HARVARD UNIVERSITY. LIBRARY OF THE MUSEUM OF COMPARATIVE ZOÖLOGY. 13%3 . BI Ey N iA N) N E72 ® ARCHIV FÜR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE. FORTSETZUNG DESVONREIL, REILv. AUTENRIETH, J.F.MECKEL, JOH. MÜLLER, REICHERT v. DU BOIS-REYMON]) HERAUSGEGEBENEN ARCHIVES. HERAUSGEGEBEN VON Dr. WILHELM WALDEYER, PROFESSOR DER ANATOMIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN UND Dr. MAX RUBNER, PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN. JAHRGANG 1913, PHYSIOLOGISCHE ABTEILUNG. LEIPZIG, VERLAG VON VEIT & COMP. 1913 ARCHIV FÜR PHYSIOLOGIE PHYSIOLOGISCHE ABTEILUNG DES ARCHIVES FÜR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE. UNTER MITWIRKUNG MEHRERER GELEHRTEN HERAUSGEGEBEN VON Dr. MAX RUBNER, PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN JAHRGANG 1913. MIT ABBILDUNGEN IM TEXT . UND SECHS TAFELN. LEIPZIG, . VERLAG VON VEIT & COMP. 1913 Inhalt, J. S. BERITOFF, Über die reflektorische Nachwirkung der Skelettmuskeln des Rückenmarksfrosches . Paur Horrmann, Über die Mlehowasteöme der R nsennuskeln bei Fake abs Tieres und beim Nystagmus : A. Norr, Mikrosköpischer Nachweis der Protoplasmalipoide, trabe sondere des Muskelgewebes. (Hierzu Taf. I.) . . Lovıs Meran, In welchem Sinne vermag Licht von verschtedenen Wellen längen Des Pismentbildung im Froschlarvenschwanz zu beeinflussen? (Hierzu Taf. II u. III.) ae, H. J. Hamsureer und J. pe Haan, it Biologie der Phagoayten. Einfluß von Fettsäuren und Seifen auf die Phagozytose . ER STEPHANIE ROSENBLAT-LIcHTEnstEIn, Agglutination bei Algen. 1 ie. Beziehungen des Stoffwechsels der Zelle zu ihrem agglutinatorischen Verhalten A : 5 Wırn. FiLeane, Die nun hei ner liescheber en ziehung des Steigbügelmuskels Oswarn Porımansı, Beiträge zur Physiologie von Maja eos m. Edw. I. Herz . Ernst WEBER, Zur laufenden Be erung der Sr nuren das manch“ lichen Blutdrucks. Die Änderung des Blutdrucks durch Bewegungs- vorstellung . . ERNST GELLHORN und Hans en Verändern ungen de: learn, bei peycht schen Vorgängen an gesunden und kranken Menschen . M. Rusxer, Betrachtungen über die Resorptionsvorgänge der Ospanzellkn Max Sticker, Experimentelle Untersuchungen über den Einfluß der Drüsen mit innerer Sekretion auf die Uterustätigkeit. I. Teil: Ovarium RıcHArv LAnDsBereer, Veränderung des Kreislaufs bei pulpatoten oder pulpa- losen Zähnen. (Hierzu Taf. IV.). > RıcHARD LANDSBERGER, Ausschaltung der Nas Bein Erle W. W. Nemmskı, Einige elektrische Erscheinungen im Zentralnervensystem bei Rana temporaria. (Hierzu Taf. V u. VI.) Hassan RescHuan und R. vu Boıs-Reymoxp, Zur Technik der Bekschen Fistel Scaürz, Mitteilung über das Verhältnis von Stickstoff zu Fett im Fettgewebe Seite 35 57 T7 95 100 lat 205 225 240 259 312 315 321 325 329 vI INHALT. H. Pırer, Über die Aorten- und Kammerdruckkurye . H. Pırer, Der Verlauf und die wechselseitigen Bee de Druck- schwankungen im linken Vorhof, linker Kammer und Aorta H. Pırer, Über den Venenpuls und über die Beziehungen zwischen venösem Blutdruck und intrathorakalem Druck . : Ernst Moster, Atmung, Blutverteilung und Blutdruck ae i S. Tscuırsew, Elektrische Erscheinungen am tierischen Muskel- and Nena system : - ÄLESSANDRO Bra nd Kant .. Die Kronen ie Nekant bei Reizung mit homogenen Lichtern . Franz Schütz, Zusammensetzung und mente ungerade Schlies H. Borurrav, Beiträge zur Erklärung der Endzacken im Elektrokardiogramm Seite 331 363 385 399 414 449 493 519 re Unysiologische Abteilung. | 1913. Lu. I. Heft. nn 7 .0ABCHLV FÜR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE, FORTSETZUNG DESVONREIL, REILv. AUTENRIETH, J.F.MECKEL, JOH.MÜLLER, REICHERT v. DU BOIS-REYMOND HERAUSGEGEBENEN ARCHIVES. - HERAUSGEGEBEN VON Dr. WILHELM WALDEYER, PROFESSOR DER ANATOMIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN UND Dr. MAX RUBNER, PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN. JAHRGANG 1913, — PHYSIOLOGISCHE ABTEILUNG. —— ERSTES UND ZWEITES HEFT. MIT SECHSUNDNEUNZIG FIGUREN IM TEXT UND DREI TAFELN. SnbEIBZIG, VERLAG VON VEIT & COMP. 3 nn Ä ya 1. . i Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes. f I z en Inhalt. - Seite J. S. Berırorr, Über die reflektorische Nachwirkung der Skelettmuskeln des Ruckenmarksfroschee SE FF HAN Be NEE I 1 Paus Horrsann, Über die Aktionsströme der Augenmuskeln bei Ruhe des Tieres und beim, Nystagmus En Er a A. Norr, Mikroskopischer Nachweis der Protoplasmalipoide, insbesondere des Muskelgewebes;, (Hierzu TaE I). = 1 u 08.1.4022. 00 Louis Merian, In welchem Sinne vermag Licht von verschiedenen Wellen- längen die Pigmentbildung im Froschlarvenschwanz zu beeinflussen? (Hierzu Taf. ID u. INy III a0 57 H. J. Hamsurger und J. pe Haan, Zur Biologie der Phagpeyen Einfuß ı von Fettsäuren und Seifen auf die Phagozytose. . . 77 STEPHANIE ROSENBLAT-LICHTENSTEIN, Agglutination bei ER IH. "Mitteilung. Beziehungen des Stoffwechsels der Zelle zu ihrem agglutinatorischen Verhalfenr Yun. oe u ee eK A WırH. FiLEune, Die Gehörsempfindung bei isolierter, willkürlicher Zusammen- ziehung des Steigbügelmuskels . .. . . EN Oswaın Pouımannı, Beiträge zur Physiologie von Maja Verr ucosa M.Edw. L.Herz 117 Die Herren Mitarbeiter erhalten vserzig Separat-Abzüge ihrer Beiträge gratis und 30 .% Honorar für den Druckbogen zu 16 Seiten. Beiträge für die anatomische Abteilung sind an Professor Dr. Wilhelm Waldeyer oder an Professor Dr. H. Virchow oder an Dr. P. Röthig, sämtlich in Berlin NW., Luisenstr. 56, Beiträge für die physiologische Abteilung an Professor Dr. Max Rubner in Berlin W., Kurfürstendamm 241 UI portofrei einzusenden — Zeiehnungen zu Tafeln oder zu Holzschnitten sind auf vom Manuskript getrennten Blättern beizulegen. Bestehen die Zeichnungen zu Tafeln aus einzelnen Abschnitten, so ist, unter Berücksichtigung der Format- verhältnisse des Archives, eine Zusammenstellung, die dem Lithographen als Vorlage dienen kann, Prruigen. Über die reflektorische Nachwirkung der Skelettmuskeln des Rückenmarksfrosches. Von J.S. Beritoff, Assistent am Biologischen Laboratorium in St. Petersburg. Die reflektorische oder sogenannte tonische Nachwirkung des Muskels, d. h. seine dauernde nachbleibende Erregung nach dem Aufhören des Reizes, wird bei einem winterlichen oder abgekühlten Rückenmarksfrosche gleich- zeitig sowohl als Resultat der Rückenmarkserregung durch sekundäre peri- pherische Impulse, die durch sensible Muskel-, Sehnen- und Gelenknerven gelangen, angesehen, wie auch als eine Folge der Fähigkeit des abgekühlten Zentralnervensytems auch die flüchtigste Reizung mit einer langdauernden Erregung zu beantworten. (Biedermann!; Fröhlich?). Was nun den Ursprung der dauernden erregenden Nachwirkungen eines strychnisierten Rückenmarksfrosches anbetrifft, so betrachtet man diese als eine reflektorische Rückenmarkserregung, die durch peripherische Impulse hervorgerufen wird(Baglioni?). Aber zu gleicher Zeit gibt es Beobachtungen, auf Grund deren man schließen muß, daß auch bei ausgeschlossenen peri- pherischen Impulsen sekundären Ursprungs die strychnisierten Präparate eine dauernde Nachwirkung der Skelettmuskeln zeigen können (H. E. Hering‘, ı W. Biedermann, Beiträge zur Kenntnis der Reflexfunktion des Rücken- marks. Pflügers Archiv. Bd. LXXX. 1900. S. 417—421. ®2 Fr. Fröhlich, Beiträge zur Analyse der Reflexfunktion des Rückenmarks. Zeitschrift für allgemeine Physiologie. Bd. IX. 1909. 8. 61—71. 38. Baglioni, Physiologische Differenzierung verschiedener Mechanismen des Rückenmarks. Archiv für Anatomie und Physiologie. Suppl.-Bd. 1900. S. 213 bis 214. — Zur Analyse der Reflexfunktion. Wiesbaden 1907. S. 82—84. 4 H. E. Hering, Über die nach Durchschneidung der hinteren Wurzeln auf- tretende Bewegungslosigkeit des Rückenmarkes. Pflügers Archiv. Bd. LIV. 1893. S. 630—633. Archivf. A.u. Ph. 1913. Physiol. Abtle. 1 2 J. S. BERITOFF: Burdon-Sanderson und Buchanan.!) Somit würde die. Hauptrolle doch vielmehr einem andauernden Ablauf der Erregungsvorgänge in den vergifteten Zentren zukommen. Die angeführten Ergebnisse betreffen die Abhängigkeit der reflektori- schen Nachwirkungen allein von der allgemeinen peripherischen Sensibilität und von der allgemeinen zentralen Tätigkeit des Rückenmarkes. Nun ist es aber bekannt, daß die peripherische Sensibilität in den verschiedenen Teilen des Organismus, sowie die zentrale Tätigkeit in allen Abschnitten des Rückenmarks keineswegs die gleiche Bedeutung für einen gegebenen Reflex haben kann. Demnach muß eine erschöpfende Darstellung dieser Erscheinungen folgende Fragen hinreichend beleuchten: erstens, in welchem Maße die Nachwirkung des Muskels in einem bestimmten Reflex durch sekundäre Impulse seitens des entsprechenden Rezeptivieldes, sowie durch den Charakter der Erregungsvorgänge in den entsprechenden Koordinations- zentren bedingt ist; zweitens, in welchem Maß diese Nachwirkung von se- kundären peripherischen Impulsen seitens der anderen Rezeptivielder und von interzentralen Impulsen aus anderen Koordinationszentren abhängig ist. Während aber die bisherigen Untersuchungen sich nur mit der erregen- den Nachwirkung abgegeben hatten, so hat eine vollständige Untersuchung der normalen Innervation nicht minder die hemmende Nachwirkung, d. i. eine Fortdauer des reflektorischen Hemmungszustandes nach dem Aufhören der Reizung, zu berücksichtigen. Die vorliegende Untersuchung soll nun ein Versuch sein, einiges zur Klärung dieser komplizierten Verhältnisse bei- zutragen. Alle diesbezüglichen Fragen werden an zwei Reflexen des Rücken- marksfrosches, am Beugungs- und am Abwischreflex erörtert werden. I. Die erregende reflektorische Nachwirkung an spinalen Sommer- und Winterfröschen. Meine Forschungen über die reilektorischen Nachwirkungen wurden an Rana temporaria in verschiedenen Jahreszeiten ausgeführt, d. h. sowohl an Sommer-, als auch an Winterfröschen. Als Winterfrösche bezeichne ich Frösche, die im Klima von St. Petersburg von Oktober bis April im Behälter mit durchstömendem Leitungswasser, d. h. bei Temperaturen 3 bis 12° C aufbewahrt wurden. Frösche aus anderen Jahreszeiten werden kurz als Sommerfrösche bezeichnet; vorausgesetzt, daß die Aufbewahrungstemperatur 1! Burdon-Sanderson und Fl. Buchanan, Ist der reflektorische Strychnin- tetanus durch eine sekundäre Erregung peripherischer Nervenendigungen bedinst ? Zentralblatt für Physiologie. Bd. XVI. 1902. S. 313. — The Jena researches on the spasm of Strychnine. Journal of physiology. Vol. XXVIII. 1902. p. XXIX. ÜBER DIE REFLEKTORISCHE NACHWIRKUNG DER SKELETTMUSKELN. 3 stets oberhalb 12° C verblieben ist. Die Versuche wurden im Winter bei 14 bis 16° C, im Sommer bei 17 bis 20° C ausgeführt. Der nächsten Beobachtung wurden der Beuger des Kniegelenkes — Semitendinosus und der Strecker desselben Gelenkes — Triceps unter- worfen. Ich benutzte den Semitendinosus für das Studium der erregenden reflektorischen Nachwirkung im Beugungsreflex, Dieser Reflex läßt sich durch Reizung der Haut unterhalb dem Kniegelenk und an der Medialseite des Oberschenkels, sowie durch Reizung der entsprechenden Nervenstämm- chen (Peroneus, Superficialis) und der Hinterwurzeln (IX u. X — die Nomenklatur der Wurzeln nach Ecker) hervorrufen. In diesem Reflex kontrahiert sich von den genannten Muskeln nicht bloß der Semit., sondern meistenteils auch der Triceps. Doch ist die Tricepskontraktion für gewöhn- lich von unbedeutender Amplitude. Daß der Triceps aber dabei auch eine mehr oder weniger bedeutende Hemmung erfährt, tritt zur Genüge deutlich hervor, sowohl aus den Kombinationseffekten dieses Reflexes mit einem anderen Reflex, der für sich allein am betreffenden Muskel eine intensive Kontraktion hervorrufen würde, als auch aus der weit stärkeren Kontrak- tion beim Aufheben des Reizes. (Fig. 1.) Letztere Erscheinung — die sogenannte Exaltationsphase — stellt aber eigentlich nichts anderes als die Extensionsphase des Reflexes dar, der auf diese Weise seine Natur als zwei- phasischer Reflex offenbart.! Die erregende Nachwirkung am Triceps wurde im Abwischreflex unter- sucht, welcher bei Hautreizung an den Vorderextremitäten, am Rücken, an den Flanken, an der Außenseite des Oberschenkels und ebenso bei Reizung der entsprechenden Nerven (Nn. brachialis, cut. femoralis lateralis, cut. spinales mediales V bis VII) und Hinterwurzeln (III bis VIII) eintritt. Gleich- zeitig mit der Kontraktion des Trizeps wird der Semitendinosus in diesem Reflexe gehemmt?. (Figg. 1-A, 3 u. 4). Die Kurve des Semitendinosus wird auf den Myogrammen durch $ be- zeichnet, die Kurve des Triceps durch T; B über der Markierlinie bedeutet ! Die obige Schilderung des normalen Beugungsreflexes ist meiner zurzeit erscheinenden Untersuchung entnommen: Über die reziproke Innervation der Skelett- muskeln bei der lokalen Strychninversiftung des Rückenmarks. Zweite Mitteilung. Travaux du laboratoire de physiologie a l’universite de St. Petersbourg. Bd. VI. 2 J. Beritoff, Über die reziproke Innervation der Skelettmuskeln bei der lokalen Strychninvergiftung des Rückenmarks. Erste Mitteilung. Travauz du labo- ratoire de physiologie a ’universite de St. Petersbourg. Bd. IV u. V. Annees 1909 u. 1910. p. 241. — Die Innervation einiger Muskeln des Oberschenkels im Abwischreflex des Rückenmarksfrosches. Dieses Archiv. 1912. S. 296. 1* J. S. BERITOFF: Fig. 1. Rückenmarksfrosch. Bei A Abwischreflex auf Reizung des N. brachialis. Bei D zweiphasischer Reflex auf Reizung der IX. Wurzel, wobei die Streckungsphase gleich nach dem Aufheben des Reizes eintritt; in der ersten, flexorischen Phase zeigt der Triceps auch eine bedeutende Kontraktion. Bei B und © weisen die Effekte der Reizkombination eine starke Unterdrückung der Triceps- kontraktion im Abwischreflex durch die Wirkung des Beugungsreflexes auf. ÜBER DIE REFLEKTORISCHE NACHWIRKUNG DER SKELETTMUSKELN. "5 den N. brachialis, F.1.—N. cut. femoralis lateralis, $.—N. superficialis, P.—N. peroneus; die neunte Hinterwurzel wird durch IX R bezeichnet. Die eingeklammerte Zahl über der Markierlinie gibt die Unterbrechungs- zahl der tetanischen Reizung pro Sek. (4) bedeutet, daß anstatt der Stimm- gabel ein Wagnerscher Unterbrecher von 30 bis 40 Schwingungen in der Sek. benutzt wurde; uneingeklammerte Zahlen geben den Rollenabstand des Induktoriums von du Bois-Reymond in cm an; ein Öffnungsschlag wird unter der Markierlinie durch O, der Schließungsschlag durch $ angemerkt. Auf jeder Figur wird die Rotationsgeschwindigkeit des Kymographions als Weg pro Sek. ausgedrückt. An den Spinalpräparaten von Sommerfröschen tritt eine erregende reflektorische Nachwirkung äußerst schwach hervor. Im Beugungsreflexe, den man durch die Haut- und Nervenreizung unterhalb des Kniegelenkes und an der Medialseite des Oberschenkels erhält, folgt nach dem Aufhören der Reizung gewöhnlich eine schnelle Erschlaffung der Beuger (Fig. 2, A). Fig. 2. Sommerfrosch. Beugungsreflex. Es wird die Wirkung zweier Reizstärken verglichen. Nur nach verhältnismäßig starken Reizungen wird die reflektorische Nach- wirkung mehr oder weniger merklich. (Fig. 2, B). Es ist daher, wenn man 6 J. S. BERITOFF: die Nachwirkungen vor und nach der Durchschneidung der Hinterwurzeln in Pars lumbalis vergleicht, keine mehr oder weniger wesentliche Differenz festzustellen. In beiden Fällen ist der Charakter der Effekte von der Art, wie sie die Myogramme in Fig. 2 zeigen, die an einem Präparate mit intakter Sensibilität die Reaktionen im Beugungsreflexe darstellen. Die erregende Nachwirkung an den Beugern im Beugungsreflex, welche die Winterfrösche an ihren Spinal- oder Lumbalpräparaten aufweisen (im letzten Fall ist das Rückenmark im Niveau des 6 bis 7. Segmentes durch- schnitten), ist, wie bekannt, bei verschonter Sensibilität der Hinterextre- mitäten höchst dauernd. Ja es kann sogar im Falle von maximaler Erreg- barkeitssteigerung (gewöhnlich nach einem Verweilen der Tiere 3 bis 6 Tage bei Temperaturen 3 bis 5° C) die Möglichkeit eintreten, daß der Semit., wenn die Reize in kurzen Intervallen (5 bis 10) aufeinander folgen, über- haupt keine konstante Abszisse zeichnet. Er befindet sich dann stets in einem mehr oder weniger bedeutenden Erregungszustand und dieser Umstand ge- stattet ihm nicht in Bedingungen der myographischen Registrierung auf die maximale (postmortale) Länge ausgedehnt zu werden. Eben deswegen, weil dieser Muskel in einem tonischen Zustande verharrt, zeigt er oft bei eintretender zentraler Hemmung — z. B. im Abwischreflex — eine Senkung der Kurve unter die Abszisse. (Figg. 3 u. 4.) Die erregende Nachwirkung am Semitendinosus im Beugungsreflexe konnte auch an solchen Präparaten, die der peripherischen Sensibilität im Rezeptivfeld! dieses Reflexes beraubt waren, sehr lange dauern. Es wurden dabei entweder allein die IX. bis XI. Hinterwurzeln durchschnitten, oder es wurde auch das dem Rezeptivfelde des Abwischreflexes entsprechende VIII. Wurzelpaar der Operation unterworfen. Gewöhnlich geschah diese unmittelbar vor der Versuchsanstellung. Der Reflex wurde hervorgerufen durch eine elektrische Reizung des Zentralstumpfes der IX. oder X. Hinterwurzel, durch welche eben die sen- siblen Fasern vom Beugungsrezeptivfelde hindurchgehen. Die Erregungs- schwellen dieses Reflexes bei solcher Reizung liegen zuweilen sehr niedrig. Schon eine Reizung bei 70 bis 80 cm Rollenabstand (2 Daniell, 20 Unter- 1 Als Rezeptivfeld soll uns stets das ganze periphere Gebiet — sowohl der Haut- sensibilität, als auch der tiefen Sensibilität — gelten, von dem aus der gegebene Reflex unter normalen Verhältnissen entsteht. Demgemäß wird das Rezeptivfeld für den Beugungsreflex nicht bloß die oben angeführten Hautpartien, sondern auch die Muskeln, Sehnen, Gelenke u. dgl. m. an den Hinterextremitäten miteinbegreifen. Dagegen wird das Rezeptivield für den Abwischreflex, der aus dem Gebiet der tiefen Sensibilität nicht hervorgerufen werden kann, sich nur auf die Hautoberfläche be- schränken. ÜBER DIE REFLEKTORISCHE NACHWIRKUNG DER SKELETTMUSKELN. 7 brechungen pro Sek.) kann einen starken Reflex hervorrufen. Dabei zeigt der Semitend. in intensiver Form eine mehr als !/, Minute dauernde Nach- wirkung, die zuweilen nur nach 1 bis 2 Minuten zu der Abszisse vollständig B.d.150 30, Fig. 3. Fig. 4. Winterfrosch, Abwischreflex. Das Präparat von Fig. 3. Der Abwischreflex wird während des Beugungsreflexes hervorgerufen. Es geschieht dabei nach teilweiser gegenseitiger Hemmung beider Reflexe eine völlige Unterdrückung des Beugungsreflexes. In diesem Moment zeigt die Semitendinosuskurve eine völlige Erschlaffung der Kontraktion samt dem Tonus. zurückkehrt. So zeigt Fig. 5 eine solche Nachwirkung auf eine kurze Rei- zung des zentralen Stumpfes der IX. Hinterwurzel; nach 28 Sek. wird wiederum eine Reizung, doch nun an den N. brachialis appliziert und es zeigt der eintretende Abwischreflex entsprechend der Kontraktion des Tri- ceps eine Senkung der Nachwirkungskurve des Semitendinosus. Solche andauernde Nachwirkungen am Semitend. lassen sich unter gleichen Be- dingungen auch an Lumbalpräparaten beobachten, d. h. an solchen, bei denen das Rückenmark im Niveau der Segmente 6 bis 7 durchtrennt ist, demnach bei vollkommener Ausschaltung aller Impulse seitens der ober- halb gelegenen Rückenmarkszentren. Diese Tatsachen zeigen uns, daß die betreffende Nachwirkung auch bei der Beseitigung von sekundären Impulsen als sehr andauernd erscheint. 8 J. S. BERITOFF: Bei alledem ist die erregende Nachwirkung vor der Wurzeldurchschneidung, wie das von vornherein anzunehmen wäre, stets andauernder und inten- "XOJOAUISIMgY °G "SH uuepos xoppoasdunsneg 4syoeunz "uogyıuyosyoinp usNTag| uoprag ur UJOZINMISYUTFT OLE "YOSOIFIOFULNA siver als nach dieser Operation. Es entsteht demgemäß die F rage, welche peripherische Region wohl als Entstehungsort für die diese Nachwirkung unterstützenden sekundären Impulse anzusehen ist. Die Versuche geben uns ÜBER DIE REFLEKTORISCHE NACHWIRKUNG DER SKELETTMUSKELN. 9 auch einen unzweideutigen Aufschluß darüber, indem sie zeigen, daß nur die Reizungen desjenigen peripherischen Gebietes die Nachwirkung be- günstigen kann, das dem Beugungsrezeptivfeld entspricht. In der Tat, es kann nur die Durchschneidung der IX. und X. Hinterwurzeln auf die Inten- sität und die Dauer der Nachwirkung im gleichseitigen Beugungsreflex einen merklichen Einfluß ausüben. Dagegen erscheint die Durchschneidung der anderen hinteren Wurzeln, welche die Fasern aus dem gleichseitigen Rezeptivfelde des Abwischreflexes aufnehmen, sowie aller Hinterwurzeln der anderen Seite, nie als ein beeinträchtigendes Moment für den Verlauf der erregenden Nachwirkung im Beugungsreilex. Ja im Gegenteil, es müßte eher das Bestehen der peripherischen Sensibilität im Abwischfelde, und demnach die Möglichkeit sekundärer Impulse von da, als ungünstiges Mo- ment aufgefaßt werden, weil durch die letzteren Impulse der Beugungsreflex ‚stets eine Unterdrückung erleiden würde. Was nun den Triceps anbelangt, so ist die erregende reflektorische Nachwirkung desselben im Abwischreflex sowohl an Sommer- als auch an Winterfröschen gewöhnlich nur sehr gering. Obwohl die Erregungsschwellen des Abwischreflexes an Winterfröschen niedriger als an Sommerfröschen sind, so verschwindet doch an den ersteren die entsprechende Kontraktion des Triceps bald nach dem Aufheben der Reizung. So dauert die Nachwir- kung in Fig. 3 nicht mehr als eine Sekunde (Reizung des N. brachialis). Nur an Winterfröschen, doch auch hier in recht seltenen Fällen, besonders bei Reizung des N. cut. temporalis lateralis, kann diese Nachwirkung etwas länger — 2 bis 4 Sek. — fortdauern. Was die Bedeutung sekundärer Impulse aus dem Rezeptivfelde dieses Reflexes (Hautreizung beim Ausführen des Reflexes durch Erschütterung, Spannung usw.) anbelangt, so zeigen Versuche, wo die periphere Sensibilität daselbst beseitigt wurde, daß dieselbe für das Zustandekommen der Nachwirkung nicht bedingungslos notwendig ist. (Fig. 6). Ja es wäre auch von vornherein einzusehen, daß dieser Reflex, als Abwehrreaktion schädigenden Angriffen gegenüber, sich durch solche, sekundäre Reizung schwerlich hervorrufen lassen würde. Diese Effekte der Nachwirkung am Triceps im Abwischreilex können auch nach gleichzeitiger Beseitigung der peripheren Sensibilität in den Rezeptivfeldern des Abwisch- und des Beugungsreflexes eintreten, also nach Durchschneidung aller Hinterwurzeln sowohl an spinalen als auch an lumbalen Präparaten Diese Nachwirkung am Triceps hat einen etwas anderen Charakter als die am Semitendinosus im Beugungsreflexe. So zeichnet sich die Nach- wirkung am Semitendinosus durch eine sehr langsame Erschlaffung der Kontraktion, die während der Reizung stattfindet, aus; wogegen die Nach- 10 J. S. BERITOFF: wirkung an dem Triceps im Abwischreflexe sich durch eine weitere Ausbil- dung des während der Reizung bestehenden Kontraktionszustandes aus- drückt. Die Erschlaffung der Kontraktion tritt hier dafür sehr schnell ein. Fig. 6. Winterfrosch. Die Hinterwurzeln V bis VII, sowie der N. cut. femo”. lat.! sind an beiden Seiten durchschnitten. Abwischreflex. Dauer der Nachwirkung am Triceps 3 Sekunden. Die dauernde Nachwirkung des Semitendinosus an Winterpräparaten, bei denen die peripherische Sensibilität beseitigt wurde, kann nicht dem langsamen Erregungsverlauf in den abgekühlten efferenten Organen, d. h. in den motorischen Nerven, deren Endplatten und in dem Muskel selbst, zugeschrieben werden. Wie es schon Fröhlich? gezeigt hat, ruft an solchen Präparaten mit durchschnittenen Hinterwurzeln tetanische Reizung (20 In- duktionsschläge pro Sek.). des motorischen Nerven (Pl. lumbalis, R. profundus posterior n. ischiadiei) eine Kontraktion der Semitendinosus her- vor, die nach dem Aufhören des Reizes sofort erschlafft (Fig. 7 A.). In 1 Die Durchschneidung des N. cut. femor. lat. ist mit der vollkommenen Be- seitigung der Sensibilität im Rezeptivfelde des Abwischreflexes am Oberschenkel gleichbedeutend. Eine Durchschneidung der VIII. Hinterwurzel ist dagegen in dieser Hinsicht als nicht hinreichend zu betrachten, da der betreffende Nerv oft seine Fasern in höchst schwankendem Verhältnisse zwischen der VIII. und IX, Wurzel verteilt. Näheres darüber siehe in meiner Arbeit: Über die Innervation einiger Muskeln des Oberschenkels im Abwischreflex des Rückenmarkfrosches. Dieses Archiv. 1912. S. 314. 2 Fr. Fröhlich, a. a. O. ÜBER DIE REFLEKTORISCHE NACHWIRKUNG DER SKELETTMUSKELN. al derselben Reihe von Experimenten ruft aber eine solche Reizung des zen- tralen Stumpfes der IX. Hinterwurzel am Semitendinosus eine Erregung hervor, die von einer dauernden Nachwirkung begleitet wird (Fig. 7, B) Fig. 7. Winterfrosch. Alle Hinterwurzeln der Pars lumbalis durchschnitten. In A: die Re- aktionen auf Reizung des motorischen Nerven (Profundus post. sin.), in B: die des üblichen Beugungsreflexes. Der dargestellte Tatsachenbestand berechtigt uns die folgenden Schlüsse zu ziehen: 1. Es ist der winterliche sowie der abgekühlte Zustand des Rückenmarksfrosches für Koordinationszentren des Ab- wisch- und des Beugungsreflexes keineswegs als gleichbe- deutend aufzufassen: während in bezug auf den Beugungs- reflex er sich durch hohe Steigerung der Intensität und der Dauer entsprechender zentraler Prozesse bekundet, tritt im Abwischreflex bloß oder hauptsächlich eine Intensitätssteige- rung dieser Prozesse ein. 2. Die dabei auftretende dauernde Nachwirkung der Mus- kelerregung in diesen Reflexen ist vor allem als Folge der 12 J. S. BERITOFF: durch primäre peripherische Reizung hervorgerufenen und fortdauernden Entladung primär-erregter Koordinationszentren und demnach im wesentlichen als Fortsetzung des einge- leiteten Reflexes zu betrachten. 3. Es ist nur diejenige peripherische Region als Ent- stehungsort der die erregende Nachwirkung im Beugungs- reflex fördernden sekundären Impulse aufzufassen, welche das Rezeptivfeld dieses Reflexes der in Betracht kommenden Extremität darstellt, somit der Bereich der IX. u. X. Hinter- wurzel der entsprechenden Seite. Dagegen kann das ganze übrige sowohl gleich- als auch anderseitige peripherische Gebiet der Nachwirkung in diesem Reflexe keineswegs bei- steuern. Was die erregende Nachwirkung im Abwischreflex anbelangt, so muß hier die Bedeutung der sekundären Impulse sogar aus dem entsprechenden Rezeptivfelde, weil vollkommen unnachweisbar, abgelehnt werden. 1I. Die erregende reflektorische Nachwirkung an stryehnisierten Rückenmarksfröschen. Für das Studium der reflektorischen Nachwirkungen an strychnisierten Präparaten benutzte ich lokale Vergiftung derjenigen Segmente, in denen nach meinen Untersuchungen die den von mir zu beobachtenden Reflexen entsprechenden Koordinationszentren gelegen sind. Zur Erforschung der Nachwirkungen am Semitendinosus im Beugungsreilex vergiftete ich die Segmente 9 und 10, wo sich gerade die Koordinationszentren für diesen Reflex samt solchen Zentren des Streckungsreflexes befinden; die Nach- wirkung am Triceps wurde untersucht, indem die Segmente 3 bis 8 vergiftet wurden, wo solche Zentren des Abwischreflexes liegen.! Die Vergiftung wurde hervorgerufen durch Anlegung an die Dorsal- oberfläche desMarkes von kleinen Stückchen Fließpapier, die mit 0-02 bis 0.5 prozent. Lösung Strychn. hydrochlorici durchtränkt waren. Dabei war das Rückenmark im ganzen Lumbal- und Thorakalgebiet entblößt. Um die Ausbreitung des Strychnins durch das Blut zu vermeiden, wurde das Präparat entblutet, indem alle Eingeweide und die ganze Bauchwand entfernt wurden. ! Über die Lokalisation dieser Zentren siehe meine Abhandlungen: Über die reziproke Innervation usw. Erste Mitteilung. Travaux d. laboratoire de physiologie a Vuniwersite de St. Petersbourg. Bd. IV u. V. 1909—1910. S. 298 u. 299;- sowie: Über die Innervation einiger Muskeln usw. Dies Archiv. 1912. S. 312. ÜBER DIE REFLEKTORISCHE NACHWIRKUNG DER SKELETTMUSKELN. 13 Samt dieser Operation wurden auch die V bis VII vorderen und hinteren Thorakalwurzeln an beiden Seiten durchgeschnitten. Wie bekannt, führt eine allgemeine Vergiftung des Tieres mit intakter peripherischer Sensibilität zu einer starken Erhöhung der reflektorischen Nach- wirkungen. Auch die dorsale Lokalvergiftung des 9. und 10. Segments erzeugt unter derselben Bedingung eine Erhöhung der reflektorischen Nachwirkungen. Es ist aber hier folgendes charakteristisch: in dem entwickelten Vergiftungs- stadium der Segmente 9 bis 10, sowohl an Sommer- als auch an Winter- präpataten ruft schon eine kurze Reizung (kurze Tetanisation, einzelner Induktionsschlag) des zentralen Stumpfes der IX. oder X. Hinterwurzel statt des gewöhnlichen einphasischen Reflexes (Beugung) einen zweiphasi- schen oder mehrphasischen Reflex mit einer extensorischen Phase am An- fang hervor. An Präparaten mit freien unversehrten Extremitäten können 15 und auch mehr Phasen beobachtet werden. Bei Fixation zwecks myo- graphischer Registrierung übersteigt die Phasenanzahl nicht 4 bis 5, für ge- wöhnlich beträgt sie aber 2, wobei die flexorische (d. h. die zweite) Phase höchst andauernd ist. Im Falle von einseitiger (dorsolateraler) Vergiftung der bezeichneten Segmente sind diese Reflexe von ausgesprochenem Schritt- typus: der Anfangsextension an der vergifteten Seite entspricht eine Flexion der anderseitigen Extremität. Werden dagegen diese Segmente an ihrer sanzen dorsalen Oberfläche vergiftet, so kann der Reflex den Charakter von Spring- oder Schwimmbewegungen annehmen, d. h. es wird derselbe mit einer Streckung beider Extremitäten begonnen, auf die eine ebenso gleichzeitige Flexion folst usf.! Es erweist sich aber, daß diese zwei- bezw. mehrphasischen Reaktionen, die bei sehr kurzen Reizen nach der Art von reflektorischen Nachwirkungen auftreten, an Winterfröschen weit intensiver und andauernder als an Sommer- fröschen sind. Diese Differenz tritt in den Versuchen mit Wurzeldurchschnei- dung in Pars lumbalis noch schärfer hervor. Auch unter diesem Umstande wird bei Strychninvergiftung der Segmente 9 und 10 der einphasische Beu- gungsrellex durch einen mehrphasischen mit einer Extensionsphase zu Be- ginn desselben ersetzt. Doch beträgt nun die Phasenzahl bei kurzen Rei- zungen jeder Art an fixierten sowie an nicht fixierten Präparaten nie mehr als zwei, deren Ablösung sowohl während der Reizung als auch nach dem Einstellen derselben stattfinden kann. Unter solchen Versuchsbedingungen wird nun die erregende Nachwirkung an Sommerpräparaten durch die Ver- giftung nur sehr wenig gefördert. An den Winterpräparaten aber erscheint ! Eine nähere Darstellung der Versuche mit Vergiftung der Segmente 9 und 10 erscheint zurzeit in meiner auf S. 3 angeführten Arbeit. 14 J. S. BERITOFF: die flexorische Reaktion, d.h. die zweite Phase, des zweiphasischen Reflexes, die vollständig nach Beendigung des Reizes verlaufen kann, weit andauernder und intensiver, als dieses vor der Vergiftung der Fall war. Nach der Fig. 9 zu urteilen dauert bei Reizung der IX. Hinterwurzel durch einen Öffnungs- schlag die flexorische Reaktion über 14 Sek. Vgl. mit Fig. 8, die von demselben Präparat bei gleichen Bedingungen vor der Vergiftung erhalten worden ist. Fig. 8. Winterfrosch. Alle Hinterwurzeln in Pars lumbalis durchschnitten. Es wird der einphasische Beugungsreflex durch einzelne Öffnungsschläge wiederholt hervorgerufen. Schließungsschläge erweisen sich als unwirksam. Es ist zu bemerken, daß die oben beschriebenen methodischen Be- dingungen meiner Vergiftungsversuche für die zentrale Tätigkeit der Sommer- frösche höchst unvorteilhaft erscheinen müssen. Wegen der gesteigerten Stoffwechselprozesse im Organismus derselben muß die vor der Vergiftung ausgeführte Beseitigung des Blutumlau fsauf das Zentralnervensystem höchst erschöpfend wirken. Darauf weisen hin: erstens, eine schnelle Ermüdbarkeit solcher Präparate durch eine Reihe von aufeinanderfolgenden Reizen; zwei- tens, die geringe Lebensfähigkeit des Zentralnervensystems — nämlich nur 1 bis 2 Stunden nach der Präparation. Winterpräparate in denselben Be- dingungen sind dagegen bis 7 Stunden lebensfähig. Man kann folglich vor- aussetzen, daß das Ausbleiben von mehr oder weniger bedeutenden erregen- den Nachwirkungen an lokal vergifteten Sommerfröschen mehr von einer schnellen Erschöpfung des Nervensystems, als von der Abwesenheit peri- pherischer Impulse sekundären Ursprungs abhängig war. ÜBER DIE REFLEKTORISCHE NACHWIRKUNG DER SKELETTMUSKELN. 15 In den späteren Vergiftungsstadien werden die von den oben genannten Wurzeln hervorgerufenen Reflexe wieder einphasisch. Diese einzige Phase kann einen ausgesprochen extensorischen Charakter aufweisen, wenn also Fig. 9. Die 'gleiche Reizung wird nun im ausgesprochenen Vergiftungsstadium der Segmente 9 u. 10 (28 Minuten nach Beginn der Vergiftung) appliziert. Ein einzelner Öffnungsschlag ruft nun einen zweiphasischen Reflex hervor, dessen zweite, flexorische Phase über 14 Sek. andauert. Das Präparat von Fig. 8. ein Ausbleiben der zweiten, d. h. flexorischen Phase des Reflexes stattfindet, Es können aber auch die reziproken Beziehungen der Reaktionen vollkommen verloren gehen und es zeigen dann die zu beobachtenden Muskeln gleich- 16 J. S. BERITOFF: zeitige Kontraktionen. Da diese Kontraktionen an Winterpräparaten, auch bei durchschnittenen Hinterwurzeln, sehr andauernd sind, so liefern Yaynzoösne (Sunggsao\ yowu opungs T) wnıpes -sdungpIsao‘ ueIogeds wr yonsioA Aop pam uodundurmpsgssunzieyg USYOIWIS I9g '6 ng 'SLy uoA yeredeag se al } ı I ! I I I TH d ed . .Q OT "TH "UOIINBAYUON 9AISUsJur Isy9oy ‘opusgpeyuw oure sdoaLı], dop yon 4919Z puegsnzpdweiyy ueUMwes[[e USpUSRAuUrm unu wop uf sie das Bild einer krampfhaften Erregung, wie diese auf allgemeine Ver- giftung des Tieres bei intakter Sensibilität eintritt (Fig. 10). ÜBER DIE REFLEKTORISCHE NACHWIRKUNG DER SKELETTMUSKELN. X Die geschilderten dauernden Erregungsnachwirkungen bei Strychnin- vergiftung nach Wurzeldurchschneidung erscheinen auch an Lumbalprä- paraten, demnach bei vollkommen ausgeschlossener Beeinflussung durch die oben gegebenen Rückenmarkszentren. Es muß ferner noch auf die Tatsache hingewiesen werden, daß weder sekundäre Impulse aus dem Rezeptivfelde des Abwischreflexes, noch pri- märe Reizung desselben die geschilderten charakteristischen, auf dem Ver- siftungszustande der Segmente 9 und 10 begründeten Reaktionen auf irgend- welche .Weise begünstigen. Der durch entsprechende Reizung hervorgerufene Abwischreflex braucht eben nur eine gewisse Höhe zu erreichen, damit die vorhandenen Nachwirkungen sofort gehemmt werden. Die andauernde reilektorische Nachwirkung entwickelt sich auch am Triceps im Abwischreflex nach der Strychninvergiftung von entsprechenden Koordinationszentren, die in den Segmenten 3 bis 8 verteilt sind, sowohl bei vorhandener Sensibilität im Rezeptivfelde des Abwischreflexes, als auch nach der Beseitigung derselben. (So z. B. wenn die Segmente 7 bis 8 nach Durchschneidung der V. bis XI. Hinterwurzeln vergiftet werden, bei Rei- zung des 8. Wurzelstumpfes.) Die Versuche zeigen außerdem, daß unter allen diesen. Bedingungen die intakte peripherische Sensibilität an den Hinterextremitäten keinen Einfluß auf diese Tendenz der vergifteten Bogen des Abwischreflexes zu dauernden Nachwirkungen ausübt. Der Beugungs- reflex, den man von den Rezeptoren der Hinterpfote aus am leichtesten hervorrufen kann, wird gewöhnlich gänzlich im Abwischreflexe gehemmt. Also kann die Erregung dieser Rezeptoren durch die Erschütterung der Ex- tremitäten im Abwischreflex den Reflexverlauf nicht beeinflussen. Zur Ver- anschaulichung sollen die Myogramme in Fig. 11 dienen: das erste gibt ein normales Reaktionsbild im Beugungsreflex auf Reizung des N. super- ficialis (F'g. 11 A); das zweite, bei Reizung des N. cut. fem. lat., gibt die wegen der Vergiftung in den Segmenten 6 bis 8 höchst gesteigerten Abwisch- reaktionen wieder. Man ersieht hieraus, daß während der Nachwirkung die am N. superfieialis wiederholt applizierten Reizungen keine wesentlichen Veränderungen erzeugen. Es entsteht höchstens, während der Reizung des N. superfieialis, eine gewisse Summation des Nachwirkungseffektes am Tri- ceps mit dem kleinen Effekt, den man an diesem Muskel bei Reizung des betreffenden Nerven gewöhnlich beobachten kann, wogegen das Hemmungs- bild am Semit. überhaupt keine Veränderungen aufweist. (Fig. 11, B.). Selbstverständlich braucht man nicht zu behaupten, daß die periphe- rischen Impulse sekundären Ursprungs für das Zustandekommen von er- regenden Nachwirkungen an strychnisierten Präparaten von keiner Bedeu- tung wären. Eine solche Beeinflussung seitens des dem vergiiteten Segmente Archivf.A.u.Ph. 1913. Physiol. Abtlg. E BERITOFF: S. J. EL.s BE Sw.s.(H) 30. 3 2 ie. Fig. 11. Winterfrosch. Die Hinterwurzeln V— VII, sowie die N. cut. femor. lat. doppelseitig durchschnitten. Linke dorsolaterale Strychnin- vergiftung der Segmente 6—8. In A — Beugungsreflex, in B versagt das Präparat denselben während der andauernden Nachwirkung des Abwischreflexes. 18 ÜBER DIE REFLEKTORISCHE NACHWIRKUNG DER SKELETTMUSKELN. 19 entsprechenden Rezeptivfeldes ist nicht zu verkennen. So rufen bei ver- schonter peripherischer Sensibilität Vergiftungen sowohl des 9. und 10. als auch des 3. bis 8. Segmentes stets eine höhere Steigerung der Intensität und der Dauer der reflektorischen Reaktionen, als bei entsprechender Sen- sibilitätsbeseitigung hervor. Es wurde schon oben darauf hingewiesen, daß bei Vergiftung der Segmente 9 und 10 an Präparaten mit verschonter peripherischer Sensibilität des Beugungsieldes die Anzahl der alternierenden Bewegungen schon auf kurze Reize bis auf 15 und mehr steigen kann, wo- gegen nach der Durchschneidung der IX. und X. hinteren Wurzeln der ver- gifteten Seiten die Zahl der Phasen für beide Extremitäten ceteris paribus nie mehr als 2 beträgt. Es ist eben der Umstand hervorgehoben worden, daß der Abwischreflex bei normaler Sensibilität sich auf sekundärem Wege nieht hervorrufen lasse. Nun besteht aber eine so hohe Erregbarkeitsstei- serung für die Koordinationszentren dieses Reflexes während deren Strych- ninvergiftung, als der Abwischreflex schon auf schwache Luftbewegung über den entsprechenden Hautpartien eintritt, daß eine energische Bestä- tigung von peripherischen sekundären Impulsen unter solchen Umständen bestimmt und jederzeit angenommen werden muß. (Hauterschütterung usw. beim Ausführen von allerlei reflektorischen Bewegungen.) Diese Versuche geben auch einen unzweideutigen Nachweis dafür, daß die Strychninvergiftung der Koordinationszentren des Beugungsreflexes auf die Nachwirkungen im Abwischreflex keineswegs einwirkt; während die Ver- eiftung solcher Zentren des letzteren Reflexes, wenn nur in einigen Segmenten vorgenommen, nicht nur die Erregungsnachwirkung im Beugungsreflexe, sondern auch die Nachwirkung im Abwischreflexe selbst, wenn nur dieser “ durch andere, nichtvergiftete Segmente hervorgerufen wird, ungefördert läßt. So fördert z. B. die Vergiftung des Segmentes 7 bis 8 in hohem Maße die zentrale Tätigkeit im Abwischreflexe von der Haut über dem Triceps, d.h. von dem Bereiche der VIII. Hinterwurzel aus, während derselbe Reflex von der Vorderextremität sowie der Beugungsreflex keine auf interzentrale Beeinflussung durch die vergiftete Markpartie zurückzuführenden Verände- rungen aufweisen. Die Tatsachen dieses Kapitels können folgendermaßen zusammen- gefaßt werden: 1. Die dauernde erregende Nachwirkung im Beugungs- und im Abwischreflex bei der Strychninvergiftung entsprechen- der Koordinationszentren stellt im wesentlichen bloß die Fortsetzung der durch eine primäre Reizung hervorgerufenen Entladung dieser Zentren dar. 2. Es kann bloß diejenige peripherische Region als Ent- 9% 20 J. S. BERITOFF: stehungsort von sekundären, die Erregungsnachwirkung der vergifteten Koordinationszentren fördernden Impulsen an- gesehen werden, die dem Ausbreitungsgebiet der Hinter- wurzeln dieser vergifteten Segmente entspricht. Sekundäre peripherische Impulse seitens anderer Rezeptivfelder, sowie sekundäre interzentrale Beeinflussung seitens anderer Ko- ordinationszentren haben überhaupt keine Bedeutung für das Zustandekommen und den Verlauf dieser Nachwirkungen. IIl. Über die hemmende reflektorische Nachwirkung. Der Begriff der reilektorischen Nachwirkung als einer nachbleibenden Erregung nach dem Aufhören der Reizung ist für einseitig anzusehen. Wenn man die normale reflektorische Tätigkeit betrachtet, wie diese sich in der Innervation der Skelettmuskeln äußert, so muß die reflektorische Nach- wirkung sich nicht nur in einer Fortdauer der existierenden Erregung in einer im Moment der Reizung erregten Muskelsruppe, sondern ebenso in der entsprechenden Fortdauer der Hemmung in einer anderen durch die- selbe Reizung gehemmten Muskelgruppe ausdrücken. Und tatsächlich ist dort, wo eine ausdrucksvolle reziproke Innervation stattfindet, eine erregende Nachwirkung an dem einen Muskel stets mit der hemmenden Nach- wirkung an dem anderen verbunden. Der Beugungs- und der Streckungsreflex können für das Studium der hemmenden Nachwirkung nicht als günstig betrachtet werden, da die Hem- mung darin, wenn sie sich mehr oder weniger stark entwickelt, stets die Tendenz äußert, in eine Erregung überzugehen (rebound contraction, post- inhibitory exaltation von Sherrington). Dennoch kann bei der Vergiftung des 9. und 10. Segmentes die Existenz der hemmenden Nachwirkung in den zweiphasischen Reaktionen — in der ersten, extensorischen Phase am Semit., in der zweiten, flexorischen aber am Triceps — mit vollkommener Sicherheit konstatiert werden, und zwar dann, wenn dieser zweiphasische Effekt nach einem Öffnungsinduktionsschlag verläuft. Die hemmende reflektorische Nachwirkung tritt aber im Abwischreflex weit schärfer hervor, da hier die Hemmung keine Neigung aufweist durch eine Erregung ersetzt zu werden, d. h. eine Exaltationsphase zu liefern." Wie es oben angegeben war, zeigt der Trieeps im Abwischreflex an Winterfröschen zuweilen eine ausdrucks- volle Nachwirkung, die 2 bis 4 Sek. fortdauert. Doch gestatten die Versuche bei Kombination eines entsprechenden Reizes mit der Reizung im Beugungs- 1 Beritoff, Über Innervation einiger Muskeln usw. Dies Archiv. 1912. S. 302 bis 305. ÜBER DIE REFLEKTORISCHE NACHWIRKUNG DER SKELETTMUSKELN. 21 feld zu ersehen, daß auch die Hemmung des Semit. nach der Aufhebung des Reizes fortdauert, nämlich so lange, als die erregende Nachwirkung am Triceps dauert. Besonders andauernde Hemmunssnachwirkung am Semit. tritt nach der Strychninvergiftung der entsprechenden Koordinationszen- tren hervor. Es äußert sich bei dieser Bedingung mit voller Klarheit, dab Im eingeleiteten Beugungsreflex zeigt der Semit. eine andauernde Nachwirkung der Hemmung auf eine Reizung in dem den vergifteten Segmenten entsprechenden Rezeptivfelde, was einer Unter- Fig. 12. Winterfrosch. Linke dorsolaterale Strychninvergiftung in Pars brachialis. drückung des Beugungsreflexes seitens des Abwischreflexes entspricht. die hemmende Nachwirkung am Semit. mit der erregenden Nachwirkung am Triceps reziprok verbunden ist (Fig. 12). Natürlich können diese reflektorischen Nachwirkungen der Hemmung gleich denen der Erregung in intensiver Form und durchaus unabhängig von irgendwelchen sekundären Impulsen peripherischen Ursprungs verlaufen. 32 J.S. BERITOFF: DIE REFLEKTOR. NACHWIRKUNG DER SKELETTMUSKELN. Das erhellt von selbst aus den reziproken Beziehungen der Nachwirkungen heraus, die man am Triceps und Semit. bei Vergiftung des 9. und 10. Seg- mentes nach der Beseitigung der peripherischen Sensibilität der Hinter- extremitäten erhält (Fig. 9). Jene Argumente, die zum Beweis derjenigen Möglichkeit angeführt worden sind, daß die dauernde erregende Nach- wirkung am Triceps im Abwischreflex bei der Strychninvergiftung der entsprechenden Zentren auch ohne Einwirkung von sekundären periphe- rischen sowie interzentralen Impulsen verlaufen kann, bewahren ihre Bedeutung auch für die hemmende Nachwirkung am Semit. in diesem Reflexe (Fig. 11). Also findet während der normalen reflektorischen Inner- vation der Skelettmuskeln gleichzeitig mit der reflektorischen Nachwirkung der Erregung in einer Muskelgruppe, eine re- flektorische Nachwirkung der Hemmung in einer anderen, antagonistischen Muskelgruppe statt. Dabei ist die Nach- wirkung der Hemmung sowie die der Erregung vor allem die Fortsetzung derjenigen zentralen koordinierenden Prozesse, welche durch die primäre Reizung hervorgerufen waren, und kann höchst andauernd und intensiv ohne Mitbetätigung von jeglichen peripherischen oder interzentralen Impulsen se- kundären Ursprungs verlaufen. Über. die Aktionsströme der Augenmuskeln bei Ruhe des Tieres und beim Nystagmus. Von Paul Hoffmann. (Aus den physiologischen Instituten der Universitäten Berlin und Würzburg.) Wenn wir den heutigen Stand unserer Kenntnisse von den Dauerkon- traktionen der Muskeln überblicken, begegnen wir folgenden Anschauungen. Es gibt eine große Anzahl von Muskeln, bei denen eine Dauerverkür- zung durch häufige Wiederholung des gleichen Prozesses zustande kommt. Diese Art von Verkürzung nennen wir Tetanus. Den Beweis für die tetani- sche Natur einer Kontraktion finden wir am leichtesten durch Untersuchung der Aktionsströme. Diese sind bei solchen Muskeln auch bei stetigem me- chanischen Effekt oszillatorisch. Zu dieser Gattung gehören alle querge- streiften Muskeln und ein großer Teil der glatten (z. B. Darmmuskulatur). Es gibt andererseits Muskeln, bei denen sich oszillatorische Aktionsströme während der Dauerverkürzung bisher nicht haben nachweisen lassen. Zu diesen gehören z. B. die glatten Schließmuskeln der Muscheln, die Musku- latur des Hautmuskelschlauchs der Schnecke Aplysia und die Gefäßmus- kulatur! Man sieht, daß die Charakteristika der zweiten Gruppe lediglich nega- tiver Art sind und darf nicht leugnen, daß die Zahl der zu ihr gehörigen Muskeln stetig eingeschränkt worden ist. Nach Analogie mit den Erfahrungen am Skelettmuskel nimmt man an, daß bei allen tetanischen Dauerkontraktionen der Stoffwechsel des ! Siehe hierüber die Abhandlung von Bethe. Pflügers Archiv. Bd. CXLI. S. 291. 1911. Hinsichtlich der Gefäßmuskulatur ist v. Brücke anderer Ansicht als Bethe. Pflügers Archiv. Bd. CXXXIIL S. 313; daselbst, Bd. CXXXVI. S. 531. 24 PauL HorrmaAnn: Muskels erheblich gesteigert ist. Danach hat man die Muskeln, bei deren Kontraktion eine Steigerung des Umsatzes beobachtet ist, in die erste Gruppe einzureihen, auch wenn oszillatorische Aktionsströme nicht nachgewiesen sind. Dies würde der Fall sein bei den Muskeln vom Regenwurm und bei den Retraktoren des Sipunkulusrüssels. Ob nun bei allen Arten von Muskeln Verkürzungen, die mit oszillatori- schen Aktionsströmen einhergehen, eine sehr erhebliche Stoffwechselstei- gerung bei Leistung statischer Arbeit bedingen, erscheint noch zweifelhaft. Es ist also nicht unbedingt sicher, wenn man aus der fehlenden Steigerung des Stoffwechsels auf das Fehlen des oszillatorischen Prozesses schließt. H. E. Roaf! findet z. B. in der Enthirnungsstarre der Katze, der, wie Buijtendyk? nachgewiesen hat, nichts weiter zugrunde liegt als ein Tetanus der Muskulatur, keine merkliche Erhöhung des Umsatzes gegenüber der Norm. Ja, beim Aufheben der Starre durch Injektion von Curare findet keine Verminderung der CO,-Ausscheidung statt. Die Versuche dürften allerdings anfechtbar sein, denn durch die Enthirnung werden Teile des Zen- tralnervensystems die in Beziehung zum Wärmehaushalt stehen, zerstört. ® Im allgemeinen nimmt man an, daß die Reaktion eines Muskels in allen Fällen gleichartig ist, d. h. wenn seine Dauerverkürzung mit oszillatorischen Aktionsströmen verbunden ist, so kann er nicht physiologisch in einen Zu- stand versetzt werden, in dem das nicht der Fall ist. Es sind aber auch von dieser Regel Ausnahmen beschrieben worden. So sollen bei Geisteskranken, besonders Katatonikern, gewaltige statische Leistungen vorkommen, ohne daß eine Steigerung des Umsatzes festzustellen wäre, während beim Gesunden eben jede statische Leistung mit einem erheblichen Konsum verbunden ist. Es müßte hier also vom Zentralnervensystem aus die Reaktion der Muskeln verändert worden sein.* Auf etwasÄhnliches zielen die Versuche von A.Fröh- lich und H.H.Meyer>5 an Kaninchen, die mit Tetanustoxin vergiftet wurden. Bei solchen Tieren entwickelt sich je nach der Stelle, an der das Gift ein- gespritzt wurde, eine Starre in einzelnen Muskelgruppen. Während dieser konnten nun die eben genannten Autoren keine oszillatorischen Aktions- 1 H.E. Roaf, Quarterly journ. of experimental physiology. Bd. V. Heft 1. 1912. ®2 Buijtendyk, Zeitschrift für Biologie. Bd. LIX.. S. 36. 1912. ® Isenschmidt und Krehl, Archiv für exper. Pharm. und Pathol. Bd. LXX. 8. 109. 1912. * Bei Gehirnkrankheiten ist die Beeinflussung des Stoffwechsels überhaupt eine sehr mannigfache. Siehe Reichardt, Arbeiten aus der psychiatrischen Klinik Würzburg. Heft 6 u. 7. Ferner z. B. Grafe, Zeitschrift für physiologische Chemie. Bd. LXV. 8. 21. 1910. 5 A. Fröhlich und H. H. Meyer, Zentralblatt für Physiologie. 1912. 8. 269. ÜBER DIE AKTIONSSTRÖME DER AUGENMUSKELN. 25 ströme feststellen. Sie nehmen auch an, daß der Umsatz im Muskel nicht vergrößert sei, da sich eine Zunahme des Glykogengehalts gerade in den von der Starre betroffenen Muskeln zeigte. Es ist sicher daß die Muskulatur der Säuger sich während des ganzen Lebens in einer schwachen Kontraktion befindet. Die Stärke dieses „Tonus‘“ ist in den einzelnen Muskeln recht verschieden. Am kräftigsten ist er in den Augenmuskeln entwickelt. Man hat fast allgemein angenommen, daß dieser „Tonus‘“ der Musku- latur. durch wiederholte Impulse vom Zentralnervensystem unterhalten wird, daß es sich mit andern Worten um einen Tetanus handelt. Ein ge- wisser Beweis für diese Annahme ist bisher nur in einer Angabe von Hering! zu sehen. Doch hält dieser Autor ihn selbst nicht für vollständig. Er fand nämlich, daß in einem auf das Auge gesetzten Sthetoskop ein dumpies Geräusch hörbar ist, auch nach Erschlaffung des Orbieularis. Er bezieht es auf eine tetanische Kontraktion der Augenmuskeln. In naher Beziehung steht auch der Nachweis eines dauernden Tetanus des Zwerchfells in der Apnoe, der Dittler gelang.? Ich habe es unternommen, die Aktionsströme der Augenmuskeln bei Ruhe des Tieres und bei den vom Labyrinth auszulösenden Bewegungen zu untersuchen. Einmal leitete mich dabei der Gedanke, einen Tonus der Skelettmuskulatur, der unter normalen Verhältnissen stetig zu finden ist, in bezug auf die Aktionsströme zu untersuchen. Ferner wünschte ich, wenn möglich, die Frequenz der Einzelerregungen im Tetanus bei einem von einem Gehirnnerven innervierten Muskel festzustellen. Dann war es an und für sich interessant, die Aktionsströme der Augenmuskeln bei den charakteri- stischen nystagmischen Bewegungen zu registrieren. Schließlich konnte man bei der sehr großen Empfindlichkeit des Gal- vanometers hoffen, daß sich sehr geringe Änderungen der Kontraktionsstärke der Muskeln an der negativen Schwankung sichtbar machen lassen würden, so daß man die Möglichkeit hätte, die Schwellenwerte der Drehungen, die Labyrinthreflexe auslösen, genauer festzustellen. Bei der Entwicklung der Methodik waren mir die Angaben von Bartels® sehr nützlich. . Ich verwendete als Versuchstiere ausschließlich Kaninchen, nachdem ich mich überzeugt hatte, daß Katzen sehr viel weniger geeignet sind. Wie bekannt ist, werden die Labyrinthreflexe in hohem Grade durch Narkose 1 Hering, Sitzber. der Wiener Akademie math.-naturwiss. Kl. Bd. LXXIX. III. Abt. S. 137. 1879. — Derselbe, Hermanns Handbuch. Bd. III. S. 517. 1879. ®2 Dittler, Pflügers Archiv. Bd. OXXX. S. 400. 1909. 3 Gräfes Archiv. Bd. LXXVI, S. 1; LXXVIII, S. 126 und LXXX, S. 207. 26 PAauL HorFMmAnnN: beeinflußt. Die Nystagmusphase! fällt in tiefer Narkose ganz fort und die besten Resultate, besonders bei der Darstellung der feinen Oszillationen erhält man bei Tieren, die völlig aus der Narkose erwacht sind. Nun liegt das Kaninchen auch dann wenigstens zeitweise ruhig, selbst wenn es auf der Drehscheibe gedreht wird; Katzen versuchen dagegen sich ioszureißen und vereiteln so jeden Versuch. Bei der Präparation ging ich folgendermaßen vor. In Äthernarkose (Opium ist nicht brauchbar, weil man dann nur die Verhältnisse kennen lernt, wie sie in halber Narkose s’nd) werden die Lider tei'weise entfernt, die vordere Kammer punktiert und das Auge hervorgezogen. Dann werden die zu untersuchenden Muskeln gefaßt, angeschlungen und vom Bulbus ab- getrennt. Schließlich wird der Optikus mit den Gefäßen im ganzen ab- gebunden und der Bulbus entfernt. Das Präparat erlaubt, wie Bartels schon angibt, ein mehrstündiges Experimentieren. Recht wichtig für das Gelingen ist die Wahl des passenden Muskels. Sehr leicht hervorzuziehen und zu Versuchen bei Ruhe vorzüglich geeignet ist der Obliguus superior, der ja beim Kaninchen nicht als Trochlearis ver- läuft, sondern entsprechend wirkt, wie der Obliguus inferior des Menschen. Zu Versuchen über Drehnystagmus ist andererseits nach meinen Er- fahrungen der Rectus medialis bei weitem der beste. Von nur untergeord- neter Bedeutung sind die übrigen Muskeln; diese verwandte ich deshalb auch nur gelegentlich. Es liegt in der Natur der gestellten Aufgabe, daß die an einem Muskel gewonnenen Resultate ohne weiteres auf die andern zu übertragen sind. Es kann sich bei den verschiedenen Muskeln nur um quantitative und Richtungsverschiedenheiten handeln, nicht um prinzi- pielle Differenzen in der Aktion. Von großer Wichtigkeit ist die angewandte Methode der Ableitung zu den unpolarisierbaren Elektroden. Da der Muskel sehr klein ist, muß man alle Vorteile wahrnehmen, um möglichst starke Ströme in das Gal- vanometer zu bekommen, d. h. man muß den Widerstand soweit verkleinern wie möglich. Ich habe es zweckmäßig gefunden, zur Ableitung der Ströme nicht Fäden, .die in Kochsalzlösung getränkt waren, zu verwenden, sondern zurechtgeschnittene Stücke aus Kochsalzgelatine (20°/,); ähnlich wie Straub? bei seinen Versuchen am Froschherz. ! Synonyma: Nystagmusphase = schnelle Phase des Nystagmus, der Kopf- bewegung gleichgerichtet; Reaktionsphase = langsame Phase, entgegengesetzt gerichtet der Kopfbewegung. ® Zeitschrift für Biologie. Bd. LVIII. S. 251. 1912. ÜBER DIE AKTIONSSTRÖME DER AUGENMUSKELN. 2X Der Muskel wird durch ein Gewicht von 10 bis 20 g gespannt erhalten, die umküllenden Faszien werden, soweit sie stören, entfernt, man kann so ein etwa 10 mm langes Muskelstück freilegen. Da der Muskel sowieso an seinem vorderen Ende abstirbt, verwendete ich in den meisten Fällen die Ableitung von einer verletzten und einer un- verletzten Stelle. Ich quetschte deshalb das vordere Ende kräftig mit einer Pinzette. Die distale Elektrode kommt auf den abgetöteten Teil, die anderen auf den unverletzten Muskel, so weit proximal, wie möglich, ohne daß das Gewebe der Orbita berührt wird. Bei den Untersuchungen über Drehnystagmus wurde das Tier mit- samt den Elektroden auf eine kleine mit der Hand zu. bewegende Drehscheibe gesetzt. Lest man in der beschriebenen Weise die Elektroden eines Saiten- salvanometers an einen Augenmuskel an, so erkennt man sofort, daß der Faden kontinuierlich zittert. (Fie. 1). N nern ; er 15 Obliquus superior. Tetanus des Muskels während der Ruhe des Tieres (Tonus). Einschaltung einer Potentialdifferenz von !/;ooo Volt in den Stomkreis während der Aufnahme. Von rechts nach links zu lesen. Zeit !/, Sek. Während der tonischen Haltung des Augenmuskels entstehen also os- zillatorische Aktionsströme in demselben. Es ist dies ein glatter Beweis für die Auffassung, daß der „Tonus“ der Skelettmuskulatur ein Tetanus ist. Die entstehenden Ströme sind allerdings sehr schwach. Die Ausschläge des Galvanometers entsprechen nur Bruchteilen von Milli- volt. Ein Rhythmus ist bei den Oszillationen wohl nicht zu bestimmen. Um die Ströme zur Aufnahme deutlich zur Anschauung zu bringen, muß die Seite so erschlafft werden, daß eine einigermaßen richtige Abbildung des wahren Stromverlaufs nicht mehr stattfindet. Es istwichtig, daran zu erinnern, daß bei den Augenmuskeln in besonders hohem Grade die Möglichkeit gegeben ist, daß einzelne Muskelfasergruppen unabhängig voneinander arbeiten. Die Zahl der in den zugehörigen Nerven zu den Muskeln ziehenden Fasern ist verhältnismäßig sehr hoch. Es ist kaum zweifelhaft, daß die große Zahl der Nervenfasern in Beziehung steht zu der ungewöhnlich feinen Einstellung, deren die Augenmuskeln fähig sind. Die Unabhängigkeit der verschiedenen Fasern des Muskels vermindert sicher 28 PAuL HorFMmAnNN: die Isochronie (Salvenmäßigkeit) der Innervation, und damit auch die Regel- mäßigkeit der Aktionsstromkurven. Schon Piper macht darauf aufmerk- sam, daß bei schwachen Kontraktionen die Aktionsstromkurven ceteris paribus unregelmäßiger sind als bei starker.! Am deutlichsten sind, wie schon gesagt, die Aktionsströme des Obliquus superior. Ich habe sie aber bei allen Muskeln nachweisen können. Von der Größe des Muskels hängen die Erfolge nicht ab, der Rectus superior zeigt trotz seiner erheblichen Größe nur recht schwache Ströme. Ein einfacher Schluß von der Größe der registrierten Oszillationen auf die Stärke der Kontrak- tion ist natürlich nicht möglich, denn in einem dieken Muskel ist der zu dem Galvanometer geleste Nebenschluß ein sehr viel größerer als in einem dünnen. Von besonderem Interesse ist das Verhalten der Aktionsströme bei den nystagmischen Bewegungen. Ich habe mich fast ausschließlich auf die Unter- suchung des Drehnystagmus beschränkt, vor allem, weil er die einzig wirk- lich physiologische Form des Nystagmus ist, ferner, weil die Versuche von Bartels ergeben haben, daß bei thermischem Nystagmus im Grunde die gleichen Erscheinungen auftreten. Für gewöhnlich macht man beim Nystagmus die Unterscheidung von zwei Phasen. Die eine ist die langsame, sie entspricht der bei Drehung immer primär auftretenden langsamen Wendung des Auges, die die Wirkung der Drehung zu kompensieren sucht (Reaktionsphase).? Die andere ist die schnelle Phase; sie ist der Drehungsrichtung gleichgerichtet und unterbricht in ver- schieden großen Abständen die langsame, indem sie das Auge wieder in die Primärstellung zurückdreht, oder es wenigstens in die Nähe derselben bringst (Nystagmusphase). Zu einer Trennung der beiden Phasen hat vor allem auch der Umstand geführt, daß die Nystagmusphase in der Narkose verschwindet, während die Reaktionsphase einen der am längsten erhalten bleibenden Reflexe darstellt. Für gewöhnlich kann man in den Kurven ohne weiteres die langsame und die schnelle Phase an der verschiedenen Steilheit des Anstiegs der Kontraktion erkennen, es können aber Fälle vor- kommen, bei denen das Auge so schnell hin- und herschwingt, daß die Unter- schiede verwischt werden (s. Fig. 8). Einen solchen Nystagmus, der übrigens unter normalen Bedingungen nicht eintritt, kann man mit dem Namen Pendelnystagmus belegen. Während des Nystagmus ist die Kontraktion der Muskeln ungleich stärker als bei dem in der Ruhe des Tiers bestehenden Tonus. Man kann dann die Seite so weit spannen, daß eine genauere Abbildung durch die Auf- 1 Zeitschrift für Biologie. Bd. L. S. 402. ® Ewald, Das Endorgan des N. Octavus. Wiesbaden 1892. ÜBER DIE AKTIONSSTRÖME DER AUGENMUSKELN. 29 nahme der Aktionsströme mit dem Galvanometer möglich ist. Immerhin muß man die auf diese Weise festgestellten Zahlen mit Vorsicht verwerten. Die Möglichkeit, daß die Innervation des Muskels nicht salvenmäßig erfolgt, ist immer gegeben und Öszillationen, deren Frequenz viel höher liegt als 100 bis 150 pro Sek., dürften wohl nicht mit genügender Sicherheit dar- sestellt werden, weil das Galvanometer auch dann noch zu langsam reagiert. Vor allem läßt sich mit Sicherheit feststellen, daß bei den nystagmischen Bewegungen immer Tetani, keine Einzelzuckungen der betreffenden Mus- keln vorliegen. Diese Regel bleibt selbst für äußerst frequente Nystagmen in Kraft. In Fig. 8 hat der untersuchte die ungewöhnlich hohe Frequenz von 8 in der Sekunde. Trotzdem besteht jede einzelne Bewegung (Zuckung) aus einer großen Reihe von Einzelerregungen. Betrachten wir nun die Aktionsstromkurve des Musculus rectus medialis des linken Auges bei Linksdrehung (s. Fig. 2): Beginnt man das Tier zu drehen, el wu) T 1 T Fig. 2. Rectus medialis des linken Auges bei Linksdrehung, regelmäßige nystagmische Schläge. Von rechts nach links zu lesen. Zeit !/, Sek. Ausschlag des Galvanometers nach oben bedeutet Verminderung des Demarkationsstromes. - so kommt es zuerst zu der Reaktionsphase, der Muskel kontrahiert sich lang- sam, der Demarkationsstrom sinkt, die Oszillationen werden deutlicher. Man erkennt in der Kurve, daß bei gleichmäßiger Drehung der Demar- kationsstrom linear abnimmt bis zu einem gewissen Minimum, ist dieses erreicht, dann erfolgt eine plötzliche Erschlaffung des Muskels, (Nystagmus- phase) die Oszillationen fallen fast völlig aus und der Demarkationsstrom steigt wieder an bis zum Ruhewerte. Dann beginnt bei fortgesetzter Drehung das Spiel von neuem und wiederholt sich in gleicher Weise viele Male, bis der Nystagmus aufhört. Bei umgekehrter Drehung findet man durchaus das symmetrische Ver- halten. Fig. 3 (Reetus medialis, Linksdrehung, linkes Auge). Der Muskel erschlafft während der Reaktionsphase, die Oszillationen fallen weg, dann ‘ tritt eine ganz plötzliche Kontraktion ein. Während dieser sind die Os- zillationen in der Aktionsstromkurve besonders deutlich zu erkennen. Man sieht die einzelnen Schläge sich in gleichmäßigem Rhythmus folgen. Die Frequenz der feinen Oszillationen ist bei den einzelnen Kontraktionen etwa die gleiche, ca.90 pro Sek. Fig 4 zeigt die Aktionsströme des gleichen Muskels 30 PauL HorFrmann: bei etwas langsamerer Drehung in gleichem Sinne. Auch hier beträgt die Frequenz der Schwingungen etwa 90 in der Sekunde. Die große Gleichmäßigkeit der Kurven bei den einzelnen Schlägen des Nystagmus läßt darauf schließen, daß bei gleichmäßiger Drehung die Auslösung der Nystagmusphase durch einen sehr exakt arbeitenden Mecha- nismus erfolgt. Es ist angenommen worden, daß diese Auslösung der schnellen Phase auf einem Reflex beruhe!, es erscheint aber zweifelhaft, ob bei so außerordentlich anomalen Verhältnissen, wie sie durch das Her- ausnehmen von beiden Bulbis hergestellt werden, ein peripher auszulösender Reflex einen so hohen Grad von Genauigkeit erreichen kann. Wenn man das Tier längere Zeit gleichmäßig dreht und dann plötzlich die Bewegung sistiert, so tritt bekanntermaßen der sogenannte Nachnystag- mus auf. Dieser ist durchaus dem Nystagmus gleich, der bei Drehung in umgekehrter Richtung auftritt. Die Aktionsstromkurven bestätigen diese Identität. Man kann die Kurve 5, die beim Nachnystagmus des linken Rectus medialis nach Linksdrehung aufgenommen wurde, nicht unter- scheiden von einer, die bei langsamer Rechtsdrehung registriert wurde. Die Kurve zeigt sehr gut das Verhalten der Aktionsströme im Falle, daß die einzelnen Schläge des Nystagmus sehr langsam aufeinander folgen. Es findet, wie man sieht, entsprechend einer Verlängerung des gesamten Zyklus, eine gleichmäßige Verlängerung der einzelnen Teile statt. In zahlreichen meiner Kurven (auch die in den Figg. 3, 4, und 5 repro- duzierten bilden ein Beispiel) findet sich scheinbar eine Zunahme der Fre- quenz der Oszillationen bei Zunahme der Stärke der Kontraktion. Es muß hier darauf hingewiesen werden, daß dieser Zunahme der Frequenz der registrierten Wellen keineswegs auch eine Zunahme der Frequenz der über den Muskel laufenden Erregungen zugrunde liegen muß. Bei sehr schwachen Kontraktionen treten die einzelnen Wellen überhaupt nicht mehr deutlich hervor, und es ist nicht mehr möglich, auf die Art der Erregung des Muskels irgendwelchen Schluß zu ziehen. Gerade die Kurven 6 bis 9 erhärten die Feststellung von Piper?, daß auch bei verschieden starken Kontraktionen die Frequenz der über den Muskel laufenden Erregungswellen konstant bleibt. Um einen möglichst heftigen Nystagmus untersuchen zu können, zer- störte ich bei einem Tier, das schon bei Drehung gute Resultate gab, das Labyrinth der Gegenseite. Es trat dann auch schon während der Ruhe ein äußerst heftiger Nystagmus auf (Fig.7). Es gelang nun weiter, über diesen ZHwald, a. 2.0: ®2 Piper, Pflügers Archiw. Bd. CXIX. 1907. S. 325. Derselbe, Elektrophysiologie menschlicher Muskeln. Berlin. 1912. sl ÜBER DIE AKTIONSSTRÖME DER ÄUGENMUSKELN. "us NZ SYUI YoRu sIyoar uoA 'opunyog *, oz "uadunyonz uoyostwusggsku uoyuonbarz Fruom A986 194 AWONSSUOHNY Ip any jordsrag ur yoropenz "Sunyonpsyurj yovu snwsujskuypeN sop puaıygMm sodny uoynıy sop sı[gpow SnAy SEP AWmaAIsSuoNyVy "God "U9s9] NZ SYUI YOBu SIypar uoN opunyag ?/, az Ogagswonssuorsy 1ap [feFsuYy uUaST]]0A umz sIq Iya3 spoysnn sop Sunyelyasam Orc] jnep1o A uLOFuyoP9S KOMIO UAUID UOHIOZ UEUOLNNEANUOYN uEyoSTuLTFRIFÄLU waujozurs Hp ‘g "SL OIM oqfossect Food Eee je Se ee je BT ET "u989] NZ SYU You SIyooı uoA "uopunyag °/, NaZ "uouoryjetyuoyy oyastunsgjsku edıggupsoy "Sunyarpsyypoy 1oq segny uoyuı sop SIfeıpau sNYO9Y SOp oWmgAISSsuorHNyY "Ss "La a en re aa Lig 2er td Funds 32 PAuL HOFFMANN: Nystagmus bei Drehungen noch den Drehnystagmus zu superponieren und so ganz außergewöhnlich kräftige Kontraktionen hervorzurufen. Anderer- seits konnte man durch Drehung in der entgegengesetzten Richtung eine Abschwächung erreichen. Die Kurve in Fig. 8 zeigt die Aktionsströme von N N Ba RE IT Te TE Te ee Fig. 6. (Die Kurven 6 bis 9 stammen von dem gleichen Tiere.) Linkes Auge Rectus medialis. Nystagmus bei Rechtsdrehung. Zeit !/, Sekunde. Von rechts nach links zu lesen. UST Rs al BEE Fig. 7: Aktionsströme des Reetus medialis des linken Auges nach Zerstörung des rechten Labyrinthes. Die Aufnahme erfolgt während der Ruhe des Tieres. Zeit ! /ı Sekunde. Von rechts nach links zu lesen. Pa. En re ee Fig. 8. Aktionsströme des Rectus medialis links. Dem Tier wurde vorher das rechte Labyrinth entfernt. Während der Aufnahme wurde über den schon in Ruhe vor- handenen Nystagmus der Drehnystagmus (Linksdrehung) superponiert. Zeit !/, Sekunde. Von links nach rechts zu lesen. EEE III ER ENE r ange NG: oa TE Hio.n9: Das gleiche wie bei Fig. 8, nur erfolgt Drehung in umgekehrter Richtung (Rechts- drehung). Der durch Drehung eintretende Nystagmus subtrahiert sich von dem schon in der Ruhe vorhandenen. Zeit !/, Sekunde. Von links nach rechts zu lesen. ÜBER DIE AKTIONSSTRÖME DER AUGENMUSKELN. 33 maximaler Stärke, wie sie bei Addition des Ausschaltungs- und Drehnystag- mus entstehen, Fig. 9 die des durch Drehung in der entgegengesetzten Richtung abgeschwächten. Es erscheint nun sehr wichtig, daß die auszu- zählende Frequenz der Oszillationen in allen drei Fällen etwa die gleiche ist. Dadurch gewinnen die festgestellten Zahlen sehr an. Wert. Denn, falls in Wirklichkeit ein noch frequenterer Rhythmus vorläge, so müßte man an- nehmen, daß dieser bei der sehr starken Kontraktion deutlicher würde. Sind die Frequenzen, wie es hier der Fall ist, bei starker und bei schwacher Kontraktion gleich, so ist eine hohe Wahrscheinlichkeit, daß man es mit dem tatsächlich vorhandenen Rhythmus zu tun hat. Die Methode der Untersuchung der Aktionsströme der Augenmuskeln bietet weiter noch die Möglichkeit, den Schwellenwert der Drehung, der einen Labyrinthreflex hervorruft, zu finden. Wie schon beschrieben, schwankt auch während der Ruhe der Demar- kationsstrom der Muskeln stetig. Man kann also nur dann eine Wirkung der Drehungen annehmen, wenn die bei der Drehung auftretenden Schwan- kungen die in der Ruhe vorhandenen übertreffen. Die nystagmischen Bewegungen hängen durchaus mit der Winkel- geschwindigkeit der Drehung zusammen und nicht mit der Winkelbeschleu- . nigung.! Beim Menschen ist andererseits nach den Versuchen von Mach für die Empfindung der Drehung lediglich die Winkelbeschleunigung maß- gebend.? | Zur Feststellung der Schwelle hängte Mach eine Person bifilar auf. So konnte er aus Amplitude und Schwingungsdauer ohne weiteres die Winkel- beschleunisung berechnen. Er konnte zeigen, daß bei einer Amplitude von 10 Grad und einer Schwingungsdauer von 14 Sek. die Drehung für den Menschen mit geschlossenen Augen eben bemerkbar wurde. Die bei solchen Schwingungen auftretende maximale Beschleunigung beträgt 2 Winkelgrad. Dies würde also für den Menschen als Schwelle der Drehempfindung an- zusehen sein. Zu den Schwellenbestimmungen hängte ich in analoger Weise das Kaninchen mitsamt den Elektroden bifilar auf. Bei meiner Aufstellung konnte ich nicht über eine Schwingungsdauer von 4-5 Sek. hinauskommen. Es ergab sich, daß die Labyrinthreflexe beim Kaninchen schon deutlich werden bei einer Winkelbeschleunisung, die kleiner ist als 2 Grad/Sek.?, wenn nur die Amplitude groß genug ist. Um einige Zahlen anzugeben möchte ich erwähnen, daß bei 18.8. Maxwell, Amer. journ. of Physiology. Bd. XXIX. S. 367. 1911. 2 E. Mach, Grundlinien der Lehre von den Bewegungsempfindungen. Archivf.A.u. Ph. 1913. Physiol. Abtlg. 3 34 Pau HorFMmANN: ÜBER DIE AKTIONSSTRÖME DER AUGENMUSKELN USW. einer Schwingungsdauer (!/, Schwingung) von 4 Sekunden während Schwingungen von 2 Grad Amplitude noch sehr deutliche Ausschläge zu sehen waren. Wenn ich die Drehscheibe mit der Hand schnell be- wegte, so konnte ich bei Drehungen bis unter 1 Grad noch eine Reaktion finden. 30 Minuten schienen mir das äußerste Minimum zu sein. Wenn man nun bedenkt, daß Trendelenburg und Marx! für die Genauigkeit der Augeneinstellung beim Fixieren noch Schwankungen im Maximum von 5 Minuten fanden, so ist die Feinheit der Labyrinthreflexe erstaunlich. Dabei muß man noch bedenken, daß die Versuche doch unter erheblich anomalen Bedingungen gemacht werden müssen, daß also die erhaltenen Werte wohl sicher die untere Grenze bedeuten. 1 Zeitschrift für Sinnesphysiologie. Bd. XLV. 8. 87. Mikroskopischer Nachweis der Protoplasmalipoide, insbesondere des Muskelgewebes. Von A. Noll. (Aus dem physiologischen Institut in Jena.) (Hierzu Tafel I.) Es ist eine auffallende und auch öfters schon hervorgehobene Tatsache, daß sich das Protoplasmafett normaler Zellen mit den üblichen histologi- schen Methoden nur in geringer Menge oder gar nicht nachweisen läßt, trotzdem man mit den gewöhnlichen chemischen Extraktionsmitteln zum Teil ansehnliche Fettmengen extrahieren kann. Der Grund hierfür ist darin zu suchen, daß die Hauptmasse des Fetts nicht in Form sichtbarer Fett- tropfen in der Zelle liest, sondern im Protoplasma in unsichtbar feiner Verteilung, vielleicht chemisch gebunden ist. Unter den Morphologen hat wohl E. Albrecht am nachdrücklichsten hierauf hingewiesen. Aber gerade diese Fettsubstanzen, die sich dem Auge des Histologen entziehen, sind die für den Zellbestand und die Zellfunktionen so wichtigen. Vor allem sind es die zu den primären Zellstoffen (Kossel) gehörenden sogenannten Le- zithine sowie andere phosphorhaltige und phosphorfreie Fettsubstanzen, die man jetzt unter dem Namen „Lipoide“ zusammenfabt.! 1 Bezüglich der Definition der Bezeichnung „Lipoide‘ sei auf Bang, Ergeb- nisse der Physiol., Bd. VI, S. 136ff., sowie Ad. Jolles, Ohemie der Fette, 2. Aufl., Straßburg 1912, S. 41 verwiesen. Vgl. ferner Kanitz, Oppenheimers Handbuch der Biochemie. Bd. IL. 1. Hälfte. Wo es nicht auf eine genauere chemische Charakterisierung ankommt, werde ich im folgenden schlechthin mit ‚Fett‘, „‚Zellfett‘‘ u. a. die verschiedenen Fettsub- stanzen der Zelle zusammen bezeichnen. 3% 36 ANOLL: Bis jetzt also ist es nicht möglich, diese Lipoidstoffe mikroskopisch sichtbar zu machen. Das ist aber unbedingt nötig, wenn man Genaueres über den Fettgehalt und den Fettstoffwechsel der Zellen wissen will. Denn die Leistungsfähigkeit der chemischen Untersuchungsmethode reicht nur bis zu einer bestimmten Grenze. Mit den chemischen Methoden nämlich kann man wohl das Fett extra- hieren, analysieren und quantitativ bestimmen, sie geben aber keinen ge- nauen Aufschluß über den Sitz des Fetts im Gewebe, geschweige denn über seine Verteilung innerhalb der Zellen selbst. Die erforderliche genaue Lokali- sation ist vielmehr erst dann möglich, wenn man das Mikroskop zu Hilfe nimmt. Es liegt also auf der Hand, daß man erst mit einer histologischen Me- thode, welche es ermöglicht, auch die Protoplasmalipoide zu untersuchen, einen Fortschritt in der Kenntnis des Fettgehalts und Fettstoffwechsels der Zellen erreichen wird. Von diesen Erwägungen ausgehend suche ich einen Weg zur histo- logischen Trennung des Protoplasmafetts vom Eiweiß durch eiweißlösende Mittel. Es erwies sich gleich bei den ersten Versuchen die Anwendung der künstlichen Verdauung mit Pepsin-Salzsäure als ge- eignet. Allerdings fand ich, daß nicht alle Zellarten ein gleich günstiges Objekt liefern.! Zunächst hatte ich Ganglienzellen aus dem Spinalganglion des Frosches der Einwirkung der Pepsin-Salzsäure unterworfen, in der Erwartung, hier viel Fett aufzufinden, weil ja erwiesenermaßen die Nervenzellen besonders ! Die Verwendung der künstlichen Verdauungsmethode in der histologischen Technik ist durchaus nicht neu. Sowohl Pepsin als auch Trypsin hat man benutzt teils zur Mazeration der Gewebe, teils um einzelne Gewebsbestandteile mikrochemisch voneinander zu unterscheiden. Nur von wenigen Forschern aber wurde der Zell- inhalt selbst künstlich verdaut. Pflanzliche Zellen haben E. Zacharias (Ber. der deutsch. bot. Gesellschaft. Bd. XI. S. 293. 1893.) sowie Frank Schwarz (Cohns . Beitr. Bd. V. S. 1.) mit Pepsin-Salzsäure behandelt, um zu sehen, ob und inwieweit Kern und Zytoplasma verdaulich seien. Von tierischen Zellen sind, soweit ich sehe, nur Nervenzellen von Witkowski verdaut worden (Arch. f. Psychiatrie und Nervenkrankheiten. Bd. XIII, S. 724 u. Bd. XIV, S. 420.), es handelt sich aber ledig- lich um die Nukleinstoffe der Zelle. An Muskelfasern hatten schon vor langer Zeit Frerichs (R.Wagners Handwörterb. d. Physiol. Bd. III,1. S. 814) und Rollett, (Wiener Sitzungsber. math.-naturwiss. Kl. III. Abt. Bd. XXIV. S. 291.) beobachtet, daß Magensaft ebenso wie verdünnte Säure einen Scheibenzerfall der Faser bewirkt. Auffallenderweise sind in späterer Zeit von keinem Autor die Veränderungen an diesem Objekt genauer verfolgt worden. Speziell über das Verhalten des Protoplasmafetts fehlen auch hier irgendwelche Angaben. — Vgl. die genaue Darstellung in Spalteholz’ Artikel „künstliche Verdauung“ in der Enzyklopädie der mikroskopischen Technik, MIKROSKOPISCHER NACHWEIS DER PROTOPLASMALIPOIDE. var lezithinreich sind. Im Laufe der Verdauung wurden die Zellen kleiner, und es traten größere und kleinere Fettmassen in ihnen auf, die sich mit Osmium schwärzten. Aber es war schwer zu sagen, wieviel von dem Fett wirklich aus dem Protoplasma stammte, weil die unverdauten Zellen schon ziemlich viel Fetteinschlüsse in Gestalt des sogenannten Lipochroms enthielten. Ein weiterer Übelstand war der, daß die Zellen mit fortschrei- tender Auflösung auch unkenntlich wurden. Auch die Versuche mit Lebern vom Rind und Kaninchen befriedigten „nicht vollständig. Hier bildete sich ein Zellbrei, in dem die einzelnen Zellen nicht mehr gut voneinander abgrenzbar waren. Immerhin war auch hier _ das Resultat insofern positiv, als nach der Verdauung sich das Fett da nach- weisen ließ, wo es vorher nicht war; es ließ sich auch quantitativ schätzen. Dagegen fand ich in dem Muskelgewebe ein für meine Zwecke vorzüglich geeignetes Material. Denn die Muskelfasern behielten selbst nach kräftiger Verdauung ihre Form bei, und das in ihnen auftretende Fett war außerordentlich deutlich. Es resultierten also noch gute histologische Bilder. Ferner war der Vorgang so langsam, daß durch fraktionierte Verdauung verschiedene Stadien verglichen werden konnten. Mit zunehmender Auflösung des Fasereiweißes konnte man das vermehrte Sichtbarwerden des Fetts verfolgen. Meine Beobachtungen an dem Muskelgewebe teile ich im folgenden mit. Zur Untersuchung kamen: Temporalis des Menschen, Quadriceps femoris und Masseter des Hundes, Zwerchfell vom Kaninchen, Pektoralis sowie Hals- und Extremitätenmuskeln der Taube und des Huhnes, Ober- schenkelmuskeln vom Frosch, Thoraxmuskeln von Insekten; ferner Herz von Rind, Taube und Frosch; schließlich glatte Muskulatur vom Magen des Kaninchens, Rindes und Vogels. Für die morphologischen Beobachtungen waren besonders die Tauben- muskeln sehr günstig, und unter ihnen bevorzugte ich den Pektoralis, den ich dann auch zur Lösung einiger sich anschließenden Fragen heranzog. Die Taubenmuskeln gehören zu den leicht verdaulichen, ihre Fasern sind reich an Lipoidstoffen. Ferner ist speziell der Pektoralis leicht in solcher Menge zu beschaffen, daß er außerdem auch chemisch bearbeitet werden kann. An ihm habe ich einige Extraktionsversuche mit Petroläther, welche die histologische Beobachtung ergänzen sollten, ausgeführt. Bevor ich zur Schilderung dessen gehe, was man an den verdauten Muskeln sieht, muß ich zunächst die Fettröpfchen ins Auge fassen, welche die unverdauten Fasern der Skelettmuskeln und des Herzens enthalten. ‚38 A. Not: Der mikroskopische Fettgehalt normaler Muskelfasern. Es ist bekannt, daß im Sarkoplasma der quergestreiften Muskelfasern kleinste Körnchen liegen, die man schon an frischen Zupfpräparaten sieht. Kölliker hat sie zuerst genauer beschrieben und ‚‚interstitielle Körner“ benannt. Sie finden sich vornehmlich in den protoplasmareichen Fasern, welche in den angestrengt tätigen und in regem Stoffwechsel befindlichen Muskeln vorherrschen. Dort bedingen sie nach der übereinstimmenden Ansicht Knolls! und Schaffers? hauptsächlich das trübe Aussehen dieser Fasern. Besonders reich an Körnchen fand Knoll u. a. den Brustmuskel der Taube. Eine Anzahl dieser Körnchen besteht aus Fett.? Gute Abbildungen solcher Fettröpfchen im Sarkoplasma finden sich z. B. bei Knoll* und bei Altmann’. Daß diese Fettröpfehen aus interstitiellen Körnchen hervorgehen, wird von einer Anzahl Autoren angenommen. Aus der vorliegenden Literatur ist vor allem eine Tatsache hervorzu- heben, welche hier von Wichtigkeit ist. Es ist die Erscheinung, daß die Zahl der Fettröpfchen unter verschiedenen Verhältnissen in demselben Muskel sehr wechseln kann. Schon Kölliker® war es aufgefallen, daß in den Muskeln von Dytiscus gerade bei solchen Exemplaren, welche lange Zeit im Zimmer gehalten waren, die Fettkörnchen ungemein zahlreich waren. Knoll”? fand bei Fröschen in den verschiedenen Jahreszeiten quanti- tative Verschiedenheiten. Frühjahrs- und Sommerfrösche hatten keine mit Osmium sich schwärzenden Körnchen, im Oktober hatten die Eskulenten, ! Knoll, Über Myokarditis und die übrigen Folgen der Vagussektion bei Tauben. Zeitschr. f. Heilkunde. Bd. I. 1880. — Derselbe, Über helle und trübe, weiße und rote quergestreifte Muskulatur. Wiener Sitzungsber. math.-naturw. Kl. III. Abt. Bd. XCVIII. 1889. — Derselbe, Über protoplasmaarme und protoplasmareiche Muskulatur. Denkschr. d. Kais. Akad. d. Wiss. math.-naturw. Kl. III. Abt. 58. S. 633. ® Schaffer, Beitr. zur Histol. u. Histogenese der quergestreiften Muskelfasern des Menschen u. einiger Wirbeltiere. Wiener Sitzungsber. math.-naturw. Kl. III, Bd. CI. B.77. 1893: ® Die ausführliche Literatur s. bei Bell, Internationale Monatsschr. f. Anat. u. Physiol. Bd. XXVII.. 1911. * Lotos. N. F. XV. 1895. ° Elementarorganismen. 2. Aufl. Leipzig 1894. ° Kölliker, Zur Kenntnis der quergestreiften Muskelfasern. Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. Bd. XLVII. S. 689. ” Knoll, Denkschriften der Kaiserl. Akademie der Wissenschaften math.-naturw. Rl. Bd. LVIII. S. 684. MIKROSKOPISCHER NACHWEIS DER PROTOPLASMALIPOIDE. 39 die Temporarien dagegen im März deren viele, besonders in den dünnsten Fasern. Bell! gibt an, daß die Fettröpfchen (Liposomen) bei sehr abgemagerten Tieren schwinden. Andererseits beobachtete er, dab durch Fettfütterung die weißen Fasern so reich an diesen Elementen werden können, wie es die trüben Fasern normaler Tiere sind. Bell hat auch festgestellt, daß bei Ratten fette Fleischnahrung, beim Frosch außerdem auch Olivenöl, nicht aber mageres Fleisch, Traubenzucker, Stärke, Palmitinsäure oder ölsaures Natron die Körnchen anreichert. Greene? beobachtete, daß die Fettröpfchen in den Muskelfasern des Könissalmes in äußerst feiner Verteilung auftreten, wenn der Fisch in die Flußmündung kommt, und daß sie während des Laichens zu schwinden beginnen, zur Zeit des Todes in den breiten Fasern ganz fort, in den dünnsten dann aber in beträchtlicher Menge noch vorhanden sind. Bei ganz jungen Tieren kann der Fettreichtum der Muskulatur ein sehr sroßer sein. Ricker und Ellenbeck® fanden bei saugenden Kaninchen so viel Fett, wie man sonst nur bei der sogenannten fettigen Degeneration sieht. Keinath? fand bei einem drei Tage alten Hündchen einen enormen Fettreichtum des Herzens, besonders des rechten Ventrikels. Sehr fettreich war ferner die Muskulatur von Feten, wie denn überhaupt die fetalen Mus- keln sehr sarkoplasmareich sind (M. Heidenhain, Plasma und Zelle. 2. Lief. Jena 1911). Aus den mitgeteilten Angaben, deren ähnliche sich übrigens noch mehr in der Literatur finden, geht hervor, daß man nicht zu allen Zeiten, selbst bei normalen Tieren, an ein und demselben Muskel auf einen gleichhohen Gehalt an Fettröpfichen rechnen kann. Dieses Ergebnis ist im Hinblick auf den Fettstoffwechsel der Muskeln über- aus wichtig. Für die vorliegenden Versuche kommt zunächst in Betracht, daß man nicht ohne weiteres mit einem für jeden Muskel eigentümlichen und konstanten Fettgehalt rechnen darf. Vielmehr muß man in jedem 1 Bell, The interstitial granules of striated muscle and their relation to nutri- tion. Internationale Monatsschrift für Anatomie und Physiologie. Bd. XXVII. S. 297. 1911. 2 Greene, The absorption of fat in the salmon muscular tissue and its resorption during the migration fast. The amer. Journ. of Physiol. Bd. XXIX. Heft 4. 1912. 3 Ricker und Ellenbeck, Beitr. zur Kenntnis der Veränderungen des Muskels nach der Durchschneidung seines Nerven. Virchows Archiv. Bd. CLVIH. S. 199. 1899. 4 Keinath, Über den mikroskopischen Nachweis von Fett in normalen Muskeln. Dissertation. Tübingen 1904. 40 A. Nout: einzelnen Falle den gerade bestehenden Gehalt an sichtbaren Fettelementen vor der Verdauung feststellen. Bei den von mir untersuchten Muskeln hat sich nun ergeben, daß die unverdauten Fasern hier und da zwar recht beträchtliche Mengen von inter- stitiellen Körnchen enthielten, daß aber fast immer solche, welche die Fett- reaktion gaben, in verhältnismäßig geringer Anzahl, meist nur in verschwin- dender Menge vorhanden waren. Jedenfalls kamen diese normalen Tröpf- chen den durch künstliche Verdauung darstellbaren Fettmassen gegenüber so gut wie nicht in Betracht. Nur einmal fand ich in dem Pectoralis einer Markttaube auffallend viele, mit Sudan III sich leuchtend rot färbende Tropfen. Es standen mir gleichzeitig auch Tauben zur Verfügung, denen die Groß- hirnhemisphären weggenommen waren, und die bis zum Tode wochen- und . monatelang im Käfig gehalten waren. Diese Tiere wurden zu den Verdau- ungsversuchen nicht benutzt. In ihren Pektoralmuskeln waren die Fett- tropfen viel zahlreicher. Zunächst vermutete ich, es handle sich bei diesen Tieren vielleicht um eine durch den Verlust des Großhirns und die damit ver- änderten Innervationsverhältnisse bedinsten Vorgang in der Muskulatur. Als ich aber dann auch an normalen Tauben, welche ich nur mit gestutzten Flügeln mehrere Monate über im Käfig hielt, dieselbe Fettvermehrung kon- statierte, war es klar, daß die Fortnahme des Großhirns an sich keine Schuld daran trug, sondern allenfalls das Aufhören der Flugbewegungen. Vor allem aber ist zu beachten, daß alle diese Tauben während des Aufenthaltes im Käfig vorzüglich genährt waren und schließlich eine außerordentlich fleischige Brust bekamen. Andererseits konnte ich auch eine Taube zwei Monate nach der Großhirnexstirpation untersuchen, welche sehr stark abgemagert war, und bei der sich Fettröpfchen, in den Präparaten vom Pectoralis überhaupt nicht fanden. Ich halte deshalb in allen diesen Fällen den Fettreichtum durch die Ruhe und gleichzeitige gute Ernährung der Tiere bedingt. Diese Annahme steht ganz im Einklang mit den zitierten Befunden anderer Untersucher. Es wird so verständlich, daß auch einmal eine frisch gekaufte Taube, wie z. B. die eine oben erwähnte, fettreichere Muskeln hat als der Durchschnitt der Marktware. Bis auf die eine erwähnte Taube also waren alle von mir untersuchten menschlichen und tierischen Muskeln arm an Fettropfen im Sarko- plasma. Auch die untersuchten Herzen hatten vor der künstlichen Verdauung so wenig mikroskopisch sichtbares Fett in den Fasern, daß man die Ver- dauungsbilder nicht falsch beurteilen konnte. MIKROSKOPISCHER NACHWEIS DER PROTOPLASMALIPOIDE. 41 Mikroskopische Darstellung der Plasmalipoide des Muskelgewebes. In 100 cem verdünnter Salzsäure von 0,3 Proz. Gehalt an HCl wurden 0,18 Pepsin gelöst. Ich benutzte ein Pepsin. pur. von Schuchardt in Görlitz. Die Verdauungskraft der Lösung hängt natürlich von der Wirk- samkeit des Pepsins ab. Bei dem von mir verwendeten Pepsin mußten die Muskelstückchen 12 bis 3 x 24 Stunden bei 38° C verdaut werden, je nach dem Effekt, den ich erreichen wollte. Schon nach wenigen Stunden sah man eine deutliche Wirkung an der Peripherie, nach 24 Stunden war sie tiefergehend und intensiver. | Die verwandten Stückchen waren bis 1 cm lang und wenige mm breit und dick. Aus der Verdauungslösung kamen die Objekte zunächst je nach der Größe für. 12 bis 24 Stunden in ag. dest., dann wurden sie teils zerzupit und frisch untersucht, zum andern Teil in Iproz. wässerige Osmiumsäure- lösung bzw. 10proz. Formollösung eingelegt. Die Formolpräparate wurden mit Sudan III, einigemal auch mit Scharlachrot gefärbt. Sowohl von den Osmium- als auch den Formolobjekten, welche nach dem Entwässern in Glyzerin aufgehoben wurden, machte ich Zupfpräparate auch schon bevor sie in Alkohol kamen, von den Osmiumpräparaten auch Paraffinschnitte. Die Anfertieung von Gefrierschnitten dürfte kaum empfehlenswert sein, weil das Gewebe durch die Verdauung zu stark aufgelockert wird. Die Stück- chen zerfasern leicht und fallen dann auseinander, was schon beim Umlegen zu einiger Vorsicht in der Handhabung nötigt. Der sichtbare, rein morphologische Erfolg der künst- lichen Verdauung mit Pepsin-Salzsäure ist im allgemeinen fol- gender: Makroskopisch werden die Muskelstückchen — abgesehen von der anfänglichen, durch die Säure bewirkten Quellung — kleiner und weicher und neigen mehr und mehr zum Zerfall; gleichzeitig nimmt die rötliche Färbung ab. Öfters verlieren die Stückchen die Neigung in Wasser unter- zusinken. Es hat also offenbar das spezifische Gewicht abgenommen, was durch die relative Steigerung des Fettgehalts bedingt ist. Mikroskopisch sieht man am frischen Zupfpräparat, abgesehen von meist noch vorhandenen intakten Fasern, deutlich granulierte Fasern, welche bei schwacher Vergrößerung dunkel erscheinen. Mit Hilfe stärkerer Vergrößerung (Zeiss Obj. D. Oe. 2) erkennt man, daß die Granulierung von kleinen Tröpfehen oder Schollen herrührt, die deut- lich fettigen Glanz haben. Geht die Verdauung weiter, so werden die 43 A. Nor: Tröpfchen größer. Sie liegen innerhalb der nun merklich verschmälerten Fasern, aber durch leichten Druck auf das Deckglas lassen sie sich heraus- pressen. Wenn man weitgehend verdaut und mit dem Deckglas auf das zerzupfte Objekt stark drückt, dann entsteht ein Brei, in dem die in Freiheit gelangten Fettmassen regellos umherliegen. In frühen Verdauungsstadien, in denen äußerst feine Tröpfchen sich eben auszubilden anfangen, ist die Querstreifung noch sichtbar, später schwindet sie ganz. Einen Zerfall der Fasern in Querscheiben sah ich nie, wohl aber einen solchen in Fibrillen- bündel. Für einige der untersuchten Muskeln mögen nun weitere genauere Angaben folgen. Pectoralis der Taube. Dieunverdauten, frisch untersuchten Fasern haben in der weitaus größten Zahl den Charakter der trüben, mehr oder weniger körnchenreichen schmalen Fasern. Nur wenige breite, helle Fasern liegen dazwischen. Nach Behandlung mit lproz. Osmiumsäure bekommen die Fasern einen gelben Ton, in den dunklen Fasern treten spärliche Fettröpfehen hervor. Diese lassen sich auch mit Sudan III färben. An Zupfpräparaten von den in der angegebenen Weise verdauten Muskel- stückchen sieht man folgendes. Wenn die Pepsinwirkung eben begonnen hat, treten feinste, stark lichtbrechende Tröpfehen in Längsreihen innerhalb der Fasern auf (Fig. 1, Taf. I). Nach längerer Verdauung sind die Tropfen größer und viel zahlreicher (Fig. 2, Taf. I), ihre regelmäßige Anordnung in Längsreihen ist jetzt nicht mehr da. Sie sind oft so dicht gelagert, daß sie die Faser ganz erfüllen. Schließlich werden die Tropfen noch größer, wie es Fig. 3a u. 3b, Taf. I (vom selben Stück) zeigen. Sie ragen dann oft über den Rand der Faser hinaus, woraus man auf eine Lösung des Sarkolemms an diesen Stellen schließen darf. Inzwischen ist die Faser bedeutend schmäler geworden. Osmiumsäure (1 proz.) färbt in allen Verdauungsstadien sämtliche Tropfen bräunlich, die Farbe wird bei der Weiterbehandlung mit Alkohol schwarz. So bleiben die Präparate, auch wenn sie durch Xylol in Paraffin eingebettet werden. Von Sudan III und Scharlachrot werden ebenfalls sämtliche Tropfen gut gefärbt. Ebenso wie der Brustmuskel verhält sich auch die Bauchdecken-, Waden-, Rücken- und Halsmuskulatur der Taube, bei allen ist die Menge des darstell- baren Fettes sehr bedeutend. Die geschilderten Veränderungen sind an der überwiegenden Mehrzahl der Fasern zu sehen. Nur eine kleine Anzahl behält im ganzen ihr ursprüng- liches Aussehen bei und zeigt Fettröpfchen in auffallend geringer Zahl. Bei diesen handelt es sich nach dem Aussehen zweifellos um helle, sarkoplasma- arme Fasern. Sehr gut gelingt die Darstellung des Fetts auch mit I1proz. Kalilauge, wenn man die Muskelstückchen etwa 12 bis 24 Stunden lang einlest, mit Wasser auswäscht und wie oben weiterbehandelt (Fig. 4, Taf. I). MIKROSKOPISCHER NACHWEIS DER PROTOPLASMALIPOIDE. 43 Froschmuskeln. Der Sartorius enthält ebenfalls die besonders seit Grützners Be- schreibung bekannten zwei Faserarten, einmal hellere und breitere, und ferner dunklere, schmälere. Interstitielle Körnchen sind im frischen Präparat gut sichtbar. An Osmiumpräparaten sieht man die braun. gefärbten Fettröpf- chen vor allem in den dunklen Fasern, und zwar am zahlreichsten in den schmalsten von ihnen, in den hellen Fasern dagegen keine. Diese hellen Fasern heben sich dann durch ihre strohgelbe Farbe von den übrigen ab. Das typische Verdauungsbild erhält man schon nach 24stündiger Ein- wirkung der Pepsin-Salzsäure. In den schmalen Fasern liegen dann dicht- sedrängte kleine Tröpfehen und auch unregelmäßiser geformte, größere schollenartige Gebilde. Etwas größer sind die Tropfen in den weniger schmalen Fasern, die aber auch noch den dunkeln zuzurechnen sind. Querstreifung ist nicht zu sehen. In den breitesten Fasern sah ich ziemlich große Schollen auftreten, die zum Teil wie doppeltkonturiert erschienen. Läßt man nun Osmiumsäure einwirken, so reagieren mit Sicherheit die Tropfen der schmalen Fasern. Auch hier ist die Färbung zunächst bräunlich, um unter dem Einfluß des Alkohols schwarz zu werden. Die Schollen der hellen Fasern dagegen ließen sich mit Osmium nicht färben. Indessen sah ich an Präparaten, welche nicht mit Pepsin-Salzsäure, sondern mit 1proz. Kali- lauge gewonnen waren, ganz deutlich osmiumgeschwärzte Tröpfchen auch in diesen Fasern. Die Sudanfärbung dieser Tröpfchen gelang dann auch hier ebenso wie an den dunklen Fasern (Fig. 5, Taf. I). Andere Oberschenkelmuskeln von Fröschen lieferten insofern noch bessere Resultate, als auch nach künstlicher Verdauung in den breiten Fasern die Fettropfen sich gut sichtbar machen ließen und sich mit Osmium gut schwärz- ten. Diese Muskeln zeichneten sich durch ein röteres Aussehen von den be- nutzten Sartorien aus, was wohl im Zusammenhang mit ihrem mikroskopischen Verhalten steht. Quergestreifte Muskeln anderer Herkunft. Muskeln vom Menschen (Temporalis Fig. 6, Taf. I) und vom Hund (Mas- seter, Quadriceps femoris) lieferten ebenfalls sehr gute Bilder. Auch bei ihnen war die Fettmenge bedeutend. Das Verhalten gegen Osmium entsprach dem der Taubenmuskeln. Die gleichen Resultate lieferte das Zwerchfell des Kaninchens. Schließlich konnte ich auch an der Thoraxmuskulatur der Hummel und der Stubentliege die Fettröpfchen darstellen. Bei ihnen wirkte die Verdau- ungslösung so schnell, daß schon nach 1 Stunde Bilder wie in Fig. 7, Taf. I herauskamen. Auch hier färbte die Osmiumlösung die Tröpfchen schon vor der Alkoholbehandlung. Herzmuskel. Untersucht wurde das Herz vom Frosch, von Taube und Rind. Im Froschherzen traten nach 24stündiger Verdauung allenthalben in den Zellen kleinste Tröpfchen auf, die sich mit Osmium färben ließen. Nach 2mal 24 Stunden waren die Tropfen größer. Durch Druck auf das Deckslas 44 A. Not: entstand ein Gewebsbrei, in dem das Fett in mehr oder weniger unregelmäßigen Formen umherlag. Prinzipiell sind also die Erscheinungen hier dieselben wie beim Skelettmuskel (Fig. 8, Taf. I). Ähnlich verhielt sich das Taubenherz. Der Inhalt der Zellen wurde zu- nächst stärker lichtbrechend. Dann traten distinkte Tropfen darin auf, deren Verhalten zu Osmium dem oben beschriebenen entsprach. Bei längerer Ver- dauung stellten die Fettmassen mehr schollenartige Bildungen dar. Mit Sudan III war die Färbung nicht rot wie beim Skelettmuskel, sondern gelblich. Im Rinderherzen waren die darstellbaren Fettmengen nicht so groß wie bei der Taube. Glatte Muskulatur. Als Objekt diente die Magenmuskulatur verschiedener Tiere. Überall war die Wirkung der Pepsinsalzsäure so, daß in den Muskelzellen kleine und größere, fettartig aussehende Tropfen auftraten. Indem dabei die Zellen schmäler und schmäler wurden, bekamen sie manchmal ein variköses Aussehen. Während bei Frosch, Kaninchen und Rind die Fettabscheidungen des Zellinhaltes nicht sehr bedeutend waren — (vgl. Fig. 9 vom Kaninchen) —, lieferte der Vogelmagen große Mengen. Auch hier lieferte die Taube die schön- sten Bilder. Beim Taubenmagen war der Effekt der Verdauung so. Zunächst schieden sich kleine Tropfen aus. Im weiteren Verlaufe der Pepsinwirkung gelangten die Tropfen aus den Zellen heraus und bildeten größere Fettmassen von un- regelmäßiger Form. Im Zupfpräparat konnte man das Hervorquellen des Fetts aus dem Gewebe hier und da sehen. Noch mehr als es beim Herzen der Fall war, gelang es durch Zerdrücken und Zerreiben des Gewebes, das Fett von den Zellresten zu isolieren. Besonders bei einer der untersuchten Tauben kam überraschend viel Fett zutage. Offenbar gelangt das Fett aus den glatten Muskelzellen leicht heraus, viel leichter als aus den quergestreiften Fasern, weil ihnen die Sarkolemmhülle dieser Fasern fehlt. Eine höchst auffallende Erscheinung war nun die, daß die noch in den Zellen liegenden kleinen Formen der Fettropfen, vor allem bei der Taube, sich meist nur unvollkommen oder auch gar nicht mit Osmium färben ließen. So klare Bilder wie in Fig. 9 waren nicht häufig. Erst wenn sie als größere Tropfen außerhalb der Zellen lagen, wurden sie schwarz. Vorläufig kann ich nicht sagen, welche Ursachen diesem Verhalten zugrunde liegen. Überblickt man die mitgeteilten Befunde, so muß man bezüglich der Herkunft der Fette bzw. Lipoide, welche sich nach der be- schriebenen Methode haben sichtbar machen lassen, zu dem Resultat kom- men, daß sie ganz oder vorwiegend aus dem Sarkoplasma der Muskelfasern stammen. Dies läßt sich zwar nicht unmittelbar wahr- nehmen, weil während der Verdauung Fibrillen und Zwischensubstanz bald nicht mehr unterscheidbar sind. Indessen gelangt man zu dieser Schluß- folgerung auf Grund der Tatsache, daß die sarkoplasmareichen, trüben Fasern viel, die sarkoplasmaarmen hellen Fasern dagegen wenig Fett liefern. Sehr deutlich ist dieser Unterschied z. B. bei der Froschmuskulatur, und MIKROSKOPISCHER NACHWEIS DER PROTOPLASMALIPOIDE. 45 zwar an den beiden Faserarten ein und desselben Muskels (Sartorius). Des- sleichen traten diese Verschiedenheiten in den Muskeln der Taube hervor. Da hier die trüben Fasern an Zahl weitaus überwiegen, brachte die künst- liche Verdauung der Muskulatur äußerst viel fettreiche Fasern zutage. Dieselben Unterschiede finden sich auch zwischen verschiedenen Muskeln desselben Tieres, wie ich hier noch anfügen kann. Der weiße Brustmuskel des Huhnes nämlich mit seinen sarkoplasmaarmen Fasern liefert wenig Fett, die roten Beinmuskeln dagegen liefern viel. Die untersuchten Kau- muskeln des Menschen und Hundes, die ja zu den sarkoplasmareichen ge- hören, gaben ebenfalls viel Fettropfen. Dies gilt auch für den Insekten- muskel. Schließlich steht auch das Ergebnis, daß Herzmuskulatur und auch gewisse glatte Muskelzellen fettreich gefunden wurden, sehr gut im Einklang mit dem Sarkoplasmareichtum dieser Muskulatur. Die Beziehungen zwischen Sarkoplasma- und Fettgehalt scheinen mir danach, für die untersuchten Muskeln wenigstens, erwiesen. Ob nun aber ausnahmslos überall in der Tierreihe diese Gesetzmäßigkeit waltet, das soll damit noch nicht behauptet sein. Denn es kann sehr wohl auch Muskeln geben, die zwar sarkoplasmareich, aber doch nicht besonders reich an Lipoiden sind. Aus den mitgeteilten Beobachtungen dürfte wohl erden daß vor allem die Skelett- und die Herzmuskulatur sich zur Darstellung der Lipoide sehr gut eignen. Was die glatte Muskulatur betrifft, so wird man zunächst versuchen müssen, ob man nicht bezüglich der Fettfärbung zu besseren Resultaten kommen kann. Es wäre ferner auch von Interesse, die Musku- latur niederer Tiere in dieser Weise auf ihren Fettgehalt zu untersuchen. Die chemischen Vorgänge beim Sichtbarwerden der Lipoide. Fragt man nun nach den chemischen Vorgängen, denen die Muskellipoide ihr Sichtbarwerden verdanken, so handelt es sich im wesentlichen darum, daß das Fasereiweiß gelöst wird. Dadurch werden die Lipoide frei. In dem Maße als die Lösung des Fasereiweißes fortschreitet, werden die anfänglich kleinen Tropfen durch Konfluieren größer. Da nun, wie dargelest, das Fett ganz oder größtenteils aus dem Sarkoplasma stammt, muß man annehmen, daß es bei dem ganzen Vorgang im wesentlichen auf die Lösung des Sarkoplasmaeiweißes an- kommt. Daß bei der Verdauung mit künstlichem Magensaft das Pepsin hierbei die Hauptrolle spielt, scheint mir außer allem Zweifel zu sein. Ich habe sefunden, daß, wenn man 0,3proz. Salzsäure ohne Pepsin bei 38° C auf 46 A. Nort: die Muskelstückchen einwirken läßt, der Erfolg ein unvergleichlich gerin- gerer ist. In diesem Fall treten zwar auch Tröpfchen in den Fasern auf, die in Längsreihen liegen und die Fettreaktionen geben, aber sie sind viel spärlicher und bilden sich verhältnismäßig langsam aus. Damit man die beschriebenen Bilder bekommt, ist also die Gegenwart von Pepsin unbedingt nötig. Es wäre nur die Frage, ob außer dem Pepsin der Pepsin-Salzsäure noch Fermente des Muskels selbst bei der Eiweißlösung beteiligt sind, ob also nebenher noch Autolyse stattfindet. In der Tat weiß man ja, daß durch Autolyse Zellipoide sichtbar gemacht werden können. Ich selbst habe mich auch davon überzeugt, daß durch Autolyse Fettröpfichen im Pektoralis der Taube auftreten können, indem ich den Muskel der aseptischen Autolyse unterwarf. Aber dieser Prozeß verläuft langsam. Er erfordert Tage, während man bei der künstlichen Verdauung nach Stunden reehnen kann. Zur Erklärung der Selbstverdauung wäre darauf hinzuweisen, daß das Vorhandensein von Pepsin im Muskel selbst seiner Zeit von Brücke behauptet wurde.! Vorläufig also läßt sich noch nicht mit Bestimmtheit sagen, dab einzig allein das zugegebene Pepsin das Wirksame ist. Aber wie dem auch sei, jedenfalls muß das Pepsin zugefügt werden. Und das ist hier das praktisch Wichtige, denn es handelte sich für mich zu- nächst nur darum, eine brauchbare histologische Methode zur Darstellung der Lipoide zu finden. Ich will noch hinzufügen, daß, wenn man über Wochen die Muskelstückchen in der Pepsin-Salzsäure liegen läßt, andere Vorgänge hinzukommen. Es tritt dann Schimmelbildung auf, mikroskopisch sieht man massenhaft Bakterien, und nun bilden sich Kristallnadeln aus, welche aus den Muskelfasern hervorschießen. Diese Kristalle sind in Alkoholäther löslich und geben die Fettsäurereaktion nach der Methode von Benda-Fischler (Färbung mit Weigerts Hämatoxylin nach Behandlung mit Kupferacetat). Es kann sich wohl nur um die Ab- spaltung von Fettsäuren handeln, die natürlich nicht mehr auf Rechnung des Pepsins zu setzen ist. Es interessierte mich nun zu versuchen, ob man auch mit einfachen Extraktionsmitteln, z. B. Neutralsalzlösungen, welche das Muskel- eiweiß extrahieren, ähnliche Bilder wie mit Pepsin-Salzsäure erhalten kann. . Nach Danilevsky? extrahiert 10 bis 15proz. Salmiaklösung oder 5proz. ! Brücke, Beiträge zur Lehre von der Verdauung. Wiener Sitzungsber. math.- naturwiss. Kl. II. Abt. Bd. XLIII. S. 601. 1861. Vgl. auch die Darstellung von Nasse in Hermanns Handbuch der Physiologie. Bd. I. S. 277 ®? Danilevsky, Über die Abhängigkeit der Kontraktionsart der Muskeln von den Mengenverhältnissen einiger ihrer Bestandteile. Zeitschrift für physiolog. Chemie. Bd. VII. S. 124. MIKROSKOPISCHER NACHWEIS DER PROTOPLASMALIPOIDE. 47 Magnesiumsulfatlösung das Eiweiß des sogenannten Muskelplasmas, wobei ein Rückstand, das ‚„‚Stroma‘“, verbleibt. Nach den Untersuchungen von Fürths? sind die löslichen Eiweißkörper das „Myosin“ und „Myogen“. Saxl® hat später 10proz. Ammonchloridlösung benutzt und übrigens ge- funden, daß man, um genaue Resultate zu bekommen, die Extraktion unter Eisabkühlung machen muß. Ich habe nun in der Tat mit 15proz. Salmiaklösung wie auch mit 5proz. Magnesiumsulfatlösung positive gute Resul- tate bekommen. Schon nach 24stündiger Einwirkung der genannten Lösungen traten die Fettröpfchen in den Fasern auf. Sie gaben auch die Osmium- und Sudanreaktion (Fig. 10, Taf. I). Aber so zahlreich wie bei der künstlichen Verdauung wurden sie auch nach tagelangem Liegen in den Lösungen nicht. Ich erkläre dies so, daß die Neutralsalzlösungen nur einen Teil desjenigen Eiweißes extrahierten, das durch die Verdauung entfernt wird. Allerdings operierte ich bei Zimmertemperatur, und es wäre möglich, daß unter Eisabkühlung nach Saxl mehr Fett zum Vorschein käme. Da die Neutralsalze Myosin und Myogen extrahieren, andrerseits, wie oben dargelegt, die Vorgänge, durch die das Fett sichtbar wird, sich im Sarkoplasma abspielen müssen, so folgt, daß im Sarkoplasma Myosin bzw. Myogen vorhanden ist. Ferner ließ sich auch mit 2proz. Salzsäure, wenn sie lange genug wirkte, Fett in den Muskelfasern darstellen. In Fig. 11, Taf. I sieht man den Erfolg einer 18tägigen Wirkung. Schließlich machte ich auch Versuche mit Iproz. Kalilauge. Ich erwähnte schon (S. 9), daß sie besonders beim Sartorius des Frosches gute Resultate gab. Sie wirkt rasch, schon nach 6 bis 7 Stunden. Im Ver- gleich zur Pepsin-Salzsäure und den Neutralsalzlösungen hat aber ihre kräf- tigere Wirkung den Nachteil, daß sie das Gewebe zerstört und damit das histologische Bild undeutlich macht. Destilliertes Wasser war selbst nach Stägiger Einwirkung ohne Erfolg. 1 Das „Muskelplasma‘“ der physiologischen Chemiker ist natürlich nicht gleichbedeutend mit dem Plasma (Sarkoplasma) der Histologen. ® Vgl. hierzu v. Fürths Darstellungen in ‚Ergebnisse der Physiologie“, Bd. Il, und Handbuch der Biochemie, Bd. IL2. 3 Paul Saxl, Über die Mengenverhältnisse der Muskeleiweißkörper unter physiologischen und pathologischen Bedingungen. Hofmeisters Beiträge. Bd. IX. 821. 48 A. Norrt: Zur Charakterisierung der Muskelfette. Die mikroskopische Untersuchung lehrt, daß man zu unterscheiden hat 1. die mehr oder weniger zahlreichen, primär sichtbaren Fettröpfehen der Muskelfaser und 2. die erst durch künstliche Verdauung oder andere eiweißlösende Eingriffe darstellbaren Sarkoplasmalipoide. Wie die mit- geteilten Versuche ergeben, sind die letzteren der Menge nach bei weitem die bedeutendsten. Dazu kommt noch das im Bindegewebe der Muskulatur befindliche Fett der Fettzellen. Dessen Menge variiert bekanntlich sehr je nach der Tierart und dem Ernährungszustand des einzelnen Individuums. Dies letztere Fett ist für den Organismus jedenfalls von anderer Bedeutung als das eigentliche Muskelfett. Gewiß wäre es für die chemische Untersuchung der Muskelfette wesent- lich, wenn sich Faserfett und Bindegewebsfett allein schon durch die Ex- traktion trennen ließen. Tatsächlich wird dies als möglich betrachtet. Es soll nämlich das leichter extrahierbare Fett dem Bindegewebe, das schwerer extrahierbare dagegen der Muskelfaser entstammen. Dormeyer! hatte unter Pflügers Leitung gefunden, daß sich aus den getrockneten und sorgfältig zerkleinerten Muskeln zwar schon in wenigen Stunden 3/, des Gesamtfetts mit Äther extrahieren läßt, der Rest aber äußerst schwer und dann nicht einmal vollständig herausgeht. Diesen ge- wann er erst, nachdem er den Rückstand mit Pepsinsalzsäure verdaut hatte. Er fand so insgesamt im Mittel 7-65 bis 9-05 Proz. Fett beim Hund. Schulz?, der nach derselben Methode arbeitete, fand beim Hund 13-36 Proz. Bog- danow® untersuchte die leicht und schwer löslichen Anteile gesondert und fand sie verschieden zusammengesetzt. Hauptsächlich kommt nun hier in Betracht, daß Bogdanow meinte, was übrigens auch schon Dormeyer geäußert hatte, daß das leicht lösliche Fett dem interstitiellen Fettgewebe, das schwer extrahierbare dagegen der eigentlichen Muskelsubstanz ange- hörte. Es sei hier bemerkt, daß später von Bogdanow selbst, vor allem aber 1 Dormeyer, Die quantitative Bestimmung von Fetten, Seifen und Fettsäuren in tierischen Organen. Pflügers Archiv. Bd. LXV. S. 90. 2 F. N. Schulz, Über die Verteilung von Fett usw. Pflügers Archiv. Bd. LXVI. S. 145. 3 Bogdanow, Über die Fette des Fleisches. Pflügers Archw. Bd. LXV. S. 81. 4 Bogdanow, Neue Methode der Fettbestimmung in tierischen Substanzen. Pflügers Archiv. Bd. LXVII. S. 431. MIKROSKOPISCHER NACHWEIS DER PROTOPLASMALIPOIDE. 49 von Rubow! und Erlandsen? nachgewiesen wurde, daß durch Extraktion mit Äther allein nie das ganze Muskelfett gewonnen werden kann, sondern noch die Extraktion mit Alkohol nötig ist. Doch die Frage, wie man zu einer exakten Bestimmung des Gesamtmuskelfetts gelangt, übergehe ich hier. Es handelt sich hier nur darum, ob wirklich das Fett der Muskelfaser dasjenige ist, welches sich vom Äther so schwer extrahieren läßt. Auf Grund eigener Versuche am Pektoralis der Taube kann ich dies, wenigstens für einen Teil des Fetts, verneinen. Dieser Muskel ist zur Ent- scheidung der Frage deshalb so geeignet, weil er einerseits sehr wenig inter- stitielles Fett hat, andererseits reich an Plasmalipoiden ist. Bei meinen Extraktionen mit Petroläther ließ sich mit Leichtigkeit Mus- kelfett in solcher Menge und von relativ so hohem Phosphor- gehalt extrahieren, daß es zu einem guten Teil aus der Muskel- faser selbst stammen muß. Bei der Bestimmung der in den Petroläther übergehenden Fettgemenge erhielt ich folgende Zahlen: I. Beide Brustmuskeln der Taube. Gewicht feucht —= 63 g, getrocknet (bei etwa 30°C an der Luft, dann über Schwefelsäure im Vakuum-Exsikkator) — 18.7 g, also 29-68 Proz. Trockensubstanz. Nach dem Zerreiben der trocke- nen Substanz in einer geräumigen Porzellanschale wurde 24 Stunden lang bei Zimmertemperatur mit Petroläther extrahiert. Es resultierten 1-55 g Fett. Der Rückstand 24 Stunden lang mit Pepsin-Salzsäure bei 38° verdaut und extrahiert ergab noch 0-1452 g Fett, im ganzen also resultierten 1-6952 g Fett, d. h. 9-06 Proz. der Trockenmasse. Das zuerst in Lösung gegangene Fett betrug 91-4 Proz. der ganzen Ausbeute an Fett und 8-29 Proz. der Trocken- substanz. II. Beide Brustmuskeln der Taube. Gewicht feucht — 66-05 g, nach dem Trocknen —= 18-786 s, d. ı. 28-44 Proz. Trockensubstanz. Die zerriebene Masse 2 Stunden lang mit Petroläther am Rückflußkühler extrahiert ergab 1-2766 & Fett, nach Verdauung des Rückstandes noch 0-2304 g, insgesamt 1-5070 g Fett — 8-02 Proz. der Trockenmasse. Die erste Extraktion ergab 84-7 Proz. des ganzen Fetts und 6-79 Proz. der Trockensubstanz. Von diesen Zahlen interessieren am meisten diejenigen, welche an- zeigen, wieviel Fett in Prozenten der getrockneten Muskelsubstanz in den ersten Extrakt hineingingen. Im ersten Fall wurden in 24 Stunden bei Zimmertemperatur 8-29 Proz., im anderen Fall in 2 Stunden von sieden- dem Petroläther 6-79 Proz. extrahiert. Das sind also leicht lösliche Anteile. ! Rubow, Über den Lezithingehalt des Herzens und der Nieren unter normalen Verhältnissen usw. Archiv für exper. Pathologie und Pharmakologie. Bd. LII. S. 173. ®2 Erlandsen, Untersuchungen über die lezithinartigen Substanzen d. Myokard. und der quergestreiften Muskeln. Zeitschrift für physiologische Chemie. Bd. LI. 8. 71. Archivf.A.u.Ph. 1913. Physiol. Abtlg. 4 50 A. Nourt: Es ist aber soviel Fett, daß man es auf keinen Fall auf das spärliche Binde- gewebsfett allein beziehen darf. Ein kleiner Bruchteil mag daher rühren, die Hauptmenge aber muß aus der Muskelfaser stammen, Bei dem eigentlichen Muskelfaserfett wiederum können die wenigen, primär sichtbaren Sarkoplasmatröpfchen nur einen ganz geringen Betrag dazu liefern, die Hauptquelle für das extrahierte Fett müssen viel- mehr die unsichtbaren, erst nach Lösung des Eiweißes sicht- bar werdenden Lipoide des Sarkoplasmas sein. Einen weiteren Beweis für die Richtigkeit dieser Annahme entnehme ich einer Phosphorbestimmung, welche mit dem extrahierten Fett ausge- führt wurde.! Hierzu wurden von dem gesammelten leicht löslichen Fett beider Tauben 1-6587 g genommen. Es gab nach dem Trocknen 1-77proz. P,0O,. Das ist ein beträchtlicher P-Gehalt. Er liegt wesentlich höher als ihn Costantino im Ätheralkoholextrakt von Ochsenfleisch fand.®? Man muß daraus schließen, daß in dem Fettgemenge ziemlich viel Phosphatide waren. Diese kommen aber nicht den Fettzellen des Bindegewebes zu und müssen daher aus der Muskelfaser stammen. Also läßt sich aus der Quantität und dem P-Gehalt des vom Petrol- äther aufgenommenen Fetts übereinstimmend folgern, daß ein guter Teil aus dem Muskelsarkoplasma stammt, und damit wäre bewiesen, daß dieser Anteil wenigstens nicht zu dem schwer extrahier- baren gehört, trotzdem ein tieferer Eingriff nötig ist, um dies Fett mikro- skopisch sichtbar zu machen. Die künstliche Verdauung z. B., ohne welche histologisch das Fett dem Beobachter entgeht, ist nicht erforderlich, um es im großen durch Extraktion darzustellen. Aus den erwähnten Ar- beiten von Rubow und von Erlandsen geht zur Genüge hervor, daß dies ebenso für Ochsenmuskulatur zutrifft. Die Tatsache, daß sich Lipoide extrahieren lassen ohne vorherige Lösung des Muskeleiweißes, spricht nicht gerade für eine chemische Bindung von Fett mit Eiweiß, wenigstens müßte dann diese Bindung eine lockere sein. Anders allerdings beurteilt Erlandsen den Zustand derjenigen Phosphatide, die erst nach Alkoholbehandlung ätherlöslich werden. In dieser ihrer er- 1 Die Ausführung der P-Bestimmung hatte Herr Dr. M. Müller im Jenaer Institut für Pharmazie in liebenswürdigster Weise übernommen. 2 A. Costantino, Beiträge zur Muskelehemie II. Über den Gehalt der glatten und quergestreiften Säugetiermuskeln an organischem und anorganischem Phosphor. Biochemische Zeitschrift. Bd. XLIII. S. 165. MIKROSKOPISCHER NACHWEIS DER PROTOPLASMALIPOIDE. 51 schwerten Löslichkeit gerade sieht Erlandsen einen Beweis dafür, daß sie im Organismus nicht frei, sondern irgendwie gebunden sind. Was schließlich noch das Aussehen des mit Petroläther leicht extrahier- baren Fetts der Brustmuskeln der Tauben anlangt, so bildete es eine gelb gefärbte ölige Masse. Beim längeren Stehen setzte sich unten ein kleinerer fester Anteil ab. Durch mäßiges Erwärmen aber ließ sich auch dieser Teil verflüssigen. Mikroskopisch bestand der Bodensatz aus Nadelbüscheln und Schollen, die sich weder mit Osmium noch mit Sudan III färbten. Das Öl dagegen gab beide Reaktionen. Einige weitere Anhaltspunkte für die Beurteilung der Natur der Lipoide entnehme ich einer Anzahl vornehmlich färberischer Eigentümlichkeiten der Sarkoplasmatropfen, wobei ich mich auf die in der histologischen Technik üblichen Unterscheidungsmerkmale und vor allem auf die von Kawamura! gegebene Zusammenstellung stütze. Es wäre hier das oben geschilderte Verhalten der Fettropfen gegen Osmium und Sudan hervorzuheben, ferner prüfte ich ihr Verhalten im polarisierten Licht, die Benda-Fischlersche Färbung auf Fettsäure und die Nilblaufärbung nach Lorrain Smith. Im polarisierten Licht waren alle Fettropfen einfachbrechend, sowohl diejenigen des Brustmuskels als auch die des Herzens und des Magens der Taube. Es fallen damit die allenfalls in Frage kommenden Cholesterinester fort. Die Färbung nach Benda-Fischler (Kupfern der Objekte und Färbung mit Weigerts Hämatoxylin) fiel negativ aus. Demnach können in den Fett- tropfen keine nennenswerten Beimengungen von freier Fettsäure sein. Übrigens wäre, wenn sich freie Fettsäure nachweisen ließe, immer noch die Frage, ob sie nicht erst während der künstlichen Verdauung des Gewebes durch Spaltung lezithinartiger Körper entstanden wäre. Gilson! nämlich fand, daß Schwefelsäure, in starker Verdünnung allerdings nur langsam, Lezithin spaltet. Das Verhalten des Fetts gegen Osmium war, wie oben näher beschrieben, bei der Skelett- und Herzmuskulatur das nämliche. Stets trat eine bräun- liche Färbung schon ein, bevor Alkohol an die Fasern herankam. Dies weist nach den Angaben Altmanns auf einen mehr oder minder hohen Gehalt an Olein hin, vielleicht auch noch auf andere nicht feste Fette. Hervorheben möchte ich hier nochmals die Beständigkeit der osmierten Tropfen bei der Einbettung in Paraffin. 1 Kawamura, Die Cholesterinesterverfettung. Jena 1911. 2 E. Gilson, Beiträge zur Kenntnis des Lezithins. Zeitschrift für physiolo- gische C'hemie. Bd. XII. S. 585. dE.; 52 A. Nort: Mit Sudan III färbten sich die Tröpfehen in den Fasern der Skelett- muskeln der Taube und des Frosches schön rot, dagegen in dem Herzen gelblich. Aus diesem Verhalten muß man mit großer Wahrschemlichkeit auf einen relativ hohen Gehalt an Phosphatiden im Herzen, auf einen höheren Gehalt an nicht festen Glyzerinestern im Skelettmuskel bei der Taube schließen. Ähnliche Unterschiede ergab die Färbung mit Nilblausulfat. Von den verdauten und dann gewässerten Stückchen wurden Zupfpräparate gemacht, welche zwischen zwei Deckgläsern sanft aufgestrichen wurden. Die Deck- gläser kamen, mit der beschickten Fläche nach unten, auf 20 Minuten in eine konzentrierte wässerige Lösung des Nilblausulfats. Es folgte Differenzierung in 1proz. Essigsäure, Auswaschen in Wasser, Einlegen in Glyzerin. Beim Taubenherzen war die Färbung der Tropfen schön blau, beim Pektoralis mehr violett. Nun färbt Nilblausulfat (vgl. Kawamura) Fettsäure und gewisse Phosphatide blau, Glyzerinester dagegen rot. Da Fettsäuren hier kaum in Betracht kommen, zeigt die deutliche Blaufärbung im Herzen Phosphatide an. Den violetten Farbenton im Pektoralis dürfte man viel- leicht auf reichlicher vorhandene Neutralfette beziehen. Dann entspräche dies Ergebnis ganz dem der Sudanfärbung. In Übereinstimmung mit der aus dem erhaltenen P-Wert gezogenen Folgerung wird man daher die Muskellipoide der Taube zum Teil als Phosphatide auffassen, woneben aber noch andere Fettsubstanzen vorhanden sind. Eine solche Mischung im wesentlichen von Neutralfett und Phosphatiden stellen demnach die Sarkoplasmatröpfchen dar, welche sich nach dem geschilderten Verfahren histologisch sichtbar machen ließen. Ich meine nicht, daß die einzelnen Tropfen wesentlich verschieden voneinander sind, weil sie sich bei den mikrochemischen Reaktionen und Färbungen alle gleich verhielten. Dem dürfte nicht der oben angeführte Befund widersprechen, wonach im extrahierten Fett sich ölige und feste Substanz voneinander trennten. Denn dabei handelt es sich um einen sekundären, durch das Extraktionsverfahren veranlaßten Vorgang. Die Auffassung, daß der Lipoidgehalt des Herzens von dem der Skelett- muskeln verschieden ist, findet eine wesentliche Stütze in den bereits er- wähnten chemisch-analytischen Untersuchungen früherer Autoren. Rubow! hatte gefunden, daß das Herz an lezithinartigen Substanzen reicher ist. Erlandsen! trennte später die Phosphatide des ätherischen und des alko- holischen Extraktes und fand, daß die Phosphatide beider Extrakte im ana: [O! MIKROSKOPISCHER NACHWEIS DER PROTOPLASMALIPOIDE. 53 Muskel (Adduktoren des Ochsen) an Menge geringer sind als im Herzen. Außerdem zeigte sich noch der quantitative Unterschied, daß das Herz besonders reich an Diphosphatiden war. Auch Costantino stellte einen Mehrgehalt an Phosphatidphosphor in der Herz- und glatten Muskulatur gegenüber der Skelettmuskulatur fest. Bis hierher habe ich die von mir gefundenen Tatsachen lediglich zu den rein physiologischen Verhältnissen des Muskelgewebes in Beziehung ge- bracht und auch nur die physiologische Literatur herangezogen. Ich muß aber noch auf eine Erscheinung hinweisen, die ohne weiteres jedem, der die beigefügten Abbildungen sieht, auffallen wird. Das ist die große Ähnlich- keit, welche meine Bilder mit denen fettig entarteter Muskel- fasern haben. Unter den Pathologen ist im Laufe der letzten Jahre die Frage nach der Herkunft des Fettes bei der ‚‚Fettdegeneration‘“ sehr eingehend diskutiert worden. Sehr gute Darstellungen, welche auch die chemische Seite der Frage gründlich behandeln, finden sich in den „Ergebnissen der Pathologie“, Band VIII, 1. Abt. (Herxheimer), Band XI, 2. Abt. (Albrecht) und Band XIII, 2. Abt. (Dietrich), sowie bei Rosenfeld (Ergebnisse der Physiologie, Band II!). Danach sind wohl die meisten der Ansicht, daß das in degenerierten Zellen erscheinende Fett hauptsächlich auf dem Blutwege dorthin gebracht wird, vor allem deshalb, weil in einer Anzahl von Untersuchungen der Fettgehalt vermehrt gefunden wurde. Andere dagegen möchten die eigenen Fettsubstanzen der Zelle als eine Quelle für das Degenerationsfett halten. b Meine Befunde könnte man zweifellos als Stütze für die letztere An- nahme verwerten. Denn es handelt sich ja hier um ein künstliches Sicht- barmachen von Plasmalipoiden, eine Art „Fettphanerose“. Natürlich ist die Ähnlichkeit der Verdauungs- und Degenerationsbilder für die Gleich- artigkeit der ihnen zugrunde liegenden Vorgänge ebenso wenig beweisend, wie die Ähnlichkeit mit den bei der Autolyse entstehenden Bildern. Indessen möchte ich für den Muskel wenigstens betonen, daß jedenfalls durch Lösung von Sarkoplasmaeiweiß, also durch einen Vorgang, der gar nicht das Fett selbst betrifft, Degenerationsbilder hervorgerufen werden können. Und ferner weise ich darauf hin, daß sich durch meine Methoden viel mehr Fett in der Faser sichtbar machen - Jäßt, als man vielleicht bisher anzunehmen geneigt war. Aus diesen beiden Gründen wird man immer daran denken dürfen, daß bei gewissen patho- 54 A. Not: logischen Stoffwechselvorgängen in der Muskelfaser der Verlust von Eiweiß- substanz das Auftreten von Fettröpfehen aus dem Plasma in nicht unbe- trächtlicher Menge mitveranlassen kann. Ergebnisse und Schluß. Durch künstliche Verdauung mit Pepsin-Salzsäure oder durch Behand- lung mit 1proz. Kalilauge oder mit Neutralsalzlösungen (15proz. Ammo- niumchlorid, 5proz. Magnesiumsulfat) ließen sich in den Muskelfasern die vorher nicht sichtbaren Lipoide darstellen. Sie bilden meistens Tropfen und lassen sich mit Osmium und Sudan färben. Die Darstellung gelang an Skelettmuskeln vom Menschen, Säugetier, Vogel, Frosch und Insekt, ferner am Herzen und an glatten Muskelzellen. Da die trüben, sarkoplasmareichen Fasern sehr viel Fettropfen liefern, die hellen dagegen wenige oder keine, so müssen die dargestellten Fett- substanzen der erwähnten Muskeln dem Sarkoplasma der Fasern angehören. Ihr Sichtbarwerden ist auf die Lösung von Eiweiß zurückzuführen. Ein beträchtlicher Teil dieser Fettsubstanzen (beim Pektoralis der Taube über 8 Proz. der Trockensubstanz) geht in Petroläther über, ohne daß das Fasereiweiß vorher gelöst wird. Dieser Anteil ist also leicht extra- hierbar. Das extrahierte Fett der Taubenmuskeln ist reich an Phosphor, es be- steht also zu einem Teil aus Phosphatiden. Hierfür spricht auch das färbe- rische Verhalten der Tropfen. Außerdem enthält es noch andere Fettsub- stanzen, darunter Neutralfette. Die nach den angegebenen Methoden gewonnenen Präparate der Muskeln zeigen eine große Ähnlichkeit mit den Bildern der fettigen Entartung und könnten die Annahme stützen, daß bei gewissen pathologischen Vorgängen das durch Lösung von Eiweiß zutage tretende Fett zu dem Bilde der De- generation mit beiträgt. Künftig wird man sich bei der mikroskopischen Untersuchung des Muskelgewebes nicht, wie bisher, mit der Feststellung des primär sichtbaren Fettgehaltes begnügen dürfen, sondern in der geschilderten Weise auch die zunächst unsichtbaren, aber an Menge viel reichlicheren Lipoide darstellen müssen. Wie sich diese Fettsubstanzen unter verschiedenen physiologischen Verhältnissen, ferner wie sie sich beim Hunger verhalten, darauf ist in erster Linie zu achten. Ebenso wie die Skelettmuskeln läßt sich auch das Herz und die glatte Muskulatur daraufhin untersuchen. Diese mikroskopische Untersuchungsmethode ist eine wesentliche Er- gänzung zu der chemisch-analytischen, weil sie eine genaue histologische MIKROSKOPISCHER NACHWEIS DER PROTOPLASMALIPOIDE. 55 Lokalisation des Fetts erlaubt. Die Verwendung mikrochemischer Methoden ferner an den in den Fasern darzustellenden Tropfen hat den Vorteil,, daß das Fett in einem den vitalen Verhältnisserr entsprechenderen Zustand untersucht werden kann, als es der Fall ist, wenn man das Fett extrahiert und analysiert. Inwieweit die Methode auch an anderen Plasmagebilden zum Ziele führt, ist noch zu untersuchen. 56 A. Not: MIKROSKOPISCHER NACHWEIS DER PROTOPLASMALIPOIDE. Erklärung der Abbildungen. (Taf. I.) Es sind Zeiehnungen von Muskelfasern teils nach Zupf-, teils Schnittpräparaten. Fig. 1. Taube. Pektoralis verdaut, Osmium. Vergr. 270. Beginnende Aus- scheidung von Fettropfen. Fig. 2. Dasselbe. Fortgeschrittenes Stadium. Fig. 3a. Dasselbe. Noch mehr Fettausscheidung. Fig. 3b. Dasselbe wie Fig. 3a. Sudanfärbung. Fig. 4. Taube. Pektoralis, mit lproz. Kalilauge behandelt, Sudanfärbung. Vergr. 270. Reichliche Fettausscheidung. Fig. 5. Frosch. Sartorius. 1 proz. Kalilauge, Sudan. Vergr. 300. Helle und trübe Fasern. Fig. 6. Menschlicher Temporalis, verdaut, Osmium. Vergr. 270. Fig. 7. Hummel, Thoraxmuskel, verdaut, Osmium. Vergr. 465. Fig. S. Froschherz, verdaut, Osmium. Vergr. 270. Fig. 9. Kaninchen. Glatte Muskulatur des Magens, verdaut. Osmium. Vergr. 270. Fig. 10. Taube. Pektoralis, mit 15proz. Ammoniumchloridlösung behandelt, Sudan. Vergr. 270. Fig. 11. Dasselbe wie Fig. 10, mit 2proz. Salzsäure behandelt, Sudan. Vergr. 270. In welchem Sinne vermag Licht von verschiedenen Wellenlängen die Pigmentbildung im Froschlarvenschwanz | zu beeinflussen? Von Louis Merian in Zürich. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Zürich. Direktor: Prof. Dr. J. Gaule.) (Hierzu Taf. II u. III.) Zwei Faktoren sind zur Erhaltung des Lebens unerläßlich, das Licht und die Wärme. Jedes organische Wesen hat eine obere und eine untere Wärmegrenze, jenseits welcher das Leben erlischt. Neben der Wärme spielt das Licht eine ebenso bedeutsame Rolle, welche als eine Conditio sine qua non zur Erhaltung des Lebens erforderlich ist. So lange uns geschichtliche Überlieferungen bekannt sind, gab es Männer der Wissenschaft, welche den Lichtstrahlen eine Wirkung auf das Leben der Tier- und Pflanzenwelt zuschrieben. Daß die Wirkungen des Lichtes auf den menschlichen Körper einen Einfluß auszuüben vermögen, geht aus den Beobachtungen von Charcot, Hammer, Unna usw. hervor. Den Weg aber, die Kräfte des Lichtes zum Nutzen der leidenden Mensch- heit zu verwenden, ist mit dem Namen des dänischen Gelehrten Finsen unmittelbar verknüpft. Die exakten Beobachtungen und Versuche des großen Biologen Jaques Loeb, in Amerika, brachten uns den Beweis, daß sich Tiere ähnlich wie 58 LovIs MERIAN: Pflanzen verhalten und auf Liehtwirkungen reagieren und sich durch Wachs- tum dem Licht zuwenden.! H. Driesch wies nach, daß unter den äußeren Reizen, welche auf das Wachstum der Hydropolypen einen Einfluß ausüben, dem Sonnenlicht eine bestimmte Wirkung zukommt.? Aus den Versuchen von Engelmann geht hervor, daß kontraktiles Protoplasma durch einen Lichtstrahl in Kontraktion versetzt wird, wie durch einen elektrischen Schlag. Bekannt sind die Veränderungen der Gestalt bei Pigmentzellen beim Wechsel der Beleuchtung, bei hell und dunkel, welche Engelmann an Fischen, Amphibien und Reptilien beob- achtet hat. Man hat es hier nach der Ansicht von Engelmann mit einem indirekten Einfluß des Lichtes auf die kontraktilen Elemente zu tun.? Engelmann machte uns weiter mit einem Bakterium, dem Baeterium photometricum, bekannt, das sich bei Licht bewegt und im Dunkeln zur Ruhe kommt; es sammelt sich im Spektrum im Ultrarot an.* Beck und Schultz wiesen nach, daß monochromatisches Licht auf ‘ Farbstoff produzierende Bakterien verschieden wirkt. Die beiden Forscher brachten farbstoffproduzierende Bakterien, wie Micr. prodig., Bacter. pyo- cyaneus, Staphyloc. aureus, in mit roten, grünen, gelben oder blauen Gläsern versehene lichtdichte Kästchen und beobachteten die entwicklungshemmen- den, teilweise auch abtötenden Wirkungen der verschiedenen Lichtarten. Diffuses Tageslicht hingegen begünstigte die Farbstoffbildung, Sonnen- licht wirkt direkt schädigend auf die Kulturen und hält die Farbstoffent- wicklung hintenan.> Herrmann bemerkte gelegentlich bei Versuchen, daß Froschlarven, welche im Dunkeln standen, hell und durchsichtig wurden. „Die Wirkung erfolgt langsam, vollzieht sich aber in weniger als einer Stunde. Im Lichte 1 J. Loeb, Die Orientierung der Tiere gegen das Licht, tierischer Heliotropismus. Zentralblatt für Physiologie. Bd. II. 1888. — Derselbe, Der Heliotropismus der Tiere und seine Übereinstimmung mit dem Heliotropismus der Pflanzen. Zentralblatt für Physiologie. Bd. III. 1889. — Derselbe, Weitere Untersuchungen über den Heliotropismus der Tiere und seine Übereinstimmung mit dem Heliotropismus der Pflanzen. Zentralblatt für Physiologie. Bd. IV. 1890. — Über die künstliche Umwand- lung positiv heliotropischer Tiere und negativ heliotropischer und umgekehrt. Zen- tralblatt für Physiologie. Bd. VII. 1893. ® H. Driesch, Heliotropismus bei Hydropolypen. Zoolog. Jahrb. V, 1. 8. 147. 3 Th. W. Engelmann, Über Reizung kontraktilen Protoplasmas durch plötz- liche Beleuchtung. Dies Archiv. Bd. XIX. 1879. * Th. W. Engelmann, Ein Beitrag zur Physiologie des Licht- und Farben- sinnes. Dies Archiv. Bd. XXVI. 1881. 5 M. Beck und P. Schultz, Über die Einwirkung monochromatischen Lichtes auf die Bakterienentwicklung. Zeitschrift für Hygiene. Bd. XXIII. 1896. LICHTEINFLUSS AUF PIGMENTBILDUNG. 59 werden sie etwas schneller wieder dunkler. Im roten Licht tritt dieses Dunkelwerden nicht ein, und dunkle Larven, dem Tageslicht unter einer roten Glasscheibe ausgesetzt, verhalten sich wie Larven, welche im Dunkeln gehalten wurden und werden hell. Blaues Licht wirkt dagegen wie Tages- licht.“ Die im Dunkelraum hell gewordenen Froschlarven bei Tageslicht unter dem Mikroskop betrachtet, ließen ein Zurückziehen der Pigment- körper erkennen.! Von Nenukow, welcher Untersuchungen an Schmetterlingseiern an- sestellt hat, erfahren wir, dab die Entwicklung im weißen, unzersetzten Licht am schnellsten vor sich geht (in etwa 30 Tagen), etwas langsamer in roten und violetten (31 bis 32 Tage), und am langsamsten in grünen Licht- strahlen. Die grünen Lichtstrahlen begünstigen die größte Sterblichkeit. Eine Farbenveränderung auf die fertig entwickelten Schmetterlinge wurde durch die Einwirkungen der verschiedenen Lichtstrahlen nicht beobachtet.? Aus den Versuchen von B&clard ergibt sich, daß Fliegeneier und Larven unter farbigen Glasglocken eine Beschleunigung des Wachstums unter den violetten und blauen Gläsern zeigen, ein Zurückbleiben in der Entwicklung unter einem grünen Glase erkennen lassen.® Die Beobachtungen des Generals Pleasanton, welche zur Zeit der Veröffentlichung sehr von sich reden machten, sind ebenfalls erwähnens- wert. Pleasanton brachte drei Ferkel in einen Stall mit violetten Fenstern und drei andere in einen gewöhnlichen Stall. Nach 3 Monaten wurde eine Gewichtszunahme von 10 Pfund bei den unter den Einwirkungen des blauen Lichtes gehaltenen Ferkeln beobachtet. Aus den Versuchen von J ung ergibt sich, daß violettes Licht die Entwicklung von Froscheiern und das Wachstum von Embryonen etwas beschleunigt, grünes Licht entwicklungs- hemmend, selbst tödlich wirkt.? Die beweisendsten und experimentell auch die schönsten Versuche zum Studium der Lichtwirkung wurden von Keller angestellt.® Keller geht bei seinen Versuchen von den von Brücke am afrikanischen Chamäleon 1 1.Herrmann, Weitere Untersuchungen über das Verhalten der Froschlarven im galvanischen Strome. Dies Archiv. Bd. XXXIX. 1886. 2 D. Nenukow, Zur Frage über den Einfluß der verschiedenen Strahlen des Spektrums auf die Färbung der Tiere. Physiologie Russe I, 15—20. S. 244. 