y um einen ver- schwindend kleinen Bruchteil kleiner, als 7, d.h. die Ellipsenkurve fällt mit dem Kreisbogen fast zusammen. Wir lassen daher die folgende Tabelle erst bei x = 2.0 beginnen: Wert von x Wert von 7 Wert von % Differenz (0) (1) (1) (0) 2-0 0-820652 0-78945 0.031202 2.5 0-699854 0-56101 0-138844 2.75 0-61859. 0-43307 0-18552 3.0 0-51508 0-296435 | 0.218645 3-1 0-46423 0-23811 | 0-22473 3.15 0-43589 0-21057 0.22532 3:2 0.405131 0-18131 | 0-223821. 3-25 0.371147 0-15177 0-219377 3 0.333198 0-12193 | 0-211268 3-5 0 0 | 0 Zwischen 3-1 und 3-2, also etwa bei 3-15 liegt demnach das Maxi- mum der Differenz. Wir wollen jetzt berechnen, wie groß die Winkel y sind, die in dem Bereiche des Differenzenmaximums den einzelnen &- bzw. x- und z)-Werten entsprechen. Auf diese Weise werden nämlich die Zahlen obiger Tabelle, die sich darauf gründen, daß der Horizontradius 3-5 mal so groß sei wie die Zenithöhe, erst vergleichbar den maximalen Zahlendifferenzen des vorigen Abschnittes, bei denen ein etwas größerer Wert von a zugrunde gelegt werden mußte, weil uns die Reimannsche Sonnendurchmesserverhältnis- zahl 3-10 hierzu nötigte. | Die Größe des Winkels ,, d.h. des Winkels, den der Strahl mit der Abszissenachse (bzw. der großen Achse der Ellipse) bei gegebener Größe von x = 5 bildet, ergibt sich, da x = &= o.cosy und 7 = 0.Siny, aus der Gleichung Die Werte der in Frage kommenden = und „ sind aus obiger Tabelle zu ersehen. So berechnet sich für x = 3-2 der Winkel ; zu 7°12’50”, für «= 3-1 zu 80. 31° 17, für x = 3-15 zu 7052742”. Im vorigen Abschnitte — also bei a = 3-66 bzw. 3.719 — hatten wir das Differenzmaximum von 0. und o, zwischen 7° 45’ und 8° 15’, etwa bei 8° liegend gefunden. Jetzt, beia = 3-5, finden wir das Maximum MATHEMATISCHE ABLEITUNG DER FORM DES SCHEINBAREN HImMmELSs. 25 für 7 —y etwa bei 7° 52’ 42”, sicher zwischen 7° 12° 50” und 8° 31° 1” liegen, — was im wesentlichen mit jenem übereinstimmt. Es verlohnt sich nicht, durch Engerziehen der Grenzen den Unterschied zwischen den beiden Reihen genauer zu entwickeln. Ebenso könnten wir uns dabei be- ruhigen, daß das bei ausschließlicher Berücksichtigung der Ellipsenstrahlen (o.) im vorigen Paragraphen gefundene Maximum zwischen 11° und 12° auch für die Ellipse mit der großen Halbachse 3-5 im wesentlichen gültig sein müsse. Indessen wird, wie wir sehen werden, hier eine etwas größere Sicherheit und Genauigkeit wünschenswert. Winkel x Q Differenz pro 1° SE 00 3-5 10 3-494017 ne 20 3-47644 I ara 3-44721 Ka au 40 3-40796 Baer 50 3-35940 N 6° 3-30288 0-06309 7° 3-23979 0-07179 100 3-02441 0-07645 110 2-94796 En 11° 30' 2-90944 E 0-.07714 120 2-87087 0-07676 > 13° 2-76196 wi 14° 2-71782 = Es liegt also das Maximum der Differenzen pro 1°, d.h. die größte Änderungsgeschwindigkeit von o, hier, ähnlich wie bei der o,-Reihe des vorigen Paragraphen, etwa bei 12°. Durch Einengung der Bestimmungs- grenzen würden wir auch hier den wirklichen Unterschied zur Erscheinung bringen können; indes verlohnt es sich nicht, gegenüber von Beobachtungen, die mit einem Fehler von reichlich einem Bogengrade behaftet sind, eine über halbe und ganze Grade hinausgehende Genauigkeit der Berechnung aufzuwenden. Sonach ist in einer Ellipse, deren große (Halb-)Achse 3-5 mal so groß ist, wie ihre kleine, die Änderungsgeschwindigkeit ihrer vom Mittel- punkte aus gezogenen Strahlen am größten bei einem Winkel von etwa 12° oberhalb des Scheitels der großen Achse. Bezüglich des Kreisbogens von 31° 53’ 28” bedarf es in dieser Be- ziehung gegenüber den Feststellungen im vorigen Paragraphen selbstver- ständlich keiner erneuten Berechnung, da ja, so lange » kleiner als m ist, das Maximum der Änderungsgeschwindigkeit der Strahlen stets bei 0° liegt. 26 WırH. FILEHNE: Nunmehr können wir übrigens unter Benutzung der beiden besproche- a? a? .sin?y + cos?y auch die Werte von o, und o, für den Fall der Reimannschen Ver- gleichungen der scheinbaren Sonnendurchmesser berechnen, in denen das eine Mal y = 0 und 0, = a = 3-5 (Zenithöhe = 1), das andere Mal 4 = 55° ist und o;, zu berechnen wäre, um das Verhältnis der beiden nen Gleichungen: o,? = und 0,°+(a?—1).siny.o,—a? = 0 So scheinbaren Sonnendurchmessergrößen festzustellen. Es ist ja San Pag. 55 55 wenn s, den scheinbaren Sonnendurchmesser am Horizonte (0°) und s,, den scheinbaren Durchmesser mittags (55°) bedeutet. Alsdann berechnet sich, für x = 55°, der Strahl o. auf 1-19705 und o, auf 1.17857 (Zenit- höhe = I). Das Verhältnis = _ = ergibt sich jetzt am Kreisbogen = 2.97, 55 55 an der Ellipse = 2-92. Daß die Zahl 3-10 auch für den Fall der Kugel- kalotte etwas zu hoch sei, hatten wir ja schon früher erkannt, — notabene zu hoch, wenn das Verhältnis Horizontradius zu Zenithöhe 3-5:1 richtig ist. V. Benutzung der vorstehend ermittelten Änderungsgeschwindig- keiten an den Strahlen von Ellipse und Kreisbogen zur Fest- stellung der Himmelsform. Im vorigen Abschnitte haben wir einen grundsätzlichen Unterschied zwischen dem Hobbes-Smith-Reimannschen Kreisbogen von 31%53’28” und der Halbellipse (mit Achsen von 3-5:1) kennen gelernt: bei jenem Kreisbogen nimmt die Änderungsgeschwindigkeit der Strahlen von 90° nach 0° zu und ist bei 0° ein Maximum; an dem Ellipsenquadranten da- gegen liegt das Wachstumsmaximum bei etwa 12° oberhalb des Scheitels der großen Halbachse, während sie am Scheitel selbst, also bei 0°, gleich O ist. Wie wir aus Figg. 2 und 3 ersehen haben, liegen die Sternbilds- oder Gestirnshalbmesser mit den Strahlen allenthalben in ähnlichen Dreiecken; es verhalten sich daher diese (scheinbaren) Halbmesser und also auch die (scheinbaren) Durchmesser der Gestirne zueinander wie die Längen der Strahlen und haben also die gleichen Wachstums- bzw. Abnahmegeschwindig- keiten wie diese. Dies alles gibt uns die Möglichkeit und den Anlaß, am Himmel Be- obachtungen anzustellen, die unser Problem der Lösung entgegenführen können. / Gleichviel, ob das Himmelsgewölbe ein halbes Rotationsellipsoid oder eine Kugelkalotte wäre, müßte selbstverständlich ein Gestirn, z. B. der Voll- mond am Horizontrande am größten und nach dem Zenit zu kleiner er- scheinen. Die schnellste, auffallendste scheinbare Abnahme seiner Größe z.B. MATHEMATISCHE ABLEITUNG DER FORM DES SCHEINBAREN HImMMELSs. 27 beim Höhersteigen würde er aber, wenn der Himmel ein Halbellipsoid ist, nicht unmittelbar nach seinem Aufgange erfahren; vielmehr würde er gerade innerhalb des ersten oder der zwei ersten Grade eine minimale, kaum merk- liche Verkleinerung zeigen; wäre der Himmel dagegen eine Kugelkalotte, so müßte gerade in den ersten zwei Graden die allerschroffste Verkleinerung statthaben, während bei weiterem Emporsteigen des Mondes die Verkleine- rung immer langsamer zu werden hätte. Ist das Himmelsgewölbe ein Halbellipsoid mit Achsen 3-5: 1, so muß das aufgegangene Gestirn, dessen Abnahme in der Nähe von 0° nicht erkennbar war (bzw. beim unter- gehenden Gestirne umgekehrt), die scheinbare Verkleinerung am auffallend- sten bei etwa 12° über dem Horizonte zeigen. In unsern Breiten! empfiehlt es sich, bei derartigen Beobachtungen auch an der Sonne (für den Mond gilt dies überall) irgend eine die Höhenbogenmessung ermöglichende Vor- richtung zu benutzen, wie sie beispielsweise in einfachster, ökonomischster, aber in selbst für seine sorgfältigen Versuche völlig ausreichender Form von E. Reimanr 1890? beschrieben wurde. Aber auch denen, die ohne einen solchen Apparat sich von der Sach- lage überzeugen möchten, kann folgendermaßen Ersatz geboten werden. . Wenn — z. B. über der See — bei ganz dunstfreiem Horizontrande der Raum zwischen 0° und dem auf- oder untergehenden Gestirn etwa zweimal so groß als der Mond- oder Sonnendurchmesser erscheint, so ist das Gestirn etwa 1° über dem Horizontrande. Da die Erde sich mit gleichmäßiger Geschwindigkeit um ihre Achse dreht, so entspricht die tatsächliche Änderungsgeschwindigkeit der scheinbaren Größe des Gestirns genau dem, was wir zahlenmäßig Änderungsgeschwindigkeit von o. oder o, genannt haben. Wenn man nun z. B. das’ untergehende Gestirn in dem Augen- blicke auf seine scheinbare Größe betrachtet, in dem es etwa zwei seiner Durchmesser über dem Horizonte steht, und wenn man es dann erst wieder anschaut, wenn es den Horizont eben tangiert, so ist keine Zunahme _ seiner Größe erkennbar, während doch im Falle der Kugel- ! Wer an einem Orte — in den Tropen — die Sonne mittags im Zenit über sich hat, bedarf einer Höhenmessung nicht: senkrecht steigt die Sonne vom Horizonte auf und sinkt senkrecht zu ihm nieder; in 4 Minuten ändert sich konstant ihre Höhe um einen Grad. Der Beobachter hat nur nötig, alle 12 oder 8 oder 4 Minuten die Sonne durch ein und dasselbe nicht zu dunkle Rauchglas zu betrachten. Er bedarf nur einer richtig — nach Ortszeit — gehenden Uhr. 2 A.a.0. 1890. 8.5: Visieren mit einem Lineal, das an einem auf dem Fuß- boden stehenden Stativ vertikal und horizontal drehbar. Das Lineal trägt einen in Grade geteilten hölzernen Kreis von 14 ©“ Durchmesser, aus dessen Zentrum ein Pendel herabhängt, welches zur Ablesung der Höhe, sowie zum Vertikalstellen der Kreis- ebene dient. 28 WıLH. FILEHNE: kalotte gerade hier die verblüffendste Zunahme der schein- baren Größe stattzufinden hätte. Mit einer höhenmessenden Vorrichtung, z. B. einem Pendelquadranten, findet man dann ferner leicht!, daß die auffallendste (scheinbare) Größen- änderung etwa zwischen 4° und 14° (oder 13°) (über dem Horizonte) sich zeigt; oberhalb von. 14° (bis etwa 20°) und unterhalb von 4° (bis etwa 2°) sind die Größenänderungen pro 1° zwar sehr deutlich erkenn- bar, aber nicht so auffallend wie zwischen 4° und 14°. Oberhalb von 20° und unterhalb von 2° sind sie schon so gut wie unmerklich. Alles dies ist unverträglich mit der Kreisbogenhypothese, ist aber unmittelbar abzuleiten aus der Voraussetzung, daß das scheinbare Himmels- gewölbe ein halbes Rotationsellipsoid ist. Aber es muß doch hervorgehoben werden, daß in unseren letzterwähnten Beobachtungen ein gewisser Wider- spruch enthalten ist gegen Reimanns Zahl 3-5 als Ausdruck des Ver- hältnisses unsrer scheinbaren Entfernung von Horizont und Zenit. Aus dem vorigen Paragraphen ergab sich, daß an, unsrer Halbellipse mit Achsen 3.5:1 das Maximum der Änderungsgeschwindigkeit der eo, — und daher auch des Gestirnsdurchmessers — sich etwa bei 12° zu zeigen habe. Am Himmel selbst, d. h. in der Wirklichkeit fand bzw. schätzte ich das Maximum als zwischen 4 und 14° (oder 13°) gelegen (schärfer, enger vermag ich die Eingrenzung nicht zu geben). Die Mitte von 4° und 14° ist aber nicht 12°, sondern 9°. Also etwa bei 9° — eher noch etwas tiefer — liest für mich — für mein Sehen — das Maximum. Berechnet man den Wert von e, (d. i. der halben großen Achse) für den Fall, daß bei o, ein Maximum ist, so erhält man (kleine Achse, d.i. Zenithöhe = 1) den Wert 4.3 bis 4-5; dieses stimmt überein mit den Zahlen, die wir an dem Versuchsgenossen Reimanns in Colberg berechnet hatten (s.S. 17 u.18), Für a = 4.3 ist an unserer Ellipse o, = 3-8327, o, = 3-7176, go, = 3-5996, g,, = 34805, 0,1, = 3.3621, also 0,—0,; = 0-1148, 0, —o, = 0: 1181, 0,—0,, = 0- 11917, %10—8ıı = 0-11839, also bei etwa 9° das Maximum. Hatte also Rei- mann ohne Kreisbogenhypothese am Sonnendurchmesser Zahlen ermittelt, die an der Halbellipse statt seiner vom Kreisbogen abgeleiteten 3-5 die von uns berechneten 3.72 lieferten, — und waren die Durchmesserzahlen seines Genossen so geartet, daß wir für die Ellipse etwa 4-5 herausrechnen ! In unseren Breiten’ist es zweckmäßig, daß zwei Beobachter sich in die Arbeit teilen: der eine verfolgt (bei der Sonne durch ein Rauchglas hindurch) das Gestirn mit dem höhenmessenden Instrumente und ruft den anderen auf, sobald die Gestirnshöhe sich um 3 oder 2 Grad (bei vorgeschrittener Übung schon 1 Grad) vermindert oder vergrößert hat; der zweite hat nichts weiter zu tun, als mit ausgeruhtem Auge durch dasselbe eben ausreichende Rauchglas hindurch, wie beim vorigen Aufruf, ganz kurz die Größenschätzung vorzunehmen. MATHEMATISCHE ABLEITUNG DER FORM DES SCHEINBAREN HIMMELS. 29 mußten, so muß es eben hingenommen werden, daß für mich dort eben- falls etwa 4-3 bis 4-5 aus den Größenänderungen der Gestirne sich ergibt. VI. Die Krümmungshalbmesser der Ellipse mit den Achsen 35-5:1. Der Umstand, daß unsere Ellipse (s. Fig. 1) sich im Verlaufe eines großen Teiles ihrer Peripherie dem Kreisbogen NZS so eng anschließt und rechnerisch sich mit den Zahlen verträgt, die unter Zugrundelegung der Kreisbogenhypothese von Reimann aus den Bogenhalbierungsversuchen berechnet worden sind, läßt es wünschenswert erscheinen, der Vollständigkeit wegen auch die Verhältnisse der Krümmungshalbmesser an dieser Ellipse etwas näher zu betrachten und hierbei die bisher benutzte Zahl 3-5 bei- zubehalten, obschon sie für viele Menschen vermutlich etwas erhöht werden muß. Fig. 4. In der Fig. 4 si EOWZ die uns interessierende Halbellipse mit ihrer großen Achse ZOW und der kleinen Halbachse OZ. (Die andere Hälfte der Ellipse ist nur der Übersichtlichkeit wegen beigefügt.) Der Ellipsenmittelpunkt O werde Koordinatenanfang des rechtwinkligen Systems. Die große Achse werde z-Achse, die kleine werde y-Achse. Der Strahl OP, dessen Verlängerung den winkelmessenden, um O mit der halben großen Achse OW =.a geschlagenen („umschriebenen“) Kreis im Punkte @ trifft, bilde, wie dies in der Figur tatsächlich der Fall ist, mit O W einen Winkel von 21° — annähernd E. Reimanns allgemeiner Mittelwert des Qua- dranten-Halbierungswinkels. Man beachte, daß der entsprechende Quadrant der Ellipse von diesem Strahle O P — ungefähr — halbiert wird. OZ werde später die Längeneinheit, heiße aber vorläufig . OM=« ist die 30 WILH. FILERNE: Abszisse, MP=y die Ordinate des Ellipsenpunktes 2 Es wird die Ordinate MP über P hinaus verlängert, bis sie den umschriebenen Kreis in P, trifft; O wird mit 2, verbunden. Die Koordinaten dieses Kreis- punktes ZA sind OM=z,=e und MP =y. Eit OARA=0Q=0W =.a. Im Dreiecke OPM ist also xz,?+y,?=.a?. Der Winkel POM (= 21°) heiße wieder „ Aus Dreieck OPM ist = OP.cosy und y= OP.siny, also = =tgz. Der Winkl POM — die sogenannte „exzentrische Anomalie von P“ heiße «. Aus dem Dreiecke OP,M ergibt Yı sich x, =a.c0s« und y, =a.sina, also ”-=tg.«. Nun ist aber be- 1 kanntlich allgemein = —. Dividieren wir die Gleichung _ tg y 1 durch a = n = tg o, so erhalten wir: Er 87 also mit Rücksicht auf 1 71 tg =, ty 1 „Auch: a a eu „ undiele — ——_ _. neizen = jetzt für 5 die ig a a b Einheit, a= 8.5, tgy=tg21’, so kann Winkel « berechnet werden. Da nun = 2, = 1.0080 = 3-.5.c08o ist, so kann man x bzw. x, berechnen; ebenso ergibt sich aus — —tgy und = —=tg« der Wert für y und y.. Wir legen jetzt im Punkte P eine Tangente an die Ellipse, errichten in Punkt P auf ihr eine Senkrechte — die sog. „Normale“; diese schneidet, wie alle „Normale“, die große Achse. Der Punkt, in dem diese Normale die große Achse bzw. x-Achse schneidet, sei N; die Strecke PN — die sogen. „Länge der Normale“ — bezeichnen wir mit x; von N fällen wir ein Lot NK auf OP,, von K aus ein Lot auf die große Achse, das in seiner Verlängerung die Verlängerung von PN in © trifft. Dann ist C der Mittelpunkt, C? der Radius des Krümmungskreises der Ellipse im Punkte ?. Wir wollen diesen mit Winkel , variablen Krümmungsradius durchgehends mit r bezeichnen, und den einzelnen r-Werten als Index die Zahl der Grade geben, die der zugehörige Winkel , hat; also CP=r,,. Nun findet man bekanntlich den Wert von r aus der Gleichung = ie worin z die Länge der Normale und p» den halben Parameter der Ellipse bezeichnet. Der halbe Parameter einer Ellipse mit Achsen 2a | b? re und 25 ist aber allgemein = 7, Also r — en; Da wir für unsere Ellipse 6=1 und a=3.5 zu setzen haben, ist r,, = u°.(3.5)% Es gilt also jetzt nur noch den Wert v zu ermitteln. Wenn wir mit & die sog. numerische Exzentrizität einer vorliegenden Ellipse bezeichnen, so ist all- 2 gemein u’ = la? — &?2?), wo a die halbe große und 5 die halbe kleine Achse der betreffenden Ellipse. Nun ist aber stets ®=1 _-, wo p MATHEMATISCHE ABLEITUNG DER FORM DES SCHEINBAREN Hımmers. 31 2 wieder der Halbparameter; und da p = — it also ?=1-— - 7, also 2 2 u" = le? _ E — |) Da wir z= a.cos« bereits berechnen konnten, ist rechterseits alles be- kannt (nämlich 5° = 1, a? = 12.25) und der Wert von « läßt sich also aus der Gleichung berechnen. Daher ist r (= 12.25.u?) ohne weiteres ebenfalls zu berechnen. So ergibt sich denn z.B. für r,, der Wert: 6-67578. Das ist aber im wesentlichen genau derselbe Wert, den der Radius r jenes Kreises hatte, dem der Hobbes-Smith-Rei- mannsche Kreisbogen angehörte, sobald auch dort OZd. i. die Zenithöhe = 1 gesetzt wurde; dort erhielten wir nämlich 6.6248. An diesem wichtigen Punkte ?, an dem — bei 21° — der Ellipsen- quadrant (ungefähr) halbiert wird, hat also unsere Ellipse genau dieselbe Krümmung, wie jener Kreis. Und während der Krümmungshalbmesser r,, am Scheitel der großen Achse, sich nur auf 0.285722 berechnet, r,—0-788 ist, — also sehr große Abweichungen von 6-6248 zeigen, sind an der Ellipse, notabene: mit Achsen 3-5:1, wie die folgende Liste zeigt, auf der Strecke von 15° bis 25° und in der Wirklichkeit sicherlich schon von 10° an (da das Änderungsmaximum nicht bei 12°, sondern unter 9° liegt) — also dort, wo die von E. Reimann bestimmten Bogenhalbierungspunkte liegen, die Unterschiede äußerst geringfügig, und bleiben bescheiden bis au 2012-25, Größe der Krümmungshalbmesser der Ellipse mit Achsen- verhältnis 3-5:1. 7, = 0.2857 75, 6-6757 r, = 0.303831 r2,53= 7.1624 7; = 0.359524 7506 — 80-9096 7, = 0.456247 Er r, = 0.788323 7, = 101316 rjo = 23152 2,3 110.8304 71] = 2: 788€ Ze 1 258 r); = 93-4959 Ta Ih 79 0619 7 = 2128 50 = 6:4020 Im Abschnitte IV hatten wir außerdem gesehen (s. auch Fig. 1), daß über dem Punkt O, im Gebiete bis zu 2-0, d. i. */, der großen Ellipsen- achse, Kreisbogen und Ellipse fast ununterscheidbar gemeinsam verlaufen. 32 WırH. FILEHNE: MATHEMATISCHE ABLEITUNG USW. So klärt sich die Verträglichkeit auf, die zwischen unserer Ellipse und den Zahlen E. Reimanns besteht, wenn die gänzlich abweichende kurze Strecke zwischen 0° und 15° bzw. 10° nicht besonders scharf ins Auge ge- faßt wird. Schluß. Aus Gründen der analytischen Geometrie, der Psychologie und der unmittelbaren Beobachtung ist die Kreisbogenhypothese unhaltbar. Das Himmelsgewölbe stellt ein halbes Rotationsellipsoid! dar, mit der Zenit- höhe als halber kleinen und dem Horizontdurchmesser als ganzer großen Achse. Das Verhältnis dieser beiden Achsen scheint individuell ein klein wenig verschieden zu sein und bedarf erneuter Prüfung. ! Mit Rücksicht auf die Depression des Horizontes ist selbstverständlich eine kleine — hier nicht in Betracht kommende — Korrektur anzubringen. Über die Lokalisation des Sehzentrums auf der medialen Fläche des Okzipitallappens bei Hunden. Von Prof. W. v. Bechterew in St. Petersburg. Seit Hitzigs! Entdeckung des Sehzentrums auf der Außenfläche der Okzipitallappen beim Hunde ihm Jahre 1874, und der Hinweisungen Ferriers? bezüglich der Lokalisation dieses Zentrums in der Rinde des G. angularis beim Affen, dann auch der bekannten Untersuchungen von H. Munk® mit seiner Stelle des deutlichen Sehens auf der Außenfläche des Okzipitallappens wird die Frage des Sehzentrums bei Tieren immer wieder in der Literatur behandelt. Unter anderem beschäftigte seit den ersten Hinweisungen von Lu- ciani und Tamburini‘, später von Munk die Beziehung zwischen der Sehregion des Okzipitallappens und den beiden Netzhäuten vielfach die Forscher. Eine ganze Reihe von Autoren, die die Frage der Lokalisation des Sehzentrums in der Rinde auf experimentellem Wege zu lösen versuchte, verlegten dieses Zentrum auf die Außenfläche des Okzipitallappens; dabei ver- zeichnete hier Munk eine besondere Region A,, welche seines Erachtens der Stelle des deutlichen Sehens entspricht und in welcher optische Erinnerungs- sehbilder zurückbleiben. Bei dem Affen gehört zum Sehzentrum nach dem Verfasser das ganze Okzipitalgebiet der Hirnhemisphären. ! Hitzig, Untersuchungen über das Gehirn. Zentralblatt für medizin. Wissen- schaften. 1874. ? Ferrier, The functions of the brein. London 1886. ®H. Munk, Gesammelte Mitteilungen. 1877, 1879. Silzungsberichte der preuß. Akademie der Wissenschaften. 1883, 1884. * Luciani e Tamburini, Riv. Sper. di Freniatria. 1877. Archiv f.A.u.Ph. 1912. Physiol. Abtlg. 3 34 W. v. BECHTEREW: Obgleich diese Ansichten, die auch von anderen Autoren geteilt wurden, in scharfem Gegensatz zu den klinischen Beobachtungen standen, welche auf die Lokalisation des Sehzentrums beim Menschen auf der medialen Oberfläche der Hemisphären, in der Nachbarregion der fis. calcarina, wo auch die Regio striata liegt, hinwiesen, so wurde dieser Widerspruch von den Experimentatoren fast ganz vernachlässigt. Im Jahre 1890! bei meinen Untersuchungen über das Selızentrum wurde ich auf die Beziehung der medialen bzw. inneren Fläche des Okzi- pitallappens zum Sehen der Hunde aufmerksam, etwas später? habe ich bestimmt darauf hingewiesen, daß die Zerstörung des inneren Teiles des Okzipitallappens bei Hunden zu dauernden Veränderungen des Sehvermögens mit dem Charakter der Hemianopsie führt, und daß eben hier und nicht in der Munkschen A,-Region das richtige Sehzentrum liegt. Gleichzeitig noch in ersterer Arbeit habe ich gezeigt, daß die Zerstörung der Außen- fläche des Okzipitallappens weder eine einseitige nasale Hemianopsie noch einen blinden Fleck im Gegensatz zu den Behauptungen von Munks zu- folge hat; es wurde stets nur eine mehr oder weniger dauernde Hemianopsie, je nach den Dimensionen des zerstörten Herdes, beobachtet. Dieser Umstand in Zusammenhang mit der Tatsache, daß die Seh- störungen nach Läsion der medialen Fläche des Okzipitallappens sich durch eine besondere Dauerhaftigkeit im Gegensatz zu den oberflächlichen Zer- störungen der Außenfläche des Hinterhautlappens auszeichnen, veranlaßte mich zur Annahme, daß das echte Sehzentrum bei den Hunden eben auf der Innenfläche und nicht auf der Außenfläche liest.? Es sind nämlich ‘tiefere (und nicht oberflächliche) Zerstörungen der Außenfläche des Okzipitallappens, die eine dauerhafte Hemianopsie zur Folge haben; und da handelt es sich wohl um Zerstörung der tiefer liegenden Sehbündel und nicht der Rinde selbst. Diese Untersuchungen haben zuerst die Ergebnisse des Experimentes mit den klinischen Beobachtungen einerseits und den histologischen Ar- beiten über die Regio striata andererseits in Übereinstimmung gebracht. Auf meine Veranlassung bearbeitete dann Dr. Agadzanoff in meinem Laboratorium ausführlicher die Frage des Sehzentrams bei den Tieren. Er konnte die angeführten Resultate bezüglich der Lokalisation des Seh- zentrums auf der medialen Fläche des Okzipitallappens bestätigen und fand ı W. v. Bechterew, Über die Sehfläche der Hirnhemisphären. Archiv für Psychiatrie. 1890. (Russisch.) ® Derselbe, Monatsschrift für Psychiatrie. 1901. 3 Derselbe, a.a.0. Siehe auch Die Funktionen der Nervenzentra. Bd. Ill. Jena. Das SEHZENTRUM AUF DER MEDIALEN FLÄCHE DES ÜKZIPITALLAPPENS. 35 auch, daß das Zentrum für Farbeneindrücke in derselben Region liegt, ja dieselben Grenzen besitzt.! Die Lehre von der Lokalisation des Sehzentrums auf der Außenfläche des Okzipitallappens fand ihre Begründung noch in den Erscheinungen, die bei der Reizung beobachtet werden. Munk, Obregia und andere Autoren erklärten nämlich, die bei der elektrischen Reizung der Außen- fläche des Okzipitallappens auftretenden Augenbewegungen nach oben, unten und nach der kontralateralen Seite durch die dabei entstehenden subjektiven optischen Effekte, mit anderen Worten, durch eine künstlich hervor&erufene Gesichtshalluzination. Da aber, wie erwähnt, weder ein blinder Fleck noch eine einseitige nasale Hemianopsie bei den Tieren mit lokalen Zerstörungen auf der Außen- fläche des Okzipitallappens beobachtet werden, so ist diese Erklärung offenbar doch wenig begründet. Die genannten Augenbewegungen, gleichwie die Pupillenveränderungen ‚bei der elektrischen Reizung der Außenfläche des Gehirns wurden vielfach seit dem Jahre 1886? von mir, dann auch von anderen Experimentatoren aus meinem Laboratorium, besonders von Gerwer® und Belitzky* be- obachtet; dabei untersuchte der erste hauptsächlich die Außenbewegungen der ren, der zweite die Akkomodationsbewegungen. Es wurde festgestellt, daß sowohl von den äußeren, wie von n. den medialen Abschnitten der Außenfläche des Okzipitallappens eine seitliche Augen- bewegung nach der kontralateralen Seite hervorgerufen wird; die Reizung der vorderen Abschnitte der Außenfläche des Okzipitallappens hatte eine Bewegung beider Augen nach der entgegengesetzten Seite und nach oben und die Reizung des hinteren Abschnittes dieses Gebietes eine Augen- bewegung in der kontralateralen Richtung und nach unten zufolge. Abgesehen davon, überzeugte ich mich auf Grund besonderer Versuche an Affen, daß auf der Außenfläche des Okzipitallappens in ihrem vorderen Abschnitte und in der Übergangsregion vom Okzipital- zum Parietallappen bilaterale Zentra der Pupillenbewegung (für Verengung und Erweiterung) liegen.® Endlich wurden bei uns von Belitzky auf der Außenseite des Okzipitallappens auch die Zentra für Akkomodationsausspannung ausführ- lich untersucht. . ı J. Agadzanoff, Dissertation. Petersburg 1904. Siehe auch W. v. Bechterew, Die Funktionen der Nervenzentra. Bd. II. ? Die Funktionen der Nervenzentra. A.a.0. ® Gerwer, Dissertation. Petersburg 1839. * Belitzky, Dissertation. Petersburg 1902. 5 W.v. Bechterew, Obosren. psychiatrü. 1899. N. F. Siehe auch Neurolog. Centralblatt. 1899 und. Die Funktionen der Gehirnzentra. 3. Heft. S. 193 f. BE 36 W. v. BECHTEREw: Über die Bedeutung aller dieser Zentra sage ich in meinem Buche „Die Funktionen der Nervenzentra“ folgendes: „Speziell auf die Bedeutung der parietalen Augenbewegungszentren gehe ich hier nicht näher ein. Im ganzen sind aber die Bewegungen, welche man durch Reizung der hinteren Rindenregionen erzielt, reflektorischer Natur.: Ihre Ursache liegt aber meiner Ansicht nach nicht in subjektiven Empfindungen oder Vorstellungen, sondern darin, daß von früher Kindheit an mit bestimmten optischen Empfindungen und Vorstellungen bestimmte Formen der Augenbewegungen assoziiert werden. Für diese bildeten sich dann besondere Reflexzentra im Bereiche der Sehsphäre als Bildungsstätte der optischen Vorstellungen. Wir haben es hier also zu tun mit echten motorischen Zentren, aber nicht „willkürlicher“, sondern reflektorischer oder außerwillkürlicher Natur, deren Tätigkeit in unmittelbarem Zusammenhange mit optischen Eindrücken steht. Daher kommt es, wenn diese Zentra ausfallen, bei den Versuchstieren nicht zur motorischen Lähmung der fraglichen Bewegungen. Aber zugleich mit dem Sehvermögen ist in diesem Fall der gesamte Komplex der Bewegungen aufgehoben, welche mit der Funktion des Sehens zusammenhängen.“ Aus dem Gesagten folgt, daß sowohl die mediale bzw. innere, wie die äußere Fläche des Okzipitallappens die optische oder vielmehr die optisch- motorische Funktion verrichten. Die Rolle der beiden Regionen im Sehakte ist aber keine gleiche. Nehmen wir an, wie ich es in meiner letzten Arbeit ausführe?, daß die Rindenzentra Zentra der assoziationsreflektorischen Komplexe sind, in dem Sinne, daß sie Zentra der assoziativen Reflexe darstellen, welche sich immer mehr differenzieren und gleichzeitig entsprechend den Umständen untereinander kombinieren; so muß auch das Sehzentrum als Zentrum der Assoziationsreflexe verstanden werden, die sich von der Netzhaut aus im Laufe des ganzen Lebens entwickeln und hier bestimmte Bahnen anlegen; der zuleitende Abschnitt für diese Assoziationsreflexe ist dabei eigentlich vor allem die Innenfläche der Okzipitallappen, während der ableitende Teil für dieselben hauptsächlich die Außenregion des Okzipitallappens ist. Immerhin ist es nicht ausgeschlossen, daß ebenso wie in der zuleitenden Partie der Rinde ein Teil der ableitenden Zentra liegt, z. B. ein reflek- torisches Akkommodationszentrum, auch im ableitenden Teile teilweise zu- leitende Zentra sich befinden. Da aber die optischen Assoziationsreflexe eigentlich optische Orientierungsbewegungen darstellen, ohne welche von keinem Sehen die Rede sein kann, so ist offenbar der Sehakt nur bei der Intaktheit der beiden Teile des Sehfeldes möglich; der Reflex kann eben ı Ara. 0.8. 1935. 2 Zeitschrift für Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane. 1912. DAs SEHZENTRUM AUF DER INNENFLÄCHE DES ÜÖKZIPITALLAPPENS. 37 nicht zustande kommen, gleich ob wir die Leitung im zentripetalen oder zentrifugalen Teile unterbrechen. Es muß indessen hervorgehoben werden, daß in der Rinde des Okzi- pitallappens wir bloß die optischen Orientierungsbewegungen, die vom Auge aus erregt werden, haben, während die Augenbewegungen, wie über- haupt alle Bewegungen der Extremitäten, des Rumpes und des Kopfes, außerdem noch im Zusammenhang mit haut-muskulären Impulsen an- geregt werden. Diese Augenreflexe stellen sekundäre assoziativ- motorische Komplexe dar, die für den Sehakt auch von wesentlicher Bedeutung sind, da mit dem Ausfall dieser assoziationsreflektorischen Komplexe die persönlichen assoziativmotorischen Impulse im Bereiche des Auges aufgehoben sind; anderer- seits kann beim Ausbleiben derselben auch die Ausführung der optischen motorischen Assoziationsreflexe zu ihrer vollständigen Entwickelung nicht gelangen. Es ist daher klar, weshalb die Zerstörung der Zentra der as- soziativen Hautmuskelreflexe im Gebiete des G. sygmoides, bzw. im Gebiete der Zentralwindungen auch zur gewissen Störung des Sehaktes führt. Im letzteren Falle handelt es sich schon um optische Assoziations- reflexe anderen Charakters, als in der Okzipitalrinde. Die Läsion des asso- ziationsmotorischen Hautmuskelkomplexes im G. sygmoides hat die Störung des ganzen Sehaktes zufolge und nicht eine bilaterale Störung des Seh- vermögens, mit anderen Worten, es wird hier der Akt des Schauens und nicht der Sehakt betroffen. Dem Gesetze der Kompensation folgend, müssen in diesem Falle die Störungen des optischen Aktes weniger dauerhaft und zum Teil unbe- deutender bei einseitigen als bei beiderseitigen Affektionen des Hautmuskel- komplexes sein, was auch die Versuchsergebnisse bei Zerstörung des G. syg- moideus bei den Hunden bestätigen. Es muß übrigens hervorgehoben werden, daß die reflektorische Be- wegung jedes perzipierenden Organs nicht nur unter der Kontrolle der speziellen, vermittelst desselben Organs entstehenden Impulse zustande kommt, sondern auch unter der Kontrolle der Hautmuskelimpulse, die bei der Bewegung dieses Organs entstehen. Die Läsion der Außenfläche des Okzipitallappens muß auch nicht nur den Ausfall der von der Netzhaut aus erregten reflektorischen Bewegungen und die Sehstörung, sondern auch einen Sensibilitätsdefekt in der Augenregion zur Folge haben, was auch tatsächlich der Fall ist. Zum Schluß wollen wir bemerken, daß in der letzten Zeit, also viel später als meine ersteren Andeutungen über die Lokalisation des Seh- zentrums auf der medialen Oberfläche des Okzipitallappens des Hundes 38 W.v. BECHTEREw: DAS SEHZENTRUM AUF DER INNENFLÄCHE USW. veröffentlicht waren, zwei Arbeiten über die Sehzentra der Tiere erschienen sind, von H. Munk! und Minkowsky.? Die beiden Autoren heben auf Grund ihrer Forschungen und mit Rücksicht auf die zytoarchitektonischen Untersuchungen der Hirnrinde die Bedeutung der ar. striata hervor. Sie teilen also meine Ansicht über die wichtige Bedeutung der medialen bzw. inneren Fläche des Okzipitallappens des Hundes für den Sehakt. ‘H. Munk, Zur Anatomie und Physiologie dsr Sehsphäre der Großhirnrinde. Berichte der königl. preuß. Akademie der Wissenschaften. 17. Juli 1910. ° Minkowsky, Zur Physiologie der -Sehsphäre. Pflügers Archiv. Bd. CXLI. Über die Muskelströme bei willkürlicher Kontraktion. Einige Varianten der Versuchsbedingungen. Von Dr. med. Arnt Kohlrausch, Assistent am Institute. (Aus dem Physiologischen Institute der Universität Berlin.) In mehreren aus den letzten Jahren stammenden Arbeiten hat H. Piper! die willkürliche Muskelkontraktiin und ihren Innervations- mechanismus besonders an den menschlichen Unterarmflexoren durch. Registrierung der zum Saitengalvanometer abgeleiteten Aktionsströme des Muskels analysiert. Er hat mit dieser Methode gefunden: 1. die Zahl der bei Willkürkontraktion vom Muskel aus abgeleiteten Aktionsstromwellen ist konstant und liegt nahe bei 50 pro Sekunde; 2. jede einzelne der bei Willkürkontraktion auftretenden 50 Strom- wellen ‘ist äquivalent einer solchen doppelphasischen Aktionsstromwelle, wie man sie bei Einzelreizung des Nerven erhält; 3. bei Einzelreizung vom Nerven aus treten in den beiden durch den nervösen Äquator getrennten Muskelhälften Aktionsströme auf, die ent- gegengesetzte Phasenrichtung zeigen. ı H.Piper, Über den willkürlichen Muskeltetanus. Pflügers Archiv. Bd. CXIX. S. 301. — Neue Versuche über den willkürlichen Tetanus der quergestreiften Muskeln. Zeitschrift für Biologie. Bd.L. $S. 393. — Weitere Beiträge zur Kenntnis der will- kürlichen Muskelkontraktion. Ebenda. Bd. L. S. 504. — Über die Fortpflanzungs- geschwindigkeit der Kontraktionswelle im menschlichen Skelettmuskel. Zbenda. Bd. LI. S.41. — Zur Kenntnis der tetanischen Muskelkontraktionen. Zbenda. Bd. LII. S. 86. — Verlauf und Theorie des Elektromyogramms der Unterarmflexoren. Pflügers Archiv. Bd. CXXIX. 8.145. — Über die Rhythmik der Innervationsimpulse bei will- kürlichen Kontraktionen und über verschiedene Arten der künstlichen Tetanisierung menschlicher Muskeln. Zeitschrift für Biologie. Bd. LIII. S. 140. 40 ARNT KOHLRAUSCH: Auf dieser experimentellen Grundlage hat Piper die Theorie des 'Kontraktions-. und Innervationsmechanismus bei willkürlichem Tetanus folgendermaßen entwickelt: Bei der Willkürkontraktion des quergestreiften menschlichen Skelett- muskels gehen vom nervösen Zentralorgan aus 50 Impulse pro Sekunde durch jede einzelne Fibrille des motorischen Nerven bis zur nervösen End- platte jeder einzelnen Muskelfibrille, und zwar erhalten die sämtlichen Fibrillen eines Muskels einen Impuls annähernd zu gleicher Zeit, „salven- mäßig“. Von den nervösen Endplatten aus, die in einer mittleren Zone des Muskels um einen bestimmten Querschnitt den „nervösen Äquator“ mehr oder weniger verdichtet beisammen liegen, laufen gleichzeitig ab- gehend und schwarmartig zusammengehalten die einzelnen Erregungswellen über die Muskelfibrillen nach beiden Seiten bis zu den Muskelenden hin. In einer Sekunde laufen also bei Willkürkontraktion 50 derartige Wellen- schwärme vom nervösen Äquator aus zu den Muskelenden. Dieser 50er-Rhythmus ist unabhängig von der Kraft der Kontraktion. Mit der Kontraktionskraft ändert sich lediglich die Amplitude der Aktions- stromoszillationen, indem schwächere Kontraktionen niedrige Amplitude, kräftigere Kontraktionen größere Amplitude der Wellen hervorrufen. Dagegen ist der Rhythmus des Innervations- und Erregungsmechanismus von zwei Faktoren abhängig, einmal von der Temperatur des Organismus und zweitens von dem Grade der Ermüdung des Muskels. H. Piper! konnte an Poikilothermen (Schildkröten, besonders Testudo graeca) zeigen, daß der Quotient I?llatonsfreguenz „ne konstante Größe ist, d.h. es ist Temperatur bei niedriger Temperatur die Rhythmik des gesamten Nervmuskelapparates vom Zentralnervensystem bis zum Muskel eine weniger frequente, nimmt mit steigender Temperatur an Frequenz zu, um bei 37° etwa die Frequenz des Warmblütermuskels zu erreichen. Durch diese Versuche ist die Ver- mutung sehr nahe gelegt, „daB auch beim Warmblüter der ö0er- Rhythmus eine Temperaturfunktion ist.“ (Piper I. c.). Vom hochgradig ermüdeten menschlichen Muskel hat H. Piper? Aktionsstromfrequenzen erhalten, die auf 35 bis 25 pro Sekunde herunter- gingen. Aus der Form der Kurven war abzuleiten, „daß die Ermüdung des Nervmuskelsystems sich in einer Abnahme der Frequenz ı H. Piper, Weitere Untersuchungen über die natürliche Innervierung von Muskel- kontraktionen. Der Temperaturkoeffizient der Rhythmik in Muskel und Nerv. Dies Archiv. 1910. Physiol. Abtlg. S. 207. ! Derselbe, Über die Ermüdung bei willkürlichen Muskelkontraktionen. Dies Archiv. 1909. Physiol. Abtlg. S. 91. ÜBER DIE MUSKELSTRÖME BEI WILLKÜRLICHER KONTRAKTION. 41 der dem Muskel pro Zeiteinheit vom Zentralorgan zufließenden Innervationsimpulse äußert.“ (Piper |. c.). Um alle diese Ergebnisse, namentlich die Abhängigkeit des Nerv- Muskelrhythmus von den genannten physiologischen Bedingungen aus den am Saitengalvanometer beobachteten Aktionsstromkurven ableiten zu können, war es natürlich erforderlich, einige rein physikalische Variable der Ver- suchstechnik hinsichtlich ihres Einflusses auf die Stromkurven zu prüfen und zu sehen, ob vielleicht der. Rhythmus und der Verlauf der Kurven durch die Art der Ableitung und die Eigenschaften des Instrumentes, be- sonders durch die Spannung der Galvanometersaite, durchgreifend beein- Alußt werden. Wenn auch diese Kontrollversuche selbstverständlich früher in den Versuchen von Piper bereits ausgeführt worden sind, so erscheint es doch wünschenswert, die Ergebnisse auf Grund neuer Experimente mit- zuteilen.! Auf Veranlassung von Herru Prof. Dr. Piper habe ich daher Versuche über den Einfluß der Saitenspannung und der Elektrodengröße auf den Rhythmus und die Form der Aktionsstromkurven bei Willkür- kontraktion angestellt. ‚Methodik. Als Versuchsobjekt dienten die Unterarmflexoren, die sich ja in vielen Versuchen Pipers als äußerst geeignet für diese Versuche erwiesen hatten. Sie wurden durch Zusammendrücken eines Dynamometers in möglichst gleichmäßige Willkürkontraktion versetzt, und die Aktionsströme mittels der von Pipers Versuchen her bekannten unpolarisierbaren, mit konz. ZnSO,-Lösung gefüllten Trichterelektroden, in welche amalgamierte Zink- stäbe tauchen, zum Saitengalvanometer abgeleitet. Als stromregistrierendes Instrument diente ein großes Einthovensches Saitengalvanometer von der Konstruktion, welche die Edelmannsche Werkstätte in München liefert. Im Galvanometer war ein Platinfaden von 9500 Ohm. Die Ausschläge der Saite wurden bei etwa 750facher Vergrößerung mit dem kleinen Edelmannschen Registrierer photographisch aufgenommen. Die Zeit- schreibung war !/, Sekunde. Bei Untersuchung des Einflusses der rss auf den Ablauf der Wellen wurde bei konstanter mittlerer Elektrodengröße (Trichter mit einer Öffnung von 6°@ im Durchmesser) und gleichbleibenden Ableitungs- punkten die Saitenspannung von mittlerer bis sehr hochgradiger variiert. Nach jedesmaliger Spannungsänderung wurde eine Eichungskurve mit 1 Millivolt Potentialdifferenz ohne sonstige Widerstände aufgenommen. Zur ! Vgl. auch H. Piper, Elektrophysiologie menschlicher Muskeln. 1912. Verlag von Julius Springer. 8.83. ARNT KOHLRAUSCH 42 1 18: F ÜBER DIE MUSKELSTRÖME BEI WILLKÜRLICHER KONTRAKTION. 43 Fig. 1a. Fig. 2a Fig. 3a. Untersuchung des Einflusses der Elektroden- größe wurden bei gleichbleibender Saitenspan- nung die Aktionsströome von den gleichen Punkten des Unterarms durch verschieden große Elektrodenpaare abgeleitet. Die Elek- troden wurden etwa handbreit unterhalb des Ellenbogens und handbreit oberhalb des Hand- gelenks angelegt. Versuchsergebnisse. Bei. zunehmender Saitenspannung nimmt die Amplitude der Wellen ab und gleichzeitig treten den einfachen doppelphasischen Aktions- stromwellen superponierte kleine Zacken deut- licher hervor (Fig. 1 bis 3). Aber, und das ist der wichtigste Punkt, selbst wenn man ‘ die Spannung derart steigert, daß die Saite nicht mehr aperiodisch ausschlägt, also das Instrument theoretisch gar nicht mehr ein- wandfrei ist, niemals wird der 50er -Rhyth- mus vermißt, deutlich lassen sich die Haupt- wellen von den kleinen superponierten Zacken unterscheiden und sind über lange Zeitbereiche in der Kurve immer mit Sicherheit auszu- zählen. Schon in seiner ersten Arbeit hat Piper! die Abhängigkeit des 50er-Rhythmus von der Elektrodengröße untersucht und gefunden, daß dieser durch Änderung der Größe der Kon- taktflächen der Elektroden in keiner Weise beeinflußt wird; lediglich die Amplitude wird kleiner bei Ableitung durch kleinere Elektroden. Ich habe diese Versuche mit Elektroden von gem (Fig. 4) und 3°“ Durchmesser (Fig. 4 «) wiederholt und bin zu genau dem gleichen Resultat gekommen. YH. Piper, Über den willkürlichen Muskel- tetanus. Pflügers Archiv. Bd. CXIX. 8. 325. 4d ARNT KOHLRAUSCH: 14 +4 LH Wal AN u AN Ar, hang Fig. 4. Am YO IaRwi Fig. 4b. ÜBER DIE MUSKELSTRÖME BEI WILLKÜRLICHER KONTRAKTION. 45 Diese Ergebnisse waren zu erwarten. Zunächst beruht die Abnahme der Wellenamplitude bei wachsender Saitenspannung auf der Reduktion der Empfindlichkeit der Saite. Gleichzeitig wächst mit zunehmender Spannung der Saite die Geschwindigkeit ihrer Einstellung. Infolgedessen vermag jetzt das Instrument den sehr frequenten kleinen Stromvszillationen der mit geringer Phasenverschiebung eintreffenden Wellen besser zu folgen, welche bei schiaffer Saite mehr oder weniger unterdrückt werden. Daher treten mit wachsender Saitenspannung die den Hauptwellen superponierten kleinen Nebenzacken mehr und mehr hervor. Die Hauptwellen aber bleiben in der Frequenz von etwa 50 pro Sekunde bestehen. Die Tatsache, daß mit der Elektrodengröße die Wellenamplitude zu- nimmt, ist dadurch bedingt, daß die Summe der von den Elektroden ab- gefangenen phasengleichen Aktionsströme der Muskelfibrillen mit der Größe der Kontaktfläche steigt. Durch die Versuche ist gezeigt: 1. der 50er-Rhythmus, der bei der Willkürkontraktion im Muskel auftretenden Aktionsströme ist unabhängig von der Spannung der Galvano- metersaite und der Größe der Ableitungselektroden. 2. Mit wachsender Saitenspannung nimmt die Amplitude der Aktions- stromwellen ab und gleichzeitig treten mehr den Hauptwellen superponierte kleine Nebenzacken hervor. 3. Die Wellenamplitude nimmt mit der Elektrodengröße zu. (Be- stätigung der Versuche von H. Piper.) Einfluß der kardiopneumatischen Bewegung auf die Stimme und Stimmgebung Von Dr. Toshihiko Fujita. (Aus dem Physiologischen Institut der Medizinischen Akademie zu Niigata, Japan.) Die rhythmisch mit den Herzschlägen synchron auftretende Luft- bewegung in den Luftwegen beim Ein- und Ausatmen sowie beim‘ ruhigen Anhalten der Atmung wurde zuerst von Buisson und etwas später ‚von Voit gefunden, dann von vielen anderen genauer untersucht und wie be- kannt von Landois die kardiopneumatische Bewegung genannt.! Ähn- liche pulsatorische Druckschwankungen sind auch bei geschlossener Stimm- ritze in der Mund- und Nasenhöhle nachweisbar, hier aber nur infolge der Pulsationen der Wandgefäße und ohne direkten Zusammenhang mit den Volumenänderungen des Herzens. Die auch bei der Stimmgebung, d.h. beim intermittierenden Luftaustritt durch die stark verengte Stimmritze noch auftretende pulsatorische Druckschwankung im Ansatzrohr und zumal ihre Einflüsse auf die Stimmgebung, Stimmstärke und Stimmhöhe scheinen noch wenig berücksichtigt worden zu sein. Nach meiner Erfahrung ist eine pulsatorische Schwankung der Stimmstärke sicher vorhanden. Wenn ich meine Stimme in einer be- liebigen Höhe in längerer Dauer halte, so nehme ich wahr, daß sie rhyth- misch mit den Pulsschlägen synchron an- und abschwillt. Auch wenn ich einige Personen meine lang gehaltene Singstimme hören ließ, oder selbst die Singstimme der anderen hörte, konnte bei angespannter Aufmerksam- "keit stets solche mit den Pulsschlägen des Singenden synchrone Schwankung wahrgenommen werden. So ist es klar, daß das Zustandekommen dieser ! Zitiert nach Tigerstedt, Lehrbuch der Physiologie des Kreislaufes. S. 136 f. Voit, Zeitschrift für Biologie. 1865. Bd. 1. 8. 39. TOsHIHIKO FUJITA: EINFLUSS D.KARDIOPNEUMATISCHEN BEWEGUNG USw. 47 Erscheinung weder subjektiver noch entotischer Natur ist, wenn auch ein etwaiger Einfluß von seiten der Wwefäßpulsationen im Gehörorgane beim Selbsthören nicht ohne weiteres auszuschließen wäre. Da die Stimmstärke wesentlich vom Luftdruck beim Anblasen ab- hängt, so kommt man zunächst zu der Annahme, daß die genannte Stimm- stärkeschwankung durch die kardiopneumatische Bewegung hervorgerufen werde. Dann müßte eine entsprechend deutliche pulsatorische Luftbewegung bzw. Luftdruckschwankung auch im Ansatzrohre stattfinden, welche min- destens den zu akustischer Unterscheidung nötigen Betrag erreicht. So habe ich versucht, das Vorhandensein solcher deutlichen rhythmischen Druckschwankungen bei der Phonation im Ansatzrohr objektiv überzeugend nachzuweisen. Das auf graphischem Wege gewonnene Resultat war das erwartete und stimmte mit den subjektiven akustischen Wahrnehmungen überein. Um die lan graphisch zu registrieren, bediente ich mich einer kleinen mit Präservativgummi bespannten Registrierkapsel (von etwa 2 °=® Durchmesser) mit einem darauf fest angelegten ganz kleinen Holzsteschen. Erstere ist vermittelst eines starrwandigen Gummischlauches mit einem gläsernen Aufnahmetrichter verbunden. Dem Gummischlauch ist eine relativ weite Seitenöffnung gegeben, um der Luft freien Zutritt zu lassen. Ein nicht zu langer Schreibhebel in Gestalt eines feinen, etwas biegsamen Glasfadens wurde an einem Ende von einer Klemme gefaßt und lag so auf dem genannten Stegchen der Schreibkapsel, daß er auf diese einen gewissen Druck ausübte. So befindet sich dieses Registriersystem in einem gedämpften Zustande. Wegen der Kleinheit des Apparates mußten die Hebelausschläge ziemlich gering sein. Aber für nicht zu feine Unter- suchungen war er gut brauchbar, und ich habe mich nicht um weitere Verfeinerung bemüht. Ich sang in den Trichter hinein, indem ich ihn um die Mundöfinung dicht anleste. Die ausgeatmete Luft wich durch die Öffnung des Gummi- schlauches aus; es wurde nur der Seitendruck auf einer Kymographion- trommel registriert. (Diesen Druck und die Kurve möchte ich der Kürze halber im weiteren einfach als Stimmdruck bzw. Stimmkurve bezeichnen.) Zugleich wurde der Karotispuls, in einigen Fällen aber Radialispuls oder Spitzenstoß auch nach der Lufttransmissionsmethode mit registriert, um dadurch die Rhythmik der Pulsstöße und die der Schwankungen in den Stimmkurven miteinander vergleichen zu können. Wie aus der Fig. 1 zu ersehen ist, zeigt die Stimmkurve außer einigen gröberen unregelmäßigen Schwankungen auch regelmäßige dem Karotispuls synchrone; diese sind nicht erheblich aber doch deutlich. Die Möglichkeit, daß diese etwa nur dadurch entstanden sein könnten, daß die 48 TosHIHIKO FUJITA: Karotis bei der Pulskurvenaufnahme an den Kehlkopf stark angedrückt worden wäre, waren wir mit Sorgfalt auszuschließen bemüht. Und auch als nur die Registrierung des Radialis- statt Karotispulses oder überhaupt UNI Yun Fig. 1. Die Kurven der pulsatorischen Schwankungen des Luftdruckes in den Luftwegen bei der Phonation. Obere Linie: Karotispulskurve; untere Linie: Stimmkurve; bei verschieden schnellem Trommelgang aufgezeichnet. keine Mitregistrierung des Pulses stattfand, zeigte sich das gleiche Ver- halten (s. Fig. 2). Also muß diese rhythmisch im Tempo des Pulses sich wiederholende Schwankung eine stets von vornherein bestehende Erscheinung und von derselben Natur wie die kardiopneumatische Bewegung sein. Die Kurvenform dieser pulsatorischen Druck- 'schwankung ist nicht immer ganz gleich, zum Teil deshalb, weil die Empfindlichkeit des Registrier- systems mit dem Erneuern des Schreibhebels und der Gummimembran etwas wechselte. Aber in den ausgeprägten Fällen äußerte sich die Schwankung in einer periodischen Wiederholung der mit dem Puls zusammenfallenden rhythmischen Erhebungen und Er- Fig. 2. niedrigungen welche, wie erwartet, denen der kardio- Wie bei Fig. 1. pneumatischen Bewegung bei ruhigem Ausatmen sehr Obere Linie: ähnlich sind. (Fig. 3 zeigt die Kurven der letzteren, Radialispulskurve; , i » en gewonnen durch denselben Apparat wie den für Stimm- mnilurve kurven.) In vielen Fällen aber trat von den Er- hebungen nur die eine oder die andere stärker hervor und die übrigen relativ sehr zurück, so daß die Kurven sanfte mit pulsa- torischen Zacken versehene Wellenlinien darstellten (Fig. 1c, und Fig. 45 unterste Linie). EINFLUSS DER KARDIOPNEUMATISCHEN BEWEGUNG AUF DIE STIMME. 49 Es darf aber nicht übersehen werden, daß die Stimmkurven die Form der kardiopneumatischen Bewegung nicht stets sehr treu wiedergaben und durch mehr Unregelmäßiekeiten verstellt erschienen. Das hängt erstens davon ab, daß bei der Phonation von Haus aus viele Unregelmäßigkeiten Fig. 3. Kurve der kardiopneumatischen Bewegung bei ruhiger Respiration. vorkommen, so daß die Stimme gewöhnlich bei längerer Dauer nicht ganz slatt und ganz genau gehalten werden kann und vielen von jeweiligen Zuständen des Stimmorgans abhängigen Unregelmäßigkeiten ausgesetzt ist und zweitens, daß die pulsatorische Druckschwankung und stimmliche Öszillationen interferieren müssen. a Fig. 4. b Wie bei Fig. 1. Oberste Linie: Wassermanometerkurve; zweite Linie: Karotispulskurve; unterste Linie: Stimmkurve. ‘Was nun den Betrag der einzelnen Druckschwankungen anlangt, so ist es genau nicht leicht zu ermitteln; denn dafür ist der Apparat noch nicht tadellos genug; verschiedene Momente, insbesondere die Geschwindig- keit der Luftbewegung müssen auf die Kurvenhöhe Einfluß ausüben, und, außerdem ist die Schwankung selbst sehr geringfügig; infolgedessen wird die Messung erschwert. Um trotzdem den ungefähren Wert der Schwankung zu bestimmen, habe ich die Öffnung am Gummischlauch mittelst eines Archiv f.A.u. Ph, 1912. Physiol. Abtlg. 4 50 TosHIHIKoO FUJITA: T-Rohres entweder mit einem Quecksilber- oder zweckmäßiger mit einem Wassermanometer verbunden, und einmal die Wassermanometerschwankung direkt abgelesen oder diese registriert, ein andermal die den verschiedenen Stimmkurvenhöhen entsprechenden Druckbeträge aus der Eichung durch Interpolieren ausgerechnet. Es ergab sich, daß die Druckschwankungen bei mäßig starkem so- wie bei leisem Singen ungefähr 2 bis 5"= H,O betrugen. Die Schwankung der einzelnen Druckschwankungswerte in verschiedenen Fällen ist wohl zum Teil dadurch bedingt, daß das Luftvolumen der Lunge je nach der Phase der Atembewegung verschieden groß ist und die Druckschwankung in geringerem Luftvolumen stärker werden kann. Ich konnte ja bemerken, daß die pulsatorischen Kurvenzacken im Endstadium einer möglichst lang gehaltenen Stimme stärker werden. Um die pulsatorischen Schwankungen des Stimmdruckes anschaulich zu zeigen, füge ich hier Kurven hinzu (Fig. 4 a,b), welche durch das Registrieren der Wassermanometerhöhe mittels eines Schwimmers ge- wonnen wurden. Man sieht, daß das Manometer im Tempo des Pulses um + 1 bis 2 "m oszilliert. Bei Fig. 44 kam die eigene Schwingung des Manometersystems der Pulsfreguenz ganz nahe und daher wurde seine Mitschwingung mit den Stimmdruckoscillationen sehr begünstigt. : Freilich ist die wirkliche Form und der wahre Betrag der Schwankung infolge der Trägheit des Manometers nicht ermittelt. Dieser Betrag der pulsatorischen Druckschwankung von 2m . H,0 steht der bei ruhigem Atmen fast gleich, wie ich dies am Wassermanometer konstatieren konnte; es spricht also dafür, daß die pulsa- torische Luftbewegung im Ansatzrohr auch bei der stark verengten Stimmritze bei Phonation gleich deutlich erscheinen kann, wie die kardiopneumatische Bewegung bei weit geöffneter Stimm- ritze. Immerhin scheint die Druckschwankung im Ansatzrohr bei weit geöffneter Stimmritze gewöhnlich stärker, die bei ganz geschlossener Stimm- ritze viel schwächer zu sein als bei der Phonation. Es ist aber auch wichtig, die Größe der pulsatorischen Schwankungen mit den zufälligen nicht pulsatorischen zu vergleichen. Aus den ge- wonnenen Kurven war es leicht zu ersehen, daß die Größe der ersteren gewöhnlich unbedeutender war im Vergleich mit der letzteren, welche oft sehr erhebliche Größe erreichten. Aber bei möglichst gleichmäßig stark gehaltener Stimme traten die pulsatorischen Schwankungen relativ stark hervor, so daß sie die einzige Unebenheiten der Kurven darstellten. Bei leisem Singen oder nach gewissem Verbrauch der Lungenluft scheinen sie deutlicher zu werden. Daher muß man bemerken, daß die pulsatorische Schwankung unter gewissen Umständen für die Gleich- EINFLUSS DER KARDIOPNEUMATISCHEN BEWEGUNG AUF DIE STIMME. 51 mäßigkeit des Stimmdruckes und folglich für die der Stimmstärke das Maßgebende werden kann. Es steht nun fest, daß eine im Pulstempo auftretende, wesentlich der kardiopneumatischen Bewegung identische Druckschwankung im Luftwege oberhalb der Glottis auch bei der Phonation, d. h. beim Luftaustritt durch die stark verengte sich abwechselnd Öffnende und schließende Stimmritze zu beobachten ist. Hiermit ist auch objektiv erwiesen, daß die rhythmische mit dem Pulse zusammenfallende Schwankung der Stimmstärke wirklich vorhanden sein muß. Mit dieser Druckänderung im Luftwege bei der Phonation muß auch die Stimmhöhe natürlich beeinflußt werden und zwar so, daß die Stimmhöhe mit der Drucksteigerung höher, mit der Druck- abnahme tiefer wird. Dieser Höhenwechsel im Tempo des Pulses ist bei gespannter Aufmerksamkeit tatsächlich wahrnehmbar. Sie objektiv zu veranschaulichen, gelingt mir noch nicht. Die genauen Details der einzelnen Stimmschwankung, die der Gestalt der Druckschwankung entsprechen, ist kaum mit dem Gehör zu unterscheiden. Ich vermag. nur einem jeden Puls- schlag entsprechend einem An- und Abschwellen der Stimme wahrzu- nehmen. Dieses Schwanken der Stimme möchte ich schlechtweg pulsa- torisches Tremolo bzw. Triller nennen. Es geht aus dem bisher Erwähnten hervor, daß das pulsatorische Schwanken der Stimme sicher vorhanden ist. Nur weil es so geringfügig ist und in gewöhnlichem Gesang der Noten- und der Artikulationswechsel des Sprechorgans meist in schnellerem Tempo nacheinander folgt, kann es nicht zu deutlichem Vorschein kommen; um so weniger, wenn die Stimme sogar absichtlich zum Tremolo und Triller gebracht wird, und da sie auch beim Bestreben, sie genau und gleichmäßig zu halten, nur schwer so ge- halten werden kann. Aber es muß berücksichtigt werden, daß umgekehrt diese eben er- wähnte Schwierigkeit gerade von den genannten pulsatorischen Schwankungen veranlaßt werden kann. Wie schon bemerkt, waren die Unebenheiten der Stimmkurven manchmal ausschließlich von den pulsatorischen Zacken dar- gestellt. So kam es auch vor, daß an Stelle einer gewöhnlichen pulsatorischen eine enorm hohe Erhebung stattfand, so daß eine ungemein starke pulsa- torische Schwankung vorgetäuscht wurde. Das rührt daher, daß gerade durch die pulsatorische Druckänderung die willkürliche Regulierung der Stimmstärke augenblicklich außer Tätigkeit gesetzt wurde. In der Tat kann ich vernehmen, daß eine Pianissimostimme leicht in dem Zeitpunkt versagt, wo der Puls schlägt. Solches Versagen und plötzliches Stimm- schwanken äußerte sich auf den Kurven nicht nur in einer pulsatorischen Zacke, sondern auch in plötzlichem Wechseln der den Stimmoszillationen entsprechenden Schwingungsamplitude des Schreibhebels. 4* 52 TosHIHIKOFUJITA: EINFLUSS D.KARDIOPNEUMATISCHEN BEWEGUNG USW. So liegt nun die Vermutung nahe, daß die menschliche Stimme bei einem ungeübten Stimmorgane bei irgend einer Störung desselben und bei einer schwierigeren Aufgabe der Stimmgebung leicht durch die pulsatorische Druckschwankung im Luftwege zu unerwünschter und unangenehmer Un- glattheit und Ungenauigkeit gebracht werden kann. Zusammenfassung. 1. Die kardiopneumatische Bewegung kann im Ansatzrohr auch bei der Phonation fast gleich deutlich nachweisbar sein wie bei ruhiger Atmung. Sie zeigt Druckschwankungen von etwa 2 bis 5== H,O. 2. Durch diese rhythmische Druckschwankung im Luftwege werden sowohl die Stimmstärke als auch die Stimmhöhe in rhythmische Schwankung versetzt. 3. Diese rhythmische Schwankung der Stimmstärke und -höhe, welche von einer Druckschwankung von etwa 2== H,O hervorgerufen wird, kann bereits mit dem Gehör wahrgenommen werden. 4. Die pulsatorische Druckschwankung wirkt auf die Phonation manch- mal störend ein, indem sie unangenehmes Versagen, Ungenauigkeit, Un- glattheit usw. der Stimme zur Folge haben kann. 5. Die Einflüsse der Druckschwankungen auf die Stimme sowie auf die Stimmgebung werden um so bedeutender, je schwächer der Druck des Kehlkopfanblasens, je mehr Lungenluft schon verbraucht und je schwieriger die Aufgabe des Stimmorgans ist. Beiträge zur Physiologie von Sepia officinalis L. II. Atmung. Von Oswald Polimanti. (Aus der physiologischen Abteilung der zoologischen Station zu Neapel.) Genaue und ausführliche Untersuchungen über den Mechanismus der Atmung bei den Cephalopoden im allgemeinen und bei Sepia im be- sonderen sind absolut nicht vorhanden. In der physiologischen Literatur finden sich, wie wir jetzt in Kürze anführen wollen, in dieser Hinsicht sehr vereinzelte und unvollständige Angaben, die jedoch dazu dienen können, einige von mir im Verlauf dieser Untersuchungen beobachtete Erscheinungen zu vervollständigen. Williams (1855) war der erste, der den inneren Mechanismus und die Verwendung des zur Atmung dieser Tiere dienenden Wassers erklärte. Das durch die (vorderen) Halsöffnungen eingedrungene Wasser begibt sich von vorne nach hinten, indem es längs des Hintergrundes dieser Höhle bis hinten zur Basis der Kiemen geht; dann ändert es plötzlich seine Richtung und begibt sich von hinten nach vorne, um in den freien Raum einzudringen, der die Achse einer jeden Kieme bei Octopus und Sepia einnimmt, und in die beiden halbzylindrischen Röhren, die längs des an- haftenden Randes dieser Organe bei Loligo verlaufen. Eine jede dieser Strömungen teilt sich sodann wieder, um zwischen den transversalen Blätt- chen der Kiemen hindurchzugehen und wieder in den mittleren Teil der Atmungskammer einzutreten. Endlich geht der so wiederhergestellte Haupt- strom, nachdem er die Herzgegend erreicht hat, von hinten nach vorne, geht vor dem Anus vorbei und sucht durch den Trichter nach außen zu gelangen. Wie man einsieht, hatte Williams wohl verstanden, welchen Lauf das zur Atmung dienende Wasser einhält, nicht aber den inneren 54 OSWALD POLIMANTI: Mechanismus, der bei den Cephalopoden im allgemeinen und bei Sepia im besonderen die Atmung reguliert und ihren Eintritt bewirkt. In der Arbeit von P. Bert finden wir aber schon viel ausgedehntere und genauere Kenntnisse als in der von Williams, namentlich was den inneren Atmungsmechanismus bei Sepia betrifft. ‘Unter den Cephalopoden war es dieses Tier, wie wir noch sehen werden, bei dem die Atmung seit den ältesten Zeiten bis auf unsere Tage von vielen Autoren studiert wurde. Bert beschränkte sich nicht nur darauf, wie wir später sehen werden, die die Atmung bei diesen Cephalopoden bewirkenden mechanischen Fak- toren genauer zu beschreiben, sondern er machte auch diesbezügliche Ex- perimente. Sein großes Verdienst ist es, daß er das physiologische Zentrum der Atembewegungen der Sepia in der hinteren Gegend der unter der Speiseröhre gelegenen Nervenmasse lokalisiert hat. Er hatte beobachtet, daß das Strychnin ein sehr starkes Gift für diese Tiere ist, so daß sie, wenn man sie in mit Strychnin vergiftetes Wasser bringt, sofort von sehr starken Krämpfen befallen werden, viele schwarze Stoffe ausscheiden, sich mit ihren fächerförmig ganz ausgebreiteten acht Armen energisch anklammernd, während die beiden Fangarme zurück- gezogen bleiben, und, indem sie 3 bis 4 Minuten lang in dieser charak- teristischen Lage verharren, zu atmen aufhören. Eine sehr interessante Erscheinung beobachtete Bert bezüglich der Einwirkung des Curare auf Sepia: unter die Haut gebracht, bewirkt es Verminderung der Bewegungen, hebt die Wirkung der Chromatophoren auf, kurz, das Tier ist nicht imstande zu fliehen (S. 135) „bien que les mouvements respiratoires, fait remarquable, aient conserv& leur rhythme, sinon leur Energie“. Letal war die Wirkung von Süßwasser auf junge Exemplare von Sepia: es tritt krampfhafte Erregung ein, das Tier wird schwarz und macht nach 7 Minuten keine Bewegung mehr. Verderblich ist auch die Wirkung des warmen Wassers: werden die Tiere 1 Minute lang in Wasser von 36 bis 38° sehalten, so werden sie unbeweglich, kehren jedoch zum Normalen zurück, wenn man sie wieder in kaltes Wasser bringt; bei 38 bis 39° 1 Minute lang gehalten, zeigen sie ebenfalls Unbeweglichkeit, kehren aber im kalten Wasser nicht mehr ins Leben zurück, obwohl die Kontraktilität vermittelst elektrischer Reize noch fortbesteht; bei 41,5 bis 41° verschwindet sofort auch jede Kontraktilität. Nach Bert sind die Erscheinungen, die bei einer immer mehr ansteigenden Temperatur aufeinander folgen, die nachstehen- den: Verlust der Sensibilität und demzufolge der Reflexe; hierauf hören die Mantelnerven auf, auf die Muskeln einzuwirken, während die Stellar- ganglien und die zu ihnen gehenden Nerven noch Kontraktion des Mantels bewirken können; gleichzeitig mit diesen letzten Erscheinungen hören die BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 55 Kiemenherzen auf zu schlagen; endlich nehmen die Muskeln eine offenbar saure Reaktion an, verlieren ihre Kontraktilität und die Sepia wird schwarz infolge der Starre der Erweiterungsmuskeln der Chromatophoren. Einen unzweifelhaft größeren Fortschritt in der Kenntnis des Atmungs- mechanismus von Octopus bedeutete die Arbeit von Frederieq, von der ich nur einen kurzen Auszug zu geben gedenke. Er bestätigte die Ver- suche Berts bezüglich der respiratorischen Nervenzentren (S. 566): „Ainsi, la section de la t&te abolit sur-le-champ tout mouvement respiratoire, tandis que l’ablation de la masse sous-oesophagienne seule ne les arr&te pas. C’est done dans la masse sous-oesophagienne qu’il faut chercher leur centre.“ ‚Nachdem feststeht, daß die Atmungsnerven (Mantelnerven) von ge- mischter Natur sind (durch diese sind Sensibilität der Mantelfläche und der Mantelhöhle bedingt, wie auch die Beweglichkeit der Atmungsmuskeln), hebt Durchschneidung eines dieser Mantelnerven die Sensihilität und Mo- tilität in der entsprechenden Mantelhälfte völlig auf; die Bewegungen der anderen Hälfte können diese gleichseitige Lähmung mehr oder weniger ausgleichen und das Tier kann weiter leben. Durchschneidung der beiden Mantelnerven hebt die Atembewegungen des Mantels vollständig auf und ist mithin tödlich, weil die Sternganglien gar keine Atmungszentren sind. Doch werden die anderen Atembewegungen dadurch nicht aufgehoben; der Trichter und die Klappen fahren eine bestimmte Zeit hindurch fort, ihre rhythmischen Bewegungen auszuführen. Wenn man den peripheren Stumpf des Nerven des Ganglions reizt (S. 567): „on obtient une contraction energigque, un mouvement d’inspiration de la moitie correspondante du manteau.‘ Dagegen verursacht die Reizung des zentralen Stumpfes Schmerz; das Tier wechselt die Farbe, macht krampfhafte Anstrengungen, um zu fliehen und energische Exspirationsbewegungen, natürlich auf der anderen Mantel- hälfte. Er fügt hinzu, wenn man die Atembewegungen des Octopus als Reflexbewegungen betrachten wolle, würden die Mantelnerven in diesem Reflexbogen nur den zentrifugalen motorischen Strang darstellen; der sen- sible Strang, der die Eindrücke übermittelt, die das Atmungszentrum in motorische umwandelt, müsse anderswo gesucht werden. Fredericq beschäftigte sich nicht damit, Atmungskurven vom Octopus zu erhalten; er gelangte jedoch durch die Beobachtung allein zu sehr interessanten Resultaten. Einmal fand er bei dem unter Wasser befestigten Octopus einen konstanten Synchronismus zwischen Herzschlägen und At- mungen (8. 567): „La contraction du coeur arteriel correspondant chaque fojs au sommet de l’inspiration, la contraction du vaisseau efferent de la branchie, au milieu de l’expiration.“ Dieser Synchronismus war in diesem Falle immer konstant, auch wenn die Pulsschläge intermittierend geworden 56 OswAuLD POLIMANTI: waren. Doch sagt er 8. 367: „Le synchronisme des mouvements respi- ratoires et des battements du coeur n’existe pas d’ordinaire chez le Poulpe.“ Nach Durchschneidung der viszeralen Nerven hört die Atmung sofort auf, während die Herzschläge fortdauern. Die Reizung des zentralen Stumpfes des N. visceralis führt zu lebhafter Erregung des Tieres und auch gleichzeitig zu energischen rhythmischen Atembewegungen auch viele Minuten lang (niemals erhält man eine einzige Atembewegung, es sind stets viele). Mithin wäre das nach seiner Ansicht der nervöse Reflexmechanismus der Atmung (8. 568): „Le nerf visceral y represente la portion centripete, la masse nerveuse sous-oesophagienne est le centre reflexe, et le nerf palleal la portion centrifuge.“ Sodann versuchte er im viszeralen Nerven die Fasern zu suchen, die den Atmungsreflex hervorrufen: er glaubt, daß sie sowohl aus dem Herzen als aus den Kiemen kommen können (er führte einige Operationen aus, indem er die Kiemen abtrug, um den einen oder anderen dieser Faktoren auszuscheiden; doch läßt sich dies nicht auf sehr beweiskräftige Weise durchführen, weil sie zu intim miteinander verbunden sind). Auch wenn man die viszeralen Nerven durchschneidet (und also eine sensible Balın aufhebt), kann man noch einen Atmungsreflex hervorrufen, indem man auf irgend eine Weise die Arme, den Mantel, das Auge usw. reizt. Doch dauert diese Gruppe dieser so veranlaßten Atmungen kurze Zeit, weil der Octopus vollständig zu atmen aufhört (der Octopus „vergißt“ zu atmen, wenn nicht sehr starke sensible Eindrücke gerade das unter der Speiseröhre ge- legene Atmungszentrum reizen). Es genügt, wenn nur die Ganglien unter der Speiseröhre bleiben (man kann auch die Arme durchschneiden und die Ganglien über dem Oesophagus abtragen), damit die Atmung gleichmäßig und gleichzeitig fortschreitet, wenn nur die viszeralen Nerven und die des Mantels intakt sind. Übt auch die chemische Zusammensetzung des Blutes einen Einfluß auf die Atmung aus? Unterbrechung des Kreislaufes im Kopfe verlang- samt die Atmungsbewegungen; dasselbe bewirkt Kompression und Unter- bindung der A. cephalica, wie auch Verbringen des Octopus in gekochtes Seewasser. Die Respirationen sind auch langsamer, wenn man einen Öc- topus aus dem Wasser nimmt und, nachdem man ihn eine gewisse Zeit hindurch an der Luft gelassen hat, ihn dann wieder ins Wasser bringst. Solange der Octopus an der Luft bleibt, führt er immer sehr langsame Atembewegungen aus, die noch langsamer werden, je längere Zeit er außer- halb des Wassers bleibt, bis zur völligen Asphyxie des Tieres. Es sind auch noch andere Faktoren vorhanden, welche die Zahl der Atemzüge er- BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 57 höhen; so z. B. werden die Atembewegungen bei Octopus beschleunigt, wenn man das Tier mehr oder minder stark reizt. Jolyet und Regnard sahen, daß die Atmungstätigkeit des Octopus unendlich höher als die der Lamellibranchiata Mollusken ist, aber im all- gemeinen geringer als die der Krustazeen und der Fische, wie sich klar aus ihren Tabellen ergibt. Ransom beobachtete, daß auch eine ziemlich starke Reizung anderer sensibler Nerven (z. B. derjenigen der Arme) imstande ist, nicht nur Kund- gebungen von Schmerz von seiten des Tieres, sondern auch ganze Reihen von rhythmischen Atembewegungen zu verursachen, die im ganzen auf reflexivem Wege erfolgen, wie im Falle der von Fredericg vorgenommenen Reizung des zentralen Stumpfes des N. visceralis); nie erhielt er eine einzige Atembewegung, wenn er auf alle erdenklichen Weisen den elektrischen Strom regulierte oder ihn schwächer einwirken ließ. Ransom konnte jedoch gleichzeitig beobachten, daß diese Wirkung geringer, deutlicher und andauernder war, wenn er den zentralen Stumpf des N. visceralis reizte. Nach demselben Autor scheinen die normalen Impulse durch die viszeralen Nerven vom Ventrikel auszugehen, weil Durchschneiden der Kommissur zwischen den beiden Herzganglien niemals zu einem störenden Einfluß auf die Atmung führt. Reizung der intakten viszeralen Nerven bewirkt immer einen Stillstand der Atmung in Inspirationsstellung, also einen Inspirations- krampf; mithin ist an die Stelle des rhythmischen Impulses ein andauernder Reiz getreten. Wenn das Wasser nicht rein ist, wird die Atmung immer schwächer, weil die Impulse von seiten des Herzens, das immer weniger arbeitet und deshalb asphyktisch ist, immer kleiner, seltener und ge- ringer sind. J. v. VUexküll veröffentlichte drei Arbeiten, in denen er sich direkt oder indirekt mit der Atmung bei Eledone moschata beschäftigt. In seiner ersten Abhandlung konnte er keine Beziehung zwischen Atmungsbewegungen und Herzkontraktionen bei diesen Tieren finden. In der zweiten Abhand- lung fand er dagegen eine vollkommene Übereinstimmung zwischen beiden, wie übrigens schon Fredericq und auch Ransom hinsichtlich der Cepha- lopoden konstatiert hatten. J. v. Uexküll erklärt diese vollkommene Über- einstimmung auf folgende Weise: das Eindringen des Wassers in die Kiemen führt zu einer Erhöhung des Druckes in den Kiemengefäßen und ruft also auf dem Reflexwege eine Atembewegung hervor (das gleiche tritt ein, wenn die Kiemen außen gereizt werden); es kann ferner auch einen Reflex des Pulses verursachen, der sich unter normalen Verhältnissen mit dem durch die Zunahme des Wasserdruckes gegebenen Reiz vereinigt und innig mit ihm verbunden ist. 58 OSWALD POLIMANTI: Wenn das Tier geöfinet ist, übt natürlich dieser Wasserdruck keinen Einfluß aus, und in diesem Falle ist eine einzige vereinzelte Pulsation nicht imstande, jedesmal eine Inspirationsbewegung zu veranlassen; nur nach einer Summierung der Reize folgte eine Inspirationsbewegung auf eine gewisse Zahl von Pulsationen. Durch diese letztere Bemerkung be- stätigte er, was Ransom schon lange vorher beobachtet hatte. J. v. VUexküll beschäftigt sich in seiner dritten Arbeit speziell mit der zentralen Innervierung des Atmungsapparates bei Eledone moschata; in dieser Hinsicht und bezüglich der von mir hierbei erhaltenen Resultate verweise ich auf meine Arbeit, die die Physiologie des Zentralnerven- system von Sepia officinalis behandelt. Indem ich in aller Kürze, was diesen Punkt betrifit, diese Untersuchungen Uexkülls und die meinigen zusammenfaßte, gelangte ich zu den nachstehenden Schlußfolgerungen: Es existieren zwei Nervenzentren: 1. eins für die automatischen Bewegungen der Atmungsmechanismen (viszerales Ganglion mit einer Abteilung für die Inspiration und einer andern für die Exspiration); 2. ein zweites, wo die Atmungsreflexe entstehen (optisches Ganglion, Hirnganglion und zentrale [basale] Ganglien). Reizt man elektrisch den vorderen oberen Teil des letzten zentralen Ganglions (inspiratorische Zone), so nimmt der Eledone Kugelgestalt an (Ballontier). Reizt man dagegen elektrisch den tieferen, hinteren Teil des dritten zentralen Ganglions (exspiratorische Zone), so ist eine Stelle vor- handen, bei deren Reizung der Eledone das Aussehen einer Gurke (Gurken- form) annimmt. Im Grunde glaubt v. Uexküll, daß bei den Cephalopoden eine Auto- regulierung der Atmung eintritt. Bei Kneifen einer Kieme erhielt er Inspirationsbewegungen, bei Reizung des Mantelrandes dagegen Exspirations- bewegungen. Fuchs war der erste, der die graphische Methode beim Studium der Atmungskurven anwandte. Dieser Autor fand eine gewisse Periodizität der Herzbewegungen und nahm an, daß dies durch die Respirationen ünd spezieller durch die verschiedenen Druckwirkungen der Mantelhöhle bedingt sei. Nicht besonders gut war die graphische Methode, die er befolgte, um die Atmungskurven des Mantels und des Trichters gleichzeitig mit denen des Blutdruckes aufzunehmen; auf jeden Fall können sie bis zu einem gewissen Punkte nicht nur zum Studium der uns hier beschäftigenden Frage dienen, sondern auch zur Anstellung von Vergleichen. Aus diesen seinen Untersuchungen schloß er, daß die Zahl der Respirationen bei den Öctopoden (P. Bert 23 R. in der Minute; S. Fuchs 30 R. in der Minute) stets kleiner (um ?/,, !/,, %,) als die der Herzschläge ist. Eine weitere wichtige Schlußfolgerung, zu der er gelangt, ist die, daß die periodische BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 59 Form der Herzschläge in keiner Beziehung zu den Atmungsbewegungen steht und vielleicht von nervösen Einflüssen abhängt. Auch A. Fröhlich verwendete die (nicht einwandfreie) graphische Methode, um die Atmungskurven des Mantels (in transversaler und longi- tudinaler Richtung) bei Octopus vor und nach der,Abtragung der Stato- zysten aufzunehmen. Er konnte konstatieren (S. 434): „Ein Einfluß der Entfernung der Statozysten (bzw. Statolithen) auf die A kran ea B kann somit nicht ganz von der Hand gewiesen werden.“ Atmungsveränderungen treten in den ersten Augenblicken nach der Operation ein, besonders infolge des Blutverlustes. Jedoch üben nach seiner Ansicht (zur Bestätigung dessen, was Bethe, Fano, Masini und Polimanti bei den höheren Tieren gesehen haben) die Statolithen einen ge- wissen Einfluß auf die Atmung der Octopoden aus und die Veränderungen (nach Entfernung der Statozysten) müßten zum Teil mit großer Wahr- scheinlichkeit der gerade auf eine solche Operation folgenden motorischen Schwäche zugeschrieben werden. Er resümiert seine Beobachtungen bei ‘diesen Atmungsveränderungen nach Entfernung der Statozysten bei den Octopoden folgendermaßen: „Die am häufigsten beobachteten Atmungsveränderungen bestanden in Abnahme der Frequenz und Ausbildung von Plateaus auf der Höhe der einzelnen Erhebungen, welches Plateau der verlängerten Pause zwischen Exspirium (Mantelretraktion) und dem nächstfolgenden Ispirium (Mantel- erschlaffung) entspricht; d. h. das Exspirium folgt verhältnismäßig rascher auf das Inspirium.“ Bei einem Versuche beobachtete er ferner nach Abtragung beider Statozysten (S. 435): „Ich sah das Tier durch volle 36 Stunden mit dem Rumpfe im Rhythmus der Atmung vor- und rückwärtsschaukelnde Be- wegungen vollführen — etwa wie eine Pagode — wobei das Aufrichten des Rumpfes mit der Exspiration (Mantelkontraktion) zusammenfiel.“ Dies ist nach Fröhlich durch eine Zunahme der Reflexe bedingt, wodurch andere Muskelgruppen des Rückens in Aktion treten und gleich- zeitig mit den anderen sich kontrahieren und wieder erschlaffen. Hoffmann hat in jüngster Zeit einen anderen Beweisgrund zur Unter- stützung der Selbstregulierung der Atmung vorgebracht, indem er die Art des Verhaltens der Sepia beobachtete, die in einen Zustand starker Inspiration eintritt, wenn sie aus dem Wasser an die Luft gebracht wird. In diesem Zustande kann sie auch sehr lange Zeit verbleiben, dann plötzlich den Mantel auf einen Schlag kontrahieren und ihn nach innen anlegen. Diese Bewegung ist im Grunde keine andere als die, welche sie auf der Flucht vollzieht (die Mantelhöhle füllt sich sehr mit Wasser, davor schließt sich der Mantel mit den Klappen, und auf einen Schlag strömt das Wasser aus dem Trichter.) 60 OswALD POLIMANTI: Die Tiere sind jedoch imstande, den Mantelsack im vorderen Teile mittels der Klappen auch vollständig geschlossen zu halten, so daß von der Umgebung alles abgeschlossen bleibt, was im Innern des Mantels ent- halten ist (dies geschieht durch Reflexwirkung und wird durch einen sen- siblen Reiz am Rande der Innenfläche der Mantelöffnung bewirkt). Er glaubt, daß bei der normalen Atmung durch das bei der Inspiration in die Mantelhöhle eindringende Wasser die sensiblen Nerven gereizt werden; eine Folge dieser Reizung ist die Füllung des Mantels, die dann zu einer Exspirationsbewegung führt. Hierauf fährt er fort (S. 378 Fußnote): „Die Öffnung des Mantels scheint (besonders bei Sepia) an der Luft viel krank- hafter zu sein und länger anzuhalten als im Wasser, vielleicht deshalb, weil durch das eindringende Seewasser sensible Nerven gereizt werden, durch deren Erregung die Füllung des Mantelsacks angezeigt wird. Fällt diese Erregung fort, so dehnt sich anscheinend die Einsaugstellung der Mantelmuskulatur so lange aus wie die Inspirationsbewegung beim Säuge- tier, etwa bei doppelseitigem Analogon zur Selbststeuerung der Atmung von Hering.“ Das große Verdienst Hoffmanns war es sodann, den Nervenmecha- nismus der Bewegung der Mantelmuskulatur (analog dem der Flügel) nach- gewiesen zu haben. Kurz gesagt, er beruht nicht auf einer peripherischen Übertragung des Reizes in einem Nervennetz, sondern hängt direkt vom Zentralnervensystem ab. F. W. Fröhlich beschäftigte sich nur gelegentlich mit dem Atmungs- mechanismus bei den Cephalopoden und spricht (S. 461) von der „aktiven Diastole des Mantelmuskels“. Anatomisches über die Atmungsorgane der Sepia. Wenn man die Funktion der Atmungsorgane richtig verstehen will, ist es unerläßlich einen kurzen Blick auf ihre Zusammensetzung zu werfen. Um kurz zu resümieren, man kann sagen, daß der ganze Atmungsprozeß der Sepia in einer Höhle (Mantel) besteht, in welcher die Kiemen enthalten sind und in die das Wasser durch die vorderen Klappen eindrinst und durch den Trichter ausströmt (Fig. A u. B). Diese Mantelhöhle ist in ihrer oberen Fläche starr durch das im Innern sich befindende Sepium; die untere bewegliche Fläche wird an der Basis des Trichters fixiert und festgehalten vermittelst zwei wahren und eigentlichen Verschlußknöpfen (Fig. 0). Wie aus der Figur gut zu ersehen ist, sind im vorderen Teile des Sackes zwei Knorpelvorsprünge und zwei Ausbuchtungen vorhanden, die einander auf den Pfeilern des Trichters entsprechen. Der atmosphärische Druck ist es, der dieses knopfreiheartige System an seiner Stelle erhält. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 61 Es läßt sich nur durch einen sehr energischen Zug auseinanderreißen, und dann hört man einen sehr charakteristischen Ton, der eben durch den Luftdruck erzeugt wird. P. Bert, der mittels einer kleinen Nadel Luft in dieses Knopfloch einführte, bewirkte sofort ihre Trennung; dasselbe konnte ich bestätigen. P. Bert erhielt die Trennung der beiden Teile auch, indem er ein transversales Muskelbündel, welches die beiden Knopflöcher des Mantels miteinander vereinigt, galvanisierte.e Diese Muskelkommissur soll den Zweck haben. sie zu senken, indem sie seitwärts gezogen werden; im normalen Zustande jedoch öffnen die Tintenfische, wie schon Bert mit Fig. A. (Nach Lang, Fig. 60, S. 44.) Schema von Sepia, Medianschnitt von der linken Seite gesehen. v. ventral (physiologisch vorn). d. dorsal (physiologisch hinten). an. vorn (physiologisch oben). po. hinten (physiologisch unten). 1—5 die Arme der linken Seite au. Auge. co. innere Schale (Sepium). go. Gonade. d. Tintenbeutel = Farbstoffdrüse. m. Magen. n. Niere. et. Kiemen (Ctenidium). a. Anus. mh. Mantelhöhle. mt. Mantel. in. Trichter. ph. Pharynx. Die Pfeile bezeichnen den Weg des Atemwassers. Recht bemerkt hat, ihren Mantel nie auf diese Weise. Nur wenn sie in schlechten Verhältnissen sind, wenn sie anfangen weißlich zu werden und den Reflex der Chromatophoren verlieren, öffnet sich das Knopfloch beinahe sicher, zunächst damit diese Kommissur erschlafft, sodann damit Luft in die kleinen Höhlen eindringt. Dieses Knopfloch dient gewiß dazu, den Trichter im Mantel auf eine sehr kräftige Weise festzuhalten, da er sonst vollständig beweglich bleiben würde. Die in der Mantelhöhle enthaltenen Kiemen verlaufen von hinten nach vorne fast in der Nähe des Trichters. Nicht nur die beiden Knöpfe der unteren Mantelfläche, die dazu dienen, diesen Teil an dem übrigen 62 OswALp POLIMANTI: Körper festzuhalten, sondern auch die Stelle, wo der Kopf mit dem Sepium verbunden ist, zeigen einen Luftdruckmechanismus. Um diese beiden Teile abzutrennen, ist dieselbe Anstrengung erforder- lich wie beim Losreißen der beiden unteren Knöpfe; wenn dies geschieht, erhält man denselben charakteristischen Ton. Folglich ist es sicher der Luftdruck, der diese Mechanismen in situ erhält. Fig. B. (Nach Joubin, Fig. 561, S. 525). Sepia, von hinten (physiologisch unten) gesehen. Der Mantel zum größten Teil auf- geschnitten und auf die rechte Seite (links in der Figur) zurückgeklappt. B.v. Mundarme. S$. Trichter. @. ei. Stellarganglion. m. s. Muskel des Trichters. p./.s. Lateraler Beutel des Trichters. c.oa. Grube für den Verschlußknopf. $.oa. Verschluß- knopf. A. Anus. Br. Kiemen. Og.m. Mündung des männlichen Geschlechtsapparates. O.ur. Mündung der Harnsäcke. C.br. Kiemenherz. m.br. Kiemenmuskel. @. Genital- drüse. Re. Niere. P.n. Tintenbeutel. nag. Flosse. mant. Mantel. F.ef. Kiemen- vene. Zt. Kiemenscharnier. Der Sipho, der auch Trichter oder lokomotorisches Rohr genannt wird (wegen des Anteils, den er gerade an der Lokomotion nimmt), ist morpho- logisch ein Anhängsel des Fußes. Wie man gut aus den Figuren A, Bu. © ersieht, hat er die Gestalt eines an der Basis verlängerten konischen Kastens mit Wänden, die nach oben viel dichter als nach unten sind. An den beiden Seiten befinden sich zwei muskelmembranartige Anhänge (Fig. B >. .s.) von Gestalt einer unten konkaven Glocke, die mit; ihrer dorsalen Fläche sich gegen den Hals und einen Teil der dorsalen Wand des Mantels an- BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 63 lehnen. Wenn diese drei Teile des Siphos im Zustand der Ausdehnung sind, verstopfen sie die Öffnung des Mantels vollständig. Die Art des Funktionierens dieser verschiedenen Teile ist die folgende: Die Mantelhöhle wird durch die Ausdehnung der beiden Muskelwände erweitert und ein A. A. Wi; \ G IN 1 e—- er | N | Wi G \ N RS N 3 AN m \ N .q N \ DD Fig. C. (Nach Jatta: Joubin, Fig. 564, S. 529.) A. Verschlußknopf. A’ Grube für den Verschlußknopf rechts. B., B' dieselbe links. ' Wasserstrom geht von außen nach innen; der Außendruck drückt die beiden seitlichen Kuppeln nieder und das Wasser dringt zu beiden Seiten der Spalte in die Mantelhöhle direkt über den Kiemen ein. In einem zweiten Abschnitt kontrahiert sich die Wand der Mantelhöhle, komprimiert das in letzterer enthaltene Wasser, das, indem es unten auf der Kuppel der Seitenk appen ruht, die letzteren erweitert und ausdehnt. Da das Wasser deshalb an dieser Stelle nicht austreten kann, ist es gezwungen, ausschließlich durch den Trichter zu gehen, aus welchem ein Strahl gegen die Basis der Arme herausschießt. Natürlich verursacht der Wasserstrahl, wenn die Kontraktion des Mantels langsam und regel- mäßig erfolgt, gar keine Körperbewegungen; Fig. D. wenn das Tier aber die Kontraktionen seiner (Nach Jatta: Joubin, Mantelmuskeln (von denen wir noch sprechen n N E ae 9 Klappe. werden) verstärkt und sie einander nähert, indem „,,ov. Verrillsches Orzan. es die Zahl der Windungen erhöht, wird der Strahl sehr stark, in mechanischer Beziehung sehr kräftig und bewirkt eine derartige Reaktion, daß der Körper mehr oder weniger heftig nach rückwärts zurückprall. Der aus dem Trichter herauskommende Wasser- strom führt das Exspirationswasser und gleichzeitig auch die vom Magen- 64 OSWALD POLIMANTI: Darmrohr zurückgewiesenen Detritus durch die Analöffnung mit sich von den Harnporen und von den Poren der Geschlechtsteile aus. Öffnet man den Sipho der ventralen Medianlinie (Fig. D), so findet man etwas über seiner oberen vorderen Mündung in seine dorsale Wand (Z 9) eingefügt eine Klappe (Zg), die sich an dieser Stelle senken, schließen und so die untere Triehterform verstopfen kann. Das innere Epithel, das hinten infolge Zunahme der Zahl und Dimen- sion der kleineren Zellen auf einer Fläche von begrenzter Kontur ist, wird an dieser Stelle ein plattes membranöses Organ, das aus vier Epithel- Fig. E. (Nach Joubin, Fig. 565, S. 530.) M.PT1.: Depressorinfundibuli: posterior(m.p.), lateralis (r.2.). c Sepium. Grube für den Verschlußknopf. br.s. Befestigungsmuskeln f. den Trichter. Cl. aufgehobene Klappe. b.p.cl. unterer Rand der Klappe. r.cl. Musculus depressor valvularis. S. Trichter. 0.8. Mündung des Trichters. Ein Pfeil geht durch den Trichter, der an- dere zwischen den zwei Muskeln des Trichters; die gebogene punk- tierte Linie entspricht der nor- malen Lage der Klappe. flächen in Gestalt von Pfeilern besteht und unter dem Namen Verrillsches Organ (ov.ov.) bekannt ist; seine Funktion ist bis jetzt noch unbekannt. Von den beiden unteren Stellen der Ecken des Trichters trägt eine jede ein Grübchen oder ein ovales leicht gekrümmtes Knopfloch, von dem wir oben schon gesprochen haben. Nun müssen wir von der Muskulatur des Siphos sprechen, die ihn mit dem Körper verbunden hält und so wichtig sowohl für die Atmung als auch für die Lokomotion ist. - (Fig. F.) | I. Zwei große Pfeilermuskeln, Depressores infundibuli (m.p.,r..), inserieren auf einer Seite am ganzen Rand des Sepium (c.) bis hinten, unten und BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 65 hinter der Eingeweidehöhle; auf der anderen teilen sie sich wieder in viele große, divergierende Bündel und befestigen sich dann unter dem entsprechenden Verschlußknopf des Siphos (r.:.) unter dem Gewölbe, das sie auf jeder Seite von den Klappen trennt; indem sie sich endlich erweitern, tragen sie zur Bildung der dorsalen Wand dieses Organs (drückt den Trichter herab, senkt ihn) bei. II. Depressor valvulae (r.c2.): er ist ein starkes Muskelbündel, dessen untere Insertionsstelle mit der des vorigen zusammenfällt und sie oben ver- läßt, um die tiefe Wand der entsprechenden Seitenklappe zu bilden: er ist der Herabdrücker der Klappe. 7% ; Fr ; 73 LT, z 172 o y 7 (Zi TER Fig. F. (Nach Lang, Fig. 191, S. 196.) Körper von Sepia von der linken Seite. v. ventral. d. dorsal. a. vorn. p. hinten. 1 Depressor infundibuli. 9 Kopfknorpel. 2 Retractor capitis lateralis. 10 Mantelhöhle. 3 Retraetor capitis medianus. 17 Schließknorpel an der hinteren Wand des Ein- 4 Collaris. seweidesackes. 5 Adductor infundibuli. 12 Gegenüberliegender Schließknorpel an der inneren 6 Sepium = Schale. Wand des Mantels. 7 Rückenknorpel. 13 Triehter (Infundibulum). 8 Nackenknorpel. 14 Diaphragmaknorpel. III. Ferner sind noch weitere weniger starke hintere Bündel vorhanden, die zur Bildung der kontraktilen Wände dieses ganzen Gesamtkomplexes von Organen beitragen. Der Sipho ist auch vermittelst verschiedener Muskelriemen mit dem Kopf, dem Hals und der kranialen Knorpelkapsel erbunden; endlich ist er von oberflächlichen kleinen Muskelbändern bedeckt, die Fortsätze der oberflächlichen Hautmuskeln sind. Dies sind die wichtigsten Muskeln, welche diese Beziehungen zwischen dem Trichter und den benachbarten Teilen aufrechterhalten. Archiv f.A.u. Ph. 1912. Physiol. Abtlg. 5 66 OswALp POLIMANTI: IV. Ferner sind die Adductores infundibuli (5) vorhanden, die aus der Knorpelkapsel des Gehirns entspringen und zum Trichter nach oben und hinten ziehen. V. Ein weiterer sehr starker Muskel ist der Collaris (4), der von beiden Seiten des Trichters ausgeht und an den Seitenrändern der Knorpel- kapsel des Gehirns inseriert. — .— . — Wir wollen nun sehen, wie in ihrer Gesamtheit nicht nur diese, sondern auch andere Mantelmuskeln der Sepia liegen, die sowohl für die Atmung als auch für die Lokomotion sehr wichtig sind (Fig. F). Von den beiden DZ Fig. G. (Nach Jatita: Joubin, Fig. 566, S. 531.) D von vorn (physiologisch oben: Rückseite) gesehen. Y von der Hinterseite (physio- logisch: Bauchseite) gesehen. Z von der linken Seite gesehen. p/ hinterer Rand. F Gabel. $ Regio striata y Rostrum = Scheide. C.S$. Trichtergrube = Siphonal- raum, Siphonalkanal, welcher den Sipho beherbergt. Depressores des Infundibulums (1) haben wir schon gesprochen: sie liefern den größten Teil der Muskulatur für die Vorderwand des Trichter. An der gleichen Insertionsstelle wie diese Muskeln entspringt der doppelte Retractor capitis lateralis (2), der am Kopfe endet und sich am Knorpel des Kopfes befestigt. Der Retractor capitis medianus (3), ursprünglich ein paarer Muskel, der aber größtenteils zu einem einzigen vereinigt ist, entspringt aus dem hinteren Teile (Innenfläche) des Sepiums und endet dann am Kopfe, wo er sich am Kopfknorpel befestigt. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 67 Bei den Dibranchiaten (wie Sepia) ist dann noch die Leber-Muskel- kapsel vorhanden, die ein wahres Muskel-Diaphragma bildet, das aus den Muskelfasern der Knörpelkapsel des Kopfes und des Trichters besteht, die sich nach hinten gruppieren. Sepium. Es ist unerläßlich, auch von diesem Teile des Tieres zu ‚sprechen, von diesem mit Gas (97 Prozent N, das übrige O, und CO,) ge- füllten porösen Körper, der eine so wichtige Funktion zu erfüllen hat und eben als obenauf schwimmender Teil, als die Eingeweide schützendes Skelett und Insertionsstelle für die Muskeln dient. Dieses ziemlich umfangreiche poröse Organ, das in einen mit einem Epithel bekleideten membranösen Sack eingeschlossen ist, ist also ein inneres Gehäuse. Um es zu extrahieren, muß man die dorsale Deckhaut vollständig spalten und die Insertionen der Pfeilermuskeln, die dann zum Sipho gehen und seine Ränder bekleiden, durchschneiden (Fig. G). Es ist von ovaler Gestalt und es sind an ihm zu unterscheiden: 1. eine konvexe dorsale Fläche, die gleichsam mit einer Glasur bedeckt ist; letztere verdichtet sich namentlich nach unten, wo sie einen Schnabel bildet; 2. eine nach oben konvexe, nach unten konkave, in der oberen Gegend glatte, ventrale Fläche, die aber so wenig fest ist, daß man sie mit dem Nagel einritzen kann. Die untere Hälfte zeigt zahl- reiche, wellenförmige, parallele Streifen, welche die Grenze der Wachstums- zonen darstellen; 3. eine hornige Randzone, welche das ganze Gehäuse umgibt; sie ist nach oben sehr eingeengt, nach unten etwas mehr ent- wickelt und vermittelst einem inneren Rand genannten Lamelle, die aus vielen Septa gebildet ist, in zwei Teile geteilt. Im unteren Drittel der Lamellengegend befindet sich die Gabel (ein kleiner erhabener Strang), die eine kleine mediane Grube, die Siphohöhle, bedeckt. In Querschnitten sieht man dann die Septa (den kalkhaltigen Teil, der in übereinander gelagerten konzentrischen Strahlen angeordnet ist), die durch die Pfeiler (strahlenförmige, kalkhaltige Trabekeln) gestützt werden. Eigentlicher Atmungsapparat. Öffnet man die Mantelhöhle der Sepia, so sieht man auf jeder Seite zwei federbuschartige Organe, die mitten in der Masse der Eingeweide inserieren und ein jedes mit der Außenwand des Mantels durch- einen membranösen Sattel vereinigt sind, der wie ein Scharnier angeordnet ist; es sind die Kiemen. Sie haben im allgemeinen die Gestalt einer Pyramide, die annähernd dreieckig ist, und deren obere Spitze auf den Seitenklappen des Trichters entweder direkt ruht, oder die letzteren ragen in das Wasser vor. Die Vorderfläche einer jeden Kieme ist durch ein sehr großes weißes 5* 68 OSWALD POLIMANTI: Gefäß eingenommen, aus welchem abwechselnd für jede Seite feinere Kiemen, 40 bis 50 an Zahl, ausgehen (sie sind angeordnet gerade wie die Federn eines Flügels). Dieses Gefäß führt das arteriell gewordene ‚Blut zum Herzen und setzt sich dann in die entsprechende Herzkammer fort. Unter diesem Gefäße befindet sich ein anderes paralleles, nämlich die Vene, die den Kiemen das Blut zuführt, das noch nicht durch die Atmung beeinflußt ist (Fig. H). Fig. H. (Nach Joubin, Fig. 585, S. 555.) af. afferente Kiemengefäße. Ef. efferente Kiemengefäße. La. afferente Kiemenlamelle. Le. efferente Kiemenlamelle. ZB. gebogene Kiemenlamelle. P/.v. Eigenvene der Kieme und ihrer Aufhängebänder. Vn. Nährgefäße der Kieme. AR. Kiemendrüse. Tr. Kiemenöffnung. N. Kiemennerv. Or. Vorhof. c.v. venöses Herz. T.r.b.p. Haupt- vene des Mantels. F.P. Mantelvenen. Unter jedem efferenten Gefäß (Ze.) ist eine dreieckige Lamelle (Z.2.) aus- gespannt, deren entgegengesetzter Rand von einem symmetrischen venösen Gefäß (Za.) begleitet wird, das aus dem afferenten Stamm (af) ausgeht. Diese Lamelle ist das Kiemenelement; es ist nicht eben, sondern stark trans- versal derart gebogen, daß es die Atmungsfläche sehr vergrößert. Eine jede dieser kleinen Falten erhält ein kleines Gefäß des efferenten Stammes der Lamelle (Pl.v.), und Kapillaren führen das schon arteriell gemachte Blut in ein ähnliches efferentes Gefäß. Die Kiemenlamelle ist demzufolge aus zwei Systemen symmetrischer Gefäße gebildet, die ineinander greifen wie zwei Kämme, deren Zähne miteinander vereinigt werden. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 69 Der zwischen den beiden starken afferenten und efferenten Gefäßen der Kieme befindliche Raum ist von einem länglichen Loch (7r.) ein- genommen, auf das noch ein wichtiger Nervenast (N.) folgt. Die durch die Gesamtheit der gebogenen Kiemenlamellen dargestellte Atemfläche ist beträchtlich und kann bei einem mittelgroßen Tier auf 900 «= geschätzt werden. Aus den im vorigen beschriebenen Anordnungen ergibt sich also, daß die mit arteriell gewordenem Blute gefüllten efferenten Gefäße die ober- flächlichen Kämme der Kieme und der sie zusammensetzenden Lamelle einnehmen; dagegen sind die afferenten venösen Gefäße verborgen, in der Tiefe des Organes versteckt und an der Oberfläche fast ganz unsichtbar. F ® Fig. I. Apparat für die Atmungsversuche an Sepia offieinalis. Es ist sodann noch ein Gefäßapparat in der Kieme vorhanden, nämlich der zur Ernährung der Kieme selbst dienende. Er zeigt ein System von Venen (/n.), die aus den afferenten Venenstämmen ausgehen und sich sowohl in den verschiedenen Kiemengeweben als besonders in einer großen Drüse ausbreiten, die schon mit einer Milz (%.) verglichen wurde; sie liegt in der Diehte der Membran, die wie ein Scharnier die Kieme am Mantel befestigt. Alle diese kleinen besonderen Gefäße der Kieme, die, da sie das eigentliche Atemgewebe der Lamellen gar nicht passiert haben, demgemäß Blut enthalten, das theoretisch nicht geatmet hat, münden in eine Vene, die sich mit einer anderen sehr wichtigen (V. P.) vereinigt, die vom Mantel kommt, alles erreicht dann das allgemeine Venensystem gerade an der Basis der Kieme; auf diese Weise kommt alsdann der große Kiemen- Mantel-Venenstamm zustande. Der Atemapparat hat keine flimmernden Zilien; namentlich längs der efferenten Hauptgefäße befinden sich kleine Muskel- bänder, die sehr starke Kontraktionen des Organs verursachen können. 70 OSwALD POLIMANTI: Untersuchungsmethode. Eine Sepia wurde mit dem Sepium vermittelst zweier Schrauben (4?—H?) befestigt und aufgehängt (Z—H') an einem Stützapparat (G—@), der in ein Bassin (/—X) eintauchte, in welchem forwährend Seewasser floß. Mittels gekrümmter Stecknadeln wurden der Mantel (5°), die Atmungs- klappe (C?) und der Trichter (D?) angehakt; die Fäden, die von diesen mittels Verkleinerungsrädern ausgingen, führten zu Hebeln (ACD), die auf ÜLTELZTOZETTTIT et Sehe — ee Fig. L. einem berußten Zylinder A die in den verschiedenen Teilen des Atmungs- apparates eintretenden Veränderungen aufschrieben. Eine Jaquetsche Uhr (7) bezeichnete die Zeit, und es wurde (in Z) die Zeit angegeben, wie lange die Reizung dauerte (Fig. ]). Sehr oft wurde (Fig. K), statt die Atmungskurven des Mantels mittels einer an diesem befestigten Nadel aufzunehmen, an seinem unteren Teile eine Mareysche Trommel (Z) angebracht, die mit einem Knopf versehen war, der in unmittelbarer Berührung mit letzterer stand. Die kleinsten Veränderungen des Mantels wurden vermittelst eines Gummischlauches auf BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 71 eine: zweite Mareysche Trommel (Fig. L, N) übertragen, die mit einem Schreibhebel versehen war, der sie dann auf dem Zylinder verzeichnete. Es wurde immer die Temperatur des Seewassers im Becken genommen. Ich ließ die Sepien, die lauter Exemplare in sehr guten Verhältnissen waren, ein wenig ausruhen, und begann dann die normale Kurve der ver- schiedenen Teile des Atmungsapparates aufzunehmen. Nicht immer wurden sie gleichzeitig vom Mantel, von der Klappe und vom Trichter aufgenommen, weil dies oft nicht möglich war. Immer wurden die Atmungsveränderungen der Klappe und zuweilen gleichzeitig die des Trichters und des Mantels aufgenommen. Die besten Atmungskurven erhielt ich stets von der Klappe, während die des Mantels und die des Trichters nicht immer für mich nützlich waren. Auf letzteren eine Glaskanüle zu legen, wie andere Forscher (Fröhlich) getan hatten, hielt ich nicht für eine gute Methode, weil dies stets ein anormaler Reiz gewesen wäre, der auf diesen Teil des Atmungsapparates eingewirkt hätte. Nachdem ich den normalen Atmungs- mechanismus studiert hatte, übte ich dann vermittelst eines Glasstäbchens mechanische Reize aus, die längere oder kürzere Zeit dauerten, und zwar an den verschiedenen Körperteilen der Sepia. Diese Reize führten konstant zu einer Veränderung der Atmung. Endlich wurde auch bei der Sepia Erstickung durch CO, hervor- gerufen, oder sie wurde auch in gekochtes Seewasser oder in verschiedene Mischungen von Süß- und Seewasser gebracht; ferner hielt ich sie eine gewisse Zeitlang an der Luft und brachte sie dann wieder in Berührung mit dem Wasser. Durch diese verschiedenen experimentellen Modalitäten ist es mir, wie ich glaube, gelungen, ein wenig Licht auf dieses ver- wickelte Problem des Atmungsmechanismus bei den Cephalopoden und spe- zieller bei Sepia zu werfen, die ich mir als Thema für mein Studium aus- gewählt habe. An den drei Schreibhebeln, die auf dem berußten Zylinder die At- mungskontraktionen der Klappen, des Trichters und des Mantels verzeich- neten, wurden Gegengewichte befestigt, die je nach den verschiedenen Teilen variierten. Für die Atmungsklappen genügte stets ein Gewicht von 55, für den Mantel eines von 5 bis 158, für den Trichter eines von 10 bis 308; natürlich war das an die verschiedenen Schreibhebel zu hängende Gewicht um so größer, je größer das Tier war. Um dann zu sehen, wie die verschiedenen Kurven dieser verschiedenen Teile des Atmungsapparates einander entsprachen, vereinigte ich die ver- schiedenen Punkte dieser Kurve miteinander vermittelst eines Kreises, der denselben Radius wie die Hebel (12°“) hatte. Auf diese Weise konnte ich die Übereinstimmung der einzelnen Atmungskurven sehen und deutlich verfolgen. 12 OswALD POLIMANTI: Bei einigen dieser Kurven wurden diese verschiedenen Punkte direkt durch die Schreibhebel aufgezeichnet (diese befanden sich natürlich stets auf einer und derselben vertikalen Linie, denn wenn dies nicht der Fall gewesen wäre, so wäre jede Vergleichung absolut unmöglich gewesen). Ich habe oben schon angedeutet, daß der Verbrauch an O, pro Kilo- sramm und Stunde bei Octopus zwischen ungefähr 43.5 und 44.2 cm beträgt (bei den Fischen schwankt er zwischen 54 und 171, bei den Krustazeen zwischen 44-2 und 125-0, bei Ostrea und Mytilus zwischen 12.2 und 13-4, bei Asterias beträgt er 32.0). Also nehmen die Cephalopoden hinsichtlich dieses Faktors unter den kleineren Tieren eine Mittelstufe ein. Der Atmungsaustausch geschieht in den Kiemen (OÖ, und CO, finden sich im Wasser gelöst; O, wird eingenommen und CO, vom Blute ab- getreten. Aus den Untersuchungen von Hoppe-Seyler und Duncan wissen wir, daß bei der Temperatur von 7° C sich 8°“ O0, in einem Liter Seewasser befinden. Die Untersuchungen Pütters bestätigen diese Angabe; er fand im Seewasser des Golfes von Neapel 7.6” O, (Mittel aus den Mitteln der zu verschiedenen Zeiten des Jahres gemachten Be- obachtungen). Die Menge ist also verhältnismäßig gering im Verhältnis zum Austausch, der in den Geweben stattfinden muß; deshalb sind die Atemzüge bei den Cephalopoden (wie auch bei der Mehrzahl der Seetiere) verhältnismäßig ziemlich häufig. Aus meinen Beobachtungen ergibt sich nun, daß bei einer mittleren Temperatur von 10 bis 12° Exemplare verschiedener Größe von Sepia offieinalis in der Minute 20 bis 30 mal atmen (dies ergibt sich aus dem Mittel der von mir an verschiedenen dieser Tiere mittels direkter Auf- schreibung der verschiedenen Atembewegungen gemachten Beobachtungen). Die Atembewegungen dienen dazu, das Wasser, das mit den Kiemen in Kontakt geraten soll, fortwährend zu wechseln und zu erneuern. Im Grunde besteht der mechanische Atmungsapparat der Sepia aus drei Teilen: 1. Mantel; 2. Deckelapparat; 3. Trichter. Das Wasser dringt durch den Deckelapparat ein, der sich gleichzeitig senkt, und der Mantel dehnt sich aus; wenn er das Maximum der Ausdehnung erreicht hat, schließen sich die Klappen wieder, während sich gleichzeitig der Sipho öffnet, um das Exspirationswasser austreten zu lassen (Fig. M). Will das Tier nun eine Fluchtbewegung ausführen (wir haben schon gesehen, welch enge Beziehungen zwischen der Atmung und diesen Flucht- bewegungen bestehen), so vollzieht sich die Exspirationsbewegung (Ver- schluß des Deckelapparates, Kontraktion des Mantels, Austritt des Wassers aus dem Sipho) mit größerer Geschwindigkeit und Energie. Auf diese Weise können alle Cephalopoden fliehen, indem sie rückwärts gehen. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L, 73 Ein weiteres Charakteristikum des Typus der Atmungskurve bei Sepia besteht darin, daß die Exspirationsphase viel kürzer und ansteigender, senk- rechter als die Inspirationsphase ist. Diese besteht gewissermaßen aus zwei Zeitabschnitten, einem, der sofort nach Beendigung der Exspirations- bewegung beginnt und kurze Zeit dauert, mehr oder weniger horizontal oder wenigstens etwas gekrümmt verläuft, und einem zweiten, der in mehr oder minder transversaler Richtung ansteigt. Wenn der Gipfel erreicht ist, beginnt sofort die schon beschriebene Exspirationsbewegung. Dies scheint ein charakteristisches Merkmal der Wassertiere zu sein; bei den Fischen be- stehen dieselben Verhältnisse, wie alle Beobachter konstatiert haben. Bei den Landtieren dagegen zeigt sich die umgekehrte Erscheinung (die Exspiration ist länger als die Inspiration). Fig. M. Schema der Richtung (Pfeile) des Wassers in der Atmung bei Sepia. J. Inspiration: A, B, C. E. Exspiration: A’, B', ©. Diese Verschiedenheit ist also sicher dadurch bedingt, daß diese Tiere im Wasser und nicht in der Luft atmen. Da das Wasser ein dichteres Medium ist als die Luft, muß die Inspirationsphase natürlich viel länger dauern, damit die Luft wahrhaft in längere Berührung mit den Kiemen treten kann und so der Gasaustausch viel besser eintritt; dagegen muß die Exspirationsphase rascher verlaufen, weil das mit CO, beladene Wasser in einer so kurzen Zeit als möglich entfernt werden muß. Man versteht, daß die Exspirationsphase bei den Seetieren kürzer als die Inspirationsphase ist, und daß das Umgekehrte bei den Landtieren der Fall ist, wenn man an die Art und Weise denkt, wie der Austausch von O, und CO, bei beiden Tierklassen vor sich geht. Bei den Wassertieren erfolgt der Aus- tausch mit größerer Leichtigkeit infolge der Erscheinungen der Osmose; deshalb muß das Wasser längere Zeit mit den Kiemen in Berührung bleiben, 74 OSWALD POLIMANTI: damit der ganze O, eingenommen und die ganze CO, abgegeben wird; dagegen ist der Exspirationsakt kürzer, weil das Wasser vollständig mit CO, gesättigt ist und in so kurzer Zeit als möglich entfernt werden muß, damit der Organismus nicht Erstickungserscheinungen ausgesetzt wird. Bei den Landtieren hingegen ist die exspiratorische Phase viel länger als die inspiratorische, weil der in der Luft suspendierte O, sich nicht so leicht mit dem in den Lungenbläschen enthaltenen Blute verbindet (hier treten wenigstens keine Osmoseerscheinungen ein), und so wird auch die im Blute enthaltene CO, nieht mit solcher Leichtigkeit an die in den Lungenbläschen enthaltene Luft abgetreten; dies geschieht immer aus dem- selben Grunde, weil nämlich der bei den Landtieren längere Exspirationsakt bewirkt, daß die inspirierte Luft länger mit der Luft der Lungenbläschen in Berührung bleibt und deshalb der Austausch auf die vollständigste Weise erfolgt. Die Atmung erfolgt also auf die möglichst ökonomische Weise, und zwar sowohl bei den Seetieren (diese Tatsache wurde bis jetzt bei den Fischen konstatiert (v. Rynberk, Tako Kuiper, Kolff, Baglioni) und von mir bei Cephalopoden); ich glaube aber, daß sie allen Seetieren gemeinsam ist; wie ich auch bei anderen Klassen dieser Tiere konstatieren konnte (bei Untersuchungen, die. ich bald zu veröffentlichen gedenke), als auch bei den Landtieren, und auf die beste Weise, die man sich nur denken kann. Es ist nunmehr bekannt, daß nur ein Teil der ganzen Lungenluft mit der atmosphärischen Luft ausgetauscht wird; selbst bei erzwungener Exspiration bleibt noch ein großer Teil Luft in den Lungen. Nur der obere Teil der Lungenluft wird vollständig ausgetauscht und nicht die Alveolenluft, die sehr reich an CO, und im Gegensatz arm an 0, ist und eher das Bedürfnis hätte ausgetauscht zu werden. Die eingeatmete Luft ist kälter als die Alveolenluft, mithin spezifisch schwerer als diese; deshalb dringt sie in die Alveolenluft ein und verjagt die wärmere Luft daraus. Natürlich eignet sich dieser Mechanismus um so mehr zum Zweck, je ak- tiver der Stoffwechsel ist; mithin muß der Gasaustausch um so intensiver sein, je kälter die Umgebungsluft ist. Eben durch diesen Mechanismus erklären wir es uns, daß bei den Landtieren die Exspiration länger als die Inspiration dauert, weil gerade bei letzterer eine längere Zeit erforderlich ist, damit die Luft der Um- sebung mit der Alveolenluft in Berührung kommt; daher die Verzögerung bei der Exspiration gegenüber der Kürze der Zeit, welche die Inspiration dauert. ° Dies alles ist nicht nötig bei den Seetieren, bei denen die Exspiration gerade deshalb kürzere Zeit als die Inspiration dauern muß, weil das ein- geatmete Wasser so lange Zeit hindurch als möglich mit den Atmungs- organen in Kontakt bleiben muß, damit der Austausch erfolgt; das schon BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 75 - mit den CO,-Produkten beladene Wasser muß in so kurzer Zeit als möglich ausgeatmet werden, damit sie so schnell als möglich erneuert werden kann und damit keine Erstiekungserscheinungen bei den Tieren ein- treten. Ich bin daher der Ansicht, daß diese bis jetzt von verschiedenen Autoren nur bei einigen Klassen von Seetieren beobachtete Erschei- nung sich aus den oben angeführten Gründen auf alle Wassertiere ohne Unterschied ausdehnen läßt. Diese Sache, bei den Cephalopoden (Sepia), ist in sämtlichen meiner Kurven zu konstatieren. Um den Atmungsmechanis- mus eines Seetieres im allgemeinen recht zu verstehen, muß man auch das umgebende Medium kennen, in welchem es lebt. Nun wissen wir aber aus den Beobachtungen vieler Autoren und, was das Mittelmeer und speziell den Golf von Neapel betrifft, aus denen von S. Lo Bianco, daß die Sepia offieinalis auf sandigem und schlammigem Boden in einer Tiefe von wenigen Metern bis über 100” lebt. Im Mittel lebt sie jedoch fast immer in einer Tiefe von 30“. Kurz, man kann sie als ein an der Küste wohnendes Tier betrachten, das (in nicht großer Tiefe), am Grund verborgen und mehr oder minder vollständig mit Schlamm oder Sand bedeckt lebt. Ohne Zweifel üben deshalb diese beiden Faktoren (Tiefe und Bedeckung) einen großen Einfluß auf den Atmungsmechanismus dieses Tieres aus. Wir haben nun einen Klappenapparat, der sich senkt, um das In- spirationswasser eintreten zu lassen; das Wasser dringt ins Mantelinnere in allen Richtungen ein, von oben nach unten und von vorne nach hinten. Das Exspirationswasser begibt sich durch ein Rohr (Trichter), in welchem es enthalten war, an die Außenseite des Mantels, indem es, je nach der Lage des letzteren, in verschiedenen Richtungen ausströmt, von oben nach unten in fast vertikaler, senkrechter Richtung, am Boden in horizontaler Richtung oder gegen den Boden gewendet. Hier ist hinzuweisen auf die Funktion der Klappe und des Verrillschen Organs, die, wie wir schon gesehen haben, im Innern des Trichters enthalten sind. Ich nahm a priori an, daß diese beiden Organe, was ihre Funktionstätigkeit betrifft, in inniger Ver- bindung miteinander stehen; diese meine Vorstellungen wurden nun voll- ständig durch das Experiment bestätigt. Das Verrillsche Organ bildet mit seinen vier Epithelflächen vier Pfeiler, die der Klappe als Basis dienen, welche sich am Ende des Trichters befindet; es ist ein wahrer und eigent- licher Apparat zur Regulierung des Exspirationswassers, das aus dem Trichter herauskommen soll. Sie bilden also zusammen einen wichtigen Faktor für das regelmäßige Funktionieren der Atmung. Namentlich der vom Nervus visceralis ausgehende Nerv des Trichters sorgt für die Innervierung sowohl des Verrillschen Organs als auch der Klappe; es genügt ihn zu reizen (natürlich muß man den Trichter öffnen), damit sich die vier Pfeiler des Verrillschen Organs aneinander anlehnen und auch die Klappe sich hebt. 76 OswALpD POLIMANTI: Es ist ein wahrer und eigentlicher Selbstregulator des Exspirationswassers. Reizt man dagegen den vom Pedal ausgehenden Nerven des Trichters, so erfolgt ein Auseinandertreten der vier Pfeiler des Verrillschen Organs und auch ein Senken der Klappe. Dies versteht man wohl, wenn man bedenkt (wie wir dies schon beim Studium des Zentralnervensystems der Sepia gesehen haben), daß der vordere Triehternerv aus dem Pedal entspringt, das gerade das Ganglion ist, welches die Schwimm- und namentlich die Fluchtbewegungen reguliert. Bei dieser Handlung muß der Trichter vollständig erweitert werden, damit in möglichst kurzer Zeit eine größere Wassermenge herauskommt und eine rasche Flucht- bewegung zustande kommt. Der hintere Trichternerv dagegen entspringt aus dem viszeralen Ganglion, das eben die normale Atmung reguliert; er entspringt sogar gerade aus dem Teil des Ganglions, der die Exspiration reguliert. Auf diese Weise kann das Austreten des Wassers aus dem Triehter auf eine wahrhaft wunderbare Weise reguliert werden; das Verrillsche Organ und die Klappe müssen also als der peripherische Regulator der Exspiration betrachtet werden. Dieser Regulator dehnt sich mehr oder weniger aus, je nachdem der Wasseraustausch mehr oder minder schnell vor sich gehen soll, also je nach der CO,-Menge, die sich im Blut vorändet. Und, wie ich oben andeutete, haben viele Forscher einen Irrtum begangen, als sie die Atmungskurve des Trichters aufnahmen, indem sie eine Glaskanüle einführten, die natürlich, weil sie die Funktionstätigkeit dieses peripherischen Regulierapparates mehr oder weniger vollständig aus- schaltete (abgesehen davon, daß dies ein anormaler Reiz war), die erhaltenen Resultate gewiß sehr beeinträchtigt haben wird. Und wie sollte man auch genaue, fehlerfreie Resultate erhalten können, wenn ein Apparat, der einen so tätigen Anteil am Atmungsmechanismus nımmt und ein so wichtiger mechanischer Faktor dieses Mechanismus ist, mehr oder weniger verletzt und ausgeschaltet wird? Aus diesen Gründen und auch auf Grund dieser Ver- suche bin ich stets vor dem Gedanken zurückgeschreckt eine starke Kanüle in den Trichter zu legen und habe mich mit der direkten Einschreibung vermittelst eines am Trichter befestigten Fadens begnügt. Diese spezielle Regulierungsapparat, den der Trichter repräsentiert, ist also ebenso wichtig wie der Klappenapparat und auch der Mantel. Sicher haben diese Tiere ebenso wie dies bei den Fischen beobachtet wurde (Tako Kuiper, Baglioni usw.), ihre Atmungsorgane dem um- gebenden Medium (Meeresgrund von sandiger oder schlammiger Beschaffen- heit, damit sie sich sehr leicht hier verstecken können) angepaßt. Deshalb finden wir bei Sepia einen Klappenapparat, der große Ähnlichkeit mit dem der Knorpelfische (Torpedinidae, Rajidae, Trygonidae, Myliobatidae), die eben auf dem Meeresgrunde leben, und mit der einiger Grundteleostier (nament- ‚ BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 77 lich Murenidae) hat. Kurz, dieser Klappenapparat ist ein charakteristisches Merkmal der Tiere, die auf dem Boden leben, zu welcher Klasse sie auch gehören mögen. Er erscheint auch als der am meisten N damit eine Atmung auf dem Meeresboden vor sich gehen kann. —. — . — Das Hauptziel dieser Untersuchungen bestand darin zu entscheiden, ob bei den Cephalopoden oder speziell bei Sepia, die das Thema meines Studiums bildete, der Atmungsmechanismus reflektorisch oder automatisch vor sich geht. Und im Grunde war dies auch das Ziel der verschiedenen Autoren bei den Untersuchungen, die sie anstellten, um die Frage des Atmungsmechanismus auch bei anderen Tierklassen zu lösen. Um nur an die Meertiere und die an ihnen in jüngster Zeit von Tako Kuiper, Lombroso und von Baglioni ausgeführten Untersuchungen zu erinnern, ist zu bemerken, daß die beiden ersten Forscher beobachtet haben, daß der Atmungsmechanismus bei den Fischen zentralen Ursprungs ist, nach Baglioni dagegen reflektorischen Ursprungs. Wie man also sieht, sind auch bezüglich einer und derselben Tier- klasse die Ansichten einander diametral entgegengesetzt. Beim Studium der Atmung der Cephalopoden war also vermittelst einer Reihe von geeigneten Experimenten, über die ich noch ganz aus- führlich sprechen werde, die Frage nach dem Automatismus oder Reflex- mechanismus der Atmung zu prüfen und zu entscheiden. Der Automatismus wird von den verschiedenen Autoren auf zwei ver- schiedene Weisen erklärt; einige Autoren behaupten, daß innere Reize (Veränderungen der chemischen Zusammensetzung des Blutes (O,, CO,) und der Flüssigkeit der Gewebe) sich einmischen, andere sprechen von rhythmischen Impulsen dieser Zentren, die durch Veränderungen im Stoff- wechsel der sie zusammensetzenden Zellen bedingt sein sollen. Die Verfechter der Reflexnatur reden von einer Selbststeuerung der Atmung. Um nur die Cephalopoden zu erwähnen, ist dies, wie wir gesehen haben, der Mechanismus, den v. Uexküll zur Erklärung der Atmung bei diesen Tieren angibt. Als er die Kiemen von Eledone zwickte, erhielt er Inspirations- bewegungen, bei Berührung des Mantels stets Exspiration. Normal ver- anlaßt die beim Exspirationsakt im Mantel eintretende Druckzunahme den Reiz für die Inspiration und das beim Inspirationsakt durch die Mantel- ränder eintretende Wasser würde dann den exspiratorischen Reiz re- präsentieren. Ich bemerkte schon an anderer Stelle, daß Hoffmann zur Unter- stützung der Lehre von der Selbststeuerung der Atmung bei den Cephalo- poden (im Sinne Breuer-Herings für den Lungenvagus) einen Umstand anführt, den er bei Sepia beobachtet hat, wenn die Tiere aus dem Wasser 178 OswAuD POLIMANTI: an die Luft gebracht werden. Er will eine plötzliche spasmodische In-' spiration bemerkt haben, sobald die Luft mit der Mantelhöhle in Berührung kam. Er erklärt die normale Atmung auf Grund dieser Erscheinung, da er glaubt, daß beim Inspirationsakt das eintretende Wasser die sensiblen Nerven reizt und diese Reizung eben zur Füllung des Mantels führt, die dann die Exspiration veranlaßt. Fehlt dieser Reiz, so bleibt der Mantel längere Zeit ausgedehnt, wie bei einer Inspirationsbewegung eines Säuge- tieres mit beiderseitigem Pneumothorax. | Resümieren wir nun in aller Kürze die verschiedenartigen Reize, die ich auf die verschiedenen Körperteile der Sepia einwirken ließ, um zur Lösung der vexata quaestio nach dem automatischen oder reflektorischen Ursprung der Atmung bei den Cephalopoden zu gelangen und so den intimen Mechanismus dieser Funktion zu erkennen. Die von mir bei Sepia ausgeübten Reize waren „nervöser‘‘ und chemischer Art. Die Reize nervöser Art gingen von den aktiven oder passiven Teilen des Atmungsapparates aus und wurden ausgeübt, während ich die Sepia eine mehr oder minder lange Zeit hindurch an der Luft hielt. Oder ich ließ Reize verschiedener Art auf die Atmungshöhle einwirken (mechanische Reize im Innern der in der Mantelhöhle enthaltenen Organe, der Atmungs- flüssigkeit fremde Substanzen: Milch, Essenzen, usw... Auch wurden me- chanische Reize auf die peripherischen Organe (auf die Haut), oder auf die Nerven der oberen Zentren (mechanischer Reiz der Cornea usw.) ausgeübt. Chemische Reize ließ ich derart einwirken, daß ich CO, in das Meer- wasser leitete, in welchem sich die Sepia befand. Ich fasse kurz die Resultate zusammen, die ich in dieser Hinsicht eT- halten habe, indem ich bei einer großen Anzahl der Tiere Reizungen von der im obigen angegebenen Beschaffenheit einwirken ließ. Bei jedem einzelnen Tiere fanden verschiedene Reizungen statt; ich glaube deshalb, daß es nicht schwer halten wird, mittels Kontrolle der verschiedenen er- haltenen Kurven sich eine genaue Vorstellung von dem Atmungsmechanismus der Sepia zu bilden. Damit die Darstellung in richtiger Ordnung fortschreitet, will ich kurz beschreiben, was ich bei jeder einzelnen Sepia unter Anwendung dieser ver- schiedenen nervösen und chemischen Reize beobachtet habe; zuletzt werde ich dann die verschiedenen erhaltenen Resultate in Gruppen vereinigen, damit wir so zu Schlußfolgerungen gelangen und uns eine möglichst ge- naue Rechenschaft über den Atmungsmechanismus der Cephalopoden ablegen können. Ich habe ein und dasselbe Experiment viele Male wiederholt, es auch in den kleinsten Modalitäten variiert, damit jeder mögliche Irrtum aus- - BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 19 geschlossen wäre. Nur auf diese Weise konnte es mir gelingen, die Frage richtig zu erfassen und so in den inneren Mechanismus der Atmung von Sepia offieinalis einzudringen. Diese an niederen Tieren gemachten Ex- perimente haben sicher eine sehr große Bedeutung, um auch zur Erklärung vieler physiologischer Probleme vorzudringen, welche die höheren Vertebraten betreffen und noch heutzutage, wie ich später ausführen werde, mehr oder weniger unvollständig gelöst sind. 12. Experiment. 19. XII. 07. Temperatur des Wassers 13-7°. Sepia offieinalis Länge 13”. 1. 11% 30° vorm. Die Mantelkontraktionen sind sehr beschränkt und erreichen die Maximalhöhe von 1%”, während die Atmungsklappenkurven ergeben, die sich bis zu 2 bis 2!/, "= erheben (sie machen 15 Atmungs- bewegungen in 28” oder etwa 30 in der Minute). Von seiten des Trichters erhalte ich keine Kontraktion. Nachdem ich eine normale Kurve erhalten habe, reize ich nach 28” mit einer Pinzette das linke Auge; sofort erfolgt eine starke Exspirationsbewegung von seiten des ganzen Atmungsapparates. Der Mantel kontrahiert sich sehr energisch, und erst nach etwa 6 Sekunden beginnt er sich wieder auf die gewöhnliche, sehr beschränkte Weise zu kontrahieren, so daß die verschiedenen Atembewegungen nicht einmal gut gezählt werden können. Auch die Klappe hat eine Kontraktionskurve er- geben, die bis zu 18” angestiegen ist; nach 4” hat sie wieder zu sinken begonnen und den gewohnten Rhythmus (19 R. in 36” oder etwa 31 R. in’der Minute) wieder angenommen. Der Trichter, der keine Kontraktion ergab, hat energischer als die anderen Teile auf den Reiz reagiert; er hat nämlich eine Kurve von 45%" gegeben, die ihren Gipfel in 11” erreichte und ganz allmählich sank, ohne je ein Zeichen einer Kontraktion zu ergeben. Alle diese drei Kurven haben ferner in ihrem Abstieg die normale Grenze der Abszisse nicht erreicht, denn die des Mantels blieb auf der Höhe von 16"m, die der Klappen auf 6 bis 7“ und die des Trichters auf 14" (Fig. 1).! 2. 11% 34° vorm. Während das Tier eine normale Atmung vollführt, ohne daß irgend ein Reiz ausgeübt wird, macht es eine spontane Exspira- tionsbewegung; Mantel, Klappen und Trichter ergeben eine Atmungskurve von 34 bzw. 24 und 33 "= Höhe und von einer Dauer von 3 bzw. 8 und 5um, Nachdem diese Periode vorüber ist, schreitet die Atmung normal fort. 3. 114 35°. Während die Sepia normal atmet, reize ich die Arme mechanisch; sie reagiert sofort durch einen Exspirationsakt. Mantel, Klappen und Trichter ergeben eine Atmungskurve von 27 bzw. 20 und 32" Höhe und von einer Dauer von 4 bzw. 8 und 3"®. Nachdem dieser Exspirations- akt vorüber ist, geht die Atmung in normaler Weise weiter. 13. Experiment. 19. XII. 07. Temperatur des Wassers 13.9°. 1. 12% 3° mittags. Etwa 28 R. in der Minute. Während die Klappen schöne Kurven ergeben, erhalte ich keine Kurve von seiten des Trichters 1 Sämtliche Kurven sind, der bequemen Reproduktion wegen auf '/, reduziert. 80 OSWALD POLIMANTI: und des Mantels. Sobald ich das linke Auge mechanisch reize, vollführt die Sepia sofort eine Exspiration. Die Kontraktion ist stärker von seiten des Mantels und des Trichters als von seiten der Klappen; die beiden ersteren ergeben eine Kurve, die bis auf 31 bzw. 45 "m ansteigt, wohingegen die Klappe auf kaum 7" steigt. Was die Dauer anbelangt, hat die Kurve des Mantels 4°, die der Klappe 2° und die des Trichters 8° gedauert. Nach Beendigung des Exspirationsaktes sieht man in der Kurve einige leichte Kontraktionen des Mantels; die Klappe fährt im gewöhnlichen Rhythmus zu atmen fort und der Trichter ergibt keine Kontraktion. Die Kurven haben sich auf derselben Abszisse erhalten; nur die des Mantels ist 10 mm unter die normale gesunken. 2. 12%5°. Es werden weitere Kurven vermittelst der Schreibhebel aufgenommen: Trichter und Mantel ergeben keine Kurve; die Klappe behält immer hinsichtlich der Höhe und Zahl der Respirationen (28 R. in der Dies. Fig: 2. Minute) ihren normalen Atmungsrhythmus bei. In einem bestimmten Augen- blick wird die obere Fläche der Sepia leicht gekitzelt. Sie reagiert durch eine energische Atembewegung des Trichters, der eine Kontraktionskurve ergibt, die eine Maximalhöhe von,7°® erreicht und erst nach 75” zum Nullpunkt zurückkehrt. Die Klappe ergibt eine Atmungskurve von 8" Höhe und 4” Dauer. Der Mantel zeigte ein Absteigen der Kurve um 5 "m, das konstant während der ganzen Dauer des Experimentes anhielt. Die schönste Atmungskurve zeigte die Klappe, die denselben Rhythmus vor und nach der Reizung beibehielt. Der Mantel dagegen zeigte nur fibrilläre Be- wegungen und der Triehter nichts, abgesehen von der enormen Exspirations- kurve (Fig. 2). | 3. 12" 8°. Die Klappe vollführt 30 R. in der Minute, der Mantel kaum wahrnehmbare Fasernkontraktionen, während es unmöglich ist, die Atem- bewegungen des Trichters aufzuzeichnen. Die Arme werden mechanisch gereizt; das Tier reagiert; sofort durch eine Exspirationsbewegung, an der sich besonders der Triehter und der Mantel beteiligen, die eine Atmungs- kurve von einer Höhe von 51 bzw. 19"® und von einer Dauer von 27 ‘ BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 8 bzw. 3 Sekunden ergeben. Die Klappe dagegen ergab eine kleine Kon- traktionskurve, die 6%M hoch war und 4 Sekunden dauerte. Nach Be- endigung des Exspirationsaktes fuhr sie mit ihrem gewöhnlichen Rhythmus zu atmen fort, während sich von seiten des Trichters keine Kontraktion erhalten ließ. Der Mantel ergab leichte fibrilläre Kontraktionen, die jedoch in der Kurve ziemlich gut wahrnehmbar sind und ihrer Zahl nach mit denen der Klappe übereinstimmen. 4. 12% 14’. Ich fahre mit Aufzeichnung der Atemkurve fort und, während diese normal weiter geht, entferne ich bei einem gewissen Punkte das Wasser aus dem Bassin, in welchem die Sepia sich befand. 5 Sekunden lang ging auf seiten der Klappe die Atmung normal weiter, wie man aus der entnommenen Kurve ersieht. Der Mantel ergab die gewöhnlichen, kaum wahrnehmbaren fibrilläre Kontraktionen, während der Trichter keine Kurve ergibt. Nach diesen 5 Sekunden zeigt sich ein ganz deutlicher Ex- spirationsakt, an dem sich, wie man aus den Kurven ersieht, der Trichter Fig. 3. am wenigsten beteiligt, während der Mantel dagegen energischen Anteil daran nimmt, der zwei Kontraktionskurven ergibt, von denen die eine höher als die andre ist; eine verhältnismäßig leichte Kontraktion zeigt die Klappe. In der Folge erhielt ich nach dem ersten exspiratorischen Reagieren beim Fehlen des Wassers keine Kontraktion von seiten des Trichters. Was da- gegen die Kontraktionskurve der Klappen betrifft, so ist jede einzelne Atmung verkleinert; die Kurve dagegen hat sich allmählich weit über die Abszisse erhoben. Diese Kurven haben denselben Rhythmus beibehalten. Die Kurve der Mantelkontraktionen zeigt dieselbe Erscheinung des Ansteigens, und gleichzeitig ist jede einzelne Kontraktion deutlich sichtbar geworden, während anfangs im normalen Zustand keine Kurve, auch nieht die minimalste, zu erhalten war. Sobald das Wasser wieder in das Bassin geleitet wird, in welchem sich die Sepia befindet, fallen beide Kurven (des Mantels und der Klappen) allmählich und nähern sich wieder der Abszisse. Doch bleiben der Typus einer jeden einzelnen Atmungskontraktion und der Rhythmus beider bis zum Ende des Experimentes konstant (Fig. 3). Archiv f.A.u. Ph. 1912. Physiol. Abtlg. 6 82 OswALD POLIMANTI: 14. Experiment. 19. XII. 07. Temperatur des Wassers 13-9°. Sepia offieinalis. Länge 14°", 1. 2% 15° nachm. Der Mantel und die Klappe machen 24 R. in der Minute: die Mantelbewegungen sind ziemlich deutlich, wenn die Kurven auch die Höhe von 1” nicht übersteigen; die Kontraktionen der Klappe erreichen eine Höhe von 3 bis 4"”, Der Trichter ergibt keine Kontrak- tion. Sobald das linke Auge 15 Sekunden lang mechanisch gereizt wird, ergibt der Trichter während dieser Zeit zwei kleine Kontraktionen von einer Höhe von !/, bzw. 1"®. Dagegen hat die Kontraktionskurve des Mantels zwei Senkungen von 5 und 7" unter die Abszisse erfahren und die Kon- traktionen sind fast unmerklich geworden. Auch die Kurve, welche die Atembewegungen der Klappe angibt, hat zwei denen des Mantels ent- sprechende Senkungen erfahren, und die einzelnen Kontraktionskurven haben auch an Weite und Höhe abgenommen (Fig. 4). % Xu ee a A Ulm adıunanannan AA RUN KMAANAAIUINATRANN Van 7 N Fig. 4. Fig. 5. 2. 24.20”. Während ich die Kurve der normalen Atmung aufzeichnete, erhielt ich von seiten der Klappe gute Atmungskurven, während vom Mantel und Trichter keine Kontraktion registriert werden konnte; das Tier hat eine spontane starke Exspirationsbewegung gemacht, an welcher sich haupt- sächlich der Mantel und der Trichter beteiligten. Der Mantel vollführte eine Anzahl (20) sehr starker Kontraktionen (bis zur Höhe von 66") im Zeitraum von 9 Sekunden; die Kontraktionskurve stieg dann so sehr an, daß die Schreibfeder von dem Papier, auf welchem sie schrieb, abglitt und keine Kurve mehr abgenommen werden konnte. Gleichzeitig ergab der Trichter fünf sehr starke Kontraktionen, von denen eine jede nach einer leichten Senkung skalenförmig anstieg (sie hatten eine Höhe von 15 bzw. 38, 57, 60 und 81”” und dauerten 25”). Nachdem die größte Höhe er- reicht war, sank die Kontraktionskurve dann allmählich wieder; es dauerte 77”, bis sie die Abszisse wieder erreichte. Die Klappe beteiligte sich fast gar nicht an dieser Exspirationsbewegung, nur während eines Zeitabschnittes von 6 Sekunden; stärker kontrahierten sich Mantel und Trichter, die zwei Atmungskontraktionen ergaben, die sich vom Normalen entfernten und leicht gezackt waren. Übrigens erhielt sich die Atmungskurve homogen (die Höhe de einzelnen Kurve schwankte zwischen 31/, ee 4. um (Biel). BEITRÄGE ZUR PHYysIoLoGiE VON SEPIA OFFICINALIS L. 83 3. 28.25’. Während eine normale Kurve der Atmung aufgenommen wurde, konnte ich nur Kurven von der Klappe erhalten, dagegen keine von seiten des Siphos; der Mantel zeigte eine spontane, starke Exspirations- bewegung. Letzterer vollführte zuerst 17 sehr rasche Kontraktionen während einer Dauer von 8 Sekunden; dann senkte sich die Kurve leicht, um von neuem 20 ‘weitere sehr rasche Kontraktionen anzuzeigen, und 62” nach Beginn der Kontraktion erreichte sie wieder die Abszisse.. Nachdem sich der Mantel 5 Sekunden lang rasch kontrahiert hatte, erfuhr die Kontrak- tionskurve der Klappe eine Veränderung; zuerst ging sie während einer Gruppe von 5 Respirationen unter die Abszisse hinab und stieg dann wieder leicht an bis zur Höhe von 12%" (die normalen Kurven variierten um eine Höhe von 3—4—5 m). Dann kontrahierte sie sich wieder normal während der ganzen Dauer des Experimentes. Der Sipho antwortete mit einer raschen Kontraktion, die nicht einmal eine Sekunde dauerte, sobald die erste Gruppe der Mantelkontraktionen zu Ende war, und blieb dann absolut unbeweglich. Dann ergab er eine sehr rasche Kontraktion, die bis zu 91” anstieg, wobei er eine kleine Einzackung im Anstieg zeigte, und sank dann langsam und allmählich (im ganzen dauerte die Kontraktion 45”). Aus dem 3. und 4. Experiment schließe ich, daß die heftige Exspiration, die spontan ohne Reizung erfolgt, im ersten Zeitabschnitt infolge einer energischen Einwirkung des Mantels eintritt, worauf dann sofort eine heftige Einwirkung des Trichters folgt; die Klappen beteiligen sich nicht sehr an diesem Akt, und ihre Kurve zeigt nur sehr leichte Veränderungen. 4. 2% 32°. Nachdem ich 7 normale Respirationen von seiten der Klappe erhalten habe, reize ich 12” lang sehr leicht mechanisch die Arme. Die Klappe hat vollständig aufgehört sich zu bewegen und gegen Ende der Reizung eine rasche Kontraktion ergeben, die eine Höhe von 23m er- reicht hat. Diese Kurve ist dann allmählich gesunken, um endlich in eine Kurve von normalen Kontraktionen überzugehen. Gleichzeitig ergaben, stets am Ende der Reizung, weil vorher keine Bewegung verzeichnet wurde, sowohl Mantel als Trichter (gleichzeitig mit der Klappe) eine rasche Kon- traktion. Der Mantel ergab eine Kurve, die bis zu 22m anstieg und kurze Zeit (2”) dauerte, während der Trichter ebenfalls eine sehr rasche Kontraktion ergab, die aber 59%" hoch anstieg und im ganzen 27” dauerte, worauf sie ganz allmählich abnahm. Aus diesem Experiment schließe ich, daß ein auf das Auge ausgeübter mechanischer Reiz während seiner ganzen Dauer zur Wirkung hat, daß die Kontraktion der Klappe aufhört und, wenn er zu Ende ist, eine starke Exspirationsbewegung eintritt. 5. 2% 36°. Wird oben (Fig. A an) 11” lang mechanisch gereizt. Der Mantel antwortet fast gegen das Ende der Reizung mit zwei Kontraktionen von einer Höhe von 17 bzw. 21%” und kontrahiert sich dann nicht mehr. Die Höhe der Kontraktionen der Klappe nimmt während der ganzen Reizung ab und ergibt gegen Ende der letzteren zwei Kurven, die auf 8 bzw. 11 "m ansteigen; die Kontraktion erhält sich etwa 5” lang auf dieser Höhe und sinkt dann allmählich, indem jedoch die Atmungskurven im Vergleich zu den normalen sehr klein bleiben. Sobald die Reizung der oberen Fläche aufhörte, 6* 84 OswALD POLIMANTI: zeigte der Trichter eine Kontraktion von einer Höhe von 18”, die dann leicht sank; sie stieg von neuem auf 27"", um wieder zu sinken, worauf sie plötzlich auf 82”” stieg und dann allmählich herabsank und gegen das Ende der Beobachtung zur Abszisse zurückkehrte (diese Kurve des Trichters hatte eine Dauer von 68”). 6. 