3 Beclard, Compte rendu de l’academie. 1858. * E. Jung, Contribution & P’histoire de influence des milieux physiologiques sur les &tres vivants. Archiv de Zool. experiment. T. VII. 1878. — De l’influence des lumieres colorees sur le developpement des animaux. Mitteilungen aus der Zoolog. Station Neapel. Bd. II. 1881. 5R. Keller, Über den Farbenwechsel des Chamäleons und einiger anderer Reptilien. Dies Archiv. Bd. LXI. 1895. 60 Louis MERIAN: gemachten Beobachtungen aus, bei welchen Brücke zu dem Ergebnis gekommen war, daß der Lichtwirkung beim Farbenwechsel des Chamäleons eine bedeutsame Rolle zukomme.! Zuerst wendet sich Keller gegen die von Krukenberg aufgestellten Behauptungen, in welchen dieser die von Brücke gefundenen Resultate anzweifelt und die Lichtwirkung auf den Farbenwechsel der Chamäleonhaut für sehr problematisch erklärt, und wenn zutreffend, für sehr gering erachtet.? Aus den ersten Versuchen von Keller geht hervor, daß das Licht unter normalen Verhältnissen immer eine dunkelnde Wirkung auf die Haut aus- übt. Um die Frage der Wirkungen des Lichtes mit verschiedenen Wellen- längen zu studieren hatte Brücke das Licht, bevor es auf die Haut der Tiere auftraf, durch verschieden gefärbte Glasplatten gehen lassen. Die Nachprüfungen der Brückeschen Versuche schienen Keller auf diese Art ' zu schwer und lieferten ihm zu wenig exakte Resultate, so daß er sich zur Nachprüfung einer speziellen Vorrichtung bediente. Die Versuche wurden in einem verdunkelten Raume angestellt. Als Lichtquelle diente eine elek- trische Bogenlampe, welche eine genaue Einstellung des Lichtstreifens auf der Tierhaut ermöglichte. Der weißliche Lichtstreifen wirkte schon nach einer Minute stark schwärzend auf die Haut. Das Einsetzen von farbigen Gläsern und die Belichtung von 3 Minuten ließ die stärkste Lichtwirkung bei dem blauen Glase, schwächer beim roten und gelben, und die schwächste Lichtwirkung bei einem dunkelviolett gefärbten Glase erkennen. „Noch beweisender“, sagt Keller, „dürfte die Abänderung des Versuches sein, die darin bestand, daß ein Spektrum entworfen und verschiedene Abschnitte desselben sukzessive durch einen Spalt auf die Flanke des Tieres je 5 Mi- nuten lang zur Einwirkung gebracht wurden.‘ Auch hier wurde die größte Wirkung im blau des Spektrums, welche nach der andern Seite langsam abnahm, deutlich zur Anschauung gebracht. Herrn Professor Gaule möchte ich an dieser Stelle für die Anregung zu dieser Arbeit, wie auch für die liebenswürdige Unterstützung und die guten Ratschläge meinen verbindlichsten Dank aussprechen. Laut der von Herrn Prof. Gaule gestellten Aufgabe sollte die Einwirkung verschieden gefärbten Lichtes auf die Pigmentbildung im Froschlarvenschwanz auch mikroskopisch untersucht werden. Vorerst galt es die zur Aufnahme der Kaulquappen nötigen Behälter sich zu verschaffen. Zu diesem Zwecke schienen mir 3 Liter fassende zylin- ! Brücke, Untersuchungen über den Farbenwechsel des afrikanischen Chamä- leons. Denkschrift der k. k. Akademie. Wien 1852. ®2 Krukenberg, Über die Mechanik des Farbenwechsels des Chamäleons Ba Vgl. Physiologische Studien. III. 1800. LICHTEINFLUSS AUF PIGMENTBILDUNG. 61 drische Gläser sehr geeignet. Auf 3 von den 6 Gläsern wurden die zur Fil- tration des Lichtes nötigen Zelloidinfolien mittels Heftpflasterstreifen in einer gewissen Höhe vom Boden der Gefäße auf die Außenwand des Glases befestigt. Die ganze übrige Außenfläche der 3 Behälter. wurde mit einer schwarzen Deckfarbe 5mal überstrichen. Angerest durch die Untersuchun- gen von Loeb, welcher bei Fischen eine Veränderung in der Hautfarbe beob- achten konnte, sobald er-auf dem Boden des Aquariums verschiedene Zeich- nungen anbrachte, wurde bei einem Glase, entsprechend der Größe der Zelloidinfolien der andern Gläser, in Abständen von je 2em, 2cm breite Streifen mit der schwarzen Deckfarbe gezogen. Der eine Behälter wurde vollkommen übermalt, da die Tiere darin unter vollkommenen Lichtab- schluß gehalten werden sollten. Ein Glas wurde weder bemalt, noch mit einem Farbenfilter versehen, um den Eintritt des Tageslichtes von allen Seiten zu ermöglichen und möglichst den natürlichen Verhältnissen gerecht zu werden. Um das Tageslicht am Eindringen von oben zu verhindern, wurden alle Gläser mit einem 2 mm starken Bleiblechdeckel, welcher sich sehr dicht an die Glaswände anschmiegen ließ, verschlossen. In jedem Deckel befand sich zur Aufnahme des Luftventilationsrohres eine kleine kreis- förmige Öffnung. Da sich aus technischen Schwierigkeiten eine automatisch wirkende Wasserzu- und Abilußvorrichtung nicht anbringen ließ und ich mich dem Vorwurf eines Fehlens an Luft nicht aussetzen durfte, konstruierte ich eine Druckluftdurchspülungsanlage für die einzelnen Behälter. Die Ventilations- anlage baut sich aus folgenden Bestandteilen auf. Das an die städtische Wasserleitung angeschlossene Wasserstrahlgebläse liefert aus dem Luft- kompressionskessel frische Luft unter einem ganz bestimmten Druck. Von da gelangt die Luft durch ein Verteilungsrohr, welches für jeden Glasbehälter einen besonderen Ansatz besitzt, mittels eines feinen Bleirohres bis auf den Boden eines jeden Behälters. Auf dem Boden des Glasgefäßes läuft jedes Bleirohr in einer mit feinen Öffnungen versehenen Spirale aus. Das Ein- strömen der Luft läßt sich in den ungefärbten Gläsern sehr deutlich an dem Aufsteigen von feinen Luftbläschen verfolgen und kontrollieren. An den mit dunklen Fenstern versehenen Gefäßen, wie an dem auf allen Seiten mit schwarzer Deckfarbe angestrichenen Glase ist eine Kontrolle auf diesem Wege der direkten Beobachtung ausgeschlossen. Durch das Aufsetzen des Stetoskopes auf die einzelnen Gefäße läßt sich das Ausströmen der Luft sehr genau auskultatorisch verfolgen und kontrollieren. Dieses Kontrollver- fahren hat sich sehr gut'bewährt. Täglich wurde die Durchlüftung des Wassers von 9—10 vormittags und abends von 4-5 vorgenommen. Obwohl sehr viele Tiere zum Besinn der Versuche in jedem Glase eingesetzt wurden, 62 Louis MERIAN: hatte das Wasser der einzelnen Gläser nach 8 Tagen keinen fauligen Geruch angenommen. Um mir über die Güte des Wassers, welches 1 Woche in dem unter vollkommenen Lichtabschluß gehaltenen Glase gestanden hatte, ein Urteil zu bilden, goß ich das Wasser in ein anderes Glas und brachte dort hinein 20 Kaulquappen und ließ das Glas über 4 Tage, ohne das Wasser zu wechseln, mit den Tieren stehen. Die toten Kaulquappen wurden auch in diesem, wie auch in allen andern Gläsern, täglich entfernt. Nach 4 Tagen lebten in diesem Versuchsglas nahezu die gleiche Anzahl von Kaulquappen, um dann allerdings sehr schnell zu sterben, wie in dem Kontrollglas Nr. 1. Dieser Versuch berechtigt mich zu der Annahme, daß die Luftventilations- einrichtung sehr ausgiebig gewesen sein muß, und daß das Wasser, welches in allen 6 Behältern alle 8 Tage gewechselt worden war, die Beobachtungen nicht ungünstig zu beeinflussen vermocht hat und jeder Wasserfehler mir ausgeschlossen erscheint. | Versuche. Um die Übersicht über die einzelnen Gläser zu erleichtern, wurde das nicht übermalte Glasgefäß mit Nr. 1 bezeichnet (sog. Kontrolle); mit Nr. 2 dasjenige, bei welchem an Stelle eines Farbenfilters schwarze Lackstreifen auf das Glas gemalt worden waren, mit Nr. 5 das mit blauem Fenster, mit Nr. 4 das mit grünem, mit Nr. 5 das mit rotem und mit Nr. 6 das vollkommen mit schwarzer Deckfarbe überstrichene Glasgefäß. Die Gläser wurden auf einen Tisch nebeneinander, direkt gegenüber einem Fenster gestellt. Am 14. Juni wurden in jedes Glas 100 Kaulquappen ein- gesetzt. Die Temperatur des Wassers betrug am 24. Juni 20°C und stieg im Laufe einer Woche um 2°. Jeden Morgen wurden sämtliche Deckel für einige Augenblicke entfernt und die toten Tiere herausgenommen. Die Druckluftventilation wurde jeden Vor- und jeden Nachmittag für eine Stunde in Tätigkeit gesetzt. Als Nahrung bekamen die Kaulquappen jeden zweiten Tag eine kleine Messerspitze voll Oblaten. Nach einer Woche, somit - am 22. Juni 1912 wurden die einzelnen Gläser der Reihe nach entleert, die Tiere herausgenommen, für einige Augenblicke betrachtet, je eines davon getötet und in !/‚,prozentige wäßrige Chromsäurelösung eingelest, und die Gefäße gründlich gereinigt. Glas Nr. 1 (Kaulquappen in einem vollkommen hellen Glas), sog. Kon- trollglas: 70 lebend, 30 tot. Die Tiere sind gut entwickelt, dunkel gefärbt und bewegen sich sehr lebhaft. Glas Nr. 2: 61 lebend, 59 tot. Einen Unter- schied in Farbe und Zeichnung konnte ich nicht feststellen. Glas Nr. 3: 65 lebend, 35 tot. Die einzelnen Tiere sind im Vergleich mit denen im Kon- trollglas Nr. 1 dunkler, nahezu schwarz. Betrachtet man dieselben im diffusen Tageslicht, so kann man innerhalb !/, bis !/, Stunde feststellen, daß sie heller geworden sind und daß sie sich in der Farbe in nichts von den LICHTEINFLUSS AUF PIGMENTBILDUNG. 63 Kontrolltieren in Glas Nr. 1 unterscheiden. Bringt man aber einige der Kaul- quappen aus Glas Nr. 3 in sehr helles Tageslicht, z. B. direkt ans Sonnen- licht, so sieht man die oben beschriebene Bleichung sich in noch viel kürzere Zeit vollziehen (vgl. Versuche von Keller, S. 59). Glas Nr. 4 (mit Grünfilter) zeist die größte Sterblichkeit. Von 100 eingesetzten Kaulquappen sind noch 51 lebend, 49 tot. Diese Beobachtung deckt sich mit den Resultaten von Nenukow und Beclard (vel. S. 59). Die Farbe ist'etwas dunkler als bei den Kontrolltieren in Glas Nr. 1, immerhin nicht so dunkel als bei den Tieren in Glas Nr. 3. In Glas Nr. 5 (mit Rotäilter) sind 77 lebend, 23 tot. Die Tiere sind heller als die des Kontrollglases Nr. 1. Bringt man dieselben ans helle Tageslicht, so kann man sehr deutlich die zuerst von Herrmann beschriebene Erscheinung des Nachdunkelns beobachten (vgl. S. 58). Bei den unter voll- kommenen Liehtabschluß gehaltenen Tieren in Glas Nr. 6 sind 57 lebend und 43 tot. Die Kaulquappen aus diesem Glase sind noch viel heller und durch- siehtiger als die aus Glas Nr.5, somit ein weiterer Beweis der Herrmannschen Beobachtung. Das Nachdunkeln vollzog sich auch hier beim vollen Tages- lieht in sehr kurzer Zeit. Die Tiere wurden unter Einhaltung der oben angegebenen Vorsichts- maßregeln für eine Woche nicht weiter gestört, um am 29. Juni 1912 abermals herausgenommen und beobachtet zu werden. Die Untersuchung ergab fol- gende Verhältnisse: Glas Nr.1 (Kontrolle): 39 lebend, 61 tot; Glas Nr. 2: 36 lebend, 64 tot. In der Pigmentverteilung konnte ich keinen merklichen Unter- schied wahrnehmen. Alle Tiere, als Einheit betrachtet, erschienen vielleicht etwas heller, doch ist eine Beurteilung bei so feinen Farbenunterschieden sehr schwer und spielt die Voreingenommenheit des Beobachters wohl auch eine störende Rolle. Glas Nr. 3 (Blaufilter): 40 lebend, 60 tot. Die Kaulquappen sind dunkel im Vergleich mit denen des Kontrollglases Nr. 1. Das Hellwerden im vollen Tageslicht läßt sich sehr deutlich demonstrieren. Glas Nr. 4 (Grün- filter): 34 lebend, 66 tot. Auch hier bei Grün (Versuch vom 22. Juni 1912) wiederum eine sehr große Sterblichkeit. Glas Nr. 5 (Rotfilter): 39 lebend, 61 tot. Die Kaulquappen dieses Glases sind heller als diejenigen des Kontroll- glases Nr. 1. Im Tageslicht konnte die dunkelnde Wirkung desselben sehr deut- lich beobachtet werden. Glas Nr. 6 (vollkommener Lichtabschluß): lebend 29 Tiere, 71 tot. Im vollkommenen Lichtabschluß somit die größte Sterblichkeit. Die Kaulquappen sind heller als in allen übrigen Gläsern, dunkeln aber bei Tageslicht schnell nach und sind in nichts mehr von den Kontrolltieren in Glas Nr. 1 zu unterscheiden. Die Versuche mit diesen Kaulquappen mußten, da die Metamorphose in einigen Gläsern 'schon zu weit vorgeschritten war, abgebrochen werden und benutzte ich zu den weiteren Versuchen viel kleinere, jüngere Tiere. 64 Louvıs MERIAN: Aus den bis jetzt erhaltenen Ergebnissen läßt sich zusammenfassend sagen: 1. Die größte Sterblichkeit der Kaulquappen macht sich im Glase Nr. 6 bemerkbar, in welchem die Tiere 14 Tage lang unter vollkommenem Licht- abschluß gehalten waren. Von 100 ausgesetzten Tieren starben 71. Die Mortalität der im Grünfilterglase eingeschlossenen Tiere ist nahezu gleich und beträgt 66. Dieses Resultat deckt sich mit den Beobachtungen von Nenukow und Be£clard (vgl. S. 59). 2. Kaulquappen in einem Glase eingeschlossen, durch welches nur rote Lichtstrahlen eindringen können, sind bedeutend heller als solche, welche in einem Glase untergebracht waren, durch welches Tageslicht ungehindert eindringen konnte (Kontrollglas Nr. 1). Die unter den roten Lichtstrahlen heller gewordenen Tiere dunkeln dem Tageslicht ausgesetzt nach und sind dann von den Kontrolltieren nieht mehr zu unterscheiden. Diese Beob- achtung deckt sich vollkommen mit den Herrmännschen Versuchen (vgl. 5. 58). 3. Die unter der Einwirkung von blauen Lichtstrahlen gehaltenen Froschlarven haben eine dunklere Färbung als die Kontrolltiere in Glas Nr. 1 angenommen (vgl. die Versuche von Keller, S. 59). Setzt man die unter dem Blaufilter dunkler gewordenen Tiere dem Tageslicht aus, so werden dieselben heller und nehmen die gleiche Farbe der Kontrollen an. 4. Die unter vollkommenen Lichtabschluß gehaltenen Kaulquappen sind selbst noch heller geworden als die Froschlarven von Glas Nr. 5 (im Rotlicht), dunkeln ebenfalls, dem Tageslicht ausgesetzt, schnell nach und verhalten sich dann wie die Kontrolltiere. Diese Beobachtungen stimmen mit den von Herrmann gemachten vollkommen überein (vgl. S. 58). Mit der zweiten Versuchsreihe wurde am 26. Juni 1912 begonnen. Die bei den ersten Versuchen angewandten Vorsichtsmaßregeln wurden genau eingehalten. Die Kaulquappen waren sehr klein und eben erst eingefangen, in jedes Glas setzte ich 20 Stück aus. Die Wassertemperatur hielt sich auf ungefähr 20°C. Die am 6. Juli 1912 vorgenommene Zählung und Betrach- tung der Tiere ergibt folgendes. Glas Nr. 1 (Kontrolle): 18 leben, 2 tot. Die Tiere sind sehr lebhaft und sind auch etwas größer geworden und weisen eine stärkere Pigmentierung auf. Glas Nr. 2: 13 lebend, 7 tot, kein deutlicher Unterschied im Vergleich mit den Kontrolltieren in Glas Nr. 1. Glas Nr. 3 (Blaufilter): 19 lebend, 1 tot. In der Pigmentverteilung kein merklicher Unterschied. Glas Nr. 4 (Grünfilter): 19 lebend, 1 tot, sind eher etwas heller als die Kontrolltiere. Glas Nr. 5: 18 lebend, 2 tot. Die Kopfpartie ist be- deutend heller als bei den in den übrigen Gläsern gehaltenen Tieren. Auch hier läßt sich sehr deutlich die dunkelnde Wirkung, beim Aussetzen der LICHTEINFLUSS AUF PIGMENTBILDUNG. 65 Tiere ans Tageslicht, demonstrieren. Glas Nr. 6: 18 lebend, 2 tot, sind sehr viel heller als die der übrigen Gläser, werden dem Tageslicht ausgesetzt rasch dunkel. Zur leichteren Übersicht stelle ich von den folgenden Be- obachtungen und Resultaten eine tabellarische Übersicht auf. Tabellarische Zusammenstellung der Beobachtungen. Beohac Glas Ne HEN eh Färbenveränderung usw. us Nr. 1912 hell dunkel 6. Juli 1 13 | 2 normal hell (Kontrolle) 2 13 7 kein hell Unterschied 3 19 1 kein hell kein deutlicher (Blaufilter) Unterschied Unterschied 4 BI RA heller heller als die Kontrollen. (Grünfilter) 3: 18 | 2 heller heller als in Glas Nr. 1, (Rotfilter) Nachdunkeln. 6 ren 52 heller heller als die Kontrollen, Vollkommen. werden bei Tageslicht dunkel. Liehtabschl. 530, 1 1a | normal hell 13 | — kein hell Unterschied | 3 N. 1) — dunkel dunkler als die Kontrollen, werden heller. | 4 14 | — heller als die Kontrollen, 5 17 |—| kein deutlicher Unterschied mit den Kontrollen. 6 10 1 — heller als die Kontrollen. 20.- .; 1 I I — normal sind dunkler als vor einer Woche und größer. 2 6 |— kein Unterschied 3 4 | — dunkel |dunkel, werden bei Licht heller. 4 4 |—-| kein deutlicher Unterschied, eher heller als die Kontrollen 5 3 |— heller | heller als die Kontrollen. 6 6 |— | heller selbst als in Glas 5, sonst gleich groß, dunkeln bei Tageslicht rasch nach. Be, 1 7 |—|! normal |sind größergeworden, sehrlebhaft. 2 2 |—| kein Unterschied, vielleicht etwas kleiner als 1. 3 AN dunkel gut entwickelt wie in Glas Nr.1, werden heller. 4 3 |— etwa gleich wie die Kontrollen. 5 3 |— | heller, dunkeln bei Tageslicht deutlich nach. 6 4 |— | heller, selbst heller wie in Glas 5, Nachdunkeln. Archivf.A.u. Ph. 1913. Physiol. Abtle. 5 66 Lovıs MERIAN: Tag der Farbenveränderung usw. re Ga lebend ttt|' Farbe | ü E a ae Sr hell | dunkel 3. Aug. } | 3 |— normal gut entwickelt und etwas dunkler | als vor einer Woche. 2 1 |— kein Unterschied zu den Kontrollen. 3 1 — | kein sehr deutlicher Unterschied, scheint doch bei Tageslicht heller zu werden. 4 | alle tot — | — | | sind besonders in der Nabe des Kopfes heller. 5 2 Naehdunkeln. 6 alle tot — _ | 0: 1 2 |— normal gut entwickelt, lebhaft. 2 alle tot —_ | —_ 3 —— — —. —— PORT ee 6 5 — |—| ist tot im Glas, scheint aber kleiner als die Kontrolle. IToel,, 1 u groß, dunkel, sehr lebhaft. Zusammenfassend ergibt sich aus den Betrachtungen der tabellarischen Übersicht, daß: 1. Die größte Sterblichkeit der Froschlarven äußert sich auch in dieser Versuchsreihe in den Gläsern Nr. 4 (Grünfilter) und Nr. 6 (bei voll- kommenem Lichtabschluß). Sämtliche 20 ausgesetzten Tiere starben innerhalb 28 Tagen. 2. Auch in dieser Versuchsreihe beobachtete man bei den unter Rot- licht und den im vollkommenen Lichtabschluß gehaltenen Tieren, daß bei der Herausnahme der Kaulquappen aus den Gläsern die Farbe der Tiere heller war, wie die der Kontrollen. Brachte man dieselben in helles Tages- licht, so konnte man sehr: deutlich das Nachdunkeln beobachten, so dab sie sich nicht mehr von den Kontrolltieren unterscheiden ließen. 3. Die unter der Einwirkung des blauen Lichtes gehaltenen Tiere sind dunkler wie die aller Gläser. Bei Tageslicht betrachtet, verlieren sie zum Teil die Farbe und werden heller. Ein Unterschied in der Größendifferenz ließ sich nicht feststellen. Wie ich schon bei den Versuchen erwähnt, wurde bei jeder Reinigung der Gläser eine Kaulquappe aus jedem Glase entnommen, getötet und un- mittelbar darauf zum Härten in eine !/,prozentige wäßrige Chromsäure- lösung eingelegt. Nach 12 Stunden wurde die Chromsäure abgegossen, das Fläschehen mit Wasser aufgefüllt, welches so oft gewechselt wurde, bis das Wasser vollkommen klar war. Da die Stückfärbung für so kleine Präparate LICHTEINFLUSS: AUF PIGMENTBILDUNG. 67 sehr gut verwendbar ist, wurden die Schwänze der Froschlarven aus dem Wasser in eine Hämatoxylinlösung eingelegt, welche folgende Zusammen- setzung, nach Frenkel, aufweist: Auf 100 ccm einer !/,prozentigen Alaun- lösung kommen 20 Tropfen einer prozentigen alkoholischen Hämatoxylin- lösung. Die Stücke verblieben darin bis zur vollkommenen Durchfärbung, 24 Stunden, und wurden darauf so lange gewässert, bis kein Farbstoff mehr absing, wurden alsdann- im Alkohol von steigender Konzentration gehärtet und in Paraffin eingebettet. Das ganze hintere Körperende der Kaulquappen wurde, von der Schwanzwurzel beginnend, bis zur Schwanzspitze in Serien- schnitte zerlegt. Die Stückfärbung hatte sich sehr gut bewährt, so daß eine ‚weitere Nachfärbung nicht nötig erschien, indem sich die dunkelbraunen ‚Pigmentzellen sehr deutlich von den schwach blau gefärbten Epidermis- zellen abhoben. £ Die makroskopisch gemachten Beobachtungen sollten nun auch mikro- skopisch verfolgt werden und nähere Aufschlüsse über das eigentümliche Verhalten der Pigmentzellen geben. Zu diesem Zweck wurden aus jeder Schnittserie je 3 Objektträger der Schwanzwurzel, der Mitte und der Schwänz- spitze zur mikroskopischen Untersuchung und Zählung der großen Pigment- zellen beiseite gelegt. Auf ‘jeden Objektträger hatte ich 6 Querschnitte aufgelegt, doch wurden nur bei dreien die Anzahl der Pigmentzellen gezählt. Auf jeden Froschschwanz fallen somit 9 Objektträger mit je 3 durchgezählten Querschnitten, im ganzen somit 27 Querschnitte. Bringt man einen solehen Querschnitt unter das Mikroskop und be- trachtet denselben bei schwacher Vergrößerung, so lassen sich unschwer drei Partien unterscheiden. Um einen rundlichen Körper, welcher dem eigentlichen Schwanz entspricht, stehen senkrecht übereinander der obere und der untere Flossensaum. Die kräftig entwickelte Muskulatur des Schwanzes hebt sich sehr deutlich, durch die blaue Färbung sichtbar gemacht, von den übrigen Gebilden ab. Zwischen der Muskulatur und dem Epithel befindet sich dicht unterhalb des letzteren, ringförmig die ganze Schwanz- muskulatur umfassend, ein dunkelbraun gefärbter Pigmentsaum. Bei starker Vergrößerung erkennt man, daß dieses Pigmentband sich aus sehr feinen Körnchen zusammensetzt. Die äußerste Begrenzung bildet das Epithel, welches sich aus kubischen Zellen zusammensetzt, die einen dunkel- blau gefärbten bläschenförmigen Kern enthalten. In den meisten Epithel- zellen finden sich äußerst feine Pigmentkörnchen eingelagert, welche immer nach außen in den Zellen zu liegen kommen. Zwischen den einzelnen Epithelzellen, die Reihe derselben unterbrechend, erkennt man dunkel- braune, teils gleich groß, teils größer als wie dieselben, die eigentlichen Pig- mentzellen. Das Epithel des Flossensaumes läßt die gleichen Verhältnisse 5* 68 Lovıs MERIAN: erkennen, zwischen mehr oder weniger mit pulverförmigem Pigment er- füllten Epithelzellen erkennt man die bereits erwähnten großen Pisment- zellen. Die Struktur des darunter liegenden Gewebes ist nicht mehr deut- lich ausgeprägt, da an den meisten Präparaten der Farbstoff nicht weit genug in die Tiefe gedrungen ist, nur in einem Schnitt konnte man deutlich verfolgen, wie unmittelbar unterhalb einer Pigmentzelle ein Blutgefäß ver- läuft und den Zusammenhang zwischen Blutgefäß und Pigmentzelle er- kennen läßt. Wie ich schon eingangs erwähnt habe, bestand meine Aufgabe darin, die makroskopischen Befunde auch mikroskopisch zu bestätigen. Ich machte mich deshalb an das Durchzählen der großen Pigmentzellen des oberen und unteren Flossensaumes und berücksichtigte nur die an Größe einer Epidermiszelle gleichkommenden oder die größeren Pigmentzellen. Die beim Durchzählen gefundenen Zahlen trug ich in die folgenden Tabellen ein. 4 Versuche vom 22. Juni 1912. Kontrollglas Nr. 1. Schwanzwurzel . 5 7 4 5 7 6 8 7 6 9 6 5 7 Mitte. . 8 8 5 7 12 9 10 10 8 Mittel 7. 10 7 7 8 Spitze 9 9 9 e) 6 7 8 X 8 8 7 8 8 Versuche vom 22. Juni 1912. Halb hell, halb dunkel. Glas Nr. 2. Schwanzwurzel . 5 4 10 6 4 6 8 6 6 6 4 4 5 » Mitte, 00 6 6 6 6 2 2 4 3 5 Mittel 6. 4 7 8 6 Spitze - . ME 8 9 $) | 11 7 6 8 8 3 7 9 6 LICHTEINFLUSS AUF PIGMENTBILDUNG. 69 Versuche vom 22. Juni 1912 mit Blaufilter. Glas Nr. 3. Schwanzwurzel Mitte . Spitze. . Bw um [dm D So [ers ES on OU mo [e-KeriXe>} SU > SUN [ES 4 [| Mittel 5. Versuche vom 22. Juni 1912 mit Grünfilter. Glas Nr. 4. Schwanzwurzel 8 4 8 Mitte . 5 3 6 Spitze 2 - 4 4 | Versuche vom 22. Sr Qt [e outer} [SU ELSC ERS | [fe rt]! DT U DD cn am or [SiS Bor) oo He 5 Mittel 4-5. Jun MIPEmMTEerRotmlter - GlasoNneeb: Schwanzwurzel . 1 Nine. o..x 7 Spitze ePPrBD or or no co spa Bw. row (UV SXer) pw 4 Mittel 4-0. Versuchev. 22. Juni1912. VollkommenerLichtabschluß. Glas Nr.6. Schwanzwurzel 3 2 4 Mitte . © 2 3 Spitze PBHo ro rm w De =D [SC SELJL) De 3 2 4 om» [SU Sole | 3 Mittel 3. 70 Lovıs MERIAN: Die Durchschnittszahlen sind somit: Glas Nr. 1, Kontrolle im Mittel 7-0 S 2, halb hell, halb dunkel, $ 6-0 % 3, Blaufilter ey, n 4, Grünfilter E. 4-5 D% 5, Rotfilter ra ve en 6, vollkommener Lichtabschluß ,, 3.0. Ich möchte an dieser Stelle nochmals darauf hinweisen, daß die Zahlen- werte nicht als absolut zu betrachten sind und daß wir es somit nur mit Durchschnittszahlen zu tun haben. Bei der Betrachtung der gefundenen Zahlenreihe fällt auf, daß vom Kontrollglas Nr. 1 bis zu Glas Nr. 6 eine stufenweise abfallende Zahlenreihe sefunden wurde. Diese Beobachtung stimmt mit den makroskopisch fest- gelegten Resultaten vollkommen überein, mit der einzigen Ausnahme der Verhältnisse in Glas Nr. 4 (Blaufliter). Bei dem makroskopischen Betrachten der Kaulquappen dieses Glases konnte ich bei jeder Beobachtung fest- stellen, daß die Tiere viel dunkler waren als die Kontrollen. Nach diesem makroskopischen Befunde zu urteilen, sollte man auch eine auf mikro- skopischem Wege zu erhebende Vermehrung der großen Pigmentzellen er- warten dürfen, eine Voraussetzung, die nicht zutraf. Vielleicht wirkt das Blaulicht in dem Sinne, daß es die Pigmentzellen mehr an die Oberfläche lockt, ganz ähnlich dem Befund bei denHerrmannschen Versuchen, um dann bei Lichtreiz wieder entgegengesetzt zu wirken. Wir hätten es somit nicht mit einer Vermehrung von Pigmentzellen zu tun, sondern mit einem ver- schiedenen Reizungssrad der einzelnen Pigmentzellen. Die kleine Zahlendifferenz, welche bei der Betrachtung der Zahlenwerte der Gläser 5 und 6 sich ergibt, scheint ebenfalls mit dem makroskopischen Verhalten der Kaulquappen nicht in Einklang zu stehen. Die Tiere waren in Glas Nr. 6 bei allen Versuchen entschieden heller als die in Glas Nr. 5. Ich glaube auch hier nicht fehl zu gehen, wenn ich diese Erscheinungen mit den Herrmannschen Beobachtungen in Einklang zu bringen versuche und annehme, daß, obwohl die Zahl der Pigmentzellen nicht sehr große Differenzen aufwies, wir eine Reizwirkung des Lichtes auf die einzelnen Pigmentzellen, vielleicht auch Nervenelemente, annehmen dürfen. Ich konnte ebenso, wie das Herrmann schon gemacht hat, das Verhalten der Pigmentkörner der Kaulguappen von Glas 5 und 6 direkt unter dem Mikro- skop bei den lebenden Tieren verfolgen. Die Pigmentzellen erscheinen zuerst sehr klein, zurückgezogen, in der Tiefe liegend, und gelangen erst nach längerem Aufenthalt der Kaulquappen im Tageslicht mehr an die Oberiläche gerückt. LICHTEINFLUSS AUF PIGMENTBILDUNG. 11 Die Pigmentzellen befinden sich in einer Art von Kontraktion und werden dann durch die Reizwirkungen des Tageslichtes mehr an die Ober- fläche gelangen, durch diesen Vorgang erklärt sich das Nachdunkeln der liere. Die Durchschnittszahlen der zweiten Versuchsreihe verhalten sich un- gefähr gleich und bestätigen insofern die Beobachtungen der ersten Ver- suchsreihe. - Zusammenfassend läßt sich somit über diesen ersten Versuch sagen, daß die makroskopischen Farbenveränderungen, für welche man die Pig- mentzellen verantwortlich gemacht hatte, sich auch mikroskopisch ver- folgen ließen, indem man einen numerischen Unterschied in den Pigment- zellen der verschiedenen Gläser feststellen konnte, insofern, daß bei den dunkler gefärbten Tieren eine größere Anzahl von Pigmentzellen gezählt werden konnte als bei den heller gefärbten Kaulquappen. Die mikroskopische Durchmusterung der Präparate der zweiten Ver- ‘ suchsserie, welche ich am 27. Juli 1912 mit viel jüngeren Kaulquappen ‚angestellt habe, ergibt im großen und ganzen ähnliche Resultate wie die vorangehenden Versuchsreihen. Die mikroskopisch gefundenen Zahlen wurden auch bei diesen Versuchen in ein Schema eingetragen, welches ich ebenfalls hier angeben will. Versuche vom 27. Juli 1912. Kontrollglas Nr. 1. Schwanzwurzel . 3 6 3 4 3 3 2 3 3 3 2 4 3 Mitte . 3 3 2 2 2 1 2 2 2 Mittel 2!/,. 3 2 2 2 | Spitze 1 3 1 2 3 4 2 3 2 ) 2 2 1 2 Versuche vom 27. Juli 1912. Halb hell, halb dunkel. Glas Nr. 2, Schwanzwurzel . 2 0 2 1 4 2 4 3 2 2 2 4 3 Mitte . 5 5 5 5 2 3 il 2 3 Mittel 21/;. 2 2 2 2. Spitze 2 2 1 2 3 2 3 3 2 2 1 1 | 7% DD Lovıs MERIAN: Versuche vom 27. Juli 1912. Blaufilter. Glas Nr. 3. Schwanzwurzel 1 1 2 1 4 3 3 2 ) 2 3 3 3 Mitte . 5 4 6 5 | 3 2 0 2 3 Mittel 21/,. 2 1 3 2 Spitze 1 2 2 2 2 3 3 3 2 ) 0 1 2 1 Versuche vom 27. Juli 1912. Grünfilter. Glas Nr. 4. Scehwanzwurzel 7 6 2 5 A 2 5 4 4 1 2 3 2 Mitte . 2 2 1 2 1 1 2 1 1 Mittel 2. 1 3 0 1 | Spitze 2 2 0 1 3 0 0 1 1 J 3 1 2 2 Versuche vom 27. Juli 1912. Rotfilter. Glas Nr. 5. Schwanzwurzel 1 2 0) 1 1 2 1 1 Mitte . ß ) ! "s 7 Mittel 1 1 1 1 ; weniger als 1. Spitze 1 1 0 2/z er ee 1 0 1 2), Versuche vom 27. Juli 1912. Vollkommener Lichtabschluß. Schwanzwurzel . Mitte . Spitze Am [SC So Do) Rre 1 2 2 Der [>] CB 1 2 2 Hm il LICHTEINFLUSS AUF PIGMENTBILDUNG. 13 Die Zahl der Pigmentzellen ist bei so jugendlichen Tieren eine viel kleinere, wie bei den nahezu ausgewachsenen Kaulquappen, es ist deshalb auch nicht zu verwundern, wenn die Durchschnittszahlen bedeutend kleiner sind wie die der ersten Versuchsanordnung. Stellen wir die erhaltenen Durehschnittszahlen noch einmal der Reihe nach geordnet zusammen, so erhalten wir folgende Übersicht der Versuche vom 27. Juli 1912. Glas Nr. 1, Kontrollen im Mittel 21/, 5 2, halb hell, halb dunkel, ee r 3, Blaufilter Se N 4, Grünfilter 1a 2-0 2 5, Rotfilter n weniger als 1-0 = 6, vollkommener Lichtabschluß ‚, 1 Auch in dieser Versuchsreihe haben wir es mit einer Abnahme von Pig- mentzellen zu tun von Glas 1 bis Glas 6. Diese Resultate decken sich auch mit dem makroskopischen Verhalten der Kaulquappen und stimmen wieder- um mit der Versuchsreihe vom 22. Juni 1912 überein. Zusammenfassend ergibt sich aus diesen Versuchen, daß unter dem Einfluß von roten Licht- strahlen, sowie beim vollkommenen Lichtabschluß weniger Pigmentzellen gebildet wurden als bei den Tieren, welche sich unter normalen Verhält- nissen befanden. Gestützt auf die Schlußfolgerungen der vorangehenden Versuche, wie auch auf die letzten Erhebungen, glaube ich am Schlusse meiner Arbeit an- gekommen zu sein und hoffe, die mir von Herrn Professor Gaule gestellte Aufgabe in dem Sinne gelöst und gezeigt zu haben, daß Licht von verschie- denen Wellenlängen auf die Entwicklung, auf das Gedeihen, wie auch auf die Farbenveränderung der Froschlarven eine Wirkung auszuüben vermag, ebenso wie auf die Pigmentzellen derselben. Ich stütze meine Behauptungen auf makroskopische Beobachtungen, welche schon von den im vorangehenden Abschnitte erwähnten Autoren ebenfalls gefunden worden waren und von mir durch experimentelle Versuche nachgeprüft und bestätigt wurden. Meine Arbeit unterscheidet sich insofern darin von denjenigen der andern Autoren, daß ich die makroskopischen Resultate an einer sehr großen Zahl mikroskopischer Schnitte verfolgte, die in Betracht kommenden Pigment- zellen gezählt habe und dadurch die makroskopischen Resultate mikro- skopisch bestätigt habe. Weiter habe ich zu beweisen gesucht, daß sich die Farbe der Tiere aus dem Verhalten der einzelnen Pismentzellen zu den Epidermiszellen erklärt. Liegen die Pigmentzellen mehr in der Tiefe, so er- scheinen die Tiere heller, kommen sie hingegen mehr an die Oberfläche, so nehmen die Kaulquappen eine dunklere Farbe an. Das Licht, im Verein 74 Louis MERIAN: mit den Pigmentzellen verleihen dem Tiere eine hellere oder eine dunklere Farbe. Einer weitern Arbeit wird es vorbehalten bleiben, an Hand der noch restierenden Präparate und bestimmter Färbungen zu zeigen, wie diese Vorgänge sich auf physiologischem Wege erklären lassen. Literaturverzeiehnis. Aus dem Zentralblatt für Physiologie: 1. Jaques Loeb, Die Orientierung der Tiere gegen das Licht. Bd.’II. 1888. 2. Jaques Loeb, Der Heliotropismus der Tiere und seine Übereinstimmung mit dem Heliotropismus der Pflanzen. Bd. III. 1889. 3. V. Aducco, Action de la lumiere sur la durtee de la vie, la perte de poids, la temperature et la quantit&e de Glycogene hepatique et musculaire chez les pigeons soumis au jeüne. Bd. II. 1889. 4. Jaques Loeb, Weitere Untersuchungen über den Heliotropismus der Tiere und seine Übereinstimmung mit dem Heliotropismus der Pflanzen. Bd. IV. 1890. 5. H. Driesch, Heliotropismus bei Hydropolypen. Bd. V. 1891. 6. Jaques Loeb, Über die künstliche Umwandlung positiv heliotropischer Tiere und negativ heliotropische und umgekehrt. Bd. VII. 1893. 7. M. Beck und P. Schultz, Einwirkung sogenannten monochromatischen Lichtes auf die Bakterienentwicklung. Bd. X. 1896. 8. W. Flemming, Über den Einfluß des Lichtes auf die Pigmentierung der Salamanderlarve. Bd. X. 1896. 9. W. Flemming, Weitere Bemerkungen über den Einfluß von Licht und Temperatur auf die Färbung der Salamanderlarve. Bd. XI. 1897. 10. Th. List, Über den Einfluß des Lichtes auf die Ablagerung von Pigment. . Bd. XIII. 1899. ll. D. Nenukow, Zur Frage über den Einfluß der verschiedenen Strahlen des Spektrums auf die Färbung der Tiere. Bd. XIV. 1900. 12. M. Möller, Der Einfluß des Lichtes auf die Haut in gesunden und krank- haftem Zustande. Bd. XIV. 1900. 13. G. Bohn, Influence de variations de l’Eclairement sur les premiers stades larvaires des amphibiens. Bd. XVIII. 1904. 14. G. Busck, Über farbige Lichtfilter. Bd. XIX. 1905. 15. Hertel, Einiges über die Bedeutung des Pigmentes für die physiologische Wirkung der Lichtstrahlen. Bd. XX. 1906. 16. Cook und J. Loeb, Der Einfluß des Lichtes auf Zellen in fluoreszierender Flüssigkeit nach Zusatz von Zyankali. Bd. XXI. 1907. 17. Jaques Loeb, Der Einfluß des Lichtes auf die Zellfärbung. Bd. XXI. 1907. ‚ LICHTEINFLUSS AUF PIGMENTBILDUNG. 76) Archiv für Physiologie: 18. Th. W. Engelmann, Über die Reizung kontraktilen Protoplasmas durch plötzliche Beleuchtung. Bd. XIX. 1879. 19. Th. W. Engelmann, Ein Beitrag zur vergleichenden Eheeeleere des Lichtes und Farbensinnes.. Bd. XXVI. 1881. 20. L. Herrmann, Weitere Untersuchungen über das Verhalten der Frosch- larven im galvanischen Strome. Bd. XXIX. 1886. 21. W. Biedermann, Über den Farbenwechsel der Frösche. Bd. LI. 1892. 22. E. Steinbach, Untersuchungen zur vergleichenden Physiologie der Iris. Bd. LII. 1892. 23. R. Keller, Über den Farbenwechsel des Chamäleons und einiger anderer Reptilien. Bd. LXI. 1895. 24. Jaques Loeb, Über den Einfluß des Lichtes: auf die Organbildung bei Tieren. Bd. LXIII. 1896. 25. K. von Frisch, Beitrag zur Ehysielogie der Pigmentzellen in der Fisch- haut. Bd. CXXXVILH. 1911. 26. Beclard, Compte rendu de l’academie. 1895. 27. E. Yung, Contribution & P’histoire de l’influence des milieux physique sur les tres vivants. Archiv de Zoolog. experiment. T. VII.. 1878. 28. E. Yung, De l’influence des lumieres colorees sur le developpement des animaux. Mitteilungen aus der zoologischen Station Neapel. Bd. II. 1881. 29. A. Fischel, Über Beeinflussung und Entwicklung des Pigmentes. Archiv für mikroskopische Anatomie. Bd. XLVII. 1896. 76 Louis MERIAN: LICHTEINFLUSS AUF PIGMENTBILDUNG. Erklärung der Abbildungen. (Taf. II u. III.) Tafel II. Aufstellung und Versuchsanordnung der verschiedenen Gläser. Tafel III. Nach der Natur gezeichnete Querschnitte, um schematisch das Verhalten der großen Pigmentzellen der ersten Versuchsreihe vom 22. Juni 1912 zur Darstellung zu bringen. Die einzelnen Figuren entsprechen Präparaten, welche ungefähr der gleichen Serienschnittreihe entnommen sind (etwa der Mitte von Schwanzwurzel und Schwanzspitze beim Tier). Die kleinen Pigmentzellen, ebenso der mittlere Teil des Präparates, der Körper und verschiedene Einzelheiten, welche für diesen Zweck Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6. nicht in Betracht kommen, wurden ganz weggelassen. Vergrößerung, Leitz Okular 1, Objektiv 7. Querschnitt eines Tieres aus Kontrollglas Nr. Glas Nr. 2, halb hell, halb dunkel. 3, Blaulichtfilter. 4, Grünlichtfilter. 5, Rotlichtfilter. 6, vollkommener Lichtabschluß. Zur Biologie der Phagozyten. Einfluß von Fettsäuren und Seifen auf die Phagozytose. Von H. J. Hamburger und J. de Haan. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Groningen.) I. Einleitung. In einer Reihe von Untersuchungen wurde nachgewiesen, daß fett- lösliche Substanzen imstande sind, in sehr geringen Quantitäten (z. B. Chloroform 1:5000000) die Phagozytose zu beförden und in etwas größeren dieselbe zu lähmen.! Die betreffenden Untersuchungen fanden ihren Ausgangspunkt im längst bekannten günstigen Einfluß von Jodoform bei der Wundbehand- lung. Anfänglich meinte man, daß das Jodoform als Antiseptikum wirkte, kam dann aber davon zurück, als man beobachtete, daß sich in jodoform- haltigem Milieu Bakterien kräftig entwickelten. Bekanntlich sind dann zur Erklärung der Wirkung von Jodoform mehrere andere Hypothesen ausgesprochen worden, die hauptsächlich an eine Abspaltung von Jod denken. Wir fanden aber, daß das Jodoform als solches die Phagozytose in bedeutendem Maße befördert und erklärten diese Erscheinung dadurch, daß es sich mit der 1 Vgl. H. J. Hamburger, J. de Haan und F. Bubanovic, Kon. Akad. v. Wetenschappen, Amsterdam. ® Proceedings of ihe meeting of Saturday, March 25 th 1911. — H. J. Hamburger und J. de Haan, Ebenda. Octob. 20 th. 1912. — Vgl. weiter H. J. Hamburger, Physikalisch-chemische Untersuchungen über Phagozyten. Ihre Bedeutung von allgemein biologischem und pathologischem Gesichtspunkt. Wies- baden, J. F. Bergmann, 1912. 78 H. J. HAMBURGER UND J. DE Haan. lipoiden Oberfläche der Phagozyten vermischt, diese erweicht und so die amöboiden Bewegungen der Zelle erleichtert. War diese Hypothese richtig, so ließ sich erwarten, daß auch andere fettlösliche Substanzen die Phago- zytose beförden würden. In der Tat stellte sich denn auch ohne Ausnahme heraus, daß diese Substanzen in homöopatischen Dosen zu den Medien hinzugefügt, eine kräftige Beschleunigung herbeiführten. Zu etwas größeren Quantitäten kam ein zweiter Faktor zu ihrem Recht, nämlich der paralysierende Einfluß der fettlöslichen Substanz auf das Proto- plasma. Die bis jetzt untersuchten Substanzen waren außer Jodoform: Chloro- form, Chloralhydrat, Alkohol, Buttersäure und Propionsäure, Benzol, Kampfer, Terpentin, Balsamum Peruvianum. Bekanntlich haben H. Meyer und Overton einen Zusammenhang gefunden zwischen der Lipoidlöslichkeit von Substanzen und der Kon- zentration, die nötig war, um Narkose von Tieren herbeizuführen. Es schien uns empfehlenswert, zu untersuchen, inwieweit auch bei unserem so viel einfacheren Objekt der Einfluß des Teilungskoeffizienten bei der beschleu- nigenden und auch bei der lähmenden Wirkung der fettlöslichen Substanzen zum Ausdruck kam. Erläutern wir unsern Gedanken durch ein Beispiel. Fügt man zu Leukozyten eine Lösung von Jodoform in 0-9 prozentiger NaCl-Lösung, so wird ein Teil des Jodoforms in die Leukozyten übergehen. Das Jodoform verteilt sich über die Leukozyten und die Kochsalzlösung. Diese Verteilung wird dem Teilungskoeffizienten entsprechend erfolgen, d.h. das Verhältnis zwischen den in den Zellen und den in der NaCl-Lösung vorhandenen Jodoformmengen wird durch die relative Löslichkeit des Jodoforms in den fettähnlichen Zellsubstanzen und in der NaCl-Lösung bedingt. Es liest nun auf der Hand, daß, je größer die Löslichkeit in Lipoiden und je geringer die Löslichkeit in Wasser ist, um so mehr Jodoform in die Zellen eintreten wird. Übertragen wir diese Überlegung auf andere lipoidlösliche Substanzen, so darf man also im allgemeinen erwarten, daß für eine Substanz, die in Lipoiden wenig löslich ist, sehr löslich aber in Wasser, eine größere Menge in der wäßrigen Flüssigkeit aufgelöst werden muß, wenn man die Zellen und auch die Zelloberfläche mit einer genügenden Menge dieser Substanz zu beschicken wünscht. Es ist nun die Frage, wird diese Auffassung durch das Experiment be- stätigt, mit anderen Worten, braucht man, um ein Beispiel zu nennen, eine schwächere Lösung von Jodoform als von Alkohol, um eine eben merk- bare Beschleunigung der Phagozytose herbeizuführen? Wissen wir ja doch, daß Alkohol viel weniger fettlöslich-ist als Jodoform. Es wäre also zu er- warten, daß man eine größere Menge von Alkohol als von Jodoform in Zur BIOLOGIE DER PHAGOZYTEN. 79 Wasser aufzulösen hat, um eine gleiche Molekülzahl beider Substanzen in die Lipoidmembran einzuführen. In der Tat ist dies der Fall. So stellt sieh denn heraus, daß eine Lösung von 1 g Molekül Jodoform auf 1900000 Liter Wasser Beschleunigung der Phagozytose herbeiführt; wäh- rend die dazu nötige Alkoholkonzentration viel größer sein muß, nämlich 1 g Molekül auf 500 Liter Wasser. Kampfer ist in Fett und Öl leicht löslich; in Wasser ziemlich schwer. Die fettartige Oberfläche der Phagozyten wird also bereits aus einer sehr verdünnten wäßrigen Kampferlösung die nötige Kampfermenge aufnehmen können. In der Tat stellt sich auch denn heraus, daß eine wäßrige Kampfer- lösung in einer Verdünnung von 1 g-Molekül auf 150000 Liter die Phago- zytose noch kräftig befördert. 3 Chloralhydrat ist in Fett leicht löslich, aber auch sehr gut in Wasser; dementsprechend ist eine viel stärkere Lösung von Chloralhydrat in NaCl nötig als von Kampfer. Es scheint also, daß, je größer der Teilungskoeffizient einer Substanz zwischen Öl und Wasser ist, um so geringer kann die Konzentration der wäßrigen Lösung sein. Im großen Ganzen zeigte sich eine gute Übereinstimmung; nur zeigten Propionsäure und Buttersäure eine Abweichung in dem Sinne, daß bereits bei viel schwächeren Konzentrationen Beschleunigung der Phago- zytose veranlaßt wurde, als mit den Teilungskoeffizienten überein- stimmten. Eine entsprechende Abweichung zeigten diese beiden Säuren mit be- zug auf ihre lähmende Wirkung. Sie führten bereits in viel geringerer Kon- zentration eine Lähmung der Phagozytose herbei, als deren Teilungskoeffi- zienten Öl-Wasser erwarten ließ. Erwartet wurde, daß Lähmung der Phagozytose eintreten würde bei einer Konzentration von 1g-Mol. Buttersäure auf 180 Liter 0-9 prozent. NaCl-Lösung. In Wirklichkeit trat sie schon bei einer Verdünnung von 1:9000 auf. Für Propionsäure erwartete man eine molekulare Konzentration von 1g-Mol. auf 130 Liter; in Wirklichkeit trat die Lähmung schon bei einer Verdünnung. von 1g-Mol. auf 37000 Liter NaCl auf. Ganz entsprechende Abweichungen zeigten die beiden Fettsäuren angesichts ihres hämolysierenden Einflusses auf rote Blutkörperchen und angesichts ihrer lähmenden Wirkung auf die Keimung von Weizenkörnern. Auch bei diesen beiden Objekten gingen die schädlichen Konzentra- tionen anderer fettlöslichen Substanzen mit den entsprechenden Teilungs- 80 H. J. HAMBURGER UND J. DE Haan. koeffizienten parallel; nur die Fettsäuren wirkten bereits in geringer Kon- zentration schädlich, d. h. hämolysierend auf die roten Blutzellen, lähmend auf die Keimung der Weizenkörner. Wie konnte nun diese abweichende Wirkung der Fettsäuren erklärt werden ? Handelt es sich um eine Wirkung von H-Ionen, oder viel- leicht um eine spezifische nachteilige Wirkung der Fettsäure- anionen auf das Zellprotoplasma ?! Die Antwort auf diese Frage sind wir damals schuldig geblieben. Wir werden jetzt versuchen, sie zu geben. II. Einfluß von Fettsäuren auf die Phagozytose. Vergleichung mit Schwefelsäure. Um auszumachen, inwieweit bei der schädlichen Wirkung der Fett- säuren die H-Ionen beteiligt sind, haben wir Fettsäure- und Schwefelsäure- lösungen von gleichem H-Ionengehalt auf die Leukozyten einwirken lassen. Man findet in der nächsten Tabelle die Resultate einer Versuchsreihe angegeben. Wie ersichtlich, besteht die Untersuchungsmethode darin, daß eine Suspension von (Pferde-)Leukozyten mit den zu untersuchenden Lösungen versetzt wird. Nachden dies einige Zeit (hier °/, Stunde) auf die Zellen eingewirkt haben, wird feine Kohle hinzugefügt und dann die Suspension dem Einfluß von 37° ausgesetzt. Es können nun die Phagozyten Kohle- partikelchen aufnehmen. Endlich werden mikroskopische Präparate an- gefrtist und wird untersucht, wie viele von den beobachteten Zellen Kohle aufgenommen haben. Um vor der Anfertigung des Präparates die Phagozytose aufhören zu lassen, wird der warmen Sus- pension ein Tropfen Osmiumsäurelösung hinzugefügt. Das ist eine Neuerung, die bei den bis jetzt ausgeführten Untersuchungen über Phagozytose nicht angewandt wurde. Sie besitzt auch den großen Vorzug, daß man ohne Furcht für Zersetzung oder etwaiges Fortschreiten der Phagozytose die Zählung der kohlehaltigen und nicht kohlehaltigen Phagozyten bis zum folgenden Tag verschieben kann. 1 Vgl. E. Laqueur und F. Veczär, Pflügers Archiw. Bd. CXLIL. S. 395. 1912, wo man Beobachtungen über spezifische Säurewirkumgen auch von anderen Autoren findet. Zur BIOLOGIE DER PHAGOZYTEN. & Tabelle 1. Vergleichungen von Schweielsäure- und Propionsäurelösungen von gleichem H-Ionengehalt. Einwirkung der Media auf die Leukozyten /, Stunde; Berührung mit der Kohle 25 Minuten. 0-9 prozentige ee Anzahl der Leuko-| Umfang der R er 5 \ NaCETösung, untersuchten | ?yten, die Kohle | Phagozytose in in der aufgelöst ist: Leukozyten aufgenommen haben Prozenten Nichts 349 101 2 x 100 = 9 1. H,SO, 1:100000 ! 208 ) 0 Propionsäure 1-5:100000 301 0 0 2. H,SO, 1:500000 194 13 6.7 Propionsäure 1-5:500000. 180 - 0 (007 3. H,SO, 1:2500000 148 33 22-2 Propionsäure 1-5:2500000 215 52 24-2 Man sieht, daß die prozentische Phagozytose in 0-9 prozentiger NaCl- Lösung 29 Prozent beträgt. Fügt man H,SO, Y/oooo0 hinzu, so ist die Phago- zytose Null, ebenso wenn man eine Propionsäuremenge hinzufügt, wodurch man denselben H-Ionengehalt in die NaCl-Lösung bringt. Das gleiche Resultat bei H,SO,1:500000. Nimmt man noch schwächere H,SO,-Lösung, nämlich 1:2500000, so zeigt sich die Phagozytose bloß benachteiligt, aber durch Propionsäure in gleichem Grade. Aus dieser Versuchsreihe geht also hervor, daß die schädliche Wirkung von wäßrigen Schwefelsäure- und Propionsäurelösungen bei gleicher Wasserstoffionenkonzentration eintritt. Hierdurch wird es in hohem Maße wahrscheinlich, daß der schädliche Einfluß von sehr verdünnter Propionsäure- lösung auf H-Ionenwirkung beruht. War diese Ansicht richtig, so ließ sich erwarten, daß das Na-Pro- pionat in den entsprechenden Verdünnungen nicht ungünstig wirken würde. 11I. Einfluß von Natriumpropionat auf die Phagozytose. In der Tat stellte sich heraus, daß das nicht der Fall war. Selbst in sehr schwacher Verdünnung, m.a. W. in großer Konzentration, wirkte das Na-Propionat nicht nur nicht schädigend, sondern — was wir nicht er- wartet hatten — beförderte sogar in erheblichem Maße die Phagozytose. ! Aus Gewichtsteilen umgerechnet. Archivf.A.u.Ph. 1913. Physiol. Abtlg. 6 82 H.: J. HAMBURGER UND J. DE Haan. Es dürfte dies aus folgender Tabelle hervorgehen: Tabelle II. Einfluß von Natrium-Propionat auf die Phagozytose. Einwirkungsdauer des Propionats */, Stunde. Berührung mit Kohle bei 37° !/, Stunde. 0-9 prozentige Totalanzahl | Anzahl der Leuko- Umfang der NaCl-Lösung, zyten, die Kohle | Phagozytose in der aufgelöst ist Leukozyten aufgenommen haben Prozent Nichts | = 163 50-4 Na-Propionat 1:100 923 535 97.9 (d.h. 1g Propionat in 100 cem NaÜCl-Lösung) Na-Propionat 1:250 549 332 60.4 $ 1:1000 781 460 58-6 412 247 59.9 " 15000 | 344 83 24-12 nn 1:25000 891 | 437 49-0 en 1:100000 633 321 50-7 Man sieht, daß von einer schädlichen Wirkung vom Propionsäureanion sogar in viel größerer Konzentration als letzteres bei den Propionsäure- versuchen angewandt wurde, nicht die Rede ist. Propionat 1:25000 und 1:100000 lassen das phagozytäre Vermögen un- versehrt. Propionsäure in dieser Konzentration aber zerstört alle Leukozyten. Aber was merkwürdiger ist, ist der befördernde Ein- fluß, den höhere Konzentrationen von Propionat auf die Phagozytose ausüben (1:100, 1:250, 1:1000). Der folgende Versuch dient dazu, den vorigen zu wiederholen. Tabelle III. Einfluß von Natriumpropionat auf die Phagozytose. Einwirkungsdauer der Lösungen bei Zimmertemperatur 1 Stunde. Berührung mit Kohle bei 30072, Stunde: 0.9 prozentige | IN en | Anzahl der Leuko-, Umfang der NaCl-Lösung, NT zyten, die Kohle | Phagozytose in der aufgelöst ist Leukozyten aufgenommen haben Prozent Nichts || 6s 149 2a Na-Propionat 1:250 ee 508 216 42-4 # 11000. | As 169 |..085+3 1:5000 | 453 123 27-1 ZuR BIOLOGIE DER PHAGOZYTEN. 83 Wie ersichtlich, ist auch hier bei Konzentrationen, bei welchen, wenn Propionsäure gebraucht wird, die Phagozytose Null ist, diese sogar in be- deutendem Maße gesteigert. | Tabelle IV. Wiederholung des Versuchs. Einwirkungsdauer der Media 45 Minuten. Berührung mit Kohle 30 Minuten. 0-9 prozentige Na-Cl-Lösung, | Prozentgehalt derjenigen Leukozyten, in der aufgelöst ist die Kohle aufgenommen haben en x 100 = 12.2 Prozent. Nichts 47 10-155 2 0 Na-Propionat 1:50 —— X 100 = 0 Rn 312 104 D :2 —— 1 = r 1:250 573 x 100 = 38 124 ) 1:1000 = X 100 = 32-2 Bi 385 ; 30 : L: = % 100 = 11»4 5 ; Sn 362 x - a | 17 „ 1:25000 170 x 100 = 10 „ Auch hier wieder bei großer Konzentration des Propionates eine kräl- tige Beförderung der Phagozytose. Bei keiner der bis jetzt untersuchten fettlöslichen Sub- stanzen hatten wir in so großer Konzentration eine Beför- derung der Phagozytose beobachtet. Wir legten uns deshalb die Frage vor, ob vielleicht die Hyperisotonie die Ursache war. Denn bei früheren Versuchen hatte sich zuweilen herausgestellt, daß hyperisotonische NaCl-Lösungen statt nachteilig auf die Phagozytose zu wirken, wie das gewöhnlich der Fall war, dieselbe beförderten. Aus diesem Grund wurden die Versuche mit Propionat wiederholt und daneben auch mit hyperisotonischen NaCl-Lösungen; selbstverständ- lich an denselben Phagozyten. 6* 34 H. J. HAMBURGER UND J. DE Haan. Tabelle V. Einfluß der Hyperisotonie bei der Propionatwirkung. Prozentgehalt derjenigen Leuko- Ellauigesiinn zyten, dieKohleaufgenommen haben i 173 NaCl 0.9 Prozent —— X 100 = 16-3 Prozent 1057 Ep 1-0 | —— x 100 = 14-6 3 en 970° a 47 . —_— ._ 2.8 opel; ag x 100 = 1 6 Na-Propionat 1:250 445 aa (1 Na-Prop. + 250 NaCl 0-9 eem) 1629 ° A KL i 193 Na-Propionat 1:1000 10% 100 = 23-8 n s 103 % 1:5000 | 330 x 100 = 19.4 es Man sieht, daß im vorliegenden Fall die Leukozyten, wie in den meisten Fällen, durch hyperisotonische NaCl-Lösungen eine Schädigung des phagozytären Vermögens erfahren haben. Demgegenüber hat das Propionat, obgleich es die Flüssig- keit hypertonisch macht, die Phagozytose befördert (von 16-3 Prozent auf 27-3, 23-8 und 19-4 Prozent). Eine schöne Bestätigung bringt folgender Versuch, in dem isosmo- tische propionatfreie und propionathaltige NaCl-Lösungen miteinander verglichen werden. Es werden folgende isosmotische Lösungen miteinander ver- glichen: NaCl 0-9 Proz. und NaCl 0-9 Proz. Nach „ NaCl 0:9 ,, —+ Na-Propionat 0-165 Proz. Na@leni ‚eUNa@l30-977,) — ir Ma Nach am NaCl 0-2 ine N 0-5 $ Naclnisar a .Na@l.0:9 . 1 Mr 0:66 Diese Flüssigkeiten wirken eine halbe Stunde auf die frischen Leuko- zyten ein; dann werden die Suspensionen während einer halben Stunde bei 37° mit Kohle in Berührung gebracht und werden Präparate angefertigt. Zur BIOLOGIE DER PHAGOZYTEN. 85 Tabelle VI. Einfluß isosmotischer Lösungen von NaCl und von NaCl und Propionat. Prozentgehalt : Prozentgehalt Lösung der kohlehaltigen | Lösung NaCl 0.9°%, + | der kohlehaltigen Leukozyten % Leukozyten 132 ß 4 68 } NaCl 0-9%), | 2,5 X 100 = 28-2, Nichts 566 % 100 = 25,5%, 113 ! % 42 11:0 157 X 100 = 24-7 Na-Propionat 0.165 °, 395 * 100 =.12-9? 62 113 OD =—— — 1 . .33 —— = 3 700 x 100 = 15-5 h 0.33 s1g x 100 = 35-7 69 2 193 2 ea |, x 100:='13.1 „05 |045 x 100 = 30.0 6 116 2 nn, x 100 = 2.2 N 0-66 jo, x 100 = 27.1 Dieses Resultat ist in der Tat interessant, denn wir sehen, daß, wenn . durch Anwendung einer stark hyperisotonischen NaCl-Lösung (1-1 Proz.) die Phagozytose fast zur Hälfte reduziert ist (von 28-2 auf 15-5 Proz.), eine damit isosmotische Kochsalzlösung, in der aber ein Teil des NaCl durch Propionat ersetzt ist, die Phygozytose noch in beträchtlichem. Maße hebt (zu 35-7 Proz.). Ein entsprechendes Resultat erhielten wir mit Leukozyten, die wäh- rend einer Nacht in Zitratserum verweilt hatten und. dadurch ihr phago- zytäres Vermögen teilweise eingebüßt hatten. Tabelle VII. Einfluß isosmotischer Lösungen von NaCl und von NaCl + Propionat. Prozentgehalt Lösung der kohlehaltigen Leukozyten NaCl 0-9, | x 100 = 18.79) ° [495 . 21 „ 1.0 4123 x 100 = 4-9 20 „ 12 |5x10=8-2 2 „ 1-3 |—.x 100 = 0-6 Prozentgehalt Lösung NaCl 0-9°/, + | der kohlehaltigen Leukozyten 86 Niehts 2 x 100 = 12.7 I 161 3 Na-Propionat 0-33 °/, 715 * 100 = 22.5 | ! 264 ! „ 0:5 1353 x 100 = 19.5 195 ® „ 0.66 1299 x 100 = 15-0 86 H. J. HAMBURGER UND J. DE Haan. Diese Tabelle läßt keinen Zweifel übrig, daß Natrium- Propionat selbst in stark hyperisotonischen Lösungen die Phagozytose kräftig befördert. IV. Einfluß von Natrium-Butyrat und Formiat. Nach den mit Propionat erhaltenen Resultaten ließ sich erwarten, daß auch das Butyrat und Formiat dieselben Ergebnisse zeigen würden. Das war in der Tat der Fall. Für den ersten Versuch, der mit Butyrat angestellt wurde, haben wir Leukozyten benutzt, die während 12 Stunden dem Einfluß von Zitrat- serum ausgesetzt gewesen waren. Wir lassen eine Tabelle folgen, die ohne weitere Erörterung deutlich sein wird. Tabelle VII1l. Einfluß von Natrium-Butyrat auf die Phagozytose. Die butyrathaltigen Kochsalzlösungen haben !/, Stunde auf die Leukozyten bei Zimmer- temperatur eingewirkt; danach sind sie Y/, Stunde bei 57° mit Kohle in Berührung gewesen. Lösung 0-9 Proz. NaCl + Prozentgehalt der kohlehaltigen Leukozyten 132 I 149 x 100 = 29-3 Prozent > x 100 = 27:0 488 2 2 5 130 Natrium-Butyrat 1:100 128 * 100 = 29-0 138 113% —— 1 = 28 . 50 ix 100-288 „ 321 1:1000 841 x 100 = 38-1 PE 3 306 ö h » . 1:5000 Sog x 100 = 37-8 260 X „ 1:25000 — x100 = 39.7 ,„ 554 Man sieht also, daß Na-Butyrat in einer Verdünnung von 1:1000 die Phagozytose gesteigert hat von 28 Prozent auf 38 Prozent, und daß die Steigerung noch deutlich sichtbar ist in einer Verdünnung von 1:25000. ZuR BIOLOGIE DER PHAGOZYTEN. 87: Tabelle IX. Wiederholung des Versuches mit frischen Leukozyten. Einzelheiten des Versuches übrigens wie im vorigen. 0-9 prozent. NaCl-Lösung, | Prozentgehalt der kohlehaltigen welche enthält: Leukozyten u en x 100 = 32.0 Prozent Niehts I 409 x 100 = 26-6 + Natrium-Butyrat 1:50 20 21002 3.0 5 189 4.95 | 169- ” 1:250 55x 100=388 „ 245 x | z x 10=al , 1:1000 { i 96 Ba — 44.6 | >75 x 100 222 1:5000 BET —seT ’ 5 560 x 100 9-7 5 278 1:2500 —— x 100 = 38-8 0 716 x 100 = 38-8 Obgleich die in reiner NaCl-Lösung ermittelte Phagozytose in den beiden Parallelversuchen aus unbekannten Ursachen etwas mehr als ge- wöhnlich auseinander gehen (32 und 26-6 Proz.), unterliegt es doch keinem Zweifel, daß Na-Butyrat auch hier die Phygozytose bedeutend befördert hat. Auffallend ist es wieder, daß, wie wir auch sahen, bei Propionat trotz der beeinträchtigenden Wirkung der Hyperisotonie die Phagozytose doch noch bedeutend gesteigert wird. So z. B. bei Na-Butyrat 1:25000 noch zu 38-8 Prozent, das heißt doch mindestens um De x 100 = 1% Prozent. Um nicht zu ausführlich zu werden, beschränken wir uns zu der Erwähnung, daß auch Na-Formiat eine deutliche Steigerung der Phagozytose verursacht. In einer Konzentration 1:500 wirkte das Formiat schädlich. Bei 1:1000 zeigte sich eine kräftige Steigerung, die bei 1:2000 anhielt und bei 1:10000 noch sichtbar war, jedenfalls bei Zellen, die während einer Nacht im Zitrat- serum verweilt hatten. 88 H. J. HAMBURGER UND J. DE Haan. V. Versuch einer Deutung der erhaltenen Resultate. Wie hat man sich nun den günstigen Einfluß von Propionat und anderen fettsauren Seifen auf die Phagozytose zu erklären ? Handelt es sich hier um dieselbe Ursache, die wir zur Erklärung der Wirkung lipoidlöslicher Substanzen, wie Jodoform, Chloroform, Chloral usw. angeführt haben ? Auch hier könnte man sich denken, daß das Propionat — wir werden, um die Darlegung zu erleichtern, fernerhin bloß das Propionat nennen, wo wir eigentlich auch die beiden anderen Seifen, mit den wir experimentiert haben, erwähnen sollten — in der lipoiden Oberfläche sich löst, dieselbe erweicht und in dieser Weise die amöboiden Bewegungen erleichtert. Jedoch stellte sich nach vielfachen Versuchen heraus, daß das Propionat in Olivenöl vollständig unlöslich ist. Wir haben dann nach einer anderen Erklärung ausgesehen und kamen auf den Gedanken, daß Seifen in bedeutendem Maße die Eigenschaft be- sitzen, die Oberflächenspannung von Fett herabzusetzen. Man kennt den Gadschen Versuch; wenn man Öl mit einer Seifen- lösung in Berührung bringt, so entsteht eine äußerst feine Emulsion. Soweit uns bekannt, sind derartige Versuche nur mit Seifen von höheren Fettsäuren (Sapo medicatus) angestellt worden. Deshalb haben wir die- selben mit den von uns untersuchten anderen Fettsäuren wiederholt. In der Tat stellte sich heraus, daß auch propionsaures, buttersaures und ameisensaures Natron in sehr geringen Dosen emulgierend auf Olivenöl wirken. Natriumformiat wirkte kräftiger als die beiden anderen. Wir können uns nun vorstellen, daß die fettsauren Seifen sich gegen die Oberfläche der Phagozyten anlegen, die Öber- flächenspannung verringern und in dieser Weise die amö- boiden Bewegungen erleichtern. - Damit stehen folgende Beobachtungen im Einklang. Um den Gedanken zu bestimmen, schlagen wir dem Leser vor, einen Blick auf Tabelle VI S. 85 zu werfen. Es wurden gelegentlich dieser Versuchsreihe die Leukozytensuspen- sionen, nachdem dieselben ®/, Stunde bei 37° mit Kohle in Berührung ge- wesen waren, plötzlich durch Leitungswasser von 13° C abgekühlt. Dann wurden mittels eines Tropfens einer Osmiumsäurelösung die Phagozyten fixiert. Es stellte sich dabei heraus, daß in den NaCl-Lösungen von 1:1, 1-2 und 1-3 Prozent alle Leukozyten eine runde Gestalt zurückgewonnen hatten; ZuR BIOLOGIE DER PHAGOZYTEN. 89 während in den damit isosmotischen NaCl-Propionatlösungen fast alle Zellen noch Pseudopodien zeigten. Auch in der 0-9 prozentigen NaCl-Lösung fand man nur relativ wenige Leukozyten mit Pseudopodien und doch hatte die Phagozytose in dieser Lösung einen ungefähr gleichen Grad erreicht, wie in der viel Propionat enthaltenden letzteren Flüssigkeit (bzw. 12-7 und 15 Prozent). Hieraus geht hervor, daß das Propionat die Eigenschaft besitzt, die amöboiden Bewegungen der Leukozyten in günstigem Sinne zu beeinflussen, dauerhafter, resistenter zu machen. Allerdings würde es unrichtig sein, Phagozytoseund Ausstecken von Pseudopodien zu identifizieren. Denn erstens gibt es eine Anzahl Leukozyten, die wohl Pseudopodien ausstecken, aber keine Phagozytose zeigen, und zweitens hatte sich in einer anderen Versuchs- reihe mit Propionat und CaCl, herausgestellt, daß, wo beide Substanzen eine gleiche Steigerung der Phagozytose herbeiführten, die Pseudopodien- bildung in der Propionatsuspension auf dem Moment der Fixation sehr kräftig war, aber in der Chlorcaleiumlösung auffallend weniger. Mit dieser Beobachtung in Einklang stehen z. B. die nach Abkühlung und Fixation gefundenen Bilder in den Versuchen von Tabelle II. In NaCl 0-9 Prozent keine Pseudopodien, in Propionat !/,oo Y/aso, "/ıooo Starke Ent- wicklung von Pseudopodien, in Propionat !/,ooo weniger, in Y/gsooo und 1100000 Keine Pseudopodein zu beobachten. Da aber die Pseudopodienbildung eine der Bedingungen für die Phagozytose ist, so darf man aus den Beobachtungen mit Propionat schließen, daß es durch günstige Beeinflussung der Pseudopodien zur Beförderung der Phagozytose beigetragen hat. Daß es sich bei der Wirkung von Propionat bloß um eine Oberflächen- wirkung handelt und nicht um eine direkte Einwirkung auf den Zellen- inhalt, geht noch aus Volumbestimmungen hervor. Bekanntlich sind die Volumina von zwei gleichen Blutkörperchen- mengen, die dem Einfluß isosmotischer Lösungen ausgesetzt werden, die- selben!; d.h. unter der Bedingung, daß die betreffenden Substanzen nicht in die Blutkörperchen eindringen iind die Erscheinung also auf eine Wasser- bewegung beschränkt bleibt. Umgekehrt darf man auch schließen, daß, wenn zwei isosmotische Lösungen den Blutkörperchen dasselbe Volum erteilen, dieselben für die betreffenden Substanzen impermeabel sind. So haben wir dann untersucht, inwieweit eine 1-2 prozentige NaCl- Lösung, einer gewissen Blutkörperchenmenge dasselbe Volum. erteilte, wie 1 Vollständig dieselben, wenn die isosmotischen Lösungen isotonisch sind und und fast dieselben, wenn es sich um anisotonisch-isosmotische Lösungen handelt (Hedin, Pflügers Archiv 1895. Bd. LX. S. 360. 90 H.- J. HAMBURGER UND J. DE Haan. eine damit isosmotische Lösung von NaCl 0-9 Prozent, in der 0-5 Prozent Natriumpropionat aufgelöst war. Waren die Volumina gleich, so war daraus zu schließen, daß das Pro- pionat nicht oder kaum! in die Blutzellen eindrang. Die Methode bestand darin, daß trichterförmige Röhrchen?, deren 0-06 ccm enthaltender kapillarer Teil in 100 gleiche Teile verteilt war, mit 3 ccm der zwei genannten Lösungen beschickt wurden. Dann wurde 0-06 cem Blut hinzugefügt, gut vermischt, eine Stunde gewartet und bis zum kon- stanten Volum zentrifugiert. Die folgende Tabelle bringt die Resultate. Bemerken wir aber noch, daß auch eine 0-9 prozentige NaCl-Lösung in den Versuch aufgenommen wurde, und weiter, dab immer zwei Parallel- versuche gemacht wurden. Tabelle X. Einfluß von Na-Propionat auf das Volum der roten Blutkörperchen. Volum Volum Lösungen der roten Blutkörperchen |der roten Blutkörperchen nach 45 Minuten nach 1!/, Stunde 44.0 43.5 NaCl 0-9 Prozent 44.3 a 39-0 38-6 ” 1.2 ” 38-0 37-8 NaCl 0.9°%/, + Na-Propionat |\ 39-0 38-7 0-5 Prozent | 40.8 40-1 Es verhält sich also das Na-Propionat gegenüber den roten Blut- körperchen, wie z. B. NaBr und andere organische Natriumsalze, d. h. bloß Spuren von Propionsäureanion und von Natriumkation können in die Blutzellen eindringen, aber dann nur im Austausch mit gleich- namigen Ionen. ® 1 Ein wenig Propionsäure tritt in die Zefle ein, indem ein Austausch stattfindet mit darin vorhandenen CO,-Ionen. (Vgl. Hamburger und van Lier, Dies Archiv. 1902. Physiol. Abtle. S.492. — Hamburger und van der Schroeff, Ebenda. 1902. Physiol. Abtle. S. 525. Es verhält sich das Propionsäureanion wie Br, SO, und andere Anionen der Na-Salze. Sie dringen ein, wenn ein Austausch mit CO, möglich ist. Wir konnten das auch durch quantitative Phagozytoseversuche direkt nachweisen. (Vgl. H. J. Hamburger, Physikal.-chem. Unters. über Phagozyten. Wiesbaden 1912. S.55 ff.) ® H. J. Hamburger, Biochemische Zeitschrift 1907. Bd. I. 3 Über die Bedingungen für das Eintreten dieser Spuren vergleiche man: Osmotischer Druck und Ionenlehre Bd. I. S. 234 ff. Weiter: H. J. Hamburger und F. Bubanovic, Archives internationales de Physiologie 1910. Bd. X. S. 26. ZuR BIOLOGIE DER PHAGOZYTEN. 91 Natriumpropionat als solches tritt nach unseren Vorstellungen durch- aus nicht in die Zellen ein. Nun könnte man entgegenführen, daß die Permeabilitätsverhältnisse der roten und der weißen Blutkörperchen nicht dieselben zu sein brauchen. Demgegenüber bemerken wir, daß bei keiner der vielfachen Untersuchungen, welche in dieser Richtung von uns angestellt worden sind, jemals ein Unter- schied gefunden worden ist. Die Übereinstimmung geht sogar so weit, daß dieselbe hyperisotonische Salzlösung auch dieselbe prozentische Volum- abnahme bei den roten und bei den weißen Blutkörperchen herbeiführt. Und für hypisotonische Lösungen gilt genau dasselbe.! Ferner stellte sich die Analogie noch heraus beim phagozytären Ver- halten der Leukozyten gegenüber anisotonischen Salzlösungen.? Wir gelangen also zur Schlußfolgerung, daß wir bis jetzt drei Ursachen für die Beschleunigung der Phagozytose gefunden haben. 1. Spuren von Calciumsalzen.® Es kann kaum einigem Zweifel unterliegen, dab es sich hier um eine Wirkung das Caleiums auf das Zell- protoplasma handelt. Ob hier noch eine Oberflächenwirkung des Ca hinzu- kommt, ist uns bis jetzt unbekannt geblieben. 2. Lipoidlösliche Substanzen, wie Jodoform, Chloroform, Chloral, Terpentin usw. In infinitesimalen Dosen angewandt? beschränken sie ihre Wirkung auf die lipoide Oberfläche, die sie erweichen und wodurch die amöboiden Bewegungen erleichtert werden. In etwas größeren Dosen angewandt kommt noch ein zweiter Faktor zur Geltung, nämlich die schädliche Wirkung der genannten Stoffe auf das Protoplasma. Denn alle diese lipoidlöslichen Substanzen dringen leicht in die Zellen hinein und wirken dann lähmend. 3. Seifen, wie Propionat, Butyrat und Formiat. Diese Substanzen treten, im Gegensatz zu den lipoidlöslichen, nicht in die Phagozyten ein. Sie wirken nicht wie das Calcium, auf das Protoplasma. ı H. J. Hamburger, Dies Archiv. 1898. Physiol. Abtlg. S. 317; Osmotischer Druck und Ionenlehre. Bd. I. 8. 339. ® Vgl. H. J. Hamburger, Physikalisch-chemische Untersuchungen über Phago- zyten. Ihre Bedeutung von allgemein biologischem und pathologischem Gesichtspunkte. Wiesbaden 1912. S. 14. 20—23. 29. 196. ® In 0-9 prozentiger NaCl-Lösung befördert Zusatz von 0-005 prozent. CaCl, noch die Phagozytose. Nach starker Herabsetzung der Phagozyten in Chloroform haltiger 0-9 prozentiger NaCl-Lösung ist 0-0005 prozent. CaCl, noch kräftig wirk- sam in günstigem Sinne. * So z.B. steigern Chloroform, Y/so00000 Propionsäure Y/,ooooooo die Phagozytose. 92 H. J. HAMBURGER UND J. DE Haan. Auch ist ihr Verhalten zu den Phagozyten ganz verschieden von dem der lipoidlöslichen Substanzen; denn sogar in großer Konzentration angewandt, z.B. 1:250, in Konzentrationen, in den die lipoidlöslichen Substanzen die Zellen unbedingt töten, führen sie noch eine sehr kräftige Beschleunigung der Phagozytose herbei. Wenn sie in noch größeren Dosen schädlich wirken, so tun sie das hauptsächlich, viel- leicht ausschließlich, durch ihre dann zu hoch aufgeführte Hyperisotonie. Ferner ist es merkwürdig, — und darin unterscheiden sich die Seifen auch noch vom Ca und von den lipoidlöslichen Substanzen — daß inner- halb ziemlich weiter Grenzen die verschiedenen Konzentra- tionen die gleiche Steigerung der Phagozytose herbeiführen. (Vgl. z.B. Tabelle II, VIII usw.) Wir glauben, daß die genannten Seifen die Phagozytose dadurch steigern, daß eine von deren Bedingungen, nämlich die amöboide Bewegung befördert wird, und zwar durch Verminderung der Oberflächenspannung. Es erheben sich noch viele Fragen, auf die wir jedoch aus äußeren Gründen vorläufig nicht eingehen können. Zusammenfassung. Der Ausgangspunkt vorliegender Untersuchungen war die früher ge- machte Beobachtung, daß Propionsäure und andere Fettsäuren in viel geringeren Dosen auf die Phagozytose schädlich wirken, als die anderen lipoidlöslichen Substanzen (wie Chloroform, Chloral, Terpentin usw.), welche in dieser Beziehung den Teilungsgesetzen gehorchen (S. 79). Die Ursache dieser Abweichung ist, wie wir jetzt fanden, nicht darin gelegen, daß das Fettsäureanion einen schädlicheren Einfluß auf das Protoplasma ausübt, als die äquimolekulare Menge Chloroform, Terpentin usw., sondern in den freien Wasserstoffionen. Denn es stellte sich heraus, daß Propionsäure und H,SO, von gleichem H-Ionengehalt auch in gleichem Grade die Phagozytose beeinträchtigten (vgl. Tab. I S. 80). War diese Ansicht richtig und also nicht das Propionsäureanion, sondern das H-Ion das maßgebende, so ließ sich erwarten, daß das Na- Propionat in der entsprechenden Verdünnung nicht ungünstig wirken würde. Das war in der Tat auch nicht der Fall. Denn, 3. nicht nur ertrugen die Phagozyten diese schwachen Dosen ohne ge- schädigt zu werden, sie ertrugen auch stärkere Konzentrationen, d.h. also Lösungen, in den das Propionsäureion in viel größeren Konzentration Vor- handen war. ZuR BIOLOGIE DER PHAGOZYTEN. . 93 Ja, es wurde konstatiert, daß, wenn man in NaCl 0-9 Proz. sehr große Dosen Propionat auflöste, die Phagozytose sogar erheblich stieg (z.B. um 100 Prozent durch 1g Na- Ion lonal in 250cem NaCl-Lösung 0-9 Proz.). 4. ‚Diese Steigerung, die auch bei buttersaurem und ameisensaurem Natron beobachtet wurde, war um so mehr be- merkenswert, weil die -Flüssigkeit durch Zusatz genannter Seifen stark hypertonisch wurde und, wie früher nachgewiesen wurde, die Hyperisotonie sehr nachteilig auf die Phagozytose wirkt. So wurde durch Zusatz von 1& Na-Propionat zu 100 ccm 0-9 prozent. NaCl-Lösung die Flüssigkeit isosmotisch mit einer 1-5 prozentigen NaCl- Lösung. Diese Kochsalzlösung hebt die Phagozytose vollständig auf. Die genannte isosmotische Propionat-Kochsalzlösung beförderte sie um etwa 16 Prozent (vgl. Tab. II S. 82). 5. Fragt man sich, wie die durch fettsaure Seifen herbeigeführte Be- förderung der Phagozytose erklärt werden kann, so gelangt man zur Schluß- folgerung, daß die Beschleunigung kaum derselben Natur sein kann, als die durch Spuren von Calcium und durch Spuren lipoidlöslicher Substanzen verursachte. - Beim Caleium handelt es sich, wenigstens in der Hauptsache, um eine spezifische Wirkung dieses zweiwertigen Metalls auf den Zellinhalt. Bei den lipoidlöslichen Substanzen, wie Chloroform, Jodoform, Terpentin usw., schrieben wir die beschleunigende Wirkung einer Erweichung der Zellenoberfläche zu, die dadurch beweglicher wird. Für eine durch Chloroform usw. herbeigeführte Abnahme der Oberflächenspannung konnte keine einzige Anweisung gefunden werden. In etwas größeren Dosen kommt dann noch ein zweiter Faktor zur Geltung, nämlich der lähmende Einfluß der lipoidlöslichen Substanz auf das Protoplasma. Bei der Seifenwirkung muß man eine Verminderung der Oberflächenspannung als Ursache annehmen. Von einem Eindringen dieser Substanzen in die Zellen, wie das bei den lipoidlöslichen Substanzen beobachtet wird, kann kaum die Rede sein; schon deshalb nicht, weil sich die untersuchten Seifen als durchaus unlös- lieh in Olivenöl erwiesen haben. Damit in Einklang steht die Wahrnehmung, daß selbst bei Anwendung von starken Konzentrationen genannter Seifen von einer Lähmung des Protoplasmas, wie das bei den lipoidlöslichen Substanzen der Fall ist, nicht die Rede ist. Chloroform wirkt beschleunigend in Dosen von 1:5000000; die lähmendeWirkung ist schon merkbar in einer Konzentration von 1:100000; 9 H. J. HAMBURGER UND J.DE Harn: Zur BIOLOGIE DER PHAGOZYTEN. während, wie gesagt, Na-Propionat selbst noch nicht in einer Konzentration von 1:250 lähmend wirkt, im Gegenteil, die Phagozytose stark befördert. Endlich bilden propionsaures, buttersaures und ameisensaures Natron (andere wurden nicht untersucht) mit Olivenöl gute Emulsionen. Und endlich weisen auch die mikroskopischen Bilder, die man nach Abkühlung und Fixation der Leukozyten bekommt, auf eine Ver- minderung der Oberflächenspannung hin (vgl. S. 88ff.). Wie dem aber auch sei, man hat bei den Seifen mit einer dritten, neuen Kategorie von Phagozytose befördenden Sub- stanzen zu tun. Asglutination bei Algen. II. Mitteilung. Beziehungen des Stoffwechsels der Zelle zu ihrem agglutinatorischen Verhalten. Von Dr. Stephanie Rosenblat-Lichtenstein. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Berlin. Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. M. Rubner.) In der ersten Mitteilung „Über die Differenzierung von Algen mit Hilfe spezifischer Asglutinine‘“! habe ich unter anderem erwähnt, daß von der grünen Alge Chlorella protothecoides Krüger auf Traubenzuckerpeptonagar farblose Kulturen erhalten wurden. Da von diesen nur zwei Röhrchen zur Verfügung standen, so mußte von der Untersuchung des gegenseitigen Verhaltens dieser so ganz verschieden aussehenden Kulturen abgesehen werden. Die ‚farblosen‘ Kulturen sind ganz spontan entstanden, indem in einer Reihe von einer grünen Chlorella protothecoides Krüger überimpften Röhrchen zwei einen schmutzig weißlich-gelben Belag zeigten. Der Nähr- boden war überall der gleiche: 1 prozentiger Traubenzuckerpeptonagar. Die erste Vermutung einer bakteriellen Verunreinigung mußte bei der mikro- skopischen Prüfung des Materials fallen gelassen werden. Die farblose Chlo- rella ließ sich sehr schwer weiter züchten. Die meisten Röhrchen gingen gar nicht an, manche zeigten ein sehr spärliches Wachstum, und nur nach wochenlangem Überimpfen gelang es, noch vier üppig gewachsene farblose Kulturen zu erhalten, mit denen die folgenden Versuche angestellt worden sind. In der letzten Zeit gelingt es durch Erhöhung des Zuckergehalts des Nährbodens von einer grünen Kultur der Chlorella protethocoides Krüger ausgehend Kulturen zu züchten, die nur vereinzelte grünlich verfärbte Stellen aufweisen, im übrigen aber dasselbe weißlich-gelbe Aussehen haben, wie die oben beschriebenen Kulturen. Ich glaube annehmen zu dürfen, 1 Dieses Archiv, 1912. Physiol. Abtlg. S. 415. 96 STEPHANIE ROSENBLAT-LICHTENSTEIN: daß es durch eine bestimmte Kultivierungsmethode demnächst gelingen wird, das Vermögen der Chlorophyllbildung vollständig zu unterdrücken. “Betrachten wir unsere Kulturen in mikroskopischen Präparaten, so konstatieren wir folgendes. Bei der grünen Kultur sehen wir im hängenden Tropfen lauter grüne Zellen; bei der farblosen sehen wir die gleichen Zellen, dieselbe Form, dieselben Teilungen, nur die grüne Verfärbung fehlt, die Zellen erscheinen farblos. Werden die grünen Zellen, nachdem sie zur Ex- traktion des Chlorophylis mit Wasser und Alkohol behandelt worden sind, in einen Tropfen Wasser gebracht und dazu Jodjodkalium zugesetzt, so tritt eine Blaufärbung im Innern der Zellen ein, was auf die Anwesenheit von Stärke hinweist. Dagegen ergibt das Jodpräparat der farblosen Kultur ein ganz anderes Bild. Die Zellen sind rotbraun gefärbt, was einer Glykogen- reaktion entspricht. Es ergibt sich somit, daß einerseits die Chloroplasten der farblosen Zellen ihr Vermögen, Chlorophylifarbstoff zu bilden, verloren haben, und andererseits infolge der höchstwahrscheinlich im Stoffwechsel der farblosen Alge hervorgerufenen Veränderung eine starke Glykogen- bildung eingetreten ist. Noch prägnanter als mit der Jodreaktion im mikro- skopischen Bilde kann man die Verschiedenheit der grünen und farblosen Zellen mit Hilfe des Fluoreszenzmikroskops wahrnehmen. Bekanntlich beruht das Prinzip der Untersuchung mit dem Fluoreszenzmikroskop auf der Eigenschaft gewisser Substanzen, von ultraviolettem Licht bestrahlt, zu fluoreszieren. So fluoresziert z. B. Stärke violett. Die grünen Zellen der Chlorella protothecoides zeigen im Fluoreszenz- mikroskop (Reichert-Wien) ein eigenartiges Bild. Die Chloroplasten leuchten rubinrot und heben sich sehr plastisch von dem übrigen dunkel- violett erscheinenden Zellinhalt ab. Bei der farblosen Chlorellakultur findet man keine solche Farbendifferenzierung: die Zellen strahlen ein weiß-bläu- liches, fahles, dem Mondschein ähnliches Licht aus. (Einen ähnlichen Farben- ton nimmt man wahr, wenn man reines Glykogen im Wassertropfen mit dem Fluoreszenzmikroskop betrachtet; hier kommt noch ein schwacher Stich ins grünliche hinzu.) Konnte also auf Grund der mikrochemischen Jodreaktion das Glykogen als Hauptbestandteil des Zellinhalts bei der farblosen Kultur differenziert werden, so spricht auch das total verschiedene Fluoreszenzvermögen der beiden Zellarten ganz unzweideutig dafür, daß die farblose Zelle durch einen abweichenden Stoffwechsel gekennzeichnet ist. Es ist eine Anhäufung einer spezifischen Substanz eingetreten, was höchst wahrscheinlich auch eine Strukturänderung des Zellplasmas zur Folge hat. Die Annahme war naheliegend, daß die nun physiologisch so deutlich differenzierten Zellarten auch betrefis der bekannten biologischen Re- aktionen sich verschieden verhalten müssen. Im Zusammenhang mit meiner AÄGGLUTINATION BEI ALGEN. 97 ersten Mitteilung über Algenagslutinine ist auch hier zuerst die Aggluti- nationsreaktion in Angriff genommen worden. Hierzu kam auch die Über- lesung, daß durch das Prüfen des Verhaltens der agglutinablen Substanzen _ und eventuelle Verschiedenheit der immunisatorischen Effekte am schnellsten ein Resultat zu erzielen wäre. Es soll gleich vorweg genommen werden, daß die diesbezüglichen Versuche unsere Vermutung bestätigt haben. Die Versuche, die im folgenden besprochen werden sollen, sind so aus- seführt worden, daß ein Kaninchen mit einer farblosen Kultur von Chlorella protothecoides Krüger und gleichzeitig ein zweites Kaninchen mit einer grünen Chlorella protothecoides Kultur intravenös und während längerer Zeit behandelt wurden. Mit den beiden auf diese Weise erhaltenen Seris wurde die Agglutinationsreaktion vorgenommen, wie sie die folgenden Tabellen veranschaulichen. . Tabelle I. Serum F (durch Vorbehandlung eines Kaninchens mit der farblosen Chlorella- kultur erhalten). Besichtigung der Röhrchen nach 2-stündigem Aufenthalt im Brutschrank bei 37°C und nach 24-stündigem. Stehen im Eisschrank. ° Serum F, Farblose Grüne 5 Chlorellakultur, Chlorellakultur, Je leem je 1 Normalöse je 1 Normalöse 1:100 äF 0 1:200 Ar 0 1:400 ar 0 1:500 IE 0 1:600 + 0 1:700 ar 0 1:800 SF 0 1:1000 0 0) Tabelle Il. Serum G@ (durch Vorbehandlung eines Kaninchens mit der grünen Chlorella- kultur erhalten). Besichtigung der Röhrchen nach 2-stündigem Aufenthalt im Brutschrank bei 37°C und nach 24-stündigem Stehen im Eisschrank. an ; en a je 1 ccm je 1 Normalöse je 1 Normalöse 1:100 + 0 1:209 + 0 1:400 + 0 1:500 + 0 1:600 F 0 1:800 0 0 Archivf.A.u.Ph. 1913. Physiol. Abtle. 7 98 STEPHANIE ROSENBLAT-LICHTENSTEIN: Aus den Tabellen geht hervor, daß das mit farbloser Chlorellakultur gewonnene Immunserum wohl die farblose, aber nicht im geringsten eine grüne Kultur agglutiniert. Das gleiche gilt bei dem Serum, das durch Be- handeln eines Kaninchens mit grüner Chlorellakultur erhalten war: es wirkt streng spezifisch, indem es nur die grüne, nicht aber die farblose Chlorella agglutiniert. Eine von den farblosen Kulturen ist nachträglich grün geworden. Wurde das Serum F (also mit farbloser Kultur gewonnen) in passenden Verdünnungen mit ihr versetzt, so trat auch hier keine Agglutination ein. Es resultiert somit das merkwürdige Ergebnis, daß zwei Kulturen, die dem- selben Stamme zugehören, da ja von einer und derselben Kultur abgeimpft, und die sich makroskopisch voneinander nur dadurch unterscheiden, daß bei einer die grüne Färbung fehlt, sich bei der Agglutinationsprobe wie zwei verschiedene Spezies verhalten. Daß es sich im vorliegenden Falle nicht um eine Beeinflussung der Asglutinierbarkeit handelt, so daß trotz Agglutininbindung keine Aus- flockung eintritt, die nötigen Rezeptoren für die spezifischen Agglu- tinine jedoch noch vorhanden sind, sondern eine vollständige Änderung am Rezeptorenapparat der chlorophyllosen Algenzellen vorliegt, konnte durch Absorptionsversuche entschieden werden. Diese wurden in folgender Weise angestellt. Vom Serum @ wurden 11/, ccm in der Verdünnung 1:400 mit 8 Normal- ösen einer farblosen Chlorellakultur versetzt. Nach einem 8-stündigen Stehen im Brutschrank wurde stark zentrifugiert. Die obenstehende Flüssig- keit wurde abpipettiert und ihr Agglutinationsvermögen gegenüber der grünen Chlorella geprüft. Es trat vollständige Agglutination ein. Der in derselben Weise ausgeführte parallele Absorptionsversuch mit Serum F (Serumverdünnung 1:600) und grüner Chlorella ergab das gleiche Resultat: die abzentrifugierte Flüssigkeit hat ihre Agglutinationskraft für die farblosen Zellen behalten. Die letzteren scheinen somit ganz andere agglutinable bzw. agglutinogene Eigenschaften erworben zu haben. Es sind auch viele andere Versuche wiederholt gemacht worden, wo typisch agglutinable Stämme infolge chemischer oder thermischer Ein- wirkungen sich nachträglich durch vollständige In- oder Hypagglutina- bilität auszeichneten (Nicolle und Trenel!, Eisenberg, P. Th. Müller? und andere). In diesen sowie in den Versuchen von Kirstein® mit Bac. I Nicolle et Trenel, Annales de l’institut pasteur, 1902. ® Eisenberg, Zentralblatt für Bakteriologie 1906. ® P. Th. Müller, Münch. med. Wochenschr. 1903 und Zeitschrift für Im- mumität 1909. * Kirstein, Zeitschrift für Hygiene 1904. STEPHANIE ROSENBLAT-LICHTENSTEIN. 99 prodigiosus, der bei 37° C als farbloser Stamm gezüchtet, eine viel schwä- chere Ausflockbarkeit besitzt als in dem Falle, wenn er bei Zimmertempe- ratur gehalten wird, handelte es sich lediglich um eine Beeinflussung der Agglutinierbarkeit, indem keine Änderung in der Absorption des Agglu- tinins feststellbar war. Gewisse den unsrigen ähnliche Beobachtungen sind in der Literatur bekannt. So konnten Bordet und Sleeswyk! beim Bordetschen Keuch- hustenbazillus ein verschiedenes agglutinatorisches Verhalten feststellen, je nachdem das Stäbchen auf gewöhnlichem oder auf Blutagar gezüchtet wurd. Altmann und Rauth? konnten durch Züchtung eines B. coli auf Karbolagar einen serologisch vollständig verschiedenen Stamm er- halten, dessen Serum auf den Ausgangsstamm nicht wirkte und der auf das Serum der Ausgangskultur nicht reagierte. In diesen Fällen ist die vollständige Änderung der Rezeptorenapparate durch den Einfluß des Nährmediums erzielt worden. Durch mannisfache äußere Einflüsse können aus einer ursprünglichen Kultur serologisch ver- schiedene Stämme gezüchtet werden, die morphologisch und kulturell gar nicht oder sehr wenig sich voneinander unterscheiden. Trotzdem muß die Verschiedenheit der Spezifizität der Reaktionsprodukte anderen Ur- sachen zuzuschreiben sein, die sich äußerlich nicht dokumentieren, oder bei den vorwiegend für die Versuche herangezogenen Bakterien mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln nicht leicht wahrzunehmen sind. Im all- ‚gemeinen kann man dann annehmen, wie es auch in der Regel geschieht, daß es sich in solchen Fällen um Strukturänderung des Bakterienplasma, ‚Änderungen am Bakterienprotein handelt. Bei unserem Versuchsmaterial, den verschiedenen Algenstämmen derselben ursprünglichen Chlorellakultur, konnte mit Hilfe der mikrochemischen Reaktion sowie des Fluoreszenz- mikroskops die Ursache der Zustandsänderung der farblosen Algenzelle eruiert werden. Das vollständige Ausbleiben des Chlorophyllfarbstofis, Verschwinden des für die grünen Zellen charakteristischen Assimilations- produktes, der Stärke, Dominieren eines anderen Reservestoffes — des ‚Glykogens — und die damit zweifellos verbundene Strukturänderung des Zellplasmas rufen ein abweichendes Verhalten hervor. Serologisch geprüft, wenigstens was die Agglutinationsreaktion anbetrifft, lassen solche Zellen eine totale Änderung am Rezeptorenapparat erkennen. 1 Bordet et Sleeswyk, Annales de linstitut Pasteur 1910. ®2 Altmann und Rauth, Zeitschrift für Immunitätsforschung 1910. Die Gehörsempfindung bei isolierter, willkürlicher Zusammenziehung des Steigbügelmuskels. Von Wilh. Filehne. Im Jahre 1850 veröffentlichte A. Fick! folgende Beobachtung: „Wenn man die Zahnreihe des Unterkiefers so weit hinter die des Ober- kiefers zurückzieht, als man kann, dabei die Kiefer mäßig fest geschlossen hält und nun kräftig und recht plötzlich sämtliche Kaumuskeln zusammen- zieht, so’hört man ganz deutlich einen singenden Ton im Ohr. — Man hört diesen Ton noch stärker, wenn man während des Aktes mit zwei Finger- spitzen den Eingang in die Ohren möglichst fest verschließt. — Dieser Ton bildet sich genau synchronisch mit der Kontraktion der Kaumuskeln, und hört auf, sobald die Kontraktion derselben nachläßt, er läßt sich aber auch nicht fortdauernd erhalten, wenn man die Kontraktion der Kau- muskeln dauernd erhält, sondern verschwindet dabei ebenfalls. Wechselt man mit Kontraktion und Nachlaß der Kaumuskeln sehr rasch, so hört man deutlich bei jeder Kontraktion den Ton aufs neue entstehen, ob- gleich die Intervalle nicht lang genug sind, um das Überfließen des ersten in den zweiten durch eine tonlose Pause zu verhindern. Es liegt ziemlich nahe zu vermuten (fährt A. Fick fort), dab dieser singende Ton durch eine plötzliche Kontraktion des Tensor tympani ver- anlaßt wird, und daß wiederum die Kontraktion dieses Muskels durch die Erregung des plötzlichen kräftigen Innervationsstromes in den Nerven der Kaumuskeln induziert wird. — Die Nervenverteilung der betreffenden Muskelnerven legt diese Vermutung nahe. — Es läßt sich aber auch der Beweis liefern, daß diese Vermutung richtig ist.“ 1 Joh. Müllers Arch. f. Anatomie, Physiologie usw. 1850. S. 526. WıLH. FILEHNE: GEHÖRSEMPFINDUNG USW. 101 A. Fick fügt in den äußeren Gehörgang luftdicht ein Kapillarmano- meter mit einem Quecksilbertröpfchen ein, erzeugt den singenden Ton: „„...80 bewegt sich der im Röhrchen stehende Tropfen rasch und kräftig gegen das Trommeliell hin und weicht beim Nachlaß: des Tones wieder zurück, wodurch einfach die oben ausgesprochene Vermutung bewiesen ist.“ Ohne das Tatsächliche dieser Beobachtung, die übrigens jeder als richtig leicht kontrollieren kann, zu bestreiten, wandte sich ©. Funke! gegen die Schlußfolgerungen A. Ficks, Er sagt: „Der Ton... beweist ...nichts weniger als eine Kontraktion des fraglichen Muskels (Tensor), die Bewegung des Quecksilbertröpfchens wird meines Erachtens durch die mit dem Finger fühlbare Erweiterung des äußeren Gehörgangs bei der Bewegung des Unterkiefers in seinem Gelenk hervorgebracht.‘ Mit diesem Einwande hat ©. Funke denn doch dem so hervorragen- den Scharfsinn und der so zuverlässigen Beobachtungsgabe A. Ficks Unrecht getan. . Es soll nicht einmal besonderes Gewicht darauf gelegt wer- den, daß in dem Fiekschen Experimente, — worauf A. Fick? später selbst hinwies — schon vor dem Eintritte der Kaumuskelinnervation ‚die beiden Kiefer mäßig fest geschlossen‘ gehalten werden sollen, so daß von einer „Bewegung des Unterkiefers in seinem Gelenk“, wie Funke meint, nicht die Rede sein kann. Immerhin könnte die Kontraktion der Kaumuskeln auf die Weite des äußeren Gehörgangs im Sinne Funkes möglicherweise doch einen Einfluß ausüben. Aber A. Fick gibt ja doch ausdrücklich an, daß beim Aufhören des Tones und nicht der Kaumuskelkontraktion das Quecksilbertröpfiehen zurückweicht, während bei andauernder Innervation der Kaumuskeln der Ton sehr bald verstummt. Und trotz Fortdauer der Kaumuskelkontraktion geht das Tröpfchen zurück, ohne daß sich in den mechanischen Verhältnissen des äußeren Gehörganges, soweit sie direkt von den Kaumuskeln abhängen, irgend etwas ändert. Also mit dem Verklingen des Tones und nicht mit Nachlaß der Kau- muskelkontraktion steigert sich der Druck im luftdicht abgeschlossenen äußeren Gehörgange Mit anderen Worten: sobald der ‚Ton‘ aufhört, rückt das Trommelfell wieder nach außen. Funkes Einrede ist also ab- zuweisen. Beim Ertönen des Klanges wird tatsächlich das Trommelfell nach innen gezogen, um nach kurzer Zeit wieder in seine Normallage bei Verstummen des Klanges zurückzukehren, und diese Bewegung kann nur durch eine kurzdauernde, aber wiederholbare Kontraktion des Tensors veranlaßt sein, der wie die Kaumuskeln vom dritten Ast des Trigeminus versorgt wird. 1 Lehrbuch der Physiologie 1866. 4. Aufl. Bd. II. 8. 137. 3 Anatomie und Physiologie der Sinnesorgane, Lahr 1864. S. 135. 102 Wırn. FILEHNE: Vierundzwanzig Jahre später, 1874, machte Aug. Lucae! bezüglich des Fazialis und des von diesem innervierten Steigbügelmuskels eine Beobachtung, die der Fickschen Trigeminus-Trommelfellspanner-Erfahrung analog zu sein scheint, die aber A. Lucae ebensowenig genauer analysierte wie die Ficksche, Gelegentlich einer Untersuchung über die Bedeutung der beiden Binnenohrmuskeln als Akkommodationsapparate des Hör- organs fand er nämlich: Bei starker Innervation einer Gruppe mimischer (Gesichtsmuskeln, am besten des M, orbicularis palpebrarum, tritt — neben andern von ihm näher studierten (Akkommodations-) Erscheinungen — ein subjektives „tiefes Brummen“ auf. Lucae schließt sich in bezug auf den im Experimente A, Ficks ent- stehenden hohen Klang (Ficks ‚„singender Ton‘ wird von Lucae als „piepend‘“ bezeichnet) der Auffassung des älteren Forschers an: er sei durch die Kontraktion des Tensors verursacht; für das bei Fazialisinner- vation von ihm und der Mehrzahl seiner Versuchspersonen gehörte tiefe Brummen sieht er analog die letzte Ursache in der Kontraktion des vom Fazialis aus mitversorgten und mitbewegten M. stapedius. Daß der Stapedius sich bei Zukneifen der Lidspalte usw. wirklich kontrahiere, konnte er an den Bewegungen des Trommelfelles direkt nachweisen, die hierbei umgekehrt wie bei Tensoraktion erfolgen. Aber so klar, so einfach und so schlüssig, wie sie Lucae nahm, liegt die Sache denn doch nicht. Strenggenommen lehrt das Experiment A. Ficks nichts weiter, als daß, unter den dort innegehaltenen Bedingungen, zugleich mit der kurzdauernden Zusammenziehung desM. tensor tympani ein hoher, singender ‚Ton‘ erklinge, — nicht aber daß dieser Ton durch die Kon- traktion des Tensor erzeugt werde. Und ebenso ist für Lucaes „tiefes Brummen“ nichts weiter ermittelt, als daß dieses zur selben Zeit wie die Stapediuskontraktion auftritt, nicht aber daß letztere das erstere bedinge, Der Ficksche Versuch in sich selbst schon spricht dafür, daß der singende Ton und die Kontraktion des Tensors nur bedingt gleich- zeitige Erscheinungen sind und nicht im Verhältnisse von Wirkung und Ursache stehen, sie sind nicht ohne weiteres zeitlich aneinander gebunden. Denn das Ficksche Experiment schreibt nicht die für naturgemäße maxi- male Kaumuskelwirkung günstigste — natürliche — Unterkieferstellung vor, bei der doch eine optimale Mitkontraktion des Tensors erfolgen muß; viel- ! Akkommodation und Akkommodationsstörungen des Ohres. Berliner klinische Wochenschrift 1874. Nr. 14 u. ff. GEHÖRSEMPFINDUNG BEI ZUSAMMENZIEHUNG DES STEIGBÜGELMUSKELS. 103 mehr soll und muß der Unterkiefer möglichst weit zurückgezogen werden, bevor die Kaumuskeln spielen. Man lese dies in der eingangs dieser Mitteilung wörtlich wiedergegebenen Fickschen Vorschrift noch einmal nach. Denn das wußte A. Fick sehr wohl, daß ohne Erfüllung dieser der singende Ton nicht (oder doch nur sehr unvollkommen [s. w. u.]) ent- steht, obwohl doch selbstverständlich — und überdies von A. Fick! und Lucae? wirklich nachgewiesen — die Tensorzusammenziehung gerade optimal zustande kommt, wenn die Kaumuskeln bei natürlicher Kiefer- haltung in Aktion versetzt werden. Aber auch sonst sind Tatsachen be- kannt, die schlagend dagegen sprechen, daß eine kräftige Tensorzusammen- ziehung jenen singenden hohen Ton A. Ficks erzeuge oder auch nur notwendigerweise von ihm begleitet sei. Bekanntlich sind nicht gerade sehr wenige. Menschen imstande, ihren M. tensor tympani will- kürlich zu kontrahieren, was auch durch direkte Betrachtung des Trommel- fells,, Manometerversuche, empfindliche Flammen usw. sichergestellt ist. Niemand hat bisher angegeben, daß er dabei A. Ficks singenden Ton höre. K.L. Schaefer? sagt in Nagels Handbuch: „Ich gehöre selbst zu denen, . die diese Fähigkeit besitzen. Zum Zwecke der Tensorzusammenziehung hebe ich das Gaumensegel. Dabei entsteht in der Regel ein knackendes Geräusch in beiden Ohren, das von der Öffnung der Tuben herrührt. Neben diesem Knacken und noch deutlicher, wenn dasselbe einmal aus- bleibt, habe ich eine sehr weiche, sehr kurzdauernde, flatternde Gehörs- empfindung, die zweifellos von einer Mitbewegung des Trommelfells ver- ursacht wird“ usw. Ganz neuerdings beschreibt E. Mangold? eine hierbei andauernde Gehörswahrnehmung, die wie ferner Donner erscheint und die er ebenfalls — wie Schaefer — von Bewegungen des Trommelfells ab- leitet. Man könnte — an sich ja mit Recht — einwenden, die Versuchspersonen hätten auf weiches Flattern und auf Donnern ihre Aufmerksamkeit ver- braucht und den „singenden“, „piependen‘“ ‚Ton‘ nicht beachtet, nicht wahrnehmen können. Dieser Einwand ist aber schon durch A. Fick im- plizite widerlegt: bei normaler Kieferhaltung bekommt Fick zwar in- folge Kaumuskelspiels die Tensorkontraktion, aber erst bei Zurückziehen des Unterkiefers den singenden Ton. Der Tensor allein macht den singen- den Ton nicht. Da auch ich den Tensor willkürlich, und zwar isoliert, also 1 Anatomie und Physiologie der Sinnesorgane a. a. O. (8. 135). Bei natürlicher Kieferhaltung, also ohne den singenden Ton, beansprucht A. Fick die Priorität des Nachweises für L. Fick; ein Zitat ist nicht gegeben. 24.2.0. ® Bd. III. 1905. S. 557. * Pflügers Archiv. Bd. CXLIX (1913). S. 539#f. 104 WırH. FILEHNE: ohne Gaumensegelhebung und ohne Tubenknacken, zu kontrahieren ver- mag, bin ich für diese Prüfung ein um so geeigneteres Versuchsobjekt, als ich auf den „singenden Ton“ des Fickschen Versuchs besonders ein- gewöhnt bin — und noch aus einem anderen Grunde, wie sich bald zeigen wird. Mittels einer empfindlichen Flamme ist bei mir die Einziehung des Trommelfells bei der ‚‚Tensorkontraktion‘“ kontrolliert: die Flamme wird auf der Höhe der „Tensorkontraktion“ ganz klein. Gleichviel nun, ob ich den Tensor allein zusammenziehe oder ob ich, bei normaler Kiefer- stellung, die Kaumuskeln innerviere und hierdurch den Tensor in Mitbe- wegung versetze, ich höre den Fickschen hohen Klang nicht. Lucae gab an, er höre ihn auch bei normaler Kieferhaltung, wenn er Zusammen- ziehung der Kaumuskeln veranlasse. Dieser Widerspruch ist nur schein- bar: wenn ich wie andere Menschen die Kaumuskeln innerviere, d. h. nicht auf eine (möglichst) isolierte Erregung der Kaumuskeln acht gebe, dann gibt es auch bei mir, sobald ich energische Kaumuskelinnervation los- brechen lasse, allerlei Grimassieren und Mitbewegung im Gesicht, im Mund- grunde, am Halse — und dann höre auch ich den Klang. Bei isolierter Tensor- und bei isolierter Kaumuskelkontraktion aber niemals. Ich habe mehr als die meisten Menschen Herrschaft über meine mimischen Muskeln; ich kann einzelne Partien: Ohrmuscheln, Kopischwarte, Pla- tysma usw. einzeln bewegen und kann deren Mitbewegung — wohlbe- merkt: auch wo keine Antagonisten vorhanden sind — hemmen. Ob Lucae dies konnte, ist mir nicht bekannt, jedenfalls erwähnt er diese Irr- tumsquelle nicht und hat also Mitbewegungen nicht zielbewußt ausge- schlossen. Ich aber bin bei mir sicher, daß ich bei Ausschluß von Mitbe- wegungen weder bei willkürlicher direkten Tensorzusammenziehung noch bei isolierter Kaumuskelkontraktion jenen lauten hellen hohen Klang ver- nehme, den ich sofort empfinde, sobald ich A. Fieks Vorschrift — Zurück- ziehen des Unterkiefers — befolge. Bei dieser Kieferhaltung treten aber eleichzeitig mit der Zusammenziehung der Kaumuskeln, unvermeidbar auch für mich, Mitbewegungen in Muskeln des Gesichts, des Mundgrundes, des Halses ein, die mit dem dritten Aste des Trigeminus nicht das mindeste zu schaffen haben.! In dieser Beziehung wollen wir deshalb weiter unten ! Hiermit hängen offenbar die von K. L. Schaefer in seinem Referate ‚Die subjektiven Töne und Geräusche usw.‘ (Verhandl. d. D. Otolog. Gesellsch. auf d. 18. Versamml. in Basel 1909) S. 15 des S.-A. erwähnten Beobachtungen Kiessel- bachs (M. f. O. 1886 Nr. 4) zusammen, „daß nicht nur beim Verschieben des Unter- kiefers (nach Brunner) ein klingender Ton gehört werde, sondern daß ein derartiger Klang auch bei geschlossenem Munde durch starkes Anspannen der den Kiefer herabziehenden Muskeln entstände.‘“ Auch Kiesselbach nahm (nach Schaefers GEHÖRSEMPFINDUNG BEI ZUSAMMENZIEHUNG DES STEIGBÜGELMUSKELS. 105 über eine eingehende Prüfung berichten und durch sie feststellen, welche Muskeln es sind, deren Zusammenziehung notwendig, d. h. stets von jenem Klange begleitet ist. Aber die vom dritten Aste des Trigeminus inner- vierten Kaumuskeln und Tensor sind dies bestimmt nicht. Bei isolierter Tensorkontraktion höre ich, vielleicht wegen einer ge- wissen durch die Jahre herbeigeführten Schwerhörigkeit das tiefe, flatternde weiche Geräusch K. L: Schaefers und den Donner E. Mangolds nicht. Sie verdecken mir also auch nicht etwa den sonst stets von mir trotz „Schwerhörigkeit‘“ so klar, deutlich, laut und scharf vernommenen hohen Klang Ficks; es fällt bei mir also der Einwand fort, den wir für die nor- malhörenden Versuchspersonen als berechtigt vorher anerkennen mußten. Nur in der absoluten Stille der Nacht höre ich bei jeder Tensorkontraktion einen dumpfen, ganz leisen kurzen Trommelschlag. Aber auch dann ist ‚daneben nicht die leiseste Andeutung einer Empfindung jenes hohen Fiekschen Klanges. Übrigens kann ich mit voller Bestimmtheit angeben, daß ich in jüngeren Jahren, als mein Gehör noch völlig normal war, jedes- mal bei der von mir sehr häufig exerzierten Tensorkontraktion einen lauteren, zwar etwas längerdauernden, aber doch nur kurzen Trommel- oder Paukenwirbel, aber nicht kontinuierlich, wahrgenommen habe. Nun hat Mangold nachgewiesen, daß bei Tensoraktion jenes von der Versuchsperson — subjektiv — wahrgenommene „Donnern“ auch ein objektives, vom Beobachter auskultierbares Geräusch ist. So könnte man vielleicht hinstellen, daß ich infolge relativer (Alters-)Schwerhörig- keit dieses objektive tieftönige Geräusch nur noch spurenweise wahr- nehme. Nebenbei bemerkt: meine Feinhörigkeit für den hohen Fickschen Klang und jene Schwerhöriekeit und meine völlige Taubheit gegenüber dem hohen Zirpen der Grillen sprechen einigermaßen dafür, daß der Klang Ficks kein objektiver, sondern ein rein subjektiver sei. Übrigens vermochte Herr Kollege Schaefer bei mir, während ich den Tensor kontrahierte, weder mittels Schlauch (nach Mangolds Art), noch durch Stethoskop, noch bei direktem Anlegen seines Ohres an das meinige den ‚Donner‘ oder sonst etwas bei der Auskultation wahrzu- nehmen. Dies läßt mich vermuten, daß die bloße vom Tensor herbeige- führte Spannung (Erschütterung) des Trommelfells der Versuchsperson, entgegen Mangolds Meinung, für den Beobachter zur akustischen Wahrnehmung zu schwach, zu geringfügig ist. Dann aber muß das, was Mangold bei seinen Versuchspersonen gehört hat, weder vom Tensor Referat) ‚‚als Ursache hierfür eine Tensorkontraktion‘ an, — also ganz wie A. Fick und Lucae. 106 WıLH. FILEHNE: selbst noch vom Trommeliell erzeugt sein, vielmehr anderweitig bedingten Schallwellen (z. B. Muskelton mitinnervierter Muskeln) seine Entstehung verdanken. Sobald ich bei der Kontraktion des Tensors andere Muskeln in Mitbewegung versetze, entstehen selbstverständlich für den Auskultie- renden auch bei mir Muskelton und „Donnern“. Es ist also mit annähern- der Sicherheit zu vermuten, daß bei Mangolds Versuchspersonen der Tensor nicht isoliert kontrahiert wurde, daß vielmehr Mitbewegungen kräftigerer, massigerer Muskeln stattgefunden haben, wofür das Andauern des Donnern spricht, während die Tensorkontraktion kürzer vorübergeht. An sich selbst und an den meisten seiner Versuchspersonen hat Lucae, wie erwähnt, bei Innervation im Fazialisgebiete, am deutlichsten bei energischem Zukneifen der Lidspalte, ein tiefes Brummen vernommen. Bei Kontraktion des Orbieularis orbitae hört Herr Kollege K. L. Schaefer. dies Geräusch ebenfalls und vergleicht es mit rollendem Donner. Ich, viel- leicht wegen meiner relativen Schwerhörigkeit, höre bei isolierter Kon- traktion des M. orbieularis orbitae selbst in tiefster Stille der Nacht nichts von diesem Geräusche, wohl aber etwas anderes, was dem Normalhörenden möglicherweise durch den Donner und das Brummen verdeckt wird: näm- lich in verstärkter Intensität den hohen Klang Ficks, der mir bei jedem isolierten Zukneifen der Lidspalte für etwa 2 Sekunden ertönt. Nur wenn ich geflissentlich der Innervation bei mir freies Spiel lasse und die Mitbewegung anderer Muskeln nicht hemme, tritt bei sehr ener- gischem beiderseitigen Zukneifen der Lidspalte etwas Brummen auf: dann aber kontrahieren sich auch beiderseits (ich kann dies alles auch einseitig vornehmen) der M. attollens und die Mm. attrahentes auriculae. Ob diese Mitbewegungen bzw. der Muskelton dieser Muskeln das Brummen und den Donner Normalhörender verursachen, lasse ich selbstverständlich zunächst durchaus unentschieden; es könnte ebensogut auch der Muskelton des sich kontrahierenden Orbicularis selbst sein, der, durch Schläfebein usw. fortgepflanzt, sich vernehmbar macht; auch die sich hierbei mitbewegen- den, vom Felsenbein direkt oder indirekt entspringenden Muskeln, z. B. M. levator palati, könnten hierfür beargwöhnt werden. Wir kommen auf diese Fragen später noch einmal kurz zurück.! Jetzt wenden wir uns dem hohen Klange zu, den ich bei isoliertem Zukneifen der Lidspalte, also bei Fazialisinnervation, wahrnehme und der in reinerer und verstärkter 2 Unter besonderen Umständen kann bei Normalhörenden, wie aus Mittei- lungen von K,. L. Schaefer (Verhdlg. d. D. Otolog. Ges. 1909. S.18 d. S.-A.) hervor- geht, der Muskelton der Kaumuskeln, des Platysmas, der Armmuskeln usw. bis zum Gehörorgan fortgeleitet und als „‚dumpfes, tiefes, rauhes Rollen während der Kon- traktion‘‘ gehört werden. GEHÖRSEMPFINDUNG BEI ZUSAMMENZIEHUNG DES STEIGBÜGELMUSKELS. 107 Form den im Fiekschen Versuche erklingenden singenden Ton darstellt, von welch letzterem wir aber schon wissen, daß er nicht, wie Fick und Lucae glaubten, durch Tensorkontraktion verursacht wird; jene Forscher hatten die zufällige Gleichzeitigkeit für Kausalnexus gehalten. Wenn in A. Fieks Kaumuskelversuche, bei zurückgezogenem Unter- kiefer, jener Klang gehört wird, so findet, wie wir sahen, stets Mitkontrak- tion anderer Muskeln statt, die von (motorischen) Hirn- und Zervikalnerven versorgt sind. Da ich für eine möglichst isolierte willkürliche Innervierung einzelner Muskeln und Muskelsruppen ein besonders geeignetes Versuchs- objekt bin und den in Frage stehenden hohen Klang sehr gut wahrzunehmen vermag, so habe ich, soweit ein normaler Mensch dazu imstande ist, die einzelnen von Hirn- und Zervikalnerven versorgten Muskeln oder Muskel- gruppen. willkürlich zur Kontraktion gebracht und auf das etwaige Auf- treten oder Ausbleiben jenes Klanges geachtet. Ich brauche nicht zu sagen, daß man z. B. von den Augenmuskelnerven den Trochlearis und Abducens nicht ohne den Oculomotorius bzw. vice versa innervieren kann usw. Auf willkürliche Innervation von Zervikalnerven erhielt ich, vorausge- setzt, daß dabei ausschließlich oder doch teilweise von Hirnnerven ver- sorgte Muskeln von der Mitbewegung ausgeschlossen blieben, niemals jenen von mir bei Lidspaltenzukneifen und im Fickschen Experimente ver- nommenen hohen Klang; es wurden als Muskelgebiete das Zwerchiell und die Armmuskeln benutzt. Im Muskelgebiete des Trigeminus und von den Kehlkopfsmuskeln aus (unteres Ausbreitungsgebiet des Vagus-Accessorius) bekam ich ebenfalls keinen Klang, und wo etwa der Klang schwach be- merkt wurde, war Mitbewegung von Muskeln, die von anderen Hirnnerven aus versorgt werden, nicht ausgeschlossen. Sehr schwach zwar, aber un- zweifelhaft ist bei mir die Klangempfindung bei Innervation des Hypo- glossus. Dann folgen an Wirksamkeit die Augenmuskeln. Zwar ist hier die Mitbewegung von Muskeln des Fazialisgebietes nicht völlig vermeid- bar, aber ich kann bei ruhenden Augenmuskeln in den mimischen Muskeln Kontraktionen veranlassen, die erheblich stärker sind als jene Mitbewesungen, ohne daß eine Klangempfindung entsteht; es handelte sich dort, bei energischer Augenbewegung, also um eine Klangerzeugung, die nicht etwa erst indirekt, durch allgemeine Faszialiserregung, sondern direkt durch ‚„Irradiation‘ von Oculomotorius usw. auf den verantwort- lichen Nervenzweig herbeigeführt ist, wie eben die mimischen Mitbewe- gungen auch. Recht stark ist die Klangempfindung bei Kontraktionen im oberen Ausbreitungsbezirk des Accessorius, am stärksten vom Kopfi- nicker und Cucullaris aus. Sehr stark wirkt bei mir das ganze Fazialis- gebiet, also auch der Ast des Orbicularis orbitae, wo eben der ungehörte 108 WırH. FILEHNE: „Donner“ den Klang nicht übertönen kann. Von allen Muskeln dieses Gebiets ist, nicht bloß bei mir, sondern auch bei Normalhörenden, der weitaus wirksamste das Platysma. Ich habe mehrere Kollegen, die ebenfalls imstande sind, diesen kraftvollen Muskel willkürlich zu kon- trahieren, z. B. Herrn Kollegen K.L. Schaefer, auf diese Erscheinung auf- merksam gemacht; sie haben mir die ungemein starke Klangempfindung bei der Kontraktion des Platysma und alle meine Befunde bezüglich dieses Klanges fast gleichlautend bestätigt. Bei andauernder Platysmakontraktion hält dieser mit fast maximaler Intensität sofort einsetzende, nur kurz crescendo gehende Klang in mir etwa 3 Sekunden mit abnehmender Stärke an. Er hat eine ausgesprochen metallische Klangfarbe; seine Höhe ist bei mir rechts etwa gleich alV, links etwa hIV. Die gleiche Höhe hat der Klang bei allen Erregungen von Hirnnerven, bei denen ein Klang überhaupt zur Wahrnehmung kommt, also auch bei dem A. Fickschen Versuche (,singender Ton“). Unter- schiede zeigen sich dagegen: 1. in der Intensität (s. oben); 2. in der Dauer: je schwächer der Klang, um so kürzer; 3. in dem Crescendo und De- crescendo: je schwächer der Klang, um so sanfter beides, besonders ersteres; 4. in der Klangfarbe: je stärker, um so metallischer; 5. in der Lokalisie- rung: schwächerer Klang wird „im Ohr“ gehört, stärkster Klang wird in den Hinterkopf verlest. Mittels Kontraktion des Platysmas kann man, je nach der Stärke der Innervation, die ganze Reihe vom schwächsten bis zum stärksten Klange entwickeln und kann sich überzeugen, daß die an- gegebenen Unterschiede lediglich von der Intensität des Klanges und - nicht von der Wahl des Muskels bzw. Hirnnerven abhängig sind. Nachdem ich des öfteren diesen Klang, zumal vom Fazialis (Platysma) aus, erzeugt hatte, lernte ich sehr bald, auch ohne Kontraktion des Pla- tysmas usw. ihn willkürlich ertönen zu lassen. Wie ich dies mache, kann ich begreiflicherweise ebensowenig beschreiben, als ich angeben kann, wie ich den Tensor tympani zur Zusammenziehung bringe oder wie ich mit den „Ohren wackle“. Und wenn ich nach längerer Pause zuweilen den Innervationsweg zur isolierten willkürlichen Erzeugung dieser Klang- empfindung nicht „finden“ konnte, genügte eine einmalige, von dem Klange begleitete mimische Innervation, um sofort wieder zu fühlen, wohin sich die isolierte willkürliche Erregung zu lenken habe. Ich bin sicher, daß es sich hierbei um einen motorischen Akt handelt, ganz so wie bei will- kürlicher Zusammenziehung des Tensors oder anderer Muskeln, die wir für gewöhnlich nicht willkürlich innervieren. Bedenkt man nun, daß gerade der Fazialis z. B. von Platysma usw. aus am wirksamsten für die Ent- stehung der Klangempfindung ist und daß der vom Trigeminus innervierte GEHÖRSEMPFINDUNG BEI ZUSAMMENZIEHUNG DES STEIGBÜGELMUSKELS. 109 Tensor nur durch ein Mißverständnis zu Unrecht in den Verdacht ge- kommen war, diesen Klang zu verschulden, vergegenwärtigt man sich, daß in der Paukenhöhle außer dem Tensor tympani nur noch der von eben jenem Fazialis versorgte M. stapedius als willkürlich zu innervierender Muskel in Frage kommt, so ist der Indizienbeweis dafür geliefert, daß ich den Stapedius willkürlich und isoliert zu innervieren gelernt habe, und daß dieser Muskel es ist, der mir bei seiner Kontraktion den Klang aus der viergestrichenen Oktave — bei Herrn Kollegen Schaefer ist es übrigens beiderseits etwa dVY — zur Wahrnehmung bringt. Dieser Auffassung wird man sich um so sorgloser hinzugeben geneigt sein, als der Resonanzton der Paukenhöhle ebenso wie jener Klang in der viergestrichenen (oder fünfgestrichenen) Oktave liegt. Zwar haben Helmholtz! und nach ihm Hensen?, die den Resonanzton bestimmten, ihn nicht für die Pauken- höhle, sondern für Paukenhöhle plus Meatus auditorius externus ermittelt; indes hat W. Kiesselbach® gezeigt, daß die Höhe des Resonanztones ungeändert bleibt, wenn der ganze äußere Gehörgang mit einer plastischen Masse (Glaserkitt oder Guttapercha) ausgefüllt und hierdurch unfähig zur Resonanz gemacht wird. Es muß also der „Resonanzton des Ohres‘“ rich- tiger als Resonanzton des Mittelohres bezeichnet werden.* Bei W. Kiessel- bach war der Resonanzton (wie bei mir jener Stapediusklang) a!V bzw. hW. Nun haben, wie schon betont, zur Paukenhöhle nur der als unschuldig er- ‘wiesene Tensor und der hinreichend belastete oder gar überführte Stapedius Zutritt. Ich wüßte nicht, was für den in Frage stehenden metallischen Klang sonst noch in Anspruch genommen werden könnte, als eben die Kontraktion des Stapedius, zumal ja A. Lucae den Nachweis geliefert hat, daß bei energischer Fazialisinnervation der M. stapedius sich wirk- lich kontrahiert, d.h. daß hierbei das Trommelfell entspannt wird und nach außen geht. So wollen wir denn, aber ohne die folgenden Ausführungen auf Gedeih und Verderb mit dieser Deutung zu verknüpfen — sie für unsere 1 Lehre von den Tonempfindungen. 1877. (4. Aufl.) S. 187. ®” Hermanns Handbuch der Physiologie. Bd. III.2. S. 126. 3 Pflügers Archiv 1883. Bd. XXXI. 8.377 u. 8.98. * Wenn ich beiderseits den Gehörgang z. B. im Bade, mit lauwarmem Wasser fülle und dann den „Stapediusklang‘ erzeuge, so ertönt dieser in ungeänderter Ton- höhe, aber beträchtlich verstärkt. Dies ist ein Zeichen dafür, daß die Resonanz des äußeren Gehörganges für das Entstehen unseres Klanges sicherlich nicht in Betracht kommt. Es steht diese Erscheinung in Übereinstimmung mit dem Be- funde Kiesselbachs (a. a. O. 8. 377), daß bei Ausfüllung des äußeren Gehörgangs mit einer plastischen Masse der galvanische Klang verstärkt ist. Auch paßt diese Erfahrung zur Angabe A. Ficks, daß in seinem Experimente der singende Ton verstärkt wird, wenn man die Ohreneingänge mit zwei Fingerspitzen verschließt. 110 Wırn. FILEHNE: Darstellung übernehmen. Sollte sie wider Erwarten einer anderen Deutung platzmachen müssen, so wird sich das Folgende leicht in die neue Aus- drucksweise übersetzen lassen. Die nahen Beziehungen, die zwischen dem mimischen Fazialis einer- seits und den motorischen Augennerven, oberen Zweigen des Accessorius, dem Hypoglossus andererseits bestehen, lassen das Einbrechen und Über- greifen zentral bedingter Erregung dieser in die Bahnen des ersteren ver- ständlich erscheinen, — während die animale Funktion der Kaumuskeln be- greiflicherweise den psychisch-mimischen Vorgängen ferner steht. Wie kommt nun bei „Stapedius-Kontraktion“ jener Klang zustande? Zwei Möglichkeiten sind zunächst in Betracht zu ziehen: die eine ist: es. entsteht bei der verhältnismäßig kurz vorübergehenden, wiederholbaren Kontraktion jenes Muskels im Mittelohre, in der Paukenhöhle ein physi- kalisches, akustisches Novum, d.h. ein objektiver Klang, etwa durch Muskelton oder, was doch sehr unwahrscheinlich, durch einen Oberton dieses Muskeltones, der durch Paukenhöhlenresonanz verstärkt wäre; die andere Möglichkeit ist: es handelt sich um einen Vorgang im Cortischen Organe, der — ohne daß neue Schallwellen in der Paukenhöhle oder neue Schwingungen der Kopfknochen oder der Gehörknöchelchenkette den Anlaß gäben — durch die „Stapediuszusammenziehung‘“ veranlaßt wird; hierbei hätte die bekannte mechanische Wirkung dieser Zusammenziehung: Drehung der Steigbügelplatte, (vorübergehende) Verminderung des La- byrinthdrucks, negative Welle der Labyrinthflüssigkeit, das Mittelslied zu sein. Angesichts der großen Intensität des bei mir — dem Schwerhörigen — neben energischer Platysmainnervation erzeugten Klanges verlohnte es sich, daß ein feinhöriger Beobachter durch Auskultation feststellte, ob hierbei ein objektiver Klang in meinem Ohre (Paukenhöhle) neu auftrete oder nicht. Herr Kollege K. L. Schaefer, der sich bekanntlich eines un- gewöhnlich scharfen Gehörsinns erfreut, hatte die Güte, bei mir zu aus- kultieren. Mittels Schlauch, Stethoskop und durch direktes Anlegen des Ohres wurde gehorcht; nicht der mindeste Klang wurde wahrgenommen. Auf meine Frage, ob vielleicht mittels Mikrophon eine schärfere Feststellung möglich wäre, erklärte mir Herr Kollege Schaefer, daß man mit scharfem Ohre bei direkter Anlegung so schwache akustische Erscheinungen noch erkenne, die selbst das Stentormikrophon nicht mehr übermittele. Hiernach muß wohl der Gedanke fallen gelassen werden, daß jener so laute hohe Klang objektiv im Ohre durch Stapediuszusammenziehung neu erzeugt werde; GEHÖRSEMPFINDUNG BEI ZUSAMMENZIEHUNG DES STEIGBÜGEMLUSKELS. 111 er ist, wie wir schon vorher vermuteten, subjektiv, d.h. die durch den _ Stapedius bewirkte Bewegung des Stapes hat auf die Labyrinthflüssigkeit und durch sie auf das Cortische Organ so eingewirkt, daß jene Klang- empfindung entstanden ist. Zunächst könnte man’ vielleicht an dem „Stoß“, d. h. an die negative Welle denken, die erzeugt wird, wenn der Muskel bei seiner vorübergehenden Zusammenziehung den vorderen Teil der Fußplatte der Paukenhöhle zudreht und hierdurch, obwohl gleichzeitig der andere Teil der Steigbügelfußplatte tiefer in das ovale Fenster ge- drückt wird, den Labyrinthdruck vorübergehend vermindert. Indes wäre schlechterdings nicht abzusehen, wie dieser auf das gesamte Cortische Organ wirkende (negative) „‚Stoß‘“ gerade einen einzigen bestimmten nicht extrem hohen Ton (aus der viergestrichenen Oktave) und nicht ent- weder ein allgemeines Getöse oder doch 'eine diffusere oder doch sehr hohe 'Gehörsempfindung erzeugen sollte. Nun ist aber der Resonanzton der menschlichen Paukenhöhle durchgehends ein Ton der vier- bis fünfgestriche- nen Oktave. Und bei mir sind die „Stapedius“-Klänge, mit vorherrschend av und hIV, genau dieselben, die ich an mir selbst vor Jahren, als ich mich auf dem Grenzgebiete von Physiologie und Elektrotherapie beschäftigte, entsprechend der Brennerschen Formel, durch galvanische Reizung am Ohr bei Kathodenschließung und Anodenöfinung erhielt. Wollte heute jemand, im Hinblick auf meine Klangempfindung bei isolierter willkür- lichen Zusammenziehung des M. stapedius die Frage aufwerfen, ob nicht vielleicht bei KaS und AnO eine Zuckung des Stapedius eintrete, die die Ursache der Klangempfindungen sei, so wäre darauf hinzuweisen, daß, wie schon 1880 Urbantschitsch! gezeigt hat, die galvanische Klang- empfindung auch noch nach Durchschneidung der Stapediussehne auftritt. Vielmehr bleibt sültig die Erklärung, die vor 30 Jahren gemeinschaftlich von Kiesselbach und mir? gegeben wurde: die Steigerung der Erregbar- keit in der Ausbreitung des Akustikus beim Entstehen des Katelektro- tonus und beim Vergehen des Anelektrotonus bedingen, daß der in unserer Paukenhöhle fortwährend auf die beständig erzeugten Blutgeräusche antwortende Resonanzton der Paukenhöhle empfunden wird, während wir ihn für gewöhnlich ebensowenig hören, wie der Müller das Klappern der Mühle, weil dieser Klang mit uns geboren ist. Wie dem aber auch sei, — darüber kann kein Zweifel sein: der bei Stapediuskontraktion auftretende Klang ist der Resonanzton der Paukenhöhle, — ist jener Klang, der von - unserer Entwicklung und Geburt an bis an unser Lebensende selbstver- 1 Lehrbuch der Ohrenh. 1880. S. 515. ® Pflügers Archiv 1883. Bd. XXXIL S.379 u. 380. 112 WıLH. FILEHNE: ständlich ununterbrochen in unserem Ohre erklingt, erklingen muß als Ant- wort auf die Blutgeräusche, der aber, infolge Reizgewöhnung und Abstump- fung, nur gehört, d.h. empfunden wird, wenn entweder die Blutge- räusche und damit der Resonanzton sich verstärken oder wenn die Hör- fähigkeit (Erregbarkeit) zunimmt. Wäre bei mir während der Stapedius- zusammenziehung der Resonanzton um soviel stärker geworden, daß ich mit meinem stumpfen Gehör ihn so schrill und laut hörte, so würde ihn der so scharfhörige Kollege bei der Auskultation wohl sicher haben hören müssen. Da dies nicht der Fall war, so muß für 2 bis 3 Sekunden die Erregbar- keit meines Akustikusapparates, mein Hörvermögen vorübergehend in- folge der Stapediuskontraktion gesteigert gewesen sein, so daß ich den sonst für mich nicht wahrnehmbaren Klang empfinden konnte. So muß also vermutet werden, daß die plötzliche vorübergehende Labyrinthdruck- verminderung für etwa 3 Sekunden eine Erregbarkeitssteigerung der Akustikusausbreitung bedingt. Dies würde nicht ausschließen, daß in dieser Zeitspanne der laute, schrille Klang unsere Aufmerksamkeit so völlig in An- spruch nimmt, daß für die von außen an uns herankommenden akusti- schen Einwirkungen unser Wahrnehmungsvermögen geringer ist, — was tatsächlich der Fall ist. Jedenfalls: wenn wir Hunde, Pferde, Hasen und Kaninchen auf. Einwirkung verdächtiger Geräusche ihre Ohrmuscheln (Löffel) mittels Fazialisinnervation stellen, spitzen und drehen sehen, so drängt sich die Überzeugung auf, daß hierbei der ebenfalls vom Fazialis aus zur Kontraktion gebrachte M. stapedius die Hörfähigkeit, die Akustikus- erregbarkeit bei den genannten Tieren steigern müsse und nicht etwa gar verringere. Und wenn uns Menschen wegen jenes entotischen, grellen, lauten Klanges dieser Nutzen äußeren Einwirkungen gegenüber ebenso verloren gegangen sein sollte, wie wir das Stellen, Spitzen und Drehen der Ohrmuscheln verloren haben, so würde dies nichts gegen die Richtigkeit der oben gegebenen Deutung beweisen, — auch nichts dagegen beweisen, daß wir beim Horchen durch minder plötzliche Stapediuskontraktion unsere Hörfähigkeit steigern. Wie erinnerlich, haben wir uns vorbehalten, auf das von Lucae an sich und Anderen gefundene tiefe Brummen zurückzukommen, das bei energischem Zukneifen der Lidspalte auftritt. Es sei kurz rekapituliert, daß hierbei von Lucae eine gleichzeitige Kontraktion des Stapedius nachgewiesen ist. Aus der Gleichzeitigkeit von Stapediuszusammenziehung und Brummen hätte aber nicht der Schluß gezogen werden dürfen, daß erstere letzteres erzeuge. Andererseits haben wir uns trotz vorsich- tigster Schlußweise dem nicht entziehen können, daß wir anerkannten: GEHÖRSEMPFINDUNG BEI ZUSAMMENZIEHUNG DES STEIGBÜGELMUSKELS. 113 unter allen Umständen, selbst bei isolierter willkürlichen Innervation meines Stapedius tritt zugleich mit der Zusammenziehung dieses Muskels die Gehörsempfindung des Resonanztons der Trommelhöhle auf, d.h. ein Klang der vier- oder fünfgestrichenen Oktave, der allerdings zuweilen von Anderen, sobald er nur schwach erklingt, nicht gehört oder durch starke andere Gehörswahrnehmungen, Donner, Brummen, überdeckt und so der Wahrnehmung entzogen werden kann. Nun ist die Möglichkeit keines- wegs von vornherein zu bestreiten, dab Stapediuskontraktion, die — bei mir — das hohe Klingen stets im Gefolge hat und also doch wohl seine Ursache ist, beim Normalhörenden außerdem auch noch das tiefe Brummen oder den Donner stets im Gefolge habe und deren Ursache sei. Sehr ein- leuchtend wäre solche Annahme ja freilich nicht; aber sie kann sogar als . unrichtig erwiesen werden. Zunächst seien in dieser Beziehung einige nicht streng beweisende Beobachtungen angeführt. Mehrere normalhörende ' Versuchspersonen, die beim Zukneifen der Lidspalte das tiefe Brummen usw. hören, hören dieses Brummen nicht, wenn sie die ebenfalls vom Fazialis versorgten Muskeln der Lippen, Nasenflügel usw. in starke Kontraktion versetzen, wohl aber hören einige von ihnen (nicht alle) hierbei den hohen, hellen Klang. Und auch Herr Kollege Schaefer, der ja (s. Anm. S. 106) unter gewissen Versuchsbedingungen auch im unteren Fazialisgebiete bei starker Innervation z. B. des Platysmas (aber auch der Armmuskeln) ein rauhes Rollen zu hören imstande ist, hört doch für gewöhnlich hierbei fast ganz ohne Brummen den hellen hohen Klang. Da dieser auf eine Mit- kontraktion des Stapedius zu beziehen ist, müßten also die Anhänger der doppelten Wirkung eine weitere Annahme machen, nämlich: die Kon- traktion des Stapedius müßte bei Innervation der oberen Fazialisäste (Orbicularis orbitae usw.)einen anderen Charakter haben, als bei Kontraktion der von den unteren Fazialisästen versorgten Muskeln und im ersteren Falle neben dem Klang aus der vier- bis fünfgestrichenen Oktave das Brummen erzeugen, das jenen Klang verdecken kann, während im zweiten Falle das Brummen weniger deutlich oder ganz unmerkbar wird. Hierdurch würde aber die Sache höchst unnatürlich. Da nun das tiefe Brummen und das Donnern mit dem Muskeltone kontrahierter Muskeln in bezug auf Tontiefe usw. völlig übereinstimmt, dürften beide, das Brummen und der Muskelton, identisch sein. Hieran muß um so mehr gedacht werden, als jedesmal, wenn das Lucaesche Brummen gehört wird, Muskeln sich tatsächlich kontrahieren, und zwar solche, deren Auskultation durch das Ohr wegen ihrer Lage so gut wie selbstverständlich ist. Kann doch, wie schon bemerkt, unter besonderen Versuchsbedingungen sogar der Muskel- Archivf.A.u.Ph. 1913. Physiol. Abtlge. 3 114 WıLH. FILEHNE: ton weit entfernter Muskeln (Armmuskeln) als rauhes Rollen, Brummen, Donnern wahrgenommen werden. Indes ließ sich direkter zeigen, daß 5 Brummen bei Zukneifen : Lidspalte usw. keine „Stapediuswirkung‘“ i \ Herr Schaefer, der ursprünglich bei ee der Lidspalte in ex- quisiter Form das Donnern hörte, hat sich entsprechend meinen im vor- stehenden vorgetragenen Auffassungen mit Erfolg darauf eingeübt, iso- liert den Orbicularis orbitae (selbstverständlich mit den Riolansche Muskeln) zu kontrahieren, — und dann donnert es nicht (allerdings ertönt ihm auch nicht der hohe Klang). Wohl aber kann Herr Schaefer den Orbieularis in Ruhe halten und die früher stets mitinnervierten Nachbar- muskeln — also ohne den Orbicularis — zur Kontraktion bringen — und dann donnert’s wie früher. Der Orbieularis ist, für sich allein, demnach gänzlich unschuldig. Also ist auch bei mir meine — mir übrigens sonst kaum lästig gewordene ‚Schwerhöriskeit‘“ nicht daran schuld, wenn ich bei isolierter Kontraktion des Orbieularis das Lucaesche tiefe Brummen nicht höre. Wenn ich aber den M. attollens auriculae und namentlich die attrahentes isoliert innerviere, die von fast allen beobachteten Versuchs- personen beim energischen Zukneifen der Lidspalte zur Mitkontraktion gebracht wurden, dann brummt es, wie bereits berichtet, auch bei mir. Hier kontrahieren sich also kräftige Muskeln, die dem Schläfebein unmittel- bar in nächster Nähe der Trommelhöhle aufliegen und deren Muskelton wir ebenso hören müssen, wie wenn wir das Ohr über einen sich kontra- hierenden anderweitigen, z. B. fremden Muskel unmittelbar anlegen. Auch vom Kopfnicker aus, der ja, vom Accessorius (und Plexus cervicalis) inner- viert, sich unmittelbar am Processus mastoideus des Schläfebeins, also für Auskultation ziemlich günstig, ansetzt, höre ich, wenn auch nicht sehr stark, bei kräftiger Kontraktion das Brummen, d.h. den Muskelton — (neben dem Klang der viergestrichenen Oktave). — Wir hatten weiter oben auch von einer möglichen Beargwöhnung des Levator palati und anderer Muskeln gesprochen, die unmittelbar oder mittelbar vom Felsenbein entspringen und, weil von Fazialiszweigen (z. B. vom Ganglion sphenopalatinum aus) versorgt, bei allgemeiner Fazialis- erregung sich ebenfalls kontrahieren und den Muskelton direkt oder in- direkt dem Felsenbein übermitteln könnten. Dieser Gedanke muß aber fallen gelassen werden, da zahlreiche sehr feinhörige Versuchspersonen, die bei Zukneifen der Lidspalte das Brummen und Donnern hören, bei willkürlicher enereischer Hebung des Gaumensegels usw. nicht das mindeste Brummen wahrnehmen. Offenbar haben diese Muskeln zu wenig Masse, als daß sie dröhnen könnten. — — * _ GEHÖRSEMPFINDUNG BEI ZUSAMMENZIEHUNG DES STEIGBÜGELMUSKELS. 115 Als eine wesentliche Vervollständigung meiner Beobachtungen kann ich infolge der Liebenswürdigkeit des Herrn Kollegen Schaefer noch über einige Versuche an einem Herrn berichten, der vor etwa 10 Jahren von Herrn Kollegen Passow beiderseits ‚radikal operiert‘‘ worden ist, — der also auf beiden Seiten weder Trommelfell noch Hammer, noch Tensor, noch Amboß besitzt, und doch vorzüglich fein hört, und zwar hört er nach Untersuchungen von K. L. Schaefer! sogar tiefste Differenztöne. Dieser, Herr St., Geheimsekretär im Königl. Preuß. Kriegsministerium, ist ein sehr sorgfältiger und zuverlässiger Beobachter, zu wissenschaftlichen Prü- fungen stets höchst bereitwillig und außerordentlich musikalisch. Auf ‚meine Bitte kontrahierte er verschiedene der besprochenen, Klangempfin- dung bei ihrer Kontraktion veranlassenden Muskelgruppen. Beim Zu- kneifen der Lidspalte hörte er kein Brummen und kein Klingen. Bei Kontraktion des Platysmas (wobei selbstverständlich auch andere Muskeln mit innerviert wurden), bei Rückwärtsbewegungen des Kopfes (Kontraktion von Kopfnicker, M. ceucullaris usw.), beim Fickschen Versuche usw. er- klärte er sofort, er höre ein metallisches Pfeifen. Ich bat ihn, er möge den Platysmaklang irgendwie nachahmen. Er erzeugte einen Pfiff, der in seinem metallischen Klange mit dem mir stets bei Platysmakontraktion erklingenden im Charakter völlig übereinstimmte, aber fast eine Oktave tiefer war. An Stimmgabeln bestimmte Herr St. die Tonhöhe seines subjektiven Klanges auf etwa dIV, während, wie erwähnt, Herr Schaefer ihn bei sich etwa als dV, ich ihn etwa hlv bzw. a!V höre. Da nun Herr St. keinen M. tensor tympani mehr besitzt, kann auch an Normalen beim A. Fickschen Experi- mente, bei der Kontraktion der den Unterkiefer herabziehenden Muskeln usw. der singende, klingende Ton nicht durch Tensorkontraktion bedingt sein, wie A. Fick, A. Lucae und W. Kiesselbach irrtümlich angenommen hatten; schon oben mußte ich dieser Auffassung entgegentreten. Ist bei unserer Versuchsperson einer der beiden Binnenmuskeln des Ohres durch seine Mitkontraktion der Erzeuger dieses Klanges aus der viergestrichenen Oktave, so kann es eben nur der Stapedius sein, wie schon oben am Nor- malen gezeigt werden konnte. Es mußte nun interessant sein, bei Herrn St. festzustellen, ob auch bei ihm jener Stapediusklang mit dem Resonanztone seines Ohres in der Tonhöhe übereinstimme. Dies ist tatsächlich der Fall. Herr Kollege Schaefer, den ich um diese Feststellung ersuchte, sandte mir folgenden Bericht über seine Ermittelung: 1 „Über die Wahrnehmbarkeit von Kombinationstönen bei totalem oder partiellem Defekt des Trommelfells“. Passows und Schaefers Beiträge usw. 1913. Bd. VI. S. 207ff.; Fall5, S. 215. S* 116 WıLH. FILEHNE: (GEHÖRSEMPFINDUNG USW. „Herr St. wurde zunächst mit den Zinnpfeifen des Physiologischen. Laboratoriums der Universitäts-Ohren- und Nasenklinik in der Charite geprüft, welche von cl bis cV die chromatische Tonleiter geben und von einem Blasebalg aus mit gleichmäßigem Druck angeblasen werden. In mehreren Versuchsreihen wurden übereinstimmend die Töne der Gegend cv bis dIV als am lautesten ins Ohr dringend bezeichnet. Sodann wurde eine Edelmannsche Stempelpfeife angeblasen, die je nach der Stellung des Stempels Töne zwischen all! und alV liefert. Durch kontinuierliches Herausziehen und Wiedereinschieben des Stempels wurde mehrmals die genannte Tonreihe glissando aufwärts und abwärts Herrn St. zur Beurteilung vorgeführt. Wieder fand dieser eine Gegend zwischen eIV und diV am lautesten, während dem Experimentator und einer noch an- wesenden zweiten, im Beobachten geübten Person die Töne in der oberen Hälfte der viergestrichenen Oktave als die stärksten erschienen. Schließlich wurde noch eine Versuchsreihe mit einer Serie gleich- artiger Gabeln mit den resp. Schwingungszahlen 900, 1000, 1100, 1200, 1600, 1900, 2000, 2400, 3200, 3800, 4000, 4800 angestellt. Die Gabeln wurden einzeln möglichst gleichmäßig stark angeschlagen und vor die hin- tere (Operations-) Öffnung des Ohres gehalten. Wieder gab Herr St. kon- stant an, daß die Gabeln 1900, 2000 und 2400 am lautesten ins Ohr tönten („gellten‘‘). Dasselbe Resultat ergab sich, als die Gabeln vor den Meatus externus gehalten wurden. Eine Verlängerung des Gehörganges durch Einsetzen eines Glasröhrchens, von der nach Helmholtz eine Vertiefung der Resonanzregion zu erwarten gewesen wäre, hatte diesen Erfolg nicht oder wenigstens nicht deutlich.‘“! 1 Ob die Tonlage des Resonanztones bei Herrn St. durch die Radikaloperation vertieft worden ist, will ich nicht erörtern, da wohl für die Resonanztonhöhe eine „Norm“ noch nicht wirklich feststeht. Übrigens hatte Helmholtz rechts IV, links cIV,;, Hensen hattelinksalV, rechtsdIV, eine vonihm untersuchte Frau links gIV, rechts fIV; Kiesselbach links alV, rechts AIV. An sich ist es ja wahrscheinlich, daß die operative Ausräumung der Paukenhöhle ihren Resonanzton vertiefe. Beiträge zur Physiologie von Maja Verrucosa M. Edw. I. Herz. Von Oswald Polimanti. (Aus der Physiologischen Abteilung der Zoologischen Station zu Neapel.) Es ist wohl überflüssig, hier alle Arbeiten aufzuzählen, die über die Ana- tomie und Physiologie des Herzens der Krustazeen veröffentlicht wurden, da sie ja sehr sorgfältig von Milne-Edwards! zusammengestellt worden sind, und diejenigen, welche ich ihres Inhalts wegen berücksichtigen mußte, werde ich nach und nach im weiteren Verlauf dieser Arbeit zitieren. Tat- sächlich finden sich in Milne-Edwards’ Abhandlung alle am Herzen der Krustazeen gemachten Beobachtungen, und zwar von der ersten Beobachtung Harveys (1628) an, der zuerst das Herz eines Palämon pulsieren sah, bis zum Jahre 1858, in welchem Milne-Edwards’ Handbuch der ver- gleichenden Physiologie niedergeschrieben wurde. Man muß jedoch zugeben, daß die Zahl der alten physiologischen Ar- ‚ beiten sehr gering ist, und man kann sagen, es handle sich nur um einige gelegentliche Beobachtungen, die bezüglich des Herzens dieser Tiere gemacht wurden. Wichtigere Arbeiten sind dagegen von verhältnismäßig neuerem _ Datum, nämlich diejenigen von Lemoine?, Berger?, Dogiel?, Dezsö?, ı H. Milne-Edwards, Lecons sur la physiologie et l’anatomie comparee de Uhomme et des animaux. 1858. T. IH. p. 179. ® Lemoine, Recherches pour venir & l’histoire des syst&mes nerveux, muscu- laire et glandulaire de l’Ecrevisse. These Paris 1868 (reproduit dans les Annales des sciences naturelles. 5. Serie. 1868. T.IX.). 3 E. Berger, Über das Vorkommen von Ganglienzellen im Herzen von Fluß- krebs. Sitzungsber. d. k. k. Akad. d. Wissenschaften. Wien 1876. * J. Dogiel, De la structure et des fonctions du coeur des Crustaces. Archives de physiologie etc. de Browns-Sequard. 9. anne 1877. p. 400 et ©. R. de l’ Acad. de Sc. de Paris. T.LXXXII p. 1117. 5 Bela-Deszö, Über das Herz des Flußkrebses und des Hummers. Zoologischer Anzeiger. 1876. I. Jahrg. Nr.6. p. 126. 