2 43°. Das Wasser wird aus dem Bassin entfernt; der Trichter antwortet sofort mit einer starken Exspirationsbewegung, an dem sich weder Klappe noch Mantel beteiligen. Die Kontraktionskurve des Trichters ist dann allmählich gesunken und steigt nach 48” wieder, indem sie gleichzeitig in der Anstieglinie zwei Senkungen zeigt. Sie erreicht den Gipfel nach 16”, sinkt wieder 39” lang und steigt abermals 12” lang, indem sie auch hier zwei Senkungen von 4 bis 5%% zeigt, wie die früheren; dann sinkt sie wieder, um die Abszisse wieder nach 25” zu berühren. Der Mantel zeigt gleichzeitig nur zwei Kontraktionen, die sehr stark sind und den letzten Exspirationsbewegungen des Trichters entsprechen. Auch die Klappe ist dem Verlauf der Trichterkurve gefolgt, indem sie gleichzeitig mit ihr anstieg. Es ist jedoch zu bemerken, daß die Klappe stets im Zustand starker Spannung verblieb und, obgleich sie zwei mehr ausgeprägte, den beiden Exspirationsbewegungen des Trichters entsprechende Hebungen gezeigt hat, dennoch stets weit über dem Normalen geblieben ist und sieh auch sehr wenig bewegt hat; dies bedeutet, daß während der Asphyxie infolge des Wassermangels der Mantel fast immer geschlossen bleibt, weil auch die Atembewegungen fast gleich Null waren; nur erfolgten bisweilen geringe Kontraktionen von vorwiegend fibrillärem Charakter. Sobald aber das Wasser ins Bassin zurückgekehrt ist, beginnen die Klappen wieder regelmäßig zu funktionieren mit einem Rhythmus (26 R. in der Minute), der sich nicht weit vom. normalen (24 R. in der Minute) entfernt; es scheint also, daß nach einer Erstiekungsperiode von seiten des Tieres keine kompensierende Atmung eintritt, sondern daß letztere auf ganz normale Weise wieder einsetzt. Charakteristisch ist auch der fast voll- ständige Verschluß des Mantels vermittelst der Atmungsklappe; dies ist vom ökonomischen Standpunkte aus sehr interessant, weil auf diese Weise die Einführung von Luft in die Atmungswege verhindert wird und das Tier der Erstieckung viel länger widerstehen kann. Die Sepia reagiert nur durch einige starke Exspirationsbewegungen, die eben dem Eintritt der Luft in den Mantel entsprechen. 33. Experiment. 14. I. 08. Temperatur des Wassers 12-5°. Sepia offieinalis. Länge 13-5 °%. 1. 10% 15° vorm. Nachdem ich eine Kurve der normalen Atmung vom Mantel und von der Klappe (23 R. in der Minute) erhalten habe (Höhe der Atmungskurven in Millimetern: des Mantels 2, der Klappe 3 bis 4), reize ich das linke Auge mechanisch 12” lang. Sobald der Reiz beendet ist, beantwortet das Tier ihn durch eine sehr starke Exspiration; der Mantel ergibt eine energische Kontraktionskurve, die auf 32" ansteigt und dann rasch sinkt, indem sie zwei weitere Kontraktionen (Dauer 3”) veranlaßt. Die Klappe ergibt eine charakteristische Kurve, weil sie zuerst unter die Abszisse gesunken, dann bis auf 39 "= gestiegen und dann regel- mäßig gesunken ist; ihre Dauer betrug 3”. Nach Beendigung der energischen BEITRÄGE zUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 85 Exspirationsbewegung sind die Kurven des Mantels und der Klappe leicht gesunken, die erste um 5" und die zweite um 10”; jene hat eine Höhe von kaum !/, ®® beibehalten, diese aber eine zwischen 6 und 9"m schwan- kende Höhe. Der Atmungsrhythmus hat sich konstant auf 23 R. pro Minute erhalten. Das Sinken der Kurven im allgemeinen und einer jeden einzelnen Atmungskurve des Mantels rührt ohne Zweifel von einer Abnahme des Tonus her. Die Atmungskurve der Klappe hat ebenfalls eine Erniedrigung erfahren, aber jede einzelne Kontraktion, namentlich die ersten, hat, wie sich klar ergibt, die Höhe der normal erhaltenen übertroffen. Kurz, es scheint, daß die energischere Kontraktion der Klappen die geringere des Mantels hat kompensieren wollen. Gegen das Ende der Beobachtung sind die Atmungskurven der Klappen wieder normal geworden und auch die Kurve im allgemeinen hat die Tendenz, zur normalen Abszisse zurück- zukehren. 2. 10% 59’ vorm. Die Sepia macht 24 R. in der Minute, wie man aus der Kurve ersieht, welche sowohl die Klappen (1!/, bis 2") als der Mantel (3 bis 5"®) ergeben. Hierauf wird die linke Atmungsklappe mechanisch, fast kitzelnd, gereizt. Während der ganzen Reizung ist, wenn auch der Rhythmus gleichgeblieben ist, die Atmungskurve des Mantels wie auch die der Klappe leicht (um fast ?/, der normalen gegenüber) gesunken; sie erhielt sich jedoch fast auf der Höhe der Abszisse. Sobald die Reizung beendet war, wurden beide, was Typus, Rhythmus und auch Höhe: betrifft, wieder normal. Mithin hat ein auch kleiner Reiz, der auf irgend einen Teil des Atmungsapparates einwirkt, eine Veränderung der Atmung zur Folge. 3. 11% 2° vorm. Ich erhalte normale Atmungskurven 33” lang sowohl von der Klappe als vom Mantel (21 R. in der Minute) (Höhe der Kurven: des Mantels 3"®, der Klappe 4 bis 4!/,=m). Ich reize 19” lang mechanisch oben (anat. vorn) das Tier; beide Atmungskurven sind leicht gefallen und haben an Zahl zugenommen (22 R. in der Minute). Nach Beendigung der Reizung ergibt der Mantel eine 7" hohe Kontraktion, während von seiten der Klappe eine Pause im Atmen eintritt; dann wird die Atmung wieder normal. 8” nach Aufhören der Reizung erfolgt eine starke Exspirationsbewegung, an der sich der Mantel mit einer 40%" hohen und die Klappe mit einer 26” hohen Kurve beteiligt. Die Mantelkontraktionen sinken dann allmäh- lich immer mehr, bis sie vollständig verschwinden; gleichzeitig sind sie um 21/, mm unter die Abszisse gefallen. Die Klappenkurve dagegen ist nach Erreichung des Gipfels der starken Exspirationsbewegung nicht plötzlich gesunken, sondern allmählich, indem sie sich bis zum Ende oberhalb der Abszisse hielt und 10%” über dem Normalen blieb. Im postexspiratorischen Stadium kehrt die Zahl der Atembewegungen zum Normalen zurück (21 R. in der Minute). Also kontrahiert sich, wie man aus diesen Kurven deutlich ersieht, beim Exspirationsakt der Mantel, während die Klappe sich gleich- zeitig zurückzieht. Sobald der Mantel aufgehört hat sich zu kontrahieren, kontrahiert sich auch die Klappe. Der Mantel beteiligt sich im postexspira- torischen Stadium fast nicht mehr an der Atmung, während die Klappe immer sehr tätig bleibt. Wie es scheint, hat sich der Mantel nach jener energischen Bewegung allmählich immer mehr erschöpft und dehnt sich nicht mehr aus, während der Klappenapparat fast ausschließlich auf den Austausch des Wassers in der Mantelhöhle bedacht ist. 86 OswALD POLIMANTI: 4. 11" 5’ vorm. Es zeigen sich 21 R. in der Minute und sehr aus- geprägte Kurven sowohl des Mantels (3 bis 4””) als auch der Klappe (2 bis 21/,”®). Ich lasse einen leichten mechanischen Reiz 12 Sekunden lang in der vorderen (oberen) linken Gegend einwirken. Die beiden Atmungskurven werden sofort unregelmäßig und es tritt sogleich eine starke Exspirationsbewegung ein, an der sich natürlich sowohl der Mantel als auch die Klappe beteiligen. Der Mantel ergibt drei Kontraktionen, die allmählich immer mehr ansteigen (bis zu 8 bzw. 20 und 31”); dann sinkt die Kurve unter die Abszisse (4 bis 4!/,""), und nimmt nach drei. Atmungskurven, die größer als die normalen sind, allmählich immer mehr ab, bis sie fast gleich Null wird (Höhe !/, =”). Gleichzeitig fallen die Kurven der Klappe, während die andere allmählich ansteigt; auch hier sind drei Atmungskurven vorhanden, von denen zwei unter dem Normalen bleiben, und die letzte bis zu 32m ansteigt, dann allmählich treppenförmig absteigt. Die Zahl der Respirationen beträgt 22 in der Minute, also beinahe wie im normalen Zustand (Fig. 6). Fig. 6. Fig. 7. 5. 1167. Nachdem ich eine Gruppe von normalen Respirationen (24 R. pro Minute) vom Mantel (Höhe 3%") und von der Klappe (Höhe 3 bis 4wm) erhalten habe, reize ich mechanisch die Arme. Die Sepia reagiert sofort mit einer starken Respirationsbewegung, die von einer Aus- scheidung von Tintensekret begleitet ist. Der Mantel ergibt eine energische Kontraktion, welche eine Höhe von 33 @” erreicht, hierauf unter die Abszisse fällt und so fortfährt, während die einzelnen Atmungskurven weiter werden (Höhe 1 bis 11/,®"). Die Klappe macht gleichzeitig eine energische Kon- traktion von 31®m Höhe und die Kurve fällt also unter die Abszisse (etwa 3 ®m)- die einzelnen Atmungskurven werden jedoch gleichzeitig weiter (Höhe 7 bis 6"m), bis sie ganz allmählich abnehmen und beim Ende der (94” Sekunden dauernden) Beobachtung zur normalen Höhe zurückkehren. Die Kurve kehrt auch allmählich zur Höhe der Abszisse zurück. Der Atmungs- rhythmus nach der Exspirationsbewegung war 22 R. in der Minute. Man kann sagen, daß die Klappe ihre Kontraktion begonnen hat, als der Mantel aufgehört hatte sich zu kontrahieren. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEBIA OFFICINALIS L. 87 6. 11% 13% Die Sepia zeigt eine normale Atmung (18 R. in der Minute); nach 20” macht sie spontan eine starke Exspirationsbewegung. Der Mantel ergibt eine Kontraktionskurve, die bis zu 31 "mM ansteigt, dann unter die Abszisse sinkt und zuletzt allmählich fast unwahrnehmbar wird. Die Klappe ergibt eine Kurve, die bis zu 25%" ansteigt und dann plötzlich sinkt, um nach dieser Kontraktion wieder bis auf 25"" zu steigen, worauf sie langsam skalenförmig sinkt. Die Zahl der Respirationen in dieser post- exspiratorischen Periode betrug 20 in der Minute (Fig. 7). Ein charakteristisches Merkmal dieses Versuches war die Exspirations- kurve, namentlich die der Klappe, welche durch zwei wahre und eigentliche Erschütterungen (Fig. 7) reagierte. 11% 15°. Ich leite CO, durch das Wasser des Bassins. / van REN RB NET SEE EERN N 18 | K, “Unvumunun NIIT A AAUn Av { Fig. 8. Fig. 9. 7. 11% 17’. Ich entnehme die Atmungskurve; sowohl der Mantel als auch die Klappe ergeben untereinander vollkommen homogene Atmungs- kurven. Ersterer zeigt Kurven von einer Höhe von 2”, letztere von 5m Höhe: 23 R. pro Minute, also etwas mehr als die normalen. 8. 11419. Die Kurve ist immer noch der vorigen gleich und die Sepia macht eine Exspirationsbewegung; der Mantel ergibt eine sehr rasche Kontraktion, die eine Höhe von 35%” erreicht, worauf seine Kurve unter die Abszisse fällt; die Höhe der Kurven der einzelnen Atemzüge ist auf 2 bis 35mm reduziert. Die Klappe ergibt eine Kontraktion, die bis zu 34mm ansteigt und allmählich skalenförmig sinkt; dann werden die Atmungskurven etwas weiter (5 bis 6") als die früheren. Auch die Klappenkurve hält sich unterhalb der Abszisse: 17 R. in der Minute, also gegen früher leicht vermindert (Fig. 8). 10. 11% 20°. Ich fahre mit Aufnahme der Kurven des Mantels und der Klappe fort und beobachte eine starke Exspirationsbewegung, welche dieselben charakteristischen Merkmale wie die eben beschriebene hat. Der Mantel ergibt nämlich eine sehr rasche, 1” dauernde Kontraktion, auf die dann eine Reihe von Kontraktionen folgt, die allmählich an Höhe abnehmen 88 OswALD POLIMANTI: (von 31/, bis 3%”) und sich unter der Abszisse halten. Auch die Klappe ergibt eine rasche Kontraktion von einer Höhe von 39"”, sinkt dann all- mählich stufenförmig und erreicht nach 12” den Typus der normalen Atmung. Die einander folgenden Atmungskurven (von einer mittleren Höhe von 5 bis 6”%®=) nehmen allmählich ab, indem sie sich unterhalb der Abszisse halten. Die Zahl der Respirationen ist auf 16 in der Minute reduziert. Der Exspirationsakt geht unzweifelhaft rascher im Mantel als in der Klappe vor sich. Die CO, beginnt eine leichte Verlangsamung der Zahl der Respi- rationen zu verursachen (Fig. 9). 11. 11% 24. Ich nehme wieder eine Kurve der Atmung auf, die so- wohl beim Mantel (3 bis 4"m hohe Kurven) als bei der Klappe (3 bis 5um hohe Kurven) ziemlich regelmäßig ist. Die Zahl der Respirationen ist immer 16 in der Minute. 12. 11% 29. Ich leite noch immer CO, ins Meerwasser. Während ich die Atmungskurve aufnehme, erfolgt nach wenigen Sekunden eine starke Exspiration; der Mantel ergibt, wie immer, eine Kontraktion, die 33 m” hoch ist und 1!/,” dauert, und die Atmungskurve nimmt allmählich immer mehr ab, bis sie fast gleich Null wird, erhält sich jedoch auf dem Niveau der Abszisse (von 5" bis zu 2 und 1!/,=”). Auch die Klappe zeigt eine 35" hohe Kontraktion, die dann treppen- artig abnimmt und etwa 10” dauert; dann werden die Atmungskurven fast gleich Null (Höhe 1!/,—1—!/, =), Die Atemzüge sind auf kaum 10 in der Minute redu- ziert. Also ist in 14’ völlige Asphyxie bei dem Tiere eingetreten; die Atemzüge haben allmählich immer mehr an Zahl und Höhe abgenommen (Fig. 10). Des- halb höre ich um 11® 30° mit dem Einleiten von CO, auf. 13. 11% 34’. Ich nehme eine Atmungskurve auf Fig. 10. (R.: 15 in der Minute). Sowohl Mantel als Klappe ergeben sehr regelmäßige Atmungskurven; die des ersteren haben eine Höhe von 1", die der letzteren eine solche von 3 um, 14. 11% 37!/,‘. Die Kurve behält denselben Typus bei wie die vorhin beschriebene: nach 15” tritt eine energische Exspirationsbewegung ein, die den bis jetzt beobachteten gleicht. Der Mantel zeigt eine Kontraktion von 32m Höhe; die Kurve geht dann unter die Abszisse hinab und die ein- zelnen Atmungskurven erreichen kaum eine Höhe von 1”. Die Klappe ergibt eine 36 ®® hohe Atmungskurve, die skalenförmig allmählich abnimmt. Jede einzelne Atmungskurve der Klappe hat eine Höhe von 5 bis 6=” er- reicht und hält sich konstant auf dieser Höhe. Ich nehme weitere Kurven auf; die Sepia macht 22 R. in der Minute. Die Atmungskurven des Mantels erreichen eine Höhe von 1 bis 1!/,””®, die der Klappe variieren zwischen 3 und 6"® und zeigen beinahe ein wirklich regelmäßiges Schwanken, 2” nach Beginn dieser Kurve erfolgt eine starke Exspiration von gleichem Typus wie die bisher beobachteten, nämlich eine rasche Kontraktion des Mantels von einer Höhe von 28”, der Klappe von 29mm Höhe. Die BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 839 Mantelkurve sinkt dann bis unter !/,"®®; die der Klappe schwankt zwischen 3 und 5m, Es erfolgen 28 R. in der Minute: die Grenze und der normale Typus sind also erreicht und das Experiment wird abgebrochen. Der normale Exspirationsakt erfolgt also stets als rasche Kontraktion des Mantels, der eine viel länger dauernde Kontraktion der Klappe vorausgeht. 24. Experiment. 2. I. 08. Temperatur des Wassers 12-5° C. Sepia. officinalis. Länge 12.5 m, 1. 1% 35’ mittags. Es erfolgen 19 R. in der Minute. Das linke Auge wird leicht gereizt; sobald der Reiz aufhört, ergibt die Klappe zwei Atmungs- kurven, die (mit 1"%) unterhalb der normalen (3 bis 4m) bleiben. 2. 1240”. Während derselbe Atmungsrhythmus (19 R. in der Minute) immer fortdauert, werden die Arme 12” lang mechanisch gereizt. Die Atmungskurven erheben sich sofort um I9"m über die Abszisse; gleichzeitig nehmen auch die einzelnen Respirationen sehr an Höhe ab, denn sie be- tragen nur etwa ?/, der normalen Höhe, die 4m beträgt. 3. 1%.47°. Erst jetzt kann ich wieder eine normale Kurve erhalten (Höhe der Exspirationskurve der Klappe 4 bis 4]; ne bis2192 BR, in der Minute). 4. 1"50°. Ich übe einen leichten mechanischen Reiz auf die obere Fläche aus. Sofort steigen die Atmungskurven sowohl des Mantels als der Klappe um etwa 3m über die. Abszisse; gleichzeitig ist die Zahl der Respirationen erhöht (22 R. in der Minute). 5. 1257 (24 R. in der Minute.) Die Atmungskurven haben gleich- zeitig auch sehr an Höhe abgenommen (Klappe 2 bis 2!/, wm), Ein Glas- stäbchen wird links ins Mantelinnere eingeführt; während der ganzen Zeit- dauer dieser Reizung (13°) hat sich die Atmungskurve um etwa 4"m über die normale erhoben, aber gleichzeitig hat jede einzelne Atmungskurve an Höhe abgenommen (!/, bis 1”®). Nach Beendigung der Reizung fällt die Kurve ganz allmählich und die Höhe erreicht nach und nach die normale, wie sie vor der Reizung war (2 bis 2!/, m), 6. 2% 1”. (26 R. pro Minute.) Die Atmungskurven bleiben immer sehr klein (2%®), Die Arme werden 12’ lang mechanisch gereizt. Gegen die Mitte der Reizung reagiert das Tier durch eine starke Exspirations- bewegung, an der sowohl Mantel als Klappe sich beteiligen. Die Kurve des Mantels erreicht eine Höhe von 22”=, die der Klappe ist 32 mm hoch. Nachdem der Gipfel erreicht ist, sinken sie allmählich wieder, kehren jedoch nicht zur normalen Abszisse zurück, sondern bleiben auf einer Höhe von 5"®, Die Zahl der Respirationen ist immer unverändert und beträgt 26 in der Minute. 7. 226°. 25 R. pro Minute; die einzelnen Atmungskurven haben jedoch an Höhe abgenommen (Klappe 1 "=). Ich reize die Arme mechanisch 6” lang; sofort tritt eine Exspirationsbewegung ein. Die Atmungskurve des Mantels steigt um 9" an, um sofort zu sinken, während die der Klappe eine Höhe von 20”"” erreicht und dann leicht abnimmt. Zuletzt sind jedoch die Atmungskurven so reduziert, daß sie fast nicht wahrzunehmen sind (0.5 ®m), weshalb das Experiment abgebrochen wird. 25. Experiment. 3. I. 08. Temperatur des Wassers 12-5" C. Sepia offieinalis. Länge 13”, 90 OSWALD POLIMANTI: 1. 10% 7° vorm. Die Sepia macht 33 R. in der Minute. Ich reize lang sehr leicht das linke Auge durch einen mechanischen Reiz: die en der Klappe steigt leicht an, kehrt aber dann wieder zum Normalen zurück; auch haben die einzelnen Kurven dieselbe Höhe (4 "m) beibehalten. 2. 10% 10°. (30 R. in der Minute.) Die linke Klappe wird 10” lang gereizt und ein Glasstäbchen in das Mantelinnere derselben linken Seite eingeführt. Sofort sinkt die Atmungskurve der rechten Klappe 12” lang unter die normale.(5”®), Hierauf steigt sie wieder an, und die im nor- malen Zustand 5% hohen Atmungskurven erreichen während eines Zeit- raumes von 15” eine Höhe von 9 bis 10””, Dann kehren sie sofort zum normalen Zustand zurück; der Rhythmus ist jedoch leicht erhöht (33 R. in der Minute). Also führt eine Reizung des Mantelinnern zu einer momentan negativen Atmungskurve, die dann durch viel weitere Respirationen aus- geglichen wird. 3. 10% 22°. (33R.in der Minute). Ich reize 5” lang vorn (physiol. oben) mechanisch; die Sepia antwortet mit einer Exspirationsbewegung, wobei die Mantelkurve auf 25", die Klappenkurve auf 15" ansteigt. Dann sinken sie allmählich, bleiben jedoch bis zum Ende der Beobachtung 5" über der Abszisse (38 R. in der Minute). 4. 10% 25°. (36 R. pro Minute.) Die rechte Flosse wird 2° lang mechanisch gereizt; die Atmungskurve der Klappe sinkt um 8"m, steist jedoch sofort gleichzeitig mit der des Mantels rasch an und erreicht die erste Höhe von 45”"”, die des Mantels 35" (es handelt sich um einen wahren Exspirationsakt). Die Kurven sinken dann langsam, halten sich jedoch bis zum Ende der Beobachtung 12" über der Abszisse. 5. 10% 32. (38 R. pro Minute) Das linke Auge wird 4’ lang mechanisch gereizt: sofort erfolgt eine Exspirationsbewegung, bei welcher die Klappe eine Kurve ergibt, die bis zu 25%" ansteigt une dann allmäh- lich wieder sinkt. Die Zahl der Respirationen ist nach der Reizung ver- mindert (33 R. pro Minute); die Höhe der einzelnen Atmungskurven ist jedoch wie bei Beginn des Experimentes normal geblieben (2 "m), 6. 10% 36°. (34 R. in der Minute.) Höhe der Kurven der Klappe 1 wm, 7. 10% 38°. Nach Entnahme dieser normalen Kurve leite ich CO, in das Bassin, in welchem sich die Sepia befinde. 20” nach Einleiten der CO, reagiert das Tier durch eine Exspirationsbewegung, an nach Einleiten der CO, macht es 35 R. pro Minute. 8. 10% 41. (34 R. in der Minute) Höhe der RBLN... der Klappe !/,®®, Ich höre mit dem Einleiten von CO, auf. 9. 10% 53. (36 R. pro Minute) Die Respiration ist nach der Asphyxie durch die Kohlensäure gesteigert; um das Blut vollständig von der letzteren zu befreien, hat die Atmungskurve der Klappe auch an Höhe zugenommen (1 bis 1!/, @®). 1. Experiment. 10. XH. 07. Temperatur des Wassers 13-1° C. Sepia officinalis. Länge 14 m. 1. 2% 30° nachm. Ich erhalte sowohl vom Trichter als von der Klappe eine schöne Atmungskurve (39 R. in der Minute), Die Atmungskurven des 6 BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 91 Triehters (obere) variieren zwischen einer Höhe von 1 bis 1!/,””, die der Klappe (untere) zwischen 4 bis 5%, Ich reize oben (vorn) die Sepia 3’ lang mechanisch: sowohl Trichter als Klappe zeigen ein starkes Sinken der Atmungskurve, die zwischen einer Höhe von !/, bis 1"m schwankt. Die Kurve wird nicht mehr regelmäßig wie zuerst, weder beim Trichter noch bei der Klappe, und hat an Höhe sehr abgenommen (Fig. 10 A). 2. 3. 4. 24 33° — 2% 36° Ich fahre mit Aufnahme der Atmungs- kurven fort und erhalte vom Trichter und von der Klappe in Intervallen von 1° drei Exspirationsbewegungen. Während dieser drei Exspirationen hat der Trichter Kurven von einer Maximalhöhe von 11 bzw. 15 und 31wm ergeben. Man kann also sagen, daß die Exspiration an Intensität allmäh- lich immer mehr zugenommen hat. Während die Kurve des Trichters sehr angestiegen ist, ist dagegen die der Klappe gleichzeitig gesunken. Dies bedeutet, daß die Atmungsklappen, wenn das Wasser aus dem Trichter herauskommt, gegen den Mantelrand angelehnt bleiben und dort auf diese Weise das Heraustreten. des Wassers verhindern. Auch ist zu bemerken, 7 ——m—ne in p- nam A TE N RE N et K A N - PS LO SERUNBRREE DOPREN\ VUN EERNTUELEEDAUURUGIITETTTELER| Fig. 10A. Fig. 11. Fig. 12. Fie. 13. daß die Kontraktion des Triehters bei der Exspiration nicht nur in Gestalt einer einzigen Kontraktion (2) erfolgt, sondern daß sie auch in Gestalt viel- facher Kontraktionen eintritt (3, besonders augenfällig aber bei 4). Gegen Ende der Exspirationsbewegungen erreichen die Atmungskurven die ursprüng- liche Höhe nicht, sondern sind kleiner, namentlich die des Trichters; dagegen ist die Zahl der Respirationen erhöht (43 R. pro Minute) (Figg. 11, 12 und 13). 5. 2247. (39 R. in der Minute.) Die Vordergegend der Arme wird mechanisch gereizt: das Tier antwortet mit einer Exspirationsbewegung. Der Trichter ergibt eine rasche Kontraktion, die bis zu 22" ansteigt; nachdem aber diese Atmungskurve zu Ende ist, sind die folgenden fast gleich Null. Die Klappenkurve zeigte ein leichtes Sinken, während die Triehterkurve anstieg, aber dann wieder einen normalen Verlauf nahm. 6. 38 29° — 35 24°. (38 R. pro Minute) Die Sepia macht während dieser Zeit 4 Respirationsbewegungen, ohne daß irgend ein Reiz einwirkt: Bei einer jeden dieser Bewegungen steigt die Trichterkurve bis zu etwa 20”® an; diesem Ansteigen entspricht auch ein Anstieg der Atmungskurve 92 OswAuLD POLIMANTI: der Klappe. In dem Maße wie die Trichterkurve abnimmt, sinkt auch all- mählich die Klappenkurve. Es handelt sich vielleicht eher um einen Typus periodischer Atmung als um wahre und eigentliche Exspirationsbewegungen (Fig. 14). jr AUAMNALLLL uybuchin hal ln Aa I Fig. 14. Fig. 15. 2. Experiment. 11. XII. 07. Temperatur des Wassers 13-5 C. 1. 10% 5° vorm. (36 R. in der Minute) Bei diesem Experiment konnte ich die Bewegungen sehr gut studieren, die der Trichter bei einer Exspirationsbewegung machte, die durch einen Reflex (infolge Reizung) oder spontan eintrat. Fig. 16. Fig. 17. Fig. 18. 4. 10" 22°. Es erfolgen 4 kleine Kontraktionen, die in gleichem Ab- stand aufeinander folgen. Die Sepia macht eine energische Exspirations- bewegung: die Kurve der Trichter steigt rasch auf 54%”, fällt nur wenig und steigt sofort wieder an, um dann nacheinander Kurven von einer Höhe von 61 bzw. 52, 60, 62 und 63%” zu ergeben; dann sinkt sie stufenweise, bis sie etwa 70” nach ihrem Beginn die Abszisse erreicht (Fig. 15). 8. 10% 50°. . Ich reize die Arme 10” lang mechanisch, nachdem ich vom Trichter eine normale Atmungskurve erhalten habe. Letzterer zeigt BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 93 sofort eine starke Exspirationsbewegung, der auch die Klappe sich mit einer sehr energischen Kontraktion anschließt. Der Trichter zeigt zwei Haupt- gruppen von Kontraktionen, von denen die erste die Höhe von 40 "®, die zweite von 46" erreicht (Fig. 16). 9, 10% 59. Die Arme werden 10” lang mechanisch gereizt. Die Sepia reagiert sogleicht durch einen energischen Exspirationsakt; die Kon- traktion des Trichters erfolgt stufenweise, und jede Stufe hat eine Höhe von 15 bzw. 19, 38, 44, 40 und 60”"®, Die Kurve sinkt dann wieder rasch, nachdem sie eine kurze Zeit auf der Höhe von 31 "®% verweilt hat (Fig. 17). 10. 11% 1”. Ich reize 10” lang die Sepia mechanisch oben; es erfolgt sofort eine starke Exspiration, und zwar zuerst eine kaum 6"”” hohe Kon- traktion des Trichters; dann tritt eine Gruppe von Kurven ein, die 41 bzw. 26, 38, 35, 49, 28 und 55"M hoch sind, und die Kurve sinkt dann all-. mählich bis zur Abszisse, ja 2" unter die letztere (Fig. 18). TER RER Er ea IE EA NEE ER EU ' menmnmnrssann nn anna b) . 3 y 2 Fig. 19. Fig. 20. Fig. 21. Dies beweist klar, daß ein SEmal na auf die verschiedensten Weisen vor sich gehen kann. 22. Experiment. 31. XII. 07. Temperatur des Wassers 14-1° C. Sepia officinalis. Länge 12.8. Bei diesem Experiment konnte ich gut den Einfluß studieren, den der auf die verschiedenen Körperteile von Sepia einwirkende Reiz auf die Atmung ausübt. Ich konnte feststellen, daß der empfindlichste Teil die Augen sind; dann kommt der untere Teil und die Arme, und endlich der obere Teil und die Schwimmflossen. Betrachten wir nun im einzelnen die verschiedenen beobachteten Erscheinungen: 3. 11% 39° vorm. (26 R. in der Minute.) Die Sepia wird oben 17” lang mechanisch gereizt; die Atmungskurve der Klappe hat sich konstant auf einer Höhe von 1” erhalten. 24” nach Aufhören des Reizes macht das Tier eine kräftige Exspiration. Höhe der Kurven: Trichter 8””, Klappe 16m; es erfolgen nacheinander 30 R. in der Minute (Fig. 19). 4. 11% 41”. Die Arme werden 8” lang mechanisch gereizt. Ehe die Reizung aufhört, steigt die Atmungskurve der Klappe allmählich an (4 "") und erreicht nach und nach eine Höhe von 19"”, worauf sie nach etwa 94 OswALD POLIMANTI: 40” zum Normalen zurückkehrt. Der Mantel ergab 3 Kontraktionskurven, die 4 bzw. 9 und 7% hoch waren (Fig. 20). 5. 11" 44°. (31 R. in der Minute) Die Arme werden 13” lang mechanisch gereizt: die einzelnen Atmungskurven der Klappe, die eine Höhe von 2 bis 3” hatten, sinken bis auf 1””, Die Zahl der Respirationen beträgt 34 in der Minute (Fig. 21). 6. 11% 46. (30 R. pro Minute.) Ich reize die Arme 10” lang mechanisch sehr stark. Die Kontraktionskurven der Klappe steigen von 2mm auf 4 bis 5mm an und sinken dann allmählich, indem sie nach Be- endigung der Reizung zur ursprünglichen Höhe zurückkehren (32 R. pro Minute). Man kann also sagen, daß ein auf die Arme einwirkender sehr starker mechanischer Reiz eine hemmende Wirkung auf die Atembewegungen ausübt, im Gegensatz zu einem schwachen Reiz, der, wie wir oben (bei 4.) gesehen haben, eine entgegengesetzte, d. h. dynamogene Wirkung ausübt. Fig. 22. Fig. 23. Fig. 24. 7. 11% 50°. (38 R. in der Minute.) Die Klappe ergibt Atmungskurven, die eine Höhe von 1 bis 1!/,®® zeigen. Die untere Fläche wird 17” lang sehr stark mechanisch gereizt: die Kurven der Klappen steigen all- mählich an, bis sie eine Höhe von 22%® erreichen; nachdem der Gipfel - erreicht ist, sinken sie dann nach und nach, indem sie stufenweise abnehmen bis zu einer Höhe von 1”® (32 R. in der Minute). Der Mantel ergibt 3 Kontraktionskurven, deren Höhe 3 bzw. 8 und 5!/, "= beträgt (Fig. 22). Mithin ist die Sensibilität der unteren Gegend so vorzüglich, daß sie eine ausgesprochen dynamogene Wirkung auf die Atmung ausübt. 8. 11% 53°. (33 R. pro Minute.) Ich reize 8” lang mechanisch die linke Klappe und die Mantelhöhle. Die Atmungskurve der rechten Klappe steigt von 1”® bis auf 3 bis 4" und kehrt sofort nach Beendigung der Reizung zur ursprünglichen Höhe zurück (31 R. in der Minute). Mithin hat ein auf das Mantelinnere wirkender mechanischer Reiz keinen großen Einfluß ausgeübt, sondern vielmehr, wie es scheint, eine leichte Verlangsamung der Atemzüge bewirkt. 9. 11% 55°. (31 R. in der Minute.) Ein 7” lang auf das linke Auge einwirkender mechanischer Reiz hat zur Wirkung, daß die Atmungskurve BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 95 der Klappe nacheinander bis zu 13 bzw. 18, 25 und 19m ansteigt; die Kurve kehrt dann rasch zur Abszisse zurück und hat wieder die normale Höhe von 1 bis 1!1/,"®, wie sie ungefähr vor Beginn des Experimentes war (2 bis 2!/),"® bis 34 R. in der Minute). Der Mantel ergab gleichzeitig zwei rasche Kontraktionen, die 5 bzw. 5" hoch waren. Mithin hat der auf das Auge einwirkende Reiz eine starke dynamogene Wirkung ausgeübt (Fig. 23). 10. 11% 59. (34 R. pro Minute.). Ich reize die Arme leicht mit einem Glasstäbehen. Die Atmungskurve der Klappen (jede einzelne Respiration variierte an Höhe zwischen 2 und 5") stieg rasch an bis zu Höhen von 15—33—30"" und sank dann langsam, bis sie den gewöhnlichen Typus wieder erreichte (Höhe 1%® — 38 R. in der Minute). Der Mantel ergab gleichzeitig 3 Kontraktionskurven von einer Höhe von 5 bzw. 4 und 5!/, mm (Fig. 24). Also übt ein auf die Arme einwirkender leichter Reiz zweifels- ohne eine dynamogene Wirkung auf die Atmung der Sepia aus. Na N 4 —(— BEER / £ / fi N / ee a EEE EER k KM A Au at ES NN, N TE nun Fig. 25. Fig. 26. 11. 12% 1”. Auch bei einem normalen, starken Exspirationsakt, auf den kein Reiz einwirkt, zeigt sich eine Zunahme der Zahl der Respirationen nach dieser Exspiration; vor der letzteren waren nämlich 27 R. in der Minute zu zählen, unmittelbar danach aber 33. Der Exspirationsakt dauerte etwa 20”, wobei die Klappe 3 Haupt- kontraktionskurven von 19 bzw. 16 und 22" Höhe ergab; der Mantel dagegen ergab 2 Kurven von 9 und 5” Höhe (Fig. 25). 12. 12% 2°. Ich bringe einige Tropfen Nelkenöl in das Bassin, in welchem sich die Sepia befindet und schüttele dessen Inhalt, um zu sehen, welchen Einfluß ein auf den Atmungsapparat einwirkender chemischer Reiz (Essenz) auf die Atmung ausübt. Die Zahl der Klappenatmungen schwankt sofort zwischen 35 und 36 in der Minute und eine jede hat eine Höhe von 1 oder 1!/,"=. 65” nach Einführen des Nelkenöls in das Bassin beginnt eine sehr schöne periodische Reihe von starken Exspirationsakten (deren Zahl 12 beträgt). Die Klappe zeigt wirklich sehr schöne, charakteristische Kurven, die rasch, dann langsam stufenweise ansteigen, worauf sie allmäh- lich sinken (ihre Höhe schwankt zwischen 10 und 27”), Der Mantel be- teiligt sich fast gar nicht an diesen Exspirationskurven; er ergibt nur kleine 96 / OSWALD POLIMANTI: (zwischen 1 und 7”” schwankende) Kurven, die denen der Klappe ent- sprechen. Ungefähr 5’ nach Einwirken des Nelkenöls ist die Atmung gleich Null geworden, weshalb ich das Experiment abbreche (Fig. 26). Mithin hat ein vermittelst des ins Mantelinnere inspirierten Wassers eingeführtes Reizmittel. (Essenz) zur Wirkung, daß das Tier energische Ex- spirationen macht, als ob es den lästigen Reiz entfernen wolle. 23. Experiment. 31. XII. 07. Temperatur des Wassers 14-4° C, Sepia offieinalis. Länge 13-7", 1. 227’ nachm. (26 R. in der Minute.) Sobald ich die Cornea des linken Auges reize, zeigt sich eine ausgesprochen hemmende Wirkung auf die Atmungskurve der Klappe; diese Wirkung dauert 8” lang. Die 6" hohen Atmungskurven sinken dann bis auf den Nullpunkt. Sobald der Reiz aufhört, steigen sie wieder an (sie haben eine Höhe von 6 bis 8”m). Der Mantel hat keine Kurve ergeben (25 R. pro Minute). i% IX tor Mil, ZUMAL an > NANnnARAAA PETRUS NER KA, Uunimananaann ı { Fig. 27. Fig. 28. In diesem Falle haben die sensiblen Nerven der Cornea auf die ver- schiedenen Ganglien des Zentralnervensystems eingewirkt, welche die Atmung regulieren; die Wirkung hat auch nach dem Aufhören des Reizes fort- gedauert, weil die Zahl der Atembewegungen abgenommen hat (Fig. 27). 2. 2% 12°. (27 R. in der Minute.) Nachdem ich eine normale Kurve erhalten habe, reize ich mit einem Glasstäbchen die linke Atmungsklappe und die entsprechende Hälfte der Mantelhöhle. Beinahe sofort tritt ein Stillstand in der Atmung der Klappe ein, der 13” dauert (die betreffenden Atmungskurven sinken von 7 bis 5" auf 2 bis 3=m). Nach Beendigung der Reizung nehmen die Kurven wieder allmählich an Höhe zu, erreichen jedoch die ursprüngliche (4 bis 4!/, ®®) nicht mehr (33 R. pro Minute). 3. 2% 17’. (24 R. in der Minute.) Ich reize 7” lang die Arme der Sepia leicht mit einem Glasstäbchen. Die Atmungskurve der Klappe (untere) wird sehr unregelmäßig und nähert sich fast dem Nullpunkt (hemmende Wirkung); sie ergibt eine normale Höhe von 3 bis 4+”® und ist an einigen Stellen negativ, während sie an anderen 2 bis 3" erreicht. Gleichzeitig zeigt der Mantel (obere Kurve) energische exspiratorische Kontraktionen (dynamogene Wirkung), BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 97 die sogar. eine Höhe von 30 und 60”” erreichen. Diese Unregelmäßigkeit dauert 22°, worauf die Klappenkurve allmählich wieder normal wird (27 R. pro Minute); gleichzeitig nehmen die Atembewegungen, wie man sieht, zu, während sie allmählich an Höhe abnehmen (von 7” bis zu2"a am Ende der Beobachtung). Dieser Antagonismus zwischen der Wirkung der Atmungs- klappe und der des Mantels ist eine interessante, bemerkenswerte Tatsache (Fig. 28). 5. 2" 30°. Nach einem kräftigen Exspirationsakt, an welchem sich sowohl Mantel als Klappe durch energische Kontraktionskurven beteiligt haben, nehme ich wieder eine normale Kurve der Klappe auf (27 R. in der Minute, Höhe 3 bis 4”), Ich reize die Sepia 21” lang auf dem Rücken mit einem Glasstäbchen. ‚Die Atmungskurve steigt nicht nur, bis über die Abszisse an, sondern jede einzelne Kurve nimmt auch während fast der ganzen Dauer der Reizung an Höhe zu (4 bis 5?/,"m) (31 R. pro Minute). Nach Aufhören des Reizes kehrt sie zur Normalen zurück (Höhe 2!/, bis mm bis 28 R. in der Minute). In diesem Falle hat die leichte Reizung des Rückens eine dynamogene Wirkung, auf die Atmung ausgeübt. 6. 24 32°. (33 R. in der Minute) Die Höhe der Atmungskurve der Klappe schwankt zwischen 1 und 1!/,"®. Ich reize 11” lang die linke Klappe und zum Teil die Mantelhöhle in ihrem vorderen Abschnitt; die Atmungs- kurve steigt allmählich leicht von der Abszisse an (dynamogene Wirkung), wobei jede einzelne Respiration hinsichtlich der Höhe wie auch der Zahl der Atemzüge fast gleich ist. Nach Aufhören der Reizung sinkt sie wieder und kehrt zur normalen Höhe zurück. Auch der Mantel ergibt eine Kurve, die zu gleicher Zeit wie die der Klappe um 1 bis 1!/, "m angestiegen ist. 7. 2% 40%. (27 R. in der Minute.) Die Höhe der Kurven der Atmungs- klappe schwankt zwischen 6 und 5", DBei diesem Versuch handelt es sich darum, zu untersuchen, welchen Einfluß auf die Atmung eine träge Flüssig- keit wie die Milch, die jedoch mit der Erhaltung der respiratorischen Funk- tion nichts zu tun hat, ausübt, wenn sie ins Mantelinnere gebracht wird. Ich führe während einer Zeit von 45” mittels einer Pipette Milch in die Mantelhöhle ein. Sofort beginnt bei der Sepia eine Reihe von Respirationen der Atmungsklappe (29 R. in der Minute), die häufiger und weiter sind als die während des normalen Zustandes ausgeführten (9 bis 10”). Gegen das Ende, als ich im Begriffe bin, mit Einführung der Milch aufzuhören, zeigen sich Kurven, die 4 bis 5”"" hoch sind. Sobald ich aufgehört habe, behalten die Atmungskurven noch immer eine Höhe von 4 bis 5"; ihre Zahl beträgt 33 in der Minute. Mithin ist auch eine in die Atmungswege eingeführte träge Flüssigkeit imstande, die Zahl der Atemzüge zu erhöhen, um so die Respirationswege viel eher und leichter von einer zur Einatmung nicht geeigneten Flüssigkeit zu befreien (Fig. 29). 3A. Experiment. 12. XII. 07. Temperatur des Wassers 12.7° C. Sepia officinalis. Länge 13-6". 1. 3% nachm. (40 R. in der Minute.) Die Kontraktionen des Trichters und der Klappe werden gleichzeitig aufgeschrieben. Letztere ergibt Kon- traktionen, deren Höhe zwischen 7 und 9" schwankt. Der Triehter zeigt keine starken Kontraktionen. Die linke Cornea wird 12” lang mit einem Glasstäbehen gereizt. Sowohl Klappe als Trichter ant- Archiv f.A.u. Ph. 1912. Physiol. Abtlg. 7 98 OswALD POLIMANTI: worten mit einer sehr hohen Kontraktionskurve (Exspirationsakt); die der ersteren erreicht eine Höhe von 11”, die der letzteren eine von 30 ®m, Die Atmungskurve der Klappe sinkt rasch, bis sie unmittelbar nach Be- endigung der Reizung zur normalen zurückkehrt (Höhe 7 bis 9 ==); die des Trichters dagegen erhält sich, wenn sie auch fortwährend sinkt, bis zum Ende der Beobachtung wenigstens 4m” hoch. Die alle 10” gezählten Respirationen ergaben dann in der Minute eine Zahl von 36 bzw. 48, 42 44 und 48 R. 2. 3% 30°. (36 R. in der Minute) Die Atmungsklappe ergibt Kurven, deren Höhe zwischen 7 und 9"= schwankt. Ein Glasstäbchen wird auf der linken Seite ins Mantelinnere gesteckt und 11” lang darin gelassen. Klappe und Trichter, besonders aber erstere, ergeben eine starke Exspirations- bewegung; die Kurve der Klappe erreicht nämlich eine Maximalhöhe von 25mm, worauf sie rasch sinkt und dann die ursprüngliche Höhe erreicht. Fig. 29. Fig. 30. Die gleichzeitig erfolgenden Kontraktionen des Triehters sind nieht sehr energisch (2 bis 4 m), Zahl der R. in den ersten 10” 30; dann erfolgen wieder 36 R. in der Minute. 3. 36 38°. (36 R. pro Minute.) Sobald ich mit einem Glasstäbehen über die Arme streiche, antwortet die Sepia mit einer sehr energischen Exspirationsbewegung, um den Reiz zu entfernen. Sowohl Klappe als Trichter ergeben Kurven, die stufenweise allmählich ansteigen; die erstere erreicht eine Höhe von 46 "”, die zweite eine solche von 38"°®, Die Kurve der Klappe bleibt dann 12"®, die des Trichters nur 1®® über der Abszisse. 4. 3550. (39 R. pro Minute) Die obere Fläche der Sepia wird 12° lang mit einem Glasstäbchen gereizt; das Tier reagiert durch eine energische Exspirationsbewegung. Es erfolgen zwei sehr energische Kon- traktionen sowohl des Trichters, der eine Kurve von 65 "= erreicht, als auch des Mantels, der eine 39 "== hohe Kurve ergibt. Die Trichterkurve kehrt nach 20” zur Norm zurück, während die Klappenkurve bis zum Ende der Beobachtung 10 "= über der Abszisse. bleibt; ihre einzelnen Atmungskurven haben eine zwischen 2 und 4”” schwankende Höhe. j 5. 3% 56°. (40 R. in der Minute.) Bei dieser Beobachtung ist eine sehr starke Exspirationsbewegung gut zu verfolgen und zu analysieren, an BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 99 der sich Trichter und Klappe beteiligen. Nachdem ein Typus von normaler Atmung 12” lang gedauert hat, zeigen sich Veränderungen der Atmungs- kurve sowohl bei der Klappe als auch beim Trichter; beide erheben sich über die Abszisse, wobei die Kurve der ersteren Höhen von 7 bis 12 mm, die des letzteren von 1 bis 8” erreicht. 37” nach diesem „Atmungs- zustand“ erfolgt der wahre Exspirationsakt: die Klappe ergibt eine stufen- mäßig (21—35— 35”) ansteigende Kurve, die dann allmählich wieder sinkt, ohne jedoch zur Abszisse zurückzukehren, sondern indem sie 10" über ihr bleibt. Auch der Trichter zeigt denselben Typus einer Kurve, die stufenweise (25—35— 42") ansteigt. Die Zahl der Respirationen sinkt von 48 auf 36 (Fig. 30). 4. Experiment. 15. XII. 07. Temperatur des Wassers 13.29 €, Sepia offieinalis. Länge 12.9 m, 1. 3% 24° nachm. (32 R. in der Minute.) Ich entnehme gleichzeitig N AN, 4 et, a LT UENETIERTERT) INAMIRUUNVINUYRAARAANENENAA WAT POTRAUURN | LORORR die Atmungskurven des Mantels, des Trichters und der Klappe. Ich streiche leicht mit einem Glasstäbehen 12” lang über die Enden der Arme: Der Mantel kontrahiert sich nicht sehr energisch; er ergibt eine Gruppe von Kurven, von denen einige unter der Abszisse bleiben und deren Maximal- höhe 6" beträgt; nach 18” kehrt er zum Nullpunkt zurück. Der Trichter dagegen beteiligt sich lebhafter an diesen Exspirationen, da er eine Kurve ergibt, die allmählich auf 3—37—44—43"® ansteigt und dann nach und nach sinkt, um am Ende der Beobachtung sich noch 5%" über der Abszisse zu halten. Auch die Klappe zeigt eine Kurve, die auf 8S—20—-25— 26 um ansteigt, um dann ebenfalls, wie die des Triehters, nach und nach zu sinken und am Ende der Beobachtung sich auf 4”” zu halten: die einzelnen Atmungskurven, die zuerst 1%= hoch waren, erreichen allmählich eine Höhe wonesun.(Hie.sl): 2. 38 34°. Ich reize 15” lang mechanisch längs der linken Flosse. 3. 32 44°. Die obere Fläche wird 15” lang mechanisch gereizt. 5. 328.49, Lichtreiz (elektrische Lampe: 32 Kerzen), der :15” dauert. Diese drei Reize haben die nämliche Wirkung auf die Atmung der Sepia 75 100 OswALD POLIMANTI: und speziell auf die Atmungskurven der Klappe ausgeübt; die letzteren nehmen während der ganzen Dauer der Reizung an Volumen ab (im normalen Zustand waren sie 3 bis 4””® hoch und wurden auf 2 bis 3"M reduziert, haben also um !/, abgenommen). Die Zahl der Respirationen ist vor und nach der Reizung fast die gleiche geblieben (32 bis 34 R. pro Minute). Mantel- und Trichterkurven zeigten keine Schwankungen. 4. 34 46’. 6. 3% 52°. Bei diesen beiden Versuchen, die einander voll- kommen gleich waren hinsichtlich der Wirkung, die der während des gleichen Zeitabschnittes (17”) auf die Arme einwirkende mechanische Reiz zur Folge hatte, war der Typus der Atmungskurven des Mantels, des Trichters und der Klappe (da das Tier auf diesen Reiz durch eine sehr starke Exspirations- bewegung reagierte) vollkommen der gleiche; nur die Höhe war verschieden: Mantel: beim 4. Versuch ergab sich eine Gruppe von 9 Kurven, die allmäh- lich anstiegen und dann wieder sanken, wobei ihre Höhe zwischen 1 und 12”°m schwankte. Beim 5. Versuch ergaben sich 6 Kurven, die anstiegen und wieder sanken, indem ihre Höhe zwischen 1 und 12"® schwankte. Fig. 32. Fig. 33. Trichter: Beim 4. Versuch zeigte sich eine Kurve, die allmählich um 61/,—14—40—45—54—55—53 "m anstieg, wobei ebenso viele kleine Ein- zackungen zu konstatieren waren. Beim 5. Versuch stieg die Kurve auf 8 bzw. 21, 25, 43, 50, 50, 51 und 52". Beide Kurven sanken dann rasch, blieben aber dann 4 bis 5"M über der Abszisse. Klappe: beim 4. Versuch ergab sie eine Atmungskurve, die allmählich auf 7 bzw. 19, 22, 26, 26, 27 und 28"”, beim 5. Versuch dagegen auf 3; 6,.:6, 16, 18, 20, .21, 22, 23 und 253". anstieg. Dann sanken beide nach und nach, blieben jedoch bis zum Ende der Beobachtung 4 "" über der Abszisse. Die Zahl der Respirationen betrug bei Beginn des 4. Versuches 42 und schwankte am Ende des Versuches zwischen 42 und 36. Beim 5. Versuch betrug sie anfangs 45, zuletzt 36. Es ist also ohne Zweifel eine beträchtliche Abnahme eingetreten, viel- leicht als Kompensation für die große Arbeit, die der innere Atmungs- apparat während der erzwungenen Exspiration geleistet hat (Figg. 32 u. 33). BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 101 19. Experiment. 28. XII. 07. Temperatur des Wassers 13-1° C. Sepia officinalis. Länge 12.8, 1. 2" 55° nachm. (20 R. in der Minute.) Die Cornea des linken Auges wird 5° lang gereizt: die Atmungskurve der rechten Klappe wird unregelmäßig und sinkt von 4”"” auf 1!/,””; dann steigt sie wieder rasch an und kehrt so zu normalen Verhältnissen zurück. Mithin hat in diesem Falle die Reizung der sensiblen Nerven der Kornea eine dynamogene Wirkung (Exspirationsakt) ausgeübt. Gegen Ende des Versuches war die Zahl der Respirationen auf 15 in der Minute herunter- gegangen. 2. 245% (19 RR. in der Minute.) Ich halte 10” lang ein Glasstäbchen in die Höhle der linken Mantelhälftee Die Atmungskurven der Klappe sind rasch gesunken (von 3"® auf 1”) und haben an Frequenz abgenommen Fig. 34. ‘Fig. 35 Fig. 36. (18 R.). Gegen Ende der Reizung trat eine 4” dauernde Atmungspause ein, deren Kurve zu normaler Höhe zurückkehrte, während die Abnahme der Respirationen (18 R.) konstant blieb. 20. Experiment. 28. XII. 07. Temp. des Wassers 13-1°C. Sepia offieinalis. Länge 11.9". Bei diesem Experiment beobachtete ich konstante Ersche hin- sichtlich des Einflusses, den die auf die verschiedenen Körperteile einwirken- den Reize auf die Atmung ausübten. Ich will sie deshalb lieber in einzelne Gruppen einteilen, damit die Vergleichung der verschiedenen Beobachtungen deutlicher zutage tritt. 2. 10% 17° vorm. — 10. 11" 9° vorm. Die linke Atmungsklappe wird 12” lang mechanisch gereizt. Jedesmal zeigte sich gleich nach Beginn der Reizung ein Sinken der Atmungskurve auf seiten der Atmungsklappe (etwa 141; am unter die Abszisse); gleichzeitig haben die einzelnen Kurven an Höhe abgenommen (von 1 bis 1!/,=" auf !/,”® reduziert). Die Zahl der Atem- züge ist von 32 bis 34 in der Minute auf 29 bis 30 herabgegangen. Mithin übt ein auf einen Teil der Atmungswege wirkender mechanischer Reiz eine hemmende Wirkung auf die Atmung aus (Figg. 34 u. 35). 102 OswALD POLIMANTI: 9. 11° 7° vorm. — 18. 11" 12° vorm. Die Hornhaut des linken Auges wird 4° lang mechanisch gereizt. Die Antwort auf diesen Reiz war von seiten der Klappe unzweifelhaft dynamogener Art, und zwar mehr beim zweiten als beim ersten Experiment. Die Zahl der Atemzüge hat jedoch in beiden Fällen abgenommen, vielleicht um die vom Tiere ausgeführte Ex- spiration zu kompensieren. Beim ersten Experiment stieg sofort nach Beendigung der Reizung die Atmungskurve der Klappe auf 5“"%; beim zweiten dagegen zeigte sich eine Gruppe von drei Kurven, die bis zu 16” anstiegen und dann allmählich wieder zur Norm zurückkehrten. Die Zahl der Atemzüge sank beim ersten Experiment von 36 auf 31, beim zweiten von 40 auf 33 (Figg. 36 u. 37). 3. 10% 47° vorm. Die Sepia versucht sich von dem lästigen Reiz zu befreien, den ein durch den Trichter behufs Entnahme der Atmungskurve geführter Faden ausübt (34 R. in der Minute). Die Atmungskurve der Klappe steigt rasch auf 22" und bleibt fast immer auf dieser Höhe Fig. 37. Fig. 38. (zwischen 22 und 19%) 15” lang, worauf sie allmählich sinkt. Die Klappe wird also, um diese Arbeit zu leisten, gegen den oberen Rand des Mantels getrieben und versucht hier durch kleine, wiederholte Exspirationsbewegungen eine Anstrengung zu machen, um sich des lästigen Reizes zu entledigen. 7. Experiment. 16. XII. 07. Temp. des Wassers 13-.4° C. Sepia officnalis. Länge 12.8. Bei diesem Experiment gelang es, gleichzeitig Kurven der Atem- bewegungen des Mantels, des Trichters und der Klappe aufzunehmen, die sich besonders deutlich ausprägen, wenn ein mechanischer Reiz .auf ver- schiedene Körperteile der Sepia einwirkt und das Tier durch eine Exspira- tionsbewegung reagiert. a 3. 10% 4° vorm. Die Arme werden 20” lang mechanisch gereizt. Der Mantel antwortet erst 7’ nach Beginn der Reizung mit 4 Gruppen kleiner Atmungskurven, die bis zu 4 bzw. 6 bis 7 und 14%" ansteigen, worauf die Kurve (obere) endlich zur Abszisse zurückkehrt. Triehter und Klappe hingegen reagierten sofort auf den Reiz durch eine sehr ausgesprochene und charakteristische Exspirationskurve. Die Atmungskurve BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 103 (mittlere) des Trichters stieg stufenförmig bis auf 8 bzw. 18-26-35-42-48", die des Mantels (untere) gleichzeitig auf 7 bzw. 11, 23, 25%, Beide Kurven blieben gegen das Ende der Beobachtung 10" über der Abszisse. Also be- teiligen sich an dieser Exspirationsbewegung namentlich die Klappe und der Triehter, ganz sekundär und in einem zweiten Tempo auch der Mantel (Fig.38). 7. 10% 31’ vorm. Ich reize 17” lang die Hornhaut des linken Auges mit einem Glasstäbchen. Das Tier antwortet mit einer sehr starken Exspira- tion; an diesem exspiratorischen Akt beteiligen sich zuerst der Trichter, dann die Klappe und endlich der Mantel. Letzter ergibt 8” nach Beginn der Reizung eine Gruppe von Atmungskurven, deren Höhe nacheinander 31 bzw. 13, 16, 15, 30% beträgt. Der Trichter dagegen reagierte sofort durch Kontraktionen, die allmählich bis zu 26 bzw. 29—52— 42 —48— 48 — 55" anstiegen, worauf er 13"® über der Abszisse blieb. Fast gleichzeitig be- gann eine Kontraktion der Klappe, die nach und nach auf 2 bzw. 3—13—20—18"" anstieg und dann zur Abszisse zurückkehrte. Fig. 39. Fig. 40. Fig. 41. Mithin beginnt bei der erzwungenen Exspiration stets der Trichter; dann beteiligt sich die Klappe daran und in sekundärer Linie der Mantel (Fig. 59). 8. 10% 38° vorm. Die untere Fläche wird 10” lang mit einem Glas- stäbchen mechanisch gereizt. Als Antwort erfolgt eine starke Exspirations- bewegung, die der Trichter sofort beginnt; dann folgen die Klappen und später (nach 7°) beteiligt sich auch der Mantel daran. Letzterer ergibt eine Reihe von Kontraktionen, deren Höhe nacheinander 6 bzw. 27— 39 —22— 4452 — 59 "m beträgt. Auch der Trichter ergibt eine Kontraktion, die stufenförmig allmählich bis zu 6 bzw. 23—29—36—43—50—55—60— 80 —55— 30 "” ansteigt. Die Klappe zeigt ihrerseits eine Kontraktion, die von 5 auf 8, 11, 19, 25% ansteigt und dann auf 24 und 21" herabgeht. Der Exspirationsmechanismus wirkt also stets auf dieselbe Weise (Fig. 40). 9. 10% 47’ vorm. Ich führe ein Glasstäbchen links in die Mantelhöhle ein und reize das Mantelinnere 18” lang; das Tier reagiert durch eine starke Exspirationsbewegung. 104 OswALD POLIMANTI: Der Mantel reagiert nach 7” mit einzelnen Kurven, die eine Höhe von 9 bzw. 15—25 —32 —10—15—11—15—25—26 —14"" erreichen, worauf sie zur Abszisse zurückkehren. Trichter und Klappe beantworten den Reiz sofort, ersterer mit einer Kontraktionskurve, die stufenförmig an- und absteigt — 6 bzw. 8—16—18—22 —22 —49I—53—50—42—30””" — und 13" über der Ab- szisse bleibt; die der Klappe erreicht die Gipfel 5 bzw. 51/,—6—7—14, 15 "m und bleibt dann 3” über der Abszisse. Auch hier erfolgt die Exspiration stets auf die gewohnte Weise (Fig. 41). 11. 11% 8° vorm. Die Arme werden 10” lang mechanisch gereizt. Sofort erhalte ich eine starke Exspiration von seiten der Sepia, an der sich sofort der Trichter beteiligt; nach 3 bis 4” folgen fast gleichzeitig der Mantel und die Klappe. Eig. 422 7. Fig. 43. Der Mantel ergibt eine Gruppe von 14 Kontraktionen, deren Höhe zwischen 2 und 52"”" schwankt, der Trichter ergibt Atmungskurven, die aufeinander folgend zwischen 4 und 60% schwanken. Diese beiden Arten von Kurven erreichen dann in ihrem Abstieg wieder die Abszisse. Die Klappe ergibt eine einzige Kurve mit vielen Zacken, deren Höhe zwischen 6 und 30"“"® schwankt; sie sinkt dann wieder und bleibt 12” über der Abszisse. 8. Experiment. 16. XII. 07. Temp. des Wassers 13.7° C. Sepia offieinalis.. Länge 15-2. 9. 2% 37‘ nachm. Um die bei einer normalen Atmung des irereR er- folgenden Kontraktionskurven besser zu analysieren, bringe ich die Trommel an, auf welchem das geschwärzte Papier sich mit großer Geschwindigkeit umdreht. Die Zeit wird in Fünftelsekunden ausgedrückt (Fig. 42). Die Kurven des Mantels, Trichters und der Klappe werden genau beob- achtet. Der am meisten tätige Teil ist, wie man deutlich sieht, die Klappe, deren Kontraktionen stets denen des Trichters vorausgehen. Der Mantel tritt beinahe gleichzeitig mit dem Trichter in Tätigkeit. An der Atmung beteilist sich der Mantel wenig; bisweilen kontrahiert er sich gar nicht, während Trichter und Klappe sich kontrahieren. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 105 3. Experiment. 11. XII. 07. Temp. des Wassers 13-8° C. Sepia offeinalis. Länge 12", 1. 230° nachm. Ich lasse gleichzeitig die Kurve des Trichters und die der Klappe aufschreiben. Die Sepia hat spontan eine sehr starke Ex- spirationsbewegung gemacht, wobei eine sehr charakteristische Erscheinung auf seiten der Klappe zu beobachten war. Während der Trichter mit einer sehr energischen Kontraktionskurve (obere) antwortete, die anfangs stufenförmig bis zu 36" anstieg, den Gipfel bei 41 ®= erreichte und dann ganz allmählich wieder bis zur Abszisse sank, hat die Klappe sich hingegen ganz anders verhalten. Sie zeigte keine Gruppe von den energischen Atmungskurven (untere), die immer jede erzwungene Exspirationsbewegung begleiten, sondern nachdem sie 20” lang eine sehr unregelmäßige Atmungskurve ergeben hatte, zeigte sie Atmungskurven, die während der folgenden 20” nach und nach von 1 auf 9m anstiegen; Fig. 44. Fig. 45. Fig. 46. dann folgten Kurven, die allmählich von 9 auf 1 herabgingen. Es ergab sich eine Kurve, die das Bild einer wahren Spindel zeigte. Die Klappe ergab nacheinander Atmungskurven, die zwischen 1 und 2%” schwankten, der Trichter solche von einer Höhe von !/, bis 1"® (31 R. pro 1 Minute) (Fig. 43). Dieses Experiment eignet sich vortreffllich zum Studium der ver- schiedenen Arten von Kurven, die der Trichter während einer erzwungenen Exspirationsbewegung ergibt, und die auf mechanische Reizungen der ver- schiedenen Körperteile folgen. 8. 3% 6° nachm. Die Hornhaut des linken Auges wird 5” lang mecha- nisch gereizt (44 R. in der Minute vor der Reizung). Der Trichter zeigt eine sehr charakteristische Kurve, die nach und nach ansteigt, indem sie 6 Erhebungen von je 15—16—16— 54—47—48"m Höhe zeigt. Dann sinkt sie allmählich wieder, wobei sie gleichzeitig kleine Atmungskurven von einer Höhe von 1" zeigt; ihre Dauer betrug 36”, bis sie zur Abszisse zurückkehrte. Die Atmungskurve der Klappe erreichte nacheinander eine Höhe von 6 bzw. 8—91/,—10—15""" und dauerte, wie die des Trichters, 36” (44 R. pro Minute) (Fig. 44). 106 OswALp POLIMANTI: 12. 3% 16° nachm. Die Sepia macht spontan eine starke Exspirations- bewegung, die 33° dauert (38 R. in der Minute). , Die Kurve des Trichters ist sehr charakteristisch, weil sie stufenförmig allmählich bis zu 5!/, bzw. 10—12!/,-—30—41—55%” ansteigt und dann 10”m über der Abszisse bleibt. Die Klappenkurve steigt auf 3 bzw. 5—5 —7—8—10%" und kehrt dann zur Abszisse zurück (45 R. in der Minute) (Fig. 45). 13. 3% 17° nachm. (45. R. pro Minute) Die Kurven werden fort- während ohne Unterbrechung aufgenommen. Die untere Fläche wird 17” lang mechanisch gereizt. Es erfolgt eine sehr starke Exspirationsbewegung: die Triehterkurve steigt auf 32%”, sinkt auf 30, um auf 48 zu steigen, auf 33 zu sinken, wieder auf 49 zu steigen, auf 16 zu sinken und dann 50 zu erreichen; hierauf sinkt sie nach und nach und erhält sich dann 5%" über der Abszisse. Die Atmungskurve der Klappe steigt auf 8" und sinkt wieder auf 6", um auf 8!/, zu steigen, wieder auf 7 zu sinken und dann die Maximalhöhe 'von 11” zu erreichen; nachdem sie dann auf 5 W= zurückgekehrt ist, steigt sie auf 10 und kehrt dann nach und nach wieder zur Abszisse zurück (Fig. 46). Es ist zu bemerken, daß vor und nach diesen beiden Experimenten (12 und 13) die Atmung den periodischen Typus an- nahm, wie wir unten sehen werden. | 16. 3% 36° nachm. Die Arme werden 10” lang mechanisch gereizt. Es erfolgt eine starke Exspiration von seiten der Sepia. Der Trichter antwortet mit einer Kurve, die bis zu S"® ansteigt, dann auf 24 und auf 17 sinkt, um wieder auf 36 bis 47 "m zu steigen; so steigt sie 5” lang rasch an und sinkt dann ganz allmählich, bis sie nach 17” die Abszisse erreicht. Die Klappenkurve war sehr unregelmäßig (Fig. 47). 17. 3% 37° nachm. Ich fahre mit Aufnahme der Kurve fort; die Sepia macht spontan eine sehr starke Exspirationsbewegung. Die Trichterkurve steigt rasch auf 57 "m, sinkt auf 50, steigt auf 55, um wieder auf 51 zu sinken; dann steigt sie wieder auf 61%” und steigt ganz allmählich von dieser Höhe herab, um 1” nach Beginn der Exspiration die Abszisse zu erreichen. Die Exspirationskurve stieg kaum 6"” über die Abszisse und hatte eine Dauer von etwa 20°. Es ist interessant zu sehen, daß eine und dieselbe Funktion auf so verschiedene Weisen ausgeübt werden kann (Fig. 48). 11. 3% 14° nachm. Die linke Klappe wird 15” lang ganz leicht mecha- nisch gereizt. Sofort macht die Sepia eine leichte Exspirationsbewegung, an der sich, wie immer, namentlich der Trichter beteiligt. Seine Kurve steigt auf 211/,®, sinkt wieder auf 11, um sofort auf 22 zu steigen; dann fällt sie wieder auf 4”%, um wieder 22" zu erreichen, worauf sie zur Abszisse zurückkehrt. Die Klappe antwortet mit zwei 5" hohen Atmungs- . kurven. Sehr charakteristisch ist die auf diese Exspirationsbewegung folgende Kurve; sie zeigt einen periodischen Typus, d. h. sowohl Trichter als Klappe ergeben periodisch viel höhere Atmungskurven (5 bis 6%) als die anderen (2 bis 1%). Dieser Kurventypus dauerte bis zum Ende des Experimentes fort (42 R. pro Minute) (Fig. 49). 15. 3%. 19° nachm. Die Respiration zeigt einen periodischen Typus, der namentlich auf seiten des Trichters charakteristisch ist; die Klappen- kurve dagegen zeigt nichts Abnormes, außer einigen Erhebungen, die eben der größeren Höhe der Atmungskurven des Trichters entsprechen. Letzterer BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 107 zeigt immer nach 1—2—5—4 Atmungskurven von einer mittleren Höhe von 1 bis 5 eine,’die 6—10—11"" hoch ist. Es scheint kein modi- fizierender Faktor der Atmung sich einzumischen und es ist. anzunehmen, daß sie bei den Cephalopoden von physiologischer Natur ist (Fig. 50). 11. Experiment. 8. XIL. 07. Temp. des Wassers 12-9° C. Sepia offieinalis. Länge 12.9", 1. 12 20’ nachm. (43 R. pro Minute.) Die Hornhaut des linken Auges wird 8” lang mechanisch gereizt. . Es zeigte sich eine hemmende Wirkung auf die Atmung: die Kurven (obere) des Mantels sanken während der ganzen Fig. 49. Fig. 51. Dauer des Experimentes von 1"" auf wi mm die des Trichters (mittlere) von 2 auf 1% und die der Klappe (untere) von 5 auf 2 bis 21/,”®. Diese Abnahme dauerte, solange der Reiz einwirkte; dann nahmen die Kurven wieder ihr normales Aussehen an. Ein charakteristisches Merkmal, das die Kurven des Mantels sowohl als auch die des Trichters zeigten, bestand darin, daß sie alle gezackt waren, was bedeutet, daß Mantel und Trichter während der Atmung gleichzeitig kleine Kontraktionen ausführen; dies beobachtet man besonders deutlich bei den Kurven, die man erhält, nachdem der Reiz auf- gehört hat. Es kann von demselben Zustand der Übererregbarkeit herrühren, in den diese beiden Teile infolge der mechanischen Reizung geraten (Fig. 51). 108 OswALD POLIMANTI: 2. 1% 22° nachm. Mit einem Glasstäbchen werden die Arme 15” lang gereizt: das Tier ergreift sofort mit letzteren das Stäbchen, mit dem es gereizt wurde, und hält es 21” lang fest, um es dann loszulassen. Es reagiert durch eine starke Exspiration, der Mantel ergibt eine Kurve, die bis zu 43 "WM ansteigt und dann 30 ""» über der Abszisse bleibt; die Kurve des Trichters steigt allmählich ge- zackt an und erreicht eine Höhe von 40 "a, um dann 22 =” über der Abszisse zu bleiben; die Klappen- kurve steigt, solange die Arme ge- reizt werden, auf 5-5", dann auf 10 bis 11m während der Zeit, in welcher das Tier das Stäbchen fest- hält, um, sobald es losgelassen hat, zum Normalen zurückzukehren, was Fig. 52. bedeutet, daß sofort nach dem Auf- hören der Anstrengung (erzwungener Exspirationszustand und mithin sehr beschränkte Atmung) die Respiration wieder normal wird. Nach Aufhören der Reizung zeigten sich Schwankungen der Atmung (36—30—37—36 R. in der Minute) (Fig. 52). 3. 1% 31’ nachm. (30 R. pro Minute) Das Tier macht eine sehr starke Exspirationsbewegung, die 24” dauert und an der sowohl Mantel als Trichter und Klappe gleichzeitig einen sehr tätigen Anteil nehmen. Letztere, deren Kurven normal 4”"® hoch sind, zeigt beim Exspirationsakt eine Kurve, die allmählich bis zu 10 bzw. 16, 18, 19" ansteigt; nachdem sie diese MA Fig. 53. Fig. 54. Grenze erreicht hat, sinkt sie nach und nach wieder. Die Kurve des Trichters steigt von: 0-5 bis 12% bis auf 9—135-15—18— 17", Der Mantel endlich ergibt eine Kurve, die allmählich von 0-.5"” bis auf 9.5 bzw. 20--25—30— 26" ansteigt. Alle drei Kurven sinken dann nach und nach, bis sie die Abszisse erreichen (34 R. pro Minute). Dies bedeutet, BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 109 daß gegen das Ende der starken Exspirationsbewegung die Exspiration häufiger ist als im normalen Zustande, weil noch ein Zustand der Erregung im Zentralnervensystem, das sie veranlaßt hat, vorhanden ist (Fig. 53). 4. 1” 35°” nachm. (28R. in der Minute.) Die obere Fläche wird 18” lang mechanisch gereizt: das Tier antwortet mit einer starken Exspirations- bewegung, wobei Mantel, Trichter und Klappe sehr charakteristische Kurven zeigen. Der Mantel, dessen normale Atmungskurven 1" hoch sind, ergibt sogleich eine Kurve, die auf 7 bzw. 13—22—23—231/,-12—10— 15" ansteigt und dann zur Abszisse zurückkehrt. Der Trichter, dessen Kurven sonst 1 bis 2%” hoch sind, ergibt eine Gruppe von Kurven, die nach und nach auf 6 bzw. 12—19 1420 —16—14—16 " ansteigen. Die Klappe endlich zeigt eine Kurve, deren einzelne Zacken eine Höhe von 5 bzw. 15—17— 47, —20--17—16—20"m haben. Auch diese beiden Kurven kehren nach Aufhören der Exspirationsbewegung zur Abszisse zurück (33 R. pro Minute). Der Exspirationsakt bewirkt tatsächlich eine Zunahme der Atembewegungen, sobald er aufgehört hat (Fig. 54), 6. 1% 47’ nachm. (30 R. in der Minute.) Ich reize die untere Fläche 15” lang, indem ich mit einem Glasstäbchen darüber streiche. Das Tier macht eine starke Exspirationsbewegung: die Kurven des Mantels, des Trichters und der Klappe entsprechen einander vollkommen. Letztere, die eine normale Atmungskurve von 1!/, bis 2" Höhe ergibt, steigt allmählich auf 18 bzw. 22—21— 24", worauf sie 5 W% über der Abszisse bleibt. Der Trichter gibt eine Kurve von !/, bis 1”, die bis zu 24 bzw. 31 —33— 34 "" ansteigt und dann bei ihrem Abstieg 10 "" über der Abszisse bleibt. Der Mantel kontrahiert sich viel energischer, da er eine Kurve von 13” Höhe ergibt, die bis auf 47 "® ansteigt, um dann wieder bis auf 5"® zu sinken; hier gleitet die Feder vom Papier ab und die Kurve wird nicht weiter auf- gezeichnet. Später sinkt die Kurve, um 18" über der Abszisse zu bleiben. Die Zahl der Respirationen betrug am Ende der Beobachtung 34 in der Minute. 7. 1% 52° nachm. (34 R. pro Minute.) Ein Glasstäbchen wird 12” lang in die linke Mantelhöhle gelegt. Es zeigte sich eine leichte hemmende Wirkung auf die Atmung infolge Einwirkung des Mantelnerven, dann er- hielt ich eine Exspirationsbewegung, die jedoch nicht sehr stark war, wie die vorigen. Die Klappe ergibt eine 1 bis 2” hohe Kurve, die bis auf 19 bzw. 12—9!/,—18— 19%” anstieg. Der Trichter, der sonst eine 1.9 W" hohe Kurve ergibt, stieg auf 6 bzw. 9—15—26"""; der Mantel endlich, der eben der gereizte Teil war und sonst eine Kurve von 1" "ergibt, zeigte eine Höhe von 5—6—6—23-—36 ””, hat also viel energischer als Klappe und Trichter reagiert. Alle drei Kurven kehrten dann zur Abszisse zurück (38 R. pro Minute). Mithin hat sich eine bemerkenswerte Zunahme der Zahl der Respirationen infolge der Reizung des Mantels und demzufolge des Hemmungszustandes der Atmung ergeben (Fig. 55). 8. 157° nachm. (31 R. pro Minute.) Das Tier macht eine Exspira- tionsbewegung, ohne daß irgend ein Reiz einwirkt. Die Klappe, die normal eine 1” hohe Kurve ergab, steigt bis zu 2 bzw. 7—12—15—18""” an; der . Triehter, der sonst eine !/,"" hohe Kurve ergibt, steigt bis zu 9-——-16—15—24 "m und der Mantel, der sonst eine !/,"m hohe Kurve er- 110 OSWALD POLIMANTI: gibt, erreichte 4—18—23—28—28"". Dann kehrten alle drei Kurven zur Abszisse zurück (30 R. pro Minute) (Fig. 56). Aus diesem Experiment wie auch aus den anderen ergibt sich klar, daß an der erzwungenen Exspiration vor allem der Mantel mit sehr raschen und energischen Kontraktionen sich beteiligt, an zweiter Stelle der Trichter und endlich die Klappe. Der Mantel, der bei der gewöhnlichen Atmung eine sehr sekundäre Rolle spielt, ist dagegen bei der erzwungenen Atmung derjenige Teil, welcher am meisten zur Vollziehung dieses Aktes beiträgt. Dasselbe läßt sich vom Trichter sagen. Die Klappe dagegen, der bei der normalen Atmung eine große Bedeutung zukommt, beteiligt sich allerdings auch bei der erzwungenen Exspiration, aber nicht in so hervorragendem Maße wie die beiden andern Teile. | 9. 259’ nachm. (32R. pro Minute.) Ich reize die obere Fläche 16” lang mechanisch. Sofort nach Beginn der Reizung macht das Tier eine Exspira- tionsbewegung; nach Beendigung der Reizung läßt diese nach, aber es Fig. 55. Fig. 56. Fig. 57. folgt sogleich eine zweite, wenn auch viel geringere. Auch an dieser Ex- spirationsbewegung beteiligt sich vorzugsweise der. Mantel, dann folgen Trichter und Klappe. Kurz, gerade der Teil, der eben gereizt wird, ist derjenige, welcher am stärksten reagiert. Die Klappe, die 1 bis 1!/, "®" hohe Atmungskurven verzeichnete, steigt auf 4—12—14—16—15—17— 16", sinkt dann auf 13—18“"® und bleibt hierauf etwa 3" über der Abszisse. Der Trichter, dessen Kurven sonst eine Höhe von !/,"" zeigen, erreicht allmählich Kurven, die 7—11—18—15—20— 22% hoch sind und sinkt dann auf 6%®, um auf 13%® zu steigen und dann wieder zur Abszisse herabzugehen. Der Mantel zeigt energische Kontraktionen, die rasch auf- einander folgen und eine Höhe von 2 bzw. 7—15—19—22 —31— 23 "® erreichen, dann auf 6" sinken, um wieder auf 14" zu steigen; hierauf sinken sie wieder bis auf 5W® unter die Abszisse (30 R. pro Minute). Es scheint also, daß nach einer Reizung des Mantels, nachdem eine sehr starke Exspiration stattgefunden hat, die Zahl der Atmungen allmählich abnimmt (Fig. 57). BE ' BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 111 10. 2" 19’ nachm. (36 R. pro Minute.) Ohne Zweifel übt der Reiz einen Einfluß auf den Exspirationstypus aus, je nach der Stelle, auf die er einwirkt. Das linke Auge wird 11” lang gereizt. Mantel und Trichter ergeben eine Kurve, die bis zu 3 bis 4" ansteigt und dann wieder unter die Abszisse sinkt. Die Klappenkurve dagegen steigt bis zu 19" und sinkt nach Beendigung der Reizung bis zur Abszisse (32 R. pro Minute). In diesem Falle hat die Klappe energischer reagiert: die Atembewegungen haben an Zahl abgenommen. - 12. 2% 26° nachm. (33 R.in der Minute.) Die untere Fläche wird 13” lang mechanisch gereizt. Es folgt eine sehr starke Exspirationsbewegung: der Mantel hat sehr energisch durch eine sehr hohe Kurve reagiert, deren höchster Punkt nicht gemessen werden konnte, weil die Feder vom Papier abgeglitten war, Gleichzeitig ergab der Trichter eine Gruppe von Kurven, deren höchste 35%® hoch war, während die Klappenkurve eine Maximal- höhe von 22” erreichte. Mithin beteiligt sich an der Exspirationsbewegung namentlich der Teil, der gerade gereizt wird (36 R. in der Minute). Es ist also eine sehr deutliche Zunahme der Atembewegungen in- folge der Reizung der peripherischen Äste der Mantelnerven eingetreten. 13. 2235’. In diesem Augenblick wurde im Experimentierzimmer, in welchem ich die Atmungskurve dieser Sepia aufnahm, ein sehr starkes Geräusch gemacht. Das Tier reagierte darauf mit einer energischen Exspirations- bewegung. Der Mantel ergab vier kleine Kontraktionskurven, die 7—6—4—16 hoch waren und 1’lang dauerten. Der Trichter antwortete energischer mit einer fortlaufenden Fig. 58. Kurve, die auf 7 bzw. 18—20—19— 50 ı" anstieg, mit vielen Abstiegen zwischen den beiden Endpunkten; dann kehrte sie zur Abszisse zurück. Die Klappe reagierte sehr energisch durch eine Kurve, die mit verschiedenen Hebungen und Senkungen auf 6 bzw. 10—12—10—8—15—18"% anstieg, um nach Erreichen dieser Grenze all- mählich stufenförmig bis zur Abszisse zu sinken. Also ist es bei Eintreten eines akustischartigen (takiilen) Reizes namentlich der Trichter, der sich an der Exspirationsbewegung beteilist, dann kommt die Klappe und sehr geringen Anteil nimmt der Mantel. Die Exspirationsbewegungen blieben unverändert (37 R. pro Minute) (Fig. 58). 14. 2b 45° nachm. (37 R. in der Minute.) Allmählich habe ich dem Tier das Wasser entzogen: sogleich reagiert es durch zwei energische Ex- spirationsbewegungen im Abstand von 10” voneinander. Die Maximalhöhe der Exspirationskurven des Mantels betrug 35 bis 30"®, die des Trichters 28 bis 32", die der Klappe 18 bis 95 mm, Dann stiegen alle drei Kurven enorm über die Abszisse an; die des Mantels und der Klappe wurden dann allmählich fast gleich Null. Der Mantel ergab zwei charaktaristische Gruppen von Kurven: die erste zeigte sich etwa 70” nach Beendigung der Exspira- tionsbewegung und die zweite folgte unmittelbar auf die erste. Diese beiden Gruppen von Kurven waren, wie sich ergab, einander gleich, da sie mit 112 OswALD POLIMANTI: einer Maximalhöhe von 20" anfıngen und sich fast immer auf der Mittel- linie erhielten, während sie abnahmen, bis sie die Höhe von 3" die erste und 1'"" die zweite erreichten. Dies sind wahre und eigentliche Perioden, die sicher von Erstickungserscheinungen herrühren. Der Trichter ist also derjenige Teil des Atmungssystems, welcher mehr als alle anderen einen hervorragend tätigen Anteil an der Erscheinung der Asphyxie nimmt (Fig. 59). Fig. 59. 37. Experiment. 17. I. 08. Temp. des Wassers 12-.7° C. Sepia offieinalis. Länge 13-5 m. 2. 9% 37° vorm. (23 R. pro Minute.) Ich führe ein Glasstäbchen links in die Mantelhöhle ein und reize drinnen 13” lang: ungefähr nachdem die halbe Zeit der Reizung verflossen ist, beginnt die die Atmungen der Klappe Fig. 60. anzeigende Kurve (untere) Modifikationen zu zeigen: von 7 bis 9%, ihrem normalen Zustand, sinkt sie nach und nach auf 3—4—5""%, um dann am Ende der Reizung auf 14%” anzusteigen und dann wieder allmählich auf 5—4—3" zu sinken. Gleichzeitig erfährt auch die Atmungskurve des Mantels (obere) Veränderungen, denn gegen die Mitte der Reizung geht sie von 1” (ihrem normalen Zustand) auf 9!/,”®, um dann wieder auf 1!/,"® zu BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 113 sinken und von neuem in drei Kurven anzusteigen, die eine Höhe von 44 bzw. 43 und 41%” erreichen. Die Mantelkurve, die während dieser drei Stöße unter die Abszisse gefallen war, kehrte dann zum Normalen zurück. Am Ende des Experimentes betrug die Zahl der Respirationen 20 in der Minute. Also veranlaßt Reizung der Mantelhöhle nicht nur eine starke Ex- . spiration, sondern ist auch imstande, die Atemzüge zu verlangsamen und ihre Weite herabzusetzen (Fig. 60). 3. 9% 43’ vorm. (22 R. pro Minute) Die linke Seitengegend der Sepia längs des Randes der Flosse wird 11” lang mechanisch gereizt. Die Atmungskurven des Mantels, die vor der Reizung eine Höhe von 2” zeigten, steigen allmählich an und erreichen fortschreitend eine Höhe von 7 bis 10®%%, Am Ende des Experimentes betrug die Zahl der Atemzüge 24 in der Minute. Mithin ist ein auf den Mantel einwirkender Reiz imstande, eine dynamogene Wirkung auszuüben, indem er sowohl die Zahl der Atem- züge erhöht, als auch die respiratorischen Exkursionen weiter macht (Fig. 61). na LAURA Fig. 61. Fig. 62. 4. 9% 51°. (26 R. pro Minute.) Die Arme werden 9” lang mechanisch gereizt. Sofort macht das Tier eine starke Exspirationsbewegung. Die Klappe ergibt eine Atmungskurve, die auf 2 bis 3%® ansteigt, 4” lang auf dieser Höhe bleibt, dann allmählich höher steigt, um weit (8”®) unter die Abszisse zu sinken und dann von neuem zu steigen. Gleichzeitig nimmt die Atmungskurve des Mantels an Höhe zu (12”") und steigt ruckweise auf 3" (diese Erhebung entspricht der großen Herabdrückung, die sich bei der Klappe zeigt). Nach etwa 20” kehren die Kurven zum Normalen zurück (21 R. pro Minute). Mithin macht die Klappe bei diesem Experi- ment Inspirationsbewegungen oder der Mantel macht gleichzeitig eine Ex- spirationsbewegung. Die Zahl der Atemzüge hat gleichzeitig nach Aufhören der Reizung und nach der starken Exspiration nach und nach abgenommen (Fig. 62). 5. 9% 54° vorm. Nach einer Gruppe von ' normalen Respirationen (21 in der Minute) wird das Wasser aus dem Gefäß, in welchem sich die Sepia befindet, entfernt; das Tier reagiert sofort durch zwei energische Ex- spirationsbewegungen. Der Mantel ergibt zwei Stöße in einem Abstand von Archiv f. A.u. Ph. 1912. Physiol. Abtlg. 8 114 OswAuD POLIMANTI: 3” voneinander, welche eine Höhe von 40" erreichen, während die Klappe gleichzeitig zwei Kontraktionen zeigt, die 11 bis 12”" unter die Abszisse sinken. Dann werden die Atmungskurven fast unmerklich (1 bis !/, wm), Während die Mantelkurve dann auf der Abszisse bleibt, steigt die Klappen- kurve allmählich immer höher, bis sie nach etwa 2” eine Höhe von 20 wu über der Abszisse erreicht. In diesem Augenblick wird wieder Wasser zu- gesetzt; die Kurve erreicht allmählich wieder die Abszisse und nach 4” ist die Atmung wieder normal geworden (Höhe der Atmungskurven: des Mantels 12, der Klappe 3 bis 4") (27 R. pro Minute) (Fig. 63). Fig. 63. 6. 10% 6° vorm. Ich beginne damit, Kohlensäure in das Bassin ein- zuleiten. Nach 2” erfolgen sehr starke Exspirationsbewegungen von seiten des Tieres: der Mantel zeigt sehr energische Kontraktionskurven, .während gleichzeitig die Klappe Kurven ergibt, die unter die Abszisse herabgehen. Die Atemzüge, die vor Einleitung der CO, 22 in der Minute und 4 bis 5mm hoch waren (Klappe), waren nach 2° 22 in der Minute und 2 bis 3m hoch. 8. 10" 15° vorm. Nachdem die CO, 7’ lang einströmt, zeigt das Tier eine periodische Atmung, die sich namentlich in den Kurven der Klappe deutlich zu erkennen gibt. Bei diesen sind besonders zwei Gruppen von Atmungskurven zu konstatieren, von denen eine jede etwa 20” dauert und die allmählich abwechseln; die Atmungskurven der einen schwanken zwischen 3 und 6”®, die der anderen zwischen 1 und 2%", Der Mantel nimmt an dieser Erscheinung einen sehr beschränkten Anteil. Die Zahl der Respi- rationen beträgt 23 in der Minute bei der Gruppe mit den großen Atmungs- kurven, 18 in der Minute bei der Gruppe mit den kleinen Kurven (Fig. 64). 28. Experiment. 9.1. 08. Temp. des Wassers 13° C. Sepia ofhi- cinalis. Länge 11-5 ®. 4. 12" 44’ mitt. (24 R. pro Minute) Die linke Mantelhöhle wird 22” lang mit einem Glasstäbchen sehr stark gereizt. Sofort zeigt sich eine Veränderung in der Atmungskurve der Klappe, die sehr unregelmäßig wird (von 2 bis 21/, "m steigt sie auf 3 bis 4”® und sinkt dann wieder auf 1 bis 12/,"®), Die Zahl der Atemzüge während der Reizung betrug 31. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 115 Als letztere aufhörte, stieg die Atmungskurve über die Abszisse (32 R. in der Minute). Ungefähr 2° nachı Aufhören der Reizung machte das Tier eine energische Exspirationsbewegung; die Atmungskurve stieg immer höher und die einzelnen Kurven erreichten allmählich (von 1m an) die Höhe en er) E, = = eo} &6 & Hr Eu 15 [de} ‚En je I 8 116 OswALDp POLIMANTI: von 8&—-10—12"", Der Exspirationsakt dauerte ungefähr 60”; dann sank die Atmungskurve allmählich wieder und kelırte zum Normalen zurück (Höhe 2am 25 R. in der Minute). 6. 12% 50° mitt. (28 R. pro Minute.) Die obere Fläche wird 14” lang mechanisch gereizt. Es zeigte sich kein großes Schwanken der Atmungs- kurve der Klappe, weder in bezug auf die Höhe der Kurven (von 1 bis zum stiegen sie auf 2 bis 21/,"®) noch auch auf ihre Höhe über der Abszisse (1 bis 1!/,“®) (30 R. pro Minute während der Reizung). Nach Aufhören der Reizung stieg die Atmungskurve allmählich immer mehr an; nach etwa 1 Minute (30 R. in der Minute) begann ein wahrer und eigent- licher Exspirationsakt mit Kurven von einer Höhe zwischen 15—20— 25", der 40” dauerte; hierauf sank die Kurve nach und nach (sie war um 2—35—4—5"M über die Abszisse gestiegen) und kehrte zum Normalen zurück (27 R. pro Minute). 12. 1% 9° nachm. Die einzelnen Atmungskurven der Klappe sind von 4mm auf 1%®% gesunken. (26 R. in der Minute) Die linke Mantelhöhle wird mit einem Glasstäbehen 22” lang gereizt. Die Atmungskurven des Mantels, die 1 bis 2%” hoch waren, bilden jetzt zwei deutlich verschiedene Atmungsgruppen, bei denen die Kurven von 1" bis zu 11" ansteigen, um dann wieder zu sinken. Nach Aufhören der Reizung kehrt die Kurve dann zum Normalen zurück (Höhe 1”", 32 R. pro Minute). Ich fahre ohne jede Unterbrechung mit der Aufnahme der Kurven fort (Fig. 65). 13. 1% 10’ nachm. Die obere Fläche der Sepia wird 18” lang mechanisch gereizt. Die Kurve ist allmählich bis auf 3 bis 3!/, == über die Abszisse gestiegen (33 R.) und nach Aufhören der Reizung zum Normalen zurück- gekehrt (35 R.. Die Kurven werden weiter ohne Unterbrechung auf- genommen. 14. 1% 14’ nachm. Ich reize die Arme 14” lang mechanisch. Sofort nach Beginn der Reizung macht die Sepia eine Exspirationsbewegung; die Klappenkurve steigt nach und nach bis auf 12 %®, welche Höhe sie erreicht, als die Reizung beendet wird: nach 10” kehrt sie zum Normalen zurück (34 R. in der Minute). 15. 16. 17. 18. Von 1" 15’ bis. 1% 18° werden nacheinander die linke Mantelhöhle, die Arme, wieder der Mantel und endlich die Hornhaut des linken Auges mit einem Glasstäbchen je 10” lang gereizt. Die stärkste Reaktion zeigte der Mantel, der jedesmal eine starke Exspirationsbewegung ergab: die Atmungskurve stieg beim ersten Mal auf 15—25—30, beim zweiten Mal bis auf 20"®%. Als dagegen die Arme gereizt wurden, stieg die Klappenkurve, indem sie immer dieselben Atmungskurven beibehielt, nar 10”® über die Abszisse. Sobald die Hornhaut des linken Auges gereizt wurde, antwortete das Tier mit einer energischen Exspirationsbewegung, deren Kurven bis auf 30” anstiegen. Die energischste Reaktion ergab also die Reizung der peripherischen Aste des Mantelnerven und des Nervens der Hornhaut. Dies versteht man leicht, weil der eine direkt die Atmungs- funktion beeinflußt, während der zweite einen ausgezeichneten Sinnesnerven repräsentiert. Die Exspiration war auch von längerer Dauer, als der Mantel gereizt wurde (50 bis 35”) und die Hornhaut (40”) als bei Reizung der Füße (15”); die die letzteren innervierenden Nerven konnten nämlich infolge der Art ihrer Funktion keinen großen Einfluß auf die Atmung ausüben. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 117 5. Experiment. 14. XII. 07. Temp. des Wassers 13-8° C. Sepia offieinalis. Länge 13-6“, Bei diesem Experiment wollte ich sehen, welchen Einfluß auf die Atmung während eines und desselben Zeitabschnittes (10°) auf stets die gleiche Gegend der Sepia (Arme) einwirkende, wiederholte mechanische Reize ausüben. Kurz, ich wollte untersuchen, ob das Tier infolge dieser wiederholten Reize ermüdete. Es antwortete konstant auf jeden Reiz mit einer energischen Exspirationsbewegung, an der Klappe wie Trichter und Mantel tätigen Anteil nahmen. Ich führe die Ergebnisse dieses Experimentes in Form einer Tabelle an: Höhe der | Höhe Nr. d : ; Ekpertmientes Beil Gegend Atmungskurve in der Abszisse 3 35 17’ nachm. Mantel 45 0 Trichter 68 28 | Klappe 17 10 4 3296 ® | Mantel 44 0 | Trichter 86 47 Klappe 17 6 (Fig. 66) a) 3 40 2 Mantel 0 0) | Triehter 45 15 | | Klappe 13 0 6 En N Mantel 1 0 | | Trichter 31 0 Klappe 10 N n 250 3 | Mantel 0 0 Trichter 35 12 Klappe 7 0 Mithin hat. sich die Erscheinung der Ermüdung unzweifelhaft gezeigt. Dies ersieht man auch deutlich aus dem Typus der Kurven 3 bis 7, die gleich beim Beginn dieses Experimentes verzeichnet sind. 6. Experiment. 15. XII. 07. Temp. des Wassers 13-6° C. Sepia offieinalis.. Länge 12-1, Bei diesem Experiment konnte ich die Beziehungen sehr gut studieren, die zwischen den Bewegungen des Mantels, des Trichters und der Klappe, ins- besondere während eines Exspirationsaktes reflektorischen Ursprungs bestehen. 1. 10® 10° vorm. Die Arme werden 13” lang mit einem Glasstäbehen gereizt: das Tier macht sofort eine starke Exspirationsbewegung, die der Triehter sogleich beginnt, der Mantel nach 1” und die Klappe nach 3”. Die Mantelkontraktionen zeigen die Form von wahren plötzlichen Stößen, die bis zu 20%” ansteigen. Die Trichterkurve steigt stufenförmig auf 27 =, die Klappenkurve ebenso bis zu 20%%, Nach Aufhören der Reizung sinken sie dann wieder nach und nach. 2. 10%.21° vorm. (30 R. pro Minute) Die Arme werden nochmals 14” lang mechanisch gereizt; das Tier reagiert durch die gewöhnliche Ex- 118 OSWALD POLIMANTI: spirationsbewegung. Der Mantel zeigt wahre und eigentliche Stöße, deren Kurven (obere) bis zu 18" ansteigen; Trichter (mittlere Kurven) und Klappe (untere Kurven) ergeben gleichfalls zwei Kontraktionen, die stufen- förmig allmählich ansteigen und eine Höhe von 34 bzw. 28" erreichen, Die größte Höhe erreichen sie, als die Reizung aufhört (25 R. in der Minute) (Fig. 67). 3. 10% 47° vorm. (31 R. pro Minute) Die linke Flosse wird 23” lang mechanisch gereizt. Das Tier antwortet auf den Reiz mit einer energischen Exspirationsbewegung, bei der deutlich zwei Gruppen von Kurven zu unterscheiden sind. Der Mantel zeigte rasche Stöße, die eine Höhe von 20 bis 22”%” erreichten; die Kurven des Trichters und der Klappe stiegen nach und nach in zwei deutlich unterschiedenen Gruppen an; diese erreichten eine Höhe von 58 bis 59", die der Klappe 21 bis 18=%, Die Mantelkurve kehrte zur Abszisse zurück, während die beiden anderen, die des Trichters 18, die der Klappe 5"" über ihr blieben. : z 153] : 3 | : een Br | | \ Fe De erden Fig. 68. Fig. 69. Fig. 70. 4. 10% 56° vorm. Die obere Fläche der Sepia wird 18” lang mit einem Glasstäbcehen gereizt: es folgt eine sehr starke Exspirationsbewegung. Es zeigten sich zwei Gruppen von Kontraktionen, die 1” 10” dauerten. Die stets den Typus der Stöße zeigende Mantelkurve erreichte eine Maximalhöhe von 35”", die Kurve des Trichters 58"" und die der Klappe 33". Nur die Mantelkurve kehrte zur Abszisse zurück, die Trichterkurve blieb 28 =» darüber und die Klappenkurve 10"® (Fig. 68). 5. 11% 4° vorm. Sobald die (21” dauernde) mechanische Reizung der linken Hornhaut aufgehört hat, antwortet die Sepia mit einer Exspirations- bewegung; ich erhalte drei Kurven von der folgenden Maximalhöhe: Mantel- kurve 25%%,, die dann zur Abszisse sinkt, Triehterkurve 6=%, die 18" über der Abszisse bleibt, Klappenkurve 26 WW, die 4” über der Abszisse bleibt. Von seiten des Mantels zeigten sich wahre und eigentliche Exspi- rationsstöße, die 2” dauerten, während Trichter und Klappe zwei Kurven ergaben, die stufenweise nach und nach anstiegen und dann allmählich wieder sanken (Fig. 69). BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 119 6. 11"1’ vorm. (28R. in der Minute.) Der linke hintere Teil der oberen Fläche wird 6” lang gereizt: nach Beendigung der Reizung antwortet die Sepia mit einer starken Exspiration. Der Trichter antwortet mit einem wahren Ruck, dessen Kurve bis auf 66" ansteigt und dann wieder bis auf 5Ww über der Abszisse sinkt, nachdem sie ungefähr 1” gedauert hat. Gleichzeitig reagierte der Mantel durch eine Exspirationskurve, die bis auf 37 0m anstieg und dann zur Abszisse zurückkehrte. Die Klappe ergab 5” später als der Mantel und der Trichter eine Atmungskurve, die geradlinig 12mm hoch anstieg und dann langsam sank (30 R. in der Minute) (Fig. 70). 7. 116 19° vorm. Die linke Mantelhöhle wurde 10” lang mechanisch gereizt: es folgte eine Exspirationsbewegung. Der Trichter ergab eine Atmungskurve, die bis zu 24" anstieg, die Klappe 2” später eine, die auf 20mm stieg; beide hatten eine Dauer von 15”. Der Mantel ergab 3” nach der Reaktion des Trichters zuerst zwei kleine Kurven, die 5 "" hoch waren, dann eine 20" hohe, die 3” dauerte, und nachdem diese wieder gesunken war, noch zwei kleine Kurven von je 3" Höhe. 2 3. 11% 35° vorm. Ich reize die Cornea des linken Auges 10” lang mit einem Glasstäbehen. Die Sepia antwortet mit einer Exspirationsbewe- gung: Mantel, Trichter und Klappen haben sich gleichzeitig kontrahiert. Der Mantel ergab eine Gruppe von vier Stößen, die während eines Zeit- abschnittes von 10” bis zu 10 bzw. 12—13— 20% anstiegen. Die Kurve des Trichters stieg bis auf 48”, machte beim Steigen bei 22mm eine kleine Zacke und sank dann allmählich, indem sie 12” über der Abszisse blieb. Die Klappe ergab eine Kurve, die nach und nach stufenförmig bis auf 8 bzw. 11—15—-20— 21" anstieg und dann wieder bis zur Ab- szisse sank. 9. 11%42° vorm. Die obere Fläche wird 6” lang mecha- nisch gereizt. Es erfolgt eine Exspirationsbewegung, an welcher sich zuerst der Trichter, dann die Klappe und der Mantel beteiligen. Der Trichter, ergibt eine große Atmungs- kurve, die bis auf 50 bzw. 58 und 73" ansteigt, wieder auf 59%” sinkt und dann 15% über der Abszisse bleibt. Der Mantel ergibt verschiedene Kontraktionen von der Höhe von 6—17—13— 21", die dann auf der Abszisse bleiben. Fig. 71. Die Klappe ergibt eine Kurve, die stufenförmig bis zu 3—11—12—14—15—21—24 %% ansteigt und dann 11" über der Abszisse bleibt (Fig. 71). 10. 11% 45° vorm. Die Arme werden 4” lang mechanisch gereizt, worauf eine Exspirationsbewegung erfolgt. Der Mantel ergibt eine Gruppe von Exspirationsstößen, die 5” dauern und bis auf 26" ansteigen. Der Triehter zeigt eine große Kurve, die bis zu 50” ansteigt und dann wieder . bis auf 5"m über der Abszisse sinkt; die Klappenkurve steigt stufenförmig bis auf 12—16—29 "m und sinkt dann allmählich wieder, bleibt jedoch 6" über der Abszisse. 27. Experiment. 7.I. 08. Temp. des Wassers 13° C. Sepia offi- einalis. Länge 12-9". 120 Oswaup PoLımantTı: Bei einigen Beobachtungen dieses Experimentes wollte ich sehen, welche Wirkung der 10” lang auf die Atmungskurve der Klappe einwirkende mecha- nische Reiz ausübt, wenn er sich auf die verschiedenen Körperteile richtet. Die Höhe der von der Klappe gezeigten Exspirationskurve wurde in Milli- metern gemessen. Ä x f , Höhe der Exspirationskurve Nr. “ Zeit | Gereizter Teil | der Klappe ir RERERN . au niı at A EI Tarry __ mm Er: 1 10# 37’ vorm. Linke Hornhaut | 10!), 2 10742 5 Obere Fläche | 31 3 io) A Linkes Mantelinnere 47 4 LO. AI, Arme ran 5 IOTB3TER, Linke Hornhaut | 25 6 100392 2. Linke Flosse 3 7 le Ay} Linkes Mantelinnere | 10 Wie man sieht, ergab stets die größte Reaktion die Reizung der peri- pherischen Äste des Mantelnerven (im Innern) und die der Hornhaut. Bei diesem selben Experiment wollte ich sehen, welchen Einfluß Ver- giftung mit CO, auf die Zahl der Atemzüge und die Höhe der Atmungs- kurven der Klappe ausübte. 8. 11% 7° vorm. Ich nehme zunächst die normale Atmungskurve der Klappe auf: ihre Höhe beträgt 1” (36 R. in der Minute) (Fig. 72). Um 11% 9° beginne ich CO, einzuleiten. | Höhe der | Atmungs- Zahl der Nr. | Zeit kurven | Atemzüge |. Beobachtungen der Klappe ß pro Minute | mm 9 | 1115’ vorm.) 1,—1 35 Bis jetzt war die Farbe normal; nun ist sie 102), 1-3 26—24 ganz schwarz (Fig. 73). ea 1—4 18—15 | Schokoladefarben (Fig. 74). 12 11287 1—3—4 16—17 Starke Exspiration; Höhe der Kurve 20 =, Null Br 1—3 13—14 das) 41 330% 2—4 14 Ganz schwarz (Figg. 75, 76). 152 2117743.%35 1—2 12—11 16.11. 467 > 1 12 li 49.5, 1 12 | Sie ist nicht mehr sehr schwarz (Fig. 77). dem 52, 10022 Die Kurve der Atmungen der Klappe läßt sich nicht mehr aufnehmen: die Respirationen sind unmerklich, die Klappe ist weiß geworden. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 121 11" 54° vorm. Ich höre mit Einleitung der CO, auf; aber auch bei Wiedereinleitung von Meerwasser erholt sich die Sepia nicht und verendet um 11® 58°; sie ist ganz weiß geworden und hält die zum Greifen bestimmten Arme ganz ausgestreckt. _ Mithin hat Vergiftung mit CO, die Wirkung, daß nicht nur die Zahl der Atemzüge, sondern auch ihre Weite abnimmt. Während dieser Beob- achtung konnte ich nicht das geringste Anzeichen eines periodischen Rhyth- mus wahrnehmen. 16. Experiment. 20. XI. 07. Temp. des Wassers 13.6°C. Sepia offieinalis. Länge 13.2, 1. 267°. (30R. pro Minute.) Die obere Fläche wird 10” lang mechanisch gereizt: es folgt eine sehr starke Exspirationsbewegung. Der Mantel ergab Fig. 75. Fig. 76. Fig.. 77. zwei Gruppen von Stößen, deren erste eine Höhe von 10%”, die zweite von 20mm erreichte. Die Klappe, deren normale Kontraktionen 1 bis 1!/, wm hoch sind, ergab Kurven, von denen einige bis unter die Abszisse sanken; sie schwankten zwischen 5 und 14%; nachdem sie aufgehört hatten, erhielt sich die Atmungskurve 10 %% über der Abszisse. Die Kurven der einzelnen Atmungsbewegungen hatten eine Höhe von 2 bis 2!/,"". Energischer war die Reaktion des Trichters, der drei Kurven ergab, A bis zu 16—45 — 48m" anstiegen, dann allmählich stufenweise sanken und zur Abszisse zurück- kehrten. 2. 22 10’ nachm. (30 R. in der Minute.) Die Cornea des linken Auges wird 4° lang mechanisch gereizt. Der Mantel (obere Kurve) ergab eine Erschütterung, die 10% hoch war. Die Klappe (mittlere Kurve), welche: vorher 1% hohe Kurven zeigte, erreichte eine Höhe von 4 bis 7"" und 122 OSWALD POLIMANTI: sank dann wieder, um 5"" über der Abszisse zu bleiben: die einzelnen Kurven hatten eine Höhe von 1!/, bis 2", Charakteristisch war die Trichterkurve (untere), die rasch auf 60”" anstieg und dann 40 bzw. 35 und 30%" hohe Kurven zeigte (28 R. pro Minute) (Fig. 77 A). 3. 2% 7° nachm. (25 R. in der Minute.) Die linke Mantelhöhle wird 18” lang mechanisch gereizt. Die Atmungskurven der rechten Klappe, die 2 bis 3" hoch waren, sinken rasch auf 1 bis 1!/, "= (25 R. pro Minute); sobald die Reizung aufgehört hat, kehren sie zu den normalen Dimensionen zurück (35 R. in der Minute). Die Zahl der Atemzüge ist erhöht, wie um den auf die Mantelhöhle einwirkenden lästigen Reiz zu entfernen. Ferner wollte ich sehen, welchen Einfluß auf die Atmung ein schwacher oder starker mechanischer Reiz ausübte, der während eines und desselben Zeitabschnittes (10°) auf die Arme der Sepia einwirkte. 2q | RER BEST re Fig. TTA. Fig. 78. Fig. 79. 5. 2" 32° nachm. (30 R. pro Minute.) Die Arme werden sehr leicht gereizt. Die Atmungskurve der Klappe hörte während der ganzen Dauer der Reizung auf (Hemmung); sobald letztere aufgehört hatte, fing sie an sich von neuem zu kontrahieren und zeigte die ursprüngliche Höhe (2 ”®) und das frühere Aussehen (24 R. in der Minute) (Fig. 78). 6. 2" 38° nachm. (20 R. pro Minute; Höhe der Atmungskurven der Klappe 2m.) Die Arme werden sehr stark gereizt: das Tier reagiert durch eine energische Exspirationsbewegung, die etwa 20” dauert. Die Klappe ergab eine Gruppe von Kontraktionen, die bis zu einer Höhe von 10" anstiegen und fast immer auf dieser Höhe blieben. Hierauf kehrten sie zur Abszisse zurück und zeigten ein normales Aussehen (Höhe 1" — 31 R. in der Minute). Der Triehter antwortete viel energischer mit einer Gruppe von sehr raschen Kontraktionen, die 20” lang dauerten. Es waren sechs stoßartige Kurven, die eine Höhe von 28—42—-29—47 —52—65 "" erreichten. Mithin hat ein auf die Arme einwirkender schwacher Reiz zu einem Stillstand der Atmung geführt, da er als hemmender Reiz wirkte. Ein sehr starker Reiz dagegen hat eine sehr ausgeprägte dynamogene Wirkung BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 123 ausgeübt, und zwar nicht nur auf die Zahl der Atemzüge, sondern auch auf den Typus der Atmungskurve (bei dem schwachen Reiz hörte die Atmung eine gewisse Zeit lang auf, während auf den starken Reiz eine energische Exspirationsbewegung folgte). 18. Experiment. 21. XII. 07. Temp. des Wassers 13-7° C. Sepia offieinalis. Länge 12.2 m, 5. 22 8° nachm. (27 R. in der Minute.) Mit einem Glasstäbehen wird die obere Fläche 10” lang leicht gereizt. Während der ganzen Dauer der Reizung zeigte sich vollständige Apnoe. Sobald der Reiz aufhörte, vollführte das Tier eine Exspirationsbewegung. Die Atmungskurve stieg von 1"m auf 10» und sank dann allmählich bis zur Abszisse. Jede einzelne Atmungs- kurve der Klappe war 1 bis 2" hoch (28 R. pro Minute). Mithin übt eine sehr leichte Reizung der Mantelnerven einen hemmenden Einfluß auf die Atmung aus. 6. 22 20’ nachm. (28 R. in der Minute) Das linke Mantelinnere wurde 10” lang mit einem Glasstäbchen gereizt. Die Klappenkurve stieg um 3 bis 2@m über die Abszisse, verblieb auf dieser Höhe während der ganzen Dauer der Reizung und noch 15” nacb Aufhören derselben. Dann kehrte sie zur Abszisse zurück und die einzelnen Kurven nahmen wieder dasselbe Aussehen an wie vor Beginn der Reizung (26 R. pro Minute). In diesem Falle hat die (vielleicht etwas starke) Reizung der Mantelnerven eine ausgesprochene dynamogene Wirkung ausgeübt. Dagegen hat die Zahl der Atemzüge nach der Reizung leicht abgenommen. 29. Experiment. 10.1. 08. Temp. des Wassers 13-1° C. Sepia offieinalis. Länge 13-5 m. 1. 10% 16° vorm. (24 R. in der Minute.) Die Klappe ergibt Atmungs- kurven, die 1 bis 2WM hoch sind. Die linke Hornhaut wird 3” lang me- chanisch gereizt; sofort zeigte sich ein Sinken der Kurve unter die Abszisse um 3Wm. dann stieg sie auf 5%" und kehrte wieder zum Normalen zurück (22 R. in der Minute). Mithin übte bei diesem Experiment die mechanische Reizung einer sensiblen Fläche, wie es die Cornea ist, eine augenbliekliche hemmende Wirkung aus mit gleichzeitiger Verminderung der Atmung. 2. 10% 20’ vorm. (24 R. in der Minute.) Das Innere des linken Mantels wird 29” lang mechanisch gereizt. Während der ganzen Dauer der Reizung ergibt die Klappe zwei Gruppen von Kontraktionen, von denen eine jede zwischen 1 und 8”® schwankt (es scheint eine periodische Form zu sein). Nach Aufhören der Reizung steigt die Atmungskurve der Klappe nach und nach wieder an, bis sie 31/,"® erreicht (21 R, pro Minute) (Fig. 79). 3. 10# 24’ vorm. (26 R. in der Minute) Die Höhe der Atmunss- kurven der Klappe beträgt 1 bis 1!/),“". Die obere Fläche wird 16” lang mechanisch gereizt (22 R. pro Minute); die Atmungskurven steigen an (2 bis 4") und dieser Anstieg, bei welchem die Kurve sich immer auf der Abszisse erhält, dauert auch nach Aufhören der Reizung fort (17 R. in der Minute). Mithin sind die Atembewegungen nach der Reizung an Zahl vermindert und sie sind gleichzeitig tiefer geworden. Ohne Zweifel. war dies eine durch die Reizung veranlaßte dynamogene Wirkung (Fig. 80). 124 OSWALD POLIMANTI: 4. 10" 25° vorm. (17 R. pro Minute.) Die Arme werden 16” lang mechanisch gereizt. Die Atmungskurve der Klappe steigt nach und nach 1 bis 2” über die Abszisse und die einzelnen Atmungskurven, die zuerst 2 bis 3" hoch waren, erreichen eine Höhe von 4 bis 5"%, Auch nach- dem die Reizung aufgehört hat und die Kurve zur Abszisse zurückgekehrt ist, behalten .die einzelnen Kurven dieselbe Höhe bei (20 R. pro Minute) (Fig. 81). 5. 10" 26° vorm. (20 R. in der Minute.) Die linke Flosse wird 11” lang mechanisch gereizt. Die Atmungskurven der Klappe sind höher gewerden (von 2 bis 3"M auf 4 bis 5% gestiegen) und 1 bis 2”"” über der Abszisse. Nach Aufhören der Reizung behalten die Kurven dieselbe Höhe bei (22 R. pro Minute) (Fig. 82). 6.. 10% 26!/,° vorm. (22 R. in der Minute.) Ohne Unterbrechung wird die Atmungskurve aufgenommen und ich reize die Üornea des linken Auges mechanisch 8” lang. Sofort tritt ein Stillstand der Atmung ein. Nach Fig. °0. Fig. 81. Fig. 82. Fig. 83. Fig. 84. Aufhören der Reizung beginnt die Klappe wieder Kontraktionen zu ergeben, deren Höhe zwischen 3 und 6” schwankt (20 R. in der Minute) (Fig. 85). 7. 10% 27° vorm. Ich nehme die Kurve ohne Unterbrechung auf und reize die untere Fläche der Sepia 9” lang. Die Klappe ergibt fünf energische Atemzüge (Höhe 3 bis 6%"), von denen zwei bis unter die Abszisse gingen. Nach Aufhören der Reizung nahmen die Kurven wieder das normale Aus- sehen an (Höhe 2 bis 5“) (18 R. pro Minute) (Fig. 84). Mithin zeigte sich bei allen diesen Reizungen als konstante Wirkung eine Abnahme der Zahl der Respirationen und mit Ausnahme der letzten ein konstanter hemmender Einfluß. 8. 10% 31” vorm. (22 R. in der Minute) Das linke Mantelinnere wird 9” lang gereizt. Nach Beginn der Reizung ergibt nur die Klappe eine normale Atmungskurve (Höhe 2”), worauf eine energische Exspiration erfolgt (Höhe 15""%). Nach Aufhören der Reizung kehrt die Kurve zum Normalen zurück (2 bis 21/,“m) (24 R. in der Minute). In diesem Falle trat eine dynamogene Wirkung ein (Zunahme der Höhe der Kurven und der Zahl der _Respirationen) infolge Reizung der peripheren Äste des Mantelnerven. | BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 10" 31!/,’ vorm. Ich höre mit dem Ein- leiten von Wasser auf und leite CO, in das Bassin ein. Die Zahl der Atemzüge im normalen Zustand war 24 in der Minute. Sobald die Kohlen- säure einströmt, zeigen sich bei der Sepia einige, wenn auch nicht sehr starke Exspirationsbewe- gungen. 10% 32°. Das Tier macht im Abstand von 1’ zwei einander vollkommen gleiche Exspirationen. Die Atmungskurve des Trichters steigt auf 15 "®, die der Klappe auf 5"", Die Atemzüge, die beim Beginn und während dieses Experimentes 22 an Zahl waren, sind am Ende desselben auf 21 in der Minute reduziert. 10. 9% 41” bis 9% 47, Die Sepia beginnt eine wahre und eigentliche periodische Atmung; alle 40 bis 50” (12 R. pro Minute) macht das Tier eine Exspirationsbewegung. Die Atmungs- kurve der Klappe (untere) steigt von !/, "® auf ı®m, indem sie 5 bis 6" über der Abszisse 3 bis 4 Atembewegungen zeigt; in diesem Zustand verbleibt sie 5 bis 6” und sinkt dann wieder. Auch die fast unmerkliche (!/,"®%) Kurve des Trichters (obere) steigt gleichzeitig 20 bis 30" über die Abszisse. Gegen Ende der Beobachtung treten die At- mungskurven der Klappe deutlicher hervor (Höhe der Klappenkurven 3 bis 4"®; 17 R. in der Minute) (Fig. 85). | 11. 9% 49° vorm. Die Höhe der Klappen- kurven ist 2 bis 3% (17 R. pro Minute). Die Sepia macht eine Exspirationsbewegung, ohne dab irgend ein Reiz einwirkt; hierauf sinken die Kurven auf 1 bis 1!1/,®® und die Atembewe- gungen steigen auf 19 in der Minute. 36. Experiment. 16.1. 08. Temp. des Wassers 13-1°C. Sepia offieinalis. Länge 12-8". 1. 10%46° vorm. (20 R. pro Minute.) Ich nehme gleichzeitig die Atmungskurven des Mantels (obere) und der Klappe (untere) auf. Die Höhe der Mantelkontraktionen ist 1 bis 1!/, "", die der Kon- traktionen der Klappe 5—6—7"". Die Cornea des linken Auges wird 7” lang mit einem Glas- stäbchen gereizt. Während der ganzen Dauer der Reizung sind die Atmungskurven normal geblieben; sobald der Reiz aufhört, ergibt der Mantel eine stoßförmige Atembewegung, die 45 U" hoch ist und kaum 1” dauert. Während 5” hat 126 OswAnuD POLIMANTI: die Klappe zwei Kontraktionen ergeben, die auf 9!/, und 14" anstiegen. Ilierauf wurden sowohl Klappen- als Mantelkurve wieder normal, wie beim Beginn des Experimentes (Fig. 86). 2. 10" 51° vorm. (20 R. in der Minute.) Der Mantel ergibt Kurven, die 1 bis 1!/,"M hoch sind; die der Klappe sind 2 bis 5”” hoch. Ich führe ein Glasstäbchen in die linke Mantelhöhle ein und lasse es dort 3” liegen. 5” nach Beginn der Reizung beginnt eine energische Exspirations- bewegung; der Mantel zeigt drei rasche Atmungskurven, von denen eine jede 1’ dauert und 25 bzw.. 32 und 32" hoch ist, im Abstand von je 3”. Die Klappe ergibt eine 10%" hohe Kontraktion, die dann zweimal 10 wm unter die Abszisse herabgeht und dann normal verläuft, nachdem eine Atem- pause von 4” eingetreten ist (18 R. in der Minute) (Fig. 87). Fig. S6. Fig. 87. 3. 10% 57° vorm. (18 R. pro Minute.) Die Sepia macht eine sehr starke ee ohne daß irgend ein Reiz eingewirkt hat. Ehe sie beginnt, fangen sowohl die Atmungskurve des Mantels als die der Klappe an unregelmäßig zu werden, indem sie einige Millimeter über die Abszisse ansteigen. Unmittelbar darauf machen gleichzeitig Mantel und Klappe drei energische Kontraktionen: die des Mantels sind je 30" hoch und dauern eine jede 1”, die der Klappe sind 10 bis 20" hoch und sinken 3 bis 4" unter die Abszisse. Nach 10” wird die Atemkurve wieder ganz normal (19 R. in der Minute). 4. 11% vorm. (20 R. pro Minute.) Die obere Fläche der Sepia wird 16” lang sehr leicht mechanisch gereizt (Kitzeln). Die zuerst 1" hohe Atmungskurve des Mantels steigt allmählich 2" über die Abszisse. Die anfangs 6" hohe Klappenkurve steigt 3 bis 4” über die Abszisse, nimmt jedoch gleichzeitig an Höhe ab (3 bis 3!/,""). Nach Aufhören der Reizung hat die Kurve die Tendenz wieder normal zu werden; nach 16” beginnt jedoch eine energische Exspirationsbewegung. Der Mantel ergibt, wie ge- wöhnlich, drei energische Stöße, die 20 bis 25 W" hoch sind; auch die Klappe zeigt gleichzeitig drei Respirationen, die 20 bis 22"m hoch sind. Diese Exspirationsbewegung dauert 10” lang. Nach ihrem Aufhören wird die Mantelkurve fast unsichtbar (Höhe 1"), während die Klappenkurve bis zu BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 197 10 "" ansteigt und bis zum Ende der Beobachtung konstant auf dieser Höhe verbleibt (21 R. in der Minute). Mithin verursacht eine leichte Reizung der Mantelfläche eine hemmende Wirkung, auf welche eine dyna- mogene Wirkung folgt, sowohl was den Typus der Kurve als auch die Zahl der Respirationen betrifft (Fig. 88). 5. 11% 7° vorm. (28 R. pro Minute.) Die Arme werden 10” lang gereizt. Während der ganzen Dauer der Reizung bleiben die beiden Atmungskurven (des Mantels und der TEN SU NUN INN Amann Klappe) fast gleich Null und steigen gleich- ’ Dre a : = - i ERNER| zeitig 1 bis 1!/,"" über die Abszisse. Der EU Mantel ergibt eine Kontraktionskurve, einen / wahren Stoß, der 20 WM erreicht und dann nach 5” allmählich zum Normalen zurück- geht. Die Klappe zeigt eine Kontraktion, die auf 17 "" ansteigt: die aufeinander Fig. 88. folgenden Kurven sinken dann ganz allmäh- lich von 10 auf 5"® (20 R. in der Minute). Mithin ging in der Atmungs- kurve eine hemmende Wirkung einer dynamogenen Wirkung voraus; auch die Zahl der Atemzüge nahm ab. 6. 11% 11° vorm. Ein auf die linke Flosse gerichteter, sehr leichter mechanischer Reiz blieb ohne Wirkung auf die Atmungskurve. 7. 11% 12“. (24 R. in der Minute.) Die untere Fläche der Sepia wird 3” lang mechanisch gereizt. Sobald die Reizung aufhört, erfolgt eine Ex- spirationsbewegung. Der Mantel ergibt zwei Atemzüge, die 21 bzw. 17" hoch sind, die Klappe ebenfalls 17 bzw. 23" hohe; uach 10” wird die Kurve wieder vollkommen normal. Die Mantelkurve ist 1 "" hoch, die Klappenkurve 10 ""; letztere sinkt bis auf 7 bis s"m, 8. 11% 15’ vorm. Ich nehme die normale Atmungskurve des Mantels und der Klappe auf. Die Kurven beider haben eine Höhe von 1 bzw. 4 bis Au (ker 80). Um 11" 15!/,’ beginne ich die Sepia mit CO, zu vergiften, die ich in das Bassin einleite, in welchem sie sich befindet. Während der 25’, welche die Vergiftung dauert, nehme ich von Zeit zu Zeit die Atmungskurve auf und zähle gleichzeitig die Atemzüge. Ich bringe die gemachten Beobach- tungen in Form einer Tabelle, indem ich die betreffenden Figuren angebe, damit sie sich gegenseitig ergänzen: Höhe der ' Zahl der Atmungskurven | | Zeit | in mm Atemzüge Bemerkungen | Mantel | Klappe | Pro Minute | Nr. des Ex perimentesı 11217’ vorm 9 Ya—1l |, 5—12 125—15—18 3 Exspirationsbewegungen (Fig. 90). EL 22 N.) 3—4 |10—17 2a 182 I (Fig. 91). | BE 15 11-12 30 ©); U W667 11 2 " (Fig. 92). 1217 32. | 5, 12 | 2 ” (Fig. 93) a ek 13 ‚2 - (Fig. 94, 14 | 1 40nachm. 2 1—1'), 8 2 (Fig. 95). - D [0 ©) "06 1 68 "16 'I14 6 'SLA m © "E6 "SI "6 Fo h) Me —.— N wn F 2 | | Pr. OSWALD POLIMANTI: Mithin zeigte sich bei diesem Experiment, Vergiftung der Sepia mit CO,, ein konstante Verlangsamung der Atembewegungen und eine Abnahme der Höhe der Atmungskurven sowohl des Mantels als der Klappe. Am Ende, wenn die Vergiftung eine vollständige ist, tritt eine Periode ein, während welcher die. Atemzüge leicht an Zahl zunehmen; in der Endperiode ist die At- mung des Mantels stärker als die der Klappe. 26. Experiment. 6.1. 08. Temp. des Wassers 12-.7°C. Sepia offieinalis. Länge 13 ®*. 2. 10% 4° vorm. (23 R. in der Minute.) Die Cornea des linken Auges wird 5” lang mechanisch gereizt. Die Höhe der Atmungskurven der Klappe, die 10 bis 12m betrug, nahm sofort ab und während der ganzen Dauer der Reizung zeigte sich ein Stillstand der Atmung. Auch waren nach Beendigung der Reizung zwei Atmungskurven zu beobachten, welche die ursprüngliche Höhe er- reichten, dann aber bis auf 4 bis 7Wm sanken (20 R. pro Minute). Ungefähr 1° nach Aufhören der Reizung zeigte sich eine leichte Exspirations- bewegung (Höhe der Kurve 22"®), die 5” lang „mm unter die Abszisse sank, dann aber wieder anstieg. 3. 10% 7° vorm. (22 R. in der Minute.) Die Höhe der Atmungskurven der Klappe beträgt 10 bis 11 m®; die obere Fläche wird 6” lang mecha- nisch gereizt. Sofort nimmt die Höhe der Kurve ab (8 bis 9=w). Nach Aufhören des Reizes bleibt sie etwa 10” lang immer so und kehrt dann nach und nach zum Normalen zurück (22 R. pro Minute.) 4. 10% 11’ (27 R. pro Minute.) Die Höhe der Atmungskurve der Klappe beträgt 8 bis 11", Das linke Mantelinnere wird 21” lang mechanisch gereizt (25 R.in der Minute). Die Atembewegungen nehmen also an Zahl ab und die Atmungskurven sinken gleichzeitig auf 4 bis 5"®. Nach Aufhören des Reizes kehren sie zur normalen Höhe zurück (26 R. pro Minute). 5. 10% 17’ (30 R. in der Minute.) Die Arme werden 12” lang mechanisch gereizt. Die Sepia reagiert durch eine Exspiration. Die Atmungs- kurven steigen von 5 bis 6 auf 12 bis 14 ”” an. Nach Aufhören der Exspirationsbewegung erhält BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 129 sich die Kurve etwa 3 “" über der Abszisse und kehrt dann nach und nach zum Normalen zurück (24 R. pro Minute). 6. 10%.26° (29 R. in der Minute.) Ich reize die linke Flosse 10” lang mechanisch: es zeigt sich ein leichtes Sinken der Atmungskurve der Klappe (von 6 bis 7 sind sie auf etwa 1 m herabgegangen). Sobald die Reizung aufhört, werden sie wieder völlig normal; nur ist eine Zunahme der Atem- bewegungen eingetreten (35 R. in der Minute.) 1.103305 (33 R. pro Minute.) Die obere Fläche wird 18” lang mechanisch gereizt. Die Atmungskurve der Klappe ist 3" über die Abszisse gestiegen, indem sie jedoch an Höhe abnahm (2 bis 21), ==) (30 R. pro Minute.) Nach Aufhören der Reizung kehrt sie zum normalen Zustand zurück (3 bis 4 mm; 50 R. in der Minute.) 8. 10% 36° (30 R. pro Minute.) Die linke Klappe wird 14” gekitzelt. Die Atmungskurven der Klappe haben an Höhe fast gar nicht abgenommen (3 bis 6”®), sind jedoch 1 bis 2” über die Abszisse gestiegen. Die Zahl der Atemzüge betrug konstant 30 in der Minute. . 9. 10% 40° (30 R. in der Minute) Die Arme der Sepia werden 15” lang mechanisch gereizt. Das Tier antwortete mit einer Exspirationsbewegung: die Kontraktionskurven’ der Klappe stiegen auf 7" über die Abszisse an und die einzelnen Kurven von 2!/, bis 3%, wie sie im normalen Zustand sind, auf 5 bis 6%", 30” nach Beendigung der Reizung kehrten sie zur Norm zurück, blieben jedoch immer 2" über der Abszisse (29 R. in der Minute). Das Tier wird mit CO, vergiftet; die normale Atmungskurve = Klappe bestand aus 4 bis 6Wm hohen Kurven; die Zahl der Atembewegungen war 50 in der Minute. Die CO, wird um 10% 44 eingeleitet. 8 Höhe der Respira- 55 Atmungs- us 3 E k 5 tionen +3 Zeit ve a Bemerkungen 58 der Klappe| ı!n der u Minute = mm 12 | 10% 46’ vorm. | 2 30 Starke Exspiration. 1301024707 ,; 2 28 a ID) 2—4 24 Sinken der Arme. 19 BLOWaTE..., 4—5 17 Terz 52%; 11, —4 15 Wird ganz schwarz infolge der Einwir- | kung der Chromatophoren. NT LER AN 35 21,,—3 9 Fährt zusammen. Mithin bewirkt die CO, eine Verlangsamung der Atembewegungen; was die Weite der einzelnen Atemzüge betrifit, so nehmen sie fast 10” lang an Weite zu; dann nehmen sie allmählich ab oder bleiben auch konstant. Die Sepia wird unter der Einwirkung der CO, stets höckerig (die Haut des Mantels an bestimmten Stellen spitze Erhebungen bildet); beim Beginn der Vergiftung ist sie vollständig schwarz, wird aber dann Archiv f.A.u.Ph. 1912. Physiol. Abtlg. 9 130 OswAuLD POLIMANTI: nach und nach ganz weiß (durch Einwirkung der CO, auf die Chroma- tophoren). Der Tintenwurf fängt gleichzeitig an nicht nur bei den starken Exspirationsbewegungen, die das Tier macht, sondern kommt auch aus der Mantelhöhle, sowohl durch den Trichter als auch durch die Klappen. Dies ist vielleicht das letzte Verteidigungsmittel, dessen sich das Tier bedient, um Angriffe abzuwehren und sich mehr oder weniger unkenntlich zu machen. Es kann jedoch, und dies ist vielleicht wahrscheinlicher, durch die Erschlaffung der das Schwarze enthaltenden kleinen Blase, namentlich ihres Endteiles, bedingt sein, wo, wie man wohl mit Sicherheit annehmen kann, ein Sphinkter vorhanden ist, der den Austritt des Schwarzen regelt. Wenn dieser Sphinkter infolge der Vergiftung mit 00, erschlafft ist, wird der Tintenwurf sich vollständig in der ganzen Mantelhöhle verbreiten und nach außen treten. Ferner habe ich bemerkt, daß das Tier während der Vergiftung stets die Flossen rhythmisch bewegt (infolge Erregung der Atmungs- und motorischen Centra durch die CO,). 43. Experiment. 21.1.08. Temp. des Wassers 12.9°C. Sepia offi- einalis. Länge 12-8, 1.u.2. 10% 50° bis 10% 52° vorm. Ich reize 10” lang mechanisch zuerst die Cornea des linken Auges (24 R. in der Minute), dann das linke Mantelinnere (25 R. in der Minute). Sowohl der Mantel als die Klappen ergeben zwei energische Exspirationskurven, die jedesmal 12 bezw. 10 hoch sind; dann kehrt die Kurve zum Normalen zurück (Höhe der Kurven: des Mantels 1”%”%, der Klappe 2 bis 3%%). Am Ende des Experimentes 25 R. pro Minute beim ersten, 24 beim zweiten. 3. 10% 55° vorm. (24 R. in der Minute) Die Arme der Sepia werden 9” Jang mechanisch gereizt. Die 1%” hohe Kurve des Mantels (obere) blieb un- verändert auf der Abszisse, während die 2 %® hohe Kurve der Klappe (untere) 10 "m über die Abszisse anstieg und nach Beendigung der Reizung wieder zu sinken begann, indem sie zum Normalen. zurückkehrte (21 R. pro Minute). Mithin übte die Reizung der Arme nur eine Wirkung aus auf die Atmung der Klappe, keine auf die des Mantels (Fig. 96). 4. 10% 58° (22 R. in der Minute.) Die linke Innenfläche des Mantels wird 14” lang gereizt. Zuerst beginnt der Mantel, dann die Klappe eine energische Exspirationsbewegung, die aus 7 kräftigen Stößen besteht. Die Mantelkurven (normale Höhe 1%) stiegen auf 10 bis 11% und sanken ebenso tief unter die Abszisse; von den Kurven der Klappe (normale Höhe 3 bis 4WM) stiegen die drei ersten von 8 auf 10 ®& (Typus der Exspirations- kurve), und die vier anderen gingen ebenso tief unter die Abszisse hinab ‘(Typus des Stoßes). Nach Aufhören des Reizes kehrten die Atmungskurven sowohl des Mantels als der Klappe zum Normalen zurück (20 R. pro Mi- nute) (Fig. 97). 5. 11"4° (24R.in der Minute.) Als die obere Fläche 24” lang mechanisch gereizt wurde, sanken während der ganzen Dauer der Reizung die Atmungs- kurven des Mantels und der Klappe (die des ersteren von 1 auf !/,"®, die der letzteren von 2 auf 1"); nach Aufhören der Reizung wurden die BEITRÄGE zuR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 131 Kurven wieder normal. Die Zahl der Respirationen war während der ganzen Dauer des Experimentes die gleiche. 6. 11% 7° (22 R. in der Minute.) Ich nehme die normale Atmungs- kurve des Tieres auf, indem ich die Kontraktionen des Mantels und der Klappe aufschreiben lasse. Um 11" 11’ beginne ich mit der Einleitung von CO, in das Bassin, in welchem sich die Sepia befindet. Fig. 96. Fig. 97. 8 Höhe der Respira- 85 Atmungskurven Hi os N | . ionen = Zeit | ım mm age Bemerkungen = = | ın der E | Mantel | Klappe Minute 7 111% vorm.) 1! 2-11, In 25 | 17) s|ı1 15 „.) 12-2 |2-5-6| 21-19 3 Exspirationen (Fig. 98). Dis, | 1-2 | 34 1) 2 e oa? 21... | nu 2-3 | 14 3 s} (Fig. 99). oo, || 0, | (Fig. 100). Fig. 98. Auch bei dieser Vergiftung mit Kohlensäure zeigte sich eine Abnahme der Atembewegungen. Die Atmungskurven stiegen zuerst an und sanken 9% 132 OSWALD POLIMANTI: dann wieder. Bei den Kurven 8 und 10 sind die Schwankungen des Tonus zu bemerken. ’ Fig. 99. Fig. 100. 41. Experiment. 20.1. 08. Temp. des Wassers 12-8° C. Sepia offi- cinalis.. Länge 13-2. 1. 10% 15° vorm. (25 R. in der Minute) Die Respirationen des Mantels sind viel deutlicher als die der Klappe (!/,”®). Der linke Teil der Mantelhöhle wird 11” lang mechanisch gereizt: die Sepia antwortet sofort mit einer energischen Exspirationsbewegung. Die Klappenkurve sinkt nach einer Kontraktion von etwa 25" 12" unter die Abszisse; es zeigen sich also zwei Kontraktionen, die 7 bzw. 27" hoch sind. Nach ungefähr 1° beginnt die Kurve dann wieder normal zu werden (24 R. in der Minute). Gleichzeitig ergab der Mantel vier energische Stöße, von denen ein jeder Fig. 101. 1’ dauerte und 45 bis 47" hoch war. Sobald die Klappe eine normale Kurye.zeigt, beginnt auch der Mantel sich normal Zu bewegen. Während der ganzen Dauer der Reizung hat ein Stillstand der Atmung stattgefunden (Fig. 101). BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 133 2. 10%. 20° (26 R. pro Minute.) Die Arme werden 14” lang sehr stark mechanisch gereizt. Kaum beginnt die Reizung, so erfolgt eine energische Exspirationsbewegung. Die Klappenkurve steigt auf 30 "m und bleibt etwa 1° lang auf dieser Höhe, indem sie im Maximum um 6 bis 7"m steigt und fällt; dann sinkt sie nach und nach wieder und kehrt zum Normalen zurück. Der Mantel dagegen ergibt sehr leichte Kontraktionen; die Klappen- kurve steigt an (im Maximum 6") und ergibt gleich nach Beendigung der Reizung fünf energische Kontraktionen vom Typus des Stoßes, die 1” dauern und jede bis auf etwa 50" ansteigen. Die Klappenkurve dagegen bleibt auch am Ende der Beobachtung 20% über der Abszisse; die Mantel- kurve kehrt sogleich nach Aufhören der energischen Exspirationsbewegungen zur Abszisse zurück. Die Zahl der Respirationen ist unverändert geblieben (26 R. in der Minute). 2 Ba . zn Herr Fig. 102. Fig. 103. 3. 10221” vorm. (27 R. pro Minute.) Die obere Fläche wird 17” lang sehr leicht mechanisch gereizt. Während der ganzen Dauer der Reizung sank die Atmungskurve des Mantels um !/,"® und die der Klappe stieg um ebenso viel über die Abszisse an. Übrigens behielten beide bis zum Ende der Beobachtung stets dieselbe Höhe bei (Klappe 1 bis !/, bis 2", Mantel 1") (Fig. 102). Während und nach der Reinigung betrug die Zahl der Respirationen 28 in der Minute. 4. 10% 25° (30 R. pro Minute.) Die linke Seite der Sepia längs der Flosse wurde 15” lang gereizt: 5” nach Beendigung der Reizung antwortete das Tier mit einer energischen Exspirationsbewegung;, die etwa 1’ dauerte. Die Kurven des Mantels stiegen auf 50%”, die der Klappe auf 30W® (28 R. pro Minute) (Fig. 103). 5. 10% 27° (37 R. pro Minute.) Nachdem ich eine normale Atmungs- kurve der Klappe (1 bis 2%®%) und des Mantels (1/, bis 1%) aufgenommen habe, lasse ich das Wasser aus dem Bassin auslaufen, in welchem die Sepia sich befinde. Während die Atmungskurve des Mantels auf der Abszisse bleibt, steigt die der Klappe allmählich stufenweise an (37 R. pro Minute) und 40” nach Auslaufen des Wassers erfolgt eine energische Espirations- bewegung. Der Mantel ergibt sechs energische, 50 bis 55%% hohe Kon- traktionen, während gleichzeitig die Kontraktionen der Klappe 20 bis 30 == 134 OswALp POLIMANTI: unter die Abszisse sinken. Nach diesem Exspirationsakt bleiben die beiden Kurven fast unmerkbar, die des Mantels stets auf der Abszisse, die der Klappe 25”" über der letzteren. Nach 3 Minuten leite ich das Wasser wieder ein: die Atmung beginnt wieder; während jedoch die Mantelkurve unmerkbar ist, zeigt die Klappe eine ziemlich deutliche Kurve (Höhe jeder einzelnen Kurve 1 bis 1!/),”®). ‘Während nun die Mantelkurve auf der Abszisse bleibt, sinkt die Klappenkurve fortwährend, bleibt jedoch am Ende der Beobachtung stets 20%” über der Abszisse. Die Zahl der Atem- bewegungen zeigt gegen das Ende der Beobachtung keine großen Schwankungen (36 R. in der Minute) (Fig. 104). Fig. 104. 42. Experiment. 20.1.08. Temp. des Wassers 12-8° C. Sepia offi- einalis. Länge 12.9, 1. 11% 10° vorm. (25 R. pro Minute.) Die Atmungskurven des Mantels und der Klappe haben fast dieselbe Höhe (1!/, bis 2”). Die linke Seite der Sepia wird 17” lang mechanisch gereizt. Die einzelnen Kurven des Mantels beginnen sofort auf 3—4— 5% anzusteigen, die der Klappe da- gegen erst nach 10”; die letzteren steigen nur 2 bis 3Wm über die Ab- szisse, weil die Dimensionen normal bleiben. Nach Beendigung der Reizung werden sie wieder vollkommen normal (30 R. pro Minute) (Fig. 105). 2. 11%. 25. (23 R. in der Minute) Die Arme der Sepia werden 5” lang gereizt. Sofort nach Aufhören der Reizung ergibt der Mantel eine energische Kontraktion, die auf 55 "" ansteigt und 2” dauert; auch die Klappe zeigt eine Kontraktion, die um 4" unter die Abszisse sinkt und 4” dauert. Dann wird die Kurve wieder vollkommen normal (18 R. in der Minute). Mithin ergab leichte Reizung der Arme eine Exspirationsbewegung und gleichzeitig auch eine Verminderung der Atembewegungen (Fig. 106). oO 3. 11% 29°. (19 R. pro Minute.) Das linke Mantelinnere wurde 9” lang mechanisch gereizt. Gegen Mitte der Reizung erfolgte ein Stoß der Mantel- kurve, die um 14" anstieg, während die Klappenkurve fast unverändert blieb (Höhe der Kurven: Mantel 1%®, Klappe 2 bis 3"u). In diesem Falle war es nur der Mantel, der direkt gereizt energisch auf den Reiz durch Kontraktion reagierte, während dagegen die Klappe in demselben Kontraktions- zustand verharrte (23 R. pro Minute). BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 135 4. 11433’. (22 R. in der Minute) Die Hornhaut des linken Auges wurde 7° lang mechanisch gereizt. Die normale Höhe der Mantelkurve beträgt 1%, die der Klappenkurve 1!/, bis 2”, Noch ehe die Reizung aufhört, antwortet die Sepia mit einer Exspirationsbewegung: der Mantel mit zwei 50 bzw. 20" hohen Kontraktionskurven, während die Klappen- kurve 4" unter die Abszisse sinkt, aber nur 4” lang, worauf sie wieder bis zum Normalen ansteigt (26 R. pro Minute) (Fig. 107). 5. 11% 38°. In diesem Augenblick nimmt man sehr gut eine von der Sepia gemachte sehr starke Exspirationsbewegung wahr, die ohne Einwirkung irgend eines Reizes erfolgt. Die Mantelkurve begann bis zu 1!/,"" anzu- steigen und dann erfolgten zwei Stöße, einer von 33", der zweite von 23 um 9” später. Gleichzeitig sank die Atmungskurve der Klappe unter die Abszisse. Hierauf stieg sie sofort wieder bis zum Normalen, und 5” nach der Exspirationsbewegung kehrten alle Kurven zum Normalen auf die Abszisse zurück. Die Zahl der Atemzüge, die vor der Exspirationsbewegung 30 betrug, sank auf 22 in der: Minute. Fig. 105. Fig. 106. Fig. 107. 6. 11% 43°. (24 R. in der Minute) Während ich die Arme mit einem Glasstäbehen reizte, erfaßte die Sepia letzteres plötzlich und hielt es 15” lang fest. Die Atmungskurven veränderten sogleich ihr Aussehen; sowohl die des Mantels (1%) als die der Klappe (2"") stiegen augenblicklich über die Abszisse an, jene bis zu 2"® und kehrte in 6” zum Normalen zurück, diese bis zu 15" und kehrte nach 12” zur Abszisse zurück, um dann von neuem um 10%" anzusteigen und so die normalen Kontraktionen bei der Atmung zu zeigen (30 R. in der Minute). In der Atmungskurve kam also die von dem Tier gemachte Anstrengung zum Ausdruck. 7. 11" 50. (30 R. pro Minute.) Die Höhe der Mantelkurven beträgt jwm, die der Klappenkurven 1 bis 1!/,””. Nachdem ich eine normale Kurve erhalten habe, entferne ich das Wasser aus dem Bassin. Sofort steigt die Klappenkurve über die Abszisse an, während die Mantelkurve auf der letzteren bleibt und dann leicht sinkt. 20” nach der vollständigen Entfernung des Wassers macht die Sepia eine Exspirationsbewegung, während welcher der Mantel zwei sehr starke Stöße (30) ergibt, während die "SOT "SIT “60T 'SId 136 OswALD POLIMANTI: Klappenkurve gesunken ist (2 bis 21/,”@), 39” nach diesem Exspirationsakt erfolgt ein zweiter, der etwas kleiner ist; die Zahl der Atemzüge zwischen beiden betrug 22 in der Minute. Während die Mantelkurve fast auf der Abszisse blieb, da sie unbedeutend sank, stieg dagegen die Klappenkurve allmählich immer mehr an. ; Während dieses Exspirationsaktes ergibt der Mantel zwei 5 bzw. 8"M hohe Kurven, während die Klappe gleichzeitig zwei Kurven ergibt, die 1 bzw. 2" hoch sind. 30” nach dieser letzten Exspirationsbewegung, nachdem die Atmungskurve der Klappe um 20 == an- gestiegen und die des Mantels um 2=m oe- sunken ist, leite ich wieder Wasser in das Bassin. Charakteristisch ist das Verhalten der beiden Kurven: die des Mantels steigt all- mählich an, während die der Klappe nach und nach sinkt, um zur Abszisse zurückzukehren. 3” nach Einleiten des Wassers ins Bassin machte die Sepia eine Exspirationsbewegung (zwei energische Kontraktionen des Mantels, die 13 bis 18”"® hoch waren; die Klappenkurve da- gegen ergab, indem sie sank, negative [unter der Abszisse] Kurven). Dann wurde die Kurve wieder normal (Höhe der Kurven in Millimetern: Mantel !/,, Klappe 2—1 (28 R. pro Minute) (Fig. 108). 8. 11% 57’ vorm. (17 R. in der Minute.) Das Mantelinnere wird 8” lang gereizt: die Sepia antwortet mit einer Exspirationsbewegung. Die Atmungskurven des Mantels steigen auf 4 bis 7m an, während die Klappe eine unregel- mäßige Kurve ergibt, die gegen das Ende hin um 1% sinkt. Nach Beendigung der Reizung faßt das Tier mit den Füßen das Glasstäbchen, mit dem der Reiz ausgeübt wurde Während der ganzen Zeit, als es dasselbe festhielt (40”), stieg die Klappenkurve bis auf 30 "® und blieb konstant auf dieser Höhe. Die Mantelkurve zeigte nicht mehr die Hebungen und Senkungen der einzelnen Atemzüge, ergab aber nach 20” eine exspiratorische Kontraktion. Sobald ich das Glasstäbchen aus den Armen gezogen hatte, die es umklammert hielten, sank die Klappenkurve nach und nach und kehrte zum Normalen zurück; dagegen waren die einzelnen Atmungskurven des Mantels unsichtbar und er ergab nur diese vier energischen Exspirationen (19 R. in der Minute) (Fig. 109). 9. Experiment. 17. XII. 07. Temp. des Wassers 13-4°C. Sepia offieinalis. Länge 12-9 ®, BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 137 1. 11% 14° vorm. (25 R. pro Minute.) Ich nehme gleichzeitig die Kurve der Atembewegungen des Mantels, des Trichters (1 bis 1!/,"") und die der Klappe (1 bis 1!/,“m) auf. Die Hornhaut des linken Auges wird 9” lang mechanisch gereizt; sogleich erfolgt eine Exspirationsbewegung: der Trichter antwortet mit einer 21" hohen und 1” dauernden Kontraktion, die im Abstieg 5%" unter die Abszisse sinkt und an dieser Stelle bis zum Ende der Beobachtung verbleibt. Die Klappe ergibt eine 6!/, "" hohe Kontraktion, die nach 8” zur Abszisse zurückkehrt (24 R. pro Minute). 2. 11% 20° vorm. (30 R. in der Minute) Die Kontraktionen des Triehters zeigen eine Höhe von 1", die der Klappe eine solche von 2 "®, Die obere Fläche wird 24” lang mechanisch gereizt: sowohl Trichter als Klappe erheben sich mit ihren Atmungskurven über die Abszisse, ersterer um 4 "=, worauf die Kurve auch 2" unter die Abszisse geht, letztere um 1 bis 11/,®®, Nach Aufhören der Reizung kehren die Kurven zum normalen Zustand zurück (23 R. pro Minute). 3. 11825’. (28 R. pro Minute.) Die Arme werden 25” lang mechanisch gereizt: die Sepia macht sofort eine energische Exspirationsbewegung. Die Klappenkurve steigt 35" über die Abszisse, die Trichterkurve 34 "u, Erstere steigt stufenförmig an und bleibt dann beim Abstieg 15" über der Abszisse; letztere erhebt sich fast nach dem Typus eines Stoßes und bleibt 10” über der Abszisse (30 R. pro Minute). | Mithin war die Reaktion auf den auf die Arme ausgeübten Reiz eine sehr energische, und auch die Zahl der Atemzüge war erhöht. 4. 11% 32°. (32 R. in der Minute.) Der linke Teil der Sepia wird mechanisch gereizt; als Antwort folgt eine leichte Exspirationsbewegung. Der Trichter ergibt während der ganzen Dauer der Reizung (14”) eine Gruppe von Kontraktionen, die 3"W® über die Abszisse ansteigen; auch die Klappe zeigt eine Gruppe von Kontraktionen, die bis zu 1!/, bis 2" an- steigen. 5” nach Aufhören der Reizung ist die Atmungskurve vollständig normal (32 R. in der Minute). 5. 118 36°. (32 R. pro Minute.) Die linke Mantelhöhle wird 10” lang mechanisch gereizt. Es folgt eine Exspirationsbewegung; der Mantel er- gibt eine 6% hohe Kontraktion, die Kurve des Trichters sinkt 7 "” unter die Abszisse und bleibt hier während der ganzen Dauer der Beobachtung; die Klappe zeigt eine kleine Kontraktion, die 2" über die Abszisse an- steigt (32 R. in der Minute). Mithin hat der Trichter sich bei dieser Exspirationsbewegung leicht zurückgezoggh, daher das Sinken der Kurve. 6. 11% 44”. (30 R. pro Minute.) Die Mitte der oberen Fläche wird 11” lang mechanisch gereizt, worauf eine Exspirationsbewegung folgt, die in vier Tempos im Abstand von 1 bis 2” voneinander vor sich geht. Der Mantel ergibt drei Kontraktionen, die stufenförmig auf 11 bzw. 21 bis 23%” an- steigen; die vierte Kontraktion steigt auf 12%", Der Trichter (2"®) er- gibt ebenfalls vier Gruppen won Kontraktionen, die eine Höhe von 11 bzw. 12—21—20%" erreichen. Die Klappe (1) ergibt vier Kontraktionen, die allmählich auf 2—6—8—12"" ansteigen (32 R. in der Minute). 7. 11248. (34 R. pro Minute.) Die Arme werden 19” lang mechanisch gereizt; es folgt eine Exspirationsbewegung, die etwa 35” dauert, bei welcher die Kurven des Mantels sowohl als des Trichters und der Klappe etwa 138 OSWALD POLIMANTI: 10 bis 15" über der Abszisse blieben. Der Mantel ergab eine Gruppe von Kontraktionen von einer Maximalhöhe von 55"", der Trichter von 50mm und die Klappe von 33" (32 R. in der Minute). Es zeigte sich eine Abnahme der Atembewegungen. 8. 11% 53°. (31 R. pro Minute.) Mechanische Reizung der linken Flosse während 12” verursachte eine sehr starke Exspirationsbewegung von seiten der Sepia. Der Mantel ergab vier Gruppen von Kontraktionen, die 15 bzw. 19—40—42 "m hoch waren. Die vier Gruppen der Kontraktionen des Triehters sanken unter die Abszisse, um am Ende des Exspirationsaktes zu letzterer zurückzukehren (sie hatten eine absolute Höhe von 15—15— 16—30 ®®). Auch die Klappe ergab eine Atmungskurve, die nacheinander auf 3 bzw. 6—7—12 m anstieg (37 R. in der Minute) (Fig. 110). en en Ü Fig. 110. Fig. 111. 10. Experiment. 17. XII. 07. Temp. des Wassers 13-4°C. Sepia offieinalis. Länge 15”. 1. 12 50’ nachm. (26 R. pro Minute.) Die obere Fläche der Sepia wird 11” lang mechanisch gereizt. 5” nach Beginn der Reizung antwortet das Tier mit einer starken Exspirationsbewegung. Der Mantel ergibt eine Kurve, welche eine Höhe von 26”"” erreicht; die des Trichters ist 25 "" und die der Klappe 27” hoch. Alle drei Kurven bleiben dann bis zum Ende der Beobachtung 5 bis 6 "" über der Abszisse. Sobald die betreffenden Kurven gesunken sind, beginnt die Sepia normale Atembewegungen zu machen (26 R. pro Minute). 2. 1256. (24 R. in der Minute.) Die Arme werden 8” lang gereizt. Sobald die Reizung begonnen hat, antwortet die Sepia gleich mit einer energischen Exspirationsbewegung. Die Höhe derKurven beträgt: Mantel(obere) 31 "m, Trichter (mittlere) 32 %®, Klappe (untere) 34 "=, Sie zeigen dann die Tendenz zu sinken: die des Mantels sinkt 2"® unter die Abszisse, die des Triehters 283”” und die Klappenkurve 7". Sie steigen jedoch sofort wieder zur ursprünglichen Höhe an und erhalten sich fast konstant auf derselben, indem die Klappenkurve allein um 5 bis 6" sinkt (25 R. in der Minute). Während die Atmungskurven allmählich herabgehen, macht die Sepia eine spontane Exspirationsbewegung von demselben Typus wie die vorige. Un- BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 139 gefähr 2° nach dieser letzten Exspiration kehrt die Kurve zum Normalen zurück (ö1 R. pro Minute) (Fig. 111). 3. 2% 10° nachm. (25 R. in der Minute.) Die linke Flosse wird 16” lang mechanisch gereizt. 5” nach Beginn der Reizung erfolgt eine starke Exspirationsbewegung; sie besteht aus 5 Exspirationsakten, die nach und nach ansteigen. Der Mantel ergibt Kurven, die bis auf 6—12—40— 40—42 "m ansteigen, während die des Trichters 14—17— 39—35—40 um, die der Klappe 22—28— 35—37—38"" erreichen. Nach Aufhören der Reizung sinken die betreffenden Kurven allmählich, indem die des Mantels auf der Abszisse bleibt, während die anderen 2 bis 5"" von ihr entfernt bleiben (24 R. in der Minute). 4. 2% 16° nachm. (30 R. pro Minute.) Die Cornea des linken Auges wird 14” lang gereizt; sobald die Reizung begonnen hat, erfolgt eine Ex- spiration, die aus mehreren exspiratorischen Gruppen besteht. Die Mantel- | t Fig. 112. Fig. 113. Fig. 114. kurven erreichen eine Höhe von 3—12—13""; die Kurven des Trichters sind 7—14—32— 34%" und die der Klappe 23—25—23—19"" hoch. 1’ nach Beginn der Exspirationsbewegung sind die Kurven zur Abszisse zurückgekehrt, mit Ausnahme der Klappenkurve, die 2" über der Abszisse geblieben ist (Fig. 112). 5. 2% 45° nachm. Ich lasse die Trommel mit großer Geschwindigkeit rotieren, um die erhaltene Kurve besser analysieren zu können. Die Arme werden 13” lang mechanisch gereizt; sofort bei Beginn der Reizung erfolgt eine Exspirationsbewegung, an der Mantel, Trichter und Klappe sich nicht gleichmäßig beteiligen. Der ganze Exspirationsakt besteht aus ungefähr 9 Kontraktionen. Der Mantel ergibt Kurven, die 1 bis 5%“ hoch sind; die des Trichters sind 5 bis 32” hoch, die der Klappe (eine einzige Kurve) ist 23 bis 26” hoch (fünf dieser Kurven). 3” nach Aufhören der Reizung sind die Kurven zur Abszisse zurückgekehrt (33 R. in der Minute) (Fig. 113). 21. Experiment. 30. XI. 07. Temp. des Wassers 14-3° C. Sepia offieinalis. Länge 13-4", 140 OswALD POLIMANTI: Bei demselben Tier stellte ich verschiedene Experimente an, indem ich mit einem Glasstäbchen an verschiedenen Stellen einen Reiz einwirken ließ, um zu sehen, welche Wirkung diese Reize, wenn sie gleichmäßig oder ungleichmäßig andauerten, auf die Atmung ausübten. m | Dauer _ ‚Höhe der ' Zahl der I = 45 'Kontraktionskurve Resyirshlondh 88 ' - der Klappe | P . . ® | | ä Zeit Gereizte Gegend Reizes | - | 5 S | = ‚über der unter der, vor | nach er Sekımden \Abszisse| Abszisse, der der = | mm mm |,Reizung Reizung 1 9h48’ vorm. Linke Cornea ol 10... 1281 20 6: OSB > “ 5 | 14 | 18 | 24 2, 9 52 „ | oben deicht) 1a 12 3 || 20er 97 IOE 2 Or oben (sehr stark) 16 15 (ee 2: 3 TH Te; Linke Flosse 11 12 1) 24 24 1 alOmENOpEEe hs >, 10 I abe! | 27 24 4110 5 „| Arme (leicht) EB) 14 | 22 22 8 10 24 „ | Arme (stark) 14 1.216 | 24 25 51108 ORERS Mantelinneres 14 ni) I ©: ranst Mag 2e 102 210g SDue Mantel (links) 16 20 | Bar Fig. 115. Fig. 116. Fig. 117. Diese Untersuchungen verdienen wegen der interessanten und charak- teristischen Resultate, die dabei erhalten wurden, daß wir einige Über- legungen anstellen. Am besten wird es sein, wenn wir die Gegenden, die gereizt wurden, jede für sich betrachten. A. Cornea (1 und 6). Bei der ersten Beobachtung ergab die Reizung der Cornea eine wahre und eigentliche hemmende Einwirkung auf die At- mung, weil ein momentaner Stillstand der letzteren und zugleich ein Sinken der Atmungskurven unter die Abszisse eintrat. Bei der zweiten BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 141 Beobachtung trat dagegen eine dynamogene Wirkung ein, weil die Atmungs- kurven weit über die Abszisse anstiegen. Im ersten Falle war die hemmende Wirkung dadurch zu erklären, daß der mechanische Reiz geringer als im zweiten Falle war (Fig. 114 und 115). B. Obere Fläche (2und 9). Auch hier erhielt ich dieselben Wirkungen wie bei Reizung der Cornea. Wenn der mechanische Reiz auf der oberen Fläche leicht war (2), so zeigte sich eine hemmende Wirkung auf die Atmung; war der Reiz jedoch stark, so trat eine ausgeprägt dynamogene - Wirkung ein (9) (Fig. 116 und 117). C. Linke Flosse (3 und 7). Wird die Flosse mechanisch &ereizt, so werden die peripherischen Äste des Mantelnerven gereizt. Tatsächlich Fig. 118. Fig. 119. Fig. 120. zeigte sich bei diesen beiden Experimenten eine ausgesprochene hemmende Wirkung auf die Atmung, und zwar mehr bei der 2. als bei der 1. Be- obachtung (Fig. 118 und 119). D. Arme (4 und 8). Eine leichte Reizung der Arme (4) ergab eine ausgesprochene hemmende Wirkung aufdie Atmung, während ein sehr starker Reiz eine dynamogene Wirkung zur Folge hatte. Kurz, es zeigte sich hinsichtlich der durch die Äste des brachialen Ganglions innervierten Teile, was bei den anderen durch andere Nervenäste innervierten Teilen des Tieres eintrat (Fig. 120 und 121). E. Mantelinneres (5 und 10). Die Folge der Reizung war ein mo- mentaner Stillstand der Atmung, auf den sofort ein starker Exspirationsakt folgte. Mithin ergibt in einem ersten Zeitabschnitt Reizung der Mantel- nerven eine hemmende Wirkung, auf welche ein dynamogener Akt (Ex- spiration) folgt, um den Mantel von dem Fremdkörper zu befreien (Fig. 122 und 123). 142 OswALD POLIMANTI: 11 u. 12. 106 33° bis 10% 34° vorm. (22 R. pro Minute.) Es treten zwei starke Exspirationsbewegungen ein, ohne daß irgend ein Reiz ein- wirkt. Bei dieser Kurve gelingt es, eine sehr klare Analyse der Be- ziehungen zu machen, die zwischen den beiden Atmungskurven des Mantels und der Klappe bestehen, die gleichzeitig ansteigen und sinken. Nach jeder Exspirationsbewegung trat eine kleine Ruhepause ein, die Ruhe nach der großen Tätigkeit (24 R. pro Minute). Um 10% 43’ entferne ich das Wasser aus dem Bassin, in welchem die Sepia sich befindet. 8 Höhe der A 8 = Atmungskurven = en “ee Zeit Du =5 Bemerkungen as, —|S%& ä Mantel Klappe | « 13 | 10%43’ vorm. 1), | 1 | 24 |1 Exspiration. 14 |10 46 „ ln N) 24 | 15.) MON 1 1, | 24 | 16 | 10 56 „ fast gleich Null 1—1Y/,| 23 | weiß geworden, starke Exspirationen. ua ih | er Ma or 18 MR 3], ala aE F Exspiration. 191 Tasse | gleich Null | 1, || 23 | | | Das Charakteristische dieser Asphyxie bestand darin, daß die Zahl der Respirationen bis zum Ende konstant blieb, wie auch die Höhe der Kon- traktionskurven, die dann auch konstant auf der Abszisse blieben. 32. Experiment. 13.1.08. Temp. des Wassers 12-6°C. Sepia offi- einalis. Länge 12-6", 1. 10" 43° vorm. (21 R. in der Minute.) Die Cornea des linken Auges wird 7” lang mechanisch gereizt. Die Sepia macht sofort eine Exspiration; die Klappenkurve ist um 5" gestiegen, die Mantelkurve dagegen nur auf BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 143 10@m, Nach 15” waren die Atmungskurven wieder vollständig normal (21 R. pro Minute). (Höhe der Kurven: Mantel 1", Klappe 3 bis 4"), 2. 10%45. (24 R. in der Minute) Die linke Mantelhöhle wird 10” lang mechanisch gereizt; die Sepia macht sofort eine leichte Exspirations- bewegung, die aber lange (20°) dauert. Die Klappenkurve steigt auf 6 "" an, die Mantelkurve auf 10"; nach 20” kehren sie zum normalen Zu- stand zurück, nachdem sie eine sehr unregelmäßige Kurve mit Hebungen und auch Senkungen um einige Millimeter unter die Abszisse ergeben haben (20 R. pro Minute) (Höhe der Kurven: Mantel 1"", Klappe 3 bis 31/, m), 3. 10648“. (23 R. in der Minute.) Die linke Flosse wird 10” lang mechanisch gereizt. Sogleich nach Beginn der Reizung tritt ein Stillstand der Atmung ein; dann beginnt aber sofort ein 10” dauernder Exspirations- akt, auf den eine 5” dauernde Pause in der Atmung folgt. Der Mantel Fig. 124. Fig. 125. Fig. 126. ergibt 3 Kurven, die 10 bis 12" hoch sind, die Klappe zwei 10 bzw. 12 "m hohe Kurven. Nach ungefähr 30” ist die Kurve wieder normal ge- worden (Höhe der Kurven: Mantel 1”, Klappe 4—5—6""®) (18 R. in der Minute). 4. 10% 51”. (22 R.pro Minute.) Die obere Fläche wird 12” lang mechanisch gereizt; während der Reizung sind die Kurven leicht unter die Abszisse ge- sunken. Nach Beendigung der Reizung ergab der Mantel eine rasche Kon- traktionskurve, die 1” dauerte und 33" hoch war; gleichzeitig hörte die Klappe etwa 12” auf sich zu kontrahieren. Nach dieser Zeit wurde die Kurve wieder normal (Höhe der Kurven: Mantel 1"”, Klappe 3 bis 5 WM) (21 R. in der Minute). Mithin kontrahiert sich der Mantel in diesem Falle energisch, während die Klappe vollkommen unbeweglich bleibt (Fig. 124). 5. 10% 55°. (21 R. pro Minute) Die Arme werden 9” lang ziemlich stark gereizt; am Ende der Reizung reagiert die Sepia durch eine Exspira- tion, die 15” dauert. Der Mantel ergab zwei energische Kontraktionen im Abstand von 5”, die 30 @® hoch waren, während gleichzeitig die Klappenkurve bis zu 16 bzw. 20% anstieg; 10” nach dieser letzten Kurve wurde die Klappenkurve wieder normal. Die Höhe der Kurven war 1"” für den Mantel und 3 bis A" für die Klappe (24 R. pro Minute). (Fig. 125.) 144 OswALD POLIMANTI: 6. 10% 59°. (21 R. in der Minute.) Der vordere linke Teil des Mantels wird 10” lang mit einem Glasstäbchen sehr stark gereizt. Gegen die Mitte der Reizung antwortet das Tier mit energischen Exspirationsbewegungen, die bis zum Ende der Beobachtung (2’) andauern. Der Mantel ergibt im Abstand von je 4” drei etwa 3” hohe Stöße, während die Klappe sich auch kontrahiert, aber allmählich 10 ”” unter die Abszisse sinkt. Dann erfolgen drei starke Exspirationsbewegungen, die eher sehr lang (Dauer 10 bzw. 6 und 5”) als kräftig sind. Die Kurven sowohl des Mantels als der Klappe steigen nämlich im Maximum auf 7—8—10"" (Fig. 126). Ich vergifte diese Sepia mit Kohlensäure, um zu sehen, wie sie sich verhält. 7. 11®&. Ich nehme die normale Kurve auf. Die Höhe der Mantel- kurve ist 1%”, die der Klappenkurve 3 bis 4%”, Die Zahl der Respirationen beträgt 20 in der Minute, um 11" 5’ aber 21, als ich mit Einleitung der CO, begann. Eine Minute später machte das Tier schon eine starke Ex- spirationsbewegung. 8 Höhe der ira- 8 Atmungskurven u Se Zeit in mm Se Bemerkungen = 5 j in der 12 Mantel | Klappe | Minute 9 | 11% 7 vorm. 1 3—4 21 10) SS 2 4—5 22 ; 11 | 11 13 „| 3-81, | 5-6 17 Beginnt schwarz zu werden. 12 | 1005 9, 83a 2 13 Te 2—3 11 - ab ihre 5 il 2—3 .12 Es wird wieder Meerwasser ein- 1 y, 3-37, 15 geleitet, keine weitere CO,. 16 EL SoR 3-5 | 18 Wahl 2 | > 9 ka | le Be DH 19 Susan 2 Ss 5 So ao = 2—3 25 Während also die Atembewegungen abnehmen, werden die Kurven viel höher, und dann, wenn die Vergiftung mit CO, fortdauert, sinken gleichzeitig sowohl die Kurven als auch die Zahl der Respirationen. Während die Atmung wieder normal wird, nimmt die Zahl der Respira- tionen zu und die Höhe der Kurven nimmt ab. 30. Experiment. 11.1.08. Temp. des Wassers 13-2°C. Sepia offi- einalis. Länge 12.8", 5. 10% 45’ vorm. (32 R. pro Minute.) Die Cornea des linken Auges wird 9°” lang mechanisch gereizt. 2” nach Beginn der Reizung macht die Sepia eine kleine Exspiration: die Mantelkurve steigt auf 7", die Klappen- kurve auf 3!/, "®; erstere dauert kaum 1”, letztere 2”. 10” nach Aufnahme der normalen Kurve machte die Sepia eine energische Exspirationsbewegung; BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 145 der Mantel ergab eine bis zu 25” ansteigende Kurve und die Klappe eine 15 "m hohe; erstere dauerte 1”, letztere 2”. Dann kehrten die Kurven zur Abszisse zurück (28 R. in der Minute). Also erfolgten nach Einwirkung des mechanischen Reizes auf die Cornea zwei Exspirationsbewegungen, eine kleine während der Reizung und eine große eine gewisse Zeit nach Be- endigung der letzteren. Reizung der Trigeminusäste hat auch eine Abnahme der Atembewegungen zur Folge. Auch dieses Tier wird mit CO, vergiftet. Im normalen Zustande (10" 59, 3. Beobachtung) machte die Sepia 23 R. in der Minute. Die Höhe der Mantelkurve war unmerklich, die der Klappenkurve 1 bis 1!/,"=. Um 11" beginne ich Kohlensäure einzuleiten. 80 .. 2 2 55 | et a 3 Zeit En tionen B k e: el ler emerkungen Pr} | : S | Mantel | Klappe | Minute 9 | 112 2 vom) % | 2-2, IM Any Tee | | eat ee a ei. 26 Macht eine Exspiration. Dario. | oo |. :20 DE RT en 1a 24 Ja 3 san, | a, 23 a a er er IB da it), I NE EU AIl2.TG, ‚35; 2 ag 10 Macht eine Exspiration. De Ta TR Ze 1976 215}; 1, De Macht um 11 23’ eine Exspiration. Bell al | 510. | ea] Bei dieser Vergiftung mit CO, nahmen die Atembewegungen fort- während immer mehr ab und die Schwankungen der Kurven erfolgten sprungweise; im allgemeinen kann man jedoch sagen, daß sie höher Be N waren, wenn die Exspirationsbewe- sungen klein waren. Die 17. Beob- achtung (Fig. 127) eignet sich sehr gut zur Analyse der gleichzeitigen Atmungskurven des Mantels und der Klappe. 31. Experiment. 12.1.08. temp.des Wawen 13:5°0. -1. 108% 6° vorm. (22 R. in der Minute.) Das Tier macht eine sehr Fig. 127. starke Exspirationsbewegung. Nach- dem Mantel und Klappe etwa 7” lang eine normale Kurve ergeben haben (Höhe der Kurve 1 bis 2 bzw. 7 bis 8"), fängt zuerst die Atmungskurve der Archiv f.A.u, Ph. 1912. Physiol. Abtlg. 10 146 OswALD POLIMANTI: Klappe, 5” nachher die des Mantels an unregelmäßig zu werden, weil ihre Kurven nicht dieselbe Höhe haben, sondern einige höher, andere weniger hoch sind. Endlich ergeben sowohl die Klappe als der Mantel sehr hohe Atmungskurven (Höhe: Mantel 10 bis 12"", Klappe 8 bis 27 m), 25” nach Beginn dieses Exspirationsaktes wird die Kurve wieder normal (20 R. pro Minute). Nun reize ich im Abstand von einigen Minuten dieselben Gegenden der Sepia, um zu sehen, welchen Einfluß diese Reizungen auf die Atmung ausüben. A. Cornea des linken Auges. 2. 10% 9°, (20 R. in der Minute.) Die mechanische Reizung dauert 6”; ungefähr gegen das Ende der Reizung antwortet die Sepia mit einer starken Exspirationsbewegung. Die Mantelkurven, 5 an Zahl, steigen von 1% eine jede auf 50" an; die erste sinkt jedoch wieder fast 10% unter die Ab- szisse. Die Kurven der Klappe, ebenfalls 3 an Zahl, steigen bis auf 20 bzw. 28 bis 20” an und sinken dann 8" unter die Abszisse. Hierauf wird die Atmungskurve sofort wieder normal (18 R. pro Minute). 8. 10" 30° vorm. (23 R. in der Minute.) Die linke Cornea wird 10” lang gereizt. Die Sepia antwortet mit einer energischen Exspiration. Der Mantel ergibt drei 25 bzw. 9 und 25 “® hohe Kontraktionen; die drei größten Kurven sinken 5%" unter die Abszisse. Auch die Klappe ergibt drei Kurven, die 17—10—25”" hoch sind, worauf sie 10 %® unter die Abszisse herab- gehen. Zuerst kontrahiert sich der Mantel, hierauf die Klappe. Der Ex- spirationsakt dauerte 15”; dann kehrte die Kurve zum Normalen zurück (21 R. pro Minute). Gleichzeitig nahm auch die Zahl der Atemzüge ab; wie es scheint, üben die Nerven der Cornea, wenn sie gereizt werden, eine verzögernde Wirkung auf die Atmung aus (hemmende Einwirkung). B. Linke Mantelhöhle. 3. 10° 11° vorm. (18 R. in der Minute.) Ich halte ein Glasstäbehen 12° lang in das linke Mantelinnere und reize gleichzeitig: am Ende der Reizung erfolgt eine Exspirationsbewegung. Der Mantel ergab 2” nach Beginn der Reizung eine stoßartige Exspiration, die 12% hoch war; dann trat eine Pause in der Atmung ein und hierauf nach 10” eine stoßartige Exspiration von einer Höhe von 37", von denen 7 unter der Abszisse. Nachdem der Mantel eine neue Kurve ergeben hatte, die 6%® hoch war und 6” dauerte, kehrte seine Kurve zum Normalen zurück (Höhe 1"). Die Klappe zeigte während der ganzen Dauer der Reizung eine sehr unregel- mäßige Kurve, die auch 1 bis 2%” unter die Abszisse sank; dann folgte eine Kurve, die 30"® hoch war, wovon 7 unter der Abszisse. Sie kehrte gleichzeitig mit der Mantelkurve (3 bis 31/, ””) zum Normalen zurück (20 R. pro Minute). 5. 10% 16’ vorm. (21 R. in der Minute.) Der Mantel ergibt Atmungs- kurven, die 1” hoch sind, während die der Klappe eine Höhe von 4 bis 7 "" haben. Die Klappenkurven scheinen periodisch anzusteigen und zu sinken, da immer nach 4 bis 5 kleinen Respirationen eine große eintritt. Die linke Flosse wird 10” lang mechanisch gereizt; nach Aufhören des Reizes ant- wortet die Sepia mit einer Exspirationsbewegung. Der Mantel ergibt drei BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 147 stoßartige Kurven, die 13 bzw. 52 und 30" hoch sind; die beiden letzten sinken 5 bzw. 4"® unter die Abszisse. Die Klappe ergibt 3 Kurven, die 11—14—24 "m hoch sind; die mittlere geht 4" unter die Abszisse herab. 15” nach Aufhören der Exspiration wird die Kurve wieder normal wie beim Beginn; bei der Klappe zeigt sich stets eine Neigung zur Atmung mit periodischem Typus (21 R. in der Minute). C. Obere Fläche. 4. 104 14‘. (31 R. pro Minute) Die obere Fläche der Sepia wird 13” lang mit einem Stäbchen ganz leicht gereizt. Die Atmungskurven des Mantels (1®”) und der Klappe (4 bis 41/,") sind während und nach der Reizung fast unverändert geblieben. Nur die Klappenkurve ist während der Zeit der Einwirkung des Reizes um !/, "" gefallen. 9. 10% 36. (21 R. in der Minute) Der Rücken der Sepia wird mit einem Stäbehen 7” lang sehr energisch gereizt. Fast gegen Ende der Rei- zung antwortet das Tier mit einer energischen Exspirationsbewegung, die 15” dauert. Der Mantel ergibt 12—25—12"" hohe Atmungskurven, die um 10% (die mittlere) unter die Abszisse hinabgehen. Die Mantelkurve kohrt sofort zum normalen Zustand zurück, während die Klappenkurve un- regelmäßiger bleibt und bis zum Ende der Beobachtung stets 6 ”® über der Abszisse verbleibt. Bei Beendigung des Experimentes ist die Zahl der Atem- züge erhöht (25 R. in der Minute). 6. 10" 26. (22 R. pro Minute.) Der Mantel ergibt Kurven, die 1" hoch sind, die Klappe 4 bis 5" hohe. Nun werden die Arme 6” lang mechanisch gereizt: bei Beendigung der Reizung erfolgt eine Exspiration. Der Mantel zeigt Kurven, die um 2 bzw. 25 und 5 "® (nach dem Typus der Stöße) ansteigen und dann 10 "® unter die3Abszisse sinken. Die Kurven der Klappe steigen auf 7 bis 15 (diese sinkt 5” unter die Abszisse) und 292mm, Die Exspiration dauert 12”; hierauf wird die Kurve wieder normal. 7. 10% 28° vorm. (20 R. pro Minute). Die Höhe der Mantelkurven beträgt 1”, die der Klappenkurven 4 bis 5%”, Die Gegend über dem Ganglion cerebrale wird 6” lang mechanisch gereizt, um die Mitte der Reizungsdauer erfolgt eine starke Exspiration. Der Mantel ergibt eine stoß- artige Kurve, die sogar bis auf 42" ansteigt, und die Klappenkurve steigt auf 25 wm, Diese Exspiration dauerte 15”; dann kehrte die Kurve allmäh- lich zum Normalen zurück, wie sie vor der Reizung war (23 R. pro Minute). Auch die Zahl der Atembewegungen hat zugenommen. Die Mantelkurve sank 12 W® unter die Abszisse, die Klappenkurve 4””. Ich habe bei manchen Sepien beobachtet, daß, wenn der Knopf der Mareyschen Trommel behufs graphischer Registrierung der Atmungskurve auf die ventrale Gegend des Mantels gebracht wurde, die Tiere den Mantel während eines mehr oder weniger langen Zeitabschnittes von dem Knopf zurückzogen, also soll man darauf Achtung haben. 10. 10% 39°. Ich nehme die normale Atmungskurve auf. Die ‚Höhe der Mantelkurven beträgt 1", die der Klappenkurven 4 bis 6”%®, Die Zahl der Respirationen ist 26 in der Minute. Um 10% 41 beginne ich CO, ins Bassin einzuleiten, in dem sich die Sepia befindet. Nach wenigen Sekunden erfolgt eine Exspiration. 10* 148 OSWALD POLIMANTI: Nummer | Höhe der \ Zahl der der Atmungskurven \ Respira- Benhach. Zeit nn | Bemerkungen tung Mantel | Klappe | Minute 11 10% 43° vorm. i 3 | 23 ' 1 Exspiration 12 j0SAdan Kane I 5-51, NEN g 13 10WAT RE} D-=3 DE eier) 14 jonagt. 5-6 | 3-5 | 14 | (Fig. 128). 15 105407, | 4-5 3,5 | 12 1 Br 16 IOFSRa 2 45 | u 17 11.2 3, 20 Di le 2a le 180 ME FA 2 | 3 ‚oe I RENNER NR REN I ar KÄNNISNIIN, Fig. 128. Bei diesem Experiment hatte die Vergiftung mit CO, eine fortdauernde Abnahme der Respirationen zur Folge. Die Höhe der Atmungskurven nahm allmählich zu, um dann abzunehmen. Gegen die Mitte ‚der As- phyxie waren die Kurven des Mantels (wegen der größeren Strecke, die letzterer zurücklegen muß) größer als die der Klappe, welche, wie man sagen kann, ausschließlich für das Ein- und Austreten des Wassers be- stimmt ist. Ich verweise auf die Kurve 14 (Fig. 128), bei der man nicht uur die Mantel- und Klappenkurve gut verfolgen kann, sondern auch den nach der Exspiration stattfindenden Übergang zu einem völlig verschiedenen Typus, sowohl bei den Mantelkurven als bei den Klappenkurven, deutlich wahrnimmt. 34. Experiment. 15.1. 08. Temp. des Wassers 13°C. Sepia offieinalis. Länge 14". 1. 10% 19° vorm. (25R. in der Minute.) Die linke Kornea wurde 8” lang mechanisch gereizt: gegen die Mitte der Reizung antwortete die Sepia mit einer Exspiration. Die Atmungskurven des Mantels stiegen von 1” in einem Abstand von 5” voneinander auf 30 bis 35 ”® an; eine jede von ihnen dauerte 1”. Gleichzeitig sanken die Kurven der Klappe 5" unter BEITRÄGE ZuR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 149 die Abszisse. 12” nach Beginn der Exspiration wurden die Kurven wieder normal (22 R. in der Minute). Gleichzeitig zeigte sich eine Abnahme der Atembewegungen. 2. 10% 23°. (25 R. pro Minute.) Die obere Fläche wurde 10” lang leicht mechanisch gereizt (Kitzeln). Die Mantelkurven stiegen während der ganzen Dauer der Reizung von 1" auf 2%”, wobei sie jedoch immer auf der Abszisse blieben. Die Klappenkurven dagegen stiegen von 4 bis 5um etwa 20 bis 25” lang 7 bis 8"m über die Abszisse. Bis zum Ende der Beob- achtung kehrten dann diese Kurven wieder zum Normalen zurück. Gleich- zeitig trat aber auch eine Zunahme der Zahl der Atembewegungen ein (27 R. pro Minute). 3. 10% 26°. (33 R. in der Minute.) Das linke Mantelinnere wurde 8” lang mechanisch gereizt. Es trat beinahe ein Stillstand der Atmung ein: die “Kurve des Mantels sowohl als auch der Klappe wurde sehr unregelmäßig. Gleichzeitig nahmen bei beiden die Atmungskurven an Höhe ab (Mantel von 1=m auf !/,®®, Klappe von 3"M auf 2), ®®). Gleichzeitig traten auch zwei Respirationen ein, die höher als die anderen waren. 5” nach Beendigung der Respiration wurde die Kurve wieder normal. Die Zahl der Atemzüge hatte nach Beendigung der Reizung abgenommen (29 R. in der Minute). 4. 10% 28°. (22 R. pro Minute.) Die linke Flosse wurde 10” lang mechanisch gereizt. Die Klappe zeigte ein leichtes Sinken der Atmungs- kurve unter die Abszisse (3"m), Die Mantelkurve blieb unverändert. Nach Aufhören des Reizes blieb die Kurve normal (Höhe der Kurven: Mantel 1 "m, Klappe 2!/, bis 3m) (22 R. pro Minute). 5. 10% 34°. (28 R. in der Minute.) Die Arme wurden 7” lang ziemlich stark gereizt; das Tier antwortete mit einer Exspiration. Der Mantel ergab eine stoßartige Kontraktionskurve, die 47 "= hoch war und um die Hälfte unter die Abszisse sank. Die Klappe, deren Kurven während der Reizung fast gleich Null geworden waren, stieg auf 10 %% und blieb dann 4 "m über der Abszisse, indem sie Kurven von 2 bis 3%m Höhe ergab (28 R. pro Minute). Reizung der Füße scheint gar keinen Einfluß auf die Atem- bewegungen auszuüben. 6. 10% 37. Ich nehme’die normale Atmungskurve auf. Der Mantel ergibt Atmungskurven, die !/, "= hoch sind; die der Klappe sind 2 bis 21/, mw hoch. Die Zahl der Respirationen beträgt 26 in der Minute. Ich höre mit Einleitung von Wasser in das Bassin auf und beginne die Vergiftung der Sepia mit CO,. 8 | Höhe der zZ | a ahl der | E = | Atmungskurven Respira- | RE Zeit | in mm tionen | Bemerkungen 28 nmel ders ä ı Mantel | Klappe | Minute | 7 | 10640’ vorm.) 1 2—31/, 23 \ 2 Exspirationen. SErI0r 42. | la 2-21, | 20 | 910, le, BE 50 0 AOL LADIAS 54 |.He 2-31,| ı9 | 1 Exspiration (Fig. 129). le 4—5 17 ı Am Ende der Exspiration. Mer sa rt, 1%, er oma aus |j>ı 13 150 OSWALD POLIMANTI: '13. Um 11" liegt das Tier in den letzten Zügen und hört nach wenigen Sekunden ganz zu atmen auf. Ich leite sofort Meerwasser ins Bassin und höre mit Einleiten von CO, auf. Die Sepia macht fortwährend Kopf- bewegungen, so daß es unmöglich ist, eine normale Kurve aufzunehmen. Aus Trichter und Klappe dringt auch fortwährend schwarze Stoffe. Zuerst war das Tier ganz schwarz während des Experimentes; nun ist es voll- ständig weiß und höckerig (die Haut des Mantels an bestimmten Stellen spitze Erhebungen bildend.. Um 11" 3° ist es tot und ganz trocken ge- worden. Bei diesem Experiment hat die CO, so bewirkt, daß die Atmungs- kurven, namentlich die des Mantels, bedeutend anstiegen. Ich verweise auf die sehr charakteristische Kurve der 10. Beobachtung (Fig. 129), an der man die Änderung des Atmungsrhythmus der Klappe vor und nach dem Exspirationsakt und auch den verschiedenen Typus der Kurven gut beobachten kann. Fig. 129. Fig. 130. 35. Experiment. 15.1.08. Temp. des Wassers 13-1°C. Sepia offi- einalis. Länge 13.5. 1. 1% 16° nachm. Die Sepia macht eine spontane Atembewegung mit gleichzeitiger Ausscheidung von schwarzer Stoffe aus dem Trichter. Vor der Exspiration betrug die Zahl der Atemzüge 15 pro Minute. Der Mantel ergab vier energische Atmungskontraktionen, die in einem Abstand von etwa 4” aufeinander folgten und 39 bzw. 36—29—15 "" hoch waren; zwei von ihnen gingen 5%" unter die Abszisse herab. Die Klappe ergab 4 At- mungskontraktionen, die 12 bzw. 15—21—253”% hoch waren und sich 10”® unter der Abszisse erhielten. Das Charakteristische lag, wie man sieht, darin, daß, während die Atmungskurven des Mantels nach und nach sanken, die der Klappe gleichzeitig anstiegen. Am Ende des Experimentes betrug die Zahl der Respirationen 14 in der Minute (Fig. 130). 2. 1° 13° nachm. (16 R. pro Minute.) Die Höhe der Mantelkurve ist 1”, die der Klappenkurve 2 bis 53mm. Um 1 20 leite ich das Wasser aus dem Bassin und um 1? 21'/,‘ macht das Tier, während die Kurven BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 151 sich noch auf der Abszisse erhalten, 4 Exspirationsbewegungen im Abstand von 3” voneinander. Die Mantelkurven sinken von 48"m auf 44, 41 und 38", indem sie sich 10 ®” unter der Abszisse erhalten. Die Klappenkurven haben eine Höhe von 15—14--17—18""® und bleiben 9"= unter der Ab- szisse. Nach Beendigung der Exspirationen kehrte die Mantelkurve, indem sie linienförmig wurde, zur Abszisse zrrück; die Klappenkurve dagegen stieg allmählich an und stand am Ende der Beobachtung 32" über der Abszisse. Die Atmungskurven der Klappe waren am Ende der Beobachtung auf eine Höhe von !/,®% reduziert; die Zahl der Respirationen betrug 29 pro Minute (Fig. 131). Um 1% 22° nachm. leite ich wieder Wasser ins Bassin ein. 4. 1" 23° (23 R. pro Minute). Die Atmungskurven des Mantels er- reichen eine Höhe von ungefähr 2%%; die der Klappe steigen allmählich von 2” quf 31/,mm an. Fig. 131. 5. 1% 27° bis 1% 29. Bei Beginn der Beobachtung erfolgten 5 Ex- spirationsbewegungen: die stoßartigen Mantelkurven hatten eine Höhe von 25 bzw.38— 40 —40 — 39%, die Kurven der Klappe waren 5—4—6—9 — 12mm hoch. An diesem Exspirationsakt nehmen die Atmungsklappen sehr geringen Anteil. Ich nehme die Kurve weiter auf; während ihrer Dauer variert die Höhe der einzelnen Kurven und auch die Zahl der Respirationen. Es zeigen sich folgende Schwankungen: _ sn | | Höhe der Atmungskurven | Zahl der (nach 2: d ) in mm ' Respirationen nat ekunden = a PAS 1, 1 Mantel Klappe ‚in der Minute 30 2a 5—9'), 14 22 3/ 92 91 Also sämtliche Kurven nach diesen Exspirationsversuchen werden wieder normal. 152 OswALD POLIMANTI: 38. Experiment. 18.1. 08. Temp. des Wassers 12-8° C. Sepia off- einalis. Länge 13.2", 1. 11® 21‘. (21 R. pro Minute) Die linke Hornhaut wird 5” lang sehr leicht mechanisch gereizt, sozusagen gekitzelt. Der Mantel ergab eine stoßartige kleine Kurve, die von 1" bis zu 5" anstieg; die Klappe ergab auch eine Kurve, die von 1 bis 2"” bis zu 3”" anstieg. Nach 10” war die Kurve wieder ganz normal geworden (20 R. in der Minute). 2. 11% 27°. (23 R. in der Minute.) Während ich die Atmungskurven des Mantels und der Klappe aufnahm, machte die Sepia eine sehr starke 10” dauernde Exspirationsbewegung. Der Mantel ergab A Kontraktions- kurven, die 30 bzw. 48—48—47 "m hoch waren. Die drei letzten blieben 10 "m unter der Abszisse. Die Klappenkurve sank 12 "" unter die Abszisse und stieg dann 8—11—8"" über dieselbe an. Dann kehrten die Kurven nach und nach zum normalen Zustand zurück (Mantel 2”, Klappe 3"”). Am Ende der Beobachtung betrug die Zahl der Respirationen 21 in der Minute. Um 11% 30° höre ich mit Einleiten von Meerwasser auf und beginne CO, in das Bassin einzuleiten. i E Höhe der Aryanleder ® = Atmungskurven Respira- = Zeit | Da tionen Bemerkungen ze | in der a Mantel | Klappe Minute 3. 11322 vorm re 2—21), 22 4 nase ou w2 21R 20 R 5 WS 3 4—5 18 Beginnt schwarz zu werden. an | al | iS | a ale 2 1—11), 4 Ga ls Vor der spontanen Exspiration. le 4—7 12 ı Nach der Exspiration. 8 aA 6—7 Be ae el 10 10 Seo 1 5—6 9 I 2» 4—5 10 oa 17, 3% 10 132 Ku 1), 3 10 14, ES 1), eo 10 15,012 bi ha AR ill), ae 16.) 19° ae Y, u 9 I ee 1, ı), Bake Mithin hat bei diesem Experiment mit Vergiftung durch Kohlensäure die Zahl der Respirationen allmählich immer mehr abgenommen, je weiter die Asphyxie vorschritt. Die Höhe der Kurven des Mantels wie auch der der Klappe nahm nach und nach zu, um dann abzunehmen; man kann sagen, daß sie bis gegen die Mitte des Experimentes angestiegen waren und dann während der zweiten Hälfte abnahmen. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 153 39. Experiment. 18.1. 08. Temp. des Wassers 13.2° C. Sepia offi- einalis.. Länge 12.9 m, Um 2% 40° abends wird eine Sepia von mittlerer Größe in ein Bassin gebracht, das gekochtes Meerwasser enthält. Das Tier macht 4 Exspirations- bewegungen (Höhe der Kurven: Mantel 20—15—20—10”m; Klappe 15—10—15—5 ""). Dann werden die Atmungskurven absolut gleich Null;- die Kurve, welche uns die Atmung der Klappen angibt, steigt allmählich über die Abszisse an (am Ende der Beobachtung ist sie um 3 T® gestiegen); die der Klappe sinkt 3bis5“” unter die Abszisse. Beide sind jedoch Linien, nichts anderes; man sieht absolut keine Hindeutung auf eine Atmung. Als ich von neuem Meerwasser einleite, nachdem das Tier 5° in diesem gekochten Wasser verweilt hat, tritt keine normale Atmung mehr ein und es stirbt nach 1) Minuten. Mithin übt der Mangel an O, eine stärkere Wirkung auf die Atmung und Lebensfähigkeit der Sepia aus als die Ver- giftung mit CO,. Fig: 132. Fig. 133. 40. Experiment. .19. I. 08. Temp. des Wassers 13° C. Bei dieser Sepia studierte ich den Einfluß, den absoluter Wassermangel auf die Atmung ausübt, ferner die Modifikationen der Atmung, wenn von neuem Wasser ein- geleitet wird. 1. 10% 25° vorm. (22 R. in der Minute) Die Höhe der Atmungs- kurven des Mantels beträgt 1 bis 1!/,”®=, die der Kurven der Klappe 4!/, bis 5!/,w=. Zu dieser gleichen Zeit wird das Wasser vollständig aus dem Bassin entfernt. Während der 60”, als die Sepia ohne Wasser war, hat sie 23 Respirationen in der Minute gemacht. Die Höhe der Mantelkurven betrug 1”, die der Klappenkurve sank nach und nach stufenförmig von 5 auf 3”"®, Die Mantelkurve sank dann allmählich bis 5"® unter die Abszisse, während die Klappenkurve stets über der letzteren blieb. Nachdem 1” seit Entfernung des Wassers vergangen war, stieg die Atmungskurve der Klappe nach und nach 55” lang bis zu 35" über der Abszisse; die Kurve des Mantels kehrte gleichzeitig zur Abszisse zurück. Die Zahl der Re- spirationen war während dieser 55” gleich 22. Nach 21” beende ich die Beobachtung; die Atmungskurven sowohl des Mantels als der Klappe sind fast linienförmig geworden und lassen sich nicht mehr zählen; ihre Höhe ist kleiner als !/, mm, 154 OSWALD POLIMANTI: Deutlicher jedoch als die Klappenkurven sind stets die Mantelkurven. Was die Lage im Vergleich zur Abszisse betrifft, so befindet sich die Mantel- kurve auf ihr, die Klappenkurve 40" von ihr entfernt. Inzwischen hat das Tier drei Atemzüge gemacht (22 R. in der Minute) (Fig. 132). 2. 10% 30°. Da die Asphyxie eine vollständige ist, lasse ich wieder Meerwasser einströmen. Ich beobachte die Atmung eine Minute lang und sehe, daß die Zahl der Respirationen 24 in der Minute beträgt. Die noch immer auf der Abszisse befindliche Mantelkurve sinkt von 2" auf 1""; die Klappenkurve kehrt allmählich zur Abszisse zurück und ihre Höhe nimmt stufenförmig von 3"® bis auf 1”” ab (Fig. 133). Nun müssen wir in aller Kürze den Einfluß der Temperatur auf die Atmung der Sepia officinalis studieren. SEINNEIRE Temp. des Meerwassers 21° C. Sepia Nr.: 1 2 3 2.28 Länge in Zentimetern: 12 ‚12:95 13-97 ou Mittel der Respirationen für jede 1° 70 52 63 52 44 (12 Beobachtungen). Anmerk. Ich mache hier darauf aufmerksam, daß ich bei allen Ex- perimenten, die ich an Exemplaren von Sepia machte, die außerhalb des großen Bassins und in kleinen Becken gehalten wurden, O, ins Meerwasser einleitete. Sepia 1. Länge 14%. Temp. des Meerwassers 26°C (Einleitung von O,). 28. VI Re 92. Temp. des Meerwassers 32° C (Einleitung von O,). Sobald das Tier ins Bassin gebracht wird, macht es 120 bis 130 Atemzüge. Nach 30”: 100—105—85—90 R. Nach 1°: 60—60—40 R. Nachdem das Tier 3° im Bassin war, gab es eine große Menge Tinten- stoffe von sich und versuchte aus dem Bassin herauszukommen, indem es starke Exspirationsbewegungen machte; hierauf wich es zurück. Dann erschien es absolut wie tot. Die Ausscheidung des Tintensekrets war der letzte sehr energische Reflexakt, um auf den Einfluß der hohen Temperatur der Umgebung zu reagieren. Mithin wird Tintensekret ausgeschieden nicht nur als Schutzmittel, um dem Feinde zu entfliehen, sondern auch als Reaktion gegen die äußere Umgebung, deren Wasser einzuatmen unmöglich wurde, viel- leicht auch infolge Erschlaffens der Schließmuskeln des das Schwarze ent- haltenden Beutels wegen der hohen Temperatur. Das Tier ist ganz schwarz geworden (Wirkung der Chromatophoren), während es anfangs bei 21 und 26°C eine normale Farbe zeigte. Mithin erweist sich hohe Temperatur tat- sächlich als sehr schädlich. Nachdem die Sepia 4° einer Temperatur von BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 155 32° C ausgesetzt ist, befindet sie sich in sehr schlechten Verhältnissen, atmet nicht mehr, reagiert auf keine Reize mehr und scheint tot zu sein. Als ich sah, daß das Tier sich in schlechten Verhältnissen befand, brachte ich es sogleich in das große Bassin, in welchem das Wasser eine Temperatur von 21°C hatte; in den ersten Augenblicken schwamm es auf der Oberfläche und atmete gar nicht (es schwimmt infolge Wirkung des Sepiums). Dann begann es sich etwas zu erholen und legte sich in schräger Richtung auf das Wasser, indem es die Kopf- und Armgegend nach unten hielt; es hielt sich jedoch immer auf der Oberfläche des Wassers. Nachdem die Sepia 4 lang bei 21° C im Bassin gewesen war, sank sie auf den Grund und ruhte dort in horizontaler Lage auf dem Sand. Nach einem Aufenthalt von 7’ im Bassin bei 21° C zeigten sich 80 R. wie beim Beginn des Versuches. Die Färbung ist absolut wieder normal geworden (Wirkung der Chromatophoren). Bemerkenswert ist die große Geschwindigkeit, mit der das Tier zum normalen Zustand zurückkehrt. Sepia offieinalis Nr. 2. Länge 12-5°®. 28. VI. 11. 225° nachm. 21° 0.45: bis 50 R. 25 40. Ich erwärme auf 26°C. Nach 3° 90 bis 100 R. Das Tier verhält sich völlig unbeweglich. Nach 5’ sehr starke Erregung, Ausscheidung von schwarzer Materie. 96 R. Gleichzeitig wird es schwarz und ganz höckerig. 2" 47. Nach 7’ 114 R. Das Tier verhält sich unbeweglich und ruht mit der unteren Fläche auf dem Boden des Bassins. 2% 49° starke Erregung; es macht fortwährend Exspirationsbewegungen, scheidet aber keine schwarze Materie aus. 2% 50. 118 R. Fortwährend starke Erregung. 24 55. 120 R. Die Atmung zeigt jedoch einen intermittierenden Typus mit Pausen von 1 bis 2”. 25 56° 120 R. Status idem. Ich bringe das Tier wieder in das Bassin mit 21°C. 24 59°. Sobald es darin ist, ist es sehr erregt und macht fortwährend Exspirationsbewegungen; wenige Sekunden später legt es sich aber auf den Sand am Boden. 38. 45 bis 50 R. Die Atmung ist zum normalen Zustand zurück- gekehrt. Auch hier ist die große Geschwindigkeit bemerkenswert, wie die Temperatur einwirkt. Sepia offieinalis Nr. 3. Länge 13%. 28. VI.11. 3% 30° nachm. Temp. 21°C. 60 R. Konstant 1 Stunde lang. 3h 32. Temp. 150°C. Sofort 54 R. Das Tier verhält sich immer unbeweglich auf dem Boden des Bassins. 5" 36° Von Zeit zu Zeit bewegt es sich im Bassin herum; die Wir- kung der Chromatophoren ist normal. 156 OswAup POLIMANTI: 4%. Temp. 10°C. 42 R. Stets vollkommen unbeweglich. Die Wir: kung der Chromatophoren ist aber gleich Null, auch wenn die Sepia gereizt wird; gar niemals zeigt sich jener charakteristische „Tanz“. Mithin bleiben, wie es scheint, die Chromatophoren bei einer Temperatur von etwa 10°C. absolut unbeweglich, während sie bei höheren Temperaturen in beständiger Bewegung sind. Also hängt auch die Wirkung der Chromatophoren von der Tempe- ratur ab. Mithin kann man sagen, je höher die Temperatur ist, desto größer ist die Wirkung der Ohromatophoren, und je niedriger die Tempe- ratur ist, desto geringer ist die Wirkung der Chromatophoren. Bei 10°C fehlt absolut der „Tanz“ der Chromatophoren. 4» 10. Temp. 21°C. 60 R. Ihre Zahl hat die ursprüngliche Grenze erreicht. Auch in diesem Falle war der von der Temperatur ausgeübte Einfluß ein rascher. Sepia offieinalis Nr. 4. Länge 20%. 28. VI. 11. 44 12’ nachm. Temp. 21°C. 60 bis 66 R. 44 13°. Temp. 20°C. 4" 16. Temp. 13-5 bis 14°C. 54 R. Das Tier macht starke Ex- spirationsbewegungen und sucht aus dem Bassin herauszukommen. Ara emp. Male Bund: 4» 18°. Es ist noch immer in fortdauernder Erregung. 4b 20°. Temp. 12°C. 40 bis 50 R. 4% 22°. Das Tier ist fortwährend erregt, macht starke Exspirations- bewegungen und sucht aus dem Bassin herauszukommen. 45 23°. Es verhält sich vollständig unbeweglich. Die Chromatophoren bewegen sich gar nicht, es behält immer dieselbe Farbe bei. 4" 40. Temp. 12°C. 36 bis 42 R. Es bewegt sich von Zeit zu Zeit. Die Ergebnisse bleiben immer konstant. 4h 41’. Ich bringe es in das Bassin, das 21°C zeigt. 4" 50. Temp. 21°C. 60 bis 66 R. Es hat in so kurzer Zeit den Anfangswert erreicht. Sepia offieinalis Nr.5. 17°. 28. VI. 11. 4" 40’ nachm. 54 bis.60 R. Temp. 21°C. 4"42°. Temp. 12°C. Das Tier ist sehr erregt, macht fortwährend Exspirationsbewegungen und gibt viel schwarze Materie von sich. Die niedrige Temperatur wirkt als Reizmittel; vielleicht macht es diese energischen Bewegungen auch zu dem Zwecke, ein anderes Bassin zu erreichen. 4» 45°. Temp. 12°C. 54R. Immer sehr erregt. 456°. Temp.12°C. 36 bis 42 R., jedoch häufiger 36 als 42 Atemzüge. 5" 10”. 54 bis 60R. Temp. 21°C. Man beachte, daß bei dieser Sepia im Beginn des Experimentes bei niedriger Temperatur Ruheperioden mit Perioden großer Tätigkeit ab- wechselten. Als die niedrige Temperatur noch weiter einwirkte, verhielt BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 157 sich die Sepia aber ganz unbeweglich: niedrige Temperatur vermindert die Reflextätigkeit und die Beweglichkeit des Tieres. Im Gegensatz zu dem, was Ducceschi mit seinem vermeintlichen Gesetz hinsichtlich der Atmung der Tiere gefunden hat, daß nämlich Tiere von kleinen Dimensionen häufiger atmen als die größeren (P. Bert hatte früher [1870] das bemerkt), habe ich gesehen, daß der Einfluß der Tempera- tur auf die Zahl der Atemzüge der Sepia von der Größe des Tieres durchaus unabhängig ist. Welches auch seine Größe ist, niedrige Temperatur ver- mindert stets in homogener Weise die Zahl der Respirationen und bringt sie immer auf ein bestimmtes Minimum. In diesem Falle ist es der physi- kalische Faktor, der den biologischen Faktor übertreffen würde, wenn das Postulat Dueceschis auf Wahrheit beruhte; dies ist aber nicht der Fall. Sepia offieinalis Nr. 6. 1. VII. 11. Länge 11". 9h 30’ vorm. Temp. des Wassers 20°C. 72 R. Das Tier ist unbeweg- lich auf dem Boden des Bassins. 9% 36. Temp. 18°C. 54R. Idem. 9h 44. Temp. 17°C. 54R. Idem. Von Zeit zu Zeit erfolgen einige Exspirationen. Normale graue Färbung. 9b 49. Temp. 15°C. 48 R. Es beginnt schwärzer zu werden. 10% 14. Temp. 13°C. 54R. Einen Teil der Zeit hindurch verhält es sich unbeweglich auf dem Boden; von Zeit zu Zeit bewegt es sich fort- während. 10% 24°. Temp. 12°C. 36 bis 42 R. Es verhält sich unbeweglich in einer Ecke. 10% 31°. Temp. 12-5°C. 24 R. Es ist ziemlich unruhig; von Zeit zu Zeit bewegt es sich. Nach dieser Periode der Unruhe bleibt es völlig unbeweglich. Davon hängen, wie ich glaube, diese Unterschiede der größeren oder geringeren Zahl der Atemzüge ab. 10% 48‘. Temp. 12-5°C. 24 R. Es verhält sich immer unbeweglich auf dem Boden des Bassins. 11%. Temp. 12-5°C. 36 bis 42 R. Idem. 11% 5. Temp. 12-5°C. 42 R. Idem. 11226. Temp. 13-5°C. 30 R. Es verhält sich stets unbeweglich auf dem Boden des Bassins. 1159. Temp. 14-5°C. 42 bis 48 R. Es verhält sich inmer ruhig an derselben Stelle in einer Ecke des Bassins. 1" 40° nachm. Temp. 17°C. 42 R. Es verhält sich noch immer unbeweglich in derselben Ecke auf dem Boden des Bassins. 2% 30. Temp. 18°C. 48 R. Es bleibt immer unbeweglich an ders selben Stelle. 3b 32°. Temp. 19°C. 48 bis 54 R. Sobald das Tier gereizt wird, wird es sofort dornig längs des ganzen Körpers, besonders aber in der oberen Gegend des Kopfes und seitwärts auf den Flossen. Ich bringe es in das Bassin zurück, das 21°C zeigt, in welchem es in sehr kurzer Zeit wieder 60 bis 70 R. aufweist. 158 OswALp POLIMANTI: Sepia offieinalis Nr. 7. Länge 10°. 4. VII 11. 11" 8 vorm. Temp. 22°C. 60—66—100 R. Das Tier versucht auf dem Boden zu ruhen; da es aber sehr klein ist, wird es wieder an die Ober- fläche getrieben. 11% 11‘. Es befindet sich noch immer in fortwährender Bewegung an der Oberfläche. 11" 15°. 110R. Temp. 18° C. Es verhält sich unbeweglich auf dem Boden des Bassins. 11" 28. Temp. 16-5°C. 60 bis 66 R. Es macht noch immer fort- währende Bewegungen an der Oberfläche des Wassers. 11% 32°. Temp. 13-5°C. 60 R. Es macht noch immer fortwährende Bewesungen. Die niedrige Temperatur wirkt als sehr lästiger Reiz und ist gewiß, wenigstens in der ersten Zeit, ein Hyperexeitans. 11® 46. Temp. 119920 A8IR. 427537 Temp 10-2 CH A2Re Das’Tier verhält sich immer unbe- weglich auf dem Boden des Bassins. 12% 12’ mitt. Temp. 10-5°C. 36 bis 42 R. Idem. Stets unbeweglich auf dem Boden. 12h 21°. Temp. 11-5°C. 36 bis 42 R. Idem. 12% 22°. Temp. 12.200. 42 R.. Idem. 12" 55. Temp. 15°C. A8R. Idem. Ich bringe das Tier wieder in das große Bassin, dessen Mer eine Temperatur von 21°C. hat. Sepia officinalis Nr. 8. 5. VII. 11. Ich leite O, in das Bassin, in welches ich die Sepia bringen will (Temp. der Luft 25-5°C. Temp. des Wassers 22° O). ° 4% 15° nachmitt. 50 R. Temp. 22°C. Ich bringe das Tier in das Bassin. 45h 20°. Temp. 21°C. 72R. Es schwimmt immer an der Oberfläche umher. 4h 25°. 19-5°C. 66R. Es ist immer an der Oberfläche des Wassers und bewegt sich fortwährend. 44h 32. Temp. 17°C. A8R. Idem. 4h 38°. Starke Erregung. 45 42°. Temp. 16°C. Das Tier zeigt immer eine sehr starke Erregung; es hat eine gelblich-graue Färbung angenommen. 44 50°. Temp. 15°C. 42R. Es ist noch immer etwas unruhig und hält sich an der Oberfläche des Wassers; es hat eine ganz hellgraue Färbung. 5b Temp. 12-.5°C. 48R. 5h 8°. Temp. 11-5°C. 32—42—48 R. 5» 13. "Temp: INVETFASIR: 5" 16°. Temp. 11°C. 36 bis 42 R. Es ist auf den Boden des Bassins gesunken, wo es sich fast immer unbeweglich verhält; es bewegt sich sehr selten. 5b 24. Temp. 11°C. 36 bis 42 R. Es liegt immer unbeweglich auf dem Boden des Bassins. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 159 55 26°. Temp. 11°C. 36 R. Es verhielt sich vorher fast immer un- beweglich auf dem Boden des Bassins; jetzt bewegt es sich aber von Zeit zu Zeit. 55 36. Temp. 12°C. 42 bis 48 R, 5h 57. Temp. 12-.5°C. 36—42—48 R. Da die Resultate konstant bleiben, breche ich das Experiment ab. Sepia offieinalis Nr. 9. 6. VII. 11. 94 57° vormitt. ‘Temp. 21°C. 78R. Ich setze das Tier in das kleine Bassin, in welches ich fortwährend O, einleite. Im großen Bassin, wo es auf dem Boden sich im Sande befand, hatte es eine sehr dunkelgraue Farbe, die nun ganz hellgrau geworden ist. 9" 59. Es ist sehr höckerig geworden. Es steigt im Bassin nach oben, schwimmt dort umher und behält immer eine weißlich-graue Färbung bei. 10" 5. Temp. 18°C. SAR. Es verhält sich am Boden des Bassins vollständig ruhig. 10% 11°. Temp. 15°C. 72R. Stets unbeweglich auf dem Boden des Bassins. 10" 19. Temp. 14° C. 50—55—62 R. Es verhält sich stets unbe- weglich auf dem Boden. Wenn es gereizt wird, bewegt es sich sehr wenig. 10% 32°. Temp. 11-8°C. 36 R. Es ist ganz schwarz geworden. Es liest auf dem Boden des Bassins in der Nähe der Ecke, wo fortwährend O, einströmt. Es macht einige ziemlich starke Exspirationsbewegungen (7 bis 8), beruhigt sich aber gleich wieder. 10" 47’. Temp. 11-5°C. 36 R. 11% 8. Temp. 11°C. 36R. Es ruht auf dem Boden des Bassins und hat eine gelblich-graue Färbung angenommen. Die Respiration ist mehr ‘erschwert und der Mantel ist in seinem vorderen Teile ganz aufgerollt und nach außen gewendet. i 11% 18°. Temp. 11-2°C. 36 R. Das Tier liegt immer auf dem Boden des Bassins; der vordere Rand des Mantels ist vollständig erweitert. 11% 30. Temp. 11:8°C. 36 bis 42 R. Es liegt noch immer auf dem Boden in demselben Zustand, vollständig ruhig. 11% 38°. Temp. 12-1°C. 34 bis 42 R. Es verhält sich auf dem Boden des Bassins immer unbeweglich. 11% 48°. Temp. 12-5°C. 48 R. Der vordere Rand des Mantels ist immer vollständig aufgerollt und erweitert (gewiß infolge Einwirkung der Kälte). Das Tier macht einige Exspirationen, verharrt aber sonst konstant unbeweglich auf dem Boden des Bassins.. Von Zeit zu Zeit streckt es einige Arme nach außen, indem es sie biegt und krümmt, jedoch stets symmetrisch (d. h. die beiden einander entsprechenden Arme beider Seiten machen diese Bewegung gleichzeitig). 1% mitt. Temp. 15-5°C. 78 R. Es verhält sich immer unbeweglich auf dem Boden des Bassins; der vordere Rand des Mantels ist vollständig herausgewölbt und zeigt eine gelblich-graue Färbung. 1% 20°. Temp. 16°C. 72 bis 78 R. Immer unbeweglich. 3% Temp. 18-7°C. 84 R. Idem. 3b 25°. Temp. 19°C. 78R. Es zeigt eine normale Färbung; auch hat der Mantel die normale Gestalt wieder angenommen. Da die Resultate konstant bleiben, wird das Experiment abgebrochen. 160 OswAuD POLIMANTI: Diese hier angeführten Resultate, die nur einige Experimente betreffen, die ich machte, um den Einfluß der Temperatur insbesondere auf den Atmungsrhythmus zu studieren, verdienen, daß wir einige Überlegungen anstellen. Wie van’t Hoff und Arrhenius nachgewiesen haben, ist es das Charakteristikum der chemischen Reaktionen, daß ihre Geschwindigkeit durch eine Temperaturerhöhung von 10° C mindestens um das Doppelte oder Dreifache gesteigert wird. Es ergibt sich also, wenn wir den Tempe- raturkoeffizienten für 10° mit Q,, bezeichnen, Q,, =2 bzw. =3. Nun haben aber verschiedene Beobachter konstatiert, daß innerhalb gewisser Grenzen auch viele biologische Erscheinungen dieses Gesetz befolgen, was natürlich darauf hindeutet, daß sie durch, einen wahren und eigentlichen chemischen Prozeß zu erklären sind. So ist dieses Gesetz von van’t Hoff und Arrhenius nachgewiesen worden für die Frequenz der Vakuolenpulsation der Infusorien (Kanitz), für die Assimilierung von CO, in den Blättern, für die Ausscheidung von CO, in den Atmungsgasen der Tiere (Mathaei, Blackmann), für den Herzrhythmus (siehe hierüber meine. Experimente am Embryoherzen von Gobius; in der diesbezüglichen Arbeit findet sich auch die ganze betreffende Literatur) und für die Segmentationsgeschwindigkeit der Froscheier und der Echinuseier (Abegg). Wenn der Atmungsrhythmus bei Sepia durch einen chemischen Prozeß . bedingt ist, der im Nervenmuskelsystem vor sich geht, so müssen wir er- warten, daß der Rhythmus bei je 10° Temperatursteigerung wenigstens verdoppelt werden wird, d. h.: _ Rhythmus x Ta + 10° ao - — Rhythmus = 7% een In der Tat bewahrheitet dies sich bei diesen meinen Experimenten, natürlich in sehr weitem Sinne Wenn man meine Resultate einer Prüfung unterzieht, sieht man, daß. bei einer Temperatur von 11° C die Zahl der Respirationen 30 bis 33 in der Minute, bei 16°C 45 bis 49 und bei 21°C 60 bis 66, bei 26°C 90 bis 110 ist. Dies sind die Resultate, die sich ergaben, als das Mittel der Mittel von sehr vielen Experimenten genommen wurde, und es ergibt sich klar, daß man innerhalb der Grenzen einer Temperatur zwischen 11 und 16° C einen Koeffizienten gleich 2 erhält. Wie sich aus den von mir angeführten Protokollen ergibt, wird dieses Gesetz natürlich nicht immer innerhälb dieser ganz genauen Grenzen be- stätigt, aber es ergibt sich ein zwischen 1-5 und 2-5 variierender Koeffi- zient, der jedoch fast immer ganz nahe an 2 grenzt und sich wenig davon entfernt. Ohne Zweifel können wir aber schließen, daB der Atmungs- BEITRÄGE zur PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 161 . Thythmus bei der Sepia nach den Ergebnissen dieser Experimente über den Einfluß der Temperatur von einem chemischen Prozeß abhängt. Auch hinsichtlich der Wirkung der Temperatur auf die Reflexe von Sepia muß ich noch einige kurze Überlegungen anstellen. Was die Ein- wirkung der Temperatur auf die Bewegung der Chromatophoren anbelangt, kann man sagen, daß hohe Temperaturen auf sie einen sehr großen Ein- fluß ausüben, da sie ihre Tätigkeit erhöhen, während niedrige Temperaturen absolut ihre Funktionen hemmen. Im ersteren Falle nimmt die Sepia eine intensiv schwarze, im letzteren eine viel weniger intensive Färbung (gelb- lich-grau) an. Auch dies stimmt vollständig mit dem überein, was wir von der Ein- wirkung der Temperatur auf andere Lebenserscheinungen wissen. Eine ebenfalls konstant beobachtete Erscheinung ist, daß sowohl hohe als niedrige Temperaturen im Anfang als wahre und eigentliche Reizmittel wirken (tatsächlich ist die Sepia in fortwährender Bewegung und macht sehr energische Exspirationsbewegungen, vermittelst welcher sie aus dem Bassin herauszukommen versucht. Nach einer gewissen Zeit jedoch be- ginnen die Tiere sich zu beruhigen; diese Übererregung hört auf und sie bleiben vollkommen ruhig. Dies hängt sicher von einer Gewöhnung an die Temperatur der Umgebung ab. Bemerkenswert ist auch, daß die Atmung bei hohen Temperaturen den periodischen Typus annimmt. Um diese Studien über die Physiologie der Atmung von Sepia offici- nalis zu ergänzen, was ich für nötig hielt, habe ich Beobachtungen an diesem Cephalopoden angestellt, indem ich ihn der Asphyxie in verschie- denen umgebenden Medien (Süßwasser, natürliches oder in verschiedenen Verhältnissen mit Meerwasser gemischtes Wasser, Luft) aussetzte. Ich bringe nur einige der charakteristischsten Protokolle von sehr vielen Experimenten, die ich in dieser Hinsicht gemacht habe. Da die Resultate stets bei jeder Reihe von Experimenten konstant waren, würde ich in unnütze Wieder- holungen verfallen, wenn ich alle anführen wollte. Asphyxie von Sepia officinalis in Süßwasser und in verschiedenen Mischungen von Süß- und Seewasser. Experimentreihe A. Sepia offieinalis. 3. VL. 11. Länge 15 m, 102 15’ vorm. Temp. 22-5°C. Ich bringe das Tier in Süßwasser; es macht sofort fünf starke Exspirationen und wird sogleich vollständig weiß. Die Arme werden nach rückwärts auseinandergebreitet, so daß die Mundöffnung deutlich sichtbar wird. Das Tier versucht auch aus dem Bassin herauszu- kommen, indem es sehr starke Experationsbewegungen macht. Archiv f. A.u.Ph. 1912. Physiol. Abtlg. 11 162 OswALD POLIMANTI: 10" 18°. 60 R. Ich schlage auf das Gefäß, das Tier fährt sogleich zusammen (starke Übererregbarkeit). Bis 10% 20° ist es fast schwarz ge- worden. 10% 20. Es zeigt immer noch starke Übererregbarkeit, hält die Flossen ganz dicht an den Leib und macht sehr starke Exspirationen, so daß es mit dem Hinterteil gegen das Bassin stößt, in dem es sich befindet. 10" 21°. Es wird ganz zusammengeschrumpft (Wirkung der Hypo- tonizität des Süßwassers) und nimmt eine graue Färbung an; die Arme werden ganz nach unten ausgestreckt. Der ganze Körper bedeckt sich mit Schleim (Wirkung der Hypotonizität des Süßwassers); es sieht wie tot aus. Um 10" 22!/,’” bewegt es nur noch einige Arme. Der Trichter steht weit offen, die Atmungsklappen sind ausgedehnt und vollsändig an den Körper angelehnt, so daß die Mantelhöhle auf dieser Seite ganz geschlossen ist. 10" 231/,. Ich reize die ausgebreiteten langen Fangarme und die Arme mechanisch; das Tier bewegt sie und zieht sie auch zurück, aber langsam. 10% 24°. Seit 2 Minuten riehtete es die untere Gegend nach oben; jetzt kehrt es zur normalen Lage zurück. Es verhält sich vollständig un- beweglich, auch wenn stark an die Wände des Bassins geklopft wird. Die Arme bewegen sich von Zeit zu Zeit; diese Bewegungen erfolgen aber stets als wahre und eigentliche Stöße. 104 251/,. Es macht fortwährend Stöße mit den Armen und erhebt auch den Kopf. Die Atmung ist gleich Null. Die Färbung ist stets ziemlich grau und der Körper ist vollständig mit Schleim bedeckt (Dauer der As- phyxie 10 Minuten). 10% 28°. Welcher Körperteil auch gereizt wird, das Tier bleibt un- beweglich; werden dagegen die Arme gereizt, so zieht es sie konstant zurück. (Diese Erscheinung ist interessant, weil sie uns beweist, daß das Ultimum moriens stets gerade der Teil ist, welcher dem Tiere zu mehr oder weniger starker Offensive und Defensive dient.) 10% 32°. Wenn ich die Fangarme reize, werden sie stets zurück- gezogen; reize ich dagegen andere Körperteile, so bleibt das Tier immer unbeweglich. 10% 33°. Es verhält sich noch immer vollständig ruhig. Die Arme sind ganz nach hinten ausgestreckt, so daß die Mundöffnung sehr gut zu sehen ist. Die Flossen sind ganz zusammengeschrumpft infolge Einwirkung der Hypotonizität des Süßwassers. Sowie ich einen Arm kneife, zieht es ihn sofort zusammen und nähert sich so mit dem ganzen Körper infolge der Verkürzung des Armes der Stelle, die ich gekniffen habe. 10% 41‘. Ich kneife die Fangarme: einige werden zurückgezogen, einige andere dagegen durchaus nicht. 10% 47°. Als die Arme gereizt wurden, reagierten sie gar nicht, während einige Fangarme sich zuweilen auch spontan bewegten, ohne dab irgend ein Reiz einwirkte. Alle Arme sind ganz ausgebreitet und einige sind krallenförmig gebogen. Es zeigt sich jedoch eine vollständige Symmetrie in der Stellung dieser Arme. Mithin ist diese Symmetrie auch im prämortalen Zustande vorhanden. 106 59°. Einige der vier oberen Arme bewegen sich von Zeit zu Zeit, aber sehr langsam. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 163 11% 2° Das Tier ist ganz unempfindlich gegen jeden Reiz geworden, auch gegen einen sehr starken, der auf die Arme gerichtet ist, die, wie wir sahen, der empfindlichste Teil sind. Es ist tot. Dauer des Lebens im Süßwasser 47 Minuten. Experimentreihe B. Asphyxie in einer Lösung von ?/, Meerwasser und !/, Süßwasser. Sepia offieinalis. 3. VII. 11. Länge 15°”. Lufttemperatur 23-20 C. 3% 32° nachmitt. Temp. 22 bis 21°C. Ich bringe das Tier in ein kleines Bassin mit der oben erwähnten Lösung, in das ich fortwährend O, einleite.e 60 R. Das Tier befindet sich in fortwährender Erregung auf der Oberfläche des Wassers und macht fast unaufhörlich starke Exspirationen; hierauf macht es fast fortwährend Rückwärtsbewegungen. Um sich festzuhalten, stützt das Tier immer einen Arm auf den Boden, wo es sich mit den Saugnäpfen anklammert und auf diese Weise sich festhalten kann. 34 35°. 78R. Es befindet sich noch immer an der Oberfläche des Wassers in dauernder Erregung. Auch ist es weißer geworden. 53h 381/,. 108 R. Selten verhält es sich unbeweglich auf dem Boden des Bassins. AB TER, 3% 51°. 84R. Es ist noch in andauernder Erregung. 4b. 106 bis 96 R. Es ist immer noch weißer geworden und stets in großer Erregung. Von Zeit zu Zeit macht es einige sehr starke Exspira- tionsbewegungen. Hs verhält sich nie ruhig; wenn dies einmal der Fall ist, haftet es stets mit einem Fuße am Boden und hält sich so vermittelst der Saugnäpfe fest. Hierauf verhält es sich eine sehr kurze Zeit hindurch unbeweglich, um gleich wieder Bewegungen auszuführen. 4» 2°. 9OR. Immer noch in Erregung. 4" 3. 108 R. Der Mantel befindet sich stets in einem Zustand starker Inspiration. 4h 16. 108 R. Das Tier befindet sich an der Oberfläche; es hat eine weißlich-graue Färbung. 4h 22°. 114 bis 120 R. Es hält sich noch immer an der Oberfläche; die Mantelhöhle ist fortwährend sehr erweitert und in starker Inspirations- stellung. 4b 40°. 108 R. Der Mantel ist fast immer in Exspirationsstellung; die Atemzüge sind sehr tief. 4h 55°. 108R. Es liegt immer auf dem Boden des Bassins. 5%. 108. Da es immer dieselben Verhältnisse zeigt, wird das Ex- periment abgebrochen und die Sepia wieder in ein Bassin mit Meerwasser gebracht, in welchem sie nach kurzer Zeit zu normalen Verhältnissen zurückkehrt. Sepia offieinalis. Länge 13-5°“. 4. VII. 11. Außentemperatur 23-2°C. Temperatur des Wassers 22:7° C. 9% 6° vorm. Ich bringe das Tier in das Wasser (Mischung von !/, Meerwasser und .?/, Süßwasser), worin fort- während O, einströmt. Beim Beginn verhält es sich vollkommen ruhig, macht aber dann plötzlich vier sehr starke Exspirationsbewegungen. ls 164 OswALD POLIMANTI: 94 7°. Es beginnt eine sehr helle graugelbe Färbung anzunehmen. Es macht 1 bis 3 tiefe Exspirationen in der Minute und bleibt dann ganz unbeweglich auf dem Boden des Bassins. 9h 8. 36 R. Die Arme sind ganz untereinander vereinigt; nur einer ist am Boden befestigt, um das Tier festzuhalten. Wenn ich auf den Tisch oder auf das Gefäß schlage, erfolgt immer eine starke Stoßbewegung (Übererregbarkeit infolge Asphyxie). Normaler- weise kommt dies nie vor. 95h 10’. Die Atmung ist fast gleich Null geworden und kann für voll- kommen eingestellt gelten. Das Tier hat eine schwärzlich-graue Färbung angenommen; es hält sich immer auf dem Boden des Bassins. Wenn ich auf den Tisch schlage, macht es eine starke Stoßbewegung und gleichzeitig eine Rückwärtsbewegung, indem es ein ziemlich großes Quantum Tinten- sekrets von sich gibt. yh 10%/,‘. Die Atmung hat fast aufgehört; sie ist sehr oberflächlich. Bei jedem Schlag auf den Tisch macht das Tier eine Rückwärtsbewegung, wobei es konstant ein mehr oder minder großes Quantum schwarzer Stoffe von sich gibt (Verteidigungsmittel). 95 19, Es reagiert absolut nicht mehr auf die auf Jen Tisch ge- führten Schläge. Es beginnt alle Arme gleichzeitig auszustrecken und nach außen zu krümmen, so daß die Mundöffnung deutlich sichtbar ist. Ins- besondere die vier oberen Arme sind gebogen, die vier unteren, die auf dem Boden des Bassins ruhen, weniger. Außerdem sind die Arme längs ihres Verlaufes leicht gewunden. 95 13°. Die Arme zeigen kleine Stoßbewegungen, ohne daß irgend ein Reiz einwirkt. Jeder Arm bewegt sich durchaus unabhängig von dem anderen. Es bewegen sich z. B. nicht zwei benachbarte Füße, sondern die sich be- wegenden sind fast immer weit voneinander entfernt. (Kurz, es existiert keine Koordination der Bewegung, sondern es handelt sich um wahre und eigent- liche Stöße, welche die verschiedenen Arme unabhängig voneinander machen). 95h 15‘. Die Arme sind alle vollständig auseinandergewickelt und be- ginnen sich von der Peripherie nach der Basis zurückzuziehen, die hori- zontalen in horizontaler Richtung, die ausgestreckten und gebogenen nach außen hin, stets von der Peripherie nach der Mitte hin, indem sie der Kurve folgen, die der Arm bei seiner Ausdehnung beschreibt. 95 17’. Die Färbung ist blaßgrau, beinahe weißlich geworden. Die Arme machen fortwährend Stoßbewegungen und haben die Tendenz, sich untereinander zu verwickeln. 9h 191/,‘. Die Stöße der Arme haben aufgehört. Wenn ich die letzteren mit einer Pinzette oder mit den Fingern fasse, ziehen sie sich sogleich nach der Basis zurück. Die mittleren oberen Arme sind ganz nach außen ge- wendet und gekrümmt, während die übrigen beiden seitlichen nach innen gewendet und gekrümmt sind; die nach unten liegenden sind ganz nach vorne verlängert. 9h 2%. Das Tier reagiert auf keinen Reiz mehr. Es ist verendet, indem es die oben beschriebene Stellung der Arme beibehielt. Auch hat es eine ganz dunkelgraue, fast schwarze Färbung auf der oberen Fläche und seitwärts ein helles Kolorit beibehalten. Dauer der Asphyxie: 16 Minuten. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 165 Experimentreihe C. Temp. der Mischung (!/, Süßwasser, !/, Meer- wasser) 22-50 C. Sepia officinalis. 4. VII. 11. Länge 11“, Temp. der Luft 23° C. Temp. des Meerwassers 21-5° C. Um 8% 35’ vormitt. bringe ich das Tier in das diese Mischung ent- haltende Bassin, in welches ich fortwährend O, einleite. Das Tier macht sofort sehr starke Exspirationsbewegungen bis 8" 37; dann sinkt es auf den Boden und bleibt dort ganz unbeweglich liegen. Der Mantel befindet sich immer in sehr starkem Exspirationszustand. Den Bewegungen der Atmungsklappen gelingt es nicht, ihn in der vorderen Gegend wieder zu schließen. Jede Minute erfolgen 2—4—6 Exspirations- bewegungen, die jedoch nicht so stark sind wie die beim Beginn des Ex- perimentes erfolgten. 8" 40. 48 R. Die Ränder des Mantels sind in seinem vorderen Teile vollständig nach außen hin erweitert. sh 492°. 48R. Das Tier befindet sich auf dem Boden des Bassins; die. Arme sind ganz nach hinten ausgedehnt, so daß man die Mundöffnung sieht. Gleichzeitig werden die Arme an ihrem freien Ende krallenförmig umgebogen. Von Zeit zu Zeit werden sie länger und, wie es scheint, von Krämpfen ergriffen. 8b 44°. Seit 2 bis 3 Minuten erhält das Tier sich ganz ruhig, indem es sich am Boden festhält. sh 45%. 60 R. Es liegt in einer Ecke des Bassins; die Arme sind immer nach außen ausgestreckt, aber ihr Ende ist nach innen gekrümmt. Es zeigt eine blasse graue Färbung, die an einigen Stellen fast gelblich ist. 8h 51. Es befindet sich auf dem Boden des Bassins; es hat vollständig zu atmen aufgehört. Dauer der Asphyxie: 16 Minuten. Es zeigt einen deutlich ausgeprägten Exspirationszustand. 8 54°. Von Zeit zu Zeit macht jeder Arm Stöße, entweder gleich- zeitig mit den anderen oder auch für sich allein (dies erklärt sich durch die Erscheinungen der Asphyxie, namentlich infolge Mangels an O, im Blute und Anhäufung der- CO,; aus diesen beiden Ursachen werden die Nerven- zentren stark gereizt und als Folge davon treten diese Krämpfe auf); die Arme sind noch immer krallenförmig nach innen gekrümmt. Mechanisch gereizt kontrahieren sie sich sehr leicht. 8457. Die Stöße der Arme nehmen allmählich immer mehr ab. 9b, Das Tier reagiert auf keinen Reiz mehr. Der starke exspiratorische Zustand dauert noch immer an. Das Tier ist ganz schwarz. Lebensdauer 25 Minuten. Aus diesen Experimenten ergibt sich, daß die Atmung der Sepia in einer aus °/, Meerwasser und !/, Süßwasser bestehenden Mischung noch möglich ist. Es tritt jedoch konstant Dyspnoe beim Tiere ein, dessen Atmung um !/, oder bisweilen auch um das Doppelte zunimmt. Dies ist leicht verständlich, weil auf diese Weise die Asphyxie durch den 0, 166 OswALD POLIMANTI: wenigstens zum Teil vermieden wird, der, wenn auch in beschränkter Menge, bei jeder Inspiration in die Gewebe gebracht wird. Es tritt eben Überregbarkeit ein infolge Anhäufung von CO, und Mangel an O, in den Geweben. Im Anfang erfolgen auch sehr energische Exspirationsbewegungen, welche die Sepia macht, um zu versuchen, dem lästigen Reiz zu entfliehen, den gewiß diese den Flüssigkeiten ihrer Ge- webe gegenüber hypotonische Umgebungsflüssigkeit ausübt. Das Leben bleibt bei Sepia jedenfalls möglich, auch wenn sie während eines sehr langen Zeitabschnittes (selbst 1 bis 2 Stunden) in dieser aus ‘“ 3/, Meerwasser und !/, Süßwasser bestehenden Mischung verbleibt. Es ist eine sichere Tatsache, daß der Gasaustausch in den Geweben unbedingt durch die Hypotonizität dieser Mischung verhindert wird, die zu einer schweren Störung des molekularen Gleichgewichtes führt, woraus sich jene anormalen Atmungserscheinungen erklären, von denen wir oben gesprochen haben. Sodann ist die große Geschwindigkeit bemerkenswert, mit welcher die Atmung von Sepia zum Normalen zurückkehrt, sobald man sie wieder in normales Meerwasser bringt. Natürlich war dann voraus- zusehen, daß, wenn man eine Sepia entweder in Süßwasser oder auch in eine Mischung aus !/, Meerwasser und !/, Süßwasser oder aus !/, Meer- wasser und °/, Süßwasser bringt, die oben beschriebenen Erscheinungen viel schwerer sein mußten. Die Sepia lebt nämlich in diesen umgebenden Medien im Maximum 10—15—50 Minuten. Sobald sie mit ihnen in Be- rührung kommt, macht sie sehr starke Exspirationsbewegungen unter gleich- zeitiger Ausscheidung von Tintensekret und zeigt sofort eine große Über- erregbarkeit. Es genügt nämlich, wie sich klar aus unseren Protokollen er- gibt, wenn man die Sepia entweder direkt mit einem Stäbchen mechanisch reizt oder indirekt durch Stoßen an die Wände des Bassins, in welchem sich das Tier befindet, daß es sofort durch einen sehr starken Stoß darauf reagiert. Nun ist aber diese reflektorische Übererregbarkeit eine Folge der Wasserentziehung, welche die Gewebe insgesamt, und folglich auch das Nervensystem, erleiden. Es ist aber schon lange bekannt, daß der Wasser- verlust immer zu einer Erhöhung der Intensität der Reflexe führt. So sind auch diese beständigen Stöße, diese Rückwärtsbewegungen, welche die Arme ohne irgend welche Unterbrechung fortwährend machen, eine direkte Folge dieses enormen Wasserverlustes sowohl auf Seite des Zentralnervensystems (insbesondere des Brachialganglions) als auch der sich in diesen Armen verteilenden Nerven, sowie endlich auch der sie zusammen- setzenden Muskelfaserzellen. Diese Übererregbarkeit beobachtet man jedoch nur in einem ersten Zeitabschnitt (in den ersten 5 bis 10 Minuten), denn wenn der Wasser- verlust von seiten des Organismus ein sehr hoher geworden ist, dann ist BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 167 das Bild der Erscheinungen bis zum Tode des Tieres (in den letzten 5 bis 7 Minuten) vollständig verändert. Die Sepia antwortet; auf keinen mechanischen Reiz mehr (wenn er auch sehr stark ist, wie z. B. Kneifen), macht auch keine Exspirations- bewegung mehr, sondern verharrt völlig unbeweglich an der Oberfläche des Gefäßes, in welchem sie sich befindet. Die Arme hören nach und nach auf, jene charakteristischen Stöße auszuführen und dehnen sich gleichzeitig allmählich ganz aus (sie bleiben nicht mehr enge beieinander, wie im nor- malen Zustand, sondern sind an ihren Enden gekrümmt). Und diese charakteristische Stellung ist eine Folge der Wasserentziehung; ihre Muskeln verbleiben in einem Zustand so starker Hyperkontraktion, daß die Arme sich nieht nur derart ausdehnen, daß die Mundöffnung sichtbar ist, sondern sie werden auch hakenförmig umgebogen, wie wir gesehen haben. In diesen charakteristischen Zustand verbleiben sie bis zum Tode des Tieres, während gleichzeitig die Atmung fast vollständig oder auch ganz auf- gehört hat. Beschäftigen wir uns nun mit dem Studium der Asphyxie der Sepia offieinalis an der Luft. 29. VII. 11. Außentemperatur 22°C. Sepia offieinalis. Länge 20 ". 9% 2° vorm. Ich bringe das Tier an die Luft. Es folgen sogleich sehr starke Exspirationsbewegungen. 95 3°. Es verharrt in sehr starker Inspiration. 9b 4. Es macht sehr starke Exspirationen; dann legt es sich ganz unbeweglich auf den Boden des Bassins, in welchem es sich befindet. Die Flossen legen sich vollständig an den Körper an. 9h 5°. Das Tier macht sechs Exspirationsbewegungen; es ist voll- ‘ständig erschlafft. Die Chromatophoren entwickeln eine starke Tätigkeit. 9h 51/,‘. Status idem. Es hat eine grünliche Färbung angenommen. 9b 6°. Es legt sich auf die Seite. 36 bis 30 regelmäßige Respirationen in der Minute. 95 7. Alle 30 Sekunden macht es 2 bis 3 Exspirationsbewegungen. Die Klappen sind alle vollständig offen und erschlafft. 9h 8”. 34 R. Es macht Exspirationsbewegungen, die aber sehr schwach sind. Es versucht sich mit den Armen an den Wänden des Bassins fest- zuhalten. 9h 9/,. Es verhält sich immer unbeweglich auf dem Boden. Die Chromatophoren sind fortwährend in lebhafter Tätigkeit. 9h 11‘ Ich reize es mechanisch: es reagiert, indem es sich zurück- zieht und gleichzeitig eine schwache Exspirationsbewegung macht. Es ist viel schwärzer geworden. 9h 13°. Der Mantel wird mechanisch gereizt: das Tier macht sofort Exspirationsbewegungen. Als die Arme gereizt wurden, klammerte es sich plötzlich mit diesen an den Gegenstand an, mit dem es gereizt wurde. 94 15. Ich reize die Füße und den Mantel mechanisch; es erfolgt keine Reaktion. 168 OswALD POLIMANTI: 9h 18. Es ist ganz schwarz. 95 20°. Es ist ganz weiß geworden. Auf Reize reagiert es absolut nicht mehr. Es ist tot. An der Luft hat es 18 Minuten gelebt. Ich will hier die Protokolle von fünf weiteren Experimenten nicht mehr anführen, bei denen die Sepia offieinalis der Luft ausgesetzt wurde, da ich nur unnütze Wiederholungen vorbringen würde. Ich gebe nur in Gestalt einer Tabelle die Dauer dieser Asphyxie der Sepia an, wenn sie an die Luft gebracht wird. Asphyxie der Sepia an der Luft. Nr. des | Länge des Tieres Dauer der Asphyxie Experimentes | Außentemperatur in cm in Minuten 1 | 22-0 | ’ 20,5 „eh All; ‚SHE 2 23-0 17 25 3 22-5 18 | 18 4 | 23-0 20 20 5 | 23-5 | 17 18 6 | 22-0 20 | 20 Man kann also mit Sicherheit behaupten, daß eine an die Luft ge- brachte Sepia im Durchschnitt etwa 20° überleben kann; die Dauer ist un- abhängig von den Dimensionen des Tieres. — . — .. — Beschäftigen wir uns nun in aller Kürze damit, die verschiedenen Erscheinungen zu analysieren, welche die Sepia zeigt, wenn sie in dieses ganz heterogene umgebende Medium gebracht wird. Die Analyse der Asphyxie von Sepia officinalis zeigt uns, daß wir vier ganz deutlich verschiedene und bestimmte Perioden der Dauer unterscheiden können, von denen eine jede etwa 5’ währt. I. Periode. Erregung. Starke Exspirationen. II. Periode. Periodische Respirationen. III. Periode Fast normale Respirationen. Normale Reflexe sowohl von seiten der Chromatophoren als von anderen Körperteilen (Mantel, Arme). IV. Periode. Vollständiger Verlust der Reflexe einschließ- lich derjenigen der Chromatophoren. Die Atmung wird immer langsamer und plötzlich tritt der Tod ein. Eine eingehende Prüfung der Protokolle dieser Experimente ergibt also, daß vier Perioden aufeinander folgen; in einer jeden zeigt die der Asphyxie an der Luft ausgesetzte Sepia so charakteristische Erscheinungen, daß jene vier Perioden sich deutlich voneinander unterscheiden lassen. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 169 Charakteristisch ist auch die stets. beobachtete Erscheinung, daß das Tier, wenn seine Arme, d.h. im Zustand der Asphyxie, gereizt werden, gar nicht reagiert, auch wenn der mechanische Reiz sehr stark ist. Reizt man dagegen gleichzeitig den Mantel, so macht es sofort eine starke Ex- spirationsbewegung. Mithin ist der bei der Atmung am meisten tätige Teil derjenige, welcher in diesem Falle viel energischer reagiert. Auch die Chromatophoren antworten gleichzeitig sehr stark auf die verschiedenen Reize. Also sind vegetatives Leben (Atmung) und psychisches Leben (Chroma- tophoren) zwei miteinander innig verbundene Faktoren und in der Tat das Ultimum moriens. Dies gilt natürlich nur für die drei ersten Perioden der Asphyxie, weil in der letzten Periode nichts derartiges wahrzunehmen ist. In den beiden ersten Perioden reagiert die Sepia also auf den lästigen Reiz, den die Luft auf ihren Atmungsapparat ausübt, zunächst durch starke Exspirationen, die dann nach und nach rhythmisch werden. In der Folge hat sich, wie es scheint, der ganze Atmungsapparat diesem anormalen Reiz angepaßt und die Nervenzentren denken automatisch vermittels der zum Mantel, zu den Klappen und zum Trichter gehenden Nerven daran, wenigstens eine gewisse Zeit hindurch den fast normalen Rhythmus der Atmung beizubehalten. Vielleicht hat sich die die Atmungshöhle aus- kleidende Mucosa an den lästigen Reiz der Luft gewöhnt und es ge- langen deshalb von dieser Fläche aus keine anormalen Reize mehr zum Zentralnervensystem, genauer gesprochen zu den Atmungsganglien. Daher jener normale Rhythmus, den die Sepia wenigstens während einer gewissen Zeit ihrer Atmung beizubehalten imstande ist. — .. — . — Aus Werken über die Physiologie des Menschen nal vergleichende Physiologie wie auch aus Arbeiten über die höheren Wirbeltiere ist uns bekannt, eine wie strittige Frage noch der sogenannte Automatismus der Nervenzentren darstellt. Diese Frage ist noch ganz in Geheimnis gehüllt hinsichtlich der Cephalopoden, die das Thema dieser meiner Arbeit bilden; davon haben wir uns bei Behandlung des historischen Teiles und Be- sprechung der von den verschiedenen Autoren erhaltenen Resultate über- zeugt. Dieses angenommene automatische Atmungszentrum kann funktionieren, ohne daß irgend ein Reiz (natürlich abgesehen vom O, und den für seine Lebensfähigkeit nötigen Nährstoffen) in dem im strengsten Sinne des Wortes erdenklichen „automatischen“ Sinne einwirkt. Oder es können auch keine speziellen Reize vorhanden sein, sondern ein Komplex, oder einzelne Reize, die es gerade beeinflussen, oder endlich, es kann ein ganz spezieller Reiz für dieses automatische Atmungszentrum vorhanden sein. 170 OswWALD POLIMANTI: Betrachten wir im einzelnen diese Reize, die ich zu wiederholten Malen bei verschiedenen Exemplaren von Sepia angewendet habe und die einen direkten Einfluß auf die Atmung ausüben. Vermittelst Analyse der von den verschiedenen Teilen des Atmungsapparates (Klappe, Trichter, Mantel) gegebenen „Antwort“ wird es uns möglich sein, eine Erklärung für den inneren Mechanismus der Atmung bei der Cephalopoden zu finden. Die von mir ausgeübten Reize waren nervöser und chemischer Art. I. „Nervöse‘‘ Reize. A. Von seiten der verschiedenen Teile, die aktiv oder passiv den Atmungsapparat bilden, und von seiten der diese Teile bedeckenden inneren Oberfläche. Von diesen Teilen können fortwährend rhythmische Reize ausgehen, wie wohl jedermann leicht einsieht, infolge der beständigen Berührung mit dem Meerwasser. Deshalb ließ sich auch a priori annehmen, daß irgend ein auf diese Gegenden ausgeübter Reiz unzweifelhaft einen mehr oder minder stark ausgeprägten Einfluß (je nach der größeren oder geringeren Bedeutung, die sie für den Atmungsmechanismus haben) auf die Atmung ausüben mußte. Dieser Einfluß konnte nun deutlich studiert werden mit Hilfe der Kurven, die gleichzeitig von den Atembewegungen der verschie- denen Teile, die zur Bildung des Atmungsapparates beitragen (Trichter, Klappe und Mantel) aufgenommen wurden. Von großer Bedeutung’waren in dieser Hinsicht alle Untersuchungen, bei denen die Sepia eine mehr oder weniger lange Zeit hindurch vom Kontakt mit dem Wasser ferngehalten wurde. Die in dieser Beziehung erhaltenen Resultate waren immer konstant, wie sich klar aus unseren Protokollen er- gibt. Bei allen stieg die Atmungskurve der Klappe allmählich an, während die des Mantels allmählich unter die Abszisse herabsank; dies ist uns also ein Anzeichen dafür, daß das Tier, sobald seine Atmungsorgane in Kontakt mit der Luft sind, sofort in einen Zustand erzwungener Inspiration gerät. Nach wenigen Sekunden dieses Inspirationszustandes treten jedoch (infolge des abnormen Reizes, den gewiß die in Berührung mit der Atmungshöhle gelangende Luft ausübt) sehr starke Exspirationen ein. Die Kurve des Mantels hat dann immer die Tendenz zu sinken, die der Klappe fortwährend anzu- steigen. Jedoch sind sowohl der Trichter als die Klappe, wie auch der Mantel imstande, Atembewegungen auszuführen; diese Kurven erreichen jedoch natürlich eine minimale Höhe und zeigen häufig auch einen fibril- lären Charakter, bis sie geradezu fast lineär werden, so daß man keine Spur einer Atmung mehr wahrnehmen kann. Es steht jedoch fest, daß, auch wenn die Atmungsorgane in Berührung mit der Luft allein stehen, BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 171 noch eine Respiration eintreten kann, und daß man auch rhythmische Kontraktionen von seiten der verschiedenen Abschnitte des Atmungsapparates erhalten kann. In der Regel nimmt im allgemeinen, sobald die Sepia in Berührung mit der Luft gebracht wird, die Zahl der Atembewegungen, wenn auch sehr wenig, so doch immer konstant zu, und diese Zunahme ‘erhält sich sogar während der ersten Zeiten, wenn das Wasser von neuem in Berührung mit den Atmungsorganen tritt. Zuweilen jedoch (in der Minderzahl der Fälle) nehmen die Respirationen in diesem selben Zustand an Zahl ab, wenn auch die Differenz im ersten wie im zweiten Falle sehr klein ist (die Differenz beträgt nach oben oder unten 1 bis 8 Respi- rationen in der Sekunde). Der Typus der Exspirationskurven, den die Sepia während ihres Ver- weilens an der Luft zeigt, unterscheidet sich gar nicht von dem der Kurven, die sich nach anderen auf verschiedene Körperteile gerichteten Reizen zeigen; darüber werde ich noch eingehend am Schluß dieses Kapitels sprechen, wo ich eben von dem „Exspirationsakt“ sprechen und ihn analy- sieren werde, den man unter verschiedenen experimentellen Bedingungen von der Sepia erhält. Ein Typus der Atmung, den man, jedoch sehr selten, beobachtet, wenn die Sepia an der Luft ist, ist der periodische, d.h. (speziell auf Seite der Atmungskurve der Klappe, die immer die ausge- prägteste ist) Gruppen von Respirationen von minimaler Höhe wechseln mit ebenso vielen Gruppen (auch isolierten Kurven) von Respirationen von größerer Höhe ab. Diese Versuche sind von der größten Bedeutung für die Erklärung des Atmungsmechanismus bei Sepia, weil sie eben ein Anzeichen dafür sind, daß die von den den Atmungsbewegungen dienenden Organen aus- gehenden zentripetalen Reize gewiß einen sehr großen regulierenden Ein- fluß ausüben; der Atmungsrhythmus bleibt nämlich fast der gleiche, so- wohl in der Luft, wie auch im Wasser (abgesehen natürlich vom Ansteigen der Atmungskurve der Klappe über die Abszisse und dem Sinken der Atmungskurve des Mantels unter sie, die durch die erzwungene inspira- torische Bewegung bedingt sind). Diese Regulierung kann auf keine andere Weise eintreten als vermittelst des Muskelsinnes. Mithin geht von dieser Kategorie von Reizen ein bestimmter, deutlich zu unterscheidender, ein sehr großer Einfluß auf die normale Funktion der Atmung aus, in dem Sinne jedoch, daß die Intensität der motorischen Impulse nicht von ihnen unabhängig ist, aber in inniger und direkter Beziehung zu ihnen steht. Wie deutlich aus den Protokollen meiner Experimente hervorgeht, habe ich mechanische Reize auch an den verschiedenen inneren Teilen der einzelnen Abschnitte des Atmungsapparates einwirken lassen. 172 OswAuD POLIMANTI: Der von allen diesen Teilen ausgeübte Einfluß ist ungeheuer groß, wie sich deutlich aus meinen Versuchen über die Intensität und die regel- mäßige Aufeinanderfolge der Atmungsimpulse ergibt. Von dieser Atmungs- inneroberfläche gehen jene die Atmung regulierenden Reize aus. Es genügt nämlich, wenn man eine Klappe auch nur leicht berührt, damit sofort eine wahre und eigentliche Hemmung in der Atmungskurve eintritt. Jede einzelne Atmungskurve der Klappe, des Trichters und des Mantels sinkt dann und wird oft gleich Null, oder sie geht auch unter die Abszisse herab oder erhebt sich wenig über die letztere. Die Atmungs- kurven nehmen jedoch konstant an Höhe ab. Reizt man das Innere oder besser noch die Höhle des Mantels durch einen mechanischen Reiz, indem man längere oder kürzere Zeit hindurch . einen Fremdkörper einführt, so beobachtet man häufig dieselben Er- scheinungen wie die oben beschriebenen; oft zeigen sich aber auch, wie wir gleich sehen werden, große Verschiedenheiten. Dies versteht man leicht, wenn man nicht nur an die größere Oberfläche der Atmungs- schleimhaut denkt, die gereizt wird, sondern auch an den Reiz, der durch die Atmung auf viel wichtigere Teile (ja sogar auf den Kiemenapparat selbst) ausgeübt wird. Es mischt sich also ein Faktor Ausdehnung und, drücken wir uns so aus, ein spezifischer Faktor ein. — .— .—. Resümieren wir in Kürze, was ich bei Reizung den Mantelhöhle und der Kiemen beobachtet habe. f Die Resultate sind nicht immer bei allen Tieren konstant; sie lassen sich aber so in Gruppen einteilen, daß wir uns auf Grund unserer Be- obachtungen eine genaue Vorstellung bilden können. Bisweilen tritt, sobald die Mantelhöhle gereizt wird, ein Stillstand der Atmung während der ganzen Dauer der Reizung ein und demzufolge sind auch die Kurven nicht nur unregelmäßig, sondern auch geringer an Höhe. Während dieses Stillstandes der Atmung geht die Atmungskurve stets unter die Abszisse hinab. Zuweilen tritt kein vollständiger Stillstand der Atmung ein, aber die einzelnen Atmungskurven sowohl des Trichters als der Klappen und des Mantels sind hinsichtlich der Höhe herabgesetzt und gehen fast immer bis unter die Abszisse; sehr selten erhalten sie sich auf dem Niveau der letzteren oder gehen auch über dasselbe hinaus. In diesem Falle ist natürlich die Zahl der Respirationen während der Zeit, in welcher der Reiz einwirkt, entweder gleich Null oder wenigstens um '/; bis !/, vermindert (im Durchschnitt sinkt er von 25 bis 30 R auf 20 bis 22 R). Nach diesem Stillstand oder dieser Verzögerung der Atmung, kurz nach diesem Akt hemmenden Charakters kehrt die Atmungskurve ihrem Typus und der Zahl der Respirationen nach zum Normalen zurück, oder BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 173 es können auch eine mehr oder weniger lange Zeit hindurch unregelmäßige und an Höhe verringerte Kurven eintreten; es kann aber auch eine Er- scheinung von dynamogenem Charakter folgen, d. h. es kann Zunahme der Zahl der Respirationen mit gleichzeitiger Zunahme der Kurven eintreten, oder auch eine mehr oder minder große Zahl von Exspirationen, oder es können während der ganzen Zeit, solange der Reiz einwirkt, hemmende und dynamogene Erscheinungen (Verminderung und Zunahme der Atem- bewegungen) miteinander abwechseln. Zuweilen zeigt sich eine Zunahme der Atembewegungen und dann eine Abnahme; sie können auch wechsel- seitig miteinander abwechseln. Hört dann der Reiz auf, so tritt die nor- male Atmung auf, Sehr häufig reagiert jedoch die Sepia, sobald das stimulierende mecha- nische Agens in die Mantelhöhle eingeführt wird, sofort durch eine starke Exspirationsbewegung, die isoliert bleiben oder auf welche auch eine Reihe von weiteren Exspirationsbewegungen folgen kann. Was den Typus dieser Exspirationen anbelangt, so können sie ent- weder den Typus der Erschütterung zeigen oder auch mehr oder weniger den Typus der Atmungskurve beibehalten; doch erheben sich nur die Kurven über die Abszisse. Sobald diese Exspirationen aufgehört haben, beginnt die Atmungskurve wieder zum Normalen zurückzukehren; ehe sie dies aber erreicht, bleiben immer Erscheinungen der Dynamogenie (Höhe und größere Zahl der At- mungskurven) bestehen. Zuweilen tritt dagegen, statt daß sie zum Nor- malen zurückkehrt, eine Verminderung der Höhe der Atmungskurven mit gleichzeitiger Abnahme der Zahl der Respirationen ein. Was die Zahl der Atemzüge betrifft, die nach einer Reihe von Atem- bewegungen eintreten, so sind sie fast immer an Zahl größer sis die nor- male (um !/, oder !/,, von 18—20—22—24—30 bis 23—30—35—36), und diese Zunahme dauert eine mehr oder minder lange Zeit hindurch fort. Zuweilen kann jedoch nach einer Exspirationsbewegung die Zahl der Respirationen auch (um !/, bis !/, im Maximum) abnehmen, jedoch in ganz vorübergehender Weise. Man versteht, daß diese Exspirationsbewegungen von großer ökono- mischer Bedeutung sind, da sie gerade dazu dienen, von dem Tiere in einer so kurzen Zeit als möglich alle reizenden Fremdkörper zu entfernen, die mit der Atemhöhle des Mantels in Berührung kommen. Man wird deshalb auch leicht einsehen, von welcher Bedeutung für das Zustandekommen einer normalen Atmung bei den Cephalopoden alle diese Reize sein müssen, die von der die Mantelhöhle bekleidenden Schleim- haut ausgehen. In dem Falle, daß eine Hemmungserscheinung mit mehr 174 OswAuD POLIMANTI: oder minder vollständigem Stillstand der Atmung eintritt, geschieht dies, weil die Wände des gereizten Mantels danach streben, sich von dem stimu- lierenden Agens zu entfernen, um nicht einem Reize von so abnormem und unangemessenem Charakter (gegenüber dem Wasser, das ein Reiz von angemessenem Charakter ist) ausgesetzt zu sein, wie es ein mechanischer Reiz sein kann, der auf die Mantelhöhle einwirkt, indem er mit ihr in Berührung kommt. Ich bin der Ansicht, daß diese Hemmungserschei- nungen eintreten, wenn der mechanische Reiz nicht sehr stark ist (er wird vielleicht einen Kitzel verursachen); ist letzterer dagegen sehr stark, so tritt eine dynamogene Erscheinung (Exspiration) ein, damit auf diese Weise der lästige Reiz in so kurzer Zeit als möglich entfernt werden kann. B. Wir müssen jetzt in diesem Kapitel von dem Einfluß sprechen, den auf die Atmung der Sepia alle auf die peripherischen Organe, auf die Haut einwirkenden Reize ausgeübt haben. Es genügt ein flüchtiger Blick auf unsere Resultate und auf die Protokolle unserer Expe- rimente, um sich davon zu überzeugen, einen wie großen Einfluß diese auf die Haut, auf die normale Funktionstätigkeit der Atmung einwirkenden Reizungen ausüben. Wie wir bald bei Zusammenfassung dieser Resultate sehen werden, haben Reize von dieser Beschaffenheit fast gleiche und identische Wirkungen hervorgebracht wie diejenigen, die mit Reizen erhalten wurden, die auf die verschiedenen Teile des Atmungsapparates einwirkten; wir haben schon von den letzteren gesprochen. Natürlich waren diese Wirkungen jedoch geringer und in jedem Falle Veränderungen, wie sie im Vergleich zu diesen Wirkungen immer zu kon- statieren waren. Die von mir gereizten peripherischen Teile waren die Arme, die ventrale und dorsale Mantelfläche, ferner die Flossen in ihrer unteren und oberen Fläche wie auch längs der lateralen Ränder. Die Resultate waren für jeden einzelnen gereizten Teil ungefähr konstant, wie sich aus unseren Experimenten klar ergibt; doch übte der angewendete Reiz bei einigen Teilen eine viel stärkere Wirkung aus als der bei anderen Teilen angewendete. Im allgemeinen kann man sagen, daß man bezüglich der Intensität der auf diese Teile ausgeübten Reize wohl unterscheiden muß, ob sie schwach oder stark waren, weil die erhaltenen Resultate im einen oder anderen Falle sehr voneinander verschieden sind. Wenn ein schwacher mechanischer Reiz irgend einen Teil der Haut trifft, erfolgt konstant und sofort eine die Atmung hemmende Wirkung (mit mehr oder minder voll- ständigem Stillstand und von längerer oder kürzerer Dauer); ist aber der mechanische Reiz stark, so tritt eine dynamogene Wirkung mit Beschleu- nigung der Atembewegungen ein, Zunahme der einzelnen Atmungskurven und sehr häufig der wahren und eigentlichen Exspirationen. Zuweilen BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 175 zeigt sich als dynamogene Wirkung nur eine Erhöhung der Atmungskurven über die Abszisse. Fast immer folgt auf einen mehr oder minder starken Stillstand der Atmung, von wie langer Dauer er auch sein mag, eine Erscheinung aus- geprägtester Dynamogenie (Kompensationserscheinung der vorhergehenden Unterbrechung der Atmung gegenüber). Einige Male jedoch zeigt sich, während bei einem Teil des Atmungsapparates (Klappe) eine die Atmung hemmende Wirkung eintritt, bei einem anderen Teil (Mantel) eine aus- gesprochene dynamogene Wirkung. Es ist jedoch zu bemerken, daß dies sehr selten geschieht, namentlich wenn die Arme gereizt werden. Ohne Zweifel ist dies jedoch eine sehr interessante Erscheinung, weil, während ein Teil des Atmungsapparates mehr oder weniger unbeweglich bleibt, der andere nicht minder wichtige Teil durch die größere Arbeit, die er leistet, die geringere Tätigkeit des anderen Teiles kompensiert. Bisweilen ist jedoch, während die Hemmungs- erscheinung nicht sehr stark ist, die folgende dynamogene Periode dagegen sehr kräftig. Was die Exspirationen anbelangt, die auf die verschiedenen mehr oder minder starken Reize folgen, die auf die Haut von Sepia einwirken, so können sie von längerer oder kürzerer Dauer sein, und die Atmungskurven sowohl des Mantels als der Klappe und des Trichters können eine größere oder geringere Höhe erreichen. Im allgemeinen kann man sagen, daß die Exspirationen um so stärker und von um so längerer Dauer sind, je stärker der auf die Haut des Tieres einwirkende Reiz war. Diese Exspirationen zeigen sich (namentlich beim Mantel) in Gestalt von wahren und eigent- lichen Erschütterungen, zu anderen Malen dagegen treten sie gruppenweise ein (oft mit periodischem Typus). Fast immer erheben sich diese Ex- spirationskurven treppenartig über die Abszisse, und die "Treppe steigt wieder abwärts, indem sie gleichsam einen Halbkreis über der Abszisse bildet. Sehr häufig kehrt jede einzelne Exspirationskurve zur Abszisse zurück und erhebt sich mit ihrer Basis nie über dieselbe. Einige seltene Male ist der mechanische Reiz so klein, daß er vielleicht unter die Reizschwelle fällt und die Wirkung absolut gleich Null ist: die Respirationskurven gehen ganz normal weiter, als ob gar kein störender Einfluß dazwischen getreten wäre. Es ist nun interessant, die Zahl der von der Sepia vor und nach einer jeden Reizung gezeigten Atemzüge zu untersuchen. Sowohl nach einer Hemmungswirkung als auch nach einer dynamogenen Wirkung kann die Zahl der Atemzüge unverändert bleiben, zunehmen oder auch abnehmen. Selten ist der Fall, daß die Zahl der Atemzüge unverändert bleibt, weil fast immer eine (stets auf eine Hemmungserscheinung oder auf mehr oder 176 OswALD POLIMANTI: minder starke Exspirationen folgende) Zunahme oder eine Abnahme vor- handen ist. Was das Quantum betrifft, so ist es, falls es sich um eine Verlangsamung der Atmungskurven handelt, stets sehr gering (im Maxi- mum variiert es von 1 bis 5 Respirationen in der Minute); handelt es sich dagegen um eine Zunahme, so ist die Differenz vor und nach der Reizung auch viel größer (es zeigt sich konstant eine Zunahme von 2 bis zu 8 Re- spirationen in der Minute). Was sodann den größeren oder geringeren Einfluß betrifft, den die verschiedenen Hautgegenden, die gereizt worden sind, auf die Atmung aus- üben, so kann man sagen, daß die größte Wirkung von den auf die dorsale und ventrale Gegend und auf die Arme wirkenden Reizen ausgeübt wurde, dagegen die Wirkung der auf die Flossen ausgeübten Reize viel geringer, häufig fast gleich Null war. C. Wir müssen nun in Kürze anführen, welcher Einfluß auf die Atmung von allen den Reizen ausgeübt wurde, die auf die Nerven- endigungen der höheren Nervenzentren einwirkten. Diese Reize bestanden namentlich in mechanischer Reizung der Cornea; ich wendete jedoch auch den Lichtreiz (mittels einer kleinen elektrischen Lampe) und den Schallreiz an, der indessen auch als taktiler Reiz betrachtet werden kann (Schlagen auf das Gefäß, in welchem sich die Sepia befand). Wir können uns eine genaue Vorstellung davon machen, wie die auf einen sensibeln Nerven wirkenden Reize diesen beeinflussen, wenn wir die Resultate der Reizungen des Nerven analysieren, der sich in der Cornea ausbreitet; auf diesem Gebiete führte ich die Mehrzahl meiner Unter- suchungen aus. Wie im Falle der Wirkungen, die auf Reizungen anderer Körperteile folgen, von denen wir schon gesprochen haben, konnte ich immer und konstant vermittelst der auf die Cornea einwirkenden mecha- nischen Reize sowohl Hemmungswirkungen als dynamogene Wirkungen auf die Atmung: erzielen. Sehr oft (namentlich wenn die Reize schwach sind, fast nur ein Kitzel) erfolgt ein wahrer und eigentlicher Stillstand der Atmung während der ganzen Dauer der Reizung, oder die einzelnen Atmungskurven nehmen all- mählich an Höhe ab und sinken auch unter die Abszisse. Gleichzeitig nimmt in diesem letzten Falle auch die Zahl der Atemzüge um !/, bis !/, ab, wie sich klar aus unseren Resultaten ergibt. Wenn dieser Stillstand von längerer oder kürzerer Dauer aufgehört hat, der natürlich hemmenden Charakter hat, kehren die Atmungskurven allmählich, auch im Zeitabschnitt weniger Sekunden, zum Normalen zurück. Ist dagegen der auf die Cornea einwirkende Reiz. ziemlich stark, so treten konstant Exspirationsbewegungen ein, die mehr oder minder zahlreich sind und häufig auch von der größeren oder geringeren Intensität des Reizes abhängen. Sehr oft geht diesen Ex- BEITRÄGE zUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 177 spirationsbewegungen immer eine Erhöhung der einzelnen Atmungskurven voraus, die auch an Zahl zunehmen. Nach dieser Zunahme erfolgt, wie ich schon bemerkt habe, eine Exspirationsbewegung, oder die Atmung kehrt allmählich zum normalen Zustand zurück. Während nach einer hemmenden Einwirkung auf die Atmung. stets eine (kompensierende) Zunahme der Respirationen eintritt, zeigt sich fast konstant nach einer dynamogenen Einwirkung eine (wenn auch minimale) Abnahme der Respirationen, die jedoch kurze Zeit dauert, weil sie fast augenblicklich zum Normalen zurückkehren. Der Lichtreiz übt eine hemmende Wirkung während der ganzen Dauer der Reizung auf die Atmung aus, die dann nach wenigen Sekunden wieder zum Normalen zurückkehrt. Ein akustisch-taktiler Reiz dagegen übt konstant eine dynamogene Wirkung aus, die sich in Gestalt vieler Exspirationsbewegungen kundgibt. Wie man sieht, stimmen also im Grunde diese Resultate der Experi- mente vollkommen mit den anderen überein, die mit den verschiedenen auf die verschiedensten Teile des Tieres einwirkenden Reizen erhalten wurden. II. Chemische Reize. Wir müssen nun von denjenigen Reizen sprechen, die direkt den Chemismus der Atmung von Sepia beeinflussen, indem sie eine Verände- rung des im Blute enthaltenen O, bewirken. Sobald eines dieser Tiere in gekochtes Seewasser gebracht wird, stirbt es innerhalb einer sehr kurzen Zeit (im Maximum in 10’) und von Anfang an sind die Atemzüge fast gleich Null um dann fast unmittelbar aufzuhören. Man kann sagen, daß der Mangel an O0, auf die Sepia einen viel verderblicheren Einfluß ausübt als die CO,, wie wir nun sehen werden. Eine Sepia, die der Einwirkung von CO, ausgesetzt wird, die man in das Bassin einleitet, in welchem das Tier sich befindet, kann auch 45° überleben (im Durchschnitt stirbt sie jedoch innerhalb 25 bis 35). Wie sich deutlich aus einer von mir angeführten graphischen Darstellung ergibt, nimmt die Zahl der Atemzüge allmählich immer mehr ab, zeigt jedoch von Zeit zu Zeit Schwankungen nach oben. Was die Höhe der Atmungs- kurven anbelangt, die man sowohl von seiten der Klappe als des Mantels und des Triehters erhält, so nehmen diese eine gewisse Zeit hindurch fort- während an Höhe zu, nehmen aber dann wieder fortwährend ab, bis sie gleich Null werden. Natürlich läßt sich, wie man übrigens aus meinen Diagrammen ersieht, in dieser Hinsicht eine feste Regel nicht aufstellen; aber der Verlauf der Atmungskurven ist im allgemeinen der angegebene. Sehr häufig zeigen sich, wie aus unseren Kurven und den Protokollen unserer Experimente erhellt, mehr oder minder starke Exspirations- Archiv f. A.u.Ph. 1912, Physiol. Abtlg. 12 178 . OswAup POLIMANTI: bewegungen, die sicher eine Folge des lästigen Reizes sind, den die CO, auf die Atmungsschleimhaut ausübt. Sie sind jedoch von kurzer Dauer, weil die Kurve dann allmählich zum Normalen zurückkehrt. Eine weitere sehr interessante Erscheinung besteht darin, daß sehr häufig eine periodische Atmung eintritt; sie ist ebenfalls eine Folge der Einwirkung der CO, auf das Zentralnervensystem und auf die betreffenden Atmungszentren (im allgemeinen wechseln Atmungsgruppen von 15 bis 20 Respirationen untereinander ab). Bringt man Stoffe wie die Milch, die keine giftige Wirkung ausüben, aber auf jeden Fall den freien Atmungsaustausch zwischen den Kiemen und dem Meerwasser hindern, in Berührung mit den Atmungswegen, so erhöht die Sepia die Zahl der Atemzüge, um durch größere Atmungs- frequenz einen Austausch zu bestreiten, der sich so viel als möglich dem normalen nähern soll; kurz, es treten wahre und eigentliche Erscheinungen der Dispnoe ein. Bringt man dagegen in Berührung mit den inneren Atmungswegen reizende Stoffe, die gleichzeitig nicht gut für die Atmung sind (z. B. Nelken- öl), so entsteht immer und konstant eine periodische Atmung, die so lange konstant bleibt, als diese Flüssigkeit in Kontakt mit der Atmungs- schleimhaut bleibt. Einen Hauptanteil an diesem Typus der Atmung nimmt die Atem- klappe, fast gar keinen dagegen der Mantel; von dieser Nichtübereinstim- mung werden wir noch bei Besprechung der normalen Atmung reden. Im allgemeinen habe ich ferner beobachten hönnen, daß, wenn man mehrere Male hintereinander besonders eine und dieselbe Gegend der Sepia reizt, stets Ermüdungserscheinungen eintreten, sowohl in den normalen Kurven als auch in dem Falle, daß Exspirationen vorhanden sind. Die respiratorischen bzw. exspiratorischen Kurven, die man nach den ersten Reizungen erhält, sind stets viel kräftiger als diejenigen, welche man in der Folge erhält, wenn man immer zu reizen fortfährt. Die eintretende Erscheinung ist also eine wahre und eigentliche Ermüdungserscheinung; die Atmungszentren bzw. auch die Atmungsorgane ermüden durch diese übermäßige Arbeit, welche die fortwährenden, auf die peripherischen Teile ausgeübten Reize verursachen. Ferner habe ich bemerkt, daß nach Reizung der verschiedenen Teile des Atmungsapparates von den Kurven, die man infolge dessen sowohl von seiten des Trichters als der Klappe und des Mantels erhält, stets diejenigen am kräftigsten sind, die der eben gereizte Teil des Atmungsapparates - ergibt. BEITRÄGE ZUR PryYsioLoGıE von SeprA OFFICINALIS L, 179 Im allgemeinen läßt sich sodann sagen, daß schwache Reize stets Hemmungserscheinungen veranlassen, während starke Reize stets dynamo- gene Erscheinungen verursachen. Aus der Prüfung der Protokolle unserer Versuche wie auch aus der Untersuchung der Kurven ergibt sich in absolut klarer Weise, daß man die größten Einwirkungen auf die Atmung erhält, wenn man entweder die peripherischen Endigungen von Nerven reizt, die aus höher gelagerten Zentren (der Cornea z. B.) entstehen, oder diejenigen Nerven, die das Innere der Atemhöhle bekleiden. In sekundärer Reihe kommen dann die Reize, die auf die Außenfläche des Mantels ausgeübt werden, namentlich in den Teilen, die nicht unter der Kontrolle des Gesichtssinnes stehen (untere oder hintere Fläche), eben weil die Kontrolle fehlt und der Reiz in einer so kurzen Zeit als möglich entfernt wird. Einen ebenfalls nicht großen Einfluß üben alle mechanischen Reize aus, die auf die Arme einwirken. Nachdem wir nun von den verschiedenen Reizen gesprochen haben, die auf verschiedene Gegenden der Sepia einwirken, müssen wir, wenn auch in aller Kürze, auch die normale Atmung besprechen und analysieren, d.h. die verschiedenen Atmungskurven, die man von dem Mantel, der Klappe und dem Trichter erhält. Im allgemeinen kann man sagen, daß die Atmungskontraktionen des Mantels bei der normalen Atmung nicht sehr kräftig sind im Vergleich zu denen, welche der Trichter, besonders aber die Klappen ergeben. Man kann wohl sagen, daß die Klappen der Teil des Atmungsorgans sind, der am meisten den Wasseraustausch in der Höhle des Mantels reguliert, und daß er eine größere Bedeutung gewinnt. Dann kommt der Trichter, der eben für die Herausbeförderung des Wassers und für die Regulierung des Austritts vermittelst des Verrillschen Organs und der Klappe, die sich in seiner Innenfläche befinden, dient. Der Mantel kontrahiert sich rhythmisch, aber in ganz sekundärer Weise im Vergleich zu den beiden anderen Teilen des Atmungsapparates; er beteiligt sich namentlich, wie wir bald sehen werden, und zwar in hervorragender Weise, an den Exspirationsbewegungen; hier gelangt seine Funktion zu großer Bedeutung. Sodann ist auch die Funktionstätigkeit des Mantels eine sehr große, namentlich wenn sehr beschleunigte und sehr tiefe Atembewegungen (Dyspnoe) eintreten. Wir können uns also die Atmungsfunktion der Sepia auf sehr einfache Weise vorstellen, wenn wir uns denken, daß die Mantel- höhle als Reservoir für das Wasser dient und wegen ihrer elastischen Wände gleichzeitig, aber ganz sekundär, bei der normalen Atmung die Inspirationstätigkeit der Klappe und die Exspirationstätigkeit des Trichters unterstützt. Eine sehr leicht bei diesen Tieren eintretende Erscheinung ist die der periodischen Atmung. Nicht selten beobachtet man, daß nach irgend einem 12* 180 OswAup POLIMANTI: Reiz, der auf einen beliebigen Körperteil einwirkt, dieser Typus der Atmung auftritt. Namentlich der Trichter zeigt ihn in ziemlich ausgeprägter Weise, sehr wenig dagegen die Klappe, und beim Mantel ist er beinahe gar nicht wahrzunehmen. Diese periodische Atmung beobachtet man namentlich während der Exspirationen, von denen noch die Rede sein wird: während dieser Bewegungen wird eben das Wasser periodisch mit Gewalt aus dem Trichter so ausgetrieben, daß man von einer wahren und eigentlichen periodischen Atmung sprechen kann. — .— .—. Untersuchen wir nun in Kürze und in ihren allgemeinen Umrissen die Exspirationsbewegungen, die ich im Verlauf dieser Untersuchungen so oft als Reaktion von seiten des Tieres auf lteize erhalten habe, die auf die verschiedensten Körperteile einwirkten. Die eingehende Analyse unserer Protokolle und der betreffenden Kurven wird uns eine genaue Vorstellung von dieser „Exspirationsbewegung“ verschaffen. Es ist sehr leicht, sich zu erklären, wie eine Exspirationsbewegung ein- tritt. Die Sepia befindet sich in einem Zustand mehr oder minder großer Inspiration: in dieser Periode schließen die Klappen plötzlich die Mantel- höhle ab, um den Austritt des Wassers zu verhindern; der Mantel macht eine plötzliche, sehr starke Kontraktion und gleichzeitig fließt das Wasser aus dem Trichter hinaus. Aus den Kurven ersieht man sehr gut diese Aufeinanderfolge der Tätig- keit der verschiedenen Bestandteile des Atmungsapparates. In chronologischer Reihenfolge tritt zuerst der Trichter in Tätigkeit, nach 1 Sekunde der Mantel und nach 3 Sekunden die Klappe. Einige Male jedoch, wie ich dies oben schon andeutete, geht der Kon- traktion des Mantels die der Klappe voraus. Ich habe Exspirationen nicht nur nach den verschiedensten Reizen beobachtet, die auf die verschiedenen Körperteile einwirkten, sondern auch spontan, ohne daß irgend ein wenigstens anscheinender Reiz (vielleicht optisch, oder vom Halter sich zu befreien) eingetreten war. Eine Exspirationsbewegung tritt selten für sich allein ein, sondern es sind immer viele vorhanden, die sich miteinander zu Gruppen vereiningen. Jede einzelne Exspirationsbewegung steigt fast immer allmählich skalen- förmig an und sinkt auch allmählich skalenförmig. Wenn es sich um eine Exspirationsbewegung handelt, bei der nicht wenigstens ein anscheinender. Reiz einwirkt oder auf einen vorhergehenden Reiz folgt, werden die Atembewegungen einige Sekunden lang weiter und viel häufiger. Auch nach der Exspiration bleiben sie einige Sekunden lang unregelmäßig, kehren dann aber zur Norm zurück. BEITRÄGE ZUR PHYsIoLocıE von SEPiA OFFICINALIS L. 181 Was die Zahl der Exspirationen anbelangt, so bleiben diese, nachdem das Tier eine Exspiration gemacht hat, entweder gleich oder nehmen an Zahl ab; sie können aber auch zunehmen. In sehr vielen Fällen jedoch (ungefähr der Hälfte) nehmen sie an Zahl ab (es würde sich um eine Kompensation der größeren Arbeit handeln, die der Atmungsapparat nach der Exspiration leistet); bei der anderen Hälfte der Beobachtungen ist ihre Zahl gleich geblieben oder hat zugenommen. Im Falle, daß sie gleich blieb, nahm die exspiratorische Bewegung langsam immer mehr an Stärke ab; falls sie zunahm, fuhr das Tier fort häufiger zu atmen, vielleicht um den lästigen Reiz leichter zu entfernen, wenn letzterer auf die Atmungsschleimhaut einwirkte. Es kann aber auch fort- fahren häufiger zu atmen, weil der einwirkende Reiz sehr stark war und auch nach Beendigung der Atmungsbewegung seine erregende Wirkung noch fortdauert. —.— .—. Nachdem wir nun im einzelnen die Wirkungen analysiert haben, die die verschiedenen Reize auf die Atmung hervorbringen, und auch wie die normale Atmung vor sich geht, müssen wir uns über den inneren Mecha- nismus, der diese fundamentale Funktion reguliert, Rechenschaft ablegen. Sehen wir zunächst, ob die Respiration und mithin die Atembewegungen bei den Cephalopoden und in unserem Falle bei Sepia officinalis reflektorischen Ursprungs sind oder automatisch vermittelst der Atmungszentren hervor- gebracht werden. Beim Beginn dieser Arbeit haben wir sehr ausführlich gesehen, wie und von welcher Natur die Reize sind, die auf die eine und andere Weise einen Einfluß ausüben. Es wird nicht schwer halten, daß wir uns jetzt diese intimen Vorgänge bei Sepia erklären, die wir als Thema für unser Studium gewählt haben. Aus meinen Experimenten und aus den Schlüssen, die ich in aller Kürze daraus gezogen habe, ergibt sich klar, daß kein einziger Reiz existiert und auch keiner angetroffen wurde, der imstande wäre, Atembewegungen hervorzurufen; so ergibt sich auch klar, daß absolut kein stimulierender Mechanismus für die Atmung existiert, mag er sich nun aus rhythmischer oder andauernden Reizen ergeben. Man kann jedoch beinahe mit Sicher- heit behaupten, daß die Summe, die Gesamtheit der rhythmischen Reize, die im eigentlichen Sinne aus den Atembewegungen entsteht, einen sehr großen regulierenden Einfluß auf die Atmung ausübt. Es handelt sich mit anderen Worten, wie übrigens schon Hoffmann angedeutet hatte, um eine Art von Selbstregulierung der Atmung im Sinne und nach dem Typus von Breuer-Hering für den Lungenvagus, mit dem Unterschiede jedoch, daß in diesem Falle die rhythmischen Reize nicht nur von dem’ Inneren der Atmungsfläche (sensible Nerven der Kiemen und des Mantels), sondern auch von allen Nerven der Muskeln des Atmungs- 182 OswALD POLIMANTI: apparates ausgehen. Dieser Reiz ist natürlich durch das Wasser und sicher auch durch die in ihm enthaltenen Gase gegeben. Das Zentralnervensystem reguliert dann die Atmung automatisch. Hering und Breuer haben die sog. Lehre von der Selbstregulierung der Atmung begründet (sie wurde dann von Stefani modifiziert), die in der Annahme besteht, daß die Atmungsbewegungen in sich selbst einen Regu- lierungsmechanismus besitzen, der durch die zentripetalen Fasern der Lungen- gefäße gegeben ist. Auch bei den Cephalopoden, und in unserem speziellen Falle bei der Sepia officinalis, würde ein gleicher Mechanismus in Gestalt des Mantels vorhanden sein: der Atmungszustand des Mantels würde auf reflektorischem Wege die Inspiration abschneiden und die Exspiration und den Exspirations- zustand des Mantels anregen. Ein Irrtum ist es aber, wenn man annimmt, daß die rhythmischen, abwechselnden Impulse, die aus den in den verschiedenen Gangliengegenden des Zentralnervensystems der Sepia lokalisierten Inspirations- und Exspira- tionszentren kommen, nur in Reflexbewegungen bestehen, die durch Reizungen der aus ihnen ausführenden Nervenbahnen verursacht werden. Wenn man auf Prinzipien teleologischer Natur fußt, begreift man sehr wohl, daß währe und eigentliche automatische Regulierungszentren der Atmung vorhanden sein müssen. Das Ziel der Atmungsbewegungen besteht darin, das venöse Blut arteriell zu machen; deshalb (und dies zeigen besonders gut unsere mit CO, und gekochtem Wasser ausgeführten Untersuchungen) muß der Antrieb zur verminderten oder erhöhten Atmungstätigkeit vom Blute ausgehen und namentlich von dem Zustand, in welchem das letztere sich befindet, der direkt die Nervenzentren der Atmungsganglien beeinflußt. Dies unterliegt absolut keinem Zweifel. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON SEPIA OFFICINALIS L. 183 Literaturverzeichnis. P. Albertoni e A. Stefani, Manuale di Fisiologia. Milano, Vallardi. S. Baglioni, Der Atmungsmechanismus der Fische. Ein Beitrag zur ver- gleichenden Physiologie des Atemrhythmus. Zeitschrift für vergleichende Physiologie #308 Bo: VHS 177: i P. Bert, Memoires sur la Physiologie de la Seiche (Sepia offieinalis, Linn.). Memcires de la Societe des Sciences physiques et naturelles de Bordeaux. 1867. T.V. p. 115—138. Derselbe, Lecons sur la physiologie comparee de la respiration. 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Der Preis des Bandes beträgt 22 #. Centralblatt für praktische AUGENHEILKUNDE AUGENHEILKUNDE Herausgegeben von " Prof. Dr. J. Hirschberg in Berlin. Preis des Jahrganges (12 Hefte) 12 .4; bei Zusendung unter Streifband direkt von ‘ der Verlagsbuchhandlung 12 #4 80 9. Das „Üentralblatt für praktische Augenheilkunde‘ ‚vertritt auf das Nachdrück- lichste alle Interessen des Augenarztes in Wissenschaft, Lehre und Praxis, vermittelt den Zusammenhang mit der allgemeinen Medizin und deren Hilfswissenschaften und gibt jedem praktischen Arzte Gelegenheit, stets auf der Höhe der rüstig fortschrei- tenden Disziplin sich zu erhalten. DERMATOLOGISCHES CENTRALBLATT. INTERNATIONALE RUNDSCHAU AUF DEM GEBIETE DER HAUT- UND GESCHLECHTSKRANKHEITEN. ‘Herausgegeben von Prof. Dr. Max Joseph in Berlin. Monatlich erscheint eine Nummer. Preis des Jahrganges, der vom Oktober des einen bis zum September des folgenden Jahres läuft, 12:.%. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes, sowie direkt von der Verlagsbuchhandlung. Neurologisches Gentralblatt. Übersicht der Leistungen auf dem Gebiete der Anatomie, Physiologie, Pathologie und Therapie des Nervensystems einschließlich der Geisteskrankheiten. Begründet von Prof. E. Mendel. Herausgegeben von Dr. Kurt Mendel. Monatlich erscheinen zwei Hefte im Umfange von je 4—5 Druckbogen zum Preise von 16.% halbjährig. Gegen Einsendung des Betrages direkt an die Verlagsbuch- handlung erfolgt regelmäßige Zusendung unter Streifband nach dem In- und Auslande. Zeitsehrift für ' Hygiene und Infektionskrankheiten. Herausgegeben von Prof. Dr. C. Flügge, und Prof. Dr. G. Gaffky, Geh. Medizinalrat und Geh. Obermedizinalrat und Direktor des Hygienischen Instituts Direktor des Königl. Instituts für Infektions- der Universität Berlin, krankheiten „Robert'Koch‘“ zu Berlin, Die „Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten‘ erscheint in zwanglosen Heften. Die Verpflichtung zur Abnahme erstreckt sich auf einen Band im durchschnitt- lichen Umfang von 30—35 Druckbogen mit Tafeln; einzelne Hefte sind nicht käuflieh. Das ARCHIV für ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE, Fortsetzung des von Reil, Reil.und Autenrieth, J. F. Meckel, Joh. Müller, ... Reichert und du Bois-Reymond NSPRERESEDBEN Archives, erscheint jährlich in 12 Heften (bezw. in Doppelheften) mit ee im Text und zahlreichen Tafeln. . 6 Hefte entfallen auf die enehe, Abteilung und 6 auf die physiolo- gische Abteilung. Der Preis des Jahrganges beträgt 54 Mi E2 Auf die anatomische Abteilung (Archiv für Anatomie und Entwicke- lungsgeschichte, herausgegeben von W. Waldeyer), sowie auf die physio- logische Abteilung (Archiv für Physiologie, herausgegeben von Max Rubner) kann besonders abonniert werden, und es beträgt bei Einzelbezug der Preis der anatomischen Abteilung 40 #, der Preis der physiologischen Abteilung 26 M. Bestellungen auf das vollständige Archiv, wie auf die einzelnen Ab- teilungen nehmen alle Buchhandlungen des In- und Auslandes entgegen. Die Verlagsbuchhandlung: Veit & Comp. in Leipzig. Druck von Metzger & Wittig in Leipzig, Ka! | ullashe Abteilung. 1912. 111. u. IV. Heft. \ ARCHIV FÜR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE. FORTSETZUNG DES voN REIL, REIL v. AUTENRIETH, J. F. MECKEL, JOH. MÜLLER, REICHERT vw. DU BOIS-REYMOND HERAUSGEGEBENEN ARCHIVES. HERAUSGEGEBEN VON De. WILHELM WALDEYER, PROFESSOR DER ANATOMIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN, UND Dr. MAX RUBNER, JAHRGANG 1912. —— PHYSIOLOGISCHE ABTEILUNG. —= DRITTES UND VIERTES HEFT. MIT NEUNUNDACHTZIG FIGUREN IM TEXT UND EINER TAFEL. | LEIPZIG, VERLAG VON VEIT & COMP. 1912 Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes. N\ Jr Inhalt. Seite WırH. FILEHNE, Das Weber-Fechnersche Gesetz und die wechselnde scheinbare Größe der Gestirne. . . 1985 Sternanıe RosensLAr, Über die nt von ee Salzen anf Trypane, SOMEN/ Ar. EN E G. A. Brossa, Über die Holosikae Werkekeitt er a- NN Rn 191 = R. Hess, Der Strömungswiderstand des Blutes gegenüber kleinen Drrckwirnll 197 WALTER FRANKFURTHER und ARTHUR Hirschreip, Über den Einfluß der Musik auf das Plethysmogramm . .. 215 Feuıx Meyer, Über die Wirkung nn Rrnerktel Ani iR Coon gefäße des lebenden Tieres. . . 7298 SoPHIE MORGENSTERN, Über einige iherslsche Bestandteile der Schilddrüse 3250 Arnt KOHLRAUSCH, Über das Elektromyogramm ‚roter und weißer Muskeln. (Hierzu Taf. L).. BE = 2 283 J. S. BErıtorr, Über die ae valid einiger Muskeln. der Dbkisrhenkele im Albwischreflex des Rückenmarksfrosches . . . . 296. Arrtaur Hırschrerp, Das Verhalten der Reflexe bei der Önirdure des menschlichen Rückenmarks . . . . Re 3. ST, OswAup PoLimAnTı, Zur Physiologie. der len TE Er 337 H. Pıper, Die Blutdruckschwankungen in’ den Hohlräumen des Herzens nt in den 'roßen Bean LA Die Herren Mitarbeiter erhalten vierzig Separat-Abzüge ihrer Bei- träge gratis und 380 #W# Honorar für den Druckbogen zu 16 Seiten. Beiträge für die anatomische Abteilung sind an Professor Dr. Wilhelm Waldeyer in Berlin N.W., Luisenstr. 56, Beiträge für die physiologische Abteilung an Professor Dr. Max Rubner in Berlin W., Kurfürstendamm 241 "" portofrei einzusenden. — Zeichnungen zu Tafeln oder zu Holzschnitten sind auf vom Manuskript getrennten Blättern beizulegen. Bestehen die Zeich- nungen zu Tafeln aus einzelnen Abschnitten, so ist, unter Berücksichtigung der Formatverhältnisse des Archives, eine Zusammenstellung, die dem Lithographen als Vorlage dienen kann, beizufügen. Das Weber-Fechnersche Gesetz und die wechselnde scheinbare Größe der Gestirne. Von Wilh. Filehne. Wenn die Frage gestellt wird, ob die wechselnde scheinbare Größe der Gestirne dem Weber-Fechnerschen Gesetze unterliege, so scheint mit der Frage eigentlich schon die verneinende Antwort gegeben zu sein. Denn dieses Gesetz besagt, daß die wahrnehmbaren Differenzen dem wechselnden absoluten Eindrucke proportional sind. Nun bleibt aber gegenüber den Gestirnen der objektive Eindruck, d.i. das Netzhautbild des Gestirns, stets absolut gleich groß, mag das Gestirn am Zenit oder am Horizont stehen; astronomisch nimmt das Gestirn am Himmel hier wie dort den gleich großen Winkelbogen — z. B. 31 Winkelminuten — ein. Der scheinbare Größen- unterschied rührt vielmehr nur davon her, daß das 31 Winkelminuten . große Netzhautbildchen je nach der Höhe des Gestirns an verschieden weit entfernte Orte projiziert und deshalb verschieden groß ausgedeutet wird. Auch die verschiedene absolute Winkelbogengröße zweier Sternbilder kann keinen Einfluß auf die Ausdeutung ihrer — scheinbaren — Größe aus- üben, da jedes Bogenteilchen — je nach seiner Höhe über dem Horizonte — der gleichen scheinbaren Vergrößerung oder Verkleinerung anheimfällt. Trotzdem wird es nützlich sein, die Konsequenzen zu erwägen, die sich ergeben müßten, falls z. B. die psychischen Vorgänge, durch die, bezüg- lich der Gestirnsgröße, die Täuschung entsteht, dem Weber-Fechnerschen Gesetze entsprechend ablaufen sollten, — was als unmöglich von vornherein nicht abgewiesen werden kann. In einer soeben erscheinenden Arbeit! suche ich nachzuweisen, dab die Form des scheinbaren Himmelsgewölbes keine Kugelkalotte, sondern 1 Dies Archiv. 1912, Physiol. Abtlg. S. 1. 186 WILH. FILEHNE: ein halbes Rotationsellipsoid ist. Indem ich das von E. Reimann an der Kugelkalotte für Horizontradius und Zenithöhe berechnete Zahlen- verhältnis 3-5:1 vorläufig auch für die Achsen der Ellipse übernahm, be- Technete ich für verschiedene Höhen eines Gestirns einerseits die Größe der vom Ellipsenmittelpunkte, d. i. vom beobachtenden Auge aus, nach dem Gestirne gezogenen Halbmesser der Ellipse, andererseits die Änderungs- geschwindigkeit dieser Halbmesser an den verschiedenen Abschnitten der Ellipse. Da nun nachgewiesen war, daß die scheinbare Änderung des Gestirnsdurchmessers dieser Ellipsenhalbmesser-Änderung proportional ist, so war es möglich, an der Ellipse den Ort zu bestimmen, an dem die Größenänderung des Gestirns ein Maximum sein muß. Für die Ellipse mit Achsen 3-.5:1 fand sich dies Maximum bei etwa 12° über dem Scheitel der großen Achse. Im Rahmen jener Arbeit bot sich kein Anlaß, die ge- wonnenen Zahlen vom Standpunkte des Weber-Fechnerschen Gesetzes zu besprechen. Dies soll hier geschehen. Wir wollen — probeweise — unterstellen, daß der stärkste Eindruck ‘einer Vergrößerung oder Verkleinerung des Gestirns nicht durch das Maxi- mum der absoluten Zunahme oder Abnahme des Ellipsenstrahles — und hiermit des Gestirnsdurchmessers — gekennzeichnet sei, sondern daß die prozentuale Zunahme oder Abnahme des einzelnen Ellipsenstrahles entscheidend sei. Ellipse mit Achsen 3-5:i. Prozentverhältnis Polarwinkel x | Q Differenz pro 1° | wis chen-g und Differenz ! 0° | 3-5 _ 1 | sa | 0-005983 2 3-47644 0-017577 3 3-44721 0-02923 4 3-40796 0-03925 5 3:35940 | 0.04856 1-5 Prozent 6 3-30288 0-05652 7 3.23979 0-06309 10 3-02441 0-07179 2-4 I 11 2-94796 | 0-07645 12 2-87087 0-07714 268, 13 2-76196 0-07676 | 2.7 14 2-71782 0-07612 | 2-80 ® 15 2.6431 0-07472 Da 16 2-56997 0-07313 2.8455 „ 17 2-49895 0-07102 2.842 5 18 2.4301 0-0685 2-81 3 Das WEBER-FECHNERSCHE GESETZ UND DIE GRÖSSE DER GESTIRNE. 187 In der vorstehenden Tabelle wird für den in Betracht kommenden Teil der Ellipse zu jedem vom Scheitel der großen Achse als Nullpunkt aus gemessenen Polarwinkel 7 einerseits gegeben der Wert des zugehörigen Halbmessers o (wobei die kleine Halbachse — d.i. das bei 90° liegende o — gleich 1 gesetzt ist), andererseits in der dritten Kolumne die für je einen Grad sich ergebende Differenz zweier aufeinander folgender o-Werte, und in der letzten Kolumne, ebenfalls für je einen Grad, das Prozentverhältnis zwischen dem zugehörigen o und der Differenz (Zuwachs). Die Maxima von absoluter Differenz und Prozentverhältnis sind durch den Druck hervorgehoben. Sonach liegt das prozentuale Maximum bei etwa 16° über dem Scheitel der großen Achse, während das absolute Maximum sich bei etwa 12° be- findet. Erheblich ist diese Abweichung ja keineswegs. Aber daß das Maxi- mum der scheinbaren Größenänderung der Gestirne bei 16°, d. h. so hoch über dem Horizonte liege, muß nach dem am angegebenen Orte ausgeführten als ausgeschlossen gelten. Daher dürfte für unsere Täuschungen das Weber-Fechnersche Gesetz nicht in Betracht kommen. Über die Wirkung von gallensauren Salzen auf Trypanosomen. Von Dr. Stephanie Rosenblat. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Berlin. Direktor: Geheimer Medizinalrat Professor Dr. M. Rubner.) Die Löslichkeit von Zellbestandteilen durch Gallensäuren ist schon lange bekannt, auch Mischer erwähnt dieselbe Nach den Resultaten, die später von verschiedenen Autoren (Schilling!, Neufeld?, Neufeld und v. Prowazek®, Nicolle und Adil-Bey*, R. Levy,° Ficker® u. a.) bei der Einwirkung von Galle oder gallensauren Salzen auf Bakterien erhalten wurden, schien es nicht ganz ohne Interesse, ihr Verhalten den Trypano- somen gegenüber zu untersuchen. Als Versuchsmaterial kamen Naganatrypanosomen in Betracht. An Trypanosomen sehr reiches Mäuseblut wurde mit verschiedenen Verdün- nungen der gallensauren Salze (taurocholsaures und glykocholsaures Natron Merck) in Spitzgläschen zusammengebracht. Als Lösungsmittel für die Salze diente physiologische Kochsalzlösung. In verschiedenen Zeitabständen, alle fünf bis sechs Minuten, wurde das mit den Gallensalzen versetzte Blut im frischen wie im gefärbten Zu- stande (nach Giemsa) mikroskopisch untersucht. Nach Zusatz einer 20-, 10- und sogar einer Sprozentigen Lösung von taurocholsaurem oder glykochol- saurem Natron (im Verhältnis 1:1) tritt eine sofortige Auflösung des Trypanosomenleibes auf. Um die einzelnen Stadien des Auflösungsprozesses ! Schilling, Zentralblatt für Bakteriologie. Bd. XXXI. ®2 F. Neufeld, Zeitschrift für Hygiene u. Infektionskrankheiten. Bd. XXXIV. ® Neufeld und v. Prowazek, Arbeiten aus dem Kaiserl. Gesundheitsamte. 1907. * M. Nicolle.et Adi-Bey, Annal. de l’inst. Pasteur. 1907. 5 R. Levy, Virchows Archiv. Bd. CLXXXVIl. ° M. Ficker, Archiv für Hygiene. Bd. LXVII. WIRKUNG VON GALLENSAUREN SALZEN AUF TRYPANOSOMEN. 189 näher verfolgen zu können, wurde auf 3 Teile Blut 1 Teil einer 5pro- zentigen Salzlösung verwendet. Bei diesem Mengenverhältnisse kann man konstatieren, daß unter Umständen selbst nach Verlauf von einer Stunde vereinzelte Trypanosomen noch beweglich sind. Mit diesem Zeitpunkte setzt auch schon der Auflösungsprozeß ein, indem das Protoplasma der Trypanosomen sein Lichtbrechungsvermögen verliert und im Giemsapräpa- rate nur lückenhaft gefärbt erscheint. Von nun ab geht die weitere Auf- lösung ziemlich schnell vor sich. Nach etwa 1'/, bis 2 Stunden ist vom Protoplasma nichts mehr zu sehen (hie und da liegen noch weniger an- gegriffene Trypanosomen); die Stelle, wo früher ein Trypanosom lag, ist nunmehr durch die Geißel, den Blepharoplast und den Kern markiert. Das nächste Stadium der Einwirkung der Salzlösung auf die Trypanosomen — ist das Verschwinden der Geißel, so daß schließlich im Gesichtsfelde nur noch lauter Kerne und Blepharoplaste zu sehen sind. Es lassen sich also die Zellen der Trypanosomen allmählich in ver- schiedene morphologisch wohl bekannte Komponenten zerlegen, von denen Kern und Blepharoplast die Widerstandsfähigsten sind, während die proto- plasmatischen Teile, wie aus den Erfahrungen an tierischen Zellen ver- mutet werden durfte, zuerst der Einwirkung unterliegen. Auch aus einer Bemerkung von Manteufel! geht hervor, daß er eine „Auflösung“ von Trypanosomen in gallensauren Salzen annimmt. Ob es sich nur um eine Lösung oder weitergehende Veränderung dabei handelt, läßt sich weder a priori sagen, noch auf chemischem Wege bei der Kleinheit des Objekts nachweisen. Dagegen bieten andere Er- fahrungen, über die ich hier berichten will, einen Anhaltspunkt zur Be- urteilung der Art der Umsetzungen. Wenn Trypanosomen einfach gelöst würden, wäre anzunehmen, daß die spezifischen Giftstoffe erhalten bleiben, und bei Injektion in den Tierleib immunisierende Eigenschaften entfalten. Wie aus folgendem ersichtlich, scheint dies nicht der Fall zu sein, oder aber die etwaigen Substanzen werden durch die Einwirkung der Salze zerstört. Trypanosomenhaltiges Blut wurde in verschiedenen Mengen mit einer Sprozentigen Lösung von glykocholsauren und taurocholsaurem Natron ver- setzt und nachdem durch die mikroskopische Untersuchung festgestellt wurde, daß sämtliche Trypanosomen gelöst waren, auf Mäuse verimpft. Nach verschiedenen Zwischenräumen wurden die Mäuse mit frischem Nagana- blut nachgeimpft: es trat immer die Infektion ein genau so wie bei ge- sunden Mäusen. (Allerdings fand Manteufel? bei einer analogen Ver- I Arbeiten aus dem Kaiserl. Gesundheitsamt. 1910. EA AION SET. 190 STEFANIE ROSENBLAT: WIRKUNG VON GALLENNSAUREN SALZEN USW. suchsanordnung mit taurocholsaurem Natron, daß eine nachfolgende Infektion mit virulentem Blute nicht so akut, wie bei Kontrolltieren verlief.) Außer bei Mäusen wurde es versucht, durch wiederholte Injektionen von mit den gallensauren Salzlösungen behandelten Trypanosomen beim Kaninchen ein Serum zu gewinnen, das spezifische Eigenschaften den Try- panosomen gegenüber enthielte.e Auch bei diesen Versuchen waren die Er- gebnisse negativ. Die Umwandlung der Bestandteile in Trypanosomenzellen muß also eine ziemlich tiefgehende sein, da wie das Vorstehende lehrt, die spezifischen pathogen wirkenden Stoffe völlig oder größtenteils vernichtet worden sind. Da in den Körper eingespritzte gallensaure Salze im allgemeinen das Blut rasch wieder verlassen, war es nicht wahrscheinlich, auf diesem Wege so hohe Konzentration gallensaurer Salze im Blute zu erreichen, von der Trypanosomen infizierter Tiere angegriffen werden. Als die mit Nagana infizierten Mäuse in verschiedenen Zwischenräumen und mit verschiedenen Mengen von glykochol- und taurocholsaurem Natron behandelt wurden, blieb jeder Erfolg aus. Ebensowenig verhinderten mehrfache Einspritzungen gallen- saurer Salze den Erfolg einer nachträglichen Infektion. Die intraperitoneale Einführung dieser Salze führte übrigens bei den Mäusen meistens zur Peritonitis. Über die biologische Wertigkeit der a-Nucleinsäure. Von G. A. Brossa, Assistent am physiol. Institut zu Berlin. Unsere Anschauungen über den Stoffwechsel der Eiweißkörper haben in den letzten Jahren große Wandlungen durchgemacht. Noch um 1897 nahm man allgemein an, daß die verfütterten Eiweißkörper im Darm größtenteils nur bis zu den Peptonen abgebaut und als solche resorbiert würden.” „Die so energische Wirkung des Pankreassaftes auf Eiweiß scheint somit nur insofern von physiologischer Bedeutung zu sein, als der- selbe die Lösung der bis in seinen Bereich noch nicht in die Darmflüssig- keit übergegangenen Eiweißsubstanzen endgültig bewerkstelligt.“ Damals hatte man sich nur die Frage vorgelegt, ob die Eiweißkörper als solche oder etwa als Peptone oder Albumosen resorbiert würden. Als dann aber Kutscher? durch seine grundlegenden Arbeiten über die Wirkung des Pankreassaftes nachwies, daß das Eiweiß sehr schnell und gründlich durch den Pankreassaft in biuretfreie Körper, hauptsächlich Aminosäuren und Hexonbasen gespalten wird, kam die Frage nach dem Schicksal der Eiweiß- körper im Stoffwechsel in ein ganz neues Stadium. Von nun an galt es nicht mehr zu entscheiden: Werden die Eiweiß- körper als solche oder als Peptone resorbiert und kann der Organismus seinen Stoffwechsel ebensogut mit Peptonen wie mit genuinen Eiweiß- körpern bestreiten?, sondern: ist das bei der Eiweißspaltung entstehende Aminosäurengemenge imstande, die Funktionen des ursprünglichen Eiweiß bei der Ernährung zu übernehmen? ! Neumeister, Zehrbuch der physiologischen Chemie. 2. Aufl. Jena 1897. 2 Zeitschrift für physiologische Chemie. Bd. XXV. 8.195. Bd. XXVL S. 110. Bd. XXVIII. S. 88. 192 G. A. Brossa: Diese Frage ist dann zuerst von Loewi! positiv entschieden worden und seit der Zeit hat man sich in der mannigfachsten Weise mit dem - Verhalten der Aminosäuren bei der Ernährung beschäftigt. Waren aber die Aminosäuren fähig, ihren Teil zur Ernährung bei- zutragen, so schien es nun nicht unwahrseheinlich, daß auch noch andere stickstoffhaltige Körper in ähnlicher Weise würden funktionieren können, Auf Veranlassung von Herrn Geh. Rat Rubner bin ich dieser Frage näher getreten. Als N-haltiges Material wählte ich die echte Nucleinsäure; sie ist durch die Arbeiten von H. Steudel ihrer Zusammensetzung nach genau bekannt.” Um nun das Verhalten der Nucleinsäure bei der Ver- fütterung und ihre Fähigkeit N-haltiges Körpermaterial zu ersetzen, genauer untersuchen zu können, wählte ich dieselben Versuchsbedingungen, die Thomas? bei seinen Arbeiten innehielt, als es galt die biologische Wertig- keit der verschiedenen Eiweißkörper zu bestimmen. Das Prinzip dieser Untersuchungsmethode besteht darin, ein Tier durch Entziehung der N-haltigen Nahrung, aber unter gleichzeitiger Darreichung von so viel Kohlehydrate und Fett, daß das Kalorienbedürfnis ausreichend gedeckt ist, auf ein N-Minimum zu bringen. Füttert man jetzt einen N-haltigen Körper, so läßt sich durch Verfolgung der N-Ausscheidung im Harn und im Kot feststellen, wieviel Stickstoff von dem dargereichten Material resorbiert und zur Ausscheidung gekommen ist und wieviel Körper- stickstoff ersetzt werden konnte. Für meine Untersuchung benutzte ich ein Präparat von a-nuclein- saurem Natrium, das ich aus Kalbsthymus nach der Methode von A. Neu- mann dargestellt hatte Von dem an der Luft getrockneten Präparat machte ich N- und P-Bestimmungen und fand einen N-Gehalt von 12.0 Proz., einen P-Gehalt von 7.6 Proz. Diese runden Zahlen legte ich allen späteren Berechnungen zugrunde. 0.1420 m sättigen 19-7 c® n/2 Lauge 7-68 Prozent P. (Neumann). ? sei 0 1470 ARE Boos. 165 Nirkas mas 0.1304, » 12-4 „ n/10 Säure = 12-144 „ N. (Kjeldahl). Or Las sh u Ba Toro = 10288, SEN. Die Versuche wurden angestellt an einer Foxterrier-Hündin und zwei Hühnern. Die Hündin wog 6 * und wurde zum erstenmal zu Stoffwechsel- versuchen gebraucht. Gehalten wurde das Tier in einem für derartige Zwecke hergestellten Käfig. Täglich wurde es katheterisiert, der Käfig gründlich mit Wasser ausgespült und Urin und Waschwasser sofort analy- ! Archiv für experiment. Pathologie und Therapie. Bd. XLVII. S. 383. ? Zeitschrift für physiol. Chemie. 1912. Bd. ÄAXXVU. S. 497. > K. Thomas, Dies Archiv. 1909. Physiol: Abtlg. S. 219. * Siehe auch Zeitschrift für physiol. Chemie. Bd. LXXVIl. S. 499. ÜBER DIE BIOLOGISCHE WERTIGKEIT DER A-NUCLEINSÄURE. 193 siert. Vom Kot jeder Versuchsreihe machte ich nur je eine Analyse auf N und P. Das verfütterte nucleinsaure Natron wurde dem Tier pro Tag in einer Portion, gemischt mit Stärke und Rohrzucker, in Form von Kuchen ver- abreicht, während der Rest von Kohlehydraten sowie außerdem Fett später gegeben wurde. Die zur Analyse von Harn und Kot gebrauchten Methoden waren folgende: 1. N-Bestimmung nach Kjeldahl. 2. Gesamt P-Bestimmung nach Neumann in der von Plimmer und Bayliss angegebenen Modifikation. 3. Die anorganische Phosphorsäure wurde durch Titration mit Uranyl- acetat bestimmt. Tabelle I. h Ge- ı Harn | Zeit Ä Kost je Kot | wicht N N P | 24.1. 5700 | 1008 Stärke + 100em | 1.24 | — |50®m Kot (pro die) gaben: Rohrzucker + 50 &= Fett | N = 0-07 BB |. desgl. 1a P = 0-035 26.1. — desgl. 1-1. | 0.108 | 27.1 — | desgl. 1-0 |.0-103 | | Durchschnitt | 1-1 | 0.110 | 31. I. — | 100m Stärke + 1008m || 1-40 | 0-556 |280.em Kot (5 Tage) gaben : Rohrzucker + 9 8" nuclein- \N = 1:76 ; 0-35 (pro die) saures Natron p — 0.924; 0-15 „ „ 1.11. | 5600 desgl. | 1°47 | 0.572 2]. — desgl. 1-54 | 0.528 | 3.1. — desgl. + Fett | 1.47 | 0.556 | 4. II. | 5520 desgl. + Fett | 1-51 | 0-570 | Durchschnitt || 1-40 | 0.550 | Wie aus den in der Tabelle gegebenen Durchschnittswerten hervorgeht, ist die biologische Wertigkeit der Nucleinsäure, nach der von Thomas! gegebenen Formel A) berechnet gleich 60 Prozent. d- [e-(@-9], 100. a—b a in der Nahrung aufgenommen (1:1). b im Kot ausgeschieden (0-35). c bei stickstoffhaltiger Kost im Urin abgegeben (14). d bei stickstofffreier Kost im Urin ausgeschieden (1-1). ıA.2.0.S. 239. Archiv f. A.u. Ph. 1912, Physiol. Abtlg. 13 194 G. A. Brossa: Das Molekül der Nucleinsäure muß also, um diese Leistung ausführen zu können, vollkommen abgebaut werden. Es genügt nicht, einfach anzu- nehmen, daß nur die Aminogruppen abgespalten und das freiwerdende NH, verwertet wird, denn dadurch würde bei weitem nicht 60 Proz. biologische Wertigkeit erzielt werden können, sondern höchstens 20 Prozent. Wir haben bei dieser Gelegenheit! konstatiert, daß kein organisch ge- bundener Phosphor im Harn zur Ausscheidung gekommen ist, daß also keine unzersetzte Nucleinsäure ausgeschieden wurde. Ich lasse jetzt die Werte folgen, die ich durch Bestimmung mit Uranylacetat gefunden habe und füge in der 2. Reihe, die in Tabelle I als Gesamt-Phosphor enthaltenden Werte hinzu, die jetzt gleichfalis auf P,O, umgerechnet sind. 81.1.5. 1.16. 2sll. , 3/71. Gase P,O, (Uranylacetat) 0:132 0.134 0-131 0-134 0.132 P,O, (Gesamt-P, 0,) 0.128 0.132 0-127 0-130 0.132 Da nun der Hund in hohem Maße die Fähigkeit hat, Harnsäure zu zerstören, so war es von Interesse zu sehen, ob auch bei anderen Tieren, die nicht diese Fähigkeit haben, die lade MEINER, der Me säure dieselbe sein würde. Deshalb dehnte ich meine Untersuchungen auf Hühner aus. Um Harn und Kot getrennt auffangen zu können, legte ich bei meinen Versuchstieren nach der von Völtz ? beschriebenen Methode einen Anus praeternaturalis an. Nach einer Woche waren die durch die Operation gesetzten Verletzungen gut ausgeheilt und die Tiere zum Versuche bereit. Um nun dem Decubitus, den ich nach der üblichen Behandlungsweise bei meinen Tieren nicht ver- meiden konnte, aus dem Wege zu gehen, ließ ich eine nach Gipsabdruck hergestellte, aus Hartgummi verfertigte Prothese machen, die den Becken- knochen der Tiere gut auflag. An dieser Prothese waren hintereinander zwei Gummibeutel angeschraubt, die Harn und Kot getrennt auffingen. Durch die Verschraubung wurde erreicht, daß ‘das Entleeren der Beutel ohne Entfernung der Prothese vor sich gehen konnte. Der in 24 Stunden gesammelte Urin wurde durch Zentrifugieren in einen flüssigen und einen festen Teil getrennt, der letzte mit Alkohol und Äther gewaschen und über H,SO, getrocknet; beide Teile analysierte ich getrennt voneinander. Zur vollständigen Gewinnung des Kotes erweiterte ich, wenn nötig, den Anus praeternaturalis durch Laminariastift und gab ein Klistier. ! In Übereinstimmung mit Gumlich, Zeitschrift f. physiol. Chemie. Bd. XVII. S. 510. ® W. Völtz in Abderhaldens Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. IN922.51058. ÜBER DIE BIOLOGISCHE WERTIGKEIT DER A-NUCLEINSÄURE. 195 Das nucleinsaure Natron wurde mit Stärke und Rohrzucker zusammen zu einem Kleister vermengt und das Huhn damit genudelt. Es sei erwähnt, daß sich die gelatinöse Form des Präparats wegen seiner leimartigen Konsistenz für Stoffwechselversuche nicht besonders ge- eignet erwies; insonderheit machten die Versuche an Hühnern Schwierig- keiten, weii sich die Nahrung zu festen Ballen im Kropfe ansammelte und erst ganz allmählich in den Magen der Tiere gelangte. Infolgedessen mußten die Versuche stets nach einigen Tagen unterbrochen werden. Ich werde deshalb später die Versuche mit b-Nucleinsäure wiederholen. Die mit den beiden Hühnern vorgenommenen Versuche ergaben folgende Resultate: Tabelle I. Harn Zeit Karo: sit EIBESNERFINGIEINE Kot | 15 El mn in. 21.XIl. Kohlehydr. (Zucker + Stärke) || 0-34 |0-030,| Täglich: 22. XII. | desgl. 0-35 \0-026,| N = 0-049 23.XII. Zuckerlösung (Magenschlauch) | 0-35 10-029 P = 0.013 24.XU. 2.5 nucleinsaures Natron, 0-37 0135| Zucker + Stärke 25. XII. desgl. 0-47 |0-135 26. XI. desgl. + 2-5 nucleinsaures 0-40 | 0+-121 Natron 27.XL. 2:5 nukleinsaures Natron, 0-40 |0-:121) N = 0:098 Zucker + Stärke 28. XII. desgl. 0:40 |9.121| P = 0:027 TR=erouchen: 23.11. Zucker + Stärke 0-378 | 0:026|| N = 0-040 24. II. desgl. 0:394 —_ P = 0-011 25. Il. | Zucker + Stärke + 3 s"® nuclein- || 0-379 | 0-043 saures Natron 26. II. desgl. |0°470 |0-129| N = 0. ad Il. desgl. 0.450 0.128) P=0 Wie in Tabelle I berechnet, ergibt sich die biologische Wertigkeit zu etwa 80 Prozent. Überblicken wir noch einmal unsere Resultate, so ergibt sich die Tat- sache, daß sowohl der Hund wie das Huhn einen bedeutenden Anteil ihres Stickstoffumsatzes mit Hilfe eines Körpers bestreiten können, der nach seiner Struktur den Eiweißstoffen vollkommen fern steht. Diese Verhält- 13* 196 @G. A. BrRossA: ÜBER DIE BIOLOGISCHE WERTIGKEIT USw. hältnisse führen uns wieder zurück auf Fragen, die schon von Claude Bernard! erwogen sind und die auch einem weiteren Kreise neuerdings durch die Untersuchungen von Knoop?, Grafe und Schläpfer® und Abderhalden * und seinen Mitarbeitern wieder bekannt geworden sind. Es war vollkommen in Vergessenheit geraten, daß die synthetischen Hilfs- mittel der lebenden Zelle viel größer sind als der schematisierende Satz: „Die Pflanze baut auf, das Tier baut ab,“ zuläßt. 1 Lecons de Physiologie. Paris 1855. ?® Zeitschrift für physiologische Chemie. 1910. Bd. LXVII. S. 489, ® Ebenda. 1912. Bd. LXXVM. S. 1. > * Ebenda. 1912. Bd. LXXVI. S. 22. Der Strömungswiderstand des Blutes gegenüber kleinen Druckwerten. Von W.R. Hess. (Aus dem Physiologischen Institut der Universität Zürich.) Seit Reynolds wissen wir, daß das Strömen einer Flüssigkeit durch Röhren auf zwei verschiedene Arten sich vollziehen kann. Die Flüssigkeit kann die Röhre entweder in gleitender oder rollender Bewegung durch- laufen. Im ersten Falle besitzen die einzelnen Flüssigkeitsteilchen eine geradlinige Bahn, im zweiten eine krummlinige. Die Entscheidung, welche der beiden Bewegungsarten sich bei gegebenen Röhrendimensionen und gegebener Flüssigkeit vollzieht, hängt von der Größe des treibenden Druckes ab und zwar in dem Sinne, daß bei geringen Druckdifferenzen die gleitende, bei höhern die rollende Bewegung auftritt. Durch den Übergang der ersteren in die letztere bei zunehmendem Druck ist der Gültigkeit des Poiseuillschen Gesetzes eine obere Grenze gesetzt. Denn das Poiseuillsche Gesetz charakterisiert ausschließlich die Strömungsverhält- nisse bei gleitender Bewegung.! Durch experimentelle Untersuchungen, welche ich bereits publiziert habe,” bin ich zu dem Resultat gekommen, daß neben jener oberen, für alle Flüssigkeiten existierenden Gültigkeitsgrenze beim Blut auch eine untere Gültigkeitsgrenze des Poiseuillschen Gesetzes existiert, eine Grenze, welche durch das ungewöhnliche Verhalten des Blutes bei niedrigem trei- benden Druck bedingt ist. Im nachfolgenden sind nun diese Verhältnisse einer erneuten und erweiterten Prüfung unterzogen. ! Eine ausführliche Behandlung dieses Themas siehe meine Arbeit: Viskosität des Blutes und Herzarbeit. Vierzeljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft. Zürich 1906. ? Reibungswiderstand des Blutes und Poiseuillsches Gesetz. ut für klin. Medizin. Bd. LXXI. Heft 5 u. 6. 