118 OsSwALD POLIMANTI: Huxley!, Plateau? und Ransom?, die im einzelnen analysiert werden sollen, wenn ich die verschiedenen Experimente, die ich bezüglich der Phy- siologie des Herzens von Maja verrucosa gemacht habe, besprechen werde. Endlich verdanken wir in jüngster Zeit eine sehr wichtige Gruppe von Ar- beiten, sowohl über den Herzmuskel als auch über seine Nerven, von Limulus poliphemus, dem amerikanischen Forscher A. J. Carlson? (einige dieser Arbeiten hat er auch in Gemeinschaft mit anderen geschrieben). Zu er- wähnen ist noch, daß Bottazzi? sich speziell mit der Innervation des Herzens ‚von Maja squinado beschäftigt hat. Anatomische Angaben über das Herz von Maja verrucosa. Der charakteristischste Teil des Kreislaufapparates besteht aus einem dorsalen Gefäß, dessen mittlere Gegend-als Herz differenziert ist. Dieses steht in Verbindung mit der Höhle des Perikards vermittelst drei Paar Orifizien: zwei dorsalen, zwei lateralen und zwei ventralen. Der vor dem Herzen gelegene Teil des dorsalen Gefäßes bildet die 1 Huxley, The Crayfish, an introduction to the study of Zoology. London 1880. a AL, ®2 F. Plateau, Recherches physiologiques sur le coeur des crustaces decapodes. Archives de Biologie. 1880. T. I. p. 595—695. Pl. 2 (XXVI—XXVII). — Les mouve- ments et l’innervation du coeur chez les Crustaces. (©. R. Acad. Belgique 1878 (Com- munication preliminaire). — Association francaise pour l’avancement des sciences Congres de Paris 1878 (Publie en 1879, Communication preliminaire). ® Ransom, On the cardiac rhythm of invertebrata. Journal of physiology 1883—84. Vol. V. p. 261. * A. J. Carlson, Comparative physiology of the invertebrate heart: Part I. Biological Bulletin. 1905. Vol. VIII. p. 123—159. n II. American Journal of Physiology. 1905. Vol. XII. p. 396—426. » l1I. Zbenda. 1905. Vol. XIV. p. 16-53. = IV. Ebenda. 1906. Vol. XV. p. 127—1335. ” V. Ebenda. 1906. Vol. XVI. p. 47—66. EB VI. Ebenda. 1906. Vol. XVI. p. 67—84. » VII. Ebenda. 1906. Vol. XVI. p. 85—99. „ VIII. Ebenda. 1906. Vol. XVI. p. 100—109; 1907. Vol. XVII. p. 71. » IX. Zeitschrift für allgemeine Physiologie. 1907. Bd. VI. p. 287—314. Vergleichende Physiologie der Herznerven und der Herzganglien bei den Wirbel- losen. Ergebnisse der Physiologie. 1909. 8. Jahrg. S. 371—462. — A. J. Carlson and W. J. Meek, On the mecanism of the embryonic heart-rhythm in Limulus. American Journal of Physiology. 1908. Vol. XXI. p. 1—10. 5 Phil. Bottazzi, Über die Innervation des Herzens von Scyllium canieula und Maja Sqinado. Zentralblatt für Physiologie. 30. März 1901. Heft 26. Separat. S. 1—6. — Untersuchungen über das viszerale Nervensystem der deka- poden Krustazeen. Zeitschrift für Biologie. 1902. Bd. XLII. S. 341—371. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE Von MAJA VERRUCoSsA M. Epw. 119 vordere Aorta oder A. ophthalmica; der hinter dem Herzen gelegene Teil bildet die hintere Aorta oder A. abdominalis. Von den beiden Seiten der vorderen Aorta gehen zwei Leberarterien aus. Aus der Aorta sternalis ent- springt A. sternalis mit vertikaler Richtung. Diese Arterie, die von oben nach unten verläuft, geht über die rechte Seite des Darmrohres und erreicht die Ganglienkette, die sie zwischen dem III. und IV. Paar der ventralen Fig. A. Kreislaufsystem von Maja Squinado, gesehen von der dorsalen Seite aus, nach Milne-Edwards. Hist. nat. d. Crustae6s: in Bronns Tierklassen, Crustacea. Taf. CI, Fig. 3. ve vasa efferentia; va vasa afferentia; co llerz; d5r Kiemen. Ganglien durchzieht; dann teilt sie sich in zwei horizontale Äste, von denen einer von hinten nach vorne zieht und die A. maxillo-pedalis oder A. sternalis ventralis bildet, der andere von vorne nach hinten zieht und die A. ab- dominalis ventralis bildet. Von diesen beiden letzten Arterien gehen die Gefäße aus, die sich meta- merisch in den Fortsätzen verteilen. Alle Arterien ergießen das Blut in die in den verschiedenen Körper- teilen zerstreuten Lakunen, aus welcher diese Flüssigkeit gegen die Räume, welche die lokomotorischen Gelenke enthalten, getrieben wird, worauf sie zu den Atmungsorganen geführt wird. Nachdem das Blut oxydiert worden ist, gelangt es in die große Lakune des Perikardiums, von wo aus es das 120 OSWALD POLIMANTI: Herz durch die in der Wand dieses Organs offen stehenden Mündungen erreicht. — — : —: Nach Eröffnung des Panzers der Maja (es wurden immer sehr große Exemplare verwendet) mittels einer Knochenzange entsprechend der Gegend Fig. B. Kreislaufsystem von Maja Squinado, gesehen von der lateralen Fläche aus, nach Milne-Edwards. Hist. nat. d. Crustaces: in Bronns T%erklassen, Crustacea. Taf. OI, Fig. 4. Pı—-p; pedes; va vasa afferentia; s» sinus venosus; br Kiemen. Fig. ©. Kreislaufsystem von Maja Squinado, gesehen im Profil, nach Milne-Edwards. Hist. nat. d. Crustaees: in Bronns Tierklassen, Crustacea. Taf. CI, Fig. 5. va vasa afferentia; ve vasa efferentia; dr Kiemen; sv sinus venosus; co Herz. über dem Herzen, wurde letzteres sofort bloßgelegt und alsdann in seiner oberen Gegend mit einer gebogenen Nadel gefaßt; dann wurde es mit einem Hebel verbunden, der mit einer Feder versehen war, welche die Herz- BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE von MaAJA VERRUCosA M. Epow. 121 bewegungen auf einen geschwärzten Zylinder niederschrieb. Bei diesen Unter- suchungen über die Physiologie des Herzens von Maja verrucosa verwendete ich nämlich die Suspensionsmethode (ein kleiner Metallhaken am Herzen . befestigt), die ich schon mit Erfolg bei anderen Arbeiten über das Herz von Testudo graeca! angewandt habe. Vermittelst einer Pinzette, die ich dann an einem Stativ bootet, erfaßte ich das Tier an’ beiden Seiten, und auf diese Weise blieb es völlig unbeweglich (Fig. D). ! n DAT: ITAITDTIELTÄTTETATTEN: KERSERSEERRENNDEERGTE TOM] 1 AUIDITTTETTIITEISIIND Fig. D. Anordnung für die Versuche am Herz von Maja verrucosa. A Trommel; B Jaquetsche Uhr; (© Hebel; D, K Wasserleitung; 4 Halter und I Klemmer für Maja verrucosa F; E Bassin; G Haken für das Herz. Die Maja wurde hierauf in ein Bassin gebracht, in welchem fortwährend Seewasser von einer Temperatur von 13—15° zirkulierte, und verblieb 1 0. Polimanti, Sur l’allorythmie du Ceur. Journal de Physiologie et de Pathologie generale. 1906. p. 775— 783. — Sur quelques phenomenes observes en 'soumettant plusieurs parties du coeur & differentes temperatures. Ebenda. 1907. p. 768. 122 OSWALD POLIMANTI: darin. Als ich das Verhalten des Herzens im normalen Zustand studierte, hatte ich auch Gelegenheit, eine lange Reihe von anormalen Pulsationen zu sehen und zu studieren, die eintraten, ohne daß ich irgend einen Reiz auf das Tier hätte einwirken lassen. Ferner wollte ich die Wirkung des kon- stanten Stromes (Öffnungs- und Schließungsreize), wie auch des tetani- sierenden studieren. Diese letzte Reihe von Experimenten diente zur Kontrolle der vorher- gehenden. Endlich machte ich noch eine Reihe von Untersuchungen über den Einfluß, den einige Ionen (Ca, K, Mg) auf die Herzpulsationen ausüben (in diesem Falle wurde natürlich die Zirkulation des Seewassers aufgehoben). Auf diese Weise konnte ich sehen, ob das Herz von Maja verrucosa den bekannten Gesetzen entspricht, die die embryonalen oder vollständig entwickelten Herzen sowohl der Vertebraten als einiger Invertebraten Teeieren Ich will hier nicht alle Veränderungen, die im Herzen bei der Herztätigkeit (Systole und Diastole) eintreten, ausführlich beschreiben, weil dies ja schen in erschöpfender Weise und trefflich durch Plateau (S. 625) geschehen ist. Bei der Systole hebt sich die obere Fläche, während die untere sich senkt; der vertikale Durchmesser nimmt zu, während der Quer- und der Längsdurchmesser abnehmen. Bei der Diastole treten natürlich die umge- kehrten Erscheinungen ein: während die untere Fläche sich leicht hebt, nimmt der vertikale Durchmesser ab, während der Quer- und der Längs- durchmesser zunehmen. Im allgemeinen kann man sagen, daß die Pulsationen sowohl als Typus (Höhe, Breite usw.) wie auch als Zahl, wenn die Temperatur konstant bleibt, sich konstant erhalten. Bisweilen werden die Kurven jedoch unregelmäßig, der Pulsations- rhythmus erfährt eine Verlangsamung oder eine mehr oder minder lange andauernde Beschleunigung; alsdann werden die unmittelbar folgenden Pulsationen entweder schneller oder langsamer, um den Herzrhythmus wieder auf den ursprünglichen Wert zu bringen. In der hier gebrachten Figur (Fig. 1, Maja 21, Zil. I, Linie 5, 14. III. 10) die darstellen soll die Kurve der Pulsationen eines Herzens von Maja, die unmittelbar nach der vorhergehenden regelmäßigen entnommen wurde, ist an einer Stelle (fast in der Mitte) ein leichter Stillstand eingetreten; nun sind aber unmittelbar danach die Pulsationen viel häufiger geworden, um das Herz wieder zum ursprünglichen normalen Wert zu bringen. In der normalen Kurve beträgt nämlich die Zahl der Pulsationen 46 in der Minute, in dieser letzteren aber 44 pro 1’; mithin sind die Werte beinahe BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON MAsA VERRUCOsA M. Enw. 123 einander gleich. Diese von mir hier beobachtete Erscheinung ist ein Mittel, um die Arbeit des Herzens in seinen verschiedenen Teilen immer konstant zu erhalten; an einer bestimmten Stelle zeigt sich eine Pause; nun beschleunigt aber das Herz infolge dieser Pause NINA. nAy LM) I N fi seine Pulsationen, weil diese stets die- selbe Zahl in jeder Minute erreichen. Hier haben wir also eine weitere Be- stätigung des „Gesetzes der Konstanz der Herzarbeit und der Beibehaltung seiner Perioden physiologischer Erreg- barkeit“. Dieses Gesetz ist schon von verschiedenen Autoren formuliert und (wie wir später besser im Verlauf Fig. 1% (/y). dieser Arbeit sehen werden) auch bei Miezl I Eine Abänderung der experimentellen Be- Se dingungen bestätigt worden. Mit diesem Gesetze beschäftigten sich ein- gehender E. v. Cyon?, E. J. Marey®, Th. W. Engelmann* und 1 Einise Kurven sind, der bequemeren Reproduktion wegen, reduziert. Die Größe der Reduktion wird immer angegeben. 2ER. v. Cyon, Über den Einfluß der Temperaturänderungen auf Zahl, Dauer und Stärke der Herzschläge. Arbeiten aus der physiologischen Anstalt zu Leipzig 1866. — Sitzungsberichte der sächs. Akademie der Wissenschaften 1866. — Gesammelte physiologische Arbeiten. Berlin 1888. — Article: Our: in Dictionnaire in Physiologie de Ch. Richet. 1900. T.IV. p. 114. (E. v. Cyon beschäftigte sich damit, speziell zu untersuchen, welchen Einfluß die Herznerven in den verschiedenen Phasen der Herzarbeit ausüben.) : ® E. J. Marey, Des exeitations electrigues du cur. Travaux du laboratovre Marey. 1876. T. II. p. 63. — Journal de "’anatomie et de la physiologie. 1877. p. 60. — La eirculation du sang. Paris. Masson. 1881. p.43. (Gleichmäßigkeit der Herz- arbeit und des Herzrhythmus.) * Th.W. Engelmann, Beobachtungen und Versuche am suspendierten Herzen. III. Abh. Refraktäre Phase und kompensatorische Ruhe in ihrer Bedeutung für den Herzrhythmus. Pflügers Archiv für Physiologie. 1895. Bd. LIX. — Oender- zockingen g. i. h.. physiol. Lab. Utrecht. 1894. IV Reeke. III. Deel. — Über den Ein- fluß der Systole auf die motorische Leitung in der Herzkammer mit Bemerkungen zur Theorie allorhythmischer Herzstörungen. Pflügers Archiv für Physiologie. 1896. Bd. LXII. Archives Neerlandaises. 1896. T. XXX. — Über myogene Selbstregu- lierung der Herztätigkeit. Vers. der Kon. Acad. van Weiensch. te Amsterdam. Abt. f. d. Natuurkunde. 31. Oct. 1896. — Über den Ursprung der Herzbewegungen und die physiologischen Eigenschaften der großen Herzvenen des Frosches. Pflügers Archiv für Physiologie. 1896. Bd. LXV. — Deutsche Klinik 1903. Bd.IV. S. 245. (Th. W. Engelmann studierte das Gesetz der Erhaltung der physiologischen Reiz- periode und der Selbstregulierung des Herzschlages). 124 OswALD POLIMANTI: O. Langendorff!, welche Autoren in Wahrheit die Grundlagen dazu gelegt haben. Weiterhin wurde es erweitert und in der Folge bestätigt durch ver- schiedene Autoren, namentlich durch V. Ducceschi?, A. R. Cushny und Matthews?®, H. E. Hering*, K. F. Wenckebach? und O. Polimanti.® Plateau (S. 618—689) hatte die sehr interessante Beobachtung ge- macht, daß, während die von der dorsalen Fläche des Herzens der von ihm zu seinen Experimenten gewählten Krustazeen ergebenen Kurven sich alle ı O0. Langendorff, Studien über die Rhythmik des Herzens. Dies Archiv (physiol. Abt.). Suppl.-Band 1884. — Untersuchungen am überlebenden Säugetier- herzen. II. Pflügers Archiv für Physiologie. 1895. Bd. LXI. S. 318. — Untersu- chungen am überlebenden Säugetierherzen. III. Vorübergehende Unregelmäßigkeiten und ihre Ausgleichung. Pflügers Archiv für Physiologie. 1898. Bd. LXX. 8.473. — Herzmuskel und Intrakardiale Innervation. Ergebnisse der Physiologie. 1902. 1. Jahrg. II. Abt. 8. 263—345 (S. 294—297). — Untersuchungen über die Natur des periodisch aussetzenden Rhythmus, insbesondere des Herzens. Pflügers Archiv für Physiologie. 1907. Bd. CXXI. 8. 54-74. (O. Langendorff fand ebenfalls den Satz von der Erhaltung der Konstanz der Herzarbeit.) 2 V. Ducceschi, Contribution & la physiologie du systeme veineux. Archives italviennes de Biologie. 1902. T.XXXVII. p.139. (V. Ducceschi fand eine große Regelmäßigkeit in den Pulsationen der großen Venen, aber die Schlußfolgerung, die er daraus zieht, entbehrt der Begründung; er läßt nämlich von dieser sehr großen Regelmäßigkeit die in den anderen Herzsegmenten so häufigen Formen von Arhythmie und Allorhythmie abhängen.) 3 A. R. Cushny and S. A. Matthews, On the effects of electrical stimulation of the mammalian Heart. Journal of Physiology. 1897. Vol. XXI. p. 221. ı H. E. Hering, Zur experimentellen Analyse des Unregelmäßigkeit des Herz- schlages. Pflügers Archiv für Physiologie. 1900. Bd. LXXXII. S. 1. — Ergebnisse experimenteller und klinischer Untersuchungen über den Vorhofvenenpuls bei Extra- systolen. Zeitschrift für experimentelle Pathologie und Therapie. 1905. Bd.I. S. 39. — Die myoerethischen Unregelmäßigkeiten des Herzens. Prager mediz. Wochenschrift. 1901. Bd. XXVI. S.1-—2. — Bemerkungen zur Erklärung des unregelmäßigen Pulses. Prager mediz. Wochenschrift. 1902. Bd. XXVII. (Gesetz der Konstanz der Arbeit des menschlichen Herzens.) 5K. F. Wenckebach, Die Arhythmie als Ausdruck bestimmter Funktions- störungen des Herzens. Leipzig, Engelmann. 1903. — Beiträge zur Kenntnis der menschlichen Herztätigkeit. Dies Archiv. (physiol. Abteilung) 1907. S. 1—24 (für das menschliche Herz). 6 O. Polimanti, Sur Tallorhythmie du cur. Journal de physiol. et de Pathol. generale. 1906. p. 775. — Sur quelque phenomenes observes en soumettant plusieurs parties du coeur & differentes temperatures. Ebenda. 1907. p.768. (Als ich der Schildkröte [Testudo graeca] die Herzkammer erwärmte, den Sulcus auriculo-ventri- cularis und den Ventrikel abkühlte, erhielt ich bei letzterem extrasystolische Formen, auf Grund deren ich das Gesetz der Konstanz der Herzarbeit mittels dieser neuen Methode des Studiums für die Hervorbringung der Extrasystolen bestätigte.) BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE Von MAJA VERRUCOSA M. Epw. 1% konstant über die Abszisse erhoben, die die Kontraktionen der ventralen . Fläche angebenden Kurven unter die Abszisse sanken. Dies hängt eben davon ab, daß in der Periode der Systole die obere Fläche sich hebt und deshalb in der systolischen Kurve eine Erhöhung eintritt, während gleich- zeitig die untere Fläche sich senkt und mithin auch die Kurve der Systole unter die Abszisse sinkt. Wie man jedoch deutlich aus der hier von mir gebrachten Kurve ersieht (Fig. 2, Maja 11, 2. Exper., Zylinder 2,7. III. 10), wechseln oftmals die ver- ‚schiedenen Kurventypen untereinander ab: Ich hatte sogar zu verschiedenen Malen Gelegenheit zu sehen, daß häufig während einer mehr oder minder langen Zeit Kurven auftreten, ‘die über die Abszisse ansteigen (mit dorsalem Typus), während sie nacheinander mit Kurven abwechseln, die unter die Abszisse sinken (also mit ventralem Typus), oder sie können auch lange Zeit hindurch nur diesen letzteren Typus zeigen. Man beachte auch, daß ich im Verlauf aller meiner Experimente stets und konstant die dorsale Herzfläche mit einem Haken befestigt habe, um die Kurve ihrer Pulsationen zu entnehmen. Ich erkläre mir diese Erscheinung, die ohne Zweifel sehr interessant Biran27 (2/5): $ R ; e Maja 11. 2. Exper. Zylinder 2. ist, mdem ich daran denke, daß häufig 7 a Tor ” bei der Herzarbeit die ventrale Herz- fläche mit größerer Kraft arbeitet als die dorsale Fläche, so daß die Kon- traktion der ersteren sich nunmehr oder weniger der von der letzteren ergebenen überlagert. Diese größere Arbeit der ventralen Fläche im Vergleich mit der dorsalen kann andauernd oder auch abwechselnd sein. Nicht un- wahrscheinlich ist, daß die in der dorsalen Fläche des Herzens steckende Nadel, namentlich während der ersten Minuten, wenn sie sich in situ be- findet, eine hemmende Wirkung (auf reflektorischem Wege) auf diese Herz- gegend derart ausübt, daß sie eine mehr oder minder lange Zeit hindurch ihre Funktion aufhebt oder wenigstens beschränkt. Diese hemmende Wir- kung kann aber auch erst nach einer langen Zeit eintreten, wie es die von mir gebrachte Kurve deutlich zeigt, in welcher ich eben jede Reihe von Kurven in einem Abstand von 15’ zwischen einer Reihe und der anderen 126 OswALD POLIMANTI: auf den geschwärzten Zylinder aufzeichnen ließ. Nun erhielt ich aber Kon- traktionskurven mit ventralem Typus erst am Ende der Beobachtung und . während der ganzen folgenden Dauer des Experimentes (50'). Es ist nun nicht unwahrscheinlich, daß oftmals (insbesondere stets auf reflektorischem Wege) unter bestimmten Umständen (besonders vielleicht, wenn die Maja sich nicht mehr in guten Verhältnissen befindet) die Arbeit der beiden Herz- segenden abwechselt. Diese Bedingungen können nun bestimmt werden nicht nur durch das Herz an und für sich, sondern auch durch die sowohl seitlichen als auch senkrechten vereinigten Angriffe, die unzweifelhaft auf reflektorischem Wege einen großen Einfluß auf die vom Herzen geleistete Arbeit ausüben können. Zur Bestätigung meiner Ansicht muß ich hier anführen, was A. Fröhlich! wie auch Heitler® und Kochmann? glauben, dab näm- lich neben einer Extrasystole myogenen Ursprungs auch noch eine mit kompensatorischer Pause vorhanden sein kann, die durch einen Reiz ver- anlaßt ist, der vom Epikardium ausgeht und intrakardialwärts zieht, und so würde auf reflektorischem Wege eine Extrasystole eintreten. Und wenn dies eine Extrasystole hervorrufen kann, so ist es leicht denkbar, daß ein Reiz, der von den perikardialen Rändern ausgeht, die im Leben das Herz der Krustazeen festhalten, imstande ist, auf reflekto- rischem Wege entweder die dorsale oder die ventrale Herzfläche vorwiegend zur. Arbeit zu veranlassen. Nun muß ich hier von einigen Veränderungen reden, die ich im Rhyth- mus des Herzens wie auch in der Schwankung der Reizbarkeit des letzteren (chronotropische Arhythmien) beobachtet habe, ohne daß ich irgend einen Reiz auf das Tier einwirken ließ. Diese von mir erhaltenen Resultate werden uns, wenn wir sie zu den an demselben Herzen von Maja durch Einwirkung elektrischer. Reize (Schließung, Öffnung, tetanische) erhaltenen in Beziehung bringen, zur Erkenntnis vieler Erscheinungen nicht nur hinsichtlich der Physiologie des Herzens dieses Tieres, sondern der Physiologie des Herzens im allgemeinen führen. Die Resultate dieser beiden Reihen von Experimenten ergänzen und kontrollieren sich gegenseitig, so daß wir imstande sind, uns eine ge- naue Vorstellung von den ausgeführten Beobachtungen zu machen. Bei ! A. Fröhlich, Zur Kenntnis des Wesens der künstlich erzeugten Extrasystole. Zentralblatt für Physiologie. 1904. 8. 693—697. ® Heitler, Wiener klinische Wochenschrift. 1898. Nr. 3. ®M. Kochmann, Über den Ursprung der Extrasystole. Arch. internat. de physiologie. 1906. T.IV. p.1. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON MAJA VERRUCOSA M. Epw. 127 der ersten Reihe von Resultaten ging nämlich der Reiz, vermittelst dessen Veränderungen im Rhythmus und in der Reizbarkeit des Herzens eintraten, entweder vom Herzen selbst oder von den Geweben des P£örikardiums aus, und bei der zweiten Reihe war es der elektrische Reiz, der diese Veränderungen verursachte. Kurz, auch in diesem Falle wollte ich mich auf das Prinzip stützen, das mir immer bei den von mir am Herzen ausgeführten Unter- suchungen als Richtschhur gedient. hat.! Bei den früheren Untersuchungen ließ ich das Organ in situ und wollte, indem ich die Reizbarkeit der ver- schiedenen Teile (durch Änderung der Temperatur) variieren ließ, auf diese Weise die Physiologie dieses Organs studieren, das, wenn es vom Organismus getrennt ist, uns vielleicht bisweilen zu nicht vollständig genauen Resultaten und Schlußfolgerungen Veranlassung geben kann. Analyse der Herzarhythmien. Extrasystole. Im Verlauf dieser meiner Experimente habe ich die Erscheinung der Extrasystole (Marey-Engelmann) sehr eingehend studiert. Mackenzie bezeichnet sie nicht sehr genau mit dem Namen „premature contraction“. (Tatsächlich ist es keine verfrühte Kontraktion, sondern nur, wie Wenckebach (8. 172) richtig bemerkt, eine zufällige überzählige Systole) H. E. Hering will sie mit dem Namen ‚‚myoerethische Unregel- mäßigkeit‘‘ bezeichnen, aber dieser Name bezeichnet nichts, weil er zu all- gemein ist. Trendelenburg endlich schlägt den Namen ‚Nebensystole“ vor (1903 8.276 Fußnote: „Da die Bezeichnung ‚Extrasystole‘ für eine bei spontanen schlagenden Herzen künstlich hervorgerufene Systole ge- bräuchlich ist, so soll hier die ihr entsprechende Systole als Nebensystole bezeichnet werden‘). Da ich aber keine überflüssigen Neologismen in die Wissenschaft ein- führen will, werde ich die Bezeichnung Extrasystole weiter gebrauchen, wie ich dies auch in anderen Arbeiten eben über dieses nämliche Thema getan habe. Betrachten wir unsere Diagramme, so überzeugen wir uns davon, daß die Extrasystolen in der ganzen diastolischen Periode, insbesondere aber während ihrer ersten Hälfte, auftreten (Figg. 3, 4, 5, 6). 1 0. Polimanti, Sur P’allorhythmie du ceeur. Journal de physiologie et de pathologie generale. 1906. p. 775— 783. — Sur quelques phenomenes observes en soumettant plusieurs parties du ceur & differentes temperatures. Ebenda. 1907. p- 768—783. 2 Tabl. — Influence des agents physiques, concentration, temperature, sur l’activite du cur embryonnaire des poissons (premiere memoire). Ebenda. 1911. p- 797—808. 128 OSWALD POLIMANTI: Bei diesen unseren Experimenten zeigte sich als Bestätigung dessen, was ich schon in einer meiner früheren Arbeiten (S. 772) gesehen hatte, daß die Extrasy$tole um so höher und größer ist, je später sie in der diasto- Fig. 3. Maja 21. Zylinder 1. Linie 1C. 14. III. 10. Fig. 4. Maja 21. Zylinder 1. Linie 2—4. 14. III. 10. lischen Periode eintritt. In dem Maße, wie wir uns von dem Ursprung ent- fernen, bis zum Ende der Diastole werden die Extrasystolen viel kräftiger und stärker, weil die Kontraktilität eben allmählich normal wird, wenn sich eine neue Systole vorbereitet. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE von MAJA VERRUCOSA M. Epw. 129 Was die refraktäre Periode des Herzens anbelangt, so werde ich mich mit ihr beschäftigen, wenn ich die durch elektrische Reizungen hervor- gebrachten Extrasystolen behandeln werde, weil ich an dieser Stelle mich nicht entschieden hinsichtlich dieser Frage, soweit sie das Herz der Kru- stazeen betrifft, aussprechen kann. Erst wenn ich die elektrische Reizung in den verschiedenen Perioden der Herzkontraktion habe einwirken lassen, werde ich richtig: entscheiden können, bis zu welchem Punkte sich die re- _ fraktäre Periode des Herzens erstreckt. iu Fig. 5. | Fig. 6. Maja 21. Zylinder 1. Linie 2—1. Maja 20. Zylinder 1. Linie 3. 14. III. 10. 12.211.210: Beschäftigen wir uns einstweilen mit der „kompensatorischen Pause“, die nach einer Extrasystole eintirtt und die von einigen Autoren auch mit dem Namen ‚„Mareysches Phänomen‘ bezeichnet wurde. Aus den von mir gebrachten Figuren ergibt sich, daß die kompensa- torische Pause entweder absolut nicht existiert (Fig. 4 A—B, Fig.5 A, Fis.6) oder sehr kurz ist (Fig. 3 A B), zuweilen jedoch vorhanden und ziemlich lang ist (Fig. 5 B). Die kompensatorische Pause ist nicht vorhanden oder sehr kurz, weil, sobald die diastolische Periode der Extrasystole zu Ende ist, ein Reiz der venösen Regionen hinzutritt, der das Herz von neuem zu einer Systole oder einer Extrasytole bringt, ohne daß es Zeit hat, sich auszuruhen. Engelmann erklärt das absolute oder unvollständige Fehlen der kompen- satorischen Pause dadurch, daß die Blutzirkulation der venösen Herzgegenden Archivf. A.u.Ph. 1913. Physiol. Abtle. 9 150 | OswALD POLIMANTI: wegen der Extrasystole (man muß daran denken, daß der Reiz auch zurück- kommen kann) nun sehr verändert wird, wenn auch nur für eine kurze Zeit, und daß vielleicht deshalb der von den venösen Strecken ausgehende Reiz etwas früher sich geltend macht. In dem Falle nun, daß die kompen- satorische Pause fehlt, die postkompensatorische Systole dagegen eintritt (von der wir besser später sprechen), hat das Herz dann eine viel längere Zeit der Ruhe hinter sich, weil der Reiz nun geschwinder durch die Herzfaser geleitet wird, und die Kontraktion des Ventrikels geschwinder auf das sti- mulierende Agens der venösen Gegenden folgt, das bei den höheren Tieren von der V. cava ausgeht; es wird sich also auch viel schneller freimachen und die Ventrikelwandung wird sich auch geschwinder kontrahieren. Es kann auch — immer nach Engelmann — eine Verkürzung oder das Fehlen der kompensatorischen Pause eintreten, wenn die Reizbarkeit und die Kontraktilität des Herzens sich zum Teil wieder erholt haben; der nächste physiologische Reiz macht sich geltend und folgt unmittel- bar auf die physiologische Systole, wobei also die kompensatorische Pause fehlt. Diese von Engelmann gesehenen ähnlichen Erscheinungen hat auch Trendelenburg beobachtet. Auch Wenckebach fand diese Verkürzung der kompensatorischen Pause im menschlichen Herzen, die in allen Fällen nach ihm zwei Systolen gleich sein sollte, wenn sie normal wäre. Ich habe in meiner oben zitierten Arbeit behauptet, es sei, wenn viele Fxtrasystolen ventrikulären Ursprungs vorhanden sind, nicht unmöglich, daß die Kontraktionswelle (wie oben angedeutet wurde) vom Ventrikel zu den venösen Ostien geht, mithin der Rhythmus verändert wird (wie wenn man den Vorhof häufig reizt) und also die kompensatorische Pause deshalb fehlt oder kürzer ist. Ferner dachte ich, nachdem ich den Sinus und die Vorhöfe des Schildkrötenherzens einer übermäßigen Erwärmung ausgesetzt hatte, also einem Reize, den man als einen tetanisierenden be- trachten kann, wie wohl bekannt ist, und wie wir dies auch noch besser im Verlauf dieser Arbeit sehen werden, auf alle während einer Tetanisierungs- periode verursachten Extrasystolen folge nie eine kompensatorische Pause. Denn sobald die refraktäre Phase vorüber ist, wird wegen des andauernden Reizes sofort wieder eine Systole hervorgerufen. Nun ist es aber eine be- kannte Tatsache, daß der normale physiologische Reiz für die Vorhöfe und den Ventrikel nicht andauernd, wohl aber rhythmisch ist, und nur dann ist in diesem Falle eine kompensatorische Pause möglich. Falls die kompensatorische Pause vorhanden ist, bleiben die vom Vor- hof anlangenden Reize blockiert und passieren erst nach einer bestimmten BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE von MAJA VERRUCoSA M. Epw. 131 Zeit (kompensatorische Pause), um eine Systole des Ventrikels hervorzu- rufen. Wenn die Pause vorhanden ist, so ist sie viel länger als die Zeit, während welcher die Extrasystole vorher die Diastole unterbrochen hat. In dem Falle nun, daß der Herzrhythmus sehr unregelmäßig ist (Figg. 5 und 6) und dazu noch Extrasystolen eintreten, ist die Dauer der kompensatorischen Pause sehr verschieden. Es variiert der Rhythmus des Reizes, und so varliert gleichzeitig die kompensatorische Pause. In dem Falle kommen dann lange Pausen hinzu (Fig. 5); dies wird sicher von nervösen Einflüssen, die sich einmischen, abhängen. Zuweilen ist in der Periode id Extrasystolen eine vorhanden, die höher als alle anderen ist; stellt man eine genaue Beobachtung an, so sieht man, daß sie der Stelle entspricht, an. welcher eine normale Systole ein- treten sollte, wie es Fig. 8 klar beweist, und dies geschieht auch in einer anormalen Periode, in welcher sich das Herz befindet (Extrasystole), infolge des Gesetzes der Erhaltung der physiologischen Periode der Rei- zung (Cyon, Marey, Engelmann, Langendorfi, Gley, Polimanti). Werfen wir nun einen Blick auf die postkompensatorische Systole (postextrfasystolische Systole: Langendorif, Hering). Im Ver- lauf dieser Reihe von Untersuchungen haben wir gesehen, daß die post- kompensatorische Systole stets die höchste ist (Figg. 6, 5A, 4AB, 3A), und dies würde mit dem übereinstimmen, was Langendorff im Herzen des Frosches und der Säuger, Bottazzi im embryonalen Hühnerherzen und ich im Schildkrötenherzen beobachtet haben, nämlich daß eben die postkompensatorische Systole höher ist als die vorausgehenden und die folgenden Systolen. Dies habe ich in meiner früheren Arbeit durch die Annahme erklärt, daß die größere Weite und Stärke der postkompensa- torischen Systole davon abhinge, daß nach der Pause der Herzmuskel mehr als dies vorher der Fall war, Gelegenheit gehabt hat, seine Kontraktilität wieder zu erneuern. Diese Resultate würden dann, wenn mit dem mehrmals erwähnten Gesetz der Konstanz der Herzarbeit im Einklang stehen, das eben darauf beruht, daß in jeder Periode die Menge der vom Myokardium entwickelten Enersie stets dieselbe ist, mag sie nun in einer einzigen oder in zwei aufeinan- der folgenden Systolen geäußert werden, die sich immer in einem konstanten Höhe- und Energieverhältnis vorfinden. Dieses von Engelmann! gefundene Fehlen einer kompensatorischen 1 Th. W. Engelmann, Beobachtungen und Versuche am suspendierten Herzen. III. Refraktäre Phase und kompensatorische Ruhe in ihrer Bedeutung für den Herz- rhythmus. Pflügers Archiv für Physiologie. 1895. Bd. LIX. S. 309—349. 9 * 132 OSWALD POLIMANTI: Pause infolge der Extrasystolen des Sinus wurde in der Folge von Bot- tazzi!, Courtade? (bei Frosch und Schildkröte) und Woodworth® (beim Hunde) bestätigt. Langendorff? war der erste, der die Zunahme der postextrasysto- lischen Systole im Ventrikel des Froschherzens, wenn sie auf durch elek- trische Reize hervorgerufene Extrasystolen folgt, nachgewiesen hat. Er sagt, die kompensatorische Pause sei bedingt durch einen Reiz, der von hemmenden Herzmechanismen und von zwei Äußerungen der Zunahme der postextrasystolischen Systole ausgehe. Bei der ersten könne, wie er bemerkt, während der Herzpause der Herzmuskel von der Kontraktion ausruhen und eine sehr hohe Kontraktilität erreichen. Was die zweite be- trifft, stützt er sich auf das Vorhandensein von die Pulsation verstärkenden Fasern im Vagus, die nach Aufhören der hemmenden Einwirkungen, nach dem Einfluß starker Reizungen, eine Rolle spielen. Diese Umstände und die Erklärungen Langendorffs wurden von diesem Autor im Jahre 1895 durch Experimente an Säugetierherzen bestätigt. Mac William? erklärt ebenfalls dieselbe Erscheinung durch die größere Kontraktilität, die das Herz während der Pause erlangt hat. Gley® beschreibt (bei den Säugern) die Verlängerung der Systole, die Verminderung der folgenden Diastole und die Verstärkung der zwei oder drei folgenden Systolen als eine Wirkung des elektrischen Reizes, der den Herzmuskel durchzieht. i Kaiser”, der am Froschherzen experimentierte, erklärt die Zunahme 1 Ph. Bottazzi, Über die postkompensatorische Systole. Zentralblatt für Phy- siologie. 1894. S. 401—405. ®2 D. Courtade, Contribution & l’etude de la fonction rhythmique du coeur. Archives de physiologie. 1896. Vol.IX. p.69. ® R. S. Woodworth, Maximal contraction, „Staircase‘‘ contraction, refractory period and compensatory pause of the heart. American Journal of Physiology. 1903. Vol. VIII. p. 213. * 0. Langendorff, Über elektrische Reizung des Herzens. Dies Archiv. 1885. Physiol. Abtlg. S. 284. — Untersuchungen am überlebenden Säugetierherzen. III. Vorübergehende Unregelmäßigkeiten des Herzschlages und ihre Ausgleichung. Pflügers Archiv für Physiologie. 1898. Bd. LXX. S. 473. — H. E. Hering, Er- gebnisse experimenteller und klinischer Untersuchungen über den Vorhofvenenpuls bei Extrasystolen. Zeitschrift für experimentelle Pathologie und Therapie. 1905. Bd.1. S. 39. ° Mac William, On the rhythm of the mammalian heart. Journal of Physiology. 1888. Vol. IX. p. 167. ° E. Gley, Recherches sur les lois de l’inexcitabilit& periodique du cour chez les mammiferes. Archives de physiologie. 1889. Vol. V. p. 499. ” G. Kaiser, Untersuchungen über die Rhythmizität der Herzbewegungen. Zeitschrift für Biologie. 1892. Bd. XXIX. S. 216; III Zbenda. 1895. Bd. XXXII. p. 1. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE von MAJA VERRUCOSA M. Epw. 133 der postextrasystolischen Systole durch die übermäßige Füllung des Vor- hofes während der auf die Extrasystole folgenden Pause, was die Kon- traktion des Ventrikels auf einen sehr hohen Grad bringe. Da er aber die- selbe Erscheinung im blutleeren Herzen konstatieren: konnte, glaubt er, die Erklärung müsse in einer dynamogenen Wirkung gesucht werden, als eine Folge der großen Kontraktilität, welche die Gamslien oder die Muskel- fasern während der Pause erlangt haben. Bottazzi! erkannte eine Zunahme der postextrasystolischen Systole (die er postkompensatorische Systole nennt) im Ventrikel des Hühner- embryos und im Schildkrötenherzen (im letzteren Falle allein nach einer Reizung des Sinus und des Vorhofes). Er glaubt, die Erscheinung sei bedingt durch einen gleichzeitigen Reiz der Vagusstämme, die imstande sei, anabolische und katabolische Erscheinungen hervorzurufen. Einige Zeit nachher erörterten Cushny und Matthews? die Zunahme der postextrasystolischen Systole im Ventrikel und im Vorhof der Säuge- tiere. Nach ihrer Ansicht ist diese Erscheinung bedinst durch die auf die Extrasystole folgende Pause und sie betrachten diese Pause als eine Verlängerung der diastolischen Pause; in dieser Periode nehmen Er- regbarkeit unf Kontraktilität wenig zu. Langendorff? bestätigte und entwickelte einige Zeit nachher die von ihm im Jahre 1895 geäußerten Gedanken. Er glaubt, die Größe der post- extrasystolischen Systole hänge vom Herzen ab: ihre Größe nehme zu, wenn die Extrasystole klein sei. Auf jeden Fall schreibt Langendorff die Zunahme der postextrasystolischen Systole nicht der Pause, sondern der hervorgerufenen Systole zu. F. B. Hoffmann sagt, infolge des Auftretens der Extrasystole und des Fehlens der spontanen Kontraktion sei die folgende Pause länger als die gewöhnlichen Pausen; es ist natürlich, daß die folgende Kontraktion höher und länger ist als die ihr vorausgegangenen spontanen Kontraktionen. Was die Pause anbelangt, so erklärt sich ihre Abnahme gleichfalls, wenn man daran denkt, daß auf den raschen Durchgang der verminderten Extrasystole eine längere Pause folgt. ! Ph. Bottazzi, Über die postkompensatorische Systole. Zentralblatt für Phy- siologie. Bd.X. Nr.14. S. 401. 2 A.R. Cushny and S. A. Matthews, On the effects of electrical stimulation of the mammalian heart. Journal of Physiology. 1897. Vol. XXI. p. 213. ®0. Langendorff, Herzmuskel und intrakardiale Innervation. Ergebnisse der Physiologie. 1912. 1. Jahrg. II. Abt. S. 296. 4 F. B. Hoffmann, Über die Änderungen des Kontraktionsablaufes am Ven- trikel und Vorhofe des Froschherzens bei Frequenzänderungen und im hypodyna- mischen Zustand. Pflügers Archiv für Physiologie. 1901. Bd. LXXXIV. S. 149, 134 OSWALD POLIMANTI: Woodworth! konstatierte auf der Spitze des Hundeherzens eine Wir- kung des verfrühten Eintretens der Extrasystole, deren Größe von dem Grade des frühen Eintretens sozusagen der Extrasystole abhängt. Die- selbe Wirkung konnte er im Froschherzen nicht sehen. H. E. Hering? gab zuerst dieser Systole den Namen postextrasysto- lische Systole, weil es häufig die auf die Extrasystole folgende Systole ist, welche in Wahrheit kompensatorisch ist, und nicht die unmittelbar auf die Extrasystole folgende Pause. Rihl® begründet infolge von an Säugetierherzen gemachten Unter- suchungen darauf eine neue Lehre, indem er sagt, im Herzen der Säuger hänge die Zunahme der postextrasystolischen Systole vom erregenden Ein- fluß der Extrasystole ab, der eine Zunahme der Kontraktilität herbeiführe; er bemerkt in seinen Kurven eine Zunahme der Postextrasystole, auch. wenn die kompensatorische Pause fehlt. Bornstein? weist aber darauf hin, daß im Säugetierherzen die Er- scheinung sehr kompliziert sei und daß die positive inotropische Wirkung der Extrasystole von dem Koronarienkreislauf abhänge (Langendorff), statt sie von der Wirkung des Herzens abhängig zu machen, wie es Rihl will. Bornstein, der am Froschherzen experimentierte (in welchem kein Koronarienkreislauf existiert), gelangt zum Schlusse, daß kein Grund vor- handen sei, die alte Vorstellung aufzugeben, nach welcher die Zunahme der Postextrasystole eine Folge der kompensatorischen Ursache ist. Rihl® beharrt aber in einer Erwiderung an Bornstein bei seinen oben erwähnten Schlußfolgerungen. Alle meine Resultate, von denen wir später sprechen werden, genügen den Vorschriften des Gesetzes der Konstanz der Herzarbeit, das auf der Tatsache beruht, daß für gleiche Perioden die vom Myokardium geleistete Gesamtarbeit stets dieselbe ist, welches auch die Zahl (eine oder zwei) der aufeinander folgenden Systolen sein mag, die sich stets in bezug auf Höhe I R. S. Woodworth, Maximalkontraktion, ‚„Staircase‘ contraction, refractory period and compensatory pause of the heart. American Journal of Physiology. 1903. Vol. VIII. p. 213. ®H. E. Hering, Ergebnisse experimenteller und klinischer Untersuchungen über den Vorhofvenenpuls bei Extrasystolen. Zeitschrift für experimentelle Pathologie und Therapie. 1905. Bd.I. S. 32. ® J. Rihl, Zur Erklärung der Vergrößerung der postextrasystolischen Systole des Säugetierherzens. Ebenda. 1906. Bd. III. S.1. * A. Bornstein, Die Postextrasystole. Zentralblatt für Physiologie. 1906. Bd. XX. Nr. 18. S. 588. 5 J. Rihl, Erwiderung an A. Bornstein. Ebenda. Bd. XX. 1906. Nr. 20. S. 659. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON MAJA VERRUCOSA M. Enpw. 135 und Energie mit dem Herzrhythmus in einem konstanten Verhältnis befinden. ; Die Experimente beweisen tatsächlich, daß die postkompensatorische Systole um so viel höher ist (Langendorff), um wie viel die Extrasystole schwächer gewesen ist, oder, was dasselbe bedeutet, um wie viel sie weiter von der Extrasystole entfernt ist (Gley). Ferner kann die postkompensatorische Systole eintreten, auch wenn die kompensatorische Pause nicht vorhanden ist (Fig. 6, Fig. 3 A, Fig. 4.A) oder nur leicht angedeutet ist (Fig. 5A, Fig. 4B). In einigen Fällen ist — eine Tatsache, die ich schon bei meiner anderen Arbeit sehen konnte — von den Systolen, die auf die Extrasystole folsen, nur die zweite höher (Fig. 3B). Häufig können die auf die postkompensatorische Systole folgenden Systolen in Gestalt einer wahren und eigentlichen mehr oder minder aus- geprägten Treppe (Fig. 6) allmählich stufenweise abnehmen. Oder es tritt auch, wie sich ganz deut- lich aus den Fieg. 5, 4, 3 ergibt, nach der postkompensatorischen Systole eine mehr oder minder lange Pause ein und die folgen- den Systolen erheben sich allmählich eine bestimmte Zeit hindurch treppenförmie. Diese bestimmten Perioden haben deutliche Ähnlichkeit mit „Bowditchs Treppe“; dann wird die Kurve wieder normal. Dieses Bowditchsche Phänomen! trifft man auch an, wenn keine Störungen im Herzrhythmus eintreten (Fig. 7). Tatsächlich denkt man sogleich, wenn man derartige Kurven betrachtet, an die Erscheinung der Treppe, die Bowditch beim Froschherzen erhielt mit Strömen von Biss u Eu ne & Re 3 Maja 3. Zylinder 2. Linie 1. minimaler Intensität mit minimalen Rei- 28. II. 10 zungsintervallen, und auch heute hat die Erklärung, die er gab, um dieses Phänomen zu erklären, noch immer Gültigkeit; er nimmt nämlich an, daß die erste Reizung einen Widerstand überwinden muß, den die weiteren nicht mehr überwinden müssen. ı H. P. Bowditch, Über die Eigentümlichkeiten der Reizbarkeit, welche die Muskelfasern des Herzens zeigen. Sitzungsb. d. Königl. Sächs. Ges. d. Wissenschaften (math.-phys. Kl.) 1871. S. 652. 136 OSWALD POLIMANTI: Heutzutage gilt die Hypothese von Ranvier! u. a. von der Summierung der Reizungen nicht mehr. Wegen dieser sehr hohen postkompensatorischen Systole sind die nach- her kommenden Systolen etwas kleiner; dies kann durch die von der stär- keren vorhergehenden Systole verursachte größere Inanspruchnahme der Kontraktilität bedingt sein, ist jedoch häufig die Folge einer ziemlich ge- ringen, sehr kurzen Füllung des Herzens nach einer so großen, so kräftigen postkompensatorischen Systole. Nach Engelmann und H. E. Hering ist die erste physiologische Periode nach der kompensatorischen Pause häufiger ein klein wenig mehr verlängert. Diese Erscheinung erklärt sich dadurch, daß die postkompen- satorische Systole geschwinder als eine normale verläuft und deshalb die postkompensatorische Pulswelle sich zu schnell kundgibt; wenn dann die - zweite Welle normal verläuft, wird die Entfernung zwischen den beiden Pulswellen größer als im Falle, daß es sich um eine normale Periode handelt. Zuweilen beobachtet man, daß die Extrasystole viel weiter und höher als die wahre Systole ist (Fig. 3A B, Fig. 4AB, Fig. 5 B, Fig. 6). Dies kann davon abhängen, daß der wahren Systole eine kompensatorische Pause vorausgegangen ist; das Herz hat mehr Kraft aufgespeichert und die Extra- systole, die hervorgebracht wird, ist viel höher. Oder es kann davon ab- hängen, daß das Herz stets danach strebt, das rhythmische Verhältnis zwischen der venösen Abteilung und der arteriellen Abteilung beizubehalten. Und auch in diesem Falle würde das Gesetz der Konstanz der Herzarbeit be- stätigt werden. Hier müssen wir nun annehmen, daß jede auf eine Extrasystole folgende Systole, obwohl keine kompensatorische Ruhe vorhanden ist, als die post- kompensatorische Systole der vorhergehenden Extrasystole betrachtet werden muß (Gesetz der Konstanz der Herzarbeit). Gewiß muß man annehmen, daß der ursprüngliche Rhythmus des Herzens (venöse Abteilung) in einigen Augenblicken sehr unregelmäßig sein muß; der Reiz entsteht ungleichmäßig und es manifestieren sich chrono- tropische Einflüsse nervöser und myogener Art. Hat man es mit einer sehr starken Herzfrequenz zu tun, so muß man annehmen, daß die reizende Welle des Herzmuskels vermindert ist und daß das Herz allzu reizbar geworden ist. Aus den Experimenten Engelmanns wissen wir, daß bei der Los- lösung einer Extrasystole aus den venösen Ostien die kompensatorische ! Ranvier, Lecons d’Anatomie generale. Paris 1877—1878. p. 63. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE Von MAJA VERRUCOSA M. Enpw. 137 Pause absolut fehlt oder zu kurz ist, weil die postkompensatorische Systole etwas zu schnell anlangt. Engelmann sucht die Erklärung dieser unbestreitbaren Tatsache in dem Umstand, daß die Blutzirkulation in den venösen Wänden des Herzens wegen der Extrasystole, wenn auch nur für kurze Zeit, einigermaßen eine Änderung erleidet, und vielleicht deswegen wird der automatische Reiz viel eher mächtig, weil er mit einem nicht unterbrochenen normalen Rhyth- mus auftritt. Ferner sahen Cushny und Matthews!, als sie mit der Engelmann- schen Methode am Säugetierherzen experimentierten, daß auf eine vom Ventrikel ausgehende Extrasystole stets eine vollständige kompensato- rische Pause folet, während, wenn man den Vorhof und die venösen Ostien reizt, die auf die hervorgerufene Extrasystole folgende kompensato- rische Pause nicht immer vollständig kompensatorisch ist; d. h. sie ist häufig kürzer und fehlt bisweilen vollständig. Man spricht also von Ventrikel-Extrasystolen und von Sinus-Vorhof- Extrasystolen (Cushny? und Mackenzie°). Die Autoren lassen diese von ihnen beobachtete Erscheinung von zwei Faktoren abhängen: entweder geht die Kontraktionswelle von den Vor- höfen zu den großen Venen und verursacht hier eine verstärkte Kontraktion, die zurückgehend in den Vorhöfen die postkompensatorische Systole vor- zeitig hervorruft, oder die Reizbarkeit der Vorhöfe nimmt fortwährend zu, bis sie zu einer Kontraktion führt, die von den großen Venen unabhängig ist und in der Wand selbst der Vorhöfe entsteht. Nach Wenckebach* wird während der phylogenetischen Entwick- lung ein Teil des Sinus venosus in die Vorhöfe eingeschlossen; deshalb be- sitzen letztere in höherem Grade die Eigenschaft, auch unabhängig vom Sinus venosus automatische Reize hervorzurufen. H. E. Hering bestätigte im Säugetierherzen diese Untersuchungen ı A.R. Cushny and S. A. Matthews, On the effects of electrical stimulation of the mammalian heart. Journal of Physiology. 1897. Vol. XXI. p. 213. 2 A.R. Cushny, On the interpretation of pulse-tracings. Journal of exp. medicine. 1899. Vol. IV. p. 327. 3 J. Mackenzie, Die Lehre vom Puls. Deutsche Übersetzung von A. Deutsch, Frankfurt a.M. 1904. * K. F. Wenckebach, Die Arhythmie als Ausdruck bestimmter Funktions- störungen des Herzens. Eine physiologische Studie. Leipzig 1903. 5 H.E. Hering, Zur experimentellen Analyse des Herzschlages. Pflügers Archiv für Physiologie. 1900. Nr. 32. S.2. — Über die gegenseitige Abhängigkeit der Reiz- barkeit, der Kontraktilitätt und des Leitungsvermögens der Herzmuskelfasern. Ebenda. 1901. Bd. LXXXVI. 8. 533. — Die myoeretischen Unregelmäßigkeiten des 138 OswALD POLIMANTI: von Cushny und Matthews, wobei er annimmt, daß die Extrasystolen mit verkürzter Pause immer vom Herzohr ausgehen. H. E. Hering fand jedoch später, daß nicht immer nach dem Reiz der Vorhöfe die folgende Extrasystole eine unvollständige kompensa- torische Pause hat, bisweilen kann sie auch vollständig sein; diese Pause stammt also nicht nur vom Ventrikel, sondern sie kann auch vom Sinus venosus herstammen. Wenn sie vorhanden ist, so ist sie um so länger, je frühzeitiger der stimulierende Faktor in der reizbaren Phase der Vorhöfe eintrat; dies er- klärt sich leicht, wenn man an das Verhalten des (dromotropischen) Leitungs- vermögens denkt. Aus diesen Ergebnissen schließt man, daß das Gesetz der Erhaltung des physiologischen periodischen Reizungsrhythmus hin- sichtlich der Vorhöfe existiert; das Verhältnis ist jedoch nicht so einfach . wie im Ventrikel. Mackenzie hatte im menschlichen Herzen gefunden, daß auf eine von den Vorhöfe ausgehende Extrasystole häufig eine unvollständige kom- pensatorische Pause folst. Wenckebach beobachtete, daß die Verkürzung der kompensatorischen Pause nach dem Reize der Vorhöfe des Säugetierherzens im Grunde kein fundamentaler Unterschied ist, den dieses im Vergleich zum Froschherzen zeigt. Er erklärt den von den verschiedenen Autoren gefundenen Unterschied folgendermaßen: Ob die kompensatorische Pause kürzer oder vollständig ist, hängt davon ab, daß die durch einen Extrareiz verursachte Kon- traktionswelle, indem sie zurückkehrt, die großen Venen vor oder nach dem Moment erreicht, wenn der physiologische Reiz sich an dieser Stelle geltend macht. Wenn diese Kontraktionswelle vor diesem Moment in der Wandung der großen Venen anlanet, so wird das Reizmaterial vernichtet und es ist wieder die Dauer einer spontanen Periode erforderlich, ehe der physiologische Reiz von neuem den zweckdienlichen Höhepunkt erreicht; alsdann wird die kompensatorische Pause um so viel kürzer, um wieviel die Kontraktionswelle vor dem Augenblick der spontanen Kontraktion in die großen Venen gelangt. Zuerst erfolgt der Reiz, und um so kürzer ist das Intervall der spontanen Kontraktionen. Falls die Reizung etwas spät in der diastolischen Periode der Vorhöfe hingelanst, so daß die Kontrak- Herzens. Prager mediz. Wochenschrift. 1901. Bd. XXVI. — Bemerkungen zur Er- klärung des unregelmäßigen Pulses. Ebenda. 1902. Bd. XXVII. — Über den Pulsus pseudoalternans. Ebenda. 1902. Bd. XXVII. — Ergebnisse experimenteller und klinischer Untersuchungen über den Vorhofvenenpuls bei Extrasystolen. Zeitschrift für experimentelle Pathologie und Therapie. 1905. Bd.I. S. 39. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE von MAJA VERRUCOSA M. Epw. 139 tionswelle nieht in die großen Venen kommt, ehe der spontane Reiz sich Geltung verschafft, dann hat an dieser Stelle schon die spontane Kontrak- tion begonnen und der künstliche Reiz findet das Herz an dieser Stelle wieder im refraktären Zustand; nur in diesem Falle ‘tritt keine Störung im physiologischen Rhythmus der Venen ein. Daß endlich eine derartige Störung des Venenrhythmus im Froschherzen mit den Extrasystolen der Vorhöfe nicht veranlaßt wird, ist erklärlich, weil in diesem Herzen größere Reizungen als seine Muskulatur (von den Venen zum Sinus, vom Sinus zum Vorhof) vorhanden sind. Durch diese Übergangsstellen werden die Reize langsamer transportiert und deshalb hat ein künstlicher Reiz, der den Vorhof des Frosches trifft, weniger Wahrscheinlichkeit, die Venen vor dem Beginn der spontanen Kontraktion zu erreichen, als im Säugetier- herzen, wo sich diese Teilungen zwischen Venen und Vorhöfe nicht finden. - Es ist also ein anatomischer und nicht ein physiologischer Unterschied, da physiologisch das Froschherz denselben Wert hat wie das eines Säugers, (bzw. des Menschen) und das Majaherz, mit dem wir uns eben in dieser Arbeit beschäftigen. Wird das Herz in diesem Falle rhythmisch tetanisiert, so folgt auf eine durch einen starken Reiz hervorgerufene Extrasystole nie eine Pause, weil, sobald die refraktäre Periode vorüber und die Kontrak- tilität des Herzens genügend wieder hergestellt ist, von neuem eine Systole wegen des andauernden Reizes eintritt. Diese nämlichen Erscheinungen erhielt ich, als ich den Sinus und die Vorhöfe erwärmte und gleichzeitig den Ventrikel und den Sulcus atrio-ventricularis von Testudo graeca ab- kühlte Mit den eben bei den Extrasystolen des Ventrikels erhaltenen Resultaten verglich ich die Wirkung der Wärme beim tetanischen Strom. Hier muß ich nun über einige Besonderheiten sprechen, die bei den spontanen Extrasystolen, die von seiten des Majaherzens erfolgen, sich zeigen. A. Nach einer Extrasystole tritt bisweilen keine kompensatorische Pause ein, wohl aber eine postkompensatorische Kurve, sei es unmittelbar nach der Extrasystole oder auch nach einer gewissen Zahl von normalen Pulsationen (3). (Fig. 8: Pfeile.) B. Es treten Extrasystolen ein, auf die eine kompensatorische Pause und eine postkompensatorische Pause nicht folgt, wenigstens nicht in deut- licher Weise. (Fig. 9: Pfeile. ) C. Es können extrasystolische Kurven sich zeigen, die viel höher als die Systolen selbst sind. (Fig. 10.) Die auf diese Extrasystolen folgende Kurve ist sehr unregelmäßig, weil nicht immer eine sehr deutliche kompensatorische Pause eintritt; des- 140 OSWALD POLIMANTI: gleichen fehlt auch eine postkompensatorische Kurve. Doch zeigt sich stets eine Andeutung der einen sowohl als der anderen infolge des Gesetzes der Konstanz der Herzarbeit. Fig. 8. Maja 20. Zylinder 1. Linie 1. 12. III. 10. ' Fig. 9. Maja 20. Zylinder 3. Linie 4 12.1III. 10. Aus den gebrachten Figuren erhellt, daß die kompensatorische Pause absolut nicht vorhanden oder sehr kurz ist. Dies ist der Fall, weil, sobald die diastolische Periode der Extrasystole zu Ende ist, unverzüglich ein Reiz der venösen Abteilung auftritt, der die arterielle Abteilung von neuem zu einer Systole oder einer Extrasystole bringt, ohne daß die letztere Ab- teilung Zeit hat sich auszuruhen. Engelmann erklärt, wie wir gesehen haben, das absolute oder unvollständige Fehlen der kompensatorischen Pause durch den Umstand, daß die Blutzirkulation der venösen Teile des Herzens wegen der Extrasystole (man muß bedenken, daß der Reiz auch zurückkehren kann) eine große Veränderung erleidet, wenn auch nur für BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE von MAJA VERRUCOSsA M. Epw. 14 kurze Zeit, und vielleicht deshalb macht sich der von den venösen Strecken ausgehende Reiz etwas früher geltend. In dem Falle nun, daß die kompen- satorische Pause fehlt, aber statt dessen die postkompensatorische Systole eintritt, hat alsdann das Herz eine viel längere Ruhezeit hinter sich; des- halb wird der Reiz viel schneller durch die Herzfaser hindurch übertragen, die Ventrikelkontraktion erfolgt schneller nach Einwirkung des von venösen Teilen ausgehenden stimulierenden Agens; deshalb wird letzteres sich auch schneller loslösen und die Ventrikelwandung wird sich auch geschwinder kontrahieren. Es kann auch eine Verkürzung oder das Fehlen der kompen- satorischen Pause eintreten, wenn die Reizbarkeit und die Kontraktilität BEINRIRININNN, Anfaaf Fig. 10. Maja 21. Zylinder 1. Linie 1. 14. III. 10. des Herzens sich zum Teil erholt haben; der nächste physiologische Reiz macht sich geltend und folgt unmittelbar auf die physiologische Systole, also mit Fehlen der kompensatorischen Pause. Ähnliche Erscheinungen sind in dieser letzten Zeit von Trendelen- burg im Froschherzen und von mir im Schildkrötenherzen beobachtet worden. Im Falle nun, daß das Herz mit einem anormalen höheren Rhythmus, z. B. N/2, pulsiert, kommen zu diesem Rhythmus viele Extrasystolen, und auf diese Extrasystolen folgt eine sehr lange Pause, die jedoch nicht so lang ist, daß sie die Frequenz N/2 kompensiert. Inmitten der Reize N/2 kommt eine Extrasystole hinzu, die den näch- sten physiologischen Reiz annulliert. Alsdann hat das Intervall zwischen der vorhergehenden Systole und der postkompensatorischen physiologischen 142 OSWALD POLIMANTI: Systole nicht die doppelte Länge der Periode; genauer gesagt, hat es die Länge von einer oder anderthalber Periode. Wenckebach fand diese Ver- kürzung der kompensatorischen Pause, die in allen Fällen gleich zwei sein müßte, wenn sie normal wäre. Ich habe gesehen, daß, wenn viele Extra- systolen ventrikulären Ursprungs eintreten, es nicht unmöglich ist, daß die Kontraktionswelle vom Ventrikel bis zu den venösen Ostien geht, daß infolgedessen der Rhythmus eine Veränderung erleidet, wie wenn man häufig den Vorhof reizt, und daß mithin die kompensatorische Pause fehlen ANPIEANIENNDY IIVUNAANNUNNVNNS WANN ANerı RR r ELANMIANNBIENEN, NN NE a NEN a N : AMANANNIISG UNAıNnranNun/\ \ ; KANN AS N MAIANGNI: UN AANNM Bio lula@ın): 19irez, 1122 (Om)k Fig. 13 (@),). Maja 20. Zylinder 5. Maja20. Zylinder4. Maja 20. Zylinder 6. 12. III. 10. 12. II7210: 12. III. 10. wird oder kürzer ist. In meiner letzten Arbeit dachte ich, daß der Sinus und die Vorhöfe einer übermäßigen Erwärmung und also einem Reize, den man als tetanisierend betrachten kann, ausgesetzt seien; es ist aber wohl bekannt, daß auf alle in einer tetanisierenden Periode hervorgerufenen Extrasystolen nie eine kompensatorische Pause folgt. Denn es wird eben, sobald die refraktäre Phase vorüber ist, wegen des andauernden Reizes eine Systole wieder hervorgerufen. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON MAJA VERRUCOSA M. Eow. 143 Allgemein bekannt ist, daß bei den höheren Tieren der normale physio- logische Reiz für die Vorhöfe und für den Ventrikel nicht andauernd, ob- wohl rhythmisch, ist, und dann ist nur in diesem Falle eine kompensa- torische Pause möglich. Typische Beispiele von Extrasystolen ohne kompensktorsche Pause zeigen sich in den von mir gebrachten Kurven, bei denen eben das Majaherz sich gewiß in einem wahrhaft tetanischen Zustand befinden mußte. (Fig. 11.) Dieser anormale Zustand des Herzens mußte abhängen entweder von im Herzen selbst eintretenden Veränderungen, oder auch von Verände- rungen, die in der venösen Abteilung des Kreislaufapparates stattfanden. Auch elektrische Reizungen durch Öffnung und Schließung des Stromes sind nicht imstande, diesen anormalen Rhythmus des Herzens zu einem regel- mäßigen zu machen, bei dem eben jede Kontraktion von Extrasystolen ausgefüllt ist. (Fig. 12.) Einige Male jedoch zeigt sich ein Übergang von diesem anormalen Reizbarkeitszustand, in welchem sich das Herz befindet, zu völlig oder fast ganz. normalen Herzkontraktionen, wie sich deutlich aus den von mir wiedergegebenen Kurven ergibt. (Fig. 13.) Von diesen extrasystolischen Formen wird dann auch mit großer Leich- tigkeit übergegangen zu dem Stadium des Herzens, das A. v. Tschermak mit dem Namen ‚„Weckung‘ bezeichnet hat (S. 45) und das er in sterbenden embryonalen Fischherzen, die mit Induktionsströmen gereizt wurden, er- hielt. Kurz, es handelt sich um eine (S. 45): „kürzer oder länger nach- dauernde Reihe beschleunigter Pulse“. (Fig. 14.) Annan UMNNN NUR, Fig. 14 (23). Maja 20. Zylinder 1. Linie 1. 12. III. 10. Wie diese Figur zeigt, kann das Herz von diesem ganz besonderen Zustand dann zu den normalen Pulsationen übergehen. (Fig. 14.) Bisweilen können sich dann normale Pulsationen mit diesen eben von mir beschriebenen anormalen vermischen; es scheint, daß Perioden von normalen Pulsationen mit Perioden anormaler Pulsationen periodisch auf- einander folgen. Namentlich in den Endperioden des Tieres, wenn es dem Tode nahe 144 OSWALD POLIMANTI: ist, wechseln deutliche Formen von Delirium cordis mit Formen von Weckung ab, oder auch beide Arten von Kurven können sehr lange Zeit hindurch fortdauern. Bei den Pulsationen, die während des Delirium cordis eintreten, sind dieselben sehr häufig, gleichzeitig aber auch sehr klein, wie sich mit großer Deutlichkeit aus der von mir wiedergegebenen Kurve ersehen läßt. (Fig. 15.) Fig. 16 (/). Fig. 15 (2/,). Maja 4. Maja6. 6. Exper. Zylinder]. 4. Experiment. 3. 110 5 Zylinder2. 1. III. 10. Das Charakteristische besteht sodann darin, daß häufig von einer allo- rhythmischen Form, wie Fig. 15 zeigt, zu periodischen Pulsationen von Weckung und Delirium, die untereinander abwechseln, übergegangen wird. Diese Formen von Herzweckung haben außer v. Tschermak auch R. Tigerstedt und C. A. Strömberg! im Sinus venosus des voll- ständig entwickelten Fischherzens, E. J. Marey im Ventrikel, S. Brun- IR. Tigerstedt und C. A. Strömberg, Der Venensinus des Froschherzens physiologisch untersucht. Mitteilungen aus dem physiologischen Labor. zu Stock- holm. 1888. 5. Heft. p. 17. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE Von MAJA VERRUCOSA M. Epw. 145 ton und X. Cash! im Vorhof des künstlich erwärmten Fischherzens gesehen. Auch W. Mills? beobachtete analoge Erscheinungen im Fischherzen, und ich habe sie ebenfalls in dem verschiedenen Temperaturen ausgesetzten Schildkrötenherzen wahrgenommen. Bei den höheren Tieren wäre (nach A. v. Tschermak S. 47/48) die Ur- sache aller dieser anormalen Pulsationserscheinungen die folgende: ‚‚In den von mir beobachteten Fällen von ‚Weckung‘, d.h. von Auslösung einer beschleunigten Schlagfolge von großer Dauer durch den Extrareiz handelt es sich wahrscheinlich um einen Reizeffekt im Sinusgebiet, um eine Be- schleunigung in der Produktion der spontanen Impulse am venösen Herz- ende.“ 4 Auch in den hier bei Maja beobachteten Fälten handelt es sich gewiß um andauernde anormale Reize, die von den venösen Abteilungen des Herzens ausgehen und dann auf das eigentliche ‚Herz‘ übertragen werden. Endlich muß ich hier noch bemerken, daß die von einem sterbenden Herzen gelieferten Pulsationen sehr häufig gar nicht unregelmäßig sind. Dagegen sind sie rhythmisch und die einzelnen Pulsationen sind viel niedriger als die im normalen Zustand erhaltenen. Pulsunregelmäßigkeit von rhythmischem Charakter. I. Bisweilen folgen einander mit großer Regelmäßiskeit normale Pul- sationen, jedoch sind sie mit sehr kleinen Pulsationen vermischt. (Fig. 16.) Dies wird dadurch bedinst sein, daß der Reiz sich nicht immer regel- mäßig aus der venösen Abteilung des Kreislaufapparates derart loslöst, daß die arterielle Abteilung eine Kontraktion, eine normale Pulsation aus- führt. Es existiert jedoch keine absolute Ruhe zwischen einer Pulsation und der anderen, da stets eine Andeutung eines Herzschlages vorhanden ist, wenn dieser auch kaum angedeutet ist. Dies ist ein weiterer Beweis für die Konstanz der Herzarbeit. II. Allorhythmia cordis. Ich hatte im Herzen von Testudo graeca gesehen, daß, wenn ich den Sinus und die Vorhöfe erwärmte und gleich- zeitig den Suleus atrio-ventricularis und den Ventrikel abkühlte, das Ver- hältnis As/V s nicht mehr gleich N/1 war, sondern gemäß einem Ver- 1 L. Brunton and X. Cash, On the effect of electrical stimulation of the frog’s heart and its modification by heat, cold and action of drugs. Proceed of the Royal Society. 1883. Vol. XXXV. No. 227—455. ®2 W. Mills, Journal of physiol. 1886. Vol. VII. p. 81. Archivf. A.u.Ph. 1913. Physiol. Abtlg. 10 146 OSWALD POLIMANTI: hältnis N/2 oder N/3 variierte. Im ersten Falle nahmen die Verhältnisse zu nach einer geometrischen Reihe (1:2, 1:4, 1:8 usw.) und im zweiten Falle nach einer arithmetischen Reihe (1:3, 1:5, 1:7 usw.). Ferner fand ich, daß zwischen den beiden Reihen ein Verhältnis bestand insofern, als beide von demselben Glied ausgehen, was sagen will, daß man, wenn man die zweiten Glieder der beiden Reihen erhalten will, bei der ersten Reihe 1 mit 2 multiplizieren und bei der zweiten Reihe zum Glied 2 das Glied 1 addieren muß. Kurz, das Glied 2 ist es, welches die Basis der geometrischen Reihe bildet und es variiert nur der Exponent, während im Falle der arith- metischen Reihe die Zahl der Glieder 2 variiert, die man zum Glied 1 addieren muß. Mithin besteht ein enges Ver- hältnis zwischen den beiden Reihen, der geometrischen und der arithmetischen. In der zweiten Arbeit über dieses Thema konnte ich außerdem feststellen, dab man eine Extrasystole hervorrufen kann sowohl bei einem Herzen, das mit einem auriculo-ventrikularen Rhythmus gleich N/1 schlägt, wie auch, wenn es mit einem Rhythmus gleich N/2 oder N/3 und ihren Vielfachen schlägt. Ferner sah ich, daß man von einem Rhythmus N /1 zu einem Rhythmus N/2 oder N/3 übergehen kann, mit einem Intervall | Ba von Extrasystolen, und von diesem wieder in derselben Reihenfolge. Alle diese Erscheinungen, die ich im Herzen von Testudo graeca klar fest- Fig. 17 (@J,. Maja 6. Zylinder 3. i i ; 5, en, : stellen konnte, indem ich verschiedene Teile desselben gleichzeitig erwärmte und abkühlte, werden uns dazu dienen, viele andere, sowohl identische als auch verschiedene, die ich bei Maja beobachtet habe, zu verstehen. A. Reine Allorhythmie. Bigeminia cordis. Cor bigeminum (zwei Pulsationen, die sehr schnell aufeinander folgen und auf die eine längere Pause folgt). Sie hängt fast sicher von einer Veränderung in der Übertra- sung des Reizes ab, die zu dieser Allorhythmie führt. : In diesem Falle von Bigeminia cordis sind die beiden Pulsationen ein- ander vollkommen gleich. (Fig. 17.) Zuweilen ist die Bigeminia cordis nicht vollständig deutlich, sondern bigemine Kurven wechseln mit absolut normalen Kurven ab, weil das BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE von MasA VERRUCOSsA M. Epw. 147 Herz immer die Tendenz hat, zum ursprünglichen Rhythmus zurück- zukehren. B. Cor alternum (Fig. 18). Es folgen einander zwei Pulsationen entweder ziemlich schnell oder in etwas langen Intervallen, jedoch stets in Fig. 18. Maja 20. Zylinder 3. Linie 3, lad \ I A_ Ki Rio 19725): Maja 4. 4. Experiment. Zylinder 1. 1. III. 10. gleichem Abstand voneinander; eine Pulsation ist jedoch niedriger als die andere (Fig. 19 B). 10* 148 OswALD POLIMANTI: Jedoch wechseln mitunter zwei tiefe Pulsationen mit einer viel höheren Pulsation ab (Fig. 19 A), oder eine größere Zahl von tieferen Pulsationen (3—4) wechseln mit einer höheren Pulsation ab. (Fig. 19 A. B.) (In dieser Figur bemerkt man auch einige anakrotische Pulsationen.) Bisweilen zeigt sich dann ein sehr charakteristisches Cor alternum. Mit ziemlich hohen normalen Pulsationen wechseln Gruppen von Kurven mit Rhythmus N/2, N/3 ab. Diese Gruppen von Kurven sind vollständig untereinander homogen und zeigen den Typus der normalen Herzkontraktion, oder sie erhalten sich sehr klein und gehen stets (in extrasystolischer Form) der Hauptpulskurve voraus. Auch in diesem Falle erhält man diese ganz besondere Kurve, weil nach einer gewissen Zeit eine völlig normale Kurve wieder eintritt. (Fig. 20.) Fig. 20 (t/,). Maja 12. Zylinder 1. 8. III. 10. Im Grunde ist es eine Unregelmäßigkeit, die zu einer vollständigen Regulierung des Pulsrhythmus des Herzens führt. Mithin muß man an- nehmen, daß die Erscheinung der. Extrasystole bisweilen die Tendenz hat, das Herz zu einem normalen Pulszustand zurückzuführen. Nicht sehr selten kann man im Majaherzen den Übergang von einem Rhythmus zum anderen beobachten, wie die von mir gebrachte Figur deutlich zeigt, in der notwendigerweise von 12 Pulsationen zu 14 und 13, von 13 zu 14 und 14 in der Minute übergegangen wird. (Fig. 21.) BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE von MAJA VERRUCOSA M. Epw. 149 C. Sehr häufig folgen aufeinander Gruppen mit einem Rhythmus von zwei oder drei Pulsationen und ihren Multiplen. Es wechseln jedoch multiple Gruppen von zwei oder drei ohne irgend eine bestimmte Regel miteinander ab (Fig. 22). Es können jedoch multiple Gruppen von zwei aufeinander folgen (sie nehmen in geometrischer Reihe zu), z. B. Fig. 22. Oder auch Multiplen von drei (Fig. 23) (sie nehmen in arithmetischer Reihe zu). Kiez 210 (@/5): Maja 18. Zylinder I. 11. III. 10. Fig. 22 (t/,). Maja 13. Zylinder 1. Linie 2. 8. III. 10. Zuweilen (Fig. 24) werden dann die Kurven der einzelnen Gruppen in sehr deutlicher Weise treppenförmig allmählich immer höher. Dies geschieht jedoch fast immer deshalb, weil die letzte Kurve jeder Gruppe, auch wenn sie sehr regelmäßig einander folgen, stets die höchste 150 OSWALD POLIMANTI: ist. Auf diese Kurve folgt dann konstant eine Pause, die hier eben eintritt, um die vom Herzen mit der unmittelbar vorhergehenden höheren Kurve Fig. 23. Maja 13. Zylinder 3. , Linie 1. 8. III. 10. (3:5:5). geleistete Arbeit zu kompensieren. Mithin wird auch in diesem Falle das Gesetz der Konstanz der Herzarbeit für eine bestimmte Zeiteinheit be- stätist. Fig. 24 (?/,). Maja 13. Zylinder 2. Linie 3. 8. III. 10. D. Nun müssen wir von Gruppen von sehr unregelmäßigen Pulskurven des Herzens sprechen, die ein besonderes Stadium, namentlich vom Ge- sichtspunkt der Extrasystole, verdienen. m ee AA rn A BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE von MAJA VERRUCOSA M. Epw. 151 Im Verlaufe dieser Experimente habe ich viele Male beobachtet, daß nach einer gewissen Zahl von ziemlich regelmäßigen Herzschlägen eine mehr oder minder lange Zeit hindurch sehr unregelmäßige Kontraktionen mit Extrasystolen eintraten. Unmittelbar nachher tritt jedoch eine Kontraktion ein, die höher als alle anderen ist, und endlich kehrt die Kurve zum normalen Zustand zurück. Die Pulsation, die höher als alle anderen ist, tritt eben ein, um die Herzarbeit stets konstant zu erhalten; tatsächlich ist nach einer sehr unregelmäßigen Kurve eine Pulsation kräftiger als alle anderen, welche die Herzarbeit zum normalen Zustand zurückführt (Gesetz von Cyon, Marey, Langendorff, Engelmann). Sehr häufig sind die Kurven jedoch so unregelmäßig und das Herz befindet sich in einem derart anormalen Erregungszustande, daß, obwohl auch sehr häufig diese hohen Kurven eintreten, wie sich deutlich aus den von mir gebrachten Kurven ergibt, dennoch der Herzrhythmus nicht regel- mäßig wird. Man sieht jedoch deutlich, auch bei dieser großen Unregel- mäßiskeit des Pulses, daß die Herzarbeit das Bestreben hat, stets zum nor- malen Zustand zurückzukehren. (Fig. 25.) Fig. 25 (?/,). Maja 20. Zylinder 1. Linie 4. 12. III. 10. Obgleich nämlich diese konstante Arbeit von seiten des Herzens nicht vollständig erreicht wird, so nähert es sich dennoch, trotz aller dieser Un- regelmäßiskeiten sehr der Erreichung derselben. Dies läßt uns eben darauf schließen, daß auch inmitten der größten Unregelmäßigkeit des Herzens das Gesetz der Konstanz der Herzarbeit immer Gültigkeit hat, wenigstens innerhalb gewisser Grenzen. Es ist häufig sehr charakteristisch, daß der Herzmuskel sich nicht ab- solut normal erhält; nun tritt aber allmählich ein Bigeminismus cordis ein, der später Pulsationen mit Extrasystolen (mit einem mit normalen Pulsationen abwechselnden Rhythmus) veranlaßt; endlich wird dann die Pulskurve wieder normal, aber die Zahl der Pulsationen ist sehr ver- langsamt. (Fig. 26.) -— '— 152 OSWALD POLIMANTI: In einer meiner früheren Arbeiten, die ich mehrmals erwähnt habe, konnte ich beobachten, daß, wenn ich bei Testudo graeca den Sinus und Fig. 26 (1/,). Maja 20. Zylinder 7. 12. III. 10. Big. 27 (ee). Maja 20. Zylinder 3. Linie 2. 12. III. 10. die Vorhöfe erwärmte und gleichzeitig den Suleus atrio-ventrieularis und den Ventrikel abkühlte, Pulsationen erhalten wurden, die, wie ich schon oben andeutete, Multiplen von 2 oder 3 waren. Auch am Majaherzen konnte ich vollkommen analoge Erscheinungen antreffen. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE von MAJA VERRUCOSA M. Epw. 153 A. Wie aus den von mir gebrachten Figuren erhellt, bemerkt man in den Herzpulsationen Kurven mit bigeminalem Typus, die mit Kurven mit quadrigeminalem Typus abwechseln, die mit absolut normalen Puls- kurven des Herzens vermischt sind. (Fig. 27.) B. Oder man kann auch Herzschläge mit Multiplen von 3 erhalten: ee re EEE Fig. 28. Maja 20. Zylinder 2. 12. III. 10. Ein deutliches Beispiel von Cor quigeminum, das nach einer gewissen Periode von normalen Pulsationen eintritt, findet sich in: Fig. 29 (2/,). Maja 20. Zylinder 2. Linie 4. 12. III. 10. C. Oder es können auch normale Kurven mit Kurven abwechseln, die abwechselnd Multiplen von 2 und Multiplen von 3 darstellen. 154 OSWALD POLIMANTI: Die Figuren, die ich hier bringe, zeigen deutlich den Übergang von einem Cor bigeminum zu einem Cor trigeminum. N ININUI SIND AMY mNA Fig. 30. Maja 20. Zylinder 2. Linie 5. 12. III. 10. In allen diesen Kurven wechseln normale Pulsationen mit bigeminalen und trigeminalen Pulsationen ab. (Fig. 30.) In der Fig. 31 wechseln Kurven mit bigeminalem, trigeminalem, bi- geminalem und quadrigeminalem Typus miteinander ab. Fig. 31. Maja 20. Zylinder 2. Linie 4. 12.1III. 10. Alle diese allorhythmischen Veränderungen 1:2, 1:3 und ihre Multiplen treten unzweifelhaft ein infolge von Unterschieden im Reizbarkeitszustand zwischen der venösen und der arteriellen Abteilung des Majaherzens. Und wie im Falle der Experimente, die ich ausführte, indem ich die verschiedenen . BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON MAJA VERRUCOSA M. Epw. 155 Abteilungen des Herzens von Testudo verschiedenen Temperaturen aus- setzte, können der Rhythmus 1:2 und 1:3 und ihre Multiplen fortwährend miteinander abwechseln, indem von einem zum anderen übergegangen wird und umgekehrt. In meiner Arbeit folgerte ich, daß die Extrasystolen im Ventrikel von Testudo graeca eintreten können, welches auch das Verhältnis As/V s sein mag, mit welchem das Herz pulsiert; außerdem erhielt ich eine wahre und eigentliche Allorhythmie von Extrasystolen nach einer bestimmten Zahl von normalen Systolen. Ich wollte mir dieses Entstehen von Extrasystolen erklären und be- hauptete, sie seien von Bedingungen abhängig, die durch Temperaturunter- schiede hervorgebracht würden, welche einerseits im Sinus und in den übermäßig erwärmten Vorhofen, andererseits im abgekühlten, aber nicht zu sehr abgekühlten Ventrikel eintreten, so daß wahre allorhythmische Formen in den Verhältnissen N/2 und N/3 veranlaßt würden. Der Suleus atrio-ventricularis ließe also aurikulare Reize passieren, die nun den Ven- trikel in der diastolischen Periode träfen, und dadurch entstehe die Extra- systole: diese aurikularen Reize könnten auch rhythmisch passieren, d.h. mit einem Rhythmus von 2 oder 3 und ihren Multiplen. Zuweilen kann man eine abwechselnde Form erhalten, nämlich eine reine Ventrikelsystole, auf die dann eine Systole mit einer Extrasystole folst, und dies tritt ein entweder im Rhythmus As/Vs=2 oder =2. Alsdann wechseln Perioden ab, in denen der Block vollständig gemacht ist, mit Perioden, in welchen der Block unvollständig wird. Von diesen extrasystolischen Formen wird dann zum normalen Rhythmus N/2 oder N /3 übergegangen, wie ich dies eben in meiner zweiten Arbeit sehen konnte. Aus den Untersuchungen von Gaskell, v. Kries und aus den meinigen _ (wir experimentierten, indem wir die Vorhöfe und den Ventrikel ver- schiedenen Temperaturen aussetzten), und aus denen von Trendelen- burg, der experimentierte, indem er das Herz rhythmisch durch elektrische Reize reizte, weiß man, daß der Ventrikel auf jeden Reiz alle zwei oder drei aurikularen Pulsationen und ihre Multiplen antworten kann, weil letzterer beinahe beseitigt wird. Ich habe gesehen, daß man von einem Rhythmus N/1 zu einem N/2 oder N/3 mit Intervall von Extrasystolen übergehen und dann von neuem beginnen kann. Was die Zahl der von mir erhaltenen Extrasystolen des Ventrikels anbelangt, so war diese sehr groß, sowohl mit einem Rhythmus N/2 als mit einem Rhythmus N/3 (es waren acht Extrasystolen), und zuweilen erhielt ich eine wachsende Zahl von 123 bis zu 6 Extrasystolen. Diese Aufeinanderfolge von Extrasystolen kann auch eintreten, wenn die Zahl der letzteren sehr groß ist, wie uns Fig. 28 156 OSWALD POLIMANTI: zeigt, in der sogar zweimal zwei Gruppen von fünf Extrasystolen aufeinander folgen. Alle diese im Majaherzen beobachteten Erscheinungen sind nur eine Bestätigung dessen, was ich im Herzen von Testudo graeca konstatiert habe, das in seinen verschiedenen Abteilungen verschiedenen Tempera- turen ausgesetzt wurde. Eine weitere Tatsache, die ich zuweilen beobachtet habe, ist, daß all- mählich, wenn die Extrasystolen eintreten, die einzelnen Kurven sich immer mehr über die Abszisse erheben. (Fig. 32.) Zuweilen bewirkt nun dieses fortwährende Eintreten von Extrasystolen, daß nicht nur die extrasystolischen Kontraktionen, sondern auch die nor- malen Pulsationen allmählich hoch über die Abszisse ansteigen. Fig. 32 (Y),). Maja 15. Zylinder 1. 9. III. 10. Dies hängt fast sicher davon ab, daß die Extrasystole eine mehr oder minder starke Erhöhung der Reizbarkejit der Herzfaser hervorruft und alle Pulsationen andauernd immer höher werden. Oftmals macht das Herz, um seinen auf irgend eine Weise veränderten Rhythmus wieder herzustellen, entweder eine Extrasystole oder eine lange Pulspause. Auch dies ist ein weiterer Beweis, der das Gesetz der Konstanz der Herzarbeit bestätigt. (Fig. 33.) Während des Verlaufs dieser Kurve bemerkt man sehr deutliche ana- krotische Kurven. Dieses Auftreten der Extrasystole erfolgt sodann bisweilen, wie die von mir gebrachte Figur es deutlich zeigt, sowohl ohne irgend einen Reiz BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE Von MAJA VERRUCOSA M. Epw. 157 als auch nach einem elektrischen Reiz (Öffnung oder Schließung), weil das Herz seinen Pulsrhythmus ändert (Fig. 34). Von einer bestimmten Anzahl Pulsationen geht es zu einer größeren oder kleineren Zahl von Pulsationen über. In dem Falle, daß diese Extrasystolen eintreten, wenn kein Reiz YULARL I a WW Fig. 33 (?),). Maja 6. 6. Experiment. Zylinder 2. SSIRTE1N: auf das Herz einwirkt, müssen sie meines Erachtens von Veränderungen der Reizbarkeit abhängen, die in der venösen Abteilung des Kreislauf- systems eintreten und zu einer Veränderung des Rhythmus zwischen der arteriellen und der venösen Abteilung nach dem Verhältnis N/2, N/3 und ihren Multiplen führen. Fig. 34 (?),). Maja 1. 1. Experiment. Zylinder 3. Bisweilen wird in einer vollkommen normalen Pulskurve eine ver- frühte Pulsation mit oder ohne Extrasystole eingeschaltet. Nun bleibt 158 OswALD POLIMANTI: aber der Herzrhythmus stets absolut normal, weil die folgende Pulsation viel später eintritt, so daß nichts geändert wird (eine weitere Bestätigung der Konstanz der Herzarbeit). Studiumderdurch elektrische Reize hervorgerufenen Extrasystole. In Anbetracht der großen Verschiedenheiten von Antworten, die das Majaherz den elektrischen Reizen der Schließung und Öffnung gegenüber ergeben hat, werde ich die von mir erhaltenen Resultate in verschiedenen Kategorien vereinigen: 1. Ein Reiz (bei Schließung und Öffnung) führt nur zu einer Beschleu- nigung der Herzschläge, wenn er in der perisystolischen oder systolischen Periode angreift. (Fig. 35.) Fig. 35. Fig. 36 (?/,). Maja 21. Zylinder 7. Linie 1. Maja 1. Zylinder 1. 14. III. 10. 26-11.210% 2. Namentlich, wenn das Herz im Sterben liegt, sind nur die Öffnungs- reize stark. Fährt man fort zu reizen, so erfolgt bisweilen auch eine Pul- sation bei einem Schließungsreiz. (Fig 36.) BEITRÄGE ZUR PHYsIoLoGIE von MAJA VERRUCoSsA M. Epw. 159 3. Trotz der durch einen Schließungs- oder Öffnungsreiz hervor- gerufenen Extrasystole bleibt der Herzrhythmus absolut unverändert. Der normale Herzschlag tritt stets ein in demselben Augenblick, in welchem er stattgefunden hätte, wenn auch diese Extrasystole nieht vorhanden ge- wesen wäre. (Fig. 37.) Fig. 37 (2/3). Maja 21. Zylinder 2. Linie 4. 14. III. 10. Die Arbeit des Herzens bleibt mithin stets absolut konstant. Dies ist auch der Fall, wenn die durch die elektrische Reizung hervorgerufene Systole viel stärker als alle anderen ist: im bestimmten Moment tritt stets die nor- male Systole ein. (Fig. 38.) EERTETTFRTNE Bee: nn Fig. 38. Maja 21. Zylinder 4. Linie 2. 14. III. 10. Und dies ist auch der Fall, wenn die elektrischen Reize mit einer ge- wissen Frequenz aufeinander folgen. 160 OSWALD POLIMANTI: Wenn auch der Herzrhythmus unverändert bleibt, wenn zuweilen Öffnungs- und Schließungsreize häufig aufeinander folgen, so bleibt der Rhythmus stets unverändert, aber zuletzt tritt eine Erhöhung der Puls- kurve über die Abszisse ein. (Fig. 39.) 2 | Er Sea BEINEN N Re N SR I DEIN UN / SUR INNE Fig. 39 (2/3). Maja 18.. Zylinder .1.: Linie 2. 11. III. 10. Zuweilen sind diese Schließungs- und Öffnungsreize sogar so stark, dab sie eine wahre Wirkung wie diejenige, welche ein tetanisierender Strom hervorrufen kann, ausübt, und die Pulskurven sich mehr oder weniger über die Abszisse erheben. (Fig. 40.) Fig. 40 (?/,). Maja 21. Zylinder 3. Linie 1. 14. III. 10. 4. Wenn der elektrische Reiz das Herz in der systolischen Periode trifft, tritt nur eine mehr oder minder große Zunahme der Stärke der systolischen Kurve ein und weiter nichts, weil die Pulskurven als absolut normale sich fortsetzen. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON MAJA VERRUCOSA M. Epw. 161 Oder es kann auch bisweilen gleichzeitig, vor allem wenn der Reiz das Herz am Ende der Systole trifft, der Typus der anakrotischen Kurve sich zeigen. (Fig. 41.) Fig. 41. Maja 21. Zylinder 6. Linie 3, 4. 14. III. 10. Häufig ist jedoch die systolische Kurve so groß, daß in der Folge eine Pause eintritt, die so den normalen Herzrhythmus wieder herstellt. (Fig. 42.) NANKENIENEA SEHEN Fig. 42 (?/,). Maja 21. Zylinder 4. Linie 4. 14. III. 10. Archivf.A.u.Ph. 1913. Physiol. Abtlge. 11 162 OSWALD POLIMANTI: Der Herzrhythmus verändert sich jedoch bisweilen nicht, auch dann nicht, wenn man häufige Öffnungs- und Schließungsreize aufeinander folgen läßt. Zuweilen sind diese durch Öffnungs- und Schließungsreize hervor- serufenen sehr großen Kurven imstande, den Herzrhythmus, der vor diesem Reize absolut unregelmäßig war, zu regulieren. (Fig. 43.) Fig. 43 (?/,). Maja 21. Zylinder 4. Linie 4. 14. III. 10. Öffnungsreiz. Fig. 44. Maja 21. Zylinder 5. Linie 2. 14. III. 10. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE Von MAJA VERRUCOoSsA M. Epw. 163 Sehr häufig jedoch, namentlich wenn das Herz sich in einer erethi- schen Periode befindet, treten den Öfinungs- und Schließungsreizen ent- sprechend große systolische Kurven auf, doch auch nach diesen erhalten sich die Kurven normal! Der Schließungs- oder Öffnungsreiz übt die Wirkung aus, daß er die Pulskurven viel kräftiger als die vorhergehenden macht, nicht nur die Pul- sation, in welche der Reiz fällt, sondern auch die folgenden. Die Kurve kehrt dann allmählich zur Norm zurück, indem die einzelnen Kurven treppen- förmig sinken. (Fig. 44.) NEN EA DS, Fig. 45 (?/,). Maja 21. Zylinder 5. Linie 2. 14. III. 10. Fig. 46 (?/,). Maja 21. Zylinder 6. Linie 1. 14. III. 10. all 164 OSWALD POLIMANTI: 5. Die elektrische Reizung durch Öffnung oder Schließung ist imstande, eine Extrasystole hervorzurufen, aber die folgenden Pulskurven bleiben absolut normal. (Fig. 41. Öffnungsreiz.) 6. Ein elektrischer Reiz, der das Herz in der Systole oder in der Peri- systole trifft, übt die Wirkung, aus daß er die folgenden Pulskurven in bezug auf ihre Höhe treppenförmig ansteigen läßt. Um dann den normalen Herzrhythmus wieder herzustellen, tritt nach einer gewissen Kurvenzahl eine Pause ein und nach dieser wird der normale Rhythmus wieder her- gestellt. (Fig. 45.) Fig. 47. Maja 18. Zylinder 2. Linie 3. 11. Il. 10. || Fig. 48 (?/,). Maja 20. Zylinder 6. Linie 5. 12. Ill. 10. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE von MAJA VERRUCOoSA M. Eow. 165 7. Ein auf das Herz in der systolischen oder perisystolischen Periode ausgeübter Reiz hat die Wirkung, daß er die folgenden Pulskurven kräftiger macht, jedoch nach kurzer Zeit wird die Kurve wieder normal. (Fig. 46.) 8. Ein auf das Herz in der systolischen oder perisystolischen Periode ausgeübter Reiz hat die Eigenschaft, daß er eine Extrasystole erst eine gewisse Zeit, nachdem er ausgeübt worden ist, hervorruft. (Fig. 47.) 9. Infolge eines elektrischen Reizes tritt statt einer Erhöhung der Pulskurve vielmehr ein Sinken derselben unter die Abszisse ein. (Fig. 48.) Man beachte, daß ein und derselbe Reiz imstande ist, statt eines Sin- kens der systolischen Kurve unmittelbar nachher ein Ansteigen zu bewirken. Ar LEAVE VERRINZ Se \ a A BIER ERATN BE 9, ee ar Fig. 49 (2/3). Maja 21. Zylinder 4. Linie 3. 14. III. 10. 10. Die durch den elektrischen Reiz hervorgerufene Systole kann im Vergleich mit den anderen sehr klein sein, und auch die folgenden Kurven unterscheiden sich gar nicht von den vorhergehenden normalen. Fig. 42. Maja 21. Zylinder 4. Linie 4. 14. III. 10. Schließungsreiz. Gleichzeitig bleibt der Herzrhythmus (Marey-Engelmannsches Gesetz) stets konstant. 11. Der in der Systole einwirkende Reiz übt keine Wirkung aus, son- dern es zeigt sich nur eine Erhöhung in der folgenden Kurve. Fig. 42. Maja 21. Zylinder 4. Linie 4. 14. II. 10. Öffnungsreiz 2. 12. Schließungs- oder Öffnungsreize üben die Wirkung aus, daß sie ein Cor bigeminum verursachen; die folgende Kurve wird jedoch wieder vollkommen normal. Fig. 44. Maja 21. Zylinder 5. Linie 1. 14. III. 10. | 13. Schließungs- und Öffnungsreize, die mit einer gewissen Frequenz aufeinander folgen, üben die Wirkung aus, daß sie die Zahl der Pulsationen a 166 OSWALD POLIMANTI: erhöhen, indem sie so den Herzrhythmus beschleunigen. Hört der Reiz auf, so wird der Rhythmus schnell wieder normal. (Fig. 49.) 14. Die Schließungs- und Öffnungsreize machen die folgende Systole und diejenige, bei der der Reiz eingetreten ist, kräftiger, oder er kann auch gleich sein (Figg. 50, 51). Ip EN EEE, Ur DT, 27 ER UI Ra EIN, Fig. 50 (?/,). Maja 20. Zylinder 7. Linie 2. 12. III. 10. ana aan Ian ll Maja 21. Zylinder 2. Linie 4. 14. III. 10. 15. Ein Schließungs- oder Öffnungsreiz verursacht eine Extrasystole, aber auch in den folgenden Pulskurven können extrasystolische Kurven eintreten, ohne daß irgend ein Reiz einwirkt. Fig. 50. Maja 20. Zylinder 7. Linie 2. 12. III. 10. 16. Elektrische Öffnungs- und Schließungsreize, die auf das Herz während der systolischen oder perisystolischen Periode ausgeübt werden, BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE Von MAJA VERRUCOSA M. Epw. 167 bleiben ohne irgendwelche Wirkung, oder es können auch kleine Systolen eintreten, die den Herzrhythmus gar nicht enthalten, oder die systolische Kurve kann auch sehr kräftig sein. Dies zeigt uns an, daß ein und derselbe Reiz, der auch in ziemlich nahem Abstand wiederholt und auf das Maja- herz ausgeübt wird, imstande ist, so verschiedene Wirkungen zu ergeben; dies hängt gewiß von dem Reizbarkeitszustand ab, in welchem sich das Herz gerade befindet. (Fig. 52.) a nasUV ULM AARAU LARARA AN Fig. 52. Maja 21. Zylinder 3. Linie 4. 14. III. 10. I = D MU BERNER Fig. 53. Fig. 54. Maja 21. Zylinder 2. Linie 3. Maja 21. Zylinder 2. Linie 3. 14. III. 10. 14. III. 10. 17. Ein Schließungs- oder Öffnungsreiz, der auch keine Extrasystole hervorruft, ist dennoch imstande, die folgenden Pulsationen viel kräftiger 168 OSWALD POLIMANTI: zu machen; es tritt jedoch eine Störung im Pulsationsrhythmus ein, die dazu dient, die vorher vom Herzen geleistete größere Arbeit zu kompen- sieren, weil eine mehr oder minder lange Pause eintritt. (Figg. 53, 94.) Dieselben Erscheinungen können im Majaherzen eintreten, ohne daß irgend ein Reiz einwirkt. 18. Auf die Extrasystole folst eine kompensatorische Pause, darauf tritt eine postkompensatorische Systole ein, die viel höher als alle anderen ist. (Fig. 55). Fig. 53. Maja 18. Zylinder 1. Linie 3. 11. III. 10. 19. Der elektrische Öffnungs- oder Schließungsreiz, nach der hervor- gerufenen Systole, ist imstande, eine Störung im Herzrhythmus herbei- zuführen. Die Pulsationen werden nicht nur kleiner, sondern auch viel geringer an Zahl (bisweilen steigen sie auch allmählich treppenförmig an). (Fig. 56.) 20. Häufig auf das Herz ausgeübte Öffnungs- oder Schließungsreize veranlassen Extrasystolen, üben aber gleichzeitig die Wirkung aus, dab die folgenden Pulsationen treppenförmig ansteigen. (Fig. 57.) 21. Die auf eine Extrasystole folgenden Pulsationen sind viel kleiner als diejenigen, welche vorher eintraten. Dies tritt vielleicht ein, um die Herzarbeit konstant zu erhalten und auf diese Weise die bei der Extra- systole stattgefundene größte Pulsation zu kompensieren. (Fig. 58.) 22. Die auf die Extrasystole folgenden Pulsationen sind vollkommen gleich denen, die vor dem Reize eintraten. (Fig. 59.) BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VoN MAJA VERRUCOoSA M. Epw. 169 23. Auf die Extrasystole folgt eine kompensatorische Pause und es folgt eine postkompensatorische Kurve erst bei der auf die extrasystolische folgende dritte Pulsation. (Fig. 60.) Oder auf die Extrasystole folgt eine postkompensatorische Pause, und die postkompensatorische Kurve folgt erst bei der auf die extrasysto- lische folgende zweite Pulsation. (Fig. 61.) MITTE Fig. 56. Maja 21. Zylinder 2. Linie 2. 14. III. 10. AAN N TRAM itunnEn Rio 34. (2/9): Maja 21. Zylinder 2. Linie 1. 14. III. 10. 24. Die auf die Extrasystole folgende kompensatorische Pause ist fast gleich Null, die postkompensatorische Kurve ist jedoch sehr kräftig. Die folgenden Kurven können, einige wenigstens, die gleiche Höhe wie die post- kompensatorische Kurve haben oder sich auch niedriger erhalten. (Fig. 62.) 170 OsSwALD POLIMANTI: 25. Nach der Extrasystole tritt eine viel höhere kompensatorische Kurve als die anderen ein, und nach dieser folgt die \kompensatorische Pause. Die nun folgenden Pulskurven sind viel höher als die vor den Reizen erhaltenen. (Fig. 63.) NAARAARRAAN LAUUUUAN: Fig. 58, 59, 60. Maja 21. Zylinder 3. Linie 2, 3, 4. 14. III. 10. 26. Nach einer Extrasystole sind die unmittelbar folgenden Pulskurven entweder höher oder sie erhalten sich auf derselben Anfangshöhe. (Fig. 64.) 27. Die elektrische Reizung bewirkt, daß die Pulskurve viel größer als alle anderen ist (sie erfaßt das Herz in der systolischen Periode); es tritt eine kleine kompensatorische Pause ein, und die folgenden Kurven sind höher als diejenigen, welche im normalen Zustand eintraten. (Fig. 60.) BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON MAJA VERRUCoSA M. Epow. 171 Dasselbe geschieht, auch wenn eine Extrasystole vorhanden ist, mag diese nun groß oder auch nur klein sein. Einige Male, wie sich deutlich aus der Kurve ergibt, steigen die Kurven allmählich treppenförmig an (die vorhergehende Herzkontraktion wirkt als Reiz für die folgende). Fig. 61. Maja 21. Zylinder 6. Linie 2. 14. III. 10. Luna N panaaaı Fig. 624.2. Maja 21. Zylinder 3. Linie 3. 14. III. 10. 28. Der Pulsrhythmus variiert sehr leicht hinsichtlich der Zahl und das Herz tritt in „Weckung“ ein; doch sind aufeinander folgende Schließungs- und Öffnungsströme imstande, die einzelnen Pulsationen ziemlich zu re- gulieren (in diesem Zustand einwirkende elektrische Reize sind imstande, sehr deutliche Extrasystolen hervorzurufen). 172 OSWALD POLIMANTI: Das Herz kann sich in sehr deutlicher Weckung befinden; nun heben aber Öffnungs- und Schließungsreize diesen Zustand auf und das Herz macht periodisch Pulsationen. Nachdem diese Reize aufgehört haben, tritt das Herz wieder in Weckung ein. (Fig. 66.) ARMANI RAR Fig. 63. Maja 21. Zylinder 3. Linie 3. 14. III. 10. anna Mana Fig. 64. Maja 21. Zylinder 4. Linie 1. 14. III. 10. Nun müssen wir alle diese Erscheinungen, die wir im vorigen aufge- zählt haben, analysieren und uns Rechenschaft darüber ablegen. Im Verlauf einiger am kurarisierten Schildkrötenherzen oben erwähnten Experimente habe ich, als auf einer Seite den Sinus und die Vorhöfe BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE von MAJA VERRUCOSA M. Enpw. 173 erwärmte und auf der anderen Seite den Sulcus atrio-ventrieularis und den Ventrikel abkühlte, besondere Erscheinungen und Pulsbeziehungen zwischen Vorhof und Ventrikel beobachtet, ehe es zur beiten allorhythmischen Form (N/2, N/3 und ihren Multiplen) kam. Der Reiz, den ich auf den Ventrikel einwirken ließ, wurde durch die srößere Zahl der durch die hohe Temperatur (30—32°C) verursachten Pulsationen verursacht; dieser Temperatur waren Venen, Sinus und Vorhof delt ELLE UL NENEL Fig. 65. Maja 21. Zylinder 3. Linie 2. - Fig. 66 (?/,). 14. III. 10. Maja 1. Zylinder 2. ausgestzt, die nun den Ventrikel reizten, der eine niedrigere Temperatur (4°C) besaß. Mithin war die von mir angewendete Methode, was die Be- schaffenheit des auf die verschiedenen Herzabteilungen ausgeübten Reizes anbelangt, der von den anderen Autoren verwendeten überlegen, die Elek- trizität, chemische Stoffe usw. einwirken ließen, welche die Muskelfaser mehr oder weniger tiefgehend verändern und uns vielleicht sehr weit von dem normalerweise Eintretenden entfernen. Ferner wurden diese Untersuchungen am Herzen in situ und nicht an dem vom Organismus getrennten Organ ausgeführt, weil ich mich im letzteren Falle auch zu weit vom Normalen entfernt hätte. 174 OSWALD POLIMANTI: Mit der Suspensionsmethode hatte ich einerseits die Pulsationen der Vorhöfe und andererseits die des Ventrikels verzeichnet. Engelmann! hatte bemerkt, daß im Froschherzen ein auf den Vorhof gerichteter elek- trischer Reiz auf den Ventrikel viel schwächer übertragen wird, als wenn man den Ventrikel direkt mit derselben Stromintensität reizt: reizt man nämlich rhythmisch den Vorhof, so erhält man nie eine so große Zahl von Ventrikelpulsationen, als durch direkte Reizung des Ventrikels.. Ferner beobachtete er, daß die refraktäre Phase des Ventrikels bezüglich der ihm vom Vorhof zukommenden Reizung viel länger dauert und der Ventrikel sich in diesen Fällen und in dieser Hinsicht wie sehr schwachen direkten künstlichen Reizen gegenüber verhält. Tatsächlich gelang es Engel- mann, viele Extrasystolen einzuschalten in dem mit dem Vorhof in Be- ziehung stehenden Ventrikel, wenn er ihn direkt reizte; mithin sind nach . diesem Autor die im Vorhof entstehenden Reize sehr wenig wirksam. In diesem Falle bemerkte er ferner, daß die Dauer der auf eine ganze Reihe von Extrasystolen folgenden kompensatorischen Ruhe nicht mit der Zahl und Dauer der eingeschalteten Systolen zunimmt, sich gar nicht von der nach einer isolierten Extrasystole eintretenden unterscheidet und nicht länger als diese ist. Im Verlaufe meiner Experimente konnte ich ganz im einzelnen die Fr- scheinung der Extrasystole studieren.2 Die von mir bei diesen Experimenten erhaltenen vielfältigen Resultate werden dazu dienen, die am Herzen des uns beschäftigenden Schaltieres, der Maja verrucosa, erhaltenen zu er- läutern. Ich habe beobachtet, daß die Extrasystolen im Ventrikel von Testudo eintreten können, welches auch das Verhältnis As/V s sein mag, mit welchem das Herz pulsiert; ferner kann man eine wahre und eigentliche Allorhythmie von Extrasystolen nach einer bestimmten Zahl von normalen Systolen erhalten. Wir müssen uns nun Klarheit verschaffen über dieses Entstehen von Extrasystolen; sie sind gewiß bedingt durch Reizbarkeitsunterschiede, ! Th. W. Engelmann, Beobachtungen und Versuche an suspendierten Herzen. I. Abh. Über die Leitung der Bewegungsreize im Herzen. Pflügers Archiv für Physiologie. 1894. Bd. LII. II. Abh. Refraktäre Phase und kompensatorische Ruhe. Ebenda. 1895. Bd. LIX. ®° E.J.Marey, La circulation du sang. Paris, Masson. 1881. p. 43; J. Mac- kenzie, Die Lehre des Pulses. Deutsche Ausgabe. Frankfurt a. M. 1903; W. Tren- delenburg, Untersuchungen über das Verhalten des Herzmuskels bei rhythmi- scher elektrischer Reizung. Dies Archiv. 1903. S. 276; A. Dastre, Recherches sur les lois de l’activite du coeur. Journal de l’anatomie et de la physiologie. 1882. T. XVIN. p- 433. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE von MAJA VERRUCOSA M. Epw. 1% die einerseits in der venösen Abteilung des Kreislaufapparates und anderer - seits im eigentlichen Herzen eintreten. Dieses würde Reize der venösen Abteilungen, die es in der Periode der Diastole treffen wollen, vorüber- gehen lassen, daher das Entstehen der Extrasystole; diese Reize venösen Ursprungs können auch rhythmisch, nämlich mit einem Rhythmus von 2 oder 3 und ihren Multiplen, passieren. Zuweilen können alternierende Formen eintreten, d.h. eine reine Ven- trikelsystole (oder auch eine Reihe von Systolen) erfolgen, auf welche dann eine Systole mit einer Extrasystole (oder auch eine Reihe von letzteren) folgt. Von diesen extrasystolischen Formen wird dann zum normalen Rhyth- mus übergegangen. Aus den Untersuchungen von Gaskell!, v. Kries? und den meinigen (wir experimentierten, indem wir die Vorhöfe und den Ventrikel verschiedenen Temperaturen aussetzten) und aus denen Tren- delenburgs?, der bei seinen Experimenten das Herz rhythmisch mit elek- _ trischen Reizen reizte, weiß man, daß der Ventrikel auf jeden aurikularen Reiz alle 2 oder 3 Pulsationen und ihre Multiplen antworten kann; auf diese Weise wird er beinahe sequestriert. Ferner habe ich gesehen, daß von einer normalen Pulsform zu einer extrasystolischen Form übergegangen und von dieser wieder von neuem angefangen werden kann. Der Reiz und seine Beschaffenheit, die von den venösen Abteilungen stammt, ändern sich nicht es ändert sich nur die Reizbarkeit des Herzmuskels und diese Veränder- rung der Reizbarkeit ist es, die zu den verschiedenen extrasystolischen Rhythmen führt. Das Herz strebt unter anormalen Bedingungen stets danach, ein rhyth- .misches Organ zu sein, und wie reine allorhythmische systolische Formen eintreten, so ist es auch imstande, allorhythmische extrasystolische Formen hervorzubringen. Was die Zahl der Herzextrasystolen betrifft, die eintreten können, so ist diese sehr groß, wie unsere Resultate deutlich zeigen. Diese Aufeinanderfolge von Extrasystolen kann auch eintreten, wenn die Zahl der letzteren sehr groß ist; sehr oft eine Gruppe von Extrasystolen auf die andere folst. Wie sich deutlich aus der Kurve ergibt, treten diese Extrasystolen namentlich dann in großer Anzahl auf, wenn die Herztätig- ı W.H. Gaskell, I. On the rhythm of the heart of the frog. Phylosophical transactions. 1882. Vol. CLXXIII. Part III. p. 993. II. On the innervation of the heart with especial reference to the heart of the tortoise. Journal of Physiology. 1883—84. Vol. IV. p. 43. 2 J. v. Kries, Über eine Art polyrhythmischer Herztätigkeit. Dies Archiv. 1902. 8. 477. 3 W. Trendelenburg, Über den Wegfall der kompensatorischen Ruhe am spontan schlagenden Froschherzen. Dies Archiv. 1903. 8. 311. 176. OSWALD POLIMANTI: keit eine geringere oder. mittlere und nicht, wenn sie sehr stark ist: dies beweisen unsere Kurven klar. Wenn das Herz nicht häufig pulsiert, dauert seine reizbare Phase nach jeder Systole länger, als wenn es sehr häufig pulsiert, weil in diesem Falle die refraktären Phasen sich einander sehr nähern und weil die Wahrschein- lichkeit, daß Extrasystolen eintreten, immer geringer wird. In dem Falle nun, daß viele Extrasystolen erhalten wurden und gleich- zeitig eine sehr starke Pulsfrequenz des Herzens eingetreten ist, muß man entweder an stärkere Extrasystolen oder an eine größere Reizbarkeit des eigentlichen Herzens oder des ganzen Kreislaufapparates in toto denken. EineinteressanteErscheinungistauch die,daß derphysiologische Rhythmus auch nach vielen Extrasystolen stets bleiben kann, wie schon vorher Cushny! nachgewiesen hatte, und wie ich es in meiner früheren Arbeit bestätigt habe. Gehen wir nun dazu über, die erhaltenen Resultate genauer zu analy- sieren, und versuchen wir sie mit dem zu vergleichen, was bis jetzt über die Erscheinung der Extrasystolen bekannt war. Legen wir uns vor allen darüber Rechenschaft ab, in welcher Periode des Herzumlaufes die Extra- systole am leichtesten eintritt. Betrachten wir unsere Kurven, so sehen wir, daß eine Extrasystole im ganzen Verlauf der diastolischen Periode ein- treten kann. Am leichtesten tritt sie jedoch ungefähr in der ersten Hälfte dieser Periode ein. Marey sast, daß die Extrasystolen ‚se font d’autant moins attendre que l’excitation a atteint le ventricule plus pres de l’instant ou une systole spontanee devait se produire“. Engelmann hat (im Gegen- satz zu dem, was Marey annimmt) gesehen, daß, welches auch die Phase sein mag, in welche die Reizung fällt, sie, wenn eine Systole das Resultat ist, unmittelbar oder nach einer sehr kurzen, im Durchschnitt ungefähr 0-1’ dauernden Latenzperiode eintritt. Diese Differenz wird gewiß davon abhängen, daß die Reizung vom Vorhof zum Ventrikel ging, also unter ganz verschiedenen Bedingungen, als die anderen Autoren sie gesehen hatten. Marey hatte behauptet: ‚„‚Que les systoles provogees par des exeitations electriques semblables sout d’autant plus fortes que les exeitations ont ete appliquees plus tard par rapport au debut de la systole qui les precede“. In unserem Falle ist die Extrasystole natürlich höher und weiter, je später sie in der diastolischen Periode hervorgerufen worden ist. | Die Extrasystolen sind kräftiger in dem Maße, wie wir uns vom Be- ginn der Diastole aus dem Ende der letzteren nähern, weil, wenn die Kon- traktilität herannaht, die neue Systole allmählich wieder normal wird. ı A. R. Cushny, I. On the interpretation of pulse-tracing. Journal of exper. Medicine. 1899. Vol. IV. p. 327. II. On the interpretation of pulse-tracing. Trans. of Amer. physicians. 1899. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE von MaAJA VERRUCOSA M. Epw. 177 Der von venösen Teilen kommende Reiz muß nicht so klein sein, wie Engelmann dies annahm, weil er gerade in der ersten Hälfte der Diastole eingreift, in welcher, wie man weiß (Marey), ein stärkerer Reiz erforderlich ist, um eine Extrasystole zu erhalten: der Reiz muß geringer sein, in dem Maße, wie wir uns dem Beginn der neuen Systole nähern, weil die Kon- traktilität der Herzfaser nach und nach, vom Beginn der Diastole bis zum Ende der letzteren, wenn sie fast vollständig wieder aufgenommen wird, immer mehr zunimmt. Ich habe gesehen, daß die refraktäre Periode einer Extrasystole kürzer ist als die der Hauptsystole. Die Zunahme der Temperatur in meinem Falle verkürzte. die refraktäre Periode der Extrasystole sehr, mehr als die der Hauptsystole. Ich sah nämlich, daß, je mehr die Vorhöfe erwärmt werden, desto kürzer die refraktäre Periode der Systole und der Extrasystole des Ven- trikels ist. Dies würde mit dem übereinstimmen, was Burdon-Sanderson und Page!, Walther?, Ringer und Sainsbury®, Engelmann? und Trendelenburg bei rhythmischen Reizungen des Herzens vermittelst des elektrischen Stromes gesehen haben: sie stellten eben fest, daß die Zu- nahme des elektrischen Reizes und Verlängerung der Untersuchung mittels gleicher Reize die refraktäre Periode der Extrasystole mehr als die der Hauptsystole abkürzt. Gehen wir nun zur Besprechung der kompensatorischen Pause über. Aus den von mir gebrachten Figuren ergibt sich, daß die kompensa- torische Pause absolut nicht vorhanden oder sehr kurz ist; bisweilen jedoch ist die kompensatorische Pause vorhanden. Sie ist nicht vorhanden oder sehr kurz, weil, sobald die diastolische Periode der Extrasystole beendet ist, sofort ein Reiz der venösen Abtei- lung erscheint, der das Herz von neuem zu einer Systole bringt, oder zu einer Extrasystole, ohne daß es Zeit hat, sich auszuruhen. 1 J. A. Burdon, Sanderson and F. J. M. Page, On the Time-relations of the excitory process in the ventricle of the heart of the frog. Journal of Physiology. 1879—1880. Vol. II. p. 384. ®2 A. Walther, Zur Lehre vom Tetanus des Herzens. Pflügers Archiv für Phys. 1899. Bd. LXXVIIl. S. 597. ® 8. D. Ringer and H. Sainsbury, On the influence of certain drugs on the period of diminished excitability. Journal of Physiology. 1884. Vol. IV. p. 350. 4 Th. W. Engelmann, Beobachtungen und Versuche am suspendierten Herzen. III. Abh. Refraktäre Phase und kompensatorische Ruhe in ihrer Bedeutung für den Herzrhythmus. Pflügers Archiv für Physiologie. 1896. Bd. LIX. S. 543. Archivf. A.u.Ph. 1913. Physiol. Abtlg. 12 178 OswALD POLIMANTI: Engelmann erklärt das absolute oder unvollständige Fehlen der kompensatorischen Pause dadurch, daß die Blutzirkulation der venösen Teile des Froschherzens wegen der Extrasystole (man muß bedenken, daß der Reiz auch zurückkehren kann) nun sehr verändert wird, wenn auch nur für eine kurze Zeit, und vielleicht deshalb der von den venösen Strecken ausgehende Reiz etwas früher zur Geltung gelangt. In dem Falle nun, daß die kompensatorische Pause fehlt, aber statt ihrer die postkompen- satorische Systole eintritt, hat das Herz nunmehr eine viel längere Ruhe- zeit hinter sich, deshalb wird der Reiz schneller durch die Herzfaser weiter geleitet, die Ventrikelkontraktion folgt schneller dem stimulierenden Agens, das von den venösen Gegenden ausgeht, es wird sich also auch schneller loslösen und die Ventrikelwand wird sich ebenfalls schneller kontrahieren. Es kann auch eine Verkürzung oder das Fehlen der kompensatorischen Pause eintreten, wenn die Reizbarkeit oder die Kontraktilität des Herzens sich zum Teil erholt haben; der nächste physiologische Reiz macht sich geltend und folgt unmittelbar auf die physiologische Systole, wobei also die kompensatorische Pause fehlt. Ähnliche Erscheinungen sind in letzter Zeit auch von Trendelen- burg beobachtet worden. Im Falle nun, daß das -Herz mit einem anormalen höheren Rhythmus, z.B. N/2, pulsiert, überlagern sich diesem Rhythmus viele Extrasystolen, auf die eine sehr lange Pause folgt; sie ist jedoch nicht so lang, daß sie die Frequenz N/2 kompensiert. Inmitten der Reize N/2 kommt eine Extrasystole hinzu, die den näch- sten physiologischen Reiz annulliert. Alsdann hat das Intervall zwischen der vorausgehenden Systole und der postkompensatorischen physiologi- schen Systole nicht die doppelte Länge der Periode; sie hat genauer die Länge von einer Periode oder 1!/, Periode. | Wenckebach! fand diese Verkürzung der kompensatorischen Pause, die in allen Fällen gleich zwei Perioden sein müßte, wenn sie normal wäre. Wenn viele Extrasystolen ventrikularen Ursprungs vorhanden sind, ist es nicht unmöglich, daß die Kontraktionswelle (wie wir oben angedeutet haben) vom Ventrikel bis zu den venösen Ostien geht und daß also der Rhythmus eine Veränderung erleidet, wie wenn der Vorhof häufig gereizt wird, und daß mithin die kompensatorische Pause nur fehlt oder kürzer ist. Falls die kompensatorische Pause fehlt, bleiben die Reize, die aus der venösen Abteilung kamen, blockiert und passieren erst nach einer bestimmten Zeit (kompensatorische Pause), um eine Ventrikelsystole hervorzurufen. ı K. F. Wenckebach, Die Arhythmie als Ausdruck bestimmter Funktions- störungen. Leipzig 1903. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON MaAJA VERRUCOSA M. Epw. 179 Wenn die Pause vorhanden ist, so ist sie viel länger als die Zeit, wäh- rend welcher die Extrasystole vorher die Diastole unterbrochen hat. Im Falle nun, daß der Herzrhythmus sehr unregelmäßig ist und oben- drein Extrasystolen hinzutreten, ist die Dauer der 'kompensatorischen Pausen sehr verschieden. Es variiert der Rhythmus des Reizes und so variiert auch gleichzeitig die kompensatorische Pause. Falls lange Pausen hinzutreten, wird dies sicher von nervösen Ein- flüssen, die sich einmischen, abhängen. Zuweilen ist in der Periode der Extrasystolen eine vorhanden, die höher als alle anderen ist; bei genauer Beobachtung sieht man, daß sie der Stelle entspricht, an welcher eine normale Systole vorhanden sein sollte, wie Fig. 49 dies klar zeigt. Und man beachte, daß dies eben auch in einem normalen Zustand vorkommt, in welchem sich das Herz (extrasystolischer Zustand) nach dem Engelmannschen Gesetze der Erhaltung der physio- loogischen Reizungsperiode befindet. Werfen wir nun einen Blick auf die postkompensatorische Systole. Bei unseren Untersuchungen haben wir gesehen, daß die postkompen- satorische Systole immer die höchste ist, was mit dem übereinstimmen würde, was Langendorff im Frosch- und Säugetierherzen und Bottazzi im embryonalen Hühnerherzen beobachtet haben, daß nämlich die post- kompensatorische Systole höher als die vorausgehenden und folgenden Systolen ist. Die postkompensatorische Systole ist kräftiger, stärker als die bei normalem Rhythmus eintretenden Systolen; nach der Pause hat der Muskel, mehr als dies bisher der Fall war, Gelegenheit gehabt, seine Kontraktilität wieder herzustellen. Diese unsere Resultate ständen auch im Einklang mit dem Gesetze von Langendorif! und Gley? von der Konstanz der Herzarbeit, das darauf beruht, daß in jeder Periode die vom Myokardium entwickelte Energiemenge stets die gleiche ist, mag sie nun ausgegeben werden in einer einzigen Systole oder in zwei aufeinander folgenden, die sich stets in einem konstanten Verhältnis von Höhe und Energie vorfinden. Tatsächlich ist die postkompensatorische Systole um so höher (Langendorff), je schwächer 1 ©. Langendorff, Über elektrische Reizung des Herzens. Dies Archiv. 1885 S. 284. — Untersuchungen am überlebenden Säugetierherzen. Pflügers Archiv für Physiologie. 1895. Bd. LXI. S. 318. — Untersuchungen am überlebenden Säuge- tierherzen. Ebenda. 1898. Bd. LXX. S. 473. ®? E. Gley, Recherches sur les lois de l’inexeitabilite periodique du coeur chez les mammiferes. Archives de physiologie. 1899. p. 499. 127 180 OSWALD POLIMANTI: die Extrasystole war, oder, was dasselbe bedeutet, um so weiter von der Extrasystole entfernt (Gley). Die postkompensatorische Systole kann auch eintreten (Fig. 42), wenn die kompensatorische Pause nicht vorhanden oder nur leicht ange- deutet ist. In einigen Fällen ist, wie wir gesehen haben (Fig. 42), von den auf die Extrasystolen folgenden Systolen nur die zweite die höchste. Und häufig sehen wir, daß die auf die postkompensatorische folgenden Systolen allmählich in Gestalt einer wahren und eigentlichen absteigenden Treppe stufenweise heruntergehen (Fig. 55), oder auch (epp u an- steigen. Wegen dieser sehr hohen postkompensatorischen Systole sind die nach- her folgenden Systolen etwas kleiner; dies kann abhängen von der größeren. Inanspruchnahme der Kontraktilität, die durch die vorhergehende stär- kere Systole verursacht wurde, ist jedoch häufig die Folge einer Füllung des ziemlich kleinen Herzens mit Blut ganz kurze Zeit nach einer so großen, so kräftigen postkompensatorischen Systole. Nach Engelmann und H. E. Hering! ist die erste physiologische Periode nach der postkompensatorischen Pause häufig ein klein wenig verlängert. Diese Erscheinung ist vielleicht dadurch bedingt, daß die post- kompensatorische Systole schneller als eine normale verläuft und deshalb die postkompensatorische Pulswelle zu schnell erscheint; wenn sie für die zweite Welle normal verläuft, wird die Entfernung zwischen den beiden Pulswellen größer als in dem Falle, daß es sich. um eine normale Periode handelt. Zuweilen beobachtet man, daß die Extrasystole viel weiter und viel höher als die wahre Systole ist (Fig. 61). Dies kann dadurch bedingt sein, daß der wahren Systole eine kompensatorische Pause vorausgegangen ist; das Herz hat mehr Kraft aufgespeichert und die hervorgerufene Extra- systole ist sehr hoch. Oder es kann auch davon abhängen, daß das Herz stets danach strebt, das rhythmische Verhältnis zwischen der venösen und der arteriellen Abteilung beizubehalten (auch in diesem Falle würde das Gesetz von Langendorff? und Gley® sich bewahrheiten). Eine weitere interessante Erscheinung, die man häufig im Verlaufe der Experimente beobachtet, ist die, daß die Herzperistaltik eintritt ı H. E. Hering, Ergebnisse experimenteller und klinischer Untersuchungen über den Vorhofvenenpuls bei Extrasystolen. Zeitschrift für experimentelle Patho- logie und Therapie. 1905. Bd.I. 8.39. 2 O0. Langendorff, a.a. O. =N. Gley,, a..230: BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE von MAJA VERRUCoSsA M. Epw. 181 (Fig. 66). Diese Peristaltik muß Veränderungen zugeschrieben werden, die in der Reizbarkeit der venösen Abteilung derart eintreten, daß der Reiz der letzteren in ungeordneter Weise ins Herz übergeht. Diese Erschei- nung der Peristaltik könnte sehr gut mit der Wirkung starker Digitalis- dosen im Ventrikel höherer Tiere verglichen werden, die eben zu peristal- tischen Bewegungen des Ventrikels und endlich zu einem Stillstand in Systole führt, auf welche dann die Ruhe der Vorhöfe folgt. Betrachten wir die Aufeinanderfolge der Systolen und Extrasystolen in der Fisur 63, so bemerken wir, daß die letzten Ventrikelkontraktionen viel höher (7 mm) sind als die ersten (5 mm); dies läßt an die Erscheinung der Treppe denken, die Bowditch im Froschherzen mit Strömen von minimaler Intensität und minimalen Reizungsintervallen erhielt. Noch heute gilt die Erklärung, die er gab, um diese Erscheinung zu erklären, indem er annahm, daß der erste Reiz einen Widerstand überwinden muß, den die weiteren Reize nicht mehr zu überwinden haben. Heutzutage gilt die Hypothese von Ranvier nicht mehr, wie wir oben gesehen haben. Hier müssen wir nun annehmen, daß jede auf eine Extrasystole folgende Systole, obwohl keine kompensatorische Ruhe vorhanden ist, als die post- kompensatorische Systole der vorhergehenden Extrasystole betrachtet werden muß (Gesetz von Langendorff und Gley). Es kommt vor, daß das Herz sich häufig in andauernder Extrasystole befindet. Gewiß müssen wir annehmen, daß hier der ursprüngliche Rhyth- mus des Herzens sehr unregelmäßig ist, der Reiz ungleichmäßig entsteht und chronotropische Einflüsse nervöser oder myogener Art sich kundgeben. Hat man es mit einer sehr starken Herzfrequenz zu tun, so muß man annehmen, daß die stimulierende Welle des Herzmuskels vermindert ist und daß das Herz allzu reizbar geworden ist. Aus Engelmanns Experi- menten wissen wir (wie wir oben sahen), daß bei der Loslösung einer Extra- systole aus den venösen Ostien die kompensatorische Pause absolut fehlt oder reichlich zu kurz ist, weil die postkompensatorische Systole etwas zu schnell anlangt. Engelmann sucht die Erklärung dieser unbestreitbaren Tatsache da- rin, daß die Blutzirkulation in den venösen Wandungen des Herzens wegen der Extrasytole, wenn auch nur für kurze Zeit, ziemlich verändert wird, und vielleicht deswegen der automatische Reiz seine Gültigkeit erlangt, ehe er mit einem nicht unterbrochenen normalen Rhythmus auftritt. Beim Experimentieren am Säugetierherzen nach der Engelmannschen Me- thode hat man gesehen (Cushny und Matthews), daß auf eine vom Ven- trikel ausgehende Extrasystole stets eine. vollständige kompensatorische Pause folgt, während bei Reizung der Vörhofe oder der venösen Östien 182 OswALD POLIMANTI: die auf die hervorgerufene Extrasystole folgende kompensatorische Pause nicht immer vollständig kompensierend, d. h. häufig kürzer ist und bisweilen ganz fehlt. Man spricht deshalb von Ventrikelextrasystolen und von Sinus-Vor- hofextrasystolen (Cushny und Mackenzie). Dies ist gerade einer der Fälle, die ich in einer früheren Arbeit richtig gestellt habe, und der sich auch in diesen Resultaten zeigt: natürlich muß man in diesem Falle von Extra- systolen venösen Ursprungs reden. Die Autoren lassen diese von ihnen beobachtete Erscheinung von zwei Faktoren abhängen: entweder geht die Kontraktionswelle von den Vorhöfen zu den großen Venen und verursacht dort eine erzwungene Kontraktion, die zu den Vorhöfe zurückkehrend die postkompensato- rische Extrasytole vor der Zeit hervorruft, oder die Reizbarkeit der Vor- höfe nimmt fortwährend zu, bis sie zu einer Kontraktion führt, die un- abhängig von den großen Venen ist und in der Wand selbst der Vorhöfe entsteht. Nach Wenckebach wird bei der philogenetischen Entwicklung ein Teil des venösen Sinus in die Vörhofe eingeschlossen und daher kommt eine größere Eigentümlichkeit der letzteren, automatische Reize zu er- zeugen, auch unabhängig vom Sinus venosus. H. E. Hering bestätigte im Säugetierherzen diese Untersuchungen von Cushny und Matthews, wobei er annimmt, daß die Extrasystolen mit abgekürzter Pause stets vom Vorhof ausgehen. H. E. Hering fand jedoch später, daß nicht immer nach Reizung der Vorhöfe die folgende Extrasystole eine unvollständige kompensatorische Pause hat, sondern daß sie bisweilen auch vollständig sein kann; diese Pause ist also nicht nur ventrikularen Ursprungs, sondern kann auch sinus- aurikularen Ursprungs sein. Wenn sie vorhanden ist, so ist sie um so länger, je verfrühter der sti- mulierende Faktor in der reizbaren Phase der Vorhöfe anlanste, und dies erklärt sich leicht, wenn man an das Verhalten des Leitungsvermögens denkt. Aus diesen Resultaten schließt man, daß das Gesetz der Erhaltung des periodischen, physiologischen, stimulierenden Rhythmus für die Vor- höfe der Säugetiere existiert, jedoch ist das Verhältnis nicht so einfach wie im Ventrikel. Mackenzie hatte im menschlichen Herzen gefunden, daß auf eine von den Vorhöfen ausgehende Extrasystole häufig eine unvollständige kompensatorische Pause folgt. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE vVoN MAJA VERRUCOSA M. Epw. 183 Wenckebach beobachtete, daß die Verkürzung der kompensatori- schen Pause nach Reizung der Vorhöfe der Säugetiere im Grunde kein fundamentaler Unterschied dieses Herzens und des Froschherzens ist. Die von den verschiedenen Autoren gefundenen Unterschiede erklärt er folgendermaßen: ob die kompensatorische Pause kürzer oder vollständig ist, hängt davon ab, ob die durch einen Extrareiz hervorgerufene Kontrak- tionswelle, wenn sie zurückkehrt, die großen Venen vor oder nach dem Moment erreicht, wenn an dieser Stelle der physiologische Reiz sich gel- tend macht. Wenn diese Kontraktionswelle vor diesem Moment in der Wand der großen Venen anlangt, wird das stimulierende Material vernichtet und es kostet wieder die Dauer einer spontanen Periode, ehe der physiologische Reiz von neuem die zweckmäßige stimulierende Spitze erreicht, und als- dann wird die kompensatorische Pause um so kürzer, um wie viel eher vor dem Moment der spontanen Kontraktion die Kontraktionswelle in die großen Venen gelangt. Zuerst wird sie angetrieben und um so kürzer ist das Inter- vall der spontanen Kontraktionen. Im Falle, daß die Reizung etwas spät in der diastolischen Periode der Vorhöfe eintritt, so daß die Kontraktionswelle nicht in die großen Venen gelangt, ehe der spontane Reiz sich geltend macht, hat alsdann an dieser Stelle die spontane Kontraktion schon begonnen, und der künstliche Reiz findet das Herz an jener Stelle wieder im refraktären Zustand; nur in diesem Falle tritt keine Störung im physiologischen Rhythmus der Venen ein. Daß endlich eine derartige Störung im venösen Rhythmus im Frosch- herzen durch die Extrasystolen der Vorhöfe nicht hervorgerufen wird, erklärt sich dadurch, daß in diesem Herzen größere Abgrenzungen der Mus- kulatur vorhanden sind (von den Venen zum Sinus, vom Sinus zum Vorhof). Durch diese Übergangsstellen werden die Reize langsamer geleitet und deshalb ist es weniger wahrscheinlich, daß ein künstlicher Reiz, der den Vorhof des Froschherzens trifft, die Venen vor dem Beginn der spontanen Kontraktion erreicht, als im Säugetierherzen, in welchem sich diese Tei- lungen zwischen Venen und Vorhöfen nicht vorfinden. Es ist ein anato- mischer Unterschied, kein physiologischer, weil physiologisch das Frosch- herz ebenso viel wert ist wie das Säugetierherz und das des Menschen, wie ich schon oben gesagt habe. Wird das Herz rhythmisch tetanisiert, so folgt in diesem Falle auf eine durch einen starken Reiz hervorgerufene Extrasystole nie eine Pause, weil, sobald die refraktäre Periode vorüber und die Kontraktilität des Herzens genügend wiederhergestellt ist, infolge des andauernden Reizes wieder eine Systole eintritt. Wir können die Wärme sehr gut mit dem tetanischen Reiz 184 OSWALD POLIMANTI: vergleichen. Es kann auch im Vorhof eine systo-extrasystolische Form mit einer systolischen Form abwechseln und von dieser periodischen Form zu einer weiteren systo-extrasystolischen Periode übergegangen werden, auf die eine weitere systo-extrasystolische folgt. In beiden Fällen ist die erste Systo-Extrasystole größer als die zweite und der Rhythmus des Ventrikels variiert nicht gleichzeitig, und diese Erscheinung ist eine Folge des Engelmannschen Gesetzes der Erhaltung des periodischen physiologischen Reizes. Der Ventrikel pulsiert inzwischen in Form eines regelmäßigen Rhyth- mus, und zwar weil der unregelmäßigste Rhythmus in den venösen Wan- dungen des Herzens durch Einwirkung der Kälte im Niveau- des Suleus atrio ventrieularis reguliert wird. Es können auch Übergangsformen ein- treten: jeden zwei Systo-Extrasystolen des Vorhofs entspricht eine. Systole des Ventrikels; dann folgt ein Übergang zu einer Ventrikelsystole, auf die eine durch eine dritte systo-extrasystolische Kontraktion des Vor- hofes hervorgerufene Extrasystole folgt. Es kann auch mehr als eine ven- trikulare Extrasystole eintreten, die nach Systo-Extrasystolen des Vor- hotes erfolgt. : Eine weitere Besonderheit, auf die schon früher hingewiesen wurde, besteht darin, daß zuweilen die in diesen Fällen hervorgerufene Extra- systole des Ventrikels viel höher als die wahre Systole ist. Für beide gelten dieselben Erklärungen, wie wir sie früher gegeben haben. Einer peristaltischen Form des Vorhofs, die durch Systolen und Extra- systolen ausgefüllt ist, entsprechen bisweilen regelmäßige Ventrikelsystolen: dies ist dadurch bedingt, daß infolge Einwirkung der Kälte im Suleus atrio- ventricularis und im Ventrikel die Reize, die abnorm vom Vorhof aus- gehen, normal werden und im Niveau des Sulcus und des Ventrikels selbst reguliert werden. Wenn nun die Kälte im Niveau des Sulcus atrio-ventricularis und des Ventrikels nicht derart ist, daß sie imstande ist, die aus dem Sinus und .aus den Vorhöfen ausgehenden Reize zu regulieren, dann entspricht systo- extrasystolischen Gruppen der Vorhöfe (z. B. 4 an Zahl) eine periodische peristaltische Form des Ventrikels. Oder diese ventrikularen peristalti- schen Gruppen können doppelt sein, und jeder Gruppe kann eine Gruppe von zZ. B. 4 Systo-Extrasystolen des Vorhofs entsprechen. | Diese Erklärung ist stets dieselbe wie die oben von uns gegebene, und sowohl im einen wie im anderen Falle ist im Verlauf der peristaltischen Umdrehung immer ein Hinweis auf die von den Vorhöfen ausgehenden Reize vorhanden. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE Von MAJA VERRUCOSA M. Epw. 18 Natürlich bleibt der Rhythmus des Ventrikels oft nicht intakt, wenn viele Extrasystolen vom venösen Rhythmus eintreten, aber häufig, auch wenn der Sinus und die Vorhöfe (bei Maja, die venösen Teile) sich im Zustande der Extrasystole befinden, zeigen sich im Ventrikel immer die- selben Erscheinungen, wie wenn sie unter normalen Bedingungen pulsieren. | Sehen wir nun zu, ob wir aus unseren Experimenten irgendwelche Gedanken über die Entstehung der Extrasystolen herleiten können, weil man noch nicht weiß, wie sie entsteht. Nur wenn sie eine Folge ver- schiedener (elektrischer, thermischer, mechanischer, chemischer usw.) sind, könnten die Extrasystolen, wie Knoll! und Rosenstein? glaubten, ‚von einer direkten Reizung des Herzmuskels abhängen. Dieser Gedanke wurde dann experimentell bestätigt, zuerst von Marey und dann von Engelmann, die feststellten, daß man es bei den Extrasystolen mit einem direkten Reiz des Muskels zu tun hat. H. E. Hering betont den Umstand sehr, daß man bis jetzt keine Extrasystole erhalten hat, die auf eine reine Reizung der Nervenelemente folgte, welche in direkter Beziehung zum Herzen stehen, und er nimmt an, daß sie nur myogener Natur sei. Engelmann sah zuerst, daß die Nerven eine indirekte Ursache der Entstehung der Extrasystole dann sein können, wenn infolge eines chrono- tropischen positiven. Einflusses die Automatizität der Ventrikel vermittelst der Nerven erhöht sein kann; auf diese Weise würden Extrasystolen ner- vösen Ursprungs eintreten. F.B. Hofmann nimmt das nicht für das Froschherz an, weil die chrono- tropischen Nervenfasern bei diesem Tiere den Sinus nicht überschreiten und nicht zu den Vorhöfen und zum Ventrikel gehen. Auch der batmo- _ tropische Einfluß des Nervensystems auf den Herzmuskel kann das Auf- treten der Extrasystolen sehr erleichtern, indem er die Reizbarkeit des Herzens bis zu einem solehen Grade erhöht, daß kleine Reize, die normaler- weise nicht imstande sind, das Herz zur Kontraktion zu bringen, nun den hyperästhesisch gemachten Muskel zu einer Extrasystole bringen. Wie wir an den von mir gebrachten Kurven deutlich gesehen haben, fehlt nach einer entweder spontan. oder auch nach einem elektrischen Reize erhaltenen Systole die kompensatorische Pause gänzlich oder beinahe ganz. ! Ph. Knoll, Über die Veränderungen des Herzschlages bei reflektorischer ‚Erregung des vasomotorischen Nervensystems. Berichte der Akademie zu Wien. Naturwiss. Klasse. Bd. 66. Abt. 3. 1872. se: 2 S. Rosenstein, 1. Zur Deutung des Kardiogramms. Deutsches Archiv f. klinische Medizin. Bd. 23. — 2. Einleitung zu den Krankheiten des Herzens, Ziemmsens Handbuch d. speziellen Pathologie u. Therapie. 1879. 186 OSWALD POLIMANTI: Ich muß hier an die Studien Engelmanns! erinnern, der eben sah, daß bei den von Vorhof und vom Sinus ausgehenden Pulsationen (in diesem letzteren Falle im Gegensatz zu dem, was Dastre und Kaiser? behaupten) stets nach einer Extrasystole eine kompensatorische Pause eintritt, wohin- gegen bei den Pulsationen, die vom Sinus venosus ausgehen, wie auch von den intraperikardialen Gegenden der Venen, von welchen Stellen die Im- pulse für den Herzschlag ihren Ausgang nehmen, stets eine kompensatorische Pause fehlt. | Das Fehlen einer kompensatorischen Pause im Sinus venosus wurde bestätigt von Bottazzi°, sowie von Courtade? und Woodworth.5 Eine biologische Erklärung dieser Erscheinung ließe sich finden, wenn man daran denkt, daß die venösen Teile des Herzens embryologisch jünger sind als die Abteilungen der Vorhöfe und der Ventrikeln und daß ihnen des- halb, wenn sie gereizt sind, eine wahre und eigentliche kompensatorische Ruhe fehlt. So könnte man im Falle des Majaherzens daran denken, daß diese Schaltiere, da sie nicht sehr entwickelt sind, ein derartiges zentrales Kreislaufsystem (Herz und Annexe) haben, daß das gereizte Herz, nachdem es eine Extrasystole ergeben hat, keiner kompensatorischen Pause bedarf, da es sich um kontraktile Gewebe handelt, die nicht sehr entwickelten Tieren angehören. Sie erlangen leicht und schnell die ursprüngliche Reiz- barkeit wieder, auch nach einem extranormalen Reiz. Dagegen tritt im Herzen von weit mehr entwickelten Tieren, wenn es sich in Extrasystole befindet, stets eine kompensatorische Pause ein, damit es sich von dem Reiz, der es getroffen hat, wieder erholt. Einfluß des tetanisierenden Stromes auf das Majaherz. Viele Autoren erwähnen als Beispiel eines Herzens, das leicht in Te- tanus versetzt werden kann, das Herz der Krustazeen, und zwar nicht nur unter den wirbellosen Tieren, sondern auch unter den Wirbeltieren. * Th. W. Engelmann, Beobachtungen und Versuche am suspendierten Herzen. III. Refraktäre Phase und kompensatorische Ruhe in ihrer Bedeutung für den Herz- rhythmus. Pflügers Archiv für Physiologie. 1895. Bd. LIX. S. 309—347 (S. 333). ® K. Kaiser, Untersuchungen über die Ursache der Rhythmizität der Herz- bewegungen. Zeitschrift für Biologie. 1892—93. Bd. XXIX. S. 203—226 (S. 216). ® Ph. Bottazzi, Über die postkompensatorische Systole. Zentralblatt für Physiologie. 1896. S. 401—403. * D. Courtade, Contribution & l’etude de la fonction rhythmique du coeur. Archives des. physiologie. 1896. Vol. IX. p. 69. 5R. S. Woodworth, Maximal contraction, ‚Staircase‘‘ Contraction, Re- fractory Period, and Compensatory Pause, of the Heart. American Journal of Physiol. 1903. Vol. VIII. p. 213—250. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE Von MaAJA VERRUCOSA M. Epw. 18 E. H. Weber! beobachtete, als e; das Herz von Astacus mit einem Induktionsstrom reizte, daß dises Herz sich stark kontrahiert und während der ganzen Dauer der Reizung in diesem Zustande bleibt. Ohne Webers Arbeit zu kennen, fand A. Brandt?, „daß das Herz des Krebses im Gegen- satz zu dem der Wirbeltiere sehr leicht tetanisierbar ist‘, und daß mithin, auf Grund dieser Eigenschaft, das Herz der Krustazeen eine Mittelstellung zwischen dem Wirbeltierherzen und den Skelettmuskeln einnimmt. | Diese von Brandt gefundenen Tatsachen wurden dann von Eck- hard® für den Cancer pagurus und von J. Dogiel® für den Flußkrebs, Hummer, Languste und Krabbe bestätigt. Plateau fand auch, daß das Herz der Krustazeen, wenn es der Einwirkung voneinander genäherten Induktionsströmen ausgesetzt wird, in Systole stillsteht; die dabei erhal- tene graphische Linie kann eine gerade (vollständiger Tetanus) oder eine Wellenlinie (unvollständiger Tetanus) sein. Ferner sah er, daß, wenn die experimentellen Bedingungen konstant bleiben, der vollständige Tetanus leichter erhalten wird an einem Krusta- zeenherzen mit langsamen Pulsationen, als an einem Herzen mit kurzen und raschen Pulsationen. Wenn sich aus den Arbeiten von Dogiel und Plateau nicht mit Sicherheit schließen läßt, daß es sich beim Tetanus des Krustazeenherzens nur um eine Summierung der einzelnen Kontraktionen und nicht um eine Verlängerung und Verstärkung der einfachen Zuckung handelt, so unter- liegst dies keinem Zweifel bei der Arbeit von Reid Hunt, Bookman und Tierney°’. Diese Autoren experimentierten am Herzen der ameri- kanischen Hummer und konnten durch direkte Reizung mit einzelnen ı E. H. Weber, Über Ed. Webers Entdeckungen in der Lehre von der Muskel- kontraktion. Müllers Archiv für Anatomie und Physiologie. 1846. S. 504. ® A. Brandt, Physiologische Beobachtungen am Herzen des Flußkrebses. Bulletin de l’Acad. des sciences de St. Petersburg. 1865. T. VIII. p. 422. ® C. Eckhard, Mitteilung einiger die Herzbewegung betreffender Tatsachen. Eckhards Beiträge zur Anatomie und Physiologie. Bd. IV. Abt.2. 1869. S. 47. * J, Dogiel, Sur le coeur de crustaces. C. R. Academie des Sciences. 1876. T. LXXXII p. 1160. — De la structure et des fonctions du coeur des crustaces. Arch. de physiol. norm. et pathol. 1877. p. 400. — Beitrag zur vergleichenden Anatomie und Physiologie des Herzens. Arch. für mikroskop. Anatomie. 1894. Bd. XLII. S. 223. — Vergleichende Anatomie, Physiologie und Pharmakologie des Herzens (russisch. Kasan 1895. 5R. Hunt, A. Bookmann und M. J. Tierney, Einige allgemeine Eigen- schaften des Herzmuskels vom amerikanischen Hummer. Zentralblatt f. Physiologie. 1897. Bd. II. 8. 274. 188 OSWALD POLIMANTIT: Induktionsreizungen eine Übereinanderlagerung von zwei und auch mehr Kontraktionen erhalten; sodann erhielten sie mit sehr rasch aufeinannder folgenden Induktionsreizen einen wahren Tetanus, dessen Höhe viel größer war als eine einzelne Maximalkontraktion. Ein sehr wichtiger Umstand war der von den Autoren beobachtete, daß die Periode des Latenzstadiums einer mit einem künstlichen Reiz in den Hummerherzen erhaltenen Kon- traktion sehr kurz war (0-01—0-04”; im Mittel 0-02”). Ferner fanden sie, daß die refraktäre Phase des Herzens bei gewöhnlicher Temperatur nicht zu finden war, und endlich, daß das Gesetz der Maximalkontrakt- tionen keine Gültigkeit für das Hummerherz hat. RT Kieser (2/3): Maja 5. 5. Experiment. Zylinder 3. Linie 4. 2. III. 10. (Abstand der beiden Rollen des Schlittens 10 cm.) Auch was das Säugetierherz betrifft, so ist es, sowohl im Stadium völliger Entwicklung als auch im embryonalen Stadium, innerhalb ge- wisser bestimmter experimenteller Bedingungen einer tetanischen Kon- traktion fähig. Es ist unnütz, die diesbezügliche Literatur anzuführen, weil sie das Thema, mit dem ich mich hier beschäftigte, nicht betrifft, und weil sie schon mit Genauigkeit von A. Walther! zusammengestellt worden ist. ‘ A. Walther, Zur Lehre vom Tetanus des Herzens. Pflügers Archiv für Phys. 1898. Bd. LXXVIII p. 597—636. 3 Taf. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE von MAJA VERRUCOoSA M. Epw. 189 Auch ich habe Reize von tetanisierender Natur verwendet. Nun habe ich aber beobachtet, daß, wenn der unterbrochene Strom nicht sehr stark ist, eine Erhöhung der Pulskurve eintritt, während welcher jedoch der Herzrhythmus sich mehr oder minder deutlich erhält. (Fig. 67.) Ist jedoch der unterbrochene Strom sehr stark, so tritt ein wahrer und eigentlicher Tetanus ein. (Fig. 68.) Sobald jedoch der Reiz aufhört, sinkt die Kurve allmählich unter die Abszisse und der Pulsrhythmus wird entweder wieder normal oder es tritt eine Beschleunigung ein. Fig. 68 (%),). Maja 8. 4. III. 10. (Abstand der beiden Rollen des Schlittens 5 cm.) Zuweilen führt jedoch der unterbrochene Strom: nicht nur zu einem wahren und eigentlichen Tetanus des Herzens, wenn der Reiz beendet ist, sondern läßt das Herz in einen Zustand von Wogen, Flimmern und Wüh- len übergehen. (Fig. 69.) Alle diese Reize, die das Herz in der refraktären Periode erfassen, blei- ben ohne irgendwelche Wirkung, jedoch so lange (nach v. Basch) sie die Reizbarkeit gegen das Ende dieser Periode nicht erhöhen, wenigstens in vorübergehender Weise. Der erste Reiz, der die Schwelle überschreitet, ruft eine neue Kon- traktion hervor und vernichtet die Reizbarkeit des Herzens.‘ Wie wir ge- 190 OSWALD POLIMANTI: sehen haben, kann man, auch wenn man das Herz tetanisiert, die rhyth- mische Pulsation des Herzens (wenigstens teilweise) erhalten, doch dauert dies nicht lange infolge zerstörender Einflüsse, die der elektrische Reiz in den benachbarten Geweben ausübt. In Herzen von höheren Wirbeltieren erhält man mit tetanisierenden Strömen, auch mit sehr häufig einander folgenden Reizen, keine Übereinanderlagerung der letzteren und also keinen Tetanus wie in den Skelettmuskeln, weil die refraktäre Periode in der Norm bis gegen das Ende der Diastole hin anhält und dann auch noch die Lei- stungsfähigkeit des Herzens zunächst beträchtlich herabgesetzt ist. Im Herzen dieser Vertebraten kann ein Tetanus nur unter bestimmten experi- mentellen Bedingungen eintreten (hohe oder niedrige Temperatur, Ein- fluß von Giften usw.: siehe Literatur bei Walther). AAINADUER ER Fig. 69 (%),). Maja 18. Zylinder 4. Linie 3—4. (Abstand der beiden Rollen des Schlittens 5 cm.) Dagegen ist es leicht, wie ich schon oben sagte, im Herzen von Kru- stazeen und im embryonalen Herzen von höheren Tieren einen Tetanus zu erhalten. Im ersten Falle handelt es sich, wie ich oben schon gesagt habe, um Tiere, die auf der zoologischen Skala sehr tief stehen, und im zweiten um sehr junge Gewebe. In beiden Fällen sind die Gewebe sehr jung, mit- hin bedürfen sie einer refraktären Periode nicht, sondern sind immer in einem Zustand, der sie stets bereit macht, einen Reiz zu empfangen und darauf mit einer Maximalkontraktion zu antworten. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE VON MAJA VERRUCoSA M. Epw. 191 Auf diese Weise können wir es uns also erklären, daß das Krustazeen- herz und das embryonale Herz höherer Tiere leicht dem tetanischen Zu- stand anheimfallen können, auch bei verhältnismäßig schwachen elek- trischen Reizen. In den Herzen höherer Tiere kann man diese nämlichen Erscheinungen erhalten, wenn man sie nur bestimmten experimentellen Bedingungen aussetzt, die zu einer mehr oder weniger tiefgehenden Modi- fikation der Reizbarkeit des Herzens führen. Dagegen brauchen junge Herzen dies nicht, sondern sie haben entweder keine refraktäre Periode oder diese ist sehr kurz; deshalb treten sie leicht in Tetanus ein. _ Einfluß der Temperatur auf den Rhythmus der Pulsationen des Majaherzens. Was die Einwirkung der Wärme und der Kälte auf die Herzfaser betrifft, so war Marey der erste, der sie studierte und zu der interessanten Folgerung gelangte: „Que la chaleur abrege la phase de moindre exeitabilitE du ceeur, tellement que certains courants qui, sur un coeur froid, etaient sans action pendant toute la duree de la systole ventriculaire, provoquant des mouve- ments & tous les instants de cette m&me systole, quand le ceur a 6te rechauffe.‘“ Lauder Brunton und Cash beschäftigte sich in der Folge ebenfalls damit, die Einwirkung der Wärme und der Kälte, namentlich auf die Er- scheinung der Extrasystole, zu studieren und fanden, daß die refraktäre Periode, wenn das Herz der Abkühlung ausgesetzt wird, sehr erhöht wird, so daß eine wahre. Unterdrückung der folgenden Systole veranlaßt wird. Wie Marey sahen sie, daß im erwärmten Herzen eine Verminderung und zuweilen auch Aufhebung der refraktären Periode des Ventrikels ein- tritt, die der Herzohren vollständig verschwindet. Im allgemeinen ist dann die Erschlaffung der Herzkammer nur noch partiell. Andererseits beobachtete Pickering, daß das embryonale Herz sehr empfindlich gegen alle Reize, insbesondere gegen die thermischen ist; er stellte fest, daß für jedes Herz eine Grenztemperatur existiert, bei welcher seine rhythmische Funktion im höchsten Grade ausgeprägt ist; höhere oder niedrigere Temperaturen als diese lassen nur den Herzrhythmus ab- nehmen, bisweilen jedoch beeinflussen kleine Temperaturschwankungen auch wenn sie eine lange Zeitperiode dauern, den Herzrhythmus gar nicht. Wird ein embryonales Herz übermäßig erwärmt, so treten nach Piekering zuerst idiomuskuläre Kontraktionen ein und endlich steht dann 192 OswALD POLIMANTI: das Herz in Diastole still. Eine niedrige Temperatur soll auch bis zu einem gewissen Punkte imstande sein, die Wirkung gewisser Gifte (Alkohol) zu paralysieren. In früheren Arbeiten, die ich über das Herz von Testudo graeca und über das embryonale Herz von Gobius capito und paganellus geschrieben habe (in diesen beiden Arbeiten findet sich die ganze Literatur über das Thema), konnte ich feststellen, daß, wenn man sie verschiedenen Tem- peraturen aussetzt, die sich daraus ergebenden Pulsationen innerhalb gewisser Grenzen dem Gesetz von Arrhenius und van’t Hoff folgen, das uns beweist, daß die Geschwindigkeit der chemischen Reaktionen in- folge einer Temperaturerhöhung von 10° wenigstens um das Doppelte oder um das Dreifache zunimmt. | Dieses Gesetz kann auch folgendermaßen ausgedrückt werden: Rhythmus zu 7° + 10° Rhythmus zu T® = 2 oder = 3. 010 = Für das Herz von Testudo fand ich den Wert von Q 10 = 1:-366 für Temperaturen, die zwischen 15° und 45° schwankten, und für das embryo- nale Gobiusherz den Wert von Q 10 = 1:365 (Temp. 16:5—35—40°). Auch am Herzen von Maja verrucosa wollte ich ähnliche Experimente machen, indem ich das ganze Tier Temperaturen von 15° und 25° aussetzte. Ein und dasselbe Tier hielt ich mindestens eine Stunde in der einen oder der anderen Temperatur, damit es sich völlig derselben anpassen sollte. Dann ließ ich die Pulsationen auf dem Baltzarschen Apparat verzeichnen. Die von mir erhaltenen Resultate bringe ich in Gestalt einer Tabelle. Pulsationen des Herzens von Maja verrucosa bei der Tem- peratur von Nummer der Maja SV 25° Wert von Q10 1 47 64 1-361 2 45 61 1:355 3 45 59 1.3172 4 44 60 1363 5 42 58 1:380 6 41 57 1:390 7 39 53 1:358 8 48 55 1-354 9 45 62 1-380 10 44 60 1-363 11 47 63 1-340 12 41 56 1-365 Mittel 43.833 59-833 1-365 BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE von MAJA VERRUCoOSA M. Enw. 19 Aus diesen Resultaten schließe ich also, daß der Wert von Q10 (für Temperaturen von 25—15°C) für das Majaherz gleich 1-365 ist. Meine Absicht war es nicht, Experimente an Exemplaren von Maja zu machen, die bei niedrigeren oder höheren Temperaturen als denjenigen, bei welchen ich die Tiere überhaupt hielt, gehalten wurden, weil diese Schal- tiere schon infolge von Temperaturerniedrigungen unter 15° zu leiden be- sinnen und ebenfalls bei Temperaturen von über 25°C leiden. Auch Richet! hält es für sehr wahrscheinlich, daß der Tod von Astacus und anderen Krebsen (Careinus) eintritt, wenn ihre Körpertemperatur 30—40° erreicht. Carus? bemerkte zuerst die beschleunigende Einwirkung der Wärme auf das Astacusherz und studierte es, indem er das Tier direkt der Sonne aussetzte oder mit einer Linse die Sonnenstrahlen darauf konzentrierte. Newport? machte eine ähnliche Beobachtung wie die von Carus an einem Anthropoden, der Antophora retusa; nachdem das Insekt 1—2 Stunden der Sonne ausgesetzt war, stieg die Zahl der Pulsationen des dorsalen Gefäßes von 100 auf 140. Yersin® sah, als er die Pulsation des dorsalen Gefäßes von Motten und Grillen studierte, daß sich ein Unterschied, fast um das Doppelte, in der Zahl der Pulsationen zeigte, je nachdem das Wetter kalt oder warm war. Brandt? studierte den Einfluß der Temperatur (11—30°) auf das isolierte Astacusherz: Erhöhung der Temperatur verursacht eine merk- liche Beschleunigung der Pulsationen und auch eine größere Stärke der letzteren. Dogiel® studierte die Einwirkung der Temperatur (0°-38°) auf das Herz von Larven von Corethra plumicornis und sah, daß eine Erniedrigung 1 C. Richet, De l’influence de la chaleur sur les fonctions des centres nerveux de l’Ecrevisse. ©.R. Acad. Sciences Paris. T. LXXXVIII Nr. 19. 12. Mai 1879. P2I71.1° ? C. G. Carus, Von den äußeren Lebensbedingungen der heiß- und kaltblütigen Tiere. (Preisgekrönt von der Akademie zu Kopenhagen.) Leipzig 1824. S. 84. 3 Newport, Artikel „Insecta‘“ in C'yclopaedia of Anatomy and. Physiology by Tood. Vol. VIII. p. 981. London 1839. 4 Yersin, zitiert von M. Girard, Traite elementaire d’entomologie. T.I. p. 21. Paris 1873. 5 A. Brandt, Physiologische Beobachtungen am Herzen des Flußkrebses. Bulletin Acad. Sciences de St. Petersbourg. T. VIII. 1865. S. 422. 6 J.Dogiel, Anatomie und Physiologie des Herzens der Larve von Corethra plu- micornis. Memoire Academie de St. Petersbourg. VII. S.T. XXIV. Nr. 10. 1877. (Extrait p. 16). Archivf.A.u.Ph. 1913. Physiol. Abtlg. : 13 194 OSWALD POLIMANTI: den Rhythmus der Pulsationen verlangsamt, während eine Steigerung ihn beschleunigt. Daraus schließt er also, daß das Herz dieser Larve sich der Temperatur gegenüber wie das Herz der Vertebraten verhält. Graber sah, daß das dorsale Gefäß der Biene gegen 0° zu pulsieren aufhört und dagegen die Pulsationen sehr beschleunigt, wenn die Tem- peratur erhöht wird. Auch Plateau machte Experimente über den Einfluß der Temperatur auf die Zahl der Pulsationen des Herzens von zwei Krustazeen (Astacus fluviatilis und Careinus) und des pulsierenden Gefäßes eines Coleopterus (Oryctes nasicornis). Viele der erhaltenen Resultate (er experimentierte bei Temperaturen zwischen 6-5 und 48°) sind absolut nicht beachtbar. Ich will versuchen, nur die am ehesten beachtbaren wiederzugeben, die die Zahl der Pulsationen bei untereinander um 10° verschiedenen Tem- peraturen angeben oder sich wenigstens diesem Unterschied nähern, und aus diesen Zahlen werde ich dann den Wert von Q 10, von dem ich oben ge- sprochen habe, berechnen. I. Astacus Fluviatilis. Zahl der Pulsationen des Herzens bei der Temperatur 130 220 910< 32 42 1-31 40 48 1-20 30 46 1-53 Mittel 1-34 Il. Carcinus (Krabbe?). A. Zahl der Pulsationen des Herzens bei der Temperatur 920 340 010> 27 32 1-18 28 34 1-21 36 69 1-91 Mittel 1-43 B. Zahl der Pulsationen des Herzens bei der Temperatur 360 460 010 49 76 1-55 36 47 1-30 37 47 1-27 60 89 1-48 Mittel 1-66 BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE von MAsa VerRUcosA M. Epw. 19 III. Oryetes Nasicornis. Zahl der Pulsationen des pulsierenden Gefäßes bei der Temperatur 240 330 910< 14 29 2-07 21 34 1-61 17 29 1-70 Mittel 1-46 Zusammenstellung der Mittel. Tier en Werte von Q 10 ENSTACHSIN en here. 13—22 1:34 ERKENNE u 22—34 1-43 MERKE SEEN ERLITTEN ERIUR 3646 1:66 Onyehesin] Hin ans hei: 24— 34 1-46 Mittel der Mittel 1-472 Diese den Resultaten Plateaus entnommene Zahl für Q10 = 1-472 nähert sich sehr der von mir für das Herz von Maja verrucosa fest- gestellten: Q 10 — 1-36. Einfluß der Ionen auf das Herz von Maja verrucosa. Endlich wollte ich den Einfluß einiger Ionen, namentlich aber den von K, Ca und Ms auf die Pulsationen des Herzens von Maja verrucosa stu- dieren. Ich hielt das Tier in einem kleinen Bassin und leitete durch das darin enthaltene Wasser fortwährend O,; dann setzte ich, nachdem ich eine normale Kurve erhalten hatte, eine gewisse Menge CaCl,, MgCl, oder KCl hinzu in derselben Lösung, wie sie sich in der Lösung van’t Hoffs für künstliches Seewasser finden (100 NaCl + 2-2 KC1 + 7-8Mg Cl, + 3-8 Mg 50,4 3CaCl,, alles um °/, N-Konzentration). Wir müssen anerkennen, daß J. Loeb! das Verdienst zukommt, zu- erst die Aufmerksamkeit der Forscher auf den Einfluß, welchen die Ionen auf die Reizung der Skelettmuskeln ausüben, gelenkt zu haben. Er konnte feststellen, daß es Ionen gibt, wie unter anderen Na, Cl, Li, Jund Br, die (in Lösungen von 4-91 Atmosphären Druck) imstande sind, 1 J. Loeb, Über Ionen, welche rhythmische Zuckungen der Skelettmuskeln hervorrufen. Beiträge zur Physiologie. - Festschrift für Prof. Dr. A. Fick. Braun- schweig 1899. S. 101. 18 196 OSWALD POLIMANTI: rhythmische Kontraktionen in den Muskeln hervorzurufen. Sie erhöhen die Muskelerregbarkeit nicht, wohl aber ‚ist das Eintreten der genannten Ionen in bestimmte Verbindungen im Muskel die Ursache dieser Zuckungen“. Im Gegensatz dazu sah er, daß es Ionen gibt, wie Ca, K, Mg, Be, Sr, Co, Ba und Mn, welche die Eigenschaft haben, die Muskelerregbarkeit nicht herabzusetzen, wohl aber „erschwert der Prozeß des Eintretens der Ca- (und K-) Ionen in bestimmte Verbindungen im Muskel die rhythmischen Zuckungen oder macht sie unmöglich“. Ferner beobachtete er, daß OH-Ionen und H-Ionen die Hervorrufung rhythmischer Kontraktionen vernichten oder vermindern, wenn sie, sei es auch verdünnt, den Lösungen der Ionen der ersten Reihe, die als Reiz- mittel dienen, hinzugesetzt werden. In dieser Hinsicht zieht er die Schluß- folgerung: ,‚Sie haben also eine katalytische Wirkung bei der Auslösung dieser rhythmischen Kontraktionen, sind aber nicht imstande, selbst rhyth- mische Kontraktionen hervorzurufen“. Und er fügt hinzu: ‚nur Ionen, aber nicht die Nichtleiter, haben die Fähigkeit, rhythmische Kontraktionen des Skelettmuskels auszulösen“. Er ist der Ansicht, daß dieselben Gesetze, die für die Muskeln gelten, auch dann gelten, wenn rhythmische Kontrak- tionen des Herzens hervorgerufen werden. Auf Grund seiner Untersu- chungen gelangte er noch zu dem Schlusse, daß diese Lösungen von reizenden Ionen die Eigenschaft haben, daß sie die Muskelsubstanz in rhythmische Tätigkeit eintreten lassen, auch wenn sie auf das Rückenmark und die Nerven appliziert werden. Carlson! kommt sodann das Verdienst zu, daß er sehr eingehend studiert hat, welchen Einfluß die Ionen auf das Herz- ganglion und den Herzmuskel von Limulus ausüben. Die Elektrolyte des Limulus sind namentlich Chloride, Karbonate, Sulfate und Phosphate von Na, K, Ca, Mg, und vielleicht von NH,-Lösungen von diesen Salzen bringen, wenn sie ins Ganglion gebracht werden, das Herz zum Stillstand; es kehrt jedoch zum ursprünglichen Zustand zurück, wenn es wieder mit Seewasser gewaschen wird. Die Salze von Na, K, NH, in Konzentrationen sind zu $/,,# die denen des Blutes überlegen sind; sie verstärken den Rhyth- mus des Ganglions und führen gleichzeitig zur Lähmung desselben. Die K-Salze sind die stärksten Stimulantien und gleichzeitig diejenigen, welche das Ganglion sehr beschädigen. In denselben Konzentrationen setzen Ca- und Mg-Salze den Rhythmus des Ganglions herab, ohne zuerst als Stimulantien zu wirken. NaCl-Lösungen erhöhen den Rhythmus des Ganglions und sind auch imstande, die Tätigkeit des letzteren zu wecken, wenn es in vollständiger Ruhe ist. BEITRÄGE zuR PHYSIOLOGIE VON MAJA VERRUCOSA M. Epw. 197 Carlson! sah ferner, daß die Ca-, Mg-, K- und NH,-Salze die Puls- potentialität des Herzmuskels herabsetzen, ohne zuerst einen Reiz zu er- geben, und diese Herabsetzung ist um so viel größer, um wieviel größer die Konzentration der verwendeten Salze ist. Er konnte feststellen, daß die Geschwindigkeit der Kontraktion dadurch nicht beeinflußt wird, weil diese vom Ganglion abhängt. Die herabsetzende Wirkung der K- und NH,-Salze war größer als die der Ca- und Ms-Salze. NaCl-Lösungen haben, auch in von ihrem Nerven- system isolierten Herzen, die Eigenschaft, daß sie die Reizbarkeit und die Kontraktilität des Herzmuskels erhöhen. Die Na-, Ca- und Mg-Salze sollen von Anfang an dieselbe Wirkung ausüben, sowohl auf die Herznerven als auf das Herz, während K- und NH,-Salze anfangs eine antagonistische Wirkung auf die beiden Herzgewebe ausüben. Das Herzganglion ist diesen Salzen gegenüber empfindlicher als der ‚Herzmuskel. Vergleicht man diese bei Limulus erhaltenen Resultate mit den am Wirbeltierherzen erhaltenen, so findet man, daß die Resulate bei den letz- teren, was die K- und Ca-Salze anbelangt, verschieden sind. Was die Ca- Salze betrifft, so ist die Mehrzahl der Forscher der Ansicht, daß das Ca im Wirbeltierherzen von Anfang an eine stimulierende Wirkung ausübt, während das K dagegen eine deprimierende Wirkung ausüben soll. Carl- son glaubt endlich, daß die stimulierende Wirkung des Ganglions sowohl von der Geschwindigkeit als von der Intensität der Nervenreizungen ab- "hängt. Ich führe hier nur die charakteristischsten Experimente an, die ich ausgeführt habe, um die Wirkung der Ionen auf das Herz von Maja verrucosa zu studieren. Wirkung des Caleiums auf die Herzpulsationen. Wie aus den von mir gebrachten Kurven deutlich hervorgeht, übt das Calcium anfangs eine herabsetzende Wirkung auf die Herzpulsationen aus, dann aber entfaltet es innerhalb ganz kurzer Zeit eine deutliche sti- mulierende Wirkung, worauf nach und nach eine herabsetzende Wirkung folst. Dies ersieht man deutlich aus den von mir gebrachten Protokollen über die Experimente. 1 A.J. Carlson, On the chemical conditions of the heart activity with special reference to the heart of Limulus. American Journal of Physiology. 1906. Vol. XVI. p- 378. 198 OSWALD POLIMANTI: Experiment A. Maja verrucosa 22. 16. III. 10. 1. 10» 15’ und 10% 35’ vorm. erhalte ich normale Pulskurven, die im Mittel 5 mm hoch sind (P. 78—80 in der Minute im Durchschnitt). 2. 10% 35’. Ich bringe in das kleine Bassin, in welchem die Maja sich be- findet — es faßt 3 Liter — 50 ccm einer CaCl,-Lösung in denselben Verhält- nissen, wie in der van’t Hoffschen Formel für das künstliche Seewasser. Anfangs zeigt sich eine leichte Abnahme in der Höhe der einzelnen Pulsa- tionen (4-3—2 mm während der Dauer von 33”), dann nehmen sie allmäh- lich immer mehr an Höhe zu (4-5—5 mm) (dazwischen bemerke ich viele ana- krotische Pulsationen). (P. 78—73.) (Temperatur des Seewassers 16-5 C.) 3. 10%40’. Die Höhe der Pulsationen beträgt 5—6 mm (P.77). 4. 10%42’. Höhe der Pulsationen 5 —5-5 mm (P. 76). DELOL 3 4-5—5-5 „ (P.76). 6:0 AN, a an, Mer): 7. KOBBEn 3 45—5 ,„ (P.8). Mithin haben die Pulsationen allmählich leicht an Höhe abgenommen. 8. 10658. In dem kleinen Bassin, in welchem Maja sich befindet, werden weitere 50ccm einer CaCl,-Lösung zugesetzt in denselben Ver- hältnissen in der van’t Hoffschen Formel für das künstliche Seewasser. Die Pulskurven des Herzens varıerten zwischen einer Höhe von 3-5 mm und einer solchen von 5mm (P. 80—77). 9. 11%2’. Höhe der Pulsationen 5 —6 mm (P.77). 102 Ta 3 DIT SH, MMB-m)e (es treten Gruppen von 3—4—5 Pulsationen auf) IE N 2 ” 50. 5-5%,,0.(276). lee " Be): 132112202 0 00 2,, B 4-5—6 „ (P.68). Aus diesem Experiment schließe ich, daß ohne Zweifel anfangs eine Zunahme in der Höhe der Pulsationen eingetreten ist; dann hat die Höhe der einzelnen Pulskurven diejenige erreicht, die im normalen Zustand ein- trat, und hat sich in einigen Kurven auch niedriger erhalten. Sehr deut-. lich ist auch bei dieser Beobachtung die anakrotische Form (9—13) der Herzpulsationen, die sicher durch die Wirkung des Ca bedingt ist. 14. 11Y26. Höhe der Pulsationen 4 —6 mm (P.7l). eu en „ 5.27, MB 16.) Tina r 205.5 ‚eo 17 S 3.55, „pas ee R 324-5, Ba a. $ 2.50, W(BaGs), In dieser Periode haben also die Pulsationen immer mehr abgenommen. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE Von MAJA VERRUCOSA M. Epw. 199 Um 125 21’ wird das im Bassin enthaltene Wasser vollständig entfernt und durch reines Seewaser ersetzt. Wie man aus den im folgenden angege- benen Resultaten ersieht, haben die Pulsationen sofort an Höhe abgenommen, dann aber allmählich wieder zugenommen. 20. 12h 38°. Höhe der Pulsationen 0-5—2-5 mm (P: 51). Bam Ni # 2:54 ,„ (P.50). 32, DR N 4 |, MP a0), Bee ARE 77 „ Da ES a N Zr a K > 25 ® 0-5—2-5 „ (P.39). Um 1h 19’ werden dem Wasser des Bassins 50 ccm CaCl, zugesetzt in den Verhältnissen, wie es sich in der bekannten van’t Hoffschen Lösung des künstlichen Seewassers befindet. 25. 1421”. Höhe der Pulsationen 3 —4-5 mm (P. 58). SEE? k spe), ale 3 Bro): hasst, h ee lp. 7) ZUM DR ü 4-55-5 ,„, (P. 66). SDR ARB0T T Sen ul), (B.169). Sr { 42 4.5.,.1@20). So td ee ö 255, @io), 33a aa, 956238. (P250) Se en Bo. N @ An) Die Pulsationen haben also immer mehr zugenommen und dann allmäh- lich an Höhe abgenommen. Gleichzeitig hat ihre Zahl immer mehr zu- und abgenommen und von 25 bis 31 wurde ein ausgeprägter anakrotischer Puls wahrgenommen. Um 2% 21’ wurden 25 ccm CaCl, ins Bassin gebracht in der gewöhnlichen Form, wie es sich in der van’t Hoffschen Lösung für das künstliche See- wasser vorfindet. 35. 222°. Höhe der Pulsationen 3-5—4-5 mm (P. 48). Seo NEALDPS ER N 4-5—5 ,„ (P.60). 37. 2h 34’ SEHEN 2 3-54 ,„ (P.5l). 38. 2 37. N R 2-5—3-5 „ (P.49). 39. 2h49'. le: N 2:56 ,„ (P.&). 40. 2h 59’, N 5 57078, (P.As): 41. 346’. RR DL. 3 Hin Ua e;4.2(PR,68): Aa 3n97. NEE = 6. —1:5, ,,,,.,(P,50): 43. 3156”. I = 45—5 ,„ (P.64). 44. 44h’, DEE ® eo). Aus diesen Resultaten ersieht man also, daß die Pulsationen anfangs infolge Einwirkung des Ca immer mehr an Höhe zugenommen und dann allmählich immer mehr abgenommen haben. Die Zahl der Pulsationen hat 200 OSWALD POLIMANTI: gleichzeitig zu- und abgenommen. Sehr deutlich ist die anakrotische Form der Pulsationen in 39. 40 und 41. Gegen Ende tritt das Herz in eine Periode von Wogen und Wühlen ein. Experiment B. Maja verrucosa 24. 17. III. 10. Um 2:20’ nachm. tauche ich die Maja in normales Seewasser ein. (B..16-50XC,) 15. 2424’. Höhe der Pulsationen 4 —7 mm (P. 51). IR 2:55 ee: TE SE Er h 5 —5-5 „ (BP. 60). TE ® 5, (P. 65). joa NR: 3 en... Wie man sieht, haben sich die Pulsationen fast immer auf derselben Höhe erhalten. Um 251’ werden in das Seewasser des kleinen Bassins, das die Maja enthält, 50 ccm einer CaCl,-Lösung gebracht, die nach den Verhältnissen, wie sie sich in der bekannten van’t Hoffschen Formel für künstliches See- wasser findet, bereitet ist. 20. 2% 511/,'.Höhe der Pulsationen 3 —5 mm (P. 53). 21. Den 5 3) 5:5 ., (P.ı5e) EEE, N 3-5. ,. drop RE y 2-5—4-5 „ (P. 53). DAN SR aan a ? 2-54-5 ,„ (P. 48) 25 KL R 2-5—4-5 „ (P. 38). Wie sich deutlich aus diesen Resultaten ergibt, haben die Pulsationen allmählich an Höhe abgenommen, wobei sie aber auch seltener wurden. Um 3 47’ wird das Seewasser erneuert, es hilft jedoch nichts, um die Herzpulsationen wieder aufnehmen zu lassen und sie wieder zum Normalen zu bringen. : 26. 3551’. Höhe der Pulsationen 2-5—3-5 mm (P. 41). a N 2-5—4-5 „ (P. 8). 28. 4h 2’. al he, ” lu 4-5) 1, EIS Wie sich ganz deutlich ergibt, haben die Pulsationen nicht nur an Höhe abgenommen, sondern sie sind auch viel seltener geworden. Aus diesen beiden Reihen von Experimenten schließe ich, daß das Caleium im An- fang die Eigenschaft hat, daß es die Herzschläge von Maja kräftiger macht und auch häufiger, endlich aber bewirkt, daß sie an Höhe und Zahl abnehmen. Einige Male jedoch erfolgt unmittelbar eine Abnahme sowohl der Höhe - dieser Pulsationen als auch ihrer Zahl. BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE Von MAJA VERRUCOSA M. Epw. 201 Das Caleium übt auch einen derartigen Einfluß aus, besonders nach- dem es eine kurze Zeit auf die Herzfaser eingewirkt hat, daß die Pulsationen sleichzeitig auch sehr unregelmäßig werden; zuweilen treten auch Pul- sationen mit periodischem Typus ein. Wirkung des Magnesiums auf die Herzpulsationen. Auch bei dieser Reihe von Untersuchungen verwendete ich eine MsC],- Lösung in denselben Verhältnissen, wie sie sich in der van’t Hoffschen Lösung für künstliches Seewasser vorfinden. 46 LE Asa Mona fonsenfon AA 4 es f BB € NEN RE Meran A Vmmdnnf! (Se Fig. 70 (%/,). Maja 23. 17. III. 10. Ich berichte über eines der charakteristischsten Experimente, die uns übereinstimmend beweisen, daß das Mg eine deprimierende Wirkung auf die Hertätigkeit ausübt. Maja verrucosa 23. 16. III. 10. (Fig. 70.) 45. 4h8'. Die Höhe der Pulskurven beträgt 5—7 mm und sie erfolgen in einer Zahl von 30 in der Minute. (Temperatur des Seewassers 16-5°C.) 46. 4h 91/,. In dem kleinen Bassin mit Seewasser, in welchem die Maja sich befindet, werden 50 ccm einer MsCl,-Lösung in den oben angegebenen Verhältnissen zugesetzt. Die Pulsationen werden langsamer, kräftiger, nehmen 202 OSWALD POLIMANTI: aber einen periodischen Typus an (es zeigen sich Gruppen, bestehend aus Pulsationen, die allmählich treppenförmig von 5 mm bis zu 1Omm ansteigen). 47. 4h15’. Die Pulsationen zeigen noch immer eine periodische Form (in Gruppen von 2) und variieren in der Höhe von 5—9-5 mm). 48. 4h 18°. Die Pulsationen sind tiefer (5—8-5 mm) geworden, behalten jedoch stets den periodischen Typus bei (in Gruppen von 2—4-5—6). 49. 4h24’”. Der periodische Pulstypus verschwindet allmählich, die Pulsationen beginnen regelmäßig zu werden, doch werden sie an Höhe kleiner .(5—5-5 mm). 50—53. 44 29'’—4h 43’. Während der ganzen Dauer dieser Beobachtung zeigte sich fortwährend eine Pulskurve mit deutlichem und öfterem Wühlen, mit Weckung und Flimmern. Einige Male, wie sich deutlich aus den Kurven ergibt, traten auch regelmäßige Kurven auf, aber kurze Zeit nachher begannen sofort die sehr unregelmäßigen. Mithin schließe ich aus diesen Experimenten, daß das Mg eine deprimierende Wirkung auf das Herz von Maja verrucosa ausübt. Wirkt es sodann länger auf die Herzfaser ein, so ist es auch imstande, sehr unregelmäßige (extrasystolische) Pulsformen hervorzurufen. Diese Wirkung rührt gewiß entweder vom Nervensystem des Herzens her oder auch von seinen Muskelfasern in sich selbst. Wirkung des Kaliums auf das Herz von Maja verrucosa. Endlich wollte ich versuchen, welche Wirkung auf das Majaherz ein Kaliumsalz, das KCl, in einer solchen Lösung, wie es sich in der van’t Hoffschen Formel für künstliches Seewasser vorfindet, ausübt. Ich berichte über eines der charakteristischsten Experimente, die eben den Einfluß des K auf die Herzpulsationen beweisen. Maja verrucosa 25. 17.11l. 10. Temp. des Seewassers 16-5°0C. (Fig. 71.) 1—4. 9 16°—9» 34’. vorm. Ich nehme die normale Kurve der Herz- schläge von Maja verrucosa auf. Die Kurven sind ziemlich regelmäßig, an einigen Stellen zeigen sich einige anakrotische Pulsationen; sie variieren zwischen einer Höhe von 3-5 und 5mm (P. 89—77 in der Minute). Um 9% 35’ bringe ich in das kleine Becken 50 ccm der oben erwähnten KCl-Lösung. 5. 9 351/,”. Ummittelbar darauf sind die Pulsationen fast gleich Null geworden, dann steigen sie allmählich immer mehr an, und zwar 2:5—3 mm über die Abszisse. Also übte das K eine doppelte Wirkung auf das Herz aus, nämlich die, daß es die einzelnen Pulsationen an Weite abnehmen und gleich- zeitig diese über die Abszisse ansteigen ließ. 6. 9% 37’. Die Pulsationen nehmen noch immer fortwährend an Höhe ab und eine jede von ihnen erhebt sich über die Abszisse. Die Höhe der ein- zelnen Pulsationen schwankt zwischen 1-5 und 5 mm. BEITRÄGE zuUR PHYSIoLocIE von MaAJA VERRUCOSsA M. Epw. 203 7. 940. Die Pulsationen sind von minimaler Höhe (0-5, 2-5 mm) geworden und bleiben gleichzeitig immer mit ihrer Basis in der Abszisse. Um 9» 45’ bringe ich wieder normales Seewasser ins Bassin; die Herz- schläge setzen von neuem ziemlich kräftig ein. 8. 951’. Die Pulsationen sind sofort sehr kräftig geworden (5—7 mm, P. 65 pro 1’), mit Tendenz jedoch zur anakrotischen Form. .. 9. 9n55’. Die Pulsationen haben leicht an Höhe abgenommen (4-5 bis 5mm) (P.80 pro !’). a5 | una n Eh 1, LT, k N Fig. 71 (Ys). Maja 25. 17. II. 10. 10. 9% 59’. Die Maja bewegt sich fortwährend und es zeigt sich eine sehr deutliche hemmende Wirkung auf die Herzschläge. Vielleicht hing dies da- von ab, daß diese fortwährenden Bewegungen der Glieder bewirkt haben, daß das ganze Blut zu ihnen geflossen ist und das Herz fast ganz blutleer ist. Die Kurve sinkt um 10 mm unter die Abszisse, dann beginne ich deutlich die Pulsationen wahrzunehmen, die allmählich von einer Höhe von 0-5 mm bis zu 5mm ansteigen, während sie mit der Basis auf der Abszisse bleiben. 11. 10% 15’. Von diesem Augenblick an nehmen die Herzschläge all- mählich immer mehr an Weite ab. Höhe der Pulskurve 4-5—5 mm, P. 79 in der Minute. 12. 10 9’. Höhe der Pulskurve 3-55 mm, P. 84 in der Minute. es OL Sy x R 4-5 a Ne: Me 422102 1927 3 x 5 IE DIDI SD x In dieser Kurve sind einige Kurven mit bigeminalem Typus vorhanden. 204 OswALD POLIMANTI: BEITRÄGE ZUR PHYSIOLOGIE USW. 15. 10" 25°. Höhe der Pulskurven 0.5—1'5 mm, P. 60 in der Min. 16.08 ® 0-52. 533-605 17.10.35). 5 .5 r 0-5—L.5 „r.B,.00 " | Diese fortwährende Abnahme in der Höhe der Pulsationen ist sicher dadurch zu erklären, daß von dem K in den Geweben der Maja zurück- geblieben ist, und dies erklärt deshalb eine sehr deutliche herabsetzende Wirkung auf die Herzschläge; natürlich war diese Wirkung viel deutlicher anfangs, als KCl dem Seewasser hinzugesetzt wurde. Neapel, Zoologische Station, im Juni 1912. eitschriften aus dem Verlage von VEIT & COMP. in LEIPZIG. Skandinavisches Archiv für Physiologie. Herausgegeben von Dr. Robert Tigerstedt, 0, ö. Professor der Physiologie an der Universität Helsingfors. Das „Skandinavische Archiv für Physiologie‘‘ erscheint in Heften von 5 bis 6 Bogen mit Abbildungen im Text und Tafeln. 6 Hefte bilden 'einen Band. Der "Preis des Bandes beträgt 22 .#. Centralblatt für praktische AUGENHEILKUNDE Herausgegeben von Prof. Dr. J. Hirschberg in Berlin. Preis des Jahrganges (12 Hefte) 12.4; bei Zusendung unter Streifband direkt von der Verlagsbuchhandlung 12 4 80 9. Das „Oentralblatt für praktische Augenheilkunde‘‘ vertritt auf das Nachdrück- lichste alle Interessen des Augenarztes in Wissenschaft, Lehre und Praxis, vermittelt ‘ den Zusammenhang mit der allgemeinen Medizin und deren Hilfswissenschaften und gibt jedem praktischen Arzte Gelegenheit, stets auf der Höhe der rüstig fortschrei- tenden Disziplin sich zu erhalten. DERMATOLOGISCHES CENTRALBLATT. INTERNATIONALE RUNDSCHAU AUF DEM GEBIETE DER HAUT- UND GESCHLECHTSKRANKHEITEN. Herausgegeben von Prof. Dr. Max Joseph in Berlin. Monatlich erscheint eine Nummer. Preis des Jahrganges, der vom Oktober des einen bis zum September des folgenden Jahres läuft, 12 #4. Zu beziehen durch alle nen des In- und UN sowie direkt von der Verlagsbuchhandlung. Neurologisches 7 Zentralblatt. Übersicht der Leistungen auf dem Gebiete der Anatomie, Physiologie, Pathologie und Therapie des Nervensystems einschließlich der Geisteskrankheiten. Begründet von Prof. E. Mendel. Herausgegeben von Dr. Kurt Mendel. Monatlich erscheinen zwei Hefte im Umfange von je —5 Druckbogen zum Preise ‚von 16 .% halbjährig. Gegen Einsendung des Betrages direkt an die Verlagsbuch- ‚handlung erfolgt regelmäßige Zusendung unter Streifband nach dem In- und Auslande. Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten. Herausgegeben von Prof. Dr. C. Flügge, und Prof. Dr. G. Gaffky, Geh. Medizinalrat und Geh. Obermedizinalrat und Direktor des Hygienischen Instituts Direktor des Königl. Instituts für Infektions- der Universität Berlin, 2 krankheiten „Robert Koch‘‘ zu Berlin. Die „Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten‘“ erscheint i in zwanglosen Heften. Die Verpflichtung zur Abnahme erstreckt sich auf einen Band im durchschnitt- lichen Umfang von 30—35 Druckbogen mit Tafeln; einzelne Hefte sind nieht käuflich. ARCHIV ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE. Fortsetzung des von Beil, Beil und Autenrieth, J. F. Meckel, Joh. Müller, Reichert und du Bois-Reymond herausgegebenen Archives, erscheint jährlich in 12 Heften (bezw. in Doppelheften) mit Figuren im Text und zahlreichen Tafeln. 6 Hefte entfallen auf die anatomische Abteilung und 6 auf die physiologische Abteilung. Der Preis des Jahrganges beträgt 54 #. Auf die ‘anatomische Abteilung (Archiv für Anatomie, herausgegeben von Dr. Wilhelm Waldeyer, Dr. Hans Virchow und Dr. Paul Röthig in Berlin) sowie auf die physiologische Abteilung (Archiv für Physiologie, herausgegeben von Dr. Max Rubner) kann besonders abonniert werden, und es beträgt bei Einzelbezug der Preis der anatomischen Abteilung 40 ‚%, der Preis der physiologischen Abteilung 26 Mb. Bestellungen auf das vollständige Archiv, wie auf die einzelnen Abteilungen nehmen alle Buchhandlungen des In- und Auslandes entgegen. Die Verlagsbuchhandlung: Veit & Comp. in Leipzig. Metzger & Wittig, Leipzig, ne Eee Ber: h = > 19 Physiologische Abteilung. 1913. IH. u. IV. Heft. a ie | | ARCHIV FÜR / ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE. FORTSETZUNG DESVONREIL, REILT. AUTENRIETH, J.F.MECKEL, JOH.MÜLLER, REICHERT tv. DU BOIS-REYMOND HERAUSGEGEBENEN ARCHIVES. HERAUSGEGEBEN VON Der. WILHELM WALDEYER, PROFESSOR DER ANATOMIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN UND Dr. MAX RUBNER, PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN. JAHRGANG 1913. — PHYSIOLOGISCHE ABTEILUNG. —— DRITTES UND VIERTES HEFT. MIT ACHTUNDNEUNZIG FIGUREN IM TEXT UND DREI TAFELN. LEIPZIG, VERLAG VON VEIT & COMP. | 1913 Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes. En h@tt. Seite Ernst WEBER, Zur fortlaufenden Registrierung der Schwankungen des mensch- lichen Blutdrucks. Die Änderung des Blutdrucks durch Bewegungs- vorstellung.. 2,372 43. en en a en 2 N 2 Te Ernst GeLLHoRN und Hans Lewis, Veränderungen des Blutdruckes bei psychischen Vorgängen an gesunden und kranken Menschen . . . . 225 M. Rugner, Betrachtungen über die Resorptionsvorgänge der Organzellen . 240 Max StiokeL, Experimentelle Untersuehungen über den Einfluß der Drüsen mit innerer Sekretion auf die Uterustätigkeit. I. Teil: Ovarium . . . 259 RıcHArD LANDSBERGER, Veränderung des Kreislaufs bei pulpatoten oder pulpa- _ 8 ‘losen ‚Zähnen... (Hiierzw' Tat. IV.) =... 0%. Sal Se ee —, Ausschaltung der Nasenatmung beim Hunde . . . : “le... 2... 815 W.W. Neninskı, Einige elektrische Erscheinungen im Zentralnervensystem bei Rana temporaria. (Hierzu. Tat Vu VE). 7.2202 N re Hassan RescHap und R. ou Boıs-Reymonp, Zur Technik der Eekschen Fistel 325 Scaürz, Mitteilung über das Verhältnis von Stickstoff zu Fett im Fettgewebe 329 H. Pıper, Über die Aorten- und Kammerdruckkurve . . . 2.2... ..331 —, Der Verlauf und die wechselseitigen Beziehungen der Druekschwankungen im linken Vorhof, linker Kammer und Aorta . ... . „r.......2..0863 —, Über den Venenpuls und über die Beziehungen zwischen venösem Blut- druck 'und intrathorakalem>Druck / „0.7. 2 Ne Ve So Die Herren Mitarbeiter erhalten werzig Separat-Abzüge ihrer Beiträge gratis und 30 .% Honorar für den Druckbogen zu 16 Seiten. Beiträge für die anatomische Abteilung sind an Professor Dr. Wilhelm Waldeyer oder an Professor Dr. H. Virchow oder an Dr. P. Röthig, sämtlich in Berlin NW., Luisenstr. 56, Beiträge für die physiologische Abteilung an Professor Dr. Max Rubner in Berlin W., Kurfürstendamm 241 II portofrei einzusenden — Zeichnungen zu Tafeln oder zu Holzsehnitten sind auf vom Manuskript getrennten Blättern beizulegen. Bestehen die Zeichnungen zu Tafeln aus einzelnen Abschnitten, so ist, unter Berücksichtigung der Format- verhältnisse des Archives, eine Zusammenstellung, die dem Lithographen als Vorlage dienen kann, beizufügen. Zur fortlaufenden Registrierung der Schwankungen des menschlichen Blutdrucks. Die Änderung des Blutdrucks durch Bewegungsvorstellung. Von Prof. Ernst Weber. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Berlin.) Im Folgenden handelt es sich nicht um einmalige Messungen des mensch- lichen Blutdrucks, durch die man seine absolute Höhe in einem gewissen Augenblicke zu bestimmen sucht, ohne übrigens mehr, als relative Werte feststellen zu können, sondern um fortlaufende, ev. stundenlange Registrie- rung der Schwankungen des Blutdrucks. Es wird dabei von vornherein darauf verzichtet, von der absoluten Höhe des Druckes etwas zu erfahren, und es interessieren hier nur die Schwankungen des Blutdrucks bei ge- wissen äußeren Einwirkungen in qualitativer, nicht in quantitativer Hinsicht. Diese Art der Untersuchung war mir besonders erwünscht, um die ‘Änderungen des Blutdrucks beim Eintritt der verschiedenen psychischen Vorgänge festzustellen, da das normale oder anormale Auftreten der Ver- änderungen in der Blutverteilung, die durch die psychischen Vorgänge herbeigeführt werden, jetzt für diagnostische Zwecke praktische Verwertung zu gewinnen beginnt und zu vermuten war, daß auch Blutdruckmessungen in dieser Weise benutzt werden können. Als man früher gefunden hatte, daß bei geistiger Arbeit, bei Entstehung von Furcht, bei Schmerz usw. die kleinen Blutgefäße der äußeren Körper- teile, oder, wie man damals im Analogieschluß annahm, die des ganzen Körpers sich verengten, schien eine gleichzeitig mit diesem Vorgange ein- tretende allgemeine Blutdrucksteigerung natürlich zu sein. Ganz abgesehen von dem möglichen Einfluß der Veränderung der Herztätigkeit dabei, wurde diese Anschauung aber dann durch meine Fest- 206 ERNST WEBER: stellung in ein anderes Licht gerückt!, daß die Verengerung der äußeren Blutgefäße des Körpers beim Eintritt der erwähnten psychischen Vorgänge immer Hand in Hand geht mit einer entsprechenden Erweiterung der Blut- sefäße im Splanchnicusgebiet, und der Zweck dieses Vorgangs darin besteht, daß durch die einander entgegengesetzte aktive Kaliberänderung der äußeren und inneren Gefäße das Blut von der Außenfläche des Körpers entfernt wird, respektive ihr zugeführt wird.? . Es ist theoretisch unmöglich, vorauszusagen, welches die Wirkung dieser beiden einander entgegengesetzten aktiven Gefäßveränderungen auf den Blutdruck sein muß. Ist die Wirkung der Verengerung der äußeren Gefäße stärker, als die der Erweiterung der Gefäße des Splanchnicusgebietes, so muß es bei sonst gleichen Verhältnissen zu Blutdrucksteigerung kommen, im anderen, durch- aus nicht unmöglichen Falle aber zu einer Blutdrucksenkung. Dazu kommt noch der gewiß nicht zu unterschätzende, sicher oft maßgebende Einfluß einer gleichzeitigen Änderung der Herztätigkeit, so daß theoretische Überlegungen, wie sie von bedeutenden Experimen- tatoren hinsichtlich der Änderung des Blutdrucks bei den psychischen Vor- gängen angestellt worden sind, völlig wertlos sind, und nur das Experiment entscheiden kann. Es ist ferner wohl möglich, nach den Erfahrungen, die ich und später andre bei Messungen an gewissen Patienten gemacht haben, bei denen die Reaktionen des Gefäßsystems auf psychische und andere Reize dauernd in umgekehrter Weise auftraten, wie bei Normalen, daß in gewissen patho- logischen Fällen auch die Blutdruckänderung eine andere wird, als sie bei Normalen ist. i Es handelt sich nun darum, die richtige Methode für die fortlaufende Messung der Schwankungen des Blutdrucks zu finden. An die verschiedenen. Formen der Sphygmographen darf nicht gedacht werden, weil man durch die Sphygmographen etwas Sicheres nur über Geschwindigkeit der Herzschläge erfährt und daneben ein deutliches Bild der Pulsform erhält, deren Deutung aber noch durchaus nicht völlig. geklärt ist. Wenn man aus der sphygmo- graphischen Kurve irgendwelche Schlüsse auf Veränderung des Blutdrucks ziehen will, so kann man zu den schwersten Irrtümern kommen. Da aber immer wieder, auch in neuester Zeit, Versuche solcher Benutzung des ! E. Weber, Die Ursache der Blutverschiebung im Körper bei verschiedenen psychischen Vorgängen. Dies Archiv. 1907. Physiol. Abtlg. — Der Einfluß psychi- scher Vorgänge auf den Körper. Berlin 1910. ? Weber, Ein automatischer Da un der Empfindungsstärke. Ebenda. 1910. Physiol. Abitle.: ÄNDERUNG DES BLUTDRUCKS DURCH BEWEGUNGSVORSTELLUNG. 207 Sphygmographen und im Prinzip ebenso funktionierender Apparate ge- macht werden, so werde ich dies durch einige Kurven beweisen. Bei allen Sphygmographen, von denen wir zur fortlaufenden Regi- strierung natürlich nur Transmissions-Sphygmographen benutzen können, Hegt die Pelotte mit einem gewissen Druck der Arterie auf und wird in dieser Lage durch Befestigungsapparate mit Bändern oder Riemen fixiert. Werden nun die Weichteile, um die die Riemen festgezogen sind, in- folge von Verengerung der kleinen Blutgefäße dieser Teile dünner als vorher, so liegen die Bänder lockerer alsvorher an, der Druck der Pelotte auf die Arterie wird geringer, und der Sphygmograph verzeichnet infolgedessen kleinere Pulse, was auf Erniedrigung des Blutdrucks in der gemessenen Arterie gedeutet werden müßte, während der Blutdruck in dieser Arterie in solchen Fällen gerade sehr oft steigen wird. Umgekehrt ist es natürlich, wenn die Weichteile infolge von aktiver Erweiterung der kleinen Gefäße dicker werden und die Pelotte stärker an die Arterie gepreßt wird. Infolge der Befestigung über den Weichteilen registriert also der Sphygmo- graph oft plethysmographische Kurven. Da nun gerade das Eintreten der verschiedenen psychischen Vorgänge von Erweiterung oder Verengerung der kleinen Gefäße begleitet wird, so würden wir falsche Resultate erhalten. Ich ahmte diese Verhältnisse beim Tiere nach, indem ich durch Adre- nalin eine Verengerung der kleinen Gefäße mit Blutdrucksteigerung und durch Imido (La Roche) eine Erweiterung der kleinen Gefäße mit Blut- drucksenkung herbeiführte. Ich registrierte dabei den Blutdruck in der Carotis mit einem Gadschen Manometer und nahm gleichzeitig eine Kurve mit dem Brondgeestschen Transmissions-Sphygmographen an der A. Femoralis auf. In Fig. 1 sieht man die Wirkung des Adrenalins. Der Blutdruck, im Gadschen Manometer gemessen, zeigt die übliche starke Blutdrucksteige- rung, die bis über das Ende der Kurve hinaus andauert. Die Kurve des Sphygmographen zeigt zunächst ein kurzdauerndes Ansteigen, das davon her- rührt, daß die kleinen Gefäße am Schenkel durch die Blutdrucksteigerung, die im ersten Zeitabschnitte in stärkerem Grade durch die Kontraktion der kleinen Blutgefäße anderer Körperteile verursacht wird, passiv erweitert werden. Nach sehr kurzer Zeit sehen wir aber diese Kurve bis weit unter den Nullpunkt sinken, da dann die Verengerung auch der kleinen Blut- gefäße des Schenkels kräftiger einsetzt. ‚Die einzelnen Pulse, die der Sphygmograph registriert, werden bald nach der Injektion stark verkleinert, verschwinden fast völlig und würden also fälschlich Blutdrucksenkung angeben. 208 ERNST WEBER: In Fig. 2 sehen wir die Wirkung des Imido. Die langdauernde, starke Blutdrucksenkung infolge der Injektion ist an der Kurve des Gadschen Mano- meters sehr deutlich, während die Verdickung der Weichteile infolge der Erweiterung der kleinen Blutgefäße so stark ist und so schnell eintritt, daß die Kurve des Sphygmographen plötzlich bis zur anderen Kurve hinauf- geworfen wird und erst allmählich wieder unter die obere Kurve sinkt. „ga LITE Al, Au Im il E) Kurve des Wr Gadsehen Manometers Kurve des Sphygmographen Fig. 1. Blutdruck am kurarisierten Hund bei Injektion von Adrenalin in die Vene. Kurve des m! Gadscehen NA Manometers | Kurve des Sphygmo- graphen FE FEN NN x Fig. 2. Blutdruck am kurarisierten Hund bei Injektion von Imido (La Roche) in die Vene. An diesem Fehler müssen offenbar alle Apparate für die Druckmessung leiden, die in der Weise über den Weichteilen befestist werden, daß die Verdickung oder Verdünnung der Weichteile, von verschiedenen Richtungen den Apparat beeinflussend, ihn bald fester, bald lockerer der Arteria auf- liegen lassen, also auch z. B. diejenigen, die das Glied in größerem Umfange ÄNDERUNG DES BLUTDRUCKS DURCH BEWEGUNGSVORSTELLUNG. 209 umspannen und bei denen die Änderung der Spannung von einer Feder registriert wird. | Auf einem ganz anderen Prinzip beruht ein von Hürthle! angegebener Apparat. Es wird hierbei der Arm blutleer gemacht, mit einer Esmarch- schen Binde versehen und in einem Armplethysmographen mit eingestülptem Ärmel eingeschlossen, dessen Öffnung durch einen dem Arm Ba Hartgummiring besonders gut abgedichtet ist. Der Plethysmograph wird mit Wasser gefüllt, das nur mit einem Mano- meter in Verbindung bleibt, und hierauf wird die Esmarchsche Binde an dem eingeführten Arm gelöst. Nach Hürthle gibt dann, bei gewissen Vorsichtsmaßregeln, das Mano- meter den absoluten Blutdruck an. Ganz abgesehen davon, kann man aber auf diese Weise auch eine fort- laufende Kurve der Blutdruckschwankungen mindestens qualitativ registrieren. Für letztere Benutzung des Apparates ist es aber gleichgiltig, ob die Beseitigung des oben besprochenen schädlichen Einflusses der Dicken- änderung der Weichteile bei der Blutdruckmessung dadurch vermieden wird, daß infolge des äußeren Druckes das Blut in die kleinen Blutgefäße nicht eindringen kann, nachdem es vorher durch Esmarchsche Binde aus ihnen entfernt worden ist, oder ob das Blut direkt durch Anwendung äußeren Druckes aus den kleinen Gefäßen nach den großen Zentralgefäßen getrieben wird. Die letztere Methode ist für unsere Zwecke einfacher und ist schon lange vorher von Marey? angegeben worden und von Mosso® weiter ausgebildet worden, wurde aber von ihnen fast ausschließlich zur Be- stimmung der absoluten Höhe des Blutdrucks in einem bestimmten Augen- blicke benutzt, nicht zur fortlaufenden Registrierung. Schon Marey benutzte der Bequemlichkeit halber zu seinen späteren Versuchen nicht den ganzen Arm, sondern nur den Finger des Menschen. Mosso konstruierte einen Apparat, bei dem gleichzeitig an 4 Fingern der Untersuchungsperson die Messungen ausgeführt wurden, wodurch die Resultate deutlicher wurden. Der Apparat ist in Fig..3 wiedergegeben. Wie bei allen neueren Plethysmographen für die Glieder kommt dabei der Finger nicht direkt mit dem Wasser in Berührung, sondern wird in einen in die Röhre eingestülpten Fingerling aus dünnem Gummi eingeführt, von denen am Rande jeder der 4 Röhren einer befestigt ist. 1 Hürthle, Über eine Methode der Messung des art. Blutdrucks beim Menschen. D. med. Wochenschrift. 1896. Nr. 36. 2 Marey, Pression et vitesse du sang. Trav. du lab. Marey 2, 1876. ® Mosso, Sphygmomanomötre pour mesurer la pression du sang. Arch. Ital. ‚de biol. 1895. Archivf.A.u.Ph. 1913. Physiol. Abtlg. 14 210 ERNST WEBER: Durch 2 verschiebbare Polster werden die Hände in ihrer Lage fest- gehalten, so daß die Finger nicht aus den Röhren herausgedrängt werden können, wenn der Druck des Wassers auf sie wirkt, das dann in die 4 unter einander kommunizierenden Röhren eingelassen wird, die Fingerlinge um- spült und fest an die Finger anpreßt. (In Fig.3 ist nur eine Hand eingeführt.) Würde man nun das Steigrohr, in das das Wasser aus den Röhren hinaufsteht, durch einen Schlauch mit einer Mareyschen Kapsel verbinden, so würde diese deutliche Volumpulse der Finger angeben, die von der Kaliberänderung der kleinen, besonders der Hautgefäße herrühren. Fig. 3. Sphygmomanometer nach Mosso. (Aus Archives. Ital. de biol. 1895.) Bei der hier erörterten Benutzung des Apparates ist das Wasser aber völlig abgeschlossen und steht direkt in Verbindung mit einem Quecksilber- Manometer, wie das an Fig. 3 zu sehen ist, und durch Drehung der Schraube über X, durch die ein Stempel herabgesenkt wird, kann ein allmählich sich steigernder Druck auf das in den Röhren eingeschlossene Wasser ausgeübt werden, der sich von allen Seiten auf die in fester Stellung in den Röhren liegenden Finger und natürlich auch auf das Manometer überträgt. Der Druck kann bei einem vereinfachten Apparat auch durch Hebung eines da- mit kommunizierenden Gefäßes mit Quecksilber gesteigert werden. Bei einer gewissen Höhe des Druckes muß es dann dahin kommen, daß die kleinen Blutgefäße, deren Kaliberänderung den Fehler bei der sphygmographischen Druckmessung herbeiführt, völlig zusammengedrückt und blutleer werden, während die Veränderungen an den beiden Haupt- ÄNDERUNG DES BLUTDRUCKS DURCH BEWEGUNGSVORSTELLUNG. 211 arterien des Fingers noch wirksam sind und die Schwankungen des all- gemeinen Blutdrucks durch die Veränderung der am Manometer sicht- baren Pulsierung anzeigen, die man durch Verbindung mit einer Marey- schen Kapsel oder durch einen Schwimmer registrieren kann. Die Messung der absoluten Höhe des Blutdrucks zu einem bestimmten Augenblick, zu der Marey und Mosso diesen Apparat fast ausschließlich benutzten, wird in folgender Weise ausgeführt. Steigert man den Druck des Wassers auf die im Apparat liegenden Finger zunächst in geringem Maße, d.h. bis auf weniger als 70—80 mm Queck- silber, so werden die einzelnen registrierten Pulsausschläge nach jeder Er- höhung des Druckes größer sein als vorher. Bei .einem Drucke von etwa 80mm sind sie am größten und werden dann bei noch weiter fortschreitender Steigerung des Druckes wieder kleiner, bis sie endlich ganz verschwinden. Die Erklärung dafür suchte schon Marey darin, daß die Arterienwand unter dem Druck der Pulswelle dann die größten Exkursionen macht, wenn sie am wenigsten gespannt ist. Das ist aber dann der Fall, wenn der Innen- druck des Blutes auf die Gefäßwand durch einen äußeren Druck gerade ausgeglichen wird und die Gefäßwand ‚,‚frei flottiert“. Der im Manometer angegebene Druck, bei dem die registrierten Pulsschwankungen am größten sind, würde also dem Innendrucke entsprechen, also den absoluten Blut- druck angeben. Bei noch mehr steigendem Außendruck wird dann die Ge- fäßwand allmählich zusammengepreßt. Es werden daher zur Feststellung der absoluten Höhe des Blntdrucks zunächst bei geringem Drucke eine Anzahl von Pulsen registriert und dann jedesmal wieder bei etwas gesteigertem Druck, bis man den Druck festgestellt hat, der die Grenze bildet, bei deren Überschreitung sich die Pulse wieder verkleinern und diesen Druck bezeichnet man als den absoluten Blutdruck. Um den Einfluß psychischer Vorgänge auf den Blutdruck zu beob- achten, nahm Kiesow! einige Versuche vor mit fortlaufender Registrierung der Blutdruckschwankungen, beging aber den Fehler, die Kurven unter dem Druck aufzunehmen, bei dem die Pulse am größten waren. Da die Möglichkeit, die Druckschwankungen mit diesem Instrument fortlaufend zu registrieren, offenbar nur dann vorhanden ist, wenn man unter der Voraussetzung, daß die Veränderungen an den kleinen Gefäßen ganz ausgeschaltet sind, aus der Vergrößerung oder Verkleinerung der einzelnen registrierten Pulse auf Änderungen des Blutdrucks nach den beiden verschiedenen Richtungen hin schließt, so konnten die wenigen Versuche ı F. Kiesow, Experiences avec le Sphygmomanomötre de Mosso sur les change- ments de la pression du sang produits par les exeitations psychiques. Archives Ital. de biol. 1895. 14* 212 ERNST WEBER: Kiesows natürlich kein Resultat haben, da bei seinen Kurven eine Ver- srößerung der Pulse nie eintreten konnte, da diese schon von Anfang an maximal waren. Die einzigen Untersuchungen dieser Art, bei denen der Fehler Kiesows vermieden wurde, sind die von Binet und Vaschide!. Messungen der absoluten Blutdruckhöhe in einem bestimmten Augen- blick, wie sie diese Autoren auch bei psychischen Vorgängen aufnahmen, haben nicht viel Wert, da die Dauer dieser experimentell herbeigeführten Vorgänge meist zu kurz ist, und die Gefäßänderungen dabei, wie ich an der plethysmographischen Kurve feststellte, oft erst verspätet eintreten oder schnell wieder verschwinden, und gerade die Schwankungen oft wichtig sind. Die beiden Autoren haben aber auch einige Versuche mit fortlaufender Registrierung der Druckschwankungen in der Weise ausgeführt, daß sie den Druck dabei soweit erhöhten, daß die Pulse nach Überschreitung der Maximal- höhe bereits wieder etwas kleiner geworden waren, indem die Gefäßwände durch den äußeren Druck schon etwas zusammengepreßt wurden. Der steigende Blutdruck mußte dann Vergrößerung der einzelnen Pulse, der sinkende Verkleinerung herbeiführen. Die damit vorgenommenen Versuche erstrecken sich auf Muskelarbeit, Freude und Traurigkeit und geistige Arbeit. Über die Versuche mit Muskelarbeit, die mit völlig irrigen Vorstellungen über die vasomotorischen Verhältnisse verknüpft sind, spreche ich später. Von den Versuchen mit Freude und Traurigkeit ist keine Kurve beigegeben, zudem eignen sich so komplizierte psychische Vorgänge nicht zu der- artigen Versuchen, viel besser wäre Herbeiführung einfacher Lust- und Un- lustgefühle durch Geschmacksreize gewesen. Sollten schon Affekte untersucht werden, so lassen sich starke Affekte zu einer bestimmten Zeit, wie ich feststellte, nur durch hypnotische Sug- sestion mit Sicherheit herbeiführen. Die Methode Binets, nach der sich die Versuchspersonen willkürlich auf Befehl durch Erinnerung bestimmte Affekte zu schaffen suchten, ist äußerst unsicher und gibt keine Gewähr, daß die dabei gefundenen Veränderungen wirklich charakteristisch für diese Affekte sind. Aus der Beschreibung des einzigen Versuchs mit einem echten Affekt infolge Lesens eines Briefes geht hervor, daß die Person den Inhalt vorher wissen mußte. Die -besten Untersuchungen sind die über geistige Arbeit, obwohl auch sie an einem später zu besprechenden Mangel leiden. 1 Binet et Vaschide, Influence du travail intelleetuel des emotions et du travail physique sur la pression du sang. L’Annee psychologique. 1899. ÄNDERUNG DES BLUTDRUCKS DURCH BEWEGUNGSVORSTELLUNG. 213 Bei allen ihren Versuchen stellten die Autoren Blutdrucksteigerung fest und erklärten dies dadurch, daß nach ihrem Wissen bei all den unter- suchten psychischen Vorgängen eine Zusammenziehung der kleinen Gefäße des Körpers eintrete und dadurch das Blut in den großen arteriellen Gefäßen sich anstaue. Über das gleichzeitige Verhalten der kleinen Gefäße am Arm geben sie aber nur eine einzige Kurve, bei der die Verengerung der kleinen Gefäße am Arm bei geistiger Arbeit nicht sehr deutlich ist. Diese Kurve ist unten in Fig. 4 reproduziert, in der die Blutdruck- steigerung sich durch das Erscheinen der vorher unterdrückten Pulse an der unteren Kurve ausdrückt. Die Volumkurve ist dagegen zu Beginn der Kurve schon eben so tief als während der geistigen Arbeit, so daß der Zusammen- hang dieser Senkung mit der geistigen Arbeit nicht zwingend erscheint. Kurve des Sphygmo- mano- meters Fig. 4. Figur aus der Arbeit von Binet und Vaschide. Der Druck im Sphygmomanometer betrug 130 mm Hg. Zwischen den Zeichen wurde geistige Arbeit ausgeführt. Sehr interessant und noch weiter zu erörtern ist die Feststellung, daß dann, wenn die fortlaufende Druckregistrierung unter so stark verringertem Drucke vorgenommen wurde, daß die Pulse von vornherein die maximale Höhe zeigten (70mm Hg), bei demselben Reiz, der bei höherem Druck eine Pulsvergrößerung herbeigeführt hatte, jetzt eine Pulsverkleinerung eintrat. Die Autoren erklären diesen Befund — wie unten erörtert werden wird, unrichtig — damit, daß bei solchem geringeren Druck im Apparat die kleinen Gefäße der Weichteile nicht mehr völlig zusammengedrückt werden, sondern teilweise mit Blut gefüllt sind, ihr Kaliber bei den ver- schiedenen psychischen Einflüssen verändern, dadurch ihrerseits ‚auf die Größe der registrierten Pulse einwirken und den Einfluß der gleichzeitigen Veränderungen an den großen Gefäßen überwiegen, kurz, daß der Apparat hierbei nicht mehr als Sphygmomanometer,sondern als Plethysmograph wirkt. Als Ergebnis der plethysmographischen Wirkung sehen die Autoren hierbei nicht eine volumetrische Veränderung an, auf die sie weniger Wert 214 ERNST WEBER: legen, sondern die sich ergebende Verkleinerung der registrierten Pulse. Da sich also bei geistiger Arbeit die kleinen Gefäße der Weichteile verengen, während der Druck in den großen Arterien steigt, so müsse dann Verkleinerung der Pulse registriert werden, wenn die Wirkung der Veränderung an den kleinen Gefäßen wieder hervortrete. Die Vorstellung der Autoren ist also die, daß bei diesem Apparat, solange er überhaupt als Blutdruckmesser funktioniert, immer eine Verkleinerung der Pulse Senkung und ihre Vergrößerung Steigerung des Blutdrucks bedeutet. Das ist aber durchaus nicht richtig, wie die folgenden Ausführungen zeigen werden. | Die bisherige Benutzung dieser ganzen Methode, wie sie sich in der erörterten Arbeit von Binet und Vaschide darstellt, zeigt zwei Mängel. Zunächst besteht Unklarheit darüber, ob und bei welehem Queck- silberdruck die Veränderung der registrierten Pulse noch durch Veränderung des Kalibers der kleinen Gefäße der Weichteile bewirkt wird, und bei welchem dies nur durch Änderung des Blutdrucks in den großen Arterien geschieht, bei welchem Druck der Apparat also noch als Plethysmograph funktioniert und bei welchem schon als Sphygmomanomeeter. ‘Wenn, wie die Autoren meinen, noch bei einem Drucke von 70 mm Quecksilber, der in dem Falle dem absoluten Blutdrucke entsprach, die kleinen Gefäße der Weichteile noch nicht zusammengepreßt waren und die Wirkung ihrer Verengerung die der gleichzeitigen Steigerung des Blutdrucks angeblich überwog, so wirft dies ein bedenkliches Licht auf die Brauchbar- keit des Apparates als Druckmesser, da dann leicht auch bei noch höherem äußeren Drucke die Veränderung an den kleinen Gefäßen wenigstens störend mitwirken könnte. Diese Hauptirage mußte entschieden zunächst geklärt werden. Sie konnte dies aber nur durch gleichzeitige Aufnahme von echten Volumkurven eines Gliedes neben den Druckkurven und diese Aufnahmen sind bisher nicht gemacht worden. Die gleichzeitige Registrierung von Volumkurven ist aber auch aus anderen Gründen dringend nötig. Die früheren Experimentatoren glaubten, daß bei allen von ihnen untersuchten psychischen Vorgängen sich sämtliche kleinen Gefäße des Körpers zusammenziehen, und sie erwarteten deshalb immer Blutdrucksteigerung, hielten die Feststellung für kaum nötig. Nun habe ich nicht nur, wie erwähnt, gezeigt, daß sich die Gefäße des Splanchnicusgebietes dabei immer umgekehrt verhalten wie die äußeren Gefäße, sondern es ist nicht einmal richtig, daß sich bei den betreffenden Vorgängen auch nur die äußeren kleinen Gefäße immer verengen. Meine unter Vermeidung der von den vorhergehenden Experimentatoren ÄNDERUNG DES BLUTDRUCKS DURCH BEWEGUNGSVORSTELLUNG. 215 gemachten Fehler angestellten Versuche beweisen, daß sich bei körper- licher Arbeit die äußeren Gefäße erweitern ; dasselbe ist bei einfachen Lust- Gefühlen festgestellt worden, und endlich habe ich bewiesen, daß sich die Veränderungen an den kleinen Gefäßen der äußeren Körperteile bei psy- chischen Vorgängen nach eintretender Ermüdung der Versuchspersonen in das Gegenteil umkehren, so daß anstatt Verengerung Erweiterung eintritt.! Wenn nun die Möglichkeit vorliegt, daß die Veränderung des Blut- drucks bei psychischen Vorgängen durch die gleichzeitigen vasomotorischen Änderungen herbeigeführt oder beeinflußt wird, so muß aus diesen Gründen bei jeder Druckmessung eine Volumkurve gleichzeitig aufgenommen werden, da man nie sicher ist, ob nicht eine beginnende Ermüdung bei der Versuchs- person vorliegt, oder gar gewisse, auch leichte, pathologische Zustände (Neurasthenie usw.), bei denen die Umkehrung dauernd vorhanden ist. Done des 5 MEN N, paygsmo angeriihl EN nina manometers + "N | M m „ill Volumkurve ge M \ I I N Nor pin nldis „N Fig. 5. (Aufgenommen von Gellhorn u. Lewin.) Bei + wird der Versuchsperson eine schlecht schmeckende Substanz gegeben. Ich benutzte einen vereinfachten Sphygmomanometer, bei dem nur 1 Finger gemessen wurde, obwohl der Apparat Mossos (Fig. 3) sicher den Vor- zug hat, daß man damit deutliche Kurven von allen Personen erhalten kann, während man bei manchen Personen bei Messung nur eines Fingers kaum sichtbare Pulse erhält, was vermutlich auch mit von der Beschaffenheit der ‘ Haut des Fingers abhängt. Für den Druck des Wassers im Apparat wurde, falls nicht anders an- gegeben, immer ein Druck gewählt, der den absoluten Blutdruck überstieg, so daß die Pulse wieder etwas kleiner als die maximalen Pulse geworden waren. 1 E. Weber, Der Einfluß der Ermüdung auf die vasomotorischen Vorgänge bei psychischen Einflüssen. Dies Archiv. 1909. Physiol. Abtlg. 216 ERNST WEBER: Ein Beispiel stellt Fig. 5 dar, in der die obere Kurve die des Blut- drucks, die untere die des Volums ist. Zur Registrierung des Volums kann man sowohl den Arm, als den Finger benutzen. Im letzteren Falle kann man, wie erwähnt, einen gleichen Apparat wie zum Druckmessen benutzen, nur daß dann der mit Wasser sefüllte Apparat direkt mit einer Mareyschen Kapsel verbunden wird. In Fig. 5 wurde vom Zeichen + bis — ein Unlustgefühl durch Geschmack- reiz herbeigeführt. Das Volumen sinkt infolge der Verengerung der äußeren und Erweiterung der Bauchgefäße stark ab, und die einzelnen Pulse der Druckkurve vergrößern sich während dieser Zeit deutlich; es trat also Blut- drucksteigerung ein. Nun sehen wir aber, daß die obere Kurve neben der Veränderung der Pulshöhe auch eine deutliche Volumveränderung zeigt, aber Volumänderungen im umgekehrten Sinn, als die unten, die echte Volumkurve. Derartige Volumänderungen der Druckkurve beobachtete Binet Auch bei geringerem Druck nicht, sie treten auch nicht bei allen Versuchen ein, oft zeigt die Druckkurve gar keine Volumschwankungen. (Siehe Fig. 4 und 10). Würde das Sphygmomanometer bei diesem Versuche noch als Plethys- mograph funktionieren, wie es nach den Anschauungen Binets sogar noch bei einem äußeren Druck, der dem absoluten Blutdruck entspricht, der Fall sein kann, so müßte die Volumänderung der Druckkurve natürlich in gleichem Sinne stattfinden, wie an der unteren, der echten Volumkurve. Da das Gegenteil geschieht, ist bewiesen, daß die Kaliberänderung der kleinen Ge- fäße der Weichteile keine Rolle mehr spielt, sie also bei diesem äußeren Drucke völlig zusammengepreßt und blutleer sind. Die Ursache dieser Volumänderung kann offenbar nur in dem Dicker- werden der beiden großen Arterien des Fingers infolge der eintretenden Blutdrucksteigerung gesucht werden. Wenn die Blutdrucksteigerung geringer ist, oder der äußere Druck noch größer, so kann diese Volumänderung, die nichts mit der entgegen- gesetzten Veränderung der kleinen Gefäße der Weichteile zu tun hat, aus- bleiben, obwohl sich die Vergrößerung der Pulse noch ausdrückt. Es zeigte sich bei meinen Versuchen aber ferner, daß das Sphygmo- manometer selbst dann nicht als Plethysmograph funktioniert, wenn der äußere Druck nur der Höhe des absoluten Blutdrucks entspricht, wie das Binet (siehe oben S. 213) angibt, also bei etwa 70 mm Quecksilber, ja nicht einmal bei noch weit geringerem Drucke. Das zeigen die Kurven in Fig. 6. Die Druckkurve in Fig. 6a wurde bei dem gewöhnlichen Quecksilberdrucke aufgenommen, der den nie Blutdruck der Versuchsperson deutlich überstieg. ÄNDERUNG DES BLUTDRUCKS DURCH BEWEGUNGSVORSTELLUNG. 217 Vom Zeichen + bis — führte die Versuchsperson eine geistige Arbeit (Kopfrechnen) aus. Die Volumkurve sinkt während dieser Arbeit stark ab, und die darüber befindliche Druckkurve zeigt deutliche Vergrößerung der einzelnen Pulse als Zeichen der Drucksteigerung und daneben ein ähnliches Ansteigen der ganzen Kurve, wie oben in Fig. 5. Kurve des Sphygmo- manometers Pr, ui m Ill Ilm mul" ‚N! Volumkurve des Armes Fig. 6a. (Aufgenommen von Gellhorn u. Lewin.) Kurve des TTTHIIN Sphygmomanometers We nm n - _ Fig. 6b. In Fig. 6a und 6b führte dieselbe Person von + bis — eine geistige Arbeit aus. In Fig. 6a war der Druck im Sphygmomanometer ca. 100 mm Hg hoch, in Fig. 6b nur 50 mm Hg. Von der gleichen Person wurde hierauf bei der Ausführung der gleichen geistigen Arbeit eine Druckkurve mit einem Druck von nur 50 mm Queck- silber aufgenommen, also bei noch bedeutend geringerem Druck, als ihn Binet für nötig hält, damit der Apparat als Plethysmograph funktioniert. Wir sehen an der Kurve in Fig. 6b, daß die einzelnen Pulse sich, im Gegen- satze zu der entsprechenden Veränderung in Fig. 6a, während der Aus- führung der geistigen Arbeit verkleinern, daß aber die Kurve im ganzen während der Ausführung der geistigen Arbeit ein gleiches Ansteigen zeigt, wie in Fig. 6a. Falls der Apparat als Plethysmograph funktioniert hätte, so hätte die Kurve, wie schon erörtert, eine Senkung zeigen müssen; daß das Ansteigen 918 ERNST WEBER: der Kurve eintritt, das von der Verdickung der beiden großen Arterien infolge der bei geistiger Arbeit eintretenden Blutdrucksteigerung herrührt, beweist, daß der Apparat keineswegs als Plethysmograph funktionierte und daß schon ein äußerer Druck von 50 mm Quecksilber genügt, um die kleinen Gefäße der Weichteile völlig zusammenzupressen. Dagegen erkennen wir aus den Kurven in 6a und 6b, daß die Angabe Binets richtig ist, daß das Sphygmomanometer bei einem Quecksilber- drucke, der dem absoluten Blutdruck entspricht oder niedriger ist, beim Eintreten einer Blutdrucksteigerung Pulsverkleinerung angibt, während es bei höherem äußerem Drucke bei derselben Person beim gleichen Versuche vorher Pulsvergrößerung angab. Dasselbe ist auch z. B. an den Figuren 8a und 8b auf Seite 221 zu sehen, die von ein und derselben Person aufgenommen wurden. Auch hier zeigt das Sphygmomanometer in Fig. 8a bei einem äußeren Drucke von 110 mm Hg Pulsvergrößerung an und in Fig. 8b bei dem gleichen Vor- sange unter einem äußeren Drucke von nur 50 mm Hg Pulsverkleinerung. Daß die Erklärung Binets für diese Erscheinung (siehe $. 213) nichtrichtig sein kann, geht aus dieser Kurve auch noch deshalb hervor, weil inbeiden Fällen die Veränderung an der jedesmal unter der Druckkurve verzeichneten Volum- kurve in einer Erweiterung der kleinen Gefäße der Weichteile und Vergröße- rung auch der einzelnen Volumpulse besteht, so daß die Erklärung der Ver- kleinerung der Pulse in der Blutdruckkurve in Fig. 8b vollends hinfällig wird. Die wirkliche Ursache der Erscheinung, daß sich die Pulse der Druck- kurve dann bei einer äußeren Einwirkung verkleinern, wenn der äußere Druck im Apparat dem absoluten Blutdruck gleich oder geringer ist, während sie sich bei derselben Einwirkung vergrößern, wenn der Druck im Apparat größer als der Blutdruck ist, ist aber leicht bei näherer Überlegung zu erkennen. Wie oben erwähnt, ist das Größerwerden der Pulse, die das Sphygmo- manometer registriert, bei allmählicher Erhöhung des Druckes im Apparat von Null bis auf etwa 7Omm Quecksilber nur dadurch zu erklären, daß die Arterienwand unter dem Druck der Pulswelle dann die größten Exkursionen macht, wenn sie frei flottiert und am wenigsten gespannt ist, wenn also .der von außen auf sie wirkende Druck gerade so groß ist, als der von innen auf sie wirkende Blutdruck, und um so größere, je mehr die Druckverhält- nisse sich diesem Punkte nähern. Je geringer der Unterschied zwischen äußerem und innerem Druck wird, um so größere Pulse werden vom Apparat registriert werden, und je größer der Unterschied wird, um so kleinere Pulse. Gerade so, wie nun dann, wenn der äußere Druck gleich oder geringer ist, als der innere, durch noch weitere Erniedrigung des äußeren Druckes ÄNDERUNG DES BLUTDRUCKS DURCH BEWEGUNGSVORSTELLUNG. 219 der Unterschied zwischen äußerem und innerem Druck vergrößert wird, und infolgedessen die registrierten Pulse noch kleiner werden, so muß auch bei Steigerung des inneren Druckes bei gleichbleibendem äußeren Drucke der Unterschied ein größerer werden, und es müssen dann u) kleinere Pulse registriert werden. Es bedeutet also beim Sphygmomanometer in demFalle, wenn der äußere Druck im Apparat gleich dem absoluten Blutdruck oder geringer als er ist, ein Kleinerwerden der Pulse eine Blutdrucksteigerung, gerade wie bei höherem Außendruck das Höherwerden der Pulse eine Blutdrucksteigerung bedeutet, weil im ersten Falle der Unterschied zwischen äußerem und innerem Druck bei der Blutdrucksteigerung größer, im zweiten aber geringer wird. Man kann also ebenso gut bei Untersuchungen einen niedrigeren äußeren Druck anwenden, als er dem absoluten Blutdruck entspricht, nachdem ich bewiesen habe, daß selbst bei einem äußeren Druck von 50 mm Hg und weniger der Apparat noch als reiner Blutdruckmesser funktioniert, nur muß man beachten, daß die Veränderung der Pulsgröße dann umgekehrte Bedeutung hat, als bei höherem äußeren Drucke. Man braucht aber nie zu fürchten, daß der Apparat als BU mesranh funktionieren könne, wie dies aus den Erörterungen Binets hervorzugehen schien und was vielleicht bisher eine allgemeinere Benutzung dieses hand- lichen Apparates verhindert hat. Ich will noch die Anwendung der Methode für eine bestimmte Versuchs- reihe beschreiben, da so ihre Vorzüge am klarsten werden. Binet glaubte irrig, daß bei Muskel-Anstrengung, wie bei allen anderen von ihm untersuchten Vorgängen, eine Zusammenziehung der äußeren Gefäße eintritt. Ich habe an anderer Stelle! erörtert, auf welche Weise man zu dieser irrigen Feststellung kommen kann, besonders wenn man die Muskelarbeit von dem einen Arm ausführen läßt und das Volumen am anderen Arm mißt, und welche weiteren Vorsichtsmaßregeln man bei solchen Versuchen anwenden mub. Ich habe ferner gezeigt?, daß bei anstrengender Muskelarbeit eine Er- weiterung der äußeren Blutgefäße, außer denen des Kopfes, und gleichzeitige Verengerung der Splanchnieusgefäße eintritt. Endlich fand ich, daß die gleichen komplizierten Blutverschiebungen im Körper, die übrigens eine 1 E. Weber, Plethysmographische Untersuchungen bei körperlicher Arbeit. Münchner med. Wochenschr. 1910. Nr. 36. 2 E. Weber, Das Verhältnis von Bewegungsvorstellung zur Bewegung bei ihren körperlichen Allgemeinwirkungen. Monatsschrift f. Psychiatrie u. Neur. 1906. Über Gegensätze im vasomot. Verhalten der äußeren Teile des Kopfes und der des übrigen Körpers bei Mensch und Tier. Dies Archiv. 1908. Physiol. Abtlg. 220 ERNST WEBER: sehr wertvolle Unterstützung der Bewegung selbst bedeuten, auch schon bei der bloßen lebhaften Vorstellung einer ‚energischen Bewegung eintreten, ohne daß die Bewegung selbst ausgeführt wird. Die vollkommene Ruhe der untersuchten Glieder der Versuchsperson kann auch durch Kontrollapparate kontrolliert werden. Besonders leicht kann man die Bewegungsvor- stellung durch hypnotische Suggestion herbei- führen, viele Versuchspersonen besitzen aber auch genügende Fähigkeit der Konzentration, sich willkürlich hinreichend lebhafte Bewegungsvor- stellungen zu bilden. Als Beweis des Gelingens dieser Versuche kann man das Eintreten der Volumzunahme des Armes bei völliger Unbeweglichkeit der Versuchs- person ansehen. Die Herbeiführung dieses Vorgangs ist so leicht, daß er kürzlich auch klinisch benutzt wurde und das einseitige Ausbleiben der Reaktion als typisch für einseitige hysterische Lähmungen des Armes erkannt wurde.! Fig. 7 zeigt bei langsamer Drehung der Registriertrommel das Eintreten der Volum- zunahme bei willkürlicher Bewegungsvorstellung, die vom Zeichen + bis — dauerte. Die unten befindliche Atmungskurve zeigt, daß keine At- mungsänderungen dabei eintraten, die die Volum- kurve beeinflußten. An der Volumkurve zeigt die zuerst eintretende geringe Senkung die Wirkung der gesteigerten Auf- merksamkeit als solcher, die dann allmählich durch die immer mehr in den Vordergrund des Bewußt- seins tretende Bewegungsvorstellung ausgeglichen und ins Gegenteil umgewandelt wird. Auch die Vergrößerung der einzelnen Volumpulse infolge der Gefäß- erweiterung ist sehr deutlich. Bei den folgenden Figuren ist die Trommel in schnellerer Umdrehung, und die Atmungskurve ist bei diesen Figuren fortgelassen, da die Atmung 4, Salat -Zunj[o9sIoAsFundoMagT 9IFeygaT aus uosIag Spuagrofg SOSUngeMag Ip YaIs 2IopJIq — SI + uoN ! Gaspero, Hysterische Lähmungen, ihre Pathophysiol. u. Klinik. Berlin 1912. ÄNDERUNG DES BLUTDRUCKS DURCH BEWEGUNGSVORSTELLUNG. 221 der Versuchsperson bei diesen Versuchen immer gleichmäßig war, so daß Änderungen an der Volumkurve zum Beweis für das Eintreten der Wirkung der Bewegungsvorstellungen genügten. ' Fig. 83 und 8b zeigen die Veränderungen an der Blutdruckkurve "während dieses Vorganges bei hohem und niedrigem Druck im Apparat. Kurve des Sphygmo- mano- meters Kurve des Sphygmo- mano- meters Arm- volumen Arm- volumen Fig. 8a. Fig. Sb. Von + bis — willkürliche Bewegungsvorstellung der bewegungslos bleibenden Person. In Fig. 8a war der Druck im Manometer 110 mm Hg, in 8b 50 mm Hg. Fig. 8a zeigt die Veränderung der Kurve des Sphygmomanometers bei einem Druck von 110 mm Hg, die in Vergrößerung der Pulse bestehen, während das Volumen des Arms zunimmt. Es trat also Blutdrucksteige- rung ein. Die Kurven von Fig. 8b wurden unmittelbar nach 8a bei einem Druck von nur 50 mm Hg aufgenommen, und die Druckkurve zeigt dementsprechend Pulsverkleinerung, die nach den obigen Ausführungen gleichfalls Blutdruck- steigerung bedeutet. 222 ERNST WEBER: Der große Vorzug, den die fortlaufende Registrierung der Blutdruck- schwankung vor den Einzelmessungen hat, geht besonders deutlich auch aus den Figuren 9 und 10 hervor, bei denen gleichfalls vom Zeichen + bis — jedesmal eine Bewegungsvorstellung einwirkte. Der Druck im Sphygmo- manometer war bei beiden Versuchen 100 mm Hg, so daß also Pulsver- größerung der oberen Kurven jedesmal Blutdrucksteigerung bedeutet und Pulsverkleinerung Blutdrucksenkung. In Fig. 9 tritt unmittelbar nach Beginn der Bewegungsvorstellung zunächst eine kurzdauernde Blutdrucksenkung ein, die aber sehr bald in Kurve des Sphygmo- manometers Armvolumen Fig. 9. Von + bis — willkürliche Bewegungsvorstellung der bewegungslos bleibenden Person. Druck im Manometer 100 mm Hg. eine starke Blutdrucksteigerung übergeht, die ebenso lange anhält, als die Einwirkung der Bewegungsvorstellung und dann zur Anfangshöhe zurück- kehrt. Die Volumkurve des Arms in Fig. 10 unterscheidet sich von der ent- sprechenden Kurve in Fig. 9 dadurch, daß die infolge der Bewegungsvor- stellung eintretende Steigung der Kurve nicht, wie in Fig. 9, bis zum Ende der Einwirkung der Bewegungsvorstellung beim Zeichen — in gleicher Höhe bleibt, sondern schon vorher etwas absinkt, um dann nochmals höher als vorher anzusteigen. Die Ursache war offenbar ein kurzdauerndes Nachlassen der auf die Bewegungsvorstellung geriehteten Aufmerksamkeit. ÄNDERUNG DES BLUTDRUCKS DURCH BEWEGUNGSVORSTELLUNG. 223 Die Blutdruckkurve entspricht völlig der von Fig. 9, auch hier geht der starken Blutdrucksteigerung eine kurzdauernde Senkung des Blutdrucks voraus, aber dann tritt genau zu der Zeit, zu der das Nachlassen der Aufmerk- samkeit aus der Senkung der Volumkurve zu erkennen ist, eine Blutdruck- senkung ein, die nach kurzer Dauer, genau entsprechend dem dann folgenden höheren Anstieg der Volumkurve wieder in eine noch stärkere Blutdrucksteigerung übergeht. Wenn nun bei einem dieser Versuche die Messung des Blutdrucks mit dem Instrument von Riva-Rocei oder Uskoff usw. vorgenommen worden wäre, bei denen nur der Druck in einem bestimmten Augenblicke bestimmt Kurve des Sphygmo- manometers 2 = = Sm = zn | } je ‚A Mi Armvolumen il Hi M Fig. 10. Wie bei Fig. 9. werden kann, so hätte besonders beim letzten Versuche ebenso leicht, wie eine Blutdrucksteigerung eine Blutdrucksenkung als Begleiterscheinung der Bewegungsvorstellung und auch der Bewegung festgestellt werden können. Erst bei unserer gleichzeitigen Aufnahme der Volumkurve und der fortlaufenden Blutdruckkurve können wir die Schwankungen der Druck- kurve übersehen und feststellen, welche Blutdruckveränderungen die eigent- lichen Begleiterscheinungen der verschiedenen psychischen Vorgänge sind. Ein Beispiel von den vielseitigen Möglichkeiten der klinischen An- wendung des Apparates zeigen Fig. 11a und 11b, in denen jedesmal die oberste Kurve die des Blutdrucks ist. Es zeigt sich hier, daß bei demselben Vorgange, einer lang angehaltenen sehr tiefen Inspiration an zwei ver- schiedenen Personen, von denen die eine ein Patient war, die entgegengesetzte 224 Ernst WEBER: ÄNDERUNG DES BLUTDRUCKS USW. Reaktion des Blutdrucks eintrat, bei dem Gesunden, in Fig. 11a eine Druck- erniedrigung, bei dem andern, dem Kranken, eine Steigerung. Kurve des Sphygmo- manometers Kurve des Sphygmo- manometers Armvolumen Armvolumen Brustatmung Bauchatmung Fig. 11a. Fig. 11b. Der Druck im Manometer war in Fig. Ila und 11b höher als der dem absoluten Blutdruck entsprechende Druck. Aufgenommen von E. Mosler. Wie zu sehen ist, entsprach der: Umkehrung der Reaktion des Blut- drucks dabei auch eine solche des Volumverhaltens des Armes. — Veränderungen des Blutdruckes bei psychischen Vorgängen an gesunden und kranken Menschen. Von Ernst Gellhorn und Hans Lewin. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Berlin und der II. Medizin. Klinik der Charite.) Einer Anregung von Herrn Professor Ernst Weber folgend unter- suchten wir mit Hilfe der Methode der fortlaufenden Registrierung des menschlichen Blutdruckes die Veränderungen des Blutdruckes bei Un- lustgefühlen, Schreck und geistiger Arbeit sowohl bei normalen Personen als auch an Kranken und Rekonvaleszenten, letzteres in der Erwartung, daß sich bei Kranken ein anderes Verhalten wie bei Normalen finden würde, wie das E. Weber und andere ähnlich auch bei Registrierung nur des Vo- lumen-Verhaltens der Glieder gefunden hatten, ferner in der Hoffnung, in .der Beobachtung des Rückganges der evt. abnormen Erscheinungen einen direkten neuen Nachweis für das Fortschreiten der Rekonvaleszenz zu finden. Es handelte sich für uns zunächst im wesentlichen darum, durch wieder- holte Untersuchungen an gesunden Menschen festzustellen, wie sich nor- maler Weise der Blutdruck bei gewissen psychischen Vorgängen verhält, das heißt also, Blutdruckkurven zu gewinnen, die wir als Normalkurven bezeichnen können. - Wir erhielten durch eine Reihe von Untersuchungen derartige Normal- kurven und konnten nunmehr durch Wiederholung der Versuche an Kranken feststellen, ob und in welcher Weise das Verhalten des Blutdrucks beim Kranken von dem des Gesunden abwiche. Bevor wir zur Besprechung der Kurven übergehen, muß noch einiges über die von uns benutzten Apparate vorausgeschickt werden. Zur fortlaufenden Registrierung des Blutdruckes bedienten wir uns der von E. Weber in diesem Heft des Archivs beschriebenen Methode. Um einen Anhalt dafür zu haben, daß die Veränderungen an den Blutgefäßen, Archivf. A.u.Ph. 1913. Physiol. Abtlg. 15 226 ENRST GELLHORN UND Hans LEwIin: die bei den verschiedenen Einflüssen eintraten, und die, wie Weber! früher gezeigt hat, in bestimmten Fällen, so auch'bei Ermüdung, anders ausfallen, ja sich sogar umkehren, die normalen waren, schrieben wir gleichzeitig die Volumkurve mittels des Arm- oder Fingerplethysmographen. Es war dies deshalb nötig, weil wir annehmen müssen, daß die Ver- änderungen an den Blutgefäßen auch die Änderungen des Blutdruckes in bestimmter Weise beeinflussen. Dadurch, daß wir stets Volum- und Blutdruckkurve gleichzeitig aufnahmen, unterscheidet sich unsere Versuchs-Anordnung wesentlich von der früherer Untersucher. Nur in einer Arbeit von Binet und Vaschide? fanden wir eine Tafel, auf der Volumkurve und Blutdruckkurve bei geistiger Arbeit gleichzeitig verzeichnet sind. Diese Kurve ist als Nr. 4 in der vor- stehenden Arbeit E. Webers reproduziert; ein deutlicher Effekt ist an der Volumkurve nicht zu erkennen. In den anderen Versuchen, die auch an Zahl nur gering sind, nahmen Binet und Vaschide nur die Blutdruckkurve auf; doch ist die gleichzeitige Registrierung des Volumens, wie schon vorher betont ‚wurde, so wesentlich, daß sie von uns in keinem Falle fortgelassen wurde. Bei den Versuchen am Krankenbett stellten sich diese Apparate als zu unbequem, ja geradezu als unbrauchbar heraus, so daß der eine von uns (Lewin) eine Modifikation der beiden Apparate vornahm. Die Beschreibung dieses Apparates, der es gestattet, die Änderungen des Blutdruckes und des Volumens an den Fingern ein und derselben Hand festzustellen, findet sich an anderer Stelle. ® Aus den zahlreich gewonnenen Kurven seien hier einige herausgegriffen und reproduziert. In Fig. 1 erhielt die Versuchsperson bei +, damit ein Unlustgefühl erregt wird, eine Lösung von Magnesiumsulfat. Um dieses Unlustgefühl, das durch den schlechten Geschmack des Bittersalzes hervorgerufen ist, zu beseitigen, erhält die Versuchsperson bei — einige Schlucke Wasser. Man erkennt nun, wie bei + sofort ein starkes Sinken der Volumkurve des Armes eintritt, und wie die einzelnen Pulse der Volumkurve einander schneller folgen und kleiner werden. Mit dem Nachlassen des Unlustgefühles bei — steigt die Kurve wieder an, die Pulse werden größer und seltener. ! E. Weber, Die Beeinflussung der Blutverschiebungen bei psychischen Vor- gängen durch Ermüdung. Dies Archiv. 1909. Physiol. Abtlg. S. 367. ® L’annee psychologique 1897. 8. 127. A. Binet et N. Vaschide, Influence du travail intellectuel, des emotions et du travail physique sur la pression du sang. 3 Zentralblatt für Physiologie. Bd. XXVII. Nr.6. S. 321. Hans Lewin, ‚Beschreibung eines Apparates zur gleichzeitigen Registrierung des menschlichen Blutdruckes und des Volumens. VERÄNDERUNGEN DES BLUTDRUCKES BEI PSYCHISCHEN VORGÄNGEN. 227 Die darüber befindliche Blutdruckkurve zeigt bei + ein rasches Ansteigen des Blutdruckes, erkennbar an dem sehr starken Größerwerden der Pulse, nach dem Zeichen — ein etwas langsameres Sinken des Blutdruckes, so daß am Ende des Versuches die Blutdruckhöhe etwa dieselbe ist, wie vor dem Versuch. Man sieht außerdem noch, daß die Blutdruckkurve ganz geringe Schwankungen in der Horizontalen aufweist. Diese Schwankungen, die auf Verschiedenheiten des Füllungszustandes des Zentralgefäßes des Fingers hindeuten, sind im Verhältnis zu den Veränderungen des Blutdruckes nur gering und sollen daher auch bei den folgenden Kurven nicht weiter be- rücksichtigt werden. Blutdruckkurve ihullilin,: | In ss | | IN ILAMTIM Il I | Ilm il IM im Mil l (| M an Volumkurve Big? T. Bei + erhält die Versuehsperson Magnesiumsulfat, bei — Wasser. Dureh diese Blutdruckkurve ist demnach bewiesen, daß bei Unlust an normalen Personen eine Blutdrucksteigerung eintritt. In der Fig. 2, die von einer anderen Person stammt, ist das Sinken der Volumkurve noch stärker als in Fig. 1. Hier tritt sofort nach Darreiehung von einigen Körnchen Kochsalz ein starker Abfall der Volumkurve ein, um auf die Darreichung von Wasser bei — fast ebenso schnell anzusteigen. Entsprechend finden wir bei der Blutdruckkurve bei + ein sehr rasches Steigen, bei — ein sehr deutliches, allerdings nicht so rasches Sinken des Blut- druckes verzeichnet. Wie die Blutdruckkurve der Fig. 1 zeigt also auch diese, daß das Unlustgefühl mit einer Steigerung des Blutdruckes verbunden ist. 5 228 ERNST GELLHORN UND Hans LEwin: Die Kurven der Fig. 3 zeigen im wesentlichen dasselbe Verhalten wie die der Fig. 1 und 2. Auch hier wird Kochsalz gegeben. Bei + sinkt die Volumkurve, steigt dann schon vor dem —, d. h. vor der Darreichung Blutdruck- kurve Volum- kurve Mi "u 1 TREE Fig. 2. Bei + erhält die Versuchsperson Kochsalz, bei — Wasser. von Wasser um ein geringes an, sinkt dann wieder, um beim —, nach Dar- reichung von Wasser, schnell anzusteigen. Das Unlustgefühl hat schon vor dem — etwas nachgelassen, wurde dann wieder etwas stärker, und ver- Blutdruckkurve Volumkurve i Yı) T 4 a li! Fig. 3. Bei + erhält die Versuchsperson Kochsalz, bei — Wasser. schwand dann nach dem Genuß des Wassers. Die Blutdruckkurve ent- spricht in ihrem Verhalten der Stärke des Unlustgefühle.. Bei + tritt sofort ein starkes Steigen des Blutdruckes ein. Dem sich in der Volumen- VERÄNDERUNGEN DES BLUTDRUCKES BEI PSYCHISCHEN VORGÄNGEN. 2299 kurve durch den ersten Anstieg kennzeichnenden Nachlassen des Unlust- gefühles entspricht ein Sinken des Blutdruckes, dem durch Abfall der Vo- lumenkurve gekennzeichneten Wiederauftreten des Unlustgefühles ein ziem- lich bedeutendes Steigen des Blutdruckes. Nach der Darreichung des Wassers bei — sinkt der Blutdruck konstant, entsprechend dem andauernden Anstieg der Volumkurve. Wieder sehen wir also, daß das Unlustgefühl von einer Steigerung des Blutdruckes begleitet ist. Im Anschluß an diese Unlustkurven sei in Fig. 4 eine Schreckkurve wiedergegeben. Bei + wurde mit großem Geräusch ein schwerer Stuhl umgeworfen. Ganz plötzlich tritt dabei eine Steigerung des Blutdruckes Blutdruckkurve N Mt ISIS IH Volumkurve Fig. 4. Bei + wird ein schwerer Stuhl mit Gewalt umgeworfen. ein, bedeutend rascher als z. B. bei der Unlustkurve in Fig. 2. Allmählich sinkt der Blutdruck wieder in dem Maße, in dem sich die Versuchsperson von dem Schreck erholt. Die Volumkurve zeigt das für Schreck normale Verhalten: bei + rasches Absinken, dann etwas langsamer erfolgendes Wiederansteigen. Die Kurve zeigt sehr deutlich, wie bei Schreck also ebenfalls der Blut- druck ansteigt. Be Es folgen jetzt die Kurven, die wir bei geistiger Arbeit der Versuchs- person erhielten. Wir ließen, um die Versuchspersonen geistig arbeiten zu lassen, von ihnen Rechenaufgaben ausrechnen. Wir hatten auf einem Blatt Papier, das so vor der Versuchsperson lag, daß sie die Zahlen gut lesen konnte, ohne sich dabei zu bewegen, mehrere Multiplikationen zweistelliger Zahlen aufge- 230 ERNST GELLHORN UND Hans Lewin: schrieben und forderten nun die betreffenden Personen auf, während einer bestimmten Zeit (von + bis —) zu rechnen. Wir unterrichteten vor dem Versuche die Versuchspersonen, daß sie die Resultate uns nicht mitteilen sollten, und daß es uns auch nicht darauf ankäme, richtige Lösungen der gestellten Aufgaben zu erhalten, sondern daß uns nur daran läge, sie während einer gewissen Zeit, — von + bis —, — dauernd zu beschäftigen. Auf diese Weise erhielten wir unter vielen anderen die folgenden Kurven. Die Kurven der Fig. 5 zeigen die Änderungen des Volumens der kleinen Gefäße und des Blutdruckes im Zentralgefäß des Fingers. Blutdruckkurve INNERER TINTE AHHNHEK HUN FR \ TR RRIRRRR Volumkurve Fig. 5. Von + bis — wird gerechnet. Vom zweiten + wird weiter gerechnet. Bei + tritt sehr rasch eine Steigerung des Blutdruckes ein. Erst nach Beendigung der geistigen Arbeit bei — sinkt der Blutdruck allmählich auf das ursprüngliche Niveau. In dem gleich darauf folgenden Versuch tritt ebenfalls mit dem Beginn des Rechnens eine Blutdrucksteigerung ein. Die Volumkurve zeigt das für geistige Arbeit normale Verhalten. Bei + sinkt die Kurve stark ab, und die Pulse werden kleiner. Vom — an steigt die Kurve allmählich wieder an, wobei die Pulse größer werden, und beim zweiten + kommt es zu einem erneuten Abstieg der Volumkurve. Als Resultat ergibt sich demnach aus dieser Blutdruckkurve, daß geistige Arbeit eine Steigerung des Blutdrucks bewirkt, genau so wie Schreck und Unlust. Die Kurven der Fig. 6 sind in ihrem Verhalten noch deutlicher als die Kurven der Fig. 5. VERÄNDERUNGEN DES BLUTDRUCKES BEI PSYCHISCHEN VORGÄNGEN. "231 Die Volumkurve zeigt das für geistige Arbeit normale, vorher geschilderte Verhalten. Aus der Blutdruckkurve erkennen wir wiederum, daß zu Beginn Blutdruckkurve Im il hl iM A Il AUUMUUNTET na "1 Volumkurve Fig. 6. Von + bis — wird gerechnet; vom zweiten + wird weiter gerechnet. der geistigen Arbeit (bei +) der Blutdruck rasch ansteigt, nach Beendigung der Tätigkeit (bei —) langsam wieder absinkt. Beim Beginn des zweiten Versuches ist ebenfalls das Steigen des Blutdruckes sehr ausgeprägt. Blutdruckkurve al Volumkurve Fig. 7. Von + bis — wird gerechnet. Als letzte Kurve für geistige Arbeit sei die Kurve der Fig. 7 betrachtet. Auch hier finden wir die normale Volumkurve und eine Blutdruckkurve, die den vorhergehenden gleicht. Zu Beginn der geistigen Arbeit steigt der 232 ERNST GELLHORN UND Hans LeEwin: Blutdruck rasch an, nach Beendigung der Tätigkeit sinkt er etwas langsamer, entsprechend dem langsameren Anstieg der Volumenkurve. Viele andere Kurven, die wir durch zahlreiche Versuche an verschiedenen Personen erhielten, zeigten das gleiche Verhalten wie die hier wiederge- gebenen. Wir mußten uns bei der ‚Reproduktion der sn auf eine kleinere Zahl beschränken. Fassen wir unsere Versuchsergebnisse zusammen, so ergibt sich folgendes: Durch die fortlaufende Blutdruckregistrierung ist festgestellt, daß unter normalen Verhältnissen an Gesunden bei Unlustgefühl, Schreck und geistiger Arbeit gleichzeitig mit der Verengerung der Kapillargefäße der äußeren Teile, der eine Erweiterung der Gefäße in den Bauchorganen entspricht (siehe Web er), eine Blutdrucksteigerung eintritt, die mit der Beendigung des betreffenden psychischen Vorganges und der Gefäßveränderungen wieder verschwindet. | Es sei darauf hingewiesen, daß frühere Experimentatoren, die mit Einzelmessung des Blutdrucks mit dem Apparat von Riva-Rocei, Üskoff usw. gearbeitet hatten, zum Teil zu anderen Resultaten kamen, da ihre Messungen offenbar zu spät vorgenommen wurden. Es zeigt sich also die Überlegenheit der von uns angewendeten Methode der an Blut- druckmessung. Wenden wir uns nun zur Erörterung der Ursache dieser Blutdruckstei- gerung! Auf Grund unserer Kulen und in Berücksichtigung der von E. Weber durch plethysmographische Untersuchungen über das Verhalten des Vo- lumens der Bauchgefäße gewonnenen Resultate kommen wir zu folgendem Schluß: Die bei gewissen psychischen Vorgängen gefundene Blutdrucksteigerung kann durch zwei Faktoren bewirkt werden: 1. Durch die Kontraktion der äußeren Gefäße. 2. Durch eine erhöhte Arbeitsleistung des Herzens. Schon Lehmann? hatte früher angegeben, daß bei psychischer Arbeit eine Blutdrucksteigerung eintritt. Nach seinen Versuchen konnte er dies auch annehmen, da die von ihm beobachtete Steigerung der Pulsfrequenz und Kontraktion der Hautgefäße eine Blutdrucksteigerung in der A. radıialis wahrscheinlich machte. Als Weber dann jedoch feststellte, daß bei geistiger Arbeit, Schreck und Unlust die Bauchgefäße sich erweitern, 1 E. Weber, Über die Ursache der Blutverschiebung bei verschiedenen psy- chischen Zuständen. Dies Archiv. 1907. Physiol. Abtlg. S. 293. ?2 A. Lehmann, Körperliche Äußerungen psychischer Zustände. Teil 3. 1905. S. 456. VERÄNDERUNGEN DES BLUTDRUCKES BEI PSYCHISCHEN VORGÄNGEN. 233 konnte man nicht mehr durch bloße Überlegung zu einem sicheren Urteil kommen, ob bei diesen drei psychischen Zuständen eine Blutdrucksteigerung oder Blutdrucksenkung eintreten würde. Da nun jedoch durch die Methode der fortlaufenden Blutdruckschrei- bung eine Blutdrucksteigerung bei geistiger Arbeit, Schreck und Unlust festgestellt worden ist, da ferner durch Weber gezeigt worden ist, daß bei den gleichen Vorgängen die Bauchgefäße sich erweitern, so ergibt sich un- zweifelhaft, daß die Tätigkeit der Bauchgefäße als unterstützendes Agens bei der Steigerung des Blutdruckes auszuschließen ist. Es bleiben also nur noch die schon angeführten zwei Faktoren: Die Kontraktion der äußeren Gefäße und die gesteigerte Herztätigkeit. Blutdruckkurve ham | PR Al IR HU UN Null" Ih" Volumkurve Fig. 8. 13.1. 1913. Bei + erhält die Versuchsperson Kochsalz, bei — Wasser. Daß die äußeren Gefäße sich kontrahieren, ist bewiesen. Dagegen ist eine erhöhte Arbeitsleistung des Herzens durch experimentelle Untersuchungen noch nicht sichergestellt Wir wissen bisher nur etwas von der Frequenz der Pulse, und diese ist, wie bekannt, bei geistiger Arbeit in ihrer Gesamtheit beschleunigt, bei Schreck verlangsamt, bei Unlust beschleunigt, also in den 3 Fällen verschieden. Ob sich das Schlagvolumen bei psychischen Vorgängen gleich bleibt, ob es größer oder kleiner wird, darüber wissen wir noch nichts. Wir können nicht aus einer gesteigerten Frequenz des Herzschlages direkt auf eine erhöhte Arbeitsleistung des Herzens schließen und umgekehrt; das beweisen die Untersuchungen über die Wirkung der Digitalis, wo die Frequenz abnimmt und der Blutdruck steigt, also der Abnahme der Frequenz eine gesteigerte Arbeitsleistung des Herzens entspricht. 234 ERNST GELLHORN UND Hans LEwin: Weitere Untersuchungen werden demnächst von uns angestellt werden, um nach Möglichkeit das Verhalten des Herzens bei psychischen Zustanden im einzelnen kennen zu lernen. Doch sehen wir von diesen theoretischen Erwägungen ab, so ist jeden- falls durch unsere Untersuchungen festgestellt, daß bei geistiger Arbeit, Schreck und Unlust der Blutdruck am normalen Menschen cine Steigerung erfährt. Die folgenden Kurven werden zeigen, welche Abweichungen im Ver- halten des Blutdruckes unter pathologischen Verhältnissen sich ergeben. Patient A. W., Portier, 32 Jahre alt, wird am 28. Dezember 1912 in die Zweite medizinische Klinik der Charite aufgenommen. Diagnose: Pleuritis exsudativa auf tuberkulöser Grundlage. Nuypliirit . I 3 ] r } j} Yu Y1) utdruekku ve IIMAN aaa) Volumkurve Fig. 9. 17.1. 1913. Bei + erhält die Versuchsperson Kochsalz, bei — Wasser. Wir untersuchten den Patienten in der Zeit vom 13. I. 1913 bis 26. II. 1913.1 Hohe Temperaturen bis 39-8° hatte Patient im den ersten Tagen, als er in die Charite kam. Vom 4. Januar an sank die Temperatur unter dem Einfluß der Therapie (Punktionen und Aspirin) bis zur Norm herab. Vom 12. I. bis 22. I. treten wieder etwas größere Temperaturschwankungen auf (von 36 bis 38°), die vom 22. I. ab, als Patient wieder Aspirin erhielt, verschwinden. Die Temperaturkurve ist vom 22. I. ab bis zur Entlassung des Patienten am 17. II. annähernd normal. | 1 Herr Oberarzt Dr. Citron hatte die Freundlichkeit, uns die erforderlichen Apparate zur Verfügung zu stellen. VERÄNDERUNGEN DES BLUTDRUCKES BEI PSYCHISCHEN VORGÄNGEN. 235 Die Versuchsperson erhält am 13.1.1913 bei + etwas Kochsalz, bei —, Fig.8, Wasser. Die Volumkurve ist wenig charakteristisch. Dies liegt daran, daß bei Kranken die Volumschwankungen stets geringer sind als beim ge- sunden Menschen. Oft ist überhaupt kein deutlicher oder sogar ein um- gekehrter Effekt zu sehen. Von Wert ist aber die Aufnahme der Volumkurve deshalb, damit man sehen kann, ob eine Umkehrung in dem Verhalten des Fingervolumens eintritt oder nicht. (Vgl. Kurve 14, die von demselben Patienten stammt, als dieser bereits aus der Klinik entlassen war. Hier ist die Volumschwankung sehr beträchtlich.) Dagegen ist an der Blutdruckkurve deutlich zu sehen, wie die Pulse bei + kleiner werden und bei — allmählich wieder die ursprüngliche Größe erlangen, daß also das Umgekehrte wie beim Normalen eintritt. Daß dieses Verhalten des Blutdruckes typisch für den pathologischen Zustand des Patienten ist, zeigen noch deutlicher die folgenden Kurven, die ebenfalls von diesem Kranken stammen. In Fig. 9 erhält Patient am 17. I. 1913 bei + Kochsalz und bei — Wasser. Die Volumkurve sinkt anfangs langsam, dann rascher, steigt darauf wieder etwas an, um nochmals unter typischer Verkleinerung der Pulse zu sinken. Die Blutdruckkurve ergibt eine ganz deutliche Abnahme des Druckes während des Versuches. Von — ab nehmen die Pulse wieder an Größe zu. Es verhält sich also hier die Volumkurve nahezu normal, während die Blutdruckkurve die abnorme Verkleinerung der Pulse, d.h. das Sinken des Blutdrucks zeigt. (Die einzelnen Zacken in der Kurve sind durch Husten bedingt.) Die folgenden Kurven (10 bis 12) beweisen, daß der Blutdruck bei diesem Patienten nicht nur bei Unlustgefühl, wie dies die eben beschriebenen Kurven 8 bis 9 dartun, sinkt, sondern auch bei geistiger Arbeit. Die Volumkurve in Fig. 10 (am 10. 11. 1913 aufgenommen) sinkt von + ab in ganz normaler Weise, steigt jedoch vor dem — schon wieder an, was auf bestehenden Ermüdungszustand hindeutet.! Trotzdem in dieser Kurve und besonders in Fig. 11 (ebenfalls am 10. II. 1915 aufgenommen) keine deutliche Wirkung auf das Volumen stattfindet, so ist die psychische Arbeit doch groß genug, um einen ganz deutlichen Effekt in der Blutdruckkurve hervorzurufen. Die Pulse der Blutdruckkurve werden in Figg. 10 und 11 sogar so klein, daß sie nur noch undeutlich wahrzunehmen sind. Auch in Fig. 12 (am 12. II. 1913 aufgenommen), in der ebenfalls geistige Arbeit verrichtet wird, sinkt der Blutdruck bei + sehr stark und erreicht bei — wieder die frühere Größe. Die Volumenkurve sinkt bei + ebenfalls 1 E. Weber, Die Beeinflussung der Blutverschiebungen bei psychischen Vor- gängen bei Ermüdung. Dies Archiv. 1909. Physiol. Abtlg. S. 367. 236 ERNST GELLHORN UND Hans Lewin: deutlich, steigt aber früher an als der Versuch beendet ist. Die Kurve neigt also auch zu der Umkehrung wie sie im ’/Ermüdungszustande eintritt, die Blutdruekkurve PSMR LET Volumkurve Kam ger Burn N! z ING Bie-10, 10. II. 1913. Von + bis — rechnet die Versuchsperson. hier aber offenbar pathologisch ist, da sie sehr schnell eintritt und auch am Morgen — wir untersuchten den Patienten stets um dieselbe Zeit vormittags — bei dem Patienten sich findet. Blutdruekkurve Volumkurve Mm BA ya EN N aaa all 10. II. 1913. Von + bis — rechnet die Versuchsperson. Man könnte daran denken, daß die Umkehrung der Blutdruckänderung bei diesem Patienten bei den verschiedenen Einflüssen (Unlust und VERÄNDERUNGEN DES BLUTDRUCKES BEI PSYCHISCHEN VORGÄNGEN. 937 geistiger Arbeit) unmittelbar zusammenhängt mit dem pathologischen Ver- halten der Volumkurve, obwohl dagegen spricht, daß die Blutdruck- änderung immer hier die umgekehrte war, die Volumänderung aber bis- weilen ganz ausblieb (Fig. 11) oder erst normal begann und sich dann um- kehrte. Um nun festzustellen, ob die Umkehrung der Blutdruckänderung immer mit der Umkehrung der Volumänderung zusammenhängt, nahmen wir auch an Gesunden Blutdruck-und Volumkurven auf, nachdem die Versuchspersonen sich zum Versuche in der Weise, wie dies E. Weber! beschrieben hat, stark ermüdet hatten. Von der Versuchsperson, von der die Kurven der Fig. 13 Blut- druck - ÄCRCROERTUUNRNTRTTOTCORR kurve a LS RRREFRERHR Volum- | PUROy, kurve we Volum- Blut- kurve druck- kurve Fig. 12. Fig. 13. 12. II. 1913. Von + bis — rechnet die Versuchsperson. herrühren, erhielten wir im normalen Zustande stets ein deutliches Sinken der Volumkurve, verbunden mit einem Steigen des Blutdruckes bei geistiger Arbeit (vgl. Kurve 6). In dem absichtlich herbeigeführten Ermüdungs- zustande — nach angestrenstem 3stündigen Marsche — änderte sich nur die Volumkurve. In Fig. 13 rechnete die Versuchsperson von + bis —. Die Volumkurve steigt hier deutlich an, zeigt also das typische Verhalten der Volumkurve in der Ermüdungs, in der, wie E. Weber nachgewiesen hat, die Volumina der Extremitäten zunehmen. Die Blutdruckkurve zeigt aber keinerlei Ermüdungsveränderungen, sondern ergibt, daß der Blutdruck ı E. Weber, dies Archiv. 1909. Physiol. Abtlg. S. 367. 238 ERNST GELLHORN und Hans LEwIn: im Ermüdungszustande ebenso bei + ansteigt, um bei — wieder die frühere Größe anzunehmen, wie unter ganz norrhalen Bedingungen. Dies beweist, daß die Umkehrung der Blutdruckänderung, d.h. das Sinken des Blutdrucks bei geistiger Arbeit und Unlust, bei unserem Patienten an sich wohl pathologische Bedeutung hat und von einer Veränderung der Herztätigkeit verursacht ist, nicht aber von der Veränderung der Gefäß- reaktion, falls nicht das Verhalten der Gefäße der Bauchorgane ebenfalls ein anderes geworden ist als beim Normalen. Zur Entscheidung dieser Frage muß demnach noch das Verhalten der Gefäße der Bauchorgane und das Verhalten des Herzens besonders beobachtet werden, worüber noch später hier berichtet werden wird. Volumkurve Blutdruckkurve Hm Fig. 14. 26. II. 1913. Bei + erhält die Versuchsperson Kochsalz, bei — Wasser. Am 17. II. 1913 wurde Patient aus der Klinik gesund entlassen; am 26. II. 1913 hatten wir Gelegenheit, von dem Patienten Kurven auf- zunehmen. In Fig. 14 erhielt Patient bei + Kochsalz und bei — Wasser. Der Er- folg ist hier ein überaus deutlicher und völlig anderer, als bei den früheren Versuchen an diesem Patienten. Die Volumkurve sinkt sehr stark ab und steigt erst, als Patient bei — Wasser erhält, wieder an. Die Blutdruckkurve zeigt bei + eine sehr starke Vergrößerung der Pulse, die bei — wieder abnimmt. Die Blutdruckkurve ist also hier genau VERÄNDERUNGEN DES BLUTDRUCKES BEI PSYCHISCHEN VORGÄNGEN. 239 den Kurven in Fig. 1 bis 3 gleich, die wir von gesunden Versuchspersonen erhalten hatten. (Die Schwankung in der Horizontalen der Blutdruckkurve in Fig. 14 bei — ist durch Bewegungen beim Trinken des Wassers hervor- gerufen.) ; Die Versuche ergeben also, daß der Blutdruck bei geistiger Arbeit und Unlustgefühlen bei unserem Kranken sinkt, — bei einigen anderen Kranken erhielten wir das gleiche Resultat, doch konnten wir aus äußeren Gründen sie nicht bis zur Rekonvaleszenz beobachten, — beim Gesunden aber steigt, auch wenn dieser sich in einem Ermüdungszustande befindet. Während die Volumkurve leicht Schwankungen unterworfen ist, da schon Ermüdung den entgegengesetzten vasomotorischen Effekt hat, zeigt die Blutdruckkurve ein konstantes Verhalten. Es ist wohl nicht zufällig, daß gleichzeitig mit der Genesung des Pa- tienten die normale Steigerung des Blutdruckes bei psychischer Arbeit und Unlustgefühl eintritt, während wir vorher, während der Krankheit, eine Senkung des Blutdruckes beobachtet hatten. Sollte dieses Verhalten des Blutdruckes in anderen Fällen als regelmäßige Erscheinung festgestellt werden, so dürfte sich diese Untersuchungsmethode, da ja nur ein einfacher Apparat erforderlich ist, auch wohl klinisch als Nachweis für das Fort- schreiten der Rekonvaleszenz verwerten lassen. Herrn Geheimrat Kraus sind wir für die freundliche Überlassung der Patienten zu großem Danke verpflichtet. Herrn Professor E. Weber sprechen wir auch an dieser Stelle für seine Unterstützung bei dieser Arbeit unseren Dank aus. Betrachtungen über die Resorptionsvorgänge der Organzellen. Von M. Rubner. Ik Die Resorption der Nahrung hat den fortwährenden Verlust im Stoff- und Kraftwechsel lebender Wesen durch neues Material zu ersetzen. Je größer die Konsumtion, um so lebhafter der Nachschub frischer Nahrungs- stoffe. Die experimentelle Methodik hatte sich auf diesem Gebiete haupt- sächlich mit der zeitlichen Verteilung der Resorption, mit der Vorbereitung des Nährmaterials durch die Verdauung und ähnlichem zu beschäftigen. Im allgemeinen hält man die Darlegung der Resorption mit der Schil- derung der Aufnahme der Nahrungsbestandteile in den Blutstrom oder Lymphstrom für erledigt. Bei dieser Umgrenzung kommt das Gebiet der eigentlichen Zellernäh- rung und Nahrungsresorption durch die Zellen selbst zu kurz. Während man die vielverschlungenen Wege, die zu einer Scheidung des Verdaulichen vom Unverdaulichen, zu einer Umwandlung der Nahrungs- bestandteile unter Aufbau und Abbau von Produkten führen, annähernd kennt, ist man über die Verbindungen, die schließlich als Resorbiertes ins Blut gelangen, und zur eigentlichen Zellnahrung bestimmt sind, diffe- renter Meinung; von einer exakten quantitativen Messung solcher kann zur- zeit nicht die Rede sein. Aus dem Blute bildet sich erst die Gewebeflüssigkeit unter Veränderung der Zusammensetzung beim Durchgang durch die Kapillar- wand, weil ja das im Blut kreisende Nährmaterial nicht allein für die Zellen im allgemeinen, sondern auch für bestimmte Zellgebiete und für die Nah- rungsdepots bestimmt ist. MAx RUBNER: Die RESORPTIONSVORGÄNGE DER ÖRGANZELLEN. 241 Die Organisation des Körpers ist so getroffen, daß das Blut zwar Nah- rungsüberschüsse zeitweilig beherbergt, aber durch Ablagerung von Gly- kogen z. B. in der Leber, durch Fett in den Fettdepots eine gleichmäßige Zusammensetzung anstrebt. Die Wanderung der Stoffe bis zur Zelle zu verfolgen, sie quantitativ zu messen und experimentell zu variieren, das gehört, bis heute wenigstens, zu den unlösbaren Aufgaben. Einige Aufklärung über den zeitlichen Verlauf der Nahrungsresorption durch die Zellen erhält man durch das Studium namentlich der gasförmigen Ausscheidungsprodukte, wobei aber unbekannt bleibt, wieviel von dem resorbierten Material als Depotstoffe abgelagert worden ist und welches die Konzentration und Mischung der nährenden Stoffe im Gewebesaft war. Bei dieser Sachlage einerseits und dem Bedürfnis nach einer genauen Erkenntnis der Aufnahme von Nahrung durch die Zellen andererseits, müssen wir in Erwägung ziehen ob es nicht möglich ist, auf vergleichend physio- logischer Basis zu einem Resultat zu gelangen, das uns über die Bedingungen der Resorption im einzelnen näher unterrichtet. Nachdem ich schon früher! die Grundzüge des Stoff- und Kraftwechsels der Hefe, das Wachstum, die Rolle der Fermente usw. dargelegt habe, will ich aus meinem Versuchsmaterial über jene Tatsachen berichten, die uns ein Bild der Nahrunesresorption geben können. Ich habe bewiesen, daß die Alkoholsärung keine Fermentwirkung in dem bisher behaupteten Sinne ist. Zwar kommt ein kleiner Teil der Zuckerzersetzung auf Kosten eines vor- gebildeten Ferments, der ganz überwiegende Teil der Zerlegung aber ist ein vitaler Vorgang, und der Zucker ist der Nahrungsstoff, aus welchem die Hefe ihre Energiebedürfnisse bestreitet. Das Eiweiß der Hefezelle und ihrer Nahrung ist keine Energiequelle. Von dem Eiweiß wird nur der Aufbau neuer Zellen bestritten, oder ein Ersatz geliefert für kleine mit dem Kraft- wechsel und Leben unvermeidliche Zerstörungen der lebenden Substanz, ähnlich, wie wir letzteres auch bei höheren Organismen allgemein sehen. Bei den Fragen der Resorption kann ich mich also bei der Hefe auf Eiweiß und Zucker als die wesentlichen organischen Nährstoffe beschränken, der Salzstoffwechsel bleibt vorläufig außer Betracht. Zw Experimenten dieser Art eignet sich die Hefe auch deshalb, weil bei ihrem enormen Kraftwechse! für die Körpergewichtseinheit, die Aul- speicherung von Vorratsnahrung, also etwa des Glykogens, auf die Resul- tate keinen Einfluß übt, oder weil sich wenigstens die Versuche unschwer so anordnen lassen, daß diese Fehlerquelle, die bei den Säugern eine ganz ! Dies Archiv. 1912. Physiol. Abtlg. Suppl. Archivf.A.u.Ph. 1913. Physiol. Abtilg. 16 242 Max uam hervorragende Bedeutung finden Bus, in genügendem Grade auszu- schließen ist. Wir können die resorbierenden Flächen sehen und genau messen. Unbekannt bleibt uns nur die genauere Natur dieser Zellhaut; über der- artige Mängel unseres heutigen Wissens kommen wir auch bei den Organ- zellen der höheren Organismen nicht hinweg. Die Größe der Resorption läßt sich auf zwei Wegen prüfen, entweder durch den Verlust der Nährlösung an Stoffen, unter Beachtung der Ver- änderung der Zusammensetzung der Zellen oder durch den Umsatz der resorbierten Stoffe. Für den letzten Fall bietet die Untersuchung des Stoff- wechsels in der Form der Biokalorimetrie, wie ich sie zuerst für diese Auf- gaben angewandt habe, den besten Weg, schon deshalb, weil sich thermisch die Stoffwechseländerungen so besonders schnell und für beliebig kurze Zeiträume verfolgen lassen. Die Nahrungsresorption durch Zellen stellt man sich zumeist mangels einschlägiger Experimente etwa nach den Erfahrungen vor, die man sich aus den Kenntnissen über die Rolle des Nahrungsschlauches bezüglich der Aufnahme von Stoffen gebildet hat. Es ist eine häufig gemachte Annahme, daß die Resorption der Zelle wesentlich von der Konzentration der dar- gebotenen Nährflüssigkeit abhängig sei, wobei man also voraussetzt, daß auch die Lebensäußerungen bzw. der Stofi- und Kraftwechsel solcher Zellen von der Nahrungsmenge in erster Linie abhängig seien. Zu verdünnte Lösungen sollen, wie auch zu konzentrierte zu plasmolytischen Erschei- nungen führen. Derartige Annahmen schienen früher auch durch gelegentliche Beob- achtungen an Mikroorganismen gestützt zu werden, man hat solches daher auch für die Hefe behauptet. Die älteren Experimentatoren haben irgendeine Unterscheidung zwi- schen Wachstumsleben und wachstumslosem Stoff- und Kraftwechsel nicht gemacht und sind schon dadurch zu falschen Schlüssen gekommen. Ich habe dargetan, dab man die einzelligen Organismen sehr leicht unter solchen Bedingungen untersuchen kann, wie sie unserem Leben in ausge- wachsenem Zustande entspricht. Da das Leben ohne Wachstum die ein- facheren biologischen Bedingungen bietet, so habe ich auf dessen Unter- suchung hauptsächlich mein Augenmerk gerichtet. Bei der Hefe kann man die ersten und wichtigsten Fragen, ob ver- schiedene Konzentrationen auch eine Verschiedenheit der Resorption und Konsumtion des Nährmaterials herbeiführen, leicht entscheiden. Man hat dazu nur nötig, mit bestimmten Mengen Hefe die Gärung in verschiedenen Zuckerkonzentrationen einzuleiten. DıE RESORPTIONSVORGÄNGE DER ÖRGANZELLEN. 243 Man sieht dann, daß die vitale Gärungsintensität (von kleinen Mengen Zucker, der aufgespeichert! wird und auf das Resultat keinen Einfluß übt, abgesehen) in weiten Grenzen von den Konzentrationen des Zuekers ab- solut unabhängig ist.” Zu konzentrierte und zu verdünnte Lösungen zeigen Abweichungen von dieser Gleichmäßigkeit, weil in ersteren plasmolytische Erscheinungen die Zelle in ihrer Arbeit hemmen, und in letzteren ein bald auftretender Nahrungsmangel die Zelleistung unmöglich macht. Unter den Bedingungen meiner Experimente waren Schwankungen der Konzentration des Zuckers von etwas über 2-5 Prozent bis 20 Prozent für die Resorp- tionsgröße völlig gleichgültig. Die Hefezelle läßt bei diesen großen Schwankungen der Zuckerkon- zentration die Nahrung stets in gleicher Menge in die Zelle treten und ver- arbeitet, unbekümmert um die Zuckerschwankungen das Nährmaterial in gleichbleibender Weise. Die Grenze 2-5 Prozent, als untere, hängt nicht mit dem Unvermögen der Zelle zusammen, so kleine Zuckermengen gut zu re- sorbieren, sondern war nur bedingt durch meine Versuchsanordnung, die ein gewisses Massenverhältnis innezuhalten hatte, um die technischen Schwierig- keiten der Experimente zu überwinden. Innerhalb der Grenzen normalen Lebens geht also stets nur so viel Zucker in die Zelle, als gerade für die Lebensleistungen erfordert wird. Die lebende Substanz zeigt durch diese Erscheinung, die man am besten Selbst- regulation nennt, daß sie es ist, und daß nicht etwa rein physikalische Verhältnisse es sind, welche den Nahrungsstrom regulieren. Diese quantitativen Messungen an der Hefezelle unter den Bedingungen ihres normalen Lebens bestätigen die Vorstellungen, die man sich auf anderen Wegen von der Rolle der Zellhaut gemacht hat. Sie zeigen gerade für die eigentliche Zellnahrung keine physikalische, sondern rein physiologische Permeabilität. | Die Resorption durch die Organzellen ist ein von der Resorption durch die Zellen des Verdauungstraktes ganz verschiedener Vorgang. Die Darm- resorption steigt bis zur bestimmten Maximalgrenze mit der Menge der eingeführten Stoffe. Die Zellen des Resorptionsgebietes werden gewiß auch die allgemeine Eigenschaft der Selbstregulation des Nahrungsbedarfes be- sitzen, die Überschüsse an Nährstoffen lassen sie aber ungehindert durch sich hindurch nach Blut und Lymphe treten. Auf ähnliche oder ganz übereinstimmende Eigenschaften der Organ- zellwände müssen wir auch bei den höheren Tieren schließen, denn auch ! Teils als Glykogen, teils in anderer Weise. > A.a. 0. 8. 104. 244 Max RUBNER: diese zeigen, wie ich zuerst dargetan habe, ausgeprägtest die Selbstregu- lation. Die Gesamtheit ihrer Zellen ordnet die Nahrungsaufnahme nach sanz bestimmten Bedürfnissen nicht die Menge der jeweilig vorhandenen Nährstoffe ändert den Kraftwechsel, sondern die Zellen entnehmen aus einem überschüssigen Vorrat nur so viel, als sie funktionell beanspruchen sollen. Der Resorptionszustand ist ganz von den vitalen Eigenschaften der lebenden Substanz abhängig. Die mildeste Form die Lebenseigen- schaften der Zelle zu verändern, ist die Anwendung der Plasmolyse. Plasmolytische Erscheinungen lassen sich bei der Hefe leicht durch Kochsalz einleiten. In konzentrierter Kochsalzlösung erscheinen die Hefe- zellen kleiner, doppelt konturiert, die Vakuolen verschwinden, das Proto- plasma zieht sich von der Zellwand zurück und wird dunkler. Ähnliche Erscheinungen, nur in abgeschwächter Form, sieht man etwa bis 4 Prozent Kochsalzlösung herab. Wie die chemische Untersuchung lehrt, nimmt mit steigender Kochsalzkonzentration der Wassergehalt der Hefe ab. Auch das Gärvermögen verringert sich bei höherem Kochsalzgehalt; 2—4 Prozent Kochsalzzusatz machten keine merkliche Veränderung, erst da, wo sich auch im mikroskopischen Bilde Veränderungen sichtbarer Natur ergeben, fällt das Gärvermögen und ist bei 12 Prozent Kochsalz so gut wie aufgehoben. Ähnlich wirken Alkohol oder andere giftige Substanzen in schwächerer oder stärkerer Dosis, oder die Schwankungen der Temperatur usw. Die Zellwand an sich ist kein Hindernis für die Aufnahme des Zuckers, sie wird allen Bedürfnissen gerecht, denn unter günstigen Umständen bei größerem Zuckervorrat wird auch mehr aufgenommen als in der Zeitein- heit zerlegt wird und Glykogen abgelagert. Das Verhältnis von Bedarf an Nahrung und Resorptionsmöglichkeit liegt also so, daß letztere die Ver- sorgung mit Nahrung unbedingt gewährleistet. Der naheliegende Gedanke der Rolle der Zellwand, durch das Zerstören der letzteren und die daraus resultierenden Folgen auf den Zuckerkonsum zu studieren, läßt sich nicht ausführen. Man sollte denken, daß nach Zer- trümmerung der Zellwand eine Zunahme der Zersetzung eintreten müßte, falls die Zellhülle einen regulierenden Einfluß auf die Resorption ausübt, oder ein Gleichbleiben des Zuckerumsatzes falls ein solcher Einfluß fehlt. Zerreibt man die Hefe, wie dies zur Herstellung des Preßsaftes viel- fach ausgeübt wird, und untersucht diesen Brei auf sein Gärungsvermögen, so ist dieses nicht etwa größer, als das der unversehrten Hefezelle, sondern viel kleiner und hält sich viele Stunden hindurch auf gleicher Höhe. Unter- sucht man mikroskopisch, so sieht man, daß keineswegs alle Hefezellen zertrümmert sind. Die normalen Hefezellen vertragen, wie ich gefunden DIE RESORPTIONSVORGÄNGE DER OÖRGANZELLEN. 245 habe, recht erhebliche Mengen von Gerbsäure ohne Veränderung des Gärungsvermögens. Die zerriebenen Hefezellen, deren freies Eiweiß in der Lösung enthalten ist, lassen sich leicht durch eine der normalen Zelle un- schädliche Gerbsäurekonzentration fällen. Trotzdem sinkt das Gärvermögen der zerriebenen, mit Gerbsäure versetzten Hefe nicht weiter als sonst, ein Beweis, daß das zerriebene Protoplasma tot ist. Die durch die Zellwand getretenen Nahrungsmengen hängen also nur von dem normalen Zustand der lebenden Substanz ab. Veränderungen des Wassergehaltes, andere Ordnung der Teile wie beim Zerreiben genügen, um alle Lebensfunktionen zu mindern oder aufzuheben, und ändern die Re- sorption. Der Ernährungsvorgang der Hefezelle spielt sich nicht nur so ab, daß von der umspülenden Nährflüssigkeit bestimmte Stoffe in bestimmten Mengen durch die Zellwand treten, sondern wir haben noch einer Besonder- heit der Zellwand, die mit den Lebensvorgängen im engsten Sinne nichts zu tun hat, zu gedenken. Ich habe gefunden, daß die lebende oder durch Toluol getötete Hefe außerordentlich rasch auch ohne Gärung einer Lösung von Zucker letz- teren entzieht. Wenn man Hefe auch nur 5 Minuten mit 20 Prozent Trauben- zucker zusammenbringt, kann man in der Lösung eine Abnahme von Zucker nachweisen. Nach längerem Liegen in Zucker — über 2 Stunden — war keine weitere Aufnahme von Zucker zu finden. Bei 100° getötete Hefe nahm keinen Zucker auf, Versuche bei 2° mit lebender Hefe ergaben Auf- nahme von Zucker. Es ist naheliegend, diesen Prozeß als Adsorption auf- zulassen. Aus einer 2-5—5-10 prozentigen Lösung wird schon durch die verdünteste relativ viel Zucker aufgenommen, ohne daß die Zunahme bei 5 und 10 Prozent Zucker merklich höhere Beträge erreicht. Die Menge des adsorbierten Zuckers ist bei 20 Prozent nicht sehr be- deutend, würde aber immerhin ausreichen, um für etwa eine halbe Stunde Nahrung für die Gärung zu liefern; unter natürlichen Verhältnissen wird sich der von der Hefe verzehrte Zucker durch Adsorption aufs neue zu er- gänzen suchen. Es kann aber, wie bekannt, auch Glykogen in reichlicher Menge ab- gelagert werden. Errera hat zuerst eingehend auf letzteres als Zellbestand- teil hingewiesen." F. W. Pavy und H. W. Bywaters? geben an, daß Han- delshefe 5 Prozent der frischen Substanz an Glykogen einschließen und in 2—3 Stunden je nach der Konzentration auf das 2—öfache an Glykogen zunehmen kann. ! Compi. rend. T. CI. p. 353, 1. 2 Journ. of Physiol. 1907. Vol. XXXVI. p. 149. 246 MıAx RUBNER: Diese Glykogenbildung ist auf eine Fermentwirkung zurückzuführen. Der Nachweis der Glykogenbildung schließt die Möglichkeit der Ad- sorption von Zucker nicht aus, da sich ja erstere erst sehr allmählich geltend macht, während letztere in wenigen Minuten nach dem Einlegen der Hefe- zelle in Zucker schon nachweisbar ist. Die N-haltigen Nahrungsstoffe haben für die nicht wachsende Hefe quantitativ nur eine beschränkte Bedeutung. Immerhin sind sie aber in der Lage die Gärfähigkeit nichtwachsender Hefe zu erhalten und das Absterben der Zellen hinauszuschieben. Welcher Natur die N-haltige Hefenahrung ist, läßt sich nicht genau sagen. Die üblichen angewandten Nährmedien enthalten stets ein Gemenge von N-Verbindungen, aus denen die Hefe wenigstens beim Wachstum nur einen oft sehr geringen Teil verwenden kann. Hefeextrakte oder Bierwürze können als Beispiele von Nährböden angesehen werden mit gut utilisierbaren N-Verbindungen. Von Pepton, das meist auch als guter Nährboden gilt, wird in der Regel nur 3—6 Prozent des N-Gehaltes verwendet, der Rest, 94-97 Prozent, besteht aus Verbindungen, für welche die Hefe keine Verwendung hat. Es zeigt sich also im Verhalten zu den N-Substanzen eine ausgesprochene elektive Wahl der Nährstoffe und des Resorptionsvorganges. Die Resorption wird auch bei der N-Nahrung — untersucht habe ich in dieser Hinsicht Pepton — durch die Adsorption unterstützt, diese letztere zeigt auch die toluolisierte Hefe. Mit steigender Konzentration der Bentonlosune erreicht die N-Auf- speicherung durch die Hefezellen bald ein Maximum, das nicht weiter über- schritten wird. Die adsorbierten N-Mengen sind relativ groß, wenn man den geringen N-Bedarf der nichtwachsenden Hefe betrachtet, relativ klein, wenn man das N-Bedürfnis der wachsenden Zelle in Betracht zieht. Gärt die Hefe, ohne zu wachsen, so lagert sie nicht unerheblich N-Ver- bindung als Zellbestandteile ab, welche bei späterem N-Mangel als Nähr- stoff Verwendung finden können. Ein Teil dieses N ist offenbar als Zell- eiweib zur Ablagerung gekommen. Die Leistungen der Resorption für die N-haltigen Nährstoffe kann man nur richtig würdigen, wenn die Hefezelle wächst, nur dann tritt reich- lich N-Nährmaterial durch die Zellwand ein. Die maximalste Leistung läßt sich finden, wenn man die günstigste Generationsdauer der Teilung einer Hefezelle bestimmt. Darunter versteht man die Zeit, welche notwendig ist, um aus einer Zelle zwei zu bilden. Wie ich schon in einer früheren Mitteilung berichtet habe, ist für das Wachstum nicht die absolute Konzentration einer Lösung an N-haltigen Nährstoffen maßgebend. Auch hier reguliert also die lebende Substanz unabhängig von etwaigen Nährstoffüberschüssen den DIE RESORPTIONSVORGÄNGE DER ÖRGANZELLEN. 247 Eintritt des N-Materials in die Zelle nach ihrem eigenen Bedarf. Die ge- nannten adsorbierenden Vorgänge sind von großer Bedeutung für die Re- sorption von Zucker und Eiweiß, weil dadurch die Aufnahme der Nährstoffe bei größerem oder geringerem Wassergehalt der Lösung gleich günstig wird. Auch wenn die Hefe wächst, bestimmt die Masse des Protoplasma und nicht die relative Oberfläche den Durchtritt des Nährmaterials durch die Zellwand. Die Hefe gehört nach meinen Bestimmungen zu jenen Organismen, welche die höchsten, bisher bekannten Energieumsätze für die Einheit der Masse besitzen. Der Energieverbrauch wird kaum von einigen Bakterien- spezies übertroffen. Er ist 157mal so groß wie jener des Pferdes, 58 mal so groß wie jener des Menschen und 3mal so groß wie jener einer neugebore- nen Maus, die den größten Energiewechsel unter den Warmblütern besitzt. Bei der Hefezelle haben wir den großen Vorteil, daß wir uns auch über die Größe der Flächen, durch welche die Resorption der Nahrung erfolgt, ein genaues Bild machen können. Schon im Jahre 1879 hat Nägeli! einige Betrachtungen über den Durchtritt von Zucker und Alkohol durch die Hefezellwand angestellt, und die Ergebnisse mit osmotischen Versuchen an anderen Membranen verglichen; er kam zu dem Schluß, daß noch nicht 1/,00 des Zuckers und nicht /oo0 des Alkohols durch die Hefezellwand gehen, welche bei rein osmotischen Experimenten durch dieselbe Fläche einer 200 mal so dieken Pergamentpapiermembran wandern. Nägelis Versuche hatten das Ziel, seine besondere Gärtheorie zu diskutieren, die hier nicht weiter interessiert; da er außerdem über genaue Bestimmungen der Gärleistung der Hefezelle damals nicht verfügte, haben seine zahlenmäßigen Angaben heute wenig mehr Bedeutung. Nägeli? ‘hat die Oberfläche der Hefenzelle zu 300 Quadratmikren (0-00003 qmm) und deren Inhalt zu 500 Kubikmikren (0:000005 cbmm) angegeben, was wohl im allgemeinen etwas zu hoch ausgefallen sein dürfte, weil auch kleinere Zellen nicht so selten sind, als hierbei vorausgesetzt wird; allein es genügt der Wert Nägelis für die folgenden Betrachtungen. Obige Zahlenangaben entsprechen auf 1 Kubikmikron 0-6 Quadrat- mikren, was auf 1 kg gerechnet rund 600 qm Oberfläche ausmacht. Versuchen wir nun die absolute Größe der Resorption durch die Flächen- einheit unter verschiedenen Umständen in Rechnung zu stellen. Da uns Stoff- und Kraftwechsel bei der Hefe sowohl für Wachstum wie für den Zuckerverbrauch im Erhaltungsstoffwechsel bekannt sind, so läßt sich die Leistung der Hefezellwand für die Resorption genau angeben. ! Theorie der Gärung. 8. 38. Na. S. 3: 248 Max RUBNER: Es treffen auf 1 qm Oberfläche in 24 Stunden bei 30° bei 38° Eiweißaufnahme ..... 0-65 8 0-948 g Vuckerumsatzı 2 0-59 „, 8-38 Die Begünstigung der Resorption durch Adsorption zum Zucker und Eiweiß wurde schon erwähnt. Die Adsorption macht für den Zucker 0-09 & | pro 1 qm bei 30° aus, das wäre die nötige Nahrung für 24 Minuten. Werte ähnlicher Größenordnung erhält man auch für die Eiweißaufnahme. Nach den eben berichteten Vorgängen zerfällt die Resorption der Hefe- zelle in zwei Prozesse, in die Adsorption und in den Durchtritt durch die Zell- wand. Als Regulator für den letzteren haben wir die funktionellen Leistun- sen der lebenden Substanz angesehen. Die Eigenschaften der Zellwand sind wahrscheinlich direkt durch Auskleidung oder Durchwachsung von. seiten der lebenden Substanz bedingt. I. Die mitgeteilten Versuche geben uns ein übersichtliches Bild der Re- sorptionsvorgänge eines einzelligen Wesens in allen Phasen quantitativ bestimmt. Wir haben ganz gewiß die Berechtigung uns die zellulare Re- sorption eines komplizierten Organismus in ähnlicher Weise vorzustellen. Eigenartig für die Tiere mit Blutgefäßen ist zweifellos der Umstand, daß die Ernährungsflüssigkeit die Nährstoffe in großer Verdünnung enthält. So ist der Durchschnitt des Zuckergehaltes etwa 1 Prozent Promille, gering ist auch der Fettgehalt und ebenso entsprechen die ernährenden Eiweiß- substanzen nicht der Summe des Bluteiweißes, sondern gewissen Mengen N-haltiger Materie, für welche das Blut und dessen Serum nur die Träger sind. Bei einem Mehrbedarf der Zellen des Tierkörpers ändert sich nicht so- wohl die Konzentration der. Nährstoffe, als vor allem die Geschwindigkeit des Ersatzes, indem mehr Blut zufließt; daraus würde man schließen können, daß die Triebkraft, welche die Nährstoffe in die Zellen bringt, sozusagen dieselbe bleibt, mit anderen Worten, daß für gewöhnlich mehr Nahrung vorhanden ist, als die Zellen brauchen, oder daß doch sicher kein Mangel besteht. Es verhält sich mit N-Nahrung wie mit dem Sauerstoff, denn die Annahme einer stets zu knappen O-Zufuhr, wie die Theorie Ehrlichs anzu- nehmen sich veranlaßt fühlte, kann nicht zu Recht bestehen, da wenigstens länger dauernder Mangel an O oder überhaupt Nahrungsmangel ein Ab- sterben der Zelle zur Folge hat. Pflüger und Pfeffer, welche eine reich- liche Versorgung von O annehmen, werden daher im allgemeinen zweifellos das Richtige getroffen haben. DIE RESORPTIONSVORGÄNGE DER ÖRGANZELLEN. 249 Gewiß, ein allzugroßer Überschuß braucht deshalb noch nicht gegeben zu sein. Den Lebensbedingungen würde es am besten entsprechen, wenn die resorbierenden Flächen der Zellen im Körper relativ große wären. Kann man aber gerade über diesen wichtigen und entscheidenden Punkt sich irgend eine nähere oder auch nur annähernde Vorstellung machen ? Die der Resorption durch die Zellen gestellte Aufgabe ist bei den ein- zelnen Säugetierarten und Spezies offenbar ungleich, weil die Stoffwechsel- intensität je nach der Größe der Tiere wechselt. Von welcher Größenordnung mögen aber die Zellresorptionsflächen - sein, die diesen verschiedenen Lebensbedingungen gerecht werden müssen ? Sind bei verschiedenen Oberflächen Areale vorhanden, die an die Größe der Nahrungsaufnahme angepaßt sind, oder läßt sich eine solche Beziehung nicht annehmen und muß daher eine spezifisch verschiedene Leistung der Plasmahaut angenommen werden ? Die Resorption der Zelle ist für sich als ein Moment der individuellen Ernährung der Elementarorganismen vielfach Gegenstand der Diskussion gewesen. Die Existenz großer und kleiner Zellen im Tierreich hat auf das Problem der Bedeutung der relativen Oberfläche für die Ernährungsmög- lichkeit überhaupt geführt und ist zum Grundstein einer Zellteilungstheorie, die Anhänger bis in die neueste Zeit herein gefunden hat, geworden. Leuckart und Häckel haben zuerst betont, daß bei der Volumen- zunahme beim Wachstum die Oberfläche der Zelle relativ kleiner wird, so daß die Ernährung leidet, die Zellteilung hilft diesem Übelstande ab, indem sie dureh Teilung wieder normale Absorptionsverhältnisse herbeiführt. Derselbe Gedanke ist auch auf die Erregung des Kernes zur Teilung über- tragen worden. Die Theorie klingt gerade in ihrer Einfachheit ungemein überzeugend, begegnet aber bei quantitativer Betrachtung doch ernsten Bedenken. Die Leistungen vieler tierischer Zellen, man denke an den Muskel, sind so außerordentlich funktionell wechselnd, trotz gleichbleibender Ober- fläche, daß die nur bescheidene Oberflächenveränderung beim Wachstum unmöglich sich als ein wesentliches Resorptionshindernis herausstellen kann. Zellteilungen sieht man außerdem oft schon eingeleitet, noch ehe durch Massenzunahme die hypothetische Erschwerung der Ernährung eingetreten sein kann. Ich hätte diese Frage nicht weiter zu berühren Anlaß gehabt, wenn man nicht das relative Oberflächenverhältnis der Zelle noch außerdem als einen bedeutungsvollen Faktor für die Ernährungsmöglichkeit aller tierischen Zellen insoweit anzusprechen sich veranlaßt gefühlt hätte, als man bestimmte gesetzmäßige Beziehungen zwischen Zellgröße und Lebhaftigkeit des tie- 250 Max RUBNER: rischen Stoffwechsels aufgestellt hat, indem man eine gleichmäßige Be- schaffenheit der Plasmahaut der Zellen voraussetzt. Diese Annahme führt als logische Konsequenz zur Verkleinerung der Zellen bei Tieren mit großem Kraftwechsel, zur Vergrößerung der Zellen bei solchen mit kleinem Kraft- wechsel. W. Bowmann hat eine Zusammenstellung der Zelldimensionen ge- geben, die man in diesem Sinne zu deuten pflest.! bei Fischen beträgt der Zelldurchmesser . . . . 2 u bei saugen... 5. „ee ee 44 u bei Amphibien #2 ran. 20... 27a ange 68 u bei, Vogeln. Dem are lu Malsberg gibt eine Ergänzung dieser Angaben?, wonach auch inner- halb der Säugetierreihe für die Muskelzellen verschiedene Differenzen der relativen Zelloberflächen im Sinne einer verschiedenen Lebhaftiskeit des Kraftwechsels gedeutet werden. Die Dimensionen sind für Pferd, Büffel und Rind 54 u, für Schwein, Schaf und Hund 35 «u, für Kaninchen, Mensch und Maus 50 «. Die Zell- größe wird als ein für die Zellgröße wichtiges Erscheinungsmerkmal an- gesehen. J. W. Cocklin ist in gewissem Sinne auch für diese Gesichts- punkte eingetreten. Der Messung der Muskelzelldimensionen schreibt man insofern eine allgemeine Bedeutung zu, als sie mit der Größe der übrigen Körperzellen parallel gehen soll. Diese Variationen der Zelleröße werden aber allerdings nicht von allen Autoren als sehr bedeutungsvoll angesehen. Minot ist der Anschauung, daß die Zellen der Säuger nur wenig von- einander hinsichtlich der Größe differieren — die Ganglienzellen aus- genommen. Lewi? gibt eine Zusammenstellung für die Muskulatur, nach der die äußersten Extreme (Maus—Pferd) um rund das Doppelte ver- schieden sind. St Diese Theorie einer Übereinstimmung zwischen Gesamtenergiewechsel und Zellgröße würde zu einer höchst einfachen Formulierung führen, nämlich dazu, daß die Gesamtresorptionsfläche aller Körperzellen in einer bestimmten Relation zur äußeren Körperoberfläche der Säugetiere stehen mübte. Ich will die Prüfung dieser Theorie vorläufig beiseite lassen und mich zunächst mit der Frage befassen, ob es möglich ist, sich von der absoluten Größe dieser Zelloberfläche eines Organismus ein auch nur genähertes Bild zu I Phel. Transact. London 1840. ? Die Zellgröße. Arbeiten der Gesellschaft für Züchtungskunde. 1911. S. 53. ° Archivio anal. embryol. Florenz 1906. V. 2. DIE RESORPTIONSVORGÄNGE DER ÜRGANZELLEN. 