198 W. R. Hess: Beschreibung der Versuche. Der Apparat Nr. 1, welcher zuerst benützt wurde, besteht aus drei nebeneinander gelagerten Kapillaren von gleicher Länge aber verschiedener Lichtweite (Zahlen vgl. weiter unten). Diese drei Kapillaren (Fig. 1, A, Z und C) münden je in eine Meßpipette M,, M,, M; und diese in ein gemeinschaftliches (Sammel-)Rohr SR, welches in Verbindung mit der pneumatischen Kammer PK und dem Manometer M steht. Das T-Rohr 7 stellt im weitern eine Verbindung des gemeinschaftlichen Rohres $%® mit dem Saug- und Druckballen 3 her, dessen Inneres durch die Öffnung O Fig. 1. im Ventilstück V mit der Außenluft kommuniziert. Der Anschluß der Meß- pipetten M,, M,, M, an ihr gemeinschaftliches Sammelrohr 5% ist ver- mittelt durch ein Zwischenstück aus druckfestem Gummischlauch Z W. — An dem der Meßpipetten entgegengesetzten Ende der Kapillaren A, B und C sind die Röhrchen %,, R, und R, angeschmolzen. Sie besitzen dieselben Lichtweiten wie die zugehörigen Meßpipetten und münden frei nach außen. Wie die Kapillaren A, B und € unter sich, so besitzen auch die Meßpipetten M,, M, und M, unter sich verschiedene Lichtweiten. Sie sind nämlich den zu erwartenden Durchflußmengen der zugehörigen Kapillaren angepaßt, so daß die Meßstrecken für gleichzeitige Durchflußvolumina einigermaßen in Übereinstimmung gebracht sind und deshalb ihre Bestimmung mit an- nähernd derselben Genauigkeit geschehen kann. 'STRÖMUNGSWIDERSTAND D. BLUTES GEGENÜB. KLEINEN DRUCKWERTEN. 199 Der Gang eines Versuches gestaltete sich mit dem eben beschriebenen Apparat in folgender Weise: Die Röhrchen R,, R, und A, (Reservoirröhrchen) sind bei Beginn mit der zu untersuchenden Flüssigkeit beschickt, bis zur Schmelzstelle mit der Kapillare angefüllt. Der Hahn 7 ist dabei so gestellt, daß das Sammelrohr SR mit dem Saugballon kommuniziert. Mittelst desselben wird auf die Kapillaren so lange eine Saugwirkung ausgeübt, bis die Menisci der in die Meßpipetten übergetretenen Flüssigkeitssäulen an den Nullpunkt der Skala vorgerückt sind. Die einzelnen Flüssigkeitssäulen können dabei un- abhängig voneinander der Druckwirkung unterworfen werden, da die Zwischen- stücke ZW aus Gummi sind und sich einzeln komprimieren lassen. Ist die Einstellung der Menisci auf den Nullpunkt der Skalen erfolgt, und bei geeigneter Stellung des T-Hahnes die Luft aus der pneumatischen Kammer PX durch den Ballen 3 ausgepumpt, so wird der T-Hahn so gedreht, daß nunmehr die Saugwirkung des luftverdünnten Raumes in der pneumatischen Kammer dem Sammelrohr $ 2 mitgeteilt wird. Unter dieser Saugwirkung tritt die Flüssigkeit aus den drei Reservoirröhrchen durch die Kapillaren hindurch in die Meßpipetten über. Der Beginn des Strömens (Einstellen des T-Hahnes) wird mit der Stoppuhr markiert. Ist eine ge- nügende Menge von Flüssigkeit in die Meßpipetten übergetreten, so wird der T-Hahn sc gedreht, daß er durch die Ventilöffnung V eine Verbindung des Sammelrohres mit der Außenluft herstellt. Die Saugwirkung ist damit unterbrochen. Der Moment wird wiederum an der Stoppuhr markiert. An der Skala jeder Meßpipette wird die Strecke abgelesen, um welche in ihr der Meniscus vorgerückt ist. Die Zeitdauer, während welcher das Vor- rücken bzw. der Durchfluß durch die Kapillaren stattgefunden hat, wird an der Stoppuhr abgelesen, der Druck (negativ d.h. Saugwirkung), unter welchem der Durchfluß stattgefunden hat, an dem Manometer in Kubik- zentimetern der Weassersäule. Als besondere Maßnahmen, welche zur Erhöhung der Genauigkeit er- griffen wurden, seien folgende erwähnt: Es wurde streng darauf geachtet, daß die Innenwandung der Kapillaren und Meßpipetten vollständig rein war. Es ist dies nötig, weniger wegen der raumeinschränkenden Wirkung allfälliger Unreinheiten, als wegen ihres Einflusses auf die Oberflächenspannung. Die geringsten Spuren, welche z. B. den Wandungen der Meßpipetten anhaften, genügen, den dort be- findlichen Meniscus der Flüssigkeitssäule derart zu ändern, daß er sich in seiner Kraftwirkung nicht mehr im Gleichgewicht befindet mit dem ent- geoengesetzten Meniscus im Reservoirröhrchen. Der einseitige Kraftüber- schuß subtrahiert sich oder addiert sich zu der vom Manometer angegebenen Druckdifferenz, wodurch ein Fehler entsteht. — Im weiteren wurde darauf 200 W. R. Hess: geachtet, daß die Flüssigkeitssäulen vor Beginn jedes Versuches von der- selben Seite in die Nullage gelangten, aus welcher sie in die Endlage kamen, also in beiden Fällen von links. Dieses Vorgehen ist angezeigt, weil die Form des Meniscus sich mit der Bewegungsrichtung etwas ändert. Er ist etwas flacher bei der Bewegung des Meniscus nach seiner konkaven Seite, er ist etwas tiefer, bei Bewegung nach seiner konvexen Seite. Eine genaue Messung seiner Verschiebung setzt aber eine gleiche Form voraus. — Das Drehen des T-Hahnes zum Einschalten, bzw. Unterbrechen der Saug- wirkung vom Luftrezipienten aus, geschah natürlich so plötzlich wie mög- _ lich, in demselben Augenblick, in welchem der Druck auf die Stoppuhr erfolgte. — Druckschwankungen während der Versuche wurde durch Wärme- schutz des Luftrezipienten vorgebeugt. Zur Prüfung der richtigen Funktion des Apparates wurden vorerst Ver- suche mit destilliertem Wasser gemacht, und zwar in zwei Richtungen: 1. wurde geprüft, ob der Apparat bei einzelnen Versuchen mit an- nähernd übereinstimmenden Druckdifferenzen auch übereinstimmende Werte ergibt. Allfällige gegenseitige Abweichungen zeigen die Fehlerquellen des Apparates an (inkl. Zeitmessung); denn bei den einzelnen Versuchen be- stehen genau dieselben Durchflußbedingungen, so daß die gegenseitigen Ab- weichungen der Einzelresultate ausschließlich auf Messungsfehler zu beziehen sind, Fehler beim Ablesen des Druckes, der Zeit und der Durchflußmengen. 2. wurde untersucht, ob bei den verschiedenen Druckdifferenzen die Durchflußzeiten sich entsprechend dem Poiseuillschen Gesetz ändern, d.h. gegenseitig umgekehrt proportional sind, so daß also das Produkt Druck mal Zeit ein konstanter Wert bleibt, wenn auch die Größe des Druckes sich ändert. Abweichungen von dieser Konstanz des Produktes können dadurch zustande kommen, daß die Flüssigkeit nicht ausschließlich gleitende Be- wegung ausführt, sondern, wie wir weiter oben auseinandergesetzt, rollende, deren Auftreten mit zunehmender Druckdifferenz begünstigt wird. — Ein weiterer Grund für mögliche Abweichung ist dann gegeben, wenn infolge von Kürze oder relativ großer Lichtweite der Kapillaren deren Widerstand ein geringer ist. In diesem Falle gewinnt die kinetische Energie meßbare Werte, welche die Flüssigkeit bei ihrem Eintritt aus dem Reservoirröhrchen in die Druckflußkapillare in Form fortschreitender Bewegung aufnimmt, Die absoluten Dimensionen und die dadurch bedingten Strömungs- verhältnisse der erstbenützten Kapillaren (Apparat Nr. 1) sind folgende: A B C Länge,inMillimetern® Ki une... 70 70 Durchmesser in Millimetern . s » .» . 2... 0-10 0-11 0-13 Verhältnis der Durchmesser (A=1) :. . .. - 1-00 1-11 1-39 Verhältnis der Querschnittes (A=1) . . . - - 1:00 1-21 1:69 Verhältnis der gleichzeitig durchfließenden Mengen 1-00 1-46 2-86 STRÖMUNGSWIDERSTAND D. BLUTES GEGENÜB. KLEINEN DRUCKWERTEN. 201 Versuche mit destilliertem Wasser zur Prüfung des Apparates Nr. TI. _ Tabelle Ia. Abgelesene Zahlen. P A B C 7 t 70-1 53-2 35-7 45-6 3.8 26-8 ” 68-9 56-3 37-8 48+3 4+1 69-7 53-5 36-2 46*0 3.8 36-2 50-6 33-9 43+7 7:0 | 27-0 36-1 49-1 33-0 42-3 6-9 35-9 489 32.9 42.3 68 200 50-6 34-0 43.9 12-4 27.0 20-0 44:0 29+7 38-1 10-9 19+8 42.7 28-7 37.0 10-6 9.3 46*3 31-7 40+8 25-0 27-0 9.3 43-8 29-3 37-0 23.0 9.3 42.3 28+5 36-7 22»8 Zu dieser Tabelle ist zu bemerken, daß die Versuchszeiten bei den stärksten Druckdifferenzen für eine genaue Zeitmessung zu kurz sind. Sie sind aber nicht zu umgehen, da derselbe Apparat gleichzeitig auch für sehr niedrige Druckdifferenzen benutzt wird, und noch dazu für dickflüssiges Blut. Die absoluten Dimensionen der Kapillaren müssen deshalb derart sein, daß unter den letzt genannten Bedingungen der Durchfluß nicht allzu stark verzögert wird, wodurch andere Fehlerquellen, vor allem Sedimentieren des Blutes, in die Versuche eingeführt werden. Die nachfolgende Tabelle Ib bringt Zahlen, welche aus den Beobach- tungen (Tabelle Ia) berechnet wurden. Für jeden einzelnen Versuch ist aus der beobachteten Durchflußzeit und dem abgelesenen Druck das Pro- dukt gebildet und dieses durch die Zahl der Maßeinheiten dividiert, um welche in der Meßpipette die Flüssigkeitssäule zugenommen hatte. Es ist also das Produkt Druck mal Durchflußzeit auf ein Durchflußvolumen be- rechnet, welches bei der einzelnen Kapillare für alle Versuche konstant ist. — Außerdem sind die beobachteten Zahlen in der Weise umgerechnet, daß die Zunahme der Flüssigkeitssäulen in den einzelnen Pipetten in ein gegenseitiges Verhältnis gebracht ist. Die Zunahme der Flüssigkeitssäule in Meßpipette A ist dabei= 1 an- genommen worden. Der absolute Wert der gewonnenen Verhältniszahlen ist, wie wir weiter oben auseinandergesetzt haben, kein Maß für die rela- tiven Durchflußmengen, da die Meßpipetten verschiedene Kaliber besitzen. Doch müssen es die Verhältniszahlen durch ihre Änderung zum Aus- 202 W. R. Hess: Tabelle Ih. Druck x Zeit pro Maßeinheit | Verhältniszahlen für A, B u. © ne me Druck | = A B C A B c 5.0 1-5 bE2>) 70-1 100 67 86 5.0 1/08) 59 65-9 100 67 86 5-0 Er! +8 69-7 100 68 86 5-0 7-5 5-8 36-2 100 67 86 5-1 7-5 5.9 36-1 100 67 86 5-0 7-4 5.8 35.9 100 67 87 4.9 7-3 5*6 20-0 100 67 87 5.0 T-4 5-7 20-0 100 68 87 4.9 7-3 5.7 | 19-8 100 67 87 5.0 1-3 Dar or: 100 68 88 4-9 7-3 5.8 9-5 100 68 86 3-0 T-4 5«8 9-5 100 67 87 druck bringen, wenn sich die Durchflußvolumina in den einzelnen Kapillaren in verschiedener Weise ändern. Die Prüfung der aufgeführten Zahlen zeigt uns nun, daß das Produkt Druck mal Zeit berechnet auf die für die einzelne Kapillare konstante Durchflußmenge innerhalb der Schwankungsbreite von + 2 Prozent selbst konstant ist, welche Größe auch der treibende Druck hat. Dieselbe Konstanz zeigen auch die berechneten Verhältniszahlen, was beweist, daß die Durchflußmengen der drei Kapillaren bei allen Versuchen immer im gleichen gegenseitigen Verhältnis stehen. Die Prüfung des Apparates mit destillierttem Wasser zeigt also, daß in allen drei Kapillaren Durchfiußverhältnisse bestehen, bei welchen das Produkt von Druck mal Zeit auf eine gegebene Durchflußmenge berechnet, innerhalb der untersuchten Grenzen konstant ist, wie es das, Poiseuillsche Gesetz verlangt. Prüfen wir nun die Werte, welche bei Blut beobachtet wurden! (Tabelle IIa und b.) Diese Zahlen zeigen annähernd ein konstantes Verhalten zwischen den Druckdifferenzen von 52.0 bis 22-8. Die Schwankungsbreite ist etwas größer, als wir beim Wasser vorgefunden haben, aber es findet weder im Sinne eines Anstieges noch im Sinne eines Abfalles eine ausgesprochene Änderung statt. — Anders, wenn wir uns mit: den Druckdifferenzen noch weiter nach unten bewegen. Das Produkt aus Druck und Zeit bleibt nun nicht mehr konstant, wie es das Poiseuillsche Gesetz verlangt, sondern es steigt erst langsamer, dann rascher an, so daß die den niedrigsten Druckwerten entsprechenden Zahlen über 40 Prozent höher sind als die bei den verschiedenen höheren Druckdifferenzen übereinstimmend konstatierten. STRÖMUNGSWIDERSTAND D. BLUTES GEGENÜB. KLEINEN DRUCKWERTEN. 203 Versuche mit Blut im Apparat Nr. 1. Tabelle Ila: Abgelesene Zahlen. P A B C T | t° 52-0 2141 IB 1 32.6 | 2«3 33.38 | 20.0 13-0 16-7 40-5 27.2 20-2 13-0 16-7 58-2 25-4 22.8 20-6 13-4 17-2 72-5 147 19-9 12-6 16-5 112-0 10-8 20-0 13-0 16-6 160-0 6-8 20-1 13-0 16-5 BROT 25-5 4-2 19-9 13-3 16-4 486-0 | 2.25 10-0 6-7 8-1 509-0 51-9 DO-3 69 219xD 16-6 | 33.2 25-5 Tabelle IIb. Druck x Zeit pro Maßeinheit | Verhältniszahlen für A, B u. C — | Druck A | Bhglasajß | N | B C 30 |, 108 | 52-0 100 | 64 83 a, 101 a 38-8 1000|. 65 84 ws 2 FR 27-2 TORE RAUCH 83 BON 11234 6 22-8 A0Dn, Aians 83 SEN a) 9 | 14-7 100, 2111263 83 Ei . 138 104 10-8 100 ° |, © 83 91 141 111 6-8 1002 1° 65 82 102 153 125 4.9 100. v6 82 BSR | 9170 I | 2-25 10 1 oe | | | 85 | 130 108 | 51-9 IE 100. |). 685, 1a Be Die Verhältniszahlen für A, B und C bleiben dagegen konstant bis hinab zu dem Druck von 6-8, während die Produktzahlen inzwischen bereits eine Steigerung von 14 bis 16 Prozent erfahren haben. Die den niedrigsten zwei Druckwerten zugehörigen Verhältniszahlen dagegen weisen eine etwelche Abweichung von der Konstanz auf und zwar 2 im Sinne eines kleinen An- stieges, C eines kleinen Abfalles. Die Änderung ist gering im Vergleich zu der Änderung der Produktzahlen. Mit der verschiedenen Dimensionierung darf sie nicht in Zusammenhang gebracht werden, weil die Änderung für B und © in entgegengesetztem Sinne erfolgt, während sich die Durchmesser von B und C im gleichen Sinne von A unterscheiden, nämlich beide größer sind. Erklärlich sind die Abweichungen wohl durch die langen Durchfluß- zeiten, welche zu diesen niedrigen Druckwerten gehören: (486 bzw. 509 Sek.); 204 W,. R. Hess: denn selbst eine minimale spontane Verschiebung in den Kapillaren muß einen meßbaren Fehler erzeugen, wenn die Verschiebungsdauer ge- nügend groß ist. Ob man die beiden letzten Zahlen eliminieren will oder nicht, so können wir doch aus den Resultaten ablesen: 1. daß das Produkt Zeit mal Druck bei den höheren Druck- differenzen konstant ist, mit Abnahme der Druckdifferenz da- gegen diese Konstanz im Sinne eines Anstieges verliert. 2. daß sich im gegenseitigen Verhältnis der Durchfluß- mengen nichts ändert, auch wenn wir uns für die Produkt- zahlen bereits im Gebiete des Anstieges befinden. — Es macht sich demnach der Anstieg für alle drei Kapillaren in gleicher Weise geltend, nämlich für alle drei in einem konstanten prozentualen Verhältnis zur Durchfiußmenge. Am Schlusse der Versuchsserie mit abnehmendem Druck ist ein Ver- such hinzugefügt wieder mit hoher Druckdifferenz. Die für diesen Versuch berechneten Produktzahlen sind etwas höher als die für die ersten Glieder der Serie. Es kann dies nur von einer Veränderung des viskösen Zu- standes im Blute herrühren, da sonst alle äußeren Bedingungen vollständig dieselben sind. — Solche Veränderungen konstatiert man fast immer, wenn man Serienversuche mit Blut macht. Offenbar macht es sich im Reibungskoeffizienten geltend, daß wir im Blute keine einfache Flüssiekeit vor uns haben, sondern ein Gemisch von Flüssigkeit und festen Körpern, ein Gemisch, welches während der Untersuchung nicht diejenige Konstanz aufweist, welche eine. vollkommene Konstanz des Reibungskoeffizienten ermöglicht. Vor allem scheinen es Änderungen physikalischer Natur zu sein, welchen das Blut auch während der relativ kurzen Versuchszeit unterliegt. Man darf dies daraus schließen, daß der Bewegungszustand des Blutes selbst etwelchen Einfluß aus seinem Reibungskoeffizienten be- sitzt. So weit ich nach meinen Erfahrungen beurteilen kann, steigt der Reibungskoeffizient, wenn das Blut ruht oder annähernd in Ruhe ist, auch bei vollkommener Ausschaltung der Gerinnung (durch Hirudinzusatz), Wird dieses selbe Blut in Bewegung versetzt, so nimmt die Viskosität wieder ab und wird annähernd konstant. Welches nun die Ursache dieses Ver- haltens auch sein mag (eventuell gegenseitige Lagerung der Blutkörperchen), für unsere Versuche müssen wir daraus folgern, daß das Blut vor einer Viskositätsbestimmung möglichst nie im Ruhezustand, sondern stets in Be- wegung gehalten werden soll. Auf diese Abhängigkeit des Reibungskoeffizienten vom Bewegungs- zustande ist es zu beziehen, wenn hier und da im Verlaufe eines Versuches STRÖMUNGSWIDERSTAND D. BLUTES GEGENÜB. KLEINEN DRUCKWERTEN. 205 eine Änderung des Viskositätswertes sich geltend macht, welche nicht direkt von der Größe der Druckdifferenz abhängt. Um die Unabhängigkeit der relativen Widerstandssteigerung bei ab- nehmender Druckdifferenz noch sicherer zu erkennen, habe ich analoge Versuche mit noch stärker verschiedenen Kapillaren ausgeführt, damit ein allfällig verschiedenes Verhalten entsprechend stärker zum Aus-_ druck käme. Auch dieser Apparat ist vorerst einer Prüfung mit destilliertem Wasser unterzogen worden, deren Resultate in der nächstfolgenden Tabelle wiedergegeben sind. A B C Länge in Millimetern . . . ED RE (0) 70 70 . Durchmesser der Kapillaren in Annilimmetern En 0.126 0.181 0.239 Verhältnis des Durchmessers A=1). . . . . 1-00 1-44 1-91 Verhältnis des Querschnittes . . . ur 1-00 2-06 3-63 Verhältnis der gleichzeitig renteBenden Mengen 1-00 4-25 13-4 Versuche mit destilliertem Wasser zur Prüfung des Apparates Nr. 2. Tabelle IIIla: Abgelesene Zahlen. EN SIR | B Ibiekgd 18 T 9 82.7 27-8 45-0 50-0 27-8 17-5 63-2 27-9 AHE OP 0,7500 36-3 42-5 27-7 4-9 | 500 54-0 2 a 45-0 50-0 | 104-6 1236 | 277 44-8 50.0.0 18-6 17-5 Tabelle IIIb. Druck x Zeit pro Maßeinheit | Verhältniszahlen für A, Bu. C. Druck | A Be, RG ir ia B C 83 lan ia 46 82-7 56 90 | 100 Ba le ©a 63-2 56 90° 1° 708 ee ee: 42-5 55 90 100 83 51 | 46 21-9 55 90 | - 100 EEE 46 123-6 55 90 | 100 Die aufgeführten Zahlen zeigen, daß wir uns im Bereiche der pro- portionalen Abhängigkeit zwischen Druck und Durchflußzeit befinden; denn es sind die Produktzahlen für alle geprüften Druckdifferenzen konstant. Versuche mit Blut in diesem Apparate ergaben Resultate, welche in Tabelle IVa wiedergegeben und in Tlabelle IV b rechnerisch verwertet sind. 206 W. R. Hess: Versuche mit Blut in Apparat Nr. 2. Tabelle IVa: Abgelesene Zahlen. pP | A B | c T | go | U 126-5 -0 1465 16-0 46-3 | 18 124-5 10-2 14-6 | 16-2 477 17-1 10-0 14*1 16-2 | 346-6 12-7 10-2 14-4 bee co En DRAN 18 Tabelle IVb. Druck x Zeit pro Maßeinheit | | Verhältniszahlen für A, B u. C Druck | Ze A BC | A Ba 37 Ha VE cs ae ar | er eh en) | 100 37 40 58 124:5 | 63 90 | 100 37 2a 2058 Izet Ines 87 100 45 Sie an 12-7 | - 62 89 100 Wie bei den Versuchen in Apparat Nr. 1 konstatieren wir auch hier Konstanz der Produktzahlen bei den großen Druckdifferenzen. Der Abfall der Druckdifferenz auf den niedrigsten Wert (12.7) dagegen bringt einen erheblichen Anstieg des Produktes Druck mal Zeit (auf Maßeinheit berechnet) mit sich, ohne daß aber in den gegenseitigen gleich- zeitigen Durchflußmengen für die drei verschiedenen Kapillaren ein ausgesprochener Ausschlag nach der einen oder anderen Seite eintritt; ein solcher Ausschlag unterbleibt, obgleich die gleichzeitige Durchflußmenge durch Kapillare C 13 mal größer ist, als durch Kapillare A. Weitere Versuche bestanden darin, das Verhalten des Plasmas zu prüfen. Die Tabellen Va und Vb geben über die Resultate Aufschluß. Es scheint danach, daß sich das Plasma bei den verschiedenen Drucken wie das destillierte Wasser benimmt, d.h., daß es sich an das Gesetz der proportionalen Änderung von Druck und Zeit hält. _Die Möglichkeit, daß eine Änderung vielleicht erst bei ganz geringen Druckwerten auftritt, veranlaßte mich, eine Bestimmung bei der niedrigen Druckdifferenz von 2.5°% Wasser durchzuführen. Dieser Versuch verlangte aber die besondere Vorsichtsmaßregel, daß er sowohl bei Plus-, als auch bei Minusdruck ausgeführt wurde; denn bei der äußerst geringen Druckdifferenz besteht die Gefahr, daß eine störende Kraft relativ derart einwirkt, daß das Re- sultat erheblich verändert wird. Diese störende Kraft müßte aber hervor- treten, wenn das Vorzeichen des Druckes geändert wird, da sie sich in STRÖMUNGSWIDERSTAND D. BLUTES GEGENÜB. KLEINEN DRUCKWERTEN. 207 einem Falle zu dem vom Manometer angegebenen addieren, im anderen Falle in ihrer Wirkung von demselben subtrahieren würde. Versuche mit Plasma in Apparat Nr. 1. Tabelle Va. Abgelesene Zahlen. P A B C | ik tb 31-8 41-3 27-3 35-7 13-7 24-8 21-3 41-3 274 35-6 20-0 17+3 41+1 27-2 35-3 24»8 25-0 13-0 41-1 27-3 | 35-2 33-0. 25-1 8-45 40-6 26-9 34-9 50-4 6-45 40-5 26-9 35-0 66-0 4-00 40-6 27-3 35-2 106-6 31-9 42-0 27-7 36.0 13-6 25-1 6-15 30-3 — 26-5 50-8 26-7 —6+15 30-1 = 26-2 50-2 | 2-45 22-0 — 19.9 966 —2-65 23-0 _ 20-5 93-0 26+8 Tabelle. Vb. Druck x Zeit pro Maßeinheit | Verhältniszahlen für A, B u. C Druck A | B © A B C Te ns => = 11 BEEEEEEEEELLEÄUER nenn sn m m — en = - ea 10-5 16-0 12.2 | 31-8 100 66 s6 10-3 15-6 | 1%0 293 100 a6. s6 10-5 15-8 12-1 17.3 100 66 6 10-5 15-7 12-4 13-0 100 67 36 10-5 15-9 12-4 S-45 100 66 6 ‚10-5 | 159 12-2 6-45 #00°* | :_=.66 86 10-91. 15-6 12-1 4-00 100 67 87 10-3 | 15-6 11-9 | 31-9 100 66 | s6 10-3 | Su 11-7 6-15 a 88 10-3 | a 11-8 -6-15 100. | — | 87 10-8 Ds 11-9 2.45 100 5 Has en 107°. e= 12-0 2:65 100° | Au su 89 Der zweite Abschnitt der Tabelle V b zeigt nun als Resultat des Ver- suches eine Unabhängigkeit der Produktzahlen von den Vorzeichen des Druckes. Gleichzeitig zeigt sich eine leichte Andeutung von Anstieg bei sehr niedriger Druckdifferenz. 208 = W. R. Hess: Ausgeschlossen ist eine etwelche Mitwirkung des Plasmas beim Anstieg der Produktzahlen des Gesamtblutes trotz dem geringen oder fast fraglichen Anstieg bei isoliertem Plasma. dennoch nicht; denn selbst geringfügigste Ausschläge bei niedrigen Viskositätswerten werden vergrößert, sobald sie gemeinschaftlich mit anderen viskositätssteigernden Faktoren wirken. Die Viskosität ist keine additive Eigenschaft, bei welcher sich durch Addition die Wirkung einzelner Faktoren auf einen bestimmten Wert einstellt. Der letztere nimmt rascher zu, als die Summe der Faktoren berechnen läßt, bei hohen Viskositätswerten sogar viel rascher. Bevor wir es versuchen, eine Erklärung fur die Druckabhängigkeit des Strömungswiderstandes bei geringen Druckdifferenzen zu geben, sei in folgendem noch ein Beispiel einer anderen Flüssigkeit gegeben, welche ein analoges Verhalten wie das Blut zum Teil noch in viel höherem Maße aufweist. Diese Flüssigkeit ist Gelatinelösung von geringer Konzentration, so daß dieselbe trotz Stehenbleibens bei Zimmertemperatur nicht zur Gelati- nierung kommt. Haben wir eine solche (z. B. 1 Prozent) im erwärmten Zustande hergestellt, und lassen wir sie hernach erkalten, so besitzt sie eine äußerst niedrige Viskosität. Beim Stehenbleiben bei Zimmertemperatur (15 bis 17°) steigt der Viskositätswert allmählich an, so daß wir von Stunde zu Stunde einen höheren Wert erhalten, obgleich die Flüssigkeit keinen weiteren äußeren Einwirkungen unterworfen wird. Der Anstieg verlang- samt sich nach und nach und nähert sich einem stabilen Werte, ohne den- selben, wie es scheint, in einigen Tagen vollständig zu erreichen, bevor (bei nicht aseptischem Vorgehen) die eintretende Zersetzung die Viskosität wieder zum Abfall bringt. Gleichzeitig mit diesem Viskositätsanstieg erhält die Lösung jene Eigenschaft des relativen Anstieges des Strömungswiderstandes bei niedrigem Druck. Die nachfolgenden Tabellen zeigen dies (VIa u. b). Die Abhängigkeit der Produktzahlen von dem Druckwert ist, wie man sieht, eine sehr ausgesprochene. — Die letzten zwei Zahlen stellen eine Ergänzung der obersten dar, um zu zeigen, daß nicht während des Versuches eine Veränderung in der Gelatine Platz gegriffen hat, welche deren Viskosi- tät bleibend herabgesetzt hat. Die an die höheren Druckwerte mit niedrigen Produktzahlen angefüsten niedrigen Druckwerte zeigen wieder hohe Produkt- zahlen. Daß auch hier nicht Spontanverschiebung in der einen.oder anderen Richtung z. B. durch Oberflächenspannung oder durch Neigen des Apparates die Produktzahlen zum Ansteigen gebracht hat, zeigt das Übereinstimmen derselben bei Plus- und Minusdruck, wobei sich die Flüssigkeit zuerst in der einen Richtung und nachher in der entgegengesetzten bewegte. Wie bei den Plasmaversuchen ausgeführt wurde, so hätte auch hier eine störende Kraft sich dadurch verraten müssen, daß sie die beiden Werte in entgegen- gesetztem Sinne beeinflußt hätte, da sie wegen der Änderung des Vor- STRÖMUNGSWIDERSTAND D. BLUTES GEGENÜB. KLEINEN DRUCKWERTEN. 209 zeichens am Druckwert in einem Falle dieser entgegen, im anderen Falle mit derselben ihre Wirkung entfaltet hätte. Versuche mit Gelatinelösung in Apparat Nr. 2. Tabelle VIa. Abgelesene Zahlen. P B C T fo 6-75 8-7 10-0 | 294-0 18 13+4 8-9 10-0 | 135-0 19-4 8-8 10-0 88-0 26-7 8-8 10-0 59+8 38-4 8-7 10-0 40-6 50-3 8-8 10-0 29-5 612 8-8 10-0 23-8 714+3 8-9 10-0 19-1 93.0 8-8 10-0 1a | 122-5 8-8 10-0 10-8 | 2-0 8-8 10-0 1230-0 2.0 91 10.0 1255-0 ı 18 Tabelle VIb. Druck x Zeit pro Maßeinheit | Verhältniszahlen für B u. C ————— Druck Vene 2 WOCHECETeFG BERIETEUT Eos> 2) veeompotnmge NG ZART Ele Sr B c | B C 23 20 6-75 | 87 100 18 16 13-4 89 100 19 17 19-4 88 100 18 16 26-7 88 100 18 16 38-4 87 | 100 17 15 50-3 88 | 100 17 15 61-2 88 100 16 14 74-3 89 100 15 14 93-0 89 100 15 13 | 122-5 88 100 28 25 | 2-0 | 88 100 28 25 -2.0 91 100 Bei den Verhältniszahlen erkennen wir auch die für die Blutproben beobachtete Übereinstimmung, so daß auch hier der den Widerstand steigernde Faktor von der Kapillarweite unabhängig ist. Für die Auslegung unserer Resultate schien es mir wichtig zu wissen, ob vielleicht die Länge der Kapillaren einen Einfluß auf die quantitative Archiv f. A.u. Ph. 1912. Physiol. Abtlg. ' 14 210 W, R. Hess: Äußerung der Widerstandssteigerung besitzt. Zur Entscheidung dieser Frage wurde ein dritter Apparat hergestellt, bei welchem alle drei Kapillaren dieselbe Lichtweite besitzen, aber verschiedene Länge aufweisen. A B C Länge der Kapillaren in Millimetern 10-0 22.0 117-0 Durchmesser in Millimetern . . . 0.10 0-10 0-10 Die Untersuchungsresultate mit diesem Apparate unter Verwendung von 1 prozentiger Gelatinelösung sind in nachstehender Tabelle angegeben. Versuche mit 6elatinelösung in Apparat Nr. 35. | Tabelle VIIa. Abgelesene Zahlen. pP A | B | C T | go | 116-5 100 | os 23 | 158 21-8 100 | 43-0 | 7-0 993 16-0 Sg 100.05}, ABB lin 06:9 2613 16-1 Tabelle VIIb. Druck x Zeit pro Maßeinheit | Verhältniszahlen für A, Bu C. = Druck DE ee A B e A B C 151 352 | 2010 116-5 100%). as, ee 503 3090 | 21-8 100 43 | 7 258 597 3750 | 9.9 100..|. a0 mer I Wie wir aus Tabelle VII ersehen, sind die Verhältniszahlen trotz des ausgesprochenen Anstieges der Produktzahlen unverändert, so daß also auch die Länge der Kapillaren keinen Einfluß auf den steigenden Faktor besitzt. Ob also der Durchfluß langsam durch die lange Kapillare, ob er rascher durch die kurze Kapillare erfolgt, immer macht sich die Verzögerung des Durchflusses in genau demselben Maße geltend. Die Steigerung der Produktzahlen erfolgt also bei gleichen Druckwerten für die verschiedenen Kapillaren in gleichem Verhältnis, so daß gleiche Durchflußvolumina dieselbe Verzögerung ihrer Durchflußzeit er- leiden. — Da nun die beim Durchfluß verbrauchte Arbeit in dem Produkt spez. Druck mal Durchflußmenge ein Maß findet, so kommen wir zu dem Schluß, daß die Abweichung vom Poiseuillschen Gesetz nur von der Größe STRÖMUNGSWIDERSTAND D. BLUTES GEGENÜB. KLEINEN DRUCKWERTEN. 211 der verzehrten Stromarbeit abhängig ist, wenigstens im Bereich der Kapillardimensionen, die von uns der experimentellen Prüfung unterworfen wurden. Es bleibt uns noch übrig, nach einer Erklärung für den Grund der beobachteten Erscheinung zu suchen. Bevor meine Publikation über die untere Gültigkeitsgrenze des Poiseuill- schen Gesetzes erschien, war Thoma bei der rechnerischen Verwertung von Untersuchungsresultaten, welche du Pre Demning und Watson mit- geteilt hatten, eine Abweichung von der genauen, umgekehrten Proportio- nalität zwischen Druck und Zeit aufgefallen. Die benützten Zahlen ließen aber den Zusammenhang der Disproportionalität mit einer unteren Grenze des Poiseuillschen Gesetzes nicht erkennen; sie zeigten nicht, daß die Disproportionalität nur unter gewissen Bedingungen auftritt und daß sie übergeht in Proportionalität, wenn wir jene Grenze mit steigendem Drucke überschreiten; daß sie dagegen immer stärker hervortritt, je weiter wir uns mit fallendem Drucke von ihr entfernen. — Thoma erklärte die Dis- proportionalität durch das Auftreten der zellfreien Randzone des Flüssig- keitszylinders, welcher sich im Innern der Kapillare vorwärts bewegt, Da die Breite jener Randzone mit der Strömungsgeschwindigkeit wechselt, so beeinflußt er die Durchflußmenge bei verschiedener Strömungsgeschwindig- keit in verschiedener Weise. Ohne die Notwendigkeit einer Beeinflussung des Strömungswiderstandes durch die zellfreie Randzone zu bestreiten, gelangen wir doch bei der Prü- fung unserer experimentellen Untersuchungen zu dem Resultate, daß sie als Erklärung für unsere Beobachtungen unzureichend ist und sogar mit diesen zum Teil im Widerspruch ist. — Die zellfreie Randzone ist eine Erscheinung, welche deshalb auftritt, weil die Geschwindigkeit der einzelnen Flüssigkeitsschichten vom Rande her nach der Achse zunimmt. Wegen ihres relativ großen Durchmessers können die suspendierten Blutkörperchen nicht mit allen sie direkt umgebenden Flüssigkeitsschichten eine einheitlich fortschreitende Bewegung ausführen. Ihre Geschwindigkeit ist ein Mittel- wert der Geschwindigkeit der verschiedenen Flüssigkeitsschichten, in welche sie eintauchen, wobei die letzteren gegenüber den Blutkörperchen eine rela- tive Bewegung ausführen. Die Ablenkung der Flüssigkeitsschichten, welche an den Körperchen vorbeiziehen, hat einen Reaktionsdruck auf dieselben zur Folge, und zwar sind die zentral gelegenen Flüssigkeitsschichten bestrebt, diese peripherwärts zu drücken, die peripheren Schichten dagegen (welche gegenüber den Körperehen zurückbleiben) axialwärts. Wegen der Abnahme der gegenseitigen Verschiebung der einzelnen Flüssigkeitsschichten vom 14* 212 W. R. Hess: Rande nach der Ache hin!, ist der Reaktionsdruck der peripheren Schichten größer, als der axialen, wodurch ein Überdruck und eine Ab- wanderung der festen Körperchen vom Rande nach der Achse hin zustande kommt. — Solange wir uns im Gebiete der gleitenden Bewegung befinden, besteht deshalb nicht nur eine zellfreie Randzone, sondern besteht auch die Abhängigkeit ihrer Breite von der Strömungsgeschwindigkeit. Wenn also die Nichtproportionalität durch sie ihre Erklärung finden soll, so ist dann wieder die Proportionalität bei genügend großen Druckdifferenzen unerklärt; mit anderen Worten: es müßte sich die Disproportionalität infolge der zellfreien Randzone auch bei den höheren Druckdifferenzen geltend machen. — Wie das Verschwinden dieser Disproportionalität bei großem Druck, so bleibt auch ihre wachsende Zunahme mit Abnahme der Druckdifferenz durch die zellfreie Randzone unerklärt, ebenso die Unab- hängigkeit von den Kapillardimensionen. Der Vollständigkeit halber sei noch eine Auslegung erwähnt, welche meine erste Publikation über die Druckabhängigkeit des Strömungswider- standes durch Determann erfahren hat. Er erachtete nämlich dieselbe als vorgetäuscht durch Turbulenz im destillierten Wasser, welches bei jenen Versuchen als Vergleichsflüssigkeit benützt wurde. Ich darf mich hier begnügen, auf die fragliche Publikation und meine Erwiderung hinzuweisen.”? Determann wäre wohl selbst dazu gekommen, daß seine Auslegung nicht zutreffen kann, wenn er versucht hätte, sie durch Analyse der zur Prüfung publizierten Untersuchungsresultate und nicht durch subjektive Bemerkungen zu stützen; wenn er ferner die Kontrollversuche und die zunächst liegende Literatur nicht vollständig übergangen hätte. | Die Aufgabe, nach einer befriedigenden Erklärung zu suchen, bleibt uns also. — Da müssen wir in erster Linie daran denken, daß die Gegen- wart der roten Blutkörperchen so zum Ausdruck kommt, daß im Innern des Blutes nebst wirklicher Flüssigkeitsreibung auch Reibung fester Körper auftritt. Weil die Reibung fester Körper unabhängig von der Verschiebungsgeschwindigkeit ist?, die Reibung der Flüssigkeit dagegen mit der Verschiebungsgeschwindigkeit zunimmt, so müßte die erstere sich vorerst bei niedrigen Druckdifferenzen zeigen. Die Auffassung, daß jedes feste Körperchen von einer adhärierenden Flüssigkeitsschicht umgeben ist, wider- ! Vgl. meine Publikation: Blutviskosität und Blutkörperchen. Archiv für die gesamte Physiologie. Bd. CXL. ? Zeitschrift für klin. Medizin. Bd. LXXI. H.5 u.6. Zbenda. Bd. LXXIII. H.3u.4. Ebenda. Bd. LXXIV. H.5u.6. Deuische med. Wochenschrift. 1911. Nr. 25. ® Versuche von Coulomb und von Morin. Vgl. z.B. Violle, Lehrbuch der Physik. Bd.1. STRÖMUNGSWIDERSTAND D. BLUTES GEGENÜB. KLEINEN DRUCKWERTEN. 213 spricht allerdings diesem Erklärungsversuch, ohne daß wir aber wagen dürfen, daraus die Unmöglichkeit des Zutreffens abzuleiten. Zu einer anderen Erklärung werden wir geführt, wenn wir uns die Beobachtung zunutze machen, daß die in Frage stehende Erscheinung nicht nur beim Blut, sondern auch bei Gelatinelösung auftritt, welche nach der Erwärmung längere Zeit stehen geblieben ist. In dem Verhalten einer geringprozentigen Gelatinelösung dürfen wir wohl - gegenüber demjenigen einer höherprozentigen keinen prinzipiellen, sondern nur _ einen graduellen Unterschied erwarten, auch betreffs des Gelatinierungspro- zesses. Bei höherer Konzentrierung vermag das infolge der Gelatinierung ent- stehende Maschenwerk dem ganzen System (Gelatine plus Wasser) ein festes Gefüge zu geben. Ein solch gelatiniertes System setzt äußeren Kräften, welche eine Verschiebung im Innern erzeugen wollen, nicht nur die innere Reibung entgegen, wie eine Flüssigkeit, sondern außerdem einen Widerstand, welcher von der gegenseitigen Kohäsion der einzelnen Gelatineteilchen herrührt. Wir finden in dieser Beziehung Verhältnisse wie bei einem festen Körper, wo eine äußere Krafteinwirkung, welche z. B. einen Bruch herbeiführt, neben der Reibung (zum größeren Teil) Kohäsionskräfte zu überwinden hat. Kehren dieselben Verhältnisse, welche wir ohne weitere Untersuchungs- mittel wahrzunehmen vermögen, auch bei niedrigprozentigen Lösungen wieder, nur mit graduellem Unterschied, so müssen sie sich genau so äußern, wie wir dies in unseren Versuchen beobachtet haben. Inwiefern Übereinstimmung zwischen dem danach zu Erwartenten und dem in Wirklichkeit Beobachteten besteht, zeigt folgende Überlegung. Wenn auf ein System, welches äußere Krafteinwirkung, nicht nur die innere Reibung, sondern auch meßbare Kohäsionskräfte entgegenwirken, so ist natürlich der Gesamtarbeitsverbrauch eine Summe des Arbeitsverbrauches für innere Reibung und für die Überwindung des Kohäsionswiderstandes. Die Art und Weise, in welcher diese Summe des Arbeitsverbrauches unter verschiedenen Druckbedingungen zum Ausdruck kommt, hängt davon ab, wie sich der Arbeitsverbrauch für Reibungswiderstand und wie sich der Arbeitsverbrauch für Kohärenzwiderstand mit wechselnden äußeren Bedingungen ändert. Was die erste Abhängigkeit anbetrifft, wissen wir aus den Strömungsgesetzen, daß der Reibungswiderstand proportional wächst mit der mittleren Durchflußgeschwindigkeit, also auch cet. par. mit dem treibenden Drucke. Von der zweiten Abhängigkeit müssen wir aus dem, was wir von den Kohäsionskräften wissen, ableiten, daß der Arbeits- verbrauch für die Überwindung solcher nieht proportional mit der Ge- schwindigkeit des Vorganges wächst, sondern langsamer oder überhaupt nicht. Die unmittelbare Konsequenz dieses verschiedenen Verhaltens des Reibungswiderstandes und des Kohärenzwiderstandes ist das relative Hervor- 214 W. R. Hess: STRÖMUNGSWIDERSTAND DES BLUTES USw. treten desReibungswiderstandes bei zunehmendem Druck .(cet. par.) bzw. ein relatives Zurücktreten des Arbeitsverlustes für Kohärenz- widerstand in seiner Anteilnahme am Gesamtarbeitsverlust. Zum Beispiel wir verringern den ohne weitere Untersuchungs- mittel erkennbaren Kohärenzwiderstand eines gelatinierten Systems dadurch, daß wir die Konzentration der Gelatine kleiner wählen. Ist die Verringe- - rung so weit geschritten, daß der Kohärenzwiderstand äußerlich nicht mehr erkennbar ist, so scheint das System Flüssigkeitscharakter zu besitzen. Wenn wir aber dasselbe System durch Messungen auf den wirklichen Flüssigkeitscharakter prüfen, so müssen wir in einer bestimmten Konzen- trationsgrenze den Kohärenzwiderstand noch wahrnehmen, bevor er bei weiter abnehmender Konzentration auch für die feinere Messung verschwindet. Die Wahrnehmung geschieht am leichtesten, wenn die Reibungswiderstände relativ gering sind, d.h. bei niedriger Druckdifferenz. Wächst der Reibungs- widerstand infolge zunehmenden Druckes an, dann treten die Kohärenzkräfte in ihrer Wirkung zurück, bis sie schließlich in den Versuchsfehlern ver- schwinden. Die Gegenwart dieser Kohärenzkräfte. muß also so zum Aus- druck kommen, wie wir dies in der Tat beobachtet haben, nämlich in einem Mehrwiderstand gegenüber dem nach dem Poiseuillschen Gesetz be- rechneten Reibungswiderstand. Der die Abweichung verursachende Faktor verschwindet in seiner Wirkung bei zunehmendem Strömungswiderstand, so daß er dann das Poiseuillsche Gesetz in seiner Gültigkeit nicht be- einträchtigt. Bei Abnahme des Arbeitsverbrauches für den gesamten Strö- mungswiderstand tritt er dagegen meßbar hervor und zwar um so stärker, je weiter unten wir uns in der Druckskala befinden. Wenn diese Folgerungen und theoretischen Erwägungen weiteren ex- perimentellen Prüfungen standhalten, so müssen wir in Zukunft das Blut als eine sehr dünnflüssige Gallerte ansprechen, welche sich gegenüber stärke- ren Krafteinwirkungen zwar wie eine eigentliche Flüssigkeit benimmt, gegenüber geringen Krafteinwirkungen dagegen neben dem Reibungswider- stand meßbare Kohäsionkräfte entgegensetzt. Über den Einfluß der Musik auf das Plethysmogramm. Von Walter Frankfurther und Arthur Hirschfeld. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Berlin.) Auf eine Anregung von Hrn. Geh.-Rat M. Rubner hin haben wir es unternommen, einige Versuche über den Einfluß der Musik auf das Armplethysmogramm des Menschen anzustellen. Es wurde dabei von dem Gedanken ausgegangen, daß Moll- und Durweisen, namentlich der sie be- gleitenden assoziierten Gefühle wegen, das Plethysmogramm in verschiedener Weise beeinflussen könnten, andererseits auch Tanzmusik wegen der dabei auftretenden Bewegungsvorstellungen vielleicht in einem gewissen Gegensatz zur Wirkung anderer Musik stehen möchte. Für unsere Versuche standen uns sechs Versuchspersonen zur Ver- fügung, die alle tanzen konnten. Die Versuchspersonen saßen mit ge- schlossenen Augen, den Arm im Plethysmographen auf einem bequemen Stuhl, während im Nebenzimmer auf ein vom Versuchsleiter gegebenes Zeichen hin Klavier gespielt wurde. Nach Beendigung jedes Versuches wurde die Versuchsperson über ihre Selbstbeobachtungen, namentlich über ihre eventuellen assoziierten Erinnerungsbilder und Gefühlstöne befragt. Sobald die Musik begann, zeigte sich in allen unseren Aufnahmen ein mehr oder minder starkes Absinken der Volumkurve. Ob Dur- oder Moll- akkorde, ob ernste oder heitere Melodien gespielt wurden, war für die Schnelligkeit des Eintretens des Effektes und für die Tiefe des Absinkens der Kurve gleichgültig. Die verschiedenen Versuchspersonen reagierten auf die verschiedenartigen Melodien im einzelnen derartig ungleich, daß man eine gewisse Gesetzmäßigkeit für die etwa einer bestimmten Musikgattung 216 WALTER FRANKFURTHER UND ARTHUR HIRSCHFELD: zukommende Blutverteilung nicht finden kann. Wie das Plethysmogramm durch das Hören von Akkorden beeinflußt wird, zeigt Fig. 1. Von + bis — wurden C-Durakkorde gespielt, die der Versuchsperson „recht angenehm“ klangen. Trotzdem zeigte sich bei + eine Senkung der Volumkurve, die bei —, ‚beim Schlusse, in eine Steigung übergeht. Obgleich also die Versuchsperson eine deutliche Lustempfindung hatte, entsprach der Effekt nicht der dem lustbetonten Affekt zukommenden Blutverschiebung, sondern es zeigte sich eine Senkung der Volumkurve. Dies kann aber seine Ursache darin haben, daB aus irgendwelchen Gründen bei der Versuchs- person eine umgekehrte Blutverschiebung eingetreten ist. Um diese Ver- I mE N ENTE RZ ERE SRIN NL ADI N DE An a A EA er, Va A ar N ‚ar li Ann u N | SAH, u Fig. 1. Von + bis — werden Durakkorde gespielt, die von der Versuchsperson als angenehm empfunden wurden. Die obere Kurve gibt die Atmung, die untere das Armvolumen wieder. hältnisse genauer zu prüfen, ist es daher nötig, eine Kontrollkurve auf- zunehmen. Bei + in Fig. 2 wurde der nicht hypnotisierten Versuchsperson suggeriert, daß sie Schokolade äße, was sie beim nachherigen Befragen als sehr lustbetont erklärte. Es zeigte sich das normale Steigen der Kurve. Daraus darf man schließen, daß die trotz der Lustempfindung in Fig. 1 eingetretene Volumsenkung nicht auf eine pathologische Blutverschiebung zurückzuführen ist. Ebenso wie hier der Durakkord wirkten aber auch die Mollakkorde, die mit recht lebhaften traurigen Gefühlstönen assoziiert wurden. Nur in zwei Fällen, die aber gegenüber der Menge negativer Versuche nicht be- weisend sein können und wohl auf zufällige Begleitumstände zurückgeführt ÜBER DEN EINFLUSS DER MusIKk AUF DAS PLETHYSMOGRAMM. 217 werden müssen, ging die Kurve beim Ertönen der Mollakkorde tiefer herunter, als bei den Durakkorden. Im allgemeinen assoziierten die Versuchs- personen mit den langsam gespielten Durakkorden Märsche oder pathetische Weisen, mit den Mollakkorden traurige oder ernste Gefühlstöne, doch gaben sie sich auch häufig nur dem Eindruck der absoluten Harmonien hin. Ein Unterschied beider Verhaltungsweisen im Plethysmogramm ließ sich nicht feststellen. Wählten wir statt der Akkordfolge Musikstücke, die heiteren oder ernsten Charakter hatten, so blieb das Verhalten der Kurve doch in beiden Fällen das gleiche, selbst wenn den Melodien der Versuchsperson bekannte Liedertexte von ausgesprochen ernstem oder fröhlichem Inhalte zugrunde lagen. Es ist nun sehr seltsam, daß gerade beim Anhören von Musikstücken, mit denen wir so starke Gefühlstöne zu verbinden pflegen, die doch irgend einen vasomotorischen Effekt besitzen müssen, doch keinerlei Gesetzmäßigkeit nachzuweisen war. Trifft eine Aufeinanderfolge von Tönen unser Ohr, so werden die Schallwellen die Nervenendigungen im Ohr erregen. Über den Akustikus wird das Hörzentrum erregt, an diese Erregung knüpfen sich assoziativ Gefühlstöne und Affekte, die Schwankungen der Volum- kurve hervorrufen. Wenn nun die Gesetz- mäßigkeit der Volumschwankungen in diesem . Falle nicht festzustellen ist, so muß der ge- wöhnliche Ablauf des Prozesses in irgend einer RN, Weise gestört sein. Zwanglos läßt sich der N re Vorgang durch die Annahme erklären, daß kn “mn das Ertönen einer Melodie oder einer Akkordfolge eine starke Fesselung der Aufmerksamkeit be- wirkt, da man sich die vorhergegangenen Töne ins Gedächtnis zurückrufen, bzw. im Gedächt- nis behalten muß, um sie mit den folgenden zu Fig. 2. Bei + wird der nicht hypnoti- sierten Versuchsperson aufge- geben, sich vorzustellen, daß einer Gesamtheit zu verbinden um so von der Sie Schokolaliesukei ganzen Melodie oder der Akkordfolge ein Bild Bei — Schluß der Suggestion. zu bekommen. Durch diese Fesselung der Oben Atemkurve, Aufmerksamkeit wird dann das Sinken der unten Armvolumenkurve. Volumkurve hervorgerufen. Auffällig war, daß es bei keiner unserer Versuchspersonen gelang, durch die Musik ein Steigen der Kurve, d. h. die physiologische Begleiterscheinung der Lust, zu erzeugen. Dies änderte sich bei einer unserer Versuchspersonen im hypnotischen Zustande. Bei dieser vasomotorisch ziemlich träge reagieren- 218 WALTER FRANKFURTHER UND ARTHUR HIRSCHFELD: den Versuchsperson, bei. der im wachen Zustande durch das Ertönen der Musik kaum eine Wirkung ausgelöst wurde, zeigte sich bei der Suggestion, daß sie Musik höre, eine deutliche Vergrößerung der Pulse, d. h. die Äuße- rung von Lust, aber auch ganz gleichmäßig, ob wir frohe oder traurige Musik suggerierten. Es scheint dies dafür zu sprechen, daß die, wenn wir so sagen dürfen, „ästhetischen Lustgefühle“ beim Hören von Musik doch die Hauptsache sind, während die Gefühlstöne nur sekundär hinzukommen. Daß in unseren Versuchen im wachen Zustande die Äußerung der Fesselung der Aufmerksamkeit diese Lustgefühle überwog, mag vielleicht Lh 4 FI y\ t ar N A, ip! m Ih Ra ael N A Fig. 3. Bei + wird eine Dissonanz gespielt, die bei A aufgelöst wird. Bei — Aufhören des Spielens. Oben Atemkurve, unten Armvolumenkurve. daran liegen, daß sich die Versuchspersonen doch zu sehr als „Versuchs- personen“ fühlten, während im hypnotischen Zustande diese Hemmungen fortfielen. Eine ähnliche Erklärung scheint uns auch für unsere gleich zu erwähnenden Tanzversuche zuzutrefien. Auch zwischen Konsonanzen und Dissonanzen, die deutlich unangenehm empfunden wurden, ließ sich in der plethysmographischen Wirkung kein Unterschied feststellen. Ließen wir (Fig. 3) eine Weile Dissonanzen ertönen, und sie dann ohne plötzlichen Übergang harmonisch auflösen, so zeigte sich auf dem Gesichte der Versuchsperson deutlich eine gewisse Befriedigung. Die Volumkurve, die beim Erklingen der Dissonanzen stark und steil ab- gefallen war, blieb bei dem Übergang in Assonanzen auf der jeweiligen Höhe. Ein Steigen der Kurve erfolgte erst: beim Aufhören der Musik. Es ist wohl ÜBER DEN EINFLUSS DER MUSIK AUF DAS PLETHYSMOGRAMmMm. 219 möglich, daß das Aufhören des Sinkens . der Volumkurve auf ein Nachlassen der durch die Dissonanzen erzeugten unangenehmen Empfindungen zurück- zuführen ist, indem eine Lustempfin- dung, die auf das Aufhören des un- angenehmen Gehörreizes eintritt, der durch diesen Hörreiz erzeugten Unlust- empfindung entgegenwirkt. Es ist aber auch möglich, daß es sich um ein Nachlassen von bei Dissonanzen be- stehenden Spannungsempfindungen handelt, wie man sie auch häufig bei Übergängen von einer Tonart zur andern bei sich selbst festzustellen vermag. Daß die durch Dissonanzen ausgelösten unangenehmen, unlust- betonten Empfinduugen wirksam sind, zeigte sich in einem Versuch. Es wurde ein der Versuchsperson be- kanntes und von ihr sehr geschätztes Stück gespielt, worüber sie deutlich Freude empfand. Trotzdem ging, wie schon oben erörtert, die Volum- kurve herunter. Der Klavierspielende streute absichtlich einige Fehlgriffe, Dissonanzen, hinein, bei denen sich jedesmal in der Volumkurve ein ge- ringes plötzliches Absinken zeigte, bis die Kurve beim Weiterspielen wieder in die alte, immer noch unter dem Anfangsniveau liegende Höhe zurückging. Dieser Effekt ist aber nur bei denjenigen Personen zu finden, die Konsonanzen und Dissonanzen deutlich zu unterscheiden vermögen. Eine unmusikalische Versuchsperson empfand die Dissonanzen gar nicht als solche, und eine Beeinflussung des Plethysmogramms fand in diesem Falle nicht statt. Oben Atenkurve, unten Armvolumkurve. N \ N v.N N Bei 3 wird wieder ein Walzer gespielt und der nicht hypnotisierten Bei 4 Schluß des Walzers. Bei 2 Schluß des Walzers. ® . GEN er ee 2 REED > 3 EN en mi Ar Fr Le = 2) Ep, 3 > S BE 52 >, gr | Versuchsperson die Suggestion des Tanzens gegeben. N Ny \ NEN K Si A KIA N | Bei 1 wird ein Walzer gespielt. 220 WALTER FRANKFURTHER UND ARTHUR HIRSCHFELD: Wir gingen dann dazu über, den Einfluß der Tanzmusik zu unter- suchen. Unsere Versuchspersonen hatten beim Ertönen von Tanzmusik . — Walzer — deutliche Tanzvorstellungen, konnten sie aber auch ohne jede Mühe unterdrücken; dabei zeigte sich übereinstimmend, daß bei der Vorstellung des Mittanzens, d.h. bei Richtung der Aufmerksamkeit auf die Bewegungsvorstellungen, die Kurve deutlich tiefer herunterging, als wenn diese unterdrückt wurden oder die Versuchsperson sich nur dem Ein- drucke der Musik hingab. (Fig. 4.) Es läßt sich dies wohl darauf zurück- führen, daß eben nur anstrengende Bewegungsvorstellungen nach Weber! ein Steigen der Volumkurve bedingen, während in unseren Versuchen durch hifad IUUN INN ll Al) Nolan lm a ln we hr His! Bei 1 wird das Hören eines Walzers, bei 2 Tanzen suggeriert. Bei 3 Schluß der Suggestion. Oben Atemkurve, unten Armvolumkurve. das innerliche Hervorheben der Bewegungsvorstellung nur eine stärkere Anspannung der Aufmerksamkeit bewirkt wurde. Diese erzeugt, wie wir schon früher zeigen konnten?, ein stärkeres Absinken der Volumkurve, als eine weniger starke Anspannung der Aufmerksamkeit. Im Zustande des künstlich eingeschränkten Bewußtseins, in der Hypnose, gelang es leicht, ı E. Weber, Plethysmographische Untersuchungen bei körperlicher Arbeit. Münchener medizinische Wochenschrift. 1910. Nr. 36. ? Frankfurther und Hirschfeld, Über den Einfluß der Arbeitsintensität auf die Größe der Blutverschiebung bei geistiger Arbeit. Dies Archiv. 1909. Physiol. Abtlg. 8.407. ÜBER DEN EINFLUSS DER MUSIK AUF DAS PLETHYSMOGRAMM. 221 durch Suggestion des Tanzens ein Steigen der Volumkurve zu erzeugen, während die Wachsuggestion des bloßen Hörens von Tanzmusik wie im wachen Zustande das reale Hören ein Sinken der Kurve bedingte, Diese Verhältnisse werden durch Fig. 5 erläutert. Der Versuchsperson, die schon oft hypnotisiert worden war, wurde suggeriert, daß sie einen Walzer spielen höre, die Veränderung in der Kurve ist hierbei nur schwach ausgeprägt. Die Volumkurve steigt aber sofort, als der Versuchsperson suggeriert wurde, daß sie tanze, und dieses Steigen wurde noch beträchtlicher, als gesagt wurde, daß ihr das Tanzen großes Vergnügen bereite. Besondere Beachtung muß man in diesem Falle dem Verhalten der Atmung schenken; es zeigt sich nämlich, daß’ während der Tanzsuggestion die Atmung verstärkt wird, indem das Inspirium sich ver- tieft. Da aber verstärktes Inspirium ein Sinken der Volumkurve zur Folge hat, so geht aus der vorliegenden Kurve hervor, daß ohne die Atmungs- veränderung der Anstieg noch beträchtlicher gewesen wäre. Es läßt sich daraus eben schließen, daß die Vorstellungen des Tanzens beim Hören der Musik doch zu schwach sind, um das Plethysmogramm wie Bewegungs- vorstellungen zu beeinflussen, so daß deren Wirkung erst hervortritt, wenn in der Hypnose andere konkurrierende Vorstellungen ausgeschaltet werden. Zusammenfassend müssen wir sagen, daß das Anhören von Musik doch eine zu komplexe psychische Funktion darstellt, als daß man mit einer Ausdrucks- methode wie der plethysmographischen zu wesentlichen Aufschlüssen über das Wesen der durch sie ausgelösten Affekte gelangen könnte. Es ist jedenfalls klar geworden, daß das Anhören von Musikstücken nicht von einfachen Gefühlen, wie Lust oder Unlust begleitet ist. Ja, es ist sogar möglich, daß die positive oder negative Gefühlsbetonung bei Affekten, die durch Musik hervorgerufen werden, wider Erwarten keine wesentliche Rolle spielt, während sie bei anderen Affekten mehr in ihrer Wirkung hervortritt. Bei der Musik ist es ähnlich, wie bei dem Ausdruck des Schamgefühls, bei dem sich der plethysmographische Effekt gleichfalls nicht in das Schema einordnen läßt. Weber! konnte die bekannte Erweiterung der Hautgefäße am Kopf bei Erregung des Schamgefühls durch hypnotische Suggestion auch plethysmographisch zeigen, obwohl man doch dieses Gefühl zu den stark unlustbetonten zuzählen muß. Auch bei der Musik lassen sich die einzelnen wirksamen Faktoren nicht genügend isolieren. Wir haben deshalb auch von der Mitteilung weiterer Kurven, die immer sehr lang waren und häufig viertelstündige Aufnahmen darstellten, Abstand genommen und uns ı E. Weber, Der Einfluß psychischer Vorgänge auf den Körper. Berlin, Springer, 1910. $. 107/108. 222 WALTER FRANKFURTHER UV. ARTHUR HIRSCHFELD: EINFLUSS USW. damit begnügt, die Veränderungen zu beschreiben und zu erläutern, die wir in besonders günstigen einfachen Fällen beobachten konnten. Das interessanteste und völlig unerwartete Ergebnis bei diesen Versuchen ist jedenfalls, daß die Wirkung der Aufmerksamkeitssteigerung beim Anhören von Musik immer sehr deutlich hervortritt, und die Begleiterschei- nung der Lustgefühle vollkommen in den Hintergrund gedrängt wird. Nur bei hypnotischer Suggestion des Musikhörens fällt der Einfluß dieser Auf- merksamkeitsfesselung fort. Zum Schlusse ist es uns eine angenehme Pflicht, Hrn. Geheimrat Pro- fessor Rubner für die Anregung zu diesen Untersuchungen unsern er- gebensten Dank auszusprechen. Über die Wirkung verschiedener Arzneimittel auf die Coronargefäße des lebenden Tieres. Von Felix Meyer, Bad Kissingen — Berlin, (Aus dem physiologischen Institut der Universität Berlin.) Über die vasomotorische Beeinflussung der Coronargefäße liegen in der Literatur eine Anzahl experimenteller Arbeiten vor. Eingehende Unter- suchungen über die Innervation derselben hat T. W, Porter (1) 1896 im Bostonjournal veröffentlicht, deren Ausgangspunkt frühere Versuche von ihm über die Wirkung der Unterbindung und des experimentellen Verschlusses der Coronargefäße am lebenden Tiere waren. In einer größeren Arbeit kommt dann übereinstimmend mit Porter Paul Maass (2) auf Grund seiner Untersuchungen am isolierten Säugetierherzen zu dem Ergebnis, daß die Konstriktoren und Dilatatoren der Kranzgefäße im Vagus beziehungsweise Sympathicus verlaufen. Beide Autoren benutzten die Langendorffsche Methode der künstlichen Speisung des aus dem Zusammenhang mit dem Körper und seinen Nachbarorganen gelösten Herzens. Zur Beurteilung der Gefäßveränderungen d. h. der Zu- und Abnahme der Gefäßweite sammelte Paul Maass durch Unterbindung der Cava superior die aus den Coronar- gefäßen abfließende Flüssigkeit und registrierte an einem elektrischen Tropfenzähler die Ausflußgeschwindigkeit des aus der Cava inferior ab- fließenden Blutes bzw. der künstlichen Speisungsflüssigkeit, bei gleich- bleibendem Injektions- oder Speisungsdruck und gleichbleibender Blutwärme. Trotz interessanter Ergebnisse kommt Paul Maass zum Schluß, daß die hier in Betracht kommenden Fragen bezüglich der vasomotorischen Inner- vation der Kranzgefäße sich am isolierten Herzen nur zum Teil beantworten lassen, daß ein abschließendes Urteil aber nur am lebenden Tiere möglich sei. Er hat in seinem Institut eine solche Experimentalarbeit 224 FELIX MEYER: am lebenden Tiere beginnen lassen, die aber an den großen Schwierigkeiten der Technik scheiterte. Bei der Schwierigkeit der Beobachtung der Vorgänge im Kranzgefäßgebiet (wegen der roten Muskelfärbung des Herzens und des Durchscheines des in den Herzhöhlen strömenden Blutes) und bei der Un- zugänglichkeit des Untersuchungsgebietes und der dadurch bedingten Ab- weichung des Experimentes von den natürlichen Verhältnissen kann es nicht wundern, daß andere Autoren zu anderen Ergebnissen kamen. Schäfers (3) Resultate stehen daher in völligem Widerspruch mit der Ansicht, daß eine vasomotorische Versorgung für den Coronarkreislauf be- stehe. Er bediente sich der künstlichen Durchblutung mit Ringerflüssigkeit und defibriniertem Blut, das er durch eine in die Aorta eingebundene Kanüle in das in seiner Lage gelassene Herz einströmen ließ. Das offene Ende der Kanüle war rückwärts durch die Aortenklappe geführt, so daß die Veränderungen des Druckes am Ursprung der Coronararterie durch ein Manometer verzeichnet werden konnten. Desgleichen wurde die Geschwindig- keit des Stromes automatisch gemessen. Schäfer schloß aus der Unwirk- samkeit des Adrenalins auf die Strommenge, daß in dem Vagus oder Accelerans Vasokonstriktoren oder Vasodilatatoren für das Coro- nargebiet nicht vorhanden seien. | Langendorff (4) selbst verwandte nach vergeblichem Bemühen, am ausgeschnittenen und künstlich mit Ringerlösung oder mit verdünntem Blut gespeisten Katzen- und Kaninchenherzen die Wirkung des Nebennierensaftes auf die Gefäßweite einwandfrei zu ermitteln, ausgeschnittene zirkuläre Arterienstreifen, die in Ringer-Lockischer Lösung auf Körpertemperatur erwärmt und deren Längenveränderungen graphisch verzeichnet wurden. Er fand nun, daß Suprarenin abweichend von seiner sonstigen vasokonstrik- torischen Wirkung auf andere Arteriengebiete an den Kranzarterien nicht verengernde, sondern erschlaffende Wirkung ausübe. Eine Kritik und An- zweiflung der Beweiskraft dieser Durchleitungsversuche gibt Schmiede- berg (5) in seinem Lehrbuch von 1895. Auch Pahl (6), von dem Stand- punkt ausgehend, daß wir ein vollständiges Urteil über die Wirkung gewisser Agentien auf den Kreislauf erst erlangen, wenn wir die Reaktion auf die verschiedenen Gefäßgebiete gesondert geprüft haben, ließ Arzneimittel auf das getrennte Gefäßgebiet der Coronarien einwirken. Seine diesbezüglichen Beobachtungen erstrecken sich auf Adrenalin, das die Coronargefäße erweitere, während es den übrigen Kreislauf verengere, auf Hypophysenextrakt, welches die Kranzgefäße kontrahiere, während die Nierenarterien erweitert werden und auf das ähnlich wirkende Pilokarpin und eine ganze Reihe anderer Mittel. Aber auch Pahl registriert nur die Verkürzung oder Verlängerung von überlebenden Gefäßstücken in Ringerlösung und prüft damit eigentlich nur die Reaktion der Gefäßmuskulatur, läßt aber den Nerveneinfluß sowie WIRKUNG VERSCHIEDENER ARZNEIMITTEL AUF DIE ÜORONARGEFÄSSE. 225. die Blutverschiebung im gesamten Kreislauf unberücksichtigt. Die Not- . wendigkeit dieser Berücksichtigung erhellt aus den Angaben von Bayliss, daß die Gefäße mit spontanem Tonus begabt sind. Es werden unausgesetzt von dem vasomotorischen Zentrum vasokonstriktorische Impulse ausgesandt, die wahrscheinlich ihrem Ursprunge nach Reflexe sind und von den afferenten Impulsen der sensorischen Nerven herrühren. Als Beweis dafür gibt er das Verhalten der Gefäße der submaxillaren Drüse nach Durchschneidung aller konstriktorischen Nerven an. Nach dieser Durchschneidung müßten diese Gefäße maximal erschlaffen. Und doch werden dieselben nach Reizung der Chorda tympani noch mehr erweitert. Diese Tatsache zeige, daß die Arteriolen einen eigenen Tonus haben, der durch Reizung der gefäßerweitern- den Nerven verringert und gehemmt werden kann, ein Moment, das bei der künstlichen Anordnung der Versuche an überlebenden Gefäßen nicht berücksichtigt worden ist. Auch Kobert (8) und Paldrock (9) ziehen den Umstand, daß die Gefäße nach dem Tode ihren Tonus ein- gebüßt haben, in Berücksichtigung. Sie geben an, daß die Durchfiuß- geschwindigkeit bei Beginn der Durchströmung sehr groß sei, daß unter dem Einfluß des Blutes in einem ersten Stadium der Durchfluß allmählich abnehme, worauf ein sehr kurzes zweites Stadium der konstanten Durchflußgeschwindigkeit komme. Nurin diesem Stadium könne die Einwirkung von Giften einwandfrei festgestellt werden. Im dritten Stadium nehme die Ausflußmenge spontan immer mehr oder weniger rasch ab. Deshalb beschränken sie sich auf eine nur kurz dauernde Ein- wirkung des Giftes (meist nur 2 bis 5 Minuten Durchströmungszeit) im zweiten Stadium. Kasztan (10) bedauert in seiner Arbeit mit seiner Methode nur ver- gleichbare Werte für die relative Empfindlichkeit der einzelnen Gefäßgebiete gegenüber einem bestimmten Gift (Strophantin) geben zu können, da ja das Milieu, in dem das Gift wirke, nicht dem entspräche, in welchem es auf die lebenden Gefäße einwirke. Denn nach Pfaff und Theyrode (11) verringere schon die Defibri- nierung des Blutes das Vermögen, die Organe überlebend zu erhalten- Der störende Einfluß bei Verwendung von Blut mache sich dahin geltend, daß sich die überlebenden Gefäße nach kurzdauernder Erweiterung zu Be- sinn der Durchströmung, weiterhin auch ohne Einwirkung von Giften kontrahieren, so daß die Durchflußgeschwindigkeit fortdauernd abnimmt. Dazu käme noch die Möglichkeit der Verstopfung der Kapillaren durch zusammengeballte Blutkörperchen. Bei Verwendung von Ringerflüssigkeit als Medium dauere die Konstanz des Durchflusses weitaus länger, so daß auch Giftkonzentrationen studiert. werden können, die ihre Wirkung nur allmählich entfalten. Dagegen habe die Durchströmung mit der Ringerschen Archiv f.A.u. Ph. 1912. Physiol. Abtlg. 15 226 FELIX MEYER: Lösung den Nachteil, daß die Gefäße bei längerer Versuchsdauer durchlässig werden und wohl infolge mangelnder Ernährung schlechter reagieren als anfangs. So kommt es, daß die Versuche über vasomotorische Verhältnisse mit indirekten Versuchsmethoden, wie E. Weber (12) in seiner Arkeit über aktive Änderungen der arteriellen Blutfülle der Lungen anführt, bisweilen zu fehlerhaften Ergebnissen führen können, ohne daß man immer nachweisen kann, worin der Fehler der Methode liegt. Die sicherste Untersuchung des vasomotorischen Verhaltens eines Gefäß- gebietes muß immer die sein, die die direkteste ist. In den meisten Fällen dürfte dies wohl die plethysmographische Messung dieses ganzen Gefäß- gebietes bei gleichzeitiger Ausschließung der von Veränderung der Herz- tätigkeit ausgehenden Einflüsse sein, wie sie an den Lungen von Brodie und Dixon (13) durch Einschließen eines Lungenlappens in eine Kapsel ohne Beschädigung der zu dem Lungenlappen führenden Bronchien oder Blutgefäße und Registrierung der Volumenschwankungen angewendet wurden. Bradford und Philipps (14) hatten 1887 im Journal of Physiology die plethysmographische Methode bei den Gefäßveränderungen der Niere durch Digitalis in Anwendung gebracht und Magnus und Gottlieb (15) haben ihre Strophantinversuche bezüglich der Gefäßwirkung sowohl mit der plethysmographischen wie mit der Tropfmethode übereinstimmend gefunden. Diese onkometrisch-plethysmographische Methode ist aber bei dem Herzen nicht anwendbar, weil die geringen Veränderungen der Coronargefäße bei den fortwährenden Volumenschwankungen im Kurvenbild nicht zum Ausdruck kommen würden. Auch andere Methoden, das Herzvolumen zu schreiben, lassen theoretisch nicht die Veränderungen des Kranzgefäßsystems erkennen. So die Volumschreibung durch Einbinden einer Röhre in den Herzbeutel oder die Schreibung von Herzabschnitten nach E. Weber (16). Sie alle würden die feinen Veränderungen des Kranzgefäßgebietes nicht sichtbar unterscheiden lassen. Deswegen mußte ich einen ähnlichen Weg einschlagen, wie ihn Gärtner und Wagener (17) und Weber für die Gefäße des Gehirns oder der Lungen beschritten. Die Methode ist an den Coronarien des lebenden Tieres wegen der Schwierigkeiten der Technik bisher noch nicht angewendet worden. Dagegen hat Loeb (18) in ähnlicher Weise am künstlich durchbluteten Herzen die vasomotorische Einwirkung von Giften auf die Coronargefäße studiert. In dieser Arbeit bedauert er lebhaft, daß es zurzeit keinen Weg gäbe, um die Blutversorgung eines Warmblüterherzens zu untersuchen, dessen Gefäße noch unter dem Einflusse des Zentralnerven- systems stehen, und kommt zu dem resignierten Sehluß, daß die Beteiligung der Herzgefäße an zentralbedingten Gefäßerweiterungen oder Gefäßverenge- rungen kaum festzustellen sein dürfte. WIRKUNG VERSCHIEDENER ARZNEIMITTEL AUF DIE ÜORONARGEFÄSSE. 227 Mit meiner Untersuchungsmethode glaube ich jedoch zu eindeutigen Resultaten gekommen zu sein. Ich lasse hier die Methodik folgen: Nachdem der Hund kurarisiert und künstliche Atmung eingeleitet ist, wird die Vena jugularis zur Einspritzung, die Karotis zur Blutdruck- schreibung und die Nervi vagi zur etwaigen elektrischen Reizung freigelegt und die Gefäße mit Glaskanülen armiert. Alsdann wird der Thorax durch Wegnahme von fünf Rippen eröffnet, der Herzbeutel aufgeschnitten und an ‚den Rippenenden derart straff angenäht, daß das Herz zugleich gegen die Lungen abgeschlossen und gut zugänglich ist.. Eine Glühlampe in geringer Entfernung über dem Herzen verhütet die Abkühlung, und durch An- feuchten mit warmer Kochsalzlösung wird eine Austrocknung des Herz- fleisches vermieden. Alsdann sucht man nun in eine größere Vene der vorderen Herzwand eine abgebogene Glaskanüle einzuführen. Sind die Venen gut ausgebildet, so gelingt das bei einiger Übung nicht schwer. Jedoch liebt die Natur gerade in der Venenversorgung mannigfache Varia- tionen, so daß kaum zwei Herzen sich hierin ähneln. Um nämlich an die Vene zur Unterbindung herankommen zu können, darf sie nicht die Arterie kreuzen oder ganz dicht an ihr verlaufen. Denn das Abbinden der Arterie würde eventuell einen sofortigen Herztod zur Folge haben. Meist gelingt es jedoch, ohne große Schädigungen des Blutdruckes die Vene anzuschneiden und das Glasröhrchen einzuführen und zu befestigen. Letzteres ist mit Öl gefüllt und am Hals abgebogen. Man tut gut, bei dieser Operation durch elektrischen Vagusreiz mit dem Du Boisschen Schlittenapparat einen kurz- dauernden Herzstillstand zu machen, damit man ein klares Gesichtsfeld hat und damit nicht die Kanüle durch die starke Herzaktion wieder herausgeschleu- dert wird. Denn im stillstehenden Herzen hört die Vene zu bluten auf, um, sobald der Stillstand aufgehoben und die Glasröhre eingeführt ist, um so heftiger aus dem Röhrchen weiter zu bluten, bis eine Konstanz des Tropfens eintritt. Dann verbindet man das Glasrohr mit einem dünnen ebenfalls mit Öl gefüllten Schlauch, dessen anderes Ende ein abgeschrägtes, stumpf abgebogenes Glasansatzrohr trägt. Dieses wird mit einem Stativ festgehalten, so daß das abtropfende Blut Tropfen für Tropfen auf eine Registriervorrich- tung auffallen kann. Diese besteht aus einer mit längerem Strohhalmhebel und schräg befestigter Schaufel (Deckglas) versehenen Mareyschen Kapsel, die die Ausschläge durch einen Schlauch auf eine zweite Mareykapsel mit Schreibvorrichtung überträgt und diese Schwankungen an einem rotierenden Kymographion verzeichnet. Darüber schreibt die Karotis den Blutdruck, während darunter ein elektrisches Pendelwerk die Zeit in Sekunden schreibt. 15* 228 FELIX MEYER: Eine zweite Registriermethode, die ich anwandte, besteht nun darin, daß die Tropfen, anstatt frei abzufließen, in ein sogenanntes Brodiesches System, d.i. ein mit Magnesiumsulfat halbgefülltes Gefäß, einlaufen, das luftdicht mit einem Pistonrekorder verbunden ist, dessen Kolbenstange mit einem Schreibhebel armiert ist und die Volumenverdrängung als Kurve auf dem Kymographion verzeichnet. Je rascher die Tropfen fließen, um so steiler wird der Anstieg der Kurve, um bei Verlangsamung wieder abzufallen. (Man sieht an diesem Kurvenstrich die einzelnen Tropfen ganz deutlich in Form von kleinsten Wellenlinien.) Es wurde nun zunächst die Kurarewirkung (s. Fig. 1) auf den Blutdruck, die in einem Abfallen desselben sich äußert, abgewartet, bis der Blutdruck sich konstant in gleichbleibender Höhe bewegte. Dann wurde eine Normalkurve vom Blutdruck und von der Tropfenzahl geschrieben, und alsdann erst wurde die zu prüfende Substanz in Lösung von der Jugularvene aus injiziert und, damit nichts in dem Ansatzrohr zurückblieb, ein wenig physiologische Kochsalzlösung nachgeschickt. Auf diese Weise gelangt das Arzneimittel auf kürzestem Wege in das Herz und mit der nächsten Systole in die Coronararterien. Sollte nun die Methode brauchbare Werte zur Beurteilung vasomotorischer Ein- wirkung liefern, so mußte vor allem ausgeschlossen werden können, daß die vasomotorischen Veränderungen durch Blutdrucksteigerungen vorgetäuscht oder verdeckt würden. Ich mußte, wie auch immer die einzelnen Mittel auf das Herz und den Blutdruck wirken mochten, ihre Konzentrationen so wählen, daß keine Blutdrucksteigerung mehr eintrat. Als absolut beweis- kräftig zog ich aber nur solche Kurven heran, bei denen trotz gleichzeitigem Absinken des Blutdruckes noch ein vermehrter Tropfenfall bzw. ein steileres Ansteigen der Volumkurve zum Ausdruck kam. Denn wo die Vis a tergo wegfällt und trotzdem eine beschleunigte Ausflußgeschwindig- keit aus dem Coronargefäß einsetzt, da kann es sich nur um eine aktive Erweiterung des Gefäßes, also um eine vasomotorische Beeinflussung des Gefäßes durch die injizierte Substanz han- deln. Erhebliche Schwierigkeiten machten mir die Gerinnungen des Blutes im abführenden Schlauch. Sobald nämlich der Blutdruck niedriger wurde und das Blut langsamer tropfte, bildeten sich Gerinnsel im Schlauch, wenn auch noch nicht in der Kanüle oder in der Vene, wo sie erst zuletzt auftraten. Eine gewisse Hilfe leistete das Öl, das die Gerinnung wesentlich verzögerte. War sie einmal eingetreten, so mußte das Gerinnsel entfernt, Schlauch und Ansatz gereinigt und neu mit Öl gefüllt werden. Ich benutzte auch einige Male Hirudin. Abgesehen von der außerordentlichen Kostspieligkeit dieses Mittels (ein Gramm gleich 40 Mark) ist durch dasselbe für eine Gerinnung im Schlauch nicht immer Gewähr geleistet. Außerdem verändert das Hirudin den Blutdruck, wie beifolgende Kurve Fig. 2 zeigt, und setzt dadurch neue WIRKUNG VERSCHIEDENER ARZNEIMITTEL AUF DIE ÜORONARGEFÄSSE. 229 "ZUNSOJZIESTION moo Gl: am I UOA wo I YORU SONNIPNIT SOp uoyumsqy :urqmmyor "Sad arur7-o yonıpyaygq 1197 "uipnupg "3 "Sud 1) MEET mm u) INN] ORG “9Izıny "I aA MARIANEN KR | ion A a N N m 230 FELIX MEYER: Fehler in die Bewertung des Kurvenbildes.. Ich habe im ganzen 42 Ver- suche an ebensovielen Hunden gemacht, die ein Durchschnittsgewicht von 8 bis 10%8 hatten. Meist habe ich an denselben Tieren nur eine Substanz, zuweilen aber auch mehrere Gifte versucht. Immer wurde zuerst eine Normalkurve geschrieben, zuweilen konnte man durch die unmittelbare Be- obachtung eine lebhaftere Rötung der Coronararterien bei Erweiterung des Gefäßgebietes feststellen. Meine Versuchsreihen beschäftigen sich mit Herzmitteln, welche die Coronargefäße erweitern oder verengern. Es ist eine Forderung für jedes brauchbare Herzmittel, daß es die Coronargefäße entweder unbeeinflußt läßt oder sie erweitert, keineswegs aber verengert. Die medikamentöse Behandlung Herzkranker kommt mit der Digitalis, so unschätzbar sie auch ist, nicht immer aus. Dyspnoische Zustände erfordern, daß die Herzmittel bei intensiver Einwirkung auf die Herzmuskelkontraktion die Herzernährung durch Verengerung der Coronarien nicht verschlechtern. Wenn die Methode also eine einwandfreie Vorstellung über vasomotorische Einwirkungen verschiedener Medikamente auf die Coronarien gibt, so wäre damit nicht nur die physiologische Streitfrage entschieden, ob die Coronarien vasokonstriktorisch und dilatorisch versorgt sind, sondern zugleich ein Weg gefunden, wie man den Arzneischatz auf seine vasomotorischen Wirkungen bzw. der Kranzgefäße zu bewerten hätte. Ich werde also in der folgenden Beschreibung, um Wiederholungen zu vermeiden, sowohl vom physiologi- schen wie zugleich vom pharmakologischen Standpunkt die einzelnen Mittel betrachten. In meiner Versuchsreihe benutzte ich als erstes Mittel Yohimbin (Spiegel) aus der chemischen Fabrik von Hillringhaus & Heilmann, Güstrow. Das Alkaloid der Yohimbeherinde aus Kamerun bewirkt eine Erweiterung der Gefäße fast aller Körperprovinzen schon bei ganz ge- ringen innerlichen Dosen und infolge davon ein vorübergehendes Sinken des Blutdruckes nach Müller (19) und Loewy (20) (siehe auch Kurve Fig. 3). Es schien mir deswegen geeignet, aus seiner Wirkung auf die Kranzgefäße Schlüsse über deren vasomotorische Versorgung zu ziehen. Es zeigte sich, daß bei Benutzung ganz geringer Dosen die blutdruck- erniedrigende vasodilatorische Wirkung am besten zum Ausdruck kam. Ich habe hierbei beide Registrierungsmethoden, die Tropfmethode und die Volumsehreibung mit dem Brodischen System übereinstimmend gefunden und durch beifolgende Kurven veranschaulichen können (siehe Kurve. Figg. 4 und 5). An beiden Kurven sieht man zunächst eine Blutdruck- senkung; es folgt derselben, wie das am deutlichsten aus der Volumkurve 4 sichtbar ist, eine wesentlich vergrößerte Amplitude bei niedrigbleibendem Blutdruck, d. h. eine ergiebigere Herzarbeit und bessere Durchblutung des "no 'IOBN 001:10°0 "eserdsurquumor Fat 231 9ur]-O A9nıp ad [ea] un an fg = = je} rs < zZ (es) ra e) 5) je] ) = Eu PD < | = a) 3 A je} = Zi N fe << [ee a zZ Is] a [) | je) (@) ın [#7 = > 5 zZ D M [61 iz r 1192 - Blut- druck 0-Linie Tropfen Zeit 232 FeLıx MEYER: Herzens, während der Venenausfluß keineswegs geringer, sondern eher be- schleunigter wird. Bei der Volumenschreibung wird die Kurve immer steiler, der Abstand a—5 der Abszisse immer geringer, d. h. der vermehrte Tropfenfall verdrängt immer schneller die Luft des Systems und veranlaßt den Rekorderkolben dadurch immer schneller zu steigen, wodurch die Kurve auf der rotierenden Trommel immer steiler wird. Ich habe von Yohimbin an einer großen Zahl von Kurven, die ich an verschiedenen Tieren aufnehmen konnte, übereinstimmende Resultate bei geringen Dosen von Yohimbin (1°® einer Lösung von 0-1:10) gefunden. Wie das Yohimbin wirkt auch das Vasotonin (Kurve Fig. 6), das eine Kombination von Yohimbin und Urethan ist. Es zeigt ebenfalls ein Ab- sinken des Blutdruckes und eine Verstärkung der Ausflußmenge. Ich be- Kup aba es are TIFRITTENRNEIBO NUNG LINDEN REN a ee Fig. 5. Yohimbin 1:10. nutzte 1°® der in Ampullen von 1”s vorrätigen Lösung, die ich mit 10m Kochsalz verdünnte, und injizierte 1m dieser Konzentration in die Jugularvene. Man sieht auch hier wieder das Absinken des Blutdruckes, die Verstärkung der Amplitude und den vermehrten Tropfenfall. Eklatanter noch zeigt sich die vasodilatorische Wirkung bei den beiden folgenden Mitteln, dem Amylnitrit und dem Oxaphor. Amylnitrit ist ein Gefäßerweiterungsmittel katexochen. Seit Lauder und Brunton (21) ist es als symptomatisch wirksamstes Mittel bei Angina pectoris eingeführt. Die Entstehung dieses Anfalles hängt, wie Sektionsberichte wahrscheinlich machen, mit einer Verringerung der Blutzufuhr oder mit einer mangel- haften Akkommodationsfähigkeit der Coronargefäße zusammen. Meine Kurven (siehe Kurve Figg. 7 und 8) zeigen einen wesentlich vermehrten Tropfenfall bei gleichzeitiger Senkung des Blutdruckes und Verstärkung der Amplitude. Wir können also aus diesen Kurven unbedingt auf eine aktive Erweiterung der Blutbahn des Kranzgefäßsystems schließen. Ob der Angriffspunkt der 233 WIRKUNG VERSCHIEDENER ARZNEIMITTEL AUF DIE ÜORONARGEFÄSSE. en) I (m OT Fu mozdorg, g) gruyrupkuny "L DA "OT*T mo IT "UTUOIOSBA dTarT-O yonapgnyg 1197 uoydors, orufT-O JPnIpynIgq 234 FeELıx MEYER: Wirkung des Amylnitrits zentral oder peripher liegt, wollte ich nicht ent- scheiden, doch weisen die Versuche von Loeb (20) darauf hin, daß das Amylnitrit auch vom peripheren Angriffspunkt aus die Coronargefäße er- weitert. Ich benutzte eine Lösung von 3 Tropfen auf 10 °°= Kochsalzlösung, wovon ich 1°°® jnjizierte. Trotz dieser schwachen Konzentration und Menge war die Einwirkung absolut eindeutig. Einen ähnlichen Effekt er- zielte ich mit Oxaphor. Oxaphor ist ein Derivat des Kamphers, ein Oxy- kampher, von dem bekannt ist, daß er keine erregende, sondern die Erreg- barkeit des Atmungszentrums herabsetzende Wirkung zeigt. Auch er wird klinisch bei zirkulatorischer und respiratorischer Dyspnoe angewendet. Bei Menschen gibt man innerlich 2 bis 3e”, das sind 40 bis 60 Tropfen. Ich Blutdruck M 0-Linie ° Ka) ne bi een "RAR BET LlaaenE Zeit Fig. 8. Oxaphor. !/, =. Originalflacon. benutzte beim Tiere !/,°°® der Originallösung und erhielt eine starke Blut- drucksenkung bei sichtlich vermehrtem Tropfenfall, ohne Verstärkung der Amplitude. Die Ausströmungsgeschwindigkeit wird erst bei absolut niedrigem Blutdruck geringer. Die Wirkung des Oxaphor scheint mir am beweisendsten für die aktive Erweiterungsfähigkeit der Coronarien zu sein. Anders verhält sich der Kampher. Er macht eine Blutdrucksteigerung, Vergrößerung der Amplitude und erhöhte Tropfenzahl (fast um das Drei- fache) (siehe Kurve Fig. 9). Wir wissen, daß der Kampher ein medulläres Krampfgift ist, das erregend auf die Vasokonstriktorenzentren einwirkt. Krampfmachende Gaben wirken blutdrucksteigernd. Diese Wirkung zeist sich hier schon bei einer Injektion einer Spritze (1°®) einer offizinellen Lösung von 1:10. Die Vermehrung der Ausflußgeschwindigkeit ist hier durch den erhöhten Blutdruck und die dadurch veränderte Blutverschiebung bedingt. WIRKUNG VERSCHIEDENER ARZNEIMITTEL AUF DIE ÜORONARGEFÄsSE. 235 ET "urı9zÄjsoryıN "IE OL E a ne Bea \ | | AR: 107 ex Ren um uaydons, yonıpyuyq arar7-O ‘Or "SL | 1197 uardors, Se arurT-o | Ba | I | znıpyaa NN "mo 0OT:T wo loydurey ‘630 1197 uojdons, rurT-O gonıpyuyg 236 FELIX MEYER: Nikotin (Fig. 10). Ganz anders wirkt auf die Coronarien das Nikotin. Ich benutzte eine Konzentration von 1:100, wovon ich 1°°= injizierte.e Bei der Injektion tritt zunächst eine leichte Blutdrucksenkung auf, dann wird das Vagus- Blut- druck 0-Linie Tropfen Zeit Fig. 11a. Nitroglyzerin. zentrum erregt und es treten unter steigendem Blutdruck verlangsamte irreguläre Vaguspulse auf. Dieser Zustand ist nur von ganz kurzer, ‚Dauer, dann wird der Puls bei hochbleibendem Blutdruck regulärer. Allmählich senkt sich der Blutdruck wieder auf das frühere Niveau und bleibt gleich- mäßig. Die Ausflußgeschwindigkeit aus den Öoronarien nimmt Ihlllılılil,l)jl,! ER NN Blutdruck BERTEUENN Tropfen SMEEREEEE Fig. 12. Adrenalin. Flüchtige Wirkung von 3 Tropfen Adrenalin am sterbenden Herzen auf den Blutdruck. dagegen trotz steigendem Blutdruck nicht zu, Jondern im Gegen- teil ab. Der Tropfenfall, der etwa mit 18 bis 20 Ausschlägen in 10 Sek. vor der Injektion verzeichnet war, läßt gerade während des höchsten An- stieges des Blutdruckes nur noch 7 Ausschläge erkennen, um beim Fallen des Blutdruckes wieder auf 19 bis 21 Ausschläge in 10 Sek. zu kommen. Es zeigt sich also hier eine aktive Kontraktion der Corona rgefäße. WIRKUNG VERSCHIEDENER ARZNEIMITTEL AUF DIE ÜORONARGEFÄSSE. 237 Bei der anfänglichen Blutdrucksenkung verlangsamt sich der Tropfenfall, um beim Auftreten der Vaguspulse vorübergehend eine bedeutende Ver- 1 °°® injiziert. eh = =! un S aD (®] Ss z =] o oO — = & = {=} Fe = ne) Adrenalin (1: 1000). Tropfenkurve Blutdruck 0-Linie 238 FELIX MEYER: mehrung an Zahl und Größe der Tropfen erkennen zu lassen, bis dann die Kontraktion des Gefäßrohres überwiegt. Nitroglyzerin (Fig. 11). Nitroglyzerin macht zunächst ein Absinken des Blutdruckes, der sich danach etwas mit verstärkter Amplitude erhebt. An unserer Kurve (Fig 11) Fig. 14. 5 Tropfen Adrenalin ; 1 = NaCl-Lösung. Zeit druck MNMIMmMNANAmnm Blut 0-Linie Tropfen sind die Tropfen infolge eines Gerinnsels im Abflußschlauch anfangs nicht so deutlich sichtbar. Nach Entfernung des Gerinnsels erweist sich die Tropfenzahl als überaus stark vermehrt. Das Nitroglyzerin wirkt wie. das Amylnitrit gefäßerweiternd, doch hält seine Wirkung weit länger an als Bi R) - 1 ] Au Zeit WIRKUNG VERSCHIEDENER ARZNEIMITTEL AUF DIE (ÜORONARGEFÄSSE. 239 die des Amylnitrits. Das erklärt seine günstige Wirkung bei Krampf- zuständen der Coronarien. Adrenalin (Figg. 12, 13, 14, 15). Über Adrenalin und seine Gefäßwirkung liegt eine große Literatur vor. Seine blutdrucksteigernde Wirkung tritt bei intravenöser Injektion Fig. 15 1 Tropfen Adrenalin : 1 °°® NaCl-Lösung. 0-Linie Tropfen schon nach Einverleibung von Bruchteilen eines Milligramms ein, ist aber nur von kurzer Dauer (Fig. 12) und verschwindet selbst nach Anwendung großer Gaben in wenigen Minuten. Die tödliche Dosis ist bei intravenöser Anwendung von 1 bis 2", Ich verwendete daher zu meinen Versuchen von der üblichen Lösung 1:1000 nur je 3, 5 und 7 Tropfen auf 1m FELIX MEYER: 240 "no0L:T Oyaoy-opruy "9L "Sa ee ee eHrreeaehetere re arurT-o yonı1p ag -ZunsoT-JIEN m» OT: Uordorg, L (0007 :T) umeusıpy "gt "DL Garage ee er 17 HH HAHN N (NN IHN Mn a =" TTITNTTÜNTm carlen see m em zes euer nr RE N" Mi I m ATS, ar ie drur-O IM] III) m | My I) INN gonıpyuıg WIRKUNG VERSCHIEDENER ARZNEIMITTEL AUF DIE ÜORONARGEFÄSSE. 241 Kochsalzlösung. ' Nach den Angaben von Argyll Campbell (23) aus dem Schäferschen physiologischen Institut zu Edinburgh macht Nebennieren- extrakt an den Gefäßen aller Organe mit Ausnahme der des Herzens und der der Lungen Gefäßverengerung. Die Wirkung auf die Coronargefäße N 2 | en | \ | - — 2 ä Fig. 17. , Spritze 1 me: 1 em NaCl-Lösung. Strophantin-g. Zeit 0-Linie Tropfen hat er auf zweierlei Weise studiert, an ausgeschnittenen Gefäßportionen in ‚Ringerlösung. und an: Durchströmungsversuchen nach Langendorff. Er fand bei Gefäßstreifen vom Schaf und noch deutlicher vom Ochsen nach Einwirkung von Adrenalin eine Erschlaffung der Gefäße. Abweichend da- ‚von gaben die Durchblutungsversuche mit Adrenalinzusatz nach Langen- Archiv £. A.u.Ph. 1912. Physiol. Abtlg. 16 242 FeLıx MEYER: dorff eine Konstriktion der Coronarien. Pahl (24) findet an den aus- geschnittenen überlebenden Rindercoronararterien eine Erweiterung auf Adrenalineinwirkung zum Unterschied von den durch Adrenalin sich ver- engernden Körperarterien. Die gleichen Resultate erhieiten de Bonis und Fig. 18. ‘a Spritze = 1”2;0-8 em NaCl-Lösung. Strophantin-g. 2 | I Il = ao =! ss 583 & NIE =Y As- © © = - Susanna (25) und ebenso Langendorff (26). Nach den oben geschilderten Abweichungen von der physiologischen Versuchsanordnung geben diese Re- sultate kein abschließendes Urteil über die Gefäßwirkung des Adrenalins, Meine Versuche lassen bei steigendem Blutdruck auch ein Ansteigen der Tropfenzahl erkennen, die aber auch nur kurze Zeit andauert. Fig. 13, welche mit dem Pistonrekorder geschrieben ist, zeigt nach Injektion von WIRKUNG VERSCHIEDENER ARZNEIMITTEL AUF DIE (ORONARGEFÄSSE, 243 1m einer Konzentration von 3 Tropfen Adrenalin (1: 1000 auf 1m Koch- salzlösung) ein Ansteigen des Blutdruckes und eine starke Zu- nahme der Amplitude, gleichzeitig wird ein Steilwerden des Kurvenschenkels sichtbar, die Abszisse a bis 5 wird bedeutend kleiner, Il) il Fig. 19. 1 ganze Spritze = 18, Strophantin. E = = S > ao = .— De De = =5338 = spe 5 S = doch hält die Wirkung nur kurze Zeit an. Dasselbe Spiel bietet die Fig. 14 nach Injektion einer Konzentration von 5 Tropfen Adrenalin- beimengung. Den immer schwächer werdenden Blutdruck vermochte eine Konzentration von 7 Tropfen Adrenalinbeimischung (Fig. 15) sofort wieder zu heben wie auch die Ausflußgeschwindigkeit des Blutes vorübergehend 16* 244 FELıx MEYER: mächtig zu steigern. Ein ähnliches Bild gewährt die Tropfenkurve (Fig. 15a), welche bei Einwirkung einer Konzentration von 7 Tropfen obiger Adrenalin- - lösung ebenfalls erhöhten Blutdruck, verstärkte Amplitude und vermehrten Tropfenfall sichtbar werden läßt. | Das Adrenalin zeigt also in kleinen Gaben eine vorübergehende blut- drucksteigernde, den Coronarkreislauf beschleunigende Wirkung. Imido-Roche (Fig. 16). Dem Adrenalin sollte das Imido-Roche nahestehen, welches ein ö-Imidvazoäthylamin in Lösung von 1:1000 ist und von der Firma Hoff- mann-La Roche & Comp. als Ersatz des Adrenalins angegeben wird. Es hat jedoch auf die Kranzgefäße, wie beifolgende Figur zeigt, desgleichen auf den Blutdruck eine gänzlich verschiedene Wirkung. Bei einer Ver- dünnung von 1:10 Kochsalzlösung macht eine Injektion von 1eem eine Blutdrucksenkung bei vergrößerter Amplitude. Die Tropfenzahl wird während der Blutdrucksenkung geringer, nimmt danach aber wesentlich zu. Es weicht also von dem Typus des Adrenalins bezüglich seiner Ein- wirkung auf Blutdruck und Coronargefäße wesentlich ab und hat nur die Verstärkung der Amplitude mit dem Adrenalin gemeinsam. Digitaliskörper (Figg. 17 bis 19). Ein besonderes Interesse bieten die Digitaliskörper. Ich benutzte die für die intravenöse Injektion geeigneten löslichen Präparate, das Digalen, das Strophantin-g, das Digipuratum solubile und das Digistrophan. Die Wirkung des Strophantin-g habe ich in einer gesonderten Abhandlung in der „Medizinischen Klinik“ (27) besprochen und rekapituliere hier folgendes: Strophantin ist das Glykosid des Strophantus gratus und wird von der chemischen Fabrik Güstrow nach der Angabe von Thoms krystallinisch hergestellt und in Ampullen von 0.001:1 <= Kochsalzlösung in den Handel gebracht. Ich verwandte verschiedene Konzentrationen, nachdem in der Literatur, namentlich in den Arbeiten von Gottlieb und Magnus (28) sowie besonders von Kasztan (28) auf die Unterschiede in der Wirkungsart der verschiedenen Verdünnungen hingewiesen war. Gottlieb und Magnus sahen an atropinisierten und morphinierten Hunden bei toxischen Dosen _ eine enorme Kontraktion im Splanchnikusgebiet (Milz, Niere, Darm) bei gleichzeitiger Dilatation in der Peripherie und Kasztan konnte nach- weisen, daß zwischen dieser das Splanchnikusgefäßgebiet verengernden Imrischen Strophantindose 0-1”8:100 und der ganz unwirksamen Verdün- nung von 0-025=2:100 eine Zone der erweiternden Eigenschaft des Strophantins liege; etwa bei 0-05 bis 0.06"8:100. — Außerdem hatten 245 WIRKUNG VERSCHIEDENER ARZNEIMITTEL AUF DIE ÜORONARGEFÄSSE. "10 06 : am I 9zytrdg I unuwgdong "35 4 1197 uojdox], orur]-O yonıp ala "me OT am = ozyadg %, unuegdong ‘13 "314 yoz ? uoJdor], orurT-o yonıpyayg "no T:smT "umuegdong ‘08 "1a Mm mp ee DLRBBEHN JUL EU TLLALITDAATT RAN EM RULES le tie al ae Tre een FTIR Arnim ET? 7 LUPBO N, ang Te EEE 246 FELIX MEYER: alle Arbeiten über Digitaliskörper erwiesen, daß die Gefäße in den einzelnen Organen auf diese Droge keineswegs immer gleichsinnig reagierten. Über die Beeinflussung des Coronarkreislaufes liegen aber nur wenige Versuche vor und zwar auch nur am überlebenden Herzen (Loeb 30) oder an aus- geschnittenen Gefäßstreifen (Mikuliczschich 31). Die Forderung von Mikuliczschich, daß Herzmittel, die die Herztätigkeit so enorm steigern, wie insbesondere das so plötzlich wirkende Strophantin, vor allem keine Verengerung der Coronargefäße und damit eine Ernährungsstörung des Herzmuskels zur Folge haben dürfen, besteht zu Recht. Ihre Erfüllung ist aber nach dem oben Gesagten sowie nach den Angaben von Eppinger und Hess (32) bei den Digitaliskörpern ohne weiteres nicht zu ersehen. Ein jedes brauchbare Herzmittel muß aber die Coronargefäße entweder un- beeinflußt lassen oder sie erweitern. Nach Loebs Durchblutungsversuchen am überlebenden Säugetierherz werden die Coronarien von einer Konzen- tration von 0-15 bis 0.2 =8:100 Durchblutungsflüssigkeit nicht wesentlich beeinflußt, während der Blutdruck vielleicht eine unwesentliche Steigerung erfährt. Mikuliczschich erhielt eine Erweiterung der Gefäßstreifen in schwachen Strophantinlösungen. Diese Versuche entfernen sich, wie er- wähnt, von den natürlichen Verhältnissen beträchtlich (durch Ausschaltung des Nerveneinflusses und des natürlichen Gefäßtonus usw.), doch stimmen die Resultate mit den meinigen deswegen so ziemlich überein, weil ja die Digitalis und Strophantus ihrer Hauptwirkung nach in der Gefäßmuskulatur einsetzen. Ich verwandte Lösungen des Strophantin-g a) von Is; em, b) 1”"8:10em, c) 1”8:50°m, d) 1=8:100°m Kochsalzlösung. Bei Versuch 1 (siehe Fig. 17) injizierte ich zunächst von der Lösung Strophantin-g 1”s:1°em eine halbe Spritze und ließ mittels Pistonrekorder die Luftverdrängung des Brodischen Systems durch das ausfließende Blut an der rotierenden Trommel schreiben. Es tritt eine leichte Blutdrucksteigerung mit Vergrößerung der Amplitude ein, zugleich eine vermehrte Ausfluß- geschwindigkeit des Blutes aus der Coronarvene, die sich durch Ansteigen des Kurvenschenkels und durch Kleinerwerden der Abszisse a bis 5 (d. h. des Abstandes des Kurvenschenkels von der Ordinate) kenntlich macht. Injiziert man weiter !/,°°" dieser Lösung, so steigt der Blutdruck noch um etwas, um sodann sehr bald ganz zu fallen. Es tritt der Exitus ein (siehe Fig. 18). In der folgenden Kurve ist die Wirkung einer ganzen Pravazspritze der obigen Lösung verzeichnet (Fig. 19). Es tritt wiederum eine Steigerung des Blutdruckes mit stark verstärkter Amplitude ein, während gleichzeitig der Kurvenschenkel steiler ansteigt. Die Abszisse wird noch kleiner, sie verringert sich von 11/,= auf !/,°=. Schließlich wird trotz weiteren Steigens der Kurve die Amplitude kleiner, der Puls unregelmäßig, es folgen Vagus- ‘007: 7 ozyadg [ "uyasqdong eh "SLA uoydors, SluFT-O y7onıp mid 1102 > Bo) a >) 7 : 2 =} E E 248 FELIX MEYER: pulse, während der Blutdruck unter die Linie sinkt, bis diastolischer Still- stand eintritt. IR. Ein ähnliches Bild bietet die Tropfenkurve (Fig. 20). Die Tropfen erweisen sich in den Ausschlägen des Hebelschreibers als vergrößert und vermehrt, der Blutdruck steigt bedeutend nach leichtem Absinken, die Ampli- tude wird allmählich kleiner, Vaguspulse treten auf, ohne daß die Tropfen an Zahl und Größe abnehmen, ja eher eine Zunahme erfahren. Alsdann sinkt der Blutdruck rapid unter die Linie, das Herz steht in Diastole still. Bei der Lösung 2 Strophantin-g (12: 10m Kochsalzlösung) tritt er- hebliche Blutdrucksteigerung ein, ohne eine wesentliche Verringerung oder Vermehrung der Tropfenzahl (Fig. 21). Bei der Lösung C Strophantin-g (1”8:50°® Kochsalzlösung) tritt bei Injektion einer halben Spritze zunächst keine Veränderung des Blutes oder der Ausflußmenge ein, allmählich jedoch sinkt der Blutdruck um ein Ge- ringes, die Amplitude wird etwas kleiner, während die Tropfenzahl ein wenig abnimmt. Die Tropfengröße dagegen bleibt trotz Kleinerwerden der Pulse dieselbe (Fig. 22). Injiziert man 1 bis 2 ganze Spritzen derselben- Konzentration, so bleibt das Bild und der Verlauf im wesentlichen dasselbe. Bei der Lösung D Strophantin-g (1”®: 100) tritt keine Veränderung des Blutdruckes oder der Ausflußgeschwindigkeit, nur eine geringe Ver- stärkung der Amplitude ein (Fig. 23). Aus der Übersicht dieser Kurven erhellt, daß Strophantin in allen Konzentrationen, die ich verwandte, keine Verengerung der Coronarien, eher eine geringe Erweiterung macht, und daß die Hauptforderung, welche der Ausgangspunkt für die Besprechung meiner Versuche mit Herzmitteln war, daß sie nicht durch Gefäßkontraktion im Coronargebiet dem Herzen die Arbeit erschweren, vom Strophantin-g erfüllt wird. Noch günstiger, bezüglich der Gefäßwirkung im Kranzgefäßgebiet, er- weist sich das Digipurat. Digipuratum solubile ist in Ampullen von 0.18% gelöst in 1° Kochsalz im Handel und stellt ein von Ballaststoffen (Saponinen) befreites Digitalispräparat dar. ich verwandte eine Konzen- tration von 0-1:10 und erhielt nach Injektion einer Spritze beifolgende Kurven (Fig. 24). Der Blutdruck sinkt unter die Linie, die Amplitude wird größer und die Tropfenzahl vermehrt sich erheblich (von etwa 15 auf 22 Tropfen in 10 Sekunden). Allmählich -wirkt die Substanz mehr ein, die Amplitude wird noch größer, und obwohl der Blutdruck noch sinkt, steigert sich die Tropfenzahl mehr und mehr, so daß sie kaum zählbar wird. Ein ähnliches Bild bietet die Wirkung der Injektion von Digipurat auf ein ausgeblutetes, mit Kochsalzlösung wieder zum Schlagen gebrachtes Herz. Hier sieht man die Amplitude größer und größer werden und die WIRKUNG VERSCHIEDENER ARZNEIMITTEL AUF DIE ÜORONARGEFÄSSE. 249 -Zunsojzfesgdoyp + "wnyeindızıq cz" ANHHAA AR MIAMI a a ni "TIeN 0T:7-0 "wnyeimdistq ‘73 "SL eeremı a PS EEE TTERTTELREUNITE I at 250 FeLıx MEYER: Pulse regelmäßiger, ohne daß der Blutdruck erheblich steigt, zugleich nimmt die Tropfenzahl immens zu, so daß die Ausschläge nur noch mit der Lupe gezählt werden können (Fig. 25). 1:20. Fig. 26. || Digalen, PMEETDNIEL KERNE BErlabehg KRISE RA INN: ser | ITIITTITELNUITIUTKTENTTBRIERPORNFUITSUILSITTITTRN | E Blutdruck 0-Linie Tropfen Blutdruck 0-Linie Tropfen Zeit Das Digipuratum solubile entfaltet eine ausgesprochene Gefäßwirkung an den Coronarien im Sinne einer Erweiterung derselben. Digalen (Fig. 26). Digalen wandte ich in einer Konzentration von 1:20 an bei einem Hunde mit irregulärem Herzpuls. Nach Injektion einer Pravazspritze dieser WIRKUNG VERSCHIEDENER ARZNEIMITTEL AUF DIE CORONARGEFÄSSE. 251 | I | 1 u, ri IMTITTITTMITTITMT ER uorygalap °T °9:97.0 wegdongsrsig ‘83 "217 \Cy/ Fe 2 ” uojdo:], arurT-O zJPnıpyng "OT :g1-0 "uegdonstsiq 13 314 RAT A RES Er Ti 12) TTELEFRERELSERSERTITEN IIRTTRTTTTTTTIETTTRTERTTTTTTTTET Terre | SrUrT-0 IN) zonırınıa Im FELIX MEYER: 252. ozyudg T "mmınd mnurayoy ‘08 "3 m —— 4 2 2 guest u er oe FE FR a m INN INMNNUINUINUNNNNN Ill INTIRLTHNHINLHÄNETTANNN Nu aoryyofup ‘II °C :IGI-0 “weydonsistq 63 "317 en Bo Army Bu Y ie N am my a I m IM KENNEN +97 uoJdorT, Jonıpyue SIUET-O 1197 u uaJdonT, ornrT-O yonıpyuyq 1197 uoJdors, UrT-0 yonıpynyq WIRKUNG VERSCHIEDENER ARZNEIMITTEL AUF DIE (ORONARGEFÄSSE. 253 *(moo 19) 01:G9:0 ıyspol [87 "se "Id ‘eye3uojgo eIjnpapy A9p Sunprsugosganı Y8N een hmmm ‘IE 21 ti a En u) Hd Ba 09: g 0 -wnınd mnutoyor) oz uojdors, 1107 upydo1 7, yonapyujg etarrT-0 254 FELIX MEYER: Lösung tritt ziemlich langsam, ohne Blutdrucksteigerung, ein regelmäßigeres Pulsbild und gleichzeitig eine gleichmäßigere und auch vermehrte Blut- zirkulation in den Coronarien auf, wie es die Tropfkurve anzeigt, Während 1 ccm } S os” = ar) an < E- »3 Ha FB .S = ® an = & a ij Blutdruck 0-Linie Tropfen I Zeit Zeit Blutdruck 0-Linie Tropfen WIRKUNG VERSCHIEDENER ARZNEIMITTEL AUF DIE ÜORONARGEFÄSSE. 255 bei dem unregelmäßigen Pulsbild höchstens 2 Tropfen in 10 Sekunden zu zählen sind, so fließen jetzt in derselben Zeit 4 Tropfen (Fig. 26). Digistrophan. Digistrophan ist ein komplexer Extrakt aus titrierten Digitalisblättern und titriertem Strophantussamen (Fig. 27 und 28). In den therapeutischen Dosen (0-.15:10°em, wobei 1°m gleich 0-015 Digistrophan ist, das ist für den Menschen berechnet 0.15"s) verändert es den Blutdruck nicht und läßt die Tropfenzahl ziemlich unbeeinflußt, da- gegen in den toxischen Dosen beobachtet man eine stärkere Verlangsamung der Tropfenzahl bei ungefähr gleichbleibendem Blutdruck, wie die Fig. 28 mit 0-15:5°® zeigt. Nur die Amplitude ist um ein geringes verstärkt. Wenn man weitere Injektionen von 1°® dieser Lösung macht, so treten Vaguspulse, sowie irregulärer Pulsschlag mit Bigeminus und Trigeminus auf, während die Vene gänzlich zu tropfen aufhört; das Herz stirbt in Diastole. (Das Blut war durch !/,, Hirudin ungerinnbar gemacht.) Daraus geht hervor, daß bei Erkrankung der Uoronarien die therapeutische Dosis des Digistrophan nicht überschritten werden darf, vielmehr eine noch kleinere- Dosis zu bevorzugen ist. Coffeinum purum. Das Coffeinum purum (in Wasser schwer löslich, 1:50) beeinflußt im Tierexperiment in mittleren Gaben den Blutdruck günstig. Seine vasomo- torische Wirkung geht mit einer Anregung der Großhirnfunktion Hand in Hand. Meine Figg. 30 und 31 zeigen bei Einwirkung von 1°em meiner Lösung von 0-5:50, daß der Angriffspunkt zentral ist, d. h. daß das Coffein direkt vom Großhirn her den Blutdruck beeinflußt. Denn nach Durch- schneidung des Rückenmarkes bleibt jede Blutdruckerhöhung aus (Fig. 31), unter dem Eindruck des Coffeins steigt der in Fig. 30 sehr darnieder- liegende Blutdruck bis über die Linie und es nimmt dis vasomotorische Erregbarkeit, die gänzlich verschwunden war, wieder derart zu, daß ein starker Tropfenfall bei größeren und häufigeren Pulsen eintritt. Bei durch- schnittenem Mark ist nichts von dieser Wirkung wahrzunehmen. Blut- druck und Tropfenzahl bleiben die gleichen. Jodkali. Die Wirkung des Jodkali äußert sich bei einer Konzentration von 0-5:10 in einem Sinken des Blutdruckes bei verstärkter Amplitude und in einem leicht vermehrten Tropfenfall. Ich sah jedoch auch Blutdruck- steigerung bei größeren Dosen. Niemals jedoch war eine Veringerung der Ausflußmenge, sondern eher eine Vermehrung der Tropfenzahl zu kon- statieren. Jodkali erweitert den Coronarkreislauf, wodurch auch die günstige 256 FELIX MEYER: Einwirkung bei allen pathologischen Zuständen der Kranzgefäße (bei An- gina pectoris, Arteriosklerose der Coronarien) zu erklären ist. Meyer und Gottlieb (33) geben allerdings in ihrem Lehrbuch der experimentellen Pharmakologie 1910 (S. 337) an, daß eine erweiternde Wirkung des Jod- kali auf die Gefäße nicht existiere, sondern daß das Jodkali nur eine ver- minderte Blutviskosität schaffe und dadurch ein leichteres Strömen des Blutes gestattet. Mir scheint nach meinen Versuchen und den Beobach- tungen von Thaussig (34), welcher durch Jod bei Bleikolik ein vasodila- tatorisches Absinken des Blutdruckes sah, dem Jodkali doch eine aktive Einwirkung auf das Coronargefäßsystem und vielleicht auch auf den Herz- muskel selbst zuzukommen. Spermin. Spermin-Poehl ist der Organsaft aus Stierhoden. Da er als Exeitans vielfach klinisch verwendet wird, so habe ich das Präparat auch zu meinen Versuchen herangezogen. 1°” intravenös injiziert, setzt vorübergehend den Blutdruck herab, ohne die Kranzgefäße zu verengern (Fig. 33). Es hat nach dieser Hinsicht also ein Anrecht auf Geltung eines Herzmittels, nur daß es nicht blutdrucksteigernd, sondern entspannend wirkt. Pituglandol-Roche. Pituglandol. ist der wirksame Bestandteil des Infundibularteiles der Hypophyse der Glandula pituitaria. Es ist in Ampullen von 1.1°® im Handel. Die Dosis ist 0.5 bis 1.0°®=, Eine deutliche Vermehrung der Ausflußgeschwindigkeit ist an der Kurve nicht zu erkennen, jedoch auch keine Verringerung der Tropfenzahl. Der Blutdruck ist nur ganz vorüber- gehend gesenkt. Schluß. Damit schließt vorläufig meine Untersuchungsreihe. Sie gibt einen deutlichen Überbliek über die verschiedenartige Wirkung gewisser Arznei- mittel auf die Kranzgefäße und befestigt die Erkenntnis von der elektiven Wirksamkeit einzelner Gifte auf bestimmte Gefäßprovinzen. Wir haben keine Berechtigung aus der Wirkung einzelner Mittel auf periphere Gefäße auf die gleichsinnige Wirkung im Inneren des Körpers zu schließen. Da- für gibt das Adrenalin den besten Beweis, ebenso auch das Strophantin. Auch dürfen wir bei derartigen Untersuchungen den Zusammenhang von Gefäßen und Nerven nicht unterbrechen, weil viele Mittel auf dem kompli- zierten Nerven- oder Reflexwege die Coronarien beeinflussen, wie dies aus meinen Coffeinkurven deutlich wird, wo die Wirkung bei Durchschneidung des Rückenmarkes aufhört. Vielleicht wäre es daher sogar besser, wenn ‚spätere Versuche an nicht kurarisierten, sondern nur betäubten Tieren unternommen würden. WIRKUNG VERSCHIEDENER ARZNEIMITTEL AUF DIE (ÜORONARGEFÄSSE. 257 Zum Schluß gestatte ich mir Herrn Prof. Du Bois-Reymond sowie Herrn Prof. Weber für das dieser Arbeit entgegengebrachte Interesse meinen Dank auszusprechen. Auch möchte ich nicht unterlassen dem Institutsdiener Haase für seine geschickte Assistenz zu danken. Zusammenfassung. 1. Die bisherigen Methoden des Studiums der vasomotorischen Beein- Hussung der Coronargefäße durch Arzneimittel weichen von den natürlichen Verhältnissen zu sehr ab, um einwandfreie Resultate zu geben (Methode nach Langendorff, Methode nach Schäfer, am überlebenden künstlich gespeisten Herzen, und an überlebenden zirkulären Arterienstreifen). 2. Ein abschließendes Urteil ist nur am lebenden Tiere möglich. 3. Meine Methode wende ich am kurarisierten Hunde bei natürlich schlagendem Herzen an. 4. Das Arzneimittel wird durch die Vena jugularis direkt in den Herzkreislauf gebracht, und wird seine Wirkung auf den Coronarkreislauf durch die größere oder geringere Ausflußmenge des Venenblutes aus der Vena coronaria erkannt. 5. Dieselbe wird graphisch registriert a) durch ein Hebelwerk, das eine direkte Tropfenkurve schreibt oder b) durch den Pistonrekorder, der die Luftvolumveränderung eines Brodischen Systems durch das aus- fließende Blut als Kurve überträgt. 6. Aus der Vermehrung des Tropfenfalles (bzw. des ausfließenden Blutes) bei gleichzeitigem Absinken des Blutdruckes muß auf eine aktive Erweiterung, aus der Verminderung der Tropfenzahl bei erhöhtem Blut- druck auf eine aktive Verengerung der Coronargefäße geschlossen werden. 7. Zur ersten Gruppe der coronargefäßerweiternden Mittel gehören, Yohimbin, Vasotonin, Amylnitrit, Oxaphor, Nitroglyzerin, Digipurat, Kalium- odatium, event. Spermin. Zur zweiten Gruppe der coronargefäßverengernden Mittel gehört das Nikotin. 8. Eine dritte Gruppe wie Kampher, Adrenalin, Strophantin-g, Coffein erzeugen die Verbesserung der Coronardurchblutung durch erhöhten Blut- druck und Imido-Roche die vorübergehende Verschlechterung der Durch- blutung durch verminderten Blutdruck. 9. Strophantin-g setzt in allen möglichen Konzentrationen günstige Coronardurchblutungsverhältnisse, Digistrophan nur bei niedrigen Konzen- trationen bzw. therapeutischen Dosen. 10. Herzmittel müssen die Coronargefäße entweder unbeeinflußt lassen oder sie erweitern, keineswegs dürfen sie dieselben aber verengern. Archiv f. A.u.Ph. 1912. Physiol. Abtlg. 17 258 FELIX MEYER: WIRKUNG VERSCHIEDENER ARZNEIMITTEL USW. Literaturverzeichnis. T. W. Porter, Boston med. and chirurg. Journal. 1896. . Paul Maass, Pflügers Archiv f. die ges. Physiologie. 1899. Bd. LXXIY. E. A. Schäfer, Edinburgh Arch.d. Sei. Biol. St Petersburg (Festschrift) 1904. OÖ. Langendorff, Zentralblatt für Physiologie. ‘1907. Bd. XXI. . Schmiedeberg, Grundriß der Arzneimittellehre. 1895. S. 170. . J. Pahl, Wiener med. Wochenschrift. 1909. Nr 3. . Bayliss, Ergebnisse der Physiologie. 1906. 5. Jahrg. S. 339. . Kobert, Archiv für experim. Pathol. u. Pharmakol. 1887. Bd. XXII. S. 71. . Paldrock, Arbeiten des pharmakolog. Instituts zu Dorpat. . Kasztan, Archiv für experim. Patholog. u. Pharmakolog. 11. Pfaff-Theyrode, ebe:da. 1903. Bd. XLIX. S. 324. 12. E. Weber, Aktive Änderungen der arteriellen Blutfülle. Dies Archiv. 1910. Physiol. Abtlg. Suppl S. 377. 13. Brodie und Dixon, Journ. of Physiol. 1904. Vol. XXX. 14. Bradford und Philipps, ebenda. 1884. 15. Magnus und Gottlieb, Archiv für erperim. Pathologie u. Pharmakologie. Bd. LI. LVII. LVIIL. 16. E. Weber, Der Einfluß psychischer Vorgänge auf den Körper. Berlin 1910. Julius Springer. 17. Gärtner und Wagner, Wiener med. Wochenschr. 1887. Nr. 19. 18. Oswald Loeb, Archiv für experim. Pathologie und Pharmakologie. 1904. Bd. LI. 19. Müller, Über die Wirkung des Yohimbin auf den Herzmuskel. Dies Archiv. 1906. Physiol. Abtlg. Suppl. S. 391. 20. Loewy, Yohimbin. Therapie der Gegenwart. 6uli 1901. 21. Lauder und Brunton, Zancet. 1867. 22. OÖ. Loeb, Amylnitrit. Archiv für experim. Pathologie. und Pharmakologie. 1903. Bd.LI. S. 64. 23. J. Argyll Campbell, The effects of certain animal extracts upon the blood vessels. Quarterly Journal of experim. Physiology. Vol. IV. Nr.1. 24. Pahl, Deutsche med. Wochenschrift. 1911. Vol.]. 25. De Bonis and Susanna, Zentralblatt für Physiologie. 1909. Bd. XXIII. 26. O. Langendorff, ebenda. 1907. Bd. XXI. 27. Felix Meyer, Medizin. Klinik. 1912. Nr. 21. S.869. 28. Magnus und Gottlieb, Archiv für experim. Pathologie u Pharmakolsgie. Bi. XLVII, XLVIII u.LI. 29. M. Kaseztan, ebenda. 1910. Bd. LXIN. 20. Loeb, ebenda. 1904. Bd. LI. a 31. Mikuliczisch, zitiert von OÖ. Loewy. Mitteilungen des Vereins der Arzte Steiermarks. 1911. Nr. 10. 32. Eppinger u. Hess, Strophantin. 33. Meyer und Gottlieb, Exp. Pharmakologie. 1910. Urban u. Schwarzenberg- 34. Thaussig, Über Wirkungen des Jod bei Bleikolik. Wiener med. Wochen- schrift. 1902. Nr. 29. gi SpowÄanupmwm — Über einige mineralische Bestandteile der Schilddrüse. Von Sophie Morgenstern aus Warschau. (Aus dem chemischen Laboratorium der medizinischen Klinik der Universität Zürich. Direktor: Professor Dr. Eichhorst.) Immer mehr und mehr bricht sich die Erkenntnis von der großen Bedeutung der mineralischen Bestandteile für den Aufbau, das Wachstum und die Regeneration der Gewebe Bahn. Den Anstoß zu den Forschungen auf diesem Gebiet hat v. Liebig und seine Schule gegeben. Wenn es auch damals hieß, daß nur der wachsende Organismus der Mineralien zum Aufbau seiner Gewebe bedarf, so kann man heute auf Grund experimen- teller Forschungen sagen, daß ein normaler Ablauf des Stoffwechsels nur bei Gegenwart mineralischer Salze möglich ist. Verträgt ja der Organismus eher die Karenz, als das Fehlen derselben. Um die richtige Wertung den Mineralien im Haushalt des Organismus zu geben, dürfen wir sie nicht als direkte Energiequellen, sondern nur als Energievermittler ansprechen, wie wir es auch bei der heilbringenden Wirkung der Eisen-, (Quecksilber- und Jodsalze tun. Wie uns die schönen Versuche von Pfeffer und de Vries belehren, hängt der osmotische Druck der Pflanzenzelle von ihrem Salzgehalt ab. Genau die gleiche Arbeit haben die gelösten anorganischen Salze im tierischen Körper zu erfüllen, da sie es sind, die im Blute und in den Gewebssäften die osmotische Spannung nach allen Richtungen konstant er- halten und dadurch einen normalen Ablauf der Funktionen ermöglichen. Das ist jedoch nur ein Bruchteil ihrer Wirkung, die wir in ihrer ganzen Ausdehnung erst dann zu beurteilen imstande sind, wenn wir solche Faktoren, wie die Katalysatoren und Hormone berücksichtigen. Er 260 SOPHIE MORGENSTERN: Solange nur das von Wichtigkeit für den Körper zu sein schien, was als direkter Ersatz für verbrauchtes Gewebe gelten durfte, konnte der Wert der mineralischen Salze nicht richtig erkannt werden. Sobald man aber den Wert solcher Faktoren zu schätzen gelernt hat, die fast nichts von ihren wägbaren Bestandteilen abzugeben brauchen, um nur durch ihre Gegenwart am Bildungsorte selbst oder an weit von ihm entfernter Stelle fördernd auf physiologische Vorgänge einzuwirken, ist auch die Zeit für die richtige Beurteilung der mineralischen Salze gekommen. Ihre höchste Dignität haben sie jedoch durch ihre Unentbehrlichkeit für das Leben des Zentralnervensystems erreicht. Hier scheinen ganz be- deutende Umwälzungen beim Fehlen der anorganischen Salze vorzugehen. Dabei hat es sich erwiesen, daß es hauptsächlich die Drüsen mit innerer Sekretion sind, welche in dem Austausch bestimmter Mineralien eine ganz bedeutende Rolle spielen, und man könnte fast an einen elektiven Vorgang bei der chemischen Affinität gewisser Mineralien zu bestimmten Organen denken. So hat man die Epithelkörperchen als Hauptstätte für den Kalk, die Schilddrüse für das Jod, in letzter Zeit auch für den Phosphor und die Milz für das Eisen gefunden. In ihrer Reihe nimmt unbedingt den ersten Rang die Schilddrüse ein, von deren Funktion der Ablauf des Stoffwechsels, die Entwicklung der Keimdrüsen, das Knochenwachstum, die Tätigkeit des Herzens, mancher Abschnitte des sympathischen Nervensystems und einer Anzahl von Drüsen mit innerer Sekretion abhängt. Seitdem die schweren Allgemeinerscheinungen bekannt sind, die das Fehlen dieser Drüse verursacht, wird sie als Ent- giftungsorgan par excellence, als Bildungsstätte von Stoffen, welche die von allen Teilen des Körpers herrührenden Toxine zu binden vermögen, be- trachtet. Das Schilddrüsensekret ist nach Biedl für eine Reihe von Organen und Gewebe im Sinne eines Hormons aufzufassen, indem es die Tätigkeit entfernter Teile modifizierend beeinflußt. Wenn wir sowohl diesen Zusammenhang, wie den Umstand berück- sichtigen, daß in der Funktion der Schilddrüse außer dem bekannten Jcd auch die andern mineralischen Bestandteile eine wichtige Rolle spielen könnten, so kann vielleicht die Bestimmung eines Teiles der anorganischen Salze der Schilddrüse einen geringen Anteil in der Erforschung des Chemis- mus dieses Körpers haben. Wir sind uns bewußt, daß die Bestimmung von mineralischen Be- standteilen eines der Leiche entnommenen Materials sich nicht: mit der Bestimmung der wirksamen Substanz der lebenden Drüse decken kann. In diesen Untersuchungen ist eine Trennung der Salze in ihre organischen und anorganischen Komplexe nicht vorgenommen worden, aber selbst, ÜBER EINIGE MINERALISCHE BESTANDTEILE DER SCHILDDRÜSE. 261 wenn eine solche erfolgt wäre, könnte man aus dem ermittelten anorgani- schen Teil schwierig auf das Mengenverhältnis, auf den als Fermente wirkenden, sowie auf den als freie Ionen repräsentierten Anteil in der lebenden Drüse schließen. Trotzdem uns diese Unzulänglichkeit der vorgenommenen Arbeit, sowie viele fast unüberwindliche technische Schwierigkeiten, wie Vermeidung von Gewichtsverlusten durch Verdunstung, Unvermögen beim Präparieren alle Gefäße, wie in der Schilddrüse zuweilen sich befindende Epithelkörperchen zu entfernen, nicht entgangen sind, wollen wir doch versuchen einige, vielleicht nicht ganz uninteressante Fragen hier zu beantworten. Und zwar: 1. sind die Gewichtsmengen in der ganzen Drüse für Ca, Mg, S, P, Cl und J unter ähnlichen Verhältnissen, z. B. ungefähr gleiches Alter, gleiche Krankheit, gleiches Gewicht der Drüsen, sich gleich oder variieren dieselben? Der erste Fall würde für ihre absolute Not- wendigkeit als Bestandteil der Schilddrüse sprechen, der zweite ihnen die Rolle von akzessorischen Faktoren zuteilen und das Fehlen derselben ihre Zufälligkeit dort, wo sie vorhanden waren, beweisen. Da wir die Bestandteile der Schilddrüse von zweierlei Standpunkten betrachten können: ihrer Notwendigkeit für die Erhaltung der Schilddrüse selbst und für den Organismus als Ganzes, so will mit der Bezeichnung der nicht lebenswichtigen Bestandteile der Schilddrüse nicht gesagt sein, daß dieselben für den Ablauf der Funktionen des Körpers nicht durchaus notwendig sind. Am besten kann diese Ansicht vom Verhalten des Jods unterstützt werden, welches in 12 auf 50 von uns untersuchten Fällen nicht gefunden wurde, obgleich es im Haushalt des Körpers eine so große Bedeutung hat. 2. Werden die einzelnen mineralischen Bestandteile in-ihrer Menge von den verschiedenen Krankheiten so beeinflußt, daß man ihr Auftreten in diesen Mengen als charakteristisch für dieselben auffassen darf? 3. Wie ist das Gewichtsverhältnis von in mehreren Fällen gleich groß gefundener Menge eines Bestandteils zum Gewicht der ganzen Drüse? 4. Wie verhalten sich die einzelnen Bestandteile in der strumös ent- arteten Schilddrüse? 5. Wie sind die einzelnen Bestandteile in verschiedenem Alter über- haupt und bei den einzelnen Krankheiten verteilt? 6. Treten die anorganischen Bestandteile in der männlichen und weib- lichen Schilddrüse in gleich großem Mengenverhältnis auf? Für die Bestimmungen wurde die Drüse in folgender Weise ver- arbeitet: nachdem die Drüse so frisch, wie nur möglich, in einem Nickel- tiegel gewogen wurde, setzte man etwa 20°“ 30 prozentige Kalilauge hinzu 262 SopHIE MORGENSTERN: und trocknete auf einem Luftbade vorsichtig ein. Der Trockenrückstand wurde verkohlt, mit verdünnter Salpetersäure extrahiert, filtriert und der Rückstand mit verdünnter Salpetersäure nachgewaschen. Das Filtrat wurde auf 250 «m aufgefüllt und nach den in C. Neubergs Handbuch für „Harn usw. Untersuchungen“, Berlin 1911, angegebenen Methoden verarbeitet. Die von uns für die Trockensubstanz ermittelten Werte waren höher als die von Oidtmann angegebenen. Letzterer fand bei einer alten Frau 17.75 Prozent, bei einem Kinde 22.79 Prozent Trockensubstanz, während unsere von Leichen mittleren Alters erhaltenen Werte zwischen 28 Prozent ‚bis 32 Prozent liegen. Die Anzahl der verarbeiteten Drüsen betrug 50 von Individuen im Alter von 15 Min. bis 84 Jahren. Für die Überlassung des Materials spreche ich Herrn Prof. Schmidt, Herrn Prof. Busse und Herrn Prof. Bleuler meinen verbindlichsten Dank aus. Das Material gestaltete sich so günstig, daß eine Einteilung in Gruppen von arteriosklerotischen, tuber- kulösen, an Pneumonie, Psychosen, primärer und sekundärer Anämie ge- storbener Patienten möglich war. Bei dieser Einteilung erzielten wir eine leichtere Übersicht und Schlußfolgerung für die einzelnen Krankheiten, sowie Vergleichung der Maximal-, Minimal- und Mittelwerte. Die zwei jüngsten Drüsen stammen von einem Neugeborenen und einem 5 Tage alten Kinde. Die erste war strumös entartet, die zweite normal. Wenn man bei dieser minimalen Zahl von Fällen Vergleiche anstellen darf, so muß man die hohen prozentualen Werte für Kalk, Schwefel und Phosphor der normalen Drüse im Verhältnis zu den Werten der strumösen berück- sichtigen. Beiden gemeinsam ist das Fehlen von Jod. Nach Albu und Neuberg sell das Jod „erst im extrauterinen Leben und dann auch langsam in den kindlichen Organismus eindringen; nach dem ersten Lebens- jahr ist eine geringe Quantität stets nachzuweisen. Nach langem Stadium eines individuell verschieden hohen Jodgehaltes scheint nach Baumann und Jolin eine senile Abnahme dieses Elementes stattzufinden.“ Eine vollständige Übereinstimmung mit dieser Behauptung ist auch aus den Tabellen VII, VIII und IX zu ersehen. Von den nur einzeln vertretenen Fällen sind ganz besonders hervor- zuheben die Werte bei perniziöser Anämie (6), bei der Kalk in 6.15 Prozent gegen sonst 0-50 bis 0-60 Prozent und Schwefel in 1-2 Prozent gegen sonst ungefähr 0-36 Prozent vorhanden war. Da die Schilddrüse ein Organ des intermediären Stoffwechsels ist, könnte man vielleicht den hohen Gehalt an diesen beiden Elementen mit der durch v. Moraczewski festgestellten vermehrten Ausscheidung von Kalk und Schwefel bei perniziöser Anämie in Zusammenhang bringen. | Bei Morbus Banti (5) finden wir einen ziemlich hohen Phosphorgehalt (0-68 Prozent), mit welchem nur der in einem Falle von Cholämie (16) ÜBER EINIGE MINERALISCHE BESTANDTEILE DER SCHILDDRÜSE. 263 gefundene Wert von 0.84 Prozent zu vergleichen wäre. Vielleicht könnte man diesen Befund in beiden Fällen auf den vermehrten Zerfall roter Blut- körperchen und der Anhäufung der Zerfallsprodukte auf ihrem Wege nach den Ausscheidungsorganen in der Schilddrüse zurückführen. Wenn wir die in den Tabellen I, II und III ermittelten Werte für die einzelnen Krankheitsgruppen durchmustern, so finden wir für den Kalk die höchsten prozentualen Werte bei den Psychosen (gewiß ist hier Arterio- sklerose häufig nicht auszuschließen), die kleinsten bei Tuberkulose, hingegen ° ist die kleinste zurückgehaltene Gewichtsmenge für alle Krankheitsgruppen ungefähr die gleiche, nämlich für Arteriosklerose 0-055 8%, für Tuberkulose 0.058 em, für Psychosen 0.062 =" und für Pneumonie 0.055 sw, Das Magnesium verlangt eine besondere Berücksichtigung und wird an anderer Stelle besprochen. Die größten Differenzen in seinen minimalen prozentualen Werten weist wohl der Schwefel in Form von SO, auf: 0-05 Prozent bei Psychosen und 0-14 Prozent bei Arteriosklerose, während die kleinsten Gewichtsmengen in den einzelnen Krankheitsgruppen sich fast gleich bleiben: 0.129 sa bei Arteriosklerose, 0-11 8”= bei Psychosen, 0-103 &”@ bei Tuber- kulose und 0-165 &% bei Pneumonie. Beim Phosphor (als P,O,) und Chlor (als NaCl) sehen wir ein umgekehrtes Verhalten; die kleinsten prozentualen Werte unterliegen keinen sehr großen Schwankungen: von 0-17 Prozent bei Psychosen bis 0-34 Prozent bei Pneumonie für den Phosphor und von 0-18 Prozent bei Psychosen bis 0.28 Prozent bei Arteriosklerose für das Chlor; die kleinsten Gewichtsmengen hingegen weisen große Unter- schiede auf: für den Phosphor 0.125 8% bei Arteriosklerose, 0-055 8” bei Tuberkulose, 0.087 em bei Psychosen, 0.117 &”@ bei Pneumonie, für das Chlor 0-15 s” bei Arteriosklerose, 0-037 &% bei Tuberkulose, 0.082 s&” bei Psychosen und 0-088 &w bei Pneumonie. Das Jod variiert in beiden Richtungen so sehr, daß man nur die eine Eigenschaft seines größten Wertes sowohl in kleinster prozentualer wie Gewichtsmenge bei Tuberkulose hervorheben kann, hingegen war es bei Arteriosklerose einmal auf 7, bei Tuberkulose 4mal auf 11 und bei Psychosen 6mal auf 17 überhaupt nicht vorhanden, wie es eigentlich bei hauptsächlich schweizerischen Drüsen nicht anders zu erwarten war. Die maximalen Mengen unterliegen so großen Schwankungen, daß sie uns höchstens die fast vollständige Unabhängigkeit in der Menge des Bestandteiles von dem Gewicht der Drüse beweisen könnten. Es sei nur noch darauf hingewiesen, daß die bei Tuberkulose gefundenen Mittelwerte in keinem Falle unter den bei andern Krankheiten festgestellten stehen und daher für die Schilddrüse die Lehre Robins von der De- mineralisation des Körpers bei Tuberkulose nicht zutrifft. 264 SOPHIE MORGENSTERN: Bei der Pneumonie sind die.Werte sowohl für die kleinsten prozentualen wie kleinsten (rewichtsmengen für alle Bestandteile, mit Ausnahme des Calciums (in Form von Ca0O), sehr hohe. Bei der Zusammenfassung der Strumen in eine Gruppe in der Tabelle IV ersieht man, daß 10 Magnesium (in Form von MgO) enthaltende Drüsen hierher gehören. Im ganzen war Maenesium in 11 Drüsen vorhanden: für den elften Fall konnte leider nicht ermittelt werden, ob die Schilddrüse strumös verändert war. Dieser Befund erlaubt uns vielleicht den Schluß zu ziehen, daß das Magnesium ein Bestandteil nur krankhaft veränderter Schilddrüsen ist und jedenfalls nicht zu den für ihre Erhaltung durchaus notwendigen gehört. Für die andern Bestandteile weisen die Strumen eine Verminderung der prozentualen Werte und sogar in manchen Fällen eine recht bedeutende, wie z. B. beim Phosphor (0-012 Prozent) auf, die kleinsten Gewichtsmengen sind für Schwefel, Phosphor und Jod ganz erheblich herabgesetzt, Calcium und Chlor hingegen weichen fast gar nicht von den bei der Einteilung in Krankheitsgruppen erhaltenen Werten ab. Es schien uns nicht uninteressant, die Durchschnittswerte für die männliche und weibliche Schilddrüse zu vergleichen, und haben wir zu diesem Zweck, wie Tabellen V und VI es zeigen, Werte für je 16 Drüsen ungefähr gleichen Alters, gleichen Gewichts und gleicher Krankheit zu- sammengestellt. Die erhaltenen Mittelwerte von prozentualen und Gewichtsmengen waren für alle Bestandteile der weiblichen Schilddrüse, mit Ausnahme des Chlors, größere als die der männlichen. Man könnte vielleicht diesen Be- fund mit den von Becquerel und Rodier beobachteten größeren Wasser- gehalt des weiblichen Blutes in Zusammenhang bringen, wenn nicht gerade das bei der Wasserretention am meisten beteiligte Chlor verhältnismäßig vermindert gefunden wäre, nämlich Z? Cl:?Ci=55:35. Schon Aristo- teles, wie viele Gelehrte des Mittelalters haben von dem größeren Wasser- gehalt des weiblichen Körpers gewußt, wie wir es in einer etwas grotesken Weise von dem polnischen Schriftsteller des XVI. Jahrhunderts „Andrzej z Kobylina in seinen „Gadki o skladnösei ezionköw eztowieczych‘‘ = „Er- zählungen von den Bestandteilen des menschlichen Körpers“ wiedergegeben finden.“ Vom Chlor ist durch v. Moraczewski eine Verminderung desselben im Blute bei Pneumonie festgestellt worden. Dasselbe Verhalten weist auch die Schilddrüse auf; dabei ist auch der Phosphor vermindert, so dab zum größten Teil sein Verhältnis zum Chlor ein umgekehrtes wird, wie in den andern Fällen. ‘(Siehe Tabelle I.) ÜBER FINIGE MINERALISCHE BESTANDTEILE DER SCHILDDRÜSE. 265 Während für das Blut auf Grund vieler Untersuchungen festgestellt worden ist, daß das Chlor von allen anorganischen Bestandteilen den größten Schwankungen in bezug auf Menge unterworfen ist, haben unsere Untersuchungen ergeben, daß es der konstanteste Bestandteil der Schild- drüse in bezug auf prozentuale Menge ist. Wenn wir die Tabellen VII, VIII und IX, in denen die Gruppierung nach dem Alter vorgenommen ist, vergleichen, so können nur die Mittel- werte unser Interesse erwecken, da alle übrigen so sehr variieren, daß man beim besten Willen aus ihnen keine Gesetzmäßigkeit ableiten kann. Die Mittelwerte für das Calcium sind für das Alter von 20 bis 36 Jahren und von 40 bis 58 Jahren dieselben — 0.78 Prozent, für das hohe Alter nur 0.46 Prozent. Beim Schwefel ist das Verhältnis ein anderes: die kleinsten Werte finden wir für das Alter von 20 bis 36 Jahren, die höchsten für 40 bis 58 Jahren und die mittleren für 59 bis 84 Jahren. Der Phosphor weist das gleiche Verhalten auf, nur macht sich hier beim Übergang vom mittleren Alter zum hohen ein bedeutender Abfall von 0-53 Prozent auf 0-36 Prozent bemerkbar. Das Chlor wird im größten Maße von der Schilddrüse im Alter von 59 bis 84 Jahren retiniert; 55 Prozent gegen 35 Prozent des mittleren und 43 Prozent des jüngeren Alters. Beim Jod ist sehr schön die von Baumann und Jolin aufgestellte Regel der Periodizität zu beobachten: im Alter von 20 bis 34 Jahren haben wir 0-015 Prozent, im nächsten Altersabschnitt 0-035 Prozent und im hohen Alter 0-01 Prozent Jod gefunden. | Beim Vergleichen der Ergebnisse für die verschiedenen Lebensalter bei einer und derselben Krankheit kommen meistens dieselben Resultate zur Beobachtung, welche für die verschiedenen Lebensalter überhaupt fest- gestellt worden sind. Auch hier ist die Stabilität des Mittelwertes für Chlor besonders auffallend. Die Tuberkulose weist im Verhalten des Phosphors und Schwefels eine ganz außerordentliche Unveränderlichkeit der Mittelwerte auf: für P: 0.59 Prozent, 0.58 Prozent und 0-57 Prozent, für Schwefel: 0-43 Prozent, 0.62 Prozent und 0-57 Prozent. Beim Kalk variieren die Mittelwerte sehr bedeutend. Das Jod macht auch hier den üblichen Kreislauf durch, indem es von 0.027 Prozent auf 0.05 Prozent aufsteigt, um dann auf 0.027 Prozent wieder herunterzugehen. Bei den Psychosen hält sich der Schwefel und das Chlor an enge Grenzen, während der Phosphor und das Calcium ziemlich große Ex- kursionen in ihren Mittelwerten aufweisen. 266 SOPHIE MORGENSTERN: Phosphor: 0-44 Prozent, 0-82 Prozent und 0-28 Prozent, Calcium 0.4 Prozent, 0-72 Prozent und 0-66 Prozent. Das Jod hält auch hier seine Periodizität inne. | Bei der Ermittelung der Werte für die Verteilung von ungefähr gleicher Menge eines Bestandteiles in den verschiedenen Drüsen, hat sich nichts Bindendes für das Gewicht der Drüse ergeben, da die gleiche Menge in Drüsen von geringem, wie bedeutendem Gewicht aufzuweisen war. Wenn wir jetzt am Schlusse unserer Untersuchungen auf die am An- fang der Arbeit aufgestellten Fragen zurückgreifen wollen, so finden wir als Antwort, daß gleiche Bedingungen: wie Alter, Geschlecht, zum Teil auch Krankheit von Einfluß auf die Menge, wie auf die Zusammensetzung eines Teiles der anorganischen Bestandteile der Schilddrüse sein kann. Wir konnten feststellen, daß der Neugeborene in seiner normalen Schilddrüse einen großen Vorrat von Calcium, Schwefel und Phosphor auf die Welt mitbringt, daß die weibliche Schilddrüse alle anorganischen Bestandteile, mit Ausnahme des Chlors, in größeren prozentualen Mengen enthält, daß das Magnesium nur in strumös entarteten Drüsen vorhanden, daß bei Morbus Banti und Cholämie der Phosphorgehalt erhöht ist, daß die Anämie zu Retention von sehr großen Mengen von Calcium und Schwefel führt, daß die Mittelwerte für die größte Zahl der von uns untersuchten Elemente im Greisenalter abnehmen. Meinem verehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. Eichhorst, spreche ich für die Anregung zu dieser Arbeit meinen besten Dank aus, ebenso Herrn Dr. Herzfeld, Assistent am chemischen Laboratorium der medizinischen Universitätsklinik, für seine Leitung und Unterstützung bei den chemischen Untersuchungen. ” d ÜBER EINIGE MINERALISCHE BESTANDTEILE DER SCHILDDRÜSE. 276 -urnoudoouoaxg "orLyuoA - — #80) FREr0|| 33-0 | 9983-0) 08-0 | gae°0| — — || 88°0 | 8830| gr-007 | “ 29 | emwoummp 'g 'y 2 |0I Bso -N9]%9 Kanton "998 BI -geuuy "wnoudoqouozsg 910-0 6F10-0 | FF+0 | 8E0F-0 | 87:0, 68-0) 98-0 | FFEE-O| 900-0) 6400-0 | 23-0 |EPEz-O | EH-T6 | “ SG | Oryuaa Bmonueg) ge 6 SunIsIpazsqy Yun sapIoffoo 79 "youaıed gunıg “ugsnıpydurk] Yuosau 'n "Teouogrıod -091 'p “Tagof dap ur uUASBISBIoM “OLa][dJ 909 80000-0/88000-0 | 67 °0 | LST-T|| 83-0 | GE9-0| S-O | 299-0 8900-0) 6110-0) ST-O | S9TF°O || 8-EL% “67 | -IS9A BmoUDIE VL | 8 "Iyu99U09 SIP.10O 610-0) = = - — — — — — — = — ——— ————— = — — ug BE — — —n= zog | 3 wıs |'zoag| us | zog wus | zog | wu || zog | wa || zorg wu osnıdq = eo De ee uagosLif | Aaıy osouseIgq B feN IO®N °o’a ‘os oSN 0% = z | guoıma9 3 -(Sunzyos110 7) I 9TI9ABL 269 ÜBER EINIGE MINERALISCHE BESTANDTEILE DER SCHILDDRÜSE. 780-0 28T0°0| 29-0 |2688-0| 29-0 |9892-0| 84-0 |6898-0|830-0192T0-0| 32-0 | 798-0 | TE-FE | | 9915 M[OJILM 60-0, 870-0207 | S6T-T, &-T EL08-O,FF-T ‚STIG-0,380°0 2880-0) 88-8 ,STE-T | TL-EOL 9419 MJBUIXEM 200°0/2€00°0| TE-0 | 280-0 85-0 | EE0-0,FT-0 2801-0) TE0-°0,8TT0-0) 20:0 | 8T0-0 | FS-IT | | 94.19 MIBUTUTM | og4 sıJ[3uruom 880-0 | EL00-0| F+0 860-0 2=0 |, G9TL-0)) 72207188270] |, 2— E 13:0 | LG90-0 | F°&6 19 "AIBANAeIN UL | 88 | USIOUINT, uapIofoy u9asaauı | AIUL 1099991 ‘soyewmigd -usıed ua YoIjmaız | uadderg "yuıg ©*proaukq, €30-0 | FL00-0 || 80-F | F86T-0 | FG-O | SS9T-O || 3L*O | FEIS-0 || 280-0 | 2L600°0 | 63-0 | G880-0 || 866 99 “uompnd qL "EV 2 |zE wÄegsusaed wunıg | | “ıqg "uommaadoanatg — >= 17-0 6859-0, 17-0 | CC6F-0| 83-0 | 766-0 880-0 | LE80-0 || 13-0 | 8850| IT-E0L 19 “uompnd qL "MH 2 | 18 => = 13-0 | CH85-0 | 38-0 | 81L5-0| 67-0 F0sF7-0| — == 68-0 | 8838-0 | 69-78 99 "uompnd ’oqL HD 2 |08 sOPIO][0d . | vmn.gg ‘sugıpjow sogoqe 10-0 | SL00-0|| Ts-O | F09T-O|| 97-0 | 688-0 | FI-O | LEUT-O — FE Tr°0 | 8G08°0|| 6881 cg “q “uompnd og] 9 5 | 65 SENIPPIIUDS 1a9p orsepdy “rei 60-0 | LFI0-0 | #2-0 6180-0] G6-0 | SST-O| 33-T 78610 | — — || 19-0 | 3290-0) 9291 3 | an IL 2 (san) |86 800-0 | LE00-0|| 87-0 | 8665-0) 97-0 8E°0|| 98-0 | 143-0 150-0 | 8GT0-O | G6-O | 4269-0 || 869 98 ‚uowpnd 'sqL 'd 9 2 |L3 -[ndjed ewn.gg G1I0-0 | 900-0 || LE-0 | LEET-O || 8-1 |CLOG-O || FF-L |8TI9G-0 | — = 88-8 | GEIG-T || C6-88 g “uoupnd 'oqL 1 u 5|93 90-0 | LE70-0 || 66-0 | 9#02-0 | 83-0 !C58T-0 | G-O | 9528-0 | — == 85-0 | G08T-0 || C0-F9 & "uompd oqL "v1 2 |C2 SOPIO]JOD erunıg< "fg I0OA 9TMOJOALÄqL, 7 == 68-0 | 108-0|| 58-0 |GL75°0 || 87-0 | GEE-0|| — 37; 910-0 | 8850-0 || 4-91 06 ‚uowpnd »oqgL, "MH 2 | #8 q4 SıgrSuruopt = | = || #0] 2990| 0 | sso-o| sr-o | 2u0| — | < | <= | <= |F69T | Ss | morsgngvenmm ‘cf E20 | 82 ‘zoIJ | wıS | 'zoIg mag zoıg | wis || zog | uud | zog | wı3 | zog | wıo I waıyef = a = | uogosıy | uf osopunyıaqany, B > g,,°5 & ‚dd { | feN DEN o’a 08 O3N 0% oroe aayıy ® u eı1ladeL | | | aaqeıj 2p pun® Su9ZIo] Sop Sunyay | -19 4 ‘otuoago "Toyoo]y 990-0) 280-0) üE-O | 9FT-O | 98-0! 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Kühne, Archiv für patholog. Anatomie. 1865. Bd. XXXIH. 8.79 und Untersuchungen aus dem physiologischen Institut der Universität Heidelberg. 1882. Bd. II. S. 133. * Ranvier, Legons d’Anatomie generale sur le systeme musculaire. Paris 1880. p- 229. 284 ARNT KOHLRAUDSCH: Meyer!, Krause).”e Grützner? fand, daß jeder Froschmuskel aus zwei verschiedenen Arten von Primitivfasern zusammengesetzt ist, aus dunklen, körnchenreichen, den roten, und hellen, körnchenarmen, den weißen Ka- ninchenmuskeln entsprechenden Fasern. Nach Grützner sind alle Wirbel- tiermuskeln aus diesen zwei Faserarten aufgebaut und je nach dem Vor- herrschen der ersten oder zweiten Faserart ist der Muskel rot oder weiß und zeigt die für die Fasern charakteristische verschiedenartige Funktion. Die roten Muskeln zucken weit langsamer als die weißen (Ranvier).* Der rote Soleus geht bei 4 Reizen pro Sekunde in unvollkommenen, bei 10 in stetigen Tetanus über. Der weiße Gastroknemius wird erst bei 20 bis 30 Reizen pro Sekunde vollständig tetanisiert (Kronecker und Stir- ling).® Die charakteristischen Unterschiede der Zuckungen roter und weißer Kaninchenmuskeln zeigen sich auch bei großen Belastungen (Cash).® Die Hubhöhe des Soleus ist bei Einzelzuckung weit geringer, als die des Gastroknemius, bei mittlerer Spannung stehen die Zuckungshöhen des roten und weißen Muskels im Verhältnis 1:3 bis 4. Im Tetanus ist das Ver- hältnis umgekehrt. Bei tetanischer Kontraktion ist unter gleicher Be- lastung die Hubhöhe des roten Muskels viel größer, als die des weißen (Grützner).” Vom Nerven aus sind die weißen Muskeln elektrisch wie mechanisch schon durch schwächere Reize erregbar, als die roten; bei direkter Reizung zeigen beide Muskeln keine nennenswerten Unterschiede ‘ der Reizbarkeit. Für tetanisierende Reize sind häufig die roten Muskeln besser erregbar (Rössner).® Die Erregung pflanzt sich im roten Cruralis des Kaninchens langsamer (3-4 m./sec.) fort, als im weißen Semimembra- nosus (5-4 bis 11-3 m./sec.) (Rollet).” Aus neuerer Zeit liegen ver- gleichende Untersuchungen von Paukul und Fischer vor. Paukul! verglich Bau und Funktion einer großen Zahl von Kaninchenmuskeln, er resümiert: „Die gleichmäßig verteilten von geringen Sarkoplasmalagen um- gebenen Muskelfibrillen kontrahieren sich schnell, die gruppierten durch reichlicheres Sarkoplasma getrennten Fibrillen langsam. Die verschiedenen Übergangsformen der Zuekungsformen erklären sich aus der Mischung ! Meyer, Dies Archiv. 1875. Physiol. Abtlg. S. 217. ®? Krause, Die Anatomie des Kaninchens. 1I. Aufl. Leipzig 1884. S. 49 ff. ® Grützner, Zur Physiologie und Histologie der Skelettmuskeln. Breslauer Ärztliche Zeitschrift. 1883. Nr. 24. '* Ranvier, Comptes rendus de l’ Acad. franc. 1873. T. LXXVII. p. 1030. ° Kronecker und Stirling, Dies Archiv. 1878. Physiol. Abtlg. 8.1. 6 Cash, Ebenda. 1880. Physiol. Abtlg. Suppl. 8. 147. ” Grützner, Zur Muskelphysiologie. Breslauer ärztl. Zeitschrift. 1886. Nr. 1. ® Rössner, Archiv für die gesamte Physiologie. 1900. Bd. LXXXI. S. 105. ® Rollet, Zbenda. 1892. Bd. LII. S. 201. 10 Paukul, a.a.O. ÜBER DAS ELEKTROMYOGRAMM ROTER UND WEISSER MUSKELN, 285 beider Faserarten in den einzelnen Muskeln.“ Fischer! verglich die Funk- tion von Soleus und Gastroknemius an Katzen, Kaninchen, Ratten und Meerschweinchen und fand u. a., daß sich die beiden Muskeln bei den ver- schiedenen Tieren ganz gleichartig verhalten, daß der rote Soleus bei allen 4 Tieren für seine Zuekung etwa die doppelte bis dreifache Zeit braucht, wie der weiße Gastroknemius, und daß der Ablauf der Erregung in den roten Fasern ein erheblich langsamerer iet, als in den weißen, während das Stadium der Latenz bei beiden Muskeln gleich lang ist. Nun hat schon im Jahre 1887 Lee? den Gedanken ausgesprochen, daß bei den Muskeln mit gedehnter Zuckung auch die elektrischen Er- scheinungen sich langsamer abspielen werden, als bei den anderen Muskeln; und 1908 hat Babkin? am langsam zuckenden Hyoglossus und schnell zuckenden Sartorius vom Frosch den zeitlichen Unterschied im Aktions- stromverlauf mit dem Kapillarelektrometer konstatieren können. Da ist es wohl zu vermuten, daß auch die Elektromyogramme der roten und weißen Säugermuskeln zeitliche Verschiedenheiten im Verlauf aufweisen werden. Auf Veranlassung von Herrn Prof. Dr. Piper habe ich daher die Ak- tionsströme dieser Muskeln am Saitengalvanometer untersucht. Methodik. Die Versuche wurden an Katzen und Kaninchen angestellt, und ich bediente mich nach dem Vorgange der meisten Autoren des Soleus als langsam und des Gastroknemius als schnell zuckenden Muskels, zumal da diese wegen ihrer leichten operativen Zugänglichkeit besonders gut für die Untersuchung der elektrischen Erscheinungen brauchbar sind. Ich möchte hier gleich bemerken, daß sich Katzen zu diesen Versuchen weit besser eignen als Kaninchen. Bei Katzen erhält man jedesmal unterhalb und oberhalb des nervösen Äquators den typischen doppelphasischen Aktions- strom. Bei Kaninchen ist das meist in gleicher Weise der Fall, manch- mal aber gelingt es auch nicht, einfache Aktionsstromkurven zu erhalten. Ich möchte es dahingestellt sein lassen, ob dies auf einer modifizierten Lage der Nervenendorgane in den Muskelfasern beruht, oder ob der Kaninchen- muskel leichter als der Katzenmuskel durch die operative Freilegung in seiner Funktion beeinträchtigt wird. Die hohe Empfindlichkeit des Ka- ninchenpräparates geht jedenfalls aus der Beobachtung hervor, daß die Muskeln nach Freilegung häufig in ununterbrochenes fibrilläres Zucken ı H. Fischer, Archiv für die gesamte Physiologie. 