251 machen. Ich kann, wenn ich vorgreifen darf, die Lösung nur für eine grobe Annäherung halten, aber auch so bietet sie einiges Interesse. Die Angaben über die resorbierende Fläche des Darmkanals stützen sich auf Messungen von Custor, der diese auf 15000 gem beim Erwachse- nen schätzt. Davon entfallen auf den Magen 20 Prozent, auf den Dünndarm 56-7 Prozent, auf den Diekdarm 23:2 Prozent. Die Größe der Oberfläche der Zellmasse des Körpers ist meiner Kenntnis nach nicht näher bekannt. Zu ihrer Berechnung wären zwei Tatsachen zu eruieren. Die mittlere Größe der Zellen’und die Menge der letzteren. Als Zellenzahl wird für den Menschen bei Francke! rund 4 Billionen angeführt, mit Ausschluß der Blutzellen. Ich kann nicht ersehen, wie diese Größe berechnet worden ist. Es finden sich für verschiedene Tiere wohl vereinzelte Angaben, über Zellenzahl bestimmter Organe, aber keinerlei Feststellungen für einen so großen Organismus wie der Mensch einer ist. Bei einer Durchprüfung der Angaben Franckes, kann ich dessen Berech- nung oder Annahme nicht stützen. Franckes Mittelwerte für den Zelldurchmesser stützen sich auf Freys Angaben für kugelige Zellen. Man darf aber nicht außer acht lassen, daß mehr als */,, des Körpers Muskelzellen sind. Bei letzteren kommen selbst solche von 16 ce Länge in Betracht?, deren Kubikinhalt bei 37 Mikren Durchmesser etwa 1286 Millionen Kubikmikren ausmacht; selbst eine Muskelzelle von nur 1 ce Länge, entspricht noch 8,0 Millionen Kubikmikren. Diese Werte fallen natürlich bei jeder Schätzung der absoluten Zellzahl enorm ins Gewicht, dagegen so gut wie nicht für die Bestimmung der rela- tiven Resorptionsflächen, denn für die 1 ce lange Muskelzelle ist die Ober- fläche für 1 Kubikmikren 0-129 qmikren und für die 16 c langen 0-125 gmikren. Der mittlere Kubikinhalt einer Muskelzelle mag rund 68 Millionen Kubikmikren betragen. Mit den kugeligen Zellen und den Muskelzellen haben wir die beiden Haupttypen gefaßt, der weitere Weg muß uns dahin führen, eine annähernde 1 Francke, Die menschliche Zelle. Leipzig 1891. ? Franeke legt zur Berechnung der mittleren Zellengröße die Angabe zu- grunde, welche von Frey (Histologie und Histochemie des Menschen. 18710. 8.67) gegeben worden sind, nämlich einen Durchmesser von 0-005 bis 0.010 Linien, was nach metrischen Maßen im Mittel 17 Mikren beträgt. Als Kugel berechnet, erhält man Gebilde von 2572 Kubikmikren und 907-9 Quadratmikren Fläche. Be- rechnet man mit diesen Unterlagen die Mengen von 4 Billionen Zellen, so kommt man nur auf eine Masse von 10-2 Kilo Zellen für den Erwachsenen (die 22 Billionen Zellen des Blutes bleiben dabei außer Betracht), also eine viel zu geringe Zahl. 3 Kölliker, Gewebelehre. 1889. 8. 167. 252 Max RUBNER: Schätzung der ganzen Zellmasse auszuführen, allerdings auf einem anderen Weg als über die hypothetische absolute’ Zellzahl. Man kann in runder Summe annehmen, daß der gesamte, im Körper vorhandene N sich so ver- teilt, daß etwa die Hälfte auf die Muskelmasse, die Hälfte auf alle anderen Organe zusammengenommen entfällt, wenigstens gilt dies für einen nor- malen mittleren Menschen, es wäre demnach die Hälfte der ganzen Körper- masse nach dem fibrillären Zelltyp, die andere Hälfte nach dem kuseligen Typ gebaut, so daß ein Mittelwert zwischen beiden als mittleres Maß der relativen Zelloberfläche angenommen werden könnte. Die Zellen werden durch Bindesubstanz zu einzelnen Geweben zusammen- gehalten, die nicht dem Charakter der Zellmasse entspricht. Wieviel diese Bindemasse ausmacht, ist nicht bekannt, vielleicht ist deren Menge mit etwa !/, der ganzen Körpermasse genügend bewertet. Bei einem Erwachsenen von 60 kg Gewicht würden rund 48 Prozent = rund 50-4 kg — auf N-haltiges Material, und davon ?/, = 37,8 kg auf Zellmasse treffen. Pro Kilogramm Substanz ergibt sich: 125—353 qm Zellober- fläche — 239 qm im Mittel, woraus für 37.8 kg Zellmasse — 9014 qm im ganzen!! Für die Darmresorption haben wir aber 1-5 qm angegeben. Man kann daher auch ohne die allerdings sehr erwünschte exaktere Lösung der Berechnung sagen, die Geweberesorption erfolet im Gegensatz zur Darm- resorption durch relativ ungeheure Oberflächen. Den Wert dieser Schätzung der relativen Beziehung zwischen Darm und Zellresorption liegt nur in dem Gesamtergebnis, und es hat weder Zweck noch Bedeutung die Frage zu erörtern, ob gerade alle Zellflächen für die Resorption der Nahrung bestimmt seien, oder ob Aneinanderlegungen ein- treten und so stellenweise die Resorption gehindert wird und was der Ein- wände mehr sein mögen. Als Resultat der Betrachtung hat sich ergeben: Der Nahrungsstrom durch die Darmzellen ist ein ganz ungeheurer im Verhältnis zur geringen Inanspruchnahme der Plasmahaut der Organzellen. Die Resorption im Darm möchte man daher eine Sekretionsleistung nennen, nur daß eben hier die Überführung des Materials nicht durch einen Ausführungszug erfolgt, sondern durch das Blut und Chylusgefäße nach dem Körperinnern vermittelt wird. Pro 1kg Lebendgewicht besitzt der Mensch nach obigen Voraus- setzungen 9016/60 — 150-2 Quadratmeter Organoberfläche. . Gewisse Unterschiede werden zwischen Omnivoren oder Pflanzenfressern und Fleischfressern sich finden, aber das ist alles von sekundärer Bedeutung. Vorausgesetzt, daß die Organoberflächen der übrigen Säuger namentlich auch mit wechselnder Größe nicht erheblich abweichen, so kann man sagen, DIE RESORPTIONSVORGÄNGE DER ÜÖRGANZELLEN. 253 daß das Verhältnis der resorbierenden Flächen bei Organismen, welche größer sind als der Mensch, noch mehr zugunsten der Organoberfläche sich ver- schiebt, weil große Organismen eine relativ kleinere Darmoberfläche haben, bei kleineren Organismen als der Mensch wird die gedachte Relation etwas zugunsten der Darmoberfläche verschoben. Sollte aber die Annahme von Malsberg, die oben berechnet wurde, richtig sein, so würden die Organflächen bei kleineren Tieren um so größer werden, je mehr ihr relativer Kraftwechsel steigt und umgekehrt würde die Oberfläche mit den Größen zunehmen und sinken wie der Kraftwechsel sinkt. Ich knüpfe an die oben erwähnte Theorie, die in der jüngsten Zeit von Malsberg in einem umfangreichen Buche behandelt worden ist, an. Der Verfasser hat es unterlassen an der Hand ernährungsphysiologischer Tat- sachen seine Theorie zu prüfen. | Von einer solchen Beziehung zwischen Nahrungsaufnahme und Zell- oberfläche kann allgemein sicherlich keine Rede sein. Innerhalb des Ge- bietes der Mikroorganismen habe ich durch eigene Untersuchungen zuerst erwiesen, daß Organismen von sehr differenten Zellgrößen irgendeine Be- ziehung ihres Kraftwechsels in dem Sinne einer Steigerung der letzteren mit der Kleinheit der Körpergröße nicht erkennen lassen. Ich habe weiterhin auch die Angaben Malsbergs dahin geprüft, ob sich zwischen Zelleröße und Kraitwechsel der Säuger irgendwelche Be- ziehungen ergeben. Nachstehend bin ich von den Messungen Malsbergs für den Muskelquerschnitt ausgegangen und habe, um ein relatives Maß der Organzellen zu erhalten, einfach die von Malsberg angegebenen Zell- dimensionen als Kugel und für letztere die Oberflächen berechnet und außer- dem den Kraftwechsel in Kal. für die angegebene Größe der Tiere hinzu- gefügst. Für die Maus ist statt der Werte Malsbergs, die zu gering an Zahl sind, ein von Lewi (siehe oben) angegebener Mittelwert eingesetzt. So erhalte ich: Kg-KRal. Zell- Zelloberfläche absolut | Pro kg N Kubik- |Quadrat- rate ianlaen) pro Tier er mikren | mikren Zellmasse 24 Std. (Kubikmikren) Maus 10-86. | 452-0 | 33-7 u| 20680 | 3633 | 0-12 Kaninchen | 247-1 78-4 36-6 25660 | 4209 0-164 Hund 899-3 39-1 23-0 15050 | 2642 | 0-205 Schwein 2154-0 19-5 42-0 38780 | 3543 0-145 Pferd 6984-4 14-5 39-2 26950 | 4825 0-179 254 Max RUBNER: Das Resultat sagt: Die Zellgröße hat bei Säugern nicht das geringste mit dem Kraftwechsel, oder mit anderen Worten mit der Resorption zu tun. Wenn irgendwie eine Beziehung zwischen beiden Größen bestände, hätte der Quotient der letzten Spalte für die Maus 7-8 werden müssen, er unter- scheidet sich aber von dem des Pferdes überhaupt nicht. Die relative Ober- fläche der Zellen ist, vorausgesetzt, daß die Zellmessungen zutreffend sind, bei den aufgeführten großen wie kleinen Tieren pro Kilogramm Körper- gewicht nur unwesentlich verschieden. Die Resorption erfolgt, obschon die resorbierten Nahrungsmengen um etwa das 3lfache verschieden sind, wie aus dem sicher bekannten Kraftwechsel zu schließen ist, annähernd durch die gleiche absolute Zellfläche. Wir wissen aus anderen Beobachtungen, daß bei den Säugern mit dem Wechsel der Körpergröße und folglich dem Wechsel der Größe des relativen Kraftwechsels die Menge des Blutes, welche durch die Organe getrieben wird, sehr verschieden ist. Je kleiner ein Tier, um so mehr Blut erhalten seine Organe in der Zeiteinheit zugeführt. Der Ausgleich erhöhten oder ver- minderten Nahrungsbedürfnisses erfolgt also wesentlich durch die Änderung des Blutstromes. Wo tatsächlich verschiedene Größen der Zellen vorkommen, da wird im einzelnen zu untersuchen sein, auf welche Gründe diese zurückzuführen sind. Es ist mir auch wenig wahrscheinlich, daß dem Wechsel der relativen Zelloberfläche jene große Bedeutung zukommt, die ihr von manchen Au- toren für die Einleitung des Wachstums und der Zellteilung zugeschrieben worden ist. Ich gehe nunmehr dazu über, die Resorptionsleistungen der Plasma- haut einiger typisch ausgewählter Fälle aus dem Gebiete der Säuger mit jenen der Hefe zu vergleichen. Es kann wünschenswert sein, die absoluten Mengen der durch die Plasmahaut wandernden Stoffe zu erfahren, so un- vollkommen auch diese Werte bei den rohen Schätzungen der Organflächen der Säuger sein mögen. Es besitzt auch immerhin einiges Interesse eine Parallele zu ziehen, zwischen den Zellen eines körperlichen Verbandes wie bei den Säugern und einem einzelligen Wesen, das in einer Nährlösung schwimmt. Die nötigen Unterlagen für die Hefe sind gegeben worden. Die obigen Werte für den Zuckerdurchtritt gelten für das rein anaerobe Leben. Die Hefe kann aber unter günstigsten Umständen den Zucker auch direkt verbrennen, da hierbei die Ausnützung der Verbrennungswärme des Zuckers eine weit günstigere ist, so braucht etwa nur !/,, jener Zucker- mengen resorbiert werden, die in anaeroben Leben konsumiert wird. Die RESORPTIONSVORGÄNGE DER ÖRGANZELLEN. 255 Freilich kommt es bei der Hefe nie zu einer ausschließlichen Zucker- verbrennung. Auch bei Durchleiten von reinem Sauerstoff, wird stets noch eine reichliche Menge von Alkohol gebildet. Bieten die Gewebsresorptionsverhältnisse der Tiere irgendwelche Ana- logien durch Resorption der Hefe? Nehme ich als Beispiel einen großen Säuger, das Pferd, und, um die Wachstumszeit zum Vergleich zu haben, das neugeborene Fohlen, als klein- sten Säuger die neugeborene Maus, so verhalten sich die absoluten Größen- differenzen wie 450000:1. Auf 1 kg Körpergewicht verbraucht ein erwachsenes Pferd 11-3 kg/cal pro Tag!, ein neugeborenes 26-56 kg/cal pro Tag, die neugeborene Maus 654-— kg/cal pro Tag. Je 96 Prozent Kalorienbedarf lassen sich durch Rohrzucker decken. In den einzelnen Fällen haben wir dann als Kalorien für Zuckerverbrauch 10-74, 23-70, 627-8. Sämtliche Kalorien sind ersetzbar durch Eiweiß. Die entsprechenden Rohrzucker und Eiweißmengen werden somit? 2-72 2-62 6-00 5-78 158-9 ‚ 199% Über das Wachstum der Tiere läßt sich folgendes angeben. Ein neugeborenes Pferd verdoppelt in 60 Tagen das Gewicht, eine Maus in 4 Tagen. Im ersten Falle nimmt ein Teil N in einem Tag um !/.o g N zu, und im anderen um 1/, g, also = 0-016 g N-Zunahme in dem einen, bzw. 0-25 g in dem anderen Falle für die Einheit d.h. 1gN. Unter der Annahme, daß ein Kilogramm Tier rund 350g N enthält, ist die tägliche absolute Zunahme beim Wachstum pro Kilogramm Lebendgewicht beim Fohlen 0-48 g N, bei der Maus + 7-50 g auf gleiche Einheit. Da sich ein bestimmter Zusammenhang zwischen Körpergröße und Zellsröße nicht beweisen läßt, mag als Mittel pro Kilogramm Tier 150 qm innere Zelloberfläche angenommen sein. Zellen junger Tiere sollen im allgemeinen kleiner sein, wie die der aus- gewachsenen. Nach Malsberg wäre der Unterschied beim Rind hinsicht- lich des Muskeldurchmessers etwa 100:52, also rund die Hälfte bei dem jungen Tiere kleiner. Es ist aber zweifellos, daß beim Erwachsenen auch die Fetteinlagerung und die Trainierung der Muskulatur eine Rolle spielen, beide erhöhen den Durchmesser der Muskeln. Abgesehen davon ist gewiß, daß eine große Menge von Zellen beim Erwachsenen und Neugeborenen DRS, Zenischr72 Bro. REISE Tle ? 1 Rohrzucker 3-950 kg/eal; 1 Eiweiß 4-1 kg/eal. 256 MaAx RUBNER: sich nicht in der Größe unterscheiden. Ehe man also nicht einen besseren Boden für die Rechnung besitzt, kann mah nur sagen, daß die Annahme, die relative Zelloberfläche sei beim Neugeborenen doppelt so groß als beim Er- wachsenen, einen zu hohen Wert für letzteren gibt.! Auf 1qm Oberfläche in 24 Stunden trifft: Eiweiß in g Eiweiß in g kg/cal re bei bei maximalem 5 Eiweißfütterung Wachstum Pferd ausgewachsen 0-075 0-018 0-017 — Pferd neugeboren 0-088 0-020 0-019 0-0015 Maus neugeboren 2-18 0-521 0-510 0-025 Hefezelle 1-25 aerob 0-351 anaerob 0 0-948 8-32 Nachdem bereits oben S. 253 gezeigt wurde, daß zwischen Kraftwechsel ungleich großer Tiere im Zellareal kein Zusammenhang besteht, bedarf es nur des kurzen Hinweises, daß die vorstehende Tabelle die gleichen Tat- sachen nur in anderen Werten zum Ausdruck bringt. Die neugeborene Maus resorbiert fast 30mal soviel Nahrungsstoffe durch das gleiche Zell- areal wie das Pferd. Aus dem gegebenen Flächenareal lassen sich also, wie man sieht, a priori keine besonderen Schlüsse ziehen, soweit die Möglichkeit und Größe der Nahrungsaufnahme in Betracht zu ziehen ist. Ob alle diese Plasmahäute mit so ungleicher Leistung diese Besonder- heit ihren spezifisch verschiedenen Qualitäten der Zusammensetzung ver- danken, oder ob ihre Aufnahmefähiskeit an sich ungeheuer groß ist, im Verhältnis zum Bedarf, und'nur bei verschiedenen Spezies mehr oder weniger in Anspruch genommen wird, läßt sich natürlich nicht ohne weiteres ent- scheiden. Jedenfalls üben die Protoplasmaeigenschaften und das, was wir Selbst- regulation nennen, den bestimmenden Einfluß auf die Ordnung der Resorp- tion und die Arealverhältnisse treten in ihrer Bedeutung für diese Aufgabe zurück und stehen ganz in zweiter Linie. Die Arealverhältnisse sind so aus- reichend bei den Säugern bemessen, daß sie jedweder Steigung der funktio- nellen Anforderungen der lebenden Substanz genügen können. ! Die Verringerung des Zelldurchmessers auf die Hälfte erhöht die relative Oberfläche auf das Doppelte. DIE RESORPTIONSVORGÄNGE DER ORGANZELLEN. 257 Zwischen den einzelligen Organismen und der Zellmasse eines Säugers sind in den Verhältnissen der Resorption merkwürdigerweise keine außer- ordentlich großen Unterschiede zu verzeichnen. Die Hefezelle, verglichen mit dem kleinsten Säuger zeigt in Hinsicht auf Zucker- und Eiweißresorption sich günstiger gestellt als die Zelle der Maus, die Differenzen kommen aber ernstlich nur für das anaerobe Leben und für die Zuckerresorption in Betracht. Die Unterschiede in letzterer Hinsicht sind sogar viel größer zwischen Pferd und Maus, als zwischen letzterer und der Hefezelle. Vergleicht man die resorbierten Nahrungsmengen nicht nach den Ge- wichten, sondern nach dem Brennwert, so zeigt sich, daß die Hefe auf gleiche Flächen, weniger Resorption aufweist, als die Zellen der neugeborenen Maus. Alles in allem genommen sind also die Unterschiede der Resorption zwischen den verschiedenen, oben angeführten Organismen nicht so gewaltig, wie man vielleicht im voraus hätte erwarten können. Auch diese Betrach- tungen führen zu dem Schluß, daß nicht die Arealverhältnisse der verschiedenen Flächen das primär ausschlaggebende sind, sondern, offenbar die besonderen Bedürfnisse des Protoplasmas, die in der Selbstregulation der Zersetzung ihren Ausdruck finden. Bei der Hefezelle habe ich nachgewiesen, daß die Adsorption für Zucker und für eiweißartiges Material eine Rolle spielt. Wenn man erwägt, daß auch im Säugetierorganismus außerordentlich bedeutende Oberflächen- areale bei der inneren Resorption in Tätigkeit treten, so führt uns dies un- mittelbar zur Erwägung, ob denn für die Zellen der Säuger solche Adsorp- tionsvorgänge ganz ausgeschlossen sind. Bei vielen Experimenten körperfremder und arteigener Stoffe findet man eine Verzögerung der Ausscheidung und eine oft länger dauernde oder kürzere Retention im Organismus. Die dabei verlaufenden Vorgänge sind im einzelnen nicht immer aufzuklären. Sehr häufig hat man kurzerhand eine Einlagerung in die Zellen angenommen. Die Untersuchungen von Overton und Hans Meyer haben für die Zurückhaltung von Stoffen unter Eindringen in die Zellen bestimmte gesetzmäßige Verhältnisse und Be- ziehungen zu den Eigenschaften der Zellwand uns kennen gelehrt. Für manche Farbstoffe kommen sicherlich Adsorptionsvorgänge in Frage. Ich meine, obige Erfahrungen an der Hefe machen es nötig, daß man für die Nährstoffe im engeren Sinne an die Möglichkeit von Adsorptionsvor- gängen denkt; und es lassen sich einige Tatsachen finden, die unter die Vor- gänge letzterer Art einzureihen sind. Archivf. A.u.Ph. 1913. Physiol. Abtlg. 1 258 MAx RUBNER: DIE RESORPTIONSVORGÄNGE DER ÜRGANZELLEN. Zunächst wäre daran zu denken, daß bei Eiweißfütterung wenigstens ein Teil jener im Körper zurückbleibenden Eiweißstoffe, die man früher zirkulierendes Eiweiß genannt hat, auf solche Adsorptionsvorgänge zurück- seführt werden könnte. Ihre Anhäufung erreicht eine gewisse Höhe, wenn die Eiweißzufuhr auf eine bestimmte Stufe gebracht wird, bei Sinken der Eiweißzufuhr werden sie aufgebraucht. Der Nachweis einer wirklichen Mehrung der Blutmenge im Sinne des Begriffes zirkulierenden Eiweißes ist bislang stets negativ ausgefallen. Die Annahme einer Adsorption würde sehr wohl diesen negativen Befund im Blute selbst erklären können. Als größten N-Ansatz beim Manne habe ich einmal 33 g pro Tag beob- achtet = 207-25 g Eiweiß, bei etwa 70 kg Körpergewicht, demnach rund 3 g Eiweiß pro 1 kg.! Dieses Eiweiß würde nach meiner Meinung nur zum Teil für Adsorptionsvorgänge in Betracht kommen. Aber wenn es selbst im ganzen Umfange für letztere Verwendung fände, so träfe, da auf Iks Mensch rund 150 qm Zelloberfläche gerechnet ist, etwa 20 Milligramm auf 1 qm, das ist gewiß keine Adsorptionsgröße, die an sich unwahrscheinlich oder gar unmöglich wäre. Jedenfalls fordern die vorstehenden Betrach- tungen dazu auf, auch die Adsorption mit in den Kreis der Möglichkeiten für die Ablagerung von Nahrungsbestandteilen einzubeziehen. Auf einen anderen Fall der Zurückhaltung von N-haltigen Stoffen bin ich gelegentlich der Fütterung von Fleischextrakt aufmerksam geworden.? Dabei hatte sich gezeist?, daß einzelne Komponenten des Extraktes früher oder später ausgeschieden wurden. Zunächst wurden C-reiche Ver- bindungen zurückgehalten, die C-ärmeren dagegen treten zuerst aus. Mög- licherweise handelt es sich also auch dabei nicht um Einlagerung fremder Substanzen in der Zelle selbst, sondern um Adsorptionserscheinungen. Was den Zucker anlanst, so wäre auch für ihn a priori die Möglichkeit einer Adsorption nicht zu bestreiten, wir sind bisher nur der Meinung gewesen, daß die Glykogenbildung die regelmäßige Folge einer gewisse Grenzen über- schreitenden Zuckerzufuhr sei, wenn man von der Fettbildung absieht. 1 Dies Archiv. 1911. Physiol. Abtlg. S. 77. ? Archiv für Hygiene. 1904. IV. 1. S. 45. SEA2.10.08.98: Aa O SD: Experimentelle Untersuchungen über den Einfluß der Drüsen mit innerer Sekretion auf die Uterustätigkeit. I. Teil: Ovarium. Von Dr. Max Stickel, Assistenzarzt an der Universitäts-Frauenklinik der Königlichen Charite. (Aus der Universitäts-Frauenklinik der Königlichen Charite [Direktor: Geh. Rat Professor Dr. Franz] und dem Physiologischen Institut der Universität Berlin [Direktor: Geh. Rat Professor Dr. Rubner. Physikalische Abteilung, Abteilungs- vorsteher: Professor Dr. Piper]). Klinische Beobachtungen und experimentelle Studien haben in den letzten Jahren in zunehmender Zahl unsere Kenntnis. gefördert von den sogenannten Drüsen mit innerer Sekretion: der Hypophysis, der Schilddrüse nebst Epithelkörperchen, den Nebennieren und den Keim- drüsen, also den Hoden bzw. Eierstöcken und ihren Sekreten, den Hor- monen. Aber so zahlreiche Bausteine auch solcher Art zusammengetragen sein mögen, so fehlt doch noch viel, sie zu einem geschlossenen Gebäude zusammenfügen zu können. Die Schwierigkeit, ja man kann bei den uns heute zur Verfügung stehenden Untersuchungsmethoden wohl sagen, die Unmöglichkeit, die Tätigkeit und Wirkungsweise der genannten Organe erschöpfend zu ergrün- den, liest vor allem darin, daß sie zum Teil im gleichen, zum Teil im ent- segengesetzten Sinne wirksam sind, ja daß sogar offenbar in einzelnen dieser Organe mehrere verschiedene Stoffe bereitet werden, die einander oder einem Sekret sonst im gleichen Sinne tätiger Organe entgegenwirken. Auch an den folgenden Untersuchungen, die sich mit einem verhältnis- mäßig kleinen Ausschnitt aus dem weiten Gebiet der Frage der inneren Sekretion befassen, wird diese Schwierigkeit zutage treten. „Wird die Muskeltätigkeit des Uterus, d.h. seine Wehentätigkeit im weitesten Sinne irgendwie beeinflußt durch die Sekrete der Drüsen mit innerer Sekretion und welcher Art ist diese Einwirkung?“. Diese Frage zunächst am tierischen und soweit möglich, auch am menschlichen Uterus zu studieren, soll der Zweck dieser Untersuchung sein. 172 260 Max STICKEL: Untersuchungsmethoden. Die gleichen Untersuchungsmethoden, die dem Studium der inneren Sekretion überhaupt dienen, mußten naturgemäß bei dieser Fragestellung Anwendung finden, kombiniert mit den für die Untersuchung der Uterus- tätigkeit ausgearbeiteten Methoden. Da ist zunächst der Exstirpationsversuch des betreffenden Organs, einmal allein, dann mit gleichzeitiger Einverleibung eines Extraktes des exstirpierten Organes, wozu drittens als Kontrollversuch noch die Zu- führung des betreffenden Organsaftes bei einem Tiere käme, das nicht durch Exstirpation dieses Organes vorbehandelt ist. Bei paarigen Organen, deren Entfernung das Tier überleben kann, ist nach Exstirpation beider Organe ein schärferer und klarerer Ausfall des Versuchs zu erwarten, wie nach der einseitigen Entfernung. Die letztere kommt deshalb nur bei solchen Organen in Betracht, deren beiderseitige Exstirpation zum Tode des Tieres führen würde Auch auf den Reimplantationsversuch wird im Rahmen unserer Fragestellung im allgemeinen verzichtet werden können. Besonders aussichtsvoll erschien an den Organen, bei denen die Ab- sonderung verschiedener different wirkender Stoffe anzunehmen ist, eine elektive Zerstörung einzelner auch morphologisch differenter Teile des Organes. Zu diesem Zweck war man früher angewiesen auf An- wendung ätzender Mittel oder des Glüheisens oder auf grobmechanische Zerstörung, durch die bei der Kleinheit der Organe oft auch andere Teile derselben, die man zu erhalten wünschte, ja benachbarte lebenswichtige Organe unbeabsichtigt schwer geschädigt wurden. In den Röntgenstrahlen scheint ein Mittel gegeben, in feinerer Weise das gleiche Ziel zu erreichen. Aus diesen Erwägungen heraus ergibt sich allein schon die große Zahl der möglichen und demnach auch notwendigen Versuchsanordnungen. Ergänzend kommt dann noch hinzu das mikroskopische Studium der morphologischen Verhältnisse, das ja allerdings noch manche Wider- sprüche gegenüber den klinischen und experimentellen Erfahrungen auf- deckt. Denn gerade diejenigen Abschnitte mancher Drüsen mit innerer Sekretion, die morphologisch keinen Anhaltspunkt für eine sekretorische Tätigkeit bieten, liefern ein besonders wirksames Sekret, um nur ein Bei- spiel anzuführen: die Pars nervosa der Hypophyse liefert einen physio- logisch sehr wirksamen Preßsaft, während der glanduläre Teil einen ver- gleichsweise indifferenten Stoff absondert. Die Annahme, daß der wirk- same Stoff im glandulären Teil produziert und im nervösen Teil nur auf- gespeichert würde, ist zu mindest unbewiesen. Diese eben kurz geschilderten Versuche zum Studium der Hormonwirkung überhaupt sind zu vereinigen EINFLUSS DER DRÜSEN AUF DIE ÜTERUSTÄTIGKEIT. 261 mit einer der zur Untersuchung der Wehentätigkeit des Uterus ausge- arbeiteten Methoden. Franz hat in seinen Studien zur Physiologie des Uterus einen histo- rischen Überblick über die verschiedenen bis dahin in Anwendung ge- brachten Versuchsanordnungen gegeben, auf den ich verweisen möchte. Nach den Arbeiten von Brown-Sequard, Kilian, Spiegelberg, Öser und Schlesinger, Kehrer, Busch, Hofmann, Körner, Ober- nier, Calliburcees, Röhrig, Reimann, Frommel, Jakob, Dembo, Runge, Bumm u.a. konnte Franz als feststehend ansehen, daß der Uterus zur Kontraktion gebracht wird durch direkte mechanische, ther- mische, elektrische Reize; durch elektrische Reize auf Gehirn, Rückenmark oder periphere zum Uterus führende Nerven; durch Störungen der Blut- zirkulation und des Gasgehaltes des Blutes. Vor Franz hatte Kurdinowsky verschiedene Reizwirkungen auf den Uterus systematisch geprüft und gra- phisch registriert, und zwar am exzidierten Uterus, den er im Zusammen- hang mit den großen Gefäßen ließ, die er mit Lockescher Flüssigkeit durch- spülte. So gelang es ihm, den Uterus wieder zu „beleben“, d. h. nach einer halben bis einer Stunde Wellenbewegungen schreiben zu lassen, die ohne äußere Reize auftraten, und die er darum automatische Kontraktionen nannte. Franz dagegen arbeitete am Uterus des lebenden Tieres, den er mit einem Schreibhebel in Verbindung brachte und an exzidierten Kaninchen- uteris sowie Stücken menschlicher Uteri. Franz’ Ergebnisse, soweit sie für die vorliegende Frage von Bedeutung sind, waren folgende: Er fand den Uterus in continuo faradisch, galvanisch, mechanisch und thermisch stark erregbar und zwar den graviden Uterus am stärksten, am wenigsten den virginellen. Exzidierte Uteri und Stückchen menschlicher Uteri zeigten _ nahezu übereinstimmendes Verhalten. Chloralhydrat sistierte die Spontan- kontraktionen, die automatischen Kontraktionen Kurdinowskys; Ergotin reste starke Wehen an, Atropin war ohne nennenswerten Einfluß. Tem- peraturänderung stellte, wenn auch nicht ohne Ausnahme, einen starken Reiz für den Uterus dar. In seinen späteren Untersuchungen geht dann auch Kurdinowsky dazu über, am Uterus in continuo zu arbeiten und zwar in einer Versuchsanordnung, die ich im wesentlichen bei meinen folgenden Versuchen in Anwendung brachte. Kurdinowsky verlangt in seiner letzten im Original mir nicht zugänglichen Arbeit, wie auch schon in seinen früheren Publikationen, daß derartige Untersuchungen in gleicher Weise am Uterus in continuo wie am isolierten Organ ausgeführt werden. Wesentlich einfacher wie die. Kurdinowskysche ist die Versuchsanord- nung, die E. Kehrer für den exzidierten Uterus angegeben hat, der übrigens 262 Max STICKEL: zum Vergleich auch das Experiment am lebenden Tiere heranzieht. Er hängt den Uterus auf an einem Schreibhebel in Lockescher Flüssigkeit von konstanter Temperatur, der er Sauerstoff zuführt. Seine Versuchs- anordnung wurde von Rübsamen und Perlstein modifiziert für das Studium des Gaswechsels des Uterus. Es stehen demnach zwei Methoden zur Verfügung: am Uterus im Zusammenhang mit dem lebenden Tiere oder am isolierten Uterus. Die letztgenannten Methoden haben zweifellos den großen Vorzug, dab sie von den Störungen unabhängig machen, die allen Arbeiten am lebenden Tier anhaften; auch ist das nervöse Zentral- organ ausgeschaltet; eine etwa eintretende Wirkung kann also nur an der Uterusmuskelzelle selbst oder an im Organ gelegenen nervösen Elementen angreifen, während reflektorische Wirkungen ausgeschaltet sind. Zum mindesten wird man vielleicht zur Ergänzung dieser Versuchsanordnung nicht entraten können, wobei die Kehrersche wegen ihrer größeren Ein- fachheit bei gleicher Zuverlässigkeit vor der Kurdinowskyschen zweifel- los den Vorzug verdient. Um den Einfluß der Hormone und die Einwirkung der Ausschaltung der die Hormone produzierenden Organe auf die Uterustätigkeit klarzu- stellen, kann naturgemäß die Untersuchung am Uterus des lebenden Tieres einzig und allein in Frage kommen; denn nur am lebenden Tiere können die Ausfallserscheinungen nach Exstirpation der betreffenden Organe beobachtet werden. Die Nachteile, die damit in Kauf genommen werden müssen, werden noch des näheren zu schildern sein. Als Versuchsobjekt wurde aus naheliesenden Gründen das Kaninchen gewählt, vor allem auch deshalb, weil über das Verhalten gerade des Ka- ninchenuterus gegenüber allen möglichen Reizen schon zahlreiche Unter- suchungen vorliegen. Im besonderen wird es sich vielleicht für die Exstir- pation der Hypophyse als notwendig erweisen auf eine andere Tierart, Hund oder Katze, zurückzugreifen. Eine Reihe der am Kaninchen schon ausgeführten Versuche würde dann an der Katze bzw. am Hund zu wieder- holen sein. Sehr wesentlich ist es jedenfalls, jeder verwendeten Tierart die arteigenen Organsäfte zu injizieren. | Aber gerade das läßt sich beim Kaninchen nicht immer durchführen: bei der Kleinheit der betreffenden Organe zwingt die Herstellung der Extrakte dazu, eine unverhältnismäßig große Zahl von Tieren zu opfern; aus diesem Grunde wurden für eine Versuchsreihe Extrakte vom Rind herangezogen. Um über die Brauchbarkeit der Kurdinowskyschen Versuchsan- ordnung für meine Zwecke ein eigenes Urteil zu gewinnen und um mich in die Untersuchungstechnik einzuarbeiten, habe ich zunächst eine Reihe von Mitteln, zum Teil solche, die als wehenerregend bekannt sind, zum EINFLUSS DER DRÜSEN AUF DIE ÜTERUSTÄTIGKEIT. 263 anderen Teil solche, die späterhin bei dem die Hypophysentätigkeit be- treffenden Abschnitt dieser Arbeit Verwendung finden werden, wie das Pituglandol, in ihrer Wirkung auf den Kaninchenuterus geprüft. Bevor ich auf die Protokolle der Vorversuche und die aus ihnen ge- wonnenen Erfahrungen im einzelnen eingehe, halte ich eine ausführliche Beschreibung meiner Versuchsanordnung für erforderlich, um Nachunter- suchern die Möglichkeit zu geben, meine Ergebnisse zu prüfen. Dabei wird manche aus den Vorversuchen erst gewonnene Anregung und Erfahrung vorauf genommen werden müssen. rei] Eigene Versuchsanordnung. Narkose ist unbedingt erforderlich: jeder äußere Reiz, der das Tier trifft, vermag zunächst schon durch eine reflektorische Bewegung, die er auslöst, die ganze Versuchsanordnung zu stören; denn es ist unmöglich, das Tier so fest am Operationsbrett zu befestigen, daß jede Eigenbewegung ausgeschlossen ist. Außerdem sind aber auch äußere Reize beim nicht oder nicht genügend narkotisierten Tiere imstande, die Uterustätigkeit zu beeinflussen: wie die Kurven zeigen, traten nicht selten zu Beginn der Narkose, oder, wenn sie vorübergehend oberflächlich wurde, auf äußere Reize hin stärkere Uteruskontraktionen auf. Darum ist es notwendig, während der ganzen Versuchsdauer die Anästhesie des Tieres fortgesetzt durch äußere Reize zu kontrollieren. Am besten geeignet hierzu sind aku- stische Reize, besonders hohe Pfeifentöne, da sich zeigte, daß sie oft noch eine Reaktion von seiten des Tieres hervorriefen, wenn mechanische oder thermische versagten. Tiefe Narkose ist auch aus dem Grunde notwendig, weil das nervöse Zentralorgan ausgeschaltet sein muß. Wenn diese Voraus- setzung erfüllt ist, kann der Aneriffspunkt eines auf den Uterus irgendwie wirkenden Stoffes nur im Uterus selbst gelegen sein, gleichviel, ob die Wirkung myogen oder neurogen ist. Als Narkotikum wurde schließlich der Äther gewählt. Absichtlich wurde abgesehen von irgendeinem der intravenös dem Tiere zuzuführenden Narkotika, um die Einwirkung der ebenfalls intravenös beigebrachten zu prüfenden Stoffe nicht zu beeinträchtigen. Es mag Zufall sein, daß bei einigen Versuchen sowohl Uretan wie auch Chloralhydrat keine ge- nügend tiefe Narkose ergab. Chloralhydrat hätte noch den Nachteil, daß es nach Franz die Spontankontraktionen aufhebt; es hätte dann außer der Zuführung des zu prüfenden Mittels, dessen erregende oder hemmende Wirkung auf den Uterus festgestellt werden sollte, dem Tiere noch ein 264 Max STICKEL: anderes wehenerregendes Mittel einverleibt werden oder der Uterus in anderer Weise zu Wehen angeregt werden müssen. Nachdem dann eine Reihe von Äthernarkosen befriedigende Ergebnisse gezeitigt hatten, lag kein Grund mehr vor, vom Äther abzugehen, einmal um nicht unnötiger- weise eine der Versuchsbedingungen zu ändern, dann aber auch, weil mit zunehmender Übung die Äthernarkosen tatsächlich viel weniger Störungen aufwiesen als bei den ersten Versuchen. Allerdings bewirkt der Äther besonders bei Tieren, deren Luftwege nicht völlig gesund sind, bisweilen aber auch bei ganz normalen Tieren, eine vermehrte Schleimsekretion, die schließlich zu Suffokationserschei- nungen führen kann. Meist tritt diese Erscheinung allerdings erst nach drei Stunden ein; über diese Zeit hinaus den Versuch auszudehnen, war nur selten notwendig. — Inwieweit Kohlensäureanhäufung im Blute an sich auf die Uterustätigkeit wirkt, darüber gehen die Ansichten auseinander: im Gegensatz zu Brown-Sequard fand Kurdinowsky bei Asphyxie in zwei Drittel der Fälle keine kontraktionsverstärkende Wirkung auf den Uterus. Nur bei der Atemunterbrechung und Wiederherstellung beobachtete er sie, nicht während der Asphyxie. Ich selbst habe gegen Ende langdauernder Narkosen, wenn das Tier schon in Agone war und die At- mung schlecht wurde, sowohl Verstärkung der Uterustätigkeit als auch völlige Erschlaffung des Organs beobachtet. Daß es auch Tiere ebenso wie Menschen gibt mit sehr geringer Narkosenbreite, d.h. bei denen eine minimale Menge des Narkotikums genügt, um das Tier aus dem wachen Zustand in tiefste Narkose zu bringen, sei der Vollständigkeit halber er- wähnt. Kehrer schreibt übrigens dem Äther eine kontraktionssteigernde Wirkung zu, eine Erfahrung, die ich nicht bestätigen kann. Bei gleich- mäßig tiefer Narkose und solange die Atmung gut ist, unterscheidet sich die Uteruskurve in nichts von der vor Beginn der Narkose, solange nur nicht äußere Reize das Tier treffen. Eine weitere Vermehrung der Versuchszahl war dadurch bedingt, daß unterschieden werden muß zwischen virginellen Tieren, solchen, die schon geworfen hatten, und endlich graviden Tieren, worauf auch Kurdi- nowsky schon hingewiesen hat. Für meine Untersuchungen war diese Unterscheidung um so wichtiger, als manches dafür spricht, daß während der Gravidität andere Hormone im Eierstock produziert werden oder wenig- stens die gleichen Stoffe in einem anderen Mengenverhältnis, wie in den Ovarien nicht gravider Tiere. Daß die Größe des Kaninchenuterus, ganz abgesehen von der Größe des Tieres eine außerordentlich verschiedene ist, sowohl der Tiere untereinander, wie auch in den verschiedenen Phasen der Generationstätigkeit des Kaninchens, ist bekannt (Krause). EINFLUSS DER DRÜSEN AUF DIE ÜTERUSTÄTIGKEIT. 265 Versuchsverlauf, Der Verlauf des Versuches war im allgemeinen folgender (siehe Fig. 1): Das Tier wurde auf dem Öperationsbrett in der Rückenlage befestigt und die Narkose eingeleitet; sobald sie genügend tief war, wurde in einer Reihe von Versuchen die Vena jugularis beiderseits freigelegt für die vor- zunehmenden Injektionen, die in den späteren Versuchen meist intra- Fig. 1. muskulär ausgeführt wurden, sodann durch einen kleinen Längsschnitt in der Mittellinie unmittelbar oberhalb der Symphyse die Bauchhöhle eröffnet und der ganze Uterus mit beiden Hörnern und Ligamentis latis vor die Bauchdecken gelagert. Der Schnitt darf einerseits nicht zu lang sein, damit nicht vorquellende Darmschlingen durch Berührung des Uterus die Kurve stören, anderseits aber auch nicht so kurz, daß etwa in dem zwischen den Wundrändern eingeklemmten Uterus eine venöse Stauung entsteht, kenntlich an der tiefblauen Verfärbung des Organs. Dann wird das Tier, wie die Abbildung zeigt, in einen allseitig verschließbaren Glas- 266 Max Sticker: kasten gebracht, so daß nur Kopf und Brust des Tieres außerhalb des Kastens bleiben, ermöglicht durch eine Aussparurig in der Stirnseite des Kastens. Der Kasten hat den Zweck, den freigelegten Uterus bei unveränderter der Körperwärme des Tieres entsprechender Temperatur, also bei ca. 38° zu halten; um dies zu ermöglichen, führt eine Heizschlange in Spiralen durch den Kasten. Auch ohne Kasten konnten bei gleichmäßiger Zimmertem- peratur in Übereinstimmung mit den Erfahrungen von Franz durchaus brauchbare Resultate erzielt werden; nur plötzliche Temperaturschwan- kungen beeinflussen die Uteruskurve, während allmähliche Schwankungen zwischen 35° und 40° fast ohne Einfluß sind. Die Anwendung des Kastens nach Kurdinowsky ist demnach für länger dauernde Versuche insofern vorteilhaft, als eine gleichmäßige Temperatur mit großer Sicherheit ge- währleistet wird. Aber noch einem anderen Zweck dient der Kasten: sein Boden wird gebildet von einem mit Wasser gefüllten Blecheinsatz, durch das Wasser zieht ein Teil der Heizschlange. Die Luft im Kasten verhindert also durch ihren Wassergehalt ein Austrocknen des bloßgelesten Uterus, ohne einen Reiz auf den Uterus auszuüben, wie es das Einlegen in ein Wasser- bad darstellen würde. Die die Austrocknung verhindernde Versuchsan- ordnung ist vor allem auch für längere Versuchsdauer von Vorteil. In einer Seitenwand des Kastens sind Löcher vorhanden für ein Thermometer sowie um nötigenfalls mechanische, thermische oaer elektrische Reize auf den Uterus wirken lassen zu können. Außer bei einigen Vorversuchen lag dazu allerdings für meinen Zweck keine Veranlassung vor. — Endlich be- findet sich im Kastendeckel’noch eine Öffnung, durch die ein Seidenfaden vom Uterus zum Schreibhebel führt. Graphisch registriert wurde die Bewegung eines Uterushornes.. Zu diesem Zwecke wurde das proximale, d.h. dem Corpus uteri anliegende Ende, meist des rechten Uterushornes, mit einer feinen Pinzette fixiert, die unverschieblich befestigt war; dieser Punkt befand sich so hoch ober- halb der Bauchdecken, daß nur bei sehr ausgiebigen Atembewegungen die Atmungskurve in der Uteruskurve durch kleine Wellen sichtbar wurde. Eine ganz feine, leichte Klemme (Serre fine) faßte 3 cm, bei sehr kleinen Uteris 4 cm distalwärts nochmals das Uterushorn; von dieser Klemme führte ein für alle Versuche gleich langer Seidenfaden zum Schreibhebel, der zu Beginn des Versuches wagerecht ausbalanciert wurde durch ein dem Uterus als Gegengewicht dienendes, auf der Schreibseite angebrachtes Gewicht. Der schreibende Teil des Uterushornes stand also senkrecht. Eine Einwirkung der Kontraktion des Ligamentum latum auf die Kurve konnte nicht immer ausgeschaltet werden, wie es auch Kurdinowsky beschreibt. EINFLUSS DER DRÜSEN AUF DIE ÜTERUSTÄTIGKEIT. 267 Die Länge des Hebelarmes wurde zur Vermeidung allzu großer Aus- schläge der Größe des Uterus entsprechend gewählt, der Faden also um so weiter vom Unterstützungspunkt angebracht, je größer der Uterus war. Im ganzen wurden übrigens nur drei Hebellängen für große, mittlere und kleine Uteri gewählt. Dieser Punkt ist zu berücksichtigen, wenn man die Kurven verschiedener Tiere miteinander vergleicht. Auch sonst sind natür- lich die Kurven verschiedener Tiere nicht mathematisch miteinander ver- sleichbar; denn das Gegengewicht hält nicht nur dem Uterushorn, sondern auch dem jeweils in diesem Uterusstück herrschenden Tonus das Gleich- gewicht. Wiederholt machte sich, wenn zu Anfang des Versuches ein erhöhter Tonus bestand, die Anlegung eines anderen Gegengewichtes nötig, bis der Schreibhebel ausbalaneiert war. Freilich wird damit ein subjektives Moment in die Versuchsanordnung hineingetragen, ein allerdings unvermeidlicher Nachteil des Experimentes am lebenden Tier, bei dem in vivo die Gewichts- bestimmung des schreibenden Uterusteiles nicht ohne weiteres möglich ist. Einigermaßen ausgeglichen wird dieser Nachteil wohl dadurch, daß der Beobachter für alle Fälle der gleiche ist. Ganz einwandfrei ist jedenfalls, und das ist das Wesentliche, die Beurteilung jeder einzelnen Kurve in sich, d.h. der Vergleich der Kurve vor und nach der Injektion, nachdem zu Anfang des Versuches eine gewisse Beruhigung der Kurve eingetreten ist. Selbstverständlich müssen auch die mit bloßem Auge am Uterus sicht- bar werdenden Veränderungen fortgesetzt beobachtet und verwertet werden. Die Herztätigkeit bzw. den Blutdruck graphisch zu registrieren, davon wurde abgesehen, um die Versuchsanordnung nicht unnötig zu kompli- zieren; wenn es sich im weiteren Verlauf der Untersuchungen noch als not- wendig erweisen sollte, würde es die Kurdinowskysche Versuchsan- ordnung an sich ermöglichen. Die Atmung registrierte sich in einer Reihe von Fällen unbeabsichtigt selbst in Form kleiner Wellen oder Zacken, ohne daß dadurch die Uterus- kurve an Wert für die Beurteilung verliert. Eine Verwechselung der kleinen Atmungswellen mit den Ausschlägen der Uteruskurve ist ausgeschlossen. Zur Registrierung der Kurve wurde ein Kymographion nach Ludwig- Baltzar verwendet. Die Zeit wurde mit einem auf Sekunden eingestellten Zeitschreiber unterhalb der Kurve registriert. Etwa 30 Minuten mindestens, oft aber auch länger, nachdem das Tier in tiefer Narkose in den Kasten gebracht worden war, wurde die Injektion des zu prüfenden Mittels vorgenommen, und zwar bei den Vorversuchen meist intravenös in die Vena jugularis. Die intravenöse Injektion hat den Vorzug, daß eine Wirkung nach sehr kurzer Zeit zu erwarten ist. Hat man also mehrere Mittel an u 268 Max STICKEL: selben Tier zu prüfen oder wünscht man die Wirkung einer mehrmaligen Injektion desselben Mittels zu untersuchen, so ist die intravenöse Anwen- dung am Platz, weil sie gestattet, die Wirkung zu beobachten, ohne den Versuch allzu lange ausdehnen zu müssen. Dagegen können durch sie Blutgerinnungen in den Gefäßen bewirkt werden und darauf Wirkungen zurückzuführen sein, die dann fälschlich dem injizierten Stoff zugeschrieben werden (Biedl). Diese Gefahr vermeidet man bei der intramuskulären Injektion und darum ist sie am Platz, wenn der Versuch nicht dadurch beeinträchtigt wird, daß der Eintritt der Wirkung länger auf sich warten läßt. Auch hält die Wirkung der intramuskulären Injektion viel länger an, wie die der intravenösen, nach der das Mittel rasch wieder ausgeschieden wird. Sie verdient beim Kaninchen auch zweifellos den Vorzug vor der sonst etwa gleichwertigen subkutanen, da infolge der losen Verbindung der Haut mit der Unterlage beim Kaninchen auch die subkutane Injektion nur langsam resorbiert wird. Was die Beurteilung der Kurven anbetrifft, so muß berücksichtigt werden, daß die Uteruskurve sowohl des nicht narkotisierten wie des nar- kotisierten, im übrigen aber durch äußere Reize unbeeinflußten Tieres auch schon gewissen Tonusschwankungen unterworfen ist, wie jede länger durchgeführte Beobachtung zeigt. Man muß sich darum vor allem davor hüten, jeden ein wenig höheren Ausschlag als Folge der einverleibten Stoffe aufzufassen. Beobachtet man bei einem laparotomierten Kaninchen den Uterus, so bemerkt man an ihm ringförmige Zusammenziehungen an den Hörnern. Diese Ringe bilden weiße Wülste, die in der Richtung vom Tu- benende nach dem Corpus zu fortschreiten, so daß oft wurmähnliche Be- wegungen zu stande kommen. Dieselben Bewegungen beobachtet man auch am suspendierten Uterus. Man nennt sie Spontankontraktionen, abgekürzt Sp.K. und versteht darunter wehenartige, d. h. rhythmische Zusammenziehungen der Gebärmutter, die manchmal ganz regelmäßig, also in gleicher Stärke und gleichen Abständen auftreten, dann aber auch wieder in Stärke und Häufigkeit wechseln. Kurdinowsky bevorzugt die Bezeichnung automatische Kontraktionen, da sie, wie gesagt, auftreten ohne nachweisbare äußere Reize, ja auch sicher, ohne daß eine Reizung des nervösen Zentralorgans oder der peripheren Uterusnerven erfolgt ist; denn auch am isolierten Uterus werden sie beobachtet. Die Aufhängung des Uterus am Schreibhebel und auch Temperaturschwankungen mögen gewiß nicht ohne Einfluß auf ihre Stärke sein, aber die Ursache für die Sp.K. sind sie nicht; denn man beobachtet sie auch, bevor der Uterus überhaupt berührt wird. Einige Autoren, so auch Franz, sahen EINFLUSS DER DRÜSEN AUF DIE ÜTERUSTÄTIGKEIT. 269 sie nicht bei virginellen Tieren. Ihm gelang es, sie durch Chloral- hydrat zu unterdrücken. Andere wieder und ich selbst habe sie auch bei einigen sicher virginellen Tieren gesehen. Freilich können sie bei virginellen Tieren auch ganz fehlen, oder sind nur sehr schwach, so daß sie sich graphisch als ganz flache Erhebungen mit langer Aszendente und gleich langer Deszendente ausdrücken. Es sei vorweg genommen, daß man bei kastrierten Tieren ganz ähnliche Kurvenbilder findet. Bei Tieren, die geworfen haben, sind jedenfalls die Sp.K. sehr viel deutlicher, am stärksten bei graviden Tieren. Sie drücken sich dann im Kurvenbild aus genau wie andere Wehen durch mehr weniger steile Erhebungen mit an- nähernd gleich langen auf- und absteigenden Schenkeln und spitzen Kuppen. Nicht selten ist die Deszendente länger als die Aszendente. Die Frage, ob die Sp.K. im Uterus myogen oder neurogen bedingt sind, kann ebenso zu- nächst außer Betracht bleiben, wie die Frage, ob die zu prüfenden Stoffe an der Muskelzelle selbst oder ihren nervösen Elementen angreifen. Nur darauf kommt es an, ob sie überhaupt auf die Uterustätigkeit eine Ein- wirkung ausüben. — Streng genommen dürfte man also die nach der In- jektion eintretenden verstärkten Kontraktionen der Definition des Wortes nach nicht mehr als Spontankontraktionen bezeichnen. In den Versuchs- protokollen ist gleichwohl der Einfachheit halber die Bezeichnung Sp.K. beibehalten. Über die Entstehung der Sp.K. ist vielleicht auch aus meinen Untersuchungen noch eine Aufklärung zu erwarten. Kurvenbild. Das Kurvenbild ist im allgemeinen etwa folgendes. Zu Anfang treten oft ganz unregelmäßige und in der Höhe und Häufigkeit wechselnde Zacken auf, zum größten Teil durch äußere Reize hervorgerufene oder wenigstens beeinflußte Sp.K. darstellend. Allmählich bildet sich dann erst die für das betreffende Tier als normal zu bezeichnende Kurve aus: die Sp.K. werden einander ähnlicher, treten in gleichmäßigeren Abständen einzeln oder in Gruppen auf und sind voneinander getrennt durch ebene Strecken. — Auch der Tonus stellt sich allmählich auf eine gewisse gleichmäßige Höhe ein, d. h. die Basis der Erhebungen bleibt in annähernd gleicher Ent- fernung von der Linie der Zeitschreibung; doch kann der Tonus auch an- dauernd leichten Schwankungen unterworfen sein. — Die virginellen Tiere zeigen in ihrem Kurvenbild die oben schon beschriebenen flachen Wellen- bewegungen. . Unter dem Einfluß der dem Tier einverleibten Stoffe kann sich das Kurvenbild in folgenden Punkten ändern: 270 Max STICKEL: Ia. Die Sp.K. können stärker werden, die Zacken werden höher und steiler mit spitzeren Kuppen, auch können die Sp.K. häufiger auftreten, wodurch sie näher zusammenrücken oder, besonders wenn sie vorher schon sehr stark waren, sie werden regelmäßiger: die Zacken ähneln einander in der Form mehr wie vorher und treten in gleicheren Abständen auf, durch gleich lange flache Strecken getrennt. Vielfach treten sie auch in Gruppen auf: Wehenerregende Stoffe. Ib. Die Kurve steigt steil an, bleibt längere Zeit in gleicher Entfer- nung von der Zeitschreibung und sinkt dann steil oder allmählich in mehre- ren Zacken zur Norm ab: Tetanus uteri: stark wehenerregende Mittel. II. Das Gegenteil tritt ein: die Erhebungen werden flacher, seltener und unregelmäßiger in Höhe und Abständen: wehenhemmende Mittel. III. Der Tonus kann allmählich steigen: die Kurve bzw. die Basis der Erhebungen entfernt sich nach aufwärts von der Linie der Zeitschrei- bung; oder sinkt allmählich: die Kurve nähert sich der Linie der Zeitschrei- bung bzw. unterschreitet sie. IV. Mit steigendem Tonus geht oft Hand in Hand eine Verstärkung der Wehen: die Kurve entiernt sich aufwärts von der Zeitschreibung, gleich- zeitig werden die Ausschläge höher, stärker und häufiger (wie unter la). Aber der Tonus des Uterus kann auch bereits so hoch sein, daß bei stei- gendem Tonus die Ausschläge gegen vorher niedriger erscheinen, weil über ein Maximum hinaus der Uterus sich nicht kontrahieren kann. V. Mit sinkendem Tonus werden häufig die Erhebungen flacher, niedriger und seltener (wie unter II). Die Erhebungen können aber auch an dem mehr und mehr erschlaffenden Organ höher auf dem Kurvenbild erscheinen. Es folgen die Protokolle der Vorversuche in gekürzter Form. Protokolle der Vorversuche. Sp.K. = Spontankontraktionen. Kaninchen III. Hat kurz zuvor geworfen. Ohne Kasten. Großer Uterus. Versuchsdauer 130 Minuten. Nach 0-1 Pituglandol deutlich wehensteigernde Wirkung. Wirkungsdauer infolge Narkosestörung nicht festzustellen. Kaninchen IV. Mitteleroße Häsin hat geworfen. Temperatur um 35-5°. Versuchsdauer 91 Minuten. Sofort nach 0-1 Pituglandol intravenös sehr kräftige Wehen- verstärkung. 8 Minuten später nach 0-2 Pituglandol intra- venös rasch eintretende stark wehensteigernde Wirkung von etwa 12 Minuten Dauer. Geringe Tonussteigerung. EINFLUSS DER DRÜSEN AUF DIE ÜTERUSTÄTIGKEIT. Drel Kaninchen V. Größe Häsin, hat vor 6 Wochen geworfen. Großer kräftiger Uterus. Dauer 89 Minuten. 4mal 0.2 Pituglandol intravenös bewirkt nach der ersten Injektion geringe, sehr kurz dauernde Wehensteigerung. (Aus- bleiben der Wirkung vermutlich infolge Mißlinsens der In- jektion.) Kaninchen VII. Große Häsin. hat sicher geworfen. Sehr kräftiger Uterus. Temperatur um 35°. Dauer 120 Minuten. Nach 0.2 Pituglandol intravenös rasch eintretende (15 Se- kunden) sehr stark wehenerregende Wirkung von bald ab- nehmender Stärke; danach Exitus. (Narkose ?) Kaninchen VIII. Kleine Häsin, hat vor kurzem geworfen. Uterus mittelgroß. Belastung zweimal gewechselt. Temperatur um 38°. Dauer 105 Minuten. Nach 0-1 Pituglandol bei rasch und für kurze Zeit steigendem Tonus geringe Steigerung der Wehentätigkeit, auf die eine zweite Injektion ohne Einfluß ist. Kaninchen IX. Mittelgroße Häsin, hat geworfen. Sehr großer Uterus. Temperatur 38%. Dauer 138 Minuten. Nach 0.2 Pituglandol + 0-8 NaCl ıntravenös sehr Sich ein- tretende, sehr stark wehensteigernde Wirkung, die in wech- selnder Stärke lange anhält. Tonus nur wenig beeinflußt. Kaninchen X. Große Häsin, hat geworfen. Auch post mortem werden noch schwächere Sp.K. registriert. Temperatur um 38°. Dauer 115 Minuten. Nach 0.3 Pituglandol-+ 0-7 NaCl, das nur zum Teil in die Vene gelangt, Wirkung nur insofern, als die Sp.K. gleich hoch werden, also regelmäßigere Wehen als vorher. Kaninchen XI. Mitteleroße Häsin, gravid. 5 Früchte in jedem Horn, werden nicht entfernt. Sp.K. anfangs infolge sehr starker Belastung wegen der Schwere des Hornes sehr gering. Temperatur um 38°. Dauer 135 Minuten. Bei gravidem Tier, starke Belastung, hat 0-2 Pituglandol + 0-8 NaCl, nur zum Teil in die Vene gelanst, nur geringe wehen- verstärkende Wirkungen. Dasselbe nochmals subkutan bleibt fast und nochmals intravenös ganz ohne Wirkung. (Man kann von einer Wirkung nur insofern sprechen, als die Ausschläge höher werden gegenüber der unmittelbar vorher liegenden Kurvenstrecke, nicht aber gegen- über dem Anfang der Kurve. Kaninchen XII. Mittelgroße Häsin. Hat wahrscheinlich geworfen. Mittelgroßer Uterus. Temperatur um 37°. Dauer 100 Minuten. 0-2 Hormonal-+ 0-8NaCl intravenös und subkutan ohne Wir- kung auf die Wehenstärke und den Tonus des Uterus. Die Darmperistaltik wird mächtig angerest. Kaninchen XIII. Mittelgroße Häsin, gravid, 5 Früchte in jedem Horn. Starke Belastung, da zwei Föten in dem 3 cm langen suspendierten Teil des rechten Hornes sich befinden. Temperatur anfangs 39°, dann um 38°. Dauer 177 Minuten. 272 Max STICKEL: Nach 0-3 Pituglandol + 0-7 NaGl intravenös zunächst sofort ca. 6 Minuten Tetanus uteri, danach bei allmählich sinkendem Tonus Wehensteigerung. Nach der zweiten Injektion nach ca. 12 Minuten schwächere, aber deutliche Wehenverstärkung. Kaninchen XV. Kleine Häsin, fraglich, ob geworfen. Dünner, schwacher Uterus, deshalb 4-5 cm des Hornes suspendiert. Temperatur mit einer Aus- nahme um 38°. Dauer 135 Minuten. 0-3 bzw. 0-5 Hormonal-+ NaCl intravenös ohne Einfluß auf den Uterus, aber enorme Peristaltik. (Hormonaltod?) Kaninchen XVI. Mittelgroße Häsin, Uterus sehr klein. Fraglich, ob ge- worfen, wahrscheinlich virginell. Geringe Narkosenbreite. Temperatur um 38°. Dauer 125 Minuten. 0-3 Secacornin Roche + 0-7 NaCl intravenös ohne Wirkung bei virginellem Tier, bei dem sehr geringe Sp.K., aber regel- mäßige Tonusschwankungen vorhanden sind. Kaninchen XVII. Große Häsin, hat geworfen. Uterus groß. Tem- peratur zwischen 37° und 38°. Dauer 105 Minuten. 0-5 Secacornin Roche + 0-5 NaCl intravenös bewirkt nach kurzem Tetanus uteri regelmäßigere, häufigere und verstärkte Wehen für 25 Minuten. Kaninchen XVIII. Häsin mit mitteisroßem Uterus, wohl nicht virgi- nell. Temperatur anfangs 41°, dann um 38°. Dauer 115 Minuten, Zweimal 0-5 Harmonal+ 0-5 NaCl intravenös steigern sehr stark die Darmperistaltik, bleiben aber ohne Einfluß auf den Uterus. Kaninchen XIX. Mittelgroße Häsin, hat kürzlich geworfen. Kräftiger Uterus. Temperatur um 38°. Dauer 137 Minuten. 0-4 Pituglandol +0-6NaCl subkutan bewirkt nach 12 Minuten häufigere, nach ca. 20 Minuten auch stärkere Wehen für 60 Mi- nuten Die gleiche Menge intravenös injiziert, ist von schwäche- rer und kürzerer Wirkung. Kaninchen XX. Mittelgroße Häsin. Kleiner Uterus (deshalb 4 cm), virginell? Temperatur um 38°. Dauer 120 Minuten. 0-5 Hormonal + 0.5 NaCl erhöht vorübergehend den Uterus- tonus in geringem Maße, die gleiche Wirkung tritt rascher ein nach intravenöser Injektion; sonst bleibt der Uterus un- beeinflußt. Die Peristaltik wird mächtig gesteigert. Kaninchen XXI. Weißbraune Häsin, hat sicher geworfen. Mittel- großer Uterus. Temperatur zwischen 37.5° und 38-5°. Dauer 137 Minuten. 0.4 Secacornin-+ NaCl subkutan unentschieden in der Wir-. kung, da der Faden sich löst. Die gleiche Menge intravenös bewirkt nach 30 Sekunden kurzen Tetanus uteri, gefolgt von regelmäßigen und stärkeren Wehen für mindestens 30 Minuten, allmählich nachlassend. EINFLUSS DER DRÜSEN AUF DIE ÜTERUSTÄTIGKEIT. 213 Kaninchen XXII. Große Häsin, hat sicher geworfen. Großer, kräftiger Uterus. Temperatur um 38°. Dauer 105 Minuten. Nach 0.5 Pituglandol + 0-5 NaCl intravenös nach ca. 40 Se- kunden eine sehr kräftige Wehe; nach einer Narkosenstörung noch längere Zeit häufigere und kräftigere Wehen wie vorher. Tonus schwankend. KaninchenXXIII. Graubraune Häsin, sravid. 10 Früchte von Pflaumen- größe ohne stärkeren Blutverlust entfernt. Entsprechende Belastung. Tem- peratur anfangs 41°, dann um 38°. Dauer 135 Minuten. Zweimal 0-5 Pituglandol +0-5 NaCl erst subkutan (tief), dann subkutan und intravenös: eine Steigerung der vorher maxi- malen Ausschläge war kaum möglich. Vielleicht werden die Wehen zeitweilig häufiger. Die Ausschläge werden anfangs bei dem hoch graviden Tier sogar geringer, dann aber min- destens wieder so hoch wie vorher. Kaninchen XXIV. Große Häsin. Mittelgroßer Uterus (sehr alt?). Dauer 200 Minuten. 0-3 Secacornin + NaCl bewirkt nach 5 Sekunden ca. 2 Minuten lang Tetanus. Nach der gleichen Gabe subkutan nach 45 Minuten geringe Tonussteigerung (?). Kaninchen XXV. Große Häsin, hat sicher geworfen. Großer Uterus. Dauer 125 Minuten. Zweimal Hormonal 0.5 + NaCl intravenös, dann subkutan (tief), wirkt nicht auf Wehentätigkeit und Tonus des Uterus. (Allerdings vorher sehr starke Sp.K.) Dagegen sehr starke Peristaltik. Kaninchen XXVI. Mitteleroße Häsin, hat sicher geworfen. Uterus klein, kleine regelmäßige Sp. K. Temperatur um 38°. Dauer 110 Minuten. 0-2 Pituglandol + 0-8 NaCl zweimal intravenös bewirken nach 5 bzw. 10 Sekunden Tetanus uteri, sich auflösend in kräftigeren, regelmäßigeren und häufigeren Wehen. Die Wirkung dauert mindestens 30 Sekunden. (Im Anschluß an den Versuch Kältereizung des Uterus.) Kaninchen XXVII. Mitteleroße Häsin, hat sicher geworfen. Kräftiger Uterus. Temperatur um 38°. Dauer 125 Minuten. 0-3 Secacornin + 0-7 NaCl intravenös ohne Wirkung. Das- selbe ohne NaCl bewirkt geringe Wehenverstärkung. Doch ist der Uterus stark gestaut, die Atmung und Zirkulation schwer gestört. Kaninchen XXVIIl. Sehr kleine Häsin, virginell. Uterus sehr klein. Temperatur 36-5° bis 38%. Dauer 50 Minuten. 0,5 Hormonal intravenös, ohne Wirkung auf die Uterus- tätigkeit. Sp.K. auch am toten Tier zu beobachten. Darm- peristaltik sehr stark gesteigert. Kaninchen XXIX. Schwarze Häsin, hat geworfen. Mittelgroßer Uterus. Temperatur um 38%. Dauer 230 Minuten. Archivf.A.u.Ph. 1913. Physiol. Abtlg. 18 274 Max STICKEL: 0.3 Secacornin intramuskulär. ‚Wehenverstärkende Wirkung nach 12 Minuten. Wirkung der intravenösen Injektion infolge Wechsel des Kymographion nicht sicher festzustellen. Im ganzen geringe Wirkung bei vorher sehr starken Sp. K. Kaninchen XXX. Große Häsin, hat geworfen. Kräftiger Uterus. Temperatur um 38°. Dauer 185 Minuten. Nach 0-3 Pituglandol intramuskulär nach 5 Minuten kräftige und länger anhaltende wehensteigernde Wirkung. Dasselbe mit NaCl intravenös bewirkt zwei sehr starke Wehen, danach Exitus. Kaninchen XXXI. Kleine Häsin, hat geworfen. Kräftiger Uterus. Kräftige Sp.K. Temperatur um 38°. Dauer 60 Minuten. 0-5 Hormonal intravenös ohne Einfluß auf die Uterusbe- wegung, starke Darmperistaltik. (Post mortem Kältereiz bewirkt zweimal langsamen Anstieg der Kurve.) Kaninchen XXXII (siehe Figur). Große Häsin, hat geworfen. Sehr kräftiger Uterus. a und b Narkose oberflächlich, Hebel verstellt; auf ce ziem- lich regelmäßige spitze Sp.K., auf 0-2 Pituglandol. intramuskulär nach ca. 6 Minuten eine sehr hohe Zacke, der zwei niedrigere folgen; d je drei hohe Ausschläge, sind getrennt durch Strecken niedrigerer Zacken; e Wirkung hält an; f Ausschläge werden niedriger. Nochmals 0-3 Pituglandol intravenös. Sofort steilster, sehr hoher Anstieg, in Zacken abfallend (Tetanus uteri); g nach flacher Kurvenstrecke treten hohe Ausschläge in Gruppen und ein- zeln auf; h hohe Zacken treten jetzt einzeln auf. Durch Narkosestörung Bild Berrulbt, Temperatur um 38°. Dauer 190 Minuten. 0-2 Pituglandol intramuskulär bewirkt nach ca. 6 Minuten sehr kräftige Wehen; in Gruppen auftretend. Wirkung lange . anhaltend. Nach 0-3 Pituglandol intravenös sofort kurzer Te- tanus; danach Wehenverstärkung, aber schwächer wie nach der ersten Injektion. Tonus sonst unverändert. Kaninchen XXXIII. Kleine Häsin, hat geworfen. Kräftiger Uterus. Temperatur 38°. Dauer 85 Minuten. 0-2 Ergotin intravenös bewirkt nach 5 Sekunden für 2 Mi- nuten Tonuserhöhung. (Tetanus?) Danach für ca. 25 Minuten stärkere Wehen. (Am toten Tier noch dreiviertel Stunden lang kräftige Sp.K. Kaninchen XXXIV. Große Häsin, gravid. Sehr großer Uterus. In jedem Horn ca. 4 bis 5 Früchte, erbsengroß. Temperatur um 38°. Dauer 138 Minuten. 0-3 Pituglandol intravenös (fraglich ob in die Vene selangt). Die gleiche Menge intramuskulär bewirkt geringe Wehensteige- rung. 0-2 Pituglandol intravenös fast ohne Wirkung. Gravides Tier, starke Belastung. Kaninchen XXXVI. Große Häsin, hat geworfen. Kräftiger Uterus. Unregelmäßige, niedrige Sp.K. Temperatur um 38%. Dauer 180 Minuten. Nach 0-3 Pituglandol intramuskulär anfangs nur eine stärkere Wehe und Tonuserhöhung. Nach ca. 10 Minuten sehr starke = | Kan. XXXIL e. Kan. XXXIla. 18* 276 MAX STICKEL: und lang anhaltende wehensteigernde Wirkung. (Uterus in Agone wurstförmig kontrahiert). Kaninchen XXXVII. Kleine Häsin, hat wahrscheinlich geworfen. Mittelsroßer Uterus. Temperatur um 38°. Dauer 155 Minuten. 0-3 Pituglandol intravenös erhöht sofort den Tonus (Teta- nus). Geringe Wehenverstärkung. 0-3 Pituglandol intramuskulär bewirkt in größeren Abständen langsam ansteigenden und schneller abfallenden Tonus. (Ganz langsame Wehen?) (Der vom Tier abgetrennte, in der Aufhängung belassene Uterus schreibt weiterhin flache Kurven.) Kaninchen XXXVIII. Sehr große Häsin. Hat geworfen. Sehr großer Uterus mit entzündlichen Auflagerungen. Temperatur um 38°. Dauer 98 Min. (Narkosentod ?) 0-3 Pituglandol intravenös bewirkt nach 5 Sekunden Tetanus uteri für ca. 8 Minuten. Danach Wehenverstärkung für kurze Zeit. 0-3 Pituglandol intramuskulär 6 Minuten lang ohne Wir- kung. Exitus. (Kurve am toten Tier längere Zeit fast unverändert.) Kaninchen XXXIX. Kleine Häsin, virginel. Ohne Kasten. Sehr kleiner Uterus. Nach ca. 30 Minuten bei kleinen $p.K. Tod unter Atmunssstillstand. Ergebnis der Vorversuche. Es wurden mit Pituglandol Roche in Gaben von 0,1 bis 0,5 zum Teil wiederholt intravenös oder intramuskulär bzw. subkutan behandelt: 19 "Tiere (III, IV, V, VIL-VII, IX, X, XL XII XIX RRIREE XXVI, XXX, XXXIL. XXXIV, XXXVL XXXVI, XXXVID, von denen 4 gravid waren, die anderen geworfen hatten. Von den Tieren, die geworfen hatten, zeigten eine sehr stark bzw. stark wehensteigernde Wirkung 10 Tiere: III, IV, VII, IX, XIX, XXI, XXVI XXX, XXXI, XXXVIL Daneben trat bei 3 Tieren (XXVI, XXXIL XXXV]) Tetanus uteri auf. 1 Tier (IV) zeigte gleichzeitig Tonussteigerung. Eine deutliche oder geringe Wehenverstärkung zeigten 5 Tiere: V, VII, X, XXXVIL, XXXVIIl Tetanus uteri trat gleichzeitig auf bei XXXVIM. Eine starke Tonussteigerung bestand gleichzeitig bei Tier VII. Wechselnden Tonus zeiste Tier XXXVII. Von den 4 graviden Tieren zeigten drei: XI, XXIII, XXIV nur eine geringe wehenverstärkende Wirkung bei unverändertem Tonus. Nur eine Gravidität in der ersten Hälfte: XIII zeigt im Anschluß an Tetanus uteri eine außerordentlich starke Wehensteigerung. EINFLUSS DER DRÜSEN AUF DIE ÜTERUSTÄTIGKEIT, DRUM Auch diese Untersuchungen bestätigen die von anderer Seite berich- teten Erfahrungen, daß das Pituglandol Roche mit großer Sicherheit wehenerregend bzw. -verstärkend wirkt, bisweilen allerdings im Tier- experiment zu Tetanus uteri führt. Eine genauere Auswertung dieser Ver- suchsreihe behalte ich mir für den die Beziehungen der Hypophysenhormone zur Wehentätigkeit betreffenden Teil meiner Untersuchungen vor. Auf- fallend erscheint die in den Kurven so außerordentlich schwach zutage tretende wehensteigernde Wirkung des Pituglandel gerade bei graviden Tieren. Die Erklärung liest wohl darin, daß einmal bei Graviditäten be- sonders in der zweiten Hälfte der Schwangerschaft zur Ausbalaneierung des Uterus eine sehr starke Belastung notwendig war, und vor allem, daß in diesen Fällen die Sp.K. schon vor der Injektion maximal stark waren, daß also eine wehenverstärkende Wirkung in einer Erhöhung der Aus- schläge überhaupt nicht ihren Ausdruck finden konnte, sondern höchstens in einem häufigeren und regelmäßigeren Auftreten der Kontraktionen. Auf das besondere Kurvenbild des graviden Uterus wird später noch ein- gegangen werden 'müssen. Secarcornin Roche wurde 6 Tieren in Gaben von 0,3 intravenös bzw. subeutan, zum Teil wiederholt, einverleibt. Bei einem virginellen Tier: XIV, ohne Wirkung. Bei 5 Tieren, die geworfen hatten, trat dreimal Tetanus uteri ein: XVIl, XXI, XXIV, dem sich zweimal eine Wehenverstärkung an- schloß: XVII und XXI. Bei zwei Tieren: XXVII und XXIX zeigte sich geringe Wehen- verstärkung. Ergotin (Ergotin. dialysat. mit aqu. destill. 33) wurde zwei Tieren: XXXIII und XXXV in Gaben von 0,2 bis 0,7 injiziert. Einmal trat Tetanus uteri und Wehenverstärkung ein: XXXIM. Einmal Tonussteigerung mit geringer Wehenverstärkung. Hormonalin Gaben von 0,2 bis 0,5 erhielten 7 Tiere: XII, XV, XVIII, XX, XXV, XXVII, XXXI. Davon hatten 5 geworfen, 2 waren virginell. Eine Wirkung des Hormonal auf den Uterus wurde nicht beobachtet. Nur beidem einen virginellen Tier fand eine geringe Tonussteigerung statt. Enorm angeregt wurde die Darmperistaltik. Zusammenfassung der Vorversuche. Die Zahl dieser im Auszug mitgeteilten Versuchsprotokolle mag ge- nügen, um ein Urteil über den Wert der angewandten Methode sich zu bilden. Die Mängel, die der Versuchsanordnung anhaften, beruhen vor allem auf 278 Max STICKEL: der nicht zu umgehenden Notwendigkeit am lebenden Tier arbeiten zu müssen. Die Äthernarkose führt nach einer gewissen Zeit zu Atmungs- störungen infolge vermehrter Schleimabsonderung in den Luftwegen und verhindert so die Versuche über eine begrenzte und von Fall zu Fall ver- schiedene Zeit hinaus auszudehnen. Eine Wirkung auf die Wehentätigkeit jedoch, wie sie von E. Kehrer beschrieben wird, konnte bei genügend tiefer Narkose, das muß nochmals betont werden, in meinen Fällen nicht beobachtet werden. Eine vorübergehend erhöhte Reizbarkeit tritt viel- leicht zu Beginn der Narkose bei manchen Tieren auf in einem dem Ex- zitationsstadium des Menschen analogen sehr kurzen Zeitraum. — Auch die Aufhängung des Uterus läßt sich nicht so exakt dem Gewicht und der Größe des Organs jeweils anpassen wie bei der Kehrerschen Ver- suchsanordnung am isolierten Uterus, bei der man das Organ wägen kann. Dementsprechend sind die Kurven nicht in ihren absoluten Massen mit- einander vergleichbar, wie schon früher auseinandergesetzt wurde; aber unter steter Berücksiehtigung dieser Einschränkungen liefert die Versuchsanordnung Ergebnisse, die für die Lösung der gestellten Aufgabe eine genügend gesicherte Grundlage abgeben. N end: Einfluß des Ovarium auf die Uterustätigkeit. Die mit dem Uterus in engster Wechselbeziehung stehenden Ovarien hinsichtlich ihrer Wirkung auf die Uterustätigkeit zu prüfen, mußte die erste Aufgabe sein. Erst wenn auf diese Frage eine Antwort gefunden, gleichviel ob sie positiv oder negativ ausfiel, konnten auch die übrigen Drüsen mit innerer Sekretion in den Kreis der Untersuchung einbezogen werden. Die Literatur, die die Beziehungen zwischen Ovarium und Uterus behandelt, ist gerade in den letzten Jahren lawinenartig angeschwollen: Eine Unmenge mehr oder weniger sichergestellter- Einzelbeobachtungen sind von dem einen Autor zu einer Theorie verarbeitet worden, die zum Teil in schroffstem Gegensatz steht zu den Theorien anderer Autoren, die auf den gleichen Erfahrungstatsachen basieren. Ganz besonders weichen die Auffassungen der auf diesem Gebiete Arbeitenden voneinander ab, je nachdem das Urteil sich stützt auf entwicklungsgeschichtliche bzw. morphologische Studien, oder auf experimentelle oder auf klinische Er- fahrung. Bezüglich der Literatur muß vor allem auf einige sehr aus- führliche Sammelreferate verwiesen werden, um so mehr als die meisten EINFLUSS DER DRÜSEN AUF DIE ÜTERUSTÄTIGKEIT. 279 der darin niedergelegten Erfahrungen sowohl wie Hypothesen sich ganz allgemein auf die Beziehungen zwischen Ovarium und Uterus einerseits und den Drüsen mit innerer Sekretion andererseits beziehen, also nur in mittel- barem Zusammenhang stehen mit der hier zur Rede stehenden Frage. Ein Sammelreferat von Birnbaum umfaßt die Literatur bis 1908; ein anderes von L. Fränkel bis 1909. Eine ganz besonders eingehende Darstellung gibt unter Berücksichtigung der Literatur Biedl in seiner „Inneren Sekretion‘‘ (1. Aufl., von seiner 2. Aufl. war bei Abschluß der Arbeit nur der erste Band erschienen), gestützt auch auf zahlreiche eigene Untersuchungen und Beobachtungen. 1912 endlich referiert Benthin in der gynäkologischen Rundschau knapp, aber durchaus erschöpfend über diese Beziehungen. Nur die wichtigsten Punkte aus der Literatur seien hervorgehoben, auch um zu zeigen, wie wenig wirklich gesicherte Beobach- tungen bisher vorliegen und wie weit die Meinungen über ihre Deutung auseinandergehen. Die Kastration beim neugeborenen Tier hemmt Tuben und Uterus in ihrer Entwicklung; daß diese Hemmung nicht auf der Zerstörung ner- vöser Bahnen beruht, geht daraus hervor, daß nach Transplantation bzw. Reimplantation der Ovarien die Entwicklung von Uterus und Tuben wieder fortschreitet (Hegar, Kehrer und Halban). Auch das Auftreten der Menses ist an das Vorhandensein bzw. die Funktion der Ovarien gebunden. Bei kastrierten Pavianweibchen traten die Menses nach Reimplantation der Ovarien wieder auf; nach erneuter Exstirpation der Ovarien hörten sie wieder auf. Die sogenannten Ausfallerscheinungen nach Kastration bei Frauen im geschlechtsreifen Alter werden durch Darreichung von Ovarial- präparaten oft gemildert (Landau, Chrobak, vgl. auch Adler). Es ist physiologisch durchaus verständlich, daß eine solche auf immerhin kürzere Zeit beschränkte Zufuhr von nicht einmal arteigenen Stoffen keinen vollen Ersatz bieten kann für den Ausfall eines kontinuierlich sezernierenden Organes. — Auch beim Menschen gelang übrigens die Reimplantation der Ovarien (Cramer, Pankow). — Die Keimdrüse liefert also Hormone, die Anregungen geben für die Entwicklung des Uterus im wachsenden Or- sanismus und für seine physiologischen Funktionen (Biedl). Aber auch auf andere Organe und Körperfunktionen kann eine Ein- wirkung der Ovarialhormone als festgestellt gelten, z. B. auf das Knochen- wachstum (Franz, Sellheim, Halban); auf eine verminderte Tätig- keit der Ovarien während der Schwangerschaft läßt das gesteigerte Längen- wachstum sehr jugendlicher Schwangerer schließen. Hypoplasie der Ovarien und späte Reife bewirken Hochbeinigkeit, dagegen führt Frühreife mit gesteigerter Ovarialfunktion durch frühzeitige Verknöcherung der 280 Max STICKEL: Epiphysen zu Kurzbeinigkeit (Tandler);;, denn mit der Verknöcherung der Knorpelknochengrenze hört das Längenwachstum der Röhrenknochen auf. Da aber nachgewiesenermaßen auch Schilddrüse, Hypophysis und Thymus in Beziehungen zu den Wachstumsvorgängen stehen und die ge- nannten Organe zum Teil in gleichem Sinne wie die Keimdrüsen, zum Teil aber auch in entgegengesetztem Sinne auf das Knochenwachstum wirken, ist es im einzelnen Falle, wie z. B. bei der Akromegalie, schwer zu entscheiden, ob die Keimdrüsen- oder die Hypophysenveränderung das Primäre ist (E. Mayer, Fischer). Auch der Einfluß der Ovarialhormone auf den Stoffwechsel ist un- bestritten (Lüthje, Neumann und Vas, Zuntz), während über die Art dieses Einflusses Meinungsverschiedenheit besteht. Das gleiche gilt in bezug auf das Wesen der Osteomalacie (Fehling), die auf Hyperfunktion des Ovariums, aber von anderer Seite auch auf Hyper- und Hypothyreoi- dismus als ätiologisches Moment zurückgeführt wird. Die größten Gegensätze bestehen aber auf morphologischem Gebiet. Welche morphologischen Elemente des Ovariums überhaupt der inneren Sekretion dienen und welche Aufgaben bzw. Wirkungen die hypothetischen oder in Wirklichkeit vorhandenen von den histologisch differenten Zell- komplexen produzierten Hormone haben, gerade darüber gehen die An- sichten am weitesten auseinander. Morphologisch kommen als Bereitungsstätte der Ovarialhormone in Betracht die epithelialen Gebilde: 1. der Follikelapparat, 2. das Corpus luteum, dessen epitheliale Herkunft nach den Untersuchungen von So- botta, Seitz, Cohn, R. Meyer u.a. sicher steht. Follikelapparat und Corpus luteum wird auch wohl von den meisten Autoren eine innere sekre- torische Tätigkeit zugeschrieben. Anders dagegen das dritte in Betracht kommende Gebilde: die sogenannte interstitielle Eierstocksdrüse. Beim Menschen wird sie gebildet von den Theca-Luteinzellen (Seitz) der atretischen Follikel, also zelligen Elementen ursprünglich bindege- webiger Abkunft. Zweifellos ist sie bei manchen Tieren, z. B. den Nagern, unverhältnismäßig viel stärker ausgebildet wie beim Menschen, ein Um- stand, der L. Fränkel veranlaßt hat, ihr, wenn überhaupt, eine höchstens ganz untergeordnete Bedeutung bezüglich der Hormonbildung zuzuerkennen. Aber man muß doch bedenken (Benthin), daß zu jeder Zeit in jedem Ovarium zahlreiche Follikel zugrunde gehen, daß also eine interstitielle Eierstocksdrüse auch beim Menschen immer vorhanden sein muß. Aus- schlaggebend sind vor allem die Befunde von Wallart und Seitz; sie fanden die interstitielle Eierstocksdrüse deutlich ausgebildet vor der Pubertät; besonders stark entwickelt in der Gravidität und vor allem wieder in den EINFLUSS DER DRÜSEN AUF DIE UTERUSTÄTIGKEIT. 281 späteren Schwangerschaftsmonaten, zu einer Zeit also, in der das Corpus luteum bereits in Rückbildung begriffen ist. Im vierten Monat beginnen nach Seitz seine regressiven Veränderungen. Biedl gelangt zu einem non liquet bezüglich der funktionellen Leistung der verschiedenen Gewebselemente im Ovarium, da die interstitielle Drüse stark entwickelt ist zu Zeiten vermehrter Ovarialfunktion, nämlich vor der Pubertät und vor der Menstruation, ebenso wie zu Zeiten verminderter Ovarialfunktion, wozu er die Gravidität rechnet. Er neigt der Ansicht zu, daß die interstitielle Eierstocksdrüse nur die zyklischen Vorgänge im weib- lichen Genitale beeinflußt, während die anderen Gewebsformationen des Ovariums Hormone bilden, die andere Aufgaben haben. Jedenfalls scheint ihm diese Auffassung plausibler wie die Annahme L. Fränkels, daß das Corpus luteum zwei verschiedene Funktionen haben soll. L. Fränkel (Born-Fränkelsche Theorie) betont den engen Zusammenhang zwischen der Corpus Iuteum-Funktion einerseits und der Menstruation sowie der Ei- ansiedlung im Uterus anderseits. L. Fränkels Auffassung von dem ur- sächlichen Zusammenhang zwischen Corpus luteum-Entwicklung und Men- struation hat neuerdings eine wertvolle Unterstützung erhalten, die um so schwerer ins Gewicht fällt, als sie von einer Seite stammt, deren Stand- punkt früher ein anderer war. R. Meyer und Ruge haben nämlich histo- logisch einen weitgehenden Parallelismus nachgewiesen zwischen der Ent- wicklung des Corpus luteum und den menstruellen Schleimhautverände- rungen im Uterus des Menschen. Auch Seitz nimmt einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Corpus luteum-Sekretion und Menstruation als wahrscheinlich an; die Funktion des Corpus luteum entfällt nach ihm haupt- sächlich auf die ersten Monate der Schwangerschaft, während in den späteren Monaten die mehr und mehr sich entwickelnde interstitielle Eierstocks- drüse, gleichsinnig mit dem Corpus luteum wirkend, schließlich vikariierend an seine Stelle tritt. Es ist eben die eine Komponente des Ovariums, der Follikelapparat nur, der seine Tätigkeit während der Gravidität vermindert, indem die Ovulation aufhört; nur insofern kann man von einer Hypo- funktion des Ovarium in der Gravidität sprechen, während die andere Komponente, in der ersten Zeit das Corpus luteum, später die interstitielle Drüse, im Zustand der Hyperfunktion sich befindet. Dieser kurze Überblick mag genügen, um zu zeigen, wie viele Wider- sprüche noch aufzuklären sind. Um die Frage des Zusammenhangs zwischen Ovarium und Uterustätigkeit experimentell zu studieren, besteht zunächst keine Veranlassung, eine dieser Theorien sich zu eigen zu machen. Vielleicht können aus diesen Untersuchungen aber Stützpunkte für die eine oder andere Theorie gewonnen werden. Wichtig ist nur folgendes: Für eine inner- 282 Max STICKEL: sekretorische Tätigkeit kommen in Frage: Der Follikelapparat, das Corpus luteum, die interstitielle Drüse. Die Sekrete bzw. Preßsäfte, also die Hormone dieser drei Gewebselemente, einmal einzeln auszuschalten und anderseits isoliert zu gewinnen, muß demnach das Ziel sein. Daß das Studium der Wirkung von Preßsäften in vitro nicht ohne weiteres auf das lebende Tier übertragbare Resultate ergibt, wenigstens solange es sich nicht um chemisch wohl charakterisierte Stoffe handelt, darüber kann kein Zweifel bestehen. Bezüglich der Wirkung der verschie- denen Ovarialpreßsäfte im Experiment bestehen gleich weitgehende Diver- genzen, wie bezüglich der physiologischen Wirkungsweise der verschiedenen Ovarialhormone. So fand Biedl gerinnungsfördernde Substanzen im Ovarium; er bezweifelt, dab es sich dabei um eine spezifische Wirkung handeln müsse, da sehr viele Organextrakte Thrombokinasen enthalten, die bei der intravenösen Injektion in Wirksamkeit treten. Auch erinnert er daran, daß bei vorsichtiger Injektion selbst größerer Mengen kinase- haltiger Gewebssäfte zunächst die gerinnungshemmende Wirkung, die sogenannte negative Phase, in Erscheinung treten kann. So erklärt z. B. auch Adler seine den Schickeleschen entgegengesetzten Resultate. Wäh- rend nämlich Schickele fand, daß Ovarial- und Corpus luteum-Preßsäfte, letztere mindestens in gleicher Intensität, gerinnungshemmend wirkten und durch Gefäßerweiterung in der Peripherie zu einer Herabsetzung des Blutdruckes führten, beobachtete Adler niemals eine gerinnungs- verzögernde Wirkung bei der Einspritzung von Övarial- und Corpus luteum-Preßsäften, sowie meist eine Blutdrucksteigerung. Übrigens ent- halten diese beiden zuletzt genannten Arbeiten eine ganz außerordentliche Fülle von experimentell und klinisch gut gestützten Einzelbeobachtungen, und für jeden, der sich mit diesen Fragen beschäftigt, wertvolle Anregungen. Auch darüber, welche Art der Extraktgewinnung die wirksamsten Preßsäfte liefert, hat jeder, der auf diesem Gebiete gearbeitet hat, seine eigene Meinung. Sämtliche zu meinen Versuchen verwendete Organextrakte sind in dem wissenschaftlichen Laboratorium der Firma Hoffmann-La Roche & Co. in Grenzach hergestellt, der ich für ihr weitgehendes Entgegenkommen und stets bereitwilliges Eingehen auf meine Bedürfnisse zu großem Danke ver- pflichtet bin. Auch das bei den Vorversuchen benutzte Pituglandol und Secarcornin wurden von dieser Firma zur Verfügung gestellt. In einer ersten Versuchsreihe wurde den Tieren Ovarialpreßsaft vom Rind einverleibt; 100g des Extraktes entsprechen 20 & frischer Drüse. Auf die Herstellung der Extrakte gehe ich bei der Besprechung der vom Kaninchen gewonnenen Preßsäfte näher ein, die im wesentlichen nach dem gleichen Verfahren hergestellt wurden. | EINFLUSS DER DRÜSEN AUF DIE ÜTERUSTÄTIGKEIT. 283 Versuchsprotokolle (auszugsweise). Kaninchen 1. Mittelgroße Häsin, virginell. Sehr kleiner Uterus. An- fangs sehr niedrige Sp.K. dann ganz gerade Kurve bis auf kleine Atmungs- wellen. Temperatur einmal 34, sonst um 38%. Dauer 115. Virginelles Tier, von Anfang an schlechte Narkose, zweimal 0-3 Ovarialextrakt vom Rind ohne Einfluß auf die Uterus- tätigkeit. (Auch vorher Sp. K. nur angedeutet.) Kaninchen 2. Große Häsin, virginell (?). Sehr kleiner Uterus. Ab- gesehen von Atmungswellen alle 40 bis 60 Sekunden geringe Sp.K. Tempe- ratur 36° bis 38°. Dauer 111 Minuten. 0-3 Corpusluteumextrakt vom Rind Dei nach 17 Minuten geringe kurz dauernde Wehenverstärkung; auf Wiederholung der Injektion erfolgt Narkosestörung. Auf die gleiche Menge mit 0-7 NaCl intramuskulär folgt nach 3 Minuten ebenfalls geringe Wehensteigerung. (Kurve geht post mortem weiter.) Kaninchen 3. Mittelgroße Häsin, hochgravid. Größe der Fruchthalter 5:3:3. Direkte Beobachtung mit bloßem Auge, ohne Entfernung der Früchte. Temperatur um 38°. Dauer 70 Minuten. Sehr starke Sp.K. von Anfang an. 0-3 Corpusluteumextrakt vom Rind -+ 0-7 NaCl intramuskulär bewirkt keine mit bloßem Auge wahrnehmbare Veränderung. Kaninchen 4. Große Häsin, hat geworfen. Großer Uterus. Temperatur um 38°, anfangs und gegen Ende einmal 34°. Dauer 168 Minuten. Nach 0-3 Corpusluteumextrakt vom Rind intravenös nach 2!/), Minuten nicht höhere, aber häufigere und regelmäßigere Ausschläge für ca. 15 Minuten. Nach der gleichen Gabe mit 0,7 NaCl intramuskulär nach ca. 2!/, Minuten eine höhere Er- hebung (aber nicht höher wie vor der ersten Injektion). Also: Wehen häufiger und regelmäßiger, nicht kräftiger. Kaninchen 5. Mittelgroße Häsin, hat wahrscheinlich geworfen. Sehr großer Uterus. Temperatur um 37° (einmal 35°). Dauer 150 Minuten. 0-3 Corpusluteumextrakt vom Rind + 0-7 NaCl erst intra- venös, dann intramuskulär, hat keine klare Wirkung. Tonus wechselnd. (Anfangs keine, später träge Sp.K. Tier doch virginell? oder sehr alt?) Kaninchen 6. Mittelgroße Häsin, hat geworfen. Vor 8 Tagen kastriert. Mittelgroßer Uterus. Leichte flache Sp.K. mit aufgesetzten Atmungs- wellen. Temperatur um 38°, einmal 41°. Dauer 125 Minuten. Kastriertes Tier, kaum Sp.K. Auf 0-3 Corpusluteumextrakt vom Rind, erst intravenös dann intramuskulär, keine Wirkung außer vorübergehender Tonussteigerung. 0-3 Ovarialextrakt vom Rind hat die gleiche Wirkung intramuskulär; danach Wehen eher verlangsamt. (Atmung wird schlechter.) Kaninchen 7. Große Häsin, hat geworfen; vor 10 Tagen doppelseitig kastriert. Mittelsroßer Uterus. Geringe Sp.K. in Form ganz flacher Er- hebungen. Temperatur zweimal 41°, sonst 38%. Dauer 150 Minuten. 284 Max STICKEL: Bei kastriertem Tier bewirkt 0-3 Corpusluteumextrakt vom Rind mit 0-5 NaCl intravenös allmählich steigenden Tonus; auf der Höhe Uterus weiß (Wärmewirkung? 43%. Die gleiche In- jektion intramuskulär und 0-3 Ovarialextrakt vom Rind mit 0-5 NaCl intramuskulär ohne Wirkung. (Von Anfang an sehr flache Sp.K. Kaninchen 8 (siehe Tafel. Große Häsin, virginell Kleiner Uterus. Geringe, spärliche Sp.K. auf b häufiger und höher werdend. b, 0-3 Ovarial- extrakt vom Rind und 0-5 NaCl intravenös gelangt zum Teil in die Um- gebung der Vene. Deshalb Injektion auf b, wiederholt. Danach Narkose- störung. ce Kurve wieder flacher und spärliche Sp.K. Nach Narkosestörung auf c, die gleiche Injektion intramuskulär. Fast keine Sp.K. mehr. d Exitus. Dauer 120 Minuten. Temperatur 38 bis 39°. i 0-3 Ovarialextrakt vom Rind mit NaCl, zweimal intravenös und einmal intramuskulär ohne Wirkung. Zuletzt Sp.K. eher flacher und seltener. (Hemmung? Narkose?) Bei virginellem. Tier mit schwachen Sp.K. Kaninchen 9. Große Häsin, vor 20 Tagen doppelseitig kastriert. Großer Uterus, gravid, eine Frucht mit aufgehängt, ist 11/, cm lang, klein und blaß. Temperatur 38° bis 39°. Dauer 132 Minuten. 0-3 Corpusluteumextrakt vom Rind +0-5 NaCl zunächst intra- venös (nur zwei Drittel), dann intramuskulär, bewirkt nach 15 bzw. 3 Minuten bei gravidem kastrierten Tier höhere Aus- schläge. (Tonus von Anfang an sehr schwankend. (Narkose mehr- fach gestört). Kaninchen 10. Mittelgroße Häsin, gravid, 4 Früchte ohne Blutung entfernt (zweite Hälfte der Schwangerschaft). Temperatur 38-5°. Anfangs 45°. Dauer 137 Minuten. 0-3 Ovarialextrakt vom Rind + 0-5 NaCl intravenös wirkt stark wehenverstärkend ca. 15 Minuten lang. Wiederholung der Injektion bewirkt stürmische Wehenverstärkung. Die Wehen treten in Abständen auf bei gravidem Tier, bei dem die Früchte entfernt wurden. Kaninchen 11 (siehe Tafel). Kleine Häsin. Vor 24 Tagen doppelseitig kastriert. Sehr großes fettreiches Ligament, aber schwacher Uterus. An- geblich virginell. Minimale flache langgestreckte Erhebungen, mit Atmungs- wellen kombiniert infolge mühsamer Atmung. b Tonus steigend und sinkend. b, 0-3 Corpusluteumextrakt vom Rind + 0-5 NaCl intravenös. Nach 2 Minuten Tonussteigerung in zwei Erhebungen, aber Tonus nicht höher wie auch vorher schon. c Tonus steigend und sinkend. d, Die gleiche Injektion intramuskulär. Starke Atemstörung nach 1!/, Minuten, sonst keine Wirkung. e und / Tonus steigend und sinkend. Temperatur um 38°. Dauer 85 Minuten. Exitus unter Krämpfen. 0-3 Corpusluteumextrakt vom Rind+ 0-5 NaCl intravenös bewirkt zwei höhere Ausschläge, intramuskulär keine Verände- rung bei vielleicht virgineller, kastrierter Häsin. Tonus an- dauernd langsam steigend tind sinkend. Kan. 85. Kan. 11D. 286 Max STICKEL: / Kaninchen 12. Mittelgroße Häsin, hat geworfen. Mittelgroßer Uterus. Temperatur um 38°. Dauer 163 Minuten. 0-5 Ovarialextrakt vom Rind +0-3NaCl intravenös bewirken nach ca. 4 Minuten stärkere Tonusschwankungen wie vorher, einmal nach längerer Zeit Tetanus uteri. Die gleiche Menge intravenös zeigt geringe Wirkung in Form langsamer Tonus- schwankungen. Kaninchen 13. Kleine Häsin, hat kürzlich geworfen. Sehr kräftiger Uterus (2 cm suspendiert). Enorme Sp.K. Temperatur um 38°. Dauer 162 Minuten. 0-5 Corpusluteumextrakt vom Rind + 0-3 NaCl intravenös bewirkt nach 60 Sekunden erhebliche Wehenverstärkung von langer Dauer bei Tier, das eben geworfen hat. Kaninchen 14. Mittelgroße Häsin, hat geworfen. Doppelseitig kastriert vor 25 Tagen. Kleiner Uterus. Keine deutliche Sp.K. Temperatur. um 38°. Dauer 190 Minuten. Zweimal 0-5 Ovarialextrakt vom Rind +0-3 NaCl intramusku- lär, hat keine Wirkung außer geringer Tonuserhöhung. 0-5 Corpusluteumextrakt vom Rind +0-3 NaCl intravenös hat keine Wirkung außer langsamer Tonussteigerung bei kastriertem Tier, das keine deutlichen Sp.K. zeist. Kaninchen 15. Kleine Häsin, anscheinend krank. Sehr kleiner Uterus, virginell oder sehr alt (4 cm suspendiert). Keine Sp.K. Temperatur 38°. Dauer 152 Minuten. 0:5 Ovarialextrakt vom Rind + 0-3 NaCl und 0-5 Corpus- luteumextrakt vom Rind -+ 0-3 NaCl ıintramuskulär sind ohne Wirkung bei einem kranken Tier, das virginell oder sehr alt ist und keine Sp.K. zeist. Kaninchen 16. Große Häsin, vor 36 Tagen doppelseitig kastriert. Damals gravid in der ersten Hälfte, jetzt nicht mehr. Keine Sp.K., nur Atmungswellen. Temperatur 38°. Dauer 165 Minuten. 0-5 Corpusluteumextrakt vom Rind +0-3 NaCl und 0-5 Ovarial- extrakt vom Rind + 0-3 NaCl intramuskulär ist ohne Wirkung bei kastrierter (damals gravid gewesener) Häsin, die keine Sp.K. zeigt. Kaninchen 17. Mittelgroße Häsin, vor 35 Tagen kastriert. Fraglich, ob geworfen. Sehr kleiner Uterus. Keine deutlichen Sp.K. Temperatur um 38%. Dauer 243 Minuten. Zweimal 0-5 Corpusluteumextrakt vom Rind intravenös (1. Injektion nur zum Teil gelungen), ohne Wirkung bis auf geringe Tonuserhöhungen (im Rahmen des Normalen) bei ka- striertem, vielleicht virginellem Tier, das keine Sp.K. zeigt. Von den 17 Tieren, die in den Versuch einbezogen wurden, waren zwei virginell, 4 gravid, die übrigen hatten geworfen. EINFLUSS DER DRÜSEN AUF DIE ÜTERUSTÄTIGKEIT. 287 Die Resultate bei den nicht kastrierten Tieren sind folgende: Bei 4 Tieren wurde Ovarialextrakt vom Rind injiziert in Mengen bis zu lcem, teils intravenös, teils intramuskulär. Bei den beiden virginellen Tieren: 1 und 8, wurden Wehen und Tonus nicht gesteigert (bei einem vielleicht die Wehen gehemmt ?). Bei einem Tier, das geworfen hatte: 12, traten Tonusschwankungen auf, die Wehen blieben unbeeinflußt. Bei einem graviden Tier (1. Hälfte) blieb der Tonus unverändert, die Wehen wurden stark gesteigert. Bei 5 Tieren: 2, 3, 4, 5, 13, wurde Corpusluteumextrakt vom Rind bis zu 0-6 teils intravenös, teils intramusculär injiziert. Von 4 Tieren, die geworfen hatten, 2, 4, 5, 13, zeigte 1, bei dem keine Sp.K. beobachtet wurden, keine Wirkung auf Wehen und Tonus: 5. In den anderen Fällen 2, 4 und 13 war der Tonus unverändert, eine Wehen- verstärkung deutlich wahrnehmbar, einmal sogar sehr stark (13). Bei einem graviden Tier in der zweiten Hälfte der Schwangerschaft: 3, bestanden von Anfang an außerordentlich starke Sp.K. Verstärkende Wirkung war mit bloßem Auge nicht wahrzunehmen. Ein Tier: 15, das keine Sp.K. zeigte und anscheinend krank war, reagierte auf 0-5 Ovarialextrakt vom Rind und 0-5 Corpusluteumextrakt vom Rind in keiner Weise. Kastrierte Tiere. 7 Tiere waren vor mindestens 8 Tagen doppelseitig kastriert worden. Sämtliche kastrierte Tiere zeigten bis auf eine Ausnahme (11) keine deut- lichen Sp. K. Die Kurve ist charakterisiert durch niedrige, flache Er- hebungen mit sehr langer Ascendente und Descendente. Mit Ovarialextrakt vom Rind wurde kein Tier behandelt. Corpusluteumextrakt vom Rind wurde in Mengen bis zu 1 cem teils intravenös, teils intramuskulär drei Tieren einverleibt: 9, 11, 17. Ein vielleicht virginelles Tier zeigte keine Wirkung: 17. Ein Tier, das geworfen hatte: 11, zeigte geringe Wehenverstärkung bei schwankendem Tonus. Vorher Sp.K.!!! Ein Tier, in der 1. Hälfte der Schwangerschaft, zeigte deutliche Wehenverstärkung bei schwankendem Tonus. Endlich wurde 4 kastrierten Tieren: 6, 7, 14, 16, die sämtlich keine deutlichen Sp.K. zeigten, Corpusluteumextrakt und Ovarialextrakt vom Rind in mehrfachen Injektionen in Mengen bis zu 0-6 bzw. 1-0 ein- verleibt, intramuskulär oder intravenös. 288 MAX STICKEL: / Drei Tiere: 6, 7, 14, hatten geworfen; Wehen wurden nicht angeregt, in einem Fall (6) die ganz flachen Sp.K. sogar verlangsamt. Eine vorüber- gehende Tonussteigerung wurde registriert. In zwei Fällen überwog die Menge des Corpusluteumextraktes die des Ovarialextraktes. Ein Tier, das zur Zeit der Kastration in der 1. Hälfte gravid gewesen war, war es jetzt nicht mehr, zeigte auch keine Sp.K. und keine Ve kung der Injektion (16). Wirkung der Röntgenstrahlen auf die Ovarien. Daß die Röntgenstrahlen auf die Ovarien einwirken, ist durch klinische Beobachtungen und histologische Untersuchungen bewiesen; ihre Anwen- dung bietet daher, wie schon eingangs erwähnt, die Möglichkeit, elektiv ge- wisse Elemente des Ovariums zu zerstören und so ihre Wirkung auszuschalten, Aber welche Elemente überhaupt, und welche zuerst zerstört werden, dar- über besteht noch kein abschließendes Urteil. Auch eigene dahin zielende Versuche haben noch kein genügend sicheres Ergebnis gezeitist. Bouin,. Ancel und Villemin beschreiben Zugrundegehen der Follikel und Hyper- trophie des interstitiellen Gewebes als Folge der Röntgenbestrahlung, Specht (Halberstädter) Zugrundegehen der Eier und Primärfollikel und Verkleinerung der Luteinzellen, also Schädigung des intersti- tiellen Gewebes. Auch Fellner und Neumann sahen sie zerfallen, und beobachteten Rückgang der Gravidität in der ersten Hälfte, wie in meinem Fall 16. Nach den Untersuchungen von Reifferscheid u. a. kann als sicher gelten als zuerst auftretende Wirkung der Röntgenstrahlen eine Schädi- gung bzw. Zugrundegehen der Primordialfollikel, der Graafschen Follikel und der Eier, also eine Schädigung des Follikelapparates. Eine Schädigung der interstitiellen Eierstocksdrüse ist wahr- scheinlich; sie scheint später aufzutreten; einwandfrei bewiesen ist sie nicht. Am wenigtsen bzw. spätesten, vielleicht gar nicht, wird das Corpus luteum geschädigt (Reifferscheid, Specht). Wenn man davon absieht, daß eine Störung der Funktion nicht not- wendigerweise in histologischen Veränderungen ihren Ausdruck finden muß, und das über den Einfluß der Röntgenstrahlen auf das Ovarium oben Ge- sagte als richtig annimmt, so muß es gelingen, durch eine schonende, nicht zu intensive Bestrahlung nur die eine hormonliefernde Komponente des Eierstocks oder diese wenigstens in höherem Grade zu schädigen. Auf diese Weise ließe sich demnach eine Hypofunktion des Follikelapparates herbei- führen, die man vielleicht bis zum Funktionsausfall steigern könnte. Auch EINFLUSS DER DRÜSEN AUF DIE ÜTERUSTÄTIGKEIT. 289 wenn die hypothetischen, antagonistischen Gewebselemente, Corpus luteum bzw. interstitiele Drüse, gleichzeitig geschädigt würden, so würde doch die Hypofunktion des Follikelapparates in die Erscheinung treten müssen, da er graduell am meisten ungünstig beeinflußt wird, vorausgesetzt, daß Gewebsschädigung und Funktionsstörung einigermaßen parallel gehen. Es müßte demnach das Extrakt eines röntgenisierten Ovarium die gleiche, wenn auch weniger starke Wirkung ausüben, wie das Corpusluteumextrakt. Es wurden zunächst folgende Extrakte geprüft: Ovarialextrakt I: 4 nicht gravide Kaninchen wurden 30 Minuten lang bestrahlt mit einer Erythemdosis (d Holzknecht). Nach 5 Tagen wurden die Ovarien verarbeitet. Ovarialextrakt Il: 2 nicht gravide Kaninchen wurden 30 Minuten lang bestrahlt mit zwei Erythemdosen (ca. 10 Holzknecht). Nach 5 Tagen wurden die Ovarien verarbeitet. Ovarialextrakt 4: wurde aus den ÖOvarien nicht bestrahlter Tiere gewonnen. In den zuletzt beschriebenen Fällen wurde geprüft: Ovarialextrakt G 107192 10prozentig, Ovarialextrakt 101303 20prozentig, Ovarialextrakt von graviden Kaninchen stammend. Diese drei letztgenannten Extrakte sind aus den Ovarien von Kaninchen hergestellt, die etwa 6 bis 8 Tage vor der Verarbeitung 30 Minuten lang mit drei Erythemdosen (ca. 15 Holzknecht) bestrahlt worden waren. Die weitere Verarbeitung aller Ovarien zur Herstellung aller dieser Extrakte geschah nach Mitteilung des wissenschaftlichen Laboratoriums von Hofimann-La Roche & Co. in folgender Weise: Die mit Glassand zerriebenen Organe werden mit schwach angesäuertem Wasser ca. 20 Minuten lang auf 80° erärwmt, vom Koagulum abfiltriert und die noch im Filtrat enthaltenen Eiweißstoffe nach einem von der Firma ausgearbeiteten Verfahren entfernt. Irgendwelche in Betracht kommende fremde Stoffe werden durch dieses Verfahren nicht in die Lösung eingeführt. Die klare Lösung wird zur Haltbarmachung mit 1 Promille Acetonchloro- form versetzt und in strömendem Dampf sterilisiert. Es handelt sich also um wässerige ohne Anwendung von Druck hergestellte Extrakte. Versuchsprotokolle 18 bis 34. Kaninchen 18 (siehe Figur). Mittelgroße Häsin, vor 36 Tagen kastriert. Hat geworfen. Schwacher Uterus. Gerade Kurve ohne Sp.K. Auf b Tonus langsam steigend, aufb, konstant. Kurz hintereinander 0-5 Ovarialextrakt II (stark bestrahlt) einmal intravenös, einmal intramuskulär. Auf b drei minimale Archivf.A.u.Ph. 1913. Physiol. Abtilg. 19 290 Max STICKEL: Tonussteigerungen. c bis e Kurve unverändert. Atmung schlecht. Temperatur um 37°. Dauer 148 Minuten. 0-5 Ovarialextrakt II (stark bestrahlt) ist bei kastriertem Tier ohne Wir- kung bis auf minimale Tonussteigerung. Keine Sp.K. Kaninchen 19 (s. Figur). Mittelgroße Häsin, hat kürzlich geworfen. Sehr großer, kräf- tiger Uterus (nur 2-5em sus- pendiert). Sehr hohe, regel- mäßige Sp.K. Auf c, 0-5 Ovarialextrakt II (stark be- strahlt) intravenös, bewirkt nur einen höheren Ausschlag, danach dieselbe Injektion intra- muskulär. d, Nach ca. 12 Mi- nuten sehr deutlich höhere und steilere Ausschläge. e und f Wirkung hält an. Auf g niedrige Ausschläge treten dazwischen auf. Wirkung läßt nach. i Hebelverstellung.. k Kurve wie zu: Anfang. Temperatur anfangs 41°, dann 38 bis 39°. Dauer 178 Minuten. 0-5 Ovarialextrakt II (stark bestrahlt) intra- venös und intramuskulär bewirkt nach ca. 12 Mi- nuten für ca. 30 Minuten sehrdeutliche Wehenver- stärkung bei unveränder- tem Tonus. Kaninchen 20. Mittel- große Häsin, hat kürzlich ge- worfen. Großer, sehr kräftiger Uterus. Annäherndregelmäßige kräftige Sp.K. Temperatur 38° bis 39%. Dauer 138 Minuten. 0-5 Ovarialextrakt 4 (nicht bestrahlt) intra- venös bewirkt nach 12 Se- EINFLUSS DER DRÜSEN AUF DIE ÜTERUSTÄTIGKEIT. Kan. 19e. 292 MıAx STICKEL; kunden für 2 Minuten sehr starke Wehensteigerung; intramusku- lär nach 7 Minuten im Anschluß an Tetanus uteri sehr deut- liche lang anhaltende Wehenverstärkung. Kaninchen 21. Mittelgroße Häsin, hat geworfen. Mittelgroßer Uterus, regelmäßige flache Sp.K. Temperatur um 38°, einmal 39-5°. Dauer 105 Min. 0-5 Ovarialextrakt I (schwach bestrahlt) intravenös und intramuskulär, zeigt nach 6 Minuten geringe, aber deutliche Wehenverstärkung unter Tonussteigerung. Kaninchen 22. Mittelgroße Häsin, hat wahrscheinlich geworfen. Mittel- großer Uterus, unregelmäßige aber deutliche Sp.K. mit Atmungswellen. Temperatur um 36°, zuletzt 34-30. Dauer 144 Minuten. 1-0 Extrakt aus dem glandulären Teil der Hypophyse+ 0-3NaCl intravenös bewirkt nach ca. 60 Sekunden starke Wehen- verstärkung, mehrmals tetanischen Charakters. Atmung setzt zweimal aus. Kaninchen 23. Große Häsin, hat geworfen. Vor 11 Tagen doppelseitig kastriert. Großer Uterus (venös hyperämisch). Keine Sp.K. Tempe- ratur 38°. Dauer 168 Minuten. 0-5 Ovarialextrakt II (stark bestrahlt) intravenös und intra- muskulär, bewirkt nach ca. 5 Minuten allmähliche zunehmende, dann gleich bleibende Tonuserhöhung bei einem kastrierten Alter Kaninchen 24. Mittelgroße Häsin, hat geworfen. Vor 12 Tagen ka- striert. Uterus groß, Anfangs 40°, Uterus dauernd kontrahiert, blaß, nur ganz geringe Sp.K. Temperatur 38 bis 40°. Dauer 198 Minuten. 0:5 Ovarıialextrakt 4 (normal) einmal intravenös, zweimal intramuskulär, bewirkt nach 2 Minuten im Anschluß an lang- sam steigenden Tonus, geringe Tonusschwankungen bei kastrier- tem Tier. Kaninchen 25. Große Häsin, virginell, kastriert vor 17 Tagen. Kleiner Uterus. Anfangs 44°. Ganz gerade Kurve, keine Sp.K. Temperatur anfangs 44°, einmal 40°, sonst 38°. Dauer 147 Minuten. 0:5 Ovarialextrakt I (schwach bestrahlt) intravenös und intramuskulär, bewirkt nach ca. 2 Minuten geringe Tonusstei- gerung für ca. 15 Minuten bei kastriertem Tier. Kaninchen 26. Große Häsin, hat geworfen. Vor 18 Tagen kastriert, kleiner Uterus. Gerade Kurve bis auf Atmungswellen. Keine Sp.K. Tem- peratur um 38-5°, Dauer 182 Minuten. 0-5 Ovarialextrakt 4 (normal) intravenös und intramuskulär, bewirkt nach 3 bis 4 Minuten Tonussteigerung, nach ca. 10 Mi- nuten- bei erhöhtem Tonus minimale Sp.K. 1 Stunde anhaltend bei kastriertem Tier. Kaninchen 27. Große Häsin, auffallend kleiner Uterus. Virsinell ?. b glatte Kurve, nur Atmungswellen. Temperatur anfangs 29°, dann um 36°. Dauer 102 Minuten. Kan. 312. VE 07) nt 47 yamaha 75 we 2 = mal El Se} {da} ii H :< H an >) & = S) ea (y fa) EB D < 2 62 109) > je} A feet 62] A an an =) = Ei zZ — Kan. 31a. 294 Max STIcCKEL: 0-5 Ovarialextrakt 4 (normal) intramuskulär und intra- venös, bewirkt nach 15 Minuten stetige erhebliche Tonus- steigerung. f Kaninchen 28. Große Häsin, wohl nicht virginell. Sehr kleiner Uterus (alt ?). Gerade Kurve. Keine deutlichen Sp.K. Temperatur 38°, einmal 40°. Dauer 158 Minuten. 0:5 Ovarialextrakt II (stark bestrahlt), intramuskulär und intravenös, wirkt nach ca. 15 Minuten etwa eine Stunde lang sehr wenig wehenverstärkend bei schwankendem Tonus. (Sehr altes Tier ?) Kaninchen 29. Große Häsin, hat geworfen. Vor 8 Tagen kastriert. Sehr großer Uterus, deutliche flache Sp. K. und Atmungswellen. Temperatur um 38°, Dauer 194 Minuten. 0-5 Ovarialextrakt II (stark bestrahlt) intravenös und intra- muskulär, bewirkt nach ca. 12 Minuten geringe, später deut- liche Verstärkung der trotz sehr großen Uterus sehr geringen Sp.K. unter Tonusschwankungen bei kastriertem Tier. Kaninchen 30. Mittelgroße Häsin, vor 9 Tagen kastriert, hat geworfen. Kräftiger Uterus, deutliche, aber flache Sp.K. Temperatur um 36°. Dauer 162 Minuten. 0-5 Ovarialextrakt 4 (normal), intravenös und intramusku- lär, bewirkt nach ca. 5 Minuten minimale Wehenverstärkung “ bei einem kastrierten Tier, das trotz sehr kräftigen Uterus nur flache Sp.K. zeist. Kaninchen 31. (Siehe Figur.) Mittelgroße, bunte Häsin, gravid. Früchte bis auf eine entfernt. Sehr gute, kräftige Sp.K. a,) 0-5 Ovarialextrakt II (stark bestrahlt) intravenös bewirkt sofort einen höheren Ausschlag. Nach 30 Sekunden nochmals die gleiche Menge intramuskulär bewirkt auf a,) nach ca. 4 Minuten hohe Ausschläge. b) Wirkung hält an, zum Teil gesteigert. c) plötzliches Absinken der Kurve. Exitus ohne Atmungsstörung. Post mortem schreibt der Uterus noch 38 Minuten starke Sp.K. Temperatur um 38°. Dauer 100 Minuten. 0-5 Ovarialextrakt II (stark bestrahlt) bewirkt intravenös sofort und intramuskulär nach ca. 4 Minuten sehr starke Wehen- steigerung bei einem graviden Tier (Wehen in Gruppen!). Kaninchen 32. Kleine Häsin, hat wohl geworfen, sehr kleiner Uterus, minimale flache Sp.K. Temperatur um 38%. Dauer 131 Minuten. 0-5 Ovarialextrakt I (schwach bestrahlt) intravenös und 0-8 desselben Extraktes intramuskulär bewirken nach ca. 10 Mi- nuten deutlich höhere, aber flache Erhebungen. Kaninchen 33. Große Häsin, hat geworfen. Großer Uterus. Tempe- ratur anfangs 41°, dann 38°. Kräftige Sp.K. Temperatur um 38°. Dauer 112 Minuten. 0:5 Ovarialextrakt I (schwach bestrahlt) intravenös und intramuskulär bewirkt nach ca. 15 bis 20 Minuten Wehensteige- rung bei wenig schwankendem Tonus. EINFLUSS DER DRÜSEN AUF DIE ÜTERUSTÄTIGKEIT. 295 Kaninchen 34. Große Häsin, gravid (3 Wochen). Placenten und Früchte ohne Blutung entfernt. Glatte Kurve mit selten auftretenden hohen Sp.K. Temperatur um 38°. Dauer 135 Minuten. 0-5 Ovarialextrakt 4 (normal) intravenös und nach 50 Se- kunden 0-6 desselben Extrakts intramuskulär bewirkt nach 1 bzw. nach 3 bis 5 Minuten verstärkte, aber ebenso wie vor der Injektion in großen Abständen auftretende Wehen für längere Zeit bei einem graviden Tier. Im ganzen wurden also 16 Tiere mit den Ovarialextrakten I, II und 4 behandelt. I. Nicht kastrierte Tiere. A. Ovarialextrakt 4, von normalen, nicht bestrahlten Kaninchen stammend, in Mengen bis zu 1-5 intravenös oder intramuskulär erhielten 3 nicht vorbehandelte Tiere: 20, 27, 34. 1 virginelles Tier: 27, zeigte nach 15 Minuten Tonussteigerung. 1 Tier, das kürzlich geworfen hatte: 20, zeigte Tetanus uteri und starke Wehensteigerung. 1 Tier, das in der ersten Hälfte gravid war: 34, zeigte deutliche Wehen- steigerung. B. Ovarialextrakt I, vonschwach bestrahlten Kaninchen stammend, in Mengen bis zu 1-3 intravenös oder intramuskulär erhielten 3 Tiere: 21, 22, 38. | Alle drei Tiere hatten geworfen und zeigten in allen drei Fällen deut- liche, aber nur in einem Fall: 33, starke Wehensteigerung, einmal mit Tonussteigerung: 21. C. Ovarialextrakt II, von stark bestrahlten Kaninchen stammend, in Mengen bis zu 1-0 intravenös oder intramuskulär erhielten 3 Tiere: 19, 28, 31. Zwei Tiere hatten geworfen. Bei einem: 28, zeigt sich sehr geringe Wehensteigerung, bei dem anderen: 19, sehr starke. Ein Tier ist in der ersten Hälfte gravid: 31, die wehenverstärkende Wirkung ist sehr ausgesprochen. II. Kastrierte Tiere. (Vor mindestens 7 Tagen doppelseitig kastriert.) A. Ovarialextrakt 4, von nicht bestrahlten Kaninchen stammend, in Mengen bis zu 1-5 intravenös oder intramuskulär bekamen 3 Tiere, die geworfen hatten: 24, 26, 30. 296 Max STICKEL: Bei allen drei Tieren waren Sp.K. nicht vorhanden, oder kaum an- gedeutet. Bei einem Tier: 24, traten Tonusschwankungen auf ohne Wehen- verstärkung. Bei zwei Tieren: 26, 30, trat geringe bzw. sehr geringe Wehen- verstärkung auf, bei wenig steigendem bzw. unverändertem Tonus. B. Ovarialextrakt ], von schwach bestrahlten Kaninchen stam- mend, und zwar 1-0 teils intravenös, teils intramuskulär erhielt nur ein virginelles Tier, das keine Sp.K. zeigte, ohne Wirkung auf die Wehen- tätigkeit, bei wechselndem Tonus. C. Ovarialextrakt II, von stark bestrahlten Kaninchen stammend, in Mengen bis zu 1-0 intravenös oder intermuskulär erhielten 3 Tiere, die geworfen hatten (18, 23, 29). Alle drei Tiere zeigten keine oder ganz schwache Sp.K. Bei Tier 29 trat bei wechselndem Tonus minimale Wehen- verstärkung auf. Bei Tier 18 und 23 trat dauernde Tonuserhöhung auf. Die Wehen- tätigkeit blieb unbeeinflußt. Anhangweise sei erwähnt Tier 22: das Tier, das geworfen hatte, erhielt 1:0 eines Extraktes aus dem glandulären Teil der Hyperphyse. Die Wirkung äußerte sich in Wehenverstärkung von zeitweise tetanischem Charakter. Versuche an mit Röntgenstrahlen vorbehandelten Tieren. Wenn überhaupt die Extrakte bestrahlter Ovarien irgendwie auf die Uterustätigkeit eine Wirkung ausübten, dann mußte eine Verstärkung dieser Wirkung zutage treten, wenn man diese Extrakte Tieren einver- leibte, deren Ovarien auch mit Röntgenstrahlen vorbehandelt waren. Von dieser Erwägung ausgehend wurden 3 Tiere, die alle drei geworfen hatten (35, 36, 37) 30 Minuten lang mit drei Erythemdosen (ca. 14 bis 15 Holz- knecht) bestrahlt und nach ca. 10 Tagen zum Versuch verwendet. Versuchsprotokolle 55 bis 41. Kaninchen 35. Große Häsin, hat geworfen. Vor 9 Tagen bestrahlt. Mäßig großer Uterus. Flache Sp.K. in großen Abständen. Temperatur um 38°. Dauer 152 Minuten. 1-1 Ovarialextrakt G 107192 10 prozent. (sehr stark bestrahlt) intramuskulär bewirkt nach 1 Minute geringe Wehenverstär- EINFLUSS DER DRÜSEN AUF DIE UTERUSTÄTIGKEIT. 297 kung, nach 5 Minuten im Anschluß an Tetanus stärkere und bei wechselndem Tonus lang anhaltende Wehensteigerung bei einem Tier, das bestrahlt worden war. Kaninchen 36. Braune Häsin, hat geworfen, vor 10 Tagen bestrahlt. Großer Uterus, regelmäßige Sp.K. Temperatur 38 bis 39°. .Dauer 112 Minuten. 1-1 Ovarialextrakt G 107192 10 prozent. (stark bestrahlt) ‚intramuskulär wirkt sicher nicht wehenerregend, eher hemmend, beı sinkendem Tonus, bei einem Tier, das bestrahlt war und gute Sp.K. zeigte. Kaninchen 37 (siehe Figur). Braune, mittelgroße Häsin, bestrahlt vor 12 Tagen. Mittelgroßer Uterus. Fast 45°. Zahlreiche sehr kleine Sp.K., dann fast gerade Kurve bei sehr geringem Tonus. a,) 1-1 Ovarialextrakt G 107192 10prozent. (sehr stark bestrahlt) intramuskulär. «a,) nach ca. 7 Minuten einige kurz aufeinanderfolgende niedrige, aber steile Erhebungen. b) Hebel verstellt. b,—b,) jetzt, ca. 15—20 Minuten nach der Injektion, allmählich zu- nehmende höhere und gehäufte Sp.K. b,) Wirkung hält an, aber nachlassend. c) höhere, steile Sp.K. treten in Gruppen auf zwischen Strecken glatter Kurven. Die Erhebungen haben zum Teil tetanischen Charakter. d) Kurve flach, nur eine Erhebung. Atmung schlecht, Narkose gestört. Post mortem noch mehrere kleine Sp.K. registriert. Temperatur um 38°. Dauer 170 Minuten. 1-1 Ovarialextrakt G 107192 10 prozent. (sehr stark bestrahlt) intramuskulär bewirkt nach ca. 7 Minuten eine geringe, nach ca. 20 Minuten eine sehr starke Wehensteigerung unter geringer Tonuserhöhung ca. 25 Minuten lang bei einem Tier, das be- strahlt wurde und kleine Sp.K. zeigte. Nach ca. 6 Minuten bzw. 12 Minuten wiederholte Wirkung für 2 bzw. 3 Minuten. Kaninchen 38. Weiße Häsin, hat geworfen, nicht vorbehandelt. Mittel- großer Uterus. Sehr geringe Narkosenbreite. Temperatur um 38-5°. Dauer 179 Minuten. 1-1 Ovarialextrakt G 107192 10 prozentig (sehr stark bestrahlt) intramuskulär bewirkt nach ca. 1Stunde allmählich zunehmend Wehenverstärkung bei unverändertem Tonus bei einem nicht bestrahlten Tier. Kaninchen 39. Schwarze Häsin hat geworfen, nicht bestrahlt. Anderes Kymographion. Mittelgroßer Uterus, deutliche, z. T. ungleichmäßige Sp.K. Temperatur einmal 41°, sonst um 38%. Dauer 102 Minuten. 1:1 Ovarialextrakt 101303 20 prozent. (sehr stark bestrahlt) bewirkt nach ca. 15 Minuten sehr starke Wehensteigerung in Form hoher, steiler, gehäufter Ausschläge unter geringer Tonuserhöhung für ca. 100 Minuten bei einem nicht vorbehan- delten Tier. Kaninchen 40. Große Häsin, hat geworfen, nicht vorbehandelt, mittel- sroßer Uterus. Mittelstarke, nicht ganz regelmäßige Sp.K. Temperatur um 38°. Dauer 147 Minuten. 1-1 Ovarialextrakt 10prozent. (sehr stark bestrahlt), von sravidem Tier stammend, bewirkt nach 1 bzw. 3 Minuten starke Fun er NEE Ar RES IG Ne BER \/ nm een, 7 dena‘ ee RE UBELEEBENOPEREREN Teer Pr ERIAN = SE EEE a N Ba 23:04 7 2 Kan. 375. ISA] 2 Aa = Be ea} e) (do) m Fr Be] = un D [e=] [ea] = 5) ea] I a ed > <« Zi ea} un 3) je} A fat jea| a 109) un fen) „a Eu zZ Lem} ea] 300 Max STICKEL: Wehensteigerung in Gestalt erhöhter Ausschläge, die durch Strecken normaler Kurve getrennt sind, bei einem nicht vor- behandelten Tier. Kaninchen 41 (siehe Figur). Mittelgroße, weiße Häsin, hat geworfen, nicht vorbehandelt. Kräftiger Uterus. Geringe regelmäßige Sp.K. a,) 1-1 Ovarialextrakt G 107192 1l0Oprozent. (sehr stark bestrahlt) intramuskulär. Bei unverändertem Tonus werden die Sp.K. allmählich höher, nach 20 Mi- nuten sehr deutlich. b) Wirkung hält an, doch sind die Ausschläge nicht immer gleich hoch. Tonus leicht steigend. c) Ausschläge meist weniger hoch, aber auch noch sehr hohe werden registriert, Atmung schlecht. Temperatur 38°, Dauer 170 Minuten. 1-1 Ovarialextrakt G 107192 10 prozent. (sehr stark bestrahlt) intramuskulär, bewirkt nach ca. 20 Minuten bei unverändertem Tonus allmählich zunehmende lang anhaltende Wehensteige- rung bei einem nicht vorbehandelten Tier. Ovarialextrakt G 107192 10 prozent., von sehr stark bestrahltem Kaninchen stammend, wurde in einer Menge von 1-1 5 Tieren injiziert, die alle geworfen hatten: 35, 36, 37, 38, 41. Nicht bestrahlt waren die Tiere 38 und 41. Bei ihnen trat nach 20 bis 60 Minuten Wehenverstärkung bei unverändertem Tonus ein. Bei den vorher bestrahlten Tieren 35, 36, 37 trat zweimal (35, 37) starke Wehenverstärkung mit Tonuserhöhung, einmal (36) eher Wehenhemmung bei sinkendem Tonus ein. Zwei weitere Tiere, die geworfen hatten und nicht vorbehandelt waren, 39 und 40, erhielten intramuskulär je 1-1 von Ovarialextrakt 101505 20 prozent., von sehr stark bestrahlten Kaninchen stammend, das bei Kaninchen 39 starke Wehensteigerung bei geringer Tonuserhöhung bewirkte, und von Ovarialextrakt 10 prozent., von sehr stark bestrahlten, graviden Kaninchen stammend, das Wehenverstärkung bei unverändertem Tonus bei Tier 40 bewirkte. Bemerkenswert ist, daß die Wehen in Gruppen auf- traten. Überblieken wir die gesamten Ergebnisse unter Einordnung der Tiere in drei Gruppen, je nachdem sie virginell oder gravid waren oder ge- worfen hatten, so ergibt sich folgendes: 1? 1 „„Wehenerregend‘“ ist gebraucht im Sinne von „‚wehenerzeugend‘‘ und ‚‚vor- handene Wehen verstärkend‘“. 2 Siehe auch Tabelle S. 308f. EINFLUSS DER DRÜSEN AUF DIE ÜTERUSTÄTIGKEIT. 301 I. Virginelle Tiere. Von den nicht vorbehandelten Tieren zeigt nur eins: 8, die für vir- ginelle Tiere charakteristischen Sp.K. in Form ganz flacher, langsam an- und absteigender Wellen, während die beiden anderen Tiere: 1 und 27, keine deutlichen Sp.K. hatten. Auch bei den beiden kastrierten: 17 und 25, wurden die Sp.K. vermißt. Ovarialextrakt vom Rind ist bei den nicht vorbehandelten Tieren 1 und 8 wirkungslos. Normales Kaninchen-Ovarialextrakt 4 bewirkt bei einem nicht vorbehandelten Tier: 27, Tonussteigerung. Corpusluteumextrakt vom Rind ist bei einem kastrierten Tier: 17, wirkungslos. Kaninchen-Ovarialextrakt I (schwach bestrahlt) bewirkt bei einem kastrierten Tier: 25, Tonusschwankungen. Daraus, wie vor allem aus den Vorversuchen geht hervor: Sp.K. werden, wenn auch seltener, auch bei virginellen Kaninchen beobachtet. Der Uterus liefert dann eine Kurve, die wohl charakterisiert ist durch niedrige, flache Wellen. Eine wehenverstärkende Wirkung kann sich in diesen Fällen ausdrücken in einem Höherwerden der flachen Wellen, ein Kurvenbild, das in der Mitte steht zwischen dem träger Wehen und Tonusschwankungen. In dieser Form wirkt Kaninchenovarialextrakt I (schwach bestrahlt) auf ein kastriertes Tier: 25. II. Tiere, die geworfen haben. Bei Tieren, die geworfen haben, werden Sp.K. nur sehr selten ganz vermißt; entweder handelte es sich dann um kranke (5) oder sehr alte Tiere. Die Sp.K. haben bei den Tieren, die geworfen haben, fast immer _ die Form freilich oft ungleich hoher und in unregelmäßigen Abständen auf- tretenden Ausschläge mit kürzerer Ascendente und längerer Descendente. Bei den kastrierten Tieren werden mindestens 8 Tage nach der Kastration entweder keine: 6, 7, 14, oder nur ganz schwache Sp.K. in ähnlicher Form wie bei virginellen Tieren, nämlich als flache Wellen: 11, 18, 23, 24, 30 beobachtet. Dies Ergebnis zeigten alle kastrierten Tiere ohne Ausnahme. In ähnlicher Weise wirkt die Röntgenbestrahlung, wenn auch weniger ausgesprochen. Bei zwei Tieren, 35 und 37, zeigte die Kurve das gleiche Bild wie bei virginellen und kastrierten Tieren: Sp.K. in Form ganz flacher langgestreckter Wellen. Nur ein Tier zeigte gute Sp.K.: 36. | 302 Max STICKEL: Im einzelnen war die Wirkung der vom Rind gewonnenen Extrakte folgende: Ovarialextrakt war bei einem nicht vorbehandelten Tier: 12, und nur an einem solchen wurde es geprüft, — bis auf Tonusschwankungen wirkungslos. Dagegen wirkte Corpusluteumextrakt bei drei nicht vorbehandelten Tieren: 2, 4, 13, stark wehenerregend. Beide Extrakte zusammen waren bei einem nicht vorbehandelten Tier ohne Sp.K., 15, wirkungslos, bei drei kastrierten Tieren, 6, 7, 14, traten Tonusschwankungen auf. Von den vom Kaninchen gewonnenen Extrakten wirkte das: Normalextrakt 4 auf das nicht vorbehandelte Tier 20 stark wehenerregend, auf drei kastrierte Tiere, 24, 26, 30, schwach wehen- erregend (im Fall 24 nur Tonusschwankungen). Ovarialextrakt I (schwach bestrahlt) wurde nur an drei nicht vorbehandelten Tieren geprüft. Es wirkte in allen Fällen wehen- erregemo2 Al, 02, 88. Ovarialextrakt II (stark bestrahlt) wirkte bei zwei nicht vor- behandelten Tieren einmal sehr stark: 19; einmal deutlich wehen- erregend: 28. Bei drei kastrierten Tieren zweimal: 18 und 23, ganz schwach tonuserhöhend, einmal ganz schwach wehenerregend (bei schwankendem Tonus). Ovarialextrakt G 107192 10prozentig (sehr stark bestrahlt) wirkte bei 2 nicht vorbehandelten Tieren deutlich wehenerregend: 38 und 41, bei 3 bestrahlten Tieren zweimal: 35 und 37, sehr stark wehenerregend mit gleichzeitiger Tonuserhöhung; einmal dagegen: 36, eher hemmend. In diesem Fall bestanden trotz Bestrahlung gute Sp.K. Ovarialextrakt 101303 20prozentig (sehr stark bestrahlt) bewirkte bei einem nicht vorbehandelten Tier: 39, starke Wehensteigerung bei geringer Tonussteigerung. Ovarialextrakt, von sehr stark bestrahlten graviden Kaninchen stammend, wirkte bei einem nicht vorbehandelten Tier: 41, deutlich wehen- erregend. Die Wehen traten in Gruppen auf. Eine gesonderte Betrachtung beanspruchen vor allem die Versuchs- ergebnisse an den kastrierten Tieren. Sie zeigen ausnahmslos keine oder ganz geringe Sp. K., die bei Tieren, die geworfen haben, nur ganz selten fehlen. Dagegen sind von anderer Seite (Franz, Kurdinowsky, Kehrer) und auch von mir in mehreren Fällen Sp. K. am isolierten Uterus beobachtet worden. Die erste Kurdinowskysche Versuchsanord- EINFLUSS DER DRÜSEN AUF DIE ÜTERUSTÄTIGKEIT. 303 nung basiert ja auf dieser Beobachtung. Demnach ist für die Entstehung der Sp.K. ein Zusammenhang des Uterus mit dem nervösen Zentral- organ ebensowenig Bedingung, wie die innersekretorische Funktion des Ovariums. Wenn nun aber aus der Kastration eine Hemmung der Sp.K. resultiert, so bleibt zur Erklärung nur die Annahme, daß irgendwo im Tierkörper, also wohl in einer der Drüsen mit innerer Sekretion, ein vor- läufig hypothetisches, wehenhemmendes Hormon bereitet wird, dessen Wirkung im Körper des nicht kastrierten Tieres durch ein ihm entgegen- gesetzt wirkendes Eierstockshormon paralysiert wird. Es sei nochmals besonders betont, daß der Versuch einer Erklärung dieser Zusammen- hänge nur den Wert einer Arbeitshypothese haben kann. Nimmt man mit Seitz an, daß im Ovarium mindestens zwei Hormone gebildet werden, das eine im Follikelapparat, das andere, in gewissem Sinne antagonistische, im Corpus luteum bzw.'in der interstitiellen Eierstocks- drüse, so ergibt sich daraus, daß in den verschiedenen Phasen des Sexual- lebens bald das eine, bald das andere Hormon überwiegen kann; es muß demnach das Experiment bei dem betreffenden Tier ganz verschieden ausfallen, je nachdem das eine oder das andere Hormon im Überschuß vorhanden ist. — Setzt man die Ovarien der Wirkung der Röntgenstrahlen aus, so werden zuerst und am stärksten die Follikel geschädigt; es würde demnach nach Röntgenbestrahlung in jedem Falle die Wirkung des Corpus luteum überwiegen müssen, da die histologischen Untersuchungen lehren, daß dieses gar nicht oder höchstens zuletzt erst geschädigt wird. Doch kann offenbar auch hier die Wirkung der Röntgenstrahlen in weiten Grenzen schwanken; denn bei gleicher Dosierung und Bestrahlungszeit verhalten sich die einzelnen Tiere den Röntgenstrahlen gegenüber ganz verschieden, wobei die jeweilige Lage der Ovarien, die Blutfülle der Organe usw. eine Rolle spielen kann. Die nach Kastration auftretende Wehenhemmung wird in einem Fall: 11, durch Corpusluteumextrakt vom Rind am besten überwunden. Prüft man daraufhin, ob demnach die Bereitungsstätte des Eierstockshormons, das das hypothetische wehenhemmende Hormon im Körper des nicht kastrierten Tieres bindet, im Corpus luteum bzw. in der interstitiellen Drüse zu suchen sein könnte, so widerspricht dem nicht, um das vorweg zu nehmen, die Wirkung der gleichzeitigen Zuführung von Corpusluteum- und Ovarialextrakt vom Rind: beide antagonistische Hormone halten sich die Wage, die Corpusluteumwirkung kann demnach nicht oder nur ab- geschwächt zustande kommen. Und in der Tat zeigen die Fälle 6, 7 und 14 außer geringer Tonusschwankung keine Wirkung. Das normale Kaninchen- ovarialextrakt 4 wirkt ganz gering wehenerregend in zwei Fällen: 26 j 304 MAX STICKEL: und 30, im dritten Fall: 24, bewirkt es Tonusschwankungen, also zwar eine schwächere, aber doch immerhin eine Wirkung. Es wird hier dem Tierkörper Corpusluteumsubstanz zusammen mit Follikelhormon zugeführt mit dem Erfolg geringer Wehenerregung. Eine stärkere Wirkung müßte man erwarten bei der Zufuhr des ÖOvarialextrakts II, das von stark be- strahlten Kaninchen stammt und in dem das Corpusluteumhormon über- wiegen müßte. Aber hier tritt nur einmal: 29, eine ganz geringe Wehen- verstärkung bei schwankendem Tonus und zweimal: 18 und 23, nur Tonus- steigerung, also auch eine Wirkung, aber sicher keine stärkere, ein. Dem kann man freilich entgegenhalten, daß durch eine dreimalige Zufuhr von - im Vergleich zur kontinuierlichen Sekretion des Organs im Körper doch immerhin geringen Menge von Corpusluteumhormon wohl kaum die Wir- kung des hypothetischen wehenhemmenden Hormons vollständig überwunden werden kann. ; Bei den bestrahlten Tieren 35 und 37 haben die Sp.K. (aller- dings mit Ausnahme von Fall 36) die gleiche Form wie bei den virginellen und vor allen den kastrierten. Auch hier muß also, wenn auch in ge- ringerem Grade, das wehenhemmende Hormon durch Ausfall des ent- gegengesetzt wirkenden freigeworden sein. Wäre der Follikelapparat allein durch die Röntgenbestrahlung geschädigt — daß er früher und schwerer geschädigt wird, zeigt die histologische Untersuchung —, dagegen Corpus luteum und interstitielle Eierstocksdrüse unbeeinflußt geblieben, so müßte das Hormon der letztgenannten Gewebselemente in seiner Wirkung die Oberhand gewinnen über das wehenhemmende Hormon im Tierkörper. und die Tiere müßten die gleichen Sp.K. zeigen wie nicht bestrahlte bzw. nicht kastrierte Tiere. Man muß demnach auch eine, allerdings graduell geringere, Schädigung des Corpus luteum bzw. der interstitiellen Eier- stocksdrüse durch die Röntgenbestrahlung annehmen. Die Schädigung der interstitiellen Drüse, die beim Kaninchen sehr gut ausgebildet ist, ist ja auch histologisch nachgewiesen, die des Corpus luteum freilich nicht. Da die Tiere 36 und 37 sowohl Corpus luteum als auch interstitielle Drüse, wenn auch im Zustand der Hypofunktion, im Gegensatz zu den kastrierten Tieren noch besitzen, so muß die Zufuhr des: von sehr stark bestrahlten Kaninchen stammenden Ovarialextrakt G 107192 10prozentig, in dem ebenfalls das Corpus luteum- bzw. interstitielle Drüsenhormon infolge der Bestrahlung überwiegt, starke Wehen erregen, und in der Tat zeigen die Tiere 35 und 37 diese Wirkung. — In Fall 36 ist eine schwere Schädigung des Ovariums durch die Bestrahlung offenbar noch nicht eingetreten, da der Uterus kräftige Sp.K. zeigt. Warum in diesem Fall eine Wirkung des Extraktes ausbleibt, dafür findet sich nicht ohne weiteres eine Erklärung. EINFLUSS DER DRÜSEN AUF DIE ÜTERUSTÄTIGKEIT. 305 Bei den nicht vorbehandelten Tieren mußte ebenfalls vom Corpus- luteumextrakt die stärkste Wirkung erwartet werden. Auf das Corpus- Juteumextrakt vom Rind trifft dies zu (Fall 2, 4 und besonders 13). Fall 5 scheidet aus (schwerkrankes Tier). Aber auch ‘das von normalen Kaninchen stammende Extrakt 4 wirkt stark wehenerregend in Fall 20, bei einem Tier, das kurz zuvor geworfen hat und bei dem vielleicht im Anschluß an die Gravidität die Funktion des Corpus luteum bzw. der interstitiellen Drüse noch überwiegt. Auch alle von bestrahlten Kaninchen stammende Extrakte: I, II, G 107192 10prozentig und 101303 20prozentig, wirken deutlich wehen- erregend. Auch in ihnen überwiegt die Funktion des Corpus luteum bzw. der interstitiellen Drüse, wenn sie auch nicht ungeschädigt sind, so daß die Wirkung niemals so stark wie das 'des reinen Corpusluteumextraktes sein kann. Am stärksten wehenerregend wirkte Extrakt 101303 20prozentig von sehr stark bestrahlten Kaninchen stammend in Fall 39 und Extrakt II von stark bestrahlten Kaninchen stammend in Fall 19 und 28. Daß das von sehr stark bestrahlten Kaninchen stammende Extrakt G 107192 10 prozentig nicht stärker wirkt wie z. B. Extrakt II, ist wohl nur scheinbar. Es wurde zufällig an Tieren geprüft: 38 und 40, die von vornherein nur ganz schwache Sp.K. zeigten, bei denen also das wehen- hemmende Hormon in hohem Grade wirksam war.. Daher konnte in diesen Fällen die Wirkung nicht so deutlich zutage treten wie in den mit Extrakt II behandelten. Mit der Annahme eines im Corpus luteum wahrscheinlich produzierten Hormons, das im Tierkörper einem hypothetischen wehenhemmenden Hormon entgegenwirkt, lassen sich, wie ich somit gezeigt zu haben glaube, sowohl die von anderen Autoren ermittelten Tatsachen als auch meine eigenen Versuchsergebnisse wohl in Einklang bringen. Daß freilich nicht alle Widersprüche geklärt sind, muß andererseits zugegeben werden. Übri- gens widersprechen die an virginellen und, wie gleich gezeigt werden wird, an graviden Tieren erhobenen Befunde, meiner Hypothese ebenfalls nicht. III. Gravide Tiere. Gravide Tiere wurden 6 in die Versuche einbezogen. Gerade bei schwangeren Tieren ist eine wehenerregende Wirkung sehr schwer iest- zustellen, insofern als maximale Sp.K. nicht mehr gesteigert werden können. Die Wirkung kann sich dann nur im Auftreten regelmäßigerer und häufigerer Kontraktionen zeigen. Archivf.A.u.Ph. 1913. Physiol. Abtlg. 20 306 Max STICKEL: Charakteristisch ist die Kurve gravider Tiere insofern, als die Sp.K. meist in Gruppen auftreten, die durch längere Strecken fast glatter Kurven getrennt sind. Bei einem kastrierten Tier (in der ersten Hälfte der Schwanger- schaft): 16, war die Gravidität nach der Kastration verschwunden. Das Tier zeigte keine Sp.K., verhielt sich also wie ein Tier, das geworfen hat, Corpus luteum und Övarialextrakt blieben bei ihm wirkungslos. Bei dem anderen kastrierten Tier: 9, bestanden trotz der Kastration deutliche Sp.K. Die Hyperfunktion des Corpus luteum und der inter- stitiellen Drüse in der Gravidität könnte die Ursache sein. Corpusluteum- extrakt vom Rind wirkt in diesem Fall wehenerregend. Bei den nicht vorbehandelten Tieren bewirkt Ovarialextrakt vom Rind in Fall 10, Kaninchenovarialextrakt 4 (normal) in Fall 34 und Kaninchenovarialextrakt II (stark bestrahlt) in Fall 31 stark wehen- erregend. Auch diese Beobachtung läßt sich der Hypothese einfügen: infolge der Hyperfunktion des Corpus luteum in der Gravidität tritt die Wirkung des hypothetischen, wehenhemmenden Hormons ganz in den Hintergrund. Zufuhr von Extrakten, in denen Follikel- und Corpusluteum- hormone oder letztere allein enthalten sind, müssen also wehenerregend wirken. In Fall 5 (in der zweiten Hälfte der Gravidität) bestanden von Anfang an maximale Sp.K. Die wehensteigernde Wirkung des Corpus- luteumextraktes konnte daher nicht in Erscheinung treten. Daß beim Menschen ähnliche Zusammenhänge bestehen, ist sehr wahrscheinlich. Wenigstens zeigten die Versuche von Franz u. a. am isolierten tierischen und menschlichen Uterus weitgehende Übereinstim- mung. Trotzdem ist es nicht angängie, aus diesen Ergebnissen bindende Schlüsse in bezug auf den Menschen zu ziehen. Erwähnt sei nur, daß in einem Fall von Uterusblutungen die Darreichung von Extrakt aus be- strahltem Kaninchenovarium die Blutung zum Stillstand brachte. Ob auf diesem Wege die im Tierexperiment gewonnenen Erfahrungen der The- rapie am Menschen nutzbar gemacht werden können, darüber wird ein Urteil erst möglich sein, wenn diese Einzelbeobachtung in einer großen Zahl von Fällen Bestätigung finden sollte. Insbesondere besteht die Absicht, bestrahlte menschliche Ovarien zu Extrakt verarbeiten zu lassen, um das Extrakt zu therapeutischen Versuchen zu benutzen. Aber auch die am Kaninchen ausgeführten Versuche bedürfen noch in wichtigen Punkten einer Ergänzung. So scheint mir die Frage, inwieweit die Wirkung der Röntgenbestrah- lung der Ovarien je nach Dauer, Intensität der Bestrahlung usw. histo- logisch ihren Ausdruck findet, noch keineswegs genügend geklärt. Ins- EINFLUSS DER DRÜSEN AUF DIE ÜTERUSTÄTIGKEIT. 307 besondere verdient die Anwendung intravitaler Färbemethoden eine Prüfung. Ferner besteht Aussicht, ein aus dem Follikelapparat gewonnenes Extrakt in seiner Wirkung auf die Uterustätigkeit studieren zu können. Wichtige Ergänzungen der bisherigen Ergebnisse sind aus diesen Versuchen zu erwarten. Besonders wertvoll müßte es sein, gerade im Gegensatz zum Exstir- pationsversuch, der den Funktionsausfall bewirkt, und der Röntgen- bestrahlung, die eine partielle Hypofunktion schafft, eine experimentelle Hyperfunktion der zu prüfenden Drüse mit innerer Sekretion erzeugen zu können. Ob eine durch Wärmetiefenwirkung hervorgerufene Hyper- ämie dazu imstande ist, auch darüber sollen weitere Unteruchungen Auf- schluß geben. Ganz besonders wichtig und notwendig ist es aber, wie schon eingangs auseinandergesetzt, die übrigen Drüsen mit innerer Sekretion in den Ver- such der Reihe nach einzubeziehen. Bei den innigen wechselseitigen Be- ziehungen, die erwiesenermaßen zwischen ihnen und dem Ovarium bestehen, kann dann erst eine klarere Abgrenzung des Einflusses der einzelnen Drüsen mit innerer Sekretion auf die Uterustätigkeit erwartet werden. Herrn Professor Dr. Piper-Berlin bin ich für das Interesse, das er meinen Untersuchungen entgegengebracht hat, zu großem Danke ver- pflichtet. Zusammenfassung der Ergebnisse. I. Spontankontraktionen werden nur bei einer verhältnismäßig kleinen Zahl von virginellen Kaninchen beobachtet. Bei diesen Tieren schreibt der Uterus in continuo eine Kurve in Form langer flacher Wellen. II. Spontankontraktionen werden bei Kaninchen, die geworfen haben, nur sehr selten vermißt. III. Werden Kaninchen, die geworfen haben, kastriert, so schreibt ihr Uterus in continuo eine Kurve wie der virginelle Kaninchenuterus, in Form langer, flacher Wellen, oder er zeigt überhaupt keine Spontankontraktionen. IV. Nach Röntgenbestrahlung der Ovarien schreibt der Kaninchen- uterus eine ähnliche Kurve wie der virgineller sowie kastrierter Tiere, die geworfen haben. V. Der virginelle Kaninchenuterus in continuo reagiert am wenigsten, der gravide Uterus am stärksten auf wehenerregende Einflüsse. (Bestäti- gung bereits bekannter Beobachtungen.) VI. Bei Kaninchen, die geworfen haben, wirken auf den Uterus in continuo wehenerregend Ovarialextrakt und Corpusluteum- 20, uaddn.ıg | | usouruBy] UAPIABLZ UOA 07 = nn | —- |— — —_ u + AYEISIG 71878 PEYXOTBIIBAQ uaypulugyy uoA Zurtad 'z02d03 yvıJsaq YJıBys ıyas RS: = Eee il Se | | + | +++ |6ee 808101 PIELXOTELBAO 2) ymdsaysı + | +++ 28) "ydg UOYPUIUBY UOA = "ydgoms| puswwau Jsya | 98 wney —_ + I#| 'zo1ıdor Yyeıyssoq as ayas | == = == — wdgaps++| ++ [ee lyrdgayos — + 88 61 LOT HD PIEHXITBLILAO = F jewrmpu+ | 68 5 Shen Er = = 80 == = ar 83 usyourugyy uoA © res a unuus Er: — 81 — —| - | — — +++ [619481899 71845 IT Freıyxopeıwag 5 = = 2 ee | = — _ + se uayouruey UOA YyBıls = S — — — — — _ — | — _- + 13| -9q yoeayos I PyeıxofeLıwag Sei == +[08 = "ydg — Furos +19 uoJ10Ma3 (snugJ2 L) uaypuru En uney T _ 77 — —-— | — |—| yıpzıny _ +++ ,038| -#y UOA jewiou z IyE1yxo[eLIBAQ si = Bez za an ee pause suereo Fi auray ze = L "ydg pury woA en I =E 2 9 x — | — |-| ouey — — ST| PIEXOTELIBAQ + -wnaynj snduog | 5° — — | +++ ler © "ds © auray — — { ai srdg -_ -- | ® eyaBAyos F + Ei — ll | — — + 3 |purg woA pyeyxf-wnagng sndaog | Fr er ai =S = = = — — F — 31 puIy WOA Pe1IxofBLIgAg e uoduny : uosuny |snu 5 uoduny £ -owag | NULL | ueyom UN -10magt |-0J, uoyoM "IN -19wog snuoL| uwyaM AN 9A9L], SJAOLL4SBY, 9191], ayEı4sag 913L], OYPpueyaqıoA FyoıN S uoqeyg u9aJ1omoaS ap ‘aıoı], I str rt 309 -EINFLUSS DER DRÜSEN AUF DIE ÜUTERUSTÄTIGKEIT. "MOpurIeAun = — UHYAULUBY UAPIABLS UOA I = = Bere = Sa = — | — , — | „ges0q J1EIS FIBLIXO[ELIBAOQ ‚uoduny uayDuluey] UOA -uUBMyassnuo, = 7 -zoıd 03 yeısaq Jıeıs ıyos = "pu1o3tols a Be 0 ie | — —|—|— S0EIOL PIENXOTENBAQ ® -8NU0} = "Azq -uoyoMm uayDuluuyy uoA 2 yJ1eI8 yo =+++ "zoıdoT Iyeajsaq Jıeys ıye 5 "pu1od1o9s ee ee 361201 9 FPENXOTBLIBAQ B -8nu0} 'MZAq ® -u9y9A IB = ++ uATDULUBy UOA = wen ae I —- +++ |1e ei — | || — En — | — | — (1ye1}89Q 91848 ]JJ Fe1YXofeLIwAg = "Azq -wpM= + "yrdg uayaulugyy uoA Ygeıjs © “uauor>761} => u = —- — |— |— | -9q QI9EMY9S I FEIXO[BIIBAQ -uoyueguodg = "yrdg SUSI gg sl yes "u9gunzınyaYy "yydg uayouru ı9p Junıe[yıy MBH I—-ı ++ | re — —|—|- | ourmy [+ — |L7| -84] U0A [ewou F YIBIIXOJELIBAO) ipIABıS PURIEDDZ DB ee, She PENXOTELLBAQ + -nagn] sndiog e "yyrdg = “yy.dg O]BWIXBUL "ds nj sndıog | © SHIERBSTE I ze ERIEHETT ae | ey a pur morgens nen] 915 "yrdg a oyauayuas — | —|8 br ds n ® ae — | — | — | o99feH II—| ++ lol — — | — |— 9uloy — || ji purmgy woA IAIEIIXITELIBAO uosunyg = = AN uoduny | 3 5 IN uoguny 5 5 N uoguny 5 5 IN nung | 5 g -awag | EB € oweg |E | 5 | ©) zeug | 5 5 un u 9I9LL, SNOLISEH 9I9LL9]9pueyaq.LoAyydIN aI9aI]L 9SprA®Bımy II SAOL], SJAOLIISBY || 9XOL], "yagqıoA IydıN oTorp opjeursıı‘ "II 310 Max STICKEL: extrakt vom Rind, Ovarialextrakt von normalen und bestrahlten Kaninchen. Am stärksten wehenerregend wirkt Corpusluteumextrakt. Bei kastrierten Tieren ist die Wirkung weniger stark. Sehr stark wehenerregend wirkt Extrakt aus mit Röntgen- strahlen vorbehandelten Kaninchenovarien auf den Uterus in continuo von Kaninchen, die ebenfalls mit Röntgenstrahlen vor- behandelt worden sind. Die Untersuchungsergebnisse führen zu der Annahme, daß im Körper | des Kaninchens ein wehenhemmendes Hormon gebildet wird, dessen Wirkung durch ein antagonistisches Eierstockshormon aufgehoben wird. EINFLUSS DER DRÜSEN AUF DIE ÜUTERUSTÄTIGKEIT. Sl Literaturverzeichnis. A. Uterustätigkeit betreffend: Siehe die Literaturnachweise der Arbeiten von: Franz, Zeitschr. f. @eburtsh. u. Gyn. Bd. LIII. Hegars Beiträge 1909. Bd. XIII. Kurdinowsky, Zentralbl. f. Gyn. 1905. Heft 10 u. Heft 22. Archiv f. Gyn. Bd. LXXVI. Heft2; Bd. LXXX. Heft2; Bd. LXXIII. Heft 2. Fellner, Archiv f. Gyn. Bd. LXXIu. LXXVIII. Heft3; Bd. LXXX. Heft 2. Bd. LXXXVI. 1911. Kehrer, Archiv f. Gyn. Bd. LXXXLI. ' Rübsamen und Perlstein, Archiv f. Gyn. Bd. XCV. Heft. Rübsamen und Kligermann, Zeitschr. f. Geburtsh. u. @yn. Bd. LXXII. Heft 2, B. Innere Sekretion des Ovarıum betreffend: Siehe die Literaturnachweise der Arbeiten von: Biedl, Innere Sekretion. 1. Aufl. u. 2. Aufl. 1. Teil. Sammelreferate von: Birnbaum, Zeitschr. f. allgem. Physiol. 1908. L. Fränkel, Zeitschr. f. Geburtsh. u. G’yn. 1909. Bd. LXIV. Benthin, Gynäkol. Rundschau 1912. Bd. VI. Heft 10. Außerdem: Adler, Archiv f. Gyn. Bd. XCV. Heft 2. Schickele, Archiv f. Gyn. Bd. XCVII. Heft3 und Münch. med. Wochenschr. Heft 3. R. Meyer und Ruge, Zentralbl. f. G@yn. 1913. Bd. XXXIV. Heft 2. Seitz, Ref. d. XV. Versamml. d. deutsch. Ges. f. Gyn. C. Röntgenstrahlen betreffend: Specht, Archw f. Gyn. Bd. LXXVII. Fellner und Neumann, Zentralbl. f. Gyn. 1906. 8. 630. Reifferscheidt, Die Röntgentherapie in der Gynäkologie. 1911. M. Fränkel, Die Röntgenstrahlen in der Gynäkologie. 1911. Veränderung des Kreislaufs bei pulpatoten oder pulpalosen Zähnen. Von Dr. Richard Landsberger, Arzt und Zahnarzt in Berlin. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Berlin.) (Hierzu Taf. IV.) Zu dem Versuche, über den hier kurz berichtet werden soll, bin ich durch Beobachtungen in meiner zahnärztlichen Praxis geführt worden. In zahlreichen Fällen, in denen Patienten von plötzlich auftretenden heftigen Zahnschmerzen befallen worden, läßt sich nachweisen, daß die Veran- lassung zu den örtlichen Beschwerden durch eine allgemeine Blutwallung gegeben worden ist. Entweder handelt es sich um Patientinnen in den Menses oder kurz vorher, oder es haben Wärme oder Kälte, Verdauungs- stockungen, Luftdruckänderung im Gebirge oder andere Einflüsse auf die Blutverteilung eingewirkt. In allen diesen Fällen entstehen die Schmerzen immer an solchen Zähnen, deren Pulpa, sei es durch Caries, sei es künstlich, von der Hand des Zahnarztes, zerstört ist. | Auf diese Tatsachen gründete ich die Vermutung, daß die Zerstörung der Pulpa eine so starke Veränderung der Kreislaufverhältnisse in der Umgebung des Zahnes hervorrufe, daß es bei jeder stärkeren Blutwallung zu schmerzhafter Schwellung kommen könne. Um meine Anschauung auf ihre Richtigkeit zu prüfen, erkannte ich ein geeignetes Mittel in der Erfindung von Prof. Werner Spalteholz "in Leipzig, die es ermöglicht, Knochen und andere Gewebe durch- sichtig zu machen. Ich entfernte zunächst einem Hunde in Narkose aus vier Zähnen die Pulpa. Nach dreiviertel Jahren wurde dann der Hund getötet, die Blutgefäße des Kopfes injiziert und die Kiefer nach dem Ver- RICHARD LANDSBERGER: VERÄNDERUNG DES KREISLAUFS usw, 313 fahren von Spalteholz behandelt. Dies Verfahren besteht darin, daß die Knochen entkalkt, darauf erst mit Benzol, dann mit Wintergrünöl durchtränkt und in demselben Öl aufbewahrt werden, in dem sie durch- sichtig wie gelbes Glas erscheinen.! Die beifolgende Tafel ist eine von Hrn. Frohse angefertigte genaue Abbildung des entstandenen Präparats. Die Buchstaben a, b, e, d bezeichnen die Zähne, aus denen die Pulpa entfernt worden ist. Man erkennt den Verlauf der Kiefergefäße in ihren feinsten Verzwei- gungen, sogar die Pulpagefäße in einigen der gesunden Zähne. Beim Ver- gleich zwischen den beiden Kieferhälften sieht man, daß das Gefäßnetz in der Umgebung derjenigen Zähne, deren Pulpa entfernt worden ist, sehr viel dichter ist, als an den entsprechenden Stellen des anderen Kiefers, dessen Zähne normal sind. Die Gefäße der Wurzelhaut der operierten Zähne, und die des Periosts in der Umgebung zeigen starke Proliferation. Wäre die Gingiva erhalten, so würde man, wie zahlreiche abgeschnittene Äste erkennen lassen, auch in ihr die Proliferation finden. Das Ergebnis des Versuchs spricht also mit überraschender Deutlich- keit dafür, daß die oben ausgesprochene Vermutung zutrifft, und daß tat- sächlich in den erwähnten Fällen der krankhafte Zustand seine Grund- ürsache in der Zerstörung der Pulpa hat. Auf die experimentelle Zer- störung der Pulpa ist eine Vermehrung der Gefäße in der ganzen Um- gebung des Zahnes gefolgt, die eine dauernde Hyperämie bedingt. Unter diesen Umständen ist es verständlich, daß jede weitere Verstärkung der Blutzufuhr sehr leicht zu Schwellungen oder Stauungen führen kann, die selbstverständlich auch auf die Nerven dieser Gegend wirken und Schmerz- anfälle verursachen werden. So klar und unzweifelhaft diese Reihenfolge der Vorgänge durch das Versuchsergebnis festgestellt ist, so dunkel bleibt ihr ursächlicher Zu- sammenhang. Die Zerstörung der Pulpa ist gleichbedeutend mit dem Verschluß eines Teils der normalen Blutbahn, denn die Gefäße des Zahnes, die in der Pulpa enthalten sind, gehen aus denen des Kiefers hervor und bilden demnach einen Teil der Verästelungen des Kieferkreislaufs, der zugleich der Wurzelhaut, dem Periost und der Gingiva Blut zuführt. Die Störung oder gänzliche Aufhebung des Kreislaufs in der Pulpa muß also auf die Blutzirkulation des ganzen Kiefers in gewissem Grade zurückwirken. Wenn man aber das Ergebnis der Forschungen, die über die Einwirkung von 1 Die Pulpaextraktionen wurden im physiologischen Institut, die Injektion und Präparation im anatomischen Institut der Berliner Universität ausgeführt. 314 RicHARD LANDSBERGER: VERÄNDERUNG DES KREISLAUFS USW. Gefäßunterbindungen auf den Kreislauf gemacht worden sind!, auf den vorliegenden Fall anwendet, so findet man, daß das Maß dieser rein hämo- dynamischen Rückwirkung verschwindend klein sein muß. Es steht zwar fest, daß nach Unterbindung eines Gefäßes die benachbarten Bahnen sich als „„Kollateralkreislauf‘‘ erweitern und verstärken, aber es wird von allen Forschern betont, daß diese Erweiterung nicht als eine einfache mechanische Folge des Verschlusses der normalen Blutbahn betrachtet werden kann, Die Unterbindung eines Gefäßes muß zwar, indem sie den Gesamtquer- schnitt der Blutbahn vermindert, eine Vermehrung des Blutstroms in den übrigbleibenden Gefäßen verursachen, aber weil sich diese Vermehrung auf den Gesamtkreislauf verteilt, wird sie an jeder einzelnen Stelle unmerk- lich klein. In unserem Falle handelt es sich nun um die Ausschaltung eines geradezu winzigen Kreislaufgebietes, nämlich der Pulpa eines einzelnen Zahnes und um eine außerordentlich starke, noch dazu örtlich eng be- grenzte Zunahme des Kollateralkreislaufs. Die Ursache der Gefäßpro- liferation darf also nicht in rein hämodynamischen Verhältnissen gesucht werden, sondern der Vorgang stellt sich als eine Reaktion des Gewebes dar, der wie alle Vorgänge des inneren Zellenlebens vorläufig unerklärt bleiben muß. ö Zum Schlusse nehme ich Gelegenheit, Hrn. Geheimrat Prof. Dr. Wal- deyer und Hrn. Prof. Dr. du Bois-Reymond für das Interesse zu danken, das beide Herren meinen Arbeiten entgegenbringen. ! Vgl. Nagels Handbuch der Physiologie. Bd. I. S. 438 und die dort an- geführte Literatur. Ausschaltung der Nasenatmung beim Hunde. j Von Dr. Richard Landsberger, Spezialarzt für Kieferorthopädie in Berlin. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Berlin.) Bei Kindern, die an Verengung des Nasenganges leiden, sind meist auch adenoide Wucherungen im Nasenrachenraum zu finden. Es liegt nahe, diese Befunde in ursächlichen Zusammenhang zu bringen. Bei be- behinderter Nasenatmung werden die Druckschwankungen, die bei der Atmung in den Luftwegen entstehen, stärker sein als bei normaler Durch- gängigkeit der Nase. Die abnorm starke Druckverminderung bei der In- spiration könnte also eine Hyperämie zur Folge haben, welche die Ent- stehung von adenoiden Wucherungen verursachte oder begünstigte. Von diesem Gedanken ausgehend, hoffte ich, adenoide Wucherungen experimentell hervorrufen zu können, wenn ich bei jungen Versuchstieren eine dauernde Behinderung der Nasenatmung bewirken könnte. Es kam zunächst darauf an, die Voraussetzungen dieses Versuches auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Im allgemeinen atmen Mensch und Säugetier in der Ruhe .ausschließ- lich durch die Nase. Es mögen daher zunächst die Verhältnisse bei dieser Art Atmung, nämlich Nasenatmung bei geschlossenem Munde, betrachtet werden. Die unmittelbare Wirkung der Inspirationsbewegung besteht darin, daß die Brusthöhle erweitert wird. Dadurch wird der in den Lungen enthaltenen Luft ein größerer Raum dargeboten. Sie dehnt sich aus und verdünnt sich. In dem Maße, in dem sich die Luft verdünnt, wird ihr Druck geringer, und infolgedessen dringt die äußere Luft in die Lungen ein. Hier- bei sind Reibungswiderstände an den Wänden der Luftwege zu überwinden, und es stellt sich daher in dem Luftstrom wie in jedem Strome ein Druck- gefälle her, so daß am Eingang in die Luftwege der volle äußere Atmo- sphärendruck, im Innern der Lunge ein je nach dem Maße der Atemtiefe 316 RICHARD LANDSBERGER: verminderter Druck und dazwischen an jeder Stelle ein mittlerer Druck herrscht, dessen Höhe durch das Verhältnis der Widerstände oberhalb und unterhalb der betreffenden Stelle bestimmt ist. Mithin ist in den ganzen Luftwegen während der Inspiration der Druck geringer als der Atmosphärendruck. Wenn nun bei gleichbleibenden Inspirationsbewegungen die Nasen- öffnung verengt, also der Widerstand erhöht wird, den die Luft beim Ein- strömen findet, so wird das Druckgefälle gleich anfangs sehr steil und an allen unterhalb der Verengung gelegenen Stellen die Druckverminderung größer sein, als bei freier Nasenöffnung. Würde die Nase ganz verschlossen, oder mit anderen Worten, würde der Widerstand, den die Luft beim Ein- treten findet, unendlich groß, so würde der Druck in den Luftwegen in dem vollen Maße der durch die Erweiterung des Brustkorbes hervorgerufenen Luftverdünnung in den Lungen herabgesetzt werden. Das Mittel, die Druck- verminderung in der Nasenhöhle im höchsten Grade zu verstärken, würde also darin bestehen, die Nasenöffnung ganz zu verschließen. Bei aufgehobener und selbst schon bei behinderter Nasenatmung tritt aber Mundatmung ein, wodurch sich die Bedingungen für die Druckver- änderung in den Luftwegen von Grund aus ändern. Es entsteht die Frage, in welchem Grade bei verschlossener Nase und bestehender Mundatmung die in der Nasenhöhle und im Nasenrachenraum befindliche Luft von den Druckschwankungen bei der Atmung betroffen wird. Der Widerstand, den die Luft beim Durchströmen der Mundhöhle findet, kann offenbar erheblich geringer sein als der in der Nase, denn Menschen und Tiere gehen bei starkem Atembedürfnis von der Nasenatmung zur Mundatmung über. In der Mundhöhle wird also nur ein geringes Druckgefälle herrschen. Da aber die Nasenhöhle und der Nasenrachenraum erst am Ende der Mund- höhle mit ihr in Verbindung stehen, so wird bei geschlossener Nase in dem ganzen Nasengang der Druck um das volle Gefälle der Mundhöhle ver- mindert sein. Außerdem dürfte noch eine dynamische Saugwirkung des Luftstroms in Betracht kommen, der durch den Mund an der hinteren Öftnung der Nasenhöhle vorbeistreicht. Nach Art der Wasserstrahlluft- pumpe muß dieser Luftstrom Luft aus der Nasenhöhle fortreißen und da- durch die Druckverminderung noch um ein gewisses Maß erhöhen. Um mich zu überzeugen, daß unter den erwähnten Bedingungen, nämlich bei verschlossener Nase und Atmung durch den Mund tatsächlich eine merkliche Druckverminderung im Nasenrachenraum auftreten könne, stellte ich folgenden Versuch an: Ich führte einer Versuchsperson ein ge- bogenes Metallröhrchen von etwa 6 mm Durchmesser (Fig. 1) durch den Mund bis hinter das Gaumensegel und in den Nasenrachenraum ein. Nun wurde ÄUSSCHALTUNG DER NASENATMUNG BEIM HUNDE. 317 die Versuchsperson angewiesen, sich die Nase fest zuzuhalten und durch den Mund zu atmen. Das aus dem Munde ragende Ende des Röhrchens wurde mit einem Quecksilbermanometer verbunden, und es zeigte sich, daß bei ruhiger Atmung das Quecksilber bei jeder Inspiration um etwa 10 mm angesogen wurde. Bei tiefer Inspiration änderte sich der Stand des Manometers sogar um 20mm. Dieser Versuch dürfte eine gewisse praktische Bedeutung haben, obgleich vollständiger Verschluß der Nase im gewöhnlichen Leben nicht vorkommt, denn man kann daraus schließen, daß auch schon bei verengter Nase und bestehender Mundatmung die Druckschwankungen im Nasenrachenraum merklich erhöht sind. Der Versuch lehrte, daß möglicherweise beim Tierversuch durch Ausschalten der Nasenatmung eine so große Veränderung der Druckverhältnisse im Nasenrachenraum zu erreichen wäre, daß infolge der dort entstan- denen Saugwirkung adenoide Wucherungen hervorgerufen würden. Die Aussicht auf diesen Erfolg würde selbstverständlich bei jungen Hunden im Stadium lebhafter Wachstums- vorgänge größer sein als bei ausgewachsenen Tieren. Ich schaltete also bei einem zwei Monate alten Hunde die Nasenatmung aus, indem ich die Ränder der Nasenöffnungen anfrischte und sie dann fest zusammennähte. Gleichzeitig suchte ich noch auf andere Weise die Entwicklung abnormen Wachstums in der Gegend der hinteren Nasenöffnung an- zuregen, indem ich die Keime der hinteren Backenzähne entfernte. In früheren Ver- Fig. 1. suchen hatte ich nämlich feststellen können, dab durch Entfernung der Zahnkeime eine "stärkere Entwicklung der Nasenmuscheln und ein geringeres Breitenwachstum des ganzen Kiefers bewirkt wird.! Ich hoffte, daß die vermehrte Blutzufuhr, die bei diesen Vorgängen im Spiele ist, zusammen mit der Veränderung des Luftdruckes die beabsichtigte Wirkung haben würde. | Ich führte die Operation an 6 Hunden aus, aber nur an einem gelang sie. Die Hunde rieben nämlich die Nase so lange an den Wänden. ihres ı Vgl. Dies Archiv. 1911. Physiol. Abtlg. S.433. Landsberger, Der Ein- fluß der Zähne auf die Entwicklung des Schädels. . 318 RiCHARD LANDSBERGER: Stalles, bis die Nähte ausrissen und die Nase wieder durchgängig wurde. Der eine Hund, bei dem die Verheilung gelang, blieb mit vollkommen verschlossener Nase 9 Monate am Leben, so daß er ein Alter von 11 Mo- naten erreichte. Er war während dieser Zeit stets sehr munter, sprang, wenn ich kam, an mir herauf, wedelte und bellte mich an. Er fraß gut und nahm gut zu, so daß er größer wurde als seine Mutter. Seine Geschwister waren alle zugrunde gegangen, so daß ich sein Wachstum Fig. 2. nur nach dem seiner Mutter beurteilen konnte. An der Form des Kopfes war keinerlei Anomalie zu erkennen.! Ich prüfte ihn auf die Schärfe des Geruchssinnes, indem ich in einer Zimmerecke in Papier gewickelte Stücken Wurst versteckte, die er stets schnell auffand. Ebensowenig war die Hör- fähigkeit beeinflußt, denn der Hund reagierte stets auf Händeklatschen oder Zuruf. Ich hatte vermutet, daß auf dem Gebiete dieser beiden Sinnes- ı Vgl. Zahnärztliche Orthopädie von Herbst. 8.61. Hinweis auf den Tier- versuch von Ziem. ÄUSSCHALTUNG DER NASENATMUNG BEIM HUNDE. 319 organe Störungen zu bemerken sein würden, weil bei geschlossener. Nase die Riechstoffe offenbar nur durch Diffusion von den Choanen aus an die Regio alfactoria gelangen können, und weil es möglich schien, daß sich die Veränderung der Luftdruckverhältnisse im Nasenrachenraum durch Vermittlung der Tuben auch in der Paukenhöhle geltend machen würden. Etwa zwei Monate vor dem Tode des Hundes zeigte sich an der rechten Nasenseite eine stecknadelkopfgroße Öffnung. Da sich die Nase mit der Zeit infolge des allgemeinen Wachstums des Tieres um ein gutes Stück Bımı 3. vergrößert hatte, war auch der Zwischenraum zwischen zwei Nähten, wo offenbar keine vollkommene Verwachsung stattgefunden hatte, etwas auseinandergetreten. Nach außen war die Öffnung trichterförmig erweitert, so daß sie im Bilde (Fig. 2) viel größer erscheint als sie in Wirklichkeit ist. Der Tod des Hundes trat nachweislich ganz plötzlich ein, da er von der Wärterin lebend und anscheinend in voller Gesundheit gesehen ‚und wenige Minuten später tot aufgefunden wurde. Es zeigte sich, daß die Epiglottis in eigentümlicher Weise verklemmt vor der Uvula lag, so dab anzunehmen ist, daß der Tod durch Erstickung eingetreten ist. Durch 320 RıcHARD LANDSBERGER: AUSSCHALTUNG DER NASENATMUNG USW. eine heftige Exspiration mag die Epiglottis vor den weichen Gaumen ge- treten sein und so den nachfolgenden Inspirationen den Weg versperrt haben, so daß, da der Weg durch die Nase verschlossen war, der Hund ersticken mußte (Fig. 3). Am skelettierten Schädel ist zu erkennen, daß die Nasenhöhle breiter (b) ist als die anderer, gleichaltriger Hunde (a). Anscheinend sind die Wände durch heftige Exspirationsanstrengungen auseinandergetrieben. Ebenso ist der hintere Teil des knöchernen Gaumens nach unten vorgewölbt, was ebenfalls auf eine Wirkung der Exspirationspressung deutet (Fig. 4). Die Nasenmuscheln fehlen fast vollkommen. Daß dies auf fehlerhaftes Ver- fahren bei der Präparation zurückgeführt werden könnte, scheint aus- geschlossen, denn wenn von normal entwickelten Nasenmuscheln so viel a Fig. 4. b abgebrochen worden wäre, daß nur die an dem vorliesenden Präparat vorhandenen Reste zurückblieben, müßten die Trümmer sehr auffällig bemerkbar gewesen sein. Es scheint vielmehr sicher, daß die Nasenmuscheln entweder degeneriert oder auf einem frühen Stadium der Entwicklung stehen geblieben sind. Demnach ist zu schließen, daß die Entwicklung der Nasen- muscheln von der normalen Funktion der Nasenhöhle als Atembahn ab- hängig ist. Am Bulbus olfactorius war makroskopisch keine Veränderung wahrzunehmen, wie nach dem Ergebnis der Geruchssinnprüfung zu er- warten war. Adenoide Wucherungen waren durch das Experiment nieht hervor- gerufen worden. Zum Schlusse nehme ich Gelegenheit, Herrn Professor R. du Bois- Reymond.zu danken für das Interesse, das er meiner Untersuchung ent- gegengebracht hat. Einige elektrische Erscheinungen im Zentralnervensystem bei Rana temporaria. Von W. W. Neminski. ng (Hierzu Taf. V u. VI.) Schon im Jahre 1882 hat Ssetschenow in seiner Abhandlung ‚Gal- vanische Erscheinungen an dem verlängerten Marke des Frosches“! die Wirkung der Reizung des Nervus ischiadicus auf die galvanischen Erschei- nungen beschrieben, die nach seinen Beobachtungen im verlängerten Mark dieses Tieres selbständig entstehen und verlaufen. In der vorliegenden Mitteilung sollen in Kürze die Ergebnisse von Beob- achtungen dargelegt werden, die mit Hilfe des Einthovenschen Saiten- galvanometers an elektrischen Strömen ausgeführt wurden, welche im Zen- tralnervensystem des Frosches (vornehmlich Rana temporaria) bei Reizung des Nervus ischiadieus durch Induktionsschläge entstehen. Die Vorbereitung des Tieres bestand in der Entfernung des Gehirns, in der Trennung des Rückenmarks von den seitlichen Nervenstämmen und Hirnhäuten, im Zurückbiegen desselben auf ein Glasplättchen. Nicht polarisierbare Tonelektroden wurden in folgender Weise angelegt: die eine auf dem Querschnitt des Rücken- oder des verlängerten Markes, die andere auf seiner Vorderfläche. Der Nervus ischiadieus wurde durch einzelne Induktionsschläge und durch den intermittierenden Strom des Du-Bois-Reymondschen Schlittenapparats gereizt. In einigen Fällen wurde der Musculus gastrocnemius der entsprechenden Extremität ab- präpariert, und seine Bewegungen teilten sich mit Hilfe der Receptions- kapsel dem Mareyschen Pantographen mit. ! Wratsch und Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. XXVII. Archivf.A.u.Ph. 1913. Physiol. Abtlg. 1 322 W. W. NEMINsKI: Die im Zentralnervensystem des Tieres entstehenden Ströme wurden in den großen Einthovenschen Saitengalvanometer geleitet. Die Be- wegungen des Fadens des letzteren, der Hebel des Mareyschen Panto- sraphen und des Jacquetschen Zeitmessers (zum Ablesen von !/, Sekunde gestellt) wie auch die Bewegungen des elektromagnetischen Signals zum Reizungsmomentregistrieren wurden in Gestalt von Schattenbildern auf dem lichtempfindlichen Papier eines Edelmannschen Registrierapparats aufgezeichnet. Die weiter gestatteten Ergebnisse wurden auch von dem Froschrückenmark nach der Entfernung desselben aus dem Gesamt- körper des Tieres bekommen. Beim Betrachten der erhaltenen Photogramme ist folgendes zu be- merken: 1. Eine einzelne Reizung des Nervus ischiadicus durch einen Induktions- strom von genügender Stärke ist fähig, eine Bewegung der Saite, d. h. das Auftreten eines elektrischen Prozesses im Zentralnervensystem des Tieres, hervorzurufen (Fig. 1, Taf. V). 2. Die Schließung des Stromes bei gegebener Entfernung der primären Spirale von der sekundären erzeugt eine schwächere Bewegung der Saite als die Öffnung (Fig. 1, Taf. V); bei weiterer Schwächung des reizenden Stromes (infolge von Auseinanderrücken der Rollen) kann das Schließen des ' Stromes resultatlos bleiben (Fig. 2, Taf. V). Die Schließung erzeugt manchmal eine stärkere Bewegung der Saite als die Öffnung. 3. Die Verringerung des Zeitraumes zwischen zwei Induktionsschlägen (Schließen und Öffnen des Stromes) führt zur Bildung einer einzelnen Welle (Fig. 3, Taf. V). 4. Eine mit der Hand hervorgebrachte größere Frequenz der Reizungs- schläge führt zu einer summierten Muskelzuckung und zur „Summations- kurve‘ des Stromes vom Zentralnervensystem (Fig. 2 wie auch 4, Taf. V u. VI). 5. Die weitere Erhöhung der Frequenz der durch den intermittierenden Strom der Spirale erhaltenen Reizungsschläge führt mit einer tetanischen Muskelzuckung zu anhaltenden Abweichungen der Saite — zu „tetanischen Kurven“ vom Zentralnervensystem (Fig. 5 sowie auch 6, Taf. V]). 6. Die Veränderung der Richtung des Reizungsstromes zum Nerven führt nicht zur Umkehrung der Richtung der Aktionsströme vom Zentral- nervensystem, was für die Erscheinungen des physikalischen Elektrotonus sprechen würde. Vgl. Fig. 1, Taf. V, wo die Veränderung der Richtung des Reizungsstromes vermittelst des Kommutators nach der zweiten Öffnungs- reizung hervorgerufen wurde; vgl. Fig. 3, Taf. V, wo die gleiche Ver- änderung nach der zweiten und fünften Öffnungsreizung erhalten wurde EINIGE ELEKTRISCHE ERSCHEINUNGEN IM ZENTRALNERVENSYSTEM. 323 und Fig. 6, Taf. VI, wo die Veränderung nach der zweiten tetanischen Reizung hervorgerufen wurde. 7. In einigen Fällen, bei sehr frischen Tieren, sind Ablenkungen des Fadens nach sehr kurz andauernden Reizungen des Nervus ischiadicus zu bemerken, die aber bedeutend länger anhalten als die sie hervorrufende Reizung (Fig. 7, Taf. V). Hier muß bemerkt werden, daß vom Zentralnervensystem solcher Tiere anfangs spontane Stromschwankungen zu erhalten sind, welche ohne un- mittelbare Reizungen des Nervus ischiadieus verlaufen. Möglicherweise sind eben diese galvanischen Erscheinungen von Ssetschenow in der oben erwähnten Abhandlung beschrieben worden. Das in Punkt 7 und 6 Dargelegte bestärkt uns in dem Gedanken, daß die in der vorliegenden Mitteilung beschriebenen Erscheinungen keine Er- scheinungen des physikalischen Elektrotonus oder von Stromschleifen, son- dern Aktionsströme von durch Reizung des Nervus ischiadicus erregten Nervenelementen sind. Die Größe der Latenzperiode zwischen dem Moment der Reizung des Nervus ischiadieus und dem Auftreten der Aktionsströme im Zentralnerven- system beträgt etwa !/,, Sekunde (0,033”). Eine genauere Erforschung der Latenzperiode war für die gegenwärtige Arbeit nicht beabsichtigt. Was die Größe der elektromotorischen Kraft bei der Ableitung vom Querschnitt und von der Oberfläche des Rücken- und verlängerten Marks anbelangt, so schwankte dieselbe in Abhängigkeit von der Frische des Tieres und vielleicht auch vom Gelingen der Präparation zwischen 2 und 66 Milli- volt; die letztere Potentialdifferenz (66 M.-V.) beobachtete man bei den frischen Frühlingsfröschen vom Zentralnervensystem, durch welche spontane Stromschwankungen zu erhalten sind. Die Potentialdifierenz vergrößert manchmal während des Experiments, in einem Falle z. B. von 3,5 bis 66M.-V. Am häufigsten beobachtete man eine Potentialdifierenz etwa 10 M.-V. Zum Schlusse ist es mir eine angenehme Pflicht, dem hochgeehrten Herrn Professor W. J. Tschagowetz, dem ich die Möglichkeit, dies Thema im physiologischen Laboratorium der Kiewer Universität auszuführen ver- danke, für die mir seinerseits zuteil gewordene Hilfe auch an dieser Stelle meinen aufrichtigen Dank auszusprechen. Kiew, 1912. 21* 324 W. W. NEMINSKI: EINIGE ELEKTRISCHE ERSCHEINUNGEN USW. Erklärung der Abbildungen. (Taf. Vu.VI) Die Muskelkurven weisen auf einigen der aufgeführten Figuren eine beträcht- liche Verspätung auf, die als das Resultat der Unvollkommenheit der Übergabe durch die Mareyschen Kapseln. Daß die Muskelkurve in die Länge gezogen ist, liegt an derselben Ursache. Die Figuren sind von links nach rechts zu lesen. Die Änderung der Richtung des reizenden Stromes zum Nerven wurde ver- mittelst des Kommutators bewirkt; dieselbe ist auf den Figuren durch den Buch- staben K bezeichnet. Fig. 1. Oben die Zeitkurve in !/, Sek., unten die Angaben des Reizungs- moments. In der Mitte die Kurve der Aktionsströme, in Gestalt von positiven Schwan- kungen, die ihrer Richtung nach den während der Ruhe auftretenden Strömen ent- sprechen und sowohl beim Schließen, als auch beim Öffnen des Reizungsstromes entstehen; weiter unten — Muskelkurven. Rollenabstand des Schlittenapparats 12!/, cm bei einem einzigen Akkumulator in der primären Kette. Fig. 2. Die Bedeutung der Kurven ist die gleiche. Dasselbe Tier. Der Rollen- abstand bis auf 17 cm vergrößert. Aktionsströme in Gestalt von positiven Schwan- kungen, die wegen Abschwächung des Reizungsstroms nur bei den Öffnungsreizungen bemerkbar sind. Ferner „‚summierte Kurven‘ vom Zentralnervensystem und vom Muskel, die durch Unterbrechung des Stromes in der primären Rolle mit der Hand erhalten wurden. Fig. 3. Rollenabstand 12!/, cm. Aktionsstrom in Gestalt vereinzelter posi- tiver Schwankungen. Fig. 4. Rollenabstand 7 cm. Aktionsstrom in Gestalt negativer Schwankungen. Die „summierten Kurven“ wurden durch Unterbrechung des Reizungsstromes mit der Hand erhalten. Die Richtung des Reizungsstromes wurde nicht durch den Kom- mutator verändert (doch sind die Richtungen des Schließungs- und Öffnungsinduk- tionsstromes sind einander entgegengesetzt). Auf der Kurve ist der Einfluß der Stromschlingen bemerkbar, die bei der Öffnung eine schnelle Bewegung des Fadens in der Richtung zur Linie des Signals hervorriefen. Fig. 5. Rana esculenta. Rollenabstand 7 cm. Positive Schwankungen. Die „tetanischen Kurven‘ wurden mit Hilfe des intermittierenden Stromes der Rolle erhalten. Fig. 6. Rollenabstand Scm. Positive Schwankungen. Die „‚tetanischen Kurven“ wurden mit Hilfe des intermittierenden Stromes der Rolle erhalten. Fig. 7. Rollenabstand 25cm. Die negativen Schwankungen währen bedeu- tend länger als die Reizung, durch die die Muskelkontraktion und die erste verein- zelte Schwingung der Saite hervorgerufen wurden. Die Muskelkurve befindet sich zwischen der Zeitlinie und der der negativen Schwankungen. Zur Technik der Eckschen Fistel. Von Dr. Hassan Reschad und Prof. R. du Bois-Reymond, aus Konstantinopel. \ Berlin, Da in der letzten Zeit von verschiedenen Seiten Mitteilungen zur Tech- nik der Eckschen Fistel veröffentlicht worden sind!, möchten auch wir über einige Versuche auf diesem Gebiete berichten. Es scheint, daß das von Eck selbst angegebene Verfahren wenig Anklang findet, denn an seiner Stelle werden in den erwähnten Schriften andere, zum Teil ganz abweichende Operationsmethoden empfohlen. Ohne von diesen Kenntnis zu haben, verfielen wir darauf, statt der Eckschen Schere einfach einen dünnen Draht zu benutzen, der nach Art einer Kettensäge die Öffnung in die aufeinandergenähten Gefäßwände schneiden sollte. Fischler und Schröder? haben auch schon dies Ver- fahren angewendet, mit dem einzigen Unterschiede, daß sie nicht einen Draht, sondern einen Faden gebrauchten. So unbedeutend unsere Ab- änderung ist, so wesentlich kann sie für den Erfolg sein, denn es ist wohl unzweifelhaft, daß ein Draht schärfer und sicherer schneidet, als ein Faden. Der Nachteil, den Fischler und Schröder an ihrem Verfahren fanden, daß nämlich der Faden beim Sägen leicht zerreißt, ist beim Draht so gut wie ganz ausgeschlossen. Der Schnitt gelingt so glatt und leicht, daß wohl niemand, der dies erprobt hat, noch daran denken wird, sich eine Ecksche Schere anzuschaffen. Eben darin sehen wir den Vorzug unseres Ver- fahrens, daß keinerlei besondere Instrumente für die Operation nötig sind. Nachdem wir die Eigenschaft dünnen Drahtes, Gefäßwände scharf und glatt zu durchschneiden, mit einem Kupferdraht, der zunächst zur o 1Franke, Zeitschrift für biologische Technik und Methodik. 1912. Bd. II. 5.262. E. Jeger, Internationale Beiträge zur Pathologie und T’'herapie der Ernährungsstörungen. 1912. Bd. IV. 2 Archiv für experimentelle Pathologie und Pharmazie. 1900. Bd. LXTI. 326 Hassan RESCHAD UND R. Du Bois-REYMonND: Hand war, am Kadaver erprobt hatten, machten wir die ersten Versuche mit einem „Bindedrahte“. Er bewährte sich ganz gut zum Schneiden, aber weniger zum Durchstechen der Gefäßwände. Wir glaubten nämlich anfangs, einen Draht wählen zu müssen, der steif genug wäre, daß man seine scharf zugeschliffenen Enden in jedes der beiden Gefäße hinein und auch wieder von innen heraus durch die Gefäßwand hindurchstoßen könne, wie D In der Figur sind die 5 Knopf- nähte angedeutet, die die dor- sale Vereinigung der Gefäße herstellen. Die im Text er- wähnten Mittelnähte sind der Deutlichkeit halber fortgelas- sen. Sie würden in dem darge- stellten Stadium der Operation noch nicht geknüpft sein. Es würden 4 oder 5 Fäden FF’ in der angedeuteten Weise durchgezogen sein, und dann ° erst der Draht DD eingeführt werden. Die Schlingen der Fäden und des Drahtes, ebenso ihre Enden, sind in der Figur viel kürzer gezeichnet als sie in Wirklichkeit sind. dies von den Enden der Eckschen Schere angegeben wird. Dies gelang nun mit dem Bindedraht an der Pfortader ohne Schwie- rigkeit, an der Vena cava aber war der Erfolg wegen der Stärke der Wand zweifel- haft. Man bekam den Draht leicht genug hinein, aber nicht sicher wieder heraus. Wir wählten nun einen dünnen Stahl- draht, dessen Enden gehärtet werden konnten. Dies war zwar für das Durchstechen zweck- mäßig, aber nachdem der Draht eingeführt war, sperrte er, wegen seiner Elastizität, die Gefäße auseinander, so daß die Stichlöcher offen gehalten wurden und Blut ausfloß. Gerade um dies zu vermeiden, hatten wir Wert darauf gelegt, mit den zugespitzten Enden des Drahtes selbst die Gefäßwände zu durch- stechen, damit die Löcher durch den Draht vollkommen geschlossen gehalten würden. Es zeigte sich aber, daß es viel wichtiger ist, einen biegsamen weichen Draht zu benutzen, der in der Stellung, die ihm gegeben wird, bleibt, ohne zurückzufedern, weil eben ein federnder Draht an den Gefäßen zerrt und die Stich- löcher offen hält. Wir fanden, daß bei einem biegsamen Draht die Stichlöcher sich hin- reichend schließen, selbst wenn man ihn in eine gewöhnliche Wundnadel gefädelt und mit Ein feiner Silberdraht, wie dieser durch die Gefäßwände gestochen hat. er allgemein für chirurgische Zwecke gebraucht wird, läßt sich sehr bequem in eine sogenannte Darmnadel fädeln und durch die Gefäßwände ein und ausführen, ohne daß eine zu große Öffnung entsteht. Um für den Fall, daß beim Einbringen des Drahtes eine Blutung ein- tritt, die nicht steht und das Operationsfeld verdeckt, die Operation den- ZUR TECHNIK DER ECKSCHEN FISTEL. 327 noch beenden zu können, verfuhren wir so, daß wir zuerst die beiden benach- barten Ränder der Gefäßstämme miteinander vernähten (4-5 Knopf- nähte, siehe Figur), dann je eine Naht oberhalb und unterhalb durch die Mitte der Gefäßstämme legten, ohne sie zu knüpfen, und darauf durch die beiden voneinander entfernten Ränder der Gefäßstämme 4-5 lange Fäden zogen (F, F’ der Figur), deren Mitten in Form weiter Schlingen über den oberen Wundwinkel emporgezogen wurden. Nun erst wurde der Draht mit der Darmnadel von fußwärts in die Vena cava eingeführt, etwa 1-5 cm oberhalb wieder herausgestoßen und dann in der der Ausstichstelle ent- sprechenden Höhe in die Vena portae und etwa 1-5cm fußwärts wieder herausgestoßen. Es konnte sich nun die ganze Wunde mit Blut füllen, ohne daß dadurch die weitere Vereinigung der Gefäße und die Vollendung der Operation gestört wurde, denn indem die erwähnten langen Fäden der Reihe nach angezogen und verknüpft wurden, bildeten sie die zweite Naht und schlossen beide Gefäßstämme aufeinander. Dies konnte mit Sicherheit ausgeführt werden, selbst wenn die ganze Wunde sich mit Blut gefüllt hatte. Es war dann nur noch nötig, den Draht einige Male sanft hin und herzuziehen, damit er die Öffnung in die doppelte Wand zwischen den Gefäßen schnitt und herausglitt. Dann wurden die oben erwähnten Mittelfäden ober- und unterhalb des Schnittes geknüpft, und da damit ein vollkommener Schluß der Gefäßwände aufeinander hergestellt war, mußte dann auch die Blutung stehen, so daß die Wunde ausgetupft und der Erfolg der Operation festgestellt werden konnte. Im allgemeinen dürfte es nicht erforderlich sein, sich dieser Vorsichts- maßregel zu bedienen. Insbesondere wenn man mit ganz feinen Gefäß- nadeln und entsprechend dünnen Fäden näht, kann man die erste Naht ohne jede Blutung vollenden, und wenn bei der Einführung des Drahtes eine Blutung entstehen sollte, diese durch aufgedrückte Wattebäusche stillen, während man die zweite Naht Stich für Stich schließt. Man spart dabei die Mühe, die vielen langen Fäden in der Wunde in Ordnung zu halten, was nicht ganz leicht ist. Herr Dr. Unger, dessen Meisterschaft in Gefäß- nähten durch seine Nierentransplantationen bekannt ist, hatte die Freund- lichkeit, für uns eine Operation auf diese Weise auszuführen, die vortreif- lich gelang, obgleich das Tier an einem Zwischenfall zugrunde ging. Wir möchten nicht verfehlen, ihm hiermit unsern besten Dank zu sagen. Wir haben im ganzen 12 Versuche ausgeführt, über deren Verlauf nachstehende Übersicht Aufschluß gibt: 1. Bindedraht. Eine der Mittelnähte aus Versehen innerhalb der Drahtschlinge angelest. Die Naht wird durchgesägt, tödliche Blutung. 328 H.RescHaAp v. R. DU BoIs-REYMOND: TECHNIK DER ECKSCHEN FiISTEL. 2. Beim Durchstechen des Bindedrahtes starke Blutung, die es un- möglich macht, die Operation zu beenden. 3. Stahldraht, sperrt die Stichlöcher auseinander, starke Blutung hin- dert die Operation. 4. Dünner Eisendraht in Nadel eingefädelt. Hund lebt 8 Tage. Bei der Obduktion wird ein kleiner Eiterherd gefunden. Die Fistel ist frei, die Nähte schließen gut. 5. Draht an beiden Enden mit Nadeln versehen. Die Naht hält nicht, tödliche Blutung. 6. Von hier bis 11. wird die zweite Naht durch lange Fadenschlingen vorbereitet. Fäden verwechselt, so daß die Pfortader verschlossen wurde. Operation mißlang. 7. Beim Erweitern des oberen Wundwinkels tritt Pneumothorax ein. _ 8. Erneuter Versuch, mit: diekem Draht durchzustechen. Gelingt nicht. Einführen des Drahtes mit Nadel. Nach Beendigung der Operation versagt die Atmung. 9. Silberdraht mit Nadeln. Hund lebt drei Tage. 10. Hund geht vor der Operation an der Narkose ein. 11. Blutung im Lauf der Operation. 12. Operation mit nachträglicher zweiter Naht. Gelinst gut. Hund geht an Wundinfektion zugrunde. Von diesen 12 Versuchen darf man wohl die Nummern 7 und 10 als unglückliche Zufälle nicht dem Operationsverfahren zur Last legen. Die Nummern 1, 2 und 3 sind Proben, durch die erst die richtige Beschaffen- heit des Drahtes gefunden werden mußte. Es zählen also als eigentliche Proben des von uns empfohlenen Verfahrens nur 7 Versuche, unter denen zwei als vollkommen geglückt bezeichnet werden können. Dies Ergebnis dürfte zeigen, daß in solchen Fällen, in denen man ohne die besonders für die Ecksche Operation angegebenen Instrumente auskommen muß, unser Verfahren mit Erfolg wird angewendet werden können. Mitteilung über das Verhältnis von Stickstoff zu Fett im Fettgewebe. Von Dr. Schütz. (Aus dem physiol. Institut der Universität Berlin.) Das Fettgewebe füllt sich bei der Mast in sehr verschiedenem Grade mit Fett; doch bestehen gewiß für die maximale Füllung bestimmte Grenzen, welche nicht überschritten werden können. Über die besonderen Eigentümlichkeiten einzelner Bezirke des Körpers als Fettdepots wissen wir sehr wenig; aus praktischen Erfahrungen kann man entnehmen, daß mit dem Altern einige Körperregionen hinsichtlich der Ablagerung von Fett weniger und andere wieder mehr als in der Jugend bevorzugt werden. Ob bei Masttieren das Fettgewebe einer spezifisch größeren Fettaufnahme fähig ist als bei solchen, welche niemals hohe Fettablagerungen erreichen, wissen wir nicht. Ich habe bei einigen Tieren mit reich entwickeltem Fettpolster Unter- suchungen darüber angestellt, in welchem Maße sich Fett im Verhältnis zu den N-haltigen Teilen des Fettgewebes steigern kann. Der N-Gehalt sollte als annäherndes Maß der Zellmasse dienen. Das ist freilich nur an- senähert der Fall, aber eine andere Basis des Vergleiches läßt sich vorläufig nicht gewinnen. Zur Untersuchung nahm ich frisches Fettgewebe des betreffenden Tieres und wählte zur näheren Bestimmung diejenigen Teile, die makroskopisch möglichst frei waren von größeren Blutgefäßen und derberen Bindegewebs- zügen. Auch wurden Faszienschichten vom Untersuchungsmaterial aus- geschlossen. Eine abgewogene Menge derartig homogenen Fettgewebes wurde fein zerkleinert in eine Papierhülse getan, die vorher in einem Wägeglas bis zur Konstanz getrocknet war. Im Soxhletschen Fettextraktionsapparat extrahierte ich sodann die abgewogene Menge Fett während 12 Stunden und überzeugte mich durch Vorlegen eines zweiten Gläschens und erneute 330 ScHürtz: VERHÄLTNIS VON STICKSTOFF ZU FETT IM FETTGEWEBE. Extraktion, daß kein weiteres Fett mehr extrahiert wurde. Zum Schluß bestimmte ich durch Wägung das Fett in dem bis zur Gewichtskonstanz getrockneten Wägegläschen, sowie das Gewicht von Papierhülse und Rest- substanz in dem zu Anfang der Untersuchung benutzten Wägeglas. Nach der Extraktion blieb das Bindegewebe als papierdünne Masse zurück, in der nunmehr ganz deutlich einzelne Blutgefäße mit geringen Blutmengen sichtbar wurden. Diese dünnen, aber derberen Strenge bildeten ein feines Maschenwerk, in welchem ursprünglich das Fett abgelagert gewesen war. Der N-Gehalt dieses Rückstandes wurde nach Kjeldahl bestimmt. In nachstehender Generaltabelle habe ich die Gesamtmittel aller meiner Analysen eingetragen: von diesen betreffen jene beim Schwein, dem Hammel, der Gans drei wohlbekannte Masttiere, während das Kalb erfahrungsgemäß zu jenen Tieren gerechnet werden muß, die einen hohen Mästungsgrad nicht erreichen. | a A oder N-Gehalt da Aue \ Binde- Fett es entfällt Tierart gewebe- h gewebe- arrheenz gewebe- g restsubstanz | an Fett restsubstanz Prozent g Schwein 0:739 0-106 58-24 14-28 551-5 Hammmel 0-957 0.0974 45-95 10-18 471-5 Kalb 1:335 0.1675 44.98 12-54 268-5 Gans 1-161 0-1507 152-52 12-98 1012-0 Den prägnantesten Ausdruck des Mastzustandes im Fettgewebe er- sehen wir aus der Relation N: Fett im letzten Stab der Tabelle. Nach diesen Zahlen war also der Mastzustand weitaus am höchsten bei der Gans ausgeprägt, denn das Verhältnis von N erreichte den Wert 1:1012. Die Verteilung des Fettes war in den einzelnen Partien des Gewebes offenbar sehr gleichartig, vier Einzelproben zeigten auf 1 & N nur folgende Abweichungen: Sol Sreell, SOJeh Blech Dabei ist zu bemerken, daß schon sehr kleine Änderungen im N-Gehalt des Bindegewebes das Endresultat sehr merklich beeinflussen. Hammel und Schwein lieferten ein viel fettärmeres Gewebe, etwa halb so fett als jenes der Gans. Am geringsten war der Fettgehalt des Fettgewebes beim Kalb. Aus den Zahlen geht auch deutlichst hervor, wie enorm der eigent- liche Zellkörper der Fettzellen gegenüber den Einlagerungen des Fettes zurücktritt. Das Fettgewebe enthielt noch nicht einmal 0-1 Prozent N, was etwa 0-6 Prozent Proteinsubstanz gleichkommen mag. Über die Aorten- und Kammerdruckkurve. Von H. Piper. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Berlin.) 1. Einleitung. In einer früher erschienenen Mitteilung! habe ich nach Versuchen an Katzen über die Druckkurven der einzelnen Herzhohlräume und der großen arteriellen und venösen Stammgefäße berichtet. Dabei habe ich unter anderem auch die Beziehungen zwischen den Druckschwankungen der Aorta und der linken Kammer klargestellt und bin zu folgenden Fest- stellungen gelangt. | Im linken Ventrikel steigt nach einer flachen, der Vorhofsystole zu- gehörigen Druckschwankung V der Druck mit dem Einsetzen der Ventrikel- systole steil an (s. Fig. 1). Der ansteigende Schenkel der systolischen Druck- schwankung zeigt zwei superponierte Wellen, deren erste $, eine Druckoszil- lation repräsentiert, welche durch die plötzliche Spannungsänderung und Öff- nung der Semilunarklappen und durch den Stoß des Ventrikelblutes gegen die Blutsäule und Wand der Aorta entsteht. Die zweite Welle S, erscheint meist mehr als rundliche, buckelförmig superponierte Diskontinuität im Druckanstieg und ist sehr wahrscheinlich eine Rückwirkung des steilen Druckanstiegs und der elastischen Deformierung der Aorta. Zugleich dürfte darin wohl auch die von Frank in der Aortadruckkurve gefundene, dem Druckmaximum voraufgehende ‚„Anfangsschwingung‘“ mitenthalten sein. Das Druckmaximum in der Aorta liest in vielen Fällen früher und hat niedrigeren Druckwert als das Maximum im Ventrikel. Das letztere wird bei normalem Blutdruck in rundem Gipfel, nicht über ein Plateau, passiert. Wenn man Kurven mit horizontalem Plateau erhält, so zeigt das Mano- meter fast immer einen weit unter der Norm niedrigen Maximalwert. 1 H. Piper. Die Blutdruckschwankungen in den Hohlräumen des Herzens und in den großen Gefäßen. Dies Archiv. 1912. Physiol. Abtlg. S. 343. 332 H. Piper: Der Druckabfall vom Gipfel bis zum Nullwert geht ohne superponierte Druckwellen vor sich. Der Aortenklappenschluß kann sich im Ventrikel Aorta Aorta linker Ventrikel —— rechter Ventrikel linker Vorhof rechter Vorhof Vena cava Fig. 1. nicht manometrisch geltend machen, weil die Kammer zu dieser Zeit blutleer ist. Die Systole, gerechnet vom Beginn des Druckanstieges A bis zum Maximum @G, dauert etwa !/, der ganzen Herzperiode, ebenso die ÜBER DIE AORTEN- UND KAMMERDRUCKKURVE. 333 Entspannung, vom Gipfel @ bis zur Wiedererreichung des Nullwertes E serechnet und ebenso die Zeit der Neufüllung des Ventrikels von E bis A. Die Diastole von G@ bis A gerechnet dauert also ?/, der Herzperiode. Von A bis $, ist die „„Anspannungszeit‘“, von $, bis G die Austreibungszeit zu bemessen. Den Druckverlauf in der Aorta fand ich übereinstimmend mit Franks! Befunden am Hunde. Zuerst tritt die „Vorschwingung‘“ S, (s. Fig. 1) auf, und zwar in derselben Druckhöhe und in derselben Zeit liegend, wie die identische Klappenöffnungszacke S, in der Druckkurve des linken Ventrikels. Sie ist durch die plötzliche Entspannung und Öffnung der Aortenklappen bedinst. Dann folet die „Anfangsschwingung‘‘ S, mit ein oder zwei Nach- schwingungen, welche von Frank als Eigenschwingungen des den Druck- stoß des Ventrikels empfangenden elastischen arteriellen Gefäßsystems mit seinem Blutinhalt gedeutet wird. Dann passiert der Aortendruck in runder Kurvenwölbung sein Maximum M. Von diesem Wert sinkt er dann in flachem Gefälle ab. Da der Ventrikeldruck sehr steil abfällt, so ist sehr bald der Aortendruck größer als der Kammerdruck. In dem Augenblick, in welehem der Ventrikeldruck den der Aorta unterschreitet, erfolgt der Semilunarklappenschluß und der Rückprall der Aortenblutsäule, ein Vor- sang, der durch das Auftreten der Inzisur J und der nachfolgenden Schwin- sungen gekennzeichnet ist. Dann sinkt der Aortendruck langsam weiter ab, bis ein neues Schlagvolum folgt. Kurz vor der neuen „Vorschwingung‘“ ist manchmal eine ganz flache superponierte Erhebung in der Kurve noch zu finden, welche nach Frank von der Vorhofsystole herrührt. Die Fig. 1, in welcher die Aortendruckkurve punktiert über die Ventrikelkurve ge- zeichnet ist, zeigt, daß die Inzisurschwingungen in der Ventrikelkurve gleich nach dem .Gipfelpunkt in den Beginn des Druckabfalles fallen. Man ersieht auch aus der Figur die Koinzidenz der S,-Zacken in Aorten- und Ventrikelkurve. Die Druckkurve des linken Ventrikels zeigt beträchtliche Abweichungen vom oben beschriebenen Typus, wenn der Blutdruck unter die Norm ge- sunken ist. Manchmal schon bei Drucken von wenig unter 100 mm Hg, regelmäßig aber bei sehr niedrigen Maximaldrucken, vermißt man die Klap- penöffnungszacke S,, so daß der Druck zuerst steil ansteigt und dann über einen mehr oder weniger flach gewölbten Gipfel in einen steilen Wieder- abfall übergeht. Offenbar ist dann die Stoßwirkung des Ventrikelblutes gegen die Klappen und die Basis der Aortenblutsäule nicht groß genug, um eine deutliche S,-Schwingung mit deren Rückwirkung auf den Herz- 1 Frank, Der Puls in den Arterien. Zeitschr. f. Biologie. 1903. 334 H. Piper: inhalt hervorzurufen. Manchmal kommen, aber auch nur bei abnorm nie- drigen Maximaldrucken, Doppelgipfel oder so langsam sich ändernde Werte auf der Höhe der Systole vor, daß die Wölbung auch als ein flach konvexes Plateau beschrieben werden kann. Kurven mit vollkommen ebenem Plateau habe ich dann und wann er- halten, führte aber deren Zustandekommen auf Versuchsfehler zurück; es waren in diesen Fällen Anzeichen dafür vorhanden, daß die Öffnung des eingeführten Manometerrohres durch sich anlegende Herzteile zeitweise verlegt war, so daß die Druckschwankungen im Ventrikel sich nicht mehr auf das Mano- meter übertragen konnten. Dann mußte der Druck in dem verschlossenen Manometer so lange konstant plateauartig gehalten bleiben, bis bei der Diastole die Öffnung wieder frei wurde und der Druck absank. In solchen Fällen liegt der Druckwert des Plateaus stets erheblich tiefer als ein nor- males Maximum, so daß gleichsam der obere Bogen der Kurve abgeschnitten und durch eine Sehne ersetzt ist. Das Plateau beginnt und endist dann in scharfen Knicken der ganzen Druckkurve Für diese fast recht- winkligen Wendepunkte und die dazwischenliegende ganz horizontale Strecke der Kurve ist sonst in der Mechanik der Herzmuskelkontraktion keine Ursache auffindbar, denn ein ganz plötzlich einsetzendes und ebenso plötz- lieh wieder aufhörendes plateauartiges Balancieren des Druckes in einem vollkommen konstanten Maximum ist eine mechanische und physiologische Unwahrscheinlichkeit. Solche mit scharfen Ecken abgesetzte, ganz hori- zontale Plateaus sind manchmal zwischen mehrere Druckkurven mit rund gewölbtem Gipfel und viel höherem Maximalwert eingeschaltet, und in solchen Fällen ist die Entstehung des Plateaus durch Manometerverschluß besonders evident. Ich habe nun in neuen Versuchen die Untersuchung über die Form der Ventrikeldruckkurve und deren Abhängiskeit vom allgemeinen Blut- druck wieder aufgenommen und dabei von neuem auch auf die Beziehungen zwischen Aorten- und Ventrikeldruckschwankung mein Augenmerk ge- richtet. Über die gleichen Fragen sind nach meiner ersten Mitteilung zwei Arbeiten von C. Tigerstedt! erschienen, deren Ergebnisse zum Teil im Widerspruch zu den meinigen stehen und auf welche deshalb unten näher zurückzukommen sein wird. Mir erscheint dies um so wichtiger, weil die zum Teil irrigen tatsächlichen Angaben C. Tigerstedts in der neuen Auflage des Lehrbuchs der Physiologie von R. Tigerstedt? Aufnahme gefunden haben. * C. Tigerstedt, Zur Kenntnis des Druckverlaufes in der linken Herzkammer und der Aorta beim Kaninchen. Skandinav. Arch’ f. Physiologie. Bd.48 und 49. ® R. Tigerstedt, Lehrbuch d. Physiologie des Menschen. 7. Aufl. ÜBER DIE AORTEN- UND KAMMERDRUCKKURVE. 330 Die Versuche wurden wie die früheren an hedonalnarkotisierten Katzen nach der von mir beschriebenen Methode ausgeführt. In den meisten Ver- suchen wurde der Druck in Aorta und linker Kammer zugleich geschrieben. 3. Die Kammerdruckkurven bei verschiedenem Maximaldruck. Bei normalem Blutdruck, bei welchem ein Maximum von 150 bis 170 mm Hg bei jeder Systole erreicht: wird, ist der Kurvenverlauf wie oben beschrieben wurde. Die systolische Druckschwankung beginnt mit steilem Anstieg, bis bei 75—120 mm Druckhöhe die Schwingung $, auftritt, welche Fig. 2. Druckkurve des linken Ventrikels. Von rechts nach links zu lesen. Zeitmarken 1/,, Sek. V Vorhofsystole, S, Öffnung der Semilunarklappen, 8, Anfangsschwingung und Druckanstieg in der Aorta, Druckmaximum bei etwa 175 mm Hg. Die $,-Schwin- gung in 120—125 mm Hg Druckhöhe. der Entspannung und Öffnung der Aortenklappen entspricht (Figg. 25). Dann steigt der Druck etwas weniger steil und erreicht, über die Welle 5, fortschreitend, den rund gewölbten Gipfel und fällt von diesem bis zum Nullwert wieder ab. Die Klappenöffnungszacke 8, kann in ziemlich ver- schiedenen Druckhöhen auch bei gleichem systolischen Maximaldruck liegen. Das hängt davon ab, auf welchen Minimalwert sich der Aortendruck während der Diastole eingestellt hat, denn in dieser Druckhöhe muß die 8,-Zacke stets 336 H. Piper: liegen. Z. B. liegt in den Figuren 2 und 3, welche am gleichen Versuchs- tier in kurzen Zeitabständen registriert worden sind, die S,-Zacke in 120 bzw. 80 mm Hg Druckhöhe, während die Gipfel beider Kurven 175 und 160 mm Hg Höhenlage haben. Der zu überwindende Minimaldruck der Aorta betrug im einen Falle 120, im anderen 80 mm Hg. Denselben Unter- schied zeigen die Figuren 4 und 5, die auch an ein und demselben Versuchs- tier aufgenommen sind. Es scheint mir nicht recht angängig, die Kurven- steigung von S, bis zum Gipfel ein „ansteigendes Plateau‘ zu nennen, wie C. Tigerstedt es tut, indessen es wäre ein Streit mit Worten, wenn i \ ! ge! Fig. 3. Dasselbe wie Fig. 2, am selben Versuchstier etwas später aufgenommen. Druck- maximum bei etwa 160 mm Hg. Die S,-Zacke liest in etwa SO mm Hg Druckhöhe, da der diastolische Aortendruck um etwa 40 mm tiefer ist als im Versuch der Fig. 2, dabei ist aber der systolische Maximaldruck des Ventrikels hoch geblieben. man sich wegen dieser Ausdrucksweise nicht über die Tatsachen ver- ständigen wollte. Von diesem Normaltypus kann man die bei anderen Druckverhält- nissen gefundenen Kurven ohne Schwierigkeit ableiten. Bei selir hohem Maximaldruck, etwa 250 mm Hs, findet man den eben beschriebenen Kurven- verlauf wieder (Fig. 6). Die Klappenöffnungszacke $, liest bei hohem ÜBER DIE AORTEN- UND KAMMERDRUCKKURVE. 337 Druckwert, etwa 180 mm Hg, weil dies der Minimaldruck der Aorta im vorliegenden Falle war. Es folgen ein paar sehr kleine Nachschwingungen, welche mit den Anfangsschwingungen der Aorta identisch sein und hoch- gradig gedämpft auf den Ventrikelinhalt übergegangen sein mögen. In der Ventrikelkurve ist die S,-Zacke um so größer, in je höherer Drucklage sie liegt. (Vgl. Fig. 3 und Fig.6.) Im allgemeinen ist diese Schwingung in der Ventrikeldruckkurve deutlicher und größer ausgeprägt als in der zugehörigen Aortendruckkurve, und es ist anzunehmen, daß sie mehr im Ventrikel als in der Aorta ihren Ur- Fig. 4. Dasselbe wie Fig. 2 und 3. Hohe Lage von S,. Relativ kleine Druckdifferenz zwischen S, und @. sprung hat. Mir scheint, wie auch Frank annimmt, es handelt sich um eine Druckreflexion, welche an den Klappen und an der Aortenblutsäule in dem Augenblick stattfindet, in welchem der steil aufschnellende Ven- trikeldruck den der Aorta überschreitet und einen Stoß gegen Klappen und Aortenblutsäule ausübt. Die Klappen werden elastisch entspannt und es wird eine Druckwelle in das Ventrikelblut hineinreflektiert. Man kann diese auch als eine negative Druckwelle auffassen, welche sich über das Ventrikelblut ausbreitet und welche dadurch an der Klappenregion Archivf.A.u.Ph. 1913. Physiol. Abtlg. 29 338 H. Pıper: entsteht, daß das vorher nur unter Druck stehende Blut hier plötzlich Geschwindigkeit bekommt. Eigentümlich ist, daß diejenigen Schwingungsvorgänge, welche in der Aorta so ausgesprochen hervortreten und hier das ganze Druckkurven- bild bestimmen, nämlich die „Anfangsschwingung“ $, mit ihren Nachschwingungen (vgl. Fig. 1), in der Ventrikelkurve sehr viel weniger bemerkbar sind. Bei normalem Blutdruck kommt die Anfangsschwingung S, und deren Nachschwingungen, sowie der steile Druckanstieg der Aorta in der Ventrikelkurve nur in der superponierten Fig. 5. Dasselbe wie Fig. 4, am selben Versuchstier, etwas später registriert. Die S,-Zacke tiefer, die Druckdifferenz zwischen S, und @ ist größer geworden. Erhebung $,, aber nicht in Form spitzer Zacken, zur Geltung. Offen- bar werden diese Schwingungen des Aortenblutes auf das Ventrikelblut nur sehr stark gedämpft weitergeleitet. Die $,-Schwingungen ent- stehen im Gegensatz zur Klappenöffnungsschwingung 8, in der Aorta und werden hier hauptsächlich durch die Elastizitätskonstanten der Ge- fäßwandung bestimmt. Die Ventrikelwand ist von ganz anderer physi- kalischer Beschaffenheit und das Ventrikelblut leitet diese Oszillationen nur unter sehr starker Dämpfung weiter Das Ventrikelblut ist außerdem ÜBER DIE AORTEN- UND KAMMERDRUCKKURYE. 339 in der Zeit der $,-Schwingungen in rapidem Ausströmen begriffen. Es wird nach dem Ursprungsort der S,-Schwingungen hingeschleudert und bewegt sich in steilem Stranggefälle den S,-Schwingungen entgegen, wenn diese sich auf den Ventrikelinhalt auszubreiten streben. Es ist also ein charakteristischer Unterschied zwischen Aorten- und Ven- trikeldruckablauf, daß die in der Aorta entstehenden Schwin- no E Fe 150: Fig. 6. Dasselbe wie Fig. 2—5, von rechts nach links zu lesen. Maximale Druckhöhe @ etwa 250mm Hg. Die sehr stark ausgebildete $S,-Schwingung liegt zwischen 180 und 200 mm Hg. Dies ist also der diastolische Minimaldruck in der Aorta. gungen im Ventrikel nur bei hohem Blutdruck und dann sehr gedämpft wiederzufinden sind, während sich die im Ventrikel selbst in der Klappenregion entstehende S;- , auf die Aorta fortpflanzt. Bei der Entstehung der S;-Schwingung übt das Ventrikelblut auf die der Kammer zugekehrte Fläche der Aortenklappen einen Stoß DE H. Piper 340 aus und diese Schwingung breitet sich über das Ventrikelblut aus. Beim m = = = "PAYUOA UN Sopergexjonact ue]LegS sep uurdog wep Yoru zunsgy] yoryyıoz re} = S (gurgosusddery}) ansızup org 'oAanyjoytuoy op TOL ueroggrur wop [orpered YnpJLIaA oAmnyus}IoY dep TIOT, Se = OYasogsÄs dog "BL1OY op SZOrKURNonIKE sop uurSog ep 10A yoryoz 431] “uropsy Aryeoa Tg "oyoysgonact opeun ® 07 -IxBu SA WUuLOgT Bags uogorıyosos SAm>OnIpuUsYLoY OIp dognıep 981 Yorojanz 9—z "IL oIm ogosseer = Ss BE = .- 2 iS), S a eb} sich aber auf der Ventrikeldruckkurve nicht sichtbar sind. ten der Aortenblutsäule e ie n sel in der Aorta, d ingungen in ht ausbreiten und der Aorta zugekehrten Klappenflächen und es entstehen die Inzisur- schw Klappenschluß erfolgt vo nie ÜBER DIE AoRTEN- UND KAMMERDRUCKKURVE. 341 x k ‚ Ich komme jetzt zur Beschreibung der Kammerdruekkurven,, welche erhalten werden, wenn das Herz nur einen unter der Norm bleibenden Fig. 8. Dasselbe wie Fig. 7, vom gleichen Versuchstier etwas später aufgenommen. Maximale Druckhöhe der Ventrikel- kurve bei etwa 100mm He. Sehr flach gewölbtes Plateau. Parallelismus der Aorten- und Ventrikelkurve von S, bis kurz vor der Inzisur J. _ Maximaldruck zu leisten vermag. Die Kurven fallen dann verschieden _ aus, je nachdem ob der Aortendruck während der Diastole einigermaßen _ hoch bleibt oder stark absinkt. Hier soll zunächst der erste Fall, also der 342 H. Piper: Einfluß eines relativ hohen arteriellen diastolischen Blutdrucks auf den Druckablauf im Ventrikel besprochen werden. Ist der minimale Aorten- druck, welcher im Augenblick der Klappenöffnung zu überwinden ist, hoch und die maximale Druckleistung des Herzens nur wenig höher, so schwankt der Aortendruck bei der Systole nur um einen geringen Betrag, denn zwischen Minimum der Aorta und Maximum des Druckes in Aorta bzw. Ventrikel liegt nur eine kleine Differenz. Je kleiner diese wird, desto mehr nähert sich der Druckablauf der Form der sogenannten Plateau- kurven. Man erhält solche mit ebenem Plateau also bei abnorm 100 mm Hg 1,6), Dasselbe. Maximale Druckhöhe etwa 70mm Hg. Sehr kleine $,-Zacke. Frühe Gipfellage @. Von rechts nach links zu lesen. s niedrigem systolischen Maximaldruck und relativ hohem dia- stolischen Aortenblutdruck. Man kann den Übergang zu dieser Kurvenform vom zuerst beschriebenen Normaltypus ausgehend durch alle Zwischenstufen verfolgen. Bei Normaldrucken von etwa 130 mm Hg bleibt der Kurvenverlauf noch im ganzen wie bei normalem Druck, nur wird die S,-Zacke klein und der Druck nimmt, die S,-Welle passierend, in flacher Steigung zu, erreicht den Gipfel und fällt von diesem in ziemlich plötzlicher Wendung steil wieder ab. Schreibt man zugleich die Aortenkurve, so sieht man, daß in dieser der systolische Druckanstieg sogleich nach der $,-Zacke beginnt (Fig. 7). Die Vor- und Anfangsschwingungen sind in der Aortenkurve nur schwach ausgeprägt, aber in der Regel noch deutlich nachweisbar. Die Inzisur- ÜBER DIE AORTEN- UND KAMMERDRUCKKURVE. 343 schwingungen der Aortenkurve fallen zeitlich wenig nach dem Gipfel und in den obersten Teil des steil abfallenden Schenkels der Ventrikel- druckkurve, sind in letzterer selbst aber ebensowenig nachweisbar wie in den bei höherem Druck aufgenommenen Kurven Fig. 2—5. Sinkt der maximale, vom Ventrikel geleistete Druck noch weiter (70—100 mm Hg), während der Aortendruck auch in der Diastole relativ hoch bleibt, so wird der oberhalb der S,-Zacke liegende mittlere Kurven- teil immer flacher und plateauartig, geht aber auch jetzt stets über einen, wenn auch wenig hervortretenden Gipfel. Man hat also einen mittleren flachgewölbten Kurventeil, in welchen ein steil ansteisender und steil ab- fallender Schenkel ziemlich scharfwinklig einbiegt. An der Kurvenknickung, EEE u ee Fig. 10. Dasselbe. Von rechts nach links zu lesen. Maximale Druckhöhe 75 mm Hg. Doppel- sipfel. welche der steil ansteigende Schenkel mit dem flachen mittleren Teil bildet, ist eine schwach ausgebildete S,-Zacke superponiert (Fig. 9). In der Ventrikelkurve erhebt sich der flach gewölbte mittlere Teil nur sehr wenig über das Druckniveau der S,-Zacke. Der Gipfel dieser mittleren Wölbung kann am Anfang oder in der Mitte oder am Ende des „Plateaus“ liegen. (Vgl. Fig. 3 und 9.) Das wechselt in den verschiedenen Versuchen. Die zugleich geschriebene Aortenkurve (Fig. 8) läßt wiederum erkennen, - daß in dieser der systolische Druckanstieg nach der S,-Zacke einsetzt und daß die Inzisur, also der Aortenklappenschluß kurz nach Beginn des steilen Abfalls des Ventrikeldruckes liegt. Der systolische Druckanstieg ist in der Aorte nur ganz gering (etwa 10 mm Hg) und die Aortendruck- kurve verläuft ganz flach. Ihr systolischer Teil gibt in der Regel aber 344 H. Pıper: keineswegs immer ziemlich getreu den flach gewölbten mittleren Teil der Ventrikeldruckkurve wieder, nur sind auch bei diesen Druckverhältnissen manchmal noch sehr schwach ausgeprägte Anfangsschwingungen der Aortenkurve superponiert, welche in der Druckkurve des Ventrikels fehlen. Dies sind die Fälle, in welchen man von einem flachgewölbten Plateau der Kammerdruckkurven reden kann. Der Druck ändert sich während dessen Dauer offenbar nur in flachem Gefälle, indem er zuerst anschwillt, dann flach wieder abfällt. Manchmal sind auch zwei aufeinanderfolgende gleichhohe Druckgipfel vorhanden. (Fig. 10 und 11.) Bei noch niedrigerem Ventrikel- (50—70 mm He) und relativ hohem Minimumdruck in der Aorta hat die Druckkurve des Ventrikels folgenden _ msn : 5 Se Fig. 11. Dasselbe wie Fig. 10. Nur andere Lage der beiden Gipfel. Verlauf. Der zuerst steil ansteigende Schenkel biest winklig in einen viel flacher steigenden Kurventeil über; an dem Kurvenknick fehlt die bei höherem Drucke hier liegende $,-Zacke. Der mittlere sehr flach gewölbte Kurventeil verläuft über einen Gipfel, der in der Mitte (Fig. 12) oder meist am Ende dieses Plateaus (Fig. 13) liegt, bis an einem neuen Wende- punkt plötzlich ein steiler Abfall der Kurve einsetzt. Die Aortendruck- kurve (Fig. 13) beginnt ganz wenig, aber stets deutlich nach dem ersten Knick der Ventrikelkurve zu steigen, so daß sozusagen der Platz für die fehlende S,-Zacke freibleibt, verläuft über einen ganz flachgewölbten Gipfel bis zur Inzisur, welche zeitlich etwas hinter den zweiten Knick der Ven- trikeldruckkurve in deren absteisenden Schenkel fällt. Bei so niedrigen Druckwerten fehlen also in der Ventrikelkurve die S,-Zacke und in der Aortenkurve die $,-Schwingungen. Der Druck genügt dann offenbar nicht ÜBER DIE AORTEN- UND KAMMERDRUCKKURVE. 345 mehr, um das ganze elastische System mit seinem Blutinhalt in hinlänglich starke Schwingungen zu versetzen. Fig. 12. Dasselbe. Von rechts nach links zu lesen. Maximale Druckhöhe etwa 60 mm He. Keine S,-Zacke mehr. Gewölbtes Plateau. Fig. 13. Dasselbe. Zugleich mit Druckkurve der Aorta geschrieben. Keine 8,-Zacke. Der Druckanstieg in der Aorta liegt später als der Kurvenknick bei $,. Die Aortenkurve läuft im systolischen Teil der Ventrikelkurve nicht parallel. Die Inzisur J der Aorten- kurve liegt kurz nach dem Beginn des steilen Druckabfalles im Ventrikel. 346 H. Piper: Kurven dieser Art, welche in der Mitte ein flachgewölbtes und am Anfang und Ende durch winklige Abkniekungen von den steilen Kurven- schenkeln abgesetztes Plateau aufweisen, erhält man nach dem Gesagten nur, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind; wenn nämlich erstens ein weit unter der Norm bleibender Maximaldruck vom Ven- trikel geleistet wird, wenn aber zweitens der Aortendruck auch in der Diastole so hoch bleibt, daß die systolische Druck-- schwankung in der Aorta nur sehr geringe Größe, und zeit- lich gedehnten Verlauf hat. Eine andere Reihe von Kurvenformen erhält man, wenn nicht nur der vom Ventrikel geleistete Maximaldruck gering wird, sondern auch der Aortendruck beträchtlich sinkt. Bei einigermaßen hohen Drucken a Fig. 14. Druckkurve des linken Ventrikels von rechts nach links zu lesen. Maximaler Druck etwa 90 mm Hg. Tiefe Lage der $,-Zacke, da der diastolische Aortendruck sehr niedrig ist. Kein Plateau, sondern runder, hoher Gipfel @. bleibt dann der als Norm beschriebene Kurventypus noch ganz wohl kennt- lich (Fig. 14). Ein ansteigender Schenkel, welcher entsprechend dem nie- drigen Minimumdruck der Aorta eine sehr tief lokalisierte S,-Zacke auf- weist, biegt einfach über einen runden Gipfel in den steil abfallenden Schenkel um. Ein flachgewölbtes und durch winklige Kurvenknickungen von den steilen Schenkeln abgegrenztes plateauartiges Kurvenstück in der Mitte fehlt. Bei noch geringeren Drucken in Aorta und Ventrikel (50 mm Hg Maximum) geht die Druckkurve einfach ohne eingeschaltete S,-Zacke ÜBER DIE AORTEN- UND KAMMERDRUCKKURVE. 347 steil ansteigend über einen runden Gipfel in einen steil abfallenden Kurven- schenkel über. (Siehe Fig. 15.) In diesem Fall ist der systolische Teil der Aortendruckkurve in der Regel, wenn auch nicht immer, mit dem oberen Segment der Ventrikelkurve kongruent. Fig. 15. Dasselbe wie Fig. 14. Zugleich mit Aortendruckkurve geschrieben. Tiefe Lage des Minimaldrucks der Aorta, daher kein Plateau, sondern runder Verlauf der Kurve. Die Aortenkurve läuft bis kurz vor J der Ventrikelkurve nicht parallel. 3. Die Beziehungen zwischen Aorten- und Ventrikeldruckkurve. Die Aortendruckschwankung wird durch die Ventrikelsystole bewirkt und zeigt dementsprechend in ihrem systolischen Teil manche Überein- stimmungen mit dem oberen Teil der Ventrikeldruckschwankung. Sie setzt in einem gewissen Druckniveau ein und folst in ihrem allgemeinen zeitlichen Verlauf dem Ventrikeldruck so lange, wie die Kommunikation zwischen Kammer und Aorta durch die offenen Klappen frei ist. Aber auch in dieser Zeit erstreckt sich die Übereinstimmung bei den Druck- kurven durchaus nicht auf alle Details, sondern es sind teils regelmäßige, teils gelegentlich zu beobachtende Abweichungen zwischen beiden Kurven ' festzustellen, welche auf die Unterschiede der in beiden Hohlräumen zur Zeit der Druckmessung herrschenden physikalischen Bedingungen zurück- 348 H." Pipe; zuführen sind. Denn erstens sind die ganz verschiedenen Elastizitäts- konstanten der Aorten- und Ventrikelwandung zu beachten, welche für das Zustandekommen und die Dämpfungsverhältnisse von Druckschwin- “Topfered yyoru ‘9T "Id ‘SH ww 07T 8499 Yonıpjeunxen uopme]IoA UEAMANONIT opIeg "uedundurmyosamsızuf op Srusmosusge “uspuryL1oA Jyoru SAanyJONLI} "uoso] nz SYU Yoeu sIyooI UoA "e4IOY Aop pun S[oyLıquo‘ uoyum Sop SAmmyonacCL -uoA Aop UT puIs oAmYUusJI1oYy dop usdundumyag-Äg ol "UoLUmesnZ YorFIoZz uopje} usAmy depreq oyorz-Tg Iq gungen maßgebende Bedeutung haben; dann die Tatsache, daß das Medium, in welchem die Druckänderungen gemessen werden, das Blut, in äußerst steilem Stromgefälle vom Ventrikel zur Aorta eine Verschiebung erfährt, und endlich ist bedeutsam, daß der Ventrikelhohlraum bei jeder Systole sein Lumen von beträchtlicher Größe unter Aneinanderlegung der Innen- ÜBER DIE AORTEN- UND KAMMERDRUCKKURVE. 349 wandungen bis zu so kleinen Dimensionen verringert, daß in dem übrig- bleibenden spaltenförmigen Raum eine einigermaßen ungedämpfte Weiter- leitung von Druckwellen und auch von gröberen Druckschwankungen nicht mehr gesichert ist. Alle diese Faktoren müssen es bedingen, daß der Druck- verlauf in Ventrikel und Aorta auch in der Zeit der durch die Klappen nicht behinderten Kommunikation unmöglich völlig übereinstimmen kann. Welche Unterschiede zwischen den Druckkurven beider Hohlräume tatsächlich aus diesen physikalischen Verhältnissen resultieren und vor- Big. 17. Dasselbe wie Fig. 16. Zu beachten ist die genaue zeitliche Koinzidenz der S,-Zacken. handen sind, habe ich in meiner früheren Untersuchung angegeben und im einleitenden Abschnitt dieser Mitteilung von neuem hervorgehoben. Ich will hier die Übereinstimmungen und Unterschiede beider Druckkurven noch einmal zusammenstellen und bei dieser Gelegenheit die Widersprüche besprechen, welche sich zwischen meinen tatsächlichen Feststellungen und denen 0. Tigerstedts! ergeben haben. Zunächst habe ich festgestellt, daß die Vorschwingung S, der Aorten- druckkurve identisch ist mit der S,-Schwingung der Ventrikelkurve. Tiger- stedt glaubt aus seinen Kurven erkennen zu können, daß die von mir - beschriebene S,-Zacke der Ventrikelkurve zeitlich mit der Anfangsschwin- UNO: 350 H. Piper: sung der Aorta (von mir S, bezeichnet) zusammenfalle und mit dieser identisch sei. Daß diese Behauptung T.s irrig ist, kann man leicht zeigen. Es genügt, einen Blick auf Fig. 16 bis 18 (auch auf Fig. 7 und 8) zu werfen, um zu erkennen, daß das von mir festgestellte Verhältnis der S,-Zacken zutreffend ist, daß also die $,-Zacken beider Kurven zeitlich koinzidieren. Ich habe in meiner früheren Arbeit gesagt, daß ich gleichzeitige Registrie- rungen von Aorten- und Kammerdruckkurven vorgenommen habe und daß sich ‚‚mit Sicherheit“ aus diesen die zeitliche Koinzidenz und somit die Identität der $,-Zacken ersehen ließ. Die Kurven habe ich freilich ; : i er See. Fig. 18. Dasselbe. Abgesehen von Anfangs- und Inzisurschwingungen Parallelismus der mittleren Kurventeile. nicht abgebildet, weil sie mich technisch nicht ganz befriedigten. Daß die S,-Zacke nicht mit der Anfangsschwingung der Aorta ($,) identisch sein kann, geht aber auch aus den von mir abgebildeten Originalkurven und zwar aus dem Umstand schon hervor, daß S, in der Ventrikelkurve in derselben Druckhöhe wie die Vorschwingung der Aorta liest. Eime Tat- sache, welche als ‚„sicher‘‘ erwiesen angegeben ist, hätte Tigerstedt, wie mir scheint, denn doch nur auf Grund eines Kurvenmateriales bestreiten dürfen, das zur Entscheidung dieser Frage zulänglich ist, was mit den seinigen durchaus nicht der Fall ist. ÜBER DIE AORTEN- UND KAMMERDRUCKKURYE. 3a Ein Punkt, in welchem Ventrikel- und Aortendruckkurve differieren, ist nun der, daß die „Anfangsschwingung“ S, und deren Nachschwingungen in der Aorta sehr markant auftreten, im Ventrikel aber nur sehr gedämpft und bei niedrigem Blutdruck überhaupt nicht merklich zum Vorschein kom- men (siehe Fig. 16, 17 und 18). Die S,-Welie der Ventrikeldruckkurve gibt die Anfangsschwingung verschmolzen mit dem steilen Druckanstieg in der Aorta wieder, aber als wohlmarkierte Kurvenzacken erscheinen diese in der Aorta so ausgiebigen Schwingungen in der Ventrikeldruckkurve nicht. Offen- bar werden sie durch das rapide ausströmende Ventrikelblut behindert, sich auf den Ventrikelinhalt auszubreiten und auch die von der Aorta ganz ab- weichenden Elastizitätsverhältnisse der Ventrikelwandung mögen eine Rolle spielen. Die Anfangsschwingung bedingt es, daß der systolische Druckanstieg in der Aorta zuerst steiler vor sich geht als der gleichzeitige Druckanstieg im Ventrikel. Tigerstedt findet auch bei niedrigem Blutdruck, bei dem in meinen Versuchen in der Aortenkurve kaum noch eine deutliche An- fangsschwingung zu finden ist, nicht nur in dieser, sondern auch in der Ventrikeldruckkurve eine solche Reihe relativ wenig gedämpfter Schwin- gungen, daß sie sich in einigen seiner Kurven fast über das ganze Plateau erstrecken. Wären diese Versuche, wie die meinigen an Katzen, nicht an Kaninchen gemacht, so wäre ich nicht zweifelhaft, daß diese Wellen der Tigerstedtschen Kurven auf Eigenschwingungen des Registriersystems zurückzuführen sind. Sehr bemerkenswert ist die Feststellung, daß beim Schluß der Semilunar- klappen die Inzisurschwingungen in der Aortenkurve auftreten, nicht aber in der Ventrikelkurve. Diese fällt vielmehr ohne Diskontinuität diasto- lisch ab. Diese Tatsache erklärt sich durch den Umstand, daß der Ventrikel zur Zeit des Klappenschlusses kein Blut enthält, daß also das druckleitende Medium zwischen Klappenresion und Manometer keine Kontinuität hat. . Tigerstedt beschreibt in seiner ersten Arbeit auch im abfallenden Schenkel der Ventrikelkurve superponierte Zacken, bezieht diese auf den Klappen- schluß und bringt sie auch in der zweiten Mitteilung mit diesem Vorgang in Zusammenhang. Diese Schwingungen in den Tigerstedtschen Kurven haben aber offenbar mit den Inzisurschwingungen gar nichts zu tun; sie fallen zeitlich nicht mit diesen zusammen, sondern liegen später, haben fast sämtlich viel geringere Druckhöhe als die Inzisur der Aortenkurve und wiederholen sich in manchen Kurven bis zum Fußpunkt des abfallenden Schenkels und erstrecken sich sogar noch in die Pause zwischen zwei systolischen Druckschwankungen. Auch in bezug auf diese Schwingungen wäre ich, wenn ich sie an meinen von Katzenherzen registrierten Kurven fände, nicht zweifelhaft, daß sie Entstellungen durch Eigenschwingungen 352 H. Piper: der Registriersysteme sind. Auch bezüglich der Inzisurschwingungen in Tigerstedts Aortendruckkurven würde ich zu der Auffassung kommen, daß sie durch das Registriersystem stark entstellt wiedergegeben sind, denn sie haben in manchen Kurven größere Amplitude als die ganze Aorten- druckschwankung und erstrecken sich in Form sehr grobschlägiger langer, relativ spät gedämpfter Wellen, über einen sehr großen Zeitbereich der Kurve. Natürlich kann ich das weder bei diesen noch bei den oben er- wähnten Plateauschwingungen der Tigerstedtschen Kurven mit Bestimmt- heit sagen, da ich seine Manometer nicht kenne und seine Versuche an Kaninchen angestellt sind, auf die sich meine Erfahrungen nicht erstrecken. Fig. 19. Dasselbe. Maximaldruck etwa SOmm Hg. Schwache 8,-Schwingung. Parallelismus zwischen Aorten- und Ventrikelkurve. Ist nun abgesehen von den Anfangs- und den Inzisurschwingungen der zwischen der S,-Zacke und der Inzisur liegende Teil der Aortenkurve stets identisch mit dem zeitlich zugeordneten Abschnitt der Ventrikel- druckkurve? Das kann bei niedrigem wie bei hohem Blutdruck tatsächlich der Fall sein, ist aber nur bei niedrigem Blutdruck die Regel. C. Tiger- stedt findet ganz allgemein solche Übereinstimmung, man darf aber wohl annehmen, daß er dies an Kurven konstatierte, die bei ziemlich niedrigem Blutdruck registriert sind, denn er bildet die für solche Verhältnisse typi- ÜBER DIE AORTEN- UND KAMMERDRUCKKURYE. 353 . schen Plateaukurven ab und hat eine den Blutdruck stark herabsetzende Substanz, Hirudin, intravenös gegeben. Da bei niedrigem Blutdruck auch die Anfangsschwingungen in der Aortenkurve fehlen oder nur sehr schwach ausgebildet sind, so fällt auch diese bei höherem Druck vorhandene Differenz zwischen Ventrikel- und Aortenkurve fort und die letztere ist bis zur Inzisur, diese exklusive, in der Tat eine getreue Kopie des oberen Segmentes der Ventrikelkurve (Fig. 19 und 20). Der steil ansteigende Schen- kel der Ventrikelkurve biegt winklig, mit oder ohne Einschaltung einer 8,- Zacke an der Knickstelle, in einen flach gewölbten Kurventeil um, dessen Gipfel bald mehr am Anfang, bald am Ende zu finden ist; die Kurve geht Fig. 20. Dasselbe. Kongruenz von Aorten- und Ventrikelkurve bis kurz vor der Inzisur J. wiederum winklig abgeknickt in den steil abfallenden Schenkel über. Die Aortenkurve gibt dann von der S,-Zacke bis eben vor der Inzisur das mittlere flach gewölbte ‚„Ventrikelplateau‘‘ getreu wieder und zwar beginnt der Druckanstieg in der Aorta stets sogleich nach der S/-Zacke und die Inzisur fällt zeitlich in den obersten Teil des steil abfallenden Schenkels der Ventrikelkurve (Fig. 20), ganz wenig unterhalb der winklig abgebogenen Knickstelle. Wenn die $,-Zacke fehlt, so beginnt der Druck- anstieg der Aortenkurve regelmäßig etwas später als die erste winklige Kurvenabbiegung der Ventrikelkurve, so daß die fehlende $,-Zacke hier sozusagen noch Platz finden könnte. Der systolische Teil der Aortenkurve hat ebenso wie der mittlere Teil der Ventrikeldruckschwankung einen mehr oder weniger gewölbten, nicht etwa einen vollständig horizontalen, im strengen Sinn des Wortes plateauförmigen Verlauf. Archivf.A.u.Ph. 1913. Physiol. Abtilg. 93 354 H. Piper: Aber schon bei sehr niedrigen Maximaldrucken (etwa 80 mm Hg) erhält man auch Kurven, bei welchen solcher Parallelismus zwischen Ven- °6T 91 21 9m vgfosseq a um u N a ee 5 spoytyuoA Sop Sep Se Joymıy yoıgqoyıo dom Ar eyıoYy dop "I "SA JonIq Seq "OAInyjoygLIFuo‘ dop UOA -UBLIOY Aop Junyormgy odunen) wunwIxew trikel und Aortenkurve nicht vorliegt. Das zeigen die Figuren 21 und 22, in denen der Ventrikeldruck noch steigt, während der Aortendruck schon im Absinken begriffen ist. | ÜBER DIE AORTEN- UND KAMMERDRUCKKURVE. 355 Bei hohem systolischen Maximaldruck erhält man gelegentlich Druck- kurven, welche jenseits der Anfangsschwingung S, bis kurz vor der Inzisur J übereinstimmend verlaufen. Das ist namentlich die Regel, wenn auch der diastolische Aortendruck hoch ist, wenn also die ganze Aortendruck- schwankung relativ geringen Betrag hat. Freilich liegt auch hier bereits das Druckmaximum der Aorta oft etwas früher als das der Kammer (Fig. 23 und 24). Wenn aber der diastolische Minimaldruck der Aorta gering und der systolische Maximaldruck des Ventrikels hoch ist, so gilt keineswegs mehr die Regel, daß der Aortendruck dem Ventrikeldruck während der Dauer Fig. 22. Dasselbe wie Fig. 20. Der Unterschied ist noch ausgesprochener. der Klappenöffnung genau folgt. Wer oft die Druckschwankungen in Aorta und Ventrikel zugleich schreibt, wird häufig Kurven sehen, in welchen beide auffällige Diskrepanzen zeigen und ich habe es in meiner früheren Arbeit ausgesprochen, daß trotz mancher Übereinstimmungen beider Kurven bei normalem Blutdruck doch häufig das Druckmaximum in der Aorta früher und tiefer liest als im Ventrikel. Auch eine Erklärung dieser Tat- sache habe ich zu geben versucht: unmittelbar nach der Klappenöffnung wird das Hauptquantum des Ventrikelinhaltes sehr plötzlich und unter hochgradiger elastischer Deformierung der Aortenwände herausgeschleudert. Wenn viel Blut pro Zeiteinheit, d.h. in steilem Stromgefälle in die Aorta gepreßt wird, so tritt der steile Druckanstieg hier ein. Bei der Heraus- 29 ’ . Fig. 23. ‚ Aorten- und Ventrikeldruckkurve, von rechts nach links zu lesen. Parallelismus beider Kurven, bisaufdie Steilheit des Druckanstieges,dieAnfangssehwingungen und dielnzisur. Fig. 24. ' Dasselbe. Der Druckanstieg in der Aorta bis S, ist steiler als im Ventrikel. ÜBER DIE AORTEN- UND KAMMERDRUCKKURYVE. 357 beförderung des letzten Restes aber erfolgt der Blutübertritt aus dem Ven- trikel in weniger steilem Stromgefälle, so daß die weitere elastische Defor- mierung der Aortenwände unbeträchtlich ist oder fehlt. Dabei ist die weitere Kurven. Der Gipfel G der Ventrikelkurve liegt erheblich später als der der Aorta M. Fig. 25 Aorten- und Ventrikeldruckkurve von rechts nach links zu lesen. Vollständige Diskrepanz beider Blutfüllung der relativ weiten Aorten- und Arterienhohlräume am Ende der Systole gering. Das Maximum des Aortendruckes muß aber in die Zeit der steil zunehmenden Blutfüllung und der steilen Zunahme der elastischen Deformierung der Gefäßwände fallen, d. h. in die Zeit, in welcher 358 H. Piper: sehr viel Blut pro Zeiteinheit hineingepreßt wird. Die weiter fortschreitende Anspannung der Ventrikelmuskulatur kann sich dann sehr wohl als Druck- zunahme in dem kleinen Hohlraum des in den Ventrikel eingeführten Mano- Fig. 26. Dasselbe. Rundgewölbte Aortenkurve, flaches Maximum der Ventrikelkurve. meters geltend machen, wenn man annimmt, daß das Kammerlumen spalt- förmig eng geworden ist und nicht mehr so frei mit der Aorta kommuniziert, daß alle Druckschwankungen in der Aorta sich auf den Ventrikelinhalt über- ÜBER DIE AORTEN- UND KAMMERDRUCKKURVE. 359 tragen müssen. Daß dies nicht geschieht, wird ja auch durch das Fehlen der In- zisurschwingungen in der Kammerdruckkurve bewiesen. Wenn das Druck- maximum im Ventrikel später liegt als in der Aorta, so schnellt also der Druck über die zur Entleerung erforderliche Größe hinaus, etwa wie man zum völligen Entleeren einer wassergefüllten Gummiballspritze beim Zusammendrücken Der systolische Teil der Aortenkurve hat mit dem oberen Segment der Ventrikelkurve nicht übereinstimmenden Verlauf. Dasselbe. nicht genau am Ziel aufhört, sondern darüber hinaus den Druck noch fortsetzt. Diese Erscheinung, eine spätere Lage des Druckmaximums im Ven- trikel als in der Aorta, zeigen z. B. die Kurven in Fig. 25 und 26. Andere Diskrepanzen zwischen Aorten- und Kammerdruckkurve sind sehr aus- 360 H. Piper: geprägt auch in den Figuren 27, 16 und 17, in geringerem Grade auch in den Figuren 21 und 22 ohne weiteres zu erkennen. Nach alledem kann es nicht zweifelhaft sein, daß der systolische Teil der Druckkurve der Aorta, namentlich bei normalen Blutdruckverhältnissen, nicht mit dem oberen Seg- ment der Ventrikelkurve ganz allgemein übereinstimmt, sondern daß besonders am Ende der Systole, wenn der Ventrikelhohlraum spaltförmig geworden ist, die Druckschwankungen in Aorta und Ventrikel bis zu einem gewissen Grade unabhängig voneinander vor sich gehen können, wenn auch nicht müssen. Die Kommunikation beider Hohlräume ist dann trotz des Offen- stehens der Klappen doch nicht mehr als frei und die ungehinderte Aus- breitung aller Druckschwankungen erlaubend zu betrachten. 4. Zusammenfassung. 1. Der normale Typus der Kammerdruckschwankung ist folgender: Der Druck steigt steil an bis zu einer durch die Semilunarklappenöffnung be- dingten Schwingung S,. Die Druckhöhe, in welcher die S,-Schwingung liest, stimmt mit dem diastolischen Minimumdruck der Aorta überein und variiert mit diesem. Beim weiteren etwas fiacheren Anstieg des Ventrikeldruckes wird die Druckwelle 8, passiert, welche durch die steile Druckzunahme in der Aorta und die hier auftretende ‚„‚Anfangsschwingung“ bedingt ist. Dann wird in runder Kurvenwölbung das Maximum erreicht, von dem der Druck ohne superponierte Diskontinuitäten steil zum Nullwert wieder absinkt. Die S,-Schwingung ist um so größer, in je größerer Druckhöhe sie liegt. 2. Bei niedrigem Maximaldruck der Kammer, aber relativ hohem diastolischen Aortendruck, wird die an die S,-Schwingung sich anschließende Druckzunahme sehr flach ansteigend und von geringem Betrag. Bei sehr niedriger Druckleistung des Ventrikels fehlt die S,-Schwingung und die Kurve besteht aus einem steil ansteigenden Schenkel, einem flach gewölbten mittleren Teil und einem steil abfallenden Schenkel. Der mittlere Teil biegt durch winklige Kniekungen in die steilen Schenkel um; die Gipfellage im Mittelteil ist variabel (Plateaukurven). 3. Bei niedrigem Maximaldruck der Kammer und niedrigem diasto- lischen Aortendruck erhält man steil ansteigende, einen rundgewölbten Gipfel passierende, dann steil wieder abfallende Kurven. Die S,-Zacke kann vorhanden sein und hängt hinsichtlich ihrer Höhenlage im ansteigenden ÜBER DIE AORTEN- UND KAMMERDRUCKKURYE. 361 Kurvenschenkel von dem diastolischen Minimumdruck der Aorta ab. Meist fehlt sie. 4. Die normale Druckkurve der Aorta zeigt zunächst die Klappen- öffnungszacke S,, welche mit der ebenso bezeichneten Zacke der Ventrikel- kurve identisch ist. Dem dann folgenden steilen Druckanstieg ist die ‚‚Anfangs- schwingung‘““ mit ihren Nachschwingungen superponiert. Diese sind um so größer, in je größerer Druckhöhe sie liegen und je größer die ganze Aorten- druckschwankung ist. Das Druckmaximum wird in runder Kurvenwölbung passiert und wenig unterhalb vom Gipfel folgt dann die vom Klappen- schluß verursachte Inzisur mit ihren Nachschwingungen. Der Druck sinkt dann langsam weiter ab, passiert eine ganz flache, von der Vorhofsystole verursachte Erhebung und dann wiederholt sich die ganze Periode mit dem folgenden Herzschlag. Die ganze Druckschwankung beträgt etwa 50—70 mm Hg. 5. Bei sehr niedrigem Blutdruck fehlt die $,-Schwingung, ebenso bleiben die Anfangsschwingungen und die der Inzisur folgenden Nach- schwingungen fast völlig aus, so daß der systolische Teil der Aortendruck- kurve ohne superponierte Wellen ziemlich plötzlich ansteigt, einen mehr oder weniger flach gewölbten Gipfel passiert und unter Einschaltung der Inzisur flach wieder absinkt. Die ganze Druckschwankung kann auf etwa 10 mm He heruntergehen. 6. Die Beziehungen zwischen Aorten- und Kammerdruckkurve sind folgende: Bei abnorm niedrigem Blutdruck, wenn die Anfangsschwingungen in der Aortenkurve fehlen, ist diese von der $,-Zacke, oder wenn diese fehlt, vom Beginn des systolischen Druckanstieges bis kurz vor der Inzisur iden- tisch mit dem mittleren Teil der Ventrikeldruckkurve, gerechnet von der S,-Zacke bis zu dem Wendepunkt, in welchem das ‚Plateau‘ in den steil abfallenden Kurvenschenkel umbiegt. 7. Bei normalem Blutdruck sind folgende Unterschiede zwischen Aorten- und Ventrikeldruckkurve zu konstatieren: a) Die in der Aorta entstehenden und hier sehr markanten ‚„Anfangs- schwingungen‘“‘ gehen nur sehr stark gedämpft in den Ventrikelinhalt über. Deshalb erscheint der systolische Druckanstieg in der Aorta steiler als die gleichzeitige Druckzunahme in der Kammer (s. Fig. 24). b) Die Inzisur der Aortenkurve und ihre Nachschwingungen sind in der Ventrikelkurve nicht vorhanden. c) Meist erreicht der Ventrikeldruck ein höheres, aber später liegendes Maximum als der Aortendruck. Auch andere Diskrepanzen des Druck- 362 H. PırER: ÜBER DIE AORTEN- UND KAMMERDRUCKKURYVE. ablaufes in Aorta und Ventrikel können vorkommen; wenn während der offenen Kommunikation zwischen Aorta und Ventrikel Druckdifferenzen da sind, so ist der Druck im Ventrikel, abgesehen von der Zeit ganz kurz vor dem Aortenklappenschluß größer als in der Aorta. Auch bei normalem Blutdruck kann, abgesehen von den stets vorhandenen Differenzen der „Anfangs‘- und „Inzisurschwingungen‘“, der allgemeine Verlauf der Aorten- kurve und des oberen Segmentes der Ventrikelkurve, also Gipfellage und Gefälle, übereinstimmend sein, doch ist das nicht eine allgemein gültige Regel. Der Verlauf und die wechselseitigen Beziehungen der Druckschwankungen im linken Vorhof, linker Kammer und Aorta. Von H. Piper. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Berlin.) In den Mechanismus der Herzaktion gewinnt man den günstigsten Einblick dadurch, daß man den zeitlichen Ablauf der Druckschwankungen in den einzelnen Herzhohlräumen und in den großen Gefäßen aufklärt, kurvenmäßig fixiert und die wechselseitigen Beziehungen dieser Druck- kurven und ihrer einzelnen Phasen vollständig erforscht. Diesem von früheren Forschern schon vielfach angestrebten Ziele diente eine vor Jahresfrist von mir veröffentlichte Untersuchung.” Ich habe dasselbe Problem in neuen Versuchen wieder aufgenommen und in einer vor kurzem erschie- nenen Mitteilung die Beziehungen zwischen Aorten- und Kammerdruck- schwankung eingehend behandelt.?2 Diese Versuche habe ich noch weiter vervollständigt, bin aber jetzt auch auf die Frage zurückgekommen, wie die Beziehungen zwischen Vorhof- und Kammerdruckschwankung liegen. Technisch ist die Aufgabe zu bewältigen, mit einwandfreien Manometern die Druckkurven von Vorhof und Kammer, Kammer und Aorta zugleich zu registrieren. Ich habe über solche Versuche in meiner ersten Mitteilung bereits berichtet. Zwar gelang es mir damals nicht, beide Kurven, etwa die von Vorhof und Ventrikel oder die von Ventrikel und Aorta, in ganz ı H. Piper. Die Blutdruckschwankungen in den Hohlräumen des Herzens und in den großen Gefäßen. Dies Archiv. 1912. Physiol. Abtlg. S. 343. 2 Derselbe. Über die Aorten- und Kammerdruckkurve. : Ebenda. 1913. Physiol. Abtle. S. 331. 364 H:. Pıp#g: tadelloser Darstellung zusammen zu erhalten, aber trotz solcher Mängel ließen sich doch die wichtigsten Beziehungen zwischen den Druckschwan- kungen je zweier benachbarter Herz- und Gefäßhohlräume aus den gleich- zeitig geschriebenen Kurvenpaaren mit vollkommener Zuverlässigkeit ablesen. Die neuen Versuche, über welche ich jetzt berichten möchte, haben sehr viel bessere Druckkurven geliefert; sie sichern die Ergebnisse meiner früheren Untersuchung über jeden Zweifel und gewähren in manche Details weitere Einblicke, zu deren Erschließung das frühere Versuchs- material nicht ausreichend war. Die Experimente wurden nach gleicher Methodik wie die früheren angestellt. An hedonalnarkotisierten Katzen wurde der Thorax bei künst- licher Atmung breit eröffnet, und in die zu untersuchenden Herz- und Ge- fäßhohlräume wurden Spiegelmanometer von der früher von mir benutzten _ Konstruktion eingeführt. Die Manometer sind auf Grund der Frank- schen! Prinzipien konstruiert, das Modell stammt von H. Straub? und ist von mir für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung so modifiziert, daß die physikalischen Konstanten eine getreue Registrierung der Druck- schwankungen garantieren. I. Vorhof und Ventrikel. In einer ersten Reihe von Versuchen wurde ein Manometer in den linken Vorhof eingeführt und im Herzohr eingebunden, ein zweites wurde durch die Muskelwand des linken Ventrikels nahe dem Aortenursprung durchgestoßen und mit einer zuvor angelegten, das Manometerrohr um- sreifenden Naht fest eingebunden. Beide Manometer wurden dann in solcher Einstellung in Stativen festgeklammert, daß die von beiden Spiegeln her- rührenden Reflexe nahe beisammen, einer über dem anderen, standen. Die Registrierung der Manometerausschläge bzw. der von den Spiegeln herrührenden Lichtreflexe geschah photographisch nach der von Frank angegebenen und von mir auch in meinen früheren Versuchen benutzten und beschriebenen Methode. Die Abbildungen 1—2 zeigen typische Beispiele so erhaltener Kurven- paare. In der Druckkurve des Vorhofes findet man zunächst die durch die Systole bedingte Welle V. Dann folgen zwei Schwingungen X und S;; die erste X kommt dadurch zustande, daß zu Beginn der Ventrikelsystole ! Frank. Hämodynamik. Tigerstedts Handbuch der Physiol. Methodik. 1911. ? Straub. Der Druckablauf in den Herzhöhlen. Pflügers Archiv Bd. CXLIH. S. 69. DRUCKSCHWANKUNGEN IM LINKEN VORHOF, LINKER KAMMER U. AORTA. 365 die Atrioventrikularklappen geschlossen und gespannt werden; das ge- schieht so plötzlich, daß sie mit einem Druckstoß nach dem Vorhoflumen hin vorgebuchtet werden und dabei Anlaß zur Entstehung der X-Schwingung V Vorhofsystole, X Schließung iihen, Al 8, Anfangsschwingung der Aorta, sehr H gedehnte Druckwelle im Vorhof zwischen X und Systole V. Ventrikel- und Vorhofdruckkurve, von rechts nach links zu lesen. der Atrioventrikularklappen. S, Aortenklappenöffnung, schwach auf Vorhof übertragen. geben. Sie ist in der Ventrikeldruckkurve in meinen bisherigen Versuchen nicht mit Sicherheit auffindbar gewesen. Die Schwingung $, ist identisch mit der ebenso bezeichneten der Ven- trikelkurve und entsteht an den Aortenklappen in dem Augenblick, in 366 H. Pıper: welchem der steil aufschnellende Ventrikeldruck den Aortendruck über- schreitet und die Klappen entspannt. Wenn diese S,-Welle im Vorhof merklich ist, so muß sie sich durch das Ventrikelblut und die geschlossenen Atrioventrikularklappen auf den Vorhofinhalt ausgebreitet haben. Da die K-Schwingung durch den Atrioventrikularklappenschluß, die $,- Schwingung durch die Aortenklappenöffnung bedingt ist, so liest zwischen beiden die Anspannungs- oder Verschlußzeit, für welche man bei dieser Art der Ausmessung sehr kleine Werte findet, nämlich nur 0-014 Sekunden. Erheblich länger ergibt sich diese Phase der Herztätigkeit, wenn man sie Fig. 2. Dasselbe wie Fig. 1, größere Ganggeschwindigkeit der Registrierfläche. Die zeit- lichen Beziehungen von K und 8, sind sehr deutlich erkennbar. vom Beginn der systolischen Druckzunahme im Ventrikel bis zur S,-Schwin- gung bemißt, nämlich 0-03 Sekunden. Auf diese letztere Weise habe ich die Anspannungszeit in meiner früheren Mitteilung! berechnet. Sowohl die K-, wie die S,-Schwingung sind in der Vorhofdruckkurve ziemlich variabel. Die K-Schwingung kann sehr verschieden groß aus- fallen. Wenn die systolische Druckzunahme im Ventrikel sogleich im Be- ginn sehr steil erfolet, so werden die Klappen mit Vehemenz zugeschlagen und die X-Schwingung erscheint in sehr deutlicher Ausprägung. Dabei ist indessen von wesentlicher Bedeutung, daß auch, wie es normalerweise der Fall ist, der Vorhofdruck so niedrig ist, daß er dem Stellen und Spannen AOL DRUCKSCHWANKUNGEN IM LINKEN VORHOF, LINKER KAMMER U. AoRTA. 367 der Klappen durch den Ventrikeldruck nicht merklich entgegenwirkt. Die K-Schwingung wird aber sehr klein oder unmerklich, wenn durch Blut- stauung in den Venen eine beträchtliche Zunahme des Vorhofdruckes be- Fig. 3. Die 8,-Welle ist im Ventrikel schwach, im Vorhof ist sie nicht nachweisbar. Ventrikel und Vorhofkurve. 368 H. Pıper: wirkt wird. Für die normalen Verhältnisse kommt dieser Zustand zwar nicht in Betracht; man kann ihn aber durch Adrenalininjektion her- stellen; darnach wird infolge der Kontraktion der arteriellen Gefäße eine große Masse Blut in die Venen sozusagen ausgepreßt und hier angesammelt. Die Stauung in den Venen und Vorhöfen wird um so hochgradiger, als der Ventrikel gegen den enormen Widerstand der arteriellen Gefäße nur kleine Blutmengen pro Zeiteinheit entleeren kann. Wenn so der mittlere Vorhofdruck hochgetrieben ist, so können diesem entgegen die Atrioventrikularklappen nicht mit solcher Plötzlichkeit und Vehemenz durch die einsetzende Ven- trikelsystole geschlossen und gespannt werden, daß die unter normalen Ver- hältnissen stets vorhandene K-Schwingung merklich hervortritt (s. Fig. 5). Die Größe der 8,-Schwingung in der Druckkurve des Vorhofes hängt vor allem davon ab, ob sie im Ventrikel stark ausgebildet ist oder nicht. Hier tritt sie aber nur dann stark hervor, wenn der steil und hoch anstei- gende Ventrikeldruck einen relativ hohen diastolischen Aortendruck zu überwinden hat. Bei niedrigem Blutdruck fehlt die S,-Schwingung auch in der Ventrikeldruckschwankung und kann dann natürlich auch in der Vorhofdruckschwankung nicht vorhanden sein (s. Fig. 3). Unter normalen Blutdruckverhältnissen wird man ziemlich regel- mäßig nach der von der Vorhofsystole herrührenden Druckwelle V eine kräftig ausgeprägte K-Welle und sogleich darauf eine erheblich schwächer hervortretende 8,-Welle finden, so etwa wie es Fig. 1 und 2 zeigen. Oft folgen auf die S,-Welle in der Vorhofdruckkurve noch eine oder zwei kleine Schwingungen, welche ihrer zeitlichen Lage nach mit der An- fangsschwingung der Aorta und ihrer ersten Nachschwingung identisch sein dürften (s. Fig. 4). Sie sind, wenn vorhanden, meist nur schwach ausgeprägt und können entweder von der Aorta durch das Ventrikelblut rückläufig bis zum Vorhof geleitet sein oder von der Aortenwand auf die anliegende Vorhofwand direkt übertragen sein. Der Weg durch den Ventrikel ist jedenfalls nicht besonders gut gangbar für die in der Aorta entstehenden Druckoszillationen, denn sie sind in der Kammerdruckkurve nur sehr schwach und fast bis zur Unmerklichkeit gedämpft nachweisbar. Wenn also die 8,-Schwingungen in der Vorhöfdruckkurve gelegentlich deutlich hervor- treten, so dürften wohl besonders günstige Verhältnisse für ihre direkte Übertragung von der Aorten- auf die Vorhofswand in dem betreffenden Versuch vorgelegen haben. Man kann sich solche künstlich herstellen, indem man das Herzohr um den Aortenbulbus herumlest und nach der rechten Körperseite hinüberzieht. Nach der Gruppe der K—S,-Schwingungen steigt der Druck im Vor- hof langsam an, wohl deshalb, weil das Blut sich hier und in den Venen 369 AORTA NKER KAMMER U. ir D RUCKSCHWANKUNGEN IM LINKEN VORHOF -sne Horgnop osuaga "IST uOSSeInzine „ ‘ Zunsumyog !s eyorgmop 6 Jundurmyossduejuy‘ eusdenloqn eJIOY Iop UOA 9IP spe Hyopoem “oem 3 Zundurmyossinpyosusddepy7 Spusgor1oArsy Yreyg -°sı 99081dad ‘OAınyFoydoA pun ToyLıyuoA 24 Physiol. Abtlg. 1913. Archivf. A. u. Ph. 370 H. Pıper: sammelt und unter gelinder Stauung die Wandungen dehnt. Die Druck- erhebung H fällt meist vor der neuen Vorhofsystole wieder ab und zwar beginnend in der Zeit, in welcher der Ventrikeldruck diastolisch bis zum Nullwert wieder abgesunken ist. Man kann annehmen, daß dabei für das gestaute Blut Raum durch das Zurücktreten der vorher gespannten und vorgewölbten Atrioventrikularklappen und durch die Eröffnung der Ven- trikelhöhle frei wird, so daß Vorhof und Venen entspannt werden und der Druck hier absinken kann. In meinen früheren Versuchen fand ich ein solches Wiederabsinken des Druckes vor der neuen Vorhoisystole nur selten, überhaupt war die Erhebung 4 in meinen damaligen Kurven nur schwach ausgeprägt, während sie in meinen jetzigen Kurven mit ihrer ansteigenden und absinkenden Phase etwa in gleicher Weise hervortritt, wie H. Straub! sie in seinen Versuchen beobachtete. Ob diese ja nur graduelle Verschiedenheit meiner früheren und jetzigen Befunde darauf zurückzuführen ist, daß ich früher meist an kuraresierten, jetzt an hedonal- narkotisierten Tieren experimentierte, muß ich vorläufig dahingestellt bleiben lassen. Die Erhebung HZ nimmt kolossale Dimensionen an nach Adrenalin- injektion in der Zeit der größten arteriellen Gefäßverengerung. Das Blut staut sich dann in den Venen und im Vorhof in solchem Maße, daß sich hier große Drucksteigerungen einstellen. Wenn die normale Erhebung 4 in der Vorhofdruckschwankung schon ein Stauungssymptom ist, so wird dies also nach Adrenalininjektion exzessiv ausgebildet. Demnach tritt die Adrenalinwirkung im Verhalten des Vorhofdruckes ganz ausgeprägt hervor. Die Vorhoisystole und die Klappenschlußwelle X werden in der Druckkurve unmerklich, die S,-Schwingung ist vorhanden, erscheint aber auch ziemlich gedämpft, die Erhebung 4 ist dagegen exzessiv ausgebildet, und alle diese Druckoszillationen sind einem erheblich gehobenen Vorhof- druck superponiert. Diese Erscheinungen treten freilich nur sehr kurze Zeit hindurch während weniger Pulse auf der Höhe der Adrenalinwirkung hervor. Was die Ventrikeldruckkurve betrifft, so markiert sich zu Beginn der systolischen Drucksteigerung des Ventrikels die Schließung und Span- nung der Atrioventrikularklappen in der Regel nicht, nur in seltenen Fällen findet man nahe dem Fußpunkt des ansteigenden Kurvenschenkels eine ganz leichte Diskontinuität, welche mit der K-Schwingung der Vorhof- kurve zeitlich zusammenfällt. Die K-Schwingung ist allem Anschein nach zu klein und von zu gedehntem zeitlichen Verlauf, um in dem sehr steil ansteigenden Schenkel der Ventrikeldruckkurve merklich zu werden. Viel- leicht würde sie bei sehr schneller Ganggeschwindigkeit der Kymographion- I Straub a.a. O. " DRUCKSCHWANKUNGEN IM LINKEN VORHOF, LINKER KAMMER U. AoRTA, 371 trommel und bei Benutzung viel empfindlicherer Manometer öfter in den Kurven auffindbar sein. Exzessiv ausgebildete Erhebung AH. Fig. 5. Ä Adrenalinwirkung. In der Vorhofkurve sind die systolische Welle Y und die Schwingung K nicht nachweisbar, S; undeutlich. Vorhof- und Ventrikeldruckkurve auf der Höhe der Die 8,-Schwingung, welche an den Semilunarklappen in dem Augenblick entsteht, in welchem der Ventrikeldruck den der Aorta überschreitet, ist um so größer, in je höherer Drucklage sie liest und wird gänzlich vermißt, 24” . . H. Pırer 372 “uoderrdagn FoydoA uop me ?4IOYy I0p UoA purs F uedundumyosinsızup org 'F pun I "SLy ur om ®g pum 9 "SLT SB “SAINyYONIPFOyULOA pun -Toyrıyuo‘ DRUCKSCHWANKUNGEN IM LINKEN VORHOF, LINKER KAMMER U. AORTA. 373 wenn der diastolische Aortendruck niedrig ist. Offenbar sind dann die Aortenklappen nicht hinlänglich gespannt, um bei ihrer Entspannung zu- a 7% Wie Fig. 6. Sehr deutlich hervortretende Inzisurschwingungen J. sammen mit den angrenzenden Blutmassen in merkliche Schwingungen zu geraten. Dementsprechend findet man auch in der Vorhofdruckkurve die 374 H. Pıper: hierher weitergeleitete $,-Schwingung nur bei normalem, nicht aber bei abnorm niedrigem arteriellen Blutdruck. Abgesehen von der Vorhofisystole, die sich im Ventrikel mit geltend macht, und abgesehen von der Atrioventrikularklappenschließung und der Aorten- klappenöffnung, deren begleitende Druckschwingungen auf den Vorhof übergehen, sind keine regelmäßigen und deutlich markierten Beziehungen zwischen Ventrikel- und Vorhofdruckkurve auffindbar. Gelegentlich findet man noch eine Gruppe von Schwingungen in der Vorhofkurve, welche mit den Inzisurschwingungen der Aortenkurve zeitlich zusammenfällt (s. Fig. 6 u. 7). Sie ist in der Ventrikeldruckkurve nicht nachweisbar, dürfte also wohl nicht durch das Ventrikelblut bis zum Vorhof rückläufig weitergeleitet sein. Die Schwingungen übertragen sich wahrscheinlich von der Aortenwand direkt auf die anliegende Vorhofwand und deren Blutinhalt. Dafür spricht am besten die Tatsache, daß man sie zum Verschwinden bringen kann, indem man am freigelegten Herzen dem Vorhof solche Lage gibt, daß seine Wandung möglichst von der Aorta abgehoben ist. II. Ventrikel und Aorta. Die Beziehungen zwischen den Druckschwankungen des Ventrikels und der Aorta habe ich vor kurzem eingehend dargelest.' Hier sollen noch einige Ergänzungen nachgetragen werden. Am Fußpunkte des steil anstei- senden Kurvenschenkels der Aortendruckkurve findet sich die Zacke $,, die von Frank! sogenannte Vorschwingung; diese ist identisch mit der gleich bezeichneten Zacke der Ventrikeldruckkurve und entsteht bei der Entspannung und Öffnung der Semilunarklappen (Fig.8u.9). In der Aorten- druckkurve folgt die steil aufschnellende Anfangsschwingung S, und deren Nachschwingungen; sie sind bedingt durch die elastischen Deformationen der Aortenwand, welche bei der plötzlichen Einpressung eines Schlagvolumens von seiten des Ventrikels entstehen. Die Anfangsschwingung $, und deren Nachschwingungen übertragen sich nur sehr gedämpft auf den Ventrikel- inhalt und erscheinen hier verschmolzen in der gelinden, mehr buckel- förmigen Erhebung S,, welche in den meisten Ventrikelkurven im an- steigenden Schenkel sogleich auf die $,-Zacke folgend zu finden ist. Während der ansteigenden Phase der Anfangsschwingung S, erfolgt der Druckanstieg in der Aorta steiler als im Ventrikel, und der Druck kann am Gipfelpunkt der Schwingung in der Aorta größer sein als zur selben Zeit im Ventrikel. In der Aorta entstehen beim Schluß der Semilunarklappen die In- zisurschwingungen (Frank). Diese gehen nicht auf den Ventrikel über, . IM. Piper. 2.2. O1 2. *: Frank. Zeitschr. f. Biologie. 1913. DRUCKSCHWANKUNGEN IM LINKEN VORHOF, LINKER KAMMER U. AORTA. 375 70 Ser. i Fig. 8. . Ventrikel- und Aortendruckkurve von rechts nach links zu lesen. V Vorhofsystole, S, Vorschwingung, bedingt durch die Öffnung der Aortenklappen, J Inzisur, W Kurvenknickung vom flachen mittleren Teil zum steil abfallenden Schenkel. $, Anfangsschwingungen in der Aorta. %o See. Fig. 9. Wie Fig. 8. Die zeitliche Lage der Inzisur J zur Ventrikelkurve ist deutlich, sie fällt später als das ganz steil abfallende Kurvenstück bei W. 376 H. Piper: weil dieser dann blutleer ist und durch sein spaltförmiges Lumen keine Schwingungen leitet. Indessen liegen die Beziehungen zwischen Ventrikel- und Aortendruckkurve auch kurz vor der Inzisur so eigentümlich, daß eine Erörterung derselben wohl am Platze ist. Auf der Höhe der systolischen Kontraktion ändert sich der Druck eine Zeitlang nur in flachem Gefälle, so daß ein flachgewölbter mittlerer Teil der Ventrikeldruckkurve entsteht. Kurz vor dem Aortenklappenschluß aber fällt der Druck plötzlich steil ab, die Druckkurve biegt also fast winklig abgesetzt in einen steil abfallenden 710 Se£. Fig. 10. Aorten- und Ventrikeldruckkurve. Die 8,-Schwingung ist im Ventrikel schwach, in der Aorta nicht merklich vorhanden. Dagegen ist die K-Schwingung in der Aorta deutlich. Die Inzisur J fällt später als der Beginn des steilen Druckabfalles im Ven- trikel W. Schenkel um. Ganz kurz nach dieser winkligen Abknickung ist für kurze Zeit der Druckabfall äußerst steil und geht dann in stumpfwinkliger Ab- biesung in ein etwas weniger steiles Gefälle über. Diese kurze Phase ganz steilen Druckabfalles liegt etwas vor der Inzisur der Aortenkurve, fällt aber nicht etwa mit dem Abfall des Aortendrucks und der Inzisur zeitlich genau _ zusammen. Wenn der Ventrikeldruck in plötzlicher Wendung in die steil absinkende Druckphase übergeht bis W inFig. 8$—12, so beginnt auch der Aortendruck ab- zusinken, aber keineswegs sogleich in so steilem Gefälle, wie es zur gleichen Zeit DRUCKSCHWANKUNGEN IM LINKEN VORHOF, LINKER KAMMER U. AORTA. 377 N | . 1 ar SER ! 5 ; Es . 1 H er eu j 1 mn i t l i N 8 R E Fig. 11. Wie Fig. 10. Niedriger Blutdruck. In der Aortenkurve tritt K, dagegen nicht $, hervor. Fig. 12. Wie Fig. 11. Noch niedrigerer Blutdruck. Deutliche X-Schwingung in der Aortenkurve. H. PırER 318 der Ventrikeldruck tut. Aorten- und Ventrikelkurve verlaufen vielmehr eine kurze Zeit divergierend, der Ventrikeldruck steil, der Aortendruck flacher absinkend. Dann erst fällt der Aortendruck steil zur Tiefe der Inzisur ab. "1 109 [oyytayuoy wı sfegqes1jonag] sop_uursogg Jop spe aoyeds yoryyoragoqg yaıyıoz Yo PAınyuojIoy Aop F INSIZUT OIcL "u030[93 eAInyUs}L1oYy dop uospez-ig pun y uep uoyosımz yoıpyıoz ‚Tg oAmy[oyLIueA Top up "Sundumypg-g pun y oAmmyuezIoy dep up 'OAmyp>jonıpusyIloy pun -[OTLIFUeA "SL "34 DRUCKSCHWANKUNGEN IM LINKEN VORHOF, LINKER KAMMER U. AORTA. 379 Diese steile Senkung des Aortendrucks koinzidiert aber nicht zeitlich mit der kurzen Phase ganz steilen Stromabfalles im Ventrikel, sondern liegt regelmäßig später (s. Fig. 12—14). Fig. 14. In der Aortenkurve tritt die X und $,-Schwingung deutlich hervor. Zu beachten die Beziehung von J zu W. Aorten- und Ventrikeldruckkurve. In der zwischen Anfangsschwingung und etwas vor der Inzisur liegenden Zeit verlaufen Aorten- und Ventrikeldruckkurve im allgemeinen parallel, nur liegt häufig der Gipfelpunkt der Aortenkurve etwas früher und bei nie- drigerem Druckwert, als der des Ventrikels. 380 H. Pıper: Einige Varianten im Verhalten des Aortendruckes vor der steilen systo- lischen Druckzunahme sind noch bemerkenswert. Hier ist häufig zunächst eine flache Erhebung V superponiert, welche Frank bereits beschrieben hat und welche sich mit der Vorhofsystole durch ihre zeitliche Koinzidenz identisch erweist. Auf diese folgt manchmal eine Schwingung, welche zeit- lich mit der K-Zacke der Vorhofdruckkurve zusammenfällt. Sie kann na- türlich nur deutlich auftreten, wenn die K-Welle beim Schluß der Atrio- ventrikularklappen in deutlicher Ausprägung zustande kommt. Sie wird Fig. 15. Ventrikel- und Aortendruckkurve. In der Aortenkurve K und S, wie in Fig. 14. durch den Ventrikel, in dessen Druckkurve sie ja gewiß auch da sein muß, aber nur schwer in dem steil ansteigenden Kurvenschenkel nachweisbar ist, bis zur Aorta weitergeleitet und tritt hier in der zu dieser Zeit relativ langsam abfallenden Druckkurve manchmal hervor. Ich finde sie be- sonders oft und deutlich in der Aortenkurve nachweisbar beim Abklingen der Adrenalinwirkung, wenn die venöse Stauung schwindet, aber noch hoher arterieller Blutdruck besteht und der Ventrikel zur Entleerung noch sehr kräftige und steil ansteigende Kontraktionen macht. Wenn die K-Schwingung in der Aortendruckkurve gut ausgeprägt auftritt, ist meist die S,-Schwingung nicht recht deutlich nachweisbar, und umgekehrt fehlt meist die X-Welle in der Aortenkurve, wenn $, kräftig ausgebildet ist (vel. Fig. 7 u. 8 mit Fig. 11—13). Es kann vorkommen, DRUCKSCHWANKUNGEN IM LINKEN VORHOF, LINKER KAMMER U. AORTA, 381 daß die S,-Welle im Ventrikel wohl markiert vorhanden ist, auf die Aorta aber nicht merklich übergeht; die S,-Welle der Ventrikelkurve fällt dann zeitlich zwischen die K-Welle und die Anfangsschwingung S, der Aorten- kurve (Fig. 13), fällt aber niemals zeitlich mit der Anfangsschwingung 8, der Aorta zusammen, wie C. Tigerstedt! behauptet hat. Manchmal sind die K- und die S,-Welle in der Aortenkurve nachweisbar (Fig. 14 u. 15). Zusammenfassung. Die im Vorhof, Ventrikel und Aorta auftretenden Druckschwankungen und Oszillationen haben eine sichere Deutung dadurch erfahren, daß die zeitlichen Beziehungen der drei Druckkurven durch paarweise gleichzeitige Registrierung genau festgestellt wurden.‘ In den beiden beifolgenden Fi- guren (16 und 17) sind die Ergebnisse dieser Untersuchung in den beiden am häufigsten vorkommenden Varianten des Druckablaufes graphisch dargestellt. Die Resultate sind folgende: 1. Die Vorhofdruckkurve zeigt eine durch die Vorhofsystole bedingte Erhebung V, darauf folgt eine Gruppe von meist zwei Schwingungen, deren erste K, durch die Schließung der Atrioventrikularklappen bedingt, und deren zweite $, am Aortenursprung bei der Entspannung und Öffnung der Semilunarklappen entsteht und auf den Vorhof übergeleitet ist. Manchmal folgen noch eine oder zwei kleine Schwingungen, welche mit den Anfangs- schwingungen der Aorta identisch sind und entweder durch das Ventrikel- blut oder aber wahrscheinlicher direkt von der Aortenwand auf die an- liegende Vorhofwandung und dessen Inhalt übertragen sind. Dann folgt eine langsame Steigerung des Blutdruckes Z, die durch venöse Stauung bedingt ist und wieder absinkt, wenn der Ventrikel erschlafft ist und die Atrio-Ventrikularklappen sich öffnen, das Blut also vom Vorhof zum Ven- trikel überströmen kann. 2. In der Ventrikeldruckkurve ist die Vorhofsystole V als ganz flache Erhebung markiert, die bei der Schließung der Mitralklappe entstehende Schwingung K ist kaum deutlich nachweisbar, weil sie in die Phase der sehr steilen Druckzunahme fällt. Bei der Eröffnung der Aortenklappen entsteht die Schwingung $,, welche um so größer ist, in je höherer Druck- lage sie liegt, je höher also der diastolische Minimaldruck der Aorta liest. Die Anfangsschwingung S, der Aortenkurve und deren Nachschwingungen gehen nicht merklich, oder nur sehr stark gedämpft auf den Ventrikel- inhalt über. Nach der Zacke $, steigt vielmehr der Ventrikeldruck über 1 C. Tigerstedt, Zur Kenntnis des Druckverlaufes in der linken Herzkammer und der Aorta beim Kaninchen. Skandıin. Archiv für Physiologie. Bd. XLIX. 382 H. Piper: die schwache Welle $,, welche die stark gedämpfte Anfangsschwingung der Aorta enthält, zum Maximum an und fällt, nachdem dieses über einem runden Gipfel passiert ist, zuerst flach, dann plötzlich nach winkliger Kurven- knickung sehr steil ab. In dem mittleren von $, und dem Kniekpunkt W begrenzten Kurvenstück kann der Gipfel in der Mitte oder mehr am Ende nahe W liegen. Die Differenz zwischen minimalem Aortendruck, markiert durch die Druckhöhe von $,, und maximalem Druck kann verschiedene Werte haben, und dementsprechend ist der mittlere Teil der Ventrikelkurve Fig. 16. Von links nach rechts zu lesen. entweder flach plateauartig gewölbt oder verläuft in hoher, runder Wölbung. Nach der Kurvenknieckung W fällt die Druckkurve zuerst eine ganz kurze Strecke äußerst steil, dann etwas weniger steil und zuletzt flach auslaufend ab. Der kurze, ganz steile Druckabfall liegt stets zeitlich vor der Inzisur der Aorta und die Inzisurschwingungen der Aorta gehen nicht auf den Ventrikelinhalt über. 3. Die Aortenkurve zeigt in dem flach absinkenden diastolischen Teil die Erhebung V, von der Vorhofsystole herrührend, ferner manchmal die Schwingung K, welche durch den Atrioventrikularklappenschluß bedingt DRUCKSCHWANKUNGEN IM LINKEN VORHOF, LINKER KAMMER U. AORTA. 383 ist. Unmittelbar vor dem systolischen Druckanstieg tritt die Schwingung S, auf, welche durch die Entspannung und Öffnung der Aortenklappen hervorgerufen wird und noch deutlicher in der Ventrikeldruckkurve erscheint. Es folgen die Anfangsschwingung S, und deren Nachschwingungen, ver- ursacht durch die elastische Deformation der Arterienwände bei der plötz- lichen Spannung durch die systolisch hineingepreßte Blutmasse. Darnach passiert die Aortendruckkurve den rundgewölbten Gipfel und sinkt zuerst Aorta Ventrikel Vorhof Fig. 17. Von links nach rechts zu lesen. allmählich, dann steil zur Tiefe der Inzisur ab. Die Inzisur und die fol- senden Schwingungen sind durch den Schluß der Aortenklappen bedingt. Der Aortendruck sinkt in flachem Gefälle weiter ab, bis die oben beschriebene Periode von neuem beginnt. 4. Die Aortendruckkurve von $, bis J verläuft der Ventrikeldruckkurve von 8, bis W in den allgemeinsten Zügen annähernd parallel, doch weichen beide Kurven auch in diesem Teil in folgenden Punkten voneinander ab: a) Die Anfangsschwingungen der Aorta gehen auf den Ventrikel nicht oder nur äußerst gedämpft über. Während der Anfangsschwingung ist der 384 H. PırpEr: DRUCKSCHWANKUNGEN IM LINKEN VORHOF USW, Druckanstieg in der Aorta steiler, und der Druck kann während der Schwingung momentan größer sein als im Ventrikel. b) Im weiteren Verlauf sind oft beide Kurven parallel, doch ist auch häufig eine Abweichung der Art vorhanden, daß der Gipfel der Aortenkurve früher und in niedrigerer Drucklage liegt als der der Ventrikelkurve. Das letztere ist die Regel, wenn das Druckmaximum bald nach der Anfangs- schwingung $, erreicht wird und wenn die ganze Aortendruckschwankung groß ist, wenn also der diastolische Minimaldruck der Aorta gering, der systolische Maximaldruck hoch liegt. Ist diese Differenz gering, wie es z. B. nach Adrenalininjektion in der Regel der Fall ist, so erhält man Plateau- kurven und annähernden Parallelismus zwischen Aorten- und Ventrikel- kurve, um so mehr, als dann häufig in der Aorta die Anlangesul gu Zen nicht sehr ausgesprochen zustande kommt. c) Kurz vor der Inzisur divergieren beide Kurven, der Ventrikeldruck fällt kurze Zeit äußerst steil, dann etwas flacher ab, während der Aorten- druck zuerst noch flach, dann steil zur Tiefe der Inzisur absinkt. Die Inzisur- schwingungen gehen nicht auf den zu dieser Zeit blutleeren Ventrikel über, % Über den Venenpuls und über die Beziehungen zwischen venösem Blutdruck und intrathorakalem Druck. Von H. Piper. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Berlin.) I. Einleitung. Wenn man von den allgemeinen und den in begrenzten Teilen des Gefäßsystems auftretenden Blutdruckschwankungen absieht, welche durch gelegentliche Tonusänderungen der Gefäßmuskulatur bedingt sind, so bleiben noch die in regelmäßiger Periode sich wiederholenden Druck- änderungen, nämlich die pulsatorischen und die respiratorischen. Die pulsatorischen Druckoszillationen sind diejenigen, welche sich mit jedem Herzschlag wiederholen. Eine genaue Kenntnis sowohl des arteriellen wie des venösen Pulses, und zwar des zeitlichen Ablaufes und der Größe, wie auch des Ursprungs der in beiden Gefäßgebieten auftretenden pulsatorischen Druckwellen, ist in physiologischer und klinischer Beziehung gleich wünschenswert, denn sie sind in der Hauptsache durch den Herz- mechanismus bestimmt und lassen auf dessen Funktionsweise Schlüsse zu. Der Arterienpuls trägt hauptsächlich Merkmale, die durch die Systole des linken Ventrikel, durch die Öffnung und Wiederschließung der Aorten- klappen aufgeprägt sind, ist aber auch durch die Elastizitäts- und Span- nungsverhältnisse des arteriellen Gefäßsystems selbst weitgehend beeinflußt. Der Venenpuls läßt namentlich die im rechten Vorhof wirksamen Vor- gänge wiedererkennen, die Vorhofsystole, den Schluß der Atrioventrikular- klappen und die Blutstauung während der Vorhofdiastole. Die pulsa- torischen Druckschwankungen im Arterien- und Venensystem sind: ihrer Archivf.A.u.Ph. 1913. Physiol. Abtilg. 25 386 H. Piper: Bedeutung entsprechend von früheren Forschern eingehend untersucht, in ihrem Verlauf aufgezeichnet und in den wichtigsten Details richtig sedeutet worden. Besonders der Arterienpuls hat eine erneute gründliche Bearbeitung durch Frank! gefunden. Ich möchte im folgenden das Augen- merk noch einmal auf die mit neuer Methode registrierten Venenpulswellen und deren Beziehungen zum arteriellen Puls lenken. Die respiratorischen Druckschwankungen im arteriellen System sind durch Tonusschwankungen der Gefäßmuskulatur bedingt; sie sind seit langer Zeit bekannt und bei verschiedenen Tierarten studiert worden. In den Venen sind die mit der Atmungsperiodik verknüpften Druckschwankungen direkt durch respiratorische Änderungen des intrathorakalen Druckes bestimmt und zwar macht sich der Dondersche negative Druck und seine Variationen nicht nur in den im Thorax liegenden Venenstämmen, sondern noch weit außerhalb desselben leicht nachweisbar geltend. Ich bin mit Henderson? der Meinung, daß das Studium der pulsatorischen wie der respiratorischen Druckänderungen im Venensystem Aufschluß über den Mechanismus der diastolischen Blutfüllung des Herzens bringen muß, und habe namentlich unter diesem Gesichtspunkt die im folgenden zu erörternden Versuche angestellt. II. Versuche. Die Tiere, Katzen und Hunde, wurden entweder mit Äther oder durch Einspritzen von Hedonal in die Vena femoralis narkotisiert. In der Äther- narkose stellen sich namentlich bei Hunden forcierte, stoßweise und fre- quente Atembewegungen ein, nach Hedonalinjektion bleibt dagegen die Atmung ruhig und ziemlich flach, wie im Schlafe. Will man in diesem Falle eine tiefere Atmung haben, so muß man das Tier leicht aspyktisch machen, am einfachsten und gleichmäßigsten, indem man tracheotomiert, die Trachealkanüle außen durch ein Stück Gummischlauch verlängert und dessen Öffnung nach Bedarf durch eine Schlauchklemme verengert. In die Carotis einer Seite wurde eine mit konzentrierter Magnesium- sulfatlösung gefüllte Glaskanüle eingebunden, eine zweite in die Vena jugularis. Die Vene wurde bis zu ihrem Eintritt in den Thorax frei prä- pariert und die Kanüle wurde so weit eingeführt, daß ihre Öffnung in einigen Versuchen oberhalb der Eintrittstelle der Vene in den Thorax stand, in ‘ Frank, Der Puls in den Arterien. Zevtschrift für Biologie. 1903. ® Henderson und Barringer, The relation of venous pressure to cardiae efficieney. Amerie. Journ. of Physiol. Vol. XXXI. p. 352. ÜBER DEN VENENPULS USW. 387 anderen Versuchen aber wurde die Kanüle so weit vorgeschoben, daß sie mit ihrem unteren Ende und ihrer Öffnung bis in den Thorax hineinragte. Die Kanülen für Carotis und Vena jugularis konnten in den Versuchen am Hunde bei dem großen Kaliber beider Gefäße so weit genommen werden, daß alle Druckschwankungen und Schwingungen unbeeinträchtist bis zur Manometermembran sich fortpflanzen konnten. Die lichte Weite betrug an den engsten Stellen mehr als 2 mm. Die Carotis der Katze aber ist zu eng, um die Einführung so weiter Kanülen zu gestatten; da die lichte Weite an der engsten Stelle nur 1mm oder noch darunter betrug, so konnten nicht alle in der Arterie vorhandenen Druckschwin- ' sungen zur Manometermembran weiter- geleitet und mitregistriert werden. Dieser Fehler haftet also den Pulskurven von der Arterie der Katze an (Fig. 4-6). An beiden Kanülen wurden die zur Registrierung der Blutdruckschwankungen dienenden Manometer angeschlossen. Diese bestehen aus einem oberen und einem unteren Rohrstück und einem mitt- leren trommelförmigen Teil, dessen Axe zu der des Rohres senkrecht liegt. Das untere Rohrstück ist 1-5 cm lang (U), hat 3 mm lichte Weite und dient zum Fig. 1. = ? ak: i Manometer. Ü unteres Rohrstück zur Überstreifen des die Kanüle anschließen- Verbindung mit derKanüle, Ooberes den Schlauchstückes. Der mittlere trom- Rohrstück zum Anschließen des melförmige Teil T, in welchen das obere Wassermanometers und der Saug- vorrichtung. 7 Hahn, 7 trommel- förmiger Teil mit D Schraubdeckel, M Gummimembran und $ Spiegel. und untere Rohr münden, hat beim Ar- terienmanometer eine lichte Weite von 4 mm, beim Venenmanometer von 6 mm Durchmesser. Die Achsenlänge des Trommelhohlraumes beträgt 9 mm. Die eine Basis des Trommelzylinders wird durch einen einschraubbaren Metalldeckel D verschlossen, die andere dagegen durch eine Gummimem- bran (M), welche unter starker Spannung übergebunden wird. Nahe der unteren Zirkumferenz dieser kreisförmigen Membran wird ein rundes Spiegelchen $ von 1 mm Durchmesser aufgeklebt. Das von diesem reflek- tierte Licht einer Nernstlampe dient dazu, um die Membranausschläge nach Frankscher Methode photographisch zu registrieren. Am oberen 25* 388 H. Piper: Umfang des Trommelzylinders ist in eine Durchbohrung das obere Rohr- stück O eingeschraubt, welches die gerade Verlängerung des unteren U bildet und auch das gleiche Kaliber der lichten Weite hat. Durch einen | 3 mm oberhalb der Trommel befindlichen Hahn H kann das Rohr geöffnet und geschlossen werden. Das Hohlraumsystem des Manometers wird voll- icuspidalis), Hundes. Von rechts nach links zu lesen. S, Vorschwingung, 8, Anfangsschwingung, I Inzisur. Der Venenpuls ist eine Periode von drei e a 2 - S = {eb} = Ba 2 = © A © im E e) E = S rd © S - ire} a = ; B & > {02} IQ Wellen: V Vorhofsystole mit Doppelgipfel, X Klappenschlußzacke (Tr Druckkurven von Arteria carotis und Vena jugular ständig mit Wasser gefüllt und an die gleichfalls mit Flüssigkeit gefüllten, in die Gefäße eingebundenen Kanülen durch ein kurzes diekwandiges Gummischlauchstück unter Vermeidung jeglichen Lufteintrittes so an- geschlossen, daß das obere Ende der Kanüle und das untere des Mano- meterrohres etwa 5 mm voneinander entfernt sind. —— B n h ‘ 4 N -osoyIeupeuopoef] ’ozyey] Iop sindsrremndnp pum -sgomg) "7 LT oIM oqfesseq, & °G LH & ; ; [AP ? : EB nn = - an | D , [et 'Z . A Z > SKoyreufeuopaef "oOzyeyy :aorysyonsao\ '& "N g SI IM ogfosseet \ . SI Ci 2 2 : = Ze) A je} . ea} & Ü 390 H. Piper: Das zweite Manometer, welches an die Venenkanüle angeschlossen wird, hat, abgesehen vom Trommelhohlraum 7, dieselben Abmessungen wie das für die Arterie verwendete. Das trommelförmige Stück hat, wie bereits erwähnt wurde, 6 mm lichte Weite und ist mit einer viel dünneren Gummimembran bespannt, so daß die viel schwächeren Druckschwan- kungen der Vene merkliche Ausschläge des Manometers zu geben vermögen. Man erhält auf diese Weise auch von der Vene reine Druckpulskurven, ohne Beimischung des Volumpulses. Zur gleichzeitigen Registrierung von Arterien- und Venenpuls werden beide Manometer in Stativklammern vollkommen festgestellt und so ge- richtet, daß die von beiden Spiegeln herrührenden Lichtreflexe in geringem Abstand, etwa 2—3 cm untereinander stehen. Die Reflexe sind die reellen Bilder eines horizontal gestellten Nernstglühfadens. Das von diesem aus- sestrahlte Licht geht durch eine Linse von 25cm Brennweite, fällt auf die Manometerspiegel und wird von diesen reflektiert. Nernstlampe, Linse und Spiegel stehen in solchen Abständen, daß ein reelles Bild der Nernst- lampe in 80 em Abstand vom Manometerspiegel entsteht. An diesem Ort wird ein Franksches Kymographion so aufgestellt, daß die von beiden Spiegeln reflektierten Bilder des Nernstfadens, die als horizontale Licht- streifen erscheinen, sich mit dem senkrecht stehenden Spalt des Kymo- graphions kreuzen. Wenn die Trommel rotiert, so schreiben sich auf dem photographischen Papier die auf- und niedergehenden Ausschläge der Lichtreflexe als Kurven auf. Die Fig. 1—4 zeigen die in dieser Weise zugleich geschriebenen Arterien- und Venenpulskurven und lassen die zeitlichen Beziehungen beider ohne weiteres erkennen. Der Arterienpuls zeigt den bekannten Verlauf, dessen einzelne Diskontinuitäten nach der Erforschung der Ventrikel- und Aorten- druckschwankungen eine sichere Deutung erfahrenhaben. Manerkennt (Fig. 2) die Vorschwingung $,, welche bei der Entspannung und Öffnung der Semi- lunarklappen entsteht, die Anfangsschwingung S, mit ihren Nachschwin- gungen, in welcher die elastische Deformierung der Arterien durch die sy- stolische Druckwelle zum Ausdruck kommt, dann im abfallenden Teil der Kurve die Inzisur, welche beim Schluß der Semilunarklappen entsteht. Zwischen S, und J sind die Klappen offen und in dieser Zeit wird das Ven- trikelblut in die Aorta hinübergetrieben. Nach der Inzisur und ihren Nach- schwingungen sieht man häufig eine flache Welle V, welche durch die Vor- hofsystole bedingt ist. Alle diese Deutungen der einzelnen Unstetigkeiten der arteriellen Druckkurve sind nur als zutreffend erweisbar, wenn das Studium der Ventrikel- und Aortendruckschwankung zuvor erledigt ist. ÜBER DEN VENENPULS USW. 391 Auf dieses kann hier nicht eingegangen werden und es sei nur auf die ein- schlägigen Arbeiten! verwiesen. Die Venenpulskurve zeigt in ihrem Verlauf weitgehende Überein- stimmung mit der Druckkurve des rechten Vorhofes. : Es müssen sich ja die Druckwellen vom Vorhof auf die großen Stammvenen ausbreiten, da hier keine Klappen ein Hindernis bilden. Das habe ich bereits früher durch den Vergleich der Druckkurve des Vorhofes mit der der Vena cava bei eröffnetem Thorax gezeigt.?2 Die jetzt aufgenommenen Druckkurven lassen erkennen, daß auch bei uneröffinetem Thorax die Vorhofdruckschwankungen sich auf die innerhalb der Brusthöhle liegenden Venen, aber auch noch auf die extrathorakalen Venen eine Strecke weit fortpflanzen. Sie werden in größerer Entfernung vom Thorax schließlich dadurch ausgelöscht, daß einerseits die Venenklappen die weitere Ausbreitung hindern und daß andererseits die Venen auch zeitweise zwischen je zwei Druckmaxima sich völlig entleeren und mit ihren Innenwandungen aneinanderlegen. Die Druckmaxima werden durch die Herztätigkeit geschaffen, die Entleerung durch verschiedene Faktoren, durch die Schwere in den Venen des Kopfes und der hochgehaltenen Arme, durch den Druck umgebender Muskeln usw. Die Venenpulskurve zeigt die drei bekannten Erhebungen V, K und H (Fig. 2—5). V rührt von der Vorhofsystole her, K ist durch den Schluß der Atrioventrikularklappen bedingt und 4 kommt dadurch zustande, daß sich während der Ventrikelsystole das aus den Venen nachströmende Blut im Vorhof und in den Stammvenen staut und die Wandungen spannt, bei der Ventrikeldiastole aber Platz in der Kammer findet, so daß Vorhof und Venen wieder entspannt werden und die Erhebung des Druckes 7 wieder absinkt. Die zeitlichen Beziehungen zwischen Arterien- und Venendruckkurve, das gegenseitige Lageverhältnis der einzelnen Wellen und Zacken beider Kurven, sind aus den Abbildungen ohne weiteres ablesbar. Diese sind nicht etwa genau übereinstimmend mit den Beziehungen, welche zwischen Aorten- und Vorhofdruckkurve bestehen. Es ist vielmehr eine Verschiebung beider Kurven gegeneinander erfolgt, welche um so größer ist, in je größerer : Entfernung vom Herzen Arterien- und Venendruckkurve registriert werden. ! Frank, Der Puls in den Arterien. Zeitschr. f. Biologie. 1903. — Piper, Die Blutdruckschwankungen in den Hohlräumen des Herzens usw. Dies Archiv. 1912. Physiol. Abtlg. S. 343. Ferner Piper, Über die Aorten- und Kammerdruckkurve. Ebenda. 1913. Physiol. Abtlg, und Piper, Der Verlauf und die wechselseitigen Beziehungen der Druckschwankungen im linken Vorhof, linker Kammer und Aorta. Ebenda. 1913. Physiol. Abtig. EN 201912. 39% H. Piper: Das beruht darauf, daß die Druckwellen sich in den Arterien erheblich schneller fortpflanzen als in den Venen. Wenn man also in größerem Ab- stand vom Herzen in der Arterien- und Venenpulskurve Druckoszillationen aufsucht, welche nahe dem Herzen, also in Aorten- und Vorhofdruckkurve, gleichzeitig erscheinen, vielleicht sogar der Ursache nach identisch sind, so kann man nicht erwarten, sie auch in zeitlicher Koinzidenz wiederzu- finden, wenn sie über gleich lange Wege, aber mit sehr verschiedener Ge- schwindigkeit durch Arterie und Vene weitergeleitet sind. Vielmehr müssen am Herzen gleichzeitige Vorgänge im Pulsbild der Arterie früher erscheinen als in dem der Vene und zwar um so mehr, in je größerer Entfernung vom ‘ Herzen die Druckkurven beider Gefäße aufgenommen werden. Daß durch das Hinzutreten des Geschwindigkeitsfaktors eine solche zeitliche Ver- schiebung der Druckkurven im Vergleich zu den in Aorta und Vorhof auf-. genommenen tatsächlich erfolgt, ist namentlich an der Lagebeziehung der Zacke K der Venenkurve zur Arterienkurve leicht zu erkennen. K entsteht durch den Schluß der Atrioventrikularklappen und fällt zeitlich in den ersten Beginn der Ventrikelsystole und vor den Beginn des systo- lischen Druckanstiegs in der Aorta. Vergleicht man die Druckkurven von Carotis und Jugularis, so sieht man, daß K, wenigstens der Gipfel, meist später liegt als der Beginn des arteriellen Druckanstiegs.. Man wird. dies wohl durch die Verschiedenheit der Leitungsgeschwindiskeit der arteriellen und venösen Pulswellen in der Hauptsache erklären müssen, aber auch zu bedenken haben, daß der rechte Ventrikel, durch dessen Aktion ja die Venenzacke K bedingt ist, sich später kontrahieren kann als der linke, der den arteriellen Druckanstieg hervorruft. Die pulsatorischen Druckschwankungen in den im und nahe dem Thorax liegenden Venenstämmen oszillieren in einem Druckbereich, welches stets erheblich unter Atmosphärendruck liest. Dieser negative Druck, welchem die Venenpulswellen superponiert sind, ist bedingt durch den Dondersschen negativen Druck im Thorax, welcher sich auf die schlaff- wandigen Venenstämme mit etwas reduzierten Werten überträgt. Der Druck in den Venen macht denn auch die respiratorischen Schwankungen mit, denen der bestimmende Faktor, der intrathorakale Druck unterworfen ist. Die Druckkurve der Vena jugularis liest also ständig im Bereich nega- tiver Druckwerte und zeigt gedehnte, respiratorische Schwankungen, indem die Negativität, wie die des intrathorakalen Druckes, bei der Exspiration abnimmt, bei der Inspiration zunimmt. Diesen respiratorischen Druck- schwankungen sind die pulsatorischen superponiert. Ich habe bei drei Hunden die beiden extremen Werte gemessen, zwischen denen sich der Venendruck mit der Atmung ändert und zwar wurde bei der "SSoyIeuloygy 'E IL UT OIM dormsyonsaoN\ oqjesseq] "pump woA aqfessert "1 Sa = : {or} {ap} = a D [0 p} - D a ZA SE - = 1 = “IOoAIOU YaIyn9Pp U94914 AONAapsIIeInOnp pun SITI0AC) UOA uodunyuemyog uoyosrıoyeardsor OICL "OSoNLeUfeUOPOH 2 "G "SIT AAN] AOP TOg OIM AOTISYINSIOA 9YTOSSeq "U9SO] NZ SYUI Yaeu SIY99L UON "OzIey] AOp 9AINJYONIPSLLEININP pun s1Jo1e7 2 ja} ea] [ae] D 394 H. Pıper: Exspiration und Inspiration der Minimalwert bestimmt, welcher bei jeder Pulswelle erreicht wird, welchem sich also die pulsatorischen Wellen mit positiven Werten superponieren. Für die Messung wurde der Licht- reflex des Manometers auf einen weißen Schirm projiziert und es wurde hier der pulsatorische Minimaldruck (größte Negativität) sowohl bei Ex- spiration, wie bei Inspiration angezeichnet. Dann wurde der Schlauch zwischen Manometer und Venenkanüle zugeklemmt, der Hahn H des Manometers ge- öffnet und über das obere Rohrstück (O in Fig. 1) ein Schlauch übergestreift, in welchem durch Saugen negative Drucke hergestellt wurden. Diese wurden so abgepaßt, daß der Reflex des Manometerspiegels dieselben Einstellungen auf dem Schirm annahm, welche er bei Anschluß an die Vene im Stadium der Exspiration und Inspiration hatte. Die Größe der Druckwerte konnte an einem Wassermanometer abgelesen werden, welches durch ein T-förmiges Verbindungsstück an den zum Absaugen dienenden Schlauch angeschlossen war. Nach solcher Messung der absoluten Druckwerte wurde der Hahn 4 wieder geschlossen und die Klemme zwischen Manometerrohr und Venen- kanüle wieder abgenommen, so daß der Venendruck von neuem auf das Manometer wirksam wurde und von neuem auf dem Projektionsschirm markiert werden konnte. Dann wurde wiederum durch Abklemmen der Venenverbindung und Öffnung des Hahnes H die Aichungsvorrichtung angeschlossen und die Messung wiederholt. Bei mehrfachen Wiederholungen dieser Manipulationen ergaben sich ganz konstante Einstellungen des Wassermanometers für die an der Vene gefundenen Reflexeinstellungen. Die Werte sind folgende: | Hund I | HundII | Hund IH Exspiration 60mm H,O 92mm H,O 82mm H,O Inspiration ZI 23005000 222,005 Bei diesen Messungen befand sich das Tier in Äthernarkose und machte zwar kurze, stoßweise, aber tiefe Atembewegungen; daher die recht be- trächtlichen respiratorischen Druckschwankungen, welche zwischen solch extremen Werten sich bewegen, wie sie bei tiefer In- und Exspiration, nicht bei ruhiger flacher Atmung sich einstellen. Die Werte stimmen der Größen- ordnung nach mit denjenigen überein, welche für den Dondersschen negativen Druck im Thorax bekannt sind. Es ist indessen von Interesse, die Druckwerte in den intrathorakalen Venen und die Größe des Dondersschen negativen Druckes gleichzeitig ÜBER DEN VENENPULS USW. 395 zu messen und zu vergleichen. Diese Versuche habe ich an hedonalnarko- tisierten Katzen angestellt und zwar wurde ein Manometer in der oben geschilderten Weise an die Vene angeschlossen und dabei das untere Ende der Venenkanüle bis in den intrathorakalen Teil des Gefäßes vorgeschoben. Ein zweites, ganz ebenso konstruiertes Manometer wurde zur Messung des intrathorakalen Druckes benutzt. Zu diesem Behuf wurde zwischen erster und zweiter Rippe nahe dem Sternum eine kreisförmige Stelle mit fortlaufendem Faden umnäht, eine mit physiologischer Kochsalzlösung gefüllte Glaskanüle wurde durchgestoßen und fest eingebunden. An das obere Ende der Kanüle war vermittelst eines kurzen Verbindungsschlauches das Manometer angeschlossen, welcher gleichfalls vollständig mit Wasser gefüllt war. Die Glaskanüle hatte noch ein kleines seitlich abgezweistes Ansatzrohr, durch welches mit Hilfe einer abklemmbaren Schlauchleitung Kochsalzlösung nach Bedarf zugeleitet werden konnte. Die beiden Mano- meter wurden wieder in Stativen so festgestellt, daß die von beiden Spiegeln herrührenden Reflexe auf dem Projektionsschirm nahe beisammen standen. Die Spiegel beider Manometer standen 60 mm oberhalb der unteren Kanülen- mündungen, die beide in gleichem Niveau und zwar ziemlich genau dem der Venenmündungen im Vorhof lagern. Auf dem Schirm konnten die respiratorischen Druckschwankungen an den Reflexen beider Mano- meter nun direkt beobachtet werden. Es wurden zunächst bei ganz ruhiger (bei der Katze sehr flacher) Atmung die beiden Extreme des Thoraxdruckes angezeichnet und ebenso wurden die respiratorischen Schwankungen des Venendruckes in ihrem Maximum und Minimum markiert; dabei wurde wie bei den früheren Versuchen die größte Negativität, über welche sich die pulsatorischen Oszillationen mit positiven Druckwerten superponieren, gemessen; es wurde also der vom Venenpuls erreichte Minimalwert des Druckes sowohl in der Exspirations- wie in der Inspirationsphase auf dem Schirm markiert. Dann wurden bei absoluter Fixierung der Manometer die Schlauchverbindungen, welche Venen- und Thoraxkanüle an die Mano- meter anschließen, abgeklemmt und die Saugvorrichtung mit nebenge- schaltetem Wassermanometer an die oberen Ansatzrohre der Spiegel- manometer unter Öffnung des Hahnes H angeschlossen. Nunmehr wurden durch Ansaugen die Einstellungen der Reflexe auf dem Schirm hergestellt, welche sie bei Anschließung an Thorax und Vene in der Inspirations- und Exspirationsphase hatten, und die zugehörigen Druckwerte wurden am Wassermanometer abgelesen. Bei mehrfacher Wiederholung aller Ein- stellungen durch erneute Anschließung der Manometer an Vene und Thorax und erneuter Druckaichung mit Hilfe des Wassermanometers ergaben sich ganz konstante Werte. 