1908. Bd. CXXV. 8.541. ?2 Lee, Über die elektrischen Erscheinungen, welche die Muskelzuckungen be- gleiten. Ludwigs Arbeiten. 1887. ® Babkin, Archiv für die gesamte Physiologie. 1908. Bd. CXXV. S. 595. 286 ARNT KOHLRAUSCH: verfallen, eine Erscheinung, welche in gleicher Weise bei Katzen nicht auftritt. Zum Versuch bekamen die Tiere 1 g Urethan pro Kilogramm Körper- gewicht subkutan injiziert und nötigenfalls während der Operation noch eine leichte Äthernarkose. Sie wurden in’ Bauchlage auf dem Operationsbrett fixiert, die Haut an der Beugeseite einer Hinterextremität vom unteren Glutäalrande abwärts bis zum Ansatz der Achillessehne bis auf die Faszie gespalten und in größerem Umfange abpräpariert. Dann befreite ich unter sorgfältiger Schonung der Blutzirkulatiin den Gastroknemius von seiner Faszie, legte stumpf präparierend den Ischiadicus frei, band ihn möglichst hoch oben ab, durchtrennte ihn zentral der Unterbindungsstelle und holte unter möglichster Erhaltung sämtlicher Äste den peripheren Stumpf hervor. Nach Beendigung der Versuche am Gastroknemius legte ich an demselben, nötigenfalls am anderen Bein, den Soleus frei. Zuweilen habe ich auch gleichzeitig am Soleus des einen und am Gastroknemius des anderen Beins die Aktionsstromkurven aufgenommen; in welcher Weise ich diesbezüglich verfuhr, war ohne Einfluß auf das Resultat. Um den Soleus und seinen Nerven freizulegen, präparierte ich den Gastroknemius von seinem lateralen Rande her ab, durchtrennte ihn nahe seinem Ursprung und zog ihn weit medialwärts hinüber. Der Soleus liegt dann in voller Ausdehnung frei und bietet genügend Platz zum Ableiten der Ströme. Sein Nerv geht, wie dies Fischer! beschreibt, durch den Gastroknemius hindurch, verläuft eine Strecke weit zwischen Gastroknemius und Soleus und tritt etwa an der Grenze von mittlerem und oberem Drittel in den Soleus ein. Man kann ihn leicht im Gastroknemius zentralwärts verfolgen, um ihn in genügender Länge für die Reizung zu bekommen. Den Gastroknemius reizte ich vom Ischiadicus aus. Den Soleus von seinem isolierten Nerven mit absteigenden Öffnungsinduktionsschlägen. Die Spulen wurden einander soweit genähert, daß eine deutliche Öffnungs- aber noch keine Schließungszuckung erfolgte. Vom Gastroknemius benutzte ich nur die laterale Hälfte zum Ableiten der Ströme. Die Aktionsströme wurden mit in Kochsalzlösung getränkten, quer über den Muskel gelegten Woll- faden durch unpolarisierbare Tonelektroden zum großen Einthovenschen Saitengalvanometer (Edelmanns Werkstätten in München) abgeleitet und bei etwa 750facher Vergrößerung mit dem Cremerschen Fallapparat registriert. Im Galvanometer war eine Platinsaite von 9500 Ohm, die Fall- geschwindigkeit der Platte betrug während der Aufnahme 1-5 m./sec. Die Saitenspannung wurde so gewählt, daB das Projektionsbild der Saite bei 1 Millivolt Potentialdifferenz ohne sonstige Widerstände im Stromkreis einen ! Fischer, a.a. 0. ÜBER DAS ELEKTROMYOGRAMM ROTER UND WEISSER MUSKELN. 287 Ausschlag von etwa 8 mm machte. Die Zeit wurde mit einer Stimmgabel registriert, zunächst benutzte ich eine von 250 Schwingungen pro Sekunde, später eine von 100. Anfangs habe ich, um die durch die Abkühlung des Muskels eventuell bedingte, schlecht kontrollierbare Variable auszu- schalten, das Tier im feuchten Thermostaten bei Körpertemperatur ge- halten, da aber diese Versuche genau dieselben Resultate gaben, wie die bei Zimmertemperatur angestellten, habe ich später diese lästige Komplizierung der Versuchsanordnung wieder fortgelassen. Der Elektrodenabstand wurde je nach dem Untersuchungsziel verschieden groß gewählt, er ist jedesmal auf den beigegebenen Kurven vermerkt. Versuchsergebnisse. Zunächst habe ich den Hauptwert auf den zeitlichen Ablauf des Elek- tromyogramms gelegt. Die Elektroden wurden zu diesem Zweck in gleichem Abstand, gewöhnlich 15 mm, auf den roten und weißen Muskel aufgelegt und zwar unterhalb des nervösen Äquators, also in den unteren zwei Dritteln des Muskels. Man erhält dann einfache doppelphasische Aktions- ströme und beobachtet regelmäßig ohne Ausnahme, daß das gesamte Elek- tromyogramm des Soleus gedehnter verläuft, als das des Gastroknemius. Die Gesamtwellenlänge der Kurve und auch die Gipfelabstände sind größer bei dem langsam zuckenden Muskel. Bezüglich der Latenzzeit, vom Reiz- einbruch in den Galvanometerkreis bis zum Beginn der Aktionsstromkurve gerechnet, habe ich regelmäßige, einigermaßen deutliche Unterschiede zwischen roten und weißen Muskeln nicht gefunden. Die Latenzzeit ist bei beiden Muskeln annähernd gleich, eventuell ist sie bei dem roten Muskel um einen minimalen Bruchteil länger. Die Unterschiede der Wellenlängen und der Gipfelabstände sind recht beträchtlich und sofort in die Augen fallend (Fig. 1 bis 4). Geht man daran, zahlenmäßig das zeitliche Ver- hältnis von Wellenlänge und Gipfelabstand beim roten und weißen Muskel auszudrücken, so findet man, daß bei demselben Tier das Verhältnis auch bei einer großen Zahl von Versuchen und langer Versuchsdauer immer konstant ist, während von einem Tier zum anderen geringe Unterschiede vorkommen. Bei demselben Tier sind die Elektromyogramme des Gastro- knemius einerseits und des Soleus andererseits unter sich fast vollkommen kongruent. Mißt man das Verhältnis der Dauer der Aktionsströme (Wellenlängen) in den Kurven aus, so findet man, daß die Zeiten für den roten und weißen Muskel sich in der Regel wie 4:3 verhalten. Die Schwankungen von einem Tier zum anderen sind nur unbedeutend, und der meist gefundene Wert 4:3 ist gleichzeitig der Mittelwert aus den Ab- weichungen. Zwischen Katze und Kaninchen besteht kein Unterschied in 2838 ARNT KOHLRAUSCH: den Zahlenwerten. In demselben Verhältnis von etwa 4:3 stehen die Gipfel- abstände der Kurven und somit dürfte wohl auch die Fortpflanzungs- Fig. 1. Doppelphasischer Aktionsstrom vom weißen Musculus. Gastroknemius des Kaninchens bei Einzelzuckung. Ableitung von den unteren °/, des Muskels. Elektrodendistanz 15 "m, Stimmgabel: 250 Schwingungen pro Sekunde. Die erste kleine nach oben ge- richtete Zacke ist durch den Induktionsschlag bewirkt (Reizeinbruch in den Galvano- meterkreis). Alle Kurven sind von links nach rechts zu lesen. Fig. 2. Dasselbe vom roten Musculus. Soleus des Kaninchens. Gleiche Latenzzeit, längere Dauer des Aktionsstromes und größerer zeitlicher Abstand der Gipfelpunkte, (Verhältnis beim Soleus und Gastroknemius wie etwa 4:3.) geschwindigkeit der Erregungswelle beim Soleus und Gastroknemius etwa im Verhältnis 4:3 stehen. Wenn man den Elektrodenabstand ändert, so ändert sich im gleichen Sinne der Gipfelabstand in der Kurve, doch ge- ÜBER DAS ELEKTROMYOGRAMM ROTER UND WEISSER MUSKELN. 289 schieht dies nicht etwa so, daß der Gipfelabstand einfach proportional mit der Größe der Ableitungsstrecke variiert. Das liegt der Hauptsache nach daran, daß, wie Hermann! gezeigt hat, der doppelphasische Strom sich Fig. 3. Aktionsstrom vom weißen Musc. Gastroknemius der Katze. Elektrodenabstand 15"=. Stimmgabel: 100 Schwingungen pro Sekunde. Fig. 4. Dasselbe vom roten Musc. Soleus der Katze. Gleiche Latenz, längere Dauer und größerer Gipfelabstand der Stromwelle. (Verhältnis beim Soleus und Gastroknemius wie etwa 4:3.) durch Interferenz zweier einphasischer im Ableitungsstromkreis bildet, Der Gipfelabstand des doppelphasischen Stromes ist aber größer, als derjenige der beiden einphasischen Komponenten, welcher unbekannt bleibt. Wenn ı Hermann, Archiv für die gesamte Physiologie. 1878. Bd. XVI.. S. 235. Archiv f. A,u.Ph, 1912. Physiol. Abtlg. 19 290 ARNT KOHLRAUSCH: man aus dem Gipfelabstand des doppelphasischen Stroms die Fortpflanzungs- oeschwindigkeit der Erregungswelle berechnet, so erhält man demnach einen zu kleinen Wert, allein der Größenordnung nach kann man denselben wohl zu bestimmen versuchen und nach dieser Methode schätzt Hermann! und ebenso Piper? die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Erregungswelle in den menschlichen Unterarmflexoren auf 12 bis 15 m./sec. Piper? weist aber besonders eindringlich auf alle Bedenken hin, die einer solchen Berechnung entgegenstehen. Unter denselben Vorbehalten sei auch hier der Versuch gemacht, die Werte für die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Erregungs- welle im roten und weißen Muskel aus dem Gipfelabstand ihrer doppelphasischen Aktionsströme zu berechnen. Man erhält dann Zahlen von etwa 4 m./sec. für den roten und 6 m./sec. für den weißen Muskel. Diese direkt erhaltenen Werte sind jedoch zu klein, weil der Gipfelabstand der ein- phasischen Komponenten kleiner sein muß, als der des doppelphasischen Stromes. Wie groß aber die Korrektion ist, welche an den direkt berechneten Werten anzubringen wäre, kann nicht mit einiger Sicherheit Fig. 5. angegeben werden. Muskel mit Nerv, nervösem Äquator Im weiteren Verlauf der Versuche und den vier Ableitungspunkten. une ich untersucht, wie sich mit der Punkt 1 und 2 liegen oberhalb, SER . Punkt 3 und 4 unterhalb des nervösen Lokalisierung der Elektroden am Muskel Äquators. Punkt 1 und 4 liegen nahe der Verlauf der abgeleiteten Aktionsströme den Muskelenden, Punkt 2 liegt 10 ändert. Hermann? ist auf Grund von bis 15”® von Punkt 1, Punkt 3 10 Rneotomversuchen am Froschgastroknemius bis 15 © von 4 entfernt; leizteres nd an den menschlichen Unterarmflexoren richtet sich nach der Länge des : Maskels‘ zu derAnschauung gekommen, daßvoneiner etwaan derGrenzevomoberen und mittleren Drittel liegenden Muskelzone, dem nervösen Äquator, die Elektronegativitäts- welle bei Einzelzuckung nach oben und unten bis zu den beiden Muskel- enden verläuft. Mit dem Saitengalvanometer hat dann Piper“ die Aktions- <—. Nervöser Aequator ! Hermann, Archiv für die gesamte Physiologie. 1878. Bd. XVI. S. 419. 2 Piper, .Blektrophysiologie menschlicher Muskeln. (Verlag von Julius Springer.) Berlin 1912. Kap. IV. 8.37 ff. ® Hermann, Archiv für die gesamte Physiologie. Bd. XVI. S. 235 und 419. * Piper, Elektrophysiologie menschlicher Muskeln. (Verlag von Julius Springer.) Berlin 1912. Kap. Ill. 8.19 fi. ÜBER DAs ELEKTROMYOGRAMM ROTER UND WEISSER MUSKELN. 291 ströme der menschlichen Unterarmflexoren und Hoffmann! die des Frosch- gastroknemius bei Einzelzuckung untersucht. Bei all diesen Untersuchungen fand sich, daß nach Einzelreizung des motorischen Nerven die Erregungs- welle von einer mittleren Muskelzone aus („nervöser Äquator“ Hermann) Fig. 6. Gastroknemius der Katze. Die erste kleine Zacke ist der Reiz- einbruch. Die gestrickelte Kurve A ist gleich der Aktionsstromkurve A der Fig. 1, Taf. I, Ableitung von Punkt 3 und 4. Die gestrichelt punktierte Kurve 2 ist gleich der Aktionsstromkurve 3 der Fig. 1, Taf. I. Ableitung von Punkt 1 und2. Die ausgezogene Interferenz- kurve erhält man durch Super- position. Diese konstruierte Inter- ferenzkurve ist nahezu gleich der Kurve C, die man bei Ableitung von Punkt 1 und 4 erhält. Die Kurve C ist gleich der Kurve C in Fig. 1, Taf. I. Die Wende- punkte der konstruierten und tat- sächlich abgeleiteten Interferenz- kurve liegen nahezu auf gleichen Ordinaten. Alle Kurven sind von links nach rechts zu lesen. — TEEN rar | | zum oberen und eine von dort aus zum unteren Muskelende hin ablief. Leitete man vom oberen Muskelteil mit beiden Elektroden ab, so erhielt man einen doppelphasischen Strom, ebenso bei Ableitung mit beiden Elek- " Hoffmann, Dies Archiv. 1909. Physiol. Abtlg. $. 499. 19* 292 ARNT KOoHLRAUSCH: troden vom unteren Muskelteil, doch haben die Phasen in diesem Fall umgekehrte Richtung, verglichen mit der vom oberen Muskelabschnitt er- haltenen Stromkurve. Leitete man mit einer Elektrode vom oberen mit der anderen vom unteren Muskelabschnitt ab, so ergaben sich eigenartige Interferenzkurven, welche sich durch Konstruktion aus den doppelphasischen Teilströmen ableiten ließen. Es war die Frage, ob sich ähnliche Verhält- —— Fig. 7. Fig. 8. Dasselbe vom Soleus der Katze. Dasselbe vom Gastroknemius ‚des Kanin- er urn Die Kurven A, B und © sind gleich den chens. Die Kurven A, B und C'sind gleich Kurven A, B und C der Fig. 2, Taf. 1. den Kurven A, B und C der Fig. 3, Taf. 1. nisse für die hier untersuchten roten und weißen Muskeln würden nach- weisen lassen. Ich bin bei meinen Versuchen in ähnlicher Weise vorgegangen wie Piper und Hoffmann. Die Präparation des Soleus, Gastroknemius und ihrer Nerven war dieselbe, wie oben beschrieben. Auf den Muskeln wurden 4 Ableitungspunkte markiert, Punkt 1 und 2 oberhalb vom nervösen ÜBER DAS ELEKTROMYOGRAMM ROTER UND WEISSER MUSKELN. 293 Äquator und Punkt 3 und 4 unterhalb desselben (Fig. 5). Punkt 1 und 4 lagen nahe den Muskelenden, Punkt 2 10 bis 15 mm von 1 und Punkt 3 10 bis 15 mm von 4 entfernt. Letzteres richtete sich nach der Länge des betreffenden Muskels. Ich registrierte zunächst das Elektromyogramm bei Ableitung von Punkt 3 und 4 (Kurve A der Figg. 6 bis 9 und der Figuren auf Taf. I. Dann legte ich die Elektroden, ohne sie zu vertauschen, auf das obere Muskelende, so daß die Elektrode von Punkt 3 auf 1 kam und die von 4 auf 2 und nahm mit dieser Elektrodenlage das Elektromyogramm auf (Kurve 3 der Figg. 6 bis 9 und der Figuren auf Taf. I). Man erhält in beiden Fällen doppelphasische Ströme, aber mit u au Richtung der Phasen, ganz ähnlich wie es in den Ver- suchen von Hermann, Piper und Hoff- mann gefunden wurde. Zuletzt legte ich die Elektrode von Punkt 2 auf 4 und leitete vom oberen und unteren Muskel- ende ab (Kurve C' der Figg. 6 bis 9 und der Figuren auf Taf. I). Im letzteren Fall ist die registrierte Kurve meist drei- phasisch. Die von Punkt 3 und 4 (Kurve A) und von Punkt 1 und 2 (Kurve 2) auf- genommenen Kurven wurden mittels Pro- jektionslampe bei dreifacher Vergrößerung so auf Millimeterpapier gezeichnet, daß die Nullinien beider Kurven auf gleiche Abszissenachse fielen und die Reizzacken auf derselben ‘Ordinate lagen. Durch Superposition einer Reihe von Kurven- punkten gleicher Ordinaten, mithin gleicher Fig. 9. Zeitwerte, erhält man die resultierende Dasselbe vom Soleus des Kaninchens. Stromkurve (ausgezogen gezeichnet). Diese ee en = Er: Ges er konstruierte Stromkurve ist dreiphasisch Taf. 1. und stimmt mit der darunter gezeichne- ten, durch Ableitung von Punkt 1 und 4 direkt registrierten Kurve O sehr annähernd überein. Dadurch, daß es möglich ist, diese Kon- struktion auszuführen, ist der Nachweis erbracht, daß die bei Ableitung von Punkt 1 und 4 erhaltene dreiphasische Stromkurve durch Interferenz der beiden doppelphasischen Aktionsströme entstanden ist, welche bei Ab- leitung von Punkt 3 und 4 und Punkt 1 und 2 für sich dargestellt worden waren. Im gleichen Sinne spricht die Tatsache, daß die Aktionsströme eines Muskels, gleichgültig, von welchen Punkten sie abgeleitet sind, und gleichgültig, ob sie zwei- oder mehrphasisch sind, eine konstante Dauer 294 Arnt KoHLRAUSCH: (Wellenlänge) haben. Am Soleus und Gastroknemius von Katzen und Kaninchen läßt sich dieser entgegengesetzte Aktionsstromverlauf oberhalb und unterhalb des nervösen Äquators und die Übereinstimmung der kon- struierten Interferenzkurve mit der direkt registrierten nachweisen; dem- nach ist der Erregungsverlauf in diesen Muskeln der gleiche wie in den menschlichen Unterarmflexoren (Hermann, Piper) und im Gastro- knemius der Frösche (Hermann, Hoffmann). Zusammenfassung. 1. Im Soleus von Katzen und Kaninchen verläuft bei Einzel- zuckung die Elektronegativitätswelle langsamer als im Gastro- knemius; das Verhältnis der Ablaufgeschwindigkeiten ist etwa 4:3. Die Elektronegativitäts- oder Erregungswelle verläuft im Soleus mit etwa 4 m./sec. (unkorr.), im Gastroknemius mit etwa 6 m./sec. (unkorr.) Geschwindigkeit. 2. VomSoleus und Gastroknemius von Katzen und Kaninchen lassen sich bei Einzelzuckung oberhalb und unterhalb des ner- vösen Äquators doppelphasische Aktionsströme ableiten, die entgegengesetzte Phasenrichtung haben; die aus diesen beiden Stromkurven konstruierte Interferenzkurve stimmt weitgehend mit der von den beiden Muskelenden abgeleiteten Interferenz- kurve überein. Diese Tatsache beweist, daß, gleichwie in den menschlichen Unterarmflexoren und dem Froschgastroknemius, auch in diesen Muskeln die Erregungswelle in einer mittleren Muskelzone, dem nervösen Äquator, beginnt und von da aus nach beiden Muskelenden verläuft, wo sie erlischt. ÜBER DAS ELEKTROMYOGRAMM ROTER UND WEISSER MUSKELN. 295 Erklärung der Abbildungen. Tafel I. (Alle Kurven sind von links nach rechts zu lesen; die erste kleine Zacke ist stets der Reizeinbruch; Stimmgabel bei allen Aufnahmen 100 Schwin- gungen pro Sekunde. Es gehören jedesmal die drei nebeneinander stehenden Abbildungen A, B und ( zu einer Figur.) Fig. 1. Elektromyogramme vom Gastroknemius der Katze bei Reizung des Ischiadikus mit einem Öffnungsinduktionsschlag. A Ableitung von Punkt 3 und 4 unterhalb des nervösen Äquators mit einem Elektrodenabstand von 15==. B Ableitung von Punkt 1 und 2 oberhalb des nervösen Äquators mit einem Elektrodenabstand von 11m, C Ableitung von Punkt 1 und 4 oberhalb und unterhalb des nervösen Äquators mit einem Elektrodenabstand von 65"®, (Vgl. Textfig. 6.) Fig. 2. Dasselbe vom Soleus der Katze bei Reizung seines Nerven mit einem Öffnungsinduktionsschlag. A Ableitung von Punkt 3 und 4, Elektrodenabstand 10 ==, B Punkt 1 und 2, Elektrodenabstand 8==, C Punkt 1 und 4, Elektrodenabstand 20 "=. (Vgl. Textfig. 7.) Fig. 3. Dasselbe vom Gastroknemius des Kaninchens. Bei 4 Elektrodenabstand 12m, bei B Elektrodenabstand 12" und bei C Elektrodenabstand 48", (Vgl. Textfig. S.) Fig. 4. Dasselbe vom Soleus des Kaninchens. Bei A Elektrodenabstand 10", bei 3 Elektrodenabstand 10=® und bei C Elektrodenabstand 33 "=, (Vgl. Textfig. 9.) Über die Innervation einiger Muskeln des Oberschenkels im Abwischreflex des Rückenmarksfrosches. Von J. S. Beritoff, Assistent am Biologischen Laboratorium in St. Petersburg. I. Der Abwischreflex als ein Bewegungsmodus der Hinter- extremitäten. Der Verlauf des Abwischreflexes beim Frosch hat schon an anderem Orte eine nähere Darstellung erhalten.” Wenn wir einen Rückenmarks- frosch bei schwacher mechanischer oder elektrischer Hautreizung an den Vorderextremitäten, an den Flanken, am Rücken und an der Außenseite des Oberschenkels beobachten, so finden wir, daß der Oberschenkel der gereizten Seite zum Rumpfe herangezogen wird mit einer gleichzeitigen Beugung im Kniegelenk. Wenn der Reiz verstärkt wird, so vollbringt das Hinterbein ein Abreiben der gereizten Gegend mit den Fingern. Wenn vollständig, verläuft dieser Reflex wie folgt: zuerst wird die Hinterextremität an den Rumpf herangebracht und wischt mit den Fingern die gereizte Hautstelle ab; sodann wird die ganze Extremität senkrecht zu der Körper- achse ausgestreckt. Letztere Bewegung bezweckt ein Entfernen der Reiz- ursache. Auf eine kurze Reizung erfolgt der Reflex in der Regel nur ein einziges Mal, während einer andauernden Reizung oder nach sehr starken Reizen kann er aber auch mehrere Mal zustande kommen; dabei geschieht nach jeder senkrechten Ablenkung der Hinterextremität ein neues Heran- bringen derselben zur Reizstelle. J. Beritoff, Über reziproke Innervation der Skelettmuskeln bei der lokalen Strychninvergiftung des Rückenmarkes. Travauz du laboratoire de physiologie & l’uni- versite de St.-Petersbourg. IV—V. Annees 1909—1910. p. 241. J. S. BERITOFF: INNERVATION VON MUSKELN USW. 297 Dieser Reflex kann auch durch elektrische Reizung der sensiblen Nerven des ganzen oben angegebenen Rezeptivfeldes der Wischbewegung erreicht werden. Und zwar rufen ihn N. brachialis, Nn. cutanei spinales mediales (V, VI und VII), N. cut. femoralis lateralis (von der Haut über dem ‚M. triceps) hervor. Die Tatsache, daß der Abwischreflex von den sensiblen Nervenstämmchen aus erzeugt werden kann, widerspricht den älteren An- gaben von A. Fick.! Ihm zufolge führt die elektrische Reizung derselben zu einer unkoordinierten allgemeinen Kontraktion der Muskeln. Wie be- kannt, trennte Fick eine Hautstelle vom Rücken des Frosches ab, so daß diese nur durch einen sensiblen Nerven mit dem Organismus in Verbindung blieb. Durch mechanische Hautreizung konnte er den Reflex der Wisch- bewegung hervorrufen, während ihm dieses bei elektrischer Reizung des Nerven nicht gelingen wollte Er macht aber daneben die Bemerkung, daß das Ausbleiben des Wischreflexes sich keinesfalls allgemein beobachten ließ. Nicht selten war dieser Reflex nach Abschluß der Reizung auf- getreten. Identische Versuche mit Reizung der Spinalnerven, sowie auch anderer Nerven aus dem Rezeptivfeld des Abwischreflexes haben mich darüber belehrt, daß in der Tat die koordinierte Bewegung an der hinteren Extremität nicht selten ausfällt, doch ist in solchen Fällen entweder der Reiz ein zu starker, oder ist der Nerv durch beständiges Applizieren der elektrischen Reizung beschädigt worden. Unter günstigen Versuchsbe- dingungen, wenn der Nerv ganz frisch und der Reiz mäßig ist, tritt der Abwischreflex mit allen seinen charakteristischen Merkmalen ein, d. h. mit dem Heranziehen der Extremität an den Rumpf und mit der für diesen Reflex eigentümlichen Fingerbewegung. Es erhellt hieraus, daß ihrem Wesen nach die zentrale Nerventätigkeit dieselbe ist, ob die Haut oder der davon ausgehende Nerv gereizt werden. Ferner läßt sich auch bei Reizung der zentralen Stümpfe der hinteren Wurzeln vom III. Paar an (Pars brachialis) bis zum VIII. Paar (an der Haut über dem M. triceps) inkl., d. h. aller der Wurzeln, durch welche die sensiblen Fasern vom Rezeptivfeld des Abwischreflexes hindurchtreten, der gleiche Reflex erzielen. Es muß darauf hingewiesen werden, daß die Erscheinung der zu- sammengesetzten koordinierten Reflexbewegungen bei elektrischer Reizung der Nervenwurzeln in letzterer Zeit durch Sherrington am Kratzreflex der Katze festgestellt worden ist. Er hat nämlich nachgewiesen, daß der Kratzreflex hervorgerufen wird nicht allein bei Reizung an der Hautober- fläche des Rückens und an den Schultern, sondern auch von den zentralen ı A. Fick, Einige Bemerkungen über Reflexbewegungen. Pflügers Archiw. 1870. Bd. III. S. 326. 298 J. S. BERITOFF: Stümpfen der hinteren Wurzeln aus, die dem Rezeptivfeld des Kratz- veflexes entsprechen, z. B. vom I. und II. Paar der Zervikalwurzeln.! Endlich kann dieser Reflex auch bei elektrischer oder mechanischer Reizung der dorsalen Oberfläche des Rückenmarkes vom III. bis zum VIII. Segment inkl. hervorgerufen werden. Aller Wahrscheinlichkeit nach ergreift dabei die Erregung zunächst die Fasern der Hinterstränge, d. h. die Fort- setzung der sensiblen Wurzelfasern. Wieder ist es Sherrington gelungen, an Katzen den zusammengesetzten Kratzreflex bei elektrischer Rückenmarks- reizung zu beobachten, nämlich bei Reizung des Querschnittes durch den zervikalen Abschnitt des Rückenmarks.! Der charakteristische Verlauf des Abwischreflexes ist volle unab- hängig von der vorhandenen peripherischen Sensibilität an den Hinter- extremitäten, ja sogar von der Sensibilität im Rezeptivfeld dieses nämlichen Reflexes. Er kann nach dem Durchschneiden aller Hinterwurzeln der Pars lumbalis, sowie der P. thoracalis durch Reizung der Vorderextremität er- zeugt werden oder auch nach Durchtrennung überhaupt aller Hinterwurzeln des Rückenmarks bei mechanischer oder elektrischer Reizung der Dorsal- oberfläche von Pars thoracalis oder P. brachialis. (Im letzteren Falle wurde zunächst das Rückenmark vollkommen bloßgelest, so daß nur mit den Hinterextremitäten eine Verbindung bestand, wie dieses schon von Baglioni vorgenommen wurde.” Es mußten also von mir; noch die übriggebliebenen Hinterwurzeln der Pars lumbalis — VIII bis XI — durchschnitten werden.) Zu dieser Folgerung gelangt auch Sherrington in bezug auf den Kratz- reflex. Er konnte nämlich diesen Reflex nach dem Durchschneiden aller lumbalen Hinterwurzeln der entsprechenden Hinterextremität bei Reizung des zervikalen Rückenmarksabschnittes beobachten.? II. Das Verhalten der zweigelenkigen Muskeln des Oberschenkels im Abwischreflex. Das Verhalten zweier Muskeln, nämlich des Triceps und des Semiten- dinosus, verdient in diesem Reflex einer besonderen Beachtung. Beide gehören zweien Gelenken an: M. triceps ruft Beugung im Hüftgelenk und Streckung im Kniegelenk hervor, M. semitend. bewirkt das Entgegengesetzte. Aus dem geschilderten Verlauf der reflektorischen Bewegungen tritt es hervor, daß das Hüftgelenk während der ganzen Dauer des Reflexes im 1 C.S. Sherrington, Note on the Scratch-reflex of the Cat. Quarterly Journal of Experimental Physiology. 1912. Vol. III. p. 213—214. ® 8. Baglioni, Contributti alla fisiologia generale dei centri nervosi. Zeitschrift für allgemeine Physiologie. 1909. 8.1. ®C.S. Sherrington, ebenda. S. 219. INNERVATION VON MUSKELN DES ÜBERSCHENKELS IM ABWISCHREFLEX. 299 Beugezustand verharrt (der vom Oberschenkel und dem Rumpfe gebildete Winkel schwankt gewöhnlich zwischen 40° und 100°), wogegen der Zustand des Kniegelenkes im Reflex ein sehr veränderlicher ist und alle Stufen zwischen einer vollkommenen Beugung und einer vollkommenen Streckung durchlaufen kann. Hieraus könnte man folgern, daß im Abwischreflex beide gegebenen Muskeln positiv, d. h. mit einer Kontraktion betätigt sind. Aus den myographischen Aufzeichnungen ist es aber ersichtlich, daß der Triceps sich in diesem Reflex durch Kontraktion beteiligt, wogegen der Semit., die ganze Zeit während der Triceps sich in Erregung befindet, eine mehr oder weniger inten- sive Hemmung erleidet. Manchmal kann man auch am Semit. eine Kontraktion beobachten, doch tritt diese ganz zu Anfang der Erregung des M. tri- ceps auf. Jedenfalls fehlt die Kontraktion des Semit. zu der Zeit der energischen Erregung des Trieeps vollkommen. (Fig. 1.) In den meisten Fällen entwickelt sich jedoch Hemmung am Semit. gleich zu Anfang der Erregung des Triceps. (Fig. 2.) Die geschilderten mehr oder weniger reinen antagonistischen Effekte können vor allem an ganz normalen Fröschen beobachtet werden, d. h. an solchen, deren reflektorische Erregbarkeit durch keinerlei Einfluß, etwa durch Abkühlung, erhöht ist. Letzterenfalls sind sehr oft rein antagonistische Effekte nur bei subminimalen Reizen zu erhalten; Fig. 1. bei stärkerer Reizung wird dagegen die Erregung Muskeln: Trie. dex. (ob. auch am Semitendinosus angedeutet sein. Diese Kurve) und Semit. dex. letztere ist aber stets unbedeutend, nimmt mit der (antere Kurve). Se 3 Der Markierer zeichnet wachsenden Reizstärke nur wenig zu und, was be- Bee sonders hervorzuheben ist, stets besteht daneben Kältefrosch. der ursprüngliche Hemmungszustand.! | Auf die Hemmung des Semit. während des Abwischreflexes mußte zunächst aus dem Umstande geschlossen werden, daß dieser Muskel manch- mal eine unter die Abszisse sinkende Linie zu dieser Zeit zeichnet, und zwar bei starker tonischer Erregung des Präparates, wie das bei Kälte- fröschen der Fall ist. Fig. 1 gibt einen solchen Effekt wieder. Nicht weniger anschaulich tritt es aber auf jedem Präparat aus Kombinations- ! Siehe über diese charakteristischen Erscheinungen an Kältefröschen in meiner Arbeit: Über die gegenseitige Wirkung der koordinierenden Reflexapparate des Rücken- markes. Builetin du laboratoire biologique de St.-Petersbourg. 1912. Vol. XII. Lief. 1. p- 13. 300 J. S. BERITOFF: versuchen hervor, wo zu der den Abwischreflex vermittelnden Reizung eine Reizung der Nerven aus dem Rezeptivfeld der Beugung (Peroneus, Super- ficialis) hinzugefügt wurde. Im Beugungsreflex des Rückenmarksfrosches wird bei schwachen Reizen nur der Semit., bei stärkeren auch der Triceps kontrahiert. Doch bleibt die Tricepskontraktion stets viel schwächer und wird gewöhnlich von einer mehr oder weniger ausgesprochenen Hemmung begleitet. Indem wir z. B. durch Reizung des N. peroneus den Beugungs- reflex hervorrufen und dann eine Reizung im Rezeptivfeld des Abwisch- Ts) B.8.60)35. m Bali. [EST ESS Par Er ER ER a War Sr rar Er AÄAdLLA rg GEL Fig. 2. Muskeln: Semit. sin. (obere Kurve) und Triceps sin. (untere Kurve). Reizung des N. brachialis (obere Signallinie) und des N. peroneus (mittlere Signallinie). Die untere Linie markiert die Zeit per 1 Sekunde. Auf dem Myogramm werden zwei Versuche verzeichnet: der erste bei Reizung des N. brachialis allein, der zweite dagegen bei Kombination derselben mit der Reizung des N. peroneus. reflexes ausüben, werden wir ein um so mehr intensives Erschlaffen der am Semit. bestehenden Kontraktion beobachten, je mehr intensiv sich der Triceps unter dem Einfluß der zweiten Reizung kontrahiert. Zur Ver- anschaulichung dieser Erscheinung ist Fig. 2 beigefügt. Es fragt sich nun, auf welche Weise wohi die nötige Beugung im Kniegelenk erzielt wird, wenn der Semit. sich im Zustande einer voll- kommenen Hemmung befindet. Es stellt sich heraus, daß alle Beugungs- muskeln des Kniegelenkes, die. gleich dem Semit. gleichzeitig mit der Beugung im Kniegelenk eine Streckung im Hüftgelenk bedingen müssen, INNERVATION VON MUSKELN DES ÜBERSCHENKELS IM ABWISCHREFLEX, 301 als da sind: Graeilis major und Semimembranosus, im Abwischreflex eine bedeutende Hemmung erleiden. Dagegen werden diejenigen Beugmuskeln des Kniegelenkes, die zugleich eine Beugung im Hüftgelenk hervorrufen können, wie Sartorius und lleofibularis, gleich dem Triceps kontrahiert. Die Kontraktion des M. ileofibularis kann nicht immer eine Beugung im Hüftgelenk bedingen; doch liegt nach den Untersuchungen von Lombard und Abbot! die Möglichkeit dazu vor, wenn der Winkel am Hüftgelenk weniger denn 90° beträgt und der Oberschenkel in der Ebene des Rumpfes liegt. Beide Bedingungen sind in dem Abwischreflex erfüllt. Also kann die Erregung des Ileofibularis und des Sartorius im Abwischreflexe die nötige Beugung im Kniegelenk besorgen. Ein solches Zusammenwirken der genannten zweigelenkigen Muskeln im Abwischreflex darf uns nicht als etwas Absonderliches auffallen, Den Untersuchungen von Lombard und Abbot nach sind Mm. semitendinosus, gracilis major und semimembranosus starke Streckmuskeln im Hüftgelenk und es ruft die Reizung des Plexus lumbalis bei Durchtrennung aller Muskeln des Oberschenkels mit Ausnahme der angeführten sowie des M. triceps eine Streckung im Hüftgelenk hervor. Es überwindet also in diesem Gelenke die extensorische Tätigkeit der Mm. semitendinosus, semimem- branosus und gracilis major die flexorische Tätigkeit aller drei Teile des M. triceps. Hieraus folgt der Schluß, daß eine Hemmung der ersteren Muskeln für das Zustandekommen des Abwischaktes unumgänglich not- wendig ist, da dieser einen konstanten Beugungszustand des Hüftgelenkes erfordert. Diesen Schluß habe ich folgendermaßen experimentell begründen können. Auf einem Rückenmarksfrosch werden alle eingelenkigen Muskeln des Hüftgelenks durchschnitten. Folglich konnten auf dieses Gelenk nur die zweigelenkigen einwirken, also Mm, triceps, semitendinosus, semimem- branosus, gracilis maj., sartorius und ileofibularis, Sodann wurden mittels mechanischer Hautreizung Abwisch- und Beugereaktionen eingeleitet. Es verlaufen sowohl der Abwischreflex als auch der Beugungsreflex nach der angegebenen Operation beinahe normal, d. h. es bewahrt sowohl das Hüft- gelenk als auch das Kniegelenk die Fähigkeit einer vollkommenen Beugung. (Es ist zu bemerken, daß im Beugungsreflex Mm. gracilis maj. und semi- membranosus entweder überhaupt keine oder nur eine sehr schwache Kon- traktion aufweisen.) Dagegen bleibt diese Beugungsfähigkeit des Hüft- gelenkes bei allgemeiner Strychninvergiftung des Rückenmarks vollkommen aus. Auf jeden Reiz im Rezeptivfeld der Abwischbewegung oder der Beugung erfolgt eine Streckung der ganzen Extremität. Natürlich kann diese Ex- ! Lombard and Abbot, Individual Muscles of the Thigh of the Frog. Amerie. Journal of Physiology. 1907. Vol. XX. 302 J. S. BERITOFF: tension im Hüftgelenk, die bei der Kontraktion der ganzen Muskulatur des Oberschenkels geschieht, nur durch die extensorische Wirkung der Mm. semimembr., grac. maj. und semitend. auf dieses Gelenk bewirkt sein. Die Versuche zeigten, daß auf diesen vergifteten Präparaten nach dem Durchschneiden der drei genannten Muskeln die Extremität mit der Streekung in der Richtung der Körperachse aufhört: die Extremität bildet nunmehr einen Winkel mit der Längsachse. III. Das Ausbleiben der Exaltationsphase in den Muskeln nach der Hemmung im Abwischreflex. Den Versuchen mit Reizungskombinationen nach zu urteilen, nimmt die Intensität der Hemmung des Semitend. im Abwischreflex mit der zu- nehmenden Reizstärke ebenfalls zu. Besonders hervorzuheben ist aber, daß auf eine noch so starke Hemmung meist keine Kontraktion folst. Wie es nun, vor allem aus Sherringtons Angaben, bekannt ist, wird sowohl die Hemmung der Streckmuskeln im Beugungsreflex, als auch die der Beuge- muskeln im Streckungsreflex ‚bei gewisser‘ Intensität dieser Reaktionen, in der Regel durch Kontraktion der genannten Muskeln abgelöst (rebound contraction, post-inhibitory exeitation). Diese Kontraktion ist um so stärker, je stärker die vorausgegangene Hemmung war.! Dieser Reaktionswechsel bleibt nun im Abwischreflex aus. Es verläuft die Hemmung ungeachtet ihrer Intensität und Dauer gewöhnlich ohne nachfolgende Kontraktion. Dieses läßt sich sowohl an solchen Präparaten, die keinen Tonus aufweisen, als auch an tonischen, z. B. an Kältefröschen nachweisen. Wohl sind einige Ausnahmefälle zu verzeichnen — mit ausgiebiger Semitendinosus- kontraktion nach der Hemmung, doch treten sie so selten und zufällig auf, daß keine allgemeine Regel für sie aufgestellt werden kann. In einer der angeführten Arbeiten hieß es?, daß bei lokaler Strychnin- vergiftung der dorsalen Rückenmarksoberfläche im Gebiete der Segmente III bis VIII die zentrale Tätigkeit sich sowohl in bezug auf peripherische Reiz- barkeit des entsprechenden Rezeptivfeldes des Abwischreflexes, als auch auf die Intensität der reziproken Reaktionen in hohem Maße gesteigert zeigt. Und zwar: die Erregung des Triceps und die Hemmung des Semitendinosus ı Ch. 8. Sherrington, Integrai. Action ot Nervous System. p. 203—214. New-York 1906. — Ninth Note. Proc. Roy. Soc. 1906 B. Vol. LXXVII. p.478. — Eleventh Note. Zbenda. 1908 B. Vol. LXXX. p.53. — Flexion-reflex of the Limb etc. Journ. of Physiol. 1910. Vol. XL. p. 69—71, 85—103. ? J. Beritoff, Über reziproke Innervation usw. Travaux du laboratoire de physiologie a l’universite de St.-Petersbourg. I—V. Annees 1909-1910. p. 241. INNERVATION VON MUSKELN DES ÜBERSCHENKELS IM ABWISCHREFLEX. 303 erweisen sich als gleichartig gesteigert, wobei sie nicht nur durch schädigende Hautreize in dem entsprechenden Rezeptivfeld und durch Tetanisation der entsprechenden Nerven, sondern auch durch taktile Hautreizung, sowie B.s.(20) 40, an a Fig. 3. Sun. S.(H) 28.” Fig. 4. durch einzelne Induktionsschläge auf den Nerven, ausgelöst werden können, letzterenfalls also durch Reize, die unter normalen Umständen keineswegs wirksam sind. Sad 304 J. S, BERITOFF: Und doch folgt, trotz der bedeutenden Steigerung der zentralen Tätig- keit des vergifteten Gebietes, nach Abschluß der Reizung auf die Hemmung am Semit. nie eine Kontraktion. Wie ersichtlich, kann die Reizung des N. brachialis durch einen einzelnen Induktionsschlag bei Vergiftung des VI. bis VIII. Segmentes eine starke Er u reflektorische Kontraktion am & — Da Semit. der nämlichen Seite voll- kommen vernichten; es kann aber dabei weder eine solche Einzelreizung, noch eine Tetani- sation des Nerven zweiphasische Effekte, d. h. mit einer Exal- tationsphase nach der Hemmung an diesem Muskel erzeugen. Zur Veranschaulichung sollen Figg. 3, 4 und 5 dienen. Die zwei ersten sind von einem und demselben Präparat im ausge- sprochenen Vergiftungsstadium der P. brach. gewonnen: das erste bei Reizung des N. brach. durch einen Öffnungsschlag des Induktionsstromes, das zweite bei tetanischer Reizung desselben. Die Reizung wurde beidemal während des Beugungsreflexes appliziert (Reizung des N. super- fieialis). Wie aus den Kurven mit Deutlichkeit hervorgeht, weist sowohl die Kontraktion des Tri- ceps als auch die Hemmung des Semitendinosus eine bedeutende Intensität auf und dauert auch längere Zeit nach dem Aufhören der Reizung — 12 Sekunden auf Fig. 4. Doch tritt auf dem Semi- tendinosus keine Exaltationsphase hervor. Die gleichzeitig mit: der Tricepserschlaffung oder auch etwas später am Semitendinosus entstehende Kontraktion verdankt ‘0EWS'S “a = or N INNERVATION VON MUSKELN DES ÜBERSCHENKELS IM ABWISCHREFLEX. 305 ihren Ursprung der andauernden Reizung des N. superfic. Ohne diese letztere würde dieselbe, wie in Versuch B Fig. 5, ganz ausbleiben. Dieser Versuch ge- schah bei Vergiftung im VIII. Segment und bei Reizung des N. cut. femor. lat. Hier ist die den Semitendinosus ergreifendeHemmung dermaßen stark, daß die Reizung des N. superfic., welche zuvor an diesem Muskel eine be- deutende Kontraktion erzeugte (Vers. A.), nunmehr (während der reziproken Hemmungsreaktion) vollkommen erfolglos bleibt. IV. Die Reaktionen dieser Muskeln des Oberschenkels bei rhythmischem Verlauf des Abwischreflexes, Bei Reizung im Rezeptivfeld des Abwischreflexes bekommt die Reaktion des Triceps oft einen rhythmischen Verlauf. Diese rhythmische Kontraktion des Triceps kann- sowohl während einer andauernden Reizung, als auch nach einem kurzen aber starken Reiz erfolgen. Viel seltener läßt sich ein solcher Fig. 6. Muskeln: Triceps dex. (obere Kurve) und Semitend. dex. (untere Kurve). Der Markierer verzeichnet die Dauer der Hautreizung an der rechten Flanke durch pseudounipolare Ströme. Der Effekt am Triceps zeigt einen rhythmischen Charakter. Am Semitend. eine schwache Kontraktion nur zu Beginn der Reizung. 1 Für unipolare Reizung gebrauchte ich dieselbe Elektrode, welche 8. Baglioni in dem Artikel „Contributti alla fisiologia generale dei centri nervosi“. Zeitschrift für allgemeine Physiologie. 1909. 8.1, geschildert hatte, Das ist eine mit physiologischer Lösung gefüllte Glasröhre, aus welcher ein dünner Baumwollfaden herausragt. Dieser Faden wurde auf die zu reizende Stelle appliziert. Die andere Elektrode war diflus: nach demselben Prinzip aufgebaut, führte sie einen ganzen Büschel von Fäden und wurde in der Nähe der Reizstelle auf die Platte aufgelegt, auf der das Präparat be- festigt war. Archiv f. A.u.Ph. 1912. Physiol. Abtlg. 20 306 J. S. BERITOFF: rhythmischer Reaktionsverlauf auf Reizung der sensiblen Nerven desselben ° Rezeptivfeldes beobachten. Während der rhythmischen Tricepskontraktion verweilt der Semitend. sichtlich in seinem Ruhezustande. Nur in einigen Teilen zeigt dieser Muskel ganz zu Beginn der reflektorischen Reaktion eine leichte Kontraktion. Figg. 6 und 7 A zeigen solche rhythmischen Reaktionen. Dagegen zeigen Versuche, in denen zu dem genannten Reflex noch der Beugungsreflex hinzugesellt wurde, gleichzeitig mit der Triceps- kontraktion eine Hemmung am Semitend., welche gleichzeitig mit dem Eis. Fig. 7 B. Muskeln: Semit. sin. (obere Kurve) Das Präparat von Fig. 7A; dieselben und Trie. sin. (untere Kurve). Muskeln; dieselbe Reizung des N. brachialis Reizung des N. brachialis. erfolgt nun während einer Peroneusreizung. Nachlassen derselben ausfällt. Dieses ist aus Fig. 7 B ersichtlich. Dem- gemäß besteht entsprechend der rhythmischen Kontraktion am Triceps eine rhythmische Hemmung am Semitend. Es ist noch zu vermerken, daß die auf jede Reflexäußerung folgende Ruhepause mit jeder Wiederholung des Reflexes zunimmt. Der geschilderte Charakter der Triceps- und Semitendinosusreaktionen im Falle von rhythmischem Reaktionsverlauf des, Abwischreflexes zeugt dafür, daß die koordinierende Tätigkeit der reflektorischen Zentren der Abwischbewegung nicht nach dem Prinzip der sogen. sukzessiven Spinal- induktion, welche die rhythmischen Reflexe von lokomotorischem Charakter bedingt, verlaufen kann. In den letzteren setzt sich nämlich der rhyth- mische Reflex aus regelmäßig abwechselnden Flexions- und Extensions- INNERVATION VON MUSKELN DES ÜBERSCHENKELS IM ABWISCHREFLEX. 307 bewegungen zusammen. Aus den vorausgeschickten Angaben über den rhythmischen Verlauf des Abwischreflexes ist dagegen zu folgern, daß in diesem Falle ein mehrfaches Wiederholen ein und desselben Reflexes vorliegt, wobei die Extremität zwischen je zwei aufeinanderfolgenden Be- wegungen einen mehr oder weniger ausgesprochenen Ruhezustand eingeht. Demgemäß müssen wir, von der äußeren Reflexbetätigung ausgehend, zu dem Schlusse gelangen, daß der Koordinationsapparat der Abwischbewegung bei andauernder Reizung oder nach kurzen aber starken Reizen wiederholt mit gleichen reziproken Innervationen reagiert, die mit Ruhepausen alternieren. V. Die Betätigung der anderseitigen Hinterextremität im Abwischreflex. Die Erscheinungen, die sich während des Abwischreflexes an der anderseitigen Hinterextremität beobachten lassen, sind ebenfalls charak- teristisch genug. Dieselbe gerät in eine Beugung im Kniegelenk und zu- gleich läßt die im Hüftgelenk bis auf diesen Augenblick bestehende Beugung nach. Dies tritt besonders deutlich hervor bei der Kombination von Ab- / We 2. —— 8:00 B.4.H0N. : a EN Br EI Fig. 8. Muskeln: Semit. sin. (obere Kurve) und Trie. sin. (untere Kurve). Der obere Markierer verzeichnet die Reizung des N. brachialis sin., der mittlere die Reizung des N. brach. dext. Die untere Linie markiert die Zeit per 1 Sekunde. Es werden zwei Versuche gegeben: der erste bei alleiniger Reizung des anderseitigen N. brachialis, der zweite dagegen bei Kombination dieses Reizes mit der Reizung des entsprechenden gleichseitigen Nerven. Das Myogramm stammt von demselben Präparat wie Fig. 2. 20* 308 J. S. BERITOFF: wischreflexen der beiden Körperseiten. Wenn man diesen Reflex zunächst auf der einen und dann auf der anderen Körperseite einleitet, so wird der auf der ersten Seite hervorgerufene Effekt ganz unterdrückt und nur durch eine schwache Beugung im Kniegelenk ersetzt. Myographische Auf- zeichnungen zeigen, daß es sich in diesem Falle um eine Erregung des Semit. und eine Hemmung des Triceps handelt, d. h. das Verhalten der Muskeln ein Gegenstück zu dem der anderen Extremität bildet (Fig. 8, Versuch 2). Es ist noch zu verzeichnen, daß im Falle von andauernden gleichzeitigen Reizungen in den Rezeptivfeldern der beiden Körperseiten (resp. der ent- sprechenden Nerven) der Abwischreflex manchmal höchst regelmäßig ab- wechselnd bald an der linken, bald an der rechten Seite verläuft. Die erwähnte Tricepshemmung ist recht oft keine ausschließliche: in das allgemeine Hemmunsgsbild greift eine minimale Kontraktion ein (Fig. 8, Vers. 1). Immerhin kann die Doppelinnervation des Triceps eine bedeutende Schwä- chung der in dem Muskel vorhandenen reflektorischen Kontraktion ausüben (Vers. 2). Wie in der abwischenden Pfote folgt auf die Hemmung gewöhn- lich keine Kontraktion. Es wird also die Hemmung des Triceps, so stark sie-auch sein möchte, d. h. bei jeder Stärke und Dauer der Reizung durch keine Exaltationsphase nach dem Aufhören der letzteren abgelöst. Es ist notwendig, noch den Umstand zu erwähnen, daß an einigen Präparaten die gekreuzten Innervationen ganz unabhängig von Reizungs- stärke und -modus einen vollkommen verkehrten Charakter aufweisen: es tritt am Triceps eine starke Kontraktion auf, während der Semit. in einen schwachen. gehemmten Kontraktionszustand verfällt. VJ. Der Abwischreflex nach allgemeiner Hemmung der Muskein der Hinterextremität bei Reizung des N. cut. femor. lat. oder der VIII. Hinterwurzel. An einigen Präparaten konnte ich manchmal auf kurze Reize des N. cut. femor. lat. oder der VIII. Hinterwurzel beobachten, daß der Ab- wischreflex nicht während der Reizung, sondern nach dem Einstellen der- selben erfolgte, wie dieses schon von Fick mitgeteilt war.! Während der Reizung verbleibt die Extremität dem Anscheine nach im Ruhezustande. Wird dagegen diese reflektorische Reizung während des Beugungsreflexes appliziert, so wird dieser letztere für die Zeit dieser Reizung vollkommen gehemmt: die Kontraktion des Semit., wie die des Triceps lassen nach; LA, Fick, Einige Bemerkungen über Reflexbewegungen. Pflügers Archiv. 1870. Bd. Ill. 8.326. INNERVATION VON MUSKELN DES ÜBERSCHENKELS IM ABWISOHREFLEX. 309 nach dem Aufheben der Reizung stellt sich auf dem letzteren Muskel der Kontraktionszustand wieder ein, während der andere noch immer ge- hemmt wird. Figg. 9 und 10 sollen diese Verhältnisse darstellen. Fig. 9 führt drei Versuche vor, alle mit Reizung der VIII. Hinterwurzel. Der erste Versuch, bei schwächerer Reizung (40 ® R.-A.) ausgeführt, zeigt noch keinen Abwischreflex; der andere, bei verhältnismäßig stärkerer Reizung (35 " R.-A.), weist eine einzige reflektorische Abwischbewegung nach dem Aufhören derselben auf; im dritten tritt der Reflex, durch eine noch stärkere Reizung (30 @ R.-A.) bedingt, wiederholt auf. In Fig. 10, von demselben Präparat wie Fig. 9 gewonnen, wird die Reizung der genannten Wurzel während des durch Peroneusreizung bedingten Beugungs- reflexes ausgeführt. Hier verweilt der Semitendinosus im Hemmungszustande sowohl während der Reizung der VII. Wurzel, als auch nach dem Aufhören derselben. Durch die nämliche Reizungskom- bination konnte festgestellt werden, daß nicht nur die genannten Muskeln, sondern gleichzeitig damit auch die anderen zweigelenkigen Muskeln des Oberschenkels: Mm. ileofibul., sartorius, semimembranosus und gracil. maj. eben- falls während der Reizung eine Hem- mung erleiden. Demnach muß die Hemmung für die Zeit der Reizung des N. cut. femor. lat. oder der VII. Hinterwurzel allgemein in der ganzen Extremität vorgeherrscht haben. Fig.11, von einem anderen Präparate verzeich- net, gibt die Effekte des Triceps und Sartorius bei Reizung des N. cut. femor. lat. wieder, wobei die Reizstärke in Versuch 1 schwächer denn in Versuch 2 bemessen ist. Da der Sartorius sich im Fig. 9. 310; J. S. BERITOFF: Abwischreflex gleich dem Triceps durch eine Kontraktion beteiligt, so reagiert dieser Muskel nach dem Aufhören der Reizung ebenfalls durch eine Kontraktion. Wird auf gleichen Präparaten eine längere Reizdauer angewandt, so entsteht die Abwischreaktion schon während der Reizung, natürlich nach einer Phase von allgemeiner Hemmung. Für gewöhnlich erweist sich in diesen Fällen die Abwischreaktion als gehemmt, was daraus erhellt, daß nach dem Einstellen der Reizung die Reaktion bedeutend zunimmt, wenn sie nur nicht bis zu diesem Moment überhaupt abgelaufen ist. (Vgl. Ver- such 2 und 3 in Fig. 11. Beide Versuche sind bei der gleichen Reizstärke, der zweite aber bei größerer Reizdauer ausgeführt). Fig. 10. Es kann die geschilderte allgemeine Hemmung der Hinterextremitäten- muskulatur mit darauffolgendem Abwischreflex nicht als das Ergebnis einer starken Reizung, nach dem Vorbild des Setschenowschen Reflexes! auf- ı Es ist von Prof. Wedensky gemeinsam mit Fürst A. Uchtomsky (1908) vor- geschlagen worden, die Erscheinung der allgemeinen Hemmung der Antagonisten mit darauffolgender verstärkter Kontraktion derselben nach dem Aufhören der Reizung mit dem Namen des Setscheno wschen Reflexes zu belegen, da dieselbe von Setschenow zuerst beobachtet und besehrieben worden ist: „Les reflexes des museles antagonistes sous Pinfluence des exeitations @lectriques du nerf sensitif.“ Travauz du laboratoire de physiologie ü lunwersite de St.-Petersbourg. Ill. An. 1908. p. 185. Später hat Graham Brown (1911) diesen Reflex geschildert, wobei er aber in den Irrtum ver- fällt, sich für den Entdecker desselben zu halten. „Studies in the Physiology of the Nervous System. IX: reflex terminal Phenomena etc.“ Quarterly Journal of Exper- Physiol. 1911. Vol. IV. p. 331. INNERVATION VON MUSKELN DES ÜBERSCHENKELS IM ÄABWISCHREFLEX. 311 gefaßt werden, da dieselbe sich schon bei minimalen Reizen beobachten läßt. Ja noch mehr, es läßt sich stets eine solche schwache Reizstärke auf- stellen, nach deren Aufhören wohl keine Kontraktionen auftreten, die aber dennoch einen Hemmungszustand der genannten Muskeln bedingt, was sofort mit Deutlichkeit hervortritt, wenn wir diesen Reiz mitten im Beugungs- reflex applizieren. 1.5. (H)28 (H) 22. Fig. 11. Muskeln: Tric. sin. (obere Kurve) und Sartor. sin. (untere Kurve). Es werden drei Versuche, alle mit Reizung des N. cut. femor. lat. sin. ausgeführt. In Versuch 1 beträgt die Reizstärke 25°” R.-A., in Versuch 2 ist sie bis auf 23°® R.-A. gestiegen. Versuch 3 behält die letztere Reizstärke, dafür ist hier die Reizdauer etwas größer genommen. Das Eintreten des Abwischreflexes nach dem Aufhören der Reizung, direkt nach der Hemmungsphase läßt keine Deutung im Sinne der Ex- tensionsphase zu, die ja ebenfalls direkt nach dem Aufhören der Reizung im Rezeptivfeld der Beugung eintritt. Diese letztere Extensionsphase folgt nämlich auf eine entgegengesetzte Flexionsphase, welche während der Reizung besteht. Demnach wird in einer jMuskelgruppe die Hemmung durch Erregung abgelöst, in einer anderen aber die Erregung — durch Hemmung. In unserem Falle erfolgt dagegen der Abwischreflex nach 312 J. S. BERITOFF: allgemeiner Hemmung: während die eine Muskelgruppe auf die Hem- mung eine Kontraktion folgen läßt, verharrt die andere noch immer im Hemmungszustande. Auf Grund alles Gesagten ist also zu folgern, daß als Hauptbedingung für den geschilderten Reaktionsverlauf folgende Tatsache anzunehmen ist: Möglichkeit eines solchen funktionellen Zustandes des Koordinationsmechanis- mus der Reflexbogen von der Haut über dem Triceps, wo auf den äußeren Reiz hin zuerst eine allgemeine Hemmung derselben Muskeln erfolgt, welche später auf eine oder auf die andere Weise im Abwischreflex betätigt sind. Eine gewisse Beachtung verdient das Verhalten dieses funktionellen Zustandes des gegebenen Koordinationsmechanismus gegenüber der unmittel- baren Strychnineinwirkung auf diesen Mechanismus. Als auf solchen Präparaten das VIII. Segment der Strychninvergiftung unterworfen wurde, so nahm entsprechend der Entwicklung des Vergiftungszustandes die Phase der allgemeinen Anfangshemmung allmählich ab; im ausgesprochenen Vergiftungsstadium ließen sich die gewöhnlichen reflektorischen Abwisch- reaktionen gleich zu Beginn der Reizung erhalten. Keine gültige Erklärung wäre für diesen radikalen Umschwung der zentralen Tätigkeit anzugeben. Periphrastisch ließe sich die Erscheinung folgendermaßen kennzeichnen: die Strychnineinwirkung hätte die normale Tätigkeit der Koordinationszentren der Abwischbewegung hergestellt, wohl bemerkt, wenn wir annehmen, daß der angegebene funktionelle Zustand jedenfalls als eine Abweichung von der Norm aufzufassen ist. VII. Über die Koordinationszentren des Abwischreflexes. Bei lokaler Vergiftung der dorsalen Rückenmarksoberfläche im Gebiete der Segmente III bis VIII weist die peripherische Sensibilität im Rezeptivfeld der Beugung, sowie in denjenigen Partien des Abwischfeldes, die keine Fasern den vergifteten Segmenten zusenden, keine Steigerung auf. Auch zeigen die Reaktionen, die durch Reizung in diesen Rezeptivfeldern bedingt werden, keine auf Strychninvergiftung zurückzuführende Veränderungen. Fig. 5 soll zur Veranschaulichung des Gesagten beitragen: Vers. A stellt dar die Reaktion auf Reizung der N. peron., Vers. B auf Reizung des N. cutan. femor. lat. Mit Rücksicht auf diese Tatsache gelangte ich zu dem folgenden Schluß: „die koordinierenden Apparate der Reflexbogen für die Abwisch- bewegung, die durch die III bis VIII Hinterwurzeln in Erregung versetzt werden, sind in dem Gebiete der entsprechenden Rückenmarkssegmente gelegen und funktionieren unabhängig von dem Koordinationsapparate der Reflexbogen der Beugung, die durch die IX und X Wurzeln erregt werden; INNERVATION VON MUSKELN DES ÜBERSCHENKELS IM ÄBWISCHREFLEX. 313 der letztere Apparat muß dagegen in das Gebiet des IX. und des X. Seg- mentes verlegt werden und es funktioniert derselbe unabhängig vom Koordinationsapparate des Abwischreflexes“. ! Untersuchungen mit Vergiftung der dorsalen Oberfläche des einen oder des anderen Segmentes in der P. lumbalis des Rückenmarksfrosches haben zu Tatsachen geführt, die gewissermaßen als ein Experimentum cerucis gegenüber der Frage von dem Koordinationsmechanismus des Ab- wischreflexes zu betrachten sind.” Nämlich, es wird bei einseitiger oder auch beiderseitiger dorso-lateraler Strychninvergiftung des IX. und X. Segmentes bedeutend gesteigert die Fähigkeit zu mehrphasischen regel- mäßig kombinierten Bewegungen der Hinterextremitäten auf einen kurzen Reiz im Rezeptivfeld der Beugung (bis auf 15 Phasen und noch mehr bei doppelseitiger Vergiftung, an Präparaten mit frei beweglichen Hinter- extremitäten.. Vor der Vergiftung ruft eine solche Reizung gewöhnlich einen einphasischen Beugungsreflex der entsprechenden Extremität hervor. Bei einseitiger Vergiftung sind die mehrphasischen Bewegungen stets von dem Typus des Gehens, bei doppeltseitiger aber auch vom Typus des Springens oder des Schwimmens. Dabei geht mit der Entwicklung des Vergiftungszustandes die Fähigkeit zu irgend welchen lokalen Reaktionen der Hinterextremität an der vergifteten Seite verloren. Nicht allein die Reizung der Haut über dem Tric. oder des N. cut. femor. lat., sondern auch an der Haut der Vorderextremität oder am N. brach. führen zu den angegebenen mehrphasischen Reaktionen. Doch findet diese letztere Er- scheinung statt nur unter der Bedingung eines Bestandes der peripherischen Sensibilität im Gebiet der Ausbreitung der Hinterwurzeln der vergifteten Segmente, d. h. bei einer Erregungsmöglichkeit des vergifteten Abschnittes durch peripherische Impulse sekundären Ursprungs. Versuche haben er- wiesen, daß nach Durchtrennung der IX. und X. Hinterwurzeln die Ver- giftung der gleichnamigen Segmente ebenfalls eine Ersetzung des auf Reizung der entsprechenden Wurzelstümpfe eintretenden einphasischen Beugungsreflexes durch den mehrphasischen mit vorläufiger Streckungs- phase ergibt. Daneben hat aber eine Reizung im Rezeptivfeld des Ab- wischreflexes, wenn auch im Gebiet des Oberschenkels ausgeführt, den ge- wöhnlichen Abwischreflex ohne jegliche Komplikation zur Folge, die auf den in Segment in IX und X herrschenden Vergiftungszustand zurück- zuführen wäre. Es muß also aus diesen Tatsachen gleichfalls auf die Gültigkeit des Satzes geschlossen werden, der schon, früher aufgestellt ı J. Beritoff, Über reziproke Innervation ete. Travauz du laboratoire de physio- logie ü l’universite de St.-Petersbourg. IY—V. An. 1909—1910. p. 299. 2 Diese neue Untersuchung soll demnächst in den Travauz du laboratoire de physiologie ü l’universite de St.-Petersbourg erscheinen. 314 J. S. BERITOFF: worden war, daß nämlich die Koordinationszentren der Abwischbewegung von denen der Beugung anatomisch und funktionell zu unterscheiden sind. Weiter erhellt es, daß die gewonnenen Tatsachen eine gleiche Bedeutung für das Verhältnis zwischen dem Abwischreflex und dem Streckungsreflex haben müssen. Und zwar führen sie zu der Annahme einer gleichen Unabhängigkeit der Koordinationszentren der Abwischbewegung von denen der Streckung. Weiter ist es aus Versuchen mit lokaler Vergiftung im Gebiete der III. bis VIII. Rückenmarkssegmentes ersichtlich, daß bei Ver- eiftung eines Rückenmarksabschnittes die zentrale Tätigkeit derjenigen Reflexbogen zunimmt, welche durch die dem vergifteten Abschnitt ent- sprechenden Hinterwurzeln hindurchtreten. So erleidet bei Vergiftung in der P. brach. der Abwischreflex von der Vorderextremität eine außer- ordentliche Steigerung, während derselbe Reflex von der Haut über dem Trie. aus erzeugt, seine normale Erregbarkeit beibehält. Entsprechendes läßt sich auch von der Vergiftung des VIII. Segmentes sagen. In diesem Falle kann der Abwischreflex von der Vorderextremität meistenteils seine normale Erregbarkeit bewahren, während der Reflex von der Haut über dem Triceps stets eine entsprechend hohe Zunahıne aufweist. Demnach wäre anzunehmen, daß dem ausgedehnten Rezeptivfeld des Abwisch- reflexes eine ebenfalls ausgedehnte Region von gleichartig funktionierenden Koordinationselementen im Rückenmark entspricht. Und es ist die am normalen Frosch gegebene reflektorische Abwischbewegung keineswegs ein Resultat der Tätigkeit aller Koordinationselemente des gegebenen Reflexes, sondern nur eines Teiles derselben, der im Niveau derjenigen Wurzeln liegt, durch welehe gewöhnlich die sensiblen Fasern von dem gereizten Abschnitt des Rezeptivfeldes hindurchtreten. Es ist interessant, darauf hinzuweisen, daß die von Eckhard (1847) zuerst festgestellte, später von Koschewnikoff (1868) und von Sher- rington beobachtete Tatsache nicht immer eintritt — und zwar, daß die Hautoberfläche des Oberschenkels etwa über dem Triceps ihre sensiblen Fasern von dem ersten Paar der Lumbalwurzeln, d. h. von dem VIII. Paar Eckers erhält.! In meinen Versuchen hat es sich herausgestellt, daß an einigen Exemplaren von Rana temporaria die angegebene Hautoberfläche ihre sensiblen Fasern dem zweiten Lumbal- paar, d.h. dem IX. Wurzelpaar zusendet. In solchen Fällen erwies sich die VIII. Hinterwurzel als sehr schwach ausgebildet und es hat eine Durch- trennung derselben weder einen Verlust, noch eine Schwächung der peri- ! Siehe die Zusammenfassung von G. van Rijnberk in dessen „Versuch einer Segmentalanatomie“. Zrgebnisse der Anatomie und Entwicklungsgeschichte. 1908. Bd. XVII. S. 472. INNERVATION VON MUSKELN DES ÜBERSCHENKELS IM ABWISCHREFLEX. 315 pherischen Sensibilität in der Haut über dem Triceps zur Folge. Dagegen beraubt eine Durchtrennung der IX. Hinterwurzel (bei unangegriffener ‘VIII. Wurzel) dieselbe vollkommen ihrer Sensibilität. In manchen anderen Fällen treten die sensiblen Fasern von der erwähnten Hautoberfläche zum Teil durch die IX., zum Teil aber auch durch die VIII. Hinterwurzel in das Mark. Es führt dann natürlich die Durchtrennung eines von ihnen zu keinem Sensibilitätsverlust in der gegebenen Partie des Oberschenkels. Versuche mit lokaler Vergiftung haben die gleichen Ergebnisse, wie an nor- malen Exemplaren geliefert. Die Vergiftung des IX. und X. Segmentes drückte sich also aus durch eine bedeutende Steigerung der peripherischen Sensibilität unterhalb des Kniegelenkes, sowie an den medialen Partien des Oberschenkels und zugleich durch das Auftreten der charakteristischen mehrphasischen Reaktionen auf die Reizung dieser Region hin. Eine Ver- giftung des VIII. Segmentes rief aber eine Zunahme der peripherischen Hautsensibilität über dem Tric. hervor und drückte sich zugleich durch starke Abwischbewegungen bei der Reizung an dieser Hautpartie aus. Demnach haben wir in den geschilderten Variationen ein sehr merk- würdiges Beispiel. einer Verlegung der Hinterwurzelfasern aus einem ana- tomischen Segment in ein anderes ohne Änderung der gewöhnlichen Be- ziehungen dieser Fasern zu den zentralen Elementen. VIII. Zusammenfassung. 1. Bei Rückenmarksfröschen besitzt der’ Abwischreflex, der sich durch ein Abreiben der gereizten Stelle mit den Fingern der gleichseitigen Ex- tremität bekundet, ein sehr ausgedehntes Rezeptivfeld.. Es umfaßt die -Hautoberfläche der Vorderextremitäten, am Rücken, an den Flanken und an der Außenseite des Oberschenkels. Derselbe Reflex kann auch durch elektrische Reizung aller sensiblen Nerven und der Hinterwurzeln (III bis VIII nach Ecker), die diesem Rezeptivfelde entsprechen, sowie durch elektrische oder mechanische Reizung der Hinterstränge der Segmente III bis VIII des Rückenmarkes erzeugt werden. In diesem Reflex werden von den zweigelenkigen Muskeln des Oberschenkels Triceps, Sartorius und lleofibularis kontrahiert, Semitendinosus, Semimembranosus und Gracilis major dagegen gehemmt. 2. Der Hemmungszustand, der sich in den letztgenannten Muskeln ausbildet, vergeht ohne nachfolgende Kontraktion. Dieses trifft sowohl für normale Präparate zu, als auch für die strychnine Vergiftung des Rücken- markes im Bereich der Segmente III bis VIII, wenn der Abwischreflex, welcher von der den vergifteten Segmenten entsprechenden Rezeptivregion aus erzeugt wird, eine außerordentliche Steigerung erleidet. 316 J. S. BERITOFF: INNERVATION VON MUSKELN USw. 3. Während einer andauernden Reizung oder auch auf kurzen, aber starken Reiz, kann die reflektorische Abwischbewegung wiederholt auftreten. In solchen Fällen zeichnen sich sowohl die Kontraktion am Triceps, als auch die Hemmung am Semitendinosus durch einen rhythmischen Charakter aus: beide entstehen gleichzeitig mit jeder reflektorischen Bewegung und vergehen ebenso gleichzeitig mit dem Aufhören derselben. 4. An der entgegengesetzten Extremität wird das Hüftgelenk für die Zeit des Abwischreflexes gestreckt, das Kniegelenk dagegen gebeugt. Dabei tritt am Semitendinosus ein Kontraktionszustand, am Triceps dagegen ein Hemmungszustand ein. 5. An einigen Präparaten erfolgt der Abwischreflex bei verhältnismäßig kurzen Reizungen des N. cutan. femor. lat. oder der VIII. Hinterwurzel nicht während der Reizung, sondern nach dem Aufhören derselben. Für die Zeit der Reizung erweisen sich aber alle zweigelenkigen Muskeln des Oberschenkels, obwohl dem Anscheine nach im Ruhezustand, als gehemmt. Bei andauernder Reizung tritt der Abwischreflex dagegen nach einer kurzen Phase von allgemeiner Hemmung schon während der Reizungszeit ein. Dieser Reaktionsverhalt ist von der Reizstärke unabhängig. Er ist auf einem besonderen funktionellen Zustand des zentralen Apparates begründet. Bei strychniner Vergiftung des VIII. Segmentes wird dieser funktionelle Zustand eingebüßt: die Reizung der nämlichen Nerven ruft nun den Abwischreflex ohne vorausgehende Hemmungsperiode hervor. 6. Die Koordinationszentren für die Reflexbogen der Abwischbewegung sind im Bereiche der Segmente III bis VIII verteilt und funktionieren voll- kommen unabhängig von denjenigen der Beugung und der Streckung, die im IX. und X. Segmente gelegen sind. Auf Reizung in einem bestimmten Rezeptivfeld der Abwischbewegung gelangen zunächst diejenigen Koordi- nationszentren in Tätigkeit, die im Niveau der nun erregten Hinterwurzeln lokalisiert sind. An einigen Präparaten treten die sensiblen Fasern von den lateralen Partien der Haut des Oberschenkels nicht auf dem üblichen Wege — durch die VIII. Hinterwurzel, sondern durch die IX. hindurch; doch bleibt auch in diesen Fällen die gewöhnliche Beziehung dieser Fasern zu den zentralen Elementen unverändert: die Koordinationszentren für die Reflexbogen der Abwischbewegung von der Haut über dem Triceps liegen auch in diesen Fällen im Gebiete des VIII. Segmentes. EEE Das Verhalten der Reflexe bei der Querdurchtrennung des menschlichen Rückenmarks. Von Arthur Hirschfeld. Die Frage nach dem Verhalten der Reflexe nach der Querdurch- trennung des menschlichen Rückenmarks gehört zu den umstrittensten der ganzen Nervenphysiologie. Die einen, Autoren, die einschlägige Fälle zu verzeichnen haben, beschreiben das Verhalten so wie bei Hund und Katze, die anderen, die sich der Ansicht des englischen Klinikers Bastian an- schließen, räumen dem Menschen hinsichtlich seines Reflexverhaltens eine Sonderstellung ein. Dieser! hatte gefunden, daß bei völliger Querdurch- trennung des Rückenmarks, die durch vollständige Aufhebung der Motilität und Sensibilität unterhalb der Läsionsstelle charakterisiert ist, alle so- genannten Sehnenreaktionen und Lumbalreflexe abgeschafft sind, mit Aus- nahme der Blasen- und Mastdarmreflexe, die nur bis zu einem gewissen Grade abgeschwächt sind. Um sofort etwaigen Einwänden zu begegnen, erklärte Bastian, daß in den fraglichen Fällen die Reflexe auch nach Wochen fortgeblieben waren, und daß wenigstens in drei Fällen der Lumbal- teil des Rückenmarks einen vollkommen gesunden Eindruck gemacht hatte. Auch bei ausgesprochener Degeneration der Pyramidenbahn treten die Sehnenreflexe nicht wieder auf, ebenso zeigen sich keine Kontrakturen. Sind die Reflexe nicht ganz erloschen, oder. zeigen sie sich ab und zu wieder, so kann man mit Sicherheit eine totale Durchtrennung ausschließen und findet dann bei genauer Untersuchung, daß auch die Sensibilität, besonders die Schmerzempfindung, unterhalb der Läsionsstelle nicht ganz erloschen ist. 1 Bastian, On the symptomatology of total transverse lesions of the spinal cord with special reference to the condition of the various reflexes. The British Medical Journal. 1890. p. 480. 318 ARTHUR HIRSCHFELD: Sucht man nun diese Differenz zu erklären, so wird es gut sein, zu- nächst von den Ergebnissen des Tierexperiments auszugehen. Goltz! konnte zeigen, daß nach der Querdurchtrennung des Rückenmarks von Hund und Katze diejenigen Reflexe, deren Reflexbogen unterhalb der Läsionsstelle liegt, nach einer kurzen Zeit der Areflexie wieder erscheinen und dann allmählich stärker, als sie je vor der Querdurchtrennung ge- wesen, auftreten. Für diesen Vorgang gab er folgende Erklärung?: Die zunächst auftretende Areflexie ist von dem durch das Trauma bedingten Shock abhängig, d. h. die vorher normalen Reflexe verschwinden infolge des großen das Zentralnervensystem treffenden Traumas.. Nun bleiben die Reflexe während der. eintretenden Heilung erloschen,. weil durch diesen Vorgang ein hemmender Einfluß auf die Reflextätigkeit ausgeübt wird. Ist die Heilung beendet, und ist die Wunde vollständig vernarbt, so könnten sich die dem isolierten Rückenmark normalerweise zukommenden physiologischen Verhältnisse hinsichtlich der Reflexerregbarkeit wieder her- stellen. Dies tritt aber nicht ein, sondern das Rückenmark befindet sich nach der Heilung in dem Zustand der gesteigerten Reflexerregbarkeit. Der Grund für diese Reflexsteigerung ist folgender: Mit den Pyramidenbahnen laufen von den höheren Zentren zu den tieferen reflexhemmende Fasern, d. h., wie es schon Setschenow® für das Zentralnervensystem des Frosches nachgewiesen hatte, die höheren Zentren hemmen die Reflexerregbarkeit der tieferen. Mit der Isolierung des Rückenmarks fällt der hemmende Einfluß der höheren Zentren fort, eine Reflexsteigerung kann sich aber nicht gleich entwickeln, da die mit der Heilung verbundene Reflexhemmung sofort ein- setzt. Erst wenn die Heilung beendet ist, resultiert als Ausdruck des Fortfalls beider Hemmungseinflüsse eine Steigerung derjenigen Reflexe, deren Reflex- bogen unterhalb der Durchtrennungsstelle liest. So wie Goltz diesen Vorgang beschrieb, wurde er von allen nach- folgenden Autoren bestätigt, vorausgesetzt, daß das unter der Läsionsstelle liegende Stück des Rückenmarks gesund, d.h. daß der Reflexbogen intakt ist, und daß der Hund, abgesehen von der durch die Operation gesetzten Läsion, vollkommen gesund ist. Denn Freusberg* konnte zeigen, daß die Reflexerregbarkeit vom Gesundheitszustand der Tiere abhängt, daß sie durch Verdauungsstörungen, Bronchialkatarrhe usw. durchaus beeinflußt wird. Hierher gehört esfernerhin, daß der so leicht nach dieser Operation infolge von trophischen Störungen auftretende .Dekubitus und der infolge von Blasen- ! Goltz, Pflügers Archiv. Bd. XII. ® Derselbe, ebenda. Bd. XX. ° Setschenow, FPhysiologische Studien über die Hemmungsmechanismen der Reflextätigkeit des Rückenmarkes im Gehirne des Frosches. Berlin 1863. * Freusberg, Pflügers Archiv. 1874. Bd. IX. REFLEXE BEI DER QJUERDURCHTRENNUNG D. MENSCHL. RÜCKENMARKS. 319 lähmung ‚sich einstellende Blasenkatarrh eine etwa eintretende Reflex- steigerung paralysieren kann; denn ein Dekubitus und Blasenkatarrh ist für den befallenen Organismus ein mächtiger sensibler Reiz, und Herzen! sagt, daß intensive Reizung irgend eines Abschnittes des zentralen oder peripheren Nervensystems eine Depression der Reflextätigkeit im ganzen übrigen Nervensystem hervorruft. Abgesehen von diesen Ausnahmen geht aber nach Durchtrennung des Rückenmarks bei Hund und Katze die an- fänglich bestehende Areflexie in Reflexsteigerung allmählich über. So unbestreitbar die Tatsachen an sich sind, so unklar blieb doch ihre Deutung; denn es wurde bald klar, daß die von Goltz angenommene mit der Heilung verbundene Hemmung nur eine ad hoc aufgestellte Hypothese war. Statt dessen konnte Munk? zeigen: „daß das Ansteigen der Reflex- erregbarkeit die reine Folge des Abgetrenntseins des Lendenmarks ist. Ohne daß irgendwelche unbeabsichtigten und nebensächlichen Wirkungen der tren- nenden Operation oder der Fortfall einer ständigen Tätigkeit von Hemmungs- nerven im Spiele sind, allein und ganz ausschließlich infolge davon, daß die ner- vösen Verbindungon, welche zwischem dem Lendenmarke und dem übrigen Zentralnervensystem in der Norm bestehen, aufgehoben sind, erfährt das Lenrdenmark fortschreitende innere Veränderungen, bis es eine neue -Ver- fassung angenommen hat, wovon das Ansteigen seiner Reflexerregbarkeit bis zu einem Maximum, auf welchem dieselbe verharrt, der Ausdruck ist.“ Diese Veränderung des isolierten Marks nannte Munk „Isolierungsverän- derungen“. Wir werden in der Folge sehen, welche Bedeutung diesen Isolierungsveränderungen zukommt. Zunächst fragt es sich, wodurch die anfängliche Areflexie bedingt ist. In erster Linie hat man hierfür die recht eingreifende Operation beschul- digt, hat doch schon Freusberg? gezeigt, daß die Reflexerregbarkeit be- reits durch geringe Gesundheitsstörungen des Tieres im ungünstigen Sinne beeinflußt wird. Um wieviel mehr kann eine Operation, die ein Tier der gesamten Motilität und Sensibilität der hinteren Körperhälfte beraubt, große Reflexstörungen hervorrufen. Andere haben versucht, die anfängliche Areflexie auf durch die Operation bedingte Störungen der Zirkulationsverhältnisse des Rückenmarks zurückzuführen. Dies kann aber den wirklichen Tat- sachen nicht entsprechen, da eine derartige Zirkulationsstörung den Unter- gang der Ganglienzellen zu Folge haben müßte, nach dem nie mehr die übereinstimmend beobachtete Reflexsteigerung eintreten dürfte. Es bleibt daher nur übrig, die anfängliche Areflexie mit einem durch die Operation ! Herzen, Experiences sur les centres moderateurs de l’action reflere. Turin 1864. ? Munk, Über die Fühlsphären der Großhirnrinde. Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften zu Berlin. 1892. Bd. XXXVI. S. 699. ® Freusberg, a.a.0. 320 ARTHUR HIRSCHFELD: gesetzten Shock in Zusammenhang zu bringen. Danach müßte, wenn es gelänge, ein Stück des Rückenmarks vom zentralen Teil ganz reizlos zu isolieren, keine. Areflexie eintreten. Nun konnte Trendelenburg! zeigen, daß, wenn man ein Rückenmarksegment abkühlte und dadurch die tieferen Teile von den höheren Teilen reizlos, d.h. ohne Shock, isolierte, Reflexe, wenn auch in abgeschwächter Form, zu erhalten waren, ohne daß erst ein Stadium der Areflexie eintrat. Welche Rolle der Shock bei der Beurteilung der Frage spielen kann, zeigt Sherrington?, indem er ausführt: „Ich selbst kam allmählich zu der Ansicht, daß der Shock höchstens einige Tage dauern könnte. Trotz- dem der Shock verübergeht, schreiten doch Veränderungen im isolierten Mark fort. Die abnehmende Reflexsenkung geht — gegenwärtig für uns unerklärlich — in den wachsenden Betrag der Isolierungsveränderung unter. Viel von dem, was Shock genannt wird, ist in Wirklichkeit an die Isolierungsveränderung geknüpft und ist dauernde Erscheinung, die beim gesunden Leben des Tieres bestehen bleibt.“ Es fragt sich jetzt, welche Rolle die Isolierungsveränderungen spielen. Zur Beantwortung dieser Frage müssen wir etwas weiter ausholen. Goltz hatte gezeigt, daß die eintretende Areflexie auf Hemmungen zurückzuführen sei, die durch die Reizung der Operation und die bei der Verheilung der Operationswunde statthabenden Erregungen bedingt werden. Demgegenüber hatte Munk die Ansicht ausgesprochen, daß sowohl die Areflexie wie die nachfolgende gesteigerte Reflexerregbarkeit dem isolierten Lendenmark als solchem zukomme. Die gesteigerte Reflexerregbarkeit, die dann kurze Zeit nach der Operation eintritt, war von Goltz auf einen Fortfall von Hem- mungen zurückgeführt worden, da mit der Durchschneidung des Rücken- marks gleichzeitig reflexhemmende Fasern durchschnitten werden, deren De- generation die gesteigerten Reflexe erklären sollten. Es ist dies der Fortfall derselben Reflexhemmung, der nach den Untersuchungen von Setschenow® nach der Enthirnung des Frosches eintreten soll. Nun konnte aber Munk* zeigen, daß dieser Erklärungsversuch nicht genügte, sondern daß die Verhältnisse wesentlich anders lagen. Ein jedes Stück des Rückenmarks besitzt einen bestimmten Betrag von Reflexerreg- barkeit, den man als „autochthone Erregbarkeit“ bezeichnen kann. Es ! Trendelenburg, Pflügers Archiv. 1910. Bd. CXXXVI ? Sherrington, Philosoph. transactions of the royal society of London. Ser. B. Vol. CXC. p. 144. ® Setschenow, 2.2.0. * Munk, Über das Verhalten der niedereren Teile des Cerebrospinalsystems nach der Ausschaltung höherer Teile. Sifzungsberichte der Königl. Preuß. Akademie der Wissenschaften. 1909. Bd. XLIV. S. 1106. REFLEXE BEI DER (J)UERDURCHTRENNUNG D. MENSCHL. RÜCKENMARKS. 321 steht mit der Peripherie und der Zentralstelle durch die auf- und ab- steigenden Bahnen in Zusammenhang und in einer gewissen Abhängigkeit. Wie Munk! nachweisen konnte, „sind an normalen Tieren die Muskel- zentren, die Markzentren, die Prinzipalzentren, die motorischen zentralen Elemente des Kleinhirns und Großhirns im untätigen Zustande immer durch die von der Peripherie her auf den sensiblen Bahnen ihnen zu- fießenden Erregungen schwach erregt und halten infolgedessen auch noch die übergeordneten motorischen Zentralorgane ihrerseits dieihnen untergeordneten motorischen Zentralorgane schon im sogenannten Ruhezustande immer in schwacher Erregung oder erhöhter Erregbarkeit.“ D. h. vom Zentrum her fließen zu dem betreffenden Rückenmarkstück Erregungen hin, die einen Zuwachs zur autochthonen Erregbarkeit hervorrufen, den man mit Munk als „kentrogenen Zuwachs“ bezeichnen kann. Munk? fährt nun fort: „Demgemäß erfahren die niederen Zentren, indem sie die natürliche Kon- tinuität mit den höheren Zentren verlieren, zugleich eine Einbuße an der Erregbarkeit, die sie in der Norm besitzen; und sie würden fortan in ihrer herabgesetzten Erregbarkeit für die Dauer verbleiben, wenn sie nicht den Isolierungsveränderungen verfielen.“ Was heißt dies nun? Sobalb ein Stück des Zentralnervensystems so aus seiner Kontinuität gelöst wird, daß es noch selbständig zu bestehen vermag, fällt der kentrogene Zuwachs, der das Stück immer in einer be- stimmten Erregbarkeit gehalten hat, fort. Die Reflexerregbarkeit muß sinken, da dieser Einfluß verschwunden ist. Von der Peripherie her strömen aber zu dem isolierten Rückenmarksstück nach wie vor sensible Erregungen, die nicht mehr wie früher zu den höheren Zentren aufsteigen können. Es muß sich also an einer solchen Stelle eine Summation der Reize bilden, die ihrerseits die oben beschriebenen Isolierungsveränderungen zur Folge hat. Mit der Durchtrennung des Rückenmarks fällt also der kentrogene Zuwachs fort, aber auch die kleinen sensiblen Erregungen, — der „neu- rogene Zuwachs“ —, die die Isolierungsveränderungen bewirkt: haben, können nicht mehr zentralwärts gehen, sondern biegen in die Reflexkolla- teralen ab, wo sie die einige Zeit nach der Operation auftretenden starken Reflexsteigerungen hervorrufen. Wir sehen also, daß man für das Zustandekommen dieser erhöhten Reflexerregbarkeit nicht nötig hat, erst Eintreten von Hemmungen durch Reizung und dann Fortfall von Hemmungen nach Durchtrennung nur ad hoc angenommener Hemmungsnerven anzunehmen, sondern daß man nun- ! Munk, Sitzungsberichte der Königl. Preuß. Akademie der Wissenschaften. 1903. Zitiert nach: ? Derselbe, ebenda. 1909. S. 1122. Archiv f.A.u. Ph. 1912. Physiol. Abtlg. 9 322 ARTHUR HIRSCHFELD: mehr weiß, daß bis zu dem Punkte, bis zu dem die Isolierungsveränderungen beendigt sind, die Höhe der Reflexerregbarkeit zunimmt, daß sie nach Ab- schluß der Isolierungsveränderungen auf dem so erreichten Niveau ver- bleibt, und daß ein nicht Zustandekommen der Reflexe einen außerhalb des Vorganges an sich liegenden Grund haben muß. Während das physiologische Experiment an Hund und Katze zu einem eindeutigen Resultat gekommen ist, müssen wir, bevor wir zum Verhalten der Reflexe beim Menschen übergehen, die Untersuchungen am Affen be- rücksichtigen. Theoretisch ist es ja möglich, daß sich im Laufe der Phy- logenie diese bei Hund und Katze vorhandene Eigenschaft mit der Höhe der Tierspezies abschwächt oder sogar ganz verloren geht. Hierüber liegen nun Untersuchungen von Sherrington! vor, der über die Reflexerregbarkeit nach Querdurchtrennung des Rückenmarks des Affen berichtet. Aus seiner im einzelnen recht widerspruchsvollen Arbeit geht hervor, daß die Reflexe nach einer Zeit der Areflexie wieder erscheinen.? Immerhin tritt ein bemerkenswerter Unterschied in der Reflexerregbarkeit bei Hund und Katze einerseits und beim Affen andererseits ein, was damit zusammenhängt, daß beim Affen die Operation einen weit schwereren Ein- griff bedeutet; denn „dreiviertel Stunde nach der Durchschneidung in der Höhe der Zervikalanschwellung kommt ein Zustand, in dem der Affe mit kalten Händen und Ohren lustlos darniederliest, vielleicht bewußtlos mit Cheyne-Stokesschem Atemtypus. Dieser Zustand hält etwa zwölf Stunden an und geht in allmähliche Besserung oder Tod über. Bei Katzen und Hunden kommt es bei derartigen Operationen nicht zu etwas Ähnlichem. Mit dem chirurgischen Wundprozesse hat dies nichts zu tun, da er von geringer Ausdehnung ist und schnell heilt.‘“® Immerhin besteht so ein nur quantitativer Unterschied im Verhalten der Reflexe beim Affen und dem bei Hund und Katze; denn der Shock ist beim Affen tiefer und ausgesprochener, wie ja auch beim Affen die anfäng- lichen Ausfallserscheinungen beim Abtragen der Hirnrinde größer sind als ! Sherrington, The Journal. of Physiol. 1892. Vol. XIII. p. 670. 2 Um Mißverständnissen vorzubeugen, führe ich diese Stelle im Originaltext an: »It ınay be noted in passing that in rhesus after transverse section of the cord at the level of the 9th thoracie the knee-jeık disappears in my experience, in about 10 minutes time: it disappears to return gradually, first becoming deteetable in about three weeks time; from its reappearance onward tlıe jerk gradually increases until in & couple of months it is exaggerated and remains so. After a complete transverse section of the cord at the level of the 1st lumbar root with partial section at the 3rd lumbar the jerk disappeared, but not to reappear, at any rate for six months through which ob- servation was continued.“ ® Sherrington, Philosoph. transactions. Ser. B. Vol. CXC. p. 136. REFLEXE BEI DER (JUERDURCHTRENNUNG D. MENSCHL. RÜCKENMARKS. 323 bei Hund und Katze.! Ganz unverständlich ist es aber, wenn er sagt?), daß beim Affen das Bastian sche Gesetz seine Bestätigung findet, da er doch selbst zeigen konnte, daß die Reflexe wieder erscheinen. Man darf also nicht sagen, daß nach Querdurchtrennung des Rücken- marks des Affen die Reflexerregbarkeit erloschen ist, sondern denselben Gesetzen, denen Hund und Katze gehorchen, folgt auch der Affe. Dies wird auch von Grünbaum? bestätigt, der drei Fälle von Querdurch- trennung des Affenrückenmarks anführt, bei denen überall, wo das Reflex- zentrum gesund geblieben ist, eine Reflexsteigerung nach der Querdurch- trennung eintrat. Fall I. Macacus Rhesus 2. 18. XI. 1891. Doppelte Durchschneidung des Rückenmarks. Keine Reflexe. 16. V, 1892. Getötet. Die Läsionen wurden in der Höhe der zwölften Thorakal- und dritten Lumbalwurzel gefunden. Die Are- flexie ist also erklärlich, da das Reflexzentrum durch die Operation verletzt war. Fall I. Macacus Rhesus d. 22. XII. 1892. Operation wie oben. 7. 1.1893. Kniereflexe zurückgekehrt. 18, 1.1893. Kniereflexe waren etwas gesteigert. Getötet. Läsionen waren zwischen der neunten und zehnten Thorakal- und zwölften Thorakal- und ersten Lumbalwurzel. Fall III. Macacus Rhesus 2. 22. IX. 1893. Doppelte Querdurchtrennung. 26. IX. 1893. Kniereflexe vorhanden. Reflexe von den Zehen auch er- hältlich. Hieraus geht wohl zur Genüge hervor, daß auch beim Affen prinzipiell dieselben Verhältnisse wie beim Hund und Katze vorliegen. ! Sherrington, Transactions. p. 142. „It is reasonable to argue still severer . results in the cases of the human spinal cord, of which again we know the minute structure to be jet more complex still. The permanent damage done is, there- fore, as well as the initial shock, disproportionately greater in Monkey than in Cat and Dog.“ ? Derselbe, ebenda. p. 142. „My results on Monkey bear out strikingly and fully what Bastian deseribes as the typical condition in Man after complete transverse destruction across the cord. The chief difference is that in the Monkey in most cases — partly, perhaps, because the lesion is more localised by experimental inflietion than by accidental — the depression is not so severe. For instance, the knee-jerk, which dis- appears almost immediately after the transection, returns usually in a week or ten days, often, however, not for three weeks; occasionally, on the other hand, in ten minutes.« ® Grünbaum, The Journ. of Physiol. 1894. XVI. p. 369. Auf diese Fälle stützt sich auch Sherrington, wenn er behauptet, daß auch für den Affen das Bastiansche Gesetz Geltung habe. 21 324 ARTHUR HIRSCHFELD: Wir haben also gesehen, daß auch bei den dem Menschen am nächsten stehenden Tieren nach Querdurchtrennung des Rückenmarks die Reflexe erhalten sind und gesteigert sein können. Es ist nicht einzusehen, wes- halb eine solche Eigenschaft, die sich von den niedersten Vertebraten an (Frosch) bis zu den höchsten Tieren, den Primaten, vorfindet, nun plötzlich beim Menschen in so hohem Maße verloren gegangen sein sol. Es kann wohl möglich sein, daß sich diese Eigenschaft desto mehr verliert, je mehr das Rückenmark seine Selbständigkeit aufgibt, ob es sie aber ganz ver- lieren kann, erscheint sehr fraglich. Ich möchte nunmehr, nachdem wir gesehen haben, daß in allen Tierversuchen eine Erhöhung der Reflexerregbarkeit nach Querdurchtrennung des Rückenmarks eintritt, den Standpunkt präzisieren, von dem aus wir die in der Literatur angegebenen Fälle von Querdurchtrennung des menschlichen Rückenmarks betrachten wollen. Hierbei erhebt sich eine Schwierigkeit. Die Fälle beim Menschen müssen aus der Nervenpathologie genommen werden, und es ist wohl klar, daß unter diesen Umständen die Effekte nicht immer so deutlich und so einwandsfrei zutage treten wie im Tierversuch. Es ist selbstverständlich, daß das Reflexzentrum, das in dem losgelösten Rückenmarksteil liegt, vollständig gesund sein muß, daß, wenn möglich, durch mikroskopische Untersuchung: bewiesen sein muß, daß die Ganglienzellen, die den Reflex übermitteln, nicht geschädigt sind. Ferner darf kein Dekubitus oder eine Cystitis während der Prüfung der Reflexe bestehen; denn von beiden wissen wir, daß sie durch fortgesetzte sensible Reize die Reflexe beeinflussen können. Die beim Menschen verhältnismäßig früh eintretende Kachexie schädigt natürlich, ebenso wie bestehende Ent- zündungen oder karzinomatöse Metastasen, die Reflexerreebarkeit. Der Krankheitsprozeß muß zum Abschluß gekommen sein und darf nicht durch seine weitere Ausbreitung den Reflexablauf stören; denn dann finden wir nicht dieselben Verhältnisse wie beim Tierversuch wieder. Genau wie wir beim Tierexperiment viele Versuchstiere als unbrauchbar ausscheiden müssen, weil sie nicht die oben angeführten Bedingungen er- füllen, so müssen wir auch viele vom Menschen angegebenen Fälle als unrein und uncharakteristisch zurückweisen. Bestehen aber dann noch Fälle, die einwandsfrei jeder Kritik standhalten, die, sozusagen, das Tier- experiment nachahmen, so werden wir sie für unsere physiologischen Re- sultate verwerten müssen. Dann kann man aber auch nicht den Einwand erheben, daß es doch einige Fälle von Erloschensein der Reflexe gibt; dies sind dann keine reinen Fälle, und wir kennen nur den Grund der Areflexie nicht. Zwei so entgegengesetzte Effekte kann ein und derselbe Vorgang nie haben; denn entweder es gibt physiologische Gesetze oder es gibt keine. REFLEXE BEI DER QUERDURCHTRENNUNG D. MENSCHL. RÜCKENMARKS. 8325 Es wird gut sein, wenn wir zunächst die Fälle betrachten, durch die Bastian! zu seinem Gesetz gekommen ist. Er stützt sich hier auf fünf Fälle aus eigner Beobachtung und mehrere andere aus der Literatur. Fall I. Mary F. 38 Jahre alt. Kindermädchen. Im Hospital am 20. IV. 1881 aufgenommen. Anamnese: Mai 1880 fühlte sie einen Knoten in der Brust. Diagnose Seirrhus Die Brust wurde entfernt. Bald darauf Schmerzen von ca. einer halben Stunde Dauer in der rechten und dann in der linken Schulter, im Nacken und Rücken lanzinierende Schmerzen, die Arme abwärts bis zum Ellenbogen. Schmerzen in beiden Schenkeln von den Knien bis zu den Hüften. Status praesens: 23.1IV.1881. Liegt auf dem Rücken, kann wegen Schmerzen nicht auf der Seite liegen. Kann nicht gehen oder stehen. Schmerzen dauernd, anfallsweise werden sie schlimmer. Der 7. Hals- wirbel ragt hervor und ist druckempfindlich. Sensibilität: er- halten. Bewegungen der unteren Extremitäten schwach. Kann sich nicht selbst im Bett erheben. Plantarreflex: normal. Bauchreflex: —. Fußklonus: schwach. Kniephänomen: ge- steigert. Gelegentlich Schleudern der Schenkel. 1. V.1881. Blasen- und Mastdarmstörungen. Patellarreflexe weniger aus- gesprochen. 6. V.1881. Vollständige motorische Paralyse der unteren Extremitäten. Keine Sensibilität unterhalb des Hüftgelenks. Alle Reflexe, mit Ausnahme eines schwachen Plantarreflexes, fehlen. 8. V.1881. Es beginnt sich ein Dekubitus auszubilden. 13. V.1881. Muskeln sichtlich paralytisch. 19. V.1881. Kein Bewußtsein vom Defäkationsakt. Alle Reflexe erloschen. 21. V.1881. Urinträufeln. Alle Muskeln der unteren Extremität zucken, wenn sie mit einem Stethoskop geschlagen werden. Schwacher Plantarreflex bei kräftigem Schlagen der Sohlen. Die anderen Reflexe fehlen. 3. V.1881. Die Reflexe verschwinden und erscheinen nicht mehr wieder. Dyspnoe, Puls schwach, schlechtes Allgemeinbefinden. 4. V1.1881. Die Atmung wird ruhiger, Fieber. 12. V1.1881. Von dieser Zeit an Dyspnoe, Erbrechen und sehr schlechtes Allgemeinbefinden, Reflexe erscheinen nicht mehr wieder. 28. V1.1881. Exitus. | Autopsie: In der Höhe des vierten oder fünften Zervikalwirbels gleicht das Rückenmark einer halbflüssigen Pulpa. Es besteht eine totale Erwei- chung mit sehr verminderter Größe der Marksubstanz °/, Zoll lang von der Mitte Halsanschwellung an. Das Lumbalmark erscheint etwas mehr anämisch als sonst. Auf- und absteigende Degeneration. Eine mikroskopische Prü- fung wird nicht beschrieben. . Wirbelkarzinom, Leberkarzinom. ! Bastian, On the symptomatology of total transverse lesions of the spinal cord with special reference to the condition of the various reflexes. AMedico- Chirurgical Transactions.. 1890. LXXII. p. 151. | 326 ARTHUR HIRSCHFELD: FallII. M.A.W. 24Jahrealt. Schneiderin. Aufgenommen am 14.X.1880. Anamnese: Am 7. IV. 1830 an Mammakarzinom operiert. Mitte Juli Schmerzen zwischen beiden Schultern. Taubes Gefühl an der inneren Seite des Handgelenks und des Ring- und kleinen Fingers. Dasselbe tritt am 24. IX. 1880 im Peronäusgebiet und in den Waden auf. Sie verliert die Gewalt über ihre unteren Extremitäten. Am 1. X. 1880 kann sie sich nicht mehr bewegen. Die Parästhesie kriecht von der Taille zur Brust. Am 12. X. 1880 ist der Patellarreflex erhalten und nicht vermindert. Status praesens: 19. X.1880. Motilität: in den unteren Extremitäten erloschen. Sensibi- lität: in diesem Bezirk nicht ganz verschwunden. Patellar- reflex: beiderseits —. Fußklonus: nur zuweilen erhältlich. Plantarreflex: sehr schwach. Bauchreflexe: —. 3. XI. 1880. Beginn eines Dekubitus. 13.X11.1880. Sensibilität fast ganz erloschen. Reflexe nicht vorhanden. Starkes Kratzen der Fußsohlen verursacht Bewegungen der zugehörigen Zehen. 6. 4.1881. Sensibiltät total erloschen. Keine Reflexe beim Kitzeln der Fußsohle. Wenn die Sohle stark geschlagen wird, folgt Kontraktion der vorderen Schenkelmuskulatur.! Dekubitus tief und ausgebreitet. 28. 1.1881. Exitus letalis. Autopsie: Bei einem Schnitt durch die Halsanschwellung ist graue und weiße Substanz nicht zu unterscheiden. Dicht darunter war das Rücken- mark zerfließlich — it was represented by a thick yellowish-white fluid —. Die hintere Fläche des Rückenmarks war deutlich hyperämisch. Die Schnitte durch das Lumbalmark waren blasser als gewöhnlich. Auf- und absteigende Degeneration. Eine mikroskopische Untersuchung wird nicht beschrieben. Fall III. H. E. 51 Jahre alt. Aufgenommen am 26. XI. 1884. Anamnese: Patient trat vor zwei Jahren auf eine schlüpfrige Substanz, glitt aus und fiel. Seit dieser Zeit Tremor im rechten Fuß und Schmerzen im Rücken und in der Lende. Seit Oktober Urinträufeln, Gehstörungen, unbewußte Defäkation. Status praesens: Steifigkeiten in den Gelenken der unteren Extremi- täten und in den Füßen. Sensibilität, mit Ausnahme für kalt und warm, erhalten. Reflexe bis auf den Plantarreflex und Patellarreflex erloschen. 7.X11. 1884. Fieber, Schüttelfrost. 9.X1II. 1884. Untere Extremitäten: Motilität: —. Sensibilität: —. Plantar- reflex: +. Fußklonus: ganz erloschen. Patellarreflex: ann erloschen. Die anderen Reflexe: —. 10.XII. 1884. Plantarreflexe gesteigert. Zuckungen in den Schenkeln bei Berührung mit dem faradischen Strom. 17.XI. 1884. Fieber. 18.XII. 1884. Fieber und qualvoller Husten. ! Bastian, Medico-chirurgical Transactions. LXXII. p. 171. „No reflex action on tickling soles of feet, but on tapping soles of feet smartly with a stethoskope, con- traction of museles of front of leg followed.“ REFLEXE BEI DER (JUERDURCHTRENNUNG D. MENSCHL. RÜCKENMARKS. 327 24. XI. 1884. Seit einigen Tagen Dekubitus. 26.XII. 1884. Reflexe erloschen, Exitus letalis. Autopsie: Die Rückseite der Dura mater zeigt viele sich verästelnde weite Gefäße; das Rückenmark selbst sieht blasser als gewöhnlich aus. In der Mitte der Dorsalregion ist eine 2 Zoll lange Erweichung von opaker weißer Farbe, bei der man nur den äußersten Rand der grauen Substanz als solche erkennen kann. Nach der Härtung zeigt sich, daß es diffuse Erweichungen sind. Doch ist der Effekt derselbe, wie bei einer totalen Querdurchtrennung. Der Lumbalteil des Rückenmarks ist gesund. Fall IV. Stephan T. H. 41 Jahre alt. Stadtarbeiter. Aufgenommen am 27.1. 1880. Anamnese: Fiel am 14. I. 1880 beim Waschen plötzlich um, die Sensi- bilität und Motilität waren gestört, die Reflexe am 26. I. 1880 gesteigert. Status praesens: 27, 1.1880. Parese der Beine. Reflexe gesteigert. 29. 1.1880. Paralyse beider Schenkel, Sensibilität vorn an den Beinen erloschen, an den Fußsohlen erhalten. Plantarreflex: +. Patellarreflex: —. Fußklonus: —. .30. 1.1880. Spastische Bewegungen beider Beine. 31. 1.1880. Motilität: —. Sensibilität gestört, aber nicht erloschen. Kitzeln der Fußsohle löst keine Empfindung aus. Stechen in das Bein ebensowenig; dabei aber Bewegungen der Beine. 8. 11.1880. Defäkation unbewußt. 10. II. 1880. Erguß im rechten Kniegelenk, dort keine Reflexe, wohl aber links. Die Motilität hat sich gebessert. 14. II. 1880. Sensibilität kehrt wieder. Fußklonus: +. Patellarreflex: +. 17. II. 1880. Motilität gebessert, aber nicht ganz gut; Sensibilität gestört, Kniephänomen gesteigert. 17. III. 1880. Dekubitus. Sensibilität nicht ganz erloschen, Reflexe fehlen. Tiefe Stiche in das Bein rufen Reflexbewegungen hervor. Fieber. Aus der linken Schambeuge fließt eine beträchtliche Menge Eiter. 21. V.1880. Starker Dekubitus über dem Kreuzbein bis an den Knochen reichend. Reflexe: —. Exitus. Autopsie: Karies der unteren Halswirbel. Obwohl das Rückenmark beim Öffnen des Spinalkanals beschädigt wird, ist eine ein Zoll lange Erwei- chung der unteren Dorsalregion nicht zu verkennnen. Die Seiten- und Hinterstränge sind in der mittleren Dorsal- und Lumbalgegend erweicht. Die Lumbalanschwellung ist etwas atrophisch. Fall V. A. M. F. .26 Jahre alter Schneidergeselle. Aufgenommen am 26. II. 1889. Anamnese: Schmerzen im Rücken und Gürtelgefühl. Beine kraftlos, parästhetisch, paralytisch. Status praesens: Paralyse und Anästhesie bis zum dritten Dorsalsegment. Reflexe: —, Dekubitus. Am 8. III. 1889 schwache Patellarreflexe, keine Plantarreflexe.e Am 16. Ill. 1886 erscheint ein schwacher Patellarreflex wieder, um nach kurzer Zeit zu verschwinden. Am 23. III. 1889 tritt der Plantarreflex deutlich auf, die Sensibilität erscheint auf kurze Zeit wieder. Beim Waschen zucken die Schenkel. Die Reflexbewegungen wachsen immer 328 ARTHUR HiRscHFELD: mehr an, bis es bei völliger Aufhebung der Motilität und Sensibilität zu unfreiwilligen Kontraktionen der Schenkel kommt.! Mitte Mai hören dann die Reflexe auf und am 10. VI. 1889 erfolgt der Tod wegen Erschöpfung. Autopsie: Eine zwei Zoll lange Erweichung im dritten Dorsalsegment. Lumbalgegend mit Ausnahme der auf- und absteigenden Degeneration gesund. Allen diesen Fällen ist gemeinsam, daß am Schluß des Decursus morbi die Reflexe erloschen sind. Es ist aber sehr fraglich, ob dies physiologischer- weise zum Krankheitsbild der Querdurchtrennung des Rückenmarks ge- gehört. Da es hier unsere Aufgabe ist, diejenigen Fälle aus der Literatur auszusondern, die den oben gestellten Anforderungen entsprechen, so müssen wir die Fälle Bastians kritisch betrachten. Dabei fällt uns auf, daß sich die beiden ersten Fälle ihre Querläsion durch Karzinommetastasen er- worben haben. Obgleich sich in der Medulla selbst keine Krebsknoten gebildet haben, ist doch anzunehmen, daß der Krankheitsprozeß, der zu den oben erwähnten Erweichungen führte, nicht zum Abschluß gekommen war, und daß infolgedessen die für die Reflexerregbarkeit so wichtigen . Isolierungsveränderungen nicht entstehen konnten. Im Fall I zeigt sich nun bei Fehlen der Motilität und Sensibilität ein schwacher Patellarreflex, der dann nach Auftreten eines Dekubitus ver- schwindet. Außerdem werden die Muskeln sichtlich paralytisch. Es fragt sich, ob dies eine Inaktivitätsatrophie sein kann; wenn man bedenkt, daß der spinale Krankheitsprozeß eigentlich wenig über fünf Wochen gedauert hat, so nimmt man wohl besser an, daß eine Schädigung im feineren Bau der Vorderhornganglienzellen stattgefunden hat, zumal da die Sektion ein anämisches Aussehen des Lumbalmarkes ergeben hat. Daß vor dem Tode ein Verlust der Reflexe vorhanden war, ist erklärlich; denn einerseits störte der Dekubitus, dann der Husten, die Atemnot und das Erbrechen, aber auch der durch das Karzinom hervorgerufene allgemeine Kräfteverfall hat sicher ungünstig die Reflexerregbarkeit beeinflußt. Im Fall II — Karzinommetastase — finden wir auch an dem Tage, an welchem zum ersten Male die Symptome der Querdurchtrennung voll- ständig bestehen, auf starkes Schlagen der Fußsohle eine Kontraktion der Vorderschenkelmuskulatur. Wenn dies auch kein normaler Reflex ist, so kann man doch einem solchen Rückenmark eine gewisse Erregbarkeit nicht absprechen. Der schnell eintretende Dekubitus macht den Fall für das einschlägige Thema dann ungeeignet. ! Bastian, Medico-chirurgical Transactions. LXXIIl. p. 200. „Involuntary contractions of the legs, causing them to be completely flexed, are more marked; they move at the least irritation to the skin. No knee-jerks. No sensation in legs. The anaesthesia now reaches up to the lower border of the sternum. Skin reflexes on ab- domen not present.“ REFLEXE BEI DER (W)UERDURCHTRENNUNG D. MENSCHL. RÜCKENMARKS. 329 Auch Fall III zeigt bei fehlender Motilität und Sensibilität einen positiven Plantarreflex, der später noch gesteigert ist. Nach Auftreten eines Dekubitus hören dann die Reflexe auf, und die Autopsie lehrt, daß neben der einfachen Querdurchtrennung des Rückenmarkes entzündliche Vorgänge der Dura mater und Zirkulationsstörungen in der Medulla spinalis am Krankheitsprozeß beteiligt waren. Fall IV ist kein richtiger Fall von Querdurchtrennung, stellt sich doch die schon fast verschwundene Sensi- bilität wieder her und ist auch nachher vor dem Tode nicht völlig erloschen. Nach dem Bastianschen Gesetz müßten in solchem Fall eigentlich die Reflexe erhalten sein, doch zeigt uns die Sektion, daß im Reflexzentrum im Lumbal- mark ein Krankheitsprozeß entstanden sein muß; denn die Hinterstränge sind auch weit unterhalb der Läsionsstelle erweicht und die Lendenanschwellung selbst ist atrophisch. Dieser Krankheitsprozeß kann nicht vor Mitte März ‚aufgetreten sein, denn die vorher gesteigerten Patellarreflexe erfordern ja als Grundbedingung völlige Intaktheit des Reflexbogens im Lendenmark. Den fünften Fall hat Bastian herangezogen, um zu zeigen, daß bei unvollkommener Querdurchtrennung die Reflexe erhöht sind, und daß zum Schluß, wenn das Krankheitsbild abgeschlossen ist, die Reflexe verschwinden. Bei der gleich im Status praesens erwähnten Lähmung und Anästhesie sind die Reflexe erloschen. Sie erscheinen aber bei zunehmender Sensi- bilität wieder. Als aber dann Mitte Mai die Sensibilität vollständig ver- schwunden ist, als man somit berechtigt ist, eine völlige Querdurchtrennung anzunehmen, kann man als Ausdruck der gesteigerten Reflexerregbarkeit unfreiwillige Kontraktionen der Schenkel beobachten. Wir sehen also, daß die von Bastian selbst angeführten Fälle nicht einwandsfrei für das von ihm aufgestellte Gesetz sprechen, sondern daß bis jetzt die Sachlage unklar ist. Betonen muß man immerhin, daß die von Bastian beschriebenen Fälle keine reinen Fälle von Querdurchtrennung sind, und daß, wo sie es sind, — vgl. Fall V —, die Entscheidung und das klare Urteil recht schwer zu gewinnen ist. Da man unmöglich beim Menschen über die Frage des Verhaltens der Reflexe bei totaler Quer- durchtrennung des Rückenmarks durch das Experiment Aufschluß erhalten kann, so muß man eben diejenigen Fälle als unbrauchbar aussondern, die nicht ganz rein die Verhältnisse des Versuchs wiedergeben. Handelt es sich doch hier darum, durch pathologische Fälle Kenntnisse über normal physiologische Vorgänge zu gewinnen. Im folgenden wollen wir sehen, welche Fälle für und welche gegen das Bastiansche Gesetz sprechen. Bastian verwertet in seiner Arbeit mehrere Fälle, die Thorburn! ı W. Thorburn, Cases of injury of the cervical region of the spinal cord. Brain. IX. 1886/87. p. 510. 330 ARTHUR HIRSCHFELD: berichtet hat. Es sind dies neun Fälle mit Traumen der Wirbelsäule, die durch ihren Bruch das darunter liegende Rückenmark zerquetschte. In sechs der Fälle: trat der Tod am Tage des Unfalls oder wenig später ein, drei Fälle aber besserten sich, da die Querläsion nicht vollständig war. Habel! beschreibt 1897 einen Fall. Johann Hirzel war am 1. I. 1895 ausgeglitten und 10 bis 12 Stufen in einen Keller gefallen. Es bestand sofort totale Paraplegie der Beine und Anästhesie bis zur zweiten Rippe. Die Reflexe fehlten und kamen nie zum Vorschein. Nach elf Tagen er- folgte am 11. I. 1895 der Tod. Dieser Fall ist wegen der kurzen Krank- heitsdauer unbrauchbar. Michell Clarke? berichtet von einem Fall, der sein Trauma — er fiel einen zwanzig Fuß hohen Baum beim Obstpflücken hinunter — zehn Monate überlebte. Obgleich, wie die Sektion ergab, die Durchtrennung keine voll- ständige war, fehlten doch Plantar-, Kremaster-, Bauch- und Patellarreflex. Zwei Fälle bringt Weiß?, in denen beidemal durch Traumen eine Fraktur ‚bzw. Dislokation des sechsten Halswirbels mit Zerquetschung des Rückenmarks stattgefunden hat. In beiden Fällen waren die Reflexe er- loschen; da der Tod schon am dritten Tage nach dem Trauma eintrat, ist die Shockwirkung noch nicht als vorübergegangen anzusehen. Leyden beschreibt einen Tumor am unteren Teile der Halsanschwellung, der nach einem drei Jahre zurückliegenden Eisenbahnunfall aufgetreten war. Die Lähmung der unteren Extremitäten ist eine vollständige, doch ist die Sensibilität nicht ganz erloschen; denn Nadelstiche in die Fußsohle, bei denen starke Reflexbewegungen im ganzen Bereich der unteren Extremi- täten auftreten, haben lebhafte Empfindung zur Folge. Zwar nahm die Sensibilität bis auf kleine Reste auch ab, aber die Reflexerregbarkeit erlosch dementsprechend und war in der letzten Zeit nicht mehr nachweisbar. Die Autopsie ergab, daß der Nervus ischiadicus in seinem Verlauf bis zur Knie- kehle inmitten eines jauchigen Dukubitalgeschwüres liegt. Der Tumor hat das Rückenmark nirgends deutlich komprimiert, dennoch zeigt sich eine Myelitis transversa. „Die Erkrankung beschränkt sich allmählich auf den hinteren und inneren Anschnitt der Seitenstränge, gleichzeitig besteht aber eine ziemlich starke Beteiligung der grauen Substanz, welche verdünnt und atrophisch erscheint, und deren Ganglienzellen namentlich in der Lenden- ! Habel, Verhalten der Patellarreflexe bei Querdurchschneidung des Rückenmarks. Archiv für Psychiatrie. 1897. ® Michel Clarke, Thomas Hospital Rep. 1889. ® Weiß, Beiträge zur Lehre von den Reflexen im Rückenmark. Wiener med. Jahrbuch. 1878. * Leyden, Ein Fall von Rückenmarkerschütterung durch Eisenbahnunfall. Archiv für Psychiatrie. 1878. Bd. VIII. REFLEXE BEI DER QUERDURCHTRENNUNG D. MENSCHL. RÜCKENMARKS. 331 anschwellung deutliche Alteration zeigen.“ Wir sehen also hier einen deutlich fortschreitenden myelitischen Prozeß, der seine Wirkung auch auf das Lendenmark entfaltet. Dies sowohl, wie der mächtige Dekubitus, stand dem normalen Reflexablauf hindernd im Wege. Pousson und Lalesque! veröffentlichen drei Fälle von Wirbelluxation, einer von ihnen — Observation I — soll später besprochen werden. In der Observation III schildern sie einen Fall, der einen Tag nach dem Trauma starb. Daß in so kurzer Zeit der Shock überwunden sein kann, ist kaum anzunehmen. Von zehn hierhergehörigen Fällen aus der Praxis des Prof. O. Hilde- brand, die Makowsky? bespricht, führe ich den ersten an. F.R. stürzte am 2. VI. 1901 mehrere Meter von einer Scheune herab. Lähmung der Beine, der Blase und des Rektum, Anästhesie bis zur Rippengrenze. Über dem Sakrum ein handtellersroßer Dekubitus. Patellarreflex und Kremaster- reflex erloschen. Am 23. VI. wird die Laminektomie gemacht, doch sind noch am 3. Juli der Nervenstatus und die Störungen der Blase und des Rektum die gleichen. Starke Cystitis. Wird ungeheilt entlassen. Bei der Operation war am Rückenmark nichts Auffallendes bemerkt worden. Die anderen von Makowsky angeführten Fälle sind, da sie nicht das Bild der vollkommenen Durchtrennung bieten, für unsere Frage nicht benutzbar. Den als Stütze des Bastianschen Gesetzes wichtigsten Fall veröffent- lichte Bruns.° Es handelt sich um einen 21 Jahre alten Dienstknecht Karlina, der am 8. Oktober 1891 aus einer Bodenluke auf den Kopf, Nacken und Rücken gefallen war. Sofort trat unter Verlust der Sensibilität eine Lähmung der unteren Extremitäten, der Blase und des Mastdarms ein. Mitte Oktober wurden ohne positiven Erfolg mehrere Wirbel reseziert. 29.X. 1891. Die Lähmung ist — drei Wochen nach der Verletzung — eine absolut schlaffe; keine Spur von Spannung besteht. Blase und Mastdarm gelähmt. Reflexe der Patellarsehnen fehlen beiderseits. Plantar-, Kremaster- und Abdominalreflex fehlen beiderseits. Die Patellarreflexe fehlten dauernd, die Unter- suchung daraufhin wurde mehr als hundertmal gemacht. Es besteht im Kreuzbein, an den Hacken und der Kniekehle ein Dekubitus. Cystitis. Anfang Januar 1892. Schlaffe Lähmung, aufgehobene Patellarreflexe. De- kubitus hat langsam zugenommen. 22. 1.1892. Tod. ı Pousson und Lalesque, Etude clinique sur trois cas de luxation de la co- lonne vertebrale. ev. Mens. de med. et de chir. 1880. p. 505. ® Makowsky, Laminektomie bei Verletzung der Wirbelsäule. Disserzation. Berlin 1910. 8 Bruns, Über einen Fall totaler traumatischer Zerstörung des Rückenmarkes an der Grenze zwischen Hals- und Dorsalmark. Archiv f. Psych. 1893. Bd. XXV. S.759. 332 ARTHUR HIRSCHFELD: Autopsie: Totale direkt traumatische, narbige Degeneration des ge- samten Rückenquerschnittes im Gebiet des Th. I. und C. VII. Die mikro- skopische Untersuchung ergibt eine totale Querläsion an der bezeichneten Stelle und normale Beschaffenheit des Lumbalmarks, das nur die bekannte absteigende Degeneration aufwies. Dieser Fall von Bruns ist der am besten beobachtete und beschriebene unter denen, die für das Bastiansche Gesetz sprechen. Ohne besondere Entzündungen hat hier eine Querläsion bestanden, deren Vollständigkeit durch den Befund der mikroskopischen Untersuchung garantiert wird. Die Bedingungen, die an eine physiologisch reine Querläsion zu stellen sind, sind bis auf den Dekubitus und die Cystitis alle erfüllt. Es fragt sich nun, ob wir dem Dekubitus eine solch dominierende Rolle für den Ablauf der Reflextätickeit zuschreiben dürfen. OÖ. Rosenbach! schreibt: „Da wie erwähnt der Muskeltonus und das Großhirn mit seinem hemmenden Einflusse eine Rolle bei dem schließlichen Endeffekt spielt, so ist es erklärlich, daß bei manchen Gesunden der Reflex fehlt — — —, daß endlich Greise (Möbius), erschöpfte Leute, Schla- fende, Komatöse, im Shock liegende Personen keine oder nur schwache Reflexe bieten.“ Herzen? sagt, daß intensive Reizung irgend eines Ab- schnittes des zentralen oder peripheren Nervensystems eine Depression der Reflextätigkeit im ganzen übrigen Nervensystem hervorruft. Bedenken wir nun, daß sich Leute mit einer so schweren und aussichtslosen Krankheit, die außerdem durch recht eingreifende Operationen sicherlich entkräftet sind, in einem traurigen Zustand befinden, rechnen wir dazu noch, daß alle von aufbrechenden Dekubitalgeschwüren geplagt werden, so kann man sich das Ausbleiben der Reflexe wohl erklären. Das Dekubitalgeschwür übt seinen erregenden Einfluß auf die sensiblen Endapparate und auf die Nerven direkt aus, und wenn auch durch Unterbrechung der Leitung der durch den Reiz erzeugte Schmerz nicht zum Bewußtsein kommt, so ist er doch immer vorhanden. Goltz? hat gefunden, daß die Reflexe ausbleiben, wenn gleichzeitig sensible Nerven intensiv gereizt werden, und stellte (daraufhin als allgemeine Regel den Satz auf, daß ein Zentrum, welches einen bestimmten Reflexakt vermittelt, an seiner Erregbarkeit einbüßt,wenn es gleichzeitig vonirgend welchen anderenNerven- bahnen aus, die an jenem Reflexakt nicht beteiligt sind, in Er- regung versetzt wird. Und es kann doch kaum einen intensiveren Reiz geben als den, wenn sensible Nerven durch einen entzündlichen ! 0.Rosenbach, Sehnenphänomene. Eulenburgs Bealenzyklopädie. Ill. Aufl. Bd. XXIII. S. 284. ? Herzen, Eirperiences sur les centres moderateurs de l’action reflexe. Turin 1864. ® Goltz, zitiert nach Tigerstedt, Lehrbuch der Physiologie des Menschen. IV. Aufl. Leipzig 1908. REFLEXE BEI DER QUERDURCHTRENNUNG D. MENSCHL. RÜCKENMARKS. 333 Prozeß allmählich zerstört werden. Daß dieser Reiz nicht zum Großhirn vordringen kann, ist für ihn als solchen gleichgültig, ist doch auch in der Narkose der Schmerz vorhanden, obwohl wir ihn nicht wegen der funk- tionellen Lähmung der Ganglienzellen empfinden. Ich glaube also, daß der Dekubitus ein genügend großer Faktor ist, um das Aufhören der Reflexerregbarkeit erklärlich erscheinen zu lassen. Wir wollen uns nunmehr denjenigen Fällen zuwenden, bei denen die Reflexerregbarkeit erhalten war, und wollen auch hier nur diejenigen Fälle berücksichtigen, bei denen völliges Aufheben der Motilität und Sensibilität die totale Querdurchtrennung des Rückenmarkes sichern. Braubach! beschreibt bei einem fünfjährigen Kinde ein Lipom im Rückenmarkskanal. Es bestand vollständige Paraplegie und Anästhesie der unteren Extremitäten. Die Hautreflexe sind gesteigert. Streicht man mit dem Fingernagel oder mit einer Nadel über die Fußsohle, so erfolgt eine lebhafte Reflexzuckung. Ebenso läßt sich eine Steigerung der Patellar- reflexe nachweisen. Die Autopsie ergab, daß das Rückenmark in einer Ausdehnung von 12 cm zu einem platten Schlauch zusammengedrückt war. Die Nervenwuzeln erscheinen wenig degeneriert. Der komprimierte Ab- schnitt ist gallertig weich und läßt keine Zeichnung mehr erkennen. Auf- und absteigende Degeneration. Es gehören hierher auch die an Hingerichteten gemachten Beobach- tungen über die Reflextätigkeit. Darüber berichtet Barbe&°: „‚Soulevant alors la jambe droite, j’ai obtenu tres manifestement le reflexe rotulien .... et tous ont pu constater comme moi ce reflexe qui a persiste jusqu’ä 8 minutes apres l’execution. Trois fois surtout il a ete exagere, l’amplitude du de- placement £tait d’environ 30 cm. Ce reflexe existait aussi a gauche, mais y etait beaucoup moins accentue. Trois minutes apres l’execution j’ai cherche et obtenu le reflexe plantaire que j’ai fait constater par les autres etudiants.“ Von einem Fall besunders erhöhter Reflexerregbarkeit berichtet Sa- muelo®: Der Leichnam glitt von der Maschine in einen bereitgehaltenen Sarg. Der des Hauptes beraubte Rumpf richtete sich zuckend noch einmal halb auf, fiel auf die linke Seite, schnellte dann in weiteren Konvulsionen noch einmal empor, um erst nach einer Minute regungslos liegen zu bleiben. Als der Henker den Kopf des Hingerichteten zwischen die Beine legte, ge- nügte dieser sensible Reiz, um den ganzen Vorgang zu wiederholen. Diese ! Braubach, Ein Fall von Lipombildung der Rückenmarksäule. Archiv für Psychiatrie... Bd. XV. S. 489. ®2 Barbe, Experiences faites sur le supplicie Heurtevent. Compt. rend. de la soc. de Biologie. 1885. p. 533. 3 Samuelo, Über natürliche und abnorme Todesarten. Berlin 1879. Zitiert nach Hofmann, Hinrichtung. Eulenburgs Realenzyklopädie. III. Aufl. Bd. X. 8.527. 334 ARTHUR HIRSCHFELD: Fälle zeigen beide in exquisitem Maße eine Erhöhung der Reflexerregbarkeit. Allerdings ist es auch wiederum fraglich, ob man diese beiden Fälle zu den reinen Fällen rechnen darf. Man kann nämlich einwenden, daß die Zeit der Beobachtungsdauer naturgemäß nur eine recht kurze sein kann. Shock- wirkung für die Erhöhung der Reflexe anzunehmen, würde wohl zu weit führen; denn nach Rosenbach! schließt ja gerade der Shock die Reflexe aus, so daß unmöglich derselbe Vorgang so diametral entgegengesetzte Wir- kungen haben kann. Von drei Fällen, die Pousson und Lalesque? berichten, möchte ich hier nur den ersten anführen. — Der zweite ist ungeeignet, da der Krankheitsverlauf wenig über einen Tag dauerte; die Reflexe der unteren Extremitäten waren, wenn auch abgeschwächt, vorhanden. — Marcell C. 40 Jahre alt, Kärrner, war durch einen auf ihn gefallenen Karren rückwärts zu Boden geschlagen worden, hatte sofort das Bewußt- sein verloren und konnte sich seit der Zeit — es war der 20. VII. 1875 — nicht mehr bewegen. Es bestand eine vollständige Paraplegie und Anästhesie der unteren Extremitäten. Mouvements reflexes: Ils sont exag&r&s dans les membres inferieurs, con- serv&es au contraire, avec leurs caracterös normaux aux, membres sup£rieurs. Am 30. VII. 1875 trat der Tod ein. Autopsie: Die Autopsie ergibt einen Bruch des elften Thorakalwirbels. In der Gegend des Traumas bildet das Rückenmark nur „un magma in- forme“. Das Lumbalmark ist nicht zerstört. Hierzu bemerken die Verfasser, daß allemal, wenn das Mark seiner Verbindungswege mit dem Hirn beraubt ist, seine exeito-motorische Kraft gesteigert ist, und daß das nur dann der Fall ist, wenn der unter der Läsionsstelle liegende Abschnitt des Marks intakt geblieben ist. Einen gut beschriebenen Fall liefert uns Egger.” Anna Veith, 31 Jahre alt, erlitt durch einen Sturz aus einer Schaukel einen Bruch der Wirbelsäule in der Gegend der unteren Halswirbel. Es trat vollkommene Paraplegie und Anästhesie auf. Die Reflexe waren an den oberen Extremi- täten gesteigert, an den unteren erloschen. Beim Stechen mit einer Nadel in die Fußsohle traten in beiden Füßen, besonders den Zehen, starke klonische Bewegungen auf, die dann auch beim bloßen Berühren mit einer Nadel erschienen und sich nach oben fortpflanzten. Die elektrische Untersuchung der Muskeln der unteren Extremitäten ergab keine oder nur geringe Reak- tion, so daß man schon aus der Muskelatrophie das Fehlen der Patellar- reflexe erklären kann. Das Lumbalmark zeigte mikroskopisch normales ! Rosenbach, a.a.O. 4 °” Pousson und Lalesque, a.a.0. s F. Egger, Über totale Kompression des oberen Dorsalmarkes. Archiv für Psychiatrie. Bd. XXVII.. 8. 129. REFLEXE BEI DER QUERDURCHTRENNUNG D. MENSCHL. RÜCKENMARKS. 335 Verhalten, bis auf die Ganglienzellen im rechten Vorderhorn, die beträchtlich vermindert waren. Die tiefen Reflexe waren hier erloschen, doch zeigten die Zuckungen nach Nadelberührung deutlich, daß eine gewisse Reflex- erregbarkeit dem Rückenmark erhalten geblieben war. Bastian! veröffentlicht noch einen Fall, der gerade deshalb interessant ist, weil er das Gegenteil von dem ausdrückt, was Bastian in seinem Gesetz behauptet. Am 17. X. 1887 war ein Patient E. T. mit einem dislozierten Bruch des sechsten Halswirbels eingeliefert worden. Es be- stand vollkommene Anästhesie und Paraplegie der unteren Extremitäten mit Abwesenheit aller Reffexe. Am 7. XI. 1887 „the sole reflexes were well marked“, der rechte Patellarreflex war zurückgekehrt, wenn auch nur schwach, der linke war nicht geprüft worden. Am 24. XI. 1887 trat der Tod ein. Bei der Sektion schien das Rückenmark an der Stelle des Traumas zermalmt, Karminpräparate ergaben das vollständige Fehlen von Nervenfasern. Wenn dazu Bastian schreibt: „This is not a very conclusive case, I merely quote it for what it is worth; it at least suffices to show that there was no exaggeration of reflexes,‘“ so ist das geradezu unverständlich ; denn das Bastiansche Gesetz stellt ja bei totaler Querdurchtrennung gerade das Fehlen sämtlicher Reflexe als absolut gesichert hin. Wenn aber alle die bisher angeführten Fälle noch nicht genügend beweiskräftig erscheinen, so liefert der Fall ron Kausch? die Entscheidung. Finden wir doch bei ihm die Bedingungen des Experimentes vollständig erfüllt. Marie P. 20 Jahre alt. Im Juni 1895 erkrankte die Patientin mit allmählich auftretenden und zunehmenden Schmerzen im. Rücken. Gleich- zeitig damit wurde eine geringe Vorwölbung der Wirbelsäule bemerkt. Nach einem Monat begann die Kraft des linken Beines abzunehmen, bald darauf auch die des rechten Beines. Oktober 1896 bis März 1895 lag die Patientin dauernd zu Bett, die Beine waren allmählich vollkommen ge- lähmt. Urin und Stuhl gingen dauernd unwillkürlich ab. Über die Sensi- bilität ist nichts Sicheres zu ermitteln. Es erfolgte dann eine Besserung, der eine Verschlimmerung folgte. { Am 6. Juli 1898 erfolgte die Aufnahme in die Klinik. Bei völlig ge- störter Motilität und nicht absolut aufgehobener Sensibilität sind die Reflexe recht lebhaft. Da dieser Zustand im wesentlichen stationär bleibt, so wird am 21. Februar 1899 zur Operation geschritten. Nachdem die Wirbelbögen herausgehoben sind, zeigt es sich, daß der Wirbelkanal leer ist, im Dural- kanal sind jederseits retrahiert die Rückenmarksstümpfe zu sehen. Während der Operation traten mehrmals leichte Zuckungen in den Muskeln der un- teren Körperhälfte auf. ı Bastian, Medico-chirurgieal Transactions. LXXIII. p. 204/5. 2 Kausch, Über das Verhalten der Sehnenreflexe bei totaler Querschnittsunter- brechung des Rückenmarkes. Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie. 1901. Bd. VII. S. 541. 386 ARTHUR HIRSCHFELD: REFLEXE BEI DER (J)UERDURCHTRENNUNG USW. Sofort nach Beendigung der Operation werden die Beine untersucht; sie sind vollständig schlaff, es fehlt jede Spur von Tonus, sämtliche Reflexe fehlen, die unteren Extremitäten sind sehr kühl. Die Beine stellen sich, sich selbst überlassen, in mäßige Plantarflexion, an der unteren Extremität fehlt jede Reflexbewegung. 22. 11.1899. Die Patallarreflexe, deren Fehlen noch um zwei Uhr nachts konstatiert wurde, sind jetzt, acht Uhr morgens, deutlich vorhanden, 23. 11.1899. Die Patellarreflexe sind beiderseits ziemlich lebhaft, stärker als normal. Kein Klonus. 4. V1.1899. Patellarreflex links: —, rechts: +. Achillesreflex und Ba- binsky: +. 5. V11.1899. Patellarreflex: —, von den Flexoren am Oberschenkel lassen sich noch deutliche, ziemlich starke Sehnenreflexe auslösen. 8. VI1.1899. Exitus letalis am Dekubitus. 48 Stunden nach der Operation hatte sich der Muskeltonus wieder eingestellt. Seit dem 10. April 1899 begann ein Dekubitus aufzutreten, der Fiebertemperaturen bis zu 40°C. verursachte. Die Sektion ergab voll- kommene Querdurchtrennung mit auf- und absteigender Degeneration. Wenn wir einen solchen Fall sehen, müssen wir sagen, daß er be- weisender für unsere vorliegende Frage als alle Fälle Bastians ist. Der eintretende Dekubitus, der direkt als Todesursache angegeben wird, schwächte die stark erhöhten Reflexe ab und brachte sie ganz zum Verschwinden. Dieser Fall verläuft genau so wie das Tierexperiment. Es wäre ja auch nicht recht einzusehen, weshalb ein so wichtiger Vorgang, wie der der Reflexerregbarkeit, beim Manschen prinzipiell anders verlaufen sollte als bei den anderen Säugern. Fassen wir die Ergebnisse der Untersuchung zusammen, so sehen wir, daß wir in den meisten Fällen bei totaler Querdurchtrennung Reflexe vor- finden; wo dies nicht der Fall ist, war entweder der Decursus morbi so schnell — 1 bis 3 Tage —, daß die Shockentwicklung nicht abklingen konnte, oder dekubitale Ulzerationen hinderten als sensible Reize den Reflexablauf. Wenn auch das pathologische Material nicht sehr groß ist, so sind doch einige Fälle, besonders der von Kausch, derart, daß sie als bewei- send zu gelten haben. Jedenfalls ist so viel sicher, daß die Fälle Bastians dagegen völlig zurücktreten müssen. Ich habe zu zeigen versucht, daß das alte Gesetz der Physiologie: bei totaler Querdurchtrennung des Rückenmarks sind die Reflexe, deren Reflexzentrum unterhalb der Läsionsstelle liegt, er- halten oder erhöht, — wenigstens soweit das Erhaltensein in Frage kommt, auch beim Menschen immer noch zu Recht besteht. Wenn man also in praxi bei einem Fall von Querläsion des Rückenmarks keine Reflexe vor- findet, so muß man nach dem Grund und der Komplikation suchen, die das Ausbleiben der Reflexe erklärlich machen. Zur Physiologie der Stirnlappen. Von Oswald Polimanti. Im Februar 1910 hat ein gewisser Herr Guido Feliciangeli eine Arbeit veröffentlicht, die betitelt ist: „Experimenteller Beitrag zur Kenntnis der Funktion des Stirnlappens des Hundehirns“.! Da diese Arbeit in Zeitschriften, welche mir in diesem Institut nicht zugänglich waren, ver- öffentlicht wurde, ist sie erst vor ganz kurzer Zeit zu meiner Kenntnis gelangt. Ich würde mich nun nicht weiter mit. dieser Arbeit beschäf- tigen — die, wie ich im folgenden beweisen will, ganz falsche Behaup- tungen aufstellt — wenn ich mich nicht überzeugt hätte, daß einige Autoren sie ernst genommen haben und sogar Referate darüber? geschrieben worden sind. Die Schlußfolgerungen Feliciangelis sind kurz wiederholt die nach- stehenden (ich halte mich dabei an den italienischen Text seiner Arbeit): . 1. Auf einseitige vollständige Abtragung des Regio praesylvia seu praefrontalis der Hirnhemisphäre des Hundes folgt keine bemerkenswerte oder andauernde Erscheinung einer veränderten Sensibilität oder Motilität. 2. Auf einseitige vollständige Abtragung des Regio praecruciata seu - frontalis folgt regelmäßig in vorübergehender Weise Tendenz zur Reitbahn- bewegung nach der operierten Seite hin; ferner tritt eine vorübergehende ! Guido Felieiangeli, Contributo sperimentale alla conoscenza della funzione del lobo frontale del cervello del cane. Archivio di farmacologia sperimentale e scienze affini. Anno IX. Vol.IX. Fasc. III. 1 Febbraio 1910. p. 123—128, Derselbe, Experimenteller Beitrag zur Kenntnis der Funktion des Stirnlappens des Hundehirns. Folia Neurobiologica. Vol. IV. p. 449—466. 1910. (Aus dem physiolog. Institut der Universität zu Rom. Direkter L. Luciani.) ?2 2.B. in Rivista di Patologia nervosa e mentale. Anno XV. Vol. XV. 1910. p. 439. (Referat von Simonelli.) Archiv f. A. u. Ph. 1912. Physiol. Abilg. 22 338 OswALD POLIMANTI: Abstumpfung der taktilen, schmerzenden, thermischen und tiefen (Muskel)- Hautsensibilität der entgegengesetzten Körperseite ein. 3. Diese Erscheinungen treten viel ausgeprägter und schwerer auf und dauern viel länger, wenn die Abtragung sich außer auf den ganzen Stirnpol auch auf ein den Gyrus sigmoideus posterior umfassendes Seg- mentum posteruciatum erstreckt. 4. Hahnentritt wurde bei keinem meiner Versuche in augenfälliger und konstanter Weise beobachtet. Sehen wir nun zu, auf welchen experimentellen Grundlagen diese Schlußfolgerungen Felieciangelis beruhen. Bei der ersten Reihe von Experimenten, welche die Exstirpation der Regio praesilvia bei einigen Hunden betrafen, findet er eine Läsion des Mukelsinnes, wenn sie auch seiner Ansicht nach vorübergehend ist (1. Exp. I. Reihe, Hund I S. 126—127), während er sie bei anderen gar nicht an- trifft (2. Exp. II. Reihe, Hund IV S. 127—128). Dies ist uns ein Beweis dafür, daß er die Analyse des Muskelsinnes nicht unter Beobachtung der erforderlichen Kautelen ausgeführt hat; denn wenn eine bestimmte Läsion des Zentralnervensystems richtig vorgenommen wurde, so muB eine darauf eintretende Läsion der Funktion immer vorhanden sein, nicht bloß einige Male. Bei Hund IV (S. 127) und Hund V (S. 130) gibt er zu, daß am Tage nach der Operation der Rumpf etwas gekrümmt war, aber nicht wie ein Katzenbuckel; hätte er uns eine Photographie gezeigt, so hätte jedermann sich überzeugen können, von welcher Art die Krümmung des Rumpfes war, von der er spricht. Ferner ist es ganz widersinnig, das Studium einer Funktion einer be- stimmten Gegend des Zentralnervensystems an einem Tiere vornehmen zu wollen, das binnen zwei Tagen verendet ist (Hund II, S. 129—130). Der Autor scheint nicht zu wissen, daß in diesen Fällen viele der von den verschiedenen operierten Tieren dargebotenen Erscheinungen hyperämischen Zuständen, folglich Reizungszuständen der benachbarten Hirngegenden zu- geschrieben werden müssen. Feliciangeli berichtet sodann über seine Beobachtungen an Hund V (S. 130), bei dem, wie er erklärt, eine Eiterung vorhanden war; ich ver- stehe nicht recht, von welcher Art seine Beobachtungen an diesem eine Eiterung zeigenden Hunde gewesen sind und welchen Wert man ihnen zuerkennen soll. | Bei dieser ersten Kategorie von Operationen hätte er nur die Proto- kolle über die Hunde bringen sollen, die jenseits der Fissura praesilvia operiert wurden oder bei denen der Gyrus sigmoideus anterior vollständig ZUR PHYSIOLOGIE DER STIRNLAPPEN. 339 verschont blieb, was aber bei Hund IV (8. 128) und Hund II (S. 130) nicht der Fall war. Es ist nämlich nach Aussage der Protokolle dieser Reihe ein einziger Hund (Nr. I S. 127) wirklich nur in der linken Regio prae- silvia operiert worden und wir müssen uns fragen, warum er hier auch die anderen angeführt hat. Bei der zweiten Reihe von Untersuchungen nimmt der Autor die Ab- tragung der linken Regio praecruciata vor und die hier sich vorfindenden Ungenauigkeiten sind nicht weniger bedenklich als die bei der ersten Reihe konstatierten. Was die Narkose anbelangt, muß ich in dieser Hinsicht auf mehrere Widersprüche hinweisen, in die Feliciangeli verfällt. Auf Seite 124 sagt er, die Tiere seien mit dem Gemisch von Chloroform und Äther nach vorausgegangener Injektion von Morphium-Hydrochlorat in 1 prozentiger wässeriger Lösung im Verhältnis von 3”s pro kg Gewicht des Tieres nar- kotisiert worden. Wie ein auf diese Weise narkotisierter (also mit Morphium und Chloroform) Hund (Hund II, S. 129) sieben Stunden nach der Operation „sehr schnell“ umhergehen kann, versteht man absolut nicht. Ferner war bei dieser Gelegenheit (5. Exp. Hund III, S. 131) die 'sub- kutane Morphiuminjektion so reichlich, daß das Tier an dem auf die Operation folgenden Tage noch betäubt war. Schwere Irrtümer und Widersprüche finden sich in den Protokollen dieser Reihe der vom Autor gemachten Experimente. Einen weiteren bedenklichen Widerspruch finde ich im Protokolle des Hundes III (5. Exp. I. Reihe, S. 130—132). Der Autor sagt (S. 131— 132): „Während er alsdann frei auf der Terasse herumgeht, dreht er sich nie herum oder wendet sich nach rechts, sondern stets nach links.“ Trotzdem fügt er unmittelbar nachher (S. 125) hinzu: „Das Tier bewegt sich jedoch auf vollkommen regelmäßige Weise, wie sich aus der Schrittkurve er- kennen läßt.“ Es besteht also ein offenbarer Widerspruch zwischen dem ersten und dem zweiten Postulat. Bei dem nämlichen Hunde (8. 132) nimmt er „rechts vorne und hinten eine auffallend torpide taktile Sensibilität‘ an, einen „auffallend torpiden Muskelsinn rechts vorne und hinten“, und ist dann der Ansicht, daß nicht das geringste Anzeichen von Dysmetrie oder Habnentritt vor- handen ist. Wie sich diese Erscheinungen miteinander vereinigen lassen, wird er wohl allein wissen, aber was er behauptet, ist absolut falsch. Beim 6. Experiment (II. Reihe, Hund VI, S. 133—135) bemerkt er, bei der Untersuchung der Sensibilität finde sich rechts leichte Hypoösthesie gegen Schmerz; die taktile und thermische Sensibilität erscheinen ihm in- 22* 340 OswALD POLIMANTI: takt. Schließlich ist er jedoch der Ansicht, daß die Reflexe auf beiden Seiten gleich seien. Zwischen diesen beiden Aussagen besteht ein offen- barer Widerspruch, weil bekanntlich die Reflexe anormal sind, wenn eine der Sensibilitäten nicht intakt ist; in diesem Falle ist reehts — wenigstens nach seinem Bericht — die Sensibilität dem Schmerz gegenüber nicht intakt und demzufolge können auf dieser Seite die Reflexe nicht denen der entgegengesetzten Seite gleich sein. Während des Nachmittags nach der Operation konstatiert er eine Läsion des Muskelsinnes, nach zwei Tagen findet er keine Störung dieses Sinnes mehr; zwei Monate nach der Operation ist die Hautsensibilität (sie!) gegen Schmerz und Wärme auf beiden Seiten in den Beinen und im Rumpf gleich, die Muskelsensibilität im Hinterleib torpid sowohl rechts als links, während er im Vorderleib dagegen keinerlei Läsion des Muskel- sinnes findet. Dies kann absolut. nicht der Fall sein, weil in Anbetracht der Art der hervorgerufenen Läsion die Läsion des Muskelsinnes auf der der Hirnläsion entgegengesetzten Seite eintreten muß, in beiden Extremitäten und nicht in einer einzigen; letzteres anzunehmen ist einfach widersinnig. Er behauptet, dieser Hund zeige keinen Katzenbuckel und keine Ataxie. Die Schlußfolgerungen der letzten Reihe seiner Untersuchungen stützen sich nur auf eine Beobachtung (7. Exp. I. Reihe Hund IV S. 135—136); bei diesem Hunde exstirpierte er die Regio praecruciata (Lobus frontalis) und den linke Gyrus sigmoideus posterior. Auch hier sind die Widersprüche sehr groß. Er schließt aus, dad einen Tag nach der Operation Ataxie oder dysmetrischer Gang (Hahnen- tritt) vorhanden sei. Sodann gibt er zu, daB die Reitbahnbewegung nach rechts, d. h. nach der nicht operierten Seite hin wende (er nimmt also an, daß diese Reit- bahnbewegungen auf der der Hirnoperation entgegengesetzten Seite erfolgen), möglich sei, was in Wirklichkeit nie der Fall ist. Er berichtet: ferner, daß bei diesem Tier nach einer Woche alle Arten der Sensibilität auf der rechten Körperseite, in Extremitäten und Rumpf, bedeuteud abgenommen haben und, obwohl er dies annimmt, meint er, es sei nie Hahnentritt zu beobachten gewesen und das Tier gehe übrigens auf anscheinend wohl koordinierte Weise. Feliciangeli nimmt also an, daß die Läsion des Muskelsinnes der taktilen, schmerzempfindenden, thermischen usw. Sensibilität noch ein normales Gehen stattfinden kann, d. h. auch in diesem Falle ist seine Annahme widersinnig. Ich will auch nicht ein einziges Wort verlieren, um ihn zu überzeugen, daß bei Abtragung des Stirnlappens immer und konstant Hahnen- tritt eintritt. Es genügt ein Blick auf den kinematographischen Film, ZUR PHYSIOLOGIE DER STIRNLAPPEN. 341 den ich meiner Arbeit! beigefügt habe — er stellt einen Hund dar, bei dem der linke Stirnlappen und die linke Hälfte des Kleinhirns abgetragen worden ist — um sich dann davon zu überzeugen, daß die Behauptungen Feli- ciangelis falsch sind. Bei diesem Hunde bemerkt man eben Dysmetrie (Hahnentritt auf beiden Seiten, nämlich rechts infolge der Stirnlappenläsion und linls infolge der Läsion des Kleinhirns). Dies ist eben einer der Fälle, in denen jede Polemik ausgeschlossen ist, wie ich in einer anderen Arbeit? ausgeführt habe, da jedermann bei Betrachtung des kinematographischen Films sich von der Unrichtigkeit der Behauptungen Feliciangelis überzeugen kann. Und um einzusehen, von welcher Bedeutung eben heutzutage die photographische Kontrolle bei physiologischen Untersuchungen ist, möge man lesen, was in dieser Hinsicht ein bedeutender Physiolog (L. Hermann)? geschrieben hat. Sodann möchte ich an Feliciangeli noch die Frage richten, wie er die von Mingazzini und mir“ nach Läsionen des Stirnlappens im Zentral- nervensystem konstantierten Degenerationen, die sich nicht nur aus Zeich- nungen, sondern auch aus Mikrophotographien ergeben, in Beziehung zu den oben besprochenen vorübergehenden Störungen bringt, die er an Hunden mit den verschiedenen Läsionen der Stirnlappen konstatiert hat. Man muß ohne Zweifel annehmen, daß Feliciangeli und seine Rat- geber keine Ahnung davon haben, was physiologisch und anatomisch die Stirnlappen seien. Feliciangeli wollte uns über die physiologische Literatur der Stirn- lappen durchaus im unklaren lassen und uns diese Arbeit ex novo vor- legen, um zu behaupten, was namentlich u. a. H. Munk’, Mingazzini und ı 0. Polimanti, Über Ataxie cerebralen und cerebellaren Ursprungs. Dies Archiv. 1909. Physiol. Abtlg. 8. 123—136. 3 Taf. ®: Derselbe, Der Kinematograph in der biologischen und medizinischen Wissen- schaft. Maturwissenschaftliche Wochenschrift. Neue Folge. Bd. X. Nr.49. Separat- Abdr. S.1—16. ® L. Hermann, Ein Verfahren zur automatischen Registrierung sehr langsamer Veränderungen in: E. Meirowsky, Neue Untersuchungen über die Totenstarre quer- gestreifter und glatter Muskeln. Pflügers Archiv für Physiologie. Bd. LXXVII. S.64—36. 1399. 1 Tafel. (S. 64—71). * 0. Polimanti, Sulle degenerazioni consecutive alla ablazione di un lobo frontale. Contributi alla Fisiologia ed alla Anatomia dei Lobi Frontali. Roma 1906. Parte V. p. 131—142. G. Mingazzini und O. Polimanti, Anatomisch-physiologischer Beitrag zum Studium der Großhirn- und Kleinhirnbahnen des Hundes. Monatsschr. für Psychiatrie und Neurologie. Bd. XXV. p. 135—152. 4 Taf. 5 H. Munk, Über die Funktionen der Großhirnrinde. II. Aufl. Berlin 1890, 342 ÖOswAuD POLIMANTI: ZuR PHYSIOLOGIE DER STIENLAPPEN. ich! gesehen haben, sei alles Einbildung. Wir aber legen weder seiner parteiischen Kontrolle noch seinen Zitaten Gewicht bei, weil unsere Resul- tate von ernsteren und ehrlichen Forschern (z. B. Rothman u. a.) be- stätigt worden sind. Herr Guido Feliciangeli muß sich mit einem einzigen Erfolge be- gnügen; man braucht kein Prophet zu sein, um vorauszusehen, daß in der nächsten Auflage des Handbuchs der Physiologie von seinem Lehrer Luciani seine falsche Behauptungen enthaltende Arbeit ehrenwerte Er- wähnung finden wird; dies hat er verdient, weiter nichts. Neapel, Physiologische Abteilung der Zoologischen Station. Juni 1912. ı Osw. Polimanti, Sugli effetti motori consecutivi alle estirpazioni dei lobi frontali in: Contributi alla Fisiologia ed all Anatomia dei lobi frontali. Parte I. p.1—62. Roma 1906. G. Mingazzini ed O. Polimanti, Sugli effetti fisiologiei consecutivi alle estirpazioni successive di un lobo frontale e di una metä del cervelletto. Parte II. in: O0. Polimanti, Contributi alla Fisiologia ed alla Anatomia dei lobi frontali. Roma 1906. p. 63—82. Dieselben, Über die physiologischen Folgen von sukzessiven Exstirpationen eines Stirnlappens (Regio praecruciata) und einer Kleinhirnhälfte.e Monatschrift für Psychiatrie und Neurologie. Bd.XX. H. 5. 