396 | H. Pıper: In einem solchen Versuch, den ich als Beispiel wähle, war der Druck in der Vene bei der Exspiration — 124mm Wasser, bei der Inspiration — 148mm Wasser. Die respiratorische Druckschwankung betrug also 24mm Wasser. Im Thorax war der Druck bei der Exspiration — 156 mm Wasser, bei der Inspiration — 180 mm Wasser. Die respiratorische Druckschwankung betrug also auch 24mm H,O. Der Venendruck liegt aber in jeder Phase der mit der Atmung einhergehenden Schwankungen um 32 mm H,O höher als der Thoraxdruck. | Dabei ist der Minimaldruckwert des Venenpulses zum Vergleich mit dem Thoraxdruck benutzt. Über diesen Wert des Venendruckes super- ponieren sich aber die Pulswellen mit positiven Werten. Maximum und Minimum der pulsatorischen Druckoszillation lagen in dem hier in Rede stehenden Versuch um 34mm Wasser auseinander. Während der größten pulsatorischen Druckhöhe ist also der Venendruck um 32 + 34 = 66 mm ‚Wasser in positiver Richtung von dem intrathorakalen Druck entfernt, im Mittel also etwa um 50 mm Wasser. Das ist ein Resultat, welches mit dem von Henderson! und Barringer übereinstimmt, welche nach ganz anderer manometrischer Methode gleichfalls finden, daß der „kritische Druck“ in den intrathorakalen Venen um etwa 50 mm Wasser höher ist als der Donderssche negative Druck. Bei demselben Versuchstier wurden die respiratorischen Druckschwan- kungen in Thorax und Vene auch bei tieferen Atembewegungen gemessen. ‚Diese wurden in einfachster Weise dadurch hervorgerufen, daß das Tier leicht asphyktisch durch Verengerung der Trachealkanüle gemacht und zu etwas angestrengterer Atmung veranlaßt wurde. Die pulsatorischen Minimaldrucke in der Vene betrugen bei der Exspiration — 120 mm Wasser, bei der Inspiration — 190 mm Wasser. Die ganze respiratorische Druckschwankung beträgt also jetzt 70 mm Wasser. | ! Henderson u. Barrin ger, The relation of venous pressure to cardiac effi- cency. Americ. Journ. of. Phys. Bd. 31. 8. 352. ÜBER DEN VENENPULS USW. 397 Im Thorax war der Druck bei der Exspiration — 150 mm Wasser, bei der Inspiration — 220 mm Wasser. Die ganze Druckschwankung war also, übereinstimmend mit der der Vene, 70 mm Wasser. Der pulsatorische Minimaldruck der Vene liest um 30 mm Wasser höher als der gleichzeitige intrathorakale Druck, der pulsatorische Maximal- druck der Vene ist 64mm höher als der Thoraxdruck, im Mittel ist also der Venendruck um 47 mm Wasser höher als der Donderssche Druck. Um diese Größe übertrifft der mittlere Vorhof- und Venendruck aber auch den diastolischen Ventrikeldruck und sie muß das Blut in den er- schlafften Ventrikel hinübertreiben. Das Blut in Vena cava und Vorhof wird also durch das ständige Nachströmen venösen Blutes gestaut und unter einen Druck gesetzt, der im Mittel den intrathorakalen und den diastolischen Ventrikeldruck um etwa 50 mm Wasser übertrifft. Das pulsa- torische -Druckminimum der Vene ist etwa 50—35 mm H,O höher als der diastolische Ventrikeldruck. Es superponieren sich aber zwei für die Neu- füllung des Ventrikels wirksame positive Druckwellen über den Minimal- drucküberschuß von 30—35 mm H,O, nämlich die der Vorhofsystole V, welche freilich nur kurz dauert und geringe Bedeutung für die Neufüllung des Ventrikels hat, dann aber die Erhebung HZ, welche dadurch bedingt ist, daß das aus den Venen nachdrängende Blut sich während der Ventrikel- systole in den Stammvenen und im Vorhof so lange staut, bis der Ventrikel- druck diastolisch unter den Venendruck abgesunken ist. Demnach ist der wichtigste Faktor für die diastolische Neufüllung der Ventrikel der Druck- überschuß in den Venen und im Vorhof, welcher durch das ständige Nach- drängen des Blutes aus den peripheren Venen geschaffen wird. Für dieses Nachdrängen aber sind verschiedene Faktoren wirksam. Das Nachdrängen des Blutes aus den Kapillaren, bedingt durch den arteriellen Druck, also die „vis a tergo‘‘, die Auspressung der Venen durch den Druck anliegender Gewebe, z. B. sich kontrahierender Muskeln, in manchen Gefäßgebieten die Schwere des Blutes usw. Im ganzen stimmen die hier entwickelten und durch die obigen Ver- suche begründeten Anschauungen mit den von Henderson! entwickelten überein. 1 Henderson u. Barringer, a.a.O. — Henderson, The volume curve of the ventrieles of the Mammalian heart ete. Americ. Journ. of Physiology. Vol. XVI. Bu 398 H. PıPER: ÜBER DEN VENENPULS USW. Zusammenfassung. 1. Der Venenpuls ist im allgemeinen übereinstimmend mit dem Vorhof- puls. Er ist eine Periode von drei aufeinanderfolgenden Wellen, deren erste V durch die Vorhofsystole, deren zweite X durch den Schluß der Atrio- Ventrikularklappen und deren dritte Z durch die Stauung des Blutes wäh- rend der Ventrikelsystole (Anstieg) und durch das Abströmen des Blutes, während der Ventrikeldiastole (Abfall) bedingt ist. 2. Die arterielle und venöse Pulskurve erleiden infolge der verschiedenen Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Druckwellen in beiden Gefäßarten eine zeitliche Verschiebung gegeneinander, die mit dem Abstand vom Herzen wächst. Infolgedessen erscheinen Druckwellen, welche an ihrem Ursprungs- ort (dem Herzen) in beiden Gefäßarten gleichzeitig gebildet werden, nach Weiterleitung um gleiche Gefäßstrecken in der Arterie früher als in der Vene. 3. Der Druck in den intrathorakalen Venen folgt den respiratorischen Schwankungen des Dondersschen negativen Druckes, ist aber in jeder Phase der Atmung im Mittel um 50 mm Wasserdruck höher als der intra- thorakale Druck. Bei der Katze liegt das pulsatorische Druckminimum der Vene in jeder Phase der Atmung etwa 30—35 mm H,O höher, das pulsatorische Druck- maximum etwa 65mm höher als der intrathorakale Druck. Im Mittel ist also der Druck in den Venenstämmen 50 mm H,O höher als der Thorax- druck und übertrifft um diesen Wert auch den diastolischen Ventrikeldruck. Dieser Drucküberschuß ist der wirksame Faktor bei der diastolischen Füllung der Ventrikel. «4 Zeitschriften aus dem Verlage von VEIT & COMP. in LEIPZIG. Skandinavisches Archiv für Physiologie. Herausgegeben von Dr. Robert Tigerstedt, o. ö. Professor der Physiologie an der Universität Helsingfors. Das „Skandinnvische Archiv für Physiologie“ erscheint in Heften von 5 bis 6 Bogen mit, Abbildungen im Text und Tafeln. 6 Hefte bilden einen Band. Der Preis des Bandes beträgt 22 .#. Centralblatt für praktische AUGENHEILKUNDE. Herausgegeben von Prof. Dr. J. Hirschberg in Berlin. > Preis des Jahrganges (12 Hefte) 12 4; bei Zusendung unter Streifband direkt von der Verlagsbuchhandlung 12 #4 80 2. Das „Centralblatt für praktische Augenheilkunde‘ vertritt auf das Nachdrück- lichste alle Interessen des Augenarztes in Wissenschaft, Lehre und Praxis, vermittelt den Zusammenhang mit der allgemeinen Medizin und deren Hilfswissenschaften und gibt jedem praktischen. Arzte Gelegenheit, stets auf der Höhe der rüstig fortschrei- tenden Disziplin sich zu erhalten. DERMATOLOGISCHES CENTRALBLATT. INTERNATIONALE RUNDSCHAU AUF DEM GEBIETE DER HAUT- UND GESCHLECHTSKRANKHEITEN. Herausgegeben von Prof. Dr. Max Joseph in Berlin. Monatlich erscheint eine Nummer. Preis des J ahrganges, der vom Oktober des einen bis zum September des folgenden Jahres läuft, 12 .%. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes, sowie direkt von der Verlagsbuchhandlung. Neurologisches Zentralblatt. Übersicht der Leistungen auf dem Gebiete der Anatomie, Physiologie, Pathologie und Therapie des Nervensystems einschließlich der Geisteskrankheiten. Begründet von Prof. E. Mendel. Herausgegeben von Dr. Kurt Mendel. Monatlich erscheinen zwei Hefte im Umfange von je 4—5 Druckbogen zum Preise von 16 .% halbjährig. Gegen Einsendung des Betrages direkt an die Verlagsbuch- handlung erfolgt regelmäßige Zusendung unter Streifband nach dem In- und Auslande. Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten. Herausgegeben von Prof. Dr. C. Flügge, und Prof. Dr. G. Gaffky, Geh. Medizinalrat und Geh. Obermedizinalrat und Direktor des Hygienischen Instituts Direktor des Königl. Instituts für Infektions- der Universität Berlin, krankheiten „Robert Koch‘‘ zu Berlin. Die „Zeitsehrift für Hygiene und Infektionskrankheiten“ erscheint in zwanglosen Heften. Die Verpflichtung zur Abnahme erstreckt sich auf einen Band im durchschnitt- lichen Umfang von 30—35 Druckbogen mit Tafeln; einzelne Hefte sind nicht käuflich. Das ARCHIV für ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE, Fortsetzung des von Reil, Reil und Autenrieth, J. F. Meckel, Joh. Müller, Reichert und du Bois-Reymond herausgegebenen Archives, erscheint jährlich in 12 Heften (bezw. in Doppelheften) mit Figuren im Text und zahlreichen Tafeln. Abteilung. Der Preis des Jahrganges beträgt 54 #. 6 Hefte entfallen auf die anatomische Abteilung und 6 auf die physiologische } Auf die anatomische Abteilung (Archiv für Anatomie, herausgegeben von ; Dr. Wilhelm Waldeyer, Dr. Hans Virchow und Dr. Paul Röthig in Berlin) sowie auf die physiologische Abteilung (Archiv für Physiologie, herausgegeben von Dr. Max Rubner) kann besonders abonniert werden, und es beträgt bei Einzelbezug der Preis der anatomischen Abteilung 40 %, der Preis der physiologischen Abteilung 26 .%. Bestellungen auf das vollständige Archiv, wie auf die einzelnen Abteilungen nehmen alle Buchhandlungen des In- und Auslandes entgegen. Die Verlagsbuchhandlung: Veit & Comp. in Leipzig. Metzger & Wittig, Leipzig. 133 Ss Physiologische Abteilung. 1913. V. u. v1. He ft. ARCHIV FÜR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE, FORTSETZUNG DESVoN REIL, REILv. AUTENRIETH, J.F.MECKEL, JOH.MÜLLER, REICHERT v. DU BOIS-REYMOND HERAUSGEGEBENEN ARCHIVES. HERAUSGEGEBEN VON Dr. WILHELM WALDEYER, ‚PROFESSOR DER ANATOMIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN UND Dr. MAX RUBNER, PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN. JAHRGANG 1913, = PHYSIOLOGISCHE ABTEILUNG. —= FÜNFTES UND SECHSTES HEFT. MIT HUNDERTUNDZWEI FIGUREN IM TEXT LEIPZIG, VERLAG VON VEIT & COMP. 1913 “ Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes. M Inhalt. Sei Ernst Moster, Atmung, Blutverteilung und Blutdruck . . .. 2.2... a S. Tscanirsew, Elektrische Erscheinungen am tierischen Muskel- und Neryen- Bystemı zen egal PL re rl ee re Auessanpro Brossa und Arnr Konrrauscn, Die Aktionsströme der Netzhant -bei Reizung mit homogenen Liehtern °. . .. 2... .... „021.2 449 Franz Schürz, Zusammensetzung und Stickstoffumsatz hungernder Schleien 493 H. Borurrav, Beiträge zur Erklärung der Endzacken im Elektrokardiogramm 519 Die Herren Mitarbeiter erhalten vierzig Separat-Abzüge ihrer Beiträge gratis und 30 .%4 Honorar für den Druckbogen zu 16 Seiten. Beiträge für die anatomische Abteilung sind an Professor Dr. Wilhelm Waldeyer oder an Professor Dr. H. Virchow oder an Dr. P. Röthig, sämtlich in Berlin NW., Luisenstr. 56, Beiträge für die physiologische Abteilung an Professor Dr. Max Rubner in Berlin W., Kurfürstendamm 241 =! portofrei einzusenden — Zeichnungen zu Tafeln oder zu Holzschnitten sind auf vom Manuskript getrennten Blättern beizulegen. Bestehen die Zeichnungen zu Tafeln aus einzelnen Abschnitten, so ist, unter Berücksiehtigung der Format- verhältnisse des Archives, eine Zusammenstellung, die dem Lithographen als Vorlage dienen kann, beizufügen. Atmung, Blutverteilung und Blutdruck. Von Dr. Ernst Mosler, Assistent am medizinisch-poliklinischen Institut. (Aus dem physiologischen Institut [Direktor: Geh. Med.-Rat Professor Dr. Rubner] und aus dem königl. medizinisch-poliklinischen Institut der Universität Berlin [Direktor: Geh. Med.-Rat Professor Dr. Goldscheider].) Meine Studien über den „Atemstillstand in tiefer Inspirations- stellung‘‘1?, die sich im wesentlichen auf den arteriellen Blutdruck be- zogen, drängen dazu, auch die Blutverteilung unter denselben Umständen näher zu untersuchen. Die Versuchsanordnung war folgende: Das zu untersuchende Indi- viduum setzt sich bequem auf einen Stuhl, nachdem es sich längere Zeit vorher ausgeruht hat. Mittels der Brondgeestschen Atmungskapseln wird Brustatmung und Bauchatmung auf der rotierenden Trommel re- gistriert. Ein dritter Schreibhebel zeichnet das Volumen des rechten Vorder- arms, das an einem Wasserplethysmographen für den Arm gemessen wird. Ein vierter Schreibhebel zeichnet fortlaufend den Blutdruck mit Hilfe des Apparates, dessen Anwendung unlängst E. Weber ausführlich be- schrieben hat.? Die zeichnenden Spitzen der 4 Schreibhebel sind genau superponiert. Auf den Tafeln bedeuten die vier Kurven von unten nach oben: Bauchatmung, Brustatmung, Volumenkurve, Blutdruckkurve. Die Versuchsperson wird nun, wie ich dies bei meinen früheren Ver- suchen ebenfalls getan habe, aufgefordert, langsam so tief als möglich zu inspirieren und den Atem auf der Höhe der Inspiration so lange als möglich anzuhalten. Nach 25 Sekunden andauernder Atempause auf der Höhe der Inspiration gebe ich dann das Kommando: jetzt wieder atmen, nach- 1 Vortrag auf dem Kongreß für innere Medizin in Wiesbaden. April 1913. 2 Zeitschrifi für klinische Medizin. 1913. Bd. LXXVII. H.1u.2. 3 RB. Weber, Dies Archiv. 1913. Physiol. Abtlg. Heft 3 und 4. 400 ERNST MostLER: dem ich vorher den Betreffenden erläutert hatte, daß sie auf dieses Zeichen hin wieder so atmen dürften, wie es ihnen beliebt. Betrachten wir zunächst nun einmal an den verschiedenen Atmungs- kurven, wie die einzelnen Individuen den angegebenen Versuch ausführen. Die Kurve der Brustatmung zeigt bei Normalen den bekannten Typ. Ein steiler Anstieg kennzeichnet die tiefe Inspiration. Während | (, mi! u | 1a. Kurven zu Fall 1. 1b. des nun folgenden Atemstillstandes auf der Höhe der Inspiration beschreibt der Hebel fast in allen Kurven keine horizontale Linie, die einer Abszisse parallel wäre; sondern der Atemstillstand verläuft für gewöhnlich in einer leicht nach abwärts sich neigenden Linie (siehe Kurve 1, 3, 4, 11, 15a). Dies kann naturgemäß zweierlei Erklärungen haben: 1. Die Spannung der Gummikapsel läßt infolge von geringen Un- dichtigkeiten, die unter dem starken Druck der tiefen anhaltenden In- spiration sich erst bemerkbar machen, etwas nach. ATMUNG, BLUTVERTEILUNG UND BLUTDRUCK. 401 Tabelle. = 5 Plethysmo- [Blutdruck { 3 2 gramm steigt (+) Fall Name, Dienöse S © >= steigt (+) a (—-) Nr. Alter 5 = Ne sinkt (—) verändert = = verändert sich |sich nicht ng nicht (0) (0) 1 Fritz H., Gesund 128 + — a 27.J. 2 Dr. D., e 130 re B- 26 J. 3 Derselbe = 130 = _ = 4 Dr Me, 52 132 3 — _ N 30 J. j 5 Dr, W., ” h 130 Sr = — 31 J. 6 UV.. » 124 r _ nicht 33 J. gemacht Qu,8|.Dr. D;, ® 1380| + - 2; 26 J. 9 | Anna Sch., |Dekompensierte Mitral- | 100 + — 25 nen) 20, J: insuffizienz 10 Frau S., | Mitralstenose kompen- | 100 + — nicht 27 J. siert, nur Dyspnoe wur gegangen 22 PaulıR, Arteriosklerotische | 145 | + (3x) — — 61 J. Mitralinsuffizienz —- (1x) 12 Otto St., Aorteninsuffizienz 132 | +(7x) = _ 21 J. zeitweilig stärker — (1x) dekompensiert _ 13 Fritz Z., | Sportherz, Hypertr. et | 140 _ + (4x gering) 0 ale Dilat. ventrie. utriusque — (4X en) 14 |Frau E. Sch., Cor adiposum, 140 + SE unteht au.b 42 J. Dyspnoe —-—®X ,„ 0) | gemacht 15 |Frau E. W., Cor renale (früher de- | 200 = + (3 x stark) keine au.b 40 J. kompensiert, jetzt keine + (1x schwach) | deutliche Dekompensation — (3x » )| Verände- ; rung 16 Aug. B., | Kompensierte Aorten- | 180 - ++ ++ au.b 52 J insuffizienz 17 Karl K., |Allgem.Arteriosklerose,| 140 + == = + au.b 59 J. leichte Dyspnoe, Hyper- troph. Ventr. sin. 18 | Gustav G.,' |DekompensierteAorten-| 145 - ++ nicht 50 J. insuffizienz, Dyspnoe, gemacht |Cyanose, leichte Odeme 19 |. Frau S,, Aorteninsuffizienz 1850| + + + aub 50 J. früherstark dekompens,, n: jetzt nurnoch Dyspnoe | 20 | Frau Sch., | Myodegeneratio, Ne- | 185 _ j + nicht 72 J. phritis ehronica (Blei) r gemacht ! Archiv f.A.u.Ph. 1913. Physiol. Abtlg. 26 402 ERnsT MosLEr: 2. Den Versuchspersonen ist es nicht möglich, den Thorax 25 Sekunden lang ganz exakt zu fixieren; der Thorax fällt vielmehr, seiner Schwere folgend, ein wenig zusammen. Um zu entscheiden, welche Erklärung hier angebracht ist, habe ich die Kapsel nach einigen Versuchen mit Gewichten bis zu 270 g beschwert und dann stets Linien auf der rotierenden Trommel erhalten, die der Ab- szisse mathematisch parallel verlaufen. Ein Nachlassen der Kapsel ist 3a. Kurven zu Fall 3. sb. demnach ausgeschlossen. Es bleibt also für jene leichte Senkung nur die zweite Erklärung übrig. Der erste Atemzug nach Beendigung der Atempause ist manchmal eine sehr tiefe Expirationsbewegung (z. B. Kurve 3); manchmal eine In- spirationsbewegung, die an Höhe noch weit über den höchsten Gipfel der anfangs verlangten Inspiration hinausgeht (z. B. Kurve 1). Es folgen dann einige sehr hohe und beschleunigte Exkursionen. Nach 12 bis 20 Atem- ATMUNG, BLUTVERTEILUNG UND BLUTDRUCK. 403 zügen ist bei normalen Individuen der ursprüngliche Typus der Brust- atmung wieder vorhanden. Kurven der Bauchatmung. Weniger konstant wie die Kurven der Brustatmung sind die Kurven der Bauchatmung. Es lassen sich die Kurven der Bauchatmung in zwei Typen trennen: 26* 404 ERNST MostEr: Bei der ersten Gruppe, die bei weitem überwiegt, sieht man nach einer steilen Erhebung einen mehr oder minder starken Abfall eintreten. Die Erhebung bedeutet die tiefe Inspiration, in der das Zwerchfell die Eingeweide und die Bauchhaut nach vorn vorwölbt. Der Abfall der Kurve ist das Zeichen der Verkleinerung des Leibumfanges, die durch eine Kontraktion der Bauch- muskulatur verursacht wird. Durch Kontraktion der Bauchmuskulatur (Pressen) gelingt es den meisten Individuen anscheinend leichter, besonders Kurven zu Fall 4. bei geschlossener Glottis, den Thorax in tiefer Inspirationsstellung zu fixieren. Dieses Pressen tritt manchmal nach der tiefen Inspiration ganz brüsk ein und hält dann gleichmäßig die ganze Atempause hindurch an (z. B. Kurve A). In anderen Fällen tritt das Pressen zwar plötzlich ein; läßt aber schon während der Atempause allmählich wieder nach (z. B. Kurve B). Bei an- deren wiederum setzt die Preßbewegung allmählich ein; nimmt allmählich an Intensität zu, und verharrt dann auf ihrem Maximum während des Restes der Atempause (z. B. Kurve C und D). ATMUNG, BLUTVERTEILUNG UND BLUTDRUCK. 405 Bei der zweiten Gruppe sieht man keine Preßbewegung auftreten. Hier gleicht also die Kurve in jeder Beziehung derjenigen der Brustatmung (z. B. Kurve E). Doch sind es scheinbar nur eine kleine Minderheit, die den verlangten Atemstillstand auf der Höhe der Inspiration ohne Pressen durchhalten können. Jedes Individuum wahrt bei wiederholten Versuchen ziemlich genau seinen Kurventypus; auch an verschiedenen Tagen. MM Mn RAM Il 10. 11. 12. Kurven zu Fall 10, 11, 12. Während die Kurven der Brust- und der Bauchatmung bei Herz- gesunden und Herzkranken einander sehr ähnlich sind und stets einen der genannten Typen erkennen lassen, ist dies bei der plethysmographi- schen Kurve nicht der Fall. & Ich möchte daher zuerst das Plethysmogramm der Herzgesunden zur Zeit des Atemstillstandes auf der Höhe der Inspiration und nach Be- endigung desselben beschreiben. 406 ERNST MosLEr: Sofort zu Beginn der verlangten tiefen Inspiration fällt bei dem nor- malen Individuum die plethysmographische Kurve steil abwärts. Während des darauf folgenden Atemstillstandes sinkt die Kurve dann entweder zuerst nach weiter oder hält sich zuerst auf dem bei der tiefen Inspiration erreichten Niveau. In vielen Versuchen ist schon bald nach Beginn des Atemstillstandes ein treppenförmiges Wiederansteigen der Kurve zu er- Kurven zu Fall 13. kennen. Nach Beendigung der Atempause stellt sich das Plethysmogramm sehr rasch, manchmal sofort wieder auf seine ursprüngliche Höhe ein. Dieses steile Fallen der Kurve und die schnelle Rückkehr zur ursprünglichen oder annähernd ursprünglichen Höhe gilt ausnahmslos für alle Gesunden (siehe Fall 1, 3, 4 mit dazu gehörigen Kurven). Bei herzkranken Individuen lassen sich leicht drei Typen des Ple- thysmogramms unterscheiden: ATMUNG, BLUTVERTEILUNG UND BLUTDRUCK. 407 Der erste Typus gleicht fast ganz dem bei Herzgesunden beschrie- benen Typus (siehe Fall 10, 11, 12 [zum Teil] mit dazugehörigen Kurven). Der zweite Typ läßt gar keine oder fast keine Veränderung der Volumen- kurve erkennen; das heißt, sie bleibt entweder auf derselben Höhe oder Kurven zu Fall 15a. Kurven zu Fall 17a. fällt oder steigt kaum merklich (siehe Fall 13, 14, 15 [bei 4 Versuchen] mit dazugehörigen Kurven). In dem dritten Typus finden wir eine komplette Umdrehung des normalen Typus. Hier steigt die Kurve schon während der tiefen Inspiration nach aufwärts; steigt während des Atemstillstandes immer weiter und fällt nach Beendigung des Atemstillstandes plötzlich sehr steil zur ursprüng- 408 ERNST Moster: lichen Höhe zurück (siehe Fall 15 [bei 3 Versuchen], 16, 17, 18, 19, 20, mit dazugehörigen Kurven). Das Ansteigen der Kurve bis zu ihrem höchsten Gipfel umfaßt die Zeit von 15 bis 30 Herzkontraktionen. Zuerst lag natürlich der Gedanke nahe, daß das Ansteigen der Volumenkurve durch Versuchsfehler, viel- leicht durch ungewollte Bewegungen verursacht wird. Es ist aber schon Kurven zu Fall 16a. an und für sich unwahrscheinlich, daß irgendwelche Fehler stets nach der- selben Richtung hin wirken. Trotzdem habe ich in all diesen Fällen mein ganz besonderes Augenmerk auf die geringsten Bewegungen gelenkt und habe stets bei dieser Gruppe noch Kontrollversuche gemacht, indem die Schulter und der Oberarm von mir fixiert wurden, um selbst die geringsten Bewegungen zu verspüren. Ich glaube also behaupten zu können, daß ATMUNG, BLUTVERTEILUNG UND BLUTDRUCK. 409 irgendwelche Versuchsfehler bei diesem Ansteigen der Volumenkurve nicht mit im Spiele sind. Auch die Blutdruckkurve läßt jene drei Typen erkennen. Be- kanntlich bedeutet nach der beschriebenen Weberschen Methode eine Vergrößerung der Pulse eine Blutdrucksteigerung, eine Verkleinerung der Kurven zu Fall 16b. Pulse eine Blutdrucksenkung. Bei den Herzgesunden fällt der Blutdruck mit Einsetzen der tiefen Inspiration und steigt erst nach Beendigung des Atemstillstandes zu einer ursprünglichen Höhe wieder an (siehe Kurve 1 und 3). Bei den herzkranken Individuen fällt er entweder während der tiefen Inspiration und während des Atemstillstandes; oder er verändert sich nicht 410 ERNST MosLER: oder er steigt sogar an. Ich habe leider nicht in allen Fällen eine schöne und deutliche Blutdruckkurve erhalten können; besonders versagten manche Patienten mit geschwächtem Herzen und niedrigem Druck (z. B. Mitral- stenosen) nach dieser Richtung hin. Es wäre vielleicht in solchen Fällen zweckmäßig, 4 Finger der linken Hand einzeln mit Quecksilber analog dem Mittelfinger zu belasten, so daß dadurch eine kumulierende Wirkung erzielt werden kann, wie dies schon Mosso! für andere Versuche getan hat. Kurven zu Fall ı8, In denjenigen Fällen, wo ich eine eindeutige Blutdruckkurve gewonnen habe, scheint sie mir fast stets mit der Volumenkurve in Übereinstimmung zu stehen; das heißt sie sinken resp. sie steigen gemeinsam. Eine Aus- nahme hiervon bildet nur die Kurve 15a, wo das Plethysmogramm keine Veränderung zeigt, während der Blutdruck während der Atempause deutlich gefallen ist. Wenn man nun aus dieser fast stets vorhandenen Überein- stimmung etwa den Schluß ziehen wollte, daß die erhaltene Blutdruck- kurve auch nur eine Volumenkurve ist, so sieht man sich nach den ein- deutigen Erörterungen E. Webers gezwungen, diese Annahme zurück- weisen zu müssen. Und gerade deshalb ist ja auch diese Methode der fort- 1 A. Mosso, Über den Kreislauf des Blutes. 1881. ATMUNG, BLUTVERTEILUNG UND BLUTDRUCK. 411 laufenden unblutigen Blutdruckmessung derjenigen früherer Experimenta- toren bei weitem überlegen. Mit dem Gärtnerschen Pulskontroller, wie ihn bei ähnlichen Untersuchungen Herz und Meyer! angewandt haben, kann man nach meiner Überzeugung nur eine Volumenkurve erhalten. ‚Der physikalische Mechanismus der Atemreaktion auf die Volumen- kurve des Herzgesunden ist leicht zu deuten. Während der tiefen Inspi- ration, die dem Atemstillstand vorausgeht, erweitern sich die intrathora- kalen blutführenden Wege und Hohlräume und saugen zu sich einen großen Teil des anderweitig im Körper verteilten Blutes an. Unter anderem ist nun eine notwendige Folge dieses Blutansaugens nach dem Thorax hin die Volumenabnahme an der Peripherie (bei uns in dem im Plethysmo- graphen steckenden rechten Vorderarms). Während des Atemstillstandes auf der Höhe der Inspiration hört nun der Zuwachs an Füllung entweder sofort nach Beendigung der tiefen Inspiration oder kurz darauf auf. In dieser Zeit des Atemstillstandes wird nun, wie ich auch früher nach Al- brecht? eingehend zitiert habe, sicherlich schon ein Teil der in den Lungen und im rechten Herzen angesaugten Blutmenge in das linke Herz befördert, das nun seinerseits sich wieder eines größeren Blutquantums entledigen muß. Diese Blutbeförderung nach dem linken Ventrikel hin geht sehr schnell besonders deshalb von statten, weil durch eine gleichzeitige Er- weiterung der Lungengefäße der Durchfluß durch die Lunge erleichtert wird. Die Folge des ganzen Vorganges ist ein Ansteigen der Volumenkurve, die meistens noch während des Atemstillstandes zu beobachten ist, eben- falls ein Beweis dafür, wie rasch all diese Prozesse verlaufen. Die mit der Volumenabnahme einsetzende Blutdrucksenkung beim normalen Individuum scheint Mossos und später auch Tigerstedts® Befunden zu widersprechen. Mosso zitiert die klassischen Arbeiten Lud- wigs und bestätigt Einbrodts Befunde: ‚Der Blutdruck erfährt während der Einatmung eine Zunahme, die allmählich aber stetig erfolgt, das heißt jeder neue Herzschlag trifft eine höhere Spannung als der vorhergehende. Diese Steigerung des Blutdruckes fällt jedoch in ihrem Anfange nicht genau mit dem Eintritte der Inspiration zusammen, sondern erfolgt erst während ihrer Dauer — mit anderen Worten, der höchste Punkt eines Pulskurven- stückes, das einer ganzen Respirationsbewegung entspricht, fällt nicht auf die Zeit der Inspiration.‘ 1 M. Herz und E. Meyer, Über den Einfluß der therapeutisch verwendbaren Atmungsformen auf das Herz. Zeitschrift für diätetische und physikalische Therapie. VIII, 2. Seite 101. 2 Albrecht, Die Atmungsreaktion des Herzens. Fischer. Jena 1910. 3 Tigerstedt, Lehrbuch der Physiologie. 1909. 412 ERNST MosLEr: Tigerstedt sagt auf Seite 297: ‚‚Bei der Exspiration sinkt der Aorten- druck, bei der Inspiration steigt der Aortendruck. Bei der Exspiration nimmt die Pulsfrequenz infolge einer Vaguserregung ab (drucksenkendes Moment) und der Gefäßtonus wegen Reizung der Gefäßnerven zu (druck- erhöhendes Moment).“ Doch sind die Versuche dieser Autoren nur bei gewöhnlicher In- und Exspiration gemacht worden und es ist leicht denkbar, daß bei forcierter Inspiration mit nachfolgendem Atemstillstand die Ver- hältnisse gerade umgekehrt werden, wie Tigerstedt selbst dies schon von der künstlichen Atmung zugibt. Denn wenn einerseits auch aus den angeführten Gründen eine gewöhnliche, also nicht zu tiefe Inspiration eine Blutdruckerhöhung im linken Ventrikel bewirken muß, so wirkt an- dererseits bei sehr tiefer Inspiration der starke negative Druck im Thorax so zurückhaltend auf das Blut im linken Ventrikel und in der Aorta, daß die etwa vorhandene Blutdrucksteigerung nicht mehr an der Peripherie gemessen werden kann. Der drucksenkende Faktor (Zurückhalten des Blutes durch Erweiterung des Thorax) überwiegt hier den durcksteigenden Faktor (vermehrte Arbeitsleistung des linken Ventrikels). Weit komplizierter ist die Deutung der von Herzkranken gewonnenen Kurven. Ein Anwachsen des Volumens in der Peripherie ist entweder durch einen vermehrten Zufluß vom linken Ventrikel aus oder durch einen verminderten Abfluß vom rechten Ventrikel aus denkbar. In dem ersten Fall würde ein hypertrophischer, noch gut funktionsfähiger, wenn auch dilatierter linker Ventrikel sich des übermäßigen Blutquantums, das er via rechten Ventrikel und Lungenkreislauf erhalten hat, so schnell unter stärkster Arbeitsleistung entledigen, daß fast sofort diese Volumenzunahme am Arm sichtbar wird. In dem zweiten Fall könnte der ad maximum gefüllte, vielleicht schon geschwächte rechte Ventrikel nicht mehr so prompt die angesaugte Blut- menge in den vielleicht schon überfüllten Lungenkreislauf hineinwerfen, so daß es rückläufig zu einer Stauung im Venensystem kommen muß. Auch hier wäre die Folge ein Anwachsen des Volumens in der Peripherie. Um zu entscheiden, welcher Faktor hier das ausschlaggebende Moment darstellt, kommt uns das Verhalten des arteriellen Blutdrucks zu Hilfe. Da mit einer Volumenzunahme fast stets ein Ansteigen des Blutdrucks einhergeht, so meine ich, daß nur die übermäßige Kraft des übermäßig gefüllten linken Ventrikels die Ursache der vermehrten Füllung in der Peripherie sein kann. Auch würde eine Stauung vom rechten Ventrikel aus wohl nicht so momentan mit der tiefen Inspiration zusammen auftreten, sondern es würde erst eine gewisse Zeit verstreichen, bis sich diese Stauung rückläufig durch eine Volumenzunahme am Arm charakterisieren würde. ATMUNG, BLUTVERTEILUNG UND BLUTDRUCK. 413 Für die gegebene Erklärung spricht auch noch der Umstand, daß es sich in all jenen Fällen, wo Volumen und Blutdruck bei dem Versuch an- steigen, um stark hypertrophische Herzen mit Drucken zwischen 140 und 200 mm Quecksilber gehandelt hat. Daß einige dieser Herzen schon auf dem Wege der Dekompensation sich befanden, braucht keinen Wider- spruch darzustellen. Auch hier besitzt eben noch der hypertrophische Herzmuskel die nötige Energie, um sich, wenigstens bei unserem Versuche, unter erhöhtem Druck des übermäßigen Blutquantums zu entledigen. Patienten mit sehr geschwächtem hypertrophisch dilatierten Herzen habe ich nicht den Weg in das Physiologische Institut zumuten wollen. Es wäre jedoch interessant, am Krankenbett bei derartigen Patienten dieselbe Versuchsanordnung anzuwenden. Nach meinen Versuchen spricht vieles dafür, daß bei diesen Patienten Volumen und Blutdruck wieder sinken, also dem normalen Typus wieder ähnlich werden. Ich schließe das auch daraus, daß nicht bei allen hypertrophischen Herzen, die ich unter- sucht habe, sich dieses Ansteigen findet. Bei manchen bleibt, wie schon erwähnt, die Volumenkurve und der Blutdruck auf derselben Höhe, bei manchen fällt beides. Es scheint mir nun (ich muß hier natürlich ärzt- liches Sentiment sprechen lassen, für das ich keinen exakten Beweis geben kann), als ob in diesen Fällen tatsächlich die Kraft des hypertrophischen Herzmuskels relativ schwächer ist als bei denjenigen Patienten, bei denen Volumen und Blutdruck angestiegen sind. | Elektrische Erscheinungen am tierischen Muskel- und Nervensystem. Von S. Tschirjew. (Aus dem physiologischen Laboratorium der St. Wladimir-Universität in Kiew.) Im Sommer des Jahres 1908 gelegentlich der Demonstration meines Myoskops in einer Sitzung des in der Nähe von Paris befindlichen Marey- schen Instituts habe ich darauf hingewiesen, daß die am verletzten Frosch- muskel auftretende Erscheinung der negativen Schwankung (des Aktions- stromes nach L. Hermann) nicht ein Zwischenglied zwischen der Erregung des Muskels und seiner Kontraktion, sondern eine durchaus nebensäch- liche künstlich hervorgerufene Erscheinung darstellt, die nur am verletzten Muskel beobachtet wird. Im Jahre 1910 auf dem XVI. internationalen medizinischen Kongreß in Budapest gelangte ein kurzes Referat über die hauptsächlichsten Ergebnisse meiner im Journal de Physiologie et de Patho- logie generale veröffentlichten Arbeiten zur Verlesung, in dem ich unter anderem sage:! „M. H. Piper demontre que le tetanos spontane donne toute une serie de vibrations @lectriques. Mais, Messieurs, ces vibrations sont obtenues seulement & l’aide du „Saitengalvanometre“; je reviendrai ä la veritable cause de ce phenomene une autre fois apres l’avoir bien &tudie. Que ce n’etait pas variation negative s’ensuit deja de la maniere de la de- viation du courant &lectrique des muscles de l’avant-bras — maniere de M. Hermann. Il est possible que tout s’expliquera simplement.‘“ Im vorigen Jahre hat H. Piper eine umfangreiche Monographie unter dem Titel: Elektrophysiologie der menschlichen Muskeln? erscheinen lassen, ı XVI® Congres international de Medecine. Compte-rendu publie par le Dr. Francois de Torday. Section II Physiologie. Budapest 1910. Pag. 165—168. ® Verlag von J. Springer. Berlin 1912. S. TSCHIRJEW: ELEKTRISCHE ERSCHEINUNGEN USW. 415 in der er, öhne meine letzten Arbeiten! zu erwähnen, eine ganze Masse von mit Hilfe des großen Einthovenschen Saitengalvanometers von ver- schiedenen völlig intakten menschlichen Muskeln bei willkürlicher Inner- vation erhaltenen Kurven aufführt. Im physiologischen Laboratorium der Kiewer Universität ist gegenwärtig ein solcher mit einer Saite, dem Wol- lastonschen Faden, von 2u Dicke versehener Galvanometer vorhanden, der bei 6-8 V. in den Elektromagneten und bei einer Entfernung von 0-5 m äußerst empfindlich ist; der Widerstand der Saite war 3800 Ohm; die Empfindlichkeit, bei der ich arbeitete, war entweder bei 3-5 Amp. in Fig. 1. den Elektromagneten 4-10” oder bei 2-0 Amp. 6-10; mit diesem Instru- ment habe ich die von Piper angestellten Versuche nachgeprüft und dabei folgende Resultate erhalten. Bereits eine aufmerksame Betrachtung der Kurven, die nach der Meinung von Piper „Aktionsströme bei Willkürkontraktion der Unter- 1 Es ist das ganz verständlich, wenn man in Betracht zieht, daß es sich hier um einen der jüngeren Autoren handelt, der seine Bekanntschaft mit der Literatur der Frage aus dem von Professor L. Hermann herausgegebenen Jahresbericht über die Fortschritte der Physiologie geschöpft hat, in welchem alle meine von 1902 bis 1906 inkl. im Journal de Physiologie et de Pathologie generale erschienenen Arbeiten gar nicht referiert sind. Die zweite Arbeit ist sogar nicht einmal aufgeführt, und nur die erste wird als keiner besonderen Erwägung wert hingestellt. (Von den übrigen Arbeiten werden nur die Titel aufgeführt.) Von Herrn Dr. H. Piper, Professor der Physiologie an der Universität Berlin, dürfte man doch wohl eine gründlichere Bekanntschaft mit der Literatur erwarten. 416 S. TscHIRJEW: armflexoren bei 50er Rhythmus der Hauptwellen (in 1 Sek.)“ darstellen sollen, zeigt, daß das nicht regelmäßige rhythmische Kurven, die einem ge- Fig. 3. Fig. 4. wissen Ton entsprechen dürften, sondern unregelmäßig rhythmische Kurven sind, die neben großen auch kleine und dazu noch der Zeit nach mehr oder weniger auseinanderliegende Zacken aufweisen, — mit einem Wort, nicht Ton-, sondern Geräuschkurven. ELEKTRISCHE ERSCHEINUNGEN AM MUSKEL- UND NERVENSYSTEM. 417 In der Tat erhielt ich nach Anlegen von mit gesättigter ZnSo,-Lösung angefüllten trichterförmigen Elektroden mit amalgamierten Zinkstäben auf den besonders hervortretenden M. biceps brachii eines Laboratorium- dieners bei einem willkürlichen Tetanus dieses Muskels eine Pipersche Kurve; doch als ich die Elektroden in querer Richtung auf den Muskel applizierte, erhielt ich zu meiner nicht geringen Verwunderung die gleiche unregelmäßige zicekzackförmige Kurve (Fig. 1, 2, 3 u. 4).! Da bei der queren Anordnung der Elektroden keinerlei hypothetische „Aktionsströme‘ in dieselben gelangen konnten, so konnte folglich die beim willkürlichen Muskeltetanus erhaltene Kurve nicht der Ausdruck der elektrischen Schwankungen des M. biceps brachii sein, sondern mußte einen anderen Ursprung haben. Welches ist nun dieser Ursprung? — Wir wollen untersuchen, welche Prozesse denn beim willkürlichen Tetanus im Muskel erfolgen müssen, damit die Saite des Galvanometers in derartige Schwingungen versetzt werde. ‘Wenn man den frisch mit dem Nerven herausgeschnittenen vollkommen unversehrten M. gastrocnemius des Frosches nimmt, ihn in meinem Myo- skop? befestigt, nachdem man zuvor den Teil db desselben entfernt hat, die unpolarisierbaren Heringschen Elektroden auf die Grenze zwischen oberem und mittlerem Drittel des Muskels quer aufsetzt, so erhält man bei Reizung des Nerven durch die Induktionsströme des E. du Bois- Reymondschen Schlittenapparates mit dem Heringschen Ringe eben solch eine zickzackförmige Kurve, wie die vorerwähnte bei der willkürlichen Kontraktion des M. biceps brachii des Menschen erhaltene, nur daß die Zickzacke derselben kleiner sind als die der Piperschen Kurve (Fig. 5 u. 6). Die Kurven Fig. 7 u. 8 stellen einzelne vom M. gastrocnemius des Frosches bei einzelnen Öffnungsinduktionsschlägen ceteris paribus erhaltene Zuck- ungen dar. Ferner führte ich in die Kette der ersten Spirale einen Bernstein- schen Stromunterbrecher ein und erhielt mit Hilfe desselben seltenere und 1 Die Zeichnung der Saitengalvanometerkurve in der Ruhe (a) ziemlich breit, weil die Saite stark oszillierte. Das Intervall der Zeitkurve gleich 0-2 Sek. Man erhält unter anderem eine solche ziekzackförmige Kurve, wenn man beide Hände in die Zuleitungsgefäße taucht und einen Arm kontrahiert. ?2 Die negative Schwankung des Muskel- und Nervenstromes und ihre Be- deutung. Nachrichten der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. St. Peters- burg 1902. Juni. Bd. XVII. Nr. 1. S. 46—47 (russisch). Vgl. auch: Variation nega- tive du courant musculaire et nerveux et sa signification. Journal de Physiologie et de Pathologie generale. 1902. Sept. Nr. 5 S. 829. Archivf.A.u.Ph. 1913. Physiol. Abtlg. 97 ‘9 31 418 S. TscHIRJEw: regelmäßigere Stromunterbrechungen, und der herausgeschnittene un- versehrte M. gastrocnemius des Frosches gab bei querer Ableitung zum Galvanometer die folgenden Kurven. Kurve Fig. 9! ist bei auf größere > Empfindlichkeit eingestelltem Galvanometer erhalten, während Fig. 10 eine bei weniger empfindlichem Galvanometer aufgezeichnete Kurve darstellt. 1 Es scheint, daß die Kurve 9 aus zwei ganz verschiedenen Teilen besteht: a = ungemein schnelle Widerstandsänderung (s. unten) und 5 = elektrische Potential- änderung. ELEKTRISCHE ERSCHEINUNGEN AM MUSKEL- UND NERVENSYSTEM. 419 Meine Beobachtungen hinsichtlich der Einstellung der Saite in solch einem empfindlichen Galvanometer überzeugten mich bald davon, daß unter anderem die Widerstände in der Kette der Saite eine wesentliche Rolle spielen. Von diesen Beobachtungen ausgehend, stellte ich folgenden Versuch an, derzu einem nicht weniger unerwarteten Resultate führte, Fig. 7. Fig. 8. Ich füllte eine L_I-förmig gebogene Glasröhre, deren innerer Durch- messer 4mm betrug, deren paarige Enden je 25cm und deren unpaariger mittlerer Teil 8 cm lang war, mit gesättigter ZnSO,-Lösung; in die beiden paarigen Schenkel dieser Röhre wurden chemisch reine amalgamierte Zink- 2 420 S. TSCHIRJEW: drähte getaucht. Der eine von ihnen wurde mit Mendelejewschem Kitt am elektromagnetischen Stromunterbrecher befestigt. Wenn dem Widerstand in der Kette der Saite ein Einfluß auf die Ein- stellung derselben zukam, so mußte, nachdem die Kette der Galvanometer- saite gebildet, die obenerwähnte mit ZnSO,-Lösung gefüllte Röhre in die- selbe eingeführt und der eine der die Kette schließenden Zinkdrähte in Vibration versetzt worden, offenbar eine ziekzackförmige Kurve erhalten werden. Der Versuch rechtfertigte vollkommen unsere Erwartungen. Es wurde eine ziekzackförmige Kurve (Fig. 11 u. 12) erhalten. Daß diese Ziekzacke gerade von der Veränderung des Widerstandes und nicht von irgendwelchen sonstigen Ursachen herrührten, dafür spricht die auf Fig. 13 Fig. 10. wiedergegebene Kurve, die nach Aufzeichnung einer gewöhnlichen zick- zackförmigen Linie sodann beim Eintauchen und Herausnehmen des Zinks mit der Hand rechtwinklige Senkungen und Erhebungen beschrieb, wobei die Höhe der Absätze fast der Amplitude der Kurvenzickzacke gleichkam.! Nun war es klar, daß die Pipersche Kurve durchaus keine Auf- zeichnung der „Aktionsströme“ bei der willkürlichen Kon- traktion darstellt, sondern als die den Veränderungen des Widerstandes entsprechende Kurve, oder kurz, als Widerstandskurve des Muskels beim willkürlichen Tetanus aufzufassen: ist. 1 Man kann in die Saitenkette einen metallischen Rheostaten einführen und den Widerstand desselben variieren lassen. ELEKTRISCHE ERSCHEINUNGEN AM MUSKEL- UND NERVENSYSTEM. 421 Somit entsprechen sämtliche Schlußfolgerungen, die Piper aus seinen Kurven ableitet, ebenso wie die Benennung derselben selbst, nicht der Wirklichkeit. Fig. 12. Seitdem erhalte ich beim Tetanus bei in querer Richtung applizierten Elektroden die Widerstandskurven des Muskels völlig unabhängig davon, ob der Muskel hierbei eine negative Schwankung (Aktionsstrom) gibt oder nicht. 422 S. TScHIRJEw: Welchen Ursprungs ist nun diese unregelmäßige Widerstandskurve des sich willkürlich oder künstlich tetanisch kontrahierenden Muskels? — Allgemein bekannt ist das Geräusch des sich willkürlich kontrahieren- den Muskels. Ebenso ist auch bekannt, daß dieses Kontraktionsgeräusch auch in dem Falle vorhanden ist, wenn das Myogramm auch nicht einmal Spuren irgend welcher Schwankungen aufweist, durch die sich das gleich- zeitig im Muskel vorhandene Geräusch erklären läßt. Wollaston, der Entdecker dieses Geräusches, hat gefunden, daß seine Höhe 20-30 Unter- Fig. 13. brechungen in der Sekunde gleichkommt; nach Haughton beträgt die- selbe 32—36, und endlich gelangt Helmholtz, der fand, daß ein Ton von 38—40 Schwingungen in 1 Sekunde den ersten Oberton darstellt, zu der Schlußfolgerung, daß der Grundton des Kontraktionsgeräusches des mensch- lichen Muskels 16—18 Schwingungen in 1 Sekunde aufweist. Später hat er gefunden, daß das Muskelgeräusch bei willkürlicher Kontraktion 36—40 Schwingungen in 1 Sek. entspricht. Hieraus schließt er, daß der Muskel bei der willkürlichen Kontraktion durch die Zellen der Vorderhörner des Rückenmarks die entsprechende Anzahl von Impulsen erhält. Wir lassen hier die Frage, wo denn diese Diskontinuität des Willensimpulses ihren Ursprung nimmt — ob in den Nervenzellen, wo diese Impulse primär ent- stehen, oder beim Passieren der Vorderhornzellen, oder aber in beiden zu- gleich — beiseite und wenden uns der Betrachtung der Muskelinnervation zu. ELEKTRISCHE ERSCHEINUNGEN AM MUSKEL- UND NERVENSYSTEM. 423 Noch E. du Bois-Reymond! war bemüht, auf Grund der damals vorliegenden histologischen Befunde den Charakter der Versorgung der Muskeln mit den Endplatten der motorischen Nerven zu bestimmen. Er hatte dabei das Ziel im Auge, klarzustellen, ob die Muskelkontraktion bei Reizung des Nerven in allen seinen Teilen gleichzeitig erfolgt, oder ob man die Existenz eines bestimmten nervösen Äquators anzunehmen hat, in dem die Erregung aller Endplatten fast gleichzeitig erfolgt und von dem aus die Muskelkontraktionswelle sich nach beiden Seiten über den ganzen Muskel verbreitet. L. Hermann nimmt in seinem Handbuch der Physiologie (T. I, S. 224) im Unterarm des Menschen ‚einen nervösen Äquator etwa an der Grenze zwischen oberem und mittlerem Drittel‘ an, und obschon Hermann diese seine Annahme durch nichts begründete, so fand dieselbe doch allgemein Glauben, und man begann ganz allgemein von einem nervösen Äquator des Muskels zu reden. Wir lassen hier die verschiedenen der jüngsten Zeit angehörenden histologischen „Gesetze“ der Verteilung der Endplatten beiseite — ,„‚Ge- setze‘‘, die mit der physiologischen Rolle der Endplatte nichts zu tun haben — und wenden uns den Tatsachen selbst zu. Prof. A.W.Leontowitsch war so liebenswürdig, mehrere mono- und pleomere Froschmuskeln mit Methylenblau nach seiner Methode zu färben. An diesen Muskeln sehen wir, daß sich die Endplatten über den ganzen Muskel verbreiten. An den Enden des Muskels, 2—1-5 mm und weniger vom Ende desselben entfernt, finden wir vollkommen ausgebildete Endigungen. Diese motorischen Endigungen werden in der Regel in Gruppen in der Nähe von in schräger Richtung quer zum Längsdurchmesser der Muskelfasern ver- laufenden Myelinfasern angetroffen. Ferner zweigen sich des öfteren von diesen Querfasern längs verlaufende Ästchen ab, die auch mehrere Nerven- endigungen an die Muskelfasern abgeben. Folglich sind die Nervenplatten über den ganzen Muskel mit Einschluß seiner beiden Enden verteilt. Wenn wir nun hier eine aus einer älteren Zeit stammende Beobachtung von Reichert? heranziehen, daß im Brusthautmuskel des Frosches die Anzahl der Nervenendisungen zweimal so groß ist als die der Muskelfasern selbst, und auch noch die Tatsache berücksichtigen, daß ich bereits vor fast 35 Jahren wiederholt an einer Muskelfaser der Schlange je 2, 3 und 1 Gesammelte Abhandlungen zur allgemeinen Muskel- und Nervenphysik. Bd. II. 8. 568ff. Leipzig 1877. 2 Archiv für Anatomie. 1851. S. 58. 424 S. TSCHIRJEW: bis zu je 6 bis 7 motorische Nervenendigungen (terminaisons en grappes!) zu beobachten Gelegenheit hatte, so werden wir uns keiner Übertreibung schuldig machen, wenn wir sagen, daß die motorischen Nervenendi- sungen, wie die Beobachtung zeigt, ziemlich gleichmäßig über den ganzen Muskel verteilt sind, wobei an den langen Muskelfasern je 2, 3 und mehr Endigungen angetroffen werden, und daß sie keineswegs auf einem Querschnitt des Muskels angeordnet sind, der infolgedessen als nervöser Äquator desselben zu gelten hätte. Wenn wir ferner in Betracht ziehen, daß die Geschwindigkeit der Fortpflanzung der Erregung in den Nerven etwa um 20mal (wenn wir den von Helmholtz gefundenen größten Wert nehmen) größer ist als in den Muskeln, so erhalten wir, dab dem vom Nerven aus erregten Muskel der Reiz seitens der Endplatten fast gleichzeitig in seinen verschiedenen Teilen mitgeteilt wird. Mit anderen Worten, der seitens des Nervensystems erregte Muskel muß sich in allen seinen Teilen fast gleichzeitig kontrahieren und kann nur solchenfalls seine maximale Kontraktionskraft entwickeln. Ich sage ‚‚fast‘‘, da verschwindend kleine Differenzen bestehen müssen, die von der nervösen Erregung auf das Zurücklegen der Entfernung zwischen den näher und entfernter von der Eintrittsstelle des Nerven in den Muskel gelegenen Nervenendigungen verwendet werden. Hierauf muß die Kontraktion der einzelnen Muskelfasern an einer, oder bei beträchtlicher Länge derselben an mehreren Stellen fast gleich- zeitig erfolgen; die Fasern werden als elastische Körper bei der Kontraktion in Vibration versetzt, wodurch eben ein gewisses musikalisches Geräusch hervorgebracht wird. Als Ausdruck dieses Muskelgeräusches beim will- kürlichen Muskeltetanus dient eben die Kurve des Muskelwiderstandes, die sowohl bei querer als auch bei Längsableitung vom Muskel zum Ein- thovenschen Galvanometer erhalten wird. Daß diese ziekzackförmige Kurve eine gewöhnliche Vibrationskurve und keine elektrische, geschweige denn durch Aktionsströme bedinste Kurve, wie das Piper annimmt, darstellt, das folgt daraus, daß sie bei querer Ableitung vom Muskel er- halten wird. Der Charakter dieser Kurve zeigt, daß die Anzahl dieser ungleichen und daher zu einer regelrechten musikalischen Tonbildung nicht fähigen Zickzacke in der Regel beträchtlich ist; dieselbe beträgt nach Piper bis zu 50 und mehr in 1 Sekunde. Die allerempfindlichsten Apparate hatten bis dahin keinerlei Zick- zacke in den Kurven der tetanischen, insbesondere der willkürlichen Muskel- 1 Sur les terminaisons nerveuses dans les muscles stries. Archives de Physiologie normale et pathologique. 2”° serie. 1879. T. VI. p. 113. ELEKTRISCHE ERSCHEINUNGEN AM MUSKEL- UND NERVENSYSTEM. 425 kontraktion nachgewiesen, und das unstreitige Verdienst Pipers besteht darin, daß er mit Hilfe des Binthovenschen Saitengalvanometers, dieses nicht nur allen möglichen verschwindend kleinen Stromschwankungen, sondern auch allen Widerstandsschwankungen gegenüber höchst empfind- lichen Apparats, die Kurve der Änderung des Muskelwiderstandes ent- deckt hat. Sein Fehler bestand nur darin, daß er, auf der völlig unpräzisen L. Hermannschen Annahme eines „nervösen Äquators‘‘ (vgl. weiter unten), sowie auf verschiedenen „phasischen Aktionsströmen‘‘ usw. fußend, und in völliger Unkenntnis meiner Arbeit über die negative Schwankung des Muskelstromes als Artefakt und nicht als physikalische zwischen zwei physiologischen: der Erregung und der Kontraktion des Muskels stehende Erscheinung, die zickzackförmige Kurve als den Ausdruck der Aktions- ströme des sich kontrahierenden Muskels auffaßte. Indessen ist das, wie sich jetzt herausstellt, die Kurve der Widerstandsänderungen des Muskels, die auch in querer Richtung vom Muskel abgeleitet werden kann. Wenn ferner diese elastische Kurve des sich willkürlich kontra- hierenden menschlichen Muskels nur im Beginn der Kontraktion zur Be- obachtung käme, so würde das zugunsten eines kontinuierlichen Impulses seitens des Rückenmarks sprechen, was ich auch bisher, gestützt auf das Fehlen von irgend welchen Schwankungen, sowohl in den Myogrammen des willkürlichen Tetanus des normalen Menschen!, als auch in den durch künstlichen kontinuierlichen Tetanus hervorgebrachten Myogrammen an- nahm. Jetzt gelange ich zu dem Schlusse, daß unsere Muskeln, und folglich auch die der anderen Tiere, unzweifelhaft bei will- kürlicher und reflektorischer Innervation, wie das auch Piper behauptet, nicht einen kontinuierlichen, sondern einen dis- kontinuierlichen, in der Sekunde 50 und mehr Verstärkungen und Abschwächungen hervorrufenden Impuls erhalten. Ob nun ein solcher diskontinuierlicher Impuls seitens der motorischen Zellen des Rückenmarks der Ausdruck für verschiedene Kategorien einer auf dieselben einwirkenden beständigen Reizung ist — die Lösung dieser Frage bleibt der nächsten Zukunft vorbehalten. Jedenfalls bringt diese Beobachtung doch auch schon jetzt etwas Licht in das Dunkel, daß das feinere tetanische Muskelzittern, das bei Neurasthenikern, sowie bei völlig gesunden Personen mit gut entwickelter Muskulatur beobachtet wird, und ebenso auch die krankhaften Zitterzustände, wie sie z. B. bei Sclerosis disseminata und Paralysis agitans bestehen, umgibt. 1 Journal de Physiologie et de Pathologie generale. 1902. 8. 833. — Vgl. auch Baron E. Maydell: ‚Über kontinuierlichen Tetanus“. Dies Archiv. 1907. Physiol. Abt. Suppl. S. 18. 426 S. TSCHIRJEW: Ferner setzen Piper und andere, wie das auch L. Hermann tut, voraus, daß in jedem Muskel ein ‚‚nervöser Äquator‘‘ vorhanden ist und die Kontraktion des von einem Nerven innervierten Muskels nicht in allen Teilen des letzteren gleichzeitig, sondern nacheinander, beginnend mit dem nervösen Äquator und nach den Enden des Muskels hin fort- schreitend, erfolgt. Die Durchsicht der auf diese fundamentale Frage bezüglichen Lite- ratur hat uns zu unserer nicht geringen Verwunderung keine direkten experimentellen Hinweise in dieser Richtung ergeben. Indessen läßt sich dieselbe durch folgende einfachen Versuche voll- kommen lösen. Nachdem wir den alten Aebyschen Myographen mit der Helmholtzschen Trommel in der von E. du Bois-Reymond angegebenen Konstruktion gebrauchsfertig gemacht, stellten wir die entsprechenden Versuche an den Mm. gastrocnemiü eines großen Frosches an. Im heraus- geschnittenen M. gastrocnemius blieb in der Regel der N. ischiadieus er- halten. Der letztere wurde auf Platinelektroden mit einem Heringschen [4 Fig. 14. Fig. 15. Platinringe gelegt und durch einzelne Induktionsöffnungsschläge gereizt. Der eine (untere) Schreibhebel stützte sich ungefähr auf die Grenze zwischen oberem und mittlerem Drittel des Muskels, d. h. auf den hypothetischen nervösen Äquator von L. Hermann, der andere (obere) auf den kaudalen Teil des Muskels. Die Federn beider Hebel wurden auf einer und der- ELEKTRISCHE ERSCHEINUNGEN AM MUSKEL- UND NERVENSYSTEM. 497 selben vertikalen Linie eingestellt. In einem Falle betrug der Abstand zwischen den Hebeln 18 mm, und zwar wurden gerade in diesem Falle die Kurven Figg. 14 und 15 erhalten; die us u der Trommel war gleich 38 em in 1 Saaıa Fig. 16. Fig. 17. Wie aus den Kurven (Figg. 14 u. 15) ersichtlich, erfolgte die Kon- traktion an beiden Stellen des Muskels fast gleichzeitig. Sodann habe ich die gleichen Versuche am sich willkürlich kontra- hierenden M. biceps brachii des Menschen angestellt. An zwei Stellen dieses Muskels, und zwar entsprechend der Lage des hypothetischen ‚‚ner- vösen Äquators‘“‘ des Muskels und an seinem peripheren Ende, wurden zwei kleine genügend elastische Kautschukballons von gleicher Größe 428 S. TSCHIRJEw: befestigt und durch enge Kautschukröhrchen mit zwei kleinen Marey- schen Trommeln von gleichen Dimensionen verbunden, die vertikal auf- gestellt waren und deren Hebel sich in der Horizontalebene bewegten. Leider ließen sich dieselben nicht näher als auf 35—40 mm aneinanderrücken. In der gleichen Entfernung von denselben wurde ein Jacquetscher Zeit- markierer aufgestellt, der 0,2 Sekunden vermerkte. Die Trommel (Baltzar Fig. 18. Fig. 19. und Schmidt) drehte sich in horizontaler Richtung mit einer Geschwindig- keit von 26em in 1 Sekunde (Fieg. 16 u. 17). Anfänglich wurden die Federn beider Mareyschen Trommeln auf einer zur Bewegungsrichtung senkrechten Linie eingestellt, was durch Verrücken der großen Trommel nach der einen oder anderen Seite längs ihrer Achse kontrolliert wurde. Einige Kurven wurden mit der Mareyschen Trommel bei einer Um- drehungsgeschwindigkeit von 28cm in 1 Sekunde erhalten; die Resultate waren die gleichen (vgl. Figs. 18 u. 19). ELEKTRISCHE ERSCHEINUNGEN AM MUSKEL- UND NERVENSYSTEM. 429 Aus diesen Kurven folst, daß sich der M. biceps brachii bei willkürlicher Innervation am hypothetischen „nervösen Äqua- tor“ und am peripheren Ende des Muskels fast gleichzeitig kontrahiert. Und anders konnte es ja auch gar nicht sein! — Was würde daraus entstehen, wenn sich die Muskeln bei der willkürlichen Kon- traktion nicht in allen ihren Teilen gleichzeitig kontrahieren würden, sondern die Kontraktion an einer Stelle, sagen wir dem hypothetischen „nervösen Äquator‘“ beginnen und sich von hier aus nach beiden Enden hin fortpflanzen würde? — Die Muskeln wären dann ja der Möglichkeit beraubt, den vollen mechanischen, ihrer maximalen Kontraktionsenergie entsprechenden Effekt hervorzubringen. Ferner meinen wir bewiesen zu haben, daß vollkommen lebende, “unverletzte und daher keinerlei bestimmte elektrische Unter- schiede aufweisende Muskeln bei ihrer infolge der Reizung ihrer Nerven eintretenden vollständigen Kontraktion auch keine bestimmten elektrischen Potentialdifferenzen aufweisen.! Also tritt im sich kontrahierenden Muskel gar keine Differenz des elek- trischen Potentials, bzw. nach Hermann des ‚Aktionsstromes‘“ auf, und das elektrische Gleichgewicht des Körpers wird durch den Akt der will- kürlichen Kontraktion irgend eines Muskels nicht gestört. Wenn der Muskel auf irgend welche Weise verletzt ist, so wird anfänglich im Ruhe- zustande des Muskels an der Verletzungsstelle ein konstanter Strom er- halten, der bei den Warmblütern und beim Menschen sogar schwächer zu sein pflegt, als der vom Froschmuskel erhaltene. Dieser Strom ist nur durch die Verletzungsstelle selbst bedingt — es ist das, um die Hermann- sche Ausdrucksweise zu gebrauchen, der Demarkationsstrom. Wenn wir einen lebenden Muskel quer durchschneiden und sodann unpolarisierbare Elektroden applizieren, und zwar die eine auf die Oberfläche des Quer- schnittes, die andere auf verschiedene Stellen der Längsoberfläche, so erhalten wir Ströme von fast gleicher Kraft. „Deux £lectrodes s’appli- querent ä deux sections symetriques transversales d’un muscle d’une struc- ture normale, ayant la difference de potentiel &gale & un O; ä& peine une des &lectrodes fut-elle transmise & la surface longitudinale que la difference de potentiel devint maxima: 0Y-023, 0°-04, 0Y-05, et la translation sui- 1 Variation negative du courant musculaire et nerveux et sa signification. Journal de Physiologie et de Pathologie generale. 1902. Sept. Nr. 5. 8. 829. (Diese meine Arbeit ist in dem von L. Hermann herausgegebenen Jahresbericht über die Fortschritte der Physiologie, Bd. XI, 1902, nicht einmal aufgeführt.) Vgl. auch: Proprietes electromotrices des muscles et des nerfs. Ebenda. Juli. Nr. 4. 430 S. TscHIRJEw: vante de cette Electrode vers l’equateur du muscle n’augmenta cette diffe- rence que tres peu.‘! Wenn man nun die Elektroden auf den Äquator der Längsoberfläche und auf das Zentrum des Querschnitts setzt, so erhält man einen kon- stanten Strom, den sogenannten eigenen Muskelstrom. Reizt man aber den Muskel vom Nerven aus, so tritt anfangs eine gewisse negative Schwan- kung auf. Welchen Ursprungs ist nun diese letztere? Wenn wir aus dem Froschkörper zwei Mm. gastroenemii mit den Nerven exzidieren?, ihre peripheren Enden quer beschneiden, den einen Muskel im Myoskop befestigen, den anderen gegen das Eintrocknen schützen und nun den ersteren vom Nerven aus alle 5Minuten reizen und dabei jedes- mal die Größe der negativen Schwankung des Muskels messen, so finden wir, daß dieselbe nach einiger Zeit äußerst geringfügig geworden ist: 0”-001 oder 0Y-0005. Wenn wir nun den anderen mit dem ersteren gleich- namigen Muskel, der die ganze Zeit über unter einer Glasglocke aufbewahrt wurde, nehmen, so finden wir, daß seine negative Schwankung ebenfalls geringfügig ist, „mais tous les deux continuent de donner un courant propre a peu pres egal et de se contracter comme auparavant“. Das Anlegen neuer Schnitte verstärkte wieder die negative Schwan- kung, die nach einiger Zeit wieder fiel. Folglich spielte hier nicht das Ab- sterben des des Blutumlaufs beraubten Muskels, sondern eine gewisse Rigidität der Querschnittschicht eine Rolle. Die rigiden Partikeln dieser Schicht änderten ihre Lage bei der Kontraktion des Muskels schon nicht mehr in dem Grade wie früher, weshalb die Oberfläche weniger elektro- negativ wurde Daß die negative Schwankung des Muskelstromes ein molekulärer, rein physikalischer Prozeß ist, das geht schon aus der Schnellig- keit hervor, mit der er auftreten und verschwinden kann. Somit ist zu erwarten, daß die negative Schwankung gleichzeitig mit der Kontraktion des Muskels erfolgen muß. Und in der Tat wird das durch die in der Arbeit von Baron E. Maydell? aufgeführten Kurven bewiesen. Die Zeichnungen stellen myographische Kurven von im Zu- stande des kontinuierlichen Tetanus befindlichen Muskeln unter gleich- zeitiger Wiedergabe ihrer negativen Schwankung dar, und wir sehen, daß die myographischen Kurven gleichzeitig mit denen der negativen Schwan- kung ansteigen. Nur auf Fig. 7 (Taf. VI) steigt die Kurve der negativen 1 Journal de Physiologie et de Pathologie generale. 1902. S. 611. ?2 Journ. de Physiol. et de Pathol. gener. 1902. p. 829—830. ® A.a. O. Taf. VI, Figg. 2, 8 u. 8a. ELEKTRISCHE ERSCHEINUNGEN AM MUSKEL- UND NERVENSYSTEM. 431 Schwankung etwas früher an. Wir wissen sehr gut, daß es seit den Zeiten von Helmholtz und A. v. Bezold in der Wissenschaft allgemein an- erkannt ist, daß der Kontraktion eine negative Schwankung voraufgeht. Wir selbst haben in einer unserer Arbeiten eine Zeichnung aufgeführt! ; auf welcher der Einzelzuckung des Muskels eine Steigung der elektro- metrischen Kurve voraufgeht. Doch erscheint dieses gegenseitige Verhält- nis der Kurven nicht als etwas Beständiges, sondern man ist bemüht, solche Kurven auszuwählen, die mehr für die Demonstration der betreffenden Erscheinung geeignet sind. In diesem Sinne hat man auch die Worte von Baron E. Maydell?: „Sie (die Kurve der negativen Schwankung) nimmt ihren Anfang stets um einiges früher als die Muskelkontraktions- kurve,‘“ zu verstehen, der nichtsdestoweniger vier der besten Abbildungen aufführt, von denen nur auf einer die Kurve der negativen Schwankung um einiges früher ihren Anfang nimmt. Zweitens kommt, — wenn der künstliche Ursprung der negativen Schwankung oder des Aktionsstromes bei der Kontraktion des verwundeten Muskels schon bewiesen ist, — wenn bereits nachgewiesen worden, daß „tandis que les contractions tetaniques (des gastrocnemiens detaches de la grenouille 16s6s et non 1&ses) ont cess6 et que les courbes myographiques descendent rapidement, les courbes Electrometriques de la variation nega- tive demeurent sur la m@me hauteur (figg. 16 et 17) et m&me montent encore (figg. 18 et 19), pour descendre ensuite avec lenteur‘ und daß ‚‚la variation negative du courant musculaire et la contraction musculaire ne dependent nullement l’une de l’autre et que les deux procedes sont provoques par I& troisieme — l’exeitation du muscle. Ainsi que le pro- cessus physiologigue de l’irritation du muscle est accompagne du pro- cessus, physiologique aussi, de la contraction musculaire et provoque dans les muscles leses... le phenomene purement physique de la variation negative‘‘3 — kurz, wenn der Beweis dafür erbracht ist, daß zwischen der Kontraktionskurve des verletzten Muskels und der Kurve seiner negativen Schwankung gar kein ursächlicher Zusammen- hang besteht, — dem präzisen Zusammenfallen beider Kurven doch wohl nicht mehr solch eine prinzipielle Bedeutung zu. Es dürfte nicht uninteressant sein, hier eine Zeichnung aufzuführen, die mit dem auf große Empfindlichkeit eingestellten Einthovenschen 1 Journal de Physiologie et de Pathologie generale. 1905. Juillet. No.4. p. 595. Taf. VIII. Fig. 4. EA 2.0. 8.21. 3 Journal de Physiologie et de Pathologie generale. 1905. Juillet. No.4.p.596—599. Figg. 8, 13—19. Vgl. gleichfalls Baron E. Maydell, a. a. O. 8. 21. 432 S. TSCcHIRJEw: Galvanometer erhalten wurde. DieselbestammtvomM. gastro- cnemius des Frosches. Der Muskel wurde im Myoskop befestigt; die unpolarisierbaren Elektroden mit Tonerde auf die obere Hälfte des Muskels quer zu seinem Längsdurch- messer appliziert (obere Kurve, Fig. 20); die zweite Kurve ist die myographische; die dritte die Reizungskurve des Muskel- nerven (zur Reizung wurde die Heringsche Schlinge benutzt) bei Reizung mit zur maxi- malen Muskelkontraktion ge- rade nur genügend starken In- duktionsströmen (Bernstein- scher Stromunterbrecher); die vierte die Zeitkurve (0-2 Sek.). Hier ist das gegenseitige Verhältnis der beiden Kurven lehrreich: auf der (oberen) Kurve des elektrischen Zu- standes des. Muskels haben wir gerade im Moment des Auf- hörens der Kontraktion des Muskels (d) ein Ansteigen (ce) und sodann ein äußerst lang- sames Sinken. Ferner weist die obere Kurve des Saiten- galvanometers, die die Schwan- kungen des elektrischen Zu- standes des Muskels, und unter anderem auch die von der Änderung des Muskelwider- standesdes abhängigen, zum Ausdruck bringt, anfänglich, solange die Reizung andauert (a), eine regelmäßige zickzack- ELEKTRISCHE ERSCHEINUNGEN AM MUSKEL- UND NERVENSYSTEM. 483 förmige Linie auf, worauf sie schnell eine gewisse Höhe erreicht und fort- fährt, allmählich zu steigen, um sich auch noch während des Fallens der myographischen Kurve weiter zu erheben. Dieses allmähliche Ansteigen der elektrometrischen Muskelkurve im Moment des Beginnes des Sinkens der myographischen ist hier noch klarer ausgeprägt als auf meinen Zeichnungen aus dem Jahre 1906, die mit Hilfe des Lippmannschen Kapillarelektrometers erhalten wurden. Es sind mehrere solcher Kurven erhalten worden. Hier muß bemerkt werden, daß der Frosch, der den ganzen Winter im Aquarium zugebracht hatte, recht abgemagert war. Einer von den Anhängern Pipers — Hoffmann! — ist bemüht gewesen, beim Hervorrufen des Patellar- und Achillessehnenreflexes beim Menschen die Zeit zu bestimmen, die zwischen „Reiz“ und „Beginn der Muskelreaktion‘“ verfloß, wobei er unter dem ersteren das Anklopfen mit dem Perkussionshammer auf die Sehne, und unter dem letzteren den Besinn ‚„doppelphasischen Aktionsstromes“ verstand. Er erhielt auf solche Weise einen Zeitraum von 0,019-—-0,024 Sek., was bei weitem nicht den von ihm aufgeführten Kurven entspricht (S. 58, Fig. 25), und berech- nete hieraus: die Latenzperiode der Erregung der „Sinnesorgane“, das Leitvermögen der sensiblen und motorischen Nerven für einen Reiz, die Dauer des Passierens der Erregung durch das Rückenmark und endlich die Latenzperiode der Muskelkontraktion, wobei er für die Geschwindig- keit der Fortleitung der Erregung in den Nerven nicht die früheren klas- sischen Bestimmungen, wie z. B. die allgemein anerkannten Helmholtz- schen (30—60 m in 1’), sondern die neuen Zahlen von Piper (120 m in 1”) annimmt und im übrigen, auf eine Reihe von ebenso willkürlichen Annahmen gestützt, zu dem Schlusse gelangt, daß sein „Beginn der Muskelreaktion“ der mechanischen Muskelkontraktion voraufgeht. Mit anderen Worten, daß seine mit Hilfe des Saitengalvanometers bei der Kontraktion erhaltene Kurve der Ausdruck der der Kontraktion selbst voraufgehenden Schwan- kungen (Aktionsströme) ist. Indessen sind von mir im Jahre 1878, also vor fast 35 Jahren, auf den Vorschlag des verstorbenen C. Westphal zuerst Versuche im damals gerade neuerbauten und -eingerichteten E. du Bois-Reymondschen Laboratorium angestellt worden, durch die bezweckt wurde, den Ursprung des damals eben erst zur Beobachtung gelangten „Kniephänomens“ aufzu- klären, und ich war der erste, der die reflektorische Natur desselben nachwies.? 1 H. Piper, Hlektrophysiologie der menschlichen Muskeln. 1912. S. 56—61. 2 Über Ursprung und Bedeutung des Kniephänomens. C. Westphals Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 1878. Bd. VIII. S. 689—712. Archivf.A.u. Ph. 1913. Physiol. Abtlg. 98 "31 "Te 434 S. TSCHIRJEW: Piper sagt, daß Hoffmann aus dem Grunde diese Untersuchung aufgenommen hat, weil ‚die Methode früher an (gewissen) Mängeln litt“, und zwar an Mängeln „der mechanischen Registrierung der Muskel- kontraktion“, und daß er jetzt mit Hilfe des Saitengalvanometers präzise ‚den Beginn der elektro- motorischen Reaktion des Mus- kels‘“ registriert. Erstens finde ich, wenn ich meine Arbeit und die der folgen- den Autoren durchsehe, daß der Vorwurf der Unzulänglichkeit der Methodik durchaus unver- dient ist. Zweitens wissen wir jetzt, daß die von Hoffmann re- gistrierte Kurve gar nicht „den Beginn der elektromotorischen Reaktion des Muskels“‘, sondern dieSchwankungen desWider- standes bei der Kontraktion dar- stellt. Drittens — und das ist die Hauptsache! — ist es völlig fehler- haft zu glauben, man könne auf Grund von vollkommen willkür- lichen Berechnungen des Latenz- stadiums der Sinnesorgane, des zur Fortleitung des Reizes durch die sensiblen und motorischen Nerven und zur Fortleitung der Erregung im Rückenmark er- forderlichen Zeitraumes usw. fest- stellen, ob der Beginn dieser Widerstandskurve des Mus- kels gleichzeitig mit dem Beginn der Kontraktionskurve oder früher eintritt. Wenn das mitunter ge- schieht, so doch nur aus Mangel an besseren Methoden. Zum Glück läßt sich die Frage, ob die Kurve der Veränderungen des Muskelwiderstandes (die Pipersche Kurve) bei der willkürlichen oder einer beliebigen anderen ELEKTRISCHE ERSCHEINUNGEN AM MUSKEL- UND NERVENSYSTEM. 435 Kontraktion gleichzeitig mit der myographischen auftritt oder nicht, durch folgenden Versuch entscheiden, der eine direkte Antwort auf diese Frage gibt. Auf den M. biceps brachii eines Menschen werden zwei trichterförmige, unpolarisierbare Elektroden in querer Richtung und zwischen ihnen ein kleiner genügend elastischer Kautschukballon appliziert. Die Elektroden werden mit dem Saitengalvanometer, der Ballon mit einem Mareyschen Polygraphen von genügender Empfindlichkeit verbunden. Die Galvano- metersaite und der Schreibhebel werden auf eine horizontale Spalte der Fig. 22. mit photographischem Papier versehenen Trommel projiziert. Der Muskel kontrahiert sich willkürlich. Die hierbei erhaltenen Kurven sind auf Figg. 21 und 22 wiedergegeben. Aus diesem Photogramm ist klar ersichtlich, daß beide Kurven fast gleichzeitig erhalten werden. Und das ist ja auch voll- kommen verständlich, da die vom Galvanometer registrierte Kurve eben gerade während und nicht vor der Muskelkontraktion erhalten wird. Nun wollen wir zur Umwertung derjenigen ‚Werte‘ übergehen, mit denen die modernen Physiologen operieren. Wir wollen zuerst untersuchen, wie sich denn die Mehrzahl der Autoren die Muskelkontraktion unter dem Einfluß der nervösen Erregung vorstellt. Eine dominierende Stellung nimmt die vor 30 Jahren von L. Her- mann aufgestellte Hypothese ein. 28* 436 S. TSCHIRJEW: Auf Seite 213 des ersten Teiles seines oben erwähnten Handbuches der Physiologie ist auf einer Zeichnung ein regelmäßig gebauter Muskel mit seinem Nerven dargestellt. Auf Grund dieser Zeichnung gelangt L. Hermann zu seinem „zweiphasischen Aktionsstrom‘‘ bei nur einer einzigen Erregung des Nerven (siehe Fig. 23). Hier bedeutet MM — Muskel, N — Nerv; die Pfeile 1 und 1 zeigen Riehtung und Stärke des ‚‚atterminalen“ und 2 und 2 die Richtung und Stärke des „abterminalen Aktionsstromes“ an. L. Hermann stellt sich die Sache in folgender Weise vor. Wenn sich die Erregung durch den motorischen Nerven N zum Muskel M—M fortpflanzt, so durchlaufen den Muskel, falls derselbe unverletzt ist, schnell Fig. 23. zuerst der „atterminale“ und sodann der ‚abterminale‘‘ Aktionsstrom. Da die „Erregungswelle“ bei der Fortpflanzung im Muskel in der Längs- richtung nach Bernstein allmählich schwächer wird (vgl. weiter unten), so resultiert hieraus eben ein gewisses „Dekrement‘‘, durch das ein Über- wiegen des atterminalen Aktionsstromes über den abterminalen bestimmt wird, so daß schließlich bei jeder einzelnen Reizung des Nerven ein gering- fügiger und beim Muskeltetanus ein stärkerer atterminaler Aktionsstrom erhalten werden kann. Wenn der Muskel an seinem Ende verletzt ist, so verliert er die Fähig- keit, die atterminale Welle zu reflektieren und in eine abterminale zu verwandeln. Auf solche Weise ist L. Hermann bemüht, das Auftreten des attermi- nalen Aktionsstromes zu erklären. Wenn aber hierbei nichts auftritt, so wird das durch das völlige Fehlen des Dekrements der Welle erklärt. Nun wollen wir zusehen, ob denn alles das auch im Bereich der Mös- lichkeit liegt. ELEKTRISCHE ERSCHEINUNGEN AM MUSKEL- UND NERVENSYSTEM. 437 Nach dem Schema wird angenommen, daß in jedem regelrecht ge- bauten Muskel ein nervöser Äquator vorhanden ist und daß derselbe un- gefähr im mittleren Querschnitt des Muskels liest. Wir haben gesehen, daß diese beiden Sätze Hermanns vollkommen willkürlich aufgestellt sind und den Tatsachen widersprechen. Wenn ferner die Erregung durch den Nerven den Muskel erreicht, so müßte in diesem Moment ein abterminaler Strom (a) auftreten, und wenn die Erregung das Ende des Muskels erreicht, ein zweiter, attermi- naler (b); und schließlich müßte sich, wenn die Erregung vom Ende des Muskels wieder zum Nerven reflektiert worden, in demselben ein dritter, und zwar wieder abterminaler Strom (c) bilden. Wenn also der Muskel vollkommen lebenstätig und unverletzt ist und keinerlei Dekre- ment der Welle aufweist, so muß derselbe bei der Kontraktion keinen zweiphasischen, sondern einen dreiphasischen und schließlich einen starken abterminalen Strom geben. Wenn nun der Muskel un- verletzt ist, aber ein beträchtliches Dekrement der Welle aufweist, so kann er einen allerdings schwächeren, immerhin aber abterminalen Aktionsstrom geben. Folglich erhält man etwas völlig dem Entgegengesetztes, was in Wirklichkeit und z. B. auch in meinen Versuchen! zur Beobachtung gelangt, wo ich bei künstlicher Tetanisierung des völlig unversehrten und keinen eigenen Strom gebenden Muskels keinerlei negative Schwankung, keinerlei Unterschied in den elektrischen Potentialen des Endes und der Mitte des Muskels erhielt. Somit ist L. Hermann gar nicht imstande, das Fehlen irgend eines Stromes im lebenden, sich kontrahierenden Muskel zu erklären. Wenn ferner der Muskel am Ende verletzt ist und einen atterminalen Strom gibt, so muß im Moment, wo die Erregung den Muskel gerade er- reicht, in ihm der atterminale Strom verschwinden und, wenn die Erregung das Ende des Muskels erreicht, in ihm wieder ein atterminaler Strom entstehen. Folglich muß ein solcher Muskel, der einen atterminalen Strom bei seiner Kontraktion aufweist, denselben überhaupt nicht ändern; in Wirklichkeit erfolgt aber eine Verminderung seines Stromes in Form einer negativen Schwankung. 1 Proprietes electromotr. des muscles et des nerfs. Journal de Physiologie et de Pathologie generale. 1902. Juillet. No.4. Vgl. auch: ‚Variation negative du cou- rant musculaire et nerveux et sa signification. Ebenda. 1902. Sept. Nr. 5. Hier muß bemerkt werden, daß nur die erstgenannte Arbeit mit einigen Worten im Jahres- bericht über die Fortschritte der Physiologie, Bd. XI, 1902, erwähnt wird. 438 S. TScHIRJEW: Wenn ferner der verletzte Muskel ein gewisses ‚„‚Dekrement‘‘ der Welle aufweist, so muß er auch wieder denselben atterminalen Strom wie früher geben, nur daß derselbe etwas schwächer sein wird, was auch wieder den Tatsachen widerspricht. Daß die erregte Stelle des Muskels sich der im Ruhezustande be- findlichen gegenüber elektronegativ verhält und daß die Erregungswelle, wenn sie in der Längsrichtung des Muskels verläuft, abnimmt — diese beiden Sätze hat L. Hermann bei J. Bernstein entlehnt. Was den ersten Satz anbelangt, so sagt J. Bernstein!: „Im allgemeinen können wir zuvörderst (!) aus dem gewonnenen Ergebnis den Satz ableiten: Jedes Element der Muskelfaser vollzieht erst den Prozeß der negativen Schwankung, bevor es in den Zustand der Kon- traktion eintritt“. | Hiervon ausgehend, stellt L. Hermann auf S. 209 seines Hand- buches der Physiologie? schon einfach den folgenden Satz auf: „Jeder Muskelpunkt verhält sich also (?!) negativ gegen jeden ruhen- den.‘ Doch weder der eine noch der andere hat, soweit mir bekannt, zu- gunsten dieses Kardinalsatzes experimentelle Beweise angeführt. Ferner fand J. Bernstein, daß die Amplitude der Erregungswelle in Muskeln kuraresierter Tiere, welche zudem ihrer Blutzirkulation be- raubt und infolgedessen beträchtlich abgestorben waren, abnimmt. Hier- aus schließt Hermann, daß auch überhaupt in verletzten, jedoch nicht ihrer Nerven beraubten Muskeln, die Amplitude der Erregungswelle fällt. Sodann nimmt er noch an, daß die Welle nicht von der Peripherie reflek- tiert wird, wie das im unverwundeten Muskel geschieht. Kurz, er stellt eine Menge von Hypothesen auf, auf denen er sodann als auf Tatsachen fußt, und dann wird alles das in vollem Umfange auf so kompliziert ge- baute Muskeln übertragen, wie der M. gastrocnemius. Folglich sehen wir, daß ursprünglich alle Hermannschen Erklärungen des zweiphasischen Aktionsstromes bloße hypothetische Voraussetzungen waren und sich nicht auf Tatsachen gründeten. Eigentlich begann man ja erst seit der Einführung des Einthovenschen Saitengalvanometers in die physio- logische Praxis Kurven zu erhalten, welche offenbar den „doppelsinnigen phasischen Aktionsstrom“ bei der Muskelerregung rechtfertisten. Doch im vorigen Jahre erschien bereits eine Erwiderung seitens eines * Untersuchungen über den Erregungsvorgang im Nerven- und Muskelsystem. Heidelberg 1871. S. 60. ® Bd. I. Leipzig 1879. ELEKTRISCHE ERSCHEINUNGEN AM MUSKEL- UND NERVENSYSTEM. 439 Anhängers von Hermann, Professor N. Cybulski!, welcher sich mit der Bestimmung der Einwirkungsbedingsungen der verschiedenen Saiten- spannungen des Einthovenschen Galvanometers, sowie mit dem Ein- fluß der verschiedenen Stärke und Dauer des Schließungsstromes auf den Charakter der von der Saite erzielten einphasischen oder zweiphasischen Schwankung beschäftigte.? Um die Aktionsströme an den Muskeln des Menschen zu beobachten, stellt Hermann, sich auf das Beispiel E. du Bois-Reymonds berufend, Versuche an, welche er auf S. 224 seines Handbuchs der Physiologie (Teil I) beschreibt. Er leitet einfach den Unterarm des Menschen vermittelst zweier mit ZnSO,-Lösung getränkter dieker baumwollener Seile zum Galvano- meter ab, indem. er das eine auf den hypothetischen nervösen Äquator des Unterarms, das andere auf die Peripherie des letzteren appliziert, legt sodann auf den Plexus brachialis unter der Achselhöhle zwei Elektroden an und bringst nun vermittelst des Bernsteinschen Differentialrheo- toms die Muskeln des Unterarms zur Kontraktion; dabei erhält er: „Stets ... einen doppelsinnigen Aktionsstrom, zuerst atterminal, dann abterminal.“ Hier ist erstens keinerlei Ähnlichkeit mit der Versuchsanordnung von E. du Bois-Reymond? vorhanden, denn der letztere stellte nur nebenbei Versuche am Menschen an, und seine Versuchsanordnung war außerdem ungleich wissenschaftlicher; er war bemüht, den Einfluß von Nebenströmen zu vermeiden, indem er beide Arme in entgegengesetzter Richtung einführte und erst nach Erzielung eines gewissen Gleichgewichts einen M. biceps brachii zu willkürlicher Kontraktion brachte. Zweitens würde die von Hermann mivgeteilte Wirkung nie erreicht werden, wenn keine Verbreitung der Schließungsströme über den ganzen Arm stattfände. Schon allein die Idee, derartige Versuche anzustellen und ihre Dar- legung in einem gediegenen Handbuche muß unwissenschaftlich genannt werden. Schließlich könnte man drittens, wenn jeder unserer Muskeln und jeder Nerv von Isolatoren umgeben wäre, vielleicht noch bei deren Erregung 1 Les courants electriques dans les muscles. Archivesinternationales de Physiologie. 1912. Vol. XI. — Elektrische Ströme in tätigen Muskeln, deren Charakter und Eigen- schaften. Zxtrait du Bulletin de l’ Academie des Sciences de Cracovie. 1912. p. 484ff. 2 Unter anderem steht‘ in dieser Arbeit von N. Cybulski auf S. 471 oben ein Satz, welcher die wissenschaftliche Tätigkeit Hermanns charakterisiert, näm- lich: ‚Es ist bemerkenswert, daß alles das, was gegen die Hermannsche Theorie spricht, immer gänzlich verschwiegen wurde“. 3 Untersuchungen. 1860. Bd. II. 2. Abt. S. 367. Berlin. 440 S. TSCHIRJEW: verschiedene Aktionsströme voraussetzen; da wir aber im Körper keinerlei derartige Isolatoren kennen — alle Weichteile gehören im Gegenteil zu den Halbleitern, die von ungefähr 0-75 Proz. NaCl-Lösung durchtränkt sind — so muß schon aus diesem Grunde von jeder derartigen Hypothese über Aktionsströme abgesehen werden. Was entstände denn andernfalls, d.h. wenn jeder tätige Muskel einen Aktionsstrom aufwiese, der unver- meidlich alle benachbarten Muskeln und Nerven erregen müßte? Und in der Tat, wenn man nach Narkotisierung durch subkutane Ätherinjektion oder auf andere Weise die Haut von den unteren Extremi- täten eines Frosches und Kaninchens ablöst, so kann man die mit dem empfindlich eingestellten Einthovenschen Saitengalvano- meter verbundenen unpolarisierbaren Elektroden auf ver- schiedene Muskeln der Extremitäten und Glutäalregionen- sowohl im Ruhe-, als auch im Kontraktionszustande der- selben applizieren, ohne daß irgendwelche merkliche Ab- weichungen der Saite hierbei zur Beobachtung gelangen, die Piperschen Schwankungen natürlich ausgenommen. Wir gehen nun zur Betrachtung der nervösen Leiter über. Niemand bestreitet, daß die unverletzten und nicht aus dem Körper herausgeschnit- tenen, sondern nur bloßgelesten Nerven keinerlei Potentialdifferenzen auf- weisen. Wenn man aber die Nervenfaser durchschneidet, oder sie über- haupt verletzt, so wird sich die Endschnittfläche oder die Verletzungsstelle des Nerven zu seiner Längsoberfläche elektronegativ verhalten. In einer meiner Arbeiten! sage ich: „Le nerf sciatigue de lapin entre- coupe, cicatrisee per primam intentionem, ne donna ... aucune difference electrique: les Electrodes appliguees & la coupe transversale (cicatrisee per prim. intent.) et & la surface longitudinale du nerf, ne montrent aucune difference de potentiel Electrique.“ Hieraus folgt, daß der Nerv, der sich nach einer in seiner Durchschnei- dung bestehenden Verletzung beruhigt und eine gewisse Strecke weit ab- stirbt, gleichfalls einen in elektromotorischer Hinsicht indifferenten Ab- schnitt ergibt. | ' Hinsichtlich der natürlichen Nervenendigungen läßt sich behaupten, daß sie gleichfalls indifferent sind. Was nun den bekannten E. du Bois- Reymondschen Versuch mit dem exzidierten Auge (Schleie) anbelangt, so entspricht derselbe vollkommen meinem Versuche mit dem vernarbten 1 Proprietes electromotrices ete. Journal de Physiologie et de Pathologie generale. 1902. Juillet. No. 4. p. 611 u. 612. ELEKTRISCHE ERSCHEINUNGEN AM MUSKEL- UND NERVENSYSTEM. 441 und wieder aus dem Körper herausgeschnittenen Kaninchennerven!, und ebenso wie der E. du Bois-Reymondsche Versuch die elektromotorische Indifferenz des Auges, d. h. der natürlichen Endigungen des n. opticus dar- tut, beweist mein Versuch die des vernarbten Endes des N. ischiadicus des Kaninchens.. L. Hermann hat gezeigt?, daß: „der unversehrte Augapfel gegen den Opticusstamm, wenn man sich vom Querschnitt fernhält, voll- kommen stromlos ist“. Ferner folgt nach Hermann, dab bei der Reizung des Nerven sein in Erregung versetzter Teil sich dem in Ruhe befindlichen gegenüber elektro- negativ verhält und diese Erregung sich im Nerven als Aktionsstromwelle fortpflanzt. Erstens hat aber L. Hermann dieses keineswegs bewiesen. Zweitens beruft er sich unbegründeterweise auf J. Bernstein und dessen Versuche mit dem Differentialrheotom.? Diese Untersuchungen des genannten For- schers hinsichtlich der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Erregung im Nerven bestanden außer in verschiedenen theoretischen Erwägungen in einfacher Wiederholung der Helmholtzschen Versuche, nur mit dem Unterschiede, daß als Kriterium nicht die Muskelkontraktion, sondern die negative Schwankung des beschnittenen Nervenendes diente. J. Bern- stein hätte ja viel einfacher den Nerven an einem Ende reizen und irgendwo in der Mitte desselben mit dem Differentialrheotom den Durchgang der Welle der negativen Schwankung bestimmen können — um so mehr, als der Apparat genügend empfindlich war. Bernstein hat das aber nicht getan. Ferner ist es üblich, daß man sich auf eben denselben J. Bernstein beruft, als hätte er die wellenförmige Fortleitung der Erregung im Nerven bewiesen. Das ist wiederum nicht richtig: nichts dergleichen folgt unmittel- bar aus den Bernsteinschen Versuchen, und es ist das eine völlig fehlerhafte Vorstellung von der sich im Nerven und im Muskel und überhaupt im tierischen Gewebe fortpflanzenden Erregung. | Meiner Meinung nach pflanzt sich die Erregung in Nerv und Muskel per contiguitatem durch einen rein molekulären Pro- zeß fort, ohne von irgend welchem nach außen hin wirken- 1 Proprietes electromotrices ete. Journal de Physiologie et de Pathologie generale. 1902. Juillet. No. 4. p. 611. ®2 Handbuch der Physiologie. Teil I. S. 146 u. 147. 3 Untersuchungen über den Erregungsvorgang usw. 8. 18ff. 442 S. TScHIRJEw: den, geschweige denn elektrischen Prozesse begleitet zu werden. In der Tat spricht dagegen, daß diese Erregung sich in Form einer negativen oder positiven Schwankung (Aktionsstrom) fortpflanzt, schon eins der Grundgesetze der Fortleitung der Erregung in den Nerven, welches der Tierphysiologie angehört — ich meine das Gesetz der isolierten Fort- leitung der Erregung. Wollte man sich auf den Standpunkt von Bern- stein, Hermann und der Mehrzahl der modernen Physiologen stellen, so müßte man ja dieses Gesetz ablehnen, denn die Fortpflanzung der Welle der negativen (oder positiven) Schwankung durch eine Nervenfibrille, durch ein Nervenfäserchen in den Grenzen einer Nervenfaser oder sogar eines Nervenstammes würde alle Nervenfäserchen der in Frage kommen- den Nervenfaser oder des Nervenstammes in Erregungszustand versetzen, und das Gesetz der isolierten Fortleitung wäre nicht denkbar. Eine nicht geringere Verwirrung bringt die gleiche Annahme einer negativen (oder positiven) elektrischen Schwankung in den Nervenzellen mit sich! In meiner unter anderem auch die Lösung dieser Frage anbahnen- den Arbeit! sage ich: ‚„L’application des pinceaux des electrodes impolari- sables soit. en des points symetriques des deux hemispheres, soit en deux points d’un seul et m&me hemisphere du cerveau donnait au commence- ment des deviations 0°-001, 0Y-002 et m&me parfois 0Y-003, mais sans aucune soumission aux lois par rapport & la force et & la direction des courants electriqgues: une seule et m&me combinaison des points, prise ä divers mo- ments, donnait des differences &lectriques diverses pour la direction et la force‘ (p. 677); „plus tard — toute l’experience a dure une heure envi- ron les differences electriques ... se sont terminees par les differences 0”-001, 0Y-0005.“ Und ferner: bei den verschiedenartigsten Erregungen, wie z. B. akustischen, Licht-, Schmerz- und starken elektrischen Erregungen „nous n’avons obtenu aucune variation de differences electriques du cer- veau, particulierement celles qui rappelassent les variations negatives“... (Ebenda.) Die Exstirpation irgend eines kleinen Teiles der Hirnrinde ergab un- verzüglich einen konstanten elektrischen Strom (0Y-008—0Y-016), der von der unversehrten zur verletzten Hirnoberfläche ging, ‚et toutes les ex- citations possibles ... restaient sans aucune influence sur le courant elec- trique‘“ (p. 678). ! Proprietes electromotrices du cerveau et du coeur. Journal de Physiologie et de Pathologie generale. 1904. Juillet. No. 4. p. 671. ELEKTRISCHE ERSCHEINUNGEN AM MUSKEL- UND NERVENSYSTEM. 443 « Und wiederum zeigt folgende allgemeine Erwägung die ganze Unzu- länglichkeit derartiger Voraussetzungen. Erstens kennen wir keinerlei jede einzelne Zelle umgebenden Elektroisolatoren. Folglich müßte eine Schwankung des elektrischen Potentials jeder Zelle alle benachbarten Zellen erregen, weshalb keine isolierte Erregung möglich wäre. Ich meiner- seits behaupte ja in derselben Arbeit (S. 674): „‚si ’on admettait que l’acti- vite de chaque cellule nerveuse se manifestait par des variations ou des decharges electriques non isolees, comment cela pourrait-il avoir lieu sur une surface aussi circonscrite que celle de la moelle allongee de la grenouille qui renferme une si grande masse de cellules de toute sorte!“ Wenden wir uns jetzt dem Herzen, einem Muskelorgan, zu. A. D. Waller! erhielt, indem er zwei ungefähr zu beiden Seiten der Grenze zwischen den Vorhöfen und Ventrikeln des Herzens gelegene Punkte der Brust mit den Enden des Lippmannschen Kapillarelektrometers verband, ein Elektro- kardiogsramm des menschlichen Herzens. Allerdings waren die Schwan- kungen der Kurve sehr gering. Ich versuchte mit Hilfe des Kapillarelektrometers Schwankungen bei einem unverletzten und nicht herausgeschnittenen Froschherzen zu erzielen. Es resultierten Schwankungen, welche kaum über 0°-0005, 0°-0007 (a. a. O. 5. 680) hinausgingen. Späterhin erhielt ich ein Elektrokardiosramm der Kontraktionen eines unverwundeten und nicht herausgeschnittenen Froschherzens.?2 Auf diesem Kardiogramm sind zweierlei Schwankungen zu vermerken, welche den Kontraktionen der Vorhöfe und des Ventrikels entsprechen und wiederum 0”-0002—0'-0004 (Fig. 29, X a. a. O.) nicht übersteigen. Nun erhält W. Einthoven? eben solch ein Elektrogramm des mensch- lichen Herzens, nimmt aber, sich mit den geringen Amplituden desselben nicht zufriedengebend, an: ‚,‚que pour les courbes de l’electrometre ca- pillaire, obtenues immediatement, <=n5s peut &tre admise comme con- stante‘‘* und erhält auf diese Weise eine Formel, nach welcher er das wirk- liche, nur verschwindend kleine Schwankungen aufweisende Elektrogramm 1 A demonstration on Man of electromotion changes accompanying the hart’s beat. Journal of Physiology. 1887. Vol. VIII. p. 229. 2 Photogrammes des courbes &lectrometriques des muscles et du coeur en contraction. Journal de Physiologie et de Pathologie generale. 1905. Juillet. No.4. p.599. 3 Pflügers Archiv für die gesamte Physiologie. Bd. LVI (1894), Bd. LX (1895), Bd. LXXIX (1900) und Bd. LXXX (1900). 4 L’electrometre capillaire de M. Lippmann. Journal de Physiologie et de Pathologie generale. 1906. Sept. No. 5. p. 838. 444 S. TSCHIRJEw: des menschlichen Herzens in ein hypothetisches mit, besonders was die erste anbelangt, riesigen Schwankungen umrechnet. Gestützt auf die Au- torität meines verehrten Kollegen Susloff, Professor der Mechanik an der Kiewer Universität, habe ich ihm die ganze Unhaltbarkeit seiner An- nahmen dargetan, eine Reihe von Elektrometerkurven für verschiedene elektrische Potentialdifferenzen angeführt und bewiesen, daß = nicht für verschiedene Potentialdifferenzen, sondern sogar für ein und dieselbe Po- tentialdifferenz durchaus nicht beständig ist usw. Dessen ungeachtet hat W.Einthoven mir nichts erwidert, und die Forderung, die experimentell erhaltenen Kurven des Elektrometers an der Hand der Formel «=ns in die hypothetischen umzurechnen, wurde aufrecht erhalten. Bald darauf erfand W. Einthoven seinen äußerst empfindlichen Saitengalvanometer! und erhielt, indem er entweder beide Hände oder einzelne Finger beider Hände mit den Enden desselben verband, eine Herz- schlagkurve, welche derjenigen hypothetischen Kurve ähnlich war, die aus dem mit Hilfe des Kapillarelektrometers erhaltenen Herzelektrogramm berechnet wurde. Die Leichtigkeit, mit welcher man solche Kardiogramme erhalten kann, besonders wenn man den Enden des Galvanometers die Form von großen mit ZnSO,-Lösung gefüllten Gefäßen gibt, in welche man einfach die Hände, einzelne Finger, Hundepfoten usw. taucht, nahm viele für sich ein und lenkte die Aufmerksamkeit vom Wesen der Sache. Die Möglichkeit, eine Pipersche Kurve auch bei querer Ableitung vom M. biceps br. des Menschen zu erhalten, ließ mich auf den Ursprung des Einthovenschen Kardiogramms unter einem anderen Gesichtswinkel blicken. In der Tat ist es gewissermaßen schwer verständlich, daß die durch die Herzkontraktion in der Brust des Menschen hervorgerufenen elektrischen Schwankungen, die auf ihrem Wege zu den Händen eine Menge von Elektro- lyten antreffen, welche für sie Nebenketten bilden, — die Finger mit solch einer Intensität erreichen sollten. Da der Saitengalvanometer zugleich auch ein den geringsten Widerstandsschwankungen in der Saitenkette gegenüber höchst empfindlicher Apparat ist, so kam mir eben der Gedanke, ob nicht das Einthovensche Kardiogramm etwa die durch die Herztätig- keit bedingte Kurve der Widerstandsveränderung in der Brust des Men- schen ist. 1 Die Konstruktion des Saitengalvanometers. Pflügers Archiv für die ge- samte Physiologie. Bd. CXXX, S. 287; außerdem vgl. Bd. CXX, S. 31, Bd. CXXH 8. 517 und die folgenden Bände bis Bd. 150 S. 289. ELEKTRISCHE ERSCHEINUNGEN AM MUSKEL- UND NERVENSYSTEM. 445 Die Verwendung von gewöhnlichen unpolarisierbaren mit Tonerde versehenen Elektroden (ca. 6000 Ohm) schwächt ja das Elektrokardiogramm bereits beträchtlich ab. Gewöhnlich wird letzteres beim Eintauchen der Hände oder sämtlicher Finger in geräumige mit gesättigter ZnSO,-Lösung angefüllte Gefäße erhalten; viel schlechter — mit Hilfe der Piperschen Elektroden, oder wenn die Verbindung mit solchen Gefäßen mit Hilfe der Hermannschen Seile hergestellt ist. Kurz, die gleichen Verbindungen, mit deren Hilfe die Piperschen Kurven der Widerstandsschwankungen von sich willkürlich kontrahierenden menschlichen Muskeln erhalten werden, ergeben auch Schwankungen, die vom Herzen in der menschlichen Brust hervorgerufen werden. Schließlich ist die Form des Kardiogramms auch von der Methode der Ableitung I, II und III abhängig, besonders aber die erste Schwankung dieser Kurve, die durch die erstaunliche Amplitude der doppelphasischen Ablenkung auffällt, und zwar beginnt sie bei Ab- leitung I mit einer großen positiven Ablenkung, nach welcher eine negative und dann fast unmittelbar eine zweite viel geringere positive erfolgt. Bei Ableitung III hingegen beginnt sie als kleinere negative Ablenkung, worauf eine stärkere positive erfolgt und die Kurve erst eine horizontale Linie und dann eine geringfügige positive Steigung zeichnet. In der ersten schnellen Steigung sieht W. Einthoven ja gerade den großen Vorzug der Beweglichkeit der Saite seines neuen Galvanometers, die es gestattet, alle Änderungen des elektrischen Potentials in der Kette zu verfolgen. Und jetzt, wo wir gezeigt haben, daß die Piperschen Schwankungen der Aktionsströme der sich willkürlich kontrahierenden Muskeln nichts anderes sind, als durch Änderungen des Muskelwiderstandes bedingte Schwan- kungen des elektrischen Potentials, möge uns gestattet sein, zu behaupten, daß die in der geschlossenen Kette der mit den Fingern des Menschen ver- bundenen Saite des Einthovenschen Galvanometers auftretenden Ver- änderungen nicht von dem sich unmittelbar ändernden elek- trischen Potential des in der Brust schlagenden Herzens, sondern vom Widerstande herrühren, der sich in Abhängig- keit von der Herzkontraktion in so scharf ausgeprägter Weise ändert. Endlich kann ich hier eine meiner Arbeiten!, die prinzipiell äußerst wichtig erscheint, die aber vom Jahresbericht über die Fortschritte der Physiologie Jahrg. 1903 ebenfalls mit Stillschweigen übergangen worden ist, nicht unerwähnt lassen. Es ist dort nur der Titel der Arbeit angeführt, 1 Laquelle des hypotheses de l’electrotonus des nerfs est vraie? Journal de Physiologie et de Pathologie generale. 1903. Mai. No. 3. p. 469—480. 446 S. TscHIRJEWw: ohne daß irgend ein Referat über dieselbe Platz gefunden hätte, weshalb sogar in solehen neuen Handbüchern der Physiologie, wie z. B. die deutsche Ausgabe der Lucianischen Physiologie des Menschen, die Matteuei- Hermannsche Hypothese des nervösen Elektrotonus als die am meisten wahrscheinliche zitiert wird. Indessen habe ich bereits im Jahre 1903 den ganzen tiefgreifenden Unterschied zwischen den am elektrotonisierten lebenden Nerven zur Beobachtung gelangenden Erscheinungen und dem Hermannschen Schema aufgedeckt. Ich habe gezeigt, daß während nach einer 5 Minuten währenden Elektrotonisation des Nerven der Zeiger des Galvanometers sich allmählich auf 0 einstellt, nach einer gleichfalls 5 Minuten lang ausgeführten Elektrotonisation des oben erwähnten Schemas hingegen der Zeiger schnell über den Nullpunkt der Skala hinaus nach der entgegengesetzten Seite abweicht, um erst dann allmählich auf 0 zurück- zukehren. Somit war es klar, daß im Hermannschen Schema das Hindurchleiten des Stromes im Laufe von 5 Minuten nur eine innere negative Polarisation hervorruft, während im lebenden Nerven daraus eine Elektrotonisation des Nerven im Sinne der E. du Bois-Reymondschen Hypothese resul- tiert. Bezüglich der Details verweise ich auf meine oben zitierte Arbeit. Wenn wir nun alles oben Gesagte zusammenfassen, so erhalten wir folgende Schlußfolgerungen: 1. Die unversehrten Muskeln und Nerven weisen weder im Ruhe- zustande, noch bei der Muskelkontraktion und Nervenerregung irgend welche erhebliche und bestimmte Potentialdifferenzen auf. 2. Der konstante elektrische Strom, der bei der Verletzung des Muskels oder Nerven vom unverletzten zum verletzten Bereich in der Kette erhalten wird und bald nach der Verletzung des Muskels zur Beobachtung gelanst, erleidet bei der Muskelkontraktion und Nervenerregung eine negative Schwankung. 3. Dieser konstante Strom rührt von der verletzten Stelle selbst her, und die negative (oder positive) Schwankung desselben ist ein rein physi- kalischer Prozeß und nicht ein Zwischenstadium (Bindeglied) zwischen zwei physiologischen: Erregung und Kontraktion bzw. Fortleitung der Erregung im Nerven. 4. Die von sich willkürlich kontrahierenden Muskeln erhaltene Piper- sche ziekzackförmige Kurve ist nicht der Ausdruck von Aktionsströmen, sondern ist die Kurve der Änderung des Muskelwiderstandes, da sie in gleichem Grade auch bei der Ableitung vom Muskel in querer Richtung erhalten wird. ELEKTRISCHE ERSCHEINUNGEN AM MUSKEL- UND NERVENSYSTEM. 447 5. Die Pipersche Kurve bei querer Ableitung vom Muskel und das von demselben Querschnitt des Muskels bei seiner willkürlichen Kontraktion erhaltene Myogramm beginnen gleichzeitig. 6. Es existiert kein nervöser Äquator im Muskel, und die motorischen Endplatten sind über den ganzen Muskel, die Enden desselben nicht aus- genommen, verteilt, weshalb sich die Muskeln sowohl bei der willkürlichen, als auch bei der mit Hilfe der Reizung des Nerven erhaltenen Kontraktion in allen ihren Teilen gleichzeitig kontrahieren. 7. Das unverletzte Zentralnervensystem zeigt keinerlei elektromo- torische Eigenschaften; die Reizung der peripheren Sinnesorgane ergibt in ihm und speziell in den entsprechenden Zentren keine elektromotorischen Eitekte. Die Reizung der sensiblen Nerven ruft mitunter einen elektro- motorischen mit der Reizung nicht zusammenfallenden und die letztere augenscheinlich überdauernden Effekt hervor, der augenscheinlich von der veränderten Blutfüllung der Gefäße der Hirnrinde abhängt. 8. Die verletzten Stellen der Hirnrinde verhalten sich elektronegativ zu den unversehrten, wobei die Potentialdifferenz geringer zu sein pflegt, als die der verletzten Froschnerven. Die Reizung der peripheren Sinnes- organe bleibt entweder ohne jeden Effekt, oder ruft nach einiger Zeit einen die Reizung überdauernden Fifekt von deutlich vasomotorischem Charakter hervor. 9. Das nicht aus dem Körper herausgeschnittene und völlig unversehrte Herz ergibt ein Kardiogramm mit verschwindend kleinen Amplituden; hingegen ist das beim Ableiten zum Einthovenschen Galvanometer er- haltene Kardiogsramm, insbesondere die Amplitude der ersten doppel- phasischen äußerst schnellen Ablenkung vorzugsweise durch die Änderung des durch das sich in der Brust kontrahierende Herz hervorgerufenen Widerstandes bedingt. 11. Das Matteuci-Hermannsche Schema des Elektrotonus des Nerven kann vor einer experimentellen Kritik nicht bestehen, ganz ab- gesehen von der völligen Unanwendbarkeit desselben auf die Nerven; hin- gegen erscheint die E. du Bois-Reymondsche Hypothese fürs erste als die allein mögliche. 11. Es existiert ein prinzipieller Unterschied zwischen physikalischen und physiologischen Prozessen, und bei präziser Beobachtung gibt es keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen beiden. 12. Von dem Momente an, wo sich die lebende Materie, die Zelle, bildet, ist sie der Schauplatz lebendiger Kräfte, physiologischer Prozesse. Ebenso wie wir nicht lebende Materie aus den sie bildenden Elementen 448 S. TscHIRJEW: ELEKTRISCHE ERSCHEINUNGEN USW. darzustellen vermögen, sind wir auch nicht imstande, einen physiologischen Prozeß aus seinen physikalisch-chemischen Komponenten zu schaffen. Physiologie ist also nicht Physik des tierischen Organismus. Zum Schlusse ist es mir eine angenehme Pflicht, meinem Nachfolger auf dem Lehrstuhl der Physiologie an der Kiewer Universität, Herrn Prof. .W. J. Tschagowetz, für die mir in überaus liebenswürdiger Weise zur Verfügung gestellten Hilfsmittel des Laboratoriums, sowie den Herren Prosektor Dr. Baron E. Maydell und Dr. S. Samkow für ihre Hilfe bei der Ausführung dieser Versuche meinen aufrichtigen Dank auszusprechen. Kiew, Mai 1913. Die Aktionsströme der Netzhaut bei Reizung | mit homogenen Lichtern. Von . Alessandro Brossa und Arnt Kohlrausch, ‘ Assistenten am Institut. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Berlin.) Die Untersuchung der Netzhautströme hat dadurch ihren besonderen Wert, daß sie es ermöglicht, einen objektiv nachweisbaren, meßbaren und in seinem zeitlichen Ablauf zu verfolgenden Prozeß, der als Begleiterschei- nung des Sehakts auftritt, in seiner Abhängiskeit von den physikalischen Reizen zu studieren. Wir sind dadurch in den Stand gesetzt, die Gesetze über die Abhängiskeit von Reiz und Reizerfolg, die an der Hand der sub- jektiven Gesichtsempfindungen des Menschen gewonnen sind, vergleichend physiologisch mit Hilfe physikalischer Messungen weiter zu verfolgen. Bisher ist es gelungen, zwar die Reizintensität quantitativ mit den Aktions- stromgrößen bis zu einem gewissen Grade in Beziehung zu setzen. Da- gegen ist bislang die Frage ohne Erfolg bearbeitet, ob sich die qualitativen Unterschiede der einwirkenden Lichter auch in qualitativen Verschieden- heiten des Aktionsstromverlaufs würden auffinden lassen. Nach den neueren mit schnell reagierenden Meßinstrumenten ausge- führten Untersuchungen von Waller!, Gotch?, v. Brücke und Garten}, Einthoven und Jolly* und Piper? ist der allgemeine Typus des Aktions- stroms am Frosch folgender: Zwischen Beginn der Reizung und Einsetzen des Stroms vergeht ein Stadium der Latenz, dann folgt nach einem kurzen, nicht regelmäßig vorhandenen negativen Vorschlag das erste rasche An- 1 Waller, Die Kennzeichen des Lebens vom Standpunkte elektrischer Unter- suchungen. Übers. Berlin 1905. 8.38. 2 Goteh, Journal of physiolog. 1903. Bd.XXIX. 8.388; 1904. Bd. XXXT. 8.1. 3 v. Brücke und Garten, Pflügers Archiv. 1907.: Bd. CXX. S. 290. * Einthoven und Jolly, Quart. journ. exp. physiology. 1908. Bd.I. 8. 373. 5 Piper, Dies Archiv. 1911. 8. 85. Archivf. A.u.Ph. 1913. Physiol. Abtlg. 29 450 ÄLESSANDRO BROSSA UND ARNT KOHLRAUSCH: wachsen des Stroms (positive Eintrittsschwankung)!, dann steigt er nach einer geringen flachen Senkung bei längerer Belichtung zunächst rasch, dann langsam weiter an und erreicht nach 30 bis 50 Sekunden Be- lichtung seinen Maximalwert, der die positive Eintrittsschwankung um das dreifache an Höhe überragen kann (sekundäre Erhebung). Auf diesem Wert bleibt der Strom bei weiterer Belichtung konstant stehen. Nach Ver- dunkelung folgt abermals auf ein Latenzstadium ein positiver Ausschlag (Verdunkelungsausschlag) und dann kehrt der Strom erst schnell, dann langsam zu dem Ruhestromwert zurück. Nach den Untersuchungen von v. Brücke und Garten? und Piper? ist bei allen Wirbeltieren dieser Typus im wesentlichen wiederzufinden, doch bestehen gewisse Abweichungen in einzelnen Teilen der Stromkurve und bezüglich ihres zeitlichen Ablaufs. Wenn man nun auf qualitative Unterschiede der Lichtwirkung aus- geht und diese in den Aktionsströmen aufzufinden sucht, so hat man Diffe- renzen im zeitlichen Ablauf, in der Größe oder im Größenverhältnis der einzelnen Ausschläge bei verschiedenfarbiger Belichtung ins Auge zu fassen. Da die recht umfangreiche Literatur über die Aktionsströme des Auges bereits in mehreren Arbeiten? vollständig zusammengestellt ist, wollen wir hier nur die Befunde besprechen, die in direkter Beziehung zu unserer Arbeit stehen, also sich auf Farbenuntersuchungen erstrecken. Solange man an der Hand der Aktionsströme verschiedenfarbige Lichter in ihrer Wirkung auf das Tierauge untersucht hat, hat man gesehen, daß sie sich bezüglich der Größe ihres photoelektrischen Effektes voneinander unterscheiden. Dewar und M’Kendrik® und später Waller® erhielten am Frosch, Chatin” an Krustaceen, Insekten und Mollusken stets die größten Ausschläge der Galvanometernadel mit gelbem Licht, geringere mit grünem, die schwächsten mit blauem und rotem. Zu den Versuchen wurden zum Teil farbige Reizlichter benutzt, die durch Lichtfilter hergestellt waren. Die Filter lassen jedoch im Gelb noch viel Orange und Grün mit hindurch, so daß ein so gewonnenes Gelb nicht einem reinen Spektralgelb entspricht. 1 Wir haben die von v. Brücke und Garten a. a.0. eingeführte Nomenklatur für die einzelnen Stromschwankungen übernommen. AN ENO: EIERN * Siehe Piper, Dies Archiv. 1905. Physiol. Abtlg. Suppl. 8.133; 1911. 8.85; v. Brücke und Garten, a.a.O.; Einthoven und Jolly, a.a.0.; vgl. auch Trendelenburg, Ergebnisse der Physiol. 1911. 11. Jahrg. 8.1. 5 Dewar und M’Kendrik, Transact. Royal. Soc. Edinburg. 1876. V. XXVI. S. 154-553. 6 Waller, a.a. ©. S. 46. ? Chatin, Compt. rend. de l’ Acad. des Sciences. 1880. T. XC. p. 41. ÄKTIONSSTRÖME DER NETZHAUT BEI REIZUNG MIT HOMOGENEM LicHTt. 451 Endgültig wurde die quantitative photoelektrische Wirkung der ver- schiedenfarbigen Lichter auf das Froschauge erst durch Himstedt und Nagel! festgestellt. Sie benutzten zur Reizung die homogenen Lichter des Gaslicht-Dispersionsspektrums in der Intensität, die diese bei einer bestimmten Spaltbreite in dem Spektrum tatsächlich besitzen. Sie be- lichteten das Auge nacheinander mit einer Reihe verschiedener homogener Strahlen, die durch einen Spalt aus dem Spektrum ausgeschnitten waren, trugen die abgelesenen Galvanometerwerte als Funktion der Wellenlänge in ein Koordinatensystem ein und stellten durch die so konstruierten Kurven für das Froschauge die Verteilung der photoelektrischen Reizwerte in einem bestimmten Spektrum fest. Am dunkeladaptierten Auge lag bei schwachen Lichtreizen der Gipfel der Reizwertkurve bei 544 uu, am helladaptierten Auge und bei starken Reizen bei 590 um. Aus der Ähnlichkeit dieser Reiz- wertverteilung am Dunkel- und Hellfrosch mit der des dunkel- bzw. hell- adaptierten menschlichen Auges ziehen Himstedt und Nagel unter An- wendung der „Duplizitätstheorie“ den Schluß, daß sie am Dunkelauge mit schwachen Reizen die Stäbchen, am Hellauge mit starken Reizen die Zapfen der Froschnetzhaut in Erregung versetzt haben. Im Anschluß an diese Versuche hat später Piper? zunächst am Auge eines Cephalopoden, Eledone Moschata, die Verteilung der Reizwerte im Nernstlieht-Dispersionsspektrum untersucht und das Maximum der photo- elektrischen Reizwerte im Blaugrün (ca. 500 vu) gefunden. Das Eledone- auge ist also für die im Meer vorherrschenden blaugrünen Lichtstrahlen maximal empfindlich. Außerdem sind die Cephalopodenaugen noch von besonderem Interesse. Ihre sehr einfach gebaute Netzhaut zeigt gegen- über dem Vertebratenauge eine umgekehrte Lagerung der analogen Schichten. Die allein vorhandenen lichtperzipierenden Stäbchen liegen nach dem Bulbusinnern zu, und die nervösen Bestandteile schließen sich skleralwärts an und sind nicht wie bei der Wirbeltiernetzhaut nach dem Bulbuszentrum zu übergelagert. Dementsprechend ist die Richtung des Dunkel- und Aktions- stroms die umgekehrte wie am Vertebratenauge. Ferner entspricht dem einfachen Bau des Cephalopodenauges ein ganz besonders einfacher Aktions- stromverlauf.® In derselben Arbeit hat Piper* die Reizwertverteilung an hell- und dunkeladaptierten Fröschen bestimmt und die Befunde von Himstedt und Nagel? bestätigt. ! Himstedt und Nagel, Berichte der Naturforschenden Gesellschaft, Frei- burg i. B..:1901. Bd. XI. S. 153. ? Piper, Dies Archiv. 1904. Physiol. Abtlg. S. 453 —474. 3 Siehe Piper, Ebenda. 1911. Physiol. Abtlg. 8.115. * Piper, Ebenda. 1904. Physiol. Abtlg. S. 453—474. > Himstedt und Nagel, a. a. O. 29% 452 ALESSANDRO BROSSA UND ARNT KOHLRAUSCH: Später untersuchte Piper! die Augen von Tag- und Nachtvögeln und Säugetieren bezüglich der Reizwertverteilung im Nernstlicht-Dispersions- spektrum. Er fand, daß das Stäbehenauge der Nachtvögel einer wesent- lichen Empfindlichkeitszunahme bei Dunkelaufenthalt fähig ist, und maxi- male Empfindlichkeit für dieselben Wellenlängen besitzt, wie das dunkel- adaptierte Menschen- und Froschauge. Das Zapfenauge der Tagvögel da- gegen zeigt eine relativ geringe Empfindlichkeitszunahme bei Dunkel- aufenthalt und die Reizwertverteilung im Spektrum stimmt überein mit der des Menschen- und Froschauges unter den Bedingungen der Helladaption. Für das Säugerauge ließ sich außer einem Fall stets nur die für das Stäb- chensehen charakteristische Reizwertverteilung unter den Bedingungen der Hell- wie Dunkeladaption finden. Daß es ihm nicht gelungen ist, am Säuger- auge die Zapfenfunktion nachzuweisen, erklärt Piper? dadurch, daß man bei dem großen Übergewicht der Stäbchenzahl auch im Hellauge vorwiegend die in den Stäbchen entstehenden Aktionsströme ableitet. Als erster hat Gotch? mit dem Kapillarelektrometer genauere An- gaben über den zeitlichen Ablauf und die Form des ganzen Aktionsstroms gemacht. Seine mit dem Gitterspektrum des Bogenlichts am Kapillar- elektrometer erhobenen Befunde stehen bezüglich der Reizwertverteilung zum Teil nicht im Einklang mit den oben geschilderten Untersuchungen. Gotch* fand am Frosch auffallend hohe Reizwerte bei rotem Licht; sie waren fast ebenso stark wie bei grünem und beide nur wenig kleiner, als die von unzerlegtem weißen Licht; dagegen waren die Reizwerte bei Blau- violett wesentlich geringer (Grün 0-54, Rot 0-38, Violett 0-24 Millivolt). Diese Differenz gegenüber den anderen Untersuchungen erklärt Gotch aus der Anwendung des Kapillarelektrometers. Ferner beobachtete Gotch?°, daß der Verdunkelungsausschlag mit der Dauer und der Intensität der voraus- gegangenen Belichtung größer wird. Nach Blauviolett sah er ihn nur nach einer Belichtung von mindestens 8 Sekunden auftreten. Gotchfand, daß die Latenz der Eintrittsschwankung mit der Temperatur und mit der Natur des Lichtes variiert. Bei rotem Licht sah er die längsten Latenzen (0-3”), etwas kürzere bei Violett (0-25’), die kürzesten bei Grün und Weiß (0-2); die Verdunkelungslatenz betrug unabhängig von der voraufgegangenen Farbe konstant 0-2”. Gotch macht jedoch in seiner Arbeit keine Angaben über die Wellenlänge der benutzten Reizlichter, und aus seiner Beschreibung 1 Piper, Dies Archiv. 1905. Physiol. Abtlg. Suppl. S. 133—192. ®2 Derselbe, Ebenda. 1905. Suppl. S. 186. 3 Gotch, Journal of physiolog. 1903. Vol. XXIX. p. 388. * Derselbe, Ebenda. 1904. Vol. XXXI p.14—15. 24. 28. > Derselbesara.,0r 9210: ÄAKTIONSSTRÖME DER NETZHAUT BEI REIZUNG MIT HOMOGENEM LicHT. 453 ist nicht zu ersehen, ob er die Intensität der Lichter irgendwie ausgeglichen hat. Seine Schlußfolgerung, die Befunde sprächen im Sinn der Young- Helmholtzschen Farbentheorie, wird daher von Piper!und von v. Brücke und Garten? nicht als zulänglich begründet bezeichnet. Waller? und nach ihm de Haas? suchten die Frage aufzuklären, ob verschiedene Farben, speziell Komplementärfarben, eine qualitativ ver- schiedene Wirkung auf die Froschnetzhaut ausüben. Sie fanden, daß bei allen Farben die Aktionsstromrichtung die gleiche ist, und daß das durch eine bestimmte Farbe übermäßig gereizte Auge auch für die Komplementär- farbe wie für alle anderen Farben die gleiche Ermüdung, d. h. Abschwächung der photoelektrischen Wirkung zeigt. de Haas vermutet nach dieser Tat- sache, das Froschauge sei total farbenblind. Ishihara® erhielt bei abwechselnder Belichtung des Froschauges mit teils für den Menschen dureh heterochrome Photometrie in ihrer Hellig- keit ausgeglichenen, besonders aber mit elektromotorisch gleich wirksamen roten und grünen. Lichtern Resultate, die er im Sinne der von Exner® vertretenen Anschauungen über die spezifischen Empfindungen des Ge- sichtssinnes für Veränderungen verwertet. Einthoven und Jolly” betonen in ihrer Arbeit, in der sie die Ent- stehung des komplizierten Verlaufs des Aktionsstroms durch Superposition von mehreren Teilströmen erklären, daß sie bei Belichtung des Auges mit verschiedenen Spektralfarben keine Formverschiedenheiten der Aktions- stromkurven beobachtet haben. Die Frage nach der quantitativ verschiedenen Wirkung der Spektral- lichter auf die Aktionsströme der Tiernetzhaut ist demnach bis zu einem gewissen Grade geklärt und von Himstedt und Nagel und von Piper im Sinne der Duplizitätstheorie beantwortet. Die Aufgabe, diese Unter- suchungen mit dem Saitengalvanometer zu ergänzen, besonders aber quali- tative Unterschiede im elektromotorischen Effekt der homogenen Lichter nachzuweisen, haben wir auf Anregung von Herrn Professor Piper im folgenden gemeinsam unternommen. Es bestand also im wesentlichen die bi pen,)ara. 0, 1905. ;S. 138. 2 vw. Brücke und Garten, a.a. O. 8. 302—303. 3 Waller, Kennzeichen d. Lebens vom Standpunkte elektr. Unters. Übersetzung. Berlin 1905. S. 46. * de Haas, Lichtprikkels en Retinastroomen in hun quantitatief verband. Dissertation. Leiden 1902. S. 69. ° Ishihara, Pflügers Archiv. Bd. CXIV. 8. 598ff. 6 Exner, Psychische Erscheinungen. 1894. S. 185ff. ” Einthoven und Jolly, Quarterly Journal of experimental Physiologie. 1909. Bd.I. Nr.4. Kapitel III, 3. 454 ALESSANDRO BROSSA UND ARNT KOHLRAUSCH: Aufgabe darin, zu untersuchen, ob bei Belichtung mit verschiedenen homo- genen Spektrallichtern Unterschiede im zeitlichen Verlauf des abgeleiteten Aktionsstroms bzw. in der Form der Stromkurve zu finden wären. Methodik. Die hier mitgeteilten Versuche wurden ausschließlich an lebenden, kuraresierten, vollkommen dunkeladaptierten Fröschen angestellt, deren Pupillen durch Atropineinträuflung gelähmt waren. Als Lichtreiz dienten. die homogenen Lichter eines Nernstlicht-Dispersionsspektrums und die Aktionsströme wurden zum großen Einthovenschen Saitengalvanometer abgeleitet und photographisch registriert. Der Spektralapparat ist vor einem Jahr speziell für derartige Versuche am Tier nach den Angaben von Herrn Professor Piper von der Firma Schmidt & Haentsch gebaut. Er besteht aus Kollimatorrohr, Prisma und Fernrohr, aber diese drei Teile sind dem vorliegenden Zweck entsprechend von besonderer Kon- struktion, die hier etwas näher beschrieben werden muß. Das Kollimator- rohr K (Fig. 1) ist rechtwinklig abgeknickt und trägt an der Knickstelle noch ein seitliches Ansatzrohr M, so daß im ganzen ein T-förmiges Rohr- system entsteht. Am Fußpunkte des T-Rohres befindet sich der Kollimator- spalt $,. An der Ansatzstelle des Querschenkels sind zwei rechtwinklig zueinander geneigte Silberspiegel Sp, und Sp, derart angebracht, daß das vom Spalt $, kommende Licht nach beiden Seiten in die Querschenkel des T-Rohres reflektiert wir. Das vom Spiegel Sp, kommende Licht trifft am Ende des 7T-Rohres unter einem Winkel von 45° auf den Spiegel Sp, und wird auf die linke Seite des vor der Registriertrommel R befindlichen schmalen horizontalen Spaltes geworfen, wo es auf dem rotierenden photo- graphischen Papierstreifen während der Dauer der Belichtung des Auges eine schwarze Linie markiert. Vom Spiegel Sp, trifft das divergierende Strahlenbündel zunächst auf eine Bikonvexlinse Z,, in deren Brennpunkt der Kollimatorspalt $, bzw. sein Bild im Spiegel $p, steht. Das durch die Linse parallel gemachte Strahlenbündel tritt in das Prisma P ein, wird zer- legt, und die Objektivlinse Z, entwirft am Ende des Fernrohres F in der Ebene des Okularspaltes S, ein Spektrum, aus dem der Okularspalt die als Reizlicht benutzte Wellenlänge ausschneidet. Die Einrichtung der Versuche macht es erforderlich, daß nicht wie bei den gewöhnlichen Spektralapparaten die verschiedenen Wellenlängen durch Drehung des Kollimator- oder Fernrohres auf den Okularspalt ein- ÄAXKTIONSSTRÖME DER NETZHAUT BEI REIZUNG MIT HOMOGENEM LicHT. 455 gestellt werden. Die beiden Rohre mußten vollkommen feststehen bleiben und waren in ihrer Stellung durch besondere Stützen fixiert. Um ver- schiedene Wellenlängen nach Belieben auf den Okularspalt einstellen zu Bie.ıl. Versuchsanordnung. Sa Saitengalvanometer mit seiner Projektionslampe B; K, P und 7 Spektralapparat mit seiner Nernstlampe N; A Versuchstier in der feuchten Kammer; R photographischer Registrierapparat mit Zeitschreibung Z. (Die Einzelheiten der optischen Einrichtung siehe im Text.) 456 ÄLESSANDRO BROSSA UND ARNT KOHLRAUSCH: können, wurde ein Prisma P besonderer Konstruktion auf dem Tisch des Spektralapparates drehbar montiert. Es besteht aus einem rechtwinkligen Crownglas und zwei angekitteten sym- metrischen Flintglasprismen (schraffiert Fig. 1), mit andern Worten, aus einem geteilten Dispersionsprisma symmetri- scher Konstruktion, in das eine spie- gelnde Fläche eingeschaltet ist. Es besitzt demnach konstante Ablenkung, also der mit der Fernrohrachse zusam- i menfallende Strahl liegt stets im Mini- mum der Ablenkung, Dieser mit der Fernrohrachse zusammenfallende Strahl ist die im Okularspalt $, sichtbare Wellenlänge. Der Strahlengang geht aus Fig.1a hervor. Der Drehpunkt des Pris- mas liegt im Mittelpunkt des Prismentisches an der in Fig. 1 mit D be- zeichneten Stelle; die Drehung wird mittels Skala und Nonius abgelesen. An dem Spektralapparat mußten eine Reihe von Eichungen vor- genommen werden. Der 4 cm hohe Kollimatorspalt 8, ist durch eine Mikro- meterschraube in seiner Weite verstellbar. Die auf der Mikrometerschraube angebrachte Kreisteilung haben wir mit einem Mikroskop mittels Okular- und Öbjektivmikrometer innerhalb eines Bereichs von 0-1 bis 0-2 mm Spaltbreite bis auf 0-01 mm genau geeicht. Es zeigte sich, daß der Spalt sich vollkommen gleichmäßig bilateral öffnete, und daß in allen Regionen der Skala gleichen Skalenintervallen gleiche Spaltbreiten entsprachen. Die Spaltbreiten sind in folgendem in Millimetern angegeben. Der für die Versuche benutzte Okularspalt $, war 2-5 cm hoch und 0-6mm breit, seine Weite war nicht verstellbar. Die Kreisteilung des Prismas wurde in der üblichen Weise mit Hilfe der Li-, Na-, TI-, Sr- und Hg-Linien, die auf den Okularspalt eingestellt wurden, in uu Wellenlänge geeicht. Die zwischen diesen Linien liegenden Wellenlängen wurden graphisch interpoliert. Außerdem haben wir noch bestimmt, wieviel Wellenlängen in den ver- schiedenen Regionen des Spektrums innerhalb des durch den Okularspalt $, aus dem Spektrum ausgeschnittenen Gesichtsfeldes liegen. In der Tabelle1 sind die gefundenen Zahlen angegeben: Im ersten Stabe stehen die Regionen des Spektrums, und zwar die mittlere Wellenlänge, die jeweils als Reiz- lieht aus der Mischung der beiden äußersten noch innerhalb des Okular- spaltes liegenden Wellenlängen resultieren; im zweiten Stabe stehen die 0 Drebpunkt lan N Fig. 1a. Das Prisma mit konstanter Ablenkung. AKTIONSSTRÖME DER NETZHAUT BEI REIZUNG MIT HOMOGENEM Licht. 457 beobachteten äußersten, gerade an den beiden Kanten des Spaltes erschei- nenden Wellenlängen und im dritten Stabe die Größe dieses Intervalles, in uu Wellenlänge angegeben. Nahekle 1: Die in verschiedenen Regionen des Spektrums innerhalb des Okular- spaltes liegenden Wellenlängen. Mittlere An den Kanten des Okularspal Wellenlänge| - stehende Wellenlinsen tes Iateyall in uu x "in uw in uu 633.0 629-0—637 3.0 577.8 574.5—581 6+5 546.3 543.5—549 5-5 491-5 490-0—493 3.0 436-0 435-0—437 2:0 Aus der Tabelle ist ersichtlich, daß innerhalb des von uns unter- suchten Bereichs des Spektrums von 633uu bis 454uu die zur Reizung benutzten Lichter praktisch homogen sind, vorausgesetzt, daß wir mit engem Kollimatorspalt arbeiteten. Um auch bei engem Kollimatorspalt eine hinreichende Intensität der homogenen Reizlichter erreichen zu können, war eine starke Lichtquelle, die nebenbei praktisch konstant sein mußte, zur Erzeugung des Spektrums erforderlich. Wir bedienten uns zu diesem Zweck einer Nernst-Projektions- lampe (N Fig. 1) mit drei senkrechten Stäbchen (Modell @ der A.E.G. mit 220 V.), die in einer Entfernung von 17cm vor dem Kollimatorspalt auf- gestellt war. Unmittelbar vor dem Spalt war eine weiße Mattscheibe Ma befestigt, die das Licht zerstreute. Um den Kollimatorspalt vor Erwärmung zu schützen, war zwischen Lampe und Mattscheibe ein Wasserkasten W aufgestellt. Die Belichtung des Auges wurde durch einen photographischen Schlitzverschluß vorgenommen, welcher zwischen Kollimatorspalt und Wasserkasten eingeschaltet war (V Fig. 1). Wir haben das Fernrohr F ohne Okularlupe benutzt. Bringt man sein _ eigenes Auge dicht an den Okularspalt heran, so sieht man unter dieser Bedingung die Linse und durch diese die Prismenfläche in der auf den - Okularspalt eingestellten Wellenlänge erleuchtet. Um einen ungefähren Anhalt über die Helliskeitsstufe der von uns verwandten Spektrallichter zu bekommen, haben wir für das menschliche Auge auf dem Wege der heterochromen Photometrie die Flächenhelliskeit 458 ALESSANDRO BROSSA UND ARNT KOHLRAUSCH: des Gelb von 578uu bei einer Kollimatorspaltbreite von 0-1 mm be- stimmt. Wir gingen in folgender Weise vor:* Zwischen L, und P (Fig. 1) wurde eine mit Magnesiumoxyd frisch bedeckte rechteckige Metallplatte so aufgestellt, daß sie genau die Hälfte des Gesichtsfeldes einnahm. Bei seitlicher Beleuchtung der Metalloxydscheibe stoßen dann die homogene gelbe Fläche von 578uu und die weiße in einer scharfen senkrechten Kante aneinander, so daß ein Helliskeitsvergleich möglich ist. Die Mag- nesiumscheibe wurde durch eine geeichte Nernstlampe seitlich beleuchtet; ihr Licht war vom Prisma und vom Beobachter vollkommen abgeblendet. Durch Änderung des Abstandes der Nernstlampe wurde eine heterochrome 2 =? ergibt sich iR dann die Beleuchtung E auf dem Magnesiumschirm = 6770 Lux (Inten- sität der Lampe: I = 600 H.K.; Einfallswinkel des Lichtes: © — 17°; Abstand der Nernstlampe: r = 29,1 cm). Die Flächenhelligkeit e folst aus der Beleuchtung und dem Albedo M des Magnesiumoxyds (M = 0,8 E-M zu - 10000 Helligkeitsgleichung eingestellt. Aus der Formel? E = angenommen) nach der Formel? e = zu 0,17 Kerzen auf 1 gem.® Als Versuchstiere dienten Esculenten. Für die Durchführung der Versuche war es er- forderlich, daß die Tiere einigermaßen große, zumindest 1'/, bis 2 Stunden konstante E.M.K. auf Belichtung lieferten. Das erreichten wir erst mit lebenden kuraresierten Tieren, deren Augen bei der erforderlichen Prä- paration möglichst unberührt gelassen wurden. Das Versuchstier bekam etwa 2 Stunden vor dem Versuch einige Tropfen einer 1 prozent. Atropinlösung in die Augen geträufelt, darauf 2 Tropfen einer sogenannten 3 prozent. Kurarelösung in den Rückenlymph- sack eingespritzt und wurde dann dunkelgesetzt. Nach eingetretener voll- kommener Lähmung (etwa 1!/, bis 2 Stunden) wurde bei schwacher Be- leuchtung das Auge von der Mundhöhle aus freigelegt. Möglichst weit hinten in den Mundwinkeln wurde der ganze Unterkiefer samt der Zunge unter Vermeidung einer Blutung abgetragen. Dann wurde vom Gaumen her das rechte Auge von unten durch Entfernen der Schleimhaut und der Augen- 1 Vgl. A. König, Gesammelte Abhandlungen zur Physiol. Optik. Leipzig 1903. S. 162. 2 Siehe Liebenthal, Praktische Phoiometrie. Braunschweig 1907. S. 78 u. 91. ® Die Werte für ZE und e sind die Mittelwerte von 4 Beobachtern (aus je 10 Einstellungen). Die beiden äußersten Mittelwerte wichen um 6 Prozent, die beiden äußersten Einzeleinstellungen um 13 Prozent voneinander ab. — Die geeichte Nernst- lampe hatte 600 H.K. bei 220 Volt und 3-2 Ampere. ÄAKTIONSSTRÖME DER NETZHAUT BEI REIZUNG MIT HOMOGENEM LicHT. 459 muskeln freipräpariert und schließlich noch die Augenlider zur Hälfte abgetrennt. Die Ableitung der Aktionsströme zum Galvanometer geschah mit un- polarisierbaren Tonelektroden. Die eine Elektrode stand horizontal, ihre Kochsalztonkappe war zu einer hochgebogenen Spitze ausgezogen. Auf diese Spitze wurde das freipräparierte Auge gelest; es tritt dann etwas aus dem Kopfe hervor und bietet bequem Platz zum Anlegen der anderen Elek- trode oben am limbus corneae vermittels eines Kochsalzfadens. Frosch und Elektroden lagen in einer lichtdichten feuchten Kammer A (Fig. 1). Der Frosch wurde so vor den Okularspalt gelagert, daß der Lichtstreifen auf die Pupille seines 1-5 bis 2cm vom Spalt entfernt stehenden Auges möglichst in Richtung der optischen Achse fiel. Es wurde also versucht, die Verhältnisse so zu gestalten, wie wenn ein menschliches Auge durch den Okularspalt ohne Lupe Beobachtungen anstellt. Nachdem wir den Frosch fertig zum Versuch aufgelegt und den Ruhestrom kompensiert hatten, prüften wir, ob das Tier überhaupt für den Versuch brauchbare E.M.K. bei Belichtung lieferte, eventuell wurde die Elektrodenanlage oder die Lage des Auges vor dem Okularspalt korrigiert. Dann wurde der Frosch mit der feuchten Kammer bedeckt und während einer viertel bis halben Stunde der Eintritt der völligen Dunkeladaption abgewartet. Da der Frosch vorher schon 1!/, bis 2 Stunden im Dunkeln gesessen hatte, und das Zimmer während der Präparation nur schwach beleuchtet war, genügte die Zeit von Y/, bis '/, Stunde zur vollständigen Dunkeladaption. Danach wurde mehrmals hintereinander mit demselben Lichtreiz geprüft, ob der Frosch konstante Aktionsströme lieferte. Erst wenn das der Fall war, haben wir mit dem Versuch begonnen. Das Auswechseln des photographischen Papier- streifens, das Entwickeln der Aufnahme, das Einstellen der neuen Wellen- länge usw. erforderte meist 6 bis 8 Minuten, so daß zwischen je zwei Auf- nahmen eine reichlich genügende Ruhepause eingeschaltet war. Die Aktionsströme wurde zu einem großen Einthovenschen Saitengalvanometer (Fig. 19a) aus den Werkstätten von Edelmann abgeleitet und mit dem kleinen Edelmannschen Registrierer (Fig. 1 R) bei ca. 400facher Vergrößerung photographisch aufgenommen. In das Galvanometer war eine Quarzsaite von 6800 Ohm eingezogen. Da es uns nicht darum zu tun war, die Resultate der verschiedenen Tiere untereinander vergleichend zu messen, sondern nur auf den Vergleich der an demselben Tier gewonnenen Kurven ankam, wurde für jedes Tier besonders die passende Empfindlichkeit der Saite eingestellt und dann während des Versuchs unverändert gelassen. Um 460 ALESSANDRO BROSSA UND ARNT KOHLRAUSCH: große, gut meßbare Ausschläge zu erhalten, war die Empfindlichkeit so ein- gestellt, daß das Projektionsbild der Saite bei Einschaltung von 0-1 MV. in den Stromkreis ohne sonstige Widerstände einen Ausschlag von 0-5 bis 2cm machte. Zwischen diesen Extremen wurde die für die E.M.K. des Tieres geeignete Empfindlichkeit ausgewählt. Die Saite war also ziem- lich schlaff, aber für die Konstatierung der unten darzustellenden Befunde ist die Einstellungsgeschwindigkeit vollkommen ausreichend. Die einmal eingestellte Saitenspannung wurde während des Versuchs öfters nachgeprüft. Als Zeitschreibung (Fig. 1 Z) diente bei schneller Registrierung eine Elektromasnetstimmgabel von 50 Schwingungen pro Sekunde, bei lang- langsamer Registrierung die Sekundenmarkierung einer Jaquetschen Uhr. Für die Registrierung der ganzen sekundären Erhebung bis zum Maxi- mum war es erforderlich, daß die Registriertrommel pro Minute nur eine. Umdrehung machte; ein derartig langsamer Trommelgang war mit dem Uhrwerk unseres Registrierers nicht zu erreichen. Wir mußten daher bei diesen Versuchen die Trommel durch Riemenübertragung von einem Kymo- graphionwerk aus betreiben. Die auf den so aufgenommenen Photogrammen sichtbaren senkrechten Streifen rühren von geringfügigen Unregelmäßig- keiten des Trommelganges infolge der niedrigen Umdrehungsgeschwindig- keit her. Diese Unregelmäßigkeitn, die sich nicht beseitigen ließen, sind bei dem mit diesen Aufnahmen verfolgten Zweck ohne Bedeutung. | Versuche und Ergebnisse. I. Über den Dunkelstrom und den negativen Vorschlag. Einige mehr allgemeine Beobachtungen, die wir bei jedem Versuch wieder machen konnten, sollen vorausgeschickt werden. Zunächst war uns stets die relative Konstanz des Ruhe- oder Dunkelstroms auffallend. Alle Autoren?, die an enukleierten Froschaugen experimentiert haben, sagen übereinstimmend, daß die E.M.K. des Dunkelstroms zunächst ziemlich rasch, dann fortschreitend langsamer abnimmt, bis auf 0 sinkt (nach Waller in 15 Minuten), den Nullwert passieren und umgekehrte Richtung annehmen kann. Wir beobachteten an in situ befindlichen Augen, daß der stets von der Cornea zur Bulbushinterwand im äußeren Stromkreis fließende, bei allen Versuchstieren annähernd gleich intensive Dunkelstrom nur sehr 1 Der größeren Deutlichkeit wegen ist in den Reproduktionen jede zehnte Stimmgabelschwingung markiert. ® Siehe besonders: Kühne und Steiner, Unters.a.d.physiol. Institut d. Univers. Heidelberg. Bd. IV. Heft1 u. 2. 