1906. S. 403—424. O0. Polimanti, Neue physiologische Beiträge über die Beziehungen zwischen den Stirnlappen und dem Kleinhirn. Dies Archiv. 1908. Physiol. Abtle. S. 81—102. 2 Tafeln. Die Blutdruckschwankungen in den Hohlräumen des Herzens und in den großen Gefäßen. Von H. Piper. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Berlin.) I. Vorbemerkungen. Seit Chauveau und Marey! zuerst die Druckschwankungen in den einzelnen Herzhöhlen zu messen und graphisch zu registrieren versuchten, haben eine große Reihe anderer Forscher sich mit demselben Problem be- schäftigt. Wie die französischen Forscher haben auch Goltz und Gaule?, Fredericq°, Rolleston®*, Hürthle, v. Frey und Krehl® und Bayliss und Starling” die druckmessenden Apparate ohne Thoraxeröffnung von der großen Gefäßen des Halses aus in die verschiedenen Herzabteilungen eingeführt; in anderen Versuchen haben Magini® und Rolleston Troikare durch die Brustwand in das Herz gestoßen und an diese die Manometer an- geschlossen. Rolleston°? hat dann bei eröffnetem Thorax in das freigelegte Herz Troikarmanometer durch die Wandung eingeführt und ähnlich ver- fuhren Roy und Adami!’, Fredericg, v. Frey und Krehl. Allem ! Chauveau u. Marey, Memoires de l’academie de medecine. 1863. T. XXVI. p. 272. Gazette med. de Paris. 1861. p. 320. ® Goltz u. Gaule, Archiv für die gesamte Physiologie. 1878. Bd. XVII. 3.103. ® Fredericg, Traveau du laboratoire, 1885. T.I. p. 73. * Rolleston, Journal of Physiology. 1887. Vol. VIII. p. 238. ° Hürthle, Archiv für die gesamte Physiologie. 1891. Bd. XLIX. S. 54. 6 v. Frey und Krehl, Dies Archiv. 1890. Physiol. Abtlg. S. 37. ” Bayliss und Starling, On the form of the intraventricular and aortic pres- sure Curves obtained by a new Method. Internationale Monatsschrift für Anatomie und Physiologie. 1894. Bd. XI. ® Magini, Arch. ital. de Biologie. 1887. Vol. VIII. p. 125. ® Rolleston, a.a. 0. 1887. 1 Roy und Adami, Practitioner. 1889. p. 162. 344 H. Pıper: Anschein nach werden die Druckkurven und die Druckwerte des Herzens nicht wesentlich durch diese Eingriffe modifiziert; darauf wiesen auf Grund vergleichender Versuche vor allem Rolleston, sowie v. Frey und Krehl hin. Die Druckkurven, welche von den verschiedenen Autoren registriert wurden, weichen nicht unbeträchtlich voneinander ab und in manchen wichtigen Punkten konnte bisher keine Übereinstimmung der Befunde erzielt werden. Z.B. fanden Chauveau und Marey, Hürthle u.a, daß die Ventrikel- druckkurve ein Druckplateau aufweist, während v. Frey und Krehl solchen Befund auf eine Sperrung der Manometeröffnung zurückführen und als wahres Druckmaximum im Ventrikel nicht ein Plateau, sondern einen gipfelartigen Umkehrpunkt beschreiben. Es wäre in der Tat schwierig, den Gipfelpunkt, welcher als Maximum der Aortendruckschwankung stets gefunden wird, aus einem plateauartigen Maximum der Ventrikeldruckkurve abzuleiten oder die Koexistenz beider zu erklären. Die Differenzen in den Befunden sind ohne Frage zum Teil darauf zurückzuführen, daß sehr verschiedene druckmessende Manometersysteme in den Versuchen der einzelnen Forscher zur Anwendung kamen. Die Theorie der Instrumente war noch nicht so weit entwickelt, daß die wahren Druckschwankungen aus den Kurven mit Sicherheit abgelesen, oder unter Berücksichtigung der physikalischen Konstanten des benutzten Manometers abgeleitet werden konnten. Nachdem Frank! jetzt die Theorie der ela- stischen Manometer vollständig entwickelt hat, erschien es aussichtsvoll, unter Anwendung der Frankschen Prinzipien und Instrumente zu besser gesicherten Ergebnissen über die Druckschwankungen im Herzen und in den großen Gefäßen zu gelangen. Diesen Weg ist in einer vor kurzem er- schienenen Arbeit Straub gegangen und es. ist ihm unter Anwendung der Frankschen Methodik in der Tat gelungen, Druckkurven zu erhalten, welche den tatsächlichen Druckablauf in den einzelnen Herzabteilungen unter den Bedingungen seiner Versuche wiedergaben. Seit längerer Zeit mit demselben Problem beschäftigt, möchte auch ich über meine Ergebnisse berichten, welche in vielen Punkten mit denen Straubs übereinstimmen, in einigen aber auch nicht unwesentliche Er- gänzungen bringen. Insbesondere weicht die von mir erhaltene Ventrikel- druckkurve von der Straubs ab, wie ich glaube, weil in meinen Versuchen annähernd normale arterielle Blutdruckverhältnisse bestanden; ferner erhalte ch beträchtlich abweichende Vorhofdruckwerte, ohne den Grund für diese Diskrepanz der Befunde angeben zu können. | Die von mir angewandte Methodik stimmt sehr annähernd mit der Straubs überein. Ausgehend von den Frankschen Arbeiten habe ich ein ! Frank, Hämodynamik, Tigerstedts Handbuch der physiolog. Methodik. 1911. - Die. BLUTDRUCKSCHWANKUNGEN IN DEN HOHLRÄUMEN DES HERZENS. 345 Troikarmanometer benutzt, das ganz ähnlich dem Straubschen konstruiert war und im wesentlichen diesem Instrument nachgebildet war. Ich habe ferner ebenso wie Straub an Katzen experimentiert, und zwar wurde das Manometer nach breiter Eröffnung des Thorax direkt durch die Herzwandungen in die einzelnen Hohlräume eingeführt. Abweichend von Straub habe ich an kuraresierten oder mit Hedonal narkotisierten, nicht an urethanisierten Katzen gearbeitet. Für diese Versuchsbedingungen also — Kuraresierung oder Hedonalnarkose, oflener Thorax, künstliche Atmung und Einführung des Troikarmanometers durch die Herzwandungen in die Hohlräume — gelten die im folgenden zu besprechenden Kurven des Druckablaufes. Wie die früheren Autoren, welche die Versuche in ähnlicher Weise anstellten (Rolleston, Straub), habe ich den Eindruck, daß sich am intakten Tier sehr ähnliche Druckverhältnisse in den einzelnen Herzabschnitten finden würden. Denn trotz der schweren operativen Eingriffe ist die Herztätigkeit nicht wesentlich beeinträchtigt und sicherlich nicht fundamental modifiziert, denn der Rhythmus ist normal und gleichmäßig, die Herzarbeit scheint normal, d. h. es wird ein normaler arterieller Blutdruck, der weder durch gute Kurarepräparate, noch durch Hedonal beeinträchtigt wird, bei jedem Herzschlag überwunden und das Schlagvolum ist normal; auch der Er- regungsablauf bei jedem Schlag geht nach Ausweis des Elektrokardio- grammes normal vor sich. Man darf also annehmen, daß auch die Druck- abläufe in den einzelnen Herzhöhlen den physiologischen Verhältnissen nicht ferne sind. Der große Vorteil aber, den man mit der Einführung der Manometervorrichtung direkt durch die Wandungen des freigelesten Herzens gegenüber der Einführung von den Gefäßen aus erreicht, ist der, daß die Klappenmechanismen ungestört funktionieren können und daß man Manometerkonstruktionen, welche den Frankschen Prinzipien genügen, anwenden kann. Diese Vorbemerkungen scheinen mir für die Bewertung der Versuche und ihrer Ergebnisse angebracht. Es sollen nun die Versuchsmethodik und die Druckkurven und deren Deutung genauer besprochen werden. II. Methodik. Die Versuchstiere, Katzen, wurden tracheotomiert und nach intra- venöser Injektion von Kurare oder von 0-5:”% Hedonal unter künstliche Atmung gebracht. Das Sternum und breite Teile der vorderen Thorax- wand bis zur Grenze der Rippenknorpel wurden reseziert, so daß nach Eröffnung des Pericards das Herz leicht zugänglich freigelegt war. Das Troikarmanometer wurde dann, vollständig mit physiologischer Kochsalz- lösung gefüllt, in diejenigen Hohlräume des Herzens oder der großen Gefäß- 346 H. Piper: stämme eingeführt, in welchen der Druckablauf bestimmt werden sollte. Zur Messung des Aortendruckes wurde es in den bei der Katze gemein- samen Stamm der Subklavien und Karotiden eingebunden, so daß es seiten- ständig zur Aorta lag. Ebenso leicht ist es bei der Katze, das Manometer- rohr in die lange Vena cava superior einzubinden. Zur Messung des Vorhofdruckes wurde das rechte oder linke Herzohr zunächst mit einer schwachen Arterienklemme temporär abgeklemmt und am äußersten Zipfel eröffnet; dann wurde das Manometerrohr eingeführt und ebenso wie in ein Gefäß eingebunden, worauf die Arterienklemme wieder abgenommen wurde. Zur Einführung des Instrumentes in die Ventrikelhöhle wurde eine kleine Stelle in der vorderen Ventrikelwand nahe dem Aorten- bzw. Pulmonalis- ursprung zirkulär und ganz oberflächlich mit fortlaufendem Faden umnäht, dann wurde der Troikar in der Mitte dieser Stelle durchgestoßen und durch Zuziehen des Nahtfadens fest eingebunden. Die photographische Registrierung der Druckschwankungen wurde möglichst schnell nach Be- endigung der Operation begonnen, um vor dem Beginn der Blutgerinnung Kurven festzulegen. Übrigens stellt sich, wie auch Straub fand, auch nach der Gerinnung des im Manometerrohr befindlichen Blutes, der Druck- ablauf und die Druckgröße nicht anders dar, als vorher. Die Verschiebungen der Flüssigkeitsmasss im Manometer sind offenbar so winzig, daß ein zwischengeschaltetes gallertiges Gerinnsel der Fortpflanzung der Druck-. schwankungen überhaupt kein Hindernis entgegenstellt.- In der Regel wurde immer nur ein Hohlraum zurzeit manometrisch unter- sucht und es wurden so die Kurven des Druckablaufes für jede Herzabteilung und für die Stammgefäße unabhängig voneinander festgelest. Zwar ge- lingt es schon so, die Ursachen für die einzelnen Diskontinuitäten und Öszillationen der komplizierten Druckperioden aus den Kurven abzulesen und die Wirkung der Klappen und des Druckapparates des Herzmechanismus zu analysieren. Um aber mit voller Sicherheit die zeitlichen und funk- tionellen Beziehungen aller einzelnen Druckschwankungen, welche die Kurven der verschiedenen Herzabteilungen aufweisen, erkennen zu können, erschien es doch wünschenswert, daß in besonderen Versuchen die Druckkurven für zwei Herzhohlräume zugleich, also für Ventrikel und Vorhof oder für Ven- trikel und Aorta usw., registriert wurden. Es mußten also zwei Manometer in zwei aneinander grenzende Hohlräume eingeführt werden, so daß deren Ausschläge untereinander gleichzeitig geschrieben werden konnten. In solchen technisch nicht einfachen Versuchen gelingt es nun, gewisse Druck- oszillationen, welche in den Druckkurven verschiedener Herzhohlräume vor- kommen, als zeitlich zusammenfallend und der Ursache nach identisch mit Sicherheit zu erweisen. Freilich ist es aber recht schwierig, von beiden Hohlräumen zugleich Druckkurven zu registrieren, welche in allen Details DIE BLUTDRUCKSCHWANKUNGEN IN DEN HOHLRÄUMEN DES HERZENS. 347 Eie.t, Fig. 2. Troikarmanometer. A% Manometerrohr. M Mandrin. H Absperrhahn. 7 Trommel- hohlraum. G Gummimembran. $ Spiegel. Fig. 1 zeigt das Instrument, wie es bei der Einführung in den Ventrikel, Fig. 2 wie es bei den Druckregistrierungen benutzt wird. 348 H. Fıper: einwandfrei sind. Meist ist entweder die eine oder die andere in irgend einer Hinsicht nicht vollständig befriedigend und das ist wohl aus dem Um- stande begreiflich, daß das Einführen zweier Manometer und das Stellen der beiden Instrumente für die photographische Registrierung der Aus- schläge den Druckmechanismus des Herzens oder seine Einwirknng auf das Manometer an der einen oder anderen Stelle beeinträchtigt. Indessen dies sind mehr technische Mängel der Doppelkurven, als daß ihr eigentlicher Zweck, die Auffindung der funktionellen Beziehung der einzelnen Schwan- kungen und Wellen der den verschiedenen Herzabschnitten zugehörigen Druckperioden, dadurch beeinträchtigt wurde. Das Troikarmanometer war in Anlehnung an das von Straub be- nutzte Instrument konstruiert, nur sind die Dimensionen in einigen Teilen etwas anders gewählt. Um der Frankschen Theorie der Membranmano- ıneter zu genügen, mußten die Maße so gewählt werden, daß die „wirksame Masse‘ möglichst gering und die Eigenschwingungen möglichst hoch lagen. Das Instrument bestand aus einem 6°® langen Rohr (Figg. 1u.2 R) von 3.5 »m Jichter Weite, in welchem ein Mandrin (WM) luftdicht ein- gepaßt war und gleiten konnte. 3.2 = von der unteren Öffnung war ein durchbohrter Hahn #7 angebracht, durch dessen Bohrung der Mandrin hindurchglitt (Fig. 1). Nach dem Herausziehen des Mandrin kann der Hahn um 90 Grad (Fig. 2) gedreht werden, so daß die Bohrung quer zur Röhre steht ünd das Rohr in dieser Höhe abgeschlossen ist. Unterhalb des Hahnes durchsetzt die Achse des Troikars einen kurzen trommelartigen Hohlraum 7, dessen Achse senkrecht zu der des Toikarrohres liegt, der 4-5 "= inneren Durchmesser hat, dessen eine ebene Wand aus Metall besteht, dessen andere aber durch eine hier straff aufgebundene Gummimembran @ ge- bildet wird. Diese Membran dient für die manometrischen Messungen; sie wird durch die Blutdruckschwankungen, welche sich durch das Troikar- rohr auf die Flüssigkeit im Trommelhohlraume fortpflanzen, je nach der Höhe des Druckes und zwar in einfacher Proportionalität mehr oder weniger ausgebuchtet. Für die Messung der hohen Drucke in der Aorta und den Ventrikeln wurde eine dicke und sehr straff gespannte Membran be- nutzt, zur Beobachtung der geringen Druckschwankungen in den Vorhöfen und der Vena cava wurde das Manometer mit einer dünneren, aber gleich- falls straffgespannten Membran versehen. Am unteren Rande der Membran wurde ein optisch reines planes Spiegelchen $ von 1 "== Durchmesser aufgeklebt. Das von diesem Spiegel reflektierte Licht diente zur Registrierung der Membranausbuchtungen, welche durch die Druckschwankungen in dem vollständig mit Flüssigkeit gefüllten Hohlraum des Manometers bewirkt werden. Man sieht, daß das Instrument fast ganz mit dem von Straub angegebenen übereinstimmt, Die BLUTDRUCKSCHWANKUNGEN IN DEN HOHLRÄUMEN DES HERZENS. 349 nur ist die Achse des Troikarrohres etwas weiter, die wirksame Masse also geringer und ferner ist die Membran etwas kleiner, die Zahl der Eigen- schwingungen des Instrumentes ist also bei gleicher Spannung etwas höher. Diese betrugen unter den im Herzversuch obwaltenden Bedingungen, wenn die dieke Membran zur Messung der Ventrikeldrucke aufgespannt war, mehr als 250 pro Sekunde, wenn die dünnere Membran zur Messung der Vorhofdrucke benutzt wurde, etwas über 200 pro Sekunde. Die Eigen- schwingungszahl wurde nach der von Frank angegebenen, auch von Straub zur Aichung seiner Manometer verwendeten Methode festgestellt; sie läßt sich in manchen Herzdruckkurven auch an einzelnen Stellen direkt abzählen, wenn durch irgend eine gelegentliche Störung, z.B. einen Stoß, das Manometer in Eigenschwingungen verfällt. Vor dem Beginn der Druckmessungen wurde das Hohlraumsystem des Instrumentes mit physiologischer Kochsalzlösung gefüllt und dabei, wie während des ganzen Versuches, wurde sorgfältig darauf geachtet, daß keine Luftbläschen darin blieben. Auf den stark entstellenden Einfluß, den die Luftblasen auf die Kurven der zu messenden Druckschwankungen ausüben, hat ja Frank sehr nachdrücklich hingewiesen. Nachdem das Troikarrohr in den zu untersuchenden Herzabschnitt oder das Gefäß eingebunden war, wurde es am oberen Ende in einer Klammer gefaßt und in einem Stativ vollständig unverrückbar festgestellt. Für die photographische Registrierung der sehr kleinen Membranausschläge diente die folgende von Frank angegebene Vorrichtung. Das Bild des horizontal gestellten Glühfadens einer Nernstlampe wird mit Hilfe eines Objektives von etwa 25°” Brennweite so entworfen, daß es in etwa 110 m Ab- stand von diesem scharf zustande kommt. In den Strahlengang wird nun 30—45 ®® von der Linse entfernt der Spiegel des Manometers gestellt, so daß das reflektierte Licht ein Bild des Glühfadens in 65— 80 °® Abstand vom Spiegel gibt. Am Orte dieses Bildes wurde ein Franksches Kymographion so auf- gestellt, daß dessen senkrechter Spalt in der Ebene des horizontal gestellten Glühfadenbildes stand und sich mit diesem kreuzte. Wenn nun der Mano- meterspiegel den Druckschwankungen entsprechende Drehungen um eine horizontale Achse erfuhr, so wurden die Drehungswinkel optisch ver- doppelt und mit einem 65—80 ® langen Lichthebel auf die Ebene über- tragen, in welcher das Glühfadenbild zustande kommt. Dieses macht auf- und niedergehende Ausschläge, welche auf dem photographischen Papier der Kymographiontrommel als Kurven aufgezeichnet werden. Die Zeit wurde nach Frankscher Methode dadurch geschrieben, daß ein durch ein Weckeruhrwerk zum Pendeln gebrachter Hebel 3-7 mal pro Sekunde vor der Nernstlampe vorüberschlug. Er bewirkte dann ebenso 350 H. Pıper: oft eine kurze Unterbrechung der Strahlen und sein Schatten macht sich als kurze helle Unterbrechung der photographisch registrierten Kurven geltend. Nach jedem Versuch am Herzen oder Gefäßsystem wurde das Prä- parat vom Manometer abgetrennt, dieses aber vollständig unverrückt im Stativ belassen. Dann wurde an Stelle des Präparates eine pneumatische Drucekvorrichtung angeschlossen. Mit dieser wurden Drucke erzeugt, deren Größe an einem miteingeschalteten Quecksilbermanometer abgelesen werden konnten. Bei verschiedenen derartig bestimmt definierten Drucken wurden nun Aichungen des Membranmanometers vorgenommen und zwar wurden diese auf dem gleichen Film mit der zuletzt aufgenommenen Herz- oder Gefäßdruckkurve aufgeschrieben. So hat man die im Gefäßsystem regi- strierten Drucke in absolutem Maße (Millimeter Hg) und zugleich über- zeugt man sich leicht, daß innerhalb der im Versuch vorkommenden Grenz- drucke die Größe der Manometerausschläge einfach proportional mit den Druckwerten variieren, eine Tatsache, welche für kleine Ausschläge der Membran von Frank für die nach seinen Prinzipien konstruierten und be- nutzten Manometer als gültig erwiesen ist. ! III. Ergebnisse. 1. Der Druckablauf im linken Ventrikel (Fig. 3—8). Im diastolischen Teil der Druckkurve des linken Ventrikels markiert sich die Vorhofsystole in Form einer kleinen flachen Erhebung (Fig. 3 7). Die Vorhofmuskulatur treibt das Blut mit einem Druck von nur 10— 12m Hs in den Ventrikel, und auf solch kleine Druckschwankungen reagiert die dicke, unempfindliche Membran des Manometers nur mit geringem Ausschlag. Dann folgt die Ventrikelsystole, deren Druckkurve einen ansteigenden und absteigenden Schenkel erkennen läßt. Der Druck setzt plötzlich ein und schwillt vom O"® Hg ausgehend zuerst sehr schnell an, so daß der ansteigende Schenkel der Druckkurve in kurzem Bogen vom Nullwert des diastolischen Kurvenstückes (bei A in Figg. 3—5) abbiegt und dann sehr steil ansteigt (Fig. 3). Im ansteigenden Kurvenschenkel findet man bei normalen Blutdruck- verhältnissen — regelmäßig etwa an der Grenze zwischen mittlerem und oberem Drittel, einer Druckhöhe von etwas mehr oder weniger als 100"= Hg ent- sprechend, eine erste superponierte Zacke (Fig. 38) und sogleich darauf eine zweite mehr buckelförmig übergelagerte Diskontinuität S,. Die Ursache dieser Wellen ist mit großer Wahrscheinlichkeit auffindbar. Die erste Zacke S, fällt zeitlich und hinsichtlich ihres Druckniveaus mit der Eröff- nung der Aortenklappen zusammen und sie dürfte dadurch zustande kommen, daß die vorher gespannten Klappen plötzlich entspannt werden und daß Die BLUTDRUCKSCHWANKUNGEN IN DEN HOHLRÄUMEN DES HERZENS. 351 die im Aortenbulbus unter Druck stagnierende Blutsäule durch die plötz- liehe Drucksteigerung beim Beginn der Herausschleuderung des Ventrikel- inhaltes einen Stoß erhält. Das geschieht in dem Augenblick, in welchem der äußerst steil anschwellende Ventrikeldruck den Aortendruck gerade über- schreitet. Es kommt dann eine Schwingung in dem ganzen aus Klappen, Gefäßen und Blutmasse bestehenden elastischen System zustande, welche sich als Druckoszillation in dem ansteigenden Teil der Ventrikeldruckkurve markiert. Offenbar ist vom Beginn der Systole bis zu dieser Zacke der Druckkurve die „Anspannungs- oder Verschlußzeit“ (A bis $,) zu rechnen. Die zweite etwas höher liegende Diskontinuität (Fig. 3 S,) im anstei- genden Schenkel der Druckkurve fällt mit dem steilen Druckanstieg in der Aorta zusammen. Der schnell anwachsende Aortenblutdruck und die ra- pide gesteigerte Spaunung und elastische Deformation der Aortenwände üben eine Rückwirkung auf den Ventrikeldruck im Sinne einer Stauung aus. Zugleich dürfte an dem Zustandekommen der Welle S, im ansteigenden Schenkel der Ventrikeldruckkurve auch die von Frank beschriebene „An- fangsschwingung‘“ der Aortendruckkurve, wenn auch stark gedämpft, be- teiligt sein. Sie beruht nach Frank auf einer Eigenschwingung des durch den Druckstoß des Ventrikelinhaltes in Bewegung gesetzten elastischen Systems, welches aus Blutmasse und umgebenden Gefäßwandungen im weitesten Sinne besteht. Nach diesen der Aortenklappenöffnung entsprechenden Diskontinuitäten steigt der Druck beträchtlich, aber nicht mehr so steil wie vorher weiter an. Das Druckmaximum im linken Ventrikel liest in der Regel später und höher als das in der Aorta und das ist wohl so zu verstehen: un- mittelbar nach der Klappenöffnung wird das Hauptquantum des Ventrikel- inhaltes sehr plötzlich und unter hochgradiger elastischer Deformierung der Aortenwände herausgeschleudert; daher der steile Druckanstieg in der Aorta. Bei der Herausbeförderung des letzten Restes aber erfolgt der Blutüber- tritt aus dem Ventrikel in weniger steilem Stromgefälle, so daß die weitere elastische Deformierung der Aortenwände unbeträchtlich ist. Auch die wei- tere Blutfüllung der relativ weiten Aorten- und Arterienhohlräume ist am Ende der Systole gering, das Maximum des Aortendruckes muB aber in die Zeit der steil zunehmenden Blutfüllung und der steilen Zunahme der elasti- schen Deformierung der Gefäßwände fallen, d. h. in die Zeit, in welcher sehr viel Blut pro Zeiteinheit hineingepreßt wird. Die mehr allmähliche Hinüber- beförderung der geringen Restmasse am Ende der Systole hat keine weitere Drucksteigerung in dem weiten Hohlraum der Aorta zur Folge. Die weiter fortschreitende Anspannung der Ventrikelmuskulatur kann sich aber sehr wohl als Druckzunahme in dem kleinen Hohlraum des in den Ventrikel H. Pıper: 392 eingeführten Manometers geltend machen, wenn man annimmt, daß der ‚ur oad og Zuonbaagsing "BpIoy 1Op ur Josueyonıg pun „Sandummosssugjuy“ °g "uaddepyreunguog op Sunuyo !S afogsisjoytor A -uopunyag °%/, wayum uoyeumpoz UoSH] NZ SYUN Yowu SgyDoL UoA ‘s[oyLguHA Uoyu Sop OAınyyonXL ‘sad ' DIS 9, \ | Ä | Manometerhohlraum am Ende der Systole bei dem Schwinden des Ven- n a RE trikelhohlraumes und bei der Aneinanderlagerung der Innenwände nicht Die BLUTDRUCKSCHWANKUNGEN IN DEN HOHLRÄUMEN DES HERZENS. 353 mehr frei mit der Aorta kommuniziert. Der von der Ventrikelmuskulatur geschaffene Druck schnellt also über die zur Entleerung erforderliche Größe hinaus, etwa wie man auch zum völligen Leerspritzen eines wassergefüllten Gummiballes beim Zusammendrücken nicht genau am Ziele aufhört, son- dern darüber hinaus den Druck noch fortsetzt. Der ansteigende Schenkel der Ventrikeldruckkurve geht schließlich in einem runden Gipfel (Figg. 3—6G), einem Wendepunkt, nicht über ein Plateau in den absteigenden Schenkel über. Von der Klappen- Fig. 4. Dasselbe wie Fig. 3 mit Druckaichung in Millimeter Hg. Beim selben etwas niedrigerem Druckniveau als in Fig. 3. Versuchstier aufgenommen wie Fig. 3 und zwar ganz kurz nachher. Druckmaximum etwa bei 170"m Hg. Die Öffnungszacke S, liegt in öffnung ($,) bis zum Druekmaximum @ ist die Zeit der Ventrikel- entleerung zu rechnen. Dann beginnt die Diastole. Der Blutdruck sinkt vom Druckmaximum bis 0" Hg ohne einge- schaltete Diskontinuitäten ab. Dabei ist aber zu bemerken, daß der Über- gang zum O-Wert, das Umbiegen des absteigenden Kurvenschenkels (bei 2) in die Horizontale nicht in so kurzem Bogen vor sich geht, wie es .für den scharf einsetzenden Anstieg (bei A) beschrieben wurde. Der Druck- abfall erfolgt vielmehr in weniger steilem ‘Gefälle und er geht mehr all- mählich in sanfterer Kurvenbiegung in den Nullwert über. Archiy f. A. u, Ph. 1912. Physiol. Abtlg. 93 354 H. Pıper: Im absinkenden Schenkel markiert sich der Schluß der Aorten- klappen nicht, obwohl der deutlich hörbare Aortenklappenton von Druck- diskontinuitäten begleitet sein muß und obgleich der Klappenschluß in der Aortendruckkurve sich deutlich ausprägt. In der Ventrikeldruckkurve kann ae re Von rechts nach links zu lesen. Eio,zo: Dasselbe wie Fig. 3 u. 4, anderes Versuchstier. Zugleich mit Druckkurve des linken Vorhofes geschrieben. G DZ Pulsfrequenz 170 pro Min. dies nicht merklich der Fall sein, weil zur Zeit des Klappenschlusses kein Blut im Ventrikel ist, weil also keine Kontinuität der die Druckschwan- kungen weiterleitenden Blutflüssigkeit von der Klappenregion bis zum Ven- trikelhohlraum und bis zum Manometer besteht. Es können also keine Druckoszillationen von der Klappenregion durch den spaltförmigen Ventrikel- Die BLUTDRUCKSCHWANKUNGEN IN DEN HOHLRÄUMEN DES HERZENS. 355 hohlraum weitergeleitet werden und sich hier manometrisch geltend machen. | Die Frage, an welcher Stelle der Ventrikeldruckkurve die Zeit des Aortenklappenschlusses anzusetzen ist, muß dahin beantwortet werden, daß Fig. 6. Dasselbe, gleiches Versuchstier wie in Fig. 5. Schneller Gang der Kymographiontrommel. S; Deutliche 8,- und $,-Wellen. Von rechts nach links zu lesen. 74 dies sehr bald nach dem Gipfel der Fall ist. Denn der Ventrikeldruck sinkt steil, der Aortendruck langsamer ab, so daß sehr bald nach dem Maximaldruck der Aortendruck größer ist als der im Ventrikel und den Klappenschluß bewirkt. Man kann aber die Zeit des Klappenschlusses in der Ventrikeldruckkurve indirekt aus dem Vergleich mit der am gleichen 23* 356 H. Piper: Versuchstier registrierten Aortendruckkurve ableiten. In der Aortendruck- kurve ist Klappenöffnung und Klappenschluß durch Druckoszillationen mar- kiert, man kann also die Zeit messen, während welcher die Klappen offen sind. In der Ventrikeldruckkurve finden sich nur die der Klappenöffnung ent- sprechenden Druckdiskontinuitäten. Überträgt man das Zeitintervall zwischen Öffnungs- und Schlußzacke von der Aortendruckkurve auf die Ventrikel- druckkurve oder lest man die Aortendruckkurve auf die Ventrikelkurve so, daß die Klappenöffnungszacken beider Kurven aufeinanderfallen, so findet man, daB die Klappenschlußzacke der Aortenkurve auf einen Punkt im absteigenden Schenkel der Ventrikeldruckkurve fällt, der kurz nach der Gipfelzeit liegt. (Fig. 26.) Diese Rechnung und Konstruktion kann an den Kurven Figg. 3 u. 8 ausgeführt werden, einer Ventrikeldruck- und einer Aortendruckkurve, welche unmittelbar nacheinander an ein und’ demselben Tier aufgenommen worden sind. Mißt man in der Aortenkurve die Zeit von der Öffnungszacke S, bis zur Schlußzacke / auf die Abszissenachse ab und trägt diese Strecke in der Ventrikeldruckkurve von der Zacke 5, und parallel der Abszissenachse ab, so fällt der Endpunkt der Strecke auf eine Ordinate, welche die Ventrikel- druckkurve bald nach dem Gipfel schneidet. (Fig. 26.) Vollkommen einwandfrei läßt sich dies alles erweisen, wenn man Aorten- druck und Ventrikeldruck gleichzeitig so untereinander registriert, daß gleich- zeitige Druckwellen in beiden Kurven auf die gleiche Ordinate fallen. Ich habe solche Aufnahmen gemacht; es ist mir aber nicht gelungen, einwandfreie Druckkurven beider Hohlräume zugleich zu erhalten. Entweder die eine oder die andere Kurve zeigt Mängel und Abweichungen von der Norm und ich möchte deshalb darauf verzichten, die Bilder hier zu reproduzieren. Das aber läßt sich auch aus diesen Versuchen mit Sicherheit bestätigen, daß die oben geschilderten Beziehungen der Ventrikel- und Aortendruck- kurve, namentlich die Zusammengehörigkeit der 8,-Zacken in beiden Kurven zutreffend ist. Die Zeiten der einzelnen Phasen der Ventrikeldruckschwankung sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt und zwar im ersten Stabe als Bruchteile. von Sekunden, im zweiten als Bruchteile der ganzen Herz- periode, deren Dauer = 1 gesetzt ist. Aus diesen Zeitmessungen ergibt sich die Regel, daß etwa !/, der ganzen Herzperiode benötigt wird für den systolischen Druckanstieg (Anspannungszeit + Ent- leerungszeit), ?!/, zur Entspannung des Herzmuskels (Zeit des Druckabfalles) und !/, zur Neufüllung des Ventrikels (Pause), Die BLUTDRUCKSCHWANKUNGEN IN DEN HOHLRÄUMEN DES HERZENS. 357 Tabelle I. j SUSE I Zeit | In Zehnteln der ganzen Sekunden Herzperiode Dauer der ganzen a ER a ee er Ver 0.382 | 10 Dauer der Systole, gerechnet vom Beginn des Druck- anstiegs bis zum Maximum A-@ . . . 2... 0-135 3+5 Anspannungszeit (Freu des ne bis Samen: öffnung A—S,) . - RA. > & 0.0466 1.2 Austreibungszeit Gelanheneffnung bis Maximum S,— N i 0.0885 2-3 Zeit der Klappenöftnung bis Klappenschuß ,—J . . . | 0.13 3. Ganze Diastole (Maximum bis Beginn des neuen age | Druckanstiegs G— 4) 0.247 6.4 Dauer des Druckabfalls (Maximum bis 0) G— B. 0.144 3-8 Ganze Druckschwankung (Beginn des Anstiegs bis 0) A— E | 0-28 73 Pause (Null bis Beginn des Anstiegs) E—A 0:103 2-7 So, wie bisher beschrieben, verhält sich die Druckkurve des linken Ventrikels, wenn der Blutdruck normal ist, bei der Katze also ein Maximum von 150 vis 180“ Hg hat (vgl. Fig. 4). Wenn der Blut- druck gesunken ist, so fällt die Kurve häufig erheblich anders aus. Schon bei Drucken von etwa 100=m Hs und noch öfter bei noch niedrigeren Drucken kommt es vor, daß die Klappenöffnungszacken (S,) fehlen, so daß der Druck ohne Diskontinuität bis zum Maximum ansteigt. Es scheint, daß dann die Stoßwirkung des aus dem Ventrikel geschleuderten Blutes nicht groß genug ist, um eine erhebliche Schwingung der Klappen und des Gefäßsystems mit deren Rückwirkung auf den Herzinhalt zu bewirken. Unter diesen Verhältnissen stellt sich dann der einfache von Straub re- gistrierte Druckablauf ein: steiler glatter Anstieg, runder Gipfel und steiler Wiederabfall der Kurve. Manchmal kommen auch die von Bayliss und Starling abgebildeten Doppelgipfel der Druckkurve vor und in seltenen Fällen sinkt der Blutdruck in der Diastole bis zu geringen negativen Werten für kurze Zeit ab, wie gleichfalls Bayliss und Starling, v. Frey und Krehl u. a. fanden. Bei normalen Blutdruckverhältnissen und guter kräftiger Herzaktion habe ich alles dieses niemals beobachtet, sondern sehr konstante Verhältnisse des Kurvenverlaufes typisch vorgefunden, so wie es oben beschrieben wurde. Es ist leicht begreiflich, daß man die Klappenöffnungszacken nicht in typischer Form erwarten kann, wenn durch die Aorta sondenartige druck- messende Instrumente in den linken Ventrikel eingeführt sind. Diese müssen die Klappenbewegungen behindern, ganz abgesehen davon, daß sie den Frankschen Prinzipien der Druckregistrierung nicht genügen. 358 H. Pıper: In manchen Kurven habe ich im Gegensatz zu dem normalen, als rundem Gipfel beschriebenen Maximum ein Plateau gefunden (Figg. 7 u. 8). Eiosezs Plateaukurve. Von rechts nach links zu lesen. Plateau in etwa 70 "® Hg Druckhöhe; wahrscheinlich bedingt durch Manometerverschluß. Ich bin mit v. Frey und Krehl der Meinung, daß diese Kurven nicht die wahren Druckschwankungen im Ventrikel darstellen, sondern daß das Plateau durch besondere Umstände beim Versuch zustande kommt. v. Frey und Krehl fanden, daß das Maximum der Druckkurve um so tiefer liegt ee zz Die BLUTDRUCKSCHWANKUNGEN IN DEN HOHLRÄUMEN DES HERZENS. 359 und daß ein um so flacheres und längeres Plateau sich einstellt, je tiefer das druckmessende Instrument nach der Herzspitze zu in den Ventrikel r ar *' vg | u £ 73 f u. R ee Eee i ae ' Fa; x | ie Sk Se | | A, . | | a8 x & | u un | & EN a > | ei y = u j on | - 2% IDEE | & use = | | N m; “ e. | in - es 1 ER SS _ N =” 07 { EEITITEN Ir eh er rer Eu AR SERIE a Bar & De FE ee! RE Zweigipfliges Plateau in etwa 125 "® Hg Druckhöhe; wahrscheinlich bedingt durch Manometerverschlub. Zeitmarken !/,, Sekunden /00 mın Hg hineingeschoben wird. Ich bin mit diesen Autoren der Meinung, daß dabei die Öffnung des Manometerrohres durch sich anlegende Herzteile verlegt wird, so daß die Blutdruckschwankungen sich nicht mehr auf den Flüssig- keitsinhalt des Manometers übertragen können; es wird dann in dem uopunyag ''/; 90Z "usdundummosgngyosusddejyy uopuospopyowu ru anssızuy p ydıy puny ur "Sundummpsssugguy ög (yur.ıg 4,Sundurmypsıo A“) uoddepyazungmag op Junuyg 'g "uoso] NZ SyuI yowu syyoot uoA °F pum & 'SOLy UT OIM SOloMsuonsIoA UOTOLOLS SOP TALOY AOP OAANSOn.LKL 6 "SLq H. PıpEr: 360 verschlossenen Hohlraume des Manometerrohres der Druck so lange konstant plateauartig gehalten, bis bei der Diastole die Öffnung wieder frei wird und der Druck sinkt. Daß dies so ist, dafür sind mehrere Beweise anzuführen, Die BLUTDRUCKSCHWANKUNGEN IN DEN HOHLRÄUMEN DES HERZENS. 361 zunächst die Tatsache, daß solch ein Plateau stets einen Druckwert hat, der weit unter dem normalen Maximum liegt (Figg. Tu. 8). Man hat gleichsam verglichen mit den normalen Verhältnissen eine Druckkurve, deren obere Kalotte abgeschnitten und durch eine Sehne in niedrigerem Niveau ersetzt ist. Hierzu ist zu bemerken, daß die Plateaubildung an den Kurven meist dann eintritt, wenn man das Manometer nicht nahe am Aortenursprung, sondern näher der Herzspitze in den Ventrikel einführt. Zeitmarken !/;, Dekunden. Sn rg Fig. 10 Aortendruckkurve desselben Versuchstieres mit Druckaichung. Beginn des Druckanstiegs bei etwa 125" Hg, Maximum bei 170 "" Hg. 200 mın Hg Rr ar et Da der untere Teil des Ventrikels bei der Systole zuerst leer wird, legen sich dann die Wände sperrend vor die Manometeröffnung. Das vollständig horizontale Plateau beginnt und endet dann, wie es bei solcher Absperrung sein muß, mit scharfen Kurvenecken; für diese den Anfang und das Ende des Plateaus markierenden Kurvenwendepunkte ist in der Mechanik der Herzmuskelkontraktion sonst keine Ursache auffindbar. Ein plateauartiges Balancieren des Druckes in einem konstanten Maximum ist eine mecha- nische und physiologische Unwahrscheinlichkeit. 362 H. Piper: 2. Blutdruckkurve der Aorta (Figg. 9 u. 10). Der Druckablauf in der Aorta der Katze stellt sich in meinen Ver- suchen ganz ebenso dar, wie es Frank! für den Hund beschrieben hat. Der Vergleich mit den Frankschen Kurven bestätigt zugleich die Leistungs-, fähigkeit der hier verwendeten Manometer. Am Beginn oder schon vor dem Einsetzen der eigentlichen systolischen Druckschwankung findet sich die von Frank sogenannte „Vorschwingung“ (Fig. 98). Frank sieht die Ursache für ihr Zustandekommen darin, daß die Aortenklappen plötzlich eine Spannungsänderung erfahren in dem Augen- blick, in welchem der steil anschwellende Ventrikeldruck den .Aortendruck erreicht und überschreitet. Offenbar ist diese Kurvenzacke identisch mit der Zacke S, der Ventrikeldruckkurve (Fig. 3) welche oben auf die Zeit der Öffnung der Semilunarklappen bezogen wurde und welche das Ende der „Anspannungs- oder Verschlußzeit‘“ markiert. Diese Identität läßt sich darin erkennen, daß die Zacken S, in beiden Druckkurven zeitlich zu- sammenfallen und in ungefähr gleicher Druckhöhe liegen, nämlich in der, in welcher der Ventrikeldruck den Aortendruck gerade überschreitet und in welcher der Aortendruck beginnt durch den weiter anschwellenden Ventrikeldruck steil in die Höhe getrieben zu werden. Ich möchte, wie oben dargelegt, die Ursache dieser Kurvenzacke in einer Schwingung des ganzen in Bewegung gesetzten Systems sehen, welche dadurch zustande kommt, daß die in der Aorta stehende Blutsäule und die elastischen Aortenwände in dem Augenblick einen brüsken Druckstoß erhalten, in welchem der äußerst schnell anwachsende Ventrikeldruck den Aortendruck übertrifit und das vorher nur unter Druck stehende Ventrikelblut plötzlich Geschwindigkeit bekommt, herausgeschleudert wird, die Semilunarklappen entspannt und gegen die Blutsäule in der Aorta anschläst. Bei niedrigem Blutdruck wird diese „Vorschwingung“ klein und un- deutlich. Dies fand Frank und kommt ebenso in meinen Kurven zum Vorschein. Wie oben erwähnt verschwindet die Zacke S, bei niedrigem Blutdruck auch aus dem ansteigenden Schenkel der Ventrikeldruckkurve. Offenbar erfolgt unter diesen Verhältnissen der Anstoß des Ventrikelblutes gegen den Aortenursprung nicht plötzlich und stark genug, um eine deut- liche Schwingung in dem elastischen System hervorrufen zu können. Auf die Vorschwingung folgt die steile und zu beträchtlicher Druck- höhe führende „Anfangsschwingung“ (Fig. 9 S,). Diese ist nach Frank eine Eigenschwingung des ganzen in Bewegung gesetzten, aus Gefäßen und Blutinhalt bestehenden Systems, und ist um so deutlicher, je größer und steiler der Druckanstieg ist. Als Eigenschwingung eines elastischen ‘ Frank, Der Puls in den Arterien. Zeitschrift für Biologie. 1903. Die BLUTDRUCKSCHWANKUNGEN IN DEN HOHLRÄUMEN DES HERZENS. 363 Systems charakterisiert sie sich auch dadurch, daß oft eine oder zwei mit starkem Dekrement an Amplitude abnehmende, aber mit gleicher Periode vor sich gehende Druckoszillationen folgen. Diese sind sicher nicht durch das Manometersystem bedingt, welches eine höhere Eigenschwingungszahl hat. Nach diesen Schwingungen steigt die Druckkurve der Aorta in runder Wölbung zum Maximalwert, der bei der Katze 150 bis 170 wm Hg beträgt, und fällt von diesem Gipfel in flachem Gefälle wieder ab. In der Aortendruckkurve liegt der Gipfel in der Regel früher, als in der Ventrikel- druckkurre und das Druckmaximum der Aorta ist niedriger als das des Ventrikels. Das liegt daran, wie oben gezeigt wurde, daß der Aortendruck steigt, solange viel Blut pro Zeiteinheit, d. h. in steilem Stromgefälle in die Aorta getrieben wird. Das ist zu Beginn der systolischen Ent- leerung des Ventrikels der Fall. Der letzte mit geringem Stromgefälle ent- leerte Rest des Schlagvolumens treibt dagegen den Aortendruck nicht mehr in die Höhe. Wohl aber kann sich auch in dieser Zeit noch die weiter fortschreitende Anspannung des Herzmuskels im Ventrikel als Druck- steigerung manometrisch geltend machen. Der Abfall der Aortendruckkurve geht in viel flacherem Gefälle vor sich als der der Ventrikeldruckkurve, so daß sehr bald nach dem Maximum der Ventrikeldruck kleiner ist als der Aortendruck. In dem Augenblick, in welchem der steil absinkende Ventrikeldruck den Aortendruck passiert und unterschreitet, werden durch den von der Aorta her wirkenden Druck, den Rückprall des Blutes, die Klappen mit Vehemenz zugeschlagen. Die plötzliche Spannung der Klappen gibt Anlaß zu Druckoszillationen, welche bekanntlich als zweiter Herzton hörbar sind und welche sich durch die Blutflüssigkeit in der Aorta fortpflanzen. Sie geben in der Druckkurve Anlaß zu der von Frank sogenannten „Inzisur“ (Fig. 8 J) und den darauf- folgenden mit starker Dämpfung abklingenden Eigenschwingungen des blut- gefüllten Gefäßsystems. Man kann also die Zeit, während welcher die Klappen offen sind, in der Aortendruckkurve direkt messen, da Öffnung und Schluß durch Zacken markiert sind, und man kann dieses Maß, wie oben geschehen, auf die Ventrikeldruckkurve übertragen, wenn diese am gleichen Tier und unter gleichen Bedingungen aufgenommen ist. Die in beiden Druckkurven iden- tischen S,-Zacken fallen aufeinander und man findet, wie oben gezeigt wurde, daß der Aortenklappenschluß, die „Inzisur“, sehr bald hinter den Gipfel der Ventrikeldruckkurve fällt. Nach der Inzisur und ihren Nachschwingungen sinkt der Aortendruck in flachem Gefälle weiter ab und läßt nur kurz vor dem Minimum manch- mal eine ganz flache Erhebung erkennen, welche Frank auf die Vorhof- systole bezieht (V). 364 H. Pıper: Die ganze Druckschwankung der Aorta beträgt etwa 50” Hg und liegt unter normalen Blutdruckverhältnissen bei der Katze zwischen Grenz. werten von 100 bis 120 und 150 bis 170 ®= Hg. Die Zeiten der einzelnen Druckphasen sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt. Tabelle 1. Zeit In Zehnteln in Sekunden der ganzen Herzperiode Ganze Periode . . - 6, LER] 0-38 10 Dauer des Druckanstiegs De ne | 0-089 1-7— 2-3 Druckabfall bis KlappenschußB . . . . 0.041 1-7—1-1 Klappenöffnung bis Klappenschluß . . . 0-13 3-4 Druckabfall nach Klappenschuß . . . . 0-25 6-6 Fig. 11. Druckkurve des rechten Ventrikels. Von links nach rechts zu lesen. Zeitmarken '/,, Sekunden. YV Vorhofsystole. A Schluß der Atrioventrikularklappen. S Öffnung der Semilunarklappen. J Schluß der Semilunarklappen. Fig. 12. Dasselbe mit Druckaichung. rn ne ei ee Die BLUTDRUCKSCHWANKUNGEN IN DEN HOHLRÄUMEN DES HERZENS. 365 3. Druckkurve des rechten Ventrikels (Fig. 11 und 12). Die Druckkurve des rechten Ventrikels ist im ganzen sehr ähnlich im Verlauf, wie die des linken, nur betragen die absoluten Druckwerte etwa !/, bis !/, von denen der linken Kammer und die Schwingungen im System des kleinen Kreislaufes sind viel weniger ausgiebig, weil die Spannungen viel geringer und deren Veränderungen weniger steil sind. Man sieht zunächst vor der systolischen Druckschwankung eine flache Erhebung, welche durch die Kontraktion des Vorhofes bedingt ist und dem Einströmen des Blutes in den schlaffen Ventrikel entspricht (Fig. 11 V). Am Fußpunkt des ansteigenden Teiles der Ventrikeldruckkurve treten dann, wie schon Straub beschrieb, regelmäßig ein oder zwei Schwingungen auf, welche durch den Rückschlag und Schluß der Atrioventrikularklappen sehr wahrscheinlich bedingt sind (Fig. 11 X). Diese sind an der Kurve des linken Ventrikels nicht sichtbar. Nach diesen Vorschwingungen steigt die Druckkurve des rechten Ven- trikels zuerst steil, dann in runder Wölbung bis zu Maximalwerten von etwa 40=m Hg an. Im ansteigenden Schenkel der Kurve bemerkt man ähnlich wie bei der Kurve des linken Ventrikels in der Regel eine superponierte Zacke (Fig. 11 u.12 S), welche der Öffnung oder Seminularklappen entsprechen muß. Diese Zacke kann in ziemlich verschiedenen Druckhöhen liegen, manch- mal ziemlich nahe dem Fußpunkt des ansteigenden Kurvenschenkels, in etwa 15m Hg Druckhöhe manchmal bei 25 bis 30 @= Höhe, also nahe dem Gipfel der Kurve (vgl. Fig. 11 u. 12). Wo sie lokalisiert ist, das richtet sich natürlich nach dem Druck in der Arteria pulmonalis. Ist dieser niedrig, so erfolgt auch die Klappenöffnung bei niedrigem Druck, also nahe dem Fußpunkt der Ventrikelkurve. Ist der Pulmonalisdruck hoch, so. erfolgt die Öffnung der Klappen auch erst bei relativ hohem Ventrikeldruck. Der Gipfel der Druckkurve des rechten Ventrikels erscheint als runde Kuppe. Vom Maximalwert fällt der Druck etwa in gleichem Gefälle wie der Anstieg ab, und die Kurve geht in flach auslaufender kurzer Biegung in eine der Abszissenachse parallele Strecke über, bis die neue Vorhofsystole einsetzt. Im absteigenden Kurvenschenkel sieht man häufig eine kleine Un- stetigkeit, welche wohl auf den Schluß der Semilunarklappen bezogen werden muß (Fig. 11 J). Im Gegensatz zur Druckkurve des linken Ventrikels ist also dieser Klappenschluß hier manchmal markiert, vielleicht weil zwischen Klappenregion und Manometer Blutflüssigkeit bleibt, welche ‚die Druck- oszillationen leitet. Man kann die Zeiten der einzelnen Phasen der Herz- tätiekeit an den Druckkurven infolgedessen leicht ausmessen. Sie sind in Tabelle III zusammengestellt. 366 H. Pıprr: Tabelle: IM. Zeit in | In Zehnteln der Pan ‚ganzen BerzpeaunE Baden der ganzen Herzperiode u | 0.307 | 10 Dauer der Systole (Beginn des Druckes bis Me innen) 0-116, | 3-7 Anspannungszeit 0.05 1»6 Austreibungszeit ee ee OT 2-2 Klappenöffnung bis Schuß Bu... | 0.116 3-7 Ganze Diastole (Gipfel bis Beginn desfn neuen Anstiegs) | 0+.185 | 6-2 Dauer des Druckabfalls (Maximum bis 0) 0-108 | 3-5 Ganze Druckschwankung . : 0.224 7-3 Pause . 0-083 2-7 4. Druckablauf im linken Vorhof (Figg. 13 bis 15). Zur Messung und Registrierung der schwachen Druckschwankungen in den Vorhöfen und in den Venen muß das Manometer mit einer dünneren Gummimembran bespannt sein, als bei der Messung der Ventrikeldrucke. Es gelingt aber dann leicht, einwandfreie Kurven des Druckverlaufes von Vorhöfen und Venen zu erhalten. Die Vorhofsystole ist in der Druckkurve des linken Atriums durch eine oft doppelgipflige Erhebung (Figg. 13 bis 15V’) markiert. Da schon vor Beginn der Systole der Blutdruck im Vorhof nicht Null, sondern etwa a3um Hg beträgt, so biegt die Kurve aus einem bereits gehobenen Ordinaten- niveau in einem Knick aufwärts und erreicht steil ansteigend eine maximale Druckhöhe von 10 bis 12== Hg. Von diesem Gipfelpunkt fällt sie ebenso steil bis O0” Hg ab, d. h. zu einem Wert, welcher beträchtlich tiefer liegt als derjenige, welcher kurz vor oder beim Beginn der Vorhofsystole registriert wurde. Das von mir gefundene Druckmaximum ist ungefähr 4 bis 5 mal höher, als das von Straub gemessene, welcher 25 bis 30 == Wasserdruck, d.h. etwas mehr als 2" He-Druck als Maximum aus seinen Vorhofdruck- kurven abliest. Ich finde solch niedrige Druckwerte nicht und vermag keine Erklärung für die Abweichung der von mir gefundenen Zahlen von denen Straubs zu geben. Häufig ist die Druckschwankung der Vorhof- systole doppelgipfelig; es muß dahingestellt bleiben, ob dies auf die Kon- traktion zweier nicht ganz gleichzeitig arbeitender Abschnitte der Vorhof- muskulatur, etwa Herzohr und eigentliches Atrium, zu beziehen ist. Nach dem Absinken der systolischen Druckschwankung folgt eine Gruppe von Druckoszillationen, welche in der Regel aus zwei aufeinander- folgenden Wellen besteht (Figg. 13 bis 15X). Die erste dieser Wellen Die BLUTDRUCKSCHWANKUNGEN IN DEN HOHLRÄUMEN DES HERZENS. 367 fällt zeitlich mit dem Beginn der Ventrikelsystole zusammen. Sie kommt dadurch zustande, daß der steil anschwellende Ventrikeldruck die Atrio- lan in u le a BE | Figg. 13—15 verschiedene Ablaufformen der Druckschwankungen im linken Vorhof. Von rechts nach links zu lesen. Zeitmarken '/,, Sek. 7 Vorhofsystole. X postsystolische Druckoszillationen. H diastolische Erhebung. Fig. 13. Nach der Vorhofsystole 7 große Druckwelle K. Fig. 14. Vorhofsystole F. Doppelgipfel X etwa gleich hoch, diastolische Erhebung 4 zeigt kurz vor neuer Systole Y eine geringe Senkung. Fig. 15. Nur eine X- Welle. Ventrikularklappen zuwirft und stellt. Sie werden dabei stoßartig in das Vorhoflumen vorgebuchtet und geraten selbst durch die plötzliche An- 368 H. Pıper: spannung in Schwingungen. Der Stoß der Klappen gegen den Vorhof- inhalt und ihre Schwingungen pflanzen sich durch das Blut im Vorhof als Druckwellen fort und machen sich hier manometrisch geltend. In der Vorhof- und Ventrikeldruck (linkes Herz) zugleich Zeitmarken !/,, Sekunden, Fig. 16. Figg. 16 und 17 von rechts nach links zu lesen. Ventrikel-Plateaukurve. Die X-Schwingung der Vorhofkurve fällt zeitlich mit dem Be- ginn des Druckanstiegs im Ventrikel zusammen. BP aa N as geschrieben. Druckkurve des linken Ventrikels waren diese Oszillationen nicht merklich, vielleicht, weil sie hier durch den sehr steil und hoch anwachsenden Druck weggedämpft werden. In der Kurve des rechten Ventrikels, in welchem der Druck nicht so steil und nicht so hoch ansteigt, sind sie fast regel- mäßig sichtbar (Fig. 11 u. 12). Die BLUTDRUCKSCHWANKUNGEN IN DEN HOHLRÄUMEN DES HERZENS. 369 Manchmal folgt in der Druckkurve des linken Atriums auf die Vorhof- systole nur eine, dann aber ziemlich große Schwingung, welche sich besonders bei gleichzeitiger Registrierung der Vorhof- und Ventrikeldruckschwankungen als in den Beginn der Ventrikelsystole fallend und daher durch den Schluß der Zeitmarken !/,, Sekunden. Fig. 17. P7 Mehrere A-Schwingungen in der Vorhofkurve. Mitralklappe bedingt erweisen läßt (Figg.16u.17). Meistens folgt aber auf diese Welle eine zweite, selten noch eine dritte. Es ist möglich, daß diese einfach Nachschwingungen der ersten sind. Dagegen spricht freilich, daß die zweite (und dritte) Welle manchmal gleiche, oft sogar größere Amplitude hat als die erste, und daß ihre Periode eine andere Dauer haben kann. Bei einfachen Nachschwingungen eines einheitlichen, konstanten, nur einmal angestoßenen Systems würde man mehrere, vielleicht mit starker Dämpfung abklingende Archiv f. A.u. Ph. 1912, Physiol. Abtlg. 24 370 H. Pıper: Wellen von gleicher Periode erwarten. Indessen kann man trotzdem bei den schnell sich ändernden physikalischen Verhältnissen im Vorhof und Ventrikel an der Auffassung festhalten, daß es sich um modifizierte Nach- schwingungen handelt, die aber alle auf denselben Ort und dieselbe Ursache, den Schluß der Segelklappen, zu beziehen sind. Möglich und nicht unwahrscheinlich bleibt aber doch, daß auch andere Faktoren, besonders bei der Ausbildung der zweiten (und dritten) Schwingung sich einmischen und die Konfiguration dieser Gruppe von Öszillationen modifizierend beeinflussen. Sie fallen in die Zeit des ersten Herztones, von dem ja strittig ist, inwieweit er Muskelton ist und in welchem Maße Klappenschwingungen und Stromwirbel an seinem Zustandekommen beteiligt sind. Diese ihrer Entstehung nach komplizierten Schwingungen müssen in der Gruppe der Druckoszillationen X mitenthalten sein. Außerdem ist zu beachten, daB die zweite X-Welle der Vorhofdruck- kurve zeitlich mit der $S,-Schwingung in der Kurve des linken Ventrikels und der Aorta sehr annähernd zusammenfällt. Die Druckoszillation aber, welche am Aortenursprung bei der Öffnung der Semilunarklappen entsteht, könnte sich vom Ventrikelblut durch die Mitralkappe auf den Vorhofinhalt mehr oder weniger gedämpft fortpflanzen. Wenn also auch die erste auf die Vorhofsystole folgende X-Schwingung ihrer Entstehung nach klar ist und sicher durch das Zuklappen und Stellen der Atrio-Ventrikularklappen bedingt ist, so ist die Gruppe der unmittelbar folgenden Oszillationen kom- plizierter beschaffen und möglicherweise aus Schwingungen zusammengesetzt, die verschiedenen Ursprung haben. Sie mögen Nachschwingungen der ersten X-Wellen sein, es mögen sich aber auch die Schwingungen des ersten Herztones beimischen und es können auch die bei der Öffnung der Semi- lunarklappen am Aortenursprung entstehenden Druckoszillationen zum Vor- hof übergeleitet werden und die ÄX-Gruppe modifizierend beeinflussen. Häufig schwanken die Druckoszillationen um den Nullwert auf und nieder, so daß abwechselnd positive und negative Drucke passiert werden. Sie dürften keine nennenswerten Massenverschiebungen des Blutes, d. h. Strömungen im Gefolge haben, sondern sich als reine Druckwellen, ähnlich den zu gleicher Zeit auftretenden Schallwellen des ersten Herztones durch Blut und Gewebe ausbreiten. Nach den postsystolischen Oszillationen steigt der Vorhofdruck vom Nullwert beginnend langsam an und erreicht so positive Druckhöhen, welche bis zur Hälfte des Druckes der folgenden Vorhofsystole betragen können. In diesem langsam ansteigenden Kurventeil (Figg. 13 bis 15 77) ist manchmal eine Gruppe kleiner Oszillationen bemerkbar, welche in die Zeit des Schlusses der -Semilunarklappen, also in die Zeit der Inzisur der Aortendruckkurve und des zweiten Herztones fallen. Das langsame Anschwellen des Vorhofdruckes Die BLUTDRUCKSCHWANKUNGEN IN DEN HOHLRÄUMEN DES HERZENS. 371 von den Klappenschlußoszillationen bis zur neuen Systole dürfte durch das kontinuierliche Einströmen und Nachdrängen des Venenblutstromes und durch die Spannung der unter der Blutfüllung sich dehnenden Vorhofwände bedingt sein. Auch der systolisch kontrahierte Ventrikel mag einen Druck auf den blutgefüllten Vorhof ausüben. Nach dem Anschwellen des Druckes tritt mit dem Einsetzen der Vor- hofsystole ein steiles Ansteigen ein und zwar schließt sich dieses mit einem Kurvenknick direkt an die vorher im Gange befindliche langsame Druck- zunahme an. Einen Abfall des Druckes bis zum Nullwert, wie ihn Straub vor dem Einsetzen der Vorhofsystole eingeschaltet fand, ist in keiner meiner Kurven zu finden. Nur manchmal zeigt die Kurve eine ganz geringe Senkung vor der Vorhofsystole (Fig. 14). Ob diese Differenz der Befunde zusammenhängt mit den sehr niedrigen Vorhofblutdrucken in Straubs Versuchen, kann ich nicht entscheiden. Im allgemeinen aber dürften doch wohl solche Druckabfälle für gewöhnlich nicht in beträchtlichem Grade stattfinden, es müßte denn der Ventrikeldruck äußerst steil und unter O=m Ho absinken und dann plötzlich eine saugende Wirkung auf den Vorhofinhalt ausüben, ehe die Vorhofsystole einsetzt. Dann würde der Vorhof plötzlich kurz vor seiner Systole entlastet, wenn der Ventrikeldruck so weit abgesunken ist, daß das Blut einströmen kann noch ehe der Vor- hofdruck systolisch steigt. Nach meinen Befunden greifen aber Vorhof- systole und Ventrikelerschlaffung so ineinander, daß die Vorhofkontraktion kurz vor der Beendigung der Entspannung der Ventrikelmuskulatur ein- setzt, so daB eine Senkung des Vorhofdruckes kurz vor der Systole für ge- wöhnlich nicht oder kaum nennenswert vorkommt. Der systolische Vor- hofdruck kann so geradezu zur Entfaltung und Öffnung des Ventrikelhohl- raumes beitragen. Die Zeiten der einzelnen Phasen der Druckschwankung im linken Vorhof sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt. Tabelle IV. Zeit | In Zehnten. in der ganzen Bann „Periode Ganze Beine re Dt Lean ee 0-31 10 Druckschwankung der Vorholsydtolel A IE In 12 Ra Bl RN RERGISHI TER 2-4 Buekesdeinerislen. Syatoles. 2.7 hal na: 1.020 02 211.2 2/:05028 0-9 Dauer des Druckabfalles . ı 61-046 1-5 Diastole des Vorhofs vom Gipfel bis zum an Dock | 0.282 9-1 Pause 0.236 7-6 24° 372 H. Pıper: Man sieht, daß die Zeit der aktiven Systole, d. h. des Druckanstieges infolge der systolischen Kontraktion der Vorhofmuskulatur sehr kurz ist. Sie beträgt nur etwa !/,, der Dauer der ganzen Herzperiode. > Von rechts nach links zu lesen. Fig. 18. Fig. 18-21 Druckkurven des rechten Vorhofs. Fig. 19. Maximaler systolischer Druck 4" Hg. Nur eine stark ausgeprägte A-Zacke. ’ Zeitmarken !/,, Sekunden. V Vorhofsystole. X Schluß der Trikuspidalklappen. # Druckzunahme während der Vorhofdiastole. Fig. 18. 5. Der Druckablauf im rechten Vorhof (Figg. 18 bis 21). Im rechten Atrium gehen die Druckschwankungen sehr ähnlich denen des linken vor sich, nur sind die absoluten Druckwerte, welche als Maximum erreicht werden, erheblich kleiner. Bei der Beschreibung der Kurve geht man auch hier am besten von der größten Erhebung aus, welche der Vorhofsystole entspricht. Diese erreicht einen maximalen Druckwert Die BLUTDRUCKSCHWANKUNGEN IN DEN HOHLRÄUMEN DES HERZENS. 373 von 4 bis 6 "=; das ist ein Wert, der beträchtlich höher liegt als der von Straub, welcher etwa 20 "m Wasserdruck, also etwa 1.5 wm Hg-Druck fand. Die vorhofsystolische Erhebung ist manchmal doppel- gipfelig, vielleicht, weil hier wie beim linken Vorhof verschiedene Teile oder Baar AR Zr ee ET en Starke Erhebung # während der Vorhofdiastole. K &n x Jam &D & s N a N & i E | > | S | 2. E a 3 F u - | S8 En a ö aa au m | mi = o | ‚En 3 Br ==) Fi 2 | A = =] 5 ER = EN | 3 58 N Sa ’ = c = ai >} SS z .f 5 3 f =| es |; ri = = Rei | S — © —_ a > | a © — = | = x D Fasersysteme der muskulösen Vorhofwand ungleichzeitig sich kontrahieren. Vom Maximum sinkt der Druck schnell bis Null ab, also beträchtlich tiefer als er unmittelbar vor der Vorhofsystole war. Dann folgen ähnlich wie beim linken Vorhof ein oder zwei Druck- oszillationen, welche zeitlich mit dem Beginn der Ventrikelsystole zusammen- 374 H. Pıper: fallen. Es handelt sich auch hier um die Druckwellen, welche beim Schluß der Atrio-Ventrikularklappen entstehen. Sie breiten sich in der Blut- flüssigkeit des Vorhofes, wie in der des rechten Ventrikels aus und sind in beiden Herzhöhlräumen manometrisch nachweisbar. Die Konfiguration dieser Gruppe von Wellen, ihre Zahl, Größe und Periode erweist sich in verschiedenen Versuchen als einigermaßen variabel, eine Tatsache, die wohl begreiflich erscheint, wenn man bedenkt, daß die physikalischen Konstanten, die Dimensionen der Hohlräume und Klappen, die Größe und Steilheit der vom Ventrikel geschaffenen Drucke, die Elastizitätsverbältnisse der schwingenden Gebilde von Tier zu Tier variabel sein können. Auch machte sich hier wie beim linken Vorhof. die Einmischung der auch akustisch nachweisbaren Schwingungen modifizierend geltend, welche zur selben Zeit in anderen Orten des Herzsystems entstehen und im ersten Herzton zur Geltung kommen. Die Größe dieser Druckoszillationen wechselt auch mit den Phasen der Atmung. Alle Ausschläge des Manometers sind im rechten Vorhof beträchtlich kleiner als im linken, denn die Muskulatur des rechten V orhofes ist schwächer und auch die dünne Muskulatur des rechten Ventrikels kann das Blut nur mit einem relativ schwachen Druckstoß gegen den Ursprung der Pulmonal- arterie werfen. “ Nach der Gruppe der postsystolischen Druckwellen steigt der Vorhof- druck manchmal ganz allmählich einsetzend, manchmal aber auch mit steilerem Absatz an und erreicht einen Wert von etwa 3 == Hg (Figg. 18 bis 21 /7). Diese Erscheinung beruht wohl darauf, daß einerseits das aus den Venen nachdrängende Blut, andererseits die vom systolisch kontrahierten Ventrikel vorgetriebenen Tripuskidalklappen einen Druck auf den Blut- inhalt des Vorhofes ausüben und dessen Wand dehnen und spannen. Manchmal erfolgt unmittelbar vor der Vorhofsystole ein ganz geringes Wiederabsinken des Druckes, eine Einkerbung der Kurve. In der Regel aber geht die diastolische Drucksteigerung im Vorhof ohne zwischen- geschaltete Senkung in einem Kurvenknick in die steil ansteigende Druck- zunahme der Vorhofsystole über, wie das auch für den linken Vorhof be- schrieben wurde Wenn eine Drucksenkung vor der Vorhofsystole auftritt, so ist sie nur sehr gering und führt in keiner meiner Kurven bis zum Nullwert. Sie ist wohl dadurch bedingt, daß der Ventrikeldruck frühzeitig so tief sinkt, daß er vor der Vorhofsystole kleiner wird als der Vorhofdruck; dann kann das Blut unter Entspannung des Vorhofes noch vor dessen Systole beginnen, in den Ventrikel einzuströmen. Die Zeiten der einzelnen Druckphasen im rechten Vorhof sind ganz ähnlich denen, welche im linken gefunden wurden. Die folgende Tabelle gibt eine Zusammenstellung. Die BLUTDRUCKSCHWANKUNGEN IN DEN HOHLRÄUMEN DES HERZENS. 375 Tabelle V. Zeit | In Zehnteln in Sekunden | der ganzen Herzperiode Ganze Periode ln / 0829 | 10 Systolische Druckschwankung . | 0-05 | 3 Druckanstieg . ER PM 0.023 | 1 Druckahfallse sn ve 0-057 | 2 Diastole. 0-26 | 9 Pause 0 7.1 .207 | 6. Druckverlauf in der Vena cava (Figg. 22 bis 25). Die Druckschwankungen in der Vena cava verlaufen ähnlich denen des rechten Vorhofes. Alle Details sind in der Kurve ohne weiteres, wenn auch vielleicht in etwas modifizierter Form wiederzuerkennen. Daß sich alles fast genau so verhält, wie wenn die Druckmessung im Vorhof selbst vorgenommen wird, erklärt sich daraus, daß die Kommunikation zwischen Vorhof und Vena cava in keiner Phase der Herztätigkeit durch Klappen oder sonstige Verschlüsse behindert ist. Meist fallen die von der Vena cava aufgenommenen Kurven sogar größer und deutlicher aus, als bei Registrierung vom Vorhof selbst. Das Einbinden des Manometers in das ' Herzohr beeinträchtigt die Vorhoffunktionen vielleicht ein wenig, und das wird bei Registrierung von der Vena cava aus vermieden. Man konstatiert an der Druckkurve der Vena cava zunächst die durch die Vorhofsystole bedingte Erhebung, deren normaler Druckwert etwa 6 muHeo beträgt (Fig. 227). Dann folgen die postsystolischen Druck- oszillationen, welche der Hauptsache nach ihre Ursache in dem Schluß der Trieuspidalklappe haben. Sie treten meist in Form zweier kräftig aus- geprägter Schwingungen auf, die meist gleiche Periode und Amplitüde haben und welche um den, Nullwert auf- und niedergehen, also abwechselnd positive und negative Werte haben. Man kann sich mit der Auffassung begnügen, daB es sich um zwei Eigenschwingungen eines einheitlichen Systems handelt, welches so hohe Dämpfung hat, daß die Schwingungen nach zweimaligem ÖOszillieren aufhören. Man kann aber auch jeder Schwingung eine gewisse Selbständigkeit der Ursache wie dem Ort ihrer Entstehung nach zu erkennen, etwa in der Hard derjenigen Überlegungen, welche bei der Analyse der analogen Wellengruppe der Druckkurven des linken und rechten Vorhofes angestellt wurden. Die Wellen erscheinen etwas modifiziert verglichen mit den analogen des rechten Vorhofes. Vielleicht liegt das daran, daß das physikalische System, in welchem die Schwingungen ablaufen, nach der Präparation der 376 H. Piper: Pr [9729 Br} Vena cava und der Einbindung des .‚Manometers in das Gefäß abgeändert ist. Wenn man die lange Vena caya superior der Katze aus den um- Zeitmarken !/,. Sek. H Druckanstieg während der Vorhofdiastole. J Inzisurschwingungen. Von rechts nach links zu lesen. 22. Fig. 23. Ähnliche Kurve. Deutliche X-, sehr schwache J-Schwingungen. K postsystolische Schwingungen. 22—24 Druckkurven der Vena cava superior. V Vorhofsystole. Figg. gebenden Geweben loslöst und als Verbindungsweg zum Manometer benutzt, so hat man ein Stück dünnwandigen Schlauch sozusagen zwischen Vorhof und Manometer eingeschaltet und die dämpfenden Einflüsse der in situ anliegenden Gewebe ausgeschaltet. Daß elastische Schlauchverbindungen Die BLUTDRUCKSCHWANKUNGEN IN DEN HOHLRÄUMEN DES HERZENS. 377 zwischen Gefäßhohlräumen und Manometer die Druckkurve abändernd be- einflussen, hat Frank gezeigt. In diesem Sinne dürfie auch der modi- fizierende Einfluß auf die Druckkurven bei Manometrie von der Vena cava aus zu deuten sein. Die Gruppe der auf die Vorhofsystole folgenden Druckwellen findet sich nicht mehr, wenn man das Manometer in die Vena brachialis ein- IOmm Fig. 24 Dasselbe mit Druckaichung. Maximaler systolischer Vorhofdruck etwa 6 "" Hg. bindet. Sie werden also durch die Venenklappen alsbald weggedämpft, während die Vorhofsystole sich auch in den kleineren Veren noch deutlich gelterd macht. Nach diesen Druckoszillationen wächst der Druck in der Vena cava allmählich, manchmal aber auch ziemlich steil einsetzend bis zu einem Wert von etwa 3 == He an. Diese Druckzunahme wird namentlich durch das aus den Venen nachdrängende und im Vorhof und der Cava sich stauende, die Wandungen spannende Blut bewirkt. Fig. 25. Starke A-Schwingung, Maximaldruck 5 "= Hg. Dasselbe. 378 H. Pırer: In dem gehobenen Kurventeil zwischen den Ä-Zacken und der folgenden Vorhofsystole bemerkt man häufig einige kleine superponierte Wellen; sie sind sehr wahrscheinlich auf den Schluß der Semilunarklappen und die dabei ent- stehenden und weitergeleiteten Druckoszillationen zurückzuführen. Sie treten in der Aortendruckkurve als „Inzisur“ auf und sind als zweiter Herzton hörbar. Meist sind diese Schwingungen in der Druckkurve der Vena cava deutlicher zu sehen als in der des Vorhofes, so daß anzunehmen ist, daß sie nicht vom rechten Ventrikel aus auf Vorhof und Vene übergehen, sondern direkt von der benachbarten Aorta durch die Gefäßwandungen und Gewebe sich bis zur Vena cava fortpflanzen. In der Regel ohne vorherigen Druckabfall oder nach einer sehr ge- ringen Drucksenkung, einer Einkerbung in die Kurve, biegt die flache Erhebung 7 in. einen Knick in den steilen Druckanstieg der neuen Systole ein. Die Zeiten für die einzelnen Phasen des Druckablaufes in der Vena caya sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt. Tabelle VI I I. || am IV V ls858_s 53 _3 58%) _s 58 _s 58 |s2 == [#822 2282 SS] 22 ee e5|\22|125|s:2j-.8|sej.8| 2] =Z 82585 838 "8383 #5 32 5 3,5178 2.272 le5 078 22105 E23 | or = Hm Sl |=IE Ganze Herzperiode . . . 0.24 110 |0.24410 |0-27510 0.27 10 |o-321 |10 Dauer der Vorhofsystole . 0.079, 3-3 0-081 3.310.097 3-5,0-08 3 10-0986 3-1 Deren Anstiegdauer . . .. ‚0-029| 1-2)0-034 1.4.0039 1-4 0.025 1-3)0-038 | 1*2 Deren Abfalldauer. . . . 0.041 170-047 1-90-057 2 00-045 1710-06 1-9 Dauer derDiastole(Gipfel der | | Vorhofsystole bis z. neuen | | | | | Anstieg). - 2 = 2. .» 0-21 | 8-80-21 | 8-6|0-24 | 8-.70-.235| 8-7]0-28 | 8-8 Pause zwischen je zwei Vor- | | | | | | hofdruckschwankungen . 0-16 | 6.70-163, 6-70-178 6-50-19 | 7 /0-22 | 6-9 Zusammenfassung. Die Druckschwankungen in den Herzhohlräumen und in den großen. Stammgefäßen wurden unter Benutzung eines von Straub angegebenen und auf Grund der Frankschen Prinzipien konstruierten Troikarmano- meters registriert. Als Versuchstiere dienten Katzen. Nach Kuraresierung oder in Hedonalnarkose wurde bei künstlicher Atmung der Thorax vorn breit eröffnet und das Herz freigelest. Das Manometer wurde durch die Die BLUTDRUCKSCHWANKUNGEN IN DEN HOHLRÄUMEN DES HERZENS. 379 Ventrikel- und Vorhofwandungen direkt in die zu untersuchenden Hohl- räume eingeführt, bzw. in die Aorta und Vena cava superior eingebunden. Die Ausschläge der mit Spiegel armierten Manometermembran wurden mit 65 bis 80°" langem Lichthebel photographisch nach Frankscher Methode registriert. In besonderen Versuchen wurden die Druckschwankungen in zwei benachbarten Hohlräumen durch zwei Manometer zugleich aufgenommen, um die zeitlichen und funktionellen Beziehungen der Druckperioden voll- ständig sicher zu stellen. In Fig. 26 ist eine Übersicht über die tatsächlichen experimen- tellen Befunde dieser Untersuchung in graphischer Darstellung gegeben und zwar sind die Druckkurven so untereinander gezeichnet, daß gleiche Zeitphasen der Druckperioden auf gleiche Ordinaten fallen. Die Ergeb- nisse und ihre Deutung sind folgende: 1. Der Druckverlauf im linken Ventrikel. Nach der flachen Erhebung der Vorhofsystole V setzt mit steilem Druckanstieg die Ventrikel- systole ein. Der ansteigende Schenkel der systolischen Druckschwankung zeigt zwei superponierte Wellen, deren erste S, eine Druckoszillation repräsen- tiert, welche durch plötzliche Spannungsänderung und Öffnung der Semilunar- klappen und durch den Stoß des herausgeschleuderten Ventrikelblutes gegen die Blutsäule und die Wand der Aorta entsteht. Die zweite Welle S, erscheint mehr als rundliche, buckelförmig superponierte Diskontinuität im Druckanstieg und ist sehr wahrscheinlich eine Rückwirkung des steilen Druckanstiegs und der elastischen Deformierung der Aorta. Zugleich dürfte darin wohl auch die von Frank in der Aortendruckkurve gefundene, dem Druckmaximum voraufgehende „Anfangsschwingung‘“ mitenthalten sein. Das Druckmaximum in der Aorta liegt meist früher und hat niedrigeren Druckwert als das Maximum des Ventrikeldruckes. Das letztere wird bei normalem Blutdruck (150 bis 170 wu Hg bei der Katze) in rundem Gipfel, nicht über ein Plateau passiert. Wenn man Plateaukurven erhält, so zeigt das Manometer stets einen niedrigen Maximumwert, etwa 70 bis 90 mu Hg an. Allem Anschein nach ist dann die obere Kalotte in der Kurve jeder systolischen Druckschwankung sozusagen abgeschnitten. Der Druckabfall vom Gipfel bis zum Nullwerte geht ohne superponierte Druckwellen vor sich. Der Aortenklappenschluß kann sich im Ventrikel nicht manometrisch geltend machen, weil die Kammer zu dieser Zeit blut- leer ist. Die Systole, gerechnet vom Beginn des Druckanstieges A bis zum Maximum @ dauert etwa !/, der ganzen Herzperiode, ebenso die Ent- spannung, vom Gipfel @ bis zur Wiedererreichung des Nullwertes E ge- rechnet und ebenso die Zeit der Neuerfüllung des Ventrikels von FE bis A. Die Diastole von G bis A gerechnet dauert also ?/, der ganzen Herzperiode. 380 H. Piper: Von A bis S, ist die Anspannungs- oder Verschlußzeit, von S, bis @ die Austreibungszeit zu bemessen. Aorta Aorta linker Ventrikel rechter Ventrikel k I linker Vorhof IRER A— rechter Vorhof Vena cavaı Fig. 26. Erklärung in der Zusammenfassung. 2. Der Druckverlauf in der Aorta (übereinstimmend mit Franks Befunden am Hunde). Zuerst tritt die „Vorschwingung“ S, auf, und zwar in derselben Druckhöhe (100 bis 120 =» Hg) und in derselben Zeit liegend Die BLUTDRUCKSCHWANKUNGEN IN DEN HOHLRÄUMEN DES HERZENS. 381 wie die identische Klappenöffnungszacke S, in der Druckkurve des linken Ventrikels. Sie kommt durch den Stoß des Ventrikelblutes gegen die Aortenblutsäule in dem Augenblick zustande, in welchem der steil an- schwellende Ventrikeldruck den Aortendruck überschreitet und die Semi- lunarklappen sprengt. Dann folgt die „Anfangsschwingung“ S, mit ein oder zwei Nachschwingungen, welche von Frank als Eigenschwingungen des den Druckstoß des Ventrikels empfangenden elastischen arteriellen Gefäßsystems mit seinem Blutinhalt gedeutet wird. Dann passiert der Aortendruck in runder Kurvenwölbung sein Maximum M. Von diesem Wert (150 bis 10mm Hg bei der Katze) sinkt der Aortendruck in flachem Gefälle ab. Da der Ventrikeldruck sehr steil abfällt, so ist sehr bald der Aortendruck erößer als der Ventrikeldruck. In dem Augenblick, in welchem der Ventrikeldruck den der Aorta unterschreitet, erfolgt der Semilunarklappenschluß und der Rückprall der Aortenblutsäule, ein Vorgang, der durch das Auftreten der „Inzisur- schwingungen“ (Frank) J gekennzeichnet ist. Dann sinkt der Aortendruck langsam weiter ab, bis ein neues Schlagvolumen vom Ventrikel her folst. Die Fig. 26, in welcher die Aortendruckkurve punktiert über die Ventrikel- druckkurve gezeichnet ist, zeigt, daß die Inzisurschwingungen der Aorten- kurve in der Ventrikelkurve zeitlich und der Druckhöhe nach unmittelbar nach dem Gipfelpunkt in den Beginn des Druckabfalles fallen würden. Die ganze Druckschwankung der Aorta beträgt etwa 50== Hg und liegt bei normalen Blutdruckverhältnissen bei der Katze zwischen Grenzwerten von 100 bis 120 und 150 bis 170m Hg. 3. Der Druckverlauf im rechten Ventrikel. Nach der Vorhof- systole Y treten am Fußpunkt des ansteigenden Schenkels der Ventrikel- systole eine oder meist zwei Schwingungen X ein, welche durch den Schluß und die Anspannung der Atrioventrikularklappen bedingt sind. Im an- steigenden Schenkel ist die Druckoszillation S superponiert, welche bei Öffnung der Semilunarklappen entsteht. Nach dem in runder Wölbung erreichten Maximum @G (40 bis 50== Hg) erfolgt die Diskontinuität J, welche in die Zeit J der Inzisurschwingungen des Aortenklappenschlusses fällt, also durch den Schluß der Pulmonalisklappen bedingt sein dürfte, Von A bis S ist die Anspannungszeit, von S bis G@ die Austreibungszeit, von A bis @ die Systole, von G bis zum Nullwert E die Entspannung, von G bis A die Diastole und von E bis A die Zeit der Wiederfüllung des Ventrikels zu rechnen. 4. Der Druckverlauf im linken Vorhof. Die Vorhofsystole V/ erreicht 10 bis 12m Hg maximale Druckwerte. Dabei dauert die systo- lische Druckzunahme etwa !/,, der ganzen Herzperiode. Es folgen meist zwei, manchmal nur eine, manchmal aber auch drei Druckoszillationen X, 382 H. PırEer: Die BLUTDRUCKSCHWANKUNGEN USW. welche um den Nullwert auf und nieder gehen. Die erste fällt regel- mäßig in den Beginn der Ventrikelsystole und ist, wie auch Straub findet, durch den Schluß der Atrioventrikularklappen und durch die plötz- liche stoßartig erfolgende Vorbuchtung der Segel in das Vornoflumen be- dingt. Die folgende zweite (manchmal auch dritte) Schwingung ist viel- leicht eine Nachschwingung, welche gleichfalls an den Atrioventrikular- klappen entsteht. Es ist aber auch möglich, daß diese in die Zeit des ersten Herztones fallenden Schwingungen dem Entstehungsori und der Ursache nach kompliziert zusammengesetzt sind, denn für eine gewisse Selbständig- keit ihres Ursprunges spricht, daß sie oft größere Amplituden als die erste K-Schwingung und eine andere Periode haben. Auf diese folgt die langsam zunehmende Erhebung des Druckes 4, welche durch die Neufüllung des Vorhofes mit Blut bedingt ist und diese biegt in den steilen Druckanstieg der neuen Vorhofsystole in einem Kurven- knick in der Regel ohne vorherige Drucksenkung ein. Auf der Erhebung 4 sind manchmal zwei oder drei kleinere superponierte Zacken vorhanden, welche zeitlich mit den Inzisurschwingungen der Aortendruckkurve zusammen- fallen und somit von der Aorta auf den Vorhof sich ausgebreitet haben dürften. 5. Der Druckverlauf im rechten Vorhof. Die Vorhofsystole 7 erreicht maximale Druckwerte von etwa 6"= Hg. Auf diese folgen manch- mal nur eine, in der Regel aber zwei Druckwellen X, die sich ebenso ver- halten, wie die analogen Öszillationen im linken Vorhof und mit dem Schluß der Trikuspidalklappe einsetzen. Sie sind auch in der Druckkurve des rechten Ventrikels sichtbar, während sie in der des linken vermißt werden, wahrscheinlich weil sie hier durch den steil und hoch anschwellenden Druck gedämpft oder ausgelöscht werden. Die langsame Erhebung #7 während der Vorhofsystole dürfte durch die Füllung der Vorhöfe mit Blut bedingt sein. 6. Der Druckverlauf in der Vena cava ist sehr ähnlich der im rechten Vorhof, weil zwischen beiden die Kommunikation ständig offen ist. Von der benachbarten Aorta aus scheinen sich Druckwellen noch leichter auf die Vena cava zu übertragen als auf den rechten Vorhof. Auf die Vorhofsystole 7 folgen die Druckoszillationen X, dann die Erhebung 4, ganz ähnlich wie beim rechten Vorhof. Auf der Erhebung 7 sind meist deutlicher als in den Vorhofkurven zwei kleinere Wellen superponiert, welche in die Zeit der Inzisurschwingungen und des Semilunarklappen- schlusses fallen. Sie dürften als Druckoszillationen zu deuten sein, welche von der Aorta übergeleitet und auch an der Bildung des zweiten Herztones beteiligt sind. Zeitschriften aus dem Verlage von VEIT & U0MP. in Leipzig. Skandinavisches Archiv für Physiologie. Herausgegeben von Dr. Robert Tigerstedt, o. ö. Professor der Physiologie an der Universität Helsingfors. Das „Skandinavische Archiv für Physiologie‘ erscheint in Heften von 5 bis 6 Bogen mit Abbildungen im Text und Tafeln. 6 Hefte bilden einen Band. Der Preis des Bandes beträgt 22 #. Berntnalblati für praktische AUGENHEILKUNDE Herausgegeben von Prof. Dr. J. Hirschberg in: Berlin. Preis des Jahrganges (12 Hefte) 12 4; bei Zusendung unter Streifband direkt von der Verlagsbuchhandlung 12 .% 80 2. Das „Uentralblatt für praktische Augenheilkunde‘ vertritt auf das Nachdrück- lichste alle Interessen des Augenarztes in Wissenschaft, Lehre und Praxis, vermittelt den Zusammenhang mit der allgemeinen Medizin und deren Hilfswissenschaften und gibt jedem praktischen Arzte Gelegenheit, stets auf der Höhe der rüstig fortschrei- tenden Disziplin sich zu erhalten. DERMATOLOGISCHES CENTRALBLATT, INTERNATIONALE RUNDSCHAU AUF DEM GEBIETE DER HAUT- UND GESCHLECHTSKRANKHEITEN. Herausgegeben von - Prof. Dr. Max Joseph in Berlin. Monatlich erscheint eine Nummer. Preis des Jahrganges, der vom Oktober des einen bis zum September des folgenden Jahres läuft, 12 #4. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes, sowie direkt von der Verlagsbuchhandlung, Nenrologisches Gentralblatt. Übersicht der Leistungen auf dem Gebiete der Anatomie, Physiologie, Pathologie und -Therapie des Nervensystems einschließlich der Geisteskrankheiten. Begründet von Prof. E. Mendel. Herausgegeben von Dr. Kurt Mendel. Monatlich erscheinen zwei Hefte im Umfange von je 4+—5 Druckbogen zum Preise von 16 .% halbjährig. Gegen Einsendung des Betrages direkt an die Verlagsbuch- handlung erfolgt regelmäßige Zusendung unter Streifband nach dem In- und Auslande. Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten. Herausgegeben von Prof. Dr. C. Flügge, und Prof. Dr. G. Gaffky, Geh. Medizinalrat und Geh. Obermedizinalrat und " Direktor des Hygienischen Instituts Direktor des Königl. Instituts für Infektions- der Universität Berlin, krankheiten „Robert Koch‘ zu Berlin. Die „Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten“ erscheint in zwanglosen Heften. Die Verpflichtung zur Abnahme erstreckt sich auf einen Band im durchschnitt- lichen Umfang von 30—35 Druckbogen mit Tafeln; einzelne Hefte sind nicht käuflieh. ARCHIV für ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE, Fortsetzung des von Reil, Reil und Autenrieth, J. F. Meckel, Joh. Müller, Reichert und du Bois-Reymond herausgegebenen Archives, erscheint jährlich in 12 Heften (bezw. in Doppelheften) mit Figuren im Text und zahlreichen Tafeln. 6 Hefte entfallen auf die anatomische Abteilung und 6 auf die physiolo- gische Abteilung. Der Preis des Jahrganges beträgt 54 #. Auf die anatomische Abteilung (Archiv für Anatomie und Entwicke- Jungsgeschichte, herausgegeben von W. Waldeyer), sowie auf die physio- logische Abteilung (Archiv für Physiologie, herausgegeben von Max Rubner) kann besonders abonniert werden, und es beträgt bei Einzelbezug der Preis der anatomischen Abteilung 40 #, der Preis der physiologischen Abteilung 26 M. , Bestellungen auf das vollständige Archiv, wie auf die einzelnen Ab- teilungen nehmen alle Buchhandlungen des In- und Auslandes. entgegen. Die Verlagsbuchhandlung: Veit & Comp. in Leipzig. Druck von Metzger & Wittig in Leipzig. 13% n Physiologische Abteilung. 1912. V. u. VI! Heft. ARCHIV ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE, FoRTSETZUNG DES von REIL, REIL v. AUTENRIETH, J. F. MECKEL, JOH. MÜLLER, REICHERT vw. DU BOIS-REYMOND HERAUSGEGEBENEN ARCHIVES. HERAUSGEGEBEN VON De. WILHELM WALDEYER, PROFESSOR DER ANATOMIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN, UND Dr. MAX RUBNER, PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN. JAHRGANG 1912. —— PHYSIOLOGISCHE ABTEILUNG. —— FÜNFTES UND SECHSTES HEFT. MIT VIERUNDVIERZIG FIGUREN IM TEXT. LEIPZIG, VERLAG VON VEIT & COMP. 1912 Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes. 4 Thale Seite En«st WEBER, Über aktive Änderungen der arteriellen Blutfülle der Lungen. I. Untersuchungen an Affen und Katzen . . . 383 ERNST WEBER, Über operative Herstellung eines neuen reelle dureh die Teher 401 STEPHANIE ROSENBLAT-LICHTENSTEIN, Über die Differenzierung von Algen mit Hilfe spezifischer Agglutinine. I. Mitteilung . . 415 Erica Görsch, Über die Beziehungen des ante Stoffwechsels : zur Körperoberfläche bei extremen Außentemperaturen . . . 421 C. N. Stewart, Einfluß der kardiopneumatischen ar auf Ei Bilde und Stimmgebung EN BGE ... 460 WırH, FiLEHNe, Über die Sohetibäge Mori dar Senn Horizontehens 2 A WırH. FiLEane, Wirkliche und scheinbare Helligkeit und Farbe der Wolken. (Ein Beitrag zur Lehre von Weiß-Grau-Schwarz-Sehen.) . . . . . ... 509 Die Herren Mitarbeiter erhalten vierzig Separat-Abzüge ihrer Bei- träge gratis und 30 # Honorar für den Druckbogen zu 16 Seiten. Beiträge für die anatomische Abteilung sind an Professor Dr. Wilhelm Waldeyer in Berlin N.W., Luisenstr. 56, Beiträge für die physiologische Abteilung an Professor Dr. Max Rubner in Berlin W., Kurfürstendamm 241 "" portofrei einzusenden. — Zeichnungen zu Tafeln oder zu Holzschnitten sind auf vom Manuskript getrennten Blättern beizulegen. Bestehen die Zeich- nungen zu Tafeln aus einzelnen Abschnitten, so ist, unter Berücksichtigung der Formatverhältnisse des Archives, eine Zusammenstellung, die dem Lithographen als Vorlage dienen kann, beizufügen. Über aktive Änderungen der arteriellen Blutfülle der Lungen. II. Untersuchungen an Affen und Katzen. Von Prof. Ernst Weber, Oberassistent des Instituts. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Berlin.) Im skandinavischen Archiv für Physiologie! hat A. Krogh — wie :die im folgenden beschriebenen Experimente beweisen irrtümlich — nach rein theoretischen Erwägungen die Folgerungen angegriffen, die ich aus den Ergebnissen des ersten Teils dieser Untersuchungen gezogen hatte, daß nämlich die Lungengefäße eigne Gefäßnerven besitzen und auf be- stimmte Einflüsse in bestimmter Weise selbständig reagieren. ? Krogh ist der Ansicht, daß sämtliche dort erörterten und abgebildeten Volumänderungen der Lungen passive sind und durch Änderungen der Menge des venösen,‘ durchs rechte Herz zu den Lungen fließenden Blutes herbeigeführt seien, die unabhängig vom Aortendruck eintreten können und deren Vorhandensein ich nicht durch gleichzeitige Messung des Pul- monalisdruckes ausgeschlossen habe. Krogh führt aus, daß z. B. Alkohol, Morphin usw. die peripheren Gefäße erweitern, deshalb nehme die Blutmenge im Venensystem zu, und bei sinkendem Aortendruck steige der Druck in der Arteria pulmonalis und führe zu Volumzunahme der Lungen. ı 1912. Bd. XXVIL. S. 243 ff. ?2 Dies Archiv. 1910/11. Physiol. Abtlg. Suppl. 8. 377 ff. 384 ERNST WEBER: Oder bei Injektion von Adrenalin trete eine Verminderung der Menge des in der Zeiteinheit aus dem Herzen ausfließenden Blutes ein, und diese verursache trotz der gleichzeitigen Blutdrucksteigerung die Abnahme des Lungenvolumens, die ich als erste Wirkung des Adrenalins auf das Lungen- volumen festgestellt hatte. Die unmittelbar darauf folgende, die Blutdruck- steigerung überdauernde Volumzunahme der Lungen erklärt Krogh durch den Ausspruch Tigerstedts, daß bei Erhöhung des Widerstands in den Gefäßen auf Grund starker Gefäßkontraktion im Herzen eine vermehrte Blut- stauung auftrete. Diese wirke vom linken Herzen auf die Lungenvenen zurück. Ich will nicht darauf eingehen, zu verstehen zu suchen, warum die bei Adrenalin von Anfang bis Ende gleichmäßig nebeneinander bestehende Gefäß- kontraktion und Verminderung des Minutenvolumens unmittelbar nacheinander so verschiedene Wirkung auf die Lungen haben kann, und warum die Stauung im Herzen, die infolge der Blutdrucksteigerung eintritt, erst später, als die Verminderung des Minutenvolumens das Lungenvolumen beeinflussen soll, während sie doch durch Rückwirkung vom linken Herz auf die Lungenvenen viel eher wirksam werden muß, als die infolge der Gefäßverengerung eintretende Verminderung des Blutzuflusses durch die langen Venen übers rechte Herz zur Lunge. ? Ich habe gerade in meiner früheren Arbeit ausführlich behandelt!, daß die Wirkung auf dem zuletzt angegebenen Wege auf das Lungen- volumen eine an den Kurven deutlich erkennbare, nicht unbeträchtliche Zeit erfordert, während sofort eintretende Wirkungen an der Volumenkurve nur durch Rückwirkung des arteriellen Druckes vom linken Herzen auf die Lungenvenen oder durch aktive Veränderungen der Lungengefäße er- klärt werden können. (Siehe dies Archiv 1910 Suppl. Fig. 4a und 4b auf S. 382 und 384.) Es traten nun aber bei den verschiedensten Einwirkungen die Volum- änderungen an den Lungen meist so schnell ein, daß man schon deshalb an aktive Volumänderungen denken muß. (Die Änderungen des Arteriendruckes waren ja immer dabei durch genaue Kontrolle auszuscheiden.) Man betrachte in dieser Hinsicht z. B. die Figg. 6, 7, 19, 22 in der oben zitierten Arbeit. Die gleichzeitige Aufnahme des Pulmonalisdruckes unterließ ich früher deshalb, weil bei den Messungen des Pulmonalisdruckes durch Bradford und Dean? die Autoren als Folgen ihrer Einwirkungen fast gar keine Effekte am Pulmonalisdruck beobachtet hatten. Selbst die Effekte, von denen sie sprechen, sind bisweilen an den reproduzierten Kurven kaum erkennbar. Ferner er- schien diese Messung mir deshalb unnötig, weil sich bei meinen Versuchen einige andere, sichere Beweise für die Existenz von Gefäßnerven für die ! Dies Archiv. 1910. Physiol. Abtle. Suppl. $. 282 f. ® Journal of Physiology. 1894. AKTIVE ÄNDERUNGEN DER ARTERIELLEN BLUTFÜLLE DER LUNGEN. 385 Lungen ergaben, die Krogh allerdings nicht erwähnt, und die ich später deshalb nochmals kurz berühren will. Trotzdem erschien es mir nach den Einwänden Kroghs erwünscht, die fehlenden Versuche mit Messung des Pulmonalisdrucks nachzuholen. Aus den angeführten Gründen und bei den im folgenden nochmals zu erwähnenden Beweisen genügten mir Experimente mit einigen verschiedenen Einwirkungen, da ja durch ihren positiven Ausfall auch für Krogh die Existenz der Gefäßnerven für die Lungen bewiesen sein muß. Ist aber einmal die Existenz der Gefäßnerven für die Lungen auch durch diese Messung bewiesen, dann erklären sich alle Veränderungen viel ungezwunge- ner durch Funktion der Gefäßnerven, als durch die gekünstelte Weise, wie Krogh z. B. die Wirkung des Adrenalins erklärt, und dann stimmen auch das oft sofortige Eintreten der Volumänderungen und die später zu er- wähnenden Umstände dazu. Da es aus früheren Versuchen mit Messung des Pulmonalisdrucks (siehe oben) schon bekannt war, daß die Änderungen des Pulmonalisdrucks immer äußerst geringfügig sind, so wählte ich zu meinen Versuchen solche Einwirkungen, bei denen die Änderungen am Lungenvolumen möglichst groß waren, da so die deutlichsten Resultate auch am Pulmonalisdruck erzielt werden mußten. Die stärkste Wirkung hatten die Arzneimittel und ich untersuchte daher die Wirkung von Adrenalin, Nitroglyzerin und Alkohol. Ich nahm gleichzeitig den Druck in der Carotis und in der Pulmonalis auf. Da diese Mittel immer die gleiche Wirkung auf das Lungenvolumen gehabt hatten, konnte diese Wirkung als bekannt angenommen werden, um aber jedem Einwand zu begegnen, nahm ich, trotz der technischen Schwierigkeiten einigemale gleichzeitig mit den beiden Blutdruckkurven auch die Volumkurve eines Lungenlappens auf, und zwar auf der gleichen Seite, auf der in dem Aste eines anderen Lappens der Pulmonalisdruck semessen wurde. Der Ausfall der Versuche war ein immer gleichartiger und widerlegte vollkommen die theoretischen Erörterungen Kroghs. In Fig. 1a ist zunächst nochmals die typische Adrenalinwirkung auf das Lungenvolumen reproduziert. Krogh gibt selbst ausdrücklich an (S. 241), daß ein gesteigerter ve- nöser Zufluß zum rechten Herzen, der dann durch die Pulmonalarterie hindurch zur Volumenzunahme der Lunge führe, zweifellos den Pulmonal- druck steigern muß, während im umgekehrten Falle der Druck sinken muß. Wenn nun die bei Adrenalin zunächst, im Gegensatz zur allgemeinen Blutdrucksteigerung, eintretende Volumabnahme der Lunge (siehe Fig. 1a) wirklich von der Verminderung der Menge des Blutausflusses aus dem linken Herzen und einer nach Krogh infolge davon später eintretenden Verminderung Archiv f£A.u. Ph. 1912. Physiol. Abtlg. 25 386 ERNST WEBER: des Blutzufusses vom rechten Herzen zur Lunge herbeigeführt werden würde, so müßte also unbedingt in dieser Zeit der Blutdruck in der Pulmonalis sinken. In Fig. 1b sehen wir aber absolut kein Sinken des Pulmonalisdruckes eintreten. Bei genauer Betrachtung sieht man den Pulmonalisdruck ent- sprechend der Drucksteigerung in der Aorta etwas ansteigen und die einzelnen Pulse größer werden, aber auch nicht die geringste Senkung geht dem voraus. Aorten- druck Blutfülle eines Lungen- lappens Fig. 1a. Il Hl u 0 Aortendruck MEET Pulmonalisdruck ae BRURRRAURRRREURRANUANDRUNLARALINÄNARBNIKAADEN NER SH BRLAAHNERU KERN + - Fig. 1b. Katze. Bei + Injektion von 0-002 Adrenalin in die Vene. Bei Nitroglyzerin tritt, wie im 1. Teil dieser Arbeit gezeigt wurde, eine starke, langdauernde Volumzunahme der Lungen ein, während der allgemeine Blutdruck sinkt. Nach Krogh erklärt sich dies, gerade so wie die gleiche Wirkung des Alkohols und Morphins, dadurch, daß infolge der gleichzeitigen Erweiterung der kleinen Arterien, besonders der Haut, das Venensystem überfüllt werde und infolgedessen durchs rechte Herz eine größere Blutmenge zur Pulmonalis gelange, als. vorher. AKTIVE ÄNDERUNGEN DER ARTERIELLEN BLUTFÜLLE DER LUNGEN. 387 Krogh gibt selbst an, daß dabei unbedingt eine Steigerung des Pul- monalisdruckes eintreten müßte. In Fig. 2 fand die Injektion des Nitroglyzerins in die Blutbahn in der Zeit von + bis — statt, und wir sehen infolgedessen starkes und lange dauerndes Sinken des Aortendrucks eintreten, aber durchaus kein Steigen des Pulmonalisdruckes. Im Gegenteil erkennt man bei genauer Betrachtung der Kurve deutlich ein Sinken der Kurve des Pulmonalisdruckes mit gleich- zeitiger Verkleinerung der Pulse. Aortendruck Pulmonalisdruck Fig. 2. Katze. Bei + Injektion von 0-001 Nitroglyzerin in die Vene. Dasselbe ist nach der Injektion von Alkohol auf Fig. 3 zu sehen, auf der der Pulmonalisdruck entsprechend dem Sinken des Aortendrucks unter Pulsverkleinerung abnimmt und am Schluß der Kurve beim Wiederansteigen der Kurve des Aortendrucks auch wieder zu steigen beginnt. Nach Krogh müßte aber dem Sinken des Aortendruckes ein Steigen des Pulmonalisdruckes entsprechen, da nach Alkohol immer Zunahme des Lungenvolumens eintritt. Aortendruck HAMRLLINTTEMEA Pulmonalisdruck Fig. 3. Katze. Bei + Injektion von 10 °= yon 20 prozentigem Alkohol in die Vene. Obwohl es genügen könnte, auf diese Weise zu zeigen, daß bei allen diesen Einwirkungen der Pulmonalisdruck, im Gegensatz zu der theoretischen Annahme Kroghs, sich geradeso verhält, wie der Aortendruck und die von Krogh vermuteten Änderungen völlig vermissen läßt, reproduziere ich noch in Fig. 4 Kurven, bei denen gleichzeitig mit Pulmonalis- und Aortendruck das Volumen der Lungen registriert wurde bei derselben 25* 388 ERNST WEBER: Wirkung des Alkohols wie in Fig.3. Die Volumzunahme der Lungen entspricht hier in ihrer Dauer vollkommen der Dauer der Senkung des Aortendruckes. Genau der Senkung des Aortendruckesentspricht aber auch die Senkung des Pulmonalisdruckes, die man noch deutlicher erkennt, wenn man eine Nullinie (Blatt Papier) dem Fußpunkt der Pulmonalispulse noch mehr als die vorhandene Nullinie nähert. Ebensowenig, wie bei den anderen Versuchen, ist es hier also möglich, daß die eintretende Volum- änderung der Lungen auch nur im geringsten passiv durch Veränderungen der Blutmenge beeinflußt wird, die durchs rechte Herz zur Arteria pulmonalis gelangt. Da aber ferner bei allen die- = Ds =, sen Versuchen eine Wirkung E der Veränderungen des Aortendruckes auf das Lungenvolumen auch nicht in Frage kommt, so können diese Volumänderungen der Lungen nur aktive Ände- rungen der arteriellen Blut- fülle der Lungen darstellen, und schon allein die Kurven von Fig. 4 genügen, um die Existenz von Gefäß- nerven für die Lungen un- widerleglich zu beweisen. Wie ich früher in diesem Archiv auch die Existenz von verengernden und erweiternden Gefäßnerven für das Gehirn nachweisen konnte!, werden ae =’ B S > = 7 je? = = © u YNONIPUOMOY uommjoAuasun] '9Zzyey] ‘7 'Sıd LUD -auay ap ur joyoyy 'Ju9Zordog UOA wo OT Uapnep — SIq + Uon i E. Weber, Die Selbständigkeit des Gehirns in der Regulierung seiner Blut- versorgung. Dies Archiv. 1908. Physiol. Abtlg. S. 457 ff. AKTIVE ÄNDERUNGEN DER ARTERIELLEN BLUTFÜLLE DER LUNGEN. 389 sich wohl für alle Teile des Körpers eigne Gefäßnerven nachweisen lassen, und die einzelnen Körperteile besitzen sicher eine viel größere Selbständig- keit in der Regulierung ihrer Blutversorgung, als Krogh meint. Meine Versuche am Menschen bestätigen diese Ansicht nach andrer Richtung hin.! Wie erwähnt, unterließ ich die Messung des Pulmonalisdruckes im ersten Teil dieser Arbeit auch deshalb, weil andere Ergebnisse der Lungen- Blutdruck in Carotis Blutfülle eines Lungen- lappens Fig. 5a. Katze. Bei + Injektion von 0-0005 Atropin. nt ke eeEETRAERETE EEE in Carotis i RER - Blutfülle eines Lungen- lappens ao nn ih INN m N ha ul RN Fig. 5b. Katze. Bei + Injektion von 0-001 Atropin nach vorhergehender Wirkung einer größeren Alkoholdosis. volummessung, auf die Kroeh allerdings nicht eingeht, schon deutlich genug für die Existenz von Gefäßnerven der Lunge sprachen. ! E. Weber, Über willkürlich verschiedene Gefäßinnervation beider Körperseiten. Dies Archiv. 1909. Physiol. Abtlg. S. 359 ff. — Die Beeinflussung der Volumänderungen bei psychischen Vorgängen durch Ermüdung. Ebenda. 1909. Physiol. Abtlg. S. 367 ff. — Ein automatischer Regulationsmechanismus der Empfindungsstärke. Zbenda. 1910. Physiol. Abtlg. S. 451 ft. 390 ERNST WEBER: So beschrieb ich dort (S. 415 ff.), daß die Wirkung von Nikotin, Atropin und Koffein auf das Lungenvolumen bei frischen Tieren die einer Er- weiterung ist, daß aber diese Wirkung ins Gegenteil umschlägt, ohne daß die Wirkung auf den Aortendruck sich zu ändern braucht, wenn vorher schon mehrmals am selben Tiere größere Dosen. von solchen Mitteln ein- Blutdruck in Carotis Blutfülle eines Lungen- lappens Fig. 6a. Katze. Elektrische Reizung eines intakten Vago-Sympathicus. Blutdruck in Carotis Blutfülle eines Lungen- lappens Fig. 6b. Andere Katze. Elektrische Reizung eines Vago-Sympathicus. gewirkt haben, die gleichfalls Volumzunahme der Lungen herbeiführen. Zum Beispiel zeigen die Kurven in Fig. 5a und 5b diesen Unterschied, der sehr deutlich für die Mitwirkung von Gefäßnerven bei diesem Vorgang. spricht, denn die Veränderung des Blutdrucks ist in beiden Fällen die gleiche, und von Gefäßnerven ist es bekannt, und ich habe es auch beim AKTIVE ÄNDERUNGEN DER ARTERIELLEN BLUTFÜLLE DER LUNGEN. 391 Menschen nachgewiesen!, daß sie bei Ermüdung für eine bestimmte Art von Reizen schließlich mit einem, dem ursprünglichen entgegengesetzten Effekte antworten, wenn gleichartige Reize immer noch weiter auf sie wirken. Aortendruck Lunrgen- volumen Fig. 7. Affe. Von + bis — laufen 10 °® von 20 prozent. Alkohol in die Vene. Aortendruck Lungenvolumen Fig. 8. Affe. Bei + Injektion von 0-5 :"” Ergotin. Völlig unmöglich wäre es auch wohl schon früher für Krogh ge- wesen, die im ersten Teile dieser Arbeit (S. 420 ff.) beschriebenen Wirkungen der elektrischen Nervenreizungen auf das Lungenvolumen auf seine Weise zu erklären, wenn er darauf eingegangen wäre. ! E. Weber, Die Beeinflussung der Volumveränderungen bei psychischen Vor- gängen durch Ermüdung. Dies Archiv. 1909. Physiol. Abtlg. S. 367 fl. 392 ERNST WEBER: Ich zeigte damals, daß durch Reizung des Hals-Vagus eine Volumen- änderung der Lungen herbeigeführt werden kann, die bei manchen Tieren in Zunahme, bei manchen in Abnahme besteht. Zwei derartige Versuche sind in Fig. 6a und 6b wiedergegeben. Aortendruck Lungenvolumen Fig. 9. Affe. Bei + Injektion von 0.001 Nitroglyzerin. r ri f Mh, M Aortendruck Lungenvolumen Fig. 10. Affe. Bei + Injektion von 0-05 Koffein. Bei beiden Versuchen (an zwei verschiedenen Tieren) findet eine gleiche Vagusreizung mit gleicher Wirkung auf Herz und Aortendruck statt, es ist also unmöglich, die in beiden Versuchen entgegengesetzte Wirkung auf das Lungenvolumen durch mechanische Einflüsse vom Herzen aus zu erklären, sondern es konnte nur daran gedacht werden, daß bei der Vagusreizung vaso- AKTIVE ÄNDERUNGEN DER ARTERIELLEN BLUTFÜLLE DER LUNGEN. 393 motorische Nervenfasern für die Lungen erregt werden, und daß bei dem einen Tier die Erregung der verengernden Fasern überwiegt, bei dem andern Tier die der erweiternden. (Ganz ähnliche Ergebnisse fand ich früher auch für die Gefäßnerven des Gehirns bei Reizung des Vago-Sympathicus.) ! Aortendruck Lungenvolumen Fig. 11. Affe. Bei + Injektion von 0-02 Nikotin. Daß die Herzwirkung des Vagus bei dieser Wirkung der Reizung auf die Lungen gar keine Rolle spielte, wurde noch sicherer dadurch, daß ich fand, daß die Vagusreizung zentralwärts, also indirekt auf das Lungenvolumen wirkte, . Lungen- volumen Fig. 12. Affe. Bei + Injektion von Imido (La Roche). Wenn diese Ergebnisse der früheren Untersuchungen schon kaum anders, als durch die Existenz von Gefäßnerven für die Lungen erklärt i Ernst Weber, Über die Selbständigkeit des Gehirns in der Regulierung seiner Blutversorgung. Dies Archiv. 1908. Physiol. Abtlg. S. 457. 394 ERNST WEBER: werden konnten, so dürfte diese Frage nach den oben mitgeteilten Ver- suchen mit gleichzeitiger Messung des Pulmonalisdruckes erledigt sein. — Um die Wahrscheinlichkeit zu vergrößern, daß die Ergebnisse des ersten Teils dieser Untersuchungen auch für den Menschen gelten, habe ich diese Untersuchungen an einer Reihe von Affen wiederholt. Einige neue Versuche habe ich hinzugefügt. Die Ergebnisse der Untersuchungen an Affen stimmten mit denen an Katzen und Hunden überein, nur traten die Resultate bei den Affen oft noch viel deutlicher hervor. In Fig. 7, 8, 9 sind zunächst als Beispiele die Wirkungen des Alkohols, des Ergotins und des Nitroglyzerins bei Affen abgebildet. (Näheres über die Wirkung dieser Mittel siehe im ersten Teil der Untersuchungen. Dies Archiv. 1910. Suppi.) Aortendruck Zeit- schreibung 5 Sek. Lungen- volumen na NT Fig. 13. Katze. Bei + Injektion von 1°® Digalen in die Vene. Die Wirkung bei den Affen war jedesmal eine Erweiterung der Blut- sefäße der Lungen, denn die Volumzunahme war völlig unabhängig von den gleichzeitigen Änderungen des Aortendruckes. Fig. 10 und Fig. 11 zeigen die starke Erweiterung der Lungengefäße, die bei Koffein und Nikotin eintritt. Im ersten Teil der Untersuchungen hatte sich diese Erweiterung der Lungengefäße nur bei der Katze gefunden, beim Hunde dagegen eine Verengerung. Wie bei jenen Versuchen, wurde übrigens auch bei Affen beobachtet, daß nach starker Ermüdung der Gefäßnerven der Lungen nach einer Richtung hin durch mehrere aufeinander folgende Gaben von stark erweiternden Mitteln, AKTIVE ÄNDERUNGEN DER ARTERIELLEN BLUTFÜLLE DER LUNGEN. 395 die Wirkung z. B. des Nikotins auf die Lungengefäße darauf eine ver- engernde wurde. (Siehe die Ausführungen im ersten Teil der Untersuchungen.) BRITEN" ERFEUTENENE | RRRRRTFRRRTTEENTTLNSITNNE NE. 0) A ARRAAAAAAÄRAAR Aortendruck ARERERENIN nd AAN n FREE N PRUN NN a Zeitschreibung (UNTEN FREE Er EEE EEE RER AR EN ER EEE EEE GE 5 Sek. Lungenvolumen ll Aortendruck Zeitschreibung 5 Sek. Lungenvolumen fi VL un VAR NE NETT nl! A Br AAN M : Fig. 14 b. In Figg. 14a und 14b wurde an zwei verschiedenen Katzen jedesmal bei + eine Menge von 1°® Digipuratum in die Vene injiziert. Noch nicht für die Lungengefäße untersucht war die Wirkung des den Blutdruck stark herabsetzenden neuen Mittels Imido (La Roche). Während ich bei dem ähnlich wirkenden Vasotonin bei Katzen keine Wirkung an den Lungengefäßen bei Katzen feststellen konnte, zeigte sich 396 ERNST WEBER: bei Injektion von Imido beim Affen die sehr deutliche Gefäßerweiterung der Lungen, die in Fig. 12 abgebildet ist. Gleichfalls noch nicht untersucht hatte ich die Digitalispräparate. Aortendruck Zeitschreibung 1 Sek. ‚nr An Aka } H 1 eye n Be ae Yun Lungenvolumen Fig. 15. Katze. Bei + Injektion von 1°® eines 10 prozent. Infus. digital. in die Vene. Aortendruck eRBRSAERN RENTE Al Lungenvolumen Mh a Fig. 16. Affe. Von + bis — kalter Guß auf die Bauchhaut. Ich benutzte außer dem Infus die beiden gebräuchlichsten Präparate, Digalen und Digipuratum. Von beiden wurden ca. 1 °= in die Vene ge- spritzt, meist war übrigens von Digalen etwas mehr nötig, um die Wirkung herbeizuführen, als von Digipuratum. Diese Versuche wurden teils an Affen, teils an Katzen ausgeführt. AKTIVE ÄNDERUNGEN DER ARTERIELLEN BLUTFÜLLE DER LUNGEN. 397 Fig. 13 zeigt die Wirkung des Digalens. Trotz der Blutdrucksteigerung, die infolge davon eintritt, ist zu erkennen, daß eine aktive Gefäßerweiterung in den Lungen dadurch herbeigeführt wurde, denn obwohl der Blutdruck nach der ersten Steigerung nicht weiter ansteigt, sondern etwas sinkt, nimmt die Volumzunahme der Lungen immer stärker zu, und die Volum- pulse vergrößern sich immer mehr. Eigentümlicherweise war die Wirkung des Digipuratum an mehreren Tieren eine ganz andere für die Lungengefäße. In Fig. 14a sehen wir trotz des gleichmäßigen Anstiegs des Blutdrucks nach der Injektion von Digipuratum das Lungenvolumen nach kurzer Steigung für längere Zeit wieder absinken, es lag also eine aktive Ver- engerung der Lungengefäße vor. Aortendruck Lungenvolumen Fig. 17. Affe. Von + bis — läuft Wasser von 35° C durch einen Schlauch in den Magen. Noch deutlicher sehen wir das an einem anderen Tier in Fig. 14b, in der die Verengerung fast unmittelbar nach der Injektion beginnt und das Lungenvolumen bis tief unter seinen anfänglichen Stand sinken läßt. Um zu sehen, welche von diesen beiden Wirkungen für das ursprüng- liche Mittel selbst charakteristisch ist, benutzte ich noch ein konzentriertes, frisches Infusum Digitalis und bekam gewöhnlich nach Injektion von 1 °® eines 10 prozent. Infuses eine Wirkung. Fig. 15 zeigt einen Versuch, bei dem so wenig eingespritzt wurde, daß noch keine Blutdrucksteigerung eintrat, und infolgedessen wird es an dieser Kurve deutlich, daß hier die Wirkung des Medikaments auf die Lungengefäße eine erweiternde war. Auch die Pulsvergrößerung der Vo- lumenpulse ist sehr deutlich. 398 Am wiehtigsten war die Wiederholung der Versuche mit Temperatureinflüssen bei Affen, da die Ergebnisse dieser Versuche wohl am meisten geeignet sind, praktische Be- deutung für den Menschen zu gewinnen. Für die Anstellung der Versuche gilt alles das, was ich im ersten Teile dieser Untersuchungen darüber ge- sagt habe. Der Ausfall der Versuche zeigte, daß die gleichartigen Ergebnisse an den Affen viel deutlicher hervortreten, als an Hunden und Katzen. Besonders interessieren die Einwirkungen, durch die Verengerung der Lungenge- fäße herbeigeführt wird. Fig. 16 zeigt die Wirkung eines kalten Gusses auf die Bauchhaut, die die Lungen- gefäße verengert. Fig. 17 zeigt die Wirkung eines warmen Einlaufs in den Magen, die in Verengerung der Lungengefäße besteht. Die sehr kurzdauernde voraus- gehende Volumzunahme ist größtenteils eine passive. Allerdings trat bei Affen visweillen auch bei kaltem Einlauf in den Magen und in den Darm Verengerung der Lungengefäße ein, aber durchaus nicht so regelmäßig, wie bei warmen Einläufen. Verengerung der Lungen- gefäße trittalso bei Temperatur- ERNST WEBER: RTTNNRRES N RLLLTTETTEITELERERRERTET ESS ' AL TFER =. = u a E = = Pe 5 En a Z. = | | Na AR, NDANN AAN BANN una AR, Pi) 2 Lungen- volumen Fig. 18a. AKTIVE ÄNDERUNGEN DER ARTERIELLEN BLUTFÜLLE DER LUNGEN. 399 einflüssen überhaupt leichter ein, als Erweiterung, im Gegensatz zu der Wirkung der Medikamente im allgemeinen, Endlich bildet die letzte Fig: 18b die unmittelbare Fortsetzung von Fig. 18a und beide zeigen das Ergebnis eines Versuchs über die Wirkung öfter wiederholter heißer Einläufe und eines kalten Einlaufs in den Mast- darm eines Affen. = s235 = Be = 352 En iz [=> Sse$- In e- Sa | < Az | €. Sau $ m an .© SV m Fa En & lu = = % Zus 7; ı > mn 21 E z In (ae) © Oi z 5 < > a An Fig. 18b. Fig. 18b bildet die direkte Fortsetzung von Fig. 182. oinnt heißes Wasser von 35 bis 40° durch einen Schlauch in heißes Wasser in den Darm. Bei — läuft es wieder heraus. Von *4 bis — läuft kaltes Wasser in den Darm. PORNURERTEE ALLAN REN EFRLT — . ne,‘ w ea > — a8 = l „1. © 0 7, Buche ee © = Se e BE uy- | FE SS Syud Qr3 = Dr -| = => 388 Bei +, begann das heiße Wasser (35° bis 40°) durch den Schlauch in den Darm zu laufen, und man sieht sogleich die Kurve des Aorten- drucks allmählich ansteigen, die des Lungenvolumens aber langsam sinken. Bei +, wurde der Trichter nochmals mit heißem Wasser gefüllt und das Steigen des Blutdrucks und Sinken der Volumkurve verstärkte sich. 400 ERNST WEBER: AKTIVE ÄNDERUNGEN USW. Bei — ließ ich durch Senken der Schlauchöffnung das Wasser wieder aus- fließen, das teilweise auch schon vorher neben dem Schlauche heraus- geflossen war. Der Blutdruck senkte sich hierauf wieder allmählich und die Volum- kurve der Lungen stieg wieder an. Ungefähr das gleiche wiederholte sich bei demselben Versuch bei +,, nur daß der Blutdruck seine normale Höhe diesmal fast beibehielt, ohne aber im geringsten zu sinken. Von +, bis — in Fig. 18b lief durch dasselbe Darmrohr unmittelbar darauf kaltes Wasser in den Darm und hier sehen wir am Lungenvolumen, im Gegensatz zu den Wirkungen der Versuche bei +,, +, und später +, anstatt der Abnahme eine reine Volumzunahme eintreten. Gleichzeitig mit heißen Einläufen tritt allerdings eine Blutdrucksteigerung ein, und deshalb ist bei diesem Versuch nicht zu entscheiden, ob diese Volum- zunahme der Lungen eine aktive ist, oder ob sie nur passiv unter dem Druck der Blutdrucksteigerung entstand. Wir sehen aber, daß die Blutdrucksteigerung bei +, keinesfalls größer, sondern eher geringer ist, als die Blutdrucksteigerung, die bei den dreimal wiederholten heißen Einläufen in den Darm auftrat, es ist also klar, daß bei diesem kalten Einguß zum mindesten die Gefäßverengerung in den Lungen ausblieb, die nach den heißen Eingießungen eintrat und trotz der noch höheren Blutdrucksteigerungen sich dort geltend machte. Endlich wurde am Schluß nochmals von +, bis — der heiße Einlauf wiederholt, und abermals zeigte sich als Wirkung deutlich eine Gefäßver- engerung in den Lungen, die nur langsam wieder zurückging. Von den Versuchen mit Temperaturreizen an Hund und Katzen habe ich im ersten Teile dieser Arbeit hervorgehoben, daß die Effekte an den Lungengefäßen sich nur ein- oder zweimal deutlich zeigten, um dann zu verschwinden. Im Gegensatz dazu zeigt dieser Versuch, daß die Wirkungen beim Affen nicht so leicht erlahmen und immer wieder deutlich sichtbar werden können. Es ist anzunehmen, daß die Wirkung beim Menschen mehr der beim Affen gleichen wird, und daß man zum Beispiel durch länger dauern- den Durchfluß von heißem Wasser vermittelst eines doppelläufigen Schlauches durch den Mastdarm und gleichzeitige äußere Kältewirkung an der Haut eine kräftige Verengerung der Lungengefäße herbeiführen kann. Erweiterung der Lungengefäße kann dagegen, wie oben gezeigt wurde, durch zahlreiche Medikamente herbeigeführt werden. — Über operative Herstellung eines neuen Kreislaufs durch die Leber. Von Prof. Ernst Weber, Oberassistent des Instituts. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Berlin.) Bei Landois findet sich eine Notiz, nach der bei direkter Überleitung des arteriellen Blutes aus der Carotis in die Vena jugularis, oder aus der . Arteria cruralis in die nebenliegende Vene desselben Tieres eine Temperatur- steigerung eintritt. Die Erklärung dieser Temperaturerhöhung sucht Landois darin, daß bei der eintretenden abnormen Überfüllung des Venensystems eine lebhaftere Tätigkeit des Vasomotorenzentrums und der Gefäßmuskulatur zur Her- stellung der normalen Verhältnisse einsetze, und die hierdurch bedingte Zusammenziehung aller Blutgefäße, also auch der Hautgefäße, die Wärme- abgabe vermindere. Da eine derartige Wirkung unwahrscheinlich ist, wiederholte ich die Versuche und fand keine Temperaturerhöhung. Um die Veränderungen im Kreislauf bei diesen Experimenten zu be- obachten, nahm ich gleichzeitig mit der Blutdruckkurve die Volumkurve des Herzens und bei andern Versuchen die des Beines und der Bauchorgane auf. In dem Augenblick, in dem das arterielle Blut in die daneben liegende große Vene zu fließen begann, sank, wie zu erwarten, der arterielle Blut- druck, aber nur in geringem Grade Ebenso nahm das Herzvolumen etwas zu. Von den vasomotorischen Veränderungen aber, durch die Landois die angebliche Temperaturerhöhung zu erklären sucht, konnte nichts ge- funden werden. Archiv f. A.u.Ph. 1912. Physiol. Abtlg. 26 402 ERNST WEBER: In Fig. 1 zeigt die oberste Kurve den allgemeinen Blutdruck, die mittlere das Darmvolumen, die unterste das Beinvolumen. Daß die Kurve des Beinvolumens auf Einflüsse reagierte, obwohl die einzelnen Pulse nicht sichtbar sind, zeigt ihre Veränderung, die in Fig. 2 abgebildet ist. Blutdruck D: WT. Darmvolumen © N en Beinvolumen Fig. 1. Bei + beginnt das Blut der Arteria carotis direkt in die nebenliegende Vena jugularis zu fließen. Beim Zeichen + in Fig. 1 begann das Carotisblut in die Vena jugularis zu fließen, und die Volumkurven zeigen als Folge davon nur die passiven Veränderungen, die der geringen Blutdrucksenkung entsprechen. Von einer lebhafteren Tätigkeit des vasomotorischen Zentrums ist nichts zu bemerken, auch wenn man verschiedene Male das direkte Fließen des arteriellen Blutes in der Vene unterbricht und wieder herstellt. Eher scheint eine solche Erregung des Vasomotorenzentrums gelegentlich dann einzutreten, wenn das direkte Fließen des arteriellen Blutes in die Vene wieder unterbrochen wird. OPERATIVE HERSTELLUNG EINES NEUEN KREISLAUFS DURCH DIE LEBER. 403 Meist wird dieser Vorgang nur von einer geringen Blutdrucksteigerung gefolgt, die der vorhergehenden Senkung entspricht und der die Volum- kurven passiv folgen. Einige Male sah ich dabei auch eine Erregung des Vasomotorenzentrums eintreten, die eine starke Verengerung der Gefäße der: a Blutdruck ARRRRWENET i f SEHR N Darmvolumen Beinvolumen Fig. 2. Bei + wird das direkte Fließen des Blutes aus der Aorta carotis in die Vena jugularis unterbrochen. Bauchorgane herbeiführte, wie es in Fig. 2 abgebildet ist. Infolge dieser Gefäßverengerung trat eine beträchtliche Blutdrucksteigerung ein und passive Erweiterung der äußeren Gefäße des Körpers, wie das Verhalten des Bein- volumens zeigt. Eine solche Wirkung stellt aber eine Ausnahme dar, und eg ergibt sich aus diesen Versuchen, daß die Änderung der Zirkulationsverhältnisse durch direkte Überleitung des arteriellen Blutes eines Tieres in die dazu gehörige Vene scheinbar eine unerwartet geringe Wirkung auf den Körper hat. 26* 404 ERNST WEBER: Es hatte deshalb kein Interesse, die Versuche auf andere entsprechende Gefäßgebiete auszudehnen. Nur dann schien mir ein derartiger Versuch wertvoll, wenn es gelang, das abgeleitete arterielle Blut nicht direkt wieder zum Herzen fließen zu lassen, sondern in ein Gefäßgebiet, durch das es einem Organ des Körpers zugute kommt und vielleicht seine Funktion beeinflussen kann. Ein solches Gefäßgebiet konnten aber nur die Mesenterialvenen dar- stellen, die das Blut zur Vena portae führen, ein solches Organ:nur die Leber. Durch die bekannte Operation der Eckschen Fistel wurde das Blut der Mesenterialvenen von der Leber fortgeleitet, indem es nach Herstellung der Fistel zwischen Vena portae und Vena cava aus der Vena portae unter Umgehung der Leber durch die Vena cava direkt zum Herzen floß. Durch die hier ins Auge gefaßte Operation sollte im Gegenteil mehr Blut als vorher durch die Leber geleitet werden, und zwar sollte dieses Mehr an Blut aus arteriellem Blut bestehen, so daß ungefähr der entgegen- gesetzte Effekt für die Leber erzielt werden müßte, wie man meinen könnte, als durch die Operation der Eckschen Fistel. Bei Beschreibung der Operation, die zu diesem Ziele führt, ist zu unter- scheiden zwischen der Variation der Operation, nach der das arterielle Blut nur mehrere Stunden in die Vena portae fließen soll, nach Verlauf derer das Tier getötet wird, und der Variation, nach der das Tier die Operation tagelang oder länger überleben soll. Zu der ersten Art der Operation können Katzen benutzt werden, zu der zweiten nur große Hunde, von denen sich nicht alle zu der Operation eignen, wie sich erst nach Eröffnung der Bauchhöhle ergibt. Die Wirkung des Einfließens des arteriellen Blutes in die Vena portae auf das Herz und die Blutverteilung im Körper, die zunächst beschrieben werden soll, wurde natürlich an Katzen untersucht. Die Mesenterialvene, die zur Überleitung des arteriellen Blutes be- nutzt werden soll, muß weit genug sein, das Einbinden einer nicht zu engen Kanüle zu gestatten, darf nicht zu dünnwandig sein und muß besonders so gelagert sein, daß nach ihrer Durchtrennung ihr zentrales Ende bequem und ohne jede Zerrung bis zu dem Orte hingeführt werden kann, an dem sie mit der Arterie verbunden wird. Sie muB also von vorn- herein schon sehr nahe an der benützten Arterie liegen. Eine solche Mesenterialvene findet sich bei allen Tieren in der Vena mesenterica superior. Die Tiere waren bei den Versuchen, die sie nicht längere Zeit überleben sollten, kurarisiert und mit künstlicher Atmung versehen. Nach Eröffnung der Bauchhöhle sucht man sich das Ende des Magens und spannt das Mesenterium des Duodenums und des anschließenden ersten OPERATIVE HERSTELLUNG EINES NEUEN KREISLAUFS DURCH DIE LEBER. 405 Teils des Dünndarms. Man sieht dann sofort bei Spannung des Mesenteriums des Anfangs des Dünndarms die dieke Vena mesenterica superior vorliegen, nicht weit von der Vena portae. Die Vena mesenterica superior hat an dieser Stelle auf einer Strecke von 1 bis 2 «= keine Abgänge, läßt sich leicht freimachen und ist leicht und ohne jede Zerrung verschieblich. Im Notfall wird eine seitlich abgehende Vene unterbunden. Nachdem die Vene frei präpariert ist, wird sie mit Klemmen zeit- weilig verschlossen und möglichst weit peripherwärts abgeschnitten. Die Zuführung des Blutes läßt sich am bequemsten und ausgiebigsten von dem unteren Teile der Aorta ab- WEB EDR dominalis aus bewerkstelligen, von der dort leicht eine Strecke von 1 bis 2 ® sich frei präparieren läßt, wobei höchstens 1 bis 2 kleine Arterien zu unterbinden sind. Auch hier werden dann un- mittelbar vor Einbindung der Ka- nüle für kurze Zeit Klemmen an- Aorta _ Abdominalrs. gelegt. Ich benutzte eine drei Wege Kanüle von der Form, die in Fig. 3 abgebildet ist. Die Kanüle wurde mit Koch- salzlösung gefüllt undkurzeGummi- schläuche an 2 Enden der Kanüle wurden zugeklemmt, damit die Kochsalzlösung nicht herauslief. Dann wurde die freigelegte und abgeklemmte Aorta in der Mitte durchschnitten und das freie Ende der Kanüle in das eine Ende der Aorta eingebunden, hierauf der eine der beiden Gummischläuche von der Kanüle entfernt und dieses Ende eingebunden, schließlich auch das letzte Ende mit der Vene verbunden. Dann wurde zunächst durch Öffnen der Klemmen an der Aorta der Kreislauf durch die Aorta abdominalis wieder hergestellt, während die Klemme, die die Vena mesenterica superior nach der Aorta zu abschloß, vorläufig noch liegen blieb. Die Lage der Kanüle am Schlusse der Operation ist in Fig. 3 sche- matisch wiedergegeben. Um die Wirkung der nach Lösung der letzten Klemme an der Vene eintretenden Änderungen in den Kreislaufverhältnissen zu beobachten, maß +... Vena Porfae N "Vena Mesenterica. Superı or Menvle ------|: Aorta. ._ Fig. 3. Schema des neuen Kreislaufs durch die Leber mittels einer Kanüle. 406 ERNST WEBER: ich den Blutdruck in der Carotis, das Darmvolumen und bisweilen auch gleichzeitig das Volumen des Herzens oder das des Beines. Die Abgangsstelle der Arterien für die untersuchten Darmstücken lag übrigens immer zentralwärts von der Operationsstelle der Aorta abdominalis. Obwohl die Versuche mit Überleitung des Blutes aus Arteria carotis in Vena jugularis ergeben hatten, daß diese Veränderungen einen unerwartet geringen Einfluß auf das Befinden und die Zirkulationsverhältnisse der Tiere haben, war es von vornherein durchaus nicht sicher, daß die Tiere auch die Abzweigung des Blutes von der Aorta in die Vena portae würden ertragen können. Bei jenen Versuchen gelangte das arterielle Blut nur etwas eher, als es normalerweise erfolgt, in die im zugehörigen zum Herzen führenden Wege, während bei diesen Versuchen das arterielle Blut in viel größerer Menge in ein ganz andersartiges Gefäßgebiet fließt und, ehe es zum Herzen gelangt, erst noch ein Organ durchströmen muß. Es ergab sich aber, daß alle Tiere die Zirkulationsänderung aushielten, kein einziges ging im Verlauf der ersten Stunden nach Beendigung der Operation zugrunde. Der Blutdruck, der in der Carotis gemessen wurde, sank jedesmal mehr oder weniger, nachdem die Klemme geöffnet war, die den Zufluß des arteriellen Blutes zur Vena portae noch verhinderte. Nach Öffnung dieser Klemme färbte sich natürlich jedesmal die Vena mesenterica superior hellrot, und man sah und fühlte deutlich ihr starkes Pulsieren. In Fig. 4 ist eine Kurve abgebildet, die das typische Verhalten des Blutdrucks dabei zeigt. Das Sinken des Blutdrucks ist völlig da- durch erklärt, daß plötzlich ein neuer Abfluß aus der Aorta geschaffen wird und zu den Gefäßgebieten, die von der Aorta aus mit Blut ver- sorgt werden müssen, ein völlig Neues hinzukommt. Unmittelbar nach Eintritt der Blutdrucksenkung, die bisweilen nur sehr gering sein kann, tritt eine Vergrößerung der Pulse ein, von der wir näheres noch später durch die gleichzeitige Aufnahme der Kurve des Herzvolumens erfahren werden. Diese Veränderung der Herztätigkeit pflegt übrigens '/, bis !/, Stunde nach Einleitung der Zirkulationsänderung aufzuhören, offenbar ein Zeichen, daß ein Ausgleich in den Zirkulationsverhältnissen stattgefunden hat, ob- wohl das Aortenblut noch weiter durch die Vena portae zur Leber fließt. Das Darmvolumen folgte im allgemeinen den Änderungen des arteriellen Druckes, doch zeigten diese Gefäße oft eine Neigung zur allmählichen Wieder- erlangung ihrer anfänglichen Blutfülle. Ob die Abnahme des Darmvolums bei Eröffnung der neuen Zirkulation allein von der dann eintretenden Blut- drucksenkung abhängt, wird noch erörtert werden. In Fig. 5 stellt die obere Kurve das Darmvolumen, die untere den arteriellen Blutdruck dar. Diese Kurven stammen von derselben Katze, OPERATIVE HERSTELLUNG EINES NEUEN KREISLAUFS DURCH DIE LEBER. 407 von der die in Fig. 7 abgebildeten Kurven stammen. Nur war zu der Zeit des Versuchs, die Fig. 7 illustriert, der neue Kreislauf durch die Leber soeben erst eingeleitet worden, während Fig. 5 die Verhältnisse eine Stunde später zeigt, in deren Verlaufe den größten Teil der Zeit hindurch die neue Zirkulation durch die Leber bestanden hatte und nur einige Male auf kurze Zeit wieder durch Anlegung der Klemme an die Vene unterbrochen worden war. In dieser Zeit war die Anpassung an die Zirkulationsveränderung ein- getreten, die noch später zu besprechen ist, obwohl die Blutdrucksenkung bei Wiedereinleiten der neuen Zirkulation durch die Leber in Fig. 5 stärker ist, als in Fig. 7. st Fig. 4. Bei + wird der neue Kreislauf durch die Leber eingeleitet. Infolge der stärkeren Blutdrucksenkung in dem Versuchsteil, der in Fig. 5 dargestellt ist, ist hier auch die Senkung der Volumkurve des Darmes größer als in Fig. 7, und deshalb ist hier auch die Neigung der Volumkurve, entgegen der Wirkung des allgemeinen Blutdrucks ihren nor- malen Stand allmählich wieder zu erreichen, um so deutlicher. Kurz vor Beginn des abgebildeten Teils der Kurve 5 war die neue Zirkulation durch die Leber durch Anlegung der Klemme an die Vena mesenterica superior wieder unterbrochen worden, was den Rückgang der bei Öffnung dieses Durchflusses eingetretenen Erscheinungen herbeiführte, also starke Steigerung des Blutdrucks und Zunahme des Darmvolumens. Obwohl der Blutdruck zu Beginn der Kurve auf Fig. 5 noch etwas. an- steigt, sehen wir doch das Darmvolumen allmählich beträchtlich sinken, sich also dem Zustand wieder nähern, in dem es sich befand, ehe es durch die Blutdrucksteigerung passiv vermehrt wurde. Beim Zeichen + wurde dann die Klemme wieder entfernt, so daß das Aortenblut wieder durch die Vena portae strömte, beide Kurven sinken infolgedessen stark, aber während dann der Blutdruck nach kurzem auf gleicher Höhe bleibt, sehen wir bald die Volumkurve des Darmes mit starker Vergrößerung ihrer Volumpulse wieder fast zu ihrer normalen Höhe ansteigen. Ähnliches zeigt sich auch in Fig. 7. Dies Verhalten der Volumkurve beweist übrigens, daß die gemessenen Teile des Dünndarms auch nach der Abbindung der Vena mesenterica 408 ERNST WEBER: superior an der erwähnten Stelle ihre Zirkulationsverhältnisse noch selb- ständig ändern können und keineswegs nur vom arteriellen Blutdruck ab- hängig sind. Fig. 5. Bei + wird nach kurz vorhergehender Unterbrechung der neue Kreislauf durch die Leber wieder eingeleitet. = = w Es : S=z = As E Ei In Fig. 6 stellt die mittlere Kurve den Blutdruck und die oberste das Verhalten des Darmvolumens dar. Beim Zeichen + wurde die neue Zirkulation durch die Leber durch Öffnung der Klemme an die Vena mesenterica superior eingeleitet und wir schen bei diesem Tiere als Folge davon nur eine außergewöhnlich schwache und kurzdauernde Blutdruck- senkung eintreten, die nur bei genauer Besichtigung der Kurve erkennbar ÜPERATIVE HERSTELLUNG EINES NEUEN KREISLAUFS DURCH DIE LEBER. 409 ist. Trotzdem sinkt aber gleichzeitig das Darmvolumen sehr stark ab und steigt auch nicht wieder an, nachdem die kaum merkliche Blutdrucksenkung längst wieder zurückgegangen ist. = Z — = 3 E 3 3% 3 3 i E 3 Ei 3 Ei E ‚| or - Bei + wird der neue Kreislauf durch die Leber eingeleitet. = B--] = © © . © == 5 >=! SE) = == A’o = z > — » = Dies Verhalten der Volumkurve des Darmes legt den Gedanken daran nahe, daß die Volumabnahme bei Einleitung der neuen Zirku- lation durch die Vena portae nicht allein von der gleichzeitigen Blutdruck- senkung veranlaßt wird, sondern daß durch die starke arterielle Blut- strömung durch die Vena mesenterica superior und Vena portae eine ge- wisse Saugwirkung auf die einmündenden andern Mesenterialvenen aus- 410 ERNST WEBER: geübt wird und dadurch das venöse Blut aus dem Darm schneller abgeführt wird, als vorher. Endlich zeigte das Herzvolumen bei Einleitung der neuen Zirkulation die Veränderung, die an der untersten Kurve der Fig. 6 abgebildet ist. Darm- volumen Blutdruck Fig. 7. Bei + wird der neue Kreislauf durch die Leber eingeleitet. In den ersten Sekunden zeigt hier das Herzvolumen eine geringe Ver- minderung, da durch die plötzliche Eröffnung eines neuen Abflusses aus der Aorta zunächst mehr Blut aus dem Herzen herausfließt, als vorher. Sehr bald darauf beginnt aber infolge des stärkeren Zuflusses des arteriellen und wahrscheinlich auch venösen Blutes durch die Vena portae das Herz- volumen zuzunehmen. Das Herz sucht diese vermehrte Ansammlung von Blut durch ge- steigerte Tätigkeit wieder zu beseitigen, und wir sehen deshalb starke Puls- OPERATIVE HERSTELLUNG EINES NEUEN KREISLAUFS DURCH DIE LEBER. 411 vergrößerung eintreten, die ja auch an der Kurve des Blutdrucks in dieser Figur, wie auch in den andern Figuren deutlich zum Ausdruck kommt. Trotz der verstärkten Arbeit kann aber das Herz die vermehrte Blutmenge in seinen Höhlungen noch nicht wieder auf das normale Maß zurückführen, sondern erreicht dadurch nur, daß die Volumzunahme sich nicht noch mehr vergrößert. Diese verstärkte Anforderung an die Herztätigkeit ist so groß, daß bisweilen Tiere mit nicht intaktem Herzen dadurch selbst in Gefahr kommen und sich Unregelmäßigkeiten der Herztätigkeit einstellen, wie das in Fig. 7 zu sehen ist, auf der die obere Kurve das Darmvolumen, die untere den Blutdruck darstellt. Bei dem Zeichen + in Fig. 7 wurde die Klemme vor der Vena mesenterica superior entfernt. Vorher waren die Pulse völlig regelmäßig. Nach Lösung der Klemme sinkt die Kurve zunächst stark, steigt unter starker Pulsvergrößerung wieder für einige Zeit an. Dann beginnt die Herz- tätigkeit nach weiterer Pulsvergrößerung unregelmäßig zu werden, und die Kurve sinkt wieder tiefer. Sofort nachdem die Klemme wieder angelegt war (nicht mehr abgebildet), stieg der Blutdruck wieder, und die Herztätigkeit war wieder so regelmäßig, wie zuvor. Aber wie schon erwähnt, gewöhnte sich selbst dieses Tier mit offenbar geschwächtem Herz an die neue Zirkulation durch die Leber, und nachdem das Blut ca. 1 Stunde auf dem neuen Wege durch die Vena portae und Leber geflossen war, blieb nach vorübergehendem Verschlusse bei abermaliger Einleitung der neuen Zirkulation, wie es auf Fig. 5 zu sehen ist, die Herztätigkeit regelmäßig. Allerdings blieb auch die Blut- drucksenkung dauernd eine tiefe, da das Herz die vergeblichen Versuche, die Senkung durch noch mehr gesteigerte Tätigkeit zu verringern, jetzt gar nicht wieder aufnahm. Jedenfalls zeigen diese Versuche, daß die einzelnen Organe der Tiere die Einleitung der neuen Zirkulation durch die Leber gut ertragen können, Obwohl wahrscheinlich schon durch eine mehrstündige Zirkulation der großen Menge arteriellen Blutes (ca. !/, des Blutes der Aorta abdominalis) durch die Leber funktionelle Änderungen in der Leber herbeigeführt werden, war es doch wichtig, zu versuchen, die Tiere diesen Eingriff tage- und wochenlang überleben zu lassen. Zu dem Zwecke mußte ich natürlich die Operation wesentlich modi- fizieren. Man könnte an Benutzung einer Glaskanüle in dem Sinne denken, wo sie Queirolo! zur Verbindung der Vena portae mit der Vena cava bei der Operation der Eckschen Fistel benutzte. ı Queirolo, Sul fegato e sulla riunione delle vene. XJ. Congr. med. int. 1894. 3./9pIaHfk 412 ERNST WEBER: Dabei wird das Ende des einen Blutgefäßes vollkommen durch die kurze Glaskanüle durchgezogen, dann nach außen um den Rand der Kanüle herumgeschlagen und dort festgebunden, das Ende des andern Ge- fäßes wird dann unmittelbar über derselben Stelle befestigt, so daß nach Einleitung der Zirkulation das Blut nur in Berührung mit der lebenden Gefäßwand beider Venen kommt und nicht gerinnt. Man hätte aber dann natürlich nicht die Aorta selbst, sondern nur einen Ast benutzen können, Fig. 8. Endverzweigungen der Vena mesenterica superior. A ist die Operationsstelle. dessen Gebiet durch Anastomosen versorgt werden kann, wie das der Iliaca. Ich zog es daher vor, das zentrale Ende der Mesenterialvene durch Gefäß- naht direkt als Seitenast in die Aorta abdominalis einzunähen. Die Benutzung der Vena mesenterica superior in größerer Nähe der Vena portae war jedoch hierbei nicht angezeigt, wegen der Gefahr, den venösen Abfluß aus Teilen des Darmes dadurch zu verlegen, zumal ja schon die Störung der Ernährung eines kleinen Darmsegments den Tod des Tieres herbeiführt. Geht man aber den Verzweigungen der Vena mesenterica superior an den ersten Schlingen des Dünndarms nach, so findet man fast bei allen OPERATIVE HERSTELLUNG EINES NEUEN KREISLAUFS DURCH DIE LEBER. 413 Hunden eine stark hervortretende, auffällig dicke Mesenterialvene, die des- halb für die Operation besser geeignet ist, weil man genau übersehen kann, ob die Ernährung des von ihr versorgten Darmstückes durch reichliche Anastomosen der Venen gesichert ist und weil in unmittelbarer Nähe der Öperationsstelle der Aorta gelegen ist. Diese Verhältnisse sind durch Fig. 8 illustriert, auf der A die Stelle angibt, an der die zu benutzende Vene durchschnitten wird. Von der Aorta abdominalis wird dieselbe Stelle benutzt, wie bei der oben beschriebenen Einbindung der Kanüle. Nach Abklemmung der Aorta zentral- und peripherwärts wird dann ein ovalgeformtes Stück aus der Aortenwand mit einer kleinen Schere herausgeschnitten und damit die Ausmündungsstelle der neuen Gefäßverbindung hergestellt. Eine Schwierigkeit liegt nun besonders darin, das zentrale, einstweilen abgeklemmte Ende der Mesenterialvene der Aorta abdominalis so zu nähern, daß nach Einnähung der Vene in die Aorta die Gefäße ohne Spannung aneinander liegen, da natürlich die Nähte, die die zarte Venenwand mit der Arterienwand verbinden, keinen starken Zug aushalten, und auch die neue Zirkulation durch Zerrungen gestört werden würde. Bei der größeren Hälfte der operierten Hunde (es wurden nur große Hunde benutzt), lag die zu benutzende Vene so günstig, daß ihr zen- trales Ende ohne jeden Zug zur Aorta hingeführt und eingenäht werden konnte. Bei der kleineren Hälfte war das nicht der Fall und man tut in diesen Fällen besser, die Operation ganz zu unterlassen, da auch bei geringfügigem Zuge, der auf die Operationsstelle wirkt, die Nähte später doch bald reißen und das Tier verblutet. Nur einmal kam es vor, daß sich überhaupt keine hinreichend weite Vene an der angegebenen Stelle fand. Die Operation wird nach der bekannten Technik der Gefäßnaht so ausgeführt, daß zunächst, wie aus Fig. 9a zu ersehen ist, durch den freien Rand des zentralen Endes der Vene in drei einander gegenüberliegenden Punkten lange Fäden durchgelegt werden (Fig. 94 in den Punkten a, b, c), deren andere Enden an den entsprechenden Punkten des Randes des in die Aorta eingeschnittenen Loches durchgezogen werden (Fig. 9 A in den Punkten a‘, d, c‘). Hierauf werden die beiden Enden jedes der drei Fäden zugeknüpft, während gleichzeitig die. Vene vollkommen an die Aorta herangezogen wird. Die Vene ist dadurch zunächst an 3 Punkten an der Öffnung der Aorta angenäht. Die Teile zwischen diesen 3 Nähten werden hierauf durch ein- fache Nähte miteinander verbunden, so daß schließlich die Vene so in die Aorta eingenäht ist, wie es Fig. 9 B zeigt. 414 ERNST WEBER: OPERATIVE HERSTELLUNG EINES NEUEN KREISL. USW. Dann werden zunächst die beiden Klemmen von der Aorta und schließlich auch die von der Vene entfernt, worauf man sofort die Vene sich stark mit Blut anfüllen, sich röten und lebhaft pulsieren sieht. Falls zwischen den Nähten noch etwas Blut hervorsickert, so genügt eine kurze Kompression des Operationsfeldes, um es zum Stehen zu bringen. Von den operierten Hunden überlebten 4 die Operation um !/, bis 3 Wochen. IS ILLLTELITILLIILLLLT TEILE LT ILL Fig. 9. (Zeichnung von Dr. Leplay.) Schema der Operation zur Herstellung des neuen Kreislaufs durch die Leber mittels der Gefäßnaht. Ein Hund wurde nach 3 Wochen getötet und bei ihm zeigte sich, daß die operativ gesetzte Öffnung in der Aortenwand sich völlig wieder verschlossen hatte. Der Substanzdefekt in der Aortenwand war kreisförmig von einem Durchmesser von mindestens !/, °” gewesen, und, trotz des hohen Druckes, der von der Aorta aus auf diese Stelle wirkte, war er bereits nach 3 Wochen wieder völlig durch festes, glattes Narbengewebe ausgefüllt. Es geht daraus hervor, daß die neue Zirkulation durch die Leber wohl nie dauernd erhalten bleiben wird. Dagegen fand sich bei einem andern Hund, der nach 1 Woche ge- tötet wurde, daß die Kommunikation zwischen Aorta und Vene noch voll- kommen offen und bequem durchgängig war, also nach einer Zeit, die zur Untersuchung der funktionellen Veränderungen der Leber vollkommen aus- reicht. — Über die Differenzierung von Algen mit Hilfe spezifischer Agglutinine. I. Mitteilung. Von Dr. Stephanie Rosenblat-Lichtenstein. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Berlin. Direktor: Geh, Med.-Rat Prof. Dr. M. Rubner.) Dank der Ausarbeitung der serologischen Methodik, welche spezifische Reaktionen nicht nur bei Gruppen von Bakterien, sondern auch bei einzelnen Bakterienstämmen und neuerdings auch bei Protozoen nachzuweisen ge- stattet, ist die Identifizierung einer bestimmten Bakterienkultur wesentlich erleichtert worden. Trotz der mannigfachen erfolgreichen Resultate ist die Anwendung der serologischen Methodik im System der niederen Organismen bislang fast ausschließlich auf die Bakterien beschränkt ge- blieben. Es schien mir nicht ohne Interesse, diese Reaktionen bei einer Gruppe von Organismen durchzuführen, die zu demselben System gehören und aus verschiedenen Gründen sich ganz besonders hierzu eignen. Es sind dies chlorophyligrüne, einzellige Algen aus der Abteilung der Chloro- phyceae.! | Es mag hier nicht unerwähnt bleiben, daß die Spezifizität der Ver- wandtschaftsreaktionen der pflanzlichen Zellen schon öfter Gegenstand ein- gehender Untersuchungen war. ı Wie Hr. Prof. Dr. W. Dunbar-Hamburg mir brieflich mitzuteilen die Liebens- würdigkeit hatte, sind von ihm an seinen Algenkulturen die Agglutinationsmethode sowie alle bekannten biologischen Reaktionen schon vor längerer Zeit ausgeführt worden. Veröffentlichungen liegen darüber nicht vor. 416 STEPHANIE ROSENBLAT-LICHTENSTEIN: Über spezifische Reaktionen bei Hefe und Pilzen berichten W. Magnus :und H. Friedenthal.! Im System der höheren Pflanzen liegen die Versuche von W.Magnus und H. Friedenthal? sowie von W. Magnus? über die Artverwandtschaft bei verschiedenen Gramineen, sodann Arbeiten derselben Autoren * und von Dunbar über die Artspezifizität der pflanzlichen Zelle vor. Es konnten nämlich im Serum der mit den betreffenden pflanzlichen Preßsäften und Extrakten behandelten Tiere spezifische Präzipitine und komplement- bindende Antikörper (Dunbar) nachgewiesen werden. Der Umstand, daß verschiedene Chlorophyceen in Reinkulturen sich isolieren lassen und auf geeigneten Nährböden zum üppigen Wachstum gebracht werden können, ist für die vorliegenden Untersuchungen von ganz besonderer Wichtigkeit, da man mit einem bestimmten einheitlichen Material arbeiten kann und die ganze Zelle in Betracht kommt. Bei meinen Versuchen habe ich vorgezogen, mit der Agglutinations- reaktion anzufangen, um mittels der Agglutinine ein spezifisches Merkmal bei der Einreihung der Algen in bestimmte Gruppen zu finden. Die Algen, die mir in Reinkultur zur Verfügung ann waren folgende: 1. Chlorella protothecoides Krüger (aus dem Kralschen Mose in Wien), 2. Stichococcus, 3. eine mit der Aufschrift Oderberg bezeichnete Algenkultur, — für diese beiden Kulturen bin ich Herrn Prof. Dunbar-Hamburg zu Dank ver- pflichtet, 4. eine mit Chlorella? bezeichnete Algenkultur, die mir eülued von Herrn Dr. E. Pringsheim-Halle überlassen wurde, 5. eine Kultur, die ich dem liebenswürdigen Entgegenkommen von Herrn Prof. W. Magnus-Berlin verdanke, und die nach ihm vermutlich als eine Chlorella anzusprechen ist, — diese Kultur soll weiterhin als Alge- Berlin bezeichnet werden, | ı W. Magnus und H. Friedenthal, Ein experimenteller Nachweis natürlicher Verwandtschaft bei Pflanzen. Berichte der deutschen botanischen Gesellschaft. 1906. Bd. XXIV. 2 Dieselben, Über die Spezifizität der Verwandtschaftsreaktion der Pflanzen. Ebenda. 1907. Bd. XXV. 3 W. Magnus, Weitere Ergebnisse der Serumdiagnostik für die theoretische und angewandte Botanik. Ebenda. 1908. Bd. XXVla. * W. Magnus und H. Friedenthal, Über die Artspezifizität der Pflanzenzelle. Ebenda. 1907. Bd. XXV. 5 W. P. Dunbar, Über das serobiologische Verhalten der Geschlechtszellen. Zeitschrift für Immunität und experimentelle Therapie. 1910. Bd.IV. DIFFERENZIERUNG VON ALGEN MIT HILFE SPEZIF, AGGLUTININE. 417 6. eine Kultur X, die von mir vor etwa zwei Jahren aus einem Kolben mit Wasser, in dem sich Algen angesiedelt hatten, isoliert worden ist, und die ich als eine zu den Protococcales zugehörige Alge identifiziert habe. Die sämtlichen Algen wurden auf Traubenzuckerpeptonagar gezüchtet, da sie, wie ich konstatieren konnte, sich auf solchen Nährböden viel schneller und üppiger entwickelten, als in einem Eiweiß- und kohlehydratfreien Milieu. Man konnte meistens nach 5 bis 6 Tagen sehr gut gewachsene Kulturen erhalten, so daß immer mit frischem und gleich altem Material gearbeitet wurde. Vier von den oben angegebenen Kulturen und zwar: Chlorella protothecoides Krüger, Chlorella?, Alge-Berlin und Stichococcus wurden für die Tierinjektionen benutzt. Kaninchen wurden in der üblichen Weise wie mit Bakterienmaterial vorbehandelt. Für die erste intravenöse Injektion kam je eine Öse einer Agarkultur zur Verwendung; für die weiteren Injektionen, die gleichfalls intravenös vorgenommen wurden, wurden zwei bis drei Ösen benutzt. Injiziert wurde alle 5 bis 6 Tage, nach längerer Behandlung auch in größeren Zeiträumen. Die Tiere vertrugen die Injektionen sehr gut. Der eigentliche Agglutinationsversuch wurde in der üblichen Weise ausgeführt. In eine Reihe Röhrchen kam je 1 °= des betreffenden Ka- ninchenimmunserums in fallenden Mengen; die Verdünnungen wurden mit physiologischer Kochsalzlösung gemacht. In jedem Röhrchen wurde eine Normalöse einer frischen, gut gewachsenen Algenkultur verrieben. Das Gestell mit den Röhrchen kam für zwei Stunden in den Brutschrank und für 24 Stunden auf Eis. Die nötigen Kontrollen mit normalem Kaninchen- serum sowie mit physiologiseher Kochsalzlösung wurden bei jedem Versuch angesetzt. Von den vier Seris, die durch intravenöse Injektionen von den ver- schiedenen Algenkulturen erhalten wurden, hatte das eine, Antialgenserum Berlin, den höchsten Titer. Dieses Serum agglutinierte die Alge-Berlin vollständig in einer Verdünnung 1:10000 und schwach noch bis zu einer Verdünnung 1:15000. Es war kein Unterschied vorhanden, ob das Serum frisch oder inaktiviert (?/, Stunde bei 56° im Wasserbade) benutzt wurde. Die Röhrchen mit vollständiger Agglutination zeigten beim Umschütteln das bekannte Bild: grüne Flocken in der klaren Flüssigkeit, während die Kontrollröhrchen eine gleichmäßige Trübung zeigten. Auch das mikro- skopische Bild wurde zur Kontrolle herangezogen. Ich möchte an dieser Stelle hervorheben, daß man bei der Beurteilung der Versuchsresultate in den einzelnen Röhrchen vorsichtig sein muß, weil manche Algen in Koch- salzlösung oder sogar in Wasser verrieben mitunter nicht eine homogene Aufschwemmung bilden, sondern eine ganz feine Suspension ergeben. Archiv f. A, u. Ph. 1912. Physiol. Abtlg. 237 418 STEPHANIE ROSENBLAT-LICHTENSTEIN: Mit einer vollständigen Agglutination ist dies unmöglich zu verwechseln; nur bei starken Serumverdünnungen, wenn die Agglutination schwach oder zweifelhaft erscheint, können Schwierigkeiten entstehen. Dasselbe Antialgenserum-Berlin wurde dann zu Versuchen mit den übrigen Algen verwendet. Die Resultate sind in der folgenden Tabelle zu- sammengestellt. Tabielle; T. | Serumverdünnungen FAST a &:|'o | Sifenene EREHL >} SI. | iS > [= © oO =] oO =] 2 |0|1© oO [==] =) [= [=] =>) oO oO S|ı© oO a |/ı9 |@0 — Ye) - au nm bu 57>) cD rm | & - m ı m | - er ee ee 2 Berlin WERTE, =. X +|+|+ | +|+|+#+|+|+|+1+/F/)010|0 Oderberg a le En ae, 0 Chlorella? Ka a u Chlorella protothecoids | 0 | 01 0/0/0/0/0/,0,/,0/0/0,0/0|0 Stichococeus 0.10 0..0,)0|0]/0|0| 0) 07 ozepeeE Wie aus der Tabelle ersichtlich, wirkte das Serum, außer auf die Alge- Berlin, nur noch auf 3 von den 6 benutzten Kulturen positiv. Am schwächsten war die Agglutination mit Chlorella?, während die auch als Chlorella bezeichnete Chlorella protothecoides Krüger ein negatives Resultat lieferte. Gehen wir zu den Versuchen mit den anderen Seris über. Das Serum Chlorella? stammte von einem Kaninchen, welches mit Chlorella? öfters intravenös vorbehandelt wurde. Der Titer dieses Serums war nur 1:2500, also viel schwächer als der Titer des Algenserums-Berlin. Dies mag daher kommen, daß das Tier mit Chlorella? sowie die beiden anderen Kaninchen nicht so lange in Behandlung waren wie das Kaninchen, von dem das Algenserum-Berlin entnommen wurde. Das Chlorella?-Serum wirkte auf die Algen folgendermaßen: (Siehe Tabelle II.) Das Serum Chlorella? scheint also auf dieselben Algen wie das Algen- serum-Berlin positiv zu wirken. Das dritte Serum, welches von dem mit Chlorella protothecoides Krüger mehrmals geimpften Kaninchen entnommen wurde und einen Titer von 1:3500 hatte, agglutinierte nicht einmal in einer Verdünnung 1:100 die übrigen Algen. Dasselbe war mit dem Stichococcusserum der Fall. Außer dem Stichococeus (Titer 1:3000) wurde keine von den Algen vom Serum agglutiniert. Betrachten wir die Resultate der oben angeführten Agglutinationsversuche näher, so können wir folgendes feststellen. DIFFERENZIERUNG VON ALGEN MIT HILFE SPEZIF. AGGLUTININE. 419 Tabelle I. Serumverdünnungen Algen ee > | s|ıs I®@ps > oO =] =} oO au er} je 0) oO 1) =] „ . - ÄAlmanlm A | ri er Fe Chlorellar I+I|+I+|+|+|+I1+|+|+1|+]|0 Berlin TU DEE ed I el EEE 0 0 0 0 x + EI Ar ar Sr Sr 0 0 0 0 Oderberg el ME 500 re = Me = U = 0 0 0 0 0 0 Chlorella protothecoides | 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Stichococcus 0 | 0 0 0 0 0 0 0 0 | 0 | 0 Aus der ersten Tabelle müßte man wie bei ähnlichen Versuchen bei Bakterien den Schluß ziehen, daß diejenigen Algen, die eine gemeinsame nur quantitativ verschiedene Reaktion aufweisen, derselben Gruppe an- gehören und miteinander nahe verwandt sind. Interessant ist das Verhalten der auch als Chlorella bezeichneten Alge der Chlorella protothecoides Krüger. Sie wurde weder von dem Algenserum- Berlin, noch von dem Chlorella?-Serum agglutiniert, wie auch keine der als Chlorella betrachteten Algen von dem Chlorella protothecoides-Serum beeinflußt wurde. Schon Krüger! selbst betont die Sonderstellung seiner Chlorella protothecoides. In seiner Abhandlung heißt es: „von den beiden untersuchten Algen stelle ich die eine auf Grund der Verwandtschaft mit den von Beyerinck untersuchten Chlorellen in die Gattung Chlorella und bezeichne sie als Chlorella protothecoides.“ An einer anderen Stelle lesen wir: „aus dieser auffallenden morpho- logischen Ähnlichkeit? dürfte die Berechtigung abzuleiten sein, die hier in Betracht kommenden Algen sowie die anderen sich morphologisch anschließen- den Algenformen (z. B. die von Beyerinck untersuchten) als eine Parallel- gruppe zu den protothecaartigen Pilzen aufzufassen .. .“ Vielleicht mehr noch als die morphologische Ähnlichkeit mit Prototheca Zopfii kennzeichnet die Chlorella protothecoides Krüger ihr Verhalten in ernährungsphysiologischer Hinsicht. Ohne assimilierbaren Stickstoff, also auch bei salpetersauren Salzen oder in Gegenwart von bestimmten Kohlen- stoffquellen scheint diese Alge zu einer saprophytischen Lebensweise über- gehen zu können, indem die Kultur farblos oder gelblich wächst. Es wäre denkbar, daß aus dem Verhalten einer farblosen Kultur bei Agglutinations- ! Krüger, Beiträge zur Kenntnis der Organismen des Saftflusses der Laubbäume. Zopfs Beiträge zur Physiologie und Morphologie niederer Organismen. 1894. 2 Der Ähnlichkeit der Chlorella protothecoides und des Chlorothecium saccharo- philum einerseits, des Prototheca Zopfii andererseits. 2HE 420 STEPHANIE ROSENBLAT-LICHTENSTEIN: DIFFERENZIERUNG V. ALGEN. reaktion, sowie aus der Wirkung eines spezifischen Serums auf die farblose Alge einerseits, eine Kultur von Prototheca Zopfii andererseits, eine genauere Beurteilung, inwiefern diese Organismen einander nahe stehen, zu gewinnen sein wird. Die farblosen Kulturen, die ich auf Traubenzuckerpeptonagar erhalten konnte, sind für anderweitige Versuche verbraucht worden; die über- geimpften Kulturen waren aber zu spärlich gewachsen, so daß bis jetzt noch nicht ausreichendes Material für die Agglutinationsversuche zur Ver- fügung stand. Wie schon oben erwähnt, wirkte das Stichococcusserum, außer auf den Stichoeoceus, auf keine andere Alge. Dieses Resultat kann nur die Spezi- fizität der Agglutinationsreaktion für Algen bestätigen, da der Stichococeus zu den Confervales,! also zu einer anderen Klasse als die zu den Proto- coccales zu rechnenden übrigen Algen der hier angeführten Versuche gehört. Ist auch die Zahl der Algenkulturen, die für die vorliegenden Versuche in Betracht kamen, nicht allzu groß (es ist nicht leicht Algenreinkulturen zu erhalten), so scheinen uns doch die Resultate eindeutig genug zu sein, um den Schluß auf die Möglichkeit einer natürlichen Differenzierung ver- sehiedener Algenstämme zu Techtfertigen. Die vorliegenden Ergebnisse, die vom theoretischen Standpunkte vielleicht nicht ohne Interesse sind, dürften möglicherweise auch eine praktische Nutzanwendung gestatten. So wäre man in der Lage, sich mit Hilfe eines spezifischen Serums zu orientieren, in welche Gattung die fragliche Alge einzureihen ist, noch bevor man die manchmal lang- wierige morphologische Untersuchung vornimmt. Bei den angeführten Versuchen wurde nur eine Reaktion, die Agglutination, für die Differenzierung der Algen in Betracht gezogen. In den weiteren Mitteilungen soll geprüft werden, inwiefern auch andere serobiologische Reaktionen sich hier an- wenden lassen. Insbesondere sollen die spezifischen Sera auf ihren Tropin- gehalt untersucht ‘werden, wodurch auch der Frage der Entstehung der Tropine gegen pflanzliche Zellen näher getreten wird. ! Siehe Syllabus der Pflanzenfamilien von A. Engler. 1907. 5. Aufl. Über die Beziehungen des respiratorischen Stoffwechsels zur Körperoberfläche bei extremen Außentemperaturen. Von Erich Götsch. (Aus dem Laboratorium der akademischen Kinderklinik in Düsseldorf [Direktor: Prof. Dr. Schlossmann.]) Einer der wichtigsten Faktoren, mit denen die Tierproduktion zu rechnen hat, ist die Höhe des respiratorischen Stoffwechsels, denn der Kohlenstoff- gehalt der ausgeatmeten Luft bedeutet baren Verlust assimilierter Nähr- stoffe. Nun ist ja selbstverständlich das Leben an sich ohne Kohlendioxyd- abgabe undenkbar; aber diese vom Standpunkt der Fleischproduktion nutz- lose Verbrennung auf das physiologisch zulässige Mindestmaß herabzudrücken, wird das eifrige Streben landwirtschaftlicher Tierhaltung sein. In der Tat ist die Landwirtschaft in diesem Sinne seit Jahrhunderten mit Erfolg bemüht gewesen: man hält die Tiere in künstlicher Stallruhe, weil nichts so sehr die Kohlensäureproduktion in die Höhe treibt wie Muskel- arbeit, man dämpft den Einfluß des Lichtes, welcher in gleicher Hinsicht wirkt, man fördert die Schnellwüchsigkeit der Fleischtiere, weil selbst- verständlich je kürzer die zur Ausmästung erforderliche Zeit, desto gering- fügiger die nutzlos verbrannte absolute Kohlenstoffmenge ist. Ja, seit einigen Jahrzehnten sucht man die relative Oberfläche der Tiere möglichst klein zu gestalten, weil die Kohlensäureproduktion nicht proportional dem Gewicht, sondern im Verhältnis der Körperoberfläche steigt:! Man hält deshalb Schläge mit großen Figuren und schätzt unter diesen besonders jene mit etwa Zylinderform, welche der Kugel als des Körpers mit relativ kleinster Oberfläche am nächsten kommt.? ı H. Kettner, Die Beziehungen der Körperoberfläche zum respiratorischen Gas- wechsel. Inaugural-Dissertation. Leipzig 1910. 2 Werner, Die Rinderzucht. Berlin 1902. 422 ERICH GÖTscH: Weit weniger praktisch gewürdigt wird meines Wissens, wenn man von einigen Ansätzen der industriellen Geflügelzucht absieht, der Einfluß der Außentemperatur auf den Stoffwechsel. Wenn die Kohlensäuremenge in der ausgeatmeten Luft bis zu 50 Prozent, wie Rubner! gezeigt hat, je nach dem Stande der Außentemperatur schwankt, so ist das ein Faktor, der größere Berücksichtigung verdiente. Nach Munk? scheidet ein ruhender Ochse pro *® in der Stunde etwa 0-5 sm Kohlensäure aus. In einem Tage also 3 srm Kohlenstoff. Kellner? gibt in seinen Fütterungstabellen an, daß von Hafer mittlerer Güte 8 Prozent Protein, 4 Prozent Rohfaser, 44.8 Prozent stickstoflfreie Extraktivstoffe und 2-6 Prozent Fett ausgenützt werden. Nimmt man mit Munk den Kohlenstofigehalt von Eiweiß zu 53 Prozent, von Fett zu 78 Prozent, von Kohlehydraten zu 40 Prozent, so ergibt sich leicht durch Rechnung, daß dem Kohlenstoff das vierfache an Hafer entspricht. Danach waren in unserem Falle etwa 12 sm Hafer lediglich zur Speisung des „nutzlosen“ Verbrennungsprozesses nötig (wobei der mit dem Harn ausgeschiedene Kohlenstoff einstweilen außer Betracht bleiben möge), für einen 12 Zentner schweren Ochsen demnach 7-2 =. Wenn, wie oben erwähnt, die erforderliche Kohlenstoffmenge bis zu 50 Prozent schwankt, so liegt eine eventuell enorme Ersparnis auf der Hand. Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen Henneberg und Stohmann‘ in ihren Versuchen. Sie konnten feststellen, daß, wenn ruhende Ochsen auf ihrem Lebendgewicht von 1000 ®s verharren wollen, sie je nach dem Stande der Außentemperatur 7-5 bis 11.5 ®3 Kohlenhydrate und 1 *e Protein ge- brauchen. Auf 600 ® und Hafer nach obigen Sätzen umgerechnet, er- gäben sich Schwankungen von 4-8 bis 7.2 ®s Hafer täglich. Nach diesen Beispielen erübrigen sich weitere Bemerkungen über die eminente Be- deutung der Außentemperatur für die Höhe desrespiratorischen Stoffwechsels. Die alltägliche Erfahrung eines größeren Nahrungsbedürfnisses bei niedriger Außentemperatur, eines verringerten bei höherer Luftwärme, Er- fahrungen, die wir nicht bloß mit dem Wechsel der Jahreszeit an uns selbst machen können, die wir vor allem bei Beobachtung tropischer und arktischer Bewohner objektiv bestätigt finden, legen die Vermutung nahe, es möge der Stoffwechsel im Tierkörper mit sinkender Temperatur steigen, mit steigender sinken. Das klingt einstweilen widersinnig; denn wir wissen, ! Rubner, Gesetze des Energieverbrauchs bei der Ernährung. Leipzig 1902. ®? Munk, Physiologie des Menschen und der Säugetiere. 6. Aufl. Berlin 1902. 8.79. ® Kellner, Die Ernährung der landwirtschaftlichen Nutztiere. Berlin. * Dammann, Gesundheitspflege der landwirtschaftl. Haussäugetiere. Berlin 1902. 3. Aufl. 8. 77. 5 Eykmann, Über den Gaswechsel der Tropenbewohner usw. Pflügers Archiv. Bd. LXIV. S. 57. RESPIRATORISCHER STOFFWECHSEL UND KÖRPEROBERFLÄCHE. 423 daß, wo immer chemische Prozesse ablaufen, sich dieselben in höherer Temperatur mit größerer Energie vollziehen, während in der Kälte eine chemische Reaktion oft genug nicht einmal ausgelöst werden kann. Dem- gegenüber hat bereits Lavoisier!, welcher als erster den Stoffwechsel des Tieres den Verbrennungsprozessen an die Seite stellte, exakt bewiesen, daß die Warmblüter in der Kälte mehr Sauerstoff verbrauchen als bei hoher Außentemperatur. Er fand im Verein mit Seguin, daß ein Mensch bei 32.50 34.49 stm Sauerstoff bindet, bei 15° dagegen 38.31 em, Schon ein Jahr früher hat Crawford? Versuche publiziert, welche zu dem Er- gebnis führten, daß ein Meerschweinchen für jeden Grad Temperaturzunahme rund 6 Prozent weniger Sauerstoff verbraucht. Nachdem das folgende halbe Jahrhundert, welches der chemisch- physikalischen Betrachtung der Lebensvorgänge abhold war, die Lavoisier- schen Ideen über den respiratorischen Stoffwechsel fast durchweg geleugnet hatte, erneuerte Vierordt diese Theorien. Mit Bezug auf die Höhe der Kohlenstoffausscheidung bei wechselnder Außentemperatur gibt er 1845 in seiner Physiologie des Atmens an, daß sich beim Menschen die Kohlen- dioxydmenge bei 8 und 19° verhalte wie 116 zu 100, und Liebig lehrte 1846 in seiner Tierchemie S. 17 ff, daß mit der Abkühlung die Sauer- stoffaufnahme steige. Zur selben Zeit fand Letellier? in seinen Experimenten an Meer- schweinchen, Vögeln und Mäusen, daß bei 0° doppelt so viel Kohlensäure ausgeschieden werde als bei 30°. Einen Schritt weiter in unserer Frage tat Lehmann‘ mit der Erkenntnis, daß bei hoher Temperatur in feuchter Luft mehr Kohlensäure geliefert wird als bei trockener. Im übrigen fand er beim Kaninchen bei 12° 1-2304 sm Kohlensäure, bei 37° 0.9159 sm Kohlensäure. Wie man sieht, liefern die Versuche bisher leidlich eindeutige Resultate dergestalt, daß die Kohlensäureabgabe resp. Sauerstoffaufnahme mit sinkender Außentemperatur zunimmt. An Versuchen zur Erklärung dieser Tatsachen hat es nicht gefehlt: Einige°® sehen in der bei niedriger Temperatur in der Luft enthaltenen größeren Sauerstoffmenge das bewegende Moment verstärkter Sauerstoffaufnahme in die Lungen, andere lassen die Kälte als ! Lavoisier u. Seguin, Sur la respiration des animaux. Paris 1789. Mem. de l’acad: des sciences. 2 Crawford, Erperiments and observations on animal heat. London 1788. > Letellier, Ann. de chim. et de physique. 1845. 3. Serie. T. XIU. p. 478. * Lehmann, Abhandlung bei Begründung der Kgl. Sächs. Gesellschaft der Wissenschaften. 1846. S. 463. 5 Lavoisier, 4.2.0. 424 Erıch GöTscH: Reiz auf die lebendige Substanz wirken, auf den sie mit vermehrter Oxydationskraft reagiert. Allein nach und nach wurden mit Verschärfung der Versuchsbe- dingungen Experimente mit entgegengesetztem Erfolg bekannt. 1872 zwar hat Liebermeister! ein Steigen der Kohlensäuremenge durch kalte Bäder um das dreifache festgestellt, aber noch im nämlichen Jahre zeigte Se- nator?, daß zwar im Anfange eine Zunahme von 10 bis 16 Prozent zu verzeichnen sei, daß aber bei längerer Versuchsdauer in der Kälte die Kohlensäureabgabe sinkt, nachdem sie anfänglich gestiegen war. Bei zwei Hunden fand er sogar im Sommer trotz 10 Prozent höherer Temperatur mehr Kohlensäure als im Winter. H. Erber? beobachtet 1876 vollends, daß in der Kälte anfangs die Kohlensäureabgabe unerheblich ansteige, später einen beträchtlichen Abfall zeige, und in warmer Luft trat bei geringer Steigerung der Temperatur eine Zunahme der Kohlensäureabgabe, später ein Abfall ein. Sanders-Ezn* stellte ähnlich wie Senator fest, daß, wenn ein Tier lange im Aufenthaltsraume unter 8 oder über 38-6 bleibe, so ändere sich schließlich auch die Innentemperatur, und damit sinke resp. steige der respiratorische Gaswechsel parallel der Außentem- peratur. Das Tier verhalte sich also wie ein Kaltblüter. Beide suchen die Ursache für diese abweichenden Ergebnisse in der bei extremen Tem- peraturen inkonstanten Rektaltemperatur. So schien die Frage über die Abhängigkeit des respiratorischen Gas- wechsels von der Außentemperatur eher verwirrt. In umfangreichen Ver- suchsreihen suchte Pflüger daher Klarheit in die verwickelten Verhältnisse zu bringen. Schon 1871 hatten im Bonner Laboratorium Zuntz und Röhrig ° an tracheotomierten Kaninchen, die sie in kühle Bäder versenkten, die Wirkung der Abkühlung studiert und ein Ansteigen der Kohlensäure- produktion und der Sauerstoffkonsumption festgestellt. In Übereinstimmung damit bestätigten Dittmar und Finkler® und ! Liebermeister, Über die CO,-Produktion bei der Anwendung von Wärme- entziehung. Deutsches Archiv für klin. Medizin. 1872. Bd.X. 8.75 u. 490. ? Senator, Untersuchungen über die Wärmebildung und den Stoffwechsel. Dies Archiv. 1872. 8.1 u. 26. ® H. Erber, dies Archiv. 1876. Physiol. Abtlg. S. 577. 4 Sanders-Ezn, Der respiratorische Gasaustausch bei großen Temperaturverände- rungen. Sifzungsberichte der Kgl. Sächs. Gesellsch. der Wissensch. Math.-phys. Kl. 1867. Bd. XIX. S. 58. °® Zuntz und Röhrig, Zur Theorie der Wärmeregulation und der Balneotherapie. Pflügers Archiv. 1871. Bd. IV. S. 57. ° Dittmar Finkler, Beiträge zur Lehre von der Anpassung der Wärmeproduk- tion an den Wärmeverlust bei Warmblütern. Zbdenda. 1877. Bd. XV. S. 603. RESPIRATORISCHER STOFFWECHSEL UND KÖRPEROBERFLÄCHE. 425 Colasanti! in ihren Versuchen an Meerschweinchen die Anpassung der Kohlensäureproduktion an den Wärmeverlust.e Finkler fand bei einem Temperaturabfall von 26.2° auf 3.6° +66 Prozent, von 27.3 auf 2-.2° + 47 Prozent Kohlensäure, und Colasanti fand von 16-9° zu 7.30 eine Steigerung der Kohlensäure um 30 Prozent, des Sauerstoffs um 24 Prozent. Bei einem Temperatursturz von 21-3° zu 7.8° + 43 Prozent Kohlensäure und + 45 Prozent Sauerstoff. Colasanti beobachtete auch die wichtige Tatsache, daß in großen Geschöpfen bei gleicher Temperaturerniedrigung eine relativ kleinere Steigerung des Stoffwechsels eintrete. Von einer anderen Seite betrachtete Velten ? das vorliegende Thema: An kurarisierten Tieren zeigte er, daß bei Ausschaltung des Nervensystems die Kohlensäurebildung steigt und fällt proportional dem Stande der Innen- temperatur. Aus seinen Versuchen ergibt sich eine mit steigender Tem- peratur fast geradlinig steigende Kurve der Kohlensäuremenge. Somit befand er sich in Übereinstimmung mit den von Schulz® an Kaltblütern gefundenen Grundsätzen. Hierdurch war erwiesen, daß die oxydativen Eigenschaften der lebendigen Substanz an sich beim Kalt- und Warmblüter übereinstimmen. Pflüger * selbst faßte alle diese Versuche etwa dahin zusammen: 1. Der Stoffwechsel steigt und fällt proportional der Temperatur im Rektum. 2. Ist das zentrale Nervensystem unversehrt, so addiert sich dazu dessen Wirkung: es steigert innerhalb weiter Grenzen den Stoffwechsel um so energischer, je stärkerer Abkühlung die Oberfläche des Tieres aus- gesetzt ist. 3. Bei extremen Rektaltemperaturen überkompensiert die Wirkung der Innentemperatur den Effekt des Nervensystems, so daß maximale Werte bei hoher Temperatur und minimale bei niedriger eintreten. — Eigene Untersuchungen ergeben sodann, daß im Mittel das Ansteigen des Stoff- wechsels bei 1° Temperaturerniedrigung 7.5 Prozent betrage. Ausgedehnte Versuche brachten Voit? zum Anschluß an die Ansichten Pflügers, nicht ohne daß er die Versuchsbedingungen zum Teil wesentlich ! Colasanti, Über den Einfluß der umgebenden Temperatur auf den Stoffwechsel der Warmblüter. Pflügers Archiv. 1876. Bd. XIV. S. 92. ? Velten, Über Oxydationen im Warmblüter bei subnormaler Temperatur. Zbenda. Bd. XXI. S. 361. ® Schulz, ebenda. 1877. Bd. XIV. 8.78. * Pflüger, Wärme und Oxydation der lebenden Materie. Ebenda. Bd. XVIII. 8.247. Derselbe, Über Temperatur und Stoffwechsel der Säugetiere. Ebenda. Bd. XII. S. 282 und 333. 5 Voit, Über die Wirkung der Temperatur der umgebenden Luft auf die Zer- setzung im Organismus der Warmblüter. Zeitschr. für Biologie. 1878. Bd. XIV. S. 57. 426 ERICH GöTrscH: schärfer faßte. Er konnte unter anderem hinzufügen, daß bereits durch verstärkte Ventilation der Lungen ein vermehrter Kohlensäuregehalt der Atemluft auftrete. Nach kurzer Zeit jedoch, sobald die Kohlensäure des Blutes exspiriert sei, sinke die Menge derselben in den Lungengasen auf ein Minimum. Sie sinke nicht ganz auf Null, denn /die verstärkte Tätigkeit der Respirationsmuskeln bedinge an sich gegenüber dem Zustande ruhigen Atmens geringgradig erhöhte Kohlensäurebildung. Zum Teil fußen Voits Beweisführungen auf Versuchen Carl Theodors!, die wegen der natur- gemäßen Bedingungen auch für den vorliegenden Zweck besonders be- deutungsvoll erscheinen. Car] Theodor hat eine Katze 6 Monate lang beobachtet und bei den verschiedensten Temperaturen Kohlensäure- und Sauerstoffbestimmungen der Exspirationsluft gemacht. Aus seinen Versuchen ergibt sich, daß bei einer Temperatursteigerung von 1° R. die Kohlensäure- produktion um etwa 1.1 ©” abnimmt; die Zunahme der produzierten Kohlensäure bei — 5-5° gegenüber + 30-.8° betrug fast 25 Prozent. Noch in einer anderen Hinsicht beweisen diese Versuche schlagend den den Stoffumsatz einschränkenden Einfluß hoher Außentemperatur. Vom 14. bis 30. Dezember erhielt die Katze täglich 100 sm Rindfleisch und 10 stm Schmalz. Dabei nahm ihr Gewicht von 2651 erm his 2464 erm ab, Als dann die Futterration auf 120 &= Fleisch und 15 em Schmalz erhöht wurde, stieg das Gewicht, bis es am 18. Januar 2600 em betrug. Von da ab blieb es bis zum 15. März konstant. Um diese Zeit hebt sich aber die mittlere Lufttemperatur und ihr proportional steigt das Gewicht des Tieres bei derselben Kost fast geradlinig, bis es am 14. Juni dem End- termin der Beobachtungszeit 3000 g8"” betrug. Gegen die Pflüger-Voitsche Auffassung nahm Senator? Stellung. Er war, wie wir wissen, bei Gelegenheit seiner Untersuchungen über das Fieber zu ganz entgegengesetzter Auffassung gekommen, denn er vermißte unter anderem bei einem Hunde, den er im Kalorimeter zwischen 21 und 28° hielt, eine Einwirkung der Wärme auf den Stoffwechsel. Die Kor- rektion, die Senator an den Pflügerschen Zahlen in zum Teil leiden- schaftlicher Polemik vornahm, die Gegenkorrektion Pflügers aufzuführen kann hier nicht der Ort sein. Genug, eine Einigung der Ansichten in unserer Frage war nicht erzielt. Speck?, welcher als Abkühlungsmittel Bäder von 20 bis 21° benutzte, vermißte gleichfalls in seinen allerdings nur 10 bis 12 Minuten dauernden Versuchen eine Steigerung der oxydativen Vorgänge. Er fand aber zu- ! Carl Theodor, Zeitschrift für Biologie. Bd. XIV. 8.51. ? Senator, Pflügers Archiv. Bd. XII. S. 282, 333 ff. ® Speck, Archiv für klin. Medizin. 1883. Bd. XXXIU. S. 375. RESPIRATORISCHER STOFFWECHSEL UND KÖRPEROBERFLÄCHE. 427 gleich, daß die Rektaltemperatur in dieser Zeit schon um 1-5°C. ge- sunken war. Loewy! konnte nur in 26 Fällen eine Zunahme des Sauerstoffver- brauches durch Abkühlung feststellen. Bei 20 weiteren blieb er unverändert und in 9 Fällen zeigte sich sogar eine Minderung desselben. In Kälte- versuchen an sich selbst fand Johannson? abermals eine Abnahme der Oxydationsvorgänge, zugleich sank auch die Innentemperatur. Die 3 letzten Forscher beobachteten in ihren Versuchen vorsätzliche Muskelruhe; und wenn Loewy trotzdem in 26 Fällen eine Zunahme des Sauerstoffverbrauches konstatierte, so glaubt er diesen Umstand durch eine nieht vollständige Erschlaffung der Muskulatur bei den betreffenden Ver- suchsobjekten erklären zu können. Jedenfalls sah er unter jenen 26 Fällen bei 13 Zittern und Muskelbewesungen deutlich zum Ausdruck kommen, und hier erreichte der Sauerstoffverbrauch die höchsten Werte, nämlich 90.8; 53-1; 34 und 33 Prozent. Während so die Mehrzahl der Autoren in mehr oder minder großer Übereinstimmung sich damit begnügt haben, einen gesteigerten Stoffumsatz und damit vermehrte Kohlensäurebildung durch Abkühlung festzustellen, während selbst Pflüger die kalte Luft schlechtweg nur als Reiz zur Kohlensäureproduktion wirken läßt, über dessen Größe er nähere Angaben nicht machte, hat Rubner° in 20jähriger Laboratoriumsarbeit unter anderem auch die Bedeutuug der Außentemperatur für den Stoffumsatz und die Kohlensäurebildung nach allen Richtungen erforscht: Die Kohlen- dioxydbildung gehe parallel dem Wärmebedarf. Steht also die Temperatur der Luft so tief, daß dem Tierkörper Wärme entzogen wird, so wird re- gulatorisch so viel Kohlensäure gebildet, daß die Verbrennungswärme zur Deckung des Wärmeverlustes ausreicht. Es muß also mit sinkender Tem- peratur immer mehr Kohlensäure produziert werden. Die untere physio- logische Grenze liegt beim Meerschweinchen nach Rubner bei etwa 0°. Erreicht die Außentemperatur diesen Tiefstand, so reicht die Oxydation im Tierkörper nicht mehr hin, den Wärmeverlust zu ergänzen, es sinkt die Eigentemperatur, und damit fällt dem Pflügerschen Gesetz zufolge ! Loewy, Über den Einfluß der Abkühlung auf den Gaswechsel des Menschen. Ptlügers Archiv. 1889. Bd. XLV1 S. 189. 2 Johannson, Skandin. Archiv. 1897. Bd. VII. S.123—177. Derselbe, ebenda. 1904. Bd. XVI. 8.88. ® Rubner, Biologische Gesetze. Marburg 1888. Derselbe, Gesetze des Energieverbrauchs. Leipzig und Wien 1902. Derselbe, Anpassungsfähigkeit des Menschen an hohe und niedere Temperaturen. Archiv für Hygiene. 1901. Bd. XXXVII. 8.120. Derselbe, Wirkung kurzdauernder Bäder und Duschen auf den respiratorischen Gaswechsel. Ebenda. Bd. XXVI. S. 390. 428 ERICH GÖTScH: die Kohlensäurebildung rasch. Umgekehrt sinkt mit steigender Außen- temperatur die Kohlensäureabgabe immer mehr bis zu einem Minimum, das durch die nimmer ruhende Zirkulations- und Respirationsarbeit bedingt wird. Pflüger und Rubner fanden, daß dieses Minimum bei etwa 30° eintritt. Steigt die Außentemperatur noch weiter, so müßte eine Wärme- stauung im Tierkörper eintreten, wenn nicht durch verstärkte Wasserdampf- abgabe für Abkühlung gesorgt würde. Allein schließlich versagt auch nach dieser Richtung die Wärmeregulation, und nun steigt die Innentemperatur Ayperfh ermıe Aypothermie ; Zureichende chemi - ı Sche Regu /alhıon Zureichende ph: usthalische Regu Jahren Tenperafar N en a nn ng SD u EEE BEE heil Marmeuibersthuss. Fig. 1. erheblich und demzufolge die Kohlensäurebildung mächtig an. Will man dieses Gesetz in eine Kurve umprägen, so würde sich dieselbe nach den Rubnerschen Zahlen für Meerschweinchen etwa folgendermaßen ausnehmen: (Siehe Fig. 1). Karup!, Predtschensky? sowie Falloise® konnten die Lehre im ı Karup, Über den Einfluß der umgebenden Temperatur auf den respiratorischen Gaswechsel und die Wärmebildung. Inaugural-Dissertation. Kopenhagen 1902. * Predtschensky, Der Stoffwechsel im Tierorganismus usw. Inaug.-Diss. 1901. ® Falloise, Einfluß der Außentemperatur usw. Mem. publ. p. l’acad. d. Belg. 19012 T.LX, p22% RESPIRATORISCHER STOFFWECHSEL UND KÖRPEROBERFLÄCHE. 429 ganzen bestätigen. Der letztere fand allerdings, daß das Stoffwechsel- minimum bereits bei 21° erreicht ist. Für den Menschen stellten Rubner und Lewaschew! fest, daß das Maximum des Stoffwechsels bei + 2° C., das Minimum bei 40° erreicht wird, Das Entscheidende für die zureichende Wärmeregulation ist, wie wir sahen, eine konstante Innentemperatur. Indessen bleiben gering- gradige Schwankungen desselben, wie Rubner und später Karup nach- wiesen, ohne Einfluß auf die Kohlensäureausscheidung. Erst entschiedenes Absinken oder Steigen verschaffen dem Pflügerschen Gesetz über die Oxydation der lebendigen Substanz Geltung. Nach Rubner wirkt also die umgebende Luft nicht sowohl durch ihre Temperatur direkt, als vielmehr vermittelst der Höhe des Wärme- austausches zwischen ihr und dem Tierkörper. Daraus folgt, daß von noch fast einschneidenderer Bedeutung für die Kohlensäureproduktion die Luft- geschwindigkeit? ist. In der Tat haben Boykoll und Haldane? ge- funden, daß bei ruhiger Luft die Körpertemperatur bei 31° steigt, bei be- wegter erst bei 38°. Die Zone ausreichender Regulation ist also in ihrer Gesamtheit gegen die Temperatur des Blutes hin verschoben. Dasselbe findet statt durch Bäder.* Zugleich ist die Zone der Wärmeregulation aus physikalischen Gründen schmäler als bei Abkühlung durch Luft. Von eminenter Bedeutung für die freie Wasserdampfabgabe ist der Feuchtig- keitsgehalt der Luft.° Hohe Wasserdampfspannung der Atmosphäre schränkt demnach die physikalische Wärmeregulation ein. Körperliche Arbeit verschiebt die Wärmeregulation in ihrer Totalität nach unten hin, so zwar, daß die Regulation noch weit unter 0° ausreicht, dafür aber bereits unter ihrer oberen bei ruhenden Tieren beobachteten Grenze insuffizient wird. Ähnlich wirke die Nahrungsaufnahme. Allein die Verhältnisse sind noch verwickelter. Wir hatten gesehen, daß der Wärmeverlust auf den Stoffwechsel als Reiz wirkt. Wir messen aber im vorliegenden Falle die Höhe des Stoffumsatzes durch Analyse der Exspirationsluft, obwohl die Kohlensäureexspiration zeitlich viel später liegt als ihre Bildung. Jede Alteration in der Entbindung der Blutkohlensäure, wie sie insbesondere durch veränderte Atembewegungen erzeugt wird, kann, ı Rubner und Lewaschew, 2.2.0. 2 Wolpert, Über den Einfluß des Windes usw. Archiv für Hygiene. Bd. XLII. S. 21—48. ® Boykoll u. Haldane, Die Wirkung hoher äußerer Temperaturen usw. Journ. of Physiol. Vol. XXXII. p. 12. * Rubner, Wirkung kurzdauernder Bäder und Duschen. Archiv für Hygiene. Bd. XXVI. S. 390. 5 Rubner und Lewaschew, Archiv für Hygiene. Bd. XXIX. 8.1. 430 Erich GÖTSscH: worauf bereits Voit hinwies, das Ergebnis trüben, selbstverständlich nur vorübergehend. Versuchsfehler fallen deshalb nur in kurzdauernden Ver- suchen ins Gewicht. ! Betreffs des ursächlichen Zusammenhanges endlich zwischen Kohlen- säurebildung und Außentemperatur hat sich Rubner bekanntlich die An- sicht von der chemischen Wärmeregulation zu eigen gemacht: d.h. er be- hauptet eine Stoffwechselsteigerung ohne physikalische Mitwirkung der Muskulatur. Die Mehrzahl der Autoren neigt jedoch zum Gegenteil, unter ihnen Johannson, Voit und Loewy. Am krassesten vertritt Speck? deren Standpunkt mit seiner Äußerung: „Die Temperaturregulierung hat mit dem Stoffwechsel gar nichts zu tun. Zwischen Ursache und Wirkung liegt etwas Drittes, nämlich unwillkürliche und willkürliche Bewegungen.“ Da diese Frage für die vorliegende Arbeit bedeutungslos erscheint, so sei nur kurz erwähnt, daß Hari in neuester Zeit durch seine Untersuchungen an winterschlafenden Fledermäusen die Möglichkeit der Rubnerschen Regulation ohne Muskelzittern in der Kälte erwiesen hat. Die Höhe des Wärmeverlustes ist also, wie Rubner lehrt, das Ent- scheidende für die Menge gebildeter Kohlensäure. Welches sind nun die Hauptquellen dieses Verlustes? Nach Helmholtz und Rosenthal* gibt ein ruhender Mann an Wärme ab: Durch Leitung, Strahlung und Wasser- verdunstung von der Haut 1935 Kalorien; Erwärmung der eingeatmeten Luft und Wasserdampfabgabe in den Lungen 416 Kalorien; also 82 Prozent von der Haut. Nach Rubner° von der Haut 2272 Kalorien, durch die Lunge 335 Kalorien; also 87 Prozent von ‚der Körperoberfläche. Nach Atwater® 84 Prozent von der Körperoberfläche. In Übereinstimmung damit fanden in neuester Zeit Armsby und Fries’ bei 19 und 13-5° allein durch Leitung und Strahlung von der Körperoberfläche an Wärme- abgabe 77 resp. 83 Prozent. Damit liegt der weitgehende Einfluß der Körperoberflächengröße auf die Wärmeabgabe und, da diese, wie wir sahen, der Oxydation im Tier- körper parallel läuft, der Kohlendioxydabgabe auf der Hand. ! Rubner, Biologische Gesetze. Marburg 1888. ? Speck, Abkühlung, Lichtwirkung und Stoffwechselbeschleunigung. Zeitschrift für klin. Medizin. Bd. XLIII. S. 377. ® Hari, Der respiratorische Gaswechsel der winterschlafenden Fledermäuse. Pflügers Archiv. Bd. CXXX, S8. 112. * Nagels Handbuch der Physiologie. Bd.I. S. 581. 5 Rubner, Archiv für Hygiene. 1896. Bd. XXVII. S. 69. ° Nagels Handbuch. Bd. 1. S. 582. " Armsby u. Fries, Investigations with respiration-calorimeter. Bull. departm. of agriculture. No. 101. RESPIRATORISCHER STOFFWECHSEL UND KÖRPEROBERFLÄCHE. 431 Ja, Rubner! zieht hierin die äußersten Konsequenzen: Alter, Größe, Individualität, Tierart usw. üben keinen spezifischen Einfluß auf die Stoff- wechselgröße aus, entscheidend ist allein die Höhe des Wärmeverlustes und damit die Ausdehnung der Körperoberfläche. Wenn daher, wie auch wir sehen werden, die Kohlensäurebildung bei gleich großen Tieren und bei solchen mit gleich großer Oberfläche verschieden ausfällt, so müssen nach Rubner derartige individuelle Eigentümlichkeiten nicht einen, dem betreffenden Tiere eigenartigen Impuls zum Stoffumsatz gutgeschrieben werden, sondern indirekt einer verschiedenen Wärmedurchlässigkeit der Haut. Besteht diese Theorie Rubners zu Recht, so muß künstliche Änderung der Hautoberfläche die Kohlensäureabgabe modifizieren. In der Tat konnte Laulani@? durch einfaches Scheren völlig differente Stoff- wechselkurven in Abhängigkeit von der Außentemperatur entwerfen. Diese wichtigen Beziehungen der Oberflächengröße des Tierkörpers zur Kohlensäureabgabe bei verschiedenen und zwar extremen Außentemperaturen am Meerschweinchen zu prüfen, wurde ich von Herrn Prof. Dr. Schloss- mann, Leiter des Institutes für Kinderheilkunde an der Akademie für praktische Medizin zu Düsseldorf, beauftragt. In der älteren Zeit ist meines Wissens nur Colasanti? auf diese Frage eingegangen: Er erwähnt gelegentlich, daß die Kohlensäurebildung bei niederer Außentemperatur relativ stärker anwachse bei kleinen als bei großen Tieren. Umfangreiche Erhebungen hat wiederum Rubner* angestellt. Er findet (Gesetze des Energieverbrauches S. 101), daß hungernde Meer- schweinchen pro Stunde und Quadratmeter an Kohlensäure abscheiden: Bei 30° C | Gewicht des Tieres. Nummer Bei 0°C grm 1 | 27-85 12-35 670 2 30-30 10-53 520 3 20-47 12-14 240 4 31-56 13-16 | 220 Rubner hat auch Versuche an Meerschweinchen mitgeteilt, in denen er die ganze Temperaturskala zugrunde legte. Leider hat er in diesen Versuchen die Oberfläche der Tiere nicht angegeben. Indessen geht aus ! Rubner, Biologische Gesetze. Marburg 1888. ® Laulanie, Neue Untersuchungen usw. Compt. rend. de la Societ€E de Biol. T.CXX. p. 455. ®? Colasanti, Pflügers Archiv. 1876. Bd. XIV. S. 92. * Rubner, Biologische Gesetze. Marburg 1888. 432 ErıcH GöTscH: den mitgeteilten Zahlen so viel hervor, daß bei großen Tieren (vgl. Ko- lumne I u. II) der Zuwachs an Kohlensäure relativ mit jedem sinkenden Grad der Außentemperatur kleiner ist als bei kleinen Tieren (Kolumne III). ll: II. III. Junges kleines Tier CO, pro Std. : Temp. u.Rilogramm Temp. CO, in 3 Std. Temp. 24 Co, 0 2.905 4.244 0 4-500 11-1 2.151 3-800 10 3.433 20-8 1766 15 3-076 20 2.283 25-7 1.540 20 2.772 30 1.778 30-3 1.317 25 2-562 35 2.266 34:9 1.273 30 2.028 40-0 1.454 35 2.087 Endlich haben in neuester Zeit M. u. L. Lapicque! das Gesetz auf- gestellt: Kleine Vögel haben bei niederen Temperaturen einen größeren Umsatz auf die Oberflächeneinheit als große. Bei höheren Temperaturen ist dieses Verhältnis umgekehrt. Apparatur und Versuchsanordnung. Zur Vorbereitung auf den Versuch ließ man die Tierchen einen Tag hungern. Aus den Experimenten Rubners, auch Kettners? ist bekannt, daß sich ein reiner Inanitionszustand beim Pflanzenfresser nur schwer er- reichen läßt. Man mußte deshalb auf geringe Differenzen wegen der noch nicht sistierten Verdauungsarbeit gefaßt sein. Die Meerschweinchen wurden vor und nach der Hungerperiode ge- wogen, und dann in den Respirationsapparat® gebracht. Der für die Auf- nahme des Tieres bestimmte Teil desselben ist ein starkwandiger Glas- käfig, auf dessen abgeschliffenen und gefetteten Rand der Deckel luftdicht paßt. Dieser Glaskäfig wurde vermöge einer Wasserstrahlluftpumpe in möglichst gleichmäßigem Tempo von 60 1 pro Stunde ventiliert. Die Ge- schwindigkeit des Luftstromes wurde kontrolliert, indem von Zeit zu Zeit Stichproben mit Sekundenuhr und einem eingeschalteten Gasmesser an- ! M. u. L. Lapiegue, Compt. rend. biol. T. LXVI. p. 528. ? Kettner, a.a. 0. ® Dieser von H. Murschhauser konstruierte, im Laboratorium der Düsseldorfer Kinderklinik aufgestellte Apparat ist in Bd. XLII, 8.262 der Biochemischen Zeitschrift eingehend beschrieben. RESPIRATORISCHER STOFFWECHSEL UND KÖRPEROBERFLÄCHE. 433 a ‚Eo = Archiv f.A. u. Ph. 1912. Physiol. Abtlg. 434 ErICH GÖTscH: gestell| wurden. Damit die atmosphärische Luft frei von Kohlensäure eintrete, wurde sie vor ihrem Eintritt in die Gasuhr durch ein System von starke Kalilauge enthaltenden Waschflaschen geschickt. — Die exspirierte Luft trat unmittelbar hinter dem Glaskäfig in den für die Bindung der ausgeatmeten Kohlensäure bestimmten Absorptionsapparat ein, der im wesentlichen aus einem System von hintereinandergeschalteten Waschflaschen besteht und als Absorptionsmittel 50 prozentige Kalilauge enthält. Die Details dieses Apparates und dessen Handhabung finden sich in der Ab- handlung von H. Kettner, so daß ich deren Beschreibung hier umgehen kann. Als Reagens auf die vollständige Bindung der Kohlensäure folgte diesem System eine Waschflasche mit Barytwasser. Zu diesem Respirationsapparat trat nun die schwere technische An- forderungen stellende Temperatur einstellende Einrichtung. Um die von atmosphärischer Kohlensäure befreite Luft mit der für unsere Versuche gewünschten Temperatur von 35° in den Respirationsraum zu schicken, wurde sie vor ihrem Eintritt in denselben durch die Röhre eines geheizten Verbrennungsofens, wie er für Elementaranalysen dient, geleitet; nach ihrer dort erfolgten Vorwärmung passierte sie ein großes mit thermo- regulatorischer Vorrichtung versehenes Gefäß, indem sich die feinere Ein- stellung auf die gewünschte Temperatur leicht vollziehen ließ. Ein in dieses Gefäß eintauchendes Thermometer ermöglichte in jedem Zeitmomente die Kontrolle des Wärmegrades.. Um nun die mit 35° in den Atmungs- raum eintretende Luft auch hier auf ihrer Temperatur zu erhalten, wurde der Rezipient in ein mit Wasser von 35° gefülltes Zinkbecken versenkt. Die Erwärmung dieses Beckenwassers erfolgte durch Widerstandsspiralen auf elektrischem Wege, die Regulierung mittels eines in den Stromkreis eingeschalteten Regulierwiderstandes; die Durchmischung des erwärmten Wassers besorgte ein durch einen Wassermotor getriebener Flügelradrührer. Ungleich leichter ließ sich die kalte Temperatur von +5-5°C. er- reichen. Schmelzendes Eis in der Umgebung eines Systems von Kühl- schlangsen und um den Rezipienten lieferten ohne weiteres die gewünschte Temperaturkonstanz der zu respirierenden Luft. Vor Beginn des Versuches lief der leere Apparat so lange, bis man sich überzeugen konnte, daß die Thermometer gleichmäßig auf der gewünschten Höhe standen. Dann wurde die Saugpumpe angehalten, das Meerschweinchen dem aus dem Wasserbecken gehobenen Glaskäfig anvertraut, der Glasdeckel luftdicht geschlossen, das Gefäß wieder mit Gewichten beschwert, unter- getaucht und die Pumpe in Tätigkeit gesetzt. Meist saßen die Tierchen ganz ruhig, in der Kälte kugelförmig zusammengekauert, die Extremitäten an den Leib gezogen, das Haar rauh und gesträubt. In der Wärme lagen sie, die Beine weit von sich gestreckt, flach auf der Seite. RESPIRATORISCHER STOFFWECHSEL UND KÖRPEROBERFLÄCHE. 435 Sobald die Versuchszeit um war, wurde auf den Glockenschlag genau die Zufuhr der Atmungsluft zum Absorptionsapparat abgesperrt, die Pumpe sistiert und das Absorptionssystem in sich abgeschlossen. Danach wurde das Tierchen befreit und gewogen. Die Ermittlung der von der Kalilauge des Absorptionssystems ge- bundenen Kohlensäure wurde, wie das Kettner bereits in seiner Arbeit geschildert hat, nach der Methode von Fresenius-Classen vollzogen. Es erübrigt sich somit hier ein weiteres Eingehen auf den Gang der Untersuchung. In den beiliegenden Protokollen ist die zum Versuch verwendete Lauge, deren Kohlensäuregehalt ebenfalls ermittelt worden war, als Anfangslauge, die mit respiratorisch produzierter Kohlensäure beladene Lauge als Endlauge bezeichnet. Den Schluß aller Untersuchungen bildete die Feststellung der Ober- fläche des mit Chloroform getöteten Tierchens durch Messung des frisch abgezogenen Felles auf Millimeterpapier.! Kritik der Versuche. Der Übersicht wegen folgt Seite 438 ff. eine Zusammenstellung der Ver- suche in Tabellenform. Die Generaltabelle I weist alle in den Versuchen beobachteten Tatsachen und ermittelten Werte auf. Tabelle II stellt einen übersichtlicheren Auszug aus Tabelle I dar: Kälte- und Wärmeversuche bilden getrennte Reihen. In beiden Tabellen sind die Nase: nach dem Körpergewicht der Tiere geordnet. Endlich wurde zur leichteren Orientierung eine graphische Darstellung der Ergebnisse entworfen (Fig. 5): Die Abszisse trägt die Gewichte: 1 m —= 20 :”, Nullpunkt bei 150 e-=. Bei dem betreffenden Gewichte sind die einzelnen Versuchstiere namentlich signiert. Die Ordinate enthält die CO,-Mengen. Für die absolute Größe derselben wurden dick ausgezogene Kurven gezeichnet. 1% = 18% C0,. 4 bei 5-5°, B bei 35%. — Der Raum- ersparnis wegen wurden auf derselben Figur feiner ausgezogen die pro Quadrat- dezimeter Oberfläche gelieferten CO,-Mengen eingetragen: 1°”=0.02 2m CQ,. a bei 5-5°, 5 bei 35°. In beiden Kurven sind die Parallelversuche punktiert. — Endlich habe ich mir erlaubt, strichpunktiert die Kettnerschen Zahlen bei 17 bis 20° pro Quadratdezimeter Oberfläche einzutragen: c. Auch die Parallelversuche sind strichpunktiert. 1. Bei Berechnung der exspirierten absoluten Kohlensäuremengen aut einen einheitlichen Zeitabschnitt (12 Stunden) fällt zunächst auf, daß von jedem Tiere bei + 5-5°C. mehr Kohlensäure geliefert wird als bei 35°. (Vgl. die Kurven A und B der graphischen Darstellung.) Aber dieses 1 Kettner, 4.2.0. S. 14. 28*+ 436 Erich GöTscH: Mehr schwankt, wie Tabelle II zeigt, innerhalb erheblicher Grenzen. Sieht man von dem Versuche O, ab — aus Gründen, die später berücksichtigt werden sollen —, so beträgt die Zunahme 46 bis 132°/, in kalter Luft gegenüber der warmen. 2. Die pro Gewichtseinheit Tier gelieferten Kohlensäuremengen zeigen bei ein und derselben Versuchstemperatur mit steigendem Gewicht des Versuchstieres eine Abnahme (Tabelle I) und zwar in den Kälteversuchen eine verhältnismäßig stärkere als in den Wärmeversuchen: das kleinste Tier 2 mit einem mittleren Gewicht vom 202 == produziert in einer Stunde auf 100 8m 81m CO,; das größte Nr. 97, 6848” wiegend, bei derselben Temperatur 60°, während in den entsprechenden Kälteversuchen die CO,- Produktion von 165 auf 95 «= fiel. 3. Dagegen sind im allgemeinen die Kohlendioxydmengen, bezogen auf die Oberflächeneinheit des Tierkörpers innerhalb derselben Temperatur bei verschieden großen Tieren konstant. — Besonderheiten siehe unten — (Tabelle II und die Kurven a, b, e der graphischen Darstellung). Als Extreme f anden sich bei 35° 61 und 40°, im Mittel 51 ° = pro Quadratdezimeter Oberfläche. Bei 5-5°C. waren die abweichendsten Werte 100 und 71, im Durchschnitt 88e®, Demnach beträgt die durchschnittliche Mehr- produktion bei 5-5° gegen 35° etwa 72°/,. Begreift man hier die Kettnerschen Versuche (a. a. O. 8. 30) in die Betrachtung ein, so fand Kettner durchschnittlich 65°“ pro Quadrat- dezimeter. Als Außentemperatur gibt er 17—20°C. an. Außentemperatur ccm CO, pro qdm +5.5° 88 17—20 65 39° 51 Bei Vergleich aller drei Werte ergibt sich leicht, daß der Zuwachs der CO,-Produktion mit sinkender Temperatur nicht arithmetisch, sondern einer gekrümmten Kurve entsprechend erfolgt. — Es hat daher keinen Wert, das prozentuale Verhältnis an Kohlensäurezuwachs für 1° Temperatur- abfall zu berechnen. 4. Wenn so im allgemeinen von einer Proprotionalität zwischen CO,- Produktion und Körperoberfläche gesprochen werden kann, so lehrt ein Blick auf die Kurven, daß dieselben hier und da nicht unerheblichen Schwankungen unterworfen sind. Auf die Ursachen derselben wirft die Beobachtung der Innentemperatur der Meerschweinchen einiges Licht. Man hat diese Be- obachtungen in acht Kälte- und zehn Wärmeversuchen angestellt. Indem bei 5-5°C. die Differenz der Rektaltemperatur vor und nach dem Versuch sich im ganzen innerhalb 1-.5° hält, bleibt auch die ge- 437 RESPIRATORISCHER STOFFWECHSEL UND KÖRPEROBERFLÄCHE. "Ss 'Sıd 2 26 7 9 we 4 0 Sud 084 Y N N Q NEN 438 ERICH GÖöTrscH: Tabelle - i) Gewicht Ge- Gewicht Hunger- E Datum Ver- Ver- des |pe ER des Tieres Mittel- wie : R — 3 verlus Tier R suchs- Halte Tieres |vor dem yor dem| nach gewicht des’lieres Nr. Pr dauer Se vor dem| Ver- || Yer- en Ti 2 re ratur er- ieres es Versuchs Hungern| suche | suche Suche Toruche Stunden °C grm Stunden grm grm grm | grm | NT 10 35 246 22 207 200 203 7 R 20, SAD, All 10 35 238 24 193. 186 190 7 TON N 9 5 258 22 222 202 212 20 1801 & 00R Al 12 5*5 290 23 252 225 238 27 2, 00, Al 12 5°5 335 24 282 261 271 21 151 18. I ul 12 5°5 367 24 320 292 306 28 SEAT 12 35 417 24 354 340 347 14 ie, Not all 10 35 333 24 301 288 295 13 J2 29, NA, Ali 1Ozar235 345 24 296 288 292 8 10. VII. 11 9 5 366 24 313 299 306 14 24. VII. 11 10 35 450 23 390 368 379 22 (0) 3. VII. 11 10 5 402 23 354 333 344 21 18. VII 11 8 5 442 24 367 346 356 21 12% I, ul 12 5.5 440 24 375 350 362 25 719 Sara 12 35 423 23 376 359 367 17 100 SE 12 35 451 24 401 384 392 17 | 30. XII. 10 24 35 457 24 396 367 382 29 220 28. Rent 12 5 545 24 385 355 370 30 | I al 12 35 414 22 382 365 373 17 5. 1, ll 12 35 470 24 392 363 378 29 64 20. I all 12 5 449 24 391 364 378 27 a 12 5 508 24 432 406 419 26 "| ar, AIG ill 10 35 455 24 404 388 396 16 18. VII. ı1 9 5 460 24 387 368 378 19 252 | 17a IE al 12 5°5 504 24 436 397 417 39 lab 12 35 560 22 477 454 465 23 6! ish NG Al 12 5 550 23 472 444 458 23 2 sl 12 35 565 23 480 450 465 30 r\ a NA Ali 10 35 590 24 525 500 512 25 14. VII. 11 7 5 594 24 521 412 496 49 1 Scali 12 35 776 23 714 698 706 16 _ 9. 2 TE 55 | 71 2a | 63 | 651 | 66 22 RESPIRATORISCHER STOFFWECHSEL UND |KÖRPEROBERFLÄCHE. I. Ober- |) Rektaltemperatur | fläche nr vor dem [nach dem iereS [Versuche Versuche qdm ne °C 3.787 en 37-6 3.787 36-5 37-6 3.787 37:0 35-6 4.432 37-0 35-5 4.432 37-9 38-2 5.270 1 = 5-270 an = 4657 37.4 39-0 4657 37-8 38.4 4657 | 37.9 37-2 4830 36-4 39-0 4.830 33.8 23+5 4.830 35-7 36-2 5.140 4-4 = 5.140 ne = 5.140 ie an 5-630 12 ein 5630, | — an 5.630 = Be 5-677 = —_ 5-677 Den ne 5.67 | — —_ | 5-109 | 37.3 | 38-8 5.109 | 37-5 36-0 6.354 | — = 6.354 | — — 6229 | 37-6 37-5 6-229 | 38-1 38-1 5-050 | 37:9 | 39.4 5:050 || 35-3 35-8 7:036 36-1 39-5 7036 36-2 36-6 Produzierte CO, in 12 Stunden erm: 2, Liter | 3.935 2-008 3.582 1-828 8-253 4212 8-770 4-476 9-348 4771 9.976 5-091 5.882 3.002 6-062 3.094 5-071 2.588 10-279 5.246 6-846 3.494 8.770 4+476 10-160 5-185 11-222 5-727 6-506 3.320 6-304 3.217 6-071 3.098 9.460 4.828 5.836 2.978 6-492 3-313 12-236 6-245 12-792 6-528 6.864 3.503 11-069 5-649 11.236 5.734 71-270 3.710 14.680 7:492 8.264 4-218 8-275 4+453 13-951 7.120 10-092 5.150 14-748 7.527 439 CO, pro Stunde | CO, pro Stunde und 100 erm und qdm grm ccm grm ' cem 0.1607 82 00862 44 0.1568 80 0-0784 40 0.3233 165 0.1822 93 0-3070 157 0°1646 84 0.2370 147 0.1763 90 0-2720 138 01587 81 0-1410 72 0.0921 47 0-1705 87 0.1077 55 0.1450 74 0-0901 46 0.2782 142 0:1822 93 0-1509 Tr 01176 60 0-2116 108 01509 77 02371 121 0-1744 89 0-2536 132 0-1822 93 0.1470 75 0-1058 54 0.1340 68 0:1019 52 0.1324 67 0-0901 46 | 0.2130 109 0-1391 711 01300 66 0.0862 44 0.1430 13 0:0940 48 0-2690 137 0.1803 92 0:2540 129 0-1861 95 0.1450 74 | 0-1117 57 02430 124 0.1803 92 0-2240 | 114 | 0-1470 | 75 0-1300 66 0.0960 49 0.2670 136 0-1959 100 0.1480 75 0:1097 56 0-1411 2 0.1195 61 0.2332 8) 0.1920 98 0-1190 60 0-1195 61 01850 95 0-1744 99 Erich GöTscH 440 Tabelle II. Prozen- Wärmeversuche 35° Kälteversuche +5° tuale Mittel- || Rektaltemperatur CO, Co, Mittel- || Rektaltemperatur Co, Co, Arneııge Tier gewicht I pro 1008°@| pro qdm Tier gewicht pro 500®® pro qdm Kälte des nach dem und und des vor dem | nach dem und und gegenüber Nr. Tieres | Versuche | Versuche | Stunde | Stunde Nr. Tieres || Versuche | Versuche | Stunde | Stunde Be 3 gr LE ccm ccm grm °C °C cem ccm Prozent 2, 203 37:6 s2 44 R 212 37.0 35-6 165 95 111 2, 190 37.6 s0 40 132 180, 238 37:0 35-5 157 84 180, 271 37-9 38-2 147 90 115 347 _ 12 47 115 306 _ — 138 81 12 Pr 295 39.0 87 55 j2 306 37.9 87-2 142 3 69 PR: 292 38.4 74 46 102 (0) 379 39.0 77 60 O, 344 33.8 23.5 108 77 28 0, 356 35-7 36-2 121 9 48 Ch 367 _ 75 54 79 362 _ _ 132 95 12 79, 392 a5 68 52 719 220, 382 - 67 46 220 370 —_ —_ 109 71 54 220, 373 = 66 44 61 64 378 = 13 48 64, 378 = = 137 92 91 64, 419 _ = 129 95 98 N 396 38-8 74 57 N 378 37° 36-0 124 93 61 252 465 — 66 49 252 41T — —_ 114 165) 53 6 465 38-1 75 56 6 458 37:6 37-5 136 100 78 7 512 39-4 72 61 T 496 35-3 39+8 119 98 60 St 706 le) 60 61 97 662 36-2 86:6 95 89 46 RESPIRATORISCHER STOFFWECHSEL UND KÖRPEROBERFLÄCHE. 441 lieferte CO,-Menge in diesen Fällen konstant: sie schwingt in dem engen Gebiet von 89 bis 100°” (vgl. Versuche 2 180, PO,, N 6, 797). Einmal erreicht sie allerdings nur die Höhe von 84" bei 1-5° Temperaturabfall (Versuch 180) und den geringsten Wert mit 77 = bei dem riesigen Abfall von 10-.3° (Versuch O,). Man geht vielleicht nicht zu weit in der Ver- mutung, daß für die niedrigen Zahlen 115,, 220, und 252, ein ähnliches Sinken der Innentemperatur die Ursache gewesen ist. Anders in den Wärmeversuchen bei 35°. Nur drei der hier ver- wendeten Objekte (7’6, %,) vermögen — insofern überhaupt dieselbe fest- gestellt wurde — unterhalb 1-5 die Differenz ihrer Eigentemperatur während des Versuches zu halten und dementsprechend schwankt die gebildete CO,- Menge zwischen 40 und 56", Bei allen übrigen steigt sie erheblich, bei dem einen um 3-4, und dementsprechend die CO,-Menge auf den höchsten beobachteten Wert von 61°” (Versuch 97). Es kann kein Zufall sein, daß es sich hier um das schwerste Tier und bei dem kleinsten CO,-Wert um das leichteste (%,) handelt, auch die an den übrigen Tieren gewonnenen Daten zeigen einen, wenn auch geringen, so doch unverkennbaren Anstieg der CO,-Produktion pro Quadratdezimeter Oberfläche mit der Gewichtszunahme der Tierchen. Demgemäß steigt bei 35° die CO,- Produktionskurve 2 leise, aber Schritt für Schritt mit steigendem Gewichte an. Daneben kommen auch in dieser Versuchsreihe wie bei den Kälte- versuchen scheinbar regellose Schwankungen vor: so in dem Versuche O,, in dem die Rektaltemperatur um 2.6° steigt und sich entsprechend hoch über den Durchschnitt auch die CO,-Menge, nämlich bis auf 60 =, stellt. Im allgemeinen sehen wir also, wie die großen Tiere bei 35° wegen der relativ kleinen Oberfläche ihre Wärme nicht mehr los werden können und Hyperthermie mit vermehrter CO,-Bildung zeigen, während kleinere bei derselben Temperatur ihre Eigenwärme noch sehr wohl konstant zu halten vermögen und deshalb die geringsten CO,-Mengen produzieren. Einmal auf diese interessanten Beziehungen aufmerksam geworden, kann man entgegengesetzte Unterschiede auch in den Kälteexperimenten feststellen. Sieht man von dem bereits erwähnten Temperaturabfall um 10-.3° ab, welcher ein 402s”m schweres Tier betrifft, so weisen die beiden leichtesten Tiere mit 238 bis 2908” Gewicht den starken Temperatur- abfall von 1-5 und 1-4° auf. Ihnen kommt nur noch ein Tierchen mit 460 3% Gewicht und 1-5° Temperaturabfall gleich. Aus dieser Erschei- nung erklärt sich denn auch die Tatsache, daß in den ursprünglich bei 0° angestellten Versuchen die kleineren Tiere alle starben. — Im Gegensatz zu den Wärmeversuchen ändert sich die CO,-Produktion zunächst nicht. Erst bei starkem über 1-5° betragendem Temperaturabfall sinkt auch jene (Versuche 0, und 180). 442 Erich GÖöTscH: 5. Die sonstigen Schwankungen in der Menge der gelieferten Kohlen- säure pro Oberflächeneinheit scheinen mir durch Bewegungen der Tierchen, verschiedene Wasserdampfspannung der Luft, verschieden intensive Ver- dauung und die bereits durch Rubner bekannt gewordenen individuellen Schwankungen, welche auf einem differenten Wärmeleitungsvermögen von Haut und Haar beruhen, hinreichend erklärt. Schon wiederholt wurde auf einige ganz aus der Reihe fallende Er- gebnisse hingewiesen (O,, O,, 180). Um die Ursache derselben wenigstens so weit aufzuklären, daß ein Einblick möglich ist, ob die betreffenden Schwan- kungen individuelle oder mehr zufällige sind, wurden 6 Parallelversuche bei derselben Temperatur angestellt. Bei 4 Doppelversuchen stimmten die ge- lieferten Kohlensäuremengen recht gut überein. (Rıu.2; 97 2u.s; 220 ıu.3; 64 2u.s.) Demnach sind die immer noch etwas labilen Versuchsergebnisse bei Vergleich verschiedener Tiere auf den Einfluß jenes individuellen Faktors zurückzuführen (vgl. 792 u.s und 220ıu.s!), Nur zweimal weisen die Ergebnisse bei demselben Tiere und derselben Temperatur eine erhebliche Differenz auf: bei ? 9.0°® und bei O 12° Unterschied. Erklärt wird derselbe leicht dadurch, daß in dem ersten Falle die Innentemperatur um 1.6° stieg, sich in dem letzteren um 9.7° senkte. 6. Über die Versuchsdauer ist zu bemerken, daß ursprünglich beab- sichtigt war, gemäß der allgemein geltenden Ansicht, daß bei Stoffwechsel- untersuchungen als Zeiteinheit der Tag anzusehen ist, dieselbe auf 24 Stunden auszudehnen. Man glaubte jedoch, die Versuche ohne Gefahr für ein rich- tiges Resultat abkürzen zu können, als sich zeigte, daß bei 24 und 12 Stunden Dauer die Kohlensäureproduktion pro Stunde die gleiche war (Versuch 220). Im allgemeinen hat man also 12 Stunden, in einzelnen Fällen 7, 8, 9 und 10 Stunden experimentiert. 7. Endlich ist auch der Gewichtsverlust der Tierchen genau registriert worden. Die gefundenen Größen sind selbstverständlich für die Frage der Stoffzersetzung ohne Einfluß, da Exkremente und Wasserausscheidung in ihrer Größe nicht berücksichtigt wurden. Ergebnisse. Als Endresultat der vorliegenden, bei hungernden Meerschweinchen angestellten Respirationsversuche ergibt sich: 1. Die Rubnersche Regel, daß bei konstanter Außentemperatur die CO,-Produktion proportional der Körperoberfläche laufe, hat für extreme Temperaturen nur bedingt Gültigkeit: a) bei 5.5 ° ist zwar die gelieferte CO, pro Einheit Oberfläche konstant. RESPIRATORISCHER STOFFWECHSEL UND KÖRPEROBERFLÄCHE. 443 b) bei 35° wird jedoch eine Inkonstanz der CO,-Produktion zur Regel, insofern, als dieselbe, auf die Oberflächeneinheit berechnet, mit steigendem Tiergewicht, wenn auch langsam, steigt. ' 2. Die Ursache dieser Erscheinung ist eine Inkonstanz der Rektal- temperatur, die in der Wärme mit steigendem Gewicht des Tieres eine steigende Elevation ausführt, in der Kälte mit fallendem Tiergewicht eine verstärkte Depression erleidet, freilich ohne hier zunächst die CO,-Bildung zu mindern. 3. Daneben kommen Schwankungen individueller Art vor. 4. Im allgemeinen versagt also bei kleinen Tieren die Wärmeregulation _ eher in der Kälte Gegen Wärme sind große Tiere empfindlicher. 5. Im Durchschnitte scheidet das Meerschweinchen pro Einheit Ober- fläche bei 5-.5° um 72°/, mehr Kohlensäure aus als bei 35°. Diese Zu- nahme erfolgt nicht proportional dem Temperaturabfall. Protokolle. Tier 220. a) Wärmeversuch vom 30./31 XII. 1910. Versuchstemperatur 35°C. Dauer des Versuches 24 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Hungern 457 8m, Tier hat vor dem Versuch gehungert 24 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Versuche 3965, ” ” ” nach ey ” 367 ” Gewichtsverlust des Tieres während des Versuches 29 sm, Mittelgewicht n in 382 u, Oberfläche = h 563 10m, Rektaltemperatur „ „ vor dem Versuche — °C. ” ” ” nach ” ” —! C. Anfangslauge. Gesamtvolumen 300°", 50m — 0.21378m 00,. 300 “m = 1.282228 C0,. Endlauge. Gesamtvolumen 1000”, 50° = 0.671227 C0,. 1000°M = 13.4240" 00,. CO, der Endlauge = 13.4240 8m, » » Anfangslauge = 1-.282 „ In 24 Stunden produziert — 12.142 m 00, = 6-197 Liter. Pro Stunde produziert = 0.5059 2% 00, = 258°, R „. und 1008 ? — (3 Ey = 0, ” ” „ Kam =0.0W1 „ „ = 46 ” 444 ERICH GöTscH: Tier"64, a) Wärmeversuch vom 5.I. 1911. Versuchstemperatur 35°C. Dauer des Versuches 12 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Hungern 470 8”, Tier hat vor dem Versuche gehungert 24 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Versuche 392 87m, N ” ” nach N” ” 363 n Gewichtsverlust des Tieres während des Versuches 298m, Mittelgewicht 5 DEN OTSENN Oberfläche a ee Doreen Rektaltemperatur „ vor dem Versuche — °C. ” ” nach ” ” u Anfangslauge. Gesamtvolumen 300°”, 50° m — 0.213780 00,. 300° = 1.282082” 00,. Endlauge. Gesamtvolumen 1000", 50m = 0.388787 C0O,. 1000°" = 7.774027 00,. CO, der Endlauge — ar » » Anfangslauge =1-282 „ In 12 Stunden produziert = 6-4928"" CO, = 3: 313 Liter. Pro Stunde produziert = 0.541 zu 00, Z2r e Zunge N =.0-1A31: „.,, See ja ” = 0-.0940 „ „ = 48 „ N ” ” Iema9: b) Kälteversuch vom 12.1. 1911. Versuchstemperatur 5-5°C. Dauer des Versuches 12 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Hungern 440 8m, Tier hat vor dem Versuche gehungert 24 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Versuche DUDEN ” ” ” nach N ” 350 ” Gewichtsverlust des Tieres während des Versuches 258m, Mittelgewicht u „ı Baba een, Oberfläche “ 5 LEN ET Rektaltemperatur . „ vor dem Versuche — °C. „ ” ” nach ” ” —! C. Anfangslauge. Gesamtvolumen 300°", 50m — 0.2137." C0,. 300° m — 1.282087 00,. Endlauge. Gesamtvolumen 1000°®, 50m = 0.62528"C0,. 1000°® — 12.405028 "00,. CO, der Endlauge = 12-5040 8m, » » Anfangslauge — 41-2820 In 12 Stunden produziert = 11-2220 8% CO, = 5-727 Liter. Pro Stunde produziert = 0-9351 2" CO, = 477 m, 4 „ und 1008 “ — 0.2586, 5. alas nal in — 0E1B22E, — 7 ” 2 RESPIRATORISCHER STOFFWECHSEL UND KÖRPEROBERFLÄCHE, 445 Tier 252. b) Kälteversuch vom 17. I. 1911. Versuchstemperatur 5.5° C. Dauer des Versuches 12 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Hungern 504 srm, Tier hat vor dem Versuche gehungert 24 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Versuche 436 stm, ” ” „ nach ” „ 397 ”„ Gewichtsverlust des Tieres während des Versuches 39 st», Mittelgewicht 4 age Oberfläche 2 „ .635.440m, Rektaltemperatur „ „ vor dem Versuche — °C, ” ” ” nach ” n —! C. Anfangslauge. Gesamtvolumen 300°", 50m — 0.1975" CO,. 300° ® — 1.182 2m (0,. Endlauge. Gesamtvolumen 1000°m, 50° m — 0.620985" 00,. 1000°W@ = 12.4180EW C0Q,. CO, der Endlauge = 12.418 8m, K „ Anfangslauge — a In 12 Stunden produziert = 11-1362m CO, = 5.734 Liter. Pro Stunde produziert = 0.9363 8m CO, = 477,8 m, R »„ und 1005" ® — 32A0R nn — ER r ” ” 2) asaan : — 0270 7 = 19 ” Diez b) Kälteversuch vom 18.1. 1911. Versuchstemperatur 5-5° C. Dauer des Versuches 12 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Hungern 367 sım, Tier hat vor dem Versuche gehungert 24 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Versuche 320 87m, ” ” BL nach ” ” 292 ” Gewichtsverlust des Tieres während des Versuches 2838", Mittelgewicht = alorı, Oberfläche e SERR32TA0 A Rektaltemperatur „ „ vor dem Versuche — °C. ” n N nach ” ” —! C. Anfangslauge. Gesamtvolumen 300°", 50m — 0.1975 .C0,. 300°Ww — 1.1823” (0O,. Endlauge. Gesamtvolumen 1000", 50° m — 0.55798CO,. 1000° m = 11.158088" CO,. CO, der Endlauge — Kl #198 Kan. & „ Anfangslauge u nun er) In 12 Stunden produziert = 9.976 2% CO, = 5.091 Liter. Pro Stunde produziert = 0.8313 8" CO, = 424 m, M „. und. 100,2 h —. 0,22 ne ls jan a = er 2” er] ” 446 Erich GöTscH: Tier 64. b) Kälteversuch vom 20.1. 1911. Versuchstemperatur 5-0° C. Dauer des Versuches 12 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Hungern 449 erm, Tier hat vor dem Versuche gehungert 24 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Versuche >gasEzE ” ” ” nach ” N 364 ” Gewichtsverlust des Tieres während des Versuches 27 em, Mittelgewicht > I En, Oberfläche 5 aeg cm Rektaltemperatur „, „ vor dem Versuche —?C. ” ” ” nach ” ” —! C. Anfangslauge. Gesamtvolumen 300°", 50m — 0:1972% CO,. 300°"= — 1.1828” 00,. Endlauge. Gesamtvolumen 1000°m, 50 «m = 0.67098mC0O,. 1000" = 13.41808:"00,. CO, der Endlauge —= 13.418 5m, B „ Anfangslauge — ee In 12 Stunden produziert = 12-336" CO, = 6-245 Liter. Pro Stunde produziert = 1-.01978" CO, = 520° m, a ES unadel0 02 nr = 0.269075 14 are ” n) ” adn ” = 0.1803 ” N 92 ” Tier 220. b) Kälteversuch vom 28.1. 1911. Versuchstemperatur 5-5°C. Dauer des Versuches 12 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Hungern 445 gm, - Tier hat vor dem Versuche gehungert 24 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Versuche 385 8m, ” ” ” nach eb] ” 355 ” Gewichtsverlust des Tieres während des Versuches 308m, Mittelgewicht = man. Oberfläche 4 a SB Rektaltemperatur „ „ vor dem Versuche — PC. ” ” ” nach ” ” —.C Anfangslauge. Gesamtvolumen 300°", 50° m = 0.197083" CO,. 300°" = 1.1820:% CO,. Endlauge. Gesamtvolumen 1000", 50° m — 0.53218""00,. 1000” = 10.642082 00,. CO, der Endlauge —= 10.642 5m, 5 „ Anfangslauge — ll In 12 Stunden produziert = 9-460 m CO, = 4-828 Liter. Pro Stunde produziert = 0.7883 0 CO, = 402 u, m „ „and 1008 4 — 0.213075, De, PZN es — 013 0, ale 2) ” ”? RESPIRATORISCHER STOFFWECHSEL UND KÖRPEROBERFLÄCHE. 447 Tier 64. b) Kälteversuch vom 1. II. 1911. Versuchstemperatur 5-0°C. Dauer des Versuches 12 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Hungern 508 sr", Tier hat vor dem Versuche gehungert 24 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Versuche 432 Bm, „ „ nach „ „ 406 „ Oreer des Tieres während des Versuches 268m, Mittelgewicht re Rs gem, Oberflache Y rl Rektaltemperatur „, „ vor dem Versuche —’C. „ „ ) nach „ „ — (Br Anfangslauge. Gesamtvolumen 300°". 50°" = 0.197587 CO,. 300° m — 1.182?" CO,. Endlauge. Gesamtvolumen 1000°®. 50" = 0.6987 2UC0,. 1000" = 13-.97402MC0,. CO, der Endlauge = 13.974 8m, »„ » Anfangslauge = 1.182, In 12 Stunden produziert = 12.792 sm CO, = 6-528 Liter. Pro Stunde produziert = 1-0660 8m CO, = 544 m, ; „und. 100.7 s; — 02254208 Di = 12%, „ „ „ 4.00 „ = 0.1861 „ „= 9%, KrerniE a) Wärmeversuch vom 3. II. 1911. Versuchstemperatur 35°C. Dauer des Versuches 12 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Hungern 423 2m, Tier hat vor dem Versuche gehungert 23 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Versuche. son, R PL nach „ N 359 , este des Tieres während des Versuches 17 gm, Mittelgewicht “ = Vo Oberfläche E aan, Rektaltemperatur ‚, „ vor dem Versuche — °C. hr nach , S —!C. ee Gesamtvolumen 300°", 50° m — 0.1978” .CO,. 300°“ — 1.1825 CO,. Endlauge. Gesamtvolumen 1000°". 504" = 0.3844 8" C0,. 1000" = 7.6880 C0,. CO, der Endlauge — 7.6880 87m, »„ „» Anfangslauge ar LS In 12 Stunden produziert = 6.5060 =” CO, = 3.320 Liter. Pro Stunde produziert = 0.5420 8m 00, = 277m, u; „und. 100er 5, — OTTO U —. 1.000 = 0.1053 a en 54 „ ” „ ” „ 448 Erich Görsch: Tier.:220. a) Wärmeversuch vom 6. II. 1911. Versuchstemperatur 35°C. Dauer des Versuches 12 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Hungern 414 gm, Tier hat vor dem Versuche gehungert 22 Stunden. ” Gewicht des Tieres vor dem Versuche 382 8m, ” ” ” nach ” ” 365 OBEN Gewichtsverlust des Tieres während des Versuches 17 sm, Mittelgewicht A WLan, Oberfläche En N ne Rektaltemperatur „, „ vor dem Versuche — °C. ” ” 2) nach ” „ u Anfangslauge. Gesamtvolumen 300°", 50° ® = 0.197058” CO,. 300°%@ — 1.1820:= 00,. Endlauge. Gesamtvolumen 1000°®, 50° = 0.350982 00,. 1000. m — 7.01808= Co,. CO, der Endlauge re Oillagezn »„ » Anfangslauge = 1-182 „ In 12 Stunden produziert = 5.836 3% 00, = 2-978 Liter. Pro Stunde produziert = 048638" 00, — 248 «m, u und 0En 5 =0:18006, I be „ „ „ Lamm 1) = 0:0862 „ 2 Tan 2 Tier 115. a) Wärmeversuch vom 8. II. 1911. Versuchstemperatur 35°C. Dauer des Versuches 12 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Hungern 417 8m, Tier hat vor dem Versuche gehungert 24 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Versuche 394 gm, ” „ ” nach ” ” 340 ” Gewichtsverlust des Tieres während des Versuches 14 sm, Mittelgewicht sh ENELDAT ER, Oberfläche n load am, Rektaltemperatur „, „ vor.dem Versuche — °C. „ „ ” nach 2) „ — ln Anfangslauge. Gesamtvolumen 300°", 50°" = 0.197028 00,. 300°“ = 1.1820:2 C0,. Endlauge. Gesamtvolnmen 1000°®, 50 m — 0.35348m 00,. 1000°® — 7.0680" 00,. CO, der Endlauge — 7.068022 » » Anfangslauge = 1-1820 „ In 12 Stunden produziert = 5.882 2% 00, = 3.002 Liter. Pro Stunde produziert = 0.4901 U CO, = 250 m. 5 » und 1000 55 = 0, 14, Es ee jeccı — 0-.09217 „7, 2 Ay ” 2 ” RESPIRATORISCHER STOFFWECHSEL UND KÖRPEROBERFLÄCHE. 449 Tier:%9, a) Wärmeversuch vom 10. II. 1911. Versuchstemperatur 35°C. Dauer des Versuches 12 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Hungern 451 8, Tier hat vor dem Versuche gehungert 24 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Versuche 401 Em, i. wernach,., R 384 | Gösichten erlust des Tieres während des Versuches 17m, Mittelgewicht nn + BOSEL. Oberfläche . BE ER E Rektaltemperatur „, „ vor dem Versuche —?C. „ „ ” nach „ „ ne Anfangslauge. Gesamtvolumen 300°". 50°” — 0.1970: CO,. 300m — 1.1820: CO,. Endlauge. Gesamtvolumen 1000°®. 50°" = 0.37432" CO,. 1000 7 = 7.4860:"m 0O,. CO, der Endlauge = 1.4868", »„ » Anfangslauge — 1218245 In 12 Stunden produziert = 6.3048" 00, = 3-217 Liter. Pro Stunde produziert = 0-52538% 00, — 268°, und) 100 » 2 gelsas Bya = GR, „ „ 20 em „ =0.1019, „ = 32 ; Tier 252. a) Wärmeversuch vom 13. II. 1911. Versuchstemperatur 35°C. Dauer des Versuches 12 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Hungern 560 2m. Tier hat vor dem Versuche gehungert 22 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Versuche 47T7erm, „ „ „ nach >] „ 454 „ Gewichtsverlust des Tieres während des Versuches 23:8, Mittelgewicht n „a Ach BIN. Oberfläche “ „+ 635.4 Rektaltemperatur ‚, „. vor dem Versuche —' C. ö ”„ „ „ nach „ ”„ 0,0% Anfangslauge. Gesamtvolumen 300°", 50° m — 0.19708" CO,. 300m = 1.1820. CO,. Endlauge. Gesamtvolumen 1000°®. 50° m — 0.4226" C0,. 1000°" = 8.452027 C0Q,. CO, der Endlauge — 8.4520 8m, ‚ Anfangslauge —; 1.1820; ie 12 Stunden produziert = 7.2702" CO, = 3.710 Liter. Pro Stunde produziert = 0-6058 2" 00, = 309 1m, und 100 em T GIB BI ur— BB 2) „ „ Bas „ 0.0960 „, „= 4) „ Archiv f. A.u. Ph. 1912. Physiol. Abtlg. 29 ” FR 450 ERICH GÖTscH: Tievi%. a) Wärmeversuch vom 3. III. 1911. Versuchstemperatur 35°C. Dauer des Versuches 12 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Hungern 776 E’"., Tier hat vor dem Versuche gehungert 23 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Versuche Z1ESEM, ” „ Bi) nach ” PB 698 ” Gewichtsverlust des Tieres während des Versuches 16 =", Mittelgewicht % 0 LUD E. Oberfläche h u 5105-6 Rektaltemperatur „, „ vor dem Versuche 36-1° C. Ele u; „; Kmach, ,, ? 39.5°C. Anfangslauge. Gesamtvolumen 300°". 50°m — 0.19708" CO,. 300°" = 1.1820: CQ,. Endlauge. Gesamtvolumen 1000". 50m = 0.56372MC0,. 1000" = 11-2740"00,. CO, der Endlauge —ulmeD u Aeun, »„ » Anfangslauge —I 2 In 12 Stunden produziert = 10-0928" 00, = 5.150 Liter. Pro Stunde produziert = 0.841 Sm CO, = 429 «m, „ „ und 100 8m „ — 0.119 „ „= 60, ” „ 3) an „ = 0.1195 „ ee 61T, Tier 180. b) Kälteversuch vom 6. III. 1911. Versuchstemperatur 5-5° C. Dauer des Versuches 12 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Hungern 290 8, Tier hat vor dem Versuche gehungert 23 Stunden. - Gewicht des Tieres vor dem Versuche 252 8m, ” ” ” nach ”„ ” = 225 ” Gewichtsverlust des Tieres während des Versuches 27 8m, Mittelgewicht 35 N UDaS En ’ Oberfläche 4 „ 443-240m, Rektaltemperatur ‚, „ vor dem Versuche 37-0°C. h h, „ Alunach. 5 BR 0 Anfangslauge. Gesamtvolumen 300°", 50° m — 0.24578m 00,. 300° — 1.474221 00,. Endlauge. Gesamtvolumen 1006, 50cm — 0.51222m00,. 1000°@ — 10-24408m00,. CO, der Endlauge 85 = 10.924408, » „» Anfangslauge = 1-4742 „. In 12 Stunden produziert = 8-77002%m CO, = 4.476 Liter. Pro Stunde produziert — 0.7308 2a CO, =,973 au „9 Funde 0 oe um ” = 0.1646 „ su ” ” RESPIRATORISCHER STOFFWECHSEL UND KÖRPEROBERFLÄCHE. 451 Tier 97. b) Kälteversuch vom 9. III. 1911. Versuehstemperatur 5-5° C. Dauer des Versuches 12 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Hungern 731 8, Tier hat vor dem Versuche gehungert 24 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Versuche 673 m, ”„ „ „ nach ”„ ” 651 „ Gewichtsverlust des Tieres während des Versuches 22 2m, Mittelgewicht er Ta Oberfläche Re 203.6 I Rektaltemperatur „, „ vor dem Versuche 36-2° C. & 5 rm Bachi: ;;, 5 36-6°C. Anfangslauge. Gesamtvolumen 300°", 50" = 0.24578m CO,. 300°" — 1-47408m C0,. Endlauge. Gesamtvolumen 1000”, 50°" = 0-81118% CO,. 1000" = 16.2223 CO,, CO, der Endlauge = 16.2220 8m, » „» Anfangslauge ei In 12 Stunden produziert = 14-7480 2 CO, = 7.527 Liter. Pro Stunde produziert = 1-2290 20 CO, — 627 «m. v und LOW . — NEO —., 396 5 Ka —u Dar a — 7a 2) ” Mer 6 b) Kälteversuch vom 13. III. 1911. Versuchstemperatur 5-5° C. Dauer des Versuches 12 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Hungern 550 3%, Tier hat vor dem Versuche gehungert 23 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Versuche AT2 Em, ” „ ” nach „ ” .. 444 » Gewichtsverlust des Tieres während des Versuches 28°, Mittelgewicht n ar lo Oberfläche 5; MBIT, Rektaltemperatur „, „. vor dem Versuche 37-.6°C. 2 Fe „.jIsnach: ZUAIEE: Anfangslauge. Gesamtvolumen 300°", 50m = 0.245787 00,. 300°" —= 1.474028" 00,. Endlauge. 80778m00,. 1000°m—16- 15402 00,. 16-1540 8m, Gesamtvolumen 1000", 50 m—0(. CO, der Endlauge Anfangslauge „ ” In 12 Stunden produziert Pro Stunde ” und 100 5% ” 1 qdm „ 1740 = 14.6800 8% CO, = 7-492 Liter. produziert = 1.223 sm 00, = 624 Mm, = .0-.267: 7, = 136, =,.0.19397, = 100, }) 29* 452 ERICH GÖTSCH: Tier 180. b) Kälteversuch vom 21. III. 1911. Versuchstemperatur 5-5°C. Dauer des Versuches 12 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Hungern 335 2", Tier hat vor dem Versuche gehungert 24 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Versuche 282 sm, ” „ ” nach ” „ 261 ’ Gewichtsverlust des Tieres während des Versuches 21 2%, Mittelgewieht N EL ED. Oberfläche h AN. den. Rektaltemperatur ‚, „ vor dem Versuche 37.9 C. „ „ „ nach ” „ 38.20 CC. Anfangslauge. Gesamtvolumen 300°", 50m — 024578" CO,. 300° @ = 1-47402u (0,. Endlauge. Gesamtvolumen 1000”, 50° m — 0.54118"®C0,. 1000" = 10.822082 C0,. CO, der Endlauge = 10-822 sm, » » Anfangslauge — AA, In 12 Stunden produziert = 9.3482" CO, = 4-771 Liter. Pro Stunde produziert = 0.779 sm CO, — 398 h „2 und 1002, % — (#287 So eg, „ „ „ 100m „ = 0.1763 „u = 00er Tier 2o: a) Wärmeversuch vom 28. III. 1911. Versuchstemperatur 35°C. Dauer des Versuches 12 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Hungern 565 3", Tier hat vor dem Versuche gehungert 23 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Versuche 480 Stun, ” „ nach ” ” 450 ” clan east des Tieres während des Versuches 30 cm, Mittelgewicht „ „ Acbsm, Oberfläche e 22 = gjacn: Rektaltemperatur „, „ vor dem Versuche 38-.1° C. ” ” „ nach „ „ 38.1°C. Anfangslauge. Gesamtvolumen 300°. 50° m — 0.245728 CO,. 300° m — 1.47402m CO,. Endlauge. Gesamtvolumen 1000°m, 50° m — 0.486983 CO,. 1000 m — E 73808 00,. CO, der Endlauge = 9.738 em, RE 3 Anfangslauge — EA TA In 12 Stunden produziert = 83-264 8% CO, = 4218 Liter. Pro Stunde produziert = 0.6887 2" 00, = 351°, r „ und 100em ” — 0.148. 0) DEV —u en learn „ — 00-1097 7, 7. = ” ” RESPIRATORISCRER STOFFWECHSEL UND KÖRPEROBERFLÄCHE. 453 Tien a) Wärmeversuch vom 11. VII. 1911. Versuchstemperatur 35°C. Dauer des Versuches 10 Stunden. (Gewicht des Tieres vor dem Hungern 246 8", Tier hat vor dem Versuche gehungert 22 Stunden. sewicht des Tieres vor dem Versuche 207 7m, „ „ „ nach „ „ , 2 200 „ a Gewichtsverlust des Tieres während des Versuches 73m, Mittelgewicht a3 Ber Oberfläche E a org, SIE Rektaltemperatur „, „ vor dem Versuche —?C. R 4 . Wsnach; ;; SnR6LC. Anfangslauge. Gesamtvolumen 500°", 50° m — 0.244838" C0Q,. 300" — 1.46888u C0,, Endlauge. Gesamtvolumen 1000° m, 50m — 0.237381 00,. 1000" = 4.746085" C0,. CO, der Endlauge = 4.7460 8", » „» Anfangslauge — 1246885, In 10 Stunden produziert = 3-2772 8 CO, = 1:673 Liter. Pro Stunde produziert = 0-3277 2 CO, = 167°, $ und! 100) s; 02160 Hua 82, j gdm 0030, u AM, ” ” „ Tien a) Wärmeversuch vom 14. VII. 1911. Versuchstemperatur 35°C. Dauer des Versuches 10 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Hungern 333 3". Tier hat vor dem Versuche gehungert 24 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Versuche BOHRZELE e}} „ „ nach „ „ 285 ” Gewichtsverlust des Tieres während des Versuches 13 8, Mittelgewicht r uk DODEBEN, Oberfläche 4 u. 0469 7 Rektaltemperatur „, „ vor dem Versuche 37.4 C, nach „, a 39.0°C. 7 ” ” Anfangslauge. Gesamtvolumen 300° m, 50m — 0.2140: CO,. 300°" = 1.284083" 00,,. Endlauge. Gesamtvolumen 1000°®, 50° m — 0.316728 CO,. 1000 m = 63350 2” CO,. CO, der Endlauge = 6.335 8m, » » Anfangslauge — 1.284 „ In 10 Stunden produziert = 5.0518 CO, = 2:578 Liter. Pro Stunde produziert = 0-5051 3" CO, = 258 m, und 100 sm 5; — 0.110359) er 8, 1 adm —o-1oum,. :, =. ” „ „ „ „ ” 454 ERICH GÖTscH: rei) 2. a) Wärmeversuch vom 20. VII. 1911. Versuchstemperatur 35° ©. Dauer des Versuches 10 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Hungern 238 8m. Tier hat vor dem Versuche gehungert 24 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Versuche 1958 . „ ” 2) nach „ „ 186 „ Gewichtsverlust des Tieres während des Versuches 72m, Mittelgewicht ” N, 190 2m} Oberfläche . nn Saaıg dem, Rektaltemperatur „ „ vor dem Versuche 36-5° C. „ „ „ nach „ „ 37.6° C. Anfangslauge. Gesamtvolumen 300 °®. 50° — 0.214 87 CO,. 300m — 1.284 3m 00,. Endlauge. Gesamtvolumen 1000 m, 50° m — 0.213428 CO,. 1000" = 4.2680EM CQ,. CO, der Endlauge 4.268085”. » ». Anfangslauge 1-2840 „, In 10 Stunden produziert = 2-9840 8m 00, = 1 II -523 Liter. Pro Stunde produziert = 0.2984 em CO, = 152 m, m ” Fund 1001 n —# 015680, Eee ” „ ” 1 m ” = VW Tee: „= 407, Niere. a) Wärmeversuch vom 21. VII. 1911. Versuchstemperatur 35°C. Dauer des Versuches 10 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Hungern 345 8m, Tier hat vor dem Versuche gehungert 24 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Versuche 296 „ ” „ nach 2) ” 288 5 Gewichtsverlust des Tieres während des Versuches gs gm, Mittelgewicht 3 u agonerın Oberfläche ns „ı ABS U. Rektaltemperatur ‚, „ vor dem Versuche 37-8° C. nach 38.40 C, ” „ ” ” ” Anfangslauge. Gesamtvolumen 300 ° m, 50° m — 0.2148 CO,. 300 m = 1.284 8m 00,. Endlauge. Gesamtvolumen 1000". 50° = 0.275587 CO,. 1000 = 5.5100 CQ,. CO, der Endlauge = 5.5100 8m. »„ „» Anfangslauge — 1.2840 „, In 10 Stunden produziert = 4-2260 sm 00, = 2.157 Liter. Pro Stunde produziert = 04226 2% CO, = 216 „ „ "und Lo0:8: 5 — 0450 5, nee le =0.0I0 5. 5 — Ace ” er) ” RESPIRATORISCHER STOFFWECHSEL UND KÖRPEROBERFLÄCHE. 455 Tier ©. a) Wärmeversuch vom 24. VII. 1911. Versuchstemperatur 35°C. Dauer des Versuches 10 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Hungern 450 E"”, Tier hat vor dem Versuch gehungert 23 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Versuche Ssanıaıı, „ „ „ nach ”„ „ 368 „ Gewichtsverlust des Tieres während des Versuches 22 2m, Mittelgewicht Er ale Oberfläche 2 vw AAB3 tn, . Rektaltemperatur ‚, „ vor dem Versuche 36-4° C. h; # „ Kunaeh M 39.0°C. Anfangslauge. Gesamtvolumen 300°", 50° m — 0.214028 CO,. 300%" = 1.2840: CO,, Endlauge. Gesamtvolumen 1000°®, 50" = 0.349585 CO,. 1000" = 6.990085" CO,. CO, der Endlauge = 6-9900 8m, »„ » Anfangslauge —= 3.284075, In 10 Stunden produziert = 5- 7060 &"" CO, = 2-912 Liter. Pro Stunde produziert = 0-5706 2% CO, = 291 m, en » sc und. 100832 Y — 10.130909, Ban SUR 5 „ „ mn Aa „ = 01176 „ „= 590, Mile Iy- a) Wärmeversuch vom 27. VII. 1911. Versuchstemperatur 35°C. Dauer des Versuches 10 Stunden, Gewicht des Tieres vor dem Hungern 455 8", Tier hat vor dem Versuche gehungert 24 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Versuche 404 Stu, „ „ „ nach „ ” RR 388 5 Gewichtsverlust des Tieres während des Versuches 16®, Mittelgewicht u; EIN, Oberfläche x a5 LU IR Rektaltemperatur ‚, „ vor dem Versuche 37-3°C. a M „ iamach' „, ss 38-800. Anfangslauge. Gesamtvolumen 300m, 50° = 0.21408% CO,. 300" = 1.284103" CO,. Endlauge. Gesamtvolumen 1000", 50° = 0.350285" CO,. 1000°"® = 7.004083" CO,. CO, der Endlauge 7.0040 8m, » » Anfangslauge 1.2840 „, In 10 Stunden produziert = 5-720 S% CO, = 2-919 Liter. I Pro Stunde produziert = 0.572 sm 00, = 292 m, „ „ und 100 8m „ — 0.1450, ed 1 dm — 0, ee eh) ” „ ” 456 ERICH GÖTSCH: Tier! a) Wärmeversuch vom 31. VII. 1911. Versuchstemperatur 35° C. Dauer des Versuches 10 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Hungern 590 8, Tier hat vor dem Versuche gehungert 24 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Versuche 25 gm, Ph „ „ nach ” „ x 500 „ Gewichtsverlust des Tieres während des Versuches 25 8°”, Mittelgewicht „ ua Sun, Oberfläche h ee Rektaltemperatur „, „. vor dem Versuche 37-9° GC. ” „ „ nach „ ” 39.49 C. Anfangslauge. Gesamtvolumen 300 «m. 50m — 0.2148" CO,. 300 m — 1.284 2m 00, Endlauge. Gesamtvolumen 1000°", 50" — 0.427832 CO,. 1000“ = 8.556087 00,. CO, der Endlauge = 8.5560 3m, » „» Anfangslauge —ueDSL0 In 10 Stunden produziert = 7.272288 00, = 3.711 Liter. Pro Stunde produziert = 0.7272 2" 00, = 371°, h; 7 unde 0, OSzEL n 0 1A ee 1.gdeı =,.0.1199%, „u — ao b) Kälteversuch vom 3. VIII. 1911. Versuchstemperatur 5-0°C. Dauer des Versuches 10 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Hungern 402 3%. Tier hat vor dem Versuche gehungert 23 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Versuche 354 sm, ” ” ” nach „ „ 333 ” Gewichtsverlust des Tieres während des Versuches 21 2%, Mittelgewicht ee uRaAAeN. Oberfläche „ ABS Rektaltemperatur ‚, „ vor dem Versuche 33-8°C. 1) ) ” nach „ ” 23.50. Anfangslauge. | Gesamtvolumen 300°", 50°“ = 0.214028” CO,. 300°" — 1.284021 C0,,. Endlauge. Gesamtvolumen 1000", 50°® = 0.429682 CO,. 1000 «m = 8.5920 2MC0O,. CO, der Endlauge —= 8.5920 8m, »„ » Anfangslauge — 1-2840, In 10 Stunden produziert = 7-3080 2% CO, = 3-730 Liter. Pro Stunde produziert = 0-7308 27 CO, = 373 u r ‚ “und=1008:3 > — Ti. ber 5 =70-19095,, 5, ” „ „ RESPIRATORISCHER STOFFWECHSEL UND KÖRPEROBERFLÄCHE. 457 Tiam A. b) Kälteversuch vom 7. VIIL 1911. Versuchstemperatur 5-0°C. Dauer des Versuches 9 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Hungern 258 sm, Tier hat vor dem Versuche gehungert 22 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Versuche 222 gm, „ „ „ nach 2) „ RK 202 12 Gewichtsverlust des Tieres während des Versuches 20m, Mittelgewicht BA ei ala Em, Oberfläche ” LOL Rektaltemperatur „, „. vor dem Versuche 37.0°C, ” „ „ nach ” ” 35.6°C. Anfangslauge. Gesamtvolumen 500° ®, 50°" = 0-.21408M CO,. 500°" = 2.140083 CO,. Endlauge. Gesamtvolumen 1000", 50°” = 0.416187 CO,. 1000" = 8.3226" CO,, CO, der Endlauge — 8.3226 8m, ». » Anfangslauge = 2.1400 8, In 9 Stunden produziert = 6-1826 5'% CO, = 3-155 Liter. Pro Stunde produziert = 0.6869 2% CO, = 351°". Hr und 100m e —. 0, 323301 aa 1657,72 „ ” a: Kan ” =0.182, „= 93, Biens® b) Kälteversuch vom 10. VIII. 1911. Versuchstemperatur 5°C. Dauer des Versuches 9 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Hungern 366 8". Tier hat vor dem Versuche gehungert 24 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Versuche ala em, „ „ „ nach ” ” 299 „ Gewichtsverlust des Tieres während des Versuches 143, Mittelgewicht vs RE 306,8 Oberfläche ee aa. u Rektaltemperatur „, „ vor dem Versuche 37.9°C. ” „ „ nach „ „ 37.20. Anfangslauge. ; Gesamtvolumen 500°", 50m — 0.2140: 00,. 500°" = 2.14008” CO,. Endlauge. Gesamtvolumen 1000°em, 50 m — 0.49248"n CO,. 1000 = 9.8496 3" CO,,. CO, der Endlauge — 9.8496 8", » » Anfangslauge = 2-1400 „ In 9 Stunden produziert = 7-7096 2" 00, = 3-935 Liter. Pro Stunde produziert = 0-8566 8" CO, = 437 m, 5 5. »# und 100/588 y —:0:2782091 min 142% „ „ nacmı „ = 0.1822 „ „ = 95 „ 458 Erica GÖöTscH: Tier YA b) Kälteversuch vom 14. VIII. 1911. Versuchstemperatur 5-0°C. Dauer des Versuches 7 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Hungern 594 8m, Tier hat vor dem Versuche gehungert 24 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Versuche By Er „ ” ” nach ” „ 472 „ Gewichtsverlust des Tieres während des Versuches 498m, Mittelgewicht nr a N Oberfläche h; HR OND A, Rektaltemperatur ‚, „ vor dem Versuche 35-3" ©. 5 n „ mach ,, 7 35-80 C. Anfangslauge. Gesamtvolumen 500°". 50m — 0.141687 CO,. 500° = 1.4160: CO,. Endlauge. Gesamtvolumen 1000". 50° m — 0.477628 00,. 1000“ = I-55302"" CO,. CO, der Endlauge U e » » Anfangslauge =1-4160 „, In 7 Stunden produziert = 8-1370 8% CO, = 4.153 Liter. Pro Stunde produziert = 1.162 Em CO, = 593 e „Se unds700e, e — 0.2332), „enable ” ” D) yelin ” = 0:10), „ =’, Miller KV. b) Kälteversuch vom 16. VIII. 1911. Versuchstemperatur 5-0°C. Dauer des Versuches 9 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Hungern 460 8%. Tier hat vor dem Versuche gehungert 24 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Versuche 387 87, „ „ ) nach „ „ Pr 368 „, Gewichtsverlust des Tieres während des Versuches 198%, Mittelgewicht I Basen. Oberfläche e Ra gan. Rektaltemperatur „, „ vor dem Versuche 37.5° C. „ ” ” nach ” „ 36-0°C. Anfangslauge. Gesamtvolumen 500°", 50° m — 0-14165°m CO,. 500°"® = 1-41602M CO,. Endlauge. Gesamtvolumen 1000°®. 50m = 0.485957 CO,. 1000" = 9.719087 CO,. CO, der Endlauge —= 9.7190 89, »„ » Anfangsslauge = 1-4160 „ In 9 Stunden produziert = 8-3030 8% CO, = 4-2376 Liter. Pro Stunde produziert = 0.9225 5% CO, = 471°. „ »und> 10085 N — 02430 ne apa 6%) ” ” 1 Kann ” 0» 1803 ” b) 92 ” RESPIRATORISCHER STOFFWECHSEL UND KÖRPEROBERFLÄCHE. 459 Tier O0. b) Kälteversuch vom 18. VII. 1911. Versuchstemperatur 5-0°C. Dauer des Versuches 8 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Hungern 442 sm, Tier hat vor dem Versuche gehungert 24 Stunden. Gewicht des Tieres vor dem Versuche aba „ „ „ nach „ „ 346 „ Gewichtsverlust des Tieres während des Versuches 21 m, Mittelgewicht 5 a ranb ei Oberfläche br „ ‚das Rektaltemperatur „ „ vor dem Versuche 35-70. ”„ „ ” nach ”„ „ 36 ? 2° C. Anfangslauge. Gesamtvolumen 500m, 50° m — 0.141638 CO,. 500° m — 1.41608m Co,. Endlauge. Gesamtvolumen 1000°". 50°" — 0.409458 00,. 1000" — 8.1896: CO,. CO, der Endlauge — SB 2 Anlansslauge —1.-A160,, In 8 Stunden produziert = 6-7736 sm 00, = 3-457 Liter. Pro Stunde produziert = 0.8467 8" CO, = 432m, . as und, 100,277 sy le Dal nn rlalere „ 2) 2) jdn „ — 417242, Re, Die vorstehende Arbeit wurde in der Klinik für Kinderheilkunde der allgemeinen städtischen Krankenanstalten zu Düsseldorf angefertist. Dem Direktor des Institutes, Hrn. Prof. Dr. Schlossmann für das bereitwillige Entgegenkommen und dem Chemiker, Hrn. Dr. phil. H. Murschhauser, für das rege Interesse und die liebenswürdige Unterstützung mit Rat und Tat auch hier meinen tiefen Dank auszusprechen, ist mir ein aufrichtiges Bedürfnis. Einfluß der kardiopneumatischen Bewegung auf die Stimme und Stimmgebung. Von C. N. Stewart. (Aus dem H.K. Cushing-Laboratorium für experimentelle Medizin, Western Reserve University, Cleveland.) Ich habe die interessante Mitteilung von Dr. Toshihiko Fujita über diesen Gegenstand! eben gelesen. Fujita bemerkt: „die bei der Stimm- gebung .... auftretende pulsatorische Druckschwankung im Ansatzrohr und zumal ihre Einflüsse auf die Stimmgebung, Stimmstärke und Stimm- höhe scheinen noch wenig berücksichtigt worden zu sein“. Ich habe indessen in meinem Lehrbuch der Physiologie? bei der Beschreibung der kardio- pneumatischen Bewegungen die Erscheinung mit den folgenden Worten erwähnt: „One interesting way in which the cardiopneumatic movements may reveal themselves is by a variation with each beat of the heart in the intensity of a note prolonged in singing, especially after fatigue has set in.“ Meine Aufmerksamkeit war zuerst auf diese Erscheinung gerichtet durch eine mündliche Mitteilung von Dr. B. B. MeElhaney, Youngstown, Ohio, damals Student bei mir im plıysiologischen Kursus und Student der Medizin in der hiesigen Universität. Er hatte beobachtet, daß er, wenn er müde war, genau mit den Pulsschlägen synehrone Schwankungen der Stimmstärke wahrnehmen konnte, wenn er seine Stimme in beliebiger Höhe längere Zeit hielt. Der betreffende Herr war ein geschulter Sänger. Er betont, daß er die Erscheinung beobachtet hat bloß wenn er müde war, und er hat mich um eine Erklärung gefragt. In meiner Erklärung habe ich das Phänomen als kardiopneumatische Bewegung aufgefaßt Seitdem habe ich regelmäßig in den Vorlesungen diese Erfahrung zitiert, und zwar unter anderem Zusammenhang, nämlich als Beispiel der Feinheit der Regulierung von „skilled“ Bewegungen. Dieser erfahrene Sänger konnte die Bewegungen des Stimmapparates so beherrschen, daß die kardiopneu- matischen Schwankungen des Luftstromes unter gewöhnlichen Umständen vollständig kompensiert waren, wenigstens soweit, daß sein empfindliches Ohr sie nicht mehr wahrnehmen konnte. Es ist ganz verständlich, daß der ermüdete neuromuskuläre Apparat nicht mehr imstande war, eine voll- ständige Kompensation zu erreichen. ! Dies Archiv. 1912. Physiol. Abtlg. S. 46. ” Manual of Physiology. london: Bailliere, Tindall and Cox. 3. Aufl. 1898. p-117, und in allen folgenden Auflagen mit Einschluß der letzten (sechsten), 1910, p.118. Über die scheinbare Form der sogenannten Horizontebene. Von Wilh. Filehne. Die folgenden Ausführungen und Beobachtungen stehen im unmittel- baren Zusammenhange mit meinen Veröffentlichungen über die scheinbare Himmelsform. Sie stellen eine Vervollständigung und Festigung des dort Gegebenen dar. Erst durch die methodische Hinzunahme der Vorstellung vom Aussehen der Horizontfläche vervollständigt sich das optische Weltbild, das sich für uns aus Himmel und Horizontfläche zusammensetzt. Einleitung. Im raumphysiologischen und raumpsychologischen Erörterungen wie im täglichen Leben wird von einer „Horizontebene“ und von „Horizont- radius“ gesprochen, obwohl man sich sehr wohl bewußt ist, daß in Wirk- lichkeit die Horizontfläche keine Ebene, sondern eine Kugelkalotte ist. Die einen abstrahieren von der Konvexität dieser Fläche im Hinblicke auf die Geringfügigkeit der Krümmung, d. i. wegen der Kleinheit des Winkel- bogens, den ihr Durchmesser ausmacht im Vergleich zu der überwältigenden Größe des Durchmessers und der Gesamtoberfläche der Erde. Die anderen wollen mit dem Worte „Ebene“ offenbar zum Ausdrucke bringen, daß aus eben jenen Gründen die Horizontfläche uns Menschen als horizontale Ebene erscheine. Wir werden feststellen, daß die Horizontfläche, als ein Ganzes erfaßt, uns nicht als horizontale Ebene erscheint. Es gibt nun sehr viele Gelegenheiten und Beziehungen, in denen un- bedenklich von Horizontradius und Horizontebene nicht nur gesprochen, sondern auch mathematisch-rechnerisch vorteilhaft Gebrauch gemacht werden 462 WiILH. FILEHNE: darf. Da wir indes das Bild eben gerade der Horizontfläche in Unter- suchung ziehen wollen, so mögen zuvörderst die realen, die physikalisch- seographischen Verhältnisse dieser Fläche ins Auge gefaßt werden. Zur Vereinfachung betrachten wir die Erde als eine vollkommene Kugel. In den elementar-geometrischen Figuren werden wir — wie in Fig. 1 — einen Durchschnitt, also einen Kreis oder einen Teil eines Kreises geben. An der Fig. 1 wollen wir zunächst einige Stücke be- sprechen, die im Laufe der folgenden Ausführungen uns stets wieder be- segnen werden und deren Bezeichnungen durchgehends beibehalten werden sollen. 47 ist der Mittelpunkt des Kreises, der hier die Erde bedeutet. C ist der Punkt der Erdoberfläche, über dem vertikal sich das Auge des Beobachters befindet. MC=MA=MB=MD, =MD, ist der Erdhalb- messer 7%, bekanntlich gleich 858-5 deutsche Meilen = 6370 m. O ist Fig. 1. der Knotenpunkt des beobachtenden Auges; die vertikale Strecke CO, also die Höhe des Auges über der Erdoberfläche (z. B. Meeresfläche) sei variabel; sie wird durchgehends mit A bezeichnet. Vom Punkte O aus seien nach allen Richtungen Tangenten an die Erdkugel gelegt, als deren Repräsen- tanten in unserer Figur OD, und OD, figurieren. Die „Länge“ dieser Tangenten, d.i. eben die Strecke OD, (bzw. OD,) heiße stets a. Sie ist mit A variabel. Es stelle die Linie 7, OA, die durch den Augenknoten- punkt gelegte Horizontalebene — den sogenannten „scheinbaren Hori- zont“ dar; auf ihr steht also MO senkrecht. Der Winkel 7 OD,, der von uns durchgehends mit 7 bezeichnet werden wird, ist die sogenannte „Depression des Horizontes“ oder „Kimmtiefe“. Dieser mit % (und a). variable Winkel wird um so größer, je höher das Auge über die Erdober- fläche (Meeresfläche) gelangt, d. i. je größer A wird. Je größer dann aber h wird, um so mehr rückt D, nach A (und D, nach 2) hin, um schließlich mit A (bzw. B) zusammenzufallen, sobald A= oo wird. Der Bogen D,CD, repräsentiert das von O überblickte Areal, d.i. die Horizontfläche. Auf der ÜBER DIE SCHEINBARE FORM DER SOGENANNTEN HORIZONTEBENE. 463 Erdkugel liegen die Punkte D, und D, mit den übrigen Berührungs- punkten der von O aus an die Kugel gelegten Tangenten auf einem Kreise, der die Grenze der Horizontfläche bildet und „natürlicher Horizont‘ (wohl auch „Horizontrand“) heißt. Was ist nun in unserer Figur 1 Hori- zontradius, Horizontdurchmesser? Der Durchmesser des Kreises „natür- licher Horizont“ würde gefunden, wenn man D, mit D, geradlinig ver- bände Aber die Linie D,.D, würde unter der Erdoberfläche liegen; sie würde von O aus gar nicht gesehen werden, während doch das, was man „Horizontradius“ zu nennen pflegt, der sichtbare auf oder in der Erdober- fläche liegende Halbmesser der als kreisrunde Ebene aufgefaßten Horizont- fläche sein soll. Daher kommt in Wirklichkeit — weil eben die Horizont- fläche keine Ebene ist — als Horizontradius nur entweder der Bogen OD, (bzw. C.D,) oder die Tangente OD, (OD,) in Betracht. Solange Ah (die Augenhöhe) im Vergleiche zum Erdradius % sehr klein ist, solange also A nur solche Höhen bedeutet, wie sie ein Beobachter durch Bergbesteigung, mittels Luftballon usw. wirklich erreichen kann, also weniger als 15000 " (während = 6.37 Millionen Meter), sind der Bogen OD, und die Tan- gente a, also OD,, praktisch als gleich lang zu behandeln (wobei a in Wirklichkeit etwas größer als der Bogen ist). Es berechnet sich nämlich beispielsweise die Länge des Bogens CD, beiy=1°, d.i. bei einer Aus- sichtshöhe von beinahe 4 = 1000” auf (s. w. unten) #-0.017453, während die Tangente a= R.0-017455 (= etwa 112000”), was einen Unterschied von zwei Millionstel des Erdradius, etwa 12” ergibt, also praktisch doch ohne Bedeutung ist. Aber selbst beiy= 10°, d.i. bei fast 100000" Höhe, — einer Höhe, die ein lebender Mensch nicht erreichen kann, würde der Unterschied zwischen Bogen CD, und Tangente a nur 1 Prozent be- tragen (a=1123*"®, Bogen CD, =1111-7w). Da nun die Tangente (a) als gerade Linie sich bequemer der Konstruktion und Rechnung fügt, so wählen wir sie als „Horizontradius‘“, d.h. a repräsentiert alsdann den Radius der von der Höhe A aus genossenen Rundsicht. Will man aber für Höhen, deren Maß gegen den Erddurchmesser nicht mehr vernachlässigt werden darf, den Halbmesser der supponierten Rundsicht, also den „Horizontradius“ berechnen, so muß man die mit A wachsende Länge des Bogens OD, nehmen. Während nämlich Ah, und mit ihm a, bis ins Unendliche wachsen kann, ist dem Bogen ein bescheidenes Längenmaximum gesetzt: für ı = geht Bogen CD, in Bogen 04 über und wird =R., =1348 deutsche Meilen = 10000'®, während a=o0. Schon bei A= R wird a= 1487 deutsche Meilen, d.i. schon etwas mehr als das überhaupt erreichbare Längen- maximum des Aussichtshalbmessers (Horizontradius), das eben durch Bogen CA repräsentiert ist. Solange es sich aber um Höhen handelt, die 464 WıILH. FILEHNE: wir Menschen erreichen können, dürfen wir unbedenklich die Tangente als Horizontradius nehmen. Die Größe a ist einfach zu berechnen. Wenn wir (s. Fig. 1) den Erd- mittelpunkt M mit D, verbinden, so steht der Erdradius MD, senkrecht auf der Tangente OD,. Im (rechtwinkligen) Dreiecke MOD, ist also MO?=MD,?+OD,?d.h.(R+h)?= R?+a?, also a = (R+h— R?=2Rh+R?; a=Y2Rh + h? oder a= Yh(2R +). Ebenso kann für jede Höhe % der Winkel D,OH, =, d.i. die De- pression des Horizontes, berechnet werden. Der Winkel MOZ, (s. Fig. 1) ist ein rechter; in dem rechtwinkligen Dreiecke MOD, ist also Winkel NO = no; daher Winkel OMD, =, also cos, = = a Man kann aus Dreieck MOD, auch a, d.i. OD,, zur Berechnung von z heranziehen: tg, = = Auch ist Bogen CD, gleich . Mit Hilfe von z kann also auch die Länge des Bogens CD, berechnet werden, da der Bogen eines jeden Winkelgrades in jedem Kreise 0.017453 des Kreisradius (hier R), — was für diejenigen Höhen von Bedeutung wird, für die nicht a, sondern die Länge des Bogens CD, als Horizontradius zu nehmen wäre. Mit der Berechnung des „Horizontradius“ = «a wäre die Feststellung der für eine bestimmte erreichbare Höhe Ah in Betracht kommenden Aus- sichtsweite nur dann erledigt, wenn die terrestrische Refraktion, die Um- biegung der Lichtstrahlen durch die verschieden dichten Luftschichten nicht in Rechnung zu bringen wäre. Wenn (s. Fig. 1) unser Auge sich in O befindet, sieht es aber nicht bloß bis D,, sondern es sieht infolge der Re- fraktion auch noch Bodenflächen, die hinter D), — nach A zu — liegen, weil die Lichtstrahlen aus der Tiefe nach der Höhe unserem Auge zu ge- brochen werden. Der numerische Wert des dem Bogen CD, hierdurch erwachsenden Gewinns ist nacb Gauß 0.065 — (also rund !/,,). Solange wir die Differenz zwischen der Länge des Bogens CD, und der der Tan- gente a vernachlässigen dürfen, dürfen wir also auch die Korrektur „+0.065“ bei a selbst vornehmen. Statt der so sich ergebenden «.1-065 wollen wir in unseren Berechnungen schreiben: a’. Dann können wir die oben be- sprochene Gleichung: «= Yh?+2Rh für a’ benutzbar machen, wenn wir eine der Fig. 1 analoge Konstruktion — Fig. 2 — wählen, die die Erde nicht so darstellt, wie sie tatsächlich ist, — nämlich mit terrestischer Re- fraktion, sondern als eine atmosphärenlose Kugel (Kreis) vom Radius CM’, an die von O aus, bei der bisherigen Größe von CO = h (wie in Fig. 1), eine Tangente OD’, von der Länge a’ = a.1.065 angelegt ist, — wie dies eben Fig. 2 zeigt, in der der Punkt C' beiden Kreisen gemeinsam ist; — der alte hat die Tangente OD, = a, der neue größere die Tangente a’. Der ÜBER DIE SCHEINBARE FORM DER SOGENANNTEN HORIZONTEBENE. 465 Radius COM’ des neuen Kreises heiße A. Sein Wert ergibt sich aus der gültigen Gleichung: « = Yh?+2R’h, also «= h?+2Rh, und daher KR Mh : a*.1-134225 — A? 2h 2h F Radius X’) würden wir also ohne Refraktion bis D’, — d.h. eine Strecke = 1.065 CD, am Erdboden sehen können, also genau so weit, wie wir jetzt auf unserer kleineren Erde infolge der Refraktion sehen. .%” verhielte sich zu R wie der Bruch _® zu ® ES WE 2h 2h R a: — h? Auch der Winkel y — die Horizontdepression (Winkel 4,OD, in den Figg. 1 und 2) — wird durch die terrestrische Refraktion in der Auf dieser „scheinbaren“ Erde (mit dem , also H. Fig. 2. Wirklichkeit verändert; — er wird, wie man in Fig. 2 sieht, verkleinert; denn da, bei Vorhandensein der Atmosphäre, für unser Sehen der Punkt C durch die Refraktion nicht verschoben, dagegen die ferneren Boden- punkte um so mehr gehoben werden, je mehr sie nach D, hin und bis um 0.065 CD, über D, hinaus liegen, so muß die Depression fürs Sehen abnehmen. Daher ist denn auch in Fig. 2 an der atmosphärenlosen „Kugel“ (mit Radius 2’, d. i. 4’D’,) der Winkel D’,OA,, den wir y nennen wollen, kleiner als „ d.i. D,OH,, und OD‘, liegt oberhalb von OD,. Der Winkel z' ist, wie man aus Fig. 2 ohne weiteres entnehmen kann, zu be- rechnen aus der Formel tgy = _ (oder auch aus: cosy’ = Er) Hier- mit besitzen wir das Rüstzeug für die von uns vorzunehmende Prüfung. Archiv f. A. u.Ph. 1912. Physiol. Abtlg. 30 466 WıLH. FILERNE: I. „Natürlicher Horizont“ (Horizontrand) und die Abhängigkeit seiner Formerscheinung von der Aussichtshöhe. Da die Erde uns als eine vollkommene Kugel gelten soll und da das von O aus (Fig. 1) überblickte Areal — die Horizontfläche — eine Kugel- kalotte ist, so ist objektiv die Grenze dieser Kalotte selbstverständlich ein Kreis — gleichviel, ob wir die Erde, wie sie ist, in Betracht ziehen, — nämlich mit Atmosphäre und terrestrischer Refraktion, oder ob wir sie uns atmosphärenlos mit dem Radius 2%’ vorstellen. Hieraus folgt aber keines- wegs, daß diese Grenze — also der Horizontrand oder der „natürliche Horizont“! — uns als Kreis auch erscheinen müsse, wie von den Autoren als ebenfalls selbstverständlich allgemein hingenommen wird. Denn im „Weltbilde“ erscheint uns bekanntlich manches anders, als es in Wirklichkeit ist. Nun erscheint uns der Horizontrand tatsächlich als Kreis.” Hieraus aber folgt wiederum nicht, daß er uns deswegen als Kreis erscheine, weil er tatsächlich ein Kreis ist. Daß diese Vorsicht im Schließen wirklich ge- boten und daß eine besondere Untersuchung über die Entstehung unserer Vorstellung, der Horizont sei ein Kreis, wirklich notwendig ist, läßt sich leicht zeigen. Nehmen wir an, unser Erdboden sei eine ins Unendliche ausgedehnte Ebene — oder, um mehr bei der Wirklichkeit zu bleiben: der Halbmesser der Erde sei so groß, dab wir bei 2” Augenhöhe etwas weiter als 10 = blicken könnten. Wir wollen — der Einfachheit halber — die überblickte Fläche als Ebene gelten lassen. Die Figg. 3a und 3b mögen die Verhält- nisse einigermaßen veranschaulichen. O sei unser Auge, 0O0=2=, Die horizontale Linie CN repräsentiere 10000”. OO steht senkrecht auf CN; die obere Linie (OZ) ist parallel zu CN. Über N hinaus ins Unendliche verlängert, würden sich diese beiden Linien also im Unendlichen „schneiden“. Dementsprechend würde eine bei © beginnende, unendlich lange sagittale Strecke des Bodens unter 90° gesehen werden. Die Strecke ON = 10 = wird unter einem um Winkel ZON = « geringeren Sehwinkel, also unter 5 — c« gesehen. Ebenso groß wie Winkel ZON (= «) ist aber der Winkel ONC, der im Dreieck CO NO die Winkel von 90° und 90° —.a zu 180° ergänzt. In diesem rechtwinkligen Dreiecke sind bekannt: Kathete OC = 2%, ı Als „wahrer Horizont“ wird bekanntlich die horizontale durch den Mittel- punkt M (und durch A und B) gehende, zu MC senkrecht stehende Ebene bezeichnet s. Fig. 1); es ist dies der astronomische Horizont. ® Von schmalen, langgestreckten Inseln aus (F. Bernstein) erscheint er als eine Ellipse, deren große Achse mit der Achse der Insel zusammenfällt. Die Einzelheiten des Erdbodens der Insel bedingen, daß diese im Vergleich zur einförmigen Wasserfläche den Durchmesser scheinbar verlängert. ÜBER DIE SCHEINBARE FORM DER SOGENANNTEN HORIZONTEBENE. 467 Kathete CN = 10000” und der rechte Winkel OCN. Dann ist Winkel « (ONC) zu berechnen aus tge« = -. . Das ist & = 0°0°’41”. Die ganze unendliche Strecke, die jenseits von N zu liegen hätte, würde also unter einem Winkel von 41” gesehen werden. Aber „Linien“, Strecken, Ent- fernungen, deren Bilder unter weniger als 50° auf die Netzhaut fallen, treffen nur einen einzigen „Empfindungskreis“ bzw. Zapfen oder Stäbchen und werden als elementar kleines Fleckchen (fälschlich als „Punkt“) und nicht als linear ausgedehnt empfunden.! Wenn aber infolge der Organisa- Im——= MNagsskeorb Bin Du I a eher, Er) „ Samgn if TARA IS a8 Fig tion des menschlichen Auges eine unter 50” abgebildete Strecke nicht mehr als ausgedehnt empfunden wird, so schrumpft von der über N hinaus ver- 1 Sollte dieses Maß von 50” sich dereinst als zu groß genommen erweisen, so würde der Horizontradius im folgenden entsprechend größer zu bemessen sein. — Es sei noch nebenbei darauf hingewiesen, daß mit dem Aufhören der Empfindung linearer Ausdehnung nicht etwa die Wahrnehmung eines wirklichen „Punktes“ gegeben ist. Wir können keine „Punkte“ (so wenig wie „Linien«), sondern nur Fleckchen aus dem Mosaik wahrnehmen; diese Fleckchen sind allseitig (minimal) ausgedehnt, haben keine lineare Ausdehnung in einer bestimmten Richtung. — Keineswegs schließt übrigens der Umstand, daß die lineare Ausdehnung bei einem Sehwinkel von (unter) 50” auf- hört, es aus, daß ein Spinnengewebsfaden, dessen Breite aus einer gewissen Nähe, z. B. unter 5’, auf der Netzhaut abgebildet wird, nicht wahrgenommen werde. Der Faden wird tatsächlich wahrgenommen, aber ohne daß die Breite als linear ausge- dehnt erfaßt würde. 30* 468 WILH. FILEHNE: Jängerten sagittalen Strecke CN infolge der perspektivischen Verkürzung nicht nur die unter 41” gesehene unendlich lange Verlängerung, sondern auch noch von CN selbst der letzte, unter 9” gesehene, vor N gelegene Abschnitt zu einem „Punkt“ — für das Sehen also zu nichts — zusammen. Wie groß ist nun dieses letzte, auf der Strecke ON, gegen N hin gelegene Stück, das, unter 9” gesehen, zusammen mit der unter 41” gesehenen un- endlichen Strecke als nichts erscheint, weil Bilder von 41” + 9” = 50” nicht als ausgedehnt empfunden werden? Sie ist 1?/,*®. Bezeichnen wir nämlich denjenigen bei © beginnenden Teil der Strecke CN, der als aus- gedehnt erkannt wird, mit x, so ist x die eine (lange) Kathete in einem rechtwinkligen Dreiecke (s. Fig. 3), dessen andere (kleinere) Kathete % (in unserem Falle = 2”) ist, während der der Kathete x» gegenüberliegende Winkel = 90° — 0° 0°50” = 89° 5% 10°, und der der Kathete A (2%) gegenüberliegende Winkel = 50”. Dann ist x = -. im vorliegenden Falle « = En = 8250-6” = 81/,%®, Also würden auf der Erde, wenn sie eine unendlich ausgedehnte Ebene wäre, nur die vorderen 8!/,®“ als „aus- sedehnt“ — alles übrige überhaupt nicht als linear ausgedehnt gesehen werden; oder wenn etwa unser Planet so groß sein sollte, daß wir von 2m Höhe seine objektive Fußbodengrenze mittels Fernrohr in 10®= er- kennen, d.h. daß wir dort z. B. den letzten Rest der Meeresfläche (nicht etwa ein aufragendes Gebilde oder gar einen Himmelskörper) sehen, — so würde für das unbewaffnete Auge, bei 2% Höhe, der Horizontrand trotz- dem in 8!/,®® Entfernung liegen: wir würden also nicht den objektiven, 10%” entfernten Horizontraud, sondern einen subjektiven erfassen, dessen objektive 'Grenze 8!/, *® vom Auge entfernt liegt. Und da dies beim Umbher- schauen ringsherum in gleicher Weise erschiene, so würden wir einen kreisförmigen „natürlichen Horizont“ von 81/,%® Radius vor uns haben. Das gleiche würde aber selbst dann der Fall sein, wenn in 10 &= die objektive Grenze statt eines Kreises ein Fünfeck oder sonstwie gestaltet wäre, sofern nur der uns nächste Punkt des objektiven Horizontrandes weiter als 81/, =® von uns abläge. Und wenn die Erde tatsächlich eine Kugel und der Horizontrand tatsächlich ein Kreis mit einem Radius von 10%® wäre, so würde die Form unseres subjektiven Horizontrandes, d.h. der Kreis mit einem Halbmesser von 81/,*“, zu jenem objektiven Kreise in gar keinem Zusammenhange stehen. Es fragt sich jetzt, ob wir auf unserer Erde von 2” Augenhöhe aus einen objektiven Horizontkreis von mehr als 8!/,=® Halbmesser vor uns haben. Dies ist nun nicht der Fall. In der besprochenen Weise be- rechnet, ergibt sich für 2% Augenhöhe ein Horizontradius von nur 5.384, Tatsächlich ist also die Organisation unserer Netzhaut usw. nicht die Ur- ÜBER DIE SCHEINBARE FORM DER SOGENANNTEN HORIZONTEBENE. 469 sache, daß wir in 5-384km (mit Berücksichtigung der Refraktion ?/,, mehr) einen Kreis wahrzunehmen vermeinen. Wäre die Erde aber eine noch etwas größere Kugel, so würde die Netzhaut daran schuld sein. Je höher wir uns übrigens erheben, um so unschuldiger wird die Netzhaut an der Kreis- form: bei 100" Aussichtshöhe berechnet sich z. B. der Horizontradius a (die Tangente) auf 36.10644*m (mit Refraktion auf 38-453%m), während das Ende unseres Sehens auf der Fläche des Horizonts unter dem Ein- flusse der perspektivischen Verkürzung nach der Gleichung x — h= 100” erst bei 412-5" gelegen wäre. Ist jetzt endlich der Beweis geliefert, daß der Horizontrand deswegen uns als Kreis erscheint, weil er tatsächlich ein Kreis ist? Nein! Nur daß uns dort die Grenze erscheint, rührt daher, daß sie objektiv dort ist; nicht aber weil sie ein Kreis ist, erscheint sie uns als solcher. Ich darf mir den dialektischen Nachweis hierfür ersparen, da sich experimentell zeigen läßt, daß wir von den für uns erreichbaren Höhen aus weder die Kreisform noch überhaupt eine Krümmung des objektiren Horizont-, randes sehen. In einer vor kurzem veröffentlichten Arbeit! hatte ich in dieser Be- ziehung mich zu äußern. In freier „Ebene“ oder auf und an der See sehen wir den Horizontrand bei ruhendem Blicke nur zu einem Teile und nicht als ein Ganzes; die Hauptsache aber ist, daß dieses Teilbild von allen Menschen schlechterdings nicht anders denn als eine gerade horizontale Linie gesehen wird, — was man an Landschafts- und Marinegemälden sich bestätigen kann. Der Horizontrand muß als gerade horizontale Linie gezeichnet werden, wenn wir in der Zeichnung die Wirklichkeit wieder- erkennen sollen, — denn nur dann bildet sich die Zeichnung auf unserer Netzhaut so ab, wie die Wirklichkeit — der Horizontrand — sich auf ihr abbilden würde. Ich füge hinzu, daß wir den Blick sogar nach rechts und links wenden dürfen (das monokulare Gesichtsfeld umfaßt in horizontaler Riehtung etwa 140°, das horizontale Blickfeld 260°), sofern wir nur Kopf und Rumpf unbewegt halten — und trotzdem erscheint uns keine Krüm- mung. Erst wenn wir Kopf oder Rumpf wenden, entsteht in uns die Vorstellung von der kreisförmigen Krümmung des Horizontrandes. „Gesehen“ wird keine Krümmung, kein Kreis, — notabene von den ge- ringen Höhen aus, zu denen wir Menschen uns erkeben können. Die etwaigen Bewohner des Mondes dagegen „sehen“ den Erdhorizont selbst- verständlich kreisförmig (wegen der polaren Abplattung richtiger: elliptisch). Und schon von viel bescheidenerer „Höhe“, z. B. von 1000*“ aus, bei einer h tg 50” ‚„ wenn ! Dies Archiv. 1912. Physiol. Abtlg. S. 6. 470 WıLH. FILEHNE: Horizontdepression von „= etwa 30° würde man die Erde als „Kugel“ (Sphäroid), d.h. mit kreisrundem Kontur sehen und zwar ohne den Blick wenden zu müssen, da sie hier unter 140° gesehen wird, also das Gesichts- feld eben gerade ausfüllt. (Sie würde hier im Durchmesser 280mal [in der Fläche über 70000mal] so groß erscheinen als der Mond uns erscheint.) Aber schon bei sehr viel geringeren Höhen muß die Krümmung des Hori- zontrandes erkennbar sein. Doch hiervon später. Bei Augenhöhe von z. B. 2” his 2000” und weit darüber „sieht‘‘ man dagegen keine Krümmung, und trotzdem erscheint hier der „natürliche Horizont“ als Kreis — nämlich wenn man sich umschaut —, sonst nicht. Es handelt sich hier also um eine mechanisierte sekundäre, auf Erfahrung beruhende Vorstellung: weil wir ringsum den Horizont als gerade horizontale Linie vor uns sehen, „muß“ uns —, so sind wir gezwungen uns vorzustellen, — ein Kreis umgeben. Man kann indes in noch schärferer Weise — experimentell — zeigen, daß wir von den erreichbaren Höhen aus am Horizontrande keine Krüm- mung sehen, und auch, wieso dies so ist. Der eigentliche Versuch, den ich vorführen werde, ist etwas umständlich und erfordert freies Feld und mancherlei Vorbereitung und Hilfsmittel. Im Prinzip genügend belehrend und beweisend, läßt er sich in kleinerem Maß- stabe in folgender Art anstellen. Man nehme den dritten Teil eines möglichst großen kreisförmigen Tonnenbandes.. In einem dem Radius des Tonnenreifens gleichen Abstande stelle man vor sich einen Gehilfen auf, der das Reifenstück in der Mitte mit der Hand faßt. Da jegliche stereo- skopische Wahrnehmung ausgeschaltet sein muß (was im Freien bei der großen Entfernung des Horizonts ja ohnehin gewährleistet ist), darf die Be- trachtung nur mit dem einen Auge vorgenommen werden. Der Gehilfe hält seine Hand in Augenhöhe der Versuchsperson. Wenn er das Reifenstück der Schwere nach ins stabile Gleichgewicht sinken läßt, wobei sich die Höhlung des Bogens nach unten kehrt, sieht die Versuchsperson die Krümmung am Bogen deutlich. Sobald aber der Gehilfe die Kon- kavität des horizontal gehaltenen Bogens dem Beobachter zudreht, sieht dieser — falls es ihm gelingt, alles monokular-stereoskopische Sehen zu unterdrücken, — die Krümmung nicht mehr, sondern einen geraden horizontalen Streifen. Bleibt jetzt die Hand des Gehilfen und der Reifen in der bisherigen Lage und Höhe, während der Beobachter sich mehr und mehr erhebt (Zunahme von A = Höhe und Zunahme der „Depression“ des Reifens, die wir auch mit ,z“ bezeichnen wollen), so erkennt dieser die Krümmung mehr und mehr. Der Leser sieht, worauf der eigentliche Versuch hinausgehen muß. Das Längenmaß des Krümmungshalbmessers und hiermit die Entfernung ÜBER DIE SCHEINBARE FORM DER SOGENANNTEN HORIZONTEBENE. 471 des Beobachters von jenem Kreisbogen (von etwa 120°) muß stark ver- größert werden, damit alles stereoskopische Sehen beseitigt sei. Ich brauche wohl kaum die Ausführung des Versuches genauer zu schildern. Sobald die Konkavität des in Augenhöhe horizontal aufgestellten, fernen Kreis- bogens dem Beobachter zugewandt (oder abgewandt) ist, wird der Kreis- bogen ohne weiteres zur horizontalen geraden „Linie‘ (Streifen). Erst in dem Maße, als — bei feststehendem Bogen — der Beobachter sich mehr und mehr in die Höhe erhebt (Zunahme von Ah und „z“), wird die Krüm- mung deutlich — nach meinen messenden Versuchen erst bei etwa 3° des Winkels „. Diese Messung wurde mit einem Fadenkreuzfernrohr an- gestellt, das eine vertikale winkelmessende Skala mit Nonius trägt (einer sog. Kippregel). Erst bei dieser Depression von 3° wird auch der Punkt erreicht, an dem man bei freiem, unbewaffinetem Auge beginnt sinnlich wahrzunehmen, daß jener Bogen nicht mehr in Augenhöhe, sondern tiefer liege. Also sowohl die „Depression“ als auch die „Krümmung“ werden erst augenscheinlich, wenn die Depression mindestens 3° beträgt. Die Er- klärung hierfür liegt auf der Hand. Von dem in Augenhöhe die Kon- kavität uns zukehrenden Kreisbogen wird auf unserer Netzhaut ein gerad- liniges Bild entworfen. Wenn — wie am natürlichen Horizonte — alle stereoskopischen und perspektivischen Merkmale fehlen (und dies ließ sich im Eperimente ebenfalls erreichen), so müssen wir dieses geradlinig ab- gebildete Objekt für geradlinig halten. Bleibt das Objekt in seiner Lage, während wir uns in vertikaler Richtung erheben, so ändert sich die Pro- jektion: das Netzhautbild erhält allmählich eine ganz schwache elliptische Krümmung, die bei weiterer Zunahme der „Depression“, d.h. bei weiterer Erhebung des Beobachters nach und nach einen höheren Grad erreicht, so daß dann die „Schwelle“ überschritten wird, von der an die Krümmung als von der geraden Linie verschieden eben schon erkannt wird. So muß es also auch beim natürlichen Horizonte lediglich von der Winkelgröße der Depression abhängen, ob er uns geradlinig oder gekrümmt erscheint. Solange dieser Winkel , kleiner als 3° ist, wird der Horizont — ent- sprechend meinem Versuche — geradlinig erscheinen müssen. Bei 100% Augenhöhe berechnet sich die Horizontdepression y (ohne Berücksichtigung der terrestrischen Refraktion) auf 0°1% 29”, bei 1000” auf 190754”, bei 5:m auf 2016°10”, bei 10% Höhe auf 3°12°30”. Infolge der Refraktion vermindert sich (s. Einleitung) dieser Winkel von 3°12’30” auf 3°1710”. Es ist übrigens fraglich, ob für so große Höhen die Gausssche Zahl 0-065 noch gilt. Auch ist meine Zahl 3° keineswegs scharf bestimmt, kaum auch scharf bestimmbar, weil wohl wechselnd mit Luft und Licht — und ver- mutlich individuell —, teils aus physiologischem, teils aus psychologischem Anlaß — etwas verschieden. Also darf man aussprechen: erst bei einer 472 WILH. FILEHNE: Höhe von etwa 10000” dürfte die Krümmung des Horizonts eben deutlich werden. Und nach meinen Versuchen zu schließen, wird bei der gleichen Höhe zugleich mit der Krümmung-auch das Vorhandensein der Depression ohne Hilfsmittel dem Sehvermögen unmittelbar erkennbar sein, d. h. wir werden erkennen, daß der Horizont tiefer liegt als unser Auge. II. Die scheinbare Form der Horizontfläche. Objektiv ist das Stück Erdoberfläche, das wir bei freier Aussicht von Höhen, die für uns Menschen erreichbar sind, zu sehen bekommen, eine Kugelkalotte, die ihre Konvexität nach „oben“ kehrt, Unter „Höhen“ ist auch die Augenhöhe von 1!/, bis 2% mit inbegriffen. Es fragt sich jetzt, wie diese Kugelkalotte uns erscheint. Drei Möglichkeiten liegen in erster Linie vor: entweder konvex, wie sie wirklich ist — und wir mitten oben auf der Höhe der Wölbung; oder eben, wie sie allgemein genannt wird; oder konkay —, und wir unten, mitten in der Vertiefung. Ch. Dufour will sie konvex gesehen haben. Er hat am Genfer See bei ruhigem klaren Wetter optisch eine konvexe Krümmung der Wasser- fläche dadurch nachweisen können, daß er im See die Spiegelbilder weit entfernter Objekte, wie Türme, Segelschiffe, verkleinert sah — gerade so wie in spiegelnden Gartenkugeln alles verkleinert gesehen wird. Er sagt: nachdem man eine Weile hingesehen hat, sieht man die Rundung der Erde ebenso deutlich, wie die einer Kugel, die man in der Hand hält. Ich habe kaum nötig, darauf hinzuweisen, daß hier, abgesehen von einer höchst interessanten- und wichtigen Beobachtung, seitens Dufours eine geistreiche Umschreibung in knapper Ausdrucksform vorliest. Dem Autor ist die Wasserfläche nicht als konvex „erschienen“, sondern er hat an ihr eine Erscheinung gesehen, die jeden Menschen zu dem Schlusse nötigt, daß sie konvex sein muß. Es handelt sich aber für uns hier nicht um Erkenntnisfragen, sondern um unmittelbare durch sinnliche Wahr- nehmung erzeugte Vorstellungen von eindringlicher, unwiderstehlicher Art — gleichviel ob sie Täuschungen sind oder der Wirklichkeit entsprechen. In diesem Sinne ist der Genfer See Dufour nicht konvex erschienen. Das gleiche gilt von der bekannten Tatsache, daß man auf See an fernen Schiffen bei Annäherung zuerst nur die Mastspitzen, Schlotröhren sieht, während der Schiffskörper zunächst noch unter dem Wasserspiegel verborgen ist. Auch dies führt zu der Erkenntnis, zu dem Urteils- schlusse, daß der Meeresspiegel kunvex sein müsse — aber der Meeres- spiegel erscheint nicht konvex. Auch als horizontale Ebene erscheint er uns nicht — trotz des allgemein gebrauchten Ausdruckes „Horizontebene“. Vielmehr erscheint er uns — aber wohlverstanden: beim Umherschauen ÜBER DIE SCHEINBARE FORM DER SOGENANNTEN HORIZONTEBENE,. 473 — konkav. Bei ruhendem Blick sieht man im großen und ganzen die Meeresfläche als nach dem Horizontrande zu aufsteigende Ebene, also nicht horizontal. Aber wie wir es für den Horizontrand erkannt haben, daß er — von Höhen unter 10%w aus gesehen — bei ruhendem Blicke geradlinig gesehen, beim Umherschauen als Kreis erscheint, — wie der Himmel bei ruhendem Blicke eine zur Blicklinie senkrechte Ebene, beim Umbherschauen als halbes Sphäroid erscheint, so gilt analog für die Horizont- fläche: die konkave Aushöhlung (Konkavität nach oben, während beim Himmel Konkavität nach unten) erscheint erst, wenn man umherblickt, den Kopf wendet, den Rumpf dreht. Dann aber entsteht die ein- dringliche Vorstellung, daß man sich auf der Horizontfläche wie in der Mitte eines nach oben offenen Uhrglasschälchens in der Vertiefung be- finde und nicht auf der Höhe einer Konvexität, wie es der Wirklichkeit doch entsprechen würde. Der Horizontrand erscheint uns vielmehr, als ob er in der Höhe unseres Auges läge und das Maß der Tiefe unseres Uhr- glasschälchens ist für uns unsere Augenhöhe. Wenn wir uns um 10%, 100% und mehr erheben, so erscheint die Aushöhlung um ebensoviel tiefer, — denn der Horizontrand erscheint auch dann noch in Augenhöhe und dementsprechend ist die Exkavation um so tiefer. Wir werden später zeigen, daß dieses Vertiefen bei weiterer Erhebung nicht etwa ins Un- begrenzte so fortgehe. Unter gewissen Verhältnissen kann diese — scheinbare — Aushöhlung der Horizontfläche zu einer geradezu verblüffenden Täuschung Anlaß geben. Z.B.: man befinde sich unmittelbar am Meere auf einem Turme; das Wetter sei klar, die See spiegelglatt; das Aussehen des Himmels und die Tagesbeleuchtung seien so, daB — was öfters vorkommt — das den Himmel wiederspiegelnde Wasser und der Himmel im wesentlichen gleiches Aus- sehen haben, — so daß der Meereshorizont sich vom Himmel nicht so recht abhebt. Am Horizonte segle oder dampfe ein Schiff, das wir noch nicht entdeckt haben. Wir blicken vom Turm hinunter in die Tiefe auf den Meeresspiegel, betrachten dort unten die Boote usw. Jetzt kommt uns der Gedanke, den Horizont aufzusuchen und wir lassen den Blick über die Wasserfläche gleiten: wir finden ihn nicht, — der Blick gelangt nicht bis zum Hintergrunde; er bleibt beim Suchen zu weit vorn, — bis wir endlich zu- fällig hoch oben „in der Luft“ jenes segelnde, dampfende Schiff entdecken. Die Erklärung dieses Mangels an Orientierung liegt ja nahe. Wir hatten in die Tiefe gebliekt und hatten von unserer Erhebung den Maßstab ge- nommen für die Tiefe, d.i. die vertikale Entfernung der Horizontalebene, die — unserer Meinung nach — dort unten liegt; daher suchen wir jetzt den Horizontrand tiefer, und weil mit der größeren Erhebung die Weite des Ausblickes zugenommen hat, müßten wir den Horizont in 474 WıuH. FILERNE: größerer Ferne suchen als wir es gewöhnt sind. Daß aber jenes Schiff so hoch und „in der Luft“ erschien, zeigt jedenfalls deutlich, wie mächtig die Horizontfläche für unser Sehen ausgehöhlt war. Bei dieser Gelegenheit möge kurz über den „Ort“ gesprochen werden, an dem jener Zuwachs sich einerseits wirklich befindet und andererseits zu befinden scheint, den das Aussichtsbild infolge der terrestrischen Refraktion gewinnt. In Wirklichkeit steht der Beobachter — nach seinen aus Schule und Überlegung gewonnenen Vorstellungen von oben und unten — in der Mitte der Horizontfläche, auf dem für ihn höchsten Punkte der für ihn sichtbaren nach oben konvexen Kalotte und der Zuwachs der Aussicht liest am tiefsten, ganz unten am äußersten Rande der Kalotte. Aus unserer obigen Schilderung ergibt sich, wie ihm die Sache erscheint: er selbst vermeint sich im tiefsten Punkte der ihm konkav erscheinenden Horizontfläche zu befinden und der durch die terrestrische Refraktion be- dingte Zuwachs erscheint am obersten Rande des Uhrglasschälchens. Es ist also alles vertauscht — nur die egozentrische Mitte ist geblieben. Welches sind nun die nächsten Gründe, die unmittelbar wirksamen Momente, die jene mit der Aussichtshöhe zunächst zunehmende scheinbare Aushöhlung der Horizontfläche bedingen? Wie schon betont, erscheint sie erst beim „Umherschauen“, d.h. wenn wir einerseits den Blick von unserem Fußpunkte zum Horizonte und von einer Seite zur anderen wandern lassen, andererseits aber auch den Kopf bzw. Rumpf um unsere Körperachse drehen. Bei ruhendem Blicke erscheint das gesehene Stück Horizontfläche (Meeres- fläche) als Ebene — und wie bereits gemeldet, als eine bei Fernblick im großen und ganzen zum Horizonte aufsteigende Ebene, — aber doch nur bei Fernblick. Wenn wir nämlich in die Nähe unseres Fußpunktes auf den „Boden“ blicken, vermeinen wir eine horizontale Ebene zu sehen und hierbei ist nicht bloß von derjenigen Bodenfläche gesprochen, auf der wir mit unseren Füßen stehen, sondern auch von der, die sich gegebenen- falls — wie die Meeresfläche — tief unter uns befindet. Der Winkel, den diese Ebene mit der Horizontalebene bildet, ist also gleich Null, beide sind parallel bzw. identisch. Fassen wir dann einen Punkt des Fußbodens (Meeresfläche) mit ruhendem Blicke ins Auge, der in der Mitte zwischen uns und dem Horizonte liegt, so scheint uns der Fußboden nach dem Horizonte zu aufzusteigen. Blicken wir hierauf nach dem sagittal vor uns liegenden Punkte des Horizonts selbst, so ist der Anstieg des FuB- bodens steiler als im vorigen Falle. Der Winkel, den der Fußboden mit der Horizontalebene zu bilden scheint, ist also bei vertikal nach unten ge- richtetem Blicke gleich Null und wächst, je weiter der Blick sich dem Horizonte nähert. DaB wir so sehen und daß die Wirklichkeit in dieser Weise zeichnerisch dargestellt werden müsse, wenn wir aus der Zeichnung ÜBER DIE SCHEINBARE FORM DER SOGENANNTEN HORIZONTEBENE. 475 den Eindruck eines horizontalen Fußbodens gewinnen sollen, hat schon Lionardo da Vinci und wahrscheinlich vor ihm manch anderer Meister der Perspektive gelehrt; — die Perspektive ist ja der Inbegriff der Netz- hautbildkonstruktion. Aber man könnte doch die Frage aufwerfen, ob nicht die so reichlichen und so mächtigen Erfahrungsmotive unsere Psyche dahin hätten bringen müssen, ebenso wie für die nächste Nähe so auch für die Ferne einen tatsächlich horizontalen Fußboden als horizontal auszudeuten. Bei genauerer Überlegung findet man aber, daß für die Ferne dies un- möglich ist, während es für die nächste Nähe tatsächlich — wenigstens vom naiven Sehen geleistet wird. Wenn wir innerhalb eines Eisenbahn- gleises stehen und in unserer Nähe — etwa bis 2" — die beiden Schienen betrachten, so erscheinen sie uns — Durchschnittsmenschen — parallel, wie sie ja tatsächlich sind. Maler, Zeichner, Photographen, Geodäten — oder wer sonst berufsmäßig mit Sehwinkel und Bildgrößen zu tun hat, sehen diese beiden parallelen Schienen auch für die Nähe konvergieren, — ebenso wie sie ihre in 35°® Entfernung gehaltene linke Hand doppelt so groß sehen, wie ihre in 70°" Entfernung gehaltene rechte, während allen Durchschnittsmenschen — auf Grund der Erfahrungsmotive — ihre beiden Hände gleich groß erscheinen, gleichviel, ob sie sie näher oder ferner halten. In nächster Nähe erscheinen uns Durchschnittsmenschen die Schienen also parallel (und unsere Hände gleich groß): für die Nähe haben in unserer Psyche also die gerade für die Nähe immer wieder und wieder betätigten Erfahrungsmotive die Perspektive besiegt. Aber in der Ferne sehen auch wir die Schienen perspektivisch richtig konvergieren — und sehr entfernte Menschen sehen wir mit samt ihren Händen klein. Hier blieb die Perspektive Siegerin. Das liegt ja — neben dem mit zunehmender Entfernung des Objektes selbstverständlich schnell abnehmenden Einfiusse der Erfahrungsmotive (Kontrolle durch Abtasten, Abschreiten) — daran, daß bei immer weitergehender Verkleinerung des Sehwinkels das Bild z. B. der beiden Schienen auf immer weniger und schließlich nur noch auf ein einziges perzipierendes Netzhautelement fällt und zu einem „Punkte“ (Fleckchen) zusammenschmilzt. Gleichermaßen konvergieren per- spektivisch die parallelen Linien: sagittale Fußbodenlinie und sagittale Wipfellinie einer Alleereihe gleich hoher Bäume einerseits und andererseits die an unserem Auge beginnende, zwischen Fußbodenlinie und Wipfellinie parallel zu ihnen verlaufende Horizontale. Diese Horizontale bleibt aber auch perspektivisch, also für uns — für das Sehen — horizontal, wie weit wir auch in horizontaler Richtung blicken mögen. Also muß die Wipfel- linie, um sich mit der Horizontalen im perspektivischen Verschwindungs- punkte zu schneiden, sich senken, — und die Fußbodenlinie muß aus dem gleichen Grunde sich heben, ansteigen. Der horizontale Fußboden 476 WıLH. FiLEHNE: muß sich also für unser Sehen um so mehr heben, einen je ferneren Punkt wir ins Auge fassen. Wenn aber rings um uns der Fußboden nach allen Richtungen der Windrose sich zu heben scheint, so müssen wir beim Umherschauen in einer Vertiefung zu sein vermeinen. Und da beim Blicke in die nächste Nähe der Fußboden horizontal bzw. nur schwach aufsteigend erscheint, so kann uns der gesamte Fußboden — die Meeresfläche — nicht etwa wie ein Trichter (Kegel), sondern nur wie ein Uhrglasschälchen, d.h. als eine nach oben oflene Kugelkalotte erscheinen. III. Die Abhängigkeit der scheinbaren Horizontflächenaushöhlung von der Aussichtshöhe. Wir haben bereits erfahren, daß die scheinbare Aushöhlung der Horizont- Däche mit der Erhöhung des Beobachters zunimmt. Auch ohne mathematische Begründung versteht es sich, daß diese Tiefenzunahme nicht bis ins Un- endliche gesteigert werden würde, wenn das beobachtende Auge sich un- begrenzt von der Erde in den Weltenraum entfernte. Da die beleuchtete Erde schließlich nur noch als „Punkt“ — oder Stern — erscheinen würde, muß schon vorher die Aushöhlung an Tiefe abnehmen und verschwinden. Auch muB bei einer zwar großen, aber noch nicht eigentlich kosmischen Entfernung die Erde als eine gewaltige konvexe Kalotte erscheinen und die Aushöhlung also vorher schon abgenommen haben und verschwunden sein. Würde sich das Auge dann weiter von der Erde entfernen, so würde — selbstverständlich — letztere ihm immer weniger konvex und schließlich flach — wie uns jetzt der Mond erscheint — zu einer scheinbar kleineren Scheibe werden. Andererseits müßte die an der erstgenannten Stelle kon- vex erscheinende Erde bei Wiederannäherung für das Auge, bevor sie jenes konkave Aussehen der Horizontfläche darböte, aus der konvexen Erschei- nung durch ein Übergangsstadium hindurch, in dem sie das Bild einer riesigen runden Ebene lieferte, — also ebenfalls scheibenförmig erscheinen. Wir wollen jetzt versuchen, für diesen sonderbaren Wechsel im (schein- baren) Aussehen eine durchgehende Erklärung zu geben und zahlenmäßig den Einfluß der Entfernung (Aussichtshöhe) auf das Aussehen zu verfolgen, soweit es Beobachtungen und Berechnung gestatten. Zunächst seien diejenigen von der Aussichtshöhe abhängigen Faktoren kurz erwähnt, die auf die Tiefe jener Aushöhlung unmittelbar vergrößernd oder verkleinernd einwirken müssen oder doch wenigstens sie beeinflussen könnten. Ein wichtiger Faktor ist die objektive Größe des Aussichtsbildes, — aber nicht unbedingt und schlechthin, sondern nur insoweit, als von ihr ÜBER DIE SCHEINBARE FORM DER SOGENANNTEN HORIZONTEBENE. 477 die subjektiv aufgefaßte Länge des Horizontradius abhängig ist. Hatten wir doch erfahren, daß die scheinbare Aushöhlung der Horizontfläche, die wir bein Umherschauen wahrzunehmen vermeinen, die Folge davon ist, daß bei ruhendem Blicke der Fußboden, z. B. der Meeresspiegel, nach dem Horizonte zu ansteigt; und wir haben erkannt, daß dies Ansteigen um so steiler ist, einen je ferneren Punkt des Fußbodens wir ins Auge fassen. Einen je ferneren Punkt des Fußbodens wir also auf der Horizont- fläche anblicken können — d.h. je größer die objektive Aussichtsweite —, um so mehr hebt sich der Meeresspiegel — um so ausgehöhlter die Fläche Fig. 4. beim Umherschauen. Aber dies gilt eben nur, wenn die subjektiven Aussichtsgrößen, d. h. die scheinbare Aussiehtsgröße der Größe der objek- tiven entspricht. Es kann nämlich eine objektiv größere Horizontfläche kleiner erscheinen, als eine objektiv kleinere: aus sehr großer Ferne würden wir — gerade wie beim Vollmonde — auch an der Erde fast die ganze uns zugekehrte Hälfte der Kugeloberfläche sehen —, aber wegen der großen Entfernung würde dieses mächtige Areal sehr viel kleiner erscheinen, als das tatsächlich kleinere Areal, das wir unter größerem Sehwinkel zu Gesicht bekommen, wenn wir unseren Planeten aus !