8. 13ff. („Gesetz der konstanten Spannungsände- rung‘) und Waller, a.a. O. $. 32ff. AKTIONSSTRÖME DER NETZHAUT BEI REIZUNG MIT HOMOGENEM LiIcHT. 461 geringe Schwankungen im Laufe des mehrere Stunden dauern- den Versuchs ausführte. Diese Tatsache zusammen mit der stunden- lang konstant bleibenden Größe der Aktionsströme spricht dafür, daß man “an lebenden Tieren und in situ befindlichen Augen unter den günstigsten Bedingungen arbeitet, bei denen das Auge unter normalen Zirkulations- ‚verhältnissen steht und jedes Eintrocknen vermieden wird. Während der 2/, bis 1/, Stunde, in der wir vor Beginn des Versuchs die völlige Dunkel- adaption eintreten ließen, wurde neben der bekannten Zunahme der E.M.K. der Aktionsströme auch der Ruhestrom regelmäßig etwas größer (etwa um !/,, bis 1/, seines Anfangswertes). Gleichzeitig konnten wir immer be- obachten, daß die maximale Größe des Dunkelstroms und der Aktionsströme durch Dunkeladaption allein nicht erreicht wird. Reizten wir nach ein- getretener völliger Dunkeladaption mehrmals hintereinander mit demselben Lichtreiz, so nahmen sowohl Dunkelstrom- wie Aktionsstromwerte noch nachträglich zu, bis sie nach vier bis fünf Belichtungen ihre maximale Größe erlangten. Dieser Befund bestätigt die Angabe von Himstedt und Nagell, die nach Lichtreizung an Vögeln eine Zunahme des vorher langsam absinken- den Dunkelstromes beobachteten. Gleichzeitig geht aus ihrer Kurve die von den Verfassern nicht erwähnte Tatsache hervor, daß auch die Aktions- ströme nach Lichtreizung zunächst an Größe zunehmen. Vielleicht ist auch eine Beziehung vorhanden mit der von Waller? beobachteten Zunahme des Dunkel- und Aktionsstromes nach elektrischer Reizung des Auges. Hatten die Aktionsstromwerte einmal ihr Maximum erreicht, so blieben sie durchschnittlich während 1 bis 2 Stunden, zuweilen auch länger, ganz konstant; vorausgesetzt, daß wir die Tiere nicht durch intensive Belichtung vorzeitig ermüdeten. Während dieser Zeit haben wir unsere Versuche aus- geführt. In diesem Zeitabschnitt der konstanten Aktionsströme war auch der Ruhestrom oft absolut konstant, manchmal zeigte er minimale, nach jeder Aufnahme wechselnde Zu- und Abnahme. Hatten wir dann 1 bis 2 Stunden mit einem Tier experimentiert, so begannen die Aktionsströme abzunehmen, meist fing dann auch der Ruhestrom an zu sinken. Und dann war auch durch längere Ruhepausen eine Erholung des Tieres nicht mehr herbeizuführen. Aber ein Absinken des Ruhestromes bis auf 0 oder gar Umkehr des Ruhestromes haben wir an Augen in situ niemals beobachtet. Oft haben wir die Tiere in der feuchten Kammer bis zum nächsten Tage 1 Himstedt und Nagel, Versuche über die Reizwirkung versch. Strahlen- arten auf Menschen- und Tierauge. Festschrift d. Univers. Heidelberg z. 50jähr. Re. gierungsjubiläum S. Kgl. Hoheit d. Großherzogs Friedrich von Baden. Freiburg i. Br. 1902. S. 262f. 2 Waller, a.a. O. 8. 54ff. 462 ALESSANDRO BROSSA UND ARNT KOHLRAUSCH: liegen lassen, und auch dann war der Ruhestrom niemals bis unter !/, seines ursprünglichen Wertes abgesunken, und die Aktionsströme waren etwa noch !/, bis !/, so groß wie am Tage vorher. Bei der überwiegenden Mehrzahl der Versuche (ca. 80 Prozent) war‘ das eben geschilderte Verhalten von Ruhe- und Aktionsstrom immer wieder zu beobachten, und es scheint daraus hervorzugehen, daß am Froschauge in situ ein gewisser Parallelismus zwischen Dunkel- und Aktions- strom bezüglich der Zu- und Abnahme besteht. Daß die Schädigung und Ermüdung des Auges eine große Rolle spielen, ist durch zahlreiche Untersuchungen bekannt, und daß man daher stets einen gewissen Prozent- satz (ca. 20 Prozent) von Versuchstieren findet, die neben langsam sin- kendem Ruhestrom einen schwachen, träge verlaufenden, nicht konstanten Aktionsstrom liefern und infolgedessen für messende Versuche ungeeignet sind, liest in der Natur der Sache. | v. Brücke und Garten! sagen in einem Zusatz während der Kor- rektur, daß unter den allergünstigsten Bedingungen, kuraresierten Fröschen und intaktem Auge die sekundäre Erhebung nicht wie am isolierten Auge noch während der Belichtung wieder absinkt. Diese Beobachtung können wir bestätigen: wir haben niemals ein Absinken der sekundären Erhebung gesehen, während das Auge noch belichtet wurde; war das Maximum der sekundären Erhebung einmal erreicht (nach 30—50 Sekunden), so blieb die Saite ruhig auf diesem Wert auch bei weiterer Belichtung stehen. An unseren abgebildeten Kurven ist ferner auffallend, daß der nega- tive Belichtungsvorschlag fehlt. In der Tat haben wir ihn bei Belichtung mit Spektrallichtern nur auf einigen Kurven (hier nicht abgedruckt) ge- funden, während er bei Belichtung derselben Tiere mit einer 100kerzigen Metallfadenlampe aus ca. 20 em Entfernung regelmäßig vorhanden war. Der Grund für diese Erscheinung wird im dritten Teil der Versuche aus- führlich behandelt werden; daher genügt es, hier die Tatsache zu erwähnen. II. Verteilung der Reizwerte im Dispersionsspektrum des Nernstlichtes. In diesen Versuchen handelte es sich darum, die von Himstedt und Nagel® und von Piper? am d’Arsonval-Galvanometer gewonnenen 1 v. Brücke und Garten, a.a. 0. S. 347. ® Himstedt und Nagel, Berichte d. Naturforsch. Ges. Freiburg. B. 1901. Bd. XI. 8. 153. ®? Piper, Dies Archiv. 1904. Physiol. Abtlg. S. 453 und 1905. 8. 133. AKTIONSSTRÖME DER NETZHAUT BEI REIZUNG MIT HOMOGENEM LicHT. 463 Resultate mit dem Saitengalvanometer bezüglich der positiven Eintritts- schwankung und der sekundären Erhebung zu erweitern; ferner die von Goteh! am Kapillarelektrometer angestellten Versuche über die Latenzen bei verschiedenen Wellenlängen mit dem Saitengalvanometer zu wiederholen. Die von Himstedt und Nagel und von Piper in ihren Tabellen und Kurven als Reizwerte für die’ verschiedenen Wellenlängen angegebenen Zahlen gehören zeitlich der sekundären Erhebung an. Himstedt und Nagel haben bei ihren Reizversuchen am hell- und dunkeladaptierten Frosch mit Licht verschiedener Wellenlänge das Auge stets die gleiche Zeit (10 Sekunden lang) belichtet. Während dieser Zeit erreicht nun zwar am Frosch die sekundäre Erhebung nicht ihre volle Höhe, dazu sind durch- schnittlich 40 Sekunden erforderlich. Aber da Himstedt und Nagel mit allen Wellenlängen 10 Sekunden lang belichtet haben, haben sie stets den gleichen zeitlichen Bruchteil der sekundären Erhebung erhalten, und diese Bruchteile stehen bezüglich der E.M.K. immer in dem gleichen Ver- hältnis zu der betreffenden ganzen sekundären Erhebung, wie wir aus unseren Kurven berechnen können. Piper hat bei seinen analogen Versuchen an Avertebraten und Warm- blütern, die einen wesentlich schnelleren Ablauf der Aktionsströme auf- weisen, so lange belichtet, bis die sekundäre Erhebung jedesmal ihren Maximalwert erreicht hatte. Die am Galvanometer abgelesenen Skalenteile wurden dann in ein Koordinatensystem als Funktion der Wellenlänge ein- getragen und so die Kurve der Reizwertverteilung im Spektrum konstruiert. Wir haben nun untersucht, wie sich zu den auf diese Weise gewonnenen Kurven der sekundären Erhebung die Kurven der positiven Eintritts- schwankung verhalten, wie die Kurven dieser beiden Ausschläge als Funktion der Wellenlänge zueinander laufen und wie die Maxima zueinander liegen. Ferner haben wir untersucht, wie mit den physiologischen Reizwerten der Spektrallichter die Länge der Latenz der positiven Eintrittsschwankung variiert, mit anderen Worten, wie die Kurve der Latenzlängen im Spektrum verläuft. Untersucht wurden die Spektrallichter von 633 uu bis 454 uu. Vom lang- wellisen Ende des Spektrums anfangend, prüften wir der Reihe nach die einzelnen Wellenlängen durch bis zum kurzwelligen Ende und wieder- holten dann die Reihe rückwärts. Damit mußte gewöhnlich der Versuch abgebrochen werden, denn das nahm durchschnittlich zwei Stunden in Anspruch, und bei weiteren Belichtungen fingen die Ströme an abzunehmen. Bei den Versuchen, bei denen die Latenzen gemessen werden sollten, mußten wir mit schneller Trommelumdrehung arbeiten und haben dann 1 Gotch, Journal of Physiol. Bd. XXXI. 8.1. 464 ALESSANDRO BROSSA UND ARNT KOHLRAUSCH: nur die positive Eintrittsschwankung registriert. Ferner haben wir mit ganz langsamer Trommelumdrehung die positive Eintrittsschwankung und die sekundäre Erhebung aufgenommen; dann konnten jedoch die Latenzen nicht gemessen werden wegen der zu geringen Trommelgeschwin- digkeit. Bei letzteren Versuchen wurde jede Belichtung so lange fortgesetzt, bis die sekundäre Erhebung ihr Maximum erreicht hatte. Eine Schwierig- keit bestand darin, daß die Saite, um das Maximum der sekundären Er- hebung noch auf den schmalen Papierstreifen zu bringen, relativ stark gespannt werden mußte (ca. 0-5 cm Ausschlag bei !/,, M.-V.). Dabei wurde die positive Eintrittsschwankung sehr klein auf der photographischen Aufnahme und ihre Ausmessung daher entsprechend ungenau. Um das zu umgehen, haben wir später bei etwas größerer Empfindlichkeit (1—1-5 em Ausschalg bei "/, M.-V.) die positive Eintrittsschwankung samt Latenz mit schneller Trommelbewegung registriert und die Größe der sekundären Erhebung auf einer vor dem Registrierer angebrachten Millimeterskala abgelesen, weil die Saite dabei über die Breite des Registrierspaltes hin- auswanderte. Da man bei derartigem Vorgehen mit empfindlicherem In- strument arbeiten kann, werden die Unterschiede bei den verschiedenen Wellenlängen größer und dadurch die Fehlergrenze der Ausmessung der Aufnahmen entsprechend herabgedrückt. Die Ausschläge sind im folgenden in Millimetern, die Latenzwerte in Y.000 Sek. = o angegeben. Der Hauptfehler bei der Ausmessung der Latenzen auf den photographi- schen Aufnahmen liegt darin, daß der Abhebungspunkt des Saitenbildes von der Abszisse sich nur mit einer gewissen Annäherung bestimmen läßt. Die Fehler bei der Ausmessung der Zeit und der Reizmarkierung sind so minimal (1—2 co), daß sie nicht in Betracht kommen. Bestimmt man die mögliche Unsicherheit bei der Feststellung des Abhebungspunktes dadurch, dab man die beiden einander zunächst liegenden Punkte ausmißt, wo einmal die Saite sicher noch auf der Abszisse liegt, und dann, wo sie sicher schon abgehoben ist, so macht dieser größte mögliche Fehler nur eine Unsicher- heit in der dritten Stelle aus. Der gewählte Abhebungspunkt liegt in der Mitte zwischen beiden. Wir geben daher die Latenzwerte mit drei Stellen an, d. h. die zweite Stelle ist sicher. In den folgenden Tabellen ist im ersten Stabe die Wellenlänge des Reizlichtes in uu angegeben, im zweiten die Größe der positiven Eintritts- schwankung in Millimetern, im dritten die Größe der sekundären Erhebung in Millimetern, oder die der Latenz in o, je nachdem was von beiden in dem betreffenden Versuch registriert war. Die angeführten Zahlen sind die Mittelwerte aus den nicht über 3 Prozent differierenden Einzelwerten. ÄAKTIONSSTRÖME DER NETZHAUT BEI REIZUNG MIT HOMOGENEM LicHt. 465 Tabelle 2, Verteilung der Reizwerte im Spektrum. I Frosch C, Frosch (, jK Frosch (, II III N II III II III an &0 | &0 D {=} o en U a © tet 0) ı = Do iel0) mn = mn A = a Wellenlänge | = a See > E35 758 E83 Ei BSR = im wu Eee. | See den Kase As AR As AT |As” |aAT {07} | -n un 613 — — 4.0 11-3 = — 595 11-9 26-0 — — — == 578 13-0 29.0 7-0 20:0 8-5 23-0 546 — —_ 8:0 28-0 11-0 33:5 935 11-5 33-0 8-0 31-0 11-0 32°5 529 — — 8-0 28-0 11-2 31-0 470 — — 3.5 11-3 — — I Frosch D, Frosch D, II III II III 633 1.0 6-0 4:0 8-0 595 9.5 20.2 13.5 39.0 578 13-0 28-0 14-5 44.0 546 16-5 35-2 14+5 46-0 535 15-5 33.5 16-0 52-0 513 — 13-0 37:0 492 14-5 26-0 — 454 6-5 10-2 7:0 16-0 I Frosch D, Frosch D, Frosch D, II III II IE 1I III IV En er) &n er) En nn S a8 80 ı Sg &0 a = 80 Be Wellenlänge E38 83.|2=28|83.]225|582»/3$8 8 2 ee | een ın um a Esel sin. neve les a, Bee el ee ee ee 633 11.0 210 9.0 153 0 171 200 595 24-0 188 18-5 122 — — _ 578 25-5 186 22-5 120 23-5 125 161 563 — —_ _ — —_ —_ _ 546 31.0 173 23-0 114 24-6 115 151 935 30-5 170 21-5 119 23-3 113 149 513 30-0 180 20-5 122 23-0 122 155 454 22.0 204 12-0 141 15-0 141 161 30 Archivf.A.u.Ph. 1913. Physiol. Abtlg. 466 ALESSANDRO BROSSA UND ARNT KOHLRAUSCH: Einer der Versuche ist als Beispiel in Kurvenform wiedergegeben (Fig. 2). Dabei sind direkt die gefundenen Zahlenwerte als Ordinaten über dem Spektrum als Abszisse eingetragen in einem willkürlichen Maßstab.! BRmBEnn RER EBBanen FEELENEERG 35 25. = = & & & x & z x EI N >: & & S (e 173 Dr ® Q x x S Fig. 2. Verteilung der Reizwerte im Spektrum. 0—-0—-0 = sekundäre Erhebungen, o----o = positive Eintrittsschwankungen (Versuch D,). ot #++0+++o = Latenz- werte (Versuch D,). Aus den Versuchen geht hervor, daß die Maxima der positiven Eintrittsschwankung und der sekundären Erhebung unter den Bedingungen des Stäbchensehens annähernd über derselben Wellenlänge liegen, und zwar zwischen 535 uu und 546 uu. Bei beiden Erhebungen löst also unter diesen Bedingungen ca. dieselbe Wellenlänge maximalen Reizwert aus. Über den gleichen Wellenlängen etwa liegt das Minimum der Latenz- werte!, und die Latenzen nehmen kontinuierlich nach beiden Enden des Spektrums hin an Größe zu. 1 Die Kurve der Verdunkelungslatenzen nach etwa 4’ Belichtung (Tab.2D, IV) ist nicht besonders eingetragen; sie verläuft annähernd parallel der Kurve der Be- lichtungslatenzen. ÄKTIONSSTRÖME DER NETZHAUT BEI REIZUNG MIT HOMOGENEM LicHt. 467. Die Kurve der positiven Eintrittsschwankungen läßt sich nicht da- durch mit der der sekundären Erhebungen zur Kongruenz bringen, daß sämtliche Ordinaten mit einem konstanten Faktor multipliziert werden, oder was dasselbe besagt, das Verhältnis je zweier über ein und demselben Abszissenpunkt stehenden Ordinaten ist dureh das ganze Spektrum hindurch keine Konstante. Vielmehr ist der Quotient Eintrittsschwankung sekundäre Erhebung e von da ab nach beiden Enden des Spektrums an Größe zu. Die von Gotch! gefundenen Latenzwerte (Rot fast 300 o, Grün 200 o, Violett 250 0) sind im ganzen größer als unsere, und auch der Unterschied innerhalb des Spektrums zwischen Rot, Grün und Violett ist größer als bei uns. Doch lassen sich die von Gotch gefundenen Werte schwer mit den unserigen in Beziehung bringen, weil Angaben über Temperatur, Licht- intensität und Wellenlänge fehlen. über 540 uu ein Minimum und nimmt II. Die Form der Aktionsstromkurven als Funktion der Lichtintensität. Gleichzeitig mit der bei wachsender Lichtintensität zunehmenden Ordinatenhöhe der Aktionsstromkurven ändert sich ihre Form, d. h. der zeitliche Ablauf des Aktionsstromes ist von der Lichtintensität abhängig. An der Hand einiger Kurven wollen wir diese mit wachsender Ordinaten- höhe der Ausschläge einhergehenden Formveränderungen zunächst be- sprechen, weil wir dieselben Veränderungen der Aktionsstromform bei gleicher Ordinatenhöhe als Funktion der Wellenlänge wiedertrefien. Die jetzt zu besprechenden Versuche sind mit zerstreutem, weißem Licht angestellt, das in seiner Intensität meßbar abgestuft werden konnte. M, My Fig. 3. Die Belichtung des Auges mit zerstreutem, weißem Licht. Als Liehtquelle diente eine Bogenlampe B (Fig. 3); ihr Licht fiel auf eine Milchglasscheibe M, aus einer Entfernung, daß die Beleuchtung im 1 Gotch, Journal of Physiologie. Bd. XXXI 9.24 u. 28. 30* ALESSANDRO BROSSA UND ARNT KOHLRAUSCH:. 468 "wg = wwsgıyderc] wor = gugeıydeig wog = gwseıyderg ÄAKTIONSSTRÖME DER NETZHAUT BEI REIZUNG MIT HOMOGENEM LicHt. 469 I ‘Yeyısusjuj opuawmyaunz usgo yoeu usJun uoA 1o7y.Ieuı IST JundurMyog 9Juyoz opap ih ur yoz ‘u9so] nz SyuN ToBu SIWOAT UOA Purs usAImy o]ly :Jg}ISuS4uryoT] Top UOA W.IOFUEAIMNY TOP Noyersugggy "IyprT sagroM ‘7 Sa "wo g-.0 = eweeıyderg "wog. = gwoeıgderg "7 yosord 470 ALESSANDRO BROSSA UND ARNT KOHLRAUSCH: Zentrum und am Rand praktisch dieselbe war. Direkt hinter der Milch- glasscheibe M, stand eine Irisblende 7, durch welche die leuchtende Fläche von M, meßbar verkleinert werden konnte. Diese erste Milchglasscheibe beleuchtete eine zweite M,, aus der mittels eines direkt hinter ihr stehenden 3 cm hohen, 3 mm breiten Spaltes Sp ein leuchtendes Flächenstück aus- geschnitten wurde. Die Beleuchtung dieser zweiten Milchglasscheibe ist bekanntlich proportional der Flächengröße der sie beleuchtenden ersten Milchglasscheibe. Die Milchslasscheiben und die Blende standen in einem innen geschwärzten Blechrohr, durch welches Seitenlicht abgehalten wurde. Das von dem Spalt Sp ausgehende zerstreute Licht traf auf das in der feuchten Kammer befindliche Froschauge. Die Präparation des Auges, die Ableitung der Aktionsströme zum Galvanometer und ihre Registrierung wurde genau wie in den übrigen Versuchen vorgenommen. Die Belich-_ tung des Auges geschah mittels eines zwischen / und M, stehenden photo- graphischen Schlitzverschlusses. Eine exakte Reizmarkierung haben wir nicht vorgenommen, da durch die Untersuchungen von v. Brücke und Garten! und Einthoven und Jolly? bekannt ist, daß die Latenzen mit steigender Intensität des Reizlichtes kürzer werden. Die Aufnahmen (Fig. 4) geben die positive Eintrittsschwankung und nach einigen Sekunden Belichtung die Verdunkelungsschwankung wieder. Die Durchmesser der leuchtenden ersten Milchglasscheibe M, sind in em unter den einzelnen Kurven angegeben. Die Zeit wurde mit einer Stimm- gabel von 50 Schwingungen pro Sekunde geschrieben. Bei allen bezüglich dieser Formunterschiede miteinander verglichenen Kurven war selbst- verständlich die Umdrehungsgeschwindigkeit des photographischen Papiers vollkommen die gleiche. Die durch den senkrechten weißen Strich vor der Eintritts- bzw. Verdunkelungsschwankung angegebene Reizmarkierung ist, weil fehlerhaft, nicht zu berücksichtigen. Die Aufnahmen sind von unten nach oben nach steigender Intensität geordnet. Die positive Eintritts- schwankung ist mit A, die sekundäre Erhebung in Fig. 5 mit B und der Yenchiakelnassmsarhlzg mit C bezeichnet. Die Kurven zeigen, daß der negative Vorschlag erst von einer bestimmten Intensität des Reizlichtes ab auftritt, und von da ab bei steigender In- tensität immer stärker ausgebildet erscheint. Die positive Eintrittsschwan- 1 y. Brücke und Garten, Pflügers Archiv. 1906. Bd. CXIV. 8. 316 u. 337. 2 Einthoven und Jolly, The form and magnitude of the electrical response etc. Quarterly journal of experimental Physiologie. Bd.I. Nr.4. Kapitel IIT,5; Eint- hoven und Jolly fanden, daß auch die Latenz der Verdunkelungsschwankung mit steigender Lichtintensität kürzer wird. 3 Einthoven und Jolly, a. a. O. (Ondenzockingen gedaan i. h. physiol. Laborat. te Leiden II. 18. 1912) sagen bereits (Kap. III, 2 ‚The first substance“ S. 35ff.), dab - AKTIONSSTRÖME DER NETZHAUT BEI REIZUNG MIT HOMOGENEM Licht. 471 kung A steigt mit wachsender Intensität des Reizlichtes zunehmend steiler an und erreicht früher ihren Gipfel. Die Senkung zwischen positiver Ein- trittsschwankung A und sekundärer Erhebung B wird mit steigender Intensität tiefer, und die sekundäre Erhebung beginnt rascher anzusteigen. Die Verdunkelungsschwankung O- wird nach etwa gleich langer Belichtung von einigen Sekunden mit steigender Intensität steiler. Der Anstieg der Verdunkelungsschwankung © von der Abszisse, der bei geringer Intensität langsam, S-förmig erfolgt, wird zunehmend plötzlicher, so daß das S immer mehr in einen scharf sich absetzenden Knick übergeht. Bei kurzer Be- liehtung mit großen Intensitäten steigt auch nach der Verdunkelung die sekundäre Erhebung, wie bereits v. Brücke und Garten! und Einthoven und Jolly? beschreiben, noch weiter an, so daß der Verdunkelungsausschlag sich über die weitersteigende sekundäre Erhebung superponiert. Registriert man mit langsamer Trommeldrehung bei Dauerbelichtung die ganze sekun- däre Erhebung bis zu ihrem Maximum (Fig. 5), so sieht man, daß gleich- zeitig mit der Größenzunahme des Ausschlages bei wachsender Intensität die Geschwindigkeit der Saiteneinstellung zunimmt. Der Anstieg der sekundären Erhebung erfolgt rascher und steiler bei großer Intensität als bei geringer. Das Maximum wird annähernd zu gleicher Zeit erreicht. Trägt man in einem Koordinatensystem als Abszisse die Zeit in Sekunden und als Ordinaten die während der sekundären Erhebung in den einzelnen ‚Sekunden von der Saite zurückgeleste Steigung in mm ein, so erhält man graphisch die Änderung der Geschwindiskeit der Saitenstellung nach der Zeit. In Fig. 6 ist dies für die beiden in Fig. 5 wiedergegebenen Aktions- stromkurven in willkürlich gewähltem Maßstab dargestellt; der Nullpunkt des Systems liest am tiefsten Punkt der Senkung zwischen positiver Ein- trittsschwankung und sekundärer Erhebung; die Ausmessung ist bis zur 24. Sekunde nach diesem Nullpunkt durchgeführt. Man sieht, daß im Prinzip bei geringer (punktiert) und hoher (ausgezogen) Intensität die Bewegung der Saite dieselbe ist. Anfangs nimmt die Saitenbewegung rasch an Schnelligkeit zu, erreicht in der dritten oder vierten Sekunde nach dem tiefsten Punkt der Senkung ihre srößte Geschwindigkeit und erfolet von da ab fortschreitend langsamer. Doch ist bei höheren Intensi- täten des Reizlichtes die Geschwindigkeit der Saitenbewegung während der negative Vorschlag am stärksten und reinsten zur Ausbildung kommt bei hoher Licht- intensität, wenn das Auge möglichst gut helladaptiert ist, und (S. 56) daß er mit ab- nehmender Lichtintensität schwächer ausgebildet ist und schließlich ganz verschwindet. 1 v. Brücke und Jolly, a.a.O. 8.319. 2 Einthoven und Jolly, a.a.0. Kap.IIL,1 und 2. ÄALESSANDRO BROSSA UND ARNT KOHLRAUSCH: 472 ‘eysusjuf apusuyounz Suspunsfag Zur 410, uago yosu usjun uoA !WIsuSFJuNyOTTT Top UOA unlofusAmy] Aop MoysLsugyggy IUorT SogroM "or Yasord it ur g-0 = Bwogıydergg eg nee aus a .n on ek ane "wog = wwogıyderg ÄAKTIONSSTRÖME DER NETZHAUT BEI REIZUNG MIT HOMOGENEM LicHT. 473 der ganzen Zeit eine größere, in unserem abgebildeten Versuch durch- schnittlich 11/,—2mal so groß. Würden die Kurven in Fig. 6 weiter fort- geführt werden, so würden sie mehr und mehr konvergierend der Abszisse zustreben und diese annähernd an demselben Punkt erreichen. v. Brücke und Garten! sagen bereits bei Beschreibung von Moment- belichtungen des Auges, daß bei. längerer Dauer der Momentbelichtung der negative Vorschlag stärker ausgebildet ist; Einthoven und Jolly? und wir sehen den negativen Vorschlag in seiner Abhängigkeit von der aus eg gr o.ın 12, 1516 515 or FR, 19 ‚Ko a 2.2 2% Fig. 6. Anstiegsgeschwindiskeit der sekundären Erhebung. o—-o = größere Lichtintensität (D = 2 em). 0---0 = geringere Lichtintensität (D = 0-2 cm). Lichtintensität. In diesen Versuchen finden wir auch die Erklärung dafür, daß auf unseren Kurven, die bei Reizung mit Spektrallichtern aufgenommen sind, der negative Vorschlag fehlt: die Lichtintensität lag dabei unter der für den negativen Vorschlag erforderlichen Reizschwelle, denn bei größeren Intensitäten war er auch bei Spektrallichtern zu konstatieren. Es scheint aber der negative Vorschlag mit Spektrallichtern überhaupt schwerer auslösbar zu sein als mit weißem Licht. Jedoch können wir das nur als Vermutung aussprechen, denn auch die in unseren Versuchen verschiedene Größe der belichteten Netzhautfläche könnte möglicherweise eine Rolle spielen. In welcher Weise also neben der Abhängigkeit von der Licht- intensität der negative Vorschlag außerdem noch abhängig ist von der 1y, Brücke und Garten, a.a. 0. S. 316. 2 Einthoven und Jolly, a.a. 0. 474 ÄALESSANDRO BROSSA UND ARNT KOHLRAUSCH: Art des Lichtes (ob gemischt oder homogen) und drittens unabhängig von diesen beiden Faktoren noch von der Größe der beleuchteten Netzhaut- fläche, müßte erst noch durch systematische Untersuchungen gezeigt werden. Fassen wir noch einmal die Änderung der Form der Aktionsstrom- kurve bei steigender Intensität zusammen: Die Latenz wird kürzer, (der negative Vorschlag tritt erst von einer bestimmten Licht- intensität ab auf und wird von da an stärker ausgeprägt. Alle drei positiven Stromschwankungen (Eintrittsschwankung, sekundäre Erhebung, Verdunkelungsschwankung)steigen rascher und steiler an; die Eintrittsschwankung und die Verdunklungs- schwankung erreichen früher ihren Gipfel. Die Senkung zwischen positiver Eintrittsschwankung und sekundärer Er- hebung wird tiefer. Die Verdunkelungsschwankung steigt in immer schärfer werdendem Knick von der Abszisse aus an. Wohl gemerkt gehen alle diese Formveränderungen Hand in Hand mit einer Zunahme der Ordinatenhöhe der Ausschläge. IV. Die qualitativ verschiedene Wirkung der einzelnen Spektrallichter. Unter den Bedingungen des Stäbchensehens nehmen, wie wir oben gesehen haben, von beiden Enden des Spektrums her bis etwa 540 uu kon- tinuierlich die positive Eintrittsschwankung und die sekundäre Erhebung an Größe zu und die Latenzen der Eintrittsschwankung und Verdunkelungs- schwankung an Größe ab, entsprechend der Zunahme der physiologischen Reizwerte der Spektrallichter. Handelt es sich nun bei der den verschiedenen Spektrallichtern zu- kommenden Reizwirkung, die an den Aktionsströmen gemessen werden kann, ausschließlich um quantitative Größenunterschiede, oder lassen sich an den elektromotorischen Effekten dieser qualitativ verschiedenen Reiz- arten auch qualitative als spezifische Farbenwirkungen aufzufassende Erscheinungen feststellen ? Die Frage, ob der Frosch Farbensinn besitzt, wird selbstverständlich durch den Nachweis einer spezifischen Farbenwirkung auf die Aktions- ströme ebensowenig beantwortet, wie durch den Nachweis einer spezifischen Farbenwirkung auf irgendeinen anderen objektiv beobachteten Prozeß im Auge; denn aus den objektiv nachweisbaren Vorgängen läßt sich kein Rückschluß auf die subjektiven Sinnesempfindungen ziehen. Nur der Nach- wejs der qualitativ verschiedenen Wirkung der Lichter verschiedener Wellenlänge auf die lichtperzipierenden Schichten der Retina läßt sich mit Hilfe der Aktionsströme erbringen. AKTIONSSTRÖME DER NETZHAUT BEI REIZUNG MIT HOMOGENEM LicHt. 475 Daraus jedoch, daß in beiden Fällen, bei den Farbensinnuntersuchungen an Menschen und bei der Untersuchung der spezifischen Wirkung der Spektrallichter auf die Aktionsströme, das Problem im Grunde dasselbe ist, geht hervor, daß wir beide Male nach denselben: Untersuchungsprin- zipien vorgehen müssen, nämlich nach dem Prinzip der Farbengleichungen.! ‘Wie bei den Untersuchungen auf: Farbenblindheit am Menschen müssen wir die einzelnen homogenen Spektrallichter mit quantitativ untereinander ausgeglichenem physiologischem Wirkungswert prüfen und zusehen, ob 'wir eine „Verwechslungsgleichung‘“‘ bekommen, mit anderen Worten, ob wir identische Aktionsstromkurven registrieren, oder ob wir auf Verschieden- heiten im zeitlichen Ablauf und in der Größe beruhende Formunterschiede der Kurven finden. Wie ist es nun technisch zu erreichen, daß die verschiedenen in Ver- gleich zu setzenden Spektrallichter quantitativ gleiche Wirkungswerte für das Auge haben? Da wir die Aktionsströme der Retina als Unter- suchungsmittel benutzen, und deshalb elektromotorisch gleich wirksame Spektrallichter haben müssen, können wir die Wirkungswerte auch nur auf photoelektrischem Wege ausgleichen. Der von Ishihara? bei einem Teil seiner Versuche eingeschlagene Weg des heterochromen‘ Helligkeits- ausgleichs für das menschliche Auge und der von Jolly? gemachte Vor- schlag, die einzelnen Spektralgebiete energetisch auszugleichen, kommt für unsere Zwecke nicht in Betracht, weil man dadurch elektromotorisch verschieden wirksame Spektrallichter erhält. Die für das menschliche Auge ausgeglichenen Helliskeiten brauchen noch nicht für das Froschauge gleich zu sein, und zwei energetisch gleiche homogene Lichter sind ebensowenig für das menschliche Auge gleich hell, wie für das Froschauge gleich wirk- sam. Es bleibt also nur der direkteste Weg übrig, nämlich die in Vergleich zu setzenden homogenen Lichter so zu regulieren, daß sie gleich grobe Aktionsströme geben. Wir haben durch Änderung der Spaltbreite die Intensität der unter- suchten Spektrallichter so abgestuft, daß die lang- und kurzwelligen Lichter elektromotorisch gleich große positive Eintrittsschwankungen gaben, wie die Lichter mittlerer Wellenlänge, wobei natürlich gleiche Spannung der 'Saite, also gleiche Empfindlichkeit des Galvanometers, beibehalten wurde. Unter der Bedingung lieferten die verschiedenen Spektral- 1 Siehe Himstedt und Nagel, a. a. O., Festschrift der Univers. Heidelberg usw. S. 270ff. 2 Ishihara, a.a. O. 8. 598. 3 Jolly, On the electrical response of the Frogs Eysboll to light. Onder- zoeckungen gedaan i. h. Physiol. Laborat. d. Univ. Leiden. ILS. 1912. 8. S1f. 476 ALESSANDRO BROSSA UND ARNT KOHLRAUSCH: lichter keineswegs identische Aktionsstromkurven der Frosch- retina, sondern wir fanden stets wieder dieselben typischen Formverschiedenheiten. Als äußerstes langwelliges Licht benutzten wir 633 uu, als äußerstes kurzwelliges 454 uu zum Reizen. Dazwischen wurde als Gelb 595 uu oder 578 uu, als Grün 529 uu zur Reizung verwandt. Bei 578 uu wurde mit einer Intensität, die einer Spaltbreite von 0-1 mm entspricht, gereizt, und dann die Spaltbreite der anderen Spektrallichter für jedes Tier empirisch so eingestellt, daß die Ordinatenhöhe der positiven Eintrittsschwankung in mm bei allen Wellenlängen die gleiche war. Bei der Mehrzahl der Ver- suche war dazu bei 633 uu die Spaltbreite 0-5—0-6 mm, bei 454 uu 0-4 bis 0-5 mm erforderlich, doch variieren die gleichwertigen Spaltbreiten von Tier zu Tier, wenn auch nur unwesentlich. Wollten wir die ganze sekun- däre Erhebung registrieren, so wurde zunächst der größeren Genauigkeit wegen bei empfindlichem Galvanometer der Ausgleich der positiven Ein- trittsschwankung ausgeführt und dann mit entsprechend gespannter Saite der ganze Aktionsstromablauf registriert. ! In den Abbildungen 7—9 sind die Kurven von oben nach unten nach abnehmender Wellenlänge angeordnet; in Fig. 7 und 8 ist die positive Ein- trittsschwankung und nach einigen Sekunden Belichtung die Verdunke- lungsschwankung registriert. Fig. 9 enthält außerdem noch die sekundäre Erhebung. Wellenlänge und Spaltbreite ist unter den einzelnen Kurven angegeben; die positive Eintrittsschwankung ist wieder mit A, die sekun- däre Erhebung mit B und die Verdunkelungsschwankung mit © bezeichnet. Wir fanden, daß mit elektromotorisch ausgeglichenen Intensitäten die Latenzen der positiven Eintrittsschwankung wesentlich geringere Größenunterschiede bei den verschiedenen Spektrallichtern aufweisen als mit ungleichen Intensitäten. Doch sind die Latenzen auch dann nicht absolut gleich, sondern bei mittlerer Wellenlänge noch etwas kürzer als bei lang- bzw. kurzwelligem Licht (vgl. die unten zu besprechenden Tabellen). Aus den Abbildungen geht hervor: Trotz gleicher Ordinatenhöhe der positiven Eintrittsschwankung nimmt vom lang- zum kurzwelligen Licht hin der Anstieg von A an Steilhei‘ zu und der Gipfel wird früher erreicht. Ferner erscheint er mehr plateauförmig bei langwelligen Strahlen und spitzer bei kurzwelligen. Damit ist schon gesagt, daß bei den kurzwelligen Strahlen 1 Den Einwand: Das empfindlichere, daher trägere Instrument folge bei Violett der relativ rasch ablaufenden Eintrittsschwankung nicht mehr vollkommen, so daß sie verhältnismäßig zu niedrig ausfiele, haben wir innerhalb der von uns benutzten Empfindlichkeitsbreiten experimentell nachgeprüft. Die bei Rot und Violett einmal ausgeglichenen Eintrittsschwankungen blieben bei allen Saitenspannungen gleich hoch. AKTIONSSTRÖME DER NETZHAUT BEI REIZUNG MIT HOMOGENEM LicHt. 477 4 er 1 ur yoz zo9yaıjeryyodg uausparyosıeA dop Sunyay oyosgizeds arg '?7 yosoay "L SI (F ‘IN ouyeupny) "wwcr.I = osagypedg nn Fey (3 ‘IN Pwyeugny) 'wwy[-g = opaagypedg nn gıc (T IN auyeumy) "wwzFG-0 = opeagypedg "nn ggg ALESSANDRO BROSSA UND ARNT KOHLRAUSCH 478 “ww 60-0 = oyargypedg "rn ae "wu jg.0 = ayaıgypedg nn gg9 I REIZUNG MIT HOMOGENEM LicHt. 479 AKTIONSSTRÖME DER NETZHAUT BE 1197 ‘aoryorgeirpyodg ususparyosıoA op Sunyıry oyosyizeds Et "wuzG°Q = oypagyyedg nn zer "wur [+0 = oyrorgypedg , "nn aac SICH .8 g YaSoLT ÄLESSANDRO BROSSA UND ARNT KOHLRAUSCH 480 "uapunyog ur oz "Sungey.LIm aıBpunyos ap ae Tolyarjenyyppdg ususparyasıaA 19p Jung. oyosyızods arg 9 yosorg ‘6 LH "wu Fg.0 = ayaıgyedg "nn zer "wur gg.0 = appagypedg nr ge9 ÄAKTIONSSTRÖME DER NETZHAUT BEI REIZUNG MIT HOMOGENEM LicHr. 481 zwischen A und B eine Kurvensenkung liegt, welche bei den langwelligen sehr viel weniger ausgesprochen ist. Die Beobachtung, daß der Gipfel der Eintrittsschwankung bei blauem Licht früher erreicht wurde, trotzdem die Ausschläge' kleiner waren als in Rot, hat bereits Gotch! gemacht. Aus der Fig. 9 sieht man, daß trotz gleich hoher positiver Eintritts- schwankungen die sekundären Erhebungen verschieden sind: die sekundäre Erhebung wird stets nach dem kurzwelligen Ende des Spektrums zu höher und erreicht früher ihre maximale Höhe (vgl. Tab. 5). Stellt man wieder wie in Fig. 6 die Änderung der Geschwindigkeit der Saiteneinstellung graphisch dar, so sieht man, daß genau dieselben Unterschiede bezüglich der Einstellungsgeschwindigkeit zwischen einem langwelligen (punktiert) und einem kurzwelligen (ausgezogen) Licht be- Be IE 70 7 120233. 14 sie 22 18 Fig. 10. Anstiegsgeschwindigkeit der sekundären Erhebung. 0—-0 = 454 un; 0O----0 = 633 un. stehen wie zwischen einem Licht geringer und hoher Intensität, obwohl jetzt bei den Spektrallichtern die positiven Eintrittsschwankungen bei lang- und kurzwelligem Licht dieselbe Ordinatenhöhe haben. Wären in der graphischen Darstellung (Fig. 10) die beiden Kurven weiter fortgeführt, so würden sie sich überschneiden und die ausgezogene (kurzwelliges Licht) die Abszisse früher erreichen als die punktierte (langwelliges Licht). Bezüglich des Verdunkelungsausschlags sind die Resultate nicht so eindeutig wie die stets wieder zu beobachtenden ‚Unterschiede der Ein- trittsschwankung und der sekundären Erhebung. Da jedoch unsere Frage nach der qualitativ verschiedenen Wirkung der Spektrallichter durch die an der Eintrittsschwankung und sekundären Erhebung gefundenen Unter- schiede bereits gelöst war, und durch die Verschiedenheiten des Verdunke- 1 Gotch, Journal of physiolog. 1904. Vol. XXXI. p.14. Archivf. A.u.Ph. 1913. Physiol. Abtlg. 31 482 ÄLESSANDRO BROSSA UND ARNT KOHLRAUSCH: lungsausschlags das Resultat nicht wesentlich beeinflußt wurde, haben wir einstweilen keine weiteren systematischen Versuche bezüglich des Verdunkelungsausschlags angestellt. In einem Teil der Versuche (Fig. 7 und 8) fanden wir, daß der Verdunkelungsausschlag mit abnehmender Wellen- länge niedriger und sein Anstieg flacher wird. Das würde im Sinne der Be- obaehtung von Gotch! sprechen, daß mit Blauviolett der Verdunkelungs- ausschlag schwerer auszulösen ist, und erst nach mindestens 8°’ dauernder Beliehtung auftritt. In einem anderen Teil der Versuche (nicht abgebildet) hatte der Verdunkelungsausschlag nach kurzwelligem Licht die gleiche Höhe wie nach langwelligem; dabei waren die Intensität und die Belich- tungsdauer in diesen Versuchen annähernd dieselben wie in den übrigen. Doch ließen sich auch bei gleich hohem Verdunkelungsausschlag ähnliche Formunterschiede bei lang- und kurzwelligem Licht konstatieren, wie die oben in Abhängigkeit von der Intensität des voraufgegangenen Lichts gefunden (vgl. Fig. 4). Nach langwelligem Spektrallicht hob sich die Verdunkelungsschwankung plötzlich mit einem scharfen Knick von der Abszisse ab, mit abnehmender Wellenlänge erfolgte das Einsetzen der Verdunkelungsschwankung allmählicher, und der scharfe Knick ging mehr und mehr in ein $ über. Wenn auch bezüglich der Größe des Verdunkelungsausschlags die Ver- suche nicht überall eindeutig waren, so waren die Resultate bezüglich der Latenz der Verdunkelungsschwankung bei allen Versuchen übereinstimmend. Die Latenz der Verdunkelungsschwankung, die nach Belichtung von einigen Sekunden bei 633 uu durchschnittlich halb so lang ist wie die Latenz der Eintrittsschwankung, nimmt mit abnehmender Wellenlänge an Größe zu und ist bei 454 uu fast doppelt so lang wie bei 623 uu (vgl. Tab. 3 u. 4). Der Gipfelabstand? der Verdunkelungsschwankung wird von der durch die betreffende Wellenlänge ausgelösten sekundären Erhebung mit beeinflußt. Er nimmt meist mit abnehmender Wellenlänge an Größe zu. Nach Be- liehtung mit kurzwelligen Strahlen steigt die sekundäre Erhebung auch nach der Verdunkelung noch weiter an, und der Verdunkelungsausschlag superponiert sich über diese weiter ansteigende sekundäre Erhebung. Da- bei hebt sich ihr Gipfel meist nicht deutlich von der sekundären Erhebung ab und ist infolgedessen nicht auszumessen (vgl. Tab. 3—4 u. 6). Die an der Hand der Figuren soeben besprochenen Formenunter- schiede der Kurven sind in den Tabellen 3—5 für einen Teil der Versuche ! Gotch, Journal of physiolog. Bd. XXXI. 8.10 u. 11. ® Unter „‚Gipfelabstand‘“ verstehen wir hier wie im folgenden die Zeit, die ver- geht von dem Moment ab, wo das Saitenbild sich von der Abszisse abhebt, bis zu dem Moment, von dem ab es nicht mehr weiter ansteigt. ÄKTIONSSTRÖME DER NETZHAUT BEI REIZUNG MIT HOMOGENEM Licht. 483 zahlenmäßig ausgedrückt. Die Zahlen sagen selbstverständlich bezüg- lich der absoluten Größe nichts, da diese mit der Intensität des Spektrums - und außerdem von Tier zu Tier variiert. Daher sind auch die von ver- schiedenen Fröschen erhaltenen absoluten Zahlen untereinander nicht zu vergleichen. Nur die an ein- und demselben Tier gewonnenen, in den _ senkrechten Stäben untereinander stehenden Zahlen sind miteinander vergleichbar, und in ihnen drücken sich die Formenunterschiede der Aktions- stromkurven zahlenmäßig als Funktion der Wellenlänge aus. Tab. 3 und 4 enthalten einen Teil der Versuche, bei denen die positive Eintrittsschwan- kung und nach einigen Sekunden Belichtung die Verdunkelungsschwankung registriert wurde. Die Zahlen stellen die Mittelwerte aus mehreren Auf- nahmen dar. Im ersten senkrechten Stabe stehen die untersuchten Wellen- längen in «u, im zweiten die für das betreffende Tier gleichwertigen Spalt- _ breiten in mm, im dritten die Latenz der Eintrittsschwankung A, im - vierten der Gipfelabstand der Eintrittsschwankung, gemessen vom Ab- hebungspunkt der Kurve bis zu dem Punkt, von dem ab sie nicht mehr weiter ansteigt. Der fünfte Stab enthält die Latenz des Verdunkelungs- ausschlags C und der sechste den Gipfelabstand des Verdunkelunssaus- ' schlags, ebenso gemessen wie der der Eintrittsschwankung. Die Zahlen für die Latenzen und Gipfelabstände sind in Y/jooo —=-o angegeben. Die Latenz der Eintrittsschwankung A variiert sehr wenig, sie ist jedoch regel- mäßig bei mittleren Wellenlängen etwas kürzer als bei lang- bzw. kurz- welligem Licht. Der Gipfelabstand von A wird kontinuierlich kürzer mit abnehmender Wellenlänge. Die Latenz der Verdunkelungsschwankung C wird länger mit abnehmender Wellenlänge, ihr Gipfelabstand wird in der Mehrzahl der Versuche, jedoch nicht in allen, größer mit abnehmender Wellenlänge (z. B. nicht in Versuch B 11 und B 15). Das Zeichen © m Stab VI bedeutet, daß der Gipfelabstand der Verdunkelungsschwankung nicht zu messen war, weil er sich von der auch nach der Verdunkelung noch weiter ansteigenden sekundären Erhebung nicht deutlich abhok. ‚Einige von den Versuchen, in denen die sekundäre Erhebung unter- sucht wurde, sind in -Tab. 5 zusammengestellt. Im. ersten senkrechten Stabe stehen die untersuchten Wellenlängen, im zweiten die gleichwertigen Spaltbreiten, im dritten die Höhe der Eintrittsschwankung in mm, im vierten die maximale Höhe der sekundären Erhebung in mm und im fünften die Zeit in Sekunden, die vom Moment der Belichtung ab ver- . streicht bis zu dem Augenblick, in dem die sekundäre Erhebung ihr Maxi- mum erreicht hat. Man sieht, daß trotz gleich hoher positiver Eintritts- schwankung die sekundäre Erhebung mit abnehmender Wellenlänge größer wird und zunehmend früher ihr Maximum erreicht. In Versuch € 10 ist Ss ALESSANDRO BROSSA UND ARNT KOHLRAUSCH 484 088 G8T 8L3 CHI 89-0 008 | c9T GL3 | 081 so 1247 = >> 53 — == BE —E ni = == 659 ta 23 68T »08 L#L IT-0 GLE 81 G68 681 TL*0 814 = = = er: as == Er Zr. = Ze; G68 388 001 087 T91 »G-0 948 81 LIF Et »G.0 889 ’?g y2soıl | Tg y>soıdg L es 081 LLG OLT 7.0 >= = 838 | rST 8L°0 12 Ze = = | en 7 =. = Er = = 63% 768 ITL STE 041 Tr-0 =; FE 626 88T a) 8L4 = = = E = — — == = — 969 0L3 68 gıG LGT rG.0 = ns | 0897 08T 00-T 659 "Tg y»soıd ®$T y2soıyJ — — | 162 | 891 18-0 -- | — 928 | 6LL 18-0 ver = = = = = = E = E 638 = = L3& ge TT-O = == 688 GLT TL-O 8L$ Z= = = Er = = e =: a: 7 g6G _ = 707 89T 9.0 = = | LLS 621 74.0 889 Gau ur zaur 2 ur ww ut Bu! ur u ur wm ut nn ur Ir Bee 9 uoA ee y uoA Sag I ne D u0A de y uoA EIIERGT odue] -[ordr.g) zuayer] -[ardıe) zuayer] -jedg -[ordıxg) zuoyer] -[ordro) zuayer] -gfedg: -uOoM IA A AI II 11 IA A AI III II I ST y»soıy IT yosoıjJ -ı94yoıjjeıgyads ıap Zunyaım Ayasıpızads aıIq SR ER AKTIONSSTRÖME DER NETZHAUT BEI REIZUNG MIT HOMOGENEM Licht. 485 & 101 GL3 | LI | 88.0 & GEL 80% 931 88-0 505 © 28 6IE TEIL 1-0 —_ —_ —_ = — 638 CF GL gzE LEI T°0 00F gl 768 OFT T-0 819 fe 98 098 er 1-0 — — = — 069 Car 08 868 LFI LE*O 888 IK 08€ 901 LE°0 g89 IT y9asoıy Mar yasoıd — u __ rennen = = | — | — = se | | 298 | 291 28:0 FF 683 6TL G93 gel 1:0 — | — = = — 639 088 CIL 06% 0<1 T’0 — _ — — _ 819 298 001 FE Zen 1-0 74€ 921 oTE 991 To G69 083 6L 01F Fe LE°O 88€ 18 LOF Pete L8°0 889 Hr yosoxg gg yosoıy ee EBENE ee — — _ 79.0 » #13 908 zLl 79-0 ver c0g 391 a1 991 1-0 929 781 LIE 081 1-0 628 898 al gIr 091 60°0 888 081 207 891 60-0 069 76% zıı 688 291 ».0 808 gel 099 a8I IE-0 88 5: Er 2 ur eu ou ww ur DEU ou sur our ww ur nn ur OA UoA UOoA puwegsq® D u0A are y uoA BIERGI in Isqe D u0oA Suelsch y uoA apeıq oduef -[oJdrg Zuoyer -[oJdrg) zuoyer] -pedg -Joydro) zuoyer] -[aJdrg Zuoyerg -pedg -uofo M IA A AI III II IA A AI III II I 6 y98so1J ; 87 y9asoay ‚19Yyarjeıygodg 1op Sunyıım oyasızızads arq 7 e1l2g®eL 486 ALESSANDRO BROSSA UND ARNT KOHLRAUSCH: die Höhe der positiven Eintrittsschwankung nicht vollkommen ausge- glichen, sie wird etwas kleiner mit abnehmender Wellenlänge, und trotz- dem wird die sekundäre Erhebung größer. Tabelle5. Die spezifische Wirkung der Spektrallichter. Frosch EZ, Er 0 scher I II III IV V II III IV % © &n 80 &n ® = DO 80 a 8 ı @ FE) = S2|s8 238 8858| 2828| 83: 253 238/42 El ER Earl era s ch alas EEaliis S2|a8 [FEal3S: 84 = A S aA a En, A e 3) un 633 0-7 LE) 22.0 50 0-7 8-0 23-5 43 578 0-1 7-0 24.0 45 — — —_ — 535 0-1 7-5 26-0 = = = — — 454 0-7 7-0 27-0 40 0-9 8-0 34:0 37 | | Frosch Froseh C» 633 0-7 11-5 20-5 44 0.62 13.5 27 —_ 578 = = = = 0-1 13.0 32 — 454 0-45 11:5 25-5 34 0.54 12.0 33 — Frosch E& : Frosch 633 0-65 8-5 23-0 42 0-7 8:0 29.0 46 454 0-4 8-5 28-5 28 0.65 8:0 38-0 36 Um den Befund der qualitativ verschiedenen Wirkung der homogenen Spektrallichter auf die Aktionsströme sicher zu stellen, waren einige Kon- trollen erforderlich. Einmal ändert sich die Form der Kurven bei längerem Arbeiten infolge Ermüdung des Tieres: der Strom wird schwächer, sein Ablauf erfolgt zunehmend träger, die Latenzen werden länger, die positive Eintrittsschwankung wird niedriger und flacher, der Gipfelabstand wird größer, die sekundäre Erhebung wird niedriger und erreicht ihr Maximum später. Bei unseren Versuchen über die Wirkung der Lichter verschiedener Wellenlänge war die im Lauf des Versuchs sich ändernde Form der Kurven dadurch auszuschalten, daß wir hintereinander die einzelnen Wellenlängen durchprüften, am langwelligen Ende beginnend, und dann die ganze Reihe wiederholten. Eine Tabelle, die einen der obigen Versuche (B5) nach der Zeit der Aufnahmen angeordnet enthält, möge das veranschaulichen. Die ÄXKTIONSSTRÖME DER NETZHAUT BEI REIZUNG MIT HOMOGENEM LICHT. 487 horizontalen Reihen enthalten von oben nach unten die Nummer der Auf- nahme, die Zeit, die zu der Zeit untersuchte Wellenlänge, die Gipfel- abstände der entsprechenden positiven Eintrittsschwankungen und der Verdunkelungsschwankungen. Tabelle 6. Versuch 5,, nach der Reihenfolge der Aufnahme geordnet. Frosch 5, Eintrittsschwankung konstant = 20 mm. Nr. der Aufnahme . . j! 2 3 Age Sch 6 7 Der ech Weise one 69T | 6539 | Te, Wellenlänge in uu . .| 633 578 454 454 | 633 | 578 454 Gipfelabstand von Aino | 478 323 | 268 274 | 552 302 | 290 Gipfelabstand von Cin o | 290 388 © eo) | 250 400 ) Man sieht, daß die Formverschiedenheiten unabhängig sind von der Ermüdung des Tieres und allein auf die Wellenlänge des Reizlichtes zu- rückzuführen sind. Daneben ist meist eine geringe Zunahme des Gipfel- abstandes mit der Dauer des Versuchs zu konstatieren. Da die Form der Aktionsstromkurven wie wir im dritten Teil gesehen haben, mit der Intensität des Reizlichtes variiert, so war zu prüfen, inwie- weit die bei den verschiedenen Wellenlängen konstatierten Formunter- schiede auf etwaigen Fehlern beim Intensitätsausgleich beruhen, ob nicht vielleicht ein gut Teil der Unterschiede durch diese Fehler bedinst ist und ob es etwa möglich ist, durch Intensitätsvariierung, mit rotem Reizlicht, eine Kurve zu gewinnen, die in ihrer Form einer mit blauem Reizlicht erhaltenen ähnlich ist. Nun ist tatsächlich der Ausgleich der Höhe der Eintrittsschwankung bei empfindlichem Galvanometer mit ziemlich großer Genauigkeit auszuführen. Eine Änderung der Spaltbreite um 0-1 mm bewirkte bei 633 und 454 uu eine Änderung des Ausschlags von 3—4 mm (bei Y/,, M.-V. ein Ausschlag der Saite von ca. 11/, em vorausgesetzt). Wir haben jedoch untersucht, in welchem Maße die für die lang- und kurz- wellisen Lichter charakteristische Kurvenform mit der Intensität varüert. Ein Beispiel gibt Fig. 11. Die vier oberen Kurven sind mit steigenden Intensitäten (von unten nach oben) von 633 uu, die unterste zum ‚Vergleich mit 454 uu aufgenommen. Man sieht: auch durch hochgradige Steigerung der Intensität läßt sich mit 633 uu nicht ein derartig steiler Anstieg der positiven Erhebung und ein so kurzer Gipfelabstand hervorrufen, wie er sich bei 454 uu findet, und keine so frühzeitige und tiefe. Absenkung nach der positiven Erhebung. . . ÄLESSANDRO BROSSA UND ARNT KOHLRAUSCH 488 “wurg.g = opoaggpedg "rn ggg "wurg.0 = eyrargypedg nn ggg "wu0g-T = oyeagypeds nn egg AKTIONSSTRÖME DER NETZHAUT BEI REIZUNG MIT HOMOGENEM Licht. 489 „fr ur NoZ na ;cH nz yoropsıo, wı (uogo yaBu usJun uoA) yeyısuogup TEpuastags Mur ir) 889 "TOryoreygodg ususporyostoA op Sunyaıy oygosgrzeds org "*T yosoag "IT DI uuy.Q = opsıgypedg "nn zcH N # % = 3 “ % = "wu g.0 = enorggpedg nl ggg 490 ÄALESSANDRO BROSSA UND ARNT KOHLRAUSCH: Trotzdem der Ausschlag bei 633 uu mit Spaltbreite 1-0 mm etwa anderthalb mal so hoch ist wie der von 454 uu mit Spaltbreite 0-4 mm, ist doch der Gipfelabstand im ersteren Fall noch wesentlich länger. Die Kurvenform ist also für die Wellenlänge charakteristisch und in weiten Grenzen von der Intensität unabhängig. | Schließlich haben wir noch einige Versuche angestellt, bei denen die Intensitäten der verschiedenen Spektrallichter so abgeglichen wurden, daß die maximale Ordinatenhöhe der sekundären Erhebungen die gleiche war. Tabelle 7 diene als Beispiel. a)brelihe 7. Die spezifische Wirkung der Spektrallichter. Froseh C; Wellenlä nn \ As ; e ns Spaltbreite we en Zeit e n u in mm = Ne >& n Sr in Sekunden » ın mm ın mm | 633 nes 1 08 | 40 454 0:54 | 9.0 27-0 | 31 Wie zu erwarten, ist bei gleich hoher sekundärer Erhebung die posi- tive Eintrittsschwankung bei 633 uu größer als bei 454 uu. Außerdem er- reicht die sekundäre Erhebung bei kurzwelligem Licht ihr Maximum früher als bei langwelligem, d. h. sie verläuft steiler. Demnach ergibt sich, daß man durch Intensitätsvariierung eines langwelligen homogenen Reizlichtes keine Aktionsstrom- kurven vom Frosch erhalten kann, welche mit den bei Reizung mit kurzwelligem Licht erhaltenen zu verwechseln wären. Es läßt sich also keine „Aktionsstromgleichung‘“ einstellen, son- dern es bleiben immer die beschriebenen Unterschiede im zeitlichen Verlauf der Aktionsströme bestehen, welche als spezifische Funktionen der Wellenlänge aufgefaßt werden müssen und eine qualitativ verschiedene Wirkung der einzel- nen Spektralfarben auf der Netzhaut erkennen lassen. Zusammenfassung. Um eine qualitativ verschiedene Wirkung der einzelnen Spektral- lichter auf die Netzhaut an der Hand der Aktionsströme zu beweisen, wurden Versuche an lebenden kuraresierten, vollkommen dunkel adap- ÄAKTIONSSTRÖME DER NETZHAUT BEI REIZUNG MIT HOMOGENEM LicHt. 491 tierten Fröschen angestellt, deren Pupillen durch Atropineinträuflung gelähmt waren. Als Liehtreiz dienten die homogenen Lichter eines Nernst- licht-Dispersionsspektrums von 633 uu bis 454 uu und die Aktionsströme wurden zum großen Einthovenschen Saitengalvanometer abgeleitet und photographisch registriert. I. An lebenden Fröschen und in situ befindlichen Augen ist der Dunkelstrom wesentlich konstanter als an isolierten Augen, und ein ge- wisser Parallelismus zwischen Dunkel- und Aktionsstrom bezüglich der Zu- und Abnahme der E.M.K. ist unverkennbar. Unter denselben Ver- suchsbedingungen sinkt die sekundäre ‚Erhebung nicht wie an isolierten Augen noch während der Belichtung (von 1—2 Minuten) wieder ab, son- dern sie bleibt nach erreichtem Maximum auf konstanter Höhe stehen, so lange die Belichtung dauert. II. Unter den Bedingungen des Stäbchensehens liegen die Maxima der positiven Eintrittsschwankung und der sekundären Erhebung an- nähernd über derselben "Wellenlänge zwischen 535 und 546 uu. Über den ‘ gleichen Wellenlängen etwa liegt das Minimum der Latenzwerte, und die Latenzen nehmen nach beiden Enden des Spektrums kontinuierlich an Größe zu. Das Verhältnis je zweier über ein und demselben Abszissenpunkt stehenden Ordinaten ist keine Konstante durch das ganze Spektrum hin- 5 Eintrittsschwankung duzch. Der Quotient sekundäre Erhebung und nimmt nach beiden Enden des Spektrums hin an Größe zu. ist über 540 uu ein Minimum III. Bei steigenden Intensitäten des Reizlichtes (weißes Licht) gehen Hand in Hand mit der wachsenden Ordinatenhöhe der Galvanometer- ausschläge folgende Formveränderungen der Aktionsstromkurven: die Latenz der Eintritts- und der Verdunklungsschwankung wird, wie be- reits bekannt, kürzer, der negative Vorschlag tritt erst, wie gleichfalls bekannt, von einer bestimmten Lichtintensität ab auf und wird von da an stärker ausgeprägt. Alle drei positiven Stromschwankungen (Eintritts- schwankung, sekundäre Erhebung, Verdunkelungsschwankung) steigen rascher und steiler an; die Eintrittsschwankung und die Verdunkelungs- schwankung erreichen früher ihren Gipfel. Die Senkung zwischen positiver Eintrittsschwankung und sekundärer Erhebung wird tiefer. Die Verdunke- Iungsschwankung steigt in immer schärfer werdendem Knick von der Abszisse aus an. IV. Stuft man die Intensität der Lichter verschiedener Wellenlänge so ab, daß die lane- und kurzwelligen gleiche Ordinatenhöhe der positiven 492 ALESSANDRO BROSSA UND ARNT KOHLRAUSCH: AKTIONSSTRÖME USW. Eintrittsschwankung geben, wie die mittlerer Wellenlänge, dann liefern die verschiedenen Spektrallichter keine identischen Aktionsstromkurven der Froschretina, sondern man findet stets wieder dieselben typischen Formverschiedenheiten: a) Die Latenzen der positiven Eintrittsschwankung zeigen wesentlich geringere Größenunterschiede bei Reizung mit den einzelnen Spektral- lichtern, wenn die physiologischen Wirkungswerte ausgeglichen sind, als bei nicht ausgeglichenen Reizwerten. Die Latenzwerte sind bei mittleren Wellenlängen etwas kürzer als bei lang- bzw. kurzwelligem Licht. b) Trotz gleicher Ordinatenhöhe der positiven Eintrittsschwankung nimmt vom lang- zum kurzwelligen Licht hin der Anstieg der Ein- trittsschwankung an Steilheit zu, der Gipfel wird früher erreicht und wird spitzer. Die Senkung zwischen positiver Eintritts- schwankung und sekundärer Erhebung wird tiefer und fällt steiler ab. c) Die sekundäre Erhebung wird nach dem kurzwelligen Ende des Spektrums zu höher, steigt steiler an und erreicht früher ihre maxi- male Höhe. d) Die Latenz der Verdunkelungsschwankung nimmt mit abnehmender Wellenlänge an Größe zu und ist bei 454 uu fast doppelt so lang wie bei 633 uu. Der Gipfelabstand der Verdunkelungsschwankung wird größer mit abnehmender Wellenlänge. Gleieht man die Intensitäten der verschiedenen Spektrallichter so aus, daß die sekundären Erhebungen die gleiche maximale Ordinatenhöhe er- reichen, so ist die positive Eintrittsschwankung bei langwelligem Licht größer als bei kurzwelligem, und die sekundäre Erhebung verläuft bei langwelligem weniger steil als bei kurzwelligem, d. h. sie erreicht später ihre maximale Höhe. Die Kurvenform ist für die Wellenlänge charakteristisch und in relativ weiten Grenzen von der Intensität unabhängig. Durch Intensitätsvariierung ist es demnach nicht möglich, bei Reizung des Froschauges mit langwelligem Licht dieselben Aktionsstromkurven zu erhalten wie mit kurzwelligem Licht. Es läßt sich also keine Aktions- stromgleichung einstellen, sondern es bleiben immer Unterschiede im zeit- lichen Verlauf der Aktionsströme bestehen, welche als spezifische Funk- tion der Wellenlänge aufzufassen sind und eine qualitativ verschiedene Wirkung der einzelnen Spektralfarben auf die Netzhaut erkennen lassen. Zusammensetzung und Stickstoffumsatz hungernder Schleien. Von Dr. med. Franz Schütz. Ausgedehnte, d. h. bis zum Tode der Tiere durchgeführte Stoffwechsel- versuche im Hunger lagen bis vor kurzer Zeit bei Fischen noch nicht vor. In Fütterungsversuchen sind dagegen die Gesetze der Atmung und des N- Umsatzes von vielen Autoren beschrieben worden, eingehend von Zuntz! und seinen Schülern, unter denen wir besonders Knauthe? und Cronheim?, die mit dem von Zuntz angegebenen Respirationsapparat für Wassertiere arbeiteten, grundlegende Untersuchungen über den Stoffwechsel der Fische verdanken. Auch Hungerversuche sind von den eben genannten Autoren angestellt worden, allerdings nur immer für einige Tage; oft lagen auch zwischen den einzelnen Versuchstagen Perioden, in denen die Fische wieder gefüttert wurden. Bei allen von Zuntz angestellten Versuchen ist zu be- merken, daß die Tiere der Gasanalyse wegen stets nur 4-6 Stunden im Versuch blieben und zu Anfang wie zu Ende des Versuchs Proben zur O-, CO,-, N-Bestimmung entnommen wurden. Neuerdings hat Pütter? und seine Schule Stoffwechseluntersuchungen an Fischen wieder aufgenommen; sie bestimmen den O-Verbrauch und be- rechnen daraus den Umsatz. Die Dauer der Versuche beträgt durchschnitt- 1 Verh. d. physiol. Gesellschaft zu Berlin 1900/01. Ein Respirationsapparat für Wassertiere. Dies Archiv. 1901. Physiol. Abtig. j 2 „Untersuchung über Verdauung und Stoffwechsel der Fische‘. Zeitschrift f. Fischerei. 1897. 1898. 3 „Gesamtstoffwechsel d. kaltblütigen Wirbeltiere, im besonderen der Fische‘. Ebenda. XV. 1911. 4 „Ernährung der Fische“. Zeitschrift f. allg. Physiologie IX. 494 FRANZ ScHÜTz: lich 2 Stunden. Von Lipschütz! sind denn auch die ersten Versuche über den bis zum Tode durchgeführten Hunger bei Fischen mitgeteilt worden. Er arbeitete dabei mit Tieren, die in einem Tümpel bei Berlin gefangen waren und mit kleinen Aalen, die er länger als 6 Wochen im Leitungswasser im Aquarium halten konnte. Bevor die Lipschützschen Arbeiten erschienen waren, hatte mir Herr Geh. Rat Rubner die Aufgabe gestellt, die Größe des N-Umsatzes hungernder Schleien zu bestimmen. Die Arbeit zog sich über mehrere Jahre hin.” Inzwischen haben noch Hans Reuss und E. Weinland ihre Unter- suchungen bekannt gegeben, die über den Stoffwechsel und die Zusammen- setzung von normaler und von bei verschiedenen Temperaturen hungernder und von gefütterter Aalbrut Aufschluß brachten. Methodik. Ich legte von vornherein Gewicht darauf, zu jedem Versuch stets nur ein einzelnes Tier (Tinca tinca L.) zu benutzen. Der Fisch befand sich vom . Anfang des Versuchs an bis zu seinem Tode in einem Glasbehälter von ca. 10 Liter Fassungsvermögen. Bei den beiden letzten Schleien, deren Stoff- wechsel hier veröffentlicht ist, wurde dieser Behälter oben durch einen Aluminiumdeckel luftdicht verschlossen und in einem größeren Gefäß voll- ständig unter Wasser getaucht. Mittels Thermoregulators konnte ich be- quem jede beliebige Temperatur von O0 bis 26° einstellen. Die Temperatur- unterschiede betrugen in jeder Periode von 10 Versuchstagen höchstens 0-5°. Ein Unterschied in dem Wasser des Fisches sowie dem des umgeben- den Gefäßes machte sich, wie die in den betreffenden Wassern befindlichen Thermometer anzeigten, nicht bemerkbar. Eine gründliche Durchlüftung des Wassers besorgte eine Wasserstrahl- pumpe. Der Apparat für den ersten Fisch war in bezug auf Konstanz der Tem- peratur nicht so vollkommen eingerichtet, wie der für die beiden letzten. Nach den gegebenen Auseinandersetzungen liegt die Versuchsanordnung auf der Hand. Der Fisch befand sich während einer gewissen Zeit, die bei den einzelnen Perioden zwischen 24 und 240 Stunden schwankte, in seinem Behälter. Sollte nun das Wasser zwecks Analyse erneuert werden, so wurde zunächst die Durchlüftung abgestellt, der ganze Fischbehälter aus dem Wasser gehoben und der Deckel aufgemacht. Dann wurde der Fisch vor- sichtig mit beiden Händen gegriffen, das anhaftende Wasser ließ man ab- ! Zur Frage der Ernährung der Fische. Zeitschrift für allgem. Physiologie. XII, und Über den Hungerstoffwechsel der Fische. Ebenda. ® Eine ausführliche Darstellung ist als Diss. med. Berlin 1912 erschienen. ZUSAMMENSETZUNG UND STICKSTOFFUMSATZ HUNGERNDER SCHLEIEN. 495 tropfen und brachte nun den Fisch in ein abgewogenes Gefäß mit Wasser und wog. Die Gewichtszunahme ergab das Fischgewicht, das (wie sich bei Kontrollen ergab) gegen: das auf trockenem Wege ermittelte Fischgewicht sich nur um 1 g zu hoch erwies bei ca. 250g. Es wurde dann das alte Fisch- wasser sorgfältig unter Vermeiden von Verlust aus dem Behälter entfernt, mit destilliertem Wasser eventuell unter Reiben der Glaswand mittels einer Gummifahne tüchtig nachgespült, neues Wasser von der gewünschten Temperatur und endlich der Fisch mitsamt dem Wägewasser in den Be- hälter gebracht. Darauf wurde der Deckel geschlossen, der Fischbehälter unter das Wasser getaucht und die Durchlüftung wieder in Gang gesetzt. Die ganze Manipulation dauerte höchstens !/, Stunde, dabei befand sich der Fisch nur ca. 1 Minute außer Versuch, in dem Moment nämlich, wo _ er aus dem alten Wasser in das Wägegefäß gebracht wurde. Die Übergänge von einer Temperatur in die andere dauerten bis zur völligen Konstanz höchstens 2 Stunden, also verhältnismäßig wenig Zeit und wurden von den von mir gebrauchten Tieren ausgezeichnet vertragen. Während nun der Versuch weiter seinen Gang ging, wurde das alte Fischwasser auf N analysiert. Ich befolgte die Kjeldahlsche N-Bestimmungs- methode und verfuhr im einzelnen folgendermaßen: Unter Zugabe von ca. 10 cem konz. H,SO, wurde das Fischwasser in großen Kolben destilliert bis auf ca.500 cem, dann quantitativ in Maßkolben gebracht und auf 1000 cem mit destilliertem Wasser aufgefüllt. Von dieser Menge wurden mittels Aus- laufpipette zwei Portionen 4480 ccm zur N-Bestimmungnach Kjeldahlbenutzt. Da ich für das Fischwasser gewöhnliches Leitungswasser benutzte, so berücksichtigte ich diesen Umstand, indem ich den für 1 1 Berliner Leitungs- wasser bestimmten Wert für N mit 0-2 mg in die Berechnung für die N- Ausscheidung des Fisches einsetzte und von dem gefundenen Wert in Abzug brachte. Zuntz läßt nun vor der Analyse das Wasser filtrieren, um den von den Fischen abgesonderten Schleim usw. von den Ausscheidungen der Tiere zu trennen. Zu demselben Zweck trocknet er bei der Wägung die Fische sorgfältig mit emem Tuch. Lipschütz bestimmt den Kot gesondert, be- rücksichtigt aber auch nicht die N-Verluste durch Schleim usw. Da aber die festen Teile, Schleim, Kot, Schuppen und die Leibessubstanz der aus diesen Massen während der Versuchstage gebildeten Bakterien in letzter Linie doch von dem hungernden Fisch stammen und bei der Bestimmung seines Hungerstoffwechsels mitberücksichtigt werden müssen, so hielt ich es für richtiger, das ganze Wasser ungeteilt zu untersuchen. Zum Schluß der Versuche nach dem Tode der Fische sowie zur Ana- Iyse der frischen Tiere zerschnitt ich zunächst die Fische in möglichst 496 FRANZ ScHürz: kleine Stücke, nachdem sie trocken gewogen waren; dann brachte ich sie quantitativ in Porzellanschalen und trocknete während 24 oder 48 Stunden bei 100°, worauf ich wieder wog. Nach dieser ersten, etwas groben Be- stimmung der Trockensubstanz wurde das Material in der Pulvermühle zu einer homogenen Masse pulverisiert. Von diesem Pulver machte ich dann noch einmal eine Trockenbestimmung und daran anschließend mit demselben Material eine Aschenbestimmung auf trockenem Wege im Porzellantiegel. Der Stickstoff wurde nach Kjeldahl und der Fettgehalt im Soxhletschen Apparat oder nach Kumagawa Suto bestimmt. Den Verbrennungswert des Organpulvers ermittelte ich mittels der Mahler- Berthelotschen Bombe. Zu sämtlichen Analysen wurden Kontrollana- Iysen gemacht. Gewiehtsverlust. Nehmen wir nun von den von mir untersuchten Fischen zunächst den zweiten aus und betrachten die Gewichtsverluste während des Hungers, so zeigt sich, daß das Fischgewicht von IV in 122 Tagen von 310 g bis 180 g und „u VL; 64 2a 126ıe abgenommen hat. Es sind somit im ersten Falle 42 Prozent, im letzten 52 Prozent des Anfangsgewichtes zu Verlust gegangen. Die Gewiehts- verluste der beiden anderen Fische stehen vollkommen in Einklang mit den sonst im Hunger beobachteten. Nach Chossat erfolgt der Tod, nach- dem das Körpergewicht eines gut genährten Tieres annähernd auf die Hälfte gesunken ist. Der beim Menschen beobachtete größte Gewichtsverlust, der allerdings nicht zum Tode des Individuums führte, also nicht der maximale ist, betrug nach Luciani während eines 30tägigen Hungerns ca. 23 Prozent. Chossat, der an Säugetieren, Vögeln, Amphibien und Fischen experimentierte, fand, daß bei durchschnittlich ca. 40 Prozent Gewichtsverlust der Tod eintrat. Beim Kaninchen bestimmte Rubner! einen Gewichtsverlust von 32, 41 und 49 Prozent während des Hungerns. Die höchste am Fleischfresser beobachtete Prozentzahl des Gewichts- verlustes fand sich bei einer Hündin von Kumagawa und Miura, die nach 98 Hungertagen 65 Prozent des Anfangsgewichtes verloren hatte. Aller- dings wog das Tier 17 kg, war also wohl besonders gut genährt. Die kleinen Aale, mit denen Lipschütz arbeitete, verloren im ganzen 63 Prozent ihres Gewichtes. Auch von niederen Tieren liegen einige Angaben über den 1 Lehrbuch der Hygiene. VIII. Aufl. S. 457. — Über den Stoffverbrauch im hungernden Pflanzenfresser. Zeitschr. f. Biolog. Bd. XVII. — Über den Einfluß der Körpergröße auf Stoff- und Kraftwechsel. Ebenda. Bd. IXX, S. 535. ZUSAMMENSETZUNG UND STICKSTOFFUMSATZ HUNGERNDER SCHLEIEN. 497 Gewichtsverlust während des Hungerns vor. Hierbei liegen nun die Werte im Durchschnitt etwas höher als bei den höheren Tieren, was wohl damit zusammenhängen mag, daß die niederen Tiere durch ihre Lebensbedingungen in der Natur viel eher dazu befähigt sind, Hunger zu ertragen, auch über verhältnismäßig lange Zeiten, als .die komplizierter organisierten Tiere. So fand Pütter an der Echinoderme Cucumaria grubei nach einem halben Jahre einen Gewichtsverlust von 48,3 Prozent, an Hirudineen nach 88 Tagen 66 Prozent, Vernon bei der Skyphozoe Rhizostoma bei einer täglichen Abnahme von 8 Prozent des Gewichtes nach 5 Wochen sogar nur 11 Prozent des Anfangsgewichtes. Der Durchschnitt aller eben angeführten Tiere er- gibt somit, daß bei ca. 53 Prozent Gewichtsverlust der Tod eintritt. Zusammensetzung: der frischen und der verhungerten Fische. & S a In 100g Trocken- oa Verbren- 48 2 substanz sind 2 © Z| , Aungswert 22 E De 2 |in kg-Kal. für = N | Fett |Asche 585 1008 | 100g Proz. | Proz. || Proz. | Proz. | Proz. |&.3&|troek. | org. Schlei VIII . . . . .|21-.42 | 78-.58|11-95 | 8-708 | 15-04 || 16-47 491-8 | 578-9 Schlei IX . . . . .121-44 | 78-56 | 12-06 |5-339 |18-19 || 19-2 | 466-7 570-5 Durchschnitt der frischen Tiere! . . . . .. .|21-43 | 78-57 || 12-01 | 7.024 | 16-62) 17.84 | 479-8 | 574-7 Schlei IV 0.0. .[19-.7 80-3 |14-93 | 2.125 26-0 || 26-57 386-6 | 522.7 - Sehlei VII . . . . „16-08 |83-92||10-58 2-32 [31-1 ||31-84 | 355-3 | 513-0 Durchschnitt der Hunger- tiere. . > 2 2. .)17-89 | 92.11 ||12-.76 | 2-223 | 28-6 | 29-21 ||371-0 | 517-9 Sehlei V. . . . . .|23-0 |77-0 ||11-8 |7-658 17.89 || 19-87 || 455-7 | 547-5 Zusammensetzung der fett- und aschefrei gedachten Körpersubstanz. In der frischen Prozent N) Verbren- Substanz sind in der | aungswärme kg-Kal. Trockene ‚(der Trocken-| für Wasser Si oeanz EN substanz ne 5 8 Proz. Proz. | as anz in cal. Seal 82.78 17-22 ° 15-66 5398 34-5 Schlegl ge 82.73 17:27 15-75 5461 34»5 Durehschnitt d. frischen Tiere | 82.76 17.24 15-71 5430 34.5 BEChleisEV. #4... ua 85-01 14.99 15.8 5107 32-3 Seller) Dee 88-68 11.32 | 15-89 5017 31:6 Durchschnitt der Hungertiere 86-85 13-16 15.85 5062 32.0 Sellin RR RD 81-88 18.12 15-85 5174 32-6 ! Im Oktober und November analysiert. Archivf.A.u.Ph. 1913. Physiol. Abtlg. 32 498 FRANZ ScHÜTz: Aus der Analyse normaler Tiere und dem Lebendgewicht zu Beginn des Versuches wurde die Zusammensetzung der Hungerfische am Anfang des Versuches berechnet. Da sie am Ende durch direkte Analyse bekannt ist, berechnet sich folgender Verbrauch der einzelnen Komponenten wäh- rend der Hungerperiode. Lebend- | Trocken- | gewicht | substanz 2 Dan une: kg-Ral. 5 5 5 5 5 IV. am Anfang . . .| 310-.0| 66-4 | 1.98 | 4.66 | 11-04) 31-9 Nach 122 Hungertagen 184-1 36-3 4.12 0-77 9.43 14-1 Umsatz . -. .. . ....| 126-0 | —80-1 | —3-86!| —3.89 | — 1-61) —17-8 VerameNntanem ar 300.0 64-3 7-71 4.52 10-69| 308-5 Nach 79 Hungertagen | 267-0 6l-A | 7.24 | 4.70 | 102.08 Deo Ümsatzrere wa | 533-0 — 2:9 |—0-47°?| +0-18 | + 0-29| — 28-9 VII. am Anfang. . . 260-0 55.7 6-69 3-91 9.26 | 267-0 Nach 164 Hungertagen 126-0 20-3 2-14 0-47 6-30 72-0 Verbrauchse, 2,00% 134-0 35.4 4.55° 3.44 2-96 | 195-0 Zusammensetzung. Um nun die Veränderungen gut studieren zu können, die während des Hungers im Fischkörper vor sich gehen, wurden von mir Analysen gemacht von solchen Fischen, die in ihrer Größe und ihrem Gewicht den zu den Hungerversuchen gebrauchten möglichst nahe kamen und zu gleicher Zeit aus dem gleichen Geschäft bezogen waren. Denn Vergleichungen mit den in der Literatur angegebenen Werten für die Zusammensetzung frischer Tiere zeigten nur eine mäßige Übereinstimmung mit meinen Zahlen. N 2 on Verbrennungs- 8 E e In 100g u ala S [wärme in kg-Ral. 8 = Ben KRISE: für Autor 2 em Fa H:® N Fett Asche |S& 5 E 100 g | 1008 Proz Proz. Proz. Proz. Proz. 58 | trocken | organ. Inaba 17-96 | 82-04 | 12-27 8-21 16-03 17.46 476-3 567-1 König | 20-0 80-0 13-97 1-95 8-3 = — — ! Direkt bestimmt 2-9 g nach Abzug des N in 296 Liter Berliner Leitungs- wasser. ® Direkt gefunden 1-08 ausschließlich des N in 138 Liter Leitungswasser. ® Direkt gefunden 2'/, bis 3g N ausschließlich des N in 416 Liter Leitungs- wasser. ZUSAMMENSETZUNG UND STICKSTOFFUMSATZ HUNGERNDER SCHLEIEN. 499 Der Sehlei Inabas! war viel kleiner (61,8 g) als meiner; König? macht keine näheren Angaben. In den obenstehenden Tabellen habe ich Schlei V besonders auf- geführt, da er ja, wie sich aus allen Zahlen und, wie schon oben bemerkt, auch aus dem Versuchsverlauf ergibt, eine Mittelstellung zwischen den frischen und den verhungerten Schleien einnimmt. Wie die Prozentzahlen für Wasser- und Trockensubstanz zeigen, be- reichert sich der Körper nun im Hunger an Wasser, wenn auch nur sehr wenig; der Trockensubstanzgehalt dagegen sinkt. Diese Schlußfolgerung geht sowohl aus der ersten wie aus der zweiten Tabelle hervor; es erhellt daraus, daß der Körper die Einbuße an lebender Substanz durch Aufnahme von Wasser verdeckt. Zu Verlust gehen nämlich während des Hungerns zunächst alle Re- servestolie; bald aber greift der Körper auch seinen Fettbestand an und bestreitet von ihm hauptsächlich seinen Energiebedarf. Wie weit bei diesem Vorgang der Körper sein Fett verlieren kann, wird aus der ersten Tabelle klar; es wird beinahe alles Fett während des Hungers umgesetzt. Der Rest von 2 Prozent, auf Trockensubstanz gerechnet, ist, da es sich um Ätherextrakt handelt, wohl kein Fett mehr im Sinne des Ernährungs- fettes, sondern besteht aus verschiedenen ätherlöslichen Substanzen. Auch die in der Literatur vorhandenen Angaben über den niedrigsten Fett- gehalt zeigen durchaus dieselben Werte. Eine gute Übersicht findet sich in einer Arbeit von E. Voit, in der allerdings der Fettgehalt auf Lebend- gewicht aufgerechnet ist. Danach betrug der Fettgehalt bei Kaninchen V 0-4 Prozent Rubner s V 0:5 * Koll3 = III 0-5 = Rubner Huhn 10-7 = Kuckein Kaninchen I 0-4 M Kaufmann 5 II 0-3 ie Rubner Rechnet man diese Zahlen auf Trockengewicht um, so bekommt man wie bei meinen Schleien etwas über 2 Prozent. Ähnliche Zahlen erhält auch Fr. N. Schulz* bei der Analyse einzelner Organe aus verhungerten Hunden. 1 Über die „Zusammensetzung des Tierkörpers.‘“ Dies Archiv. 1911. Physiol. Abteilung. ® Chemie der menschlichen Nahrungs- und Genußmittel II. S. 481. ® Zit. nach E. Voit, Zeitschr. f. Biol. XLI, 547. 1901. * Pflügers Archiv LXXVI. 408. 1899. 32* 500 FRANZ ScHÜütz: Einbuße an lebender Substanz erleidet der Körper im Hunger aber auch durch Verlust von Protoplasma. Zwar scheint der Stickstoffgehalt der Trockensubstanz während des Hungers prozentualiter um ein Geringes zu wachsen; berechnet man ihn jedoch auf die fett- und aschefrei gedachte Trockensubstanz, so findet man vor und nach dem Hunger die allgemein bekannten 15-8 Prozent, d. h. das Verhältnis von N zum Protoplasma des lebenden Tieres bleibt auch während des Hungers konstant. Während sich die fetthaltigen Organe stark am Stoffumsatz während des Hungers beteiligen, nehmen die Knochen verhältnismäßig wenig Anteil daran; mit anderen Worten, der absolute Aschengehalt eines Tieres sinkt, aber weniger als die anderen Bestandteile, so daß der Aschengehalt der Trockensubstanz während des Hungers von durchschnittlich 17 Prozent bis auf 29 Prozent, bei der fettfrei gedachten Trockensubstanz von ca. 18 Prozent auf 29 Prozent steigt. Zu ähnlichen Ergebnissen wie zu den vorstehenden ist Lipschütz in den schon oben erwähnten Hungerversuchen an kleinen Aalen gekommen. Nach seinen Angaben stieg der Wassergehalt der lebenden Tiere während des Hungers von 79-4 Prozent auf 81-3 Prozent, der Trockensubstanz- gehalt fiel von 20-6 Prozent auf 18-7 Prozent; auf Trockensubstanz auf- gerechnet fiel der Fettgehalt von 6-6 Prozent auf 3-1 Prozent, der Asche- gehalt stieg von 11-8 Prozent auf 23-3 Prozent. Es finden sich also bei- nahe dieselben Zahlen wie bei meinen Schleien. Auch Brunow!, der an Flußkrebsen Hungerversuche anstellte, fand ähnliche Werte. Danach stieg der Wassergehalt der Tiere in 110 Tagen von 76 Prozent auf 79 Prozent, der Aschegehalt von 11 Prozent auf 13 Pro- zent. Der Fettgehalt, auf Trockensubstanz aufgerechnet, fiel von 5-3 Pro- zent auf 4-9 Prozent. Wenn auch beim Flußkrebs die Unterschiede nicht so groß zu sein scheinen, so geht doch aus den Versuchen deutlich hervor, daß die Zusammensetzung des Körpers dieselben Veränderungen während des Hungers erleidet wie bei den Fischen. Weinland findet bei kleinen, stark wachsenden Aalen innerhalb von 50 Hungertagen eine Zunahme im Gehalt an Trockensubstanz (von 10-01 Prozent auf 11-35 Prozent bei Berechnung auf fett- und asche- freie Substanz). Sehr junges und embryonales Gewebe ist stets wasser- reicher gefunden worden. Im Gegensatz zu unseren und den angeführten Befunden sieht Weinland auch während des Hungerns den absoluten 1! Hungerstoffwechsel des Flußkrebses (Astacus fluviatilis). Zeitschrift für allgemeine Physiologie. XII. 1911. ZUSAMMENSETZUNG UND STICKSTOFFUMSATZ HUNGERNDER SCHLEIEN. 501 Aschegehalt seiner Aalbrut. zunehmen, besonders an Kalk. Er weist auf die Möglichkeit hin, daß das Hineinversetzen in das kalkreiche Münchner Wasser diese Aufspeicherung von Kalk veranlaßt hat. | Die Angaben über die Verbrennungswärme der Trocken- und der rein organischen Substanzen bei meinen Schleien weisen keine Besonder- heiten auf; sie wachsen mit höherem Fett- und niedrigerem Aschegehalt. Stickstoffausseheidung. Hier sei noch einmal hervorgehoben, daß ich mich darauf beschränkt habe, den N-Gehalt des gesamten Fischwassers im ganzen zu bestimmen, ohne zu versuchen, Harn und Kot gesondert aufzufangen. Wie schon Cronheim in seinem Referat über den Gesamtstoffwechsel der kalt- blütigen Wirbeltiere hervorhebt, ist es bei den anatomischen Verhältnissen und der Lebensweise der Fische in der Praxis so gut wie unmöglich, Harn und Kot getrennt aufzufangen. Außerdem handelt es sich aber in meinen Versuchen um reine Hungerversuche, d. h. der ausgeschiedene Kot, ferner Schuppen, Schleim usw. stammen ebenso wie der Harn in letzter Linie aus den hungernden Organen. Für die Berechnung der N-Ausscheidungen habe ich in die Versuche Perioden eingeführt, die sich entweder von selbst ergaben durch Teilung der Versuchstage in Dekaden oder, die wie bei den Fischen V und VII, durch die verschiedenen Temperaturen herbeigeführt wurden. Es verstehen sich daher die in den Tabellen angegebenen Werte für den N-Umsatz alle auf den Durchschnittstag einer Periode. Die Unterschiede in den einzelnen N-Ausscheidungen innerhalb einer Periode sind von ähnlicher Größenord- nung, wie sie auch in den Hungerversuchen von Knauthe beobachtet worden sind. Ein Bliek auf die N-Ausscheidungen, die ich auf 100g jeweiligen N- Bestand umgerechnet habe, läßt erkennen, daß Schlei V sich in vielen Punkten anders verhält als Schleien IV und VII. Die N-Ausscheidung ist eine sehr unregelmäßig Ein Einfluß der Körpergröße ist auch bei Fischen, wie Cronheim aus den Versuchen Knauthes dargetan hat, vorhanden. Bezieht man den Stoffumsatz auf die Körperoberfläche, so ist er ihr annähernd proportional. Nun schwanken aber hinsichtlich der Größe (Oberfläche) der Tiere die von mir untersuchten Schleie kaum. Jedenfalls waren zwischen den Ausgangszahlen (für Gewicht) zum Beginn der einzelnen Versuche kaum Differenzen vorhanden. Schlei IV wog 300 g, Schlei V 300g, Schlei VII 260 9. 502 FRANZ Schütz: Schlei IV. 3 N-Ausschei- | Zahl Änderung in rs ® & | dung in mg Si Prozent e= Zeit BE pro Tag, 5 berechnet auf 1° © 3 © | und 100g | Bestim- Temperatur- = N-Bestand | mungen unterschied 1.1.13..V.I122 0980154222 VIE. :09 19% TT4-1 6 } 0 2.03. VI. 09), 1.v1.09 | 16 7162-7 7 3.| 2.VIII.09 „ 11.VOL.09| 15 561-6 0. | 4.\12. VIIL 09 „ 21.VIII.09 | 14 621-4 6 | 0-72 5.|22. VIIIL.09 „ 31.VII.09 | 14 493.9 5 EN LBS N, OR ae 424.7 4 | B de | ai1DS 9, 20. a 443.5 2 3. aLIDX, 1), 205% 0 397.8 2 Go 180097 2100 01 18-4 2 10, ER 0920ER 03 13 20-8 2 BES a, Ra 1 27.7 1 en ad 09, 09.81.8609, As 115-0 1 Schlei V. N 3 | N-Ausschei- | Zahl Änderung in 3 = dung in mg FR Prozent 'Z Zeit =, pro Tag . "\berechnet auf 1° & = und 100g | PBestim- | Temperatur- ES N-Bestand | mungen unterschied 1.| 30.XI. 09 bis 9.XI.09 8.50 85-43 3 u 20 E10.2x01121092 0.19.09 or 35-56 1 ee 3.| 20.XI.09 „ 29.XI1.09 | 16-2 | 240-7 4 : 4. ,30:xI. 09, 1. 10: | 18-5 ? ) 52 SIE 10 ee 0 oron pe 2 | Er BIS 10.0 23T 10) 13 ee 1 we al an. 0. a.lE iD.) 88 91-89 2 ee | Bd TO Sal 710 -0 42-57 1 — 9. bis 10. II. 10 19.0 414-6 1 — lo Ale 0 TO) 19-0 681-9 1 _ 1A STEG 190 900-7 il 12-5 1 Periode I und Mittelwert von Periode VI, VII, VIII = 10,6°/,. ZUSAMMENSETZUNG UND STICKSTOFFUMSATZ HUNGERNDER SCHLEIEN. 503 Schlei VI. ” 3 N-Ausschei- Zahl Änderung in S i 3 dung in mg der Prozent ‚m Aert 2 pro Tag > berechnet auf 1° R = und 100g | Bestim- | Temperatur- = N-Bestand | mungen | unterschied 1.|26.II. 10 bis 6.II. 10 | 16-70) 438.2. 3 ST oe 10. 20:0/| | 75-4 a eo SU ET. 00 Dose 1ol|) 12.0 297-3 2 | 1 A oo ya 10. 14-1 188-3 2 Bi EN ao 10 | 16-1. > 109520 a Ne ER OaRy Ro A101 | 11110 3 ee 7. 25.1V2 40: „: 5.V. 10 | 20-2 |.. 1015-0 4 | ER BZ else Ion 23.0: 537-7 3 I Suaya. 10, „ 19.W., 1025-2 .|. 399-0 2 To eos 10, >26. 10.12 | > ‚220.6 N De oz 10, S.YL. so ım.2.|. 118-2 3 108 Bey 1o 5, 15 10.172 | 335,7 4 154 eur 102, 25.91 0 | 17.2 218-0 4 a0 es 10, Sam. 10 17:0 206-9 4 va to san 10, 17-2 205-8 2 16. ’16. VL. 10 „ 25. VI. 10 | 17.2 97-86 1 a Pesvı or, 2 vim.1o | 17-2 95.39 3 Tea syn 10, , svıl.10)\ 17.2 | 594.9 1 Man könnte weiter daran denken, eine verschiedene Zusammensetzung der Tierkörper für die sich widersprechenden Resultate verantwortlich zu machen. So wäre z. B. ein verschiedener Fettgehalt wohl in der Lage, die N-Abgabe bei den einzelnen Tieren verschieden groß zu gestalten. Nun haben wir im Vorhergehenden gesehen, dab Schlei IV bis zum 80. Tage, Schlei V während der ganzen Hungerzeit, d.h. auch ungefähr bis zum 80. Tage, und Schlei VII während der ersten 30 Tage keine Abhängigkeit von der Dauer des Hungers zeigen. Bis zu den angegebenen Terminen sind bei allen drei Fischen die Ausscheidungen konstant. Wir können daraus schließen, daß der Fettvorrat bei den Tieren so groß war, daß von ihm allein der Energiebedarf im wesentlichen gedeekt werden konnte. Später geht bei IV und VII die Ausscheidung sehr tief herab, steigt aber in der für die prä- mortale N-Steigerung typischen Weise in der letzten Periode. Mit der 9. Dekade stellt sich bei Schlei IV ein auffallender Vorgang ein: Die N-Ausscheidung sinkt ganz plötzlich auf den ca. 20. Teil des vor- 504 FRANZ ScHüÜrtz: herigen Betrages. Ein N-Verlust bei der Analyse hat nicht stattgefunden. Da ich vermutete, daß sich vielleicht durch Zersetzungsvorgänge Ammoniak im Fischwasser während des Versuchs gebildet haben und dieser mit der Ventilation entwichen sein könnte, so ließ ich die mit Wasserdampf ge- sättigte Luft während 24 Stunden durch eine bestimmte Menge !/,,n H,SO, streichen, fand aber auch hier keinen N-Verlust. Die N-Ausscheidungen blieben dauernd so tief und hielten sich drei Dekaden lang ungefähr auf demselben Punkte. Vor dem am 122. Hungertag erfolgten Tod des Tieres war ein deutlich erhöhter N-Umsatz, die prämortale N-Steigerung, zu er- kennen. Schlei VII war in dieser letzten Zeit sehr elend; es wäre also immerhin möglich, daß hier nicht nur mit den Exkreten mehr N ausgeschieden wurde, sondern daß sich schon während des agonalen Stadiums nebenbei Zersetzungs- vorgänge eingestellt haben. Die Lebensgewohnheit der Schleie, ihren Kot zu fressen, ist gewiß für Stoffwechseluntersuchungen eine unangenehme Beigabe und kann wohl manche Unregelmäßigkeit in den Resultaten herbeiführen; doch währten hier die Perioden dafür zu lange. Von großem Einfluß auf den Stoffwechsel aller Lebewesen ist die Um- gebungstemperatur. Auch bei den Fischen ist dieser Faktor wirksam. Bei Schlei IV bestehen recht beträchtliche Unterschiede in der Änderung des N-Umsatzes pro 1°; allerdings) ist hier die Außentemperatur absolut nur sehr wenig geändert worden, in der Rechnung machen also Änderung um Bruchteile vom Grund schon viel aus. Nehmen wir,die beiden Extreme 774-1 mg N-Umsatz am Tage bei 100 8 N-Bestand und 19° und 422-0 (Mittel von Periode 6, 7, 8) bei 13°, so beträgt die Änderung pro 1° daraus berechnet 10-6 Proz. In gleicher Weise berechnet sich bei V die Änderung pro 1° zu 11-3 Proz., bei VII liegen die Verhältnisse kompliziert. Die ersten zwei Perioden lassen erkennen, daß auch hier der Umsatz in gleichem Maße von der Temperatur abhängig ist. Um aber zu entscheiden, ob sie auch zu den sonst gemachten Beobachtungen passen, habe ich bei den Kaltblütern und niederen Tieren, für die ich Angaben in dieser Hinsicht finden konnte, den Wert für die prozentuale Stoffwechseländerung im Hunger bei Tem- peraturunterschieden von 1° berechnet. Die Untersuchungen von Knauthe lassen leider eine genaue Berech- nung nicht zu, da die Temperaturen zu sehr schwanken. Aus den Veröffent- lichungen von Cronheim dagegen habe ich die Änderung pro Grad be- rechnet. Zugrunde gelest wurden die Angaben über N-Ausscheidung pro Kilogramm und 24 Stunden. Aus Gründen, die später ersichtlich werden, ZUSAMMENSETZUNG UND STICKSTOFFUMSATZ HUNGERNDER SCHLEIEN. 505 habe ich die Werte für die einzelnen Monate gesondert berechnet. Nach Zusammenfassung bekomme ich dann für August/Septbr.. . Oktober 28-3 Proz. la, Ne Neo 10-4, ltarı ,; ohne April 98-3 Proz. :6 = 16-4 Proz. im Durchschnitt, ar: 28a, 70-0 Proz. :8 = 14 Proz. im Durchschnitt. Aus den Werten für den O-Verbrauch, die in der von Zuntz konstru- ierten Kurve angegeben sind, berechnet sich eine durchschnittliche Ände- rung des Stoffwechsels um 9-2 Proz. Lipschütz, der in seiner Arbeit über die Ernährung der Fische der Temperatur ein besonderes Kapitel widmet, gibt den O-Verbrauch pro Tier und Stunde an. Daraus berechnen sich folgende Werte für x: Versuchsnummer 1 il 9.8 Proz. 2 1üledi 3 ae 4 8-6 „ 5 Ama 6 I0L% m 18 8 led o, 9 1A 10 ron, zul I 12 9.8 , 13 les. - 14 So 15 DE), 16 ler, 7 10.6 „, 160-1 BRrozr 3 17 = 9285 R70z: 506 FRANZ SCHÜTZ: Fasse ich die Werte für die Fische kurz zusammen, so ergibt sich: Schlei IV 10-6 Proz. „ y 122,904, ONE 105225 Fische (Cronheim) TA0Sr „ (Lipschütz) GESRR, im Durchschnitt also 58-1. Proz. :5 = Merz An Fröschen liegen schon aus dem Jahre 1877 Versuchsergebnisse vor, und zwar von H. Schulz!, der die CO,-Ausscheidung bei verschie- denen Temperaturen studierte. Es ergibt sich danach eine durchschnitt- liche Änderung von 15-3 Prozent. Über die Einwirkung der Temperatur auf den Stoffwechsel finden sich ferner in der Arbeit von Brunow und Pütter über den Hunger- stoffwechsel des Flußkrebses einige Angaben, aus denen sich x zu 6-3 Prozent berechnet. Pütter? hat ferner am Blutegel Hungerversuche gemacht und unter anderem auch die N-Angabe bestimmt. Der Stoffwechsel ändert sich bei 1° Temperaturunterschied bei den Tieren, die sich im dritten Hunger- monat befinden, um 21,1 Prozent, und bei denen im fünften Hungermonat um 14,1 Prozent. Aus dem Referat von Weinland? über den Stoffwechsel der Wirbel- losen habe ich im folgenden für die Tiere, über die sich Angaben über den Hungerstoffwechsel bei verschiedener Temperatur finden ließen, die Werte für x berechnet und führe sie in der untenstehenden Tabelle an. Gleich- zeitig reihe ich die weiter oben gefundenen Werte ein: Tier & Beobachter Hydrozoen 6-1 Proz. Vernon Skyphozoen 10-0724 ar B5 Do Winterstein Lumbrieus TR &, Konopacki Hirudineen AD 5 Pütter Gastropoden 6:67. Vernon 1 ‚Über die Abhängigkeitsverhältnisse zwischen Stoffwechsel und Körper- temperatur bei den Amphibien.“ Pflügers Archiv XIV. 79. 1877. 2 Der Stoffwechsel des Blutegels. Zeitschrift für allgemeine Physiologie VI. S. 286. 3 Stoffwechsel der Wirbellosen. Handbuch der Biochemie IV. 2. S. 457. ZUSAMMENSETZUNG UND STICKSTOFFUMSATZ HUNGERNDER SCHLEIEN. 507 Tier © Beobachter Helix 8-6 Proz. Vernon Tunicaten 12.69 ;, " Orthopteren 84 „, Bütschli 1% la, Vernon Papilio DORDN:: Brücke Schlei V 12-5 -,, Schütz SEVEN 10-200, Rn Fisch 14-0 ;, Cronheim 25 IS, Lipschütz Frosch 923, .,; H. Schulz Flußkrebs a Brunow Blutegel 2a e, Pütter » Ieal ” „ Summe 222-6 Proz. Durchschnitt : x = 11,7 Proz. Für alle Tiere berechnet sich also ein Durchschnittswert von 11-7 Pro- zent. Über die Berechtigung, im vorliegenden Fall eine Durchschnitts- berechnung anzustellen, will ich nicht streiten. Für nachgewiesen jedoch kann gelten — und darauf kam es mir ja an —, daß der bei meinen Schleien gefundene Wert für x innerhalb des Rahmens liest, der sich bei den Fischen speziell und bei den übrigen Kaltblütern und niederen Tieren errechnen läßt und der auch nach der van’tHoffschen Regel zu erwarten war. Schalten wir alle die Momente, von denen bekannt ist, daß sie den N-Umsatz beeinflussen, aus, so erhalten wir die in untenstehender Tabelle angeführten Werte. Sie sind sehr verschieden untereinander und lassen eine Beziehung zur Jahreszeit erkennen. Im Sommer ist die N-Ausschei- dung im allgemeinen größer, nur in den Wintermonaten ist sie klein, aber regelmäßig. In meinem ersten Bericht über diese Untersuchungen! hatte ich an- genommen, dab meine Fische noch nicht geschlechtsreif waren. Ich berief mich auf Brehms Tierleben? und tat dies umso mehr, als auch Cron- heim und Knauthe von 250 gr schweren Schleien als zweisommerigen, noch nicht laichfähigen sprechen. Inzwischen weist mich Weinland? darauf hin, daß schon !/, Pfund schwere Schleien laichfähig und meine 1 Diss. med. Berlin 1912. ®2 Bd. VIII. S. 269. 1892. 2 Zeitschrift für Biologie LIX. S. 292. 1913. 508 FRANZ ScHürtz: Tiere sogar älter als drei Sommer gewesen sein können. Unter diesen Um- ständen kann ich also die Schwankungen meiner N-Ausscheidungen nicht mehr weiter auflösen. Beim Schwund des einen, bei hypertrophischem Wachstum des anderen Organs in der Zeit vor und nach der Laichperiode geschehen so mannigfache Umsetzungen, daß wir ihr zweckmäßiges Inein- anderarbeiten heute noch nicht begreifen können. Zu Gunsten der Ansicht von Weinland spricht entschieden, daß nur der im Winter beobachtete Schlei IV eine Regelmäßigkeit in seinen N-Ausscheidungen aufweist. Zusammenfassung der Ergebnisse. Fassen wir die Ergebnisse unserer Untersuchungen zusammen, so finden wir: 1. Der Hungertod meiner Fische ist eingetreten nach 42 und 52 Prozent Gewichtsverlust. 2. Während des Hungers änderte sich die Zusammensetzung: Der Wassergehalt stieg von 78-5 auf 82-1 Prozent, der Trockensubstanzgehalt fiel von 21-4 auf 17-9 Prozent; die Trockensubstanz enthielt: bei den frischen Fischen N 12 RL07 Fett 7 ” Asche 16.6 „, bei den verhungerten Fischen Nessei228@27074 Hektar 22 Asche 28-6 „, der Verbrennungswert betrug: bei den frischen Fischen 479-8 Kal., bei den verhungerten Fischen 371-0 Kal. 3. Eine prämortale N-Steigerung ist bei den beiden den Hungertod gestorbenen Fischen beobachtet worden. 4. Der N-Umsatz änderte sich bei meinen Fischen pro Grad im Durch- schnitt um 11-4 Prozent, während er, wie sich aus Rechnungen ergab, bei den übrigen Kaltblütern und niederen Tieren um 11-7 Prozent differierte. ZUSAMMENSETZUNG UND STICKSTOFFUMSATZ HUNGERNDER SCHLEIEN. 509 N-Ausscheidungen aller Fische. 115 DR 3. 4. 5. 6. 7. Beobachtet Umgerechnet auf 13° & . | N-Ausschei- in ee nes Ge- Fisch Monat Tempe- SS uns pro Tag : } 2 pro Tag pro Tag einer Periode ich tur (iner Periodeleiner Periode] Pro 100 8 N-Bestand mz mg mg 8 Januar 1910 13-50 N — - 148-8 280 | & N 120 11-21 12-47 158-8 . v = a 13-50 12-6 11-95 154-3 = | & ie 8.30 7-1 11-65 151-8 Y Februar 1910 40 3-6 9-44 111-4 Ai März 1910 16-70 20-3 14-2 305-9 254 ER) ” 20° 30-1 15-3 342-0 240 = En 120 12-3 13-53 327-6 230 April 1910 14° 31-6 . 28-69 708-4 230 ” ” 167° 45-9 32-04 867-6 225 I he 18:40 37-5 22-18 657-3 212 ar N 20.29 30-4 15-12 504-2 203 Mai 1910 23.20 14-3 5-32 199-6 190 vll 35 2 25.20 10-2 3-11 122-0 180 er nn 17-20 5-5 3:68 148-0 172 ER) ” ” 2.9 1:93 78-6 166 Juni 1910 17-20 82 5-43 223-2 163 bs es 55 5-1 3:39 145-0 150 9 ” ” 5-0 33 137-6 „ Juli 1910 17.20 4-6 3:05 136-9 145 „ ” »» 1 2-2 1-44 65-1 137 ” ” ” 21 1-38 63-4 135 Juli 1909 19° 54-9 26-68 375-7 295 a a 16° 49-9 34-81 531-9 280 August 1909 15° 33-9 26-68 441-7 275 1 ds 14° 34-7 30-8 551-1 bn = a ” 42-0 38-14 437-9 265 Iv September 1909 13° 20-2 20-2 494-7 255 PR) ” ” 21-4 21-4 443-5 250 ” Er} ” 17 8 17-8 397-8 245 Oktober 1909 13° 0-9 0-9 18-4 5 2] Er) „ 0-9 9-0 20-8 230 e* a e. 1-3 1-3 27-7 = November 1909 ISO 11-6 11-6 115-0 215 Dezember 1909 8-50 7-1 11-44 138-2 300 V 1 = m 0-1° 2-9 11-59 141-1 295 Br ar 16-2° 19-7 14-0 171-0 290 510 FRANZ SCHÜTZ: Protokoll von Schlei IV. le FR a 2>H|l2 215 In | Se AH = = SH|l 0 I|.a8 7 no ., = loc ie Bagä on 8 e- = Ir f Datum 7535| 5 2250 3% lasse = S| Bemerkungen Olralartıo 8935| u "As gs Eösas|ı Ba |ae me 5 EIze|a” g,® 3 [ve © AB |e sr | a” laEa 13. VII. 09| 1 14. , 2] 2 15. „ »)3| 25 | 10 [310| 71-97 | 223-6 | 199 |? 16. ” ” 4|221/, 9 300 48-2 164-4 55 ? 17, 5 »|5/48)| 9307. 102.3 163-6 (774.7) 17 200% 18.22..2 206 \ 190229 270225 2.97 300) 02605397 19426 181/,0 | 202.20 1181594 25071,9981755-691 18227 17° m 21.20.07 .09 0249 995 23220 5957 ? 181/,° |+| Kolben geplatzt. 22... „Iıol 22 | 9 |280| 56-59 \185-8 |) 18° 2 a ee || 7 ? 18?/,° +) Kolben geplatzt. 24. „ „|12| 48 | 15 |295| 91-16 | 149-4 | 200 2 Dale %6. „ „14 24 | 10 |285| 70-58 | 240-6 140 = 27. „ »|15 25 | 9285| 55-59 [181-2 I(ugo.7] 14° 2 280..20,,16,232 292280) DA5=S1a I6ı=) 150 nr 2902011710242 3709851548741 1164-2, or er 50070218 0240 .282198010 547.897 16523 16° =. Sibae 3110624 1128719801250 ? 15° er 1.VIII. 0920| 24 | 8 |2s0| 53-36 | 184-9 15° + 22709118270 2132 ,280) 51-018 17057 15° = 3.» »|22) 25 | 8 |275| 54-45 | 184-5 15/50 + A 2123 23 NS 32-14 | 115-9 16 n Da 1020040 0.5 2° 2033:153% 011625 151/50 |+ 625. »125024 |.1871270), 30 2 561.6) 142° +! 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Abtlg. 33 514 FRANZ ScHÜtz: Protokoll von Schlei V (Fortsetzung). >: Ess (asılaası) as e|®, een. ee | ER 2 E „aßz 8o 82°0;|$ ) 17) z - Bi _ Di a - f = Gewicht 2 du 3# 2%, & |, | Bemerkungen s 82% En: = En za = nd z 3 |ZAu8| £ m |53|8” ER a5 |oagg| F arm su, en = sER 13. 2. ı0la5|120 | 8 | 280 58-4 | 40-56 1 142-7| 19° |+ + 14:5, 02,46 m „ ei 3 | . lH 05 ale > ” N) >> ) „ Se 0 Nee: 8 280 77:3 45-05 13-50 ? 19. >>] >] 5l er) 7 20. Pr 9, 52 > \ E br} Da IR Na > nn „ a ag >> „» Zoe > ie) a a 7 8 — 26-91 30-13 ) 8.30) + 25. >] >>) 57 >) | , 26. E£} Ex) 58 Er „ DI 59 190 275 25-65 | 21-86 | 91-89 ie 28. EE) EE) 60 ” | „ Do > „ S0. 2) ” 62 ER ) „ Ol 63 8 . 280 34:05 11-59 40 Ir a er % & 2. > ” 65 ” | „ Br Dr Dr) 66 Ei) ” 4. ER) Er) 67 ” | 42-57 O8 PR 9 68 EE} ” 6. > E£) 69 EE) | „ M- ” >> 70 >> ’ 8. Pr >» 71 eE) ” 25 8 275 60:59 | 114-4 414-6 | 19° 10. » EE) 73 Beh En et ER „ runig, daher e z . 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Protokoll von Schlei VII (Fortsetzung). 5. [8 BER lan ea 2>5laa|ls ET ga HoH S\„#|ls A| asßz no |naS .; log BE» E om az |arı PP Datum | om 7515 Bas 4% 420 SU FE ee KEN = == | 3 SRrsUNz=| eann Zen Beer FE-FS a5 | AA Islas” | a” ja 6. VII. 101131 78-69 132 $ ale Su hal wer ? le ; 10000024185 e u Ele ee, tn lee en N 13 riss a 14. „ ,139/98%),| s |143| 9-08 |12-74 Do 3 een > le a 4 18. „ ,,|1431961/,| 8 137 10-83 | 16-76 Vo # oe, r DIE TE R 97-86 Ba 147 9614| 82 nase ? Dans e Da a DS 150 A 5 ar el 7er De ni DB. u : Bor 7a N 3000 2105) 749 28 11 a sres | 11 | 31... 156 Bi ie 5 2. VII. „ |158170%/,| s |138| 8-878 | 17-95 00) Se A CO s 5 „ „161 71 | 8 127) 8:371 | 18-02 || 6.07 ,00,162 er a ee ” 11594-9 seo 126 en Temperatur Kot — viel Schleim + Sehleim Schleim Bemerkungen Kolben ge- platzt. Kolben ge- platzt. 1030 Jiest F. auf der Seite, atmet noch. Beiträge zur Erklärung der Endzacken im Elektrokardiogramm. Von H. Boruttau. (Aus der physiologisch-chemischen Abteilung des städtischen Krankenhauses im Friedrichshain in Berlin.) Die elektrischen Tätigkeitäußerungen der Muskeln und Nerven sind bekanntlich durch Emil du Bois-Reymond in Gestalt der negativen Schwankung des zwischen Oberfläche und Querschnitt abgeleiteten Stromes entdeckt worden. Der zeitliche Verlauf der negativen Schwankung auf Einzelreiz ist von J. Bernstein vermittelst seines Differentialrheotoms untersucht worden. Vermittelst dieses Instruments stellte er fest, daß sie sich am Nerven mit einer derjenigen der Erregung entsprechenden Ge- schwindigkeit fortpflanzt, sowie daß am Muskel zwischen zwei Punkten der unverletzten Oberfläche ein Wechselstrom auftritt, der dadurch bedingt ist, daß die Erregung und mit ihr verbundene Änderung des elektrischen Zustandes erst die der Reizstelle nähere, dann die entferntere Ableitungs- elektrode passiert. Die nämliche Erscheinung wurde von L. Hermann am Nerven beobachtet, der in seinen weiteren Untersuchungen gezeigt hat, daß der Verlauf solcher „zweiphasischer Aktionsströme“ in seinen Einzel- heiten durch teilweise Superposition der an den beiden Ableitungsvorgängen stattfindenden Vorgänge zu erklären ist. Daß die Grundlagen für das Ver- ständnis verwickelterer Aktionsstromkurven stets in dem „einphasischen Aktionsstrom“ zu suchen ist, wie er zwischen einer unverletzten und einer an der Erregung nicht teilnehmenden, abgetöteten Stelle des Organes auftritt, ist seit jenen grundlegenden Arbeiten bei allen Untersuchungen an quergestreiften Skelettmuskeln, glatten Muskeln und Nerven mit ver- schwindenden Ausnahmen stets beherzigt worden und hat zahlreiche Fort- 520 H. BorUTTAv: schritte der Elektrophysiologie und allgemeinen Physiologie seit jener Zeit ermöglicht. Auch bei der Erforschung der elektrischen Tätigkeitsäußerungen des Herzmuskels ist man anfangs denselben Weg gegangen. Insbesondere waren es Burdon Sanderson und Page!, welche den bei künstlicher Reizung des Froschherzventrikels auftretenden Aktionsstrom zwischen der Basis und der das eine Mal intakten, das andere Mal abgetöteten Herz- spitze erst mit dem Rheotom beobachtet und später mit Hilfe des Kapillar- elektrometers graphisch verzeichnet haben. Die so erhaltenen Kurven, welche in viele Lehr- und Handbücher? übergegangen sind, zeigen, dab der zwischen intakter Basis und verletzter Spitze auftretende einphasische Aktionsstrom von bedeutender Dauer ist, die derjenigen der systolischen Kontraktion ungefähr entspricht, daß dagegen bei Ableitung zwischen in- takter Basis und intakter Spitze zwei kurzdauernde ‚‚Zacken‘ verzeichnet werden, deren erste eine Negativität der Basis gegenüber der Spitze, deren zweite dagegen eine Negativität der Spitze gegenüber der Basis anzeigt. Zwischen beiden besteht während längerer Zeit Äquipotentialität der Basis und Spitze, und die Analyse durch Subtraktion von der Kurve des ein- phasischen Aktionsstroms ergibt, daß sie durch Superposition zweier solcher Kurven entstanden ist, die um die Zeit der Fortpflanzung der Erregung von Basis zu Spitze gegeneinander verschoben sind. Die Betrachtung der Aktionsstromkurven bei natürlicher rhyth- mischer Tätigkeit des Herzens, wie sie seit Lippmanns Erfindung des Kapillarelektrometers mit diesem Instrument am bloßgelegten Organ von vielen Forschern, am unversehrten Menschen und Tier zuerst im Jahre 1889 von A. D. Waller erhalten worden sind, ließ nun erkennen, daß der elektrische Ausdruck der Tätigkeit der Herzkammern fast noch öfter durch zwei gleichgerichtete, als zwei entgegengesetzt gerichtete Zacken in der Kurve charakterisiert ist. Diese heutzutage seit Einthovens aus- gezeichneten Untersuchungen für das menschliche Kammerelektrogramm als normal geltende Form haben bereits im Jahre 1892 Bayliss und Starling, dann in Deutschland im Jahre 1895 J. v. Kries in einer so gut wie unbeachtet gebliebenen, in der gewaltigen modernen Elektro- kardiogramm-Literatur kaum je zitierten Arbeit? darauf zurückgeführt, 1 Burdon Sanderson und Page, Journal of Physiology. 1884. Bd. II. 8. 399; Bd. IV. S. 327. 2 So Biedermann, BHlektrophysiologie 8. 340 u. 343; Tigerstedt, Physio- logie des Kreislaufs 8. 180. 3 Über einige Beobachtungen mit dem Kapillarelektrometer. Dies Archiv. 1895. Physiol. Abtle. S. 130. ERKLÄRUNG DER ENDZACKEN IM ELEKTROKARDIOGRAMM. nal daß die Negativität an der Basis früher einsetzt, aber länger dauert, als an der Spitze. Er erhielt nämlich bei Registrierung sowohl der Frosch- als auch der Hundeherzaktionsströme mit dem Kapillarelektrometer Kurven mit entgegengesetzt gerichteten Zacken bei Erwärmen der Herzbasis, solche mit gleich gerichteten Zacken bei Erwärmen der Herzspitze. Er zeigt in einer schematischen Figur, wie die letztgenannte Form durch Subtraktion zweier einphasischer Kurven von verschiedener Dauer zustande kommt und weist endlich darauf hin, daß der anfangs rein einphasische Aktionsstrom zwischen Basis und verletzter Spitze eine immer tiefere Einkerbung bekommt und schließlich in eine aus zwei gleichgerichteten Zacken bestehende Form übergeht, um mit Erneuerung des Querschnitts wieder reiner einphasisch zu werden. In der allerletzten Zeit haben die Veränderungen der Elektro- kardiogrammform beim Frosch durch lokale Erwärmung, sowie auch durch lokale Einwirkung verschiedener Ionen eine systematische Prüfung und erneute Deutung in dem eben erwähnten Sinne gefunden in einer ausge- zeichneten Arbeit von G. R. Mines!, die erst erschien, als meine hier zu beschreibenden Versuche größtenteils abgeschlossen waren. Es muß endlich aber noch hervorgehoben werden, daß Einthoven, der Erfinder des Saiten- galvanometers und Begründer der klinischen Elektrokardiographie, das zwischen den von ihm mit Q@ RS einerseits und T U anderseits bezeichneten Zackengruppen gelegene Stadium der Äquipotentialität nie anders als durch die Superposition der in der ganzen Kammermuskelmasse gleichmäßig vor- handenen Erregung erklärt hat und in seiner neuesten Arbeit über die Deutung des EKG? die Entstehung der T-Zacken ausdrücklich auf das längerdauernde Kontrahiertbleiben (NB.) der rechten Herzhälfte ge- genüber der linken bzw. der Basis gegenüber der Spitze zurückführt. Gegenüber allem bisher erwähnten hat sich allmählich eine Reihe von Vorstellungen über eine prinzipiell verschiedene Bedeutung der beiden Zackengruppen ausgebildet, die schon in mehreren Arbeiten ausführlicher erwähnt und erörtert worden ist, so daß ich mich hier auf einige kurze Andeutungen beschränken kann. Aus den Untersuchungen von Gotch am Froschherzen und aus den an die Entdeckung des Hisschen Bündels und Tawaraschen Knotens an- knüpfenden Arbeiten über die Wege der Erregungsleitung im Herzen hat sich die hauptsächlich durch Nicolai? aufrechterhaltene Vorstellung herausgebildet, daß einer im Inneren des Herzens (Papillarsystem) beginnen- 1 G.R.Mines, On functional analysis by the action of electrolytes. Journal of physiology. 1913. Vol. XLVI. S. 188. 2 Pflügers Archiv. 1912. Bd. CXLIX. S. 82. 3 Nicolai u. Kraus, Das Elektrokardiogramm. 8. 153—182. 522 H. BoRrUTTAU: den, in der Richtung nach der Spitze zu fortschreitenden Erregung der Zackenkomplex Q RS, die T-Zacke dagegen der besonders in der äußeren Herzwand und der Gegend der großen Arterien wieder in der Richtung zur Basis zurückkehrenden Erregung entsprechen soll, während in der zwischenliegenden Phase der Äquipotentialität das „‚Treibwerk‘‘ des Herzens kontrahiert sei. Es würden also die beiden Zackengruppen der Aktions- negativität verschiedener Muskelpartien entsprechen, aber doch als Ausdruck des Erregungszustandes dieser verschiedenen Partien wesens- ähnlich sein. Demgegenüber haben Forscher, welche die Bedeutung der phasischen Aktionsströme als Ausdruck der fortgeleiteten Erregungswelle heute noch nicht erkennen wollen — außer einigen russischen Autoren be- sonders Cybulski und Eiger! — die Behauptung aufgestellt, daß der Endzackengruppe ein ganz anders gearteter Vorgang zu- srunde liege, als den Anfangszacken, — diesen wesentlich der Erresungsprozeß, jenen dagegen anabolische oder restitutive Vorgänge (Fano), oder den einen Vorgänge rein physikalischer (osmotischer, diffu- siver) Art, den Endzacken dagegen Stoffwechselvorgänge (Cybulski). Aber auch Forscher, welche sonst durchaus auf dem Boden der modernen Elektrophysiologie stehen, haben die Überzeugung ausgesprochen, daß in beiden Zackengruppen etwas verschiedenartiges enthalten sei, und zwar seien die Anfangszacken der Ausdruck der Erregungsleitung, die Endzacken des Kontraktionsvorganges (Aug. Hoffmann, Seemann und andere.)? Ich habe mich des Eindruckes nicht erwehren können, daß trotz der zahlreichen Arbeiten, welche Versuche am bloßgelegten oder isolierten Herzen enthalten, in der gewaltigen Elektrokardiogramm-Literatur, die die An- wendung des Saitengalvanometers und das klinische Interesse gezeugt haben, der einphasische Aktionsstrom zwischen unversehrten und abge- töteten Herzstellen gar zu wenig berücksichtigt worden ist, und daß dieser Umstand zu dem Streit um die Deutung der normalen und pathologischen menschlichen Elektrokardiogramme nicht wenig beigetragen hat. Samoj- loff hat in seinen vortrefflichen Arbeiten einphasische Kurven nur ganz gelegentlich wiedergegeben, Straub mit seinen Mitarbeitern hat dem De- markationsstrom am Herzen und der Wirkung ihn erzeugender Gifte auf die Aktionsströme wesentlich nur pharmakologisches Interesse abgewonnen; - Seemann endlich hat in seinen Studien am Froschherzen® zwar regelmäßig die Ableitung zwischen unversehrten und abgetöteten Stellen benutzt und 1 Siehe dessen neueste Arbeit, Pflügers Archiv. 1913. Bd. CLI. S.1. ® Eine ähnliche Vorstellung hatte schon vor Jahren G. Meissner ausgesprochen; siehe meinen Nachruf, Pflügers Archiv. 1905. Bd. CX. 8. 377. 378. ? Seemann, Zeitschrift f. Biologie. 1912. Bd. LIX. 8.53. ERKLÄRUNG DER ENDZACKEN IM ELEKTROKARDIOGRAMM. 525 die so erhaltenen Kurven mit denjenigen verglichen, die er bei Ableitung der nämlichen Stellen in unversehrtem Zustande erhielt; aber der Umstand, daß er im erstgenannten Falle stets eine Anfangszacke vor der länger- dauernden Negativität auftreten sah, hat ihn offenbar irregeführt und in der schon besprochenen Annahme zweier wesensverschiedenen Vorgänge bekräftigt. Ich habe es unternommen, einphasische Aktionsströme bei Ableitung von einer und derselben abgetöteten Stelle und verschiedenen unversehrten Stellen einer und derselben Herz- abteilung zur Verzeichnung zu bringen und ihren zeitlichen Verlauf zu ver- gleichen, sowie derartige Versuchsreihen bei verschiedenen Zu- ständen des Herzens vorzunehmen und miteinander zu vergleichen, die nach den bisherigen Erfahrungen Größe und Richtung der Endzacken in verschiedenem Sinne beeinflussen. Es ist mir gelungen, diese Versuche an den in situ freigelesten Herzen des Frosches, der Schildkröte und des Kaninchens erfolgreich durchzuführen. Ich benutzte ein von der Firma Dr. Erich Huth in Berlin geliefertes Instrumentarium mit einem Saiten- galvanometer, dessen Feldmaonet nach Martensschen Grundsätzen kon- ‚struiert ist. Die Herzbewegungen wurden unterhalb der Galvanometer- kurve durch Suspensionsverfahren und Luftübertragung verzeichnet; die so erhaltenen Kurven im Verein mit der Aufzeichnung von Zehntel- sekunden konnten dazu dienen, über die zeitlichen Verhältnisse zweier unmittelbar nacheinander bei verschiedener Ableitung erhaltener Elektro- sramme für die hier vorliegenden Zwecke durchaus genügende Auskunft zu geben. Wo es irgend anging, habe ich zum Vergleich noch ein Elektrogramm bei Ableitung von den beiden unverletzten Stellen aufgenommen, die ab- wechselnd zusammen mit einer dazwischenliesenden abgetöteten Stelle einphasische Aktionsströme geliefert hatten oder liefern sollten; auch wurden noch weiter auseinanderliegende Stellen an der äußersten Basis und der äußersten Spitze der betreffenden Herzabteilung zu diesem Zwecke benutzt. Die Abtötung der mittleren Ableitungsstelle erfolgte durch Verbrennen oder dureh Ableiten vermittelst einer mit isotonischer Kalisalzlösung getränkter Fadenelektrode oder durch beides zugleich. Der dadurch entstehende De- markationsstrom wurde durch Gegenstrom in üblicher Weise derart kom- pensiert, daß die durch die Aktionsströme erzeugten Ausschläge in passende Lage des zur Registrierung dienenden Spaltes fielen. Bekanntlich läßt der Demarkationsstrom mit der Zeit nach und die Aktionsströme verlieren immer mehr ihren rein einphasischen Charakter; auch bringt es der Bau und Faserverlauf des Herzmuskels mit sich, daß ‚reine Querschnittab- leitung‘ verhältnismäßig selten ist, vielmehr sich die Aktionsströme un- 524 H. BoRUTTAU: versehrt gebliebener Fasern in die Gestaltung des Potentials an der ‚‚Quer- schnittelektrode‘“ einmischen. Es wird unten über die dadurch be „Vor- und Nachzacken“ das Nötige gesagt werden. Kiemare: Wo reine oder nahezu reine Querschnittableitung gelungen ist, erhält man stets einen Verlauf des einphasischen Aktionsstromes, der an die intrakardiale Druckkurve erinnert: steiler Anstieg, Verharren auf mn Ze ie ee ERKLÄRUNG DER ENDZACKEN IM FLEKTROKARDIOGRAMM. 525 der Höhe der Negativität in mehr oder weniger horizontalem Kurven- verlauf und allmählicherer, gerundeter Abfall zum Stande des Demarkationsstromes.! So wurden die Kurven Fig. 1b und c-am Ventrikel Fig. 2e. eines Frosches erhalten: bei 1b wurde von einem der Basis näheren Punkte und einer mittleren abgetöteten Stelle, bei 1e von einem der Spitze näheren 1 In allen Figuren dieser Arbeit ist ‚„„Negativität‘‘ durch Ablenkung des Faden- schattens nach oben, ‚‚Positivität‘ durch Ablenkung nach unten gekennzeichnet. 526 H. BoRrUTTAU: Punkte und derselben abgetöteten Stelle abgeleitet. Vergleicht man die beiden Kurven zunächst im allgemeinen mit der Kurve la, die durch Ab- leitung von der Atrioventrikulargrenze und Herzspitze desselben Präparates erhalten wurde, so erkennt man zunächst, daß die einphasischen Aktionsströme der beiden unversehrten Punkte, deren einer nahe der Basis, deren anderer nahe der Spitze liegt, so gut wie gleichzeitig, und zwar 0,12 Sek. vor dem Beginn der Ventrikelzusammenziehung beginnen, und ERKLÄRUNG DER ENDZACKEN IM ELEKTROKARDIOGRAMM. 527 auch gleichzeitig mit dem Anstieg der R-Zacke des von Basis und Spitze abgeleiteten Ventrikelelektrogramms.' Hiermit wäre also der Befund völlig bestätigt, den Clement? vermittelst der ingeniösen Methode Gartens, der Aufnahme sog. Differentialelektrogramme erhoben hat. Man erkennt aber weiterhin auf den ersten Blick, daß der Endteil der einphasischen Aktionsströme beider unverletzter Ableitungspunkte un- gefähr der T-Zacke des in lc abgebildeten Ventrikelelektrogrammes ent- spricht. Die Ausmessung an der Hand der chronographischen Kurve ergibt für la, den Aktionsstrom des der Basis näheren Punktes, eine Dauer von 0-78 Sek., und für 1b, den Aktionsstrom des der Spitze näheren Punktes, 0-73 Sek. Bei gleichzeitigem Beginn muß also die Negativität an der Basis 0:05 Sek. länger dauern als an der Spitze, und wenn sie auch an der letzteren etwas später begonnen hat, worauf das Auftreten der R-Zacke im Ventrikel- elektrogramm hinweist, so wird sie hier doch immerhin auch früher auf- hören, als an der Basis. Als Ausdruck des längeren Negativ- bleibens der letzteren werden wir also die nach oben ge- richtete T-Zacke aufzufassen haben, die hier sehr klein ist entsprechend dem geringen Zeitunterschied. Ein solches Verhalten läßt sich nicht nur für den Ventrikel nach- weisen, sondern für jede Herzabteilung. Es ist in letzter Zeit immer häufiger und unter Heranziehung der verschiedensten Tierarten darauf hingewiesen worden, daß nicht nur das Kammerelektrogramm, sondern auch die Elektrogramme des Vorhofs, eventuell des Venensinus und des Aortenbulbus je aus einer Anfangs- und einer Endzackengruppe bestehen; ich will auf die betreffenden Arbeiten hier nicht im einzelnen eingehen. Diese Tatsache ist vollkommen richtig: Die Figg. 2a, b und e sind an einem Vorhof vom Schildkrötenherzen in genau der gleichen Weise gewonnen, wie dies für 1a, b und e beschrieben worden ist. Man erkennt, daß die einphasischen Aktionsströme in 2b, bei dem unverletzten Punkte, welcher der Atrioventrikulargrenze näher liest, und in 2c, bei dem unverletzten Punkte, welcher dem Vorhofrande näher liegt, fast gleichzeitig beginnen, und zwar auch gleichzeitig mit dem Anstieg der R-Zacke in 2a. Die Ausmessung der Dauer der einphasischen Aktionsströme ergibt kaum einen Unterschied. Ein etwas früheres Auf- hören oder auch nur relativ Schwächerwerden bei der Ableitung 2b gegen- 1 Daß R nicht gleich zur Nullinie zurückgeht, dürfte an einer Verletzung der Spitze durch die Suspensionsklemme liegen, die einen Demarkationsstrom mit schwacher ‚negativer Spannung‘ erzeugte. 2 Clement, Zeitschrift f. Biologie. 1912. Bd. CX. S. 110. 528 H. BorRUTTAU: über 2e muß angenommen werden, da 2a eine minimale, diesmal nach unten gerichtete T-Zacke zeigt, die dem Ende der einphasischen Aktions- ströme zeitlich entspricht. Daß sich so das Wesen der Endzacken als Ausdruck längeren Andauerns bzw. Stärkerbleibens der Erregung in ihren Endstadien an einem der beiden in Betracht kommenden Enden einer Herzabteilung wirklich beweisen läßt, muß noch erhärtet werden können durch Verzeichnung einphasischer Aktions- ERKLÄRUNG DER ENDZACKEN IM ELEKTROKARDIOGRAMM. 529 ströme unter Bedingungen, von denen man weiß, daß sie am Elektro- kardiogramm die Riehtung und Größe der Endzacken in gesetz- mäßiger Weise beeinflussen. Hierher gehört vor allem die Vagusreizung, sowie ein gewisses Stadium der Muskarinvergiftung; beide tendieren nach den Erfahrungen von Einthoven, Samojloff, W. Straub u. a. die aufwärts gerichtete T-Zacke des Elektrokardiogramms zu verkleinern bzw. in eine abwärts Archiyvf.A.u. Ph. 1913. Physiol. Abtlg. 34 530 H. BoruTTAv: gerichtete zu verwandeln, oder wenn sie von vornherein abwärts gerichtet war, sie in diesem Sinne zu verstärken. In den Figg. 3, 4 und 5 handelt es sich um ein Froschherz, bei welchem genau so verfahren wurde, wie in dem der Fig. 1 zugrunde liegenden Versuch. Die zwischen unverletzter und ab- getöteter Ableitungsstelle erhaltenen Aktionsströme sind hier nicht rein einphasisch, sondern zeigen „Anfangs- oder Vorzacken‘“, die von der nicht rein durchzuführenden Querschnittsableitung bzw. der Einmischung des Aktionsstromes von in der Nähe oder in der Tiefe unter dem abgetöteten Gewebe liegenden intakten Fasern herrühren: bei 3b war von einem der Basis näheren Punkt und einer mittleren abgetöteten Stelle abgeleitet; ' auf das lotrechte Ansteigen folgt schnell ein teilweises Wiederabsteigen der Kurve, welches offenbar andeutet, daß die an der mittleren abgetöteten Stelle mit abgeleiteten intakten Fasern etwas später in Erregung gelangen, als der der Basis nähere Punkt. Umgekehrt verhält es sich bei Fig. 3e, wo von einem der Spitze näheren Punkt und der mittleren abgetöteten Stelle abgeleitet war: hier geht die Kurve erst eine Strecke weit steil ab- wärts, ehe sie im Sinne des einphasischen Aktionsstromes in die Höhe steist, offenbar deshalb, weil die an der mittleren abgetöteten Stelle mitabgeleiteten intakten Fasern schon etwas früher in Erregung gelangen, als der der Spitze nähere Punkt. Man wird hier den Beginn des einphasischen Aktionsstromes von der untersten Spitze der „Vorzacke‘ zu rechnen haben. Auch das hier geschilderte Verhalten entspricht durchaus den von Clement mittels der Methode des Differentialelektrogrammes erhobenen Befunden. Bei der Betrachtung der Fig. 3a, welche wieder das Elektrokardio- gramm bei der Ableitung zwischen Atrioventrikulargrenze und Herzspitze darstellt, im Vergleiche mit 3b und 3c sieht man wieder ohne weiteres, daß die Dauer desselben vom Beginn der R-Zacke bis zu der sehr kleinen T-Zacke der Dauer der einphasischen Aktionsströme entspricht. Die ge- nauere Messung zeigt für die letzteren bei 3b, Aktionsstrom des der Basis näheren Punktes, eine Dauer von 0-79 Sek., bei 3c, Aktionsstrom des der Spitze näheren Punktes, von 0-76 Sek. Der kleine Unterschied zugunsten des ersteren entspricht der kleinen „positiven“ T-Zacke. Die Kurven Figg. 4a, b und ce stellen einen genau entsprechenden Versuch dar, der während der durch Muskarininjektion erzeugten Puls- verlangsamung an dem nämlichen Froschherzen angestellt wurde. Der einphasische Aktionsstrom des der Basis näheren Punktes Fig. 4b hat jetzt eine Dauer von 0-85, derjenige des der Spitze näheren Punktes (Fig. 4e) dagegen eine solche von 0-88 Sek. Dementsprechend finden wir beim Elektrokardiogramm zwischen Atrioventrikulargrenze und Herzspitze (Fig. 4a) eine nach unten gerichtete T-Zacke. ERKLÄRUNG DER ENDZACKEN IM ELEKTROKARDIOGRAMM. 531 Nach Eintritt des Muskarinstillstandes wurde Atropin injiziert, und nach einiger Zeit immer in der beschriebenen Weise die Kurven (Fig. 5a, b und c) gewonnen. Hier ist die Dauer des einphasischen Aktionsstromes des der Basis näheren Punktes (Fig. 5b) wieder beträchtlich größer, als diejenige des einphasischen Aktionsstromes des der Spitze näheren Punktes Fig. de und das Basis-Spitzen-Elektrogramm Fig. 5a zeigt dementsprechend eine nach oben gerichtete T-Zacke. Man sieht ferner, daß die Dauer dieser sowohl wie der R-Zacke, endlich diejenige der abwärts gekehrten Vorzacke in Fig. 5e bedeutend zugenommen hat, was nur durch bedeutende Verlang- langsamung der Erregungsleitung durch Schädigung des Herzens erklärt werden kann und was ich in der Tat bei sukzessiver Vergiftung mit kräftigen Muskarin- und Atropindosen beim Frosch- wie beim Schild- krötenherzen wiederholt beobachtet habe. Die Figg. 6, 7 und 8 zeigen einen Versuch am Schildkrötenherzen mit elektrischer Vagusreizung. In Fig. 6 sind verschiedene Stadien der Veränderung des zwischen Atrioventrikulargrenze und Herzspitze abgelei- teten Blektrokardiogramms dargestellt: 6a normale Schlagfolge, 6b Beginn der Vagusreizung, 6c einzelner Herzschlag während der Vaguswirkung, 6d Rückkehr zur normalen Frequenz nach Aufhören der Reizung. Von diesen Stadien sind die ersten drei dargestellt für den einphasischen Aktions- strom eines der Basis nähergelegenen Punktes in Figg. 7a, b und e, und für den einphasischen Aktionsstrom eines der Spitze nähergelegenen Punktes in Figg. 8a, b und c. Die T-Zacken der Elektrokardiogramme sind überall nach unten gerichtet, und bei der Ausmessung erweist sich die Dauer des ersten Aktionsstromes in Fig. 7a mit 0-76 Sek. als kleiner gegenüber der- jenigen des entsprechenden Stromes in Fig. 8a mit 0-83 Sek. Bei den letzten Aktionsströmen vor dem Vagusstillstand (Figg. 7b und 8b) ist dieser Unterschied mit 0-80 und 0-86 Sek. der gleiche; die T-Zacke des ent- sprechenden Basis-Spitze-Elektrogrammes Fig. 6b geht aber schon merklich tiefer nach unten; besonders vergrößert ist die T-Zacke (aber auch die R-Zacke) bei dem Elektrogramm des einzelnen Herzschlags während der Vaguswirkung Fig. 6c. Die Dauer der einphasischen Aktionsströme beträgt hier 1-07 Sek. in Fig. 7e und 1-13 Sek. in Fig. 8c. An der Vertiefung der T-Zacke wirkt hier sicher die Verstärkung, die der Aktionsstrom während der Vagusreizung erfährt, zum guten Teile mit, da bei der Subtraktion größerer Phasen mit gleicher Phasenverschiebung der Subtraktions- rest notwendigerweise größer werden muß. Die Verstärkung und Dauerzunahme des ventrikulären Aktionsstromes während der Frequenzverminderung durch Vagusreizung habe ich übrigens bei allen Tierarten: Frosch, Schildkröte, Kaninchen mehr oder weniger dauernd 34* 532 H. BoRUTTAU: ausgesprochen gefunden, wogegen ich am Aktionsstrom des Schildkröten- vorhofes bei Vagusreizung stets nur Verkleinerung und Dauerver- kürzung beobachtet habe. Es wird hier also durch das Atrioventrikular- bündel nur der dromotrope, nicht aber auch der negativ inotrope und chrono- trope Einfluß (nach Engelmanns Terminologie) übertragen, und es findet im Ventrikel während der Vaguspause Ansammlung von Energie statt, die sich nachher in verstärkter und verlängerter Erregung äußert. ! ! Nach Mines (a. a. O.) ist auch beim Ventrikel Verkleinerung und Dauer- verkürzung der häufigere Befund. ERKLÄRUNG DER ENDZACKEN. IM. ELEKTROKARDIOGRAMM. 533 Von vornherein schwieriger als an den einkammerigen Kaltblüterherzen erschien der direkte Nachweis des Wesens der Endzacken als Superpositions- phänomen am Warmblüterherzen. Indessen hat hier schon durch die Fig. 6d. gründliche Erforschung der Anatomie und Physiologie des Reizleitungs- systems in den letzten Jahren die Nicolaische Vorstellung, daß die T-Gruppe durch das Wiederhinaufsteigen der Erregung zur Basis bedingt. sei, sehr an Wahrscheinlichkeit verloren. Wer z. B. die vortreftlichen Unter- 534 H. BoruttTAv: suchungen von Lydia de Witt und Holl nachliest und die Modellrekon- struktion des Reizleitungssystems im Kalbsherzen, die auch Külbs in seiner übersichtlichen Darstellung im Handbuch der inneren Medizin Rio Ta, wiedergegeben hat, aufmerksam betrachtet, der wird angesichts des geflechtartigen Zusammenhanges nur erwarten können, daß die Erregung in der Kammerwand überall nahezu gleichzeitig beginnt und nur in der Kammerscheidewand wesentlich früher vorhanden sein Fig. Te. ERKLÄRUNG DER ENDZACKEN IM ELEKTROKARDIOGRAMM. 535 wird: in der Tat ist dies das Ergebnis für den elektrischen Ausdruck der Erregung, welches mit der Differentialelektrogramm-Methode Gartens Schüler Erfmann, Schneiders und Sulze! erhalten haben! Fig. 8a. Fig. Sb. Fig. Se. Ich habe am freigelesten Herzen des Kaninchens, welches unter Kurare und künstlicher Atmung stand, in analoger Weise gearbeitet, wie ! Garten, Skandinav. Archiv f. Physiologie. Bd. XXIX. 8.114; Sulze, Zeitschrift f. Biologie. Bd. LXI. 8.1; Erfmann, Ebenda. 1913. S. 155. 536 H. Borvrrav: ich es für Frosch und Schildkröte auseinandergesetzt habe.t Es wurde streng darauf geachtet, daß die drei Stellen, von denen abgeleitet wurde, die der Basis nähere unversehrte, die der Spitze nähere unversehrte und die mittlere mit dem künstlichen Querschnitt alle zu einer und derselben Kammer ge- hörten: ob der rechten oder der linken, ergab kaum einen Unterschied der erhaltenen Kurven, wogegen diese total entstellt waren, sobald man zwischen ! Die mechanische Registrierung der Herztätigkeit ist hier recht unvollkommen und kann nur der Orientierung dienen, ERKLÄRUNG DER ENDZACKEN IM ELEKTROKARDIOGRAMM. 537 einem der rechten und einem der linken Kammer zugehörigen Punkte ab- leitete. Auch zur Erhaltung von „Hauptelektrogrammen‘ wurde zwischen Basis und Spitze ein und derselben Kammer abgeleitet. Wenn nun in diesem Falle (siehe Figs. 9a, 10 und 11a) ausnahmslos eine ausgesprochene, auf die R-Zacke folgende abwärts gerichtete S-Zacke erhalten wurde, so darf man wohl angesichts der soeben zitierten Befunde Gartens und seiner Mitarbeiter das Ansteigen von R als bedingt durch den allerersten Beginn des Erregungsvorganges oben im Septum (vermittelt durch das sich gabelnde Tawarabündel) ansehen, das Absinken bis zur Spitze 8 durch die Ankunft der Erregung in Papillarmuskeln und Herz- spitze und das erneute Wiederansteigen durch das gleichzeitige Ergriffenwerden der ganzen Kammerwand, mit anderen Worten: der von Nicolai herangezogene zweifellos richtige Weg der Erregung im Fig. 10. Warmblüterherzen findet seinen Ausdruck nicht in der Trias Anfangszacke- Horizontalteil-Endzacke, sondern in den Spitzen R und $, insofern sie von dem Elektrokardiogramm jeder von beiden Kammern des Säugetier- herzens aufgewiesen werden. Im „Hauptelektrogramm“ Fig. 9a, welches von der linken Kammer eines Kaninchens im Beginne des Versuchs durch Ableitung von Spitze und Basis erhalten wurde, steigt die Kurve von der Spitze S ab weit über die Nullinie herauf und bildet statt des Äquipotentialitätsstadiums ein Plateau, dessen Endbuckel man ebenso gut zur T-Gruppe rechnen kann, wie die nach dem Abfall sichtbare, kleine nach unten gerichtete Zacke. Die Entstehung dieses Kurvenbildes, das ich nebenbei gesagt bei vielen menschlichen Elektrokardiogrammen gleichfalls beobachtet habe, findet ohne weiteres seine Deutung, wenn man die Kurven der beiden ein- phasischen Aktionsströme betrachtet: der einphasische Aktionsstrom des der Basis näheren Punktes Fig. 9b ist weit höher als derjenige des der 538 H. BoruTTAv: Spitze näheren Punktes Fig. 9e; dafür ist letzterer von etwas größerer Dauer!; die Subtraktionskurve muß also notwendigerweise ein nach oben serichtetes Plateau und eine kleine negative T-Zacke ergeben. Letztere wurde sehr bald viel ausgesprochener, und das Plateau sank ab, so daß das in Fig. 10 sichtbare Elektrokardiogramm der in solchen Tierversuchen sehr geläufigen Form entstand, als offenbare Folge der unvermeidlichen, das Herz. treffenden Schädlichkeiten, wie Abkühlung, Blutverlust usw. In disem Zustande wurde nun die elektrische Reizung des Halsvagus vor- genommen, die, wie Fig. 1la zeigt, im Hauptelektrogramm die negative T-Zacke vergrößert. Die Figg. 11b und 11e zeigen, daß dem Absinken des Plateaus in der Tat eine Verminderung des Größenunterschiedes der beiden einphasischen Aktionsströme entspricht (11b ist derjenige des der Basis näheren, 11c derjenige des der Spitze näheren Punktes); bei der Vagus- reizung wird die Dauer beider Aktionsströme verlängert, ihr Absinken stark verzögert, und es erklärt sich so die Vertiefung der T-Zacke, ganz wie es bei dem Vagusversuch am Schildkrötenherzen auseinandergesetzt worden ist. Jedenfalls glaube ich durch Anwendung der Methode des einphasischen Aktionsstromes und der Kurvensubtraktion, und zwar durch ihre Anwendung in einer Art, die derjenigen der Anwendungs- weise des Gartenschen Differentialelektrogramms analog ist, endgültig gezeigt zu haben, daß die Endzacken der T-Gruppe als Super- positions- oder Interferenzerscheinungen restlos erklärt wer- den, — eine Deutung, zu der sich allerneuestens auch Piper? und Mines? bekannt haben. i Ich verzichte darauf, an dieser Stelle Schemata der Kurvensubtraktion zu geben, die doch in jedem einzelnen Falle (aufwärts gerichtete und ab- wärts gerichtete T-Zacken, Form der Aktionsstromkurve) verschieden aus- fallen müßten. Etwas verwickelter wird natürlich die Deutung des Elektro- kardiogramms bei Ableitung vom unversehrten Säugetier und Menschen infolge des unsymmetrischen Baues und der unsymmetrischen Lage der beiden Herzhälften. Daß bei der Ableitung I nach Einthoven (von rechter Hand zu linker Hand) die Elektrogramme beider Herzhälften sich in ent- gegengesetztem Sinne superponieren, ist schon durch die bei Situs viscerum inversus erhaltenen Kurven sichergestellt. Daß eine Ableitung zur Kenntnis des wahren Erregungsbildes nicht genüst, sondern daß alle drei Ablei- ! Auf genauere Messungen habe ich verzichtet, da ich zurzeit noch nicht mit größerer Registriergeschwindigkeit zu arbeiten in der Lage war. 2 Piper, Zentralblatt f. Physiologie. 1913. Bd. XXVII. Nr.7. S. 394. ® Mines, a.a. ©. Or aid og Se = = < [e= (de) @) a Aa jet << Sei (@) jez} = ee A = ea] = ja 2 ea) = oO < N Aa A ea) ja} ea] A (do) A D [ee <<; 4A = [et ea) BALL . , . 1 a1 1 3, 38, 540 H. BoRUTTAU: ERKLÄRUNG DER ENDZACKEN IM ELEKTROKARDIOGRAMM. tungen Einthovens herangezogen werden müssen, wird ja jetzt immer allgemeiner anerkannt. Wie aus den drei erhaltenen Kurven die wirkliche Potentialverteilung berechnet werden kann, hat Einthoven selbst neuestens in mustergültiger Weise gezeigt." Und die Deutung der Endzacken bei normalen und pathologischen menschlichen Elektrokardiogrammen sollte fortan nur nach dem von ihm ausgesprochenen, zu Anfang dieser Arbeit zitierten Grundsatz erfolgen, dab sie nämlich durch das längerdauernde Erregtbleiben der rechten oder linken Herzhälfte, der Basis oder Spitze zustandekommen. Erregtbleiben wird im allgemeinen das- selbe sein wie Kontrahiertbleiben; Kontraktion ist ohne Erregung, deren Beginn der mechanischen Äußerung ja stets vorangeht, nicht denkbar, während bei ihrer Verhinderung (mechanisch oder durch Gifte) die Er- resung recht wohl stattfinden kann. Der Aktionsstrom aber ist der Aus- druck der Erregung, damit auch der Kontraktion, die deshalb auch im Elektrokardiogramm keinen gesonderten Ausdruck finden kann. Die An- wendung der hier bewiesenen Deutungsgrundsätze auf klinische Fragen hoffe ich gelegentlich an anderer Stelle zu geben.? 1! W. Einthoven, G. Fahr und A. de Waart, Pflügers Archiw. 1913. Bd. CL. 8. 275. ? Nach der Einsendung dieser Arbeit hat Samojloff, der schon früher (Elektrokardiogramme. Jena 1909) eine treffiıche Darstellung der Endzackenfrage gegeben hat, auf dem Physiologenkongreß in Groningen eine Untersuchung des Verhaltens der einphasischen Aktionsströme bei Vagusreizung vorgetragen, aus deren Ergebnissen er genau zu den gleichen Schlüssen gelangt, wie Mines und wie ich sie hier auseinandergesetzt habe. (Anmerkung bei der Korrektur.) Zeitschriften aus dem Verlage von VEIT & COMP. in LEIPZIG. sHirItien aus dem Verlage von VEIT & COMP. in LEIPZIG. Skandinavisches Archiv für Physiologie. Herausgegeben von Dr. Robert Tigerstedt, _ 0. ö. Professor der Physiologie an der Universität Helsingfors. Das „Skandinavische Archiv für: Physiologie“ erscheint in Heften von 5 bis 6 Bogen mit Abbildungen im Text und Tafeln. 6 Hefte bilden einen Band. Der Preis des Bandes beträgt 22 4. Centralblatt für praktische AUGENHEILKUNDE Herausgegeben von Prof. Dr. J. Hirschberg in Berlin. Preis des Jahrganges (12 Hefte) 12 A; bei Zusendung unter Streifband direkt von der Verlagsbuchhandlung 12 .% 80 2. Das „Oentralblatt für praktische Augenheilkunde“ vertritt auf das Nachdrück- lichste alle Interessen des Augenarztes in Wissenschaft, Lehre und Praxis, vermittelt den Zusammenhang mit der allgemeinen Medizin und deren Hilfswissenschaften und gibt jedem praktischen Arzte Gelegenheit, stets auf der Höhe der rüstig fortschrei- tenden Disziplin sich zu erhalten. DERMATOLOGISCHES CENTRALBLATT INTERNATIONALE RUNDSCHAU AUF DEM GEBIETE DER HAUT- UND GESCHLECHTSKRANKHEITEN. Herausgegeben von Prof. Dr. Max Joseph in Berlin. Monatlich erscheint eine Nummer. Preis des J ahrganges, der vom Oktober des einen bis zum September des folgenden Jahres läuft, 12 .%. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes, sowie direkt von der Verlagsbuchhandlung, N eurologisches Zentralblatt. Übersicht der Leistungen auf dem Gebiete der Anatomie, Physiologie, Pathologie und Therapie des Nervensystems einschließlich der Geisteskrankheiten. Begründet von Prof. E. Mendel. Herausgegeben von Dr. Kurt Mendel. Monatlich erscheinen zwei Hefte im Umfange von je 4—5 Druckbogen zum Preise von 16 % halbjährig. Gegen Einsendung des Betrages direkt an die Verlagsbuch- handlung erfolgt regelmäßige Zusendung unter Streifband nach dem In- und Auslande. Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten. Herausgegeben von Prof. Dr. C. Flügge, und Prof. Dr. G. Gaff ky, Geh. Medizinalrat und Wirkl. Geh. Obermedizinalrat. Direktor des Hygienischen Instituts der Universität Berlin, Die „Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten“ erscheint in zwanglosen Heften. Die Verpflichtung zur Abnahme erstreckt sich auf einen Band im durchschnitt- lichen Umfang von 30—835 Druckbogen mit Tafeln; einzelne Hefte sind nicht käuflich. Das ARCHIV für ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE, Fortsetzung des von Reil, Reil und Autenrieth, J. F. Meckel, Joh. Müller, Reiehert und du Bois-Reymond herausgegebenen Archives, erscheint jährlich in 12 Heften (bezw. in Doppelheften) mit Figuren im Text und zahlreichen Tafeln. 6 Hefte entfallen auf die anatomische Abteilung -und 6 auf die physiologische Abteilung. Der Preis des Jahrganges beträgt 54 4. Auf die anatomische Abteilung (Archiv für Anatomie, herausgegeben von Dr. Wilhelm Waldeyer, Dr. Hans Virchow und Dr. Paul Röthig in Berlin) sowie auf die physiologische Abteilung (Archiv für Physiologie, herausgegeben von Dr. Max Rubner) kann besonders abonniert werden, und es beträgt bei Einzelbezug der Preis der anatomischen Abteilung 40 %#, der Preis der physiologischen Abteilung 26 4. Bestellungen auf das vollständige Archiv, wie auf die einzelnen Abteilungen nehmen alle Buchhandlungen des In- und Auslandes entgegen. Die V erlagsbuchhandlung: Veit & Comp. in Leipzig. Metzger & Wittig, Leipzig. Archiv f Anat. 22 Phys. 1913. Phys. Abtlg. Taf. Lith.Anst.\ E.AFunke Leipzig. Verlag Veit &Comp. Leipzig. Archiv f.Anat.u.Phys.1913. Phys. Abtlg. Taf. I. j \ Hi Lith.Anst.v.E.AFunke Leipzig. Verlag Veit &Comp. Leipzig. Archiv f_Anat. u, Phys.1913. Phys.A bilg. ul wu =» BP ges sam an Du % u“ cr vo. n j L D % > E* = ® 3 a a Dig S ts a Sm. BR GE ne ur = mg x Se De San Se DE S,. Beer Se re Tas, »o, un . ur m ER, S Boca Verlag Veit 8 Taf. „see Sp= 07 = © 3 „ser“ Soon use us : Pa DAHER un ct EI mn os 2 on“ Nasans> Be ba ar 23 = > TR Bm rt nme en ans Bi,e en R 5% oo.” = os” in,so==t Re = u. =. N wu ee Dan De 2 [55 > nn are ’ Si BR 5 we, v Fe u u u en nn - ee en = Lith.Anst.v.®AFunke Leipzie. . Leipzig. Taf Archiv f.Anat. u.Phys.1913. Phys. Abtlg. Cr 1777 er lei sie a, EN ern '“ 3 5 o®°© En RR [\ zes“ EG x „> PS, a nn: nano a. u‘ Dr sogen, - . . oo, FB N San Se „.“ m Eueaanert u SL e= waerz m nam N a > zsuo.u-.u. ve—mgretTiyen Fr 4 nn sn Fo Daooade® na om. we‘ Ds ee cr - PP 7 2 2 Pr an Dee EI 2 27 x zw, - a. u OR a Ge „au a ya w = AR, }. : >, u} F eo S er N I [ a Su laan, .r sus "man ot ae nee e u u 23 er a Pr S x £ BA . _ “u. ; An fı Ian, A a enger P% er ee FA - nn - # wre eis rn 2 a Sn ST ne = ee u ar nn, . aa ul LithAnst.viE.A Funke,Leipzig, Verlag Veit &Comp. Leipzig H # r ' + } ; + N + ) } Y } } ‘ WERT Taf rchiv £ Ana£. u. Phys.1913. Phys. Abtig. | | Lith Anst.x.E.A Funke Leipzig. Verlag Veit &Comp. Leipzig, - Ir + a y „ . ’ I DE D - 3 5 Lein er EN > Taf. V. Archiv f. Anat. u. Phys. 1913. Phys. Abtlg. a TE |äheeair. An 1-3 ya Baal EIG ping Fig. 3. Verlag von VEIT « COMP, in Leipzig. ne En re EN Ar en en ee en Taf. PL. Archiv f. Anat. u. Phys. 1913. Phys. Abtig. PB Bil ck Ai Fa ac sau za Da BR — HH a! = na w ne | 1 Se Tea uns a, | er a aan Fig. 5. Fig. 4 EH :® Ib: NEN ul | = 4 “a i a 1 7 “m Ei) wG hs (* .- Verlag von VEIT & COMP, in Leipzig. = —, FE ho BO ENNEREINEEESEFEEBIIESEEEBR An en se nme nn Nenn ne — ie ern en un rer nIunNIDIAUN 3 2044 093 333 569 OLLL LoTE34TY7 SMITHSONIAN INSTITUTION LIBRARIES IINLILINNNIIINNINUNNN 3 9088 01470 3748 BE ern nenn & en rm rn ee