/,, oder !/,,. der vorigen Ent- fernung betrachten. Eine kurze Überlegung ergibt: die objektive Größe 478 WıLH. FILERNE: ‘ der überschauten Kugelfläche wächst, wenn A (Höhe, Entfernung) von 0 bis oo zunimmt, fortwährend, und sobald A = oo ist, d.h. wenn die vom Knotenpunkt O des Auges (s. Fig. 1 S. 462) an die Erde gelegten Tangenten parallel zueinander geworden sind — dann ist das Maximum erreicht —, dann wird die ganze dem Auge zugekehrte Erdoberflächenhälfte gesehen — allerdings nur als „Punkt“. Zuerst wachsen also sowohl die objektive als auch die subjektiv aufgefaßte Größe der Aussicht gleichmäßig beim Aufsteigen zu größerer Aussichtshöhe. Und zwar wächst die objektive Größe des an der Erde erschauten zuerst sehr schnell und später immer langsamer bis zum Maximum von 2. %? (Halbkugeloberfläche) bei A = oo. In Fig. 4 (vor. 8.) sieht man dies an der (vertikalen) Höhenlinie CZ, auf der die Schnitt- punkte der von 15° zu 15° an die Erde gelesten Tangenten immer größer werdende Zwischenräume zwischen sich lassen. Dagegen wird das Maximum der subjektiv aufgefaßten Größe bei einem noch zu besprechenden beschei- deneren Werte von A erreicht, worauf bei weiter wachsendem A die subjektiv genossene Aussichtsgröße des Horizontes mehr und mehr abnimmt und Null wird bei A=co, wo die objektive Aussicht das Maximum von 2r-R? er- reicht. Sonach wirkt die anfängliche Zunahme der subjektiven Größe der Rundsicht (die anfangs gleichen Schrittes mit der tatsächlichen Größe geht) im Sinne einer Zunahme der Aushöhlung, während bei weiterem Wach- sen von Ah, und also auch von Winkel ;, die durch Sehwinkelverkleinerung bedingte Abnahme der subjektiven Aussichtsgröße ebenso entscheidend in der entgegengesetzten Richtung wirksam wird. Ein anderer, ebenfalls von %, der Höhe des Aussichtspunktes, abhängiger und für die Tiefe der Aushöhlung in einer bestimmten Beziehung wirk- samer Faktor ist der Winkel %, die Depression des Horizontes, die Kimm- tiefe. Solange nämlich der Horizontrand uns in gleicher Höhe mit unserem Auge zu liegen scheint, ebensolange ist die Höhe unseres Aussichtspunktes bzw. die Tiefe unter unserem Auge das Maß für die Tiefe der Exkavation. Sobald wir aber den Horizontrand deutlich tiefer liegend zu sehen vermeinen oder als tiefer liegend erkennen, vermindert sich um ebensoviel die Tiefe der Aushöhlung. Nun haben wir aber gesehen, daß erst bei einer De- pression des Horizontes von etwa 3° das Niedrigerliegen des Horizontes (im Vergleiche zur Augenhöhe) eben sinnfällig wird. Also beginnt — neben dem bereits besprochenen anderen Einflusse — von seiten der Depression bei etwa 3°, d.h. bei etwa 10000” Höhe ein neuer Einfluß zur Geltung zu kommen, der die Tiefe. der (scheinbaren) Exkavation vermindert. Bereits oben ist gelegentlich — im Zusammenhange mit der wechseln- den Größe des subjektiven Aussichtsbildes — erwähnt, daß mit zunehmender Höhe (Ah) die Horizontfläche schließlich unter immer kleiner werdendem Sehwinkel gesehen werden und daher, subjektiv, kleiner erscheinen muß; a ÜBER DIE SCHEINBARE FORM DER SOGENANNTEN HORIZONTEBENE. 479 und da die Aushöhlung um so geringer erscheinen muß, je kleiner das subjektive Aussichtsbild, so wirkt die Verkleinerung des Sehwinkels ver- mindernd auf die Aushöhlung. Indes liegt hier die Sache verwickelter, als zunächst gedacht werden mag. In einem späteren (VII.) Abschnitte . werden wir zu besprechen haben, wie für die einzelnen zum Fußpunkte des Beobachters radiär liegenden Teilstrecken des Horizontradius der Seh- winkel sich gesetzmäßig mit zunehmender Erhebung des Auges ändert; wir werden finden, daß trotz Zunahme der absoluten Entfernung für eine be- stimmte Fußbodenstrecke der Winkel, unter dem sie gesehen wird, zuerst zunehmen kann. Von diesen Dingen soll hier gänzlich abgesehen werden. Hier soll nur von der Horizontfläche als einem Ganzen gesprochen werden. Würde das Aussichtsareal nicht auf einer Kugel, sondern auf einer un- begrenzten horizontalen Ebene liegen, so würde diese, so hoch wir uns auch erhöben, stets unser ganzes Gesichtsfeld ausfüllen und eine (scheinbare) Verkleinerung des gesamten Aussichtsbildes käme infolge Erhebung zu immer größeren Höhen — d.h. also infolge der Ertfernung von jener un- begrenzten Ebene — nicht zustande. Da die Erde aber eine Kugel (Sphäroid) ist, scheint das Aussichtsbild bei zunehmender Erhebung zu wachsen (und wächst auch objektiv), um schließlich wieder kleiner zu werden; bei einer gewissen kosmischen Entfernung würde die Erde nur noch so groß wie der Mond erscheinen usw. Bei einer Kugel ist also — im Gegensatze zur unbegrenzten Ebene — die Verkleinerung des Sehwinkels bei kosmischen Entfernungen von Bedeutung für das gesamte Aussichtsbild. Solange wir aber die Depression des Horizontes sinnlich nicht wahrnehmen — also bis zu z=3°, d.i. bis zu den erreichbaren Aussichtshöhen (bis zu 10"), spielt die Verkleinerung des Sehwinkels nur für die Einzelheiten, nicht aber für das Gesamtbild eine Rolle. Aus Fig. 4 ist in dieser Beziehung auch noch folgendes zu entnehmen. Bei vertikaler Erhebung von CO aus, wo — bei € — der Winkel „= 0°, wächst zunächst mit zunehmendem 7 — bis etwa 3° — das Aussichtsgebiet in rein horizontaler Richtung; daher wird das neu hinzukommende Areal unter dem Minimum von perspektivischer Verkürzung gesehen und der Zuwachs erscheint bedeutend. Schon beiy= 15°, besonders aber beiy=45° und mehr senkt sich immer steiler und steiler die zu Gesicht kommende Fläche mit einer vertikalen Komponente, was zu sehr starker perspek- tivischer Verkürzung führt, so daß trotz starker objektiver Vergrößerung der bei zunehmender Erhebung nach und nach ausgedehnter sichtbar werdenden Oberfläche subjektiv der Größeneindruck des Aussichtsbildes so gut wie gar nicht mehr gesteigert werden kann, während bei weiterer Er- hebung die Verkleinerung des Sehwinkels verkleinernd auf das Gesamtbild — und also vermindernd auf die Aushöhlung wirken müßte. Dagegen ist 480 WILH. FILEHNE: innerhalb des (fast) horizontalen Verlaufs der Oberfläche (Fig. 4) — also innerhalb der ersten Grade — z.B. in Fig. 1 bis 4 CD, =7,=3°, d.i. bis zu einer Aussichtshöhe von 10%® _— die Vergrößerung der subjektiv erfaßten Rundsicht und hiermit die aushöhlende Wirkung dieser Vergröße- rung bedeutend — sogar sehr bedeutend, aber doch ist diese subjektive Vergrößerung auch hier in Wirklichkeit geringer, als man von vornherein erwarten könnte. Solange nämlich % im Vergleich zu 2 verschwindend klein ist (also für die von uns erreichbaren Aussichtshöhen), ist z. B. objektiv bei einer Aussichtshöhe von 2% das überblickte Meeresfiächengebiet mehr als doppelt so groß als von der Höhe %. Trotzdem erscheint es, sobald h>30”" und <10%®, von 2% aus wenn auch vergrößert, doch nur um einen Bruchteil größer als das von der Höhe 7 aus erblickte. Begreiflicher- weise! Die an der Peripherie der Horizontkreisebene bei Erhebung zu doppelter Aussichtshöhe neu auftauchenden Gebiete werden einerseits wegen der großen absoluten Entfernung und andererseits wegen des schiefen Auf- blickes (perspektivische Verkürzung) unter einem viel kleineren Sehwinkel gesehen als gleich große nahe Gebiete. Zwar haben wir für die Nähe gelernt, gleich große radiär-horizontale Strecken auch dann als — annähernd — gleich groß auszudeuten, wenn sie — wegen ungleichen Abstandes vom Auge — unter sehr ungleichen Winkeln gesehen werden, — aber dies gilt eben nur für die nächste Nähe. In der Ferne ist — aus den früher besprochenen Gründen — die verkleinernde Wirkung der Sehwinkelabnahme für die Psyche unüberwindbar. Deshalb kann (zumal sobald die Depression des Horizontes deutlich erkennbar geworden) die subjektive Vergrößerung des Rundblickes und infolge hiervon die Zunahme der scheinbaren Aus- höhlung nur gering sein und letztere muß Null und negativ werden, sobald das Gesamtbild wegen der Verkleinerung des Sehwinkels bei weiterer Er- hebung subjektiv kleiner zu werden beginnt. In unmittelbarem Zusammenhange mit der aushöhlenden Wirkung der subjektiven Rundblicksvergrößerung steht, wie wir sahen, der — schein- bare — wechselnd steile Anstieg des Fußbodens (Meeresfläche) vom FuB- punkte des Beobachters nach dem Horizonte. Obschon diese beiden aus- höhlenden Einflüsse im Grunde genommen identisch sind, wollen wir den Fußbodenanstieg jetzt als aushöhlend wirkenden Faktor für sich gesondert betrachten, da seine Besprechung neue Gesichtspunkte liefert. Wenn das geradeaus horizontal blickende Auge sich bei ganz horizontal ebenem FuB- boden in Bodenhöhe befände, so würde die horizontale Richtungslinie, die beim Sehen perspektivisch ja stets horizontal bleibt und gegen die die zur Blicklinie in Wirklichkeit parallelen Linien perspektivisch konvergieren, im Fußboden liegen, und daher würde die Fußbodenlinie es nicht nötig haben, aufzusteigen, um sich, wie sonst, mit der Blicklinie im perspektivischen ÜBER DIE SCHEINBARE FORM DER SOGENANNTEN HORIZONTEBENE. 481 Verschwindungspunkte zu schneiden, — sie ist ja mit ihr identisch. Der Fußboden würde also horizontal erscheinen. Je höhen dann das Auge sich erheben würde, um so mehr müßte — wenigstens zunächst — die FuB- bodenlinie ansteigen, um am Horizonte in Augenhöhe zu gelangen und sich dort mit unserer horizontal bleibenden Blicklinie zu schneiden. Wir wollen — nur für einen Augenblick — annehmen, die Erde sei eine nach allen Richtungen hin unbegrenzte „horizontale“ Ebene. Wie hoch wir uns er- höben — sei es selbst zu unendlicher Höhe — für ein Auge, das unendlich lange Fußbodenstrecken wahrzunehmen vermöchte (das menschliche Auge, das bei 2% Höhe ja schon in 8!/,!® das „Ende“ sieht, ist hierfür selbst- verständlich gänzlich unverwertbar), gäbe es hier keine Horizontdepression: bei horizontaler Blickrichtung sähe der betreffende Bevorzugte stets den Horizont in Augenhöhe, d. h. die Ebene genau in Augenhöhe abschneidend. Je höher er sich erhöbe, um so steiler würde bei ruhendem, zum Horizont gerichtetem Blicke der scheinbare Fußbodenanstieg sein, bis dieser das Maximum von 45° erreichte, sobald jenes Auge sich zu unendlicher Höhe erhoben hätte. Sähe es dann ja doch die ganze Horizontebene vom Fub- punkte bis zum Horizonte unter einem Sehwinkel von 90°; und dorthin, zum Horizonte, der sich in Augenhöhe befände, muß — perspektivisch — der unten bis in ebenfalls unendliche Ferne sichtbare Fußboden steigen, was eine Halbierung des rechten Winkels bedeuten würde. Dies wäre das Bild bei ruhendem Blicke. Wenn der Beobachter sich dann nach allen Richtungen umschaute, würde er sich im Mittelpunkte einer Halbkugel zu befinden vermeinen, deren oberer Rand der in Augenhöhe erblickte Horizontkreis wäre; der Fußboden, der beim Blicke nach unten ihm hori- zontal verlaufend (wie er ja tatsächlich ist) erschiene, würde bei wandern- dem Blicke sich um so steiler erheben — d.h. zu erheben scheinen —, je mehr der Blick horizontal gerichtet würde; und während bei ruhendem, zum Horizont gerichtetem Blicke der gesamte Fußboden sich als Ebene dort unter 45° ansetzt, würde dem wandernden Blicke das letzte Teilchen des Fußbodens sich, kugelförmig (kreisförmig) gekrümmt, wie bei einer Halbkugel (Halbkreis) unter 90° an den Horizont anzulegen, also vertikal anzusteigen scheinen. Und die vom Fußboden gebildete hohle, untere Halb- kugel würde durch eine andere ebenso große Halbkugel zu einer Vollkugel ergänzt werden — nämlich durch den „Himmel“. — Kehren wir zu unserer sphäroidalen Erde zurück und benutzen wir die Augen, die wir nun einmal haben, so verstehen wir, daß auch hier — wenigstens zunächst — der Fußboden perspektivisch ansteigen muß, wenn wir uns — d.h. wenn sich unser Auge von Fußbodenhöhe aus erhebt, und daß hierdurch die „Aus- höhlung“ so lange zunehmen, sich vertiefen muß, als der Fußbodenanstieg bei weiterer Erhebung zunimmt. Um nun festzustellen, wie und bis zu Archiv f. A.u.Ph. 1912. Physiol. Abtlg. 31 482 WırHa. FiLERNE: welchem Maximum auf unserer sphäroidalen Erde sich dies für das menschliche Auge gestaltet, empfiehlt es sich — der einfacheren mathe- matischen Verhältnisse halber —, zunächst zu untersuchen, wie das mensch- liche Auge auf jener nach allen Richtungen hin unbegrenzten horizon- talen Ebene den Fußboden bei verschiedenen Augenhöhen ansteigen sehen würde. Im Abschnitt I hatten wir dargetan: In Anbetracht der Organisation des menschlichen Sehorgans (eine unter 50 Winkelsekunden auf der Netz- haut abgebildete Strecke wird nicht mehr als ausgedehnt erkannt) führt die perspektivische Verkürzung dahin, daß aus einer Aussichtshöhe A auf einer unbegrenzten Horizontalebene das Ende unseres Fernblickes für diese Ebene (nicht für aufragende Objekte usw.) in einer Entfernung x = a0” gegeben sei, da alsdann eine jenseits gelegene, unendliche sagittale Strecke nunmehr nur unter 50” auf der Netzhaut abgebildet wird. Für 2” Höhe ergibt dies 8!/,*= Horizontradius, für 1” Höhe also die Hälfte = 4!/, ®, für eine 10 mal so große Höhe einen 10. mal so weiten Fernblick usw. Die Formel zeigt ohne weiteres, daß in diesem Falle die Fernblickstrecken den Aussichtshöhen proportional sind. Fig. 5 veranschaulicht dies und gibt uns ÜBER DIE SCHEINBARE FORM DER SOGENANNTEN HORIZONTEBENE. 483 die Möglichkeit, den Winkel zu ermitteln, unter dem für die verschiedenen Aussichtshöhen der Fußboden anzusteigen scheint: In der Vertikalen über Punkt Psind in gleichen Abständen (1=1=1) die Punkte a,b, c, d usw. gelegeu. Parallel zur Horizontalen PHz sind von a, 5 und ce aus gerade Linien gezogen. An diese ist in den genannten Punkten nach abwärts der gleiche Winkel angelegt, der einen Winkel von 50” repräsentieren soll, der aber im Interesse der Deutlichkeit und Übersichtlichkeit etwa 1000 mal vergrößert! ist. Die freien Schenkel dieser angefügten Winkel treffen die Linien PHz in bzw. A, B und Ü. Die unterste von «a aus- gezogene horizontale Parallele wird von 5 B in F' geschnitten; die aus ec kommende cC schneidet die zweite Horizontale in G, die erste in 7; die aus d kommende liefert den Schnittpunkt J (auf der zweiten Horizontalen). Wie PA der objektive Horizontradius für Aussichtspunkt z, so ist es PB, das doppelt so groß ist wie PA, für 5 usw. Die Aussichtsradien sind den Höhen proportional. Da es sich hier um ein von Parallelen geschnittenes System von Parallelen handelt, sind sämtliche in der Fig. 5 durch einen Haken markierten Winkel dem dreimal angetragenen Winkel von 50” gleich. Zieht man die vertikalen Verbindungslinien AF, FG, BH, HJ, so ist ohne weiteres klar: 1,: der für Punkt a gültige Horizontradius PA ist = AB= BC; ferner 2.:5G=aF= PA usw. Es ist also 7G die Verlängerung von AF usw. Die entstandenen Rechtecke und die Dreiecke sind unter sich kongruent. Ziehen wir jetzt die Diagonalen PF und FJ, so muß FJ die Verlängerung von PF sein. Es ist ?P7, da Winkel #44 und APF = 50", der schein- bare Fußboden für das in a befindliche Auge, und ebenso ist 2J(= 2 mal PF) der scheinbare Fußboden für Punkt 5: für beide Punkte (a und 5) steigt also der Fußboden um 50” auf —, und dies gilt also auch für Punkt c, d usw. Wie unser Auge nun einmal organisiert ist, dürfte es sich über jener unbegrenzten Horizontalebene noch so hoch erheben, es würde den Fußboden stets in einem Winkel von 50 Sekunden ansteigend zu sehen vermeinen, sobald es mit ruhendem Blicke nach dem Horizonte schaute. Und dieser Horizont hätte einen Radius, der ebenso vielmal 41/,!® lang wäre, als die Aussichtshöhe in Metern beträgt. Da ferner hier der Horizont- rand stets in Augenhöhe bleiben würde, so hätte die Tiefe der scheinbaren Aushöhlung stets denselben Wert wie die Höhe des Aussichtspunktes, d. h. wie diese dem Beobachter erscheint. Ganz anders liegt die Sache auf unserer kugelförmigen Erde. Hier 1 Infolge dieser starken Vergrößerung ist mancherlei in der Figur recht unnatür- lich geworden. Beträgt Pa beispielsweise 1”, so hätte PA 4125” und die Diagonale PF nur einen Bruchteil eines Millimeters mehr als 4125%, — also praktisch ebenso groß wie PA zu sein, während in der Figur PF wesentlich größer als PA erscheint. Die richtigen Maßverhältnisse lassen sich auf engem Raume eben nicht darstellen. 31* 484 WıLH. FILEHNE: wächst innerhalb der für uns erreichbaren Höhen der Radius des Rund- blickes (die Tangente) nicht proportional der Aussichtshöhe (7). Solange nämlich A im Vergleiche zum Erddurchmesser 2% verschwindend klein ist — und dies gilt für die erreichbaren Höhen —, verhalten sich die Aus- sichtsradien wie die Quadratwurzeln der Höhen. Ist ja doch der Aus- sichtsradius a (s. Fig. 1) = V2Rh +2, also a =2Rh-+h?. Es sei a, der Radius der Aussicht bei einer Höhe %, und a, der Radius für eine andere Höhe %,. Dann it 2=2Rh +42 und 2=2Rh,+ 13; also a? Er 2Rh, + hi 32T aRn HM Solange %, und A, gegen 2% verschwindend klein sind, 2Rh, + h? | 2Rh, ; ist der Bruch RI HR praktisch nicht verschieden von oRh’ der - 2 h , Dann geht die obige letzte Gleichung über in °! = Vhı : ho a3 Äh,’ % Vr Das liegt im Gegensatz zu der vorhin benutzten Ebene an der Kugel- sestalt (Kreis). Bei gleicher Zunahme der Aussichtshöhe wächst daher auf der Kugel der Horizontradius viel weniger als auf der unbegrenzten Ebene. Andererseits ist aber auf der Kugel, solange der Horizont in Augen- höhe erscheint — also bis zu 3° Depression oder mit anderen Worten: bis zu Aussichtshöhe von 10m — die scheinbare absolute Tiefe der Aus- höhlung, ganz so wie auf jener Ebene, der Aussichtshöhe gleichwertig; auf der Ebene bleibt dies für alle Höhen gültig, — auf der Kugel nur bis etwa 10%“. Bei Aussichtshöhen unter 10%", z.B. bei 1000” ist also auf der Kugel und auf.der Ebene die Tiefe der Aushöhlung die gleiche, — aber die Länge des Radius, also auch der Durchmesser der Rundsicht, die bei beiden zu gleicher Tiefe ausgehöhlt ist, ist bei der Kugel wesentlich kleiner als bei der Ebene, da der Radius dort viel weniger als bei der Ebene gewachsen ist. Daher ist die Stärke der Krümmung (Aushöhlung) auf der kleineren Erdenaussicht viel bedeutender, als auf der weiten Aus- sicht der unbegrenzten Ebene. Und aus dem gleichen Grunde muß — bei ruhendem nach dem Horizont gerichtetem Blicke — der scheinbare Winkelanstieg des FußBbodens (Meeresfläche) auf der Erdkugel wesentlich steiler werden als auf jener Ebene, da bei beiden der Fußboden am Hori- zonte bis zu Augenhöhe aufgestiegen sein muß, was bei der Erdkugel in geringerer Horizontalentfernung erledigt wird als bei der Ebene. In bezug auf die Erdkugel gibt uns Fig. 6 die Möglichkeit!, den Winkel zu berechnen, unter dem der Fußbodenanstieg zu erfolgen scheint, wenn der Blick am Horizonte ruht, — aber nur für Aussichtshöhen, bei denen die Depression des Horizontes nicht unmittelbar wahrgenommen wird, — d.h. für Höhen unter 10%®, solange also der Horizont in Augenhöhe ‘ Siehe Anmerkung ! auf vor. Seite. ÜBER DIE SCHEINBARE FORM DER SOGENANNTEN HORIZONTEBENE. 485 erscheint. Es ergibt sich dann, daß — im Gegensatze zur Ebene — auf der Erdkugel der Anstieg mit der Aussichtshöhe wächst. O ist das Auge. CO=h. CH ist der objektive Fußboden — als gerade Linie und als rechtwinklig zu OC genommen. CH ist der „subjektive“ Fußboden, d.h. wie OH dem Beobachter erscheint. Der Winkelanstieg des Fußbodens ist durch Winkel #’CH = x gekennzeichnet (im rechtwinkligen Dreiecke 7°C'’H). Er ist gleich dem Winkel 00 im gleichnamigen rechtwinkligen Dreiecke. In diesem sind bekannt: der rechte Winkel, OO=%A und OH =a, — wie erinnerlich: a = V2RR +2, also tgx = 20 Für Höhen = 1951008, 1000”, 5000% und 10000" ergibt die Rechnung: Fig. 6. | a = Tangente Winkel x = scheinbarer kh = Höhe in km Depression = Rundsiehtsradius zung Da a | in km am Horizonte ruht 0-001 | 00157 | 3.6106 | 0° 057" 0-1 0 19 29 | 36-1064 0723531 1-0 1.054 | 112.879 | 0 30 27 5.0 2 16 10 | 252.43 Je orte" u) 10-0 3 12 30 35707 | 1 36 15 Bei 1" Augenhöhe ist also der Fußbodenanstieg fast wie bei der un- begrenzten Ebene, wo er 50” (hier 57”) betrug. Es wächst der Anstieg mit der Aussichtshöhe bis zu etwa 1!/, Grad bei 10%“ Höhe. Würden wir für eine Höhe von 100: diesen Anstiegswinkel x berechnen, — was aber nicht zulässig wäre, da hier , bereits = 10°5’10”, also sehr erkenn- bar ist und der Horizont wesentlich tiefer als in Augenhöhe erschiene, wo- durch die Konstruktion der Fig. 6 unanwendbar würde, so würde sich für x der Wert 4°45°49” ergeben, und wenn man aus den in der Einleitung erörterten Gründen nicht die Länge der Tangente a, sondern die Länge des Bogens CD, (s. Fig. 1) als Horizontradius nähme, würde «= 4'497”. Wenn man aber das Deutlicherkennbarsein der Depression, das Deutlich- tieferliegen von 4’ in Fig. 6 dadurch kenntlich macht, daß man den Punkt H' auch nur um ein Drittel von 7.4” tiefer legt (und ein sehr erheblicher Bruchteil müßte es doch schon sein, wenn die Depression so mächtig ist), so berechnet sich x auf 1°0’10”. Nunmehr, bei 100%= Höhe, wäre die 486 WILH. FILEHNE: Aushöhlung schon längst im Rückgange, denn bei 10 ®” hatten wir 1°36°1.,”. Sicherlich ist aber der Betrag von !/, HH’ als Abzug bei einem so groben Tieferliegen von Z’ viel zu klein bemessen, so daß der Rückgang der Aus- höhlung bei 100*® als viel bedeutender zu veranschlagen ist. Jedenfalls sehen wir, daß bei etwa 10" Höhe ein Maximum des Anstieges von etwa 1!/, Grad erreicht wird, wodurch auch die Aushöhlung ein Maximum wird, während sie in einer Höhe von 100*® sehr stark vermindert sein würde. Wir hatten vorher für die unbegrenzte Ebene — selbstverständlich — den Einfluß einer „terrestrischen Refraktion“ nicht in Rechnung gezogen. Deshalb mußten wir sie für die Erdkugel, zunächst wenigstens, ebenfalls außer acht lassen, um vergleichbare Zahlen zu gewinnen. Durch die ter- restrische Refraktion ändern sich die für die Kugel berechneten Zahlen. Für eine Aussichtshöhe A = 0-1“ wird der Horizontradius a’ = 38.453 km (gegen a = 36”), der „scheinbare“ EKrdradius %’° wird = 7393== (gegen R = 6370 kw), und y wird =0°17’53” (gegen „=0°19 29”). Bei = 10:= ist R = 7225.68F%, a = 380.28, / = 301710” (gegen „ = 3% 12730”). Der Fußbodenanstieg (für den am Horizontrande ruhenden Blick), der jetzt x heißen möge, wird = 1°30°22”; er war ohne Berücksichtigung der Re- fraktion als x = 1°36°15”, er vermindert sich also um eine Kleinigkeit, — der Grad des Anstieges, und also der Aushöhlung (Krümmung) nimmt um ein Weniges ab. Die Zahl 1!/, Grad bleibt also zu Recht für den Anstieg bestehen. ! In der für die unbegrenzte Ebene gültigen Fig. 5 auf Seite 482 ist auf der Linie ?/F in deren Mittelpunkt Z eine zu ihr senkrechte (punktierte) Linie errichtet, die die Verlängerung der Vertikalen Pa in M, trifft. Ein mit M,P um M, beschriebener Kreis würde einen Bogen PF liefern, der identisch mit der dem Beobachter vom Punkte a aus erschienenen Aus- höhlung wäre. Würde der Beobachter, der (in der Figur) bisher von «a aus nach links, in der Richtung nach A blickte, sich um 180° wenden, also nach rechts blicken, so möge dort ein zu A symmetrisch gelegener Punkt A’ das Horizontende bezeichnen, das der Beobachter entsprechend in einem zu F symmetrisch gelegenen Punkte 7’ zu sehen vermeinte. Der um M, mit M,P geschlagene Kreis würde, wie leicht ersichtlich, auch durch #° gehen. M,P ist also der „Krümmungsradius“ der von a aus aufgefaßten „Aushöhlung“. Ebenso ist in #, als dem Mittelpunkte von ?J, eine Senk- rechte (punktiert) zu PJ errichtet (also parallel zu ZM,), die, wie man ı Ob bei einer Erhebung bis zu 10000” die terrestrische Refraktion der Gauss- schen Zahl 0-065 noch wirklich gehorcht, ist — wie bereits an anderer Stelle bemerkt wurde — durchaus fraglich; da indessen, wie oben gezeigt wurde, die an den Zahlen entstehenden Änderungen überhaupt nicht bedeutend sind, so kann der etwaige Fehler vernachlässigt werden. ÜBER DIE SCHEINBARE FORM DER SOGENANNTEN HORIZONTEBENE. 487 sieht, die Verlängerung von PM, in einem oberhalb von M, gelegenen Punkte M, schneidet, der analog der Mittelpunkt des „Krümmungskreises“ der von 5 aus aufgefaßten Aushöhlung ist. Man erkennt ohne weiteres, daß Je höher der Aussichtspunkt gewählt wird, um so länger wird der Radius, um so geringer also der Krümmungsgrad der Aushöhlung. Dies ist von Bedeutung. Denn die auf der kugelförmigen Erde mit der Aussichts- höhe doch tatsächlich zunächst erfolgende Zunahme der Aushöhlung hätte mitbedingt sein können durch eine Zunahme des Krümmungsgrades, also durch ein Kleinerwerden des Radius. Für die unbegrenzte Ebene Fig. 7. würde dies also, wie wir soeben sahen, nicht gelten. Aber auch auf der Erdkugel nimmt mit der Erhebung vom Fußboden der Radius der Krüm- mung zu, der Grad der Krümmung ab, wie folgende Konstruktion und Berechnung zeigen. In Fig. 7 ist O wieder das beobachtende Auge, CO seine Höhe % über der Erdoberfläche. Indem wir vorläufig noch von der terrestrischen Re- fraktion absehen, nehmen wir die von O an die Erde gelegte Tangente OD, =a als Horizontradius. Wir legen durch O den „scheinbaren Hori- zont“, d. i. eine Horizontalebene (horizontale Linie) 4, H,, zu der die Verti- kale OC also senkrecht steht. Wir schlagen mit der Länge a (=OD,) um C einen Kreis, der die Linie #, H, in den Punkten A und B schneidet, 488 WıuH. FILEHNE: verbinden € mit A (und B); CA ist also =a. Wir verlängern CO über O hinaus und halbieren CA; im Halbierungspunkte errichten wir eine Senkrechte, die die Verlängerung von CO in M, trifft, verbinden 27, mit A. Dann ist Dreieck M, AC gleichschenklig, also Winkel MAC=M, CA. Der Winkel M,CA gehört als OCA auch dem rechtwinkligen Dreiecke gleichen Namens an. Hier ist sein Kosinus gleich — = 2 Punkt 4, erweist sich leicht als Mittelpunkt und ,A=M,C=r als der Radius der scheinbaren Aushöhlung ACB der Horizontfläche, sobald um M, mit M,C (=M,4A) ein Kreis geschlagen wird. In dem (gleichschenkligen) Dreiecke M, CA wollen wir den Winkel an der Spitze (CM, 2) mit g be- zeichnen; dann ist jeder der beiden Basiswinkel gleich ">? und — wie : i ; ; 7 _ LL wir schon sahen — ihr Kosinus gleich . also cos ”— — ze also a Se 1) Im Dreiecke CM, A, in dem CA=a und M, A, der zu berechnende Krüm- mungsradius, mit r bezeichnet wurde, ist gegeben: 2 . G non a A ee 2 sın @ sin ZEN? sın @ cos ip sın © 2 2 FR 2sin,- 2) und mit Rücksicht auf 1): DER 3 ’P Sn . ) D x 5 ah: ar a (s. Fig. 1, S. 462) @ =2Rh+h?, also R = ah oe ist nach 9): A=r — = alor=R+ = — wobei ganz besonders be- tont werden muß, daß unsere Konstruktion und Berechnung nur so lange . zulässig und gültig sind, als die Depression des Horizontes noch nicht wahrgenommen wird, — so lange also, wie in Fig. 6 der Punkt A als von O aus in horizontaler Richtung gesehen zu nehmen ist. Aus der Gleichung r = R ersieht man, daß mit zunehender Aus- sichtshöhe der von uns gesuchte Krümmungsradius r der Horizontflächen- aushöhlung auch an der kugelförmigen Erde zunimmt, — also die Stärke der Krümmung abnimmt. Es ist der Krümmungshalbmesser um die halbe Aussichtshöhe größer als der Erdhalbmesser. Da wir mit dieser Kenntnis uns begnügen können und keine Zahlen- werte für einzelne Aussichtshöhen zu berechnen haben, so haben wir auch ÜBER DIE SCHEINBARE FORM DER SOGENANNTEN HORIZONTEBENE. 489 keinen Anlaß, an diesen Werten die Korrekturen anzubringen, die mit Rück- sicht auf die terrestrische Refraktion nötig wären. Von allen Faktoren, die die scheinbare Aushöhlung der Horizontfläche beeinflussen könnten, haben sich für die Zunahme, die sie bei Erhebung - des Beobachters zu Höhen innerhalb der ersten zehn Kilometer erfährt, nur zwei verantwortlich gezeigt: die Vergrößerung der subjektiv erfaßten Rund- sicht und ferner, für den Fall des ruhenden, zum Horizont gerichteten Blickes, das mit jenem erstgenannten Faktor in unmittelbarstem Zusammenhange stehende scheinbare Ansteigen des Fußbodens vom Fußpunkt des Beobachters zum Horizonte hin. Beide Faktoren kommen aber, wie wir erkannten, eben nur his zu einer gewissen Aussichtshöbe in Betracht, — nämlich nur so lange, als die Depression des Horizontes nicht erkannt, — als der Horizont noch in Augenhöhe gesehen wird, — also bis zu Aussichtshöhen von höchstens 10%», entsprechend einer Depression von etwa 3°. Alle anderen Faktoren wirken bei zunehmender Erhebung von Anfang an vermindernd auf die Aushöhlung: die Abnahme des Krümmungsgrades, die Abnahme des Seh- winkels, ganz besonders aber die Zunahme der Horizontdepression, d.i. des (durch die terrestrische Refraktion verringerten) Winkels x (7). IV. Zusammenfassung. Von den uns Menschen zugänglichen Höhen aus „sehen“ wir den natürlichen Horizont als horizontale gerade Linie, die scheinbar in Augen- höhe liegt. Geradlinig horizontal wird er gesehen, weil er sich auf der Netzhaut in einer Weise abbildet, daß seine Krümmung gleich Null oder doch den Schwellenwert für die psychische Erfassung seiner Abweichung von der geraden Linie noch nicht erreicht hat. Meine (nicht am Horizont, sondern in zwar großer Distanz, aber doch in kleinerem Maßstabe angestellten) Versuche lehren, daß dieser Schwellenwert erst bei etwa 3° Depression er- reicht wird. Mit 3° Depression wird der Horizont erst bei etwa 10000” gesehen (terrestrische Refraktion mitberücksichtigt). Bei einer Schiefe des Aufblicks von 3° ist — nach meinen Versuchen — auch eben erst der Schwellenwert erreicht zur unmittelbaren Wahrnehmung dessen, daß der betrachtete Kreisbogen unterhalb der Augenhöhe liege. Auch dies muß auf den Horizont in dem Sinne zu übertragen sein, daß die Depression des Horizonts erst bei einer Aussichtshöhe von 10000” eben unmittelbar sinnlich erkannt wird. Die Horizontfläche erscheint beim Umherschauen nach meinen Beobachtungen selbst schon bei gewöhnlicher Augenhöhe konkav. Dies ist schon in der Ebene auf dem Lande erkennbar, eindringlicher auf der Meeresfläche. Mit zunehmender Aussichtshöhe nimmt die Tiefe dieser 490 WıLH. FILEHRNE: Aushöhlung zunächst zu, und muß so lange zunehmen, als der Rundblick, d. h. das Gesamtbild der Aussicht (subjektiv) infolge der Erhebung zu wachsen scheint. Ruht dagegen der Blick an einem Punkte des Hori- zontes, so sieht man keine Aushöhlung; dafür steigt aber — anscheinend — der als Ebene erscheinende Fußboden von unserem Fußpunkte nach dem Horizonte zu und zwar um so steiler, je höher man sich erhoben hat. Bei jeder Aussichtshöhe erscheint der Anstieg um so geringer, ein je näherer Punkt auf der Horizontfläche fixiert wird. Das etwa bei = 10%" zu erreichende Maximum liefert der zum Horizontrande gerichtete Blick: ein Ansteigen des Fußbodens (Meeresspiegels) um 1!/,°. Der Krümmungsgrad der Aushöhlung vermindert sich (der Krümmungsradius wächst) je höher man sich erhebt, während ihre Tiefe, wie gemeldet, zunimmt. Sobald die Horizont- depression bei weiterem Emporsteigen den Wert von 3° erreicht (bei 10%: Höhe), wo sie unmittelbar sinnlich wahrgenommen wird, muß die Aus- höhlung an Tiefe abnehmen, zumal später die Verkleinerung des Seh- winkels, unter dem das Gesamtbild der Erde gesehen werden würde, in demselben Sinne wirken müßte. — Dafür, daß in Höhen von über 5000” die Depression des Horizontes noch nicht unmittelbar wahrnehmbar ist, glaube ich folgende Stelle aus Alex. von Humboldts „Reise in die Äquinoktialgegenden“ anführen zu dürfen.! Bei Besprechung des Berges Silla von Caracas und des Pichincha an der Südsee heißt es: „Man erwartet den Horizont im Niveau des Auges zu sehen, und statt daß man in dieser Höhe eine scharfe Grenze zwischen den beiden Elementen bemerkte, schienen die fernsten Wasserschichten sich in Dunst aufzulösen und mit dem Luftozean zu mischen. Dasselbe beob- achtete ich, nicht an einem einzigen Stück des Horizonts, sondern auf einer Strecke von mehr als 160°, am Ufer der Südsee, als ich zum ersten Male auf dem spitzen Fels über dem Krater des Pichincha stand, eines Vulkans, der höher ist als der Montblanc“. Offenbar hat Humboldt also auch über dem Krater des Pichincha den Horizont in Augenhöhe erwartet. Da der Montblanc über 4800” hoch ist, und da Humboldt sehr viele hohe Berge bestiegen hat, so darf aus dieser Stelle wohl geschlossen werden, daß bei 5000” die Depression des Horizontes noch nicht bemerkbar ist, die hier 2°16°10” beträgt. Hiermit stimmen also meine Angaben und Ausführungen durchaus überein. — Daß bei gewöhnlicher Augenhöhe auf dem Lande die Aushöhlung der Horizontfläche nicht allgemein aufgefallen ist, kann nicht wundernehmen; ' Relations cet. 1814. Zitiert nach der, von Alex. von Humboldt autorisierten Übersetzung von Herm. Hauff, Alexander von Humboldts Reise in die Äquinoktial- gegenden. Stuttgart 1859. Bd. II. S. 189. ÜBER DIE SCHEINBARE FORM DER SOGENANNTEN HORIZONTEBENE. 491 auf der See müßte eigentlich schon mancher sie erkannt haben; wenn aber gar aus großer Aussichtshöhe das Meer betrachtet wurde, konnte diese Aus- höhlung wohl niemandem entgehen, — sofern meine Ausführungen richtig sind. Auch hier kann ich und zwar zwei zuverlässige Meldungen an- führen. Alex. von Humboldt sagt an einer anderen Stelle des genannten Werkes! bei Schilderung des Pic von Teneriffa: „Man erblickt auf seiner Spitze nicht allein einen ungeheueren Meereshorizont, der über die höchsten Berge der benachbarten Inseln hinaufreicht, — —“. Noch beweisender und anschaulicher ist die aus dem Jahre 1896 stammende Veröffentlichung des bekannten Forschungsreisenden Dr. Hans Meyer über seine Besteigung desselben Berges?: „— — und nun streift der Blick — — auf das licht- blaue, inselreiche Weltmeer, über dessen — — Fläche der Blick langsam dahingleitend höher und höher emporsteigt, bis er den in unserer eigenen Augenhöhe liegenden, vom leuchtenden Himmel kaum sich abhebenden Meereshorizont erreicht hat. — — Wie auf einer Riesensäule in einer gigan- tischen hellblauen Kristallschale steben wir inmitten des ringsum so un- geheuer hoch gehobenen Meeres.“ Der Pico de Teyde de Tenerife ist 3716 hoch. Die Depression des Horizontes beträgt hier fast 2° (1°57°27” unkorrigiert), und auch hier ist sie sinnlich ohne Hilfsmittel nicht bemerkbar ; der Horizont erscheint in Augenhöhe, — die Horizont- fläche als gigantische Schale — also ausgehöhlt. V. Das Weltbild. Weder in der Beobachtung noch in der Berechnung hat sich bezüglich der scheinbar ausgehöhlten Horizontfläche irgendetwas ergeben, was uns abhalten könnte, die Form dieser Höhlung als Kugelkalotte zu bezeichnen: auf einer Kugel (Erde), auf der wir von den in Betracht kommenden Höhen aus tatsächlich eine — allerdings konvexe — Kugelkalotte erblicken, deren Grenze uns, freilich aus den besonderen, von uns besprochenen Motiven und nicht, weil sie in Wirklichkeit ein Kreis ist, — als Kreis erscheint, — vermeinen wir bei allseitigem Umherschauen eine konkave Rundung zu erblicken, deren psychologische Entstehung im vorstehenden aufgeklärt ist; der Halbmesser dieser uns rings umgebenden Krümmung erwies sich gleich dem Erdhalbmesser plus der halben Aussichtshöhe; anderes haben wir nicht erfahren: was sollte es da anderes sein als eine Kugelkalotte? Solange keine Beobachtungen vorliegen, die mit dieser Aa 0%. Bd. 1. 8.122. ? Die Insel Tenerife. leipzig 1896. S. 273. 492 WıLH. FILEHNE: Auffassung im Widerspruche stehen, muß die Aushöhlung als Kugelkalotte anerkannt werden. Auf diese wie eine Uhrglasschale geformte Fläche setzt sich nun un- mittelbar eine höhere, d.h. stärker ausgehöhlte, ebenfalls uhrglasschalen- förmige Fläche — der Himmel — auf, von der ich mich in meiner weiter oben angeführten Arbeit bemüht habe, nachzuweisen, daß sie keine Kugel- kalotte, sondern ein halbes Rotationsellipsoid! sei, das in seinen Maß- verhältnissen allerdings nur wenig von einer Kugelkalotte abweicht. Diese Zusammensetzung des Weltbildes aus einer flacheren Kugelkalotte unten, und oben darüber einem höheren (stärker ausgewölbten) halben Rotationsellipsoid mag auf den ersten Blick etwas von innerer Unwahrscheinlichkeit an sich haben, — als ob gewissermaßen die beiden Schalen nicht recht zueinander paßten. Sie würden in der Tat nicht aufeinander passen, wenn behauptet wäre, daß auf dem kreisrunden Rande der Kugelkalotte der elliptische Rand eines halben, regulären Ellipsoids aufsitze. Nicht die Hälfte .eines solchen, sondern die Hälfte eines Rotationsellipsoids, d.h. eines Sphäroids soll der Himmel sein, vergleichbar z. B. der nördlichen (oder südlichen) Erden- halbkugel, deren Rand (Äquator) ein Kreis ist und deren sämtliche Halb- meridiane (infolge der durch die Rotation der Erde entstandenen Pol- abplattung) kongruente halbe Ellipsen sind. Und da der kreisförmige Rand des Himmelssphäroids identisch ist mit dem kreisförmigen Rande der scheinbar kugelkalottenförmig ausgehöhlten Horizontfläche, so passen die beiden Schalen aufeinander. Allerdings soll die Art der Krümmung an den beiden Schalen verschieden sein. Der Horizontfläche muß eine kugelartige Krümmung zugesprochen werden. Und wenn meine frühere Beweisführung, daß das scheinbare Himmelsgewölbe keine Kugelkalotte sei, d. h. darstellen könne, und daß es als Halbsphäroid aufgefaßt werde, zutreffend ist, so muß man die ästhetische Doppelnatur des Weltbildes eben gelten lassen. Jetzt soll nun nicht über die Form des Himmelsgewölbes diskutiert werden, ‚sondern nur die Frage berührt werden, durch welche Motive jener Unter- schied in der Krümmungsweise der beiden (scheinbaren) Hohlgebilde be- dingt sein möge. Es wäre sicherlich nicht richtig, die Erklärung dahin abzugeben, daß die Erdoberfläche etwas Reales sei, während das Himmels- gewölbe lediglich eine irrtümliche Vorstellung repräsentiere. Denn abgesehen davon, daß die Aushöhlung der Horizontfläche eine ebenso irrtümliche Vor- stellung ist, versteht es sich ja von selbst, daß es sich überhaupt nicht um ! Bereits in der genannten Arbeit habe ich in einer Anmerkung darauf aufmerksam gemacht, daß im Hinblicke auf die Horizontdepression eine — unbedeutende — Kor- rektur vorzunehmen sei, die aber für die prinzipielle Frage ohne irgend welchen Belang ist. Solange übrigens die Horizontfläche ausgehöhlt erscheint, ist ja, wie gezeigt, die Devression an sich geringfügig. ÜBER DIE SCHEINBARE FORM DER SOGENANNTEN HORIZONTEBENE. 493 die Dinge an sich handelt, sondern nur um die Vorstellungen, die wir von ihnen haben müssen. Angenommen nämlich, der „Himmel“ wäre ein reales, aus irgend welchem Materiale bestehendes, in kosmischer Entfernung die in seiner Mitte befindliche Erdkugel umgebendes Gehäuse (zu einem ganz kleinen Teile — Mond, Sonne — ist er es ja tatsächlich), so würde er, wie unsere Augen und unser Sehvermögen nun einmal sind, uns genau so als Rotationsellipsoid erscheinen müssen, gleichviel, welche Gestalt dieses Ge- häuse in Wirklichkeit hätte, gleichviel also, ob es ein Würfel, ein Ikosaöder wäre, ob es aus- oder einspringende Ecken usw. hätte, — sofern nur der zur Erde nächste Punkt seiner Innenfläche in Mond- oder Sonnenferne oder noch weiter entfernt läge. Woran sollten wir denn seine Ebenen, Kanten, Ecken erkennen? Ist doch der Vollmond recht stark konvex und mit Berg- gipfeln besetzt und wir sehen ihn trotzdem als integrierenden Bestandteil der Himmelsfläche ganz flach. Und schauten wir über die irdische Horizont- fläche hin, so würden wir an ihrem Rande und jenseits ihres Randes nicht etwa den Abgrund, das große „Loch“ sehen, das zwischen Horizontrand und dem massiven Himmelsgehäuse gähnt, sondern müßten, ganz so wie jetzt, Himmel und Horizontfläche dort fest zusammengefügt zu sehen vermeinen. Also die Nichtrealität des Himmels ist sicher nicht schuld an dem spezi- fischen Krümmungsunterschied zwischen Himmel und Horizontfläche. Aber machen wir — im physiologischen, psychologischen Interesse — einmal für den Augenblick die etwas abenteuerliche Annahme, es wäre jedem Kinde bei seiner Geburt für seine private Person eine vertikal auf- ragende Felswand mitgegeben, die stets ebenso hoch ist und bliebe, wie der Horizontradius lang ist, und an der sich das Menschenkind mit genau derselben Leichtigkeit vertikal nach oben bewegen könnte, wie auf dem Fußboden horizontalwärts, und an der genau soviel,- was das Interesse des Kindes erregt, zu sehen und zu gewinnen wäre, wie in horizontaler Rich- tung auf dem Fußboden, Tische usw. In dem Maße, als beim Kinde sich das räumliche Sehen entwickelte, — als es den Raum in der sog. dritten Dimension vertiefte, würde es gleichermaßen die dritte Dimension an der Horizontfläche und an seiner vertikalen Felswand ins Bewußtsein be- kommen. Und wie am Horizontrande der „Himmel“ mit dem Fußboden verschmilzt, würde er auch oben mit der Felswand verschmelzen. Horizont- radıus und Wandhöhe — beide Entfernungen, also auch die des Horizont- himmels und die des Zenits, würden dem Menschen — auch dem er- wachsenen — gleich groß erscheinen (was sie nach unserer Annahme auch sind), — und daher müßte uns notwendigerweise der Gesamthimmel als Halbkugel erscheinen, und nicht, wie jetzt, wo wir ohne private Fels- wand usw. geboren werden, abgeflacht. Aber wenn jetzt uns zwar ver- tikal nach oben der Maßstab von der Natur nicht mitgegeben ist, vertikal 494 WıLH. FILERNE: nach unten haben wir ihn in unserer sichtbaren, abtastbaren, kontrollier- aren Körperlichkeit stets zur Verfügung gehabt (auch andere Objekte leisteten uns diesen Dienst). So mußte für die scheinbare Aushöhlung des Fußbodens die Kugelkrümmung entstehen, die — wie wir soeben zeigten, — auch für die Höhlung (Wölbung) des Himmels entstanden sein würde, wenn uns ein dem Horizontradius an Länge stets gleich bleibender und gleich wirksamer Maßstab nach oben während der Zeit zur Verfügung gestanden hätte, als sich unser räumliches Sehen entwickelte. Wenn wir aber mangels eines solchen Maßstabes die psychologische Raumdehnung nach oben nur schwach geleistet haben, während wir sie nach unten — schon wegen der Nähe — mehrfach besser entwickelt haben, und wenn diese bessere Entwicklung, die Raumdehnung, auch für die horizontale Richtung am Fußboden uns ermöglicht war, so mußte für unsere Vor- stellung am Himmel statt der Kugelkrümmung eine Abflachung, eine Sphäroidkrümmung entstehen. Denn aus einem Halbkreise, den man in seinem freien Durchmesser stärker dehnt, als in dem auf diesem Durch- messer senkrecht stehenden Halbmesser, wird eben eine Halbellipse. Zum Schlusse dieses Abschnittes möchte ich in Anlehnung an voran- gegangene Erörterungen noch einmal auf die Annahme zurückgreifen, die Oberfläche der Erde wäre eine unbegrenzte Ebene. Es dürfte lehrreich sein, folgendes zu durchdenken. Der Himmel sei ebenfalls — wie die Erde — ein materielles, in kosmischem Abstande, z. B. Sonnenferne, parallel zur Erdebene liegendes, unbegrenztes Gebilde. Wir hatten uns im 1. und 3. Ab- schnitte klar gemacht, wie auf einer unbegrenzten Erdebene mit unseren jetzigen Augen aus 2” Augenhöhe die Rundsicht für uns sein würde: der natürliche Horizont in 81/,®®, kreisförmig, mit verschwindend geringer De- pression, — also auch objektiv so gut wiein Augenhöhe; bei ruhendem, nach dem Horizonte gerichtetem Blicke, erschiene der Fußboden ganz sanft, im Winkel von 50” aufsteigend — also fast horizontal liegend, dagegen beim Umher- schauen als Kugelkalotte von ganz schwacher Aushöhlung. Ihr Krämmungs- halbmesser r wäre = R” + 1”, wenn R” den Radius einer Kugel bedeutet, an der die von 2= Höhe an sie geleste Tangente gleich S!/,*= lang ist. R” berechnet sich alsdann auf 17000 ® (gegen 6370 ®% des Erdradius 2). Der, nach unserer Annahme, materielle, in Wirklichkeit parallel zur Erdebene horizontal hinziehende Himmel würde wegen seiner kosmischen Entfernung als sehr viel entfernter aufgefaßt werden im Vergleich zu dem 2m unter uns befindlichen Fußboden; für unser Sehvermögen würden diese beiden Ebenen perspektivisch konvergieren; beim Umherblicken würde dies Konvergieren rings um uns erscheinen — und der schwach ausgehöhlte Fußboden und die Himmelsdecke würden sich in dem in Augenhöhe liegen- den („natürlichen“) Horizontkreise persvektivisch vereinigen, d.h. zu ver- ÜBER DIE SCHEINBARE FORM DER SOGENANNTEN HORIZONTEBENE. 495 einigen scheinen: die 2” unter dem Auge liegende Erdebene in schwachem Aufstiege, die hohe Himmelsdecke in starkem Abstiege; der Himmel stark sphäroidal ausgehöhlt (gewölbt), die Erdebene schwach kuglig ausgehöhlt. Und der Beobachter wäre ebenso zwischen Himmel und Erde eingekapselt wie jetzt bei der kugelförmigen Erde und dem nicht-materiellen (d.h. im überwiegend größten Teile nicht-materiellen) und nicht-horizontalen Himmel, — und zwar wäre der Anblick genau derselbe, wie wenn wir auf einer Erdkugel vom Radius #” = 17000 = lebten, — unter dem Beding, daß sich nicht auf der größeren „Erde“ (mit fast 3mal so großem Halb- messer, 9mal so großer Erdoberfläche, 27 mal so großem Volum, im Ver- gleich zu unsrer jetzigen Erde) — entsprechend den größeren Verhältnissen und Anforderungen — eine größere Zahl von Stäbchen und Zapfen pro Flächeneinheit in der Netzhaut entwickelt hätte. VI. Wirkliche und scheinbare Länge sagittaler Fußbodenstrecken. Im vorhergehenden sind wir wiederholt auf den Gegensatz von objek- tiver und subjektiv erfaßter Größe (Länge) von Bodenstrecken gestoßen. Diesem Gegensatze ist der jetzt folgende Abschnitt gewidmet. Obgleich diesem Abschnitte ein weit größeres Versuchsmaterial zugrunde liegt, als allen bisherigen zusammengenommen, so bedingt es doch die Natur der Aufgabe, über die alle Sachverständigen im wesentlichen der gleichen, und zwar zweifellos richtigen Meinung sind, daß wirklich neue Grundanschau- ungen nicht gewonnen werden konnten. Immerhin hat sich einiges Neue und Interessante ergeben, und überdies lag mir daran, auf diesem Gebiete einiges in quantitativer Beziehung festzustellen. Unter völlig gleichen Bedingungen erscheint selbstverständlich eine unter einem Winkel von » Grad gesehene Strecke (oder ein auf ihr stehen- des Objekt) nmal größer als eine unter nur einem Grade gesehene. Aber in der Wirklichkeit sind die Bedingungen äußerst selten gleich. Und für Strecken, die sich in verschiedener sagittaler Entfernung vom Auge be- finden, werden wir frappierende Resultate kennen lernen: so wird sich zeigen, daß zwei objektiv nicht allzu verschiedene Strecken als gleich lang erscheinen, von denen die eine unter einem Winkel von 88° und die andere unter 1° gesehen wird. Dies ist die Wirkung mechanisierter Erfahrungsmotive, die gewonnen wurden während der Entwieklungsperiode unseres räumlichen Sehens. Bei früheren Gelegenheiten habe ich für den sich hierbei geltend machenden psychischen Prozeß den Ausdruck „dehnen“ in folgendem Sinne gebraucht: in der Vorstellung wird das unter 1° auf der Netzhaut entworfene Bild gedehnt, so daß dieses Objekt ebenso groß erscheint wie das unter 88° gesehene bzw. auf der Netzhaut abgebildete 496 WıLH. FILEHNE: andere. Hierbei handelt es sich nicht um einen Denkprozeß, ein Urteil oder einen Schluß, sondern um eine unabweisliche, unmittelbare, eindring- liche, von der mechanisierten Erfahrung aufgezwungene Vorstellung. Unsere ganze optische Raumwahrnehmung ist die Folge einer solchen un- vermeidbaren psychischen Dehnung des Netzhautbildes auf Grund me- chanisierter Erfahrung. In den zunächst folgenden Ausführungen soll indes ohne Bezugnahme auf die psychischen Vorgänge und Motive ein Tatsachenmaterial beigebracht werden, das die Beziehungen zwischen objektiver und subjektiver (schein- barer) Streckenlänge betrifft. Im wesentlichen war ohne weiteres vorgezeichnet, wie die Experimente anzustellen seien. Es mußten Vergleiche angestellt werden, und zwar mußten die zwei zu vergleichenden Strecken einerseits in bezug auf ihre Länge gemessen, andrerseits ihre scheinbaren Längen verglichen werden. Hier konnte entweder so verfahren werden, daß die beiden Strecken, objektiv gleich groß gewählt, ungleich erschienen, oder daß gleich erscheinende in ihrer objektiv ungleichen Länge gemessen wurden. Es mußten ferner die beiden zu vergleichenden Strecken in derselben (sagit- talen) Richtung, aber in verschiedener Entfernung liegen, da alsdann wegen der verschiedenen Entfernung maximale Unterschiede und wegen der mit zunehmender Schiefe des Aufblicks zunehmenden perspektivischen Ver- kürzung interessante Resultate erwartet werden konnten. Sodann mußte es zweckmäßig erscheinen, am Fußboden dieselbe Prüfungsweise anzuwenden, die Rob. Smith und nach ihm E. Reimann am Himmelsgewölbe benutzt hatten: das Halbieren. Am Fußboden ist dies selbstverständlich viel ein- facher als am Himmel. Die Versuchsaufgabe war demnach: auf einer abgemessenen sagittalen Fußbodenstrecke soll der scheinbare Mittelpunkt angegeben werden. Der scheinbare, nicht der wirkliche. Die zu überwindende Schwierigkeit war also nur die, daß man nicht etwa objektiv richtig halbieren dürfe, sondern die Mitte des Bildes der Strecke anzugeben habe. Nach kurzer Übung brachten ich und — wenn auch etwas weniger leicht, aber schließlich doch auch — die von mir als Versuchspersonen Herangezogenen dies in ge- nügend gleichbleibender Weise zustande. Wenn beim Halbieren des Himmelsquadranten mathematisch geschulte Personen Neigung zu dem Versuchsfehler haben, daß sie den (rechten) Winkel statt des Stückes Himmelsdecke halbieren, so ist ein analoger Fehler beim Fußboden nie- mals vorgekommen. Denn z. B. beim Halbieren der Strecke zwischen dem eigenen Fußpunkte und dem Horizonte kommt niemand darauf, als Mitte den Punkt zu proklamieren, der 1!/, bis 1?/,® vor den eigenen Füßen liegt, — und dort liegt doch der Punkt, in dem der Schenkel des ÜBER DIE SCHEINBARE FORM DER SOGENANNTEN HORIZONTEBENE. 497 45°- Winkels die Streckenlinie schneidet; — vielmehr sieht jeder die Mitte ziemlich weit draußen. Nur das auf Grund bewußter Erfahrung objektiv richtige Halbieren war am Fußboden der zu überwindende Versuchsfehler. Ich will zunächst einiges über die Halbierung kurzer, unmittelbar vor den Füßen gelegener (sagittaler) Strecken berichten. Vorangeschickt sei, daß ich anfangs häufig nicht erst die ganze Strecke präsentierte und diese nalbieren ließ, sondern eine kurze Strecke darbot und hinter diese eine seheinbar ebenso große Strecke legen ließ, d. h. die Merkzeichen so lange verschieben ließ, bis beide Strecken gleich erschienen. Es kann ja kaum einen Unterschied machen, ob man halbieren oder hinten anfügen läßt, — und ich fand auch keinen —, habe aber später der Gleichartigkeit wegen ausschließlich halbiert. Gleich im Anfange dieser Nahversuche stieß ich auf eine recht para- doxe Erscheinung, die sich aber bald aufklärte. Als selbstverständlich nämlich mußte doch erwartet werden, daß von zwei hintereinander gelegenen Strecken objektiv gleicher Länge die fernere kleiner erscheinen werde als die uns nähere, bzw. daß von zwei gleich erscheinenden hintereinander liegenden Strecken die hintere fernere die objektiv längere sein werde, — sobald überhaupt ein Unterschied sich herausstellt. Das Gegenteil zeigte sich. Auf dem Zimmerfußboden (Parkett, Linoleumläufer, Teppiche) wurde beispielsweise 4” vor den Füßen der Versuchsperson ein geeignetes Merk- zeichen (Kartonprisma) niedergelest und ein gleiches Zeichen zur Halbie- rung der Strecke nach den Angaben der Versuchsperson gelegt. Die beiden Strecken wurden gemessen und die der Versuchsperson nähere scheinbare Hälfte erwies sich um 60 °® länger als die fernere. Das war denn doch gegen alle Regeln der Perspektive. Die Tatsache war zweifellos und kon- stant. Verdächtig mußte es erscheinen, daß die Differenz annähernd kon- stant blieb, wenn die Gesamtstrecke auf 2” verkürzt oder auf 6” verlängert wurde. Erst von 8 oder 10” an nahm der Unterschied ab; bei 15" Ge- samtstrecke waren die beiden angeblichen Hälften wirklich gleich groß und von 20” an kehrte sich das Verhältnis in der von vornherein erwarteten Form um. Als ich dann aber, 60°® von den Füßen der Versuchspersonen entfernt, vorerst ein Merkzeichen legte und erst von dort an die Halbierung vornehmen ließ, kam das zu erwarten gewesene Resultat: die vordere scheinbare Hälfte war stets etwas kürzer als die hintere, gleichviel, ob die Gesamtstrecke halbiert oder einer dargebotenen Vorderstrecke eine’ scheinbar ebenso lange Strecke anzusetzen war. Wir kommen auf diese Erfahrungen noch zurück. Solange es sich um kurze Strecken handelte, bis etwa 30 =, wurde direkt mit einem Metermaße gemessen. Bei größeren Strecken benutzte ich die Methode der Straßenbauingenieure. Es wurde eine (oben bereits Archiv f.A.u.Ph. 1912. Physiol. Abtlg. 32 498 WıLHa. FILEHNE: erwähnte) sogenannte „Kippregel“ angewendet. Dieses Instrument besteht aus einem Fernrohr (mit Fadenkreuz), das auf einem Gestelle vermittels einer „Libelle“ und drei Feinschrauben genau horizontal aufgestellt wird. Das Fernrohr ist in nur vertikaler Richtung in einem Gelenke drehbar; zuerst wird nach dem markierten Punkte grob eingestellt, das Rohr durch eine Schraube fixiert und dann das Fadenkreuz mittels Mikrometerschraube — ebenfalls nur vertikal — genau eingestellt. Am Fernrohr ist eine feine winkelmessende Skala in Halbgraden mit einem Nonius, so daß jedenfalls bis auf halbe Winkelminuten gemessen werden kann. Die zur Messung markierten Bodenpunkte wurden in bekannter Weise auf ihre etwaigen Abweichungen von der Horizontalebene bestimmt und die gewonnenen Zahlen trigonometrisch zur Berechnung der Sehwinkel und Distanzen benutzt. Ich will zur Raumersparnis nicht die Zahlenreihen, sondern nur die Resultate liefern. Bemerkt sei, daß ich bei Gesamtstrecken bis zu 6” einen durch ein Merkzeichen abgegrenzten toten Raum von 60“ vor den Füßen der Versuchsperson frei ließ, da dieser — wie berichtet — sich als störend erwiesen hatte. Einer ausdrücklichen Erklärung bedarf es für diese Störung wohl kaum: wenn wir z. B. bei Wegschwierigkeiten unmittelbar vor unsre Füße auf den Weg blicken, so ist es ja diese unmittelbar vor uns liegende Wegstrecke, die uns optisch beschäftigt; sobald wir aber den Boden weiterhin in sagittaler Richtung beschauen, entschwindet gerade der unmittel- bar vor unsern Füßen liegende, jetzt exzentrisch oder gar nicht gesehene Teil des Fußbodens unserm Bewußtsein. Bei Strecken von 6 bis 150” nahm ich den toten Raum in der Länge der Augenhöhe, also je nachdem 145 m bis 175°®. Bei noch größeren Strecken kann übrigens der tote Raum ganz vernachlässigt werden. Man wolle beachten, daß der tote Raum, in Augen- höhe genommen, unter einem Sehwinkel von 45° in Betracht kommt, der also von den 90°, unter denen wir den Gesamtfußboden von unsern Füßen bis zum Horizont sehen, in Abzug zu bringen ist. Die berechneten Resultate der Messungen mögen für eine Augen- höhe von 145 = in der Weise gemeldet werden, daß in Prozenten der Gesamtstrecke die objektive Länge der der Versuchsperson näheren scheinbaren Hälfte angegeben werden. Diese betrug bei einer Gesamt- strecke von 60°® 48.4 bis 49.1 Proz.; bei 60 bis 160m (47.5) bis 48.6 Proz.; bei 160 bis 220 ® (46.5) bis 48-0 Proz.; bei 400 = 47 Proz.; bei 700 m 45-5 bis 46 (bis 47) Proz. Bei 25 bis 30” waren es nur noch 43.6 Proz.; bei 100 bis 150” 331/, bis 35° Proz.; bei 250% 25 Proz. Von da an, also bei größeren Entfernungen, wurden die Angaben aus so- gleich zu besprechenden Gründen so schwankend, daß zu einer anderen Bestimmungsweise gegriffen werden mußte. ÜBER DIE SCHEINBARE FORM DER SOGENANNTEN HORIZONTEBENE. 499 Wie die spätere geometrische Behandlung zeigen wird, sind diese Zahlen ausschließlich für die benutzte Augenhöhe — 145°" — gültig. Die volle Bedeutung dieser Zahlen ergibt sich erst bei Berücksichtigung der gemessenen oder berechneten Sehwinkel. Z. B.: die Gesamtstrecke von 150” wird bei Augenhöhe = 1,45 " gesehen unter einem Winkel von . . . 89026 die der Versuchsperson nähere scheinbare Hälfte, in Wirklichkeit = !/, der Gesamt- strecke, also = 50"! unter . . . ..88°20' es bleibt für die fernere scheinbare Hälfte, a LO es 29:67; Das unter nur 1°6° gesehene Bild der 100” wird also in der psy- chischen unmittelbaren Ausdeutung so „gedehnt“, daB es ebenso groß er- scheint wie das der näheren, halb so großen Strecke (von 50”), die unter 88020’ gesehen wird. Nehmen wir einen anderen Versuch, in dem eine Strecke von 240" so halbiert wurde, daß die der Versuchsperson nähere scheinbare Hälfte 60%, die andere „Hälfte“ 180% (abgerundet) betragen hat, so ergibt sich: Banze, Strecke = 240% unten... u. 5 Sen, 1232 ,,8908397 nähere scheinbare Hälfte = 60% unter . . 2. .....88037 die Strecke von 180% hinter scheinbarer Mitte unter 1% Obwohl also im zweitgenannten Versuche die Reststrecke von 180% fast doppelt so lang ist wie im ersteren Versuche (= 100%), so ist doch der Winkel, unter dem sie gesehen wird, noch kleiner geworden, nämlich minus 4. Es muß noch auf das ungeheure Mißverhältnis hingewiesen werden, daß (siehe den letzten Versuch) eine unter 1°2’ gesehene, also dement- sprechend auf der Netzhaut abgebildete Strecke als ebenso groß ausgedeutet wird wie die unter 88° 37’ abgebildete. Welch großartige physisch-psy- chische Leistung war zu entwickeln, bis dieses Resultat erzielt wurde! Dem- gegenüber verschwindet die Tatsache, daß der Fehler in der Ausdeutung (die Verkleinerung durch die größere Entfernung) °°/,, beträgt (die ent- fernteren 180% erschienen so lang wie die nahen 60”), Und überdies ist dieser „Fehler‘ unvermeidlich, da, wie wir an früherer Stelle besprachen, sogar eine unendlich lange sagittale Strecke des Fußbodens, im schrägen Aufblicke unter 50” gesehen, nur noch „als Punkt“ erscheint, weil dann ihr Bild nur auf ein einziges Netzhautelement fällt. ! Abgerundet. 32* 500 WırHa. FILEHNE: Der Umstand, daß der Winkel, unter dem man die fernere scheinbare Hälfte einer Strecke sieht, mit zunehmender Länge dieser Strecke sich progres- siv so sehr verkleinert und bei 240” nur noch 1° groß ist, erklärt auch, wes- halb die unvermeidlichen kleinen Fehler der Halbierung fernerhin so stark vergrößert werden, daß jede Prozentbestimmung zwischen der objektiven Größe der scheinbaren Hälfte und der objektiven Gesamtstrecke wegen der großen Schwankungen in den Versuchsresultaten wertlos wird. Wir können uns aber damit begnügen, festgestellt zu haben, daß bei etwa 250” die nähere scheinbare Hälfte objektiv nur noch ein Viertel der Gesamtstrecke darstellt und daß daher durchschnittlich jedes Teilchen dieser näheren Strecke dreimal größer erscheint als durchschnittlich jedes Teilchen der zweiten scheinbaren Hälfte. Wir hatten ferner erkannt, daß innerhalb der ersten 10” die nähere Scheinhälfte noch etwa 49 bis herab zu 46 Proz. der Gesamtstrecke betrug, während sie bei 30” nur noch 43, bei 150” nur noch 35 Proz. ergab; da wir nun bei 250% ein weiteres Heruntergehen bis zu 25 Proz. fanden, so dürfen wir für noch größere Gesamtstrecken eine gleichmäßig zunehmende Verminderung als selbstver- ständlich, als erwiesen gelten lassen. Um für diese einen zahlenmäßigen Ausdruck zu gewinnen, bietet sich ein anderes Vorgehen: man dürfte näm- lich nur feststellen, in welcher Entfernung eine horizontal liegende sagit- tale Strecke bestimmter Länge ausdehnungslos — als Fleckchen, er- scheint. Als Strecken benutzte ich zunächst einen weißen Stab von 1.45% Tänge. Er wurde mittels Wasserwage genau horizontal gelegt; die Ver- suchsperson entfernte sich von ihm in der Richtung der Stabachse. Sodann wurde ein ebener und horizontaler Rasenstreifen von etwa 100” Breite in analoger Weise verwertet. Man entfernte sich so weit von den beiden Ob- jekten, bis sie ausdehnungslos erschienen — der Stab in der Länge — der Rasen in der Breite. Die hierzu erforderliche Entfernung war bei Augen- höhe von 1.45” für den Stab etwas über 100”, für die Rasenfläche etwa 840%. Berechnet man aus diesen Zahlen die Größe des Winkels, unter denen jene beiden Strecken (1-45” und 100») aus den genannten Ent- fernungen gesehen wurden, als sie ausdehnungslos zu erscheinen begannen, so erhält man beide Male etwa 50 Winkelsekunden, — also wieder jenen Wert, bei dem — wie wir besprochen haben — selbst eine unendlich lange Strecke ausdehnungslos wird. Es ist also erlaubt, für noch größere Strecken als 100” auf Anstellung von Versuchen zu verzichten und die Entfernung, in der irgend eine Strecke, z. B. von 1%® Länge verschwindet, d.h. aus- dehnungslos zu erscheinen beginnt, zu berechnen; sie verschwindet, so- bald der Winkel, unter dem sie gesehen wird, = 50”. So ergibt sich für eine Augenhöhe von zwei Metern, daß 1®“% hinter dem ersten Kilo- meter, der selber unter 89°53’8” gesehen wird, unter 325” erblickt wird; ÜBER DIE SCHEINBARE FORM DER SOGENANNTEN HORIZONTEBENE. 501 hinter 2 km, die also unter 89° 53’8” + 0°3’25” = 89056’33” gesehen sind, liegt der dritte Kilometer unter 0° 1’9”, hinter 3" liegt der vierte Kilometer nur unter 0% 0°35” —, verschwindet also bereits, und selbst eine Strecke von 2'w wird hinter 3®"" nur unter 55” gesehen — verschwindet also ebenfalls so gut wie ganz — notabene: bei zwei Meter Augenhöhe. Ich habe auch von einer Aussichtshöhe von 100” aus (Kaiser-Wilhelms- Turm im Grunewald bei Berlin) Beobachtungen mit Kippregel- Messungen angestellt. Da die Resultate aber auch nur für eine einzige Aussichtshöhe gelten und überdies ebensogut durch bloße Rechnung hätten gewonnen werden können, und da hierbei sich keine neuen Gesichtspunkte ergeben haben, so sollen sie in deduktiver Form dort untergebracht werden, wo wir später die geometrische Ableitung für beliebige Aussichtshöhen bringen werden. Die soeben mitgeteilten Beobachtungen und Berechnungen liefern übrigens einen interessanten Hinweis auf die Zulässigkeit von Frage- stellungen auf unserm Gebiete. Es ist korrekt, die Frage aufzuwerfen, um wieviel größer eine scheinbare Entfernung als eine andere scheinbare Streekengröße erscheine, — wie es korrekt ist, zu fragen, um wieviel eine objektive Länge größer als eine andere objektive Strecke ist. Es ist aber nicht zulässig, zu fragen, wie viele Male eine scheinbare Größe größer ist als eine objektive. Wenn also, wie es geschehen ist, versucht wird, experimentell festzustellen, wie viel Kilometer die (scheinbare) Zenithöhe betrage, so werden inkommensurable Größen miteinander verglichen. VII. Die Wirkung perspektivischer Verkürzung am Fußboden bei verschiedenen Augenhöhen. Wie mehrfach hervorgehoben, beträgt der Sehwinkel für den Fußboden von unserm Fußpunkte bis zum Horizont — bei Vernachlässigung der De- pression — 90°. Für die Perspektive und für unsre Zwecke kann hierbei von den Bewegungen des Augapfels abgesehen werden. Wir stellen das Auge -uns als Punkt vor, durch den eine vertikale und eine sagittal-horizontale Linie gelegt sind. Von den vier rechten Winkeln, die hierbei entstehen, umfaßt der untere vordere den (sichtbaren) Fußboden, der obere vordere — in freier Landschaft — den Himmel. Das Auge beherrscht (mit Zu- hilfenahme der Blickbewegung) die 180° vom Zenit zum Horizont bis weiter zum Fußpunkte des Beobachter. Wenn wir z. B. in der ebenen Landschaft — in aufrechter Haltung geradeaus zum Horizonte blicken, so wird es erlaubt sein, die gesamte Fußbodenstrecke in etwa vier ungleiche Abschnitte zu teilen. Es sind dies: 1. Der vorderste Vordergrund („toter Raum“). Auf ihn achten wir ja besonders beim Gehen wegen der Einzel- 502 WıLHa. FILERNE: heiten und etwaigen Hindernisse des Weges; aber beim Fernblicke, bei Betrachtung der Landschaft von festem Standpunkte aus verlieren wir ihn völlig aus dem Bewußtsein — er wird zum toten Raum. Man mag diese Strecke mit 2 bis 4” bewerten. 2. Die zweite Abteilung wäre der eigent- liche „Vordergrund“ im Sinne des Malers; dieser Teil möge — je nach- dem — bis zu 10 oder 15” vor unsre Füße reichen. 3. Dann komme der „Mittelgrund‘“, der also etwa 15” vor uns beginnen und bis höchstens 120” reichen würde. 4. Das übrige — also von 120” (oder weniger) an bis zum Horizont ist dann als Ferne‘ zu bezeichnen. Für eine Augen- höhe von 2” würde also die „Ferne“ fast 5!/,*= lang sein — unter dem Einflusse der terrestrischen Refraktion noch etwas mehr. Es wird nun zuvörderst nützlich sein, uns über die Größe der Seh- winkel zu unterrichten, unter denen wir diese vier so ungleichen (von 1. bis 4. schnell an Größe zunehmenden) Strecken erblicken. Dabei empfiehlt es sich, als Größeneinheit die Augenhöhe, die = 2” sei, zu wählen. Dann hätten wir für den vordersten Vordergrund (‚toten Raum“), der für die Landschaft nicht in Betracht kommt, die ersten 2 Einheiten, für den „eigentlichen Vordergrund“, etwa 5 Einheiten, für den „Mittelgrund‘“ die 8. bis (höchstens) 60. Einheit und für die „Ferne“ den Rest zu nehmen. Ein Blick auf den untersten Teil der Fig. 3 (s. w. unten) belehrt, daß — Augenhöhe = 1 — der Winkel, unter dem (von O,) die 2 ersten Ein- heiten des Fußbedens — also der tote Raum (2 bis 4”) — gesehen werden, — 45° + 18026’ = 6326’ ist. Es ist dies also — trotz der Kleinheit der Strecke — der Löwenanteil an den 90°, unter denen der Gesamtfußboden erblickt wird, denn für das eigentliche Bild des Fußbodens in der Land- schaft bleiben nur 36°34. Hiervon kommen auf den „Vordergrund‘ des Malers — weitere 5 Einheiten (etwa vom 4. bis 15.”) = etwa 28!/,°, auf den Mittelgrund (52 Einheiten) etwa 7° und für die gesamte weite, weite „Ferne“ kaum 1°. Letzteres erkannten wir schon im vorigen Abschnitte. Fig. 8 orientiert darüber, wie die besprochenen Verhältnisse der per- spektivischen Verkürzung, d.'h. die Sehwinkelunterschiede sich mit Ände- rung der Augenhöhe (Aussichtshöhe) gestalten. Die Linie PO, =1 sei eine beliebige Augen- bzw. Aussichtshöhe. PO, sei doppelt, PO, fünf- mal so groß wie PO,. Die Fußbodenstrecken PA, AB usw. sind sämt- lich = PO, =1. In der Figur sind nur für die ersten Einheitsstrecken die Sehwinkel aus einfacher, doppelter und fünffacher Höhe dargestellt. Schon beim ersten Hinblicke erkennt man an den drei Systemen charakte- ristische Unterschiede. Zwar ist allen dreien gemeinsam, daß für die einzelnen Einheitsstrecken die Sehwinkel nach der Ferne zu abnehmen. Aber in der untersten Gruppe — von O, aus — erkennt man für die Strecken PA, AB usw. eine ungemein schnelle Änderung der Winkel- ÜBER DIE SCHEINBARE FORM DER SOGENANNTEN HORIZONTEBENE. 503 größe: von einem halben rechten (PO, A= 45°) aus werden die Seh- winkel für die 2., 3., 4. und 5. Strecke bald sehr klein. Dagegen sind von O, aus — in der obersten Gruppe — die ersten Winkel viel kleiner als von O, aus, dafür ist die Verkleinerung der Sehwinkel für die ferner liegenden Strecken sehr geringfügig, so daß später umgekehrt die zu den- ‚selben Strecken gehörigen Winkel oben (bei O,) wesentlich größer sind als unten (bei O,). Das von O, ausgehende (mittlere) System ergibt den beiden anderen Systemen gegenüber analoge Unterschiede. Erhebt ‘man sich von O, zu O,, so ändern sich die Winkel, unter denen die ersten fünf Einheitsstrecken gesehen werden, wie folgt: die erste Strecke (PA), von O, unter 45° gesehen, wird von O, unter nur 26°33’, also kaum viel mehr als der Hälfte vom vorigen erblickt; die zweite Strecke (AB) von O, unter 18°26’, von O, unter 18°27, wird schon unter dem gleichen (von O, aus sogar um 1’ größeren) Winkel gesehen. Die dritte Strecke (BC) von O, nur noch 8°7’, von O, aus unter dem wesentlich größeren Winkel von 11°18; bei der vierten (C.D) und fünften (DE) wächst, trotzdem die Strecken von O, doch aus größe- rer absoluter Entfernung als von O, aus erblickt werden, der Größenunterschied der Sehwinkel noch weiter an zugunsten von O,, nämlich von O0, aus bzw. 4°24° und 2°44’, dagegen von O, aus bzw. 7°8 und 4°45’, — also fast schon aufs Doppelte. Die perspektivische Verkürzung nimmt eben durch die Erhebung in stärkerem Maße ab, als die Verkleinerung infolge Zunahme der absoluten Entfernung zu- nimmt. Daher wächst der relative Unterschied der beiderseitigen Winkel, während ihre absolute Größe bei beiden Gruppen, mit der zunehmenden Horizontalentfernung von O, und O,, abnimmt. Die folgende Tabelle gibt die Winkelgrößen auch für die weiteren Einheitsstrecken. Zum Verständnis der Kolumnenbezeichnung sei folgendes bemerkt. Solange in der ersten Kolumne für jede Einzelstrecke die Zahlen angegeben sind, ist auch der in der dritten (Streckenwinkel-) Ko- lumne stehende Winkelwert für diese Einzelstrecke berechnet. Wo da- gegen in Kol. I die Zahlen in Intervallen von 5, 10, 20 oder 50 stehen, ist im Stab III der Mittelwert (aus der Dekade usw.) aufgeführt. Die 504 WıILH. FILEHNE: Kol. II enthält die Angabe des Gesamtwinkels, unter dem sämtliche bis dahin genannten Einzelstrecken einschließlich der in Kol. I stehenden ge- meinschaftlich gesehen werden. Es ist daher jeder in Kol. III stehende Einzelstreckenwinkel gleich dem zugehörigen Gesamtwinkel, vermindert um den vorhergehenden Gesamtwinkel. Winkelsekunden sind nur dort auf- geführt, wo ein besonderes Interesse hierfür vorliegt. — Sobald eine Einzel- strecke nur noch unter 0-8° — also ausdehnungslos — gesehen wird, ist die Reihe abgebrochen; selbstverständlich würde dort eine längere Strecke noch als ausgedehnt gesehen werden — denn wir sind dort nicht etwa schon an der Grenze unseres Fernsehens überhaupt angelangt. Vielleicht interessieren folgende Eigentümlichkeiten der nebenstehenden Zahlenreihen. Die Gesamtwinkelzahlen der Kolumnengruppe ‚„‚(Augen-) Höhe = 1“ kehren in ihrer Reihenfolge bei „Höhe = 2“ in jeder zweiten Stelle, bei „Höhe = 5“ in jeder fünften Stelle wieder. — In Strecken 19 und 20 liegt ein Gebiet, in dem die (Einzel-)Streckenwinkel bei Höhe 1, 2 und 5 sich wie 1:2:5 verhalten, nämlich 9, 18 und 45 Winkelminuten. — Derjenige Gesamtwinkel, bei dem für die drei Höhen die einzelne (letzte) Einheitsstrecke ausdehnungslos wird (Sehwinkel = 0-8 = 48”), ist für Höhe 1 = 89’ 11’, für 2 nur noch 88°51’, für 5 sogar nur 88°9. (Da die untersten Zahlen der Tabelle nicht von Einzelstrecke zu Einzelstrecke, sondern in Gruppen von je 5, 10, 20 und 50 gewonnen sind, so wäre hier eine, übrigens unerhebliche Korrektur anzubringen.) Jene Verschieden- heit der Gesamtwinkelgröße beim Verschwinden (nicht Ausgedehnterscheinen) der letzten Einzelstrecke — bei 89° 11’, 83°51’ und 88°9’ — ist leicht begreiflich: verkleinernd auf den Sehwinkel wirkt bei verschiedenen Aus- sichtshöhen nicht nur die Horizontalentfernung, die hier für ein und dieselbe Einzelstrecke gegenüber O,, O, und O, die gleiche wäre, sondern auch die Vertikalentfernung, die zu O, größer als zu O,, und hier größer als zu O, ist. — Besonders beachtenswert ist, daß die Zahlen der hori- zontalen Entfernungen (Streckenzahl der ersten Kolumne), bei denen eine (letzte) Einheitsstrecke ausdehnungslos erscheint, bei etwa 70, 100 und 150 liegen (es sind, wie bemerkt, Gruppenzahlen, also nicht ganz genau). Diese Zahlen verhalten sich wie 1:1-42:2-.215; dies sind (annähernd) die (Quadratwurzeln aus den Höhen 1, 2 und ö5:Y1=1, V2=1-4142, V5 = 2.2360. VIII. Die Wirkung perspektivischer Verkürzung an einer schiefen Ebene. In Gebirgen war mir aufgefallen, daß man unter sonst gleichen Be- dingungen beim Bergangehen die Einzelheiten des Weges viel deutlicher erkennt als beim Abstiege. Gewiß wirkt hierbei ja auch die etwas ge- ÜBER DIE SCHEINBARE FORM DER SOGENANNTEN HORIZONTEBENE. 505 Höhe = 1 Höhe = 2 Höhe = 5 Bu a 11 mul: Ava II I 5 | Gesamt- Strecken- Gesamt- | Strecken- Gesamt- Strecken- - winkel winkel winkel | winkel winkel winkel "Nr. 0 ji | er 0 1 23 0 JE au | „ 0 : de 1145| 0 #5|0| [26133 2133| Jıılıs| Im] as 2.63 | 26 ı8|25| |45 | 0 18 | 27 21/48 | |10|so| Sum rsar ae 7 1156| 18 11 | 18 30 |sz| || 9 4, 75 | 57 deal 1 69. |. 26 | 8 ss |s9| | 7] a2 5 78 | 41 2|4| le u 4'8 | 0 6| 21 6.80 | 32 1| 51 11 33 3 | | 22 49 16 416 7| 81 | 52 areuıı Ka 230 5248| | 3/32 8 82 | 52 12,001 7521 5% 1 | 54 55 | 35 | 9|| 88 | 39 0147 TENDE 1. 31 BB 5 | 10) 84 | 17 o|38| |8141 1473 es|26| | 1184 | 48 0,31 79 41 1.0 12|| 85 | 14 026 80 , 32 0531 | 13) 85 | 36 = 2ER en a 0/48 ER 14 85 | 55 — 19| |sı 0|37 | | Bu 15,86 11 AIG 224 — 39 71 | 33 |54| 1| 33 | 16 86 | 3 a a 28 12 38 |45 451 17! 86 38 eis) (es|ıı 5a 2 5 13 | se |37|| 0| 57 | 52 islae | aa 12 _ 11 l12les 0 5 — mluju all | | 19,86 159 14 - 10|3|83 59 27 — 19 52] 75 15 |23|| 0/46 |49 aolsı| 8 15; — | 9 | 1|s4 | ı7 21. — 17 |54| 75 | 57 |50]] 0142 | 97 PR TUETEEIEEE ER PTERFEFEEREET EEE 16 | 36 ar! 0/38 | 37 25 | | 7a A y 32 30,88 5 43 86,1, | Mi s0 | 32 0122| Ey | | 31 | 52 A 16 | 40 88 | 34 29 |s7| s _ 5.71 [s82l52| |-|12 45 | | s3|39) || o| 5088 | 51 een 84 | 17 — 55 88 57 EN col8s| 2| | — [1-0 Ie8| 5 =. 228h PER ler 5189| 7 ec) 1%] 7083 | 11 | | - | 08 | | so 88. | 34 —, le E86 | 25 | | _ | 3 100, ss 531 — 08 27| 8| ‚I—|,2 150. s8 1-1 5 155 | | s 9 I— 10.8 506 WıuLH. FILEHNE: ringere Entfernung, in der sich bergan die höher gelegenen Wegteile zum Auge befinden im Vergleiche zu bergab. Daß dies aber nicht das Wesent- liche der Sache ausmacht, zeigt folgender Versuch. In aufrechter Stellung nehme man ein beschriebenes oder bedrucktes Blatt Papier in die Hand und halte es — lotrecht zum abwärtsgekehrten Blicke — zuerst horizontal; ‘ dann drehe man es aufwärts und abwärts um 45° und entferne es bei der Berganhaltung doppelt so weit vom Auge wie bei der Bergabstellung. Das Resultat ist: bergan liest man sehr gut, bergab schlecht — trotz größerer Nähe. Also nicht die Entfernung, sondern die Neigung ‚ist das Ent- scheidende. An einer Wegstrecke mit etwa 30° Neigung gegen die Horizontalebene habe ich folgende Versuche angestellt. Auf Papierblättern waren Paare von parallelen „Linien“, d. h. ausreichend breiten Streifen in verschiedenen Abständen — Im, Zum Hmm, jem, ].5cm, 92cm usw. — gezogen. Während ich mich auf jenem Wege abwechselnd mit dem Gesicht nach bergab und bergan aufstellte, wurde eines jener Blätter so vor mich hingelegt, daß die parallelen Streifen senkrecht zur Wegrichtung — also quer — lagen. Teils wurde ein solches Blatt mir unmittelbar vor die Füße, teils in Entfernungen von 25, 50, 75%, 1=, 1.25%, 1-50% gebracht. Mit den größten Ab- ständen der Streifen wurde begonnen und so lange zu geringeren Abständen übergegangen, bis die beiden Streifen eben nicht mehr als zwei gesonderte erkannt wurden. Bergan war für alle genannten Entfernungen das Unter- scheidungsvermögen genau doppelt so groß wie bergab, d. h. die eben noch als getrennt erkannten Streifen hatten für bergan die Hälfte des Ab- standes, der für bergab erforderlich war. Da nun der Beweis erbracht war, daß der Entfernungsunterschied nicht in Betracht kommt (man kann die Versuche auch in der für ein bedrucktes oder beschriebenes Blatt Papier oben angegebenen Weise mit Beweis a fortiori anstellen), so lag es ganz gewiß nahe, den folgenden Induktionsschluß zu ziehen: Die Ursache der Erscheinung kann nur in der Winkelneigung der Zeichnungsebene zur Körperachse liegen; benutzt man den Punkt „Auge“ als Bestimmungs- mittel zur Orientierung an dieser Achse, so bildet die Zeichnungsebene mit der Achse bei bergan einen Winkel von nur 60°, bei bergab von 120° und deshalb müsse allenthalben bergan doppelt so gut erkannt werden als bergab. Jener Induktionsschluß mit dieser Folgerung wäre gründlich un- richtig. Hier erwies sich die Deduktion als zuverlässige Führerin. Nach- dem ich durch geometrische Konstruktion den wahren Zusammenhang er- kannt hatte, leitete mich die Deduktion zu Anstellung beweisender Ver- suche. Es sind dies folgende. Als ich die vorerwähnten Prüfungen auf demselben, mit 30° zur Horizontalebene geneigten Wege in Entfernungen von 2”, 3, 5, 10, ÜBER DIE SCHEINBARE FORM DER SOGENANNTEN HORIZONTEBENE. 507 15% usw. fortsetzte, nahmen die Unterschiede für bergan und bergab mehr und mehr ab und verschwanden beinahe. Auch die auf diesem Abhange angestellten Versuche mit „Halbierung‘‘ größerer Strecken und Kippregel- Messung lieferten entsprechende Resultate: gleichviel nämlich, ob eine Strecke von 25, 50, 75, 100 oder 150“ zu „halbieren“ war —, stets war bergan die vordere scheinbare Hälfte etwa 1 bis 2”, d.i. = Augenhöhe, kürzer als für bergab, und dieser Unterschied wuchs wie die zunehmende Augenhöhe; aber die Vergrößerung der Vollstrecke änderte nichts an ihm. Fig. 9. Die Fig. 9 klärt die hierbei in Betracht kommenden Verhältnisse auf. HFH' stelle die Horizontalebene, WW’ den zu HH’ um 30° geneigten Weg dar. F sei der Fußpunkt, O das Auge des Beobachters; 7O, die Augenhöhe, werde = 1 gesetzt. Ebenso seien gleich FO, =1, die bergan abgeteilten Wegstrecken #4, AB usw. und die bergab liegenden Fa, ab usw. FO steht senkrecht auf 74’. Da Winkel 4FH=30° und OFH=9%0°, ist Winkel OFA= 60°, und da OF= FA, ist Dreieck OFA gleichseitig, OA alo = OF= FA und Winkel FAO=AOF —= AFO= 60°. Dann ist Dreieck OAB kongruent OFa, denn Winkel OAB und OFa sind als Außenwinkel eines gleichseitigen Dreiecks (O FA) jeder =120°%, und 0OA=OF=1, und AB=Fa=1. Demnach ist auch OA=AB und OF=Fa, d. h. die beiden kongruenten Dreiecke OFa und OAB sind gleichschenklig, daher Winkl A0OB= ABO = FOa= FaO= "5" =30°. Ebenso ergibt sich: Dreieck OBC > Oba, OCD”_ Ocb usw. Man drehe jetzt die Fig. 9 — im Sinne des Uhrzeigergangs — um 30°, so dad WW’ horizontal liegt: in der Mitte 508 Wıun. FiLEHNE: ÜBER DIE SCHEINBARE FORM usw. der Figur befindet sich ein gleichseitiges Dreieck (OF A) und rechts und links symmetrisch lauter Paare von kongruenten Dreiecken. Die genau in der Mitte gelegenen, ursprünglich von O bergan gesehene Strecke FA hat über sich einen (bzw. wird gesehen unter einem) Winkel von 60°, während rechts und links die beiden nächsten Strecken (42 und Fa) beide den gleichen, genau halb so großen (30°) Sehwinkel über sich haben; die rechts und links darauf folgenden Strecken haben über sich den beiderseits gleichen, aber noch kleineren Sehwinkel (10°58’36”), das folgende symmetrisch ge- lesgene Paar den beiderseits gleichen, aber noch spitzeren Winkel usw. FA wurde also doppelt so deutlich gesehen als AB und Fa, — diese beiden aber gleich deutlich, letztere beide fast dreimal so deutlich wie ihre äußeren Nachbarstrecken, aber beide, 3C und ab, gleich deutlich — usw. Es war also rechts und links, symmetrisch, bergan und bergab von Strecke FA (nicht von Punkt 7), eigentlich alles gleichmäßig per- spektivisch verkürzt gesehen, nur kommt die der Augenhöhe gleiche Strecke FA aus dem Dreiecke O FA, die unter 60° gesehen wird und die unmittelbar vor den Füßen (7) bergan liegt, als eine besondere asym- metrisch, d. h. in der Mitte gelegene bevorzugte Zugabe zugunsten des An- stiegs zur Geltung. Wird demgemäß nun die ganze Strecke #_A unter srößerem Sehwinkel (60°) als die anderen gleich langen Strecken — also deutlicher gesehen, so wird auch jeder beliebige aliquote Teil dieser Strecke OA (= Augenhöhe) unter größerem Winkel, also deutlicher gesehen werden, als ein ebenso großer Bruchteil irgend einer anderen Strecke (also auch beispielsweise der Strecke 7a). Sieht man aber von dieser bevor- zugten Strecke #4, = Augenhöhe, ab, so werden die symmetrisch zu #4 bergan und bergab gelegenen Strecken durchaus gleich deutlich gesehen. Es zielt sich also, beispielsweise in die Ferne, bergan 30° nicht etwa vor- teilhafter als bei derselben Wegsteigung bergab. Nur die ersten 1!/, bis 1?/,” des Berganwegs, gleich der Augenhöhe, sind bei 30° Anstieg bevorzugt. Bei einem Weganstiege von 30° ist, wie wir sahen, die Angelegenheit ohne Rechnung, rein geometrisch, unmittelbar demonstrierbar.” Im Prinzip gilt die Auseinandersetzung selbstverständlich für jeden beliebigen Winkel- anstieg des Weges, nur bedarf es dann der Rechnung und die Zahlen werden andere. ! Übrigens ist bei 30° Anstieg auch das Arithmetische nicht uninteressant: so ist die Länge der Strahlen (s. Fig. 9) OA, OB, OC usw. (und ebenso also OF, Oa, Ob usw.) der Reihe nach: Yi=1; VIrr2=Yy3; VY3+%2=YVr. Vr+r3.2=Vis, Vis++2=YV21, V21+52=V31 uw e Wirkliche und scheinbare Helligkeit und Farbe der Wolken.' (Ein Beitrag zur Lehre vom Weiß-Grau-Schwarz-Sehen.) Von Wilh. Filehne. Den Anlaß zur nachfolgenden Untersuchung gab das Bestreben, eine Erscheinung aufzuklären, die sicherlich schon manchem als paradox auf- gefallen sein wird: bei gleichmäßig stark bewölktem Himmel erscheint (am Tage) ein schneebedecktes Dach oder Gartenbeet — oder ein Stück weißen Papiers, ein Leinentuch — weiß und hell, während die das Licht hierfür spendende Wolkendecke dunkel und grau zu sein scheint. Und auch die gesamte Schneelandschaft bis zum Horizonte, von irgendwelcher Aus- 1 Über die (wirkliche) Helligkeit und Farbe der Wolken ist selbst in dem so groß angelegten, sonst so ausführlichen, vortrefflichen Werke von Pernter-Exner, Meteoro- logische Optik, Wien und Leipzig 1910, nichts zu finden. Zwar wird 8. 215 in dem „Allgemeinen Überblick‘ zum „Dritten Abschnitt“ von Pernter ein Kapitel als letztes dieses Abschnittes mit der Überschrift „Färbung und Beleuchtung der Wolken“ ver- sprochen. Aber der Abschnitt ist ohne dieses Kapitel 1901 (zugleich mit den beiden ersten Abschnitten) erschienen. Exner, der von Pernter zur Ausarbeitung des letzten (vierten) Abschnittes herangezogen war und nach Pernters Tode nunmehr das ganze Werk, — die ersten drei Abschnitte also im zweiten Abdrucke, — 1910 herausgab, erklärt in einer Vorrede (S. X), daß er es aufgegeben habe, das fehlende Kapitel zu ergänzen, da das über den Gegenstand bisher Vorliegende ihm nicht ausreichend er- scheine. Dieses Brachliegen unseres Gebietes nach der physikalischen Seite hin rührt, wie sich im folgenden herausstellen;wird, offenbar hauptsächlich daher, daß die physiologische Seite der Sache unaufgeklärt geblieben war und man das „Schein- bare“ vom Wirklichen noch nicht zu trennen wußte. So hoffe ich denn, daß auch dem Physiker und dem Meteorologen meine folgende, rein aus physiologischem Interesse unternommene Arbeit nicht unwillkommen sein werde. 510 WıLH. FILEHNE: sichtshöhe betrachtet, liefert den gleichen Unterschied. Da der Schnee, das Papier, die Leinwand nicht selbstleuchtend sind, sondern das weiße Licht, das sie ausstrahlen, lediglich von der (schwach) konkaven Wolken- decke her empfangen haben, so liegt hier ein Problem vor, das entweder physikalisch-rechnerischer Lösung oder physiologischer, möglicherweise auch psychologischer Aufklärung bedarf. Der Maler mag sich immerhin dabei beruhigen, daß der Schnee nun einmal weiß und die Wolkendecke grau ist und daß bei einer gegebenen Beleuchtung Weiß heller als Grau wirkt. Auch der Physiologe würde sich mit einer derartigen „Erklärung“ begnügen können, wenn Lichtquelle nicht die untere Fläche der Wolkendecke selbst wäre, sondern wenn z.B. in der Mitte zwischen dem Scheitel des Beobachters und der Wolkenschicht die Lichtquelle schwebte; dann könnte ja allenfalls die „graue“ Wolke dunkler als der „weiße“ Schnee erscheinen. Überdies ist die Behauptung, irgend- eine Wolke sei objektiv dunkelgrau und der Schnee weiß, wissenschaftlich unzulässig, unrichtig. Objektiv im strengsten, philosophischen Sinne gibt es selbstverständlich überhaupt keine Farben und keine Helligkeiten, denn diese sind subjektiver Natur. Aber auch im Sprachgebrauche der Physio- logen ist zwar der Schnee usw. objektiv weiß, nicht aber die Wolke objektiv dunkelgrau: sie erscheint nur so; sie ist im Sinne der Physiologie objektiv weiß oder hellgrau. Denn dieselbe Kumuluswolke, die soeben noch ganz dunkelgrau, fast schwarz erschien, wird — ohne ihre Konfiguration erkenn- bar zu ändern — bei Beginn aufklärenden Wetters hell, oftmals weiß, sogar helleuchtend weiß. Und ein und dieselbe mächtige Haufenwolke, die ein unten im Tale befindlicher Beobachter dräuend dunkelgrau über sich sieht, sieht bei einigermaßen hellem Tageshimmel zur selben Zeit ein über ihr auf einem Berge stehender Beobachter stets hell, mindestens hellgrau oder gar weiß. Man ersieht aus diesen Tatsachen, daß wir für unsere Frage uns eigentlich erst über eine Definition von physiologisch objektivem „Weiß“, „Grau“ und auch „Schwarz“ einigen müßten, d. h. darüber, welchen Ober- flächen, Körpern, Substanzen wir im physiologischen Sinne die „Qualität“, objektiv weiß, grau, schwarz zu sein, zusprechen wollen. Erst dann würden wir zu untersuchen haben, unter welchen physikalischen und physiologischen Bedingungen eine weiße, graue, schwarze Oberfläche usw. uns in Farbe und Helligkeit verändert erscheint, um schließlich das Rätsel der Schnee- landschaft lösen zu können. H. von Helmholtz definierte!: „Weiß“ ist ein Körper, der alles weiße Licht diffus reflektiert; ein „schwarzer“ Körper reflektiert nach ihm \ Handbuch der Physiologischen Optik. II. Aufl. S. 322 (I. Aufl. S. 280). WIRKLICHE UND SCHEINBARE HELLIGKEIT UND FARBE DER WOLKEN. 511 gar kein weißes Licht; ein „grauer‘‘ einen aliquoten Teil des auf ihn fallenden weißen Lichtes. Für den Alltags- und Schulgebrauch eine meister- haft klare, einfache Abgrenzung. Aber sie ist nur eine erste Annäherung an die wahre Wirklichkeit. Für unsern Zweck ist sie unzutreffend und wäre in ihrer Anwendung ein Hindernis für die Erkenntnis. Daß sie, wörtlich genommen, der Wirklichkeit nicht entspricht, ist leicht zu zeigen. Ein sogenannter Lichthof erhalte sein Licht ausschließlich durch ein ihn nach oben abschließendes Glasdach. Die Scheiben dieses Daches mögen von einer eben gerade genügend hohen Schneeschicht so bedeckt, — oder mittels wiederholten Anstrichs durch eine rein weiße Pigmentfarbe (Zink- weiß, Kremser Weiß) so überdeckt sein, daß nirgends gröbere Lücken der weißen Decke Sonnenlicht hindurchlassen. Für ein aus der Höhe auf dieses Lichthofdach blickendes Auge ist bei Sonnenschein oder auch schon bei diffusem Tageslicht dieses Dach „weiß“. Daß es aber, jener Definition zum Trotz, nicht ‚alles‘ weiße Licht reflektiert, geht schon allein daraus hervor, daß in jenem Lichthofe absolute Finsternis nicht vorhanden ist. Analog steht es um die Definition von „Schwarz“. Die Schwierigkeiten, die die experimentierenden Physiker hatten und erst neuerdings überwunden haben, sich einen wirklich lichtlosen Hintergrund zu verschaffen, beweisen, daß die physiologisch „schwarzen“ Oberflächen und Körper des Alltagslebens nicht solche sind, die in Übereinstimmung mit jener Definition „gar kein“ weißes Licht reflektieren, das auf sie fällt. Nach Helmholtzs Definition gäbe es also im praktischen Leben gar keine weißen und schwarzen Körper, sondern nur (wenn nicht „farbig“) graue, — mehr oder weniger hell. Für die Physik ist dies vielleicht noch annehmbar, dagegen für die Physiologie, in deren Interesse doch gerade jene Definition gegeben wurde, ist sie un- brauchbar. „Weiß“ ist eine ganz bestimmte Empfindung, ebenso „Schwarz“ und „Grau“ — und zwischen Weiß und Hellgrau, sowie von Dunkelgrau zu Schwarz gibt es unzweifelhaft Übergänge, „Schattierungen“, — ebenso wie innerhalb von Grau. Soll die genannte Definition wenigstens so weit verbessert werden, daß sie nicht schon a limine abzuweisen ist, so muß sie folgendermaßen formuliert werden, — ohne daß sie aber dann aufhörte, für die Erkenntnis ein Hemmschuh zu sein: eine Oberfläche ist physiologisch- objektiv weiß, wenn sie weißes Licht bei mittlerer Helligkeit (Intensität) in soleher Menge allseitig reflektiert, daß bei normalsichtigem Auge die Empfindung „weiß“ entsteht; als „schwarz“ ist physiologisch eine Oberfläche zu benennen, die bei mittlerer Beleuchtung weißes Licht in so geringer Menge allseitig reflektiert, daß es für die Empfindung unterschwellig bleibt; als „grau“ ist eine Oberfläche zu bezeichnen, die bei mittlerer Intensität weißen Lichtes nur weißes Licht, aber in so geringer Menge all- seitig reflektiert, daß es zur Erregung von Lichtempfindung zwar über- 512 WıLH. FILEHNE: schwellig, zur Erzeugung vom Weißempfindung dagegen noch unter- schwellig ist. | Die Schwäche auch dieser Abgrenzung ergibt sich sofort aus dem Aus- drucke „mittlere Beleuchtung“. Er könnte aber nicht entbehrt werden, da bei sehr starker (weißer) Beleuchtung Hellgrau als weiß und bei sehr schwacher Weißbeleuchtung Dunkelgrau als schwarz gesehen wird. Hier- durch schon wird die Definition zum Hemmschuh, namentlich aber in An- betracht der Tatsache, daß unser Sehorgan befähigt ist, sich innerhalb weiter Grenzen der Beleuchtungsintensität zu adaptieren. Für unsere Zwecke wäre es ein Fehler, in dieser Hinsicht nur an die beiden Extreme zu denken, nämlich an die Dunkeladaptierung und die Helladaptierung, zu deren Herbeiführung es — wenigstens für erstere — verhältnismäßig längerer Zeiträume bedarf. Vielmehr vollzieht sich fortwährend und in ver- schwindend kurzen Zeiträumen, praktisch also: augenblicklich, eine Anpassung des Sehorgans an die im Raume um uns herum fast stets höchst ungleich verteilten Helligkeiten. Dieser schnellen, sofortigen Adaptierung werden wir in den später zu meldenden Beobachtungen und Experimenten vielfach begegnen. Wir werden erkennen, wie Adaptation an den vorliegenden Helliskeitsgrad beim Wandern des Blickes z. B. vom dunkelbewaldeten Berge zum Wolkenhimmel, der hinter-über ihm liegt, — und umgekehrt — sich schnell vollzieht, — wie Kontrasterscheinungen und leichte Blendungswirkungen mit der wechselnden Adaptation organisch ver- bunden und ineinandergreifend die Unterlage schaffen, auf der Empfindungen und durch sie in uns Helliekeitsvorstellungen erzeugt werden, die in ihrer Relativität richtig sind, — die aber im Zusammenhange mit anderen derartigen — in sich ebenfalls richtigen — Relationen zu (objektiv) un- richtigen Vorstellungen, „Täuschungen“ führen — und zwar führen müssen. Als ein Beispiel für die Unzulänglichkeit selbst der oben verbessert aufgeführten Helmholtzschen Definition und für die Kompliziertheit des von uns in Angriff zu nehmenden Problems sei folgende Beobachtung an- geführt. Im Hochgebirge kann man sehr häufig sehen, daß ein Schnee und Gletscher tragender Berg bei sonst klarem Wetter stellenweise von Wolkenmassen verdeckt oder umkränzt ist. Wenn er von diffusem Tages- lichte erhellt ist, erscheinen die dem Beobachter zugekehrten Flächen der Wolken meistens ebenso hell — je nachdem weiß oder hellgrau — wie die sichtbaren Schneeflächen des Berges und heller als die Gletscher. Wenn dagegen die Wolken und der Schnee, direkt von der Sonne beschienen, blendend weiß auf das Sehorgan wirken, so ist zweifellos der Schnee etwas mehr blendend als die Wolken. Kann man jenen Berg, an dem bei dif- fusem Tageslicht die Wolken und der Schnee beide weiß und gleich hell erschienen waren, auch noch bis abends in später Dämmerung, also bei WIRKLICHE UND SCHEINBARE HELLIGKEIT UND FARBE DER WOLKEN. 513 immer schwächer werdender Beleuchtung beobachten, so erscheinen die vorher weiß gesehenen Wolken schließlich grau und zwar zu einer Zeit, - wann der Schnee noch weiß erscheint. Erst bei weiterer Zunahme der Dämmerung, also Abnahme der Belichtung, erscheint dann der Schnee ebenfalls nicht mehr weiß. Die Sache liegt also so: bei sehr intensiver (Sonnen-) und bei sehr schwacher Beleuchtung (Dämmerung) ist zu er- kennen, daß der Schnee das auf ihn fallende weiße Licht etwas stärker, reichlicher reflektiert, als die unter denselben Bedingungen befindlichen Wolken. Selbstverständlich muß dies auch für die „mittlere Beleuchtung‘ (diffuses Tageslicht) gültig sein, — ist aber für unser Sehorgan nicht — oder nicht immer — erkennbar. Von zwei Oberflächen ferner, die beide bei „mittlerer Beleuchtung“ weiß erschienen waren, erscheint bei sehr schwacher Beleuchtung die eine grau und dunkler, während die etwas stärker reflektierende noch weiß und hell gesehen wird. Aus diesem Beispiele und dem weiter oben angeführten ersieht man, daß unser Schneelandschaftsproblem (dunkelgrauer Wolkenhimmel — weißer Schnee) nur einen Teil ausmacht des Problems von den Unterlagen des Weiß-Grau- (und auch Schwarz-)Sehens überhaupt. Nun ist dies Grund- problem ein noch recht wenig geklärtes Gebiet. Der Aufklärung unserer Teilfrage wäre aber sicherlich wenig gedient, wenn wir hier ohne dringende Nötigung in den Streit um das Grundproblem weiter eintreten würden, als unsere Frage und die zu ihrer Beantwortung angestellten, später zu be- richtenden Versuche und Beobachtungen erfordern werden. Daher gebe ich bezüglich des Grundproblems an dieser Stelle keine Darlegung des gegen- wärtigen Standes, vielmehr werde ich soweit als möglich auf das sorgfältigste alle strittigen Punkte, die für unsere F'rrage nicht von entscheidender Be- deutung sind, zu umgehen suchen und meiner Darstellung eine Auffassung zugrunde legen, die von den Vertretern der entgegengesetztesten Auffassungen wird hingenommen werden können. I. Physikalisches und Rechnerisches. In allen folgenden Ausführungen über den „gleichmäßig bewölkten Himmel“ ist stets unterstellt, daß der sichtbare Wolkenhimmel in allen seinen Teilen gleich hell oder dunkel sei. Soweit dies in der Wirklichkeit nicht — und zumal nicht immer erfüllt ist, läßt sich dieser Fehler in den Beobachtungsbedingungen dadurch ausschalten, daß man die Versuche und Beobachtungen nicht bloß in einer einzigen, sondern in vielen und zumal entgegengesetzten Himmelsrichtungen anstellt. Ganz besonders aber ist für eine Kontrolle meiner Angaben auf folgenden, Ausschlag gebenden Punkt Rücksicht zu nehmen: soll eine Beobachtung für den „gleichmäßig bewölkten Archiv f. A.u.Ph. 1912. Physiol. Abtlg. 33 514 WıuH. FILEHNE: Himmel‘ allgemein gültig sein, so darf sich der Beobachter nicht so auf- stellen, daß er den etwa helleren Teil des Wolkenhimmels hinter seinem Rücken hat. Denn in solchem Falle wird das (für ihn) von hinten zu reichlich kommende (weiße) Licht nicht bloß vom Schnee (Papier usw.), sondern auch von etwaigen vor dem Beobachter liegenden tiefziehenden Wolken aufgefangen und reflektiert. Es ist aber gerade für die Lösung unseres Problems (dunkle Wolken — heller Schnee) der prinzipielle Unter- schied aufrecht zu erhalten, der in der Eınanationsart des Lichtes einer- seits an den Wolken, andererseits am Schnee (Papier usw.) bei unserem Phänomen gegeben ist: der Schnee hat nur zu reflektieren; — dagegen haben die Nebelmassen des Wolkenhimmels zunächst nichts anderes zu leisten, als gleichmäßig zerstreutes Sonnenlicht auszustrahlen. DaB sie nachher Licht auch noch reflektieren, das vom Schnee bereits einmal re- flektiert wurde, und solches, das von anderen Stellen des Wolkenhimmels ausgestrahlt auf sie fällt, ist dann gesondert in Rechnung zu bringen. Nach dem soeben Gesagten wäre es durchaus irrig, daran zu denken, es könnte unser Schneelandschaftsphänomen auf einem sei es qualitativen, sei es quantitativen Unterschiede der Reflexion des Lichtes, einerseits durch die Wolken, andererseits durch den Schnee, zurückzuführen sein. Derartige Unterschiede sind ja tatsächlich vorhanden: Schnee hat, wie oben erwähnt, ein größeres Reflexionsvermögen als der Nebel; ferner sind die Oberflächen von Schnee, Papier, Leinwand unter sich genügend ähnlich und recht beträchtlich verschieden von einer Wolkenoberfläche. Aber bei unserem Phänomen handelt es sich um Reflexivn zwar für den Schnee usw., dagegen nicht für die Wolken. Wie irrig jener Gedanke wäre, geht schon aus folgendem hervor: das Phänomen bleibt im wesentlichen durchaus ungeän- dert, wenn man als Reflektor dem Schnee eine (reflektierende) Wolke substituiert: wenn nämlich der Himmel von hochliegenden Wolken gleich- mäßig bedeckt ist und wir, auf mäßig hohem Berge stehend, eine unter uns, also tief ziehende Wolke betrachten, die, vom lichtspendenden Wolkenhimmel beleuchtet, Licht in unser Auge reflektiert, so erscheint sie — ganz wie sonst der Schnee — hell, eventuell weiß oder hellgrau, und der Wolkenhimmel dunkelgrau. Wolken sind eben, solange das von ihnen kommende Licht ausschließlich reflektiertes ist, bei „mittlerer Beleuchtung“ weiß oder hellerau. Nur dann erscheinen sie dunkelgrau und fast schwarz, wenn sie (wenigstens in Gestalt einer Komponente) von hinten her, von der uns abgekehrten Seite her belichtet sind, was aber nicht ausschließt (s. weiter unten), daß eine Wolke, die zwischen uns und die Sonne tritt, heller wird. — Die Lichtkegel, zu denen die durch unsere Pupille hindurchgegangenen Lichtstrahlen von der Linse vereinigt werden und deren Spitzen unsere WIRKLICHE UND SCHEINBARE HELLIGKEIT UND FARBE DER WOLKEN. 515 Netzhaut treffen, enthalten nicht das gesamte vom Wolkenhimmel aus- gesandte oder das von der ganzen schneebedeckten Horizontfläche reflek- tierte Licht, sondern sind nur Stichproben von — wie wir zunächst unter- stellen wollen — gleichbleibender Größe. Angenommen, unser Helligkeits- sinn wäre — wenigstens vergleichsweise — als Photometer unbedenklich verwertbar (er ist es nicht), so wäre es doch nicht gestattet, dem Wolken- himmel ohne weiteres eine geringere (objektive) Helligkeit als der schnee- bedeckten Horizontfläche bloß deshalb zuzusprechen, weil diese Stichproben zugunsten der Schneefläche ausfallen. Um aus diesen Proben die beiden Helligkeiten rechnerisch ableiten zu können, wäre erst noch erforderlich, das Größenverhältnis der beiden Flächen zu kennen. Wenn die licht- spendende Wolkendecke beispielsweise mehrere Male größer wäre, als die beleuchtete und reflektierende Schneefläche, so könnte möglicherweise dies ein ausreichender Grund sein für eine große relative (objektive) Helligkeit der beleuchteten Fläche. In der Tat hat die Wolkendecke einen größeren Flächeninhalt als die zugehörige Horizontfläche. Zur Vereinfachung der Berechnung dieses Unterschiedes wollen wir die Horizontfläche als Kugel- kalotte nehmen und auch die untere Fläche der Wolkendecke als eine zu jener konzentrische Kugelkalotte ansehen. Die Höhe der Wolkendecke wollen wir mit 1000 bis 3000” bewerten, — für so massige Wolken ein schon ziemlich hoher Wert. Dann ist der Kugelhalbmesser der Horizontfläche identisch mit dem Erdhalbmesser = 6370 ®“ und der der unteren Wolken- fläche wäre = 6371 bis 6373%. Das gibt selbstverständlich einen ver- schwindend kleinen Unterschied in den Flächeninhaltsgrößen der beiden Kalotten, nämlich von ®/,oooo BIS T/;ooo- Das macht den Himmel nicht grau und den Schnee nicht weiß! Erst recht ungangbar ist der Weg, wenn man versucht, die schein- baren Größenunterschiede der beiden Flächen zu verwerten. Indes liegt wohl kein Anlaß vor, hierauf näher einzugehen. Es ließ sich also aus dem Größenverhältnisse der lichtspendenden und licbtempfangenden Fläche kein Anhalt dafür finden, daß unser Helligkeits- sinn bei Betrachtung von Wolkenhimmel und Schneefeld als Photometer richtig fungiere, — d.h. daß ersterer objektiv weniger hell sei als letzteres. Wir werden vielmehr in den nächsten Abschnitten physiologisch und physikalisch den Nachweis erbringen, daß der Wolkenhimmel nicht weniger hell (ja heller) leuchtet, als der von ihm belichtete Schnee (Papier, Leinwand). Eigentlich ist dies ja doch selbstverständlich: woher sollte der Schnee sein Licht sonst beziehen? Und selbstleuchtend ist er doch nicht. — Wir haben uns jetzt noch Rechenschaft zu geben über den Gang und die Beschaffenheit des Sonnenlichts, das, bei einheitlich dunklem Wolken- Sa 516 WiıuH. FILERNE: himmel in den Nebelmassen gleichmäßig diffundiert (zerstreut), direkt in unser Auge gelangt. Die Nebelmasse der Wolken reflektiert einen Teil des auf ihre uns abgekehrte Fläche trefienden Sonnenlichts in den Weltenraum; diese Licht- mengen gehen für unser Auge verloren. Der Nebel ist ferner selbst in dünnster Schicht nur unvollkommen durchsichtig, also schatten werfend, — in größeren Massen, d. h. bei einer gewissen Dichte und Dicke, nur noch durchscheinend, bei noch größerer Masse undurchsichtig, und dann, soweit er nicht selbst leuchtet, absoluten Schatten liefernd. Innerhalb der Nebel- masse wird das Licht zu einem Teile absorbiert, extinguiert, außerdem nach allen Richtungen reflektiert und hierdurch zerstreut, zu einem kleinen Teil spektral zerlegt, aber durch Mischung wieder zu weißwirkendem Licht. ! Bei einer gewissen Massenhaftigkeit des Wolkenmaterials — Dichte und Volum — ist die Folge dieser Vorgänge, daß von der uns abgekehrten Fläche an bis zu der uns zugekehrten das Licht als weißes Licht in ab- nehmender Menge (Intensität), und zwar in jeder Kugelkalottenfläche (Erdmittelpunkt als Zentrum) annähernd gleichmäßig verteilt ist, so daß in jeder Kugelkalotte der Wolkenmasse alle Nebelteilchen annähernd gleich stark leuchten. Aus dieser Sachlage ergibt sich, daß, wie jede noch so dünne Wolke, so jedes kleinste Nebelteilchen, Tröpfehen (Bläschen), Eis- kriställchen für unser Auge einen objektiven Schatten wirft, indem es von demjenigen Lichte etwas abfängt und uns vorenthält, das auf seine uns abgekehrte Seite fällt. Die unterste — also für uns nächste Schicht der leuchtenden Wolkenhülle sendet, für sich allein betrachtet, uns ein Licht zu, das schattenfrei ist, da zwischen ihr und uns keine schatten- werfenden Teilchen liegen; aber diese Schicht, weil der Sonne am meisten abgekehrt, ist, wie bemerkt, die am wenigsten helle und ihr Licht sehr schwach im Vergleich zu denen der höheren Schichten. Für das Licht dieser stärker leuchtenden höheren Schichten sind aber die Nebelteilchen der untersten Schicht — und gleichermaßen für jede helle höhere die einer jeden weniger hoch gelegenen Schicht — schattenwerfende Hinder- nisse. Infolge hiervon stellt der Querschnitt des vom gleichmäßig be- wölkten Himmel zu unserer Netzhaut direkt gelangenden Lichtes nicht ein gleichmäßig durchsetztes Energie-(Licht-)Feld dar, sondern ein Mo- saik, das aus feinsten, verhältnismäßig intensiv hellen und aus sehr licht- schwachen (Schatten) Fleckchen, „Pünktchen“, zusammengesetzt ist. Da- gegen wird dieses ungleichartig zusammengesetzte Licht, nachdem es auf eine weiße Fläche, Schnee, Papier usw., aufgefallen ist, von dieser, wie ! Wenigstens für gewöhnlich; Fälle von farbigen Halos um Sonne und Mond, Koronen, Glorien und Wolkenregenbogen kommen für unsere Frage nicht in Betracht. WIRKLICHE UND SCHEINBARE HELLIGKEIT UND FARBE DER WOLKEN. 517 nicht weiter ausgeführt zu werden braucht, als ein im Querschnitt? gleich- mäßig verteiltes Licht reflektiert, dessen Intensität in maximo gleich dem Mittelwerte, dem Durchschnitte der im Wolkenlichte mosaikartig verteilten Intensitäten wäre (nämlich wenn es vollständig reflektiert würde, was ja nicht der Fall ist). Sobald dieses reflektierte Licht auf die Netzhautelemente gelangt, belichtet es sie daher schwächer als vorher die lichtstärksten Mosaikteilchen des direkt einfallenden Wolkenlichtes und stärker als dessen lichtschwachen Teile. Es ist also physiologisch zu unter- suchen, was dieser physikalische Konstitutionsunterschied des — direkten — Wolken- und des — reflektierten — Schneelichts für das Sehorgan bedeutet. II. Physiologischer Nachweis objektiver Helligkeitsunterschiede. So mißtrauisch wir — zweifellos mit Recht — die photometrische Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit unsres Helligkeitssinnes für den Fall unsres Problems und für sukzessive Eindrücke bewerten mögen, so berech- tiet ist für gewöhnlich unser Zutrauen zu ihm, wenn es sich um zwei gleichzeitige Empfindungen bei gleichartiger Belichtung annähernd gleich- artigen Materials handelt. Beim Blick auf ein mit Bleistift beschriebenes Blatt weißen Papiers ist die Vorstellung von einer größeren Helligkeit der frei gebliebenen Flächenteile der Blattseite, — soweit der allseitige — diffuse — Reflex in Betracht kommt —, zweifellos richtig (für den ein- seitigen — spiegelnden — Reflex liest in diesen Fällen die Sache meistens umgekehrt). Auch wo es sich bei qualitativ gleicher (Weiß-) Belichtung eines durchaus gleichartigen Materials um die Helligkeit zweier unmittelbar nacheinander zu betrachtenden Stellen handelt, da ist für quantitative Unterschiede unser Helligkeitssinn auch noch ziemlich zuverlässig. Wenn aber die physikalische Konstitution des Lichts, das in unser Auge gelangt, so verschieden ist, wie bei unserm Schneelandschaftphänomen, und wenn, wie hier, der Zustand des Sehorgans während der beiden Eindrücke noch gänzlich unerforscht ist, so bedarf es erst einer eingehenden physiologischen Überlegung oder Untersuchung, bevor wir den Helligkeitssinn als physio- logisches Reagens für objektive Helligkeitsunterschiede anerkennen. Diese Zurückhaltung ist um so mehr geboien, als bei dem Helligkeitssinn psy- chische Momente zu „Täuschungen“ sehr wohl Anlaß geben könnten. Es stehen uns aber noch rein physiologische Reagentien für Helligkeitsunter- schiede zur Verfügung, deren Verwertung den geäußerten Bedenken nicht unterliegt, z. B. die Pupillenreaktion, Nachbilder usw. Wenn wir bei gleichmäßig bewölktem Tageshimmel eine Versuchs- person zuerst auf eine vom Tageslichte beleuchtete weiße — und weiß er- scheinende — Fläche und dann zum dunkelgrau erscheinenden Himmel 518 WıLHa. FILERNE: blicken lassen, so verengt sich beim Aufblicke ihre Pupille, und oft tritt auch leichtes Zukneifen der Lidspalte ein; und wenn wir diesen Versuch an uns selbst vornehmen, bemerken wir deutlich ein leichtes Blendungs- gefühl beim Blicke zum Wolkenhimmel. Hat man längere Zeit hindurch auf den Wolkenhimmel geschaut und blickt dann auf die weiße Fläche, so erscheint diese zunächst dunkler als der Wolkenhimmel und nicht weiß, sondern grau; es bedarf dann einer gewissen, wenn auch sehr kurzen Zeit, bis das Sehorgan sich wieder so weit adaptiert hat, daß ihm jene weiße Fläche weiß erscheint, wo dann der Himmel wieder dunkelgrau wirkt- Wenn man während längerer Zeit durch einen im Gesichtsfelde blei- benden undurchsichtigen Rahmen zum Wolkenhimmel geblickt hat und dann auf die weiße Fläche schaut, so hat man auf dieser ein negatives Nachbild des eingerahmt gewesenen Himmelsstücks — also ein Blen- dungsskotom. Aus diesen Erfahrungen geht für unsere Zwecke zweierlei hervor. Ein- mal ist physiologisch der Nachweis erbracht, daß das Licht des dunkler und grau erscheinenden Wolkenhimmels stärker auf die Netzhaut wirkt als die von ihm belichtete weiße Fläche. Zweitens zeigen sich leichte Blendungserscheinungen sowohl bei als auch nach dem Aufblicke zum Wolkenhimmel. Wir wollen für letztere, um sie von der eigentlichen „Blendung‘“ zu unterscheiden, in unsren weiteren Ausführungen den Aus- druck „relative Blendung“ benutzen („Umstimmung“ von Kries’). Alle mitgeteilten Beobachtungen vertragen sich mit der oben besprochenen physi- kalischen Zusammensetzung desjenigen Lichtes, das einerseits vom Wolken- himmel, andrerseits von der reflektierenden weißen Fläche herkommt — ja, die physikalische Zusammensetzung des Wolkenlichtquerschnitts als eines Mosaiks, das aus blendend hellen und sehr lichtschwachen Teilen be- steht, gibt erst die Erklärung für die lebhafte Reaktion der Pupille und für die Blendungserscheinungen. Hiermit sind wir dem Verständnisse des Schneelandschaftsphänomens zweifellos nahegekommen. III. Scheinbare und wirkliche Helligkeit und Farbe der Wolken. Wenn bei gleichmäßig stark bewölktem Himmel eine niedrig schwe- bende Haufenwolke zwischen uns und einem dunkelbewaldeten, pyramiden- förmigen Berge dahinzieht, dessen Umrisse für uns den Wolkenhimmel zum Hintergrunde haben, so beobachtet man folgendes. Solange und so- weit für uns die Wolke vor dem Berge liegt, soweit also der Berg den optischen Hintergrund für die Wolke abgibt, erscheint sie weiß oder hellgrau (und dies auch dann, wenn der dunkle Berg von der Wolke unsichtbar gemacht ist); soweit dagegen für uns die Wolke den Wolken- WIRKLICHE UND SCHEINBARE HELLIGKEIT UND FARBE DER WOoLKEn. 519 himmel zum Hintergrunde hat, erscheint sie dunkelgrau bis selbst schwarz. Nun ist es ja selbstverständlich, daß die Wolke, während sie vor dem dunklen (von ihr verdeckten) Berge gesehen wird, objektiv nicht heller ist, als wenn wir sie gegen den helleren Wolkenhimmel sehen. Denn das auf ihre uns zugekehrte Fläche fallende diffuse Tageslicht, das sie reflektiert und in unser Auge sendet, ist beide Male gleich intensiv, und von hinten- her kann ihr der dunkle Berg doch nicht mehr Licht zuführen als der hellere Himmel. Überdies zeigte mir photographische Aufnahme, daß tat- sächlich, im Negativ, der dunkler gesehene Teil der Wolke, d.i. der, der den Himmel zum Hintergrund hat, die empfindliche Platte stärker schwärzt und im Positiv heller erscheint als der vor dem Berge liegende hellgesehene Wolkenabschnitt. Vor dem Berge ist also die Wolke objektiv weniger hell und erscheint heller und weiß; dagegen ist sie vor dem Wolkenhimmel objektiv heller und erscheint dunkel. An jedem beliebigen Orte kann man die Richtigkeit dieser meiner Beobachtung kontrollieren. Wasserdampf, Tabaksrauch, ein weißes Haar, ein weißer Stab — erscheinen, gegen einen beliebigen indifferenten, nicht leuchtenden Hintergrund gesehen, hell — gegen den Wolkenhimmel ge- sehen dagegen dunkel. In exakter Form ist der Versuch wie folgt einzurichten. Ein frei- liegendes, parallelepipedisches Zimmer, das von mindestens drei Seiten Licht durch Fenster erhält, die irgendwie verdunkelt werden können, sei bei bewölktem Himmel unser Beobachtungsraum. Das eine Fenster werde durch einen weißen, ganz undurchsichtigen Schirm verdeckt. Vor die Mitte dieses Schirmes wird ein weißes, undurchsichtiges, dreiseitiges Prisma (aus Karton, Kreide oder ähnlichem) so angebracht, daß der dem Schirm gegenüberstehende Beobachter nur die eine Längsfläche zu sehen bekommt. Die anderen Fenster werden nur so weit verdunkelt, daß die Prismafläche noch sehr deutlich und ganz zweifellos weiß und nicht etwa schon in Dämmerlicht gesehen wird. Alsdann wird der Schirm entfernt, so daB der Wolkenhimmel den sichtbaren Hintergrund für die Prismafläche abgibt: die vorher weiß gesehene, objektiv weiße Prismafläche erscheint schwarz. Man sieht nur noch den „Schattenriß“, d. i. den Schatten des Prismas. Wird dem beobachtenden Auge der Himmel dann wieder durch den weißen Schirm verdeckt, so wird sofort oder doch nach einer Adaptation von wenigen Sekunden die Fläche von neuem als weiß erkannt. Variiert man den Versuch dahin, daß man die lichtspendenden Fenster weniger verdunkelt — die weiße Fläche also wesentlich stärker belichtet, so erscheint die Prismafläche bei sichtbarem Himmel grau; — je heller die Belichtung der Fläche, um so mehr hellgrau, je geringer die Belichtung, um so mehr dunkelgrau. 520 WıLHa. FILERNE: In diesen Prismaversuchen sind zwei Faktoren eliminiert, die in den vorhergenannten Beobachtungen (Wolken, Rauch) gesondert zu berücksich- tigen wären: einmal der eventuelle Kontrast gegen den dunklen Hinter- grund, z. B. den Berg — obschon die Erscheinung auch zustande kommt, wenn die Wolke den ganzen Berg verdeckt, unsichtbar macht; immerhin muß ein etwaiger Kontrast verstärkend auf die Erscheinung wirken. Zweitens ist ein offenbar die Erscheinung abschwächender Einfluß aus- geschaltet: die Durchlässigkeit der Wolke usw. für Licht, das von hinten her auf sie fällt. Je mehr Licht ceteris paribus von hinten-oben bis an die uns zugekehrte Fläche der Wolke dringt, um so mehr Licht sendet die Wolke in unser Auge, um so weniger dunkel wird sie erscheinen, oder anders ausgedrückt: je Kmeneisenle die Wolke ist, um so weniger dunkel ist ihr Schatten. Unser Prismaversuch gibt in elementarer Form, physikalisch und physiologisch gleich klar und übersichtlich, die Verhältnisse wieder, die am Wolkenhimmel vorliegen und für uns sein Aussehen bestimmen. Das Resultat ist: eine weiß beleuchtete, im physiologischen Sinne ob- jektiv weiße Oberfläche erscheint schwarz, wenn sie den grauen Wolken- himmel als sichtbaren Hintergrund erhält, während sie ceteris paribus weiß gesehen wird, sobald der Wolkenhimmel abgeblendet ist. Physiologisch haben wir hier einen reinen Fall von „relativer Blen- dung“ („Umstimmung“). Wenn man auf Worte besonderen Wert legt, kann man ihn auch als einen Fall von Kontrast bezeichnen: „weil der dunkelgraue Wolkenhimmel immerhin doch recht hell ist, erscheint die schwach belichtete weiße Fläche dunkel, schwarz“. Ebensogut kann man aber unsern Versuch als typisches Beispiel einer Adaptationsänderung rubrizieren. Diese drei Bezeichnungen sind sämtlich zutreffend für diesen einen einheitlichen Vorgang; denn relative Blendung beruht auf Änderung der Adaptation und liefert einen Kontrast; jeder Schwarz-Weiß-Kontrast schließt Adaptationsvorgänge in sich usw. Kehren wir zu unserer Wolke zurück. Wenn der Himmel von hoch- liegenden Wolken bedeckt ist, so erscheint, wie wir erfuhren, eine vor dunklem (übrigens eventuell nicht sichtbaren, also auch nicht kontrastieren- den) Hintergrunde in geringerer Höhe vorüberziehende, dichte und volumi- nöse Haufenwolke hell —, hellerau oder weiß —, weil sie auf der uns zugekehrten Fläche das vom Wolkenhimmel ausgestrahlte weiße Licht reichlich — wenn auch nicht völlig — reflektiert, d. h. weil sie physio- logisch objektiv hellgrau oder weiß ist, und weil das Auge für diese Helligkeit adaptiert ist. Betrachten wir dagegen dieselbe Wolke dort, wo sie den Wolkenhimmel zum sichtbaren Hintergrunde hat, der sie mit seinem helleren Lichte rings umleuchtet und auch in unser Auge dann hinein- WIRKLICHE UND SCHEINBARE HELLIGKEIT UND FARBE DER WOLKEN. 521 leuchtet, so tritt durch den nunmehr ebenfalls in unser Gesichtsfeld kom- menden helleren Wolkenhimmelhintergrund relative Blendung ein, mit einem anderen Worte: Helladaptierung des Sehorgans in toto oder ein „Kontrast“, und jene tiefziehende, soeben noch weiß gesehene und objektiv ebenso weiß gebliebene Wolke erscheint — ganz wie unser weißes Prisma im oben ge- schilderten Versuche — dunkelgrau; sie erscheint sogar schwarz, wenn sie nur schwach belichtet und wie das Prisma gar nichts von demjenigen Lichte durch sich hindurchläßt, das von hinten her auf sie fällt — d.h. also, je diehter und dicker sie ist, — wodurch eben ihr Schatten objektiv um so dunkler wird. Eine Wolke kann auch hell, und selbst weiß erscheinen, ohne weißes Licht zu reflektieren, nämlich dann, wenn sie ausschließlich von hinten her beleuchtet ist, verhältnismäßig geringe Masse hat und im Verhältnis zu dieser Masse intensiv durchleuchtet ist. So wird eine wenig dichte und nicht zu voluminöse Wolke leuchtend weiß (oder doch heller grau), wenn sie zwischen uns und die Sonne tritt. Eine bestimmte Wolke erscheint um so dunkler, je blendender im Vergleiche zu ihrer eigenen objektiven Helligkeit (gleichviel, ob Reflex oder Durehleuchtung) ihr Hintergrund ist, mit dem zugleich sie gesehen wird. Blendet man sich in solchem Falle den umliegenden Hintergrund ab, indem man ausschließlich die Einzelwolke, und zwar nur einen Teil von ihr, durch die zu einem Rohr gekrümmte Hand hindurch betrachtet, so erscheint sie sofort wesentlich heller (Adaptation für geringere Helligkeit); schaut man sie dann wieder mit freiem Auge an, wobei der helle Himmel wieder ebenfalls ins Gesichtsfeld kommt, so tritt Adaptation für größere Helligkeit ein und jene Wolke erscheint wieder dunkel (auch zeigt sich das erwähnte Blendungsskotom, — das negative Nachbild des umrahmt gewesenen \Volken- stückes). Man kann dies auch so ausdrücken: jetzt kommt die Tatsache zur Geltung, daß die Einzelwolke in der Lichtflut des Wolkenhimmels einen Schatten wirft. Selbstverständlich erscheint mit und vor demselben helleren Hinter- grunde von zwei Wolken, vorausgesetzt, daß sie von vorn her gleich stark belichtet sind, die dichtere und dickere Wolke dunkler als die zartere, dünnere: je dunkler der Schatten, den eine Wolke in das Auge wirft, um so dunkler erscheint sie. Ob eine Wolke an Farbe weiß, grau oder selbst (fast) schwarz er- scheint, hängt — kurz ausgedrückt — von folgenden physiologischen und physikalischen Bedingungen ab. Jedes objektive „Grau“ ist eine „Farbe‘‘ und erscheint uns gerade so wie jede andere Farbe (Rot, Gelb, Grün usw.) bei starker Lichtintensität —, notabene hier ist zunächst nur von reflektiertem Licht die Rede —, als 523 WıLH. FILEHNE: Weiß; je heller im Farbenton das Grau objektiv ist, um so geringer die hierzu erforderliche Intensität der Belichtung. Nun ist aber das Sehorgan nicht ein unveränderlicher, auf den gleichen Reiz, d.i. physikalische Helligkeit einer Netzhautstelle, stets gleich stark reagierender Apparat, sondern es adaptiert sich in toto der gesamten einwirkenden Helligkeit. Soweit es sich zunächst um reflektiertes Licht handelt, wird andererseits, wie unser Prismaversuch lehrt, eine objektiv weiße Fläche, die an einer bestimmten Stelle unserer Netzhaut abgebildet ist, bei gleichbleibender Be- licehtung eben dieser Fläche — also auch gleichbleibender physikalischer Helligkeit ihres Netzhautbildchens — je nach dem als grau, dunkelgrau oder schwarz empfunden, sobald die Adaptierung nach der „dissimila- torischen“ Richtung geändert, d.h. sobald das Sehorgan dahin gebracht wird, sich in toto für größere Helligkeit einzustellen. Und subjektiv wandelt sich unter den gleichen Bedingungen objektives Grau in Dunkelgrau und Schwarz. Umgekehrt wird eine objektiv unverändert in Farbe und Helligkeit bleibende „graue“ Stelle des Netzhautbildes als weiß empfunden, wenn . das Sehorgan sich — „assimilatorisch“ — für geringere Helligkeit adaptiert. Im Experimente läßt sich diese Einstellung für geringere Helligkeit bei Gleichbleiben der Belichtung einer gegebenen grauen Fläche — und also auch ihres Netzhautbildehens — am einfachsten durch Kontrast erreichen: man hat nur nötig, ein hellgraues Blatt Papier, das bei der vorhandenen Weißbeleuchtung eben gerade noch als verschieden von einem weißen Papier erscheint, mit einem breiten schwarzen Rande einzufassen, — und es er- scheint sofort weiß (bzw. erscheint ein dunkelgraues hellgrau); denn alsdann fällt weißes Licht in geringerer Menge als vorher auf die gesamte Netzhaut und das Sehorgan als Ganzes adaptiert sich für geringere Helligkeit; für diesen Adaptierungsgrad aber ist dann die objektiv ungeändert gebliebene Belichtung der hellgrauen Fläche relativ so intensiv, daß diese statt hell- grau weiß erscheint (und eine dunkelgraue hellgrau). Umgekehrt kann auch in analoger Weise Kontrast zur Erzeugung von Helladaptation benutzt werden: ein dunkelgraues Blatt Papier, das bei einer bestimmten Beleuch- tung eben noch von Schwarz verschieden erscheint, wird als schwarz ge- sehen, sobald es mit einem breiten weißen Rahmen versehen wird. Alles dieses gilt auch für die Wolken. Allerdings kommt an ihnen weder objektives Schwarz noch Dunkelerau in Betracht. Aber der Voll- ständigkeit und des Zusammenhanges wegen sei auf folgendes hingewiesen. Rein physikalisch ist Schwarz zwar in bezug auf Lichtenergie gleich Null zu Setzen und auch für den Physiologen gibt es keine „schwarzen Lichter“. Aber für die Empfindung ist Schwarz eine positive Farbe genau so wie, Weiß, Grau, Rot usw. Auch Schwarz kann nur „bei Licht“ gesehen werden, d. h. es muß eine Stelle im Netzhautbilde einnehmen; ein WIRKLICHE UND SCHEINBARE HELLIGKEIT UND FARBE DER WOLKEN. 523 Netzhautbild entsteht aber nur unter Einwirkung von Licht. Im absolut lichtlosen Raum sehen wir nicht „Schwarz“, sondern „Nichts“ oder das „Eigenlicht der Netzhaut“. lbenso sehen wir mit irgendeiner Hautstelle, z. B. an den Händen, nicht Schwarz, sondern „überhaupt nicht“. Aber bloß das Licht schlechtweg genügt nicht. um eine objektiv schwarze Fläche schwarz zu sehen, sondern es bedarf des (weißen) Lichtes in solcher Intensität, daß das (adaptierte) Sehorgan überhaupt befähigt ist, „Farben“ zu empfinden. Denn die „Farben“ Schwarz, Grau und Weiß werden nur in soleher Beleuchtung wahrgenommen, in der auch Rot, Gelb usw. wahr- genommen werden, d.i. in der Zone derjenigen Lichtintensitäten, die oberhalb des „Dämmerlichtes“ und unterhalb des nicht mehr physiologischen, sondern wirklich blendenden Lichtes liegen. Im Dämmerlicht wird weder eine der Spektralfarben, noch Weiß, Grau oder Schwarz empfunden, sondern ledig- lich Hell und Dunkel, graduell verschieden und schattierungsweise eines in das andere übergehend. Allerdings steht diese meine Aufstellung in einem gewissen Wider- spruche zu v. Kries’ Schilderung des „Dämmerungssehens“!: „— — daß unter solchen Umständen keine Farben unterschieden werden; alle Gegen- stände, sie mögen sonst aussehen, wie sie wollen, erscheinen uns nur heller oder dunkler grau. Das Sehorgan funktioniert als ein total farben- blindes“. Streicht man in dieser Ausführung das Wort „grau“, so stimmt das von mir Gesagte mit ihr völlig überein. Bleibt es stehen, so ist die Darstellung unzutrefiend. Denn was man bei schwächster weißer Beleuch- tung sieht, ist nicht „grau“, sondern eben gänzlich farblos, nur hell und weniger hell, und dunkel und absolut dunkel. „Grau“ aber ist eine Farbe. Freilich wenn ein Maler das in der Dämmerung Gesehene wiedergeben will; muß er Grau in Grau mit Schwarz malen, denn andere Mittel der Dar- stellung stehen ihm eben nicht zu Gebote, da er ja doch nicht ohne jede Farbe malen kann. Aber das Sehorgan ist reicher ausgestattet. Weiß wird bei schneller Verminderung der Weißbelichtung sehr bald nicht mehr als weiß, sondern nur noch „hell“ — aber nicht hellgrau gesehen. Wenn man dann mit der Verdunkelung innehält, adaptiert sich das Auge und die Fläche wird wieder weiß gesehen. Bei weiterer Abnahme der Belichtung sieht schließlich selbst das völlig dunkeladaptierte Auge die objektiv weiße Fläche nicht mehr weiß, sondern nur noch hell. Wenn die Belichtung noch weiter vermindert. wird, so nimmt der Helligkeitsgrad des Flächenbildes ab; das Gesehene wird undeutlicher, unerkennbar — und verschwindet schließlich (wie Sterne 7. bis 10. Größe dem unbewaffneten Auge unsichtbar); — aber es wird nicht etwa erst dunkelgrau und dann ı Nagels Handbuch der Physiologie des Menschen. Bd. Ill. S. 173 (1904). 524 WırH. FILEHNE: schwarz, sondern es wird weniger und weniger hell und schließlich un- sichtbar, nämlich unsichtbar auf dem dunklen Untergrunde. Ganz anders liegt die Sache für objektives Grau. Ein selbst ziemlich helles objektives Grau wird im „Dämmerlichte“, d. h. sobald Blau usw. nicht mehr gesehen werden, als durchaus farbloser Schatten im Vergleiche zu objektivem Weiß gesehen, also nicht etwa als grauer Schatten; bei zunehmender objektiver Verfinsterung sieht man die objektiv hellgraue Fläche sehr bald tief dunkel — aber nicht dunkel- grau, und dies, während eine objektiv weiße Fläche bei der gleichen Be- lichtung noch sehr hell erscheint. Bei weiterer Verminderung der Be- lichtung sieht man dann die graue Fläche absolut dunkel, aber nicht etwa schwarz, sondern so, wie man im absolut lichtlosen Raume „sieht“, d.h. man sieht „Nichts“ bzw. das „Eigenlicht der Netzhaut“. Objektives Schwarz wird in schwachem Dämmerlicht von vornherein so gesehen. Wenn man im Experimente vom Dämmerlicht aus die (weiße) Be- lichtung so lange zunehmen läßt, bis eben wieder normales (,„Tages“-)Sehen eingetreten ist, so erkennt man, daß sofort mit dem Sehen von Blau, Gelb usw. auch wieder Weiß, Grau und Schwarz gesehen wird. Deshalb und da nun jetzt im Falle einer Belichtung der zentralen Netzhautstelle mit tagesstarken komplementären farbigen Lichtern Weiß empfunden wird, so ist es doch selbstverständlich, daß man bei jenem Übergange vom Dämmerlicht zu normaler Tagesbeleuchtung in physiologischer Hinsicht auch Weiß als „Farbe‘‘ genau so zu nehmen hat, wie Blau, Gelb usw. Die Stellung, die dann dem Grau und Schwarz als Farben zuzuweisen ist, ist oben genügend dargelegt worden. Das soeben Besprochene gilt also auch von den Wolken mit der Ein- schränkung, daß objektives Schwarz und Dunkelgrau dort nicht vor- kommen. IV. Das Schneelandschaftsphänomen. Nunmehr sind wir auch imstande zu erklären, wieso der Wolkenhimmel dunkelgrau aussehen kann, während der von ihm beleuchtete Schnee weiß und hell erscheint. ; Eine objektiv weiße Oberfläche (Schnee usw.) erscheint, wie wir er- fuhren, in Tagesbeleuchtung bei einer gegebenen Adaptierung des Seh- organs weiß, wenn eine für diesen Adaptierungsgrad genügende Menge weißen Lichtes von ihr allseitig reflektiert wird. Der Schnee, das weiße Papier usw. erhalten vom „dunkelgrauen“ Tageswolkenhimmel in reich- lichem Maße das besprochene „Lichtmosaik“, d. i. schattenreiches weißes Licht. Sie reflektieren es zum großen Teile, aber nicht völlig, und zwar WIRKLICHE UND SCHEINBARE HELLIGKEIT UND FARBE DER WOLKEN. 525 als einheitliches, schattenloses weißes Licht. Das Sehorgan ist für die Helligkeit des Schneelichtes adaptiert; der Schnee wird daher weiß gesehen ; nämlich: weil er objektiv weiß, genügend belichtet, reichlich einheitliches weißes Licht in das hierfür adaptierte Auge reflektiert. Ganz anders wirkt das vom Wolkenhimmel direkt kommende Licht auf die Netzhaut ein. Das Abbild des Wolkenhimmels auf der Netzhaut ist nicht wie bei den weißen Flächen des Schnees, Papier usw. eine ein- heitlich belichtete Fläche, sondern ein Mosaik, das aus maximal hellen und aus lichtschwächeren und lichtschwachen Fleckchen, „Pünktchen“, besteht. Infolge „relativer Blendung“ („Unstimmung‘“), d. i. Helladap- tierung des Sehorgans — als Reaktion auf den Reiz, der durch die maxi- male Belichtung so vieler vereinzelter Netzhautelemente ausgeübt wird, --- erscheinen die lichtschwachen Stellen (Punkte) der Wolken schwarz —, ganz so wie das Prisma im besprochenen Versuche; die etwas helleren Wolkenpunkte erscheinen grau, beide also dunkel, und nur die maximal hellen wirken (weiß und) hell. Und obwohl die objektive Helligkeits- summe hier größer ist als am Schnee (der keineswegs „alles“ im Wolken- lichte enthaltene weiße Licht zurückgibt), muß die empfundene Hellig- keit beim Blicke zum Wolkenhimmel geringer sein, als beim Blicke auf den Schnee, weil die lichtschwächeren (Schatten-) Partien der Wolken als lichtlos und dunkel, als schwarz und dunkelgrau empfunden werden, woraus für die Gesamthelligkeitsempfindung ein Ausfall resultieren muß. Wenn ferner auf der Netzhaut weiß- und schwarzwirkende Bildpünktchen miteinander abwechseln, so muß die subjektiv sich er- gebende (Misch-)Farbe selbstverständlich Grau sein, genau ebenso wie wir Grau sehen, wenn wir ein Gemisch von feinst verteiltem Kremser Weiß und ebenso fein verteilter schwarzen chinesischen Tusche an- schauen. | Der Wolkenhimmel muß also dunkel und grau, der von ihm be- leuchtete Schnee dagegen weiß und hell gesehen werden. V. Die objektive Farbe des Nebels und der Wolken. Bisher haben wir noch nicht erörtert und nicht entschieden, ob dem Nebel als solchem und der einzelnen Wolke das Prädikat „objektiv weiß“ oder „objektiv hellgrau“ zukomme. Jetzt kann aber kein Zweifel mehr obwalten, dab sie stets und überall, solange sie chemisch ausschließlich aus „Wasser“ bestehen, weiß und nicht hellgrau sind. Wo immer, — im Gegensatze zu dem Lichte unbestreitbar weißer Flächen —, das von Nebel oder Wolken reflektierte Licht grau und nicht weiß erscheint, liegen jedes- mal dieselben Momente vor, die den Wolkenhimmel als Ganzes grau 526 WıtuH. FILEHNE: WIRKLICHE UND SCHEINBARE HELLIGKEIT USW. erscheinen lassen, nämlich: infolge des lockeren Gefüges des Nebels und der Wolken, die für sich ja eine wirkliche „Oberfläche“ gar nicht haben, sondern aus frei schwebenden Einzelteilchen bestehen, trifft stets ein Teil des Lichtes, das die uns näheren Nebelteilchen reflektieren, von hinten her auf andere, benachbarte Nebelteilchen, die infolge hiervon für uns zu Schattenwerfern werden, so daß, wie im vorigen Abschnitte ausgeführt wurde, aus dem reinen Weiß des reflektierten Lichtes und dem Grau oder Schwarz des Schattens ein Hellgrau als Mischfarbe resultieren muß. Objektiv dagegen, d. h. ausschließlich im reflektierten Lichte gesehen, sind die Nebelteilchen weiß. beitschriften aus dem Verlage von VEIT & UOMP. in Leipzig. Skandinavisches Archiv für Physiologie. Herausgegeben von Dr. Robert Tigerstedt, o. ö. Professor der Physiologie an der Universität Helsingfors, Das „Skandinavische Archiv für Physiologie“ erscheint in Heften von 5 bis 6 Bogen mit Abbildungen im Text und Tafeln. 6 Hefte bilden einen Band. Der Preis des Bandes beträgt 22 4. Centralblatt für praktische AUGENHEILKUNDE Herausgegeben von Prof. Dr. J. Hirschberg in Berlin. Preis des Jahrganges (12 Hefte) 12 .#; bei Zusendung unter Streifband direkt von der Verlagsbuchhandlung 12 .% 80 2. Das „Üentralblatt für praktische Augenheilkunde‘ vertritt auf das Nachdrück- lichste alle Interessen des Augenarztes in Wissenschaft, Lehre und Praxis, vermittelt den Zusammenhang mit der allgemeinen Medizin und deren Hilfswissenschaften und gibt jedem praktischen Arzte Gelegenheit, stets auf der Höhe der rüstig fortschrei- tenden Disziplin sich zu erhalten. DERMATOLOGISCHES CENTRALBLATT. INTERNATIONALE RUNDSCHAU AUF DEM GEBIETE DER HAUT- UND GESCHLECHTSKRANKHEITEN. Herausgegeben von Prof. Dr. Max Joseph in Berlin. Monatlich erscheint eine Nummer. Preis des Jahrganges, der vom Oktober des einen bis zum September des folgenden Jahres läuft, 12 .#. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes, sowie direkt von der Verlagsbuchhandlung, Nenrologisches Gentralblatt. Übersicht der Leistungen auf dem Gebiete der Anatomie, Physiologie, Pathologie und Therapie des Nervensystems einschließlich der Geisteskrankheiten. Begründet von Prof. E. Mendel. Herausgegeben von Dr. Kurt Mendel. Monatlich erscheinen zwei Hefte im Umfange von je 4—5 Druckbogen zum Preise von 16 % halbjährig. Gegen Einsendung des Betrages direkt an die Verlagsbuch- handlung erfolgt regelmäßige Zusendung unter Streifband nach dem In- und Auslande. Zeitschrift Hygiene und Infektionskrankheiten. Herausgegeben von Prof. Dr. C. Flügge, und Prof. Dr. G. Gaffky, Geh. Medizinalrat und Geh. Obermedizinalrat und Direktor des Hygienischen Instituts Direktor des Königl. Instituts für Infektions- der Universität Berlin, krankheiten „Robert Koch“ zu Berlin, Die „Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten“ erscheint in zwanglosen Heften. Die Verpflichtung zur Abnahme erstreckt sich auf einen Band im durchschnitt- lichen Umfang von 30—35 Druckbogen mit Tafeln; einzelne Hefte sind nicht käuflieh. ARCHIV ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE, Fortsetzung des von Reil, Reil und Autenrieth, J. F. Meckel, Joh. Müller, Beichert und du Bois-Reymond herausgegebenen Archives, erscheint jährlich in 12 Heften (bezw. in Doppelheften) mit enen, im Text und zahlreichen Tafeln. Of 6 Hefte entfallen auf die anatomische Abteilung a 6 auf die a gische Abteilung. Der Preis des Jahrganges beträgt 54 M. Auf die anatomische Abteilung (Archiv für Anatomie und Entwicke- lungsgeschichte, herausgegeben von W. Waldeyer), sowie auf die physio- logische Abteilung (Archiv für Physiologie, herausgegeben von Max Rubner) kann besonders abonniert werden, und es beträgt bei Einzelbezug der Preis der anatomischen Abteilung 40 #, der Preis der physiologischen Abteilung 26 M. Bestellungen auf das vollständige Archiv, wie auf die einzelnen Ab- teilungen nehmen alle Buchhandlungen des In- und Auslandes entgegen. Die Verlagsbuchhandlung: Veit & Comp. in Leipzig. Druck von Metzger & Wittig in Leipzie. Archiv f. Anat. u. Phys. 1912. Phys. Abtlg. Tal. A. Verlag von VEIT & COMP. in Leipzig. DE 1 N BR aM 1 Are E RR ANF - N ' ! Ä j x t | | IUHNTHHRTUAHN 3 2044 093 333 581 OL 1688347 SONIAN INSTITUTION LIBRARIES il INIINMN 9088 01470 3722 Pl ar c .